H n. B . H . B rockes, Lt. Com. Palat. Cæsar., Raths-Herrn der Stadt Hamburg, und Amtmanns zu Ritzebuͤttel, J rdisches V ergnuͤgen in GOTT , bestehend in Physicalisch- und Moralischen G edichten, Fuͤnfter Theil, mit einer Vorrede zum Druck befoͤrdert von B. H. Brockes, Jun. HAMBURG , bey Conrad Koͤnig , 1736 . V orrede. D ie oͤfftere Ausgaben des J rdischen V ergnuͤ- gens in G OTT, das oͤf- fentliche Zeugniß vieler Leser des- selben, und das Gestaͤndniß an- derer scheinen mir gewisse Be- weise des guͤtigen Beyfalls zu seyn, den dieses Werck erhalten ):( 2 hat, Vorrede. hat, dessen Haupt-Absicht ledig- lich in der Erbauung und heil- sahmen Anwendung der Dicht- Kunst bestehet. Als ein Sohn des Verfassers sehe ich mich verbunden, uͤber die gewogene Aufnahme dieses Wer- ckes mich zu erfreuen, und zwar die geneigten Urtheile, womit es beehret worden, alhier eben nicht ausfuͤhrlich anzuzeigen, gleichwohl aber meine Danck- Pflicht und mein Vergnuͤgen nicht gaͤntzlich zu bergen, da ich gegenwaͤrtigen F uͤnften T heile einen Vorrede. einen gleichen Beyfall wie den vorigen versprechen darf, und von meinem Vater die Erlaub- niß habe, ihn hiemit der gelehr- ten Welt zu uͤbergeben. So haͤuffig, so betraͤchtlich auch diejenigen mehrentheils be- kannte Lob-Spruͤche sind, wo- durch man meinen Vater zur Fortsetzung seiner Poetischen Be- trachtungen aufmuntern wollen, so ist der doch lange unschluͤßig ge- wesen, ehe er auf vieler Freunde Verlangen mehrere Gedichte die- ser Art dem oͤffentlichen Drucke uͤberlassen. ):( 3 Jch Vorrede. Jch meines theils wundere mich hieruͤber nicht, so oft ich den verschiedentlichen Geschmack der- jenigen ansehe, die Schrifften be- urtheilen, von denen gleichwohl viele das Recht, ein Buch zu cri- tisiren, sich mit dem Buche selbst erkauffen, nicht wenige aber, auch ohne diese Unkosten, den Wehrt und Unwehrt neuer Wercke, nach den Begriffen anderer oder nach ihren eigenen Muthmaßungen, meisterlich fest zu stellen wissen. Es giebt eine Menge unstraͤf- licher prosaischer Christen, denen das Vorrede. das Beyspiel der lieben Jhrigen beyderley Geschlechtes vorleuch- tet, die ihre Gedancken nur in ungebundener Rede heiligen, und daher in geistlichen Schrifften das gebundene verachten, und die Dicht-Kunst nur in Choralen vertragen koͤnnen, sonst aber kei- nes Anblicks, oder bey einem kur- tzen Anblick wenigstens keiner Gewogenheit wuͤrdigen. Andere sind von so sproͤden Empfindungen, daß sie in der Andacht uͤberhaubt die Sel- tenheit und Kuͤrtze lieben, und ):( 4 die- Vorrede. diesen feinen Geistern sind we- nige Blaͤtter genug, die der natuͤrlichen und geoffenbahrten Religion das Wort reden. Vielleicht finden sich noch an- dere, die den Schoͤnheiten und Reichthuͤmern der Natur nur den Raum zum Umfange setzen, den sie selbst uͤbersehen. Diese haben schon die Vorwuͤrffe sorgfaͤltig ausgerechnet, und besitzen eine fruͤhe Uberzeugung, daß alle Materien bereits abgehandelt sind, die in Erwegung dieser Fuͤlle beschaͤfftigte Poeten zu neuen Vorrede. neuen Betrachtungen reitzen, und nachher veranlassen koͤnnen, solche bekannt zu machen, nur um dem Vorwitz solcher Leser zu willfahren, die nicht so grosse Kenner sind, als diese Herren selbst. Haͤtte mein Vater nur diese zu Rathe gezogen, so duͤrfte die Anzahl seiner Physicalisch- und Moralischen Gedichte sehr klein seyn, und ich wuͤrde nicht einen neuen Theil den Goͤnnern seiner Schrifften mittheilen koͤnnen. ):( 5 Noch Vorrede. Noch aber vermeinet er, in der unbegraͤntzten Quelle erschaffe- ner Dinge und derselben Man- nigfaltigkeit neue Schaͤtze be- mercket zu haben, die ihn auf- muntern, in einer Arbeit nicht zu ermuͤden, welche den Ruhm des Hoͤchsten verbreitet, seine Leser, wie ihn selbst, auf beleh- rende Spuren der Gottheit len- cket, und diejenigen Pflichten in den Menschen rege und lebhaffter machet, die in Bewunderung, Danck und Ehrfurcht gegen der ewigen Weisheit, Liebe und All- macht Vorrede. macht des Schoͤpfers sich wohl nicht zu offt aͤussern koͤnnen. Dieser unerschoͤpflichen Quelle alles Guten weyhet er seine Ge- dichte, und ist zufrieden, wenn sie nur solche Wunder verherrli- chen, die zum Vergnuͤgen der- jenigen etwas beytragen, die mit Ehrerbietung und Auf- mercksamkeit GOTT in seinen Wercken verehren. Jch halte mich verpflichtet, hiemit oͤffentlich zu bezeugen, wie sehr ich S einer H och- E del- Vorrede. E del- G ebohrnen, dem H errn Dr. WILKENS, es zu verdancken habe, daß Er mit der Besorgung des Drucks sich bemuͤhen wollen. Er hat sich solchen so sehr angelegen seyn lassen, daß gegenwaͤrtiger Theil noch diese Messe ans Licht tritt: Denn, ob ich zwar die Correctur schon uͤber mich ge- nommen, und damit bereits den Anfang gemacht hatte, so ward ich doch sehr zeitig gehindert, da- mit fortzufahren, da ich mich 14. Meilen von Hamburg, zu Ritze- Vorrede. Ritzebuͤttel, bey meinem Vater, aufhalten muste. Mir konnte demnach nichts erwuͤnschters seyn, als dieses Werck der Auf- sicht und Vorsorge eines so ge- neigten Kenners uͤberlassen zu koͤnnen. Seine Gewogenheit koͤmmt dem Verlangen seiner Freunde zuvor, und sie bewun- dern in Jhm einen feinen Ge- schmack, der mit ungemeiner Guͤte und Aufrichtigkeit ver- knuͤpft ist, und so wenig in sei- nen Neigungen als in seiner Schreib-Art etwas falsches und tadelhaftes verraͤht. Mir Vorrede. Mir gereichet es indessen zu einem besondern Vortheile, daß ich, durch Seine Beyhuͤlffe, die- ses Werck desto eher dem geneig- ten Leser liefern kann, dessen Gewogenheit ich mich schließlich bestens empfehle. Hamburg, den 20. April. 1736. B. H. Brockes, Jun. J rdi- J rdisches V ergnuͤgen in GOTT . F uͤnfter T heil. Betrachtung des Himmels. W enn, von Leidenschaft gereinigt, mein erheiter- tes Gemuͤth Jn die gleichfals reine Tieffe, des entwoͤlckten Himmels sieht; Treff’ ich solch ein rein Vergnuͤgen, in der reinen Klar- heit an, Das ich halb entzuͤckt zwar fuͤhlen, aber nicht beschreiben kann. Dieser unumschraͤnckte Raum, dieses weite Himmels-Feld, Das in Boden-loser Tieffe, ungezehlte Welt’ enthaͤlt, Jst, in seiner weiten Groͤsse, eine rechte Seelen-Weide, Und umgiebt, durchdringt, erfuͤllet meinen Geist mit heil- ger Freude. Durch den Blick scheint sich mein Geist, gantz erstaunt, an allen Seiten, Jn die Hoͤhe, in die Weite, voll Vergnuͤgen auszubreiten, Und auch in den gantz entlegnen, unerforschten Abgrunds- Gruͤnden, Eben so, wie in der Naͤhe, GOTT zu suchen und zu fin- den. Das, aus Licht und ferner Tieffe, wunder-schoͤn formirte Blau, Welches ich mit Lust und Ehrfurcht, und fast bangen Freu- den schau, A 2 Zei- Betrachtung des Himmels. Zeiget mir ein aus der Gottheit hergeflossnes Sonnen- Licht; Und die Tieff’ ohn End’ und Graͤntzen sieht mein forscheu- des Gesicht Als ein wuͤrdigs Reich des Schoͤpffers, das unendlich son- der Schrancken, Wo, in alle Ewigkeit, mensch- und englischen gedancken Kein Bezirck, kein Ziel, noch Ende zu ersinnen, moͤglich faͤllt, Mit erstauntem Blicken an. Diese grosse Sternen-Welt, So viel Millionen Sonnen, sind die Proben seiner Liebe, Seiner Weisheit, seiner Macht. Denn was sonst, als Liebe, triebe Sein in sich schon seeligs Wesen, Creaturen, aus dem Nichts, Zum Gebrauch so vieler Guͤter, zum Genuß des schoͤnen Lichts, Ja zur Seeligkeit zu schaffen? GOttheit, deren ewigs Wesen heilig, seelig, herr- lich, wahr, Unerforschlich, weis’, allmaͤchtig, liebreich und unwan- delbar! Laß mich von dem hellen Himmel nie die Strahlen-reichen Hoͤhen, Ohn’ an deine Lieb’ und Macht froͤlich zu gedencken, sehen! Biß mein Geist, nach dieser Erde, von der ewgen Sonnen Schein Wird, unmittelbar bestrahlet, ewiglich erleuchtet seyn. Fruͤhe Fruͤhe Fruͤhlings-Vorwuͤrffe. J m vier und dreißigsten, auf siebzehn hundert Jahr, Hab ich bereits im Februar, Nachdem wir wenig Frost, kaum Eis, und keinen Schnee Den gantzen Winter durch gesehn, Nebst andern Blumen auch, ein schoͤnes Fruͤhlings-Kind, Ein’ aufgebluͤhte Hyacinth, So aus dem Lande schon, ohn alle Kunst, gestiegen, Mit lieblichem Geruch erfuͤllt, und schoͤn geschmuͤckt, Jn weislich-blauer Pracht, mit innigem Vergnuͤgen, Fast fuͤr Verwundrung stumm, erblickt. Es war ein aufgeklaͤrt- und schoͤner Tag; Solch eine Heiterkeit, Wie man, in voller Fruͤhlings-Zeit, Am Firmament zu sehen pflag, Schien mit der Erde sich zu fuͤgen, Schien uͤberall auf Gras und Kraut zu liegen. Wenn hie und da, durch das noch zarte gruͤn Des jungen Krauts, das Licht der Sonnen schien; War jedes Blatt durchlaͤuchtig, und der Grund, Worauf die gruͤne Schoͤnheit stund, Vermehrte, durch die Dunckelheit, Die fast schmaragdne Lieblichkeit. Es zeigten der Narciss- und Tulpen Blaͤtter Nur halb annoch gesehne Spitzen sich: Jhr neues Gruͤn vergnuͤgte mich Recht inniglich, Zumahl bey dem so angenehmen Wetter. A 3 Nicht Fruͤhe Fruͤhlings-Vorwuͤrffe. Nicht weniger gefiel auch mir Des Buchs-Baums roͤthlich-gruͤne Zier, Auf welchem, da ein jedes Blatt, Recht wie Orangen-Laub, fast Spiegel-glatt, Der heitern Sonne helles Licht Schnell ruͤckwerts strahlt und sich so lieblich bricht, Daß, mit der gruͤnen Pracht, an manchem Ort, vereint, Das Kraut, an manchem Ort, versilbert scheint. Ein lieblich-bitter-suͤsser Duft Aus diesem Kraut erfuͤllt umher die Luft. So gar durch die Figur, worin man es gesetzet, Da es bald als ein runder Krantz formirt, Bald als ein Rahmen, der geviert, Jn netter Symmetrie die Garten-Beeten ziert, Wird unser Aug’ ergetzet. Diß alles nahm mit einem neuen Schein Das innerste der Seelen ein. Die Hofnung, daß der Winter bald vorbey, Der laue Fruͤhling nahe, sey, Erfuͤllt mich zum voraus mit kuͤnftigem Vergnuͤgen. Aus der so oft gesehnen Lentzen-Zier Stell’ ich mir die zukuͤnftge Schoͤnheit fuͤr. Die Seele scheint sich zu bemuͤhn, Durch die Erinnerung herbey zu ziehn Und sonder Gegenwart zu fuͤgen, Das was noch nicht, mit dem was nicht mehr, ist. Wer Fruͤhe Fruͤhlings-Vorwuͤrffe. Wer GOttes Ordnungen ermißt, Die in der Aenderung unwandelbar Kann schon aus dem, was ehemahls gewesen, Das Kuͤnftige, wie gegenwaͤrtig, lesen. Ach HErr laß mich gesund die Fruͤhlings-Zeit erleben! Laß mich, dir Lob und Danck fuͤr so viels Guts zu geben, Und deine weise Macht und Liebe zu erheben, Jn froher Achtsamkeit zum oͤftern mich bestreben! A 4 Be- Betrachtung der in den Knospen Betrachtung der in den Knospen ent- haltenen Wunder. W illkommen, liebste Fruͤhlings-Sprossen, Die ihr theils gruͤnet, theils schon bluͤht; Jhr Knospen, die man ofters sieht, Eh’ man es meint, schon aufgeschlossen; Die ihr recht von einander springt, Und, sonderlich bey schoͤnen Wetter, Uns eine Menge schoͤner Blaͤtter, Als lauter Wunder-Kinder, bringt! Wie wuͤrd’ uns euer Glantz und Schein So nuͤtzlich und ersprießlich seyn, Eroͤfnetet ihr uns zugleich Welch eine wunderbare Kraft Jn euren Wesen wirckt! was euch Und euren regen Wunder-Saft So kraͤftig in Bewegung bringet! Ob ihr nur Stoß-weis’, oder nicht Vielmehr bestaͤndig, vorwerts dringet! Ach, gaͤbet ihr uns doch Bericht, Woher der Farben Schmuck, der Bildung Zierlichkeit, Die Anmuth des Geschmacks in eurer Frucht entstehet! Wie kann sich in so rauhen Rinden Ein solcher strenger Trieb, solch’ eine Kunst, befinden, Die, besser als der Menschen Hand, Ja aller menschlicher Verstand, Geschickt, so liebliche Figuren zu formiren, Sie so zu faͤrben und zu zieren! Wahr- enthaltenen Wunder. Wahrhaftig, wenn ich bey euch steh Und eure Form und Farben-Pracht beseh, Erstaunt mein Geist mit Recht und dencket: Kommt dieß von ungefehr? Ach nein: Der diese Kraft in euch gesencket, Muß groß, muß eine GOttheit seyn! A 5 Be- Betrachtungen uͤber die erste Schoͤnheit Betrachtungen uͤber die erste Schoͤnheit der Baͤume im Fruͤhling. S o bald die Knospen erst sich von einander geben, Woruͤber sich ein Aug’ in Hofnung schon erfreut, So scheint der gantze Baum, mit zartem Gruͤn bestreut, Als wenn um jeden Ast viel gruͤne Puncte schweben. Viel tausend kleine gruͤne Tuͤpfel Bedecken uͤberall den Wipfel. Wenn nun der Sonnen heller Strahl Jhr zaͤrtliches Gespinste manches mahl Bestrahlet und durchdringt; sollt einer oͤfters meinen, Daß uͤberall im Baum gelb gruͤne Funcken scheinen. Wenn sich die Blaͤtter nun vergroͤssern und verbreiten, Vermehren und vergroͤssern sich Derselben gruͤne Lieblichkeiten! Jndem ein gruͤner Dunst, den man mit Anmuht sieht, Sich um den gantzen Baum so dann gemaͤhlig zieht. Durch den nicht gaͤntzlichen Zusammenhang der Blaͤtter Kommt jeder Vorwurf uns so dann nicht anders vor Als saͤh man ihn durch einen gruͤnen Flor; Das uns denn, sonderlich bey heiterm Wetter, Von unten auf den himmlischen Sapphier, Von oben ab der Erden gruͤne Zier Annoch verschoͤnert weiset; So daß wer es, mit achtsamen Gemuͤth Und einiger Erwegung, sieht, Jn seiner Augen Lust, mit Recht, den Schoͤpfer preiset, Der uns zu unsrer Lust, die Welt so lieblich schmuͤckt, Und der Baͤume im Fruͤhling. Und wovon, in den schoͤnen Wercken, Wenn man sie mit Vernunft erblickt, So Macht als Lieb und Weisheit zu bemercken. Wann nun in kurtzer Zeit die gruͤnen Zweige schiessen, Die Blaͤtter sich vergroͤssern und sich schliessen, So laͤßt an jedem Baum, nicht minder schoͤn, Sich eine neue Art von Schoͤnheit sehn, Jndem, da sich das Heer der Blaͤtter fast vereint, Der Baum ein gruͤn Gewoͤlck, ein gruͤn Gewoͤlbe scheint. Es laͤßt als truͤge jeder Ast Nicht ohne Muͤh der Blaͤtter gruͤne Last. Die schwancken Zweige haͤngen nieder, Und gleichen, da sie abwerts hangen, Und in sanft-wallenden und gruͤnen Schimmer prangen, Dem abwerts haͤngenden Gefieder Von gruͤn-beaugten Pfauen-Schwaͤntzen, Nur mit dem Unterscheid, daß die mit blauen, Da diese hier mit gruͤnen Augen, glaͤntzen. Wenn wir demnach, im lauen Lentzen, Der gruͤnen Baͤume Pracht beschauen; So laßt es ohne Danck und Andacht nie geschehn! Laßt uns in unsrer Lust denjenigen erhoͤhn, Durch dessen Lieb’ und weise Macht, Was schoͤn und herrlich ist allein hervorgebracht! Das Das Sonnen-Reich. Das Sonnen-Reich. Aus der duncklen Erde steigen Pflantzen in die duͤn- ne Luft: Warum solten unsre Seelen nicht, aus irdscher Luͤfte Duft, Jn die Himmels Luͤfte steigen, um in ihren reinen Hoͤh’n, Durch ein reines Licht erleuchtet, GOttes Werck auch dort zu sehn? M it nicht auszudruͤckender, inniger, und sanfter Freude Find’ ich auf den Garten Beeten jetzt, zur fruͤhen Fruͤh- lings-Zeit, Eine recht bewundrungs-wehrte Hertzen-Seel-und Augen- Weide So mein gantzes Wesen fuͤllet mit besondrer Lieblichkeit. Die noch gestern gantze Beeten sind anjetzt schon voller Ritzen, Voller ofnen luckern Stellen. Seht, wie kleine gruͤne Spitzen, Zwischen kleinen Erden-Kloͤssen, aus den duncklen Spal- ten dringen, Seht wie sie nicht hie und da, sondern uͤberall, entspringen. Ein vernuͤnftig Menschen-Auge kann nicht sonder Anmuht sehn Jn so suͤsser Meng und Ordnung kleine gruͤne Pfriemen stehn, Die aus ihrer duncklen Wohnung mit so strengem Druck sich heben Daß noch oͤfters an den Spitzen kleine Erden-Kloͤsse kle- ben. Nied- Das Sonnen-Reich. Niedlich laͤßt’s, wenn ihre Haͤupter, die schon aus dem Boden ragen, Das, was sie vorhin bedeckt, mit sich in die Hoͤhe tragen. Hier wird aus dem fetten Grunde, welcher gleichsam auf- gesprengt, Manches krause Tulpen-Blatt allgemach hervorgedraͤngt. Zwischen ihren hellern Gruͤnen, sieht man oͤfters dickre Stangen Roͤthlich-gruͤner Kayser-Cronen, mit besondrer Zierde, prangen. Die, da sie, mit strengerm Drang als die andern, sich er- hoͤhn, Zierlich krause Buͤsche zeugen, wenn sie von einander gehn. Es entwickeln, es eroͤffnen, theilen und verbreiten sich Hyacinthen und Terzetten, uͤberall fast sichtbarlich. Ja es glaͤntzt, nebst Gold und Silber, auch schon Purpur hie und da Jn der Crocos, in der Schnee-Bluhm, und in der Hepatica. Liebster GOtt! woher entstehet die Veraͤndrung? Fiel mir ein: Es kann, allem Ansehn nach, nirgend anders her entstehen, Als vom all-erleuchtenden und erwaͤrmden Sonnen-Schein, Dem wir uns nun allgemach mit Vergnuͤgen naͤher sehen. Aber, dacht ich ferner nach: fallen von des Himmels Hoͤhen Neue Strahlen denn herab? kommt die Sonne zu uns her? Und ergießt ihr waͤrmend Licht, als ein fliessend Feuer-Meer, Sich auf uns wie eine Fluth? Nein, es tritt der Erden Flaͤche, Worauf unsre Wohnungen, die wir Nordwerts wohnen, stehn, Durch der Erden wunderwuͤrdig eingerichtet stetigs drehn, Samt Das Sonnen-Reich. Samt der Luft die uns umgiebet, und so Flut als Land umhuͤllt, Jn den warmen Himmels-Strich der bestaͤndig angefuͤllt Von der Sonnen Glantz und Glut. Dieses Licht-Reich zu bedencken Und in seinen hohlen Raum, unsers Geistes Kraft zu sencken Soll anjetzt mein Endzweck seyn. Aber ach! wird dieß sich fassen Und sich etwas Zuverlaͤßigs von der Tieffe dencken lassen? Dennoch schreckt die Schwierigkeit meine feste Seele nicht, Die, nur blos zum untersuchen, auf die Welt gesetzet scheint, Und von ihres Wesens Endzweck dieß mit hoͤchsten Rechte meint Daß, den Schoͤpfer in den Wercken zu bewundern, ihre Pflicht. Nun so breite dich, mein Geist, jetzt, nach Art der Pflantzen, aus! Brich, so wie sie durch die Erde jetzo brechen, durch die Luft! Hebe dich jezt, uͤbersteig und durchdringe Duͤnst’ und Duft! Such, in einen reinern Himmel, der von ird’schen Duͤnsten leer, Uber unsrer Luͤfte Meer, So wie Pflantzen, Kraͤuter, Blumen, nebst der Baͤume saft’gen Zweigen, (Die durch einen innern Trieb sich verlaͤngern) auch zu steigen, Um im Geist das Laub der Freuden, und, nebst holder An- dacht-Bluͤthe, Auch die Frucht der Danckbarkeit, in beseeligtem Gemuͤhte, Zu des Schoͤpfers Ruhm und Preise, zu erzielen und zu zeugen. Da Das Sonnen-Reich. Da, wo die gedehnte Luft, die den Erden-Kreis um- ringt, Und durch unaufhoͤrlichs Duͤften aus der Erd’ und Fluth entspringt, Jhre Graͤntzen hat, sich endet, und zuletzt sich so verduͤnnt, Daß derselben Wesen selbst unsers Geists Begriff entrinnt; Dahin soll sich jetzt mein Geist, und des Denckens Kraft erstrecken, Um, wo moͤglich, neue Wahrheit, GOtt zum Preise, zu entdecken. HERR, ich suche, laß mich hier Jn den unermeßlichen nur durch dich erfuͤllten Gruͤnden, Spuren deiner ew’gen Liebe, ew’gen Macht und Weis- heit finden! Welch ein Boden-loser Abgrund, welche weite sonder Schrancken, Welch ein ungeheuret Raum, welch ein unaufhoͤrend Meer Oefnet seine tieffe Weite, zeiget sein unendlichs Leer Den daruͤber gantz erstaunten und verwirreten Gedancken! Alle Graͤntzen ziehen sich unbegreiflich weit zuruͤck; Es erstaunt ob dieser Tieffe selbst der Seelen reger Blick; Jhre Kraͤfte werden hier schwindelnd gleichsam umge- chwungen; Ja es wird ihr denckend Wesen fast gehemmet, fast ver- schlungen! So viel man ermessen kann, scheinet diese Tieffe rein, Und von allem irdischem Stoff und Wesen leer zu seyn. Ein’ ununterbrochne Ruh’, eine nie gestoͤhrte Stille Herscht in diesem tieffen Raum. Blos von einem zarten Licht Voller Das Sonnen-Reich. Voller reinen Heiterkeit wird hier eine dichte Fuͤlle Von Geschoͤpfen, die das Wesen dieser holden Glut be- ruͤhrt, Mit Erquicken, Waͤrm, und Leben, Fruchtbarkeit und Lust gespuͤhrt. Da das Licht hier, allen Dingen Anmuth Lust und Freud erreget, Ja dieselben fast beseelt, ob gleich hier der Sonnen-Schein Durch die Luft erst auf uns wircket, folglich nicht so hell so rein, Als vermuthlich dorten, strahlet; was (wenn man es wol erweget) Muß in dem verklaͤrtem Raum fuͤr ein Glantz und Schimmer seyn! Was fuͤr Wunder-volle Kraͤfte, die dort aus der Sonne quillen, Welch ein Anmuth-reiches glaͤntzen muß hier diese Tieffe fuͤllen! Wie muß alles hier so herrlich, froͤlich, heiter, hell und klar, Lieblich, schoͤn und glaͤntzend seyn, da das Licht unmit- telbar Solche Creaturen trift, die des reinen Feuers brennen Und sein Licht ohn Gegenschlag sehen, und ertragen koͤnnen! Jn wie heller Pracht und Klarheit muß nicht dort das Heer der Sternen Jn den reinen Tieffen funckeln, wie so deutlich, wie so rein, Da sie dort sich nicht, wie hier, durch den Zwischen-Stand entfernen Und nicht durch den Duft der Luͤfte, so wie hier verdecket seyn! Welche Das Sonnen-Reich. Welche suͤß’ und reine Wollust muͤssen die Geschoͤpf’ em- pfinden, Die sich dort, ohn alle Hindrung, von dem Licht bestrahlet finden, Fuͤhlen und durchdrungen sehn! Denn wer glaubt nicht, GOtt zur Ehr, Daß der Raum ohn alle Graͤntzen nicht von Creaturen leer; Sondern ebenfals von Wundern seiner Macht und Weis- heit voll? Wer dem wiedersprechen wollte, denckt suͤrwahr nicht wie er soll. Heischet es der Menschen Pflicht, von der GOttheit stets das Groͤste, Herrlichst’, Allerwuͤrdigste, das Vollkommenste, das Beste Zu gedencken und zu glaubeu; so wird man ja dieß nicht fassen, Daß der Schoͤpfer solches Raums tieffe Tieffen leer ge- lassen; Leer von allen Gegenwuͤrffen seiner Weisheit, seiner Liebe, Die ihn doch allein die Wunder, die er schuf, zu schaffen triebe: Leer von einem jeden Vorwurf seiner unumschraͤnckten Macht, Ja, der Ehre seines Nahmens! Aber, was nun eigentlich Solcher Creaturen Wesen und Natur verhehlet sich Unserm Geiste zwar; jedoch, wenn man lange nachgedacht, Solte man fast uͤberzeuglich von denselben dieses schliessen, Daß es keine Coͤrper seyn, sondern Geister, glauben muͤssen. B Ja Das Sonnen-Reich. Ja, wer weiß, ob unsre Geister, wenn sie sich vom Coͤrper trennen, Biß zur herrlichern Verklaͤrung nicht den Raum bewohnen koͤnnen? Ob sie nicht, in froher Anmuth, in den hellen Hoͤhen leben Und (ich muß ein irdisch Beyspiel, weil ein ander fehlet, geben) Etwan wie hier Fisch’ im Wasser sich bewegen, sencken, heben, Ja, noch leichter als die Voͤgel, wo sie hin verlangen, schweben? Ferner kommt mir, bey dem Dencken, dieß nicht unwahr- scheinlich fuͤr, Daß, da sie vorhin ja Buͤrger und Bewohner dieser Erden Oft so lange Zeit gewesen, sie nicht nur an jener Zier Jhrer Wohnung sich vergnuͤgen, sondern sich noch freuen werden An der Schoͤnheit dieser Welt, die derselbe GOTT ge- schmuͤckt, Welcher alle Himmel schuf; die so wol, als jene, wehrt, Daß, in Lust an ihrer Schoͤnheit, man den, der sie schuf, verehrt. Ja, ich glaub absonderlich, daß sie, nebst den eignen Schaͤ- tzen, Sich auch an den Fruͤhlings Wundern unsrer Erden noch ergetzen, Als die wuͤrcklich ebenfals durch denselben Sonnen-Schein, Der sie dorten naͤhrt, vergnuͤget, und erqvickt, gewir- cket seyn. Alle Flaͤchen dieser Erde, wie sie sich zur Sonne fuͤgen Und dadurch, im holden Fruͤhling, in verneuter Schoͤnheit stehn, Meh- Das Sonnen-Reich. Mehren sonder Zweifel ihr stets sich mehrendes Vergnuͤgen Da sie selbige zumahl so bey Nacht, als Tage, sehn Und vermuthlich unsers Schoͤpfers Allmacht, Lieb’ und Weisheit-Proben, Jm Erkennen, im Bewundern, inniglich vergnuͤget, lo- ben. Wenn wir nun zur Fruͤhlings-Zeit in den Himmels-Strich gelangen, Welcher voll begluͤckter Geister, laßt uns doch auch ihnen zeigen, Daß des Schoͤpfers Wunder-Wercke, und der Creaturen Prangen Einen Eindruck in uns mache! laßt uns dem zum Ruhm nicht schweigen, Welcher solche Wunder thut! Sollte, wenn wir GOTT verehren, Jn der Lust ob seinen Wercken, es nicht ihre Freude meh- ren? Jhr Vergnuͤgen noch vergroͤssern? sie noch mehr erfreun? Hingegen Sollte nicht bey allen Wundern unsre Unerkentlichkeit Und, fuͤr so viel schoͤne Gaben, unsre Blind- und Acht- losheit Sie betruͤben? Und, da wir GOttes Ruhm dadurch ver- hindern, Nicht allein auch ihre Lust auf gewisse Weise mindern; Sondern sie, mit recht empfindlich, um so ungerecht Be- tragen, Wo nicht uns zu hassen zwingen, wenigstens uns zu bekla- gen? B 2 Ob Das Sonnen-Reich. Ob nun etwan auch nicht glaublich, daß, da unsrer Sonnen Reich Jn den hohlen Himmels-Tieffen nicht an allen Orten gleich, Sondern, weil es keine GOttheit, ihr erwaͤrmend helles Glaͤntzen Von der GOttheit eine Maaß’ doch empfangen hab’ und Graͤntzen; Daß vielleicht den frommen Geistern zu dem Licht ein naͤh’- rer Stand, Boͤsen ein entferneter von der Sonnen Lebens-Licht Jn das Finsterniß hinaus (wie die Bibel selber spricht Wenn sie was von ihnen saget) sey zur Wohnung zuer- kannt, Wo vielleicht verschiedne Geister in bestaͤndgen Finsternissen Aller Lust und Lichts beraubt Kaͤlt’ und Elend dulden muͤssen: Oder, ob ihr Aufenthalt so gestellt, daß durch das Drehen Unsrer Welt, sie von ihr nichts, als nur Nordens Frost und Stuͤrme, Schlossen, Schnee, von Eis-Gebirgen unfruchtbare schroffe Thuͤrme Voller Wiedrigkeit, von Grauen, Kaͤlt’ und Gram durch- drungen, sehen? Da hingegen seel’ge Geister in begluͤcktern Himmels-Thei- len, Die der hellen Sonne naͤher, in bestaͤnd’ger Lust, verweilen, Wo sie, nebst unzehlich andern noch empfindlich-reinern Freuden, An der Erden-Pracht, die ihnen immer schoͤner scheint, sich weiden; Weil Das Sonnen-Reich. Weil sie nichts als solche Flaͤchen von dem Erden-Kreis erblicken, Die sich in dem Reich der Sonnen durch derselben Stralen schmuͤcken Und, durch ihr belebend Licht, in nie unterbrochnem Lentzen, Jn bestaͤnd’ger Harmonie suͤsser Farb-und Strahlen glaͤntzen, Die sie halb entzuͤckt, da sie so erquickend und so schoͤn, Dem, der sie nebst allen Himmeln herrlich schuf, zu Ehren sehn, Biß sie endlich wann die Zeit neuer Himmel, neuer Erden Einst erscheint, noch herrlicher, und vollkommen seelig werden? Die Gedancken fielen mir bey den jungen Pflantzen ein, Die zur holden Fruͤhlings-Zeit, durch den warmen Son- nen-Schein, Da sie durch das Drehn der Erden Jn derselben Lebens Reich allgemach gefuͤhret werden, Aus den duncklen Erden-Schooß wunderschoͤn geschmuͤ- cket, steigen, Und dadurch des Himmels-Strichs, wo der Sonnen Re- giment, Worin durch der Erde drehn GOTT uns einen Eintritt goͤnnt, Herrlichkeit, Beschaffenheit und Belebungs-Kraͤfte zeigen. Grosser Schoͤpfer, dessen Lieb’ uns schon einen Vor- schmack hier, Jn der Creaturen Pracht, Schoͤnheit, Anmuth, Schmuck und Zier, Von den kuͤnftgen Herrlichkeiten zeiget, gieb daß wir bey zeiten, Durch Betrachtung deiner Werck’ uns zur kuͤnftgen Lust bereiten! B 3 Sollte Das Sonnen-Reich. Sollte dieß von unser Seelen etwann dir nicht glaub- lich scheinen Und dich selbst gefaͤhrlich duͤncken, so ist es kein Glaubens- Satz, Und wir wollen hier nicht zancken. Gung daß von dem weiten Platz, Wir, daß er von GOttes Wercken und Geschoͤpfen leer, nicht meinen. Wer vom tieffen Meer nicht wuͤste, daß es voll Geschoͤpfe waͤr, Hielt es, so wie wir die Tieffe droben, sonder Zweifel, leer. Aber wie so unwahr dieses, liegt uns allen klar zu Tage. Wannenher ich noch einmahl diesfals meine Meinung sage: Es ist diß unstreitig wahr, daß wir, durch der Erde drehn, Nicht an einem Orte bleiben, und, da wir nicht stille stehn, Jmmer in dem Himmels-Strich einen andern Ort erlan- gen, Wo bald mehr, bald minder Anmuth, Waͤrme, Licht und Herrlichkeit. Wenigstens verdient der Sonnen Reich fast sonder End’ und Schrancken Daß wir unsrer Seelen Kern, die betrachtenden Gedan- cken, Dem, der Sonnen, Welt und Raum, dem, der aller Himmel Heere Blos nur durch sein Wollen schuf, zur Bewunderung und Ehre, Auf Das Sonnen-Reich. Auf die wunderbahre Wercke mit erstaunter Ehrfurcht lencken; Daß wir, wie nur er der Ursprung aller Wunder, oft be- dencken, Und in Demuth, Lust und Andacht ihm uns gantz zum Opfer schencken. Es erheischt ein GOttes Dienst grosse Vorwuͤrf’, und Jdeen, Die der GOttheit wuͤrdig sind, weil das Bild vom alten Mann Sonst nicht, wie es doch so noͤhtig, aus dem Hertzen wei- chen kann, Und wir, statt der wahren GOttheit, einen kleinen GOTT erhoͤhen. Unsrer Seelen (welcher GOtt eine grosse Kraft geschen- cket, Grosse Dinge zu betrachten) Lieb’ und Ehrfurcht wird vermehrt, Wenn man sie auf grosse Wunder grosser Creaturen lencket Und es wird, in grossen Wercken, GOtt am wuͤrdigsten geehrt. B 4 Noch Noch einige Betrachtungen Noch einige Betrachtungen der Blaͤtter. D a die glatten, saftgen Aeste Sich so nett, verwirrt und feste Lieblich in einander schrencken; Wuͤnschet der vergnuͤgte Blick Fast nicht wiederum zuruͤck, Sucht sich tieffer zu versencken. Denn er glaubt in ihren Gruͤnden, Zwischen denen glatten Rinden, Stets ein neues Gruͤn zu finden. Wuͤrcklich wird er auch gewahr, Wie der gruͤnen Knospen Schaar Das, womit sie sich erfuͤllen, Jhre Blaͤtter, zu enthuͤllen, Und das roͤhtlich braune Gruͤn Auszuschmuͤcken sich bemuͤhn. Wenn alsdann, bey heiterm Wetter, Durch den zarten Leib der Blaͤtter, Das entwoͤlckte Sonnen-Licht Hin und wieder lieblich dringt, Sich mit ihnen gleichsam gattet, Und durchstrahlet; so entspringt Ein fast brennend Gruͤn, zumahl Da, wo selbst der Grund beschattet Und der Sonnen heller Strahl Hie und da ein Blatt allein Trift, verklaͤrt, illuminiret. Durch den Farben-reichen Schein Wird im Aug’ ein Hertz geruͤhret; Und der Blaͤtter. Und wenn man, mit froher Brust, Eine rechte Seelen-Lust Aus des Fruͤhlings Pracht verspuͤhret; Wird der Geist mit Recht erhoͤht, Und zu dem, draus es entsteht, Zu dem grossen GOTT gefuͤhret. HERR, der du mit solchem Schein Und mit solcher Herrlichkeit, Sonderlich zur Fruͤhlings-Zeit, Alles wunderschoͤn geziert, Du allein Bist es, dem, fuͤr alle Gaben Die wie hier auf Erden haben, Ehre, Lob und Preiß gebuͤhrt! B 5 Fruͤh- Fruͤhlings-Gedichte. Fruͤhlings-Gedichte. D er strenge Winter ist vorbey, der laue Lentz erschei- net wieder; Auf, auf, mein Geist! nimm alle Kraft und alle Faͤhigkeit zusammen, Zu sehn, zu fuͤhlen, zu bewundern! Auf bringe Danck- und Lobes-Lieder Dem GOtt, aus dessen blossem Wollen, die Herrlichkei- ten alle stammen! Laßt uns von seiner Guͤt und Lieb’ und seiner weisen Macht nicht schweigen! Laßt uns, zu seinen heil’gen Ehren, auch andern unsre Freude zeigen! J etzt zur holden Fruͤhlings-Zeit, Da sich die Natur erneuet, Wird mit Lust und Lieblichkeit Alle Creatur erfreuet. Eine Fuͤlle von Vergnuͤgen Seh’ ich auf der Erde liegen, Auf den klaren Fluten schwimmen, Jn den reinen Luͤften glimmen. Es bebluͤmen sich die Felder, Es belauben sich die Waͤlder; Jhre duͤnn- und klaren Schatten Zieren die begruͤnten Matten. Jn der Thiere regem Blut Regt sich eine neue Glut, Daß sie froͤlich huͤpfen, springen, Froͤlich zwitschern, froͤlich singen. Seht Fruͤhlings-Gedichte. Seht das bluͤhende Gebuͤsche, Seht die Schuppen-reiche Fische, Hoͤrt das Klingen, das Gezische Der gefaͤrbten Voͤgel an! Riecht von so viel tausend Arten Blumen in dem bunten Garten! Fuͤhlt das Schmeicheln lauer Duͤfte! Hoͤrt des Saͤuseln linder Luͤfte! Seht, wie dort auf glatter Flut Die Sapphirne Himmels Glut, Jn schmaragdnen Ufern, ruht. Seht wie ihr polierter Spiegel Blumen, Kraͤuter, Busch und Huͤgel Lieblich, nach dem Leben mahlt! Gleicht nicht die bebluͤhmte Wiese, Von der Sonnen uͤberstrahlt, Gleichsam einem Paradiese? Alles was mein Auge siehet Pranget, funckelt, glaͤntzt und gluͤhet, Scheinet, schimmert, gruͤn’t und bluͤhet. Meine Seele wird erquickt, Wenn sie, wie die Welt geschmuͤckt, Schoͤner Lentz, in dir erblickt! Wenn ich an so mancher Stelle Dieser Wunder Meuge seh, Zieht mein Geist sich in die Hoͤh’, Suchet aller Wunder Quelle. Da nun faͤllt der Sonnen Licht Alsobald mir ins Gesicht, Diese giebt mir zu erkennen, Daß die Wunder auf der Erden Und Fruͤhlings-Gedichte. Und derselben holde Zier Form und Farben blos von ihr Wunderbar gewircket werden. Doch dieweil der Sonnen Glaͤntzen Maasse, Schrancken hat und Graͤntzen; Zeigt sich, daß ihr herrlich Licht Schoͤn, doch keine GOttheit nicht. Dennoch fuͤhrt sie uns am hoͤchsten Und der GOttheit fast am naͤchsten, Welche meine Seel’ in mir, Wie sich selbst, nicht sehen kann, Darum bet’ ich oft in ihr, Jn der Sonnen Kraft und Zier, Jhr, und meinen Schoͤpfer an. Wenn wir also sehn und spuͤhren Alle Wunder, die uns ruͤhren Jn der holden Fruͤhlings-Zeit, Laßt, durch frohes Sehn und Hoͤren, Uns den grossen Ursprung ehren, Der so wol die Herrlichkeit Und der Sonnen Licht und Pracht, Als die gantze Welt, gemacht, Und aus dessen blossen Willen Aller Dinge Wesen quillen. Grosse GOttheit, laß die Lust Unsrer von dem Wunderschein Deiner Werck’ erfuͤllten Brust Dir, durch dich, gefaͤllig seyn! Fruͤh- Fruͤhlings-Ergoͤtzlichkeiten. Fruͤhlings-Ergoͤtzlichkeiten. K ein Wunder ist es ja, daß uns die Welt Jm Fruͤhling etwas mehr, als sonst, gefaͤllt. Nur ist es desto mehr noch zu beklagen, Daß alle Wunder uns nicht noch weit mehr behagen. Jm Fruͤhling spuͤhrt man dreyerley Vergnuͤgen. Man verspuͤhrt, da Frost und Eis vorbey, Aus ihrer fast noch nahen Wiedrigkeit, Jm Gegenhalt der angenehmen Zeit, Wie in der Aendrung selbst was angenehmes stecke, Und sich im Wechsel noch um desto mehr entdecke. Man spuͤhrt fuͤrs andere der Anmuth Wuͤrcklichkeit, Und bey derselben steht noch ein Vergnuͤgen offen: Es laͤßt uns die Natur bey dem Genuß Und bey der Lieblichkeit so holdem Uberfluß Noch immer etwas bessers hoffen; Da Knosp’ und Bluͤht’, die auf- und von einander brechen, Viel zeigen, doch noch mehr versprechen. Auf laßt uns denn von allem, was so schoͤn, Doch etwas wenigstens bedachtsam sehn! Man siehet jetzt auf allen Zweigen Ein liebliches Gemisch von braun und gruͤn sich zeigen, Und wird, nicht sonder Lust, an vielen, Wie braun und gruͤn recht durch einander spielen, Jn einem bunten Glantz, gewahr. Wie glaͤntzen in entwoͤlcktem Wetter, Jn dieser holden Fruͤhlings-Zeit, Der glatten Knospen Heer, die zarten Blaͤtter! Der ofnen Knospen Meng’, an denen jedes Blatt Sich noch nicht recht formirt und ausgebreitet hat, For- Fruͤhlings-Ergoͤtzlichkeiten. Formiret in der blauen Luft Solch einen lieblichen durchsichtig-gruͤnen Duft, Daß keine Vorwuͤrf’ unsern Augen Mehr Anmuth zu erwecken taugen. Wann dieses gelbe Gruͤn bald dort, bald hier, An etwas mehr schon ausgebrochnen Buͤschen, Auf dunckel-gruͤnem Grunde stehet, Und also gelblich-gruͤn und dunckel-gruͤn sich mischen; Wird ihrer beider Zier, Durch beider Gegensatz, erhoͤhet. Man sieht die Knospen sich fast sichtbarlich vergroͤssern, Der Blaͤtter Bildungen sich sichtbarlich verbessern, Aus ihren roͤthlichen Behaͤltern maͤhlig steigen, Und ein durchlauchtiges und zart Gewebe zeigen. Man sieht fast sichtbarlich Die aufgeqvollne Knospen spalten Und ihre gruͤne Zucht, die zarten Blaͤtter, Fast sichtbarlich entwickeln und entfalten. Jetzt sieht ein jeder Baum, ein jegliches Gestraͤuch, An jungen Blaͤtterchern und ofnen Knospen reich, Hier braun- da grau- dort gruͤnen Netzen gleich, Durch die der Blick frey hin und wieder irrt, Bald aber, durch der gruͤnen Knoten Menge, Jn eine holde gruͤne Enge Getrieben und gefangen wird, Jndessen, daß mit Anmuth und Vergnuͤgen Die neuen Voͤgel, par bey par, Durch dieses Netz bald hier, bald dar, Dem Schein nach fest, doch frey, unaufgehalten fliegen. Es Fruͤhlings-Ergoͤtzlichkeiten. Es praͤgt der Sonnen heitrer Schein Jm Lentzen ein recht laͤchelnd Wesen Fast einem jeden Vorwurf ein, Und was man nah und fern erblickt Scheint uns zur Anmuht neu geschmuͤckt. Der reinen Luͤfte blaue Glut Faͤrbt lieblich blau die glatte Flut, Ein gruͤner Glantz bedeckt die Waͤlder, Ein bunter, die bebluͤhmten Felder; Es schwimmt jetzt uͤberall, zur Anmuth unsrer Brust, Der rege Blick in lauter Lust. Man sieht jetzt, durch die hell- und reine Heiterkeit Der hell- und reinen Sonnen Strahlen, Worin, zumahl zur Fruͤhling Zeit, Ein jeder Vorwurf gleichsam schwimmt, Wodurch fast jeder Vorwurf glimmt, Sich jeden Vorwurf herrlich mahlen. Es blickt (nicht hie und da, ein Vorwurf nur) Die gantze sichtbare Natur Uns uͤberall jetzt gleichsam laͤchelnd an. Ach, laßt doch denn auch uns, durchs Lachen unsrer Erden, Ein Lachen zugerichtet werden! Ach, moͤchte doch, wenn man die Welt so schoͤn geschmuͤckt, Mit Andacht und mit Lust, zur Fruͤhlings-Zeit erblickt, Auch unser Geist dadurch geschmuͤcket werden, Daß uns der Erden Pracht und Schmuck und Schoͤnheit ruͤhren Und uns zu ihrer Quell, zum grossen Schoͤpfer, fuͤhren! Ach, moͤchte doch, durchs Gruͤne dieser Erden, Der Hofnung geistig gruͤn, die frohe Seele zieren! Ach Fruͤhlings-Ergoͤtzlichkeiten. Ach, wuͤrde doch in uns, durch bunter Blumen-Pracht, Die als ein Feuer gluͤht, ein Feuer angefacht Von Andacht und von Lust. Moͤcht uns der Rose Schein Zur reinen Liebes-Gluht ein schoͤner Zunder seyn! Des Himmlischen Sapphirs gestirntes blaues Prangen Erreg’ in unsrer Brust ein feuriges Verlangen, Nach jener Himmels-Lust in den gestirnten Hoͤhen Mit glaͤubiger Begier zu sehen! Der liebliche Geruch der Bluͤhte Erreg’, in suͤsser Lust, die Sehnsucht im Gemuͤthe, Dem Schoͤpfer Himmels und der Erden, Ein lieblicher Geruch zu werden! Auf eine solche suͤsse Weise Scheint, daß, zu seinem ew’gen Preise, Der Schoͤpfer seinen Zweck in Schaffung dieser Welt, So viel an uns, am wuͤrdigsten erhaͤlt. Wirck- Wirckung des Regens im Fruͤhling. Wirckung des Regens im Fruͤhling. N ach einem lang-und fcharffen Osten-Winde, Der im April und Maͤrtz geherrschet, und das Land Fast gaͤntzlich ausgedorrt, fiel auf einmahl gelinde, Wie ich von ungefehr im Garten mich befand, Aus Suͤden, ein schon laͤngst erseufzter Regen. Mein GOtt, welch ein erwuͤnscht Bewegen, Das uͤberall der Erden Flaͤche ziert, Ward dadurch uͤberall verspuͤrt! Jch dachte nach, wie er so nuͤtzlich sey, Und fiel mir dieß daruͤber bey: Ach liebster GOtt! was trieffen nicht in diesem laͤngst-ge- wuͤnschten Regen Jn das fast ausgedorrte Land fuͤr Anmuth, Fruchtbar- keit und Segen! Es sagt mit Recht die Welt fuͤr diesen Segens-Tranck, Und ich absonderlich, dir, Vater, Lob und Danck. Die, durch die kalte Luft, zuruͤck gehaltnen Saͤfte Vermehrten die bißher gehemmten Kraͤfte, Und drengten recht mit Macht durch Staͤmm- und Zwei- ge sich. Die Knospen spalteten fast sichtbarlich. Es kamen junger Bluͤht’ und zarter Blaͤtter Sprossen Aus ihrem Auffenthalt hervorgeschossen. Es ließ, ob wolten sie durchaus nicht laͤnger saͤumen. Jn der Allee, auf Stauden, Baͤumen, Auf Hecken, uͤberall, erschien Ein gruͤnlich Braun, ein braͤunlich Gruͤn; Doch schien all’ Augenblick das Braun sich zu vermindern. C Der Wirckung des Regens im Fruͤhling. Der aufgeqvollnen Knospen-Menge, Mit ihren theils erst halb-theils schon gebohrnen Kindern, Formirten in der Luft ein duftiges Gepraͤnge, Ein gruͤnliches Gewoͤlck, ein angenehm Gewirre. Es gleichet alles fast geflochtnen gruͤnen Netzen, Jn welchen man, mit lieblichem Geschwirre, Die Voͤgel fliegen sieht, und sich und uns ergetzen. Dieß junge gruͤne nun, zusammt der Pracht der Bluͤthe Erfuͤllete mit Lust und Andacht mein Gemuͤhte. Jch kehrte mich demnach, mit hoͤchst erfreutem Sinn, Zum Ursprung aller Pracht, zum grossen Schoͤpfer hin; Besunge seine Macht, voll froher Danckbarkeit, Und wuste mich fuͤr Anmuth kaum zu fassen, Daß er die holde Fruͤhlings-Zeit Mich abermahl erleben lassen. Ach! rief ich, moͤcht’ ich das, was, blos durch dich, so schoͤn, Mit nimmer satter Lust, dir oft zu Ehren, sehn! Fruͤh- Fruͤhlings-Betrachtung. Fruͤhlings-Betrachtung. L ieber Mensch, schau, wie im Lentzen Alle Dinge herrlich glaͤntzen! Von der Crcaturen Pracht Wird man itzt recht angelacht. Schau, wie alles sich erfreuet! Schau, wie alles sich erneuet! Alle Wercke der Natur Aendern Farben und Figur. Schau die Luft, wie rein, wie klar! Schau, wie juͤngst noch welcke Felder, Schau, wie juͤngst noch duͤrre Waͤlder, Hoͤh’n und Tiefen unsrer Erden Gruͤn, und schnell belaubet werden! Was noch gestern sumpfig war, Wiesen, welche gantz verschlemmet, Ueberspuͤlet, uͤberschwemmet, (Da die Wasser itzt verseigen) Scheinen aus der Fluth zu steigen, Und in einen gruͤnen Sammt, Drauf ein Gold von Blumen flammt, Eingekleidet, sich zu zeigen. Tieff’ und unwegbare Wege, Schluͤpfrich- schwartz- und weiche Stege Sind jetzt brauchbar, weiß und hart. Alles glaͤntzet, alles gluͤhet, Alles funckelt, alles bluͤhet, Durch der Sonnen Gegenwart. C 2 Son- Fruͤhlings-Betrachtung. Sonderlich scheint ihre Glut Herrlich auf der klaren Fluth, Als im Berg-Cristallnen Spiegel, Da wo ihr beflammtes Bild Jhre glatte Flaͤche fuͤllt. Wenn auch ihre rege Huͤgel Hin und wieder sich erhoͤhn, Sieht man ploͤtzlich auf den Spitzen Tausend kleine Lichter blitzen, Schnell entstehn und schnell vergehn; Jhre nimmer stille Wellen Scheinen darum sanft zu schwellen, Um dem menschlichen Gesicht Sonnen-Spiegel vorzustellen. Ja mich deucht ob sagten sie: Sucht bey uns, als der Copie, Aller Schoͤnheit Urbild nicht: Droben ist das wahre Licht. Seht, wie dort die Rehe springen! Hoͤrt, wie hier die Voͤgel singen! Wie so hell, wie rein, wie klar! Hoͤrt, wie sie die Toͤne kraͤuseln! Hoͤrt der lauen Winde saͤuseln! Hoͤrt der Bienen muntre Schaar! Hoͤrt, wie uͤber glatte Kiesel, Mit sanft murmelndem Geriesel, Das geschwinde Baͤchlein eilet, Und bald einen gelben Sand, Bald ein gruͤn-bebluͤhmtes Land Mit beschaͤumten Wirbeln theilet! Riecht Fruͤhlings-Betrachtung. Riecht die Suͤßigkeit der Luͤfte! Riecht die balsamirten Duͤfte; Die aus bunten Blumen qvillen Und den gantzen Luft-Kreis fuͤllen! Nun hat alle diese Pracht GOTT zu unsrer Lust gemacht: Wilst du denn im holden Gruͤnen, Da jetzt alles lieblich prangt, Einem solchen GOTT nicht dienen, Der nur deine Lust verlangt? C 3 Fruͤh- (***) Fruͤhling. D ie gantze Luft war angefuͤllet Mit einer reinen Heiterkeit, Ein junges Laub hatt’ allbereit Der Voͤgel Nesterchen verhuͤllet Die, da sie, mit so vieler Kunst, Die suͤsse Arbeit fertig hatten, Jn dem begruͤnt- und zarten Schatten Voll reger Trieb’ und suͤsser Brunst Verliebet, und geliebt sich gatten, Und nichts, vor lauter Lieb’, als Liebe! Liebe! singen, Daß Feld und Wald davon erklingen. Wir sehen uͤberall ein wuͤrckliches Bewegen, Ein Leben der Natur wird uͤberall verspuͤhrt. Ach, moͤchte dieß, wenn uns die holde Schoͤnheit ruͤhrt, Ein neues Leben auch in uns erregen! Es laͤchelt gleichsam uns die guͤtige Natur Mit holden Blicken hier, aus jedem Vorwurf, an, So daß man alle Pracht und Lieblichkeiten nur Empfinden, nicht beschreiben, kann. Ach moͤgte GOtt in uns, da alle Ding’ im Lentzen So lieblich und so wunderschoͤn Jn tausendfacher Anmuth glaͤntzen, Auch unsrer Seele Fruͤhling sehn; Und in demselbigen, an unsern sanften Freuden, Die in ihr, blos aus seinem Werck, entstehn, Mit Lob und Danck geschmuͤckt, sein Vater Auge weiden! Man- Mancherley Vorwuͤrffe der Sinnen. Mancherley Vorwuͤrffe der Sinnen. J m Garten hoͤrt ich juͤngst den suͤß’- und scharffen Schall Der feurig schlagenden verliebten Nachtigall. Jch ward dadurch geruͤhrt, gereitzt, ergetzet Und, durch den reinen Klang, fast aus mir selbst gesetzet. Jch horcht’ aufmercksam zu, wie lieblich, suͤß und hell, Wie scharf, wie rein, wie rund, wie hohl, wie tief, wie schnell, Sie Stimm’ und Ton formirt, veraͤndert, theilet, fuͤgt, Und, durch unzaͤhliche Veraͤndrung, uns vergnuͤgt. Oft weiß sie Schnarren, Floͤten, Zischen, Jn unbegreiflicher Geschwindigkeit, zu mischen. Oft faͤngt sie einen Ton mit hellem Floͤten an, Faͤllt in ein Zwitschern, schlaͤgt, lockt, winselt, jauch- zet, stoͤhnt, Und alles fast zugleich: oft bricht sie ihn, oft dehnt, Oft drehet sie den Ton, oft wirbelt sie den Klang, Und aͤndert tausendfach den froͤlichen Gesang. Jndem ich nun, bey einer dicken Hecken, Zu Ende der bewachsenen Allee, Jn dem Gehoͤr allein fast lebend, stehe; Erblick ich ungefehr an einer Ecken Ein gleichsam buntes Licht. Es legte mir, Jn einer mehr als guͤldnen Zier, Ja, die sich von Smaragd, Sapphier Und anderm Edelstein kaum unterscheidet, Ein uͤber-wunder-schoͤner Pfan, Jn praͤchtigen Talar von guͤldnem Stuͤck gekleidet, Der Federn bunten Glantz und Herrlichkeit zur Schau. C 4 Jch Mancherley Vorwuͤrffe der Sinnen. Jch stutzt’ und meine Seel’ empfand, wie diese Pracht Sie auch durchs Aug’ empfind- und gluͤcklich macht. Fuͤr Anmuth halb verwirrt, fiel mir hieruͤber bey: Wie doch in der Natur so mancherley Veraͤnderung und Pracht, an Lust und Schoͤnheit, sey. Man spuͤrt es sonderlich an diesem Voͤgel-Par. Ein unsern Geist bezaubernd Singen Laͤßt von der gantzen Voͤgel-Schar Der Unansehnlichste, zu unsrer Lust, erklingen; Und ein verdrießliches und rauh Geschrey erschallt Aus eines Vogels Hals, der Himmlisch an Gestalt Fast mehr, als irdisch, ist. Diß kan ein Beyspiel seyn, Dacht ich, daß einer alle Gaben Nicht leichtlich soll beysammen haben. Kaum aber hatt ich dieß gedacht, Als mir, in Purpur-farbner Pracht, Ein frischer Rosen-Busch schnell in die Augen fiel. Der aber ward nicht nur allein der Augen, Er ward auch des Geruchs und meiner Nasen Ziel, Die beide sich daran recht zu ergetzen taugen. Wodurch ich denn, mit Uberzeugung, fand, Wie eine doppelte vergnuͤgend’ Eigenschaft, Jn dieser Blume, sich, zu unsrer Lust, verband. Dem Dencken gab ich ferner Raum, Und fand von ungefehr an einem Kirschen Baum, Der eben, voller Frucht, in suͤsser Roͤthe gluͤhte, Daß er so gar Ein Gegenwurf von allen Sinnen war. Es dienet dem Geruch die angenehme Bluͤhte, Der Zunge seine Frucht, sein Schatte dem Gefuͤhl, Sein sanft Geraͤusch dem Ohr, die Farb und Form den Augen. Jch Mancherley Vorwuͤrffe der Sinnen. Jch ward hiedurch aufs neu geruͤhrt, Und ferner so zu dencken angefuͤhrt: Wer kann des Schoͤpfers Huld genug zu ruͤhmen taugen? Da er nicht nur in unserm Leben, Jn den fuͤnf Sinnen, uns, zu so verschiedner Lust, Verschiedne Thuͤr- und Oefnungen gegeben; Da er nicht nur, zur Anmuth unsrer Brust, Solch’ eine Coͤrper-Meng, und Millionen Sachen Zum Gegenwurf der Sinnen wollen machen; Da er so gar verschiedne Coͤrper schaft, Die, mit so wunderbar vereinter Kraft, Nicht nur durch einen Sinn uns in Vergnuͤgen setzen; Nein, durch verschiedene, ja gar durch all’ ergetzen. Ach, laßt uns denn hierdurch aufs neu’ in seinen Wercken Die Proben seiner Macht und weisen Liebe mercken! Ach, lasst zu seinen heil’gen Ehren, Bey stets vermehrter Huld, auch unsern Danck sich mehren! C 5 Truͤ- Truͤbe Luft im Fruͤhling. Truͤbe Luft im Fruͤhling. M an siehet zwar auch oftermahls im Lentzen, Daß, in nicht aufgeklaͤrter Luft, Ein allgemeiner Duft Des Himmels heitres Blau, der Sonnen Glaͤntzen Bedecket und verhuͤllet Und unsern gantzen Kreis der Luft erfuͤllet; Es faͤrben sich die Wolcken falb’ und grau: Doch zeigt ein solches Falbes sich Nicht, wie im Sommer, fuͤrchterlich; Es mischet sich ein klares Blau Jn diese Dunckelheit, Dadurch vergnuͤgt so dann ein daͤmmricht Licht Und truͤbe Klarheit das Gesicht, Jndem die fette Fruchtbarkeit Jn diesem zarten Duft fast sichtbarlich zu sehn; Und, weil zugleich die still und glatte Flut, Die bey der stillen Luft, glatt, wie ein Spiegel, ruht, Die sanfte Daͤmmerung am Himmel, gleichfals schoͤn, Jn einem klaren Wiederschein, Uns deutlich zeigt; so ist ein stilles duftigs Wesen So dann fast allgemein, Und thut den Augen wol, Ja macht zugleich mit einer sanften Lust Blut, Hertz und Brust Von einer suͤssen Anmuth voll. Es Truͤbe Luft im Fruͤhling. Es scheint, ob trag’ ein still-bedeckter Himmel Jn holder Daͤmmrung ohn Getuͤmmel, Zu einer Art Gelassenheit Jn unsern Hertzen etwas bey; Und find ich, daß dergleichen truͤbe Zeit Jm Fruͤhling ebenfals nicht unvergnuͤglich sey. Die Die neue Welt. Die neue Welt. W ann die Kraͤfte meiner Seelen Mit des Fruͤhlings schoͤner Pracht, Dem zum Ruhm, der sie gemacht, Sich in froher Lust vermaͤhlen; Bringen sie in holder Zier Aus der Creatur, in mir Eine gleichsam neue Welt, Welche geistig ist, herfuͤr. Diese bleibt in meinen Sinn, Und sie ist mir wuͤrcklich eigen; Mein Gedaͤchtniß kann sie zeigen, Wenn auch jene gleich dahin. Jn ihr kann man wunderschoͤn, Wenn man will, den Fruͤhling sehn. Die Bewohner dieser Welt Sind betrachtende Jdeen, Denen sie, je mehr sie sehen, Auch stets desto mehr gefaͤllt; Sind Erkaͤnntniß, Gegen-Liebe, Danck und Andacht volle Triebe; Eine Sucht, sie auszudruͤcken; Sind ein inniglich Entzuͤcken Uber alle Wunder-Fuͤlle; Sind ein feuerreicher Wille, Voller Luft in allen Dingen GOTTES Willen zu vollbringen; Anmuth, und Gelassenheit; Ein gegruͤndetes Vertrauen, Auch dereinst, nach dieser Zeit, Noch was herrlichers zu schauen. Diese Die neue Welt. Diese Welt, die gleichsam mein, Will ich, in vergnuͤgtem Dencken, Dir, o GOTT zum Opfer, schencken; Laß sie dir gefaͤllig seyn! Geb ich dir nun gleich was dein, (Denn wer kann dir sonst was geben!) Wird doch die recht nach dem Leben Wol gerahtene Copie Besser, als ein Opfer-Vieh, Dir, o HERR, gefaͤllig seyn! Lieb- Lieblichkeiten des Fruͤhlings. Lieblichkeiten des Fruͤhlings. J n dieser den Winter vertreibenden Lentzen-Zeit Belebet sich alles im Reiche der Sonnen; Erfuͤllet sich alles mit Anmuth und Lieblichkeit: Der froͤliche Weinstock hat Augen gewonnen. Es circkelt in Baͤumen ein naͤhrender Lebens-Saft. Die Knospen erheben sich, schwellen und bersten. Es deckt sich der Acker, voll gaͤhrender Wunder-Kraft, Mit gruͤnenden Spitzen von Haber und Gersten. Jn Waͤldern erfolget durch wachsender Blaͤtter Pracht, Von denen jetzt gleichsam umnebelten Wipfeln, Auf gruͤnlicher Daͤmmerung, die liebliche Schatten-Nacht Es spriessen aus scharffen erhabenen Gipfeln Bewachsener Berge, die Kraͤuter jetzt uͤberall. Und fuͤllen mit duftigem Balsam die Luͤfte. Es schwebet der schertzende, schwaͤtzige Wiederhall Um ihre bemoste verwachsene Kluͤfte. Das dunckle Gebuͤsche, den schattigten Wald erfuͤllt Der schlagenden Nachtigall schmetterndes Schallen. Es springet im blumigten Grase das junge Wild, Und fuͤhlet in Adern ein kitzelndes Wallen. Jetzt murmelt und rauschet und rieselt die rege Fluht. Auf wallender Wellen beweglichen Spitzen Entwirft und formiret der strahlenden Sonnen Glut Viel funckelnde Bilder in schimmerden Blitzen; Man sieht, mit Ergetzen, die Blitze verwunderlich Jn tausend beweglichen Spiegeln sich brechen. Die Fluth, wie ein lebender Silber-Fluß, schlaͤngelt sich Durch gruͤnender Felder smaragdene Flaͤchen. Der Lieblichkeiten des Fruͤhlings. Der glaͤntzenden Gaͤrten bezauberndes Lust-Revier, Jn welchem jetzt alles verherrlichet bluͤhet, Beflammet die Blicke mit feuriger Farben Zier, Da alles fast weniger glaͤntzet, als gluͤhet. Jndem nun, im Fruͤhling, in Luͤften und in der Fluth, Jn Thaͤlern, auf Bergen und Flaͤchen der Erden, Der herrliche Schoͤpfer unzaͤhliche Wunder thut; So lasst uns uns freuen, um danckbar zu werden! Es strahlet, durch Goͤttliches Wollen, das Sonnen-Licht; Die Coͤrper sind sichtbar; GOtt schenckt uns die Augen: Wofern nun die Menschheit so traͤg ist, und sieht sie nicht; Was kan doch den Fehl zu entschuldigen taugen? Drum, weil ich den Schoͤpfer nicht anders erheben kann, Als wenn ich sein Wircken empfind und erzehle; So seh ich betrachtend, mit Freuden die Wunder an, Und opfer’ ihm meine bewundernde Seele. Zu- Zugleich gelb- und rohte Rosen. Zugleich gelb- und rohte Rosen. J ndem ich juͤngst, in Amts-Geschaͤften, im fruchtbaren Billwerder fahr Und, nebst dem treflichen Stampeel, des Rahts und Ham- burgs Zier und Ehre, Des Fruͤhlings Wunder-Glantz besehe; werd’ ich von un- gefehr gewahr, Wie von bestralten bunten Blumen ein funckelnd gelb- und rohtes Licht Durch dicht-verwachsne Hecken bricht. Wir halten still, und schicken hin, von diesen Blumen, die wie Kolen, So man erst angefachet, glimmten, uns einige herbey zu holen, Die uns der Land-Mann willig gab; Er schnitt mit seinem schnellen Messer verschiedne grosse Straͤucher ab. Wie man uns nun dieselbe brachte, erschracken wir fuͤr neuer Freude Bey diesem unverhoften Blick, und fuͤr Verwundrung, alle beide, Jndem wir eine neue Art von Rosen, welche wunderschoͤn So wol an Form, als Farb und Glantz, und welche wir noch nie gesehn Recht ungemein geruͤhrt erblickten. Den roth- und weissen Rosen-Strauch Die wilden Rosen, gelben Rosen, und andrer Rosen Arten auch Hab ich bewundert und beschrieben. Hier, dacht ich, will in neuem Schein Der grosse Schoͤpffer aller Dinge bewundert und verehret seyn. Es Zugleich gelb- und rothe Rosen. Es bindet sich in dieser Blume, dem HERRN der Crea- tur zum Preise, Das allerschoͤnste Gelb’ und Roth auf eine gantz besondre Weise. Von aussen deckt ein guͤldner Glantz die Blaͤtter, wenn kein Schnecken Blut So roht, als ihre innre Seite. Der funckelnden Rubi- nen Glut Kann kaum Derselben Roͤthe gleichen. Daher, wenn et- wann sich ein Blat Ein wenig umgeleget hatt’, Es oͤfters schien, Als ein im allerschoͤnsten Golde mit Fleiß gefasseter, Ru- bin; Oft kam es unserm frohen Blicke Verwundrungs-voll nicht anders vor Als ein mit dunckel-rohtem Sammte reich ausgefuͤtterter Drap d’ Or. Recht mitten in der duncklen Roͤthe sieht man mit unge- zehlten Spitzen Ein Rund, gleich einer kleinen Sonne, mit guͤldnen Strah- len lieblich blitzen. Ein jedes Blatt war Hertzen foͤrmig. Jndem ich nun Der- selben zwey Mit Lust beysammen liegen sahe, so fiel von ungefehr mir bey: Daß sie vom aufgeschnittnen Hertzen, das voller Glut, ein Bildniß sey. Es kam mir vor, als ob die Glut, die in derselben gleich- sam flammte, Von einer innern Sonne stammte, Ach! dacht ich, moͤcht in unserm Hertzen, vom unerschaf- nen Sonnen-Schein, Auch einer wahren Audacht Glut bestaͤndig angefachet seyn! D Die Zugleich gelb- und rothe Rosen. Die Knospen, so noch nicht geoͤfnet, und, in nicht minden schoͤnem Gruͤnen Des Laubes, gleichfals guͤlden schienen, Vermehrten noch des Busches Glantz, Und was ihn vollends herrlich machte ist, daß der Blumen Meng’ ihn gantz, Und mehr fast, als das Laub sie, deckte. Wir freuten uns, von GOttes Wercken Jn dieser neuen Wunder-Blum’ ein neues Wunder zu be- mercken, Und danckten ihm, daß er, als Schoͤpfer, in seiner Crea- turen Pracht, Auf eine nie geseh’ne Weise, uns abermahl sich sichtbar macht. Noch Noch andere Fruͤhlings-Betrach- tungen. D ie Freude, welche die Natur, durch die ihr ange- schafne Kraft, Da sie sich, uns zum Nutz und Vortheil, zur Fruͤhlings- Zeit aufs neu beweget; Wenn man auf ihre Wirckung achtet, so dann in unsrer Seel’ erreget, Die Freude, sag ich, ist unstreitig die alleredelst’ Ei- genschaft, Der unsre Seele faͤhig ist. Da mit der Lust, die man empfindet, Sich ja Bewunderung und Ehrfurcht, Lob, Andacht, Preis und Danck verbindet: Die aber, wenn wirs nicht ermessen, in uns erstickt, ver- graben bleiben, Wodurch denn unsers Schoͤpfers Absicht, und Lieb’ und Macht und Ehr’ auf Erden, Sammt unsrer Lust und Pflicht zugleich, verhindert und ge- schmaͤhlert werden. Sollt alles dieses uns denn nicht zu GOtt, in seinen Wer- cken treiben? E s sehe denn doch jedermann, Zu GOttes Ruhm, und eigner Freude, Jm fast verjuͤngten Welt-Gebaͤude, Der Creaturen Schmuck, zumahl im Fruͤhling, an! Seht, wie aus dunckel-braunen Flaͤchen Der Erd’ jetzt uͤberall die regen Pflantzen brechen! D 2 Wie Noch andere Fruͤhlings-Betrachtungen. Wie aus den, durch sie selbst gemachten, Ritzen Die gruͤnlich-gelben glatten Spitzen, An welchen hie und da noch kleine Kloͤsse kleben, Fast sichtbarlich sich in die Hoͤhe heben, Fast sichtbarlich auf allen Seiten, Sich lieblich von einander breiten; Da denn das schoͤne junge Gruͤn, Womit sie die Natur zu uͤberziehn Beschaͤftiget, und sie so schoͤn gemahlt, Gedoppelt schoͤn uns in die Augen faͤllt, Wenn es der Sonnen Licht durchstrahlt; Die es bald hie, bald dort mit einem Glantz erhellt, Den Zephyrs holde Schertze, Durch der bald hin, bald her, bewegten Schatten Schwaͤrtze, Noch mehr, noch lieblicher erhoͤhn, Wodurch wir ihren Schmuck sich stets vermehren sehn. Wie jetzt die roͤthlich braun- und saftgen Zweige schwellen, Wie glaͤntzend ihre glatte Haut, Wird ohne Lust nicht angeschaut: Jmgleichen wie an so viel tausend Stellen Die dunckel-rohten Knospen steigen, Sich oͤffnen und den Schatz der gruͤnen Blaͤtter zeigen: Da oͤfters denn die aͤussren Schalen, Wenn Sonnen-Blicke durch sie strahlen, Beym Auf- und Untergang zumalen, Jn einem rothen Glantze stehn, Und glimmen Funcken aͤhnlich sehn, Dergleichen wir an abgeborstnen Rinden Auf den Johannis-Stauden finden, Die wuͤrcklich denn dadurch in einem hellen Schein, Als glimmt- und brennten sie, oft anzusehen seyn. Jetz Noch andere Fruͤhlings-Betrachtungen. Jetzt zeigen alle Baͤum’ und alle Stauden Augen, Und zeugen nicht allein von einem innern Saft, Der in den Roͤhren cirkuliret; Sie zeigen eine Wunder-Kraft, Die Laub und Bluͤth’ und Frucht formiret. Man sieht schon Hyacinthen bluͤh’n, Wie sie sich gleichsam recht bemuͤh’n, Aus ihrem duncklen Sitz zu steigen, Um ihres Schoͤpfers Macht zu zeigen. Ein strenger Drang und Druck scheint jegliche zu treiben, Nicht laͤnger wo sie war zu bleiben. Es scheint, es eil’ itzt recht der Blumen buntes Heer, Daß es, zu ihres Schoͤpfers Ehr, Und unsrer Lust, fuͤr unsre Blicke Sich hebe, faͤrbe, bild’ und schmuͤcke, Mit lieblichem Geruch sich und die Luͤfte fuͤlle, Und, in dem suͤssen Duft, und ihrer bunten Pracht, Des uͤberall vorhandnen Schoͤpfers Macht, Und seine weise Huld, so viel an ihr, enthuͤlle. Vernunft kann, ohne Lust, auf sie den Blick nicht lencken; Weil, wenn wir mit Vernunft derselben Wesen sehn, Wir auf die innre Wirckung gehn, Und auf des Schoͤpfers Allmacht dencken, Der auch den Pflantzen selbst ein Leben, Zu unserm Nutz und unsrer Lust, gegeben; Der, zur Verherrlichung von seinem grossen Ramen Ein lebend Feur in allen Saamen, Das immer wirckt und nimmer ruht, gesenkt, Und es, als einen Geist, in einen Coͤrper schrenkt. D 3 Wie Noch andere Fruͤhlings-Betrachtungen. Wie viele Wunder sich in seiner Wirckung haͤuffen, Faͤllt auch dem kluͤgsten Geist nicht moͤglich zu begreiffen. So mancherley Geschmack, Geruch, Farb’ und Figur Fuͤhrt uns jedoch auf eine Spur Von einem Wesen, welches wirckt, vernuͤnftig, doch au f andre Weise, Als alle Menschen wircken koͤnnen. Will man denn diesem nicht, zu GOttes Preise, Ein froh-bewunderndes und danckbar Hertze goͤnnen? Zwo Zwo Fruͤhlings-Arien. ARIA. A uf den bunt-bebluͤhmten Feldern, Jn den Schatten-reichen Waͤldern Herrscht, in stiller Einsamkeit, Unschuld und Zufriedenheit. Fern vom staͤdtischen Getuͤmmel, Als in einem ird’schen Himmel, Find’ ich hier die guͤldne Zeit. ARIA . D ie Stille, die den Wald erfuͤllt, Der holden Unschuld sanftes Bild, Jst nicht von froher Anmuth leer. Der kleinen Voͤgel muntres Heer Laͤsst tausend suͤsse Toͤn’ erklingen. So kann auch ein gelassnes Hertz Mit Recht, bey zugelassnem Schertz, Gesellig lachen, froͤlich singen; Weil sonst die Tugend graͤmlich waͤr. D 4 Ander- Anderweitige Betrachtung Anderweitige Betrachtung der Kirsch-Bluͤthe. M ein GOtt, da ich hier stille stehe, Und, mit fuͤr Lust erstarrten Blicken, Die Bluͤthe, womit sich die Kirschen-Baͤume schmuͤcken, Mit billiger Aufmercksamheit, besehe; Entdeck’ ich auf das neu und mercke Noch nie bemerckte Wunder-Wercke, Die, daß man deine Macht und Lieb’ in ihnen ehrt, Auf gantz besondre Weise, wehrt. Es oͤfnen sich die braunen Knospen kaum Die, wie wir einsten schon besehen, Aus manchem kuͤnstlichem Gewebe selbst bestehen; So wird man in derselben innerm Raum Drey gruͤne Blaͤtterchen gewahr, So hohl und gantz erfuͤllt mit zartem Haar: Die, wenn sie von einander gehn, Wie gruͤne Blumen anzusehn. Aus diesen siehet man drey andre steigen, Die laͤnglichter, und die sich in der Mitten Als wie ein Hertz durchschnitten, Und, aus dem Schnitt, ein nettes Blaͤtchen zeigen. Nachhero werden noch drey andre, welche groͤsser, Fast von derselben Art erblickt, Nur daß darin die Form von Blaͤttern besser Und deutlicher schon ausgedruͤckt. An eines jeden Fuß, die Frucht noch mehr zu schuͤtzen, Sieht man aufs neu zwey gruͤne Spitzgen sitzen; Noch uͤber diesen steht ein Blatt, Das rings um seinen Fuß vier kleine Spitzen Als ein absonderlich Gewaͤchse hat; Jn der Kirsch-Bluͤthe. Jn diesem wird man mit Verwunderung gewahr Ein Knoͤspgen schon fuͤrs kuͤnft’ge Jahr. Hier kann man nun zugleich der Wunder Endzweck sehn, Jn dem wir oͤfters vier, oft fuͤnf, gerade Stangen, Die neue Wunder noch in sich befangen, Vor Lust mit Recht erstaunet, sehn. Man sieht wie diese Stiel’ all’ an gewissen Stellen (Kein Mensch begreift wodurch) gemaͤchlich schwellen, Sich dehnen, da wir denn in ihren hohlen Rinden Den Sitz der jungen Kirsche finden. Die Rinden, die darauf sich hoͤher noch erstrecken, Formiren Knospen abermahl, Worin der zarten Bluͤth’ schnee-weisse Blaͤtter stecken, Jmgleichen weisse Zaͤserlein Noch uͤber dreyßig an der Zahl, Die alle, echt als wie mit guͤldnen Knoͤpfgen, prangen, Und die die kleinen gruͤnen Stangen, Die aus der Frucht sich aufwaͤrts strecken, Umgeben und bedecken. Wer nun noch erst von einer Bluͤht’ Ein eintzigs Blatt Betrachtet und besieht, Wie viel es kleine Adern hat, Und dieß zusammen nimmt, und mit Vernunft erweget, Was eine Kirsche nur fuͤr Wunder in sich heget; Ja, welcher erst bedenckt, wie eine solche Menge Von Blumen einen Zweig erfuͤllt, So daß sie ihn durchaus bedeckt und gantz verhuͤllt; Ja wie, im lieblichen Gepraͤnge, Die Blumen an viel tausend Zweigen Auf einem eintz’gen Baum, sich zeigen, D 5 Und Anderweitige Betrachtung der Kirsch-Bluͤthe. Und endlich, wie aus Millionen Baͤumen Viel Millionen Blumen keimen, Die all’ in Fruͤhling nicht allein die Erde schmuͤcken, Wovon uns auch die Fruͤcht’ erquicken; Wer, sag’ ich, dieß erwegt, wird wol mit Recht geruͤhret, Mit Recht zu aller Ding’ allmaͤchtgem HErrn gefuͤhret, Und zu der wahren Qvell des Himmels und der Erden Bewunderung und Lob und Danck getrieben werden. Das Das unverhofte Gruͤn. Das unverhofte Gruͤn. J uͤngst gieng ich nebst Fabricius, Den, ohne Neid fast, selbst der Neid bewundern muß, Jn einem zierlichen, am klaren Alster-Fluß Belegnen, grossen Blumen-Garten, Worin, von mehr als tausend Arten, Viel hundert tausend Blumen stunden, Die wir durch ihre Meng’ in solchem Glantze funden, Daß, durch den Ubefluß der Lust Der uns fast mehr erfuͤllt’ und drengt’, als ruͤhrte, Das Hertz in unsrer Beyder Brust Sich gleichsam echt gedruckt, und sanft-gepreßt verspuͤhrte. Wir stutzten erst vor uͤbermachter Freude Und, durch die bunte Gluth der Blumen angeflammt, Gedachten wir mit Lust und Ehrfurcht alle beide An den, aus dessen Kraft, Luft, Erd’ und Himmel stammt. Es brach ein froh GOTT Lob! aus beider Hertz und Mund: GOtt Lob! der sich bey uns in solcher Schoͤnheit kund Und gleichsam sichtbar macht! Le Fevre, welcher sich zugleich bey uns befand Le Fevre eine Zier von seiner Vater-Stadt, Und der, zu meiner Ehr, mit mir verwandt, Bewunderte nebst uns und ehrt’ in ihrer Pracht Die GOttheit ebenfals. Als eben Boͤckelmann, Des schoͤnen Gartens Herr und Pfleger, zu uns trat Und, wie er uns sehr hoͤflich angesprochen, Auch fuͤr uns eine gute Zahl Erlesner Blumen agebrochen, Kam er von ungefehr auf seine Morgen-Zeit. Nicht Das unverhofte Gruͤn. Nicht auszudruͤcken ist die Lust, die ich verspuͤhre, Sprach er, wenn ich, schon fruͤh’ um viere Der Blumen ungezehlte Zahl Jm von der fuͤhen Sonnen Strahl Gefaͤrbt- und gantz durchdrungnen Thau Jn einem himmlischen, nicht ird’schen, Firniß schau. Jch fuͤhle, wie so denn die allgemeine Stille, Die dann die Welt beherrscht, auch mein Gemuͤth erfuͤlle. Dieß ist die schoͤnste Zeit, diß sind die schoͤnsten Stunden! Nur dauret mich, daß sie von Menschen auf der Erden So wenig nur empfunden Und mehrentheils verschlaffen werden. Wir traureten und freuten uns mit ihm. Hierauf kan man von ungefehr Von neuem auf der Blumen-Heer: Man sprach: Bewunderns wehrt ist, da der Blumen Pracht Jn allen Farben glimmt, daß die Natur von ihnen Doch keine gruͤn gemacht. Wir andern stimmten bey Und dachten, daß dem Laub’ und Gras’ allein im Gruͤnen Zu glaͤntzen vorbehalten sey. Drauf ging, mit sanften Schritten, Herr Boͤckelmann von uns, kam aber bald hernach, Mit ja so sanften Schritten, wieder; Und, sonder daß er etwas sprach, So legt’ er in der Mitten Auf unsern Tisch drey gruͤne Blumen nieder, Wodurch er, daß wir uns geirrt Uns uͤberzeuglich uͤberfuͤhrte. Wir Das unverhofte Gruͤn. Wir sahn einander an. Halb laͤchelnd, halb verwirrt, Gestunden wir, zu seiner Ehr, Daß dieß die beste Art zu uͤberzeugen waͤr. Nachhero nahmen wir der gruͤnen Blumen Pracht, So ein’ Anemone, bewundrungs-voll in acht, Da jeder dann, nachdem wir sie recht wol beschaut, Gestand, daß auch das schoͤnste Kraut Kein schoͤner Gruͤn fast zeigen kann. Hieruͤber stimmten wir zuletzt der Meynung bey, Daß alles, was in der Natur So wol an Farben als Figur Nur moͤglich, auch vermuhtlich wircklich sey. HErr, meine Lust sind deine Wercke. Ach, gieb, daß mancher auch mit mir, O aller Dinge Quell, sie, dir Zum Ruhm, mit Lust und danck, bemercke! Die Die Luft im Fruͤhling. Die Luft im Fruͤhling. D ie kalte Luft, die um uns schwebet, und welche sich mit uns zugleich Der Licht- und Lebens-Qvelle naͤhert, und in der hellen Sonnen Reich Zugleich mit uns gefuͤhret wird, verspuͤhrt derselben war- men Kraft (Wodurch sie alles labt und naͤhret) so sanft belebend’ Ei- genschaft Am erst- und meisten; wird durchdrungen, wird warm, verduͤnnt und ausgespannt: Die groben Duͤnste theilen sich, man sieht sie hier und dort zerstuͤcket Jn Wolcken von verschiedner Art, in nicht zu zehlenden Fi- guren, Die theils bekannt, theils unbekannt, Und die das Licht im holden Fruͤhling viel schoͤner noch, als sonsten schmuͤcket. Sie theilen sich bald hier, bald dort, und lassen durch der Wolcken Schleyer Der reinen Sonnen Glantz und Feuer, Dort, durch derselben duncklen Schwall des reinen Him- mels tieffe Hoͤhn Jn einem hellen, heitern, reinen, mehr als Sapphirnen Blauen sehn, Doch sieht man jetzt zuweilen auch sich manchen duͤnnen Duft erheben, Und, gleichsam seegelnd, hin und her in neu durchstrahlten Luͤften schweben Zu- Die Luft im Fruͤhling. Zuweilen sich zusammen setzen, den gantzen Kreis der Luͤf- te fuͤllen Und oft der Sonnen glantz dadurch verdecken, und oft gantz verhuͤllen. Doch ist der Duft nicht dicht und schwartz, wie er vorhin im Winter war, Er ist, mit Glantz und Licht vermischt, zwar truͤb’ und falb’ und dennoch klar, Es scheint dieß daͤmmricht-sanfte Wesen von Fruchtbarkeit, von Licht und Schein, Von Hofnung und von Seegen schwanger, und schwer vom Ueber-Fluß zu seyn. Man sieht, nicht sonder sanfte Freude, sie sanft bald hie, bald dort hin, ziehn, Und einen kleinen lauen Regen bald hie, bald da, bald dorten, spruͤh’n. Jn solcher truͤben Fruͤhlings-Zeit empfindet man, wie eine Stille, So wie sie dort das Firmament, auch unsre Seele