Des Christlichen Teutschen G rosz- F uͤrsten HERKVLES Und Der Boͤhmischen Koͤniglichen F raͤulein VALJSKA W under- G eschichte. J n acht B uͤcher und zween Teile abgefasset Und allen Gott- und Tugendliebenden Seelen zur Christ- und ehrlichen Ergezligkeit ans Licht gestellet. Braunschweig/ Gedruckt durch Christoff-Friederich Zilliger / Buchhaͤndlern allda. Anno M DC LIX. Des Christlichen Teutschen Groß- F uͤrsten H erkules/ Und Der Boͤhmischen Koͤniglichen Fraͤulein V aliska W under- G eschichte. Erster Teil. D em A ller D urchleuchtigsten/ Großmaͤchtigsten und Vnuͤberwind- lichsten F uͤrsten und H errn/ H errn L eovold E rwaͤhletem R oͤmischen K aͤyser/ zu allen Zeiten Mehrern des Reichs/ In Germa- nien/ zu Hungarn/ Boͤheim/ Dalmatien/ Croatien und Scla- vonien/ etc. Koͤnige; Erz Hertzogen zu Oesterreich; Herzogen zu Burgund/ zu Braband/ zu Steyer/ zu Caͤrnten/ zu Crain/ zu Luͤ- tzenburg/ zu Wuͤrtemberg/ Ober- und Nider-Schlesien; Fuͤrsten zu Schwaben; Marggrafen des Heil. Roͤmischen Reichs/ zu Burggaw/ zu Maͤhren/ Ober- und Nider Laußnitz; Gefuͤrsteten Grafen zu Habspurg/ zu Tyrol/ zu Pfirdt/ zu Kyburg und zu Goͤrtz; Land Grafen im Elsaß; Herrn auf der Win- dischen Mark/ zu Portenau und zu Salins/ etc. GOttes gnaͤdigen Schutz/ nebest langem Leben/ Gesundheit/ gluͤklicher Herschung/ Friede/ Sieg/ und allem Kaͤyserli- chen Wolergehen. Allergnaͤdigster K aͤyser und H err. ZV Eurer Kaͤyserl. Majestaͤt wirdig- sten Fuͤssen leget gegenwaͤrtiger/ der Teutschen angefuͤhrter Groß Fuͤrst Herkules/ sampt seiner ihm vertraueten Koͤ- nigl. Boͤhmischen Fraͤulein Valisken sich allerdemuͤtigst nieder; uñ solches aus tiefstschul- diger dank barkeit; nach dem von Kaͤyserl. Ma- jest. hoͤchstmildest-gewogener Hand/ sie ehmals einen Gnaden-Reichs-Stab und Krohn (im sechsten Buche dieser Geschichten zu sehen) em- pfangen haben. Wolte der Himmel! daß mit Eurer Kaͤyserl. Majest: allergnaͤdigster einwilligung und ge- fallen fallen die se ihre Darstellung moͤchte geschehen seyn; als dann wuͤrden sie den Zwegk ihres hoͤch- sten wunsches schon erreichet haben; und wuͤrde ihr getraͤuester Bruder/ der Boͤhmische Koͤnig Ladisla sich dessen zugleich innigst erfreuen. Zwar es ist ausseꝛ allem zweifel gesezt/ dz al- les/ was vor Eurer Kaͤyseꝛl. Majest. preiß wuͤr- digsten Reichs Stuel zutreten sich unterneh- mē darf/ nit allein rein und lauter/ sondern auch ganz vortreft ich uñ allerdinge volkommen seyn muͤsse; und solches nicht allein nach dem Wesen/ sondeꝛn auch nach dem aͤusserlichen Schmucke. Massen Kaͤyserl. Majest: ohn jemandes ein- rede/ vor die aller hoͤchste Heilige Wuͤrde in der ganzen Christen-Welt geehret wird; welche als Gottes Stathalter/ der aller heiligsten Gerech- )( ij tigkeit tigkeit vorstehet; welchem nach/ vor derẽ ruhm- wirdigstẽ Augen sich niemand wird stellen duͤrf- fẽ/ der durch iñerliche oder aͤusserliche unsauber- keit dieselbe etwa betꝛuͤben odeꝛ beleidigẽ moͤchte. Vnd weil nit so bald ichtwas durch sich selbst sich alhier vor duͤchtig wird melden koͤnnen/ son- dern nur/ was Kaͤyseꝛl. Majest. allergnaͤdigster Macht Spruch davor erklaͤren wird. Als suchet gegenwaͤrtiger Teutscher Herku- les uñ seine Boͤhmische Valiska in dieseꝛ irdischẽ Welt nichts hoͤhers/ dann daß Eure Kaͤy s. Maj. mit allergnaͤdigsten Augen sie ansehen/ und die wirdigkeit/ so sie bey ihnen selbst nit wissen noch finden/ ihnen mitzuteilen/ allergnaͤdigst geruhẽ wollẽ welches zuerlangen sie untertaͤhnigst hof- fen/ in betrachtung/ dz diese ihre Geschichte nie- mand zubeleidigen/ noch mit Stachel-Reden zu verwun- verwunden/ sondern bloß zur geistlichẽ und ehꝛ- liebenden Gemuͤhts-ergetzligkeit angesehen ist. Der grosse Gott/ welcher sich gegen Abraham den Almaͤchtigen neñet/ ließ zeit des Alten Bundes ihm nit nur der wolbeguͤterten ihre feiste aus gemaͤ- stete Ochsen uñ gewaltige grosse Feld Zehenden/ son- deꝛn auch die leichten Taͤubelein und einzelne Gaꝛbẽ der aꝛmen Leute wolgefallẽ/ wañ sie von guteꝛ Seele in rechtschaffener andacht geopfert wurdẽ. Und ebẽ dieses war die ursach/ daß Abels kleiner Heerd/ mit dem wenigẽ Fette seiner Erstlinge betropfet/ ungleich heller und anmuhtiger vor Gottes Angesicht bren- nete/ als wann der freche Kain tausend auf geban- sete Garben angezuͤndet haͤtte/ deren Lohe sich hoͤheꝛ in die Lufft erheben moͤgen/ als daß Menschen Au- gen sie haͤtten koͤnnen abmaͤssen. Im Neuen Gnaden-Bunde hat Gott in ange- nom̃ener Menscheit uns eben dessen versichern wol- )( iij len/ len/ da er seine lieben Juͤnger vergewisserte/ daß der armen Wittiben eingelegte zwey Scherflein/ vor Gottes Ohren einen viel hellern und angenehmern Klang von sich gaben/ als die schweꝛen guͤldenen uñ silbernen Opferstuͤcke/ welche von den Reichen ohn Andacht/ und aus Hochmut in den Gottes Kasten geworffen wurden. Die hohe Obrigkeit hat die Ehre in der Heiligen Schrift/ daß sie Goͤtter genennet werden; anzudeu- ten/ daß in vielen stuͤcken sie sich dem wahren einigẽ Gotte gleich zubezeigen pflegen; insonderheit in die- sem/ daß der unvermoͤgenden Gehorsamen ergebe- ner Wille ihnen angenehmer ist/ als was von haab- seligen durch Zwang heraus gekeltert/ oder aus Furcht geliefert wird. Welches dann unsern Teutschen Herkules/ und seine Boͤhmische Valisken muhtiget/ und in volle hofnung setzet/ ihre gutwilligkeit/ Eurer Kaͤys. Maj. sich sich vor eigen zuergebẽ/ werde den abgang ihres un- vermoͤgens erstattẽ/ ohn welches veꝛtrauen sie nim- mermehr wuͤrden geherzt gewesen seyn/ voꝛ dero al- lergroßmaͤchtigstem Stuel sich finden zulassen. Dafern nun deren Gegenwart und allerunter- taͤhnigste Darstellung allergnaͤdigst wird koͤnnen geduldet werden/ muͤssen sie sich billich vor gluͤkselig schaͤtzen/ und die Stunde gesegnen/ an welcher sie dieser Welt bekant worden sind. Dann sie werden unter diesen maͤchtigen Adlersfluͤgeln/ Schuz und gnugsame Sicherheit antreffen/ wider alle Freveler und verwaͤgene Geizhaͤlse/ welche sonsten sich nicht moͤchten scheuhen duͤrffen/ diese Geschichte/ wider das siebende Geboht des Heil. Goͤttlichen Gesetzes unter gestohlner Kleidung in die Welt aus zustreuẽ; mit welchen schlimmen Diebs-Naͤgeln in diesen lez- ten Zeiten sich ihrer viel kratzen. Ja es werden zu- gleich auch andeꝛe mißguͤnstige abgeschꝛecket weꝛdẽ/ ihren ihren unbefugten Geifer und Neid-bittere Galle/ wider dieses wolgemeinete Werk aus zuspeiẽ/ wann ihnen zu Ohren kommen solte/ der unuͤberwindli- che Adler (HErr Gott/ gib du ihm Krafft/ verjunge und erhalte ihn/ daß er sein vermoͤgen nicht/ als am lezten Tage dieser Welt verliere) habe unter seine sichere Schuz-Fluͤgel angenommen Eurer Roͤmischen Kaͤyserlichen Majestaͤt alleruntertaͤhnigste/ allergehorsambste Diener und Die- nerin Herkules und Valisken. Freund- Freundliche Erinnerung An den Christlichen Tugendliebenden Leser des Teutschen Herkules/ Welcher gebeten wird/ diese Geschichte nicht vorzunehmen/ ehe und bevor er folgende kurtze Vermahnung durch- gelesen und vernommen hat. E S hat der Uhr Schreiber dieses Buchs vor eine Nohtwendigkeit erachtet/ dem gewogenen Leser/ bald im ersten Eingange/ den Zweg seines Vorhabens vorzustellen/ was gestalt seine Andacht in diesem ganzen Wercke eigentlich dahin gerichtet sey/ daß des Ge- muͤhts Erfrischung/ so man im durchlesen an muhtiger Geschichte suchet/ allemahl mit got- fuͤrchtigen Gedanken vermischet seyn moͤge/ und die Erkaͤntnis der himlischen Warheit auch daselbst befodert werde/ da man sichs nicht vermuhten wahr; massen dadurch andaͤchtige Seelen oft veranlasset werden/ jhre Seufzer mitten in solcher Lesung gen Himmel zu schicken/ damit die irdische Ge- sonnenheit am Zeitlichen sich nicht zu heftig vergaffen/ noch den Luͤsten zu viel Raum geben moͤge. Das schandsuͤchtige Amadis Buch hat mañichen Liebhaber/ auch unter dem Frauenzim̃er/ deren noch keine daduꝛch gebessert/ aber wol unteꝛschiedliche zur unziemlichẽ Frecheit angespoꝛnet sind/ wañ sie solche Begebnissen vor Augen gemahlet sehen/ welche wol die unverschaͤmtesten vor der Sonnen zu verrichten scheu tragen. Daß ich alhier nicht allein der handgreiflichen Contradictio nen und Widersprechungen/ womit der Tichter sich selbst zum oftern in die Backen haͤuet; samt den unglaͤub-scheinlichen Faͤllen und mehr als kindischen Zeitverwirrungen/ deren das ganze Buch durchgehend vol ist; sondern auch der teils naͤrrischen/ teils gotlosen Bezaͤuberungen geschweige/ deren so vielfaͤltige Meldung geschiehet/ und doch so wenig Geschmak als Glaubwuͤrdigkeit haben/ nicht desto weniger aber diese teuflische Kunst nit allein vor gut uñzugelassen/ sondern wol gar vor Christ- und goͤtlich wil gehalten werden/ als deren sich Christ- liche Kaͤyser/ Koͤnige und Ritter ohn Gewissens-Anstoß gebrauchet/ und dadurch mannichem Ungluͤk/ aus sonderbahrer Schickung Gottes entrissen/ auch viel Gutes zu volfuͤhren gestaͤrket seyn sollen. Wil nicht sagen/ wie leicht unbesonnene luͤsterne Weibesbilder hiedurch/ der Zaͤuberey sich zu ergeben/ moͤchten ver- anlasset werden. Woraus dann zur gnuͤge erscheinet/ daß der leicht bewaͤglichen Jugend mit obgedach- tem Buche nicht besser gedienet waͤhre/ als wann es nur den Schaben und Motten durchzublaͤttern/ und der ewigen Vergessenheit uͤbergeben wuͤrde. Ob dann einiger Amadis-Schuͤtzer einwerffen wolte/ die lustbringende Erfindungen macheten diesem Buche sein Ansehen/ und entrissen es der Verwesung; so mag ehrliebenden Herzen dieses noch lan- ge nicht gnug seyn. Dann die Leichtfertigkeiten hecheln gar zu grob/ und die unziemliche Betreibungen zwischen jungen verliebeten hohen Standes-Leuten brechen so unverschaͤmt loß/ daß von keuschen Herzen es ohn aͤrgernis nicht wol kan gelesen werden; was wolte dann von frech-wilden geschehen? Zwar ein gefusseter ehrliebender Geist achtet dessen wenig; aber wer vermuhtet sich eines solchen bey der lustsuͤch- tigen Jugend? wird demnach keine Entschuldigung uͤbrig seyn/ und wer ohn verdacht leichtsinniges Ge- muͤhts und Lebens bleiben wil/ enthaͤlt sich billich von solchen uñ dergleichen Buͤchern/ welche die unzuͤch- tige Kitzelungen mit der Hoͤfligkeit gar zu merckern durcheinander flechten/ uñ den Stachel der unbillichen Begierden raͤgen und haͤgen; dann menschliche Boßheit ist schon mehr als zu heftig/ und bedarfs nicht/ daß man Wasser ins Meer trage/ oder Oel ans Feur schuͤtte. Ob auch dem Koͤnigl. und Fuͤrstl. Frauen- zimmer/ durch Tichtung so mannicherley unzuͤchtigen Buhlereien nicht gar zu nahe getreten sey/ gebe ich allen Vernuͤnftigen zu betrachten. (o) Mir Erinnerung Mir zweifelt nicht/ der trefliche Barklaius mit seiner beruͤmten Argenis, Herꝛ Sidnet mit seiner Arkadia; Herꝛ Marets mit seiner Ariana/ und andere dergleichen zuͤchtige ehrliebende Geschicht Schrei- ber/ haben/ der Jugend den Amadis aus den Haͤnden zureissen/ nicht die geringste Ursach genom̃en/ jhre Schriften hervorzugeben/ Und muß ein jeder gestehen/ daß jezt gedachte Buͤcher ohn Anstoß uñ aͤrgerniß wol koͤnnen gelesen werden; aber die wahre Gottesfurcht ist in denselben nicht eingefuͤhret/ viel weniger des Christlichen Glaubens einige Meldung geschehen; daher mein Siñ uñ vielleicht anderer mehr/ durch solche nicht vergnuͤget ist; Wiewol obgedachte sinreiche Koͤpfe zu tadeln/ ich nicht gemeinet bin/ sondern sie vielmehr preise/ und gerne gestehe/ daß sie jhres Lobes wert sind; Nur allein hoffe ich bey dem Leser die- sen Ruhm zu erhalten/ daß er zeugen wird/ er finde in fleissiger Lesung dieses Werks was nicht allein sein Welt wallendes/ sondern zugleich auch sein Geisthimlisches Gemuͤht erquicken/ und jhn auff der Bahn der rechtschaffenen Gotseligkeit erhalten koͤnne; gestaltsam der Christliche Herkules jhm gnug sam zeiget/ wie man weder durch irdische Gluͤkseligkeit noch durch Ungluͤksfaͤlle sich von Gott und vom Christlichen Wandel abziehen lassen/ sondern allemahl seinen Heiland im Herzen haben/ Christlich leben/ die Welt verachten/ Fleisch- und Blutes Bewegung und die reitzende Luͤste daͤmpfen/ der Untugend absagen/ den wahren Gott vor der Welt bekennen/ der Tugend nachsetzen/ und aͤussersten Vermoͤgens seines Naͤhesten Besserung und Rettung jhm angelegen seyn lassen muͤsse. Dann jezterwehneter Großfuͤrst Herkules ist uns als ein Ebenbilde eines nach vermoͤgen volkommenen Christen der im weltlichen Stande lebet/ vor- gestellet und der durch getrieb seiner vernuͤnftigen Seele zu allen loͤblichen Tugenden/ auch nach empfan- genergnaͤdigen Erleuchtung/ zur Gottesfurcht sich ernstlich hinwendet/ wie imgleichen auch seine unver- gleichliche tapffere und gottfuͤrchtige Valiska/ zu ehren dem weiblichen Geschlechte/ und zu behaͤupten/ daß auch bey jhnen wahre Tugend stat und raum finde. Ladisla/ Fabius/ und andere/ zeigen auch Tu- gend und nach jhrer Bekehrung Christergebene Herzen; jedoch/ welche/ wegen zu heftiger Fleisches und Blutes Bewaͤgung/ an die hoͤchste volkommenheit nicht gelangen. Phraortes/ Pharnabazus/ Arta- xerxes/ Mazeus/ und andere jhres gleichen/ stellen sich zum Beispiel deren/ die ausser der Erkaͤntnis des wahren GOttes/ dannoch der Tugend folge leisten/ und gleichwol der ewigen Seligkeit wenig nachden- ken/ viel weniger der Gelegenheit wahrnehmen/ die jhnen durch Gottes Guͤtigkeit zur Bekehrung darge- bohten wird. Hergegen stehen Arbianes/ Fabius/ Leches/ Neda und andere/ als Ebenbilder deren/ die sich von Gott/ etliche leichter/ etliche langsamer ziehen lassen; und zwar unter diesen ist Ladisla der hartnaͤckesten einer/ mit denen es viel zu thun hat/ ehe sie den alten eingewurzelten Wahn des falschen Gottesdienstes jhrer Voreltern ablegen koͤnnen. Gleich wie aber eines Dinges Eigenschafft und Art am besten und volkommensten erkennet wird/ wann man sein wiederwertiges zugleich betrachtet und dagegen stellet/ also hat der Meister dieses Werks an unterschiedlichen Mannes- und Weibesbildern die schnoͤdesten Untugenden/ wiewol unter Zuchtlie- bender Rede-Art/ einfuͤhren wollen; Als da der verstokte Geta/ ein Muster solcher Boßheit ist/ die nicht all ein weder durch Draͤuung noch Streichen nicht kan außgetrieben werden/ sondern uͤber das noch ein sonderliches Lob suchet/ daß sie von allem Guten ganz abgefernet ist. Artabanus der Parther melder sich an Wuͤtrichsstat/ der seinen schaͤndlichen Luͤsten nicht/ als durch Furcht oder Zwang einreden darff. Orsillos gibt dir die Unbarmherzigkeit zu erkennen/ welche ungestrafft nicht bleiben kan. Gamaxus uñ Pines/ die weder Gott noch Menschen achten/ muͤssen jhres Hochmuhts billiche Straffe uͤber sich neh- men/ biß sie durch schwere Zuͤchtigung sich selbst lernen kennen/ und daß jhre viehische Leibeskrafft durch- aus nicht zuachten sey/ wann Gott straffen wil. Einen ganz unbesonnenen und verwaͤgenen Boͤsewicht/ dem sein Frevel eine Zeitlang hingehet/ wirst du an dem Boͤhmischen Nimsla erkennen/ welchen doch Gottes Gericht noch endlich trifft. Wiederumb sihest du ein Vorbilde hoher Leute schweres Unfals an Koͤnig Notesterich/ dessen sich Gott endlich wieder erbarmet/ und jhn zu ehren bringet Bagophanes/ Bagoas und Dropion/ sind der Koͤnige und Fuͤrsten allerschaͤdlichste Pestilenz; dieser/ in dem er durch verwaͤgene Kuͤnheit sich unterwindet/ seinen Koͤnig selbst aus dem Sattel zuheben/ welcher behueff er die vornehmsten Ehren- und Krieges-aͤmter seinen Geschoͤpffen und Verbundenen austeilet/ und hingegen andere redliche und getraͤue Diener zu unterdruͤcken suchet; jene/ in dem sie als liebkosende Schmeichler durch an den Leser. durch jhr Fuchsschwaͤnzen und alles-gut heissen/ eines Fuͤrsten Leumut verderben und zunichte machen/ wann sie demselben das hoͤchst-schaͤdliche quod libet licet, Thue was dir gefaͤlt/ einbilden/ und jhn be- reden/ sein Wille sey frey und von allen Gesetzen ungebunden/ so daß er nach Belieben machen moͤge; worauff nichts anders als Landesverderb/ und aller Tugend Untergang folgen kan; welches ob es ohn des Fuͤrsten selbst eigene Gefahr und Schaden geschehen moͤge/ wird Artabanus und Gobares schwe- rer Fall Zeugnis geben. Hingegen kan Agiß dir einen getraͤuen Diener seines Herꝛn darstellen/ der weder durch Gluͤck noch Gefahr von redlicher Auffrichtigkeit sich abziehen laͤsset/ so hohes Ruhmes wirdig/ als wenig seines gleichen an Herrn Hoͤfen moͤge gefunden werden. Koͤnig Mnata warnet durch seinen Un- fal alle hohe Haͤupter/ daß sie keinem Bedieneten zu grosse Gewalt einraͤumen sollen/ damit sie nicht jhre Verderbens Schlang in jhrem eigenen Busem naͤhren. Vor allen Dingen aber wird der Leser gebehten/ die Darstellung der geilen Statiren/ und jhren gedoppelten Ehebruch ohn boͤse Gedanken zu lesen/ auch daneben Kleons Ungluͤk zu beklagen/ welcher der Unkeuscheit vor sich selbst nicht zugethan/ aus Furcht des Todes als ein Heyde/ in solches Laster eingewilliget/ welches er gleichwol nach gehends in seiner Frey- heit nicht allein vor sich meidet/ sondern auch die unzuͤchtige Statiren zur Busse und Tugend leitet. Vo- logeses der aͤlter/ und Pakorus legen an den Tag/ daß man die Tugend auch an seinem Feinde loben/ aber doch sich durchaus zu keiner Untraͤu oder Verraͤhterey wenden/ jedoch auch an seinem eigenen Her- ren die Boßheit und Untugend hassen/ und solche/ als viel moͤglich/ hintertreiben und abwenden muͤsse. Anderer Anfuͤhrungen/ deren dieses Buch vol ist/ geliebter Kuͤrze halben zu geschweigen/ weil der Leser in Verfolg dieser Geschichte sie ohn schwer wird anmerken koͤnnen; wie dann diese Schrifft eigentlich zu dem Ende auffgesetzt ist/ daß nebest der Ergezligkeit man auch nuͤzlich moͤge erbauet werdẽ; wobey man gleichwol zu Zeiten einen und andern kurzweiligen Auffzug hat wollen einmischen/ weil solche Verende- ruͤng vielen annehmlich ist. Jedoch sol der Leser hiemit Christlich vermahnet seyn/ dieses Buch nicht dergestelt zu lesen/ daß er nur die weltlichen Begebnissen zur sinlichen Ergezligkeit heraus nehmen/ und die eingemischeten geistlichen Sachen vorbey gehen wolte; sondern vor allen Dingen die Christlichen Unterrichtungen wol beobachte/ sie ins Herz schreibe/ und darnach sein Leben zurichten/ jhm lasse angele- gen seyn/ insonderheit den zum Ende gesezten Begrieff des algemeinen Christlichen Glaubens nach allen seinen Stuͤcken recht fasse/ als welcher jhm zur Richtschnuhr seines Christentuhms dienen/ und die Er- kaͤntnis der Christlichen Lehre wol beybringen kan. Solte aber jemand sich geluͤsten lassen/ meinen wol- gemeynten Vorsaz zu tadeln/ und die in aller Einfalt durchgesetzete geistliche Unterrichtungen zu verwerf- fen/ als ob sie von schlechter Wichtigkeit/ oder an ungehoͤrige Oerter eingeflochten waͤhren/ der sol wis- sen/ daß ich jhn nicht als vom guten Geist getrieben/ achten kan/ weil er unguͤtlich mit mir uͤmgehet/ und meine gute Andacht (uͤber welche ich den einigen Herzenkuͤndiger zum Zeugen ruffe) zu verargen suchet/ die doch einig nur des Naͤhesten Besserung/ auch daselbst jhr laͤsset angelegen seyn/ und zwar zur himli- schen Seligkeit/ wo vor diesem noch kein ander (als viel mir bewust) sich darumb groß bemuͤhet hat; und ich zu dem Ende mich der lieben Einfalt b e flissen/ auch keine Streitigkeiten der Lehre (als welche zu jenen Zeiten noch schlieffen) einmengen wollen/ auff daß auch die Ungelehrten es begreiffen/ und friedliebende Herzen es zu lesen nicht scheu tragen moͤgen; deßwegen wird Gott das Gedeyen geben/ wie ich der un- gezweifelten Hoffnung bin/ daß noch mannicher Leser/ wann ers selber nicht meynet/ zur geistlichen Besserung wird geruͤhret werdē; welches zu erfahren/ dem Uhr Schreiber die groͤsseste Vergnuͤgung seyn wird. Solten auch hohe Leute und Fuͤrsten Standes diß mein Buch zulesen wirdigen/ wird jhnen viel- leicht ein ziemlicher Abriß vorgestellet seyn/ daher sie jhre gebuͤhrliche Vollkommenheit anzumercken/ und jhr Lobwuͤrdiges fortzusetzen/ das Unstaͤndige aber abzulegen Anlaß nehmen koͤnnen. Zum schließlichen Nachricht ahne ich/ daß die Liebe zu meinem Vaterlande diesen Christlichen Teut- schen Herkules in meiner Seele gebildet und außgebruͤtet/ wie dann ohn zweifel unser Teutschland mannichen tapffern Held und Fuͤrsten auch zu jenen Zeiten gezeuget/ deren Lob der Unteutschen N e id/ und Mangel der Geschicht Schreiber unterdruͤcket/ und der Vergessenheit gewidmet hat. So haben auch die Boͤhmen/ Gothen/ Schweden/ Daͤnen/ und andere Nordische Voͤlcker nicht lauter wilde Saͤue und Baͤhren/ sondern mannichen trefflichen Fuͤrsten und Ritter unter sich gehabt/ deren loͤblichen Tahten den (o) ij Grie- Erinnerung an den Leser. Griechen und Roͤmern nichts bevor geben wuͤrden/ wañ sie auffgezeichnet waͤhren. Wer wolte mirs dañ verargen/ daß aus diesen Landschafften ich etliche wenige hervor gesuchet/ die uns an statt einer Entwerf- fung dienen koͤnnen/ Ungeachtet der Spanische Hochtrab/ die Italiaͤnische Ruhmraͤhtigkeit und der Fran- zoͤsische eingebildete Vorzug (ich rede nicht von allen/ viel weniger einigen zu verunglimpfen) die Nase druͤber rumpfen/ und den groben Laͤndern/ wie fie meynen/ solches Lob nit goͤnnen moͤchten/ da sie doch wi- der jhren Willen gestehen muͤssen/ daß dieser streitbaren Voͤlcker Einigkeit gnug waͤhre/ des Tuͤrken/ Tar- tern und Persen Hochmuht und Gewalt zu daͤmpfen; Und wolte Gott/ daß die Teutsche und Schwedische Macht/ von so viel Jahren her zu unserm eigenen Verderben angewand/ die Unglaͤubigen getroffen haͤtte; Konstantinopel/ Griechen Land uñ ganz Natolien solte/ menschlicher weise davon zu reden/ wider Christ- lich/ und der Erbfeind daraus vertilget seyn. Was wuͤrde dann werden/ wañ ich die angewendete Macht von der ersten Weissen-Berges-Schlacht her rechnen wolte? Aber den begierigen Leser nicht laͤnger auffzuhalten/ noch dessen Gedult zu mißbrauchen/ wird der- selbe gebuͤhrlich ersuchet und gebehten/ keinen Verdruß an dieses Werkes Weitlaͤufftigkeit zu tragen/ weil es außdruͤklich die Gestalt einer außfuͤhrlichen Geschichte hat haben sollen. Ich wil mich hieselbst nicht mit vielen Worten entschuldigen/ warum̃ ich an statt des unteutschen Wortes Majestaͤt/ das Wort Hochheit gebrauchet habe/ noch mit denen mich zanken/ welche meynẽ/ daß dieses Wort der grossen Koͤnige Vortrefligkeit zu melden gar zu geringe sey. Wer ein besseres und beque- meres hat/ kan es anzeigen/ obs etwa in Ubung gebracht werden wolte; Ich nehme dieses eben so hoch als jenes Unteutsche/ haͤtte auch lieber die uͤmschweiffende Benennungen/ Eure Koͤnigl. Hochheit; Eure Groß Fuͤrstl. Durchleuchtigkeit/ und dergleichen/ gar gemieden/ wañ sie bey uns Teutschen nicht so gar die Oberhand genommen haͤtten; welches mit wenigem anzudeuten/ ich vor noͤhtig erachtet habe. Solte aber sonsten etwas versehen seyn/ welches menschlicher Schwach heit/ sonderlich denen leicht begegnen kan/ die noͤhtigere Sachen zu treiben haben/ und ein so grosses Weck nur bey einzelnen Ruhe- Stunden auff setzen/ zweifele ich nicht an des gutherzigen Lesers guͤnstiger Verzeihung/ welchen ich dem Schuz Gottes zu aller Leibes und Seelen Wolfahrt hiemit empfele/ ꝛc. An den Nase-Kluͤgling. Was wolgemeynt/ und zur Erbauung dienet/ Das fichte nicht mit Laͤster-Reden an. Wer sich so leicht zum Tadeln entkuͤhnet/ Und keine Schrifft ohn Schmaͤhung lassen kan; Der wisse/ daß sein Straffe-Lohn schon gruͤnet/ Sein Geifer wird verflucht von jederman. Kurtzer Inhalt des Christlichen Teutschen Herkules. Demnach nicht gezweifelt wird/ es werde der Leser den kurzen Begrieff dieser weitlaͤufftigen Geschichte gerne wissen wollen/ umb einen Vorschmak dessen zu haben/ was in diesen Acht Buͤchern eigentlich gehandelt wird/ und aber solches durch das ganze Werk verstecket ist; als hat man dessen Begierde ganz gerne ein Genuͤgen thun/ und den Inhalt auffs kuͤrzeste- anhero setzen wollen/ wie folget. H Erkules sehr zierlicher Gestalt/ ein Ebenbild der wahren Herzhaftigkeit/ Tugend uñ Gottes furcht/ im Jahr nach unsers Heylandes Geburt CCIV, am XV Tage des April Monats/ von dem Groß- Fuͤrsten der Freyen Teutschen Herren Henrich/ und Frau Gertrud/ Koͤnig Ragwalds in Schweden Tochter ehelich gezeuget/ gibt in seinen kindlichen Jahren durch Erleg- und Fahung etlicher Woͤlffe/ sei- ne Herzhaftigkeit an den Tag. (Wird im dritten Buch erzehlet) Als er VII Jahr und XIX Wochen alt ist/ wird jhm seines Herꝛ Vaters Schwester Sohn Ladisla der junge Fuͤrst aus Boͤhmen (welcher dazumal X Jahr und XIV Wochen alt) zugesellet/ welcher nach- gebends von jhm durch kein Mittel hat koͤnnen lebendig abgetrennet werden/ daher man sie zusam̃en ge- lassen/ und sind in fleissiger Lernung der Sprachen und allerhand Fuͤrstlichen Ubungen aufferzogen wor- den. Herkules da er XV Jahr alt/ erleget vor der Faust einen Teutschen Ritter Nahmens Ingevon/ wel- cher ein armes Bauren Maͤgdlein nohtzuͤchtigen wolte/ geraͤht daruͤber (weil alles Balgen verbohten wahr) Kurzer Inhalt. wahr) in seines Vaters Großfuͤrst Henrichs Hafft/ und wird von Ladisla mit gewaltsamer Hand der ver- samleten Bauren erlediget. (Wird im vierden Buch erzaͤhlet.) Sie reisen beyde nach Schweden in den Krieg/ als Herkules XVII Jahr/ Ladisla XX Jahr alt ist/ und nach zweyen Jahren ziehen sie mit einander nach Boͤhmen zu Ladisla Eltern/ woselbst Herkules sich mit Ladisla Fraͤulein Schwester/ Fraͤulein Valiska heimlich verliebet und verlobet/ da er XIX Jahr/ sie aber XIII Jahr und III Monat alt ist; ein Fraͤulein/ an Helden muht/ Schoͤnheit/ Tugend und Gottes- furcht unvergleichlich/ als ein vollkommenes Muster und Außbund weibliches Geschlechtes/ jhrem Her- kules sehr gleich und aͤhnlich. Zu Prag geraͤht dazumal Herkules mit einem Pannonischen Gesandten/ Nahmens Bato in Zwiespalt/ haͤlt nacket einen Kampff mit jhm/ und sieget ob; wird bald darauff von Pannonischen Raͤubern in einem Walde gefangen/ aber durch Roͤmische Frei Beuter denen wieder ab- genommen und zu Rom vor Leibeigen an Herren Zinna verkaufft/ dessen Tochter Zezilia anfangs/ bald auch dessen Gemahl Fr. Sulpizia seiner zu unziemlicher Liebe begehret/ welches er durch List ablehnet/ in jhrer Gunst dannoch verbleibet/ und hernach das Christenthum annimt. Ladisla suchet seinen verlohrnen Freund Herkules (in der Knechtschafft Oedemeier genennet/) gibt sich deßwegen in Roͤmische Kriegs- Dieuste unter dem Nahmen Winnibald/ jhm desto besser nach zu fragen/ weil er so viel Nachricht hatte/ daß er in der Roͤmer Haͤnde gefallen wahr/ und nach Verlauff eines Jahrs und XI Wochen/ erfaͤhret er dessen Zustand/ als er bald darauff mit einem Pannonischen Strunzer einen Kampff haͤlt/ und jhm an- gewinnet. Er wil Herkules durch bedrauliche Schreiben von seinem Christenthum abschrecken/ weil es aber vergeblich/ reiset er hin zu jhm nach Rom/ machet jhn der Leibeigenschafft loß/ und verbindet sich mit jhm auffs neue in fester Freundschafft/ ungeachtet jhres Glaubens Ungleichheit. (Dieses wird teils im fuͤnfften/ und teils im sechsten Buch erzehlet.) Inhalt des ersten Buchs. A Ls sie beyde des Vorhabens sind/ bald von Rom zu ziehen/ und die Welt zu besehen/ bekoͤmt Ladisla durch den alten Boͤhmischen Außreiter Wenzesla/ von seiner Fr. Mutter Koͤnigin Hedewig traurt- ge Schreiben/ daß sein Herꝛ Vater (wie sie gaͤnzlich meyneten) auff der Jagt umkommen sey/ und wer- den beyde Helden bald darauff in jhrer Herberge von XVI Raͤubern moͤrdlich uͤberfallen/ welche sie alle erlegen/ aber daruͤber hart verwundet werden. Nach jhrer Heilung schreibet Ladisla an seine Fr. Mut- ter/ Herkules an das Fraͤulein/ und durchreisen Italien/ gerahten vor Padua in einem Walde an drey von fuͤnff Raͤubern entfuͤhrete vornehme Roͤmische Fraͤulein/ erlegen die Menschen Diebe/ und erloͤsen die Geraubeten/ in deren eine und vornehmste Frl. Sophia/ Herꝛn O. Fabius/ Roͤmischen Stadthal- ters zu Padua Tochter/ fich Ladisla hefftig verliebet/ gerahten mit dieser Fraͤulein Bruder K. Fabius (der die Raͤuber verfolgete) und seinen Leuten/ aus Unwissenheit in Streit/ werden wieder verglichen/ und ziehen mit einander nach Padua/ woselbst Ladisla sich dem Fraͤulein offenbahret/ und seine Liebes- Bande fest leget. Sein Mitduhler Fulvius koͤmt daselbst an/ dem der Vater seine Tochter (jedoch jhr un- wissend) versprochen hatte/ dieselbe haͤlt es mit Ladisla/ der Vater mit keinem; Fulvius gibt Ladislaen Ur- sach zum Kampff in welchem jener erleget wird. Der Stadthalter stuͤrzet darauf Ladislaen uñ seine Toch- ter auf unterschiedliche weise in eine vermeynete grosse Lebens gefahr/ macht auch durch listigen Anschlag/ daß das Frl. Ladislaen Reden als eine waͤgerung jhreꝛ Heyrabt annehmen muß/ uñ bald darauf verspricht er sie jhm/ so daß sie noch diesen Abend muͤssen das Beylager halten/ welches dem jungen Fabius mit Frl. Ursul auff seiner Schwester Getrieb auch gegoͤnnet wird/ da unterdessen Herkules an der von einem Raͤu- ber empfangenen Wunde betlaͤgerig ist. Nach dessen Genaͤsung reiten sie zur Lust nach einem Vorwerke/ da Herkules mit seinem ritterlichen Diener Klodius allein auff die Jagt reitet/ und des Stadthalters Bruders Tochter von Rom/ Fraͤulein Stbylla Fabia aus des Raͤubers Silvans Haͤnden erloͤset. Wor- auff sie des folgenden Tages ohngefaͤhr an eine gefaͤhrliche Raͤuber-Hoͤhle von 194. Raͤubern besetzet/ ge- rahten/ und dieselbe (da sie uͤberal nur 42 Mann stark sind) bestreiten/ erobern und uͤberaus grosse Schaͤ tze darinnen antreffen; werden deßwegen von dem damahligen Roͤmischen Kaͤyser Alexander Severus treflich geehret und begabet. Ladisla Hochzeitfest wird bestimmet/ und sendet Herkules seinem vertrauten Fraͤulein Valisken koͤstliche Geschenke nach Prag; woselbst des Franken und Sikambern jungen Groß- (o) iij Fuͤr- Kurzer Inhalt. Fuͤrsten Markomirs Gesandten sich anfinden/ und uͤmb Frl. Valisken werben/ welches freundlich ange- nommen wird/ und das Fraͤulein einwendet/ sie muͤsse jhrem sonderlich gethanen Verheissen nach/ solches jhrem Herꝛn Bruder zuvor anmelden/ wo mit der Gesandter abge fertiget wird. Die Boͤhmischen Staͤnde senden jhre Abgeordenten nach Padua/ jhrem Koͤnige Reise-Gelder uͤberzubringen/ welche daselbst kurz vor dessen Hochzeitfest ankommen. Des Tages nach deren Abzug von Prag/ gelanget daselbst Ladisla Bohte an/ und ladet die Koͤnigin und das Fraͤulein zur Hochzeit/ gleich als das Fraͤulein durch heimliche Nachstellung auff der Jagt in grosse Lebensgefahr geraͤht/ und sich noch durch Schwimmen loßreisset. Herkules Geschenke an das Fraͤulein kommen des folgenden Tages zu Prag an da sie bey jhrer Fr. Mut- ter und den Landstaͤnden so lange ansuchet/ daß jhr endlich erlaubet wird/ nach Padua auff jhres Herꝛn Bruders Hochzeitfest zu reisen/ und machet sie sich geschwinde fort. Zu Padua wird bey der Hochzeit ein Freystechen gehalten/ worbey ein vornehmer Persischer Herꝛ/ Nahmens Pharnabazus sich findet/ wel- cher mit Herkules Freundschafft machet. In Herkules Mahrstalle richten die Gespenster ein greuliches Wesen an/ und geraͤht Herkules in ungewoͤhnliche Schwermuͤhtigkeit/ welche durch ungluͤkliche Traͤume vermehret wird/ und alles daher ruͤhrete/ das Frl. Valiska von etlichen Raͤubern vor Padua gefangen/ und davon gefuͤhret wahr. Inhalt des andern Buchs. D Ie ungluͤkliche Gefaͤngnis der Fraͤulein/ wird durch jhrer Reuter einen/ Nahmens Neklam/ unsern Helden kund gethan/ welche daruͤber in ohmaͤchtige Traurigkeit gerahten/ und sich mit einer Reuter- Geselschafft nach dem Flecken machen/ da das Ungluͤk sich zugetragen hatte/ erfahren daselbst etlicher massen/ wohin die Raͤuber mit dem Fraͤulein (die in Juͤnglings Gestalt mit jhren zwo Leib-Jungfern/ Li- bussen und Brelen wẽggefuͤhret worden) sich gewendet haben. In der Nachfolge treffen sie einen Theil dieser Raͤuber an/ deren Fuͤhrer Gallus/ die eine Jungfer Libussen bey sich hatte; dieser Gallus erlan- get Guade bey den unsern/ verpflichtet sich zu jhren getraͤuen Diensten/ und gehet mit Herkules in den Wald nach jhrer heimlichen Raͤuberhoͤhle (nach dem Sie ihre Angesichter mit einer Kunst farbe verstel- let hatten) da auff diesem Wege Gallus den ehemahls verleugneten Christlichen Glauben wieder an- nimt/ finden das Fraͤulein nicht in der Hoͤhle/ weil fremde Meer-Råuber ohngefaͤhr daselbst angelanget wahren/ welche gleich diesen Morgen alle Raͤuber erschlagen/ und den ver meinten Juͤngling/ der sich Her- kuliskus nennete/ mit samt seiner Jungfer Brelen mit sich nach jhrem Schiffe genommen hatten. Her- kules entbeut solches seinem Ladisla/ und gehet mit Gallus zu Schiffe/ das Fraͤulein zu suchen/ welche noch in Juͤnglings Gestalt nach Kreta/ und von dar ab weiter nach Tyrus gefuͤhret wird/ von dannen sie nach Charas sol gebracht/ und dem Parther Koͤnige Artabanus geschenket werden. Zu Padua ent- stehet ein falsches Geschrey von unserer Helden Niederlage/ woruͤber sich Ladisla Gemahl Fr. Sophia schier aus Ungeduld erstochen haͤtte; Herkuliskus steiget in Kreta aus/ schneidet in einen Nußbaum/ wohin sie gefuͤhret werde/ und langet von darab zu Tyrus an. Herkules (der sich Valikules nennet) schiffet nach Korinth/ kehret bey einem moͤrderischen Wirt ein/ der jhm nach dem Leben trachtet/ verlaͤsset die Herberge/ und geraͤht an einen frommen Christlichen Wirt/ bey welchem er etliche Juͤnglinge antrift/ welche nach Elis auff die Olympische Spiele wollen. Gallus zeiget diesem frommen Wirte an/ mit was Boßheit sein voriger Wirt uͤmgehe; welcher darauff eingesetzt wird/ und muß Herkules mit zween Rit- tern deßwegen kaͤmpffen/ die er auch erleget. Reiset darauff mit nach den Olympischen Spielen/ wird auff dem Wege von vier Rittern beschimpffet/ und bricht jhren Hochmuht. Zu Elis in der Herberge koͤmt er aber mit einem gewaltigen Grichischen Herꝛn/ Nahmens Parmenio zu platze/ und erschlaͤgt jhn im Kampffe/ worauff er sich wieder auff den Weg nach Korinth begiebt. Ladisla und der junge Fabius ma- chen sich zu Padua fertig/ Herkules und das verlohrne Fraͤulein zu suchen/ und ruͤsten darzu zwey Schif- fe aus/ da Fabius mit Leches und Markus (Ladislaen ritterlichen Dienern) Ladisla aber mit Klodius (Herkules edlem Diener) zu schiffe gehen/ samt jhrer Mannschafft/ werden von dreyen Pannonischen Schiffen angegriffen/ und erhalten die Uberwindung/ hernach waͤhlen sie zween unterschiedliche Wege. Zu Prag geben sich abermal Fraͤnkische Heyrahts Werber an/ bey denen der junge Fuͤrst in Gestalt eines geheimen Schreibers sich befindet/ haben in der naͤhe ein grosses Kriegsheer/ und gedencken Gewalt zu ge brau- Kurzer Inhalt. brauchen/ welchem vorgebauet wird. Der junge Fuͤrst entsetzet sich uͤber der Zeitung/ daß das Fraͤulein solte geraubet seyn/ wil es anfangs nicht glauben; reiset hernach betruͤbt wieder zu seinen Eltern/ und haͤlt uͤmb Verguͤnstigung an/ das Fraͤulein zu suchen/ welches jhm abgeschlagen/ uñ ein Ritter/ Namens Farabert/ nach Padua geschicket wird/ erwas Gewißheit von dem geraubeten Fraͤulein einzuziehen; wel- cher dem Franken Koͤnige Hilderich von Herkules trauriger Bezeigung und Nachfolgung Bericht thut; woruͤber sein Sohn Markomir der junge Fuͤrst/ Anfangs in grosse Traurigkeit und Zweiffel muht/ bald darauff gar in Wahnwiz geraͤht/ daß er muß eingeschlossen und verwahret werden. Herkules (jetzo Valikules genant) wird von einem falschen Ritter auff einen Gefahrweg verleitet/ da er wegen deß von jhm erlegeten Parmenions/ von dessen Bruders Charidemus Leuten gefangen genommen/ und mit sei- nem Diener Gallus zum Tode verurteilet wird/ aber bey der Außfuͤhrung erschlaͤgt er die Schergen/ und koͤmt samt Gallus durch die Flucht zu Fusse davon. Er schicket seinen Gallus nach Korinth/ weiters nach Padua/ uͤmb Gelder abzuholen/ fortzugehen/ welcher am Meers-Gestade den jungen Fabius antrifft/ sich (weil er durch die Kunst farbe verstellet wahr) vor einen Kauffman bey jhm angiebt/ und Herkules Unfal anzeiget/ welcher samt Leches/ Markus und seinen Leuten dahin gehet/ den alten Charide mus deßwegen toͤdten laͤsset/ und dessen junges Gemahl Fr. Euphrosynen/ dem Markus freyet; welche Frau unserm Herkules bey Gallus in geheim gnugsame Gelder uͤbermachet; und er darauff nach Korinth reiset von Ells ab/ woselbst er Markus und Frau Euphrosynen antrifft/ und dieselbe anspricht. Hieselbst fin- den sich acht Griechische Ritter/ welche Frau Euphrosynen verleumden/ und von Herkules gezaͤh- met werden. Klodius koͤmt sehr verwundet zu Herkules/ und zeiget jhm an/ was Gestalt sein Freund Ladisla bey Patr æ mit einem Griechischen Herrn/ Nahmens Perdickas gekaͤmpffet/ und nach erhaltenem Siege von dem alten Kleander gefangen hinweg geschleppet waͤhre. Derselbe nun wolte jhn lassen enthaͤupten/ weil er seinen Sohn Ariston im Kampff erleget hatte/ und als sein Gemahl die junge Agatha jhm heimlich davon helffen wolte/ wahr der Alte willens sie deßwegen lebendig zu verbrennen; aber Herkules mit Markus und seinen Kriegsknechten zeuhet hin/ und erloͤset Ladisla aus des Henkers Hand/ giebt sich nicht zu erkennen/ und reitet heimlich davon. Klodius heyrahtet die nachgelassene Fr. Agathen. Herkules schiffet nach Kreta/ wird auff dem Schiffe von etlichen Moͤrdern angesprenget/ und erleget dieselben. Steiget in Kreta aus/ und trifft der Fraͤulein Schrifft an dem Nußbaume an/ erfaͤh- ret also jhren Weg; findet in der Stadt Gnossus zween Betrieger/ die sich vor Herkules und Ladisla auß- geben/ und machet sie zu schanden. Ladisla und Fabius mit jhrer Geselschafft halten sich etliche Zeit auff zu Korinth bey Markus/ da eine kurzweilige Heyraht abgehandelt wird. Ladisla Leibknabe von Patr æ entrunnen/ koͤmt zu Padua an/ und erwecket daselbst grosse Traurigkeit/ welche Klodius Ankunfft da- selbst/ auffhebet/ und der Stadthalter denselben zum Obersten der Besatzung machet. Ein verwaͤgener Bube Volumnius stellet Klodius Eheliebesten Fr. Agathen nach jhrer Ehre/ und verwundet jhn selbst meuchlischer Weise/ deß wegen er nach erlangeter Gesundheit denselben im Kampf erleget. Inhalt des dritten Buchs. I Nzwischen wird der vermum̃te Herkuliskus zu Tyrus eingebracht/ verlobet jhre Jungfer Brelen an jhrer Meer Raͤuber einen/ Nahmens Alexander von Griechischem Adel/ und sendet sie beyde zuruͤk nach Padua. Er selbst muß mit den Parthern fort nach Damaskus und so weiters. Alexander und Brela treffen Herkules in Kreta an/ thun jhm der Fraͤulein Zustand zuwissen/ worauff er nach dem judischen Lande schiffet/ nach Jerusalem reiset/ und zu Bethabara sich taͤuffen laͤsset/ geraͤht mit einem frechen Ju- dischen Ritter Ben-Levi in Streit/ erschlaͤgt jhn/ uñ macht mit dem Roͤmischẽ Stadthalter zu Jerusalem/ Herꝛn Pompeius gute Freundschafft/ dessen einige Frl. Tochter/ Frl. Lukrezie jhm hohe Gewogenheit zuwendet. Er wird von etlichen Juden verwundet/ welche gefangen genommen werden/ und hernach ge- buͤhrlich abgestraffet/ ohn die den Christlichen Glauben annehmen. Ladisla/ der junge Fabius uñ Leches nehmen jhren Weg von Korinth nach Zypern/ und foͤrder nach Seleuzien. Alexander und Brela kom̃en zu Padua an/ der Stadthalter daselbst machet jhn zum Stadt Hauptmann/ wird aber nach wenig Ta- gen von seinem Spießgesellen erstochen/ uñ nimt Brela jhren ersten Braͤutigam Ritter Neda aus Boͤh- men Kurzer Inhalt. men wieder an/ der von der Boͤhmischen Koͤnigin nach Padua gesendet wahr. Herkules bricht von Je- rusalem auff/ und reiset nach Tyrus/ woselbst er seiner Fraͤulein sonderliches Zeichen angemahlet findet/ welche mit jhrer Gesell schafft uͤber den Eufrat/ und Tygerfluß gehet (und allenthalben jezt gemeldetes Zeichen ankreitet) biß in Assyrien/ da sie in einem Walde von einer Raͤuber-Schar uͤberfallen/ und biß auff Herkuliskus und seinen Dolmetscher Timokles alle erschlagen werden. Von diesen Raͤubern wer- den diese beyde nach Meden gefuͤhret biß zu Herren Mazeus/ welcher die Raͤuber niedermachen laͤsset/ und Herkuliskus samt Timokles gnaͤdig annimt/ woselbst dieser verstellete Juͤngling Wunder mit schies- sen treibet. Dieser Herꝛ sendet jhn nach Ekbatana dem Medischen Groß Fuͤrsten Phraortes zu/ dessen Sohn Fuͤrst Arbianes jhm Bruͤderliche Hulde zuwendet/ und uͤbet er sich auch daselbst im Schiessen. Herꝛ Mazeus folget nach Ekbatana/ dessen Gemahlin Schwester Fraͤulein Barsene sich hefftig in Her- kuliskus verliebet. Herꝛ Pharnabazus der Medischen Groß-Fuͤrstin Frauen Saptinen Bruder/ koͤmt von seiner Italiaͤnischen Reise zu Ekbatana an/ sihet/ daß dieser Herkuliskus dem Herkules so aͤhn- lich ist/ und erhaͤlt/ daß dieser vermummeter Juͤngling (der sich vor Herkules Vaters Schwe- ster Sohn außgab) dieses seines Oheims Verhaltung in seiner Jugend erzaͤhlet. Ladisla reiset mit seinen Gesellen und Dienern uͤber den Tygerfluß/ gerahten mit VI. Rittern in Kampff/ erlegen dieselben/ und bekommen gute Beute. Valikules gehet auch uͤber den Eufrat/ hernach uͤber den Tyger- fluß/ nach dem er und seine Kauffmans. Geselschaft ein hartes Treffen mit einer Rauber Schaar in Me- sopotamien gehalten. Herkuliskus zaͤhmet zu Ekbatana ein unbendiges aͤdles Pferd/ und wird dem grossen Partischen Koͤnige Artabanus von Phraortes/ Pharnabazus und Mazeus endlich zugefuͤhret nach der Stadt Charas/ da sie zuvor Herꝛn Mazeus seinem Gemahl Fr. Roxanen sich zuerkennen giebt. Ladisla gehet mit seiner Geselschafft fort biß an die Persischen Grenzen/ woselbst Fabius von etlichen Raͤubern listig gefangen/ und an einen unbarmherzigen Herꝛn/ Nahmens Orsillos/ verkaufft wird/ welcher jhn sehr uͤbel haͤlt/ und jhn endlich an einen Freyherꝛn/ Nahmens Nabarzanes verkaufft/ dessen Gemahl Fr. Statira jhm ungebuͤhrliche Liebe zuwendet. Herkuliskus koͤmt zu Charas an/ und wird dem grossen Konige vorgestellet/ welcher sich durch keine Rede wil bewaͤgen lassen/ jhn seiner Mutter wieder zuzusenden/ sondern befihlet/ daß er hingefuͤhret und verschnitten werde/ er aber erschlaͤgt die/ so es verrichten wollen/ gibt sein weibliches Geschlechte zu erkennen/ nennet sich Herkuliska/ und wird von dem Koͤnige vor seine Braut und kuͤnfftiges Gemahl angenommen/ da er jhr zuvor versprechen muß/ sie in Jahrs frist und laͤnger/ nicht zu beruͤhren/ weil jhrem ertichteten vorgeben nach/ sie biß dahin der Goͤttin Vesta verlobet waͤhre; daher sie auff ein absonderliches Schloß daselbst mit einem Frauen zim- mer verwahrlich gebracht wird; und jhr Timokles sich in einer Herberge auffhalten muß. Valikules koͤmt von seiner Fraͤulein Spuhr ab/ weil er jhr Zeichen nirgend mehr angemahlet sihet/ doch einem naͤchtlichen Gesichte folgend trifft er den rechten Weg wieder an/ entgehet der Gefahr durch List/ uñ koͤmt bey Mazeus an/ von welchem er der Fraͤulein Zustand erfaͤhret/ zeuht nach Ekbatana/ und geraͤht auff dem Wege mit einem verwaͤgenen Skythen in harten Streit/ den er niederleget/ und wird zu Ekbatana wol empfangen/ da er sich ziemlich lange auffhalten muß. Ladisla/ in dem er den verlohrnen Fabius em- sig/ aber vergebens suchet/ koͤmt mit etlichen Persischen Herren in Streit/ denen er ansieget/ wird von jh- ren Verwanten verfolget/ und machet sich durch einen herben Kampff loß/ da er von den Feinden den ritterlichen Tyriotes zum getraͤuen Diener bekoͤmt. Fabius/ jezt Kleon genant/ wird von seines Herꝛn Gemahl Fr. Statiren zur unbilligen Liebe genoͤhtiget/ und hernach wolgehalten; sein Herꝛ merket sol- ches/ und wil jhn beurlauben/ worin sie aber nicht willigen wil. Fuͤrst Gobares von Susa findet sich bey dieser Frauen/ als seiner alten Buhlen/ und schenket dem Kleon seinen ehemahligen Herꝛn Orsillos vor leibeigen/ dem er seine Unbarmherzigkeit hart einbringet. Zu Ekbatana wird ein Freystechen gehalten/ bey welchem sich Ladisla einstellet/ und unwissend mit seinem Herkules sticht/ erkennen sich mit Freu- den/ und nimt Ladisla den Christlichen Glauben an. Ein Jude wird von dreyen Hunden/ wegen seiner Laͤsterung wider den Sohn Gottes/ zurissen/ woruͤber etliche Juden wider einen Christen sich verbinden/ und gestrafft werden. Leches wird auch ein Christ/ und die unsern waͤhren gerne bald auffgebrochen nach Charas/ woselbst uͤm die Zeit Fraͤulein Herkuliska aus Verlangen nach jhrem Herkules in eine Krankheit geraͤht/ Kurzer Inhalt. geraͤht/ befestiget jhr Getichte wegen Verlobung an die Goͤttin Vesta bey dem Koͤnige/ und genaͤset wieder. Die Boͤhmischen Gesanten bringen der alten Koͤnigin nach Praag von Padua ab/ Zeitung von dem geraubeten Fraͤulein; Frau Sophia reiset mit Frl. Sibylla nach Rom/ werden von dem Kaͤyser und seiner Mutter Fr. Mammea wol empfangen/ ziehen wieder nach Padua und bekommen daselbst Schrei- ben von unsern Helden; diese aber brechen von Ekbatana auf nach Charas. Inhalt des vierdten Buchs. F uͤrst Gobares von Susa merket Fr. Statiren buhlerey mit Kleon/ und trachtet jhm deßwegen nach dem Leben; aber sie verbirget jhn bey sich auf einem Gemache/ vorgebend/ Er sey auff der Jagt erschla- gen. Zu Padua genaͤset sein Gemahl eines jungen Soͤhnleins. Ladisla und Herkules mit jhrer kleinen Ge- selschafft gerahten vor Charas mit des grossen Koͤniges Sohn und dessen Leuten/ unwissend in Streit/ und erlegt Herkules denselben/ wenden sich auff einen andern Weg/ und ziehen zur Stadt ein/ beschauen der Fraͤulein Schloß/ und sehen sie am Fenster stehen. Timokles der Fraͤulein Dolmetscher/ koͤmpt mit jh- nen in kundschafft/ tuht jhr deren Ankunfft durch Zeichen zu wissen/ und schiessen Herkules und sie einem andern Brieffe zu in hohlen Pfeilen. Der Morgen laͤndischen Fuͤrsten Verbuͤndniß wieder Koͤnig Arta- banus/ wird zu Charas ruchtbar. Phraortes Großfuͤrst von Ekbatana kompt an zu Charas/ fuͤhret Her- kules in angestrichener Farbe als einen teutschen ritterlichen Diener mit auff des Koͤniges Schloß/ da er dem Koͤnige der Fraͤulein Herkommen und Tahten erzaͤhlet/ unter dem Vorgeben/ er habe an jhres Herꝛn Vaters Hofe auf gewartet/ und von demselben den ritterlichen Orden empfangen. Koͤnig Artabanus er- laͤubet jhnen beiden das Fraͤulein zu besuchen/ da Herkules mit jhr die Liebe erneuert und sie zum Christen- tuhm bekehret. Der Koͤnig nimt Herkules (bey jhm Valikules genennet) in Dienste/ jhn nach der Fraͤu- lein Fr. Mutter zu verschicken. Herkules besuchet das Fraͤulein zum andernmahl und staͤrcket sie im Glau- ben. Etliche Hoffdiener der Parthischen Fuͤrsten reiben sich an jhm/ die er zu Fusse fechtend erleget; mit einem andern Nahmens Mithrenes haͤlt er den Kampf zu Pferde unter der Fraͤulein Schlosse/ sieget/ und wird von dessen Herꝛn/ dem juͤngern Vologeses moͤrdlich uͤberfallen/ welchen das Fraͤulein vom Schlosse erscheust. Herkules besuchet darauf sein Fraͤulein zum dritten mahle/ und volstrecket mit jhr die Ehe; Er sendet Leches nach Padua und Prag/ mit vielen Schaͤtzen/ uͤmb etliche Voͤlcker zu werben/ und nach Persepolis zubringen; und reiten die unsern mit Phraortes nach Persepolis zu Großfuͤrst Artaxerxes/ welcher das Haͤupt der Verbuͤndniß war/ dem Kriegsraht daselbst beyzuwohnen; schicken auch alsbald an Artabanus einen freundlichen Brieff/ in welchem sie uͤmb jhrer Fraͤulein Schwe- ster Erloͤsung anhalten. Sie kommen zu Persepolis an/ und werden von der Fuͤrstlichen Verbuͤnd- niß wolempfangen/ ohn allein Fuͤrst Gobares wirfft einen Unwillen auff sie. Artabanus erklaͤret sich auff die getahne anfoderung/ das er das Fraͤulein nicht lassen koͤnne/ sondern ehelichen wolle/ ladet unser beide Helden ein zum Hochzeit Fest/ und sendet jhnen statliche Geschenke. Die unsern schicken die Ge- schenke wieder zu ruͤcke/ und fodern das Fraͤulein ernstlich und unter Bedraͤuung. Zu Persepolis wird Kriegsraht gehalten/ wo bey Gobares unsere Helden nicht zulassẽ wil/ die Sache wird endlich beygelegt; Herkules schicket seinen Dolmetscher Plautus nach Jerusalem/ und bey jhm grosse Verehrungen an Frl. Lukrezien. Artabanus beginnet um schleunige Heiraht bey dem Fraͤulein anzuhalten/ welches sie jhrem Herkules zuschreibet. Die andere Anfoderung unsereꝛ Helden wird von dem Koͤnige ungnaͤdig aufgenom- men/ und draͤuet dieselben mit Ruhten streichen zu lassen. Das Fraͤulein aber erhaͤlt bey jhm durch listige Erfindung/ XV. Wochen aufschub zum Beilager; welches sie Herkules zuschreibet. Kleon kan wegen Go- bares nachstellung sich bey Fr. Statiren nicht laͤnger heimlich aufhalten/ erhaͤlt von jhr Urlaub davon zu ziehen/ und gehet nach Armuzia. Unsere Helden auf angehoͤrete Draͤuung wegen des Ruhtenstreichens/ fallen mit 16 . Reutern/ in des Parthers Land/ brennen uñ wuͤrgen/ halten mit dem Koͤniglichen Feld- Herꝛn Spitamenes eine Schlacht/ erlegen von 24000. Feinden/ 21000. Mann/ und nehmen 3000. sampt den Feldherꝛn gefangen; welche aberalle ohn entgelt loßgelassen werden. Die unsern kommen mit grossen Beute zu Persepolis an. Gotarzes/ Koͤniges Artabanus unehlicher Sohn stellet dem Fraͤulein auff jh- rem Schlosse nach jhrer Ehre bey Nachtzeit/ und wird daruͤber von jhr erstochen. Spitamenes meldet seinem Koͤnige die erlittene Niderlage an/ welcher daruͤber erzuͤrnet/ einen andern verwaͤgenen Feldherꝛn Madates mit 40000. Mann wieder die unsern auß sendet/ mit Befehl/ unsere Helden durch XX. bestellete (o) (o) Rit- Kurtzer Inhalt. Ritter zu greiffẽ/ und seiner Staͤup Ruhten zuzufuͤhren/ welches Vologeses der aͤlter/ wiederaͤht. Die un- sern gehen diesem Feinde mit 26000. Mann entgegen aber etwas spaͤte/ daher jene dem Persen zimlichen Schaden im Lande tuhn/ werden noch gestutzet/ ritterlich angegriffen und aufs Haͤupt erleget/ ohn Ma- dates und seine XX. Ritter werden lebendig gefangen/ und mit Ruhten gestrichen/ weil jhr Vorhaben den unsern verrahten wahr. Herkules in Valikules Gestalt und Nahmen/ machet sich mit kleiner Gesel- schaft nach Charas/ das Fraͤulein durch List zuerloͤsen. Leches kompt zu Padua an/ haͤlt daselbst mit Libus- sen/ auch Neda mit Brelen das Beilager/ erzehlet der unsern Zustand/ und erhaͤlt bey Fr. Sophien (die eines jungen Soͤhnleins Herku Ladisla genesen wahr) das sie gleich jhren Gemahl/ den Christlichen Glauben annimt. Zu Padua werden 7000. Mann vor unsere Helden geworben; Leches und Neda sampt jhren jungẽ Frauen reisen eilig nach Prag/ uͤberliefern die Briefe uñ Geschencke/ da gleich der alte Groß- Fuͤrst/ Herkules Herꝛ Vater/ samt seinem Gemahl und Frl Tochter/ Frl Klaren daselbst anlangen/ und der Ehe zwischen Herkules und Valißken berichtet werden/ woruͤber die Muͤttere beiderseits sich hoch er- freuen/ und der Vater seinem Sohn 6000. auserlesene Teutsche Voͤlcker schencket/ worzu der Boͤmische Ritter Prinsla 6000. Boͤhmen wirbet/ da 300. aͤdle juͤnglinge aus Boͤhmen/ jhrem Koͤnige in der frem- de aufzuwarten sich zu jhm schlagen/ gehen ingesamt nach Padua/ empfangen daselbst jhre Faͤhnlein/ tre- ten samt den Roͤmischen Voͤlckern zu Schiffe/ machen auff der See gute Beute/ und zihen durch Syrien nach dem Eufrat. Herkules koͤmt zu Charas an/ gibt dem Fraͤulein sein Vorhaben durch Schreiben im hohlen Pfeile zu wissen; meldet sich bey dem Koͤnige ob sey er von seinen ungetraͤuen Medischen Beglei- tern beraubet/ und mit Noht lebendig entrunnen. Das Fraͤulein teilet Gelder aus unter jhren Frauen- Zimmer/ davor sie folgendes Tages von zwo fremden Kraͤmerinnen sollen Waaren kaͤuffen; diese Kraͤme- rinnen (wahren Persische verkleidete aͤdle Juͤnglinge) fuͤhret Herkules mit sich auf jhr Schloß/ sie selbst aber in Kramer Kleidern/ und mit verstelletem Angesicht/ mit sich vom Schlosse nach seiner Herberge/ leget jhr Ritterliche Kleider an/ und kommen zu Pferde gluͤcklich davon. Gleichwol laͤsset das Fraͤulein einen Brief auf jhrem Zimmer/ in welchem sie jhrer Hofmeisterin Sysigambis jhre Flucht entdecket/ uñ sie auch zur Flucht vermahnet/ welche sich warnen laͤsset/ und jhr Leben rettet. Des folgendes Tages erfaͤh- ret der Koͤnig der Fraͤulein Flucht/ erschricket daruͤber heftig/ und entstehet grosse Unruhe in der gantzen Stadt. Sein Hofmeister Bagophanes muß sie mit einem Heer 18000. starck verfolgen/ und gibt jhm der Koͤnig ein freundliches Schreiben mit an sie. Herkules hat etwas Anfall auf dem Wege/ komt aber mit den seinen wol durch. Madates koͤmt zu Charas an/ mildet seine Niderlage/ und setzen Pakorus und Vo- logeses den Koͤnig zu rede wegen seines unbillichen Vornehmens gegen die fremden Fuͤrsten. Herkules koͤmt in einer Persischen Grenze Stadt wol an/ und nimt Voͤlcker dahinein zu seinem Schutze. Bagopha- nes findet sich daselbst mit seinem Heer/ fodert das Fraͤulein von jhm und auf Verwegerung faͤllet er die Stad feindlich an/ wird aber geschlagen/ gefangen/ und endlich wieder loß gegeben. Herkules bricht mit dem Fraͤulein/ und gefangenen Voͤlckern auff nach Persepolis Ladisla wartet daselbst mit Verlangen auf jhn/ und erzehlet Artaxerxes seines Herkules Lebens Lauff in der jugend. Fuͤrst Gobares komt mit sei- nem Heer zu Persepolis an; Ladisla und Arbianes gehen mit etlichen Voͤlckern aus/ Herkules entgegẽ/ wel- cher jhnẽ mit Frl. Valißken begegnet/ da sie einander freundlich empfangen. Als sie zu Persepolis anlan- gen/ suchet Gobares bey dem Frl. uͤm unbilliche Liebe an/ worauf sie jhm harte Antwort erteilet. Fabius wirbet in Armuzia 1000. Reuter/ des Vorsatzes Ladisla zu suchen. Bagophanes koͤmt zu Charas an/ und ist ein Zeuge seiner Niderlage. Artabanus schicket sich zu seinem grossen Feldzuge/ uñ wird vor gut angese- hẽ das Fuͤrst Vologeses noch mahls mit einem Heer 36000. starck an die Persischen Grenzen gehen muß/ die Art zu kriegen unsern Helden abzumercken; Unsere Helden neben Pharnabazus und Arbianes gehen ihm mit 31000 Reutern entgegen/ unter denen 9000. Susianer auf Gobares anstiften mit Ve rr aͤhterey um- gehen/ werden aber gedaͤmpfet/ und endlich der Sieg wieder Vologeses/ wiewol mit zimlichen Verlust er- halten. Leches und Neda/ auch Klodius und Markus kommen mit jhren Voͤlckern etliche Meile von Ver- sepolis an/ da Fabius auf sie stosset/ und von jhnen zum Groß-Feldherꝛn gesetzet wird; bald treffen sie auf Gobares und sein Heer/ welcher Frl Valißken verraͤhterischer Weise von Persepolis gefangen mit sich fuͤhrete/ aus toller Liebe darzu verleitet/ sein Heer wird von Fabius geschlagen/ er selber gefangen/ uñ das Fraͤu- Kurzer Inhalt. Fraͤulein samt jhrem Zimmer/ aller Ehren unverletzet/ erloͤset/ welche sich uͤber Libussen/ Brelen/ Euphro- synen und Agathen Ankunfft sehr erfr euet. Ende des kurtzen Inhalts des ersten Theils. Inhalt des fuͤnfften Buchs. H Erkules und Ladisla kommen zu Persepolis an/ erfahren die buͤbische Entfuͤhrung/ welche gleich die- sen Morgen in Artaxerxes abwesenheit geschehen/ setzen Gobares nach/ erfreuen sich der schon gesche- henen Erlosung/ empfangen jhre tapferen Voͤlcker/ und wird Gobares enthaͤuptet/ Frl. Valißken aber des- sen Fuͤrstenthum geschenket/ welches sie Pharnabazus wieder zuwendet. Vologeses meldet seine Niderla- ge zu Charas an. Pharnabazus wird mit Frl. Barsenen versprochen/ als Phraortes mit seinen Voͤlckern zu Persepolis ankomt/ und wird zu dieser/ wie auch zu Herkules und Valißken Hochzeit Feste anstalt ge- macht. Des Tages vor der Hochzeit meldet sich Artabanus Gesanter Sysimithres zu Persepolis an/ brin- get dem Fraͤulein und unsern Helden falsche freundliche Schreiben und Geschencke von dem Koͤnige/ muß auf der Hochzeit sich finden lassen/ uñ wird damit weggewiesen. Libussa verleurt Frl. Klaren aus Teutsch- land Brustbildichen/ welches Arbianes findet/ und sich heftig daran verliebet. Orsillos erhaͤlt durch Fr. Valißken Vorbitte/ Freilassung bey Fabius/ reiset nach Fr. Statiren und erzaͤhlet jhr Fabius Zustand; Nabarzanes jhr Ehherꝛ wird auf der Jagt von einem Loͤuen getoͤdtet. An beiden Seiten bereitet man sich zu der Feld Schlacht/ im Persischen Heer findẽ sich 204000. Reuter; 161000. zu Fuß; jngesamt 365000. Mann. An Parthischer Seiten 296000. zu Roß/ 194000. zu Fuß; ingesamt 490000. Mann. Valißka erfaͤhret Arbianes Verliebung/ und sendet Neklam nach Teutschland/ eine Heiraht zwischen jhm und Frl. Klaren/ zu befodern. Fabius gehet mit 24000 Reutern vor dem Heer aus/ trift auf den Parthischen vor- trab/ welchen Dorylaus 40000. starck fuͤhret/ erleget das ganze Heer auf wenig nahe/ schneidet allen er- schlagenen die Zunge ab/ weil sie den Persen ein solches gedraͤuet hatten/ und wird von unsern Helden nach erhaltenem Siege froͤlich empfangen. Die wenige Gefangene werden Artabanus mit allen abge- schnittenen Zungen zugeschicket/ woruͤber er sich sehr eifert. Die Haupt Schlacht wird gehalten und aller- seits zu Pferde heftig gefochten/ biß ein grosses Ungewitter entstehet/ und sie trennet/ nach dem an Par- thischer Seiten 145000 erschlagen und 21800. verwundet worden; an Persischer nur 47154. Tod/ uñ 11755. beschaͤdiget sind. Des andern Tages staͤrcken sie beiderseits jhre Reuterey mit grossem neuen Zusaz von den besten Fuß Voͤlkern/ und trift erstlich die Reuterey/ hernach die Elefanten/ endlich das Fuß Volk/ da nach langem ernstlichen Gefechte der Sieg den Persen zu teile wird/ die Parther das Feld raͤumen/ und den Abzug in jhr Lager nehmen muͤssẽ/ nach dem jhrer Reuterey an diesem Tage 117000. erschlagen/ 15000. hart verwundet/ und 21500. gefangen/ von den Fuß Voͤlkern aber 82450. niedergemacht/ 1420. hart be- schaͤdiget/ und 12000. gefangen wahren. Da hingegen an Persischer Seite 43150 Reuter und 58225. Fuß- knechte erleget, 49850. Reuter und 20275 Fußknecht verwundet wahren. Die Unsern ruͤcken alsbald vor das Parthische Hauptlager/ nehmen alle Elefanten und Wagen/ mit Speisen und Waffen aus jhrem ne- ben Lager/ und bringen solches in gute sicherheit. Des Nachts gehet Artabanus mit allen seinen Voͤlkern fluͤchtig davon/ in grosser Furcht biß nach Charas/ und bekommen die unsern uͤberaus grosse Beute. Arta- banus kan dennoch der Liebe nicht vergessen/ ruͤstet sich aufs neue/ und gibt sich ein ungeheurer grosser In- discher Kaͤmpfer/ Gamaxus seines herkom̃ens ein Baur bey jhm an/ welchen er unsere Helden zu bestrei- ten bestellet/ wie auch vier Hirkanische aͤdle Juͤnglinge/ welche dieselben mit Gift hinrichten sollen; diese stellen sich bald ein/ und werden von Herkules in Dienste genommen. Gamaxus gehet unter der beglei- tung 40000. Reuter an die Persischen Grentzen/ fodert durch einen Heerhold unsere Helden aus zum ab- sonderlichen Kampfe/ und wird als ein Baur abgewiesen/ welches jhn sehr verdreust/ und es an den Koͤ- nig gelangen laͤsset/ der jhn fuͤr einen Fuͤrsten in Ober Meden erklaͤret. Die Hirkanische aͤdel Knaben/ als sie die Vergiftung wollen verrichten/ gereuet es deren einen/ Nahmens Bazaentes/ und zeiget es Fr Va- lißken an; die andern verrichten die Vergiftung an der Fuͤrsten Handschuhen/ werden daruͤber ertappet/ eingezogen/ mit jhrem eigenen Gift beschmiret und lebendig verbrennet/ doch noch einer jhres Mittels/ weil er willig bekennete/ im Gefaͤngnuͤß behalten. Gamaxus fodert die unsern abermahl aus/ und wird (o) (o) ij der Kurtzer Inhalt. der Kampf von Herkules angenommen/ der Heerhold aber schimpflich gehalten. Unsere Helden samt Ar- taxerxes und Phraortes brechen mit einem Heer auf nach den Grenzen/ Herkules trit den Kampf an/ Gott stehet jhm wunderlich bey/ und verleihet jhm Sieg/ das er den ungeheuren Gamaxus lebendig gefangen bekomt/ woruͤber noch das Parthische Heer geschlagen/ gefangen/ und drey Grenze Staͤdte eingenom̃en werden. Gamaxus wird krum und lahm geheilet/ auch/ weil er schmaͤhet/ mit Ruhten gestrichen/ biß er ge- bendiget wird. Zu Charas entstehet deß wegen grosses Leid/ und komt die Fuͤrstliche Verbuͤndniß zu Per- sepolis zusammen auf das Freuden Fest. Fr. Statira komt auch daselbst an/ Fabius zu besuchen/ welcher jhr bey Pharnabazus Gnade erwirbet/ und sie an einen vornehmen Herꝛn wieder ehelich verspricht/ da sie hernach jhr Leben gebessert. Ladisla erzaͤhlet Artaxerxes vollends Herkules Wunder-Begebnissen; Unsere Helden werden von der Verbuͤndniß uͤberaus hoch beschencket/ uñ brechen die unsern auf nach jhrem Va- terlande zugehen; auf der Reise bey dem Tygerfluß treffen sie 8000. Parthische neugeworbene Voͤlcker an/ welche sie gefangen nehmen/ und nach Persepolis schicken/ bey deren Obersten Sysimithres Fr. Valißka an Artabanus schreibet; bekommen noch 50 Reuter-Werber gefangen/ mit XX. Tonnen Goldes baar- schafft/ und gehen auf Damaskus. Fr. Valißken Abgesanten nach Teutschland kommen zu Magdeburg an/ uͤberliefern die Briefe und Kleinot dem Fraͤulein und jhren Eltern/ und bekommen zimliche Erklaͤrung. Zu Damaskus nimt Fabius den Christlichen Glauben an/ von dannen die unsern aufbrechen/ das heilige Land besehen/ und zu Bethabara sich tauffen lassen/ zihen in aller stille nach Jerusalem/ und werden von Herꝛn Pompeius Stadthalter daselbst wol empfangen/ woselbst Fr-Valißken Abgesanten aus Teutsch- land anlangen/ und vor Arbianes (der daselbst bey den unsern wahr/ und mit in Teutschland reisen wolte) gute Zeitung wegen der Heiraht bringen Fr. Valißka geneset alhie eines jungen Soͤhnleins/ welcher in der Tauffe Herkulißkus genennet wird/ und nehmen sie nach geendigten sechs Wochen jhre Reise uͤber Meer nach Padua vor/ da Frl. Lukrezie mit jhnen fortschiffet. Sysimithres bringet die Zeitung von Fr. Valißken abreife nach Teutschland/ nach Charas/ woruͤber Artabanus sich anfangs betruͤbet/ nachgehens vol Eifers wird. Die unsern laͤnden froͤlich in Kreta an/ finden die ingeschnittene Schrifft am Nußbaume/ schiffen nach Korinth/ und weiters nach Padua. Inhalt des sechsten Buchs. F uͤrst Baldrich/ Herkules Bruder/ und Fuͤrst Siegward aus Schweden/ kommen bey Padua an/ und er- loͤsen Fr. Sophien/ Fr Ursulen/ und Frl. Sybillen aus Raͤubers Haͤnden/ welche sie in einer hoͤhle ge- fangen hielten/ da Siegward sich in das Fraͤulein sehr verliebet. Herkules/ Ladisla/ und Fabius kommen zu Padua einsam an/ erfahren dieses Frauenzimmers entfuͤhrung/ reiten hinaus uñ begegnen obgedach- ten beiden Fuͤrsten/ von denen sie zum Kampf außgefodert werden/ treffen mit einander und erkennen sich endlich/ da Ladisla sein Gemahl froͤlich empfaͤhet/ machen sich ingesamt nach Padua/ und zihen Fr. Valiß- ken entgegen/ welche von den Paduanischen Frauenzim̃er freundlich empfangẽ wird. Die Stadt-Obꝛig- keit daselbst bewirten die unsern auf jhrer neu-erbauten Burg/ und verliebet sich Baldrich in Frl-Lukre- zien. Die gefangenen Raͤuber werden des folgenden Tages bey Padua gekreuziget/ wobey die beiden Fuͤr- sten jhren Fraͤulein jhre Liebe antragen/ und zimlich Gehoͤr erlangen/ biß endlich durch Fr. Sophien un- terhandlung die beiden Fraͤulein sich noch besser erklaͤren/ und freiet dieselbe Gallussen jhre aͤdle Leibdiene- rin jungfer Beaten zu. Die beiden Fraͤulein zeigen jhren Buhlen an/ das sie Christen seyn/ und keine an- dere als Christen heirahten wollen/ welches jhnen anfangs etwas hart eingehet/ und sich doch bald zim- lich erklaͤren. Frr. Valißka und Sophia erlangen der beiden Fraͤulein einwilligung zur Heiraht. Die bei- den Fuͤrsten haben diese Nacht uͤberaus schwere Anfechtung von den Teufeln in gestalt der falschen Goͤ- zen/ wodurch sie furchtsam gemacht/ und vom Christentuhm zimlich abgeschrecket werden/ aber Valißka troͤstet sie/ das sie ein Herz fassen/ und durch ein anmuhtiger Gesichte in jhrem guten Vorsaz gestaͤrcket werden/ daher sie Valißka in der Lehre unterrichtet/ welche sie begierig annehmen/ und darauf zu den bei- den Frl. auf jhr Schlafgemach gefuͤhret werden/ woselbst die voͤllige Zusage vor sich gehet. Die Fuͤrstli- che Geselschaft faͤhret hinaus das Raub Nest zu verstoͤren/ da Baldrich und Frl. Lukrezie/ als sie im Wal- de miteinander gehen/ von zween Baͤren angefallen werden/ welche er zwar erleget/ aber zugleich das Frl. zimlich hart verwundet/ nach deren heilung Gallus mit seiner Beaten (deren Vater er Zeit seines Rau- ber- Kurtzer Inhalt. berstandes heftig beleidiget hatte) Hochzeit machet/ und die beiden Fuͤrsten das Beilager halten/ wobey Arbianes ein Freistechen anstellet. Ein Roͤmischer Herꝛ/ Nahmens Skaurus heirahtet Frl. Helenen Va- lißka erzehlet auf begehren Fr. Sybillen/ wie es mit jhrer Verliebung und Verlobung mit Herkules zu- gangen sey. Farabert der Frankische Ritter/ welcher bißher zu Padua sich aufgehaltẽ/ gibt sich an bey Va- lißken/ klaget jhr seines jungẽ Fuͤrsten Markomirslingluͤck/ uñ haͤlt bitlich an/ das sie an jhn einenfꝛeund- lichen Brief wolle abgehen lassen/ welches sie gerne leistet/ auch schoͤne Kleinot und andere koͤstliche Sa- chen dem Fuͤrsten und seiner Fr. Mutter uͤbersendet/ welche Farabert selbst uͤberbringet. Herkules und La- disla schickten dem Kaͤyser und seiner Fr. Mutter nach Rom einen koͤstlichen Beutpfennig/ da sie beide sich erklaͤren zu Padua bey der jungen Fuͤrsten jhrem Hochzeitfeste zuerscheinẽ/ werden auch daselbst praͤchtig empfangen/ und leget der Kaͤyser mit unsern Helden grosse Freundschaft zu. Fr. Sibylla treibet es bey dieser Hochzeit/ das die Heiraht zwischen Herꝛ Pupienus und Frl. Virginia von Rom vor sich gehet/ bey welcher Handelung zimliche Verwirrungen vorlauffen. Prokulus ein Roͤmischer Ritter fodert Baldrich aus/ voꝛgebend eꝛ habe jhm Frl. Lukrezien abgespenstiget/ dessẽ er auch Siegwarden beschuldiget/ legt dar- uͤber ertichtete Briefe auf/ durch welche er von andern aufgetrieben war/ und wird im Kampfe verletzet. Fr. Lukrezie erhaͤlt bey dem Kaͤyser/ das jhr Vater Stathalter wird zu Koͤlln am Rein. Valißka in Ama- zonischer Gestalt mit angestrichenem Angesicht stellet ein vierfaches Ritter Spiel in des Kaͤysers gegen- wart an/ in welchem sie und Herkules den hoͤchsten Preiß davon tragen. Ein Pannonischer Gesanter/ nah- mens Pines mit etlichen Rittern komt zu Padua an/ beut einen Kampf aus nach habender Volmacht von seinem Koͤnige/ das auf dem fall seines Verlusts das Pannonische Reich den Roͤmern X. Jahr lang die Schatzung entrichten wolle; Herkules nimt solches mit jhm an/ uͤberwindet jhn/ und nimt jhn vor leibei- gen/ wie auch dessen Mit Ritter von Ladisla und andern uͤberwunden werden. Die Gefangene stellen sich unbendig/ und werden mit Ruhten gezaͤhmet. Der Kaͤyser zur Dancksagung/ kroͤnet Herkules und Ladisla/ auch jhre Gemahlinnen als freie Koͤnige der Teutschen und Boͤhmen/ und tuht ihnen statliche Geschenke. Herkules und Ladisla Parthische Leibeigene halten an uͤm die versprochene Freiheit/ eꝛhalten dieselbe/ weꝛ- den mit ritterlichem Gewehr versehen/ uñ Arbianes untergeben; uñ schicken sich die unsern zur Reise nach Prag. Die gefangenen Pannonier werden auf die Ruder Schiffe geschmiedet Endlich brechen die unsern von Padua auf/ halten das erste Nachtlager in dem ungluͤcklichen Flecken/ woselbst ein Kuͤhhirt jhnẽ von den ehemaligen Verfolgungen wieder die Christen etwas erzaͤhlet. Die Pannonier warten den Unsern an den Grenzen auf/ sie zu berauben und niderzumachen/ daher ein hartes Treffen entstehet/ und werden die Pannonier fast alle erschlagen. Worauf die unsern sicher die Boͤhmischen Grentzen erlangẽ/ den alten Pri- bisla in jhre Geselschaft bekom̃en/ jhre Voͤlcker uñ Wagen zuruͤck lassen/ uñ in aller stille nach Prag fahrẽ/ da sie die alte Koͤnigin durch jhre unvermuhtliche Ankunft hoch erfreuen/ uñ dem ganzen Lande grosse freu- de erwecken/ uñ wird gegen Ladisla angesetzete Kroͤnung gute anstalt gemachet. Ritter Farabeꝛt aus Fran- ken komt bey seinem Koͤnige an/ bringet das Schreiben und die Schenkungen wol uͤber; worauf der junge Fuͤrst Markomir wieder zur voͤlligen Gesundheit gelanget. Inhalt des siebenden Buchs. Z U Prag koͤmt unverhoffete Zeitung/ das Herkules Eltern und Frl Schwester von dem Wendischen Fuͤrsten Krito und seinem Sohn Gotschalk geraubet und gefangen nach Frießland gefuͤhret sind/ wel- ches die unsern aufmuntert/ daß sie nach moͤgligkeit Voͤlker zusammen bringen/ von Prag eilend durch Teutschland nach Friesland gehen/ und die Raͤuber mit jhrem Heer erreichen/ da Vater uñ Sohn uͤber dem Fraͤulein uneins worden sind; vergleichen sich aus Noht/ und treten mit den unsern die Schlacht an/ aus welcher Gotschalk mit einer Schaar hinweg reitet/ das Fraͤulein mit sich uͤber die Isel fuͤhret/ und sie nach Daͤnenmarck bringen wil/ uͤm sie daselbst zu heirahten/ aber Arbianes/ der sie liebete/ setzet jhm nach/ er- schlaͤgt den Raͤuber und rettet sie/ da er kurz zuvor jhre Eltern frey gemacht/ und nach jhrem Lager fortge- schikt hatte. Krito wird in der Schlacht gefangen. Arbianes kan wegen der verschlagenen Voͤlker mit dem Fraͤulein nicht nach jhrem Lager sicher durchkommen/ begibt sich mit jhr auf einen Abweg/ uñ gibt sich ihr zuerkennen. Groß Fuͤrst Henrich mit seinem Gemahl komt zu seinem Sohn Baldrich/ den er bißher vor tod geschaͤtzet hatte/ erfreuet sich uͤber jhn/ wird aber betruͤbt als er vernimt das er auch ein Christ worden (o) (o) iij sey/ Kurtzer Inhalt sey/ doch gibt er sich bald zu frieden/ und erklaͤret sich/ seinen Soͤhnen das Christentuhm frey zu goͤnnen; worauf Herkules (der sich bißher verborgen gehalten) sich seinen Eltern zuerkennen gibt/ uñ mit Freuden angenommen wird. Krito machet sich in seiner haft unnuͤtze. Arbianes/ um Gefahr zu meiden/ fuͤhret das Fraͤulein nach einem abgelegenen Dorffe/ da er sich wegẽ moͤrdlicher Nachstellung in eines Bauren haͤus- lein nebest dem Fraͤulein verstecket/ welcher Wittho hiesse/ daselbst sind sie auf dem Haͤu sicher/ erquicken sich mit Speise und Tranck/ und haͤlt er bey dem Fraͤulein so instaͤndig an/ das sie jhm endlich die Ehe ver- spricht. Etliche Reuter fragen vor dem Haͤußlein nach jhnen/ lassen sich aber aus furcht/ es moͤchten Fein- de seyn/ verleugnen/ da sie doch zu jhrem besten ausgeschickt wahren. Herkules erzehlet seinen Eltern/ wie er zum Christentuhm kommen sey/ und bewaͤget sie/ dasselbe anzunehmen. Die beyden verliebeten muͤssen wegen der verschlagenen Voͤlcker des andeꝛn Tages biß gegen den Abend auf dem Haͤu zubringen/ da sie jhre beredung halten. Des folgenden Morgens nach der Schlacht gibt Herkules sich jhrem Heer zuerken- nen/ und wird mit Freuden angenommen Der Wendische Verraͤhter Niklot wird lebendig gespiesset/ und hernach Krito wie heftig er sich gleich straͤubet/ mit dem Schwerte gerichtet/ und gehen die unsern fort/ Friesland einzunehmen. Arbianes bringet dem Frl. auf dem Haͤu den Christlichen Glauben bey. Hernach verstellet er jhr Angesicht mit deꝛ Kunst Faꝛbe/ legen baͤuꝛische Kleider an/ sagen dem alten Bauren Wittho grosse Vergeltung zu/ und mit dessen Bruder Sohn den jungen Wolfgang gehen sie nach dem naͤhesten Staͤdtlein/ werden auf dem Wege von verlauffenen Wenden angriffen/ und erlegen dieselben. Das Frl. wird von etlichen trunkenen Bauren zum Tantz genoͤhtiget/ und gelangen endlich im Stadtlein an/ da sie bey Wolfganges Haußherren die Herberge nehmen/ und jhnen neue schlechte Kleider machen lassen/ des Willens nach jhrem Lager zuzihen/ sie gerahten aber in Feuers noht/ lauffen zum Staͤdtlein hinaus mit Wolfgangen/ und werden von vier Buͤrgern verfolget/ als waͤhren sie Mordbrenner/ welche Arbianes erleget/ das Fraͤulein aber inzwischen aus Angst mit Wolfgang davon laͤuft/ und also von jhren lieben Fuͤrsten abgeschieden wird. Unsere Helden nehmen ganz Friesland ein/ biß auf eine Festung/ welche Fuͤrst Olaf aus Daͤnenmarck inne hatte/ der dañ/ weil der letzt verstorbene Friesen Koͤnig jhn zum Erben erklaͤ- ret/ ansprach an das Koͤnigreich zu haben vermeinete/ aber Herkules uͤberwindet jhn im Kampfe/ machet mit jhm Vertrauliche Freundschaft/ und schencket jhm Wendland/ wohin alsbald ein Heer geschicket wird/ es einzunehmen/ welches Fuͤrst Siegward fuͤhretꝛ. Baldrich wird zum Koͤnige in Friesland willig ange- nommen und gekroͤnet. Der alte Baur Wittho komt zu unser Fuͤrstlichen Geselschaft/ und bringet Zeitung von Arbianes und den Fraͤulein/ sie senden etliche aus/ nach dem Staͤdtlein/ von jhnen bessere Kundschaft einzuzihen/ uñ erfahren so viel das sie im Feur nicht aufgangen/ sondern davon kommen seyn. Die Fuͤrst- liche Geselschaft bricht aus Friesland auf nach Teutschland; Ein Teutscher Pfaffe vom Teufel angetrie- ben/ wiegelt Teutschland auf wieder jhre Fuͤrsten wegen des Christlichen Glaubens/ das sie in grosser Menge jhnen entgegen zihen/ umb sie zuzwingen/ den Christlichen Glauben zu verleugnen/ und wird das Teutsche und Boͤhmische Heer so bey den Fuͤrsten wahr/ zugleich mit aufruͤhrisch gemacht/ welche aber befriediget und zum Gehorsam gebracht werden/ und ob zwar zimlich Blut vergossen wird/ legen endlich unsere Fuͤrsten die Streitigkeit bey/ nach dem allen Inwohnern jhres Aberglaubens Freiheit bestaͤtiget wird. Worauf beides Großfuͤrst Henrich/ und sein Sohn Herkules/ vor der freien Teutschen Koͤnige von dem Volck aus geruffen und bestaͤtiget werden/ reisen nach Magdeburg und lassen sich da selbst kroͤnen/ sind aber sehr betruͤbt/ daß sie daselbst nichts von dem verlohrnen Fraͤulein erfahren moͤgẽ. Das Fraͤulein mit Wolfgang laͤuft durch ein Wasser aus Angst davon/ und ermuͤdet gar/ haͤlt Arbianes vor erschlagen/ uñ wil sich nicht troͤsten lassen/ gerahten unter dreyer Diebe Haͤnde/ und werden beraubet/ wandeln ganz er- muͤdet fort/ und kommen endlich auf eine Heerstrasse/ da Wolfgang einen Fuhrman wegen seines an dem Fraͤulein veruͤbeten frevels erschlaͤget und bey dessen Weibe einkehret/ wil auf einer Karre das Fraͤulein nach der Elbe bringen/ werden abermahl beraubt/ gehen nach einem Flecken/ woselbst sie sich etliche Tage bey einer Witwen aufhaͤlt// uñ jhr Kinderzeug naͤhet, Arbianes suchet jhr nach/ findet zwar durch Gottes Schickung den rechten Weg/ kan sie aber nicht antreffen/ und geraͤht in manniche Noht/ welches er im ach- ten Buche erzehlet. Das Fraͤulein wird von einer aͤdlen Frauen hintergangen und uͤber Rein gefuͤhret vor eine Magd/ da sie sich vor Wolfgangs Ehefrau angibt/ muß etliche Wochen bey jhr dienen/ und wird gar Kurtzer Inhalt. gar hart und elend gehalten/ welches alles sie in Christlicher Gedult uͤberwindet. Fuͤrst Siegward nimt Wendland ein/ und bestaͤtigt die alte Fuͤrstin/ welche Olaf zum Erben annimt; Siegward komt zu Mag- deburg an/ und reiset mit der Geselschaft nach Prag/ wie auch Fuͤrst Olaf. Farabert komt zu Prag an/ mit grossen Geschencken von dem Francken Koͤnige Hilderich/ an Koͤnigin Valisken/ und meldet des jungen Fuͤrsten Markomirs volkommene Gesundheit. Wolfgang leget mit einem/ Nahmens Reichard an/ das Fraͤulein durch Gewalt zu erloͤsen/ und nach der Elbe zu bringen/ welche von jhrem Haußherren zur Unzucht angesuchet/ und von jhrer Frauen uͤbel geschlagen ward. Der Anschlag geraͤht wol/ aber auf der Reise nach Magdeburg/ wil Reichard selbst das Fraͤulein schaͤnden/ wird druͤber gefangen genommen/ uñ komt sie Gesund zu Magdeburg an. Auf der Reise von Magdeburg nach Prag/ trift sie jhren Arbianes in Betlers Kleidern an/ erfreuen sich hertzlich in rechtschaffener Dancksagung zu Gott; gehen als Kraͤmer zur Fuͤrstlichen Geselschaft und verkaufen jhnen etliche Waaren; Hernach kleiden sie sich fuͤrstlich/ legen die angestrichene Farbe ab/ treten unvermercket zum Fuͤrstlichen Saal hinein/ und erwecken grosse Freu- de/ da sie miteinander versprochen werden. Wolfgang und die IIX. Reuter/ welche das Fraͤulein hatten loßgemacht/ werden hoch begnadet/ Reichart vor Gericht gestellet/ verurteilet/ und wieder begnadet/ reiset nach seiner Heimat/ und sendet das Fraͤulein jhrer gewesenen Frauen dreyen Toͤchtern Geschenke. Die Roͤmische Herren von Padua kommen zu Prag an/ und haͤlt Arbianes mit Frl Klaren das Beylager. Inhalt des achten Buchs. A Uf dem Wall zu Prag machen die Gespenster viel Unruhe uñ komt als bald darauf die leidige Zeitung/ daß des Pannonischen Koͤniges Mnata sein Feld Marschalk Dropion (des ehmaligen Bato/ und des Pines Bꝛuder) mit einem grossen Heer in Boͤhmen eingefallen sey/ uñ alles mit Raub/ Mord uñ Brand erfuͤlle/ Baldrich und Siegward gehen demselben entgegen mit einem zimlichen Heer/ und faͤlt dieser dem Feind gluͤcklich ein/ Herkules machet sich hin zu seinem Bruder/ findet dessen Lager wolbeschaffen/ und laͤs- set denselben nebest Siegward dem Feind entgegen zihen/ welche in Gefahr gerahten/ aber von Fabius entsetzet werden und den feindlichen Vortrab aufs Haͤupt erlegen. Leches gehet des andern Tages wieder auf Kundschafft auß/ und wird jhm ein Reuter Grozemisla abgefangen/ welcher durch Luͤgen sich von den Pannoniern loßwirket; Dropion belaͤgert der unsern Lager/ woruͤber das ledige Pannonische Lager durch Grozemisla anstiftung angezuͤndet wird/ welches Dropion nicht groß achtet/ und der unsern Lager auf- fodert/ welche jhn diesen Tag mit guten Worten hinhalten. Ladisla komt ins Lager/ und auf abermahlige aufffoderung gibt er bedraͤuliche Antwort/ worauf der Feind den Sturm eiferig antrit/ wird abgeschlagẽ/ und gehet wegen Speisemangels wieder zuruͤck nach den Pannonischen Grenzen. Die unsern verfolgen jhn/ halten jhn in seinem Lager fest eingeschlossen/ fallen in Pannonien/ und machen sehr grosse Beute. Mnata zeuhet seinem Dropion mit 150000. Mann zu Huͤlfe/ deßwegen gehen die unsern wieder zuruͤck nach jhrem vorigen wolbefestigten Lager. Mnata und Dropion belageꝛn die unsern zum andernmahl/ las- sen jhnen zum Schrecken einen Galgen aufrichten/ fodern das Lager auf zur Ubergabe/ bekom̃en schimpfli- che Antwort/ und tuhn darauf einen grausamen Sturm/ da sie mit grossem Verlust abgeschlagen werden; darauf geschihet ein treffen zu Pferde mit zimlichen Verlust an beiden seiten. Mnata und Dropion zweien sich in etwas/ und erfaͤhret Mnata/ das Dropion mit Verraͤhterey uͤmgehet/ dagegen er sich verwahret durch beystand seines getraͤuen Agiß. Es wird ein fuͤnftaͤgiger Anstand gemacht/ in welchem doch ein klei- nes treffen von 120. Mann an beyden seiten gehalten wird/ da die unsern obsiegen. Mnata bekoͤmt heim- lich einen grossen Entsaz/ fodert die unsern zur Schlacht aus/ welche gehalten wird/ und fuͤgen die unsern dem Feinde grossen Schaden zu/ biß ein grosses Ungewitter sie von einander trennet/ und inzwischen den Feinden der grosse Entsatz 80000. stark/ zukomt. Die unsern erschrecken daruͤber/ treten doch die Schlacht wieder an/ und thun anfangs gute Gegenwehr/ biß jhre Voͤlker algemach nachlassen und ausreissen/ wor- uͤber Koͤnig Ladisla/ Henrich uñ andere Fuͤrsten mehr gefangen werden; Herkules nimt den Pannonischen Koͤnig gefangen/ und sendet jhn nach Prag/ wird hernach selbst gefangen/ und die Schlacht an der unsern seite verlohren/ da von allen Fuͤrsten nur Arbianes aus der Schlacht entrinnet. Dropion wil unsere Koͤ- nige und Fuͤrsten henken lassen/ werden auch schon nach dem Galgen gefuͤhret/ aber von etlichen Panno- nischen Obersten (die jhres Koͤniges Heil betrachteten) beym Leben erhalten. Des folgenden Morgens komt Kurtzer Inhalt. komt durch Gottes Schickung Valißka/ Baldrich und Arbianes mit einem grossen Heer an/ auch zugleich von Suͤden her der Frankische Großfuͤrst Markomir mit 50000. Reutern/ uñ bald darauf noch ein Huͤlf- heer von Norden 60000. stark aus Wendland/ da allenthalben die Schlacht tapfer angehet/ Valißka aber inzwischen der Feinde Lager einnimt und die gefangenen Fuͤrsten erloͤset/ welche sich verteilen/ und der Schlacht allenthalben bey wohnen/ in welcheꝛ viel merkliches vorgehet/ biß endlich die unsern den voͤl- ligen Sieg behaͤupten/ viel Feinde erlegen/ und das ganze feindliche Heer gefangen bekommen/ welche alle zu Leibeigene gemacht werden. Koͤnig Mnata und Dropion mit seinem Anhange werden vor Gericht gestellet/ da Koͤnig Mnata unter schwerer Bedingung das Leben und Koͤnigreich erhaͤlt/ Dropion aber und sein Anhang zur abscheulichen Strasse verdammet werden. Der ehmalige Reichard hatte Arbianes Leben in der Schlacht gerettet/ und bekomt voͤllige Gnade/ auch grosse Vergeltung. Fuͤrst Olaf gehet mit einem Heer nach Pannonien/ da die Inwohner sich ergeben. Gallus muß nach Rom dem Kaͤyser den Pan- nonischen Beutpfennig bringen. Mnata erlanget der unsern gute Gunst je laͤnger je mehr/ und werden in Pannonien die begehrete Leibeigene frey gelassen. Arbianes erzehlet wie wunder-gefaͤhrlich es jhm bey dem Nach suchen seiner Fraͤulein ergangen sey. Der alte Friesische Baur Wittho komt zu Prag an/ und wird wol empfangen. Reichard heyrahtet in seiner Heimat zum andern mahl/ uñ nimt jungfer Adelheid/ komt mit jhr zu Prag an/ und werden wol angenommen. Die eingeladenen Koͤnige aus Schweden/ Daͤ- nenmarck und Gallien kommen nach Prag. Der alte Boͤhmische Koͤnig Notesterich/ den jederman vor tod hielt/ komt aus der Pannonischen Leibeigenschaft wieder zu Prag an/ und wird mit grossen Freuden von den seinen empfangen/ Er laͤsset Ninisla uñ Urisla seine Untertahnen (die jhn in diß Ungluͤck gestuͤrzet hat- ten) gefangen einhohlen. Koͤnig Mnata verliebet sich mit dem Wendischen Fraͤulein Vanda/ und Fuͤrst Olaf (der seine Ungluͤksfaͤlle erzehlet) mit dem Schwedischen Fraͤulein Schulda/ welche heyrahten Va- lißka befodert. Arbianes erzehlet eine sonderliche Anfechtung/ so er von dem Teufel in der Einoͤde erlitten. Ninista und Urisla werden herzu gebracht/ und bekennen jhre Boßheit/ worauf Koͤnig Notesterich erzaͤh- let/ wie elendig sie jhn drey viertel jahr im engen Gefaͤngniß gehalten/ biß etliche Pannonische Raͤuber jhn daraus gezogen/ und vor Leibeigen mit sich in Pannonien gefuͤhret. Die beyden Ubelthaͤter werden verurteilet und gestraffet. Koͤnig Notesterich nimt den Christlichen Glauben an; Mnata und Olaf halten Beylager/ und bald hernach das Hochzeit Fest/ wobey allerhand Ritterliche Ubungen vorgenommen wer- den/ insonderheit ein denkwirdiges Freystechen. Fuͤrst Pharnabazus mit seiner Geselschaft komt aus Persen zu Prag an/ bringet grosse Geschenke/ uñ den ungeheuren Gamaxus mit sich/ dem Herkules Gna- de erzeiget. Der verwaͤgene Pines machet sich von den Ruder Baͤnken loß komt in Pannonien/ wird von Mastyes seinem Koͤnige nach Prag zugeschikt/ und erlanget gleicher gestalt Gnade bey Herkules. Koͤnig Notesterich erzaͤhlet/ wie hart es jhm in seiner Leibeigen schaft ergangen/ biß er endlich samt andern Boͤh- mischen Leuten der Knechtschaft erlassen/ in freyen Stand gesetzet/ und wieder in sein Koͤnigreich kom̃en ist Valißka stellet ein vierfaches Freyschiessen an; Herkules ehmaliger Tibullus komt aus seiner Pañoni- schẽ Leibeigenschaft zu Prag an/ wird vor Koͤnigin Sophien Bastard Bruder erkeñet/ uñ vor ehelich erklaͤ- ret. Die viele Leibeigene Pannonier werden auf erlegung grosser Loͤsegelder von Herkules und Ladisla frey gegeben. Etliche junge Koͤniginnen uñ Fuͤrstiñen genesen etlicher junger Herꝛlein und Fraͤulein. Ar- bianes reiset mit seinem Gemahl und Kriegsheer nach Persen/ und wird das ganze Werk mit einfuͤhrung der ganzen Christlichen Glaubens Lehre beschlossen. Ende des kurzen Inhalts des Christlichen Teutschen Herkules. Pag. 4. lin. 29. Der Vorrede: Vor/ tadeln/ entkuͤhnet ; liese: tadelen erkuͤhnet . Des Christ- Des Christlichen Teutschen Herkules Erster Theil. Erstes Buch. D Ie wunderschoͤne Morgenroͤhte/ welche dem Silberbleichen Monde seinen Schein zu raubẽ sich bemuͤhete/ war aus ihrem Lager kaum her- vor gekrochen/ da erwachete Herkules vom Schlaffe/ stieg seiner gewonheit nach/ sanfte aus dem Bette/ daß sein Freund Ladisla dessen nicht gewahr wur- de/ legte sich auf die Knie/ und betete in herzlicher andacht seinen Christlichen Morgen-Segen. Du grosser Gott (sagte er mit leiser stimme und erhobenen Haͤnden) mit was inbrunst sol ich deiner Barmherzigkeit mein schuldiges Danckopffer leisten? daß du mich diese Nacht und die gantze Zeit meines Lebens so gnaͤdig und vaͤterlich bewahret hast/ vor des Teufels List und Gewalt/ vor boͤsem schnellen Tode/ vor Kranckheit und andern schaͤdlichen faͤllen/ durch welche ich ohn wahre Busse meiner vielfaͤltigen Suͤnden ploͤzlich haͤtte untergehen und ewig verderben koͤnnen. Dir sey Dank in Ewigkeit/ mein Schoͤpfer/ vor diesen gnaͤdigen Schuz meiner Seelen und Leibes. Geseg- ne und heilige alles mein tuhn/ heut und die folgende Zeit meines Lebens; Verzeihe mir alle begangene Suͤnde/ und bewahre mich heut diesen Tag/ daß ich nicht in muhtwillige Unthaten falle/ die wider das Gewissen streiten/ und deines Geistes Einwohnung von uns treiben. Nim̃ mich unter die Beschirmung deiner Fluͤgel/ daß mich kein Unfall erlege; gib daß dir alles mein tuhn gefallen moge/ und wende von mir/ was mir an Leib und Seel schaden kan. H e rr mein Gott/ dir befehle ich meine liebe Eltern/ Bruder/ Schwester und Anverwandten; bekehre sie von dem heydnischen Irthum; und wie du mich aus lauter Guͤte und Barmherzigkeit aus der schnoͤden Unwissenheit gerissen/ und in die Klarheit der Erkaͤntniß deines Sohns meines Heylandes versetzet hast/ also handele auch mit jhnen allen/ nicht nach jhren Suͤn- den/ sondern nach deiner Guͤte/ daß jhnen/ HErr Gott/ dein heiliger Nahme/ und den du uns zum Heil gesand hast/ J e sus Christ kund werde/ Amen. Hierauff sprach er das heilige Vater Unser/ den Christlichen allgemeinen Glauben/ und etliche Buß Gebeht Davids; und als er seine Andacht mit diesen Worten endigte: O mein HErr JEsus Christ/ dir lebe ich/ dir sterbe ich/ dein bin ich todt und lebendig; Da erwachete sein Freund Ladisla; und wie derselbe gewohnt war sein Gebet uñ Gottes dienst gering zu achten/ sagte er zu jhm: Herzlieber Bruder/ wann dein Jesus so maͤch- tig waͤhre/ wie du und andere Christen jhn halten/ alsdann koͤnte es nicht fehlen/ er muͤste an statt deines verscherzeten Groß Fuͤrstentuhms/ wo nicht ein groͤsseres/ zum wenigsten gleich- maͤssiges Koͤnigreich dir schenckẽ/ weil du bloß uͤm seinet willen deines Vaterlandes muͤssig gehen/ und deines angebohrnen Erbes must entsetzet seyn; sehe aber noch zur zeit nicht/ daß sichs im wenigsten darzu schicken solte. Herkules/ nach seiner Christlichen Sanftmuht/ antwortete jhm: Liebster Bruder/ ich bin deines Gespoͤttes nunmehr fast gewohnt/ welches mich zwar schmerzet/ und doch aus Hoffnung/ dich der eins zu gewinnen/ es gerne gedulde; Zweiffele aber nicht/ da in meinem Gebet bey meinem HErrn Jesus ich uͤm mein angebor- A nes Groß- Erstes Buch. nes Groß Fuͤrstentuhm oder andere weltliche Herrschafften anhielte/ wuͤrde er mir solches nicht wegern/ bevorab/ wann es mir und seiner Christlichen Kirchen heilsam und ersprieß- lich waͤhre. Aber mein Heyland weiß/ daß ein solches bey ihm ich durchaus nicht suche/ son- dern jhm von grund meiner Seele danke/ daß er einen so treflichen Tausch mit mir gehaltẽ/ und vor einen engen Winkel dieser unsaubern Welt/ mir das grosse heilige Reich seiner Gnaden geschenket/ und durch sein vollguͤltiges Blut mich von Suͤnden abgewaschen hat; Ja mein Bruder/ wann du die Herꝛligkeit/ deren ich schon in fester Hofnung geniesse/ mit den Augen des Glaubens erkennen und betrachten koͤntest/ bin ich schon versicheꝛt/ du wuͤꝛdest zu- gleich mit mir alle Irdischeit dieser Welt vor stinckenden Koht/ und was du Herrschafften nennest/ vor eine schlimme Dienstbarkeit halten; dann so viel das grosse Sonnen-Liecht eine angezuͤndete Kerzen uͤbertrifft/ ist die himlische Seeligkeit hoͤher/ als alles koͤstliche dieser Welt zu schaͤtzen; Warumb solte ich dann nach meinem verlohrnen Groß Fuͤrstentuhm ei- niges Verlangen tragen/ wann umb dieser faulen Erdschollen willen/ ich die aller koͤstlichste Perle des Himmelreichs solte in die Schanze setzen. O nein/ mein Freund/ Gottes Gnade ist groͤsser bey uns Christen/ als daß wir dieselbe uͤmb dasselbe vertauschen wolten/ was auch wol vernuͤnfftige Heyden vor nichtig gehalten haben. Er wolte weiter reden/ aber Ladisla fiel ihm also ein: Genug mein Bruder/ genug vor dißmahl/ ich weiß schon wol/ daß von deiner eingebildeten Pfafferey ich dich heut nicht abbringen werde. So wirstu aber/ antwortete er/ deinem gestrigen Versprechen gnug tuhn/ uñ mit mir die Christliche Versamlung besuchen/ uͤm zu vernehmen/ und mit Augen anzusehen/ wie faͤlschlich wiꝛ unschuldige Christen von den heidnischen Verfolgern verleumbdet/ und/ weiß nicht/ welcher abscheulichen Suͤnden be- schuldiget werden. Ja wol/ sagte Ladisla/ es ist mir zwar mein verbrechen (wolte sagen mein versprechen) schon halb leid/ als der ich fuͤrchte/ meine Goͤtter/ durch Beywohnung solcher a- berglaͤubischen Sachen/ hoͤchlich zu beleidigen; jedoch/ weil geschehene Zusage auffzuruffen/ einem Bidermanne nicht anstehet/ und ich aus Liebe zu dir/ wol ehe wider meine Goͤtter ge- handelt habe/ wil ich mich fertig machen/ mit dir zu gehen; wiewol mit dem Bedinge/ daß we- der du/ noch einiger Christ mich noͤhtige/ euren Sitten und Andachten mich gleich zu stellen/ ausser dem/ was die Erbarkeit mich heissen wird/ als dann wil ich hinwiederumb in aller stille/ und ohn gegebene aͤrgerniß euren Gottes dienst ansehen/ als lange ich hoͤren werde/ dznichts Gotteslaͤsterliches wider meine Goͤtter geredet wird; dann sonst wuͤrde ichs nicht lange ma- chen/ sondern diese Herberge bald suchen. Daß deiner vermeinten Goͤtter keine Meldung geschehen sol/ sagte Herkules/ habe ich bey dem Ehrwuͤrdigen Lehrer bittsweise erhalten; und pfleget man ohn das deren in Predigten wenig zu gedencken/ weil fast alle mal heimliche Aufmercker sich finden/ ob sie etwas erschnappen moͤgen/ wo durch wir Christen in Noht und Gefahr/ ja umb Leib und Leben koͤnnen gebracht werden. Wann aber unsere Lehrer uͤmbher gehen/ die Glaͤubigen zu besuchen/ und sie in ihrem Christentuhm zu staͤrcken/ als dañ werden wir zu aller gnuͤge unterrichtet/ was vor ohnmaͤchtige Goͤtzen euer Jupiter/ Mars/ Vulkahn/ Neptun/ und andere jhres gleichẽ seyn/ weil sie kein wahres lebendiges Wesen/ viel weniger eine allmaͤchtige Krafft/ sondern nur der luͤgenreichen Fantasten ihre Tichtereyen sind/ nach deren Traͤumen man sie nachgehends aus groben Holz und Steinen geschnitzet uñ gehauen/ und mit weiß und roht/ welches endlich Maͤuse uñ Ratzen abnagen/ zierlich angestrichen hat. O der Erstes Buch. O der elenden/ O der naͤrrischen Gottheit! Mir zweifelt nicht/ wann das Arkadische Thier nur vom Saktragen muhs hette/ und ein Kruͤhmlein Verstandes/ wolte ich jhm diese heyd- nische Thorheit mit leichter Muͤhe zu erkennen geben. Aber damit wir uns nicht auffhalten/ noch ich deinen Goͤtzeneiver reize/ meines Heylandes zu spotten/ wollen wir uns auf den Weg machen/ dann ich weiß/ daß dem Gottes dienst der Anfang schon gemacht ist/ uñ ich mich schaͤ- men muß/ einer von den letzten zu seyn/ der ich billich der erste bin/ umb/ meinem Gott vor sei- ne unaußsprechliche Gnade zu danken/ die er mir armen Suͤnder in meiner Bekehrung er- zeiget hat. Ladisla hatte sich schon gespitzet/ seinen Goͤtzen das Wort zu sprechen; aber Her- kules fassete jhn bey der Hand/ und fuͤhrete jhn zur Kammer hinaus. Also giengen sie beyde dem Orte zu/ wo Herkules wuste/ daß sich die Glaͤubigen zu versamlen/ und jhres Gottesdien- stes in aller stille abzuwarten pflegeten. Sie waren nicht weit gangen/ da sahen sie einen fremb den Reuter jhnen entgegen reiten/ welcher als in tieffen Gedancken in die Hoͤhe sahe/ und wenig acht hatte/ was auff der Gasse vorgieng. Ladisla kennete jhn als bald und sagte: O Bruder/ dort komt Wenzesla her/ meines Hn. Vaters alter Leib diener; O daß wir uns verbergen koͤnten! Lieber laß uns das Ange sicht mit dem Mantel verhuͤllen/ daß er uns nicht kenne/ warumb ich nicht ein grosses nehmen wolte. Aber es war schier zu lange geharret/ und der Reuter jhnen auff den Fuͤssen/ der sie freundlich gruͤssete/ mit Bitte/ ihm einen Gasthoff zu zeigen/ da man nach allerhand Zeitungen sich am besten befragen koͤnte. Ladisla blieb ohn einiges Wortsprechen/ und gieng allgemach fort. Herkules wolte sich auch nicht kund gebẽ/ weil er wuste/ daß sein Freund wolte ungemeldet seyn/ und zweiffelte/ ob er antworten solte. Der fremde verwunderte sich ihres stillschweigens/ wuste nicht/ ob es aus Furcht/ oder Hoch- muht/ oder Unverstand geschahe/ weil sie als mit fleiß das Angesicht verborgen hielten; Er sahe/ daß sie adelich gnug gekleidet waren/ und zwar nach Roͤmischer art/ schwieg ein wenig/ und sagte bald darauff zu jhnen: Ihr junge Herren werdet gewißlich nicht Roͤmisch seyn/ o- der es muß sich hieselbst von XXX Jahren her/ als viel die Sitten betrifft/ sehr verendert ha- ben. Herkules schaͤmete sich des verweißlichen Auffruͤckens/ und weil er meynete/ nicht so leicht erkennet zu werden/ taht er den Mantel ein wenig beyseit/ und gab diese ernstliche ant- wort: Mein Freund/ jhr solt dannoch wissen/ daß wir der Unhoͤfligkeit nicht so gar ergeben sind/ wie jhr uns beschuldigen moͤchtet/ nur weil wir kaum vor dreyen Tagen Rom erst gese- hen/ werdet jhr uns verzeihen/ daß wir eurem begehren nicht gnuͤge tuhn koͤnnen. Nun sahe Wenzesla unsern Herkules/ weil er antwortete/ steiff an/ und gedauchte jhn/ denselben mehr gesehen haben; kunte sich doch so schleunig nicht besinnen/ lauschete jhnen aber/ weil sie davon eileten/ mit unverruͤckten Augen nach/ biß sie etwa LXXX Schritte von ihm hinweg wahrẽ/ da sagte er in sich selbst: O ihr Goͤtter/ redete nicht der trefliche Fuͤrst Herkules mit mir? und wer weiß/ ob nicht Fuͤrst Ladisla sein Gefaͤrte ist? der sein Angesicht so fleissig verhuͤllete/ daß er von mir nicht erkennet wuͤrde; rante jhnen auch Sporenstreichs nach/ umb zu erfahren/ ob er recht waͤhnete. Ladisla hoͤrete die Huef Eisen und sagete zu Herkules: Gilt Bruder/ wir sind erkennet/ laß uns in diß enge Gaͤschen streichen/ da man zu Pferde uns nicht verfolgen kan/ unser Vorsatz duͤrffte sonst gebrochen werden. Sie tahten hiemit einen Sprung/ und lieffen geschwinde fort/ dem Alten zu entwischen; der jhrer Flucht bald innen ward/ und biß vor das Gaͤschen jhnen nach setzete/ da er vom Pferde stieg/ und aͤussersten Vermoͤgens hin- A ij ter ih- Erstes Buch. ter ihnen her lief; wahr doch so fertig nicht/ diese hatten sich schon verstecket/ und seinen Au- gen sich entrissen; Welches nicht allein ihm sehr leid wahr/ sondern zugleich hohes verwun- dern brachte/ aus was ursachen sie vor jhm fliehen moͤchten/ weil sie durchaus nichts arges sich von jhm zu befahren haͤtten; Doch weil bey so fruͤher Tages zeit die Haͤuser noch ver- schlossen wahren hoffete er/ sie wuͤrden jhm so leicht nicht entgehen; Lieff also immer fort/ biß er vor ein Huͤttchen kam/ dessen Unter Tuͤhr offen stund/ und gedachte bald/ sie wuͤrden da- hinein geschloffen seyn; trat hinein und fahe sich fleissig uͤmb/ biß er jhrer im finstern Win- kel/ hinter einem grossen Weinfasse gewahr ward. Diese verwunderten sich/ wie sie jhn sa- hen/ und fing Ladisla mit ertichtetem Zorn und abgekehrtem Angesicht an: Alter/ jhr moͤget wol ein unhoͤflicher Geselle seyn/ daß jhr fremde dergestalt verfolget/ die umb gewisser Ursach zu Rom nicht erkennet seyn wollen. So gehet nun eures weges/ und lasset uns des unsern ab- warten/ sonst werdet jhr empfinden/ daß meine Faͤuste nicht wichtloß sind; oder gedencket jhr etwa/ Rom sey eine Freystadt alles Vorwitzes? Er wolte in seiner Draͤurede fortfahren/ a- ber Wezesla/ der jhn an der Stimme keñete fiel vor jhm in die Knie und sagete: Durchleuch- tigster Fuͤrst/ weß zeihen sich eure Gnaden? kennen die jhren alten Diener Wenzesla nit mehr/ der ich mannichen beschwerlichen Weg/ dieselbe außzuk und schaffen/ geritten habe? Dieser kunte sich weiter nicht verstellen/ fassete jhn beym Arme/ hieß jhn auffstehen/ und fragete/ was er neues aus Boͤhmen braͤchte/ auch/ ob seine Eltern und Frl. Schwester annoch frisch und gesund waͤhren. Wenzesla wolte ihm keinen schleunigen Schrecken einjagen/ und gab zur Antwort. Er wuͤste nicht anders/ ohn daß der Koͤnig bey seiner Abreise ziemlich schwach ge- wesen; koͤnte nicht eigentlich sagen/ wie es umb jhn stuͤnde. Ich muhtmassete wol/ sagte La- disla zu Herkules/ daß mein gestriges Nasebluten mir nichts gutes bedeuten wuͤrde; aber was stehen wir in dieser Huͤtten? Du sihest/ lieber Bruder/ daß wir an unserm Kirchgange verstoͤret werden; wird demnach das beste seyn/ daß wir umbkehren nach unser Herberge. So werde ich vorhin lauffen/ sagte Wenzesla/ umb mein Pferd zu suchen/ welches ich unferne von hinnen habe stehen lassen. Er eilete geschwinde fort/ und als er des Gaͤschen ende errei- chet hatte/ und nach seinem Pferde sich umsahe/ ward er zweer Buben gewahr/ welche dassel- be vor sich hintrieben/ wiewol es sich hefftig straͤubete/ und mit allen vieren von sich schlug. Erst bedachte der Alte seine Thorheit/ durch hinterlassung des Pferdes begangen; lief/ so fast er mochte/ hinten nach/ und schrihe die Diebe an/ wohin sie mit seinem Pferde gedaͤchten; welche sich doch daran wenig kehreten/ und jmmerzu bemuͤhet wahren/ den auffgebundenen Wetscher vom Pferde zu reissen/ der sie wol bespickt seyn dauchte; geriet auch endlich dem einen/ daß er sich in den Sattel schwang/ und die Beute abloͤsete/ welche auf die Erde fiel. Der ander war nicht faul bey der Auffhebung; doch saß jhm Wenzesla zu fruͤh auff der Haube/ riß ihm den Wetscher unterm Arme hinweg/ und sagte: Du wirst mir gleichwol diesen liebẽ Schatz nicht ohn alle Einsprach entfuͤhren; Zum wenigsten werde ich das Luder mit dir drum ziehen. Inzwischen schlug das Pferd hinten aus/ und traff diesen Buben auff die Hufft/ dz er niederstuͤrzete/ und der Ohnmacht nicht ferne war; Sein Geselle aber setzte sich im Sattel feste/ stieß das Pferd an/ und rante in aller eile davon/ jhm selbst fluchend/ daß er den Wetscher mit so grosser Muͤhe loßgemacht/ und sein Gluͤck/ wie er meynete/ auff die Erde geworffen hatte. Herkules und Ladisla sahen der Kurtzweil von ferne zu/ traten endlich naͤher/ und er- innerten Erstes Buch. innerten Wenzesla/ er solte sich des Pferdes begeben/ und den geschlagenen Knecht liegen lassen/ sie wolten ihm schon zu einem andern verhelffen. Er aber/ wie sehr er sich wegen des geretteten Wetschers freuete/ so war er doch uͤber der kuͤhnen Dieberey so hart ergrimmet/ daß er den beschaͤdigten Dieb zwang sich zu erheben/ damit er durch jhn seines Pferdes wie- der habhafft werden moͤchte; muste also dieser arme Tropff mit zuschlagener Hufft fortkrie- chen biß in Herkules Herberge/ da jhn Wenzesla band/ und in eine finstere Kammer versper- rete; folgete hernach den beyden Fuͤrsten auff jhr Gemach/ oͤffnete den Wetscher/ und nahm ein Schreiben herauß/ welches er Ladisla mit diesen Worten einhaͤndigte: Durchleuchtig- ster Fuͤrst; was massen wir Menschen ohn Standes unterscheid der Gebrechligkeit des flei- sches/ ja dem Tode selbst unterworffen sind/ erfahren wir taͤglich in allen Staͤnden. Nun ist mir leid/ daß ich der Ungluͤcks Bohte seyn/ und Euer Durchl. melden muß/ was massen durch einen klaͤglichen Fall/ die Goͤtter nach jhrem unerforschlichen Raht und willen/ den Großmåchtigsten Unuͤberwindlichsten Fuͤrsten und Herrn/ Herrn Notesterich/ unsern wei- land herrschenden Koͤnig/ Euer Durchl. Herrn Vater/ zu sich abgefodert haben/ wo durch unser gantzes Koͤnigreich in einen sehr leidigen Stand gesetzet ist/ insonderheit/ weil Eure Gn. ausser Landes in der frembde sich schon eine geraume Zeit aufgehalten/ uñ kein Mensch erfahren koͤnnen/ an was Ort oder Enden dieselben anzutreffen seyn; Da dañ unterschiedli- che Diener von Euer Gn. Fr. Mutter/ unser gnaͤdigsten Koͤnigin uñ den Landstaͤnden aus- geschicket sind/ umb zu erforschen/ in was Landschafften Eure Gn. zu suchen waͤhre/ nach dem schon etliche sich unterstanden/ allerhand Zeitungen von deren Tode außzusprengen/ und Euer Erb Koͤnigreich zu verunruhen/ welches aber bißher von Euer Gn. Fr. Mutter und we- nig anderer Vorsichtigkeit ist verhindert worden/ sonst moͤchte das Land durch iñerliche Auf- ruhr wol schon in vollem Ungluͤcks-brande stehen. Wie hohes Verlagen nun das ganze Reich nach Euer Gn. Ankunfft trage/ wird dieses Schreiben in etwas vermelden. Ladisla erseufftzete uͤber dieser Zeitung/ und lase folgenden Inhalt mit traͤhnenden Augen: Hedewig/ verwittibte Koͤnigin in Boͤhmen/ gebohrne Groß Fuͤrstin aus Teutschland/ entbeut jhrem Sohn Fuͤrst Ladisla/ muͤtterlichen Gruß: Der grimmige Todt/ welcher weder Tugend noch Froͤmmig- keit schonet/ hat leider meinen liebsten Koͤnig und Gemahl von meiner Seiten gerissen/ und mich in den leidigen Witwenstand/ dich aber und deine Fraͤulein Schwester ins Waͤysen-Buch eingeschrieben. Du kanst nicht glaͤuben/ lieber Sohn/ mit was heissen Traͤhnen das gantze Reich jhren verlohrnen frommen Herrn und liebreichen Vater beweinen; und vermehret diese Traurigkeit nicht umb ein geringes/ daß sie dein/ als jhres Erb Koͤniges nicht allein entbehren/ sondern nicht eins wissen muͤssen/ in was Stand oder Land du deine Jugend zubringest. Ich habe hin uñ wieder nach dir außgeschicket/ hoffe es werde dich end- lich einer außfragen/ wo du sonst noch lebest. Sey ja nicht traͤge/ so bald du dieses inne wirst/ dich auff die Fahrt zu machen/ damit ich und dieses Land erstes Tages die Krone auff deinem Haͤupte sehen moͤgen; sonst duͤrffte einem andern/ der sich in sie verliebet/ die Lunge darnach haͤngen/ welcher dir in wenig Tagen so viel ungelegenheit einstreuen koͤnte/ daß du es in geraumer Zeit abzukehren Muͤhe haben muͤstest. Und damit dirs an Zehrungskosten nicht gebreche/ hastu bey Zeigern Wenzesla eine Anzahl Kleinot/ auff 30000 Kronen/ und einen offenen Wechsel biß auff 100000 Kronen zu empfahen. Gehabe dich wol/ und erfreue deiner betruͤbten Mutter Seele durch deine froͤliche Wiederkunfft Gegeben auff dem Koͤnigli- chen Schlosse zu Prag/ von deiner getreuen Mutter. Hedwig. Nach Verlesung reichte ers seinem Herkules hin und sagte: Geliebter Bruder/ ich find alhie sehr leidige Zeitung; wollest/ bitte ich/ den Brief lesen/ und mir deine Meynung daruͤber eroͤffnen. Dieser lase es mit grosser A iij Traurig- Erstes Buch. Traurigkeit behende durch/ und antwortete ihm: Herzlieber Bruder; Gott ist mein Zeuge/ wie hefftig der klaͤgliche Tod deines Herr Vaters mir zu herzen gehet; und mag Boͤhmen wol mit Warheit klagen/ daß es den gerechtesten und gnaͤdigsten Koͤnig an jhm verlohrẽ hat. Wann wir aber betrachten/ daß jedweder diesen Weg alles Fleisches gehen/ und das irdische dereins ablegen muß/ sollen wir unsere Traurigkeit billich maͤssigen/ und gedenken/ daß an den unsern nichts neues geschiehet/ wann ihnen die Nohtwendigkeit zustosset/ die uns allen gemein ist. Zwar es gehet uns saur ein/ diesen Trost stracks anfangs zu ergreiffen; Dann wer wolte seiner lieben Eltern Abscheid aus dieser Welt/ mit Traͤhnen unbegleitet lassen? jedoch/ weil durch dieselben nichts wiederzubringen ist/ muß man billich im Leide masse halten/ in- sonder heit wann wir versichert sind/ daß die Vestorbenen bey allen Bekandten einen guten Namen/ und stete Gedaͤchtniß jhrer Tugend hinterlassen/ welches Lob dem weiland Groß- maͤchtigsten Herrn und Koͤnige/ Herrn Notesterich keine Vergaͤngligkeit hemmen/ viel we- niger rauben wird. Er wolte in dieser Trostrede fortfahren/ ward aber iñen/ daß die Hauß- Tuͤhr mit Gewalt auffgebrochen ward/ daher sie beyde als bald den Helm auff setzeten/ Schild und Schwert zun Haͤnden nahmen/ und hinunter vom Gemache ins Hauß traten/ da sie gleich funden/ daß sechzehn freche/ zum theil uͤbel gekleidete/ aber mit Schwertern alle wol- versehene Wagehaͤlse zur Tuͤhr eindrungen/ und durch ein ander rieffen/ wo der Gefangene/ den das Pferd geschlagen/ hinkommen waͤhre. Unsere Helden traten gehertzt zu jhnen ein/ uñ fragete sie Herkules/ wer sie so kuͤhn gemacht haͤtte/ jhre Herberge unabgesagt zu uͤberfallen. Der Rottmeister eine Helle Barte in der Hand haltend/ laͤchelte jhn an und sagte: Es wehre immer und ewig schade/ daß der Himmel sich an jhm geirret/ und jhn nicht zum Weibsbilde gemacht haͤtte/ auff welchen fall er jhn vor seine Meisterin anzunehmen willens waͤhre. Her- kules war ungewohnet/ dergleichen Reden gedultig anzuhoͤren/ und gab jhm zur Antwort; Er solte sich nur bald zur Tuͤhr hinauß packen/ ehe jhm der Abzug verlegt wuͤrde/ haͤtte er aber uͤ- ber ichtwas zu sprechen/ solte ers mit recht thun/ da man sich zur Antwort erboͤte. Ja schoͤner Herr/ antwortete dieser/ ich wil euer Erinnerung statt geben/ wiewol mit dem bedinge/ daß jhr und euer Geselle mit uns gehet; griff mit diesem Worte nach jhm/ in meynung jhn zu fa- hen; aber Herkules trat zuruͤcke/ zog das Schwerd/ und hieb von der Seiten her jhm das An- ge sicht vor dem Kopffe hinweg/ daß es wie eine Vorhaube auff die Erde fiel/ und er zugleich mit niederstuͤrzete. Nun fahre hin/ sagte Herkules/ du wirst fort mehr keiner Meisterin be- duͤrffen. Als seine Diebs Rotte solches sahe/ drungen sie einmuͤhtig auff unsere Helden zu/ die sich aber auch nicht seumeten/ sondern ein solches Spiel unter jhnen anfiengen/ daß ehe sie XX Streiche fuͤhreten/ schon achte/ theils erschlagen/ theils zur Gegenwehr unduͤchtig ge- macht wahren; wie wol auch Ladisla eine tieffe Wunde in die rechte Seite bekam/ woraus das Blut auff Herkules Kleider spruͤtzete/ und er gezwungen ward/ einen Abtritt zu nehmen/ in dem Herkules sich unter die acht uͤbrigen mischete/ und wie ein ergrimmeter Loͤwe um sich schlug und stach/ daß noch drey erlegt wurden/ und die andern nicht an jhn durfften/ ungeach- tet er auch an unter schiedlichen Orten seines Leibes verwundet wahr. Als er ein wenig Lufft empfand/ kehrete er sich nach Ladisla/ und fragete/ wie es umb jhn stuͤnde/ welcher mit schwa- cher Stimme antwortete: Sehr wol mein Bruder/ wann die Goͤtter dich nur erhalten. Mit welchen Worten er sanfft zur Erden nieder sanck; Woruͤber sein Freund als ein Loͤwe auffs neue Erstes Buch. neue loßgieng/ des gaͤntzlichen Vorsatzes/ mit Ladisla zu sterben/ oder seinen Todt zu raͤchen; schlug demnach so eiferig unter sie/ daß sein Schwert auch durch die Pantzer gieng/ mit wel- chen jhrer etliche sich unter den Kleidern verwahret hatten/ biß sie/ ausser zween/ zuꝛ Erde stuͤr- tzeten/ und er hingegen auch anfing krafftloß zu werden. Der alte Wenzesla hatte sich bißher nicht gereget/ stund auff dem Gemache als ein Verzukter/ und sahe diesem Wunder-handel zu; endlich trat er zuruͤck in die Kammer/ machte mit den auffgehengeten Harnischen ein grosses Geraͤusche/ kam bald wieder/ und rieff mit starker Stimme hinter sich: Ihr meine getraͤue Diener komt/ und fahet mir die Schelmen lebendig/ daß sie nicht entrinnẽ; wo durch diese hoͤchlich erschrecket/ das Gewehr von sich warffen/ und der Tuͤhr zulieffen. Aber Her- kules ermannete sich/ trat jhnen entgegen/ und stieß jhnen das Schwerd durch die Gurgel; rieff darauff den alten Wenzesla zu sich/ und befahl/ daß er alsbald den Wund Arzt/ so gegen uͤber wohnete/ herzu holen solte. Derselbe war mit zween Gesellen bald verhanden/ sahe den jungen Held mit blutigem Schwerd und Kleidern zwischen so vielen Erschlagenen stehen/ und kunte vor verwunderung kein Wort sprechẽ; Da Herkules zu jhm sagte: Mein Freund/ da lieget mein Bruder hart verwundet/ wo nicht gar erschlagen; sehet ob noch Leben in jhm sey/ ich wil euch der Muͤhe redlich lohnen. Wenzesla gehub sich als ein Verzweiffelter/ und wolte viel ruͤttels an jhm machen; Aber Galehn der Artzt redete jhm ein; Er solte ihm den Verwundeten helffen sanffte auffheben/ und auffs Gemach tragen; Zohe jhm das Wam̃es als einem Todten ab/ und bestrich die Schlag Adern und Naseloͤcher mit kraͤfftigem Wasser/ daß er endlich noch ein Lebenszeichen von sich gab; deßwegen er jhm allerhand Blutstillung gebrauchte/ und insonderheit die gefaͤhrlichste Seiten wunde wol in acht nam. Herkules/ wie schwach er gleich war/ wolte sich nicht verbinden lassen/ seufzete/ und gehub sich klaͤglich/ biß jhm Galehn zurief; Sein Bruder lebete noch/ und solte guter Hoffnung nach/ geheilet werden; Worauff er zuließ/ daß der eine Geselle ihm die Kleider abzohe/ und seine Wunden/ deren er XXIV hatte/ verband/ woruͤber er gleich wol etliche mahl in Ohnmacht fiel/ weil jhm fast kein Blut mehr im Leibe uͤbrig war. Als Ladisla zu sich selbst kam/ schlug er die Augen schwaͤchlich auff/ und fragete mit liegender Zunge/ ob sein Herkules lebete; und weil der Arzt seine Rede nicht verstund/ noch jhm Antwort gab/ entwarff er sich und sagete: Wer hat euch befohlen/ mich zu verbinden/ weil mein einig geliebter Bruder tod ist/ und ich keine Stunde nach ihm uͤberbleiben wil? Wenzesla kam zu allem Gluͤck darzu und antwortete: Gnaͤdiger Herr/ euer Herkules ist nicht todt/ sondern nach erhaltenem Siege staͤrcker als jhr. Wol! so last mich jhn sehen/ sagte er/ oder meinen Geist ohn ferner auffhalten ihm nachreifen. Herku- les war drunten im Hause verbunden/ hatte sich schon ziemlich erhohlet/ uñ ließ sich die Stei- ge hinauff leiten. So bald jhn Ladisla sahe/ sagte er mit blinzenden Augen zu jhm: Mein Bruͤ- derchen/ lebe/ so wil ich auch bald genesen. O meiner Seelen Liebe/ antwortete er/ bekuͤmmere dich nur meinet wegen nicht im geringsten/ sondern laß dir helffen/ ich bin GOtt Lob/ ausser To des Gefahr. Der Arzt warnete sie beyder seits traͤulich/ sie solten den Liebes-bewaͤgungen nicht zusehr nachhaͤngen/ sonst wuͤrden sie uͤbel aͤrger machen/ welches fast schon auffs hoͤch- ste kommen waͤhre; Die Gedanken muͤsten so wol als der Leib ruhen/ solte jhnen sonst geholf- fen seyn. Daher Herkules seinen Ladisla erinnerte/ dem Arzt folge zu leisten/ wo er sonst durch seinen Tod jhn nicht zugleich mit hinreissen wolte. Also wurden sie beyde befriediget/ lagen gegen Erstes Buch. gegen einander uͤber auff Bankpolstern/ uñ wurdẽ von des Arztes Gesellen fleißig gewartet. Inzwischen hatte jhr Haußwirt Sabihn sich mit seinem Gesinde wieder hervor gemacht/ welche im anfange des blutigen Kampffs davon geflohen waren/ und in Winkeln sich hin und wieder verstecket hatten/ wo sie meynetẽ am sichersten zu seyn. Sie kunten sich nicht gnug verwundern/ daß das Hauß voll Blutes stund/ und mit Erschlagenen angefuͤllet war; und wolte der Wirt von Wenzesla fast mit Gewalt wissen/ was die Ursach dieses moͤrdlichen uͤ- berfalles seyn moͤchte; wovon er jhm doch keinen bescheid zu geben wuste/ und gleich in dem gewahr ward/ daß ein Raͤuber noch nicht verschieden war/ ließ ihn durch kraͤfftige sachen er- quicken/ und mit Draͤuung schwerer Peinigung befragen; welcher aber wegen seiner Wun- den Schmerzen nicht viel reden kunte/ baht sehr/ jhm seine Pein durch schleunigen Todt zu verkuͤrzen/ und den Gefangenen vorzunehmen/ der umb alles Wissenschafft truͤge; worauff diesem die Seele außfuhr. Wenzesla schleppete seinen Gefangenen auß der finstern Kam̃er hervor/ der alles angehoͤret/ und so viel seine Schmertzen zuliessen/ sich daruͤber gnug belusti- get hatte; sagte auch/ wie er die Erfchlagenen sahe: O jhr nichts werte verzagte Hudler; bil- lich muͤsset jhr da gestreckt liegen/ weil jhr euch vor zween jungen Kerlen nicht habet schuͤtzen koͤnnen/ denen ich/ wann ich gesund und frey waͤhre/ allein Mannes gnug seyn wolte. Indem er aber den Haußwirt unvermutlich erblickete/ hielt er die Arme vor das Ange sicht/ um nicht erkennet zu werden. Wenzesla draͤuete jhm den abscheulichsten Todt/ wo er auff seine Frage nicht gleich zu antworten wuͤrde. Er aber sagte: Lasset zuvor euren Haußwirt abtreten/ als- dann gelebe ich eures willens. Sab ihn gedauchte die Stimme zu kennen/ reiß jhm die Arme vom Gesichte hinweg/ und nach fleissiger Besichtigung/ erkennete er jhn vor seinen Knecht Geta/ der jhm vor zwey Jahren/ da er in einem andern Hause wohnete/ entlauffen war/ und einen Zehrpfennig auff 200 Kronen mit genommmen hatte; erblassete demnach vor Zorn/ und sagte: O du abgefeimter Bube/ geraͤhtestu also wieder unter meine Haͤnde? gewiß wird dir das Gluͤck nicht so guͤnstig seyn/ daß du ungefoltert verscheidest. Erzaͤhlete darauff Wen- zeslaen/ wie er vor ungefehꝛ drittehalb Jahren diesen leibeigenen getauschet/ der sich anfangs sehr wol gehalten/ endlich aber der Gelegenheit wahr genommen/ ihm die Laden auffgebro- chen/ und was er an Baarschafften funden/ mit weg genommen haͤtte. Der verwaͤgene Geta antwortete ihm: Herr/ jetzt betreffe ich euch auff einer gedoppelten Luͤgen; dann vorerst habe ich eure Lade nicht auffgebrochẽ/ sondern mit meinem Nach schluͤssel/ der zu allen eurẽ Schloͤs- sern gerecht war/ auffgeschlossen. Vors ander/ habe ich mich an eurer Seiten nie wol gehal- ten/ sondern allemahl abgeknappet/ wie und was ich gekunt; und haͤtte ich gewust/ daß hier eu- re Wohnung waͤhre/ solte mich der alte Krum Reuter wol nicht uͤber eure Schwelle gebracht haben. Mir genuͤget an deiner gutwilligen Bekaͤntniß/ sagte Sabihn/ werde auch desto mehr ursach haben/ dir nach Verdienste abzulohnen. Aber sage mir/ wer hat dißuͤbel in meinem Hause gestifftet? Je wer anders antwortete er/ als die/ so diese meine feige Gesellen erschla- gen haben? Wer sind aber diese deine ehrliche Gesellen? fragte Sabihn. Besehet sie/ ant- wortete der Bube/ wie jhr mir getahn/ so werdet ihr eigentlich befinden/ daß sie eben diese sind/ welche da todt liegen. Sabihn ergrimmete des Spottes/ und sagte: Ey so mustu mir heut noch anders reden/ es waͤre dann/ daß dein Fleisch ja so steiff als dein Sinn seyn moͤch- te. Tuht euer bestes/ antwoꝛtete dieser/ dz weꝛde ich auch tuhn/ und diesen Saz halten muͤssen. Die Erstes Buch. Die anwesenden Knechte entbloͤsseten ihn am gantzen Leibe/ und mit scharffen Geisseln stri- chen sie ihn allenthalben/ daß das Blut von ihm flosse; Er aber stund an der Saͤule als ein unempfindlicher Kloz/ biß eꝛ von Schmerzen in Ohnmacht fiel. Sie labeten ihn bald mit kraͤfftigen Sachen/ und draͤueten ihn weiter zu geisseln/ wo er nicht bekennen wuͤrde/ durch wessen Anstifftung der moͤrdliche uͤberfall geschehen waͤhre; kunten abeꝛ nicht das gering- ste auß ihm bringen/ ohn daß er ein bitteres Gelaͤchter anfing/ und zur Antwort gab; Er muͤste wol ein verzagter Mensch seyn/ wann er seine eigene Zunge nicht bendigen/ und gute Freunde zu verrahten abhalten koͤnte; moͤchten sich derhalben umb nichts bekuͤmmeꝛn/ als wie sie das wenige uͤbrige seines Lebens mit neuen Geisseln vollends herauß peitscheten/ dem er von herzen feind waͤhre/ weil es ihm so ungehorsam/ und auff sein begehren nicht willig außweichen wolte. Niemand kunte sich des Frevels gnug verwundern/ und sagte Wenzesla: Ich weiß nicht/ ob ich heut groͤssere Tugend an unsern Helden/ oder an diesem verwaͤgenen Tropff steiffere Hartnaͤckigkeit gesehen habe; und wann ich wissen solte/ daß die Bosheit in ihm koͤnte gedaͤmpffet werden/ wolte ich ihm das Leben helffen verbitten. Worauff der verstokte Geta zur Antwort gab: Ich habe mir bißher steiff vorgenommen/ nimmermehr zu tuhn/ was die/ so man Tugendhaffte nennet/ gut heissen/ glaͤube auch noch diese Stunde nicht/ daß ich meine Flecken oder Haut endern werde. Die Haut/ sagte Sa- bihn/ wirstu ohn Zweiffel endern/ da du leben solt/ sintemahl die alte dir dergestalt zukerbet ist/ das davon nicht viel mehr ůbrig scheinet. Ey so reibet mich fein mit Salz/ antwortete er/ und waschet mich mit Allaunwasser/ damit das alte gar hinweg gebeizet werde; alsdañ moͤchte ich mich vielleicht etwas bessern; aber die Bosheit/ wie jhrs nennet/ welche gar zu tieff bey mir eingewurzelt ist/ wird der Tugend in meiner Seele nimmermehr Raum goͤn- nen; dann ich fuͤhle/ daß mein innerstes nichts als abgeschaͤumeter Frevel und begierige Widerspenstigkeit ist/ dabey ichs dann werde bewenden lassen. Hierauff ruhete er ein we- nig/ ob schlieffe er/ dann des Fleisches Schmerzen wahr uͤberauß groß; ermunterte sich aber bald wieder/ und sagte mit schwacher stimme: gute Nacht/ ich scheide von hinnen; so erfuͤllet nun/ bitte ich/ meinen lezten Willen/ und schreibet mir diesen Grabe-Reim zu ewi- ger Gedaͤchtniß/ gilt gleich/ an die Galgen-Saͤule/ welches ich lieber wolte/ oder auff einen Marmelstein: Hier liegt Geta/ dessen Geist Allen Frevel Tugend heist/ Der ihm Bosheit hat erkohren; Der nie gutes hat gewolt/ Darumb ist/ O schoͤnster Sold! Sein Gedaͤchtniß unverlohren. Mit dieser Rede gieng das lezte seiner Seele auß jhm/ also daß kein Zeichen einiger Unge- baͤrde an ihm gesehen ward. Wenzesla nam sein fleissig wahr/ meynete nicht/ daß ihm der Todt so nahe gewesen waͤhre/ als er jhn aber keinen Finger mehr regen sahe/ fieng er zu den Anwesenden an: Immer schade ist es/ daß dieser Mensch in seiner ersten Jugend nicht un- ter die Hand guter Lehrmeister gerahten ist/ welche das zarte Gemuͤht bald anfangs zur Erbarkeit haͤtten angehalten; Dann waͤhre dieses Reiß recht gewehnet/ was vor herrli- che Fruͤchte solte der Baum zu seiner Zeit getragen haben. Ja/ sagte Sabihn/ haͤtte jhn mein Herr damahls gekennet/ wie ich jhn bekam/ wuͤrde er ihn vor den ausrichtigsten Men- schen gehalten haben; dann nebest den Fleiß und Wachsamkeit wuste er sich demuͤhtig uñ B dienst- Erstes Buch. diensthafft zu halten/ daß ich mich gluͤkselig schaͤtzete/ einen solchen Knecht angetroffen zu haben; wahr auch gesinnet/ ihm seine Dienste dereins mit der Freyheit zu belohnen/ und die Verwaltung meines Landguts zu vertrauen. Ihr wuͤrdet euch aber im Außkehrich heßlich betrogen funden haben/ sagte Wenzesla/ wo sonst seiner lezten Beichte/ die er mit seinem Tode bekraͤfftiget hat/ einiger Glaube beyzumaͤssen ist. Deß wil ich jhm auch eine wirdige Urtel sprechen/ antwortete Sabihn; hieß ihn damit neben den andern Leichen auf die Schindgrube schleppen/ und den Hunden und Raben vorwerffen. Unsere hart verwundete Helden wusten diesen Tag wenig umb sich selbst/ in sonder- heit Ladisla/ welcher gewißlich des Todes haͤtte seyn muͤssen/ wann des Arztes grosse Er- fahrenheit und Traͤue nicht gewesen waͤhre; dann es gieng ihm eine Ohmacht uͤber die andere zu/ daß er kaum den Odem zihen kunte; und nicht desto weniger wolte er immer sei- nes Herkules Zustandes berichtet seyn/ welcher gegen Abend etwas Speise genoß/ und auf seinem Lager sich auffrichtete; welches Ladisla ersehend/ eine lebendige Farbe unter dem Angesichte bekam/ sich auch mit gutem Willen handeln und verbinden ließ. Des folgen- den Tages besahe der Arzt Herkules Wunden/ und zeigete an; er muͤste ohn zweifel bey den Goͤttern in grossen Gnaden seyn/ massen unterschiedliche Hiebe so gar gefaͤhrlich gangen/ und doch wunderlich abgeglitschet wehren/ da er sonst ohn alle Huͤlffe haͤtte sterben muͤs- sen; Wolte jhn aber schon versichern/ daß auff gebuͤhrliches Verhalten/ er innerhalb drey Wochen/ seine voͤllige Gesundheit wieder haben solte; Welches Ladisla mit sonderlicher Belustigung auhoͤrete/ der nur acht Wunden hatte/ die nicht sonderlich zu bedeuten/ ohn die in der rechten Seite/ welche Galehn noch nicht oͤffnen wolte/ weil er sich einer neuen Verblutung befahrete; doch weil die uͤbrigen sich wol anliessen/ fassete er auch wegen die- ser eine gute Hoffnung. Nun hatte er aber noch keinen Heller/ so wenig wegen des ersten Bandes/ als auff das kuͤnfftige empfangen/ wuste auch nicht/ woher jhm feine teure Arz- ney-kosten/ und die grosse Muͤhe- und Kunst-anwendung solte belohnet werden; massen sie in diesem Wirtshause etwa IX Tage sich auffgehalten/ und weder Knecht noch Diener/ ausser einen Leibknaben hatten/ der ihnen noch des vorigen Tages entlauffen wahr/ und des Wirths Haußknecht jhnen die Pferde warten muste. Daß nun Galehn gleichwol im gewissesten seyn moͤchte/ erinnerte er den alten Wenzesla/ die Kranken zu fragen/ ob sie die Arzneyen selbst einkaͤuffen/ oder jhm solche bezahlen wolten. Sie hetten sehr zarte Leiber/ dergleichen ihm nie vorkommen; so wehre die Verwundung/ wie sie selbst wuͤsten/ groß und gefaͤhrlich/ welche mit Haußkraͤutern sich nicht wolte heilen lassen; moͤchte also gerne wissen/ wessen er sich hinfuͤro verhalten solte. Wenzesla gab solches Herkulessen auf teutsch zu verstehen/ der ihm befahl/ einen rohten Wetscher auß der verschlossenen Lade zu holen; redete inzwischen mit Galehn/ und sagte: Mein Freund/ verzeihet/ bitte ich/ unser gestri- gen Schwachheit/ welche verhindert hat/ daß wir unser schuldigen Dankbarkeit nicht ha- ben koͤnnen eingedenke seyn/ und lasset eure beyde Gesellen herzuruffen. Dieser holete sie selber/ daß Herkules Zeit hatte/ etliche Sachen zu sich zu nehmen; und als sie alle drey sich einstelleten/ gab Herkules dem Meister einen schoͤnen Ring von 50 Kronen/ und so viel Baarschafft/ zu jhm sagend; Sehet da mein Freund/ hiemit sey euch der erste Band und der schon angewandte Fleiß vergolten/ so es gnug seyn wird/ und begehret jhr ein mehrers/ sol Erstes Buch. sol es euch zu allem Danke werden. Dieser war jhm solcher Freygebigkeit nicht vermuh- ten/ wegerte sich/ alles zu nehmen/ und auff Noͤhtigung erbot er sich/ es in kuͤnfftig mit sei- nen getraͤuen Diensten zu erkennen/ und allerhand noͤhtige Arzneyen davon einzuk auffen/ boht auch jedem Gesellen eine Krone von dem empfangenen; Da Herkules ihm einrede- te/ er solte dieses vor sich behalten/ und gab ihnen XXIV Kronen/ unter sich gebuͤhrlich zu teilen; Wodurch sie ingesamt dermassen zum fleiß auffgemuntert wurden/ daß sie stets auffwarteten/ und zu allen Diensten sich willig einstelleten. Bey spaͤtem Abend machte sich Galehn an Ladislaen Seitenschaden/ loͤsete jhn sorgfaͤltig auf/ und nach fleissiger Besichti- gung sagte er zu Herkules: Mein Herr/ euer Bruder sol mit der Goͤtter Huͤlffe an dieser Wunde nicht sterben/ dasern er sich nur aller Sorge und Schwermuͤhtigkeit entschlagen/ und meiner getraͤuen Warnung folgen wird. Davor sey Gott im Himmel Dank/ antwor- tete er; vermahnete hernach seinen lieben Freund/ sein selbst acht zu haben/ damit er nicht Moͤrder an seinem Leibe wuͤrde; welches Ladisla also beantwortete: Mein Bruder/ be- kuͤmmere dich nur meinet wegen nicht; ich wil/ wie bißher geschehen/ deines Willens ger- ne leben/ unter der Hoffnung/ die Goͤtter werden unsere/ kaum vor neun Wochen wieder erneuerte Freundschafft nicht so schleunig zureissen. Aber deine Gesundheit wird das heil- samste Pflaster zu meinen Wunden seyn/ deßwegen/ ihr mein getraͤuer Arzt/ sagte er zu Ga- lehn/ leget nur Fleis an meines lieben Bruders Heilung/ und seyd versichert/ daß ich euch nicht doppelt/ sondern vielfach lohnen werde. Mein Herr/ antwortete dieser; ob ich wol zu euer Gesundheit sehr gute Anzeigung spuͤre/ moͤchte ich doch von herzen wuͤndschen/ daß ihr erst in dem Stande waͤhret/ darin euer Bruder sich befindet/ als dann wolte ich euch beyde inwendig XIV Tagen gehen und reiten lassen/ wohin euchs geluͤsten moͤchte; wolle demnach mein Herr wegen seines Bruders sich nicht bekuͤmmern/ der in fuͤnff Tagen vor ihm stehen und sitzen sol. Dieses erfolgete auch in der taht/ massen nach solcher Zeit Her- kules sich des Tages etliche Stunden von seinem Lager auffmachete/ da hingegen Ladisla annoch grosse Gefahr hatte; biß nach Verlauff eilff Tagen/ da Herkules schon gehen kun- te/ der Arzt nach Besichtigung des gefaͤhrlichsten Schadens sagete; Nunmehr habe ich/ dem Himmel sey Dank/ die unfehlbaren Zeichen/ daß am Eingeweyde durchaus nichts verletzet/ oder doch schon alles wieder geheilet ist; Wann nun mein Herr sich mehr wird zur Speise halten/ damit Leib und Geist Krafft bekommen/ und der angewandten Kunst zu Huͤlffe treten/ sol durch der Goͤtter Segen und meinen Fleiß/ heut uͤber drey Wochen die- se schaͤdliche Wunde keines verbindens mehr beduͤrffen. Dessen nicht allein Herkules/ son- dern auch Wenzesla froh ward/ so daß dieser schon außrechnen durffte/ auff welchen Tag er mit seinem Herrn sich auff dem Prager Schlosse finden wolte. Am siebenzehenden Ta- ge nach der Verwundung/ legte Herkules seine Kleider an/ und ob gleich Ladisla der groͤs- sesten Gefahr entrunnen war/ hielt doch seine Schwachheit sehr an/ daher Wenzesla sich eines langwierigen Lagers befuͤrchtend/ ihn diesen Tag erinnerte/ es wuͤrde die Koͤnigin seine Fr. Mutter sonder Zweifel sich hefftig bekuͤmmern/ daß sie so gar keine Zeitung von ihm haͤtte; wolte deßwegen/ da es seiner Gn. gefaͤllig/ eine schnelle Botschafft ablauffen lassen/ damit sie in ihrem Truͤbsal getroͤstet wuͤrde. Aber Ladisla wehrete ihm solches/ ein- wendend/ er haͤtte Schwachheit halber noch nicht Zeit gehabt/ darauff zu sinnen/ wessen er B ij sich Erstes Buch. sich erklaͤren wolte; so beduͤrffte es keines andern Bohten; Er wenzesta selbst solte fort- gehen/ so bald er schwachheit halben schreiben koͤnte. Dem Alten kam diese Antwort ver- daͤchtig vor/ und hielt noch mahl an/ da Ihre Durchl. es zugeben koͤnte/ wolte er deren Ge- sundheit abwarten/ und Ihr in kuͤnfftig auff der Reise auffwaͤrtig seyn; Aber Ladisla wolte ihm nicht Wiederspiel halten/ weil er seinen Schluß bey sich schon gemacht hatte. Des folgenden Tages/ da er mit seinem Herkules allein wahr/ und derselbe vor seinem Bette saß/ redete er ihn also an: Herzlieber Bruder/ ich halte vor unnoͤhtig/ unser hoͤchst- vertrauliche Freundschafft und Liebe/ die von dem ersten Tage unser Kundschafft her/ aus- ser dem neulich ertichteten Unwillen/ allemahl zwischen uns steiff und fest bestanden/ dich weitlaͤufftig zu erinnern; eines meyne ich/ dir allerdinge unverborgen zu seyn/ daß ich lieber sterben/ als deiner angenehmen Gegenwart beraubet seyn wolte/ daher du keines weges gedenken darffst/ ich werde mein Koͤnigreich antreten/ und dich von mir lassen; So ist dir gnug bekant/ daß mir der Odem nach der Reichs Kron nicht stinket/ sondern gesonnen bin/ meine bluͤhende Jugend in ritterlichen uͤbungen/ und Erfahrung fremder Sitten/ auch be- suchung abgelegener Laͤnder anzuwenden; iedoch moͤchte ich gerne hieruͤber deine Mey- nung vernehmen/ ob du lieber mit mir zugleich gewaltiger Koͤnig in Boͤhmen seyn/ und nach deines Herrn Vaters Absterben/ meiner Laͤnder Macht/ zur Eroberung deines Groß Fuͤrstentuhms anwenden; oder aber/ welches ich lieber wolte/ unser genommenen Abrede nach/ die Welt versuchen/ und deine Mannheit/ der ich keine zuvergleichen weiß/ in ritterlichen Tahten eine zeitlang neben mir uͤben und pruͤfen woltest. Hertules kunte ihm nicht laͤnger zuhoͤren/ und antwortete: Davor behuͤte mich mein Gott/ daß dein Erb- Koͤnigreich zugleich neben dir einen andern Koͤnig haben und ernehren; oder ich wider meines Vaters und des Landes Willen/ einen Fuß/ geschweige grosse feindliche Krieges- heere in mein Vaterland bringen solte. O nein/ O nein! Herkules hat so viel Gnade und Vergnuͤgung von Gott/ daß er mit gutem Gewissen lieber im Elende/ ja in aͤusserster Ar- mut und Dienstbarkeit sein Leben zubringen/ als wider Gewissen ichtwas besitzen und be- herschen wil/ wie ich dessen schon anderthalb Jahr einen guten Beweistuhm abgelegt ha- be. So kanstu nicht glaͤuben/ geliebter Bruder/ wie hoͤchlich ich mich freue/ daß ich dich erster Zeit einen gewaltigen herschenden Koͤnig wissen sol; gelebe auch der gaͤnzlichen Zu- versicht/ du werdest durch solche Erhoͤhung/ und auff deinem stolzen Schlosse deines ge- traͤuen Herkules nicht allerdinge vergessen/ sondern unser geschwornen Freundschafft ein- gedencke seyn; Ich hingegen verspreche dir/ daß mein Herz und Gemuͤht nimmermehr von dir absetzen sol/ sondern in allen Laͤndern/ da ich seyn und ehrlich leben werde (dann oh- ne Ehre verderbe ich lieber)/ ich zu deiner Gedaͤchtniß deinen und meinen Nahmen in ei- ner fuͤglichen Vermischung fuͤhren wil. Inzwischen wollestu/ bitte ich/ deiner Heilung durch widrige Gedanken keine Hinderung geben/ sondern des Arztes vorgeschriebenen Satzungen dich gemaͤß verhalten/ auff daß du desto zeitiger in dein Koͤnigreich zihen koͤn- nest; mich wird mein Gott und Heyland schon fuͤhren/ wie ers gnaͤdig versehen hat. Hie- mit fiel er seinem liebsten Freunde umb den Halß/ und kuͤssete ihn auß herzlicher Gewogen- heit/ als einen/ mit dem er sich schier letzen wuͤrde. Ladisla empfand sein Herz vor Liebe auffwallen/ daß zu befuͤrchten wahr/ es moͤchte die gefaͤhrliche Seiten wunde/ die sich ein wenig zugesezt hatte/ wieder auffbrechen; sahe doch seinen allerliebsten Freund gar lieblich an/ Erstes Buch. an/ und sagte mit sanffter Stimme: So merke ich wol/ Herkules stecket in dem Wahn/ als ob Ladisla ohn jhn Koͤnig seyn/ oder jhn ohne seine Gesellschafft koͤnne reisen lassen? Ja/ wann Boͤhmen die ganze Welt waͤhre/ dann koͤnte ich meinem Herkules folgen mit dem Hosstabe/ und meinen Stuel setzen/ wo jhn zu seyn beliebete. Herkules wiederantwortete: So solte Boͤhmen meinetwegen unselig und ihres Koͤniges beraubet seyn? Ladisla: So solte Ladisla umb der Boͤhmischen Krone willen unselig/ und seines lieben Herkules berau- bet seyn? Herkules: Ich bleibe der Deine nicht desto weniger; oder meynest du/ Herkules koͤnne eines Koͤniges Freund nicht seyn? Lieber rede mir hievon nichts mehr/ sagte Ladisla; ich schwoͤre bey dem Gott aller Goͤtter/ daß ich mit willen mich von dir nicht trennen wer- de; wuͤrdestu aber beschworne Traͤue brechen/ und Zeit meiner Schwachheit heimlich von mir scheiden; sihe so wil ich mich/ wie krank ich bin/ zu Pferde setzen/ und nicht auffhoͤren in der Welt umbzureiten/ biß ich dich außspuͤre; sterbe ich dañ solcher gestalt/ so sol mein Geist dich allenthalben verunruhen/ und deine Traͤulosigkeit dir vorhalten. Diese Worte rede- te er mit solcher Bewaͤgung/ daß jhm das Blut auß der Nasen hervor schwitzete/ sahe auch Herkules mit verwendetẽ Augẽ an/ als einer/ der leztzuͤgig ligt; dessen er hoͤchlich erschrak/ ihn umfing/ und sagete: Herzallerliebster Bruder/ was verursachet dich zu dieser hefftigen Verenderung? haͤltestu mich fuͤr einen meineydigen Boͤsewicht/ der sich von dir ohn Ab- scheid hinweg stehlen wil/ so verzeihe dirs mein Gott. Hiedurch ersetzete Ladisla alsbald seine Sinnen/ druͤckete ihm die Hand aus innerlicher Hertzensliebe/ und antwortete ihm: Habe ich mich an dir zu hoch vergiffen/ so raͤche dich ohn schonen; kanstu aber den Fehler verzeihen/ welcher auß der allerlautersten Liebe entstehet/ so bleibe mein Herkules/ wie ich dein Ladisla bleiben werde; und hoͤre meines Herzen unbewaͤglichen Schluß: Mein Koͤ- nigreich sol mich durchaus nicht sehen/ du geleitest mich denn dahin mit freyem und aller dinge ungezwungenen Willen und Vorsaz. So ist meine Fr. Mutter verstaͤndig gnug/ die Herschafft zu verwalten/ weil ich ausser Landes bin. Wuͤrde nun der Himmel es schicken/ daß ich auff unser Reise etwa durch unfall das Leben einbuͤssen solte/ und du mein Koͤnig- reich anzunehmen dich wegern woltest/ so ist meine Meynung/ daß dein Bruder Baldrich meine Frl. Schwester Valisken (die nunmehr von XIV Jahren) heirahten/ und Sie Ihm meine Koͤnigreich zur Heimsteur zubringen sol. Herkules wolte jhm hierauff Antwort ge- ben; aber Ladisla kam ihm zuvor/ und sagte; Ehe ich dir einige Antwort goͤnne/ beschwoͤre ich dich zuvor bey dem wahren Gott Himmels und Erden/ und bey deinem Jesus/ den du taͤglich anbehtest/ daß du dich nicht unterstehest/ mich von meiner vorgenom̃enen Reise ab- zumahnen; Du we ist/ daß mein Koͤnigreich dein ist/ und du mir keinen groͤssern Dienst tuhn koͤntest/ als dasselbe mit mir gemein zu haben; sintemahl dir aber nicht gefaͤllig ist/ deine Jugend daselbst in Muͤssigang und uͤppigkeit zuzubringen/ ich dir auch solches nicht rahten kan/ wil ich dich forthin nicht mehr darzu reizen/ sondern habe nun selbst diß mein Land auff gewisse Zeit in meinem Herzen verschworen; deßwegen sol und muß un- ser gemachter Schluß fest bleiben/ und so bald ich genese/ ins Werk gerichtet werden. Herkules sagte: Boͤhmen moͤchte wuͤndschen/ daß ich nie gebohren waͤhre/ oder du mich niemahls mit Augen gesehen haͤttest; dann so viel ich mercke/ wird solches Land meinetwe- gen ohn seinen Koͤnig seyn muͤssen/ welches ich auff ein oder ander Jahr noch so groß nicht achten wolte; Wie aber/ wann mir mein Gott in weit abgelegener Ferne etwa Kriegs- B iij dienste Erstes Buch. dienste/ oder wol gar eine Herrschafft versehen haͤtte/ woltestu als dann dein Reich ange- ben/ und bey mir bleiben? Lieber bedenke doch/ mein Bruder/ was unbilliche Sache du vor- nimst/ und verschwoͤre nicht in deinem Herzen/ wozu dich Gott selbst beruffen und verord- net hat. So wil ich nun/ angesehen deine hohe Beteurung/ dich in meiner Gesellschafft herzlich gerne eine zeitlang wissen/ allein beschwoͤre mich nach diesem nicht mehr so hoch/ auf daß ich nicht gehindert werde/ mein getraͤues Bedenken dir anzudeuten. Was endlich meinen lieben Bruder Baldrich betrift/ so hat derselbe durch GOttes Gnade in kuͤnfftig (weil ich ja enterbet seyn sol) so viel Laͤnder zu beherrschen/ daß er ein mehres weder verwal- ten noch begehren kan; Zweifele auch sehr/ ob die Land Staͤnde deines Reichs damit wuͤr- den friedlich seyn; Und warumb woltestu mit Schliessung solcher Heyraht zwischen dei- ner Frl. Schwester und meinem Bruder so schleunig verfahren? nach dem mahl dieser erst von XIIX Jahren ist/ und man nicht wissen kan/ ob eins dem andern von Gott versehen sey; welche lezten Worte er mit sonderlicher Bewaͤgung vorbrachte. Ich wil alles nach deinem Gutduͤnken machen/ sagte Ladisla/ nur daß unser abgefasseter Schluß nicht gebro- chen werde/ ohn daß wir uns mit mehr Dienern versehen/ als wir sonst willens wahren/ weil auß Boͤhmen ich nun Mittel gnug haben kan/ sie zu unterhalten. Wie es dir gefaͤlt/ mein Bruder/ antwortete er; doch sehe jch nicht/ wie wir uns nur vor umschweiffende Rit- ter außgeben koͤnnen/ wann wir mit zu grosser Menge reitender Diener einher prangen; haͤtte ein jedweder einen Handfesten aͤdlen Diener/ der uns ein gutes Leib-Roß nachfuͤh- rete/ und einen Knaben/ auff unsern Leib zu warten/ waͤhre meines ermaͤssens/ uͤbrig gnug; und solche zu unterhalten/ wie es dir ein geringes/ also kan mir auch nicht mangeln/ weil meine Fr. Mutter mir im neulichsten Schreiben Hoch Ritterliche Zehrungskosten ver- sprochen hat; und wer weiß/ was vor Gluͤk uns durch Abenteur zustossen moͤchte/ daß wir in der Fremde mehr Gelder uͤberkaͤhmen/ als wir auß unserm Vaterlande zugewarten ha- ben? O daß ich nur erst recht gesund waͤhre/ sagte Ladisla/ damit an Verhinderung unsers loͤblichen Vorsatzes ich nicht laͤnger schuld truͤge. Wir sind ja/ weiß nicht wie/ zu diesen Wunden kommen/ antwortete Herkules/ und was haͤtten wir vor Ruhm davon/ wenn die- se heillosen Diebe uns haͤtten gar erschlagen? Ich hatte mich meines Lebens gar zeitig er- wogen/ sagte Ladisla/ als ich sahe/ daß die frechen Buben so muhtig in unsere Schwerdter lieffen; Zweifele auch nicht/ da der verwaͤgene Geta seine Faͤuste mit gebrauchen koͤnnen/ wuͤrde es noch gefaͤhrlicher umb uns gestanden seyn; jedoch geschehene Dinge sind nicht zu wieder bringen/ nur daß sie uns zur Lehre dienen/ dergleichen unloͤbliche Streite/ so viel moͤglich zu meiden/ welche viel Wunden und wenig Ehre geben; Wann ich nun wissen moͤchte/ wie bald ich voͤllig genesen solte/ haͤtten wir unsere Sachen darnach anzustellen. Wenzesla saß im Neben-gemache/ und hoͤrete alle vermahnungen/ damit Herkules Ladis- laen zur reise nach Boͤhmen bewaͤgen wolte/ aber weil derselbe wegen schwachheit zu sanf- te redete/ kunte er dessen antwort nicht vernehmen; meinete auch/ Herkules unwillige re- den gingen auff etwas anders als auff eine verwegerung/ nach Boͤhmen zu ziehen. Galehn stoͤrete ihr Gespraͤch durch seine ankunfft/ zu welchem Herkules sagete; Gewißlich/ mein Freund/ wird mein Bruder schlimmer Haut zu heilen haben als ich. Ja mein Herr/ ant- wortete er; Herr Ladisla ist fluͤssiger und schwermuͤhtiger art; wiewol des Herrn wunden gegen Erstes Buch. gegen diesen Seiten-Schaden nicht zu rechnen sind; doch haben wir das gefaͤhrligste schon vorbey gebracht. Er loͤsete hiemit die Binde auff/ und als er das Pflaster hinweg taht/ drang ein zimlich teil Blut hervor; dessen er sich uͤbel gehuhb/ fing an zu schelten/ und verwies ihm mit harten worten/ warumb er sich so heftig bewaͤget/ daß die Wunde einen Bruch bekommen; es duͤrffte leicht geschehen/ daß das lezte aͤrger wuͤrde als das erste/ und er sein lebelang ein krummer Mensch bliebe; truͤge demnach bedenken/ die heilung allein uͤber sich zu nehmen/ wan er seinem getraͤuen Raht nicht folgen wolte/ damit man ihn her- naͤhst nit der versaͤumnis oder des Unverstandes zu beschuldigen haͤtte. Herkules hatte ihm seine Geldliebe schon abgemerket/ sahe gleichwol/ daß eine grosse Verenderung an der Wunde wahr/ dessen Ursach er wol wuste/ und sagte zu ihm; haͤtte sein Bruder sich viel- leicht uͤbersehen/ solte es hin fort nicht mehr geschehen/ und moͤchte er gebeten seyn/ allen fleiß an zuwenden/ daß die heilung in kurzer zeit verrichtet wuͤrde/ des wolten sie sich dank- barlich einzustellen wissen. Galehn wuste wol/ daß er ein mehres nicht fodern durfte/ weil er vor sich schon uͤber 160 Kronen baar empfangen hatte; wolte sich gleichwol dieses erbie- tens gebrauchen/ und fragete/ ob ihnen dañeben an der eile so groß gelegen waͤhre/ so wolte er inwendig drey wochen/ von heut an zurechnen/ den Schaden ganz heile schaffen; und ob sie ihm noch etwas vor seine muͤhe zuwenden wolten/ stellete er ihrer hohen Freigebig- keit anheim. Warumb solte euch eure muͤhe unvergolten bleiben? sagte Herkules; thut ihr nur fleiß/ daß die Wunde von grundaus geheilet werde/ als dan solt ihr vor diese drey Wochen noch XL Kronen haben. Wie aber/ sagte Galehn/ wann ich den Kranken vor auß- gang der drey Wochen gesund schaffete? Ladisla wahr dieses eine angenehme rede/ und antwortete ihm: So mannichen Tag ihr mir an dieser Zeit verkuͤrzet/ so manniche Sechs Kronen solt ihr uͤber die versprochenen haben/ und wuͤrde mir nichts lieber seyn/ als daß ich diesen Tag voͤllig gesund wuͤrde/ das Geld wolte ich euch willig zahlen/ und noch wol ein neues Kleid zum uͤberschusse. Ich bedanke mich des milden erbietens/ sagte Galehn; ging hin/ hohlete ein neues Pflaster/ und vermaß sich/ dafern dieses nach seinem Willen/ wie er hoffete/ wirken wuͤrde/ wolte er sich morgen einer kuͤrzern Zeit erklaͤren; Wie dann wirklich erfolgete; massen dieses so gute Huͤlffe taht/ daß des neun den Tages hernach La- disla gesund wahr/ und das versprochene gerne erlegete. Da kunte nun Wenzesla/ der mit Schmerzen diese Tage geharret/ jhm keine andere Rechnung machen/ als daß Ladisla mit ihm nach Boͤhmen reisen wuͤꝛde; Deßwegen er/ wie unsere Helden diesen Abend im Bre- te spieleten/ zu ihm sagete: Uber drey Wochen/ geliebts den Goͤttern/ spielen Eure Gn. mit Ihrer Frl. Schwester/ welche/ wie ich mir sagen lassen/ in diesem Spiel sehr schlauh und er- fahren seyn sol; so habe ich noch zur Zeit/ wegen Traurigkeit und Kummer/ meiner Gnaͤd. Fraͤulein Befehl nicht verrichten koͤnnen/ da sie selbst zu mir ans Pferd kam/ und mich ih- ren Durchl. Oheim und Bruder Groß Fuͤrst Herkules schwesterlich gruͤssen hieß/ dafern ich ihn bey ihrem Hn. Bruder Ladisla vermuhtlich antreffen wuͤrde; Das Wahrzeichen meiner Schwesterlichen Traͤue und Auffrichtigkeit/ sagte sie/ gebet ihm bey dem mir ge- raubeten Bande/ welches er als ein Gedaͤchtnis wieder meinen willen zu sich genommen/ und so hoher Ehr nicht wirdig ist/ deßwegen seine Liebe ich bitten lasse/ das unter den Klei- noten eingewickelte Armband von XXV Demanten zusammen gesezt/ von mir anzunehmẽ/ und Erstes Buch. und es mir zu gefallen stets am rechten Arme zutragen. Ging hiemit zu dem Wetscher/ hoh- lete es her/ und lieferte es mit diesen Worten: Durchleuchtigster Fuͤrst/ ich wuͤnsche daß mein Gn. Fraͤulein keinem Unwirdigern etwas schenken moͤge. Ladisla lachete des Wun- sches/ und sagte: Wie so mein Wenzesla? wollet ihr dañ nicht auch etwas von meiner Frl. Schwester geschenket haben? Ja/ Gnaͤdiger Herr/ antwortete er/ ich nehme trauen lieber als ich gebe; aber meine Reden halten eine sonderliche Heimligkeit in sich/ die ich dereins deutlicher außlegen werde. Herkules ward nicht allein des uͤbergeschikten Armbandes/ sondern auch des entbohtenen unfehlbaren Warzeichens ihrer unbruͤchigen traͤue hoͤchst erfreuet/ dann er hatte bißdaher in aͤngstiger Furcht gelebet/ sie wuͤrde wegen seines langen aussenbleibens/ und daß er nie keinmahl an sie geschrieben/ sein schon vorlaͤngst vergessen haben/ oder da sie seines Christenthums innen wuͤrde/ ihm deßwegen nicht weniger als sein leiblicher Vater selbst/ Haß und Wiederwillen zulegen; nach dem er aber dieser Furcht gaͤnzlich enthoben ward/ nam er das Armband mit sonderlicher Ehrerbietigkeit an/ zog ein kleines Ringelein hohes Werts vom Finger/ und uͤberreichte es Wenzesla mit diesen Wor- ten: Es ist mir sehr lieb/ daß meine Durchl. Frl. Wase und Schwester/ ihres so lange Zeit abwesenden Dieners eingedenke ist; wollet ihr demnach naͤhst Anmeldung meines Grus- ses und meiner bereitwilligsten Dienste/ diesen schlechten Ring hinwieder zustellen/ und daß ich mich erbiete/ ihrer Liebe der eins mich mit wirdigerer bezeigung der schuldigen Dankbarkeit finden zulassen/ welches mir vor dißmahl nicht der wille/ sondern bloß das unvermoͤgen verbeut. Wenzesla nam den Ring zu sich/ mit dem versprechen/ ihn gebuͤhr- lich einzulieffern/ bekam aber sehr fremde gedanken/ daß er nicht vielmehr Ladisla als ihm den Ring zustellete. So bald sich Ladisla zur ruhe gelegt hatte/ verfertigte Herkules in aller stille ein Schreiben an das Fraͤulein/ und gab es Wenzesla noch desselben Abends mit die- sem befehl: Sehet/ dieses Schreiben/ in welchem ich meine Frl. Wase umb eine mir noͤh- tige Werbung an meine Fr. Mutter die Koͤnigin bitte/ wollet ihr in gute verwahrung nehmen/ und es hochge dachtem Fraͤule in in hoͤchster geheim zustellen/ daß dessen kein eini- ger Mensch innen werde/ weil auch die Fr. Koͤnigin selbst nicht wissen darff/ daß ich ein solches suche; hilfft mir Gott der eins/ wie ich hoffe/ wieder in mein Vaterland/ sol euch dieser dienst wol vergolten werden. Meldet sonst dem Fraͤul. wegẽ des angefoderten Ban- des/ es werde keines andern/ als des Raͤubers Hand ihr solches einliefern/ biß dahin sie ihr die Zeit nit wolte lange wehren lassen/ und inzwischen mit versprochener Schwesterlicher hulde mir gewogen verbleiben. Des folgenden Morgens machte Ladisla auch zwey Schrei- ben an seine Fr. Mutter fertig/ deren das eine zugleich mit an die Landstaͤnde gerichtet wahr/ als in welchem er anzeigete/ wie es Zeit seines abwesens mit des Reichs verwal- tung solte gehalten werden; Im andern baht er von ihr vertraulich/ was ihm jaͤhrlich zum unterhalt solte nach Rom durch Wechsel uͤbergemacht werden. Und nach dem er sie wol versiegelt hatte/ haͤndigte er sie Wenzesla solcher Gestalt ein: Hier sind zween Brieffe an meine Fr. Mutter/ die sollet ihr auff schneller eile uͤberbringen/ und nichts als dieses wenige vermelden; Ich verbleibe ihr gehorsamer Sohn/ als lange ich lebe; dafern sie aber ein Muͤtterliches Herz zu mir traͤget/ wolle sie ihr den Inhalt/ wo nicht beyder/ doch des groͤs- seren Schreibens gnaͤdigst gefallen lassen; und wann deren keines seyn koͤnne/ habe sie macht/ Erstes Buch. macht/ nicht allein als eine Mutter/ sondern auch als eine gebietende Koͤnigin mit mir zu schalten. Wenzesla antwortete: wie dann gnaͤdigster Herr/ sol ich das Gluͤk und die Ehre nicht haben/ Ihre Durchl. nach Prag zubegleiten? was wird meine allergnaͤdigste Koͤni- gin sagen/ daß von euer Durchl. ich geschieden bin/ und derselben nicht auffwarte? Be- kuͤmmert euch umb nichts/ sagte Ladisla/ meine Fr. Mutter wird nach verlesung meiner Schreiben mit mir und euch schon zufrieden seyn; nur gruͤsset mir daneben meine geliebt- ste Frl. Schwester/ und andere gute Freunde. Also muste Wenzesla von Rom hin weg voll Unmuht und mißligkeit/ daß er seinen Herren nicht mit bringen solte; wie wol er noch der guten zuversicht lebete/ er wuͤrde bald nachfolgen/ und die Herrschafft antreten. Nach seinem Abzuge bereiteten sich unsere Helden/ ihren Ritterzug vorzunehmen. Sie hatten schon drey gute Pferde/ zu denen kaufften sie noch fuͤnffe/ und vier Ritter Harnische von schlechtem an sehen/ aber sehr feste/ uñ in Sizilien geschmiedet/ nahmen zween Leibkna- ben an/ gutes Roͤmischen Adels/ welche Sie in roht Scharlaken mit einer guͤldenen Borte kleideten; Vor sich selbst aber jeder drey koͤstliche Kleider machen liessen/ bestelleten auch zween ritterliche Diener/ in Waffen wol geuͤbet/ und von den Roͤmischen Geschlechtern/ die aber in tieffen Schulden stecketen/ daß sie uͤmb Sold dienen musten/ weil sie von ihren Glaͤubigern hart gedraͤnget wurden/ daß sie von jhren Guͤtern wenig zu geniessen hatten. Sab ihn ihr Wirt verwunderte sich/ woher ihnen so viel Mittel kaͤhmen/ angesehen sie vor ihrer Verwundung gar kaͤrglich gelebet/ und sich keines uͤberflusses hatten merken lassen. Weil ihm nun alles/ was verzehret wahr/ auff einem Bredte bezahlet wurde/ haͤtte er sol- che Gaͤste gerne laͤnger behalten/ daher er ihnen nach Moͤgligkeit vorging. Des sechsten Tages nach Wenzesla Abschied/ erhielt Herkules bey seinem Ladisla/ daß er mit ihm in die Christliche Versamlung ging/ und jhrem Gottes dienste beywohnete/ so viel einem Unge- taufften zugelassen wahr; und ob er gleich alles vor Aberglauben und Kindische Gebraͤu- che hielt/ so begunte er doch den Christen etwas geneigter zu werden/ weil er sahe und hoͤre- te/ daß jhr Gottes dienst viel anders beschaffen wahr/ und der Gottlosigkeiten sich keine be- funden/ deren sie von den Weltweisen und Heydnischen Pfaffen beschuldiget wurden. Nach vollendetem Gottes dienste trat Herkules zu dem damahligen Bischoff Urban/ und lieferte jhm 100. Kronen/ unter die nohtleidende Christen außzutheilen/ mit dem Verspre- chen/ daß/ wann ihm Gott zu seiner Reise Gluͤk geben wuͤrde/ wolte er hernaͤhst ein mehres bey den Armen tuhn; begehrete daneben/ daß er jhn ins gemeine Gebeht einschliessen/ und vor seinen lieben Gesellen zu Gott bitten wolte/ daß er zum Christentuhm erleuchtet wuͤr- de; ging mit Ladisla wieder nach der Herberge/ und ließ daselbst zwoͤlff lahme gebrechliche Christen speisen/ und Tuch zu Kleidern geben/ hernach besahe er den Ort/ wo die beyden vortreflichsten Bohten und Juͤnger des Herrn/ Peter und Paul/ jhr Leben durch willigen Todt umb des Nahmen Jesus willen zugesezt hatten/ da der heilige Peter gekreuziget/ und Paul enthauptet wahr/ da dann Ladisla sich in seiner Geselschafft befand. Endlich bestel- leten sie ihren Wirt Sabihn zum Verweser und Auffheber aller kuͤnfftigen Wechsel Gel- der und Briefen/ bey des dieste von anderwerz bekommen/ und die sie an gewisse oͤrter schrei- ben und uͤbermachen wuͤrden/ davor sie ihm jaͤhrlich 150 Kronen vermacheten/ und auff ein Jahr vorauß bezahleten. Dem Arzt schenketen sie zum Abzuge XX Kronen/ und bey- C den Erstes Buch. den Gesellen X; kaufften auch umb XX Kronen eine koͤstliche Wund Salbe von jhm/ wo- mit man alle frische Wunden in kurzer frist heilen kunte/ und nahmen des folgenden Tages gar fruͤh Abscheid/ in hoffnung/ Gott wuͤrde sie an ort und ende fuͤhren/ woselbst sie Ruhm und Preiß erwerben koͤnten. Als sie uͤber die Gasse vor Herr Zinna/ Herkules gewesenen Herrn Wohnung vorbey ritten/ ward dessen Tochter/ Fr. Zezilia jhrer gewahr/ winkete ihrem lieben Herkules/ auff ein Wort stille zu halten/ verwieß ihm hoͤchlich/ daß er sich so lange noch zu Rom auffgehalten/ und ihr kein mahl zugesprochen haͤtte. Er aber entschul- digte sich sehr/ daß er und sein Freund vor etlichen Wochen gefaͤhrlich verwundet/ und kaum vor wenig Tagen erst genesen waͤhren; haͤtte gestriges Tages Zeitung von Hause gehabt/ sich eilend daselbst einzustellen/ weil seine Fr. Mutter to des verblichen/ und er die Haußhaltung wider seinen Willen antreten muͤste; baͤhte demnach dienstlich/ ihm zu ver- zeihen/ daß er ihr laͤnger Geselschaft nicht leisten koͤnte. Ich habe wol gewust/ sagte sie/ daß ihr noch stets zu Rom seyd gewesen/ aber eure Herberge nicht erfahren koͤnnen/ sonst haͤt- te ich euch diesen Denkring meiner guten Gewogenheit/ durch meine Leib dienerin zuge- schikt/ welchen ich euch nun selbst liefern wil/ mit Bitte/ jhn eurer ergebenen Freundin Ze- zilien wegen zu tragen/ und bey demselben der Engellaͤndischẽ Geschichte (diese ist im fuͤnf- ten Buche zu lesen) stets eingedenke zu seyn. Hochwerte wahre Freundin/ antwortete er; ich bedanke mich der annoch ferner bezeigeten Gutwilligkeit/ die ich/ wo ich leben sol/ zu er- setzen/ unvergessen seyn werde; Die Erinnerung aber der Geschichte wird sie ohn Zweifel mit solchem Herzen vorbringen/ als ich sie auffnehme; und wolle/ bitte ich sehr/ ihre gelieb- te Eltern unser beyder wegen dienstlich gruͤssen; vielleicht gibt es die Gelegenheit/ daß wir uns dereins wieder sprechen. Hieb damit sein Roß an/ und rante mit seiner Geselschafft eilig fort/ weil er sich befuͤrchtete/ von Herrn Zinna auffgehalten zu werden. Als er zum aͤussersten Tohr außritte/ seufzete er/ und sagte zu Ladiska: Nimmermehr werde ich das al- lerliebste Rom auß meinem Gedaͤchtniß kommen lassen/ ob ich gleich noch hundert Jahr leben solte; Dann ungeachtet ich hieselbst anderthalbjaͤhrige Leibeigenschafft und harte Dienstbarkeit außgestanden/ muß ich doch gestehen/ daß naͤhst Gott/ ich diesem Orte allein meiner Seelen Wolfahrt/ und Gewissensvergnuͤgung zu danken habe; weil ich hieselbst endlich funden/ was meinen Verstand erleuchtet/ meinen Willen saͤttiget/ mich in Trau- rigkeit freudig machet/ und wider alle Unfaͤlle mich kraͤfftiget und staͤrket. O gluͤkseliger Tag/ da ich im Boͤhmerwalde von den Pannonischen Raͤubern gefangen; noch gluͤkseli- ger/ da ich von den Roͤmischen jhnen wieder geraubet/ und in dieser Stadt verkauft ward; Dann durch diese gelegenheit bin ich zur Erkaͤntniß meines Gottes und Heylandes kom- men/ ohn welche ich ungezweifelt haͤtte ewig muͤssen verdamt und verlohren seyn. Ich weiß nicht/ antwortete Ladisla/ was sonderliches du doch in diesem Glauben funden hast/ ohn ei- nen vermeynten neuen Gott/ der etwa vor 225 Jahren/ wie du selbst gestehest/ von schlech- ten armen Eltern im Viehstalle gebohren/ in Mangel und Armut auferzogen/ von seinen eigenen Freunden und Blutsverwandten verachtet/ verfolget/ endlich gar als ein Ubeltaͤh- ter zwischen zween Moͤrdern aus Kreuz auffgehenket ist. Nun betrachte dagegen unsere Goͤtter; wie von grossen Leuten/ ja von Goͤttern selbst sind sie entsprossen; wie herꝛliche Tahten haben sie verrichtet/ und umb die ganze Welt sich so hoch verdient gemacht/ dz man sie Erstes Buch. sie daher nach ihrem Tode billich geehret/ und unter der Goͤtter Zahl auffgenommen hat. Herkules antwortete ihm: Mich jam̃ert dein von Herzen/ lieber Bruder/ daß du von geist- lichen und goͤttlichen Sachen so gar fleischlich/ und da ichs sagen darff/ kindisch redest; wil demnach dir alles beydes/ so wol/ was du von meinem HErrn JEsus/ als von deiner ver- meynten Goͤtzen Geburt/ Leben und Tahten meldest/ in aller Kuͤrze und Einfalt beantwor- ten. Und zwar vor erst gestehe ich/ daß meines lieben Heylandes Geburt/ seinem Fleische nach/ aͤusserlich sehr armselig und geringe vor der Welt scheinet/ weil sein Pflege-Vater Joseph nur ein Zimmerman/ und seine liebe Mutter/ die keusche Jungfer Maria ein ver- lassenes Waͤyselein wahr; aber dagegen waren sie dannoch beyderseits von dem allervor- trefflichsten Koͤniglichen Gebluͤt und Artstamme/ welches jemahl in der Welt gewesen; musten aber aus Furcht des Todes ihr Herkommen vertuschen/ weil Herodes alle Nach- kommen des Koͤnigs David suchte außzurotten. Betrachte aber meines HErrn JEsus Geburt nach jhrer innerlichen Treffligkeit und Wirde/ dann wird mir kein Mensch der- selben gleichen zeigen koͤnnen; massen einmahl wahr ist/ daß er ohn Zuthun eines Mannes/ bloß nur durch Krafft und Wirkung des Almaͤchtigen Gottes/ von hochgedachter Jung- fer Marien empfangen/ und ihre Jungfrauschafft durch einigen Menschen niemahls ist verletzet worden. Sie gebahr jhr Soͤhnlein zwar im Viehstalle/ aber zu Trost allen armse- ligen Menschen/ daß Er/ dieser Himmels Koͤnig/ auch der allergeringsten sich annehmen/ und sie zum ewigen Leben befodern wolte. Je doch muste seine Geburt gleichwol nicht ohn alles Gepraͤnge seyn/ sondern von dem grossen Engel und Himmels-Bohten Gabriel/ den Hirten auf dem Felde angekuͤndiget/ und von der unzahlbaren menge der himlischẽ Heer- scharen besungen werden; Zugeschweigen/ daß auch die Weisen Weltgelehrten auß Mor- genlande ihn zu verehren/ sich bald nach seiner Geburt eingestellet/ und mit Golde/ Weih- rauch und Myrrhen jhn beschenket haben. Nun wirffestu mir ein seine armselige Auffer- ziehung/ und schmaͤhlichen Todt; aber wann du mit mir erkennen koͤntest/ daß dieser unser Heyland/ wann es ihm umb gute Tage/ und treflichen Pracht waͤhre zu tuhn gewesen/ wol haͤtte in seiner himlischen Hocheit bleiben moͤgen; waͤhre diesem Zweifel schon abgeholf- fen; es ist dir aber noch zu hoch und schwer in deiner heydnischen Blindheit; Dann sein Vorsaz wahr/ uns suͤnd haffte Menschen bey seinem erzoͤrneten Vater wiederumb außzu- soͤhnen; und weil dessen Gerechtigkeit vor das Verbrechen auch Gnugtuhung erfoderte/ ja auch vor die begangene Suͤnde und Missetaht Straffe erteilen wolte; und aber wir nicht-werte Menschen weder seinem heiligen Willen gnug tuhn/ noch die Straffen des starken Armes unsers Gottes ertragen kunten; Als stellete sich unser Heyland zwischen Gott und uns/ erfuͤllete durch sein unstraͤfliches Leben den Willen Gottes/ und in aller ver- folgung und Todesangst fuͤhlete er an unser stat die harten Schlaͤge Gottes/ wo durch wir dem himlischen Vater hinwie derumb versoͤhnet/ und zu Gnaden auffgenommen sind/ da- fern wir nur auff diesen unsern Heyland uns verlassend/ uns vor mutwilligen Suͤnden huͤten/ und nach dem Willen Gottes unser Leben anstellen. Du wirst dich aber auch erin- nern/ was ich dir ehmahls zu wissen getahn/ wie daß dieser unser Helffer Jesus nicht lange im Tode und Grabe verblieben/ sondern am dritten Tage als ein gewaltiger Siegsheld le- bendig sich hervor gemacht/ und am vierzigsten Tage hernach/ sichtbarlich auf gen Himmel C ij gefah- Erstes Buch. gefahren ist/ da Er sich zur Rechten Hand Gottes gesezt hat/ auch von dañen am lieben juͤng- sten Tage kommen wird/ zu richten alle Menschen/ die vom Anfange der Welt biß auff die lezte Zeit gelebet haben/ und noch leben werden. Und wann du fragen woltest/ wie ich sol- ches gedenke zubeweisen/ wil ich dir vor dißmahl nur zu bedenken vorstellen/ daß die/ so mit dem HErren Jesus auff Erden gewandelt/ und seine Lehre angenommen/ nachgehends weder durch Pein noch Todt haben koͤnnen gezwungen werden/ dieses zu verleugnen/ welches sie ja nimmermehr als vernuͤnfftige Menschen wuͤrden gelitten haben/ dafern sie nicht waͤhren versichert gewesen alles dessen/ warumb sie den Todt vor das Leben erwåhlet. Du aber/ mein Bruder/ zeige mir einen Heyden/ der die Meynung von seinen Goͤtzen mit seinem Blute jemahls bestetiget und versiegelt habe. Ladisla gab hier auff zur antwort; Ich hoͤre deinen Reden zu/ und zwar mit gutem willen/ aber nicht anders gedeucht michs/ als da meine Fr. Mutter mir in der zarten Kindheit ein Mehrlein zu erzaͤhlen pflegte. Ja mein Bruder/ sagte Herkules/ das aͤusserliche hoͤren stehet in unserm wilkuͤhr und freyen Willen/ aber es innerlich annehmen/ und den Glauben daran haben/ koͤnnen wir selbst in uns nicht wirken/ sondern solches muß von Gott kommen; Zu dem ich der troͤstlichen Hoffnung ge- lebe/ Er weꝛde mein taͤgliches Gebet und inbruͤnstige Seuffzer der eins erhoͤren/ und duꝛch Krafft des Heiligen Geistes den Glauben in dir wirken. Ladisla antwortete; du weist/ mein Bruder/ wie inniglich ich dich liebe/ aber doch biß an die Goͤtter/ die ich umb Menschen willen nicht verleugnen kan; so wirstu dich auch unser Abrede erinnern/ und mich so we- nig/ als ich dich/ des Glaubens wegen noͤhtigen. Davor behuͤte dich und mich der All- maͤchtige Gott/ sagte Herkules/ daß wir ja keinem Menschen zugefallen ichtwas in unserm Glauben endern; O nein/ diese Meynung hats durchaus nicht; vielmehr rahte ich dir sel- ber/ daß du ehe nicht abtretest von deinen Goͤtzen/ biß der wahre Gott dir den Willen darzu verleyhet; denn sonst waͤhrestu ein Heuchler und Spoͤtter unsers Gottes. Ich muß aber das andere Stuͤk deines Einwurffs dir nicht unbeantwortet lassen/ woselbst du deiner Goͤtter statliches Herkommen/ grosse Tahten/ und herliche Verrichtungen ans Bret stel- lest/ wodurch sie sollen verdienet haben/ daß man sie unter die Zahl der Goͤtter auffgenom- men. O Ladisla/ betrachte/ bitte ich/ was du redest; Sind deine Goͤtter von Menschen ge- zeuget/ je so sind sie ia keine Goͤtter; Deñ wie koͤnten Menschen/ die sterblich sind/ unsterb- liche Goͤtter außhecken? Hat auch wol der Ochse jemahls einen wahren Menschen zum Sohn gehabt? Haben aber deine Goͤtzen/ zeit ihrer Menscheit/ loͤbliche Tahten verrichtet/ darzu verbindet sie die Erbarkeit/ wie uns Menschen alle miteinander. Du weist aber dan- noch/ wie viel Untahten sie zugleich daneben begangen/ und dadurch sich selbst geschaͤndet. Jupiter/ der beste unter allen/ vertrieb seinen leiblichen Vater den Saturn/ und legte jhm solche Schande an/ welche ich nicht melden mag; Ja er nam seine Schwester Juno zum Weibe/ wider die weltkuͤndigen eingepflanzeten Rechte; trieb auch Unzucht/ Ehebruch uñ andere abscheuliche Boßheiten. Dein Bacchus wahr ein Saͤuffer und Schwelger: Mer- kuhr/ aller Diebe und Raͤuber Schuzherr; Herkules tahten sind dir bekant/ beydes die ruhmwirdigen und lasterreichen. Venus wahr einer gemeinen Metzen/ die mit jhrem Lei- be Geld verdienet/ aͤhnlicher/ als einer tugendhaften Frauen. Noch darff man sie vor Goͤt- ter angeben/ ja vor Himmels Goͤtter. O der schaͤndlichen Gottheit/ die mit Laster und Un- zucht Erstes Buch. zucht sich besudelt/ wovor auch die gebrechliche Menschen abscheu tragen. Eure Gelehrtẽ wissen und behaͤupten/ daß der Himmel ein reines Wesen sey/ von allem Unflat gesaubert; Und in solchem reinen Hause solten so unreine Herren wohnẽ? Sie wissen und behaͤuptẽ/ daß die Gottheit alles gute/ alle Vollkommenheit in sich begreiffe; und die Goͤtter solten solche tugendlose Untiehre seyn? Aber ich weiß deine Entschuldigung wol/ welche du noch selber nicht weissest. Man muͤsse der Heydnischen Tichter uñ Buͤcherschreiber Reden von den Goͤttern nicht nach dem Buchstaben/ sondern nach dem innerlichen Verstande anse- hen und außdeuten; man muͤsse durch Saturn die Unvergaͤngligkeit; durch Jupiter die weit/ breite Lufft; durch sein Weib und Schwester Juno die Erde verstehen/ und durch ih- ren Beyschlaff oder Vermischung/ die Befruchtung/ welche die Erde von der warmen Lufft empfaͤhet/ und was dergleichen Auffzuͤge mehr sind. Hoͤre aber/ mein Bruder/ ist die Lufft dein Gott? ist die Erde deine Goͤttin? ie warumb fluchest und speyestu dann alles in die Lufft hin? je warumb trittestu die Erde mit Fuͤssen/ und besudelst sie mit deinem unflaͤ- tigen Kote? Ich sage mehr; wann die Lufft vergifftet ist/ daß sie dir die anklebenden Seu- chen verursachet/ ist dann auch dein hoͤchster Gott vergifftet? Und wann du die Erde mit dem Pfluge oder Grabeisen umbkehrest/ schneidestu dann der vornehmsten Ober-Goͤttin so manniche Wunden? Zum Beschluß/ daß ich dich nicht zu lange auffhalte/ gibstu vor/ die Menschen haben jhnen die Gottheit nach ihrem Tode zugeleget. Ey der schoͤnen Goͤt- ter/ die von Menschen darzu gemacht werden! Kan auch der Mensch einem Lebendigen die unsterbligkeit und Almacht schencken/ die er selber nicht hat? Mein Bruder/ fodere/ bitte ich/ von diesen Goͤttermachern zum Beweißtuhm ihrer Kunst/ daß sie mir auß einem Baum einen lebendigen Ochsen/ aus einem Esel einen vernuͤnftigen Menschen/ ja daß sie nur aus einem vierwoͤchigem Kalbe/ inwendig solcher Zeit eine erwachsene Kuh machen; fehlen sie aber hierin/ so glaͤube ihnen doch nicht/ wann sie ruͤhmen/ sie haben einen verstorbenẽ Men- schen mit der Gottheit uͤberkleidet/ und ihn ohn Leitern in den obersten Himmel bracht. Uñ gedenkestu/ derselbe sey als bald ein Gott/ der von Menschen davor erklaͤret wird? Ladisla antwortete: Du must zu Rom fleissig in die Schuel gangen seyn/ und einen spitzigen Mei- ster gehabt haben. Ich lasse aber alle deine Einwendungen die Pfaffheit verantworten/ de- nen solches oblieget/ und koͤnte inzwischẽ auch sehr viel von deinem Jesus beybringen/ wel- ches gnug waͤhre/ darzutuhn/ daß derselbe kein Gott sey: Streue immerhin ein/ und brin- ge alles bey/ was du kanst/ sagte Herkules/ wann es nur nicht mit Unwarheit und Laͤsterung geschihet. Jedoch weiß ich vor erst/ daß du ihn keiner Suͤnde/ oder einiges Unrechts zeihen kanst. Vors ander gestehe ich/ daß seiner menschlichen Art und Wesen nach/ er nicht ein Gott und Geist ist/ auch nicht ewig/ noch durch Eigenschafft der Menscheit allmaͤchtig o- der allenthalben gegenwaͤrtig: son dern/ weil die Goͤttliche Art oder Natur mit der mensch- lichen in einem selbstaͤndigen vernuͤnfftigen Wesen/ oder/ wie die Gelehrten reden/ in einer Person verknuͤpffet und unaussprechlicher unaufloͤßlicher weise vereiniget ist/ so ist eꝛ Gott und Mensch zugleich/ so daß die Gottheit gleichwol der Menschheit ihre Eigenschafften/ so viel sie derẽ kan faͤhig seyn/ mitgeteilet hat; wie diß hohe geheimniß ich vor diesem dir ein- faͤltig erklaͤret habe/ als viel menschliche schwachheit begreiffen/ uñ in diesem tunkeln Lichte der gebrechlichen Vernunft fassen kan. Behalte dir deinẽ tunkelen uñ uͤberverstaͤndlichen C iij Glau- Erstes Buch. Glaubẽ/ sagte Ladisla/ ich vor mein Haͤupt kan mir das Gehirn nit damit verwirren/ uñ wil viel lieber von dir vernehmen/ wie wir unsern Weg am fuͤglichsten fortsetzen koͤnnen/ dz wir die vornehmsten Staͤdte und Landschafften in Italien und Griechenland besehen moͤgen/ ehe wir uͤber das Syrische Meer nach dem verstoͤreten Judenreich zu gehen/ welches du umb deines JEsus willen so gerne besuchen/ und im Jordan die Tauffe empfangen wilt. Herkules wolte ihm antworten/ aber sein Leibknabe Publius zeigete an/ wie eine zimliche Anzahl Reuter mit verhaͤngetem Zaum hinter ihnen her jageten/ wornach unsere Helden sich umb sahen/ und sich verwunderten/ warumb sie ihre blanken Schwerter uͤmb den Kopff gehen liessen/ und dabey ein wuͤstes Geschrey anstelleten. Herkules sagte: Diese haben we- nig gutes im Sinne; muͤssen demnach fortreiten/ das wir eine Enge vor uns einnehmen/ und vor uͤmringung sicher bleiben. Also musten die Leibknaben vorhin/ ihre Ritterliche Diener aber Klodius und Markus (denen sie nicht allerdinge traueten) folgen/ und blie- ben sie selbst zuhinterst/ da sie ihrer Verfolger geschrey endlich verstunden/ daß sie halten/ und sehen lassen solten/ ob sie so wol ritterlich zu Kaͤmpffen/ als unbewehrte Knechte nider- zumachen das Herz haͤtten. Worauff Ladisla zu Herkules sagte; Schicke dich mein Bruder zum Klingen Spiel; wir hoͤren was vor leute wir bestehen sollen/ ich zweiffele nicht/ unsere gute Sache sol oberhand behalten. Sie foderten ihre beyden Diener vor sich/ und frage- ten/ ob sie bedacht waͤhren als ehrliche von Adel sich zuhalten/ und ihrem geleisteten Hand- schlage nach zukommen; Worauff sie antworteten/ daß sie ihren redlichen Nahmen nim- mermehr schaͤnden/ und heut diesen Tag wolten sehen lassen/ was vor redliche Traͤue sie zu ihren Herren truͤgen. Unsere Helden hoͤreten solches gerne/ hiessen sie neben sich hal- ten/ und schicketen sich unerschrocken zum Streit. Ihre Verfolger/ sechszehen an der Zahl/ renneten eiferig herzu/ und als sie sahen/ daß sie die unsern nicht nach willen umge- ben kunten/ stutzeten sie/ und ritten die vier ansehnlichsten zusammen/ einen Raht zuhalten/ schikten bald darauff einen Diener ab/ welcher den unsern diese Anmuhtung vortrug: Meine vier Gnaͤdige Herren/ so dort mit ihren ritterlichen Leuten halten/ erinnern sich bil- lich/ was gestalt ihr mit eurer gewafneten Geselschafft vor etlichen wochen ihre unschuldi- gen Knechte erschlagen/ welches sie/ als ihnen selbst geschehen/ sich zu gemuͤht ziehen; ge- denken es auch mit ihren Schwertern an eurem Leben zuraͤchen/ dafern ihr nicht vor jeden Erschlagenen ihnen 300 Kronen zahlen/ eure Pferde/ Harnisch und Gewehr ihnen lie- fern/ und wegen des begangenen Frevels/ demuͤtige abbitte tuhn werdet. Wer sind aber deine Herren? sragte Herkules. Vier streitbahre Roͤmische Ritter/ antwortete er/ vor deren Schwerter Schaͤrffe/ Stahl und Eisen brechen muß. So sage du ihnen hinwie- der/ sagte Herkules/ daß ich und meine Gesellen/ in betrachtung ihrer Anmuhtung/ sie mehr vor Raͤuber und Strassen Diebe halten/ biß sie bessere ritterliche tahten werden sehen lassen/ als durch uͤberfall ihrer die bischen Buben geschehen; dann was muͤssen dieses vor unnuͤtze Herren seyn/ die oͤffentliche Diebe auff der Straͤu halten? Ladisla kunte seinen Zorn laͤnger nicht meistern/ und taht hinzu: sage jenen Strassen Raͤubern/ da sie die abge- foderte Kronen empfangen wollen/ muͤssensie uns naͤher kom̃en; aber hiemit (das Schweꝛd zeigend) wollen wir ihnen die Zahlung vergnuͤgen/ und ihnen die Haͤuptkronen dergestalt striegeln/ daß sie der Geldkronen nicht mehr gedenken sollen. Der Abgeschikte wunderte sich dieser Kuͤhnheit/ und hinterbrachte die Antwort seinen Herren/ welche darauff ihre Knech- Erstes Buch. Knechte (die zum Pferdestreit nicht geschikt wahren) zum frischen gefechte Auffmunter- ten: Sie solten nur geherzt von sich hauen/ und guͤlte gleich/ ob sie Mann oder Pferd ver- wundeten; diese viere/ so einen grossen Schaz mit sich fuͤhreten/ solten ihnen nur eine Handvoll seyn. Klodius wolte seinem lieben Herꝛen den ersten Beweiß seiner Ritterschafft sehen lassen/ und baht instendig/ ihm zu goͤnnen/ daß er der Raͤuber einen zum absonderli- chen Kampff außfodern moͤchte; der ihm aber antwortete: Mein Freund/ deine Tapffer- keit gefaͤlt mir wol/ koͤnte dir auch solches zu deiner Ehre Auffnahme wol goͤnnen; aber si- hestu nicht/ daß sie Raͤuber und keine redliche Ritter sind? wer wil dich versichern/ daß nur einer/ und nicht vielmehr die ganze Rotte sich an dich machen werde? solten wir dich dann/ wie billich/ entsetzen/ so begaͤben wir uns aus unserm Vortel. Aber hoͤre meine Meinung; du sihest Handgreifflich/ daß die zwoͤlff Diener des Ritterstreits unerfahren sind; unter dieselben soltu und Marx dich mischen/ und mehr mit draͤuen als Wunden sie umtreiben; so wil ich und mein Bruder die vier Ritter bestehen/ und sehen was hinter ihnen stecket. Hiemit legten Herkules und Ladisla ihre Speere ein/ und ranten auff die viere hin/ die sich nur mit Schwertern versehen hatten; huben deren als bald zween aus dem Sattel/ so daß der von Herkules getroffene/ das Genik abstuͤrzete. Bald darauff griffen unsere Helden zu den Schwertern/ nahmen jeder einen vor sich/ und putzeten sie in wenig streichen dergestalt/ daß das Blut von allen Orten hervor drang/ und sie endlich todt niederfielen. Inzwischen hatten Klodius und Marx mit ihren Speeren zween Knechte durch und durch gerennet/ zogen von Leder/ und fingen an scharffe Stoͤsse außzuteilen/ deren diese nicht gewohnt wah- ren/ worffen das Gewehr von sich/ und bahten mit gefaltenen Haͤndẽ umb Lebensfristung/ welches sie mit diesem Bedinge erhielten/ dz sie allen jhren Pferden die Span Ader abhauẽ/ und die Waffen von sich legen solten/ welches sie willig verrichteten. Unter dessen sahe Klo- dius/ daß der von Ladisla abgestochene/ weil der Schwertstreit wehrete/ sich wieder zu pfer- de machete/ in Meynung/ davon zu rennen; deßwegen er ihm eiferig nach setzete/ und eines von hinten zu uͤber die Schulder gab/ daß der rohte Schweiß folgete/ fassete ihn hernach bey dem Arme/ daß er sich ergeben/ und mit ihm fortreiten muste/ da derweile Markus der erschrockenen Diener huͤtete. Klodius brachte seinen Gefangenen herzu/ gleich da unsere Helden mit ihren Feinden fertig wahren/ und sagte zu Herkules: Gnaͤdiger Herr/ hie stel- le ich den Außreisser wieder/ der seiner Geburt nach zwar Roͤmisches Adels/ und mir leider in etwas verwand ist; nach dem er aber sich und sein Geschlecht durch Strassenraub ge- schaͤndet/ ist er ferneres Lebens unwirdig; bitte demnach/ jhn mir zur straffe zu uͤbergeben. Der Gefangene hatte gehoffet/ Klodius wuͤrde wegen der Verwandschafft vor ihn bitten/ vernam aber das Widerspiel/ und hielt bey Ladisla an/ umb Lebensfristung; welcher ihm antwortete: Du wirst sehen/ wie du mit deinem Befreundten handeln kanst; aber zeige mir zuvor die Ursach an dieses moͤrderischen uͤberfalles. Dieser ward froh/ meynete durch die warhaffte Aussage das Leben zu erhalten/ und meldete an/ er und seine erschlagene Gesellen waͤhren durch Wolleben in Armut gerahten/ und haͤtten jhren Stand ohn dieses Mittel nicht fuͤhren koͤnnen/ daher sie ihren Knechten freye Beute/ wo sie anzutreffen waͤhre/ ver- goͤnnet. Nun haͤtte vor wenig Wochen jhrer Knechte einer ein sehr gutes Pferd einge- bracht/ mit Vermeldung/ sein Geselle Geta/ der einen wolbespikten Wetscher ergriffen/ waͤhre Erstes Buch. waͤhre vom Pferde geschlagen/ und gefangen hinweg gefuͤhret/ und weil derselbe in Frech- heit und kuͤhnen Anschlaͤgen seines gleichen nicht gehabt/ haͤtten seine Mitgesellen ihn un- gerettet nicht lassen wollen/ damit er nicht vor die Obrigkeit gestellet/ und seine verschwor- ne zuverrahten gezwungen wuͤrde. Zwar er muͤste gestehen/ daß den Wetscher zugleich mit davon zubringen/ sie außgangen waͤhren/ nicht aber/ den blutigen Kampff anzufahen. O du meynaͤidiger Bube/ antwortete Ladisla; ist daß der Weg/ worauff aͤdle Ritter wan- deln sollen? Gnaͤdiger Herr/ sagte Klodius/ man hat von dieser verschwornẽ Gesellschafft etliche Zeit her geargwohnet/ und die rechtschuldigen doch nicht erfahren koͤnnen/ deren gleichwol eine zimliche Anzahl sein sol/ und unter ihnen etliche vornehme Herren. Ich mei- nes theils bin von unterschiedlichen etliche mahl erinnert/ und von diesem gegenwaͤrtigen selbst/ warumb ich von meinen Glaͤubigern mich so viel plagen/ und ihnen meine Guͤter zuverzehren frey liesse; man haͤtte ja Mittel/ Geld zu erwerben/ und die verschuldeten Guͤteꝛ frey zu machen/ welches mir da ich nur wolte/ ja so zulaͤssig als andern waͤhre; weil ich aber eines ungebuͤhrlichen Vorschlages mich besorgete/ habe ich nie weiter nachfragen wollen; und haben meine Gnaͤdige Herren zu bedenken/ obs rahtsam sey/ diesem mit unser augen- scheinlichen Gefahr/ das Leben zu schenken/ da er ohn zweiffel durch seine verschworne sich zu raͤchen/ allen fleiß anlegen wuͤrde. Ladisla stellete ihm frey/ nach belieben zu handeln/ deß- wegen er dem Raͤuber das Schwert durch den Leib sties/ daß er zu boden stuͤrzete. Sein Geselle trieb die neun uͤbrigen Knechte auch herzu/ welche endlich angeloben musten/ die- sen Tag aus Rom zu bleiben/ und des naͤhst folgenden nach Herren Sab ihn Behausung zu gehen/ ihm allen Verlauff anzuzeigen. Klodius und Markus hielten pluͤnderung/ nah- men den erschlagenen Rittern ihre Ringe/ Armbaͤnder und baaren Gelder/ auff 1200 Kronen gerechnet/ und wolten sie gar entkleiden; aber Herkules wehrete ihnen; es waͤh- re nicht ritterlich/ daß man todte Leichnam so beschimpffete; sie haͤtten ihre zeitliche Straf- fe hinweg/ und durch den Todt uͤberstanden. Unsere Helden nahmen hierauff ihren Weg nach der Landschafft Etrurien/ welche die aͤdleste in ganz Italia ist/ reiseten selbe von Suͤdẽ nach Norden durch/ und besahen/ was daselbst denkwirdig wahr. Aus dieser kahmen sie in Flaminien/ und lagen in der Stadt Ravenna wenig tage stllle. Von dannen begaben sie sich gen Mantua/ eine sehr alte Stadt/ 670 Jahr/ wie man meinet/ vor Rom erbauet/ und 60 Jahr aͤlter als Troja. Von hierab gingen sie nach Verohn/ und endlich nach Padua/ in meynung/ von dannen nach Aquileja zu reiten/ und aus dem naͤhesten Hafen nach Korinth in Griechenland zu schiffen. Sie traffen auff der ganzen Reise keine ritterliche Ubung an/ ohn in den grossen Staͤdten sahen sie viel Fechter/ die ihre ertichtete Feindschafft mit tro- ckenen Schlaͤgen außfuͤhreten. Als sie von Verohn nach Padua in einem Walde etwas irre ritten/ hoͤreten sie gar von ferne ein geschrey etlicher Weiber/ die sich klaͤglich hielten/ ob wolte man ihrer Keuschheit Gewalt anlegen; daher Herkules zu Ladisla sagte: Mir zweif- felt nicht/ diese schreyende werden unser Huͤlffe hart benoͤhtiget seyn/ wann wir nur mit un- sern Pferden zu ihnen gelangen koͤnten; Aber ihre bemuͤhung durch das Reisich zu brechen/ war umsonst/ stiegen deßwegen ab/ gaben ihren Dienern die Pferde zu halten/ und gingen im vollen Harnisch mit Schild und Schwert dem jaͤmmerlichen Geschrey nach/ welches sich stets mehrete/ nach dem es ein wenig auffgehoͤret hatte. Als sie nun die dornichten Hecken Erstes Buch. Hecken nicht ohn Muͤhe durchgekrochen/ kamen sie auff einen lustigen gruͤnen Plaz/ mit ho- hen Baͤumen zimlich weit von einander besezt/ daselbst erblicketen sie fuͤnff starke grosse Maͤnner mit blossen Schwertern/ welche drey sehr schoͤne Weibesbilder vor sich auff der Erden liegen hatten/ die sich mit Haͤnden und Fuͤssen umklemmeten/ und wie Schlangen sich zusammen wickelten; Die juͤngste unter ihnen wahr mutternacket/ die zwo uͤbrigen nur mit einem zarten Hemde bekleidet/ und lagen ihre bunte Seidene mit Gold gestickete Klei- der halb zurissen/ etliche Schritte von ihnen. So bald unsere Helden von diesen Raͤubern gesehen wurden musten sie ihr anschreihen hoͤren/ daß sie stille stehen/ uñ ihrer Ankunfft ur- sach melden solten; auch traten ihrer viere (deren drey gepanzert wahren) als bald zu ihnen ein/ in Meynung/ sie durch pochen zu erschrecken/ bruͤlleten mit scheußlicher Stimme/ was vor ungluͤk sie daher fuͤhrete/ ihren lezten Odem hie zu endigen. Unsere Helden hatten jhre Helme unter dem Arme/ daß man ihre Gesichter erkennen kunte/ und verwunderten sich die Raͤuber uͤber Herkules treflicher Schoͤnheit dermassen/ daß der ansehnlichste unter jh- nen zu seiner Geselschaft sagete: Ihr Bruͤder/ ich lasse euch jenen unsern Raub zu eurem Willen uͤber/ wann ich nur diese (auff Herkules zeigend) zu meinem Buhlen haben mag/ welche ausser Zweifel von guter Kuͤhnheit seyn/ und sich meiner Art viel vergleichen muß/ weil sie sich im Harnische darff finden lassen; und wie koͤnte so trefliche Schoͤnheit einem andern/ als Weibesbilde beywohnen? Herkules gab jhm zur Antwort: Als viel ich merke/ duͤrffte ich schier in dieser Wildniß einen zahmen Buhlen bekommen; aber du must mir meine weise nicht veruͤbeln/ daß ich keinen Liebhaber annehme/ der nicht zuvor einen scharf- fen Streit mit mir versucht hat; setzete hiemit/ wie auch Ladisla/ den Helm auff/ und berei- teten sich zum Ernste. Dieser aber rief ihnen zu/ sie solten sich nichts widriges zu ihnen ver- sehen; steckete sein Schwert ein/ und trat ihnen naͤher/ umb ein Liebes Gespraͤch mit Her- kules zu halten; der ihm aber/ angesehen seiner viehischen Leibesstaͤrke nicht trauen wolte/ sondern hieß jhn zuruͤk bleiben/ oder des Angriffs gewaͤrtig seyn. Der Raͤuber schaͤtzete die- se Draͤuung geringe/ und in dem er auff jhn zugieng/ sagte er: Schoͤnes Lieb/ leget euren schweren Harnisch ab/ und werdet mir in der Liebe zuwillen/ weil es anders doch nicht seyn kan/ ich wil mich versichert gar freundlich zu euch halten/ und meine Kuͤsse anzubringen wissen/ daß euch nach mehren verlangen sol; griff auch mit der rechten Hand nach jhm/ in Meynung/ sein als bald maͤchtig zu werden; aber Herkules schlug ihn mit seines Schwer- tes Flaͤche (dann er jhn vorsezlich nicht verwunden wolte) uͤber die Faust/ daß er sie saursich- tig nach sich ziehen muste/ und sagte zugleich: Du unflaͤtiger Schelm/ wiltn auch noch Ge- walt brauchen? bald nim dein Schwert in die Faust/ oder ich werde dich dannoch nieder- machen. Der Wuͤterich zog hierauff von Leder/ und nam nur Herkules Hiebe aus (der un- geseumet zu jhm einstuͤrmete)/ vermahnete ihn auch noch immerzu/ einzuhalten/ und jhm zuvor seine Begierden zu vergnuͤgen/ als dañ wolte er ihm hernach Streits nicht versagẽ/ wann es anders nicht seyn koͤnte. Aber Herkules achtete seiner Rede nicht/ sondern traff jhn/ weil er ungepanzert wahr/ in die seite/ daß das Blut haͤuffig hervor spruͤtzete; wodurch dieser seine Liebes gedanken aufgeben/ und rechtmaͤssige Gegenwehr/ mit Schwert und Schild vornehmen muste/ sagte auch mit grausamer Stimme: O du elende/ ob ich gleich nie kein Schwert uͤber ein Weibesbild gezuͤcket/ so verdienet doch deine Verwaͤgenheit/ dz D du Erstes Buch. du gezuͤchtiget werdest; fiel auch mit solchem Ungestuͤm auff jhn/ daß er seiner Wuht drey Schritte weichen muste/ dessen er sich vor Ladisla nicht wenig schaͤmete; fassete doch bald wieder Stand/ und nam seiner Schanze fleissig wahr; Sie trieben das Gefechte uͤber eine viertelstunde ohn auffhoͤren/ daß die anwesende sich dessen verwunderten. Der Raͤuber hat- te zeit seines Lebens solchen Widerstand nicht er fahren/ weil er nicht allein ein Baumstar- ker Mann/ uͤber vier dehalb Ellen lang/ sondern auch der beruffenste Fechter wahꝛ/ und nie- mand/ der ihn kennete/ ihn bestehen durffte; Daher nam ihn wunder/ daß in Weibes Ar- men/ wie er ihm gaͤnzlich eingebildet/ solche Krafft seyn solte/ und sagte zu jhm: Jungfrau/ ich weiß nicht/ ob ich euch vor ein Gespenst halten sol/ daß ihr euch meiner Gewalt so lange erwehret. So haͤltestu mich nun vor ein Gespenst? antwortete er; ich dich aber vor einen Raͤuber und Jungferndieb; werde dir auch meine Faͤuste noch etwas besser zu erkennen geben. Damit gieng der Kampff wieder an/ und ward Herkules oben am Halse verwun- det; welches jhm aber sein gutes Herz nicht minderte/ sondern trieb den Feind so lange um/ biß ihm ein Unterhieb geriet/ mit welchem er ihm dẽ Ellenbogẽ spaltete/ dz er das Schwerd aus der Faust fallen ließ/ und vor Schmerzen laut schrihe; aber Herkules doppelte den Streich/ und loͤsete jhm damit den ganzen Arm von der Schulder/ daß ihm derselbe nur an der Haut hangen blieb/ womit er zu Bodem stuͤrzete/ wie ein Ochs bruͤllete/ und sich auf dem Grase walzete/ biß er die gottlose Seele mit dem lezten Blute außbließ. Die drey ge- panzerte Raͤuber entsetzeten sich hoͤchlich uͤber diesen unfall/ und uͤberfielen Herkules inge- samt/ daher Ladisla auch nicht feyrete/ mit eintrat/ und zu ihnen sagete: Ihr Ertzdiebe/ duͤrf- fen euer drey sich zugleich wol an eine Jungfer machen? fassete sein Schwert mit aller Krafft/ und spaltete dem einen den Kopff von ander/ daß nunmehr der Streit gleich getei- let wahr. Die erschrockenen nacketen Weibesbilder hoͤreten zwar den harten Kampff/ a- ber wegen des fuͤnfften Raͤubers/ der ihrer huͤtete/ durfften sie kein Wort reden/ noch sich umsehen/ weil er das Schwert in der Hand hielt/ und sie zu erstechen draͤuete/ wo sie sich re- gen wuͤrden; nicht desto weniger fassete die juͤngste ganz nackete einen Muht/ sahe sich um/ und ward gewahr/ daß schon zween Raͤuber gestrekt lagen/ und die uͤbrigẽ beyden sich kaum mehr schuͤtzen kunten/ daher sie zu ihren Gespielen sagte: Die Goͤtter/ geliebte Schwestern/ wollen uns vor dißmaͤhl gnaͤdig retten. Ihr Huͤter hatte sich auffgemacht/ seinen Gesellen Beystand zu leisten/ und als er diese Wort hoͤrete/ stund er/ und bedachte sich/ ob er sie alle drey zuvor erwuͤrgen solte/ haͤtte auch ohn Zweifel diese Mordtaht vollzogen/ wann nicht Ladisla gleich mit seinem Manne waͤhre fertig worden/ daß er sich gegen jhn haͤtte wenden muͤssen/ als welcher sich dieses Bubenstuͤks besorgete/ und jhm zurieff; dafern er sich an die- sen Weibesbildern vergreiffen wuͤrde/ muͤste er durch alle Pein sterben. Hiedurch wurden diese elende dem Tode entrissen/ dann Ladifla trieb den Raͤuber dergestalt umb/ weil er ihn zu erschlagen noch nicht willens wahr/ daß er jhn von den Weibern abzog/ und er hingegen jhnen naͤher kam/ da er sie fragete/ ob jhnen auch an jhren Ehren Abbruch geschehen waͤhꝛe; die juͤngste aber zur Antwort gab; es waͤhre ihnen die Schande zwar sehr nahe gewesen/ a- ber durch der Goͤtter Schuz/ und ihrer beyder Huͤlffe abgekehret und hintertrieben. Der Raͤuber selbst fing zu ihm an: Ich weiß nicht/ was vor Unselde euch beyde lebendige Teuffel daher gefuͤhret/ uns in unserm vorhaben zu stoͤren/ gleich da wir meyneten/ am sichersten zu seyn/ Erstes Buch. seyn/ und unser Liebe wirklich zu geniessen; fassete damit alle seine Kraͤffte zusammen/ und wagete den aͤussersten Fall/ ob er jhm den Harnisch durch hauen koͤnte. Immittels dieses hefftigen Streits er sahe die ganz nackete ihr zurissenes Hemdlein/ lieff hin/ wickelte sich drein als best sie mochte/ und setzte sich wieder zu jhren Gespielen/ gleich als Ladisla seinen Feind mit einem Stosse in den Unterleib zur Erden fellete/ daß er mit einem Geboͤlke die unreine Seele samt den Mist außschuͤttete. Herkules wahr auch seines Gegeners Meister worden/ dann weil jhm die beyden staͤrkesten und erfahrensten auffgestossen wahren/ hielt der Kampff ziemlich an/ und mattete sich sehr ab/ daß nach des Raͤubers Faͤllung er ge- zwungẽ ward/ sich nider zusetzen. Ladisla aber ging nach erhaltenem Siege zu dem Frauẽ- zimmer/ taht seinen Helm ab/ und nach freundlicher Begruͤssung zeigete er sein Mitleiden wegen ihres Unfalles an/ sie daneben troͤstend/ weil ihre Zucht und Ehre unverlezt blieben waͤhre/ moͤchten sie das uͤbrige mit Geduld uͤberwinden. Diese verwunderten sich seiner guten Gestalt und Jugend uͤber die masse/ und bahten dienstlich umb Verzeihung/ daß we- gen ihrer Bloͤsse sie nicht auffstehen/ noch jhn gebuͤhrlich ehren koͤnten/ wie er solches umb sie verdienet haͤtte; insonderheit sahe jhn die zuvor ganz nackete/ nunmehr halb eingewickel- te mit schamhafftigen Augen an/ und baht sehr/ er moͤchte sich so hoch verdient umb sie ma- chen/ und der Roͤcke einen ihr unbeschweret zuwerffen/ damit sie sich bedecken koͤnte; wel- ches er jhr nicht versagen wolte; legte ihr auch denselben ganz hoͤflich umb die Schuldern/ unterdessen die andern einen Abtrit nahmen/ und wie best sie mochten/ sich in der Eile be- kleideten. Ladisla vergaffete sich an der entbloͤsseten so gar/ daß er sein selbst druͤber vergaß/ fragete sie doch/ ob sie auch meyneten/ daß noch etwas Gefahr vorhanden waͤhre; und als er vernam/ daß ohn die fuͤnff erschlagene sie keinen Menschẽ gemerket/ loͤsete er seinen Har- nisch auff/ etwas Kuͤhlung einzunehmen/ da dieses Fraͤulein/ ihren dankbaren Willen zu erzeigen/ jhm die huͤlfliche Hand boht/ und dauchte sie/ nie keinen so wolgestalten Ritter ge- sehen zu haben/ setzete auch auff sein instaͤndiges anhalten sich zu ihm in den Schatten des Baums nider/ da der gute Ladisla durch Gelegenheit und Liebe verleitet/ sie freundlich kuͤs- sete/ und mit allerhand Liebesreden sich gegen sie zu allen Diensten anerboht; woruͤber das Jungfraͤulein verursachet ward/ ihn flehlich zu bitten/ er wolte doch jhrer Ehren wider sich selbst Beschuͤtzer seyn/ die er auß den Haͤnden der boßhafften Raͤuber so ritterlich erloͤset haͤtte. Und ob er gleich/ sagte sie/ mit alle meinem Vermoͤgen mich jhm verbunden hat/ zweifele ich doch an seiner hohen Tugend nicht/ die mich alles dessen versichern muß/ was zu Beschuͤtzung meiner Zucht erfodert wird; ich muͤste sonst dem Himmel klagen/ dz er mir eine kurze Freude zugeschicket/ und dieselbe mir bald darauff mit der allerbitterstẽ Wermut versalzen haͤtte/ die nichts als den gewissen Todt in mir verursachen wuͤrde/ gestaltsam meinem Herrn ich zu allen Goͤttern schwoͤre/ daß/ dafern mir einige Gewalt solte angelegt werden/ ich nach dem keine Stunde mehr leben wil. Ladisla erhohlete sich hierauff/ lobete jhre Keuscheit in seinem vernuͤnfftigen Herzen/ und antwortete ihr: Schoͤnstes Jungfraͤu- lein/ ich bitte sehr/ mir zuverzeihen/ daß durch Liebe uͤbernommen/ ich mich zu viel unterste- hen duͤrffen/ da ich sie doch versichere/ daß ich keinen Gedancken zu jhrer Ehrenkraͤnckung gefasset/ wie dann solches keinem redlichen Ritter zustehen wil/ nur ist mir selbst leid/ dz eure außbuͤndige Schoͤnheit mich dahin entzuͤcket/ wohin ich vor diesem nie kommen bin. Diese D ij ward Erstes Buch. ward nicht allein der Ehren versicherung sehr froh/ sondern lies ihr die anmuhtige Zunei- gung auch gefallen/ daß sie viel freundlicher uñ kuͤhner mit ihm sprachte als vorhin/ inson- derheit/ weil durch Ehren bezeigung er sein keusches Herz ihr gnug zu erkennen gab. Her- kules hatte sich auch wieder erhoben/ zu welchem die andern beyden Fraͤulein traten/ und ihm grosse Ehr und hoͤffligkeit erzeigeten/ mit Bitte/ ihnen zu verguͤnstigen/ daß sie ihm als ihrem Erloͤser die Ruͤstung abzihen/ und da er beschaͤdiget waͤhre/ seine Wunden verbinden moͤchten. Zwar er wegerte sich dessen etwas/ aber weil sie sahen/ daß er der Kuͤhlung be- noͤhtigt wahr/ nahmen sie jhm ein Stuͤck nach dem andern ab/ wiewol anfangs nur den Helm; da sie uͤber seiner zarten Schoͤnheit sich fast entsetzeten/ auch der Hals wunde ge- wahr wurden/ welche sie bey sanffter Reinigung nicht so gar gefaͤhrlich befunden/ und sie mit moͤglichem Fleiß verbunden. Es verwunderte sich Herkules nicht wenig/ was Ladisla bey der einen sich hinter dem Baum so lange auffhielte/ meynete anfangs/ er wuͤrde etwa verwundet seyn/ und wahr willens zu ihm hin zugehen; weil er aber von dem Frauenzim- mer berichtet ward/ daß er keinen Schaden genommen/ sondern sich des Baums zur Kuͤh- lung gebrauchte/ und von ihrer Wasen mit Gespraͤch unterhalten wuͤrde/ blieb eꝛ an seinem Orte. Nun haͤtte Ladisla in seiner Verliebung wol den ganzen Tag auff solche weise zu- gebracht/ dafern er von dem Fraͤulein nicht erinnert waͤhre/ seinen ritterlichen Gesellen zu besuchen/ ob er vielleicht verwundet waͤhre/ da sie jhn bey der Hand fassete/ und zugleich baht/ er moͤchte der schon geleisteten Woltaht noch diese hinzu tuhn/ und sie nach jhres Va- ters Wohnung begleiten/ damit sie neben den jhren Gelegenheit haͤtte/ die gebuͤhrliche Dankbarkeit sehen zu lassen. Zum ersten wahr er willig/ weil er selbst fuͤrchtete/ es moͤch- te seinem Herkules etwas widriges zugestossen seyn. Das andere haͤtte er gerne verspro- chen/ wann ihm nur Herkules Meynung waͤhre bewust gewesen/ dem er nicht vorgreiffen wolte; deßwegen er zur Antwort gab: Wann sein Geselle/ der ihm zu gebieten haͤtte/ mit nach jhren Eltern zu reisen einwilligen wuͤrde/ solte es an jhm nicht mangeln; aber meine geliebte Freundin/ sagte er/ woselbst sind dann ihre Eltern anzutreffen? Sophia (so hieß dieses Fraͤulein) antwortete: Ihr Herr Vater/ von dem uhralten Fabier Geschlechte/ waͤh- re zu Padua uͤber diese ganze Landschafft Roͤmischer Kaͤyserl. Stadthalter. Nun wuste Ladisla wol/ was vor ein hohes Ampt dieses wahr/ so daß auch Koͤnige sich vor ihnen demuͤ- tigen musten/ deß wegen er sich tieff gegen sie neigete/ und also anfing: Hochgebohrnes Fraͤulein; ich bitte ganz dienstlich/ meiner Grobheit zu verzeihen/ daß derselben ich die ge- buͤhrliche Ehre nicht geleistet/ in dem ich ihres Standes allerdinge unberichtet gewesen/ so daß wegen meines Frevels ich ohn Zweifel jhrer Vortrefligkeit mehr widriges/ als durch beschehene Erloͤsung/ Dienst und Freundschafft erzeiget habe; wegere mich daher nicht/ die Straffe/ welche sie mir aufflegen wird/ geduldig uͤber mich zu nehmen/ wiewol ich bey Ritterlichen Ehren beteuren kan/ daß mich keine Frecheit/ sondern eine auffrichtige Zunei- gung so kuͤhn gemacht hat; nahm damit ihre Hand/ dieselbe ehrerbietig zu kuͤssen; dessen sie sich doch wegerte/ und jhm diese Antwort gab: Mein Herr/ es sey/ daß mein Herr Va- ter dieses Orts zu gebieten habe/ und vielleicht wegen Kaͤyserl. hohen Gnade noch viel ein groͤsseres vermoͤchte/ so wird er doch/ seiner/ ohn Ruhm beywohnenden Klugheit nach wis- sen und erkennen/ wie viel er meinem Hochwerten Herrn und seinem tapfferen Gesellen schuldig Erstes Buch. schuldig ist. Daß aber mein Herr sich bey meiner Wenigkeit uͤber die Gebuͤhr entschuldi- get/ weiß ich nicht zu beantworten/ ohn daß ich denselben wol versichern kan/ daß mir die hoͤchste Vergnuͤgung dieser Welt jezt diese Stunde begegnet ist/ in dem die guͤtigen Goͤt- ter mir gegoͤnnet/ den Erloͤser meiner Ehr und Lebens in etwas zu erkennen/ dessen bessere Kundschafft mir der Himmel/ wie ich hoffe/ zugeben wird. Ladisla machte ihm aus dieser Antwort gute Hoffnung eines gluͤklichen Fortganges seiner vorgenommenen Liebe; kuͤsse- te jhr die Hand mit hoher Ehrerbietung/ und im fortgehen gab er zur Wiederantwort: Durchleuchtiges Fraͤulein/ die von mir beschehene Rettung ist gedenkens nicht wert/ wuͤr- de auch der Himmel nimmermehr zugegeben haben/ daß einem solchen vollkom̃enen Fraͤu- lein von diesen schaͤndlichen Raͤubern einige Gewaltsamkeit haͤtte sollen angelegt werden/ sondern vielmehr haͤtten die Baͤume selbst sich auß der Erde reissen/ und diese Buben er- schlagen muͤssen; daß also ich nur bloß vor eine Gluͤkseligkeit rechnen muß/ daß die Goͤtter meiner schlechten Dienste hieselbst gebrauchen wollen/ dessen ich mich zeit meines Lebens mehr/ als aller meiner vorigen Gluͤkseligkeiten ruͤhmen werde. Mein Herr/ sagete sie; sei- ne grosse Hoͤfligkeit machet ihn also reden/ welche ihre eigene Tahten zu preisen ungewohnt ist; mir aber wil gebuͤhren/ die empfangene Woltaht zu erkennen/ dessen ich mich aͤusserst bemuͤhen werde; Vor dißmahl bitte ich/ meiner unwitzigen Jugend hochguͤnstig zu verzei- hen/ daß anfangs ohn gegebene Ursach/ sein tugend-ergebenes Herz/ welches aus seinen Worten und Tahten eben so klar/ als aus seiner Tapferkeit hervor strahlet/ ich in Zweifel zihen duͤrffen; welches wie ich hoffe/ mein Herr/ in Betrachtung der Jungfraͤulichen Zucht und Vorsorge/ mir wol uͤbersehen wird. Ladisla verwunderte sich uͤber jhre vernuͤnfftige Reden/ und wahr willens/ es zu beantworten; hielt aber zuruͤk/ da er hoͤrete/ daß sie also fort fuhr; Ich wil aber die gebuͤhrliche Abbite meines Fehlers biß auff gelegenere Zeit ver- schieben/ und mein erstes wiederhohlen/ daß mein Herr mir zu ehren sich mit mir nach Pa- dua erheben wolle/ umb/ sein hochgeltendes Zeugniß/ meiner/ dem Himmel sey Dank/ er- haltenen Keuscheit/ bey meinen Eltern abzulegen; fassete hiemit seine Hand und sagete: Mein Herr/ diese streitbahre Hand/ wie kraͤfftig sie gleich ist/ wil ich gefangen halten/ biß sie durch des Mundes Zusage sich frey machen wird. So wuͤrde ich viel lieber ein solches nimmermehr zusagen/ antwortete er/ daß meine unwirdige Hand von so zarten allerschoͤnsten Haͤndichen immer und ewig moͤchte gehalten werden. Das Fraͤulein erroͤhtete vor dieser Rede/ fand sich doch bald/ und sagete: Meinen Herren beliebet der- gleichen hoͤfflichen Scherz mit mir zutreiben/ und dafern er gedenket/ mit solcher Ant- wort mich von meinem bittlichen Ansuchen abwendig zu machen/ wird es eine vergebli- che Muͤhe seyn/ weil die schon empfangene Wolthat mich zimlich kuͤhn gemacht/ nach Art aller unverschaͤmten und geizigen immerhin in der Anfoderung zu bleiben; deßwegen ichs dan nicht allein wil erwiedert haben/ sondeꝛn auch angenehmer Antwort mich ohn ferners wegern versehen. Mein Fraͤulein/ sagete er/ ich verspreche alles/ was in meinem aͤussersten vermoͤgen/ und ienem meinem Gesellen nicht zu wieder ist. Je mein Herr/ sagte sie/ ist iener dan zugleich euer Geselle und Gebieter? Ja mein Fraͤulein/ antwortete er/ dar- zu habe ich ihn erwaͤhlet/ ungeachtet wir gleiches Standes/ und ich in etwas aͤlter bin. So mus eures Gesellen Stolz ja so groß/ als eure Demuht seyn/ sagte sie/ wann er sich uͤber sei- D iij nes Erstes Buch. nes gleichen/ und zwar aͤlterern/ der Botmaͤssigkeit annimt. Ich habe ihm diese Gewalt so willig uͤbergeben/ sagte er/ als gerne er mir ein gleichmaͤssiges goͤnnet/ da ich michs nur ge- brauchen wolte. Wol/ sagte sie/ so hat mein Herr seiner bedingung den Kauff selber auffge- sagt/ und dafern er guͤnstig und gewogen ist/ wird er sich auffs minste in diesem Stuͤk/ seiner Freyheit gebrauchen. Mit diesem Worte gelangeten sie bey Herkules an/ dem Frl. Sophia sehr tieffe Ehrerbietung erzeigete/ und seine Gestalt fast vor uͤbermenschlich hielt/ so daß sie schier auff des ersten Raͤubers Wahn gerahten waͤhre/ und redete ihn also an: Vortreff- licher Ritter und Herr/ wann wir die Heldentahten nicht gesehen haͤtten/ die euer unuͤber- windlicher Arm gluͤklich vollenbracht hat/ koͤnten wir dem scheine nach/ anders nicht Ur- teilen/ als daß ihr mit uns eines Geschlechtes waͤhret; weil aber nicht vermuhtlich ist/ daß unter einer weiblichen Brust solche Krafft und staͤrke wohnen solte/ muͤssen wir eure Man- heit nicht in zweiffel ziehen; Ich und meine Gespielen schreiben es billich der himlischen Allmacht zu/ welche euch meine hochwerte Herren zu unser Ehren- und lebens rettung hie- her gesand hat/ die unkeusche boßheit der Raͤuber abzustraffen; welches zu erkennen/ die Erbarkeit und die eingepflanzeten Rechte selbst uns zu ruffen/ dafern unser vermoͤgen nur so weit reichen wolte; da wir dann nicht zweiffeln/ die goͤtter selbst werden unsere Stete vertreten helffen/ damit diese hochruͤhmliche Taht mit gebuͤhrlichem preyse durch die gan- ze Welt verehret werde/ nach dem eines Ritters hoͤchstes Lob in dem bestehet/ daß er den schwachen beystand/ den unschuldigen huͤlffe/ und den nohtleidenden rettung geleistet/ wel- ches von meinen Herren vor dißmal uns allerdinge unbekanten/ so uͤberfluͤssig begegnet ist/ daß niemand als die unbescheidene Undankbarkeit ein wiedriges reden und zeugen wird. Aber mein Herr/ sagte sie zu Ladisla/ werde ich auch diese Kuͤhnheit nehmen duͤrffen eine gleichmaͤssige Bitte an euren Freund/ wie an euch/ zu legen? Durchleuchtiges Fraͤulein/ antwortete er/ demnach sie nicht allein in betrachtung ihres Herrn Vaters/ des Hochmoͤ- genden Herrn Stadthalters zu Padua/ sondern auch wegen ihrer selbst eigenen wirdigkeit uns zu befehlen hat/ wird sie diese Frage vor einen uͤberflus erkennen. Herkules/ da er aus dieser Rede die Hocheit dieser Fraͤulein vernam/ erzeigete ihr grosse Ehre/ und fing an: Durchl. Fraͤulein/ ihre vernuͤnfftige reden zeigen leicht an/ von was vortrefflichen Leuten sie muͤsse gezeuget und erzogen seyn; das hohe Lob aber/ welches meiner geringfuͤgig- keit zuzulegen/ ihr gefallen wollen/ reichet bey weitem noch nicht an meine schlechte Tahtẽ/ daher dieselben weit uͤber Verdienst sind erhoben/ in dem mit ihren zierlichen reden sie sich haben schmuͤcken lassen/ gleich wie man ein unwirdiges Hoͤlzlein mit guͤldenen Kleidern behaͤnget/ daß eine ansehnliche Tocke draus wird; woselbst meinem Fraͤulein einzureden/ ich die Kuͤhnheit noch nicht ergreiffen kan. Daß aber dannoch der Gnaͤdige Gott als Be- schuͤtzer aller unschuld/ und Raͤcher aller Boßheit/ meinen lieben Freund und mich/ zu so heil samer Stunde in diese Gegend gefuͤhret/ daß wir unser hochwerten Fraͤulein klaͤgli- ches Geschrey ohn gefehr vernehmen/ und wider die verfluchten Raͤuber/ ihnen Beystand leisten koͤnnen/ rechnen wir billig unter unsere Gluͤkseligkeiten mit; gestaltsam ein redlicher Ritter das Schwert zu dem Ende gebrauchen sol/ daß den unter druͤkten Huͤlffe/ und der Boßheit eintrag geschehe; daher leicht erhellet/ daß unsere jetzige Verrichtung aus blos- ser schuldigkeit/ damit wir der Erbarkeit und allen redlichen Menschen verhafftet sind/ herruͤh- Erstes Buch. herruͤhret/ und umb so viel weniger Dank und vergeltung verdienet/ die dannoch durch meiner Fraͤulein hochgeneigte Lobreden uns in so haͤuffiger menge schon wirklich eingelie- fert ist/ daß wir uns derselben zu allem schuldigen Gehorsam darstellen muͤssen/ und daher sie neben ihren hochaͤdlen Gespielen bey uns nichts durch Bitte zu suchen/ sondern durch Befehl alles auffzulegen berechtiget sind; ist also meiner Fraͤulein an mich getahne Fode- rung/ die mein Geselle wissen wird/ meines theils eine Schuld/ wann sie dem nicht zu wiedeꝛ ist/ der mir zubefehlen hat. Mein Herr und Erretter/ antwortete das Fraͤulein/ ich bin viel zu ungeschikt/ seine reden zu beantworten/ biß ich eine geraume Zeit von sehr vernuͤnfftigẽ Lehrmeistern daruͤber werde unterrichtet seyn; aber daß ich den Zweg meines vorhabens umb so viel zeitiger erreichen moͤge/ bitte meinen Herren ich Ehrenfreundlich/ mir an zu zeigen/ woselbst ich seinen Gebieter/ auff den er sich berufft/ antreffen solle. Dieser ist es/ sagte er (auff Ladisla zeigend)/ der mein Fraͤulein aus Raͤubers Haͤnden errettet hat. Ich weiß nicht mein Herr/ antwortete sie mit einem holdseligen Laͤcheln/ ob dieser euer Freund sich einiges Befehls uͤber euch annehmen werde/ als welcher meine Bitte mit eben der Be- dingung eingewilliget hat; daher dann ihrem uͤber dieser Frage vermuhtlichen Streite vorzukommen/ wer unter euch beyden einer dem andern zu gebieten habe/ ist mein ehren- gebuͤhrliches Ansuchen/ diese meine beyde Fraͤulein Wasen vor duͤchtige Richterinnen zu erkennen/ ob meine Bitte der billigkeit gemaͤß/ und meine Herren/ selbe abzuschlagen be- fuget seyn werden oder nicht. Die aͤlteste/ so von XIIX Jahren wahr/ nahmens Ursula Kor- nelia/ fiel ihr in die Rede und sagte: Frl. Wase/ wie beschimpffet ihr uns beyde so gar hoch/ durch diesen euren gar zu kuͤhnen Vorschlag? meynet ihr den Nahmen einer dankbahren allein davon zu tragen/ und aus uns so verwaͤgene zu machen/ daß wir uns diesen vortref- lichen Rittern und Herren solten zu Richterinnen setzen und bestellen lassen/ die uns zur aͤus- sersten Schande schon verurteilete/ jezt diese Stunde/ durch die kraͤfftige sieghaffte gegen- urtel ihres unuͤberwin dlichen Schwerts davon loß gearbeitet? O nein! wir versagen euch allen gehorsam/ und wollen uns vjel lieber von diesen Herren vor Richterinnen wieder euch bestellen lassen/ da ihr trauen eines harten Spruchs euch werdet befahren muͤssen/ umb daß ihr unserer Erloͤser willens Freyheit durch bestellete Richter einzuziehen/ euch duͤrffet geluͤsten lassen; und wer hat euch doch in so kurzer Zeit so kuͤhn uñ beherzt gemacht/ da ihr sonsten wie ein Espinlaub zittertet/ uñ so bloß an Blut uñ Kuͤhnheit/ als an Kleideꝛn wahret? Wer mit kuͤhnen Leuten umgehet/ antwortete Frl. Sophia/ der gewehnet sich zu gleicher Tugend. Versichert euch aber/ meine Schwester/ daß ich diese mir angelegte be- schimpfung zu eivern/ nicht in vergeß stellen werde. Habe ich nicht schon ursach gnug/ und mehr als euer keine/ meine Augen schamhafftig niederzuschlagen? Und ihr duͤrffet mir sol- ches durch Aufruͤckung noch verzweyfachen/ gerade als wann ich schuld dran truͤge? Nun/ nun; wer borget/ dergedenke/ daß die Zahlwoche folgen muͤsse. Ich wil mich aber mit euch nicht weiter zanken/ sondern zu meinen Herren mich wenden/ und durch Vortragung mei- ner Bitte/ mich eurer unguͤtlichen Auflage loßwircken/ erinnere dieselben demnach bey der hohen und schon geleisteten Bedienung/ sie wollen sich großehrenguͤnstig gefallen lassen/ mit uns nach Padua zu kehren/ nicht allein/ daß ihre kraͤfftige Hand uns biß dahin sichern Schuz halte/ sondern uns auch Gelegenheit goͤnnen/ unsere Danckschuldigkeit sehen zu lassen/ Erstes Buch. lassen/ nach dem wir mit hoͤchsten Freuden anhoͤren werden/ daß sie wegen unser unbeflek- ten Zucht und Keuschheit/ bey unsern Eltern gnugsame Zeugnis ablegen; wie dann mein Herr (auff Ladisla zeigend) aus des lezten Raͤubers eigener Bekaͤntnis/ dessen ich mich sehꝛ freue/ verstanden hat. Herkules befand eine ungewoͤhnliche Verenderung an Ladisla/ und daß er ohn unterlaß dieses Fraͤulein mit unverwendeten Augen ansahe/ woraus er bald schloß/ das er muͤste getroffen seyn; ließ sichs doch nicht merken/ und gab auff der Fraͤulein vorbringen zur Antwort: Wann ich haͤtte wissen sollen/ daß ihrer Durchl. begehren also beschaffen/ wolte ich mich darzu unwaͤgerlich erbohten haben/ massen mein Freund und ich/ uns schuldig erachten/ sie nach Padua zu begleiten/ und nach aller moͤgligkeit ihnen Schuz zu leisten; nur allein zeigete er an/ daß ihre Reise der eile unterworffen/ keine Ver- zoͤgerung leyden wolte/ und daher dienstlich baht/ sie durch noͤhtigung daselbst nicht auff zu- halten: auch/ wo moͤglich/ bey ihren Eltern ihrer nicht zu gedenken. Mein Herr/ sagte Frl. Sophia/ ich verspreche alles zu leisten/ was mir moͤglich/ und der Erbarkeit nicht zu wieder ist. Aber mein Herr (redete sie zu Ladisla)/ wird er sich dann nicht mit belieben lassen/ daß in seiner sichern Geselschafft ich mit fortreisen moͤge? vor meine Gespielen ein Wort mehr zu verlieren/ halte ich vergeblich seyn/ weil sie diese meine Bitte als eine grosse und straff- wirdige Unbilligkeit angeklaget haben/ und sie/ wie ich muhtmasse/ bey diesen erschlagenen/ trauer- und Schildwache halten wollen/ biß sie von andern ihres gleichen abgelanget wer- den. Verzeihet uns/ geliebte Schwester/ sagte Frl. Ursula/ daß wir eure Bitte nicht riechẽ koͤnnen/ und noch wol unser guten Sache so viel trauen/ sie wieder euch/ jedoch vor unver- daͤchtigen Richtern (wobey sie schmuzerlachete) auß zufuͤhren. Ob wir auff diesem Platze lange verweilen/ und diese Raͤuber bewachen wollen/ wird sich bey dem Auffbruche dieser Ritter außweisen/ deren willen euch allein zu erwerben/ und uns Abzuspenstigen/ ihr bemuͤ- het gnug seid. Wir unsers teils zweiffeln gar nicht/ es werden diese Herren zu außfuͤhrung ihrer preißwirdigen Ehren/ uns den Weg neben herzulauffen/ und unter ihrem Schatten die angenehme sicherheits Kuͤhlung gerne gestatten; wobey sich dann außfuͤndig machen wird/ welche unter uns die frischeste zu Fuß seyn/ oder am liebesten zuruͤk bleiben wird. O nein herzgeliebte Schwester/ antwortete Frl. Sophia/ ich wil meines Anspruchs wieder euch/ mich gerne begeben/ nur allein lasset mich nicht dahinden/ weil euch bewust ist/ daß meine Beine mich einen so fernen Weg nicht tragen koͤnnen/ wo ich nicht bißweilen ruhe nehme. Aber ihr meine Herren/ verzeihet unserm kindischen Zanke/ der sich umb eine Beu- te zweiet/ ehe sie erlanget ist/ und ich doch hoffe/ mein Herr (auff Ladisla zeigend) werde nun- mehr seine gewogene Einwilligung uns erfreulich anhoͤren lassen. Ladisla wahr nicht allein durch ihre allerdinge vollkommene Schoͤnheit/ sondern auch nunmehr durch ihren freund- lichen Verstand und vernuͤnfftige Freundligkeit dermassen in liebe entzuͤndet/ daß/ wo Herkules gegenwart nicht gewesen/ er seinen begierden den Zaum so fest nicht halten koͤñen; aber die furchtsame Ehrerbietigkeit/ die er von jugend auff gegen diesen Tugendvollen Helden trug/ fesselte seines herzen Inbrunst/ damit ja sein Herkules ihn keines Frevels moͤchte zu beschuldigen haben. Jedoch dem Fraͤulein seine Ergebenheit zu erzeigen/ kuͤssete er ihr die Hand und sagte: Er befuͤnde durch ihre hohe Tugend sich verbunden/ ihr zuge- horsamen/ auch mit williger vergiessung seines Bluts und Lebens ihr Verfechter zu seyn/ da- Erstes Buch. damit er dem schweren Laster der Undankbarkeit entginge/ welches ihm billich muͤste zuge- legt werden/ wann er sich ihrem Befehl wieder spenstig erzeigen wuͤrde; baͤhte demnach/ ihm kuͤhnlich zubefehlen/ ob er vielleicht einiges Geboht zu verrichten/ tuͤchtig und bestand waͤhre. Das Fraͤulein hatte seiner Liebes-blicke in guter Auffmerkung wahrgenommen/ die durch diese reden ihꝛ so viel annehmlicher gemacht wurden/ daß nicht allein Herkules/ son- dern auch die beyden Fraͤule in den Schuß merketen/ und Herkules seinem Freund zu ge- fallen bemuͤhet wahr/ dieser beyder Auffmerkung von den verliebeten abzuwenden/ deßwe- gen er mit ihnen ein sonderliches Gespraͤch anfing/ welches diesen liebes-Arbeitern nicht ungenehme wahr/ massen sie daher Luft bekahmen/ sich durch unterredung in bessere Kund- schafft zu setzen; wie wol das Fraͤulein nach ihrer Verschlagenheit und Zucht/ ihre schon entzuͤndete Flammen ihm nicht so leicht scheinen lassen wolte/ und die vorige Rede ihm al- so beantwortete: Mein Herr seine Hoͤffligkeit/ deren er sich im Erbieten gebrauchet/ ist viel zu groß/ daß sie von mir unerzogenen Schuͤlerin/ durch gleichwirdige Antwort solte koͤñen erwiedert werden. Ich habe demselben ja die allergeringste Dankbarkeit zu erzeigen/ so- wol wegen meiner Armut an diesem Orte/ als kuͤrze der Zeit/ und mangel der Gelegenheit/ nicht maͤchtig seyn koͤnnen; So ist meinem Herrn biß daher/ nicht nur mein Unvermoͤgen/ sondern auch die Willigkeit allerdinge unbekant gewesen/ darff auch wol sagen/ mein stand und Wesen/ weil meinen Herrn jemahls vor diesem gesehen zu haben/ mich nicht zuerin- nern weiß; Wie solte er mir dann so hoch/ wie seine Reden gehen/ verbunden seyn koͤnnen/ da ich schon mehꝛ gutes von seinem mitleidigẽ herzen in dieser einigẽ Stunde eingenom̃en/ als ich zeit meines Lebens nit bezahlẽ kan/ und noch den allergeringsten anfang darzu nicht gemacht habe/ wo nicht mein Herr meinen guten Willen vor den ersten Grund der kuͤnff- tigen Folge/ da einige Moͤgligkeit bey mir ist/ rechnen wird. Wolle demnach mein Herr der Undankbarkeit sich zu beschuldigen auffhoͤren/ als welche bey ihm/ da ers gleich suchete/ keine stat haben kan; Das hohe Erbieten/ sich meiner nach wie vor/ getraͤulich anzuneh- men/ macht wegen kuͤnfftigen Ungluͤks mich schon aller Furchtloß/ weil unter diesen un- uͤberwindlichen Haͤnden/ den Tugendliebenden nur Sicherheit und Schuz/ den Boßhaff- ten aber billiche Straffen begegnen koͤnnen; Wie solte ich dann einigen Befehl uͤber diesen mich anmassen/ dessen Gunst und Guͤte meiner Ehre noch laͤnger zu leben gebohten hat/ uñ ich deßwegen ihm zur schuldigen Dankbarkeit billich in Ehren auffwaͤrtig bin. Verzeihet/ mein Fraͤulein/ wiederantwortete er/ eurem dienstergebenen Knechte/ daß derselbe ihrem Vorbringen einzureden sich unterstehet/ da im uͤbrigen er in allem biß zum Tode willig und gehorsam ist. Ich wil nicht einfuͤhren/ wie ein unverdientes Lob ihre holdreiche Zunge mir zuleget; nur daß ich meine gedoppelte Schuldigkeit/ welche mein Fraͤulein auffzuhe- ben bemuͤhet ist/ fest setzen moͤge/ die vor erst in dem bestehet/ daß als lange ich der Tugend er- gebener seyn wil/ nohtwendig der Unschuld mich nach allen Kraͤfften annehmen muß/ und wann ich solches unterliesse/ mich als bald gegen den Himmel undankbar erzeigen wuͤrde/ als welcher mir zu dem Ende vor aller Gefahr biß daher Schuz gehalten hat/ daß ich ihm nach meiner Wenigkeit folge leisten/ und so weit ichs vermag/ nacheivern solle; jedoch die- ses aus der acht gesezt/ bin ich doch nicht minder gehalten/ meiner Fraͤulein als ihren Ver- schuldeten mich darzustellẽ/ wuͤrde auch in dessen Unterlassung/ unter dz Faͤhnlein der unver- E schaͤm- Erstes Buch. schaͤmtesten undankbahren mich schreiben lassen muͤssen/ gestaltsam mein Fraͤulein mir ein Loblied/ ehe ichs verdienet/ auß Gewogenheit gesungen/ uñ einen Ruhm mir bey der Welt zu erwerben sich guͤnstig anerbeut/ dessen ich nicht faͤhig bin; ich darff mich weiter nicht er- kuͤhnen/ mein Fraͤulein/ eine noch viel groͤssere Gewalt aus zudruͤcken/ welche zu jhren dien- sten mich so heftig antreibet/ daß ich sanffter sterben/ als dessen mich entbrechen werde; und wuͤrde ich die hoͤchste Stuhffe meines Gluͤckes fchon erstiegen haben/ wann der Himmel mich nur duͤchtigen wolte/ dessen durch Verdienst und Tugend wirdig zu seyn/ was ich Ge- bluͤts halben wol suchen duͤrffte; auch das guͤnstige Gluͤk meiner gehorsamsten Auffwar- tung eine unabloͤschliche Grundfarbe anstreichen moͤchte/ welche ihrer Vortrefligkeit die Ergebenheit meines Willens in etwas zu entwerffen scheinlich waͤhre. Das gute Fraͤu- lein/ die dergleichen hefftigen Anlauff niemahls erfahren/ sintemahl sie mit Mannesbil- dern sehr wenig umgangen/ und ihres Alters sechzehnde Jahr kaum geendiget hatte/ wuste in der Eile keine Antwort zu finden/ wahr ihr doch sehr angenehm/ daß sie ihn hohes Ge- schlechtes zu seyn/ vermerkete/ wolte auch seine Rede nur auff eine gemeine Gutwilligkeit zi- hen/ und dannoch so viel verdeckete Merkzeichen einstreuen/ daß an ihrer Gewogenheit zu verzweifeln er nicht ursach haben solte. In dem sie aber also anfing: Treflicher Ritter/ mei- ner Jugend Unverstand und Unerfahrenheit/ weiß die gebuͤhrliche Antwort keines weges zu ersinnen; Da hoͤrete Ladisla ein helschallendes Hoͤrnlein/ je laͤnger je heftiger blasen/ wie ers dann mit seinem Markus abgeredet hatte/ daß wann er etwas wichtiges vernehmen wuͤrde/ er solches durch dieses Zeichen anmelden solte; machte ihm deßwegẽ bald die Rech- nung/ es wuͤrde was neues vorhanden seyn/ daher er etliche Schritte nach Herkules tre- tend/ sagete: Mein Bruder/ wir werden uns in die Waffen begeben muͤssen. Ja/ antwor- tete er/ ich gehe gleich mit den Gedanken uͤm; baht auch das Frauenzimmer/ sich hinter den Baum zu stellen/ gegen welchen sie den Ruͤcken kehren wolten/ und einen guten Muht zu haben. Guter Raht war hie sehr theur/ weil die ohndas erschrockene gaͤnzlich meyneten/ es wuͤrde eine frische Raͤuber Schaar verhanden seyn/ der jezt erschlagenen Tod zu raͤchen/ daher sie voller Furcht und Schrecken in einander fielen/ und ihr ungluͤk mit Traͤhnen be- klageten. Nun hatte gleichwol Markus ursach gnug/ dieses Zeichen zu geben/ weil er in die XL Reuter zustreuet von der rechten seiten uͤber das querfeld daheꝛ rennen sahe/ welches eꝛ unangezeiget nicht lassen wolte; wiewol er mit seinem pfeiffen schier ein unwiederbringli- ches uͤbel verursachet haͤtte. Dann diese Reuter folgeten der Spuhr eines Wagen/ auff welchem die drey Fraͤulein von den Raͤubern hinweg gefuͤhret wahren. Als nun jhr Fuͤh- rer das Hoͤrnlein hoͤrete/ rieff er den seinen zu: Auff/ auff/ ihr Bruͤder auff: die raͤuberischẽ Diebe haben ihre Wachten außgesezt/ und halten dort vor uns im Pusch; Lasset uns dem- nach jhnen den Lohn ihrer Boßheit geben. Rante hiemit in grossem Eiver dahin/ woselbst Klodius und Markus in vollem Harnische mit beyden aͤdelknaben und vier ledigen Pfer- den hielten/ welche/ da sie merketen/ daß jhnen feindlich wolte zugesezt werden/ gedachten sie ihr Leben teur gnug zu verkauffen/ und begaben sich in die enge/ so daß die aͤdelknaben mit den ledigen Pferden hinter ihnen halten musten. Der Befehlichshaber jagete eines stein- wurffs vor seinen Leuten her/ rieff auch/ die unsern solten sich ergeben/ oder in Stuͤcken ge- hauen werden. Klodius gab zur Antwort: Ritter/ wer mich gleichwol in Stuͤcken hauen wil/ Erstes Buch. wil/ muß meiner Faͤuste Gewicht zuvor auch empfinden; aber was Raserey treibet euch/ Fremde also anzufallen? Dieser gedachte/ er wolte ihn mit vergeblichen Worten/ und listi- ger Verstellung/ biß zu seiner Mitgehuͤlffen Ankunfft aufhalten/ meynete also/ er haͤtte die Raͤuber gewiß antroffen/ und sagete: Ihr Diebe und Raͤuber/ wohin habt ihr die entfuͤhr- ten Fraͤulein geschleppet? Klodius antwortete: Vor diesen Schimpff soltu mir gerecht seyn; Ich bin ein ehrlicher Roͤmer/ komme gleich von Verohn mit meiner Gesellschafft/ und weiß von den nachgefrageten Fraͤulein nichts zu sagen/ es moͤchten dann diese seyn/ die wir vor etwa einer Stunde klaͤglich genug ruffen gehoͤret. Dieser schaͤmete sich/ daß er durch Zorn sich so weit vergangen hatte/ wolte doch allerdinge nicht trauen/ sondern sagte: Dafern ihr mich werdet dahin fuͤhren/ woselbst ihr meynet/ das Geschrey gewesen seyn/ hal- te ich euch vor entschuldiget/ und wil mich bemuͤhen/ meinen Fehler zu verbessern. Weil nun Klodius sahe/ daß er uͤbermannet wahr/ und doch diese Schmach zu raͤchen ihm vor- behielt/ stieg er ab vom Pferde/ und sagete: Wer mir folgen wil/ mag sich auf die Fuͤsse wa- gen/ weil man reitend nicht hindurch brechen kan. Worauf dieser mit seiner halbẽ Schaar sich zu Fusse begab/ und die andere Helffte bey Markus warten hieß/ biß sie weitern Befehl vernehmen wuͤrden. Es wolte Klodius jhn gleichwol unterrichten/ daß zween Ritter zu deꝛ Schreyenden Rettung hingangen waͤhren/ und er nicht wissen koͤnte/ ob sie gesieget oder verlohren haͤtten/ weil der Streit als von weitem eine zeitlang gehoͤret worden/ und nach- gehends alle Zeichen des weitern ergehens sich verlohren haͤtten. Aber dieser wahr von Zorn taub und blind/ und eilete nur fort/ den Ort zuerreichen/ da er die begangene Untaht raͤchen koͤnte; ward auch endlich unserer Helden in vollem Harnisch gewahr/ fassete sein Schwerd und Schild/ dann andere Waffen hatten er und seine Leute wegen der eile