lieb- lich fuͤlle. Ein angenehm ich wei nicht was, so Coͤrper, Geist und Nerven ruͤhrt, Wird, so wie uͤberall empfunden, auch uͤberall von uns verspuͤhrt. Ach moͤgten wir die sanfte Schoͤnheit der lauen Luft im fro- hen Lentzen, Worinn voll Anmuth, Waͤrm und Seegen, der Sonnen helle Strahlen glaͤntzen, Der Sonnen Sonn’ und HErrn zu Ehren, mit innigli- cher Anmuth sehn, Und seine Weisheit, Lieb und Allmacht, in unsrer frohen Seel’ erhoͤhn! Wir- Wirckung der Sonne. Wirckung der Sonne. W as entsteht nicht durch die Sonne Uberall fuͤr Nutz und Wonne! Diese Licht- und Lebens-Quelle Machet nicht nur jede Stelle Jn der Luft, und auf der Erden, Auch so gar in kalter Fluth, Lieblich, lustig, hell und licht; Es wird, von der reinen Glut, Durch das sinnliche Gesicht, Selbst in meiner Seelen helle. Sie bestrebt sich, trotz der Erden, Fruchtbar und geschmuͤckt zu erden. Es entsteht in meiner Brust Gleichsam eine Fruͤhlings-Lust, Eine rege Heiterkeit, Eine geistge Lentzen-Zeit. Dadurch, daß sie dieß erblickt Wird die Seele selbst geschmuͤckt. Hofnung ist ihr schoͤnes Gruͤn Und es sind die Lust und Freude Ob dem schoͤnen welt-Gebaͤude Blumen, welche in ihr bluͤhn. Wenn ich nun, dadurch geruͤhret, Das, was sie dadurch verspuͤhret, Durch den Danck zum Schoͤpfer richte; Sind es die verlangten Fruͤchte Welche GOTT, aus Lieb’ allein, Lieblich und gefaͤllig seyn. Die Die Anemonen. Die Anemonen. M ir hat, GOtt Lob! der Schmcuk, der bunte Blu- men ziert, Das innerste der Seelen oft geruͤhrt; Allein, dieß ist gewiß: noch nimmer Bin ich von ihrem Glantz und angenehmen Schimmer, Von ihrer Zierlichkeit und tausendfacher Pracht So lieblich angestrahlt und fast bestuͤrtzt gemacht, Als heute, da ich kaum im Garten eingetreten, Und mir ein buntes Feur von Anemonen-Beeten Das Aug’ auf einmahl traf. Jch stutzt’! Es blieb mein Fuß, Der halb gehoben war, so, halb gehoben, stehn, Und kont ich, vor der Pracht und Schoͤnheit Ueberfluß, Der mich recht blendete, nicht vor- nicht ruͤckwaͤrts gehn. „Liebster GOTT! kan wol auf Erden „Etwas, das so wunderschoͤn, „Bunt und zierlich ist, gesehn; „Lieblichers gefunden werden? So rief ich, halb entzuͤckt vor uͤberhaͤufter Lust, Und ließ den frohen Blick den bunt-gefaͤrbten Hauffen Auf einmahl uͤberlauffen. Ein gleichsam bunter Schwall drang in die rege Brust, Mit einem tausendfach-gefaͤrbten Glantz und Schein, So heftig und so kraͤftig ein, Daß fast die Seele selbst, von Anmuth uͤberhaͤuft, Vor uͤbermaͤßigem Vergnuͤgen, nichts begreift, Und nur, wie alles hier bunt durch einander spielet, Jn einer lieblichen Verwirrung, froͤlich fuͤhlet. E Es Die Anemonen. Es war der Anemonen Zier So lieblich bunt, so wuͤrdig schoͤn, Daß ich, indem ich sie betrachte Mit inniglichen Freuden dachte, Mein GOTT, wie froͤlich danck ich dir, Daß du mir Augen gabst zu sehn! Wenn ich nichts anders sonst erblicket Auf dieser Welt, als blos allein Den tausendfachen Wunder-Schein, Womit dieß Fruͤhlings-Kind geschmuͤcket, Muͤsst’ ich dir billig danckbar seyn. Jch zog darauf den nimmer festen Blick Der um zu viel zu sehn, fast nichtes sah, Aus seiner bunten Fahrt, fast mit Gewalt zuruͤck, Um einige genau zu sehen, die mir nah, Und fast vor meinen Fuͤssen stunden. Mein GOtt, was hab ich da fuͤr Zierlichkeit gefunden, Fuͤr Farben, und fuͤr Glantz! Es wuͤrden selbst aus Edelsteinen Geschnittene Gefaͤsse schoͤner nicht Jn mehrem Glantz, in mehrem Licht, Jn bunterm Schmuck vermoͤgend seyn zu scheinen, Als die von der Natur in solcher Zier Gekleideten gefaͤrbten Blumen hier. Zumahlen wenn in heitern Wetter Der Sonnen fruͤh- und spaͤte Strahlen Die klaren Blaͤslein ihrer Blaͤtter Mit Farben nicht so sehr, als buntem Glantze, mahlen. Bewunderns wehrt ist die von der Natur Jhr zugetheilete Figur: Sie gleichen fast, an Form, nett-ausgehoͤhlten Schalen, Die Die Anemonen. Die angefuͤllet in der Mitten Mit funckelndem Rubin, der zierlich ausgeschnitten, Da oft in selbigen viel tausend nette Spitzen, Die in der schoͤnsten Ordnung sitzen, Jn roͤthlichem und weissem Feuer blitzen. Denn wenn das Sonnen-Licht sich in die Menge Der Blaͤtter, die so nett verschrenckt, Und so viel bunte Spitzen, senckt, Erblickt man ein so form- als farben- reich Gepraͤnge. Unglaublich ist, wie schoͤn, wie voll, als wie auf Sammt Das sanft gebrochne Licht auf ihren Blaͤttern flammt. Unglaublich ist, wie groß die Zahl der Blaͤtter sey, Die, in verschiedenen, weit uͤber tausend gehet; Unglaublich ist, wie vielerley Der Farben Mischungen, wie manchen Unterscheid Jhr auf den bunten Blaͤttern sehet. Wenn viel’ in dunckler Roͤthe gluͤhn, Jn Weis, in Purpur-Farb, in Carmesin, Jn Gelb, Viel-Blau, Leib-Farb, Gruͤn, Von tausend Mischungen und Graden, bluͤhn; Sieht man viel andre noch, auf ander’ Art geziert, Mit Linien, die silber-weis, durchziehn, Oft roth, oft weiß, auf tausend Art, punctirt. An vielen wird noch mehr erblickt, Jndem, im starcken Gegensatz Der Farben, ihren Mittel-Platz Ein gantz verschiedner Boden schmuͤckt, Den ich oft gruͤn, oft schwartz, oft blau, Bey gantz verschiednen Blaͤttern, schau. Noch eins, so diese Blum’ in gantz besonderm Grad Vor allen andern Blumen hat: E 2 Da Die Anemonen. Da sie ein schoͤnes Laub an ihrem Stengel heget, Der es, als einen Krantz, in seiner Mitten traͤget, Der aus drey Blaͤttern sich formiret, Die ich daselbst in einer Ruͤnde Aus einem Ort entsprossen finde, So sonst bey Blum- und Pflantzen nicht gemein. Wann nun ein jedes Blatt Aufs neu drey nette Spitzen hat, Und jede theilt sich wieder ein Jn drey, die wiederum in sechs getheilet seyn, So kann die grosse Zahl nett-ausgekerbter Ecken Uns, zu der Blumen Schmuck, was sonderlichs entdecken, Jn dem sie in dem dicht-geschlossnen Gruͤnen Den bunten Blumen stets zum schoͤnen Grunde dienen, Ja schoͤne gruͤne Decken scheinen, Worauf der bunte Glantz, die viel gefaͤrbte Pracht, Die uns auf tausend Art anlacht, Sich desto lieblicher vereinen. Es ist wahrhaftig nicht zu glaͤuben, Noch minder moͤglich zu beschreiben Die Schoͤnheit, welche man, durch dieses Kraut, Der Anemonen Pracht annoch vergroͤssern schaut. Das farben-reiche Blumen-Heer Laͤßt anders nicht, Als wenn, von buntem Licht, Auf gruͤnen sammtenen Tapeten, Ein Blum-Werck schoͤn gewircket waͤr. Die allerreichsten Kaufmanns-Laden, Voll guͤld- und silberner Brocaden, Und wenn sie noch so schoͤn gestickt, durchwirckt, bebraͤmt, Sind durch der Blumen Pracht und bunten Glantz beschaͤmt. Da Die Anemonen. D a ich nun, mit vieler Freude, An der Anemonen Schein Mein vergnuͤgtes Auge weide; Faͤllt mir dieses billig ein: Moͤgten wir, fuͤr so viel Gaben, Woran wir die Sinne laben, Welche wir von dir allein, Grosser GOTT, empfangen haben, Danckbar und erkaͤnntlich seyn! Moͤgt ich doch, o ew’ge Guͤte, Die mir so viel Guts gegeben, Mit erkaͤnntlichem Gemuͤhte Dir gefaͤllig hier zu leben Recht von Hertzen mich bestreben! E 3 Die Die Trauben-Hyacinth. Die Trauben-Hyacinth. A ngenehmes Fruͤhlings-Kindchen, Kleines Trauben-Hyacintchen, Deiner Farb’ und Bildung Zier Zeiget, mit Verwundrung, mir, Von der bildenden Natur Eine neue Schoͤnheits-Spur. An des Stengels blauer Spitzen Sieht man, wenn man billig sieht, Deiner sonderbahren Bluͤht Kleine blaue Kugeln sitzen, Dran, so lange sich ihr Blat Noch nicht aufgeschlossen hat, Wie ein Purpur-Stern sie schmuͤcket, Man, nicht sonder Lust, erblicket. Aber wie von ungefehr Meine Blicke hin und her Auf die ofnen Blumen lieffen, Kont ich, in den blauen Tieffen, Wie aus Himmel-blauen Hoͤhen, Silber-weisse Sternchen sehen, Die in einer blauen Nacht, So sie rings bedeckt, im Dunckeln, Mit dadurch erhoͤhter Pracht Noch um desto heller funckeln. Jhr so zierliches Gepraͤnge, Jhre Nettigkeit und Menge, Die die blauen Tieffen fuͤllt, Schiene mir des Himmels Bild, Wel- Die Trauben-Hyacinth. Welches meine Seele ruͤhrte, Und durch dieser Sternen Schein, Die so zierlich, rein und klein, Mich zum HErrn der Sterne fuͤhrte, Dessen unumschrenckte Macht, Aller Himmel tieffe Meere, Aller Welt und Sonnen Heere, Durch ein Wort, hervorgebracht; Dem es ja so leicht, die Pracht Jn den himmlischen gefilden, Als die Sternchen hier, zu bilden. Durch dein Sternen-foͤrmig Wesen, Giebst du mir, beliebte Blume, Dem, der Sterne macht, zum Ruhme, Ein’ Erinnerung zu lesen, Daß wir seiner nicht vergessen, Sondern in den schoͤnen Wercken Seine Gegenwart bemercken, Seine weise Macht ermessen, Und sie, wie in jenen Hoͤhen, So auf Erden auch zu sehen. E 4 Wunsch. (***) Wunsch. J etzt seh ich, mit geruͤhrten Blicken, Ein frisch und fast lebendig Gruͤn, Der Erde-Flaͤchen uͤberziehen. Jch hoͤre gleichsam mit Entzuͤcken, Der neuen Voͤgel Harmonien, Bemuͤht, die Menschen zu erqvicken. Man siehet, wo die Blumen bluͤhn, Und fast in buntem Feuer gluͤhn, Die Beeten recht in guͤldnen Stuͤcken, Mit Ranckenwerck, worin Carmin, Sammt Purpur und Ultramarin, Den holden Schmuck der Kraͤuter schmuͤcken, Ja, scheint nicht oͤfters ein Rubin, Durch das Smaragden-gleiche Gruͤn, Uns gleichsam Strahlen zuzuschicken? Ach daß mein Geist, wenn oft in ihn Sich die Betrachtungen bemuͤhn Des Fruͤhlings Schoͤnheit abzudruͤcken, Oft von des Schoͤpfers Werck, ein reiner Spiegel schien! Jch muß noch einen Wunsch zu diesem fuͤgen: Ach moͤcht, o HERR, aus Lieb’ allein Dir meine Lust gefaͤllig seyn, Und mein Vergnuͤgen dich vergnuͤgen! Du hast an Menschen-Kindern Lust, Wie David solches deutlich weiset. Ach hab es es denn auch hier an einer Brust, Die dich, in ihrer Freud’ an deinen Wercken, preiset! Schoͤn- Schoͤnheit des Fruͤhlings. Schoͤnheit des Fruͤhlings. J ndem ich hier von einer Hoͤhe, Und zwar zur holden Fruͤhlings-Zeit, Verschiedne Gaͤrten uͤbersehe, Erstaun’ ich ob der Lieblichkeit, Und ob dem bluͤhenden Gepraͤnge Des Fruͤhlings Kleides der Natur, Jn so verschiedner Pracht, Glantz, Farben und Figur. Es zeigt die ungezehlte Menge Der Wipfel, die ich von dem Schnee, Der holden Bluͤhte schimmern seh, Ein angenehm mit gruͤn vermischt Gewebe, Worin das Weisse, bald das Gruͤn, Das Gruͤn hinwiederum, nicht minder kuͤhn, Das Weisse zu besiegen schien. Nicht zu beschreiben ist, wie suͤß Die angenehm gemischte Schoͤnheit ließ: Ach wie so lieblich, glatt und zart und frisch und schoͤn Jst dort das junge Laub auf Linden, Und andern Baͤumen, anzusehn! Seht, wie die Wipfel sich so zierlich ruͤnden, Jndem von allererst geschlossnen zarten Zweigen, Die gruͤnen Spitzen, noch so schwach Durch ihre Blaͤtter-Last herab gezogen, Und recht als runde gruͤne Bogen, Sich wie gewoͤlbet abwerts beugen, Sich Wolcken-foͤrmig zeigen, Und unvermercket nach und nach Nur allererst sich aufwerts lencken. Erweget, wie sie sich so angenehm verschrencken, E 5 Da Schoͤnheit des Fruͤhlings. Da mehrentheils ein Blatt auf zweyen andern lieget, Und sich dadurch so dicht und feste fuͤget, Daß diese Dichtigkeit auch dichte Schatten zeuget, Daß vor des Sommers schwuͤhlem Blitzen, Sie uns, durch ihre Zucht, die kuͤhlen Schatten, schuͤtzen. Es ist ein solches junges Blat, Da es so lieblich gruͤn, so frisch, so zart und glatt, Nicht sonder Anmuth anzusehn. Absonderlich wenn sich das Licht, Auf die nicht minder glatten Hoͤhen, Wodurch die Adern strich-weis gehen Und sie vertieffe, lieblich bricht, Da denn an den vertieften Graͤntzen, Oft kleine Blicke schimmernd glaͤntzen, Wodurch, wenn ihre Zierd und Menge sich vereinet, Der gantze Baum oft uͤbersilbert scheinet. Man wird zur holden Fruͤhlings-Zeit, Da alles voll von Glantz und Lieblichkeit, Von der lieb-aͤugelnden Natur, Aus jedes Bluͤmchens holder Pracht, Bald durch der Farben Schmuck, und bald durch die Figur, Bald in den frisch-bethauten Feldern, Bald in den Blaͤtter-reichen Waͤldern, Ja uͤberall recht angelacht. So laßt uns dem, der ihre Pracht Zu unsrer Augen-Lust gemacht, (Da in der Lentzen-Zeit die Welt so wunder-schoͤn) Sie doch, in unsrer Lust, zum wahren Ruhm besehn! Nach- (***) Nachtheilige Verwahrlosung der Fruͤhlings-Schaͤtze. J m Fruͤhling scheint auf Wiesen und Gefilde, Als ob in einem neuen Bilde Sich eine neue Schoͤpfung zeiget. Da so, wie dort, Durch des Allmaͤcht’gen Wunder-Wort, Kraut, Bluͤthe, Gras, und Laub, neu aus der Erden steiget. Es gehn, in einem neuen Flor, Die Blumen aus der Erd’ hervor. Wenn wir uns nicht an dieser Schoͤnheit laben; So scheints, als wuͤrden wir, zu unsers Schoͤpfers Ehren, Wenn wir in Eden selbst gewesen waͤren, An allen neu erschafnen Gaben, Uns gleichfals nicht vergnuͤget haben. Ein Ein Parterre. Ein Parterre. M ein GOtt, was hast du doch alhier, Jn dieser Blumen bunten Zier, Auf diesem bunten Schau-Platz, mir Fuͤr Weisheit, Lieb’ und Macht gewiesen! Ach sey dafuͤr, daß es so wunder schoͤn, Von mir und allen, die es sehn, Gelobt, geruͤhmet und gepriesen! So rief ich, als ich juͤngst den Platz, Worauf ich kurtz vorher der Beeten Schrancken Von Buchsbaum mit geschlungnen Rancken, Nicht viereckt, wie gewoͤhnlich, fassen, Und hier und da mit rohtem Sand Und bunten Striemchen zieren lassen; Als, sag ich, ich hier diesen Ort, Bedeckt, erfuͤllt mit einem Schatz, Von bunten Tulipanen, fand. Die Regel-rechte Symmetrie, Des Bodens, der in manchem bunten Strich Selbst bunten Blumen glich, Stand mit der bunten Blumen Menge, Und dem fast funckelnden Gepraͤnge, Jn einer solchen Harmonie, Daß jeder, der es sah, erstaunet stille stund, Und, fuͤr Verwunderung, so gleich kaum sprechen kunt. Jch sah ihn juͤngst, recht inniglich vergnuͤget, Von meinen kleinen Weinberg an, An dessen gruͤnem Fuß es lieget; Es Ein Parterre. Es waren mir, als ich den bunten Schimmer sahe, Fuͤr Lust, die Freuden Thraͤnen nahe, Und fing ich gleich, so bald ich mich besann, So wie zuerst, noch einmahl wieder an: Mein GOtt, was hast du doch alhier, Jn dieser Blumen bunten Zier, Auf diesem bunten Schau-Platz, mir Fuͤr Weisheit, Lieb’ und Macht gewiesen! Ach sey dafuͤr, daß es so wunder schoͤn Von mir und allen, die es sehn, Gelobt, geruͤhmet und gepriesen! Zu- Zufaͤllige Gedancken uͤber zwey nach Groͤnland ꝛc. Zufaͤllige Gedancken uͤber zwey nach Groͤnland abseegelnde Schiffe. J ndem ich juͤngst auf einem kleinem Huͤgel, Am Flachen Elbe-Strande, steh, Und, wie der glatten Fluthen Spiegel Sich sanft voruͤber ziehet, seh; Erblick ich, auf dem sich sanft senckenden Gewaͤsser, Ein grosses wol beseegelt Paar Sehr starck-bemannter Wasser-Schloͤsser, So zu dem Wallfisch-Fang bestimmet war; Wie beid’, in stiller Farth, die Fluthen theilten, Und, Land- und Strand vorbey, gemaͤhlig See-werts eilten. Jndem ich nun, von ihrer Reise Den weit entfernten Zweck erwege, Die, auf so manche Art und Weise, Sie drohende Gefahr, mit Grausen uͤberlege; So faͤllt mir die Betrachtung bey: Jch dencke, wie es moͤglich sey, Daß diese Reisende, der schoͤnsten Fruͤhlings-Zeit, Die jetzo wiederkehrt, Und da der Erde Schmuck sich stuͤndlich fast vermehrt, Da Wald und Feld bey uns in solcher Lieblichkeit Bey aufgeklaͤhrten Luͤften bluͤhen, So gantz gelassen sich entziehen, Um sich den ungestuͤhmen Wellen Der unergruͤndlich tieffen See, Des Winters Wuth, Reif, Hagel, Frost und Schnee Und Boreas Gewalt in Groͤnland blos zu stellen. Mich Zufaͤllige Gedancken uͤber zwey nach Groͤnland ꝛc. Mich deucht, als ob ich sie, Jn schwartzer Luft, die blos durch Schnee-Gestoͤber grau, Auf tausend Art bereits beschaͤftigt schau; Wie sie, mit starrer Hand, und mit verwegner Muͤh, Sich, zwischen Eis-Gebirg-und abgerissnen Schollen, Die krachend uͤberall in strengen Strudeln rollen, Mit mehr als toͤdtlicher Gefahr, begeben, Und, in entstandnem Sturm, bey Rasen, Wuͤten, Sau- sen Der Winde, beym Gebruͤll, Geknirsch, Geheul und Brausen Der Wellen, zwischen Meer- und Wasser-Wundern schweben. Geliebter Leser! laß uns nun, Dem Schreck-Bild’, unserm Stand entgegen setzen: Du kannst in Sicherheit auf deinem Bette ruhn, Du kannst in Feld’ und Wald’ auf Blumen dich ergetzen, Du kannst, in warmer Luft, wenn laue Winde wehn, Auf einem sichern Boden gehn. Ach, laß uns dieses denn doch vor ein Gluͤcke schaͤtzen! Ach laß uns oft den Unterscheid besehn, Und in Erkaͤnntlichkeit, des Schoͤpfers Huld erhoͤhn! Jndessen wuͤnschen wir den Arbeit-seel’gen Leuten, Auf ihrer schluͤpfrichen, beschwerlich-rauhen Bahn, Zu ihrer Reise Gluͤck von gantzen Hertzen an, Daß sie, was sie gesucht, in Ueberfluß erbeuten! Hir- Hirten-Gedicht. Hirten-Gedicht. Als der grosse und gelehrte Fuͤrst G uͤnther zu Schwartzburg, Die Goͤttlichen Wunder in Vermeh- rung des Getraides, von mir betrachtet, verlangte . A uf einer sanft erhabnen Hoͤh’, an welcher die be- buͤschten Seiten, Mit Kraͤutern uͤberall bedeckt, sich unten allgemach ver- breiten, Auf deren Wipfel Eichen, Buͤchen und Blaͤtter-reiche Linden stunden, Wovon die gruͤn-und kuͤhlen Schatten, in stiller Eintracht sich verbunden, Saß Hirtenau nebst Segenfeld, zween Edel-Leute, deren Geist Den regen Muͤßiggang im Jagen allein nicht groß und edel heißt, Nein, die (da sie nunmehr den Hof, mit seiner Lust und Last, verlassen) Daß man, bey Schafen und bey Buͤchern, kann froh und ruhig leben, fassen; Ja denen, daß man auf dem Lande, in einer wahren Men- schen-Lust, Der GOttheit Wercke deutlicher, als etwan sonsten, sieht, bewust; Die Hirten-Gedicht. Die, sag ich, sassen bey einander auf einer Banck’ aus gruͤ- nen Rasen, Die an dem angenehmen Orte nur neulich erst verfertigt war, Sie sahen, nebst den muntern Ziegen, der Wollen-rei- chen Schaafe Schaar Bald zwischen jungen Buͤschen klettern, bald in bebluͤhm- ten Kraͤntern grasen, Die dort, mit unterbrochnem Meckern, durch dicht-ge- schlungne Straͤucher schlupfen, Die hier das feinste Gras, den Klee mit regen Kiefern aͤmsig rupfen; Zur Lincken lagen hohe Huͤgel, so sich mit dichter Wal- dung deckten, Worauf der Wipfel halbe Circkel sich immer hoͤher auf- waͤrts streckten. Dort theilt, von schon gereiften Korn, ein groß- und brei- ter gelber Strich Das helle Gruͤn bebluͤhmter Wiesen, am Fusse dunckel- gruͤner Waͤlder, Hier streckt, von kleinen Buͤschen, sich Ein langer gruͤner Strich hingegen durch Aeren-schwan- gre gelbe Felder. Die Schoͤnheit sahe Hirtenau mit inniglich geruͤhrten Blicken, Und wieß sie Segenfeld mit Fingern, der auch, wie er, fast mit Entzuͤcken Sein Aug an diesem Vorwurf labt’. Es herrscht’ in ihrer Beider Brust, Ein’ aus den Wercken der Natur, zu dessen Ruhm, ent- standne Lust, F Der Hirten-Gedicht. Der Himmel, Meer und Erde schuf. Ach rieffen beide: Wie so schoͤn Jst alles was wir hier erblicken! Wie herrlich ist es was wir sehn! Fuhr Segenfeld mit laͤcheln fort. Fuͤrwar das Land-und Schaͤffer-Leben Jst auf der Welt das gluͤcklichste! weil man, mit ruhigem Gemuͤth, Auf der Natur so reiche Schaͤtze am fuͤglichsten kann Ach- tung geben, Und man des Schoͤpfers Werck in ihnen mit Ehrfurcht, Lust und Andacht sieht. Wie gluͤcklich leben wir allhier! Da, so von Stadt als Hof entfernet, Man so von der Natur, als sich, was sonst nicht sichtbar, sehen lernet, Da die Allgegenwaͤrtge GOttheit, in Waͤldern, Feldern und in Auen, Jn Thieren, in den Elementen, ja im geringsten Kraut zu schauen. Da man, vom Reitz der Leidenschaften befreit, in Ruh’ und Musse sich, Weit besser als in Hof und Stadt, besieht, erkennet und ergruͤndet, Und, in der Ruh’ und Still’, ein sonst umsonst gesucht Vergnuͤgen findet. An solchen redlichen Gedancken ergetz’ ich mich. Oft faͤllt mir bey: Wo kann man wol, in einem Stand auf Erden, besser alle Pracht Der stetig wirckenden Natur, als auf dem stillen Land’ erblicken! Wo sieht man besser, als bey uns, die Sonne Wald und Fel- der schmuͤcken, Die Sonn’ ein wahrer Wunder-Spiegel des Maͤchtigen, der sie gemacht! Ent- Hirten-Gedicht. Entfernt von giftiger Verlaͤumdung, Verfolgung, Un- danck, Neid und Streit, Erblickt man hier ein Ueberbleibsel der sonst verschwund- nen guͤldnen Zeit. Hier wo man, bloß durch niedre Demuth, allein zur wahren Hoͤhe steigt, Wo alles, was man hoͤrt und sieht, uns eine Freuden-Frucht gebiehret, Und wo uns der Geschoͤpffe Leiter, mit sanfter Lust, zum Schoͤpfer fuͤhret, Hier, sag ich, sind mir meine Schaafe der Vorwurf mei- ner Gunst und Liebe; Jhr sanftes Wesen, ihre Bildung, ihr Nutz, die Unschuld vollen Triebe Erregen mir in meiner Brust, Je mehr ich alles untersuche, noch immer groͤssre Freud’ und Lust. „Kan jemand, sang ich juͤngst, wol sonder wahre Freude „Und, wenn ers recht erwegt, ohn innerlichs Vergnuͤgen, „Jn vollen Huͤrden bald, bald auf bebluͤhmter Weide, „Bald hier, bald dort, recht als in Choͤren, „Das rollende Gebloͤck der Schaaf’ und Laͤmmer hoͤren? „Wie lieblich ist es nicht, wenn alt und junge Ziegen, „Sammt zarten Laͤmmerchen, beym tieffern Ton, da zwischen „Jhr kurtz-gebrochnes Meckern mischen? „Bey welchem lieblichen sanft-lermenden Gethoͤn, „Zumahlen wenn dabey die Feld-Schallmayen klingen, „Wir dann darnach die jungen Boͤcke springen, „Und jungen Laͤmmer huͤpfen sehn. F 2 „Wer Hirten-Gedicht. „Wer siehet ohne Lust und inniges Vergnuͤgen, „Die weisse Heerd’ im gruͤn- und tieffen Grase liegen! „Man siehet oͤfters blos ihr wiederkauend Haupt, „Jndem der Ueberrest von Kraͤutern gantz belaubt. „Wer siehet ohne Lust, aus glatter Kuͤhe Zitzen, „Jn Eimern, die beschaͤumt, die Milch in Strahlen spritzen? Du hast recht, sprach Segenfeld, und ich stimme dei- nem Singen, Von der Treflichkeit und Anmuth der so edlen Schaͤfferey, Daß sie von dem Land-Vergnuͤgen fast das Allerschoͤnste sey, Gleichfals bey. Dennoch ließ ich ebenfals auch ein Liedgen juͤngst erklingen, Des nicht minder wahren Jnhalts, daß der Land-und Acker- Bau Mich nicht weniger ergetzt und recht inniglich vergnuͤget, Als in welchem Nutz und Lust, gleichfals sich zusammen fuͤget, Und worinn ich voller Anmuth tausendfache Wunder schau. Neulich setzt ich mich und sahe fruͤh, nach wolgenossner Ruh, Meiner Leute Saͤh’n und Pfluͤgen, mit vergnuͤgten Blicken, zu: So daß ich, dadurch geruͤhrt, Feder und Papier ließ bringen, Um mit recht erfreuter Seelen, den, daus alle Ding’ ent- springen, Den, durch dessen holde Liebe, Macht und Weisheit, Huld und Gunst, Nun das menschliche Geschlecht zu so Seegen-reicher Kunst Blos allein gelanget ist, zu erheben, zu besingen. Jch Hirten-Gedicht. Jch schrieb: Seit dem, durch Lust zur Ruh, dazu bewo- gen, Jch mich dem staͤdtischen Geraͤusch entzogen, Seit dem ich hier, Jn diesem holden Lust-Revier, Die Schaͤtze der Natur beachte, Und den, der sie gemacht, die Urquell aller Welt, Der sie so wunderbar erschaffen und erhaͤlt, Jn ihrer Zier und Nutzbarkeit betrachte; Hab ich mich oft am Feld-und Acker-Bau, Recht inniglich vergnuͤget und ergetzt. So gar das Pfluͤgen selbst, wie muͤhsam es auch scheint, Hegt mehr Vergnuͤgen, als man meint. Der Furchen ordentliche Menge Verschoͤnern ihre kleine Schatten, Als die sich mit dem Licht in reinen Graͤntzen gatten. Derselben zierliche gerade Laͤnge, Wenn meine Knechte sie gezogen hatten, Hat ofters mich so sehr vergnuͤgt, Daß ich, dadurch gereitzet und bewogen, Selbst einige mit Lust und mindrer Muͤh gezogen, Als man kaum glauben wird. Jst nun das Land gepfluͤgt; So hat man sich nicht weniger zu freuen, Wenn, mit gemessnem Tritt, wir gelben Saamen streuen, Und, daß er, uns zum Nutz, vermehrt mag auferstehn, Durch Egen ihn begraben sehn. Da er, von dem durch unsrer Sonne Kraft Begeisterten, durchdrungnen Erden-Saft, Recht als geschwaͤngert, sich belebet, Und aus der Furchen duncklen Strichen in gruͤnen Stri- chen sich erhebet, F 3 Die Hirten-Gedicht. Die, wenn zumahl Der warmen Sonnen holder Strahl, Durch ihre Blaͤtter faͤllt und alles lieblich gluͤhet, Man, den Smaragden gleich, durchleuchtig funckeln siehet. Auch wenn ich reif Getraid, im schwuͤhlen Sommer, schau, Ergetzt sich Aug und Hertz. Es wallt, selbst GOtt zur Ehr, Jn dem gereiften Korn, ein gelbes Aeren-Meer. Man kan der Aeren spielend Wallen, Wie sie sich sanft erheben, wieder fallen, Bald wieder in die Hoͤhe steigen, Bald schweben, bald sich wieder neigen, Bald fuͤr sich selber fliehen, bald sich jagen, Bald wirbelnd sich im Kreise drehn, Nicht sonder Lust, nicht ohne Freude, sehn. Zumahl ergetzet uns, in hellen Sommer-Tagen, Der Erndte frohe Zeit. Wie blitzt der Sichel Stahl! Bald zeigt sich hier, bald dort, ein kleiner Strahl, Der uns ergetzt, nicht schreckt. Wie rauscht der schnelle Schnitt, Wenn man, bey einem jeden Tritt, Die Schwaden fallen sieht. Es fahren grosse Wagen, Die kaum die Last der grossen Schober tragen; Man hoͤrt den muntern Fuhrman singen, Aus einer Sorgen-losen Brust; Mit Freuden sieht man ihn die schlancke Geissel schwingen, Des Klatschens kurtz - oft wiederhohlter Knall, Vermehrt, nebst seiner Freud’, auch seiner Hoͤrer Lust. Es wuͤhlt und lebt das Feld jetzt gleichsam uͤberall, Und Hirten-Gedicht. Und wer kan, ohne Freud’ und inniges Bewegen, Den uns vom Himmel selbst geschenckten Seegen Hier annoch stehn, da binden, dorten maͤhn, Hier in die Scheuern fahren sehn? So sang ich dazumahl, als unverhoft ein Brief, Von meinen wehrten Freund Durander, Mir ungefehr zu Haͤnden lief. Jch faltet’ ihn kaum aus einander Als schnell ein Weisheit-Licht mir in die Augen fiel. Es gab mir sein geschickter Kiel, Was ihm, von seinem Herrn, dem teutschen Salom o , Dem Fuͤrsten Guͤnther, sonder gleichen, An dessen Lob und Ruhm kein Ruhm vermag zu reichen, An mich befohlen war gewesen, Mit ungemeiner Lust zu lesen. Wie ward mein Geist geruͤhrt und meine Seele froh! Wie inniglich ward ich ergoͤtzet, Als eben das, was ich mir vorgesetzet, Von mir verlanget ward: ja nicht allein verlangt; Es war ein weiser Plan, dem Schreiben angebogen, Ein Abriß, den der Geift des Fuͤrsten selbst gezogen, Drin Andacht, Ordnung, Feur gantz unnachahmbar prangt. „Gebenedeites Land! rief ich, von Lust geruͤhrt, „Jn welchem solch ein Fuͤrst den Zepter fuͤhrt, „Der auf den Acker-Bau sein weises Auge lencket, „Der auf des Land-Manns Werck, in guͤldnen Zim- mern, dencket, „Ja der so gar, mit Danck und Andacht angefuͤllt, „Auf des allmaͤchtigen Regierers aller Welt, „Der durch den Acker-Bau die Thronen selbst erhaͤlt, „Aus dessen Weisheit, Lieb’ und Macht der Seegen qvillt, F 4 „So Hirten-Gedicht. „So weise Wege sinnt, und dessen Allmacht ehrt, „Der, durch das milde Korn, so Vieh, als Menschen, naͤhrt. „Nicht zu bewundern ist, wenn zu dem Sternen HErrn „Dein treues Volck, mit aufgehabnen Haͤnden, „Fuͤr dein bestaͤndigs Heil und Wolergehn so gern „Und unablaͤßig fleht!„ Jch fing hierauf mein Singen, Nach seiner Vorschrift, an: Doch hab ich sonst fast nichts dabey gethan, Als Guͤnthers weise Wort’ in Reime bringen. Darauf nahm Seegenfeld ein Blat Papier, Aus seinem Taschen-Buch und reicht es Hirtenau, Mit diesem Worten, ein: Dieß war des Fuͤrsten Wille, Was ich beschreiben sollt. Ließ ob ich nicht genau Geschrieben, was er schrieb, ich les’ indessen dir, Jn dieser Einsamkeit, in dieser suͤssen Stille, Was ich davon gereimet fuͤr. Worbey denn Hirtenau den uͤberreichten Brief, Mit frohem Blick, Bewundrung-voll durchlief. O ew’ger Ursprung aller Dinge! Der alles, und auch mich, gemacht! Gieb, daß ich meiner Seelen Kraͤfte, Mit Lust und mit Verwundrung hefte Auf deiner Wercke Nutz und Pracht, Die du aus Nichts, hervor gebracht, Und stets in Andacht dir lobsinge, Wenn ich, in ihnen, dich betracht! Du ruffest dem, das nicht ist, daß es sey, Und laͤssest das, was worden ist, vergehn! Dein Winck heist wiederum das, so bereits vorbey, Aufs neue wiederum entstehn! Dein Hirten-Gedicht. Dein Wort erhaͤlt die Welt, und, mit der Frucht der Aeren, Weiß uns im Ueberfluß dein Seegen zu ernaͤhren. Mein GOtt! zu Ehren deinem Nahmen, Bet’ ich absonderlich in des Getraides Saamen Die Wirckung deiner Allmacht an1 O du Geheimniß-volles Wesen, Du scheinst vom Schoͤpfer selbst erlesen Zum Wunder-Werck fuͤr jedermann! Wohin sich auch mein Sinnen lencket, Wie tief sich meine Seele sencket, Je mehr sie hin und wieder dencket, Was doch der Saamen eigentlich; Je mehr, je mehr, verlier’ ich mich. Ein geistig Feuer, das dich fuͤllet, Jst wunderbar in dir verhuͤllet, Unsichtbar ist die rege Gluth, Die eingeschlossen gleichsam ruht, Die aber augenblicklich zuͤndet, So bald sie einen Zunder findet. Wie wir ein mannigfalt’ges Brennen, Jn abgezognen Wassern kennen, Das starck und doch nicht sichtbar ist, So stellet ungefehr sich mir Die Kraft, die ich im Saamen spuͤhr, Als ein lebendig Feuer fuͤr. Wie nun ein Fuͤncklein, noch so klein, Die gantze Welt in Brand kann setzen; So kann von einem Korn allein, Die gantze Welt besaamet seyn. F 5 Wie Hirten-Gedicht. Wie gros ist dieß Geheimniß nicht, Das in des Saamens Wesen stecket, Das, recht wie ein unsichtbar Licht, Rings um sich seine Kraͤft’ erstrecket. O wunderbahrer GOtt! es sieht Jm Saam-Korn mein betrachtendes Gemuͤht Eh meiner forschenden Gedancken, Als wie desselben Kraͤfte, Schrancken! Es scheinet, als ob wir den Saamen fuͤglich koͤnnen Ein Mittel zwischen Geist und zwischen Coͤrpern nennen. Er scheinet eigentlich Der Pflantzen Absicht blos allein, Und zwar zu diesem Zweck, zu seyn; Damit sie selbst, durch ihre Kinder, sich Erhalten, und zu GOttes Ehren, Biß an der Erden Ende waͤhren. Selbst in der Wurtzel steckt die Kraft, Nicht nur der Pflantzen Nahrung-Saft, Nein, auch den Saft des Saamens und der Bluͤhte, Bewunders-wuͤrdig zu bereiten. Unftreitiger Beweiß von dessen Weisheit, Guͤte, Und Allmacht, welcher alles macht, Erhaͤlt und es aus Nichts hervorgebracht. So viel wir aͤusserlich am Saamen sehen, So scheint sein Coͤrper zu bestehen, Aus einer Schalen, einer Haut, Wobey man noch ein fleischicht Wesen, Und endlich ein klein Pflaͤntzlein schaut: So daß es scheint, als wenn mit einem Ey Er fuͤglich zu vergleichen sey. Die Hirten-Gedicht. Die aͤussre Schale dient zu seiner Sicherheit, Damit er, durch zu viele Feuchtigkeit, Die oftermahlen in der Erde, Wie auch durch Ungezieffer, nicht Verletzet und beschaͤdigt werde. Jn seiner aͤussern Haut sind vieler Adern Gaͤnge, Durch deren ungezehlte Menge Das Pflaͤntzlein sich ernaͤhrt, von einen zarten Saft. Es scheint sein fleischicht Wesen, Als wie im Ey der Dotter, auch erlesen Zur ersten Nahrungs-Kraft. Doch braucht es dessen nur so lang, und ferner nicht, Als ihm der Erden Saft gebricht. So bald er sich selbst aus der Erde naͤhrt, So bald er sich mit diesem weiß zu fuͤllen; Verweset dieser Theil, das Pflaͤntzlein scheint allein Das eigentliche Stuͤck, um dessen willen Die andern alle sind, zu seyn. Desselben Theile sind nicht fluͤßig nur, auch fest, Und, wie es durch Vergroͤssrungs-Glaͤser sich Gantz deutlich unterscheiden laͤßt; Erblicket man in ihnen eigentlich Viel Fasern, welche, wie wir sehen, Aus groͤssern und aus kleineren bestehen. Die Grossen sind aus kleinern Roͤhren, Recht wunderbar gefuͤgt, von denen einige, Die zarte Pflantze naͤhren, Wenn andre Roͤhren ihnen Zu Luft-Canaͤlen dienen. Am allermeisten zeigt des Schoͤpfers weise Liebe, Die man nicht gnug bewundern kann, Die wunderwuͤrdige Vermehrung an, Die Hirten-Gedicht. Die man, zu unserm Nutz, Erhaltung, Lust und Freude, Jm Saamen uͤberall, doch meistens im Getraide, Verspuͤhret. Wer begreift doch die Vermehrungs-Kraft So jedes Saamen-Koͤrnlein heget! Und welche GOtt, der alles wirckt und schafft, So wunderbar darein geleget! Da sie nur blos um uns zu naͤhren, So unbegreiflich sich vermehren! Begreift ihr denn, geliebte Menschen nicht, Wie wuͤrcklich hier ein Wunderwerck geschicht, Da GOtt sich jaͤhrlich hier so Gnaden-reich erweis’t, Und mit so wenig Korn viel tausend Menschen speis’t? Da, trotz den Voͤgeln, wilden Thieren, Gewuͤrm’, in deren Meng’ und Zahl wir uns verliehren, Die alle theils die Frucht, den Saamen theils, verzehren, Wir biß zum Ueberfluß, dennoch gesaͤttigt seyn. Wo etwas auf der Welt der GOttheit Allmacht zeiget Und daß den menschlichen Begrif weit uͤbersteiget, So ist es die Vermehrungs-Eigenschaft, Die er, bloß durch ein Wort, ins erste Korn geleget, Und eine solche Wunder-Kraft Jn solchen kleinen Raum gepraͤget, Daß alle Koͤrner, so die Welt, Von je enthalten hat, noch jetzt enthaͤlt, Und die biß zum Vergehn der Erden, Darin verwunderlich gezeuget werden, Aus dieser Kraft noch ihre Kraͤft’ empfangen, Und aus dem Wunder-Wort noch ihre Daur erlangen. Denn ob wir gleich die Art nicht fassen; So wird sich dieß doch leicht begreiffen lassen, Daß Hirten-Gedicht. Daß im gesaͤ’ten Korn der Halm nicht nur, Daß auch zugleich darin die kraͤftige Natur Noch auf die kuͤnft’gen Zeiten, Sich zu vermehren, auszubreiten, Vorhanden und mit fortgepflantzet sey. Wenn nicht in jedem Korn, nebst Frucht, nebst Halm und Aere, Zugleich die Saamen Kraft auch mit vorhanden waͤre, Und sich verbreitete; haͤtt’ alles, was uns naͤhrt, Schon laͤngsten aufgehoͤrt. So daß wir daraus deutlich sehn, Wenn wir von Korn zu Korn zuruͤcke gehn, Wie alle diese Kraͤft’ aus einer Kraft entstehn. Wo etwas denn der GOttheit Eigenschaft, Jm Schaffen und die Allmacht Kraft, Des grossen Worts: Es werde! zeigen kann; So zeigt die Unergruͤndlichkeit, Die unerschoͤpfliche Beschaffenheit, Der in das erste Korn gesenckten Kraft es an. Ein Geist, der sich in diese Tieffe senckt, Und die ins erste Korn vereinte Kraft erweget, Die GOttes Weisheit, Lieb’ und Macht, darin geleget, Und in so kleinem Raum so wunderbar verschrenckt, Erstaunet wol mit Recht, Und folglich wird mit Recht, der GOtt von ihm geehrt, Des blos aus Lieb’ allein erregtes Wollen Schaft, daß die Pflantzen ihr Geschlecht, So lang die Erde steht und waͤhrt, Jn und durch sich erhalten sollen. „Ach Hirten-Gedicht. „Ach, liebster Vater, der du hier „Fuͤr uns so liebreich Sorge traͤgest, „Der du ins kleine Korn Vermehrungs-Kraͤfte legest, „Laß uns, bey so viel Gnad’, absonderlich dafuͤr „Dir unsrer Lippen Opfer bringen, „Und dir ohn Unterlaß ein froͤlich Danck-Lied singen! Es hatte Segenfeld vom Korn und dessen Wesen Die letzte Worte kaum gelesen, Als Hirtenau, dadurch geruͤhrt, Ein inniglich Vergnuͤgen spuͤhrt. Er lobete das Lied, bewunderte den Geist Des Fuͤrsten, der also die Dichter singen heißt. Doch ward er gleichfals dem, dem ewig Danck gebuͤhret, Absonderlich dadurch zu dancken angefuͤhret, Und fielen ihm dazu die Worte wieder ein, Die einmahl zu dem Zweck von ihm gesungen seyn: Du ewiger Gnaden allmaͤchtiger Wille, Unendlicher Ueberfluß ewiger Fuͤlle! Quell, Licht und Leben der Natur, Wir singen mit entzuͤcktem Muthe: Du kroͤnst das Jahr mit deinem Gute, Vom Fett trieft deiner Fuͤsse Spur, Du fuͤllest die Felder Mit Weitzen und Klee, Du schmuͤckest die Waͤlder, Du segnest die See. Es Hirten-Gedicht. Es schwaͤngert die Luͤfte, befruchtet das Land Der strahlenden Sonne belebender Brand, Es glaͤntzet der Anger, es funckeln die Wiesen, Sey, ewiger Schoͤpfer, denn ewig ge- priesen! Blu- Blumen-Betrachtung. Blumen-Betrachtung. D a ich zwischen Blumen gehe, Und, mit tausendfacher Lust, Tausendfache Farben sehe; Wird das Hertz in meiner Brust, Nicht nur durch die bunte Pracht, Und durch den Geruch geruͤhret; Sondern mein vergnuͤgter Geist, Wird zu dem, der sie gemacht, Voller Brunst empor gefuͤhret. Von des Schoͤpfers Wunder-Wesen, Laͤsset ihrer Farben-Zier, Jn gefaͤrbten Lettern mir, Viel, auf vielen Blaͤttern, lesen. Ja, wie wir durch Stimmen uns weiter, als wir sind, erstrecken, Und wir das, so wir gedencken, dadurch in die Fern’ entdecken: Also scheint vom Blumen-Heer ebenfals auf allen Seiten Sich, im lieblichen Geruch, eine Rede zu verbreiten. Denn sie lassen, GOtt zu Ehren, nicht nur suͤsse Duͤnste rauchen, Sondern in dem suͤssen Hauchen Lauter Lobes-Lieder hoͤren, Welche der gantz deutlich spuͤhrt, Welcher, wenn der Duft ihn ruͤhrt, Und er sich daran erquicket, Jn der Lust des Schoͤpffers denckt, Der die Welt so schoͤn geschmuͤcket, Und ihm so viel Anmuth schenckt. Der Der gelbe Mah. Der gelbe Mah. S o bluͤhest du nun auch in deiner guͤldnen Pracht, Dem, der so dich, als uns, und alle Welt gemacht, Auch hier, zum ersten mahl, zum Preis und Ruhme, Gold-gelber Mah, Bewunderns-wehrte Blume, Die du vor kurtzer Zeit auf der Chineser Graͤntzen Die glatten Blaͤtter liessest glaͤntzen! Du, die noch nie ein Aug in Teutschland jemahls sah! Da du vorhin so fern, bist mir anjetzt so nah! Auf welche wunderbahre Weise Vollfuͤhrtest du solch’ eine lange Reise? Nie gnug gepriesner Heidenreich, Dem, an Erfahrung, Geist und Kunst, fast keiner gleich, Durch deiner edlen Neu-Begier Vernuͤnft’gen Trieb, erblicken wir Nunmehr auch hier Des gelben Mah Betrachtungs-wehrte Zier. Er hat mit Achtsamkeit dich dorten bluͤhen sehn, Geliebte Blum’, er fand dein frembdes Wesen schoͤn Und wehrt, daß dein Geschlechte Von andern Voͤlckern auch gesehen werden moͤgte. Drum nahm er, da es nicht dein zartes Wesen litt, Dich selbst, in deinem Flor, mit sich zu nehmen, Die Ur-Kraft, in dem Saamen, mit G Und Der gelbe Mah. Und schenckte die in ihm verborgne Zier, Dein unsichtbares Gold, nebst vielen andern, mir. Jetzt kan ich denn, mit stillen Freuden, Mein Aug’ an ihrer Schoͤnheit weiden, Und in derselbigen, aufs neue, neue Proben Von unsers Schoͤpfers Allmacht loben. Froͤlich Froͤlich seyn bey seiner Arbeit. Froͤlich seyn bey seiner Arbeit. S ehn wir auf der Kirschen-Bluͤth’, Mit betrachtendem Gemuͤth, Zwischen ihrem frischen Gruͤnen, Auf dem Weissen, dunckle Bienen Mit geschaͤft’ gem Sumsen schweben, Bald sich setzen, bald sich heben, Bald, im Schweben, sich bestreben, An die kleinen Hinter-Schienen Gelb gesammlet Wachs zu kleben; Scheint der gantze Baum zu leben, Und mir fiel daruͤber ein: Kann, nach Salomonis Lehre, Sonder Ausnahm’ auf der Erden, Wenn er noch so gluͤcklich waͤre, Keiner recht vergnuͤget werden, Als durch dieses blos allein: Bey der Arbeit froͤlich seyn; So kann dieses kleine Thier, Liebster Leser, dir und mir Ein begluͤcktes Beyspiel geben. Machst du es nun eben so; Bist du, bey der Arbeit, froh: Wirst du auch vergnuͤget leben. G 2 GOtt GOTT sprach: Es werde: GOTT sorach: Es werde: D er Menschen Wort ist Wind, der GOttheit Wort sind Wercke; GOTT sprach: Es werde Licht! Das Licht ward alsobald. Er faͤhret fort: Es werde Lust, Himmel, Erd’ und Meer! Luft, Himmel, Meer und Erde Ward augenblicks. So spricht die GOttheit, wenn sie spricht! Und weil, da seine Werck stets waͤhren, nicht veralten, Nicht wiederum vergehn; derselbigen Erhalten Ein stetes Schaffen ist; so kan man GOTT zu Ehren, Sein unaufhoͤrlich Wort: Es waͤhre! nicht nur hoͤren; Wir koͤnnen uͤberall, in aller Dinge Wesen, Der GOttheit grosses Wort, in grossen Zuͤgen, lesen. Wer Ohren hat zu hoͤren, hoͤre dann, Mit Andacht und mit Lust, die Rede GOTTES an! Wer Augen hat zu sehen, seh’ und lerne Die Lettern dieser Welt, das A. B. C. der Sterne, Worin von seiner Macht, von seinem ew’gen Lieben, Und seiner Weißheit Licht Geheimnisse geschrieben. Ein Geist, der sich bemuͤht, nur erst zu buchstabiren Jn diesem Buch der Weisheit, das so schoͤn, Wird, mit stets neuer Lust, den Jnnhalt bald verstehn. Auf allen Blaͤttern steht die ewig wahre Lehre: GOTT ist das hoͤchste Gut! und: GOTT allein die Ehre! Hans Hans und Mops. Hans und Mops. H ans stund des Morgens auf, und Mops sein Hund, zugleich; Hans zog die Kleider an, reckt’ seinen Arm, und gaͤhnte; Mops reckte, schuͤttelt’ sich, und dehnte Nicht minder alle vier; gebacknen weissen Teig Aß Hans; da Mops nur blos vom schwartzem Brodte fraß. Mops tranck das Wasser roh, und Hans gekochtes Naß. Hans ging darauf ins Feld; Mops gleichfals. Hans be- schritte Ein Pferd; Mops aber nicht, er lief, und jener ritte, Biß daß der Mittag sie nach Hause wieder rief. Hans aß; Mops ebenfals. Wie Hans ein wenig schlief, Schlief Mops nicht weniger. Das schoͤne Sonnen-Licht Ward nicht von Hans beschaut, von Mops imgleichen nicht. Daß in der Fruͤhlings-Zeit die Creatur so schoͤn, Hat weder Hans noch Mops bemerckt und angesehn. Sie machten sich daraus nicht die geringste Freude. Durch wenig viel gesagt: sie schief- und wachten Beide; Sie trancken beide Naß; sie assen beide Brodt: Es lebten Hans und Mops; jetzt sind sie beide todt. G 3 Be- (***) Betrachtungen uͤber das Gewissen. Bey der Gelegenheit der Fabel von der Sirene im 1. Theil, p. 561. A. D a es mehr nun als zu wahr, daß die Dinge die- ser Welt, Wie gesagt, zwo Seiten haben, und daß wir sie mei- stens drehn Nach dem Zustand unsers Wesens, da die Liebe ploͤtz- lich faͤllt Und uns die genossne Schoͤnheit wiedrig deucht, und nicht mehr schoͤn, Minder, durch des Vorwurfs Schuld, welcher ja der- selbe bleibet, Als durch Abnahm’ unsers Feuers, das vorher in Adern brannt’; Jst es eine grosse Frag’, ob, was uns zur Reue treibet, Und was insgemein Gewissen von dem Menschen wird genannt Dieses nicht zur Ursach habe? folglich ob’s so fuͤrchter- lich, Als man es sonst glaubet, sey? ob mans nicht mit Un- recht sich So verdammend vorgestellt? ob vielmehr nicht eigent- lich, Durch des Coͤrpers Aenderung, oder durch empfundnes Jrren Ueber die gehofte Lust, die Gedancken uns verwirren, Und wir durch ein eingebildet, irrig so genannt Gewis- sen Uns nicht, mehr als noͤhtig waͤre, fuͤrchten und uns qvaͤlen muͤssen? Eben Betrachtungen uͤber das Gewissen. B. Eben unsers Coͤrpers Zustand, da sich nemlich in der Liebe, Nach genossner Lust, so bald alle vormahls heisse Triebe Jn dem Augenblick veraͤndern, da ein Eckel schnell ent- steht Und, im schnell-verbrannten Feuer, alle Lust nicht nur vergeht Sondern, wie uns in der Bibel Ammons Beyspiel deutlich lehrt, Sich in bittern Wiederwillen, ja in Haß und Reu ver- kehrt. Dieses, sag ich dir, entstehet warlich nicht von unge- fehr, Stammt aus keinem blinden Zufall, sondern einer Weisheit her, Die nicht gnugsahm zu bewundern. Waͤr’ es anders; wuͤrde man Sich gewiß von allem Feuer, das man nicht entbehren kann, Sonder Zweifel, gantz erschoͤpfen. Schaut, wie man so deutlich findet Daß nicht minder das Gewissen, als das Goͤttliche Ver- boht Jn der Wollust auszuschweiffen, sey in der Natur ge- gruͤndet, Folglich nicht zu uͤbertreten, ja daß beides sich so gar Selbst mit unserer Erhaltung, Wolseyn und Gesund- heit bindet, Welches wenn man es erweget unbegreiflich, wunder- bar. G 4 Betrachtungen uͤber das Gewissen. Ja, es streckt sich die Betrachtung nicht bloß auf die Wol- lust nur, Wenn uns Ehr- und Geld-Geitz taͤuschen, uns zu Lastern oft verfuͤhren, Und wir den Besitz erhalten; finden wir in der Natur Jn der Unempfindlichkeit der darin gehoften Lust Unsern Jrrthum; und so dann wird uns allererst bewust Die durch Menschliche Gesetze drauf gesetzte Straf und Schande, Die man, vor vollbrachter That, Durch gehofte Lust, verachtet, Und, durch die Begierden blind, nicht erwogen, nicht be- trachtet, Weniger gescheuet hat. Dieses alles zeigt uns deutlich, und macht uͤberzeuglich klar Des allmaͤchtigen Regierers tieffe Weisheit offenbar, Da er selbst in unser Wesen eine Eigenschaft gesencket, Daß man nach vollbrachter That anders, als vorher, ge- dencket Und, so wol durch Furcht, als Eckel, den man in sich selbst entdeckt, Vom Verbothnen abgehalten, von den Lastern abgeschreckt Und zur Reu getrieben wird. Da man also deutlich findet Daß der Ursprung des Gewissens selbst in der Natur ge- gruͤndet Und nicht im Gehirn allein: laß uns denn des Schoͤpfers Willen, Der sich in Enthaltung aͤussert, uns bestreben zu erfuͤllen! Die Die Wahrheit. G rosser Schoͤpfer! ich erkenne, daß ich nichts erkenn’ und weiß, Aber, selber dieß Erkennen mehrt in mir doch deinen Preis; Denn, indem ich dieß erkenne, daß ich nichts erkennen kann, Treff’ ich was in meinen Wesen, welches was erkennet, an. Die Betrachtungen sind faͤhig, alle Zweiffels-Furcht zu stillen; Weil aus dieser Selbst-Erkaͤnntniß Demuth, Trost und Andacht qvillen. Demuth, da ich nichts begreiffe, treibt den Hochmuth fern von mir; Trost entsteht aus der Erkaͤnntniß, daß ich besser als ein Thier; Andacht aber, da ich finde, wie so vieles mir gebricht, Fuͤhret meine leere Seele zu der ew’gen Weisheit Licht. Dieß nun laͤßt mich Sonnen-klar in des Schoͤpfers Wun- der-Wercken Diese Strahlen-reiche Wahrheit allenthalben deutlich mercken: Der Schoͤpfer will und kann allein Bewundert, nicht begriffen, seyn. G 5 Be- Bewunderung der Sonnen. S olander, wie er einst zur Sommers-Zeit erblickte, Mit welchem Anmuths-Meer die Sonne diese Welt, Luft, Wasser, Berg’ und Thal, Land, Garten, Wald und Feld Befloß, erleuchtete, belebt’, erwaͤrmt’ und schmuͤckte; Fing, da ihn dieß fuͤr Anmuth fast entzuͤckte, Derselben Schoͤpfer an zu preisen. Allein, es fiel A - - - ihm ein: Mit Recht ergetzet dich der Sonne Wunderschein, Mit Recht verehrest du den Schoͤpfer der Natur; Doch dieß ist eine Sonne nur; Jch will dir Millionen weisen: Und darauf zeigt er ihm, in einer heitern Nacht, Des Firmaments gestirnte Pracht. Das Das Eulchen. Das Eulchen. A m Abend saß ich juͤngst, gelassen und in Ruh, Jn einem kleinem Garten-Zimmer, Und sah durchs Fenster-Glas, wie sich des Tages Schim- mer Gemach verringerte: Die Schatten nahmen zu. Jndem erblicket’ ich ein aͤmsiges Geschwebe. Von einer Spinnen war ein ziemlich starck Gewebe Jm Zimmer, vor den Scheiben her, gespannt, Und, zwischen dieser falschen Wand, Sah ich am Scheiben-Glas’ ein weisses Eulchen fliegen Stets auf und nieder, hin und her. Es schien, ob sucht’ es blos am Lichte sein Vergnuͤgen, Und, daß es blos dadurch gesichert waͤr. Jhr schwartzer Feind, die Spinne, ruhte nicht, Sie lieff’ bald in die laͤng’, bald in die qver, Mit offuen Klauen, doch des Himmels Licht, Des Eulchens Augenmerck, wodurch es nicht zuruͤcke, Und nur stets vorwerts flog, befreit es von dem Stricke Und seinem Untergang, indem es ungefehr, Nach langem Flattern, in der Scheibe An eine Spalte kam, Und durch dieselbige sich seinem Tod’ entzog, Die Freyheit froͤlich nahm, Und nach dem lang gesuchten Lichte flog. Der Das Eulchen. Der Zufall ruͤhrte mich, und glaubt’ ich, daß, zur Lehre, Er nuͤtzlich anzuwenden waͤre. Das Eulchen schiene mir der Seelen Bild zu seyn; Das Scheiben-Glas des Coͤrpers; durch den Schein Des Lichtes schiene mir die GOttheit; Suͤnd’ und Welt Durch das Geweb’ und durch die Spinne, vorge- stellt. Die Die Augen als Spiegel. D es reinen Wassers klare Flut Stellt nicht nur Kraͤuter, Buͤsch’ und Huͤgel, Als wie ein glatt-polirter Spiegel, Ju noch vermehrter Schoͤnheit fuͤr; Sie zeigt uns nebst der Sonnen Glut Des gantzen Himmels helle Zier. Ach moͤgte gleichfals dir und mir Das Wasser, so in unsern Augen, Bey dem so schoͤnen Schmuck des Himmels und der Erden, Zum Welt- und Himmels-Spiegel werden! Ach moͤgt’ auch dieß die Welt zu bilden taugen! Ach druͤckte doch der wunderschoͤne Schein Von aller Creaturen Pracht, Zu dessen Ruhm, der sie gemacht, Durch ihre klare Fluth sich unsern Seelen ein! So wuͤrden sie dadurch, wie uns das Wasser, schoͤn Auch andern Geistern anzusehn, Und, lieblich ausgeschmuͤckt, mit Lust betrachtet seyn. Ge- Gesang der Voͤgel. Gesang der Voͤgel. W enn wir die Voͤgel singen hoͤren, So laßt ihr Zwitschern uns doch lehren, Wie groß, wie wuͤrdig zu verehren So ihr als unser Schoͤpfer sey! Sie werden’s uns mit Lust erklaͤhren. Man achtet’ eh, auf ihr Geschrey Auf eine wunderliche Weise: Wir aber finden, GOtt zum Preise, Jn ihrem Singen mancherley. Jhr suͤß und lieblich Lust-Gethoͤn Giebt uns gar deutlich zu verstehn, Daß sie, den Schoͤpfer zu erhoͤhn, Und uns zu gleicher Zeit zu laben, Der hellen Stimmen Wunder-Gaben, Wir das Gehoͤr, empfangen haben. Wer beide Werckzeug’ recht erweget, Der findet eine helle Spur Von Wundern, welche der Natur Von einem Wesen eingepraͤget, Das, wie an Lieb und Macht, zugleich An Weisheit uͤberschwenglich reich. Das allen Dingen Seyn und Leben, Wie uns das unsrige, gegeben, Das, ob es alles gleich erfuͤllet, Sich in die Creatur verhuͤllet; Ein herrlich Wesen, welches man, Wenn wir sie recht mit Lust beschauen, Wie einen Loͤwen aus den Klauen, Aus ihrer Schoͤnheit, kennen kann! Der Der Wieder-Schein. Der Wieder-Schein. Nachdem B. bey Erblickung schoͤner, in einem klaren Wasser sich spiegelnder Baͤume A. zu deren Betrachtung aufzu- muntern gesucht. A. D u machst von diesem Schein und seiner Schoͤnheit mir So viele Wort’, und bringst so viel Erzehlens fuͤr: Da dennoch alle Pracht nichts wesentlichs; ein Schein, Und weiter nichts. B. Dieß ist zwar wahr; allein Mir dienet dieser Schein selbst durch die Nichtigkeit, Jndem er mich aufs Urbild fuͤhret, So leider, ungeacht’t der Schoͤn- und Seltenheit, Blos durch Gewohnheit mich bißhero nicht geruͤhret. Ja es liegt in der wandelbahren Klarheit Von diesem Schein noch eine groͤssre Wahrheit: Das Jrdische, so gleichfals fluͤcht- und nichtig, Sollt uns mit Recht, wie hier der Schein Uns auf das Urbild fuͤhrt, zu dem allein Unwandelbar- und wesentlichem Seyn, Dem Ursprung aller Herrlichkeiten, Durch die von ihm erschaffne Schoͤnheit, leiten. Har- Harmonie des Geruchs. Harmonie des Geruchs. W er zu unsers Schoͤpfers Ehren, Mit befriedigtem Gemuͤthe, Sein Vergnuͤgen will vermehren, Riech’ im bunten Blumen-Reich, Mit Bedachtsamkeit, zugleich Rosen und Orangen-Bluͤhte. Dem Geruch recht lieb zu kosen Sind ja wol die holden Rosen Wunderwuͤrdig zugericht. Recht mit Balsam eingemischet Jst was aus der Rose bricht, Und so Hirn als Hertz erfrischet. Wird von Blumen fuͤr die Nasen Etwas lieblichs ausgeblasen, Jst es ebenfals die Bluͤht, Welche man im gruͤnem Glantze, Recht als im smaragdnen Krantze, Und bey guͤldnen Aepfeln sieht; Die ein Auszug in der Kuͤrtze Aller lieblichen Gewuͤrtze. Aber mischen beider Flammen, Die nicht sichtbar, sich zusammen; Spuͤrt man eine holde Glut, Die der Seelen sanfte thut, Die, wenn wir sie wol bemercken, Nicht allein den Geist zu staͤrcken, Zu vergnuͤgen, zu erqvicken, Ja fast gleichsam zu entzuͤcken, Von recht sonderlicher Kraft; Son- Harmonie des Geruchs. Sondern wenn mans recht gebrauchet, Und der Geist, zu GOtt gekehrt, Jhn in unsrer Lust verehrt, Danckt, daß er sie uns uns beschert, Frohe Seufzer von sich hauchet; Spuͤhret man, durch jede Blume, Daß selbst in uns, GOTT zum Ruhme, Recht ein geistig Rauchwerck rauchet. Eine solche Harmonie Holder Duͤnste qvillt aus ihnen, Mit so suͤssem Reitz, herfuͤr, Solch’ ein’ Anmuth fuͤllet sie, Daß man sich zum Schoͤpfer lencket, Und, zum Danck getrieben, dencket: Wie ist doch der GOtt so groß, Welcher in der Erden Schoß Solche Wunder-Kraft gesencket, Und, durch seine Guͤte blos, Mir so suͤsse Wollust schencket. H Be- Betrachtung uͤber die Schoͤnheit der Blumen. J ndem ich hier vergnuͤgt im Garten gehe, Und bey so mancher Art gefaͤrbter Blumen stehe, Faͤllt mir, da mein Gemuͤth von ihrem Glantz und Schein Gantz eingenommen wird, bey ihrem Schimmer ein: Man sieht, durch der Natur Geheimniß-reiche Kraft, Gewachs’nen Atlas hier, und dort gewachs’nen Taft, Gefaͤrbten Damast dort, Sammt, Moor, Brocad, Satin, Nebst silbernen und guͤldnen Stuͤcken Voll Rancken-Werck, bald roth, bald gruͤn, Bald blau, bald incarnat, des Gartens Fluren schmuͤcken. Bewundre doch, geliebter Mensch, wie glatt, Wie bunt, wie glaͤntzend jedes Blatt! Erwege doch der schoͤnen Creaturen Bewunderns-wehrte Pracht und zierliche Figuren! Hat jemand auf der Welt gelebet, Der solch ein kuͤnstliches Gewebe je gewebet, Jn welchem, ob sie noch so schoͤn Kein Faden, kein Gewirck zu sehn? Erwege doch in ihrer Pracht Die Liebe, Weisheit und die Macht Des Wesens, welches sie aus Nichts hervorgebracht, Nicht nur so wunderschoͤn formirt, Sie so an Farb’ als an Figur geziert, Roch mehr, so mancherley Figur in sie gesencket Und uns, zu dem Genuß, des Riechens Kraft geschencket! Auf denn mein Geist! du must von GOttes Wercken Die Pracht auf andre Weis’, als wie das Vieh, bemercken! Wir Betrachtung uͤber die Schoͤnheit der Blumen. Wir koͤnnen uns zu GOtt durch nichts so sehr erheben, Als wenn, in seinem Werck, wir uns mit Lust bestreben, Auf seine Weisheit, Lieb’ und seine Macht zu achten, Und in der Creatur, die blos dazu erlesen, Daß sie uns zeigen soll sein sonst verborgnes Wesen, Mit Ehrfurcht, Lieb’ und Lust den Schoͤpfer zu betrachten. Mir fiel hieruͤber ein, was ich hievon geschrieben, Und welches mir noch im Gedaͤchtniß blieben: Kann sie sich selbst so zierlich bilden? Kann sie der holden Blaͤtter Pracht Aus eigner Macht Hier schoͤn versilbern, da verguͤlden? Kann sie von ungefehr wie Demant und Carbunckeln Jn buntem Feuer gluͤhn? so lieb-als herrlich funckeln? Jch sencke mich durch deine Wunder in dich, allmaͤch- tigs Wesen, ein, Und spuͤr’ in ihnen von der GOttheit den sicht- und un- sichtbaren Schein. Durch sie, als einen schoͤnen Nebel, seh’ ich das Licht der GOttheit brechen; Jch hoͤre sie, in sanfter Sprache, von dessen Eigenschaften sprechen, H 2 Aus Betrachtung uͤber die Schoͤnheit der Blumen. Aus dem, als einer Meeres-Tieffe, die Eigenschaften alle qvillen, Die Erde, Wasser, Mond und Sonnen, ja aller Him- mel Himmel fuͤllen. Ein’ jede sagt: Es ist der Schoͤpfer, wie allenthalben, so auch hier, Jn allen liebreich, weis’ und maͤchtig; Jch zeig ihn dir, ich zeig ihn dir! Ver- Vergnuͤgen in Blumen. Vergnuͤgen in Blumen. L aß andre, mit geschwollnen Trieben, Des Hofes schimmernd Elend lieben Und immer, um sich zu erhoͤhn, Auf einem glatten Fall-Brett stehn; Laß andre Lust im Wucher finden Und Gold und Geld zusammen schinden, Zum nie zu brauchenden Genuß, Und duͤrftig seyn im Ueberfluß; Laß sie, zum besten froher Erben, Arm leben, blos um reich zu sterben; Es suchen ander’ ihr Vergnuͤgen, Vom Helden-Wurm genagt, im Kriegen; Laß sie im Sturm durch Bomb- und Klingen, Zerschmettert und gelaͤhmet, dringen, Um ihren Nahmen in Gazetten Von der Vergessenheit zu retten; Wer will, mag aus Dorinden Augen Den bittern Nectar bruͤnstig saugen, Zu ihren Fuͤssen sclavisch knien, Aus ihrer Bruͤste weichen Klippen Gift, und aus ihren falschen Lippen Die suͤssen Coloqvinten ziehn; Laß Madidum ein Gut verschlemmen Und Hals und Magen uͤberschwemmen Mit Ausbruch vo n Tockayer-Wein, Laß ihn bey seinen nassen Bruͤdern Und, zwischen kaum verstandnen Liedern, Auf seine Weise froͤlich seyn: H 3 Jch Vergnuͤgen in Blumen. Jch will mich an den bunten Schaͤtzen Der bildenden Natur ergetzen Und, GOtt zum Ruhme, Blumen sehn. Weil ich je mehr, je klaͤrer, finde, Wie in der Blumen Kraft und Pracht Sich dessen Weisheit, Lieb’ und Macht, Der sie geschaffen hat, verbinde. Jch kann auf ihren Blaͤttern lesen Die Nachricht, daß ein weises Wesen Sie, uns zur Lust, so schoͤn formirt, Und daß fuͤr solche Wunder-Gaben, Die wir allein vom Schoͤpfer haben, Dem Schoͤpfer Preis und Danck gebuͤhrt. Man sehe sie doch, GOtt zum Preise, Wie sie auf tausend Art und Weise Formiret und gefaͤrbet, an! Wer ist, der ihre suͤsse Duͤfte, Wodurch sie Nas’ und Hertz und Luͤfte Erfuͤllen, gnug bewundern kann? Mich deucht, wenn mich ihr Balsam ruͤhret, Daß meine frohe Seele spuͤret, Wie der mir wohl will und mich liebt, Der mir Geruch und Blumen giebt. Noch mehr, wie er in dieser Gabe Durchs Aug’ auch meine Seele labe Und so fuͤr mich gesorget habe, Daß durch die Blumen und das Licht Mein nie zu saͤttigend Gesicht, Jn ungezehltem Blumen-Heer, Der Seel’ ein unerschoͤpflichs Meer Von Vergnuͤgen in Blumen. Von Farben und Figuren weise. Ach wuͤrde doch, zu seinem Preise, Was er fuͤr mich so schoͤn geschmuͤckt Mit Lust und Danck oft angeblickt! Moͤgt ich mich oft damit bemuͤhn, Davon zu ruͤhmen zu erzehlen; So glaub ich wuͤrde meiner Seelen Jhr Schmuck auch gleichsam eingedruͤckt, Und geist’ge Blumen in ihr bluͤhn; Sie wuͤrd, Jdeen zu erzielen, Durch Blumen sich getrieben fuͤhlen, Die dem, der aller Blumen Pracht Erdacht hat und hervorgebracht, Dem Schoͤpfer Himmels und der Erden Verhoffentlich gefallen werden. H 4 Die Die kleine Fliege. Die kleine Fliege. N eulich sah ich, mit Ergetzen, Eine kleine Fliege sich, Auf ein Erlen-Blaͤttchen setzen, Deren Form verwunderlich Von den Fingern der Natur, So an Farb’, als an Figur, Und an bunten Glantz gebildet. Es war ihr klein Koͤpfgen gruͤn, Und ihr Coͤrperchen verguͤldet, Jhrer klaren Fluͤgel Par, Wenn die Sonne sie beschien, Faͤrbt’ ein Roth fast wie Rubin, Das, indem es wandelbar, Auch zuweilen blaͤulich war. Liebster GOtt! wie kann doch hier Sich so mancher Farben Zier Auf so kleinem Platz vereinen, Und mit solchem Glantz vermaͤhlen, Daß sie wie Metallen scheinen! Rief ich, mit vergnuͤgter Seelen. Wie so kuͤnstlich! fiel mir ein, Muͤssen hier die kleinen Theile Jn einander eingeschrenckt, Durch einander hergelenckt, Wunderbar verbunden seyn! Zu dem Endzweck, daß der Schein Unsrer Sonnen und ihr Licht, Das so wunderbarlich-schoͤn, Und von uns sonst nicht zu sehn, Unserm forschenden Gesicht Sicht- Die kleine Fliege. Sichtbar werd’, und unser Sinn, Von derselben Pracht geruͤhret, Durch den Glantz zuletzt dahin Aufgezogen und gefuͤhret, Woraus selbst der Sonnen Pracht Erst entsprungen, der die Welt, Wie erschaffen, so erhaͤlt, Und so herrlich zubereitet. Hast du also, kleine Fliege, Da ich mich an dir vergnuͤge, Selbst zur GOttheit mich geleitet. H 5 Trost Trost uͤber mein Unvermoͤgen. Trost uͤber mein Unvermoͤgen. J n einem Auszug schoͤner Waͤlder, Worin so gar die gruͤnen Schatten glaͤntzten, Den fast nicht abzusehnde Felder, Als wie ein guͤldnes Meer, begraͤntzten, Beschaͤftigt’ ich mich juͤngst, der schoͤnen Baͤume Pracht, Zu Ehren dem, der sie gemacht, Mit schoͤnen Worten zu beschreiben. Allein Trotz aller meiner Muͤh, Weil die entworffene Copie Dem Urbild uͤberall nicht glich, Must alles unterbleiben. Doch fiel mir dieß daruͤber ein: Jndem ich von der Baͤume Bildern Die Schoͤnheit nicht vermag zu schildern, Nicht wuͤrdig sie beschreiben kann: So bin ich darum nicht betruͤbet; Dieweil es mir die Nachricht giebet: Mit unserm Witz sey nichts gethan. Mein Unvermoͤgen zeigts zwar an; Doch dien’ ich auch auf diese Weise, Mit meiner Schwachheit, GOtt zum Preise; Weil es doch immer wahr wird bleiben, Was ich je mehr und mehr vermercke, Daß unsers grossen Schoͤpfers Wercke Nach Wuͤrden nimmer zu beschreiben. Doch Trost uͤber mein Unvermoͤgen. Doch fließt aus der Erkaͤnntniß nicht, Daß, da ich alles nicht kan fassen, Jch alles auch muß unterlassen; Ach nein! Vernunft und Hofnung spricht: Auch durch Bewunderung allein, Wenn auch ein kurtz GOtt Lob sie nur begleitet, Wird unserm GOTT ein Lob bereitet. Wasser- Wasser-Rede. Wasser-Rede. E s war der Spring-Brunn abgeschlossen, daher auf unbewegter Fluht Ein gruͤner Wieder-Schein gar lieblich in einer duncklen Klarheit ruht, Der, da er der geschor’nen Hecken begruͤnte Schoͤnheit se- hen ließ Uns ihre holde Pracht, verdoppelt, als wie in einem Spiegel, wies. Es fiel, bey der so schoͤnen Baͤume so deutlich vorgestelltem Schein, Der, sonder Farben, blos im Scheine von Farben sich selbst mahlt, mir ein: Arioso. Die klare Fluth zeigt meinen Blicken, Die sich an ihrer Zier erqvicken, Des Schoͤpfers Himmels und der Erden Kraft, Majestaͤt und Allmacht an; Als welcher ja so schnell, wie sie Des Scheines fluͤchtige Copie Entstehen laͤßt; das Urbild werden, Und es aus Nichts, so schnell entstehen lassen kann. Jndem ich, mit dergleichen Dencken, bey diesem Wasser- Spiegel stehe; So drehet jemand ungefehr der Wasser-Roͤhre Schluͤssel auf: Wodurch ich, durch des regen Strahls schnell uͤber sich ge- kehrten Lauf, Die sanfte Still’, in neuer Anmuth, schnell unterbrochen hoͤr’ und sehe. Wie Wasser-Rede. Wie nun, mit zischendem Gemurmel, das rege Wasser rauscht und wallte; So deucht mich daß, mit hohlem Tone, mir dieses in die Ohren schallte: Die stumme Fluht faͤngt an zu sprechen, Jn Tropfen, die sich rauschend brechen. Was sagt sie: Nimm in uns in acht: So dein als meines Schoͤpfers Macht! Lob- Lob-Lied des Schoͤpfers aus dem Munde der Creaturen. M ich deucht, daß ich von Erd’ und Meer, Dir, Schoͤpfer der Natur, zur Ehr’ Ein unaufhoͤrlichs Jauchzen hoͤr’. Es laͤßt die Flut sein Lob in hellem Rauschen schallen, Jhn loben, in der Still’, in sanftem Ton, die Seen, Sanft murmelnd jeder Bach. Thau, Nebel, Reif erhoͤhen Jm Steigen seinen Ruhm, lobsingen ihm im Fallen. Es ruͤhmen seine Macht Blitz, Donner, Wolcken, Winde, Jm starcken Brausen bald, bald lispelnd und gelinde. Hoͤrt, wie zu seiner Ehr’, die Schaar der Voͤgel singt, Wie alles, was man hoͤrt, wie alles, was man sieht, Auf seine Weise, den, aus welchem es entspringt, Stets zu verherrlichen, zu loben sich bemuͤht. Soll denn, o Mensch, von dir allein Der Schoͤpfer, der dir doch so gnaͤdig sich erwiesen, Nicht auch geruͤhmet und gepriesen Ja nicht einmahl empfunden seyn! Ach fass’ in der geruͤhrten Brust Der Seelen Kraͤfte doch zusammen, Entzuͤnde doch in dir der Andacht Flammen Und lobe GOtt in deiner Lust! Him- Himmels-Spiegel. Himmels-Spiegel. J n einer stillen Nacht, als, leer von Dunst und Duft, Die duncklen zwar doch klaren Schatten Den obern Theil der Welt und untern Theil der Lust Erfuͤllet und verhuͤllet hatten, Befand ich mich, an sanfter Anmuth reich, An einem grossen Garten-Teich. Desselben Fluth, Die, durch der Winde Ruh, in sanfter Stille ruht, War einem glatten Spiegel gleich. Man kunte sie zwar selbst, fuͤr Dunckelheit, nicht sehn; Allein, Man sahe wunderschoͤn Das blaue Firmament voll Sterne, sonder Zahl, Jm Wiederschein, Und zwar so hell, so rein, so klar, Daß zwischen der Copie und dem Original Fast gar kein Unterscheid, an Glantz und Schimmer, war. Es kam mir vor (da wir sonst insgemein So wol mit Blick, als Geist, nicht weiter gehn Und nur den halben Theil des hohen Himmels sehn, Jndem wir von der dichten Erden, Den Himmel uͤberall zu sehn, behindert werden) Als wenn ich hier des Himmels gantze Ruͤnde Mir deutlich vorgestellet fuͤnde. Mich deucht, ich seh’ in ungemessner Ferne, So uͤber mir, als unter mir, Jn funckelnder und Flammen-reicher Zier, Ein’ ungezehlte Anzahl Sterne. Jrrt nun mein Auge gleich; so irren die Gedancken Jedoch deswegen nicht. Jch Himmels-Spiegel. Jch kam mir nunmehr vor, auf eine neue Weise, Von einem unumschraͤnckten Kreise Jm Mittel-Punct zu stehen, Und ein aus meiner Seel entsprungues Dencken Jn eine runde Tieff’ ohn Um-Kreis zu versencken: Mein GOtt, ach laß der Fluthen glattes Naß; Des schoͤnen Himmels Spiegel-Glaß, Des Coͤrpers Augen oft, doch nicht dem Aug’ allein, Auch meinem Geist auf diese Weise, Jn den Erwegungen von diesem grossen Kreise, Dir, aller Sternen HErrn, zum Preise, Auch einen Himmels-Spiegel seyn. Un Ungluͤck im Gluͤck. Ungluͤck im Gluͤck. W ie viel tausend Umstaͤnd’, Ordnung und Bemuͤhung braucht man nicht Zur Gesundheit blos allein! Wie so viele tausend Faͤlle reich zu werden, und zu seyn! Wie viel tausend zu dem Wolstand! wie viel zu begluͤck- ter Ehe! Wie viel tausend zur Befoͤrdrung, daß uns nichts im We- ge stehe, Welches maͤchtiger als wir! daß es wol von Statten gehe, Wenn wir, zu der unsrigen Nutz und Wolfahrt, uns be- muͤhn! Wie viel tausend Hindrungen muͤssen sich zu rechte ziehn, Eh’ man alles, was man wuͤnscht, was man braucht, was uns gefaͤllt Erst erhaͤlt; Und, wenn wir, trotz aller Hindrung, alles dieses uͤber- kommen, Wird es nicht in acht genommen, GOtt, als Geber, nicht gedanckt. Ja, man wendet alle Sachen, Die mit so viel Muͤh’ erhalten, ja sein Ticht- und Trach- ten an, (Welch ein’ ungluͤckseel’ge Thorheit, die man nicht begreif- fen kann) Sich, an statt vergnuͤgt und gluͤcklich, ungluͤckseelig selbst zu machen. J Be- Belehrendes Gleichniß. W ie wir, wenn wir gebohren werden, Den gantzen Zustand unsrer Erden Schon sattsam zugerichtet finden; So werden wir, wenn wir erblassen, Sie in demselben Zustand lassen: Die Welt wird nicht einmahl gewahr, daß wir verschwin- den. Wie hoch, wie noͤhtig wir uns schaͤtzen; So finden sich, an unsrer Stelle, (Recht wie im Wasser eine Welle Mit neuer Kraft sich hebt und steigt, So bald die erste sich zum Untergange neigt) Doch immer neue gnug, die unsern Platz ersetzen. Wenn wir nun alles lassen muͤssen, Warum sind wir denn nicht geflissen, Den kurtzen Durchgang einzurichten, Jm froͤlichen Gebrauch der Sinnen, nach den Pflichten, Die der, so alles schuf, wenn man es nur bedenckt, Uns in die Seelen eingesenckt? Ob wir nun, da wir also handeln, Hier, wie wir wandeln solten, wandeln, Da wir den Wunder-Bau der Welt so wenig schaͤtzen, Daruͤber will ich dich jetzt selbst zum Richter setzen. Wenn einst ein grosser Herr, zu seiner Ehre, Haͤtt’ einen Pallast aufgefuͤhrt, Und daß derselbige mit aller Pracht geziert, Und wunderschoͤn von ihm geschmuͤcket waͤre, Und Belehrendes Gleichniß. Und er erlaubet’ etwann Zween Des Pallasts Herrlichkeit zu sehen; Der eine nun bewunderte die Pracht, Vergnuͤgte sich, er saͤh’ bald vorwerts, bald zuruͤck, Es gaͤb’, auf jeden Schritt, sein aufgeraͤumter Blick Mit frohen Minen zu verstehn, Wie er die Weisheit und die Macht Des Herrn, der alles Wunder-schoͤn Geordnet und erbaut, nicht oft gnug zu erwegen, Nicht gnug zu schaͤtzen, zu verehren, Noch zu erhoͤhen wuͤst’, der andere hingegen Saͤh’ immer unter sich; Pracht, Ordnung, Glantz und Schein Mit allem Reitz, naͤhm’ seinen Blick nicht ein, Als den er blos allein Beschaͤftigt’, um ein wenig Sand, Der auf dem Boden glaͤntzt, zu suchen, und die Hand Jhn aufzuheben, auszustrecken Und ihn bey Kleinigkeiten einzustecken, Ob es ihm gleich nicht unbekannt, Daß man, beym Ausgang ihm, von dieser seiner Buͤrde, Nicht das geringste lassen wuͤrde: Sprich du nun selber, wessen Weise, Den schoͤnen Pallast durchzugehn, Gereicht von beiden doch am meisten dem zum Preise, Der ihn so herrlich auferbauet? J 2 Auf Belehrendes Gleichniß. Auf denn, ihr Sterblichen, die ihr hier Wandrer seid, Erweget, was ihr thut, besinnet euch! beschauet Auf eurer Wanderschaft, mit Lust, die Herrlichkeit Des Pallasts dieser Welt! Laßt Sand und Erde liegen Und sucht das Wuͤrdigste die Seele zu vergnuͤgen. Der Der geschlagene Hund. N eulich rannt ein grosser Hund, mit erbaͤrmlichem Geschrey, Weil man ihn geschlagen hatte, Sporenstreichs mein Haus vorbey, Als ich an der Thuͤre stand. Dieser laute Ton durchdrang Nicht nur mein beleidigt Ohr, sondern der zu scharfe Klang Drang mir durchs Gehoͤr ins Hertz. Da ich denn bewun- derte Wie, durch wunderbare Wege, die Natur so gar den Thieren, Wenn sie Ungemach und Weh, Welches ihren Coͤrpern schaͤdlich, und beschwehrlich ist, verspuͤhren, Nicht nur einen Trieb zu schreyen, sondern Werck-Zeug’ ihnen schenckt, Wodurch laute Toͤn’ erreget, und wir zur Aufmercksamkeit, Ja zum Mitleid, wenigstens zur Verdrießlichkeit, gelencket, Ein so wuͤst Geschrey zu hoͤren, wodurch sie denn oft befreit, Bald aus Mitleid zu uns selbst, bald aus Mitleid gegen sie. Diesem Wunder in den Toͤnen, und den herrlichen Ge- setzen Der verstaͤndigen Natur, dacht ich ferner, mit Ergoͤtzen Und mit Ehrfurcht, ernstlich nach. Letztlich kam ich von dem Vieh J 3 Gar Der geschlagene Hund. Gar auf Menschen Stimm’ und Toͤne, lautes Ruffen, und Geschrey, Doch insonderheit aufs Beten, welches laut von uns ge- schicht, Wenn uns etwann Huͤlffe noͤhtig, wenn uns etwas hier gebricht. Daß nun dieß in Ansehn GOttes unnuͤtz, uͤberfluͤßig sey, Meint ich damahls; glaub’s auch noch. Weil dem Schoͤpf- fer, was uns fehlet, Was uns nuͤtzlich, was uns noͤthig, uns erfreut, und was uns qvaͤlet Besser als uns selbst bekannt. Er auch minder nicht, nicht mehr, Durchs Geschrey, beweget wird. Wenn jedoch dadurch nicht nur Andre Menschen, sondern auch noch wol manche Creatur, Engel oder andre Geister, dem Allmaͤchtigen zur Ehr’, (Von der aͤusserlichen Andacht, auch aufs innere zu schliessen, Und wie etwann wir zu weilen, durch der Nachtigalleu singen Uns geruͤhret sehn) dem Schoͤpfer auch ein Lob-Lied mit- zubringen Angetrieben werden koͤnnen: ja so gar die Eigenschaft Unsers menschlichen Gemuͤths diese wuͤrcklich scheint zu seyn; Daß auch selber, wenn wir Beten, selbst-gesprochner Woͤr- ter-Kraft, Sonderlich wenns laut geschehn, wuͤrcklich sich so weit er- strecket, Daß die Andacht noch vermehrt, daß der Geist dadurch erwecket Das Der geschlagene Hund. Das Vertrauen staͤrcker wird; kann man klar daraus er- sehen, Daß ein lauter GOttes Dienst nuͤtzlich, gut und noͤhtig sey, Ja nicht dann nur, wann man eintzeln, sondern auch mit andern, singt Und, in starck vereinten Choͤren, wol gestimmte Lieder bringt. Einer solchen Harmonie Wirckung, Anmuth, Kraft und Macht, Da wir durch Gewohnheit taub, wird zwar leider nicht geacht; Aber laßt uns einen fragen, der in einer langen Zeit Und in vielen Jahren nicht der Gesaͤnge Lieblichkeit Jn den Kirchen angehoͤrt. Er wird gantz gewiß gestehn, Daß fuͤr Lust er kaum gefuͤhlet, wie ihm eigentlich geschehn. Laßt uns denn doch kuͤnftig hin Stimm’ und Singen hoͤher achten, Und es nicht nur als ein Wunder, auch als ein Geschenck betrachten! Laßt uns unserm Schoͤpfer dancken, daß er uns in diesem Leben, Jhm zur Ehr und uns zur Lust, Stimm’ und Harmonie gegeben, Auch zu seinem Ruhm sie oͤfters zu gebrauchen, uns bestreben. J 4 Fra- Fragen. A. J ch hoffe, liebster Freund, du werdest auf mein Fragen So wie du pflegst, mir deine Meinung sagen: Wenn nur ein Mensch aus andern, mehrern, auch min- dern Coͤrperchen bestuͤnde, Ja wenn nur ausser ihm ein Umstand sich anders, als anjetzt, befuͤnde; Ob er nicht gantz auf andre Weise, bald mehr, und auch bald minder gut Gedencken, thun und reden wuͤrde, als er jetzt dencket, redet, thut? B. Jch hoͤre, wie gewoͤhnlich, an, was du mir jetzo vorgetragen Und wirst du deine Antwort finden, da ich dich werde wieder fragen: Sprich, wenn in eines Menschen Hertzen, und seines Bluts Temperamente Das allerseltsahmste Gemisch, so moͤglich fast, sich fin- den sollte; Ob nicht ein solcher Mensch dennoch, wenn er sich etwas helffen wollte, Nicht wenigstens um etwas besser gedencken, thun und reden koͤnnte? Das Das taͤgliche Mond-Licht. W ie unter so viel tausend Gaben Auch billig fuͤr des Mondes Schein, Wo wir nicht unerkaͤnntlich seyn, Wir GOtt zu dancken Ursach haben, Als wodurch, wenn der Sonnen-Licht Mit seinen Strahlen uns gebricht, Wir doch dasselbe wunderschoͤn Jm Wieder-Schein, im Duncklen, sehn; So find ich, wenn mans recht bedencket, Daß GOtt uns durch der Sonnen Glut Noch ein nicht minder herrlich Gut Und einen Mond-Schein taͤglich schencket. Wie an den Mond die Strahlen fallen Und dadurch, daß sie ruͤckwerts prallen, Glantz, Schimmer, Klarheit, Licht und Schein, Die sonst nicht wuͤrden sichtbar seyn, Uns in der Dunckelheit gewaͤhren; So fallen Strahlen an den Duft Der unsre Welt verhuͤll’nden Luft, Wodurch sie uns ein Licht gebaͤhren, Daß man zwar alle Tage sieht, Jedoch sich leider nicht bemuͤht Dieß grosse Wunder zu betrachten, Und es des Denckens wehrt zu achten. Zweymahl an einem Tag’ allein Vertritt die Luft des Monden Stelle, Und machet, da der Sonnen Licht Der Erden noch und schon gebricht, Dennoch den Kreis der Erden helle. J 5 Wenn Das taͤgliche Mond-Licht. Wenn nicht die Luft die Welt bedeckte, Waͤr unvermeidlich alsobald, So bald die Sonne sich versteckte, Die Welt der Schatten Auffenthalt. Ja so pech-schwartze Finsternissen Wuͤrd’ alles ploͤtzlich sincken muͤssen, Daß fruͤh der Sonnen Blick und Pracht, Durch ein so schnell und strenges Funckeln; Des Abends die stock-finstre Nacht, Jn ja so schnell und strengem Dunckeln, Das zarte Wesen unsrer Augen Nicht wuͤrde zu ertragen taugen. Es wuͤrde was da lebt auf Erden Gewiß dadurch geblendet werden. Jst es denn nicht der Muͤhe wehrt, Dis Wunder wol zu uͤberlegen, Der Daͤmmrung Nutzen zu erwegen, Wodurch uns GOtt das Licht vermehrt; Jndem man fruͤh so wol, als spat, Das Licht viel ehr und laͤnger hat. Man wird daher mit Rechte koͤnnen Den Luft-Kreis einen Mond fast nennen, Da er die Sonne, eh sie steiget, Auch wenn sie sich bereits geneiget, Nicht anders, wie der Mond, uns zeiget. Es scheint hiedurch um unsre Welt, Wie um Saturn, ein’ Art von Circkel vorgestellt. Wie koͤmmt es nun, daß solch ein Licht, Daß solch ein grosser Coͤrper nicht, Ob selbiger, in einem Stuͤck, Gleich mehr als sieben Meilen dick, Ob Das taͤgliche Mond-Licht. Ob wir von ihm gleich gantz umgeben, Ob wir gleich in und durch ihn leben, Daß, sag ich, solches nicht betrachtet, Die Macht des Schoͤpfers nicht geachtet, Nicht angebetet, nicht verehrt, Nicht einst bemercket wird von Geistern, Die, wenn man sie sich nennen hoͤrt, Sich aller Wissenschaft bemeistern? Von Menschen, deren Schuldigkeit Jn nichtes sollt so sehr bestehen, Als Goͤttliche Vollkommenheit Jn seinen Wercken anzusehen; Als fuͤr so viele Lieb’ und Guͤte Sich, mit erkaͤnntlichem Gemuͤhte, Dem Schoͤpfer danckbar zu erzeigen, Zu ihm durch sein Geschoͤpf zu steigen, Durchs sicht-zum unsichtbaren Licht? Woher dieß kommt? Das weis ich nicht. Son- Sonnen-Lehre. Q uell des Lichts und aller Wonne! „Lebens Ursprung! helle Sonne! „Du laͤß’t alles, was auf Erden, „Warm und licht und fruchtbar werden; „Sollte denn dein Lebens-Schein „Nicht die wahre GOttheit seyn⸮ Es wuͤrd’ ein Perser so zu sprechen Sich nicht entbrechen. Allein die Sonne selbst, indem sie uns verlaͤßt, Zeigt, daß sie solchen Ruhm nicht koͤnn’ ertragen. Sie setzet diese Wahrheit fest, Ja scheinet, wenn sie weicht, uns gleichsam dieß zu sagen: Laß, liebster Mensch, doch meine Pracht und Zier, So wie dein leiblich Auge, dir Nicht auch dein Seelen Auge blenden! Waͤr’ ich ein GOtt; wie koͤnnte sich Mein Glantz entfernen, und ich mich, Gehemmt von etwas, weg- und abwaͤrts wenden, Allein, wilt du die GOttheit sehn, Und seine Groͤsse kennen lernen; So kann es zwar durch mich geschehn, Doch muß ich mich so dann entfernen. Jhr alle koͤnnt durch mich, in seinen Creaturen, Vom grossen Schoͤpfer, helle Spuren; Doch ohne mich von ihm noch groͤssre, sehn. So bald durch eurer Erde drehn, Jhr mich verliert, und ich fuͤr euch verschwunden; So Sonnen-Lehre. So wird ins Luft-Raums tieffem Meer Ein unzuzehlend Sonnen-Heer, An meiner statt, von euch gefunden, Von welchen ihr, sollt’ ich mit meinem Schein Bey euch stets gegenwaͤrtig seyn, Und immer bey euch leuchten muͤssen, Nicht das Geringste wuͤrdet wissen. Hier schwindet meiner GOttheit Glantz, Bey Millionen Sonnen gantz. Die wahre GOttheit zeiget sich Jn dieser Schaar hingegen sichtbarlich. Jn keinen wuͤrdigern Jdeen, Kann euer Geist ein Bild der wahren GOttheit sehen, Als in dem ew’gen Geist, der eine solche Zahl, Die nicht zu zehlen ist, von Sonnen schaft, regieret Und noch ein groͤsser Heer von Welten um sie fuͤhret. So deucht mich daß, zu ihres Schoͤpfers Ehre, Jch, wenn sie untergeht, die Sonne reden hoͤre. Ach, laßt uns ihre Red’ uns ins Gedaͤchtnis praͤgen, Und, wenn wir in der Nacht der Sterne Schaaren sehn, Den HErrn der Schaaren doch erhoͤhn, Und, wenn wir unsern Blick ins Himmels Tieffe sencken, Voll Ehrfurcht, Lust und Andacht dencken: Es zeiget uns das Sonnen-Licht Den Schoͤpfer herrlich; doch noch nicht So Sonnen-Lehre. So herrlich, als wenn wir den Glantz von seinen Wercken Am Firmament im Duncklen mercken. O Wunder! daß so gar die dicken Finsternissen Den HErrn des Lichts verherrlichen, erhoͤhn, Und seiner Wunder Groͤß’ am hellsten zeigen muͤssen; Der Tag laͤß’t eine Sonn, die Nacht viel tausend sehn! Nuͤtz- Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung. B eschau, o Mensch, der Blumen-Pracht! Nimm was in ihnen steckt in acht! Man kann von ihres Schoͤpffers Macht Die Nachricht in gefaͤrbten Lettern, Auf ihren zart- und bunten Blaͤttern, Jn nett-verschrenckten Zuͤgen lesen. Um seine Weisheit zu erheben, Scheint jede sich recht zu bestreben, Mit bunten Fingern ihn zu weisen, Mit stillem Munde GOtt zu preisen. Es lobt den Schoͤpfer der Natur Bald ihre zierliche Figur, Bald ihre Farbe, bald ihr Gruͤn, Und will uns gerne zu sich ziehn; Bald qvillet ein ambrirter Rauch, Bald faͤhrt ein angewuͤrtzter Hauch Aus ihrer Feuer-reichen Brust, Veraͤndert unsrer Augen Lust Und suchet den Geruch zu naͤhren, Und uns zu gleicher Zeit zu lehren, Daß nimmer von ihr selber nicht Sie so vortreflich riechen koͤnne, Und ein so kraͤftig Rauchwercks-Licht Jn ihr nicht von sich selber brenne. Nun ist und riecht die Blume schoͤn, Die Seele kann sie riechen, sehn; Will sie sich denn nicht auch bestreben, Die Kraft, die ihr geschenckt, das Dencken, Jn Lust und Danck auf den zu lencken, Der beiden Seyn und Kraft gegeben? Die Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung. Die Blum ist schoͤn und riecht; du denckest; Ach, daß du dem, der alle Pracht Der Creatur hervorgebracht, Jm Danck und Preise seiner Macht, Denn kein vergnuͤgtes Dencken schenckest? Sey (weil du doch auf andre Weise Nichts wircken kanst zu seinem Preise) Zu deines grossen Schoͤpfers Ruhme Nicht weniger, als eine Blume! Gar- Garten-Andacht. Garten-Andacht. E in jedes Blatt, ein jedes Kraut, Das man in diesem Garten schaut, Ein’ jede Blum’, ein’ jede Bluͤthe Sind Proben von des Schoͤpfers Guͤte, Sind in der That ein Goͤttliches Geschencke. Da ich in der bewachsenen Allee, Da ich auf vieler Baͤume Cronen So viele viele Millionen Derselben nun besitz’ und seh; So gieb, o HErr, daß ich es oft bedencke, Daß ich mich oft an ihrer Lieblichkeit, An ihrer Farben-Pracht, an der Vollkommenheit Der Bildungen ergetz’, in ihnen Dein mich freue, Und allezeit in meiner Brust, Durch die darob verspuͤhrte Lust, Durch ein GOtt Lob! Dein Lob erneue! K Die Die Johannis-Beere. Die Johannis-Beere. D ie liebliche Johannis-Beer Bewegt mich jetzt, zu GOttes Ehr, Ein neues Liedchen anzustimmen. Jch seh’ sie durch der Blaͤtter Gruͤn, Gleich einem funckelnden Rubin, Jn rohtem Schimmer glaͤntzend gluͤhn, Jn rothem Licht und Feuer glimmen. Wenn man zuerst die gelblich gruͤne Bluͤth’, Wie zierlich sie gebildet, sieht; Ergetzet sich mit Recht ein Menschliches Gemuͤth. Jndem die spielende Natur Sie mit der zierlichsten Figur Und sanften Farben ausgeschmuͤcket: Allein was wird gar bald an ihr erblicket? Ein jedes Bluͤmchen dehnet sich Am Stengel in vollkommner Ruͤnde, Und zeiget recht verwunderlich Ein Kuͤgelchen, so ich erst gruͤnlich finde; Doch wird nicht lang’ hernach aus diesem Gruͤnen Das allerschoͤnste Roth. Man sieht es, wie Carbunckeln, Durchsichtig glaͤntzen, gluͤhn und funckeln. Man ruͤnde funckelnde Rubinen, Mit allen Fleiß, mit aller Kunst und Muͤh, Man schleiffe, man poliere sie, Und sehe denn, ob man in ihnen An Ruͤnde mehr Vollkommenheit, An Roͤth’ und Glut mehr Glantz und Lieblichkeit, Als an der funckelnden Johannis-Beer, Zu ihrer und zu unsers Schoͤpfers Ehr, Er- Die Johannis-Beere. Ersehn und finden kann? Zumahl sie all an kleinen Stangen, Jn andrer Ordnung noch, als wie die Trauben, hangen. Ja, was noch mehr, man trift in ihnen an An Farben, und Geschmack von suͤsser Saͤurlichkeit Solch einen grossen Unterscheid, Als man nicht leicht an andern Fruͤchten findet; Da mit der Roͤhte sich bey vielen weiß verbindet, Da viele gaͤntzlich weiß, theils leibfarb, schwartz so gar. Die alle nun bedeckt der gruͤnen Blaͤtter-Schaar. Die ebenfals mit sondrer Zierlichkeit Von Fingern der Natur formiret, Und nett, wie Wein-Laub fast, gezieret. Wie angenehm, wie lieblich, und wie schoͤn Die Frucht nun anzusehn; So lieb- und nuͤtzlich ist der saͤurlich suͤsse Saft Und sein’ erquickende sanft kuͤhlend’ Eigenschaft, Da sie nicht roh’ allein, Der Zungen angenehm, dem Blut erfrischend seyn; Nein, da sie auch, in Zucker eingeleget, So wol den Krancken, als Gesunden, Zu laben zu ergetzen pfleget. Welch eine Linderung wird nicht im Stein empfunden, Durch ihre schwartze Frucht! Wenn uns das Wasser schneidet, Nicht minder in der Gicht und Winden auch Jst heilsam, ist bewehrt und dienlich ihr Gebrauch. Ach moͤgten wir denn doch, wenn wir dich sehn und essen, Beliebte Frucht, in dir des Gebers Guͤt’ ermessen Und ihm in unsrer Lust zu dancken nicht vergessen! K 2 Beym Beym Anblick einer Beym Anblick einer schoͤnen Leucoje. S ey willkommen, liebste Blume, Die du, deinem Herrn zum Ruhme, Lieblich riechst, und zierlich bluͤhest; Die du, durch der Farben Pracht, Den, der alle Dinge macht, Fast zu zeigen dich bemuͤhest; Ja, die du in bunten Schaͤtzen, Wenn wir uns daran ergetzen, Unsre Seelen zu ihm ziehest. Denn ist in so vielen Wercken, Die so herrlich und so schoͤn, Keine Weisheit zu bemercken? Keine GOttes-Kraft zu sehn? Was um schoͤne Blumen schwebet Und sich stets daraus erhebet Waͤr und blieb’ uns unbekannt; Wenn sich nicht der holde Duft, Durch das Dehnen unsrer Lungen, Von dem schnellen Druck der Luft Jn das Trichter-Paar gedrungen, Das wir in der Nasen sehn Wunderbar formiret stehn; Wo sich in den beyden Gaͤngen Die sich zu dem Zweck verengen, Die vorhin zertheilte Kraft Neu-vereinigt sucht zu drengen, Wodurch denn der trockne Saft, Wenn er, dergestalt gepreßt, Staͤrcker sich empfinden laͤßt Von schoͤnen Leucoje. Von dem Nervgen, das es ruͤhret, Und das ins Gehirn ihn fuͤhret. Da ich dieses uͤberlege Und der Blumen Kraft erwege, Faͤllt mir ziemlich glaublich bey, Wie vielleicht noch vielerley, So zur Lust, als Artzeney, Jn denselbigen verstecket, Und uns noch verborgen sey. Haͤtt’ uns nicht die Bien’ entdecket, Daß des Honigs Suͤßigkeit Jn der Blumen Art vorhanden; Welcher haͤtt sich unterstanden, Jn der Blaͤtter bunten Gruͤnden Jemahls die Beschaffenheit Solches suͤssen Safts zu finden? Alles menschliche Bemuͤhn, Alle Kunst zu sublimiren, Aufzuloͤsen, distilliren, Um den Saft heraus zu ziehn Haͤtt’, um ihn davon zu trennen, Keinen Nutzen haben koͤnnen. Koͤnnt’ es denn nicht moͤglich seyn, Daß nicht diese Kraͤft’ allein, Sondern annoch andre Saͤfte, Andre Geister, andre Kraͤfte Jn den Blumen sich befinden; Wenn wir solches nur verstuͤnden? K 3 Denn Beym Anblick einer schoͤnen Leucoje. Denn daß Menschen es nicht fassen, Daraus wird die Moͤglichkeit Mehrerley Beschaffenheit Sich nicht wiedersprechen lassen. Sonderlich, da solche Lehren Von der schoͤnen Blumen Heer Unsers grossen Schoͤpfers Ehr’ Nicht vermindern, eh vermehren. Roß Roß-Kaͤfer. J ndem ich juͤngst im gruͤnen Klee Der Wiesen Schmuck mit tausend Lust beseh, Werd’ ich von ungefehr gewahr, Wie eine blaue Kaͤfer-Schaar Jn halb-gedorrtem Pferde-Mist Sich aufhaͤlt und beschaͤftigt ist, (Ohn an der Erden Pracht und Schaͤtzen, Mit welchem sie umringt, sich zu ergetzen Und einiges Vergnuͤgen draus zu fuͤhlen) Jn ihrem Wuft vergnuͤgt, bestaͤndig fort zu wuͤhlen. Jch sahe dieß zuerst nicht sonder Eckel an, Biß ich mich uͤberwand Und eine kurtze Zeit bey ihnen stille stand; Da ich auf ihr Betrieb, mit ernstem Dencken, sann. Es scheint, ich solte mich fast der Vergleichung schaͤmen, Fiel mir zu Anfang bey, Von dieser Bruht ein Beyspiel herzunehmen, Als ob in ihr und uns was gleiches sey; Allein, Fiel mir, beym fernern Dencken ein: Es ist ja dennoch wahr. Warum soll ichs nicht sagen? Vielleicht vermag des Beyspiels Scheuslichkeit Zur Lehr’ und Besserung, was beyzutragen. Wenn ich den geitzigen Chrysander, Sammt seines Gleichen, bey einander Mit nichts, als irdschem Koth, beschaͤftigt seh, An welchem sie mit Leib und Seele hangen, Nichts anders suchen, nichts verlangen, Den edlen Geist mit allen seinen Kraͤften, Auf nichts, als Gold und Reichthum, heften, K 4 So Roß-Kaͤfer. So Tag als Nacht auf auders nichts gedencken, Nicht einen Blick auf sich, auf GOttes Wercke, lencken; So scheinen sie ja wol nichts bessers wehrt, Als daß sie mit den Kaͤfern in der Erden, Den Buͤrgern faulen Mists, verglichen werden. Doch halt, mich deucht, wie sich Chrysander hier erklaͤhrt: Wie kommt es doch, daß dir so Geld als Mist So scheuslich und veraͤchtlich ist? Da sich jedoch die gantze Welt Durch Geld und Mist allein erhaͤlt. Durch Mist wird Fruchtbarkeit im Land’ erreget, Das uns die Kost und Nahrung traͤget; Durch Geld wird alles das erhalten, Was uns erhaͤlt, vergnuͤgt und schuͤtzt, Was uns bey Jungen und bey Alten Gewogenheit erreget, Ansehn giebt, Wodurch man uns verehrt und liebt: Jst dieß denn nicht der Muͤhe wehrt, Daß man es achtet und begehrt? Dieß ist zwar wahr, Chrysander, aber hoͤre, Du hast ja alles dieses nicht. Dir fehlt Beqvehmlichkeit, Vergnuͤgen, Lieb’ und Ehre, Nichts ist fast, das dir nicht gebricht. Jndem du gar nichts Guts mit deinem Gelde schaffest; Es blos allein zusammen raffest, Um Geld auf Geld zu haͤuffen; dich vernarrst, Und blos nur, um zu scharren, scharrst. Sollt’ alle Kraft von deiner Seelen, Die Absicht, daß du worden bist, allein Auf Geld zu sammlen und zu zehlen Bestimmet und genommen seyn? Jndem Roß-Kaͤfer. Jndem mein Geist auf diese Weise dencket, Die Augen auf der Kaͤfer-Schwarm gesencket, Seh ich wie einer schnell sich aufwerts hebt, Und mit geschwindem Flug in reinen Luͤften schwebt. Ach dacht ich moͤchte dieß Chrysander sehen! Und, durch den Wurm geruͤhret, in sich gehen, Und aus dem Koth sich so, wie er, erhoͤhn, Und schauen wie die Welt, des Schoͤpfers Werck, so schoͤn! Allein ich fuͤrchte sehr, er laͤßt den Kaͤfer fliegen, Und bleibet, vor wie nach, in seinem Unrath liegen. K 5 Erin- Erinnerung. S ind denn vielleicht nicht auf der Welt Die Wunder, die man sieht, uns wuͤrcklich vorgestellt? Bebuͤschte Huͤgel? gruͤne Felder? Bebluͤhmte Wiesen? kuͤhle Waͤlder? Gesunde Kraͤuter? suͤsse Fruͤchte? Den naͤhrenden Geschmack vergnuͤgende Gerichte? Christallen-gleiche reine Baͤche? So mancher Berg? so manche Flaͤche? Es sind vielleicht, in suͤssen Choͤren, Die bunten Voͤgel nicht zu hoͤren; Jst es vielleicht nicht wahr, daß Blumen uns erqvicken? Daß sie, fuͤr uns, die Erde schmuͤcken? Sieht man, nebst tausend Seltenheiten, Und ungezehlten Herrlichkeiten, Das all-erfreu’nde Sonnen-Licht Vielleicht mit unsern Augen nicht? Jst etwann alles dieß nicht wuͤrcklich da? O ja! Jst alles denn nun wuͤrcklich da; wie man Unmoͤglich leugnen kann; Warum denn sieht man es nicht an? Warum will man an aller Pracht, Warum will man an allen Schaͤtzen Sich nicht ergetzen; Noch loben den, der sie gemacht? Es scheint wir wollen, blos um GOtt nur nicht zu ehren, Nicht schmecken, riechen, sehn und hoͤren. Wir sehn ja uͤberall die Spur Von einer guͤtigen Natur, Die Erinnerung. Die unaufhoͤrlich uns, wes wir in diesem Leben Beduͤrftig seyn, geschaͤftig ist zu geben. Und dennoch wuͤrdiget man alle Wunder-Wercke Nicht eins so viel, daß man so Kraͤft’ als Wirckung mercke, Daß man an den, der uns dieß alles schenckt, Durch Nutz und Lust geruͤhrt, nicht einst gedenckt. Jst wol, fuͤr unsrer Seelen Kraͤffte, Ein nuͤtz- und noͤthiger Geschaͤffte, Als GOtt, fuͤr so viel Guts, ein froͤlich Hertz zu goͤnnen? Auf welche Weise wird man sonst, fuͤr so viel Gaben, Die wir aus lauter Gnad’ und Huld empfangen haben, Des Undancks Vorwurfs sich entschuͤtten koͤnnen! Die Die sanfte Ruhe. Die sanfte Ruhe. W enn man in einem weichen Bette, gesund, mit muͤden Gliedern, liegt, Und die Beqvemlichkeit und Anmuth in diesem Zustand uͤberleget: Empfindet nicht allein der Coͤrper ein Etwas, das ihn sehr vergnuͤgt, Wenn unsre Seele, nicht zerstreuet, das, was sie ruͤhret, nur erweget. Man findet nicht allein mit Lust, wenn sich die Geister- reichen Sehnen Aus ihrer sonst gewohnten Lage gemaͤchlich aus einander dehnen, Ein suͤß und zaͤrtliches Gefuͤhl’; man wird, wenn man mit Achtsamkeit Jm Dunckeln, bey geschlossnen Augen, so dann sein We- sen uͤberdencket, Kaum daß man worauf liegt gewahr. Es kommt uns vor, zu solcher Zeit, Als ob wir unterwerts so wenig, als wie wir oberwerts, umschraͤncket, Vielmehr von allen Seiten frey, und, einer Jnsel aͤhnlich waͤren. Es scheint man finde mehr, als sonst, so dann im Schosse der Natur Sich gantz besonders eingeschlossen, gantz einsam; es ist keine Spur Jn dieser Dunckelheit zu finden, kein End’ in diesem Raum zu schauen, Und keinem Geiste sind hier Graͤntzen, noch Jnnhalt dieses Raums bewust. Mich Die sanfte Ruhe. Mich uͤbereilte juͤngst hieruͤber, als ich so lag, ein stilles Grauen, Mich in so einer hohlen Tieffe und Boden-losen Abgrunds- Gruͤnden, Umringt von nichts als dunckeln Schatten und Finster- niß, allein zu finden: Allein wie bald verschwand es wieder, als ich, mit fast halb-seel’ger Lust, Jn dieser Boden-losen Tieffe, worin ich gleichsam schien zu schweben, Von der allgegenwaͤrtgen GOttheit mich uͤberall bedeckt, umgeben, Ja fast beruͤhret gleichsam fuͤhlte! Jch, der ich, meinem GOTT so nah, Beym dunckeln Lichte der Natur, mit hellen Glaubens- Augen sah; Verehrte Danck-und Demuths-voll den hell- und doch ver- borgnen Schein Des ewgen Schoͤpfers aller Dinge; ergab mich seiner Gnad allein, Und schlieff, mit kindlichem Vertrauen, in seiner Hut ge- lassen ein. Auf- Aufmunterung zur Betrachtung. Aufmunterung zur Betrachtung. W ilst du denn, lieber Mensch, der Ueberlegung Kraft, Die eigentlich der Kern, die noͤthigst’ Eigenschaft Der dir von GOtt geschenckten Seelen, Mit deinen Sinnen nie vermaͤhlen? Mit GOtt, in den Geschoͤpfen, nie verbinden? Verlangest du in GOttes Wercken Nicht seine weise Macht und Liebe zu bemercken? Den Schoͤpfer im Geschoͤpf zu finden? Er legt viel tausend Herrlichkeiten, Viel Millionen Seltenheiten Auf Erden, in der Luft, und in der Fluth dir vor. Er giebt dir Nas’ und Zung’ und Hand und Aug’ und Ohr. Er schenckt dir eine Seel’, und eine Faͤhigkeit, Durch hoͤren, riechen, sehn, durch schmecken, und durch fuͤhlen Gedancken und Jdeen zu erzielen. Da nun des Schoͤpfers Huld so uͤberschwenglich ist, Und, da das, was dich hier so wol, als dort, vergnuͤget, Allein in der Betrachtung lieget; Wie, daß du gegen dich denn selbst so grausam bist? Wie, daß du deinen Geist nicht zu den Sinnen fuͤgest, Und durch dieß holde Band nicht Seel’ und Leib vergnuͤgest? Bestrebe dich forthin, die Wercke zu betrachten, Und ihres Schoͤpfers Macht in ihnen zu erhoͤhn; Denn, sonder Dencken sie zu hoͤren und zu sehn; Heißt Goͤttlichen Befehl, Natur, und GOtt verachten. Straffe Straffe der Unachtsahmkeit. Straffe der Unachtsahmkeit. B ewunderst du, o Mensch, des Schoͤpfers Weisheit- Licht Jn seinen Creaturen nicht; So scheints, daß du nur blos ein Werckzeug bist, Wodurch die Welt fuͤr andre Creaturen, Und nicht fuͤr dich, geschmuͤcket ist. Dein Garten pflantzen, Haͤuser bauen Muß, da die Menschen es, so bald sie es vollbracht, Nicht achten, nicht mit Lust, und nicht mit Danck beschauen, Vermuhtlich Geistern seyn zu Nutz gemacht, Die es nicht nur bey Tag’, auch bey der Nacht, Wie es so ordentlich, so nett so schoͤn, Jn ihrer Lust, zu GOttes Ehren, sehn. Wann aber GOtt dennoch dich, eine Faͤhigkeit, Und Sinnen auch dabey, gewuͤrdigt, dir zu schencken, So liegt es blos an dir, dein Dencken, Nebst ihnen auch darauf zu lencken. Wann dieß geschicht, wird GOtt durch jene nicht allein, Nein, auch durch dich zugleich, gepriesen seyn. Geschicht es nicht; so must du selbst gestehn, Daß da du auch dazu erlesen, Jn seiner Creatur sein’ Allmacht anzusehn, Jn deiner Lust den Schoͤpfer zu erhoͤhn; Es, wenn dasselbe nicht geschehn, Bloß deine Schuld allein gewesen. De- Demuͤthige Selbst-Erkaͤnntniß. Demuͤthige Selbst-Erkaͤnntniß. W ill mich des Hochmuths Brut mit Demuth-Larven schrecken, Will sie mir meines Geists Vernichtungen entdecken, Und, durch den Hoͤllen-Schluß, Verzweiflung mir erwecken: „Was bist, was weißt du doch? Nichts: daraus folget klar, „Daß deine Seele nie was Goͤttlichs ist, noch war; So zeiget mir dennoch, selbst der Unwissenheit Erkaͤnntniß und Begriff von meiner Faͤhigkeit Nicht nur was grosses an; sie machet uns so gar Das allerhellste Licht der Weißheit offenbar. Nichts zeigt uns deutlicher die unermeßne Groͤsse Des Schoͤpfers, und zugleich der Menschen Schwaͤch’ und Bloͤsse; Ja nichts erhebet mehr der grossen GOttheit Preis, Als eben, da man weiß, daß man nur wenig weiß. Jndem wenn die Vernunft so, wie sie soll, verfaͤhrt; Uns ein gedoppelt Gut daraus entspringet, Da es uns nicht allein zur wahren Demuth bringet: GOTT selber wird dadurch am wuͤrdigsten verehrt. Noth - Nothwendigkeit GOtt hier zu sehen. Nothwendigkeit GOTT hier zu sehen. W ilst du den grossen Schoͤpfer sehen, So muß es im Geschoͤpf geschehen: Weil man ihn sonst nicht sehen kann. Er will von uns gesehen werden; Drum schuf er Himmel, Meer und Erden, Und spricht: Jn diesen seht mich an! Jhr aber hoͤrt nicht was er spricht, Er zeigt sich, und ihr seht ihn nicht. Zwar hofft ihr kuͤnftig ihn zu sehen; Allein ihr werdet schlecht bestehen, Da ihr, in seiner Wercke Pracht, Jhn hier zu sehn nicht wehrt geacht’t. Hat er, daß ihr ihn moͤgtet fassen, Sich hier nicht unbezeugt gelassen: Muͤßt ihr auch hier, zu seinen Ehren, Jhn schmecken, fuͤhlen, sehn und hoͤren. L Jn- Jnseln. W enn wir der Berge schroffe Hoͤhen, Mit einem aufmercksamen Blick, Bedachtsam an- und uͤbersehen, Und dencken etwann einst zuruͤck Auf Jnseln, die im Meere stehen; So scheinen diese jenen gleich, Nur mit dem Unterscheid allein, Daß Jnseln Berg’ im Wasser-Reich, Und die Gebirg’ im Luft-Reich Jnseln, seyn. Bey den Gedancken faͤllt mir ein: Ob etwann eine tieffe Fluth Um unsere Gebirg’ einst auch geruht, Und daß, ob wir es gleich nicht lesen, Sie Wasser-Jnseln einst gewesen? Wie uns, wenn wir auf Berge steigen, Und sich dort Meer-Gewaͤchs’, in tausend Arten, zeigen, Der Augen-Schein davon fast uͤberfuͤhrt, Auf eine Art, die uns mit Furcht und Anmuth ruͤhrt. Sprich! wuͤrden nicht, wenn etwann jetzt das Meer Vom Wasser ausgeleeret waͤr, Die Jnseln all’ als grosser Berge Hoͤh’n Ohn allen Zweifel anzusehn, Und zu betrachten seyn? Wie waͤr’ es, wenn vielleicht Die Fluth dereinst noch mehr vertheilt waͤr’ und versiegen, Die Meer-Berg’ ebenfals, entbloͤsset aufwerts stiegen, Und so, wie unsre Berg’ und Flaͤchen unsrer Erden, Auch Jnseln in der Luft einst koͤnnten werden? Mi Jnseln. Mit den Gedancken schlief ich ein, Als ein verwirrter Traum mit meinen Sinnen spielte; Da ich mich biß zum Mond in Eil getragen fuͤhlte. Jch fand in dieser Welt, die unsre stets begleitet, Daß selbe groͤss’ren theils aus Wasser zubereitet. Ein kleiner Philosoph, der viertzig mahl so klein, Als wie wir hier auf Erden seyn, Erzehlte mir zu Anfang vielerley, Und unter andern auch: daß ihre Welt Aus unsrer Welt entstanden sey. Die Erde waͤr’ zuerst mit Wasser gantz bedeckt, So daß sichs hoͤher noch als alle Berg’ erstreckt; Durch ihres Schoͤpfers blosses Wollen, Daß unsre Welt bewohnet werden sollen, Haͤtt er, der aller Fluten Last Jn einen Schlauch zusammen faßt, Die Wasser guten theils von ihr genommen, Und sie (woraus der Mond entsprungen und gekommen) So wol zu ihrem Nutz, als auch zum Dienst der Welt, Jn Wirbel unsrer Erd’ in solchen Stand gestellt, Daß wir uns beid’ anjetzt, vom Sonnen-Strahl beschienen, Durch einen Gegen-Schein einander dienen. Auf gleiche Weise waͤr’ es auch Saturn ergangen; Nicht minder Jupiter, die (wie wir einen nur) Neun Monden zu Trabanten drauf empfangen. Ja, er vermeinte gar, wofern ihn nicht die Spur Gewisser Zeichen sollte triegen; Wir koͤnnten noch wol einen kriegen: Da, aus dem gar zu tieffen Meer, nnoch zu einem Mond genugsam Vorrath waͤr’, L 2 Wo- Jnseln. Wodurch wir denn nicht nur noch einen neuen Schein Des Nachts am Himmel wuͤrden sehen, Es wuͤrden so viel mehr Gebirg’ entdecket stehen, Die jetzt, in Jnseln, noch im Meer verdecket seyn, Die alle von den Buͤrgern unsrer Erden So denn bewohnet koͤnnten werden. Mein Leser glaubet leicht, wie ich darauf erwacht, Daß ich um diesen Traum recht inniglich gelacht, Doch hab ich ihm auch wol zuweilen nachgedacht. Spi- Spiegel der GOttheit. S ind die erschaffnen Creaturen, wenn man’s erweget, anders was, Als ein des Schoͤpfers wahres Wesen vor Augen stellend Spiegel-Glas? Jn welchem, durch die, zu dem Zweck allein, erschaffne Sonnen-Strahlen, Sich seine Weisheit, Lieb’ und Macht uns allen uͤberzeug- lich mahlen, Und, durch die Sinnen, unsren Seelen empfindlich vor- gestellet werden? Das Wasser, auch die glatten Coͤrper, worin vom Him- mel und der Erden Von angestrahlten Baͤumen, Blumen, Gebuͤschen, Waͤl- dern, Thal, und Huͤgel, Die Schoͤnheit sich verdoppelt zeigt, sind von dem Spie- gel Gegen-Spiegel, Und unser Aug’ ein sinnlicher, lebend’ger Spiegel, der den Geist, Auf eine sonderbahre Weise, durch Coͤrper etwas Geistigs weis’t. Die Seel’ erblicket von der GOttheit, in der Geschoͤpfe Wunder Pracht, Ein gleichsam dreyfach-einigs Wesen, in seiner Weisheit Liebe, Macht. Erfordert es denn wenigstens vernuͤnft’ger Menschen See- len-Pflicht, Zu seines Nahmens Preis’ und Ruhme, Lob, Herrlichkeit und Ehre, nicht, L 3 Daß Spiegel der GOttheit. Daß unsre Seel’ ie mehr und mehr sich durch Betrachtung angewehn’, Jm schoͤnen Creaturen-Spiegel die wahre GOttheit an- zusehn? Weil sonsten, wenigstens fuͤr uns, wenn wir allein auf Geld nur gaffen Der Endzweck GOttes ja verlohren, die Welt fuͤr uns umsonst erschaffen. Hingegen unterscheidet sich der Mensch nicht blos nur von den Thieren, Als welche beym Genuß der Dinge zwar Lust, doch keinen GOtt, verspuͤhren; Wir werden selbst, wenn, in der Schoͤnheit der Creatur und ihren Schaͤtzen, Wir uns an ihrem ew’gen Ursprung in Ehrfurcht-voller Lust ergetzen, Von der allgegenwaͤrtgen GOttheit, dem Schoͤpfer Him- mels und der Erden, Und seiner Weisheit, Herrlichkeit und Macht, vernuͤnft’- ge Spiegel werden; Jn welchen Geister, Seelen, Engel (wie wir, in hellem Wieder-Schein Des Wassers, unsrer Erden Schmuck) sein herrlich Werck vergeistert schauen Und, an geruͤhrten Menschen-Seelen, sich selber, GOtt zum Ruhm, erbauen. Wann die Betrachtungen der Wercke des Schoͤpfers nun so noͤhtig seyn; So bitt’ und fleh ich: grosser Schoͤpfer! um deine Lieb’ erbarm dich mein! Er- Spiegel der GOttheit. Erbarm dich aller Menschen doch! vermehre Faͤhigkeit und Willen, Daß wir, zu deines Nahmens Ruhm, den grossen End- zweck hier erfuͤllen, Wozu du uns beschieden hast! gieb, daß im Spiegel dei- ner Wercke, Voll Lust, Bewunderung und Andacht, man deine wahre GOttheit mercke! Laß uns im Creaturen-Spiegel hier, als in einem duncklen Wort, Dein Allmacht, Weisheit, Lieb’ erblicken! biß daß wir, nebst den Engeln, dort, Nach abgelegter Sterblichkeit, in jenen seel’gen Himmels- Hoͤhen, Dich, in selbstaͤnd’ger Majestaͤt, in einem ewig-seel’gen Licht, Und der Drey-Einigkeit Geheimniß, von Angesicht zu An- gesicht, Jn unaussprechlich-heller Klarheit, ununterbrochen, ewig sehen! L 4 Danck- Danck-Gebeth Danck-Gebeth nach dem Essen. O Vater! der du uns nunmehr Was unsern Coͤrper traͤnckt und naͤhret, So reichlich abermahl beschehret, Nur dir gebuͤhret Danck und Ehr! Du hast aus Gnaden, uns nicht nur Aus nichts gezogen, Leib und Leben, Und so verschiedne Kost gegeben; Du hast, im Reiche der Natur, Der Coͤrper Theile so gefuͤget, Daß, was uns naͤhrt, uns auch vergnuͤget, Und darzu sonderlich den Mund, Die Zunge, Zaͤhne, Gaum und Schlund, So kunst- und wunder-reich formiret, Daß unser Geist durch sie entdeckt Die Kraft, die in den Coͤrpern steckt, Und im Genuß Verguuͤgen spuͤret. Dieß Wunder im Getraͤnck und Essen, Das uns zugleich auch Nahrung giebt, Verdient ja wol, daß wir ermessen, Wie sehr uns unser Schoͤpfer liebt. Ach, laß denn, was von deinen Gaben, O GOtt! wir jetzt genossen haben, Woraus uns so viel Lust entstund, Uns nicht allein den Coͤrper staͤrcken; Laß uns, an Seel’ und Leib gesund, Auch deine Macht und Liebe mercken, Und, da wir nun gesaͤttigt seyn, Der Seelen Kraft zu dir allein, Jn froher Gegen-Liebe, lencken, Dir Ehrfurcht, Danck und Andacht schencken, Auch nach dem Essen. Auch uns mit allem Ernst bemuͤhn, Den uns geschenckten freyen Willen, Um deinen Willen zu erfuͤllen, Von dem, was dir misfaͤllt, zu ziehn! So wirst du uns, auf dieser Welt Nicht das, wodurch man sich erhaͤlt, Zur Lust und Nothdurft nur beschehren; Du wirst uns auch nach dieser Zeit, Jn jener seel’gen Ewigkeit, Mit ew’ger Himmels-Speise naͤhren! L 5 Abend- Abend-Andacht. D a nunmehr des Tages Glaͤntzen und der Sonnen helle Pracht Unsern Augen sich entzogen; da die Schatten-reiche Nacht, Mit den stillen Finsternissen, Himmel, Erd’ und Meer erfuͤllt, Und der irdischen Geschoͤpfe Farb’ und Bildung gantz verhuͤllt, Unsern Leib zur Ruhe ruft, um, nach heut vollbrachten Wercken, Jhn, durch einen sanften Schlaf, kraͤftig wiederum zu staͤrcken, Und ich, voll Beqvemlichkeit, auf so weichen Feder-Decken, Sonder Sorgen, Furcht und Gram, mich gesund vermag zu strecken: Auf mein Geist! den grossen Schoͤpfer der den Himmel und die Welt, Bey so wunderbarem Wechsel, in so richt’ger Ordnung haͤlt, Der die stille Nacht zur Ruhe dir gegoͤnnet, zu besingen! Und ein schuldig Abend-Opfer seiner Lieb’ und Macht zu bringen! Dieses kann nun fuͤglicher, wie du selber wirst gestehn, Wenn du redlich danckst, mein Geist, als durch Dancken, nicht geschehn. Will man aber redlich Dancken; muß man, mit vergnuͤg- tem Muth, Sich mit rechtem Ernst bestreben, das von GOTT empfangne Gut, So Abend-Andacht. So viel dessen Meng’ erlaubet, zu betrachten, zu erwegen, Und, im froͤlichem Erinnern, ordentlich zu uͤberlegen, Was uns aus dem Gnaden-Born seiner Liebe zugeflossen, Wie so mannigfachen Seegen wir geniessen, und genossen. Sind nun aber, wie im Meer alle Tropfen nicht zu zehlen, Auch die Wunder sonder Zahl, die der Schoͤpfer uns verliehn; Wollen wir doch wenigstens, wie wir schuldig, uns bemuͤhn, Einige derselbigen vor den andern zu erwehlen. Und, weil unsre Seele leicht, wenn sie es erwegt, empfindet, Wie sie durch die Sinnen blos mit der Creatur sich bindet; Also ruͤhm’ ich billig, lobe, preis’ und ehre den dafuͤr, Der, in Sinnen, solche Schaͤtze menschlicher Natur zu goͤnnen Uns alhier gewuͤrdiget. GOtt gehoͤret wahrlich mehr, Als wir, leider! ihm erweisen, fuͤr die Sinnen Preis und Ehr. Daß ich heute hoͤren, schen, fuͤhlen, riechen, schmecken koͤnnen, Daß du dazu Ohren, Augen, Haͤnde, Nas’ und Zunge mir, Wie geschenckt, so auch erhalten, Schoͤpfer, dafuͤr danck ich dir. Daß ich mit Getraͤnck und Speisen habe Mund und Ma- gen fuͤllen, Ja mit mannigfacher Anmuth meinen Durst und Hunger stillen, Und mit Lust mich naͤhren koͤnnen, ist warhaftig danckens wehrt, Da uns GOtt, nicht nur zur Nothdurft, sondern auch mit Anmuth naͤhrt. Daß die mir geschenckte Glieder, deren eine solche Menge Jnnerlich und aͤusserlich, daß der Nerv-und Adern Gaͤnge Durch Abend-Andacht. Durch Verstopfung nicht versehrt, jene nicht zerhaut, durchstochen, Und durch Feuer, Last, und Fallen, nicht verbrannt, zer- qvetscht, zerbrochen, Daß des Fiebers Gift und Brand nicht in meinem Blute wuͤthet, Dafuͤr bin ich, liebster Vater! blos durch deine Huld behuͤtet. Hab’ ich aber heut’ auch das, wozu Sinnen mir gegeben, Nemlich: GOtt in den Geschoͤpfen zu bewundern zu erheben, Wie ich schuldig war, gethan? hab’ ich auch, durch mein Gesicht, Das vortrefliche Geschoͤpf, unsrer Sonnen Wunder-Licht, Mit Bedacht, Bewunderung, und, da es so wunderschoͤn, Auch da es mir alles zeiget, oft mit Dancken angesehn? Wenn, durch Lesung guter Buͤcher, ich mich heut erbauen koͤnnen, Hab’ ich wol gedacht: nur GOtt hat mir dieses wollen goͤnnen? GOtt gab mir, nebst meinem Aug’, auch ein geistiges Gesicht, Hat die Schreib’- und Lesungs-Kunst wunderbar erfinden lassen, Daß wir nicht im Welt-Buch nur und in Coͤrpern ihre Pracht, Sondern auch der Geister Schoͤnheit, Anmuth, Eindruck, Feur und Macht Und in ihnen, seine Wunder, Lieb’ und Weisheit moͤg- ten fassen; Hab’ ich auch, wenn ich sein Wort, oder sonst was Guts, gelesen, GOttes weise Lieb’ ermessen? bin ich auch geruͤhrt gewesen? Hat Abend-Andacht. Hat auch heute meine Seele, durchs Gehoͤr, mit Danck und Loben Fuͤr so Lehr’, als Harmonie, zu dem Schoͤpfer sich erhoben? Hat sie, wenn sie etwas lieblichs, wie vermuthlich ist, gerochen, Fuͤr des Riechens Kraft und Vorwurf: Schoͤpfer! Dir sey Danck! gesprochen? Hat sie, wenn sich, sonder Pein, Kaͤlt und Hitze wol gemischt, Ja noch andre sanfte Vorwuͤff’ ihres Coͤrpers Haut erfrischt, Wol des Schoͤpfers Huld gefuͤhlet? hat sie, wenn sie es empfunden, Auch empfunden, daß dem Geber sie davor zum Danck verbunden? Hat sie GOTTES Guͤt und Liebe, in der suͤssen Kraft zu schmecken? Wenn sie Spreis und Tranck genossen, auch zu schmecken, zu entdecken Und, mit Lust dafuͤr zu dancken, wie sie schuldig, sich bestrebt? Kurtz: Hast du zu GOTTES Ehren heut, und als ein Mensch, gelebt? Hast du, mit vergnuͤgter Seele, wahrer Andacht heisse Triebe, Eine Demuths-volle Ehrfurcht, kindlich-bruͤnst’ge Gegen- Liebe Gegen den allmaͤchtgen Vater, der dir so viel Guts ge- schenckt, Der in deinen Leib und Geist solche Faͤhigkeit gesenckt, Heut’ in stiller Lust gespuͤhrt? hast du einen regen Willen, Eines solchen holden Gebers Wort und Willen zu erfuͤllen, Deinen Naͤchsten recht zu lieben, heut in deiner Seel empfunden? Hast du inniglich gewuͤnscht daß, von grobe Lastern rein, Du, fuͤr so viel Huld und Wolthat, deinem GOtt gefaͤllig seyn, Recht Abend-Andacht. Recht ihm danckbar werden moͤgtest? sind des heutgen Ta- ges Stunden Nuͤtzlich angewendet worden? hast du, um, nach dieser Zeit, Dich an den noch hoͤhern Freuden einer seel’gen Ewigkeit Zu vergnuͤgen, dich vergnuͤget? ists geschehn? so freue dich; Danck auch dafuͤr, ruͤhm’ und preise deinen Gott absonderlich. Weil es aber leider oͤfters unterblieben, will ich mich, Vater der Barmhertzigkeit, jetzt in Demuth zu dir kehren, Und in einer ernsten Reue, voll Vertrauen, dich verehren. HERR, ich flehe dich von Hertzen, voll Betruͤbniß, voller Schaam Ueber mein unachtsam Wesen; und, voll Reue, voller Gram Ueber mein so blind Betragen, ernstlich um Vergebung an, Ach, verzeihe, wenn ich heute nicht, was ich gesollt- gethan! Und da ich nunmehr zur Ruh meine matten Glieder strecke; Ach so laß mich sanfte ruhn! daß kein boͤser Traum mich schrecke! Laß den Leib, doch auch zugleich meinen Geist, gestaͤrcket seyn, Daß sie beide ihre Pflicht, bey des kuͤnftgen Tages Schein, Zu beachten faͤhig bleiben, und, zu deiner Ehr’ zu leben, Zu empfinden, riechen, schmecken, sehn und hoͤren sich bestreben, Deine Weisheit, Lieb’ und Allmacht, in den wunderbaren Wercken, Zu betrachten, zu bewundern, zu erheben, zu bemercken, Sich mit Lust beschaͤftigen! Wann wir auch den Naͤchsten lieben Und ihm gutes goͤnnen sollen, wie Natur und Bibel lehrt, Ach, so bin ich auch an die jetzt zu dencken angetrieben, Welche Mangel, Kummer, Armuth, Frost, Gefahr und Noch beschwehrt, Auch Abend-Andacht. Auch fuͤr die, o ew’ge Liebe! meine Seufzer auszuschuͤtten, Und, von dir, Barmhertzigkeit fuͤr die Armen zu erbitten. Ach, wie mancher Mensch muß sich jetzt auf harten Boden legen, Drauf er, sonder Dach und Fach, sich fuͤr Kaͤlte, Sturm und Regen Kaum mit alten Lumpen schuͤtzet! da ich, mit Beqvemlichkeit, Jn so weichen Feder-Decken mich gemaͤchlich legen kann; Ach erbarm dich ihrer auch, sieh’ ihr Elend gnaͤdig an! Schencke wenigstens Gedult! und laß, nebst Gelassenheit, Die Gewohnheit ihre Plagen, wo nicht gantz und gar vermindern, Doch in Hofnung und Vertrauen, wenigstens in etwas lindern! Nun so schließ ich meiner Augen Schlaf-begier’ge Lieder zu, Und, indem die muͤden Glieder, sammt den matt-gewor- dnen Sehnen, Sich, mit einer neuen Lust, sanfte von einander dehnen, Denck’ ich, mich in dich versenckend, auf die Lust der ew’- gen Ruh. Ver- Vergnuͤgen eine Gabe GOttes. N achdem ich oͤfters nachgedacht, Woher es komme, daß die Pracht Der Creaturen uns nicht ruͤhret, Und daß von ihrer Herrlichkeit, Schmuck, Ordnung und Vollkommenheit Man wenig fuͤhlt, fast nichts verspuͤhret? So faͤllt mir diese Frage bey: Ob etwann die Empfindlichkeit, Die unser innerstes erfreut, Nicht eine gantz besondre Kraft, Ein’ angeschafne Eigenschaft Und Schoͤnheit einer Seelen sey, Die wir, so wie all andre Gaben, Von unserm Schoͤpfer muͤssen haben, Und daß wir von uns selber nicht Das sicht- und unsichtbare Licht Jn GOttes Wunder-reichen Wercken Geschickt und faͤhig zu bemercken. Weil, da wir sonst in diesem Leben, Mit solchem eifrigen Bemuͤhn, Uns zu vergnuͤgen, uns bestreben, Es sonst ja fast unmoͤglich schien, Die eintzge Quelle wahrer Freuden, (Da doch derselben heller Schein So Sonnen klar, als allgemein; Worin sich, wenn wirs recht ergruͤnden, Selbst Lust und GOttes Dienst verbinden) So sehr zu fliehen zu vermeiden. Wofern nun (wie es in der That) Es die Bewandniß damit hat; So Vergnuͤgen eine Gabe GOttes. So zoͤgert, liebste Menschen, nicht, Um dieses helle Gnaden-Licht Den Schoͤpfer bruͤnstig anzuflehen. Weil, wo ihr diesen Strahl nicht fuͤhlet, Jhr, ohn euch einst vergnuͤgt zu sehen, Jn Sorgen und Begierden wuͤhlet, Die weder Grund noch Graͤntzen haben. Erbittet doch, vor allen Gaben, Die, welche wuͤrdiger als alle, Die Gabe, daß euch GOTT gefalle! Jhr seyd begluͤckt, wenn euch das Licht Der Anmuth, aus dem Bau der Welt, Den GOTT schuf, in die Seele faͤllt; Ungluͤcklich, wenn es nicht geschicht! M Auf- Aufgeloͤseter Zweiffel. J ch habe, leider! oft, wie ich bereits erzehlet, Mit einem Zweiffel mich gequaͤlet: Ob fuͤr den Schoͤpfer aller Dinge, Nicht aller Menschen Danck und Ehre, zu geringe, Zu elend, zu veraͤchtlich waͤren? Jtzt wuͤnsch’ ich, dir und mir noch ferner zu erklaͤren, Daß diese Zweifels-Last, wie starck sie scheint, wie fest; Durch die Vernunft sich dennoch heben laͤßt. Wie kuͤnstlich unser Leib von aussen und von innen Gebildet sey, ist klar; daß dessen Kunst die Sinnen Zu ihrem Endzweck hab’, ist auch nicht minder wahr; Daß durch dieselben nun die Seelen Sich mit der Creatur vermaͤhlen, Jst gleichfals sonder Streit. Dieß scheint der Endzweck nun, Die Absicht und der Grund. Daß, von der Menschen Thun So herrlich nichts, als die Gedancken, seyn; Stimmt mit Erfahrung uͤberein: Da alle Dinge nun uns ferner uͤberzeugen, Daß die Gedancken hoͤher steigen, Als das was Coͤrperlich; So zeigt von selbsten sich, Daß die Gedancken ja von uns das groͤste, Das herrlichste, das beste. Das Beste nun von einem jeden Wesen Scheint fuͤr die GOttheit ja mit allem Recht erlesen. Von Aufgeloͤseter Zweiffel. Von diesem Besten nun des Menschen ist das Dencken Voll Ehrfurcht, Lust und Danck auf GOttes weise Macht. Auf denn! der Seelen Kraft auf seiner Wercke Pracht Mit Andacht und mit Lust zu lencken, Und unser Bestes ihm, ein frohes Hertz, zu schencken! M 2 Muth- Muthwillige Blindheit. A ch, laßt uns, da wir ja in andern Sachen Nicht schlaͤfrig sind, doch auch zu GOttes Ehren wachen! Weil fuͤr sein Werck, das er so wunderbar geschaffen, Die Seele leider scheint bestaͤndig fort zu schlaffen. Denn weniger, als wir von GOttes Wundern sehn Jm Wachen, kann es fast im Schlaffen nicht geschehn. Bey den Gedancken faͤllt mir ein, Was unlaͤngst soll von Philopotamus Geschehen und gesprochen seyn: Nachdem derselbe sich fast gaͤntzlich blind gesoffen, Sagt ihm sein Artzt: wofern er nicht Sein meist bereits verlohrenes Gesicht Wollt’ uͤberall verliehren; muͤste Wein Durchaus nicht mehr von ihm getruncken seyn. Nun was geschicht? Er sieht ein grosses Glaß voll Wein von ungefehr, Ergreift es alsobald, schlaͤgt hin und her Mit seiner duͤrren Zung’, und spricht: Zu guter Nacht, geliebtes Augen-Licht! Mit diesem setzt ers an und macht das Wein-Glas leer. Fast jeder wird ob dieser That erschrecken; Doch muß ich vielen dies, zur hoͤchsten Scham, ent- decken: Es machte Philopotamus Durch die Begier sich leiblich blind; Allein wie manches Menschen-Kind Spricht Muthwillige Blindheit. Spricht ebenfals: Wenn ich nur reich zu werden tauge; Vergnuͤgt sich einmahl nur mein kitzelndes Gefuͤhl; Erhalt’ ich in der Ehr’ mein vorgestrecktes Ziel; Zu guter Nacht mein Seelen-Auge! Kann ich nur reicht, geliebt seyn, mich erhoͤhn; Verlang ich nimmermehr, und waͤr es noch so schoͤn, Des Schoͤpfers Werck zu sehn. Ach moͤchte dieses dir nicht mindern Schrecken, Als Philopotamus brutale That, erwecken! Ach, moͤgtest du des Schoͤpfers Weisheit, Macht, Und Lieb’, in seiner Wercke Pracht, Zu sehen, und mit Lust zu fassen, Dich durch Begierden blind, nicht ferner hindern lassen! M 3 An- Andacht durch Blumen erregt. D u bluͤhest, wunderschoͤne Blume, Jn deiner Bildung, Farben-Pracht, Geruch und Schoͤnheit, dem zum Ruhme, Der dich und alle Welt gemacht. HErr! gieb uns Augen, daß wir sehen, Wie grosse Wunder bloß durch dich, So uͤberall, als sonderlich, Jm bunten Blumen-Heer, geschehen! Laß uns, in ihrem Schmuck und Schein, Erwegen, daß von dir allein Sie ihrer Blaͤtter holdes Prangen, Und zwar zu unsrer Lust, empfangen! Laß uns, an ihren bunten Schaͤtzen, Jn stiller Andacht, uns ergetzen, Und, dir zu Ehren, froͤlich seyn! Ge- Erinnerung. G eliebteste Belisa, sprich, Da du in unserm schoͤnen Garten So manche Schoͤnheit siehst, und nicht recht sonderlich Daruͤber froͤlich bist; sprich, worauf wilst du warten? Auf welche Zeit verschiebst du deine Lust? Was auf der Welt vergnuͤgliches zu hoffen, Wie dir so wol, als mir bewust, Jst ja, GOtt Lob! bey uns schon eingetroffen. Du kanst und wirst nichts bessers hier verlangen. Ach, so verzoͤgre doch nicht laͤnger|, anzufangen, Dich an den gegenwaͤrt’gen Schaͤtzen Auch gegenwaͤrtig zu ergetzen, Und dem, der es uns giebt, zu Ehren, froh zu seyn! Denn, nach der Ordnung der Natur, Bemerckt man uͤberall die Spur, Daß ungepruͤfte Lust und nicht gefuͤhlt Vergnuͤgen, Mit der bestaͤndig-regen Zeit, So wol als die, so man gefuͤhlet und genossen, Mit ungehemmter Schnelligkeit Unwiederbringlich von uns fliegen Und, eh man sichs versieht, bereits davon geflossen. Die Augenblick’ und Zeit, worin uns Anmuth fehlt, Die wir uns selber koͤnnen geben, Sind uns nicht minder zugezehlt, Als die Vergnuͤglichsten von unserm Leben. M 4 Der Der aͤlteste GOttes-Dienst. Der aͤlteste GOttes-Dienst. W enn Adam ohne Suͤnd’ in Eden blieben waͤre, Sammt der, mit welcher ihn des Schoͤpfers Huld gepar’t; So koͤnnen wir von ihrer Lebens-Art Nichts fassen, als daß sie, zu ihres Schoͤpfers Ehren, Zum Preise seiner Lieb’ und seiner weisen Macht, An aller Creatur Vollkommenheit und Pracht, An der Vortreflichkeit und den verlieh’nen Gaben Sich wuͤrden ungestoͤhrt ergetzet haben. Kein andrer GOttes-Dienst, als der allein, Und gar kein’ andre Weise Vom GOttes-Dienst im Paradeise, Kann uns begreiflich seyn. Hieraus nun ist ja Sonnen-klar Und uͤberzeuglich zu bemercken, Wie GOtt gefaͤllig, noͤthig, wahr Die Lehre von dem Dienst des Schoͤpfers in den Wercken. Auf denn, geliebter Mensch, laß deiner Seelen Kraͤfte Zu dem so noͤth-als nuͤtz-und froͤlichen Geschaͤfte Jn Andacht rege seyn, bestrebe dich dahin, Blos durch Erkaͤnntlichkeit getrieben, Als Schoͤpfer, Geber, HErrn und Vater ihn zu lieben! Laß GOtt durch einen jeden Sinn, Den er dir ja zu diesem Zweck verliehen, Zur Ehr’, in deiner Lust, ein Andacht-Opffer gluͤhen! Denn nichts so sehr, als dieß, kann unsern Geist bereiten Und nichts so sehr, als dieß, kann unsre Seele leiten Zu den verlohrnen Herrlichkeiten. Mensch- Menschliche Schwachheit. N achdem ich juͤngst die Wunder-Pracht Der schoͤnen Welt, wie sie so wunderschoͤn, An einem heitern Tag’, im Sommer, angesehn; Folgt’ einem schoͤnen Tag’ ein’ angenehme Nacht. Die stille Luft, die anfangs schwuͤhl, Ward frisch und allgemaͤhlich kuͤhl. Kaum daß der helle Glantz der Sonne sich verhuͤllte; Als der gekuͤhlten Luͤfte Reich, Aus Blumen, Laub’ und Kraͤutern, gleich Ein tausendfach-gemischter Duft erfuͤllte, Der, da er seine Kraft auf tausend Art vermischte, Den Geist, der es erwegt, auf tausend Art erfrischte. Der Daͤmmrung sanftes Licht, das allgemein, Und keine Schatten zeugt, nahm Feld und Garten ein; Biß bald hernach Ein blaͤuligtes Gewoͤlck’, als wie ein Berg gestalt, Am Firmament sich sanft zerstuͤckt’ und brach, Da alsobald Der volle Mond, mit roͤthlich-gelben Blitzen, Durch die gespaltnen duncklen Ritzen Mit schnellem Wandern strahlte, Und die bethaute Welt mit Licht und Schatten mahlte. Mein GOtt, wie ruͤhrte mich, zu deinem Preise, Der jetzt, auf eine neue Weise, Geschmuͤckte Kreis der schoͤnen Welt! Es war des Monden holder Schein Recht ausserordentlich entnebelt, hell und rein, Er war nicht blaß; ein roͤthlich-gelber Strahl Bedeckt’ und schmuͤckte Wald und Feld, Befloß und zierte Berg und Thal. M 5 Hier Menschliche Schwachheit. Hier sahe man, nicht sonder Freuden, Des Monden guͤldnes Rund durch glatter luckrer Weiden Gespitztes Laub gebrochen strahlen Und ihre Blaͤtter sich, auf seinem hellen Schein, Als wie auf guͤldnen Grunde, mahlen. Dort sieht man, wie der Glantz durch dunckle Buͤsche bricht, Und in der Dunckelheit um desto heller blitzet, Wobey sein Strahl, wie zugespitzet, Durch dichter Blaͤtter Oefnung sticht. Die sanfte Harmonie von Schatten und von Licht Vergnuͤgte mich Recht inniglich Wie aber nichts vollkommenes allhier, So fuͤhlt’ ich, daß, bey aller Zier, Jn alle Lust, die mich erfrischte, Sich etwas bittres mischte. Jch fuͤhlt’ ein inniges Betruͤben, Daß, bey so mancherley Vollkommenheit So mancher Art Geschoͤpf’, und ihrer Herrlichkeit, Jch ihren HErrn und Schoͤpfer recht zu lieben, Zwar einen Zug, doch eine solche Kraft Und Faͤhigkeit von solcher Eigenschaft, Wie einem solchen GOtt gebuͤhrte, Jn meinem Wesen nicht verspuͤhrte. Jndessen dacht’ ich auch: mit dem, was ich hienieden Jn meiner Schwachheit fuͤhl, Jst GOtt verhoffentlich zu frieden. So wie der Coͤrper, hat auch hier der Geist sein Ziel. Alsdann wird erst mein Geist zur Vollenkommenheit Jn Lust und Lob gelangen, Wenn er dereinst annoch wird groͤssre Faͤhigkeit Zum Loben und zur Lust empfangen. Jch Menschliche Schwachheit. Jch thue denn, o HErr, allhier so viel ich kann, Und bete dich, mit Lust, in deinen Wercken an. Wenn aber doch, wenn etwas soll gelingen, Du so das Wollen, als Vollbringen, Uns geben must, und wir vor uns allein Zu keinem Guten faͤhig seyn; So bitt ich, grosser GOtt vermehre, Zu deiner Ehre, Um deines Nahmens Ruhm auch hier stets zu verneuen, Jn mir die Faͤhigkeit, mich wuͤrdig dein zu freuen! Schmuck Schmuck der Seelen. Schmuck der Seelen. A ch moͤgten unsre Seelen doch, nach ihren Pflichten, sich bestreben, Und, durch die Werckzeug’ ihrer Sinnen, auf GOttes Wunder achtung geben! Ach moͤgten sie, den Bienen gleich, Aufmercksam um dieselben schweben, Sie wuͤrden nicht allein fuͤr sich der Anmuth suͤssen Honig heben; Sie wuͤrden durch der Schoͤnheit-Schein Der Creatur, mit der sie sich verbunden, Von GOtt selbst lieblicher geziert gefunden, Verhoffentlich ihm angenehmer, seyn. Da ihnen, wenn von GOttes Macht, Jn seiner Creaturen Pracht, Sie oft was liebliches gehoͤret und erblicket, Sich eine Schoͤnheit selbst durch Dencken eingedruͤcket. Muß eine Seele nicht, auf solche Art geschmuͤcket, Zumahl wenn sie dadurch zu reinen Trieben, Nach allen Kraͤften GOtt zu lieben, Gefuͤhret wird; der GOttheit nicht gefallen, Und angenehmer seyn, als wenn wir uns auf Erden So aͤngstiglich allein bestreben, reich zu werden, Und wir auf nichts, als auf Metallen Alhier gesehen? Da solche Seelen fast allein Aus blos Metallischen Jdeen, Wodurch sie fast allein genaͤhret seyn, Der Menschlichkeit zum Hohn, bestehen. Man Schmuck der Seelen. Man stelle sich nach diesem Leben Zwo solcher Seelen vor, wovon die eine Die gantze Lebens-Zeit dem gelben Scheine Des Goldes nachgestrebt; die ander’ Acht gegeben Auf GOttes Wunder, GOtt in seinem Werck’ geehret, Zu GOttes Ruhm, geschmeckt, gesehen und gehoͤret; Was meinst du, wird sich GOtt daran Nicht mehr vergnuͤgen, und sie wehlen, Als die (wo man so sagen kann) Fast gantz metallisirte Seelen? Be- Betrachtung. M it innern Freuden steh ich hier, Beschaue der Geschoͤpfe Zier, Und denck’ an den, der sie gemacht. Mich deucht dabey, daß ihre Pracht, Die meine Seel durchs Aug’ empfindet, Sie nicht zum daucken nur entzuͤndet; Nein, daß sie gleichsam in der Lust Zum Schoͤpfer eine Thuͤre findet, Ja, daß sich GOTT mit unsrer Brust, Durch dieses Mittel, selbst verbindet. An- Anmuth des Regens nach grosser Hitze. E s kochte gleichsam juͤngst der schwuͤhlen Luͤfte Kreis Durch strenger Sonnen-Strahlen Blitze. Nicht nur das Land, das Wasser selbst war heiß. Es lechtzte Gras und Laub vom Druck der schwehren Hitze; Als unverhoft ein kuͤhler Regen fiel, So starck, daß alles rauscht’ und zischte, Wodurch sich Luft und Land und Wald und Feld erfrischte. Was erst durchhitzet war ward allgemaͤhlig kuͤhl. Jch sahe dieß bedachtsam an, und fand, Daß Nutz und Lust hieraus, zu GOttes Ruhm entstand. Mich daucht’ ob sehen meine Augen, Die Blumen, Kraͤuter, Laub und Gras Das lang’ erseufzte laue Naß Mit tausend kleinen Muͤnden, saugen. Mich deucht’, ich koͤnne, GOtt zu ehren, Der ihnen neues Labsal schenckt, Der sie so liebreich naͤhrt und traͤnckt, Jhr sanftes Schmatzen gleichsam hoͤren. Ein jeglich welck-, bestaubtes Blatt Verschoͤnert sich, wird frisch und glatt. Man sieht ein angenehm und holdes Dunckel-Gruͤn So Feld als Garten uͤberziehn. Ja da des Himmels neues Licht Sich an der nassen Glaͤtte bricht, Kann man, auf allen Blaͤttern, schoͤn Ein Silber gleichsam glaͤntzen sehn. Die schlaffen Stengel steiffen sich, Es richten sich fast sichtbarlich Die Anmuth des Regens nach grosser Hitze. Die Blaͤtter in die Hoͤh, es strotzet Laub und Kraut. Dadurch nun, daß die Luft sich lieblich abgekuͤhlet, Wird auch mit Lust von unsrer Haut Ein suͤsser Schauder oft gefuͤhlet, Der selber unsern Geist ergetzet Und ihn, wenn ers erwegt, in ein Vergnuͤgen setzet, Das wahrlich nicht gemein. Mir fiel hiebey dieß Danck-Lied ein: Ach GOtt! der du uns diesen Regen, Und, in demselben, so viel Seegen Der duͤrr- und matten Welt geschenckt, Der du das durst’ge Feld getraͤnckt, Der du der welcken Pflantzen Heer, Zu unserm Nutz, genaͤhrt, erqvicket, Und auch zugleich die Welt geschmuͤcket, Dir sey dafuͤr Lob, Preis und Ehr! Nutz Nutz und Nothwendigkeit der Ueberlegung. W enn ich der Felder Schmuck, wenn ich der Gaͤrten Pracht, Zusammt der Waͤlder Zier, im Sommer sehe; Gedenck ich an die Winter-Nacht Und wie der Mittags-Schein des Jahrs so schnell vergehe; Doch zu dem Endzweck nicht, Durch ein zukuͤnftig Leid Die gegenwaͤrt’ge Lust zu stoͤhren, Wol aber, durch die Fluͤchtigkeit, Noch meine Freude zu vermehren. Denn, denck ich: dauret es nur kurtze Zeit; Warum laß ich die kurtze Zeit verschwinden? Warum bestreb’ ich mich nicht, so viel mehr, So lang als ich es hab’, es oͤfter zu empfinden, Und, durch ein dergestalt oft wiederholt Ergetzen, Jn laͤngeren Besitz des guten mich zu setzen? Erwegt man oft die Gegenwart des Guten; So laͤsst sich dadurch gleichsam binden Die rege Schnelligkeit der fluͤchtigen Minuten. Gedancken sind es blos allein, Wodurch die Guͤter dieser Erden Uns zugeeignet werden. Ach, laßt uns denn beschaͤftigt seyn, Durch ein in unsre Macht gesetztes Dencken Uns oft viel Guts uns selbst zu schencken! N Mannig- Mannigfaltigkeit Mannigfaltigkeit der Geschoͤpfe. J ndem ich juͤngst, gestreckt im Blumen reichen Grase, Bey kuͤhler Abend-Zeit was ich einst schriebe, lase: „Der Coͤrper ruht, und mein Gemuͤthe „Betrachtet dort, betrachtet hier, „Jn aller Creaturen Zier, „Des Schoͤpfers Weisheit Macht und Guͤte; Ward neben mir, als ich bald hin, bald her, Die sanften Blicke wandt’, von mir von ungefehr Ein kleiner Frosch erblickt, Der gleichsam zahm, mich gar nicht scheute, Und, wenn ich ihn mit sanften Fingern rieb, Bestaͤndig stille sitzen blieb, Woruͤber ich mich denn verwundert’ und erfreute. Er gab mir Stunden-lang Gelegenheit, Auf seine Farb’ und seinen Stand zu achten, Und die besondre Seltsamkeit, Mit welcher er gebildet, zu betrachten. Hieruͤber schwaͤchte sich des spaͤten Tages Schein, Es brach die Daͤmmerung herein; Als eine andre Creatur, Noch sonderlicher von Figur, Mein’ Augen auf sich zog: Ein Fledermaͤuschen schwaͤrmt’ und flog, Mit unbefiedertem Gefieder, Jn tausend Kreisen hin und wieder, Auf eine zitternde geschwinde Weise, Jn grossem bald, und bald in kleinem Kreise, Um meinen Sitz herum. Jndem mir nun bekannt, Wie dieses Thierchens Form so sonderlich bewandt, Be- der Geschoͤpfe. Bewundert’ ich das grosse Wunder-Wesen, Das Stoff und Geistigkeit so wunderbar erlesen, Und sie in diesem Thier so wunderbar verband; Daß, wenn wir sie mit ernstem Fleiß besehn, Wir, mit gegruͤndeten und wol-verbundnen Schluͤssen, Unwiedersprechlich dieß gestehn Und folgern muͤssen: Die Schoͤpf- und Bildung sey nicht ungefehr geschehn, Da sie so wunderbar, nach Regeln, Maaß, Gewicht, Wie alles ander’, ein und zugericht. Jndem ich also sitz’ und dencke, Und meinen Geist auf diesen Vorwurf lencke, Wie unbegreiflich vielerley Der Creaturen Bildung sey? Durchdringt mein Aug’ ein schnell und helles Licht. Der aufgegangne Mond fiel mit geschwindem Blitzen, Durchs schattigte Gebuͤsch und seiner Blaͤtter Ritzen Mir unvermuthet ins Gesicht. Jch stand denn auf, besahe seinen Glantz, Jndem er eben gantz, Mit ungemeiner Lust. Hieruͤber fiel mir ein: Wie muß es dorten doch beschaffen seyn! Was muß des Monden Welt fuͤr mancherley Gestalten, Jn seinem grossen Kreis’ enthalten, Die abermahl von allem, was hienieden, Vermuthlich unterschieden! Wer fasset die Verschiedenheit Der gantz von hiesigen Figuren An Form und Farb’ entfernten Creaturen! Jst uns nun gleich der Creaturen Stand Jn andern Welten nicht bekannt; N 2 So Mannigfaltigkeit So stellet meine Seele mir Dennoch, zu unsers Schoͤpfers Ehre, Die Unerschoͤpflichkeit der Aenderungen fuͤr, Und hoff’ ich, daß, durch diese Lehre, Bey andern, wie bey mir, sein Ruhm sich stets verehre. Nun deucht mich, lieber Mensch, daß ich dich sprechen hoͤre: „Jch weiß nicht wie ich GOtt auf solche Weise ehre, „Man hat mich’s nicht gelehrt; wie muß ich’s machen? Wir muͤssen unsern Geist bey den erblickten Sachen Jn einen solchen Stand bemuͤhet seyn zu setzen, Daß wir den Schoͤpfer hoch, in dem Geschoͤpfe, schaͤtzen; Wir muͤssen deßfals erstlich finden, Wie sehr es noͤthig sey, das Dencken Mit unsern Sinnen zu verbinden. Wir moͤgen unsern Sinn, worauf wir wollen, lencken; Es moͤgen Feld und Wald, Sand, Blumen, Holtz und Stein, Gebaͤude, Thiere, Graß, Metall, ein schnell Gefluͤgel, Ein Regen-Wurm, ein Fisch, das Meer, ein Thal, ein Huͤgel, Ein Bach, das Firmament, ein Mensch, gesehen seyn; So stimmet alles doch hierin stets uͤberein: Es ist ein Goͤttlich Werck, es ist von ihm entstanden, Ein jedes lehret uns, es sey ein GOtt vorhanden! GOtt zeiget seine Macht durch alles, was man sieht, Wem aber zeigt er sich, wenn wir nicht das Gemuͤth Mit unsrer Sinnen Kraft verbinden, Und, daß der Schoͤpfer wehrt, daß man ihn ehre, finden. „Mir der Geschoͤpfe. „Mir kommt, seh ich der Creaturen Zier „Bedachtsam an, nicht anders fuͤr, „Als sprech’ ein jeder Ding zu mir: „Es ist ein GOtt, ich zeig ihn dir! Laßt uns denn, wo wir gehn und stehen, Doch alles, was wir sehn, bemuͤht seyn anzusehen Als etwas, so von GOtt hervorgebracht, Als etwas, welches GOtt erhaͤlt, das seine Macht Und seine Lieb’ und seine Weisheit weiset, Ja seine Gegenwart; das folglich alles wehrt, Daß man darum, darin darbey, den Schoͤpfer preiset. Nun wird er, wie er will geehret seyn, geehret, Wenn man, dadurch geruͤhrt, den Geist zum Geber lencket, Jn froher Achtsamkeit an ihn gedencket, Und ein’ in uns dadurch erregte Lust ihm schencket. N 3 Bey Bey Erblickung Bey Erblickung vieler Blumen im Garten. E s sucht mit tausend Lust allhier Der bunten Blumen bunte Zier Und uͤber-wunder-schoͤn Gepraͤnge, Jn der fast ungezehlten Menge Von Liljen, Mah-und Rosen, Den Augen lieblich liebzukosen, Zumahl wenn ein gelinder West, Der sanft sie hin und wieder schwencket, Die Farben durch einander lencket, Wodurch es denn nicht anders laͤßt, Als wenn, in bunt-und regem Schein, Sie lebende Tapeten seyn. Wer kann so schoͤne Decken sehen, Die unsers Schoͤpfers Allmachts-Hand, Uns zu erfreuen, ausgespannt, Ohn’ ihn in ihnen zu erhoͤhen? Es scheint der bunten Blumen-Flaͤchen So wunderschoͤn gefaͤrbte Pracht Nicht nur allein von ihres Schoͤpfers Macht, Sie scheint auch im Geruch von ihm zu sprechen. Ein tausendfach gemischter Duft Efuͤllt und balsamirt die Luft, Und saget gleichsam unserm Sinn: Lenckt doch auf uns die Sinnen hin! Jhr koͤnnt durch Riechen, Sehn und Schmecken So Lieb’ als Macht in uns entdecken. Die Menge so verschiedner Saͤfte, Die Anmuth tausendfacher Kraͤfte, D ie vieler Blumen im Garten. Die jetzt aus allen Dingen qvillt, Und Erde, Luft und alles fuͤllt, Erfuͤllet dann auch billig mein Gemuͤthe, Daß es nicht nur verspuͤhrt und sieht Die Schoͤnheit in der bunten Bluͤht, Die Lieblichkeit im frischen Gruͤnen; Nein, daß es, gleich den regen Bienen, Aus allem gleichfals Honig zieht. Der Honig, welcher geistig ist Und eine rechte Seelen-Speise, Jst, wenn man, unserm GOtt zum Preise, Sein’ Allmacht, seine Lieb’ ermißt, Und wenn man froͤlich uͤberleget, Daß was der Welt-Kreis herrlichs heget Allein der GOttheit weise Kraft Und seine Liebe schuf und schaft. So sucht die Kraft der regen Seelen, Wenn der Geschoͤpfe Pracht sie ruͤhrt, Und sie darinn den Schoͤpfer spuͤhrt, Nicht nur die Wunder zu erzehlen; Sie ist, von Jnnbrunst heiß, bemuͤht, Wenn sie im Werck den Schoͤpfer sieht, Durch ein empfindlichs Ueberdencken Sich ins allgegenwaͤrt’ge Meer Der GOttheit gleichsam zu versencken. Sie wuͤnscht, zu ihres Schoͤpfers Ehr, Jn einem durch der Wercke Pracht Geschmuͤckten Andacht-vollen Dencken, Sich selber ihrem GOtt zu schencken. N 4 Sie Bey Erblickung vieler Blumen im Garten. Sie wuͤnscht und hofft zugleich, sie werde, Geschmuͤckt durch seiner Wercke Schein, Dem Schoͤpfer Himmels und der Erde Ein nicht mißfaͤllig Opfer seyn! Das Das durch die Coͤrper verherrlichte Licht. M an siehet jetzt die Welt im Licht-Meer gleichsam schwimmen, Und in gefaͤrbter Glut der Sonnen herrlich glimmen; Jhr bunter Glantz, ihr schoͤn gefaͤrbter Schein Scheint himmlisch fast, nichts irdisches, zu seyn. Es fiel, indem ich juͤngst auf einer Hoͤhe stand, Und tausendfache Lust am bunten Glantz empfand, Den mir die Sonne wies, mir folgends ein: Die Sonne scheint, nebst tausend schoͤnen Dingen, Der Pflantzen Pracht darum hervor zu bringen, Damit ihr eignes, uns sonst gar nicht sichtbar, Licht, Wenn es sich nicht an Coͤrpern bricht, Durch diese schoͤne Zucht der Erden, Jm Wiederschlag uns moͤge fichtbar werden. Denn dadurch, daß sich an der Coͤrper Flaͤchen, Jm Wiederschlag, die strahlen brechen, Vermag nur an des Lichts sonst unbekannten Schaͤtzen, Sich unser Geist, durchs Auge, zu ergetzen. Es scheint es ließ die Sonne darum blos Die Pflantzen aus dem duncklem Schoß Der Erde steigen, Um ihrer Strahlen Pracht in ihnen uns zu zeigen. Weil sonst, wie bunt, wie hell, wie wunderschoͤn Der Strahlen Eigenschaft, nicht, ohne sie, zu sehn. Da wie bekannt, die Farben anders nichts Als Eigenschaft- und Mildrungen des Lichts, So wie sie an den Bau verschiedner Coͤrper fallen, Nachdem die Strahlen an- und wiedr abwaͤrts prallen. N 5 Wann Das durch die Coͤrper verherrlichte Licht. Wann nun der Sonnen diese Kraft Von dem, der alle Dinge schaft, Zu seiner Ehr und unsrer Lust, gegeben; So sollten wir auch billig uns bestreben, Wenn wir so schoͤne Wercke sehn, Mit Ernst sie nicht nur zu betrachten; Auch auf die weise Art zu achten, Auf welche Weise sie geschehn, Und, als so viele Wunder-Proben Von dessen Weisheit, Lieb’ und Macht, Der Coͤrper, Geister, Aug’ und Licht hervor gebracht, Sie anzusehen, ihn zu loben, Und in bewundernder Verehrung zu erhoͤh’n! Das Das Schau-Spiel der Natur. D ie gruͤn-bewachsnen Huͤgel schenen von unten uͤber- waͤrts zu steigen, Und, wenn wir auf denselben stehn, von oben abwaͤrts sich zu neigen. Die uͤberall-bewachsnen Seiten, wenn sie kein Ackers-Mann bebaut, Deckt Busch-und Strauch-und Kraͤuter-Werck, insonder- heit das Farren-Kraut. Doch ist das aller-angenehmste, wenn auf bebuͤschter Huͤ- gel Hoͤh’n Wir hoher Wipfel gruͤne Daͤcher auf Saͤulen-gleichen Staͤmmen sehn. Da theils, in steter Nachbarschaft, der Buͤchen-Eich- und Linden Schatten, Die Kuͤhlung allgemein zu machen, gemeinschaftlich sich gleichsam gatten, Theils, wenn sie mehr entfernet frehn, durch Schatten- Strich’, im Gegensatz Vom gelben Korn, vom gruͤnen Klee, die feurig ange- strahlten Stellen Noch desto kraͤftiger erheben, den hellen Schmuck noch mehr erhellen. Hier sieht man, ausser sich vor Lust, manch nach der Schnur beflantzten Platz Von hohen dunckel-gruͤnen Eichen, als Scenen auf dem Schau-Platz, stehen, Wor zwischen weiß-und gelbe Felder dem Gold und Silber aͤhnlich sehen. Auf Das Schau-Spiel der Natur. Auf diesen sieht man weissen Buch-auf jenen gelben Weitzen prangen, Und uͤber ihnen schoͤnes Laub von langen Eichen-Aesten hangen, Wodurch, noch herrlicher erhaben durch ihrer Blaͤtter Dun- ckel-Gruͤn, Dieß