nicht angelegt/ und lieff auff die unsern mit diesen Worten zu: Haha ihr Fraͤulein-Raͤuber/ jezt sollet jhr den Frevelmuht teur genug bezahlen. Klodius trabete neben ihn her/ und wolte ihn noch seines Irtums unterrichten; aber da halff alles nichts; Er gieng wie ein erzoͤrne- ter Eber hinzu/ und schlug hefftig gnug von sich. Nun merketen unsere Helden seinen Ir- tuhm leicht/ deßwegen sie der Anfallenden Hiebe nur mit den Schilden außnahmen/ und anfangs niemand beschaͤdigten/ weil ihnen aber gar zu hefftig zugesetzet waꝛd/ und Klodius sich neben sie an den Baum stellete/ daß sie nicht kunten von hinten zu angegriffen werden/ wolten sie jhnen gleichwol zu erkennen geben/ mit was Leuten sie es zu tuhn haͤtten/ und aus hoͤchstem Nohtzwange hieben sie jhrer sechsen die Koͤpffe vonander/ daß sie todt zur Erde stuͤrzeten. Ihr Fuͤhrer wolte solches raͤchen/ und setzete auff Herkules hefftig an/ der auß seiner Gestalt urteilete/ daß er was vornehmes seyn muͤste/ daher er jhn nicht beschaͤdigen wolte/ sondern schlug ihn mit der Flaͤche seines Schwerts uͤber den Kopff/ daß er taumlich ward/ gleich da Ladisla zu den Fraͤulein trat/ und ihnen zurieff: Lieber bemuͤhet euch diese eure ohn Zweifel bekante zu befriedigen/ daß wir nicht zu mehrer Blutstuͤrzung gezwungen werden. Erst gedachten diese/ es wuͤrden ihre Leute/ und wegen jhrer Rettung außgezogen seyn/ deßwegen Frl. Sophia ungescheuhet hinzu lief/ wie der von Herkules geschlagene sich wieder erhohlet hatte/ und einen behuetsamern Kampff mit ihm angetreten wahr/ so daß wenig fehlete/ er haͤtte jhn gezwungen niderschlagen muͤssen/ weil er mit gar zu hefftigem wuͤten auff ihn drang/ und die bißher geschehene Verschonung der Unerfahrenheit seines E ij Bestrei- Erstes Buch. Bestreiters zulegete. So bald ihn das Fraͤulein erblickete/ rieff sie uͤberlaut; herzliebster Bruder/ wiltu unsern besten Freunden keinen bessern Dank sehen lassen? thue gemach thue gemach/ du hast keine Feinde vor dir. Als ihr Bruder Kajus Fabius solches hoͤrete/ zohe er sich zuruͤk/ gab auch seinen leuten einen Wink einzuhalten/ und antwortete ihr; wie dann/ Schwester/ ist dir durch die gewaltsame entfuͤhrung eine Freundschafft erwiesen/ so huͤte dich/ daß du nimmermehr deinen Eltern unter die Augen kommest; und wolte hiemit den Kampff wieder anheben. Aber das Fraͤulein/ nebest ihren Gespielen/ stelleten sich zwischen die blossen Schwerter/ und fiel diese ihrem Bruder in die Arme/ mit heissen traͤh- nen sagend: O Bruder oͤffne doch die Augen deiner Vernunfft und leibes/ und sihe dort die erschlagene boßhaffte Raͤuber/ welche von diesen beyden tapfferen Helden erlegt/ und wirdadurch bey Ehren erhalten sind. So bald er dieses hoͤrete/ warff er den Schild nider/ nahete sich zu Herkules/ und boht ihm sein Schwert mit diesen Worten: Gewaltigeꝛ Rit- ter/ wer ihr seyd/ ich bezeuge mit uͤbergabe meines Schwerts/ daß ich wider Rittergebuͤhr mich an euch vergriffen/ indem vor eure Woltaht ich euch unabgesagt und feindlich uͤber- fallen; Welches/ da es von mir lebendig kan gebuͤsset werden/ sol mein aͤusserstes Vermoͤ- gen zu euren Diensten seyn; wo nicht; so nehmet von mir die gebuͤhrliche Rache/ nach mei- ner eigenen Urtel. Hiemit boht er ihm sein Haͤupt dar/ und sagete: Weil dieses Gehirn so unwitzig verfahren/ muß es der Straffe sich nicht entbrechen. Fraͤulein Sophia waͤhre hieruͤber schier in Ohmacht gerahten/ nur die vermeynete Gefahr ihres Bruders erhielt ihre Krafft/ daß sie Ladisla zun Fuͤssen fiel/ und hefftig weinend zu ihm sagete: Ach mein Herr/ dieser ist mein leiblicher und einiger Bruder/ die ganze Hoffnung seiner Eltern; bit- te deßwegen demuͤhtigst/ ihm von meinetwegen zu verzeihen/ deß wil ich zeit meines Lebens mich zu allen euren Diensten schuldig erkennen. Durchl. Fraͤulein/ antwortete er/ sie zu- vor auffhebend; ich verbleibe ihr gehorsamer Knecht/ und versichere sie/ dz sie meines Ge- sellen Hoͤfligkeit weder in diesem noch andern Stuͤcken wird zu beschuldigen haben. Wie dann Herkules solches in der Taht er wieß/ da er dem jungen Fabius diese Antwort gab: Mein Herr/ ihr beweiset mir mit diesem zumuhten mehr Verdrießligkeit/ als vorhin mit eurem uͤberfall/ nach dem ich euch nicht verdenken muß/ daß ihr wegen Entfuͤhrung dieses treflichen Frauenzimmers entruͤstet seyd; aber nicht absehen kan/ was gestalt ich das uͤbri- ge entschuldigen sol; nur ist mir sehr leid/ daß durch diesen Irtuhm Menschenblut hat muͤssen vergossen/ und sechs Seelen eurer Reuter auffgeopffert werden/ als deren mein Geselle und ich uns aus gezwungener Noht erwehren muͤssen. Mein Herr/ antwortete er/ meine Reuter haben nicht auff Roͤmisch gehandelt/ daß ihrer so viel ohn mein Geheiß drey Ritter angegriffen; ist ihnen darob etwz zugestanden/ haben sie es jhrem Frevel zuzuschrei- ben; ich aber bin wol vergnuͤget/ daß eure Leiber von mir und den meinen unverlezt blieben sind; werde mich auch befleissigen/ eurem guten Willen Abtrag zu machen/ so viel mein un- vermoͤgen zulaͤsset. Er kunte sich aber uͤber Herkules Schoͤnheit und Staͤrke in dieser sei- ner Jugend nicht gnug verwundern/ daher er ihn mit unverwendeten Augen ansahe. Hin- gegen wahr das Frauenzimmer von Herzen froh/ daß es zum Vertrage kommen/ und ein so gefaͤhrlicher Streit beygelegt wahr/ und vermahnete Frl. Sophia ihren Bruder/ er moͤchte diese fremde noͤhtigen/ mit nach Padua zu kehren; Worauff er antwortete: Du hast Erstes Buch. hast der gebuͤhrlichen Bescheidenheit mich billich erinnert; dañ an stat des ersten Schwert- schlages haͤtte ich solches verrichten sollen. Hierauff hielt er bey jhnen gar instaͤndig an/ sie moͤchten neben jhren Dienern mit ihm reiten/ und der ganzen Freundschafft goͤnnen/ wegen geleisteter Rettung ihre Dankbarkeit abzulegen. Die Fraͤulein traten mit herbey/ und erhielten ihr Begehren. Fabius gieng vor seinem Abzuge hin/ die erschlagenen Raͤu- ber zu besichtigen/ die er als bald/ insonderheit den ersten/ vor die beschrihenste Fechter er- kennete/ und zu seinen Leuten sagete; Er hielte fast vor unmenschlich/ daß diese zween junge Ritter solche ausgeuͤbete Fechter vor der Faust erlegt haͤtten. Aber Frl. Sophia/ die mit jhm gieng/ wuste ihm das Gefechte so zu beschreiben/ daß eroͤffentlich sagete: Dafern er wissen solte/ daß diese Helden Goͤttliches Herkommens waͤhren/ wolte er sie davor gerne erkennen und ehren; Kehrete wieder umb/ und zeigete ihnen an/ sie wuͤrdẽ schwerlich glaͤu- ben/ was vor einen ruhmwirdigen Sieg sie an den Erschlagenen behaͤuptet/ als welche XX Geharnischten nicht wuͤrden entlauffen seyn/ sondern die uͤberwindung ihnen zweifelhaftig gnug gemacht haben. Worauff Ladisla antwortete; Es koͤnte wol seyn/ daß in einer an ih- rer Seiten so gerechten Sache/ sie ihnen viel zu schwach gewesen waͤhren; Weil aber die Billigkeit/ sagte er/ unsere Schwerter selbst fuͤhrete/ auch diese trefliche Fraͤulein mit jhrem andaͤchtigen Wunsch uns zu huͤlffe kahmen/ und Krafft erteileten/ haben sie dem Tode nit entgehen koͤnnen; massen solche leicht fertige Buben durch Goͤttliche Rache fallen muͤssen/ als auff die jhr eigenes Gewissen selbst tapffer zuschlagen hilfft. Fabius schaͤtzete seine hoͤfliche Demuht sehr hoch/ ließ seine erschlagene Reuter in die Erde verscharren/ und sahe/ daß noch fuͤnfe ziemliche Wunden davon getragen hatten. Inzwischen trat Klodius zu sei- nem Herrn/ andeutend/ es haͤtte ihn einer dieses Hauffens vor unredlich gescholten/ baͤhte/ daß zu erster Gelegenheit er solches ritterlich außzutragen/ Freyheit haben moͤchte; welches er ihm einwilligte; und ließ Ladisla der fuͤnff Raͤuber grosse Schwerter und Schilde/ auff welchen sie ihre Nahmen eingeetzet hatten/ zum Siegszeichen mit nehmen; machten sich wieder durch das dicke Gestraͤuch zu jhrer Gesellschafft/ und hinterlassenen Pferden/ da La- disla sein geliebtes Fraͤulein/ Herkules Frl. Helenen/ und Fabius seine heimlich verlobete Ursul bey der Hand hindurch fuͤhreten/ Ladisla aber mit gutem Willen etwas dahinten blieb/ sich durch freundliches Gespraͤch bey dem Fraͤulein besser einzudingen; fand auch al- len freundlichen Willen/ ohn daß auff Vortragung seiner Liebe sie allemahl eine Scherz- antwort gab/ oder doch sich dessen so gar fremde stellete/ als haͤtte sie es nicht verstanden; wodurch seine erhitzete Begierden je mehr und mehr entzuͤndet wurden. Als sie endlich mit Muͤhe die Hecken hinter sich gelegt/ noͤhtigte Fabius unsere Helden im ersten Gliede vorne an zu reiten/ so wolte er als ihr Verbundener ihnen folgen; welches sie aber nicht gestatten wolten/ sondern es gebrauchte sich Ladisla dieser Gelegenheit/ und ordente/ daß Herkules und Fabius im ersten; Er und Frl. Sophia im andern; und die andern beyden Fraͤulein im dritten Gliede reiten solten/ weil man weder Gutschen noch Saͤnfften vor das Frauenzimmer haben kunte/ und sie deßwegen sich mit zu Pferde setzen musten. Nun ritte Fraͤulein Sophia Ladislaen Handpferd/ welches aber von diesem leichten Reuter sich nicht wolte zwingen lassen/ sondern/ wie es ohn das etwas unbendig wahr/ begunte es gleich im auffsteigen mit jhr außzureissen. Ladisla erwischete sie bald wieder/ such- E iij te hie- Erstes Buch. te hiedurch gelegenheit/ sie naͤher zu bekommen/ und weil er den mehrenteil seiner Ruͤ- stung abgelegt hatte/ erboht er sich/ sie auff seinem Pferde vor sich zu fuͤhren/ dessen sie sich anfangs wegerte/ einwendend/ sie wuͤrde jhm gar zu beschwerlich seyn; aber auff jhres Bruders/ und der bey den Fraͤulein (welche alle ihr Liebes feur merketen) Zuredung/ ließ sie sich zu ihm hinauff heben/ da zur anzeige seiner vergnuͤgung/ die er hiedurch empfing/ er ih- re Haͤnde freundlich druͤckete/ und sie es mit einem freundlichen Anblik ersetzete. Es kunte Fabius unsern Herkules nicht gnug anschauen/ und empfand solche neigung in seiner Seele gegen ihn/ daß ihm unmoͤglich wahr/ selbe weiter zu verbergen/ daher er diese Rede an ihn abgehen lies: Mein Herr/ der von mir aus Unvorsichtigkeit begangene Fre- vel/ haͤlt mit der begierde zu seiner Freundschafft einen hefftigen Streit in meinen Her- zen/ daß/ so viel diese mich zu ihm hintraͤget/ mich jener hingegen zuruͤk zeuhet/ weil ich des gar zu groben Fehlers mich wol erinnern kan; nach dem aber auff seine freundliche ver- zeihung ich mich verlasse/ und dieselbe meinem Verbrechen entgegen setze/ hat endlich mein vertrauen der Zungen anbefohlen/ die Furcht hinter sich zu legen/ und des Herzen Wunsch außzudrucken. Herkules fiel ihm in die Rede/ und zeigete an/ daß wann er des im Gehoͤlze auß blosser Unwissenheit begangenen/ nicht in vergeß stellen/ sondern mehr geden- ken wuͤrde/ koͤnte er keinen Schrit weiter mit ihm reiten/ dann ich versichere ihn/ sagte er/ daß/ in seine Kund- und Freundschafft auffgenommen zu seyn/ ich mir vor eine sonderli- che Ehr und Gluͤkseligkeit rechne. Fabius/ nach gebehtener Verzeihung/ fuhr in seiner Re- de also fort: Es pflegen die Sternkuͤndiger dem Himmel zuzuschreiben/ was dem Men- schen vor Gluͤk und Ungluͤk zustosset; ja wann etliche Gemuͤhter sich mit einander Ver- binden/ muß dieser oder jener Stern solches verursachet haben. Ich vor meine Wenigkeit wolte vielmehr halten/ daß eine jnnerliche Krafft der Seelen uns reize und zwinge/ diesem an zuhangen und jenes gehaͤssig zu meyden/ oder wol gar feindselig zu verfolgen; und wol denen/ die der Tugend-liebe nach setzen/ und durch den aͤusser lichen falschen Schein der Sinnen-suͤssen Uppigkeit sich zur verderblichen Wollust nicht verleiten lassen. Freund- schafft und Liebe ist heut zu tage auff der Zungen sehr gemein/ daß nichts wolfeilers mag gefunden werden/ und hat die leichtfertige Jugend den bekanten schnoͤden Brauch/ daß wann sie zusammen kommen/ und einer von dem andern weder gutes noch boͤses nie gese- hen/ oder gehoͤret hat/ sie als bald bruͤderliche Freundschafft unter sich auffrichten/ so bald der Wein ihre Herzen mit einem Tropffen uͤber Durst anfeuchtet; und meynen/ es fliesse aus dem Glase alles her/ was den Nahmen wahrer Freundschafft gebieret. Mein Sinn ist dieser Leichtfertigkeit nie hold/ viel weniger zugethan und ergeben gewesen/ sondern so sel- zam und wenig ich die Tugend bey meines gleichen jungen leuten antreffe/ so geringe ist auch die Anzahl meiner erkieseten freunde; aber daß kan ich sonder sparung der Warheit wol beteuren/ daß nie kein Fremder/ als mein Herr/ mich zu seiner Hulde so sehr gezogen hat. Zwar es moͤchte mañicher mich vor unbesoñen schelten/ daß ich so leichtbewaͤgig bin/ einem zu wahrer Freundschafft mich zu verbinden/ dessen Nahmen ich kaum zweymahl nen- nen hoͤren/ und gar nicht weiß/ wer oder weß standes er sey. Ich aber halte vielmehr/ daß mir solches zum besten Außgedeutet werden muͤsse/ inbetrachtung/ ich kein aͤusserliches an ihm/ und was daß unbestaͤndige Gluͤk verleyhet/ sondern seine hochbegabte Art und Tugend liebe Erstes Buch. liebe und ehre/ die er heut auff einmahl durch Barmherzigkeit und mitleiden gegen daß ge- fangene Frauenzimmer/ durch Herzhafftigkeit und staͤrke gegen die Raͤuber/ und durch guͤ- tige Hoͤffligkeit und vergebung gegen mich/ mit vollem Strohme außgeschuͤttet und zuer- kennen gegeben hat. Nun kan wol seyn/ daß mein Herr von gebluͤte hoͤher ist als ich und die meinen; aber solte er gleich eines Hirten Sohn seyn/ wuͤrde doch seine Tugend bey mir nicht umb ein Haar weniger gelten/ als wann er der maͤchtigste Koͤnig der unuͤberwindli- chen Teutschen waͤhre. Diesem nach Bitte ich dienstlich/ weil mein begangener Fehler miꝛ schon gaͤnzlich nachgelassen ist/ es wolle mein Herr mich unter die Zahl seiner getraͤuen Freunde auffnehmen/ und zwar unter diese/ welche sich durch aus nicht wegern/ Leib und Blut vor ihn in die Schanze zu schlagen/ und vor seine Wolfahrt gutwillig auffzuopffern. Herkules gab eben acht auff seine reden/ spuͤrete auch aus allen seinen geberden/ daß seine Zunge nicht vermochte so viel außzusprechen/ als die Seele ihr vorzubringen befahl/ weil unter den reden er seine Gestalt offt verenderte/ und nach Eigenschafft der worte bald er- roͤhtete/ bald anbleichete/ auch bißweilen im außsprechen etwas ansties und halten blieb. Antwortete ihm deßwegen ganz freundlich und sagete: Mein Herr/ es ist freylich ein naͤr- risches Getichte/ daß man den himlischen Lichtern eine solche Wirkung in unsere Seele aufflegen wil/ und damit zugleich unsern Mutwillen schmuͤcken und entschuldigen/ wann er in der Buͤberey sich vertieffet; gestaltsam auff diese Weise mein Geselle und ich/ den boßhafften Raͤubern die unverantwortlichste Gewalt muͤsten angethan haben/ als die nit aus getrieb ihrer eigenen wilkuͤhr/ sondern durch unvermeidliche Wirkung des Himmels diese zuͤchtige Fraͤulein geraubet zu haben sich entschuldigen koͤnten. Und wer siehet nicht/ daß durch diesen Unweg nicht allein den Lastern Tuͤhr und Tohr geoͤffnet/ sondern auch die Straffe gehemmet/ ja der Tugend ihr gebuͤhrliches Lob entzogen wuͤrde? Freylich mein Herr/ stecket es in unser Seele/ so wol was lob- als was scheltwuͤrdig ist/ nicht weniger/ als eben derselben Kraͤffte die Gemuͤhter verbinden/ und gemeiniglich gleich zu gleichen gesel- len. Wer nun ausser dieser Meynung der Freundschafft Band und Guͤltigkeit suchet/ gibt scheinbahr an den Tag/ wie wenig er derselben Art und Eigenschafft verstehe. Die vollen Becher/ wie leicht sie zur Kundschafft anlocken/ so leicht brechen sie auch dieselbe wieder- umb/ und ist nichts gemeiners/ als daß solche Wein Bruͤder sich in einer Stunde dutzen uñ mutzen/ schmatzen und kratzen/ da dann die Wirkung auff beyden Blaͤttern uns lesen laͤsset/ was von dieser art Freundschafft zu halten sey. Daß ich nun aber etwas naͤher trete/ so kan mit meinen Gedanken ich nicht absehen/ was mein Herr an meiner Geringfuͤgigkeit mag gespuͤret haben/ welches eine so hohe Neigung gegen mich einen schlechten außlaͤndischen umschweiffenden Ritter und unbekanten Menschen erwecken koͤnte. Zwar einen Liebha- ber und Anbehter aller auffrichtigen Tugend gebe ich mich an; wiewol auch dieses mir zur Ruhmretigkeit moͤchte gedeyen/ angesehen der grossen Gebrechligkeit/ die ich taͤglich bey mir verspuͤre/ daß also mich ein jeder billich/ wo nicht auß anderm Grunde/ zum wenigsten meiner Jugend halben vor frevelmuͤhtig schelten muͤste/ dafern ich mich grosser Geschik- ligkeit und Tugend ruͤhmen wolte; weil zu Erweisung eines so volkommenen gutes/ lange Zeit erfodert wird; jedoch wie dem allen/ Bitte ich freundlich/ mein Herr wolle/ als lan- ge er einige Liebe und begierde gutes zu thun/ an mir spuͤret/ mich in dem Gedaͤchtnis-Bu- che Erstes Buch. che seiner Diener und Freunde angezeichnet stehen lassen; ist dann gleich mein vermoͤgen zu schwach/ grosse bedienungen zuleisten/ sol doch mein ergebener Wille keine Gelegenheit durch Vorsaz verseumen/ sich meinem Herrn als Freunde zu aller moͤgligkeit darzulegen. Weil Herkules dieses vorbrachte/ sahe ihn Fabius mit starrem Gesichte an/ und nach sei- ner Rede endigung sagete er: Mein Herr/ mir genuͤget an seinem Erbieten/ wegen ange- nommener Freundschafft daß uͤbrige sey zu seinem Wolgefallen gesprochen; ohn daß ich unberuͤhret nicht lassen kan/ daß ein Verstaͤndiger die Tugend nicht aus dem Alter/ son- dern bloß aus der guͤltigen Volkommenheit urteilet; wie dann mannicher junger Baum viel gesundere und schoͤnere Frucht bringet/ als der mit mossigten aͤsten sich zwanzig Ellen außbreitet; und wil nicht sagen daß die Tugend sich allemahl scheinbahrer in jungen/ als in alten erzeiget/ weil in diesen daß loͤbliche aus Mangel und Abgang der Bewaͤgungen viel leichter/ als in der hitzigen Jugend/ stat findet/ und daher/ was so gemein nicht ist/ uns viel aͤdler als das taͤgliche seyn duͤnket; Alte Rosen sind auch roht/ aber die sich erst von einandeꝛ tuhn/ ungleich lieblicher/ auch besseren Geruchs und Krafft/ welches niemand/ als vielleicht zum scherze leugnen wird. Also fuͤhreten diese neuen Freunde ihr sinnreiches Gespraͤch/ biß sie vor Padua anlangeten/ und verbunden sich ihre Herzen auff so kurzem Wege in wenig Stunden dermassen fest zusammen/ daß solches Band nim̃ermehr kunte auffgeloͤset noch zurissen werden. Ladisla uͤbersahe unterdessen seine Schanze auch nicht; dann weil er sein liebstes Fraͤule in vorsich fuͤhrete/ und ihr in geheim alles reden kunte/ suchete er alle Gelegenheit/ eine genehme Erklaͤrung von ihr zu erlangen; da sie dann allemahl sieh gar hoͤfflich und gewogen/ doch nicht nach seinem Willen vernehmen lies/ deßwegen er ihr sol- ches unter verbluͤmten reden abzugehen/ zu ihr sagete: Mein Fraͤulein/ es faͤllet mir eine Geschichte ein/ die sich in meinem Vaterlande zugetragen/ und wann es ihr nicht zu wie- der waͤhre/ ich selbige/ die Zeit zu vertreiben/ und des unsanfften sitzens sie vergessen zu ma- chen/ gerne erzaͤhlen wolte. Mein Herr/ antwortete sie/ sider dem ich aus Raͤubers Haͤndẽ errettet bin/ habe ich uͤber lange Zeit nicht zuklagen gehabt/ und ist mir leid/ daß mein Herr wegen des unsanfften sitzens sich beschweren muß/ dessen ich die einzige Ursach bin/ und ihm alle diese Ungelegenheit zuzihe. Ich versichere viel mehr mein Fraͤulein/ sagte er/ daß Zeit meines lebens ich nie auff keinem Pferde bequemer gesessen; wuͤrde mich auch nicht we- gern/ auff solche Weise die ganze Welt durchzureiten. Das Fraͤulein sahe ihn an mit lieb- lichen blicken und sagte; Seine Hoͤffligkeit mein Herr/ ist so groß/ und die mir erzeigete Woltahten so haͤuffig/ daß ich mich erkenne in alle dem ihm schuldig und verbunden zu seyn/ was ihm belieben kan und mag; meine Ehr außzunehmen halte ich unvonnoͤhten/ weil ein so ehrliebender Mensch wider Ehre nichts begehren wird/ der mit Darstreckung seines Leib und Lebens mir dieselbe beschuͤtzet/ und als sie gleich solte geraubet werden/ erloͤset und frey gemacht hat. Aber ich bitte sehr/ mein Herr wolle seinem Erbieten nachkommen/ und die erwaͤhnete Geschichte seines Vaterlandes mir zuerzaͤhlen unbefchweret seyn/ weil von Kindesbeinen auff/ ich meine beste Luft in Les- und Anhoͤrung loͤblicher und denkwirdiger Geschichten suche und empfinde. Ladisla bedankete sich anfangs des hohen Erbietens/ wel- ches er zwar nicht verdienet haͤtte/ und doch vor den gluͤkseligsten Ritter sich schaͤtzen wuͤr- de/ dafern sie ihn dessen wirdig hielte. Sagte hernach; die Geschichte waͤhre kurz und viel- leicht Erstes Buch. leicht unlieblich/ abeꝛ die Ursach seiner Erinnerung unterschiedlich/ moͤchte auch Wuͤnschẽ/ daß uͤber die Menschen/ deren er gedenken wuͤrde/ sie ihre Urtel ohn einige Gunst oder Un- gunst zu sprechen/ ihr koͤnte gefallen lassen/ und zwar solcher Gestalt/ als sie uͤber sich selbst in gleichen faͤllen wolte gesprochen haben. Mein Verstand im Urtelsprechen/ sagte sie/ ist sehr schlecht und kindisch/ doch meine unmaßgebliche Meynung daruͤber anzudeuten/ bin ich meinem Herren gerne Gehorsam. Hierauff nun fing Ladisla also an: In meinem Va- terlande lag eine wunderschoͤne Jungfer in einem tieffen Turm gefangen/ woselbst sie von gifftigen Schlangen und allerhand schaͤdlichem Ungezieffer gar uͤmringet wahr/ daß Menschlichem Ansehen nach/ unmoͤglich schien/ sie daraus haͤtte koͤnnen errettet werden. Sie wahr aller ihrer Kleider beraubet/ mit Haͤnden und Fuͤssen angeschlossen/ daß sie we- der weichen noch sich wehren kunte/ und erwartete alle Augenblik/ wann daß Ungezieffer/ welches mit dem vergiffteten anhauchen ihr schon draͤuete/ sie anfallen und verzehren wuͤr- de. Nun fuͤgeten es die Goͤtter/ daß ein Ritter ohngefehr voruͤber ging/ ihr klaͤgliches Ge- schrey hoͤrete/ und zu allem Gluͤk einen losen Stein in der Untermauer des Turmes an- traff/ welchen er außhub/ und sich in die Gefaͤngnis hinunter ließ/ machte sich an das giff- tige Gewuͤrm/ zutrat sie/ und fuͤhrete die Jungfer frey und gesund heraus/ so gar/ daß sie nachgehends niemand weiter besprechen durffte/ weil ihre Unschuld ans Licht kam. Die Jungfer bedankete sich mit worten hoͤchlich gegen den Ritter/ versprach auch die geleistete Rettung in der Taht zu vergelten/ und noͤhtigete ihn mit zu gehen/ damit sie ihm seine Dienste belohnen koͤnte. Dieser wahr hierzu willig und folgete nach/ biß sie zu einem ver- borgenen tieffen Loche kahmen/ dahinein sties sie diesen frommen gutherzigen Ritter/ legte einen Stein vor das Loch/ daß es kein Mensch erfahren solte/ ging davon/ und lies ihn elen- dig sterben und verschmachten. Hieselbst wolle nun mein Fraͤulein/ gethanem Verspre- chen nach/ ohn alles ansehen Urteilen/ was der Ritter wegen geleisteter Rettung; die Jung- fer aber vor ihre Dankbezeigung verdienet habe. Frl. Sophia antwortete; Mein Herr/ ich entsetze mich uͤber dieser Erzaͤhlung/ und haͤtte nicht gemeinet/ daß so grosse Boßheit bey einigem Menschen/ geschweige bey einem Weibesbilde solte gefunden werden; da auch meine Urtel gelten solte/ spreche ich ohn Gunst und Ungunst/ wie ich uͤber mich selbst wolte sprechen lassen/ daß diese schnoͤde Jungfer verdienet/ vor erst in die vorige Gefaͤngnis ge- worffen/ und mit zehenfachen Unzieffer geplaget zu werden; jedoch/ dafern mein Herr mich berichten wird/ ob auch der Ritter diese Jungfer nach geschehener Erloͤsung an ihren Eh- ren gekraͤnket habe; wo nicht/ muß die Urtel billig guͤltig seyn/ wie gesagt; der Ritter aber solte nicht allein errettet/ sondern zum Herren uͤber alle ihre guͤter eingesezt werden; solte uͤber daß taͤglich viermahl hingehen/ und an der Straffe seiner Feindin sich ergetzen; auch das Gewuͤrm reizen/ daß es dieser grausamen und Undankbaren die aller empfindlichsten Schmerzen anlegete. O mein Fraͤulein/ antwortete Ladisla; der guͤtige Himmel wende ja diese Urtel/ und lasse vielmehr alles uͤber mich ergehen. Sie erblassete vor schrecken uͤber diese Worte/ und sagete zu ihm; Wie so mein Herr? habe ich ihm zum Verdries geur- teilet/ warumb hat er mich dann so hoch da zu vermahnet? Ach ach/ sagte er/ ich kan dieser Urtel nicht beypflichten/ weil die Jungfer mir lieber/ als mein eigen Herz; der Ritter aber mir sehr verwand ist. Jezt merkete sie sein Raͤzel/ wohin es zielete/ taht aber nicht deßglei- F chen/ Erstes Buch. chen/ sondern gab zur Antwort: Eure Liebe und Freundschafft mein Herr/ ist mir aller- dinge unwissend; unter dessen aber halte ich meine Urtel den Rechten noch gemaͤß. O mein Fraͤulein/ sagte er/ viel zu straͤnge viel zu straͤnge ! warumb aber zu straͤnge? fragte sie; ich meine/ der Himmel selbst werde meinen Schluß billichen/ als welcher nichts so sehꝛ/ als die Undankbarkeit hasset; moͤchte doch gerne von ihm hoͤren/ wie ich die Urtel anders fassen solte. Meine Meynung waͤhre/ antwortete er/ es solte diese Jungfer vor erst gehal- ten seyn/ den unschuldigen frommen Ritter aus dem Loche zu ziehen/ und ihm eine bessere Dankbarkeit zu erweisen; wuͤrde hernach der Ritter zugeben koͤnnen/ welches ich doch nit glaͤube/ daß sie in vorige Gefaͤngniß gelegt wuͤrde/ stuͤnde davon zu rahtschlagen/ wie/ wel- cher gestalt/ und wie lange; ja wuͤrde der Ritter nicht klagen/ so beduͤrffte es keines weitern Spruchs. Bey meiner Traͤue/ sagte sie/ es waͤhre eine wolbedachte/ aber gar gelinde Ur- tel an der Jungfern Seite/ und geschaͤhe uͤber das dem Ritter kein Genuͤgen. Meiner Fraͤulein Spruch aber/ sagte er/ wuͤrde gar zu scharff seyn/ nicht minder wider den Ritter/ als die Jungfer selbst/ ungeachtet der Ritter ihr zuvor kein Leid angetahn. Gegen den Rit- ter zu scharff; Dann es moͤchte seyn/ daß nach seiner Erledigung er seine Liebe zu jhr/ nicht ablegen koͤnte/ und wol lieber sterben/ als sie unter den Wuͤrmen verderben lassen wolte. Also wuͤrde die gesprochene Urtel den unschuldigen mit dem schuldigen treffen. Gegen die Jungfer zu scharff; dann es moͤchte ihr das uͤbel nachgehends leid werden; haͤtte uͤber das/ weil der Ritter ja erlediget waͤhre/ den Tod nicht verdienet/ sondern stuͤnde vielleicht in dessen ferner Wilkuͤhr/ mit jhr zu handeln. Mein Herr/ sagte sie hierauff/ ich bin viel zu schlecht und unverstaͤndig/ diesen wichtigen Einwurff zu loͤsen; erlerne auch daher/ wie ein schweres Werck das Richter Amt sey/ welchem Unerfahrne keines weges sollen vorgesezt werden; Daher auch mein Herr uͤbel getahn/ daß er mich vor eine Richterin auffgeworf- fen hat. Wann mir aber keine Frage verarget wuͤrde/ moͤchte ich wol wissen/ ob auch jez- gedachter Ritter so wol Standes als Tugend halber wirdig gewesen/ von dieser Jungfer nicht allein loßgelassen/ sondern auch geliebet zu werden. Ladisla merkete ihre Verschla- genheit/ daß sie seinen Vorsaz errahten hatte/ und zugleich sich seines Standes erkuͤndigẽ wolte/ und gab zur Antwort: So viel mir bewust/ hat dieser Ritter stets nach Ehr und Tu- gend gestrebet/ sich aber aͤusserlich uñ vor den Leuten aus hoͤchstwichtigẽ Ursachen schlecht und geringe gehalten/ ungeachtet er von hohem/ ja von dem hoͤchsten Stande seines Vater- landes wahr. Vielleicht hat dann die Jungfer/ sagte sie/ seines Herkom̃ens keine Wissen- schafft gehabt/ sonst wuͤrde sie ohn zweifel sich so unfreundlich gegen ihn nicht verhalten haben; und dafern dem also/ haͤtte der Ritter/ meiner Einfalt nach/ sehr wol getahn/ wann er bald anfangs sich ihr haͤtte zu erkennen gegeden. Es stund wegen eines schweren Geluͤb- des in seiner Macht nicht/ antwortete er/ sonst haͤtte er vielleicht der Jungfer ohn einiges Bedenken sein ganzes Herz vertrauet; Und was meinem hochwerten Fraͤulein ich anjezt voꝛgetragen/ kan ich anders nicht rechnen/ als ein lebendiges Vorbilde meines jetzigen un- sals. Sie hoͤrete den Fuchs wol schleichen/ weil er ohn das nicht so gar leise niedertrat/ ließ sichs doch nicht merken/ sondern fragete als mit Verwunderung; Wie mein Herr? ist ihm dann ehmahls deßgleichen auch begegnet/ so erfreue ich mich seiner erꝛettung von ganzem Herzen/ weil ohn dieselbe ich nicht wuͤrde errettet seyn; Und hat er daher sich wol vorzu- sehen/ Erstes Buch. sehen/ daß er nicht allem aͤusserlichen Schein traue/ insonderheit/ weil sein Verlust vielen Nohtleidenden zum Verderben gereichen wuͤrde/ die sich seiner Rettung/ als lange er le- bet/ zu getroͤsten haben. Ich vor meine Wenigkeit/ werde die mir erwiesene zu preisen wis- sen/ so lange ich mich selbst kennen kan/ und daneben bemuͤhet seyn/ meinem Ehren- und Le- bens Schuͤtzer eine bessere Dankbarkeit/ als gedachte seine Landmaͤnnin/ zu erzeigen. Ladisla wolte nun laͤnger nicht unter dem Huͤtlein spielen/ sondern fing mit bewaͤglicher Rede an: O mein außerwaͤhltes Fraͤulein/ wie so hohe Vergnuͤgung ist es meiner Seele/ daß mit meinen geringen Diensten ich ihrer Vortrefligkeit einigen beystand getahn und tuhn koͤn- nen; wird auch/ weil ich lebe/ und dessen gedenken kan/ meinem Herzen die allergroͤsseste Freude schaffen/ in sonderheit/ weil derselben/ es zu gedenken/ behaͤglich ist. Aber O daß ent- weder ich blind/ oder mein Fraͤulein unsichtbar gewesen/ und noch waͤhre/ daß ihre auß- buͤndige Schoͤnheit mir unwissend seyn moͤchte/ weil durch dieselbe ich leider in die grund- lose Liebes-Grube gestuͤrzet bin/ in welcher ohn jhre Rettung/ die allem ansehen nach/ ich nicht eins zu hoffen habe/ ich gewißlich umbkommen und verderben muß. Aber du gefan- gener Ladisla/ nim den Lohn deiner Verwaͤgenheit nur gutwillig an/ weil du liebest/ da du deiner Liebe keinen Grund findest/ und daselbst zu lieben begehrest/ wo deine Seele nicht hafften kan; jedoch versuche noch einmahl zu guter lezt/ ob das vortrefliche Fraͤulein zur Erbarmung und Mitleiden koͤnne erweichet werden/ und sie dich auß diesem Verderbens- loche loßreissen wolle/ dahinein dich jhre Schoͤnheit gestossen; wo nicht/ so bitte die Goͤtteꝛ/ daß ihre selbst gesprochene Urtel sie ja nicht treffen moͤge/ du lebest gleich mit ihr/ oder stir- best ihretwegen. Hiemit endete er seine Rede/ und hing auff dem Pferde als in halber Oh- macht; Welche Verenderung das Fraͤulein aus seiner Stille und Farbe merkend uͤber- auß hoch erfchrak/ druͤckete ihm die Hand und sagete: Begreiffet euch/ mein hochwerter Herr und Freund/ oder besser zu sagen/ mein Ritter und Erretter von den boͤsen Wuͤrmẽ und gifftigen Schlangen/ welche freylich mich gefangene und nackete schon anhaucheten/ und zu erwuͤrgen draͤueten. Ich erkenne ja die hohe Woltaht eurer Erloͤsung/ und billich/ wolte auch lieber eines boͤsen Todes sterben/ als einen so hochver dienten Freund in einiges Ungluͤks Loch stossen/ oder zu seinem Verderben die allergeringste Ursach geben. Ich bitte aber ganz freundlich/ mir ein widriges nicht anzutichten/ welches mir/ bey des Himmels Zeugniß/ nie in den Sinn kommen ist. Ich verstehe zwar in etwas/ wohin er mit seiner Er- zaͤhlung gezielet/ aber nimmermehr werde ich leiden/ daß die Außdeutung auff mich koͤnne gerichtet werden; So ist auch meine Schoͤnheit bey weitem noch der Vortrefligkeit nicht/ daß ein solcher volkommener Ritter durch dieselbe solte koͤnnen eingenommen oder gefan- gen werden; Ist aber etwas an mir/ welches ihm gefallen moͤchte/ erachte durch seine Wol- tahten ich mich verbunden/ solches vielmehr zu seiner Vergnuͤgung als Verderben an zu- wenden; Nur bitte ich instaͤndig und von herzen/ mein Freund und Erloͤser wolle in eine annoch Unbekante nicht weiter dringen/ als dieselbe sich zu erklaͤren/ Macht und Gewalt hat/ auch Jungfraͤuliche Zucht und Scham ihr zulassen wil. Ja mein Fraͤulein/ antwor- tete er: Wann hungerige Magen und durstige Herzen mit Worten koͤnten ersaͤttiget und gelabet werden; Was hilfft mir hungerigen die Farbe und Geruch eines schoͤnen wol- schmeckenden Apffels/ wann ich jhn nur auff dem Baume sehen/ und nicht geniessen sol; F ij wird Erstes Buch. wird nicht meine Begierde nur dadurch gepeiniget? Mein Herr/ antwortete sie/ was wuͤr- de er dann des schoͤnen Apffels achten/ wann er jhn zuvor in den Koht getreten haͤtte/ daß er durch und durch besudelt wuͤrde? wuͤrde er denselben nicht als bald verfluchen/ und einen Abscheu daran haben? Verflucht seyn alle/ sagte er/ die solchen unbillichen Vorsaz haben! und wie solte ich den lieben Apfel in Koht werffen/ dessen Niessung ich umb alles mein Gut loͤsen wolte/ meinen dringenden Hunger zu stillen? Das Fraͤulein antwortete: Mannicher Lusthunger ist so unordentlich und boͤse/ daß er auch die Speise verdirbet/ die durch dessen Antrieb genossen wird. Ey so sey auch der verflucht/ sagte er/ welcher solchen ungebuͤhrli- chen Lusthunger bey sich hat; Ich beteure es/ mein Fraͤulein/ so hoch ein Ritter kan und sol/ daß mit keiner anderen/ als auffrichtiger getraͤuer und keuscher Liebe ich derselben zuge- tahn bin/ so daß ich lieber eines grausamen Todes sterben/ als einige Unbilligkeit ihr zu- muhten wolte; hat aber mein Fraͤulein etwa schon einem andern sich selbst zugedacht und ergeben/ bitte ich/ mich solches wissen zu lassen/ damit auff solchen Ungluͤksfall ich zeit mei- nes Lebens beklagen moͤge/ daß ich so ein liebes Taͤubelein einem andern zum besten/ aus des Geiers Klauen habe helffen loßreissen. Nein mein Herr/ fiel sie ihm in die Rede/ er hat sich zu versichern/ daß wie ich zeit meines Lebens von keinem Mannes bilde/ als heut diesen Tag bin angesucht/ also habe ich auch noch keinen zu meiner Liebe erkieset; jedoch sein Er- bieten/ mein Freund/ nehme ich mit gutem Herzen auf; Daß ich aber ihm voͤllige Antwoꝛ t nicht folgen lasse/ wird er mir ja nicht verargen/ angesehen/ ihm mein und der meinigen zu- stand annoch allerdinge unbekant ist/ und ich nicht wissen kan/ ob er mit solchem hernaͤhst werde friedlich seyn; bin auch versichert/ daß mein Herr mirs dereins auffruͤcken wuͤrde/ wann in so weniger Kundschafft ich mich so weit vergehen/ und nach seiner Ansuchung ohn meiner lieben Eltern Bewilligung/ die ein solches umb mich nicht verschuldet/ mich in unstaͤndiger Frecheit außdruͤklich erklaͤren solte. Lasset euch/ bitte ich/ ein Zeichen mei- nes guten Willens seyn/ daß wie er der erste ist/ von dem ich dergleichen Anmuhtungen bekommen/ ich von Herzen wuͤnsche/ daß ichs von keinem in der Welt mehr hoͤren moͤge; welche lezte Worte sie zu seinem Troste nicht ohn starke Schamroͤhte mit leiser Stimme hervorbrachte. Ladisla merkete aus dieser Antwort/ daß sie nicht willens wahr/ ihm ihre Liebe unbedinget zu versprechen/ ehe sie seines Standes unterrichtet waͤhre; hatte sich auch schon auff eine vernuͤnfftige Antwort geschicket; Aber sie naheten dem Stad Tohr/ daß das Fraͤulein absteigen/ und sich auff ein Pferd setzen/ auch boͤse Nachrede zu meiden/ von sei- ner Seiten ab/ sich zu ihren Gespielen begeben muste/ welches sie mit solcher Freundligkeit taht/ daß er ihre gute Gewogenheit wol verspuͤrete. Ladisla und Fabius nahmen Herkules wider seinen Willen in die Mitte/ und wolten gleich zur Stadt einreiten/ da Klodius aus der Ordnung sich vor seinem Herrn stellete/ und jhn seines heutigen Versprechens erin- nerte/ auch von jhm Erlaͤubniß bekam/ sein Anliegen vorzutragen; Worauff er Herrn Ka- jus Fabius also anredete: Ihr werdet euch besinnen/ Ritter/ was gestalt ihr bey eurer er- sten Ankunfft/ meine Ritterliche Ehr zu kraͤnken euch unterstanden/ und mich vor einen Dieb und Raͤuber außgeruffen; Weil ich aber solcher Untaht mich allerdinge frey weiß/ und so wol ein Roͤmischer aͤdelman bin als ihr/ ob gleich wegen Abgang zeitlicher Guͤter/ uñ etwas zu erfahren/ ich mich/ meines Adels ungeschaͤndet/ in meines Gn. Herrn Dien- ste be- Erstes Buch. ste begeben/ so bin ich bereit und erboͤtig/ meine Ehe mit der Fast zu handhaben/ umb zu er- weisen/ daß ihr mit Unwarheit mich vor solchen Unmann außgeruffen; sage euch deß we- gen ab/ und fodere euch zum Kampff/ es sey mit dem Speer oder Schwert/ oder bey des. Herkules ward auff seinen Diener zornig/ und sagte zu ihm: Nimmermehr haͤtte ich ge- dacht/ daß du mir diesen Schimpff machen wuͤrdest; so hastu mir auch den Mann nicht genennet/ mit dem du es zu tuhn haͤttest/ ich wolte diesen Span sonst leicht entschieden ha- ben. Fabius hielt bey Herkules umb Verzeihung an/ und gab seinem Außforderer zur Antwort: Ritter/ ich meyne nicht anders/ als daß ich meines Irtums wegen einen Wie- deruff getahn/ so bald ich dessen inne worden bin; weiß auch von euch nichts unehrliches/ sondern halte euch vor den ihr euch außgebet; Weil ihr aber damit nicht koͤnnet friedlich seyn/ und Lust habt/ euch mit mir zu versuchen/ wil ich euch gerne zu willen seyn/ damit jhr hernach moͤget auffhoͤren euch weiters uͤber mich zu beschweren. Herkules wolte seinem Diener den Kampff verbieten; derselbe aber wante ein/ ihre Gn. moͤchten bedenken/ was jhm hierauß vor ein Schimpff entstehen wuͤrde/ und muͤste er eines solchen Herrn unwir- dig seyn/ wann er seiner Ehren keine gebuͤhrliche Obacht haͤtte. So hielt Fabius selbst bey Herkules an/ nicht weiter darzwischen zu reden/ weil ja auff geschehene Außfoderung Rit- ters gebuͤhr muͤste geleistet werden. Also muste ers endlich/ wiewol mit hoͤchstem Unwillen geschehen lassen. So bald Fabius seinen Harnisch und etliche Speer hatte herzu hoh- len lassen/ reichete er Klodius eines/ und zeigete jhm den Kampffplaz/ wohin er ihm bald folgen wolte; Wie dann auff dessen Ankunfft der Ernst ohn verweilen vorgenom̃en ward/ da sie behutsam auff einander ranten/ daß die Speere Splitterweise in die Lufft flogen/ und keiner gefellet ward; deßwegen sie andere Speere foderten/ die man jhnen mit unwil- len gab/ weil die Zuseher sagten; sie haͤtten ihren Ehren beyderseits ein Genuͤgen getahn; welches sie aber nicht achteten/ und Fabius zur Antwort gab: Die Goͤtter behuͤten mich vor diesen Schimpf/ daß ich so schlecht vom Platze reiten solte; viel besser/ ich werde davon getragen. Wageten darauff den andern Saz/ daß sie beyde hint er sich bogen; aber noch un- verwendet den Lauff zu ende brachten; muste also der dritte Fall mit neuen Speeren ge- waget seyn/ und hielten bey derseits ihren Gegener vor einen handfesten Ritter. Sie nah- men jhnen vor/ in diesem Treffen Bischoff oder Bader zu spielen/ ranten auch so ungestuͤm auff einander/ daß nach Brechung der Speere Roß und Mann mit den Leibern zusam̃en stiessen/ und Fabius samt dem Pferde uͤbern hauffen fiel/ Klodius aber eine Splitterwun- de in den Arm bekam/ und vom Pferde stuͤrzete; wahren doch beyde geschwinde auff/ grif- fen zu den Schwertern/ und wolten damit ersetzen/ was die Speere nicht verrichten moͤgẽ. Herkules aber setzete sich zwischen sie/ uñ hielt bey Fabius durch bitte an/ sich des Schwert- streits zubegeben. Zu Klodius aber sagte er bedraulich; dafern er nicht einhalten wuͤrde/ solte ers mit ihm zu tuhn habẽ; welcher darauf zur antwort gab: Gn. Herr/ ich gelebe eures befehls; aber Fabius wird mich vor einen redlichen Ritter erkennen. Ich habe euch nie an- ders gehalten/ sagte dieser; haͤttet auch wenig uꝛsach zu diesem Streite gehabt/ angesehẽ ich eine gedoppelte Verzeihungsbitte bey euch abgelegt. Ja Herr Fabius/ antwortete er/ ihr wisset sehr wol/ dz sichs dergestalt mit Ritters Ehr nit scheꝛzen odeꝛ spielẽ laͤsset. Die Schelt- worte wahren oͤffentlich gesprochen/ aber nit oͤffentlich widerruffen/ welches ich euch auch nicht an muhten wollen/ nunmehr aber bin ich vergnuͤget/ und gelebe hinfort euer Diener. F iij Nicht Erstes Buch. Nicht mein Diener/ sagte Fabius/ sondern mein Freund und Mit-Roͤmer; und daß ihr meines Irtuhms wirkliche Erkaͤntniß habt/ wil ich euch mit einem guten Pferde/ volstaͤn- diger Ruͤstung/ und 500 Kronen verfallen seyn. Zeit wehrendes Kampffes/ wahr Frl. Sophia wegen ihres Bruders sehr leidig/ aus furcht/ ihm moͤchte ein Unfall begegnen/ weil solche Spiele grossen teils in Gluͤkshaͤnden stehen; fing auch an/ vor angst laut zu ruf- fen/ da sie jhn mit dem Pferde stuͤrzen sahe; und kunte Frl. Ursula ihre Liebe ja so wenig ber- gen/ so daß wenig fehlete/ sie aus Ohmacht vom Pferde gestuͤrzet waͤhre. Nach dem aber der Streit geendiget/ und Fabius ohn allen Mangel blieben wahr/ ohn daß er im falle die lincke Hand verstossen hatte/ die ihm als bald wiedeꝛ eingerichtet ward/ legten sie jhre Angst und Sorge ab/ bekahmen jhre gewoͤhnliche Farbe wieder/ und ritten ingesampt der Stadt zu/ da sie von der Buͤrgerschaft mit einem Freudengeschrey empfangen wurden/ jhre Froͤ- ligkeit an den Tag zu geben/ daß der vornehmsten Herren Toͤchter/ unverlezt jhrer Ehren wieder erlediget wahren/ wie man jhnen durch einen Reuter hatte lassen andeuten. Her- kules/ Ladisla und Fabius ritten forne an/ denen die drey Fraͤulein mit ihren zurissenen Kleidern folgeten/ und wunderten sich alle Zuseher/ wer die beyden junge Herren waͤh- ren/ denen Fabius (welcher schon ein Roͤmischer Rittmeister wahr) so grosse Ehre taht/ und ihnen die Oberstelle gab. Etliche sageten/ es waͤhren vornehme Roͤmische Herren/ des Stathalters nahe Anverwanten/ welche nur zum Possen die Fraͤulein ent- fuͤhret haͤtten/ ihnen einen kurzweiligen Schrecken einzujagen. Andere gaben vor; die Fraͤulein haͤtten es mit ihnen also angelegt/ sie heimlich zu entfuͤhren/ weil sie sich mit ihnen wieder der Eltern Willen verliebet/ und dieselben nunmehr Gott danken wuͤr- den/ daß sie einwilligten/ nach dem sie etliche Stunden mit ihnen im Pusche allein gewesẽ. Andere brachten ein anders auff die Bahn/ nach dem ein jeder seinen eigenen Gedanken nachhaͤngete/ und dieselben vor Warheit angeben duͤrffte. Als sie vor des Stathalters Herren Quintus Fabius herlichen Hoff kahmen/ und derselbe mit seinem Gemahl Fr. Sabina Pompeja biß vor das aͤusserste Tohr an der Gassen hervor gangen wahr/ sahe der junge Fabius sie stehen/ zeigete sie seinen Gefaͤrten und sagete: Dorten warten meine El- tern auff uns/ daß sie uns empfangen moͤgen; und als er naͤher kam/ stieg er ab vom Pferde/ trat zu ihnen hin und sagete: Diese beyde Helden haben unsere Fraͤulein aus den Faͤusten der fuͤnff aller verwaͤgensten Raͤuber maͤchtig er rettet/ uñ bey ihren jungfraͤulichen Ehren sie erhalten/ die ohn ihre Huͤlffe nicht haͤtte koͤnnen geschuͤtzet werden; davor wir dann schuldig sind/ Zeit unsers lebens ein dankbares Herz gegen sie zu tragen. Unsere Helden wahren auch schon abgestiegen/ und verwunderten sich uͤber daß herliche Ansehen des Stathalters/ der ein Herr ohngefehr von 52 Jahren wahr; Er hatte einen schoͤnen breiten Bart/ welcher Anfing sich grau zu faͤrben; hielt einen Helffenbeinen Stab in der Hand/ und stunden sechs Diener hinter ihm in roht gekleidet. Er wahr mittelmaͤssiger laͤnge/ stark von Leibe/ eines kaͤsten braunen Haars mit etwas grau vermischet/ und braͤunlich von Angesicht/ grosser Stirn/ und scharffsichtiger Augen. Sein Gemahl vom Gebluͤte des grossen Pompeius/ welcher ehemahls mit Kajus Julius Kaͤyser umb der Welt Herschaft stritte/ stund ihm zur linken; eine gar schoͤne Frau/ zimlicher laͤnge und etwas feist/ ihres Alters XLI Jahr/ hatte sich ihrem Gemahl gleich in schwarzen Sammet mit guͤldenen Blu- Erstes Buch. Blumen gekleidet/ welches ihr ein treffliches Ansehen gab. Sie wahr lebhaffter Farbe/ doch mehr weiß als roht/ und nach ihrem Alter sehr jung anzusehen; eingezogener und stil- ler Sitten/ und dabey zu zeiten etwas schwermuͤhtig; begegnete ihrem Gemahl mit ge- buͤhrlichem Gehorsam und lies ihr die Haußsorge insonderheit angelegen seyn/ umb wel- che sich ihr Herr wenig bekuͤmmerte. Als diese beyde ihres Sohns Rede vernahmen/ wie wol ihnen schon vorhin die geschehene Rettung angemeldet wahr/ erfreueten sie sich doch von neuen/ und redete der Stathalter unsere Helden/ gleich da sie ihm den demuͤhtigen Handkuß leisten wolten/ also an: Hochaͤdle mannhaffte Ritter/ daß eure Tugend euch auf- gemahnet hat/ meine einige Tochter/ und ihre Gespielen/ meine Baͤßlein/ von den un- zuͤchtigen Raͤubern zu erloͤsen/ und sie vor Schande zu bewahren/ davor bedanken wir uns billig/ und von Herzen/ werden auch/ so weit unser Vermoͤgen sich erstrecken wird/ die wirk- liche Dankbarkeit sehen zu lassen/ unvergessen seyn/ in hoffnung/ den Abgang an unser Sei- te/ werden die reichen Goͤtter ersetzen. Vor dißmahl halte ich bey jhnen bitlich an/ meine Wohnung durch jhr einkehren zubeseligen/ und mit dem/ was das Hauß in der eile Ver- moͤgen wird/ freundlich vor lieb und gut zunehmen/ wie in betrachtung ihres sehr geneige- ten willens/ ich mich dessen zu ihnen ungezweiffelt versehe. Unsere Helden tahten ihm und seinem Gemahl grosse Ehre/ entschuldigten sich mit ihrer unwirdigkeit/ und daß sie so ho- hes Erbieten/ Zeit ihres lebens mit keinem Wort zuersetzen vermoͤchten/ viel weniger waͤh- ten sie der wirde/ daß so ein maͤchtiger Roͤmischer Herr und Kaͤyserl. Stathalter ihnen biß auff die Gasse entgegen treten/ und sie daselbst muͤndlich Einladen und empfangen sol- te; bahten sehr/ ihre Gn. wolten in ihren Hoff einkehren; sie als gehorsame Diener waͤhren demselben auffzuwarten bereit und schuldig. In dessen hatte man den Fraͤulein ingesamt von den Pferden geholffen/ da Frl. Sophia sich zu ihrer Fr. Mutter nahete/ und von ihr mit freuden traͤhnen empfangen und geherzet ward/ weil sie diese Tochter mehr als sich selbst liebete. Herr Kornelius/ Frl. Ursulen; und Herr Emilus/ Frl. Helenen Vater/ bey- de sehr maͤchtige und reiche Stadjunkern und Rahts Herren von Rom/ die zu Padua ih- re Hoͤffe und statliche Landguͤter hatten/ und daselbst lieber als in Rom lebeten/ kahmen darzu/ und funden ihre geliebete Toͤchter und einige Kinder frisch und gesund wieder/ des- sen sie sich herzlich freueten/ und vor beschehene Rettung sich sehr hoch erbohten; zu denen der Stathalter sagete: Geliebte Herren Schwaͤgere und Bruͤder/ sie werden sich gefallen lassen/ mit mir einzukehren/ und diesen Erloͤsern unserer Kinder annehmliche Geselschafft leisten/ wie sie dasselbe nicht weniger umb euch/ als mich verdienet haben/ und wir demnach durch die erbare Billigkeit gehalten sind/ ihnen eine moͤgliche Wiederkehr zu thun. Hie- selbst wolten nun die Fraͤulein auff der Gasse ihren Eltern erzaͤhlen/ in was grosser Gefahꝛ sie gewesen/ und durch dieser Ritter Mannheit erlediget waͤhren; aber der Stathalter sag- te zu ihnen: Geliebte Kinder/ eure zurissene Kleider sind Gefahrszeichen gnug; aber daß einsame Lustfahren/ hat wol ehemahl einer Jungfer den teuresten Kranz gekostet; und wuͤꝛ- de ich euch ein solches wol nicht eingewilliget haben/ da ichs zeitiger erfahren haͤtte; je- doch/ geschehene Dinge sind nicht zu endern/ wie wol ihr eine rechtschaffene Straffe ver- dienet/ und mein Gemahl nicht weniger/ die den Toͤchterchen diesen leichten Willen so bald/ und ohn mein Vorwissen gestattet hat. Ich mag euch aber vor diesen fremden Her- ren Erstes Buch. ren weiters nicht beschaͤmen/ noch mit mehrer Zuͤchtigung auffhalten/ weil eure leere Ma- gen ohn zweiffel rechtschaffen murren/ und wird Zeit seyn/ die Mahlzeit zuhalten/ wo mit wir biß auff eure Wiederkunfft gewartet. Wann ihr nun den Madensak werdet gefuͤllet haben/ wird noch Zeit uͤbrig seyn/ den Verlauff eurer Entfuͤhrung/ und erfolgeten gluͤkli- chen Rettung zuerzaͤhlen. Hierauff nam er Herkules/ sein Gemahl aber Ladisla bey der Hand und fuͤhreten sie in den Vorhoff/ dessen Hintergebaͤu von Marmel und Alabaster sehr koͤstlich auffgebauet/ und Koͤniglich gezieret wahr. Da sahe man an den waͤnden die alten Roͤmischen Geschichte so eigentlich und Kunstreich abgemahlet/ daß es Wunder wahr. Gar zu foderst im Eingange stund eine sehr grosse aus Korintischen Erz gegossene Woͤlffin auff einer Saͤule/ zehen Ellen hoch/ die hatte von ihren Haaren ein Nest ge- macht/ worinnen zwey kleine ganz nackete Knaͤblein lagen/ und an der Woͤlffin Euter hin- gen/ die mit den hinter- und foͤrder Fuͤssen sich in artiger Stellung hielt/ das die Kinder- chen hinzu reichen kunten. Frl. Sophia/ die mit ihren Gespielen allernaͤhest hinter ihren Eltern herging/ trat hervor/ und sagte zu unsern Helden; Ihr meine Herren/ geliebt euch zu sehen die ersten Erbauer unser Stadt Rom/ den Romulus und Remus/ wie sie von der Woͤlffin sind gesaͤuget worden/ so koͤnnen sie ein wenig sich nach der Rechten umsehen. Ja mein Fraͤulein/ antwortete Herkules/ wir bedanken uns der Ehren; und ist dieser trauen nicht ein schlimmer Meister gewesen/ der die Geschichte so lebhafft hat abgiessen koͤnnen/ deßgleichen mir zu Rom selbst nicht vorkommen ist. Sie gingen weiter durch den andern Schwibogen in den innern Hoff/ da Romulus und Remus in ihren Waffen stunden/ und mit erhobenen Angesichtern acht gaben/ welchem unter ihnen die Voͤgel daß erste Gluͤk- zeichen der Herschafft geben wolten; und fing das Fraͤulein aber an; Sehet da/ mein Herr Ladisla/ zween leibliche Zwilling-Bruͤder; unter denen aber bey weitem so veste Vertrau- ligkeit und Liebe nicht wahr/ als zwischen meinem Herren und seinem Freunde Herkules sich findet; massen diese sich umb die Herschafft zanken und gar erschlagen/ da hingegen ihr nur suchet/ wie einer dem andern sich unterwerffen/ und von ihm befehliget werden moͤge. Frau Pompeja hoͤrete ihren Reden zu/ und gefiel ihr der Tochter Gespraͤch nicht uͤ- bel; sagte demnach zu ihr; Geliebtes Kind/ du redest mit diesen beyden Herren/ als ob du sie von langer Zeit her kennetest/ und ihres ganzen lebens voͤllige Wissenschafft truͤgest/ da ich mich doch nicht zuerinnern weiß/ daß ich Zeit meines Lebens sie gesehen haͤtte. Herzliebe Fr. Mutter/ antwortete sie/ so ist auch heut gewiß der erste Tag/ daß zu meinem hoͤchsten Gluͤk ich ihre Kundschafft erlanget; weil aber wahre Tugend nicht lange verborgen blei- ben kan/ welche in diesen Helden so klar als die Sonne im Mittage leuchtet/ habe ich selbe aus ihren tahten und reden unschwer vernehmen koͤnnen. Herkules hoͤrete dieses/ kehrete sich nach ihr umb/ und antwortete: Durchleuchtiges Fraͤulein/ ich Bitte sehr/ sie wolle uns nicht gar zu schamroht machen/ als die wir durch ihre hohe Vernunfft schon uͤbrig gelehret sind/ wie wir billig beschaffen seyn muͤsten/ da wir einiger Volkommenheit wolten geruͤhmet werden; weil aber eine solche unstraͤfliche Bildung der Tugend/ welche sie in ih- rem Verstande abgerissen/ an menschliche schwachheit nicht bald reichen wird/ hoffen wir/ sie werde mit unserm Unvermoͤgen geduld tragen/ angesehen wir noch in den Lehrjahren uns befinden/ und der Unterweisung faͤhig sind: Worauff das Fraͤulein antwortete: Herr Her- Erstes Buch. Herkules/ ich kan so gar kein Recht mit jhm bekom̃en/ wie ichs auch anfahe/ es waͤhre dann/ daß ich euch und eure ruhmwirdige Tahten laͤsterte/ welches ich vor eine Todtsuͤnde halte; deßwegen wil ich nichts mehr mit euch reden/ ich werde dann von euch befraget/ oder dat- zu erbehten. Mein Fraͤulein/ antwortete er; so bitte ich eins vor alles/ sie wolle dann mein stilschweigen voꝛ ein stetes fragen/ und meine Redẽ vor ein unaufhoͤrliches bitten halten uñ auffnehmen. Je mein Herr/ sagte sie mit einem holdseligen lachen; so muͤste ich ja immer zu uñ ohn aufhoͤren in die Lufft hinein schwatzen/ da ich dann entweder viel muͤste wissen/ oder sehr wol tichten koͤnnen. Ihre suͤß kluge Zunge/ antwortete er/ wird gewiß so viel nicht re- den/ daß ich nicht stets begierig seyn solte/ ihren vernuͤnfftigen Worten zuzuhoͤren. Mei- nem Herrn beliebet nach seiner Hoͤfligkeit also zu reden/ sagte sie/ aber mein ungeschiktes Geplauder wuͤrde seinen Ohren in kurzem so beschwerlichen Verdruß erwecken/ daß er wuͤnschen solte/ mich nie gehoͤret zu haben. Der Stathalter sahe/ daß dieses Gespraͤch sich lange verzihen duͤrffte/ wann niemand darzwischen kaͤhme/ drumb/ solches zu stoͤren/ er der Tochter also einredete: Ich weiß schon wol/ zweifele auch nicht/ diese Herren werden es zeitig an dir gemerket haben/ daß dein Mund zur Klapper unverdorben ist; uñ halte ich/ du wollest diese Herren mit leeren Worten speisen; gedenkestu nicht/ daß sie deinetwegen viel Muͤhe und Arbeit außgestanden/ und der Labung beduͤrffen? Das Fråulein erroͤhtete sehr/ daß ihr Vater/ der sie allemahl hart und unter dem Zwange hielt/ sie auch in beyseyn dieser Fremden also beschaͤmete. Herkules aber vertrat ihre Stelle mit diesen Worten: Hochmoͤgender Herr Stathalter; es muͤste mir immer und ewig leid seyn/ daß ein so zuͤchtiges und verstaͤndiges Fraͤulein/ durch meine Veranlassung einigen Unwillen von ih- rem Hn. Vater einnehmen wuͤrde/ da viel mehr ich selbst strafbahrer waͤhre/ angesehen ich ihrer Rede die einige Ursach bin. Mein Herr verzeihe mir/ antwortete der Stathalter/ und besorge sich durch auß keines Unwillens bey mir gegen mein Kind. Wir Roͤmer hal- ten es mit unsern Kindern also/ daß sie uns zugleich lieben und fuͤrchten/ auch ohn Anzeige einiges Unwillens von uns annehmen muͤssen/ was uns gefaͤlt ihnen einzureden/ wann sie gleich im geringsten nichts verschuldet haͤtten; dann hiedurch wird mannicher Tochter ihr steiffer Sinn gebrochen/ die sonst durch Zaͤrtligkeit nur gestaͤrket wuͤrde/ welches her- naͤhst im Ehestande ihnen als eine gefundene Beute ist/ daß sie ihrem Ehegatten zu gehor- samen/ und dessen Willen zu gelebẽ/ schon gewaͤhnet sind. Herkules wunderte sich der straͤn- gen Zucht/ insonderheit/ da das Fråulein hin zu jhrem Vater trat/ und ihm als vor eine sonderliche empfangene Gunst die Hand kuͤssete/ sich ihres Frevels schuldig gab/ und ganz demuͤhtig umb Verzeihung anhielt; aber doch keine andere Antwort erlangete/ als; Sie solte hingehen und sich bessern. Gleichwol wolte die Mutter ihrer lieben Tochter Ansehen bey den Fremden gerne wieder in Auffnahme bringen/ und wahr unwillig/ daß dieselbe ohn Ursach solte verhoͤnet werden; durffte doch jhrem Gemahl/ dessen Ernst sie fuͤrchtete/ nicht kuͤhnlich einreden/ daher sie mit glimpflichen Worten sagete: Geliebter Herr/ ich wil nicht hoffen/ daß ihr Ursach haben sollet/ auff unser Kind unwillig zu seyn; massen euch nicht unbewust ist/ wie wenig sie sonst in unser Gegenwart zu Reden pfleget; und halte ich/ sie thue es vor dißmahl bloß euch zu erfreuen/ und zugleich andern anzuzeigen/ daß in ihrer aufferzihung wir unsern fleiß nicht gesparet haben. Der Vater schuͤttelte hieruͤber den G Kopff/ Erstes Buch. Kopff/ und sagete mit einem lachen: Frau/ ledige Magen und muͤde Glieder sind mit woꝛ- ten nicht auffzuhalten; sonst klage ich noch so groß nicht uͤber unsere Tochter/ und mag sie nach gehaltener Mahlzeit/ diesen Herren zu Liebe und Gefallen immerhin reden/ biß sie von ihr selbst auffhoͤren wird; sol mir auch umb so viel lieber seyn/ wann ihr guten fleiß bey ihrer Aufferzihung angewand habet. Die Mutter befahrete sich/ er wuͤrde mehr zur heim- lichen Beschimpfung/ so wol ihrer selbst/ als der Tochter/ fliegen lassen/ welches zu verhuͤ- ten/ sie Gelegenheit suchte/ wegzugehen/ baht Ladisla/ ihren Abtrit/ wegen noͤhtiger Anord- nung/ nicht ungleich auffzunehmen/ und befahl der Tochter/ ihn zubegleiten; dessen diese beyderseits wol zu friede wahren/ dann es dauchte sie/ sie waͤhren schon viel zu lange von einander gewesen. Also gingen sie durch den innersten Plaz nach der Steige auff den gros- sen Saal/ der so koͤstlich er bauet und geschmuͤcket wahr/ daß sichs Ansehen lies/ es waͤhren des reichen Roͤmers Krassus Schaͤtze ein grosser Teil daran verwendet; dann wo die Schildereyen auffhoͤreten/ da glaͤnzeten die kostbahresten Steine mit eingeschnitzten kuͤnst- lichen Bildern hervor. An der rechten Seite wahr die Belagerung der Stadt Troja so artig gemahlet/ daß jedes Lager der Griechen nach gutem Unterscheid kunte gesehen wer- den. Dorten hielt der hochmuhtige Obriste Feldherr/ Agamemnon/ und sein Bruder Menelaus; dorten der listige Vlysses; hie der starcke Ajax; Am andern Orte der steinalte Nestor; das betriegliche hoͤlzerne Pferd stund auff Raͤdern/ und lieffen Jung und Alt aus der Stadt/ es als eine sonderliche Gabe/ an Stricken in die Stadt zuzihen/ zu welchem Ende eine grosse Luͤcke in die Stadmaur gebrochen wahr/ weil mans wegen seiner groͤsse in das Tohr nicht bringen kunte. Der Trojanischen Helden/ und ihreꝛ Bundgenossen/ wahr dabey nicht vergessen. Hektor/ Sarpedon/ Paris (dieses Uugluͤks Stiffter) und neben ihn die beruͤchtigte Helena (umb deren willen an Griechischer Seite in die 880000; an Tro- janischer/ 686000/ also ingesamt 1566000 Seelen Auffgeopffert sind)/ Eneas/ Antenor/ Memnon/ und der Alte Priamus/ hielten außwendig umb der Stadmaur her/ und wahr des Kriegerischen Weibes Penthesilea Schlacht mit Achilles gar zierlich abgemahlet/ da sie von ihm vom Pferde herunter geschlagen/ und halb Tod ins Wasser geworffen und ertraͤnket ward. Kurz davon zu reden/ so wahr kein denkwirdiger Kampff der Griechischẽ und Trojanischen Helden außgelassen; aber Eneas Bildnis wahr das Ansehnlichste/ uͤber welchem diese Worte stunden: Huic parenti originem debet Roma. Das ist: Diesen hat Rom zum Vater. An der andern Seite des Saals wahr die Stadt Rom abgebildet/ nach dem Pracht/ wie sie ohngefehr vor 240 Jahren/ zun zeiten Kaͤysers Augustus in hoͤchster Vol- kommenheit gestanden. Oben auff der Stadmaur umher liessen sich Romulus/ Numa/ Brutus der Koͤnige Feind; unterschiedliche Fabier/ Kokles/ Skevola/ Kamillus/ Regu- lus/ Skipio/ Pompeius/ Augustus Kaͤyser/ und viel andere Roͤmische Helden als Schuz- Goͤtter sehen; hatten ihre Pfeile und Schwerter in den Haͤnden/ und draͤueten damit den Feinden der Stad Rom. Die erschroͤkliche Niederlagen/ welche die Roͤmer von den Gal- liern/ Hannibal und Zimbern erlitten/ wahren hin und wieder abgerissen/ insonder heit/ da die 300 Fabier von den Veienten listig hintergangen/ und alle erschlagen worden. Unsere Helden besahen diese treffliche Gemaͤlde fleissig/ und erinnerten sich aller dieser Geschich- ten/ welche sie in der Kindheit beim Homerus/ Livius und anderen gelesen/ und schien/ als Erstes Buch. als ob sie ihrer selbst druͤber vergessen haͤtten/ biß endlich Frl. Ursula sagete: Herr Herku- les/ ich meine es waͤhre fast Zeit/ die Waffen abzulegen/ und der außgestandenen Muͤhe sich zu ergetzen/ insonderheit aber bitte ich/ mir zu verzeihen/ daß ohn geheiß ich dem Wund Arzt Botschafft gethan/ ihm seine Halßwunde besser/ als von mir geschehen/ zuver- binden. Die Anwesende/ wie sie solches hoͤreten/ stelleten sich leidig wegen seiner Ver- wundung/ welches durch beteurung/ daß gar keine Gefahr dabey waͤhre/ er ihnen bald auß- redete/ doch in einem Nebengemache sich verbinden ließ/ da ihn der Arzt warnete/ den Schaden nicht zu verachten/ als welcher sich schon in etwas entzuͤndet haͤtte/ und er deß- wegen vor starker bewaͤgung und schaͤdlichen Speisen sich huͤten muͤste/ welches aber er wenig achtete. Nach geschehener Verbindung legten er und Ladisla ihre Sommerkleider an/ die von Sittichgruͤnen Atlaß mit silbern Blumen durchwirket// und mit aͤdlen Stei- nen reichlich besezt wahren/ Struͤmpffe und Federbuͤsche wahren gleicher Farbe; Knie- baͤnder und Schuchrosen mit silbern Spitzen besetzet/ so daß ihre Kleider gleich/ und ohn einigen Unterscheid/ die Einigkeit ihrer Gemuͤhter wol zuerkennen gaben. In dieser Gleichheit traten sie zum Saal hinein/ und muhtmasseten die Anwesenden daher/ daß sie mehr als aͤdle Ritter seyn muͤsten. Es hatten die drey Fraͤulein nicht minder sich zierlich angelegt/ so viel in der eile geschehen moͤgen/ und bemuͤhete sich Frl. Sophia insonderheit/ ihrem liebsten Ladisla sehen zu lassen/ wie ihr die Kleider stuͤnden. Als nun diese drey Engel- chen in den Saal traten/ fehlete wenig/ es haͤtten weder unsere Helden diese/ noch sie jene gekennet/ und traff ein/ das Frl. Sophia eben die Sittich gruͤne Farbe gewaͤhlet hatte. Keiner wahr zugegen/ der sich an Herkules Schoͤnheit und Ladisla anmuhtiger Lieblig- keit nicht verwunderte. Sie wahren beyde zimlicher/ und fast gleicher laͤnge/ schwank von Leibe und fester wolgesetzter Gliedmassen. Herkules hatte ein schoͤn gelbes Haar/ welches ihm wie krause Locken uͤber die Schultern hing; seine Haͤnde wahren pluͤßlich und schne- weiß/ mit blaulichten Adern/ das Angesicht weiß-zart/ mit rohtem vermischet/ daß wer ihn sahe/ nicht anders gedenken kunte/ er waͤhre ein Weibesbild in Manneskleidern/ weil noch kein Haͤaͤrlein an seinem Kinn erschien; die Augen stunden ihm wie den Falken/ doch vol- ler Liebligkeit und blaulicht. Die Stirne glat/ und ein Zeichen seines auffrichtigen Her- zen; die Nase etwas erhaben und gerade zu/ fast laͤnglicher dann kurzlecht/ und strahlete aus allen seinen Blicken eine so anmuhtige Freundligkeit hervor/ daß wer ihn sahe/ zu sei- ner Liebe und Gewogenheit angereizet ward/ weil alle seine Geberden in sonderlicher De- muht und mannlicher freier Ernsthafftigkeit bestunden. Ladisla wahr etwas braͤunlicher/ doch zugleich zart/ hatte ein braun kraus Haar/ in zimlicher dicke/ und einen kleinen Bart gleicher Farbe; am Leibe wahr er etwas staͤrcker anzusehen als Herkules. Sein Gebluͤt wallete ihm in allen Adern auff/ da er sein geliebtes Fraͤulein so zierlich herein treten sahe; wie auch ihre Liebesreizungen nicht weniger auffgetrieben wurden/ daß er in solcher kost- bahren Kleidung sich stellete/ und sie daher bestaͤndig muhtmassete/ er muͤste auffs wenig- ste Fuͤrsten Standes seyn; ihr auch gaͤnzlich vornam/ auff sein weiters Anhalten ihm be- haͤgliche Antwort zu geben/ da sie seines Wesens nur in etwas Bericht haben koͤnte/ dann seine Anstraͤngungen hatten sie dermassen eingenommen/ und die empfangene Woltaht sie bezwungen/ daß sie entschlossen wahr/ keinem Menschen als ihm ihr Herz einzuraͤumen: G ij so Erstes Buch. so beredete sie auch ihre angebohrne Keuscheit uñ Zucht/ dz weil er sie ganz nacket antꝛoffen uñ gesehen/ sie sich dessen zeit ihres lebens schaͤmen muͤste/ wañ sie nit sein Ehegemahl wuͤr- de. So bald die ersten speisen aufgesetzt wurdẽ/ ging dz noͤhtigen wegẽ des obersitzes an/ biß der Stathalter bey seinen Gaͤsten/ alles nach gefallen zuordnen/ Freyheit erhielt; worauf er Frl. Ursulen hinter am Tische die Oberstelle nehmen hieß; welches sie vor einen scherz auf- nam/ bald aber/ den ernst sehend/ gerne gehorsamete. Den andern Plaz muste Herkules; dẽ dritten Frl. Helena; den vierden Ladisla bekleidẽ/ der schon in der angst stund/ sein Frl. wuͤꝛ- de ihm entfernet werden; als er aber von ihrem Vater den befehl hoͤrete/ sich zu ihm nider- zulassen/ hielt ers vor ein zeichen eines gluͤklichen außganges seiner Liebe. Diese Bank wahr nun mit den fuͤnffen besetzet/ uñ wolte deꝛ Stathalter gleichwol seinẽ Sohn von dieser liebẽ Geselschaft nit abtreñen/ daher er zu ihm sagete: weil dich das gute Gluͤk zu ihnen hin in dẽ Wald gefuͤhret hat/ magstu ihres naͤhern Beysitzens auch allhier geniessen: weisete ihn hin vor den Tisch auf einen Stuel sich nideꝛzusetzẽ/ da er seiner vertrauetẽ Frl. an die seite kam. Dieser junge Fabius war sonst ein wolgestalter ansehnlicher Ritter seines alters von XXIV Jahren/ in adelichen Sitten und ritterlichen uͤbungen von jugend auff wol unterwiesen/ worauf sein Vater desto mehr fleiß wendete/ weil ihm von einẽ Geburtskuͤndiger geweis- saget wahr/ er wuͤrde in seinem ersten mannlichen Alter uͤberauß grosse Muͤhe und Gefahr uͤber sich zu nehmen haben; Es wahr auch an ihm nichts zu tadeln/ ohn daß er seinen Zorn nicht wol meistern kunte. Der Stathalter sahe diese junge Leute hinter dem Tische an/ uñ sagte zu den andern Anwesenden: Verzeihet mir/ geliebte Freunde/ daß vor dißmahl ich unsere Kinder so hoch ehre/ und sie uͤber uns Eltern zu diesen fremden Herren setze; dann ich habe billich seyn erachtet/ daß welche heut in der Gefahr so nahe bey einander gewesen/ jezt in der Sicherheit nicht so schleunig getrennet werden/ weil alle schnelle verenderung/ wie man saget/ gefaͤhrlich seyn sol. Ladisla gedachte/ diß waͤhre schon das andere Zeichen seines gehofften gutẽ Fortganges. Aber Herꝛ Kornelius antwortete dem Stathalter; es waͤhre solches von jhm sehr wol geordnet; welcher dañ auf begehrẽ sich zu dem jungen Fa- bius setzete/ und sein Gemahl Frau Fausta/ des Stathalters Mutter-Schwester Tochter/ der Skipionen Geschlechts/ neben jhn/ gegen ihre Tochter Frl. Ursulen uͤber. Herr Emi- lius folgete ihr/ und sein Gemahl Fr. Julia/ eine Pollionin/ der Stathalterin Halbschwe- ster von der Mutter her/ welche neben ihr die Stelle nam/ so daß der Stathalter zu unterst vor dem Tische alleine saß/ und an der rechten Hand seine Tochter hatte/ welche wegen sei- ner nahen Gegenwart mit ihrem Ladisla nicht reden durffte. Der junge Fabius verrichte- te das Vorschneider-Amt/ und noͤhtigte die anwesenden hoͤflich/ so mangelte es zeit weh- render Mahlzeit am guten Seitenspiele nicht/ welches Herkules und Ladisla/ als die darin wol geuͤbet/ sehr liebeten. Bey dem Essen fiel mannicherley Gespraͤch/ biß nach aufgehobe- nen Speisen die Stathalterin an ihren Gemahl begehrete/ ihr ein Viertelstuͤndichen ih- ren Willen zu goͤnnen; wolte hoffen/ den Anwesenden ingesamt wuͤrde es nicht zuwider seyn. Der Stathalter ließ es gerne geschehen/ der ihr Vorhaben schon merkete; Worauf sie die drey Fraͤulein anredete/ und ihnen eins zu werden befahl/ welche unter ihnen gleich jezt oͤffentlich erzaͤhlen solte/ auff was weise sie geraubet/ und von diesen Herren wieder er- rettet waͤhren; wuͤrden sie aber sich dessen wegern/ dann solten sie diesen Tag auff keinen Tanz hoffen. Frl. Ursula/ als die aͤlteste antwortete: sie wuͤste niemand/ die solchem Befehl besser Erstes Buch. besser gehorsamen koͤnte/ als Frl. Sophia; dann sie waͤhre unter ihnen die geherzeste gewe- sen/ und haͤtte den grausamen Kampff guten teils angesehen. Frl. Helena stimmete mit ein/ und baht/ daß sie die Muͤhe uͤber sich nehmen moͤchte; welche aber zur Antwort gab: Ich erinnere mich billich/ daß heut vor Essens mein Herr Vater wegen meines unnuͤtzen Gewaͤsches mich gestraffet/ und ihr wollet mich noch in weitere Ungelegenheit setzen/ daß ichs immerzu groͤber mache? Auff diese weise/ sagte Frl. Ursula darff unser keine redẽ/ weil auch unsere geliebte Eltern zugegen sind. Der Stathalter sagte lachend: wiewol mein Baͤßlein Ursul/ als die aͤlteste billich das Wort fuͤhren solte/ so moͤgen sie sich doch daruͤber vergleichen. So muß/ antwortete diese/ nit die aͤlteste/ sondeꝛn beretste solchs uͤbeꝛ sich neh- men; daher meine Schwester Frl. Sophia sich dessen nicht entbrechen wird. So hoͤre ich wol/ fing diese an/ ihr ruffet mich vor die schwazhafteste aus. Ihr Vater sagte mit einem Gelaͤchter: dz du wolgeloͤseter Zunge bist/ kuntestu in deiner dreyjaͤhrigen Kindheit schon zimliche anzeige tuhn. Je Herzen Herꝛ Vater/ antwortete sie/ ich bitte kindlich/ mich in die- ser Geselschaft nit so hoch zu beschaͤmẽ. Was hastu dich mit mir zu zankẽ sagte er; ich heisse dich ja weder reden noch schweigen; uñ hastu an deiner Wafen schon Widerhalts gnug; je- doch hat meine Pompeja ein lustiges Spiel angerichtet/ und gelebe ich der Hoffnung/ wir werden ein acht taͤgiges zanken anzuhoͤren haben/ ehe uñ bevor diese jhres dinges eins weꝛ- den. Fr. Pompeja wolte diesen streit aufruffen/ und sagete; ob sie gleich des Verlaufs ger- ne moͤchte berichtet seyn/ wuͤrde sie doch jhre begierde muͤssen auffschieben/ biß sie mit jhrer Tochter allein waͤhre. Aber der Stathalter antwortete: durch aus nicht/ sondern weil das spiel angefangen ist/ muß es auch geendiget werden/ dann mich verlanget selbst nach umb- staͤndlicher erzaͤhlung. Weil dañ der Hahne auf seinem Miste am kuͤhnlichsten kraͤhet/ uñ ich meineꝛ Tochter zu gebieten habe/ sol sie uns dessen bericht gebẽ/ so gut sie kan. Ich gelebe meines H. Vaters gebohts billich/ sagte das Fraͤulein/ wie ungeschikt ichmich auch hierzu befinde/ uñ schon weiß/ dz meine verwirrete reden den zweg ihres begehrens nit tꝛeffen koͤn- nen; aber unter der hoffnung/ dz meine Jugend sich ohn mein Vorwort entschuldiget/ uñ meine Frll. Schwestere meinem mangel zu huͤlffe kom̃en werden/ wil ich zum versuch mich erkuͤhnen. Anfangs wird meine Fr. Mutter sich eriñern/ dz wie meine Frll. Schwestere zu- gleich mit mir fleissig um̃ erlaͤubnis anhieltẽ/ uns dẽ Lustweg nach unserm Vorwerke/ eine gꝛosse Meile von hiñen gelegen/ zu goͤñen/ umb dieser ersten lieblichen Fruͤhlingszeit in etwz zugeniessen/ und die schoͤnen Merzenblumen unsers neu-angelegten Garten zubesichtigen/ wir solchs endlich erhielten/ und um 7 uhr ohn gefehr davon fuhren. Wir hielten uns vier stunden daselbst auf/ uñ machten unterschiedliche Kraͤnze/ die wir unsern Eltern mitbringẽ wolten; liessen uns Milch und Eyer zur speise kochen/ uñ wahren fertig/ nach gelegter Hitze uns wieder auf den Ruͤkweg zubegebẽ; woran wir anfangs durch dz schwere Doñerwetter/ welches in einen grossen Baum unsers Garten einschlug/ uñ ohn zweiffel unsers bevorste- henden Ungluͤks Vorbotte wahr/ verhindert wurden/ weil der hefftige Regen drey stunde lang anhielt; nach dessen endigung wir uns auf den weg machetẽ/ die Stadt vor dem Tohr- schliessen zuerreichen; aber uͤber der gar zu grossen eile/ rennete der Gutscher mit der vor- der Axe wieder einen im Holwege hervorstehenden Stein/ dz die Stellung in stuͤcken ging/ und die Gutsche daselbst zu brochen stehen bleiben muste; Wir aber vors beste hielten/ nach dem Vorwerke wieder zukehren/ da wir eine Viertelmeile im glatten Koht und tieffen G iij pfuͤtzen Erstes Buch. pfuͤtzen mit grossem Ungemache zu ende brachten/ eine frische Buttermilch/ und was das Hauß bescherete/ zur Abendspeise vor lieb nahmen/ und in der Vorstuben eine gemeine Straͤu machten/ darauff wir uns zur ruhe legeten/ auch unsern Gutscher und andere des Vorwerks jeden an seinen Ort verwiesen/ weil wir allein seyn wolten/ und uns keiner Wie- derwertigkeit bey diesen friedsamen Zeiten befuͤrchteten. Unsere ermuͤdete Fuͤsse mach- ten uns die Nacht hindurch schlaffen; aber als die Morgenroͤhte hervorbrach/ schlug ich meine Augen auff/ und sahe mit herzbrechendem Schrecken drey grosse gepanzerte Maͤn- ner/ deren Angesichter mich dauchte/ mehrmahl gesehen haben/ mit blossen Schwertern in die Stube tretten/ da der voͤrderste mit leiser Stimme zu mir sagete: Fraͤulein/ werdet ihr ein Geschrey machen/ umb das Gesinde aufzuwecken/ wollen wir straks Angesichts euch alle drey erwuͤrgen; sonsten sind wir nicht willens/ euch einiges Leid anzuthun/ sondern werden euch in guter Gewarsam und Schuz eurer Ehr und Lebens halten/ biß eure reiche Eltern/ welche wir wol kennen/ ein Stuͤk Geldes vor eure Erloͤsung uns zustellen. In die- ser aͤussersten Angst begriff ich mich nach Vermoͤgen/ und gedachte bey mir selbst: Ist es jhnen nur umbs Geld zu tuhn/ so werden unsere Eltern hierzu Raht schaffen/ und uns loͤ- sen koͤnnen; antwortete ihnen auch/ sie moͤchten mich und meine Gespielen unbetruͤbt las- sen; ich wolte ihnen aͤidlich angeloben/ ihnen solte das begehrte Loͤsegeld an ort und ende sie es haben wolten/ außgezahlet werden/ so bald wir nur zu Padua anlangen wuͤrden; des- sen diese Buben lacheten/ vorwendend/ ich solte sie nicht so albern ansehen/ sondern meine Gespielen/ die sie bey Namen zu nennen wusten/ auffwecken/ oder die angebohtene Gnade wuͤrde in schwere Straffe Ehr und Lebens verwandelt werden. Es wahr zu verwundern/ daß meine Schwestern von diesem Gepoche nicht erwacheten/ und muste in meiner aller- groͤssesten Seelenangst ich sie mit ruͤtteln uñ schuͤtteln munter machen/ da sie nach oͤffnung ihrer Augen/ vor den blossen Schwertern sich so hefftig entsetzeten/ daß ihnen die Ohmacht nicht ferne wahr; Die erschroͤklichen Draͤuungen aber/ die wir hoͤreten/ machten uns ge- schwinde fertig/ die Kleider in aller Eile anzulegen; Worauff sie uns unter die Arme fasse- ten/ und wie Laͤmmer zum Hause hinaus trugen/ legten uns auff einen stinkenden Wagen in rauhe Ochsenhaͤute/ warffen eine koͤtigte Decke uͤber uns/ und jageten/ als viel sie nach- lauffen kunten/ mit uns davon. Als wir auff den Wagen gehoben wurden/ sahe solches ein Hirt nahe bey der Trinkrennen/ und machte ein Geschrey/ welches ihm sein unschuldi- ges Lebenkostete; massen noch zween andere verhandẽ wahren/ die ihn alsbald niderschlu- gen/ daß wir zusahen/ und von unsern Raͤubern dieses zur Lehre und Warnung bekahmen/ dafern wir das Maul nicht halten wuͤrden/ solten wir auff eben diese weise gestillet werden. Mit was betruͤbtem Herzen wir nun die vier Stunden/ wie uns dauchte/ in den stinkenden Fellenlagen/ wird der Himmel uns Zeugniß geben; Dieses einige troͤstete mich/ dz sie uns unser Ehren Versicherung/ wie ich meynete/ getahn haͤtten. Ich empfand sonst an den harten Stoͤssen wol/ daß der Wagen nicht im gebahneten Wege/ sondern uͤber Stein und Blok ginge/ auch die Hecken offt umb die Felle herschlugen; hoͤrete auch endlich die Raͤu- ber/ so bald hinter/ bald neben dem Wagen her lieffen/ etliche unzuͤchtige Reden fuͤhren/ da unter andern der allergroͤsseste/ so von Herrn Herkules zu erst erlegt worden/ zu denuͤbrigen sagete: Ich als euer Fuͤrst und Herzog behalte mir des Stadthalters Tochter diesen Tag zur Erstes Buch. zur Lust; an den beyden uͤbrigen habet jhr beyde Obristen die ersteniessung/ als lange es euch gefaͤllig; hernach werdet ihr diesen euren Spießgesellen und Hauptleuten auch guten wil- len goͤnnen. Was vor Herzleid mir dieses brachte/ ist unmuͤglich auszusprechen/ und such- te ich schon mein kleines Messerchen hervor/ dieser Schande vorzukommen; aber es wahr (welches ich damahls beklagete) des vorigen Abends auff dem Tische liegen blieben; doch ward ich noch in etwas getroͤstet/ da ich den einen also antworten hoͤrete: Ich riehte/ daß man dieser Fraͤulein Ehre unangefochten liesse; es duͤrffte uns daher nichts gutes ent- stehen/ und ist zu fuͤrchten/ nicht allein unsere Fuͤrsten/ sondern auch die ganze Bruͤderschaft moͤchte druͤber entruͤstet werden/ weil es wieder erteileten Befehl streitet. Was ihm nun zur Antwort gegeben ward/ kunte ich nicht vernehmen/ wiewol ichs nach meiner Hoff- nung auffs beste deutete. Endlich nahmen sie die Decke von uns hinweg/ huben uns her- unter/ da es voller Hecken stund/ und leiteten uns zu Fusse ohn einiges Gespraͤch durch Puͤsche und Dornen/ fast eine halbe Stunde/ biß wir auff einen lustigen Plaz kahmen/ auff welchem sehr hohe Baͤume zimlich weit von einander stunden/ woselbst auch diese beyde Herren uns angetroffen haben. Fr: Pompeja kunte des Endes nicht abwarten/ sondern fragete/ wie dann unsere Helden diesen verborgenen Ort zu so gelegener Zeit haͤtten finden und antreffen koͤnnen; Aber der Stathalter redete ihr ein; sie moͤchte sich biß dahin ge- dulden/ und ihrer Tochter wolgefassete Gedanken nichtstoͤren. Also fuhr sie weiters sort: So bald wir auff diesen Plaz kahmen/ liessen sich unterschiedliche scheußliche Raben/ oben von den Baͤumen mit greßlichem Geschrey hoͤren/ daß auch die Raͤuber selbst sich davor entsetzeten/ und jhr Fuͤhrer/ in die Hoͤhe sehend/ ihnen zurieff/ sie solten uͤber ihren eigenen Halß schreihen; Da bald ein Rabe/ (ich halte gaͤnzlich/ es sey meines Hochloͤblichen Anherren M. Valerius Korvinus Schuz-Rabe gewesen) vom Baum herunter flog/ und schlug einen Kreiß umb dieses Raͤubers Haͤupt so niedrig/ daß mann ihn mit dem Schwert haͤtte abreichen moͤgen; welches er vor ein sonderliches Gluͤkszeichen hielt/ dadurch die Goͤtter ihm seines Vorhabens guten Verfolg anzeigeten. Mitten auff dem Platze setzeten sie uns bey einem hohen Baum nider/ und trugen uns vor; Unsere Eltern muͤsten ihnen drey Tonnen Schaz vor unsere Erloͤsung zustellen/ und im naͤhestem Dorffe/ auff einen bezeichneten freyen Plaz niedersetzen lassen/ so daß kein Mensch sich dabey fin- den liesse/ der einige Rache vornehmen koͤnte/ sonst wuͤrden wir nicht wieder loß kommen. Wir hoͤreten zwar/ daß es viel und grosse Gelder betraff/ tahten ihnen doch aus Furcht und Angst alle Versicherung/ es solte nach ihrem Willen gelieffert werden/ dafern wir nur Gelegenheit haͤtten/ es nach Padua zuberichten. Diese Anfoderung/ sagte ihr Fuͤhrer/ sol Morgen zeitig gnug den euren zuentbohten werden/ und muͤsset ihr bißdahin euch un- sere liebe Geselschafft an diesem Orte so gefallen lassen; habet auch wegen Speise und Trank nicht zu sorgen/ dessen wir euch allen Uberfluß verschaffen wollen. Ich sahe eigent- lich/ daß dieser nichts gutes mit mir im Sinne hatte/ wolte sich auch gar zutaͤppisch ma- chen/ und mit hervorgesuchten gnug unzuͤchtigen reden mir seine sonderliche Neigung zu verstehen geben; er waͤhre/ sagte er/ ein erwaͤhlter. Fuͤrst und Herzog uͤber viel Voͤlker/ und solte ich in kurzer Zeit seine Macht und Herligkeit schon erfahren; baͤhte/ ich moͤchte ihm meine Liebe versprechen/ so wolte er inwendig viertel Jahrs ungezweiffelt das offentliche Bey- Erstes Buch. Beylager mit mir zu Padua auff dem Kaͤyserlichen Schlosse halten/ und mich zur Fuͤr- stin einer grossen Landschafft/ daß ich nicht vermeynete/ einsetzen. Ich fassete wegen der ihm gegebenen Antwort/ die ich auff dem Wagen gehoͤret hatte/ einen Muht/ da ich keinen hatte/ und sagte: Er wuͤrde mich mit dieser Anmuhtung verschonen/ ich wuͤste mich nicht zuerinnern/ daß zwischen Padua und Rom dergleichen Fuͤrstenlebeten/ davor er sich auß- gaͤbe; waͤhre auch kein Fuͤrstlicher Auffzug/ unschuldige Weibesbilder zu rauben/ und ums Geld zu schaͤtzen; ich lebete in meiner lieben Eltern Gewalt/ bey denen muͤste ein solches/ und zwar auff weit andere Weise gesucht werden; ich vor mich selbst/ wuͤrde mich keinem Unbekanten unter dem blossen Himmel versprechen. Diese entschuldigung achtete er aber wenig/ hielt mir vor/ ich koͤnte wegen meiner Jugend Unverstand nicht erkennen/ in was Gefahr ich steckete/ wann ich durch Schimpff- und veraͤchtliche reden ihn schmaͤhen/ oder seinen Fuͤrsten Stand/ welcher sich bald melden solte/ in zweiffel zihen wuͤrde; muͤste mich demnach eines andern bedenken/ und einen solchen Freyer/ der noch wol ein bessers tuhn koͤnte/ nicht mit so hoͤnischen Worten abspeisen. Zwar mein Herz schlug mir im Leibe/ als wolte es zerbrechen/ aber die Furcht meiner Ehre unterwieß mich doch/ was ich Antwor- ten solte/ da ich sagte: Ich bin nicht der Meynung/ euren Fuͤrsten Stand zu schmaͤlern; er- kenne auch/ daß ich unter euer Hand und Gewalt bin; doch sehe ich euch ingesamt vor so redlich an/ daß ihr die mir getahne Versicherung/ wegen meiner und dieser meiner Wa- sen Ehre/ auffrichtig halten werdet. habt ihr aber/ (sagte ich zu dem ersten) einen redlichen und keuschen Willen zu mir/ und seid des Standes/ wie ihr euch außgebet/ so machet euch an meine Eltern/ die ihr/ aller anzeige nach/ wol kennet/ und was dieselben hierin thun und lassen werden/ muͤssen billich ihr und ich zu frieden seyn; ein weiters wird kein Mensch aus mich bringen/ noch von mir begehren/ daß ich wieder der Goͤlter und eingepflanzeten Rech- te Verbot/ meinen Eltern den gebuͤhrlichen Gehorsam versagen solte. Dieser/ als er sol- ches von mir hoͤrete/ und aus seiner Gesellen bezeigung ihren Mißfallen merkete; stund er auff/ und foderte die zween vornehmsten absonderlich/ hielt mit ihnen anfangs ein Gezaͤn- ke; bald darauff eine freundliche Unterredung; kehreten wieder zu uns/ und brachten ihr begehren durch ihren Fuͤhrer meines Behalts/ mit diesen Worten vor: Aedle schoͤne Fraͤu- lein; ob wir zwar zu dem Ende euch an diesen Ort gefuͤhret/ daß eure Eltern uns daß be- stimte Loͤsegeld außreichen solten; so hat doch eure Schoͤnheit dergestalt uns eingenom̃en/ daß wir anjezt mit euch beydes die Verloͤbnis der ehelichen Gemahlschafft unter dem frei- en Himmel aͤidlich abreden/ und das Beylager volziehen/ uͤber ein viertel Jahr aber das Hochzeitfest Fuͤrstlich halten/ und euch freystellen wollen/ ob ihr diese Zeit uͤber lieber bey uns bleiben/ oder bißdahin in euer Eltern Gewahrsam seyn wollet/ mit dem bedinge/ daß ihr unser Heyraht ihnen inzwischen nicht die allergeringste Meldung thut; und werden wir also nicht allein die angemuhtete Schatzung euch gaͤnzlich erlassen/ sondern unser Herz und treffliche Schaͤtze die wir besitzen/ in eure Gewalt einliefern; Hierauff werdet ihr euch in der guͤte zuerklaͤren wissen/ damit wir nicht verursachet werden/ durch Gewalt zu- erhalten/ welches wir von euch ungleich lieber aus eigener Bewaͤgung und gutwilliger gegen Liebe annehmen wolten. Als wir diesen Antrag mit zittern und zagen angehoͤret hat- ten/ fielen wir auffs flehen; sie moͤchten so gewaltaͤhtig mit uns nicht verfahren/ sondern un- Erstes Buch. unsern Stand und Eltern betrachten; wir waͤhren/ die Warheit zu sagen/ schon alle drey verlobete Braͤute/ daher wir ihnen nicht koͤnten zuteil werden. Hier solten wir ihnen nun unsere Braͤutigamb nahmhafftig machen/ dessen ich mich nicht wegerte/ und die drey er- sten Roͤmischen Herren/ so mir einfielen/ angab/ aber zum Bescheide bekam; sie wolten uns versichern/ ehe dann drey Wochen verlieffen/ solten diese drey erschlagen und hingerich- tet seyn; muͤsten deßwegen ihnen nicht weiters wiedersprechen/ sondern so gluͤkliche Hey- rahte gerne annehmen/ und den Goͤttern davor danken/ also wuͤrden wir ihnen Anlaß ge- ben/ daß sie in kuͤnfftig uns desto herzlicher liebeten. Hiemit legten sie ihre Schwerter ab/ und wolten die beyde (dann der Fuͤhrer hatte keinen an) ihre Panzer von sich tuhn/ uñ sich zu uns nidersetzen; welches wir merkend/ das allerklaͤglichste Geschrey anfingen/ welches unter dem Himmel je mag erhoͤret seyn; und ruͤcketen wir so fest zusammen/ daß wir uns mit Haͤnden und Fuͤssen umklemmeten; daher sie das Panzer-außzihen vergassen/ und sich an uns macheten/ uns von einander zu reissen. Da liessen wir uns nun zausen und trecken/ hielten so fest zusammen/ daß uns die Haͤnde schmerzeten/ und schrihen inzwischen/ daß es einen Widerschall gab; woruͤber die Raͤuber endlich von uns abzulassen bewogen wur- den/ und auffs neue uns guͤtlich erinnerten/ alle Widersezligkeit einzustellen/ sonsten wol- ten sie uns nach angelegter Schande ihren Knechten zum Muhtwillen untergeben/ mit denen wir unsere Lebenszeit im hoͤchsten Elende zubringen solten. Wir toͤhrichte Kinder wolten uns auff die Fleheseite legen/ und bahten mit gefaltenen Haͤnden/ so uͤbel mit uns nicht zu verfahren; unsere Eltern solten jhnen geben/ was sie begehren wuͤrden. Sie hin- gegen gebrauchten sich dieser Gelegenheit/ und trenneten uns mit leichter Muͤhe/ rissen uns die Kleider vom Leibe ganz grimmig hinweg/ und meyneten schon gewonnen zu habẽ; aber wir huben das Geschrey hefftiger an als zuvor; fielen ihnen umb die Beine/ daß sie nach willen mit uns nicht schaffen kunten; und als wir uns so nahe wieder beysam̃en fun- den/ liessen wir von ihnen/ und umbgaben uns staͤrker denn vorhin. Ich kan wol sagen/ daß Angst und Noht Kraͤffte verleihet/ massen was ich fassete/ dergestalt beklaͤmmet ward/ daß ich mich lieber in stuͤcken zureissen lassen/ als die Haͤnde abzihen wollen. Wir schlungen uns durch einander/ wie man die Erdwuͤrmlein sihet sich verwickeln/ und hielten an mit schreihen/ so offt sie hand an uns legeten. Aber endlich wuͤrde es den Stich nicht gehalten haben/ zumahl sie durch Eifer und Begierde uͤbernommen/ alle Sanfftmuht beyseit legtẽ/ und durch Erbrechung unser Finger uns gar leicht trenneten/ wir auch ohn alle Barm- hertzigkeit und Huͤlffe uns der Schande untergeben muͤssen/ dafern dieser unser Erretter gluͤkliche/ und von den Goͤttern selbst versehene Ankunfft den Willen der Raͤuber nicht ge- stoͤret haͤtte. Dann wir hoͤreten anfangs das rasseln ihrer Harnische zwischen den Straͤu- chen/ und bald darauff sahen wir sie in zimlicher Eile herzu treten; dessen sich die Raͤuber nicht versehen haͤtten/ und vorerst meyneten/ ihrer wuͤrde eine zimliche Menge seyn/ dz ich eigentlich ihren Schrecken merken kunte/ welcher sich doch bald verlohr/ und sie gewisse Hoffnung eines schleunigen Sieges fasseten. Hierauff baht sie ihren Ladisla/ er moͤchte den ersten Anfang ihres Kampffs zu erzaͤhlen unbeschweret seyn; welches er einwilligte/ und biß dahin ausfuͤhrete/ wie Herkules seinen ersten Ansprenger gefaͤllet/ und darauf von dreyen zugleich angefallen worden; woselbst das Fraͤulein ihre Erzaͤhlung fortsetzete/ ein- H wendend/ Erstes Buch. wendend/ sie wuͤrde/ umb die Warheit anzuzeigen/ gezwungen/ ihm in die Rede zu fallen/ weil er ihren Sieg gar zu geringe machete; beschrieb demnach so best sie kunte/ die Helden- taht/ und wie Ladisla ihrer aller Leben vor dem letzten Raͤuber ihrem Huͤter gerettet/ da sie sonst ohn alle Gnade haͤtten sterben muͤssen/ welches ihnen doch ertraͤglicher als ihrer Eh- ren Verlust solte gewesen seyn. Als sie nun hiemit ihrer Erzaͤhlung ein Ende gab/ sagte der junge Fabius; es moͤchte vielleicht dieser ruhmwirdige Sieg von denen nicht so hoch ge- achtet werden/ welchen der Raͤuber Krafft und Erfahrenheit unbekant waͤhre; Wer aber den Meister aller Fechter/ den hochbeschrihenen Orgetorix/ und seine Gesellen Dumnorix und Ambiorix vor etlichen Jahren gekennet/ und sie fechten gesehen/ der wuͤrde die Vor- trefligkeit dieser uͤberwindung wol urteilen; dann diese haͤtte er alle drey auf dem platze tod angetroffen/ und noch zween andere ansehnliche grosse Raͤuber/ die ihm unbekant waͤhrẽ/ ihre Namen aber auff ihren Schwertern/ als Fimbria und Sergius/ eingeetzet stuͤnden. Der Stathalter erschrak dieser Rede/ und sagte: Ich glaͤube ja nimmermehr/ daß diese drey unvergleichliche Fechter sich in Raͤuber Geselschafft begeben/ angesehen/ sie durch ihre Kunst und Staͤrke viel tausend Kronen erworben/ und allein durch meine besoderung ein grosses Gut bekommen. Zwar man hat fast zwey Jahr nicht erfahren koͤnnen/ wo sie gestecket/ und ist man in dem Wahn gewesen/ daß sie nach Gallien in jhr Vaterland gezo- gen/ oder in den Morgenlaͤndern Geld zu verdienen/ sich auffhielten/ so hoͤre ich nun mit Bestuͤrzung/ daß sie zu Raͤuber gedien sind. Den Fimbria und Sergius betreffend/ sind mir dieselben nit unbekant/ sondern dieser ein Mantuanischer/ jener ein Ravennischer vom Adel/ beyde umb Untaht willen aus dem Reiche verbannet. Die groͤste Verwaͤgenheit a- ber/ die hierunter stecket/ ist daß der unbendige Orgetorix sich vor einen Fuͤrsten hat ange- ben/ und nicht allein nach meiner Tochter freien/ sondern das Hochzeitfest auff dem Kaͤy- serlichen Schlosse hieselbst zu halten/ sich duͤrffen verlauten lassen; Nun wahr er zu jener Zeit gar kein Auff schneider/ sondern jederman hielt jhn vor warhafft/ und von Tahten fe- ster/ als ruhmr aͤhtig; muß also die Hoffnung mein Kind zu bereden/ ihm diese Liebesluͤgẽ eingeblasen haben. Es sey aber wie ihm wolle/ so duͤrfte hierunter was gefaͤhrlichers steckẽ/ als man gedenken moͤchte; welches ich dißmahl beyseit setze; muß mich aber uͤber euch bey- den/ Herr Herkules und Herr Ladisla/ verwundern/ daß eure Schwerter so kraͤfftig/ und die Haͤnde so erfahren gewesen sind/ diese freche Raͤuber auffzureiben/ welches ausser allem Zweiffel durch sonderlichen Beystand der Goͤtter hat geschehen muͤssen. Alle anwesen- de fingen an diese Taht dergestalt zu erheben/ daß das Frauenzimmer (außgenommen die Stathalterin/ die eine Christin wahr) in den Wahn gerieten/ ob nicht etwa Herkules der Gott Apollo/ und Ladisla Merkur oder Romulus selbst waͤhre. Diese beyde aber hatten grossen Verdruß an der haͤuffigen Lobrede/ daß endlich Herkules sie ingesamt mit entbloͤs- setem Haͤupte baht/ diese schlechte Taht nicht so hoch zu erheben/ zumahl er billich zweifeln muͤste/ ob der Streit mit Moͤrdern/ Dieben und Menschen Raͤubern/ mit unter die Zahl der ruhmwirdigen zu setzen waͤhre. Sie vor ihr Haͤupt wuͤrden sich dessen umb keiner an- dern Ursach willen erfreuen/ als daß sie Gelegenheit gehabt/ so vortreflichen Fraͤulein/ als Kleinoten der Welt/ Dienste/ und ihren hochansehnlichen Eltern Freundschafft zu leistẽ. Das ist aller Helden Eigenschafft/ antwortete der junge Fabius; nicht desto weniger aber muß Erstes Buch. muß derselbe die Guttaht erkennen/ der sie empfangen hat; wiewol ich einen schlim̃en An- fang darzu gemacht habe. Wie so? fiel ihm sein Vateꝛ in die Rede; ich hoffe ja nicht/ daß du wider Roͤmische Sitten gehandelt/ uñ durch Undankbarkeit dir und deinem Geschlecht einen Schandflek angeworffen habest. Davor behuͤten mich die Goͤtter/ antwortete der Sohn; Viellieber wolte ich mich ohn Leben/ als ohn Ehre wissen. Das Fraͤulein wolte den Vater des Argwohns benehmen/ und zeigete an/ was vor ein Streit zwischen jhnen sich aus Irtuhm erhoben; Worauf der Vater den Sohn erinnerte/ den blinden Zorn hin- fuͤro zu maͤssigen/ als welcher ein Zeichen eines grossen Vernunfftmangels waͤhre. Die mitleidige Muͤtter sassen und kunten ihre Traͤhnen nicht stillen/ in betrachtung der grossen Gefahr ihrer Toͤchter/ biß sie von ihren Gemahlen auffgefodert wurden/ ei- nen kurzen Abtrit mit ihnen zu nehmen/ da sie sich miteinander berahtfrageten; auff was Weise sie unsern Helden ihre Dankbarkeit erzeigen und beybringen wolten; liessen her- nach Frl. Sophien zu sich ruffen/ und nach gemachtem Schlusse/ setzete sich jedweder an seine Stelle/ ohn daß die Muͤttere nach Hause gingen/ und nach Verlauff einer halben Stunde sich wieder einstelleten. Nicht lange hernach traten drey wolgeputzete Dirnen ins Gemach/ deren jede ein treffliches Laͤdichen trug von Hebenholz mit guͤldenem Be- schlage/ kuͤnstlicher Arbeit/ welche sie Frl. Sophien uͤberreicheten; ihnen folgeten zwoͤlff in Scharlaken gekleidete Diener/ und hatte jeder ein sehr grosses guͤldenes Trinkgeschir/ mit allerhand koͤstlichen Steinen außgesetzt/ die mit dem besten gepregeten Arabischen Golde gefuͤllet wahren/ welche sie nach der reihe auff den Tisch stelleten/ und lies keiner sich eines Worts verlauten/ biß Frl. Sophia die Laͤdichen oͤffnete/ einen kostbahren Schaz von guͤldenen Ringen/ Armbaͤndern Halßketten und anderm Zieraht/ auff 150000 Kro- nen geschaͤtzet/ daraus auff den Tisch schuͤttete/ und also anfing: Ihr meine Hochwerte Herren/ Herr Herkules und Herr Ladisla/ die ihr billig meine uñ meiner geliebten Schwe- stern Schuzgoͤtter zunennen seid/ nachdem wir und ihr selbsten ja bekennen muͤsset/ daß naͤhst dem Himmel wir niemand als euren kraͤfftigen Armen und mitleidigen Herzen unsere Ehr und Leben zudanken haben/ so lasset/ bitten wir drey Erloͤsete/ euch dieses schlechte Opffer gefallen/ welches zur anzeige eines dankbaren Willens/ wir aus geheiß unser lieben Eltern euch uͤberreichen/ nicht unter der Hoffnung/ die uns erzeigete Wol- taht hiedurch zuersetzen/ sintemahl Ehr und Leben mit keinem irdischen Schein zu ver- gleichen ist/ sondern daß wir uns dem Laster der abscheulichen Undankbarkeit entreis- sen moͤgen ist/ wie gesagt/ dieses nicht anders/ als ein geringes Zeichen eines Herzen/ wel- ches da wuͤnschet/ ein gleiches legen zu koͤnnen/ aber wegen der lautern Unmoͤgligkeit zu- gleich seuffzet/ das die reichen Goͤtter hieselbst unsere Stelle vertreten wollen/ da unser koͤnnen auffzuhoͤren gezwungen wird/ und doch allemahl tichtet/ mit der Zeit ein besser Mittel zu erdenken/ welches den Schein dieser schlechten Kleinot uͤbergehen moͤchte. Unsere Helden erstauneten uͤber diesem Anmuhten/ und in dem einer den andern an- sahe/ und keiner wuste/ was er dazu sagen solte/ stund der Stathalter von seiner Stelle auf/ und redete sie also an: Ihr ruhmwirdige/ und von den himlischen Goͤttern hochbegabte Ritter und Herren: Ob zwar mein Wunsch die Erkaͤntnis eures Standes gewaltig nach- suchet/ damit denselben ich die gebuͤhrliche Ehre bieten duͤrffte/ wil ich solches doch mit H ij eurem Erstes Buch. eurem guten Willen lieber entrahten/ als demselben zuwieder/ wissen/ und mir genuͤgen lassen an dem/ daß die guͤtigen Goͤtter euch nicht allein meinem Kinde und Baͤßlein/ sondern viel tausend anderen bedraͤngeten und durch Gewalt unterdruͤcketen zu huͤlffe und Trost an diese Welt kommen/ und in Herzhaffter Tapfferkeit vortrefflich werden lassen. Wahr ist es/ daß wann Gefahr von uns abgekehret wird/ wir der Goͤtter Rettung sol- ches zuschreiben muͤssen; wer aber dem Werkzeuge/ durch welches sie uns beyspringen/ Undank zu Lohne legen/ oder auch solche Guttaht und Huͤlffe verachten und in den Wind schlagen wolte/ derselbe muͤste billig in aller Goͤtter Ungnade fallen/ nicht anders/ als der den Goͤttern vor des Tages Liecht danken/ und daneben der Sonnen alle Beschimpfung erweisen wuͤrde. Daß ich und diese meine beyden Freunde Toͤchter haben/ dancken wir dem goͤttlichen Segen/ welcher alle Geschoͤpff durch Mittel außhecket; haͤtten wir ungerah- tene Toͤchter/ muͤsten wirs dem Ungluͤk zuschreiben. Daß sie aber nicht grausamer Weise durch raͤuberische Unzucht genohtzwaͤnget/ und hernach gar in stuͤcken gehauen/ oder den nichtigsten Hundsbuben zu aller Schande unter die Fuͤsse geworffen sind/ kan von uns keinen andern Uhrhebern/ als bloß eurem recht Fuͤrstlichen Mitley den und daher entspꝛin- gender kraͤfftigen Huͤlffe zugelegt werden/ als die ihr euer Leben in dieser euer Jugend ge- ringe geschaͤtzet/ und dem Moͤrderischen Schwerte dargebohten/ nur daß ihr diese dazu- mahl aller ungluͤkseligste Kinder retten/ und mit vergiessung eures Blutes in die heutige Wolfahrt versetzen moͤchtet. Versichert euch/ ihr meine Hochwerte Herren und Freunde/ daß wir des Unverstandes nicht sind/ diese eure Guttaht mit stillschweigen zu begraben/ sondern es sol vielmehr durch das ganze Roͤmische Reich und benachbarte Herrschaften von uns außgebreitet werden/ daß nehmlich die Tugend/ was sie wol in hundert Jah- ren in mir und vielen andern schwerlich zeugen wuͤrde/ bey euch in dieser eurer Jugend schon so voͤllig wirken und scheinen lassen/ als haͤttet ihr nach Ablegung der ersten grauen Haare diese jezige Jugend auffs neue angenommen. Roͤmische Auffrichtigkeit/ deren ich mich/ ohn unzeitigen Ruhm/ alle mahl beflissen/ hat einen Abscheuh an schmeichelhafften Lobreden/ drumb wollen sie/ bitte ich/ mich dessen nicht zeihen. Was ich empfangen habe/ preise ich billich/ nachdem es dessen wert ist/ und preise es nicht allein mit Worten/ da ich Werke empfangen habe/ sondern suche mit allen dankbahren/ und vor dißmahl mit die- sen meinen Herren Schwaͤgern und deren Gemahlen/ moͤgliche gelegenheit/ ein wirkliches zu erklaͤren/ welches wir euch auff diese weise darzulegen verabscheidet haben; daß vor erst diese zwoͤlff Becher jhr von unser Hand annehmen/ und nach unserm Tode mit unsern Kindern zu gleicher Teilung aller unser Guͤter gehen wollet. Ist dann ein mehres/ damit ihnen koͤnte gedienet seyn/ und von uns zu leisten moͤglich/ wollen sie kuͤhnlich fodern/ und des gewehrens sich von uns versichern. Herkules und Ladisla stunden als die Stummen/ schlugen die Augen vor sich ni- der/ und liessen aus jhren Geberden gnug sehen/ daß sie nicht geringe Bewaͤgung in ihrer Seele empfunden; woruͤber das gesamte Frauenzimmer sich hoch erfreuete/ in meynung/ es waͤhre ein Zeichen grosser Freude/ wegen getahner Schenkung und kuͤnfftiger Erb- schafft; biß Herkules/ nach dem er sahe/ daß Ladisla nicht wolte/ dieses antwortete: Das wolle Gottnimmer mehr/ daß das ungerechte Loͤsegeld/ welches die mein aͤidigen Raͤuber gesu- Erstes Buch. gesuchet/ wir an jhrer stat empfangen; vielweniger das angebohrne Erbe dieser Durchll. Fraͤulein schwaͤchen und mindern solten. Hochmoͤgender Herr Stathalter/ auch Roͤmi- sche Herren/ Frauen und Fraͤulein; verzeihet uns/ bitten wir/ diese Frage/ ob sie nicht un- serer Ritterlichen Ehren beschirmer jaso willig seyn wolten/ als wir ihnen samt und son- ders zu dienen/ hoͤchstbegierig sind; Verfluchet muͤsten ich und mein bruͤnderlicher Gesel- le seyn/ wann wir andere Gedanken von ihnen fasseten/ zumahl ihre hohe gewogenheit auff der allerhoͤchsten Vergeltungs-Stuffe sich sichtbarlich erzeiget/ in dem wir wegen einer Viertelstunde Arbeit/ die ohn sonderliche Gefahr gewesen/ als leiblichen Soͤhnen/ so gros- ses Erbe uns angebohtẽ seyn/ hoͤren muͤssen/ daß wir unsern Ohren kaum trauen duͤrffen. Betrachtet aber/ bitten wir/ obs ohn Verletzung unser Ritterlichen Ehre von uns koͤnne angenommen werden/ weil wir nichts durchaus geleistet/ als wozu uns das eingepflanzete Gesez verbindet: dann sehet doch; wir haben gewaltleiden der Fraͤulein klaͤgliches geschrey vernommen; Wen solte das nicht zum mitleiden bewaͤgen? Wir haben gesucht/ dessen ursach zu erkennen/ wer wuͤrde solches ohn Nachrede einer Kleinmuͤhtigkeit unterlassen? Wir haben uns der anlauffen den Raͤuber erwehret/ ehe und bevor wir einige wissenschaft gehabt/ ob sie rechtmaͤssige Richter der klagenden/ oder boßhaffte Ansprenger waͤhren; wer koͤnte hier sein Schwert in der Scheide behalten/ und sich niderschmeissen lassen? Sehet/ hochwerte Herren/ Frauen und Fraͤulein/ was von uns vor Gegenwehr geleistet/ ist bloß zu unserm besten vorgenommen/ ja von uns erzwungen; Wir sind nicht außgeritten/ den Fraͤulein Huͤlffe zu leisten; Wir haben sie biß zu allerlezt ohn Rettung in ihres Huͤters Hand stecken lassen; Ja das ich ohn Anroͤhtung nicht sagen kan/ ich bin so unhoͤflich gewe- sen/ und habe dieses Durchl. Frauenzimmer nicht eins besuchet/ sondern sie haben sich ge- demuͤhtiget/ seynd zu mir kommen/ meine Waffen mir abgezogen/ meine Wunde verbun- den/ und/ mit einem Worte/ sich so verdient umb mich gemacht/ dab ob ich gleich hundert Jahr leben solte/ ich doch in ihrer Schuld sterben muͤste; und ich solte ihnen diesen Dank davor erzeigen/ und sie ihres vaͤterlichen Erbes zum halben Theil helffen berauben? Die- ses Laster wende Gott von mir ab und von meinem Gesellen/ damit wir nicht Erz Raͤuber uͤber die heut erschlagenen werden/ und morgen dem billichen Raͤcher in die Haͤnde fallen. Ich sage nicht/ Durchll. Herren/ Frauen und Fraͤulein/ daß sie uns ein solches unter dem schein einiges Lasters anmuhten/ aber/ weil ihr hohes erbieten nicht ohn Laster von uns kan angenommen werden/ ey so gebet unser Entschuldigung stat/ damit unser Ritterstand/ den wir kaum vor drey Jahren angefangen/ nicht durch unverantwortlichen Geiz und Unbe- scheidenheit im ersten Grase ersticket werde/ sondern wir von diesem Laster befreyet/ sie uñ andere Woltaͤhter frey ansehen/ und so grobes verbrechens uns nicht schaͤmen duͤrffen. Ein Zeichen dieser hohen ganz unverdieneten Ehre anzunehmen/ wegern wir uns nicht/ sondern sol uns vielmehr eine stete Erinnerung seyn/ wie fest Euren Durchleuchtigkeiten wir verbunden bleiben. Nam hiemit ein zierliches Ringelein von den außgeschuͤttenẽ Klei- noten/ steckete es auf den Goldfinger/ uñ taht ihm Ladjsla ein gleiches nach; hernach fuhr eꝛ in seiner Rede also fort: Ja meine hochwerte Herren/ Frauen uñ Fraͤulein/ wir wollen uns noch einer kuͤhneꝛn Freyheit unternehmen/ uñ diese aufgesetzete koͤstliche Geschenke von ih- rer gar zu freygebigen Hand empfahen; aber mit diesem bedinge/ daß unsere gebietende Frauen/ die drey Muͤttere sie moͤgen in guter verwahrung bey sich behalten/ damit wir der- H iij mahl Erstes Buch. mahl eins solche alle/ diesen dreyen Fraͤulein in kuͤnfftig zum Brautgeschenke bey ihren hochzeitlichen Ehrentagen einliefern koͤnnen. Den hohen Ruhm/ von unserm gnaͤdigen Herrn dem Stathalter uns zugelegt/ schreiben wir billich seiner ungezweifelten vaͤterlichẽ Gewogenheit zu/ wollen uns auch befleissigen/ daß ob wir gleich keine gebohrne Soͤhne/ wir dannoch keine andere Herzen/ so lange wir leben/ unserm Herrn als Vater erzeigen. Nach geendigter Rede raffeten sie die Kleinoten wieder in die Laͤdichen/ und lieferten sie nebest obgedachten Bechern den dreyen Frauen ein/ mit bitte/ dieselben in gute verwahrung an- zunehmen. Die Anwesenden alle beantworteten dieses anmuhten mit einem freundlichẽ Lachen. Nur der Stathalter sagte drauff: Ihr meine Herren und Freunde; wann eurer Antwort auff meine gehaltene Rede ich mit einer neuen begegnen solte/ wuͤrde solches/ be- kenne ich/ nicht sonder Anwendung der wolgegruͤndeten Vernunfft geschehen koͤnnen; waͤhꝛe auch zu befahren/ dz entwedeꝛ meine entgegen gestellete Ursachen zuruͤk prallen/ oder ihre angefuͤhrete ausfluͤchte angegriffen werden muͤsten; gestehe sonst gerne/ daß Herꝛ Heꝛ- kules uns anjetzo nicht weniger jhrer beyder hohen Verstand und wolgebildete Gering- schaͤtzung zeitlicher Guͤter/ als unsern Kindern/ ja auch unsern Feinden jhre unuͤberwindli- che Herzhafftigkeit zu erkennen gegeben. Ich wil vor dißmahl weder ihre getahne Vereh- rung an unsere Toͤchter wiederruffen/ noch mich der geschehenen wegerung beschweren/ sondern wie ihnen ich allen freyen Willen hierin lasse/ also werden sie/ ich muͤste dann gar ungluͤkselig seyn/ mir dieses mein an suchen weder streitig noch abschlaͤgig machen/ da ich sie freundlich ersuche/ nicht schleunig von uns hinweg zu zihen/ sondern umb bessere Kund- schafft zu machen/ etliche Zeit bey uns zu verbleiben. Keine angenehmere Bitte haͤtte dem verliebeten Ladisla koͤnnen angelegt werden/ und kunte dannoch uͤber sein Herz nicht brin- gen/ sie zu beantworten/ weil Herkules Wille ihm unbewust wahr; welcher aber zu seines Freundes Vergnuͤgung diese Antwort gab: Hoͤchstgewogener Herr als Vater/ wir muͤ- sten zumahl baurisch und unbehoͤfelt seyn/ wann wir ohn Urlaub hinter der Tuͤhr Abscheid nehmen wuͤrden; erkennen uns schuldig/ unsern Herren/ Frauen und Fraͤnlein gehorsam und ehrerbietig auffzuwarten/ und zweifeln im wenigsten nicht/ sie werden auff geleistetes begehren uns zu unser noͤhtigen Reise hinwiederumb befoͤrderlich seyn. Der Stathalter kunte sich des jungen Herren unaußsinlicher Verschlagenheit nicht gnug wundern/ daß er im Augenblick so vortraͤgliche Antwort zufinden wuste/ nicht allein daß angebohtene hoͤfflich außzuschlagen/ sondern auch daß begehrete auff solche Weise zu verheissen/ daß er immerzu unverbunden bleiben/ und sein Versprechen nach belieben auffruffen kunte. Sein Gemahl aber wolte weil der Abend einbrach/ dieses Gespraͤch auf- heben/ daher sagete sie: Unsere Toͤchter/ wie ich merke/ solten fast mehr belieben nach ei- nem Tanze als ferneren hoͤfflichen reden tragen; hieß demnach die Spielleute und Die- ner (welche bißher einen Abtrit genommen) wieder herein gehen/ und nach etlichen kuͤnstli- chen stuͤcken einen Tanz auffmachen/ da Frl. Sophia mit Frl. Ursulen einen zierlichen Reihen Tanz mit gefasseten Haͤnden; hernach jede einen absonderlich vor sich/ wiewol zu- gleich/ und nahe bey einander hielt/ nach dessen Endigung diese zujener sagete: Betriegẽ mich meine Augen nicht/ Herzen Schwester/ so werden die eure von Herr Ladisla nicht an- gefeindet; und die Goͤtter geben euch ja nimmermehr keinen unwirdigern Buhlen. Heꝛz- liebe Erstes Buch. liebe Schwester/ antwortete Frl. Sophia/ ob Herr Ladisla mich nicht anfeindet/ so habe ich ihm darzu auch keine Ursach gegeben/ da es nicht durch Beschwerung auff dem Pfer- de geschehen ist. Es ist mir aber lieb/ Gelegenheit zu haben/ euch eure grosse Untraͤue vor- zuhalten/ welche ihr mir heut in dem Ungluͤkswalde erzeigetet/ in dem ihr mich nacket und bloß bey H. Ladisla einem Wildfremden so gar allein liesset; nimmermehr koͤnte ich euch ein solches Bubenstuͤk anthun. Daß ihr mir aber keinen unwirdigern Buhlen wuͤnschet als diesen/ kan ich anders nicht außdeuten/ als daß ich gar keinen haben sol; dann wo wuͤr- de mann sein und seines Gesellen gleichen finden? Frl. Ursula sagte hierauff; Ich sahe uñ merkete wol/ mein Schwesterchen/ daß euch beyderseits geliebte allein zu seyn (dann sonst waͤhret ihr wol mit uns zugleich davon gangen) darumb wolte ich euch einen Dienst durch unser beyder abweichen thun/ wie mich dann eigen gedauchte/ ihr haͤttet mir deßwegen ei- nen Wink gegeben. Sahe sie hierauff traurig an/ und fuhr also fort: Es ist aber iezt nicht Zeit zuscherzen/ sondern wann ich bey euch der Verschwiegenheit versichert waͤhre/ muͤ- ste unser Freundschafft nach ich euch eine wichtige Heimligkeit offenbahren/ die ihr sonst zuspaͤt erfahren moͤchtet. Diese bekam grosse Begierde solches zu vernehmen/ und lobete an/ Hand und Mund zu halten. Worauff jene sagte: Wisset ihr auch/ Schwester/ daß ihr schon eine verlobete Braut seyd? Was? antwortete diese; bin ich eine Verlobete? fing a- ber bald an zulachen/ und sagte: Haltet ihr mich dann vor so frech/ daß ich mich diesem Fremden solte so leicht und bald versprochen haben? aber ich werde schon Gelegenheit fin- den/ euch dieses Auffzuges gereuen zu machen. Leget meine Reden nicht ungleich noch vor einen Auffzug aus/ antwortete jene; und seyd ihr eures eigenen Zustandes noch unberich- tet/ stehet es umb eure Sache so viel gefaͤhrlicher/ weil ich fuͤrchte/ der Braͤutigam moͤchte euch ungenehmer als der Tod selbst seyn; Ich verlasse mich aber auf eure Zusage/ und fra- ge in allem Ernst/ wie euch der geizige Fulvius gefalle/ welchen ich trauen umb aller Welt Gut nicht heyrahten wolte/ ungeachtet ich keines Stathalters Tochter bin wie ihr. Frl. Sophia erinnerte sich/ daß ihr Vater etliche Zeit her diesen Roͤmischen Herren in ihrer Gegenwart zun offtern trefflich geruͤhmet hatte/ mit vermeldung/ es waͤhre kein Roͤmi- scher Herr/ der ihm eine Tochter versagen wuͤrde; fassete deßwegen traurige Gedanken/ und sagte: Ach herzgeliebte Schwester/ ich bitte zum allerhoͤchsten mir zu vertrauen/ von wem ihr dessen berichtet seid. Was gehet euch daß an? antwortete sie/ ists nicht gnug/ daß ich euch die Heimligkeit selbst vertraue? die so gewiß ist/ daß wo ich fehle/ ihr mir alle Freundschafft auffkuͤndigen sollet. Ich sage euch noch mehr; Fulvius ist schon auff dem Wege/ euch abzuhohlen/ weil euer H. Vater/ ungeachtet alles Wiedersprechens/ von euer Fr. Mutter geschehen/ ihm voͤllige uñ unbedingte Zusage getahn hat; welches ich von niemand anders habe/ als der mit dabey gewesen ist. Werdet ihr mich nun verrahten/ so bringet ihr mich in die groͤste Ungelegenheit. Schwester/ ich kan Gott Lob wol schweigen/ antwortete sie/ aber von dieser Heiraht werden mich die Goͤtter/ oder der Tod frey spre- chen/ dessen seyd ungezweifelt versichert. Ich danke euch aber von herzẽ dieser eurer traͤue/ die ich/ wo ich leben sol/ unvergolten nicht lassen wil. Aber wir stehen allhier zu lange/ und moͤchte unser