Feld, als waͤr es uͤbersilbert, das dort, als uͤberguͤl- det, schien. Ach wuͤrde, was auf diesem Schau-Platz fuͤr ein schoͤn Schau-Spiel wird gespielet, Das blos allein in unsrer Lust auf unsers Schoͤpfers Ehre zielet, Und durch die wirckende Natur ohn Unterlaß wird aufge- fuͤhrt, Von uns, als Schauern, die vernuͤnftig, mit Lust gesehn, mit Danck verspuͤhrt! Schat- Schatten. E s vermehrt so gar der Schatten, Den das Licht durch Coͤrper macht, Der Figur und Farben Pracht. Denn wenn Schatten-Bilder sich Mit des Urbilds Bildern gatten; Stellt sich der Figuren Zier Unsern Augen doppelt fuͤr. Und der Farben Lieblichkeit Mehrt sich noch verwunderlich Durch der Schatten Dunckelheit. Jn den Waͤldern, auf den Matten, Wenn wir alle Vorwuͤrff sehn; Sind sie fast noch einst so schoͤn Durch die Nachbarschaft der Schatten, Die das Licht noch mehr erhoͤhn, Und es auf verschiednen Stellen Durch den Gegensatz erhellen, Die sie, durch beweglichs Schertzen, Nicht so, wie es scheinet, schwaͤrtzen, Und die Farben nicht vertreiben; Da sie wuͤrcklich alle bleiben. Ferner kann man in der Hitze, Wie die Schatten suͤß und nuͤtze, Da sie uns so lieblich kuͤhlen, Wenn man es erweget, fuͤhlen. Laßt Schatten. Laßt uns denn, fuͤr Waͤrm’ und Licht, Auch dafuͤr, daß Coͤrper dicht, Fuͤrs Gefuͤhl’ und fuͤrs Gesicht, Danckbar unserm GOtt uns weisen, Und, in unsrer Lust, ihn preisen! Ab- Abschied vom Garten. M ein GOtt! du hast auf dieser Welt Mir so viel herrliches geschencket, Daß, wenn mein Geist es uͤberdencket, Es aller Gaben sich so gar nicht wuͤrdig haͤlt. Es lallet mein geruͤhrter Sinn Voll Danck und Andacht: HErr! ich bin Nicht wuͤrdig der Barmhertzigkeit, Nicht wuͤrdig aller Treu und Guͤte, Die du an mir erzeigt die gantze Lebens-Zeit! So sprach ich juͤngst, mit froͤlichem gemuͤthe, Als ich in meinem Garten ging, Und dessen Schmuck und Lag’ an zu betrachten fing. Daß alles hier so lieblich gruͤnet, Daß alles uns zur Anmuth dienet, Davor muß ich, HErr! dir allein Jn froher Demuth danckbar seyn. Daß du mir alles wollen goͤnnen, Zumahlen des Verstandes Kraft, Daß ich es zierlich ordnen koͤnnen, Und so viel Witz und Wissenschaft, Es so gefaͤllig einzurichten, Davor erfordern meine Pflichten, Jn froher Ehrfurcht, dir allein Zu Ehren, froh und fromm zu seyn. HErr, von aller dieser Schoͤnheit, von der Farben Harmonie, Von dem schoͤnen Licht und Schatten, Von der Blaͤtter-eichen Gaͤnge Laͤnge, Meng’ und Symmetrie, Die, in froͤlichem Verband, alle hier sich lieblich gatten, Ja Abschied vom Garten. Ja wodurch, in Pracht und Ordnung, alles sich einander schmuͤckt, So, daß nicht leicht sonder Anmuth es ein frembdes Aug’ erblickt, Bin ich billig gantz erstaunt: sonderlich wenn ich mich lencke Und, woher es eigentlich seinen Ursprung hat? be- dencke. Du selber hast dieß schoͤne Stuͤck der Welt, Das allen, die es sehn, gefaͤllt, Durch meine Hand, o GOtt, gezieret. Weswegen auch nur dir allein, (Da nichts von allen diesem mein, Natur so wol, als Kunst und Wissenschaften dein, Als die uns blos von dir geschencket seyn) Lob, Ehre, Preis und Danck gebuͤhret. Muß ich nun gleich den schoͤnen Ort, Nach deinen Fuͤhrungen, hinfort, Und zwar auf lange Zeit, verlassen; So such’ ich mich mit diesem Trost hiebey, Daß es, wills GOtt, doch nicht vor immer sey; Jn dem Verlust zu fassen. Wie leicht laͤßt es der Schoͤpfer doch geschehn, Daß ich ihn froͤlich wieder sehn, Und sein aufs neu geniessen kann. Jch fleh ihn auch, wenn es sein Gnaden-Wille, Darum hiemit, in Demuth, an. Will GOtt es aber nicht; wohlan, So halt ich ihm, nach meinen Pflichten stille, Da GOttes Wahl auch billig meine Wahl, Und seh’ des Gartens Pracht, mit seiner Anmuth Fuͤlle, Gelassen denn hiemit zum letztenmahl. Mir Abschied vom Garten. Mir faͤllt jedoch hiebey ein Wunsch in Schwachheit ein, Den, wo er dir misfaͤllt, du gnaͤdig wirst verzeih’n; Es preßt die Eigen-Liebe mir Den Seufzer aus: Ach, HErr! gefiel es dir, Daß, wenigstens, doch dieser Garten hier Bey meinem kuͤnftigen Geschlechte, Vergnuͤgt und wol gebraucht, verbleiben moͤgte! O Herbst- Herbst-Gedancken. J ch sahe juͤngst, im Herbst, von Baͤumen die Blaͤtter fal- len, und erbleichen, Jch dachte: sollte man niht Baͤume mit Wasser-Kuͤnsten fast vergleichen? Jndem der Erden-Saft in ihnen, in Blaͤttern, bald sich aufwaͤrts lenckt, Bald sich, in eben diesen Baͤumen, zur Herbst-Zeit wieder abwerts senckt, Um abermahl, zu unserm Nutz, allmaͤhlig in die Hoͤh’ zu steigen, Und denn aufs neu, zu rechter Zeit, sich abermahl herab zu neigen. Ach, saͤhe, zu des Schoͤpfers Ehren, mit froher See- len, iedermann, Jn ehrerbietigster Verwundrung, doch diesen grossen Kreis-Lauf an! Ach, ehrte man doch dessen Allmacht, der stets im Nord, Suͤd, Ost und West Dergleichen Wasser-Kuͤnst’ in Baͤumen voll Anmuth vor sich spielen laͤss’t! Herbst- Herbst-Betrachtung. A uf! laßt uns, unserm GOtt zu Ehren, Der Erden Herbst-Schmuck anzusehn, Jn Gaͤrten, Feld-und Waͤlder gehn; Es wird gewiß sein Lob vermehren! Kann man wol sonder Lust erblicken, Wie sich anjetzt, mit neuer Zier, Und neuen Farben, dort und hier, Der feuchten Erde Flaͤchen schmuͤcken? Wenn Laub und Schatten duͤnne werden Erhoͤht und mehrt sich uͤberall, Auch selber bey der Blaͤtter Fall, Der sonst nur gruͤne Schmuck der Erden Es aͤndrn sich anjetzt die Waͤlder; Das Gruͤn ist nicht mehr allgemein; Es funckeln jetzt in buntem Schein Der Baͤume Gipfel, Garten, Felder. Ein Baum, wenn ihn, im frohen Lentzen, Der Sonnen guͤldnes Licht bestrahlt, Jst durch ein roͤhtlich Gelb bemahlt; So sieht man jetzt die Baͤume glaͤntzen. Jetzt scheinen die gefaͤrbten Blaͤtter Und irher Wipfel roͤhtlich Gruͤn, Als wenn die Sonne sie beschien, Auch selbst bey einem duncklen Wetter. Wenn auch die Schatten alles druͤcken Und uͤberziehen; sieht man sie, Doch mit gedaͤmpfter Harmonie, Mit bunter Glut die Felder schmuͤcken. O 2 Hie- Herbst-Betrachtung. Hiedurch scheint uͤberall im Dunckeln, Jm Wald’ und Feld’, an manchem Ort, Auf manchem Baum, bald hier, bald dort, Ein bunter Sonnen-Strahl zu funckeln. Es scheinet gleichsam eingesencket Der Sonnen Glut in ihre Zier, Als haͤtten sie, wie Loͤsch-Papier, Den Strahl der Sonnen eingetraͤncket. Manch gelb-und roth-gefaͤrbt Gebuͤsche Macht gleichfals, mit gefaͤrbtem Licht, Auf mancher Stelle, dem Gesicht Ein bunt und liebliches Gemische. An denen vormahls dichten Hecken, Die jetzt zwar ziemlich Blaͤtter-loß, Doch noch nicht gaͤntzlich nackt und bloß, Jst neue Schoͤnheit zu entdecken. Der Blaͤtter gelb und roͤhtlich Prangen, Das fast wie Gold und wie Rubin, Doch uͤberall vermischt mit Gruͤn, Sieht man an braunen Aesten hangen. Man kann auch jetzo mit Vergnuͤgen Durch bunte Blaͤtter, die so schoͤn, Die kleinen bunten Voͤgel sehn, Weil sie fast unbedecket fliegen. Der Blick wird uͤberall erfreuet; Es ziert so gar das bunte Laub Das dunckle Land, den feuchten Staub, Als waͤren Blumen drauf gestreuet. Noch mehrer Schoͤnheit wird erblicket; Denn wie im Herbst der Erden-Rund; So ist die Luft, nicht minder bunt, Mit Glantz und Farben ausgeschmuͤcket. Man Herbst-Betrachtung. Man sieht mit Lust in lauen Luͤften Und am bewoͤlckten Firmament, Wie ein gefaͤrbtes Feuer brennt Jn hie und dort zerstuͤckten Duͤften. Wenn man nun, wie in Luft und Erden Ein schoͤn gefaͤrbtes Feuer gluͤht, Jm Herbst, mit frohen Blicken, sieht; So lasset uns doch danckbar werden! Laßt uns im Herbst, mit froher Seelen, Den Schoͤpfer, der die Zeit der Welt Jn solcher Richtigkeit erhaͤlt, Besingen und sein Lob erzehlen! O 3 Der Der Himmlische Thau. Der Himmlische Thau. A n einer Pflantze feuchter Spitze Sah ich, in fruͤher Morgen-Zeit, Als Erd’ und Luft voll reiner Heiterkeit, Jn einem Troͤpfgen Thau, viel helle bunte Blitze. Jch sprach, als ich vor Lust mich kaum besann, Das bunte Troͤpfgen folgends an: Wie kommt es, daß in deiner Ruͤnde Jch ein so herrlich, buntes Licht, Mit fast geblendetem Gesicht, Jn solchem hellen Schimmer finde? Drauf deucht mich, daß ich sehend hoͤrte, Wie es, mit klarer Schrift, mich dergestalt belehrte: Was mich mit solchem Glantz erfuͤllt, Jst das mir eingepraͤgte Bild Der Sonne, die so wunder-schoͤn, Und die ihr, obgleich ihre Pracht Allein die Creatur so schoͤn, so herrlich, macht; Dennoch kaum wuͤrdigt anzusehn. Damit ich nun, so viel an mir, Die Quell des Lichts und Lebens dir, Zu unsers grossen Schoͤpfers Preise, Doch wenigstens im Abdruck weise So stell ich dir ihr herrlich Licht, Durch meine Klarheit, ins Gesicht. Ja ich verricht’ es nicht allein; Viel Millionen an der Zahl Bestreben sich, nebst mir, um auch den Strahl, Den allbelebenden und Wunder-reichen Schein, Jn Der Himmlische Thau. Jn deutlicher Copie, zu zeigen; Damit ihr zum Original, Durch ihren Glantz geruͤhrt, bewundernd moͤget steigen. Jch ward geruͤhret durch die Klarheit Der von dem Tropffen Thau mir angezeigten Wahrheit; Jch wendete mein geist- und coͤrperlich Gesicht, Voll Lust und Danck, zum hellen Sonnen-Licht, Und danckte GOtt, daß er derselben Pracht So wunderbar gemacht. Dem schoͤnen Morgen nun, nach dem der Tag verschwunden, Und sich der Abend eingefunden, Folgt’ eine ja so schoͤne Nacht. Jch sahe denn, bey heitrer Luft, im Dunckeln, Die ungezehlten Sterne funckeln. Wie ich nun fruͤh, vor Lust erstaunt, den Thau gesehen; So kam bey noch in mir vorhand’nen Thau-Jdeen, Nun auch der helle Himmel mir Als wie ein weites Feld von glaͤntzendem Sapphir, Und, recht wie Tropfen Thau, die hellen Sterne fuͤr. O! rieff ich, welch ein Feld! O! welch ein Wunder-Thau, Womit ich es erfuͤllet schau! O welche Tropfen! deren Groͤsse Jch kaum mit den Gedancken messe! Und die, wie unser Thau, ihr Prangen Nur blos von einer Sonn’ empfangen! O! welche Sonne! die nicht nur solch Sonnen-Heer, Aus ihrem ew’gen Lichtes Meer, Als so viel Tropfen schmuͤckt und zieret; Nein, die derselben Kraft und Pracht, Durchs Feur der Lieb’, hervorgebracht, Zum Nutz der Creatur formiret! O 4 Ach Der Himmlische Thau. Ach laß, o ew’ges Liebes-Licht, So oft ich, in des Himmels Hoͤhe, Der Sonnen grosse Tropffen sehe; Doch meine Seele, durchs Gesicht, Zu dir, in ihrer Meng’, als so viel Staffeln, steigen, Und, voller Ehrfurcht, nie von deinem Ruhme schweigen! Ama- Amarantus cristatus. N och kann man sonder Lust nicht sehn, Wie sonderlich geformt, wie schoͤn Der purpurfarben’ Amarant, Der insgemein cristatus wird genannt. Er hat fast keine Form; sein Blatt besteht aus Spitzen, Die sonderbar vereint zusammen sitzen, Und in sich selbst, aufs neue, Spitzen reich. Der meisten Form jedoch ist einem Hahn-Kamm gleich; Kein duncklel-rohter Sammt, Ja fast kein feuriger Rubin, Kann in so vollen Farben gluͤhn, Als diese Blum’ in rohtem Glantze flammt. Wenn ich nun die dem Hahn-Kamm gleiche Blume, Mit aufmercksamen Augen, sehe; So deucht mich, daß ein Hahn mit sanfter Stimme kraͤhe, Um aus dem Schlaf der Unempfindlichkeit, Zu dessen Ehre, Preis und Ruhme, Der alle Vollenkommenheit, Der aller Dinge Schmuck und Pracht, Blos durch ein Wort, hervorgebracht, Mich zu erwecken, Und seine Gegenwart in allen zu entdecken. O 5 Bal- Balsamina. Balsamina. A uch hat mir die so suͤß’, als holde, Pracht Der lieblich weiß- und roth-gemischten Balsaminen, Zum Preise deß, der sie gemacht, Laͤngst der Betrachtung wehrt geschienen. Jhr ist im bunten Blumen-Reich, So wohl an Form’, als Farbe, keine gleich. Sie scheint, wenn wir sie Anfangs sehn, Aus mehrern Vlaͤttern zu bestehn; Doch schauen wir sie recht; bestehet die Figur Blos aus vier Blaͤttern nur, Die aber so verwunderlich verschrenckt, Geformet und geordnet sitzen, Daß es kein Mensch gedenckt, Der nicht, mit Achtsamkeit, die Augen auf sie senckt; Da sie denn in der That Fast die Figur von einer Gieß-Kann’ hat. An eines rothen Stengels Spitzen Sitzt erst ein breites Blatt, Das uͤberall sonst platt und glatt, Doch oben, wo es sich sanft auszuhoͤhlen pflegt, Ein kleines gruͤnes Spitzgen traͤgt; An dessen Fuß erscheint der andern Blaͤtter Par, Die in der Mitten Natuͤrlich schienen ausgeschnitten, Und welche man so lieblich ausgeruͤndet, So nett gebogen findet, Daß es ein offnes Hertz formirt, Jn welchem sich der Blick verliehrt, Und sich in eine Tieffe fuͤhrt, Die Balsamina. Die noch ein ander Blatt, Das von des Ueberflusses Horn Die eigentliche Bildung hat, Erblicken laͤßt, Jn dessen aͤusserm Theil, wo sich das Hoͤrnchen windet, Man eine Suͤßigkeit gesammlet findet. Dieß hohle Blaͤttchen, das am rothen Stengel fest, Scheint nicht allein mit seiner gruͤnen Spitzen Der breiten Blaͤtter Par zu stuͤtzen; Es faßt es recht, als wie in einer holen Schalen, Jn welcher die Natur Noch eine zierliche Figur, Ein guͤldnes Hertz, zu mahlen Sich stets beschaͤftiget. Dieß Hertzgen so dieß hohle Blaͤtgen schmuͤckt, Wird durch die Oefnungen der Blaͤttergen erblickt, Die, wie gesagt, so sonderlich formirt. An aller dieser Blaͤtter Fuß Sieht man ein gruͤnes Koͤlbgen sitzen, Deß ich annoch erwehnen muß. Dieß ist von laͤnglichter Figur, Und hat viel tausend weisse Spitzen. Hier hat die sich erhaltende Natur Den Schatz des Saamens eingeleget, Den es nicht nur, als ein Behaͤlter, heget, Nein den es gar, so bald der Saame reifft, Jndem es sich so dann sehr schnell zusammen streifft, Recht als mit einem Schuß gewaltig von sich streuet, Daß jedermann Sich nicht genug darob verwundern kann, Und, wenn ers recht erwegt, mit Recht sich druͤber freuet: Die Balsamina. Die Blumen nun, worauf sich roth und weiß Jn ungemein- und suͤssem Grad vermischen, Stehn an sehr zierlichen und schoͤn gefaͤrbten Buͤschen. Das schoͤne gruͤne Blatt nimmt fast den Preis Den audern Blaͤttern weg, da es so nett formiret, So zierlich eingekerbt Und mit dem schoͤnsten Gruͤn gefaͤrbt. Durch dieses schoͤne Gruͤn nun glaͤntzt der Blumen Pracht Jn einer gruͤnen Schatten-Nacht Noch desto lieblicher, da wir recht wunderschoͤn Hier weiß, dort roth, durchs Gruͤn erhoben, Dort gruͤn, dort roth und weiß, recht als bestrahlet, sehn. Ach, saͤhe man, Ohn den, der sie gemacht, zu loben, Doch diese Blumen nimmer an! Auf- Aufmunterung. Aufmunterung. D a GOtt in seiner Creatur So wunderwuͤrdig sich erwiesen; Ja da derselbe sich nicht nur Erwiesen; sich noch immer weis’t: Wie daß man ihn, wenn man ihn nicht gepriesen, Auch noch in unsrer Lust nicht preis’t! Jst sein Geschoͤpf, wie oder er, nicht wehrt, Daß man in ihnen ihn verehrt? Jst etwan, lieber Mensch, fuͤr deinen hohen Geist Das, was er schuf, zu niedrig zu geringe? Es scheint so gar der Schoͤpffer aller Dinge Nicht deiner Achtung wehrt zu seyn. Hiedurch nun raubst du dir nicht deine Lust allein, Die er mit seiner Ehr (o Liebe) hier verbindet; Du raubest ihm zugleich die Ehre welche man, Jn seinem Werck allein und seiner Fuͤhrung findet, Und ohne sie nicht finden kann. Sprich selbst, wenns nicht die Menschen wollen, Was doch fuͤr Creaturen sollen, Aus einem GOtt ergebnen Triebe, Empfindlich und erkaͤnntlich seyn, Fuͤr GOttes Weisheit, Macht und Liebe, Fuͤr seiner Gnaden Glantz und Schein? Worin ist doch der Unterscheid, Der zwischen uns und andern Thieren, Als blos hierin allein, zu spuͤhren, Das wir des Gebers Herrlichkeit Und Macht und Lieb’, in seinen Wercken, Geschickt und faͤhig zu bemercken? Was Aufmunterung. Was koͤnnen wir, bey so viel Gaben, Die uns von GOtt allein geschenckt, Wenn man nicht an den Geber denckt, Doch fuͤr Entschuldigungen haben? Jch mag so viel ich immer kann Den Geist auf alle Dinge lencken; So treff ich nichts so wuͤrdig an Und kann, mit allem meinen Dencken, Nichts seeliger befinden, Um uns mit GOtt selbst zu verbinden, Als wenn wir seine Groͤß’ in seinem Werck’ ergruͤnden. Es kann ein froͤliches Gemuͤthe, Wenn wir den Ausbruch seiner Guͤte Und seiner Macht und Weisheit sehn, Und zu betrachten uns bestreben, Nicht nur des Schoͤpfers Ruhm am herrlichsten erheben, Nein, gar sich selbst in ihm erhoͤhn. Zum Zum Herbst. Zum Herbst. D a ich im Herbst, in der Allee, Jn abgefallnen Blaͤttern gehe, Die, in gesaͤrbter Zierlichkeit, Als waͤren sie mit Fleiß gestreut, Die dunckel-braunen Steige zieren, So daß sie durch die bunte Pracht Zu dessen Ruhm, der alles macht, Mich, inniglich geruͤhret, fuͤhren; Deucht mich daß auch, da sie vergehn, Durch ihrer Farben buntes Glaͤntzen, Wodurch sie Steig’- und Beeten kraͤntzen, Die Blaͤtter ihren HErrn erhoͤhn. Mich deucht, ob hoͤrt’ ich sie, vom dunckel-braunen Grunde, Auf welchem sie in grosser Menge lagen, Mit theils bereits erblaßt-theils annoch rothem Munde, Mir dieses noch, zum Abschied sagen: Wir scheiden zwar nachdem wir schon gegruͤnet, Und fast ein gantzes Jahr Mit Farb-und Schatten dir gedienet; Allein wir scheiden nicht vor immer; Schau nun die Knospen auf den Zweigen, Die werden dir, in neuem Schimmer, Uns wiederum in andern zeigen. Hast du, durch unsre Schoͤnheit, nun, So wie du schuldig warst zu thun, Den Schoͤpfer, den wir dir gewiesen, Durch oͤftern frohen Danck gepriesen; So haben wir, da wir gegruͤnt, Dem Schoͤpfer, auch durch dich, gedient. Hast Zum Herbst. Hast du es aber nicht gethan; So sieh uns jetzt zuletzt noch an! Und dancke GOtt, daß unsre Pracht Dich oft geruͤhrt und froh gemacht. Denn ihm allein ist zuzuschreiben, Daß wir, mit solchem holden Gruͤnen Bekleidet, dir zur Lust erschienen, Daß wir vergehen und doch bleiben! Liste Liste einiger uns von GOTT ge- schenckten und erhaltenen Gaben, welche, in ihrem Besitz, uns zur Danckbar- keit, und, in etwannigem Verlust einer oder der andern, durch die Menge der uns noch gelassenen, zu einem vernuͤnftigen Trost billig dienen solten. Diesen von uns besessenen Guͤ- tern sind einige entfernte Plagen, wofuͤr GOtt uns behuͤtet, beygefuͤget. L aßt uns wenigstens versuchen (um den Undanck zu beschaͤmen, Welcher uns so straͤflich macht) einen neuen Weg zu nehmen: Ob vielleicht die grosse Menge aller uns geschenckten Guͤter, Wenn wir sie beysammen sehn, die verblendeten Gemuͤther Aus dem Schlaffe der Gewohnheit etwan zu erwecken tauge! Wann nun jeder sich der Naͤchste und sich selbst em- pfinden kann; Fang ich von den Wunder-Gaben unsers Coͤrpers billig an: Haupt und Haͤnde, Fuͤß’ und Arme, Brust und Ruͤcken, Ohr und Auge, Adern, Nerven, Fleisch und Haut, Hertz und Blut, Miltz, Leber, Lunge, Magen, Nieren, Marck und Knochen, Mund und Nase, Zaͤhn’ und Zunge, P Haare, Liste einiger uns von GOtt geschenckten Haare, Gaum, Gehirn und Wangen, Lippen, Finger, Augen-Lieder, Huͤfte, Druͤsen, Eingeweide, Knorpel, Kehle, Halß und Schlund Naͤgel, Kniee, Rippen, Achseln, Muskeln und viel andre Glieder: Der Gebrauch von allen diesen, daß ein jegliches gesund, Daß die Nerven nicht zerrissen, kein Gelenck verdreht, die Knochen, Durch viel unversehne Faͤlle, nicht gesplittert, nicht ge- brochen, Da zumahl am gantzen Coͤrper keine Stell’, auch noch so klein, Die bey uns nicht Schmertzen faͤhig, nicht empfindlich ist vor Pein, Daß von allen diesen Theilen tausend Uebel abgewandt: Daß kein Podagra, kein Fieber, keine Ruhr, kein Grind, kein Brand, Keine Wasser-Sucht, kein Schwulst, keine Schwind- Sucht, Pest und Stein, Keine Masern, Pocken, Raͤude, Laͤhmung, Zaͤhn- und Magen-Pein Ungebehrde, Wuͤrmer, Faͤlle, Schaͤbigkeit, Zerstuͤmmelung, Schwehrer Hust, Geschwuͤhre, Friesel, mancherley Be- schaͤdigung, Darm-Gicht, Bruͤche, Taub- und Blindheit, Schwindel, Schlag-Fluß, Seiten-Stechen, Nebst viel tausend andern Plagen, uns nicht qvaͤlen, uns nicht schwaͤchen. Daß nicht minder unser Geist, von Betruͤbniß, Raserey, Schwermuth, Unruh, Angst, Verwirrung, und von schwartzen Sorgen frey; Diese und erhaltenen Gaben. Diese von uns ferne Qvalen, die uns alle druͤcken koͤnnen, Sind die nicht von solchem Wehrt, daß wir dem ein Danck- Lied goͤnnen, Der mit Vaͤterlicher Vorsorg’, auf so viele Weis’ und Art, Leib und Seele biß daher vor so mancher Qual bewahrt, Ja daß von so vielen Plagen nicht nur Mann und Frau allein, Sondern oft so viele Kinder wunderbar behuͤtet seyn? Laßt uns denn nun weiter gehn, und der Guͤter Meng’ erwegen Die sich um, und bey, und an uns, uͤberall vor Augen legen; Wie viel Millionen Guts zeigt die Qvell der Waͤrm’ und Wonne, Auch des wunderschoͤnen Lichts und der Fruchtbarkeit, die Sonne Auf dem Erd-Kreis uͤberall! Was ist nicht im Meer, im Regen, Jn den Waͤldern, auf den Feldern, auf den Bergen, in den Gruͤnden, Jn den Gaͤrten, in den Wiesen und in Fluͤssen vor ein Seegen Und vor eine Wunder-Menge, uns allein zum Nutz, zu finden? Was hat nicht die Kunst der Menschen der Natur noch beygefuͤget, Daß man sich nicht nur zur Nothdurft, auch noch zur Beqvemlichkeit, An mit kunst-verbundnen Wundern der Natur, zu aller Zeit, Durch Betrachtung und Erkaͤnntniß, mit dem hoͤchsten Recht, vergnuͤget. P 2 Laßt Liste einiger uns von GOtt geschenckten Laßt uns denn der Dinge Menge, die uns naͤhren, die uns nuͤtzen, Auch die uns dabey vergnuͤgen nicht mehr unvermerckt be- sitzen! Werden wir nur ihre Zahl, blos dem Nahmen nach, erwegen; Moͤgt’ die Menge die erstaunlich, uns vielleicht zum Danck erregen. Aller Elementen Kraͤfte, Feuer, Wasser, Luft und Erde, Die fuͤnf Sinnen: Hoͤren, Schmecken, Fuͤhlen, Riechen und Gesicht, Das uns all’ erfreu’nde Sonnen-Sternen-Mond- und Ker- tzen-Licht, Voͤgel, wild- und zahme Thiere, Ochsen, Kuͤhe, Schaaf’ und Pferde, Laub und Kraͤuter, Gras und Blumen, Brodt und Kaͤse, Wein und Bier, Aepfel, Birne, Rocken, Weitzen, tausend Feld- und Garten-Fruͤchte, Acker, Wiesen, Wald und Feld, tausend Land- und See- Gerichte, Eyer, Milch und Mehl und Butter, Buͤcher, Feder und Papier, Rede, Schriften, und Erfindung, Arbeit, Ruhe, suͤsse Traͤume, Weiche Betten, Tuch und Decken, Speise, Tranck, Beqvemlichkeit, Peltzwerck, Haus-Geraͤhte, Zimmer, Freyheit, Friede, Sicherheit, Haͤuser, Gaͤrten, Staͤll’ und Scheuren, Vorwerck, Obst- und wilde Baͤume, Fuhr- und erhaltenen Gaben. Fuhr-Werck, Futter fuͤr das Vieh, Knecht’ und Maͤgde, Hanf und Flachs, Distillier-Kunst, Tisch und Stuͤhle, Druckereyen, Far- ben, Wachs, Mancherley Beqvemlichkeiten, vor des Wetters Ungemach Schirm vor Frost, vor Sturm und Nebel, vor dem Re- gen Dach und Fach, Brenn-Holtz, Nahrung, Erbschaft, Freunde, Fleis, Gesundheit, Appetit, Wolgerahtne Kinder, Eltern, gut Gemahl, und Anverwandte, Obrigkeiten, Zuͤnfte, Staͤnde, gute Nachtbarschaft, Bekannte, Schiffahrt, Handel, Geld und Baarschaft, Habe, Kaufmannschaft, Credit, Ueberlegung, gute Neigung, Wissenschaften und Vernunft, Witz, Begrif, Gedaͤchtniß, Kuͤnste, Kuͤnstler, Hand- werck, Artzeney, Poesie, Mathesis, Schulen, Recht, Music und Mahlerey, Ein Vergnuͤgen an der Arbeit, froͤliche Zusammenkunft, Schutz vor Ueberfall, Verdienst, Sprachen und Ge- schicklichkeit, Ueberfluß, ein redlich Hertz, Billigkeit, Zufriedenheit, Hofnung, Zuflucht, Trost im Ungluͤck, mit Bedacht spatzieren gehen, Und, nebst dienlicher Bewegung, GOtt in seinen Wer- cken sehen, Nicht zu heftige Begierden, ein beqvemer Auffenthalt, Guter Anstand in den Sitten, eine leidliche Gestalt, P 3 Nebst Liste einiger uns von GOtt geschenckten Nebst viel tausend andern Guͤtern ausser uns, an deren Schaͤtzen Wie sie die Natur uns beut, wir geschickt uns zu ergetzen. Der so holden Zeiten Wechsel, Regen, Thau und Son- nen-Schein, Daͤmmrung, Fruͤh- und Abend-Roͤthe, in des Himmels tieffen Ferne So viel glaͤntzende Planeten, so viel Millionen Sterne, Und, auf unsrer Welt, fuͤr uns, Fluͤsse, Baͤche, Sand und Stein, Saltz und Schwefel, Honig, Zucker, nicht zu zaͤhlen- des Getraide, Kleidung gleichfals sonder Zahl, Wolle, Leinwand, Sammt und Seide, Die so nuͤtzliche Metallen, Eisen, Silber, Gold und Bley, Kupfer, Stahl und Zinn und Meßing, Salben, Oel und Specerey, Aus so weit entfernten Laͤndern, Fruͤcht’ und ungezehlte Wahren Die zu Land, und durch die Fluth, auch die Ebb’, uns zu gefahren, Kuͤhle Schatten in der Hitze, Feur und Ofen in dem Frost, Holde Blumen in dem Fruͤhling, und im Herbst den suͤs- sen Most, Ansehn und ein gut Gewissen, GOttes-Furcht, ein gut Exempel, Ruhigs Schlafen, muntres Wachen, froͤlichs Essen, Ehr’ und Ruhm, Hofnung, Freudigkeit, Erkaͤnntniß, Menschen-Liebe, Christenthum, Fleiß, Gesetze, gute Lehrer, Ordnung, Policey und Tempel. Ausser und erhaltenen Gaben. Ausser noch viel andern Guͤtern, Leibes-Gluͤcks-und See- len-Gaben, Die wir von des Schoͤpfers Weisheit, Macht und Lieb’ empfangen haben. Wann nun auch entferntes Uebel ebenfals ein Gluͤck zu nennen, Muͤssen wir auch deren Mangel billig als ein Gluͤck erkennen. Laßt uns denn auch davon etwas uns zum Trost annoch besehn Und mit Ehrfurcht, daß der Schoͤpfer uns dafuͤr bewahrt, gestehn. Hunger, Armuth, Durst|und Bloͤsse, schweres Graͤmen, Schaden, Schuld, Theurung, Krieg und Tyranney, Haß, Verachtung, Ungedult, Trauer, Zwang, Verlust und Bande, Schifbruch, Ueberschwemmung, Brand, Aufruhr, ungerahtne Kinder, Schimpf, Verlaͤumdung, Unverstand, Zanck und Rachgier, Zagheit, Eifer, Schand’ und Un- versoͤhnlichkeit, Schrecken, Uebermuth und Unfleiß, Tummheit, Un- zufriedenheit, Diebe, Raͤuber, und Verfuͤhrer, Unbeqvehmlichkeit und Pein, Streit, Verbannung, Ueberdruß, Spott wenn wir in Noͤthen seyn, Neid, Belagerung’, Verfolgung, Mord, Verrath, Betrug und Feinde, Kummer, Vergewaltigung, Jrrthum, Thorheit, falsche Freunde. P 4 Dieses Liste einiger uns von GOtt geschenckten ꝛc. Dieses sey vor dieses mahl nun genug. Wo in der Welt Etwas uͤberzeigendes, daß wir GOtt zum Danck verbunden; Wird es in der grossen Menge seiner Gaben ja gefunden, Die er uns nicht nur geschencket, die er uns so lang’ erhaͤlt. Moͤgten wir ein solch Register dann und wann nur uͤber- lesen, Sollte man fast hoffen muͤssen, von der Unempfindlichkeit, Von dem schwartzen Undancks-Laster, ungerechtem Hertzeleid, Von der selbst-gemachten Schwermuth, Klag’ und Mur- ren zu genesen; Sonderlich wenn wir erwegen, wie doch so gering’ und klein Unser aller Wuͤrdigkeiten, menschliche Verdienste seyn. Noth- Nothwendigkeit die gegenwaͤrtige Zeit, und das Gute, so wir darin besitzen, zu erwegen. W ie ungluͤckseelig sind wir Menschen, und zwar da- durch fast blos allein, Daß wir fuͤr das besessne Gute, unbillig, unempfindlich seyn! Die groͤsten Schaͤtze, die wir haben, sind, wie wir ja gestehen muͤssen, Gesundheit, Guͤter, gut Geruͤchte, Bequemlichkeit und gut Gewissen; Doch wird uns leider ihr Genuß blos durch Gewohnheit so entrissen, Daß, da wir nicht daran gedencken, uns der Besitz gantz unbewust Und wir sie leider gar nicht fuͤhlen, als in derselbigen Verlust. Die Ursach ist leicht zu ergruͤnden: Wir sind vom Schoͤ- pfer so gemacht, Daß des Genusses bester Theil in anders nichts besteht, als Dencken; Doch wir bemuͤh’n uns leider nicht, der Seelen Kraft darauf zu lencken, Wodurch zugleich der Danck verschwindet. Da dieses nun unstreitig wahr, So wird zugleich der gantze Fehler durch solche Wahr- heit offenbahr. P 5 Allein Nothwendigkeit die gegenwaͤrtige Zeit, ꝛc. Allein, wie faͤngt man es denn an, von diesem Ungluͤck zu genesen, Das alles Ungluͤcks Urqvell ist? Es macht uns die Gewohn- heit blind Und taub und fuͤhl-los. Unser Geist, als der von einem regen Wesen, Kann gantz unmoͤglich muͤßig seyn. Die feurigen Begierden sind Dadurch bey uns gleich wilden Pferden, die nimmer stille stehen koͤnnen, Den Ort, woselbst sie sind, nicht achten und stets nach fernem Ziele rennen; Ja durch die allerschoͤnsten Wiesen, ohn’ alles, was aus ihnen schoͤn, Ergetz- und nuͤtzlich zu geniessen, zu sehen, immer weiter gehn. Wir schieben den Genuß von allem, was wir besitzen, im- mer auf, Und gleichen Geitzigen, die scharren in ihrem gantzen Le- bens-Lauf, Biß an den Tod, um sich so dann an ihren eingeschlossnen Schaͤtzen Den Rest des Lebens zu ergetzen. Wann wir bey diesem Zustand nun die Fluͤchtigkeit der Zeit betrachten, Und, bey derselben schnellen Flucht, auf unsre kurtze Dauer achten, Erwegen, was wir einst geschrieben: Wir scheinen fast in unserm Leben Mit einem stetem Nichts umgeben; Er- Nothwendigkeit die gegenwaͤrtige Zeit, ꝛc. Erwegen, daß die Gegenwart so kurtz, und fast be- staͤndig fliehe, Daß sie, bestaͤndig fortgezogen, das kuͤnft’ge stetig zu sich ziehe, So daß, in ihrer steten Flucht, sie fast nur scheint, als wenn sie waͤr; Denn halb ist sie noch nicht erschienen, und halb ist sie bereits nicht mehr: So sag ich, finden wir kein Mittel, uns auf der Erde zu vergnuͤgen, Als wenn wir ein vernuͤnftges Dencken zum fluͤcht’gen Ge- genwaͤrt’gen fuͤgen. Auf diese Weise blos allein haͤlt man der Zeiten schnellen Lauf, Wenn man, was man besitzt, erweget, durch frohes Den- cken gleichsam auf; Man macht sie dadurch gleichsam fest, ja eignet sie sich gleich- sam zu, (Zumahl da ein stets kommend Kuͤnftig der Gegenwart Verlust ersetzt, Daß man es nicht vergangen fuͤhlet) und alles scheint in steter Ruh. Es hat, bey unsrer kurtzen Dauer und Fluͤchtigkeit von un- serm Leben, Der maͤchtig-gut-und weise Schoͤpfer zwey Mittel uns zum Trost gegeben, Die kurtze Lust uns zu verlaͤngern; er hat sie in uns selbst gesenckt; Er legt die Faͤhigkeit in uns, wenn man nur ordentlich gedenckt. Man Nothwendigkeit die gegenwaͤrtige Zeit, ꝛc. Man kann durch Hoffen und Erinnern die kuͤnft’gen und vergangnen Sachen, Durch Dencken, gleichsam schon vorher und wieder ge- genwaͤrtig machen. Jndem es nun unstreitig wahr, daß unser wuͤrckliches Vergnuͤgen, Ja gar, im Danck, das wahre Lob des Schoͤpfers, blos im Dencken liegen; Ach, so versaͤumt, geliebte Menschen, doch euer Gluͤck und eure Pflicht, Zu dem Geschaͤfte, das so noͤthig, als leicht und nuͤtzlich ist, doch nicht! Wo etwas noch in unsrer Macht, so sind es die Gedancken ja, Als die wir gleichsam selbst erzielen, daran wir selber aͤn- dern koͤnnen; Jndem nun solche Faͤhigkeit uns unser Schoͤpfer wollen goͤnnen Und er uns so gemacht, als wenn, zu unsrer Lust und seinen Ehren, Von unserm wuͤrcklichem Vergnuͤgen wir gleichsam selber Meister waͤren: Ach, so bestrebt euch immer mehr, durch ein bedachtsam sehn und fuͤhlen, Zu eurer Lust und GOtt zum Ruhm, den holden End- zweck zu erzielen: Durch eure fluͤchtigen Gedancken der Zeiten Fluͤchtigkeit zu binden, Sein Lob und eure Lust zu mehren durch ein vernuͤnftiges Empfinden! War- Warnung fuͤr Afterreden. W ie waͤr es, lieber Mensch, wenn man gewißlich wuͤste, Ja, wenn man auch nur zweifeln muͤste, Daß etwann, nach gewissen Jahren, Dein Nechster alles wuͤrd’ erfahren, Was etwann hinterruͤcks dein Mund von ihm gesprochen, Wuͤrd es auch gleich durch anders nichts gerochen: Was meinst du, wuͤrdest du dich nicht entsehn, Mit ihm auf die Art umzugehn, Wie du es jetzo machst? Nun koͤmmt es mir Nicht nur der Wahrheit aͤhnlich fuͤr, Ob werde dieß dereinst geschehn; Jch find in heil’ger Schrift so gar die Spuren stehn: Die Dinge die verborgen waren Wird GOtt, zusammt dem Raht der Hertzen, offenbaren; Dieß stehet deutlich da. Drum diene solch Entdecken Dich vom Gewohnheits-Schlaf zu wecken, Und von Verlaͤumdungen und Laͤstern abzuschrecken. Noth- Nothwendige Verehrung des Allgegenwaͤrtigen. Z oͤg’ ein grosser Fuͤrst, verkleidet, unbekannt im Land’ umher, Und ein Unterthan vermeinte ihn zu kennen; sollt er nicht Bey Verwundrungs-vollen Mienen und mit froͤlichem Gesicht Etwas Gutes gerne sprechen, zu des Landes Fuͤrsten Ehr? Und wir wissen, daß der Schoͤpfer, durch den so viel Guts geschicht, Jmmer bey uns gegenwaͤrtig. Laßt uns denn doch auch nicht schweigen; Sondern uͤber seine Wunder, ihm zum Ruhm, uns froh bezeigen! Trost- Trostreiche Groͤsse GOttes! D ie unermaͤßliche Beschaffenheit Von unsers Schoͤpfers Groͤß’, die in die Ewigkeit, So sonder Ende, sich erstrecket, Und dadurch fast, da unser Geist so klein, Und wir fast gegen ihn fuͤr nichts zu rechnen seyn Durch gar zu grosse Groͤß’ uns schrecket, Jst dennoch voller Trost; weil sie ja nicht allein Sich in die Fern’ und von uns abwerts sencket; Nein, da sie alle Ding’ erfuͤllt; ist dieß der Schluß, Daß sie sich gleichfals zu uns lencket, Daß sie uns gleichfals nah, ja uns beruͤhren muß. GOtt GOTT regiret alles. G ereichet’ es dem grossen All zur Ehre, Zu glauben, daß mit dem, was klein, Sich zu befassen, ihm zu niedertraͤchtig waͤre; So wuͤrd’ ich andrer Meinung seyn. Weil aber, sonder allen Streit, Weit groͤssere Vollkommenheit Erfodert wird, um alles zu regiren, Als etwas nur; wird es uns ja gebuͤhren, Vielmehr das herrlichste vom Schoͤpfer zu gedencken, Als seine Macht und Weisheit einzuschrencken; Zumahl, wie es ja leichtlich zu erkennen, Nichts eigentlich fuͤr GOtt klein oder groß zu nennen. Spuren Spuren der GOttheit. A lle Ding’ in der Natur, Die wir schmecken, hoͤren, sehen, Deuten klaͤrlich an, gestehen, Und erinnern uns nicht nur, Daß ein GOtt, ein Schoͤpfer sey; Sondern, wenn wir redlich hoͤren, Hoͤren wir die weisen Lehren: Daß wir seiner GOttheit Schein, Der so hell, als allgemein, Zu bewundern zu verehren, Pflichtig und verbunden seyn. Aller Sternen helle Heere, Die im Boden-losen Meere, Jn den Tieffen ohne Graͤntzen, Allenthalben um uns glaͤntzen, Zeigen, bey entwoͤlckter Nacht, Von der Wercke Wunder-Pracht, Zeigen von des Schoͤpfers Macht, Jn der wirckenden Natur, Uns die allerklaͤrste Spur; Sah’, am unbekandten Strande, Dorten Bias in dem Sande Mathematische Figuren; Sprach er: sehet Menschen-Spuren! Wie viel mehr kann man in Sternen Der Sapphirnen Himmels-Hoͤh’n Spuren einer GOttheit sehn, Diese grosse Wahrheit lernen: Q „Der Spuren der GOttheit. „Der, nur, der der Sonnen Menge „Sammt den Schaaren aller Welt, „Jn so herrlichem Gepraͤnge, „Jn so richtger Ordnung, haͤlt, „Sie so wunderbar regiret, „Jst, dem ewig Preis gebuͤhret! Heil- Heilsahme Schwaͤche. W ill man von Hochmuth aufgeblasen, von Stoltz geschwollen, sich erheben; So dencke man doch, wo und wie uns unser Leben wird gegeben. Es wird die Menschheit, sonder Zweiffel, sich weniger er- hoͤh’n, als schaͤmen, Erwegt man Art und Ort, wie wir und wo wir unsern Anfang nehmen; Betrachten wir hiebey des Coͤrpers hinfaͤllige Beschaffenheit, Der Kranckheit Last, des Lebens Kuͤrtze und fluͤchtige Ver- gaͤnglichkeit Erwegt man mit gesetztem Sinn, ohn Vorurtheil, zugleich dabey, Wie selber unser Geist so schwach, so eitel, und so niedrig sey; Wie oft ihn Leidenschaft bemeistert; wie wir so wenig gruͤndlich wissen; Wie oft er sich so weit verirret: wird man denn nicht ge- stehen muͤssen, Daß wir uns hier auf dieser Welt, mit allen unsern Vor- zugs Gaben, Mit allem eingebildten Witz, nicht sehr zu bruͤsten Ursach haben. Sey aber darum nicht betruͤbet: es fließt aus der Erkenntniß mehr, Als was man anfangs glauben solte. Es fließt daraus, zu GOttes Ehr, Der Naͤchsten-Liebe Quell, die Demuth, im Leben; und wann wir erblassen Der Glaub’, in welchem wir gedultig auf seine Lieb’ uns blos verlassen. Q 2 Un- Unempfindlichkeit. D a wir von GOtt, in dieser Welt, unzehlich Gutes uͤberkommen, Und, zum Besitz so vieler Guͤter, der kuͤnstlichen fuͤnf Sinnen Thuͤren; Wie koͤmmt es denn, daß wir dadurch nicht tausendfache Lust verspuͤhren? Hat etwann unser Feind, der Teufel, uns die Empfindlich- keit genommen? Die Die beste Gabe der Menschen. M ein GOtt! was soll ich dir doch geben Fuͤr alles, was, in meinem Leben, Mehr als man sinnet, weiß und denckt, Mir deine Vater Huld geschenckt? Wenn ich mich selbst und alles meine Dir, HErr, zur Gabe reichen wollte, Und alles dir zum Opffer zollte; So ist es doch schon alles deine. Es leidet deine Groͤsse nicht, Die unermaͤßlich, zu gedencken, Ob koͤnne man dir etwas schencken; Da dir von allem nichts gebricht. Was aller Himmel Himmel fassen, Und alle Welt, gehoͤrt ja dir; Und dennoch scheints als waͤre mir Noch etwas zum Geschenck gelassen. Jch opfre dir, fuͤr deine Guͤte, Ein, von der Creaturen Zier Erfuͤlltes, froͤliches Gemuͤhte, Woraus die heisse Danck-Begier, Fuͤr alle Gnade, die uns hier Dein Gnaden-Will empfinden laͤßt, Oft einen frohen Seufzer preßt. Q 3 Ein Die beste Gabe der Menschen. Ein froͤliches: GOtt Lob! allein Wird meine gantze Gabe seyn. Ein solches freuden-reiches Lallen, Gewirckt durch danck-begier’ge Triebe, Wird, uns zum Nutz, o ew’ge Liebe, Allein aus Liebe, dir gefallen. Die Die vergaͤngliche Dauer der Natur. S ind gleich Blumen fluͤcht’ge Bilder irdischer Be- schaffenheit; Zeiget doch ihr Wiederkommen der Natur Bestaͤn- digkeit. Q 4 Sene- Seneca. W as kann es eigentlich doch fuͤr Vergnuͤgen geben, Daß ich mich in die Zahl derjenigen, so leben, Auf dieser Welt gesetzet sehe? Daß etwann Speiß und Tranck durch meine Gurgel gehe? Daß ich den morschen Leib, der doch so schwaͤchlich, Der, wenn man ihn nicht stets erfuͤllet, so gebrechlich, Bestaͤndig pfropf’ und stopf’ und fast nur leb’ allein, Ein Kranckenwaͤrter hier zu seyn? Wofern man seinen Geist nicht nach dem Schoͤpfer lencket, Und seine weise Lieb’- und wunderbahre Fuͤhrung, Die Wunder seiner Macht und herrlichen Regierung, Jn Ehrfurcht voller Lust, bewundernd uͤberdencket, Und inniglich geruͤhrt, ihn innig liebt und ehrt; So ist das Leben hier auf Erden Nicht einst ein Gut genannt zu werden, Nicht, daß man es begehre, wehrt. Taͤg- Taͤglicher Wunsch. A ch GOtt, ich kann mit tausend Freuden Mein Hertz an deinen Wundern weiden; Ach laß es oft von mir geschehn! Gieb daß ich heut und jeden Tag, Zu deiner Ehr’, oft hoͤren, sehen, Empfinden, riechen, schmecken mag! Laß auch mein Beyspiel andre leiten, Damit von deiner Herrlichkeiten Allgegenwaͤrt’gem Glantz und Schein Noch mancher mag geruͤhret seyn! Q 5 Lehre. (***) Lehre. D es Lebens wesentliches Gut ist eine Still’ in unsrer Seelen, Die, wenn man mit Vernunft verfaͤhrt, wir uns nach unserm Stand’ erwehlen, Und uns zu einem Endzweck setzen. Es ist nichts noͤhtigers im Leben Als daß wir, dieser kuͤnft’gen Ruh, uns, so viel moͤglich ist, bestreben, Die Lust und Reitzung auf zu opfern, die uns die Gegen- wart zu reichen, Und uns dadurch stuͤrtzen pfleget, eh’ oft kaum wenig Stunden weichen. Es muͤste keine Leidenschaft so lebhaft und so reitzend seyn, Daß sie, durch sich, uns hindern sollte, das Urtheil nicht vorher zu sehen, Das, uͤber unser Thun und Lassen, dereinst wird von uns selbst ergehen, Wenn eine kurtze Trunckenheit den Uberlegungen wird weichen, Die ihr stets pflegen nachzufolgen. Vielleicht wirfst du mir hierauf ein: Soll Lehre Soll denn ein Trunckener so gut, als ob er nuͤchtern waͤre, dencken? Das ist ja schlechter dings nicht moͤglich. Doch hoͤr’! ein Weiser, wenn er trinckt, Nimmt sich doch auch beym Trunck in acht, in Spott und Schimpf sich nicht zu sencken, Als wie ein wilder Trunckenbold, der stets dadurch in Schande sinckt; Drum brauch (jetzt siehst du daß ich dich nicht mit zu stren- gem Joch belade) Der gegenwaͤrt’gen Lust! doch so: daß sie der kuͤnftigen nicht schade! Die Die Danckbarkeit. Die Danckbarkeit. O ft hab ich bey mir uͤberlegt, nachdem ich uͤberzeuglich sehe, Daß mehrentheils in frohem Dancken der wahre GOttes- Dienst bestehe, Was Dancken eigentlich denn sey? Wenn man der Men- schen Danck erweget, Und die gemeine kalte Art zu dancken ernstlich uͤberleget; So kommt es mir nicht anders fuͤr: Als daß man mit dem blossen Schall der Worte: HERR, ich dancke dir! Die GOttheit gnug bezahlet glaube: ohn daß, vom An- dachts-Feur geruͤhret, Die Seele, durch Erkaͤnntlichkeit empfangner Gaben, et- was spuͤhret, So sie zur Gegen-Liebe reitzt, und das sie von der Macht und Guͤte Des grossen Schoͤpfers aller Dinge unwiedersprechlich uͤberfuͤhret. Wenn noch, von so viel tausenden, die gar nicht dancken, ein Gemuͤthe Dem grossen GOtt einst dancken will, so werden ihm Jdeen fehlen; An Worten fehlt es ebenfalß. Man weiß nicht was man sagen soll; Ein kalt GOTT Lob! erschallt noch wol. Koͤmmts hoch, so wird man, als was neues, die Wohl- that einem Freund’ erzehlen. Auf, laßt uns denn den gantzen Geist, auf, laßt uns unsrer Seelen Kraͤfte, Mit Ernst bemuͤht seyn anzuwenden zu diesem heilsamen Geschaͤfte! Ein Die Danckbarkeit. Ein wahrer Danck ist eine Frucht von einer Seelen, die geruͤhrt Durch Wolthat, welche sie empfangen, und die, durch solche Lust getrieben, Entflammte Danck-Bewegungen und eine frohe Sehnsucht spuͤhrt, Dem Geber angenehm zu seyn, aus allen Kraͤften ihn zu lieben, Und, in Erwegung des Geschencks, Erkaͤnntlichkeiten aus- zu uͤben, So weit nur ihr Vermoͤgen reicht. Je mehr erhaben nun, je groͤsser Und maͤchtiger der Geber ist; je wuͤrdiger zugleich und besser Die Gabe: je gewaltiger entstehn die Feuer-reichen Triebe Von einer Ehrfurcht-vollen Neigung und dienst-begier’gen Gegen-Liebe. Wo nun vom menschlichen Geschlecht dem Schoͤpfer etwas kann gefallen, Muß es von einer frohen Seelen solch Danck- und Lie- bes-Opffer seyn! Allein! wenn wir dem Schoͤpfer dancken, verspuͤhrt man wol ein solches Wallen Von Lieb und Lust in unsern Seelen? solch eine Sehn- sucht? leider, nein! Wir fuͤhlen nicht einmahl die Schaͤtze, die GOtt in solcher Fuͤll’ uns giebet, Wer schmeckt den Reichthum seiner Guͤte? wir riechen, sehn, und hoͤren nicht. Bewundert und erwegt man wol, was blos durch seine Macht geschicht? Bedenckt man, mit vergnuͤgter Seele, wie sehr uns unser Schoͤpfer liebet? Ja Die Danckbarkeit. Ja wuͤrdigt man so viele Gaben, die er allein uns doch geschencket, Daß, im bedachtsamen Genuß, man ihr sich freut und sein gedencket? Treibt uns noch die Gewohnheit einst, wie oder die Religion Zum Dancken, ist es kalt und kurtz; man hoͤret keinen andern Thon, Als etwan: Hoͤchster, dir sey danck! da wir doch, wenn wir etwan beten, Mit vielen ausgesuchten Worten beredt genug zur GOtt- heit treten, Mit vielen Wiederhohlungen, was GOtt doch weiß, von ihm verlangen, Wovon man bald des Dancks vergißt, so bald wir es von ihm empfangen. Dadurch nun daß wir GOttes Gaben nicht wuͤrdigen, sie zu ermessen, Einfolglich, nie darob erfreuet, des mehr als schuld’gen Dancks vergessen, Entsteht in unserm gantzen Wesen durch unser’ Unem- pfindlichkeit Ein murrisch, unvergnuͤgt Gemuͤthe, Verdruß und Unzu- friedenheit, Auch dann, wann wir im Gluͤcke sitzen, und dieß entstehet blos allein Daraus, daß wir auf GOttes Wercke so gar unbillig- achtlos seyn. Der Schoͤpfer wird im Werck verachtet, man ehrt nicht GOtt, sich selber nur, Dieß Die Danckbarkeit. Dieß zeiget Stoltz und Eigen-Liebe. Aus diesen schwar- tzen Qvellen fliessen Ein stoͤrrig, wiedersinnig Wesen, zum Guten Traͤgheit, keine Triebe Von einer holden, kindlichen, mit Freundlichkeit vermisch- ten Liebe, Wodurch denn gegen unsern Naͤchsten auch Haß und Bit- terkeit entspriessen. Man weis von keiner Furcht fuͤr GOtt, als einer Knechti- schen; man wuͤhlt Jm Neid’ und Geitz bestaͤndig fort, weil man sonst kein Vergnuͤgen fuͤhlt. Nun stelle dir zwo Seelen fuͤr, gantz von einander unter- schieden, Die eine froͤlich, freundlich, fromm; die andre nimmer recht zu frieden, Stets murrisch, stoͤrrig, graͤmlich, traurig. Die eine Seele zeigt in allen Erkaͤnntlichkeit, Danck, Liebe, Sanftmuth, Vergnuͤgen und Gelassenheit; Die andere Misvergnuͤgen, Unmuth, Gram, Wieder- willen, Bitterkeit; Sprich selber welche solte dem, der alle beid’, in dieser Zeit, Zu seiner Ehr’, in seinen Wercken vergnuͤgen wolte, doch gefallen? Entsteht nun aus der Nicht-Erkaͤnntniß so vieler uns ge- schenckten Gaben Und aus den nicht erwognen Wundern, die wir hier zu betrachten haben, Des Die Danckbarkeit. Des Undancks Wust, und aus demselben ein Laster- und ein Ungluͤcks-Heer; Ach, so gewehnt euch, liebste Menschen, zur Lust, zum Danck, je mehr und mehr! Denn, stimmt mit hier empfangnen Guͤtern ein frohes Dancken uͤberein; Wird GOtt und Naͤchster recht geliebet, du hier vergnuͤgt, dort seelig seyn. Quelle Quelle alles Guten. J ch bewundre deine Wunder, und ich bet’ in ihnen an Dich, o wunderbarer Schoͤpfer, Quell des Lichts und aller Dinge; Ob ich gleich, wie dieses alles eigentlich aus dir entspringe, Nicht zu fassen faͤhig bin, weniger beschreiben kann. Eben, daß dieß meine Seele nicht begreiffet, stellet mir Meinen Geist, so wie er ist, Klein; dich gleichfals, wie du bist, Unbegreiflich, weis’, unendlich, liebreich und allmaͤchtig fuͤr. Die Erkaͤnntniß dein- und meiner, so aus deinen Wercken qvillt, Womit deine Lieb’ und Allmacht aller Himmel Himmel fuͤllt, Wirckt, zu deinen wahren Ehren, wahre Demuth, wahre Liebe, Wahre Sehnsucht, dir gefaͤllig, danckbar, froh und from zu werden; Sie erzeugt zugleich die dir angenehmen Liebes-Triebe Gegen unsern Neben-Menschen. Kann denn wol auf dieser Erden Ein GOtt-liebers Opfer seyn, als ein Hertz, das seine Macht, Seine Weisheit, seine Liebe, in der Creatur, erweget, Und, in ihr, die Herrlichkeit ihres Schoͤpfers, mit Bedacht, Sieht, bewundert, ehrt, und froͤlich seine Wunder uͤberleget? R Alart. Alart. E s hatte P.. S.. juͤngst sich vorgenommen, seinen Hund, Den treu-und muthigen Alart, recht voͤllig einmahl satt zu machen; Er warf, des Endes, manchen Bissen von dem, was auf der Tafel stund, Nebst weiß-und schwartzem Brodt ihm zu. Alart riß den geschlossnen Rachen Bey jedem Wurf schnell von einander, schlang den erhasch- ten Bissen nieder, Ohn ihn zu kauen und zu schmecken, und schloß den heis- sen Rachen wieder, Mit starrem Blick nach mehr sich sehnend. Jch sah’ Alarts Betragen an, Daß er von aller Niedlichkeit der ihm gegoͤnnten guten Bissen, Weil er sie ungekaͤut verschlang, nicht das geringste muste wissen. Ach, dacht ich bey mir mit Betruͤbnis, ach leider! daß fast jedermann Mit dem uns zugeworffnen Guten, so uns der Schoͤpfer hier beschehrt, Und oft in reichem Maaß uns goͤnnet, recht eben wie Alart verfaͤhrt! An statt uns an Gesundheit, Klugheit, Geld, Ehr’, und noch viel andren Gaben, Die GOtt uns oft so reichlich schenckt, in froͤlichem Ge- nuß zu laben, An Alart. An statt des grossen Gebers Guͤte und Macht und Weiß- heit zu entdecken; An statt, fuͤr die empfangnen Guͤter, erkenntlich froh und fromm zu seyn; So schlingen wir, ohn Danck und Anmuth, was uns ge- schenckt stets hungrig ein, Weil wir, in unterlassnem Dencken, nicht hoͤren, sehen, fuͤhlen, schmecken. R 2 Sinn- Sinnlicher Beweiß daß GOtt in den Geschoͤpfen zu ehren. D a wir in der Religion und unsrer heil’gen Bibel Lehren Schon koͤnnten unterwiesen werden, durch einen Sinn allein: durchs Hoͤren; So sage mir, zu welcher Absicht der Schoͤpfer doch in diesem Leben Der andern Sinnen Wunder-Gaben und tausend Vor- wuͤrff’ uns gegeben, Als seine Weisheit, Macht und Liebe, in seinen wun- derbaren Wercken, Mit Lust und mit Bewunderung, in heil’ger Andacht zu bemercken. Sein herrlich Regiment in allem zu spuͤhren, schmecken, und zu sehn, Und dergestalt mit Leib und Seele sein Goͤttlich Wesen zu erhoͤhn? Wort Wort des Schoͤpfers. W ir finden in der Schrift: daß aller Himmel Pracht Sey durch das Wort des HErrn gemacht; Und alle seine Heere, Als Sonnen, Welte, Land und Meere, Durch seines Mundes Geist. Jst dieses wahr, Wie es unstreitig ist; so folget dieses klar: Man sieht an einem jeden Ort Auch in der Creatur des HErrn, des Schoͤpfers, Wort. Es hat nicht aufgehoͤrt. Sein Wort kann nicht vergehen, Wie eines Menschen Wort, das, gleich wie ein Geschrey, Dahin, vorbey. Es schallt in Ewigkeit. Wenn ich dieß uͤberlege Und Ehrfurcht voll dieß grosse Wort erwege; So kommen mir Der Creaturen-Heer’, als Lettern, fuͤr, Die GOtt so wunderbar gefuͤget, Worinn der Sinn des Schoͤpfers lieget, Und worinn mehr, als man wol, leider! meint, Der GOttheit Wesen glaͤntzt und scheint. Will man denn nun, bey so bestalten Sachen, Nicht vom Gewohnheits-Schlaf erwachen? Will man, zu unsers Schoͤpfers Ehren, Sein ewigs Wort nicht schallen hoͤren? Will man die schoͤne Schrift, die wunder-wunder-schoͤn, Nicht besser, als bisher, mit Lust und Andacht sehn? Will man den Jnnhalt nicht verstehn, Der anders nichts als bruͤnst’ge Triebe Von einer ewig-weis- und ewig maͤcht’gen Liebe? R 3 Be- Betrachtung unserer Seelen-Kraͤfte. U nsre Seele scheint ein Wesen, Uns von GOTT dazu erlesen, Jn den wunderbaren Wercken Seine weise Macht zu mercken, Seine Liebe zu empfinden, Seine Wunder anzusehn, Seinen Nahmen zu erhoͤhn; Aber, was er sey verstehn, Seine Wege zu ergruͤnden, Seine Fuͤhrung, Eigenschaft, Zweck und Regiment zu fassen; Uebersteiget ihre Kraft Und sie muß es unterlassen. Der Der Traum. Der Traum. J ch lag, voll schwartzer bittrer Sorgen, Jn eines Kerckers Gruft und dunckler Nacht verborgen; Die Fessel druͤckten mich; doch mehr noch, als die Bande, Die Furcht der kuͤnftigen Verachtung, Straff’ und Schande Da dacht’ ich, welch ein Schatz die guͤldne Freyheit sey. Jch that die Augen auf, und fand mich wuͤrcklich frey, Von aller Furcht erloͤs’t, von aller Pein genesen; Denn meine Noth, (GOtt Lob) war nur ein Traum gewesen. Jch danckte billig GOtt. Doch dacht’ ich noch dabey, Ob etwann die Melancholey, Womit sich viele Geister qvaͤlen, Nicht einem schweren Traum der Seelen Gar fuͤglich zu vergleichen sey? Noch mehr: ob nicht ein Traum uns koͤnn’ ein Vorbild geben Von einer Seelen-Pein, so gleich nach diesem Leben? R 4 Eigent- Eigentliche Ehre Eigentliche Ehre des Schoͤpfers. U nmoͤglich kann ich mich entlegen, Zu unsers grossen Schoͤpfers Ehr’, Von seiner Ehre noch was mehr, Als biß dahero, zu erwegen. Zu GOttes Ehr’ ist jedermann, Wie uns Vernunft und Schrift berichtet, So viel man immer weiß und kann, Nach aller Moͤglichkeit verpflichtet. Allein, bedencket man es recht, So scheint das menschliche Geschlecht, Durch ein ich weiß nicht was verfuͤhret, Und, blos aus Eigennutz getrieben, Statt Ehre, die nur GOtt gebuͤhret, Nur in der That sich selbst zu lieben. Man glaubt, daß man den Schoͤpfer ehrt, Wenn man ihm danckt, daß er uns naͤhrt, Wenn man oft eine Predigt hoͤrt, Wenn wir, aus bruͤnstigem Verlangen, Die Seeligkeit dort zu empfangen, Und etwan, hier auf dieser Welt, Beqvemlichkeiten, Ehr’ und Geld, Mit oͤfters wiederhohltem Beten, Vor ihn, zur Fruͤh-und Mittags-Zeit, Bald mit, bald sonder Andacht, treten. Allein, wenn ich es recht betrachte, So scheinet dieses eigentlich, Als ob hierin man mehr auf sich, Als auf die Ehre GOttes, achte. Ja, des Schoͤpfers. Ja, wenn anch etwas von der Ehre Fuͤr GOtt, in dem Betragen, waͤre, Als nemlich: eine Zuversicht, Daß GOtt uns alles Gutes goͤnne, Daß er allein uns helffen koͤnne; So ist es doch die Absicht nicht, Als welche, wenn mans recht ermißt, Auf uns fast blos gerichtet ist. Denn koͤnnten wir in diesem Leben Uns alles Gute selber geben, So frag’ ich dich, ob nach der Weise, Wie wir gewohnt an GOtt zu dencken, Man oͤfters, zu des Schoͤpfers Preise, Jhm Danck und Ehre wuͤrde schencken? Du wirst mir, leider! zugestehn, Es wuͤrde selten gnug geschehn. Hieraus nun kan man deutlich sehn, Wenn wir den Schoͤpfer ehren wollen, Daß wir unwiedersprechlich sollen Uns mit weit mehrerm Ernst bestreben, Der Seelen edelst’ Eigenschaft, Die ihr verliehne beste Kraft, Das Ueberlegen und das Dencken (Weil man den Schoͤpfer selbst ohn sein Geschoͤpf nicht sieht) Mit treu-und redlichem Gemuͤth, Auf seine Creatur zu lencken, Als deren Schoͤnheit, Ordnung, Pracht, Am allermeisten seine Macht Und seine Lieb’ und Weisheit weisen, Um ihn am wuͤrdigsten zu preisen. R 5 Wann Eigentliche Ehre Wann wir, wie wir ja billig sollen, Was GOttes Ehr’? erkennen wollen, Und worinn sie besteh’? ergruͤnden; So macht uns die Erklaͤhrung zwar, Die wir im Catechismo finden, Es ziemlich deutlich offenbar, Da wir darinn erbaulich lesen: Man ehre recht des Schoͤpfers Wesen, Wenn wir auf seine Guͤte bauen, Jhn lieben, fuͤrchten, ihm vertrauen. Dieß fasset alles, das ist wahr, Und machet unsre Pflichten klar, Doch, da es etwas allgemein, So wird noch zu erklaͤren seyn Die Ursach, und wie sehr GOtt wehrt, Daß man ihm traut, ihn liebt und ehrt. Wir koͤnnten ausser GOttes Wercken Nicht einst der GOttheit Wesen mercken; Dem Geist zeigt das Geschoͤpf allein: Es muß ein GOtt, ein Schoͤpfer seyn! Ja dieß erklaͤhret noch dabey So wol daß als auch was er sey. Noch mehr, nur dieß zeigt, daß er wehrt, Daß man ihm dient, ihn liebt und ehrt. Es kann kein wuͤrdiger Begriff von Ehre seyn, Als dieser blos allein, Wenn um erkannte Treflichkeiten, Und nach Beschaffenheit der Vollenkommenheiten, Man jemand hoch in seiner Seelen schaͤtzt Und, nach erkanntem Recht, ihn uͤber andre setzt. Um des Schoͤpfers. Um Wolthat, welche man empfangen, Jst Dancken unsre Pflicht insonderheit; Um Wolthat kuͤnftig zu erlangen, Wird das Gebet gebraucht, mit hoͤchster Billigkeit; Die Ehr’ hingegen ist allein Blos der Bewundrung Frucht. Auf welche Weise nun Kan jemand doch von uns bewundert seyn, Wenn man sein Wunder-wuͤrdigs Thun So viel nicht achtet, Das mans erweget und betrachtet? Des grossen Schoͤpfers Thun sind alle seine Wercke. Wenn ich dieselbige nun nicht bemercke, Jst auch zugleich des Schoͤpfers Macht Und Lieb’ und Weisheit nicht bedacht. Einfolglich, wenn wir sie nicht schmecken, seh’n, und hoͤren, Da GOtt nicht ohne sie zu sehn, Jst es unmuͤglich, GOtt zu ehren. Hingegen ehrt man ihn, wenn seinent wegen nur, Aus Ehrfurcht, die man fuͤr ihn heget, Man gegen seine Creatur, Ein’ Art Respect und Achtung traͤget. Wenn man sie, als von GOtt hervorgebracht, erweget, Worin er selbst ein Bild von seiner Macht gepraͤget. Je mehr ich meinen Geist auf diese Wahrheit lencke, Und auf die Wichtigkeit derselben dencke; Je mehr entdecket sich in mir ein helles Licht, Das uns so gar nebst der, wie uns gebuͤhret, Den Schoͤpfer zu erhoͤhn, zugleich noch auf die Pflicht, Wie man den Nechsten liebet, fuͤhret. Wer Eigentliche Ehre Wer den Zusammenhang recht eigentlich Von dieser Lehr’ erweget, der befindet, Daß auch die Naͤchsten-Liebe sich Auf Goͤttlichen Geschoͤpfs Betracht- und Achtung gruͤndet: Uns ist, als eine Pflicht, befohlen, Daß man den Naͤchsten lieben soll; Der Grund von dieser Pflicht ist, daß er ja so wol, Als wir , von eben dem den Ursprung hergenommen, Von welchen wir gekommen. Des Naͤchsten Coͤrper ist so kuͤnstlich, als der deine; Mit deinem stammt sein Geist aus einer Quelle her; Er ist zu unsers Schoͤpfers Ehr’ Ein Werckzeug ja so wol, als wie du selber bist; Dein Wesen ist nicht besser, als das Seine. Betrachteten wir ihn als GOttes Creatur, Wie er ja wuͤrcklich ist; Und waͤren erst gewohnt, den Schoͤpfer in den Wercken, Nach unsrer Schuldigkeit, mit Ehrfurcht, zu bemercken; So wuͤrden wir, dadurch geruͤhrt, nicht nur Des Naͤchsten Leben ihm nicht mehr verleiden, Jhn weder hassen noch beneiden, Jhn nicht verfolgen, nicht verfluchen, Wie leider oft geschicht: o nein, vielmehr Wuͤrd’ jeder selbst des Schoͤpfers Ehr’, Den Naͤchsten hoch zu achten, Auch Naͤchsten-Liebe, suchen. Be- des Schoͤpfers. Begreifft ihr nun hieraus, geliebte Menschen, nicht, Was an der Creatur Betrachtungen gelegen? Da nicht nur unsre Lust, da nicht nur unsre Pflicht, Da selbst der GOttes-Dienst, wenn wir es recht erwegen, Mit selbigen vereint. Verschmaͤht den Strahl doch nicht, der euch so helle scheint! Nimmt man nun, wie man soll, des Schoͤpfers Liebe, Macht, Und Weisheit uͤberall in dem Geschoͤpf’ in Acht; Wird man des Hoͤchsten Ruhm am wuͤrdigsten vermehren, Und dieß heißt eigentlich allein, den Schoͤpfer ehren. Die (***) Die Seiffen-Blase. A ls von meinen Soͤhnen einer neulich Seiffen-Blasen machte, Und ich uͤber den Betrieb seiner Einfaͤll’ anfangs lachte; Ward ich endlich, da er eine, die vor andern groß und klar, Und von wandelbaren Farben unbeschreiblich herrlich war, Durch den wunderschoͤnen Glantz, der recht unvergleichlich schoͤn, Fast gezwungen, mit Bedacht, ihre Schoͤnheit anzusehn. Jch erstaunte, wie ich hier ein so bunt-gefaͤrbtes Licht, Jn fast uͤber-ird’schem Schimmer, ein fast brennend Roht, ein Gruͤn, Das den reinesten Smaragd, so wie jenes den Rubin, Wuͤrcklich uͤbertraf, erblickte. Aber ein Sapphirner Schein Und ein helles Purpur-Feuer, eine mehr als guͤldne Glut Nahm, mit einem schnellen Wechsel, augenblicks die Stel- len ein, Die erst gruͤn und roth gewesen. Jn dem Glantz, der nim- mer ruht, Sah ich mit erstarrten Blicken, als im Diamantnen Spiegel, Himmel, Erde, Haͤuser, Fenster, Waͤlder, Felder, Thal und Huͤgel Sich in schnellen Farben bilden, als ein neues Wunder, an, Welches alles uͤbertraf, was man seh’n und dencken kann. Alles stand in buntem Schimmer, alles war gedoppelt schoͤn, Weil, was auf der obern Flaͤche, sich auch auf der untern wies, Und, als wie die Luft im Wasser, alles doppelt sehen ließ; Formen, Farben, Glantz und Licht waren rund, auch hohl zu sehn. Mich Die Seiffen-Blase. Mich beduͤnckt, indem ich scharf auf die Farben in der Naͤhe, Mit geschaͤrften Blicken, sehe; Daß ich eine nach der andern kommen, scheinen und vergehn, Und, an ihren vor’gen Stellen, andre schwinden und entstehn, Und auch die sich aͤndern, finde. Weil fast nichts bestaͤndig stund; Was erst weis war, faͤrbt sich gruͤn; dieses roth; das rothe bunt; Denn erschien das weisse wieder, und die Aenderung war schoͤn. Dieser Kugel Farben-Wechsel kam, wie ichs bedachte, mir Recht, als unser Zeiten Wechsel auf der Erden-Kugel, fuͤr; Da im Sommer, Herbst, und Winter und in dem be- bluͤmten Lentzen, Gelb und Roth und Weiß und Gruͤn, wechsels Weise, lieblich glaͤntzen. Alle Jahres-Zeiten sind auf der Welt zu gleicher Zeit, Und sie aͤndern ihren Ort zwar in mindrer Schnelligkeit, Aber doch auch schnell genug. Ferner ward ich noch gewahr Wie von allen Elementen gleichfals die gevierte Schaar Jn dem kleinem Raum sich zeigte. Jn dem Gruͤnen, in dem Blauen, Jn dem Weissen, in dem Rohten, war die Erde, war die Fluth War die Luft und war die Glut, Jn besonderm Glantz, zu schauen. Durch den bunten Wunder-Schein und durch gleichsam bunte Flammen Jnniglich geruͤhret, zog alsbald meine Seele gantz, Und mit allen ihren Kraͤften, in mein Auge sich zusammen. Wel- Die Seiffen-Blase. Welches, mit geschaͤrftem Blick, den durchsicht’gen Kreis durchdrang. Wie sie nun, halb selbst verklaͤhret, gantz im Lichte schwebt’, zersprang Alles: Kugel, Glantz, Figuren, Glut und Schimmer, Farb’ und Licht. Jch erschrack, da, statt des Glaͤntzens und statt eines hellen Lichts, Blick und Seele, wie der Blitz, in ein dunckel, leeres Nichts Ploͤtzlich sich versencket fand. Dieß zeugt’ ernstliche Gedancken; Und auf einem neuen Wege fand ich eine neue Spur, Durch die so veraͤnderliche, als bestaͤndige, Natur, Zum unwandelbarem All, der ohn End’ und sonder Schrancken. Was bey uns der Blasen-Kreis, ist fuͤr GOtt der Kreis der Erden, Aller Jrrstern’ Kreis und Circkel, ja der allgemeinen Welt, Grosser Circkel, den er schuf, den er durch ein Wort ließ werden, Und den blos sein Will’ allein, und sein grosses Wort erhaͤlt; Aber den auch blos sein Wort schnell zertheilen, schnell zersprengen, Schnell veraͤndern, schnell verderben, in ihr vorigs Chaos mengen, Ja (wie Blasen gar vergehn) gar in Nichts verwandeln kann. Dieses ist unwiedersprechlich; darum wenn wir Blasen sehen, Die bald in vollkommner Ruͤnde, Farb’ und Glantz stehn, bald vergehen, Und in einem Huy zerstieben, denck ein jeder doch daran! Der Der Geruch. S o wie durch den Schall die Luft bald harmonisch zugericht, Bald zu klugen Woͤrtern wird; wie sie hell wird durch ein Licht; So wird durch den reinen Balsam, der aus bunten Blu- men steiget, Sie, durch ein unsichtbar Licht, hell. Jch hoͤr’, daß etwas spricht, Und ein suͤß, harmonisch Wesen meiner Seele deutlich zeiget, Welches mich durch Lust zur Andacht, sonderlich zum Dan- cken, treibt Und, mit bunten Lettern, gleichsam dieß in meine Seele schreibt: Unser Geist kan im Empfinden, zu des grossen Schoͤpfers Ehren, Wenn sie nur bedachtsam riecht, deutlich diese weisen Lehren, Aus der Blumen leisen Sprache, wie aus allen Dingen, hoͤren. Liest die Seele durchs Gesicht; stellet sie sich durch das Ohr Wenn sie treue Lehrer hoͤret: Groß ist unser Schoͤpfer! vor; Riecht sie eben dieß in Blumen. Denn die wolgemischten Saͤfte Und des kuͤnstlich-edlen Werckzeugs unserer Nasen scharf- fe Kraͤfte Zeigen, wenn man es erweget, ja so deut-als lieblich an, Daß vom Schoͤpfer alles stammet, aus sich selbst nichts werden kann. S Noth- Nothwendigkeit auf die Creatur zu achten. W ie, sonder Licht, ob er gleich noch so schoͤn, Die Augen keinen Coͤrper sehn; Und wie auch, sonder Gegenschlag Der Coͤrper, man das Licht selbst nicht zu sehn vermag: So sieht man, sonder GOtt, auch keine Creatur, Und, sonder Creatur, vom Schoͤpfer keine Spur. Allge- Allgegenwart des Schoͤpfers. W as mich fast aus mir selber setzt, ist von dem Schoͤpfer die Jdee, Den ich so kenntlich im Geschoͤpf, und, in der Unermaͤßlichkeit So wunderbar verborgen, sehe. Es ist derselbige zu gleicher Zeit Bekannt und unbekannt, verdeckt und klar, Verborgen und auch offenbar Doch uͤberall Anbethungs-wuͤrdig. Er ist uns allen nah und fern; Als HErr und Herrscher aller Herr’n, Enthaͤlt sich seine Groͤß’ und Vollenkommenheit Jn seiner Unbegreiflichkeit. Er spricht allein mit uns und zeigt uns seine Spur, Durchs Mittel seiner Creatur, Die allenthalben von ihm spricht, und nie von seinen We- sen schweiget, Die ist der Spiegel seines Wesens, der aller Arten ihn uns zeiget. S 2 Saa- Saamen-Gehaͤuse. Saamen-Gehaͤuse. A bermahl ein neues Wunder der formirenden Natur! Abermahl ein neues Meer von besondern Sel- tenheiten, Welches alle, die es sehn, gantz auf eine neue Spur Zu der weisen Macht des Schoͤpfers, die gantz unerschoͤpf- lich, leiten Und zur Andacht bringen kann, ja zur Andacht bringen muß! So fast vor Verwundrung starr, rief ich, als mein Julius, Der mein vierter Sohn, mir juͤngst etwas, so er abgepfluͤcket, Voll Verwundrung uͤbergab. Dieß war eine Saamen-Huͤlse, recht verwunderlich geschmuͤcket, Recht verwunderlich gebildet, von so seltzamer Figur, Daß ich nie dergleichen sah. Welches, da ich weiter dachte, Mich auf einen neuen Weg in das Reich der Creatur, Und zu einer neuen Werckstatt voller neuer Wunder brachte, Wo hinein ich biß daher, leider! gar nicht hingekommen, Weil ich, durch Gewohnheit blind, nichts davon in acht genommen. Dieses war nun die Betrachtung, auf wie wunderbare Weise Doch der Finger der Natur so gar kuͤnstliche Gehaͤuse Fuͤr der Pflantzen Saamen baut. Es ist in der That nicht glaͤublich, Ja warhaftig nicht begreiflich, und noch weniger beschreiblich Die Veraͤndrung der Figuren, die in ihnen wunderschoͤn, Wann wir sie genau betrachten, und mit Ernst besehn, zu sehn. Von Saamen-Gehaͤuse. Von des Saamens Formen selber will ich jetzo nichtes schreiben, Noch viel minder von dem Wesen, das, wie wenig man es glaͤubt, Jmmer der Vernunft verborgen, ein Geheimniß ist und bleibt; Sondern nur, bey der Gehaͤuse wunder-vollen Bildung, bleiben. Es ist wahr, der Blumen Bildung, ihr verschiedliches Gepraͤnge, Jhre schoͤn-formirten Blaͤtter, ihrer Farben Schmuck und Menge Sind mit Recht bewunderns-wehrt: aber, zu derselben Zeit, Da die spielende Natur solcher Wunder Lieblichkeit, Mit geschaͤft’gen Fingern bildet, ist sie noch auf eine Pracht, Die nicht minder kuͤnstlich ist, als die Blumen selbst, bedacht: Zum Beweis, wie an Erfindung sie so unerschoͤpflich reich, Und wie ihr zu ihrer Absicht aller Stof gerecht und gleich. Seh ich, mit so vieler Muͤh, aus so viel verschiednen Sachen, Menschen, zu dem Schnupf-Toback, mancherley Behaͤlter machen, Von verschiedenen Figuren; muß ich ihrer wahrlich lachen, Wenn ich denck’ auf wie viel Arten, von nur einem Stoff allein, Die Behaͤlterchen des Saamens kuͤnstlich zugerichtet seyn. Viele Saamen-Huͤlsen gleichen neuen Blumen, welche man Mit den ersten Blumen selber oft an Kunst vergleichen kann. Viele gleichen kleinen Trauben; andre Sternen; viele Hoͤrnern; Viele Kugeln, andre Strichen; bald Quadraten, kleinen Koͤrnern; S 3 Bald Saamen-Gehaͤuse. Bald sind sie gedreht, bald lang; bald gleicht eines einer Gabel; Jenes ist recht wie ein Pfeil; dort wie eines Storchen Schnabel; Dieses zieren tausend Spitzen; dies ist rauch und jenes glatt; Das gleicht einer kleinen Blase; das ist dicke, dieses platt Und so duͤnn, als ein Papier; kegel-foͤrmig, eng’ und weit, Dicht, durchsichtig, krumm und eckigt, Schnecken-foͤrmig, spitzig, breit. Wenn verschiedne zart und weich, sanft, gelind und bieg- sam seyn; Schrencken andre sich nicht nur in sehr harten Kernen ein; Sondern, wie die Dattel-Kerne, sind sie selbst ein harter Stein. Viele sieht man in dem Kelch, viele bey der Blumen Spitzen, Andre wieder an der Wurtzel, an den Stengeln andre, sitzen. Viele sind in Kaͤtzgen, Kolben, ja in Blaͤtter selbst gesenckt, Diese von gefaͤrbten Haͤuten, die von Blasen, eingeschrenckt. Nur allein vom Klee zu sprechen, sah ich juͤngst, in einem Garten, Von gantz unterschiednen Formen, ihrer auf die sechszig Arten, Wovon viele Kugel-foͤrmig, andre rings-um Spitzen-reich, Viele Schmetterlingen-Fluͤgeln, viele Schnecken-Haͤusern gleich, Viele voll verwirrter Stacheln, wie ein kleines Stachel- Schwein, Viele Rollen vom Toback, viele Cronen aͤhnlich seyn. Hier sieht man aus einer Blum’ eine nette Spitze ragen, Die sich unterwaͤrts zertheilet, in vier halbe Cirkel kruͤmmt, Welche recht verwunderlich, Leuchtern gleich, dazu bestimmt, Daß sie in vier runden Kugeln zierlich ihren Saamen tragen. Jn Saamen-Gehaͤuse. Jn verschiednen findet man, nicht ohn inniges Vergnuͤgen, Da sie recht mit Sammt gefuͤttert, und aufs weichlichste behahr’t, Nicht allein das Saamen-Koͤrnchen vor Gefahren wol verwahrt; Sondern man sieht ihn darin, recht als wie auf Polstern, liegen. Viele, die aus Federgen, einen Schloßwerck gleich, bestehn, Siehet man, um ihren Saamen allenthalben hinzubringen, Wunderbarlich, wenn sie reif, ploͤtzlich von einander springen. Sie sind gleichsam recht bemuͤht, ihre Kinder selbst zu saͤ’n, Wie die Balsamina thut: ja, was mich noch mehr ergetzet, Und voll froͤlicher Verwundrung oͤfters in Erstaunen setzet Jst ein Bluͤmchen, welches sich gleichsam selber Fluͤgel schafft, Um an manchem Ort zu bluͤhen. Wenn die rechte Blume faͤllt, Wird uns gleich, aus vielen Bluͤmchen, eine neue, dargestellt. Jeder Saam-Korn, deren man oͤfters uͤber hundert findet, Traͤget einen zarten Stengel, der sich oberwerts verbreitet, Und, mit gleich-getheilten Spitzen, sich in netter Ordnung ruͤndet. Aus der Menge dieser Bluͤmchen wird ein rundes Gantz bereitet, Eine schoͤne weise Blume zeiget sich, zu unsrer