Gespraͤch etlichen einen Argwohn bringen. Seyd aber gebehten/ und fuͤhret H. Ladisla unsere Schwester Helenen zu/ daß wir sehen/ ob diese sonst so volkommene Rit- ter Erstes Buch. ter auch den Tanzbodem besuchet haben. Was habe ich vor Ursach/ sagte Frl. Ursula/ ihm Helenen zuzufuͤhren? Ihr habt selbst eines getraͤuen Freun des von noͤhten/ der euch von Fulvius loßwirke/ und wisset nur/ daß ichs heut wol sahe/ wie kek er sich der guten Ge- legenheit hinter dem Baum gebrauchete. Herzen Schwester/ antwortete sie/ das Gesicht muß euch maͤchtig betrogen haben/ welches ich auff bessere Gelegenheit verfechten wil/ mit dem Tanze aber moͤget ihrs nach eurem willen ordnen. Also bestellete Frl. Ursula ei- nen sonderlichen neuen Tanz/ und foderte Ladisla mit diesen worten auff: Hochwerter Herr/ da ich sonder Unhoͤffligkeit ihm meine herzliebe Frl. Schwester an die Hand bieten darff/ nach belieben sie bey sich nieder zusetzen oder zum Tanze zufuͤhren/ wil ich dessen nicht laͤnger Auffschub nehmen. Ladisla bedankete sich der Ehren und fing nach Anleitung sei- ner Liebesbegierden einen sehr zierlichen Tanz mit ihr an/ nach dessen Endigung sie zu ihm sagete: Mein Herr/ ihr wisset gewißlich nicht minder beym Tanze/ als bey dem Kampffe euch ganz volkommen zu halten. Hoͤchst geliebtes Fraͤulein/ antwortete er; daß mir dann auch der Himmel diese Guͤtigkeit zufliessen lassen wolte/ bey meinem Fraͤulein koͤnnen an- genehm zu seyn/ weil ohn ihre Gunst und Gegenliebe ich ausser allem zweiffel untergehen und verderben muß. Mein Herr/ sagte sie/ ich bitte sehr/ mir dieses Fraͤulein nahmhafft zu machen/ deren Gewogenheit er so embsig suchet; kan ich ihm dann bey derselben den ge- wuͤnschten Trost erwerben/ als dann soler dabey pruͤffen/ ob ich nicht willig bin/ ihm vor beschehene Rettung traͤulich zu dienen. Nun merkete sie/ daß er mit einer weitlaͤufftigen Erklaͤrung loßzubrechen willens wahr/ welches/ weil vieler Augen auff sie gekehret wah- ren/ sie mit diesen worten abwendete: Mein Herr/ ich wil noch hinte seine mir vielleicht nicht unbewuste Außlegung sehr willig anhoͤren; aber dafern ihm beliebet/ noch einen Tanz mit mir zuhalten/ wird dieses Orts solches niemand verdacht. Er gebrauchte sich dieser Anfoderung/ bestellete mit einer Handvol Kronen einen Tanz/ und befliß sich aller Zierlig- keit/ damit er ja seinem Fraͤulein gefallen moͤchte. Herkules hatte unvermerket gar genaue acht auff alles sein thun; er wuste/ daß er von jugend auff dieser Ubung wenig zugetahn wahr/ und sahe doch vor Augen/ daß die Liebe ihm die Fuͤsse gleichsam befluͤgelte; gedach- te demnach/ ihm nach allem vermoͤgen zum gewuͤnschten Zweg zuverhelffen/ was ihm auch druͤber zustossen moͤchte; nur lag ihm allermeist im Wege/ daß auff solche Weise ihr Stand und Wesen muͤste offenbahr werden/ weil so hohe leute mit unbekanten sich zube- freunden/ grosses Bedenken tragen wuͤrden; jedoch/ weil ihm seines Freundes Wille lie- ber als sein eigener wahr/ setzete er alles uͤbrige zuruͤk/ und zu Gottes versehung. Der jun- ge Fabius ward auch vermahnet/ mit Frl. Ursulen einen Tanz zuverrichten/ diese aber/ weil ihre Kundschafft und Vertrauligkeit schon von zwey Jahrenher viel heimlicher wahr/ als die im Tanze bestehet oder gilt/ luden sich auff ein Abendgespraͤch/ nach geen- digter Gaͤsterey. Herkules/ der im tanzen und springen seines gleichen nicht hatte/ saß dannoch lieber stille/ als daß er solcher Uppigkeit haͤtte nachtrachten sollen; so wolte ihn auch niemand wegen empfangener Wunde/ zum Tanze noͤhtigen; weil aber Ladisla mer- kete/ daß er den andern fleissig zusahe/ gab er seinem Fraͤulein zuverstehen/ Er saͤhe gerne/ daß Herkules ein Tanz gebracht wuͤrde; die solches zuleisten sich willig anerboht/ wann sie nur wissen solte/ daß sie es wagen duͤrffte/ uñ es ihm wegen der Wunde nicht beschwer- lich Erstes Buch. lich waͤhre. Doch fuͤhrete sie ihm Frl. Helenen zu/ da er anfangs sich mit seiner Unwis- senheit entschuldigte/ und nicht destoweniger solche Schnitspruͤnge/ schrenkungen und andere Zierligkeiten mit seinen leichten und geraden Fuͤssen verrichtete/ daß die Zuseher sageten/ es muͤste dieser Herr in dem allergluͤklichsten Zeichen des himlischen Gestirns gebohren seyn/ weil alle Leibes und Seelen Zierde in so grosser Volkommenheit bey ihm hervorglaͤnzeten. Aber niemand ruͤhmete ihn hoͤher im Herzen als eben seine Neben Taͤn- zerin/ dann sie hatte sich dergestalt an ihm vergaffet/ daß sie fast sich selber nicht kennete; wie wol der Pfeil umbsonst verschossen wahr/ und die Karte an iener Seite schon derge- stalt verstecket/ daß der guten Fraͤulein Gedanken sich in eine grundlose See versenketen. Die schon halb verlauffene Nacht erinnerte nunmehr die Anwesenden/ daß es Zeit seyn wuͤrde/ sich dem Lager zu widmen/ daher der junge Fabius es Herkules frey stellete/ wie sruͤh oder spaͤht er Ruhe nehmen wolte; der aber seinem Freunde Raum zumachen suche- te/ seiner Liebe in etwas nach zuhaͤngen/ weil er sahe/ daß ihm nicht gefiel/ so zeitig Abscheid zunehmen; daher er sich gegen Fabius vernehmen ließ/ da es ihm so geliebete/ wolte er noch ein halb stuͤndichen mit ihm sprachen. Dem Stathalter und andern Gaͤsten wahr dieses sehr angenehm/ und begunte ein jeder ihm einen Sprachgesellen außzusehen. Die drey Frauen traten zusammen/ und uͤberlegeten das grosse Elende ihrer Toͤchter/ welches sie unvermeidlich haͤtten angehen muͤssen/ dafern dieser Helden Huͤlffe nicht so schleunig kommen waͤhre; und sagte Fr. Pompeja; es waͤhre sehr gefaͤhrlich/ eine mannbare Toch- ter in der Eltern Wohnung/ und nichts sicherer/ als daß man ihr einen Mann gaͤbe; Aber ihre Schwester Fr. Julia antwortete: Sie hielte davor/ daß die Toͤchter in der Eltern Haͤusern sicherer waͤhren/ als wann man sie nach jhren Willen ausfahren liesse. Der Stathalter und seine Schwaͤger hatten sich an einem andern Orte zur Unterredung ni- dergesezt; so nam Ladisla dieser guten Gelegenheit wahr/ wie imgleichen Frl. Sophia die- selbe nicht verseumen wolte; traten von den andern in einer zimlichẽ Absonderung zusam- men/ und brachte er seine Werbung folgender gestalt vor: Hochgebohrnes Fraͤulein/ dem- nach ich schon zu unterschiedlichen mahlen ihr meine ungefaͤrbte Liebe und herzergebene Traͤue angemeldet/ und doch nicht die geringste Gewißheit eines Ja oder Nein erhalten moͤgen; mir aber unmoͤglich ist/ die uͤber mich schlagenden Flammen ohn Kuͤhlung laͤn- ger zu erdulden/ sintemahl ich ungleich groͤssere Angst/ als mein Fraͤulein unter Raͤubers Haͤnden/ in meiner Seele empfinde/ so daß den Schmerzen/ welchen die Erkaͤntniß durch den Dienst meiner Augen eingenommen/ in mir wirket/ und ihre außbuͤndige Schoͤnheit einig verursachet/ ich nicht ertragen mag; als bitte ich von Grund meines Hertzen/ sie wolle mich nicht ohn Mitleiden verderbenlassen/ noch zugeben/ daß derselbe durch ihre Gransamkeit getoͤdtet werde/ welcher vor jhre Wolfahrt zusterben/ sich nun und nimmer- mehr wegern wird; jedoch/ dafern mit und bey ihr zu leben/ mir nicht kan zugelassen seyn/ ey so verweile sie nur nicht/ mir die Urtel wegen meines Frevels zu sprechen/ weil ich rund- aus bekenne/ daß den selben ich niderzulegen/ weder willens noch vermoͤgens bin; solte a- ber mein Fraͤulein sich erklaͤren koͤnnen/ mich vor den ihren in ehelicher Verbindung aufzu- nehmen/ alsdañ wolle sie ihre gedanken miꝛ nicht laͤnger verbergen/ damit ich meine unru- higen Geister stillen/ und inkuͤnfftig bedenken moͤge/ was zu Fortsetzung meines Wunsches J dienen Erstes Buch. dienen kan. Das Fraͤulein wahr nicht willens/ laͤnger unter der Decke zu spielen/ weil die Gefahr mit Fulvius jhr zu hart anlag/ deßwegen sie ihm mit dieser Antwort begegnete: Der Himmel ist mein Zeuge/ mein Herr/ daß ich bißher keinen Liebes gedancken in mei- nem Herzen empfunden/ ehe und bevor ich seiner Kundschafft bekommen; habe auch noch in dem unverstaͤndigen Alter gelebet/ welches von dergleichen Sachen sehr wenige Er- kaͤntniß/ viel weniger Genieß hat; so bin ich uͤber das/ Zeit meines Lebens unter so straͤn- gem Zwange von meinen Eltern gehalten/ daß ich nirgend in Gesellschafften mich duͤrffen finden lassen/ ohn wo sie mit zugegen gewesen/ nur daß mir gestern mit meinen Wasen auß- zufahren gegoͤnnet ward/ welches/ dafern euer mitleidiges Herz nicht gewesen/ mir uͤbel bekommen waͤhre. Ich lasse mich aber beduͤnken/ mein Herr habe in seiner Rede mir mit verdekten Worten/ den entbloͤsseten zustand wollen zu Gemuͤht fuͤhren/ in welchem er mich angetroffen; da ich dann bekennen muß/ daß/ wann es mit meinem guten Willen geschehẽ waͤhre/ ich billich vor das leichtfertigste Weibesbild muͤste gehalten werden/ die jemahls gelebet; weil es aber durch unwidertriebliche Gewalt also ergangẽ/ welche doch/ den Goͤt- tern sey Dank/ ausser dem sehen nichts an mir gehabt/ hoffe ich gnug entschuldigt zu seyn; und kan ich mich so viel besser troͤsten/ daß die leichtfertigen Buben des an mir begangenen Frevels sich nicht ruͤhmen koͤnnen/ sintemahl eure Ritterliche Faust jhnen solches wol ver- bohten hat. Daß ich nun auff den Zweg seiner Reden komme/ so wundert mich sehr/ daß mein Herr sich so verliebet anstellet/ da er mich doch nicht wirdiget/ mir seines Wesens et- was vertraulichere Kundschafft zu goͤnnen. Er sihet und kennet nunmehr meinen und der meinigen Zustand; und ruffe ich die Warheit zum Zeugen/ daß an seinem gnugwirdi- gen Adel und Herkommen ich vor mich nicht zweifele/ sondern ihn so hoch schaͤtze als keinẽ andern in ganz Rom; jedoch muͤste mirs ohnfehlbar zur unbesoñensten Leichtfertigkeit auß- gelegt werden/ wann ich vor dieser gebuͤhrlichen Nachfrage/ mich auf getahne Anmuhtung richtig erklaͤren wuͤrde; ja wann ich mein Herz demselben ergaͤbe/ von welchem ich noch nicht so viel weiß/ ob er mir eins seinen rechten Nahmen offenbahret habe. Mein Herr/ fuhr sie fort/ ich gestehe gerne/ daß ich ihm hoͤher verpflichtet bin/ als zeit meines Lebens ich nicht vergelten kan; jedoch halte ich auch davor/ daß/ wie grosse Woltaht gleich ein Ritter einem Weibesbilde erzeiget/ er dannoch gehalten sey/ ihrer Ehren und guten Leumuts acht zu haben. Nicht rede ich solches/ ob truͤge ich einigen Zweifel an seiner Redligkeit/ sondern bloß zu erforschen/ ob auff ihn mich verlassend/ ich auff festen Grund oder auff Triebsand bauen wuͤrde. Da nun mein Herr einige bestaͤndige Antwort von mir erwartet/ uñ meines Herzen erklaͤrung zu vernehmẽ/ belieben traͤget/ wird er mich seiner heimligkeiten etwz bes- sere Kundschafft goͤñen/ damit ich wisse/ wen ich lieben sol/ uñ von wem ich geliebet werde; alsdann versichere ich ihn hinwiederumb bey meinen Jungfraͤulichen Ehren/ deren Ret- ter er heut gewesen ist/ daß alles heimliche zuverschweigen/ ich mich so kraͤfftig befinde/ daß weder Vater noch Mutter/ noch icht was in dieser Welt durch einigerley weise dessen das allergeringste auß mir erzwingen sol. Wuͤrde aber mein Herr dieses mein an muhten un- gleich verstehen/ als es von mir nicht gemeynet ist/ so bedenke eꝛ doch/ ob auch einige Elteꝛn in der Welt gefunden werden moͤchten/ die ihr liebes Kind einem allerdinge Unbekanten goͤnnen wuͤrden/ geschweige dann diese/ deren Macht so groß ist/ daß sie von ihren Kindern nohtwendig muͤssen gefuͤrchtet werden. Ladisla Erstes Buch. Ladisla erkennete in seinem Herzen wol/ daß die Erbarkeit selbst sie zu die ser Nach- forschung seines Standes antriebe/ und hielt die Libe zu dem Fraͤulein/ und die seinem Her- kules geschworne Verschwiegenheit einen starken Kampff in seiner Seele/ ob er sich ihr gaͤnzlich solte zuerkennen geben; doch ging er endlich in sich/ gab der Vernunfft Plaz/ und antwortete ihr folgen der Gestalt: Hochgeliebtes Fraͤulein; ich erkenne euer rechtmaͤssi- ges Begehren/ und thut mir von Herzen leid/ daß durch Aidschwur gehindert/ ich ihr nicht bald anfangs meinen Stand wissen lassen duͤrffen/ wie ich gerne gewolt haͤtte. Ich gestehe/ daß ich eine zeitlang meinen rechten Nahmen verendert/ und in nach suchung mei- nes Herkules/ welchen ich vor wenig Monaten erst wieder angetroffen/ mich Winn. bald nennen lassen; anjetzo aber meinen vorigen Nahmen wieder angenommen habe/ vielmehr darff ich diese Stunde nicht von mir sagen/ biß mein Herkules mich des getahnen aͤydes erlassen wird/ welches ich leicht erhalten werde. Vor dißmahl nur schwoͤre ich bey meinen ritterlichen Ehren/ daß ich ein gebohrner und Herschender Koͤnig bin/ uͤber ein Reich/ welches weder dem Roͤmischen Kaͤyser noch einigen andern/ Schatzung oder pflichtschul- digen Gehorsam gestehet/ sondern naͤhest seinen Goͤttern mich allein vor die hoͤchste O- brigkeit erkennet und ehret; bitte aber/ mein herzgeliebtes Fraͤulein diese Geheimnis noch zur Zeit vor sich allein wissen/ und umb wichtiger Ursachen willen verschwiegen halte wol- le. Das Fraͤulein erbleichete vor dieser Rede/ und antwortete gar furchtsam: O ihr Goͤt- ter! warumb habt ihr heut einen maͤchtigen Koͤnig meinetwegen in Lebensgefahr stuͤrzen wollen/ dessen Verlust tausendmahl groͤsser als der meine gewesen waͤhre? Ja ihr Goͤtter/ habt ihr mich eure Magd deßwegen in Raͤuber Haͤnde gerahten lassen/ daß ein Koͤnig mich nicht allein retten/ sondern dessen ich nicht faͤhig bin/ mir seine eheliche Liebe antra- gen muͤssen? Ladisla baht sehr/ ihn forthin weder heimlich noch oͤffentlich anders als einen Herren Standes zuhalten/ und wo moͤglich/ auff sein inbruͤnstiges Ansuchen ihm gewiri- ge Erklaͤrung wiederfahren zu lassen; dessen er von ihr mit diesen Worten gewehret ward: Ja mein Herr/ sintemahl es ihm also gefaͤllig ist/ wil ich noch zur Zeit selber nicht wissen/ wer er ist/ und wie hoch ich ihn zu ehren schuldig bin. Wegen angetragener Liebe bedanke ich mich von ganzer Seele/ und auff sein instaͤndiges Anfodern verhiesse ich in aller bestaͤn- digen Traͤue/ so viel in meiner Macht seyn kan/ als nehmlich/ daß entweder Herr Ladisla allein/ da sonst meiner Eltern bewilligung folgen kan/ oder doch kein ander Mannesbilde eheliche Gewalt uͤber mich haben sol; und ob durch vaͤterlichen Zwang zur brechung die- ses Geluͤb des ich solte genoͤhtiget werden/ wil ich entweder Herren Ladisla/ wie ers begeh- ren wird/ durch Noht und Gefahr folgen/ oder den Tod mit froͤlichem Herzen angehen. Auff diese Antwort kuͤssete ihr Ladisla die Haͤnde/ und sagte: So schwoͤre ich hinwieder- umb bey den maͤchtigen Goͤttern/ daß ich ihr als meinem einig geliebten Fraͤulein die ver- sprochene Traͤue und eheliche liebe halten/ und durch kein Ding der Welt mich davon ab- wendigen lassen wil; so gar/ daß ob sie mir durch jemand solte versaget werden/ ich meines Reichs ganze Macht dran wagen/ und lebendig mich ihrer nicht begeben wil. Da gingen nun die herzvergnuͤgliche Reden erst recht an/ und bemuͤhete sich jeder Theil/ dem andern sich behaͤglich gnug zu machen. Als aber Ladisla durch hitzige Liebesflammen uͤbernom̃en/ umb schleunigen wirklichen Verfolg anhielt/ wuste sie ihm dergestalt mit holdseliger Ein- J ij rede Erstes Buch. rede zu begegnen/ und ihn der gebuͤhrlichen Maͤssigkeit zu erinnern/ daß eꝛ seiner ansuchung sich selbst straffen muste. Mein Herr/ sagte sie zu ihm; wie solte er dem uͤberfluß seiner Lie- besbegierden nicht koͤnnen die billiche Masse setzen/ da er doch in alle seinem Vornehmen sich der allergeringsten Ungebuͤhr nicht merken laͤsset? Es weiß ja mein Herr/ und veꝛ- trauter Freund/ daß ich numehr die seine bin und bleiben werde/ jedoch so lange in keuscheꝛ Zusage/ biß die Goͤtter uns die eheliche Vermaͤhlung wiederfahren lassen. Wird demnach mein Seelen-Schaz selbst verhuͤten helffen/ daß schier heut oder morgen uns kein Mensch der Leichtfertigkeit mit Warheit zeihen koͤnne; Was aber ausser diesem ist und bestehet/ damit weiß meinem Herrn ich mich unwegerlich verbunden. Nun wird aber Zeit seyn/ dz ich ihm eine heimliche Gefahr offenbahre/ deren ich kaum vor dreyen Stunden von einer hochvertraueten Freundin berichtet bin; Daß nehmlich mein Herr Vater mich einem Roͤmischen Ritter/ nahmens Fulvius/ sol ehelich versprochen haben/ welcher zwar reich an Guͤtern/ aber an Wiz und Tugend nicht viel zu verlieren hat; denselben nun an meine Seite kommen zu lassen/ weꝛde ich wol nim̃ermehr einwilligen/ es sey dann/ dz mich groͤsse- re Gewalt/ als die heutige unter Raͤubers Haͤnden/ darzu unvermeidlich zwinge und ver- gewaltsame; vernehme zugleich/ er duͤrffte sich erstes Tages einstellen/ mich abzulangẽ/ wel- ches ich mir doch nicht einbilden kan/ angesehen meine Eltern noch jemand anders/ mich davon kein einiges Woͤrtlein haben wissen lassen. Ladifla versprach ihr/ allen moͤglichen Zwang seiner Begierden/ und sagte: Es waͤhre jhm sehr lieb/ daß er des Bulers zeitig inne wuͤrde/ hielte/ in Betrachtung des straͤngen Ernstes ihres H. Vaters/ wol davor/ daß vor geschlossener Heyraht er ihr wenig davon sagen moͤchte/ wolte nur wuͤnschen/ daß die Goͤt- ter den vermeynten Braͤutigam ehist herzu fuͤhreten/ als dann wuͤrde sich schon Gelegen- heit an die Hand geben/ sich durch einen rechtmaͤssigen Kampff seiner zu entledigen/ ob es gleich ihrem H. Vater nicht allerdinge mit waͤhre. Ach mein Herr/ antwortete sie; solte er sich meinetwegen noch in weitere Gefahr einlassen? Ich meyne ja/ die heutige sey schon gar zu groß gewesen; meine meynung aber zu sagen/ halte ich zwar wol etwas dran zuseyn/ aber noch ungeschlossen/ welches ich zu muhtmassen grosse Ursachen habe; und koͤn- te mein Herr meinem getraͤuen Raht folgen/ solte ers kuͤhnlich wagen/ und erstes Tages mich an meine Eltern begehren; Ich hielte gaͤnzlich davor/ es wuͤrde ihm/ in Betrachtung seiner mir erzeigeten Rettung/ nicht abgeschlagen werden/ insonderheit/ wann mein Herr Vater seiner Koͤnigl. Wuͤrde solte berichtet seyn. Ich wil/ sagte Ladisla/ mich diese Nacht eines endlichen Schlusses mit meinem Herkules vergleichen/ und vor dißmahl diese Be- redung abbrechen/ weil ich euren Bruder sehe zu uns treten. Eben dieser/ sagte sie/ kan in unserm Vorhaben uns sehr behuͤlflich seyn/ dessen wir uns bedienen werden. Nun hatte aber der junge Fabius dieser beyder Liebe sich von Frl. Ursulen vertrau- lich berichten lassen/ dessen er selbst schon argwohn hatte/ wahꝛ ihm doch nicht ungenehm/ weil er nichts hoͤhers wuͤnschete/ als ihm einen solchen Schwager mit seiner Schwester zu machen. Er wolte aber in H. Ladisla Gemuͤht sich unvermerkt hinein schlingen/ umb- zu vernehmen/ ob die aͤusserlichen Geberden ihm von Herzen gingen; daher er ihn solcher gestalt anredete: Mein Herr/ ich spuͤre/ daß meine geliebte Schwester in gebuͤhrlicher danckbarkeit sich gerne wolte finden lassen/ wañs in ihrem vermoͤgen waͤre/ wird sich aber ihrer schwacheit leicht erinnern/ und deßwegen durch Bitte zu erhalten sich bemuͤhen/ daß mein Erstes Buch. mein Herr in mangel der Taht/ an ihrem guten Willen keinen Unwillen tragen wolle. La- disla wahr wegen tieffer Liebsgedanken fast nicht bey ihm selber/ antwortete demnach so ungereimet/ daß das Fraͤulein sich dessen schaͤmete/ und ihrem Bruder hernach zur Ant- wort gab: Herzgeliebter Bruder/ mein Vermoͤgen ist freylich viel zu geringe/ diesem Her- ren den wirdigen Dank darzulegen/ insonderheit/ weil der unsern keiner noch absehen kan/ durch was Mittel man solches vornehmen solte. Zwar die Ritter unsers Landes sollẽ/ wie ich mir sagen lassen/ keiner adelichen Jungfer ein Geschenk/ aus Freundes Herzen herꝛuͤh- rend/ außschlagen/ wie mir und meinen Schwestern heut begegnet ist/ da wir mit zimlicheꝛ Anroͤhtung haben abzihen/ und alles angebohtene auf kuͤnfftige Verheiratung wieder an- nehmen muͤssen. Ladifla wolte Fabius antwort nicht erwarten/ sondern fing an; Ich wuͤr- de auch das Buch der Unhoͤfligkeit gar durchblaͤttert haben/ wann einigem Fraͤulein ich meine Gutwilligkeit/ in Annehmung eines Geschenkes/ das als ein Warzeichen solcher Gunst koͤnte gerechnet werden/ entziehen wuͤrde; weil aber ein solches von meinem hoͤchst- werten Fraͤulein mir nicht gebohten ist/ sondern ich mir ganze Laden vol habe muͤssen vor- schuͤtten lassen/ welches kein Zeichen/ sondern eine uͤberwage zunennen/ hoffe ich gaͤnzlich/ es werde meiner Fraͤulein Beschuldigung weder meinen Freund Herkules noch mich treffen koͤnnen. So hoͤre ich wol/ sagte sie/ es duͤrffte der mangel endlich auff mich fallen/ als die ich ein Zeichen williger Dankbarkeit meinem Herrn zu bieten/ muß bekennen/ un- terlassen habe. Wol dann/ ich gestehe den Fehleꝛ/ und muͤste mir leid seyn/ daß ich ihn nicht stuͤndlich verbesserte/ weil in beyseyn meines liebẽ Bruders ich solches noch wol leistẽ kan. Nam hiemit einen koͤstlichen Ring/ den sie in eine Haarlocke uͤber der linken Achsel han- gend/ eingeflochten hatte/ zog ihn heraus/ und steckete ihm denselben an seinen Finger mit diesen Worten: Mein Herr/ lasset/ bitte ich/ dieses das erste Zeichen der Willigkeit seyn/ damit wegen geschehener kraͤfftigen Rettung meiner Ehren/ ich demselben zeit meines Le- bens verhafftet bleibe; ist es dann gleich schlecht/ und viel zu geringe an diesem Finger ge- tragen zu werden/ wird der Wille deren/ die es liefert/ den Abgang der Wirdigkeit zu erse- tzen/ sich nimmer faul und muͤssig finden lassen. Ladisla gab durch einen freundlichẽ Hand- kuß seine Vergnuͤgung zu verstehen/ bedankete sich der erzeigeten Ehre/ und daß er dieses empfangene umb das teureste Kleinot der Welt nicht vertauschen wolte; lieferte ihr dar- auff hinwiederumb einen viel koͤstlichern Ring/ dessen Demant helle fuͤnkelte/ und baht sehꝛ/ denselben als ein Zeichen aller Ergebenheit anzunehmen. Das Fraͤulein wegerte sich we- gen ihres Bruders/ ein wenig/ nam ihn doch zu sich/ und steckete ihn in ihren Busem/ daß er von andern nicht moͤchte gesehen werden. Sie wolte auch eine Antwort dabey geben/ sahe aber/ daß ihr von ihrer Fr. Mutter gewinket ward/ zeigete solches an/ und wuͤnschete ihrem Vertraueten eine gerusame Nacht/ auch daß er des ersten Traums/ der ihm zu Pa- dua vorkommen wuͤrde/ moͤchte unvergessen seyn. Also muste er/ weil es hohe Zeit schlaf- fens wahr/ von ihr scheiden/ da er mit Herkules in ein Gemach zur Ruhe gefuͤhret ward. Der Stathalter legte sich auch mit seinem Gemahl/ und schlieff das Fraͤulein/ ihreꝛ steten Gewohnheit nach/ im Rolbetlein zu ihren Fuͤssen. Der Vater gedachte/ sie wuͤr- de wegen der heutigen Unruhe schon fest eingeschlaffen seyn/ ihn aber liessen die Gedanken wegen seiner neuen Gaͤste kein Auge zugehen. So wahr Fr. Pompeja auch unruhig/ wel- ches er merkend/ zu ihr sagete: Nun moͤchte ich herzlich gerne wissen/ was vor junge Her- J iij ren Erstes Buch. ren wir jetzo bey uns haben. Roͤmische sind sie nicht; Griechen auch nicht; und zeiget ihre weisse Farbe/ daß das schwarze Afrika/ oder daß gelbangelauffene Asia sie nicht gezeuget hat. Geringes Standes koͤnnen sie nicht seyn/ weil sie Roͤmische von Adel vor ihre Die- ner haben bestellen duͤrffen. Ihre Sitten und Geberden neben der praͤchtigen Kleidung und hohen Rede/ geben sie vor Fuͤrst- und Koͤnigliche Herren an/ und solte ich rahten/ hiel- te ich sie vor Teutsche/ oder derselben Grenz Nachbarn; wo sie nicht gar aus den Mitter- naͤchtigen Reichen/ Daͤnnemark oder Schweden kommen. Aber diese Voͤlker uͤbern hauffen sind von art grob und unsittig/ wie wol ich etliche Teutschen zu Rom geschẽ/ die von ihrer Jugend an/ in Hoͤffligkeiten unterwiesen wahren/ welche sie dergestalt begriffen hat- ten/ daß sie den trefflichsten Hofeleuten nichts bevor gaben. Es sey aber wie ihm wolle/ so werde ich doch nicht ruhen/ biß ich ihrer bessere Kundschafft habe/ die unserer Toͤchter Ehr und Leben zu retten/ sich so ritterlich gewaget/ und daß aͤusserste dran gewendet/ wel- ches kein ander haͤtte duͤrffen gedenken. Fr. Pompeja antwortete: Wann mein liebster Herr hierzu so grosse Begierde traͤget/ koͤnnen wir in der Nachfrage niemand besser/ als unsere Tochter gebrauchen/ und treuget mich mein Sinn nicht/ sind H. Ladisla und sie eins dem andern nicht ungewogen. Eben dieses/ sagte er/ haͤlt mich schlaffloß/ und kan ich mich uͤber des Medchens Kuͤhnheit nicht gnug verwundern/ welche mit ihm nicht an- ders umbgehet/ als waͤhre sie mit ihm aufferzogen/ oder wol gar versprochen. Ich habe an ihr Beyspiels gnug/ daß die eingepflanzete Regung uͤber die Lehr gehet/ massen ich weis/ daß sie bißdaher mit Mannesbildern nicht umgangen ist. O hohe Zeit hohe Zeit/ daß mit der geschlossenen Heyraht ehist verfahren werde/ es duͤrfften sonst diese beyden wol gar ei- nen neuen Kauff machen; jedoch haͤtte ich sie nicht schon einem andern versprochen/ und dieser sie in Ehren meynete/ wie ich fast nicht zweiffele/ wuͤste ich sie ihm nicht zu versagen/ im falle ers alsdann an mich begehrete/ weil sie ihm doch Ehr und Leben zu danken hat; wovon aber nunmehr nicht zu sagen ist. Geliebter Herr/ antwortete sie/ ihr wisset/ wie hart mir euer Vornehmen zuwieder gewesen/ absonderlich/ das unser Kind biß auff diese Stunde nichts darumb wissen muͤssen/ und glaͤube ich nimmermehr/ daß sie diese Hey- raht mit gutem willen bestaͤtigen werde; Solte sie dann in gezwungener Ehe leben/ waͤhre mir leid/ duͤrffte auch nichts gutes daraus erfolgen/ weil ihre angebohrne Großmuͤhtig- keit mir viel zu wol bekant ist. Schweiget/ sagte er mit sonderlichem Eyfer; sie muß ihren Vater nicht schaͤnden/ oder dessen Maul zur Tasche machen; viellieber wolte ich/ sie waͤh- re schon tod. Es liegt mir aber allermeist im Sinne/ daß ich mit Fulvius Abrede genom- men/ auf morgen diese Heyraht zu volzihen/ und zweifele nicht/ er werde sich zeitig gnug ein- stellen; weiß aber nicht/ wie ichs best anschlage/ daß ich ihm unsere Tochter ohn der Frem- den Vorwissen zufuͤhre und beylege; Ehrenhalben muß ich sie dazu bitten/ wo ich nicht die Gesetze der gebuͤhrlichen Dankbarkeit brechen wil. Ach mein Herr/ antwortete sie; solte Fulvius sich morgen einstellen/ fuͤrchte ich sehr/ es werde ohn Lermen nicht abgehen; dann wo sonst Herr Ladisla unser Kind von Herzen meynet/ wird er sich ihrer in diesem falle mehr/ als heut im Walde/ annehmen/ und sein Leben nicht sparen/ umb zu besitzen/ was er mit Ritterlicher Fast erworben hat. Wir wollen ein bessers hoffen/ sagte er/ und muͤsset ihr mit unser Tochter reden/ etliche Zeichen einzuzihen/ umb dasselbe/ was wir fuͤꝛchten/ eigent- lich Erstes Buch. lich zu erkennen/ als dann werde ich meine Sachen darnach anzustellen haben/ damit ich bey Ehren meiner Zusage bleibe/ und alles Unheil vermieden werde; gaben hiemit ihrem Gespraͤch die Endschafft/ und nahmen die Ruhe ein. Frl. Sophia hoͤrete alles an/ und nam es vor eine sonderliche Schickung der Goͤtter auff/ dann sie haͤtte ihr nimmermehr einbilden koͤnnen/ daß ihr Ungluͤk so nahe vor der Tuͤhr hielte; doch ließ sie sich nichts mer- ken/ lag und dachte fleissig nach/ wessen sie gegen ihre Fr. Mutter sich erklaͤren wolte/ wofeꝛn sie der Abrede nachkommen wuͤrde/ und als sie ihres Schlusses gewiß wahr/ schlieff sie froͤ- lich ein. Kurz vor der Sonnen Auffgang kam ihr im Schlaffe vor/ wie ein schaͤndlicher Baͤhre sie anftele und zureissen wolte; woruͤber sie in solche Angst geriet/ dz sie im Schlaffe uͤberlaut schrihe: O Herr Ladisla/ errettet die eure von dem grausamen Baͤhren/ und ver- lasset mich nicht in dieser aͤussersten Noht. Ihr Vater wahr gleich erwachet/ hoͤrete ihr Gefchrey/ und stoͤrete sie doch nicht/ biß sie uͤber eine kurze weile sagete: Ey Gott lob/ mein Schaz/ daß der Baͤhre tod/ und ihr unbeschaͤdiget seyd; da rieff er sie mit Nahmen/ und was sie im Schlaffe zu plaudeꝛn haͤtte. Sie aber fuhr auf/ und dankete sehr/ daß er sie durch Auffweckung aus der Angst eines boͤsen Traums gerissen haͤtte/ und hielte sie davor/ es fiele ihr der gestrige Schrecken im Schlaffe wieder ein; wie wol ihr Vater an der rechten Deu- tung nicht umb ein Haar fehlete. Als Ladisla des Morgens erwachte/ fragte er seinen Herkules/ wie er geruhet/ uñ sich wegen seiner Wunde befuͤnde; der ihm anzeigete/ es waͤhre zimlich schlecht bestellet/ fuͤhlete nicht geringe Schmerzen/ und befahrete sich eines Fiebers/ daß er diesen und et- liche Tage wol des Bettes wuͤrde huͤten muͤssen. Ladisla hatte ihm des Abends alles an- gezeiget/ wie er sich in das Fraͤulein verliebet/ und auff sein hefftiges anhalten ihre Ein- willigung zur kuͤnfftigen Ehe erhalten/ jedoch mit dem Bedinge/ daß sie seines Standes und Wesens zuvor wolte berichtet seyn/ haͤtte ihm doch aͤydlich angelobet/ solches keinem Menschen ohn seinen außdruͤklichen Befehl zu offenbahren. Welches ihm Herkules nach getahner Gluͤkwunschung gerne Einwilligte/ doch daß er von ihm nichts eigentli- ches melden/ noch in ehelicher Ansuchung die Eltern vorbey gehen moͤchte. Dieser da er seines lieben Freundes Schwacheit vernommen/ lies er den Wund Arzt alsbald hohlen/ der aus Herkules Farbe ein schlimmes Zeichen nam/ auch nach besichtigung des Scha- dens/ ihm vorhielt; er haͤtte ohn zweiffel die gestrige Erinnerung aus der acht gelassen; machete nach Gewohnheit dieser Leute den Schaden sehr gefaͤhrlich; es waͤhre leicht ge- schehen/ daß eine Sehnader anginge; die Halßwunden waͤhren ohn daß nicht zuverach- ten/ und koͤnte mannicher durch eine geringe versehrung an diesem Orte umb seine Ge- sundheit/ ja umb Leib und Leben kommen. Ladisla geriet hieduch in groͤssere Angst als er selbst/ und taht den Vorschlag/ er wolte einen erfahrnen hochgelarten Meister der Arzney herhohlen lassen/ damit ja nichts verabseumet wuͤrde. Aber dieser/ sich befuͤrchtend/ sein wort wuͤrde mehr vor einen andern als vor sich selbst gesprochen seyn/ wolte ungerne dar- ein willigen/ wante vor/ diese hochgelarten Leute waͤhren den Wundaͤrzten gemeiniglich in der Heilung zuwider/ braucheten kostbahre sachen/ die wenig nuͤtzeten/ und naͤhmen ihm der Muͤhe Belohnung vor dem̃ Maule hinweg. Worauff Ladisla ihm zur Antwort gab: Er haͤtte sich darumb nichts zu bekuͤmmern/ und solte nur alsbald sagen/ was er vor seine Muͤhe Erstes Buch. muͤhe und arztung haben wolte; gab ihm auch XXV Kronen/ da er X foderte/ und wolte seinen Vorschlag ins Werk richten; Aber der Stathalter/ der Herkules Schwacheit schon erfahren hatte/ kam gleich darzu/ zeigete seyn Mitleyden an/ uñ eriñerte den Wund- Arzt/ alles sein Vermoͤgen anzuwenden; gab ihm auch alsbald eine Handvoll Kronen/ deren er hoch erfreuet ward/ alsbald bessern Trost gab/ und selber riet/ daß ein Gelehrter deꝛ Arzney herzugeholet wuͤrde; welcher da er kam/ und die Wunde besahe/ sagte er: Mein Herr/ nach getahner Arbeit sol man ruhen/ und nach empfangener Wunde sich stille und maͤssig halten; welches aber/ wie ich merke/ von meinem Herren inetwas uͤbergangen ist; doch sol ihm ob Gott wil/ noch nichts toͤdliches gedraͤuet werden/ nur daß er sich etliche Ta- ge einhalte/ als dann wird dem uͤbel durch Mittel schon zurahten seyn. Lies ihm hier- auff die Ader springen/ uñ verordnete etliche Arzneyen/ die teils innerlich/ teils von aussen umb den Hals und Achseln musten geschlagen werden/ damit den Zufaͤllen der Weg zu der Wunde verlegt wuͤrde. Inzwischen lag Fr. Pompeja/ und sinnete nach/ wie sie der Toch- ter hinter die Kuͤnste kommen moͤchte; und als sie dieselbe merkete wache seyn/ fragete sie/ ob sie auff den gestrigen Schrecken auch geschlaffen haͤtte; und bald hernach; wie nahe die Gefahr ihrer Keuscheit gewesen waͤhre. Worauff sie anfangs anzeigete/ dz Gottes Gna- de und dieser Helden Muht/ insonderheit Herren Ladisla eyfferiger Beystand ihre Ehre/ wie wol kuͤmmerlich/ geschuͤtzet und errettet/ und wolte sie ihrer Herzlieben Fr. Mutter al- les erzaͤhlen/ welches bey anderer Anwesenheit vorzubringen sie gestriges Tages scheuh getragen. So waͤhre nun die Schande ihr am aller naͤhesten gewesen/ in dem sie nicht al- lein der Kleider/ sondern auch ihres Hemdes beraubet/ sich des allermuhtwilligsten Bu- bens/ welcher sich sehr unverschaͤmt erzeiget/ nicht wuͤrde laͤnger haben erwehren koͤnnen/ dafern der Himmel dieses Mittel ihrer Erloͤsung ihr nicht zugeschikt haͤtte. Die Mutter fragete weiter/ ob dañ Herr Ladisla sie in solcher Gestalt angetroffen; welches zu sagen sie sich schaͤmete/ und doch gedachte/ es wuͤrde dieses zu ihrem Vorhaben sehr ersprießlich seyn/ ob gleich die Eltern sich ein mehres/ als wahr/ befahren wuͤrden; demnach deutete sie an/ daß er freylich sie also gefunden/ jedoch/ als ihre Wasen schon davon gangen/ sich zu- bekleiden/ haͤtte sie anfangs daß gar zurissene Hemde geholet/ und er hernach ihr die Klei- der gebracht/ welche er ihr auch helffen anlegẽ/ dessen sie sich zwar uͤber aus sehr geschaͤmet/ und ihm doch solches nicht verwehren koͤnnen/ insonderheit/ weil sie ihre bloͤsse bey der Be- kleidung noch haͤtte am meisten sehen lassen muͤssen; inzwischen haͤtte er gegen sie sehr ver- liebte Reden gefuͤhret/ und ihr mit hochbewaͤglichen Worten seine Inbrunst zuerkennen gegeben/ jedoch auff ihr flehliches bitten sich aller Ungebuͤhr enthalten/ und doch umb ver- sprechung der Gegenliebe immerzu angesuchet; Welches er auch auff der Heimreise/ da er sie vor sich auff dem Pferde gefuͤhret/ so vielfaͤltig/ und mit Seuffzen wiederhohlet/ daß sie nicht gewust was sie antworten sollen/ auch nicht wuͤste/ was sie geantwortet haͤtte. Die Mutter nam alles gefaͤhrlicher auff/ als es an ihm selber wahr/ und fragete weiter) ob sie dann guten Willen zu ihm haͤtte; worauff sie diese Antwort/ wie wol mit grosser Scham- hafftigkeit gab; Herzgeliebte Fr. Mutter/ es hat dieser Held sein Leben vor meine Ehr und Leben gewaget und in die Schanze geschlagen/ da er keine einige Guttaht von mir empfan- gen hatte/ deßhalben ich ihm euer eigenen Bekaͤntnis nach/ biß in den Tod verbunden bin/ wer- Erstes Buch. werde mich auch nicht wegern/ ihm alle ehrenbillige Dankbarkeit zuleisten/ so viel an mir seyn wird; Zwar ich weiß sehr wol/ was vor Gehorsam ich auch meinen lieben Eltern er- zeigen muß/ und wieder derselben Willen mich in keine Heyraht einlassen sol; aber dieses habe ich dem Himmel angelobet/ daß dafern dieser mein Erꝛetter durch deren Willen mir zum Ehgemahl nicht werden kan/ ich unser Goͤttin Vesta mich zur ewigen Jungfrau- schafft uͤbergeben wil/ weil ich schon wol weis/ das meine liebe Eltern mich wieder meinẽ Willen zu keiner Heyraht zwingen werden. Ich weiß nicht/ sagte die Mutter/ was ge- schehen doͤrffte/ aber daß weis ich wol/ daß dein Vater dich schier außzusteuren Bedacht ist/ so daß du wol schon einem gnugwirdigen Roͤmischen Herren moͤchtest versprochen seyn. Schon versprochen? antwortete sie; daß waͤhre sehr Ungnaͤdig/ daß solches hinter meinem Wissen und Willen geschehen waͤhre/ und moͤchte ich auff solchen Fall wuͤnschen/ daß die gestrigen Raͤuber mich erwuͤrget haͤtten/ so duͤrffte ich nicht selbst Moͤrder an mir werden. Daß waͤhre wol ein schoͤner Gehorsam/ sagte die Mutter/ und eben der/ welchen du bißher deinen Eltern so artig hast verheissen koͤnnen/ daß wann man den Toͤchterchen ihren Willen nicht lassen wil/ sie mit der Vesten/ oder wol gar mit dem Mordmesser draͤu- en duͤrffen. Diese Wort gingen dem Fraͤulein dergestalt durchs Herz/ daß sie des Wei- nens sich nicht enthalten kunte; die Thraͤnen brachen ihr durch die Augen wie kleine Baͤchlein/ und sagete endlich zu ihrer Mutter: Fr. Mutter/ ich bin euer Kind/ daß gestehe und erkenne ich; aber ihr habt mich auch zur Dankbarkeit angewiesen/ deß bin ich einge- denke gewesen/ welches ich nicht leugnen kan; zugeschweigen/ daß ich davor gehalten habe/ es waͤhre besser/ mich ehelich an einen wirdigen zu versprechen/ als Gewaltsamkeit zuer- warten/ wovor anfangs ich mich nicht wenig fuͤrchtete/ weil ichs ja alles außbeichten muß; haͤttet ihr mich aber versagen wollen/ waͤhre nicht unbillig mir solches angedeutet/ damit ich wissen moͤgen/ was ich tuhn oder lassen sollen. Nun aber habe ich meinem Erretter auf sein inbruͤnstiges anhalten mich schon ergeben; solches wil ich auch halten/ wanns mit meiner lieben Eltern Willen geschehen kan/ oder aber mich sterbens nicht wegern; und wisset ihr/ Herzen Fr. Mutter/ keinen bessern Trost vor mich/ als den jeztgesprochenen/ als- dann sollet ihr mit der Goͤtter huͤlffe nit XXIV Stunden an mir eine ungehorsame Toch- ter haben/ als welche euch in diesem fall allen Gehorsam auffzukuͤndigen gezwungen ist/ doch nicht aus Widerspenstigkeit/ welches mein unschuldiges Blut vor die Goͤtter kom- men lassen sol/ sondern weil ihrs durch euer stillschweigen und hinterruͤkliches versprechẽ also verursachet habet. Ihre Mutter entsetzete sich zum hoͤchsten uͤber dieser Erklaͤrung/ erinnerte sich auch/ daß mit ihrer Heyraht es nicht viel anders ergangen wahr/ da sie wi- der ihren Willen einen alten Roͤmischen Herren durch Zwang ihrer Eltern nehmen sol- te/ und mit Quintus Fabius heimlich davon zog; Hieß demnach die Tochter gutes muhts seyn/ mit angehaͤngtem Troste/ Gott koͤnte es noch zum besten schicken: Es waͤhre aber gleichwol eine grosse Unvorsichtigkeit von ihr/ daß sie sich einem zum Gemahl versprechẽ duͤrffen/ den sie nicht kennete/ viel weniger wuͤste/ ob er Standes halben ihrer auch wirdig waͤhre; da sie dann ihres Vaters Einwilligung nimmermehr erlangen wuͤrde/ wann er nicht aͤdel gnug waͤhre. Aedel gnug? fragte das Fraͤulein; kommen wir biß an diese Fra- ge/ haͤtte ich zu wuͤnschen/ daß ich ihm nur aͤdel gnug seyn moͤchte; dann ob ich gleich nicht K eigen Erstes Buch. eigen weiß/ wer er ist/ moͤget ihr euch doch wol versichern/ daß weder Koͤnig noch Kaͤyser ihm Standes halben ein Fraͤulein zum Gemahl verfagen wuͤrde; dann ich halte davor/ er erkenne keinen Oberherrn/ als den Him̃el und das Schwert. Behuͤte Gott mein Kind/ sagte die Mutter/ was redestu da? auff diese weise duͤrffte er wol gar ein Feind des Roͤmi- schen Reichs seyn. Ja warumb dann/ antwortete sie/ was wuͤrde er dann in Italien um- her zihen/ mit seinem Freunde Herkules? der ohn zweifel mit ihm gleiches Standes seyn muß. Doch lasset jhn feind seyn; koͤnte er nicht durch meine Heyraht zum Freunde und Bundsgenossen gedeyen? welches auff solchen fall ich wol vorher zusagen duͤrffte. Nun ich merke wol/ sagte die Mutter/ daß du dich schon zu tieff mit diesem fremden Herrn ein- gelassen hast/ und kan ich nicht absehen/ wie dein Vater hiemit wird einstimmen koͤnnen; dann ich melde dir in hoͤchstem Vertrauen/ daß vielleicht heut diesen Tag noch wol ein Roͤmischer Herr/ nahmens Fulvius/ nicht weiß ich/ ob du je von ihm gehoͤret hast/ uns zu besuchen kommen wird/ dem dein Vater deiner Heiraht halben mag etwas Hoffnung ge- macht haben; Laß dich aber gegen niemand merken/ daß du wissenschafft hierumb tragest/ sondern stelle dich/ wann er komt/ ernstlich/ doch nicht stoͤrrisch gegen ihn; zu H. Ladisla a- ber halte dich freundlicher/ ob vielleicht sein Gemuͤht hiedurch von dir koͤnte abgezogen werden. O des elenden Fulvius/ antwortete sie; solte ich dem Sudeler/ dem Unflaht zu gute von meinen lieben Eltern so sorgfaͤltig aufferzogen/ und von meinen Errettern aus Raͤubers Haͤnden loßgerissen seyn? viellieber wolte ich mich diese Stunde dem Moͤr- derischen Schwerte dieser Raͤuber darstellen/ wann sie noch lebeten. Ja Fr. Mutter/ ich ruffe dessen alle Goͤtter zu Zeugen/ daß ich meines Herzen ernstliche Meynung sage. Und wie koͤmt doch mein lieber hochweiser H. Vater auff diesen Unsin? fuͤrchtet er/ ich werde keinen Freyer bekommen koͤnnen? oder meyner er/ ich sey schon veraltet? Ich bin zugerin- ge/ von meines H. Vaters Haͤndeln zu urteilen; aber solte dieses unter die Leute kommen/ zweifele ich nicht/ es wuͤrde seinem herrlichen Ansehen keinen geringen Stoß geben; mas- sen von diesem vergeizigten Fulvius ich zwar viel/ aber durch aus nichts ruͤhmliches gehoͤ- ret habe; Versichere demnach ich meine Fr. Mutter/ dafern dieser Unhold etwas taͤhtli- ches anfahen/ oder steiff auff meine Heyraht bestehen wuͤrde/ duͤꝛffte es ihm von H. Ladisla schwerlich zu gute gehalten werden. Ich bedanke mich aber der muͤtterlichen Warnung und getraͤuen Rahts von Herzen/ uñ wil schon wissen/ den vermeynten Buhler also zu em- pfahen/ daß er zwar mit fuge uͤber mich nicht klagen/ aber gleichwol auch meine Freundlig- keit zu ruͤhmen/ wenig ursach haben sol. Der Stathalter kam gleich in die Kammer getꝛe- ten/ ermahnete sie auffzustehen/ und die Kleider ohn sonderliche Zier anzulegen/ weil Herr Herkules an der empfangenen Wunde sich zimlich schwach befuͤnde; uͤber das haͤtte eꝛ Zei- tung/ daß der vortrefliche Roͤmische Ritter Herr Fulvius ihn zu besuchen kommen waͤh- re/ welcher von dir/ sagte er zu der Tochter/ in Betrachtung seiner hohen Wirdigkeit/ auffs beste sol gewilkommet/ und als mir selbst/ Ehre erzeiget werden. Ja billich empfahe ich jhn ehrerbietig/ Herzen Herr Vater/ sagte sie; aber meinen lieben Eltern ihn gleich zu rechnẽ/ wuͤste ich keine ursach/ als bloß euren guten Willen/ weil ich niemand als meinen lieben El- tern kindlichen Gehorsam schuldig bin/ es waͤhren dann meine allernaͤhefte Anverwantẽ. Der Vater gab hierauff keine Antwort/ ging hinauß/ und hieß sein Gemahl ihm folgen/ wel- Erstes Buch. welche ihm alles erzaͤhlete/ in was gestalt H. Ladisla ihr Kind angetroffen/ eheliche Zusage begehret/ und vielleicht hefftige Liebesbrunst sehen lassen/ so daß das Fraͤulein in Betrach- tung der empfangenen Woltaht/ biß auff der Eltern Einwilligung/ die Zusage ohn zwei- fel moͤchte geleistet haben/ welches sie vermuhtlich nicht getahn haͤtte/ da sie ihres Vaters Vorhaben haͤtte wissen sollen; uͤber das zweifelte sie fast nicht/ es waͤhre ihr dieses Herrn Stand wissend/ haͤtte aber aus jhr nichts weiters locken koͤñen/ als dz er ein grosser maͤch- tiger Herr/ sein selbst/ und keinem Oberherrn verpflichtet waͤhre. Dieser Rede ward er uͤ- berauß bestuͤrzet/ stund ein wenig in gedanken/ und sagte nachgehends; So ist er gleichwol zu Padua kein solcher/ sondern zu gehorsamen schuldig/ und waͤhren seine gar zu hohe wol- tahten nicht/ muͤste das uͤbrige alles mir wenig Hinderung schaffen; aber in Betrachtung derselben/ muß ich saͤuberlich fahren/ und schier gestehen/ daß ich sie ihm zu ehren schul- dig waͤhre/ wanns noch in meiner Gewalt stuͤnde; ich hoffe aber/ wann er vernimt/ dz sie von mir schon einem andern versprochen sey/ werde er sich die Tugend lassen meistern/ uñ ein fremdes Gut nicht begehren. Ja lieber Herr/ antwortete sie/ wann unsere Tochter sich ihm vor fremde/ oder einem andern vor versprochen hielte/ und nicht vielmehr sich diesem ergeben haͤtte/ wie ich nicht ohn ursach fuͤrchte/ daß wol schon ein festeres Band sie wirk- lich verknuͤpffet/ welches weder Eltern noch Gesetze auffloͤsen koͤnnen. Be dencket mein Herr/ bitte ich/ er hat sie an ihren Ehren vor den abscheuhlichen Raͤubern geschuͤtzet/ die so heßlicher gestalt wahren/ daß kein Weibsbilde sie ansehen/ geschweige ehelichen/ oder sonst dessen etwas mit ihnen pflegen koͤnnen; ja er hat sie von gegenwaͤrtigem Tode erloͤset/ wel- ches auch den aller und ankbarsten Menschen zur Gutwilligkeit bewaͤgen solte. So hat er sie nacket angetroffen/ ist eine gute Zeit mit ihr allein gewesen/ seine Liebe bey frischer Ge- daͤchtniß seiner Dienste ihr vorgetragen/ und ihr ganz erschrockenes Herz so zu reden/ in seinen Haͤnden gehabt; Ob seine Gestalt/ Sitten und Reden ein Fraͤulein in solchem Zu- stande einnehmen/ und zu seinem Willen bringen koͤnnen/ lasse ich euch selbst urteilen; ja ob ein Mannesbilde sich bey solcher Gelegenheit zu enthalten/ maͤchtig gnug sey. Ich mei- nes teils halte davor/ waͤhre sie von ihm noch unberuͤhret/ wuͤrde sie vor Scham kein Au- ge vor ihm auffschlagen duͤrffen. Aber ich fuͤrchte sehr/ das heimliche Gespraͤch/ welches sie gestern mit einander hielten/ ruͤhre auß viel vertraulicher Kundschafft her. Diesem al- len nach wolle mein liebster Herr die Nohtwendigkeit dem Willen vorziehen/ und in dieseꝛ hoch bedenklichen Sache sich nicht uͤberschnellen/ gestaltsam ich ihre Erklaͤrung nicht ohn entsetzen angehoͤret/ daß entweder sie ihre Zusage diesem Herrn halten; oder da wirs nicht nachgeben koͤnnen/ durch Verloͤbniß an eure Goͤttin Vesten/ oder ja durch einen denkwir- digen Tod sich von eines andern Heiraht loßwirken wolle; auff welche Begebniß ich vor Herzleid in die Erde sinken muͤste; und wer weiß/ wessen H. Ladisla sich hierinnen verhal- ten werde? Meynet ihr/ mein Schaz/ daß weil er lebet/ er dieses einem andern goͤnnen koͤn- ne/ was er schon im Besiz zu haben vermeynet/ oder wol gar hat? Liebet er Schoͤnheit/ so kan er mit der ihren wol vergnuͤget seyn; sucht er Freundligkeit/ die erzeiget sie ihm haͤuf- figer/ als ich mir von jhr einbilden moͤgen; trachtet er nach Stand und Adel/ so wird er bey allen Roͤmern nicht hoͤher kommen; vielleicht mag ihr Verstand ihn auch nicht we- nig erfreuen. Welches alles/ wann ichs zusammen fasse/ gibt mirs diesen traurigen gedan- K ij ken Erstes Buch. ken auch wider meinen Willen an die Hand; Er/ oder Fulvius werde dieser Heyraht we- gen das Leben einbuͤssen/ wo nicht unsere Tochter mit ihm/ welches ja der barmherzige Gott allergnaͤdigst abwende/ und mich lieber aus diesem Leben abfodere. Diese ihre Rede beschloß sie mit haͤuffigen Traͤhnen/ nnd weil sie ihren Gemahl sehr verwirret sahe/ erwar- tete sie mit verlangen seiner Antwort/ die er solcher gestalt vorbrachte: Frau/ unser Toͤch- terchen haͤtte nie keinen bessern Vorsprach als euch/ bekommen moͤgen/ zu deren Befrie- digung zur Luͤsternheit jhr fast lieber/ als zur Erhaltung meines Ansehens und Glaubens duͤrfftet geflissen seyn; aber die Goͤtter werdens schon nach ihrer Versehung schicken/ wo- bey ich nicht unterlassen werde/ meinen Wiz zu gebrauchen. Eins gebiete ich euch vor al- les/ daß ihr euch nicht unterstehet/ mit ihr an einem Luder zu zihen/ ich wuͤrde sonst zur Er- haltung meiner Ehren etwas tuhn/ das mir gar nicht lieb waͤhre. Das Fraͤulein hatte sich inzwischen von dem Schlaff Gemache hinweg begeben/ uñ wehrete ihr die Zeit eben lange/ ehe sie ihren Ladisla sahe/ weleher ebenmaͤssig sich bemuͤhe- te zu jhr zu kommen; fuͤgete sich auch von ungefehr/ daß sie sich einander auff dem Gange oben unter dem Dache begegneten/ da das Fraͤulein zur Tuͤhr hinauß/ und er hinein treten wolte; Weil er nun in tieffen Gedancken ging/ und nirgend auff acht hatte/ stieß er sich an ihren Leib/ ehe er sie sahe. Wie nun mein Herr/ sagte sie darauf; gehet man in so verwickel- ten Gedanken? wuͤnschete ihm hiemit einen guten Morgen/ und fragete/ wie er nach gestri- ger schwerer Arbeit geruhet haͤtte. Er aber schaͤmete sich des Fehlers/ hielt demuͤtig umb Verzeihung an/ mit angehaͤngter Bitte/ sie wolte doch sein Liebes Leiden beobachten/ und die hochgewuͤnschete Huͤlffe ihm nicht versagen/ nachdem sie in der Taht spuͤrete/ daß er seiner Sinnen nicht mehr maͤchtig/ und vor Liebe blind waͤhre. Dieses brachte er mit so traurigen Geberden vor/ daß sie ihren Trost ihm nicht versagen wolte/ und ihm zur Ant- wort gab: Mein herzgeliebter Herr und Vertrauter; warum solte ich ihm einige gebuͤhr- liche Huͤlffe versagen/ da er deren benoͤhtiget waͤhre/ und solche von meiner Wenigkeit her- ruͤhren koͤnte? angesehen er mir viel eine groͤssere wiederfahren lassen/ als zu vergelten mir nicht moͤglich seyn wird. Nicht wolle er/ bitte ich/ ein solches Mißtrauen in mich setzen/ sondern nachdem ich ihm Herz und Willen uͤbergeben/ hat er alles mein Vermoͤgen in sei- ner Gewalt/ und zu seiner Vergnuͤgung/ so weit eine Braut ihrem Verlobeten schuldig ist oder seyn kan/ so gar/ daß an meinem ergebenen Gehorsam er nicht ohn Suͤnde zweifeln wuͤrde. Solte aber mein hoͤchstwerter Schaz/ wie ich nicht hoffen wil/ dasselbe schon an mich begehren wollen/ was jungsraͤuliche Zucht verletzen koͤnte/ als dañ bitte ich von grund meiner ihm untergebener Seele/ er wolle seiner hohen Vernunfft die Meisterschafft uͤber die Liebesreizungen und Begierden goͤnnen/ und nicht ursach geben/ daß man schier heut oder morgen anders als keusche Zucht von uns sagen solte. Ich bin die Eure/ und sonst keines andern/ es gehe mir druͤber wie es wolle; aber diß gelobe ich an diesem nuͤchtern moꝛ- gen/ daß in eheliche Volstreckung ich nicht gehehlen wil/ biß entweder er meiner lieben Eltern Willen erlanget/ oder mich in seiner Gewarsam ausser meines Vaters Wohnung hat. Verspricht nun mein Herr/ hierin einzuwilligen/ und diesem zuwider mich auf nichts zu noͤhtigen/ so wil alsbald mit ihm ich mich an einen geheimen ort verfuͤgen/ in vertrauen zu berichten/ was ich diese Nacht wunderbahrer weise erfahren/ und zu Fortsetzung unsers Vorhabens ihm nicht laͤnger verschweigen kan. Ladisla erkennete hieraus ihr ehrlieben- des keu- Erstes Buch. des keusches Herz/ gab der Vernunfft Raum/ und verhieß ihr begehren ohn arge List ein- zugehen; dessen sie sehr erfrewet ward/ weil sie vor Liebes gewalt sich befuͤrchtete; ging mit ihm auff ein abgelegenes Gemach/ und begehrete voꝛerst/ jhr die eheliche Traͤue zu schwoͤrẽ/ welches er willig leistete/ und mit abermahliger uͤbergabe eines sehr koͤstlichen Ringes be- kraͤfftigte. Darauff taht sie ein solches hinwiederum/ mit versprechen/ ehe den Tod zu waͤh- len/ als einen andern Braͤutigam anzunehmen. Erzaͤhlete hernach alles/ was ihre Eltern mit einander auff dem Bette/ und hernach die Mutter mit ihr absonderlich geredet/ auch wessen sie sich erklaͤret haͤtte. Aber/ sagte sie/ mein vermeynter Schaz Fulvius hat sich schon eingestellet/ die Eheverloͤbniß/ oder wol gar das Beylager zu volzihen/ welches ich aber mit dieser Hand abzuwenden entschlossen bin/ ich treffe dañ sein oder mein eigen Herz mit dem kalten Eisen; jedoch vor Wagniß des aͤussersten/ muͤssen wir der Vernunfft gebrauchen/ und werde ich anfangs meine schlechte Liebe zu ihm/ und die lebhafftere zu euch/ jhm durch Geberden und Worten zuerkennen geben/ ob die hoffnung ihm dadurch koͤnte abgeschnit- ten werden; wuͤrde er sich aber dessen uͤber mich beschweren duͤrffen/ wil ich eine solche Er- klaͤrung fassẽ/ welche weder mir selbst unehrlich/ noch ihm behaͤglich seyn sol; nur eins tuht mir leid/ daß mein Herr Vater/ dem ansehen nach/ schon zimlich weit mit ihm muß einge- stiegen seyn/ und ich daher gezwungen werde/ in diesem stuͤk mich seinem gehorsam zu ent- brechen/ welches ohn sonderliche beleidigung zu tuhn/ ich noch gute hofnung habe; zum we- nigsten muß sein angelegtes Beylager noch auf etliche Wochen verschoben werdẽ/ da wir dann inzwischen unser bestes in acht zu nehmen unvergessen seyn wollen. Ladisla erschrak der Zeitung von herzen/ und fuͤrchtete nichts so sehr/ als von der eile uͤberfallen zu werden; dem uͤbrigen meynete er sonst wol vorzukommen; nur baht er/ sie moͤchte ihm nichts ver- schweigen/ wie gefaͤhrlich es gleich waͤhre/ damit man beyzeiten vorbauen koͤnte. Unter diesem ihrem Gespraͤch lies der Vater die Tochter suchen/ da die Magd be- richtete/ sie haͤtte vor kurzem sie mit H. Ladisla auff dem Obergange sehen sprache halten/ und mit einander weg gehen; dessen er sich nicht wenig bekuͤmmerte/ und nicht anders meinete/ als das ihr Band feste gnug zu knuͤpffen sie unvergessen feyn wuͤrden; wuste doch den sachen nicht zu rahten/ weil ers in seiner Heyraht nicht viel anders getrieben hatte. Sein schlimmestes wahr/ daß er seiner Anverwanten Raht nicht ersuchen durffte/ weil er wieder deren Willen sich mit Fulvius so weit eingelassen hatte/ und zwar auff dessen Vaters Bruder Getrieb/ der sein guter Freund wahr/ und ihm diesen Unwirdigẽ so hoch geruͤhmet. Uber daß kunte ers Ladisla nicht vor uͤbel halten/ als dessen Liebe auff der Traͤue gegruͤndet seyn/ er nicht zweiffelte. Nur gingen alle seine Gedanken dahin/ wie er entwe- der diesem durch vernuͤnfftige Ursachen die Liebe benehmen/ oder des Fulvius loß werden moͤchte; und weil dieses ihm unmoͤglich dauchte/ angesehen er voͤllige Zusage getahn/ sin- nete er jenem desto fleissiger nach/ wozu er sehr dienlich erachtete/ wann er zuvor seiner Tochter Willen brechen/ oder sie auffs wenigste Zaghafft machen wuͤrde. Diese nun fuͤrchtete sich/ ihre Abwesenheit moͤchte ihr ungleich außgelegt werden/ daher sie nach kurzer Ergezligkeit ihrer zuͤchtigen Liebe Herren Ladisla bey der Hand nam/ vom Gemache fuͤhrete/ und sehr baht/ ein gutes Herz zuhaben/ weil sie nicht glaͤuben koͤnte/ daß sie ohn ge- sehr/ und nicht vielmehr durch der Goͤtter schickung an einander gerahten waͤhren/ da er sie ihm erwerben muͤssen/ ehe Er sie jemahls gesehen haͤtte; sie erkennete solches billig/ der K iij Hoffnung Erstes Buch. Hoffnung gelebend/ ob sichs gleich im Anfange etwas stossen wuͤrde/ solte doch der Auß- gang gluͤklich und gewuͤnschet seyn. Ladisla umbfing sie lieblich/ und wahr ihm schwer/ schon abzuscheiden; daß uͤbrige schlug er von der Hand/ vorgebend/ es koͤnten Ritter wol hundert Gelegenheiten finden/ sich an einander zu reiben/ saͤhe auch vor Augen/ daß er Ful- vius wuͤrde durch einen Kampff abtreiben muͤssen; auff welchen Fall er sich der Goͤtter huͤlffe/ und seiner guten Sache troͤstete/ weil er wuͤste/ daß sie keinem andern als ihm allein/ eheliche Traͤue verheissen/ und in ihres Vaters Versprechen nicht allein nicht eingewil- liget/ sondern auch davon daß allergeringste nicht gewust haͤtte. Dessen ruffe ich die Goͤt- ter zu zeugen/ antwortete sie/ daß mein Herz noch keinem Menschen als euch mein Schaz ist ergeben gewesen/ und ich vor dieser meiner Liebe Anfang/ von meines H. Vaters Vor- haben nicht daß allergeringste gewust/ wie wol ich nimmermehr in solche Ehewuͤrde ge- hehlet haben. Es muͤste mir aber schmerzlich leid seyn/ wann ihr meinet wegen euch noch weiter in Gefahr setzen soltet/ und ich doch selbst ein solches befuͤrchte; verspreche aber hie- mit/ daß wann der Unfall/ welches der Himmel abwende/ euch ja treffen solte/ ich alsdañ keine Stunde euch uͤberleben wil/ damit unsere Seelen im Tode ungetrennet bleiben moͤ- gen/ wann das herbe Gluͤk uns dieses lebens Vergnuͤgung nicht goͤnnen wolte. Er baht hoͤchlich/ sie moͤchte dergleichen unlustige Gedanken nicht fassen; ihm waͤhren Fulvius gleichen wol ehe auffgestossen/ denen der Himmel keinen Sieg uͤber ihn verhaͤnget haͤtte; hoffete auch diesen/ wann er ihn vor der Faust haͤtte/ redlich zubestehen/ daß er seiner un- billigen Liebe druͤber vergessen/ und sie nach diesem schon unverunruhet lassen solte; mach- te sich auff genom̃enen Abscheid nach Herkules/ und ging sie zwischen Furcht uñ Hoffnung nach ihrer Fr. Mutter Gemache/ woselbst ihr Vater gleich ankommen wahr/ mit ihr zu- reden/ wessen er sich gegen Fulvius erklaͤren wolte/ der ihm schon hatte lassen anmelden/ dafern es ihm nicht zu wieder/ waͤhre er bereit ihm auffzuwarten/ und daß bewuste schleu- nigst zuvolziehen/ weil in Kaͤyserl. hochwichtigen Geschaͤfften (welches doch ertichtet) er stuͤndlich auffbrechen/ und eine ansehnliche Gesandschafft uͤber sich nehmen muͤste; haͤtte aber das Beylager zuvor halten/ und das Hochzeitfest zugleich bestimmen wollen/ welches auff seine wiederkunfft alsbald solte gefeiret/ und dabey ein Freystechen angestellet wer- den. Als nun der Stathalter seine Tochter sahe ins Gemach treten/ empfing er sie mit diesen worten: Ich bin Herzlich erfreuet/ daß du gestern vor Unehr beschuͤtzet bist; es ver- huͤten aber die Goͤtter/ daß durch deine Rettung ich nicht hoͤher/ als durch die Entfuͤhrung betruͤbet werde. Das Fraͤulein stellete sich geherzt und antwortete: Sie koͤnte nicht abse- hen/ was ihr H. Vater sich ihretwegen zubefahren haͤtte/ nachdem sie ihm in seine Gewar- sam wieder gelieffert waͤhre; so waͤhren ihre Erretter so auffrichtige redliche Ritter und Herren/ hielten auch ihren H. Vater in solcher Ehr und Wirde/ daß er ihretwegen keine Sorge noch widrige Gedanken haben duͤrffte; solten aber die Goͤtter ein Ungluͤk/ das ihr H. Vater zuvor saͤhe/ beschlossen haben/ moͤchten dieselben alles uͤber sie allein außschuͤttẽ/ und ihrer herzlieben Eltern/ auch wanns moͤglich waͤhre/ jhrer guͤtigen Erretter schonen. Ihr Vater befand sich mit der aller schweresten Traurigkeit beladen/ aber sein Gemahl troͤ- stete ihn mit diesen Woꝛten: Mein herzgeliebter Herr/ was hermet ihr euch so? unsere Tochter ist Gott Lob/ so verstaͤndig/ daß sie wol erkennen wird/ wie sie euch zu allem Gehor- sam Erstes Buch. sam verbunden sey; und nachdem es hohe Zeit ist/ ihr das bißher verschwiegene zu offen- bahren/ sol mans laͤnger nicht hinterhalten. Ja/ mein liebes Kind/ sagte er hierauff zu dem Fraͤulein; du weist/ mit was grosser Vorsorge wir dich erzogen/ unter der hoffnung/ schieꝛ Freude an dir zu erleben; koͤnnen dir auch kein ander zeugniß geben/ als daß du bißher uns in allem bist gehorsam gewesen/ wie einem frommen Kinde wol anstehet; Nun bistu zu den Jahren kommen/ daß uns Zeit deucht/ dir ein Gemahl zu ersehen/ der am Stande/ Tu- gend und Guͤtern dir gleich sey; haben auch denselben nach unserm wunsch angetroffen/ und zweifeln nicht/ du werdest auch in diesem Stuͤk/ welches der rechte Beweißluhm dei- nes Gehorsams seyn wird/ uns gerne und willig folgen/ und denselben vor deinen liebsten Braͤutigam und kuͤnfftigen Gemahl mit Herzenslust annehmen/ welchen wir mit reiffem Raht und wolbedachter Vorsichtigkeit uns zum Sohn und Tochtermann erkohren ha- ben/ der dich auch nach deinem Stande gebuͤhrlich wird zu halten/ lieben und ehrẽ wissen. Das Fraͤulein antwortete hier auff: Gnaͤdige herzallerliebste Eltern; ihre bißher getrage- ne herzliche Vorsorge vor mich/ wird kein Mensch/ vielweniger/ die ichs genossen/ in zwei- fel zihen; aber zu hoͤchst erfreuet mich/ daß mein Gehorsam so beschaffen ist/ das er guͤltig und gnugsam erkennet wird/ welchen dañ Zeit meines Lebens fortzusetzen/ ich so willig als schuldig bin; daß aber mein Herr Vater mir so gar unvermuhtlich eine Heyraht vortraͤ- get/ weis in ansehung meiner einfaͤltigen Jugend/ ich so schleunig nicht zubeantworten; bitte demnach/ mein H. Vater wolle mir den Freyer nennen/ und mir Bedenkzeit geben/ mich wol und gnugsam zubesinnen; an welcher Verguͤnstigung/ ich umb so viel weniger zweiffeln darff/ weil ich schon weiß/ daß meine liebe Eltern mich weder verkaͤuffen noch verschenken/ noch wider meinen Willen verheyrathen werden/ und ich billig mit Wissen- schafft darumb haben muß/ in Betrachtung dieses/ den einigen Tod außgenommen/ mei- ne wichtigste und schwereste Verenderung seyn wird/ da ich meinen herzallerliebsten El- tern mich entzihen/ und mich einem andern untergeben sol. Ihr Vater merkete wol/ daß sie auff diese Antwort fleissig bedacht gewesen wahr/ und auff solche weise ihr nicht wuͤrde beyzukommen seyn; deßwegen er ihr aus einem staͤrkern Fasse einschenken wolte/ und sie also anfuhr: Ich wil nicht hoffen/ daß du vorsichtiger und kluͤger seyn wilt/ als ich; oder gedenkestu/ ich werde ohn Raht und Bedenken in so wichtiger Sache verfahren/ und dei- nes rahtens beduͤrffen? O nein? wie unduͤchtig du hiezu bist/ so wenig werde ich dir ein- raͤumen. Du woltest aber vielleicht den Braͤutigam gerne eine Zeit zuvor genennet habẽ/ daß du ihn hernaͤhst mit deines gleichen außmustern koͤnnest/ ob er dir zu schwarz/ oder zu weiß/ zu lang oder zu kurz/ zu feist oder zu mager/ zu alt oder zu jung sey/ worzu etliche deiner Gespielen sich weidlich solten gebrauchen lassen/ und duͤrffte dergestalt noch erst gebohrẽ/ oder wol gar gemahlet werden muͤssen/ der dir und jederman gefallen solte; Deßwegen antworte mir ohn Bedingung/ ob du meiner vaͤterlichen Vorsorge/ und bey andern Leu- ten gnug geltendem Witze dich ergeben/ und meinem Willen folge leisten wollest. Mein Herr und Vater/ antwortete sie/ ich gehorsame in aller Moͤgligkeit so lange ich lebe/ und ohn Bedingung; aber mich einem allerdinge unbekanten und ungenanten zu versprechẽ/ davor erwaͤhle ich den Tod/ weil ich in der Furcht stehe/ mein Gemuͤht koͤnne sich mit dem- selben nicht vereinigen; oder auch wol/ daß vielleicht derselbe ein Ehrenkraͤnkliches Gebre- chen Erstes Buch. chen an sich haͤtte/ daß meinen lieben Eltern verborgen waͤhre. Wolle demnach mein H. Vater/ zu bezeugung vaͤterlicher Hulde/ mir den Braͤutigam gnaͤdig nennen; nicht daß ich ihn von allenthalben zu uͤberlegen/ uñ mit andern durch die Hechel zuzihen willens bin/ sondern/ damit ich meiner Freyheit/ die mir Gott und das Gluͤk durch meine Eltern ge- goͤnnet hat/ mich gebrauchen moͤge; sonst waͤhre heut der erste Tag/ daß ich klagen muͤste/ mein H. Vater handelte mit mir seiner einigen Tochter gar zustraͤnge/ wovor ich durch al- le Goͤtter Bitte. Fiel hiemit vor ihm nieder/ kuͤssete ihm die Haͤnde/ und netzete sie derge- stalt mit Traͤhnen/ daß sie tropffeten; welches auch mehr als einiges ander Mittel bey ihm wirkete/ daß er zur Erkaͤntnis kam/ und die Wichtigkeit ihrer Wegerung beobachtete. Gleichwol hatte er noch Hoffnung/ sie zugewinnen/ hieß sie auffstehen/ und sagete: Er koͤn- te nicht außsinnen/ aus was Ursachen sie in dieses Mißtrauen gerahten waͤhre; wolte nit destoweniger es in Bedacht zihen/ und vor dißmahl sie nur des heutigen befehls erinnern/ den vortrefflichen Roͤmischen Herren/ H. Fulvius auffs ehrlichste zuempfahen. O ja mein herzlieber H. Vater ganz gerne/ sagte sie/ ungeachtet ich sein gar keine Kundschaft habe/ auch niemahls zuhaben begehre/ weil seine Ehre gar krank seyn sol/ und ihm ein sehr schlechtes Loblied nachgesungen wird; welches mich doch nicht angehet/ und ich einen andern gerne seyn lasse der er ist. Den Vater ward wegen dieser Rede schwinden/ und fragete/ ob sie naͤrrisch waͤhre; H. Fulvius gleichen lebete in ganz Rom nicht/ und wuͤrde sie vielleicht durch Irtuhm wegen des Nahmens betrogen seyn. Den ich meyne/ antwor- tete sie/ sol Markus Aurelius Fulvius heissen/ zwar ein reicher/ aber filziger Mensch/ von Jugend auf zu Luͤgen gewaͤhnet/ großsprecheꝛn und unreines Mauls/ der Unzucht ergebẽ/ und daneben frech und verwaͤgen; der durch viehische kraͤffte etliche Siege erstritten/ weil ihn vernuͤnftige Feinde noch nicht angegriffen; und ob er gleich von grossen Guͤtern/ solle er doch seine Diener in der Kleidung den Schmiedeknechten gleich halten/ weil er selbst kaum so viel Lust habe/ renliche Kleider anzulegen. Nun wuste ihr Vater wol/ daß nicht alles von ihr ertichtet wahr/ wiewol das Geruͤchte immerzu ein Ding groͤsser pflegt zu- machen; wolte ihr aber durchaus nichts gestehen/ dann sein Reichtuhm hatte ihn verblen- det/ und lebete der Hoffnung ein Tugendsames Weib wuͤrde seinen Gebrechen wol abhelf- fen koͤnnen; straffete sie demnach mit harten worten; wessen sie sich zeihen duͤrffte/ einen Unschuldigen zulaͤstern; das Geruͤcht waͤhre falsch/ und H. Fulvius aller Roͤmer Zierde. Sie aber antwortete unerschrocken: meinetwegen bleibe er der er ist/ wann ich nur mich uͤber ihn nicht zu beschweren habe; ich wil meinem Herrn Vater zugehorsamen/ ihm mehr Ehre erzeigen als er wert ist/ aber lieber tausendmahl sterben/ als nur ein Augenblik sol- chem Unhold geneiget seyn. Seine Gebrechen sind kuͤndiger/ als daß sie meines Beweiß- tuhms beduͤrffen/ und bleibe nur mein H. Vater mir bißdahin vaͤterlich gewogen/ daß mir an Zeugen in dieser Sache gebrechen wird; ich bin/ dem Himmel sey dank/ von mei- nen lieben Eltern allemahl zur Tugend angehalten/ darumb wil ich Tugendhafften fol- gen/ so daß keiner nimmer mehr Raum oder Gunst bey mir finden sol/ der Tugendloß ist/ und so mannichen Lastern sich zueigen ergeben hat. Dieser Außschlag gab ihrem Vater Nachricht gnug/ wessen sie gegen diesem Freyer gesonnen wahr/ und daß alles sein vorha- ben durch aͤussersten Zwang zu werke gerichtet/ oder gar zu Wasser werden muͤste/ daher be- fahl Erstes Buch. fahl er den Goͤttern die Schickung/ weil ihm sein Herz sagete/ es wuͤrde viel anders als nach seinen Gedanken gehen/ ließ die Tochter bey der Mutter/ und ging hin Herkules zu besuchen. So bald er hinweg wahr/ baht das Fraͤule in ihre Mutter mit heissen Traͤhnen/ dem Vater diesen Vorsaz auß dem Sinne zu bringen/ massen sie viel lieber den allergrau- samsten Tod und alle Pein gedultig angehen/ als diesem filzigen Luͤgener sich ergeben/ oder ihm ihr Herz zuwenden wolte. Die Mutter aber gab zur Antwort: Sie wuͤste nicht viel gutes Rahts; Ladisla und sie muͤsten ein gutes Herz uñ unbewaͤglichen vorsaz ergreiffen/ daß Fulvius Einbildung den Krebsgang gewuͤnne/ und wann es ja auffs aͤusserste kom- men solte/ moͤchte sie versuchen/ mit Ladisla heimlich davon zuzihen; welches sie vorbrach- te/ umb zuerforschen/ wie weit sie sich mit ihm eingelassen haͤtte. Und zwar hiedurch ward das gute Fraͤulein gefangen; dann sie fiel der Mutter umb den Halß/ herzete und kuͤssete sie/ und baht/ in solcher Gewogenheit fortzufahren; daher die Mutter spuͤrete/ dz der Brey schon versalzen/ und das abmahnen viel zu spaͤte waͤhre; hieß sie deßwegen gutes muhts seyn/ und daß es alles noch gut werden koͤnte; nur muͤste sie ihre heutige Lehre in acht neh- men/ den ohn das argwoͤhnischen Fulvius zum Widerwillen anzuspornen; wuͤrde dann hiedurch Ladisla mit ins Spiel kommen/ daß es zum Streit geriete/ welches sie doch un- gerne wolte/ muͤste er trauen sein bestes wissen/ nachdem sie kein ander Mittel saͤhe/ und ihr Vater vor sein Haͤupt/ wegen getahner Zusage nicht anders koͤnte/ als seiner Ehre durch die Leistung ein Genuͤgen tuhn. Ey so wollen wir die Sache der himlischen Versehung be- fehlen/ sagte das Fraͤulein nach deren Schluß muß es doch den Außschlag nehmen/ wir sinnen und tichten was wir wollen und koͤnnen; setzete sich nider/ ließ von der Mutter ihr die Haar etwas zierlicher auffbinden/ und redete von den hohen Tugenden der beyden Helden/ mit diesem Schluß/ daß sie sich vor die gluͤkseligste schaͤtzen wuͤrde/ wann sie mit derer einem solte vermaͤhlet werden. Ladisla hatte sich zu seinem Herkules verfuͤget/ zei- gete ihm Fulvius ansuchen an/ und dz allem ansehen nach er ihn mit dem Schwerte wuͤr- de abweisen muͤssen; welches er ihm hefftig wiederriet; er solte der Vernunfft gebrauchẽ/ und durch morden und todschlagen ein Gemahl zu erwerben sich nicht unterfangen; Es waͤhre wider die Erbarkeit/ welches Gott nicht gut heissen/ viel weniger Gluͤk und Segen darzu verleihen koͤnte/ in sonderheit/ wo Fulvius mit ihr schon solte versprochen seyn. La- disla taht ihm der Fraͤulein Widerwillen zu wissen/ und daß sie diesem ihr Herz zuzuwen- den nie waͤhre bedacht gewesen/ noch ihres Vaters Vorhaben gewust haͤtte. Worauff ihm Herkules antworten wolte/ sahe aber den Stathalter zur Tuͤhr hinein treten/ und ga- ben diesem Gespraͤch Anstand/ weil ohn das derselbe sie erinnerte/ daß des Arztes wolmei- nung muͤste in Obacht genommen/ und H. Herkules in der Ruhe gelassen werden. Also muste nur sein Leibknabe bey ihm bleiben/ da im hingehen der Stathalter zu Ladisla sage- te: es tuht mir sehr leid/ mein Herꝛ/ dz sein Freund meiner Tochter wegẽ in diese schwacheit gerahten ist; iedoch hoffe ich zu den Goͤttern/ es werde sich mit ihm bald zur Besserung schicken; bitte unter dessen fleissig/ sie wollen bey mir sich aller Freyheit gebrauchen/ als ob sie bey den ihren daheim waͤhren. Und weil mir heut ein fremder Gast von Rom/ Herꝛ Fulvius zusprechen wird/ ich aber wegen einer Unpaͤßligkeit/ und daß wegen eines ent- standenen Eckels vor der Fleischspeise/ der Mahlzeit nicht beywohnẽ kan/ wolle mein Herr L neben Erstes Buch. neben andern Eingeladenen sich bey derselben froͤlich erzeigen/ ich wil nach abgetragenen Speisen mich bey ihnen einstellen/ und gebuͤhrliche Geselschafft leisten. Angenehmere Zeitung haͤtte unserm Ladisla nicht vorkommen moͤgen/ und gedauchte ihn/ als saͤhe er sei- nen Mitbuhler schon zu seinen Fuͤssen liegen/ welches doch zu verhehlen/ er antwortete: Hochwerter Herr/ als Vater; ob zwar wegen schwacheit meines Freundes ich nicht we- nig bestuͤrtzt bin/ und schlechte Lust habe zu froͤlicher Geselschafft/ wil ich doch in diesem uñ allem/ was mir moͤglich seyn wird/ meinem Herrn gerne und willig gehorsamen/ wuͤnsche nicht mehr/ als daß meine geringe Dienste meinem Herrn nur koͤnten behaͤglich seyn/ und mit solchem vaͤterlichen Herzen angenommen werden/ als sie aus kindlichem herruͤhren. Mein Herr/ und geliebter Freund als Sohn/ antwortete er/ ich nehme diß hohe Erbieten mit solchem Herzen auff/ welches sich uͤberall vergnuͤget befindet/ erinnere mich wol/ wie hoch ich ihm verpflichtet bin/ uñ bitte die Goͤtter/ mir Krafft und Freyheit zu verleihen/ sein gutes Herz und gewogenheit ersetzen zu koͤnnen. Der junge Fabius kam darzu/ uñ nam der Alte einen Abtrit nach seinem geheimen Zimmer/ woselbst er sein Ungluͤk und die inste- hende Gefahr beweinete/ und dz durch Unbedachtsamkeit er sich so schlim verwickelt hatte. Kaum wahr er hinweg gangen/ da stellete Fulvius sich ein/ hatte sich statlich herauß geputzet/ und sechs wolbekleidete Diener hinter sich her treten/ deren Mantel mit Sam- met durchfuͤttert wahren/ wiewol er leyden muste/ er haͤtte sie von andern entlehnet. Er wahr groß und starker Gliedmassen/ hatte ein schwaz dicke Kraußhaar/ welches er selten zu kaͤmmen pflegete/ schwarzgelbe Farbe/ magere Backen und lange Habichsnase/ wuste sich zimlich hoͤfflich anzustellen/ aber man merkete/ daß es gezwungen Ding wahr. Als dem Stathalter seine Ankunfft vermeldet ward/ ging er ihm entgegen/ nam ein froͤliches Ge- sicht an/ und hies ihn wilkommen seyn. Ladisla und der junge Fabius traten auch zu ihm hin/ und empfingen ihn nach wirdigkeit/ wiewol Ladisla uͤber Gewohnheit sich gar ernst- hafft und mit kurzen Worten vernehmen lies. Die Stathalterin kam mit ihrer Tochter/ den Gast zu wilkommen/ welches die Mutter mit guter Freundligkeit/ die Tochter aber so kaltsinnig und mit gezwungenem Hochmuht verrichtete/ daß ihr Bruder bald merkete/ es muͤste ein angelegtes Spiel seyn/ sonderlich/ weil er vor wenig Tagen in erfahrung kom- men wahr/ daß sein Vater mit dieser Heyraht umbginge/ in welchem Wahn er durch dessen Rede gestaͤrket ward/ da derselbe/ wie er der Tochter Entfuͤhrung vernahm/ also loß- brach: O daß nun H. Fulvius verhanden waͤhre/ und die Rettung selbst verrichten moͤch- te. Nun wahr diesem das Geschrey seiner Untugend wol bewust/ nahm ihm auch vor/ die Heyraht nach allen Kraͤfften zuhindern/ insonderheit als er zu der Schwaͤgerschafft mit Ladisla Hoffnung hatte. Fulvins/ so bald er das Fraͤulein sahe/ befand er sich verliebet/ re- dete/ ungeachtet ihrer Ernsthafftigkeit sie freundlich an/ und gab ihr sein grosses Mitley- den wegen gestriger Gefahr zu vernehmen/ mit bezeugung/ wie bereit und willig er seyn wollen/ sie loßzumachen/ da er dessen einige Wissenschafft gehabt haͤtte. Sie bedankete sich des Erbietens gar nicht/ sondern sagete: Die Goͤtter behuͤten mich voꝛ dergleichen Gefahr/ und daß ich ja nimmermehr wieder in Tugendloser Leute Gewalt fallen moͤge; Daß ich aber bey Ehr und Leben erhalten bin/ habe ich diesem meinem hoͤchstwerten Her- ren und unvergleichlichen Helde zu danken/ dem ich mich daher in ehren ganz verpflichtet weiß Erstes Buch. weiß und wissen muß. Fulvius sahe Ladisla an/ lachete in seinem Herzen dieser hohen Be- nahmung/ und sagte zu ihm: Herr und unbekanter Freund/ daß er dieser treflichen Fraͤu- lein in ihren noͤhten zu Huͤlffe getreten ist/ dessen bedancke ich mich gegen ihn/ und erkenne mich demselben hinwiederumb mit einem Ritterdienste verbunden. Herr und unbekan- ter Freund/ antwortete Ladisla/ daß wenige so etwa in Rettung dieser Durchl. Fraͤulein ich verrichten moͤgen/ darzu hat mich die Pflicht meiner selbsteigenen Ehre verbunden/ gebuͤhret mir also von keinem Menschen dank davor/ wiewol ich Unwirdiger von meinem Gnaͤdigen Fraͤulein so hohe Vergeltung ihrer Gutwilligkeit wieder meinen Willen an- nehmen muͤssen/ daß ich mich schuldig erkenne/ derselben Zeit meines Lebens als ein verpflichteter Knecht und Diener ohn einige Außrede auffzuwarten. Ach mein Herr/ ant- wortete sie/ ich bitte sehr/ meine geringfuͤgige Dankbarkeit nicht so hoch zuerheben/ weil die- selbe viel zu schwach ist/ an daß minste seiner hohen Verdienste zu reichen; dann weil ja uͤ- ber Ehr und Leben kein Ding in der Welt mag geschaͤtzet werden/ und aber dieses beydes euer siegreiches Schwert mir erhalten hat/ muß ich die allmoͤgenden Goͤtter bitten/ den Abgang meines unvermoͤgens zuersetzen/ und wird mir Vergnuͤgungs gnug seyn/ wann ich sehen werde/ daß mein dankbegieriger Wille meinem Herren nicht wird unangeneh- me seyn. Mein Fraͤulein/ wieder antwortete er; was erhebet sie ihres unwerten Dieners gar zu schlechte Dienste uͤber allen Verdienst/ daß ich vor anderen deßwegen schamroht stehen muß? Ihre ja ihre Krafft/ so in ihrer Tugend und Volkommenheit bestehet/ wahr nicht allein meines leichtẽ Schwertes Nachdruk/ sondern benam den Raͤubern allẽ Muht und staͤrke/ und stuͤrzete sie zur Erden/ daß ihnen weder Vermoͤgen mich zubeschaͤdigen/ noch sich zubeschuͤtzen uͤbrig blieb. Das Fraͤulein blickete ihn hierauff mit liebreizenden Augelein an/ und sagete: Mein Herr und wahrer Freund; es beliebet ihn also/ mich leich- tes Federchen zu schmuͤcken/ die ich Unguͤltigkeit halben wol haͤtte verstaͤuben muͤssen; Dann O weh mir elenden/ wann sonst keine maͤchtigere/ als meine eigene Krafft sich mei- ner angenommen haͤtte/ so wuͤrde ich schon entehret/ und kein Mensch mehr seyn; Wolle demnach mein Erretter mir goͤnnen/ seinen hochverdienten Preiß außzutragen/ und bey- des Freunden und Feinden bekant zu machen/ daß wie ich ihm alles was ich bin/ zu danken habe/ also auch solches zu bekennen nicht moͤge gehindert werden. Fulvius hoͤrete diesen ihren freundlichen Reden zu/ als ein Entzuͤkter/ kunte sie nicht gnug anschauen/ die ihm doch kein Auge zuwendete/ sondern/ als waͤhre er nicht zugegen/ sich nach Ladisla kehrete; woruͤber der Stathalter schier in die Erde gesunken waͤhre/ weil er sahe/ dz dieses Trauer- spiel sich schon bey nuͤchterm Munde anspinnen wolte; suchte deßhalben Ursach davon zu scheiden/ und baht Fulvius hoͤchlich umb Verzeihung/ daß er ihm/ Schwachheit halber/ bey der Mahlzeit nicht koͤnte Geselschafft leisten; hoffete doch/ sein Gemahl/ Sohn und Tochter/ neben andern erbehtenen Freunden/ wuͤrden seine stelle biß nach abgetragenem Tische vertreten/ da er sich willig bey ihnen wolte finden lassen. Herzlieber H. Vater/ sag- te das Fraͤulein zu ihm: Ich bitte kindlich/ mir zu goͤnnen/ daß ich euch in euer Unpaßlig- keit auffwarten moͤge. Nein/ geliebtes Kind/ antwortete er/ gehe du mit diesen beyden Herren zum essen/ und leiste jhnen als eine Hauß Tochter gebuͤhrliche Gesellschafft/ ich werde mich hernach schon finden. Es haͤtte Fulvius mit dem Vater gerne noch vor der L ij Mahl- Erstes Buch. Mahlzeit die Ehe abgeredet/ damit er sie bey Tische als eine Braut neben sich haben/ und hiemit Ladisla/ den er schon neidete/ hoͤhnen moͤchte; weil aber der Stathalter eilig davon ging/ muste er sich gedulden/ und nahm ihn Fr. Pompeja bey der Hand/ das Fraͤulein a- ber ihren liebsten Ladisla/ biß sie den Essesaal erreicheten. Ehe die Speisen auffgesetzt wur- den/ spracheten sie stehend miteinander/ da der junge Fabius seineꝛ Schwester winkete/ und zu jhr sagete: Weistu auch/ daß man dir diesen Filz und Luͤgener zufreyen wil? mich wuͤr- de deines Elendes jam̃ern/ wann du in dieser Ungluͤkspfuͤtze soltest verfinken; so sihe dich nun vor/ nim deine Vernunfft zu huͤlffe/ und halte feste/ was mich duͤnket schon in deiner Hand zu seyn. Das Fraͤulein ward hiedurch herzlich erfreuet/ und antwortete: Herzalleꝛ- liebster Bruder/ ich habe gleich diesen morgen mein ungluͤk erfahrẽ/ aber der Tod sol mich davon befreyen/ wann ichs lebendig nicht meiden kan. Ich untergebe mich deinem willen/ wil auch deinem Raht getraͤulich nachkom̃en/ nur biß gebehten/ und leiste im fall der noht Herꝛn Ladisla beystand. Zweifele daran nicht/ sagte er/ ich habe schon anordnung gemacht/ daß es nicht noht haben sol. Es hatte aber Fulvius/ seinen Pracht sehen zu lassen/ 120 Reuter auff einen Monat in Dienste genommen/ mit denen er zu Padua eingerittẽ wahr. Dieses wuste der junge Fabius/ gedachte deßwegen/ wann sich etwa ein Aufflauff erregen solte/ muͤste man auch Leute umb sich haben; und ließ seine bey ihm habende Ritterschaff? sich schleunig/ doch in aller stille wapnen/ mahnete darzu 80 junge vom Adel in der Stadt heimlich auff/ und gab ihnen das Zeichen/ wann sie vor seines Vaters Hofe wuͤrden hoͤ- ren in die Tromete stossen/ solten sie zur Hinter Tuͤhr hinein dringen/ und fernerer Anord- nung gewaͤrtig seyn. Fulvius wahr so grobes Verstandes nicht/ daß er der Fraͤulein gute Gewogenheit gegen Ladisla nicht solte gemerket haben; Er verließ sich aber auf des Alten so muͤnd- als schrifftliche Verheissung/ und entschuldigte sie in etwas/ daß sie ihn als ihren Erretter zu ehren gehalten waͤhre; daß sie aber gegen ihn so freundlich sich nicht bezeigete/ haͤtte er jungfraͤulicher bloͤdigkeit gerne zugelegt/ und daß sie so gar seiner keine Kundschaft hatte; blieb also anfangs ohn sonderlichen Eifer/ welchen ihm doch sein argwoͤhnisches Herz alle Augenblik mehrete/ daß er bald hernach vornam/ ihr dieses/ so bald er sie in seineꝛ Gewalt haben wuͤrde/ rechtschaffen einzukerben. Die noͤhtigung sich zu setzen/ ging an/ und stellete der junge Fabius/ diesen beyden Herren frey/ einen Siz nach belieben zu erwaͤhlen. Ladisla wolte keine Unhoͤfligkeit gebrauchen/ und noͤhtigte den fremden/ die Oberstelle zu nehmen/ der gleichwol auch scheinen lassen wolte/ daß er nicht unter den Bauren auffge- wachsen waͤhre/ wegerte sich fast/ uñ baht endlich/ daß H. Ladisla ihm zugefallen den Ober- siz bekleiden moͤchte/ welches er dann/ unter der Vorschuͤtzung eines willigen Gehorsams hoͤflich annahm/ da dieser doch einer weiteren Wegerung ihm vermuhten wahr/ und jhn nicht wenig verdroß/ daß er dieses Streichs sich selber nicht gebrauchet haͤtte; ließ auch sei- nen Stolz in dem sehen/ daß er Ladisla nicht folgen wolte/ sondern umb Freyheit/ einen an- nehmlichen Siz zu waͤhlen/ anhielt/ auch bald darauff sich auff des Stathalters seinem Wirtsstuel/ gerade gegen Ladisla uͤber setzete. Herr Kornelius ermahnete Frl. Sophien/ sich zu Fulvius niderzusetzen; und dieser selbst hielt darumb bestaͤndig an/ mit Einwen- dung/ daß er eigentlich diese Reise getahn/ umb ihre bessere Kundschafft zu erlangen/ und naͤhme Erstes Buch. naͤhme ihn wunder/ da sie solches annoch nicht wissen solte. Sie aber brachte hoͤflich vor: es wolte einer Tochter des Hauses nicht gebuͤhren/ uͤber erbehtene Herren und Gaͤste sich zusetzen/ sondern gar vom Tische zu bleiben oder den untersten Plaz zunehmen; das uͤbrige waͤhre nach seinem Gefallen/ wie wol in sehr handgreiflichem Scherze geredet/ und waͤh- re nichts neues/ daß die einfaͤltigen Paduanischen Medchen sich von den Roͤmischen Her- ren zur Kurzweil muͤsten auffzihen lassen/ als deren Unachtsamkeit nicht verdienete/ daß man ihretwegen einen Schrit/ geschweige/ zehn und mehr taͤgige Reisen tuhn solte/ wie- wol sie ihres teils solches in hoͤchster Warheit nicht begehrte/ sondern ihrer geringfuͤgigkeit sich wol erinnerte/ welches Herr Fulvius/ wie sie baͤhte/ eins vor alle mahl wolte lassen ge- antwortet seyn. Dieser wolte solches beantworten/ und umb das beysitzen weiters an- halten; aber Frl. Ursul und Helehntraten gleich in den Saal/ die von Frl. Sophien em- pfangen und zum Tische gefuͤhret wurden; da Ladisla von seiner Stelle hervor sprang/ uñ diesen beyden Fraͤulein selbige einraͤumete/ sich aber neben sie niederließ/ da Frl. Sophia ihm ungenoͤhtiget folgete/ als an den untersten Ort; woruͤber Fulvius schier waͤhre rasend worden; meynete/ es haͤtte Ladisla ein solches mit ihr angelegt/ und schwuhr bey sich selbst/ es ungerochen nicht zu verdaͤuen. Ladisla merkete aus seiner Gesichtsverenderung/ dz ihm das Herz geruͤhret wahr/ ließ sich doch nichts anfechtẽ/ sondern erzeigete sich gar freymuh- tig. Der junge Fabius setzete sich wieder an seiner Ursulen seite; Herr Kornelius blieb bey Fulvius/ dem H. Emilius/ und zulezt die Stathalterin folgete. Frl. Sophia nam auf ihres Bruders Vermahnung das Vorschneideramt uͤber sich/ und reichete Ladisla das erste; welches er der Stadthalterin gab. Sie boht ihm das ander und dritte/ aber die bey- den Fraͤulein musten es von ihm nehmen. Als sie ihm nun das vierde zuhielt/ baht sie ihn/ es ohn fernere Wegerung zu behalten; worauff er gehorsamete. Das fuͤnffte uͤbergab sie Frl. Helenen/ mit Bitte/ es H. Fulvius zu reichen. Dieser hatte sich inzwischen eines an- dern bedacht/ und den aͤusserlichen Zorn finken lassen/ weil er Ladislaen freymuͤhtigkeit sa- he/ und ward die halbe Mahlzeit ohn denkwirdiges verrichtet/ nur/ da Fulvius Frl. Ursu- len ein Glaß mit Wein einreichen/ und die zierliche Hoͤfligkeit gar zu groß machen wolte/ schuͤttete er ihr solches unversehens in den Busem/ daß ihr der Wein am Leibe gar hinun- ter biß auff die Knie lief/ und sie sich des Schrekschreyens nicht enthalten kunte. Frl. So- phia hatte dieses Plumpstuͤkchen nicht gesehen/ erschrak daher uͤber ihrem ruffen/ und fra- gete aͤngstig/ was ihr gebraͤche? Sie aber antwortete: mir gebricht nichts/ Herzen Schwe- ster/ nur daß ich gar zu viel bekomme. Ladisla haͤtte diesen Grobrunk nicht umb viel ge- misset/ taht doch/ als saͤhe ers nicht/ und blieb in seinem Gespraͤch mit Frl. Helenen/ welche fleissig nachfragete/ warumb Herr Herkules nicht zu Tisch kommen waͤhre/ und als sie sei- ner Unpaͤßligkeit bericht einnahm/ ward sie dessen leidig. Der junge Fabius nam hieselbst gelegenheit/ dessen Tugend zuruͤhmen/ wuͤnschend/ dz er den Kampf mit Orgetorix haͤtte moͤgen ansehen; welches Fulvius also beantwortete: Zwar den besten sihet man nicht/ mas- sen ein jeder/ wañ er in der Welt umsuchet/ allemal seines gleichen findet; jedoch moͤchte ich eines solchen Ritters Kundschafft/ wie dieser beschrieben wird/ wol haben/ dem das Gluͤk sehr guͤnstig muß gewesen seyn/ daß er dem jeztgedachten guten Fechter hat ansiegen koͤn- L iij nen/ Erstes Buch. nen/ welches ich mit ruͤhmen wil/ weil ich nicht zweifele/ es werde im Kampffe auffrichtig zugangen seyn. Ladisla hoͤrete den Spot und Beschimpffung mit grosser Empfindligkeit/ begriff sich aber/ und antwortete: Herr/ dieses Ritters Kundschafft/ der nie als auffrich- tig gekaͤmpffet/ und sich mehr auffseine Tugend als auff das blinde Gluͤk verlassen hat/ wird euch unversaget seyn/ so bald er Schwachheit halber das Lager wird angeben koͤñen. Dieser aber/ weil er Ladislaen biß auff den Tod gehaͤssig wahr/ sagte nichts darauf/ sondeꝛn stellete sich/ als hoͤrete ers nicht; welches jener zwar mit brennendem Zorn auffnam/ und es doch verschmerzete/ weil er bequemere Gelegenheit sich zu raͤchen hoffete. Herr Kor- nelius/ der Fulviussen am naͤhesten saß/ wolte ihn mit freundlichem Gespraͤch unterhaltẽ; bekahm aber allemahl kurze hochmuhtige Antwort/ welches ihn nicht wenig verdroß/ weil er in der Jugend auch Ritterschafft getrieben/ und in mannichem Schimpf und Ernst gu- ten Preiß erworben hatte; doch uͤbersahe er ihm nach seiner Sanfftmuht/ und ließ nicht ab mit ihm zu reden/ weil das Frauenzimmer sich an ihn gar nicht kehren wolte/ die nur mit Ladisla und Fabius ihr Gespraͤch fortsetzeten/ da Frl. Sophia nicht unterließ/ den grossen Unterscheid der Ritter einzufuͤhren/ und daß diesen Stand nichts so sehr zierete/ als die Hoͤfligkeit und Demuht/ so daß ein Ritter mit diesen beyden stuͤcken begabet/ inson- derheit des Frauenzimmers Gewogenheit wirdig waͤhre/ weil dieselben mehr hierauf/ als auff scharffe Schwerter und spitze Speere hielten. Fulvius/ daß er Kundschafft mit ihr machen moͤchte/ beantwortete dieses also: Ja mein Fraͤulein/ die jezteꝛzaͤhleten Stuͤcke ste- hen einem Ritter in Wirtschafften nichtuͤbel an/ wann sie bey gebuͤhrlichen Leuten ange- wendet werden; aber ihrer viel (ich schliesse meiner Fraͤulein gleichen auß) wollen diesen Bogen gar zu straͤnge spannen/ daß er zu zeiten druͤber brechen muß; weil der ritterliche Muht die unterste Stuffe ohn Verletzung seines Ansehens nicht betreten kan. Frl. So- phia aber wolte sich hieruͤber mit ihm nicht einlassen/ welches Ursul merkend/ mit dieser re- de ihre stelle vertrat: Ich halte davor/ Herr Fulvius/ meine Frl. Schwester rede nicht von den unvernuͤnfftigen/ die Ritters Hocheit nicht beobachten/ und sie biß an die unverant- wortliche beschimpfliche Demuht herunter ziehen wollen/ sondern ihre Meynung ist bloß auff diesen Zweg gerichtet/ daß die ungefaͤrbete Freundligkeit eine sonderliche Zier an ei- nem Ritter/ wie die Sonne am Himmel sey. Herr Kornelius fuͤrchtete sich/ es moͤchte diese Verantwortung von ihm ungleich auffgenommen werden/ mischete sich deßwegen mit ein/ und sagete: Beyderseits Meynung waͤhre recht und gut/ als die nicht wider ein- ander stritten. Welches Frl. Sophia also beantwortete: Herr Vetter Kornelius/ streitẽ sie nicht/ so reimen sie sich auch nicht. Aber der hoͤlzerne Bock Fulvius merkete nicht/ daß seine ungereimete Antwort hiedurch verlachet ward. H. Kornelius veꝛanlassete ihn zum weitern Gespraͤch/ in dem er ihn fragete/ ob nicht neulicher Zeit zu Rom sich etwas denk- wirdiges zugetragen haͤtte; wodurch er ihm die Tuͤhr zu seinen Luͤgen auffsperrete/ daß er bald von hier/ bald von dar/ ohn Ordnung und Außfuͤhrung etwas hervor brachte/ und al- lemahl seinen eigenen Ruhm einmischete/ wiewol mit so handgreiflichen Luͤgen/ daß Ladisla/ der von vielen/ guten bescheid wuste/ sich der unwarheit sehr verwunderte. Endlich nam Fulvius ihm vor/ Frl. Sophien einen verdekten streich zu versetzen/ welches eꝛ duꝛch dieses Getichte sehr artig zuverrichten meinete/ da er also anfing: Es faͤlt mir gleich iezt ein laͤ- cherli- Erstes Buch. cherlicher Possen ein/ der ohngefehr vor XVI Tagen sich zu Rom begeben; nehmlich/ ein vermeintes zuͤchtiges Fraͤulein ward einem trefflichen Roͤmischen Herrn/ meinem ver- traueten Freunde/ von ihren Eltern zugefreyet/ deren Nahmen ich nicht nennen wil. Als nun der Ritter sich einstellete/ die Heyraht zu volfuͤhren/ kam er dieser guten Jungfer un- vermuhtlich/ und fand sie bey einem unachtsamen jungen Aedelman sitzen/ mit dem sie al- lerhand naͤrrischer Kurzweil und Affenwerk trieb/ welches diesem ernsthafften Ritter an- zusehen ungelegen wahr; hies derhalben den jungen Laffen auffstehen; und als er sichs we- gerte/ trieb er ihn mit pruͤgeln auß/ gab hernach der Jungfer einen guten Außwischer/ und lies sie ungeheyrahtet sitzen/ womit ihre Eltern zwar uͤbel zufriede wahren/ aber doch den Schimpff hinnehmen musten/ weil sie der frechen Tochter gar zuviel Willen gegoͤnnet hatten. Hiemit brach er die ungeschikte Erzaͤhlung ab/ und wahr niemand zugegen/ der sei- nen Zweg nicht verstanden haͤtte/ nur daß sichs niemand wolte annehmen/ ohn Frl. So- phia schrieb ihm gar zuviel Witzes zu/ ob haͤtte er ihre vorige Stachelrede hiemit ersetzen wollen; gedachte endlich/ es muͤste ihm dieses Wagstuͤk nicht so hingehen/ und fing zu den beydẽ Fraͤulein also an: Herzgeliebete Schwestern/ es hat H. Fulvius uns eine Geschicht erzaͤhlet/ ohn zweiffel/ unsere geringe Urtel daruͤber zuvernehmen/ und wol auch/ daß sie uns zum Beyspiel diene/ uns beydes vor Affenwerk/ und vor solche ernsthaffte Freyer wol zuhuͤhten; bitte demnach schwesterlich/ sie wollen/ die lange Zeit zuvertreiben/ sich unbe- schwert heraus lassen/ was sie von dieses Freyers ritterlicher Taht halten. Die beyden Fraͤulein beredeten sich kuͤrzlich/ und gaben ihr zur Antwort: Herzgeliebte Frl. Schwester/ wir haben die erzaͤlete Geschicht nicht so eigentlich mit allen ihren umbstaͤnden in acht ge- nommen/ wollen deßwegen ihre Meynung zuvor hoͤren/ und nachgehends/ wo es uns ge- goͤnnet ist/ unsere Gedanken auch daruͤber vernehmen lassen. Ich muß euch wol zugefal- len seyn/ sagte das Fraͤulein/ dann womit wolten wir sonst die Zeit hinbringen? Jedoch/ wann ich zuvor wissen solte ob Herr Fulvius uns diese Kurzweil goͤnnen koͤnne. Ey wa- rumb nicht/ mein Fraͤulein/ antwortete er/ massen ich solche Begebnis zu dem Ende vor- getragen habe. Daß muß mir lieb seyn/ sagte sie; kehrete sich zu ihren Gespielen/ und fuhr also fort: Ob ihr/ meine Schwesterchen daß erzaͤhlete vor eine Geschichte/ oder Getichte haltet/ kan ich nicht wissen; doch stehet uns allerseits frey/ unsere Gedanken davon zu ha- ben; aber auff den fall der Warheit/ sage ich/ daß dieser Ritter sich als ein ungeschliffener grober Flegel hat sehen lassen/ indem er diesem Fraͤulein ein solches zur Unzimligkeit auß- geleget/ welches sie zweiffels ohn auß Hoͤfligkeit getahn/ und dieser Buͤffelsochse wol aller Zucht mag entfernet seyn/ welches er gar zu merklich an den Tag gegeben/ in dem er den jungen Aedelmann nicht als ein Ritter/ sondern als ein Steckenknecht uͤberfiel/ welches ich ihm nicht wuͤrde geschenket haben/ waͤhre ich in dessen stelle gewesen. Es hat sich aber das gute Fraͤulein nebest ihren Eltern billich zu erfreuen/ daß sie eines solchen ungehoͤfeltẽ Klotzes abkommen; dann sie moͤchte lieber tausendmal sterben/ als eine Stunde sein Eh- gatte seyn. Dafern ihr nun herzliebe Schwestern/ mit mir eines seyn koͤnnet/ wollen wir diesem nichtwerten Ritter die Urtel sprechen/ daß er vorerst des Ritterstandes sol entsetzet/ und unfaͤhig seyn/ sich neben einem ehrliebenden Fraͤulein niderzusetzen; ja er sol auß allem adelichen Frauenzimmer in Ewigkeit verbannet seyn und bleiben. Die anwesenden lache- ten/ Erstes Buch. ten/ daß sie dieses mit solchem Eyfer vorbrachte/ ohn Fulvius begunte den Auffzug zumer- ken/ und schwur im Herzen/ ihr solches bald ersten tages seiner Heyraht mit schwerem Wucher einzubringen. Herr Emilius fuͤrchtete sehr/ es duͤrffte dieser Scherz einen gro- ben ungluͤklichen Ernst verursachen/ welchem vorzubauen/ er Fulvius zuredete; Er zwei- felte nicht/ seine hohe Vernunfft wuͤrde des Frauenzimmers kurzweilige Scherzreden im besten vermerken; fragete darauff/ ob die Ritterlichen Ubungen zu Rom stark im schwan- ge gingen/ und die Strassen sicher zu reisen waͤhren. Welches er beantwortete: Man haͤt- te eine Zeither nichts von Mordtahten vernom̃en/ ohn daß ohngefehr vor acht oder neun Wochen vier statliche Ritter gutes Roͤmischen Adels/ von vier verwaͤgenen Strassenraͤu- bern uͤber fallen/ ermordet/ und nacket außgezogen waͤhren; nennete sie auch bey nahmen/ daß Ladisla eigendlich hoͤrete/ er redete von denen/ welche er und Herkules im Kampff ni- dergelegt hatten/ gedachte demnach/ dieses fuͤgen die Goͤtter also zu des luͤgeners Straffe; gab ihm auch diese Antwort: Der Herr verzeihe mir; ich komme auch von Rom/ und weiß sehr wol umb diese Begebnis/ daß gedachte vier Ritter nicht von vier Raͤubern oder Moͤrdern/ sondern von zween fremden Rittern im auffrichtigen Kampffe/ durch eine rechtmaͤssige Nohtwehr erleget sind/ weil sie diese mit raͤuberischer Faust angriffen/ und ihnen eine Beute abzujagen sich unterstunden. Fulvius antwoꝛtete: Er waͤhre ganz un- recht berichtet; die Sache waͤhre ihm gar zuwol bewust/ haͤtte auch der Ermordeten gute Kundschafft gehabt/ und wuͤrde es nimmer mehr gutheissen/ so jemand/ wer der auch waͤhre/ solche ehrliche Ritter vor Strassenraͤuber außruffen wolte; wuͤste aber ungezwei- felt/ daß sie von solchen unredlichen Buben schelmischer Weise ermordet waͤhren. Herr bedenket euch was ihr redet/ sagte Ladisla/ es koͤnte etwa einer in dieser ehrlichen Gesel- schafft seyn/ der von diesen vier Raͤubern angefallen/ und ihnen ihren Lohn erteilet haͤtte. Wann ich solches wissen koͤnte/ antwortete Fulvius/ muͤste der buͤbische Moͤrdeꝛ den See- len der erschlagenen zum Versoͤhnopffer mit meinem Schwerte abgeschlachtet werden. Ladisla kunte den Zorn nicht laͤnger verbergen/ und sagte: Hoͤret Fulvius/ gedenket ihr dieses zuhandhaben? ja/ antwortete er/ gegen jederman den es geluͤstet. Ey wolan/ sagte jener; so gestehe ich vor dieser loͤblichen Geselschafft/ daß mein Freund Herkules und ich/ von diesen vier Raͤubern auff freier Strasse ohn alle gegebene Ursach uͤberfallen sind/ und wir ihnen den Lohn ihres Frevels in einem offenen Kampffe zugestellet haben/ welchen sie billiger von des Buͤttels Hand empfangen haͤtten. Weil ihr dañ Fulvius meinen Freund und mich ohn alle Ursach vor Raͤuber/ Schelmen und Buben scheltet/ wil ich unser bey- der Ehre/ dafern ihr keinen Wiederruff thut/ wieder euch handhabẽ/ schiebe die Schmach in euren eigenen Busem/ sage euch auff Leib und Leben ab/ und fodere euch zum offentlichẽ Kampff aus/ auff daß ihr sehen lasset/ ob ihr so wol fechten als schaͤnden koͤnnet. Das an- wesende Frauenzimmer erschrak uͤber die masse/ als sie Ladisla so reden hoͤreten/ und seine feurige Augen sahen/ die ihm im Haͤupte funkelten; keiner aber von den Anwesenden kun- te ihm solches vor uͤbel halten/ daß auch der junge Fabius zu Fulvius sagete: Herr ihr han- delt nicht ritterlich an diesem Helden/ welches ich mit meinem Schwerte behaͤupten wil. Dieser antwortete mit greßlichem Gesichte: Ey so wapnet euch ihr junge Bratvoͤgel/ daß ich bald pruͤfen moͤge was ihr auff der Schuele gelernet habet/ nur ist mir leid/ das mein sieg- Erstes Buch. steghafftes Schwert ich auff solche Laffen zuͤcken sol. Hunde koͤnnen nichts als rasen; und Narren/ als großsprechen/ sagte Ladisla; biß aber versichert/ daß ich dessen eine Reue in dich bringen werde. Frl. Sophia redete mit ein/ und sagte zu Fulvius; O ihr boßhaffter ehrendiebischer Ritter/ was vor Ungluͤk richtet ihr mit eurem Luͤgenmaule an. Der Stat- halter hatte sich in seinem nahen Zimmer biß daher stille gehalten/ und alles angehoͤret/ als er aber den Aufflauff vernam/ sprang er in den Saal/ und geboht Friede zuhalten/ oder er wuͤrde sich seines Haußrechts nebest haben der Roͤmischer Gewalt zugebrauchen wis- sen. Ladisla lieff ihm entgegen/ und gab zur Antwort: Mein hochwerter Herr als Vater/ ich beruffe mich auff diese ehrliche Geselschafft/ daß ich gezwungen werde/ mit der Goͤtter Huͤlffe darzuthun/ daß mein Geselle und ich des Lasters unschuldig seyn/ deß uns dieser Verleumder zeihet/ oder eines ehrlichen todes zusterben. Ihr koͤnnet nicht wol anders sagte der Stathalter/ demnach ichs selber angehoͤret/ wie nahe mans euch geleget hat/ zweiffele nicht/ die Goͤtter werden der Unschuld beystehen. Inzwischen wahr Fulvius hinunter gelauffen/ seine Reuter zusamlen/ und lies der junge Fabius das verabredete Zeichen mit der Tromete geben/ da seine Leute fast im Au- genblik beysammen wahren/ und zum Hintertohr hinein drungen. Ladisla aber machte sich hin zu Herkules und gab ihm daß verlauffene kuͤrzlich zuverstehen; der sich unlustig befand/ daß er dem Streit nicht beywohnen/ noch seine Ehre selberretten kunte. Der jun- ge Fabius folgete ihm auff dem Fusse nach/ und erboht sich gegen Herkules/ vor ihm die Stelle zu vertreten; aber Ladisla gab zur antwort: Er moͤchte sich gedulden/ den Schaͤn- der wuͤrde der Frevel in kurzem gereuen. Nun wahr ihm des vorigen Tages sein Schild und Harnisch von den Raͤubern uͤbel zugerichtet/ daher ließ der junge Fabius ihm trefliche gute Waffen bringen/ mit welchener sich fertig machete. Er ward aber der Reuter im Platze gewahr/ und fragete/ was diese wolten? da ihn Fabius berichtete: weil Fulvius mit einer starken Reuter Schaar ankommen/ und ihm bald anfangs nichts gutes getraͤumet/ haͤtte er auch eine Mannschafft auffgebohten/ daß man im sall der noht bestand seyn koͤn- te/ wie ers waͤhlen wuͤrde. Ladisla sprang dessen vor freuden auff/ weil er buͤbischer hinter- list sich nicht zu befuͤrchten hatte. Sein Fraͤulein kam auch darzu/ und klagete/ wie der Schaͤnder zum Abzuge sie vor eine leichtfertige junge Metze gescholten/ und moͤchte sie wuͤnschen/ daß dieser Schimpf zugleich mit koͤnte gerochen werden; Worauf er antwor- tete: Mein Fraͤulein/ traget nur ein wenig Geduld/ ich wil meiner eigenen Schmach ver- gessen/ biß die ihre wird gerochen seyn; nur bitte ich/ mir eine Gunst mitzuteilen/ unter de- ren Krafft und Wirkung ich desto geherzter fechten moͤge. Sie sahe umb sich/ uud als sie merkete/ daß sie viere nur daselbst wahren/ trat sie zu ihm/ kuͤssete ihn freundlich/ und sa- gete: Ich hoffe nicht/ daß H. Herkules und mein Bruder mir dieses zur Leichtfertigkeit auß deuten werden. Fabius antwortete: So werde aber ich dirs nicht zugute halten/ es sey dann/ daß du deinem Liebsten noch einen Kuß/ und aͤusserliches Gunstzeichen mitteilest/ welches er seinem feinde aufm Helme zeigen koͤnne. Meinem Liebsten? sagte sie; so muͤste ich ja meinen H. Vater kuͤssen; jedoch/ weil derselbe abwesend/ mag H. Ladisla/ da es ihm gefaͤllig/ dessen stelle vor dißmahl vertreten; also verrichtete sie ihres Bruders Befehl zu dreyen mahlen/ und empfing gleiche Muͤnze zur Bezahlung. Hernach spannete sie eine M Halß- Erstes Buch. Halßkette von den reinesten Demanten ab/ wickelte sie umb den Adler/ der auff seinem Helme stund/ und baht die Goͤtter/ dafern sie unschuldig/ moͤchten sie diesem Ketchen die Krafft verleyhen daß des frechen Schaͤnders Gewissen/ wann Ers sehen wuͤrde/ ge- ruͤhret und zaghafft gemacht wuͤrde. So bald er und Fabius gewapnet wahren/ nahmẽ sie feste Speere zu sich/ zeigeten ihren Reutern die Ursach ihres Streites an/ und bah- ten im fall der Noht ihnen beyzustehen/ welches von ihnen mit darbietung Leib und Le- bens versprochen ward. Frl. Sophia wolte diesem Streit zusehen/ setzete sich mit den beyden Fraͤulein auff eine Gutsche/ und fuhr hin nach einem hohen Zwaͤnger/ von wel- chem sie die Streitbahn uͤberse hen kunten/ da das Fraͤulein sich gaͤnzlich ergab/ im fall ihr Ladisla das Leben verlieren wuͤrde/ sich da herunter zu stuͤrzen/ und ihm im Tode Ge- selschafft zu leisten. Fulvius hielt schon draussen vor dem Tohr mit seinen leuten/ und be- fand sich so gar erbittert/ daß er vor Rachgier fast blind wahr. Ladisla und Fabius folge- ten ihm bald mit ihren Reutern in zierlicher Ordnung/ da Ladisla aͤdler Knecht Markus vorhin reiten/ und Fulvius in seines Herren nahmen auff Speer und Schwert außfodern muste; oder da er so kuͤhn nicht seyn wuͤrde/ sich Mann an Mann zuwagen/ stuͤnde ihm frey sich seiner Leute zugebrauchen/ denen gebuͤhrlich solte begegnet werden; die Wahlstat waͤhre der gruͤne Anger/ recht an dem Stadgraben/ woselbst die Tugend den frevel abstraf- fen solte. Fulvius gab ihm zur Antwort: Reite hin und sage den beyden Laffen/ daß sie sich nur gefasset halten/ ich werde jezt da seyn/ uñ ihnen die Milchzaͤhne beklopffen. Du schaͤn- dest diese Ritter/ sagte Marx/ als ein Verleumder/ welches ich an dir behaͤupten wolte/ da ich meinem Herrn vorgreiffen duͤrffte. Dieser sahe sich nach seinen Leuten umb/ und fra- gete; ob nicht einer Lust haͤtte XX Kronen zu verdienen/ und diesem elenden das fell zu krauen. Bald taht sich einer hervor/ rante und rieff Markus nach (weil er schon hinritte/ die Antwort zu bringen) er solte die Antwort zuvor recht einnehmen. Nun meynete die- ser/ es wuͤrde Fulvius etwas nachbieten wollen/ hielt stille/ und ließ ihn naͤher kommen; der aber an stat der Worte ihn mit dem Schwerte uͤberfiel/ daß er kaum zeit hatte/ das seine zu entbloͤssen; da er dann/ wie er zum Gewehr kam/ einen hefftigen Kampff mit ihm hielt/ schlugen verwaͤgen auff einander loß/ und gaben mit wenig Streichen ihrem erhitzten Blute Lufft/ daß sie beyderseits hart verwundet wurden/ biß endlich Marx mit einem stos- se/ den er seinem Feinde durch die Gurgel gab/ den vollen Sieg davon brachte/ und seinen Weg mit verhaͤngtem Zaume vornam/ weil er merkete/ daß etliche sich loß gaben/ ihn an- zugreiffen. Ladisla sahe ihn so blutig daher rennen/ und sagte zu Fabius: das muß ein ver- waͤgener Schelm seyn/ der eines Abgesandten Werbung solcher gestalt beantwortet/ wel- ches ich ihm wieder hoffe einzubringen. Als er aber von ihm alles Verlauffs berichtet ward/ lobete er seine Mannheit/ die er unvergolten nicht lassen wolte; stellete seine Leute in eine zierliche Ordnung/ mit Befehl/ kein Gewehr zu zuͤcken/ biß Fulvius Hauffe sich regen wuͤrde/ und setzete er sich auff die Bahn/ seines feindes mit verlangen erwartend; welcher auff einem grossen schwarzen Hengste daher trabete/ und seinen Reutern geboht/ sich des Streits nicht anzunehmen/ es waͤhre dann/ daß sie darzu gefodert oder gezwungen wuͤr- den. Er aber schickete sich zum Treffen/ und begegnete ihm Ladisla sehr eisrig; hielten doch so feste/ dz keiner den andern im Sattel bewaͤgen mochte/ ungeachtet die Speere in stuͤcken zersprun- Erstes Buch. zersprungen/ und Fulvius schon erkennete/ daß er kein Kind vor sich hatte. Sie nahmen neue Speere zur hand/ wie wol Fulvius das Schwert lieber gebraucht haͤtte/ mit welchem er rechtschaffen zu wuͤten pflegete/ weil es ihm weder an Verwaͤgenheit noch Leibeskraͤff- ten mangelte. Aber der andere Rit muste gewaget seyn/ da sie als blinde allerseits nebẽ hin stachen/ und doch mit Pferden und Leibern einander dergestalt ruͤreten/ daß Roß und Mañ beyderseits uͤbern hauffen fiel/ und alle Zuseher meyneten/ es waͤhre unmoͤglich/ daß sie un- beschaͤdiget blieben waͤhren/ dann ihre Pferde zappelten und verschieden in weniger zeit. Sie aber arbeiteten sich ungeseumet hervor/ dann sie wahren unverletzt blieben/ wiewol sie des harten falles beyde wol empfunden/ nahmen Schwert und Schild zur Hand/ und hoffeten beyde den Sieg zu erstreiten/ der nur einem zu teil werden kunte. Es wahr ein grausamer Kampf anzusehen/ massen sie einandeꝛ zuhaͤmmeꝛten/ daß es funken bey hellem Tage gab; dann Fulvius wahr in Waffen lange Zeit geuͤbet/ und wolte seinem feinde kei- nen fuß weichen/ sondern da er uͤber vermuhten dessen festen Stand sahe/ mehrete er seine Wuht je laͤnger je hefftiger. Ladisla hingegen ging im anfange behuhtsamer/ dann er mer- kete/ daß hinter seinem feinde kraͤffte stecketen/ auf welche er die seinen sparẽ muste; schuͤtze- te deßwegen sich mehr/ als er seinen feind verletzete/ der ihm folches vor eine Zagheit auß- legte/ da er zu ihm sagete: Gilt mein Kerl/ es ist sicherer spielen unter den Metzen/ als unter dem Schwerte; uͤber welchen Schimpf er sich dergestalt eiferte/ daß er seiner behuhtsam- keit vergaß/ und so hefftig auff ihn ging/ daß wie ungerne Fulvius wolte/ er ihm etliche Schritte weichen muste/ und daruͤber eine zimliche Wunde in die linke Schulder bekam. Das Fraͤulein wahr anfangs sehr traurig auff der Zinnen; als sie aber Ladisla vermehre- te Kraͤffte spuͤrete/ ward sie von herzen froh/ und empfing Hoffnung zum Siege; wiewol Fulvius/ ungeachtet seiner Wunde/ sich bald wieder erhohlete/ und mit solchem nachdruk anfiel/ daß Ladisla hernach offt gestund/ ihm waͤhren seines gleichen wenig vorkommen. Sie trieben dieses eiferige Gefechte eine halbe Stunde ohn auffhoͤren/ biß sie genoͤhtiget wurden Odem zu schoͤpffen; stunden und sahen einander mit verwunderung an/ und wie hefftig Fulvius die Wunde schmaͤhete/ so hoͤchlich freuete sich Ladisladerselben. Nach kurzer Erhohlung munterten sie ihre faͤuste wieder auff/ und sagte Fulvius: Mein Kerl/ was wird die Metze sagen/ wann sie dich tod vor ihren fuͤssen sehen wird? Je du Schaͤnder/ antwortete er/ hastu dann schon so grossen fortel erstritten/ daß du mir den Tod ansagen darffst? fielen hiemit auffs neue an einander/ ob haͤtten sie noch keine Arbeit verrichtet; a- ber Ladisla brauchte sich der Vorsichtigkeit/ und ließ jenen sich abmatten/ dessen unerhoͤr- tes wuͤten doch so viel durchdrang/ daß jener eine fleischwunde ins rechte Oberbein bekam/ welches das Fraͤulein ersehend/ vor angst den Nahmen Ladisla uͤberlaut rieff. Er vernam ihre stimme gar eigen/ schaͤmete sich fast/ und in dem er seine Hiebe verdoppelte/ sagte er: Ich werde ja dein rasen noch endlich brechen/ wo mir sonst die Goͤtteꝛ nicht ungnaͤdig sind/ brachte ihm auch mit dem Worte einen streich uͤber das linke Bein/ daß er strauchelte/ und keinen festen Trit mehr setzen kunte; woruͤber niemand so hoch/ als das Frl. erfreuet ward. Fulvius sahe nunmehr/ daß er dem Tode nicht entgehẽ wuͤrde/ worin er sich unwillig gab/ meynete auch/ auffs wenigste seinen Bestreiter mitzunehmen/ und warff ihm seinẽ Schild wider die Brust/ daß er strauchelte/ und des falles sich kaum enthalten kunte; jedoch er- M ij hohlet Erstes Buch. hohlete er sich/ und sagte: Bistu Boͤsewicht ein Ritter/ und wirffst den Schild mutwillig von dir? trat ihm ein/ und nach etlichen Hieben/ deren er keinen anßnehmen kunte/ schlug er ihn mit vollen Kraͤfften uͤber das Helmgesichte/ daß es sich aufftaht/ fuͤhrete darauff ei- nen an dern streich/ und hieb ihm die Zunge im Maul hinweg/ daß zugleich beyde Kinne- backen abgeloͤset wurden/ und der Unterteil des Angesichtes nur an der Haut behangen blieb/ daß er alsbald tod zur Erden stuͤrzete/ da ihm Ladisla mit einem bittern Spotte zu- rieff: Hoͤre nun auff zu rasen und zu buhlen. Das Fraͤulein/ solchen fall ersehend/ sprang vor freuden auff/ und sagte: Ey dem Himmel sey Dank/ daß ich von diesem grimmigen Baͤhren erloͤset bin/ der mich hinte im Schlaf zureissen wolte; ließ auch alsbald einen Diener hin lauffen/ ihren Eltern des Kampfs außgang anzumelden. Der junge Fabius rennete hin zu Ladisla/ wuͤnschete im Gluͤk zum Siege/ und mey- nete/ er wuͤrde alsbald nach der Stat zureiten/ dessen er aber nicht willens wahr/ sondern ihm sein ander Leibroß zu fuͤhren lies/ zu Fulvius hauffen ritte/ und mit starcker Stimme sie also anredete: Ihr Ritter/ sagte er/ deren jeden ich ehrlicher als euren gewesenen Her- ren den Ehrenschaͤnder halte; ich habe nun an diesem Trotzer ein hohes Fraͤulein gerochen/ die er in hoͤchster Unschuld geschmaͤhet hat; bin aber an ihm noch nicht vergnuͤget/ son- dern weil er noch eines redlichen Ritters/ und meine selbst eigene Ehre boßhaffter Weyse angegriffen/ suche ich einen unter euch/ der etwa solche schaͤndung gut heissen wolte/ auff daß derselbe des erschlagenen Stelle wieder mich vertrete/ und ich Gelegenheit habe/ meines Freundes/ und meine selbst eigene Ehre zu schuͤtzen; dem ich auff den fall meines Sieges/ Lebens Freyheit verspreche/ wann er Fulvius Boßheit bekennen wird. Dieser ganze Hauffe hatte seine Krafft und Erfahrenheit gesehen/ meineten/ er wuͤrde sich so gar abgemattet haben/ daß er weitere Bemuͤhung nicht suchen duͤrffte; als sie aber ihn noch so frisch reden hoͤreten/ wolte ihm niemand Antwort geben; biß endlich ein junger frischer Ritter/ nahmens Messala/ des ertoͤdteten Anverwanter aus der Ordnung hervor spren- gete/ und zu ihm sagte: Ritter/ ob ihr redlich seid/ weil ich nicht wiederfechten/ weil ich euer keine Kundschafft habe; daß ihr aber den redlichen Herren Fulvius vor unredlich scheltet/ dem wiederspreche ich so weit/ daß ich dessen von ihm nie ichtwas vernommen; nehme demnach/ seine Ehre zuverfechten auff mich/ weil er bißher den Ritterstand nicht geschaͤn- det/ sondern gezieret/ auch durch feindes Hand sein Leben unerschrocken geendet hat. So bistu der Mann/ sagte Ladisla/ der boͤse Buben from sprechen wil? kehrete damit umb/ und erwartete seines feindes mit dem Speer/ da sie bald unmenschlich straͤnge auffeinander zusetzeten/ auch zu beyden seiten tꝛaffen/ wiewol mit ungleicheꝛ Wirkung/ massen dem Mes- sala daß rechte Bein durchstochen ward/ das daß halbe Speer drinnen stecken blieb/ und er halb ohmaͤchtig vom Pferde stuͤrzete. Ladisla sprang ihm nach/ reiß ihm den Helm ab/ und sagete: Nun erkenne Fulvius Boßheit/ oder stirb. Dieser schlug die Augen auff/ und antwortete: Mein Leben stehet in deiner Hand/ und sage noch wie vorhin/ daß ich von Ful- vius nichts unredliches weis/ ohn daß du ihn dessen jetzo zeihest/ welches wegen meiner Un- wissenheit/ ich weder bejahen noch leugnenkan/ und da dem also ist/ alsdann werde ich kei- ne Warheit zu luͤgen machen; Ihr seid kein unhoͤfflicher Ritter/ sagte Ladisla/ deßwegen lasset euch heilen und lebet; schwang sich bald auffs Pferd/ und wolte nach Fabius reiten; welcher Erstes Buch. welcher aber nach Fulvius leuten sich hin begeben hatte/ und ihnen dieses andeutete: Er haͤtte einen lieben Freund/ dessen Ehre ihr Fuͤhrer unredlicher Weise gescholten/ und da einer ihres mittels des erschlagenen Stelle behaͤupten wolte/ solte er sich melden/ und sein Leben an seines wagen. Bald ritte ein kurzer unansehnlicher Ritter hervor/ und antwor- tete: Mein Herr/ ich lasse euren Freund so redlich als er ist/ aber wann mir jemand wie- dersprechen wolte/ da ich gestehe/ das Fulvius ein Großpraler gewesen/ waͤhre ich gesoñen/ es mit meinem Speer zuerhalten. Was bistu dann vor ein Ritter sagte Fabius/ daß du in eines solchen Dienste dich begeben hast? dieser antwortete: Ich habe es erst erfahren/ nachdem ich mich bestellen lassen/ sonsten wolte ich wol einen andern Herren gefunden ha- ben. Aber ich sehe/ daß ihr gerne ein Speer brechen wollet/ drum bin ich euch zugefallen/ nicht aus Feindschaft/ sondern meine Mañheit gegen die eure zuversuchen/ sage euch auch weiter nicht ab/ als auff ein Schimpffspiel. Dieser wahr froh/ daß er nicht gar ohn Streit abzihen solte/ ranten beyde auffeinander/ daß die Speer in die Lufft flogen/ und doch kei- ner beschaͤdiget noch im Sattel bewaͤget ward/ dessen Fabius sich fast schaͤmete. Sie leg- ten zum andern mahle ein/ mit gleichem Außgange; aber im dritten Satze gingen ihre Pferde beyderseits uͤbern hauffen. Fabius machte sich bald loß/ und erinnerte seinen Ge- gener/ welcher Kurzius genennet ward/ er solte sich auff die Fuͤsse machen/ und den Streit verfolgen; aber er gab zur Antwort: Mein Herr/ alles was moͤglich ist/ bin ich euch gerne zuwillen/ aber dieses ist unmoͤglich; begehrete auch/ daß man ihm auffhelffen moͤchte/ da alsbald erschien das er nur einen Fuß hatte/ und das eine unter Bein ihm biß zur helffte mangelte/ welches er im Streit wieder die Parther verlohren hatte; sagte demnach zu Fabius; da sehet ihr mein Gebrechen; ich sol auf die fuͤsse treten/ und habe nur einen; uͤber- das bin ich euch/ krafft meiner Bedingung mehr streitens nicht gestaͤndig; begehret ihr aber meiner Dienste/ sintemahl ich vernehme/ daß ihr ein Roͤmischer Ritmeister seyd/ sol- let ihr mich nach eurem Willen und nach meinem Verdienste haben/ der ich schon vor acht Jahren ein Unter Ritmeister gewesen bin. Fabius ließ ihm solches gefallen/ und gab ihm Bestallung/ welches die andern sehend/ alle umb Dienste anhielten/ dessen er sich sehr freuete/ weil seine Reuter Schaar neulicher zeit durch seindes uͤberfall sehr geschwaͤchet wahr; ließ sie alle seinem Faͤhnlein schwoͤren/ und unter Kurzius befehl nach dem Lager zihen/ da er ihnen ein Monat Sold vergnuͤget hatte/ und Messala sich verpflichten muste/ ihnen 2500 Kronen zu schaffen/ welche Fulvius ihnen hatte versprochen. Die unsern kehreten wieder umb mit dem hocherfreueten Frauenzimmer nach des Stathalters Hofe/ welcher von Herzen betruͤbt wahr/ daß wegen seiner unbedachtsamen Zusage Fulvius das Leben einbuͤssen muͤssen; erkennete doch Gottes Versehung/ und sag- te zu seinem Gemahl: Dieser Roͤmische Herr und erster Braͤutigam unser Tochter ist nun dahin/ und hat umb ihret willen/ man kehre es wie man wil/ unter feindes hand erlie- gen muͤssen/ da hingegen ich gemeynet wahr/ ihm mein Kind diesen Abend beyzulegen. Je- doch wil ich gleichwol in diesem stuͤk meinen freyen Willen haben/ und ihr noch vor mor- gen einen/ den ich mir dieses Augenblik in meinem Herzen erkohren/ an die hand geben/ und ehelich zufuͤhren/ damit ich des Unwesens abkomme/ und weitere Unlust verhuͤtet werde; Ich erinnere euch aber/ so lieb euch meine Huld ist/ daß ihr mir im geringsten nicht dawi- M iij der Erstes Buch. der redet/ dann ich wil/ wie gesagt/ durchauß meinen Willen haben. Sie er schrak zwar dieser Rede auffs hefftigste/ durffte aber nicht widersprechen/ nur daß sie zur antwort gab: das Fraͤulein waͤhre seine Tochter/ und wuͤrde er nach seiner Weißheit und angebehrnen Guͤte wol mit ihr verfahren. Ja/ sagte er; sie hat ein trotziges halsstarriges Gemuͤht/ wie ich heut zum ersten mahl erfahren; aber ich werde versuchen/ ob das Reiß mir schon ent- wachsen sey/ daß ichs nicht mehr beugen koͤnne. Der Diener meldete ihm H. Ladisla wie- derkunfft an/ der auch ungefoderthinauff trat/ und nach beschehener Ehrerbietung zu dem Stathalter sagete: Mein Herr/ nach dem ich Ehrenhalben anders nicht gekunt/ als dem Schaͤnder Fulvius das Haupt zubieten/ die Goͤtter auch der Unschuld sich angenom̃en/ uñ mir den sieg verlihen; als bitte dienstlich/ mich des ungebuͤhꝛlichẽ Aufflaufs gꝛoßgeneigt entschuldiget zu nehmẽ. Mein Herꝛ/ antwortete er/ ich habe euren harten Kampf durch ein klares Durchsicht/ oben auf meinem Turm gar eben angesehen; kan wegẽ geschehener Eh- renrettung ihm nichts veruͤbeln/ nur daß mir leid ist/ daß Fulvius sich so mutwillig in sein Verderben gestuͤrzet/ an dem gleichwol Rom nicht einen verzagten Ritter verlohren hat. Baht hierauff Herrn Kornelius und Emilius/ sie moͤchten ein halb stuͤndichen allein zu seyn/ sich nicht verdriessen lassen/ weil Ladisla nach Herkules ging/ und er mit seinen Kin- dern und Gemahl etwas zu reden haͤtte/ daß ihm gleich jetzo unter die Hand gefallen waͤh- re; ging alsbald mit denselben auf ein besonderes Gemach/ und nam die Tochter also vor: Liebes Kind/ du hast diese beyden Tage sehr grosse Widerwertigkeit und Anfechtung aus- stehen muͤssen/ und solches doch nicht umb Missetaht/ sondern um deiner Tugend und Ga- ben willen. Gestern haben dich die Raͤuber in ihren haͤnden gehabt; heut ist der treflichste Ritter aus Rom/ Herr Fulvius deinet/ ja bloß deinet wegen erschlagen. Nun bin ich aber nicht bedacht/ solcher gefahr hinfuͤro mehr gewaͤrtig zu seyn; viel weniger noch/ meinen einmahl gefasseten Schluß zu endern/ sondern was ich in meinem Herzen geschworen ha- be/ sol und muß diesen Tag erfuͤllet werden/ nehmlich daß du diesen Abend einem/ den ich mir alsbald nach geendigtem Kampffe außersehen/ ehelich beygeleget werdest; ist dann deꝛ Braͤutigam gleich nicht auß Rom/ so finden sich auch noch zu Padua gnug-aͤdle Herren/ die dein wert sind/ und ich denselben schon weiß/ welcher dir gefallen sol und muß; huͤte dich aber bey straffe meiner Ungnade/ daß du mir mit deiner heutigen Leir nicht wieder aufge- zogen kommest/ mit welcher du dir selbst diesen Tanz gefidelt hast/ und ich sonst so eilig mit dir zu verfahren nicht gemeynet war. Hier befand sich das Frl. in den hoͤchsten noͤhten/ dariñen sie jemals gewesen war/ und kunte vor Herzensprast kein Wort sagen/ deßwegẽ er also fort fuhr: jezt wir ich in demer Mutter uñ deines Bruders gegenwart kuꝛzum von diꝛ wissen/ ob du gehorsamen wollest; wo nicht/ werde ich schon mein Vaterrecht mit zu huͤlffe nehmen. Nicht viel fehlete/ ihr waͤre vor Angst geschwundẽ; sie stund zitternd vor ihm/ weil er sie ohn unterlaß zur antwoꝛt antꝛieb/ da sie endlich ihren Brudeꝛ klaͤglich ansahe/ uñ mit einem Wink zuverstehen gab/ er moͤchte ihre Stelle zur Antwort vertreten; wie er dann von ihm selber schon des willens wahr. Aber der Vater hies ihn schweigen/ und sagete: Was hastu dich weiter einzumischen/ als ich dichs heisse? hat sie selber nicht Mauls gnug? heut uͤber Tische kunte sie ja den ansehnlichen Herrn Fulvius trotzig gnug/ und mit hoͤhni- schen reden uͤber das Maul fahren/ daß mich dessen Geduld groß Wunder nahm; wie ist sie Erstes Buch. sie dann nun so sprachloß/ da sie ihrem Vater den schuldigen Gehorsam versprechen sol? Als das Fraͤulein diesen hartnaͤckigen Vorsaz sahe/ uͤberging sie der kalte Schweiß/ setzete sich nieder auff die Bank/ und fiel in tieffe Ohmacht/ daß die Mutter sie schon vor Tod hielt. Aber der Vater risse ihr die Kleider auff/ ruͤttelte sie/ und befahl der Mutter Krafftwasser zu hohlen/ welches sie im Augenblik verrichtete/ daß also das Fraͤulein wieder zu rechte ge- bracht ward; die aber ihre Mutter baht/ sie moͤchte doch den angenehmen Tod ihr nicht hindern/ weil sie unter keinem gnaͤdigen Vater mehr Leben koͤnte. Er aber sagte/ was heis- sestu einen gnaͤdigen Vater? einen solchen/ der dir allen eigenen Willen goͤnnen/ und dei- ne Wolfahrt nicht betrachten sol? O nein/ daß heisset nicht ein gnaͤdiger/ sondern ein un- vernuͤnfftiger Vater. Oder meynestu/ ich habe nicht hoͤchstwichtige Ursachen dieses mei- nes vornehmens? traue mir/ dein Vater bedenket wol dieses/ was dir nicht eins zu sinne steigen mag; deßwegen sihe dieses mein beginnen nicht anders an/ als welches die dringen- de Noht erfodert und haben wil. Ach mein allerliebster Herr und Vater/ antwortete sie/ ich wil folge leisten/ wanns nur nicht so eilig ist. Ey wanne/ sagte er; so wiltu mir gehorchẽ/ aber nicht wanns mir/ sondern dir gelegen ist? sehet doch die gehorsame Tochter/ von der alle Paduanische billich ein Beyspiel nehmen solten. Ach ihr Goͤtter/ fuhr sie fort/ benehmet meinen H. Vater diesen gefasseten Zorn/ oder gebet meiner Seele den gewuͤnschten Ab- scheid von ihrem Leibe. Du antwortest mir hiemit auff meine frage nicht/ sagte er; und was gedenkestu mich mit leeren Worten abzuspeisen? geschwinde/ und sage mir/ wessen du gesonnen seyst/ und erinnere dich/ daß nicht allein Vaters Recht/ sondern auch Roͤmischer habender Gewalt dich zwingen kan. Ach mein Herr und Vater/ antwortete sie/ ist dañ euer vaͤterliches Herz nicht zu bewaͤgen/ daß mir nur ein einziger Tag Bedenkzeit gegoͤñet wuͤr- de? Was Bedenk zeit/ sagte er; nicht ein halb viertel stuͤndichen; dann was hastu noͤhtig dich zu bedenken/ ob du mir wollest gehorsam seyn? oder hastu etwa einen Ruͤkhalter ohn meinen Willen erkieset/ auff welchen du dich steurest? O der vergeblichen Gedanken! A- ber auch O des elenden Roͤmischen Stathalters/ der sich dieser gestalt von seinen eigenen Kindern hintergehen liesse! Nur noch eins/ mein Herr Vater/ sagte sie; betrachtet bitte ich/ ob ihr euer liebes Kind in einer gezwungenen Ehe werdet koͤnnen sehen auß verzweife- lung dahin sterben. Dahin sterben? antwortete er; ich wil dz du es nit vor eine gezwunge- ne/ sondern gutwillige Ehe haltest. Doch was zanke ich mich lange mit dir? sprich bald ohn ferner bedenken/ ob du gehorsamen wollest oder nicht. Hieraus merkete sie/ daß alle ihre Hoffnung vergebens/ uñ ihr die Zuflucht zu Ladisla vor der faust abgeschnitten wahr; da- her erwog sie sich zusterben/ und gab diese Antwort: Nun dann mein Herr Vater/ ihr habt euch schon gar zu lange uͤber den Ungehorsam eurer Tochter beschweret/ welches keinem Menschen hefftiger als mir selbst zuherzen gehet; wil demnach mich dieser beschuldigung entbrechen/ und euch eben den Gehorsam leisten/ der keinen hoͤhern zulaͤsset/ auch die Goͤtter selbst keinen groͤsseren erflnden koͤnnen; als nehmlich/ ich wil eures willens geleben/ oder da ich nicht kan/ durch willige Todesstraffe der Anklage des ungehorsams entnom̃en seyn. Recht so/ antwortete er; daß wil ich auch haben von allen meinen Kindern/ wann ich ih- rer gleich tausend haͤtte/ daß sie mir entweder gehorsamen/ oder den Tod drum leyden sol- len; und solches hat mich mein Uhr Anherr T. Manlius Torquatus schon vor 562 Jah- ren Erstes Buch. ren gelehret. Dann so wenig dieser seinem Sohn den freyen willen zu streiten goͤnnen wol- te/ eben so wenig werde ich zugeben/ daß du deines gefallens einen Braͤutigam waͤhlen/ son- dern den ich dir geben werde/ annehmen solt/ ob er gleich in deinen Augen der allerveraͤcht- lichste seyn wuͤrde. Ja ja mein Herꝛ Vater/ sagte sie/ ich bin viel zugeringe/ eurem Willen zu widerstreben/ wovor auch ohn das die Goͤtter mich wol behuͤten werden; deßwegen oꝛd- netes mit miꝛ/ wie es euch best duͤnket. Der Vateꝛ stellete sich/ als verstuͤnde eꝛ ihre redẽ nit/ und sagte: Warumb kuntestu mir nicht bald anfangs diese einwilligung in die Heyraht ge- ben/ daß ich mich mit dir zuvor uͤberwerffen muß? Ihr aber/ sagte er zu seinem Gemahl/ gehet hin/ und machet die Kleider fertig; der Braͤutigam wird bald verhanden seyn/ und in unser dreyen einsamen Gegenwart meiner Tochter verehlichet werden/ nach dem sie miꝛ nunmehr den gebuͤhrlichen Gehorsam verspricht/ daß ichs ordnen moͤge/ wie michs best duͤnket. Ja Herr Vater/ sagte das Fraͤulein/ ich bleibe bestaͤndig dabey/ machets nach eu- rem Gutduͤnken/ ich wil mich der zugelassenen Wahl nicht begeben/ sondern weil ich nicht gehorsamen kan/ gerne sterben. Ihr Vater kunte sich dieser Bestaͤndigkeit nicht gnug ver- wundern/ meynete gleichwol noch/ sie zu beugen/ und sagte: So viel ich hoͤre/ gehestu wie- der hinter dich wie der Krebs; und meynest du etwa ein Scherzspiel drauß zu machen? Nein O nein/ sondern wiltu waͤhlen so waͤhle; dann ehe eine Stunde vergehet/ soltu ver- heyrahtet/ oder kein Mensch mehr seyn; alsdann kan ich erst ruͤhmen/ daß ich eine gehor- same Tochter gehabt habe. Die Mutter kunte den Jam̃er laͤnger nicht ansehen/ begab sich auffs weinen und flehen/ und muste auff ernstlichen befehl ihres Gemahls weg gehen. Er aber kehrete sich nach der Wand/ und besahe etliche Schwerter/ die daselbst bloß aufgehen- ket wahren; daher das Fraͤulein ihr keine andere Rechnung/ als zum gewissen und schleu- nigen Tode machete/ und ihrem Herzen nichts so wehe taht/ als daß sie von ihrem Ladisla nicht eins Abscheid nehmen solte. Da nun ihr Vater zu ihr trat/ und sie abereins erinner- te/ sich im Augenblik zu bedenken/ weil nach einmahl geschehener Wahl er die Enderung schwerlich zulassen wuͤrde; setzete sie sich vor ihm auff die Knie/ kuͤssete und netzete ihm die Haͤnde mit Traͤhnen/ dz sie auf die Erde flelen/ begriff sich bald darauf/ und fing diese Rede an: Herzallerliebster Herꝛ uñ Vater; die Goͤtter habẽ mich ungluͤklich gemacht/ dz ich euꝛes vaͤterlichen begehrens/ wie ich billig solte/ nicht geleben kan; aber dannoch mir diesen Gna- denblik dagegen verlihen dz ich meinen Ungehorsam mit meinem Blute buͤssen und bezah- len mag. Ich erkenne die hohe vaͤterliche Gnade/ Liebe und Vorsorge/ deren ich Zeit mei- nes lebens so uͤberfluͤssig genossen/ daß ich derselben weiters nicht wert bin; uñ ob ich zwar mir gaͤnzlich vorgenommen hatte/ nimmermehr ichtwas wieder meines Herrn Vaters Willen zu wollen oder waͤgern/ so hat doch der kleinste Gott von allen mich davon abgelei- tet/ welches ich/ viel einen groͤssern zu koͤnnen/ nicht getrauete. Ich erkenne meine Schuld/ mein Herr Vater/ und ist mir/ sage ich nochmahl/ Lieb/ daß sie kan gebuͤsset werden; be- danke mich (eure Guͤtigkeit nicht laͤnger zumißbrauchen) der mir bißher erzeigeten Liebe und Hulde/ wuͤnsche meinen Eltern langes Leben/ bestaͤndige Gesundheit und immerweh- rendes wolergehen/ insonder heit/ daß die Goͤtter ihnen eine gehorsamere Tochter an mei- nes lieben Bruders kuͤnfftigem Gemahl geben moͤgen/ als ich leyder nicht seyn kan; bitte/ meinen Errettern; O ja meinem hoͤchstverdienten Ladisla/ den lezten Gꝛuß meiner un- bruͤchi- Erstes Buch. bruͤchigen Gewogenheit und Traͤue anzumelden/ welches mein Bruder mir nicht ab- schlagen wird/ und waͤhle mir hiemit einen schleunigen Tod/ aber von dessen Haͤnden/ der mir das Leben gegeben hat. Hierauff rieff sie den Himmel an/ er moͤchte ihrer Seele die Geselschafft der seligen nicht mißgoͤnnen. Der Vater lies sie gar außreden/ und sagte her- nach: So waͤhlestu dir den Tod? hastu dann etwa verredet/ ehelich zu werden? dieses nicht Herr Vater/ antwortete sie. Wie kanstu dann/ fragete er/ dir den Tod schlechter Dinge waͤhlen/ ehe und bevor du vernimst/ welchen ich dir außersehen habe; jedoch/ da- mit ich weder dich noch mich laͤnger auffhalte/ sondern die Volstreckung/ wie ich geschwo- ren ehistes leiste/ wil ich dir den Braͤutigam zuvor nahmhafft machen/ dem du diesen A- bend haͤttest sollen beygelegt werden/ wie wol ich anfangs nicht bedacht wahr/ dir ihn wis- sen zu lassen/ welcher gleichwol/ so bald du wegen deines Ungehorsams abgetahn bist/ den gebuͤhrlichen Brautschaz/ und nach meinem Tode die helffte aller meiner Guͤter heben sol; dieser nun/ gib acht/ ist eben der/ welcher gestern und heut deiner ehren verfechter gewesen/ Herr Ladisla; trat hiemit nach der Wand/ nam ein Schwert in die Hand/ und stellete sich/ als wolte er ohn Wortsprechen ihr das Haͤupt herunter schlagen. Das Fraͤulein/ ihres Vaters letzten Worte hoͤrend/ fiel vor freuden in Ohmacht/ und lag gestrektauff ihrem An- gesicht. Der Sohn trat zwischen den Vater und die Schwester/ und sagete: Herr Va- ter/ ist euch mit meiner Schwester Blute dann so wol gedienet/ wann es durch eure selbst eigene Hand auff die Erde geschuͤttet wird/ so vermischet das meine mit dem ihren/ ob eure Vergnuͤgung hie durch koͤnte vermehret werden; dann ich verschwoͤre dessen Vaters le- bendiger Sohn laͤnger zu seyn/ der eine so gehorsame Tochter toͤdten wil/ und mir viel un- gehorsamern das Leben laͤsset; ists aber moͤglich/ daß meine kindliche Bitte mag angenom- men werden/ so verzeihet doch mir und ihr diesen fehler/ dessen ursach ich die blosse Unwis- senheit halte/ weil ich nicht zweifele/ sie werde nunmehr sich dem fchuldigen Gehorsam nit entbrechen. Der Vater legte das Schwert von sich/ und sagete: So merke ich wol/ daß du umb ihre Heimligkeit mit weissest/ und hast mir solches verschweigen koͤnnen? Herr Va- ter/ antwortete er; ich beruffe mich auch die Goͤtter/ daß ich ausser ungewisser Muhtmas- sung nicht das allergeringste habe/ wie vielleicht mein Herr Vater auch nicht/ daher ich wol entschuldiget seyn werde. Das Fraͤulein lag noch in tieffer Ohmacht/ aber ihr Bru- der ruͤttelte sie/ daß sie wieder Lufft bekam/ richtete sich gemehlich auff/ und stritte Schahm und freude dergestalt in ihrem Herzen/ daß ihr Wiz und Vernunfft/ ja alle Gedanken ste- hen blieben; endlich/ da der Bruder sie der Dankbarkeit erinnerte/ fiel sie dem Vater mit unzaͤhligen Kuͤssen und Traͤhnen umb den Halß/ und fing also an: O mein herzgeliebter Herr und Vater/ jezt komme ich zur Erkaͤntniß/ wie hoch ich mich versuͤndiget/ indem ohn euer Vorwissen ich mir einen zum Braͤutigam belieben lassen; ich schwoͤre aber bey den himlischen Goͤttern/ daß weder Vermaͤssenheit noch leichtfertige Bewaͤgungen/ sondern bloß die vermeynte Schuld der Dankbarkeit mich darzu verleitet hat/ und zwar zu keiner weiteren Verheissung/ als biß auff das vaͤterliche bewilligen; auff welche Verwegerung zwar Herrn Ladisla zu meiden/ aber auch keinen andern nim̃ermehr anzunehmen/ ich mich bey der Goͤtter Ungnade verlobet habe; Dieses ist meine begangene Suͤnde/ die hernaͤhst mit allem kindlichen Gehorsam zu ersetzen/ mich befleissigen wil. Ich koͤnte zwar Herrn N Ladislaen Erstes Buch. Ladislaen uͤberauß hefftiges anhalten/ und meine Unwissenheit/ schon verlobet zu seyn/ zu meiner Entschuldigung anfuͤhren/ wann ich mich nicht ganz gerne vor allerdinge schuldig angeben wolte. Ich verzeihe dir dein Verbrechen/ sagte der Vater/ und bekraͤfftige dein Versprechen/ doch daß du zuvor hingehest/ und dich bey H. Ladisla selbst seines eigemlichẽ Standes und Wesens erkuͤndigest/ damit ich wisse/ wovor ich ihn halten sol/ und ob er vor der Heyraht Kaͤyserlicher Gnade beduͤrffe; aber mit dieser ernstlichen Verwarung/ daß wo du ihm auch nur den allergeringsten Wink dieser meiner Einwilligung geben wirst/ ehe ich dichs heisse/ du bey mir verfluchet/ und von aller meiner Hulde verbannet seyn sol- lest; wil auch alles wiederruffen/ uñ dich als eine mutwillige ungehorsame zu straffen wis- sen. Das Fraͤulein lobete bestaͤndig an/ alles nach seinem Willen zu verrichten/ ließ Ladisla von der Gesellschafft fodern/ unter dem schein/ als wolte der Vater selbst ihn sprechen; Als er nun kam/ und sie mit ihm gar allein wahr/ sagte sie zu ihm: Mein Herr und wahrer Freund/ mir zweifelt nicht/ seine mir hochbeteurete Liebe stehe auf unwankelbahren fuͤssen/ und habe er das veꝛtrauen zu mir/ ob ich eine verborgene frage/ aus hoͤchstzwingender noht an ihn wuͤrde abgehen lassen/ die ihm (welches ich aͤidlich angelobe) nit sol schaͤdlich seyn/ er werde solches von mir nicht ungleich auffnehmen. Er durch Liebe bezwungen willigte ihr alles ein; Und fuhr sie weiter also fort: So ist nun meine herzliche Bitte/ mir in Ver- trauen zu sagen/ wer/ und auß was Landschaft er eigentlich entsprossen sey; sonst ist unmoͤg- lich/ daß ich euer Liebe trauen/ oder auff geschehene Zusage mich verlassen kan. Nun hatte er mit Herkules schon abgeredet/ wie weit er sich herauß lassen solte; wunderte sich aber nicht wenig des ernstlichen nachforschens/ und gab zur Antwort: Sie wuͤste ja/ daß sie sein Herz und Seele in ihrer Gewalt zu ihrem Willen haͤtte/ deßwegen wolte er ihr/ als seiner Vertraueten diese Heimligkeit gerne offenbahren/ wie auch zum teil schon geschehen/ da- fern sie nur solches verschwiegen halten koͤnte. Was zweifelt mein Schaz an meineꝛ traͤue/ sagte sie/ meinet er/ ich werde ursach seiner Ungelegenheit seyn wollen? doch nehme ich die- ses auß/ wann mein Herr Vater von euch dereins wegen meiner Heyraht besprochẽ wer- den solte/ meynet er alsdann/ demselben dieses zu verbergen/ und gleichwol seinen Willen zuerhalten? Nein/ sagte er/ auff solchen fall werde ich mich ihm eben so kund geben/ wie ich anjezt meinem hoͤchstgeliebeten Fraͤulein in reiner Warheit zu wissen tuhe/ daß mein Herr Vater vor neun Monat ohngefehr/ todes verblichen/ der ein herschender Koͤnig in Boͤh- men wahr/ uñ hat durch diesen seinen Todesfall mir seinem einigen Sohn das ganze Reich verlassen/ welches ich meiner Fr. Mutter/ Herkules Vaters Schwester biß auff meine Wiederkunfft zu getraͤuen Haͤnden befohlen; Ja mein Schaz/ ich habe unter dem Nah- men Winnibald in Roͤmischen Kaͤyserl. Diensten mich in die anderthalb Jahr zu Felde gegen die Pannonier gebrauchen lassen/ und durch Niederlegung eines Pannonischen Kaͤmpfers verdienet/ daß man mir das Roͤmische Buͤrger Recht angebohten. Sonst ha- be ich eine einzige Schwester von ohngefehr XV Jahren/ mit welcher mein Schaz dereins Schwesterliche Liebe wol wird halten koͤnnen. Das Fraͤulein bedankete sich herzlich/ und zum Zeichen ihrer Vergnuͤgung kuͤssete sie ihn etliche mahl/ dessen er sich in hoher Beluͤsti- gung verwunderte/ massen sie noch nie in der Einsamkeit sich gegen ihn dergestalt bezeiget hatte. Nachgehends fragete sie/ wie es mit seiner Wunde beschaffen waͤhre; und da sie vernam/ Erstes Buch. rernam/ daß er selbst koͤstliche Salbe mit von Rom gebracht/ uñ sie damit verbunden/ auch keine Schmerzen noch einige Hinderniß daher empfuͤnde/ baht sie umb Verzeihung ihres noͤhtigen Abscheidens/ und brachte ihrem Vater die Antwort; welcher zu ihr sagte: Nun den Goͤttern sey Dank/ daß du dergestalt versorget bist/ wiewol ich lieber sehen moͤchte/ daß er eines Koͤniges Bruder/ als ein herschender Koͤnig waͤhre. Befahl hierauff/ daß Mut- ter/ Sohn und Tochter auff ein Gemach gehen/ und was sie auch vernehmen wuͤrden/ von dannen nit weichen solten/ biß er sie wuͤrde fodern lassen; dem sie auch gehorsamlich nach- kahmẽ. Er verfuͤgete sich darauf nach einem andern/ von diesem weit abgelegenẽ Zim̃er/ in welchem nichts als die vier Waͤnde/ und oben in der Hoͤhe/ kleine vergitterte Fenster zu sehen wahren. Auff dieses lies er Ladisla zu sich fodern/ welcher willig erschien/ fand den Stathalter in tieffen Gedanken gehen/ und in der Hand zwey grosse Schreiben halten mit dem Kaͤyserlichen Pitschafft. Auff seine Befragung/ was der Herr Stathalter so tieff nachsinnete/ bekam er zur Antwort: Es waͤhren ihm von seinem allergnaͤdigsten Kaͤyser Alexander/ etliche Schreiben/ unterschiedliches Inhalts zukommen/ welches er teils ger- ne/ teils mit hoͤchster Wiederwertigkeit verrichtete/ weil er fuͤrchtete/ es moͤchte grosse Unruhe verursachen. O mein Herr/ taht er hinzu/ es ist hoͤchlich zubeklagen/ daß mein al- lergnaͤdigster Kaͤyser nicht nach seinem Willen schaffen darff/ sondernofftmahl sich von andern gezwungen muß beherschen und noͤtigen lassen. Er hatte diese Worte kaum gere- det/ da erhub sich ein grosses Getuͤmmel auff der Gassen/ und im Plaze des Hoffes/ auch zugleich ein Geschrey; es hielten sich Roͤmische Feinde in der Stat auff/ welche gegriffen/ und nach Rom zu gebuͤhrlicher Straffe solten hingefuͤhret werden. Sie hoͤreten dieses eigendlich/ aber der Stathalter nam sich dessen gar nicht an/ sondern baht Ladisla umb verzeihung wegen eines geringen Abtrittes/ daß er vernehmen moͤchte/ auß was Ursachen sie bey ihrem Vorhaben so unbendig schriehen; ging hiemit von ihm/ und zog die eiserne Thuͤr nach sich zu. Nun hoͤrete Ladisla das Geruffe sich stets vermehren/ auch endlich ei- nen mit harter Stimme sagen; suchet fleissig ihr redlichen Soldaten/ daß wir den an- dern Schelmen und verraͤhterischen Boͤsewicht auch fahen moͤgen; der eine ist schon auff dem Bette in seiner ertichteten Krankheit ergriffen/ und solsein Geselle allhie vor einer Viertelstunde auch gesehen seyn/ daher er ohn zweiffel dieses Orts sich muß verborgen halten. Hieruͤber erschrak er so hefftig/ daß ihm das Gebluͤt zum Herzen lieff: Roͤmische Feinde? sagte er bey sich selbst; Roͤmische Feinde? und derselben zween? vielleicht bin ich und Herkules verrahten/ daß man uns wegen der Verstellung vor Feinde oder Kund- schaffter haͤlt; ja vielleicht ist mein Herkules wol schon gefangen. Lieff hiemit zur Thuͤr/ zu sehen/ wie es seinem Freunde ginge; aber er fand dieselbe so fest versperret/ daß ihm un- moͤglich wahr/ sie zu oͤffnen. Jezt gedachte er/ der Stathalter haͤtte ihn in diese Gefaͤngnis gelocket/ daß er ihn den Außspehern lieffern moͤchte/ und fiel ihm ein/ wie beschweret er sich befunden/ dem Kaͤyserl. Befehl nachzukommen. Bald hoͤrete er einen zum andern mahl ruffen; und dauchte ihn des Stathalters Stimme seyn; man solte nur fleissig suchen/ als- dann wuͤrde sich der Verraͤhter schon finden/ weil sein Geselle selbst Anzeige getahn/ daß er noch auff dem Hofe seyn muͤste. Hierauff schlug er allen Zweifel auß/ und machete ihm die unfehlbare Rechnung/ er und kein ander wuͤrde gesuchet; und wie er etwas jachzornig N ij wahr/ Erstes Buch. wahr/ lieff er voll Galle/ und fieng an sein Ungluͤk zu verfluchen; durffte auch die Ge- danken fassen/ ob jhm etwa durch Fraͤulein Sophien nachgestellet wuͤrde/ und sie zu seinem Ungluͤk mit listigen Worten seinen Zustand außgeforschet haͤtte. O ich Un- gluͤkseliger sagte er/ nun muß ich entwender mein Leben verlieren/ oder den Roͤmern mein Koͤnigreich zinßbar machen/ wo nicht gar in die Haͤnde liefern; doch wil ich lieber sterben/ als mein liebes Vaterland verrahten/ oder dessen Freyheit uͤbergeben. Aber ruͤhme dich nun/ Ladisla/ du habest zu Padua Heyraht gesucht/ und dein Leben druͤber zugesetzet. O Fraͤulein Sophia/ ist dieses die Liebe und Traͤue/ welche ihr mir ver- sprochen? Ist diß der Lohn/ daß ich euret wegen mein Leben so liderlich geschaͤtzet/ und zu euer Rettung gewaget? doch ergehe mirs nach der Goͤtter Schluß; Diesel- ben erhalten nur meinen lieben Herkules/ der wird mich schon raͤchen/ und nicht un- terlassen/ mein Reich zu schuͤtzen/ auch wann er seines wieder erlanget hat/ den Roͤmern ein solches Blutbad anrichten/ daß mein Tod ihnen teur stehen sol/ wo sie nicht gar druͤ- ber zu grunde gehen muͤssen. Nun dann mein Herkules/ so bewahre dich dein GOTT/ und lasse diß Ungewitter uͤber mich allein ergehen. Aber was rede ich? habe ich doch mit meinen Ohren angehoͤret/ daß man dich gefangen/ und wie sie meynen/ in ertichteter Krankheit angetroffen hat. O was gedenkestu/ wo ich stecken moͤge? daß ich dich in deiner aͤussersten Noht verlasse? und wie wird dein unuͤberwindliches Herz diese Schmach im- mermehr erdulden koͤnnen? daß du von den Schergen dich must schleppen und stossen las- sen. Ich fuͤrchte/ ja ich fuͤrchte/ deine Großfuͤrstliche Seele habe den alleraͤdlesten Leib schon verlassen/ und solches vor grossem Unmuht. Nun mein Herkules/ Geduld/ Geduld! bistu dahin/ so wil ich dir bald folgen/ es sey dann/ daß ich mein Leben/ dich zu raͤchen fristen koͤn- ne; alsdann wil ich diese Stadt schleiffen/ und ein Erbfeind des Roͤmischen Nahmens le- ben und sterben; ja ich wil alle meine Nachbarn umb mich her/ samt den Nordischen Rei- chen auffwiegeln/ und ganz Italien als eine fluht uͤberschwemmen/ biß dein unschazbares Blut durch ganze Blutstroͤme gerochẽ sey. Es rief aber zum dritten mahle einer im Platze/ an der Stimme Herrn Kornelius nicht ungleich: Habt ihr dann den Boͤsewicht noch nit ertappet? Er liegt ohn zweifel dieses Orts verborgen; so bemuͤhet euch nun/ daß wir sein maͤchtig werden/ als dann sol es jhm ergehen gleich wie seinem schelmichten Gesellen. Ey sagte er hierauff; so gnade dir dein Gott/ liebe Seele/ du unvergleichlicher Held in Ver- stand und Tugend; aber pfui mich/ daß ich mein Schwert von der seite geguͤrtet habe; koͤnte dann dieser Buben ich mich nicht laͤnger erwehren/ so haͤtte ich ja zum wenigsten/ damit ich mich selbst entleiben/ und dieser Schmach entgehen koͤnte/ daß ich dir/ O mein getraͤuester Freund und Bruder im Tode Geselschafft leistete/ weil das feindse- lige Gluͤk uns diese Lufft laͤnger nicht goͤnnen wil. Aber O ihr unsinnigen Roͤmer/ ist das euer hochberuͤhmter Verstand/ daß jhr dieselben alsbald wegen ihres Herkom- mens vor Feinde haltet/ die euch nie kein Leid getahn/ sondern alles gutes gewuͤnschet haben? Hier hoͤꝛete eꝛ endlich die Trommete blasen/ und alles Volk verlauffen/ welches ihn wunder nahm. Nun wahr der Stathalter allemahl haussen vor der Tuͤhr stehen blieben/ und hatte seine Erstes Buch. seine Reden vernommen/ wornach ihn nur einig verlangete; als er aber hoͤrete/ daß er mit wuͤtigen Gedanken umbging/ und der Verzweifelung nicht ferne wahr/ fiel ihm ein/ er moͤchte in Mangel des Schwerts etwa mit dem Kopffe wider die eiserne Tuͤhr lauffen/ oder das Brodmesser hervor suchen/ sich zuentleiben; oͤfnete deßwegen die Tuͤhr gar sanft- muͤhtig/ nam sich durchauß keines dinges an/ sondern trat mit gewoͤhnlichen Geberden zu jhm hinein/ und sagte: Verzeihet mir. Ladisla aber fiel ihm alsbald in die Rede/ sahe ihn mit uͤberauß greßlichen Augen an/ und sagte: Was verzeihen; saget mir Herr Stathal- ter/ wie es meinem Bruder Herkules gehe/ und gedenket nicht/ daß ich seinen Schimpf le- bendig werde ungerochen lassen. Ey wie so mein Herr/ antwortete er gar sanfftmuͤhtig; es gehet ja dem frommen Helden nicht anders als wol/ ohn was die empfangene Wunde be- trifft. Was vor Wunde/ fragete er; wer hat dañ das unschuldige Herz verwundet? Mein Herr begreiffe sich/ antwortete der Stathalter/ es ist ja Herr Herkules wegen gestriger Wunde etwas schwach. Wie? sagte dieser; traͤumet mir dann/ oder ist mir das Gehirn verruͤkt? Ich meyne ja nicht anders/ es haben sich etliche hoͤren lassen/ wie sie ihn auff dem Bette in ertichteter Krankheit ergriffen. Da begunte nun der Stathalter sich uͤber auß leidig anzustellen/ und antwortete: O mein lieber Herr und Freund/ es ist mir sehr leid/ dz durch die unvorsichtige Tuͤhr versperrung ich ihm so ungenehme Gedanken erwecket ha- be. Aber dieser stund annoch im zweifel/ lieff nach der Tuͤhr/ und kuckete hinauß/ ob eini- ge Verraͤhterey verhanden waͤhre; und wie stille er gleich alles sahe/ lag ihm doch die Ein- bildung so stark im Gehirn/ daß er sagete: Mein Herr/ wie unschuldig ich mich gleich aller Untaht weiß/ kan ich mich doch nicht wol bereden/ daß ich weit irre/ es werde mir dann an- gezeiget/ was vor ein Getuͤmmel unten im Hofe gewesen/ und was vor verstekte man gesu- chet. O meinwerter Herr/ antwortete er/ ists wol moͤglich/ daß er daher einige widrige Ge- danken schoͤpffen moͤgen? so muß ich mich selbst anklagen/ daß durch meine Unvorsichtig- keit er darzu veranlasset ist. Er weiß/ daß ich zweyer Kaͤyserl. Schreiben gedacht/ deren wichtigstes eine ungewoͤhnliche durchgehende Schatzung fodert/ welche/ wie ich fuͤrchte/ grosse Unruhe verursachen wird. Das andere betrifft das jezt ergangene/ und werde ich be- fehlichet/ fleissige Nach suchung auff dem Lande und in den Staͤdten zu tuhn/ ob nicht etli- che Auffruͤhrer von der Besatzung zu Rom/ welche außgerissen/ sich hieherumb auffhalten moͤchten/ auff dieselben solte ich ein gewisses Geld schlagen/ und wann sie ergriffen wuͤr- den/ lebendig gen Rom liefern lassen. Als solches durch den Schreiher kund worden/ hat man alsbald einen Feldwebel und Faͤhndrich außgespuͤret/ die zwar angepacket/ aber bald wieder außgerissen/ und sich auff meinem Hofe verstecket hatten/ sind doch/ einer im Pferdestalle auff meines Reit Knechts Bette/ der ander gleich hierunter im Waschhause wieder ergiffen worden. Ladisla erhohlete sich hier auff/ stund als waͤhre er vom Schlaffe erwachet/ und wolte das Mißtrauen noch nicht allerdinge weichen/ sondern hielt an/ dz ihm moͤchte ver- goͤnnet seyn/ nach seinem lieben Herkules zu gehen. Je warum nicht/ sagte der Stathalter/ nur allein bitte ich/ mein Herr wolle ihm ja nichts widriges von mir einbilden/ oder meine Traͤue in Zweifel zihen. Davor behuͤten mich die Goͤtter/ antwortete er/ dz solche Gedankẽ N iij meinen Erstes Buch meinen Siñ einnehmen solten; aber ich bin die zeit meines Lebens in so grosser Angst nicht gewesen/ als diese halbe Stunde/ und ist mein bestes/ daß ich kein Schwert bey mir gehabt/ ich haͤtte sonst vielleicht/ Schimpf zu meiden/ mir das Leben abgekuͤrzet/ da ich ruffen hoͤre- te/ der eine waͤhre schon gefangen/ und nach Verdienst zugerichtet/ und hielte sich der andeꝛ auch dieses Orts auff. Ob nun wol ich mir durchauß nichts boͤses bewust bin/ dessen ich meinem eigenen Gewissen Zeugniß abfodere/ ist doch die Verraͤhterey und Hinterlist so groß/ daß man der Welt nicht trauen darff; und machte ich mir die Gedanken/ ob nicht et- wa Fulvius Freunde solchen Lerm erwecketen/ und durch unbillige Rache mein Verderbẽ sucheten; welches unter falschem scheine/ daß ich ein fremder bin/ sie leicht haͤtten zu werk richten moͤgen. Als der Stathalter dieses hoͤrete/ ließ er sein betruͤbtes Angesicht sehen/ uñ sagte: Es moͤchte eine blosse Unvorsichtigkeit niemahls so grossen schꝛecken erwecket haben/ als anjezt leider geschehen waͤhre/ welchen aber durch ein angenehmers zuersetzen er ihm wolte lassen angelegen seyn. Fuͤhrete ihn auch mit sich uͤber den Plaz nach einem koͤstlichen Gemache/ da ihm Herkules Leibknabe begegnete/ und von demselben seiner uͤbrigen Sorge gaͤnzlich entlediget ward. Inzwischen hatte die Mutter ihre Tochter als eine Fuͤrstl. Braut außgeputzet/ da sie wie ein gemahletes Bildichen glaͤnzete. Ihr langes gelbes Haar hing ihr auff dem Ruͤcken nieder; oben auff dem Haͤupte hatte sie einen gruͤnen Kranz mit schoͤnen Blu- men und koͤstlichen Kleinoten durchsetzet; jhr Oberkleid wahr ein schneweisses Silber- stuͤk/ mit eingewirketen Blumen; der Unterrok ein Tyrischer Purpur mit einer Perlen- schweiff/ und forne herab mit vierdoppelten Reihen Demanten verbremet; aber dz schein- bahreste an ihr wahren die verliebeten Auͤgelein/ welche die uͤbermachte herzens Freude dañoch so voͤllig nit entwerffen kunten/ wie sehr auch die lebhaffte Farbe des nach wunsch gebildeten zarten Angesichts sich bemuͤhete/ ihnen die huͤlffliche Hand zu bieten. In beyden Ohren hatte sie zwo Perlen hangen als eine grosse Haselnus/ die auff 6000 Kronen ge- schaͤtzet wurden. Ihr Halßketchen wahr von eingefasseten Demanten fuͤnffdoppelt umb den Halß/ und hing zu unterst dran recht zwischen ihren Bruͤsten ein Kleinot in Gestalt des kleinen Liebegottes/ grosses werds. Auff dem Daumen trug sie einen grossen guͤldenen Ring mit einem Demant/ der seiner groͤsse und reinigkeit wegen hoch geschaͤtzet wahr/ mit welchem sie ihrem liebsten solte vermaͤhlet werden. Der Stathalter wahr kaum mit Ladis- la auff das zierliche Gemach getreten/ da kam ein kleines Maͤgdelein/ und zeigete an/ man wartete auff nichts/ als auff seinen Befehl; da er alsbald Ladisla also anredete: Mein hochgeliebter Herr und Freund; billig muͤste ich von den Goͤttern gehasset/ und von allen redlichen Menschen geschaͤndet werden/ wann ich unbemuͤhet bliebe/ etwa eine Gelegen- heit zu ergreiffen/ wodurch die treflichen Dienste/ unter Lebensgefahr mir und den meinen erzeiget/ in etwas erkennet wuͤrden. Nun weiß ich schon vorhin wol/ daß mein Geld und Gut/ ob ich dessen gleich/ den Goͤttern sey Dank/ zur zeitlichen Notturfft uͤbrig habe/ der Guͤltigkeit eurer Woltahten die Wage nicht halten kan; ja von meinen Herren uñ Freun- den nicht eins wil angenommen werden/ wie insonderheit sein Freund Herr Herkules sich dessen am meisten wegert; so habe ich doch unter andern ein mir sehr beliebtes/ bißher wol verwahrtes/ und meinem beduͤnken nach/ zimlichen werdes Kleinot/ welches ich vielleicht aus Erstes Buch. auß sonderlicher Neigung hoͤher als ein ander schaͤtzen mag; Dieses meinem Herrn/ als der insonderheit sich meiner Tochter angenommen/ einzuliefern/ habe ich mir gaͤnzlich vor- gesetzet/ der Hoffnung gelebend/ er werde mir solches nicht/ wie das gestrige/ veraͤchtlich außschlagen/ sondern von meiner Hand unwegerlich annehmen. Ladisla antwortete ihm: Mein hochwerter Herr; ich bitte sehr/ meine geringschaͤtzigen Dienste nicht so gar uͤber ihre Wirdigkeit zu erheben/ als die gestriges Tages mit wenigen Schwertschlaͤgen ver- richtet sind/ und mein Freund Herkules mehr als ich dabey geleistet hat. Wie solte dann mit gutem Gewissen/ uñ Verletzung meines Ritterstandes ich davor so hohe Belohnung annehmen/ und ein so liebes hochwertes Kleinot ihm abhaͤndig machen koͤnnen? gnug ist mirs/ und uͤber gnug/ daß ich die Ehre gehabt/ den unschuldigen hochbetruͤbten Fraͤulein in ihrer gefahr beyzuspringen/ als durch welches mittel ich in meines Herꝛn kundschaft ge- rahten bin. Dafern nun mein Herr einigen guten willen zu mir traͤget/ bitte ich von herzẽ/ mich mit weiterer noͤhtigung/ das Kleinot anzunehmen/ guͤnstig zuverschonen. Nun mein Herr/ sagte der Stathalter/ so schlaget ihr mir auch dieses mein Erbieten voꝛ deꝛ Faust rein abe? wol dañ/ so muß ich gleichwol versuchen/ ob meiner Tochter haͤnde geschikter uñ gluͤk- seliger sind/ euch solches beyzubꝛingen. Ladisla wolte nochmahls umb verzeihung seines wegerns anhalten; aber das Fraͤulein trat gleich zur Tuͤhr hinein/ welche diesen Weg mit so erschrockenem Herzen ging/ als solte sie einem ganz unbekanten zugefuͤhret werden/ daß sie schier nicht wuste/ ob sie gehen oder verzihen solte; endlich straffete sie sich selbst/ daß sie Ursach der Verzoͤgerung ihrer Vergnuͤgung waͤhre/ machte sich mit geraden Fuͤssen fort/ und trat nach ihres Vaters Anordnung ein kleines Maͤgdlein mit einem kleinen verguͤl- deten Schrein hinter ihr her. Es schwebeten aber so viel und mannicherley Gedanken in ihrem Gehirn umbher/ daß sie als eine trunckene wankete/ und mit dem Fusse/ da sie ins Gemach trat/ wieder die Unterschwelle sties/ daß der Kranz auff ihrem Haͤupte loß ward/ und sie denselben herunter nehmen/ und in der Hand tragen muste. Ihr Vater aber stelle- te das kleine Maͤgdlein ihr an die Seite/ und redete sie also an: Geliebtes Kind; die Ver- geltung/ so ich Herren Ladisla heut/ wie du weist/ vor seine hohe Dienste zugedacht habe/ kan ich ihn nicht bereden/ daß ers annehme/ wie fleissig ich auch bey ihm anhalte/ und mich dessen doch nicht wuͤrde unterstanden haben/ wann du mich nicht viel eines andern berich- tet haͤttest. Sie aber ward dieser Rede schamroht/ und laͤchelte/ in Meynung/ ihr H. Va- ter wolte sie noch weiter auffzihen/ daher sie nichts antwortete. Ladisla wahr sehr betruͤbet/ daß er so hart genoͤhtiget ward/ haͤtte auch schier Eingewilliget/ in Betrachtung/ daß er das Geschenke in andere wege mit gleichem Werd ersetzen koͤnte; aber Herkules Wider- wille/ und der uͤbelstand fiel ihm zu stark ein/ daß jhm unmuͤglich wahr/ sich zu erklaͤren/ uñ ja so stille als das Fraͤulein schwieg; die jhn mit hoͤchster Verwunderung ansahe/ und nit wuste/ wessen sie sich verhalten solte; endlich aber antwortete sie ihrem Vater also: Sol- te Herrn Ladisla sein stilleschweigen oder Verwegerung ungetichtet seyn/ alsdann wuͤrde ich mich in die Welt nicht zuschicken wissen/ sondern haͤtte ursach/ mich dessen zubeschwe- ren. Durch diese Hefftigkeit ward Ladisla bewogen in des Stathalters Begehren einzu- willigen; welches derselbe merkend/ ihm mit dieser Rede zuvor kam. Nun wolan Herr Ladisla/ es haben gewißlich ihrer wenig sich zu ruͤhmen/ daß ich ihnen gegenwaͤrtiges mein liebstes Erstes Buch. liebstes Kleinot angebohten; weil er mir aber solches lieber/ als ihm selber goͤnnet/ wil ich ihn weiters nicht bemuͤhen/ sondern es einem andern vorbehalten/ und doch auff andere Mittel bedacht seyn/ ihm seine Freundschafft und Dienste zuvergelten; aber dein wunde- re ich mich/ sagte er zu der Tochter/ daß du mich viel eines andern berichtet hast. Wem wahr lieber als Ladisla/ daß er wieder seinen Willen nichts nehmen solte? er fing an sich zu bedanken/ daß er der Anmuhtung mit gutem Willen uͤberhoben waͤhre/ hoffete auch/ sein hochgewogenes Fraͤulein/ welche vielleicht seine Gedanken nicht recht moͤchte ge- fasset haben/ wuͤrde ihm solches zum aͤrgesten nicht auß deuten/ weil er sich einer so teuren Vergeltung unwirdig schaͤtzete/ er auch seine Dienste nicht in solchem Vorsatze angewen- det haͤtte; und waͤhre ihm lieb daß dieselbe einem wirdigern vorbehalten wuͤrde/ er haͤtte an der blossen Gutwilligkeit und angebohtenen Ehre uͤbrig gnug; jedoch/ wann er die Kuͤhnheit brauchen duͤrffte; wolte er umb die freye Wahl eines Geschenks bitten/ da es sonst zugleich mit der Fraͤulein Willen geschehen koͤnte. Der Stathalter haͤtte der Ant- wort gerne gelachet/ da er seiner Tochter braungefaͤrbeten Eyfer sahe/ der sich bald in eine bleiche verenderte/ und sie ihn schon von der Seiten sehr saursichtig anblickete/ ihr gaͤnz- lich einbildend/ Er wuͤrde wegen daß ihr Vater sie ihm angebohten/ wiedrige Gedanken jhrer Ehren und guten Leumuts geschoͤpffet/ und des Kauffs Reue bekommen haben. La- disla harrete inzwischen auff des Stathalters Einwilligung wegen seines anmuhtens/ welcher zu ihm sagete; Mein Herr/ er weiß ja ohn daß/ welche Freyheit ich ihm zugestellet/ nach seinem Willen zu fodern und zubegehren; daher mir nichts liebers seyn kan/ als wañ er sich dessen kuͤhnlich gebrauchen wuͤrde; weil ich aber befuͤrchten muß/ daß er umb ein so geringes anhalten moͤchte/ welches ohn meine Beschimpffung den nahmen eines Ge- schenks nicht haben koͤnte/ wird er mir verzeihen/ daß ich biß auff daß ergangene Anhei- schen/ die Einwilligung auffschiebe. Ich wil nicht hoffen/ antwortete er/ daß ich meinem Herren zuwieder etwas waͤhlen werde/ sondern meine Bitte reichet nur biß an daß koͤst- liche Kraͤnzlein/ welches mein Fraͤulein auff ihrer Hand traͤget/ und ich auff Einwilli- gung vor eine mehr als uͤberfluͤssige Belohnung meiner geringfuͤgigen Dienste rechnen wuͤrde; trat hiemit zu ihr hin/ in hoffnung/ den Kranz ohn Wegerung von ihr zu empfan- gen. Aber er ward heßlich betrogen; massen sie auff seine naͤherung zu ruͤk trat/ nnd mit veraͤchtlicher Rede sagete: O nein ihr falscher Ladisla/ ist es euch so ein geringes/ Goͤtter und Menschen zu taͤuschen/ und eine Kunst/ ein einfaͤltiges Fraͤulein auffzuzihen/ werdet ihr trauen von mir unwirdig geschaͤtzet/ die geringste Blume/ ich geschweige diesen Kranz zuerhalten. Der arme Ladisla erschrak uͤber ihren unfreundlichen Anblicken und sauerer Rede so hart/ daß ihm unmoͤglich wahr/ ein woͤrtlein vorzubringen/ oder einen Fuß aus der Stelle zusetzen; endlich fing er an: Nun nun mein Fraͤulein/ hat euer gehorsamster Knecht/ welches er doch nicht weiß/ sich an euch versuͤndiget/ so nehmet/ zur bezeugung seiner Unschuld diese letzte entschuldigung von ihm an. Er wolte weiter reden/ aber die Zunge versagete dem Willen weitern Gehorsam/ und suchte die Ohmacht das uͤbrige zu volstrecken; welches der Stathalter ersehend/ ihn bey dem Arme schuͤttelte/ und zu ihm sagte: Nicht also mein geliebter Herr/ nicht meiner Tochter Kranz/ sondern wer densel- ben/ weil es ihr Brautkranz ist/ von ihr begehret/ muß sie darzu nehmen; und zwar diese mei- Erstes Buch. meine liebste einige Tochter ist eben das Kleinot und Geschenk/ welches ich ihm zu lieffern willens bin/ und er mir solches/ ohn zweiffel auß Irtuhm und Unwissenheit außschlaͤget/ und nichts mehr als diesen elenden Kranz an ihre Stat fodert. Dieses nun brachte ihm eine so gelinge Verenderung/ daß er vor freuden sein selbst vergaß. O mein hochgeneigter Herr und Vater/ sagte er; ich verfluche meiner Jugend Tohrheit/ in dem ich unbedacht- samer Weyse mich eines dinges wegere/ daß mir lieber als meine Seele ist; kuͤssete ihm die Haͤnde aus grosser Liebe/ und fuhr also fort; Ich haͤtte nimmermehr gedacht/ daß so gros- se Hulde euer Vaterherz eingenommen/ die dieses volkommene Frl. mir zur Vergeltung wuͤrde folgen lassen; sonsten muͤste ich schandwirdig seyn/ wann ich mich hierzu solte las- sen bitten/ warumb ich so instaͤndige Ansuchung getahn; Es ist aber meine Vergnuͤgung viel groͤsser/ als daß ich sie mit Worten oder Geberden solte koͤnnen an den Tag geben/ da- her mein Herr und Vater keiner andern Danksagung gewaͤrtig seyn wolle/ als welche in steter Bereitwilligkeit stehet/ dessen Gebohten und Befehlen Tag und Nacht zugehorsamẽ/ als lange meine Seele in mir wird rege seyn. Geliebter Herr und Sohn/ antwortete er; mein Wort ist gesprochen/ weil ich in heimliche Erfahrung/ nicht ohn sonderbahre Her- zensfreude kommen bin/ daß mit dieser Vergeltung ich euch den angenehmsten Willen eꝛ- zeigen wuͤrde/ wie ihr dessen nicht allein wirdig seyd/ sondern ich auch erkennen muß/ daß jhr sie gedoppelt mit dem Schwerte gewonnen/ jhre Ehre und Leben gerettet/ und durch eure herrliche Tugend sie euch verbunden gemacht; daher mirs billich zum hoͤchsten Un- glimpf muͤste außgeleget werden/ wann ich sie seinem Willen eine Stunde vorenthielte; Ist demnach mein ganzer Vorsaz/ daß sie diesen Abend meinem Herrn Sohn ehelich ver- trauet und beygelegt werde/ welches die Goͤtter mir zur freude auf meinen Geburstag also schicken; und kan das Hochzeit Fest nach seinem belieben eꝛstes Tages folgen/ so bald Herꝛ Herkules voͤllig wird genesen seyn. Da ging nun Ladisla verliebte Seele in vollen spruͤn- gen/ als er hoͤrete/ daß er seiner Liebe den freyen Zaum duͤrffte schiessen lassen. Das Fraͤulein hatte sehr ungleiche Gedanken von ihm geschoͤpffet/ vernam aber nunmehr den Irtuhm/ und hermete sich uͤberauß sehr/ wegen der außgestossenen Reden/ daß sie weder jhren Vater noch Liebsten ansehen durffte. So hatte auch Ladisla das Herz nicht/ zu ihr hinzutreten/ biß der Vater zu ihm sagete: Ich weiß nicht/ Herr Sohn/ war- umb er anjetzo weniger/ als vorhin sich zu meiner Tochter nahet/ da sie doch schon seine ist? Worauff er antwortete: Seine Liebe waͤhre zwar im hoͤchsten Gipfel/ aber die Gluͤkselig- keit so groß/ daß sie von seinen Gedanken nicht koͤnte abgefasset werden. Ey/ sagte der Va- ter/ so wil ich durch meinen Abtrit euch Raum geben/ eure Gedanken recht zu samlen. Du aber/ sagte er zu der Tochter/ schicke dich auff eine gebuͤhrliche Abbitte/ deiner begangenen Grobheit; ging also davon/ und ließ H. Kornelius und H. Emilius mit ihren Gemahlen und Toͤchtern anfodern/ auff sein Geburts Tages-Fest in feyerlicher Kleidung zu erschei- nen/ wie sie darzu schon erbehten waͤhren. Nach seinem Abtrit umbfing Ladisla sein Fraͤu- lein gar lieblich/ und ruͤhmete sein Gluͤk/ daß er nunmehr die Freyheit haben wuͤrde/ sich an seiner Hochgeliebten zu ergetzen/ wiewol er nicht absehen koͤnte/ was vor Bewaͤgung den Vater zu so hoher Beguͤnstigung angetrieben haͤtte. Sie aber fing mit demuͤhtiger Rede an/ den begangenen frevel jhr nicht zu verargen/ dessen ursach er selbst erkennen wuͤrde/ er- O boht Erstes Buch. boht sich nach diesem zu allem Gehorsam/ als viel einem Gemahl zu leisten moͤglich waͤh- re/ und sagte hernach: Wir haben den Goͤttern hoch zu danken/ vor ihre uns erzeigete Gnade/ aber die jetzige freude ist mir vor einer Stunde dergestalt besalzen/ dz ich des schree- kens in einem Monat nicht vergessen werde/ angesehen ich mich dem Tode schon ergeben/ und den Halß dem Richtschwerte willig dargebohten hatte; erzaͤhlete hiemit kuͤrzlich/ wie der Vater mit ihr geberdet/ und nach Anzeige ihreꝛ Frau Mutter/ bloß allein zur straffe/ daß sie ohn der Eltern Vorwissen und Bewilligung so kuͤhn gewesen/ sich ehelich mit ihm zu versprechen. Ladisla klagete ihr sein uͤbergestandenes auch/ welches ohn zweifel jhm auß eben der Ursach begegnet waͤhre/ und er doch gerne verschmerzen wolte/ ungeachtet er dem Tode sich nie so aͤngstig als dißmahl ergeben haͤtte; aber/ sagte er/ diß sind gar zu traurige Gespraͤche/ und reimen sich nicht zu unser Wollust. Das Fraͤulein erinnerte ihn/ sie wuͤr- den vor dißmahl nicht lange zeit zum Gespraͤch haben/ sondern er wuͤrde sich gefallen las- sen/ die taͤglichen Kleider abzulegen/ weil ihre Verwanten sich bald zur Vermaͤhlung ein- stellen wuͤrden; daher er nach freundlich genommenem Abscheide hin zu Herkules ging/ und ihm seinen Zustand zuwissen taht/ der ihm Gluͤk und Gottes Segen darzu wuͤnschete. In zwischen waͤhlete er aus seinen vier Kleidern eines von Silberstuͤk gemacht/ daß er dem Fraͤulein moͤchte gleich gekleidet seyn; steckete einen langen schneweissen Federbusch auff den Huet/ an dem ein Kleinot in Gestalt eines Loͤuen der ein Schaͤfflein im Rachen trug/ gehefftet wahr. Das Feldzeichen/ in welchem er einen leichten verguͤldeten Degen trug/ wahr purpurfarbe/ mit schoͤnen morgenlaͤndischen Perlen hin und wieder als mit Traͤh- nen behefftet. Er legte auch eine koͤstliche Demant Kette umb den Huet/ und ein par Arm- baͤnder/ von gleicher Art umb die Arme; wickelte zwoͤlff stuͤcke der zierlichsten Kleinot in ein schneweisses seidenes Tuͤchlein/ und sendete sie dem Fraͤulein bey Tullius seinem Leib- knaben/ welche sie in Gegenwart ihrer Eltern empfing/ und sich saͤmptlich verwunderten/ daß ein umbschweiffender Ritter solche sachen bey sich fuͤhrete. Bald darauff stelleten sich die erbehtenen Anverwanten ein/ denen es fremde wahr/ daß in ihren besten Kleidern zu erscheinen sie ersuchet wahren. Der junge Fabius baht seine Schwester/ daß sie mit Frl. Ursulen auff ein Nebenge- mach gehen moͤchte/ woselbst er mit ihr absonderlich zureden haͤtte; Wie er dann folgen- der gestalt sich daselbst herauß ließ: Herzliebe Schwester/ wie hefftig mir deine heutige Angst zu Herzen gangen/ so hoch erfreue ich mich deines jetzigen Gluͤckes/ worauß ich die- ses zur Lehre fasse/ daß die Goͤtter uns Menschen wunderselten eine Vergnuͤgung goͤnnen/ bevor sie uns den bittern Leidensbecher zu trincken geben; wuͤnsche dir aber Gluͤk und den himlischen Segen zu deiner instehenden Heyraht/ und kan nicht umb hin/ dir meine biß- her verschwiegene Heimligkeit zu entdecken/ wie ich nunmehr in die zwey Jahr mit mei- nem herzgeliebten Fraͤulein gegenwaͤrtig/ in vertraulicher Liebe gelebet/ so daß wir nicht als durch den Tod moͤgen gescheiden werden; Wann du nun bey unfern Eltern durch deine Vorbitte erhalten koͤntest/ daß unser Beylager zugleich mit deinem fortginge muͤsten wir dir deßwegen hoͤchlich verpflichtet seyn. Frl. Sophia fahe ihre Wasen an uñ laͤchelte; wel- che Fabius Reden gerne geleugnet haͤtte; weil sie aber keine Zeit zum langen Gespraͤch uͤ- brig hatten/ bekam der Bruder die Verheissung von der Schwester/ sie wolte sein Beyla- ger Erstes Buch. ger ihr eben so hoch als ihr eigenes lassen angelegen seyn/ hoffete auch/ durch Ladisla Vor- bitte wol durchzudringen. Sie verfuͤgeten sich also wieder nach dem Saal/ gleich wie der Braͤutigam durch eine andere Tuͤhr hinein trat/ und der Stathalter jhn nach freundli- chem empfahen dem Fraͤulein zufuͤhrete; welches die anwesende nicht wenig befremdete/ aber durch des Stathalters Vorbringen bald unterrichtet wurden/ welcher also anfing: Geliebte Herren und Freunde; da sehet ihr den vor treflichen Ritter und Herꝛn/ Herꝛn La- disla/ dem zwar viel ein hoͤher Ehren Nahme zustehet/ welchen ich doch/ weil es ihm also ge- faͤllet/ gerne ungemeldet lasse. Dieser Herr/ was massen er meiner liebsten einigen Tochter Ehr und Leben gestern und heut geschuͤtzet/ ist niemand unter euch unwissend. Als ich nun gemerket/ daß eine bruͤnstige wiewol zuͤchtige Liebesflam̃e sich zwischen ihnen angezuͤndet/ daß sie lieber allein/ als in anderer Gegenwart mit einander schwatzen wollen/ und aber in meiner Jugend an mir selbst und meiner Pompejen erfahren/ daß wann die Vogel begin- nen zu nisten/ sie sich schon vergesellet haben/ und auff weiteres gedenken/ so habe ich das rahtsamste zu seyn gemeynet/ jhnen den Zweg umb so viel naͤher zu stecken/ damit allerhand Ungelegenheit und Verdacht moͤge abgewendet werden; bin demnach entschlossen/ ihnen diesen Abend das Beylager zu machen/ damit nicht morgen ein ander kom̃e/ der/ wie heut geschehen/ meiner Tochter halben des Lebens ohn werde/ oder es einem andern nehme. Was diesen Ritter und Herren betrifft/ dafern ich nicht wuͤste/ ihn meiner Tochter gnug wirdig zu seyn/ haͤtte ich ein so wichtiges Werck in langwieriges Bedenken gezogen/ ohn- geachtet er meine Tochter ihm selbst erstritten hat; Wollen demnach meine Herren und Freunde dieser Schleunigkeit sich nicht verwundern/ oder einige ungleiche Gedanken dar- auß schoͤpffen/ nach dem ich sie bey meinen Ehren versichern kan/ daß der H. Braͤutigam und die Braut dieses mein Vorhaben kaum vor anderthalb Stunden selbst erfahren. Die Anwesende gaben ihm recht/ nur daß H. Kornelius/ der ihm am naͤhesten stund/ ihm heimlich ins Ohr raunete; Er wuͤnschete von herzen Gluͤk und Heil zu der Heyraht/ haͤtte daran durch auß nichts zu tadeln/ wann es nur von andern im besten auffgenommen wuͤr- de/ daß man so geschwinde verfuͤhre/ und gleichwol fein stuͤnde/ daß man Herrn Ladisla ehe vor einen Freyer als Braͤutigam erkennete. Aber der Stathalter gab zur Antwort: Es hinderten ihn boͤser Leute Maͤuler nicht/ die viel zu geringe waͤhren/ seinen heiligen Vor- saz wanken zu machen. In dessen fing Ladisla also an: Hochmoͤgender Herr und Vater/ auch Gn. Fr. Mutter/ und saͤmtliche werte Herren/ Frauen/ Fraͤulein und Freunde: Das eigenwillige Gluͤk/ welches mir/ ungeachtet meiner Jugend/ manniche Tuͤk erwiesen/ hat sich heut so uͤbeꝛfluͤssig guͤnstig erzeigt/ dz ich alles vorige hiedurch tausendfach ersetzet halte/ indem es meinen Herrn Vater beredet/ das Durchleuchtige mit allen jungfraͤulichen Ga- ben und Tugenden außgezierte Fraͤulein/ seine herzvielgeliebte Frl. Tochter mir nicht al- lein zu versprechen/ sondern alsbald darauff an die eheliche Hand zu geben. Wie ich nun hiedurch den inniglichen Wunsch meiner Seele erhalten/ also befinde ich mich schuldig/ vorerst meinem Herr Vater und Fr. Mutter/ Dank und kindlichen Gehorsam/ meiner herzgeliebten Frl. Braut eheliche Traͤue und Ergebenheit; und der gesamten hochansehn- lichen Freundschafft/ gebuͤhrliche Ehre zu leisten. Weil aber solches in einem oder wenig Tagen von mir gebuͤhrlich nicht verrichtet werden kan/ bitte ich sehr/ mir die Zeit zu goͤn- O ij nen/ Erstes Buch. nen/ welche mein Gemuͤht allerwerts erzeigen/ und mich ihren nicht allerdinge unwirdigẽ Sohn/ Ehegemahl/ Schwager und Freund erweisen koͤnne. Der Stathalter antwortete: Geehrter Herr und Sohn/ es ist sein Gemuͤht und Wille uns durch eine solche Taht erzei- get und kund getahn/ daß man an dem kuͤnfftigen durchauß nicht zu zweifeln hat. Wir an unser seite erklaͤren uns hinwieder zu aller Elterlichen und Schwaͤgerlichen Freundschaft und Liebediensten/ hoffen daneben/ mein geliebtes Kind werde von uns dergestalt auffer- zogen und unterrichtet seyn/ daß sie jhren Herrn und Ehegemahl wird gebuͤhrlich zu ehren und lieben wissen/ wor zu sie nochmahls in Gegenwart dieser Gesellschafft ven mir vaͤter- lich ermahnet wird. Hierauff befahl er/ den Roͤmischen Vermaͤhlungs gebraͤuchen den Anfang zu machen. Aber die Braut trat hin zu ihrem Vater/ vorgebend/ ehe alles vorgin- ge/ haͤtte sie mit ihren lieben Eltern ingeheim zu reden/ wobey sie Herrn Ladisla/ auch H. Kornelius und dessen Ehegemahl als Zeugen erbaͤhte; und als ihr solches eingewilliget ward/ gingen sie in das naͤheste Gemach/ da sie also anfing: Herzgeliebete Eltern; es muͤ- ste mir sehr leid seyn/ daß nach meiner Verheyrahtung/ mein allerliebster und einiger Bru- der noch ferner im ledigen Stande leben/ und meiner Eltern Hoffnung/ wegen der nach- kommenden Fabier/ weiter außsetzen solte; moͤchte demnach von herzen wuͤnschen/ dz mei- ne Eltern seine Heyraht gleich diesen Abend mit fortsetzen wolten/ weil ich in gewisse Er- fahrung kommen bin/ daß er vor zweyen Jahren sich mit einem ehrlichen/ schoͤnen und sei- nes Standes gemaͤssen Fraͤulein verbunden/ auch vielleicht mit derselben schon weiter eingetreten ist/ als daß sie koͤñen getrennet werden/ daher dann auß fernerer Auffschiebung ihres oͤffentlichen Beylagers nichts als Ungelegenheit erfolgen moͤchte. Der Vater gab ihr zur Antwort: Ich merke wol/ nun dir geholffen ist/ wiltu deinem Bruder wieder helf- fen; Du solt aber gemach tuhn/ und nicht alles nach deinem Willen und Gefallen ordnen; oder meynestu etwa/ es wuͤrden auff zwo unterschiedliche Hochzeiten gar zu viel Kosten ge- hen/ und wilt demnach mit einem Feurzwo Stuben hitzen? nim du vor dißmahl dein gluͤ vorlieb/ und laß dir genuͤgen; ich werde Zeit nehmen/ mich hierauff zu bedenken. Ach Her- zen H. Vater/ sagte sie/ euer Verstand fodert so lange Bedenkzeit nicht/ welches an dieser meiner Heyraht gnug erscheinet; die andere Entschuldigung ist nur zum Scherze vorge- bracht. Kehrete sich hernach zu H. Kornelius und dessen Gemahl/ sie hoͤchlich bittend/ ihꝛ bey ihren Eltern zu huͤlffe zu kommen/ daß ihrem Bruder gerahten wuͤrde/ welches sie ne- ben ihn zu verschulden/ stets wolte geflissen seyn; Sie haͤtte zwar ihren Herrn und Braͤuti- gam mit herzu gebehten/ aber dessen Unterhandlung wolte sie zum lezten Stichblade behal- ten/ wann ihres Herrn Vettern Vorbitte nicht wuͤrde zureichen koͤnnen/ welches sie doch nicht meynen wolte; Daß sie aber ihr Vorsprach Amt desto kuͤhner auff sich nehmen koͤn- ten/ wolte sie ihren Glauben verpfaͤnden/ dz ein es des andern wert waͤhre. H. Kornelius gab ihr zur Antwort: Herzliebe Frl. Wase und Tochter/ ich bitte/ mich mit dieser anmuh- tung zu verschonen/ daß ich heimliche Verloͤbnissen/ so hinter den Eltern her geschehen/ billichen/ ja befodern solte; Ich habe nie dergleichen Winkelheyrahten gut geheissen/ bin auch noch nicht willens/ mich dabey gebrauchen zu lassen. Zwar euer H. Bruder ist ein Ritter und Kriegs Beampter/ der seine maͤnliche Jahr erreichet/ und mit gutem fuge sol- che Ehrensachen vornehmen/ auch seiner Eltern Meynung daruͤber hoͤren kan; aber dem Fraͤu- Erstes Buch. Fraͤulein halte ich sehr vor uͤbel/ daß dieselbe sich von ihm bereden lassen/ und nicht zuvor Nachforschung getahn/ ob seine Eltern auch einwilligen wuͤrden; Und da auch ihre Elteꝛn oder Anverwandten keine Wissenschafft drum haben/ waͤhre sie andern zum Beyspiel haꝛ- ter Straffe wirdig/ daß sie eurem Bruder/ wie eure Reden fast gehen/ sich so leicht gegoͤñet hat. Mein Herr Vetter/ antwortete sie; das Alter hat leider diesen gebrechen an sich/ daß es der Jugend Tohrheit nit erkennen kan/ welcher in den frischen Jahren/ alle jetzige graue Haͤupter sind unterworffen gewesen/ und nach ihrer festgegruͤndeten Weißheit/ die der Ju- gend doch nicht beywohnet/ alle Menschen wollen gerichtet haben. Mein Herr und Vet- ter rede doch/ bitte ich/ von meinem Bruder/ und seinem ganz geheimen Fraͤulein/ wie ihr euch dazumahl wuͤnschetet/ da ihr meine hochgeliebte Wase Fr. Fausten zum ersten mah- le mit Liebes-Augen anblicketet; alsdann werdet ihr diesen verliebten beyden/ viel eine bil- lichere Urtel sprechen; Wegert ihr euch aber ferner/ so wil ich meinen Liebsten bitten/ daß er solches an euch begehre/ dem ihr/ in betrachtung seiner geleisteten Dienste/ es nicht wer- det abschlagen koͤñen. Frl. Wase/ sagte er hierauf, Ihr duͤrfftet auf solche weise alles leicht erhalten/ was euch geluͤstet/ und uns zu leisten moͤglich waͤhre; aber ist eures H. Vaters Sinn dadurch schon erstritten? doch wil ich euch endlich zu willen seyn; fing damit an/ dem Stathalter zu gemuͤhte zufuͤhren/ was vor Unraht aus verzoͤgerung dieser Heyraht entstehen koͤnte/ die allem ansehen nach schwerlich wuͤrde zu hintertreiben seyn/ in Betrach- tung/ daß sein Sohn schon in Roͤmischen Diensten waͤhre/ und seines willens geleben koͤn- te/ ob gleich die Eltern Hinderung machen wolten/ insonderheit/ weil seine Tochter diesen Grund setzete/ daß er ein Standes maͤssiges Fraͤulein liebete. Fr. Fausta kam mit darzu/ und redete das beste zur Sache; es haͤtten sich wol ehe junge Leute hinter der Eltern Wis- sen eingelassen/ und eine gute Ehe gehabt. Der Stathalter merkete seiner Tochter Auff- zug/ dessen er gleichwol gewiß seyn wolte/ und fragete sie/ ob seinem heutigen Befehl gelebet waͤhre; und als sie sich keines Befehls zuerinnern wnste/ rief er sie absonderlich/ und sagte zu jhr: Offenbahre mir mit wenigem/ ob du nicht von Fraͤulein Ursulen redest. Ja Herr Vater/ sagte sie; aber ich bitte kindlich/ euren vaͤterlichen Willen drein zu geben; sonst hat mein Bruder mirs etwa vor einer Viertelstunde geoffenbahret/ und mich zu dieser Unter- handlung vermocht. Gnug/ sagte der Vater/ ich habe diese Heyraht selbst vorgehabt. Sie traten wieder hin zu der andern Geselschafft/ und gab der Vater Herrn Kornelius diese Antwort: Es befremdet mich eure Vorbilte in etwas/ weil ihr von dieser Sache redet/ als muͤste ich nohtwendig einwilligen/ und euch die vermeynte Braut gnug bekant waͤhre; Werdet demnach mir dieselbe auch nennen/ daß ich mich zuerklaͤren wisse. Dieses Ver- dachtes antwortete er/ befahrete ich mich gleich anfangs/ und ist mir leid/ daß ich meiner Frl. Wasen gehorsamet; kan aber bey meinen Ehren erhalten/ daß ich von der angemelde- ten Braut nicht das geringste weiß. Der Stathalter fragete sein Gemahl: Was gebet ihꝛ aber vor eine Stimme? koͤnnet ihr ein Fraͤulein zur Tochter annehmen/ ehe ihr sie kennet? Mein Raht ist der geringste/ antwortete sie/ doch waͤhre sie ein solches Fraͤulein/ wie mein Kind sie beschreibet/ und sie unserm Sohn gefiele/ der verhoffentlich keine unwirdige zum Gemahl außsehen wird/ muͤste ich mirs mit gefallen lassen. Ich aber nicht also/ sagte der Vater/ sondern wil zuvor etwas mehr drumb wissen/ und zwar/ ob sie unter andern auch von guten Mitteln sey/ welches ich mir nicht einbilden kan. Zwar vor sich/ sagte Frl. So- O iij phia/ Erstes Buch. phia/ hat sie einen gar geringen Brautschaz/ aber ich hoffe Herrn Kornelius zuerbitten/ daß er seine milde Hand aufftuhe/ und als ihr Unterhaͤndler ein par Tonnen Schatzes zu- schisse/ weil er grosses Vermoͤgens ist/ und nur eine einzige Tochter hat. Nein geliebte Wase/ antwortete er; daß wird Kornelius wol nicht tuhn/ welcher mit dieser Anmuh- tung wil verschonet seyn. Ey/ sagte das Fraͤulein; die Braut ist dem Herrn Vetter ver- wand/ drumb wird er ihr seine Huͤlffe nicht so gar versagen. Verwand? sagte er; daß ist kein ander Mensch/ als Kajus Salvius Tochter/ die springfuͤssige Agnes. O du leichtfer- tiges Tihrichen/ hastu schon zwey Jahr her dich der Liebe beflissen/ und bist kaum XVI Jahꝛ alt? ich habe nicht ersinnen koͤnnen/ worauff dein Vater und du so pochest in der aͤussersten Armut/ so ists dieses/ daß ihr Herren Fabius und Kornelius guͤter miteinander verpras- sen wollet? aber geliebte Wase/ wer hat doch euren Bruder an dtese Heyraht gebracht? zwar unehrliches weis ich nicht von ihr/ ist auch schoͤn genug und gutes Standes/ aber wie wird man doch ihren auffgeblasenen Geist vergnuͤgen koͤnnen? Ach mein H. Vetter/ sagte sie/ mein Bruder ist des viel zuwitzig/ mit diesem Fraͤulein sich einzulassen; Aber H. Vater/ wann ihr nun an dem Fraͤulein nichts zu tadeln wuͤstet/ und ihre Eltern auch ein- willigten/ koͤnte es dann nicht alsbald fortgesetzet werden? Der Vater antwortete; tadele ich sonst nichts an ihr/ so tadele ich doch mit H. Kornelius/ daß sie ohn ihrer Eltern Vor- wissen sich meinem Sohn weiter/ als einer Fraͤulein gebuͤhret/ gegoͤnnet hat; doch wil ich mich vaͤterlich heraus lassen/ wann du mir das Fraͤulein nunmehr nennen wirst. Ich be- danke mich kindlich der genehmen Antwort/ sagte sie/ und muß gar ein Wunderding seyn/ daß meine geliebte Eltern meines Herrn Braͤutigams und meine Liebe/ so zurechnen/ im Augenblik außgespuͤret/ aber durchaus nicht merken koͤnnen/ daß mein Bruder nicht ohn Ursach abends spaͤt und morgens fruͤh/ zwey ganzer Jahr her/ wann er daheim gewesen/ sein geliebtes wirdiges Fraͤulein/ meine herzallerliebste Schwester/ Frl. Ursul Korneliin besuchet hat. Kornelius und Fausta erschraken/ daß ihnen die Sprache verging/ und als sie sich erhohlet hatten/ draͤueten sie der guten Tochter/ weiß nicht was vor laͤcherliche Straffen/ welches sie mit sonderlichem Ernste vorbrachtẽ/ und die Anwesende sich dessen wol zulacheten; biß der Stathalter sagete: Wie nun Schwager Kornelius/ ist meine Tochter Ursul noch eine solche/ bey welcher ihr eurem taͤglichen Vorgeben nach/ so gar keine eheliche Begierde merken koͤnnet/ daß ihr euch befuͤrchtet/ sie habe sich etwa unser Vesten verlobet? gewißlich hat mein Kind euch jezt redlich vergolten/ was ihr mir vorhin ins Ohr raunetet. Aber daß wir zur Sache schreiten/ hoffe ich ja/ mein lieber Sohn habe bißher sich also verhalten/ daß er dem Roͤmischen Adel und seiner Freundschafft kein Schandflek sey; und gelebe daher der Zuversicht/ ihr werdet meiner Bitte Plaz geben/ und euch unser Kinder Heyraht gefallen lassen/ mit welcher mein Gemuͤht uͤber ein Jahr schon umbgangen ist/ und ich daher auff ihr tuhn und lassen so viel weniger acht gegeben. Kornelius antwortete: Hochwerter Herr Schwager; ich bedanke mich der hohen Ge- wogenheit gegen mich und meine Tochter/ und weil ich mir einen liebern Sohn nicht wuͤnschen kan/ stelle ichs zu seinen Haͤnden/ und vermache dem Braͤutigam zur Heimsteur die Helffte aller meiner liegenden und fahrenden Haabe/ und nach meinem Tode das uͤ- brige alles. So recht mein Herr Vetter/ sagte Frl. Sophia/ ich wuste vorhin wol/ daß ihr dem Erstes Buch. dem Fraͤulein die Außsteur nicht versagen wuͤrdet. Also wahr dieser Kauff geschlossen/ und wurden die junge Leute nach Roͤmischem Gebrauch ehelich vermaͤhlet. Bey der Abend- mahlzeit gingen allerhand kurzweilige Unterredungen vor/ da Frl. Ursul sich rechtschaffen leiden muste; dann Frl. Sophia/ umb ein Gelaͤchter zu machen/ sagte zu ihr: Herzliebe Schwester/ ihr meynet nun aller Gefahr entrunnen seyn/ weil ihr mit eurem Liebsten ver- maͤhlet seyd/ aber die euch von den Eltern angedraͤuete Straffen werden euch den Kitzel rechtschaffen vertreiben/ massen euer H. Vater euch frische Ruhten gebunden/ und die unbarmherzige Mutter euch in die finstere Kammer sperren wil/ daß euch in vier Wochen kein Tagesliecht bescheinen sol; den Brodkorb wird sie euch so hoch haͤngen/ daß ihr taͤg- lich nur einmahl essen/ und die ganze Zeit uͤber das klare Wasser trinken/ auch kein weiß leinen Geraͤhte anlegen sollet. Was gebet ihr mir nun/ daß ich meinen Bruder bitte/ euch in der Finsterniß Geselschafft zu leisten? Ich kenne ohn das euer furchtsames Herz/ und daß ihr vor grauen in der Einsamkeit wuͤrdet muͤssen des Todes seyn. Frl. Ursul hatte ei- nen breiten Ruͤcken/ achtete des Gespoͤttes und entstandenen Gelaͤchters nicht groß/ son- dern gab mit hoͤflicher Antwort so viel zu verstehen/ daß sie ihr Gluͤk und Heil zu verschlaf- fen nicht waͤhre gesinnet gewesen; dann/ sagte sie/ meine Fr. Mutter haͤtte mein sechzig- stes Jahr abgewartet/ ehe sie mir von heyrahten das allergeringste gesaget. Muß ich nun die Schuld tragen? antwortete ihre Mutter/ die etwas einfaͤltig wahr; hastu dich doch kein mahl nicht verlauten lassen/ daß du zu heyrahten willens waͤhrest; Welches noch vor das kurzweiligste auffgenommen ward/ und der Stathalter es also beantwortete: So hat mein Sohn wol getahn/ daß wie er der Mutter verseumniß/ und der Tochter Bloͤdigkeit verspuͤret/ er durch seine gutwillige Anbietung nicht allein den Mutterplatz vertreten/ son- dern auch der Tochter Ansuchen zuvor kommen ist; gleich wie aber H. Kornelius und sein Gemahl sich heut als Vorbitter meines Sohns haben gebrauchen lassen; also wil ich hin- wiederumb mich ihrer Frl. Tochter annehmen/ und die scharffen Ruhten und stokfinstere Kammter von ihr abzuwenden/ gefliessen seyn. Nach abgehobenen Speisen erklang das Seitenspiel in drey unterschiedlichen Ver- teilungen/ und fehlete nichts bey dieser Lust/ als Herkules Gegenwart/ umb dessen Abwe- senheit Frl. Helena sehr traurig wahr/ weil sie sahe/ daß ihre Gespielen den Zweg ihres Wunsches erreichet/ sie aber ohn allen Trost in ihrem verborgenen Feur sich selbst verzeh- ren muste. Hingegen wahr Frl. Sophia so voller Lust/ daß sie meynete/ alles Ungluͤk waͤhre nun uͤberwunden/ und haͤtte niemand mehr Ursach traurig zu seyn; doch wahr Helenen Unmuht ihr unverborgen/ welchen zu vertreiben sie schon alle gedanken anwendete; setzete sich vor dißmahl zu ihr nieder/ und fragete nach der Ursach ihrer schwermuͤhtigen Trau- rigkeit/ ob derselben nicht raht zu schaffen waͤhre. Diese/ nachdem sie einen tieffen Seuffzer aus dem verborgenstẽ ihres Herzen her vorgesucht/ gab zur Antwort: Ach herz- liebe Schwester/ die Ursach meiner Traurigkeit ist wichtiger/ als daß ihr durch andere Mittel ohn durch den Tod solte koͤnnen abgeholffen werden; Bitte deßwegen/ dieser Nach- frage euch zubegeben/ und meine Bekuͤmmernis ungestoͤret zulassen. Ey daß waͤhre Wun- der/ sagte Sophia/ daß mein Vermoͤgen so schlecht/ undener Ubel so unheilbar seyn solte; lasset mich/ bitte ich/ euer Anliegen wissen/ vielleicht habe ich noch ein Kunststuͤkchen in meinem Erstes Buch. meinem Arzney Buche/ dessen ihr mir zudanken haͤttet. Ach nein/ antwortete sie; Unmoͤg- ligkeit ist viel zuschwer; eure Arzneykunst mit allen ihren Kraͤutern und Wurzeln reichet noch lange nicht so weit. Es kan seyn/ sagte jene/ daß mein Vermoͤgen geringe ist/ aber der Wille sol mir nimmer mangeln/ euch zu dienen; und wann ihr mirs nicht vor uͤbel hieltet/ wolte ich euer Gebrechẽ noch wol errahten. So muͤstet ihr/ antwortete diese/ sehr gescheid seyn/ wann ihr wissen koͤntet/ was ich meinem Herzen selbst nicht offenbahren darff. Da- her erkenne ichs desto leichter/ sagte Frl. Sophia; und hoͤret nur die rechte reine War- heit; ihr liebet/ ja ihr liebet was vortreffliches. Ja sagte jene/ den Himmel liebe ich/ oder vielmehr den allerschoͤnsten Stern des Himmels/ die mit aller klar- und Volkommenheit angefuͤllete Sonne; diese behte ich in meinem Herzen an/ und verehre sie mit unablaͤssi- gem Seuffzen. Ach nein/ antwortete diese; es ist die Sonne nicht; es ist ein vortrefflicher mit aller Tugend und Schoͤnheit hochbegabter Ritter; der hat euer Herz eingenommen/ mit den Strahlen seiner Volkom̃enheit mit dem Schein seiner unvergleichlichen Strah- len. Wie entsetzet ihr euch so/ herzliebe Schwester? was wil die Verenderung eurer Far- be? habe ich euch am rechten Orte getroffen/ so leugnet mirs nicht/ daß ich Raht schaffe; wonicht/ so verzeihet meinem wolgemeinten Irthum. O weit weit gefehlet/ herzliebe Schwester/ antwortete sie; Mannes Liebe hat bißher mein Herz wol muͤssen unbelaͤstiget lassen/ an welcher ich mir nichts anmuhtiges einbilden kan. Nein o nein du gifftige Tod- seuche/ dich wil ich gerne meiden; und was solte mir Mannes Joch? O die Freiheit die Freiheit ist der Knechtschafft weit weit vorzuzihen; jezt lebe ich meines gefallens; jezt ste- he ich auff und lege mich nieder/ wie und wann ich wil. Solte ich mich binden lassen/ da mir aller Wille vergoͤnnet ist? diesen Unsin wird mir kein Mensch beybringen; Frl. So- phia mag immerhin sich unter das Joch zwingen lassen; Helena wil ihr eigen Herr seyn und bleiben. Verschonet mich deßwegen herzen Schwester mit dieser Aufflage/ und ver- sichert euch/ daß Helena viel witziger ist/ als daß sie muhtwillig ins Feuer lauffen/ oder sich ins Meer stuͤrzen wolte. O Schwester Schwester/ sagte Sophia hierauff; wie kan doch das Herz der Zungen solchen Muhtwillen uͤbersehen/ daß sie wieder Wissen und Gewissen reden darff? bedenket/ bitte ich/ wie offt ich und andere an euch dieses Laster gestraffet/ daß ihr stets widrige Gedanken und reden fuͤhret. Meine Last wil ich mit der Goͤtter Huͤlffe noch wol tragen/ koͤnte auch vielleicht helffen/ daß eure Seele eben so wol befriediget wuͤr- de; aber wer seine Krankheit halßstarrig verhehlet/ dem kan nimmermehr geholffen wer- den. Sie wolte mit dieser Verweißrede fortfahren/ ward aber von Ladisla zum Tanze aus- gefodert/ nach dessen endigung sie ihm anzeigete/ wie verliebet Frl. Helena sich gegen Her- kules befuͤnde/ und es gleichwol aus Scham nicht gestehen duͤrffte; dessen er nicht wenig betruͤbt ward/ und sie nach kurzem Bedenken fleissig baht/ ihr diese Gedanken zubenehmen/ dann es wuͤde zu keiner Wirkung gelangen/ massen ein wichtiges (er verstund aber sein Christentuhm) im wege laͤge/ welches solche Heyraht nicht zulassen wuͤrde. Worauff sie auch ihr Vorh aben enderte/ und doch groß Mitleyden mit dem Fraͤulein hatte. Als nun die Zeit zur Ruhe verhanden wahr/ wurden die neuen Eheleute zu Bette gefuͤhret/ da La- disla den mehrenteil der Nacht mit seinem Fraͤulein in freundlichem Gespraͤch zubrachte/ biß sie gegen den Morgen einschlieffen. Umb sieben Uhr/ da die Sonne ihre helle Strahlen auff Erstes Buch. auff ihr Bette warff/ ermunterten sie sich/ und wahren mit diesem Himmes Lichte nicht aller dinge zufrieden/ das es nicht etwas laͤnger mit seinem Anbruch verweilete; stunden auff/ und nahmen ihre Kleider zuꝛ Hand/ da das Fraͤulein einen zierlich geschriebenẽ Brief unter ihrem Brusttuche fand/ welchen sie oͤffnete/ und folgendes Hochzeit Geticht laut dar- aus her lase: Herzlicher Gluͤckes-Wunsch An Fraͤulein Sophia Fabia. 1 O Fraͤulein! deren Tugendschein So wenig kan verborgen seyn/ Als im Mittage Sonnenstrahlen/ Wann alle Lufft ist Wolken-loß/ Und sich daß Himmel blau laͤst bloß Ohn alle schwarze Striemen mahlen. 2 O Fraͤulein! euren klugen Wiz/ Der seinen unverruͤkten Siz In euer Seel’ hat wollen waͤhlen/ Kan mein geringes Reimgeticht In dieser Sterbligkeit gar nicht Nach wirdiger Gebuͤhr erzaͤhlen. 3 Ja wann des Gluͤckes falscher Neid Von eurem Leben sich so weit Abhielt’/ als Tugenden beywohnen; Dan wuͤrd euch diese grosse Welt/ Und was darin sich Erbar haͤlt/ Mit allen Gluͤckes Gaben lohnen. 4 Euer’ allerschoͤnsten Augelein/ Die wol zwo klare Sonnen seyn/ Der Rosen-Mund/ die vollen Wagen/ Des wolgeschaffnen Leibes Zier Bricht alles dergestalt herfuͤr/ Daß ichs und keiner wird ablangen. 5 Wann euer suͤsses Zuͤnglein spricht/ Schafft sie/ daß Feindes wuͤten bricht/ Sie kan die Helden niderschmeissen; Sie kan dem schwarzen Zornes Grim Und allem groben Ungestuͤm Die Waffen auß den Haͤnden reissen. 6 Gluͤkselig lebet dieser Held/ Dem eure Gunst wird zugestelt/ Dem ihr euch ehlich habt ergeben; Ich spreche/ daß derselbe Mann Ihm besser Gluͤk nicht wuͤnschen kan/ Wie hoch ihn Ehr auch mag erheben. 7 Mein teurer Wunsch ist diß allein/ Daß ihr moͤgt beyde froͤlich seyn/ Als lang in euch das Blut kan wehren; Was aber eurer Tugendpracht Betrifft/ weiß ich/ daß keine Macht Des Alters solche wird verzehren. Das Fraͤulein lobete der Reimen (dann sie wahren in Lateinischer Sprache geschrieben) Anmuhtigkeit/ aber der Juhalt/ sagte sie/ ist auff eine viel volkommenere angesehen; halte mich doch diesem Tichter hoch verpflichtet seyn/ daß er mich so wol unterrichtet/ wie ich ge- artet seyn muͤste/ wann ich seines Lobes faͤhig/ und euer Liebe/ mein Schaz/ wirdig seyn wol- te. Aber ich kan nicht wissen/ auff was weise dieser Brief mir hieher geliefertist/ es waͤhre dann/ daß meine Leibdienerin ihn schon gestern Abend mit den Kleidern herein getragen haͤtte. Ladisla besahe die Hand gar eigen/ kunte aber nichts darauß erkennen/ und erboht sich/ da er den Tichter erfahren wuͤrde/ ihm die Kunst und Muͤhe mit ein paar hundert Kru- nen zu ersetzen; Dann/ sagte er/ ob die Arbeit sich gleich gering ansehen laͤsset/ auch der Meister es in weniger Zeit mag auffgesetzet haben/ ist doch zubetrachten/ wie lange Zeit/ Kosten und fleiß er angewendet/ ehe er zu dieser fertigkeit kommen ist. Als sie nun ihre Kleider gar angelegt hatten/ und Ladisla den Huet auffsetzen wolte/ fiel ihm eine gleichmaͤs- sige Schrifft herauß/ welche er auffhuhb/ und dem Fraͤulein vorlase. P Herzli- Erstes Buch. Herzlicher Gluͤckes-Wunsch An Herꝛn Ladisla. 1 W Ann sich Gluͤk uns wil verbinden/ Muͤssen wir in Straͤuchen auch Unsers Herzen Labsaal finden. Seht Herr Braͤutigam/ der Rauch Der Euch gestern angewehet/ Ist in lauter Lust verdrehet. 2 Eures festen Herzen Staͤrke Traͤget euch zur Weißheit hin/ (Sophia heisset Weißheit) Deren Tugend/ wie ich merke/ Euren unbestritnen Sin Ihr ganz eigen hat gemachet/ Dessen ihr vor Freuden lachet. 3 Wann der schoͤnen Weißheit Flammen Und ein ungezwungner Muht Sich ohn arge List zusammen Halten/ muß des Unfals Wuht Seinen Neid vergeblich tragen/ Und sich durch sich selber schlagen. 4 Ladisla Eur blanker Degen Welchen ihr so herzhafft fuͤhrt/ Hat der Weißheit Gunst und Segen/ Wie ein jeder gnugsam spuͤrt/ Durch die Tugend eurer Sitten Im Pusch und Gehoͤlz’ erstritten. 5 Jezt geniest ihr aller Luͤste/ Welche Weißheit schaffen kan/ Ihre nimmer-leere Bruͤste Naͤhren euch jezt umb und an/ Die durch ihrer Milch außfliessen Eur Herz durch und durch begiessen. 6 Nehmet es zu gutem Danke/ Daß die Weißheit Euch so wol Ist gewogen; Wann der Kranke Wird genesen; alsdann sol Seine Stimm’ und Lautenklingen Euer Gluͤk noch mehr besingen. Nach verlesung lachete Ladisla vor freuden und sagete: Hoͤret ihr den Tichter/ herzgelieb- ter Schaz/ den kranken Tichter nicht? kein Mensch als mein bester Herkules hat diese Rei- men auffgesezt/ und durch einen fremden abschreiben lassẽ? dann seine Art ist mir ohn daß mehr als zuwol bekant; hat auch ohnzweiffel sie in allerstille herein geschafft/ da mein Tul- lius gestern Abend mir das Kleid nachbrachte. Ey so muͤssen wir den allerliebsten Freund in seiner Schwacheit besuchen/ und ihm vor diese Ehre gebuͤhrlich danken/ sagte sie; gin- gen mit einander hin/ und funden den Stathalter schon bey ihm vor dem Bette sitzen/ und die beyden Aerzte zur Seite stehen/ die nach auffgeloͤsetem Schaden guten Trost gaben/ daß inwendig zehen Tagen er voͤllig solte genesen/ dafern er sich nicht mit schwermuͤhtigen Gedanken plagen/ sondern der Heilung in ungestoͤreter Ruhe auff seinem Lager fein ab- warten wuͤrde; welches ihnen allen sehr angenehm zu hoͤren wahr. Der junge Fabius kam auch zu ihnen/ und als sie ingesamt von ihm Abscheid nahmen/ baht er Ladisla und den jun- gen Fabius/ ihm noch ein Stuͤndichen Geselschafft zutuhn/ worzu sie willig wahren. Nun hatte ihm der Stathalter des vorigen tages auff sein Begehren etliche Buͤcheꝛ zustellen lassen/ vor die lange Weile darin zulesen/ unter welchen des Plinius Schrifften wahren von der Welt Geschichten; aus dessen andern Buche hatte Herkules die Gottes- laͤsterlichen Worte angemerket/ welche er fuͤhret von Gottes Allmacht/ die er außdruͤklich leugnet. Es fielen ihm gleich dazumahl solche laͤsterungen ein/ schlug den Ort auf/ und gab ihn Ladisla zu lesen/ mit Bitte/ ihm ungescheuet zu sagen/ was er von dieses hochgelahrten Mannes meynung hielte. Dieser nahm das Buch/ und lase diese Worte laut uñ deutlich: Die vornehmesten Troͤstungen der Unvolkommenheit am Menschen sind diese: daß auch Gott selbst nicht alles koͤnne; dann er kan ihm selbst den Tod nicht antuhn/ ob er gleich wolte/ welches er doch dem Menschen als sein bestes/ in den so grossen Lebensstraffen mitgeteilet hat. Daß er auch nicht koͤnne die Sterblichen mit der Ewigkeit begaben/ noch die Verstorbenen wieder zum Leben hervor ruffen; noch machen/ Erstes Buch. machen/ daß der gelebet hat/ nicht solte gelebet haben/ der Ehrenaͤmpter verwaltet hat/ sie nicht solte verwaltet haben. Habe auch uͤber vergangene Dinge kein Recht/ als das Recht der Vergessenheit; koͤnne endlich auch nicht machen/ daß zweymahl zehne nicht zwanzig waͤhren. Nach verlesung bedachte er sich ein wenig/ und bald darauff sagete er: Gilt Bruder/ dieser hochgelehrte Man wird dich in die Schule fuͤhren/ und dir deinen Glauben (er re- dete aber Boͤmisch/ daß Fabius es nicht verstehen solte) zur Tohrheit machen; massen ich mit aller meiner Vernunfft nicht begreiffen kan/ wie dieses zu wiederlegẽ sey. Lieber Bru- der/ antwortete er auff Lateinisch/ es ist mir lieb/ daß du mir deine Blindheit fein gerade zu bekennest/ und mit diesem Laͤsterer Gottes Allmacht in zweiffel zuzihen gestehest/ welches mir doch nicht lieb ist. Aber Herr Fabius/ was haltet ihr von dieser Meynung? Ich halte meine Urtel hieselbst billig zuruͤk/ sagte er/ weil es uͤber meinen Verstand gehet/ habe auch wol ehemahls etliche davon reden hoͤren/ die am Ende ihres Gespraͤchs weniger wusten/ als im Anfange. Sie sind darin zuentschuldigen gewesen/ sagte Herkules; Ursach; sie ha- ben den Felsen nicht erkennet/ auff welchem Gottes Almacht unbewaͤglich gegruͤndet ist/ und wider das toben dieses wuͤtigen Hundes auch wol in Ewigkeit fest bleiben wird. Ich wuͤrde mich vor gluͤkselig schaͤtzen/ sagte Fabius/ wann ich dieses Felsens Erkaͤntniß haͤtte/ und des Plinius angefuͤhrte Worte auß dem Grunde zuwiderlegen wuͤste. Mein Herr/ antwortete er; Er gebrauche sich nur der gesunden Vernunfft/ so wird er beydes die un- gezweifelte Allmacht Gottes erkennen/ und des Plinius kindische/ ja viehische Einwuͤrffe mit leichter Muͤhe umstossen. Weil sie nun beyde von jhm gute Anleitung hierzu begehre- ten/ fing er also an: Demnach der Mensch auß dem grossen Weltbuche sehen und lernen kan/ daß ein Gott sey/ und nohtwendig ein Gott seyn muͤsse/ so wird er zugleich auch daher erkennen/ die Allmacht Gottes des HErꝛn/ als des grossen Schoͤpffers/ oder nur Erhal- ters der Welt. Ja besinnen wir uns ein wenig/ so gibt uns die Vernunfft alsbald an die Hand/ daß Gott ein Allmaͤchtiges Wesen sey. Dann solte es ihm an einiger Krafft oder Macht mangeln/ so wuͤrde er nicht Gott/ das ist/ er wuͤrde nicht der kraͤfftigste noch mach- tigste seyn/ sondern einen noch kraͤfftigern und maͤchtigern uͤbeꝛ sich haben/ und also waͤhꝛe er nicht Gott/ dann uͤber Gott kan und muß nichts seyn. Wer dann nun erkennet/ dz Gott Gott ist/ der sihet und erkeñet zugleich/ daß er allmaͤchtig ist/ und alles tuhn kan/ was er wil/ im Himmel/ auff Erden/ im Meer und in allen Tieffen; ja daß durchaus kein ding bey ihm unmoͤglich ist. Dann also schleust unsere Vernunfft ohn Anstoß und Zweifel/ da sie rich- tig zugehet. Alle vernuͤnfftige Heyden haben einen Gott geglaͤubet/ und die denselben ge- glaͤubet haben/ die habẽ ihm zugleich auch die Allmacht zugelegt; Daher spricht Homerus ( Odys. XIV. ) Gott kan alles. Und was ist bey den Lateinischen Tichtern/ Virgilius/ Hora- tius/ Ovidius und andern mehr/ gebraͤuchlicher/ als eben ihr Jupiter omnipotens, daß sie jh- ren hoͤchsten Gott den Allmaͤchtigen nennen? Zizero bekennet Gottes Allmacht mit klaren Worten/ wann er im dritten Buch von der Goͤtter Art spricht: Nichts ist/ das Gott nicht sol- te tuhn koͤnnen/ und zwar ohn alle Muͤhe. Der uhr alte Linus/ des Orpheus Lehrmeister hat sol- ches mit diesen Worten gestanden: Gotte ist alles leicht zu tuhn/ und nichts ist ihm unmoͤglich. O ja/ wer nur das einige Geschoͤpff Gottes/ das unvergleichliche Sonnenliecht ansihet uñ betrachtet/ muß sich freylich uͤber des Schoͤpffers Allmacht zum hoͤchsten verwundern. P ij Die Erstes Buch. Die Himmelsverstaͤndige haben durch ihre Rechnung abgemaͤssen/ daß die Sonnenkugel CLXVI mahl groͤsser/ als die ganze Meer- und Erdenkugel ist. Hat nun die Erde in ihrem Umkreiß 5400 Teutsche Meilen/ so muß ja die Sonnenkugel in ihrem Umkreiß 896400 Teutscher Meilen haben; welches zwar den Ungelehrten allerdinge unglaͤublich vorkomn weil sie ihnen/ dem ansehen nach kaum so groß als eine Klaffter scheinet; aber wer da be- trachtet ihre sehr weit abgelegene Hoͤhe von der Erden/ als von deren mitteltippelichen sie 1039500/ das ist/ tausend mahl tausend/ neun und dreyssig tausend und fuͤnffhundert Meilen entfernet ist/ der wird ihm der Sonnen Groͤsse nicht unmoͤglich vorkommen las- sen. Bey welcher Groͤsse/ wann wir zugleich ihren schnellen Lauff erwaͤgen/ haben wir wol ursach mit dem weisen Juͤdischen Lehrer Syrach zu sprechen: Das muß ein grosser HErr seyn/ der sie gemacht hat/ und hat sie heissen so schnell lauffen. Doch zu unfem Zweg naͤ- her zu zielen/ wann wir Gottes Allmacht eigentlich erkennen wollen/ muͤssen wir zuvor wis- sen und verstehen/ was Allmaͤchtig sey und heisse. Allmaͤchtig seyn/ heisset nicht/ beydes das gute und boͤse verrichten koͤnnen. Allmaͤchtig seyn/ heisset nicht/ sich selbst nicht allein erhal- ten/ sondern auch verderben und vernichten koͤnnen. Allmaͤchtig seyn/ heisset nicht/ die ewi- ge/ bey Gott selbst bestehende/ und dem Geschoͤpff nach seiner masse mitgeteilete wesentli- che Warheit auffheben; oder daß ichs kurz sage/ was einmahl wahr gewesen ist/ zu falsch und Luͤgen machen koͤnnen. Massen/ wer boͤses tuhn kan/ der ist nicht allerdinge Gut/ viel- weniger wird er Gott seyn. Verstoͤrete er dann sein Wesen/ so waͤhre er nichts mehr. Lei- stete er aber das lezte/ so machte er falsch/ was er zuvor selbst wahr gemacht hat/ uñ suͤndig- te also wider sich selbst. Was heisset dann/ Allmaͤchtig seyn? Gutes/ und lauter gutes/ auch alles gute/ nichts aber wider sich selbst tuhn koͤnnen/ und zugleich von aller Zuneigung uñ Gefahr des boͤsen/ des Schaden/ der Suͤnde/ und des Verderbens aller Dinge/ und durch sich selbst befreyet seyn. Sehet/ das heisset Allmaͤchtig seyn. Haͤtte nun der in diesem Stuͤk unverstaͤndige Plinius diesem etwas besseꝛ nach gedacht/ wuͤrde er/ in Veꝛleugnung der Allmacht Gottes seinen mehr als kindischen Unverstand nicht mit eigener Feder ver- rahten haben. Betrachten wir aber seine obangezogene Worte/ so ist dabey anzumer- ken/ daß er sie in dieser Andacht vortraͤget/ umb zu behaͤupten/ daß Gott nicht ein selbstaͤndi- ges Wesen ausser der Welt/ sondern eben die Krafft sey/ die im Wesen/ oder (wie die Ge- lehrten reden) in der Natur Himmels/ Erden und anderer Geschoͤpffen ist und stecket/ wie er solches außdruͤklich hinzusetzet. Aber O der verwaͤgenen/ O der blinden Tohrheit. Hier muß trauen Plinius/ einer von den Allerweltweisesten/ mit seinem Beyspiel bekraͤff- tigen/ daßes wahr sey/ was ein Christlicher Lehrer saget: GOtt habe die Weißheit dieser Welt zur Tohrheit gemacht. Und abermahl: Die Welt habe durch ihre Weißheit Gott in seiner Weißheit nicht erkennet. Er ist ja in seinem tichten eitel worden/ und sein un- verstaͤndiges Herz ist verfinstert; Da er sich vor weise hielt/ ist er zum Narren worden. Dann vorerst zweifelt er auff gut Epicurisch/ ob auch ein Gott sey; was solte er dann wol gesundes von Gottes Wesen und Allmacht vorbringen? jedoch lasset uns vernehmen/ obs gleich der Muͤhe nicht wert ist/ was hinter seiner vermeyneten Weißheit sonderliches stec- ke/ damit dieser ohmaͤchtige Erdwurm den allmaͤchtigen Gott anhauchen darff. Anfangs meynet er; Es gereiche den Menschen zum sonderlichen Troste/ daß Gott nicht allmaͤchtig sey. Aue des Erstes Buch. des elenden/ des faulen und nichtigen Trostes! solte es auch wol einem Kinde Trost brin- gen/ daß sein Vater ihm weder rahten noch helffen kan/ wañ es in schwerer Krankheit dar- nieder lieget? Kein Witziger redet so unwitzig. Oder solte einem Untertahnen es troͤst- lich seyn/ daß seine Obrigkeit ihn vor seinen Feinden/ die fein Verderben suchen/ nicht schuͤtzen kan? das muß auff gut Plinisch freylich ein sonderbahrer Trost seyn. Wer aber den Sachen vernuͤnfftig nachsiñet/ wird ohn zweifel gerade das Gegenspiel vor wahr hal- ten; nehmlich/ der vornehmste Trost des Menschen in allen seinen Noͤhten sey/ daß sein liebreicher Gott alles koͤnne/ und ihm durchauß kein Ding unmoͤglich sey. Dann wer an Gottes Allmacht zweifelt/ wie kan derselbe ichtwas vertraulich von Gott bitten? muß er nicht auff gut beraht behten/ unter der Furcht/ obs auch in Gottes Macht stehe/ ihm zuge- ben was er bittet? Also hat dieser elende Mensch ihm einen Trost gemacht auß eitelem Schrecken/ und wie ein alter Juͤdischer Koͤnig von den Gottlosen spricht: Sie fuͤrchten sich da nichts zu fuͤrchtẽ ist; Also troͤstet sich dieser/ da nichts weniger als Trost sich eraͤuget. Zwar ein gottloses Weltkind/ moͤchte vielleicht auß Gottes Unmacht einen Trost fassen/ und sa- gen: Was schadet mirs dann endlich/ oder was sol ich mich groß drum bekuͤmmern/ daß ich dieses oder jenes gute/ welches mir zwar wol anstuͤnde/ nicht leisten kan? Kan doch Gott selbst nicht alles/ wie solte ich dann alles koͤnnen? Aber was dieser Trost ihm nuͤtzen werde/ wird sein kuͤnfftiges Ach und Weh offenbahr machen/ in welches er durch diesen greuli- chen Laͤsterungstrost sich selbst stuͤrzet. Hoͤretnun weiter/ auß was Gruͤnden der Laͤsterer Gottes Allmacht bestuͤrme: Gott kan ihm selbst den Tod nicht antuhn/ ob er gleich wolte; spricht er vorerst: Ist eben so viel gesagt: Der Demant verbrennet nicht im Feur/ wie Stoppeln; schmelzet nicht/ wie Butter an der Sonnen; vergehet nicht/ wie der Rauch; derwegen ist er nicht so standfest/ hart und daurhafft als diese Dinge. Ja ein tiefersinneter Schluß! Oder/ als wann ich sagen wolte: Die Sonne verleuret sich nicht wie der Staub/ darumb ist sie nicht so kraͤfftig. Wer solte diese Blindheit nicht beklagen/ daß eben auß der groͤssesten Macht Gottes/ dieser unwitziger/ Gottes Unmacht und Gebrechen erzwingen wil? Je koͤn- te Gott sterben/ so waͤhre er nicht Gott/ so waͤhre er nicht allmaͤchtig/ sondern der Tod waͤ- re maͤchtiger dann er/ waͤhre sein Gott und sein Meister. Weil es nun eine allerdinge lautere Unmoͤgligkeit ist/ daß Gott sterben koͤnne/ so solte Plinius vielmehr also geschlossen haben: Gott kan nicht sterben/ deßwegen ist er allmaͤchtig; nehmlich/ es ist keine aͤusserliche noch innerliche Macht/ welche Gott den HErrn koͤnte zu nichte machen. Das Drachen- schwaͤnzlein/ so er hinan haͤnget/ da er spricht: Ob Gott gleich wolte/ koͤnne er ihm doch den Tod nicht antuhn; Ist nicht eine geringe Laͤsterung; Dann wie wolte das allerhoͤchste und vollkommenste Gut wollen/ daß es stuͤrbe; und wie kan das sterben wollen/ das von E- wigkeit her/ und das Leben selber ist? Es ist aber dem Plinius noch nicht gnug an diesem Unwitze/ sondern tuht noch hinzu: Der Mensch in seinem grossen Lebensungluͤk habe diß/ als das beste Mittel von GOTT/ bekommen/ daß er sich selbst entleiben kan. O der Gottlo- figkeit! Hat dann GOTT dem Menschen die wirkliche Sterbligkeit anerschaffen/ oder ihm gut geheissen und befohlen/ sich selbst des Lebens zuberauben? Nein/ O Nein! Die Suͤnde/ die Suͤnde hat ihm dieses Leid zur harten Straffe zu wegen gebracht. P iij Dann Erstes Buch. Dann haͤtte der erste Mensch nicht gesuͤndiget/ sondern an Gottes Gebot sich fest gehaltẽ/ wuͤrde er nimmermehr in den Tod gerahten seyn/ sondern so lange in dieser jrdischen Welt gelebet haben/ biß ihn Gott nach seinem gnaͤdigen Willen in die Ewigkeit auffgenommen haͤtte. Ist demnach die Unsterbligkeit den Menschen von dem leidigen Teufel durch die Suͤnde geraubet und der Tod beygebracht. Doch hat man dieses mit Plinius als einem Heyden nicht zu streiten/ als welchem diese geoffenbahrete Glaubenslehre/ von des ersten Menschen anerschaffener Unsterbligkeit unbekant ist. Aber auch/ wann der Mensch den Vorsatz und Willen nimt/ sich selbst zuermorden/ das ruͤhret trauen nicht her von GOtt/ sondern von des Teuffels eingeben/ als der von Anfang ein Moͤrder ist. GOtt setzet ja in seinen heiligen zehen Gebohten/ hat es auch den Menschen ins Herz gepflanzet/ Du solt nicht toͤdten; so wenig dich selbst als einen andern. Wie solte dann Gott den Men- schen das heissen oder eingeben/ was Er ihm so ernstlich verbohten hat? Kan die Obrig- keit ihren Untertahnen auch wol gebieten/ wieder die Gesetze zu suͤndigen/ welche sie durch- aus wil gehalten haben? was haben wir dann vor Ursach/ dem allergerechtesten und hei- ligsten Gott mehr Ungerechtigkeit und Suͤnde/ als den Menschen anzutichten? Nun waͤhre es aber Suͤnde/ wann Gott dem Menschen gaͤbe was Suͤnde ist. Aber O nein! kein witziger Mensch wird Gott einiger Suͤnde zeihen. Andere vernuͤnfftige Heyden haben viel heiligere Gedankẽ von Gott gefuͤhret: Plato spricht in seinem Buche von den Gesetzẽ: Gott sey eine Ursach alles guten/ und keines boͤsen. Aristoteles spricht im neunden Buch Meta- phys: Bey dem ewigen Wesen ist weder boͤses/ noch Verderbung/ noch Suͤnde; Und in seinem sie- benden Sitten Buche an Nikomachus schreibet er: Gleich wie dem unvernuͤnfftigen Vieh kein Laster beywohnet/ also auch Gotte nicht. Ja sprichstu; Es hat aber Plinius nach Stoi- scher Meynung die ansich selbst-Handanlegung vor eine Helden Tugend gehalten/ und da- her Gott keiner Suͤnde geziehen/ oder daß er an der Suͤnde Wolgefallen haͤtte. Antwort: Er hat aber daran sehr geirret/ welches er aus anderer Heyden Schrifften/ insonderheit des Aristoteles herlichen Sittenbuche erlernen sollen/ da er im fuͤnfften Buche schreibet: Die Gesetze verbieten/ daß jemand sich selbst toͤdte; dann spricht er; Daß Gemeine Beste werde da- durch beleidiget/ und werde demnach ein solcher nach seinem Tode billig durch Schmach gezeichnet/ und vor Ehrloß gehalten. Zum wenigsten haͤtte Plinius von diesem schaͤndlichen Irtuhm durch die abscheuliche Folge/ so dannenhero entstehet/ sich sollen abschrecken lassen; dann ist/ sich-selbst-entleiben-koͤnnen/ eine Krafft/ ein sonderliches Vermoͤgen/ und ein gutes Ding/ und zwar ein solches/ welches Gott dem Menschen verlihen/ und ers doch selber nicht hat; je so wird ja folgen muͤssen 1 das Gott dem Menschen einige Krafft gegeben/ die er selber nicht hat; und also 2 Gott den Menschen maͤchtiger gemacht habe/ als er sel- ber ist/ zum wenigsten in diesem Stuͤcke. Worzu 3 noch dieses koͤmt/ daß des Menschen Gluͤkseligkeit auch wol in seinem Verderben/ in seinem tode und Untergange bestehen kan. Wer hat solche unbesonnene Tohrheiten von einem vernuͤnfftigen Menschen je gehoͤret? Noch dannoch faͤhret er fort/ Gottes Allmacht aus einem andern faulen Grunde anzu- fechten/ nehmlich das er die Sterblichen mit der Ewigkeit nicht begaben koͤnne. Diesen eiteln Wahn zu hintertreiben/ ist zu merken/ daß die Ewigkeit auff zweyerley Art verstanden wer- de. Erstlich heisset Ewig; daß ohn Anfang gewesen ist/ und ohn auffhoͤren bleiben wird. Hernach; Erstes Buch. Hernach; daß zwar in der Zeit/ oder ja mit der Zeit einen Anfang genommen/ aber doch kein Ende nehmen wird. Nach dem ersten Verstande ist allein Gott/ und kein ander Ding Ewig; nach dem andern/ ist die Ewigkeit allen Engeln uñ vernuͤnfftigen Seelen von Gott mitgeteilet/ wird auch nach dieser Sterbligkeit in der Aufferstehung von den Todten/ un- sern Leibern zugeleget werden. Von den Engeln ist unnoͤhtig/ alhier zu handeln/ weil deren Erkaͤntnis aus dem Lichte der Vernunfft sehr geringe ist. Der Seelen Ewigkeit wird von den verstaͤndigen Heyden gerne geglaͤubet und vor wahr gehalten/ welches auch von Pla- to und Aristoteles durch wolgesezte Gruͤnde bewehret ist. Der trefliche Roͤmische Buͤrge- meister M. Tullius in seinem Buche von den Gesetzen schleust also: Weil die (heydnische) Gesetze wollen/ daß etliche von den Menschen/ als Herkules und andere/ sollen vor Goͤtter geehret werden/ sey solches ja eine Anzeigung/ daß die Seelen unsterblich seyn. Und ob die- ses gleich kein buͤndiger Beweißtuhm ist/ so folget doch daher/ daß der Seelen Unsterblig- keit sey von den Gesezgebern vor gewiß gehalten worden. Am andern Orte (lib. 1 tusculan. quæstion.) beweiset er der Seelen Unsterbligkeit daher/ daß alle Menschen/ was sich nach dem Tode zutragen werde/ ihnen lassen angelegen seyn. Ovidius sagets rund und duͤrre heraus/ und spricht im XV Buche seiner Verwandelungen: Morte carent animæ. Die See- len sterbẽ nicht. Daß aber unsere Leiber nach diesem Leben auß dem Staube der Erden der- eins wiederumb werden hervor kom̃en/ ist zwar der Vernunfft ein verborgenes Geheim- niß/ und allein den Glaͤubigen auß Gottes Worte offenbahr; jedoch hat Plinius noch lan- ge nicht ursach gnug/ so verwaͤgen zu leugnen/ daß Gott die Sterblichen mit der Ewigkeit nicht begaben koͤnne/ ober gleich dessen kein Beyspiel gesehen hatte; dann was solte Gott verhindern/ dasselbe ewig zuerhalten/ was er aus nichts erschaffen hat/ wann es nur sein Wille waͤhre? Ja moͤchte jemand zu Plinius seiner Entschuldigung einwenden; so kan gleichwol Gott keinem Geschoͤpffe die erste Art der Ewigkeit mitteilen. Ist gar ein unge- reimter Einwurff. Dann ist dieses oder jenes ein Geschoͤpff; das heisset; ist es gemacht worden/ so muß es ja einen Anfang genommen haben; hat es aber einen Anfang genom- men/ so kans ja nicht von Ewigkeit stets gewesen seyn. Daß nun GOtt nicht kan machen/ daß ein Geschoͤpf von Ewigkeit her sey; solches gibt seiner Allmacht keinen Abbruch/ son- dern weil es/ wie die Gelehrten reden/ Contradictoria, widersprechige Dinge sind; Von E- wigkeit her seyn. Und: Nicht von Ewigkeit her seyn; oder einen Anfang gehabt haben; so waͤh- re es wider Gottes ewige Warheit/ auß dem einen das andere/ nemlich auß dem Ja/ Nein; und auß dem Nein/ Ja machen; und wuͤrde also Gott seine Warheit selbst auffheben; wel- ches an ihm keine Almacht sondern grosse Unbestendigkeit und Falscheit seyn wuͤrde. Was Plinius weiter her auß koͤcket: Gott koͤnne die Abgelebeten nicht wieder zuruͤk ruffen; das ist: Er koͤnne die Todten nicht wieder zum Leben aufferwecken/ solches wird er dereins am juͤngstẽ Tage viel anders/ wiewol mit seinem grossen Schaden/ ja mit Ach und Weh erfahren/ da er wegen dieser Verkleinerung der Allmacht Gottes/ sehr schwere Hellenstraffen wird uͤ- ber sich nehmen muͤssen/ deren Vorschmak er schon in diesem Leben empfunden/ als ihn deꝛ Dampff des Feur und Schwefels/ welches der Berg Vesuvius außwarff/ erstickete/ wie hefftig er sich auch bemuͤhete/ demselben zuentgehen. O haͤtte er nur ein wenig nachgefra- get/ was etwa XLIV Jahr zuvor/ als er diese seine Geschicht Buͤcher dem Roͤmischen Buͤr- gemei- Erstes Buch. gemeister Titus Vespasianus zuschrieb/ sich im judischen Lande hatte zugetragen/ da der welt Heyland Jesus/ etliche verstorbene zum Leben aufferweckete/ alsdann wuͤrde er seine gar zu verwaͤgene Feder nicht so leichtfertig wieder Gottes Allmacht geschaͤrffet haben. Seine uͤbrigen Einwuͤrffe/ da er vorgibt/ Gott koͤnne nicht machen. Daß der gelebet hat/ nicht solte gelebet haben; der Ehrenaͤmter bedienet hat/ sie nicht solte bedienet haben; oder; das zweymahl zehn nicht zwanzig machten; sind auß obigem leicht zu entscheiden. Dann machte GOTT solches/ so machte er aus der Warheit Luͤgen und Unwarheit. Daß muͤste aber wol ein feiner GOTT seyn/ der sich in seiner Warheit selbst zum Luͤgner machte! So wenig nun Gottes Almacht dadurch verletzet wird/ daß er sich selbst nicht wuͤrgen kan; eben so wenig tuht es seiner Allmacht schaden/ daß er sich selbst nicht zum luͤg- ner machet; noch was einmahl wahr gewesen/ heisset eine Luͤgen uñ Unwarheit seyn; noch die nohtwendige Folge (zweymahl zehn sind zwanzig)/ welche er der Vernunfft als eine unvermeidliche Warheit eingepflanzet/ auffhebet und faͤlschet. Eines ist noch uͤbrig zube- ruͤhren/ daß er hinzu kuht: Gott habe nullum in præterita jus, præterquam oblivionis. Kein Recht uͤber die vergangenen Dinge/ als das Recht der Vergessenheit; ist etwas dunkel geredet; Und heisset entweder so viel/ daß Gott die vergangenen Dinge vergessen koͤnne/ oder daß er sie nicht vergessen koͤnne. Verstehet er daß lezte/ so lasse ichs in so weit lauffen/ daß Gotte die vergangenen Dinge freylich stets vor Augen stehen/ aber er dannoch viel ein groͤsser Recht uͤber dieselben habe/ als nur allein/ daß er sie nicht vergessen koͤnne. Nimt er daß er- ste; so ist er gedoppelt gottloß; massen die Vergessenheit keine Stat noch Raum findet bey Gott/ als welchem nichts vergangen/ nichts zukuͤnfftig/ sondern alles gegenwaͤrtig ist/ wel- ches Aristoteles bekennet/ (lib. de bon. fortun.) da er spricht: Gott sihet gar wol das Gegen- waͤrtige/ vergangene und Zukuͤnfftige. Und Homerus (Odyss. IV) Die Goͤtter wissen alles Und was wolte das wol vor ein Gott seyn/ dessen Gedaͤchtnis die Vergessenheit beschleichen koͤnte? Es ist fast eine unnuͤtze muͤhe/ und vergebliche Arbeit/ sich in Wiederlegung eines so handgreifflichen Irtuhms laͤnger auffzuhalten/ insonderheit/ weil meine Herren und Bruͤderliche Freunde ohn zweiffel ihre gedanken am andern Orte haben; zu beklagen abeꝛ ist es/ daß in andern Kuͤnsten und Wissenschafften ein so hocherfahrner fast unvergleich- licher Man/ in diese tieffe und unsinnige Finsternis gerahten ist/ daß er die augenscheinli- che Allmacht Gottes anzufechten/ und ein groͤsser Himmelsstuͤrmer/ als des Ovidius sei- ne/ zu werden/ sich nicht gescheuhet hat; da andere verstaͤndige Heyden nie gebilliget ha- ben/ was Gott zur Beschimpffung gereichen kan; dz dem nach des vorgedachten M. Tul- lius Warnung ihn von solcher gottlosigkeit haͤtte billig abhalten sollen/ welcher im andern Buche von der Goͤtter Art/ also schreibet: Es ist eine boͤse und Gottlose Gewohnheit/ wieder die Goͤtter zureden/ es geschehe gleich aus Ernst/ oder nur zum Scherze. Hiemit gab er seiner rede die Endschafft/ und weil der junge Fabius alle seine Worte in sein Handbuͤchlein schrieb/ sagte er zu ihm: Mein Herr/ ich bitte sehr/ er wolle meine Reden keinem verstaͤndigen zei- gen/ damit seine Schrifft nicht ein Zeuge sey meines geringen Verstandes. Ich werde diese Unterrichtung vielmehr taͤglich durchlesen/ sagte er/ damit ich mich befleissige/ den Goͤttern ihre gebuͤhrliche Ehre zugeben/ und mich vor deren Laͤster- und Beschimpffung zu huͤten. Herkules wolte sie nicht laͤnger aufhalten/ baht nochmals/ daß sie es/ als unteꝛ der Ro- Erstes Buch. Rose geredet/ verschweigen moͤchten/ und lies sie damit von sich; da auff dem Wege Fa- bius zu Ladisla sagte: Er hielte vor gewiß/ daß wo nach etlicher Meynung die Seelen der verstorbenen in andere Leiber gegossen wuͤrden/ muͤsten die Goͤtter drey unterschiedliche/ als die verstaͤndigste/ herzhaffteste und freundligste zusammen verknuͤpffet/ und diesen Hel- den damit volkommen gemacht haben; und duͤrffte ich fast waͤhnen/ sagte er/ es sey Herr Herkules dem Christlichen Glauben zugetahn. Ist mein Herr Schwager und Bruder der Meynung/ sagte Ladisla/ so ist mein fleissiges Ansuchen/ er wolle solches vorsich allein meinen; welches er dañ gerne versprach. Die zehen Tage uͤber/ daß Herkules sich in seiner Kammer halten muste/ dauchten der Geselschafft laͤnger als ihm selbst/ weil er ihrer al- ler Herzen ihm fast eigen gemacht hatte. Am eylfften Tage legte er seine Kleider an/ und ging mit den andern zu Tische/ da der Stathalter eine froͤliche Gaͤsterey/ und dabey ein her- liches Seytenspiel anstellete. Weil dann Ladisla seiner liebsten/ Herkules anmuhtige Spiel- und Singekunst geruͤhmet hatte/ suchte dieselbe alle Gelegenheit/ wie sie ihn hoͤren moͤchte/ merkete aber/ daß er bey so grosser Geselschafft kein belieben darzu trug/ daher sie solches bey spaͤtem Abend/ als die Fremden alle hinweg wahren/ von ihm erbaht/ da er die Laute nahm/ und weil es zwischen Ostern und Himmelfahr wahr/ dieses Teutsche Oster- lied/ welches er selbst gesezt hatte/ sang und spielete: 1 N un hat das heilge Gottes Lam/ Dem man am Kreuz das Leben nam/ Den schoͤnen Sieg an Hell’ und Tod Behaͤuptet als ein wahrer Gott. 2 Sein Ferßenstich gibt nicht mehr Blut/ Verschwunden ist der Schlangen Muht; Ihr Haͤupt ist nun zerknirschet gar/ Das bey dem Kreuz so freche wahr- 3 Der Drache hat sich eingehuͤlt/ Sein Troz und Frevel ist gestilt/ Sein Gifft macht ihm selbst angst und Pein/ Und dringet auff sein Herz hinein. 