Lust, Die uns aber, weil wir sie nicht des Ansehns wuͤrdig achten, Und (nur Kinder ausgenommen, die sie dann und wann betrachten) Nicht besehen, nicht erwegen; meistentheils nur unbewust, Ja fast wie verachtet bleibet. Wilst du sie, mein Leser, kennen Hoͤr! es ist die gelbe Blume, die wir Butter-Blume nennen, S 4 Die Saamen-Gehaͤuse. Die in Wiesen haͤuffig bluͤht, und auf allen gruͤnen Rasen; Deine Kinder haben sie oft gepfluͤckt und weggeblasen, Da du zugesehen hast, und vermuthlich nicht entdeckt, Mit gebuͤhrender Betrachtung und mit billigem Vergnuͤgen, Was in dieser Blumen Bildung fuͤr ein weises Absehn steckt; Da die kleinen Saamen-Koͤrner, durch die Zaͤser, Fluͤgel kriegen, Und, so bald sie reif geworden, in die Luͤfte sich erheben, Durch dieselbe fortgetragen, oͤfters hin und wieder schweben Und sich, auf die leichtste Weise, nach verschiednen Seiten lencken, Wo sie sich, nach kurtzer Zeit, wieder in die Erde sencken. Sage, forschendes Gemuͤthe, zeigt nicht diese Blum’ allein, Wie so wunderbar der Schoͤpfer, und wie blind wir Men- schen seyn? Aber weiter fort! wir muͤssen von der Saamen-Schachteln Menge, Und von ihrem so verschiedlich dargestelletem Gepraͤnge, Doch noch einige besehn. Viele gleichen schoͤnen Knoͤpfen, Viele gleichen an Figur nett-gedrehten Blumen-Toͤpfen; Wie ich letzters mit Vergnuͤgen juͤngst am abgebluͤhten Mah, Daß desselben Saamen-Huͤlse allerliebst gebildet, sah. Das Gehaͤuse, ruͤndlich lang, fiel ein wenig spitzig ab, Welches ihm denn die Gestalt einer netten Rose gab; Sonderlich als sich der Fuß unten etwas aufwerts beugte, Und sich oben auf der Ruͤnd’ ein fast platter Deckel zeigte, Den ein nettes Sternchen schmuͤckte. Dieser war nur gar zu schoͤn Nach der groͤßten Richtigkeit, Maaß und Zierlichkeit zu sehn. Unter dem gestirnten Deckel waren, auf besondre Weise, Kleine Loͤcherchen gebohrt in vollkommen rundem Craͤyse, Diese Saamen-Gehaͤuse. Diese sah ich, in der Ordnung, billig mit Verwunderung an, Weil man eine weise Absicht deutlich darin finden kann. Die bedaͤchtliche Natur hat sie offen da gelassen, Daß der Saamen-Koͤrner Menge, welche die Gehaͤuse fassen, Wenn sie reiff, nicht klumpen weise, sondern eintzeln, sich verstreuen, Und sich selber saͤen koͤnnen. Wer dieß Wunderwerck erwegt Und darin die Vor-und Absicht des Natur-Geists uͤberlegt Muß, in Demuth, Danck und Andacht, sich des grossen Schoͤpfers freuen. Ja noch mehr wenn im Gehaͤus’ er die nett-gewachsne Haut, Die sie von einander sondert, in so richt’ger Ordnung schaut. Das Hydiserum verdient gleichfals, daß man es betrachtet, Und in seines Saamens Huͤlse etwas wunderlichs beachtet. Sie besteht aus dreyen Cirkeln, welche voller netter Spitzen, Wodurch sie den lieben Saamen fuͤr den Biß der Wuͤrmer schuͤtzen. Aber uͤber mehr als alle werd’ ich fuͤr Verwundrung stumm, Jn Betrachtung deiner Huͤlsen, blaͤulichtes Geranium! Dieses siehet eines Storchen Schnabel, Hals’ und Kopf so gleich, Daß man fast nichts gleicher sieht. Schauet man nun dieß Gebaͤude, Fast erstaunt, von aussen an; ists auch in sich Wunder-reich, Und die innern Theile dienen uns zur neuen Augen-Weide. Die Figur ist hinten rund und besteht aus gruͤnen Blaͤttern, Die sich einer Blume gleichen, von derselben sind bedeckt Mehrentheils fuͤnf braune Huͤlsen. Ein par Saamen-Koͤr- ner steckt, S 5 Recht Saamen-Gehaͤuse. Recht verwunderlich verschrenckt, in der hart- und spitzen Haut, Welche, wie gesaget, braun, und woran viel tausend Spitzen, Die man gelblich, fast wie Gold, um die gantze Huͤlse sitzen, Und, nicht ohn Verwundern, sie, wie sie recht verhuͤllet, schaut. Nimmt man solch ein trocknes Koͤrnchen, wirft dasselbig’ aufs Papier; So verursacht dieser Spitzen Menge, daß, bald dort bald hier, Dieses Korn, als wenn es lebet, Sich beweget, fast nicht ruht, und bestaͤndig gleichsam schwebet. An der Koͤrner Ober-Theil wird nun eine Spitz’ erblickt, Welche wol fuͤnf Zolle lang, diese nun sind eingedruͤckt Und sehr kuͤnstlich eingefaßt in ein Staͤnglein, welches spitz Und so kuͤnstlich zugerichtet, daß man es kaum glauben kann. Unten, wo der Koͤrner Ruͤndung, ist es etwas eingebogen, Gleich darauf sind in der Laͤnge kleine Rieffelchen gezogen, Die sich immer vorwaͤrts spitzen. Durch die Bildung siehet man Anders nicht als einen Speer, oder nette Lantz, es an. Jn den kleinen Rieffelchen (drin der Koͤrner Spitzen passen, Die, bewunderns-wehrt, von innen mit dem allerzartsten Haar Gleichsam ausgefuͤttert sind, weislich theils, theils gelb’, und zwar Jmmer kleiner und subtiler, daß durchs Aug’ es kaum zu fassen) Bleiben diese Spitzen nicht: sondern, wenn der Saamen reift Und die innre kleine Stange durch die Zeit sich gnug gesteift, Biegen Saamen-Gehaͤuse. Biegen sich die Koͤrner ab, steigen aufwaͤrts, und formiren Einen grossen Cronen-Leuchter, dessen Arm’ erst feste stehn, Endlich aber, ja so zierlich, sich auf Schnecken-Weise drehn. Welche Menge rother Knoͤpfe zeiget uns der Spargel nicht Was koͤmmt uns nicht noch an Erbsen, und an andern zu Gesicht! Wirst du nun, geliebter Mensch, durch dieß Wunder nicht bewogen, Und zu dem, der solche Wunder einzig wircket, nicht gezogen, Die sich, nicht in Blum- und Saamen, sondern in Gehaͤusen haͤuffen; Kann ich, worin deine Menschheit recht bestehet? nicht begreiffen. Aber- (***) Abermahlige Thau-Betrachtungen. W enn das entstandne Morgenroth die Schatten Westen- waͤrts verdrenget, Und das bethaute, feuchte Feld den ersten Sonnen-Strahl empfaͤnget, Der uͤber die begrasten Wiesen, wie eine guͤldne Fluth, sich legt; Wird Millionen reinen Tropfen ein himmlisch Glaͤutzen eingepraͤgt. Zu Anfang sieht man hohe Kraͤuter, und langen Grases schwancke Spitzen, Durch die zuerst empfundne Glut, nur eintzeln hin und wieder blitzen, Biß allgemach ein tausend-faͤrbig-und Diamanten-gleicher Schein Des gantzen Feldes Flaͤchen decket: das Funckeln ist jetzt allgemein. Man siehet alles, was man sieht, in einem bunten Glantze glimmen; Es scheint der halb entzuͤckte Blick zu gleich zu gluͤhen und zu schwimmen Jn bunt gefaͤrbtem Feur und Wasser, von welchem die vereinte Pracht, Durchs Aug’ und Hirn, in unsre Seele den angenehmsten Eindruck macht. Den sonst kein Vorwurf wircken kann. Man wundre sich hieruͤber nicht, Daß, da der Sonnen-Strahl im Thau sich recht als wie ein Demant bricht; Auch Abermahlige Thau-Betrachtungen. Auch durch so schoͤn gefaͤrbtes Glaͤntzen sich unser Geist in Lust entzuͤndet; Da sich in jedem Troͤpfgen Thau ein Brenn-und Zuͤndungs- Spiegel findet, Ja da wir, in den klaren Cirkeln von unsrer Sonnen, wunderschoͤn Verkleinert zwar, doch auch vereinet, viel tauseud Son- nen-Bilder sehn. Die (***) Die Sonnen-Finsterniß 1733. D er Sonnen strahlend Licht brach durch die reine Luft, Kein schwebendes Gewoͤlck, kein Nebel, Dunst, noch Duft Verhuͤllte die Sapphirne Tieffe; Als eine laͤngst vorher beschriebne Finsterniß Den sonst gewoͤhnlichen Geschaͤften mich entriß, Und nebst noch andern mich auf eine Hoͤhe rieffe, Die Bayer, dem davor kein schlechter Danck gebuͤhrt, So nuͤtz-als kuͤnstlich aufgefuͤhrt, Woselbst bald durch ein Glas, so durch den Dampf vom Licht Geschwaͤrtzet; bald durch eins, so blau war, mein Gesicht Gestaͤrckt, und ich dadurch im Stande war, Die Glut der Sonnen ungeblendet, Mit scharfen Blicken, anzusehn. Kaum hatte die Minute sich geendet, Die ausgerechnet war, als wir, Bewundrungs-voll, auf dem Papier, Worauf der Sonnen Bild durch kuͤnstliche Christallen Jm dunckeln Zimmer man bewundernd sahe fallen, Schon von der Finsterniß die erste Spur entstehn, Den Rand sich schwaͤrtzen sah’n; worauf der Schatten sich Vermehrt’ und mercklich wuchs, biß daß wir die Figur Des runden Mondes sah’n, der, da er schwartz und dicht, Der Sonnen strahlend Licht, Doch nur auf kurtze Zeit, entzog; Das denn auf zweyerley zu dencken mich bewog. Zuerst entstand in meiner Seelen Ein bruͤnstigs Andacht-Feur, ein Ehrfurcht volles Dencken: Da Die Sonnen-Finsterniß 1733. Da so viel tausend Jahr so grosse Coͤrper sich, Ohn im geringsten je zu fehlen, Jn solcher steten Ordnung lencken; Wie maͤchtig, weise, groß und unveraͤnderlich Muß der, durch dessen weisen Willen, Sie ihren festen Lauf so ungehemmt erfuͤllen, Der sie aus Nichts allein erschuf, der sie allein Blos durch sein Wort erhaͤlt, der ew’ge Schoͤpfer, seyn! Es fiel zugleich mir dieses ein: Jst etwas auf der Welt, so uns von unserm Geist Was groͤssers, und was GOtt fuͤr Faͤhigkeit ihm schencket, Als eine Finsterniß uns weis’t? Da er, fast auf ein Haar, wie ein Gestirn sich lencket, Auf hundert Jahre schon vorher sieht und gedencket. Heißt alles dieses nichts, von solchen Finsternissen, Von der Planeten Lauf, Bewegungen und Drehn Die stete Richtigkeit so gar genau zu wissen, Auf einen Augenblick vorher zu sehn? Und zwar Auf so viel hundert Jahr, Ja noch auf laͤngere Zeit, Ohn daß wir im geringsten fehlen? Wo hierinn keine Treflichkeit, Kraft, Feur, und Vorzug unsrer Seelen Vor allen andern Thieren Unwiedersprechlich zu verspuͤhren; So weiß ich nicht auf welche Weise man Sich einigen Begrif von Wahrheit machen kann? Durch die Betrachtung froh, und recht aufs neu gestaͤrckt, Verjag ich nicht allein Die eitele Furcht, wodurch bey Finsternissen, Durch Aberglauben tumm, sich viele qvaͤlen muͤssen, Und blos aus Einfalt bange seyn: Es Die Sonnen-Finsterniß 1733. Es steckt zu gleich solch’ eine Dunckelheit Ein helles Licht in meiner Seelen an, Daß ich nicht nur von meinem eignen Wesen Was grosses mehr, als sonst, kann lesen; Sie zeiget mir zugleich noch eine grosse Lehre, Zu aller Ding’ und meines Schoͤpfers Ehre, Und mach’ ich mir hieraus die ewig-wahren Schluͤsse, Daß GOtt der Sonnen, Mond und Welt regirt und lenckt, Und der zugleich auch uns solch einen Geist geschenckt, Worin nur er allein der Weisheit Schatz gesenckt, Allein gelobt, geliebt, verehret werden muͤsse. Sinn- Sinnlicher GOttes-Dienst. W enn ich meines Geistes Kraͤfte Auf der Creaturen Pracht, Durch die Sinnen, gleichsam hefte, Ehr’ ich den, der sie gemacht; Und es scheint, als wann die Ehre, Die aus der Betrachtung qvillt, Da sie mich mit Lust erfuͤllt, Dir, o HERR! gefaͤllig waͤre. Denn jemehr ich sie besehe, Und in ihnen dich erhoͤhe, Je empfindlicher verspuͤhre Und befind’ ich, daß die Seele, Jn der gantz durchdrungnen Brust, Ein unsichtbar Etwas ruͤhre; Daß sie mit besondrer Lust Suͤsser Liebe sich vermaͤhle, Die, von Andacht angeflammt, Aus der Wercke Schoͤnheit stammt. Anmuth, die so ungemein, Scheint ein Gnaden-Lohn zu seyn, Den GOtt in sein Werck gesencket, Und den, wenn man sein gedencket, Und sich wol zu sehn bestrebet, Man aus seiner Huld erhebet. Jn den Creaturen steckt, Wenn man sie, dem HErrn zum Preise, Hoͤret, riecht, sieht, fuͤhlt und schmeckt, Eine rechte Seelen-Speise. T Nichts Sinnlicher GOttes-Dienst. Nichts kann so die Seelen naͤhren, Als wenn wir in GOTTES Wercken, Daß sie GOttes Werck, bemercken, Jm Geschoͤpf, den Schoͤpfer, ehren. Lob Lob GOTTES . N icht ein eintziges Gestirn, in des Himmels tieffen Hoͤhen, Wird es gleich in dunckler Nacht nicht von Menschen angesehen, Flammt und glaͤntzt darum umsonst. Lieber Mensch, ge- dencke nicht, Ob es gleich von Menschen Seelen Nicht geschicht; Daß Bewunderer dem Himmel, und GOtt Lob-Gesaͤnge, fehlen. Millionen Creaturen, welche geistig, leben, schweben, Unsichtbar um unser’ Erde, die des Schoͤpfers Lob erheben. Ja, so wol dann, wann wir schlaffen, als wann unser Auge wacht, Mit nie unterbrochnem Lobe, so bey Tag’, als bey der Nacht, Sehen und bewundern sie seiner Wercke Wunder-Pracht. T 2 Alle (***) Alle Dinge haben zwo Seiten. W enn man, mit rechtem Ueberlegen, die Dinge dieser Welt betracht’t, So sind sie das nicht, was sie sind; sie sind das, wozu man sie macht. Wunsch Wunsch. A ch GOtt, wie schoͤn ist doch der Himmel? wie wun- derschoͤn die gantze Welt? Die dein Verstand und Will’ erschaffen, die dein Verstand und Will’ erhaͤlt! Ach laß mich doch an diesen Wundern, zu deiner Ehr’, in tausend Freuden, Durch alle Sinnen meinen Geist in froͤlicher Betrachtung weiden, Und die dadurch in mir gewirckte Vergnuͤglichkeit der re- gen Seelen, Die durch die Wirckung deiner Liebe aus aller Wunder Schoͤnheit qvillt, Die, wenn ich sie mit Lust betrachte, mit Lust mein gan- tzes Wesen fuͤllt, Zu deines grossen Nahmens Ruhme, auch andern oft zur Folg’, erzehlen! T 3 Hin- Hinderniß am Vergnuͤgen. Hinderniß am Vergnuͤgen. E s sehnt sich unser Geist vergnuͤgt und froh zu seyn: Hiemit beschaͤftigt sich sein reger Wunsch allein. Weil er nun keine Lust an GOttes Wercken findet, Jndem er selbige nicht achtet, Und, durch Exempel blos verfuͤhrt, sie nicht betrachtet; Was Wunder daß er sich mit eitler Lust verbindet, Und in der Leidenschaft ein’ Art von Lust empfindet, Die voller Schmertzen steckt, in welcher nimmer Ruh. Koͤmmt, nebst Exempeln nun, Gewohnheit auch dazu; So hindert die verbotne Frucht, Die Ehren-Geld- und Wollust-Sucht, Durch immer in sich selbst sich mehrende Jdeen, Daß wir nicht sehen, was wir sehen; Daß wir, zu unsers Schoͤpfers Ehren, Nicht riechen, fuͤhlen, schmecken, hoͤren; Daß alles, was der Schoͤpfer wirckt und schafft, Uns nicht des Ansehns wehrt, uns unschmackhaft Und recht veraͤchtlich scheint; das doch, wenn mans erweget, Der Anmuth wahren Kern in schoͤnen Schalen heget. Ver- Vermuthliche Beschaffenheit der Seelen. Vermuthliche Beschaffenheit der Seelen. U nwiedersprechlich ist es ja, daß wir aus Seel’ und Leib bestehen; Der Leib aus immer neuen Theilen; die Seele zeuget stets Jdeen. Wie nun der Leib von seinem Wesen durch Ausdunst im- mer was verliehrt, Die Theilchen aber nicht vergehen, verwesen oder sich zerreiben, Und stets dem allgemeinen Stoff sich, so zu reden, einver- leiben; So scheinet auch, daß unsre Seele bestaͤndig einen Abgang spuͤhrt, Durch ihrer Kinder, der Gedancken, verfliegende Ver- gessenheit, Die doch kein voͤlliger Beweis von voͤlliger Vergaͤnglichkeit; Allein es duͤncket mich, ob hier mit Recht nicht diese Frag’ entstehe? Ob nicht der allgemeine Stoff durch Kleinheit der Materie, Die immer feiner zu ihm fliesset, in sich sich nicht verbessere? Jmgleichen, ob auf gleiche Weise in der Natur das Geistige Sich, durch entstandene Gedancken (von welchen, daß sie nicht vergehen Und wir sie zu erhalten faͤhig, in Schriften wir ein Bey- spiel sehen) Auch, durch derselben steten Zufluß, wo nicht verbessre, doch sich mehre? Bey unsrer Einfalt scheint es meistens, als ob es nicht un- moͤglich waͤre. T 4 Ver- Vermahnung. Vermahnung. L aß die Erde noch so schoͤn, und voll bunter Blumen, gruͤnen; Laß das Wasser, noch so klar, ihrer Schoͤnheit Spiegel seyn; Laß noch einst so herrlich glaͤntzen selbst der Sonnen Wun- der-Schein; Wozu solt’ es einer GOttheit, die es ja nicht brauchet, dienen, Wenn nicht in den Welt- und Himmeln Kraͤft’ und Gei- stigkeiten waͤren Die an solchen, durch die GOttheit wunderbar formirten, Schaͤtzen, Faͤhig waͤren, sich zu laben, sich zu naͤhren, Zu vergnuͤgen, zu erqvicken, zu ergetzen, Zu bewundern, sie zu achten, Sie zu nutzen, zu betrachten? Hiedurch litte (von der Ehre nichts zu sagen) GOttes Liebe, Welche ja sein wahres Wesen. Liebe, sonder Gegenwurf, kann ja keine Liebe seyn; Da uns GOtt nun bloß allein, Daß wir seiner Vater-Triebe Alle moͤchten theilhaft seyn, So gar wunderbar gemacht, Und fuͤr seiner Wercke Pracht, Nebst dem Geist sie zu erkennen, Viele Sinnen wollen goͤnnen; Wollen wir denn unsre Pflicht Straͤflich aus den Augen setzen, Und uns, recht mit Vorsatz, nicht An der Liebe Groͤß’ ergetzen, Die Vermahnung. Die er, in den schoͤnen Wercken, Uns so vaͤterlich zu mercken, Und, wie bruͤnstig er uns liebet, Ueberall zu fuͤhlen giebet? Will man lieber selber leiden, Als von GOTT geschenckte Freuden, Jm Geniessen, recht bedencken? Welche Thorheit! sich zu kraͤncken, Und zugleich des Schoͤpfers Ehr’ Zu verringern! da vielmehr Wir an so viel tausend Schaͤtzen Uns, mit tausend Lust, ergetzen, Und, selbst in der Lust, den Willen Unsers Schoͤpfers hier erfuͤllen, Gegen ihn in Lieb’ entbrennen, Jhm gefaͤllig leben koͤnnen. T 5 Nuͤtz- Nuͤtzliche Ungewißheit. Nuͤtzliche Ungewißheit. N ebst andern war ich juͤngst, der alten Weisen Lehren, Wie sie des weisen Muͤllers Geist, Den man mit Recht die Zierde Hamburgs heist, Durch seine Lehrlinge ließ oͤffentlich erklaͤren, Beschaͤftiget gewesen anzuhoͤren. Wie ich mich nun darauf allein befand; Was ich von ihm gehoͤrt, bedaͤchtlich uͤberlegte, Und in gelassner Still’ erwegte Die Mannigfaltigkeit der Grillen, Die stets den menschlichen Verstand Vor dem erfuͤllt, und noch erfuͤllen; Befiel mich eine Traurigkeit, Und drengte die verworrenen Gedancken, Mit einer schwartzen Last, aus ihren Schrancken; Jch fuͤhlt’ ein wahres Hertzeleid. Das gantze menschliche Geschlecht Kam mir bejammerns-wehrt, und recht Erbarmung-wuͤrdig fuͤr. Wir scheinen nichtes recht zu fassen, Wir scheinen all dem Jrrthum uͤberlassen, Der uns bestaͤndig aͤfft, Da, von den Meynungen, die gantz verschiedlich scheinen, Von welchen von der weisen Schar, Die Haͤlfte, daß sie wahr und klar; Die andre, daß sie falsch und dunckel waͤren; meynen, Oft all’, und dennoch keine wahr. Mir fiel hieruͤber ein: Es taͤuscht auch mich vielleicht ein falscher Schein. Jch kann ein Ding unmoͤglich wahrer halten, Als jeder von den Alten Das- Nuͤtzliche Ungewißheit. Dasjenige, was er geglaubt, fuͤr wahr, Fuͤr deutlich angesehn und uͤberzeuglich klar; Ob sie gleich allesammt geirrt, Und sich einander selbst verwirrt. Nun sind sie weise ja, im hohen Grad, gewesen, Wovon wir Proben gnug in ihren Schriften lesen: Was uͤberzeugt denn mich, daß ich nicht irren koͤnne, Und daß ich gleichfals mich nicht von der Wahrheit trenne? Ja, daß die Nachwelt uns, daß wir in Jrthum stecken, Wie wir der Vorwelt es gezeigt, einst wird entdecken? Der Zweiffel loͤst sich bald: Wir wissen, Daß unser Wissen nichts, als Stuͤckwerck sey; Und wir daher, wie billig glauben muͤssen. Nechst diesem steckt hierin noch zweyerley: Die Ungewißheit aller Sachen, Besinnen wir uns recht, Soll billig gegen GOtt uns ehrerbietig machen, Und voll Vertraͤglichkeit fuͤrs menschliche Geschlecht. Erkennet man, daß man nichts weiß; Gereicht es ja zu GOttes Preis, Weil man bey ihm allein die wahre Weißheit findet. Das andre, welches auch in der Erkaͤnntniß steckt, Jst, daß, da man der Menschen Schwaͤch’ entdeckt; Zur Naͤchsten-Lieb’ uns der Begriff verbindet: Denn soll mein Naͤchster sich mit meiner Schwachheit plagen; Warum will ich die seine nicht vertragen? Un- Unverantwortliche Geringschaͤtzung der Geschoͤpfe. W ie lange bist du doch in deiner Lebens-Zeit Mit seh’nden Augen blind, und bleibst der Eitelkeit, Des Uebermuths und der Gewohnheit Knecht? Es scheint ein Bluͤmchen dir zu schlecht, Ein Blaͤttgen scheint dir zu geringe, Ein Knoͤspchen scheinet dir zu klein, Kein Graͤschen deines Geists und Denckens wehrt zu seyn; Da doch dem allerkleinsten Dinge, Wenn man es mit Vernunft erwegt, Ein kraͤftiger Beweis vom Schoͤpfer eingepraͤgt. Laͤßt jegliches Gewaͤchs nun unsre Seelen, Wenn man nur sehen will, den Schoͤpfer sehn; So kann es folglich auch nicht fehlen Jhr muß aus jeglichem, Lust, Lieb’ und Lob entstehn. Jndem ein sich also betragendes Gemuͤth Darinnen uͤberall ein Goͤttlich Licht entdecket, Jn allem seine Macht und weise Liebe sieht, Und seine Freundlichkeit in allem schmecket. GOtt GOTT allein die Ehre. G iebt unser GOTT in allen Dingen, So wie er wuͤrcklich thut, das Wollen und Voll- bringen; Was ruͤhmt sich denn der Mensch, auch in den besten Thaten? Da sie ja nicht durch ihn, durch GOtt allein gerahten. Nichts ist mein; Alles dein; Dir allein HERR, soll Lob’ und Ehre seyn! See- Seelige Betrachtung der Creatur. W as sind auf dem Bau der Erden doch vor Wunder! welche Menge Lust-erregender Geschoͤpfe! es ist gleichsam ein Gedraͤnge Jrdisch-Goͤttlichen Vergnuͤgens um uns Menschen rings- umher, Wenn man sie nur mit Verstand anzusehn beschaͤftigt waͤr. Es hat (wenn mit den Geschoͤpfen wir, im Brauch, den Schoͤpfer fuͤgen, Und sie als sein Werck betrachten) jeder Vorwurf sein Vergnuͤgen, Jeder Sinn sein Paradieß. Es ist sonder GOtt kein Himmel: doch, da GOtt auch in der Welt; Jst auch hier ein ird’scher Himmel denen Seelen vorgestellt, Welche, da sie ihren Schoͤpfer mit der Creatur verbinden, Jhm zu Ehren, Lust und Anmuth in den Creaturen finden. Zu- Zufaͤllige Gedancken uͤber ein Thau- Troͤpfchen. W ie ich, nach verschwundner Nacht, Juͤngst, im angestrahlten Thau, Jn der Tropfen Meng’ und Pracht Tausend Sonnen-Spiegel schau; Zieht, vor andern, Blick und Sinn Ein vor andern helles Troͤpfgen, durch sein Funckeln, zu sich hin; Da ich denn, mit Lust erfuͤllt, Nicht nur ein klein Sonnen-Bild, Auf der Ruͤndung aͤussern Hoͤhe, Als ein blitzend Lichtgen, sehe; Sondern, da der Thau so klar, Wie die reinesten Cristallen; Seh ich dieses Lichtgen gar Durch des Troͤpfchens Coͤrper fallen Auf ein nah gewachsnes Blat, Wo es denn verlaͤngt, gespitzt, Die Figur von einem Strahle, der in langem Strich- blitzt, Durch das Blat gedruͤckt, erhaͤlt. Wie ich solchen nun betrachte, Und so wol auf seine Laͤng’, als den runden Ursprung, achte; Faͤllt von ungefehr mir bey: Ob dieß nicht vielleicht ein Bild strahlender Cometen sey? Wie! gedacht’ ich, wenn der Coͤrper der Cometen bey der Ruͤnde, (So wie ich hier in dem Tropfen, welcher gantz durchsichtig, finde) Et- Zufaͤllige Gedancken Etwann auch durchsichtig waͤre: und daß auch, so wie ich hier Auf dem glatten Tropfen sehe, nur von einer Stell’ allein, Jn dem Wiederschlage blos, von der Sonn’ ein kleiner Schein, Uns in unser Auge fiel, und daß etwann diese Stelle Als wodurch der Sonnen Licht Nicht allein die Flaͤche trift, sondern durch den Coͤrper bricht, An die Atmosphaͤre schlaͤgt, und sie auf die Weise helle Wie der Strahl das Blaͤttchen machte? Dieses war es, was ich dachte, Und vielleicht nicht ungereimt, Wenigstens koͤmmt mir es fuͤr, Daß aus der Betrachtung hier Eine grosse Lehre keimt: Dem Schoͤpfer faͤllt so wenig schwer, Ein Sternen- und Cometen-Heer, Als einen Tropfen Thau, zu zeugen. Laßt dieß uns einen Antrieb seyn, Vor ihm und seiner Macht allein, Jn tiefster Ehrfurcht, uns zu beugen! Kann etwas auf der Welt, zu GOttes Ehre, Ein wuͤrdigs Bild von seiner Macht uns zeigen, Kann der Verstand zu ihm auf eine Weise steigen; So ist es warlich diese Lehre. Ach! laßt sie unserm Geist doch einen Spiegel seyn! Jn welchen er, von heil’gem Schrecken Und wahrer Ehrfurcht angefuͤllt, Der GOttheit sonst nicht abzubildend Bild, Mit Augen der Vernunft, im Glauben, zu entdecken, Zu uͤber ein Thau-Troͤpfgen. Zu sehen faͤhig ist. Nichts kann ihn mehr erheben Und nichts kann auch mehr Trost, mehr Zuversicht, Daß er uns helffen kann, wenn er nur will, uns geben. Beweiset es nun gleich, daß er auch wolle, nicht; So giebt uns ja davon den besten Unterricht, Daß er in seinem Wort und unsre Seelen schriebe: Der GOTT, der alles kann, ist auch die ew’ge Liebe! U Auri- Aurikeln im Herbst. Aurikeln im Herbst. J ndem ich juͤngst im Herbst erblickte, Wie, auf das neu, des Gartens-Flur Manch bunt Aurikelchen, als wie im Fruͤhling, schmuͤckte; Ergetzt’ ich mich daran. Es ward mein Blick nicht nur, Durch ihre Wiederkunft, geruͤhrt; Die Seele selber ward, fuͤr Lust, die sie verspuͤhrt, Bewegt, erfuͤllt und eingenommen. Jch hieß das Bluͤmchen sanft, in meinem Sinn, willkommen! Und fielen, bey der Farben buntem Schein, Mir die Gedancken ein: Es kommt dein wiederhohlter Flor Mir gleichsam vor, Als wenn, vor andern Blumen allen, Ein starcker Trieb in deinen Roͤhren, Den Schoͤpfer der Natur zu ehren, Geliebte Blume, muͤsse wallen. Es scheint ob hoͤrt’ ich dich, mit bunten Lippen, sagen: „Noch eh die lange Winter-Nacht „Mich zu dem langen Schlaf gebracht, „Will ichs vorher noch einmahl wagen, „Und, GOtt zum Ruhm, noch einmahl Blumen tragen. „Vielleicht geraͤht mein spaͤtes Bluͤhen mehr, „Als meine Bluͤth, im Fruͤhling, GOtt zur Ehr! „Vielleicht wirft mancher Mensch auf mich mehr, als vorhin, „So Blick als Sinn! „Vielleicht kan ihn mein frembd-und unverhoftes Bluͤhen, „Zu einiger Betrachtung, ziehen „Und seinen Geist durchs Ungewohnte lencken, „Auf sein- und meinen HErrn zu dencken! Ja Aurikeln im Herbst. Ja, du hast recht, geliebtes Bluͤmchen, ja! Du hast nicht mich allein, Durch deinen unverhoften Schein, Aufs neue zur Aufmercksamkeit gebracht; Ein jeder fast, wie ich mit Freuden sah, Von Neuigkeit bewogen, Ward, durch geheimen Zwang, zu dir gezogen, Und nahm der schoͤnen Farben Pracht Jn dir, mehr als vorhin in acht. Ach! moͤchte doch dein loͤblich Bluͤh’n und Gruͤnen, Mit deiner fruͤh-und spaͤten Zier, Geliebtes Bluͤmchen, denn auch mir Zu einer Folge dienen! Ach, moͤgte mich dein Beyspiel lehren, Den Schoͤpfer der Natur, so fruͤh als spaͤt, zu ehren! U 2 Son- Sonnen-Licht. Sonnen-Licht. J m Herbst, bey einer mehrentheils bedeckten und be- woͤlckten Luft, Stand ich an einem glatten Wasser, das Rohr und schwan- ckes Schilf bekraͤntzte, Jn einer angenehmen Landschaft. Das still’ und klare Wasser glaͤntzte, Doch nur in schwach-und grauem Lichte. Ein sanfter zwar, doch truͤber, Duft, Der nicht allein die Luft erfuͤllte, der auch die Baͤum’ und Wiesen deckte, Und, wo nicht gantz, doch guten Theils, der Landschaft Pracht und Schmuck versteckte, War allenthalben ausgespannt. Was man noch sah, war falb’ und kalt. Es wirckte die sonst helle Gegend dem, der sie jetzt voll Daͤmmrung sieht, Mit einer schleichenden Gewalt, Fast eine Daͤmmrung im Gemuͤth. Jch schlug demnach von ungefehr, betruͤbt, die Augen vor mich nieder, Jedoch nicht zwo Minuten lang. Darauf erhub ich ihre Lieder Geschwinde wieder in die Hoͤh’. Allein wie sehr entsetzt’ ich mich, Als ich, mit fast geblendeten und gantz fuͤr Lust erstaunten Blicken, Der Landschaft gantzen Stand veraͤndert, erleuchtet, ja verwunderlich Erheitert und verklaͤhret sah! Es nahm ein angenehm Entzuͤcken Mein Hertz, mein gantzes Wesen ein. Es Sonnen-Licht. Es ließ Feld, Wiese, Berg und Thal mit Anmuth nicht nur uͤbergossen, Von einem hellen Meer von Glantz nicht nur umgeben und beflossen; Es schien, in einem bunten Lichte, die Welt ein irdisch Paradieß. Was ich, vor einem Augenblick, noch kalt gesehen und im Dunckeln, Sah’ ich nunmehr erheitert, warm, und in gefaͤrbtem Feuer funckeln. Des schwancken Schilffs polirte Blaͤtter, der glatten Bin- sen Dunckel-Gruͤn Sah man, da es der Sonnen Glantz, mit seinem heitern Strahl beschien, Nicht minder die belaubten Baͤume, zusammt den Blu- men-reichen Huͤgeln, Die Schoͤnheit in der Fluht verdoppeln, und sich im kla- ren Wasser spiegeln. Kurtz eine warm’ und laue Klarheit und eine licht’ und sanfte Glut Bedeckt’, umgab, befloß, durchstrahlte die gantze Gegend, Land und Fluth. Jch stutzt und freute mich von Hertzen. Was werden durch der Sonnen Schein Fuͤr Wunder nicht bey uns gewircket! rief ich, fuͤr Freu- den halb entzuͤcket: Wie wird, durch sie, die gantze Welt belebt, erqvickt, genaͤhrt, geschmuͤcket, Und, fuhr ich fort bey mir zu dencken: dieß wircket eine Sonn’ allein; Was muß vor Anmuth, Pracht und Licht und Herrlichkeit vorhanden seyn, U 3 Wenn Sonnen-Licht. Wenn dort in jenen Himmels-Hoͤh’n, nach diesem Leben, unsre Seelen Jm Stande sich befinden werden, von Sonnen, welche nicht zu zehlen, Die Wirckungen zu sehn, zu fuͤhlen? Mich nimmt ein heil’ger Schauder ein, Wenn ich an solchen Glantz gedencke. Dies Dencken mehrt des Schoͤpfers Ehre Und ist mir, als ob ich daruͤber schon in Gedancken see- lig waͤre. Zur Zur Flos admirabilis. G ehab dich wol, geliebte Blume, des Gartens kurtze Zier und Ehr’, Mit deiner Farben Glantz und Schein! Jch seh’ dich nun und nimmermehr. Die Stunde, da du must vergehn, bricht bald heran, sie ist schon nah, Und eben, da ich mit dir rede, bricht sie herein, sie ist schon da. Du wickelst dich in dich zusammen, verschrumpfst, ver- lierest Farb und Glantz, Verwelckst, verkoͤmmst, verdirbest gantz, Und zwar so schleunig und so schnell, daß jedermann, Die grosse Fluͤchtigkeit nicht gnug bewundern kann. Nun scheint zwar deine kurtze Dauer und dein so ploͤtzliches Vergehen Bedaurens-mehr als Wunderns-wehrt; allein, wenn man es recht erweget, Daß dein Vergehen andren Blumen nur gleichsam Platz zu machen pfleget; So fuͤhlet und empfindet man nicht nur, daß ihr verge- het, nicht; Weil immer andre wieder da, die euer kaum vermercktes Scheiden Ersetzen, und, so wie es auch bey uns nicht weniger geschicht, Die Stelle wiederum bekleiden; Es zeigt vielmehr, geliebte Blumen, da ihr so kurtze Zeit bestehet, Und gleichsam, mit nie stillen Schritten, nur andern aus dem Wege gehet, U 4 Uns Zur Flos admirabilis. Uns von des grossen Schoͤpfers Wercken und von dem Reichthum der Natur, Wie er so unerschoͤpflich sey, uns eine neu und wahre Spur. Es kostet ihr sehr wenig Muͤh, viel Millionen zu formiren. Man kann demnach und muß, mit Recht, so wol beym schleunigem Vergehn, Als bey der Zeugung, liebste Blume, den Schoͤpfer der Natur erhoͤhn. Herbst- Herbst-Blaͤtter. E s scheint so gar der Wind anjetzt sich zu bemuͤhn, Und, zu dem Endzweck blos, die Blaͤtter zu bewegen, Um, durch derselben oͤfters regen, Den Blick nun desto mehr auf sie zu ziehn. Man siehet, sieht man recht, der Farben bunte Klarheit, Jn einer Harmonie, so angenehm sich mischen; Man hoͤret, hoͤrt man recht, in ihrem sanften Zischen Und lispelndem Gethoͤs’ und Wispern, diese Wahrheit: „Jhr sehet uns vielleicht zum letzten mahl, „Beseht uns heute noch, denn da wir schon gereift, „Sind Morgen schon vielleicht der Baͤume Wipfel kahl, „Und wir vermuthlich abgestreift. „Noch koͤnnt ihr euren Blick an uns vergnuͤgen, „Noch koͤnnt ihr dessen Ehr’, „Der euch und uns gemacht, zu eurer Freude fuͤgen, „Und opfern eure Lust dem Wesen mehr und mehr, „Das euch zu gut, indem wir sterben, „Uns ehe noch, als wir verderben, „Zu eurer Lust so schoͤn, so lieblich wollen faͤrben. U 5 Ver- Vergnuͤgen auch bey feuchtem Vergnuͤgen auch bey feuchtem Wetter im Winter. D aß es an uns allein fast lieget, Wenn man sich nicht zu aller Zeit, An der Geschoͤpfe Lieblichkeit, Auch gar wenn alles naß, und schlackrig ist, vergnuͤget; Hat mir ein truͤber Tag im Winter juͤngst gewiesen, Da ich verschiednes, welches schoͤn, Auch im December selbst, gesehn, Woran ich mich vergnuͤgt und GOtt dafuͤr gepriesen. Jch ging, in einer Morgen-Stunde, Mit einem Pfeifchen in dem Munde, Jn meinem Garten auf und nieder, Von Grillen und Geschaͤften frey, Und ward gewahr, wie hin und wieder, Auch wenn es schlackrig ist, doch was betraͤchtlichs sey. Die Baͤume, die nunmehr entkleidet, kamen mir, Als wenn sie wuͤrcklich schlieffen, fuͤr; Die Winde schienen oft, durch hin und wieder biegen, Sie gleichsam in den Schlaf zu wiegen. Sind nun die Wipfel gleich, da alle Zweig’ entlaubet, Von ihrer gruͤnen Pracht beraubet; So scheinen doch, wenn wir es wol erwegen, Der Baͤume feuchte Staͤmm’ hingegen Mehr, als vorhin, geschmuͤckt; indem die Dunckelheit (Womit des Regens Feuchtigkeit Die Rinden schwaͤrtzt) des Moses gruͤne Pracht, Die hie und da mit weisser untermischt, Nicht durch die Naͤsse nur erfrischt; An Farbe noch viel schoͤner macht. Wenn Wetter im Winter. Wenn uͤberdem Jetzt uͤberall, auch an den kleinsten Zweigen, Sich grosse, klare Tropfen zeigen; So laͤßt auch dieses angenehm. Jndem sie all’ in reiner Klarheit prangen, Als saͤhe man daran erystallne Kugeln hangen, Wenn man auf sie sein Aug’ in dieser Absicht lencket, Und, daß es in der That den Augen lieblich, dencket. Die Knospen, welche man jetzt mehr, als sonften, sieht, Die zeigen uns die Stellen, worin sich Die wirckende Natur hier innerlich, Zu unsrer Lust, zu unserm Nutz, bemuͤht. Es scheint die Luft zwar schwer, und recht auf uns zu liegen, Wenn sie mit feuchtem Duft uns rings umher bezirckt, Wodurch sie denn in uns ein’ Art von Schwermuth wirckt, Die aber eigentlich kein wahres Unvergnuͤgen. Es mischt sich eine Luft in diesen Unmuth ein, Wodurch man gleichsam kann in Schwermuth froͤlich seyn. Es scheint des Geistes Kraft, wenn truͤbe Luft uns druͤckt, Und unsre Blicke hemmt, sich minder zu zerstreuen, Und, gleichsam mehr vereint, zum Dencken mehr geschickt, Bey aͤusserlichem Schaur sich innerlich zu freuen. Jndem ich dieses fuͤhl’, empfind’ ich doch dabey, Daß diese truͤbe Zeit, nur denen leidlich sey, Die, wenn so Kaͤlt’ als Feuchtigkeit sich mehren, Jn ihre warmen Zimmer kehren, Und sich mit Recht erfreuen koͤnnen, Daß ihnen, in der Winter-Zeit, Der Schoͤpfer die Beqvemlichkeit, Bey so viel Gutem, wollen goͤnnen. Jch Vergnuͤgem auch bey feuchtem Wetter ꝛc. Jch wuͤnsche denn mit Andacht-vollem Sinn, Da ich, GOtt Lob! von denen einer bin, Der, wenn die Luͤfte kalt und scharf, Nicht ohne Dach und Fach verbleiben darf, Daß ich die Gnad’ erkennen moͤge, Auch Armer nach Vermoͤgen pflege, Als denen, von Beqvemlichkeit beraubet, Der Mangel in der Winters-Zeit, So wol wenns schlackrig ist, als wenn es friert und schneit, Des Wetters sich zu freuen, nicht erlaubet; Damit sich wenigftens ihr Creutz in etwas mindre Und sie nicht dann und wann doch, GOtt zu dancken, hindre, Daß er sie, auch durch andre, naͤhrt, Und obgleich kuͤmmerlich, doch das, was noth, beschehrt. Sie thun uns, ohne das, mehr guts, als wirs ermessen: Jhr Gegensatz, zeigt unser Gluͤck uns an, Und, ohne sie, wuͤrd’ iederman Noch mehr, als jetzt geschicht, wie gut ers hat, vergessen. Ach moͤgte man doch so am truͤben Tage dencken, So waͤren wir vergnuͤgt, so wuͤrde GOtt geehrt, Zugleich auch etwas Guts dem Nechsten zugekehrt, Auch dann wann Regen sich und Nebel auf uns sencken. Blu- (***) Blumen im Winter. J st es moͤglich, schon anjetzt, in der haͤrtften Winter-Zeit, Da die Fluht mit Eis beleget, Garten, Feld und Wald beschneit, Lieblich riechende Eyrenen, funckelnde Gentianellen, Crocos, Lilien-Convalljen, ja die schoͤnste Pfirschen-Bluͤth, Tulpen, Hyaeinth, Terzetten, wie man hier bewundernd sieht, Zu erblicken, ja daß solches moͤglich, sich nur vorzustellen! Ach, mein GOtt, durch deine Guͤte, nehm’ ich in derselben Pracht, Mit Vergnuͤgen, deine Weisheit, deine Wunder, deine Macht, Die durch dich stets regen Kraͤfte der Natur auch jetzt in acht, Und, durch ihre holde Schoͤnheit, auch im Frost recht angelacht, Fuͤhl’ ich, wie mein innerstes recht gelabet, recht erqvicket, Ja, durch aͤmsige Betrachtung ihres Schmucks, fast selbst geschmuͤcket, Zu dir hingezogen wird. Diese Pracht, die sie erblickt, Wird ihr gleichsam zugeeignet, und, wie wir, noch einst so schoͤn, Einer Schoͤnen zarte Haut, bey ihr nahen Blumen, sehn; Stellt sich eine frohe Seele, wenn sie Blumen so besieht, Jn selbst bluͤhenden Jdeen wuͤrcklich selbst verschoͤnert mir, Bey der weissen Hyacinth und der rohten Pfirsich-Bluͤt’, Roͤther noch an Lieb und Andacht, weisser noch an Un- schuld, fuͤr. Ernst- Ernstliche Betrachtung der Welt nothwendig. K ann es auch sonder Kunst geschehn, Wenn wir an schoͤnen Schildereyen Uns mit Vernunft ergetzen und erfreuen, Und mit vergnuͤgtem Geist die Kunst des Kuͤnftlers sehn? O nein, ein Kunst-Erfahrner weiß, Das blos durch einen langen Fleiß Man diese Wissenschaft erhaͤlt, Und sonder Muͤhe sie nicht findet; Wie daß man sich denn unterwindet, Sich selber so geschickt zu schaͤtzen, An dem weit schoͤneren Gemaͤhlde dieser Welt Vernuͤnftig, ohn Vernunft, sich zu ergetzen, Ja, ohn es einmahl anzusehn, Des grossen Meisters Geist doch sattsahm zu verstehn, Den er in seinem Wercke weiset; Ein Werck, das uͤberall den grossen Meister preiset? Jst es nun eine Kunst, der GOttheit Werck zu fassen; Will man sich denn darin nicht unterrichten lassen? O ja! ich wolte gern, hoͤr’ ich verschiedne sagen, Mich an des Schoͤpfers Werck vergnuͤgen, Und meine Lust zu seiner Ehre fuͤgen; Allein wer lehrt es mich? hoͤr’ ich dieselben fragen; Die GOtts-Gelehrten legen sich, So wie ich schon seit langer Zeit bemercke, Allein auf GOttes Wort, nicht leicht auf GOttes Wercke. Nun Ernstliche Betrachtung der Welt nothwendig. Nun ist es recht, daß sie von seinem Wort nicht schweigen, Doch solt ein jeder auch nicht minder gern Die grossen Wunder seines HErrn Den sonst stock-blinden Hoͤrern zeigen. Jch hoff’ es wird auch mehr und mehr geschehen; So lang es nicht geschicht, Erfodert es doch deine Pflicht, Sie oft mit schuldiger Betrachtung anzusehen. Ueber- Ueberzeugliche Vermahnung zur Naͤchsten-Liebe. D ein Naͤchster ist, so wol als du, vom Schoͤpfer eine Creatur: Wie wir denn nun in allen Dingen, die GOtt gemacht, ihn selbst verspuͤhren; So muß man, zu des Naͤchsten Besten, und unserm Nu- tzen, ihm nicht nur Nicht schaden, sondern in ihm gleichsam den Schoͤpfer selber respectiren. Goͤtt- Goͤttlicher Spiegel. E in vom Schoͤpfer, durch sein Werck und von deren Wunder-Schein, Angefuͤlletes Gemuͤthe Scheinet gleichsam wie ein Spiegel fuͤr den Schoͤpfer selbst zu seyn, Worinn er, sein Werck vergeistert und mit Danck und Lust geschmuͤckt, Lauter Weisheit, Allmacht, Guͤte; ja sich gleichsam selbst erblickt. X Grosse Grosse Buchstaben. F rage doch die Thiere nur, ob sie dich nicht lehren werden, Daß ein GOtt, ein Schoͤpfer sey? Oder rede mit der Erden, Wenn sie gleich mit keinen Lippen und mit keiner Zunge spricht; Giebt sie dir von dieser Warheit dennoch deutlichen Bericht. Das Gefluͤgel in der Luft darfst du ebenfals nur fragen; Selbst mit ihrem stummen Munde werden dir’s die Fische sagen; Frage Blumen, Baͤum’ und Kraͤuter! Es erzehlen Thal und Hoͤhen Von des grossen Schoͤpfers Liebe, Weisheit, Herrlichkeit und Macht. Deine Seele wird die Sprache (siehet sie nur mit Bedacht Die geschaffnen Wunder an) durch dein Auge, bald verstehen. Menschen Rede pruͤft das Ohr; diese Sprache kanst du sehen, Und durch dein Gesicht vernehmen und begreiffen. Schaue dann Jn des Welt-Buchs schoͤnen Lettern unsers Schoͤpfers Schriften an! Othem- (***) Othem-hohlen. M ein GOtt, ich habe lang auf dieser Welt gelebet, Jch hab’ auch in der Welt auf deiner Wercke Pracht Mit Freuden dann und wann gedacht, Und, in Verwunderung, dich zu erhoͤhn gestrebet; Allein Wie hab ich doch so unempfindlich, ja Unfuͤhl- und folglich auch undanckbar koͤnnen seyn, Fuͤr eins, das, da ichs jetzt bemercke, Der allergroͤsten Wunder-Wercke Ohn allen Zweifel eins. Es ist mir dieß so nah, Als sonst fast keines ist, Es wird kein Augenblick Von mir zuruͤck geleget, Daß es nicht meine gantze Brust, Und zwar zugleich voll Nutz und Lust, Mit einer sanften Macht beweget. Mein Leben selbst besteht in diesem Wunder bloß; Je mehr es mich betrift, je oͤfter ich es brauche, Wenn ich den Othem zieh’ und stets ihn von mir hauche. Je mehr es wunderbar und groß: Je mehr und oͤfter sollt’ auch ich daran gedencken, Und dem, der es mich wuͤrdigt, mir zu schencken, Und der es mir erhaͤlt, mit recht geruͤhrter Seelen, Lobsingen, ihn erhoͤhn, und auf besondre Weise, Zu seiner Weisheit, Lieb’ und Allmacht Preise, Der Wunder Meng’ und Groͤß’ erwegen und erzehlen. Es ist zwar unsers Coͤrpers Bau, Und alles, was ich an ihm schan, Erstaunens-wuͤrdig, wunderbar; X 2 Doch Othem-hohlen. Doch welcher Kiel und welche Zunge Jst, die das Wunder-Werck der Lunge Auf eine solche Art besunge, Wie es die Wuͤrdigkeit, wie es derselben Wehrt Erfodert und begehrt: Jhr Wesen, ihre Lag’, ihr Ampt, ihr Nutz, den wir Jn unserm Coͤrper stets von ihr Empfinden koͤnnen und verspuͤhren, Muß uns zu naͤherer Betrachtung billig fuͤhren. Wer das kuͤnstliche Gewaͤchs unsrer Lungen recht ermißt, Wird, wo er ein Mensch, sich wundern, wie es zube- reitet ist. Aus viel tausend kleinen Blasen, die geschickt sind Luft zu fassen, Und sich von derselben willig aus einander dehnen lassen, Aber die, wenn jene weicht, alsbald sich zusammen ziehn, Jst ihr Wesen zugericht! und die Luft-Roͤhr’ liegt in ihr Wunderbarlich eingesenckt, Und zuerst mit grossen Adern = = = aber, was beschreib ich hier? Weil man es unmoͤglich besser, als es Triller schon gethan, Abzubilden faͤhig ist, und sie besser schildern kann, Fuͤhr’ ich diese schoͤne Stelle, aus desselben Schriften an: „Nunmehr auch zu dem andern Theile, „Der sanft ums Hertz herumgelegt, „Und, zu des Coͤrpers groͤstem Heile, „Sich, wie dasselbe, stets bewegt! „Die Lungen sinds, die wir verstehen, „Die immer auf- und niedergehen, „Und, durch dieß stetige Bemuͤhn, „Bestaͤndig frischen Othem ziehn. „Sie Othem-hohlen. „Sie, gleichend einem Huf der Pferde, „Doch mehr noch einer Klau der Kuh, „Weh’n, als ein Blasebalg, dem Heerde „Des Hertzens Luft und Nahrung zu. „Doch, da sie diesen Zweck erzielen, „So pflegen sie zugleich zu kuͤhlen; „Gleich wie, bey Titans heisser Glut, „Ein ausgespanter Fecher thut. „Die Kraft, so starck sich aufzutreiben, „Und unaufhoͤrlich aufzublehn, „Jst denen Blaͤsgen zuzuschreiben, „Woraus sie eigentlich bestehn; „Als welche fuͤglich mit den Zellen „Der Bienen in Vergleich zu stellen: „Wie schon Hippocrates erkannt, „Eh’ es Malpighius erfand. „Aus diesen Luft-erfuͤllten Hoͤlen „Pflegt sich das schwaͤrtzliche Gebluͤt „Aufs neue gleichsam zu beseelen, „Daß es in frischem Purpur gluͤht. „Denn wenn es matt zuruͤcke kehret, „Nachdem es jedes Glied ernaͤhret, „So wird ihm die verlohrne Kraft „Hier wiederum herbey geschafft. „Weil Hertz und Lunge nun vor allen „Regenten unsers Lebens seyn; „So machen sie mit den Vasallen „Und Dienern sich nicht zu gemein. X 3 „Da- Othem-hohlen. „Dahero haͤngt vor ihrer Staͤdte „Gar eine kuͤnstliche Tapete, „Die, als im alten Testament, „Das Heiligste vom Heil’gen trennt. Siehe D. W. Trillers Poetische Betrachtungen uͤber verschiedene aus der Natur und Sitten-Lehre hergenommene Materien, pag. 162. seqq. Wobey ich zum Beschluß Noch die Betrachtung fuͤhren muß: Erwege, deinem GOtt und Schoͤpfer doch zur Ehre, Wenn nur allein die Lung’ in dir nicht richtig waͤre, Wie elend wuͤrde doch dein armes Leben seyn! Ein jeder Augenblick wuͤrd’ immer neue Pein, Mit Husten, Keichen, Seiten-Stechen, Jn deiner fast zerfleischten Brust, Die voller Schleim und Wust, Als wenn sie immer wolte brechen, Erregen; da du jetzt, wenn du’s erwegst, mit Lust Den Athen in dich ziehst, dein heisses Blut erfrischest, Der Luft gesunde Theil’ in deinem Coͤrper mischest, Und froͤlich leben kannst; wenn du nur selber wilt Die Kraͤfte deiner Seel’ auf dieses Wunder lencken, Und, daß du sanfte lebst, Beym sanften Athen-ziehn, Doch oͤfters als du thust, bemuͤht bist zu bedencken. Ach moͤgten wir dieß Wunder oft betrachten Und, wie es in der That, es fuͤr ein Wunder achten, So wuͤrden wir bey jedem Athem-ziehn, Dem grossen GOtt zu dancken uns bemuͤhn, Und uns zu gleicher Zeit bestreben, Jn unsrer Lust zu seiner Ehr’ zu leben! Ei- (***) Einige Betrachtungen uͤber unsre Sinnen. E s scheint, wann wir uns recht betrachten, daß, ob zwar junger Kinder Seelen Die Faͤhigkeiten, zu vergleichen, zu schliessen, zu verstehn, nicht fehlen; Doch die gedachten Faͤhigkeiten und ihres Wesens rege Kraft Ohn unsrer Sinnen Wunder-Werckzeug, ohn’ unsrer Sinnen Eigenschaft, Sich immermehr entwickeln wuͤrden. Die Sinnen wir- cken blos allein, Daß wir der Coͤrper gut geniessen, daß sie fuͤr uns ge- schaffen seyn, Daß, auf so wunderbare Weise, mit Coͤrpern Geister sich verbinden, Daß wir, was auf der Welt vorhanden, geniessen, sehen und empfinden, Daß wir der Creaturen Schoͤnheit, die, auf so manche Weise, schoͤn, Daß wir so viele Form- und Farben, daß wir des Lichtes Wunder sehn. Ohn unsre Sinnen, wuͤrden Coͤrper, die durch die Sin- nen mit den Seelen Auf eine mittelbare Weise, wie wirs empfinden, sich ver- maͤhlen, Sich, recht als waͤren sie nicht da, den Seelen gantz und gar verhehlen. So laßt uns denn der Sinnen Gaben, die unsre Seelen gleichsam naͤhren, Zu ihrem Endzweck doch gebrauchen, und durch sie GOtt, als Schoͤpfer ehren! X 4 Ge- Einige Betrachtungen uͤber unsre Sinnen A. Geliebter Freund du zeigest zwar, Daß alle Werckzeug’ unsrer Sinnen so kunstreich und so wunderbar, Und wilst dahero dieses schliessen: Daß wir, mit ihnen, und durch sie, den grossen Schoͤp- fer ehren muͤssen. Allein, wir koͤnnen an den Thieren, Daß ihre Sinnen ja so wol, als unsre Sinnen, Wun- der-reich, Daß sie den unsrigen nicht nur in allen Stuͤcken wuͤrck- lich gleich, Ja daß sie oft noch schaͤrfer sind, erkennen sehen und verspuͤhren: Doch darum wirst du ja von ihnen, verhoff’ ich, dieses nicht verlangen, Daß sie die Sinnen, unsern GOTT als Schoͤpfer zu erhoͤh’n, empfangen. B. So wie die Thier’ uns blos zum Besten; so muͤssen wir, zu GOttes Ehren, Mit Danck und mit Vergnuͤgen schmecken, empfinden, riechen, sehn und hoͤren. Unge- Ungewißheit. J n dieser hellen Finsterniß, Jn welcher wir auf Erden stecken, Wird ein Vernuͤnftiger gar leicht entdecken, Daß alles Wissen ungewiß. Die Ungewißheit geht so gar so weit, Daß man, Mit Recht und Zuverlaͤßigkeit, Daß alles ungewiß, gewiß kaum sagen kann. X 5 Wir- Wirckung Goͤttlicher Allgegenwart. Wirckung Goͤttlicher Allgegenwart. E s ist in allen seinen Wercken, Die so bewunderns-wuͤrdig schoͤn, Der Schoͤpfer selbst zwar nicht zu sehn; Doch seine Gegenwart zu mercken. Und darum wirckt der Wunder Menge Und ihr so herrliches Gepraͤnge, Wovon wir uns umgeben schauen, Jn mir ein froh und heiligs Grauen. Wen sollt’ auch nicht ein Grauen ruͤhren, Wenn man die Nachbarschaft ermißt, Die GOttheit selbst so nah zu spuͤhren, Die auch den Engeln schrecklich ist. Doch nein! Es zeigt der Wunder-Schein Der Creatur, die ihn verhuͤllet, Daß er zu schrecken nicht gewillet; Er will von uns geliebet seyn. Er wollt ein ungezehltes Heer Von Wundern, uns zur Lust, bestimmen; Er schuf ein rechtes Anmuths-Meer, Worinn wir Menschen gleichsam schwimmen. Er will, man soll vergnuͤget leben, Sonst haͤtt’ er sie uns nicht gegeben; Jndem er uns fuͤr ihre Pracht So Wunder-wuͤrdig sinnlich macht. Wir Wirckung Goͤttlicher Allgegenwart. Wir haben einen freyen Willen, Warum will denn die Menschheit nicht, Nach ihrer so bequemen Pflicht, Was GOtt so gnaͤdig will, erfuͤllen? Will sie denn lieber nichts betrachten, Den Schoͤpfer im Geschoͤpf verachten, Und lieber murrisch seyn in allen, Als froͤlich seyn, und GOtt gefallen? Glaͤ- Glaͤserne Kugel. Glaͤserne Kugel. A uf einer Kugel, die von Glas, und auf gewisse Art verguͤldet, Sah ich die Vorwuͤrff uͤberall, Bewundrungs-wuͤrdig- klein gebildet, Mit unverwendten Blicken, an. Unglaublich ist, wie klar, wie rein, Wie nett und zierlich alle Coͤrper verkleinert und formiret seyn! Jndem ich es erstaunt betrachte, faͤllt mir nicht sonder Ursach bey, Daß diese glatt’ und runde Kugel ein Bild von einem Au- ge sey. Der Unterscheid steckt blos darin, daß von den Coͤrperli- chen Dingen Die Bilder auf der Kugel nur formirt, und gleichsam ruͤckwerts springen; Da sie hingegen in das Auge, ja gaͤntzlich durch dasselbe dringen Und auch die untre Ruͤnde ruͤhren, ja durch ein Nervgen weiter gehn; Wodurch im menschlichen Gehirne, so dann Betrachtun- gen entstehn, Wenn nur das Nervgen nicht verstopft. Weil sonst nicht mehr, als Ochsen-Augen, Der Menschen Augen was sie sehn, zu sehn und zu be- trachten taugen. Wenn nun beym Sehen, ohne Dencken, die Menschen kei- ne Menschen seyn; So fiel, so dir als mir zur Lehre, mir folgende Vermah- nung ein: Laß Glaͤserne Kugel. Laß doch, bey aller Pracht der Wunder hier auf Erden, Dein Auge, lieber Mensch, kein Ochsen-Auge werden! Ach nein! Laß es, zu GOttes Ruhm, ein Menschen Auge seyn! Eroͤfne die an ihm befindlichen Canaͤle, Und laß die Pracht von den erschaffnen Dingen, Durch sie, sich ins Gehirn, den Sitz der Seele, Ja in die Seele selber dringen. Laß durch Gewohnheit dir die Thuͤren nicht verriegeln, Wodurch die Welt mit dir, du mit der Welt, vereint, Durch die der GOTTHEIT Glantz, als wie von hellen Spiegeln, Aus seinen Wercken wiederscheint! Wir sehen ja das eigentliche Licht, Ohn einen Gegenschlag von festen Coͤrpern, nicht. So kann man auch der GOttheit Lieb und Macht Ohn seiner Creaturen Pracht Unmoͤglich sehn, erkennen und verehren. Die Creaturen sinds allein, Die uns von seiner GOttheit Schein Die herrliche Beschaffenheit erklaͤren. Drey Dinge braucht ein Thier zum Sehen: das Gesicht, Der Coͤrper Vorwuͤrff’ , und das Licht. Wer aber als ein Mensch will sehen, muß das Dencken Annoch zu diesen dreyen lencken, Und diese Seelen-Kraft noch zu den andern fuͤgen; Sonst hat der Mensch von allem, was auf Erden, Kein’ eigentliche Lust, kein menschliches Vergnuͤgen, Und GOtt kann nicht gedanckt noch angebehtet werden. Er- Erklaͤrung des Vater Unsers. S o wol der Anfang, als der Schluß Des Vater Unsers , zeiget an, Daß, auch im Beten, jedermann Auf die Verherrlichung des Schoͤpfers gehen muß. Es giebet Christus selbst den deutlichsten Bericht, Der je davon zu unsrer Kundschaft kame, Wenn er zu Anfang: Vater ! spricht, Geheiligt werde stets dein Nahme! Wie kann nun GOttes Nahm’ auf Erden Von uns doch mehr geheiligt werden, Als wenn wir, wie sein Werck so schoͤn, Jn froͤlicher Betrachtung, sehn? Sein Reich wird wenigstens auch darin mit bestehn, Wenn wir, in seinem Werck, mit Lust, sein Lob erhoͤhn. Sein Wille wird zugleich, wenn dieß geschicht, geschehn. Auch unser taͤglich Brodt zeigt seiner Wercke Macht, Und wird, aus weiser Huld, von ihm hervorgebracht. Wenn Christus das Gebeth nun endlich schleußt; So finden wir noch mehr: indem es heißt: Denn es ist dein das Reich, die Kraft, die Herrlichkeit Jn Ewigkeit. Es faͤhrt am selben Ort Der HErr noch weiter fort, Und heißt in Lilien, da sie so schoͤn, An Voͤgeln und am Gras’ uns GOttes Allmacht sehn. Ach Erklaͤrung des Vater Unsers. Ach, warum nehmen wir denn nicht Die, durch Natur und Schrift uns eingepraͤgte, Pflicht Mit mehrerm Ernst in acht? Auf, laßt uns uͤberall in GOttes Wercken, Mit Andacht, Lust und Ehrfurcht, mercken Des Schoͤpfers Weisheit, Lieb’ und Macht ! Die (***) Die uns zur Ehre GOttes leitende Creatur. E s lieget in der Menschen Seelen Zum Dancken eine Faͤhigkeit; Doch wird die trefliche Beschaffenheit, Wofern des Schoͤpfers Werck’ ihr fehlen, Und nichts sie durch die Sinne ruͤhrt; Als waͤre sie nicht da, auch nicht verspuͤhrt. Es muß zugleich auch die Betrachtungs-Kraft, So ebenfals der Seelen Eigenschaft, Sich mit den Sinnlichen verbinden; Wir muͤssen mit Bedacht empfinden. Wann dieß geschicht; kann es nicht anders seyn, Wir werden solche Triebe fuͤhlen, Die auf die Qvell der Lust allein, Auf unsers Schoͤpfers Ehre, zielen. Wunsch. Wunsch. M oͤgt’, o HErr, von deiner Guͤte Und von deiner Allmacht Schein Mein betrachtendes Gemuͤhte Ein vernuͤnft’ger Spiegel seyn! Moͤgt’ in mir, wenn Danck und Liebe, Sammt der Andacht reinem Triebe, Sich zu meiner Frende fuͤgen; Jn mir, als im Wiederschein, Dir dein’ Allmacht sichtbar seyn; Mein Vergnuͤgen dich vergnuͤgen! Y Pflicht Pflicht des Geistes. M an sieht nicht einst das helle Sonnen-Licht, Es leuchtet nicht, es waͤrmet nicht, Wo es sich nicht an Coͤrpern bricht, Nicht ruͤckwerts faͤllt, nicht reflectiret. So wird von unserm Geist auch nichts gespuͤhret, Wo er sich nicht auf Coͤrper senckt, Von ihnen sich nicht ruͤckwaͤrts lenckt, Und, reflectirend, wirckt und denckt. Das (***) Das Welt-Buch. D as grosse Buch der Welt giebt uns von deinem Wesen, O Schoͤpfer aller Welt, viel herrliches zu lesen; Wohin ich gehe, wo ich stehe Wohin ich dencke, hoͤr’ und sehe, Erblick ich uͤberall Bewundrungs-wehrte Schriften, Die, daß dein’ Allmacht-Hand, aus ew’ger Huld getrieben, Sie blos, in unsrer Lust, zu deinem Ruhm geschrieben, Ein unvergaͤnglich Merckmahl stiften. Es zeiget uns die Schrift der Creaturen, Ja jeder Buchstab schon allein, Von deiner Macht ein Licht, und einen hellen Schein Von deiner Weisheit Spuren. Gewehnte man sich nur, zu deiner Ehr’, O GOtt! in dieser Schrift zu buchstabiren; So wuͤrd uns immer mehr und mehr Dein grosses Wort, ihr wahrer Jnnhalt, ruͤhren, Und dieses Wunder-Buch des Himmels und der Erden Wuͤrd’ uns das rechte Buch der Weisheit werden. Y 2 Leich- Leichter GOttes-Dienst. Leichter GOttes-Dienst. E s ist nicht nur jedwede Stunde; Es ist ein jeder Augenblick, Ja jede fluͤchtige Secunde Von unsrer Lebens-Zeit ein Stuͤck. Du laͤssest eine nach der andern Verfliegen, schwinden und vergehn, Die kuͤnst’ge zur vergangnen wandern, Ohn, was du guts hast, anzusehn; Wie lange denckst du dein Ergetzen Ob allem, was dir GOtt geschenckt, Und deinen Danck hinauszusetzen? Du lebst in Friede, bist geehret, Du bist gesund, du hast dein Brodt, Und was zur Nothdurft dir gehoͤret: Wilst du denn, biß an deinen Todt, Den, der dir alles gab, zu lieben, Jn deiner Lust ihn zu erhoͤhn, Biß (sag ich) an den Todt verschieben, Und daß nur er dirs gab, verstehn, Um dann den Rest von deinem Leben, Mit inniglicher Danckbarkeit, Den grossen Geber zu erheben? Jetzt thu es! jetzo ist es Zeit! Es Leichter GOttes-Dienst. Es will fuͤr alle seine Gaben, Die er dir schenckte, GOtt der HErr Nicht lange Complimenten haben; Er heischt kein aͤngstlich Wort-Geplaͤrr: Man darf des Schoͤpfers Dienst nicht scheuen; Man ist belohnt, wenn man ihn ehrt. Sich sein in seinen Wercken freuen Jst aller Danck, den er begehrt. Y 3 Recht- Rechtmaͤßige Betruͤbniß. Rechtmaͤßige Betruͤbniß. A us einem tieffen Schlaf war ich an einem Morgen, Wie es schon ziemlich spat, erwacht; Es hielte mich des Vorhangs falsche Nacht Wie schon die rechte Nacht vorbey, annoch verborgen: Als ich, noch halb verwirrt durch einen schweren Traum, Den gruͤnen Vorhang schnell zuruͤcke, Die Augen aufwaͤrts, schlug: gleich traf die traͤgen Blicke Ein gruͤn so helles Feur von einem Linden-Baum, Der meine Fenster deckt’ und welcher von der Sonnen So herrlich angestrahlt, daß meine Augen kaum, Und zwar in einigen Secunden, Dieß durch das zarte Laub gefaͤrbte Sonnen-Licht Recht anzusehn sich faͤhig funden. Es sah mein fast fuͤr Lust verblendetes Gesicht, Das hin und her mit schnellen Blicken lieffe, Jn dieses schoͤnen Baumes Tieffe, Nebst tausend schoͤn-bestrahlten hellen, Viel tausend dunckel-gruͤne Stellen, Die alle dem Smaragd an gruͤner Schoͤnheit gleich, Und ja so sehr, wie er, an Glantz und Schimmer reich, Noch schoͤner an Figur. Es ist nicht zu beschreiben Wie lieblich alles war; Zumahl da durch die groß- und klaren Fenster-Scheiben Das, was man sah, noch einst so klar. Nicht moͤglich ists, wenn auch ein Feuer-Werck Jn gruͤnen Flammen brennte, Daß es noch herrlicher, als dieses, glaͤntzen koͤnnte. Jch Rechtmaͤßige Betruͤbniß. Jch ward durch alle Lust, die ich durchs Auge spuͤrte, Durchdrungen und so sehr bewegt, Daß mich, fuͤr Lust, ein heiligs Trauren ruͤhrte, Wie ich bedachtsam uͤberlegt, Daß, fuͤr so manche Lust, die hier in diesem Leben Der grosse Schoͤpfer uns gegeben, Die uns belustigen und nuͤtzen, Wir so gar wenig Faͤhigkeit, Die GOttheit kraͤftiger und oͤfters zu erheben, Da man so viel besitzt, besitzen, Und daß wir seine Werck in Andacht anzusehn, Und ihn im Sehen zu erhoͤhn, Mit solcher Traͤgheit uns bestreben. Jch selber fuͤhl’ in mir Noch lange, leider! nicht so viele Danck-Begier, Als wie ich wol zuweilen wollte, Und als ich, billig, stets empfinden sollte. Da ich doch mehr vielleicht, als iemand, uͤberfuͤhrt, Wie sehr in unsrer Lust dem Schoͤpfer Danck gebuͤhrt. Jch weiß dabey nichts anders anzufangen, Als meinen Schoͤpfer anzuflehn, Daß ich, sein herrlich Werck mit Lust oft anzusehn, Die Gnad’ und Faͤhigkeit von ihm doch moͤg’ erlangen! Y 4 Kraͤfte Kraͤfte der menschlichen Vernunft. H ier seh ich, an verschiednen Stellen, Ein Silber-reines Wasser qvellen, Erst uͤber weissem Sande fliessen, Hernach sich uͤbers Land ergiessen, Sich uͤber Weg und Fuß-Steig lencken, Und Wiesen, Gras und Kraut ertraͤncken. Mir fiel bey diesem Wasser, ein: Es hieß der Schoͤpfer, auf der Erden Zwar alle Ding’ und Coͤrper werden; Doch koͤnnen sie sich nicht allein Nach Ordnung und Vernunft regieren; Es muͤssen darum Menschen seyn, Um sie zum rechten Zweck zu fuͤhren. Dem Geist des Menschen ist die Kraft Von dem, der alles schuf, geschencket, Daß er der Coͤrper Eigenschaft Nach Regul, Maaß und Ordnung lencket. Was koͤnnte nicht, aus diesem Bach, Der Tag und Nacht bestaͤndig laͤuft, Und, sonder Aufsicht, nach und nach Das Land verderbet und ersaͤuft, So wol zur Lust, als Fruchtbarkeit der Erden, Fuͤr Nutzen nicht geschaffet werden? Solch unsern Geist betrachtendes Erwegen Kann uns aufs neu von unsers Geistes Wehrt, Und was fuͤr Gaben ihm beschehrt, Die Wahrheit klar vor Augen legen. Ve r- Kraͤfte der menschlichen Vernunft. Verdienet es demnach gar wol, mit ernstem Dencken, Der Seelen Kraft auf ihre Kraft zu lencken, Und, GOTT so wohl zum Ruhm, als uns zum Nutz, zu sehn Die Wunder, welche GOtt in sie zu sencken Sie wehrt geachtet hat, ihn dadurch zu erhoͤhn: Es ist wahr, es hat der Mensch nicht die schnelle Fertigkeit, Seine Stelle zu veraͤndern, und sich uͤber Thal und Huͤgel Schnellen Voͤgeln gleich zu schwingen, und sich, in so kur- tzer Zeit, An entfernten Ort zu schaffen: denn er hat ja keine Fluͤgel. Gleichfals sind wir nicht so starck, wie verschiedne Thiere, die Wir, Bewundrungs-voll, mit Hoͤrnern, Zaͤhnen, Sta- cheln, scharffen Klanen Sich zu schuͤtzen, sich zu naͤhren, wunderbar bewaffnet schauen. Ja, noch mehr; wir finden uns nicht gekleidet, wie das Vieh, Von den Haͤnden der Natur, da die Menschen auf der Welt Ohne Peltz-Werck, Federn, Schuppen, gegen Wetter, Hitz’ und Kaͤlt’, Ohne den geringsten Schutz, nackt und bloß gebohren werden. Schickt so nackte Duͤrftigkeit sich zum Koͤnige der Erden? Antwort: Uns ist die Vernunft geschenckt, und durch diese sind wir reich, Starck, und wol versorgt mit allem, was uns noͤhtig thut, zugleich. Y 5 Durch Kraͤfte der menschlichen Vernunft. Durch dieselbe werden wir uͤberzeuglich gnug belehret, Daß was alle Thiere haben, eigentlich uns zugehoͤret. Daß sie wuͤrcklich unsre Sclaven, daß ihr’ Arbeit, Dienst und Leben Uns allein zu unserm Nutzen, Dienst und Willkuͤhr uͤber- geben. Haben wir ein Wildpraͤt noͤhtig; wird ein Falck, ein Hund geschickt, Welcher, sonder unsre Muͤhe, das, was man verlangt, be- ruͤckt, Und in unsre Kuͤche liefert. Aendert sich die Jahres-Zeit, Und wir wollen, uns zum Schutz und zur Zier, ein an- der Kleid; Zins’t das Schaf uns seine Wolle, zollet das Cameel sein Haar Und es spinnt der Seiden-Wurm uns ein leicht und schoͤn Gewand. Es ernaͤhren uns die Thiere, sie bewahren uns so gar, Ja sie tragen unsre Lasten, bau’n und pfluͤgen unser Land; Dieses ist noch nicht genug: Es sind nicht die Thiere nur, Die uns Kunst und Staͤrcke leih’n; die Vernunft zwingt, uns zu dienen, Auch die Unempfindlichsten unter aller Creatur. Selbst die allerstaͤrcksten Eichen, die auf hohen Bergen gruͤnen, Bringet sie zu uns herab; sie weis Felß und Stein zu trennen Aus der Erden duncklem Schoß, daß wir sicher wohnen koͤnnen. Wollen wir von einem Land-Strich, auch selbst uͤbers Meer, zum andern Wahre haben, oder senden, ja auch selbst mit ihnen wandern; Brau- Kraͤfte der menschlichen Vernunft. Brauchen wir, zu diesem Endzweck, der Gewaͤsser Fluͤßigkeit, Auch der Luͤfte Hauch, den Wind. Elementen und Metallen Sind, durch Kraͤfte der Vernunft, uns zu unserm Dienst bereit. Wo sie was von Coͤrpern brauchen, nimmt sie, was ihr dient, von allen. Sind wir gleich nur klein, doch giebet die Vernunft uns solche Macht, Die sonst anders keine Graͤntzen, als der Erden Graͤntzen kennet, Deren Flaͤche wir bewohnen. Was wir wollen wird voll- bracht, So bey Nordens kaltem Eys’, als wo stets die Sonne brennet. Wir verbinden, so zu reden, beyde Theile dieser Welt, Ohn uns gleichsam zu bewegen, wann und wie es uns gefaͤllt. Die Gedancken mahlen wir; diese Schrift wird weggesandt, Und durch so viel tausend Menschen dringet sie, macht un- sern Willen Auf viel tausend Meilen kund, um denselben zu erfuͤllen; Ja man machet durch den Druck ihn der gantzen Welt bekannt, Laͤßt ihn gar, nach unserm Tod’, auch die spaͤtste Nach- Welt wissen, Mehr als tausend Jahr hinaus, so daß wir bekennen muͤssen: Alle Wunder der Vernunft haben weder Ziel noch Ende! Sie verschoͤnert, sie verbessert, und bereichert alle Staͤnde; Sie ist in der Kuͤnstler Fingern minder nicht bewunderns wehrt, (Wodurch sie uns manche Schoͤnheit und Bequemlichkeit beschehrt) Als in der Gelehrten Schriften, worinn sie uns eine Quelle, Die Kraͤfte der menschlichen Vernunft. Die nicht zu erschoͤpfen ist, von Belehrung, Trost, Vergnuͤgen, Besserung und Huͤlfe wird; ja sie weiß annoch zu fuͤgen, Jn so vielen Wirckungen, Nutzen und Vortreflichkeit, Einen Vorzug der annoch groͤssere Vollkommenheit Jhres edlen Wesens weiset, den wir Augen-faͤllig mercken Und zu Tage legen koͤnnen, sie ist von des Schoͤpfers Wercken Recht der Mittel-Punct auf Erden; recht der Endzweck scheinet sie; Ja sie macht von ihnen allen gleichsam recht die Harmonie. Laßt uns einen Augenblick die Vernunft vom Erd- Kreis nehmen; Laßt uns dencken, daß kein Mensch sich auf Erden mehr befindet, Alsobald ist alles weg, was des Schoͤpfers Werck verbindet, Alsobald wird alle Ordnung fort, ein Jrrthum allgemein, Schmutz und Unrath allenthalben, uͤberall Verwirrung seyn. Von dem hellen Sonnen-Licht wuͤrde zwar der Kreis der Erden Angestrahlet und gefaͤrbt, lieblich, schoͤn, und praͤchtig werden: Doch die Erde, welche blind, braucht vom hellen Glantz des Lichts Und von aller ihrer Schoͤnheit, Farben, Pracht und Schimmer nichts: Durch die Waͤrme, Thau und Regen, wuͤrden zwar die Saamen keimen Und das Feld mit Gras bedecken auch verschiedne Fruͤcht’ entspringen; Doch es sind verlohrne Schaͤtze. Keinem wird es Nutzen bringen, Nie- Kraͤfte der menschlichen Vernunft. Niemand um sie einzusammlen, zu verzehren, aufzuraͤumen, Und das Unkraut zu vertilgen waͤre da. Die Erde wuͤrde, Wie man es nicht leugnen kann, zwar verschiedne Thiere naͤhren; Aber diese niemand nutzen, keinem einen Dienst gewaͤhren. Nicht geschohrne Schaafe wuͤrden der beschmutzten Wolle Buͤrde Kuͤmmerlich nur tragen koͤnnen. Ja es wuͤrden Kuͤh’ und Ziegen, Von zu vieler Milch beschwert, kranck und ungemolcken liegen, Nichts als lauter Wiederspruch wuͤrd’ an allen Orten seyn. Steine, die zum Bauen tuͤchtig, schließt der Schooß der Er- den ein Nebst den koͤstlichsten Metallen; doch Bewohner fehlen ihr, Ja so wol als kluge Kuͤnstler, welche sonst aus tausend Sachen Tausendfache Schaͤtzbarkeiten, zur Beqvemlichkeit, zur Zier, So zum Nutzen, als Ergetzen, zu formiren und zu machen Tauglich und geschicklich sind. Es ist ihre Flaͤch’ ein Garten, Angefuͤllt von Pracht und Schoͤnheit von fast ungezehlten Arten; Aber er ist nicht zu sehn. Die Natur in ihrer Pracht Jst ein wunderschoͤner Schau-Platz; wovon aber keine Spur Jemand in die Augen faͤllt. Aber laßt uns der Natur Nur den Menschen wiedergeben! laßt nur die Vernunft auf Erden Wieder dargestellet werden! Alsobald wird ein Verband, ein Zusammenhang, Verstaͤndniß Eine Harmonie und Einheit, Lust, Empfindlichkeit, Erkaͤnntniß Ueber- Kraͤfte der menschlichen Vernunft. Ueberall zugegen seyn und regieren. Selber Sachen, Die fuͤrs menschliche Geschlecht die Natur nicht scheint zu machen, Sondern nur fuͤr Thier und Pflantzen, haben, wenn mans recht erwegt, Doch die Absicht auf den Menschen, durch die Dienste, die von ihnen, Da sie mittelbar uns dienen, Mancher zu geniessen pflegt. Eine Muͤcke legt die Eyer auf das Wasser; draus entstehn Kleine Wuͤrmer, welche lang’ in gedachtem Wasser leben, Eh’ sie in die Luft sich heben, Diese dienen nun zur Nahrung, Krebsen, Wasser-Voͤgeln, Fischen, So man uns pflegt aufzutischen; Jst es also fuͤr den Menschen, auch so gar, daß Muͤcken seyn. Er verbindet aller Wesen; die man allenthalben spuͤret, Alle zielen auf ihn ab. Seine Gegenwart allein Jst die Stelle, wo ein Gantzes aus viel Theilen sich formiret, Er ist gleichsam ihre Seele. Ja es ist der Mensch nicht nur Der Geschoͤpfe Mittel-Punct, die ihn uͤberall umringen; Er ist uͤberdem ihr Priester. Er ist ihrer Danckbarkeit Gleichsam ein getreuer Dollmetsch. Wenn sie GOTT ihr Opfer bringen, Der sie ihm zur Ehr gemacht; wenn sie ihrem HERRN lobsingen, Schallet es durch seinen Mund. Es begreift der Diamant Weder seinen eignen Wehrt, Noch denjenigen, der ihm solchen schoͤnen Glantz beschehrt; Der die Thiere naͤhrt und kleidet ist den Thieren unbekannt: Es erkennet blos allein ihren Schoͤpfer der Verstand, Da Kraͤfte der menschlichen Vernunft. Da der Geist sich zwischen GOtt und den Creaturen findet, Weiß er, da er ihrer braucht, und durch sie viel Guts empfindet, Daß ihn seine Pflicht zur Lieb’ und zum Lob und Danck verbindet. Ohn Vernunft ist die Natur selber stumm. Durch sie hergegen, Preisen alle Creaturen den, der ihnen Seyn und Seegen Zugetheilt und anerschaffen. Die Vernunft allein begreift, Daß sie sey, auch von ihm sey; sie allein vermag zu fassen, Jn wie eine grosse Menge ihr empfangnes Gut sich haͤuft; Sie besitzt das grosse Gluͤck (so sich nicht kann schaͤtzen lassen) Daß sie GOtt weiß anzubeten, und fuͤr was er ihr beschehrt, Was in ihr, und um sie ist, ihn verherrlicht und verehrt. Son- Sonnen-Schein in der Nacht. J ch seh, auch mitten in der Nacht, Jm hellen Mond der Sonnen Pracht, Ob es die wenigsten gleich meinen, Jm Wiederschlag auf Erden scheinen. So danckt dem, der den Mond gemacht, So daß, auch mitten in der Nacht, Er unsrer Sonnen Licht und Pracht, Die stets das Firmament erfuͤllet (Doch wenn sie nicht an etwas faͤllt Den Creaturen dieser Welt Nicht sichtbar ist) vor uns enthuͤllet, Und laßt uns, ob der Sonnen Schein, Den uns der Mond zeigt, froͤlich seyn, Und unserm GOtt, um ihn zu preisen, Doch eine frohe Seele weisen! Wie kann der grosse Schoͤpfer wollen, Daß wir ihm etwas anders zollen, Als eine, mit geruͤhrter Brust, Aus seinem Werck empfundne Lust? Lob Lob GOttes bey Betrachtung seiner Wercke. Q uell aller schoͤnen Creaturen! Jch seh von deiner weisen Macht An allen Orten Wunder-Spuren, Jndem ich, wo ich geh’ und stehe, Wohin ich meine Blicke drehe, Am Himmel an der Sonnen Glut, Auf Erden in der Luft und Fluth, Den Ausbruch deiner Liebe sehe; Daher ich, weil in deinen Wercken Du gegenwaͤrtig zu bemercken; Jn ihnen billig dich erhoͤhe. Z