4 Wo ist O Tod/ dein Stachel jez? Wo habt ihr Teuffel euren Wiz? Wo ist der Hellen Macht und Sieg? Wer fuͤhret wieder uns den Krieg? 5 Das Lam/ daß der Welt Suͤnde traͤgt/ Hat eure Macht in Koht gelegt. Es herschet kraͤfftig dort und hier/ Und eur Leid wehret fuͤr und fuͤr. 6 Ja liebster Heyland/ deine Krafft Hat uns nun Fried und Ruh geschafft; Die Feinde die uns draͤngten sehr/ Sind mat und gelten fort nicht mehr. 7 Was murret ihr/ ihr Teuffel noch? Was sperret sich der Hellen Loch? Und duͤrffen Gottes seiner Schaar Noch Marter draͤuen und Gefahr. 8 Das Laͤmlein daß erwuͤrget wahr Bricht eure Wuht und Rachgier gar. Der Loͤu’ aus Juda steht uns bey/ Und macht von eurem Zorn uns frey. 9 Der Simson bricht der Hellen Tuͤhr/ Der kühne David trit herfuͤr. Der Goliath liegt schon gestrekt/ Und die Philister sind erschrekt. 10 Du Heyland/ du geherzter Held Hast aller Feinde Macht gefelt/ In dem du aus dem Grab auffstehst/ Und wieder ein zum Leben gehst. 11 Was wolten wir dann fuͤrchten sehr Des Todes Macht/ das hellisch’ Heer? Las toben was da wil und kan/ Trit nur den Kampff mit ihnen an. 12 Ist deine Macht O Mensch/ gleich schwach/ So hebt dein Heyland hinten nach. Durch dessen Krafft wirstu bestehn/ Und dein Feind muß zu Bodem gehn. 13 O Heyland hilff zu aller Frist/ Der du vom Tod erstanden bist; Trit her zu uns in aller noht/ Fuͤhr’ uns ins Leben durch den Tod. Q Die Erstes Buch. Die Anwesenden hoͤreten der lieblichen Gesangs-weise zu/ weil sie von den Worten nichts verstunden/ ohn allein Ladisla/ der es aber wenig achtete; Und weil sie wusten/ daß Herku- les alles gegenwaͤrtige Lob sehr zuwider wahr/ sagten sie nichts darzu/ ohn daß Frau So- phia sich der geschehenen Ehre hoͤchlich bedankete/ nebest dem Wunsche/ daß sie deßgleichẽ offt zu hoͤren moͤchte gewirdiget werden; welches doch selten geschahe. Diesen Abend be- stimmete er mit Ladisla die Zeit zum Hochzeitfeste/ und daß er seiner Fr. Mutter die Hey- raht durch eigene Botschaft zu wissen tuhn wolte/ damit sie ihm noͤhtige Gelder zu seinem Vorhaben uͤbermachen/ und er der ansehnlichen Freundschafft sein Vermoͤgen und Her- ligkeit sehen lassen koͤnte. Am ein und zwanzigsten Tage nach seiner Verwundung/ da er allerdinge gefund uñ stark wahr/ bekam er Lust ein wenig außzureiten/ und erbohten sich Ladisla und Fabius/ ihm Geferten zu geben. Der Stathalter solches hoͤrend/ sagete: So lasset uns mit einander nach meinem Vorwerke reiten/ und den Ort in Augenschein nehmen/ woselbst meine Toͤch- ter von den Raͤubern auffgefangen und hinweg geschleppet sind. Die Stathalterin wol- te mit/ und ihre beyden Toͤchter bey sich haben/ deßwegen eine Gutsche vor sie zugerichtet ward; aber die Herren setzeten sich ingesamt zu Pferde/ und liessen Klodius uñ Marx samt andern XXXVI wolbewapneten Reutern mit zur Begleitung zihen. Sie ergetzeten sich den Tag uͤber im gruͤnen/ und hatte das Frauenzimmer ihre Kurzweil bey der fliessenden Bach/ die durch den Lust Garten lief/ und voll herlicher Fische wahr/ deren sie mannichen mit dem Angel her auß fingen/ und auff die Abendmahlzeit spareten/ genossen auch sonst deꝛ schoͤnen Sommerzeit (massen es der erste Tag des Maͤi Monats wahr) mit guter Froͤlig- keit. Herkules kunte nicht lange stille seyn/ hieß Klodius/ sein Pferd und Brust Harnisch samt Schild und Helm herbringen/ nam ein Strik Winde zu sich/ die Klodius fuͤhren muste/ und ritte hinauß auffs Feld/ etwa einen Hasen/ oder (wo das Gluͤk wolte) Hirsch auffzutreiben. Er wahr kaum eine Viertelmeile vom Vorwerke/ da sahe er von ferne eine Gutsche von Violenbraunen Sammet/ mit breiten guͤldenen Schnuͤren besetzet/ welche umbher zugemacht wahr; ritte naͤher hinzu/ und fragete den Gutscher/ ob er nicht wissen duͤrffte/ wer in der unbegleiteten Gutsche saͤsse? der jhm zur Antwort gab: Wann er vor einer Viertelstunde kommen waͤhre/ wuͤrde er eines vornehmen Roͤmischen Herrn Toch- ter drinnen angetroffen haben/ die von dreyen vermummeten Raͤubern mit gewalt davon gerissen/ und hinweg getragen waͤhre/ daß er nicht wissen koͤnte/ wohin man sie geschleppet haͤtte. Wie faͤhrestu dann mit dem Wagen davon/ antwortete er/ und laͤssest die Geraube- te im stiche? Was kan ich ihr helffen? sagte dieser; es ist mir noch lieb/ daß ich Pferde und Wagen gerettet habe/ als welche mir anvertrauet sind. Das waͤhre ein schlechter Verlust/ sagte Herkules; Du must aber ein Pferd außspannen/ und mich des Weges fuͤhren/ ob ich auff die Spuhr kommen/ und dem Fraͤule in Huͤlffe tuhn koͤnte. Darauff stehet grosse Gefahr/ sagte dieser; doch weil ihr michs heisset/ wil ich gehorsamen; ritte also mit ihm fort/ und funden nach Verlauff einer halben Viertelstunde/ einen mit Gold und Perlen gestikten Schuch/ welchen Klodius auffheben muste/ und sie leicht urteileten/ die Geran- bete wuͤrde ihn vor angst haben fallen lassen; und weil sie der Spuhr eigentlich nachsehen kunten/ liessen sie den Gutscher zuruͤk reiten/ und nach Padua fahren; Sie aber renneten noch Erstes Buch. noch eine Viertelmeile weiter fort/ und merketen an der Raͤuber Fußstapffen/ daß sie vom gemeinen Wege abgewichen/ und nach der Rechten zu sich in einen Pusch begeben hatten/ sahen auch/ daß auff ihre Ankunfft ein Ungewapneter von einem Baume stieg/ uñ die Hecke suchte/ eileten ihm nach/ und vernahmen auß ihrer Hunde bellen/ daß etwas wachsames verhanden wahr. Herkules/ so bald er den Pusch erreichete/ rief mit starker Stimme hin- ein/ dafern einiger Mensch daselbst verborgen laͤge/ und sich nicht melden wuͤrde/ solte es ihm sein Leben kosten; aber niemand wolte sich kund geben; biß Klodius auff fleissiges um- suchen/ einen geharnifchten Ritter hinter einer Nebenhecke daher traben sahe/ und es sei- nem Herrn anzeigete/ welcher ihm gerade entgegen ritte. Dieser solches sehend/ rief ihm mit starker Stimme zu/ was er hie suchete oder begehrete. Herkules merkend/ daß er sei- nen Mann gefunden hatte/ gab zur Antwort: Es haͤtten etliche boßhaffte Schelmen ein Roͤmisches Fraͤulein auß ihrem Wagen hinweg gefuͤhret/ die er zu retten willens waͤhre. Der Ritter/ welcher Silvan hieß/ fragete weiter/ was ihn dieses Fraͤulein anginge? Er meynete ja nicht/ daß er Ansprache an sie haͤtte. Es sey wie ihm wolle/ antwortete er/ so bin ich dannoch willens/ jhr in Noͤhten beyzuspringen/ wie alle redliche Ritter dem ehrlichen Frauenzimmer verbunden sind. Beyspringen? sagte dieser; hat sie euch doch keinen Boh- ten geschikt; und was wisset ihr/ ob sie nicht mit gutem Willen/ oder auffs wenigste zu jh- rem guten Gluͤk entfuͤhret ist? Zankens ist hier nicht Zeit/ sagte Herkules; ob sie mir aber gleich keinẽ Bohten geschicket/ so hat sie ohn zweifel die Raͤuber zu diesem Bubenstuͤk auch nicht eingeladen; und habt ihr Wissenschafft hierumb/ so saget mirs/ dz ich mich darnach zu richten habe. Silvan antwortete: Ob ich Wissenschafft drum haͤtte/ wer wolte mich zwingen es zu sagen? Auff welchen Troz er antwortete: trauen Ritter/ eure Hoͤfligkeit ist klein/ wie groß jhr sonst von Leibe und Hochmuht seyd; wann ich aber wissen solte/ daß ihr an diesem Raube schuldig waͤret/ wuͤrde ich versuchen/ des uͤbels eine Reue in euch zubrin- gen. O du elender/ sagte Silvan/ darffstu mir noch darzu draͤuen/ und waͤhrest eines Un- terhaͤndlers und Vorbitters so hoch benoͤhtiget/ wann du ohn Straffe entgehen woltest? fassete alsbald sein Schwert/ und ran t e mit vollem Grim auff ihn zu/ der meynung/ ihn ei- nes Hiebes zu fellen. Aber Herkules/ der des Schimpffs auch gewohnet/ weich ihm auß dem Streiche/ setzete ihm nach/ daß er sich wenden muste/ und fingen einen so heftigen streit mit einander an/ daß Silvan sich daruͤber entsetzete/ und zu seinem Gegener sagte: Du must gewißlich in einer guten Schuele gelernet haben/ und jammert mich dein/ daß du so fruͤh sterben must. Ja wann du mich mit dem Maule uͤberwinden koͤntest/ antwortete er/ wuͤrde es an deinem Willen nicht mangeln/ wie aber/ wann du Rechnung ohn den Wirt gemacht haͤttest? doppelte hiemit seine Hiebe/ daß jener zu weichen gedrungen ward/ weil er schon etliche Wunden empfangen hatte. Herkules aber ließ nicht nach/ sondern trieb jhn/ biß er ihm endlich unter das Schwert kam/ ihm den Helm vom Haͤupte riß/ und den Tod draͤuete/ wo er sich nicht ergeben wuͤrde; Weil er nun merkete/ daß er außzureissen wil- lens wahr/ warff er jhn vom Pferde/ sprang ihm nach/ sezte ihm das Schwert an die Gur- gel/ und sagte: Bald laß mir das Fraͤulein kommen/ oder du must sterben. Ritter/ ihr seyd der erste/ antwortete er/ vor dem ich mich demuͤhtigen muß; Ihr fodert aber einen Schatz von mir/ welcher mir eben so lieb als mein Leben ist. Daran lieget nichts/ sagte er/ und hastu Q ij Recht Erstes Buch. Recht darzu sol sie dir schon bleiben/ aber du must durch auß und ohn verweilen schaffer/ daß ich mit ihr rede. Ja/ antwortete Silvan/ ihr solt sie sprechen; ließ sich auch von Klo- dius biß an den Pusch leiten/ und rief uͤberlaut: So sius fuͤhre das Fraͤulein her. Dieser kennete die Stimme/ und trat mit ihr daher/ die einer Leiche aͤhnlicher als einem lebendi- gen Menschen wahr; doch wie sie Silvan wehrloß sahe/ fiel sie vor Herkules nieder/ und sagte: O aͤdler Ritter und Herr/ rettet mich elende auß dieses verfluchten Raͤubers Haͤn- den/ deß wil ich euch zeit meines Lebens verpflichtet seyn. Stehet auff mein Fraͤulein/ ant- wortete er/ und beschimpffet mich nicht solcher gestalt/ sondern zeiget an/ ob euren Ehren Gewalt angelegt sey. Nein mein Herr/ sagte sie/ eure Zukunfft hat die Schande von mir abgekehret. Silvan/ der vor Liebe brante/ sahe/ daß er diese Beute solte fahren lassen/ wolte aber lieber sterben/ und da er Gelegenheit sahe/ ruͤckete er Klodius das Schwert aus der Faust/ und setzete mit grossem wuͤten auff Herkules an; der ihm aber kuͤhnlich begegnete/ und weil jener ohn Schild und Helm wahr/ zerspillete er ihm das Haͤupt biß auff die Zaͤh- ne/ womit der Kampff sein Ende nahm. Das Fraͤulein ward dessen hoch erfreuet/ em- pfing ihren Schuch von Klodius/ und baht Herkules mit uͤberauß bewaͤglichen Worten/ er moͤchte ihrer Ehren Huͤhter seyn/ und sie nach Padua bringen/ wo selbst jhm seine Dien- ste solten vergolten werden. Er erboht sich darzu willig/ und fragte Silvans Knecht/ ob noch Ritter in diesem Pusche waͤhren/ davon er bey straffe des Todes die Warheit sagen solte; welcher durch die Gefahr geschrecket/ gutwillig bekennete: Es hielten eine geringe halbe Meile XL Reuter und XXX Fußknechte von hinnen/ zu welchen seine Mitknechte schon hingelauffen waͤhren/ sie zu hohlen. Herkules befahl/ es solte Klodius auffs ge- schwindeste hinreiten/ umb Ladisla anzumelden/ daß er mit seinen Voͤlkern ihm zum Ent- satz eilete. Setzete sich nach dessen Abschied auch zu Pferde/ und das Fraͤulein vor sich/ weil ruhens zeit nicht seyn wolte. Nun hatte Herkules seinen Helm biß daher noch nicht geoͤffnet/ betrachtete doch die- fer Fraͤulein Schoͤnheit vor sich auff dem Pferde/ und weil ihn dauchte/ daß ihr Angesicht mit seiner herzgeliebten Fraͤulein Valißken Gestalt in etwas uͤberein kaͤhme/ ließ er auß herzlichem Verlangen einen tieffen Seuffzer gehen/ setzete den Helm ab/ und druͤckete ihr die zarte Hand mit diesen Worten: Hochgebohrnes Fraͤulein/ ich habe heut ein unschatz- bares Gluͤk gehabt/ indem ich von Gott gewirdiget bin/ ein so trefliches Fraͤulein zuretten/ und ob derselben ich gleich unbekant bin/ hoffe ich doch/ sie werde meine geringe Gesell- schafft ihr nicht lassen zuwider seyn/ und mit mir auff das naͤheste Doͤrfle in reiten/ weil wir Padua heut nicht erreichen moͤgen; Ich wil sie/ wils Gott/ zu einer Gesellschafft bringen/ deren sie wird sehr wilkommen seyn. Das Fraͤulein/ so noch voller Schrecken wahr/ ver- wunderte sich uͤber seiner Schoͤnheit und Jugend/ baht/ umb der Gefahr willen/ sehr zu ei- len/ und weil er sich so freundlich gegen sie mit Reden/ Geberden und Handdruͤcken erzei- gete/ geriet sie in furcht einer unbillichen Liebe/ und gab ihm diese Antwort: Vortreflicher Ritter/ und hochwerter Herr; mein Vermoͤgen wird nimmer mehr bestand seyn/ ihm die gebuͤhrliche Vergeltung vor geleistete Huͤlffe abzulegen; weil einig und allein durch seine Tapfferkeit ich vor dem graͤulichen Silvan geschuͤtzet/ und der Unehr entrissen bin; gelebe auch zu meinem Herrn der troͤstlichen Zuversicht/ er werde sich meiner Ehre ferner anneh- men/ Erstes Buch. men/ damit ich unbeflekt bey meinen Verwanten zu Padua anlangen moͤge; alsdann wil ich nicht allein seine Mañheit/ sondern auch sein Tugendergebenes keusches Herz zu ruͤh- men nicht unterlassen; und da jhm mit einer guten Anzahl Gelder gedienet ist/ sol er dessen nach seinem Willen von den Meinen empfangen. Herkules wolte ihre Zucht etwas bes- ser pruͤfen/ welches ihn hernach offt gereuete/ und gab zur Wiederantwort: Schoͤnstes Fraͤulein/ ich wundere mich nicht/ daß jhretwegen die Ritter sich vergehen/ und zu Stras- sen Raͤuber werden/ insonderheit/ wann sie Standeshalben ihrer Hulde und Liebe koͤnnen faͤhig seyn; massen die Strahlen ihrer anzuͤndenden Augelein/ dergestalt kraͤfftig und durchdringend sind/ daß auch das allerhaͤrteste Herz dadurch solte erweichet/ und zu ihrer Liebe angestraͤnget werden; bitte demnach dienstlich/ mir nicht zu verdencken/ daß ich nichts mehr wuͤnsche/ als ihr Knecht und Diener genennet zu werden; ob ich dann gleich in jhren Diensten sterben und untergehen solte/ wuͤrde ich diesen sanfften Tod vor ihre Ungunst er- waͤhlen; deßwegen wolle sie an meiner Wenigkeit nicht zweifeln/ daß ich nicht alles mein Vermoͤgen dran strecken werde/ sie in gute sicherheit zu fuͤhren. Mit welchen Worten er ihr die Hand freundlich kuͤssete/ uñ zugleich von der Heerstrassen ab/ das quer Feld einnam/ nach einer Grund zu/ da ihn dauchte es der naͤheste Weg nach dem Vorwerke waͤhre. Das Fraͤulein aber urteilete darauß/ er wolte sie gaꝛ entfuͤhren/ und zu seinem Willen noͤh- tigen/ daher sie also anfing: Ach mein Herr/ warumb meidet er doch die rechte Strasse? Ich bitte und ermahne ihn bey seiner Ritterlichen Krafft/ die er heut in Rettung meiner angewendet/ er wolle nichts ungebuͤhrliches wider mich vornehmen/ noch durch eine sol- che Taht seine selbst eigene Ehre beschimpffen/ welches ihm kein Meer abwaschen koͤnte. Uber das bin ich von solchen Leuten/ welche ihm nicht allein die erzeigete Rettung/ nach sei- nem Willen vergelten/ sondern auch/ da er einigen Mißbrauch an mich legen wuͤrde/ eine sehr schwere Rache wider ihn außzufuͤhren maͤchtig gnug sind; doch wie dem allen/ so re- de ich solches nicht aus Hochmuht oder Ruhmraͤtigkeit/ sondern bitte demuͤhtig/ er wolle mit mir dergestalt verfahren/ daß ich ursach haben moͤge/ ihn zeit meines Lebens/ als mei- nen Erretter zu ehren und lieben/ sonsten da seine Gedanken mit anderm Begiñen solten schwanger gehen/ muͤste ich seine Rettung nur vor einen Raub halten/ dessen ich mich zu seiner Auffrichtigkeit nicht versehen wil. Trefliches Fraͤulein/ antwortete er/ sie hat sich meinetwegen nichts arges zubefahren; aber wuͤrden ihre Eltern und Anverwanden mirs auch verargen koͤnnen/ da ich meiner erstrittenen Beute bessere Kundschafft mir wuͤnschete? ich bin ja unverheyrahtet/ und sie lebet auch ohn Gemahl. Ach mein Herr/ sagte sie/ er wolle seinen Begierden nicht selber sehmeicheln/ noch vor zulaͤssig halten/ was in aller Welt vor unbillich gescholten wird; solte er aber seinen worten nach/ nichts als bessere Kundschafft begehren/ kan ihm darinnen wol gewilfahret werden/ nur wolle er von diesem verdaͤchtigen Wege abkehren/ und der Strasse folgen/ damit ich meinem Hn. Vetter/ dem Roͤmischen Kaͤyserl. Stathalter zu Padua ohn Schmaͤlerung meiner jung- fraͤulichen Zucht und Ehre moͤge geliefert werden; alsdann wird diese seine Taht zu Rom nicht geringer geschaͤtzet seyn/ als der vortreflichen fremden Herren/ die meine herz- geliebte Wase und Schwester Frl. Sophia Fabia aus Raͤuber haͤnden erlediget/ und ihrer einer dieselbe auff gebuͤhrliches Ansuchen zum Gemahl erhalten hat; ich auch mich Q iij auß- Erstes Buch. außdruͤklich zu dem Ende auff diese Reise begeben/ daß ich meiner Frl. Schwester bey ih- rem Hochzeitfest moͤge auffwaͤrtig und bedienet seyn. Hier bekam nun Herkules grosse Reue/ seiner ertichteten Anmuhtung/ kuͤssete ihr die Hand und sagete: Durchleuchtiges Fraͤulein/ ist dann Fr. Sophia Fabia ihre so nahe Anverwantin? Ja mein Herr/ antwor- tete sie; Wir sind zweer Bruͤder Kinder/ und ist mein Nahme Sibylla Fabia. Hochge- bohrnes Fraͤulein/ sagte hierauff Herkules: Der wahre Gott Him̃els und Erden ist mein Zeuge/ daß Zeit meines Lebens ich keinem einigen Weibsbilde Ungebuͤhr zugemuhtet/ auch gegen ihre Durchl. dessen im allergeringsten nicht gesinnet bin/ sondern meine Reden sind eines teils zum Scherze/ andern teils dahin gemeinet/ daß weil ich lebe/ ich euer Vortreflig- keit ergebener Knecht und Diener seyn und bleiben wil; und ist mir herzlich leid/ daß sie meine Worte ungleich auffgenommen/ oder wegen dieses Abweges Argwohn gefasset hat/ welchen ich aber bloß/ der Gefahr zuentgehen/ und sie in Sicherheit zu angenehmer Ge- selschaft hinzufuͤhren/ vorgenommen habe/ weil ich befuͤrchte/ des erschlagenen Mitraͤuber duͤrfften dem gemeinen Wege bald folgen; weil ich mich auch unwirdig erkenne/ ein so hohes Fraͤulein vor mir auff dem Pferde zu fuͤhren/ wil ich willig absteigen/ und neben ihr zu fusse herlauffen. Ach nein/ mein Herr/ antwortete sie; so waͤhre ich das unhoͤflichste Wei- besbild/ wann ich meinen Erloͤser vom Pferde stossen/ und an seine stelle mich drauff setzen wuͤrde. Ich bedanke mich aber von herzen vor das hoheerbieten/ vernehme daher sein ehr- liebendes Gemuͤht/ welches ich weit hoͤher als seine Tapfferkeit schaͤtze/ und ich die meinen auch dahin vermahnen wil/ ihm alle moͤgliche Dankbarkeit zu erzeigen. Aber mein Herr/ vielleicht ist er selbst deren einer/ die meine Fr. Schwester von den Raͤubern erloͤset habẽ. Ich bin meiner Fraͤulein/ wie auch ihrer Fr. Schwester stets ergebener Knecht/ antwor- tete er; uñ jenes Gebaͤu/ welches dort vor uns liget/ ist der ort/ woselbst mein Frl. in Gesel- schaft eines hochaͤdlen Frauenzim̃ers zur Nachtherberge großguͤnstig vorlieb nehmẽ wird. Frr. Ursul und Sophia gingen haussen vor dem Vorwerke/ umb zu sehen/ ob Her- kules mit dem fremden Fraͤulein/ wovon ihnen Klodius gesagt hatte/ bald kommen wuͤrde; Und als sie ihn von ferne erblicketen/ lieffen sie ihm froͤlich entgegen/ da ihm Fr. Sophia zurieff: Mein Herr Bruder/ Herr Herkules/ was vor ein schoͤnes zahmes habt ihr ge- fangen/ und seid nur dem Wilde nach gerittẽ? Das Fraͤulein erkeñete alsbald ihre Stim- me/ und sagte zu Herkules: Ach mein Herr/ warumb hat er sich mir nicht wollen zuerken- nen geben/ daß ich ihm die gebuͤhrliche Ehre geleistet haͤtte/ nachdem sein hochberuͤmter Nahme aus meiner Fr. Schwester Schreiben mir wolbekant ist? Er aber stieg vom Pfer- de/ und huhb sie herab/ uͤber welche die beyde Frauen sich zum hoͤchsten verwunderten/ sie freundlich umbfingen/ und zu ihr sageten: O Herzen Schwesterchen/ wie sehen wir euch so unvermuhtlich/ und ohn Geselschafft? diese antwortete: Sie waͤhre vor wenig stunden von dem schnoͤden Silvan geraubet/ haͤtte auch ohn zweiffel Ehr und Leben einbuͤssen muͤs- sen/ wann dieser tapffere Ritter und Herr sie nicht errettet und den Raͤuber erschlagen haͤtte. Worauff Fr. Sophia sagte: Muß dann Herr Herkules den Fabier Toͤchtern zum Heyl und ihrer ehren Rettung gebohren seyn? O wie hoch ist ihm Herr M. Fabius hier- umb verbunden/ weiler nur dieses einige Kind hat/ durch deren Verlust alle seine Freude zugleich mit wuͤrde verschwundẽ seyn. Herkules antwortete; seine schlechte Dienste waͤh- ren Erstes Buch. ren dessen nichts wirdig; aber hat mein Klodius/ sagte er/ sich noch nicht eingestellet? O ja/ sagte sie/ er hat meinen Gemahl und Bruder mit der ganzen Reuterey auffgemahnet/ sind auch biß auff meinen H. Vater und IV Reuter alle fortgangen. Herkules hoͤrete solches gerne/ lies ihm ein geruhetes Pferd und das hinterstellige seines Harnisches geben/ und setzete ihnen frisch nach. Der Stathalter und sein Gemahl empfingen das Fraͤulein/ als ihr eigen Kind/ und frageten/ wie ihre Eltern sie so einsam haͤtten reisen lassen/ freueten sich nicht minder ihrer Zukunfft/ dann ihr Vater H. Markus Fabius wahr des Stathal- ters einiger Bruder/ ein trefflicher Herr zu Rom/ der die hoͤchsten Ehrenaͤmter bedienete/ und am Kaͤyserlichen Hoffe viel vermochte/ auch bey des Kaͤysers Mutter Fr. Mammea in sonderlichem Ansehen wahr. Ihre Mutter Fr. Plazida/ Herren Cassius Apronianus/ gewesenen Roͤmischen Buͤrgemeisters Tochter/ hatte sie zu allen jungfraͤulichen Tugendẽ erzogen/ daß ihres gleichen zu Rom wenig gefunden ward. Als nun die Geselschafft zu wissen begehrete/ wie sie von Herkules gerettet worden/ der vor wenig stunden von ihnen geritten waͤhre; antwortete sie. Hochwerter Herr Vetter; nachdem mein H. Vater der gluͤklichen Heyraht meiner Fr. Schwester ist berichtet worden/ und daß das Hochzeitfest in weniger Zeit folgen wuͤrde; habe ich der Zeit nicht koͤnnen erwarten/ sondern bey mei- nen Eltern bitlich angehalten/ daß ich alsbald heruͤber reisen/ und meiner Fr. Schwester Geselschafft und auffwartung leisten moͤchte/ welches sie mir endlich bewilliget/ und mit XVI Reutern mich auff meiner Gutsche begleiten lassen; wie ich nun in guter Sicherheit fortgezogen bin/ hat ein Hetrurischer Herr/ nahmens Silvan mit seiner grossẽ Geselschaft mich heut uͤberfallen/ meine Reuter alle erschlagen/ und mich noch eine Stunde fortfah- ren lassen/ jedoch mir etliche Raͤuber nach geschicket/ welche mich und meine Dienerin aus der Gutsche in einen Pusch getragen/ und mich dem Silvan/ welcher sich daselbst al- lein befand/ eingelieffert. Dieser Raͤuber hat vor sechs wochen bey meinen Eltern umb mich angehalten/ und als er abschlaͤgige Antwort bekommen/ sich hefftiger Draͤuungẽ veꝛ- nehmen lassen/ wie hart er diesen vermeinten Schimpff zuraͤchen/ und dannoch meiner/ wo nicht zu ehren/ doch zu seinem Willen maͤchtig zuwerden/ Raht wuͤste; haͤtte auch ohn zweiffel seine Boßheit an mir volstrecket/ wo nicht Herr Herkules durch maͤchtige Erloͤ- sung mich von ihm loßgemacht haͤtte. Der Stathalter troͤstete sie/ wegen uͤberstandener Gefahr/ und daß sie diesen Unfal nicht zu sehr solte zu herzen nehmen/ weil noch alles duꝛch der Goͤtter schickung wol abgelauffen/ und ihre Ehr und Gesundheit unverletzet blieben waͤhre. Inzwischen hatten Silvans abgelauffene Knechte seinen Voͤlkern angedeutet/ daß ihr Herr von einem Ritter angesprenget/ und schon so weit gezwungen waͤhre/ daß er ihm das Fraͤulein zustellen muͤssen/ duͤrffte auch wol gar Lebensgefahr außstehen/ wo man ihm nicht zu Huͤlffe kaͤhme. Worauff Silvans Schwester Sohn/ nahmens Vi- nius/ ein verwaͤgener frecher Mensch/ mit der ganzen Reuterey sich auffmachete/ und den Fußknechten zu folgen/ Befehl erteilete. Er kam bald bey Silvans Leichnam an/ und ver- stund von Sosius/ wie sichs begeben hatte; bekuͤmmerte sich doch wenig wegen des Un- fals/ weil er ihm alsbald Hoffnung machte/ das Fraͤulein vor sich wieder zuerstreiten/ ging also fort/ und folgete Klodius seiner Spuhr nach/ da er der Fraͤulein Magd antraff/ und sie bey sich behielt/ umb/ wie er sagte/ sie dem Fraͤulein wieder zuzufuͤhren. Ladisla setzete mit seinen Erstes Buch. seinen Leuten auch frisch fort/ und wahr kaum bey der Heerstrasse angelanget/ da er von ferne den Staub vor sich sahe; hielt darauff stille/ und stellete die seinen in Ordnung da- fern man ihn rechtfertigen wuͤrde. Vinius stach vor seinen Reutern her/ und so bald er der unsern gewahr wurde/ rante er zu ihnen hin/ und fragete; ob ihnen nicht ein Ritter auf- gestossen waͤhre mit einem Fraͤulein in lichtrohter Kleidung. Klodius muste ihm auff Be- fehl antworten/ und fragen/ was er auff das Fraͤulein zu sprechen haͤtte; es waͤhre ihnen ja ein solcher Ritter begegnet/ dem sie Schuz und Beystand auff allen Fall leisten wolten. Dieser gab hoͤnisch zur Antwort: Er haͤtte anjezo nicht Zeit/ sich bey ihnen auffzuhalten/ damit ihm das Fraͤulein nicht entfuͤhret wuͤrde/ moͤchten sich deßwegen gedulden/ biß auf seine Zuruͤkkunfft/ als dann wolte er ihnen Fuß halten; auff was Weise sie es begehren wuͤrden. Schwenkete hiemit seine Schaar/ und wolte neben ihnen weg reiten; aber Ladisla stellete sich ihm in außgebreiteter Ordnung entgegẽ/ und fragete nochmal/ was vor Recht er zu dem Fraͤulein haͤtte/ nebest der Bedrauung/ er solte sich der Nachfolge begeben/ oder ihn zum Feinde haben. Dieser sahe daß ihm der Weg verleget wahr/ zweiffelte zwar am Siege nicht/ weil er die unsern an Mannschaft uͤbertraff; nur besorgete er/ dz auf diese wei- se das Fraͤulein ihm moͤchte entruͤcket werden/ versuchte deßwegen noch einmahl/ in guͤte zuerhalten/ daß er seinen Weg ungehindert moͤchte fortsetzen/ mit aͤidlichem Versprechen/ er wolte hernach den unsern gedoppelt zuwillen seyn; dafern sie ihm aber sein Gluͤk wuͤr- den verhindern/ muͤsten sie es alle mit dem Halse bezahlen. Ladisla wolte ihm darauff nicht antworten/ sondern beredete sich mit Fabius/ wessen er sich zu seinen Reutern zuversehen haͤtte/ es taͤhten ihm die schmaͤhliche Dꝛaͤuworte sehr wehe/ die er auff sich nicht koͤnte ersitzẽ lassen/ und haͤtten sie sich billich zuschaͤmen/ daß sie solchen Troz erdulden muͤsten/ da sie an der Zahl ihm beynahe gleich waͤhren. Fabius redete hierauff seine Reuter an/ und als sie sich erbohten/ ihrer Pflicht biß in den Tod eingedenk zu seyn/ sagte Ladisla zu Vinius/ er solte des Nachjagens/ oder seiner Freundschafft sich begebẽ/ man haͤtte seinẽ/ stolzen Draͤu- ungen schon viel zuviel uͤbersehen. Wolan/ antwortete dieser; dein lezter Tag ist kommen/ welcher dir so viel unertraͤglicher fallen sol/ weil du mir an meiner hoͤchsterwuͤnscheten Gluͤkseligkeit verhinderlich bist. Womit sie von einander zogen/ und die ihren zum Treffen ordneten. Herkules kam gleich hinzu gerennet/ vernam von Ladisla allen Verlauff/ und wahr des gaͤnzlichen vorhabens/ die Blutstuͤrzung abzuwenden/ schickete alsbald seinen Klodius an Vinius/ und lies ihm sagen; der so das Fraͤulein gerettet/ und schon in Si- cherheit gebracht/ waͤhre gleich jezo wiederkommen/ und liesse ihm sagen/ daß wann er et- was auff ihn zusprechen haͤtte/ solte er solches mit seinem Schwerte wieder ihn außfechten/ und zu weiterm Mord keine Ursach geben/ und stuͤnde ihm frey/ mit ihm oder Ladisla den Kampff anzutreten. Der Raͤuber sol wilkommen seyn/ antwortete Vinius/ und sage ihm/ das er sich fertig halte. Klodius hies ihn einen Luͤgener/ und das er auff seine Schanze acht gaͤbe; hinterbrachte die Antwort/ und machete Ladisla traurig/ daß er ohn Streit abzihen solte/ muste doch einwilligen/ und fielen die beyde ganz eiferig mit den Schwertern auf- einander/ da Vinius durch seine erste Wuht zimlich Stand hielt; aber Herkules ward bald sein Meister/ laͤhmete ihm vor erst den rechten Arm/ und gab ihm also fort einen Stoß in die Gurgel/ daß er Tod niderstuͤꝛzete. Seine Reuter erschraken der schleunigen Niderla- ge/ Erstes Buch. ge/ und auff Ladisla Befragung/ ob sie umbkehren/ oder gleicher Belohnung wolten ge- waͤrtig seyn/ bahten sie umb schoͤn Wetter/ gaben der Fraͤulein Magd von sich/ uñ auf Ver- guͤnstigung suͤhreten sie den Erschlagenen mit sich davon. Herkules dankete Gott/ daß ohn weiteres Blutvergissen der Streit geendiget wahr/ und befragete die feindlichen Reuter/ auff was vor einen Anschlag sie eigendlich außgezogen waͤhren; welche zur Antwort gaben; es haͤtten ihre beyde Erschlagene Herrẽ nebest andern gewaltigen Rittern sich verschwo- ren/ Herren Fulvius Tod an den beyden fremden Herren zu Padua zu raͤchen; weil nun Silvan von Rom vertrauliche Nachricht bekommen/ daß das Fraͤule in auff dem Wege nach Padua waͤhre/ haͤtte er solche auff fangen/ und sie ihm ehelichen wollen. Herkules gab zur Antwort: Ich bin einer von den fremden zu Padua; weil dann eure beyde Herrẽ eine unverdiente Feindschaft mir zugeworffen/ haben sie durch Gottes Rache den Lohn schon hinweg; Kehrete mit seiner Geselschafft wieder um nach dem Vorwerke/ und wuꝛ- den daselbst froͤlich empfangen. Bey der Abendmahlzeit saß Herkules auff Fr. Sophien Anordnung bey dem Fraͤu- lein/ redete aber wenig mit ihr/ weil er sich seines gebrauchten Frevels nicht wenig schaͤme- te. Die Nacht ruheten sie auff zwey gemeinen Lagern/ und wahren fruͤh morgens mit dem Tage wache/ da Fr. Sophien eine sonderliche Lust ankam/ den Platz im Walde zu besichti- gen/ da sie auß Raͤubershaͤnden erloͤset/ in ihres lieben Ladisla erste Kundschafft gerahten wahr/ welches ihr so hefftig anlag/ daß sie nicht ruhen kunte/ ihn zu bitten/ daß er die Ge- selschafft vermoͤgen moͤchte/ mit zureiten/ dann sie waͤhre willens/ an dem Orte eine sonder- liche Gedaͤchtniß zu stifsten/ welcher sie seiner Liebe zu allererst wirdig gemacht haͤtte. La- disla kunte ihr ohn das nichts versagen; so wahr es auch ein kurtzer Weg/ der in zwo Stun- den mit ihren schnellen Pferden kunte erreichet werden; begruͤssete demnach seinen Her- kules und den jungen Fabius/ ihm Geselschafft zu leisten. Der Stathalter erboht sich/ selbst mitzuzihen; auch wolte seine Gemahl den Ort besichtigen/ daß also sie ingesamt in den ersten Fruͤhstunden sich auffmachten/ und den Weg vor sich nahmen; wolten zwar anfangs ohn Waffen reiten/ aber auff des Stathalters anmahnen/ legten sie dieselben an/ weil man nicht wissen koͤnte/ was vor Unfall sich zutragen moͤchte. Als sie den Pusch errei- cheten/ musten sie die Pferde unter der Verwahrung etlicher Reuter Jungen hinter sich lassen/ und zu fusse durch die Hecken brechen/ welches dem Frauenzim̃er nicht eine geringe Beschwerung gab; wiewol sie gute Gehuͤlffen bey sich hatten; massen der Stathalter sein Gemahl/ wie auch Ladisla und Fabius die ihren mehrenteils schleppeten und trugen. Her- kules fuͤhrete Frl. Sibyllen mit ihrer guten Vergnuͤgung/ der sich doch noch immerzu fuͤrchtete/ sie wuͤrde wegen seiner gestrigen Reden einen heimlichen Unwillen auff ihn ge- worffen haben/ daher er auch vor dißmahl zu ihr sagete: Durchl. Fraͤulein/ wann ich an mein gestriges Verbrechen gedenke/ da ich so ungebuͤhrlichen Schertz mit ihr treiben duͤꝛf- fen/ schaͤme ich mich fast/ sie kuͤhnlich anzusehen/ und wundere mich ihrer hohen Guͤtigkeit/ daß sie meinem Muhtwillen so leicht verzeihen koͤnnen/ und mich ihrer Gefaͤhrtschaft noch wirdiget; versichere sie aber/ daß zeit meines Lebens ich mich aͤusserst bemuͤhen wil/ diesen Frevel durch ein bereitwilliges Herz jhr zudienen/ abzutragen/ und wuͤnsche nicht mehr/ als daß ich des beschehenen voͤllige Verzeihung bitten duͤrffte. Das Fraͤulein/ die an seiner R Zucht Erstes Buch. Zucht und Schoͤnheit uͤberauß grosses Gefallen trug/ antwortete ihm: Ach mein Herr/ ich bitte freundlich/ er wolle sich allerdinge Unschuldigen nicht anklagen/ gestaltsam ich von jhm ja nichts als alles gutes empfangen; haͤtte auch vielmehr umb Verzeihung zu bitten/ daß ich sein ehrliebendes Gemuͤht in zweifel zihen/ und mich uͤber ihn beschweren duͤrffen/ wovor ich gerne Abtrag machen wolte/ wann ich nur des Vermoͤgens waͤhre. Er hinge- gen wendete ein/ es waͤhre seine hoͤchste Vergnuͤgung/ wann sie sein Verbrechen uͤbersehen und vergessen wolte; huhb sie auch uͤber alles Gestraͤuche mit anmuhtigen Bezeugungen seines ergebenen Willens/ dessen sie mit guter Auffmerkung wahꝛ nam/ weil sie ohn das ei- ne Schuldigkeit der Vergeltung vor geleistete hohe Dienste in ihrem Herzen empfand/ da- her sie ihm alles gutes/ wie ihr selbst/ goͤnnete; betrachtete auch nicht allein seine Tugend mit den Gedanken ihrer hochvernuͤnfftigen Seele/ sondern sahe sein liebreiches Angesicht ohn alle Einbildung der Genießwilligen Liebe zum oftern an/ und huͤtete sich nicht vor dem Gifft/ welcher durch der Augen und Zungen Bedienung sich biß in das innerste des Her- zen hinein zu senken pfleget/ weil sie nicht allein noch jung/ und im XVI Jahre ihres Alters/ sondern auch von ihren Eltern in hoͤchster Zucht aufferzogen/ und von aller leichtfertigen Geselschafft abgehalten wahr/ welche offters der zarten Jugend viel schaͤdlicher/ als die gifftigsten Schlangen sind. Die holdseligen Unterredungen kuͤrzeten ihnen des Weges Laͤnge/ und machten sie des muͤhseligen gehens wenig empfinden/ daß ehe sie sichs versa- hen/ sie sich schon auff dem Platze befunden/ und nicht ohn Bestuͤrzung sechs auffgerichte- ter herlicher Mahlzeichen gewahr wurden/ daher sie anfangs meynetẽ/ sie haͤtten den rech- ten Ort nicht angetroffen/ eileten doch nicht destoweniger/ die erhabenen außgehauenen Steine zubesichtigen/ unter denen der eine sechs Ellen lang und dꝛittehalb Ellen breit/ ganz glat gehauen wahr/ an dem sie diese Messinges kuͤnstlich eingegossene Schrifft lasen: Stetswehrendes Ehren Gedaͤchtniß der treflichen Helden/ welche auff diesem unseligen Platze von vierzig Roͤmischen Rittern unredlicher weise angegriffen/ und nach langem ernstlichen Gefechte uͤber mannet und erschlagen sind; deren Todt an den Moͤrdern und ihren Helffers-Helffern zu raͤchen/ die loͤbliche verschworne Gesellschafft ihr vorbehalten hat. Unten am Steine wahr die Jahr-Monat und Tagezahl solcher Niederlage abge- hauen. Der Stein so diesem am naͤhesten stund/ wahr ein grosses Mannesbilde/ welches in der Rechten ein Schwert/ und in der Linken einen Schild hielte/ und lase man zu oberst auff einem Getaͤffel diese Schrifft: Orgetorix der grosse von Leibe/ Gemuͤht/ Kunst und Kraͤff- ten/ aller Fechter Ehr und uͤberwinder/ bestalter Herzog uͤber 38000 Mann/ lieget unter diesem Stei- ne begraben/ von XV geharnischten Rittern schelmisch uͤberfallen/ deren er vor seinem Tode zwey ni- dergehauen; dessen Blut umb Rache schreyhet. Naͤhest ihm stund ein gepanzertes Bilde mit gleichem Gewehr/ und mit dieser Uberschrifft: Herr Dumnorix Obrister uͤber 4000 lieget unter diesem Steine/ von acht Rittern unredlicher Weise erschlagen. Das folgende Bild glei- cher Gestalt/ wahr unter dieser Schrifft zuerkennen: Herr Ambiorix/ Obrister uͤber 3000/ hat allhier seinen kuͤhnen Geist aufgegeben/ von acht Rittern nidergemacht. An den zweyen uͤbrigen auffgerichteten Steinen/ in nicht so hoher groͤsse/ lasen sie diese Worte; als am ersten: Fimbria/ Herren Dumnorix Obrister Wachtmeister/ von fuͤnff Rittern ermordet/ hat seinem Obri- sten im Tode Geselschafft leisten wollen. An dem lezten: Sergius/ Herren Ambiorix Haͤuptman uͤber ein Freyfaͤhnlein/ ist alhie von vier Rittern erleget worden. Sie verwunderten sich dieser Begeb- Erstes Buch. Begebniß zum hoͤchsten/ und sagte Herkules. Die Nahmen und Zeit benennungen geben gnug an den Tag/ daß den von uns erfchlagenen Raͤubern diese vermeynete Ehren Ge- daͤchtnis auffgerichtet worden; warumb man aber solche Taht XL Rittern zuschreiben wollen/ ist mir unwissend/ es geschaͤhe dann aus großpralerey/ den Buben ein so viel groͤs- ser Ansehen zu machen/ welches ich doch wenig achte/ und nur nachsinne/ wer immer und ewig so verwaͤgen seyn duͤrffen/ diese Steine herzusetzen/ und zwar ohn Vorwissen der Landes Obrigkeit; muhtmasse daher/ es muͤsse eine grosse Menge der verschwornen Raͤu- ber obhanden/ und vielleicht wol gar in der naͤhe seyn; angesehen/ daß in so kurzer Zeit die- ses alles nicht allein geschwinde verfertiget/ sondern auch auffgerichtet ist. Ich weiß nicht/ antwortete der Stathalter/ ob dieses ein verzaubertes oder wahrhafftes Werk ist; dann Roͤmische Untertahnen haben diese Bilder ja nit oͤffentlich hauen/ vielweniger die Draͤu- ung der Rache hinzusetzen duͤrffen; daher ich waͤhne/ dem Roͤmischen Reiche stehe eine grosse annoch verdeckete Gefahr vor/ welches etlicher massen aus des Orgetorix reden ge- gen meine Tochter/ erscheinet. Der junge Fabius sahe ohngefehr an einem grossen Bau- me eine weisse steinerne Taffel blaͤnken/ ging hinzu/ und lase daran folgenden Inhalt: Diß sind die sechs unehrliche Ritter/ welche durch die Haͤnde der Helden vor ihrem Tode auffgeopffert sind. Er rief die andern herzu/ es zu lesen/ sahe uͤber sich/ und ward sechs auffgehenkter Leichnam gewahr/ die endlich vor seine Reuter erkennet wurden/ welche Herkules und Ladisla bey seinem unvorsichtigen Anfall erschlagen hatten/ und nachgehends in die Erde verscharꝛen lassen/ welche wieder außgegraben/ und an diesen Baum geknuͤpffet wahren. Als Ladisla sie besahe/ sagte er: Ohn zweifel haben die Uhrheber dieses Werks ihre Auffmerker in Pa- dua/ welche ihnen alle Beschaffenheit wol werden eingebracht haben/ daß also der blosse Hochmuht ihnen diese Luͤgen eingeblasen hat. Niemand wahr bestuͤrzter hieruͤber/ als Fr. Sophia/ und gedauchte sie/ die Steine muͤsten in der Naͤhe gearbeitet/ und heimlich herzu- gebracht seyn/ woruͤber sie zu ihrem Vater sagete: Jezt erkenne ich erst meine grosse Ge- fahr/ in welcher ich dazumahl gestecket; dann solte ein groͤsser Hauffe Raͤuber den damah- ligen Verlauff erfahren haben/ und ihnen Huͤlffe geleistet/ haͤtten wir alle das Leben einbuͤs- sen muͤssen. Sie ging aber fleissig umher/ ob sie nicht irgendwo ein Merkmahl antreffen moͤchte/ wodurch man der Sache bessere Kundschafft einzoͤge; nnd ward endlich nach fleissiger Nachspuͤrung gewahr/ daß nach der linken seite des Gehoͤlzes inwarz/ das Graß sehr zutreten wahr/ und eine Wagenleise/ die fast gar zugescharret/ sich etlicher massen ver- nehmen ließ; welches sie jhrem Ladisla anzeigete/ und bey ihm anhielt/ etliche von den Reu- tern außzusenden/ die dem Wege nachgingen/ und bericht einhohleten. Aber Herkules/ deꝛ mit gleichmaͤssigen Gedanken umging/ sagte: der Sinn truͤge ihm etwas sonderliches zu; wolte demnach die ganze ritterliche Geselschafft freundlich ermahnet haben/ ihr Gewehr zu beobachten/ und redete den Stathalter also an: Hochmoͤgender Herr/ mir zweifelt nit/ diese ganze Landschafft/ wo nicht der Kaͤyserliche Stuel selbst/ sey einer grossen raͤuberischẽ Geselschafft zur Beute außerkohren/ so daß erster Zeit/ ehe und bevor der Rauch auffgehet/ ein hellbrennendes Feur Staͤdte und Doͤrffer verzehren moͤchte; und wer weiß/ ob dasselbe nicht alhier in der Naͤhe unter der Asche glimmet/ daß mans durch gute Vorsicht daͤmpf- fen koͤnte/ ehe es hervor gescharret wuͤrde; und ob gleich unseꝛe Geselschaft klein und gerin- R ij ge ist/ Erstes Buch. ge ist/ sind wir doch mit Waffen so wol versehen/ daß wir uns eines raͤuberischen Sturmes mit der Huͤlffe des Allmaͤchtigen Gottes wol erwehren koͤnnen; deßwegen auff des Herꝛn Stathalters Verguͤnstigung/ ich wol der Meynung waͤhre/ einen kurzen Weg ins Gehoͤlz zu nehmen/ ob sich einiger Raͤuberhauffe wolte blicken lassen. Der Stathalter ließ ihm solches wolgefallen/ und erboht sich/ selbst mitzugehen/ nahmen das Frauenzimmer zwi- schen sich/ und gingen in guter Ordnung den getretenen ungleichen Weg eine ganze stun- delang/ ehe sie etwas gewahr wurden; Daher Fr. Pompeja wegen Muͤdigkeit anhielt/ wieder umzukehren; Ihre Tochter aber hingegen sie baht/ noch ein wenig fortzugehen/ weil der Weg je laͤnger je gebahneter fiele. Der junge Fabius trat eines guten Steinwurffs vorauß/ nnd ward dreyer gepanzerter grosser Maͤnner innen/ die unter einem schattichten Pusche schlieffen/ und ihr Gewehr neben sich liegen hatten. Er wendete sich umb/ winkete der Geselschafftstille zu seyn/ ging mit grossen Schritten dem Pusche zu/ stieß den einen mit dem Fusse in die seite/ daß er erwachete/ und fragete ihn/ wie er den rechten Weg nach Padua wieder antreffen moͤchte/ weil er im Walde irre ginge. Dieser verwunderte sich neben seinen Gesellen/ woher dieser gewapnete Ritter so einig zu fusse herkaͤhme/ und gab ihm zur Antwort: Du gehest nicht irre/ guter Geselle/ sondern bist auff dem Wege deines guten Gluͤks; stund hiemit auff/ und griff nach seinem Schwerte; Fabius aber/ der seinen moͤrderischen Vorsaz merkete/ ließ ihm so viel Zeit nicht/ sondern wie er sich buͤckete/ das Gewehr auffzuheben/ versetzte er ihm eines in den Nacken/ daß ihm der Kopff vor seine ei- gene Fuͤsse fiel; wodurch die uͤbrigen beyde auffgemuntert/ ihn mit grossem wuͤten anfielen, deren er sich ritterlich erwehrete/ biß Herkules und Ladisla ihm zu huͤlffe eileten/ und den ganzen Hauffen folgen liessen; daher die Raͤuber als ungeharnischte mit leichten Spruͤn- gen sich davon machten/ und zueilen nicht auffhoͤreten/ biß sie vor einer mit Dornhecken umgebenen Hoͤhle anlangeten/ und sich daselbst verkrochen. Die unseren verfolgeten sie/ so viel wegen Verhinderung der Waffen gesche- hen kunte/ biß sie bey diesem Orte ankahmen/ des verdeckten Loches sich verwunderten/ und naͤher hinzu traten/ auch ein grosses Getuͤmmel und Waffen-geraͤusche unter der Erden vernahmen/ woruͤber Herkules sich hoch erfreuete/ rieff die ganze Gesellschafft herbey/ und fuͤgete ihnen zu wissen; hie waͤhre ohn Zweifel das gefaͤhrliche Raubnest/ welches sie durch GOTtes Huͤlffe gedaͤchten zustoͤren/ dafern sie als ehrliche Ritters- lente getraͤuen Beystand leisten/ ihre Schwerter frisch gebrauchen/ und dieser unsterb- lichen Ehre mit teilhafftig seyn wolten; welches sie ihm alle schwuren. Wie geherzt sich nun unsere Helden erzeigeten/ so erschrocken stellete sich das kleinmuͤhtige Frauen- zimmer/ insonderheit Fraͤulein Sibylla/ ungeachtet Herkules sie troͤstete/ und ihnen drey Huͤter vor einen ungewarneten uͤberfall zuordnete. Frau Pompeja begunte mit ihrer Tochter zu schelten/ daß sie die einige Ursach dieser Gefahr waͤhre/ in welcher sie vielleicht alle umkommen muͤsten/ die sich aber bester massen entschuldigte; es waͤhre ja alles ohn jhr wissen geschehen/ und moͤchte die Mutter sich zu frieden geben. Der Stathalter wahr ohn Waffen/ und hatte nur sein leichtes Seiten-Gewehr bey sich/ da- her Ladisla ihn vermahnete/ bey dem Frauenzimmer zu bleiben/ biß man bessere Kund- schafft eingezogen haͤtte. Welches er also beantwortete: Wie mein geliebter Herr Sohn/ Erstes Buch. Sohn/ seyd ihr dann diesem Lande mehr schuldig als ich/ daß ihr fechten/ und ich in der Si- cherheit verborgen liegen solte? fing hierauff an/ die anwesende Reuter also anzureden: Nun lasset sehen/ ihr meine Soͤhne/ wie traͤulich ihrs mit dem Vaterlande meynet. Hier ist Ehre/ Ruhm und Belohnung zu erstreiten/ so daß euch das Gluͤk mit beyden Haͤnden zur Niessung ihrer Gaben herzuwinket; Lasset euch nur eine geringe Gefahr nicht ab- schrecken/ noch eine kurtze Arbeit verdrießlich seyn; Ich verspreche euch bey meiner Red- ligkeit/ hoͤhere Vergeltung als ihr selbst nicht gedenken moͤget; tuht nur die Augen und Ohren auff/ und folget euren Fuͤhrern/ welche/ ungeachtet sie Fremdlinge sind/ dannoch sich willig vor die Wolfahrt unsers Landes darbieten/ in welchem sie nicht einen fußbreit eigenes haben. Dafern nun die feindselige Raͤuber sich werden hervormachen duͤrffen/ so greiffet sie frisch und tapffer an/ ich wil vor eines jeden Feindes Haͤupt hundert Kronen erlegen. Uber dieses erbieten wurden sie dergestalt beherzt gemacht/ daß sie versprachen/ ritterlich zu siegen oder ruͤhmlich zu sterben. Herkules blieb inzwischen immer fleissig vor der Hoͤhle stehen/ und nach tiefsinniger Horchung merkete er/ daß das Getuͤmmel sich immer weiter hinein zohe/ deßwegen er X Reuter waͤhlete welche den Harnisch ablegen/ und umbher gehẽ musten/ zuvernehmen/ ob die Hoͤhle etwa mehr Eingaͤnge haͤtte; besetzete dieses Loch mit drey Mann/ und stellete die Voͤlker in gute Ordnung/ mit Befehl/ wessen sie auff Begebenheit sich verhalten sol- ten. Es stund nicht lange an/ da kahmen die außgeschikten wieder herzu/ und brachten Kundschafft ein/ daß sie noch eines Loches gewahr worden/ aus welchem sich gepanzerte Maͤnner hervor taͤhten/ und zum Streit fertig macheten. Nun dann geschwinde auff/ sagte Herkules; trat zwischen Ladisla und den jungen Fabius vorne an/ und hies Klodius mit XIV Mann folgen; die uͤbrigen aber unter Markus Befehl sich gefasset halten. Sie funden/ daß sich schon XX Raͤuber aus der Hoͤhle hervorgemacht/ und das Loch ringsum- her besetzet hatten/ daher Herkules sagte; man muͤste allen Fleis anwenden/ daß nur der Eingang erstritten/ und die Feinde davon abgetrieben wuͤrden; tahten hiemit den An- griff/ und funden wieder vermuhten starke Gegenwehr/ weil jene den aͤussersten Fleiß anwendeten/ des Lochs Meister zubleiben; dann also ward ihr Hauffe immer gemeh- ret/ so lange sie Freyheit hatten heraus zu steigen. Herkules lies Markus mit XII Mann zu sich fodern/ gieng neben Ladisla mit unglaͤublicher Krafft auff die Raͤuber/ und kunte doch ihrer keinen weichen machen/ sondern auff dem Platze ihres ersten Standes lies- sen sie sich niederhauen; welchen Verlust die lebendigen nichts achteten/ weil ihr Hauf- se stets gemehret ward. Klodius merkete daß auff der andern Seite des Loches der Feind so festen Stand nicht fassen kunte/ deßwegen er selbst sechse durch die Hecken brach/ und nach kurzem Gefechte das Loch dieses Orts erstritte/ dessen Herkules sich freuete/ und seine Tapfferkeit ruͤhmete/ weil dem Feinde das Außsteigen hiedurch schon benom- men wahr; muhtigte daher seine Leute auff/ und das mit Abschneidung der Raͤuber- Koͤpffe sie sich nicht hindern solten/ er wolte ihres wolverhaltens ihnen schon Zeugnis geben/ und ihnen das versprochene Geld zehnfach verschaffen. Darauf ging das schlach- ten grausam fort/ und wurden XXXVI Raͤuber hieselbst erschlagen/ das nur ein einziger R iij davon Erstes Buch. davon außreiß/ welchen sie zwar leicht haͤtten nidermachen koͤnnen/ aber Herkules wehrete solches/ und befahl/ ihn lauffen zu lassen/ jedoch zu verfolgen/ daß man saͤhe/ wohin er sich wendete/ wuͤrde alsdann ohn zweifel ihnen an stat eines Spuͤrhundes dienen koͤnnen. Er aber besetzete dieses Loch mit drey Mann/ und vernam nicht ohn schmertzen/ daß er bey die- ser Schlacht drey Reuter eingebuͤsset hatte. Seine Voͤlker musten alle zusammen treten/ ohn die das Frauenzimmer und die beyden Loͤcher bewahreten/ und befand/ daß sie noch drey und dreissig Mann stark fechten kunten; hielt eine kurze Vermahnung/ in welcher er ihre schon erzeigete Tapfferkeit ruͤhmete/ und zur Standhafftigkeit sie ermahnete/ welches ihnen mit statlichen Schenkungen solte vergolten werden. Der Stathalter nahm eines entleibeten Raͤubers Schild und Schwert zur hand/ hatte bißher nur mit worten geholf- fen/ und wolte nunmehr selbst mit fechten/ dann er hoͤrete/ daß die/ so dem fluͤchtigen gefol- get wahren/ die Zeitung brachten/ sie haͤtten noch ein Loch angetroffẽ/ wobey sich etwa XVI Mann/ und zween im vollen Ritterharnische sehen liessen. Da wolte nun nicht lange har- rens Zeit seyn/ gingen also frisch fort/ und funden/ daß schon XXIV Raͤuber in fester Ord- nung stunden/ und teils mit langen Spiessen umb das Loch hielten/ daß sie keinen Schrit sich von ihrer Stelle begaben/ sondern das Loch zubeschirmen/ willens wahren. Ein grosser ansehnlicher Raͤuber aber trat aus ihrem Mittel in vollem Harnische hervor/ und rieff uͤ- ber laut; ob ein redlicher beherzter Ritter unter den unsern waͤhre/ solte derselbe mit ihm einen absonderlichen Kampff annehmen; und duͤrfte einer es nicht wagen/ moͤchte er selb ander kommen. Herkules aber sagte zu Ladisla; mein Bruder; dieser suchet nichts/ als Zeit zugewinnen/ daß sein Hauffe vermehret werde/ deßwegen greiff nur die Raͤuber frisch an/ mit der ganzen Macht/ ich wil mit Gottes Huͤlffe diesem verwaͤgenen den Troz bald legen/ und dir hernach beyspringen. Der junge Fabius wolte ihm den einzelnen Kampff wiederrahten/ und als solches nicht hafftete/ boht er sich ihm zu beystand an/ weil das Un- geheuer es selbst also begehret haͤtte. Aber Herkules sagte zu ihm: Mein Freund/ dort wird eure Huͤlffe noͤhtiger seyn/ hier gilt nicht noͤhtigens/ gehet hin/ ich wil geliebts Gott schier folgen. Trat hiemit unerschrocken auff seinen Außfoderer ein/ nach dem er sich mit seinem gewoͤhnlichen Gebet Gott also befohlen hatte: HErr Gott/ du starker Schuz aller/ die auff dich hoffen; stehe mir schwachen bey mit deiner Krafft/ und gib gnaͤdig/ daß dieses verwaͤgenen Menschen sein Frevel gebrochen/ und seine Boßheit gestraffet werde; mir aber verleyhe den Sieg/ weil ich nicht aus Liebe/ Menschenblut zuvergiessen/ sondern auß unvermeidlicher Noht/ dieses Kampffs mich un- ternehmen muß. Sein Feind ging mit Wuht und rasen auff ihn loß/ dann er hatte fast Rie- senstaͤrke/ daher Herkules ihn sich anfangs abarbeiten ließ/ weich ihm mehr aus/ als daß er die Hiebe mit dem Schilde abgewendet haͤtte; endlich da er sich sehr verhauen hatte/ lieff er ihm ein und verwundete ihn am linken Arme/ daß er vor Schmerzen den Schild fallen ließ/ jedoch auß grossem Eifer im̃er hefftiger von sich schlug/ woruͤber er aller Beschuͤtzung vergessend/ sich in der Bemuͤhung gar bloß gab/ daß ihm Herkules einen geraden Stich in das rechte Auge anbrachte/ und bald darauff einen unter dem Brustharnische in den Leib/ einer halben Ellen tieff; worauff er zuruͤk trat/ und sich in ein wolgemaͤssenes Lager stellete. Der grosse Ruland fuͤhlete/ daß er toͤdlich verwundet wahr/ wolte doch seinẽ Feind gerne mit in den Tod nehmen/ lieff unsinnig ein/ und taht einen solchen kraͤfftigen streich/ welchen Erstes Buch. welchen kein Stahl haͤtte moͤgen auffhalten/ aber er fiel zu kurz/ und traff ihm doch etwas an der seite auff den Helm/ daß ihm das straucheln nicht ferne wahr; erholete sich doch bald/ und sahe seinen Feind vor Ohnmacht wanken/ und bald darauf in die Knie schiessen; trat zu ihm und sagte: Nun wirstu mir den Meister Satz halten/ riß ihm den Helm hinweg/ und schlug ihm das Haupt von der Schulder. Der andere geharnischte Raͤuber/ so bald er seinen Gesellen straucheln sahe/ gab sich auß der gemeinen Schlacht/ und rieff Herkules zu gleich da er den lezten Hieb taht: Ritter halt ein/ oder du must sterben; welches er aber nicht achtete/ sondern nach vollbrachtem Schlage antwortete: Dieser hat seinen Lohn hin- weg/ und wird Gottes Hand dich auch bald finden. Sie hielten kein langes Gespraͤch/ son- dern fingen an so grausam auff einander zu schlagen/ daß die Zuseher sich darob entsetzetẽ; und ob zwar der Raͤuber an Leibeskrafft den Vorzug hatte/ so ging ihm Herkules doch mit seiner Geschikligkeit weit vor/ indem er jhn von allen seiten anfiel/ den schweren Hiebẽ auß- trat/ und im Augenblik wieder loßging/ wann jener sich verhauen hatte/ daß er ihn daher in kurzer Zeit an vier Orten verwundete. Der Stathalter hatte bißher seinem Gefechte mit hoͤchster Verwunderung zugesehen/ und fing an zuruffen: Ihr Goͤtter haltet diesem Hel- den Schutz/ wie ers durch seine Froͤmmigkeit verdienet. So bald Herkules seine Stimme hoͤrete/ dauchte ihn/ er empfinge neue Krafft/ wolte die Zeit mit diesem nicht so lange zu- bringen/ sondern warff sein eigen Schwert von sich/ und riß dem Raͤuber seines aus der Faust; welcher sich des Schimpfs schaͤmete/ warff den Schild hinweg/ uñ suchte Gelegen- heit mit ihm zu ringen/ fuͤhlete aber sein eigen Schwert gar zu bald in den Rippen/ dz er zu bodem fiel/ mit haͤnden und fuͤssen zappelte/ uñ kein wort mehr sprach. Herkules riß jhm dẽ Helm herunter/ schlug ihm dz Haͤupt ab/ und reichte dem Stathalter den Helm mit diesen worten: Da mein Herꝛ/ setzet um gefahr willẽ diesen auf/ dz ihr bessern schirm habẽ moͤget. Dieser nam solches mit Dank an/ uñ traten mit einander den ihren zu huͤlffe/ da inzwischẽ Ladisla seine Leute geherzt anfuͤhꝛete/ und eine heftige Schlacht gehaltẽ hatte/ so dz deꝛ feinde schon XX an diesem Ort erlegt waren/ uñ kunten doch den Eingang nit erstreitẽ. Herkules rieff uͤberlaut; man muͤste durchdringen/ sonst waͤhre alle Arbeit vergebens; dann er sahe daß der Feinde Anzahl sich immerzu mehrete/ uñ eines erschlagenen Plaz geschwinde wie- der ersetzet ward. Die Raͤuber empfunden Herkules Faͤuste bald/ und hatten mit grosser Bestuͤrzung angesehen/ was Gestalt er ihre beyde Oberste Vorsteher hingerichtet; deßwe- gen sie auff ihn als eine Fluht stuͤrmeten; aber Ladisla und Fabius leisteten ihm redlichen Beystand/ biß er aus diesem Gedraͤnge sich loß arbeitete/ und mit acht Mann/ unter denen Klodius wahr/ auff der ander Seite einbrach/ woselbst er in kurzerzeit IX Raͤuber mit sei- ner Faust erlegete. Die andern feireten auch nicht/ weil der Feinde Geschrey in der hoͤhle sich nur immer zu hoͤren lies/ beschuͤtzet den Außgang; ja sie drungen so haͤuffig hervor/ dz ihrer etliche der Schilde vergassen/ und nur mit den Schwertern/ auff ihre Fe ch tkunst sich verlassend/ den Streit auffnahmen/ daher sie weidlich einbuͤsseten/ daß das Loch umbher mit den erschlagenen umbschanzet ward/ und die Feinde sich des Gewehrs nicht mehr ge- brauchen kunten/ weil die unsern ohn Ruhe auff sie angingen. Ein ansehnlicher Raͤuber/ da er den Stathalter/ den er wol kennete/ gegenwertig sahe/ uͤberlieff er ihn ganz verwaͤgẽ und sagte: So mustu dich dañoch nicht ruͤhmen/ daß du die bißher so gluͤkliche Geselschaft zustoͤ- Erstes Buch. zustoͤret/ und ihren Schaz erstritten hast; fuͤhrete damit einen gewaltigen Hieb/ in Mey- nung/ ihn in der mitte von einander zuschlagen; er aber weich ihm aus/ trat wieder nach/ und schlug ihm das Haͤupt fast gar herunter; doch wahr ihm die Gefahr so nahe/ daß ihm nicht allein das Wammes vorne auffgehauen/ sondern auch der Bauch geritzet wahr; La- disla und seyn Sohn sahen dieses erst nach verrichteter Taht/ wolten ihn nicht weiter allein lassen/ sondern nahmen ihn zwischen sich/ und hielten ihm kraͤftigen Schuz/ weil sie sahẽ/ dz schon mehr Raͤuber sich an ihm reiben wolten. Herkules unuͤberwindliche Faust drang endlich Sieghafft durch/ das er einen freien Gang zu der Hoͤhle machte/ die er vieren zu- verwahren gab; er aber mit den uͤbrigen schlug von hinten zu in die Feinde/ daß sie endlich verzageten/ und sich wie das Vieh hinmaͤtschen liessen; ohn ein junger frischer Raͤuber hielt sich wol/ dem Herkules Gnade anboht/ wo er sich willig geben wuͤrde; dessen er sich nicht lange bedachte/ Schwert und Schild von sich warff/ und sich erboht/ alles was er koͤnte/ willig zu leisten. Herkules fragete ihn alsbald/ ob die Hoͤhle noch mehr als drey Außgaͤnge haͤtte. Nein antwortete er/ sie sind ihnen nun alle versperret/ und waͤhret ihr nicht so gluͤk- selig gewesen/ sie so zeittig außzuforschen/ wuͤrde euer uͤbel gewartet seyn; dann ich versi- chere euch/ daß bey eurer Ankunfft unsere Geselschafft 194 Mann stark gewesen. Mich be- treffend/ bin ich erst vor zehen tagen durch List und Gewalt von meiner Anverwanten ei- nem hieher gebracht/ und zu einem Haͤuptman uͤber 400 Mann gesetzet; ist mir aber sehr lieb/ daß diese Raͤuber vor erfuͤllung ihrer angelegten Grausamkeit den verdienten Lohn empfahen; und muß eine sonderliche schickung Gottes seyn/ daß ihr gleich jezo kommet/ da alle ihre Kriegsamten bey einander sind/ welches sonst selten geschihet; zweiffele nicht/ die auffgerichtete Ehrengedaͤchtnis werde euch darzu veranlasset haben/ welches die Versten- digsten befuͤrchteten/ und doch/ als uͤberstimmet/ nicht abwehren koͤnnen. Ladisla lies in- zwischen die erschlagenen Raͤuber zaͤhlen/ deren bey diesem Loche LVI wahren/ und sie daheꝛ außrechneten daß noch C in der Hoͤhle seyn musten; woruber der Stathalter nicht wenig erschrak/ aber durch Herkules Freihmutigkeit getroͤstet ward/ der seine Geselschafft also anredete: Ihr redlichen Bruͤder/ sehet wie eine Menge der Schelmen wir schon abge- schlachtet/ und deren gleichwol noch so viel in der Hoͤhle sich auffhalten; aber lasset euch vor denselben nicht grauen; die staͤrkestẽ sind erleget; ihre beyde Fuͤhrer duͤrffẽ vor Haͤupt- weh nichts mehr gebrauchen/ die Gottes Allmacht durch meine schwache Hand abgestraf- fet hat. Freuet euch aber/ daß wir der Hoͤhle Meister sind/ und sie ohn unsere Verguͤnsti- gung nicht heraus kriechen koͤnnen. Wiewol ich willens bin/ ihnen ein Loch zu machen/ daß wir sie locken/ und zur gebuͤhrlichen Straffe zihen; dann ich bin des gaͤnzlichen vorsatzes/ diesen Ort nicht zuverlassen/ biß der herliche Sieg voͤllig wird erstritten seyn. Seine Leute rieffen/ er moͤchte nach seiner Weißheit ordnen/ sie wolten alles gerne bey ihm und bey ih- rem Ritmeister auffsetzen. Darauff lies er sie Odem schoͤpffen/ zaͤhlete sie/ und befand/ daß er bey diesem andern treffen vier gute Kerle zugesetzet hatte/ und ihrer sechse zimlich ver- wundet wahren/ welche er nach dem Frauenzimmer schickete/ da man sie verbunden hat- te/ und die außgeruheten von dannen abfoderte/ das sein Haͤufflein noch in dreissig bewehr- ten bestund/ dieselben mitgerechnet/ welche die Außgaͤnge verwahren musten. Es lieff aber ein Reuter herzu von der ersten Hoͤhle/ und schrey uͤber laut/ Waffen Waf- Erstes Buch. Waffen! Herkulesging ihm mit den seinen entgegen/ und vernam daß seine beyde Gesel- len mit pfeilen aus der Hoͤhle verwundet/ und dieser entrunnen waͤhre/ der Feinde außstei- gen anzumelden; eilete deßwegen fort/ und sahe/ daß schon drey und zwanzig hervorgekro- chen wahren/ denen das Gewehr auß der Hoͤhle zugerichtet ward. Er uͤberfiel sie mit gan- zer Macht/ und wuͤrgete mit den seinen immer vor sich weg/ daß sie auff den Erschlagenen stehen und fechten musten. Der junge gefangene Raͤuber wolte sein Leben wieder verdie- nen/ stritte gewaltig/ und erlegte drey Feinde in kurzer Zeit; welches Herkules sehend/ zu ihm sagete: Halte dich wol mein Kerl/ du solt dessen geniessen/ davor wil ich dir Buͤrge und Schuldmann seyn. Die gewapneten Reuter sahen dieses Tapfferkeit zu ihrer Erin- nerung an/ daß sie sich selbst auffmunterten/ und eiferiger als vorhin fochten/ daher sie in einer halben Stunde LII Raͤuber dieses Orts erlegeten/ hingegen an ihrer Seite drey ni- der gehauen/ und viere verwundet wurden; und kam den unsern sonderlich zu statten/ daß Ladisla den Feind gar zeitig vom Loche trieb/ und sie sich weiters nicht herauß wagen durf- ten. Nun hielten sich doch nach des Raͤubers Anzeige/ noch XLII darinnen auff/ da hinge- gen ihrer nur zwey und zwanzig gesunde uͤbrig/ und zwar zimlich mat wahren/ weil sie des Tages weder Speise noch Trank genossen hatten. Ladisla gab acht/ daß die Außgaͤnge fleis- sig besezt wuͤrden/ und als er zimliche Sicherheit vernam/ ging er zu dem Frauenzimmer/ die vor Angst schier verschmachteten/ weil sie hinter dem Gepuͤsche das klappern der Waf- fen/ das schreihen der kaͤmpfenden/ und das Geheule der sterbenden hoͤreten. Seine An- kunfft gab ihnen grossen Trost/ insonderheit/ weil sie vernahmen/ daß eꝛ ohn wunden war. Sie fragten alle zugleich/ ob der grausame Streit sich nicht schier geendiget/ und die Raͤu- ber erschlagen waͤhren. Denen er zur Antwort gab: wann sie ein anderthalb hundert tod- ter Leichnam sehen/ und die annoch uͤbrigen Raͤuber erwuͤrgen helffen wolten/ muͤsten sie nicht lange seumen; troͤstete sie in ihrem zagen/ uñ machte sich wieder zu seineꝛ Geselschaft/ welche durch des jungen Raͤubers Anleitung einen lustigen Brunnen antraffen/ und sich zimlich labeten/ weil es ein heisser Tag wahr. Unsere Helden aber hielten Raht/ wie es wei- ter anzugreiffen seyn wuͤrde; Sie wahren an Mannschafft schwach/ und fast ermuͤdet; hingegen die in der Hoͤhle frisch und in grosser menge; daher wolte der Stathalter/ daß man auff die naͤhesten Doͤrffer schickete/ und Bauren herzu ruffen liesse. Aber Herkules wendete dagegen ein/ die Doͤrffer waͤhren zimlich weit abgelegen/ und wuͤrde ihre ohn das geringe Mannschafft dadurch geschwaͤchet; wie bald koͤnte sichs zutragen/ daß die in der Hoͤhle sich auß Verzweifelung ermanneten/ und einen verwaͤgenen Außfall hielten: Sei- ne Meynung waͤhre/ daß man bey einander bliebe/ und in Gottes Namen das Werk zum Ende braͤchte; setzete den Helm auff/ und redete sein Haͤuflein also an: Wie wollen wirs nun weiter halten/ ihr lieben Bruͤder? sollen wir den Lauff einstellen/ da wir den Zweg auf einen Sprung nahe ergriffen? ja sollen wir als die fluͤchtigen zuruͤk lauffen/ und etwa den schlimmen Bauren die Ehre und den Ruhm des Sieges abtreten/ den wir biß auf wenig Hieben in der Faust haben? ich meines teils bin viel anders gesinnet; bedenket/ wie treflich Kaͤyserl. Hocheit/ und die Stad Rom/ ja das ganze Roͤmische Reich euch ruͤhmen wer- den/ euch Segen und Wolfahrt zuruffen; und denen unter euch mit Gelde gedienet ist/ sol- len dessen volauff empfangen; ja wer weiß/ was vor ein treflicher Schatz hieselbst verbor- S gen Erstes Buch. gen ist/ dessen ihr billich mit geniessen muͤsset; bloͤsset nur die Schwerter zu guter letzt noch dißmahl/ und fechtet behutsam/ ich hoffe euer keinen mehr zu verlieren; und jene unsere Bruͤder/ die dort erschlagen liegen/ haben hoͤhern Preiß durch ihren ruhmwuͤrdigen Tod erworben/ als die groͤssesten Hauptleute/ die in der Schlacht wider einen oͤffentlichen Feind ihr Leben einbuͤssen. So erklaͤret euch nun/ wessen ihr gesonnen seyd/ ich weiß/ daß ihr schon alle an meiner Seiten stehet. Ja/ rieffen sie einhellig/ wir wollen sterben oder siegen/ da wir nur die Feinde herauß locken koͤnnen. Die in der Hoͤhe hielten auch Raht/ ob sie sich ergeben/ oder den Streit fortsetzen solten; weil sie aber meistentheil Roͤmische/ und wegen Missetaht verbannete wahren/ hat- ten sie durchaus keine andere Hoffnung/ als daß sie alle muͤsten gekreuziget werden; wolten also lieber im Kampff als durch schwere Pein sterben; daher sie durch einen guten Trunk Wein sich beherzt macheten/ und im andern Außgange dergestalt mit Pfeilen von sich heraus schossen/ daß die Huͤhter zuweichen gezwungen wurden. Herkules bekam dessen fruͤhe Nachricht/ ging mit der gesamten Mannschafft dahin/ wie schon zwey und zwanzig mit ihrem Gewehr sich umb daß Loch gestellet hatten/ und mit verwaͤgenem Trotze seiner Ankunfft erwarteten. Ladisla taht mit neun Mann den ersten Angriff/ aber es wahr ihm unmoͤglich durchzubrechen/ ob sie gleich viel Blut vergossen. Fabius trat ihm selb viere zu/ da ging es noch schaͤrffer daher. Aber ein Raͤuber von grosser Krafft/ muhtigte die seinen/ und rieff uͤberlaut: Stehet fest ihr Bruͤder/ was weichet ihr/ fechtet getrost; was folte uns diese elende handvol Reuter angewinnen? bedenket eure Wolfahrt/ welche im Siege o- der Tode bestehet/ und lasset euch nicht von dem Loche abtreibẽ. Ladisla trat diesem Schrei- er naͤher/ und traff ihn dergestalt/ daß er im dritten Hiebe zur Erden stuͤrzete. Herkules uñ der Stathalter setzeten mit den uͤbrigen an/ da ging es uͤber die Raͤuber/ welche als halb- trunkene ganz verzweiffelt fochten/ und sich selbst wenig beschuͤtzeten/ wann sie nur den un- sern eine Wunde anbringen kunten; daher wahr dieses daß allerhefftigste treffen/ in wel- chem die unsern meist verwundet/ aber nur zween erschlagen wurden. Endlich drang unser Helden Schwert noch durch/ das die Feinde abgetrieben/ die Hoͤhle außwendig wieder besezt/ und die draussen sich befunden/ alle erlegt wurden/ ohn daß vier verwundete sich ins Gestraͤuche verstecketen/ und ihr leben retteten/ die nachgehends Frau Sophien und ihre Geselschafft in grosse Angst brachten/ wie im anfange des sechsten Buches wird zuverneh- men seyn. Der Raͤuber kahmen in diesem Treffen XX umb ihr Leben. Hingegen wahr Ladisla/ der junge Fabius/ Klodius/ Markus und die anderen alle verwundet/ ohn Herku- les/ der Stathalter uñ drey Reuter; wiewol Ladisla uñ Fabius jedweder nur zwo Fleisch- wunden an Armen und Beinen empfingen. Herkules wahr uͤber die masse betruͤbt/ als er die seinen dergestalt zugerichtet sahe/ ging deßwegen vor das Loch/ umb zuversuchen/ ober die uͤbrigen/ an der Zahl XIIX zu williger Ergebung bewegen moͤchte/ und rieff hinein/ da- fern sie sich auff Gnade stellen/ und ohn Gewehr hervorgehen wuͤrden/ solte ihnen das Le- ben geschenket/ und sie auffs hoͤchste mit der Landesverweisung gestraffet werden; dessen sie sehr froh wurden; dann ihre Haͤupter wahren erschlagen/ und wusten diese nicht/ wie stark sie draussen wahren; ergaben sich also mit gutem Willen/ und stiegen ihrer zehne nach einander heraus. Herkules hies die uͤbrigen in der Hoͤhle verharren/ biß diese gebunden waͤhren/ Erstes Buch. waͤhren/ dann er wolte sich ihrer versichern/ daß sie nicht ruͤkfaͤllig wuͤrden/ und seine Leute in ihrer Schwacheit erwuͤrgeten; diese aber bedingeten sich dessen anfangs/ und als Her- kules sie wolte angreiffen lassen/ gingen sie von einander/ ergriffen der ertoͤdteten Schwer- ter/ und uͤberfielen die unsern mit grosser Verwaͤgenheit; schriehen auch den uͤbrigen in der Hoͤhle zu/ sie solten hervor steigen/ und den Sieg erstreiten helffen. Aber ihre Freude wehrete nicht lange/ dann Herkules und Ladisla hieben alsbald ihrer fuͤnffe danieder; der Stathalter und sein Sohn neben den dreyen gesunden Reutern traten auch herzu/ daher die annoch lebendige zum teil verwundete das Herz fallen liessen/ sich ergaben/ und gebun- den angenommen wurden; welches die uͤbrigen achte in der Hoͤhle ersehend/ die schon er- griffene Schwerter von sich legten/ und sich der vorigen Gnade ergeben wolten; Aber Herkules sagte; sie solten hervor gehen und sich keiner Bedingung verlauten lassen/ wo s i e nicht alsbald sterben wolten. Die geringe Hoffnung der gnade beredete sie/ daß sie einwil- ligten/ und sich binden liessen/ wahren also XIII gefangene/ uñ der begnadete junge Raͤuber von der ganzen Menge uͤbrig/ und erfreueten die unsern sich des herlichen Sieges/ weil nur zwoͤlffe von ihrer Anzahl erschlagen/ und XXV verwundet wahren. Herkules ging darauff ein wenig beyseit/ taht seinen Helm ab/ und mit gefaltenen Haͤnden und traͤhnen- den Augen richtete er dieses Gebeht kniend zu Gott. Mein Helffer Jesus Christ/ wie kan ich dir gnug danken vor deinen Schutz und maͤchtigen Beystand/ uͤber welchen sich alle Welt verwundern wird; moͤchte wuͤnschen/ daß sie ihn nur erkenneten. O stehe mir ferner bey/ du mein getraͤuer Hey- land/ und gib/ daß ich ja nicht unschuldig Blut vergiesse/ sondern die Boßheit straffen/ und die Gerech- tigkeit beschützen helffen moͤge. Dir mein Gott sey Lob/ Ehr/ Preiß und Herligkeit/ von nun an biß in Ewigkeit/ Amen. Nachgehends befahl er/ daß die Reuter sich alle entwapnen und Lufft schoͤpffen sol- ten; ging zu den Gefangenen/ und fragete/ ob nicht Wundsalbe in der Hoͤhle zubekom̃en. Der aͤlteste Raͤubersgenosse/ nahmens Servilius/ ein Mann von LXV Jahren/ antworte- te: Mein Herr/ schenket mir Leben und Freyheit/ ich bin ein Wundarzt/ und habe allerhand koͤstliche Wundsalben in der Hoͤhle/ wil auch allen getraͤuen fleiß anwenden/ daß nicht al- lein euren Wunden raht geschaffet/ sondern auch uͤberfluß an Speise und Trank aufgetra- gen werden sol. Ja Alter/ sagte Herkules/ ihr solt Leben und Freyheit/ darzu eine sonderli- che Gnade haben/ da ihr eurem versprechen redlich nachkommet. Hieß ihn alsbald loßbin- den/ und sprach ihn der Stathalter frey; wofuͤr dieser auff den Knien und mit Traͤhnen dankete; hohlete bald sein Bindezeug hervor/ und baht/ daß dem einen Gefangenen auch Gnade wiederfahren moͤchte/ weil er nichts uͤbels getahn/ und ihr Koch waͤhre/ wuͤrde jh- nen auch Speise gnug schaffen. Diesem ward gefolget/ und Ladisla samt Fabius/ Klodius und Markus vorerst/ hernach auch die andern alle verbunden/ deren XXI wahren. Servi- lius vertroͤstete sie alle der folgenden Gesundheit/ ohn dz ihrer vierehinkend/ einer an bey- den Beinen/ und fuͤnffe an einer Hand lahm bleiben wuͤrden/ welches auch erfolgete; der Stathalter aber ihnen die Verheissung taht/ daß sie zeit ihres Lebens reichlichen Unterhalt haben solten. Herkules ging unterdeß ungewapnet nach dem Frauenzimmer/ die wegen des lezten Streites sich mehr als vorhin entsetzet hatten; dann die halbtrunkenen fuͤhreten ein grausames Geschrey/ daher sie durch seine Ankunfft sehr erfreuet wurden/ und wahr ihre erste frage/ ob die ihren noch alle lebeten/ und das blutvergiessen schier ein ende genom- S ij men Erstes Buch. men haͤtte. Ja/ sagte er/ dem ewigen allmaͤchtigen Gott sey Lob und Preiß; die geschwor- nen Feinde dieser ganzen Landschafft sind gedaͤmpffet/ und viel tausend unschuldige See- len von dem Verderben befreyet; und ob schon von unser Geselschafft etliche das Leben ritterlich zugesetzet/ haben sie doch einen unsterblichen Nahmen erstritten/ der ihnen/ weil Padua stehet/ bleiben muß. Er wolte weiter reden/ aber Fr. Ursul hielt gaͤnzlich davor/ jhr Fabius wuͤrde drauff gangen seyn/ fiel ihm in die Rede/ und sagete: O Herr Herkules/ hat etwa mein Gemahl das Leben verlohren? O ihr Goͤtter! Behuͤte Gott/ antwortete er/ warumb gedenket meine Freundin ein so ungluͤkliches? ich komme zu dem ende/ daß ich sie abhohlen/ und auff eine Feldmahlzeit einladen wil/ womit sie vor dißmahl vorlieb nehmen werden. Dem Allerhoͤchsten sey hievor Lob und Dank gesaget/ antwortete die Stathalte- rin/ der wolle umb seines lieben Sohns willen die meinen ferner schuͤtzen und bewahren. Sophia/ Ursula und Sibylla fasseten sich bey den Haͤnden/ und gingen voran/ Herkules aber begleitete die Stathalterin mit sonderlicher Herzens frende/ und sagte zu ihr: Hoch- werte Fr. Mutter; groͤssere Vergnuͤgung habe ich zu Padua nicht funden/ als daß ich an- jezt mit sonderlicher freude vernehme/ daß sie eine Christin ist/ dann diesem Glauben bin ich auch/ Gott Lob/ von herzen zugetahn und ergeben. Mein geliebter Sohn/ antwortete sie/ ich habe es zu unterschiedenen mahlen aus seinen Reden gemuhtmasset/ und erfreue mich seines Christentuhms sehr/ moͤchte wuͤnschen/ daß mein Sohn H. Ladisla auch dar- zu koͤnte gebracht werden/ alsdann wuͤrde meine Tochter sich leicht bereden lassen/ ihm zu folgen. Ich gelebe der troͤstlichen Zuversicht zu Gott/ sagte er/ daß ich ihn mit der Zeit ge- winnen werde/ aber so schleunig wird es nicht geschehen/ weil er der Abgoͤtterey gar zu sehr anhanget. Gott wird es nach seinem gnaͤdigen Willen schicken/ sagte sie/ wann nur einige Hoffnung uͤbrig ist; Ich aber wil nicht unterlassen/ in meinem taͤglichen Gebeht bey Gott anzuhalten/ daß der Heilige Geist der meinigen Herz erleuchten wolle. Herkules frage- te/ ob nicht ein Christlicher Lehrer sich zu Padua auffhielte; und als er von ihr vernam/ dz die Christliche Gemeine des Orts uͤber 1500 Getauffte/ und 3000 Ungetauffte stark waͤh- re/ auch ein treflicher Lehrer alle Woche den Glauben außlegete/ verhieß er ihr/ in erster Versamlung mit zuerscheinen. Als sie bey der Hoͤhle anlangeten/ und das Frauenzim- mer das geronnene Blut auff der Erden stehen/ auch die abscheuhlichen Todten sahen/ welche das bedrauliche Gesicht noch nicht abgelegt hatten; erschraken sie uͤber alle masse/ insonderheit/ da sie Ladisla und Fabius Wunden inne wurden. Der alte Servilius trug ihnen die kalte Kuͤche auf von allerhand Gebratens und anderen niedlichen Speisen/ schen- kete ihnen daneben einen Wein ein/ deßgleichen der Stathalter selbst im Keller nicht hat- te/ wodurch sie allesamt er quicket und gelabet wurden. Nach gehaltener kurzen Mahlzeit foderte Servilius Herrn Herkules auff einen Ort allein/ und fagete zu ihm: Gn. Herr/ nach dem Eure Gn. mir Leben und Freyheit gnaͤdig versprochen/ wolte derselben ich mich gerne dankbar erzeigen/ und ihr ingeheim solchen Schatz in die Hand spielen/ der einen Fuͤrsten vor Armut wol befreyen sol. Er aber wolte ihm hier auff nicht antworten/ sondern so derte Ladisla und den jungen Fabius herzu/ und in deren gegenwart sagete er zu jhm: Hoͤret Alter/ was ihr jezt mir alle in zuwen- den woltet/ das zeiget uns zugleich an/ dann ich trage bedenken/ mit euch absonderlich hie- von Erstes Buch. von zuhandeln. Servilius taht solches ungerne/ hielt auch zuruͤk/ nur daß er bat/ sie moͤch- ten mit ihm in die Hoͤhle steigen/ da koͤnte er seine worte wirklich leisten. Sie gingen samt den Stathalter und Frauenzimmer hinein/ und verwunderten sich zum hoͤchsten uͤber der Zierligkeit dieses verborgenen Gebaͤues/ in welchem alles so renlich und sauber wahr. Zu unterst wahr es mit Steinen uͤbersetzet/ und ganz durch und durch gewoͤlbet; der gemeine Platz drinnen war so weit begriffen/ daß 500 Mann sich daselbst auffhalten kunten. Das Gewoͤlbe lag auff herlichen Pfeilern/ welche fuͤnff Ellen lang/ und wahr mit dicker Erde uͤ- berschuͤttet/ und mit dornichten Hecken/ welche mit fleiß darauff gepflantzet/ so dichte be- wachsen/ daß kein Hase hindurch kriechen moͤgen/ daher man die runden Klaffter-weiten Loͤcher/ durch welche von oben herab das Liecht hinein fiel/ von aussen gaꝛ nicht sehen kunte. Die drey Eingaͤnge wahren rund und zwo Klaffter weit/ in welchen starke Leitern stundẽ/ darauff man ein und auß steigen kunte. Inwendig wahr ein gegrabener Brunnen von kla- rem lieblichen Wasser/ worauß man mit der Hand schoͤpffen kunte. Vorne im ersten Ein- gange hing eine Messinges Taffel/ deren eingegossene Schrift meldete dieses Gebaͤues Al- ter/ daß es vor etliche und dreyssig Jahr/ nemlich im zwoͤlfften Jahre Kaͤysers L. Aurelius Commodus/ da zu Rom die Friedes-wie auch die Vesten-Kirchen abgebrant war/ erbauet waͤhre. Die unsern besahen alles gar genaue/ verwunderten sich/ daß dieses Gebaͤu in sol- cher stille haͤtte koͤnnen verfertiget werden/ daß kein Mensch dessen inne worden. Da Ser- vilius ihnen anzeigete/ es waͤhre uͤber Menschengedenken eine Moͤrdergrube/ aber nit der- gestalt außgefuͤhret gewesen/ biß man sich nach Außsage der Taffel unterwunden/ das Ge- maͤuer zu legen; die Steine waͤhren mehrenteils mit haͤnden bey Nachtzeit herzugetragẽ; Bauleute haͤtte man hin und wieder auffgefangen/ mit verbundenen Augen herbey gefuͤh- ret/ und zeit wehrender Arbeit sie mit guter Speise und grossen Verheissungen auffgehal- ten/ aber nachgehends sie alle im Schlaffe erwuͤrget. Ich/ sagte Servilius/ bin nun mehr 38 Jahr in dieser Geselschafft gewesen/ und drey Jahr vor Außfuͤhrung dieses Gebaͤues zum Wund Arzt/ vor XX Jahren aber zum Schazmeister von ihnen bestellet; habe zwar ihrer Beute/ so viel das Maul verzehret/ mit genossen/ aber nie keinen Mord oder Raub volbringen oder befodern helffen/ dessen ich die Goͤtter zu Zeugen ruffe. Herkules fragete ihn/ ob nicht Nebengemaͤcher waͤhren/ in welchen die Raͤuber ihre Waffen und Speisen haͤtten/ weil man in diesem grossen Platze dessen nichts fuͤnde. Ja mein Herr/ antwortete er/ wir wollen alles besichtigẽ; fuͤhrete sie an die seite ostwerz/ und oͤfnete eine Tuͤhr zu einem langen und weiten Gemache/ woselbst ein solcher Vorraht an Fruͤchten/ Meel/ gesalzenem Fleisch und gedorreten Fischen/ auch an Wein uñ eingewuͤrzeten koͤstlichen sachen war/ dz 4000 Mañ etliche Jahr damit zu aller Notturft waͤren versorgt gewesen/ sintemal er auß den Rechnungẽ darlegete/ dz dieser Vorraht sich auf 5 Toñen Goldes belief. Hernach fuͤh- rete er sie nach der seite gegen Westen; oͤfnete ein Gemach gleicheꝛ gꝛoͤsse/ uñ zeigete ihnẽ die treflichsten Harnische und Schwerter in so uͤberfluͤssiger menge schim̃ern/ dz sie ein entsetzẽ darob hattẽ; dañ ein Kriegs heer von 6000 Reutern uñ 44000 zu fusse kunte alhieꝛ außge- ruͤstet werden; uñ erstꝛeckete sich seiner anzeige nach/ dieser Waffen ihr wert auf IX Toñen Goldes. Nun mein Gott/ sagte Herkules/ wer hat jemahls eine solche Ruͤstung in Raͤuber- hoͤlẽ gesuchet? aber ist man auch willens gewesen/ solche unteꝛ einer Mañschaft außzuteilẽ? S iij Ja Erstes Buch. Ja mein Herr/ antwortete Servilius; waͤhre diese Hoͤhle noch ein viertel Jahr verborgen blieben/ wuͤrden 50000 Mann sich in einer Woche eingestellet/ und das Gewehr empfan- gen haben; und werden eure Gefangene unter scharffer frage wol bekennen muͤssen/ was vor ein Anschlag uͤber ganz Italien gemacht worden. Der Stathalter foderte Dinten und Papier/ schrieb einen Brieff nach Padua/ und begehrete an den Raht/ daß sie 1500 Mañ mit 200 oder mehr Wagen/ straks Angesichts herschicken solten/ und muste der eine un- verwundete Reuter nach eingenommener gnugsamer Labung das Schreiben uͤberbrin- gen/ da Servilius ihm anleitung gab/ er würde im naͤhestẽ Dorffe ein Pferd in der Schen- ke mit allem Zubehoͤr finden/ das solte er nur im Namen Klaudius Bessus (welches ein ertichteter Nahme waͤhre) abfodern/ und auffs schnelleste fort reiten; Er aber ging mit un- ser Geselschafft in der Hoͤhle sudwarz/ oͤffnete ihnen eine grosse Kammer/ die mit seidenen Waaren/ Purpur/ Silber und Guͤldenen Stuͤcken dermassen erfuͤllet wahr/ daß man eine kleine Messe damit haͤtte auffschlagen moͤgen. Sehet meine Herren/ sagte er/ hie werdet ihr auff zwanzig Tonnen Goldes die allerkoͤstlichsten Waaren finden/ die von allen Ecken her zusammen geraubet und gestohlen sind. Das Frauenzimmer entsetzete sich uͤber dieser Menge/ aber Herkules befahl Servilius von den schoͤnsten Sachen alles vieꝛdoppelt auß- zusuchen/ welches dem Frauenzimmer zur ersten Außbeute eingeliefert ward/ so daß ein je- der seinem Gemahl/ Herkules aber Frl. Sibyllen solches einhaͤndigte/ die sich dessen aller- seits bedanketen. Hier machte sich nun der Alte abermahl an Herkules allein/ und sagte: Mein Herr/ ich erachte das bißher gelieferte gnug zu seyn/ wobey eure Gesellen zu gleicher Teilung gehen/ deßwegen/ da es euch geliebet/ so gehet mit mir unvermerket an einen Ort/ woselbst euer Gluͤk vorbehalten wird. Er aber antwortete: Eure Gewogenheit/ mein Freund/ habe ich gnug verspuͤret/ ist aber noch etwas uͤbrig/ so lassets diese Herren zugleich mit wissen; dann ich werde hinter ihnen her mir nichts zuwenden lassen. Mein Herr be- denke sich/ sagte er; rieff die andern herzu/ und baht/ mit ihm Nordwerz zugehen/ und ihm eine Tuͤhr helffen zu oͤffnen/ welche mit acht dicken eisern Staͤben verriegelt/ mit so viel staꝛ- ken Mahl Schloͤssern verwahret/ und mit groben Brettern außwendig uͤberzogen wahr/ daß kein Mensch sich daselbst eines Gemaches haͤtte koͤnnen vermuhten seyn. Sie hatten Muͤhe gnug/ dieselbe auffzumachen/ und da sie hinein traten/ funden sie zwoͤlff mit grobem Eisen beschlagene Kasten/ die mit gemuͤnzetem Silber und Golde gefuͤllet waren/ und trug dieser Schatz sechzig Tonnen Goldes auß; wobey Servilius berichtete/ daß vor zwoͤlff Wochen den Werbern zehn Tonnen Goldes zugestellet waͤhren/ die anjezt in Teutschland/ Pannonien/ Gallien/ Spanien und Griechenland Reuter und Fußvolk bestelleten. O ihr Goͤtter/ rieff der Stathalter/ wie kan das Roͤmische Reich euch vor diese gnaͤdige Rettung gnug danken/ oder diesen Helden gebuͤhrliche Vergeltung legen? Freylich gebuͤhret den Goͤttern Dank/ antwortete Ladisla/ aber unser Vermoͤgen ist zu geringe/ daß man sich deß- wegen umb einige Vergeltung bekuͤmmern wolte. Ja meine Herren/ sagte der Stathal- ter/ ich zweifele nicht/ Rom werde noch Leute vom Verstande haben/ davon wir dißmahl weiters nicht reden wollen. Nach dieser Besichtigung setzeten sie sich nieder zum Trunke/ hielten mannicherley Unterredung von dem grausamen Vornehmen dieser Raͤuber/ und verfuͤgete sich Servi- lius Erstes Buch. lius zu Frl. Sibyllen/ zu ihr sagend: Gn. Fraͤulein/ wo ich nicht irre/ so ist der junge Herr entweder ihr naher Anverwanter/ oder ihr liebster/ dem ich gerne ein Gluͤk vor andern goͤn- nen moͤchte/ aber bißher solches von ihm nicht erhalten koͤnnen/ daß ers annehme; seid demnach gebehten/ und beredet ihn hierzu/ welches ohn zweiffel zu eurem besten mit gerei- chen wird. Frl. Sibylla antwortete ihm schamhafftig; es waͤhre dieser Herr zwar ihr gu- ter Freund von gestern her/ aber nicht weiters/ jedoch wolte sie sein Begehren durch ande- re versuchen; ging zu Fr. Sophien/ und taht es ihr zu wissen. Dieselbe nun baht Herku- les in Ladislaen Gegenwart/ er moͤchte sich dessen ferner nicht wegern/ damit kein Schaz untergeschlagen wuͤrde; zu geschweigen/ daß sie als die einige wahre Uhrheber dieses fast unglaͤublichen Sieges/ der Beute von rechts wegen zu geniessen haͤtten. Er aber ent- schuldigte sich/ um Geizes Verdacht zu meiden/ wolte auch nicht antwortẽ/ biß der Stat- halter und sein Sohn zuvor Wissenschafft drumb haͤtten. Hernach ging er hin zu Servi- lius/ und sagte; Alter/ ihr habt euch wol vorzusehen/ daß ihr ja durch aus kein verborgenes oder beygelegtes verschweiget/ unter der Hoffnung/ ihr wollet solches schier heut oder Morgen nachhohlen; dann ich versichere euch/ daß nicht allein dieses Raubnest erstes ta- ges aus dem Grunde verstoͤret/ und ihr nicht wieder hieher gelassen werden sollet; sondern da sich ichtwas finden wird/ duͤrffte euch solches zu grosser Gefahr gereichen/ welches mir dann euret wegen Leid seyn wuͤrde/ und ich euch doch im geringsten nicht retten koͤnte. Gn. Herr/ antwortete er/ diese Rechnung habe ich mir leicht zu machen/ uñ muͤste meiner Sin- nen wol beraubet seyn/ wann ich etwas zuverhehlen mich unterstuͤnde; sondern ich suche Gelegenheit/ daß annoch ungemeldete euer Gn. absonderlich einzuhaͤndigen. Euer Wil- le mag wol gut seyn/ sagte Herkules/ mir aber ist er nicht angenehm/ weil ich nichts in die- ser Welt habe/ welches ich mit diesen meinen Freunden nicht gerne teilen wolte. So mag ich euch/ sagte Servilius/ in diesem Stuͤcke mit unsern gewesenen dreyen Fuͤrsten/ Orge- torix/ und den beyden/ so im Ritterharnische gestritten/ wol vergleichen; massen dieselben ihres dinges so einig wahren/ daß keiner vor dem andern Gewalt/ Reichtuhm oder Ehre begehrete/ sondern alles gemein hatten/ auch vor einen Mann stunden. Aber doch folgen ih- re Gn. mir allein/ bitte ich sehr/ ob nicht ein oder etliche Stuͤcke seyn moͤchten/ die er zu sich nehmen/ und einem guten Freunde oder Freundin zum Beutpfennige liefern koͤnte. Gin- gen also beyde hin/ oͤffneten ein verborgenes Tuͤhrlein/ welches außwendig mit Brettern wunderlich vermacht wahr/ daß kein Mensch dessen inne werden moͤgen. Sehet/ sagte Servilius/ heut lebet kein Mensch als ich/ der dieses heimliche Gemach weiß; Ja unsere drey Fuͤrsten und ich haben nur Wissenschafft darumb gehabt; fuͤhrete ihn hinein/ uñ zei- gete ihm zwanzig Laden/ mit Kleinoten so reichlich außgefuͤllet daß ein Koͤnig zu diesen zei- ten es nicht wuͤrde bezahlen koͤnnen/ und fuhr er in seiner Rede also fort: Hier liefere meinẽ Herrn ich vorerst die gemeinen Kleinot/ vor Ritmeistere/ Haͤuptleute uñ Faͤhndriche hin- gelegt/ als 680 par Armbaͤnder/ jedes par zu 140 Kronen am Wert; gleich so viel Halß- ketten/ jede von 125 Kronen; und so viel Ringe/ jeder zu 60 Kronen; auch 680 Kleinot auf dem Hute zu tragen/ jedes von 150 Kronen. Dabey liefere ich vor ihre Weiber dergleichen Sachen/ in eben der Zahl und dem Wert. Welches alles sechs Toñen Goldes uñ 46000 Kronen außtraͤget. Vors ander vor XII Obristen zu Roß/ deren jeder 1000 Reuter; und vor Erstes Buch. vor XXII Obristen zu Fuß/ deren jeder 4000 Knechte; unter X Faͤhnlein fuͤhren solte/ stel- le ich meinem Herrn zu 34 Degen Gefaͤß mit Demanten außgesezt/ jedes zu 4000 Kro- nen; so viel Ringe/ jedẽ zu 2000; so viel par Armbaͤn der/ jedes paꝛ zu 3000 Kronẽ; so viel Demanten Halsketten/ jede von 6000 Kronen; und gleich so viel Kleinot an Huͤten zutra- gen/ jedes auff 4000 Kronen; schließlich so viel Kleinot an die Halsketten zu hefften/ jedes auch 4000 Kronen gerechnet; Und dann vor ihre Gemahlen in gleicher Anzahl und Kost- barkeit eben so viel weibliche Stuͤcke/ da an Stat der Gefaͤß/ Leibguͤrtel geleget sind/ tragen XV Tonnen Schatzes und daruͤber 64000 Kronen aus. Drittens sind alhie zu empfahen drey Degen Gefaͤß und drey Weiberguͤrtel/ jedes Stuͤk in guter geltung eine Tonne Schaz; sechs Kleinot/ halb Weibliche und halb Maͤnliche/ jedes Stuͤk 50000 Kronen; so viel Halsketten von Demanten/ jede eine Tonne Schaz; sechs par Armbaͤnder von Deman- ten/ jedes par eine Tonne Schaz; so viel Ringe; jeder 34000 Kronen; so viel par Ohren gehaͤnge/ jedes par 20000 Kronen; drey Messerscheiden/ und Demantketchen dran/ jede zu 12000 Kronẽ; traͤget XXIV Tonnen Goldes 60000 Kronen aus/ welches nur unsern dreyen Fuͤrsten und ihren Gemahlen hingeleget ist. Uber das finden sich noch allerhand ungefassete aͤdelgesteine und Perlen vor VI Tonnen Goldes/ und endlich allerhand gemei- ne Ringe/ Ketten/ Armbaͤnder und Kleinoten zum Pferdeschmuk/ in die IV Tonnen Gol- des am wert; daß also mein Herr in diesem einzigen Gemache fast LVI Tonnen Goldes an Kleinoten findet; und daß bißher gezeigete ingesamt uͤber CL Tonnen Goldes/ oder XV Millionen außtraͤget/ welche dem Roͤmischen Kaͤyser so bald auffzubringen/ schwer genug fallen wuͤrde. Hernach nam er einen vollen Schmuk Fuͤrstlicher Weiberkleinot/ und einer Obristin ganzes Gepraͤnge/ wickelte es in zwey Buͤndle in zusammen/ und hielt es ihm mit diesen Worten zu: Gn. Herr/ wer weis ob des Kaͤysers/ oder ja seiner Mutter Geiz euer Gn. von diesen kostbahren Sachen viel zuwenden wird? deßwegen nehme er auffs min- ste doch diese wenigen Stuͤcke zu sich/ ob er etwa dermahleins seiner liebsten etwas schen- ken wolte/ umb deretwillen ich umb gnaͤdige Einwilligung anhalte. Herkules gedachte/ es moͤchte vielleicht also ergehen/ haͤtte doch dessen nichts genom̃en/ aber weil er seiner hoͤchst- geliebeten Frl. Valisken eingedenke ward/ sagte er: Wolan; daß ihr gleichwol meinen gu- ten Willen sehet/ wil ich euch solches nicht abschlagen/ und hernaͤhst eures besten einge- denke seyn. Es hat sich aber der guͤnstige Leser uͤber der grossen Menge dieser Schaͤtze nit zuverwundern/ wann er vor erst betrachtet/ das Italien zu der Zeit mit Reichtuhm fast uͤ- ber schwemmet wahr/ als dahin alle Laͤnder ihre Schatzungen so geraume Zeit hatten ein- lieffern muͤssen/ daher man aͤdle Buͤrger zu Rom fand/ die vor sich mehr als Koͤnigliche Schaͤtze besassen; dann daß ich des uͤberaus reichen Krassus geschweige/ so meldet der Roͤmische Geschichtschreiber Kassius Dio/ welcher Zeit dieser Begebnis gelebet/ daß etli- che zwanzig Jahr vor dieser Geschichte/ ein Roͤmischer Buͤrgemeister/ nahmens L. Sep- timius Plautianus/ dem Antoninus Karakalla (welcher nachgehends an seines Vaters/ Kaͤysers Severus Stelle/ das Reich bekommen) seine Tochter verheyrahtet/ und ihr sol- che Außsteuer mit gegeben/ welche funffzig Koͤniginnen waͤhre gnug gewesen. Nun aber hatten die Raͤuber nicht allein so lange Jahr her geraubet und gestohlen/ sondern mehr als hundert vertribene reiche Buͤrger aus Rom und andern grossen Staͤdten hatten sich zu ihnen geschlagen/ und ihre Gelder mit sich genommen. Klo- Erstes Buch. Klodius/ wie verwundet er auch wahr/ gedachte ohn Beute nicht zu scheiden; dann als er einen erschlagenen besuchte/ ward er nicht allein geldes/ sondern auch Ringe und Armbaͤnder bey ihm gewahr/ zeigete solches seinem Gesellen Markus an/ und ersuchten sie ihre Herren/ ob ihnen koͤnte gegoͤnnet werden die erschlagenen zupluͤndern/ da ihn Her- kules an den Stathalter verwies/ welcher zu ihm sagte: Mein guter Freund Klodius; ihr und euer Geselle Markus habt vor eures Vaterlandes Wolfahrt redlich gefochten/ und euer Blut nicht gesparet/ dessen ihr unfehlbare Vergeltung zu hoffen habet; gehet a- ber hin mit eurem Gesellen/ und suchet euch den vierdenteil aller erschlagenen aus; was ihr bey denselben findet/ sol euer seyn; ohn das eurem Herren Herkules die beyde Gehar- nischte vorbehalten werden; die uͤbrigen drey Teile sollen meines Sohns Reuter zur Beu- te haben. Diese sagten davor grossen dank/ nahmen den jungen Raͤuber zu sich der ihnen die vornehmsten zeigen muste/ und schleppeten der erschlagenen XLIII auff einen Ort allein/ bey denen sie XIV Halßketten/ ingesamt 5000 Kronen am wert; XXXII par Armbaͤnder/ auff 4500 Kronen geschaͤtzet; C Ringe auff 8000 Kronen; und an Baarschafft 15000 Kronen erschnappeten/ welches sie aller Schmerzen vergessen machte/ und sie meineten/ ihre Muͤhe waͤhre ihnen schon zehnfach ersetzet. Bey den uͤbrigen erschlagenen/ deren CXXXII wahren/ funden die Reuter an Geschmeyde und Baarschafft 66400 Kronen wert. Und weil die unsern sich verwunderten warumb diese Raͤuber so grosse Baarschaf- ten an Gold bey sich haͤtten; zeigete Servilius ihnen an/ weil es alle/ Obristen und vorneh- me Hauptleute waͤhren/ haͤtten sie solches Geschmeyde taͤglich am Leibe; die Baarschaf- ten aber waͤhren nichts als Spielgelder/ weil sie mit Wuͤrffeln und Karten die Zeit pflege- zen zuzubringen; Und ob zwar viel unzuͤchtige Buben mit drunter gewesen/ haͤtten doch ihre Fuͤrsten nie zugeben wollen/ dz einiges Weibesbilde herein gebracht wuͤrde. Nun hielt Herkules sich viel zu aͤdel/ die erschlagenen zuentwapnen/ und ließ Fabius solches durch den jungen Raͤuber thun/ welcher ihre Kleider von guͤldenen Stuͤcken gemacht/ und mit 1000 Zahlperlen (deren jedes Stuͤk 100 Kronen kostete/) gestikt/ herzu brachte/ nebest zwo Demanten Halsketten und so viel par Armbaͤnder gleicher gattung/ auff zwo Tonnen Goldes an wert. Sechs Ringe wurden von ihren Fingern gezogen/ gleicher Schatzbar- keit/ daß also diese stolze Raͤuber V Tonnen Goldes kostbarkeiten an ihrem nichtwerten Lei- be trugen. Dieses alles lieferte Fabius seinem Vater/ welcher es Herkules mit diesen Worten einreichete: Hier ist das Zeichen eures herlichen Sieges/ da der Himmel euch die Ehre gegoͤnnet hat/ die groͤssesten Feinde des Roͤmischen Reichs mit eurer siegreichen Faust zuerlegen/ welches Kaͤyserl. Hochwuͤrde/ und der Raht zu Rom schon erkeñen wird. Was nun diese Buben vor hohe Gedanken gefuͤhret haben/ ist auß diesem Pracht in etwz abzunehmen/ und wird mein geliebter Herr sich nicht wegern/ dieses Siegzeichen anzu- nehmen/ da ihm sonst seine angewante Muͤhe nicht gereuet/ welches ich nimmermehr hof- fen wil. Herkules/ nachdem ers zu sich genommen hatte/ antwortete hierauff: Hochwerter Herr und Vater; dem grossen Gott sey Dank vor seine unaußsprechliche gnade und kraͤf- tigen Beystand/ durch welchen ich diese Wuͤteriche hingerichtet/ dann sonst wuͤrde meine geringe Krafft viel zu schwach gewesen seyn/ ihren Streichen zuentgehen; der Allmaͤchti- ge wolle meinen Wunsch bestaͤtigen/ daß an ihren Haͤuptern aller mitverschwornen Fre- T vel Erstes Buch. vel zugleich mit abgehauen sey; und ob dieses Kleinot-gepraͤnge gleich mehr vor eine Be- lohnung als Gedenkzeichen koͤnte gerechnet werden/ wil ichs doch unter beyderley Bene n - nung annehmen; jedoch daß meinen lieben Freun den auch ein Stuͤk davon werde/ wobey sie sich dieses unsers Gluͤks erinnern koͤnnen. Hiemit teilete er die vier Armbaͤnder unter das Frauenzimmer aus; dem Stathalter und seinem Sohn steckete er einen Ring an/ uñ warff Ladisla eine Kette umb den Halß; das uͤbrige samt den abgeschnittenen 1000 Per- len/ nahm er zu sich/ und mahnete die Geselschafft an/ den Abzug zubeschleunigen/ weil man der verschriebenen Wagen Ankunfft vernahm. Servilius trat hervor/ und zeigete an; Es waͤhre noch das silberne und guͤldene Geschir/ samt den gearbeiteten Kleidern (welches er vergessen) nicht gezeiget; schloß einen grossen Kleiderkasten auff/ in welchem XXX Fuͤrstli- che Mannes- und Frauenkleider hingen/ die nicht unter V Tonnen Schaz gezeuget wah- ren; Allernaͤhest dabey wahr die Silberkammer/ in welcher auf drey Fuͤrstliche lange Spei- setische alles beyeinander wahr; und hieruͤber viel ander silber und guͤlden Geschir/ inge- samt auf zwo Tonnen Goldes gerechnet. Der Stathalter nahm vier kleine koͤstliche Gold- becher davon/ und stellete sie dem Frauenzimmer zu; zeigete daneben an/ daß er gesinnet waͤhre/ alle eroberte Sachen nach Padua zu schaffen/ und biß auff Kaͤyserl. Hocheit ferne- re Anordnung in Verwahrung zu nehmen; welches ihnen allen wolgefiel. Wurden dem- nach LXXX Wagen mit gemuͤnzetem Silber/ XXV mit gemuͤnzetem Golde; XVI mit Kleinoten und Geschirren/ und LXXIIX mit koͤstlichen Waaren beladen; und weil man die grossen Geldkasten nicht erheben mochte/ ward das Meel auß den Tonnen und ledern Saͤckengeschuͤttet/ und das Geld dahinein gepacket. Jedem angekommenen Soldaten und Wagenknecht wurden durch die Bank hin zwo Kronen verehret/ und musten 500 Kriegsknechte diese Nacht die Hoͤhle bewachen/ auff daß man folgender Tage die Esse- waaren und Gewehr abfuͤhren koͤnte/ da dann bey Lebensstraffe keiner in die Hoͤhle solte ge- lassen werden/ ohn Servilius und etliche ihm zugegebene/ den Voͤlckern Speiseuñ Trank nach Notturfft außzureichen. Die Verwundeten und Gefangenen wurden mit auffgela- den/ und des naͤhesten Weges nach der Stad gefuͤhret. Auf V Wagen fuhren die Unsern/ unter der Begleitung 50 Kriegsknechte/ daher sie kommen wahren/ da sie die auffgerich- teten Steine zerschlugen/ die erhenketen in die Erde scharreten/ und den beschwerlichen Weg durchs Gepuͤsche nach ihren Pferden zu fusse vor sich nahmen. Ladisla und Fabius hatten wegen ihrer Wunden mit sich selbst zu tuhn/ daher sie etlichen Kriegsleuten befah- len/ ihren Gemahlen durchs Gehecke zu helffen/ und Herkules ehrenhalber nicht voruͤber kunte/ sich der Fraͤulein wieder anzunehmen/ und sie uͤber Puͤsche und Straͤucher zu heben/ welches sie zwar vor lieb nahm/ jedoch schamhafftig zu ihm sagete: Mein Herr/ es tuht miꝛ sehr leid/ daß ich leider ihm zu nichts diene/ als nur Ungelegenheit zu machen; Gestern war ich ihm beschwerlich auff dem Pferde; jezt muß er mich gar tragen und schleppen/ wo ich sonst mit fort sol; nur moͤchte ich von Herzen wuͤnschen/ daß meine Eltern Gelegenheit finden koͤnten/ seine mir bezeigete hohe Dienste wirdig zu vergelten/ welches doch nimmer- mehr geschehen wird/ weil ich sehen und erfahren muß/ daß/ da ich schuldig bin/ er noch zum uͤberfluß ein so koͤstliches Kleinot mir umb den Arm gespannet/ welches gnug waͤhre/ der Kaͤyserin selbst vor ein wirdiges Geschenk darzulegen. Also sperret mein Herr mir nur den Erstes Buch. den Weg/ daß ich ja nur immer tieffer in die Schuld gerahten/ und alle Gedanken zu einer Wiederkehr ablegen muß. Herkules gab zur Antwort: Hochgebohrnes Fraͤulein; es ge- faͤlt ihr ja so/ meine schlechte Bezeigungen dergestalt zu erheben/ da doch ich und jederman die Geringfuͤgigkeit derselben laͤngst erkennet; Dann was etwa gestern mag vorgangen seyn/ so hat mein Frevel das gute weit uͤberwogen/ daß ich mehr umb Verzeihung zubittẽ/ als Vergeltung zugewarten habe; des heutigen weiß ich mich nichts zuerinnern/ als wo- vor ich doppelt und dreyfach danken muß/ in dem mein Fraͤulein mir unwirdigen die Ehre ihrer Begleitung gegoͤnnet/ und die schlechte Gedaͤchtniß des heutigen Streits von mir annimt; erkenne uͤberdas noch meine Schuld/ daß von Rechtswegen ich gehalten bin/ großgeneigete Verzeihung des bey ihr erwecketen Schreckens zu bitten/ welche/ da ich sie nebest der gestrigen gebehtenen erhalten werde/ habe ich tausend Ursachen schon/ Eurer Durchl. zeit meines Lebens davor in allem Gehorsam auffzuwarten. Ach mein Herr/ ant- wortete sie/ wie gar weit uͤberwieget doch seine Hoͤfligkeit die Erkaͤntniß/ und sein erbieten mein Unvermoͤgen; Kan dann einem Fraͤulein hoͤhere Woltaht begegnen/ als daß sie auß Raͤubers Haͤnden gerissen/ und bey Ehren erhalten wird? Ich bitte aber sehr/ sich einiger Unbilligkeit nicht anzuklagen/ deren ich ja nicht die allergeringste von ihm eingenommen/ ohn was seiner angebohrnen Freundligkeit zu reden beliebet/ und mir durchauß nit schaͤd- lich; ja/ nachdem ich sein ehrliebendes Gemuͤht verspuͤret/ durchauß nicht zuwider gewesen; deßwegen/ wo mein bitliches ansuchen etwas bey ihm zuerhalten wirdig ist/ wolle er dessen nicht gedenken/ sondern mir nicht weniger das nachsinnen einer gebuͤhrlichen Dankbar- keit/ als die Betrachtung der empfangenen Rettung und Guttaht frey und ungehindert goͤnnen; alsdann werde ich in der Taht erkennen/ daß sein guter Wille ohn Tichtung/ und seine Hoͤfligkeit ohn eitele Entschuldigung mir zugetahn und in Ehren gewogen ist. Ich weiß nicht/ antwortete er/ warum mein Fraͤulein meine Erkaͤntniß zu binden/ uñ die wah- re Erzaͤhlung meines Verbrechens auffzuheben/ so bemuͤhet ist/ es sey dann/ daß hie durch der helle Strahl ihrer treflichen Tugend/ mein versuchen der Nachfolge/ durch den ersten Anschein straks uͤberleuchten und verfinstern sol/ welches ohn das wol geschiehet/ angese- hen meine Unmacht mich schon gnug hindert/ hoͤflich zu seyn/ und der schwere Stein der baͤurischen Ungeschikligkeit mir an den Fuͤssen hanget/ der mein bemuͤhen nicht uͤber sich steigen/ viel weniger ihrer Volkommenheit zur seiten schweben laͤsset; jedoch/ weil auß jh- rem Verboht ich die Vergebung meiner Unbescheidenheit hervorblicken sehe/ wil ich/ da- fern sie nur kan/ solches der Vergessenheit mit stets dankbegierigem Herzen gerne uͤberge- ben/ demuͤhtig bittend/ meinem schlechten Vermoͤgen mit ihrem uͤberfluß außzuhelffen/ als lange sie mich Tugendbegierig kennen und halten wiꝛd/ welches/ da ichs selbst nicht kan/ wil ich suchen/ durch meiner Fr. Schwester Fr. Sophien kraͤfftige Vorbitte es zuerhalten. Ja mein Herr/ sagte sie; eben diß sind die Beweißtumsreden/ die ihn mehr hoͤflich als (um Vergebung zu sagen) warhafftig angeben; dann vor erst wil er durch eine Arbeit zugleich den Glanz seiner Sonnen mit den Wolken der nichtigen Beschuldigung verbergen/ und die kaum glimmende Funken meiner unruͤhmlichen Asche uͤber alle Himmel erheben; wie- wol mit keinem gluͤklichern Verfolg/ als daß er mich erstlich an seinem guten willen zwei- feln machet/ und hernach/ weil ich stets schamroht vor ihm stehen muß/ mich von seinem T ij Ge- Erstes Buch. Gespraͤch gar abschrecket/ welches dañ nohtwendig folgen muß/ weil ich wedeꝛ die waꝛheit zubekennen/ noch die Gebuͤhr zubeobachten freyheit haben sol; Sehet mein Herr/ wie ger- ne wolte er mir einbilden/ er waͤhre in meine Schuld durch seine mir erzeigete Woltaht ge- rahten/ und weil er meiner Dienste keine zu finden weiß/ tichtet er/ daß ichs recht sage/ eine Finsterniß/ da nicht ein Schatten ist; nehmlich/ er wil sich als ein Verbrecher beschuldi- gen/ und hat dessen nicht den allergeringsten Schein/ oder hat er den Schein/ so ist es mein falscher/ welchen er mir durch seine aͤidliche Entschuldigung/ deren ich mich wol erinnere/ so gar benommen hat/ daß ich mich meines baͤurischen Irtuhms recht schaͤmen muß; also/ mein Herr/ habe ich vor dißmahl auß dringender Noht unhoͤflich seyn/ und ihn erinnern muͤssen/ mit mir hernaͤhst dergestalt nicht zuspielen/ und vielleicht durch gar zu grosse Hoͤf- ligkeit in den Mund zu fuͤhlen/ ob der Hoffart Zaͤhne mir außgebrochen oder eingesenket seyn; moͤchte zwar mit einem so Tugendlieben den Herrn gerne umgehen/ wann ich nur durch den unverdienten Ruhm davon nicht abgeschrecket wuͤrde. Herkules kuͤssete ihr die Hand auß ehrliebender Gewogenheit/ und gab zur Antwort: Ich gestehe mein Verbre- chen/ hochgebohrnes Fraͤulein/ daß ich derselben zuwider geredet habe/ welches doch von mir nicht kan wiederruffen werden/ nur daß ichs in ihrer Gegenwart nicht haͤtte alles vor- bringen sollen/ weil ich dadurch einiger Schmeicheley/ derẽ ich doch ferne bin/ kan beschul- diget werden; bitte demnach demuͤhtig umb Vergebung/ und verspreche hiemit/ daß ich hernaͤhst des sichersten spielen/ und nach dem ich jhren Willen erkennet/ demselben wissent- lich nicht zuwider reden wil. Sie brachten ihren gang mit solchen hoͤfflichen geschwaͤtzen zu/ biß sie bey ihren Pfeꝛ- den anlangeten/ da der Fraͤulein Gutscher sich eingestellet hatte/ weil er von dem abgeschik- ten Reuter ihre Rettung vernommen/ und daß sie bey dieser Geselschafft waͤhre/ daher sie sich auff ihre Gutsche setzete/ und Fr. Sophien baht/ ihr Geselschafft zu leisten; welche ihr gerne zu Willen wahr/ weil sie ohn daß Beliebung trug/ etwas vertraulich mit ihr zu redẽ/ nachdem sie in jahresfrist einander nicht gesprochen hatten. Es fiel ihr aber das Liebes- gespraͤch ein/ welches Ladisla mit ihr auff diesem Wege nach geschehener Erloͤsung ge- fuͤhret/ welches sie dem Fraͤulein nach der laͤnge erzaͤhlete/ und bald earauff der beyden Hel- den Tugend/ Froͤmmigkeit und hoͤffliche Zucht dergestalt ruͤhmete/ daß das Fraͤulein sich nicht enthalten kunte zu fragen/ wer doch dann eigentlich diese Herren/ und aus was Land- schafft sie waͤhren; bekam aber zur Antwort/ sie muͤsten ohnzweiffel sehr hohes Standes seyn/ ungeachtet sie sich davor nicht außgaͤben/ und doch aus allen ihren Werken erschiene/ insonderheit/ weil sie grosse Gelder und statliche Kleinoten bey sich fuͤhreten/ und alles was man ihnen schenken wolte/ veraͤchtlich außschluͤgen; man haͤtte aber gemerket/ daß sie noch zur Zeit nicht wolten erkennet seyn/ daher man sie mit vieler Nachfrage gerne verschonete. Das Fraͤulein merkete/ daß ihre Frage zukuͤhn gewesen/ baht dessen verzeihung/ und ge- dachte doch in ihrem unbetrieglichen Herzen/ es waͤhre nicht min der kuͤhn/ sich einem al- lerdinge unbekanten so gar schleunig in ehelicher Liebe zuergeben/ wie wol sie muhtmassete/ daß sie mehr wuͤste als zu bekennen willens waͤhre. Als sie mit dem spaͤtesten Abend zu Pa- dua anlangeten/ nahmen sie eine kurze Mahlzeit ein/ und legten sich zur Ruhe/ da Herkules und Ladisla bey einander blieben/ und Frl. Sibyila Fr. Sophien Schlaffgesellin seyn mu- ste; Erstes Buch. ste; der Stathalter aber gieng nach seinem absonderlichen Gemache/ und verfertigte an den Kaͤyser folgendes Schreiben: Allergroßmaͤchtigster unuͤberwindlichster Kaͤyser/ alzeit mehrer des Reichs/ allergnaͤdigster Herr; Ihrer Kaͤyserl. Hoheit berichte ich hiemit in untertaͤhnigstem Gehorsam/ was Gestalt zween fremde Ritter und Herren/ nahmens Herkules und Ladisla/ deren Herkommen und Vaterland uns von ihnen verschwiegen wird/ vor drey wochen alhier bey mir angelanget/ und meine Tochter neben andern Roͤmischen Fraͤulein auß der allerfrechesten fuͤnff Raͤuber Haͤnden durch die Krafft ihrer ein- zelnen Schwerter erloͤset/ auch bald darauff der eine/ nehmlich Herr Ladisla/ meine Tochter geheyrah- tet. Als wir nun heut fruͤh XLII bewehrter Reuter stark/ mit wenigem Frauenzimmer hinauß zogen/ den Ort der geschehenen Rittung zu besichtigen/ werden wir daselbst fuͤnff aus Steinen gehauener/ und den erschlagenen Raͤubern zum Gedaͤchtniß auffgerichteter Bilder gewahr/ deren vornehmster/ Fuͤrst Orgetorix (der ehmahls beschriehene Fechter)/ Herzog uͤber 38000 Mann genennet ward/ da- her wir muhtmasseten/ es muͤste ohn zweifel eine sehr gefaͤhrliche Buͤndniß vieler Raͤuber wider das Roͤmische Reich obhanden seyn/ welche auszuspuͤren unser einiger Wunsch wahr/ da meine Tochter Sophia unterdessen eines heimlichen Weges durch fleissige Nachsuchung gewahr ward/ und deßwegẽ anhielt/ denselben zugehen/ welches unter dem Getrieb und Anfuͤhrung obgedachter beyden Ritter stuͤndlich zu fusse verrichtet ward/ deren hochruͤhmliche Klugheit ein gefaͤhrliches wolerbautes Raub- nest unter der Erden außkundschaffete/ mit 194 Mann besetzet/ deren keiner geringer als eine Haͤupt- manschafft bedienete/ und durchgehend außgeuͤbete Fechter wahren/ aber durch der Goͤtter Huͤlffe und obgedachter fremder Ritter preißwuͤrdigen Heldenmuht/ sind sie mit so geringem Beystande meines Sohns und XXXIIX Reuter/ biß auff XIV so gefangen/ und IV so außgerissen/ alle mit einander in oͤffentlicher Schlacht vor freyer Faust erleget/ ihre beyde Fuͤrsten Kajus Azerius und Markus Tre- bellius in vollem Ritterharnische von Herkules in absonderlichem Kampfe nidergeschlagen/ und end- lich der Sieg voͤllig erhalten/ wie Zeiger dieses/ so mit gefochten/ weitlaͤufftig erzaͤhlen kan. Waͤhre nun diese schaͤdliche Verbuͤndniß uns noch XII Wochen verborgen blieben/ wuͤrden wir ganz Italien mit 100000 Feinden uͤberschwemmet gesehen haben/ welche in Teutschland/ Pannonten und andern Laͤndern schon auff den Beinen stehen/ und die helffte auß gebachter Hoͤle solte bewaffnet worden seyn. Denn Roͤmischen Schutz Goͤttern sey Danck vor diese Errettung/ welche ausser zweiffel diese beyden Helden (also mag ich sie/ ungeachtet ihrer Jugend/ mit Recht nennen) uns zu huͤlffe gesand haben/ die werden wie bißher/ ihnen unsere Wolfahrt ferner lassen befohlen seyn/ uñ wird Ihre Kaͤyserl. Hocheit mir allergnaͤdigst anzeigen/ wie ichs mit der grossen erstrittenen Beute halten/ auch was sonst obge- dachten beyden Herren/ die sich umb uns so hoch verdient gemacht/ ich anmelden sol. Befehle mich de- ro Kaͤyserl. beharlichen Gnaden/ verbleibend/ weil ich lebe/ meines Allergnaͤdigsten Herrn und Kaͤy- sers alleruntertaͤhnigster Knecht Quintus Fabius. Hiebey ward aller Gesangenen bestaͤndige Urgicht/ welche man inzwischen von jhnen nam/ geleget/ und machte er ein kurzes Denkzettel an seinen Bruder M. Fabius/ bey Kaͤy- serl. Hocheit zuvernehmen/ wie es mit den Gefangenen/ deren Beschaffenheit und unter- schiedlichen Zustand der Bohte berichten wuͤrde/ auch mit der tꝛeflich uñ kaum voꝛ XXXV Jahren erbaueten Raͤuberhoͤhle solte gehalten werden. Absonderlich schrieb er ihm/ was gestalt Herkules des Tages zuvor seine Tochter Sibyllen auß des Raͤubers Silvans haͤn- den gerissen/ und ihre Ehr errettet/ baͤhte demnach/ er moͤchte fleissig befodern helffen/ daß diesen beyden unvergleichlichen Helden gebuͤhrlicher Dank moͤchte bezeiget werden/ deren Tapfferkeit mit seiner Feder nicht koͤnte beschrieben werden/ und wuͤrde seines ermaͤssens loͤblich seyn/ wann man ihnen die erstrittene Beute zuspraͤche/ wodurch andere fremde an- gelocket werden koͤnten/ dem Roͤmischen Reiche Dienst und Huͤlffe zuleisten. Dieses alles T iij stellete Erstes Buch. stellete er dem einen unbeschaͤdigten Reuter zu/ mit Befehl/ allenthalben auf sein Freybrief- lein frische Pferde zu fodern/ uñ aufs allerschnelleste nach Rom zu reiten/ damit er der erste Zeitungs-bringer waͤre/ welches ihm kein geringes