Be- (***) Betrachtung wallender Wasser-Wogen. A uf einem sichern Schif, worauf ich mich befinde, Betracht’ ich jetzt die, durch die wilden Winde, Starck aufgebrachte Fluth, die sich gewaltig baͤumet, Entsetzlich wallet, braus’t, und schaͤumet. Die Wellen drohen sich einander zu verschlingen; Die suchet jene zu bezwingen; Dort sieht man Berge schnell sich neigen, Dort tieffe Thaͤler ploͤtzlich steigen. Es wuͤthet, wuͤhlt und wallt die Fluth. So weit wir sehn Sucht alles sich zu sencken, zu erhoͤhn. Hier siehet man von unten dicke Wellen Sich auf einmahl erheben, baͤumen, schwellen. Wenn nun in ihrer Fahrt ein’ ander’ ihr begegnet, Sieht man sie sich so heftig drengen, Daß sie, beschaͤumt, als wenn es regnet, Rings um sich grosse Tropfen sprengen. Hier woͤlben sich die regen Wogen, Formiren umgekehrte Bogen; Dann steigen graue Berg’ allmaͤhlig in die Hoͤh, Mit weissen Schaum bedeckt, als wie mit Schnee. Oft sincken sie, zerborsten, ploͤtzlich nieder, Oft heben sie sich schnell und steigen ploͤtzlich wieder. Jndem ich meine Blicke nun Auf diesem Platz der Unruh liesse ruhn; Entstunden bey der Wellen Wancken Bey mir die folgenden Gedancken: Wann aus der tieffen Fluth sich eine Well’ erhebt, Sich abgesondert, hoch zu steigen, Vor andern schwuͤlstig sich zu zeigen Oft sanft, oft ungestuͤm bestrebt, Doch Betrachtung wallender Wasser-Wogen. Doch ploͤtzlich sinckt, vergehet und verschwindet Und mit derselben Fluth, aus welcher sie entsprungen, So bald sie von ihr eingeschlungen, Sich wieder, wie zuvor, vermischt befindet; So kommt solch eine Welle mir Als wie ein Bild von unserm Leben fuͤr. Jndem wir mit den Stoff der Erden, Aus welchem wir entstehen und bestehn, Nachdem man uns hier kurtze Zeit gesehn, Jm Grabe wiederum vermischet werden. Noch dacht ich bey der Fluth und dem erblickten Strand: Bestehet nicht das feste Land Aus lauter kleinen Koͤrnchen Sand? So wie das tieff’ und weite Meer Aus einem grossen Tropfen-Heer? Mir faͤllt bey diesem Dencken bey: Ob nicht vor GOtt die gantze Erde Zum Sand-Korn, und das Meer zu einem Tropfen werde; Ob beides, gegen GOtt, wol mehr zu rechnen sey? Z 2 Ver- Vermehrung vergnuͤgter Tage. B ey aufgeklaͤrter Luft, im warmen Sonnen-Strahl, Spricht mancher Mensch noch wol einmahl: Heut ist das Wetter schoͤn! Kaum aber hat er dieß gesprochen, (Als waͤre GOtt nun Ehre gnug geschehn) Wird seine Red’ und Lust gleich abgebrochen. Er laͤßt den gantzen Tag vergehn, Ohn an desselben Pracht und an der Sonnen Schaͤtzen Sich im geringsten zu ergetzen, Und sie geruͤhret anzusehn; Da, wenn wir recht vernuͤnftig handeln wollten, Wir billig uͤberlegen sollten, Daß ja ein schoͤner Tag, aus vielen Viertel-Stunden, Noch mehr Minuten und Secunden, Jn seiner Pracht besteht, Daß jeder Augenblick, wenn man es nur bedenckt, Uns eine neue Lust und solche Freude schenckt, Die uns ein gantzer Tag Der ungefuͤhlt verstreicht zu geben nicht vermag. Wir theilen sonst die Zeit Durch Uhren ein: Warum wird doch der Anmuth Fluͤchtigkeit Durch Theile nicht gehemmt? Ach wuͤrde, GOtt zu Ehren, Auch unsre Lust zugleich dadurch zu mehren, Bey schoͤnem Wetter doch zum oͤftern uͤberdacht: Aufs neu’ hab ich ein Theil von meinem Leben, Das mir der Schoͤpfer hat gegeben, Jm schoͤnen Sonnen-Licht, GOTT Lob! ver- gnuͤgt verbracht: Hie- Vermehrung vergnuͤgter Tage. Hiedurch kann uns ein schoͤner Tag auf Erden, Den wir, da man an ihn so kurtze Zeit gedacht, Fast zur Minute nur bißher gemacht, Zu vielen schoͤnen Tagen werden. Weil eigentlich durchs Dencken blos allein Wir im Besitz vom Guten seyn. Z 3 Noth- Nothwendiger Dienst Nothwendiger Dienst des Schoͤpfers. S o weit wir des Verstandes Kraͤfte mit aller Faͤhigkeit erstrecken, Um in den Kraͤften unsers Geistes was GOtt anstaͤndigs zu entdecken; So scheinet die Empfindlichkeit der Seelen, wenn wir, in den Wercken Des Schoͤpfers, seine Herrlichkeit und Macht und Lieb und Weisheit mercken Und sie darin mit Lust bewundern, so viel wir hier begreif- fen koͤnnen, Das erste Stuͤck des GOttes Diensts ja fast das eintzige zu nennen. Erschrick, als Christ, hieruͤber nicht und denck’, ob woll’ ich deinen Glauben, Mithin dein gantzes Christenthum, durch diesen meinen Satz dir rauben: O nein; der bleibet Felsen-fest. Laß uns nur nach der Ordnung gehn, So, hoff’ ich, wirft du was ich sage mir, sonder Wieder- spruch, gestehn. Jst es nicht wahr? daß GOtt der HErr, auch nach der heilgen Bibel Lehren, Von Engeln, von den seel’gen Geistern, und aller Himmel Himmel Heeren, Als Schoͤpfer, angebetet werde? daß sie, wenn sie die Wunder sehn, Die er, in aller Himmel Tieffen, an Millionen Sonn- und Erden, Als Proben seiner weisen Macht und seiner Liebe, lassen werden, Jhn des Schoͤpfers. Jhn durch ihr Heilig! Heilig! Heilig! besingen, preisen und erhoͤhn? Daß in dem seeligen Bewundern, nur ihre Pflichten blos bestehn, Jndem sie ja nicht glauben duͤrffen? Jst es nicht wahr, daß, vor dem Fall, Auch Adam in dem Paradiese an GOttes Wercken uͤberall Sich eintzig wird beschaͤftigt haben? und, wo er nicht ge- fallen waͤre, Er, in dem seeligen Bewundern der Wercke GOTTES, GOttes Ehre Allein verherrlicht haben wuͤrde? Ob wir nun gleich, wie er verfuͤhrt, Der ew’gen Liebe Wunder-Liebe in solchem hohen Grad verspuͤhrt, Daß Christus uns zum Mittler worden; und man dadurch verbunden ist Auch als Erloͤser, GOtt zu ehren, und recht zu glauben als ein Christ; So ist doch unser’ erste Pflicht, als Schoͤpfer unsern GOtt zu loben, Und ihn in seinem Werck zu ehren, dadurch so wenig auf- gehoben, Daß wir vielmehr nach allen Kraͤften des Schoͤpfers Weis- heit, Lieb’ und Macht, Wodurch Er Himmel, Erde, Geister und Menschen hat hervorgebracht, Betrachten, und, nebst unserm Glauben, in froher Lust, bewundern sollten, Wenn wir nicht GOtt, nur unserntwegen, auch seinent- wegen ehren wollten. Z 4 Un- Ungluͤckliche Verabsaͤumung unserer Pflichten gegen den Schoͤpfer. W enn wir fast von den meisten Menschen das Eigent- liche der Jdeen, Die sie sich von der GOttheit machen, mit einem ernsten Blick, besehen; So fuͤrcht’ ich, daß sie sich von ihr fast nichts sonst wissen vorzustellen, Als eines alten, maͤchtigen, vernuͤnftigen Monarchens Bild, Der mit der groͤsten Majestaͤt umgeben sey und angefuͤllt, Ein maͤcht- und eintziger Besitzer so wol des Himmels, als der Hoͤllen, Der die erschaffene Natur vor sich gelassen walten lasse, Und sich, wofern nicht blos allein, doch mehrentheils, da- mit befasse, Bestaͤndig auf die Sterblichen, und ob sie etwan was verbrechen, Damit er ihnen alsobald moͤg’ ein gerechtes Urtheil sprechen, Den ernsten Blick gericht’t zu haben. Von andern seinen Herr- lichkeiten, Und einem Schoͤpfer noch vielmehr anstaͤndlichen Voll- kommenheiten Faͤllt ihnen nicht leicht etwas bey. Es scheint die Eigen- Lieb’ allein Von solchen niedrigen Gedancken die Ursach und die Quell zu seyn. Wir Ungluͤckliche Verabsaͤumung unserer Pflichten ꝛc. Wir scheinen uns selbst wuͤrdig gnug, vom Schoͤpfer Him- mels und der Erden, Zur stetigen Aufmercksamkeit, die Haupt-Beschaͤftigung zu werden. Und ob wir zwar, wenn man uns fragt, ob wir dieß von der GOttheit meinen, Daß er auf uns allein nur achte? daß wir dieß thun, ge- wiß verneinen, Und uns vielleicht verwundern wuͤrden, daß man die Mey- nung von uns fuͤhrt, Da auch ja Prediger wol sagen: daß GOtt die Welt er- haͤlt, regiert; So ist jedoch unwiedersprechlich, daß, da auf Goͤttliche Regierung, Auf seine Weisheit in den Wercken, auf ihre Schoͤnheit, Ordnung, Pracht, Von welchen er durch alle Sinnen die Proben seiner Wun- der-Macht Uns uͤberall vor Augen legt, auf aller seiner Guͤte Fuͤhrung Wir selten ja fast nimmer dencken, noch sie mit frohem Danck betrachten; Wir selbige nicht unsers Denckens, noch der Betrachtung, wuͤrdig achten, Und folglich, um des Schoͤpfers Ehre, sehr wenig uns bekuͤmmern muͤssen. Aus dieser unserer Betrachtung scheint, sonder Wiederspruch, zu fliessen, Daß wir, auch selbst im GOttes-Dienst, mit uns und unserm Thun allein So eigensinnig eingenommen und dergestalt beschaͤftigt seyn, Z 5 Daß, Ungluͤckliche Verabsaͤumung unserer Pflichten ꝛc. Daß, wenn wir, von der GOttheit nichts, nach einer et- wann neuen Lehre Zu fuͤrchten noch zu hoffen haͤtten; wir, wenn auch keine GOttheit waͤre, Uns leicht daruͤber troͤsten wuͤrden. Nun sagen wir hie- durch zwar nicht, Daß wenn wir uns um unsre Seelen mit Ernst bekuͤm- mern, es nicht gut, Erlaubet, ja selbst noͤthig sey; nur dieses, wenn man sol- ches thut, Daß es, mit gaͤntzlicher Versaͤumung des Schoͤpfers Ehr’ und Ruhms geschicht; Jst, wie michs deucht, was straͤfliches. Wollt einer et- wann wiedersprechen, Und sagen, daß der Mensch die GOttheit zu ehren gar nicht faͤhig sey, Und daß es ihm, was alle Menschen von ihr gedencken, einerley; So kann ich mich, das Gegentheil ihm zu erweisen, nicht entbrechen: Es zeigt die heilge Schrift nicht nur, daß unser GOTT, als Schoͤpfer, wolle, Daß man nach allen Kraͤften ihn verehren und ihn preisen solle; Es zeiget uns auch die Vernunft, daß das vernuͤnftigste Geschaͤfte, Wozu die Menschheit faͤhig ist, sey, dieses unsers Geistes Kraͤfte, Demjenigen, von welchem wir uns selbst und Millionen- Gaben (Wodurch sich seine Lieb’ uns zeigt) so wunderbar empfan- gen haben, Nach Ungluͤckliche Verabsaͤumung unserer Pflichten ꝛc. Nach aller Moͤglichkeit zu Ehren und ihm allein zum Ruhm zu leben, Mit froͤlicher Bewunderung wol anzuwenden, zu bestreben. Da er uns selbst den Trieb zur Ehre, als etwas edles, ein- gesenckt, Wovon man sonst nichts wissen wuͤrde, haͤtt er ihn uns nicht selbst geschenckt. Die Ehre scheint der Gegenwurf und Qvell der Anmuth einer Seelen, Bey dem nichts Sinn-nichts Coͤrperlichs; die doch an an- dern Leidenschaften, So gar auch bey den Thieren selbst, nicht aber an der Ehre haften. Die Ehre nun die wir der GOttheit, nach unserm weni- gen Vermoͤgen, (Das ihm nichts bessers liefern kann) geschickt und faͤhig, beyzulegen, Jst ja unstreitig dieses wol: daß wir die allerherrlichste Und von den menschlichen Jdeen die allerwuͤrdigste Jdee, Wozu wir immer faͤhig sind, von Gott in unsrer Seele zeugen, Vor keiner GOttheit, die umschraͤnckt und Graͤntzen hat, die Knie beugen, Und kein ihm unanstaͤndig Bild, ein Goͤtzen-Bildniß, uns errichten, So wieder die uns eingepflantzten, auch die uns vorgeschrieb- nen Pflichten; Da er, von ihm kein Bild zu machen, so scharf: uns unter- saget hat Thut mans gleich leider unterm Bilde von einem Greisen, in der That. Weil Ungluͤckliche Verabsaͤumung unserer Pflichten ꝛc. Weil wir nun zu so hohem Grad nicht selber faͤhig sind zu steigen; So hat uns GOTT in seinen Wercken die schoͤnste Leiter wollen zeigen, Wodurch wir uns auf Freuden-Stuffen nicht nur geschickt seynd zu erhoͤhn; Nein, immer mehr und mehr, ohn Ende, die Groͤsse seines Wesens, sehn, Jhn ehren und ihm dancken koͤnnen. Was nun die Seele herrlichs heget, An Kraͤften, als die Lieb’ und Ehrfurcht, wird dadurch mehr und mehr erreget Und wir, in froͤlicher Betrachtung stets neuer Wunder, angetrieben, Mit immer neuer Brunst und Andacht den Liebenswuͤrdig- sten zu lieben, Und, weil er sonder End’ und Graͤntzen, in Ewigkeit nicht aufzuhoͤren, (Jndem wir seiner Allmacht Groͤsse mit froͤlichem Erstau- nen ehren) Selbst unser seeliges Vergnuͤgen in Ewigkeit noch zu ver- mehren, Zugleich auch das, worinn die Ehre am eigentlichsten recht besteht, Die Achtung, so die Seele fuͤhlt, ob seines Wesens Herr- lichkeiten, Bey andern ebenfals zu aͤussern, und nach Vermoͤgen aus- zubreiten. Weg Weg zum Vergnuͤgen. U ns scheinet unser Bett nie suͤsser, als wenn wir es ver- lassen muͤssen; Der uns sich nahende Verlust des Guten fuͤgt uns erst zu wissen, Was ungefuͤhlt genossen worden; dieß geht in allen Dingen so: Wir werden, weil wir dran nicht dencken, auch niemahls unsrer Guͤter froh, Biß sie uns, oder wir sie, lassen. Dann allererst wird alles besser, Dann fuͤhlet allererst der Geist was er gehabt und nicht gefuͤhlt, Und die zu spaͤt-gefuͤhlte Lust macht den Verlust noch desto groͤsser. Ach, daß man denn mit mehrerm Ernste nicht hier auf sein Vergnuͤgen zielt! Ach, daß man stets vom eintzgen Wege der wahren Wollust sich verirrt! Jndem kein Gutes, ohn zu dencken, daß mans besitzt, be- sessen wird; Wird man, auch bey dem groͤsten Gluͤck auf Erden, sich nicht gluͤcklich nennen; Wofern wir unser Gluͤck, nur dann, wann wirs verlieren, erst erkennen. Cro- Croceon auton. K ann das wol moͤglich seyn! Sprach ich, als juͤngst mein Gaͤrtner mir, Jn einer purpur-farbnen Zier, Und einem weissen Silber Schein, Ein Croceon avton mit diesen Worten gab: Man sagt, daß diese Blum, ohn Wasser, sonder Erde, Durch blosse Luft allein genaͤhret werde. Jch setzte sie demnach, um dieses zu probiren, Und von der Wahrheit deß mich selbst zu uͤberfuͤhren, Gleich vor mein Fenster hin, und fand es wuͤrcklich wahr. Die Blume waͤchs’t und bluͤht an diesem Ort Ohn Erd’ und sonder Naß bestaͤndig fort. Mein Leser, sprich mit mir: ist dieß nicht wunderbar? Wir haben erst vor wenig Jahren, Daß Blumen, setzt man sie nur auf ein Glas, Ohn Erde, bloß allein durchs Naß Gedeyen, gantz erstaunt erfahren: Hier stellt der Schoͤpfer uns ein neues Wunder dar, Und zeigt in dieser Blum uns klar Und uͤberzeuglich an, Zu seinem Lobe, Ruhm und Preise, Und seines grossen Nahmens Ehren, Daß er, auf ungezehlte Weise, Die Creatur erschaffen, naͤhren, Versorgen und erhalten kann. Ach moͤgten wir demnach, ohn dich, HErr, zu erhoͤhen, Dieß seltne Bluͤmchen nimmer sehen. Die (***) Die im Winter bluͤhende Cyrene. J ch sehe dich, mit recht geruͤhretem Gemuͤthe, Ja wuͤrcklich ohn Erstaunen kaum, Bepurpurter Cyrenen-Baum, Jm Winter voll der schoͤnsten Bluͤthe! Jch sehe dich, als wie im Lentzen, Jm Januario schon lieblich glaͤntzen. Wie kanst du Nas’ und Aug’ erfrischen! Jch seh’ in dir, fast ohne Gruͤn, Jn mehr als hundert Blumen-Buͤschen, Mehr als fuͤnf tausend Blumen bluͤhn, Die all’ im schoͤnsten Purpur gluͤh’n. Es stutzt ein jeder der dich sieht, Und laͤßt, zu deines Schoͤpfers Ehren, Ein Lob, fast wieder Willen, hoͤren, Wann ein: du lieber GOtt! aus seinen Lippen bricht, Da er kaum selbst weiß, was er spricht. Wenn ich dieß hoͤre, koͤmmt es mir Als wenn der Ausbruch seiner Lust, Ob sie gleich leider kurtz, mir doch entdecke, Wie in der Menschen kalten Brust Ein Etwas doch verborgen stecke, Daß unsers Schoͤpfers Macht, wie sie es wehrt, Beym Anblick seiner Wunder ehrt: Und daß wir, durch Gewohnheit blos allein, Umnebelt und geblendet seyn. Wenn ich in diesem Baum den Purpur-Glantz erblicke, Deucht mich, als ob auch er (so wie, nach dunckler Nacht Der Morgen-Roͤthe Purpur Pracht Die graue Daͤmmrung faͤrbt) die graue Daͤmmrung schmuͤcke, Die Die im Winter bluͤhende Cyrene. Die uns im Winter deckt, und ich des Fruͤhlings Morgen, Der uns annoch durch Frost und Duft verborgen, Nicht mehr entfernt, und in der Naͤhe Schon seine Morgenroͤhte sehe. Jch seh, geliebter Baum, in dir zugleich die Spur, Daß die geschaͤftige Natur Nicht schlaffe, wie es scheint; nein daß sie immer kraͤftig Und, wenn sie nichts verhindert, stets geschaͤftig, Und nimmer muͤßig sey. Es reitzt mich deine Pracht, Jn meiner Lust, zum Ruhm deß, welcher dich gemacht, Und preis’ ich auch in dir, mit bruͤnstigem Gemuͤthe, Den Ausbruch seiner Macht und Guͤte. Nun fehlet nichts, als daß ich dich nunmehr, Zu mehr Verbreitung noch von deines Schoͤpfers Ehr, Dem Auszug aller klugen Geister, Hammoniens so wuͤrd’gem Buͤrgermeister, Dem theuren Anderson , auch uͤberschicke; Damit Er sich, an deiner Pracht, Wie Er es sonst mit GOttes Wercken macht, Bey Seiner Arbeit Last, erquicke. Jch weiß, so viel ichs uͤberdencke, Fuͤr Jhn’ kein wuͤrdiger Neu-Jahrs-Geschencke. Jch will denn dich, fuͤr Jhn, mit diesem Wunsch begleiten: Er lebe so viel Jahr’, in stetem Wohlergehn, Und immer bluͤhenden Vergnuͤglichkeiten; Als schoͤne Blumen-Buͤsch’ an deinem Stamme stehn! An- Annehmlichkeiten des Feuers zur Win- ter-Zeit. 1. A ch, mein Schoͤpfer, wie erquickend, Warm, und lieblich, ja entzuͤckend Jst das Feur zur Winter-Zeit, Wenn es draussen friert und schneit, Und man seinen regen Schimmer, Sieht und fuͤhlt im warmen Zimmer! 2. Die von Frost erstarrten Sehnen Fangen an, sich aus zu dehnen, Und es fuͤhlet unsre Brust Eine suͤsse Ruh und Lust, Die aus holder Waͤrm’ entspringet, Auch den gantzen Leib durchdringet. 3. Hat der Nord die Haut versehret; Wird ein Pflaster ihr gewehret, Durch des Feuers rege Glut, Die dem Coͤrper sanfte thut, Und, was durch den Frost gedruͤcket, Gleichsam streichelt und erquicket. 4. Necht fuͤr unser gantzes Wesen Scheint der Glut Natur erlesen; Was die kalte Luft verletzt Wird durch laue Waͤrm’ ersetzt; Pein und Schmertzen sind gelindert Und durchs Feuers Kraft vermindert. A a 5. Ja, Annehmlichkeiten des Feuers 5. Ja, des Feuers Glantz und Schimmer Laͤsset im erwaͤrmten Zimmer, (Da das Licht so hell, so schoͤn) Manche Lust die Augen sehn. Es vergnuͤgen kleine Blitze Uns nicht minder, als die Hitze. 6. Mancherley Gestalten stammen Aus bald blau-bald weissen Flammen’, Die wir mit Vergnuͤgen sehn, Wie sie sich gespitzt erhoͤh’n, Da sie recht, als wenn sie leben, Sich bewegen, drehen, schweben. 7. Ofters sieht man sie, wie Wellen, Wallen, sincken, steigen, schwellen, Bald verschwinden, bald entstehn, Bald erscheinen, bald vergehn, Bald sich theilen, bald vereinen, Schwinden, und aufs neu erscheinen. 8. Oefters zeigt sich dem Gesichte, Mitten in dem hellen Lichte, Ein gedrehter blauer Rauch. Ein stets umgeschwungner Schmauch Zeuget hier auf manche Weise Kleine Wolcken, kleine Kreise. 9. Jn derselben regem Schwingen Sehn wir helle Funcken springen, Die zur Winter-Zeit. Die sich durch die Loh erhoͤh’n, Und, wenn sie entstehn, vergehn, Aber doch nicht ohn Vergnuͤgen, Wenn man sie besieht, verfliegen. 10. Wenn, mit drey getheilten Spitzen, Schnelle Flammen lodernd blitzen, Knastert oͤfters, zischt, und pufft Die verschrenckt-gewesne Luft, Da sie das, was sie gedrenget, Oft mit starckem Knall zersprenget. 11. Ofters sieht man dunckle Stellen Ploͤtzlich durch die Glut erhellen, Wenn die duͤnne Loh’ sich spitzt, Und bald hie, bald dorten blitzt, Wenn die Flammen gantz durchbrechen Und wie Schlangen-Zungen stechen. 12. Wenn die Loh’ denn aufwaͤrts steiget Und nur weisse Lichter zeiget; Sieht man unten Kohlen gluͤhn, Als ein funckelnder Rubin, Diese zeigen tausend Bruͤche Und von Asche tausend Striche. 13. Da sie alles sonst verzehren, Sieht man sie doch Asch gebaͤhren; Asche, die sie daͤmpft und deckt, Sie erhaͤlt, erstickt, versteckt. Hierin sieht man tausend Spuren Von verschiedlichen Figuren. A a 2 14. Annehmlichkeiten des Feuers 14. Man sieht weiß und schwartz sich fuͤgen, Asch’ auf schwartzen Kohlen liegen, Oefters wie der Schnee so weis, Und als haͤtte man, mit Fleiß, Nach der Kunst, die’s Aug’ erfreuet, Loder-Asche drauf gestreuet. 15. Ja, wofern man sie betrachtet, Und auf Farb’ und Formen achtet, Tauget die Verschiedenheit, Wenigstens auf kurtze Zeit, Uns, in Bildern vieler Sachen, Einen Zeitvertreib zu machen. 16. Wann ich nun, bey sanfter Hitze, Jm gewaͤrmten Zimmer sitze, Und seh, in gelassner Ruh, Meiner Glut Bewegung zu; Scheinet ihr erwaͤrmend Lodern Danck fuͤr Nutz und Lust zu fodern. 17. Dann bewegen sich von innen Eilig meine Seel’ und Sinnen, Und mein Geist haͤlt bruͤnstiglich, Gleich der Gluth, sich uͤber sich, Danckt, erhitzt von Andachts-Flammen, Dem, draus Licht und Waͤrme stammen. 18. Denckt zugleich: was wuͤrd’ auf Erden Doch wol vor ein Zustand werden, Haͤtte zur Winter-Zeit. Haͤtte GOTT die rege Gluth, Die der Haut so sanfte thut, Zum Gebrauch in unserm Leben, Uns aus Gnaden nicht gegeben? 19. Wer demnach, wanns schneit und frieret, Durch das Feuer Lindrung spuͤret, Dencke billig: GOTT allein Giebt dem Feuer Waͤrm’ und Schein; Auch zugleich: daß Preiß und Ehre Jhm, mit Recht, dafuͤr gehoͤre. 20. Nun was kann, fuͤr alle Gaben, Unser Schoͤpfer von uns haben Fuͤr ein solch unschaͤtzbar Gut, Als die rege Kraft der Gluth? Was kann man ihm sonst erweisen, Als in unsrer Lust ihn preisen? A a 3 Ein (***) Ein klares Troͤpfgen. J uͤngst sah ich, daß an meinem Fenster ein kleines kla- res Troͤpfgen hieng, Das von dem hellen Sonnen-Strahle solch einen hellen Glantz empfing, Daß es mich reitzt’, es zu betrachten; daher ich ihm denn naͤher ging; Jch fand, daß es im Zimmer war, und daß durch eines Fensters Ritzen Der Strahl so auf-als durch ihn fiel, daher ein kleines helles Blitzen, So man in freyer Luft nicht sieht, im duncklen Zimmer hell und klar, Und, in viel Millionen Strahlen ein Sonnen-Bild, zu sehen war. Ein recht Geweb’ aus lauter Strahlen, die alle wunder- wuͤrdig klein Und die nur durch den duncklen Grund, als eine Fulge, sichtbar seyn, Umgaben es von allen Seiten, nichts rein- und kleiners, nichts so schoͤn, Nichts bunt- und hellers, nichts so zart- und nettes kann das Auge sehn. Die schoͤne Kleinheit drang durchs Auge selbst in den Sitz der Seelen ein; Jch dachte wie entsetzlich klein ist dieses Sonnen-Bildchen nicht Jm Gegenhalt mit seinem Urbild, dem unermeßlich gros- sen Licht, Das Ein klares Troͤpfgen. Das hundert tausendmahl an Groͤsse den Erd-Kreis selber uͤbersteiget! Wann aber dieses Ueberlegen mir im Geschoͤpf den Schoͤpfer zeiget; So deucht mich, daß mir gegen ihn die grosse Sonne so verkleint, Als dieses Sonnen-Bild im Troͤpfgen, ja noch unendlich kleiner, scheint. A a 4 Win- Winter-Gedancken. 1. M ein GOtt! das Feuer waͤrmet mich Und macht nicht nur, daß ich nicht friere; Daß ich im Frost auch Anmuth spuͤhre, Dafuͤr erheb’ und preis’ ich dich! 2. Jch fuͤhl’ ietzt einen Trieb in mir, Ein Winter-Opfer dir zu bringen, Und deine Wunder zu besingen, Die ich, auch selbst im Frost, verspuͤhr. 3. Die duͤstern Tag’ erhellt der Schnee, Der jetzt die dunckle Welt bedecket, Und mehr vergnuͤgt und nuͤtzt, als schrecket; So daß ich ihn mit Anmuth seh. 4. Nicht ohne Regung unsrer Brust Erblickt man weisse weite Felder. Die Wipfel der beschneiten Waͤlder Erregen uns besondre Lust. 5. Jndem die schwartze Dunckelheit Der Aeste, welche nicht beklebet, Den weissen Schnee noch mehr erhebet, Jm Gegensatz und Unterscheid. 6. Desgleichen wircken hier und dort Verstreut- und halb-beschneite Reiser. Die Gipfel der bemoosten Haͤuser Sind gleichfals schoͤn an manchem Ort. 7. Winter-Gedancken. 7. So lassen auch, nicht minder schoͤn, Die regel-rechten Ziegel-Daͤcher Jm Schnee die nett-gevierten Faͤcher Viel deutlicher, als sonsten, sehn. 8. Durchs Wassers Blau, wenn noch kein Eis Die Fluht mit Schollen uͤberbruͤcket, Wird der gefallne Schnee geschmuͤcket, Es macht sein Weiß noch einst so weiß. 9. Zumahl wenn in dem Wieder-Schein Des Ufers weiß beschneite Hoͤhen, Auf dunckler Flaͤche hell zu sehen Und weiß und blau gemischet seyn. 10. Seht wie uns, selbst der Dorn vergnuͤgt, Wenn, nach der weiß-beschneiten Speise, Durch ihn, zusammt der bunten Meise, Der Zaͤune kleiner Koͤnig fliegt. 11. Des welcken Schilffes gelber Schein Wird auch nicht ohne Lust verspuͤhret; Es unterbricht es schmuͤckt, und zieret Das weisse, das sonst allgemein. 12. Jmgleichen theilt und unterbricht Mit seiner Striche duncklen Laͤnge, Der tieffen Wasser-Graben Menge Vom weissen Schnee das weisse Licht. A a 5 13. Wenn Winter-Gedancken. 13. Wenn hier ein Graͤschen, dort ein Straus Aus Schnee, worin es meist verstecket, Ein gruͤnes Spitzgen eintzeln strecket, Sieht es nicht minder lieblich aus. 14. Jmgleichen, wenn das glatte Gruͤn Des Buxbaums, der im Garten glaͤntzet Und das gevierte Land begraͤntzet, Durch Schnee recht uͤbersilbert schien. 15. Auch bricht der Gaͤrten Winter-Flor Des braunen Kohles Purpur-Pflantze, Mit einem Silber-gleichen Glantze, Aus Silber-weissem Grund’ hervor. 16. Und kurtz: man spuͤhrt, zur Winters-Zeit, Zu unsers weisen Schoͤpfers Preise, Wie auch, so gar im Schnee und Eise, Die Welt ein frommes Aug’ erfreut. 17. Ach saͤhe denn doch jederman, Zumahl der, den der Frost nicht druͤcket, Die Welt, wie selbst der Frost sie schmuͤcket, Mit Luft, zu GOttes Ehren an! Graͤn- Graͤntzen der Vernunft. S o bald ein Feuer-reicher Geist sich auf ein tieffes raisoniren, Und von Religion, Natur und Sich auf ein philosophiren Mit angespannten Kraͤften leget; begiebet er sich auf ein Meer, Wo Zweifels-Wirbel, Meynungs-Wellen, ihn unaufhoͤr- lich hin und her Jn stetem Jrthum schlenckern werden; wo Vorurtheile sich bemuͤhn, Jn tausend Boden-losen Strudeln, ihn in des Abgrunds Gruft zu ziehn. Will er nun nicht der Seelen Ruh, die Seele, ja, fast GOtt, verlieren, (Wie, wenn er sich auf eigne Kraͤfte verlaͤsset, leider oft geschicht,) So wehl’ er in der Finsterniß nur blos die Demuth sich zum Licht. Nur die allein kann unverletzt ihn in den sichern Haven fuͤhren. Jch hab’ es, GOtt sey Danck, erfahren, was, wenn ich sonst versuncken waͤre, Sie mir vor Huͤlf’ und Rath geschafft. Durch diese sanft’ und wahre Lehre: Wer bist du? was ist dein Verstand? ist er von solcher Schaͤrff’ und Kraft, Daß er das innerste der Dinge, des Geists, der Coͤrper Eigenschaft Und die Natur zu fassen faͤhig? GOtt hat ihn dir in die- sem Leben Gewiß in einem reichen Maaß und in so hohem Grad ge- geben, Daß Graͤntzen der Vernunft. Daß es ein wahres Wunder ist; allein er hat doch seine Schrancken Woruͤber er nicht kommen kann. Wer nun die forschen- den Gedancken Aus ihrem Kraft-Kreis treiben will, und, mehr als wo- zu sie bestimmt, Den Engeln, ja der GOttheit gleich, damit zu fassen unternimmt, Wird, wie der Lucifer, gestuͤrtzt. Ach, laßt uns dieses wol erwegen! Jch habs erfahren, daß daran weit mehr, als wie man meint, gelegen. Will unser sinckendes Gemuͤth, will unser’ angefochtne Seelen Ein Zweiffel, der unuͤberwindlich, mit Angst, biß zur Ver- zweiflung qvaͤhlen; So sprecht in wahrer Selbst-Erkaͤnntniß; halt ein, mein Geist! hier ist dein Ziel! Wilst du, was nicht zu fassen, fassen; dieß ist verwegen und zu viel! Drum denck’ in Demuth an die Wahrheit: Der Schoͤpfer will und kann allein Beroundert, nicht begriffen, seyn. Er- (***) Erbauliche Betrachtung schnell- verge- hender Wolcken. 1. J ch sitze hier und seh den Duͤften, Wie sie sich, in den regen Luͤften Formiren, mit Bewundrung, zu. Wie sie sich bilden und entbilden, Sich hier versilbern, dort verguͤlden, Jn steter Aendrung, ohne Ruh. 2. Bald sieht man sie sich schnell verdunckeln; Bald wie Rubin und Purpur funckeln, Durch wechselnden Empfang des Lichts. Bald gleichen sie erhabnen Bergen, Bald werden sie zu kleinen Zwergen; Bald sind sie klein, bald groß, bald nichts. 3. So schnell formiren sich Figuren, So schnell vergehn die Creaturen Dort oben in der Luͤfte Reich: Allein! sind Coͤrper, die auf Erden, Dem Schein nach, fest gefunden werden, Nicht ihnen fast an Dauer gleich? 4. Die Blumen, welche man im Lentzen, Jn zierlichsten Gestalten glaͤntzen, Und schoͤn an Form und Farben sieht, Sind oftermahls in wenig Stunden Verwelcket, ihre Pracht verschwunden, Und, eh man sichs versieht, verbluͤht. 5. Erbauliche Betrachtung 5. So gar auch von der Menschen Leben Kann ein Gewoͤlck ein Beyspiel geben; Kann nicht, mit Recht, ein Felß, ein Stein Zu uns, wie wir zum Wolcken, sagen: Wie laßt ihr euch so schnell verjagen, Wie ist doch eure Dau’r so klein! 6. Da ihr fast sterbt, wann ihr entstehet, Jm Kommen gleichsam schon vergehet, Wie schleunig seyd ihr nicht mehr da! Doch, lieber Stein, du magst nur schweigen; Du kannst uns keinen Fehler zeigen: Es ist des Schoͤpfers Ordnung ja. 7. Zudem da Dinge dieser Erden Das, wofuͤr sie gehalten werden, Nur blos Vergleichungs-weise seyn; Und wie ein Ton, fuͤr sich betrachtet, Nicht hoch nicht niedrig wird geachtet, So ist, fuͤr sich, nichts groß, nichts klein. 8. Es sollen mir denn Stein und Eisen Nicht meiner Daur Vergleichung weisen, Jch gehe zu der schnellen Luft; Da wirst du ja nicht laͤugnen koͤnnen, Daß wir uns nicht so ploͤtzlich trennen, Als wie ein stets-vergehnder Duft. 9. Man schnell-vergehender Wolcken. 9. Man thut dann wol, es umzukehren, Daß wir vom Duft uns lassen lehren, Daß wir so ploͤtzlich nicht vergehn; Daß tausend Ding’ auf dieser Erden, Wenn sie mit uns verglichen werden, So lange nicht, als wir, bestehn. 10. Ja waͤr uns Menschen auch ein Leben Von groͤssrer Daur, als Stein, gegeben; Waͤr es doch eine kurtze Zeit: Man wuͤrd’ es nicht einst rechnen koͤnnen Und waͤre kaum ein Punct zu nennen; Verglich mans mit der Ewigkeit. 11. Noch mehr: verlischt die Lebens-Kertze, So traure darum nicht, mein Hertze, Daß sie nicht laͤnger brennen kann. Wenn etwan Seel’ und Leib sich trennen, Must du dieß kein Vergehen nennen; Die Aendrung geht den Leib nur an. 12. Der Schoͤpfer hat dein wahres Wesen Zu einer groͤssern Daur erlesen; Jndem er selber ewig ist. So thut man wol, wenn ihm zu Ehren, Man, unsrer Seelen Daur und Waͤhren, Nach seiner ew’gen Liebe mißt. 13. Drum Erbauliche Betrachtung schnell-vergehender ꝛc. 13. Drum wuͤnscht nicht laͤnger hier zu bleiben, Als, unser Ziel uns vorzuschreiben Beschlossen hat, der uns gemacht. Wenn unser Lebens-Tocht verlodert, Und uns der Schoͤpfer zu sich fodert, So saget froͤlich: gute Nacht! Un- (***) Unnuͤtzer Nutz des Verstandes. A. D u hast nunmehr aus allen Kraͤften, wie wir aus deinen Schriften lesen, Dich und die Welt belehren wollen, wie zum Vergnuͤ- gen zu gelangen: Allein, du siehst ja leider wol, daß, wie du es auch an- gefangen, Doch, bey den meisten wenigstens, dein Absehn sonder Frucht gewesen. Dahero ist mir beygefallen, und faͤllt mir eben wieder ein, Ob du vielleicht des rechten Weges mit deiner Lehr-Art nicht verfehlet, Und ob, durch des Verstandes Kraͤfte, die du zur Richt- Schnur dir gewehlet, Vergnuͤgen und Zufriedenheit, auf Erden zu erlangen seyn? Wenn ich die Schaͤtze des Vergnuͤgens, die fast unschaͤtz- bar, uͤberlege, Und, daß sie, von der Seeligkeit der erste Grad fast sey, erwege; So scheint hieraus von selbst zu fliessen: daß, da sie recht ein Goͤttlich Licht, Sie nicht in unsern Kraͤften stehe, und daß ein Raison- niren nicht, Sie zu erlangen, faͤhig sey. Daß also GOtt der HErr allein, Um diese Gnade zu erhalten, muͤß’ ernstlich angeflehet seyn. Jst dieses wahr, so folgt daraus; daß du, mit allen dei- nen Schriften, So wie bißher, auch kuͤnftig hin, nicht viel erkleckliches wirst stiften. B b Es Unnuͤtzer Nutz des Verstandes. B. Es ist dein Einwurf, liebster Freund, von einer sol- chen Eigenschaft Von uͤberzeuglicher Gewalt, und nicht zu wiedersteh’n- der Kraft, Daß ich dir gleich gewonnen gebe. Doch hoͤre ein ein- tzig Wort nur an: Vermeinst du nicht, daß um den Glantz von deiner Wahrheit zu erkennen, Und um, in einer wahren Andacht, GOtt anzuflehen, zu entbrennen Man der Vernunft benoͤthigt sey, und sie gebrauchen muß und kann? Se- (***) Seneca. W enn wir einst, im Gegenthalt Gegen alle Himmels-Coͤrper, unsrer Welt Groͤß’ und Gestalt Mit dem Seneca besehen; Werden wir mit ihm, voll Kleinmuth, ruffen und zugleich gestehen: Daß die Erde nur ein Punct; daß es folglich thoͤricht waͤre, Um den millionsten Theil solches Punctes Krieg zu fuͤhren, Sich zu zancken, Ruhm und Ehre Sich bestreben zu erhalten, sich bemuͤhen zu regieren. Aber hoͤre, Seneca, dieser dein Gedancke scheinet Freylich groß und wohl gedacht, wie man auch bißher gemeinet; Aber dennoch irrest du. Was nicht zu vergleichen ist Das vergleichst du mit einander. Aller Himmel Himmel Kreise Koͤnnten auf dieselbe Weise, Eben wie der Kreis der Erden, Wiederum ein Puͤnctlein werden, Wenn man noch viel groͤssre Welte Jn Vergleich mit ihnen stellte. Lasset nach der Billigkeit uns viel lieber uns bemuͤhn, Um den grossen Kreis der Welt mit uns in Vergleich zu ziehn; So wird unser Welt-Kreis groß, und der Menschen Thorheit klein, Als die so schon groß genug. B. Doch es faͤllt mir wieder ein: B b 2 Du Seneca. Du hast hierin freylich recht, wenn du nach dem Coͤrper nur Einen Menschen rechnen wilst; aber denckst du an die Seele, Welche nicht nur ewig ist, und worin sich Kraͤfte finden, Groͤssre Coͤrper zu begreiffen, zu bewundern, zu ergruͤnden; Glaub ich doch, daß Seneca nicht in seiner Meynung fehle: Denn es dienet sein Gedancke, der Begierden Wuht zu zaͤhmen Und uns kraͤftig anzuhalten, naͤrr’scher Ehrsucht uns zu schaͤmen. Mit- Mittel gefaͤllig zu werden. W ie viel ein schoͤn Gesicht vermag; und was in wol- formirten Zuͤgen, Nicht fuͤr geheime Kraͤfte stecken, wie sie, den Seelen selbst Vergnuͤgen Und Gunst und Neigung zu erwecken, Geschickt und faͤhig sind; ist klar: Nun aber ist auch dieses wahr, Daß unsre Seelen zu besiegen, Jn der beliebten Freundlichkeit Die suͤss- und staͤrcksten Kraͤfte liegen. Derselben Sitz nun sind die Augen, Auch unser Mund; drey rege Glieder, von denen wir ihr schnelles Regen Und ihr uns nimmer wiederspenstig, nie ungehorsames, Bewegen Zu leiten, zu regieren, taugen. Es sind ja, wie bekannt, die Augen in unsrer Stirne gleichsam Thuͤren, Wodurch die Seelen sich einander am allermeisten sichtbar seyn, Wodurch, wie unsre gegen sie gesinnt, sie glauben zu verspuͤhren, Und folglich, durch dergleichen Minen erregt- und aufge- brachte Triebe Uns eingepflantzter Eigen-Liebe, Dergleichen Leidenschaft in ihr so dann erregen und er- wecken, Als wie sie in der andern Seele, durchs Auge, meinen zu entdecken. B b 3 Da- Mittel gefaͤllig zu werden. Dahero folgt nun uͤberzeuglich, wie sehr sie wehrt sind und verdienen, Daß man mit mehrer’ Achtsamkeit, zu unserm Nutzen, sie regier. Und sie, mit mehrer Muͤh und Sorgfalt, zu diesem End- zweck lenck’ und fuͤhr. Wir selbst seynd Herrn von unsern Minen. Wann nun daran so viel gelegen, da wir ja gerne sehn, und wollen Daß andre Seelen unsrer Seele geneigt seyn, und sie lie- ben sollen; Daß sie durchs Aug’ in unsrer Seel’ ein’ Achtung gegen sich befinden, Um sie dadurch zur Gegen-Gunst fuͤr uns hinwieder zu verbinden; So muͤssen wir, durch Freundlichkeit in unsern Augen, uns bestreben, Von unsrer Achtung gegen sie ein Merckmahl ihnen abzu- geben. Zu diesen Zweck nun zu gelangen, ist leichter als mans glauben sollte, Wenn man nur so viel Acht auf sich, zum eignem Nutzen, nehmen wollte, Daß wir die Zuͤge des Gesichts, wovon wir Meister seyn, regierten, Und Augen-Lieder, Augen-Branen und Lippen so in Ord- nung fuͤhrten; Daß wir, an statt ein graͤmlich, bitter und schwartz Ge- muͤth in uns zu zeigen, Sie zu der holden Freundlichkeit bemuͤhet waͤren oft zu neigen, Die Mittel gefaͤllig zu werden. Die Muͤhe nun noch zu erleichtern, faͤllt mir ein sichres Mittel ein: Man darf, wenn man sich schlaffen legt, nur blos ein we- nig sich bemuͤhn Und Augen-Branen etwas auf-, den Mund ein wenig ruͤck- waͤrts ziehn; So wird vermuthlich das Gesicht in dieser Stellung lange bleiben, Und ohne Muͤh, ein suͤsser Zug dem Angesicht sich ein- verleiben; Noch mehr: ich trau mir zu erweisen, daß eine solche freye Min’ Uns mehr zu einem sanften Schlaf, in angenehmen Traͤu- men dien’, Als wenn wir, durch der Augen-Branen verfinstertes zu- sammen ziehn, Die Augen und selbst das Gehirn in ihnen drucken und beschweren: Wodurch vermuthlich die Jdeen, sich denn so leicht nicht aufzuklaͤhren, Geschickt und faͤhig sind, als sonst, wenn Stirn und Au- gen frey; wie wir Schon einst, nicht ohne Nutz, gelehrt. Wenn dieses nun zu mehrer Zier Nicht nur der Schoͤnheit dienen kann, und eine Schoͤnheit zu vergroͤssern; Nein, gar selbst die Gestalt der Seelen zu zieren und noch zu verbessern, Und uns den Menschen angenehmer geschickt und tauglich ist zu machen; B b 4 (Worin Mittel gefaͤllig zu werden. (Worin kein schlechtes Gluͤck besteht) so habe man doch’ mit Bedacht, Auf die Geberden etwas mehr, als wie man sonst gewohnt ist, acht. Und halt es nicht fuͤr Kleinigkeit, weil, wenn man es mit Ernst ermißt, Es wuͤrcklich keine Kleinigkeit, ob unser Naͤchster uns gewogen, Wie oder mit uns unzufrieden, uns feind und uns ge- haͤßig, ist. Nun liegt zwar dieses, das ist wahr, am aͤusserlichen nicht allein, Denn will man von dem Neben-Menschen geachtet und geliebet seyn, Muß man sein Hertz dazu bereiten. Laß dieß sich erst in Lieben uͤben So wird dein Naͤchster dich dadurch, als wie gezwungen, wieder lieben. Jedennoch muͤssen aͤusserlich die Toͤne, Minen und Ge- berden Zu diesem Endzweck einzurichten durchaus nicht unterlassen werden. Ver- Vernuͤnftiger Gebrauch des Gegen- waͤrtigen. G eliebte Menschen, lernet, lernt, Des Gegenwaͤrtigen geniessen! Weil alle Dinge von uns fliessen, Wie sich ein Strom von uns entfernt. Durch Ueberlegen kann allein Von uns genossen und empfunden, Gehemmt und angehalten seyn Der reg- und fluͤßigen Secunden Entstehend’ und vergehnde Schaar. Lebt achtzig, ja, lebt hundert Jahr, Von Gluͤck und Kranckheit ungekraͤncket, Ohn Elend, Kummer und Gefahr: Sie sind verflossen und verschwunden, Als wie der Tag, der gestern war, Wo ihr nicht oft daran gedencket; Das Leben ist wie ein Geschrey, Denckt man nicht, daß man lebt, vorbey. Wofern wir aber uͤberlegen Und, was man guts besitzt, erwegen; Wird der Genuß so vieler Sachen, Die unser Schoͤpfer uns beschehrt, Und deren wir so wenig wehrt, Uns froh, erkenntlich, danckbar machen. Wir werden auch zugleich die Plagen, Womit uns mancher Fall beschwehrt, Geschickter werden zu ertragen. B b 5 Denn Vernuͤnftiger Gebrauch des Gegenwaͤrtigen: Denn, wer beym Unfall in der Welt Das Gute nicht dagegen haͤlt, Das ihm der Schoͤpfer goͤnnt und schencket, Dem wird auch eine kleine Pein Schon groß und unertraͤglich seyn. So laßt uns darauf Achtung geben Was Salomo so weislich lehrt: Bey unsrer Arbeit froͤlich leben Jst blos das Theil, das uns beschehrt. Man setzt mit Recht noch dies daneben: Es wird dadurch auch GOtt geehrt; Weil sein Geschoͤpfe noch wohl wehrt, Daß wir uns, froh zu seyn, bestreben. Er- Erinnerung. V erlange nicht zugleich auf Erden, Bewundert und geliebt zu werden. Es irret wer darauf besteht, Die Ursach, warum es so geht, Jst diese: Keiner will von allen Bewundern; jeder will gefallen. Ja bey den meisten gehts noch schlimmer Und hat dieß seine Richtigkeit: Ein sonderbar Talent ist immer Ein Fehler, den man nicht verzeiht. Hiergegen kann ein grosser Geist Weil sonst der haͤm’sche Neid von weiten Mit Steinen immer auf ihn schmeist, Kein ander Mittel sich bereiten, Als wenn er sanfte Sittsamkeit Jn allen seinen Thaten weist. Abend- Abend-Gedancken. J ch habe, leider! diesen Tag nicht sonders nuͤtzlich zu gebracht, Jch habe nichts zu GOttes Ruhm gethan, geschrieben, noch gelesen, Da er jedoch, wie nicht zu leugnen, ein Theil von meiner Zeit gewesen! Jedoch, mein Hertz, gieb dich zufrieden! Jch sahe ja der Sonnen Pracht, Und habe dieß dabey gedacht: Wie groß ist GOTT der sie gemacht. Wenn ich auch sonsten nichts gethan, so ist der Tag doch nicht verlohren: Dieß ist der groͤsten Pflichten eine, zu der wir auf die Welt gebohren. Nacht- Nacht-Gedancken. J ch bet’, in diesem Heer der Sternen, Dich, HErr der Sternen, innig an! Weil man, in Nichts so klaͤrlich lernen, Jn Nichts so deutlich finden kann, Wie unbegreiflich, herrlich, maͤchtig, Erhaben, Majestaͤtisch, praͤchtig, Dein all-erschaffend ewigs Wesen. Von deiner GOttheit Tieff’ und Hoͤh Giebt uns aufs Ueberzeuglichste Das grosse Sternen A. B. C. Die Unbegreiflichkeit zu lesen. Ver- Vernuͤnftig-sinnlicher GOttes-Dienst. A. W ie ist doch das Geschenck der Sinnen so herrlich, wenn mans recht ermißt! Ach, daß die Menschheit GOtt, dem Geber, dafuͤr so un- erkaͤnntlich ist! B. Jch finde, daß auch Hunde riechen; ich sehe, wie auch Ochsen-Augen Der Sonnen Licht und Gras und Blumen, so wol als wir, zu sehen taugen: Was machst du denn fuͤr Wercks davon? A. Sie haben Sinnen, das ist wahr; Und zwar noch wol so gut als wir, auch ofters besser noch; allein Soll zwischen uns und ihnen denn so gar kein Unterschied nicht seyn? Daß willst du ja wol eben nicht. Nun kann ja der in nichts so klar, Als eben darin nur bestehen, Daß wir auf andre Weis’, als sie, empfinden, schmecken, hoͤren, sehen. Gebrauchen wir durch die Vernunft die Sinnen anders nicht, als sie; So folgt der Schluß von selbst: der Mensch ist auch nicht besser, als ein Vieh. Will man sich aber von demselben, wie es ja unsre Pflicht, entfernen; Laßt uns die Sinnen, GOtt zum Ruhm, der sie uns giebt, gebrauchen lernen! Dieß kann nun GOtt-gefaͤlliger auf andre Weise nicht geschehn, Als wenn durch des Verstandes Licht wir wuͤrcklich sehen, daß wir sehn; Em- Vernuͤnftig-sinnlicher GOttes-Dienst. Empfinden daß und was wir riechen; vernuͤnftig schme- cken, wenn wir schmecken; Nicht ohn Gefuͤhl seyn, wenn wir fuͤhlen; auch deutlich hoͤ- ren, wenn wir hoͤren. Alsdann wird man durch Seel’ und Leib, die GOtt uns bei- de schenckt, ihn ehren; Weil wir so dann in allem Weisheit und Liebe, ja ihn selbst, entdecken; Durch nichts wird unser GOtt auf Erden in unsren See- len herrlicher; Dieß heißt, nach Davids Regel: Schmecken und sehn, wie freundlich GOtt der HErr! Gedan- Gedancken bey einer Mond-Finsterniß. D a ich den Mond verfinstert seh’, Verspuͤhr ich, daß, in meinem Hertzen, Aus seiner Finsterniß ein Licht entsteh’ Das keine falbe Schatten schwaͤrtzen. Sie zeigt mir uͤberzeuglich klar Die Weißheit Goͤttlicher Regierung, Und macht zugleich mir offenbahr Die Richtigkeiten seiner Fuͤhrung; Da nicht nur, um kein eintzigs Haar, Die Lichter, die viel tausend Jahr, Jn ungestoͤrter Ordnung, gehn, Sich aus den festen Angeln drehn; Auch daß der Schoͤpfer uns so gar, Solch eine Faͤhigkeit geschencket, So viele Jahr vorher zu sehn, Wie alles sich so richtig lencket. HERR! laß uns des Verstandes Gaben, Das Pfund, das du in uns gesenckt, Gebrauchen und es nicht vergraben! Laß uns, so oft wir, wie so schoͤn Das Monden-Licht uns scheinet, sehn, Mit allen Kraͤften des Gesichts Zu ihm; von ihm zur Sonnen steigen, Zur wahren Quelle seines Lichts; Da denn der Seele sich wird zeigen, Daß man, mit Recht, die Sonne selbst wird koͤnnen Des Schoͤpfers Mond, ja seinen Schatten, nennen. An- Anderweitige B etrachtung Der Groͤsse GOTTES Jn seiner Vorherversehung und Fuͤhrung bey dem 1732sten Jahrs-Wechsel. Beweiß, daß eine so grosse, auch auf Kleinigkei- ten gerichtete Providentz und Vorsorge eben etwas Goͤttliches und eine aller Menschen und anderer Geister Begriff uͤbersteigende Kraft und Weisheit sey. A uf, auf, mein Geist! auf, auf, bereite dich, Dem Schoͤpfer der Natur zum Ruhm, von neuen, Zu dieser Wechsel-Zeit recht innig dich zu freuen! Dein grosses Wohn-Hauß drehet sich Nicht mehr, so wie vorhero, von der Sonne; Wir naͤhern uns dem Licht und Lebens-Strahl, Zu unserm Nutz, zu unsrer Lust und Wonne, Nach GOttes Ordnung abermahl. Weil dieses nun, daß man die Wunder-Wercke Des herrlichen Regirers wol bemercke, Mehr als zu wol verdient; so soll mich diese Zeit So wol zum Danck, als Lobe, treiben; Jch will, nach meiner Pflicht und aller Moͤglichkeit, Zu dessen Preis’ und Ruhm, gedencken, reden, schreiben, Der alle Welt- und Himmel-Heere, Jm Grund- und Graͤntzen-losen Meere Des allgemeinen Raums, gemacht, erhaͤlt und fuͤhrt, Ja alles, was darin, zu seiner ew’gen Ehre Und einem weisen Zweck, regirt! C c Grund Neu-Jahrs Gedichte. Grund- und Graͤntzen-lose Tieffe seel’ger Liebe! helle Klarheit Eines nie-durchdrungnen Lichts! ewige, selbstaͤnd’ge Wahrheit! Goͤnne mir auch dieses mahl Aus dem Meere deiner Weisheit einen hellen Gna- den-Strahl, Daß ich, deiner Herrlichkeit, Weisheit’, Lieb’ und Macht zum Preise, Nach Vermoͤgen, deine Wege mir und vielen andern weise! Schaͤrffe mir, zu diesem Endzweck, selbst die Kraͤfte meiner Sinnen! Laß mein Dencken dir gefallen! Segne selber mein Beginnen! Wir haben, im verwichnen Jahr, Der Theilchen grosse Meng’ und ungeheure Schaar, Die allen Engeln, Geistern, Seelen Unmoͤglich faͤllt zu kennen und zu zehlen, Aus welchen alle Ding’ entstehen und bestehen, Zu ihres Schoͤpfers Ruhm, erstaunet, angesehen. Wir haben auf die Zahl absonderlich geachtet, Wir haben einiger derselben Regeln, Kraͤfte, Gesetz und Ordnungen betrachtet. Jetzt fuͤhl’ ich einen Trieb in mir, Annoch zum edlern Zweck und herrlichern Geschaͤfte Der Seelen Kraft zu lencken, zu erheben, Und, in der herrlichen Regierung Und aller dieser Theil’ unendlich weisen Fuͤhrung, Der GOttheit weise Macht zum Ruhm, mich zu bestreben. Auf Neu-Jahrs Gedichte. Auf diese Weise wird der GOttheit Licht und Schein Am herrlichsten erkannt, geruͤhmet und gepriesen; Man wird zugleich, was er auch uns erwiesen, Was er fuͤr eine Kraft in unsern Geist gesencket, Und wie, wenn man von ihm was wuͤrdiges gedencket, Wir ihn, durch uns, uns selbst in ihm, erhoͤh’n, Recht uͤberzeuglich sehn. Selbstaͤndige Weisheit! selbstaͤndige Guͤte! Unendlicher Ursprung der ewigen Wahrheit! Erleuchte du selbst mein verfinstert Gemuͤthe Mit einer dich heller entdeckenden Klarheit! Die Wunder, die Himmel und Erden erfuͤllen, Entstehen aus deinem allmaͤchtigen Willen; Bestehen durch deine bestaͤndige Macht; Geschehen, wie du es vorhero gedacht! D aß unzaͤhliche Geschoͤpfe in den Himmeln, auf der Welt, Durch die Allmachts-volle GOttheit sind erschaffen und vorhanden, Daß zugleich sein weiser Wille solche Creatur erhaͤlt, Haben wir in vor’gem Jahr, wie bereits gesagt, verstanden; Waͤren nun die Creaturen, der Natur nach, und in sich, Nicht der Aendrung unterworffen, sondern unveraͤnderlich; Wuͤrde, nebst derselben Schoͤpfung, die Erhaltung blos allein, Zu derselben Daur und Wesen, unumgaͤnglich noͤthig seyn. Aber da die Creatur bald sich aͤndert, bald vergehet, Stirbet, aufgeloͤset wird, koͤmmt, verweset und entstehet, Und doch alles, nach der Maasse, Ordnung, Regeln und Gewicht, Sich veraͤndert, sich beweget, steht, vergehet und geschicht; C c 2 Sieht Neu-Jahrs Gedichte. Sieht man ja wol uͤberzeuglich, daß solch’ eine weise Fuͤhrung So veraͤnderlicher Dinge, solche richtige Regirung Solcher ungefuͤgten Theile, der unzaͤhlich vielerley, Sonder eine Providentz gantz und gar unmoͤglich sey. Es wird keiner laͤugnen koͤnnen, daß auf unserm Kreis der Erden Nicht nur viele wuͤrckliche, Sondern auch in allen Coͤrpern und in der Materie Moͤgliche Veraͤnderungen, ebenfals gefunden werden. Erstere sind: die wir fuͤhlen, hoͤren, riechen, schmecken, sehen; Letztere sind dennoch moͤglich, ob sie wuͤrcklich nicht geschehen. Moͤglich waͤr es, zum Exempel, daß es jetzo regnete, Da die Sonne lieblich scheinet. Bey den Menschen und den Thieren Wovon wir, bey letzteren, mehrentheils willkuͤhrliche Und, bey den vernuͤnftigen, freye Handlungen verspuͤhren, Sind die Aendrungen unzaͤhlich: da es dennoch moͤglich waͤr’ Daß gantz andere geschaͤhen. Jch spatziere hin und her Ob es gleich nicht minder moͤglich, daß ich sitzen, reiten, schreiben, Fahren, stehn und liegen koͤnnte, oder etwas anders treiben. Nun entsteht mit Recht die Frage: ob der Schoͤpfer aller Dinge Keinen Theil an allem nehme? ob ihm alles zu geringe, Was er je hervorgebracht? ob er, daß dieß so gescheh’, Oder auf ein’ andre Weise, sich gar nicht bekuͤmmere? Von Veraͤndrungen der Coͤrper blos allein ist offenbar, Daß die Goͤttliche Regirung sich damit gewiß befasse Und von ihrer Aenderung, sich durchaus nicht scheiden lasse, Dieß erweiset dieß Exempel uͤberzeuglich, deutlich, klar: Daß Neu-Jahrs Gedichte. Daß die Sonn’ jetzt lieblich scheint, da es stuͤrmen koͤnnt’ und blitzen, Stammt entweder gantz gewiß von der ersten Ordnung ab, Da der Schoͤpfer allen Coͤrpern eine solche Regel gab, Daß, aus einer festen Folge der Natur, zu dieser Zeit, Unser Himmel glaͤntzt und pranget in entwoͤlckter Heiterkeit; Oder dieses schoͤne Wetter und der heut’ge Sonnen-Schein Muͤste durch ein Wunder-Werck kommen und entstanden seyn. Beides zeigt des Schoͤpfers Macht, Lieb’ und weise Vorsorg an. Jn dem ersten Fall erhellt, Daß, da sein allwissend Aug’ alles uͤbersehen kann, Er, bey der Zusammensetzung und der Anlag’ unsrer Welt, Alles, was aus dieser Mischung bis zum heut’gen Tag’ ent- stehen, Fliessen und geschehen wuͤrde, schon mit einem Blick gesehen; Also, daß schon, in der That, GOTT, vor so viel tausend Jahren, Vor die Wittrungen, die wir uͤberkommen und erfahren, Jn der Ordnung der Natur allbereit gesorget hat. Jst nun, nach dem letzten Fall, dieses Tages Sonnen-Strahl Ueber der Natur Gesetz, durch ein Wunder-Werck entstanden, Welches GOtt nur zuzuschreiben; so ist gleichfals abermahl GOTTES Vorsorg uͤberzeuglich, sonder Wiederspruch verhanden. Wenn wir nun noch fernerhin auch die Handlungen besehn, Welche aus dem freyen Willen denckender Geschoͤpf’ entstehn, C c 3 Oder Neu-Jahrs Gedichte. Oder aus der Thiere Willkuͤhr; so ist es zwar wol an dem, Daß derselben Grund und Quell in den Creaturen liege; Aber daraus folget nicht, daß GOtt keinen Antheil nehm’ Und sich mit den Handlungen im geringsten nicht befasse; Sondern sie in allen Dingen schalten, thun und walten lasse. Zwar ist dieses wahr; hat GOtt Creaturen schaffen wollen, Welche einen freyen Willen haͤtten; laͤsset sich auch schliessen Daß er freye Handlnngen auch dazu verstatten muͤssen: Denn sonst waͤren sie nicht das, was sie haͤtten werden sollen. Dieser Schluß ist wahr. Allein, Es kann doch, bey dieser Freyheit, dennoch nicht gelaͤugnet seyn, Daß die GOttheit alle Wercke, die von ihnen auf der Erden Wuͤrden vorgenommen werden, Nicht zuvor gesehen haͤtte; folglich stehet leicht zu fassen, Daß er auch zugleich beschlossen, was geschicht, geschehn zu lassen; Daß demnach auch solche Dinge, welche sonsten frey geschehn, Dennoch unter GOttes Willen, Providentz und Vorsehn stehn; Weil der Schoͤpfer sonsten nur, Wenn er dieses nicht gewollt, eine solche Creatur Ja nicht duͤrfen werden lassen. Da so denn, unstreitig, nicht Das, was jetzt aus freyen Willen von denselbigen geschicht, Vorgenommen werden koͤnnte. Daß ich also klaͤrlich sehe, Wie von allen Handlungen, nichts von ungefaͤhr geschehe, Sondern alles unter einer Goͤttlichen Regirung stehe. Laßt uns aber nunmehr auch von des Schoͤpfers aller Sachen Unlaͤugbarer Providentz wuͤrdige Begriff’ uns machen! Nem- Neu-Jahrs Gedichte. Nemlich, daß dieselbe nicht eine Macht nur in sich schliesset; Sondern, daß in ihr zugleich immer, mit vereinter Kraft, Von der GOttheit wahrem Wesen eine jede Eigenschaft, Nemlich Weisheit, Macht und Liebe Wunderbar zusammen fliesset. Seine Weisheit sieht zugleich nicht nur das Vergangene, Nebst dem Gegenwaͤrtigen; sondern auch das Kuͤnftige, Jn dem allerhellsten Lichte, in der groͤsten Deutlichkeit. Er erkennt, was die Verbindung aller Coͤrper auf der Erden; Er begreift die Wirckungen, die dadurch, zu aller Zeit, Aller Orten, so im grossen, als im kleinen, kommen werden; Er ergruͤndet, was der Thiere Willkuͤhr wirckt und nach sich zieht; Er erforscht, was die Geschoͤpfe, denen er ein frey Gemuͤht Und, in ihren Handlungen, einen ungezwungnen Willen Eingesencket, reden, handeln, thun, beginnen und erfuͤllen, Wircken und begehren werden, was gerahten, nicht gerahten Und was unterbleiben werde, auch was aus derselben Thaten Jn der kuͤnftgen Zeit erfolgt. Ja nicht nur das, was geschicht Und geschehen wird, weis er; sondern auch, wenn was geschehe, Was daraus entstehen wuͤrde, ist ihm ja so wol bekannt, Als wenn ich, was gegenwaͤrtig mir vor Augen lieget, sehe. Dieser Weisheit helle Sonne und sein Goͤttlicher Verstand Strahlt aus allen Creaturen recht, als wie ein helles Licht. Wie ist alles durch einander wunderwuͤrdig eingericht, Und bewunderns-wehrt verknuͤpffet! Man sieht uͤberall die Spur, Wie von allen Creaturen, in dem Reiche der Natur, Eines stets am andern hanget; Jegliches hat seinen Zweck und es wird der Zweck aufs neu Wiederum ein Mittel, wodurch es zum neuen Zweck’ ge- langet. GOt- Neu-Jahrs Gedichte. GOTTES Liebe, seiner Guͤte, seiner Gnaden Wunder-Schein Floͤßt sich ferner, nebst der Weisheit, der Vorher-Verse- hung ein. Jhm, dem allerhoͤchsten Gut, wallt im Goͤttlichen Gemuͤhte Eine seelige Geneigtheit, Gnad’, Erbarmung, Huld und Guͤte Den Geschoͤpfen mitzutheilen, stets ihr Gutes zu vergroͤssern, Und, nach seiner weisen Ordnung, ihren Zustand zu verbessern. Gleichfals wirckt der GOttheit Allmacht, nebst der Weisheit und der Liebe, Jn der Providentz, vereint. Nimmt man diese nun zu- sammen, Und man leitet aus denselben Goͤttliche Vorsehung her; Wird von solcher Providentz nicht allein ein richtiger, Auch ein troͤstlicher, Begriff, sonder allen Zweifel, stammen. Wird ein sterblicher Monarch und ein irdischer Regent, Welcher seiner Unterthanen Nutz und Bestes sucht und kennt, Dem es an Gewalt nicht fehlet und der sie als Kinder liebt, Selbige nicht gluͤcklich machen? wird desselben Regiment Nicht gedeylich fuͤr sie seyn? da nun GOtt, im hoͤchsten Grad, Alle die Vollkommenheiten Macht und Eigenschaften hat; Koͤnnen wir unmoͤglich anders von desselben Fuͤhrung schliessen, Als; es werde nichts, als gutes aus derselben uns entspriessen. Aber laßt uns diese Wahrheit deutlicher noch zu verstehn Das, woruͤber die Versehung sich erstrecket, uͤbersehn. Erstlich kommen Dinge vor, welche gaͤntzlich sonder Leben; Deren sind nun zweyerley. Es ist eine Art, woran Willkuͤhr oder freyer Wille etwas aͤndern, etwas geben, Etwas nehmen, mindern, mehren, bessern und verschlimmern kann; Oder Neu-Jahrs Gedichte. Oder sie sind auch von denen, die der Willkuͤhr und dem Willen Sichtbarer Geschoͤpf’ entzogen, als: der Wind, der Regen, Blitze, Donner, Duͤrre, Sonnen-Schein, Kaͤlte, Nebel, Schnee und Hitze. Mond und Stern’ und ihre Wirckung. Erstere, bey welchen wir Etwas zu veraͤndern faͤhig, sind nicht nur von GOtt gemacht, Sondern es ist klar zu sehen, wie er sie zugleich regir’, Da er sie zu einem Zweck eigentlich hervorgebracht. Zum Exempel: laßt uns Blumen, laßt uns Baͤume, Pflantzen, Fruͤchte, Welche GOtt erschaffen hat, und wovon ja Sonnen-klar, Daß der Menschen Fleiß, Verstand etwas auch dabey verrichte, Jn der Absicht einst besehn! Wie unglaublich wunderbar Jst die Zeugung einer Blume! dencket doch, wie vielerley Zu derselben Kraͤften, Farben und Figur vonnoͤthen sey. Alle Kuͤnstler dieser Welt kennen und begreiffen nicht Die Gestalten dieser Theile, woraus GOtt sie zugericht. Hat der Schoͤpfer nun vorher alle Theilchen uͤbersehn, Aus der Erd’ und aus dem Wasser, die, daß Baͤum und Fruͤcht’ entstehn Und bereitet werden solten, zu denselben noͤhtig waͤren; Hat er ebenfals nicht minder, um dieselben zu vermehren, Saamen-Koͤrner zubereitet, die die Theilchen an sich ziehn, Und das Wachsen foͤrdern koͤnnten; so erhellet ja so klar, Es sey GOttes Providentz auch bey Pflantzen sonderbar. Sage mir, zu welchem Endzweck, Pflantzen wachsen, Blumen bluͤhn, C c 5 Und Neu-Jahrs Gedichte. Und fuͤr wen er in dieselbe solche Kunst und Eigenschaft, Solche Bildung, solche Farben, solche Schoͤnheit, solche Kraft Eingesencket und geleget? wahrlich fuͤr sie selber nicht; Weil sie selbst von sich nichts wissen. Hieraus fließt der Unterricht, Daß, da ihnen selbst zum Besten ihre Schoͤpfung nicht geschehen, GOtt auf andrer Creaturen Lust und Nutz durch sie gesehen. Zeigt dieß keine Providentz? Eben auch, wenn Kraͤuter hie, Und an andern Orten nicht, wachsen und gedeyen wollen, Zeigt sie deutlich, daß sie hier, aber dort nicht, wachsen sollen. Wenn nun an den Creaturen, welche sonder Leben seyn, Und bey welchen Thier und Menschen etwas noch veraͤndern koͤnnen, Sich die Goͤttliche Vorsehung, in so hellem Licht und Schein, Und unwiedersprechlich zeiget, ist sie minder noch zu trennen Von den Dingen, welche wir dergestalt beschaffen finden, Daß kein lebendes Geschoͤpf Aendrung taugt darin zu machen. Denn obgleich, wenn’s schneit und regnet, und wenn wil- de Wetter krachen, Alles aus natuͤrlichen Grund- und Ordnungen geschicht; So wird doch mit Recht gefraget: Wer die Ordnung der Natur, Wie sie ist, zuerst gemachet, und so weislich eingericht? Also siehet man auch hier, mit Verwunderung, die Spur Einer Goͤttlichen Regirung. Laßt uns denn nun weiter gehn, Und die lebenden Geschoͤpfe, welche nicht vernuͤnfftig, sehn! Daß auch die in Goͤttlicher Vorsorg’ und Regirung stehn, Zeigt die Schrifft und die Vernunft. Wie auch GOtt die Voͤgel naͤhret; Davon werden wir ja deutlich in der heilgen Schrift belehret. Sie- Neu-Jahrs Gedichte. Siehet man ein solches Naͤhren etwan uͤberhin nur an, Scheinet es nichts wunderwuͤrdigs; aber was dazu gehoͤret, Einer Art der Voͤgel nur, ihre Nahrung zu bereiten Und, nach ihrer Art, zu speisen, und zu naͤhren, dieses kann, Weil dazu in der Natur, wenig Mittel, keiner fassen. Ja, es kann der kluͤgste Mensch nicht ein Koͤrnchen wachsen lassen; Zeigt sich also, daß der Schoͤpfer nicht allein an sie gedacht, Eh sie noch erschaffen worden, sondern sie noch immerfort Sich, in Ordnung, mehren lasse, daß er wuͤrcklich ihren Saamen, Woraus sie, nebst ihren Seelen, ihren Ursprung alle nahmen, Unsrer Erden einverleibt, daß er sie an jedem Ort Unterhaͤlt, versorgt und naͤhret Und ein sonderliches Futter einem jeglichen beschehret, Welches einem jeden diensam; wovon ebenfals der Erden Saamen von besondern Kraͤften muͤssen eingesencket werden; Doch noch mehr, damit die Voͤgel, das Gewuͤrm und andre Thiere Auch dem Menschlichen Geschlecht, wenn sie sich zu haͤuffig mehrten, Nicht zu grosser Last gereichten, und sie nicht zu sehr beschwehrten; Sind sie dergestalt gebildet, daß (ach, merck es jedermann) Jmmer eins dem andern wieder zu der Nahrung dienen kann; So daß ja kein Ungezieffer, und kein Wuͤrmchen je so klein, Daß es, zu des Schoͤpfers Endzweck nicht gebildet sollte seyn. Ja, wenn von den Sperliugen selbst die Bibel deutlich spricht: Sonder unsers GOttes Willen kann auch gar ein Sperling nicht Jemahls auf die Erde fallen; zeigt sie uͤberzeuglich-klar, Daß, wie Voͤgel zu erschaffen, ihm nicht unanstaͤndig war; Auch Neu-Jahrs Gedichte. Auch es ihm nicht unanstaͤndig, ihre Daur und Lebeus-Zeit Zu besorgen und zu wissen. Jst es also sonder Streit, Daß, da man des Schoͤpfers Weisheit deutlich uͤberall entdecket, Seine Vorsorg auch zugleich auf das Kleinste sich erstrecket. Wie vielmehr wird denn, aus diesen und aus vielen andern Stellen, Ueber die vernuͤnfftigen Creaturen dieser Welt Eine weise Providentz uͤberzeuglich klar erhellen, Die er ja mit so viel Vorzug uͤber jene hingestellt? Wir bestehn aus Seel und Leib. Wie wir nun gar leicht ersehn, Daß, zu unsers Leibes Nothdurft, Wunder ohne Zahl geschehn Jn dem Reiche der Natur; folgt ja, daß, bey so viel Gaben, Welche wir nur fuͤr den Leib auf der Welt empfangen haben, Sonder Zweifel fuͤr die Seele auch von GOtt gesorget sey. Aber laßt uns erst von dem, welches unsern Leib belanget, Wie die Wunder in der Fuͤhrung sonderbarlich, mancherley, Etwas weniges besehn, weil es sehr zusammen hanget! Laßt uns denn auf unsern Anfang, Fort- und Ausgang aus dem Leben, Als wohin sich alles zieht, recht bedachtsam Achtung geben! Daß die Menschen, auf die Weis’ Art und Ordnung auf der Erden, Wie wirs finden, erst empfangen und darauf gebohren werden Hat der Schoͤpfer einst verordnet. Aber, daß zu dieser Zeit, Und zu einer andern nicht, wir in diese Welt gekommen, Auch daß wir in diesem Ort, auch mit der Beschaffenheit, Und in keinem andern Umstand, unsern Anfang erst genommen, Solches Neu-Jahrs Gedichte. Solches wird mit allem Recht einer Goͤttlichen Regirung Und besondren Providentz, einer Goͤttlich-weisen Fuͤhrung, Zugeschrieben werden muͤssen. Wenn wir ernstlich uͤberlegen Und, was die Gebuhrt des Menschen fuͤr gewalt’gen Einfluß hat Fast in alle Handlungen; und von einer jeden That Jhren Ursprung, ihre Mittel, Huͤlf und Hindrungen erwegen, Von den Zustand eines jeden den Zusammenhang ergruͤnden; Werden wir gar leicht befinden, Daß, am Umstand, an dem Ort, und zumahlen an der Zeit, Als womit, unwiedersprechlich, eins sich an das andre fuͤget, Alles sonderbar gebunden, alles wunderbarlich lieget. Denn es ist unlaͤugbar wahr, daß Veraͤndrungen auf Erden Durch die Umstaͤnd fast noch mehr, als sich selbst, gewircket werden. Scheuen wir uns nun nicht, alles, als von ungefaͤhr geschehn Und vom blinden Zufall bloß unterhalten, anzusehn; Muͤssen wir, ohn Wiederspruch, dieß unfehlbar zugestehn, Daß, bey unserer Gebuhrt, auch ein Goͤttliches Regiren Eine weise Providentz augenscheinlich zu verspuͤhren. Bey dem Fortgang eines Menschen muß man dreyerley erwegen: Theils desselbigen Erhaltung, theils die Handlungen; sie moͤgen Gut seyn, oder etwan boͤse: theils auch etwan ihr Geschick, Welches man bald Zufaͤll heisset, bald Verhaͤngniß oder Gluͤck. Die Erhaltung nun belangend, findet sich, wenn mans bedencket, Daß sie blos vom Schoͤpfer stammet; daß, auf eine weise Weise, Er dem Leben und dem Leib, so die Kleidung, als die Speise, Da wir sind, ja eh’ wir wurden, schon bereitet und geschencket. Denn Neu-Jahrs Gedichte. Denn so wenig als wir selbst faͤhig waͤren, unser Leben, Ehe wie gebohren worden, uns aus eigner Kraft zu geben; Ja so wenig kunten wir auch fuͤr Kleidung, Milch und Brodt, Fuͤr die Nahrung, Speis’ und Tranck, ja fuͤr alles, das uns noth, Sorgen oder es verschaffen. GOTT der, nach dem weisen Rath, Fuͤr die Blumen auf dem Felde, ja der auch gesorget hat Fuͤr die Voͤgel, hat zugleich auch fuͤr Menschen zugesehn, Daß, was fuͤr dieselben noͤthig, werden muͤssen und entstehn. Hat der Schoͤpfer diese Vorsorg uͤber sich denn nun genommen; Jst es ja wol uͤberfluͤßig und unnoͤthig, ja so gar Wuͤrcklich schaͤdlich, wenn wir Menschen, wie es leider mehr als wahr, Auf die aͤngstliche Versorgung mit so bitterm Graͤmen kommen, Weil wir, durch dergleichen sorgen, lauffen, rennen und bemuͤhn, Uns vom Dienst des wahren Schoͤpfers auf den Dienst des Mammons ziehn, Alle Zuversicht verliehren, und statt dessen, unsre Seelen, Mit zukuͤnfftgen ungewissen Ungluͤcks-Faͤllen also quaͤhlen, Als ob sie schon gegenwaͤrtig. Wenn wir so ins Kuͤnfft’ge dencken, Und uns voller Gram und Sorgen gleichsam dahinein versencken, Ziehen wir die Plag’ und Lasten von dem noch entfernten Tage Zum voraus schon zu uns her, Als ob gleich, wenn jeder Tag nur allein sein’ eigne Plage Mit sich fuͤhrte, nicht fuͤr uns es schon zur Gnuͤge waͤr. Was Neu-Jahrs Gedichte. Was die Handlungen der Menschen und ihr Wir- cken nun betrift, Hangen sie vom Willen ab. Gleichwol aber spricht die Schrift: HErr! ich weiß des Menschen Thun stehet nicht in seiner Macht, Wie er seine Gaͤnge richte, und auf welche Weis’ er wandelt; Zwar scheint dieß ein Wiederspruch, daß der Mensch nach Willkuͤhr handelt Und es stehe, was er thue, doch in seinem Willen nicht, Wie er seine Gaͤnge richt; Aber dieser Wiederspruch faͤllet offenbar dahin, Wenn man zwischen eines Menschen Absicht, Vorsatz, Zweck und Sinn, Und den aͤussern Handlungen, sammt dem, was daraus entspriesset, Einen Unterscheid nur macht. Wenn der Mensch was uͤberleget, Was beschließt, und einen Zweck und ein’ Absicht darin heget, Das geschicht in seiner Seelen, und in dem, was er beschliesset, Hat er vollenkommne Freyheit, die der Schoͤpfer darum eben, Weil er ein vernuͤnftiges Wesen seyn sol, ihm anheim gegeben, Und die er ihm nimmer nimmt. Weil der Mensch sonst das nicht waͤre, Was er ist und was er seyn soll. Nach der freyen Neigung nun Und nach dieser freyen Wahl, Zweck und Vorsatz, wird sein Thun Von dem Schoͤpfer angesehn. Aber es ins Werck zu stellen, Stehen unsre Handlungen, sammt den Aendrungen und Faͤllen, Nicht Neu-Jahrs Gedichte. Nicht in menschlicher Gewalt; da sich ja so mancherley Umstaͤnd’ in dieselbe flechten, welche nicht durch uns geschehn, Weniger in unsrer Willkuͤhr, Anstalt und Verordnung stehn. Dieses deutlicher zu zeigen, faͤllt mir ein Exempel bey: Einer nimt sich vor zu stehlen oder einen zu ermorden; Dieser Schluß ruͤhrt sonder Zweifel bloß von seiner Will- kuͤhr her, Er ist auch dadurch vor GOtt schon ein Dieb und Moͤrder worden. Aber solches auszufuͤhren, faͤllt ihm oͤffters nicht nur schwer, Sondern er wird oft davon, durch ein scheinbar Ungefaͤhr Abgehalten und behindert. Tausend Faͤlle koͤnnens wehren: Wachsamkeit, ein Hund, ein Gastmahl, eine Kranckheit, Witterung, Trunckenheit, ein Floh, ein Vogel, ein Geraͤusch, ein Fall, ein Sprung, Uebereilung, Zoͤgerung, ein zu fertiges Gewehr, Ein nicht taugliches, ein Zuspruch, ja viel tausend andre mehr Sind, auf GOttes Winck, geschickt, Mord und Diebstahl abzukehren. Hieraus sieht man augenscheinlich, daß der Mensch den Schluß zwar fassen Und was unternehmen kann, aber daß viel tausend Sachen, Tausend Umstaͤnd’ ihm im Vorsatz oͤfters eine Hindrung machen Und ihn oft recht zwingen koͤnnen, daß er alles unterlassen Und die That verfehlen muß. Solche Umstaͤnd’ aber seyn Alle unter GOttes Ordnung, und sie werden bloß allein Von dem Schoͤpfer, nach der Weisheit, Liebe, Macht, Gerechtigkeit So regirt und eingerichtet, wie ers der Beschaffenheit Seiner Absicht, seines Haupt-Zwecks, welcher groß und allge- mein, Am Neu-Jahrs Gedichte. Am befoͤrderlichsten kennt. Folglich laͤßt sich leichtlich zeigen, Daß der Schoͤpfer mit der Menschen Absicht, Neigungen und Schluͤssen Wuͤrcklich nichts zu schaffen hab’, als die blos dem Menschen eigen, Und auf seine Rechnung kommen. Aber ihre Hindernissen, Jhren Fortgang und die Folgen anbetreffend, kann auf Erden GOttes Providentz davon nimmer ausgeschlossen werden. Etwas boͤses zu verrichten streitet mit der Heiligkeit Und Gerechtigkeit der GOttheit, und sie wird zu keiner Zeit Es befoͤrdern, dazu helffen; aber selbst das, was nicht gut, Und was man, aus boͤser Absicht, merckt, gedencket, redet, thut, Auch so gar zum Guten fuͤhren, Jst GOtt gar nicht unanstaͤndig, mindert nicht des Schoͤpfers Ehr. Solch Betragen, voller Absicht und Verstand, gehoͤrt vielmehr Eigentlich zur Providentz und zum Goͤttlichen Regiren. Zu den Handlungen der Menschen werden ferner auch das Gluͤck, Ungluͤck, Zufaͤll’, Ungefaͤhr, Schicksal oder das Geschick, Wie man es zu nennen pflegt, billig mit zu rechnen seyn. Kommen nun dieselbigen durch dergleichen Umstaͤnd’ her, Wo der Menschen Geist und Willkuͤhr etwas, minder oder mehr, Dazu beyzutragen faͤhig; so gehoͤren sie allein Zu der Art der Handlungen, die wir allbereit besehen; Aber, in so fern dieselben aus Veraͤndrungen entstehen, Die gantz ausser unsrer Willkuͤhr und Gewalt gesetzet sind, Muͤssen wir sie noch betrachten. Zum Exempel: Regen, Wind, D d Wol- Neu-Jahrs Gedichte. Wolcken-Bruͤche, Sonnen-Schein, Frost, Schnee, Hagel, Donner, Blitze, Stuͤrme, Regen, Thau und Reif, kuͤhle Luͤfte, Kaͤlte, Hitze. Wann nun, aus dergleichen Dingen, Lust und Vortheil uns entspriessen; Hat man ja, mit groͤstem Necht, uͤberzeuglich dieß zu schliessen, Daß sie einer guͤtigen Providentz auch beyzulegen. Selbst die Schrift spricht GOtt zum Preise: GOtt hat uns viel Guts gethan. Er hat von dem Himmel Regen, Zeiten voller Fruchtbarkeit uns gegeben, auch mit Speise Und mit inniglichen Freuden unsre Hertzen angefuͤllt, Und uns oft des Geists und Coͤrpers Hunger, Durst und Sucht gestillt. Aber, wenn, im Gegentheil, aus den vorberuͤhrten Dingen Auch gewisse Ungluͤcks-Faͤll’, etwa kommen und entspringen, So rufft uns dort Amos zu: Jst auch in der Stadt ein Ungluͤck, welches GOtt der HErr nicht thu? Ja man sieht an selbem Ort, wie so viele Ungluͤcks-Faͤlle GOtt sich selber beygelegt und auf seine Rechnung stelle. Jch, spricht GOtt, hab’ euch den Regen, Biß zur Erndte noch drey Monden aufgehalten. Meinen Seegen Ließ ich uͤber eine Stadt, Land und Acker sich ergiessen; Ueber andere hingegen ließ ich selbigen nicht fliessen, Und das Land verdorrete. Ferner: Jch hab euch geplaget Mit der duͤrren Zeit und Brand-Korn, was ein Gart’ und Weinberg trug, Ward durch Heuschreck- und durch Raupen, Wurm und Kaͤfer abgenaget. Jch Neu-Jahrs Gedichte. Jch nur war es, der mit Pest euch, wie die Egypter, schlug; Meine Hand allein hat euch umgekehret, wie das Land, Welches Sodom und Gomorra trug; ihr waret wie ein Brand, Den man aus dem Feuer reißt. Hierbey aber muß man fassen Und das, so wir angemerckt, niemahls aus den Augen lassen, Daß zu GOttes Providentz, seine Weisheit, Guͤte, Liebe Und Gerechtigkeit nicht minder, als wie seine Macht, gehoͤren: Er ist weis’ und bringet Ungluͤck; hoͤrt man Jesaiam lehren, Aber bloß zum guten Endzweck; wannenhero Paulus schriebe: O! welch eine Reichthums-Tieffe beyde Goͤttlicher Verstaͤndniß Und Erkaͤnntniß! Ach, wie so gar unbegreiflich sind dein Goͤttliches Gericht, Und wie unerforschlich, HErr, deine weisen Wege nicht! Es sind von ihm, durch ihn, in ihm, alle Dinge dieser Zeit; Jhm allein sey Lob und Danck, Ruhm und Ehr’ in Ewigkeit! Also weiß der grosse GOtt, auch nach seiner Weisheit, sich Einen Weg, durch den Beweiß seiner Macht, zu der Erzeigung Seiner Guͤtigkeit zu bahnen gegen alle, deren Neigung Nur auf eine Art noch faͤhig seiner Gnade. Eigentlich Wird man leichtlich keinen Fall, wo sich die Gerechtigkeit GOttes zeigen wollen, finden: wo nicht an der andern Seit’ Eine Probe seiner Guͤte sich zugleich zu Tage leget. D d 2 Wenn Neu-Jahrs Gedichte. Wenn er dort der Amoriter gantzes Heer mit Schlossen schlaͤget, So ward Gibeon dadurch der Velagerung befreyt; Haben dort die Mauren Apheck auf die Syrer fallen muͤssen, Wurde dadurch Jsrael gaͤntzlich seinem Joch entrissen. Dieses alles und dergleichen zeigt des Schoͤpfers Weis- heit an, Die bey seiner Providentz sich so uͤberzeuglich weiset; Da, er mehr als einen Endzweck, der erreicht wird, zeigen kann, Blos durch einerley Verhaͤngniß. Welches, wenn mans recht erwegt, Goͤttliche Gerechtigkeit, noch um desto besser preiset; Als wobey er auch die Guͤte andern zu erzeigen pflegt. Endlich ist der Todt von allem, was uns auf der Welt betrifft, Unser letzteres Verhaͤngniß. Aber auch das Sterben stehet Unter GOttes Providentz. Denn obgleich auch selbst die Schrifft Von so rohen Leuten zeuget, welche, voller Wehmuth, lehren: Daß wir Menschen, so wie wir ungefaͤhr gebohren waͤren, So von ungefehr auch stuͤrben; zeigt doch die Vernunft, daß man Sonder GOttes Providentz auch unmoͤglich sterben kann. Denn so lehret die Vernunfft: Es sey uns von GOtt das Leben, Unser Othem, auch der Coͤrper, der so kuͤnstlich ist, gegeben; GOtt nur, habe Seel’ und Leib so verwunderlich vereint. Da der Mensch nun auf der Welt nicht von ungefaͤhr erscheint; Jst es denn nicht unvernuͤnfftig, wenn dem ungeacht, man meynt, Daß Neu-Jahrs Gedichte. Daß wir sonder GOttes Vorsorg’ und von ungefaͤhr nur sterben. Solt’ ein kluger Kuͤnstler wol ein sehr kuͤnstlich Werck ver- derben, Welches er mit Fleiß verfertigt? oder, wo ers hindern kann, Leiden, daß es andre thun, wo er nicht mit Fleis daran Einen Endzweck, uñ zwar solchen, welcher wichtiger und besser Als des Wercks Erhaltung, sucht? Nun ist GOtt, wie wir gesehn, Ja der Schoͤpfer unsers Leibes. Laͤsset er uns nun vergehn, Durch uns zugeschickte Kranckheit, oder Zufaͤll, als: Gewaͤsser, Feuers-Brunst, Blitz, Sturm und Hagel, oder laͤßt er auch geschehn, Daß uns andre Menschen toͤdten; koͤnnt er letzters leicht verwehren, Ersteres leicht unterlassen. Wenn nun aber GOtt, der HErr, Ersters selber wirckt und thut, letzteres geschehen laͤßt, Da ers leichtlich hindern koͤnnte; stehet dieser Schluß ja fest: Daß es zu besondrer Absicht, und zwar welche wichtiger, Als der Nutzen der Erhaltung dies- und jenes in der Welt, Seyn und sich erstrecken wuͤrde. Zeigt sichs also Sonnen-klar, Daß auch selbst der Tod des Menschen, da er jetzt, nicht mor- gen, faͤllt; Da er so, nicht anders, stirbt; allerdings, zu GOttes Ehre, Unter seine Providentz, so wie alles, auch gehoͤre. Menschen, die GOtt sterben laͤßt, sind entweder boͤs’ und schaͤdlich, Oder sie sind fromm und nuͤtzlich. Sind sie ersters, und sie sterben; Zeigt sich Goͤttliche Vorsehung in denselben offenbar. Manchen Redlichen entreißt ihr Verderben dem Verderben! D d 3 Wie Neu-Jahrs Gedichte. Wie viel boͤses wird gehindert, das sie sonst zu vieler Schaden, Leicht begangen haben wuͤrden! Wird die Menschheit nicht entladen, Durch der boͤsen Menschen Todt, von so mancherley Gefahr, Womit gegen das, was gut, sie sich gleichsam recht ver- schworen? Alsdann heißts mit Recht von ihnen: All ihr’ Anschlaͤg sind verlohren. Wenn die Blutbegierigen gegen eine Schaar von Frommen, Mit Verfolgung, heftig wuͤten, so daß fast nicht auszukommen, Da sie selbe auszurotten ja sie zu verschlingen trachten, Und sie mit Verfolgung qvaͤlen, weis sie GOtt bald abzu- schlachten. Laͤßt nun aber GOtt sie leben, und auch eine Zeitlang toben, Wuͤten und tyrannisiren; finden sich dennoch dabey Heilige, verborgne Wege, und es sind auch dieses Proben Seiner Weisheit, Lieb’ und Macht. Mercks, wie oft ein boͤ- ser sey Eines andern boͤsen Straffe. Auch die Frommen, die er liebt, Werden oft dabey gepruͤft, auch in der Gedult geuͤbt Und zum beten angeflammt. Sind es Fromme, die erblassen; Jst ja leichtlich zu erachten, daß da GOtt, nach seinem Rath, Sie gefuͤhrt und ihren Othen auf der Welt bewahret hat, Er sie nicht von ungefehr blindlings werde sterben lassen. Dieses lies’t und siehet man, in der heil’gen Schrift zur Gnuͤge, Wie, auch bey der Frommen Tod, GOtt die Umstaͤnd’ alle fuͤge. Oftermahl ist in der Welt auf die Redlichen und Frommen Manches Ungluͤck, manches Elend, manche Plag’ und Roth gekommen. Da Neu-Jahrs Gedichte. Da geschicht nun ihnen sanft, wenn, von aller Noth der Erden, Sie, durch einen seel’gen Todt, einmahl aufgeloͤset werden. Sie empfinden ohne dem Lust, mit Paulo, abzuscheiden Und bey Christo dort zu seyn. Ja sie muͤssen oftermahl, Daß sie nicht den Todt verlangen, dennoch fast dieselbe Quaal Jn der Selbst-Verlaͤugnung leiden, Als ein andrer, der das Leben, Mit so heisser Sehnsucht, wuͤnscht, und es doch muß von sich geben. Denn wenn gleich Elias dort saget: HErr, es ist genug; So nimm meine Seel von mir! Wird er doch darum mit nichten Ausgespannet, sondern muß erst dasjenige verrichten, Wozu Goͤttliche Vorsehung ihn auf dieser Welt bestimmt. Oefters siehet GOtt was Gutes noch an einem, darum nimmt Er ihn von der Erden weg, daß er die betruͤbten Tage Und das Ungluͤck seiner Freunde, Creutz, Betruͤbniß, Noth und Plage Nicht in ihnen leiden duͤrffe. Der Gerechten Seelen werden Oftermahlen von der Erden Vor dem Ungluͤck weggerafft. Also haben wir gesehn, Wie von allen Ding- und Faͤllen, so auf dieser Welt entstehn, Nichts ohn eine weise Fuͤhrung und Regirung kann geschehn; Wie durch einen Gluͤcks-Fall, nichts, aber durch Noth- wendigkeit, Die nicht zu vermeiden ist, gleichfals nichts geschehen koͤnne; Sondern daß des Schoͤpfers Weisheit, Lieb’ und Vollen- kommenheit Sich in keinem eintz’gen Dinge von den Creaturen trenne, D d 4 Auch Neu-Jahrs Gedichte. Auch von der am wenigsten, der er einen freyen Willen, Nach der vorgeschriebnen Richtschnur seine Pflichten zu erfuͤllen, Nach gewisser Maß und Ordnung und nach uͤberlegtem Rath, Zum gewissen Zweck gegeben und ihr anerschaffen hat. Wer nun nicht mit Fleiß und Vorsatz gegen alles sich zu spreitzen Und in abgefeimter Boßheit dessen Straff’ und Zorn zu reitzen Und sich zuzuziehen sucht, wird, in dieser Lehre Gruͤnden, Lauter Lust, Zufriedenheit und der Seelen Frieden finden. Wenn er, mit Aufmercksamkeit, froͤlich uͤberall entdeckt, Wie auch uͤber Creaturen, welche Leb- und Athen-los, GOttes Vorsorg’, Ordnung Weisheit, Guͤt’ und Liebe sich erstreckt, So zu ihr-als andrer Besten; ruft er billig: HErr! wie groß Jst dein allgewaltigs Lieben! Deiner Weisheit, deiner Guͤte Jst der Kreis der Erde voll! Er erkennt, daß Wetter, Wind, Wolcken, Nebel, Reiff und Regen seines Winckes Diener sind, Mit Erstaunen, Ehrfurcht, Demuth und vertrauendem Gemuͤthe. Wenn er ferner uͤberleget, daß auch unvernuͤnft’ger Thiere Handlung- und Bewegungen nicht von ihnen bloß allein Angefangen, fortgesetzet, an- und ausgefuͤhret seyn; Und daß GOtt, nach seinem Willen, ihre Wirckungen regire, Ja, daß er der Menschen Hertzen, wie die Wasser-Baͤche, leite, Wird er, ausser allem Zweifel, von der Wahrheit uͤberfuͤhrt, Daß es, mit der wahren Lehre, daß ein GOtt die Welt regirt, Und daß nichts von ungefaͤhr hier geschehen kann, nicht streite. Denn Neu-Jahrs Gedichte. Denn wofern der Mensch erkennet und recht uͤberfuͤhret ist, Daß die Goͤttliche Vorsehung nicht allein mit seiner Macht, Sondern auch nach Lieb’ und Weisheit, die er nimmermehr vergißt, Unaufhoͤrlich wirck’ und handle; Wenn er sich versichert haͤlt, Daß, nach seiner hoͤchsten Guͤte, GOtt zum Zweck nichts anders wehle, Als das, was das Allerbeste, und daß es dabey zugleich Jhm, nach seiner hoͤchsten Weisheit, auch an keinen Mitteln fehle, Solchen Endzweck zu erreichen; wird er, an Vertrauen reich, Jn den Faͤllen dieses Lebens, mehr geruhig und gelassen, Auf der Gottheit Macht vertrauend, mehr geschickt seyn sich zu fassen. Koͤnten wir der Sachen Umstaͤnd’ und die Folgen alle wissen, Wuͤrden wir, in tieffer Demuth, allemahl gestehen muͤssen, Daß, wenn wir, aus ihnen allen, selbsten haͤtten wehlen sollen, Wir nichts bessers, als wie es GOtt gefuͤgt, verlangen wollen. Moͤgten wir demnach in allen kuͤnftig dahin uns bemuͤhn, Daß Gelassenheit und Demuth, Lust und Dancken, GOtt zu ehren, (Jene wenn ein Ungluͤck stuͤrmt, die, wenn Gluͤckes-Blumen bluͤhn, Und es uns nach Wunsche geht) stets des Hertzens Fruͤchte waͤren. A uf denn, mein Geist, auf! auf! vereine deine Kraͤffte, Laß jetzt Gedaͤchtniß und Verstand, Zu einem noͤthigen und nuͤtzlichen Geschaͤffte, Mit ernster Lust, in Andacht, angewandt Und angetrieben seyn! Ein seeliges Erwegen Jst wenn wir, auch so weit es uns betrifft, Die weisen Fuͤhrungen des Schoͤpfers uͤberlegen, Und Neu-Jahrs Gedichte. Und was auch uns, in unsers Lebens Jahren, Bald trauriges, bald lieblichs wiederfahren, Zum Ruhm desjenigen, der alle Welt, Und, in derselben, auch die kleinsten Ding’ erhaͤlt, So daß ohn ihn kein Haar von unsern Haupte faͤllt, Jn ernstliche Betrachtungen zu ziehn, Uns mit vergnuͤgter Seel’ und frohem Sinn bemuͤhn. Mein GOtt, wie liebreich, gut, wie weis’ und wun- derbar Auch deine Fuͤhrungen, im abgewichnen Jahr, Jn Ansehn meiner, auch gewesen; Zu welchem Vorwurff deiner Huld Du gleich die Meinigen, mich und mein Haus erlesen; Mit welcher Langmuth und Gedult Du meine Schwachheit, mein Vergehen, Recht vaͤterlich, recht liebreich uͤbersehen; Mit welchem reichen Wolfarths-Regen, Mit welcher Liebe, Gnad’ und Seegen Du mich aufs neu gelabt, erquicket und beschencket, So hast du mich doch auch mit einer herben Frucht (Dir sey auch dafuͤr Danck) im vor’gen Jahr gespeiset. Du hast nicht nur mit Unmuth meinen Geist, Durch andrer Neid, durch Argwohn, boͤsen Willen, Und theils durch Unverstand, erfuͤllen, Versuchungen entstehn, der Ruhe Glantz verhuͤllen Und doch, GOtt Lob nicht lang, mich etwas leiden lassen. Jch hab’ erblickt, wie leicht die Menschen sich vergehn, Wie so verschiedne Faͤll’ und Umstaͤnd’ offt entstehn, Die nicht vorher zu sehn, Und wie so leicht es wiederum geschehn, Daß eines Wetters Wuth (es merck es jederman) Auf GOttes Winck sich schnell vertheilen kan. Du Neu-Jahrs Gedichte. Du hast nicht nur die Meinen heimgesucht Mit einer Kranckheits-Last, die nicht geringe war, Die Blattern quaͤlten sie fast alle, ja ein Par Von ihnen muste gar, Durch den zu starcken Gifft, erblassen; Die Tochter starb zuerst, ein recht gehorsam’ Kind, Ein angenehm Gemuͤth, das von der ersten Jugend, Bey andrer Faͤhigkeit, gar eine seltne Tugend, Dergleichen sich nicht leicht so fruͤh bey Kindern findt Und anzutreffen ist, nebst anderm guten, fand. Sie kont mit solchem Feur und bruͤnstger Andacht, beten, Auch wie sie kaum ins fuͤnffte Jahr getreten, Daß manchem Hoͤrer offt, der um sie stand, Fuͤr Lust, Verwundrung und Vergnuͤgen, Die Thraͤnen in die Augen stiegen. Vom Sohn erzehl’ ich nichts, weil das, was er gewesen, Jn so viel kluger Geister Schrifften, Die ihm ein ew’ges Denckmahl stifften, (Ob er gleich noch so jung) zu lefen. Daß also beyder Todt nicht ungerechte Klagen, So meiner Frau, als mir, um so viel mehr erregt, Als, fast zu gleicher Zeit, sechs andre kranck noch lagen, Von denen jeder uns fast gleiche Furcht einpraͤgt’, Zumahl der Aelteste, den wir in letzten Zuͤgen, Wol fuͤnff mahl ausser Hoffnung liegen, Und fast schon todt, gesehn. Ja waͤr auch nicht an ihm ein Wunder fast geschehn, Das unsrer gantzen Stadt bekandt, So deckt auch ihn bereits des Grabes Sand. Waͤr Neu-Jahrs Gedichte. Waͤr eine neue Cur mit ihm nicht vorgenommen, Waͤr der vortrefliche beruͤhmte Biester nicht, Von dessen Ruhm man nie gnug dencket, schreibt und spricht, Auf einen neuen Weg gekommen, Den sonst kein Artzt annoch betreten, Da er in Blattern selbst, wiewol nach dreyzehn Tagen, Jhm zweymahl ließ die Ader schlagen, Wodurch das fast verfaulte Blut, Des Fiebers Feuer, Gifft und Wuth, Nachdem es lang genug mit der Natur gekaͤmpft, Sich ploͤtzlich legte, schwaͤcht’ und daͤmpft’, Daß dieser Schluß zu rechter Zeit zu fassen Gewust, gedacht, gewagt, seh ich nicht anders an, Als daß der weise GOtt, der eintzig alles kann, Jhn diesen Endschluß fassen lassen. Sey ewiglich, o GOtt, davor gepriesen, Daß du dich gegen uns, als eintzgen Artzt, gewiesen, Da zweyer Kinder Todt uns sehr empfindlich kraͤnckte, Daß deine Lieb uns noch den Aeltsten wieder schenckte, Der fast bereits erblaßt! Da du ihn denn aufs neu Vom Tode fast erweckt, ihn uns noch einst gegeben, Ach so erbarm dich sein auch ferner! Gieb daß er, Nebst allen uͤbrigen, O Vater, GOtt und HErr, Zu deinem Goͤttlichen Gefallen moͤge leben! Und wie du Vater mir die klein gewordne Zahl Von meinen Kindern abermahl Jn diesem Jahr aufs neu vermehret, Und noch ein Toͤchterchen mir wiederum beschehret; So danck ich dir, Mein Schoͤpfer, inniglich dafuͤr, Und Neu-Jahrs Gedichte. Und bitte, laß es auch aus Gnaden hier auf Erden Ein Werckzeug deines Lobes werden! Nicht sonder Lust stell ich mir ferner fuͤr Das Zeichen der Gewogenheit Und ungemeinen Guͤtigkeit, Das der beruͤhmt und edle Rath Der Kayserlichen Stadt in Liefland, Riga, mir Jn diesem Jahr gewiesen hat, Da sie mir, den sie anders nicht, Als nur aus meinen Schrifften, kennten, Woraus, nach eigenem, so guͤtigem, Bericht, Das guͤtige Vertrauen abgestammt, Von ihrer edlen Gunst mir diese Probe goͤnnten: Ein wichtig und eintraͤglich Ampt, Das jaͤhrlich wol auf Tausenden zu schaͤtzen, Ward mir in ihrer Stadt nach Willkuͤhr zu besetzen Von ihnen guͤtigst aufgetragen; So ich denn auch, ohn Eigennutz, gethan. Nichts liebers waͤr’ mir auch, als wenn es, GOtt zu Ehren, Wie ich gewuͤnschet, ausgeschlagen, Und sie, nebst ihrer Stadt, damit zufrieden waͤren. Durch solch Großmuͤthiges Verfahren sah ich mich, Doch aber noch weit mehr diejenigen, geehrt, Die, durch ein solch Betragen, oͤffentlich Bezeugen, wie so hoch und werth Sie das, was GOtt zum Ruhm, geschrieben, Auch an dem blossen Werckzeug achten, Und fuͤhl’ ich mich zugleich dadurch mehr angetrieben, Noch immer mehr und mehr die Wunder zu betrachten, Die so verstecket sind, ob sie gleich offenbar. So hab ich auch, GOtt Lob! in diesem Jahr Den vierten Theil vom irdischen Vergnuͤgen Jn GOtt, zu den drey ersten fuͤgen Und Neu-Jahrs Gedichte. Und in die Presse geben koͤnnen. Ach, daß dadurch das Menschliche Geschlechte, Nebst mir, dadurch je mehr und mehr Jn froher Andacht, GOtt zur Ehr’, Durch sein so schoͤn Geschoͤpf, entbrennen Und stets den Schoͤpfer preisen moͤgte. Daß die drey vorigen nicht ohne Nutz gewesen, Gab ja der grosse Pritius, Der Feuer-reiche Zell und Lamprecht gnug zu lesen; Nochmehr, den jedermann nunmehr bewundern muß, Der theure Reinbeck selbst, giebt unlaͤugbahre Proben Wie diese Weise, GOtt zu loben, Auch sein Gemuͤth geruͤhrt. Wie prediget und schreibet Der so gelehrte Finck zum Neuen-Felde, nicht? Auf gleiche Weise gleichfals treibet Der theure Wagener sein Ampt; er schreibt und spricht, Zu seines Schoͤpfers Ruhm. Durch solcher Lichter Licht Wird, hoff’ ich, manches Licht auf Erden Zu seines Schoͤpfers Ruhm noch angezuͤndet werden, Auch unter Geistlichen! Hier schließ ich dieß Gedicht Mit angeflammtem Wunsch: der Schoͤpfer wolle mir, Wo es mir nuͤtz, noch oft die Gnade geben, Zu seiner Ehr’ ein Neu-Jahr zu erleben! Ach GOtt, gieb, daß mein Geist, o ew’ge Liebe! dir, Durch dein Geschoͤpf vergnuͤgt, ein oͤfters Danck-Lied singe: Daß ich, Bewundrungs-voll, die Weisheit deiner Wege Mit Ehrfurcht, Andacht, Lust, zum oͤftern uͤberlege Und dir ein oͤfters Danck- und Freuden-Opfer bringe! Neu- Neu-Jahrs Gedichte. N eu- J ahrs G edancken bey dem Eintritt des 1733sten Jahrs. D er Erden Kreis-Lauf, dessen Ende Uns immer mehr und mehr vom Licht der Sonnen fuͤhrte, Wodurch man immer mehr Nacht, Sturm und Frost ver- spuͤhrte; Jst heute, GOtt sey Lob! vollbracht. Die frohe Wende, Wodurch wir uns zur Sonne wieder drehn, Jst allbereit geschehn. S elbstaͤndige Weisheit! Selbstaͤndige Liebe! Unendlicher ewiger Vater des Lichts! Du rieffest einst Allem, und schuffst es aus Nichts. Es drehn sich, durch deine bewegende Triebe, Die Himmlischen Kreise. Die Angel stehn Auf deinen Befehl. Es verfliegen, vergehn Die Jahre nicht anders, als fluͤchtige Stunden; Die Zeit scheint ein Punct-Fluß von schnellen Secunden. Ach laß mich, zu deinen unendlichen Ehren, Nebst andern, so irdisch-als himmlischen, Choͤren, Bey unserer Jahre vollendeten Schrancken, Dein’ Allmacht erheben, durch Loben und Dancken! Auf! auf, mein Geist! laß Brunst und Andacht glimmen, Auf! auf, zu dieser Zeit, ein Danck-Lied anzustimmen Dem grossen All, das alles schafft, regiret, Und aller Himmel Heer in solcher Ordnung fuͤhret, Daß alles unverruͤckt besteht, Daß nichts aus seinen Schrancken geht! Und Neu-Jahrs Gedichte. Und da ich dich, geliebter Freund, allhier, So wie vor dem einmahl, zu eben dieser Zeit, Nicht ohn Vergnuͤgen bey mir finde; So, bitt ich dich, verbinde Dein Lob-Lied auch mit mir. A. Du hast, vor mehr als sieben Jahren, Da wir im Neuen Jahr, wie jetzt, beysammen waren, Mir einen grossen Dienst gethan, Und von der duncklen Zweifels-Bahn Mich abgeleitet, unterwiesen, Und mir, des grossen Schoͤpfers Macht, So uͤberzeuglich beygebracht, Daß ich dir oft gedauckt, den Schoͤpfer oft gepriesen, Jch bin demnach von GOttes ew’gem Wesen Von seiner Groͤsse Herrlichkeit, Von seiner seeligen Vollkommenheit, Genugsahm uͤberfuͤhrt. Das Welt-Buch laͤßt mich lesen: Wie unbegreiflich-wunderbar Sein Goͤttlich All an allen Orten sey. Allein mir faͤllt noch oft ein alter Zweiffel bey. Mich deucht, es sey noch lange nicht so klar, Daß die Unsterblichkeit von unsern Seelen Ohn Ungewißheit sey. Jch kann dir nichts verheelen, Jch fuͤhle daß mich noch verschiedne Zweiffel qvaͤlen, Und wuͤnscht’ ich inniglich, Daß du, aus Mitleid, dich So viel beliebtest zu bemuͤhen, Mich aus des Zweifels Meer noch einst heraus zu ziehen, Jn welchem ich noch treib’. B. Jch stellte dir Ja dazumahl verschiedne Gruͤnde fuͤr, Die Neu-Jahrs Gedichte. Die uͤberzeuglich gnug. Doch, da es GOtt zu Ehren Vermuthlich auch gereicht, wenn ich, zu dieser Zeit, Von seiner Liebe Groͤß’ und Unermaͤßlichkeit, Jn Ansehn unsers Geists, was deutliches zu lehren Mich jetzt beschaͤftige; So will ich, auf dein Fragen, Dir nicht allein hier meine Meynung sagen; Jch will nachher, wie ich mir vorgenommen, So, wie wir einst von der Materie Verschiedne Kraͤft’, erstaunt, erwogen, Durch einen neuen Trieb darzu gezogen, Auch auf der Seelen Kraͤfte kommen, Und, wo nicht mehr, doch minstens, eine Kraft Und sonderbahre Eigenschaft Der Menschen auf der Welt vorhandnen Seel’, erwegen, Die deine Zweifel auch daneben Vielleicht geschickt am kraͤftigsten zu heben. Gieb, grosser Schoͤpfer, doch zu beydem deinen Seegen! Was die Unsterblichkeit der Seelen nun betrift, Bedaur’ ich zwar, daß dich von dieser Wahrheit, So wenig mein Gespraͤch, als auch die Schrift, Die doch hievon mit solcher Klarheit Uns zeugt, dich uͤberzeugt. Drum will ich mich bequehmen, Nebst ihnen die Vernunft zu Huͤlff’ zu nehmen. Um dieses nun noch ferner zu erklaͤren, So stell ich dir Selbst aus der weisen Heyden Lehren, Von unsrer Seelen Daur, hier ihre Meynung fuͤr. Es saget hievon Cicero, Jn Scipionis Traum, also: E e Ein Neu-Jahrs Gedichte. Ein Wesen, das sich selbst beweget, Dem wird die Kraft, daß es sich reget, Weil es sich selbst nicht wird entstehn, Auch nimmermehr vergehn. Noch einen andern Grund Legt Cicero Catoni in den Mund: Da, spricht er, unser Geist so viel Geschwindigkeit Auch die Erinn’rung hat von Dingen, die vergehen, Da er voraus ersieht die Dinge kuͤnftger Zeit, Die noch zu seyn nicht angefangen, Da so viel Kunst und Wissenschaften, So manch’ Erfindung an ihr haften; So stimmt ja dieß mit ihr am meisten uͤberein, Sie muͤsse von Natur unsterblich seyn. Es spricht derselbe noch an einem andern Ort: Jch fuͤhl’ in meiner Seel, wie sie sich selbst erhoͤhet, Und wie die Nachwelt ihr also vor Augen stehet, Als ob sie allererst, wenn sie von dieser Erde Wird abgeschieden seyn, aufs neue leben werde. Wenn unsre Seele nicht unsterblich waͤre; So wuͤrden wackrer Leute Seelen, Mit solcher Muͤhe, nicht des Nachruhms Ehre Und die Unsterblichkeit zu ihrem Zweck erwehlen. Noch einen andern Grund bringt Xenophon uns bey: Jhr seht, spricht er, wie nichts so aͤhnlich sey Dem Tod’, als wie der Schlaff; nun zeigen Seelen, Die schlaffen, ihre Goͤttlichkeit Vortreflich an. Jndem sie frey; Sieht jede, von der kuͤnftgen Zeit, Verschiednes schon vorher. Daraus ist leicht zu schliessen, Wie Neu-Jahrs Gedichte. Wie treflich Seelen seyn, ja noch erst werden muͤssen, Wenn sie von ird’scher Last nun voͤllig erst befreyt. Noch einen Grund sucht uns Alemaͤon vorzulegen: Er schließt: daß unsre Seel’ unsterblich sey, deswegen, Weil sie den Dingen gleich, die unvergaͤnglich seyn. Die Gleichheit nun trift darin ein, Daß die Bewegung sich nie von der Seel entferne Und daß, was Goͤttlich ist, die Sonne, Mond und Sterne, Ja aller Himmel Kreise Sich regen auf dieselbe Weise. Noch giebt ein andrer uns den Unterricht, Wenn er, wie folget, spricht: Die Seelen haben nur die Eigenschaft allein, Daß sie stets juͤnger sind, je aͤlter daß sie seyn. A. Die Gruͤnde haben zwar von Wahrheit einen Schein; Allein, Wenn man sie naͤher uͤberleget, Und ihre Wuͤrcklichkeit erweget; Verlieren sie von ihrem Schimmer viel. Sie sind mir wol bekannt, ich habe sie gelesen, Sie sind mir lange nicht mehr unbewust gewesen; Doch sind’ ich jetzt, sie gehn nur gar zu weit vom Ziel. Wir wollen, nach der Reihe, gehn, Und sie mit Fleiß und Achtsamkeit besehn. Dein ersterer Beweis waͤr’ herrlich, waͤr es nur Von ihr, als einer Creatur, Erweißlich, daß der Seelen Kraft Und der Bewegung Eigenschaft Bloß von ihr selbst, und nicht vielmehr Von GOTT unmittelbar Entstanden und erhalten waͤr. E e 2 Denn Neu-Jahrs Gedichte. Denn waͤre dieß; kaͤm’ es ja gantz und gar Auf GOttes Willen an, wie lang’ er goͤnne, Daß sie sich so bewegen koͤnne. Der andre Grund ist noch so kraͤftig nicht, Als wie der erste war. Ans diesem folget zwar Daß unsrer Seel’ es nicht an Kraft gebricht, Daß sie ein herrliches, vortreflichs Wesen. Doch daraus folget nicht, daß sie dazu erlesen, Daß sie unsterblich sey. Weil die Erfahrung lehrt, Daß oft das treflichste so lange, lange nicht, Als etwas, so geringer, waͤhrt. Der dritte waͤre gut, wofern nur dieser Trieb Jn aller Menschen Seelen brennte, Und man denn die Versichrung haben koͤnnte, Daß GOtt, durch die Natur, ihn uns ins Hertze schrieb, Nicht, aber daß vielmehr er uͤberall Sich ausgebreitet, durch den Fall, Daß er vielleicht nur eine Schwaͤrmerey Und eine taube Frucht der eitlen Ehrsucht sey. Auf deinen vierten ist die Antwort leicht zu finden: Daß Seelen in der That Oft, was zukuͤnftig ist, im Schlaf empfinden, Jst, was ein weiser Mann, noch nie gelaͤugnet hat. Ob aber das, was wir vom Kuͤnftigen erlangen, Nicht durch Empfindungen geschieht, Von Dingen, welche man hier gegenwaͤrtig sieht, Die auf das Kuͤnft’ge schon zu wircken angefangen, Jst gantz ein’ andre Frag? Und wenn es gleich geschehe, Daß eine Seel auf andre Weise Jm Traum zukuͤnftge Dinge sehe; So Neu-Jahrs Gedichte. So folgte zwar daraus, daß, an Beschaffenheit Sie gar vortreflich, herrlich, schoͤn; Doch koͤnnte man ihr die Unsterblichkeit, Allein hieraus, jedoch nicht zugestehn. Dein Fuͤnfter setzt voraus der Alten Lehren, Die Aristoteles absonderlich geglaͤubt, Daß alles Himmlische bestaͤndig bleibt, Und daß die himmlischen Geschoͤpf’ ohn’ Ende waͤhren; So aber doch nicht zu erweisen. Ja, wenn auch endlich diese Lehre Erweißlich waͤre; So wuͤrde doch, was sie dahero schliessen, Daraus nicht fliessen. Denn, haͤtten gleich mit jenen Himmels-Kreisen, Die Seelen die Bewegungs-Kraft gemein; So folget doch noch nicht, Sie muͤsten all gleich unvergaͤnglich seyn. Es fehlt der Schluß ja weit, Und ist durchaus nicht einerley, Daß die Bewegungs-Kraft das erste Wesen, Und daß die Unvergaͤnglichkeit Desselben Wesens Wirckung sey. Dein sechster Schluß hat auch viel minder Kraft, als Schein, Mit der Erfahrung stimmt zwar dieses uͤberein: Je laͤnger Seelen hier im Leib’ und auf der Erden; Je reicher sie, an Witz und an Erfahrung, werden. Hieraus nun scheint zu folgen, daß die Seelen Vor sich nicht koͤnnen untergehn, Denn alles, was verdirbt (wie wir an Coͤrpern sehn) Dem faͤngt es allgemach an Kraͤften an zu fehlen. E e 3 Ein Neu-Jahrs Gedichte. Ein Wesen aber, das sich stets an Kraͤften mehret, Je laͤnger daß es waͤhret, Scheint, weil es immer waͤchst und nimmer ab- genommen, Zum Ende nie zu kommen. Allein es zeigt sich auch, Daß bey Veralteten die Kraft verrauch’, Und sich verringere durch allerley Beschwehrden, Da alte Leute kindisch werden. Man spreche nicht, Es koͤmmt, wenn dieß geschicht, Bloß von Veraͤnderung der Lebens-Geister her, Nicht von Veraͤndrung unsrer Seelen. Denn wenn dem also waͤr; So koͤnnte dieß nicht fehlen: Es sey, wenn Seelen zugenommen, Von Aenderung der Lebens-Geister auch, Nicht von der Aenderung der Seelen, hergekommen. B. Jch muß es zwar gestehn, Von diesen Gruͤnden, giebt Ein jeder zwar insonderheit, Nicht guͤltigen Beweiß von der Unsterblichkeit. Doch, wenn man sie zusammen bindet, Und, als Erfahrungen betrachtet; so befindet Jn ihr, ohn’ alle Dunckelheit, Sich mehr doch als Wahrscheinlichkeit. Absonderlich, wenn man noch andre dazu fuͤget, Als nemlich: man muß ja gestehen, Daß Coͤrper nicht einmahl vergehen. Zu nichts wird nichts, und mit Veraͤndrung Vergnuͤgt sich die Natur, nicht mit Vernichtigung. Ver- Neu-Jahrs Gedichte. Vergehen nun nicht einst die Coͤrper, die von Erden, Wie koͤnnen Seelen denn vernichtigt werden? Und ferner: Daß der Mensch des hoͤchsten Willen, Auf manche Art, geschickt sey, zu erfuͤllen, Daß wir, vor allen Thieren, So viele Vorzuͤg’ in ihm spuͤhren, Daß GOtt sich ihm, auf so bekannte Art, Bekannt gemacht und offenbahrt; Aus allen diesen folgt, in einer heitern Klarheit, Die Himmel-feste Warheit: Man kann durchaus nicht sehen, Noch auf die minste Weise’ nur Die Ursach, und den Grund, verstehen, Wie und wozu die Seelen solche Gaben, So manchen Vorzug doch, vor aller Creatur, Von GOtt, erhalten haben. Da wir, so gar in der Gestirne Prangen, Und, in derselben Wissenschaft, Von seiner Majestaͤt und Herrlichkeit Noch allererst, vor kurtzer Zeit, Solch eine grosse Prob’ empfangen. Wenn GOtt an selbiger vor andern allen Nicht haͤtt’ ein gnaͤdiges Gefallen Und sie nicht liebete; was man nun liebt, erhaͤlt Und schuͤtzt man, wenn man kann. Da GOTT, ein HErr der Welt, Unstreitig alles kann; erhaͤlt er, was er liebet, Und weil er ewig liebt; so kann es ja nicht fehlen, Daß er ein’ ew’ge Daur auch unsern Seelen, Die seiner Liebe sich nicht unwehrt machen, giebet. E e 4 Weil Neu-Jahrs Gedicht. Weil aber GOtt jedoch nun auch gerecht, Und die so seine Huld, die ewig ist, verachten, Auch ewig straffen kann; so scheint es wahr zu seyn Daß boͤse Seelen auch, um ihren Fehl zu buͤssen, Unsterblich seyn und lange dauren muͤssen. A. Die Schluͤsse gehen weit, und fehlt nicht viel, es wancken Die biß dahin verhaͤrteten Gedancken. Allein, Es fallen mir noch ander’ ein, Die mich, mit Ungewißheit, plagen. Weshalben ich sie dir hier vorzutragen Mich nicht enthalten kann. Der erstere : daß unsern Seelen, (Was auch daran fuͤr Kraft geglaubet wird zu haften) Fast alle Kraͤfte fehlen, Den eignen Coͤrper selbst zu fuͤhren, Zu leiten zu regiren. Der andere : daß solch ein Unterscheid Sich in der Menschen Seelen findet Von Einfalt, Bosheit, Froͤmmigkeit, Die fast kein Menschen Witz ergruͤndet; So faß’ ich nicht wie sie nur in zwo Classen, Jn boͤs’ und fromme, sich mit Recht nur theilen lassen. Laßt uns zuerst den ersten Zweiffel sehen: Wenn man sich selbst betrachtet und beschauet; So trift man einen Coͤrper an, Der wunderbar gefuͤget und gebauet, So daß er sich auf tausend Art bewegen, Veraͤndern, dreh’n und wenden kann. Von Neu-Jahrs Gedichte. Von den Bewegungen nun, die wir hegen, Sind ja die wenigsten in unsrer Seelen Macht. Des Blutes Circkel-Lauff, des Magens rege Krafft, Des Hertzens Druck und Eigenschaft, Die Leber, das Gehirn, die Druͤsen, sammt der Niere; Was ruͤhmt sich denn der Geist, daß er den Leibe regire, Da ja das minste Theil von uns der Seelen Willen Gehalten zu erfuͤllen. Zwar muͤssen sich, nach ihrem Dencken, Die Fuͤsse, Bein’ und Haͤnde lencken, Die Arme muͤssen sich, nach ihrem Winck, bewegen, Auch Kieffer, Zung’ und Mund. Die edlen Theil’ hin- gegen Aus welchen selbst ihr Wol bestehet, wissen Davon, daß sie dem Winck der Seelen folgen muͤssen, Auch das geringste nicht; vielmehr Verleihen sie dem Geist gar oft ein schlecht Gehoͤr. Ein schlechter Fuͤrst, dem Bauren nur allein, Und keine Staͤnde sonst, gehorsahm seyn! Hieraus nun scheinet dieß zu fliessen: Daß unsre Seele kein so treflichs Wesen sey; Jch kann unmuͤglich anders schliessen. B. Mit deinem Einwurff kommst du mir, Geliebter Freund, als wie der Momus, fuͤr, Der, eh’ er uns vollkommen halten sollte; Am Menschen Fenster haben wollte. Du tadelst nicht, mit Recht, daß Pferde keine Fluͤgel, Daß keiner Nachtigall Gesang die heisern Raben, Daß Schaafe keinen Stoltz, noch tapfre Sinnen haben; Und laͤssest doch dem Hochmuth so den Zuͤgel, E e 5 Daß Neu-Jahrs Gedichte. Daß du den Schoͤpfer selber meistern, Und, so zu reden, ihn zur Rede stellen wilt, Warum er nur so viel, und nicht noch mehr, den Geistern An Kraͤften zugetheilt. Jst dieß nicht ungereimt? Jst dieß nicht laͤcherlich? Betrachte doch die Frucht, Die aus des Hochmuths Saamen keimet. Dich blendet Eigen-Lieb’. Statt einer heissen Sucht, Des Schoͤpfers Weisheit, Macht und Liebe zu verehren, Und, durch Gelassenheit und Demuth, seinen Preis, Jn ehrerbietigster Bewunderung Und tieffester Erniedrigung, Stets zu erhoͤhn und zu vermehren; So tadelst du, aus Vorsatz, recht mit Fleiß, Das, was so gar ein Mensch, der redlich dencket, Zu fassen, zu begreiffen weiß. Es zeigt sich offenbar, daß alles, was wir sehen, Nicht sonder Weisheit, Lieb’ und Absicht hier geschehen. Denn gaͤbe GOtt der Seelen so viel Kraft, Des gantzen Coͤrpers Eigenschaft, Zu kennen, folglich auch zu aͤndern, So, daß der Mensch geschickt, Hertz, Magen, Blut und Nieren, Als wie er Arm und Hand regiret, zu regiren; So stuͤnd’ in seiner Hand der Tod, wie auch das Leben. Ja, waͤr ein solches Ampt dem Geiste zugeleget, Sich zu beschaͤftigen, da er schon jetzt nicht pfleget Auf GOttes Creatur zu achten; wie vielmehr Wuͤrd’ er, auf sich erpicht, sich dann noch uͤberheben! Er glaubte leicht, daß er sein’ eigne Gottheit waͤr. Ach, darum halte man sich doch in seinen Schrancken! An statt, von GOtt ein mehrers zu verlangen; So laßt uns ihm, fuͤr das, was wir empfangen, Doch in Gelassenheit und stiller Ehrfurcht dancken. Die Neu-Jahrs Gedichte. A. Die Antwort laͤßt sich ziemlich hoͤren: Nun wird es hoffentlich dich nicht beschweren, Den andern Zweifel mir auch zu erklaͤhren. Mich deucht, wenn ich es recht bedencke, Und auf die Wichtigkeit von der Materie Die Kraͤfte meiner Seelen lencke; Daß ich darin aufs wenigste Drey Arten seh. Die Seelen, die, auf dieser Erden, Recht boshafft, schlimm und gottlos werden, Verdienen billig Straff und Pein. Hingegen, die, so fromm und redlich seyn, Erhalten etwa, nach der Zeit, Zum Gnaden-Lohn die Seeligkeit. Die aber dumm, und, fast den Thieren gleich, Nichts auf der Welt gethan, (Zum Beyspiel: schan nur einst die Rotten Der Viehisch-dummen Hottentotten, Sieh tausend Bauren an, Die Lieff- und Curland dir bey Hauffen zeigen kann) Sind, allem Ansehn nach, zum Himmel viel zu schlecht, Zur Hoͤlle jedennoch nicht schlimm genug. Daher man ja mit Fug, Als wie Pythagoras, von solchen dummen Schaaren Gedencken kann, daß sie in andre Coͤrper fahren, Um sich daselbst erst zu subtilisiren, Jndem, so wie sie seyn, Nichts Menschlichs fast an ihnen zu verspuͤren. B. Dem erstern Ansehn nach hat dieser Einwurff Schein: Allein, Erweg ihn recht, so wirst du finden, Daß, alle Dinge zu ergruͤnden, Wir Neu-Jahrs Gedichte. Wir nicht erschaffen seynd; Es haben die Gedancken Des Menschlichen Geschlechts gewisse Schrancken, Woruͤber sie mit ihren Schluͤssen Nicht kommen muͤssen. Laß unserm GOtt dergleichen Seelen uͤber, Der wird, nach seinem weisen Rath, Auch ihnen einen solchen Grad Von Straff’ und von Belohnung, geben, Die, mit dem hier gefuͤhrten Leben, Und auch mit der Beschaffenheit Schon eine bill’ge Gleichheit haben. Vielleicht gefaͤllt es GOtt, daß, mit der Zeit, Auch ihm zum Preise, Auf eine uns gantz unbekannte Weise Der Seelen Kraͤfte sich vermehren, Erhoͤhen und verbessern, Und daß sie an Vollkommenheit, Es sey auch wo es sey, geschickt sich zu vergroͤssern. Sollt alles dieses auch, geliebter Freund, Dir allen Zweifel noch nicht heben, Den dir der Seelen Daur bißher gegeben; So will ich mich zuletzt annoch bestreben, Dir einen Grund, der staͤrcker, als er scheint, Und in der Seelen selbst gegruͤndet, vorzutragen. Doch hoff ich, daß du mir vorhero wirst versprechen, Mein Reden nicht zu unterbrechen. A. O! fahr nur ferner fort, ich will aufmercksam hoͤren, Und dich durch Wiederspruch nicht stoͤhren. B. Erweißlich ist, daß GOtt, zu seinem Preise, Die Welten, deren wir so viele sehn, Um Neu-Jahrs Gedichte. Um ihre Sonnen sich, in schoͤnster Ordnung, drehn, Von unterschiednem Stoff gefuͤget und gemacht. Vermuthlich hat dem Grossen All gefallen, Daß unser’ Erd’ annoch, vor andern allen, Zum Wunder dienen soll; da sie hervorgebracht, Sehr wunderbar gefuͤgt von wiederwaͤrtgen Dingen, Von Theilen, welche duͤrr, von Theilen, welche feucht, Von Theilen, welche schwer, von andern, welche leicht, Von leidender und reger Eigenschaft, Von feuriger und traͤger Kraft, Aus welchen streitenden Partikeln, Erd’ und Fluth, Und Luft und Gluth, Und, aus denselbigen, die Coͤrper all’ entspringen, So, trotz der wuͤrckenden Beschaffenheit, Der streitenden Natur und ihrer Wiedrigkeit, Die sich in allen Theilen finden, Dennoch bestehn, dennoch sich binden. Hiedurch wird GOttes Majestaͤt, Wenn unser Geist dieß Wunder recht erweget, Und, wie wir schuldig, uͤberleget, Am wunderwuͤrdigsten erhoͤht. Da, aus dem buͤndigen Zusammenhalt Sich gar nicht gleicher Theil’, ein solches herrlichs Gantz Entstehet und besteht; so kann ja nie der Glantz Von einer Goͤttlichen Gewalt, Und Lieb’ und Weisheit heller scheinen, Als da sie alle sich auf eine Art vereinen, Die unbegreiflich ist. Es liegt zu gleicher Zeit Hierin der Grund, woher ein solcher Unterscheid Veraͤnderung, Verschiedenheit, Jn unsern Neigungen, Gedancken und Jdeen, Woher so mancherley Bewegungen entstehen, Da Neu-Jahrs Gedichte. Da unsre Coͤrper nicht allein Von solchen streitenden Parteikelchen vereinet, Gemischet und gefuͤget seyn, Nein, sondern selbst der Geist, mehr als man meynet, Vom Coͤrper und desselben Eigenschaft, Nachdem er sich im schlecht- und gutem Stande findet, Bald mehr bald minder Schwaͤch’ und Kraft Jn seinem Wesen selbst empfindet. Denn, wenn auch gleich dem Geist und seinen Wesen, nicht Jm eigentlichen Sinn, wie Coͤrpern hier auf Erden, Koͤnnt ein Zusammensatz recht zugeschrieben werden, So ist es Wunder gnug, daß, wenn wirs recht ergruͤnden, Wir solchen Abgang doch von seinem Coͤrper finden, Jn seinen Wirckungen. Daher so mancher Streit Bald Lust, bald Leid, bald Licht, bald Finsterniß Furcht, Zweifel, Hofnung, Gram, Veraͤndrung der Gedancken, Die oft, ja mehrentheils, sich mit sich selber zancken; Daher entsteht vielleicht daß alles ungewiß. Wir finden in uns selbst, wenn wir uns selbst erwegen Und sonder Vorurtheil die Menschheit uͤberlegen, Uns wunderlich gemischt; nichts, alles, viel und wenig; Bald herrschet der Verstand, bald ist der Wille Koͤnig, Bald ist der Wille gut, bald ist ers wieder nicht, Bald ist Vernunft ein Jrr- und bald ein rechtes Licht Oft sind wir dumm und stumpf, oft an Erfindung reich; Bald sind wir gut, bald boͤß, bald boͤß und gut zu gleich. Es findet sich, von alle Creatur, So viel uns die Erfahrung weist, Die unbegreiflichste Bewundrungs-wehrtste Spur, Von Mischungen, o Mensch! in deinem Leib’ und Geist, Weil Neu-Jahrs Gedichte. Weil Groß und Klein, weil Thorheit und Verstand, So Staͤrck’ als Schwaͤche, Hoͤh’ und Kleinheit, Durch ein verwunderlich geheimes Band, Jn einer solchen Einheit, Jn uns verbunden sind, daß nichts davon sich fassen, Nichts sich verstehen will, nichts sich begreiffen lassen. Laßt uns das A. B. C. der Weisheit lernen, Es ist der Mensch, dem Coͤrper nach, sehr klein, Jm Gegensatz von Bergen, Welten, Sternen; Doch kann er auch mit Recht sehr groß zu rechnen seyn Vergleicht man seine Maaß den Wuͤrmern, Staub und Sand; Sein Geist ist gleichfals groß: sein denckender Verstand Weiß mehr, als alles hier; Doch gehn ihm auch zugleich an Kraft unstreitig fuͤr Die Seeligen, die Engel. So daß wir, Jn der erschafnen Welt Zusammenhang, So wie gesagt, ein Mittel-Wesen seyn, Das zwischen Unverstand und Weisheit, Licht und Nacht Ein sonderbar Gemisch, gleich einer Daͤmmrung, macht. So daß es mehr als wahr, was juͤngst ein Geist uns wieß, Und voll Erkaͤnntniß uns vernuͤnftig lesen ließ: „Unseelig Mittel-Ding von Engeln und vom Vieh, „Du prahlst mit der Vernunft und du gebrauchst sie nie. „Was helffen dir zuletzt der Weisheit hohe Lehren, „Zu schwach sie zu verstehn, zu stoltz sie zu entbehren! „Du bleibest, wie ein Kind, das meistens unrecht waͤhlt, „Den Fehler bald erkennt, und gleich drauf wieder fehlt. Dieß Neu-Jahrs Gedichte. Dieß scheint mehr als zu wahr. Wir haben Faͤhigkeit Zu dencken, einen Trieb zu wollen, zu erwegen, Zu forschen, anzusehn, wir koͤnnen uͤberlegen, Erwehlen, meiden, thun: doch zeigt uns oft die Zeit Daß, in demjenigen, was wir erwehlet, Wir leider mehrentheils gefehlet. Jn diesem Zustand nun, (worinn wenn (wie wir sollten) Wir selber uns nicht schmeicheln wollten, Wir billig dieß gestehen muͤssen, Daß wir zugleich so viel, und auch so wenig wissen) Waͤr, zwischen frechem Stoltz, der Lueifer gestuͤrtzet, Und der Verzweiffelung, die alle Lust verkuͤrtzet, Das Zweifeln eigentlich der Seelen beste Kraft Und von der Menschen Geist die wahre Eigenschaft. Das aber muͤst und wuͤrd’ uns ja in allen Dingen Zur bangen Ungewißheit bringen. Jn diesem stuͤrmischen und truͤben Zweifels-Meer, Worin das Wasser Furcht, der Grund Verzweiflung waͤr, Wuͤrd’ unsre Seel’ auf nichts, als Hofnungs -Vlasen, wallen Und, lang heruͤm gefuͤhrt, zuletzt zu Grunde fallen. Der Hofnung fluͤcht’ger Grund ist Eigen-Lieb’ allein. Wir schmeicheln uns, durch sie begluͤckt zu seyn, Obgleich ihr Wesen stets mit Zweifel angefuͤllet, Der sich bald stillt, bald regt, und bald sich wieder stillet, Doch bald sich wieder pflegt zu regen. Jn diesem Zustand unsers Lebens Bemuͤhet sich mit uns die Hofnung nur vergebens, Und wuͤrden wir, nebst allen Heiden, Jm steten Zweifel, stetig leiden. So aber hat uns GOtt ein herrlich Licht, Jn unsern Seelen, angezuͤndet, Das, mit der GOttheit, sich und uns verbindet. Dieß Neu-Jahrs Gedichte. Dieß ist der Glaube nun, durch welchen wir erlangen Das, was die Hofnung kaum zu wircken angefangen. Nach menschlichem Begriff, vermehret nichts so sehr Der wahren GOttheit Ruhm und Ehr; Als wenn wir alle Kraft des Geists zusammen fassen, Und uns allein auf seine Huld verlassen. Der Glaub’ ist eine fest’ und wahre Zuversicht Der Gottheit alles zuzutrauen, Und welcher um so mehr der Menschen Pflicht, Als wir uns selbst in so vermischtem Stande schauen Von Hoffnung und von Furcht, von Zweifel, Freud’ und Grauen. Was kann demnach allhier, bey so bestalten Sachen, Da unser Geist erkennt, wie wenig er auf sich Sich zu verlassen hat, wie schwach sein armes Jch, Den Menschen gluͤcklicher, als wie der Glaube, machen? Der Glaub’ ist eigentlich ein Mittel zwischen Wissen Und Hoffen. Hieraus folgt, daß alle Menschen muͤssen, Auch selber der Natur und ihrem Wesen nach, (Wofern sie anders GOtt gedencken zu gefallen, Und ihre Pflichten recht behertzigen) vor allen Durch Glauben GOtt allein in diesem Leben Bloß zu gefallen, sich bestreben: Und daß man folglich billig soll So die Verzweifelung, als auch den Hochmuth, meiden; Doch muß man ja den wahren wol Vom falschen Glauben unterscheiden. Aus unsrer Lehre kan man wenigstens ersehn, Daß, selbst aus der Vernunft, gantz deutlich zu verstehn, Wie, selbst in Menschlicher Natur, Ein Grund und eine Spur F f Zum Neu-Jahrs Gedichte. Zum Glauben wuͤrcklich sey. Auf diesen Grund zu bauen, Und das wahrhaftige Gebaͤude zu errichten, Will ich, dieweil es meine Pflichten Und Kraft weit uͤbersteigt, den Geistlichen vertrauen, Als die, durch Einsicht, Fleiß und Licht, in heil’gen Lehren, Aus einem heil-gern Born es faͤhig zu erklaͤhren. Mein Endzweck ist allein, So mich, als dich, und die dieß etwan lesen, Jn unser eignes Wesen, So tieff, als moͤglich ist, hinein Zu leiten, und zu uͤberfuͤhren, Daß, da an Leib’ und Geist wir so seynd, wie wir seynd, Das glauben uns weit me hr, als wissen, will gebuͤhren. Selbst die Natur laͤßt uns die grosse Wahrheit fassen, Jn keinem Stuͤck uns gantz auf uns selbst zu verlassen, Da, in den, von Natur, uns vorgesetzten Schrancken, Wo fast kein Wissen statt, Und Unbetrieglichkeit gar keine Stelle, hat, Das aufgeblaͤhte Heer der schwaͤrmenden Gedancken Umsonst Gewißheit sucht, die ihm doch noͤthig scheint. Es scheint hieraus zugleich gantz offenbar, Und mehr als Sonnen-klar, Aus diesem unsern Satz zu fliessen, Daß unser GOtt von Menschlicher Natur Nichts, als den Glauben nur, Verlangen koͤnn’ und werd’? Es laͤßt dieß leicht sich schliessen, Und stimmt mit der Erfahrung uͤberein, Daß, bey dem uͤberall-vermischten Wesen, wir Allhier, Zum wissen nicht erschaffen seyn. So Neu-Jahrs Gedichte. So weit demnach sich die Gedancken strecken, So tieff wir alle Ding ergruͤnden; So werden wir doch nichts entdecken, Was, nach dem Stand’, in dem wir uns befinden, Der GOttheit wuͤrdiger zu schencken Und ihr zu opfern, als allein Der Glaube. Dieser schließt was in uns groß und klein, Die Goͤttliche-zusammt der Selbst-Erkaͤnntniß ein. Der Glaub’ ist ein auf GOtt gegruͤndetes Vertrauen, Wodurch wir GOtt, als GOtt; und uns, als uns, be- schauen, Das GOttes Majestaͤt und Weisheit, Lieb’ und Macht Zum Grund’ und Endzweck hat. Ein uͤberfuͤhrt Gemuͤthe, Daß GOtt die Allmacht selbst und die selbstaͤnd’ge Guͤte, Auch selbst die Weisheit sey, ist das Vollkommenste, Wozu der Menschen Geist geschickt ist zu gelangen. Was kann der Schoͤpfer denn doch wuͤrdigers empfangen, Als diese Kraft, als diese Zuversicht, Wodurch, da wir uns selbst verliehren, wir verspuͤhren, Daß wir uns in uns selber nicht, Nein, in der GOttheit selbst, verlieren? Unmoͤglich kann der Mensch in diesem Leben, Nach seiner Schwachheit, GOtt ein wuͤrd’ger Opfer geben. Es ist der wahre Glaub’ ein lebendig Geschaͤfte, Ein maͤcht- und thaͤtig Ding, das unsers Geistes Kraͤfte, Zu GOttes Ruhm, vermehrt. Der Glaub’ hat GOttes Huld Zum steten Augenmerck. Durch ihn gewinnen wir Zu seinem Worte Lust; in seiner Wercke Zier, Zum Loben einen Trieb; durch ihn, wird unsre Schuld F f 2 Jn Neu-Jahrs Gedichte. Jn etwas abgezahlt: er lehrt den Schoͤpfer ehren, Und seine weise Lieb’ und Macht, im Dancken, mehren. Der Glaub’ erregt zugleich, in unserm Hertzen, Triebe Zu einer thaͤtigen und bruͤnst’gen Naͤchsten-Liebe, (Als der auch sein Geschoͤpf) Muth, Fried’, ein gut Geruͤchte, Jm Wiedrigen Gedult, Vergnuͤgen, Sicherheit, Trost, Zuversicht im Creutz, Vertrauen, Freudigkeit Und ein gelassner Geist, sind wahre Glaubens-Fruͤchte. Dieß ist, geliebter Freund, der Zustand unsrer Seelen, Da in derselben nun so manche Tugend liegt, Zumahl, wenn sich dazu ein seel’ger Glaube fuͤgt, So wird dich hoffentlich dein Zweifel nicht mehr qvaͤlen, Als ob dieselbige vergaͤnglich waͤre. Es stritte dieß mit ihres Schoͤpfers Ehre, Den du ja glaubst und kennst: ja sollte dir Noch etwas an dem Licht der Uberzeugung fehlen; So wird der Glaubens -Glantz allein den Rest Vom Zweifels-Duft und Nebel bald zertrennen, Und du, in Ueberzeugung, fest Von deiner Seelen Daur versichert bleiben koͤnnen. A. Jch habe den Begriff vom Glauben, daß er sich Jn unserm Wesen selbst so uͤberzeuglich finde, Ja in der menschlichen Natur sich gruͤnde, Bißhero nicht gehabt. Jetzt bin ich uͤberfuͤhret, So gar durch die Vernunft, daß die Vernunft allein, Fuͤr sich, zum GOttes-Dienst nicht kann hinlaͤnglich seyn, Auch daß wir durch Vernunft allein, den Weg zu finden, Uns, sonder Glauben, nur vergeblich unterwinden. Mich soll demnach forthin Von der Unsterblichkeit der Seelen, Mit GOttes Huͤlffe, mehr kein Zweifel qvaͤlen, Und danck’ ich dir, mit recht ergebnem Sinn, Daß Neu-Jahrs Gedichte. Daß ich nunmehr kann uͤberzeuglich finden Wie, wo, und wann Vernunft und Glaube sich verbinden. B. Wolan! so will ich denn nunmehr, Zu meines Schoͤpfers Preis’ und Ehr, Mich zu dem Endzweck meiner Lieder, Das ist: zum Danck- und Loben wenden! A. Jch wiederhohl’ allhier Die Worte gleichfals neben dir, Die du zu Anfang hast gesungen, Und, wo mir recht, also geklungen: S elbstaͤndige Weisheit! Selbstaͤndige Liebe! Unendlicher, ewiger Vater des Lichts! Du rieffest einst Allem, und schuffst es aus Nichts. Es drehn sich, durch deine bewegende Triebe, Die Himmlischen Kreise. Die Angel stehn Auf deinen Befehl. Es verfliegen, vergehn Die Jahre nicht anders, als fluͤchtige Stunden; Die Zeit scheint ein Punct-Fluß von schnellen Secunden. Ach, laß mich, zu deinen unendlichen Ehren, Nebst andern, so irdisch-als himmlischen Choͤren, Bey unserer Jahre vollendeten Schrancken, Dein’ Allmacht erheben, durch Loben und Dancken! B. Es fodert gleichfals meine Pflicht, Daß ich, fuͤr die empfangne Guͤte, Jm abgewichnen Jahr, mit froͤlichem Gemuͤthe, Mit Danck und Lob, des grossen Gebers dencke, Und ihm, fuͤr alle Huld, Ein inniglich-geruͤhrtes Hertze schencke. F f 3 Jch Neu-Jahrs Gedichte. Jch konte vorigs Jahr, GOtt Lob! mit Freuden enden, Und fange dieses Neue wieder, Mit tausend Freuden, an; Dafuͤr, o HErr! ich dir nicht gnugsahm dancken kann, Und wenn ich noch so vieles schreib’ und sage. Man dencke der Minut- und der Secunden Schaar, Mit Ernst, ein wenig nach! Es hat ein eintzigs Jahr Dreyhundert fuͤnf und sechszig Tage; Es hat nicht nur acht tausend Stunden, Noch siebenhundert sechzig mehr, Und, an Minuten, dann Secunden, Enthaͤlt es ein weit groͤsser Heer. Fuͤnfhundert fuͤnf und zwantzig tausend Und noch sechs hundert findet man, Die man mit sechszig noch vermehren, Und zu Secunden machen kann, Da sechs und dreyßig tausend mehr, Als ein und dreyßig Millionen, Und eine halbe noch, sich finden. Solch eine Zahl, die muͤhsam zu ergruͤnden, Hab ich nicht nur; die Meinigen, nebst mir, Und also diese grosse Zahl, Jn einem jeglichen vermehrt noch so vielmahl, (Dir, grosser GOtt, sey Lob und Danck dafuͤr) Jm vor’gen Jahr erlebt. Wir haben Tag und Nacht Gesund, und meistens sie vergnuͤglich, zugebracht, Mein GOtt! wie hat, im abgewichnen Jahr, Mir abermahl so wunderbar Die Sonne deiner Huld geschienen! Wie sind die Gnad- und Seegens-Gaben, Die wir von deiner Hand darin empfangen haben, So Neu-Jahrs Gedichte. So groß, so mancherley! Jch darf mich kaum erkuͤhnen, Sie ins besondre zu erzehlen; Weil, leider! Spoͤtterey und Neid, Die Plage-Geister unsrer Zeit, Nach ihrer Art, vielleicht nicht wuͤrden fehlen, Es eh fuͤr Eitelkeiten, Als einen schuldigen und wahren Danck, zu denten; Und meinen, als ob mich vielmehr die Eigen-Liebe Von meinem Jch, den Meinigen und mir Viel sonderbahres vorzutragen, Und gar zu viel zu schreiben und zu sagen; Als eine schuldige und reine Danck-Begier, Zu solcher froͤlichen Erzehlung triebe. Daher ich fast, jedoch nicht ohn Verdruß, Mich hier entschliessen muß, Jn meinem Danck allhier nur allgemein Zu seyn; Und will ich fuͤr so viele Guͤtigkeiten, Mich in geheim zum stillen Danck bereiten. Nur was davon jedennoch zu erwegen, Kann ich allhie mich nicht entlegen, Zumahl es eben Mich nicht allein betrifft, Und andre sich so wol, als ich, uns dessen freuen: Es hat in diesem Jahr von neuen Ein grosser Fuͤrst, Printz Carl von Bevern, mich Gewuͤrdiget, mir’ selbst zu sagen, Wie viel mein Buch, mein irdisches Vergnuͤgen, Zu seiner Freude, beygetragen. Noch mehr, er hat so gar Zu unsrer Patrioten-Schaar Sich, als ihr Ober-Haupt, zu fuͤgen, F f 4 Sie Neu-Jahrs Gedichte. Sie gnaͤdigst werth geschaͤtzt, Und ihre Gunst dadurch in solches Licht gesetzt, Daß ihre wohlgemeinten Schriften Nun tausendmahl so viel Verbeßrung werden stiften. Jn Lust, frey von Verdruß, von Schaden und Gefahr, Mit Seegen und mit Lust, hab’ ich in vor’gem Jahr Die Land-Praͤtur verwalten koͤnnen. Der Schoͤpfer hat dabey unzaͤhliches Vergnuͤgen, Jm Reiche der Natur mir wollen goͤnnen. Wie oftmahls konten nicht sich an der Erden Schaͤtzen Die Sinnen und die Seel’ ergetzen! Wie oft hab ich, GOtt Lob! wenn Feld und Wald bebluͤmet, Mit Lust des Schoͤpfers Lieb’ und weise Macht geruͤhmet! Oft hab’ ich saͤen, ofters egen, Oft des Getreydes reiffen Seegen Die Felder schmuͤcken, oft ihn maͤhn Und in die Scheune fahren sehn. O HErr! der du hierin mir so viel Guts erwiesen, Sey ewiglich geruͤhmet und gepriesen! So hab’ ich abermahl, zum besten vieler Seelen, Noch einen Prediger zu wehlen Gelegenheit gehabt, und weil ich, gleicher Weise, Ohn Absicht, Eigennutz und Vortheil, den gewehlt, Der ohne Wiederspruch der beste war; So hoff’ ich, daß ich nicht gefehlt, Und daß die Wahl, zufoͤrderst GOtt zum Preise, Und seiner Hoͤrer grosser Schaar Zum Heyl und Nutzen wird gedeyen. Jch dancke dir demnach, o Brunquell aller Guͤte, Fuͤr alle deine Gnaden-Gaben, Die wir im vor’gen Jahr von dir empfangen haben, Und wuͤnsch’ aus inniglich geruͤhretem Gemuͤthe: Ach Neu-Jahrs Gedichte. Ach, moͤgt’ ich mich mit wahrem Ernst bestreben, Nach deinem Goͤttlichen Gefallen hier zu leben, Nebst allen Meinigen! Es sey im kuͤnft’gen Jahr Mein Hertz und Haus dein Tempel und Altar! Laß, in und von uns, fuͤr das Gute, Mit inniglich-erfreutem Muthe, Ein oͤfters Danck- und Ehren-Opfer rauchen! Gieb unserm Geiste so viel Kraͤfte, Daß wir, mit Lust, der Frucht der Leidenschaft, Doch ohn Ausschweiffung, uns gebrauchen! Gieb uns dahin doch deinen Seegen, Daß wir, mit ruhigem Gemuͤthe, Zu Ehren deiner Macht und Guͤte, Uns unsers Hierseyns freuen moͤgen! Regier du, HErr, nebst den Gelegenheiten, Die Umstaͤnd’, als worauf, wenn wir es recht besehn, Das so genannte Gluͤck, die Zeiten, Und alle Zufaͤllt’ hier bestehn! Laß sie, da alle bloß allein in deinen Haͤnden, Sich, HErr, zu unserm Besten wenden! Mein GOtt! ach, laß doch viel Jdeen, Die deine Wunder anzusehen Beschaͤftigt, oft in mir entstehen! Laß die, durch sie, in meiner Brust Erregte, dir ergebne, Lust, Und das dadurch gewirckte Lallen, Zu deinen Ehren, dir gefallen! Laß mich, o HErr, allein zu deinen Ehren leben, Und ja an meinem Witz allein nicht kleben, F f 5 Laß Neu-Jahrs Gedichte. Laß mich vielmehr desselben Schwaͤch’ erkennen, Und, bloß im Glauben, dir die rechte Ehre goͤnnen! Ja, laß mich allezeit beym wahren Glauben bleiben, Und weder Jrrsahl, Stoltz, noch Furcht, davon mich treiben! Be- Neu-Jahrs Gedichte. Betrachtung Der Menschlichen Rede, bey dem 1734sten Jahrs-Wechsel. U nwandelbahres einigs Wesen, das Raum und Luft und Erd’, und Meer, Das Millionen Welt- und Sonnen, das aller Himmel Himmel Heer; Das aller Coͤrper ersten Uhrstoff, und aus demselben ihre Pracht; Das aller Geister regem Wesen, nebst ihren Kraͤfften und Jdeen, (Durch deren wunderbare Fuͤgung so wunderbare Ding’ entstehen,) Geruffen, daß sie werden solten, und sie aus Nichts her- vorgebracht, Durch dessen liebreich, weises, maͤchtigs, unhintertreiblichs, Goͤttlichs Wollen, Zu seiner Creaturen Besten, was ist, aus Nichts hervor gequollen; Des schaffendes, belebend Wort man wol, mit hoͤchstem Recht, wird koͤnnen Den wahren Saamen aller Saamen, die Quell der Crea- turen, nennen; Durch dessen Wort: Es werde Licht ! viel Millionen Sonnen flammen; Durch dessen Hauch die Himmels-Kreise in unverruͤckter Ordnung gehn; Von dem die Saamen aller Formen, und aller Saamen Formen stammen, Aus dem der Formen und der Saamen Bewegungen und Kraͤft’ entstehn! O Neu-Jahrs Gedichte. O ewigs Wort! aus dem allein das Wunder unsrer Red’ entsteht, Durch die die Menschheit lernt und lehrt, wie man dein herrlich Lob erhoͤht! Gieb, daß, bey diesem Jahres Wechsel, da wir zur Sonne wiederkehren, (So eines von den groͤsten Wundern, das auf der Welt die Menschheit sieht, Und welches durch dein Wort allein, wodurch du alles traͤgst, geschieht) Wir dich, in deinen Wunder-Wercken, mit Loben und mit Dancken ehren! Gieb, daß aus deiner Wunder Menge ich sonderlich auf diesen Tag, Wie ich bey dieser Wechsel-Zeit, durch deine Huld zum oͤftern pflag, Doch einen Vorwurf, welcher wuͤrdig, daß man dich lobe, wehlen mag! Jch kann mich, da ich willens bin, von deinen Lob’, o HErr! zu sprechen, Vom grossen Wunder unsrer Rede, zu reben, heute nicht entbrechen. Jndem man, ohne diese Gabe, zu deines grossen Nahmens Ehr’ Kaum etwas Gutes zu gedencken, noch dich zu ruͤhmen faͤhig waͤr. Ach, sende mir, zu diesem Zweck, der Weisheit Licht und hellen Schein Und laß es, HErr! zum Neuen Jahr, dir ein gefaͤllig Opfer seyn! W enn auf die Millionen Wunder, die allenthalben zu erblicken, Die uns, wenn man es recht erwegt, erhalten, nuͤtzen und erqvicken, Die Neu-Jahrs Gedichte. Die uns, zu unsers Schoͤpfers Ehren, und uns zum Heil, von GOtt geschenckt, Man mit bedachtsamen Erwegen, die Kraft der regen Seele lenckt; So scheint fast keines wuͤrdiger, daß wirs mit groͤsserm Ernst betrachten, Daß wir desselben Wunder-Werck mit mehrer Achtsam- keit beachten, Als wie das Wunder unsrer Rede. Die Seele scheint durch sie allein Selbst zur Vollkommenheit zu kommen, zum GOttesdienst geschickt zu seyn. Drum wollen wir, nach allen Kraͤften, der Sprache Wunder zu erheben, Zum Preise deß, der sie uns schenckt, mit ernster Andacht uns bestreben. Von allem, woraus auf der Welt des grossen Schoͤp- fers Weisheit-Licht, Der Liebe Glut, der Glantz der Macht am allerhellsten strahlt und bricht, Jst wol das Wunder unsrer Rede eins von den herrlich- sten und groͤsten Und, fuͤr das menschliche Geschlecht, eins von den nuͤtzlich- sten und besten. Wenn wir der Menschen Stand und Wesen, wenn sie nicht redeten, erwegen Und daß man uns so dann nicht Menschen wird heissen koͤnnen, uͤberlegen; So zeiget sich von selbst, wie hoch die wunderbare Faͤhigkeit, Durch Reden unsern Geist zu zeigen, von Menschen billig sey zu achten, Und, wie in dieser Wunder-Gabe besondere Beschaffenheit, Es unsre Pflicht, des grossen Schoͤpfers Macht, Lieb’ und Weisheit zu betrachten. Man Neu-Jahrs Gedichte. Man stelle sich, wofern man kann, die Menschheit, sonder Rede, fuͤr: Die gantze Welt waͤr’ ohne Zweiffel in einem jaͤmmerlichen Stande; Der Mensch waͤr’ nur dem Ansehn nach ein Mensch, und in der That ein Thier; Wir wuͤrden immer Frembdling seyn in unserm eignem Vaterlande. Kein Regiment, kein Freundschafts-Band, kein Trost, kein Zeit-Vertreib, kein Rath, Kein’ Ordnung, keine Wissenschaft, kein GOttes-Dienst und kein Gesetze, Kein’ Ehre, keine Kunst, kein Handel, sind ohne Rede. Alle Schaͤtze Der menschlichen Geselligkeit sind, sonder Sprechen, in der That Verschwunden und ein leeres Nichts. Der Seelen Frucht, die nicht zu sehen, Die geistigen Gedancken, wuͤrden, sammt ihren Lettern, den Jdeen Jn der Gebuhrt schon wieder sterben, und, eh sie wuͤrden, schon vergehen: Ja blieben, sonder Sprach’ und Worte, die wir von GOtt empfangen haben, Als wie ein Kind im Mutter-Leib’, im schlipfrichen Ge- hirn, begraben. Einfolglich wuͤrde, sonder Red’, es uns und aller Men- schen Seelen, An ihrem auserlesensten Talent, Geschicklichkeit und Kraft, An ihrer allerbesten Wirckung, und sie ihr gleichsam selber, fehlen. Da sie, wenn man es wohl erwegt, so daß sie selbst es kaum empfindet, Durch Worte gleichsam waͤchst und zunimmt. Recht wie ein Licht das sich entzuͤndet Durch Neu-Jahrs Gedichte. Durch ein schon angezuͤndet Licht; recht wie ein Zunder Funcken faͤngt; So scheint es, als ob unsre Seele von Worten eine Kraft empfaͤngt, Wodurch sie rege wird und leuchtet, so daß, nebst ihr, auch jedermann, Als wie durch eine Gluth die Waͤrme, die Wirckung sehn und fuͤhlen kann. Es scheint, ob wuͤrd’ in unsern Seelen es, sonder Rede, nimmer helle; Sie ist die Quelle der Vernunft, und die Vernunft ist ihre Quelle; Es wird des Geistes rege Kraft, durch Wort’, als eine Flamm’, erregt, Erweckt, zum Dencken angetrieben, auch andere durch sie bewegt. So laßt uns denn mit Fleiß ein Wort, was es doch eigentlich? betrachten, Und auf der Sprachen Wesen, Ursprung, auf ihre Kraft und Werckzeug’ achten! Es siehet, wie es scheint, mein Geist, durchs Ohr, in Worten, deinen Geist, Der sich durch Lippen, Zunge, Zaͤhne und Gaum im Ton halb leiblich weißt. Wenn der vom Geist formirte Schall, in Worten, aus dem Munde quillet; So scheint ein Geist, ob waͤr er gleichsam in einen Luft-Leib eingehuͤllet. Wie alle Coͤrper wunderbar aus lauter Theilchen, welche klein, Verbunden und gefuͤgt sich finden, daraus entstehen und bestehn; So scheinet gleichfals, durch das Band und durch die Fuͤ- gungen der Toͤn’, Ein, gleichsam zwischen Leib und Geist gewiß-formirtes, Mittel-Seyn, Ein Neu-Jahrs Gedichte. Ein leiblich halb, halb geistig Wesen, in einer Rede, sich zu zeigen, Wodurch sich seltne Wuͤrckungen in einer andern Seel’ eraͤugen. Es schmeichelt ein Ton unsern Geist, wenn ihn ein anderer verletzet; Durch einen Ton wird unsre Seele betruͤbt, durch einen Ton ergetzet. Wenn aber er der Woͤrter Reih formirt, errichtet, macht und gruͤndet, Und er, mit wolgefuͤgten Lettern, sich auf gewisse Weise bindet; Wenn Toͤne, welchen der Gebrauch ein unbetrieglich Zei- chen giebet, Auf etwas, das die Seele hofft, erlanget, fuͤrchtet, haßt und liebet, Durch schnelle Werckzeug’ des Gehoͤrs, so wie man es ge- wohnt, sich lenckt; Entdeckt ein Mensch der andern Seele, was er in seiner Seele denckt. Dadurch verspuͤhret man von jener mit dieser folglich den Verband, Und, durch so wunderbahren Handel und wechselweis-erregt Erzehlen, Eroͤffnen, zeigen, theilen mit, und geben unter sich die Seelen, (O unbegreifllch Wunder-Werck) einander gluͤcklich den Verstand. Wie kraͤftig wird man nicht durch Toͤne, so die beredte Red- Kunst fuͤhret, Ermuntert, aufgebracht, besaͤnftigt, entzuͤndet, angereitzt, geruͤhret! Es wird von deinem Geist mein Geist, durch Woͤrter, in Bewegung bracht, Er hat von Freud’ und Traurigkeit die Vergewißrung, eine Macht, Auch Neu-Jahrs Gedichte. Auch andre Geister zu bewegen. Ein recht vergnuͤgter Geist wird koͤnnen Jn eines andren Seel erregen ein kaltes Eis, ein feurig Brennen. Er theilet einem andern mit der eignen Triebe Art und Kraft, Und zeugt in einer andern Seele, durch Woͤrter, seine Leidenschaft. Es scheint als wenn wir unsre Nede, und zwar im eigent- lichen Sinn, Ein Bild des Geistes, einen Dolmetsch der Seelen, ihre Lehrerin, Mit allem Rechte, nennen koͤnnte. Denn obgleich unser Geist fuͤr sich Von solchem Adel, solcher Kraft, daß er, am Werckzeug nicht gebunden, Als unmaterialisch, einfach, unsterblich und uncoͤrperlich; Weil es jedoch der grosse Schoͤpfer, wie wir es spuͤren, gut gefunden, Jhn mit des Coͤrpers ird’schen Huͤtten, und durch, sie, mit der gantzen Welt So wunderwuͤrdig zu vereinen: so kann er, ohn der Sinnen Kraft, Zu keiner ihm hier zugetheilten Erkaͤnntniß, Witz und Wissenschaft, Und keiner Wahrheit hier gelangen. Dahero wir die Sinnen koͤnnen, Mit Recht, Bedienten unsrer Seelen, und Thuͤren unsers Geistes nennen. Von allen nun sind ins besondre die Zwo: die Augen und die Ohren Zu unsrer Lehr’ und Unterweisung vom weisen Schoͤpfer auserkohren, G g Zu Neu-Jahrs Gedichte. Zu denen er (o grosses Wunder!) ein neues Wunder noch gefuͤgt: Die Stimm’ und ihre Biegsamkeit, in welcher das Geheim- niß liegt, Des Geists Jdeen mitzutheilen, und, welches, wenn manns recht ermißt, So wol dem Sprecher, als dem Hoͤrer, ein sehr nothwen- dig Werckzeug ist, Einander ihren Geist zu zeigen; und welches, um uns zu entdecken, Uns wunderbahrlich faͤhig macht, uns aus uns selber zu erstrecken, Und, weiter als wir sind, zu seyn. So, wie man schwimmend’ Jnseln schaut; So scheinen unsre Coͤrper Jnseln, die auch beweglich sind, zu seyn. Sie haben ihre eignen Graͤntzen, und die sind eigentlich die Haut, Dieselbe schrencket, wie es scheinet, die Seele selber in ihr ein; Nur durch die Rede geht sie weiter, und bindet sich, durch sie allein, Mit andern zur Geselligkeit. Da sie sonst, ohne Rede, leer Von allen foͤrmlichen Begriffen, und, in Geschellschaft, einsam waͤr. Die Red’ ist einer Flamme gleich, wodurch die Seelen sich bewegen, Sie ist ein gleichsam geistig Licht, durch dessen, nur gehoͤr- ten, Schein, Der Sprecher und der Hoͤrer Seelen gemeinschaftlich er- leuchtet seyn. Durch sie eroͤfnen sich die Geister, was sie verborgnes in sich hegen Und theilen sich einander mit ihr innerliches Ueberlegen. O Neu-Jahrs Gedichte. O herrlicher Zusammen-Klang, der bloß aus einer GOtt- heit stammet, O welch ein geistig Wunder-Feur, das allgemein in Men- schen flammet! O Wunder-Band, wodurch man sich, wie man es uͤber- zeuglich findet, Nicht nur mit andrer Menschen-Seelen, sich mit der GOtt- heit selbst verbindet! Es ist ja dieß unwiedersprechlich: wenn keine Stimm’ und Sprache waͤr; Wuͤrd’ alle Geistliche Betrachtung, Erklaͤrung, Predigen und Lehr’ Und GOttes-Dienst vernichtigt seyn. Wer wuͤrde, von dem kuͤnft’gen Leben, Von ew’ger Dauer unsrer Seelen, von GOttes Lob’ und Preis’ und Ehr, Von heil’ger Schrift, von GOttes Willen, uns einiges Verstaͤndnis geben; Wenn keine Rede, keine Woͤrter und folglich keine Schrift vorhanden, Da ja die Wunder-Kunst zu schreiben zugleich aus un- srer Red’ entstanden? Zwar machet der Gewohnheit Nebel uns, anch fuͤr dieses Wunder, blind, Wie bey den mehresten geschicht, und wenn sie noch so ungemein; Dahero wird es, liebster Leser, dir, hoff’ ich, nicht zuwieder seyn, Wenn ich, wie sehr die frembden Voͤlcker durch diese Kunst geruͤhret sind, Dir ein Exempel zeigen werde. Ein grosser Fuͤrst in Jndien, wie er gesehen Schriften lesen Von Europaͤern, ist dadurch so ungemein geruͤhrt gewesen, G g 2 Daß Neu-Jahrs Gedichte. Daß er gesagt: Der Weißen GOtt sey wehrt, daß man ihn hoͤher ehrte, Als ihren, weil er auf Papier, die ihn verehrten, reden lehrte. Dieß klingt zwar seltzam; doch erscheinet was Lichts aus dieser Dunckelheit, Wodurch auch wir erinnert werden, mit billiger Auf- mercksamkeit, Die auch in Schrift verfaßten Worte, als wie was gros- ses, zu betrachten, Und die Erfindung nicht geringe, vielmehr als ein Ge- schenck zu achten, Das von dem Schoͤpfer selber stammet. Je groͤsser nun des Schoͤpfers Weisheit und unser Nutz in diesem Wercke; Je mehr verdient es, und ist noͤhtig, daß man es mit Ver- stand bemercke, Damit man durch Betrachtungen der Wunder, GOttes weise Wege Und Macht, sammt seiner Vater-Lieb’, erheben und ihm dancken moͤge. Kommt laßt uns denn des Denckens Kraͤfte noch fer- ner auf die Rede lencken, Und, nebst dem Ursprung, auch den Rutz und wunder- bahren Wehrt bedencken! Der Werckzeug’ ungezehlte Menge, die alle zu dem Zweck gehoͤren, Daß Geister in die Sinne fallen, kann