Geschenk eintragen wuͤrde; den wah- ren Verlauff solte er nach allen Umstaͤnden erzaͤhlen/ und insonderheit der beyden fremden Herren gebuͤhrliches Lob kuͤhnlich und wirdig vortragen. Also muste dieser in der Nacht auffbrechen/ seumete sich auch nicht/ biß er das anbefohlene verrichtet hatte/ dessen ihm zu Rom von dem Kaͤyser und andern grossen Herren an die 12000 Kronen zum Botenbrod geschenket wurden. Umb Mitternacht kahmen die beladene Wagen an/ welche biß an den Morgen bewachet wurden/ uñ vertroͤstete der Stathalter die verwundeten Reuter/ sie soltẽ sich wenig Tage gedulden/ ihre wunden fleissig verbinden/ und sich aufs beste speisen lassen/ welches er alles bezahlen/ und ihnen von Kaͤys. Hocheit reiche belohnung verschaffẽ wolte. Des Morgens ging Herkules in die Christliche Versamlung/ und hoͤrete den zehn- den Saz des XXVII Psalms: Mein Vater und Mutter verlassen mich/ aber der Herr nimt mich auff; sehr troͤstlich außlegen/ welches der Lehrer so artig deutete/ als haͤtte ers eigentlich auf ihn gerichtet; dann weil etliche unter den zuhoͤrern junge Leute wahren/ die den Glauben wieder ihrer Eltern Willen angenommen/ und deßwegen von denselben sehr gehasset wur- den/ troͤstete er sie; man muͤste Gott mehr als den Menschen gehorchen/ und wegen der Eltern Unwillen die Wahrheit nicht verlassen/ noch die Seligkeit in die Schantze schlagẽ; es haͤtte zwar Gott gebohten/ die Eltern zu ehrẽ und ihnen zu gehorchen/ aber Gottes Ehr und Gehorsam ginge noch weit vor/ der waͤhre der hoͤchste Vater/ so daß man die leibli- chen Eltern auch hassen muͤste/ wann dieselben uns von Gott abwendig machen wolten; ja wann wir umb der himlischen Warheit willen der Eltern und Anverwanten Hulde uñ Gunst verloͤhren/ traͤte Gott zu/ und ersetzete alles tausendfach an deren Stat. Herkules hielt es vor ein sonderliches Zeichen goͤttlicher Gnade/ daß er ohn gefehr/ diese Predigt anzuhoͤren kommen wahr/ trat nach verrichtetem Gottesdienste zu dem Lehrer (der schon wuste/ was vor Tahten er gestriges tages verrichtet) und stellete ihm 500 Kronen zu/ un- ter die Armen zuverteilen/ nebest dem Versprechen/ nach diesem ein mehres zu tuhn; ging wieder hin nach Ladisla/ und sagte; wir sind freylich schuldig/ dem wahren Gott zu danken/ daß er uns gestern so grossen Sieg verlihen/ und vor sonderliche Gefahr beschirmet hat; zweiffele nicht/ wir werden ohn hohe Vergeltung nicht bleiben/ so wol an seiten Kaͤyserl. Hocheit als auch dieser umbliegenden Landschafft. Fr. Sophia kam auch darzu gangen/ zu sehen/ wie es mit ihres Gemahls Verwundung beschaffen waͤhre/ und vernam mit freuden/ daß nicht allein Servilius ihm erlaͤubete zu gehen wie er wolte/ sondern auch in- wendig neun tagen voͤllige Heilung versprach. Sie sagete aber zu Herkules; mein Herr Bruder/ ich freue mich von Herzen/ daß er von dem Raͤuberischen Schwerte dißmahl un- verletzet blieben/ und moͤchte dannoch zugleich mit wuͤnschen/ daß er auch ein Wuͤndichen in Geselschafft empfangen haͤtte. Ladisla fragete sie/ warumb sie ihm uͤbels anwuͤnschen koͤnte/ welches ihm trauen wenig freude braͤchte/ und ob sie meinete/ der Sieg waͤhre nicht ruͤhmlich gnug/ wann man ungeschlagen davon kaͤhme. Sie aber gab zur Antwort: Ver- sichert euch/ mein Schaz/ ob ihr euren Herkules als einen getraͤuen Bruder liebet/ daß ich ihn nicht weniger als eine ergebene Schwester meyne und Ehre: aus welchen Worten er ihr Erstes Buch. ihr Raͤzel bald verstund/ daß sie von einer Liebes-Wunde redete/ und auff Frl. Sibyllen zie- lete; so wahr auch Herkules nicht so einfaͤltig/ daß er eines Dolmetschers bedurfft haͤtte/ wie wol er sichs nicht merken lies/ sondern antwortete; Ich gebe meiner herzgeliebten Fr. Schwester nicht unrecht/ gestaltsam ich wol bekennen muß/ daß ich mit meinem taͤglichen Muhtwillen Straffe gnug verdiene/ weil mich aber mein Gott vor Wunden und Wuͤn- dichen bewahret hat/ werde ich schuldig seyn/ ihm davor zu danken. Sie waͤhre ihm gerne naͤher getreten/ aber weil Ladisla ihr einen heimlichen Wink gab/ zohe sie die Pfeiffe ein/ da- mit sie ihm nicht zuwieder handelte/ und zeigete an/ der Schneideꝛ haͤtte ihꝛe weisse atlassen Sommer-Kleider fertig gemacht/ da sie dieselben in dieser Hitze anlegen wolten; welches sie nach ihrem Abtrit verrichteten/ und bald darauff von dem Stathalter nach dem Saal erbehten wurden/ da die vornehmsten Herren der Stat bey ihm wahren/ die mit grosser Ehrerbietung ihnen entgegen traten/ und nach verrichteter gewoͤhnlicher Hoͤffligkeit Herr Fabius anfing: Hochtapffere Herren und hochgeliebte Soͤhne Herr Herkules und Herr Ladisla/ billich bedanke wegen Roͤmischer Kaͤyserl. Hocheit/ und des Roͤmischen Rahts uñ Volkes ich mich gegen euch gebuͤhrlich/ daß ihr gestriges tages zu eurem unsterblichen Preiß und Ruhm/ nicht allein dieser Stad/ sondern ganz Italien/ bloß aus liebe zur Ge- rechtigkeit/ so grosse Dienste erwiesen/ in dem ihr durch eure ritterliche Klugheit und un- verzagte Helden Krafft/ Brand/ Mord/ und verwuͤstung/ und mit einem Worte/ daß un- vermeidliche algemeine Verderben abgekehret/ und gluͤklich hintertrieben habet/ welches wir und unsere Nachkom̃en/ weil die Welt stehet/ ruͤhmen muͤssen. Ich bedenke mit hoͤch- ster Erschutterung/ was vor ein Jammer in dieser Stad und Gegne/ uͤber XII wochen/ ist eine geringe Zeit/ sich wuͤrde zugetragen haben/ wan eure Vorsichtigkeit nicht gewesen/ ja wann nicht der Himmel aus sonderlicher Gnade euch zu uns hergeschicket haͤtte/ gleich an dem Tage/ da die Raͤuber an meiner lieben Tochter und ihren Gespielen den Anfang ma- cheten. Vor dißmahl habe ich nicht mehr vorzubringen/ als daß meine hochgeliebte Her- ren und Freunde/ eine kleine Verzoͤgerung nicht verunwilligen wollen/ welche zwischen eu- ren Verdienst und billiche Erkaͤntnis nur biß dahin eingeschoben wird/ daß mein aller- gnaͤdigster Kaͤyser und die Stad Rom mir Befehl erteilen/ ihre Dankbarkeit euch wissen zu lassen. Als der Stathalter diese Rede geendiget hatte/ fing ein ansehnlicher Paduani- scher Herr/ nahmens Zezilius Antenor/ der vortreflichste unter dem Adel selbigen Ortes/ und der Stad oberster Vorsteher/ jm Nahmen der Stad also an: Durchl. Herren/ Herr Herkules und Ladisla (vielmehr Theseus zunennen)/ ihr warhaffte Schuͤtzer und Erret- ter unsers Vaterlandes; Was massen unsere Stad Padua und ihre Einwohner/ ja alle umliegende Landschafften und Staͤdte euch naͤhst Gott alle Wolfahrt und das Leben selbst zu danken haben/ als die ihr das augenscheinliche Verderben von uns allen abgewendet/ solches hat der hochansehnliche Roͤmische Stathalter Herr Fabius anjetzo nicht ohn ur- sach eingefuͤhret; weil aber Euren Durchll. der eigentliche Bericht des moͤrderischen vor- habens noch so außfuͤhrlich nicht entdecket ist/ gebe denselben ich zu vernehmen/ daß nach angestelleter peinlicher Frage/ wir von ihren Gefangenen diesen einhelligen Bericht ein- gezogen/ womit Servilius gutwillige Bekaͤntniß allerdinge einstimmet/ daß nehmlich M. Trebellius/ K. Azerius/ beyde verbannete Roͤmische Herren/ und Orgetorix ein Gal- lier/ Erstes Buch. lier/ jener beyden Drittes-Mañ/ mit ihrem grausamen vorhaben schon drey Jahr schwan- ger gangen/ und inwendig vieꝛ Monat auffs hoͤchste solches ins werk zu richten/ entschlos- sen gewesen; Sie wolten mit 100000 Mann in dreyen unterschiedlichen Kriegsheeren diese Stad Padua/ Mantua und Ravenna zugleich anfallen/ den ganzen Adel und alle veꝛ- heyrahtete/ auch unmanbahre Toͤchter ohn einige Verschonung erwuͤrgen/ die mannbah- ren Fraͤulein und Jungfern zu ihrer Heyraht und unkeuschen Willen behalten/ ja alle fꝛeye Menschen erwuͤrgen/ den Leibeigenen von allenhalben her/ Freyheit und das Buͤrgerrecht schenken/ und nach dem Vorbilde Romulus und Remus ein neues Reich anrichten/ da dann jeztgenante drey Staͤdte ihre drey Fuͤrstlichen Sitze haͤtten seyn sollen; Ihre gewor- bene blutduͤrstige Voͤlker haͤtten die Anreitsgelder schon empfangen/ laͤgen hin und wieder in Feindes Laͤndern verstreuet/ und warteten nur auff Befehl ihrer Fuͤrsten/ wann sie auf- brechen und die Waffen empfangen solten; Es ist vor Menschen Augen unmoͤglich/ daß man die Gefahr haͤtte koͤnnen abwenden/ gestaltsam sie uns wuͤrden uͤber den Halß kom̃en seyn/ ehe wirs inne werden moͤgen/ und wahr der eine Sammelplatz uns so nahe/ nehmlich die erstrittene Hoͤhle/ daß viel 1000 Mann in einer Nacht daselbst die Waffen haͤtten er- greiffen/ und mit dem fruͤhzeitigen Tohrauffschliessen uns in den Betten uͤberfallen koͤn- nen. Sehet ihr Durchll. Herren/ dieses Verderben hat eure gluͤkliche Außforschung und herlicher Sieg von unsern Haͤlsen hinweg gerissen/ unser Leben bestehet durch eure Hand/ unsere Weiber und Kinder ruffen und frohlocken/ daß die unvergleichliche Helden Herr Ladisla und Herr Herkules zu ihrer Rettung erschienen sind; Unsere manbahre Toͤchter ruͤhmen/ daß sie nicht duͤrffen den Raͤubern auffwarten und zu dienste stehen/ ja daß sie jh- rer Eltern leibeigene Knechte zu heyrahten nicht gezwungen werden; So sind wir ja nun schuldig/ so vielfaͤltige Guttaht zuerkennen; so muͤssen wir ja billich ein williges Herz dar- bieten zur Dankbarkeit. Und deßwegen sind wir von dem Raht und Gemeine dieser Stad abgeordnet/ sie als unsere sonders geehrte Herren und Schuͤtzer freund- und dienstfleissig zu bitten/ daß sie auß dieser Stad nicht weichen wollen/ ehe uñ bevor sie an Roͤmische Kaͤy- serl. Hocheit diese ihre hoͤchstruͤmliche Taht eilig gelangen lassen/ und wessen sie sich hierin verhalten sollen/ unterrichtet sind; inzwischen stehet alle unsere Haabe und Vermoͤgen/ ja unser Leib und Leben zu ihrem Dienste/ werden auch nicht unterlassen/ uns zubemuͤhen/ da- mit unser guter Wille in der Taht moͤge erscheinen koͤnnen. Unsere Helden hatten dieser hohen Ehr sich nicht versehen/ denen ohn daß kein Ehr- geiz beywohnete/ uñ antwortete Herkules folgender Gestalt: Durchleuchtiger Herr Stat- halter/ Hochansehnliche Herren Abgeordnete/ sonders gnaͤdiger Herr Vater und genei- gete Herren; Mein Bruͤderlicher Geselle und ich schaͤtzen uns vielzugeringe die von eu- rer Gn. und Herrligkeiten jezt gehaltene Lob- und Dankreden auff uns zuzihen; ja wann unsere Nahmen von ihnen nicht außdruͤklich gemeldet waͤhren/ wuͤrden wir der Antwort uns nicht erkuͤhnen/ angesehen/ wir so hohen Ruhm und Dank zuverdienen uns gar zu un- bestand und geringe achten/ daß wir vor Schuͤtzer dieser maͤchtigen Stad uns solten ange- ben lassen/ ohn deren Ankunfft ihre Wolfahrt nicht haͤtte koͤnnen erhalten werden. O wer weis nicht/ daß Padua durch der Inwohner Vernunfft und Vermoͤgen wol koͤniglichen Gewalt und Anlauff hintertreiben/ geschweige/ eine Handvol Raͤuber daͤmpffen solte/ in- sonder- Erstes Buch. sonderheit/ da sie unter den Schuzfluͤgeln des Allergroßmaͤchtigsten Roͤmischen Kaͤysers/ unsers allerseits gnaͤdigsten Herren/ Sicherheit und Schirm gnug haben kan und hat, muͤsten demnach der unsinnigen Verwaͤgenheit in- und außwendig uns gewidmet haben/ wann wir solches nicht erkennen/ oder nur in zweiffel zihen wolten. Zwar wir danken es der gnaͤdigen himlischen Versehung/ daß wir das Gluͤk gehabt/ nicht allein durch des Or- getorix und seiner boßhafften Gesellen Bestreitung die erste Ursach dem gestrigen Siege zugeben/ sondern daß wir auch diesem ohn zweiffel herlichen Werke beyzuwohnen beseli- get gewesen/ weil dannoch der Raͤuberische Frevel viel Ungelegenheit machen koͤnnen/ da er nicht in der Aschen wuͤrde gedaͤmpffet seyn; aber/ hochansehnliche Herren/ was schreibet man uns beyden einzelnen/ die gluͤkliche Verrichtung allein zu? warumb hinterhaͤlt der hochmoͤgende Herr Stathalter seine eigene Tahten/ die nicht geringer/ sondern groͤsser als die unsern zu schaͤtzen sind? dann seine geleistete Gegenwehr ist den Raͤubern so schaͤdlich/ als seyn heilsamer kluger Raht uns nuͤzlich gewesen; zu geschweigen/ daß seine blosse Ge- genwart jene zu schrecken und uns zu muhtigen kraͤfftig gnug wahr/ daß also demselben der hoͤchste Preiß und Dank/ da sonst einiger erstritten ist/ von Gott- und Rechts wegen gebuͤhret. Aber Durchleuchtiger und Wolgebohrne Herren/ warumb muß der tapffere Held/ Herr K. Fabius/ des Herrn Stathalters an Muht und Tugend gleich gerahtener Sohn/ seines verdienten Lobes beraubet seyn/ und uns alles gar abtreten/ der trauen seine Sinne und Faͤuste hiebey nicht umb daß geringste weniger gesparet als wir? Ja wo blei- bet seiner Reuter loͤbliches Wolverhalten/ ohn deren Huͤlffe und Beystand wir unser Le- ben nicht haͤtten moͤgen davon bringen/ und wir ihnen deßwegen Dank und Vergeltung schuldig sind. Muß also diese Taht dem Herrn Stathalter und seinem Sohn billig beyge- maͤssen werden/ weil dieselben nicht allein das Amt unverzageter Streiter/ sondern auch vorsichtiger Befehlhaber geleistet/ uñ die Mañschafft hinzugefuͤhret/ durch derẽ Schweꝛ- ter schaͤrffe die Feinde hingerichtet/ und dem Henker entwichen sind; uns beyden aber ist es gnug/ wann unsere schlechte Nebenhuͤlffe und Beystand hat angenehm und ersprißlich seyn koͤnnen; wodurch aber die uns angebohtene Ehre wir so gar nicht verdienen moͤgen/ daß auch ohn unsere Gegenwart der voͤllige Sieg ihnen haͤtte bleiben muͤssen. In erwaͤ- gung dessen alles bitten wir sehr/ uns uͤber unser Verdienst und Wirdigkeit nicht zuehren/ damit uns nicht mehr Ursach/ uns zu schaͤmen/ als sie zu lieben/ gegeben werde; unser stets begieriger Wille/ ihnen samt und sonders moͤgliche Dienste zu leisten/ sol auff alle Bege- benheit sich bereit halten und finden lassen/ deren gute Gewogenheit unsere Verrich- tungen schon mehr als zu viel vergolten hat/ wovor wir zugleich uns hoͤchlich bedanken/ und/ wie gesagt/ hinwie derumb zu aller Moͤgligkeit uns verbinden. Der Stathalter gab zur Antwort: Ihr meine hochgeliebete Herren und Freunde/ was habe ich doch bey diesem grimmigen Kampffe mehr tuhn/ als euch gluͤklichen Fortgang und Sieg wuͤnschen koͤn- nen? bin ich nicht als ein uͤberfluͤssiger Stummer in diesem Spiel gewesen? hingegen ha- bet ihr/ Herr Herkules/ nicht geordnet/ versehen/ die unsern angefuͤhret/ gestaͤrket/ entsetzet/ ja die beyden Fuͤrsten und Fuͤhrer der Raͤuberischen Verbuͤndniß/ einen nach dem andern mit eurem Schwerte im absonderlichen Kampffe erleget/ und mich hernach mit ihren Waffen außgeruͤstet? Mein Herr Schwieger Sohn aber mit seiner Hand beschuͤtzet/ und V den Erstes Buch. den feindlichen Anfall von mir auff sich selbst gezogen/ daß ich unbeleidiget bliebe? Meinen Sohn betreffend/ was koͤnte mir ergetzlicher seyn/ als daß er die Ehre gehabt/ euch in die- sem ruͤhmlichen Werke beystand zu leisten/ und unter eurer Anfuͤhrung das seine zu tuhn/ welches aber an eure Verrichtungen bey weitem nicht reichet. Hat er dann gleich mit ge- fochtẽ/ so habt doch ihr die staͤrkeste Feindesmacht gebrochen; hat er den Raͤubeꝛn sich ent- gegen gesezt/ so ist ers als einheimischer dem Vaterlande schuldig. Ihr aber als fremde/ und uns allerdinge unverbundene habt euch nit gewegert/ eure Leiber unter so grosse menge der Raͤuber zustellen/ und allen ihren Anfall auff euch hinzurichten/ nur daß deren uͤbeꝛ uns beschlossener Mord auffgehaben/ Landesverwuͤstung abgewendet/ und wir allesamt der Sicherheit und Ruhe geniessen moͤchten. Dieser euer Ruhm/ ihr unvergleichliche Heldẽ muß nicht verschwiegen werdẽ/ dafern wir nicht durch Undankbarkeit der Goͤtter Ungna- de und gebuͤhrliche Straffen uͤber unsern Halß zihen wolten/ wovor die Erbarkeit selbst uns bewahren wird. Hernach wendete er sich zu den Abgeordneten/ und baht sie/ nach dem sie unserer Helden Antwort wuͤr den hinterbracht haben/ sich bey ihm zur Mahlzeit einzu- stellen/ und jhnen Geselschafft zu leisten. Es hatte aber der Raht zu Padua allen Verlauf nach Mantua und Ravenna/ auch andern Staͤdten geschrieben/ und der gebuͤhrlichen Dankbarkeit sie erinnert/ welche sich alsbald bemuͤheten/ eine moͤgliche Vergeltung sehen zu lassen. Fr. Sophien wehrete inzwischen die zeit lange/ ehe sie mit jhrem Ladisla allein zu reden kam/ ließ jhn nach der Abgeordneten Abtritt zu sich in den Garten fodern/ und nach kurzer Unterredung fragete sie/ wie ihm jhre Wase Frl. Sibylla gefiele; und als er sich vernehmen ließ/ daß sie gar ein zuͤchtiges und schoͤnes Fraͤulein waͤhre/ dergleichen er wenig gesehen; antwortete sie/ jezt laͤsset sie sich auff ihr Roͤmisch schmuͤcken/ weil ihre Klei- der ihr auff der Gutsche unverruͤcket blieben sind; Ich aber habe diese Nacht wenig ge- schlaffen/ sondern an ihrem anmuhtigem Gespraͤch mich erlustiget; sonsten gefiel mir ge- stern sehr wol/ daß Herr Herkules sich ihrer im Gepuͤsche so fleissig annam/ dann anfangs befurchte ich/ er wuͤrde ohn Freundligkeit mit ihr fortgehen/ wie vor diesem mit Frl. He- lenen/ aber ich merke wol/ daß er ein guter Erkenner in Unterscheid der Schoͤnheit ist; dañ ob ich gleich an dieser wenig zu tadeln habe/ kan ich sie doch mit jener nicht vergleichen. La- disla merkete jhr Vorhaben/ und antwortete: Euer Vorsaz/ mein Herz/ waͤhre wol gut/ a- ber sehet zu/ und machet euch nicht Ungunst an der andern Seite. Ey/ sagte sie/ ich handele nach Recht und Warheit/ und nicht nach Gunst/ drum werde ich nicht suͤndigen; Aber se- het dorten Herr Herkules hertreten/ welcher schon meynet/ gar zu lange von euch gewesen seyn; Lieber goͤnnet mirs/ ein wenig mit ihm zu scherzen/ ich weiß wol/ wo ich zukehren sol; Sie gingen mit einander ihm entgegen/ und sagte sie zu ihm: Mein Herr Bruder/ wie ge- het seine Liebe so einsam und ohn alle Geselschafft? Darumb/ antwortet er/ daß niemand mit mir gehen wil/ und ich daher Gesellschafft suchen muß. Ja/ sagte sie/ vielleicht wollet ihr niemand bey euch haben/ sonsten fuͤnde sich die Geselschafft wol ungesucht. Meine An- muhtigkeit ist so schlecht/ sagte er/ daß meiner wenig begehren/ weiß auch fast selber nicht/ woher meine Schwermuht entstehen mag. Sie antwortete: Mancher kan auch in der Demuht stoltz seyn/ welches ich vor den groͤssesten Stoltz halte; und daß dieses auff euch geredet sey/ wil ich nicht leugnen/ dann ihr meidet die froͤliche Geselschafft mit fleiß/ und leget Erstes Buch. leget hernach die Ursach eurer Einsamkeit auff andere/ die doch gerne mit euch umgingen. Ob die Schuld an mir liege/ sagte er/ daß ich gemieden weꝛde/ kan wol seyn/ gestehe es auch selber/ wann mir nur zugelassen ist/ des beschuldigten Stoltzes mich zuentledigen/ dessen ich ungerne wolte teilhaftig seyn; findet aber meine Fr. Schwester dieses oder andere unzim- liche Laster an mir/ wolle sie meiner nur nicht verschonen/ weil ich meine Gebrechen nicht allemahl von mir selbst erkennen kan; deßwegen sind dieselben meine allerliebesten Freun- de/ welche sich meiner Besserung annehmen/ und selbe fortzusetzen bemuͤhet sind/ zweifele auch nicht/ da meine Fr. Schwester taͤglich mit ihr em Verweißtuhm fortfahren wird/ solle es sehr viel bey mir fruchten. Ach ja freylich/ antwortete sie/ mit dergleichen spitzigen Pfeilen muß man auff traͤuherzige Freunde zuschiessen/ damit man abgeschrecket wird/ dz man kein Schertzwort mit euch reden darff. Ladisla lachcte/ daß ihr gefiderter Bolzen so zeitig zuruͤk prallete/ wie sie dann weiters nicht vorzubꝛingen wuste/ und Heꝛkules schon auf eine Antwort bedacht wahr; aber sie fiel jhm ein/ und sagte: Nun sehet euch umb/ Herr Herkules/ jhr seyd schon taͤhtlich wiederleget/ als wolte niemand eure Geselschafft haben/ dann dort laͤsset meine Frl. Schwester Frl. Sibylla sich von meiner Fr. Mutrer herleitẽ/ damit sie eure Einsamkeit breche/ deren sie ohn zweifel wird wahr genommen haben. Es gingen aber diese beyden frisch fort/ dann sie nahmen jener hinter dem Rosenpusche nicht wahr/ biß sie in den offenen Weg traten/ welches das Fraͤulein ersehend/ alsbald stutzete/ dann sie kennete unsere Helden nicht so bald. Aber Fr. Sophia rieff ihr zu: Geliebte Frl. Schwester/ komt mir doch zum Beystande/ dann ich bin zu wenig und schwach/ diesen bey- den Herren allein zu antworten. Herkules trat ihr hoͤflich entgegen/ empfing sie mit einem Handkusse/ und nach Wuͤnschung eines froͤlichen Morgen fragete er/ ob sie nach dem ein- genommenẽ Schrecken wolgeruhet haͤtte. Sie hingegen baht um Verzeihung/ dz sie durch ihre Ankunfft ihre Unterredung stoͤrete/ sahe jhn unterdessen in diesem duͤnnen Kleide an/ und verwunderte sich so gar uͤber die volkommene Zierligkeit seines Leibes und aller Glied- massen/ daß sie fast erstummete; und als Fr. Sophia jhre Verenderung sahe/ kam sie ihr zu Huͤlffe/ und sagete: Herzgeliebete Frl. Schwester/ meynet sie wol/ daß dieser Herꝛ noch eben derselbe sey/ welcher gestriges Tages ein solches Gemetze unter den Raͤubern hielt/ dz wir Ohren und Augen zudruͤcken musten? Ach nein/ sagte Frl. Sibylla/ wann mir das Angesicht nicht bekant waͤhre/ wuͤrde ichs schwerlich glaͤuben. So geliebet meiner Frau Schwester es gar offt/ sagte Herkules/ mich bey fremden stum zu machen. Bey fremden? fragete sie; je wer ist dann alhie fremde? Meine Fr. Mutter/ euren Ladisla und mich/ wer- det ihr ja nicht vor fremde schelten; ist euch dann meine Frl. Schwester so frembde/ und habet schon unterschiedliche Reisen zu Pferde und zu fusse mit ihr gehalten? da werdet ihr ja mit einander etwas Kundschafft gemacht haben. Es ist mir leid gnug/ antwortete er/ daß das Durchl. Fraͤulein ich vom gehen so ermuͤdet sehen muste; weil ichs aber nicht endern kunte/ hoffe ich deßwegen entschuldiget zu seyn. Mein Herꝛ/ antwortete das Fraͤu- lein/ weil mein eigener Vorwitz mich zu dieser Reise getrieben/ habe ich das ritzen und ste- chen der Dornen billich erlitten/ und halte/ meine Frau Schwester werde das ihre auch empfunden haben. Ich? sagte Fr. Sophia; trauet mir sicher/ herzgeliebtes Schwester- chen/ daß diese Dornen mich so gar nicht gereuen/ daß ich sie vielmehr liebe/ weil unter den- V ij selben Erstes Buch. selben ich meine allerliebste Rose (auff Ladisla zeigend) gebrochen/ und moͤchte in Warheit euch wol ein gleiches Dornen- oder vielmehr Rosengluͤk wuͤndschen und goͤnnen. Das Fraͤulein ward hieruͤber schamroht/ begriff sich aber bald/ und gab zur Antwort: Ich be- danke mich alles guten/ und daß meine Fr. Schwester so grosse vergnuͤgung zwischen den Dornen empfangen/ erfreue ich mich ihretwegen billich; mich aber betreffend/ habe ich nie groͤssere Angst als in den Dornen gehabt/ aus welchen Hn. Herkules sieghaftes Schwert mich vorgestern loßgewirket/ wovor meine geliebte Eltern dankschuldige Gemuͤhter erzei- gen werden/ weil ichs nicht als mit geflissener Ehrerbietung zuersetzen weiß. Herkules hatte grosses gefallen an den zuͤchtigen Reden dieser uͤber ausfrommen Fraͤulein/ und ant- wortete hierauff: Durchl. Fraͤulein/ ich bitte Gott/ daß er euer Wir digkeit gleichmaͤssi- ges Gluͤk zuschicken/ und wahre Tugend mit erwuͤnscheter Erstattung beseligen wolle; be- treffend meine geringe/ und des gedenkens nicht werte Dienste/ sind solche tausendfach in dem ersetzet/ daß sie mit ihrem belieben und vergnuͤgen geschehen/ und wer mit so reicher Erstattung nicht friedlich seyn kan/ waͤhre meiner Urtel nach unwirdig/ von redlichen Leu- ten geliebet zu werden. Hiemit kan vielleicht mein Herr sich befriedigen/ antwortete sie/ a- ber meine Schuld sich nicht loßwirken/ dann das empfangene fodere mehr Pflicht/ als die Worte Leistung/ und waͤhre trauen gar eine schlechte Dankbarkeit/ die sich nur unter die- sem erbieten finden liesse/ daß die Woltahten angenehm waͤhren; O nein/ mir ist gar zu haͤuffige Gutwilligkeit erzeiget/ welche mit Worten nicht kan abgetragen werden/ sondeꝛn auffs minste den steten Willen verdienet/ so weit das Unvermoͤgen keinen wirklichen Ab- trag zulassen wil. So muͤste ich ein gluͤkseliger Mensch seyn/ sagte Herkules/ wann mit ei- nem Schwertschlage ich solchen Dank erfechten koͤnte; jedoch weil mein Fraͤulein ja ei- nige Schuld und Verhafftung alhie an ihrer Seiten fodert/ und ich Unhoͤfligkeit zu mei- den/ ihr nicht widersprechen darff/ so bitte ich dienstlich/ die selbe wolle ihre Schuld seyn lassen/ daß sie mir befehle/ und in ihren Diensten mich gebrauche/ damit in der Zahl ihrer minsten Diener zuverbleiben/ ich die grosse Ehre haben moͤge; welche lezten Worte nicht allein bey Fr. Sophien/ und ihrer Fr. Mutter/ sondern bey Ladisla selbst einen Argwohn entstandener Liebe verursacheten. Und die Warheit zu sagen/ empfand Herkules grosse zu- neigung in seinem Herzen gegen dieses Fraͤulein/ daß/ dafern solches noch frey und unbe- wohnet gewesen/ er vielleicht diestete unverruͤckete Wohnung derselben darinnen gegoͤn- net haͤtte; aber seiner Bestaͤndigkeit und Traͤue/ die er einmahl von sich gegeben/ wahr viel ein fester Schloß vorgehenket/ als daß es durch einigen Menschen haͤtte koͤnnen gebrochẽ werden/ insonderheit/ weil er noch an keiner andern sahe/ daß seines Herzens Schatz in et- wa einer Volkommenheit uͤber troffen haͤtte/ nur daß seine Erndte noch nicht in reiffer Saat schnitte/ sondern annoch im bluͤhenden Grase wahr/ welches aber doch so unfehlba- re Hoffnung der allervolkommenstẽ Fruͤchte zeigete/ daß weder ein besseres haͤtte koͤnnen gewuͤnschet/ noch dieses von einigem andern hinter trieben werden; daher Fr. Sophien Hoffnung bloß in der Einbildung sich kitzelte/ indem sie eine Ehestifftung zwischen ihm uñ diesem Fraͤulein anzurichten vorhabens wahr. Als sie nun dißmahl sahe/ daß das Fraͤulein auff Herkules lezte Reden zuantworten zuͤckete/ wolte sie etwas darzwischen einschiessen/ und sagete zu ihm: H. Herkules/ meynet Eure Liebe dann/ daß meine Frl. Wase eine gantze Stad Erstes Buch. Stad voll Diener halte/ daß er nur unter die geringsten wil eingeschrieben seyn? O nein/ ich halte nicht/ daß sie jemahl einen einzigen in Bestallung genommen habe. Ich wider- spreche diesem gar nicht/ antwortete er/ uñ merke dañoch mit freuden/ daß/ ob das Frauen- zimmer gleich keine Diener bestellet/ sie doch getraͤue Dienste nicht ausschlagen/ die aus gutem Herzen fliessen. Ein solches erfodert die Erbarkeit und unsere Notturfft/ die vieler Huͤlffe und Beystandes benoͤhtiget ist/ sagte Fr. Sophia/ aber dannoch glaͤube ich nicht/ daß meine Frl. Schwester sich von vielen bedienen lasse. Sibylla wolte die angebohtene Dienstwilligkeit selber beantworten/ und fing also an: Tapferer Herr Herkules/ seine mir erzeigete Woltaht ist so beschaffen/ daß ich deren weniger als meiner selbst vergessen wer- de/ ich auch keine andere Ursach habe/ als ihn an die seite meiner allernaͤhesten Blutsver- wanten hinbey zusetzen; dann weil Ehr und Leben in gleichem Gewicht hangen/ weiß ich schon/ daß ich jhm naͤhst meinen Eltern verpflichtet bin. Er nam diese Antwort mit son- derlicher Ehrerbietung auff/ und wuͤnschete/ das Vermoͤgen der Erkaͤntniß so hohes er- bietens von Gott zuerlangen. In dem wurden sie zur Mahlzeit gefodert/ da im hingehen Fr. Sophia jhre Wasen fragete/ wie jhr Herkules nach seiner Art und Leben gefiele; sie a- ber seine freundliche Geberden/ artige Geschikligkeit und demuͤhtige Reden so hoch ruͤh- mete/ daß sie auch wuͤnschete/ die Goͤtter ihr einen solchen Bruder haͤtten goͤnnen moͤgen. Diese und folgende Tage wurden mit froͤligkeit zugebracht/ biß am sechsten nach be- stuͤrmung des Raubnestes sich der obgedachten dreyen Staͤdte abgeordente angeben lies- sen/ eine schoͤne Dank- und Lobrede an unsere Helden ablegeten/ und hernach bahten/ sie moͤchten sich hochguͤnstig gefallen lassen mit ihnen in den Unter Plaz zugehen/ woselbst drey treffliche Gutschen von Blauen/ Gruͤnen und Purpur Sammet mit guͤldenen Borten verbremet hielten/ und vor jeder acht muhtige Pferde in gleichem Zeuge/ wie die Gutschẽ/ bespannet wahren/ hinter denen hielten XXIV treffliche Reit Pferde mit koͤstlich gesticketẽ Satteln und Silbern Gebiß/ deren jedes von zween freygegebenen Leibeigenen/ in Blau- en/ Gruͤnen/ und Purpur Sammet gekleidet/ geleitet ward; welches alles Herr Zezilius Antenor im nahmen der zehn nachbar Staͤdte also uͤberliefferte: Hochberuͤhmte Herren und grosse Freunde/ Herr Herkules und Herr Ladisla; vorerwaͤhneter Staͤdte Raht und Buͤrgerschafft haben sich gescheuhet/ mit blossen uñ leeren Worten die gebuͤhꝛliche Dank- sagung/ wegen des zu stoͤreten Raubnestes abzustatten; uͤbersenden diese Gutschen/ Pfer- de und LIV Teutsche Leibeigene freygekauffte Knechte/ mit dem was dabey mag gefunden werden/ zum Zeichen ihrer Dankbegierigkeit/ unter der ungezweiffelten Zuversicht/ sie werden solches von ihrer Hand gutwillig annehmen/ da ihnen zugleich alhie zu Padua/ Mantua und Ravenna eine Herren Wohnung sol erbauet/ und inwendig jahresfrist fertig uͤberlieffert werden/ mit diesem Anhange/ daß sie vor die hoͤchsten Geschlechter dieser Staͤdte/ und naͤhesten Beysitzer des herschenden Buͤrgemeisters oͤffentlich erklaͤret/ und außgeruffen werden sollen; auch/ so bald Roͤmische Kaͤyserl. Hocheit ihre weitere anord- nung allergnaͤdigst einkommen lassen wird/ werden die Staͤdte ein mehres von ihnen als hochgewogenen Herren zu bitten/ Kuͤhnheit nehmen. Unsere Helden entsetzeten sich der Liefferung nicht so viel/ als des angeheffteten Erbietens/ und gab ihnen Ladisla zur Ant- wort; Hochansehnliche Herren; die gar zu starke Uberladung ihrer Freygebigkeit/ benimt V iij uns Erstes Buch. uns dz Vermoͤgen zu antworten/ nachdem uns unverdienten so grosse Fuͤrstliche Schen- kungen auffgedrungen werden/ denen dz allergeringste zuerwiedern wir gar zu wenig sind. Ob wir nun gleich sehen/ daß wir das Gegenwaͤrtige anzunehmen uns nicht werden ent- reissen koͤnnen/ damit wir keine Unhoͤffligkeit uͤber uns laden/ so bitten wir dech von Her- zen/ sie wollen das uͤbrige gar zu unmaͤssige Erbieten nur auff den Willen beruhen lassen/ und sol uns mehr als gnug seyn/ daß wir in die Buͤcher ihrer aͤdlen Geschlechter verzeich- net werden. Grosse praͤchtige Gebaͤu und Wohnungen bey ihnen zu besitzen stehet uns nit an/ die wir des Vorhabens sind/ die Welt zu versuchen/ vielweniger/ daß wir junge uner- fahrne Ritter in ihres hochweisen Rahts Versamlungen nieder sitzen solten. Bedanken uns demnach nicht weniger vor das hohe erbieten/ als vor die herzugefuͤhrete Geschenke ganz dienstlich/ und verpflichten uns hinwiederumb zu ihren Diensten ingesamt und in- sonderheit; die Anwesende unsere hochwerte Herren gebuͤhrlich ersuchend/ sie wollen die- sen und folgenden Tag uns hieselbst Geselschafft leisten/ und ihre bessere sehr angenehme Kundschafft uns ungewegert goͤnnen. Hierauff musten die bestelleten Diener zwo grosse und ein kleines Laͤdichen von jeder Gutsche abheben/ die auff den Saal getragen wurden/ und unsere Helden sich sehr ungeduldig bezeigeten/ daß ihnen noch ein so verborgenes ge- liefert ward/ dann in den sechs grossen Laden wahren drey Tonnen Schaz gemuͤntzet Gold eingehaͤmmert/ und die Kleinot in den dreyen kleinen Laden/ trugen auch so viel auß. Die Gutschen Wagen- und Reitpferde samt dem Zeuge und erkaͤufften Leibeigenen/ wahr al- les mit einer Tonne Schaz bezahlet/ und wurden insonderheit die Gutschen (doch nicht der Schaz darauff) im nahmen der offtgeneñeten dreyen Staͤdte eingelieffert. Zu lezt kah- men zween ansehnliche frey erkauffte Teutschẽ auff zwey schneweissen wolgeputzeten Pfeꝛ- den/ fuͤhreten auff dem linken Schenkel ein gruͤngemahltes Ritterspeer mit ganz guͤldenẽ Spitzen/ in der rechter Hand ein Schwert/ dessen Gefaͤß von Demanten glaͤnzete/ Sattel und Zeug schimmerte von Gold und Perlen/ und der ganze Ritterharnisch wahr stark uͤ- berguͤldet; den Schild hatten sie auff dem Ruͤcken hangen/ in deren jedem ein Loͤue stund/ welcher in der rechten ein Schwert/ in der linken Tatzen einen Schild hielt mit dieser Um- schrifft: Peregrini Leones Aquilam liberarunt prudenter et fortiter ab Ursorum rabie . Das ist: Die fremden Loͤuen haben den Adler von der Baͤhren Wuht kluͤglich und herzhafft erloͤset. Auff ihrẽ Helmen stund ein Adler und Loͤue/ die sich mit Tatzen und Klauen freundlich umbfingen/ und lase man an einem Taͤfflein diese Schrifft: Quam benè conveniunt! Das ist: Wie ver- tragen sich diese so wol miteinander! Als diese Geharnischte zu unsern Helden naheten/ tahten sie beyde den Helm ab/ und weil sie Teutsche Herren Standes/ und vor sieben jahren auf einem Streiff gefangen und Leibeigen verkaufft wahren/ wusten sie sich wol zuschicken/ hatten auch die Sprache wolgefasset/ und fing der eine diese Rede an: Hochberuͤhmte Helden; wir ehemahs gefangene/ der Geburt Teutsche aͤdle/ sind von unsern Ober Her- ren der dreyen Staͤdte gnaͤdig befehlichet/ ihnen uns mit Pferd und Gewehr untertaͤhnig einzulieffern/ hoffen auch/ angenommen zu werden/ und durch getreue Dienste dereins die Freyheit wieder zuerlangen. Unsere Helden kenneten diefe alsbald/ dañ sie wahren in ihrer jugend am Großfuͤrstlichen Hofe in Teutschland schon erwachsene Hoffjunkern ge- wesen/ deren einer Lutter/ der ander Friedrich hieß/ und gab ihnen Herkules zur Antwort; Sie Erstes Buch. Sie bedanketen sich gegen die hochloͤblichen Staͤdte ihrer gar zumilden Guͤte/ koͤnten ei- nes so Rittermaͤssigen Geschenkes sich nicht wegern/ und wolten ihr voriges erbieten hie- selbst wiederholet haben. Als Friedrich seine Sprache hoͤrete/ uñ beyder Gesichte erwog/ sagte er zu seinem Gesellen auff Teutsch: Bruder ich habe nit geirret/ es sind in Warheit die Koͤnigliche Fuͤrsten; stiegen hiemit voller freude von den Pferden/ und wolten sich vor ihnen niderlegen; aber Herkules der solches merkete/ sagte mit Teutschen worten zu ihnẽ; sehet ihr uns vor bekante an/ so lasset uns ungemeldet; daher diese zwar ihr Vorhaben en- derten/ aber die Sache wahr schon verrahten/ dann weil sie zu Ravenna beyde dieneten/ und unter den Nahmen Herkules und Ladisla ihre Heldentaht ruͤhmen hoͤreten/ sagte Friedrich zu seinem Herren daselbst/ er hielte gaͤnzlich davor/ sein Landes Fuͤrst und des- sen Verwanter der Koͤnigliche Fuͤrst auß Boͤhmen wuͤrden diese Helden seyn/ welche nit allein diese Nahmen fuͤhreten/ sondern schon in der kindlichen Jugend gewisse anzeige ih- res unvergleichlichen Helden Muhts haͤtten sehen lassen. Dieser machete dem ganzen Raht daselbst solches zuwissen/ die es weiter außtrugen/ das ein gemeines Geschrey sich er- hub/ die Teutschen Koͤnige waͤhren kommen/ und haͤtten Italien von den Raͤubern erloͤ- set. Den andern Staͤdten wahr eben dieses zugeschrieben/ daher man aus solcher Mut- massung die obgedachten Schilde und Helme gebildet hatte. Als sie nun sahen/ wie die bey- de geharnischte das abgeredete Wahrzeichen der Ehrerbietung unterliessen/ geriet der meiste teil in zweiffel/ ob sie die Fuͤrsten waͤhren; aber Friedrich berichtete seinen Herren/ der zugegen wahr/ er haͤtte nicht gefehlet/ aber sie wolten noch zur Zeit durchauß nicht er- kant seyn/ daher ward in allen Staͤdten bey Leibesstraffe verbohten/ von den fremden Hel- den/ was ihren Stand uñ Vaterland betraͤffe/ einige Meldung und Nachfrage zutuhn. Diese beyde Tage nun wurden in froͤligkeit verzehret/ und bekam Herkules hohe Be- gierde/ an sein herzgeliebtes Fraͤulein zuschreiben/ sagte deßwegen zu Ladisla; dafern es ihm gefaͤllig/ wolte er alle ihnen geschenkte Teutschen nicht allein frey lassen/ sondern sie wolbe- gabet nach Haus schicken/ die jhm heut oder morgen grossen Vorschub/ sein Groß Fuͤr- stentuhm zuerhalten/ tuhn koͤnten; welches er nicht allein gerne bewilligte/ sondeꝛn zugleich anhielt/ daß sie jhren Weg auff Prag nehmen moͤchten/ dann er waͤhre gesonnen dahin zu schreiben/ ungeachtet er schon/ wie er wuͤste/ vor eilff Tagen einen eigenen Bohten dahin gesendet; machten also jhre Schreiben fertig/ und foderten jhre Leibeigene/ an der zahl LVI Mann/ unter denen XXX gutes Adels/ die uͤbrigen versuchte teutsche Reuter wahren/ vor sich/ welche Herkules auff teutsch also anredete: Gewißlich habt jhr euch meines Gesellen und meines Gluͤckes mit zuerfreuen/ weil jhr durch dieses Mittel uns uͤberliefert/ und von eurer vorigen Knechtschafft loßgemacht seyd/ dann jhr sollet wissen/ daß gegenwaͤrtiger mein Herr Bruder/ der Großmaͤchtigste Koͤnig aus Boͤhmen/ und ich/ eures herschendẽ Groß Fuͤrsten/ Herꝛn Henrichs Erstgebohrner Sohn Herkules bin/ welches jhr gleichwol in diesen Laͤndern bey Leibesstraffe nicht melden sollet. Wir wollen euch nach angebohrneꝛ milden Guͤte/ nicht allein in vorige Freyheit setzen/ sondern mit noͤhtigen Zehrungskosten versehen/ daß ihr wieder in unser Vaterland zihen/ und des euren abwarten koͤnnet/ wovor ich von euch weiters nichts heische/ als dz ihr dereins dessen eingedenke seyd/ und bey mei- nen Eltern und angebohrnen Unter tahnen meiner im besten gedenket; sollet auch nicht ver- Erstes Buch. verschweigen/ was jhr alhie gesehen und erfahren habet. Hernach rief er Friederich und Lutter absonderlich zu sich/ und sagete: Wann ich an euer Traͤue zweiffel truͤge/ wuͤrde ich euch diese eingemachte kostbahre Kleinot nicht anvertrauen; gab hiemit Friedrichen ein Schreiben an seine Fr. Mutter/ dieses Inhalts: Herzall erliebste Fr. Mutter; Ich euer gehorsamer Sohn Herkules/ fuͤge Euer Gn. zu wissen/ was gestalt mein gnaͤdiger allein wahrer Gott mich nicht allein meiner anderthalbjaͤhrigen Knecht- schaft entrissen/ sondern so hoch begnadet/ daß ich in meinem vertriebenẽ Stande mehr Ehr und Gelder erstritten/ als ich mir in Teutschland vermuhten seyn koͤnte/ wie Zeiger dieses berichten wird. Was ihre verteufelte Luͤgen Pfaffen von mir laͤstern/ wollen sie ja nicht glaͤuben/ sondern sich versichern/ daß ich einem so heiligen und reinen Gott diene/ welcher durchaus keine uͤppigkeit und Unzucht/ oder was dem anhanget/ dulden noch ungestraffet lassen kan. Bitte kindlich/ meinen allerliebsten/ wiewol/ als ich vernehme/ ungnaͤdigen Herrn Vater/ zugruͤssen/ dessen abgeneigter Wille mich mehr als andere Unlust schmertzet; Meinem geliebeten Bruder Baldrich uͤberschicke ich sechs Reitpferde mit allem Zubehoͤr/ auch einen koͤstlichen Harnisch/ und nebest sechs Kleinoten 20000 Kronen gemuͤnztes Goldes zum Beutpfennige/ hoffe/ er werde all er Fuͤrstlichen Tugend und der loͤblichen Ritterschafft eiferig nachsetzen/ und sich durch falsche Verleumdungen von Bruͤderlicher Gewogenheit und Traͤue nicht ab- wenden lassen. Was meiner herzlieben Frl. Schwester absonderlich versiegelt ist ( dieses wahren acht herliche Kleinot ) wird meine Gn. Frau Mutter derselben schon einliefern lassen. Befehle sie hiermit alle meines wahren Gottes und Heylandes Obacht getraͤulich/ lebe auch und sterbe Ihr biß an Gott gehorsamer Sohn Herkules. Nach Einhaͤndigung dieses Briefes stellete er jhm die Kleinot in einem ledernen Beutel zu/ und wurden die Baarschafftẽ auff die sechs Pferde gebunden/ mit erteiletem gnugsamen Bericht/ wie es mit allem und jedem solte gehalten werden. Hernach ging er mit Luttern auff sein Schlaffgemach/ und sagete zu ihm: Sihe da/ erinnere dich der Gna- den/ die ich dir heut erzeige/ uñ reise nicht von Prag hinweg/ biß du dieses Schreiben samt beygefuͤgeten Sachen selbst/ uñ in moͤglicher Geheim dem Koͤniglichen Fraͤulein daselbst/ zu sicheren Haͤnden wirst gestellet haben/ als welches alles jhr von Fr. Sophien ihrer Schwaͤgerin zugeschicket wird; Was du aber zu liefern hast/ ist ein stoltzes Handpferd mit koͤstlichem Zeuge/ eine Gutsche mit sechs Pferden/ (wahr die geschenkete blaue) und eine verschlossene Lade auff derselben. Dieser versprach/ alles getraͤu und fleissig in acht zuneh- men und zu bestellen. Darauff teileten Herkules und Ladisla unter den XXX aͤdelgebohrnẽ 21000 Kronen aus/ und den uͤbrigen XXVI gen/ 7800 Kronen/ daß sie sich davon ruͤsten uñ beritten machen solten; aber Friedrich und Lutter bekahmen jeder ein wolgeruͤstetes Pfeꝛd/ guten Ritterharnisch/ und noch 1500 Kronen uͤber das vorige/ und als sie von Ladisla ein Schreiben an seine Fr. Mutter empfangen hatten/ gingen sie in aller Eile fort. Es wahr dieser der ander Tag/ an welchem unsere Helden der Staͤdte Abgeordnetẽ zu Gaste hatten/ und sich gar fꝛoͤlich erzeigeten/ in sonderheit Herkules/ welcher viel uñ offt an sein Fraͤulein gedenkend eine sonderliche Vergnuͤgung spuͤren ließ/ und daher mit Frl. Sibyllen so viel freundlicher umging; woruͤber Frl. Helena einen starken Eifer in ihrer Seele empfand/ weil sie in der furcht stund/ sie wuͤrde von jener außgestochen werden; ja/ sagete sie in ihrem Herzen/ wer weiß/ was unter ihnen schon abgeredet ist/ oder sonst vor- gangen/ weil er sie im freyen Felde allein gefunden/ und einen guten Weg mit sich gefuͤhret hat; Erstes Buch. hat; kunte demnach vor dißmahl ihren Mißgunst nicht bergen/ sondern da sie mit Frau Sophten nach dem Garten/ die angenehme Kuͤhlung zu empfahen/ gangen wahr/ sagte sie zu ihr: Es wuͤrde ihr bestes seyn/ daß nach diesem sie daheim bliebe/ weil ihre Helleꝛchen hieselbst nicht mehr geltẽ wolten. Diese hatte nun schon etliche Zeichen ihrer Unwilligkeit angemerket/ weil sie nicht allein Frl. Sibyllen wenig Freundschafft erzeigete/ sondern zu- zeiten ihr auch gnug gramselige Anblicke verlihe/ dessen ursach sie leicht erriet/ aber sichs nicht merken ließ/ sondern zur Antwortgab; Sie wolte nicht hoffen/ daß sie ursach haͤtte/ dergleichen von jhr zu argwohnen; waͤhre jhr aber etwas zuwider geschehen/ baͤhte sie/ jhr solches zuoffenbahren/ alsdann wolte sie an ihrer Bemuͤhung nichts erwinden lassen/ daß es nicht allein abgestellet/ sondern auch verbessert wuͤrde. Frl. Helena wahr schon leidig/ daß durch Eiversucht verleitet/ sie sich so weit bloß gegeben hatte/ wolte gleichwol nicht an- gesehen seyn/ als klagete sie ohn ursach/ und fuhr also fort: Es kaͤhme jhr zu Ohren und Gesicht/ daß zuzeiten sie von Frl. Sibyllen veraͤchtlich und hoͤnisch gehalten wuͤrde/ wuͤste doch dessen ja keine Ursach/ es waͤhre dann/ daß die von Rom so frisch ankaͤhmen und neue Kleiderart mitbraͤchten/ sich vor andern was sonderliches einbildeten; doch baͤhte sie/ hie- von nichts zugedenken/ dann sie wolte nicht gerne ihre Feindschaft haben/ sondern ungleich lieber nachgeben/ und die geringste seyn. Ach nein/ antwortete Fr. Sophia/ warumb soltet ihr ohn ursach nachgeben/ und unbilligkeit verschmerzen/ sintemal ihr ja beyde eines Stan- des und Wirden seyd/ und euch Alters halben noch ein Vorzug gebuͤhret; saget mir nur/ bitte ich/ in welcher Sache jhr euch beleidiget haltet/ und lasset mich vor das uͤbrige sorgen und antworten. Diese bedankete sich des guten willens/ und gab vor/ sie haͤtte jhr steiff vor- genommen das ergangene zu verschmerzen/ und keinem Menschen zu melden/ nur daß sie gleichwol so einfaͤltig nicht angesehen wuͤrde/ ob waͤhre sie allerdinge merkloß/ wolte sie nit unterlassen/ die erstkuͤnfftige Beleidigung jhr anzudeuten. Fr. Sophia wolte dieses feur lieber daͤmpffen als schuͤren/ und sagte zu jhr; es koͤnte seyn/ daß falsche Maͤuler sucheten/ einiges Mistrauen zwischen jhnen anzurichten/ oder eine ungegruͤndete Einbildung koͤnte sie verleiten; und wann ich nicht wissen darff/ sagte sie/ wessen sich meine Frl. Schwester ei- gentlich zubeschweren hat/ waͤhre viel besser geschwiegen/ als nichts gewisses sagen; sonstẽ kan ich wol aͤidlich bekraͤfftigen/ daß Frl. Sibylla der Art nicht ist/ einigen Menschen/ ge- schweige jhre so nahe Anverwantin zuverhoͤhnen; ja Herꝛ Herkules selber verwundert sich jhrer frommen unbetrieglichen Einfalt/ daher er auch mit jhr mehr als mit einiger andeꝛn gerne umgehet/ welches doch nicht aus Liebe zu jhrer Schoͤn heit/ sondern wegen jhrer auf- richtigkeit geschihet/ als der schon an einem andern sehr hohen Orte verbunden ist. Helena waͤhre dieser lezten Rede schier zur Erden nider gesunken/ sie verlohr alles jhr Gebluͤt unter dem Angesichte/ daß sie einer neulich verschiedenen Leiche nicht unaͤhnlich wahr/ und Frau Sophia sie fragete/ was dieser gelingen Verenderung ursach waͤhre; worauff sie antwor- tete: Ich weiß selber nicht wie mir geschihet/ es muͤste mich dann ein gifftiger Wurm aus diesem Rosenpusche anhauchen. Fr. Sophia merkete jhr Anliegen/ taht doch nicht deßglei- chen/ sondern fassete sie beym Arme/ und fuͤhrete sie in die Laͤube/ da sie bald wieder zurech- te kam/ und jhr voriges Gespraͤch folgender gestalt wie der anfing: Es kan seyn/ daß von meiner Wasen Sibyllen ich mir ein mehres eingebildet/ als an sich selbst ist/ und da sol- X ches Erstes Buch. ches aus jhrer folgenden Bezeigung erscheinen wird/ wil ich allen Unwillen ablegen/ und als eine Freundin jhr Ungluͤk beklagen helffen. Ungluͤk? sagte Fr. Sophia; stehet jhr dann ein Ungluͤk vor/ so helffets nicht beklagen/ sondern abwenden/ und offenbahret es mir/ daß man demselben vorbaue/ ehe es loßbricht. Ja wann sichs nur wolte lassen vorbauen/ ant- wortete sie; die Liebe ist blind und eigensinnig/ wo nicht wol gar unsinnig/ und laͤsset jhr nit rahten wie die geuͤbten zu klagen pflegen; nun kan ich aber aus allen jhren Geberden und Vornehmen nicht anders schliessen/ als daß sie wegen Herrn Herkules Heyraht nicht ge- ringe Hofnung gefasset/ worin sie ohn zweifel sich wird heßlich betrogen finden/ als viel ich auß eurer jetzigen Erzaͤhlung verstehe. Ach nein/ sagte Fr. Sophia/ jhr jrret in eurer Urtel sehr weit/ und kan ich euch dessen wol versichern/ massen ich weiß/ daß sie jhren Anteil zu Rom schon hat/ ob sie mir gleich solches nicht gestehen wil. Ja/ Fr. Schwester/ antworte- te sie/ warumb wil sie es aber nicht gestehen? Je/ daß sie dessen gerne wieder abseyn wolte/ weil jhr dieses Leckerbißlein ungleich besser gefaͤlt. Ey ey/ geliebte Schwester/ sagte sie/ wie habt jhr so unehrbare Gedanken von diesem uͤberauß frommen und keuschen Fraͤulein; ich habe euch ja nie von einer fremden viel geringern so veraͤchtlich reden hoͤren/ und wolte nit ein grosses drumb nehmen/ daß sie solches erfahren solte; darumb verschonet sie mit der- gleichen ungebuͤhrlichen Aufflagen/ weil sie dessen gantz unschuldig ist/ und gebet nicht ur- sach/ daß sie sich gegen meine und eure Eltern uͤber euch zubeschweren habe. Diese fing an sich zuschaͤmen/ und es vor einen halben Schertz außzugeben; aber Fr. Sophia wolte sie von solchem Unwege abfuͤhren/ und sagete; es waͤhre diese Entschuldigung zumahl uner- heblich/ und muͤste man trauen von solchen hohen Standes Fraͤulein dergleichen schlim- men und ehrenverkleinerlichen Schertz nicht tichten/ vielweniger uͤber die Zunge lauffen lassen; Sie vor jhr Haͤupt wolte die ursach jhres Widerwillens zum teil schier errahten/ welches aber alles in einem falschen Wahn bestuͤnde/ wolten demnach dieses Gespraͤch auffruffen/ und dessen nimmermehr wieder gedenken. Gingen darauff wieder nach der Geselschaft/ uñ funden Herkules mit dem Fraͤulein ein liebliches Gespꝛaͤch halten/ welches in diesem Herzen den Eiver auffs neue anzuͤndete/ so dz sie aus Mißmuht nach hause ging. Des folgenden tages wurden auff Fr. Sophien Angeben/ die vornehmsten jungen von Adel/ nebest den aͤdlen Jungfern/ jene im nahmen Herkules/ diese im namen Frll. Si- byllen/ und Helenen auff eine Maalzeit und Tanz eingeladen/ deren eine zimliche Menge fast in gleicher Anzahl erschiene. Herkules muste auff Fr. Sophien Anhalten sich zu dem Frauenzimmer setzen/ da er seine stelle bey Frl. Luzilla Antenoria nam/ und sie ingesamt ne- best fleissiger noͤhtigung zum essen/ mit einem freundlichen Gespraͤch ergetzete/ durch wel- ches ihrer viel/ ungleich vergnuͤglicher/ als mit den Speisen gesaͤttiget wurden. Nach der Mahlzeit gieng der Tantz an/ und ward dadurch ein bundter Reihen-Sitz veraulasset/ da ein Paduanischer aͤdler Juͤngling/ Nahmens Avonius Priscus sich zu Frl. Helenen fand; er wahr gutes herkommens/ reich/ und in ritterlichen Ubungen wol unterwiesen/ der auch seinen Mann wol stehen durffte/ nur das er von Gesicht etwas Ungestalt/ und in der Welt wenig versucht wahr/ wovon seine Eltern ihn als ihren einzigen Sohn durch Zwang abgehalten hatten. Er hatte durch seinen Vater bey der Fraͤulein Eltern schon unterschiedliche mahl Ansuchung getahn/ auch biß auff der Tochter Erklaͤrung gute ver- troͤstung Erstes Buch. troͤstung erhalten/ jedoch allemahl unter der Verwahrung/ daß sie ihrer Tochter allen freyen Willen in Heyrahtsachen lassen wolten/ deren Einwilligung zuerlangen er sich zu- bemuͤhen haͤtte. Sie aber wahr ihm spinne feind/ daß sie ihn nicht ansehen mochte/ ver- droß ihr auch hoͤchlich/ daß er noch weiter sich bey ihr angeben durffte/ da sie doch bey sei- ner eigenen Schwester/ Jungfer Pulcheria ihm außdruͤklich hatte sagen lassen/ sie bedan- kete sich gegen ihn wegen der zu ihr tragenden guten Gewogenheit/ und baͤhte daneben sehr/ er wolte nach diesem sie mit solchen Anmuhtungen verschonen/ uñ sonst seines freyen gefallens sich nach einer liebsten umbtuhn/ weil kein einiges troͤpflein der liebes Neigung sich in ihrem Herzen befuͤnde. Als er vor dißmal sich zu ihr nidersetzete/ baht er anfangs um verzeihung uñ lies aus seinen Worten gnug spuͤren/ dz ob sie ihm gleich bey seiner Schwe- ster eine solche Antwort zuentbohten/ die nichts als Abweisung nach sich fuͤhrete/ so erin- nerte er sich dannoch/ daß einem getreuen Liebhaber oblaͤge/ auff erstmahlige Verwaͤge- rung instaͤndiger anzuhalten/ auff daß daher erschiene/ daß die Liebe nicht nur auff der aͤus- sersten Borke/ sondern in dem tieffestẽ des Herzen hafftete; baͤhte demnach dienstlich/ ihm sein kuͤhnes Vornehmen hochguͤnstig zuverzeihen/ und mit seinem uͤbel ein Mitleiden zu tragen. Dieser stund ohn der Kopff nicht recht/ weil Herkules sich zu Frl. Sibyllen nider- gesezt hatte/ und verdroß sie hefftig/ daß sie einen so ungleichen Auffwarter haben solte/ da- her sagete sie zu ihm; nach dem er den Worten seiner Schwester nicht trauen wolte/ muͤste sie/ seiner auff einmahl abzukommen/ eine Erklaͤrung fassen/ deren sie sonst gerne moͤchte uͤberhoben seyn/ und solte er demnach wissen/ daß seine Auffwartung ihr aller dinge unan- genehm waͤhre/ auch unmoͤglich/ daß sie in seinen Willen gehehlen koͤnte/ solte deßwegen ihrer hinfuͤro allerdinge muͤssig gehen/ und ihm eine andere Beysitzerin erwaͤhlen/ damit sie nicht gezwungen wuͤrde/ ihre Stelle zuverlassen/ und nach hause zugehen. Der gute Mensch entsetzete sich zum hoͤchsten/ und fragete sie/ ob ihr dann mit seinem Tode gedienet waͤhre; wor auff sie zur Antwort gab: Er moͤchte ihret halben immerhin leben/ so lange es den Goͤttern gefiele/ nur solte er festiglich glaͤuben/ daß wann sie auff andere Weise sich seiner nicht entbrechen koͤnte/ wolte sie ihr den Tod wuͤnschen/ wie lieb ihr sonst das leben waͤhre. Wol mein Fraͤulein/ antwortete er/ so sehe ich nunmehr/ das mein Herz Feur/ und das eure Wasser ist; daß auch meine Neigung weiß und die ihre schwarz ist/ welche nim- mermehr vereiniget werden koͤnnen/ muß also ihr als einem Fraͤulein die freye Zunge un- gehem̃et lassen/ und mich bemuͤhen/ dasselbe zuverachten was mich vor nichts haͤlt; stund hiemit von ihr auff/ und taht einen zierlichen Tanz mit einer recht schoͤnen und wolerzo- genen aͤdlen Jungfer/ nahmens Urbina. Es hatte aber Fraͤulein Luzilla Antenoria/ des Avonius Mutter Schwester Tochter das obgesetzete Gespraͤch alles angehoͤret/ taht es auch Avonius Schwester alsbald zuwissen/ welche ohn daß hitzig vor der Stirne wahr/ und auff Gelegenheit tichtete/ ihres Bruders Schimpff zu raͤchen/ welches sie also ins Werk richtete: Als sie mit einem Paduanischen aͤdlen Juͤngling/ nahmens Fulzinus/ der ihr heimlicher Buhle wahr/ einen Tanz hielt/ und bey Helenen hertanzete/ trat sie dersel- ben vorsezlich/ doch als ohngefehr auff den Fuß/ daß ihr solches hefftig schmerzete/ und sie deßwegen vor eine grobe unvorsichtige außschalt/ welche dieses biß nach geendetem Tanze unbeantwortet ließ; hernach aber sich zn ihr nidersetzete/ und daß das beysitzende Frauen- X ij zimmer Erstes Buch. zimmer es eigentlich vernehmen kunte/ sie also anredete: Helena Emilia von Rom/ wz vor eine freche Freyheit bildet ihr euch ein/ daß wann ihr unter dem Tanze die Fuͤsse weiter auß- strecket/ als unsers gleichen geziemet/ und man als dann unversehens dieselbe beruͤhret/ ihr eine ehrliche Jungfer/ die allerdinge eures gleichen ist/ und ja so gut als ihr/ vor eine grobe unvorsichtige dirne/ vor einer solchen adelichen Geselschafft außschelten duͤrffet? trauen ihr habt hiedurch eure Roͤmische Hoͤffligkeit wenig blicken lassen/ und beduͤrfstets besser als ich/ daß man euch das grobe abhoͤfelte; wil euch aber diesen schlimmen Streich auff diß- mahl zu gute halten/ und werdet mir zu danken haben/ daß ich euch hiedurch anlaß gebe/ eure Fuͤsse hernaͤhst etwas zuͤchtiger einzuzihen. Die so es hoͤreten/ erschraken dieser re- de/ und Helena selbst erstarrete vor Zorn und Eyver; endlich da ihr die Vernunfft und Sprache wieder kam/ sagte sie: Wer Pech angreifft der besudelt sich damit. Und wer auff Koht trit/ antwortete jene/ der macht in flissen und spruͤtzen; sind euch aber die Paduani- sche aͤdlen Jungfern als Pech/ so koͤnnet ihr euch ja derselben enthalten/ daß von ihrer gro- ben unvor sichtigkeit ihr unbesudelt bleibet; wisset aber/ daß wir unsere vier Viertel ja so lang rechnen als ihr eure Elle. Fr. Sophia ward dieses Zankes inne/ trat hinzu/ und sagte als im scherze; Sie wolte nicht hoffen/ daß man diesen Jungfern Streit mit scharffen Schwertern beylegen muͤste. Nein/ antwortete Avonius Schwester/ nur wolle ihre Gn. meine Beysitzerin abmahnen/ daß sie hernaͤhst nicht mehr ehrliche aͤdle Jungfern in sol- chen hochausehnlichen Geselschafften vor grobe unvorsichtige Dirnen außschelte/ oder man wird ihr solche vorsichtige Hoͤffligkeit nicht allemahl zu gute halten; vor dißmahl a- ber/ weil ich Gelegenheit gehabt mich gebuͤhrlich zuverantworten/ sol ihr verzihen seyn. Fr. Sophia wolte keinem Teil zu oder abfallen/ sondern erinnerte sie beyderseits/ ihren Jungfꝛaͤulichen Wolftand zubeobachten/ damit nicht die anwesende junge Aedelleute einen Spot mit ihnen trieben; welches die Paduanische mit einer sonderlichen Freymuͤhtig- keit auffnam/ und sich davor bedankete/ mit der Beteurung/ daß wann diese Erinnerung ihr zeitiger waͤhre vorgehalten/ wolte sie die hohe Beschimpffung verschmerzet haben. He- lena aber/ welche meynete/ es solte Fr. Sophia mit jener anlegen und sie vertreten/ ward hieruͤber so entruͤstet/ daß sie zur Antwort gab/ wann ihre Fr. Wase sie noch weiters haͤtte beschimpffen wollen/ waͤhre solches am fuͤg- und leidlichsten ohn anderer beysein geschehẽ; stund damit auff und ging mit ihrer Leibdienerin davon/ welche schon mit der andern ihrer folge Magd angebunden hatte/ und wenig fehlete/ daß sie ihrer Jungfern Ansehen zu schuͤ- tzen/ ein artiges Haarzausen angefangen haͤttẽ/ dem einig nur hiedurch vorgebauet ward. Die Fehde wahr gleichwol hiemit gestillet/ und machte der gute Avonius so gute Kund- schafft mit gedachter Jungfer Urbinichen/ daß er Helenen der Vergessenheit uͤbergab/ und bald hernach mit dieser Verloͤbnis hielt. Es wurden die uͤbrigen Tage mit allerhand ehrlieben der Kurzweile zugebracht/ biß der Stathalter von seinem Bruder durch schnelle Botschafft berichtet ward/ dz die Kaͤy- serlichen Schreiben/ nach allem Wunsch auffgesetzet/ ihm des folgenden tages wuͤrden eingelieffert werden; und haͤtte zwar Kaͤyserl. Hocheit dieselben mit zuzihung des Roͤmi- schen Rahts verfertigen lassen/ aber von allen Anwesenden den Aid genommen/ nichts davon anders wohin zuberichten/ biß die Volstreckung zu Padua geschehen waͤhre. Die- se Zei- Erstes Buch. se Zeitung hielt er in geheim/ und stellete auff denselben Tag eine weitlaͤufftige Gaͤsterey an/ worzu alle Rahtsherren und aͤdle/ samt ihren Frauen und Toͤchtern eingeladen wur- den. Nach abgetragenen Speisen stund der Stathalter an seiner stelle auff/ entbloͤssete sein Haͤupt/ nam einen grossen Brieff in die Hand (welchen er vor einer Stunde empfangen) und redete unsere Helden also an: Durchleuchtige Herren/ hochgeliebete Freunde/ Herr Herkules und Herr Ladisla; Mein allergnaͤdigster Kaͤyser/ Herr Aurelius Alexander Se- verus/ dann auch der Raht und Gemeine der Stad Rom/ lassen meinen Herꝛen durch mich jhren Gruß/ geneigten Willen und Freundschafft anmelden. Diese stunden alsbald an jhrem Orte gantz ehrerbietig auff/ neigeten die Haͤupter biß zum Tische nider/ und be- danketen sich der hohen Kaͤyserlichen Gnade/ imgleichen der grossen Gewogenheit der Stad Rom/ deren keines sie faͤhig waͤhren/ noch zuersetzen wuͤsten. Ihr meine Herꝛen/ fuhr der Stathalter fort; es ist mir jetzt diese Stunde eine Kaͤyserliche und Roͤmische Verse- hung allergnaͤdigst in diesem Schreiben auffgetragen/ welches eigentlich sie beyde betrifft/ und mir der Inhalt annoch verborgen ist/ hoffe/ sie werden mir verwilligen/ solche alhie oͤffentlich zu verlesen/ und durch guͤnstige Einwilligung alles gut heissen. Herkules ant- wortete/ jhr Allergnaͤdigster Kaͤyser haͤtte mit jhnen zuschaffen volkommene Gewalt/ des- sen Hocheit sie in aller Untertaͤhnigkeit zu gehorsamen bereit stuͤnden; Worauff er das Siegel brach/ und folgende Worte lase: Dein/ und der Stadt Padua Schreiben/ lieber Quintus Fadius/ sind bevorab Kaͤyserl. Hocheit/ hernach dem Raht und Gemeine der Stad Rom wol eingeliefert/ in welchem Bericht getahn wird/ was massen die Roͤmischen guͤtigen Schutz Goͤtter durch Klug- und Hertzhafftigkeit der beyden teuren fremden Ritter und Helden/ Herrn Herkules und Herrn Ladisla/ das vor Augen schwebende Verder- ben/ dem gantzen Roͤmischen Reiche/ in sonderheit den Staͤdten Padua/ Mantua und Ravenna/ von der boßhafften Raͤuberischen Verbuͤndniß angedraͤuet/ gnaͤdig abgewendet/ den verborgenen Ort der schnoͤden Versamlung wunder bahrer weise kund gemacht/ und eine so grosse Menge der Redlensfuͤh- rer abgestraffet/ welche/ da sie wenig Wochen haͤtten leben sollen/ die Wolfahrt des Roͤmischen Reichs ungezweifelt wuͤrden zuruͤttet/ Italien verheeret/ und ein grosses Blutbad vieler unschuldigen ange- richtet haben. Wann dann Kaͤyserl. Hocheit/ als auch der Raht und Gemeine der Stadt Rom/ diesen augenscheinlichen Beystand der Goͤtter er kennen/ und die Heldentaht obgedachter guten Ritter hoch preisen/ Als haben sie schuldiger Dankbarkeit zu folge/ beydes Goͤttern und Menschen/ davor ge- buͤhrlichen Abtrag zumachen/ ernstlich nachgesinnet/ auch jene alsbald durch ein dreytaͤgiges Dank- fest und vielfaͤltige Opffer verhoffentlich begnuͤget/ nachgehends einhellig beliebet/ und auff Kaͤyserl. Hocheit allergnaͤdigsten Vortrag beschlossen/ gesetzet/ und bestaͤtiget; schliessen/ setzen und bestaͤtigen auch hiemit und krafft dieses oͤffentlich/ daß wolgedachten Heldmuhtigen Rittern und Freunden des Roͤmischen Reichs folgender gestalt dankbarlich sol begegnet werden: Als vorerst wird ihnen und al- len ihren Nidersteigenden- und Seiten-verwanten das Roͤmische Buͤrgerrecht mit allen Freyheiten geschenket/ und werden sie II. in den hoͤchsten Adelstand auffgenommen. Folgends wird jhnen III. jed- wedem eine guͤldene Kron/ als sieghafften Uberwindern zugesand; und sol IV. jedwedem eine Ehren- Seule zu Rom auff dem Marsplatze mit der uͤberschrifft: Liberatores Antenoridum, Protectores I- taliæ, \& Imperii amicissimi, (das ist: Diese sind der Stad Padua Erretter/ des Italienlandes Schuͤtzer/ und des Roͤmischen Reichs liebeste Freunde); auffgerichtet werden. V. Dafern sie freye Herrschafften besitzen/ oder in Erbschafft zu gewarten haben/ sol ihnen solche Freyheit bestaͤttget/ und alle deren Inwohner/ wann sie es begehren/ Freunde des Roͤmischen Reichs genennet werden. VI. Wuͤrden aber ihre Herschafften verpflichtet seyn/ sol ihnen zehnjaͤhrige Schatzung erlassen werden. X iij VII. Erstes Buch. VII. Haͤtten obgedachte Ritter Lust/ Roͤmische Kriegsbestallung anzunehmen/ sollen jedem sechs Le- gionen (36000 Mann) untergeben/ und ihnen vor ihr Haͤupt/ als lange sie dienen/ doppelter Sold vermachet werden/ neben freyer Wahl/ wider was Feinde des Roͤmischen Reichs zu kriegen/ ihnen belieben wuͤrde. IIX. Haben sie Krieg wider ihre eigene Feinde/ so nicht Roͤmische Bundgenossen oder Untertahnen sind/ sol ihnen die Roͤmische Reichshuͤlffe biß auff 120000 Mann zuzihen. IX. Ihre aus dem besten Korinthischen Ertz gegossene Bildnissen zu fusse/ und ihre Pferde hinter ihnen stehend (welches die Ehre ist/ daß sie zu fusse gesieget) sollen zu Padua/ Mantua und Ravenna vor dem Raht- hause/ mitten auff den Marktplaz gesetzet werden/ mit dieser schrifftlichen Ehrengedaͤchtniß: Hercules \& Ladislaus, peregrini, nunc cives \& amici, Rempublicam nostram ab interitu vindicarunt. Dz ist: Herkules und Ladisla die fremden/ jezt Buͤrger und Freunde/ haben unsere Herschaft vom Verderben errettet. X. Die in der Hoͤhle eroberte Beute/ Silber/ Gold/ Kleinot/ aͤdelgestein/ Waaren/ Waffen/ Speise/ Trank/ alles groß und klein/ nichts ausgenommen/ sol ihnen als ihr Eigen- tuhm eingeliefert werden/ daß ohn jemands Einrede sie damit schalten und walten moͤgen nach freyen belieben. XI. Die vorgenommene Dankbarkeit der Staͤdte wird gut geheissen/ auch daß die Fuͤrstli- che Haͤuser auffgerichtet/ und jedes/ mit einem vor selben Staͤdten belegenen Landgute eigentuͤhmlich versehen werde/ deren jedes zum wenigsten jaͤhrlich 6000 Kronen auffbringen kan/ und sollen dieselbẽ halb aus der Staͤdte gemeinen Seckel/ halb aus unser Rentkammer daselbst erkaufft werden. XII. Alwo sie im Roͤmischen Gebiete reisen wuͤrden/ sol jeder auff XII Diener oder Gefaͤrten und XXIV Pferde kostfrey gehalten werden. XIII. Geliebet ihnen endlich in der Stad Rom zu wohnen/ wird ih- nen eine Rahtsstelle/ und freyer Zutrit zu allen Ehrenaͤmtern angebohten/ und sollen sie bey Kaͤyserl. Hocheit ihren taͤglichen Speisetisch auch allernaͤhest der Burg ihre wirdige Wohnungen haben/ dann sie werdẽ von nun an geheissen Imperij filij \& Imperatoris fratres; Das ist/ des Roͤmischen Reichs Soͤhne/ und des Kaͤysers Bruͤder. Sonsten da ihnen mit etwas annehmlichers solte koͤnnen an die hand gegangen werden/ es sey zu Wasser oder zu Lande/ wird ihnen solches freywilliger geleistet werden/ als sie es fodern oder begehren koͤnnen. Nach endigung dieses Vortrages bedanketen sich unsere Helden der uͤber aus hohen Gnade untertaͤhnigst/ wuͤnscheten Kaͤyserlicher Hocheit gluͤckliche Herschung/ der Stad Rom dem Haͤupte der Welt stetes auffnehmen/ dem ganzen Roͤmischen Reich Gottes Schuz wieder ihre unbillichen Feinde/ allen Inwohnern gluͤkliches Gedeien/ und dem H. Stathalter zeitliche und ewige Wolfahrt/ mit dem erbieten/ der Roͤmischen Kaͤyserl. Ho- cheit und des Roͤmischen Reichs getraͤueste Diener und Freunde/ biß an ihre und der ih- ren Freyheit zu seyn und bleiben. Der Stathalter setzete ihnen die uͤbergeschicketen Kro- nen auff ihre Haͤupter/ und hieß alsbald kuͤnstliche Mahler kommen/ welche sie nach Lebens groͤsse eigentlich abreissen musten; wornach Gießzeug gemachet werden solte/ in welchem sie von aus oberwaͤhnetem kostbahren Zeuge ganz geharnischt/ doch mit blossem Angesicht abgegossen wurden. Bald nach geschehener Bekroͤnung liefferte er ihnen die Schluͤssel zu den Gemaͤchern/ auff welchen die Raͤuberbeute verwahret ward/ welche sie auch wieder ihren Willen zu sich nehmen musten. Die anwesende Gaͤste wuͤnscheten ihnen Gluͤk und stete Vermehrung ihrer ehren/ wovor sie sich hoͤflich bedanketen. Der Stathalter hoͤrete/ daß seine Tochter bey dem Kunstmahler bestellete/ ihr Angesicht abzubilden/ und in ihres Gemahls Abrisses linke Seite zusetzen/ mit dieser umbschrifft: Hoc in corde quiescit Sophia Fabia. Das ist: in diesem Herzen ruhet Sophia Fabius Tochter/ welches er sich zwar nicht uͤbel gefallen lies/ und doch zu ihr sagete: Ich merke wol/ du waͤhrest auch alhie zu Padua gerne mit Erstes Buch. mit im Spiel/ laͤsset sichs aber auch verantworten? und ist dirs nicht gnug/ daß zu Rom deine Ehren Seule neben deinem Gemahl auffgerichtet ist? Worauff sie antwortete: Gn. Herr Vater/ ist dieses euer Ernst/ so lassets mich/ bitte ich/ recht wissen. Er streich ihr uͤber das Haͤupt und sagete; Ich weis schon wol/ daß du angebohtene Ehre nicht außschlaͤgest; nam den Brieff wieder hervor/ und lase uͤberlaut folgende Worte daraus: Die erste Raht- geberin Sophia Fabia welche ohn zweiffel durch eingeben der Goͤtter getrieben/ die Nach suchung der Raͤuber befodert hat/ sol vor erst/ ihrem Gemahlauff dem Marßplatze zur linken stehen/ mit dieser Gedaͤchtnis-Schrifft: Romanarum mulicrum decus, SOPHIA FABIA, das ist: Sophia Fa- bius Tochter ist die Zierde der Roͤmischen Fꝛauen. Vors ander wird ihr ein guͤldenes Kroͤni- chen gesand/ und Zeit ihres lebens zutragen erlaͤubet. Wird dann drittens geheissen eine Schwester des Roͤmischen Kaͤysers. Als ihr nun das Kroͤnichen auffgesetzet ward/ ging sie auff die Knie sitzen/ bedankete sich alleruntertaͤhnigst gegen Roͤmische Kaͤyserliche Hocheit/ Raht und Gemeine der Stad Rom/ wuͤnschend/ die Goͤtter wolten ihr liebes Vaterland hinfuͤro mit solcher Gefahr gnaͤdig verschonen/ und dessen Auffnehmen ihnen lassen anbefohlen seyn; stund wieder auff/ und baht ihren Vater/ er moͤchte der Geselschafft ohn weiteres Auffschieben anzeigen/ was vor ein Ehrengedaͤchtnis ihm selbst zugesprochen waͤhre; worauff er zur Antwort gab; es ist mir Ehre gnug/ daß dem rechtschuldigen alles nach meinem Wunsch begegnet ist/ und hat man dannoch meiner hiebey nicht vergessen wollen/ sondern mir zwischen Herren Herkules und Ladisla eine Ehrenseule zu Rom erkennet/ an welcher diese loͤbliche Taht zum stetswehrenden Gedaͤchnis geschrieben worden/ und zu oberst diese Worte: Q: FABIVS, FELIX, PIVS, VICTOR, GLORIOSVS. Das ist: Q. Fabius der Gluͤkselige/ Gottfuͤrchtige/ Sieghaffte/ Preißwirdige. Hier wartete nun Fr. Ur- sul mit Verlangen/ was jhr liebster K. Fabius doch zu hoffen haͤtte/ weil er ja im Streite nicht geschlaffen/ sondern sein aͤusserstes biß auff Vergiessung seines Bluts mit angewen- det. Der Schwiegervater merkete ihren Ehrgeitz/ uñ stellete sich/ als ob nichts mehr uͤbrig waͤhre/ woruͤber sie fast betruͤbet ward/ daß sie zu sagen sich nicht enthalten kunte: Gnaͤdi- ger Herr und Vater/ mein Liebster hat sich zwar des Sieges mit zuerfreuen/ aber vielleicht keinen Teil an der ausgeteileten Roͤmischen Gnade. Woruͤber er lachete/ und zur Antwort gab: Es ist der Weiber gemeine Krankheit/ daß sie ihre Maͤnner gerne geehret sehen. Hieß damit seinen Sohn auffstehen/ und Kaͤyserl. Gnade und Willen vernehmen; Zohe das Schreiben wieder hervor/ und lase daraus: Den jungen K. Fabius/ Roͤmischen bestalten Rit- meister/ sol I auff dem Marsplaze eine etwas nidrigere Seule vor des Vaters Fuͤssen gesetzet werden/ mit eben der Uberschrifft/ die den Helden gegeben ist. II Sol er zum Obristen uͤber eine Roͤmische grosse Geschwade oder Legion bestellet werden/ und III uͤber den gewoͤhnlichen Sold auß der Rent- kammer jaͤhrlich als lange erlebet/ 6000 Kronẽ heben/ auch IV In der ersten Wahl zum Rahtsherren in Rom gekieset werden Dieser erbleichete vor solcher Ehre/ sagte vorerst Roͤmischer Kaͤy- serl. Hocheit und der Stad Rom in tieffster Untertaͤhnigkeit Dank/ erinnerte sich gerne/ daß es eine blosse freygebigkeit waͤhre/ zu welcher er durchaus nicht haͤtte Anlaß geben koͤn- nen/ rechnete es dahin/ daß man ihm hiemit anzeigen wolte/ was er dem Vaterlande schul- dig/ und er alle Belohnung vorher einnehmen muͤste/ ehe er einige verdienet. Des folgenden Morgens ließ der Stathalter alle Reuter/ so dem Streite beygewoh- net hatten/ vor sich ruffen/ erzaͤhlete ihnen/ wie er ihr Wolverhalten nach Rom berichtet/ und Erstes Buch. und darauff eine Kaͤyserliche Gnade einkommen waͤhre/ welche er ihnen vorlesen wolte/ und also lautete: Die so dem Streite wieder die Raͤuber beygewohnet/ uñ zu Beschuͤtzung des Va- terlandes ihr Blut und Leben nicht geschonet haben/ sollen jedweder ohn unter scheid 8000 Kronen auß der Rentkammer empfahen/ nebest einem Ritterharnisch/ Pferde/ und allem Zubehoͤr/ auff 400 Kro- nen geschaͤtzet/ und so etliche von ihnen das Roͤmische Buͤrger Recht nicht haben/ sollen sie selbst er- scheinen/ oder ihre Namen einschicken/ und ins Stad Buch eingeschrieben werden; auch da sie weiter begehren zu dienen/ sollen sie nach belieben/ zu Roß oder zu Fuß/ alle miteinander vor Unterhaͤuptleu- te hiemit bestellet und angenommen seyn/ und solchen Platz zuerlangen sich zu Rom ansinden. Die a- ber/ so in dem Gefechte ihre Gesundheit eingebuͤsset/ und eintge Laͤhmniß an Haͤnden oder Fuͤssen be- kommen/ sollen uͤber obgesetzete Verehrung jaͤhrlich/ so lange sie leben 300 Kronen zu ihres Lebens un- terhalt/ von den dreyen Staͤdten Padua/ Mantua und Ravenna zuempfangen haben. Die so ihr Le- ben vor das Vaterland in diesem denkwirdigen Kampffe eingebuͤsset/ weil sie vor sich selbst der Ver- geltung nicht geniessen koͤnnen/ sollen zu Padua an dem ehrlichsten Orte begraben/ und ihnen gehaue- ne Grabe Steine auffgerichtet/ ihren naͤhesten Erben aber 6400 Kronen aus gemeinen Reichs Auf- kunfften abgefolget werden. Und weil die beyde Roͤmische vom Adel/ Klodius und Markus ihres tapf- feren wolverhaltens/ vor andern geruͤhmet werden/ sol ihnen alles dreyfach gegeben werden/ auch/ dafern sie ihrer jetzigen Herren Dienste mit gutem Willen koͤnnen erlassen seyn/ vor Roͤmische Rit- meister alsbald bestellet werden. Nach Verlesung ließer jhnen die Gelder baar außzahlen/ und die versprochene Waffen und Pferde einhaͤndigen/ neben der Erinnerung/ es wuͤrde jhnen zum besten gereichen/ wann sie alle mit einander nach Rom reiten/ und Kaͤyserlicher Hocheit alleruntertaͤhnigst danken wuͤrdẽ/ worzu sie dann alle sehr willig waren. Schließ- lich wurden alle Gefangene herzu gefuͤhret/ und ihnen dieses vorgelesen: Die erschlagene vermeynete Raͤuber-Fuͤrsten/ auch der außgegrabene Orgetorix sollen gevierteilet/ und umb Padua/ Mantua und Ravenna auff freyer Heerstrasse auffgehenket/ die andere getoͤdtete an Kreuze umb die Raͤuberhoͤhle gehefftet werden. Die annoch lebendige Raͤuber stehen in ihrer Uberwinder freyen Haͤu- den/ und moͤgen sie nach belieben deren etliche begnaden/ und die andern entweder selbst straffen/ oder hieher nach Rom senden. Weil nun unsere Helden deßwegen mit dem Stathalter schon Abrede genommen hatten/ daß der junge Raͤuber/ welcher sich im Gefecht ergeben/ samt Servilius und dem Koche nur allein solten begnadet seyn/ wurden die uͤbrigen eilfe auff Wagen geschmiedet und nach Rom fortgeschicket. Es foderten Herkules und Ladisla ihre beyden Ritterlichen Diener Klodius und Markus vor sich/ und zeigeten ihnen an/ daß sie nicht gemeynet waͤhren/ ihnen ihr Gluͤk uñ Befoderung zu hemmen/ sondern solten hiemit jhrer Dienste erlassen seyn/ nach belieben hinzureisen/ und die angebohtene Ritmeisterschafft zu behaͤupten/ wolten nicht hoffen/ daß sie einiger ungebuͤhr sich uͤber sie wuͤrden mit fuge beschweren koͤnnen/ und waͤhren sie er- boͤhtig/ jhnen allerhand Befoderung bey Kaͤyserl. Hocheit zubeweisen. Klodius aber fing mit betruͤbeter Rede vor sich also an: Durchleuchtiger Gnaͤdiger Herr/ Ihre Gn. haben mich auff zwey Jahr in Dienste genommen/ so lange dero ich mich auch verbunden/ und ruffe ich mein Gewissen zum Zeugen/ dz ich biß daher in dieser Welt nichts mehr gewuͤn- schet/ als Ihrer Gn. in meiner untertaͤhnig-gehorsamsten Auffwartung gefallen zu koͤn- nen; gelebe demnach der troͤstlichen Zuversicht/ Eure Gn. werden mich nicht so schleunig aus ihrem Dienste verstossen/ sondern die versprochene Zeit mich aushalten lassen/ dann ich bin des gaͤnzlichen vorhabens/ in Euer Gn. Lehr Schuele erst recht zu fassen/ wie ich dermahl- Erstes Buch. dermahleins eine Haͤuptmanschafft mit Ruhm verwalten koͤnne. Markus gab eben dieses vor/ und hielten an/ daß ihnen nur gnaͤdig vergoͤnnet werden moͤchte/ mit der Reuter Ge- selschafft nach Rom zureiten/ umb/ jhre erworbene Gelder uͤberzubringen/ und ihre ver- pfaͤndeten Guͤter damit groͤsten teils frey zu machen/ welche von den geitzigen Glaͤubigern durch gar zu schweren Wucher außgesogen/ wuͤrden. Sie verwunderten sich dieser Er- klaͤrung/ spuͤreten daher ihre Traͤue und Liebe/ und vermacheten ihnen wegen der kuͤnffti- gen Dienste dreyfachen Sold/ hielten auch jedem einen Leibknecht/ der jhnen die Pferde versehen muste/ daß sie fast wie Spießgesellen von jhnen gehalten wurden; Die Reise nach Rom/ sageten sie/ koͤnte ihnen nicht gehindert werden/ solten nur zuvor alle Reuter/ so dem Streite beygewohnet/ herzu fodern; und als dieselben ankahmen/ redete Herkules sie also an: Ihr redliche Spießgesellen/ wir erinnern uns billich eures ritterlichen Beystandes und gutwilligen Gehorsambs/ welchen jhr in neulicher Bestuͤrmung des Raub Nestes uns geleistet/ und weder Blut noch Muͤhe gesparet/ sondern durch solche Tapfferkeit uns die empfangene hohe Ehre erstreiten helffen; Hievor erkennen wir uns in eurer Schuld seyn/ wollen uns auch bemuͤhen/ euch deßwegen in etwas zu ergetzen/ nicht zweifelnd/ jhr werdet unsere Gutwilligkeit annehmen/ und so bald jhr zu Rom ankommet/ Roͤmischer Kaͤyserl. Hocheit und dem Raht unsere alleruntertaͤhnigste Dienste/ Gehorsam und Gruß anmelden/ auch/ daß wir inwendig eines Monden frist uns selbst einstellen wollen/ vor empfangene Gnade zu danken. Die Reuter wuͤnscheten jhnen zu jhren Ehren Gluͤk/ wen- deten ein/ Roͤmische Kaͤyserl. Hocheit haͤtte jhre Muͤhe und Wunden satsam vergolten/ waͤhre also unvonnoͤhten/ daß Ihre Gnn. sich deßwegen einige Gedanken macheten; Je- doch/ da dieselbe jhnen ein geringes Gedaͤchtniß hinterlassen wolten/ wobey sie sich der Eh- re erinnern koͤnten/ daß unter ihrer gluͤklichen Anfuͤhrung sie gestritten/ solte jhnen solches von hertzen lieb und angenehm seyn; erboͤhten sich sonsten zu allen moͤglichen Diensten uñ Gehorsam/ und solte jhr Befehl nicht auß der acht gelassen werden. Darauff musten Klo- dius und Markus jhrer jedem 4000 Kronen zur Verehrung/ und 200 Kronen zum neuẽ Kleide austeilen/ welches anzunehmẽ sie sich anfangs sehr wegerten/ aber doch durch Noͤh- tigung sichs nicht entbrechen kunten; da dann die drey Staͤdte sie auch nicht wolten un- begabet lassen/ sondern einem jeden Reuter 2000 Kronen/ Klodius und Markus aber/ je- dem 8000 Kronen einreicheten. Als nun diese beyde auff Abfaͤrtigung nach Rom war- teten/ fragete Herkules seinen Klodius/ wie es mit seinen Guͤtern zu Rom beschaffen waͤh- re/ und ob er davon etwas zu heben haͤtte. Er schaͤmete sich anfangs solches zu sagen; Da- her begehrete Ladisla von Markus zu wissen/ was vor einen Zustandes mit seinen Guͤtern haͤtte; welcher ohn weiters bedenken anzeigete/ seine liegende Gruͤnde/ Hauß und Hoff/ waͤhren auff 85000 Kronen angeschlagen/ und hafftete wenig uͤber die helffte/ als 46000 Kronen Schulden darauff/ welche aber nicht allein alle jaͤhrliche Auffkuͤnffte verzehretẽ/ sondern den Schuld Hauptstuel stets groͤsser macheten; Die Gelder waͤhren nicht aus uͤppigkeit oder Mutwillen erborget/ sondern von seinen Eltern/ die vor zwey Jahren gestor- ben/ und zwoͤlff Jahr beyde krank gelegen/ auff Arzte gewendet; Weil er aber diese wenige Zeit so grosses Gluͤk gehabt/ und schon ein mehres/ als er schuldig waͤhre/ erworben haͤtte/ wolte er sie frey machen/ und seinen Anverwanten auff etliche Jahr austuhn. Klodius Y legete Erstes Buch. legete die unzeitige Scham auch ab/ und deutete auff abermahlige Erinnerung an/ seine Guͤter waͤhren 112000 Kronen an Wert; Nun haͤtte sich aber sein Vater Seel. vor sei- ner Mutter Bruder (welcher durch Ungluͤk hernach umb alles seine kommen) auf 40000 Kronen in Buͤrgschafft eingelassen/ und seine drey verheyrahtete Schwestern haͤtten jede wegen 6000 Kronen Hauptstuel/ die uͤbrigen besten Stuͤcke zugeniessen/ daß er jaͤhrlich kaum 150 Kronen einnehmen koͤnte; wolte nun gleich wie Markus sich von der Buͤrg- schafft loßwirken und mit jhm sich auffs geschwindeste wieder einstellen. Herkules ant- wortete ihm: es ist dir nicht zurahten/ daß du aller deiner Baarschafften dich entbloͤssest; le- ge sie hin/ daß du sie dereins findest/ wann du zu heyrahten gedenkest; sihe da/ weil du aus Lust/ in meinen Diensten laͤnger zuseyn/ deine Befoderung außschlaͤgest/ wil ich dir meinen guten Willen wiederumb sehen lassen/ und strecke dir 40000 Kronen vier Jahr ohn Zin- sen vor/ so bistu nach deinem Stande dein lebelang geborgen/ und lebe nur der Zuversicht/ daß nach Befindung deiner kuͤnfftigen Dienste ich sie dir gar schenken kan. Ladisla bezei- gete sich gegen Markus desgleichen/ und empfingen dagegen auffs neue Verheissung in jhren Diensten weder Blut noch Leben zusparen. Sie schicketen aber jhrem Arzt Galenus 400/ seinen beyden Gesellen ingesamt 100 Kronen zum Beutpfennige. Dem Roͤmischen Bischoffe machte Herkules 12000 Kronen uͤber/ auff Rente zulegen/ und die Auffkuͤnffte in dreyen gleichen Teilen auff Armen/ Kirchendiener/ und Schuel Lehrer zu verwenden. Die in der Raͤuber Hoͤhle gefundene Waffen schichteten sie gleich/ und sendeten dem Kaͤy- fer die Halbscheid nach Rom zum Gedaͤchtniß/ nebest allem Pracht von Kleinoten/ Sil- bern und Guͤlden-Geschir auch zierlicher Ruͤstung/ die einem Raͤuber Fuͤrsten beygelegt wahr; daneben 50 Wagen mit Meel/ 20 mit Wein/ 24 mit eingesalzenem Fleisch uñ Fisch- werk/ und drey Tonnen Schaz an gepregetem Golde und Silber. Weil jhnen auch Frau Mammeen des Kaͤysers Mutter Geitz wol bekant wahr/ schicketen sie derselben zwo Ton- nen Schaz an Gold und Silber; Eine Tonne an allerhand Kleinot/ vier schwerbeladene Wagen von Purpur/ Seiden/ Silbeꝛn und Guͤlden-Stuͤcken/ und den ganzen Schmuck auff eine Raͤuber Fuͤrstin beygelegt/ schrieben daneben an den Kaͤyser und seine Fr. Mut- ter hohe Danksagungs Briefe/ und erbohten sich/ nach Verlauff vier oder fuͤnff Wochen sich einzustellen/ woran sie doch durch einen merklichen Unfall verhindert wurden. Des fuͤnfften tages nach solcher Abfaͤrtigung stelleten sie eine grosse Gaͤsterey an/ worauff 670 Rahts Herren und Aedle/ aus Padua/ den umbliegenden Staͤdten/ und vom Lande; und uͤber dieselben noch 30 Herren Standes/ mit ihren Gemahlen und Mannba- ren Toͤchtern eingeladen wurden/ die sich alle willig einstelleten. Die Speisen und herlich- sten Weine wurden in grossem uͤberstusse auffgesetzet/ und alles Fuͤrstlich angerichtet/ dann sie spareten weder Kosten noch Muͤhe/ uñ hatten auff dem weiten schoͤnen Anger/ woselbst Fulvius erleget wahr/ eine sehr grosse Laͤube machen lassen in welcher 2300 Menschen/ als 700 Maͤnner/ und 1600 Weibesbilder an 130 langen Tischen gespeiset wurden. Nach ge- haltener Mahlzeitward von dem Frauenzimmer ein zierlicher Tanz gehalten/ wobey un- sere Helden und andere junge Herren sich finden liessen/ biß umb ein nidersitzen angehal- ten ward/ da Herkules und Ladisla aufftraten/ und etliche Laden bey sich nidersetzen liessen/ auch Ladisla also anfing: Hochmoͤgender Herr Stathalter und Fr. Stathalterin/ Wol- gebohr- Erstes Buch. gebohrne Herren/ Frauen und Fraͤulein/ Hochaͤdle Herꝛen/ Frauen und Jungfern: Mein bruͤderlicher Freund Herr Herkules und ich/ bedanken uns sehr dienst und freundlich/ daß auff unseꝛe einladung sie alhier erschinen/ und ihre angenehme Kundschafft uns goͤnnen wollen/ welches Zeit unsers lebens zu ruͤhmen wir Ursach haben werden. Es wissen sich aber unsere anwesende Herren und Freunde/ ohn unsere Anzeige zuerinnern/ was Gestalt Roͤmische Kaͤyserl. Hocheit/ unser allerseits allergnaͤdigster Herr/ uns beyde dermassen hoch begnadet/ daß wir solches nicht eins recht begreiffen/ geschweige ersetzen werden/ uñ deßwegen uns in staͤter Verwunderung stillschweigend bezeigen/ weil wirs mit wirdigen Worten nicht außreden koͤnnen; dann nicht allein die angetahne Ehr ist zu groß und uͤber- schwaͤnglich/ sondern auch die gelieferten Schaͤtze und Reichtuhm mehr als Koͤniglich. Wir unsers teils sind nicht Willens/ so hohe Gnade zuverschweigen/ sondern davon mit Mund/ Herzen und bezeigungen zu reden/ auch denen die es nicht recht wissen/ anlaß zuge- ben/ daß sie es etlicher massen begreiffen und neben uns ruͤhmen moͤgen; geleben demnach der gaͤnzlichen Zuversicht/ unsere saͤmtlich Anwesende hochgeneigete Herren/ Frauen/ Fraͤulein und Jungfern werden ohn Wiederrede unser Vornehmen sich gefallen lassen/ und ein geringes Dankzeichen/ welches wir einliefeꝛn wollen/ mit guͤnstigem Willen/ als ein schlechtes Pfand unsers bereitwilligen Herzen zu ihren Diensten/ von uns auff und an- nehmen. Niemand wahr/ der hierauff antworten wolte/ biß der Stathalter auffstund/ und dieses vorbrachte: Durchll. Herren/ Freunde und Schwigersohn; es hat Roͤmische Kaͤy- serl. Hocheit und der Raht zu Rom sich noch allemahl wol vorgesehen/ daß sie weder die empfangene Woltahten und ankbarlich vergessen/ noch Unwirdige groß ehren/ daher dañ kein Mensch an eurer Wirdigkeit zweiffeln muß noch kan/ welche durch so klare Zeugnisse uns vor Augen leuchtet/ daß ein Maulwurff-blinder sie sehen und Fuͤhlloser sie greiffen solte; gnug aber ist es Kaͤyserl. Hocheit und dem Raht zu Rom/ auch uns allen Herzer- freulich/ daß eure Liebden die beschehene Dank-ehre vor wichtig und genehm halten/ und sich der staͤten Gedaͤchtnis anerbieten/ welche auch an dieser Seite nicht sol in vergeß ge- stellet werden. Das Denkzeichen/ welches unsere allerseits hochwerte Herren uns anbietẽ/ waͤhre ganz unvonnoͤhten/ massen viel ein kraͤfftigers schon in unsern Herzen stecket/ wel- ches nur der Tod heraus reissen/ die Dankbarkeit aber auff die Nachkommen fortsetzen uñ unsterblich machen wird; jedoch/ daß wir nicht vor unhoͤfliche moͤgen angesehen werden/ lassen wir uns ihr Vornehmen nohtwendig gefallen/ aber mit dem bedinge/ daß es vor erst nicht einem Geschenke als Denkmahl aͤhnlicher sey; vors ander/ daß es wegen der grossen Menge dieser Anwesenden/ nicht auff einzelne Haͤupter/ sondern Staͤdte und oͤrter moͤge angeschlagen werden. Durchl. Herr Stathalter/ Gn. Herr als Vater/ antwortete Herku- les/ wie auch Wolgebohrne und hochaͤdle anwesende Herren/ Frauen und Jungfrauen; mein geliebter Bruder Ladisla und ich bedanken uns Dienstlich ihrer hohen Gewogenheit/ und beschehener Einwilligung/ wollen auch des Herrn Stathalters erste Bedingung gerne in acht nehmen/ und daneben hoffen/ die andere koͤnne uns wol erlassen werden/ wañ sie unsers Vorhabens werden berichtet seyn; Als nemlich/ es haben die vermeinte Raͤuber- Fuͤrsten auff XXXIV Obristen und deren Weiber/ dañ vor 680 Haͤuptleute und ihre Wei- ber etliche Kleinot unterschidlicher Gattung beygelegt/ von denen wir nur etliche dieser Y ij hoch- Erstes Buch. hochloͤblichen Geselschafft außteilen wollen/ nit als ein Geschenke/ sondern blosses Denk- zeichen des ergangenen. Als nun niemand dawieder redete/ wurden vor erst den Anwe- senden 540 aͤdlen Frauen so viel Haͤuptmans Weiber Ringe außgeteilet/ deren jeder 60 Kronen galt; den aͤdel Jungfern an der Zahl 850 wurden so viel Haupmans Weiber Armbaͤnder gegeben/ jedes zu 70 Kronen. Darnach wendeten sie sich zu den Herrẽ Stan- des Frauen/ deren 100 wahren/ nnd lieferten ihnen so viel Haͤupmans Weiber Halsket- ten/ jede zu 125 Kronen; den Frey Fraͤulein aber/ deren 106 anwesend/ jeder ein Hauptman- Weiblich Kleinot/ jedes zu 150 Kronen. Nach diesem legte Ladisla Frl. Helenen eine O- bristin- Halskette mit angeheffteten Kleinot umb den Halß/ am gewehr 10000 Kronen. Herkules gab Frl. Sibyllen ein gleichmaͤssiges/ und uͤberdaß einen Ring und par Arm- baͤnder/ jener 2000 diese 3000 Kronen wert. Fr. Ursul aber ward von Ladisla mit einem vollen Obristin-Schmuk/ auff 23000 Kronen/ und die Stathalterin mit gleichmaͤssigem/ uͤberdaß noch mit einer Hauptmannin ganzem Zieraht von Herkules beleget; welches al- les zusammen gerechnet 176705 Kronen außtrug. Nach solcher Verrichtung wurden 560 Rahtsherren und aͤdlen Rittern so viel Hauptmans Ringe; noch 130 Rahtsherren/ so Herren Standes/ Hauptmans Ketten; Herren Kornelius/ Emilius/ und Zezilius An- tenor auch den beyden Burgemeistern von Mantua uñ Raveña/ jedem ein ganzer Haupt- mansschmuk; dem jungen Fabius eines Obristen volstaͤndiges/ und endlich dem Stathal- ter eines Obristen und Hauptmans Zieraht gegeben; daß alles unter die Maͤnneꝛ verteilete sich auf 101130 Kronen belief. Alle Anwesende namen diese grosse Freygebigkeit mit hoͤch- stem Unwillen auff/ daß auch der Stathalter sich daruͤber ungeduldig erzeigete; musten es doch geschehen lassen/ und erbohten sich/ Gelegenheit zusuchen/ daß es verschuldet wuͤr- de. Es wahr aber hiemit noch nicht geendet/ sondern unsere Helden liessen 150 Reuter Harnische und 3000 Ruͤstungen zu fusse auff den Platz fuͤhren/ welche sie in drey gleiche Teile legeten/ und den drey Staͤdten solche zum stetswehrenden Gedaͤchtniß zustelleten/ mit Bitte/ eigene kleine Zeughaͤuser auffzubauen (dero behuef bey jedem Teil 6000 Kro- nen gelegt wahren) und es alle darin verwahrlich zubehalten; bey jedem Teil wurden V Fuder Meel/ IV Fuder Wein/ und VI Fuder Fleisch und Fische/ nebest 6000 Kronen wert silbern Muͤnze geleget/ solches alles unter die Armut in den dreyen Staͤdten/ weß Glau- bens sie auch seyn moͤchten/ außzuteilen. Dem Stathalter und seinem Sohn stelleten sie jedem 20 Ritterwaffen und 50 Fußknechte Gewehr zu/ und fing darauff Herkules an/ die- sen beyden folgende Anmuhtung zu tuhn: Durchll. Herren/ Herr Vater/ und Herr Bru- der; ist es/ daß dieselben meinen Bruder Ladisla und mich/ wie wir dann nicht zweiffeln/ Vaͤter- und Bruͤderlich lieben/ werden sie nicht allein unsere Bitte in gutem auffnehmen/ sondern auch gelten lassen/ so daß sie alle uͤbrige Beute mit uns gleich teilen/ und willig zu sich nehmen wollen/ welches wir Zeit unsers Lebens Kind- und Bruͤderlich ruͤhmen/ und daher ihre ungefaͤrbete Neigung verspuͤren wollen; weil ihnen ja solches von rechtswegen schon zugehoͤret/ als welche gleiche Arbeit mit uns uͤberstanden haben. Niemand kunte sich dieses Erbietens gnug verwundern/ aber der Stathalter gab darauff diese Antwort: Durchll. Herren/ hochgeliebte Freunde als Soͤhne; ihr gewogenes Freunde-herz gegen mich und meinen Sohn/ ist durch so hohe Bezeigungen schon kund gemacht/ daß wir ohn Suͤn- Erstes Buch. Suͤnde daran nicht zweiffeln koͤñen/ daher wir in allẽ moͤgligkeiten ihrem begehren nach- zusetzen/ hinwiederumb schuldig und verbunden sind; betreffend die geschehene Anmuh- tung/ ob sie gleich ihnen nicht anders als zur ruͤhmlichsten Tugend der hohen-Freygebig- keit außgeleget werden kan/ muͤsten wir an unser Seiten dagegen vor die unbesonnesten Menschen gescholten werdẽ/ dafeꝛn wir dieselbe eingingen; dañ voreꝛst wollen sie bitte ich/ ihrer mir ehmahls gegebenen Antwort sich erinnern/ als vor ihre hohe Bedienungen/ ich nebest meinen Anverwanten ihnen gleiche Erbschafft mit unsern Kindern anboht/ und ich diese ihre Entschuldigung muste gelten lassen/ Gott moͤchte ja verhuͤten/ daß unser Kinder Erbteil durch sie nicht geschwaͤchet wuͤrde; warumb solte dann ihr Gut durch uns gemin- dert werden? Daß ihr aber meinen an Kayserl. Hocheit getahnen Bericht (wie ich in Er- fahrung komme) beschuldiget/ ob haͤtte ich euer verhalten zu groß/ mein uñ meines Sohns aber zu geringe gemacht/ und das waͤhre die ursach/ daß man euch die Beute allein zuge- sprochen/ welches ich hie nohtwendig erwaͤhnen muß/ so kan solcher Auflage ich mich ge- doppelt entbrechen: Vorerst/ bin ich und mein Sohn Roͤmer/ und in Roͤmischen Dienstẽ/ und ob wir gleich allein diesen Schatz erstritten haͤtten/ welches doch gar nicht ist/ waͤhre solcher nicht uns/ sondern der hoͤchsten Obrigkeit heimgefallen; welches sie unbeschwert bedenken wollen; Hernach ist der abgefaͤrtigte Reuter vor dem versamleten Roͤmischen Rahtuͤber den wahren Verlauff aͤidlich abgehoͤret/ und mir ein zimlich harter Verweiß zugeschrieben/ den ich aufflegen kan/ warumb ich diese herliche Taht nicht mit mehren uͤm- staͤnden in meinem Briefe erzaͤhlet haͤtte; daß also dieses Verdachtes ich mich gnug ent- schuldiget weiß/ und sie daher nit gedenken duͤrffen/ als wuͤrde Kaͤyserl. Hocheit ein anders in der Sache geschlossen haben/ wañ ich schon eure und unfere Tahten (das mit unwarheit geschehen muͤssen) gleich gehalten haͤtte. Jedoch/ damit unser Streit auffgehoben werde/ und wir ja so wenig unhoͤflich seyn moͤgẽ/ als sie bey Annehmung unsers ersten anmuhtens wahren/ sehet da/ meine liebe Herren Soͤhne/ so nehmen wir die richtige Halbscheid aller annoch unverschenketer Beute an/ aber folcher gestalt/ daß ich verfluchet seyn wil/ wofern ich nicht alles/ klein und groß/ derselben Fraͤulein zum besten verwahre/ die meinem hoch- werten Herrn Sohn/ Herrn Herkules/ nach des Himmels Versehung dereins ehelich sol zugefuͤhret werden. Ich aber/ fing der junge Fabius an/ bedanke mich zufoderst der gar zu grossen Ehr und Schenkung/ wovor ich meinen beyden Herren und bruͤderlichen Freun- den ohn einige Bedingung zu dienste verbunden bleibe/ schlage das angebohtene nicht auß/ dafern meine Fr. Schwester Sophia/ es mit diesem Vorbehalt wieder von mir an- nimt/ daß sie dessen meinem Gemahl nicht eines Hellers wert zuwende/ deren ich hiemit alles annehmens ernstlich untersagen wil/ und da ich solches nicht erhalten solte/ werden meine Herren eine ganz abschlaͤgige Antwort mir nicht verdenken/ und nicht desto wenigeꝛ mich vor ihren getraͤuen Knecht und Diener halten; Dann warumb solte ich mich mit der schon viel zu grossen von Kaͤyserl. Hocheit empfangenen Gnade nicht begnuͤgen lassen? Ja/ warumb solte ich ohn einigen Verdienst/ da meine Herren felbst keine ursach anzeigen koͤnnen/ ein solches mir zuwenden lassen/ welches zeit meines Lebens ich nicht allein nicht vergelten/ sondern auch vor ehrliebende/ insonderheit vor Kaͤyserl. Hocheit nicht verant- worten koͤnte? Diesem nach bitte ich dienstlich/ meine Herren wollen ihre hohe Neigungen Y iij mir Erstes Buch. mir dergestalt sehen lassen/ daß ohn Verletzung meiner Gebuͤhr ich dieselbe zulassen und annehmen koͤnne/ und wiederhohle hiemit mein voriges auffrichtiges Erbieten. Unsere Helden stelleten sich uͤber diese Wegerung traurig/ aber der Stathalter sagte mit einem scherzhafften Lachen: Sehet ihr nun/ meine Herꝛen/ daß man zuzeiten den Kauffman mit seiner Waare bezahlen kan? Ihr habt mir vor diesem den Peltz auch gewaschen/ und nicht naß gemachet/ deßwegen verdenket mirs ja nicht/ dz mein Huͤndichen-Gedenks/ ein gleich- maͤssiges Gebelle von sich giebet; dann ich beteure hoch/ daß ichs von niemand anders/ als von euch Herren gelernet/ und meiner Meynung nach diese Kunst gar zu gelegener Zeit angebracht habe; solte jhnen solches nun unangenehme seyn/ da ich doch das gar zu hohe Erbieten in keine wege verdienet/ so werden sie nun erst erkennen/ wie hefftig mich ihre eh- mahlige Wegerung muß geschmerzet haben; wollens aber zugleich auffruffen/ und Zeit unsers Lebens einander Traͤue und Freundschafft/ ja alles koͤnnen und vermoͤgen schuldig bleiben/ je laͤnger wirs leisten und sehen lassen/ welches die Volkommenheit der auffrichti- gen Freundschafft ist. Hier auff hieß er die Spielleute frisch auffmachen/ und fing Herku- les Roͤmischer Kaͤyserl. Hocheit Gesundheit/ Ladisla aber des Roͤmischen Reichs Auff- nehmen an zu trincken/ welches mit entbloͤsseten Haͤuptern stehend verrichtet/ und zur son- derlichen Ehrerbietigkeit auffgenommen/ auch nachgehends dem Kaͤyser mit seiner hohẽ Vergnuͤgung erzaͤhlet ward. Fr. Ursul/ da sie dieses sahe/ trat sie mit Frl. Sibyllen zu un- sern Helden/ bedanketen sich im Nahmen des ganzen Frauenzimmers/ wegen der ausge- teileten Kleinot/ und wuͤnscheten ihnen staͤte Auffnahme ihrer Ehren/ langes Leben und bestaͤndiges Wolergehen/ damit sie noch mannichem bedraͤngeten zur Huͤlffe und Rettung sich gebrauchen lassen koͤnten; liessen hernach zwey guͤldene Becherlein mit Wein fuͤllen/ welche das ganze Frauenzimmer auff der teuren Helden Gesundheit außtrunken. Es wehrete diese Gaͤsterey biß in die sinkende Nacht/ und wahr von unsern Helden bestellet/ dz auff diesen Tag alle Arbeiter an den dreyen Fuͤrstlichen Gebaͤuen in den dreyen Staͤdten/ auff ihre angerichtete Kosten musten gespeiset und mit gutem Wein beraͤuschet werden; liessen auch aller geladenen Gaͤste Dienern und Maͤgden/ jedem eine Krone/ und des Stat- halters seinem Gesinde/ jedem X Kronen zum Beutpfennige zustellen/ wor auf 4000 Kro- nen verwendet wurden. Des folgenden Morgens foderte Herkules von dem Christli- chen Lehrer des Ortes die Zahl der armen Christen/ deren sich 400 alte unvermoͤgende/ 200 Waͤiselein/ 150 Lahme und Kruͤppel/ und 300 arme Schuͤler angaben/ welche er alle mit Kleidern und Schuhen versehen ließ/ auch den Vorstehern 150000 Kronen zustelle- te/ daß sie beleget/ und die Auffkuͤnffte zum Unterhalt der Armen angewendet wuͤrden. Die Staͤdte Padua/ Mantua und Ravenna stelleten auch trefliche Gaͤsteteyen an/ nur unsern Helden zu ehren/ welche dahin ritten/ und mit Fuͤrstlichem Gepraͤnge empfangen wurdẽ. Des zwoͤlfften Tages nach dem Kaͤyserlichen angelangeten Befehl/ wurden die ge- gossene Bilder auff eine Stunde in allen dreyen Staͤdten auffgerichtet/ da alle Einwoh- ner hinzudrungen/ und gerne Hand mit anlegen wolten. Alle Haͤuser umb den Markt her/ wahren mit Menschen angefuͤllet/ biß endlich einer herzu trat/ der mit seiner Gesel- schafft einen runden leeren Kreiß umb die Bilder machete/ in welchem zwanzig Spiellen- te mit Pauken und Trometen ein lustig Feldstuͤk hoͤren liessen/ daß die ganze Stad erschal- lete/ Erstes Buch. lete/ nach dessen endigung kahmen zwanzig andere an ihre stelle mit sanfftem Seitenspiel/ grossen und kleinen Lauten/ Geigen und Harffen/ stimmeten sehr artig mit einander ein/ biß nach Verlauff einer halben Stunde drey zierliche Knaben zu ihnẽ traten/ und mit un- terschidlichen Stimmen nach der Singe-kunst gesetzet/ folgendes Lob- und Danklied in dz Seitenspiel erschallen liessen. 1 L Ast die Helden uns besingen/ Ja die Helden/ deren Preiß Keiner gnug zu ruͤhmen weiß/ Die uns Heyl und Leben bringen; Ja die Helden/ denen wir Schuldig bleiben fuͤr und fuͤr. 2 Ihre Klugheit/ die den Jahren Trefflich vor gewachsen ist/ Hat der frechen Raͤuber List/ Und verfluchten Bund erfahren; Ihre Klugheit/ deren wir Schuldig bleiben fuͤr und fuͤr. 3 Ihre Kuͤhnheit/ zu beschuͤtzen/ Die in Noht und Truͤbsal stehn/ Hat uns Rettung lassen sehn/ So daß wir noch sicher sitzen; Ihre Kuͤhnheit/ denen wir Schuldig bleiben fuͤr und für. 4 Herkules ist unser Leben/ Ladisla ist unser Geist/ Die man billich Schuͤtzer heist/ Denen/ weil sie vor uns streben/ Unsre Kinder und auch wir Schuldig bleiben fuͤr und fuͤr. 5 O ihr Goͤtter unsrer Mauren/ O vergeltet diese Taht/ Lasset sie nach eurem Raht Dieser W el t noch lange tauren/ Biß ihr sie durch freye Wahl Uberschreibt in eure Zahl. Nach Endigung dieses Liedes nahmen die drey Saͤnger Abtrit/ und stelleten sich sechs Paduanische Frauen/ halb Adel/ halb Buͤrgerstandes/ auch drey aͤdle Jungfern (unter de- nen ein Frey Fraͤulein wahr) und so viel Buͤrgers Toͤchter an ihre staͤte/ schlugen einen en- gen Kreiß umb die auffgerichteten Bilder/ und hielten einen zierlichen Tanz; hernach fin- gen sie mit einander bey dem Lautenspiel dieses Lied mit sehr anmuhtiger Stimme an: 1 K Ompt ihr Paduansche Frauen/ Und ihr Fraͤulein komt herbey/ Daß wir uns zum Lobe zauen Derer/ die uns wieder frey Und von neuen Leben machen/ Komt ihr Jungfern/ singt zugleich/ Dann die vor den Ehstand wachen/ Sorgen eben wol vor euch. 2 Unser’ Ehr und Leben stunden Schon in frecher Raͤuber Hand/ Die sich dort zusammen funden; Ihr Grim/ uͤber uns entbrand/ Wahr schon an der Schwerter Spitzen/ An den Spiessen auffgestekt/ Da wir solten Blut nur schwitzen/ Biß wir laͤgen außgestrekt. 3 Herkules der Uberwinder/ Ladisla/ der Sieges Held/ Wolten nicht daß unsre Kinder/ Eltern/ Maͤnner/ Haͤuser/ Feld/ Gar zu scheitern solten gehen/ Ihr unuͤberwindlich Schwert Ließ so schleunig Straffe sehen/ Wie der Bliz vom Himmel faͤhrt. 4 Sie verwehten das Gewitter/ Eh man dessen Wuht empfand/ Eine kleine Hand vol Ritter Hielt den Fechtern Wiederstand/ Sie bestuͤrmten ihre Gaͤnge/ Sie zubrachen ihren Schluß/ Daß sie lagen nach der laͤnge/ Recht wie Boßheit sterben muß. 5 Schreibet dieses an die Waͤnde/ Schreibet dieses in das Herz/ Herkules Siegreichen Haͤnde Treiben alles hinterwerz Was uns suchet zu verhehren/ Ladisla haͤlt unsern Geist/ Daß er noch muß lange wehren/ Und nicht wie der Strohm verscheust. 6 Nun Erstes Buch. 6 Nun ihr Helden/ last euch preysen/ Wie ihr solches wol verdient/ Euer Lol sol nicht vergreisen/ Weil die hohe Tanne gruͤnt/ Weil die Hirsch’ in Auen weiden/ Massen eure Siegeshand/ Hat Raub/ Mord/ Angst/ Noht und Leyden Von uns allenabgewand. Nach dem Gesange hielten sie den andern Tanz umb die Bilder/ und nahmen mit tieffen Neigungen einen hoͤflichen Abtrit; darauff kahmen allerhand Blase-Trommel und Sei- tenspiel in grosser Anzahl in dem Kreisse beyeinander/ und macheten ein Stuͤk/ welches zwar in ungleichem Klange/ aber Singe-kuͤnstlicher Gleicheit einstimmete/ die Pauker hatten wie auch die Blaser und Pfeiffer ihr Zeug so viel moͤglich/ gedaͤmpffet/ welches a- ber doch das Seitenspiel zimlich uͤberschallete/ und dannoch nicht unlieblich anzuhoͤren wahr/ insonderheit daß die Heerpauker die kuͤstlichen Abteilungen der Schlaͤge/ so artig in acht nahmen/ uñ nicht allein nach Gelegenheit bald hart bald sanffte/ sondern bey den gan- zen und halben Schlaͤgen ein zierlich-buntes Gehacke macheten/ und hingegen/ wann die Trometer zuͤngelten/ die Pfeiffer und Seitenspieler auch ihre kuͤnstlichen Laͤuffchen ver- bluͤmeten/ sie sich langsam/ als ob sie die Masse hielten/ vernehmen liessen. Als dieses eine Stunde gewehret/ kahmen drey unterschiedliche Hauffen von zwoͤlff Maͤnnern/ zwoͤlff Knaben und Maͤgdlein gleicher Teilung/ und zwoͤlff Frauen und Jungfern/ auch jedes zur Halbscheid in den Plaz/ stelleten sich in die drey Ecken des Kreisses/ und in dem alles Spielzeug auff das sanffteste ging/ fingen sie ihr Pindarisches Lied an/ in welchem der Manneshauffe den ersten Saz also anstimmete: 1 S O muͤssen wir der teuren Helden Preiß Gebuͤhrlich und mit vollem Munde singen Auff auff! und last das Seitenspiel erklingen/ Wer Pauken nach der Kunst zu ruͤhren weiß/ Muß seinen Dank mit geben; blaset frisch Auff Zinken/ auf Posaunen und Schalmeyen/ Das Orgelwerk bestimmet wol und risch/ Trometer auff! mit her an diesen Reihen; Ihr Saͤnger ihr/ verbluͤmlets krauß und bund/ Ihr Maͤnner komt/ last hoͤren Herz und Mund; Ihr Kinder solt die zarte Stimm’ erheben;. Ihr Weiber auch/ und reine jungfern Zucht/ Dann eure Ehr stund schon auff Windesflucht/ Daß nur ein Schrit wahr zwischen Tod und Lebẽ. Diese Außfoderung beantworteten die Knaben und Maͤgdlein im Gegensatze mit so erbaͤrmlicher und zugleich anmuhtiger bewaͤglicheꝛ Stimme/ daß allen zuhoͤrern die Traͤh- nen auß den Augen hervor drungen/ indem sie also sungen: H Err Herkules/ der grosse Sieges Held/ Herr Ladisla der trefftlich’ Uberwinder/ Beschuͤtzen uns arm’ und elende Kinder/ Ihr blankes Schwert besichert Bieh und Feld. Drum nehmen wir noch suͤsse Nahrung ein; Sie haben sich vor diesen Riß gestellet/ Durch welchen wir ermordet solten seyn/ Die freche Schaar ist bloß durch sie gefellet. O Padua! wo waͤhrestu wol iez/ Wann Herkules und Ladislaen Wiz Das heimltche Gebaͤu nicht haͤtte funden? Du waͤhrest schon Asch’ und ein Loͤsche-brand/ Und deine Mark ein durchauß Wuͤstesland; Wem sind wir dann als diesen/ mehr verbunden? Den Nachsaz hielten die Frauen und Jungfern/ so daß das sanffte Floͤht- und Seitẽ- spiel auff Geigen und Harffen mit einstimmete/ wie folget: H err Herkules/ Herr Ladisla/ Wir Frauenzimmer sind jetzt da/ Eur teurerworbnes Lob nach Moͤgligkeit zu preisen. Eur Ehr und Nahme sol alhier Bey Jung- und Alten fuͤr und fuͤr Voll bluͤhen/ und zu keiner Zeit vergreisen. Ihr Helden/ diß Geticht Verschmaͤhet uns doch nicht/ Goͤnnt uns das freye ruͤhmen; Ob unser Mund Es gleich so bund Nicht kan noch mag verbluͤmen; So Erstes Buch. So opfern wir an koͤnnen-stat Das wollen/ das euch zuerheben Noch niemahls sich gewegert hat/ Dann ihr seyd unser’ Ehr und Leben. Als dieses ausgesungen/ und der Kinder/ auch Frauen und Jungfern Tantz gehalten/ und zulezt noch ein mahl mit volstimmenden Zeuge auffgespielet wahr/ trat ein Redener auff/ und meldete den Anwesenden an/ was gestalt Roͤmische Kaͤyserl. Hocheit die Auffricht- und Einweihung dieser Bildnissen der Durchll. Herren und unuͤberwindlichen Ritter/ Herrn Herkules und Herrn Ladisla/ allergnaͤdigst befohlen und angeordnet haͤtte; zeigete daneben die ursach an/ ruͤhmete die Weißheit/ Tapferkeit und freundliche Demuht unsereꝛ Helden/ wuͤnschete ihnen Gluͤk/ Heil/ Gesundheit/ langes Leben/ und staͤte Auffnahme jh- rer Ehren und Preises/ stellete sie zum Vorbilde der Roͤmischen Jugend vor/ uñ vermah- nete dieselbe zur moͤglichen Nachfolge. Fr. Sophia und Ursul/ mit Frl. Sibyllen/ stunden oben auff dem Rahthause/ sahen die Auffrichtung der Bilder/ und was dabey vorging/ al- les an/ liessen sich auch der Gesaͤnge Abschrifft geben/ und brachten sie den unsern hin; wel- che solches alles mit grosser Ungeduld lasen und erzaͤhlen hoͤreten/ daß auch Herkules sag- te; wann er haͤtte wissen sollen/ daß man ihn solcher gestalt schier zu einem Abgott machen wollen/ wolte er nach erhaltenem Siege keinen Tag in Italien blieben seyn; dann wer wol- te sich nicht schaͤmen/ sagte er/ eine solche ganz unverdienete und uͤbermenschliche Ehr an- zunehmen/ insonderheit/ wann sie durch gemeinen Schluß geleistet wird. Aber der Stat- halter redete ihm solches auffs beste aus dem Sinne; es koͤnten dankwillige Gemuͤhter ja nicht anders/ als ihre Freude wegen geschehener Rettung an den Tag geben/ vornemlich/ weil sie versichert waͤhren/ daß Kaͤyserl. Hocheit daran ein gnaͤdigstes Gefallen tragen wuͤrde/ welche/ sagte er/ grosse Begierde haben sol/ euch gegenwaͤrtig zu sehen/ allermeist/ weil er vernommen/ daß ihr/ Herr Herkules/ mit ihm fast eines Alters seyd. Unter diesem Gespraͤch trat ein Diener in den Saal/ und meldete an/ daß eine grosse Menge Spielleute und Saͤnger/ klein und groß/ Mannes und Weibesbilder/ umb Erlaͤubniß anhielten/ daß sie in den innersten Platz des Hofes moͤchten gelassen werden/ woselbst sie den beyden Hel- den zu ehren auch wolten hoͤren lassen/ wie ihre auffgerichtete Bilder eingeweihet waͤren. Herkules durffte nicht widersprechen weil der Stathalter alsbald ja sagete/ fuͤꝛchtete sich auch/ es moͤchte ihm sein Mißfallen ungleich ausgeleget werden/ uñ stellete sich mit Ladisla vor ein versperretes Fenster/ durch welches sie alles sehen/ aber nicht wieder kunten gesehẽ werden; als auch alles in gleicher Art und Stellung/ wie vorhin auff dem Marktplatze verrichtet wahr/ liessen sie den Spielleuten/ deren an der Zahl 80 wahren/ 4000 Kronen austeilen/ den Frauen/ Jungfern/ Knaben und Maͤgdlein aber/ wie auch den Maͤnnern/ so das singen mit einander verrichteten/ ward Seiden Gewand zu Kleidern/ und jedem klein und groß durch die Bank hin 50 Kronen dabey gegeben/ auch uͤber das dem Frauenzim̃er guͤldene Ringe/ jeder 50 Kronen wert. So ließ Ladisla den Spielleuten in ein Wirtshauß zwey Faß Wein bringen/ und Mahlzeit anrichten/ bekahmen aber des folgenden Morgens die Zeitung/ der Wein waͤhre gar zu kraͤfftig gewesen/ welcher die ohndas halbnaͤrrischen Spielleute vollends der Sinne beraubet/ daß sie sich wol abgeschmissen/ und vor etliche hundert Kronen Spielzeug zuschlagen haͤtten. Der Christliche Lehrer aber zu Padua/ schickete diesen Morgen ein Schreiben an Herkules/ in welchem er den XXXIII und XLVI Z Psalm Erstes Buch. Psalm des Geistreichen Koͤniges David nach Tichterkunst in Griechischer Sprache ge- schrieben hatte/ also auff teutsch lautend: Der XXXIII Psalm . 1 I Hr Gerechten freuet euch Uber GOttes hohe Guͤte/ Preist ihr Frommen ihn zugleich/ Und erhebet eur Gemuͤhte; Lasset eure Harff’ erklingen; Lasset uns sein Lob besingen. 2 Stimmet stimmet freudig an Alle zehen Psalter-Seiten/ Lasset uns bey jederman Singend GOttes Lob ausbreiten/ Machets gut ihm zu gefallen/ Daß die Seiten frisch erschallen. 3 GOttes Wort das treuget nicht/ Amen ist was er verheisset; Rechte liebt er und Gericht/ Und den der sich deß befleisset; Seht wie seine Guͤte quillet/ Die den Erden Kreiß erfuͤllet. 4 Alles was man Himmel heist/ Ist durch Gottes Wort gemachet/ Und durch seines Mundes Geist Das Heer das am Himmel wachet/ Das der Welt in diesem Leben Klarheit muß und Waͤrme geben. 5 Er hat aller Wasser Macht/ Die wir in den Meeren sehen/ Als in einen Schlauch gebracht/ Daraus sie nicht muͤssen gehen Und der Abgrund hohe Tieffen Sind ungreiflich einbegrieffen. 6 Fuͤrchte Gott du gantze Welt/ Richte hin zu ihm dein Schreyen/ Und was sich auff Erden haͤlt/ Muͤsse seine Hocheit scheuhen/ Dann sein Wort kan alle Sachen Durch Gebieten fertig machen. 7 Aller stoltzen Heyden Raht Stuͤrzet unser Gott in Schanden/ Was das freche Volk vorhat Ist aus und nicht mehr verhanden/ Aber Gottes Raht muß bleiben Und sein Vorsatz wol bekleiben. 8 Wol dem Volk und aber wol/ Das in Gott recht kan genesen/ Und sein Eigentuhm seyn sol/ Wie ers ihm hat auserlesen/ So daß er durch Glaubens werben Sol den Himmels Saal beerben. 9 GOtt besiht von oben her Aller Menschen Kinder tichten/ Was auff Erden der und der Sich vermisset auszurichten/ Kan vom Stuel an ihren Werken Alles boͤß’ und gute merken. 10 Was des Reichs Vermoͤgen schafft Kan den Koͤnig nicht vom boͤsen/ Noch der Glieder starke Krafft Keinen Riesen nicht erloͤsen; Starke Rosse/ wie sie springen/ Koͤnnen doch nicht Huͤlffe bringen. 11 Sihe GOttes Augeschaut Hin auff diese die ihn ehren/ Deren Hoffnung auff ihn baut/ Die zu seiner Guͤte kehren/ Auff daß er dem Tode wehre/ Und in Teuxung sie ernehre. 