uns schon uͤber- zeuglich lehren, Daß dieses nicht ein Menschen Werck. Wir wollen denn zu Anfang sehn Die Werckzeug’ in der Menschen Ohre, wodurch der Geist geschickt gemacht, Gantz uͤberzeuglich zu erfahren das, was ein andrer Geist gedacht, Wie Neu-Jahrs Gedichte. Wie viel und mancherley derselben, zu diesem Zweck, hervorgebracht. Jndem der Ton stets aufwaͤrts steigt, so hat der Schoͤpfer unsern Ohren, So sonder Weisheit nicht geschicht, auch einen hohen Ort erkohren, Wohin durch die bewegte Luft, die sich in Kreisen so bewegt, Als wenn man durch geworffne Stein’ ein sonsten stilles Wasser regt, Der rege Schall sich vorwaͤrts streckt. Jm Ohr ist eine duͤnne Wand, Von einer zart- und regen Haut, wie eine Trommel, aus- gespannt. Drey kleine Knochen trift man hier in dieser kleinen Kam- mer an, Die man mit Hammer, Amboß, Stegreif an Form, mit Recht, vergleichen kann. Wenn nun der Ton an sie gekommen, so wird er durch die innre Luft, Durch einen krummen Labyrinth, den die Natur im Ohr gemacht, Darauf noch ferner fortgeleitet und in ein Schnecken-Haus gebracht. Durch dieses wird er ferner noch, durch enge Wege, fort- gefuͤhrt, Biß daß er an ein ausgedehntes und zart- und duͤnnes Nervgen ruͤhrt, Das den empfangnen Ton’, so bald als dieser durch den- selben, klingt, Jn das betraͤchtliche Gehirn und zu dem Sitz der Seelen bringt. Von dieser kleinen Sehne nun, soll man, nicht ohn Ver- wundrung, sehn Viel ungezehlte kleine Zweige durch unsern gantzen Coͤrper gehn; G g 3 Sie Neu-Jahrs Gedichte. Sie sollen sich in Zaͤhn- und Augen, in Gaum, in Schlund und Wangen strecken, Ja man soll in der Brust, im Bauch, ja gar in Fuͤssen sie entdecken. Wodurch denn unser gantzer Coͤrper, durch diese Zweige schnell geruͤhrt, Und, durch denselben, Geist und Seele die zitternde Bewe- gung spuͤrt. So wie ein Coͤrper einen andern oft hemmet und ihn oft bewegt; So wircket auch durchs Ohr ein Ton, daß sich das Blut bald regt, bald legt. Man kann es durch ein heftig Schallen bewegen und in Wallung bringen, Und wieder in den vor’gen Gang, durch ein gelind- und sanftes Klingen. Man kann durch Luft, Gehoͤr und Ton verschiedner Woͤrter unsre Seelen Erfreuen, reitzen, aͤrgern, troͤsten, besaͤnftigen, bedrohn und quaͤlen. Nun muͤssen wir, von denen Theilen, die sich in unserm Munde, ruͤhren, Und die zur Absicht des Gehoͤrs, die Toͤne wunderbar formiren, Auch etwas vorzubringen suchen, weil die, nicht weniger, wie jene, Ein Wunder-Werck des Hoͤchsten sind. Des gantzen Mundes Form, die Zaͤhne, Die Lunge, Luft-Roͤhr, Gaum und Lippen, die Kaͤhle, Wangen und der Schlund, Vor allen aber macht die Zunge des grossen Schoͤpfers Weisheit, kund, Als die mau unsrer Seelen Feder, durch die das Ohr den Geist erkennt, Und einen Dolmetsch der Gedancken, die man nicht siehet, billig nennt. Wer Neu-Jahrs Gedichte. Wer kann dieß Wunder gnug bewundern? Dieß Glied ist durch ein schlanckes Wesen Bereitet und geschickt gemacht, ja eigentlich dazu erlesen, Jn fertiger Geschwindigkeit, auf tausend Arten, sich zu biegen, Viel tausend Woͤrter zu formiren, und, durch sie, Geister selbst zu fuͤgen; Jndem sie mir, was deine Seele; dir, was die meine, in sich hegt, Entdeckt, und fast das Jnnerste des Geists in einen andern praͤgt. Bedenckt, nicht sonder GOtt zu loben, wie sie zu solchem schnellen Regen So wunderbar geschickt gemacht, da fuͤnff-par Muskeln sie bewegen, Sie auf und abwaͤrts, vorn und hinten, zur rechten und zur lincken Seiten, Zu dem veraͤnderlichen Endzweck, das Wort zu bilden, lencken, leiten. Hiedurch, (so gar ein grosses Wunder, ein unbegreiflich Meisterstuͤck) Weiß sie sich tausendfach zu drehen, sich lang und kurtz, sich duͤnn und dick, Jn schnellen Wendungen, zu machen, auf so viel Arten sich zu lencken, Daß es uns fast unmoͤglich faͤllt, Bewegungs-Arten zu erdencken, Die sie nicht faͤhig auszudruͤcken. Jhr Amt nun leichter zu erfuͤllen, Sieht man im Mund’, o neues Wunder! viel tausend Speichel-Quellen quillen, Sie immer schluͤpfrig zu erhalten. Weil sonder solche Feuchtigkeit, Sich nicht erhalten wuͤrd’ und koͤnte die fertige Beschaffenheit. Nicht weniger ist, nebst der Zunge, der regen Lippen kuͤnst- lich Par, G g 4 Das Neu-Jahrs Gedichte. (Das sich eroͤffnet, schliesset, dehnet, und auf so manche Art sich ruͤhret; Das mit der Zunge viele Worte dadurch gemeinschaftlich formiret, Und die Gedancken kaͤnntlich macht) sehr kuͤnstlich und recht wunderbar, Als, welche, wie in der Zergliederung, wir, fast nicht ohn Erstaunen, sehn, So wol, als wie die Zung’ und Wangen aus Faͤden, die von Fleisch, bestehn. Wodurch wir denn, auf tausend Arten, den Mund zu oͤffnen, und zu schliessen, Und eben dadurch unsern Ton zu bilden, zu erhoͤhn, zu drehn, Zu sencken, biegen, zu formiren, zu schaͤrfen und zu schwaͤ- chen wissen. Noch mehr, um ihn noch mehr zu aͤndern, sind ein Par Gaͤnge zubereitet, Von unsrer Luft-Roͤhr zu der Nasen, wodurch er sich zu- weilen leitet, Und wo er, wenn er sich dahin durch sonst gespaͤrrte Roͤh- ren draͤngt, Bey offnem, auch geschloßnem Munde, noch einen andern Klang empfaͤngt. Damit nun durch verschiedne Wege die Tone nicht verschie- den scheinen, Sieht man die Oeffnungen der Nasen, um beyde Toͤne zu vereinen, Sich allezeit herabwaͤrts sencken, wodurch, wie man be- wundernd spuͤret, Aus zweyen schon getheilten Toͤnen sich nur ein eintziger formiret, Noch ist nicht minder zu bewundern des Unter-Kiefers fertigs Regen, Wodurch wir Lippen, Mund und Zaͤhne eroͤffnen, schliessen und bewegen. Aus Neu-Jahrs Gedichte. Aus allen diesen sehen wir, wie wunderbar, wie vielerley, Wie manches Werckzeug von dem Schoͤpfer so weislich zugerichtet sey, Damit wir moͤgten reden koͤnnen. Komm her, verstockter Atheist, Und sprich, ob dieses kein Beweis von einem weisen Wesen ist? Nicht minder muß das grosse Wunder, die Lufft, von uns betrachtet werden, Jn die die Kraft sich auszuspannen und schnell ein Zittern zu erregen, Wodurch sie leichtlich thoͤnt, gesenckt. Sie ist sehr fertig, sich zu lencken. Von ihr ist alles angefuͤllt; sie ist rings an der gantzen Erden, So, daß sie keinem Thiere fehlt. Es wird durch sie, als einen Wagen, Die mannigfaltige Bewegung schnell in die Ferne fortge- tragen. Am allermeisten wird man noch, wenn wirs mit Achtsam- keit ergruͤnden, Jm Wunder-Werckzeug’ unsrer Luft-Roͤhr’, ein unbegreif- lichs Wunder finden. Auf laßt uns denn derselben Bau (HErr, laß es dir zum Ruhm geschehn) Nicht minder mit Aufmercksamkeit, mit Lust und Ehrfurcht doch besehn! Jn unserm Hals’ ist eine Roͤhre recht wunderwuͤrdig zubereitet, Durch welche Luft und Ton und Stimme formiret wird und durchgeleitet. Der untre Theil ist hart und fest, als wie ein hohles Jn- strument; Besteht aus Circkeln, welche knoͤrplich, die man dahero Trochen nenut, G g 5 Wo- Neu-Jahrs Gedichte. Wodurch es an der Lungen fest; indem der Ober-Theil hingegen Aus weichen Knoͤrpelchen formirt, die sich so wunderbar bewegen, Und sich, auf ungezehlte Weise, veraͤndern, heben, biegen, drehn, Wodurch sie denn die regen Luͤfte die ungehindert durch sie gehn, Zu einer, auf viel tausend Arten, erzitternden Bewegung bringen, Aus welcher Millionen Toͤn’ und aller Sprachen Meng’ entspringen, Die, da sie auf so manche Weise, sich, durch der Roͤhre Zit- tern, ruͤhren, Die Stimme, Rede, Woͤrter, Sprachen, auf ungezehlte Art formir en. Die Theile dieser Wunder-Roͤhre sind nicht nur unter sich verbunden Mit ungezaͤhlten Baͤnderchen, und kunst- und wunder-reich umwunden; Es strecken sich von dieser Roͤhre verschiedne kleine Nerv- und Roͤhren Nach unsrer Brust, dem Zwerg-Fell, Hertzen, auch auf- waͤrts da, woselbst wir hoͤren, Nach unsern Augen, Zaͤhnen, Wangen, ja hoͤher noch biß in die Stirn’, Und, in derselben, nach dem Sitz der Seelen selbst, biß ins Gehirn, Woselbst die Seele, wie es glaublich, die Lebens-Geister von sich schickt, Und durch dieselbigen die Muskeln der Luft-Roͤhr’ unter- schiedlich druͤckt. Nach- Neu-Jahrs Gedichte. Nachdem die Werckzeug’ ietzt betrachtet; betrachten wir die Faͤhigkeit, Der Seelen, Zeichen zu erdencken, sie zu behalten, ja so gar (Wie unbegreiflich gleich und groß die Menge sammt dem Unterscheid) Sie abzubilden, und nicht nur den Ohren, auch sie hell und klar, Durch Schrift, den Augen vorzustellen. Dieß stammt aus keiner Menschen Kraft, Vielmehr ist es unwiedersprechlich was geistigs, und ein’ Eigenschaft, Die ihrem Grund im Schoͤpfer hat, Und welche wehrt, daß unser Geist, so viel er dazu Kraͤfte heget, Sich alles Ernsts dahin bestrebe, daß mans nach Moͤglich- keit erweget; Weil nicht allein dieß Wunder-Werck auch an sich selber mehr als wehrt, Daß man in aͤmsiger Betrachtung der GOttheit Goͤttlichs Wesen ehrt; Nein, weil so gar, auf diese Weise, die wir in Andacht vor- genommen, Wir gleichsam selbst begreiffen koͤnnen, wie wir dem Schoͤp- fer naͤher kommen. Auf, laßt uns denn, mit stiller Andacht, in Ehrfurcht et- was stille stehn, Und hier den Brunnen aller Woͤrter und aller Sprachen Ursprung sehn, Die Seele nemlich; und nachher den Flug, wo moͤglich hoͤher treiben, Um auch von ihrer grossen Urqvell, woraus sie stammen, was zu schreiben. Wenn Neu-Jahrs Gedichte. Wenn wir, so viel wir Menschen koͤnnen, der Seelen Stand und Kraft ergruͤnden, So werden wir, da wir an ihr, daß sie was Geistigs sey, fast fuͤhlen, Nach allen angespannten Kraͤften, an ihr dieß uͤberzeuglich finden: Sie sey ein reg- und geistigs Wesen, geschickt, Gedancken zu erzielen. Das Wesen der Gedancken nun, wenn ichs erwege, stell’ ich mir Nicht anders fuͤr, Als daß dieselben aus Jdeen, So wie die Reden und die Schriften, aus Wort- und Zuͤ- gen blos, bestehen, Die man nach Willkuͤhr fuͤgt und bindet. Es scheinen der Jdeen Wesen Lebend’ge Lettern unsrer Seelen, die aus dem Sinn und Vorwurf quillen, Und welche sie, wofern sie frey, nach ihrem eignen freyen Willen, Verbindet und zusammen fuͤgt. Kann man nun dieß gleich nicht verstehn, So laßt uns doch, so viel wir koͤnnen, die coͤrperliche Fuͤ- gung sehn. Da wo, was leiblich ist, sich endet, scheint das, was geistig, anzufangen. Wenn wir, in unserem Gehirn, der Nerven unsichtbare Gaͤnge, Die sich in ihm vereinigen, und in fast ungezehlter Menge Daselbst sich endigen, betrachten; so scheinet dieß der Sitz der Seelen, Zu welchem alle Lebens-Geister, in den empfindlichen Canaͤlen, Ge- Neu-Jahrs Gedichte. Gebracht und hingefuͤhret werden. Die Seele scheint hier zu regiren Und sie, so viel derselben noͤthig, durch andre Gaͤng’, an allen Enden, Jn ihr bewuster Maaß und Ordnung, vernuͤnftig wieder hinzusenden. Da sie denn von der Seelen-Kraft auch eine Kraft vielleicht empfangen, Und, ob wir es gleich nicht begreiffen, von ihr ein’ Eigen- schaft erlangen, Zu wircken, wie und wo es noͤthig. Wie nun des gantzen Coͤrpers Kraͤfte, Um sich im Wesen zu erhalten, sich mit der Seelen Kraft vereinen; So duͤrft’ es, daß auch unsre Seele sich an ein hoͤhers Wesen hefte, Und seiner Gaben theilhaft werde, noch mehr gewiß, als glaubhaft, scheinen. Da nichts so sehr der Seelen Werth erhebet und zu Tage leget, Als daß sie, durch des Hoͤchsten Liebe, was Goͤttlichs in ihr selber heget. Da sie, durch diese Wunder-Kraft zu dencken, die ihr GOtt geschencket, Auf dieser Gabe Werth und Ursprung, in Demuth-voller Ehrfurcht, dencket; Erblickt sie einen kleinen Funcken von der unendlich-ew’gen Klahrheit, Von der unendlich ew’gen Weisheit, von der unendlich- ew’gen Wahrheit, Von dem unendlich-ew’gen WORT, aus welchem, alles was verhanden, Durch seiner ew’gen Liebe Trieb hervorgekommen und ent- standen, Der Neu-Jahrs Gedichte. Der kleine Funcke sucht in mir ein helles Feuer anzufachen, Und treibt den Lehr-begier’gen Geist, so weit sich seine Kraft erstreckt, Der Rede wahre Quell zu suchen, die sie nicht in erschaffnen Sachen, Wol aber in der Gottheit selber und in dem ew’gen Wort entdeckt. Denn, daß, so wenig als den Leib, die Seele, Glieder und das Leben; Die Stimm’, ihr Werckzeug und den Grund der Rede wir uns selbst gegeben, Wird kein Vernuͤnftger sagen koͤnnen. Sie ist auch von ihr selber nicht; Weil, wenn die Welt von Menschen, Thieren, und auch von harten Coͤrpern leer, Gewiß so wenig Red’ und Sprache, als Ton und Schall, verhanden waͤr. Die Eltern gaben sie uns nicht, weil sie nicht mehr, als wir, gewust, Wie man die Zung’ in unserm Munde, wie man die Lung’ in unsrer Brust, Nebst andern Theilen, bilden konnte. So sieht man denn, daß diese Gabe Von niemand, als von GOttes Weisheit und Allmacht, ihren Ursprung habe. Auf, laßt uns denn mit Danck und Andacht auf dieses Wunders Quelle dencken, Und unsern Geist, so viel als moͤglich, mit Ehrfurcht in die- selben sencken! Wie wir ein Wort ein aͤusserlich-formirtes Dencken heissen koͤnnen; So ist auch billig der Gedancken ein innerliches Wort zu nennen. Da Neu-Jahrs Gedichte. Da der Gedancke sonder Zweifel nun unsers Geistes Zeu- gung ist, Einfolglich wuͤrcklich unsers Wesens; so scheint, indem man dieß ermißt, Die Ueberlegung wunderbar, auf ein voll Unbegreiflichkeiten Und allen Witz sonst uͤbersteigend Geheimniß uns gemach zu leiten. Wenn wir in unserm Glauben lehren: Es habe GOtt von Ewigkeit Ein ewig Wort gezeugt; so scheint, als ob in deutlichen Jdeen Wir, in der Gottheit wuͤrdigs Zeugen mehr, als wir sonst vermoͤgen, sehen, Die Weisheit, dieses ewg’e Wort, das selber GOtt, hat in der Zeit Die Welt erschaffen. Alle Dinge sind durch dasselbige gemacht, Und nichts ist ohn dasselbige geworden und hervorgebracht. Aus einer solchen hohen Quelle scheint unsre Faͤhigkeit zu fliessen, So wie zu dencken, auch zu reden. Aus GOtt selbst scheint sie zu entspriessen. Jst, des glorwuͤrdgen Ursprungs halber, der Menschen Spra- che denn nicht werth, Daß, in derselbigen Betrachtung, man unsern GOtt bewun- dernd ehrt? Es wird dem Schoͤpfer in der Schrift selbst eine Rede zu- schrieben. Er heißt sich selbst das A und O; er spricht, aus Lieb’ und Huld getrieben, Ein Wort, durch welches alles ward. Durch dieß sein Goͤttlich Wort: Es werde! Ward aller Creaturen Menge, ward Himmel, Raum, und Meer, und Erde. Dieß Neu-Jahrs Gedichte. Dieß dauret noch: denn alle Dinge erfuͤllt und traͤgt er fort und fort, Wie uns die Bibel gleichfals lehret, durch sein allmaͤchtig kraͤftig Wort Wann nun des grossen Schoͤpfers Wort, die Erd’ in dieser Ordnung traͤget, Daß sie sich jetzt aufs neu zur Sonnen, der Lichts- und Lebens-Quell, beweget; Damit in unverruͤcktem Wechsel, und richtig eingetheilten Graͤntzen, Wir, bald den warmen Sommer haben, bald Herbst und Winter, bald den Lentzen; So laßt uns unsre Kraft zu reden, dem grossen Wort zu Ehren zeigen, Das uns geschaffen, uns zum sprechen, die Kraft und Faͤ- higkeit geschenckt, Zumahl in dieser Wechsel-Zeit, da sich die Welt zur Son- ne lenckt, Von seiner Allmacht, Lieb’ und Weisheit, in einem frohen Danck, nicht schweigen! Laßt uns, zu dessen Preiß und Ruhm, der uns zu reden Kraft gegeben, Die Kraft zu reden anzuwenden, mit frohem Dancken, uns bestreben! Und, da wir nirgend, als in GOtt, den Ursprung unsrer Rede finden, Jn Ernst und froͤlich uns bemuͤhn, die Wunder-Gab auf alle Weise, Zum Zweck, wozu sie uns gegeben, zu unsers Schoͤpfers Ruhm und Preise, Auch unserm und des Naͤchsten Besten, die sich, mehr als man glaubt, verbinden, Erkaͤnntlich immer anzuwenden! laßt uns, wie, leider! wol geschehn, (Von Neu-Jahrs Gedichte. (Von GOttes-Laͤstrung nichts zu sagen) vom Schwoͤren, Afterreden, Fluchen, Aus wahrer Ehrfurcht gegen GOtt, uns ernstlich zu ent- halten suchen! Hingegen wenn wir seine Guͤte empfinden, hoͤren, schme- cken, sehn; Uns selbst und andre zu ermuntern, dem Geber Lob und Danck zu geben, Durch unsern Ausbruch der Gedancken, die Red’ und Schrift, uns oft bestreben! Ach gieb, du Geber aller Gaben, uns, diese Pflichten zu er- fuͤllen, Und unsre Rede wol zu brauchen, doch einen dir ergebnen Willen! Ach laß, o Vater, was wir Kinder zu deinen heil’gen Ehren lallen, Wenn wir, geruͤhrt durch deine Wunder, dich preisen, lo- ben, dir gefallen! So will ich mich denn ins besondre zum Loben und zum Dancken kehren, Und fuͤr so viel’ und grosse Wolthat, die ich im vor’gen Jahr empfing, Nach allen Kraͤften mich bestreben, durch Dencken, Red’ und Schrift, zu ehren Den GOtt, durch dessen Huld allein mir alles wohl von statten ging. Ein innerlicher froher Schauer, den Demuth, Lust und Andacht zeugen, Erfuͤllet meine gantze Brust; woraus, von dem empfangnen Gut Und aller mir erzeigten Wolthat, der Danck-Begierde rei- ner Glut, (Ach, daß sie dir, o HErr, gefiel!) geweyhte Flammen auf- waͤrts steigen. H h Mein Neu-Jahrs Gedichte. Mein GOtt! wie bist du abermahl mein Vater und mein GOtt gewesen! Jch schien, nebst allen Meinigen, recht als zum Gegenwurf erlesen Von Gluͤck, Gesundheit, Heil und Seegen. Es stellet deiner Gaben Menge, Jn einer lieblichen Verwirrung, auf einmahl, recht als im Gedraͤnge, Sich meiner frohen Seele dar; und, weil sie alle nicht zu zehlen, Will ich, zum Vorwurf meines Dancks, aus vielen, ei- nige nur wehlen. Jch hab’ in diesem Jahr, im Lande, mein Richter- Amt, nach dreyen Jahren, So nicht leicht zu geschehen pflegt, Vergnuͤgt und froͤlich abgelegt: Und da zween Prediger bereits vorhin von mir erwehlet waren; Hab’ ich den dritten noch dazu, zum Nutz und Besten vie- ler Seelen, GOtt Lob! ohn Eigen-Nutz und Absicht, so wie die an- dern zu erwehlen Gelegenheit und Macht gehabt. Ach GOtt, wie konnt ich an den Schaͤtzen, Die mir das Land in meinem Amt gezeigt, so oͤfters mich ergetzen! Dir, HErr, sey Lob und Preis dafuͤr! auch daß mir in der gantzen Zeit, (Ein eintzigs mahl nur ausgenommen) Nicht die geringste Wiedrigkeit, Bey so viel Gutem, uͤberkommen. Jch lob’ und ruͤhme dich, o GOtt, du Geber aller guten Gaben, Fuͤr alles, was wir dieses Jahr von deiner Huld empfan- gen haben; Zu- Neu-Jahrs Gedichte. Zumahlen da ich abermahl, wie meine, dir geweihte, Schriften An vielen Orten Fruͤchte tragen, an vielen Orten Gutes stiften, So mannigfaltigen Beweiß; und wie sie liebreich aufge- nommen, Auch von den Grossen dieser Welt, viel neue Proben uͤber- kommen. (Doch will ich hievon in der Stille den grossen Schoͤpfer lieber preisen, Um nicht des Neides Gift zu reitzen; als alles hier um- staͤndlich weisen) So daß vom irdischen Vergnuͤgen, wie zwey bereits ver- kauft gewesen, Ein dritter Druck des andern Theils, sehr wol besorgt, aufs neu zu lesen. Nicht unrecht sag’ ich wol besorgt; weil der gelehrte Zimmermann, Deß edles Feur zur Poesie kein Dichter gnug bewundern kann, Des Abdrucks Aufsicht uͤbernommen. Die abgewandten Ungluͤcks-Faͤlle so von den Meinen, als von mir, Sind, liebster Vater, nicht zu zehlen; da sonsten alle Elementen Uns aufzureiben faͤhig sind, und Leib und Gut verderben koͤnnten, Wenn du uns nicht behuͤtetest. Dir sey Lob, Ehr’ und Danck dafuͤr! Zumahl daß du von meiner Frauen, in einer sichtbaren Gefahr, Jn welcher, ohne deine Huͤlffe, unmoͤglich ihr zu helffen war, H h 2 Durch Neu-Jahrs Gedichte. Durch deine maͤcht’ge Wunder-Hand, Den Schaden, der fast unvermeidlich, recht wunderthaͤtig abgewandt, Da sie, im Regen-Tuch gehuͤllt, Aus einer Gutschen ruͤcklings fiel, Wie sie zur Kirche fahren wollte. Wobey sie so zu liegen kam, Daß auch, bey fest-geklemmtem Fuß, sie dennoch keinen Schaden nam. Sey inniglich dafuͤr gedanckt, gelobt, geruͤhmet und ge- priesen, Daß du in dieser Noth dich ihr so huld- und Gnaden-reich erwiesen! Ach, laß noch ferner neben ihr, so mir, als allen lieben Meinen, Jn allerley Gefahr und Noth, doch deine Gnaden-Huͤlff’ erscheinen! Wenn auch, nach unsrer Stadt Verfassung, mich dieses Jahr die Reihe trift Zur Amptmannschaft nach Ritzebuͤttel, wovon die Ordnung so gestift’t, Daß man daselbst sechs Jahre bleibt, und auch, daß solche Wuͤrde man, Wenn man sie etwann nicht verlangt, An einen andern lassen kann; So gieb, o HErr, daß, eh ich wehle, ich es vernuͤnftig uͤberlege, Und, so fuͤr mich, als meine Kinder, hierin das Beste weh- len moͤge! Damit, ich thu es oder laß es, ich deß, was ich gewehlt, mich freue Und daß in dieser Sache das, was ich gewehlt, mich nicht gereue! Auf Neu-Jahrs Gedichte. Auf dich allein verlaß ich mich; denn daß der menschliche Verstand So leicht durch Leidenschaft geblendet, ist mir nur gar zu wol bekannt. Gieb nur, daß ich hier oder dort, damit ich dir gefaͤllig lebe, Und, dir zur Ehr’ dein Werck betrachte, nach allen Kraͤften mich bestrebe! Jnsonderheit laß dieß Gebeth doch, wie ein Rauchwerck, vor dir tuͤgen! Laß mich das Wunder meiner Rede dir oftermahls mit Freuden weih’n! Laß mich so lang ich leb’, in dir mich an dem irdischen ver- gnuͤgen, Und laß mich dort, mit ew’gen Liedern, fuͤr alle Wolthat danckbar seyn! H h 3 Zur Neu-Jahrs Gedichte. Zur Neuen-Jahrs-Betrachtung des 1735sten Jahres. B ey der wunderbahren Ordnung der Bewegung unsrer Welt, Draus dem menschlichen Geschlecht ein so grosser Nutz ent- springet, Und wodurch der weise Schoͤpfer alles naͤhret und erhaͤlt, Jst es billig unsre Pflicht, daß man ihm ein Opfer bringet; Sonderlich zu dieser Zeit, da die Flaͤchen unsrer Erden, Die von uns bewohnet sind, sich nicht mehr vom Sonnen- Licht, Wie bißher geschehn, entfernen; sondern, welches jetzt ge- schicht, Nach der Waͤrm’ und Lebens-Quelle wieder hingelencket werden. Dieß soll nun hierin bestehn, daß wir, da im vor’gen Jahr, Unsrer Rede Wunder-Werck, GOtt zum Ruhm, betrach- tet war; Auch nunmehr von unsrer Seelen, die sich mit dem Ton vermaͤhlet Und die, da sie in uns redet, ihn formiret, ihn beseelet, Und so viele Wunder wirckt, etwas dem zum Ruhm ge- dencken, Welcher mit so reger Kraft sie gewuͤrdigt zu beschencken. Aller Wesen HErr und Schoͤpfer! ew’ger Ursprung aller Kraͤfte! Ew’ge Liebe, Macht und Weisheit! segne dieses mein Geschaͤfte! Es gereiche mein Beginnen uns zur Andacht und zur Lehre! Aber auch absonderlich dir, HErr Zebaoth, zur Ehre! Da Neu-Jahrs Gedichte. D a wir, wenn wir ausser uns, GOttes Creatur betrachtet, Und, fuͤr Lust erstaunt, darin, Weisheit, Lieb’ und Macht beachtet; Scheint das Wesen unsers Geists (wodurch wir die Schoͤn- heit sehn, Sie erkennen, und in ihnen, daß ein GOTT sie schuf, verstehn, Jhn bewundern, ihn verehren;) ja vor allen andern wehrt, Daß, so viel uns moͤglich ist, wir, nach allen Seelen- Kraͤften, Auf sich selber reflectirend, auf sie selbst das Dencken heften. Weil, je mehr wir uns bemuͤhn, unsre Seele zu ergruͤnden, Und, in ihr, ein Meer voll Wunder, welches unergruͤnd- lich, finden; Wir, den ewig-seelgen Ursprung ihres Wesens zu erhoͤhn, Uns um destomehr geschickter, faͤhiger und staͤrcker sehn. Ja, es wird verhoffentlich, wenn wir in uns selber dringen, Und die Seele sich erwegt, unsre Seel’ auf diese Weise, Da sie GOtt in sich erkennt, zum vermehrten Ruhm und Preise, Jhrem grossen Schoͤpfer sich gleichsam selbst zum Opfer bringen. Dahingegen wer die Kraͤfte seines Geistes nicht erwegt, Und, was unser GOtt fuͤr Wunder wunderbar darein gelegt, Nie betrachtet, noch erwogen; kann unmoͤglich seine Pflichten, Die in froͤlicher Bewundrung und im Danck bestehn, verrichten. Es ist ungluͤckseelig gnug, daß viel tausend Menschen leben, Die auf ihrer Seelen-Kraͤft’ uͤberall nicht acht’ gegeben, H h 4 Nim- Neu-Jahrs Gedichte. Nimmermehr fuͤr ihren Wehrt GOtt sich danckbarlich er- wiesen, Nimmer ihre grosse Urqvell voller Lust und Danck ge- priesen! Sencke dich denn meine Seele, durch dich, in dein eignes Wesen! Untersuche, durch dich selbst, aus wie mannigfacher Kraft Dein nicht leiblichs Seyn bestehe, und wie manche Ei- genschaft, Die zum Theil fast Goͤttlich scheinen, der dich schuf fuͤr dich erlesen! Aber ach! welch eine Tieffe voller lichten Dunckelheit, Treff’ ich in mir selber an! doch, die Daͤmmerung wird klar Und ich werd’, als wie im Nebel, einer reinen Heiterkeit, Die durch tiefe Schatten bricht, mit Verwunderung gewahr. Wenn ich eigentlich die Art, wie und wo die Seele dencket, Scharf betrachtend uͤberlege, scheint ja wol der Kopf allein Jhre Werckstat, ohne Zweifel, und ihr Auffenthalt zu seyn. Nun ist unser Kopf, wenn man auf ihn unsre Blicke lencket, Fast an Form den Kolben gleich eines Helms, in welchem man Aus den Kraͤutern ihre Geister treiben, in die Hoͤhe fuͤhren, Die zerstreuten Duͤnste binden, gantz zu oͤberst distilliren, Und, da sie sich abwaͤrts lencken, sammlen und sie nuͤtzen kann. Wann es nun nicht minder wahr, daß, biß zu des Sche- dels Decken, Unsre geistige Gedancken, weiter aber nicht, sich strecken; Sondern (was wir auch von ihnen, durch uns selbst ge- taͤuschet, glaͤuben) Nie aus unserm Kopfe kommen, und bestaͤndig in ihm bleiben; Scheint es mir der Muͤhe wehrt, diesem weiter nachzugehn, Und, ob wir vielleicht hiedurch auf der wirckenden Natur Uberall zu sehende, uͤberall verborgne Spur Etwann naͤher kommen koͤnnen? noch was weiter nachzusehn. Es Neu-Jahrs Gedichte. Es ist gantz gewiß an dem, wenn wir mit Vernunft erwegen Und mit achtsamer Betrachtung gruͤndlich bey uns uͤberlegen; Daß die menschlichen Gedancken nimmer, wie sie etwan scheinen, Und, aus eitlem Unbedacht, fast die meisten Menschen meinen, Sich von uns hinweg begeben, sich aus unserm Kopf ent- fernen, Daß sie sich in schneller Eile, bald von hier nach Asia, Bald zu uns zuruͤck, und bald wieder in America, Jn den finstern Abgrund bald, bald gen Himmel, bey den Sternen, Sich, weit schneller wie der Blitz, heben und verfuͤgen koͤnnen. Nein! wol aber, daß dieselben sich, vor sich, nicht von uns trennen; Sondern in dem Obern-Theil unsers Kopfs, alwo die Schrancken Alles menschlichen Begriffs, aller menschlichen Gedancken, Unaufhoͤrlich sich befinden. Nun entstehet diese Frage, Ob die Werckstatt unsers Coͤrpers etwan dergestalt formirt, Daß, durchs innerliche Feuer, das, von dem, was durch die Sinnen Jn uns etwann eingegangen, was an Kraft und Geist darinnen, Durch so mancherley Canaͤle unaufhoͤrlich sublimirt, Und im Hirn dem Sitz der Seelen, von der Seelen reflectirt Eingerichtet, eingetheilet, auch vereint sey und regirt. Ja, da Blut und Nerven-Saft, unaufhoͤrlich circulirt, Auch so gar selbst im Gehirn, duͤrfft es nicht unmoͤglich scheinen, Daß mit unserm Lebens-Saft, selbst Jdeen sich vereinen, H h 5 Und Neu-Jahrs Gedichte. Und damit verbinden koͤnnten! waͤren’s auch nur die Jdeen, Welche durch genoͤß’ner Coͤrper Geistigkeit und Kraft ent- stehen, Und ins Hirn gefuͤhret werden, wo sie sich mit andern binden. Wie der Coͤrper durch die Theile, welche coͤrperlich sich naͤhrt, Wird vermutlich durch die Kraͤfte, die im Nahrungs-Saft sich finden, Wenigstens den Lebens-Geistern, eine Art von Kraft gewaͤhrt, Da ja alles voller Kraͤfte. Finden wir, daß Leib und Seelen, Wuͤrcklich und unwiederspraͤchlich, mit einander sich ver- maͤhlen; Scheinet es nicht minder moͤglich, daß die menschlichen Jdeen Auch vom Coͤrper etwas haben, und aus beyderley bestehen, Die sich denn, wenn sie bestaͤndig mit dem wallenden Gebluͤte Sich verbinden und vereinen, ihren Einfluß nicht allein Jn den Coͤrper, sondern auch, wenn sie wol verbunden seyn, Einen starcken Eindruck machen in den Geist und ins Ge- muͤhte. Scheinet nicht die Bibel selber dieses deutlich anzuzeigen, Wenn sie spricht daß aus dem Hertzen suͤndliche Gedancken steigen, Welches, wenn wir es erwegen, durch des Blutes Lauf allein, Das uns aus dem Hertzen steiget, glaͤublich muß gewircket seyn. Ob wir nun dadurch das Wesen unsrer fluͤchtigen Jdeen Nicht nach allen ihren Theilen, und nur oben hin verstehen; Scheint es doch ein groͤsser Licht, als vorher, uns anzustecken, Und mich deucht, ob koͤnne man etwas deutlicher entdecken, Wie Neu-Jahrs Gedichte. Wie (zum Beyspiel) unser Geist eine solche Fertigkeit, Bloß durch Fleiß und Muͤh, erhalten, ein Clavir so schnell zu ruͤhren, Daß, wenn unser’ Augen kaum, die geschriebnen Noten spuͤren, Die gelencken Finger gleich, in fast nicht getheilter Zeit, Wie der Blitz sich hoͤren lassen; welches von der regen Seele, Durch die von dem oͤfftern Fleiß wol geoͤfneten Canaͤle, Glaublich bloß gewircket wird. Ja wenn ich noch weiter geh, Und mit scharffem Ernst bedencke, wie im Hirn, dem Sitz der Seelen, Von den mancherley Jdeen, so dort, die Vernuͤnftige Durch den Mund sich in der Rede, oder durch die Hand in Schriften, Abwaͤrts sencken, und durchs Ohr oder Aug’ ein Denckmahl stiften, Selbst in einer fremden Seele; wenn ich, sag ich, dieß be- dencke: Deucht mich, daß ich etwas tieffer mich ins Thun der Seele sencke. Ob ich nun gleich wohl begreiffe, daß dieß etwas; doch nicht viel: Hab’ ich doch, so viel mir moͤglich, meine Pflicht in acht ge- nommen, Und verhoffe, daß ein andrer naͤher noch zu diesem Ziel, Mit weit mehr geschaͤrften Augen, und vielleicht bald duͤrfte kommen. Aber, laßt uns nach dem Endzweck, welchen wir uns vorgenommen, Auf die Handlungen und Kraͤft’ unsers Geists nunmehro kommen! So wie wir das Sonnen-Licht, bloß im Gegenschlag, nur sehn; Kan man unsre Seelen-Kraͤfte, durch Erfahrung nur verstehn. Wie Neu-Jahrs Gedichte. Wie die Seelen mit dem Coͤrper, durch fuͤnf Sinnen sich ver- binden, Und dadurch was ausser ihnen auf verschiedne Weis’ em- pfinden; Scheinen in der Seele selber auch fuͤnf Kraͤfte sich zu finden, Als: Verstand, Gedaͤchtniß, Wille, Kraft Jdeen zu erzielen, Und, zur Lust als auch zum Nutzen, eine Leidenschaft zu fuͤhlen. Alle sind von solchem Wehrt, sieht man sie vernuͤnftig an, Daß sie nur ans GOtt entstehen, und nur GOtt sie schencken kann. Diese naͤher zu beleuchten, zu des Schoͤpfers Ehr’ allein, Und in ihnen GOtt zu preisen, soll itzt unser Absicht seyn. Erstlich kann man in der Seelen durch Erfahrung gleichsam fuͤhlen, Daß von aͤusserlichen Dingen, welche Coͤrperlich sind, Zeichen, (So mit Lettern einer Schrift nicht unfuͤglich zu vergleichen) Und aus diesen, wenn dieselben wol gefuͤget sind, Jdeen, Die von aussen an sie kommen, sinnlich in der Seel entstehen. Aber sie kann innerlich, selbst Jdeen auch erzielen, Dadurch, daß sie in ihr selber ihre Handlungen verspuͤhret, Als Empfinden, Dencken, Zweifeln, Trauen und der- gleichen mehr; Hieraus nun entsteht nicht minder ein so groß Jdeen-Heer, Daß es nimmermehr zu zehlen. Den Jdeen nun gebuͤhrt Nicht der Nahme, daß sie sinnlich : doch empfindlich sie zu nennen, Wird man, ohne sich zu irren, glaub’ ich, kuͤhnlich wagen koͤnnen. Dieß sind die zwo grossen Qvellen, draus in uns, von al- len Dingen, Sie seyn leiblich oder geistig, wuͤrckliche Begriff entspringen. Eine Neu-Jahrs Gedichte. Eine haben wir in uns, und ob wir sie eigentlich Einen Sinn mit Recht nicht heissen, weil man uͤberall nicht findet, Daß sie mit den aͤussern Dingen sich unmittelbar verbindet; Gleicht sie doch den Sinnen sehr, und ich unterstehe mich, Einen innerlichen Sinn sie, nicht ohne Grund zu nennen. Jene wird man Sinnlichkeit sonder Zweifel heissen koͤnnen, Diese deucht mich, daß sie deutlich und nicht unverstaͤndlich stecke Jn dem Wort Reflexion. Sich Jdeen vorzustellen Jm Verstande, welche nicht aus den zwo besagten Quellen Jn ihn gleichsam eingeflossen, dieses, sag’ ich, koͤmmet mir Allerdings nicht wol begreiflich, noch der Wahrheit aͤhnlich, fuͤr. Diese beide Qvellen nun der Jdeen, die den Seelen Von dem Schoͤpfer eingesencket, sind ja wol vor andern wehrt, Daß man, durch Betrachtungen ihres Wehrts, den Schoͤp- fer ehrt, Weil wir keine Menschen waͤren, sollten uns dieselben fehlen. Es ist eine mit der andern wunderbar in uns verbunden. Durch die eine sehen wir die uns sonst verborgne Spur Der fuͤr uns erschaffenen Creatur und die Natur; Durch die andre wird der Schoͤpfer in der Creatur ge- funden. Eine, wenn mans untersuchet, scheinet zwar auch bey den Thieren, Die, wie wir, auch Sinnen haben, zu vermercken und zu spuͤren, Doch die andre, da man oͤfters, aneinanderhaͤngend, denckt Und vernuͤnft’ge Bilder zeugt, ist den Menschen nur geschenckt. Da Neu-Jahrs Gedichte. Da wir nun, auf diese Weise, die zwo Quellen der Jdeen Uberhaupt erst angeschaut; lasset uns denn weiter gehen Und die noch viel groͤßre Gabe, den Verstand, nun auch besehen. Doch ist unser Zweck allhier, weniger ihn zu beschreiben, Als den Nutzen, welchen er uns verschaffet, zu besehn, Um dadurch, wenn wir denselben so empfinden als verstehn; Uns, den Schoͤpfer zu bewundern und zu loben, anzu- treiben. Der Verstand, durch den allein Menschen sich von Thie- ren trennen, Jst mit Recht ein himmlisch Feur und ein Goͤttlich Licht zu nennen, Das die Vorwuͤrff’ untersuchet, sie beleuchtet, unterscheidet, Als auf einer Wage wieget, sie begreift, vergleicht und wehlt, Wenn sie selbe nuͤtzlich haͤlt; sie im Gegentheil vermeidet Wenn sie sie fuͤr schaͤdlich schaͤtzt, und gewahr wird, wenn sie fehlt. Durch Vernunft sind wir allein uͤber alle Thier’ erhoben; Durch Vernunft erkennen wir einen Schoͤpfer aller Welt; Auch daß, wie er sie geschaffen, er sie auch allein erhaͤlt; Durch Vernunft begreiffen wir, daß wir schuldig, ihn zu zu loben. Sie ist faͤhig aller Weisheit; sie belehret uns allein, Daß wir von dem Schoͤpfer stammen, daß wir unvergaͤng- lich seyn. Alle Coͤrper, die wir sehn, fuͤhlen, riechen, schmecken, hoͤren, Stehn im Schau-Spiel dieser Welt, in gestimmter Harmonie; Alle thoͤnen GOtt zum Preise, alle singen ihm zu Ehren, Seiner Lieb’ und Macht zum Ruhm. Dennoch aber singen sie Sonder Dencken und Verstand; wir nur wissen, daß wir singen; Wir erkennen, daß wir schuldig, dem Lob, Ehr’ und Danck zu bringen, Der Neu-Jahrs Gedichte. Der die Weisheit selber ist, der uns im vernuͤnft’gen Dencken, Aus der Quelle seines Wesens auch ein Troͤpfgen uns zu schencken, Gnaͤdiglich gewuͤrdigt hat. Bloß durch des Verstandes Licht Sehen wir, daß wir zu dem, was wir sind, uns selber nicht, Sondern bloß ein GOtt, gemacht; daß wir alle Wunder- Gaben Nicht uns selber zuzuschreiben, daß wir sie empfangen haben, Ohn Verdienst, aus blosser Huld. Ja wir koͤnnen ferner wissen, Durch die Kraͤfte des Verstandes, daß, in allen seinen Wercken, Unser Schoͤpfer zu verehren; daß wir auf dieselben mercken Und, in ihnen, seine Weisheit, Lieb’ und Macht bewundern muͤssen. Ja, wer weiß im irdischen des Verstandes Nutz und Wehrt Fuͤr das menschliche Geschlecht recht und hoch genug zu schaͤtzen, Da er uns so wol verliehn zur Erhaltung, zum Ergetzen, Als, daß auch sich unser Nutzen durch denselben stets vermehrt. Die Unschaͤtzbarkeit derselben wird man besser nicht beaugen, Noch den Wehrt, der unbeschreiblich, klaͤrer zu begreiffen taugen, Als wenn man sich in Gedancken, etwann eine tolle Welt, Sonder einige Vernunft, vor sein Seelen-Auge stellt. Welche wuͤste Barbarey, welche Wolfs- und Moͤrder- Hoͤlen, Welch ein rasendes Betragen, wuͤrde man auf Erden sehn! Alles wuͤrde sonder Ordnung sich verfolgen und entseelen, Alles wuͤrd’, in stetem Aufruhr, wuͤtend durch einander gehn, Welch Neu-Jahrs Gedichte. Welch ein Zustand! wenn man saͤhe Menschen, ohn Vernunft, mit Hauffen, Sonder Ordnung, Zweck und Absicht, an- und durch einander lauffen, Wenn der Geist von allen Menschen, wie von Wein be- nebelt, schwer, Und ein jeder stets berauscht, ohne Schaam und Absicht waͤr! Ja, wenn sie auch gleich nicht ras’ten, sondern etwann simpel, dumm, Sonder Witz, Begriff und Urtheil, ohne Trieb, verwirret stumm! Welch ein wuͤst und elend Leben, wuͤrd’ man aller Orten spuͤren! Welch ein wilder Jammer wuͤrd’ uͤberall so dann regieren! Ehr’, Empfindlichkeit, Vergnuͤgen, alle Guͤter dieser Erden Hoͤrten Guͤter auf zu seyn, koͤnnten nicht genossen werden. Wie wir, wie es ungefaͤhr allenthalben wuͤrde stehen, An Nebucadnezars Zustand ein entsetzlich Beyspiel sehen. Jst denn nicht ein solcher Schatz, den uns GOtt geschencket, wehrt, Daß man seinen Wehrt erwegt, und davor den Geber ehrt, Daß man eben diese Kraͤfte, die er selbst in uns gehaucht Durch Betrachtungen bewundert, und zu seinem Preise braucht? Ferner steckt in uns die Kraft, nicht, unsichtbare Gestalten Von Jdeen, nur zu zeugen, auch noch selbe zu behalten Durch Betrachten und Erinnern. Die gereichen ja so sehr, Als die andren, uns zum Nutzen und dem, der sie gab, zur Ehr. Da, wenn uns die erste fehlte, wir ja nichts von allen Dingen, Die nicht gegenwaͤrtig, wuͤsten; alles was nicht wesentlich Was vergangen, was zukuͤnftig, davon wuͤrde keiner sich Einigen Begriff einst machen. Weil dieselben nicht ent- springen Aus Neu-Jahrs Gedichte. Aus der Sinnen Gegenwurf. Ach, wie wuͤrden die Ge- dancken, Ohne diese Wunder-Kraͤfte, nur so klein’ und enge Schrancken, Und wie wenig Vorwuͤrff’ haben! Aber unser GOTT hat wollen, Daß auf ungezehlte Weise wir uns hier vergnuͤgen sollen. Wenn wir dieses Wunder Werck, mit Bedacht, einst uͤberlegen; Kann kein Mensch desselben Groͤsse recht ermessen noch er- wegen. Welch ein unbegreiflichs Wesen, welch ein Wunder! daß man sich Dinge, die nicht wuͤrcklich da, Dinge, die nicht wesentlich, Sich, als wesentlich und wuͤrcklich, dergestalt weiß vorzu- stellen, Daß sie uns Belehrungs-Warnungs-Klugheit- und Ver- gnuͤgungs-Quellen Auf so manche Weise werden. Dieses Wunder nur allein Zeigt, wie weise, maͤchtig, liebreich unser Schoͤpfer muͤsse seyn. Das Gedaͤchtniß nun vermehrt noch alle diese Wunder- Wercke, Da ich, was ich einst gewust, durch Erinnern wieder mercke. Da wir in uns, im Gedaͤchtniß, von so vielen Wunder- Gaben, Von Gedancken und Jdeen ein gefuͤlltes Schatz-Haus haben, Wohinein, weil wir zugleich nicht auf vieles koͤnnen dencken, Wir die Menge der Jdeen gleichsam wissen zu versencken. Wer nur einen Menschen einst, welchem sein Ge- daͤchtniß fehlet, So daß er sich nichts erinnert, je gekannt hat und gesehn; Wie er, gleichsam als ein Kind, fast kein menschlich We- sen habe; Wird, aus seiner Noth und Plage, dieses Schatzes Wehrt verstehn Und dem Geber dancken lernen, fuͤr solch’ unschaͤtzbare Gabe. J i Uber Neu-Jahrs Gedichte. Ueber diese Seelen Kraͤfte, herrschet noch in unsrer Seele Eine Wunder Kraft zu WOLLEN. Da ich nemlich et- was wehle, Welches mir gefaͤllt; und meide, was mir nicht gefaͤllig ist. Dieß Vermoͤgen ist so noͤhtig, daß wir, wenn mans recht ermißt, Ohne dieß kaum Menschen waͤren. Koͤnnten wir uns nicht entschliessen; Wuͤrden wir, in stetem Zweifel, weder etwas boͤses fliehn, Noch was gutes zu erwehlen uns entschliessen, uns bemuͤhn; Folglich wuͤrden alle Menschen, ungeschickt zu allen Dingen, Nichts von allen ihren Pflichten aufgelegt seyn zu voll- bringen. Handel, Wandel, Acker-Bau, Eh’, Geschellschaft, Policey, Alles hoͤrte ploͤtzlich auf, wenn es uns an Willen fehlte, Und man sich mit Ungewißheit, ohn Entschliessen, immer qvaͤlte. Dieser Wahrheit tritt nicht nur das bekannte Sprichwort bey: Daß ein Thor, der sich entschliesset, kluͤger, als zehn Kluge, sey, Die sich nicht entschliessen koͤnnen; sondern jeder wird gestehn, Daß die menschliche Gesellschaft, ohne diese Kraft, vergehn Und durchaus verkommen muͤste. Dieser Will ist eigentlich eine solche Eigenschaft Unsers Geistes, oder besser: er ist eine rege Kraft, Die Gedancken einzurichten, daß ein’ Handlung auf der Erde Vorgenommen, fortgefuͤhret, oder auch gehemmet werde. Wenn wir nun nicht wollen koͤnnten; wuͤrd’ auf un- serm Erden Kreise Alles was wir sehn, verwirrt und, auf recht betruͤbte Weise, Alles Neu-Jahrs Gedichte. Alles oͤd- und wuͤste seyn; weil sich keiner je bemuͤhn Weder koͤnnte, wollt’ und wuͤrde, etwas Gutes zu erziehn, Etwas Gutes anzuordnen, etwas Gutes zu verrichten. Ja, wir waͤren ungeschickt auch zu den geringsten Pflichten. Hieraus kann man nun zugleich und zwar uͤberzeug- lich sehn, Welch ein Wunder-Werck vom Schoͤpfer dadurch bloß in uns geschehn, Da uns GOTT die Kraft zu wollen wunderbarlich ein- gesenckt, Auch zugleich, daß man dieß Wunder leider wenig uͤber- denckt, Und noch minder dem erkaͤnntlich danckt, der uns die Kraft geschenckt. Von den Kraͤften unsers Willens, ob er an sich sel- ber frey, Oder ob desselben Freyheit gleichsam eingeschrencket sey Durch den Zustand unsers Coͤrpers, durch den Fall, durch unser Blut, Durch der Leidenschaften Kraͤfte, Wallen, Heftigkeit und Wut, Wollten wir zwar untersuchen; doch wird man bekennen muͤssen, Daß, was wir begreiffen, Schwachheit; und nur Stuͤck- Werck unser Wissen. Es kann keine Freyheit seyn, wo kein Trieb, kein Will’ und Dencken; Aber Dencken, Trieb und Wille kann wol sonder Freyheit seyn. Eigentlich hat eine Freyheit mit dem Willen nichts gemein. Denn der Will’ ist ein Vermoͤgen, so fuͤr sich selbst wirckt, allein, Und kann eigentlich die Freyheit nie zur Willens Eigenschaft, Noch mit ihm vermischet, werden, als der wuͤrcklich eine Kraft. J i 2 Wie Neu-Jahrs Gedichte. Wie der Willen ein Vermoͤgen, die Gedancken zu regieren, Neue Sachen zu beginnen, solche weiter auszufuͤhren, Oder es auch einzustellen, in so fern sie bey uns stehn; So hingegen Jst die Freyheit ein Vermoͤgen Was zu thun, was nicht zu thun, wie es unser Geist kann fassen, Ob es besser sey zu thun, oder es zu unterlassen? Also scheinet in der That, daß die Seel, in jeder Sache, So wie sie das Urtheil faͤllet, unsern Willen rege mache. Jst der Geist nun selber frey, so daß keine Leidenschaft, Keine Noth, kein Vorurtheil, keiner wilden Hitze Kraft Jhm sein helles Licht benebelt; wehlt und will er das was gut: Uebereilet ihn hingegen der Begierden Heftigkeit, Druͤckt ihn Furcht, betruͤbte Schwermuth, Grimm, Ver- achtung, Haß und Neid, Stockt durch coͤrperliche Schwachheit, oder wallt sein feu- rig Blut Von Begierde, Brunst und Liebe; scheints daß er, so we- nig frey Zum vernuͤnftigen Erwegen, als der Will zum Wollen sey. Bey den Kraͤften der Begierden, bey der Leidenschaften brennen, Wird man den Verstand am besten einem Mann verglei- chen koͤnnen, Welcher bey entstandnem Feuer oben auf des Giebels Spitze Den gefaͤhrlich wilden Brand, durch das Zuthun einer Spritze, Voller Muth zu daͤmpffen sucht; welches ihm zuweilen gluͤckt, Daß er die entstandne Flamme daͤmpfet, loͤscht und un- terdruͤckt; Aber Neu-Jahrs Gedichte. Aber auch, von ihr besiegt, wenn derselben Loh’ zu heftig, Und sein Wiederstand zu schwach, seine Macht nicht gnug- sam kraͤftig, Muß er sich zuruͤcke ziehen; dieses Beyspiel ist zwar gut Und es weichet der Verstand oft der Leidenschaften Wuth; Aber daraus folget eben, daß es noͤthig, die Jdeen, Jhre Wirckung, ihre Kraft, und Natur recht einzusehen, Wenigstens so viel es moͤglich, um, wo moͤglich, ihrer Macht Durch die Kraͤfte der Vernunft, kraͤftiglich zu wiederstehen. Denn wo dieß nicht moͤglich ist, bleibt es wahr, was ich gedacht, Daß, wie sehr wirs auch behaupten, wir doch keinen freyen Willen, Jn und bey uns haben koͤnnten. Bleibt es nun gleich wuͤrck- lich wahr, Es kommt durch die Leidenschaft unser Geist oft in Gefahr, Und es nimmt ihr schneller Trieb, und ihr Blitz geschwin- der Brand, Ehe wir es uns versehn, oͤfters bey uns uͤberhand, Wenn man nichts als Gegenwuͤrf oder Gruͤbeley allein Jhrer Wuth entgegen setzt; aber darum muß man lernen, Daß wir doch derselben Grimm von uns wuͤrcklich zu ent- fernen, Und zwar mehr, als man gedenckt, mehrentheils im Stande seyn. Dieses Mittel will ich zeigen. Wenn wir uns geruͤhret sehen Durch die gar zu starcke Wirckung vieler hitzigen Jdeen; Muͤssen wir mit allem Ernst eyfrig andere Jdeen Jn uns zu erzielen suchen, und, durch ein veraͤndert Dencken, Statt der ersten nachzuhangen, und im Feuer stets zu schuͤren, Jhm vielmehr die Nahrung rauben, und uns auf was anders lencken. J i 3 So Neu-Jahrs Gedichte. So wie eine Furcht die ander’ am gewissesten vertreibt; Kann ein Denck-Bild auch das ander’ am gewissesten ver- jagen. Durch Vernunft-Schluͤß’ uns zu helffen, ist viel schwerer, als man glaͤubt, Durch veraͤnderte Jdeen laͤßt es sich weit sichrer wagen. Die Jdeen nun zu zeugen, steht weit mehr in unsrer Macht, Als du selbst, geliebter Leser, so wie ich, bißher gedacht. Stuͤnde dieses gantz und gar nicht in menschlichem Vermoͤgen, Koͤnnte man uns keine Suͤnde, kein Vergehn zu Lasten legen. Bloß nur in der Faͤhigkeit, in der freyen Eigenschaft Von Jdeen, die wir haben, uns zu andern hinzulencken, Jn dem wuͤrcklichen Vermoͤgen, in der ungezwungnen Kraft, Bald auf dieses, wenn man will, bald auf jenes zu ge- dencken, Stecket eigentlich allein das, was man an unserm Geist Einen freyen Willen heißt. Denn wofern wir in uns wuͤrcklich kein Vermoͤgen haben sollten, Die Jdeen zu veraͤndern, wenn wir noch so gerne wollten; Jst es wahr, daß man sich nicht von dem Pfad der War- heit trenne, Wenn man spricht, daß man so dann keiner Suͤnd’ uns zei- hen koͤnne. Nach dem Willen, muͤssen wir auf die Leidenschaften sehn, Als durch deren starcke Triebe, viele Ding in uns geschehn. Unsern Willen treibt allein des Verlangens Aengstlichkeit Bald von gegenwaͤrt’ger Pein, Schmach und Armuth schnell befreit, Oder vom entfernten Guten eiligst im Besitz zu seyn. Wenn Neu-Jahrs Gedichte. Wenn wir uns in einem Stande, womit wir vergnuͤgt, be- finden, Welches nicht geschicht, als nur, wenn wir von Begierd’ und Pein Nichts empfinden, Wird der Geist fast kein Bewegen und sonst kein Verlan- gen spuͤhren Als, so wie er ist, zu bleiben, will nichts haben, nichts verlieren. Wie der grosse Schoͤpfer nun, unser Wesen schaffen wollen, Daß wir nicht in stiller Faulheit hier auf Erden leben sollen; Hat er uns fuͤr Durst und Hunger eine Sehnsucht ein- gepraͤgt, Und von andern Trieben mehr einen Druck in uns gelegt, Welches denn die rechten Sporen, wodurch wir zu tau- send Dingen Kraͤftig angetrieben werden und woraus allein entspringen Alle menschlichen Geschaͤfte. Wenn wir, unsern Leib zu naͤhren, Das Gemuͤth mit Ruhm zu speisen, und dann auch uns zu vermehren, Nicht, durch Lust-vermischten Drang, wunderbar gepresset waͤren; Wuͤrden wir, in fauler Stille, sonder Sehnsucht, ohne Willen Fast von allen unsern Pflichten nichts verrichten, nichts er- fuͤllen. Da ich nun hiebey noch einst unser innerstes erwege Und das Hirn, das Hertz, den Bauch wol betracht’ und uͤberlege; Scheint es, als ob in uns allen gleichsam ein vereintes Drey Und ein Reich von dreyen Reichen deutlich anzutreffen sey. J i 4 Jm Neu-Jahrs Gedichte. Jm Gehirn scheint der Verstand bey fuͤnf Sinnen zu regiren; Jn dem Hertzen scheint der Wille meist sein Regiment zu fuͤhren; Jn dem Unter-Theil des Leibes scheint der Wollust Sitz zu seyn, Diesen nimmt sie nebst den Trieben sich zu mehren, voͤllig ein. Jn der Brust, dem Reich des Hertzens, will, absonderlich im Magen, Unser Wille, gleichsam geitzig, fuͤr die Nahrung Sorge tragen. Aber in dem Obern Theil laͤsset es, als ob die Ehre Des Beherschers, des Verstandes, Leidenschaft besonders waͤre Die drey Reiche sind genug, von einander unterschieden, Haben gantz besondre Graͤntzen, und ein jeglichs sein Ge- schaͤfte, Dennoch scheint der Circul-Lauf unsers Bluts, verschiedne Kraͤfte Jhnen allen mitzutheilen, wie wir oben angesehn, Daß es, und auf welche Weise dieses etwann kann geschehn. Bey dergleichen Ueberlegen, sehn wir, wie die Leiden- schaften, Und zwar wuͤrcklich uns zum Besten, kraͤftig an- und in uns haften, Doch wird man zugleich gewahr, wenn man es mit Ernst bedenckt, Daß die Herrschaft des Verstandes, ob gleich nicht unein- geschraͤnckt, Doch viel gutes stiften koͤnne, wenn er nur sein gantz Ver- moͤgen, So wie er ja billig sollte, waͤr bemuͤhet anzulegen. Denn daß unsre niedern Kraͤfte, uͤber ihn zu triumphiren, Sich so oͤfters unternehmen, macht, daß er nicht alle Zeit, Mit genngsam-angespannten Kraͤften, Fleiß und Festigkeit, Seinem Feind zu wiederstehn, und sein Regiment zu fuͤhren, Ernst- Neu-Jahrs Gedichte. Ernstlich genug bemuͤhet ist. Muß er nun auch unterliegen, Wenn vielleicht sein Feind zu starck; wird er doch gewißlich siegen. Durch sich selbst und durch die Zeit. Dieses waͤre nun, was wir von den Wirckungen der Seelen, Und derselben Leidenschaften, zu betrachten, zu erzehlen, Nach Vermoͤgen uns bemuͤht; nun verbleibt, trotz allen Sorgen, Und Bemuͤhn die volle Wahrheit uns zwar, leider! doch ver- borgen; Dennoch wird uns die Betrachtung nicht nur durch Be- wundrung ruͤhren, Sondern uns zum Schoͤpfer selber, als der Geister Quelle, fuͤhren, Zu dem Ursprung aller Kraͤfte, welcher uns, damit wir dencken Und vernuͤnftig leben koͤnnten, uns so manche Kraft zu schencken, Gnaͤdiglich gewuͤrdigt hat. Laßt uns denn in unserm Leben, Diese Gabe, GOtt zu Ehren anzuwenden, uns bestreben, Und, zumahl zu dieser Zeit, zu erwegen nicht vergessen, Welch ein reiches Maaß der Gnaden uns dieß Jahr durch ihn gegeben, Um dadurch, so viel an uns, seine Wunder zu erheben. Mein Geist, auf, auf! Laß deine Kraͤfte, so dir dein Schoͤpfer wollen schencken, Nach Moͤglichkeit beschaͤftigt seyn, bey dieses Jahres Schluß, der Gaben, Die wir im abgewichenen, aus lauter Gnad’ empfangen haben, Uns zu erinnern, und dieselben mit Lust und Danck zu uͤber- dencken. J i 5 Laß Neu-Jahrs Gedichte. Laß das Gedaͤchtniß doch mit Ernst und allen Kraͤften sich bemuͤhn, Und das, was leider fast vergessen, doch der Vergessenheit entziehn! Es uͤberlege der Verstand derselben Groͤsse, Zahl und Wehrt! Es zeigen die Betrachtungen, nur GOtt gefaͤllige Jdeen! Es muͤß in der geruͤhrten Brust, dem, der mir so viel Guts bescher’t, Zu Ehren, eine heisse Sehnsucht zu starcker Gegen-Lieb’ entstehen, Nebst einem Ehrfurcht-vollen Trieb’ in allen Dingen seinen Willen, Aus danckbarer Erkaͤntlichkeit, zu vollenbringen, zu erfuͤllen! Mein GOtt! der du in diesem Jahr nicht nur das mir geschenckte Leben, Zusammt dem Leben aller Meinen, gesund erhalten, und zwar so, Daß auch kein eintziger erkranckt; was soll ich dir zum Opfer geben, Fuͤr solche Gnad’, als das ich innig geruͤhrt, in meiner Seelen froh, Nebst allen Meinen innig wuͤnsche, dein Lob gebuͤhrend zu erheben. Jch hab in meinem Ampt und Stand’, und allen meinen andern Wercken, So viel Gelegenheit gehabt, HErr! deine Fuͤhrung zu be- mercken, Daß ich dieselbige nicht zehlen, noch weniger verdancken kann. Ach, nimm den dir ergebnen Willen, aus neuer Huld, in Gnaden an! Verzeihe wenn ich nicht genug aufmercksam, froh und fromm gewesen, Ach Neu-Jahrs Gedichte. Ach habe doch, o ew’ge Liebe! aus nimmermehr erschoͤpfter Huld, Mit meiner und der Meinen Schwachheit Erbarmen, Nachsicht und Gedult! Laß von der Unerkaͤnntlichkeit und Undancks-Kranckheit uns genesen, Und gieb, daß ich absonderlich, fuͤr die, auf tausend Art und Weise, All’ Augenblick mir wiederfahrne Barmhertzigkeit und Huld dich preise! Von meinen dir geweihten Schriften hab ich im abge- wichnen Jahr So viele Nachricht eingezogen, daß sie an Hoͤfen, ja so gar Gekroͤhnten Haͤuptern angenehm und sie dadurch erbaut ge- wesen, Wie von Geheimen Raͤhten selber, ich oft gehoͤret und gelesen. Daß auch davon der vierte Theil und fast in eines Jahres Frist, Jn diesem Jahr zum andern mahl gedruckt und aufgeleget ist, Der Kinder-Mord zum dritten mahl; ist mir ein aber- mahligs Zeichen, Daß meinen vorgesetzten Zweck, ich, immermehr noch zu erreichen, Noch immer groͤssre Hofnung habe. Mein aͤltster Sohn hat eben auch Jn diesem Jahr ein kleines Werck (zum nicht unnuͤtzli- chen Gebrauch) Den Xenophon, ans Licht gestellt, und ein begieriges Verlangen, Nicht unnuͤtz in der Welt zu seyn, dadurch zu zeigen an- gefangen. HErr, Neu-Jahrs Gedichte. HErr, seegne ferner sein Beginnen, und wie du ihn, in diesem Jahr, Vor einer, sonder deine Huld fast nicht vermeidlichen, Gefahr, Da ein herab-geschoßner Ziegel sein Kleid getroffen und zerrissen, Der, wo er sich nicht ungefaͤhr gebuͤckt, ihn haͤtt erschlagen muͤssen, Recht wunderbar bewahret hast; so sey inbruͤnstiglich ge- beten, Nebst einem Demuth-vollen Danck, ihm ferner gnaͤdig bey- zutreten, Mit deiner Engel Huͤlff und Schutz, so wol als meinem andern Sohn, Der ebenfals im vor’gem Jahr, in einem Zufall gleichfals, schon Besonders deinen Schutz verspuͤhrt, da, sonder Schad’ und Ungemach, Ein morscher Tritt an einer Stieg’ im Lauffen unter ihm zerbrach, Und er damit herunter fiel, doch ohne den geringsten Schaden. Dir, HErr, sey Lob und Danck dafuͤr! Ach laß die andern all’ aus Gnaden Jm kuͤnft’gen Jahr, nebst meiner Frauen und mir, vor aller Plag’ und Pein, Vor Kranckheit, Kummer und Gefahr, Verdruß und Noht bewahret seyn; Absonderlich da ich entschlossen, die Amptmannschaft nicht auszuschlagen Die mir, nach unsrer Stadt Verfassung, in Ritzebuͤttel auf- getragen! Ach Neu-Jahrs Gedichte. Ach HErr, ohn dessen weisen Willen kein Umstand sich er- aͤugen kann, Der, durch die Umstaͤnd’ aller Dinge, die Dinge, die ge- schehn, regiret Und alles auf verborg’ne Weise zum Zweck, der dir gefaͤllig, fuͤhret, Ach siehe diesen meinen Schluß, den ich genommen, gnaͤdig an! Gesegne was ich vorgenommen! gesegne dieses mein Beginnen! Und fuͤhre mich, nebst allen Meinen, zu rechter Zeit begluͤckt von hinnen! Ja fuͤhre mich, so lang’ ich dort, entfernt von Kranckheit und Verdruß, Entfernt von Krieg und Kriegs-Geschrey! Gieb daß die an- gelegten Daͤmme, Durch wilde Wind’ empor gebracht, die wilde Fluth nicht uͤberschwemme! Gieb Seegen zu dem Acker-Bau, gieb Gras und Korn im Ueberfluß! Mir aber gieb insonderheit zu meinem dortigen Regiren Den Geist der Weisheit daß ich mich bestrebe, so mich auf- zufuͤhren, Daß du durch mich geehret werdest, damit die Unterthanen mercken Daß Recht und Tugend den begleiten, der dich in deinen Wunder-Wercken Zu ehren und zu sehn bemuͤht! gieb daß, so lang ich dorten lebe, Jch ihnen darin sonderlich ein gut und redlich Beyspiel gebe, Gerechtigkeit und Recht zu uͤben! laß mich die Richterlichen Pflichten, Die siebzehnhundert acht und zwantzig und dreyßig von mir aufgeschrieben, Wie hier in meinem Richt-Ampt, auch dort bemuͤht seyn auszuuͤben, Daß sie in ihrem Acker-Werck, HErr, deine Wunder, dei- nen Seegen, Und sonderlich ihr eignes Gluͤck, in der Betrachtung spuͤh- ren moͤgen, Da- Neu-Jahrs Gedichte. Damit auch sie, dadurch geruͤhrt, vom schwartzen Undanck sich entfernen, Jn deinen Wundern dich erheben, und sich selbst gluͤcklich machen lernen! Laß mich daselbst, o grosses All, auf Land- und Wasser- Wunder achten Und dort die Proben deiner Macht, mit Ehrfurcht und mit Danck, betrachten! Gieb, daß ich froͤlich dort die Spuren von deiner Weißheit uͤberlege, Daß ich, nebst mir und allen Meinen, auch andre darzu leiten moͤge! Solt’ ich vielleicht, nach deinem Rath, mein irrdisch Leben dort beschliessen, Und von der Welt, und meinem Amt, und von den Meinen scheiden muͤssen, So gieb, daß ich gelassen sterbe! Laß mich auf deine Liebe trauen, Und festiglich versichert seyn, daß du der Meinigen Berather, Versorger, Trost, Beschirmer, Helfer, Erretter, Bey- stand, GOtt und Vater Aus Gnaden seyn und bleiben werdest. Waͤr aber mir nach deinem Willen, Ein laͤnger Lebens-Ziel bescher’t, und solt’ ich die bestimmte Zeit, Wie unser Wunsch und Hoffen ist, gesund und in Zufrie- denheit, Jn stetiger Bewunderung von deiner Lieb’ und Macht, erfuͤllen; So gieb, daß ich, nebst allen Meinen, so lang’ ich lebe ieden Tag, Mich solcher unverdienten Gnade erfreuen, und dir dancken mag! Schluß. Schluß. V erargt mir’s nicht, geliebte Menschen, daß euch von der so schoͤnen Welt So vieles und so oft durch mich wird wiederhohlt und vor- gestellt. Jch halt’ es theils fuͤr meine Pflicht; theils seyd ihr selber Schuld daran, Da ich (doch manchen ausgenommen) von vielen noch nicht sagen kann, Daß ihr, aus dem gewohnten Schlaf (so doch so noͤthig) aufgewacht, Des grossen Schoͤpfers grosse Wunder, und in denselben, seine Macht, Und Lieb’ und Weißheit schmeckt und seht. Daher ich noch nicht muͤde werde, Der grossen GOttheit, Lieb’ und Allmacht, im Schmuck des Himmels und der Erde, Euch unaufhoͤrlich anzupreisen, und dulde, der Geschoͤpfe Herrn Zu Ehren, euer Nasen ruͤmpfen, und euer hoͤnisch Tadeln, gern; Vin auch der Hofnung, daß, da ihr, nur durch Gewohnheit schlaft, dennoch, Auch ihr, wo nicht; doch eure Kinder, des Undancks ungluͤck- seeligs Joch Dereinst von Halse werffen werdet. Jch hoff es, und ich glaub’ es schier. Ja, wenn es nicht geschehen sollte, wie ich jedoch nicht hoffen will; So fuͤhl ich dennoch solche Lust, und solchen strengen Trieb in mir, Daß ich mich nicht entschliessen kann, von GOttes Wunder- Wercken still, Und, euch zu willen, stumm zu bleiben. Jetzt da ich aber- mahl die Zier, Des Schluß. Des alle Dinge faͤrbenden und selbst so bunt-gefaͤrbten Lentzen, Jn mehr als hundert tausend Farben, zumahl in Gruͤnen, sehe glaͤntzen; So seh ich so viel Wunder-Dinge, aus allen Orten jetzt entspriessen, (Da recht ein wuͤrcklich Wunder-Heer, aus Wasser, Luft und Erde qvillt) Das ihre mannigfache Zier und Pracht mein gantzes Wesen fuͤllt. Jch fuͤhle mein gefuͤlltes Hertz von Anmuth gleichsam uͤberfliessen. Dabey faͤllt, mitten in der Lust, der wohl gemeinte Wunsch mir ein: Ach, waͤr bey allgemeiner Schoͤnheit der Welt, die Lust auch allgemein! Jch wiederhohle denn zum Schluß, bey meiner oft gefuͤhr- ten Klage Ob unsrer Unempfindlichkeit, die euch vielleicht verhasste Frage: „Da die Natur an tausend Orten, wie ihr es allenthalben hoͤret, „Zugleich auch allenthalben seht, daß in der Wercke Schmuck und Schein, „Sie unsern Schoͤpfer deutlich zeigt, auch daß, ja was er ist, uns lehrt; „Wie kann man blind bey ihrer Schoͤnheit, und taub bey ihrer Lehre seyn? ENDE . Regi- Register aller Gedichte dieses fuͤnften Theils. D ie Eile des Drucks hat vor dießmahl nicht erlau- ben wollen, diejenigen Stuͤcke, welche mit den Ma- terien der vorigen Theile einige Verwandschaft haben, auf die Art, wie bisher geschehen ist, zu bemercken: wiewol auch der Leser, der verschiedenen Auflagen we- gen, nicht allemahl selbige Stellen auf den sonst rich- tigst-angezeigten Seiten antreffen wuͤrde. Doch wird diesem allen dermahleinst durch ein allgemeines Register uͤber das voͤllige Werck nach den neuesten Herausgaben abzuhelffen seyn. A bend-Andacht. pag. 170 Abend-Gedancken. 396 Abschied vom Garten 207 Warnung fuͤr Afterreden 237 Alart. 258 K k Alle Register. Alle Dinge haben zwo Seiten. pag. 292 Allgegenwart des Schoͤpfers. 275 Wirckung Goͤttlicher Allgegenwart. 330 Amatantus cristatus. 217 Die Anemonen. 65 Froͤlich seyn bey seiner Arbeit. 99 Aufmunterung. 221 Aufmunterung zur Betrachtung. 158 Die Augen als Spiegel. 109 Aurikeln im Herbst. 306 Betrachtung uͤber die erste Schoͤnheit der Baͤume im Fruͤhling. 10 Balsamina. 218 Betrachtung. 190 Aufmunterung zur Betrachtung. 158 Seelige Betrachtung der Creatur. 302 Rechtmaͤßige Betruͤbniß. 342 Betrachtung der Blaͤtter. 24 Herbst- Blaͤtter. 313 Muthwillige Blindheit. 180 Bluͤthe. v. Kirsch-Bluͤthe. Blumen. 44 v. Anemonen. Balsamina. Croceon. Flos Admirabilis. Trauben-Hyacinth. Leucoje. Gelber Mah. Bey Register. Bey Erblickung vieler Blumen im Garten. pag. 198 Andacht durch Blumen erregt. 183 Blumen-Betrachtung. 96 Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung. 143 Betrachtung uͤber die Schoͤnheit der Blumen. 114 Vergnuͤgen in Blumen. 117 Blumen im Winter. 317 Grosse Buchstaben. 322 Die uns zur Ehre GOttes leitende Creatur. 336 Nothwendigkeit auf die Creatur zu achten. 274 Croceon. 366 Die im Winter bluͤhende Cyrene. 367 Die Danckbarkeit. 252 Danck-Gebet nach dem Essen 168 Vergaͤngliche Dauer der Natur. 247 Nothwendiger Dienst des Schoͤpfers. 358 Eigentliche Ehre des Schoͤpfers. 264 Die uns zur Ehre GOttes leitende Creatur. 336 Erinnerung. 154 . 183 . 395 Das Eulchen. 107 Annehmlichkeiten des Feuers zur Winters- Zeit. 369 Finsterniß. v. Sonnen-Finsterniß. Mond-Finsterniß. Die kleine Fliege. 120 Flos Admirabilis. 311 Fragen. 136 K k 2 Froͤlich Register. Froͤlich seyn bey seiner Arbeit. pag. 99 Fruͤhling. 33 Zwo Fruͤhlings-Arien. 55 Erste Schoͤnheit der Baͤume im Fruͤhling. 10 Fruͤhlings -Betrachtungen. 35 Noch andre Fruͤhlings -Betrachtungen. 51 Fruͤhlings -Ergoͤtzlichkeiten. 29 Fruͤhe Fruͤhlings-Vorwuͤrfe. 5 Fruͤhlings -Gedicht. 26 Lieblichkeiten des Fruͤhlings. 46 Luft im Fruͤhling. 63 Truͤbe Luft im Fruͤhling. 42 Schoͤnheit des Fruͤhlings. 73 Nachtheilige Verwahrlosung der Fruͤhlings- Schaͤtze. 75 Die neue Welt im Fruͤhling. 44 Liste einiger uns von GOtt geschenckten und er- haltenen Gaben ꝛc. 225 Die beste Gabe der Menschen. 245 Garten -Andacht. 145 Abschied vom Garten. 207 Mittel gefaͤllig zu werden. 389 Vernuͤnftiger Gebrauch des Gegenwaͤrtigen. 393 Nothwendigkeit die gegenwaͤrtige Zeit, und das Gute, so wir darin besitzen, zu erwe- gen. 233 Der Geruch. 373 Harmonie des Geruchs. 112 Un- Register. Unverantwortliche Geringschaͤtzung der Ge- schoͤpfe. pag. 300 Gesang der Voͤgel. 110 Hirten-Gedicht von Vermehrung des Getrai- des. 80 Betrachtungen uͤber das Gewissen. 102 Glaͤserne Kugel. 332 Belehrendes Gleichniß. 130 Goͤttlicher Spiegel. 321 GOtt allein die Ehre. 301 GOtt regiret alles. 240 GOtt sprach: Es werde. 100 Sinnlicher Beweiß daß GOtt in den Geschoͤpfen zu ehren. 260 Nothwendigkeit GOtt hier zu sehen. 161 Der aͤlteste GOttes-Dienst. 184 Leichter GOttes-Dienst. 340 Sinnlicher GOttes-Dienst. 289 Vernuͤnftig-sinnlicher GOttes-Dienst. 398 GOttes Groͤsse. v. Groͤsse. Spiegel der GOttheit. 165 Spuren der GOttheit. 165 Groͤnlaͤndische Schiffe. 78 K k 3 Groͤsse Register. Groͤsse GOttes in seiner Vorher-Versehung und Fuͤhrung, in einen Neu-Jahrs-Gedichte von 1732. pag. 401 Trost-reiche Groͤsse GOttes. 239 Das unverhofte Gruͤn. 59 Hanns und Mops. 101 Harmonie des Geruchs. v. Geruch. Zum Herbst. 223 Herbst -Betrachtung. 211 Herbst -Gedancken. 210 Aurikeln im Herbst. 305 Herbst-Blaͤtter. 313 Betrachtung des Himmels. 3 Himmels-Spiegel. 127 Der himmlische Thau. 214 Hinderniß am Vergnuͤgen. 294 Hirten-Gedicht von Vermehrung des Getrai- des. 80 Der geschlagene Hund. 133 Die Trauben- Hyacinth. 70 Jnseln. 162 Die Johannis-Beere. 146 Anderweitige Betrachtung der Kirsch-Bluͤthe. 56 Be- Register. Betrachtung der in den Knospen enthaltenen Wunder. pag. 8 Kraͤfte der menschlichen Vernunft. 344 Glaͤserne Kugel. 332 Lehre. 250 Beym Anblick einer schoͤnen Leucoje. 148 Das durch die Coͤrper verherrlichte Licht. 201 Liste einiger uns von GOtt geschenckten und er- haltenen Gaben; wie auch einiger von uns entfernten Plagen. 226 Lob GOttes. 291 Lob GOttes, bey Betrachtung seiner Wercke. 353 Lob-Lied des Schoͤpfers aus dem Munde der Creaturen. 116 Luft im Fruͤhling. 63 Truͤbe Luft im Fruͤhling. 42 Der gelbe Mah. 97 Mannigfaltigkeit der Geschoͤpfe. 194 Menschliche Schwachheit. 185 Gedancken bey einer Mond-Finsterniß. 400 Das taͤgliche Mond-Licht. 137 Hanns und Mops. 101 Nacht-Gedancken. 397 Sonnen-Schein in der Nacht. 352 Ueberzeugliche Vermahnung zur Naͤchsten-Liebe. 320 K k 4 Ver- Register. Vergaͤngliche Dauer der Natur. pag. 247 Neu-Jahrs Gedichte. von 1732. 401 von 1733. 431 von 1734. 459 von 1735. 486 Othem-hohlen. 323 Ein Parterre. 76 Pflicht des Geistes. 338 Ungluͤckliche Verabsaͤumung unsrer Pflichten gegen den Schoͤpfer. 360 Liste einiger Gaben und Plagen. 225 Quelle alles Guten. 257 Betrachtung der menschlichen Rede, in einen Neu-Jahrs Gedichte. 459 Anmuth des Regens nach grosser Hitze. 191 Wirckung des Regens im Fruͤhling. 33 Zugleich gelb- und rothe Rosen. 48 Roß-Kaͤfer. 151 Die sanfte Ruhe. 156 Saamen-Gehaͤuse. 276 Schatten. 205 Schau-Spiel der Natur. 203 Zufaͤllige Gedancken uͤber zwey nach Groͤnland abseegelnde Schiffe. 78 Schmuck. Register. Schmuck der Seelen. pag. 188 Heilsame Schwaͤche. 243 Menschliche Schwachheit. 185 Betrachtung unsrer Seelen-Kraͤfte. 262 Vermuthliche Beschaffenheit der Seelen. 295 Die Seiffen-Blase. 270 Demuͤthige Selbst-Erkaͤnntniß. 160 Seneca. 248 . 387 Einige Betrachtungen uͤber unsre Sinnen. 327 Mancherley Vorwuͤrfe der Sinnen. 39 Sinnlicher Beweiß, daß GOtt in den Geschoͤ- pfen zu ehren. 260 Sinnlicher GOttes-Dienst. 289 Bewundrung der Sonne. 106 Wirckung der Sonne. 64 Sonnen-Finsterniß von 1733. 286 Sonnen-Lehre. 140 Sonnen-Licht. 308 Das Sonnen-Reich. 12 Sonnen-Schein in der Nacht. 352 Goͤttlicher Spiegel. 321 Spiegel der GOttheit. 165 Spuren der GOttheit. 241 K k 5 Stra- Register. Strafe der Unachtsamkeit. pag. 159 Der himmlische Thau. 214 Abermahlige Thau-Betrachtungen. 284 Zufaͤllige Gedancken uͤber ein Thau-Troͤpfgen. 303 Der Traum. 263 Ein klares Troͤpfgen. 374 Trost uͤber mein Unvermoͤgen. 122 Nutz und Nothwendigkeit der Ueberlegung. 193 Strafe der Unachtsamkeit. 159 Unempfindlichkeit. 244 Ungewißheit. 329 Nuͤtzliche Ungewißheit. 298 Ungluͤck im Gluͤck. 129 Trost uͤber mein Unvermoͤgen. 122 Erklaͤrung des Vater Unsers. 334 Ungluͤckliche Verabsaͤumung unsrer Pflichten gegen den Schoͤpfer. 360 Nothwendige Verehrung des Allgegenwaͤrti- gen. 238 Vergnuͤgen eine Gabe GOttes. 176 Hinderniß am Vergnuͤgen. 294 Weg zum Vergnuͤgen. 364 Vermehrung vergnuͤgter Tage. 356 Vermahnung. 296 Graͤn- Register. Graͤntzen der Vernunft. pag. 379 Kraͤfte der menschlichen Vernunft 344 Unnuͤtzer Nutz des Verstandes. 385 Gesang der Voͤgel. 110 Die Wahrheit. 105 Wasser-Rede. 124 Betrachtung wallender Wasser-Wogen. 354 Das Welt-Buch. 339 Die neue Welt. 44 Ernstliche Betrachtung der Welt nothwendig. 318 Der Wieder-Schein. 111 Winter-Gedancken. 377 Blumen im Winter. 317 Die im Winter bluͤhende Cyrene. 367 Annehmlichkeiten des Feuers zur Winters-Zeit. 369 Vergnuͤgen auch bey feuchtem Wetter im Winter. 314 Erbauliche Betrachtung schnell-vergehender Wolcken. 381 Wort des Schoͤpfers. 261 Wunsch. 72 . 293 . 337 Taͤglicher Wunsch. 249 Aufgeloͤseter Zweifel. 178 D ruck- F ehler. Pag. 107. lin. 17. muß nach den Worten: Mit offnen Klauen, ein; gesetzt werden. 125. lin. 7. Was sagt sie⸮ Nimm in uns in Acht So dein-als meines Schoͤpfers Macht! 160. lin. 4. fuͤr: Vernichtung; leg. Vernich- tigung. 207. lin. 5. fuͤr: Es aller Gaben; leg. Er aller Gaben. Andre Kleinigkeiten, welche verhoffentlich den Ge- dancken nichts benehmen werden, wird der geneigte Leser selber verbessern. E ilfertige G edancken bey Erblickung der ersten Zeilen des p. 511. befindlichen Schlusses dieses fuͤnften T heils. N icht sorge, grosser Brocks, daß Du zu viel ge- schrieben; Wer keine Verse liebt, muß doch die Deinen lieben. Wehlt iemand sich ein solches Ziel, Und weiß die Kunst so hoch zu treiben; Der schreibt, bey noch so oͤfterm Schreiben, Zwar viel; doch nimmermehr zu viel. M. A. W.