12 Drumb wil unsre Seel an Gott Fest ohn alles wanken hangen/ Weil von ihm in aller Noht Wir gewissen Trost erlangen/ Als der unsern Schild sich nennet/ Und uns seine Huͤlffe goͤnnet. 13 Unser Herz ist voller Lust/ Weil wir seiner Gunst geniessen/ Und sein Nahm ist uns bewust Dem wir zu vertrauen wissen O laß deine Guͤt uns offen/ Wie wir HErr Gott auff dich hoffen, Der XLVI Psalm . G Ott ist unser festes Schloß/ Unser Huͤlff’ und gantze Staͤrke/ Ob die Noht noch eins so groß Waͤhr’/ als ich sie jetzund merke/ Das sie uns schon troffen hat/ Ist doch unsre Furcht geringe/ Ob die Welt gleich unterginge/ Dann wir wissen Trost und Raht. 2 Solten Erstes Buch. 2 Solten auch die Berg’ hinein In der Fluten Abgrund sinken/ Wolte das Meer rasend seyn/ Und von eitel Wellen blinken/ So daß seine Macht und Wuht Nichts als hohe Buͤlgen waͤhren/ Tahl und Berge zu verheeren/ Bleibt uns doch der freye Muht. 3 Dann des grossen GOttes Stad Muß frisch/ fest und lustig bleiben/ Und die Bruͤnlein die sie hat/ Immer suͤsses Wasser treiben/ Da der Heilgen Huͤtten Bau Des Allmaͤchtigen bestehet/ Welcher nimmer untergehet/ Nimmer schwach wird oder grau. 4 GOtt hat drinnen das Gezelt Seiner Wohnung auffgeschlagen/ Der sie immerzu erhaͤlt/ Drumb bleibt sie ohn Furcht und Zagen/ Dann bey fruͤher Tages Zeit Wil ihr Gott Heil lassen spuͤren/ Sie aus Ungewitter fuͤhren Unters Dach der Sicherheit. 5 Heyden muͤssen Herz und Sinn/ Haͤnd’ und Fuͤsse sinken lassen/ Koͤnigreiche fallen hin/ Wissen keinen Stand zu fassen/ Ja die gantze weite Welt Muß in einem Nuh vergehen/ Wann er seinen Zorn laͤst sehen/ Und gerichtlich Sprache haͤlt. 6 Dieser HErr und starcke Gott Ein Beherscher der Heerschare n Trit zu uns her in der Noht/ Jakobs Gott wil uns bewahren. Komt und schauet wie er faͤhrt/ Der die Erd’ erschreklich zwinget/ Und in grosses Schrecken bringet/ Ja das oberst unterst kehrt. 7 Der die Krieger nidersticht/ Und macht Fried an allen Enden/ Der die Bogen gar zubricht/ Daß sie nicht mehr Pfeile senden/ Der des Spiesses Schafft zuschlaͤgt/ Der die grossen Heereswagen/ Wann er sie nicht kan vertragen/ Durchs Feur in die Asche legt. 8 Stille seyd/ und denket dran/ Daß ich Gott stark bin von Tahten/ Dann ich wil bey jederman Meiner Ehr schon selber rahten/ Und auff Erden weit und breit. Mit uns ist der HErr der Schaaren/ Jakobs Gott wil uns bewahren/ Der uns schuͤtzet jeder Zeit. Herkules lies diese geistreiche Getichte ihm wol gefallen/ lase sie mit sonderlicher Andacht/ und unterlies nicht/ so offt die Christen zusammen kahmen/ sich bey ihnen anzufinden/ wie wol in solcher Geheim/ daß der Stathalter dessen nicht gewahr ward/ welcher doch aus seinen reden wol merkete/ daß er dem Christlichen Glauben zugetahn wahr/ und sich des- sen doch nicht vernehmen lies. Sonsten brachten sie die uͤbrigen Tage biß zu der angesetze- ten Hochzeit in allerhand zugelassener Kurzweil zu/ und entstund durch die taͤgliche Bey- wohnung eine wahre bruͤderliche Freundschafft zwischen Herkules und Frl. Sibyllen/ daß sie nicht wol kunten lange vonander seyn/ so daß der Stathalter und Ladisla selbst in den wahn gerieten/ sie muͤsten sich ehelich versprochen haben/ welches sie umb so viel mehr glaͤubeten/ weil Herkules einesmahls uͤber Tische sich bey ihr anmeldete/ dafern sie willens waͤhre/ ihre liebe Eltern schier zubesuchen/ wolte er sie nach Rom begeiten/ dessen sie dann wol zufrieden wahr. Inzwischen quaͤlete sich Frl. Helena mit ihrem heimlichen liebes Ley- den/ das ihr Fleisch und Farbe entging/ worzu der Eyver wieder Frl. Sibyllen nicht we- nig halff/ und ob sie gleich durch mannichen tieffen Seuffzer gnug zuerkennen gab/ wie un- ruhig ihre Geister wahren/ wolte sie doch dessen nicht daß allergeringste gegen einigen Menschen gestehen/ sondern wendete allemahl ein/ es laͤge ihr der eingenom̃ene Schimpff von Avonius Schwester so hefftig an/ daß sie eine stetswehrende Unruhe in ihrem Herzen Z ij empfuͤn- Erstes Buch. empfuͤnde/ welche ihr ohn zweiffel in kurzem den Lebenssadem brechen wuͤrde. Fr. Sophia fragete sie/ wodurch sie dann meynete/ daß ihre Seele in Ruhe koͤnte gesetzet werden; wor- auff sie antwortete: Durch suͤsse Vergnuͤgung/ oder durch den Tod. Sehet so/ mein Schwesterchen/ gab sie zur wiederantwort; also habt ihr freilich ein ander heimliches Leyden als daß aus Beschimpffung entstehet/ massen dieses nicht durch suͤsse Vergnuͤ- gung/ sondern durch andere Mittel muͤste vertrieben werden. Jene hatte sich verhauen/ und sagte: Man muͤste einem geaͤngsteten Herzen nicht veruͤbeln/ wann es zu zeiten unge- reimete reden fuͤhrete/ und waͤhre ihr nichts angenehmer/ als daß man Sie uͤber ihr An- liegen nicht zu scharff befragete/ insonderheit/ wann man nicht wolte oder nicht koͤnte raht und Enderung schaffen. So muß ich mich dann nach eurem Willen richten/ sagte Fr. Sophia/ wann ihr mich aber in dem Verdacht habet/ daß ich zu eurem besten mich nicht wolle gebrauchen lassen/ tuht ihr mir daß groͤsseste Unrecht von der Welt/ welches ich doch auff den unverhoffeten Fall gerne verschmerzen/ und nicht destoweniger eure getraͤueste Freundin und Schwester seyn und bleiben wil; womit sie zu diesemmahle beschlossen/ weil Fr. Ursul zu ihnen trat/ und anmeldete/ daß der morgende Tag zur Lustfahrt berahmet waͤhre; welches Frl. Helena beantwortete; so muͤsten nur die Lust-vollen ihre Geselschaft vermehren uñ die Angst-traurigen daheim bleiben; wie man sie auch darzu nicht vermoͤgẽ kunte/ daß sie mit gefahren waͤhre; Und wann Herkules abscheid (davon im anderen Bu- che) sich nicht haͤtte zugetragen/ wuͤrde sie ausser allem zweiffel ihr Leben eingebuͤsset haben. Es wird nunmehr Zeit seyn/ daß wir dem Alten Wenzesla dereins nachfragen/ wie es ihm auff der Ruͤkreise von Rom nach Prag ergangen/ auff welcher er XV wochen zu brachte; eilete zwar anfangs/ so viel sein Pferd ertragen kunte/ aber da er in einem Dorffe nicht weit von Salzburg benachtete/ und nach dem Heu auff einer alten Leiter stiege/ fiel er oben herunter/ und taht einen so schweren Fall auff das Hinterhaͤupt/ daß er als ein Tod- ter Mensch liegen blieb/ ward doch von den frommen Leuthen endlich wieder erquicket/ aber er lag als ein Vernunfft-loser/ und kunte sich durchaus nicht begreiffen/ so gar/ daß er zehn Wochen ohn Verstand wahr/ haͤtte auch in solchem Elende sterben muͤssen/ wann ihm nicht von einem alten Weibe Raht geschaffet waͤhre/ welche ihn mit Kraͤutern auß- und inwendig heilete/ daß er algemach wieder zu sich selber kam/ und seinen Wirt vor ra- send hielt/ wie derselbe jhm die lange Zeit seiner Schwacheit zu wissen taht; dessen der gu- te Mann lachete/ und ihm zum unfehlbaren Zeichen gab/ er moͤchte nur sein Haar/ Bart und Naͤgel an Haͤnden und Fuͤssen beobachten/ die wuͤrden ihm ansagen/ wie neulich ohn- gefehr er sich haͤtte putzen lassen. Er hermete sich hieruͤber gewaltig/ meynete vor gewiß/ sein Koͤnig wuͤrde zu Prag schon gekroͤnet seyn/ und wolte sich alsbald auff den Weg machen/ aber auff Raht seiner Artztin muste er noch acht Tage außhalten. Nun hatte ihm sein Wirt alle Sachen fleissig verwahret/ ohn daß er sein Pferd im Pfluge und vor dem Wa- gen gebraucht/ daß es nunmehꝛ besser zum zihen als reiten wahr; welches er aber nicht ach- tete/ sondern weil er Zehr Gelder gnug bey sich hatte/ machte er alles richtig/ und kam XV Wochen nach seinem Abzuge aus Rom im Koͤnigreich Boͤhmen wieder an/ da er allent- halben nach seines Koͤniges Wiederkunfft fragete/ und mit Schmerzen vernam/ daß kein Mensch die allergeringste Zeitung von ihm wuͤste; woruͤber er desto hefftiger nach Prag eilte/ Erstes Buch. eilete/ wahr auch der Koͤnigin sehr angenehm/ da er sich bey jhr angeben ließ/ so daß sie ihn straks angesichts anredete: Wie mein guter Wenzesla? was bringet ihr mir vor Zeitung von meinem Sohn curem Koͤnige? die uͤbrigen Ausreiter sind schon vorlaͤngst mit keiner Antwoꝛt wieder kommen/ und hat meine Hofnung sich einzig und allein auf euch gegruͤn- det; so saget mir nur bald/ ob ich noch eines Sohnes Mutter bin. Ich weiß nicht anders/ sagte er; dann wie ich meinen Gn. Herrn leztmahl gesprochen/ wahr er frisch und gesund. Ey so sey den Goͤttern dank/ antwortete sie; aber warumb bringet ihr jhn nicht mit euch? Dieser wuste nicht/ was er vor erst anzeigen solte/ weil sein Haͤupt ohn das noch nicht aller- dinge richtig wahr/ sagete endlich: Eure Hocheit wollen mir gnaͤdigst verzeihen/ wann der- selben wegen ausgestandener langwierigen Krankheit und Haͤuptes Verwirrung/ ich al- les der gebuͤhr nicht vortragen kan; ich bin vor XV Wochen bey meinem Gn. Herrn La- disla zu Rom gewesen/ habe auch fleissig bey jhm geworben/ mit uͤberzukommen/ aber sol- ches keinerley weise erhalten/ ja nicht eins erfahren koͤnnen/ ob er willens waͤhre zu folgen oder nicht; aber so viel merkete ich an beyden/ daß sie eilfertig wahren zu einer Reise/ wo- hin/ kan ich gar nicht wissen/ nur daß ich nach wiedererlangeter Gesundheit die Hoffnung fassete/ mein Gn. Herr wuͤrde vorlaͤngst sich schon eingestellet haben. Wie seyd jhr naͤrrisch Wenzesla? fragete die Koͤnigin; ihr schwaͤtzet mir ja Sachen vor/ die weder gehauen noch gestochen sind. Ja was sol ich anders melden/ antwortete er/ weil ich selber nichts gewisses weiß/ als daß seine Ankunfft gar ungewiß ist. Wisset jhr mir dann keinen bessern Trost zu geben/ als diesen/ sagete sie/ so habe ich an euch den rechten abgefaͤrtiget. Ach/ gnaͤdigste Koͤ- nigin/ antwortete er/ die Goͤtter sind meine Zeugen/ daß aus seinem Munde ich keine ande- re Antwort bringen moͤgen/ als daß Eure Hocheit mit jhm und mit mir wol friedlich seyn wuͤrde/ so bald sie nur seine Schreiben wuͤrde gelesen haben. Nun sehe ich eigen/ sagte sie/ daß euer Witz zuruͤk blieben sey/ dann ihr saget mir von Briefe-lesen/ und habt mir noch keinen gezeiget. Er schaͤmete sich dessen sehr/ baht umb Verzeihung/ und gab ihr beyde Schreiben gebuͤhrlich ein/ deren groͤsseren sie alsbald oͤffnete/ und ihn mit fleiß durchlase/ aber der Inhalt wahr ihr allerdinge zuwider/ wie hoͤchlich sie gleich seiner Gesundheit sich erfreuete. Frl. Valißka kam gleich von der Jagt zu hause/ da ihre Fr. Mutter dem Briefe nachsinnete; Als sie nun den alten Wenzesla neben ihr stehen/ und das Schreiben in ihren Haͤnden sahe/ fragete sie ihn alsbald/ ob er ihren lieben Bruder angetroffen haͤtte; da die Mutter ihr zur Antwort gab: Er haͤtte ihn zwar gefunden/ braͤchte aber nichts als lauter ungewisses von ihm. Das kan nicht wol seyn/ antwortete sie; ob gleich seine Ankunfft mag ungewisse seyn/ dessen ursach ohn zweifel seines Herkules Verlust seyn wird. Den hat er schon wieder funden/ antwortete die Koͤnigin/ welches ich vorhin aus meines Bruders Schreiben wol habe muhtmassen koͤnnen/ wann er nur auch sein Koͤnigreich wieder finden koͤnte. Wie dann mein guter Wenzesla/ sagte das Fraͤulein/ wisset ihr uns dann nicht zu berichten/ wie es eigentlich umb meinen Herr Bruder beschaffen sey? Dieser gab zur ant- wort: Er waͤhre nach seinem Abscheide von Rom in eine Haͤuptverstoͤrung gerahten/ er- zaͤhlete auch solchen Unfal gar umstaͤndlich/ und sagete hernach; der Koͤnigin starkes nach- fragen haͤtte ihn so verwirret gemacht/ weil er den Schaden noch nit allerdinge uͤberwun- den haͤtte/ wann ihm aber etwa ein halb stuͤndichen Bedenkzeit gegoͤnnet wuͤrde/ wolte er Z iij sich Erstes Buch. sich wol wieder erhohlen. Das Fraͤulein hatte/ weiß nit was vor Hoffnung guter Zeitung von ihrem Herkules/ daher sie zu ihm sagete: Ey so gehet mit mir auff mein Gemach/ und erhohlet daselbst eure verstoͤrete Gedanken; ging mit ihm hin/ uñ wie sie allein wahren/ fra- gete sie/ wie es dann eigentlich umb ihres Bruders Wolergehen beschaffen waͤhre. Er aber antwortete; Durchleuchtigstes Fraͤulein/ ich bitte untertaͤhnigst mir etwas Bedenk- zeit zu goͤnnen; nam hiermit Herkules Schreiben hervor/ und lieferte es mit diesen Wor- ten ein: An Ihre Durchl. habe ich nicht allein von ihrem Herr Bruder/ sondern auch von dem tapfersten und schoͤnsten Fuͤrsten der Welt/ Herꝛn Herkules/ einen bruͤdeꝛlichen Gruß anzumelden/ und von diesem zugleich ein sehr geheimes Schreiben/ welches Ihrer Gn. in hoͤchster geheim einzuliefern ich befehlichet bin/ nebest Anzeigung/ Ihre Gn. wuͤrde/ unge- meldet/ daß sie dieses Schreiben bekom̃en/ den Inhalt bey ihrer Fr. Mutter wol verrichtẽ. Es ist miꝛ sehr lieb/ sagte sie/ daß ich solches allen unwissend empfangen/ dann ich kan ohn das schon errahten/ was der Inhalt seyn wird/ welches zwar nicht heimlich ist/ oder icht- was sonderliches auff sich hat/ nur daß es gleichwol von keinem als von mir kan verrichtet werden/ und dannoch meine Fr. Mutter nicht wissen darff/ daß ichs auff sein Vorwissen treibe; steckete hiemit das Briefelein in ihren Busem/ und fragete weiter/ ob er ihrem O- heim auch das uͤbergeschikte Armband eingeliefert/ und das abgenommene Baͤndichen gefodert haͤtte. Er aber antwortete: das Schreiben wuͤrde vielleicht anzeigen/ daß es von jhm fleissig verrichtet waͤhre/ und haͤtte Herr Herkules ihm dieses Ringelein hinwieder zugestellet/ Ihrer Durchl. seinetwegen es einzuhaͤndigen/ aber das Baͤndichen nicht von sich geben wollen/ vorwendend/ er waͤre willens sein versprechen zu halten/ und Ihrer Gn. es selbsten wieder einzuliefern. Sie nam den Ring mit grosser Herzensbewaͤgung zu sich/ und sagete zu ihm: Verunruhet euch weiter nicht in euren Gedanken/ damit ihr die Er- zaͤhlung eures Verrichtens bey meiner Fr. Mutter gebuͤhrlich leisten moͤget/ ich wil in- zwischen in mein Nebenkaͤmmerlein treten/ und des Briefes Inhalt durchsehen; Densel- ben fand sie nun dieser gestalt: Durchleuchtigstes Fraͤulein/ die groͤste Pein meines bißher außge- standenen Ungluͤks ist das langwierige Abwesen von der vergnuͤglichẽ Gegenwart eurer untadelhaftẽ Volkommenheit/ welche je laͤnger je mehr sich in meine Sinnen einwickelt/ und ohn durch den Tod nicht verjaget werden kan. O wolte Gott/ daß meine Frl. Schwester ihres ergebenen Knechtes auch zuzeiten eingedenk waͤhre/ dessen/ der nunmehr anderthalb Jahr sich als ein verkauffter Leibeigener hat muͤssen zu Rom druͤcken und schmiegen/ nur daß er des pruͤgelns und anderer Straffen moͤchte entho- ben seyn/ und dannoch in dieser schweren Dienstbarkeit etwas funden hat/ welches ihm lieber als El- tern und alle Welt ist/ nehmlich die Erkaͤntniß des einigen wahren Gottes/ die nach diesem sterblichen Leben uns allein allein zur himlischen Seligkeit bringen kan. Also ist meine geistliche Liebe zu Rom/ meine leibliche zu Prag unverruͤcket gewesen/ und kan jene nunmehr allenthalben frey/ diese aber nur auff dem Koͤniglichen Boͤhmischen Schlosse seyn/ als lange jhre Liebe solches nicht verlaͤsset; verlaͤsset sie es aber/ so wird meine Seele folgen/ und verlaͤsset sie es umb Liebe willen zu einem andern/ werde ich dannoch nicht zuruͤk bleiben/ sondern zum wentgsten dem Geliebeten mißgoͤnnen/ daß er den unver- gleichlichen Schatz erlanget/ welcher meiner Seele so gar eingebildet/ und in das innerste meines Her- zen gegraben ist. Verzeihet eurem unwirdigsten Knechte/ mein Fraͤulein/ daß er als gewesener Skla- ve eines Sklaven der Untugend/ noch hoffen darff/ was ihm kindliche Kuͤhnheit einbilden duͤrffen/ uñ versichert euch daneben/ daß er der Welt und allen Fuͤrstlichen Gedanken anderthalb Jahr abgestor- ben/ bloß ihretwegen solche wieder annimpt/ sonst/ da ihre Vortrefligkeit nicht waͤhre/ er kein Fuͤrstli- ches Erstes Buch. ches Blutstroͤpflein behalten wuͤrde/ welches er dann in künfftig noch alles auf zuschuͤtten/ gaͤnzlich be- vacht ist so bald ihm die Zeitung kommen solte/ daß er sey außgetahn bey derselben/ die er wett uͤber sich selbst liebet/ und vor allen jrdtschen Menschen der Welt erhebet. Es erhaͤlt jhn aber bißher noch/ ihre ihm bekante auffrichtige Tugend und Redligkeit/ welches umb ein grosses vermehret hat der uͤber- geschikte Gruß und das hoͤchstangenehme Armband/ welches von seinem Arme nicht kommen wird/ es sey dann/ daß er noch weitere und festere Versicherung habe dessen das da hoffet und inniglich wuͤn- schet/ Ihrer unvergleichlichen Volkommenheit untergebenster Knecht/ bißher Oedemeier/ jetzt wieder genant Herkules. Geschrieben aus Rom am XXII Tage des Jenners/ im Jahr nach meines Hey- landes Geburt CCXXVI. Das verliebete Fraͤulein ward uͤberauß hoch erfreuet/ da sie dieser Bestendigkeit in- nen ward/ vermerkete aber doch zugleich zweyerley; als daß vor erst er diese Zeit uͤber in schlimmer Dienstbarkeit muͤste zugebracht haben/ welches ihre Seele zum traͤhnenden Mitleyden bewaͤgete; hernach/ daß er gleichwol ein sehr angenehmes Laabsal in diesem Ungluͤk/ in Erkaͤntnis Gottes bestehend/ funden/ woruͤber sie sich herzlich erfreuete; dann ob zwar sein Herr Vater ihrer Fr. Mutter hatte zugeschrieben/ wie sein Sohn Herkules nicht allein seine alten Goͤtter schaͤndete/ sondern einen neuen gekreuzigten angenommen/ und in eine abscheuhliche Geselschafft/ die Christen genennet/ sich begeben/ welche aller Keuscheit und Tugend abgesagete Feinde/ in heimlichen Suͤnden uñ Schanden sich waͤl- zeten/ und daher von der Obrigkeit allenthalben durchaͤchtet und gestraffet wuͤrden/ kunte doch weder sie noch ihre Fr. Mutter ein folches dem zuͤchtigen from̃en Herkules zutrauẽ/ insonderheit/ weil nur die Teutschen Pfaffen solches ohn Grund redeten/ die in dergleichen Sachen sich ohn daß wieder andere Goͤtter gerne gebrauchen liessen/ daß sie die ihren desto hoͤher erheben/ und sich selbst dadurch ein Ansehen machen moͤchten; doch dachte sie diß- mahl diesem lezten gar wenig nach/ sondern trug sehnliches Verlangen/ des widrigen außgestandenen Ungluͤks Wissenschafft zuhaben/ ging demnach wieder hinzu Wenzesla/ der sich unterdessen fein bedacht hatte/ wie er alles ordentlich vorbringen wolte welches er ihr ruͤhmete/ und nach der Koͤnigin mitzugehen anhielt; sie aber zuvor von ihm zu wissen begehrete/ ob ihm Herkules Begebnissen/ in was Stande er bißher gelebet/ nicht bewust waͤren; welches er ihr alles anmeldete/ wie er von Pannonischen Raͤubern im Boͤmischen Walde weggefuͤhret/ durch andere Roͤmische denen abgenommen/ und nach Rom ge- bracht/ woselbst er einem Geizigen Herren/ vor Leibeigen verkaufft worden/ dem er die Pferde putzen und abrichten/ auch andere schwere Arbeit uͤber sich nehmen muͤssen/ und dannoch davon frey zu werden nicht begehret/ weil er sich in eine neue Lehre verliebet ge- habt/ davon er weder mit guͤte noch bedraͤnung des aller schaͤndlichsten Todes koͤnte abge- bracht werden/ sondern hielte sich noch vor gluͤkselig/ wann er umb solcher Lehre willen sein Blut zuvergiessen solte gewirdiget seyn; wie ich dann/ sagete er/ solche Leute auff meiner hinreise in Italien selbst gesehen/ welche sich lieber lebendig auffs Feur setzen liessen/ als dz sie den Roͤmischen Goͤttern ein wenig Weirauch haͤtten auff die Kohlen streuen wollen. Das uͤbrige wuste er nun aus Ladisla Munde zuerzaͤhlen/ der ihm solches alles umbstaͤnd- lich kundgetahn/ auch wie er nach fleissiger Nachforschung/ seiner Leibeigenschafft endlich waͤhre inne worden/ und ihn wieder loßgemacht. Sie fragete/ ob dann ihr Herr Bruder nicht allezeit bey Herkules zu Rom gewesen? Nein sagte er; er hat sich/ weiß nicht wo/ in Kriegs- Erstes Buch. Kriegsdiensten auffgehalten/ da er vermeynet/ seinem Herkules am besten nachfragen zu koͤnnen/ auch daselbst endlich so viel außgekundschaffet/ daß er seines zustandes berichtet worden/ selbst nach ihm gereiset/ und durch seines Feldherren Vorschrifft ihn loßgemacht haͤtte. Ey/ antwortete sie/ so werden sie noch wol an ihr Vaterland gedenken/ und zu rech- ter Zeit sich einstellen; aber wir wollen nach meiner Fr. Mutter kehren/ und meines Her- ren Bruders Erklaͤrung vernehmen. Diese aber saß in schweren Gedanken/ uͤberlegte den gelesenen groͤsseren Brieff auffs genaueste/ biß sie endlich an den andern auch gedachte/ welchen sie eben durchsahe/ als das Fraͤulein wieder zu ihr kam/ und diesen Inhalt lase: Gnaͤdigste Fr. Mutter und Koͤnigin; daß mir eine lautere unmoͤgligkeit sey/ die schwere Last der Kron und Herschafft in dieser meiner Jugend uͤber mich zu nehmen/ ehe und bevor ich ein Koͤnigreich zuver- walten gelernet/ welches aber nicht hinter dem Ofen/ sondern durch Erfahrung muß gefasset werden/ hat mein groͤsseres Schreiben gemeldet; wann dann solche Schuelen zimliche Kosten erfodern/ zwei- felt mir nicht/ sie werde aus muͤtterlicher Bewaͤgung gegen meinen Herkules und mich/ hierzu gerne Raht schaffen/ daß aus meinem Erb Reiche ich ohn sonderliche Beschwerung der Untertahnen/ noͤhtige Lebens Mittel haben moͤge; wie viel oder wenig/ stelle ihrer muͤtterlichen Anlage ich anheim/ als wel- che meinen Stand wol beobachten/ und mich nicht schimpfflich stecken lassen wird. Wir werden ehist auffbrechen/ unsere Reise vorzunehmen/ und zu Padua uns umb ein Schiff bemuͤhen/ woselbst/ die nach Rom an Herren Sabinus/ bey Janus Kirche wohnend uns etwa Schreiben oder Wechsel uͤberbrin- gen wuͤrden/ unter dem Tohre nachfragen koͤnnen/ ob wir vielleicht unsern Verwalter daselbst bestellẽ moͤchten/ daß nicht noͤhtig waͤhre nach Rom zuzihen. Verlasse mich hierzu Kindlich/ und nach vermel- dung eines herzlich gemeyneten Grusses an meine Fr. Mutter und Frl. Schwester von meinem Her- kules und mir/ empfehle ich sie der getraͤuen Obacht aller frommen guͤrigen Goͤtter/ verbleibend/ weil ich Lebe/ meiner herzgeliebten Fr. Mutter und Koͤnigin gehorsamster Sohn Ladisla/ bißher Winni- bald geheissen. Als sie den Brieff verlesen hatten/ hielt ihr das Fraͤulein ihren Goldfinger zu/ und sagete: Sehet gnaͤdige Fr. Mutter/ wie ein artiges Ringelein hat mein Oheim und Bru- der Fuͤrst Herkules mir zugeschicket; ja liebes Kind/ antwortete sie/ er schenket dir einen Ring/ und raubet dir deinen einzigen Bruder. Ich wil dem nicht wiedersprechen/ gab sie zur wiederantwort; dann kunte Ladisla in der Kindheit seine Eltern hindan setzen/ nur daß er seinen Herkules haben moͤchte/ wird er nach befestigter Freundschafft schwerlich von ihm abzubringen seyn. Was abzubringen/ sagte die Koͤnigin/ sie moͤchten immer hin ben- sammen seyn/ wann nur Herkules ihn nicht in die weit abgelegenen Laͤnder/ umb Ritter- schafft zu uͤben/ verlockete/ sondern mit ihm sich hieher machete/ damit wir nicht zuklagen haͤtten/ daß er unsers Waͤysentuhms Ursach waͤhre. Aber Wenzesla/ habt ihr euer Gehirn schier wieder gesamlet/ daß euch entflossen wahr? Ja/ allergnaͤdigste Koͤnigin/ antwortete er/ ich weis iezt wiederumb/ daß ich zu Prag auff dem Schlosse bin/ und werde doch von neuen wieder wankelmuͤhtig und irre gemacht/ in dem eure Hocheit ich uͤber Fuͤrst Herku- les klagen hoͤre/ und gleichwol nimmermehr nicht glaͤuben kan/ daß die uͤbergebrachten Schreiben solches verursachen solten/ angesehen ich mit meinen Ohren gehoͤret/ wie herz- lich er meinen Gn. Herꝛn anmahnete/ sich auff den Weg zumachen/ und sein Koͤnigreich anzutreten/ dessen Antwort aber wegen Schwacheit seiner Sprache ich nicht vernehmen kunte/ dann er lag damahls noch an seinen Wunden hart danieder; Ja ich habe des Fuͤr- sten freywilliges Erbieten lauschend gehoͤret/ daß er mit ihm ziehen/ und eine zeitlang sich bey Erstes Buch. bey ihm zu Prag auffhalten wolte. Die Koͤnigin kunte ihm laͤnger nicht zuhoͤren/ sondern fiel ihm also ein: Was saget ihr mir von Wunden? Ist dann mein Sohn verwundet ge- wesen? Ja freylich/ antwortete er/ und zwar so hart/ daß wir ihn schon vor todt handelten. Und sein Herkules kunte zugeben/ sagte die Koͤnigin/ daß er solcher gestalt verwundet wuͤꝛ- de? O der getraͤue Herkules/ antwortete er; Haͤtte sein unvergleichlicher Muht nicht ge- tahn/ wuͤrden wir keinen lebendigen Koͤnig haben/ wiewol er auch XXIV / aber nicht so ge- faͤhrliche Wunden bekam. Erzaͤhlete hierauff von anfange/ wie er sie ohngefehr auff der Gassen angetroffen/ das Pferd verlohren/ und sie nachgehends von den Dieben im Hause uͤberfallen waͤhren/ so daß er dessen nichts vorbey ging/ was Zeit seiner Anwesenheit sich zu Rom zugetragen hatte. Nach Endigung seines vorbringens sagete das Fraͤulein laͤchelnd zu jhm: Als viel ich aus eurer Erzaͤhlung vernehme/ habt ihr meinen Herren Bruͤdern im Gefechte wider die gottlosen Diebe tapfern Beystand geleistet. Was solte ich geleistet ha- ben/ antwortete er/ mit lachendem Munde; Mein stumpffes Schwert galt an dem Orte nichts/ so wuͤrden die tapffersten Helden der Welt meine Huͤlffe nicht haben angenom̃en; ja mich zubeschuͤtzen/ haͤtten sie nicht lassen wuͤrden; und hatte endlich meine Gnaͤdigste Koͤnigin mich nicht außgesand zu fechten/ sondern ihrem Herr Sohn nachzufragen/ daß also Euer Gn. ich vier Entschuldigungen vor eine anmelden kan/ da ich noch die fuͤnffte uñ wichtigste verschweige. Die wolte ich leicht errahten/ sagte das Fraͤulein/ wann ihrs von mir begehretet. Nimmermehr/ antwortete er/ reichen Euer Gn. Gedanken so weit. So weit? sagte sie; gilt Wenzesla/ ihr habt euch euer Haut gefuͤrchtet. Nein/ antwortete er/ Eure Gn. schiessen zwar sehr nahe/ aber sie treffen das Ziel nicht; ich furchte noch mehr meines Fleisches und meiner Knochen/ als der Haut. Dessen die Koͤnigin samt dem Fraͤulein hefftig lachen musten. Diese nun kunte nicht laͤnger harren/ ihrer vertraueten Leibjungfer Libussen solche froͤliche Zeitung mitzuteilen/ foderte dieselbe nach ihrem abson- derlichen Gemache/ fiel ihr froͤlich umb den Halß/ und sagte zu ihr: Herzliebes Kind/ was habe ich hinte diese Nacht einen uͤberaus erfreulichen Traum gehabt/ welchen ich dir nicht muchte nuͤchtern ansagen. Ja/ ja/ antwortete sie; gilt Gnaͤdigstes Fraͤulein/ wo nicht der alte Wenzesla/ welchen ich gleich jetzt gesehen/ solchen Traum mit sich als eine sicher war- heit hergebracht hat. Du hasts recht errahten/ sagte sie/ und hoͤre; Mein Herkules/ mein allerschoͤnster Herkules lebet noch/ und bleibet in meiner Liebe fest und bestaͤndig. Die Jungfer zohe jhrer Art nach/ sie auff jhre Schoß/ herzete und druͤckete sie/ und antwortete: Mein herzallerliebstes Fraͤulein/ wird Ihre Gn. mir dann nun schier danken/ daßich sie von dem hartnaͤckigten Vornehmen zu sterben/ abgehalten/ und ihren steiffen Unsin nach Moͤgligkeit gebrochen habe? sehet/ sehet/ bitte ich/ was Eure Gn. diesem ihren ergebenen Fuͤrsten vor ein Herzleid wuͤrde gemacht haben/ wann sie in ihrer Meynung fort gefah- ren waͤhre; haͤtte ers auch erdulden koͤnnen/ wann er vernommen/ daß umb seinet willen die unvergleichliche Valißka ihr den Tod angetahn? Schweige mit deiner unvergleichli- chen/ sagte das Fraͤulein/ sie sanffte auff die Backen schlagend/ du weist/ wie abhold ich die- sem Nahmen und deiner Schmeicheley bin. Das gewaͤhnet Ihre Gn. mir nimmermehr ab/ antwortete sie/ biß dieselbe mir zuvor ihres gleichen zeigen wird; daß ich mich aber der Schmeicheley muß beschuldigen lassen/ solches geschihet wider Euer Gn. Wissen und A a Gewis- Erstes Buch. Gewissen; dann Schmeichler und Fuchsschwaͤntzer sind keinem Menschen traͤue/ sagen auch niemand unter Augen/ was sie meynen unangenehm zu seyn; Ob nun mit Euer Gn. ichs bißher auch also gehalten habe/ werden sie am besten wissen. O wie viel sind wol mei- nes gleichen zu finden/ sagte das Fraͤulein/ ob ich sie dir gleich nicht zunennen weiß; und hoͤre nur einen; uͤbergehet mein Herkules/ der volkommene Herkules mich nicht in allen Stuͤcken? Ich vermische Eure Gn. mit Fuͤrst Herkules nicht/ antwortete jene: Er ist der unvergleichliche/ und sie die unvergleichliche/ die sich/ O des Gluͤks! mit einander auffs alleraͤhnlichste vergleichen werden. Und O daß der unvergleichliche jetzt an meiner Stelle sitzen/ und die unvergleichliche solcher gestalt/ wie ich/ auff seiner Schoß erst halten moͤch- te/ oder daß zum wenigsten er nur Euer Gn. erwachsener Manbarkeit solte berichtet seyn/ als dann wuͤrde ohn zweifel er nicht lange seumen/ dieselbe zubesuchen. Er wird schon zu rechter Zeit kommen/ da er leben sol/ sagte sie/ und da ihm dieses solte geraubet werden/ wil ich meiner einmahl gefasseten Bestaͤndigkeit nach/ ihm im Tode folgen; aber mein Kind/ sihe/ das ist (auff den Ring zeigend) die Gedaͤchtniß meines Herkules/ und dieses (ihr den Brieffreichend) die Versicherung seiner bestaͤndigen Liebe. Libussa lase jhn alsbald durch/ und sagte: betrachtet nun/ Gn. Fraͤulein/ wie hoch jhr euch an eurem ergebenen Schatze vergriffen/ indem jhr wegen seines Nicht-schreibens/ seine Traͤue und Bestaͤndigkeit in zweiffel gezogen/ und tuht dessen alsbald gebuͤhꝛliche abbitte/ welche an seine stat ich anneh- men/ und weil ich seinen Sinn wol weiß (dann ich habe auch ein Schreiben von ihm em- pfangen) Euer Gn. die von ihm bestimmete Busse aufflegen wil. Das Fraͤulein meynete nicht anders/ sie haͤtte wahr geredet/ und fing an gantz inniglich zu begehren/ daß ihr das Schreiben gezeiget/ oder zum wenigsten nur der Inhalt gesaget wuͤrde; Aber Libussa saß und lachete der Liebe Leichtglaͤubigkeit/ zohe sie auch noch besser auff/ und gab vor/ Herkules begehrete von ihr/ sie moͤchte unvermerkt befodern/ daß ihm das Fraͤulein mutter-nacket abgemahlet uͤberschicket wuͤrde; wodurch sie sich etwas beleidiget befand/ daher Libussa jhr diesen Irtuhm bald wieder benam/ und daß alles ihr ertichteter Schertz waͤhre; Herkules Zucht waͤhre jhr ja bekant/ welche sie nicht in zweifel zihen wuͤrde; Aber/ sagte sie/ wolte o- der koͤnte Ihre Gn. ihm nicht goͤnnen/ euer nacketes Bildniß zusehen/ da sie ihn doch nicht allein nacket beschauet/ sondern des schaͤndlichen Pannoniers Blut von seinem blossen Lei- be abwaschen helffen? Solches geschahe/ antwortete sie/ aus kindlicher Einfalt uñ schwe- sterlicher Liebe/ weil ichs vor sein selbst eigen Blut hielt/ und die vermeynete Wunde suche- te. Meynestu Naͤrrin aber wol/ daß ich mich einem schlimmen Mahler wuͤrde nacket vor- stellen/ mich abzubilden. Ich kan die Kunst selber/ sagte Libussa/ drum komme Eure Gn. mit mir/ so wil ich den Pinsel alsbald ansetzen. Halt ein mit deiner Thorheit/ antwortete sie/ und wiltu ein abgemahletes Weibesbild haben/ so laß dich abschildern/ und oͤffentlich aushaͤngen/ ob einer waͤhre dem du gefallen koͤntest; Hoͤre aber liebes Kind/ ich wil nun meine Klage- und Traurlieder alle mit einander verbrennen/ und nach diesem der Hofnung und Bestaͤndigkeit Gesaͤnge tichten/ wañ ich nur bald Gelegenheit haͤtte/ ihm sein Schrei- ben zu beantworten. Es wahr dieses Fraͤule in vor ohngefehr einem Viertel Jahre in das sechszehende Jahr jhres Alters getreten/ aber schon so manbar/ daß man sie vor sieben- zehnjaͤhrig schaͤtzete; ihrem großmuͤhtigen Hertzen und geschiklicher Vernunfft taht kein ander Erstes Buch. ander ich twas bevor/ daß jederman sie vor ein Wunder der Welt/ uñ volkommenes Mei- sterstuͤck des Himmels hielt/ ward auch nach jhres Herrn Vaters Hintrit nicht viel min- der von den Landstaͤnden/ als eine herschende Koͤnigin geehret. Der Himmel hatte sie mit einer uͤberschwenglichen Schoͤnheit begabet/ daß wer sie sahe/ sich an jhr vergaffete/ als an dem volkommensten Kunstwerk dieser Irdischeit. Von Art und angebohrneꝛ Eigenschaft wahr sie frisch und ohn Schwermuͤhtigkeit/ aber sider Herkules Entfuͤhrung ganz umge- kehret/ daß man sie immerzu traurig sahe/ und zu keiner froͤlichen Geselschafft bringen kun- te. Ihre einige Vergnuͤgung wahr Jungfer Libussa/ welche jhr Herz in Haͤnden hatte/ uñ aller ihrer Heimligkeit Wissenschafft trug/ so gar/ daß das Fraͤulein die allerinnersten Ge- danken ihr nicht verbergen kunte/ und waͤhre diese nicht gewesen/ wuͤrde sie ohn Zweiffel drauff gangen seyn. Ihrer Fr. Mutter zu gefallen/ muste sie bißweilen sich froͤlich erzeigẽ/ aber so gezwungen ding es wahr/ so selten geschahe es auch/ da dañ die Trauertraͤhnen sich gemeiniglich mit einmischeten/ dessen zwar die Mutter offt wahr nam/ aber deren eigene Ursach aus ihr nicht bringen kunte/ sondern da wante sie anfangs ihres lieben Bruders Abwesenheit/ nachgehends auch des Vaters el den fall und Untergang ein; Ja/ wann sie ihre Mutter traurig und betruͤbt sahe/ wuste sie solches als eine quelle ihrer Traͤhnen anzugeben/ weil ihre Schwermuht nicht abe- sondern biß an Wenzesla Ankunfft taͤglich zunam/ welche sie zuzeiten durch Tichtung allerhand Klage Lieder suchte zuvertreiben/ und wahr doch nicht anders als wann man Oel ins Feur schuͤttet. Ausser diesem einigen Verlust ihres liebesten Herkules/ wahr nicht leicht etwas/ welches sie zur sonderlichen Ge- muͤhtesbewaͤgung haͤtte antreiben koͤnnen/ dann ihr Herz wahr so frisch/ ihre Seele so gar ohn Furcht/ ihre Geister so munter und zageloß/ dz schon in der Kindheit bey eiteler Nacht ohn alle Geselschafft sie von einem Gemache auff das ander ging/ und dieselben verlache- te/ welche vor Gespensten sich so hart fuͤrchteten; dann ob sie wol zugab/ daß solche gefunden wuͤrden/ und zu Nacht zeiten ihr Wesen und Gepoͤlter trieben/ muͤste doch ein Mensch sich vielmehr auff der Goͤtter Schutz und sein gutes Gewissen verlassen/ als dergleichen Be- gebnissen fuͤrchten. Sie wahr so großmuͤhtig/ daß sie offt sich verlauten ließ/ wann sie der- eins eines herschen den Fuͤrsten Gemahl werden solte/ wolte sie nit zugeben/ daß die Toͤch- ter nur bloß zur Hausarbeit gewaͤhnet wuͤrden/ sondern anordnen/ daß sie taͤglich etliche Stunden sich im schiessen/ werffen und andern Waffen uͤbeten/ daß in zeit der Noht sie sich nicht in Kellern verstecketen/ sondern dem Vaterlande zu huͤlffe kaͤmen/ und ihre Ehemaͤn- ner nicht im stiche liessen. Weher aber kunte ihr niemand tuhn/ als wann man ihr in die- sem das Wiederspiel hielt/ und weibliches Geschlechts Untuͤchtigkeit einwendete/ dessen ausser ihren Eltern sich keiner durffte unterstehen. Ihres Leibes beschaffenheit betreffend/ hat wol kein Mensch ein volkommener Liebreitzungs-Bilde in dieser Welt gesehen; an ih- rem gantzen Leibe wahr nicht ein ungestaltes Flecklein/ die Gliedmassen zart und gelenke/ die Haut Milchweiß/ das Fleisch weich aber nicht welk oder hangend/ die Knochen klein aber fest/ und jhre Sehnadern so stark und rege/ daß sie im vierzehnden Jahr jhres Alters den arbeitsamsten Maͤgden den Arm mit einer Hand so fest halten kunte/ daß jhnen unmoͤglich wahr/ denselben ohn jhre willige Erlassung loßzureissen. In jhrer zarten Jugend wolte man sie in weiblichen Kuͤnsten/ als naͤhen/ stricken/ Kloͤppeln/ Goldspinnen und dergleichẽ A a ij unter- Erstes Buch. unterrichten/ aber sie verachtete solches/ vorgebend/ es waͤhre Maͤgde Arbeit/ die sich da- mit ernehren muͤsten; ging viel lieber nach der Schule/ dann ihr Herr Vater hielt ihr einẽ gelehrten Roͤmer zum Lehrmeister; doch da sie etwas aͤlter ward/ sahe sie bißweilen den Kunstlerinnen zu/ die mit der Nadel und zarter Seide das zierliche Mahlwerk nicht allein nachmacheten/ sondern wol uͤbertraffen/ nam auch wol das Werk selbst zur hand/ und nach kurtzer Unterweisung gab sie den Meisterinnen nichts bevor. Die Lateinische und Griechi- sche Sprache fassete sie sehr wol/ daß im dreyzehnden Jahre ihres Alters sie den Roͤmischẽ Livius und Griechischen Herodotus fertig lesen und verstehen/ auch ohn Huͤlffe einiges Wort-Buches auslegen/ die Griechischẽ Geschichte Lateinisch/ diese hinwieder Gꝛiechisch/ und beydes auff gut Teutsch und Boͤhmisch erzaͤhlen kunte/ welches in ihrem folgenden Ungluͤk ihr bester behelff und Vortel wahr. Ihre beyden Leib Jungfern Libussen und Bre- len fuͤhrete sie zur Lust mit an/ daß sie solche beyde Sprachen lernen musten. Ovidius Schrifften ruͤhmete sie wegen des anmuhtigen sehr artigen Lateins und fliessender Tich- ter Kunst/ aber weil er zu unzuͤchtig von Goͤttern und Menschen schrieb/ meidete sie alle sei- ne verdaͤchtige Buͤcher; uͤber Hora Flackus kurzgezwungener Art verwunderte sie sich/ und lase seine Oden- oder Lieder-buͤcher gerne/ aber Virgilius Maro/ sagte sie/ ist der Lateinischen Tichter Adler/ dem der Griechen Ruhm Homerus es lange noch nicht gleich tuht/ dann er ist gar zu luͤgenreich/ und weiß ihm die Farbe nicht so wol als jener anzustrei- chen/ hat auch den Goͤttern gar zu ungereimete Sachen zugelegt/ als ob dieselben umb der Menschen willen unter sich Krieg und Streitigkeiten anfingen/ und Gottloser meinaͤidi- ger Leute Buͤbereyen verfechten wolten; sonsten hielt sie die Geschichte von der Griechischẽ Helenen Entfuͤhrung/ von Alexander Pariß geschehen/ vor ein Getichte; dann/ sagte sie/ wie solte ein ehrliches Weib ihren Gemahl verlassen/ und so weit uͤber Meer sich mit Wil- len als eine Ehebrecherin entfuͤhren lassen? Ist sie aber so ehren-vergessig gewesen/ und hat ihr Koͤnigliches Herkommen dergestalt geschaͤndet/ was haͤtten dann die Gerecht- uñ Froͤmmigkeit-liebende Griechen nach diesem schaͤndlichen Weibe gefraget/ es waͤhre dañ/ daß sie/ Rache zu uͤben/ und ihre Unkeuscheit zu straffen/ den Zug in Asien vorgenommen haͤtten; aber hiemit stimmen die Schreiber nicht zu/ sondern Menelaus habe sie als ein Gemahl wieder gefodert/ ja sie nach erhaltenem herben Siege als ein frommes Weib wie- der zu sich genommen/ welche Narren-Liebe ich straffbahrer als Helenen Leichtfertigkeit achte/ und ruͤhme des streitbaren Helden Ajax Raht weit vor des Ulysses/ da er dieser Ehe- brecherin den Tod sol zugesprochen haben/ woruͤber er dann sein Leben durch Verraͤhterey und Meuchelmord einbuͤssen muͤssen. Wann man sie dann fragete/ wovor sie solche Tich- tereyen hielte/ wendete sie ein/ wann es nicht gar erlogen waͤhre/ wolte sie unter der Hele- nen Nahmen etwa ein schoͤnes fruchtbahres Eiland in dem Egeischen Meer verstehen/ welches die Trojaner den Griechen in des Beherschers Abwesenheit durch der Inwoh- ner Verraͤhterey und Gutwilligkeit entwendet/ und daruͤber in diesen schweren Krieg sich gestuͤrtzet haͤtten; pflag sich gleichwol dabey zu bedingen/ ein jeder moͤchte hierin seines Glaubens leben/ sie haͤtte ihre Meynung vor sich. Solcher gestalt sinnete sie den Sachen schon in der Jugend nach/ welche sie bey den alten Schreibern lase/ und verfluchete der Teutschen und Boͤhmen Unverstand/ daß sie ihrer Vorfahren Heldentahten aufzuschrei- ben Erstes Buch. ben so gar nicht achteten. Jedoch wahren die Buͤcher nicht ihre gantze Lust/ sondern Wafsen und Ruͤstung/ Schwerter und Bogen/ Pferde und Sturmzeug liebete sie uͤber- aus sehr/ aber in nichts uͤbete sie sich so hefftig/ als im schiessen und reiten/ wiewol die Pferde/ als lange ihr Herr Vater lebete/ ihr nicht allemahl bewilliget wurden. Im zwoͤlfften Jahr ihres alters lies sie leichte Fechtschwerter machen/ und in solcher Kunst sich unterrichten/ welches neben dem schiessen ihr von den Eltern wol gegoͤnnet wahr/ und sie daher in beyderley uͤberauß fertig ward. Als ihr Herr Vater sein Reich gesegnet/ ge- brauchte sie sich des reitens freier/ daß man sie selten auff der Gutsche fahren sahe/ wann sie es nicht ihrer Fr. Mutter zur Geselschafft tuhn muste. Im jagen uͤbete sie sich fast taͤg- lich/ fuͤhꝛete ihre Pfeil und Bogen zu Pferde/ und befliß sich nur das Wild reittend zu fel- len/ woruͤber sie so gewiß von freier Faust ziehlen lernete/ daß sie auch in vollem rennen die Hasen niederschoß/ und selten fehlete. Zu Pferde saß sie so geschikt und feste/ daß ihres glei- chen im ganzen Koͤnigreiche nicht wahr; die Muhtigen ritte sie am liebesten/ dann sagete sie/ das Herz nimt bey mir zu/ wann ich sehe das Tihr/ welches ich beschreite/ einen sondeꝛ- lichen Geist haben. So lange lag sie ihrer Fr. Mutter an/ da sie XIV Jahr alt wahr/ daß sie ihr endlich goͤnnete einen Reitharnisch machen zu lassen/ welchen sie taͤglich anlegete/ und etliche Stunden darin auff dem Gemache umbher ging/ auch wol inwendig in dem verschlossenen Burgplatze also bewapnet ihr Pferd tummelte/ das Schwert an der Seite/ und das Ritter Speer auf dem Schenkel fuͤhrend/ daß ihre Fr Mutter offt zu fagen pflag; bildestu dir ein/ liebes Kind/ durch diese Ubungen vielleicht ein Mannesbilde zu werden? Sie aber allemahl zur Antwort gab; sie moͤchte wuͤnschen/ daß solches moͤglich waͤhre/ oder doch zum wenigsten der Brauch seyn moͤchte/ daß das Weibliche Geschlecht den Ritterlichen Ubungen nachzoͤge; so gar hatte die Tapfferkeit ihr Gemuͤht eingenom̃en/ und wahr doch daneben ohn alle blutgierig- und grausamkeit. In Sitten und Geberden bezeigete sie sich nach aller Menschen Wunsch; man hoͤrete sie weder fluchen/ noch schel- ten/ man sahe weder leichtfertig Ding noch uͤppigkeiten an ihr/ darumb liebete und ehrete sie jederman; dem Stolz und der Unfreundligkeit wahr sie von Herzen feind/ und wan sie sich gegen jewand von Herzen freundlich und gewogen stellete/ als dan wahren ihre Auͤge- lein und ganzes Angesicht so voller Reizungen/ daß auch das Frauenzimmer selbst sich in sie verliebete/ daher es kam/ daß ihre Eltern/ wann sie recht bewaͤglich umb etwas anhielt/ ihr solches nicht bald abschlagen kunten. Im Tanzen uͤbete sie sich gerne/ aber nach Herku- les Verlust lies die Bekuͤmmernis ihr diese Lustuͤbung nicht zu/ nur wann Jungfer Libus- sa ihr zuzeiten die Schwermuͤhtigkeit außredete/ und sie nicht weniger seines Lebens als standhaffter Traͤue durch allerhand bewaͤgliche muhtmassungen versicherte/ dann lies sie sich bereden/ insonderheit/ wann diese Jungfer nach ihrer beywohnenden Anmuhtigkeit sie baht/ auff des allerliebsten Fuͤrsten Herkules Gesundheit diesen oder jenen Tanz zutuhn/ welchen die Jungfer auff der Laute dann zuspielen pflegte: Sie liebete uͤber daß die Singe- kunst und das Seitenspiel uͤberaus hoch/ dann ihr Stimmichen wahr so rein/ helle und hoch/ auch die Kehle der allerkrausesten verbluͤmlungen und bald gebrochenen bald uͤber- huͤpffenden schnellen laͤuffchen dermassen gelernig/ daß keine Faust ihr solches auff Geigen oder Floͤhten nachmachen kunte; doch hatte die durchdringende Art/ langsam und mit A a iij beben- Erstes Buch. beben der Verweilung die wichtigen Woͤrter außzudruͤcken/ noch die allerlieblich sie An- muhtigkeit in ihrem Gesinge. Die Stimme allein lies sie nicht gerne hoͤren/ sondern schlug selbst entweder die Laute oder Harffe/ und lies alsdan die Liederchen erschallen/ deren Rei- men und Singeweisen sie selbst setzete/ massen sie nicht allein zierliche Teutsche/ sondern auch Griechische und Lateinsche Verse schrieb. Ob nun gleich alle ehrbare Menschen die- ser Tugendergebenen Fraͤulein hold und guͤnstig wahren/ lies doch das boßhaffte Gluͤk ihr in der Jugend zu unterschiedlichen mahlen sehen/ dz es weder Schoͤnheit noch Froͤm- migkeit achtet/ wie ihr dann sehr fruͤh geweissaget ward/ daß sie Gluͤckes Tuͤcke wuͤrde er- fahren muͤssen; Acht Stunden vor ihrer Geburt/ taht ihre Fr. Mutter einen gefaͤhrlichen Fall/ daß man in grossen furchtenstund/ es moͤchte die Frucht schaden genommen haben; und gleich da sie gebohren ward/ ritte der Koͤnig ihr Herr Vater von der Jagt nach seinem Schlosse/ da ihm ein Balke von einem alt verfallenen Hause auff der Burgstrasse seinen Leibdiener/ welcher allernaͤhest hinter ihm her ritte/ erschlug; welches beydes also außgele- get ward/ daß das liebe Fraͤulein nicht ohn wunderselzame und lebensgefaͤhrliche Faͤlle bleiben wuͤrde; welches dann zimlich fruͤh an ihr erfuͤllet ward; massen als sie kaum neun Wochen alt wahr/ nam ein Affe (der auff dem Schlosse/ als gezaͤhmet umbher lieff)/ sie un- vermerket aus der Wiege/ und trug sie auff ein hohes Gebaͤu/ so daß/ wann Gottes Engel nicht ihr Schuz gewesen waͤhre/ sie ohn zweiffel das Leben haͤtte einbuͤssen muͤssen/ uñ ward sie mit grosser Muͤhe wieder herunter gelassen/ woruͤber doch zween Dachdecker den Hals abstuͤrzeten. Wann ihre Fr. Mutter sie des nachtes an der Brust liegen hatte/ und sie druͤ- ber einschlieff/ traͤumete ihr unterschiedliche mahl/ als wann sie eine Schlange neben sich haͤtte/ woruͤber sie erwachend/ das liebe Kind zu dreyen mahlen von sich weg aus dem Bet- te warff/ welches doch immer ohn Schaden blieb. Als sie im zehnden Jahr ihres alters wahr/ und mit etlichen des Frauenzimmers nach der Stadkirchen ging/ den gemeinen Opffern beyzuwohnen/ worzu sie dann sonderliche Lust hatte/ da lieff ein ergrimmeter wuͤ- tiger Ochse in vollen spruͤngen und mit außgestrecketem Halse ihr entgegen. Ihre zugege- bene Geselschafft sahen ihn zeitig daher kommen/ rieffen dem Fraͤulein/ die ein wenig vor ihnen herging/ stohen davon/ und verstecketen sich im naͤhesten Hause/ in meynung sie wuͤr- de/ ihrer geradigkeit nach/ mit lauffen/ und ihrer Rettung selbst acht haben; aber sie weich nicht umb einen Schrit/ sondern/ wie er mit allermacht auff sie zustuͤrmete/ sprang sie ihm gerade auff den Halß/ hielt sich mit der Linken am Horne/ wie sie best kunte/ und mit der Rechten zohe sie ihr Messerlein hervor/ welches sie an der Seite in einer silbern Scheide trug/ uñ als sie ihn nirgend besser zuverwunden wuste/ sties sie ihm solches ins Auge so tief sie kunte/ machte sich ringfertig wieder herunter/ und lies ihn immerhin rasen/ dañ er keh- rete sich nicht mehr an sie/ sondern lief wegen empfinden der Schmerzen die quere uñ brei- te/ und in dem er das Messer an einem hervorstehenden Holze außreiben wolte/ sties ers nur tieffer hinein/ biß er endlich mit hefftigem gebruͤlle zur Erden stuͤrzete/ und mit allen vieren von sich schlug. Ihr Frauenzimmer hoͤreten solches und misseten das Fraͤulein/ durfften doch nicht aus der Tuͤhr hervor gehen/ sondern kucketen durch ein Loch/ und sa- hen sie mit schimmernden Augen und zornigem Angesicht stehen/ daß die rechte Hand und Ermel ihr mit Blute gar bespruͤtzet wahr; fingen deßwegen ein klaͤgliches geheule an/ daß die Erstes Buch. die Leute des Hauses herzu gelauffen kahmen/ und ihres Geschreies Ursach nachfrageten. Das Fraͤulein trat zu ihnen hinein/ straffete sie wegen ihres weglauffens/ und sagete: So viel ich merke/ duͤrfftet ihr mich leicht im Stiche lassen/ und nur eures Heils warnehmen/ wann sich die Gefahr eraͤugete/ daß nach diesem ich nicht Maͤdchen/ sondern Kerle zu mei- ner Auffsicht haben muͤste; erzaͤhlete ihnen hernach/ wie es ihr mit dem Ochsen ergangen waͤhre. Der Koͤnig erfuhr solches zeitig/ foderte sie vor sich/ und mit halbnassen Augen sagte er zu ihr: Mein Herzen Valißken/ wie daß du nicht vor dem wuͤtigen Ochsen dich scheuhetest/ und ihm gar auff den Hals springen durfftest? Gnaͤdigster Herꝛ Vater/ ant- wortete sie/ freilich scheuete ich mich vor ihm/ aber weil ich der Flucht nicht trauete/ muste ich mich ja retten/ als best ich kunte/ sonst haͤtte er mich gar zu Tode gestossen. Er aber straf- sete sie/ neben der erinnerung/ die jungen Fraͤulein muͤsten sich so verwaͤgener Kuͤhnheit nicht gebrauchen/ die wol den herzhafften Maͤnnern misgluͤcketen. Sie hingegen wante ein/ sie waͤhre so wol gesinnet/ ihr Leben durch allerhand Mittel zu retten/ als ein Mann; und wer weis/ sagete sie/ ob ich nicht habe sollen ein Knabe werden/ weil meine Seele viel lieber mit maͤnnlichen als weiblichen Sachen umbgehet; haͤtte ich nur meinen Bogen bey mir gehabt/ ich wolte ihm die Augen beyde auß dem Kopffe geschossen haben/ ehe er mir so nahe kommen waͤhre/ dz er mich mit den Hoͤrnern erreichen koͤnnen; wil mich auch hernaͤhst wol besser vorsehen/ daß ich meine Rettung nicht mit einem Brodmesser vor- nehmen duͤrffe. Ihr Herr Vater kunte vor verwunderung ihr keine Antwort gebẽ/ streich ihr etlichemahl uͤber das Haͤuxt und sagete: Die guͤtigen Goͤtter steuren allen wiedrigen Faͤllen/ und behuͤten dich/ dz ihre Versehung an dir zu allem guten vollendet werde. Sonst taht sie mannichen hohen Fall/ welches doch immer ohn sonderlichen Schaden abging; insonderheit hatte sie kein Gluͤk auff dem Wasser/ daher sie auch selten sich der Schiffart vertrauete. Drey Tage vor ihres Herr Vaters Verlust/ ging sie mit einer kleinen Dirne abermahl hin/ dem Gottesdienst in der Stad und den gewoͤhnlichen Opffern beyzuwohnẽ/ da lieff ihr ein sehr grosser toller Hund entgegen/ vor dem sie zu ruͤcke hinter eine Brun- nenseule weich/ und da sie ihn eigentlich auff sich zu springen sahe/ fassete sie mit der Linken einen zimlichen Stein/ mit der Rechten aber ihren Dolch/ welchen sie nach erlegung des Ochsen stets/ wo sie auch ging/ zu sich nam; als nun der Hund ihr nach dem Gesichte sprang/ sties sie ihm den Stein in den Rachen/ und stach ihm zugleich die Kehle ab/ daß er zu ihren Fuͤssen nieder fiel; lies sich doch hiedurch von der Beywohnung des Gottesdien- stes nicht abschrecken/ sondern hielt bey den Pfaffen an/ daß sie vor ihres Herren Vaters Wolfahrt ein Opffer schlachten moͤchten/ welches auch geschahe/ da nach fleissiger Be- sichtigung der Leber und des Herzen ein alter Pfaffe ihr zuschrie: Durchleuchtigstes Frl. meldet/ bitte ich/ eurem Herr Vater/ unserm allergnaͤdigsten Koͤnige an/ dz seine Koͤnigl. Hocheit sich in VI Tagen nicht von ihrem Schlosse begebe/ noch falscher Lockung folge/ dañ es stehe deroselben ein nahes Ungluͤk bevor/ welches viel unleidlicher als der Tod/ oder auffs wenigste der Tod seyn wird; Euer Gnaden wil das gute Gluͤk auch noch nicht ge- traͤulich beystehen/ sondern draͤuet derselben unsaͤgliche Noht und Gefahr/ welches aber noch weiter zuruͤcke stehet. Das Fraͤulein hielt viel auff dergleichen Opfferzeichen/ da hin- gegen ihr Herr Vater sich nicht sonderlich dran zu kehren pflegete/ schlug auch vor dißmal alles Erstes Buch. alles in den Wind/ wie bewaͤglich gleich das Fraͤulein ihm solches vortrug/ auch zugleich den Unfall mit dem wuͤtigen Hunde hinzusetzete; da dann der elende Verlust bald drauff erfolgete/ wodurch das gantze Koͤnigreich in grosses Hertzleid gesetzet ward/ und sein Ge- mahl die fromme Koͤnigin seinen ungluͤklichen Tod eine geraume Zeit beklagete. Wir wenden uns aber wieder hin zu dem Fraͤulein/ sie in ihrer hohen Vergnuͤgung anzuschauen/ welche sie aus Herkules Schreiben empfing/ und ihrer Seele unmoͤglich wahr/ die innigliche Freude recht außzu druͤcken; dessen Libussa wol wahr nam/ und ihr Herz durch ein anmuhtiges Liebesgespraͤch je mehr und mehr auffwallete/ daß sie endlich eine Schreibfeder ergriff/ und von freyer Hand ein Liedlein auffsetzete/ auch demselben eine fri- sche anmuhtige weise gab/ da inzwischen Libussa ihr die Laute (welche in guter Zeit nicht gebrauchet wahr) ganz neu bezog/ die begehrete Stimmung einrichtete/ und mit Verlan- gen erwartete/ was vor Einfaͤlle dem Fraͤulein vor dißmahl fugen wolten; welche bald dar- auff dieses sang und spielete: 1 N Un Seele/ nim nun sanffte rast/ Nachdem du wieder funden hast/ Den du vorlaͤngst erkohren; Mein Herz/ nim die erquickung an/ Dann der dich voͤllig troͤsten kan/ Ist nicht so gar verlohren. 2 Der allerschoͤnste dieser Welt/ Der dich vor seine schoͤnste haͤlt/ Bleibt nach wie vor dein eigen; Wie weit er dir entrissen ist/ Wird er dannoch zu keiner frist Sein Seelchen von dir neigen. 3 Du schoͤnster Stern am Himmels Saal/ Hab’ ich das Gluͤk zu deiner Wahl? Sol ich dein noch geniessen? Du Strahlen-helles Sonnen-licht/ Vor dessen Schein der meine bricht/ Und faͤlt zu deinen Fuͤssen. 4 Wann wirstu meine wolken dann Vertreiben/ daß ich sehen kan/ Wie deine Tugend spielet? Die bloß nur auff Volkommenheit/ Mehr als die Jugend deiner Zeit Ertragen kan/ hinzielet. 5 Du Ebenbild der keuschen Zucht/ Betrachte deiner Jahre flucht/ Sey nicht so gar vermaͤssen Im Streiten wieder Frevelmuht/ Dann wer im Treffen alles tuht/ Wird endlich doch gefressen. 6 Faͤlst aber du/ so fall’ ich auch/ Dich wehe Lufft an oder Rauch/ Ich wil mit dir nur stehen/ Nicht ohne dich/ du bist allein/ Was meinem Leibe Geist kan seyn/ Dein Tod ist mein vergehen. 7 Solt’ aber meine Seele noch Mit deiner daß gewuͤnschte Joch Der keuschen Liebe tragen; So hab ich was mein Herz begehrt/ Und wann mir solches wiederfaͤhrt/ Wil ich nicht weiters klagen. Ach mein tausend schoͤnstes Fraͤulein/ sagte Libussa nach des Gesanges endigung; daß doch der allerliebste Fuͤrst dieses Liedchen von so anmuhtiger Stimme gesungen/ anhoͤren moͤchte; aber eure Gn. tuhe ihm diese Gunst/ und sende ihm dessen Abschrifft zu/ ich weis/ es wird die Krafft haben/ ihn von dem ende der Welt nach Prage zu treiben. Bey leibe schweig mein herzen Kind/ antwortete das Fraͤulein/ wuͤrde er mich nicht vor eine leicht- finnige halten/ wann er dessen inne wuͤrde? ich naͤhme nicht daß halbe Rom drum/ daß ein ander Mensch als du/ dieses Lied saͤhe oder hoͤrete; dann ob ich gleich wol leyden kan/ daß er meiner getraͤuen Liebe inne werde/ muß es doch weder durch mich noch durch meine Reimen dergestalt geschehen/ dz michs einiger weise in ungleiche Nachrede stuͤrzen koͤnte; ein Erstes Buch. ein freundliches Brieflein an ihn zu schreiben wil ich mich nicht wegern/ aber von solcher worten Gattung muß es trauen nicht gestellet seyn. Ja ja/ sagte Libussa/ liebet eure Gn. so bedachtsam/ so liebet sie noch in so flammichter Hitze nit/ als ihre Schwermuͤtigkeit michs eine zeitlang hat bereden wollen/ doch ruͤhme ich dieses an euer Gn. billich/ und bitte die guͤtigen Goͤtter/ daß sie ihre Gedanken vor außgang eines Monats befriedigen. Befriedi- gen? antwortete das Fraͤulein; doch ja/ es heisse also/ dañ ich bin noch zur Zeit befriediget/ wann ich nur offt Schreiben von ihm haben/ oder (ach Gluͤk erfreue Hoffnung) seine lieb- reiche Augen gegenwaͤrtig schauen moͤchte. Diesen Wunsch wird der Himmel bald er- fuͤllen/ sagete Libussa; aber eure Gn. wuͤnschet schon mehr Schreiben/ uñ hat dieses durch- zulesen kaum Zeit gehabt; wer weiß was folgen kan? geduldet euch mein Fraͤulein/ nichts waͤchset und reiffet auff einen Tag; gebet dem lieben Fuͤrsten Ruhe/ daß er die Schreibfe- der aus der Hand legen/ und andere Nohtwendigkeiten verrichten moͤge. Auff diese Weise reizete sie das Fraͤulein/ biß sie zur Mahlzeit gefodert ward/ da ihre Fr. Mutter mit ihr ab- redete/ daß sie alsbald einen Landtag außschreiben/ und den Reichsstaͤnden ihres Koͤniges Gesundheit und Vorhaben aus seinem eigenen Schreiben anzeigen wolte. Des folgenden tages gab sich vor dem Stadtohr ein Koͤniglicher Gesanter aus Gal- lien oder Frankreich an/ 120 Pferde stark/ und begehrete von der Koͤnigin und dem Koͤ- niglichen Fraͤulein/ im Nahmen und von wegen seines Koͤniges/ gehoͤret zu werden. Die Koͤnigin ließ ihn in der Stad mit seinen Leuten verlegen/ und setzete ihm den dritten Tag zur Verhoͤrung an/ unter welcher Zeit er nicht allein sich der Fraͤulein Wesens und Ei- genschafften erforschete/ sondern sie einsmahls auff die Jagt ausreiten sahe/ und in seinem Hertzen gestund/ daß er nie etwas volkommeners gesehen haͤtte. Es ließ aber die Koͤnigin alsbald etliche vornehme Herren/ als den Reichs Kantzler/ Herrn Bretisla/ Herrn Pri- bisla/ Herrn Krokus/ Herrn Stanisla und Herrn Bugesla zu sich nacher Prage fodern/ in deren Gegenwart die Koͤnigliche Gesandschafft solte abgelegt werden. Dem verliebe- ten Fraͤulein schwanete nichts gutes/ massen sie wuste/ daß der Sikamber Koͤnig in Gal- lien (welches ein Teutsches Volck wahr) zimlich schwach war/ und einen tapfferen hoch- beruͤhmten Sohn hatte/ so noch unverheyrahtet/ uñ nach des Vaters Hintrit in der Her- schafft folgen wuͤrde; foderte demnach ihre Libussen zu fich/ und sagete zu ihr: Mein Kind/ was sol ich nun beginnen? gilt wo diese Gesandschafft nicht bloß meinet wegen angestellet ist? Wie aber/ wann meiner Fr. Mutter diese Heyraht gefiele/ und die Reichs Sassen mit zurieten? Ich weiß nicht/ wodurch ich das leidige Gluͤk dergestalt mag wider mich erzuͤr- net haben/ daß mirs so gar keinen froͤlichen Tag goͤnnet/ der nicht mit Unruhe und Angst solte versalzen seyn? Jedoch mag dieser Gesandter bringen was er wil und kan/ so sol und muß ich meinem Herkules vorbehalten seyn/ oder allein durch einen schmerzhafften Tod von ihm abgeschieden werden. Ich stehe mit Eurer Gn. in gleichen Gedanken/ sagte Li- bussa/ wil auch nimmermehr rahten/ daß dieselbe ichtwas eingehe/ welches dem allerge- traͤuesten Liebhaber Fuͤrst Herkules koͤnte nachteilig seyn/ weil ich ohndas wol weiß/ daß mein Gn. Fraͤulein in diesem Stuͤk keinen Wechsel oder Tausch nimmermehr bewilligen wird; nur allein muß die Sache auffs vorsichtigste und kluͤglichste gehandelt/ und entwe- der abgelehnet/ oder unter lauter Ungewißheit auffgeschoben werden/ auff daß die Zeit B b ver- Erstes Buch. verlauffe/ und wir Fuͤrst Herkules von allem gute Nachricht geben koͤnnen/ welcher auff solchen fall schon wissen wird/ wie er seine Baͤnde fest legen/ und diesen Mit Buhler abwei- sen sol. Das Fraͤulein stund in tieffen Gedanken/ und gab zur Antwort: Je laͤnger ich dem dinge nachsinne/ je gefaͤhrlicher mir alles vorkomt; Dann vorerst muß nohtwendig meineꝛ Fr. Mutter/ und allen andern/ meine Fuͤrst Herkules geschehene Verheissung verborgen bleiben/ und darff ich mich im geringsten nicht verlauten lassen/ daß ich nicht mehr frey bin. Hernach werde ich solche Ursachen muͤssen einfuͤhren/ durch welche des schlauhen Kantz- lers Raht und Meynung (dann vor diesem fuͤrchte ich mich am meisten) hintertrieben werde; und schließlich muß ich dannoch gegen den Gesandten mich also bezeigen/ daß ich weder vor eine stoltze/ noch unfreundliche/ noch verwaͤgene in seines Koͤniges Lande außge- ruffen werde. Wie aber/ sagete Libussa/ wann dieser in andern Geschaͤfften abgeschikt/ und alle unsere Furcht und Sorge umsonst und vergebens waͤhre? wie dann sehr offt geschie- het/ daß wann ein Koͤnig etwa willens ist/ einen andern zu bekriegen/ versichert er zuvor durch Gesandten sich anderer Landschafften/ damit dieselben sich nicht einmischen/ und an seinem Vorhaben ihm hinderlich seyn moͤgen. Nein/ mein Libuschen/ sagte sie/ dz Hertz saget mir eigen/ daß eine Freywerbung vorhanden ist/ solte ich aber solches umsonst fuͤrch- ten/ werde ich dessen froher als kein ander seyn. Weil es nun der naͤheste Tag wahr vor der Verhoͤrung/ nam sie jhre Zuflucht zu der instehenden Nacht/ welche ihr einen heilsamen Fund an die Hand geben wuͤrde. Des Morgens da sie auffstund/ war sie ziemlich froͤlich/ und zeigete Libussen an/ wessen sie sich in ihrem Hertzen erklaͤret haͤtte/ nicht zweifelnd/ es solte solches von Einheimischen und Fremden wichtig gnug geachtet werden/ daß man den Gesanten gleich so klug wieder hinzihen liesse/ als er kommen wahr. Sie ließ sich auch von Libussen treflich ausputzen/ und solte diese ihr bey der Gesandschafft auffwarten. Die Koͤnigin hatte jhre Traurkleider angelegt/ zu ihrer Rechten stund ein Koͤniglicher Stuel/ mit einer guͤldenen Decke behaͤnget/ auff welchem die Koͤnigliche Kron/ der Reichs Apfel und ein blosses Schwert lage; Allernaͤhest saß sie/ uñ zu ihrer linken das Koͤnigliche Fraͤu- lein. An der linken Seite des Gemachs sassen obgedachter Kantzler und die vier Boͤhmi- sche Herren/ und wahr zur Rechten des Gemachs ein schoͤner Stuel vor den fremden Ge- sandten hingesetzet; welcher/ als er zur Tuͤhr hinein trat/ ehrete er die Koͤnigin und das Fraͤulein gebuͤhrlich/ und ließ anfangs der Koͤnigin einen Beglaͤubigungs Schein einhaͤn- digen/ welchen sie erbrach/ und folgenden Inhalt lase: Hilderich / der alten Teutschen Sikam- brer Groß Fuͤrst/ Koͤnig der Franken in Gallien/ wuͤnschet der Großmaͤchtigsten unuͤberwindlichsten Koͤnigin und Frauen/ Frauen Heidewieg/ gebohrner Groß Fuͤrstin der Teutschen/ anjetzo herschender Koͤnigin in Boͤhmen/ seinen Gruß und alles Liebes; Dero Liebe hiemit anzeigend/ daß der Einbringer dieses/ der aͤdle Klogio/ von uns und unserm freundlichen lieben Herr Sohn/ Groß Fuͤrst markomir/ unsers Reichs und Stuels kuͤnfftigen Besitzer/ ausdruͤklich aus unserm Reich nach Prage an Eure Liebe gesand sey/ eine unter Koͤnigl. und Groß Fuͤrstlicher Traͤue und Glauben gemeynete Werbung bey Euer Liebe und dem Durchleuchtigsten Koͤniglichen Fraͤulein in Boͤhmen/ Fraͤulein Valißken an- zutragen/ und bitten Eure Liebden freundlich/ dieselben wollen geneñeten unserm Gesanten Freyheit geben/ die Werbung abzulegen/ auch demselben/ als uns selbst/ vollkommenen Glauben zustellen. Hilderich der Koͤnig. Nach Verlesung sahe die Koͤnigin/ daß ihr muhtmassen (welches sie bißher nieman- de Erstes Buch. de offenbahret hatte) sie nicht triegen wuͤrde/ meynete aber/ das Fraͤulein wuͤrde dessen nicht die geringsten Gedanken tragen/ und gab ihr den Brief zulesen; welche ihrem Vor- satze nach/ sich noch aller dinge frey und unwissend stellete. Dem Kantzler ward darauf der Brieff von der Koͤnigin zugeschikt/ und befohlen/ mit dem Gesanten in ihrem Nahmen gebuͤhrlich zu reden; welcher auch nach Verlesung den Gesanten fragete/ wie sein Nahme waͤhre; und als derselbe sich Klogio/ einen Ritter und Koͤniglichen geheimen Raht und Oberkammer-Herrn nennete; fuhr der Kantzler also fort: Wolgebohrner Herr Klogio; es hat euer allergnaͤdigster Koͤnig/ und dessen Herr Sohn/ der Großmaͤchtigste Unuͤber- windlichste Koͤnig und Groß Fuͤrst der Sikambrer uñ Franken in Gallien/ uñ der Durch- leuchtigste Koͤnigliche Fuͤrst und gebohrner Großfuͤrst Herr Markomir/ an die auch Groß- maͤchtigste Unuͤberwindlichste Koͤnigin der Boͤhmen/ gebohrne Groß Fuͤrstin der Teut- schen/ meine allergnaͤdigste Koͤnigin/ und an das Durchleuchtigste Koͤnigliche Fraͤulein/ beyde gegenwaͤrtig/ euch abgefertiget/ Ihrer Koͤniglichen Hocheit und dero Frl. Tochter einige Werbung vorzutragen; und weil Ihre Hocheit und Durchleuchtigkeit dieselbe freun dlich anzuhoͤren bereit und willig sind/ ist von allerhoͤchstgemelter Koͤnigin euch hie- mit Freyheit gegeben/ dasselbe/ warumb ihr gesendet worden seyd/ anzumelden/ und darauf freundlicher Antwort gewaͤrtig zu seyn. Der Gesandte neigete sich hierauff sehr tieff und ehrerbietig/ und fing also an: Großmaͤchtigste Unuͤberwindlichste Koͤnigin/ auch Durch- leuchtigstes Fraͤulein; Der auch Großmaͤchtigste Unuͤberwindlichste Koͤnig und Groß- fuͤrst der Sikambrer und der Franken in Gallien/ und Ihrer Koͤnigl. Hocheit Herꝛ Sohn/ der Durchleuchtigste Groß Fuͤrst Herr Markomir/ entbieten Eurer Koͤnigl. Hocheit und Durchleuchtigkeit/ jhren freundlichen Gruß und alles Liebes/ durch mich unwirdigen/ ih- ren gevolmaͤchtigten Gesanten, und geben Ihrer Hocheit und Durchl. Oheimb- und freundlich zuvernehmen/ was gestalt hoͤchstgedachter mein allergnaͤdigster Koͤnig wegen allerhand Leibesschwacheiten/ aller gnaͤdigst gewilliget sey/ die Herschafft abzulegen/ und selbe seinem freundl. lieben Herrn Sohn voͤllig auffzutragen; Weil nun dessen Durch- leuchtigkeit annoch unverheyrahtet ist/ und Koͤnigl. Hocheit nichts so hefftig wuͤnschet uñ begehret/ als daß hoͤchstgedachter sein Herr Sohn mit einem wolwuͤrdigen Koͤniglichen Gemahl moͤchte versehen seyn/ welche mit demselben zugleich gekroͤnet und eingefuͤhret wuͤrde/ und aber Ihrer Koͤnigl. Hocheit Fraͤulein Tochter/ die Durchleuchtigste Frl. Va- lißka/ meinem Koͤnige und dessen Herrn Sohn/ als die allerpreißwirdigste und vortreflich- ste Fuͤrstin dieses Erdbodems/ von unterschie dlichen Orten her geruͤhmet wird/ als wuͤn- schet und begehret mein Koͤnig in dieser Welt nichts hoͤhers und liebers/ als einer solchen mit Koͤniglichen Tugenden volbegabten Fraͤulein Vater; dessen Herr Sohn aber/ dero- selben Braͤutigam und Gemahl zu werden; Da auch solcher ihr Wunsch und Begehren zur gluͤklichen Endschafft solte koͤnnen gebracht werden/ erbieten sich Ihre Koͤnigliche Hocheit und Großfuͤrstl. Durchleuchtigkeit/ gegen das Durchl. Koͤnigl. Fraͤulein/ Fraͤu- lein Valißka sich dergestalt zuerzeigen/ daß groͤssere vaͤterliche Liebe und Hulde/ als bey dem Koͤnige/ und mehr ergebene eheliche Traͤue/ als bey dem Durchl. Großfuͤrsten/ Herrn Markomir/ dero Durchleuchtigkeit in dieser gantzen weiten Welt nicht antreffen noch fin- den werden. Die Koͤnigin nam diese Werbung mit grosser Ehrerbietung an/ foderte den B b ij Kantzler Erstes Buch. Kantzler zu sich/ und nach kurtzer Beredung mit dem Fraͤulein (welche sich so garohn alle Bewaͤgung und Verenderung bezeigete/ als ginge sie solches nicht an) sagte die Koͤnigin dem Kantzler/ was er antworten folte; wie dann derselbe alsbald also anfing: Gegen den Großmaͤchtigsten Koͤnig der Sikambrer und Franken/ als auch dessen Herr Sohn den Durchleuchtigsten Großfuͤrsten Herrn Markomir/ bedanket jhre Koͤnigl. Hocheit und dz Durchleuchtigste Fraͤulein sich Wase- und freundlich/ wegen der geschehenẽ huldreichen Anwerbung/ erklaͤren sich auch gegen den Herꝛn Gesanten gnaͤdigst/ demselben ihrer jetzi- gen gelegenheit nach/ auff morgen umb diese Zeit/ eine auffrichtige wolgemeynete Antwort zuerteilen; und wird der Herr Gesanter gnaͤdigst ersuchet/ auff den Mittag sich bey Koͤ- niglicher Mahlzeit anzufinden. Also nam Klogio hiemit seinen Abtrit/ voller Hoffnung/ er wuͤrde seinem Koͤnige und dem verliebeten Fuͤrsten eine behaͤgliche Antwort uͤberbringen/ insonderheit/ weil er auff sehr fleissige Nachfrage/ ob das Fraͤulein schon Freywerber ge- habt/ einerley Antwort bekam/ daß man davon noch zur Zeit nicht das allergeringste ver- nommen haͤtte. So bald dieser Gesante weg gangen wahr/ begehreten der Kanzler und die andere Boͤhmische Herren/ es moͤchte die Koͤnigin und das Fraͤulein sich gnaͤdigst her- aus lassen/ wessen in dieser hochwichtigen Sache sie gesonnen waͤhren. Das Fraͤulein gab ihrer Fr. Mutter an/ sie moͤchte nach des fremden und ihr gantz unbekanten Koͤniges und seines Sohns Wesen Nachfrage tuhn/ damit man vor allen dingen wissen koͤnte/ ob sie auch der Wirdigkeit waͤhren/ sich mit ihnen einzulassen. Diese Frage stellete die Koͤnigin den anwesen den vor/ worauff der Kanzler antwortete; es waͤhre ihm dieser Franken Koͤ- nige Zustand zimlicher massen bekant/ und haͤtte er in seiner Jugend vor XXX Jahren sich eine zeitlang an des jetzigen Koͤniges Herꝛn Vaters Hofe auffgehalten/ welcher Hunno geheissen/ ein vortreflicher beruͤhmter Herꝛ/ der unterschiedliche herliche Siege von den Roͤmern/ wie auch von den Galliern erhaltẽ/ uñ seine Herschaft statlich erweitert; der jetzi- ge Koͤnig Hilderich/ waͤre zu der Zeit ein junger Herꝛ von X Jahꝛen gewesen/ an dem man eine hohe Geburtsart verspuͤret haͤtte; doch wuͤrde Herꝛ Bugesla ohn zweifel von demsel- ben ein mehres erzaͤhlen koͤnnen/ weil dessen Sohn/ wie ihm gesagt waͤhre/ vor etlichen Wochen aus demselben Koͤnigreich zu Hause kommen. Ja/ fing Bugesla an/ mein Sohn Nostriz/ welcher nunmehr VI Jahr in fremden Landen sich auffgehalten/ und Ritterschaff t gepflogen auch vor wenig Tagen wieder fortgezogen ist/ hat mir von diesem Koͤnige viel lobwirdiges gesaget/ als welcher ein sehr Weltweiser verstaͤndiger Herꝛ sey/ unerschrocken und gluͤkhafftig/ ein Schrecken aller seiner Feinde/ werde auch von seinen Untertahnen wegen seiner sanfftmuͤhtigen Herschung dergestalt geliebet/ daß sie alle bereit und willig sind vor ihn zusterben; Er hat schon XII Jahr nach seines Vaters/ Koͤniges Hunno Ab- sterben das Reich loͤblich verwaltet/ und sol einen schlimmen Schaden bekommen haben/ daꝛan er befuͤrchtet/ das Leben einzubuͤssen/ wiewol die Aerzte gutẽ Trost zur Gesundheit ge- ben sollen; Er hat ein junges Gemahl/ welche ihm schon IIX Soͤhne gezeuget/ die aber auf den einzigen Markomir alle hingestorben sind; dieser junge Herꝛ ist erst von XIIX Jahren/ aber sehr tapffer und streitbar/ dessen er beydes in- nnd ausserhalb Reichs einen grossen Nahmen erwoꝛben hat/ sol vor einem halben Jahre stillschweigend mit wenig getraͤuen Dieneꝛn aus dem Lande gezogen/ und nach Verlauff XV Wochen wieder kommen seyn/ aber Erstes Buch. aber volleꝛ Traur- und Schwermuͤhtigkeit/ so daß er weder bey fꝛoͤlichẽ Geselschaften noch bey ritterlichen uͤbungen sich findẽ laͤsset/ welches doch sider deꝛ Zeit er wiedeꝛum mag geen- dert habẽ. Mutter uñ Tochter hoͤreten dieser Erzaͤhlung fleissig zu/ uñ begehrete darauf die Koͤnigin/ das Fraͤulein solte sich vernehmen lassen/ wessen sie in dieser Sache gesiñet waͤre; welches sie aber zuͤchtig von sich ablehnete; es wolte ihr als einer jungen Tochter nicht ge- buͤhren/ ihrer gnaͤdigsten Frau Mutter hierin vorzugreiffen/ zweiffelte nicht/ dieselbe wuͤr- de mit den gegenwaͤrtigen Herren es reifflich uͤberlegẽ/ damit sie wuͤste/ was in dieser Sa- che sie weiters vornehmen/ und ihrem Herr Bruder/ der nunmehr auch ihr gebietender Koͤnig waͤhre/ davon uͤberschreiben solte/ massen sie nunmehr gezwungen wuͤrde/ ihrer Gn. Fr. Mutter/ uñ anderen guten Freunden zu offenbahren/ was Gestalt ihr Herr Bruder/ da er haͤtte hinreisen wollen/ seinem verlornen Herkules nach zu forschen/ er sie des Abends zuvor zu sich allein in den Koͤniglichen Lustgarten gefodert/ und mit hoͤchstbewaͤglichen/ teils freundlichẽ/ teils bedraulichen worten von ihr begehret/ sie solte ihm als eine getraͤue Schwester aͤidlich angeloben/ daß als lange er lebete/ sie in keine Heyraht gehehlen/ vielwe- niger dieselbe schliessen wolte/ ehe und bevor sie ihn dessen berichtet/ und von ihm bruͤderli- che Einwilligung erhalten haͤtte. Nun haͤtte sie zwar anfangs sich gegen denselben gewe- gert/ icht was von Heyrahtsachen zu reden/ weil sie noch ein Kind/ und daran nie gedacht haͤtte/ aber weil er sie solcher Anfoderung nicht erlassen wollen/ haͤtte sie seinem Willen ein Genuͤgen getahn/ welches sie auch/ umb Meynaͤid und der Goͤtter Ungnade zuverhuͤten/ auffrichtig halten und leisten wolte. Ihre Fr. Mutter/ welche nicht wuste/ ob dieses ertich- tet/ oder wahr waͤhre/ hatte daran ein gutes Wolgefallen/ wie wol/ sich dessen nicht merken zu lassen/ sie zu ihr sagete; sie haͤtte nicht wol getahn/ daß sie mit solcher Verheissung sich uͤberschnellet/ und es nicht alsbald ihren Eltern angezeiget/ welche damahls solche Zusage und aͤidliche Verbindung haͤtten auffruffen und abschaffen koͤnnen/ welches nunmehr nit wuͤrde geschehen duͤrffen/ zweiffelte auch sehr/ ob einiger von den gegenwaͤrtigen Herren darzu rahten/ uud ihres Koͤniges Ungnade wuͤrde auff sich laden wollen. Dieses wahr alles das rechte Wasser auff der Fraͤulein Muͤhle/ stellete sich doch/ als waͤhre ihr die ge- tahne aidliche Verheissung leid/ und sagte; Es wuͤrde gleichwol nicht destoweniger ihrer Gn. Fr. Mutter frey stehen/ es mit den anwesenden Herren zu berahtschlagẽ/ ob diese Hey- raht anzunehmen waͤhre oder nicht/ welches sie alsdan ihrem Herr Bruder zuschreiben wolte/ dessen Sin und Meynung ihr allerdinge unbewust waͤhre/ ob er diese Werbung wuͤrde belieben oder verbieten; und da es ihnẽ ingesamt also gefiele/ wolte sie mit ihrer ver- traueten und verschwiegenen Leib-Jungfer Libussen gerne einen Abtrit nehmen/ und ih- nen freyheit geben/ nach belieben zu handeln. So bald sie in ein abgelegenes Gemach sich begeben hatte/ fing die Koͤnigin zu den anwesenden an; liebe getraͤue; ob ich zwar bald an- fangs der Meynung gewesen bin/ diesem jungen Fuͤrsten der Sikambrer und Franken mein liebes Kind zuversprechen/ insonderheit/ weil Herr Bugesla demselben ein so gutes Zeugnis nachredet/ welches ich weder vor ertichtet noch vor falsch halten kan/ so stosset mich doch daß jetzige Vorbringen meines Kindes gewaltig vor den Kopff/ daß ich dem- selben durchaus nichts gewisses zuzusagen weiß/ sondern ihn hinweisen muß/ biß mein lie- ber Herr Sohn seinen Willen hieruͤber erklaͤren wird. Der Kanzler Herr Bretisla ant- B b iij worte- Erstes Buch. wortete; er muͤste bekennen/ daß der Fraͤulein Vorbringen ihm uͤber alle masse fremd vor- kaͤhme/ dem er zuwiedersprechen sich wol nimmermehr erkuͤhnen wuͤrde; nur allein be- fuͤrchtete er sehr/ es moͤchte der Franken Koͤnig/ ein sehr gewalkiger und maͤchtiger Herr diese Einwendung vor ein Getichte und verdeckete abschlaͤgige Antwort halten/ woraus dem ganzen Koͤnigreiche nichts gutes erwachsen koͤnte. Die Koͤnigin/ der diese Heyraht im hertzen allerdinge zuwieder wahr/ weil sie mit viel andern Gedanken umbgieng/ ant- wortete ihm darauff; sie vor ihr Haͤupt wuͤste ihre Frl. Tochter von allen luͤgenhafften Tichtereyen sehr ferne seyn/ haͤtte auch ein kraͤfftiges Zeichen/ dz sichs also verhielte; massẽ als ihr Herr Sohn von ihr und dem Fraͤulein heimlichen Abscheid genommen/ haͤtte er dieselbe einer getahnen Verheissung erinnert/ worauff sie zur Antwort gegeben/ daß sie lie- ber sterben als aidbruͤchig werden wolte. Ob aber der Franken Koͤnig solches vor ein Ge- ticht achten wolte oder nicht/ stuͤnde nicht bey ihr/ es zu verhindern/ als durch ein aufrich- tiges bejahen; doch wie dem allen/ so hoffete sie ja nicht/ daß sie eben schuldig waͤhꝛe diesem Koͤnige zum Gehor sam zu stehen; Und was wolte er machen/ sagte sie/ wann mein Kind diese Heyraht/ ihrer Freyheit nach/ gar abschluͤge/ wanns mit gebuͤhrlicher Hoͤfligkeit ge- schaͤhe? Der Kanzler/ dem vielleicht grosse Verheissungen mochten geschehẽ seyn/ be dach- te sich hierauff eines andern/ brachte vor/ es waͤhre seine Rede nicht so gemeynet/ auch nit so weit bedacht/ wolte auch hernaͤhst es dergestalt wissen zu uͤberlegen/ daß seine gnaͤdigste Koͤnigin daran ein gnugsam e s Wolgefallen haben wuͤrde. Herꝛ Pribisla/ welcher unseꝛm Herkules das Fraͤulein in seinem Herzen schon zugedacht hatte/ gab diese Stimme: Die geschehene Werbung waͤhre ehrlich und dankens wert/ aber dem Fraͤulein durch brechung ihres getahnen aͤides/ ihr Gewissen zu verunruhen/ wolte er nun und nimmermehr rahten; Ja/ sagte er/ wer weiß/ was vor hoch wichtige und dringende Ursachen unser gnaͤdigsteꝛ Koͤ- nig gehabt/ diese hochbeteurliche Verheissung von seiner Frl. Schwester zunehmen/ wel- che ich/ weil ich sie ohndas nur muhtmasse/ in meines Hertzen innersten lieber vertuschen als loßdruͤcken wil. Die Koͤnigin merkete/ daß dieser mit ihr einerley Gedanken fuͤhrete/ wolte doch kein Wort darzu reden/ sondern der uͤbrigen Meynung auch vernehmen; wel- che aber mit Pribista gantz einig wahren/ auch einen festen Sehluß macheten/ was vor ei- ne Antwort dem Gesandten solte mitgeteilet werden/ welche dem Fraͤulein vorher anzu- melden/ ihre Fr. Mutter auff sich nam. Unterdessen erfreuete sich das Fraͤulein mit jhrer Libussen/ daß jhr diese Erfindung so wol gerahten war/ und/ wie sichs ausehen liesse/ der Fr. Mutter Herz schon gewonnen haͤtte; da endlich die Jungfer zu ihr sagete: Gn. Fraͤulein/ wie komt es doch/ daß ein Warheit liebender Mensch zeit der Noht so gluͤklich liegen kan? Ich halte/ es komme daher/ weil man sich der Uuwarheit zu einem solchen nicht versiehet. Du loser Balg/ antwortete sie/ schiltestu mich so kuͤhnlich vor eine Luͤgnerin? Weistu nit/ daß man die Nohtluͤgen mit unter die Warheiten rechnet? Doch sihe/ habe ich nicht die lautere reine Warheit/ ja noch viel zu wenig geredet/ nur daß vor Herkules ich meinẽ Bꝛu- der genennet habe/ welcher aber ja auch mein Bruder/ ach ja mein herzallerliebstes Bruͤ- derchen und Tausend Schaͤtzchen ist/ mit welchem zehnmahl hundert tausend mal tausend mahl tausend Markomiren/ und wann ihr gleich noch eins so viel waͤhren/ ich mit nichten vergleichen vielweniger vertauschen kan? Die Koͤnigin trat gleich zu jhr in das Zimmer/ mache- Erstes Buch. machete jhr den Schluß zuwissen/ und befahl jhr/ daß gegen den Gesandten sie sich freund- lich bezeigen solte/ dessen sie sich willig erboht. Bey der Mahlzeit geschahe dem selben nun alle Ehre/ und wahr er gleich als verzukt uͤber der Fraͤulein Volkommenheiten/ kitzelte sich auch dergestalt in seiner Hoffnung/ daß er schon festiglich glaͤubete/ er wuͤrde seinem jungen Großfuͤrsten die rechte Arzney mitbringen. Nach geendigtem Mahle hielt er bey dem Frl. an/ ihm die Gnade eines absonderlichen Gespraͤchs zu verleihen; welches sie mit freundli- cher Hoͤfligkeit ablehnete/ biß die Antwort auff seine Werbung ihm wuͤrde erteilet seyn. Des folgenden Morgens ward er wieder vor gefodert/ da der Kanzler im nahmen der Koͤ- nigin die Danksagung vor geschehene ehrliebende Anwerbung wiederhohlete; und dar- auff anzeigete/ ob zwar ihre Koͤnigl. Hocheit nichts liebers wuͤnschete/ als dz ihꝛem freund- lichen lieben Oheimben/ dem Großmaͤchtigsten Koͤnige der Franken und Sikambern/ uñ dessen Herrn Sohn dem Durchleuchtigsten Groß Fuͤrsten Herrn Markomir/ sie eine voͤl- lig klare Antwort erteilen und zuentbieten koͤnte/ so verursachete doch ihres freundlichen lieben Herrn Sohns Herren Ladislaen Abwesenheit ein wiedriges/ und zwar aus diesem Haͤuptgrunde/ daß das Fraͤulein demselben/ als ihrem Herrn Bruder/ vor mehr als an- derhalb Jahren die aͤidliche Verheissung tuhn muͤssen/ daß ohn dessen bewust und Einwil- ligung sie keine Heyrahtshandelung anstellen/ vielweniger bestaͤtigen oder schliessen wolte; Krafft deren aͤidesleistung man nun gehalten waͤhre/ die getahne wirdige Anwerbung demselben in fremde Lande eiligst zuzuschreiben/ und gelebete man der gaͤnzlichen Zuver- sicht es wuͤrde an anderer Seiten nicht allein solche verzoͤgerung nit ungleich auffgenom- men/ sondern auch geduldet werden/ wann etwa uͤber verhoffen (wovon man doch daß al- lergeringste nicht wuͤste) der Großmaͤchtigste Koͤnig in Boͤhmen/ Herr Ladisla/ seine gelie- bete Fraͤulein Schwester schon anderwerts solte versprochen haben. Dem Gesanten wahr dieses eine unvermuhtliche Erklaͤrung/ ward auch so dutzig/ daß er nicht ein Wort darauff antworten kunte; endlich zeigete er an/ daß er alles wol verstanden/ haͤtte doch ge- hoffet/ eine gluͤklichere Verrichtung zu leisten/ und mit einer hoͤchstannehmlichen Gewiß- heit seine gnaͤdigste Herren zuerfreuen. Worauff die Koͤnigin selbst zur Antwort gab; Ge- leistete aͤide verknuͤpfeten gar zu hart/ welches vor dißmahl eine naͤhere Erklaͤrung ganz nit zulassen wolte/ solten aber die guͤtigen Goͤtter diese Heyraht versehen haben/ an welcher sie ihres teils auff ihres Herrn Sohns Einwilligung ein gutes Genuͤgen haben koͤnte/ waͤhre hernaͤhst weiters hieruͤber zuhandeln/ welches ihm vordismahl zur schlißlichen Antwort muͤste angemeldet seyn/ wuͤrde es seinen Gnaͤdigsten Herren bescheidentlich zuhinterbrin- gen/ vor geschehene gewogene Werbung zu danken/ und ihren Gruß hinwie derumb anzu- melden wissen. Hierauff muste Jungfer Libussa ihm eine statliche schwere Kette/ mit ange- bundenen Kleinot einreichen und an den Hals legen/ welche er mit untertaͤhnigster Dank- sagung annam/ hoͤrete auch gegenwaͤꝛtig an/ daß die Koͤnigin ihrem Reichs Kanzler befahl eine gehoͤrige Antwort auff den eingelieferten Beglaͤubigungs-Brieff auffzusetzeu/ und dem Herꝛn Gesanten nach Verlauff einer Stunde einhaͤndigen zulassen/ damit derselbe an seiner Reise nicht gehindert noch auffgehalten wuͤrde. Klogio hoͤrete solches ungerne/ und zeigete an/ es bestuͤnde seine Reise nicht auff solcher Eilfertigkeit/ und baht umb Frey- heit/ noch etliche Tage sich hieselbst auffzuhalten; welches jhm dann ganz willig gegoͤnnet ward. Erstes Buch. ward. Diesen ganzen Tag schlug dieser sich mit Grillen/ lies sich auch entschuldigen/ bey der Koͤniglichen Mahlzeit zuerscheinen/ aber des folgenden Morgens hielt er abermahl umb ein absonderliches Gespraͤch bey dem Fraͤulein an/ welches auff ihrer Fr. Mutter Bewilligung sie ihm goͤnnete. Da er nun auf ihr eigenes Zimmer zu jhr kam/ und daselbst keinen weiblichen Zierꝛaht/ sondern Bogen/ Pfeile/ Schwerter/ Harnisch und allerhand Pfer dezeug sahe/ wundeꝛte er sich dessen nicht wenig/ nam auch daher ursach/ das Fraͤulein also anzureden; Wann ich nicht so eigen wuͤste/ Durchleuchtigstes Fraͤulein/ daß ich auff dem Koͤniglichen Boͤhmischen Schlosse zu Prage bin/ wuͤrde ich dieses Zimmer vor mei- nes gnaͤdigsten Großfuͤrsten des unvergleichlichen Helden Markomir seine Gewehrkam- mer halten/ auff welcher von seiner Durchl. ich Abscheid nam/ als er mich hieher sendete/ umb dieselbe Arzney jhm zusuchen/ ohn welche seine fast ausgehellichte Seele ausser allem Zweiffel den wolgebildeten Leib bald verlassen wird; Ja/ Durchl. Fraͤulein/ glaͤubet/ bitte ich/ meiner Rede/ welche derselben vorzutragen ich stark befehlichet bin/ daß nemlich hoͤchst- gedachter mein gnaͤdigster Großfuͤrst durch das aller durch dringendeste Feur eureꝛ wun- derschoͤnen Auͤgelein in seiner Seele und allen Empfindligkeiten dergestalt entzuͤndet ist/ daß die hitzige Glut ihn bald verzehren und zu Asche verbrennen wird/ dafern ihm nicht durch eben dasselbe raht geschaffet werden solte/ was ihn so hart verletzet hat. Ach gnaͤdig- stes Fraͤulein/ gebet/ bitte ich/ nicht zu/ daß derselbe der Wuͤrmer Speise werde/ der sich zu ihren gehorsamsten Diensten verlobet hat/ und gebrauchet euch eurer angebohrnen Frey- heit/ welche eurem Herꝛ Bruder keine Herꝛschafft uͤber Eure Durchl. gegeben hat; ob dann gleich mein gnaͤdigstes Fraͤulein in ihren kindlichen Jahren demselben aus Unver- stande einen solchen aͤid geleistet haben moͤchte/ so ist doch dieselbe meines ermaͤssens daꝛan mit nichten gebunden/ insonderheit/ da derselbe in fremden abgelegenen Landen sich auff- haͤlt/ so daß man nicht eins weiß/ an was Ort und Enden dessen Durchl. mag anzutreffen seyn. Er hatte diese Worte kaum ausgeredet/ da klopffte eine des Frauenzimmers an die Tuͤhr/ welche das Fraͤulein/ weil sie gar allein bey jhm wahr/ aufmachete/ und etliche fꝛem- de Diener stehen sahe/ so vier schwere Laden herzu getragen hatten/ lieferten auch dieselben/ als haͤtten sie dessen gute Freyheit/ gar auff das Gemach; welche Kuͤhnheit jhr nicht wenig zu hertzen ging/ so daß sie sich nicht enthalten kunte/ zu fragen/ auff wessen Geheiß sie solches zu tuhn sich unterstuͤnden. Welches Klogio der Gesandte also beantwortete: Durchl. Frl. es uͤbersendet mein gnaͤdigster Großfuͤrst/ Herꝛ Markomir deroselben ein geringes Zeichẽ seiner Ergebenheit/ untertaͤhnig bittend/ dieselbe solches mit gnaͤdiger Gewogenheit an- nehmen/ und dadurch sein nohtleiden des Hertzetwas beruhigẽ wolle. Herꝛ Gesanter/ ant- wortete sie mit einem Ernste/ seyd ihr auff euer erstes Anbringen einer Antwort von mir gewaͤrtig/ so lasset alsbald diese eure unhoͤflichen Diener alle herzugetragene Sachen wie- der hinweg in eure Herberge bringen biß auff weiteren Bescheid/ dann es muͤssen solche unhoͤfliche Gesellen wissen/ dz jhnen nicht erlaͤubet sey/ ohn meine ausdruͤkliche Zulassung/ dieses mein Zimmer zubetreten/ vielweniger mich so veraͤchtlich zuhalten/ daß auff meine Frage sie mich nicht eins einer Antwort gewirdiget; Werdet ihr aber solches nicht schaf- fen/ werde ich schon die rechte Zeit wissen/ mich dessen bey eurem Großfuͤrsten zu beschwe- ren. Klogio entsetzete sich hieruͤber/ und mit einem Wink gab er seinen Dienern zuverste- hen/ Erstes Buch. hen/ daß sie ohn Auffschub mit allen Sachen wieder hingehen musten/ daher sie kommen wahren. Hernach fiel er in die flehe/ und baht mit einem Fußfalle umb gnaͤdige Verge- bung/ einwen dend/ daß er den groben Toͤlpeln solche Frecheit nicht befohlen haͤtte/ er auch dieselben/ da Ihre Durchl. es begehreten/ deswegen am Leben straffen wolte. Das Fraͤu- lein richtete ihn freundlich auff/ und antwortete ihm: Aus seinen Reden erkennete sie seine Unschuld/ und solte hiemit alles vergeben und vergessen seyn; bald hernach gab sie ihm zu vernehmen/ wie sie nicht unwillig waͤhre sein Vorbringen zubeantworten/ nur moͤchte sie zuvor von ihm gerne berichtet seyn/ ob sein Großfuͤrst Herꝛ Markomir sie dann gesehen haͤtte/ wie aus seinen Reden sie nicht anders muhtmassen koͤnte. Ja/ gnaͤdigstes Fraͤulein/ antwortete er/ es wolle/ bitte ich/ Eure Durchl. sich gn. erinnern/ daß vor ungefehr neun Wochen deroselben ein junger Ritter mit einem Purpur Reit Rocke und langem weissen Federpusche im Gehoͤltze auff der Jagt ohngefehr begegnet/ sie freundlich gegruͤsset/ und gefraget/ ob sein Weg recht nach Prag zuginge; Worauff sie jhm mit einem kurtzen Ja geantwortet/ und ohn verweilen dem Wilde nachgeeilet. Es kan seyn/ antwortete sie/ wie- wol ich mich dessen kaum erinnere. Ist aber derselbe euer Großfuͤrst gewesen? Ja/ sagte er; und hat dessen Durchl. sich darauff XII Tage in Prag als ein schlechter Ritter auffge- halten/ auch taͤglich Gelegenheit gesucht/ ihr allerliebreizendeste Angesicht zusehen/ woruͤ- ber eꝛ vor unleidlicher Liebeshitze in eine gefaͤhrliche Krankheit gerahten ist/ daß er sich also schwach hat muͤssen lassen nach seiner Heymat hinfuͤhren/ ist auch sider dem nicht genesen/ sondern des steiffen Vorsatzes verblieben/ seinem Kummer durch den Tod die Endschaft zugeben; biß der Koͤnig sein Herꝛ Vater durch einen jungen aͤdelman/ welchen der junge Großfuͤrst hefftig liebet/ die Ursach seiner Schwacheit in Erfahrung gebracht/ und ihn heissen gutes muhts seyn/ unter der verheissung/ durchaus nichts zu sparen/ biß er ihm die- se wirdige Heyraht haͤtte zuwege gebracht/ ob er gleich seingantzes Vermoͤgen dran setzen solte. Sehet/ Gnaͤdigstes Fraͤulein/ einen solchen inbruͤnstigen Liebhaber hat dieselbe an meinem Gnaͤdigsten Großfuͤrsten/ welcher meines ermaͤssens verdienet/ daß durch Euer Gn. Beguͤnstigung sein Leben gerettet und dem fruͤhzeitigen Tode entrissen werde. Es muͤste mir sehr leid seyn/ antwortete das Fraͤulein/ daß ein so ruhmwirdiger Fuͤrst meinet wegen einiges Ungemach erleiden solte/ weiß auch wol/ daß meine ganz geringe Schoͤn- heit der Wirkung nicht ist/ einen solchen Fuͤrsten in Liebes Leyden zu stuͤrzen/ sondern eine falsche Einbildung/ oder sonsten ein schaͤdlicher Zufal muß dieses bey ihm verursachet ha- ben. Doch wie dem allen/ so vernehmet/ Herꝛ Gesanter/ meine Gewissens-noͤhtige Ant- wort auff euer erstes vorbringen. Ihr rahtet mir/ ich solle meiner angebohrnen Freyheit mich gebrauchen/ und wollet mir zugleich einbilden/ der meinem Herꝛ Bruder von mir ge- leistete aͤid verbinde mich nicht zum gehorsam dessen/ was ich so teur versprochen habe. Zwar es mag der Herꝛ Gesandter/ angesehen meine Jugend und weibliches Geschlecht/ mich vor so unverstaͤndig halten/ als wuͤste ich diesem seinen Vorbringen nicht mit guͤlti- ger Wiederlegung zu begegnen; und gestehe ich gerne/ daß meine Einfalt vielleicht nicht sihet/ was verstaͤndigere sehen; aber daß ich gleichwol nicht gar in der Maulwurffs-blind- heit liege/ wird verhoffentlich meine kurtze Antwort in etwas Anzeige tuhn. Der Herꝛ Ge- santer erinnert mich meiner Freyheit/ die ich Gott Lob von meiner Geburtsart habe; Ja C c ich Erstes Buch. ich erinnere mich derselben ohndas selbsten/ wolte sie auch nicht umb aller Welt Gut ver- tauschen/ aber dieselbe heisset mich nicht/ meines Herꝛn Bruders (welcher nunmehr auch mein gebietender Koͤnig ist) wolgemeyneten recht bruͤderlichen Willen (dessen ich gantz gewiß bin) zuverachten/ oder vor nichts zu schaͤtzen/ sondern meine Vernunfft heisset mich vielmehꝛ meine angebohrne Freyheit allemahl mit dem Zucht- und Tugendstabe zu maͤs- sen/ und ausser derselben keine freyheit zu begehren. Ja Herꝛ Gesanter/ ich gebrauche mich meiner freyheit recht und gebuͤhrlich/ indem ich mich von demselben nicht bereden lassen wil/ etwas zubegehren/ das nicht aus freyheit/ sondern aus frecheit entspꝛingen wuͤrde/ wañ ichs taͤhte. Dann sehet weiter/ ihr woltet mir gerne/ weiß nicht durch was vor einen nichti- gen blauen Dunst/ einbilden/ ich waͤhre nicht schuldig meinen geleisteten hoch beschwornen aͤid zu halten; dann es waͤhre in kindlichen Jahren geschehen/ es waͤhre aus Unverstande geschehen/ und mein Herꝛ Bruder und Koͤnig waͤhre nicht anheimisch/ sondern in frem- den Landen. Gnug lasset ihr euch dadurch vernehmen/ daß ihr mich vor eine unverstaͤndi- ge haltet/ davor ihr mich ausdruͤklich scheltet/ und ich eurem Verstande zu gute halte; A- ber heisset nach diesem eure Kinder die aͤide brechen/ welche man Goͤttern aus wolbedach- tem Muhte schwoͤret/ und nicht mich/ die ich von Jugend auff von meinen lieben Eltern zur Gottesfurcht angewiesen bin/ keiner Goͤtter zu spotten/ sondern lieber zu sterben/ als wi- der dieselben zu suͤnoͤigen; Ja wagets vor euch selbst/ und brechet die Geluͤbde den Goͤttern getahn/ ich werde euch in dieser Lehre nimmermehr folge leisten; Habe ich dann in kindli- cher Jugend den aͤid abgestattet/ so habe ichs doch/ ohn Ruhm zu melden/ wol verstanden/ was ein aͤid nach sich fuͤhret/ und haͤtte ichs aus Unverstande getahn/ so wuͤrde gleichwol diese Zeit her derselbe in etwas verringert seyn/ da ich jhn noch diese Stunde vor verbind- lich halte/ und biß an meines Lebens Ende halten wil. Daß aber mein Herꝛ Bruder nicht hier bey uns ist/ so wuͤrde mich ein solches von dem Meinaͤide nicht befreyen/ so lange ihr mir nicht dartuhn koͤnnet/ daß die Goͤtter auch nicht bey uns seyn/ bey welchen ich geschwe- ren habe. Klogio wahr durch diese Antwort dergestalt beschaͤmet/ daß er kein Wort dawi- der reden kunte; endlich noch fing er an: Durchl. Fraͤulein/ ist etwa ein verflogen unbe- dachtsam Wort aus meinem Munde mir entwischet/ daß ich aus Kummer uͤber meines Durchl. Großfuͤrsten elenden Zustand nicht alles so genaue uͤberlegen kan/ bitte ich unter- taͤhnigst/ mir solches gnaͤdigst zu verzeihen; Und nachdem ich einen solchen hohen Ver- stand bey Eurer Durchl. Jugend finde/ welcher in wenig grauen Haͤuptern zu suchen ist/ so flehe dieselbe ich durch alle Goͤtter an/ vor meinen fast leztzuͤgigen Großfuͤrsten eine heil- same Arztney mir gnaͤdigst mitzuteilen. Solte euer Großfuͤrst meinet wegen in einige Un- gelegenheit gerahten seyn/ solches wuͤrde mich nicht wenig bekuͤmmern/ sagte sie; und ist es euch ein Ernst/ bey mir Raht zu suchen/ so wil nach meinem geringen Verstande ich euch einen solchen mitteilen/ welchen verhoffentlich kein Verstaͤndiger tadeln/ und kein Mensch verbessern wird. Unterrichtet euren Fuͤrsten/ oder fuͤhret jhm zu Gedaͤchtniß/ daß ein jeder/ er sey Fuͤrst oder Baur/ seinen Willen in der Goͤtter Willen hinstellen/ und mit deren Schickung allemahl friedlich seyn muͤsse/ so daß wider deren Versehung er nichts begehren sol; Hat nun der Himmel mich diesem euren Großfuͤrsten zum Gemahl auser- sehen/ alsdann werden die Goͤtter es fuͤgen/ daß mein Herr Bruder sich dagegen nit sper- re; Erstes Buch. re; wuͤrden aber die Goͤtter mit eurem Großfuͤrsten/ wie auch mit mir ein anders vorha- ben/ als dann wird unser keiner den Himmel stuͤrmen/ noch den Schluß der allwaltigen Versehung brechen koͤnnen; ich meines teils versichere den Herrn Gesanten/ daß kraft meines getahnen aͤides ich nicht anders fahren kan noch wil/ sondern lieber tausend See- len/ wann ich sie haͤtte/ mit meinem Blute außspeyen/ als mich in der Goͤtter schwere und unvermeidliche Ungnade stuͤrtzen. O ein guter und heilsamer Raht vor einen vernunfft- maͤchtigen Menschen/ antwortete Klogio/ aber wo die Liebesbegierden die Herschaft fuͤh- ren/ da hilfft er zu nichts/ als zum schleunigen Verderben. So muß auch ein Mensch lie- ber verderben/ als wider die Goͤtter sich aufflehnen/ antwortete sie/ und ist dieser Raht eu- rem Großfuͤrsten nicht behaͤglich/ muͤsset ihr euch nach einem bessern umtuhn/ aber danebẽ wissen/ daß wann eures Koͤniges von euch angefuͤhrete Reden/ zur Bedraͤuung solten ge- meynet seyn/ nehmlich/ er wolle sein gantzes Vermoͤgen dran setzen/ mich seinem Sohn zu liefern; sage ich euch zu/ daß eures Koͤniges Vermoͤgen/ ja der ganzen Welt Macht nicht stark gnug sey/ mich von der Goͤtter gehorsam abzuschrecken/ als lange ich solcher Gottlo- sigkeit durch einen ruhmwirdigen ehrlichen Tod vorkommen kan; und wil auff solchen un- verhoffeten fall euch gewißlich nicht bergen/ daß gleichwol hinter dem Berge auch Leute wohnen. Wil nun euer Koͤnig weißlich handeln/ wie er ja wegen seiner vorsichtigen Klug- heit hochberuͤhmet ist/ so wird er meines Herꝛn Bruders Erklaͤrung erwarten/ ob gleich dieselbe sich in etwas verweilen duͤrffte/ insonderheit/ weil wir beyderseits noch so zu rech- nen Kinder sind/ und zu heyrahten Zeit genug vor uns haben; Dieses ist meine Erklaͤrung/ dabey bleibe ich bestaͤndig biß in den Tod. Ich muß mich damit befriedigen lassen/ antwor- tete er/ wie wenig Trost auch mein Fuͤrst daraus zuschoͤpffen hat/ nur wolle Eure Gn. mei- nes Koͤniges erbieten gegen seinen lieben Sohn nicht gefaͤhrlich ausdeuten. Eines aber hoffe ich noch zuerhalteu/ daß Eure Durchl. dieses von dero ergebenem Knechte geschrie- bene Brieflein gnaͤdig anzunehmen jhr werde gefallen lassen; mit welchem Worte er sol- ches einzuliefern bedacht wahr; dessen sie sich aber also wegerte: Es wil einem zuͤchtigen Fraͤulein nicht anstehen/ hinter ihrer Fr. Mutter Wissen von jungen verliebeten Fuͤrsten/ Briefe zu nehmen/ aber wann er mir solchen in dero Gegenwart darbeut/ und ihr Befehl mit zustimmet/ bin ich darzu willig. Muste also der gute Klogio auch hieselbst einen blossen schlagen/ und das Schreiben zuruͤk halten/ weil er ausdruͤklichen Befehl hatte/ es ihr in geheim beyzubringen; Und als er sahe/ daß durch weitere Anstraͤngung er die Sache nur verderben wuͤrde/ brach er nach kurzgenommenem Abscheid des folgen den Tages auff/ voll Unmuht/ daß er weniger als nichts verrichtet hatte. Sein Abzug wahr allen angenehm/ und geboht die Koͤnigin auf der Fraͤulein begehren/ den Boͤhmischen Herren/ welche hieꝛ- umb Wissenschafft trugen/ ganz ernstlich/ daß sie keinen Menschen davon sagen solten. Auff den angesetzeten Reichstag erschienen die Staͤnde willig/ denen die Koͤnigin durch Herr Bretisla ihren Kanzler vortragen ließ: es haͤtte ihr lieber getraͤuer Wenzesla ihren Sohn Herꝛ Ladisla ohngefehr zu Rom angetroffen/ da er desselben Tages neben seinem bruͤderlichen Freunde Fuͤrst Herkules einen gefaͤhrlichen Kampff wieder XVI Raͤuber an- getreten/ aber durch ihre Mannheit/ wiewol nicht ohn empfangene Wunden sich loßgear- beitet. Zwar sie haͤtte an ihren Herꝛ Sohn instaͤndig begehret/ daß er sich ehist einstellen/ C c ij und Erstes Buch. und die Herschafft antreten moͤchte/ aber die Ursach seines aussenbleibens wuͤrden sie aus seinem Schreiben selbst vernehmen. Hierauff zohe die Koͤnigin das groͤssere Schreiben hervor/ und reichte es dem Kanzler/ welcher es uͤberlaut lase/ daß alle Anwesende es deut- lich vernehmen kunten: Ladisla/ Erbkoͤnig in Boͤhmen/ entbeut der Großmaͤchtigsten Fuͤrstin und Frauen/ Frauen Hei- dewieg/ gebohrner Groß-Fuͤrstin aus Teutschland/ gekroͤneter verwittibter Koͤnigin in Boͤhmen/ sei- ner Gn. Fr. Mutter/ Kindliche Liebe und Traͤue bevor. Herzgeliebte Fr. Mutter/ euer Schreiben ne- ben uͤbergeschtkten Kleinoten und Wechselbriefen habe ich von Zeigern Wenzesla wol empfangen/ be- danke mich kindlich der geleisteten muͤtterlichen Traͤue/ und ist mir herzlich leid/ daß mein Gn. Herr Vater/ Herr Notesterich/ Koͤnig in Boͤhmen/ diese Welt gesegnet/ und durch einen leidigen Unfall sei- nen Untertahnen/ Gemahl und Kindern von der Seite hinweg gerissen ist/ empfinde doch daneben ei- nen sonderlichen Trost aus obgedachtem Schreiben/ daß das gantze Koͤnigreich der Woltahten mei- nes Herꝛn Vaters hoͤchstseel. eingedenke/ mich ihren angebohrnen Reichs Erben von Herzen wuͤnschẽ/ und zu ihren Koͤnig zu kroͤnen begierig sind/ welches zeit meines Lebens mit sonderlichen Gnaden zu erkennen ich mich schuldig befinde. Als ich aber ein hartverbindliches Geluͤbde in meinen aͤussersten Noͤhten dem hoͤchsten Gott Jupiter geleistet/ daß zur Dankbarkeit vor die erwiesene Huͤlffe ich seine Kirche in Libyen zum Jupiter Hammon genennet/ besuchen wolte/ und daher in meinem Gewissen nicht ruhig seyn kan/ biß ich mein versprochenes Opffer daselbst gegenwaͤrtig geleistet/ so zweiffelt mir nicht/ es werde meine Fr. Mutter und die saͤmtlichen loͤblichen Staͤnde meines Erb Koͤnigreichs ihnẽ solches gefallen lassen/ insonderheit/ weil der Durchl. Großfuͤrst Herkules auff mein bittliches Ansu- chen mich dahin begleiten wird. Weil ich dann nicht wissen kan/ wie bald meine Reise moͤchte geendi- get werden/ und dannoch inzwischen das Koͤnigreich ein gegenwaͤrtiges Haͤupt haben muß/ als wird meine Fr. Mutter mit Zuzihung der groͤssesten Landes Herren (die im eingeschlossenẽ Zettel nahmhaf- tig gemacht) die Reichsverwaltung biß dahin getraͤulich handhaben/ daß auff meine (so die Goͤtter wollen) Wiederkunfft/ dem gantzen Reiche deßwegen gebuͤhrliche Rechenschafft koͤnne gegeben wer- den; im fall aber der Tod mich uͤbereilen solte/ ist meine geliebte Frl. Schwester/ Frl. Valißka/ die naͤ- heste Erbin/ dessen sie mit keinem Rechte mag beraubet werden. Jedoch getraue ich den gütigen Goͤt- tern/ sie werden inwendig zweyer Jahre frist mich wiederumb nach Hause bringen. Die maͤchtigen Ruͤkhalter unsers Koͤnigreichs (da innerliche Empoͤrung oder aͤusserlicher Krieg entstehen wuͤrde) weiß meine Fr. Mutter ohn mein erinnern/ nehmlich den Großmaͤchtigsten Groß Fuͤrsten der Teut- schen/ Herrn Henrich/ wie auch den Großmaͤchtigsten Koͤnig in Schweden Herrn Haron/ welche auff begehren ihnen keine Huͤlffe versagen werden. Empfehle hiemit mein geliebtes Reich/ Fr. Mutter und Frl. Schwester dem Schutz aller Goͤtter. Gegeben in Rom am XXIX Tage des Jenners/ an welchem Tage vor XXV Jahren meine Eltern ihr Koͤnigliches Verloͤbniß auff dem Schlosse zu Prag gehalten. Ladisla. Nach verlesung lies die Koͤnigin den Brieff in der Versamlung umbher reichen/ nicht allein die Hand und das Pitschafft/ zuerkennen/ sondern es auch selbst durch zulesen/ dessen sie sich alle wegerten/ als welche an der Koͤnigin Aufrichtigkeit nicht zweiffelten/ auf- ser einer/ nahmens Herr Ninisla/ besahe es hinten und fornen/ lase und wiederlase es/ und stellete sich dabey zimlich ungeberdig/ welches den meisten Anwesenden sehr uͤbel gefiel/ daß endlich Herr Krokus/ der ihm am naͤhesten saß/ zu ihm sagete; Ob er etwas Zweiffel haͤtte/ moͤchte ers ihm nur in vertrauen andeuten. Dieser antwortete/ es koͤnte solches hernach geschehen/ nur moͤchte man den Nebenzettel sehen lassen/ auff welchem die Reichs Raͤhte verzeichnet stuͤnden. Es ward solches alsbald geleistet/ und befunden sich diese Nahmen: Herr Bretisla wiederbestaͤtigter Reichskanzler/ Herr Zeches/ Herr Wlodimir/ Herr Vorich Erstes Buch. Vorich/ Herr Bela/ bestaͤtigte Land-Kriegs- und Schaz Raͤhte; Herr Krokus/ Herr Bu- gesla/ Herr Stanisla/ Beysitzer. Ninisla hatte gehoffet/ mit unter dieser Anzahl zu seyn/ und als er ein wiedriges befand/ hielt er an/ daß etliche von der Ritterschafft/ welche er mit Nahmen nennete/ einen Abtrit mit ihm nehmen moͤchten. Es ward ihm solches gerne erlaͤubet/ weil die benenneten sich nur auff XIV Haͤupter erstraͤcketen/ unter welchen seyn Sohn Urisla mit wahr. Als diese von den andern abgesondert stunden/ fing Ninisla also an: Ihr meine liebe Herren und Anverwanten/ was duͤnket euch bey dem abgelesenen Schreiben? Es ist zu Rom geschrieben/ bey unsern und aller freien Koͤnigreichen abgesa- geten Feinden; es ist ein Befehlschreiben an alle Staͤnde von einem der noch nicht zur Kron befodert ist; der Urschreiber setzet nach freiem Willen Vorsteher des Landes/ und fraget die Staͤnde nicht eins/ da er selbst noch zur Zeit weder Stand noch Haͤupt ist. Uber daß komt mir das Schreiben an sich selbst sehr verdaͤchtig vor/ und klinget in meinen Oh- ren nicht anders als haͤtte Bretisla der stoltze Mann es selbst auffgesetzet; welches ich umb so viel mehr vor wahr halte/ weil vor wenig Tagen mir ein reitender Bohte auß Rom be- gegnet/ welcher auff meine Nachfrage nach neuen zeitungen/ mich unter anderen berichte- te/ es waͤhren zween junge fremde Ritter vor weniger Zeit in Rom von XVI Haͤschern ni- dergemacht/ welche von dem Kaͤyser befehlichet gewesen/ dieselben als feindliche Kund- schaffter gefaͤnglich anzunehmen/ weil sie aber sich nicht ergeben wollen/ waͤhren sie also ni- dergestossen. Was wollen wir nun tuhn/ ihr meine Freunde/ wollen wir schweigen oder reden? wollen wir das Vaterland verrahten oder retten? Zwar unsere Macht ist gerin- ge/ aber gebet mir Volmacht zu reden/ und stehet fest bey mir/ was gilts/ wir wollen den Strik zureissen/ damit man uns fesseln wil. Ninisla wahr bey dieser Rotte in grossem Ansehen/ und daͤuchte sie sein Vorbringen der Wahrheit gemaͤß/ daher sie ihm allen Bey- stand verhiessen; er aber alsbald Freyheit zu reden von der Koͤnigin begehrete. Der Kanz- ler wuste daß er ein Unruhiger und Ehrgeiziger Mensch wahr/ redete mit der Koͤnigin/ und auff deren Gutheissen antwortete er also: Ihr begehret gehoͤret zu werden/ Herr Ninisla/ und seid so kuͤhn gewesen/ in gegenwart unser allergnaͤdigsten Koͤnigin und der Durchl. Fraͤulein/ etliche eurer Anverwanten auffzufodern/ und mit denen einen abson- derlichen Rahtschlag zu halten/ noch ehe dann unsere allerseits hoͤchstgebietende Koͤnigin alle Notturfft vorgetragen hat. O sehet euch ja vor und machet euch nicht selbst Ungele- genheit; habt ihr aber etwas anzumelden/ so lasset zuvor alles ungestoͤret geschehen/ was unsere gnaͤdigste Koͤnigin zu handeln willens ist. Also muste dieser ruhen/ und zuvor an- hoͤren was der Alte wenzesla auff der Koͤnigin Befehl muͤndlich vortrug; er haͤtte auff gut Gluͤk seinen Weg auff Rom genommen/ weil ihm sein Herz zugetragen/ sein Koͤnig wuͤrde daselbst anzutreffen seyn/ welcher ihm auch bey seinem Einzuge in der Stad/ auff der Gassen nebest Fuͤrst Herkules begegnet/ und ihn mit sich in ihre Herberge gefuͤhret/ da sie bald darauff von XVI Dieben mit Schwertern uͤberfallen waͤhren/ haͤtten sie aber duꝛch ihre Krafft alle nidergeschlagen/ und durch fleiß eines beruͤhmten Arztes nahmens Gale- nus/ waͤhren sie an ihren Wunden geheilet/ welche ganze Zeit uͤber er ihnen auffgewartet/ biß sie thre voͤllige Gesundheit erlanget/ und zu einer weiten Reise sich fertig gemacht haͤt- ten; ihr damahliger Roͤmischer Wirt hiesse Sabinus/ wohnete nicht weit von der Kirche C c iij Pantheon/ Erstes Buch. Pantheon/ woselbst alles vorgelauffen waͤhre; bey dem koͤnte man sich erkunden/ und stuͤn- de er hieselbst/ den abscheuhlichsten Tod zu leiden/ wo sichs anders verhielte. Ninisla be- gunte von seinem Gewissen geaͤngstet zu werden/ welches ihm Krokus ruͤhrete/ da nach Wenzesla gehaltener Rede er ihn traͤulich warnete/ sich wol vorzusehen/ um weitern Ver- dacht zu meyden; er wuͤste daß ihm schon ungleiche Nachrede erwachsen waͤhre/ darumb daß er den Koͤnig auff die Jagt gelocket/ woselbst er erschlagen worden. Ninisla sagte zu ihm/ er wolte ihm bald Genuͤgen tuhn; stund auff und meldete dem Kanzler an/ er und an- dere mit ihm/ waͤhren ihres zweiffels durch des alten Außreiters Erzaͤhlung entnommen/ daß er nichts vorzutragen haͤtte/ nur dz er hoffen wolte/ man wuͤrde einen redlichen Freund des Vaterlandes seiner Freyheit nicht berauben/ bey Reichsversamlungen etwas vorzu- tragen/ dann ob er gleich in keinen Reichsamteꝛn saͤsse/ liesse er dannoch ohn Ruhm zumel- den/ ihm des Landes Wolfahrt ja so eiferig/ als ein ander/ angelegen seyn. Daran handelt ihr recht und loͤblich antwortete der Kanzler/ und wann mit etliche tausend Kronen ich mich von meinem muͤhseligen Ampte loßkaͤuffen koͤnte/ wolte ich solches mit freuden tuhn. Jener taht/ als ginge ihn diese Rede nicht an/ sondern wendete sich zu Krokus/ und gab vor; daß er seinen Weyland gnaͤdigsten Koͤnig auff die Jagt geruffen/ waͤhre auff dessen außdruͤklichen Geheiß geschehen/ und da jemand deßwegen ichtwas auff ihn zu sprechen haͤtte/ solte er solches mit recht tuhn/ alsdan wolte er demselben redlich zubegegnen wissẽ; koͤnte aber dannoch nicht unterlassen/ es seuffzend zu beklagen/ daß das Reich einen/ und doch keinen Koͤnig haͤtte; doch was die gesamten Staͤnde vor gut achten wuͤrde/ solte ihm mit gefallen. Dieselben nun/ nach kurzer beredung/ befahlen der Koͤnigin die oberste Auff- sicht/ und den acht genenneten Herren die Mitherschafft; als sie auch vernahmen/ daß viel- leicht ihr Koͤnig noch wol zu Padua seyn moͤchte/ oder zum wenigsten daselbst unter den Tohren Nachricht verlassen haͤtte/ welchen Weg er eigentlich genommen/ beschlossen sie/ etliche ihres mittels dahin zu senden; zu welcher Reise dann Herr Ninisla sich gutwillig anerboht/ aber den Bescheid bekam/ die Koͤnigin mit zuziehung der Herren Reichs Raͤhte wuͤrden schon waͤhlen/ welche sie darzu duͤchtig erkenneten da es ihn so bald als einen an- dern treffen koͤnte. Als nun die ganze Versamlung vonein ander gehen wolte/ deutete ein alter vornehmer Herr/ nahmens Pribisla an/ er haͤtte der hochansehnlichen Versamlung etwas guter Meynung vorzutragen/ da er sonst koͤnte gehoͤret werden; und auff erlaͤubnis fing er also an: Hochaͤdle Herren und Freunde/ wir tuhn recht und wol/ daß wir unserm Erbkoͤnige/ dem Durchleuchtigsten Fuͤrsten und Herren/ Herren Ladisla/ durch Abgesan- ten unsern Gehorsam und untertaͤhnigste Dienste anmelden wollen/ welches auch seine Durchl. ohn zweiffel gnaͤdigst annehmen und außdeuten wird; aber ihr meine Herren/ auff was Art und Weise wollen wir solches verrichten? ists etwan gnug/ daß die kuͤnfftige Herren Abgesanten/ wer sie dann seyn werden/ ihre Werbung muͤndlich vortragen/ oder etwa ein Schreiben/ von unser allerseits gnaͤdigsten Koͤnigin/ und den hochansehnlichen Herren Reichs Raͤthen versiegelt und unterzeichnet/ zum Beweißtuhm mit sich nehmen? Solches wird ja niemand vor gut halten/ der nur bedenket/ daß unser Herr und Koͤnig nit zu Prag auff dem Schlosse/ noch in Teutschland bey seiner Fr. Mutter Herr Bruder dem Großmaͤchtigsten Großfuͤrsten/ sondern in der Wildfremde sich auffhaͤlt/ wo selbst seine Durchl. Erstes Buch. Durchl. eben so viel eigenes hat/ als der geringste von unsern Dienern; warumb wolten wir ihn dann huͤlffloß lassen/ und nicht mit gebuͤhrlichen Koͤniglichen Lebensmitteln ver- sehen? Waͤhre es anderst zurechnen/ ihr meine Herren/ als daß er sich mit unserm guten Willen aus seinem Eygentuhm verbannete/ und dessen nicht eins zu seiner Notturfft zu geniessen haͤtte? Die Vernunfftlosen Bienen unterhalten ja ihren Koͤnig/ fliegen auß/ uñ hohlen ihm daß aller suͤsseste ein; und wir wolten unsern Koͤnig/ da er/ dem Boͤhmischen Nahmen Ruhm zuerwerben außfleuget/ und uns als faule Hummeln im Stocke zehren laͤsset/ ohn Mittel/ ohn Gelder/ und noͤhtige zehrungskosten/ darben und verderben lassen? Ich schaͤme mich/ das Beyspiel der unflaͤtigen Ratzen einzufuͤhren/ von denen die Maͤuse- faͤnger melden/ daß sie ihrem Koͤnige den besten uͤberfluß zuschleppen. So lasset uns nun die unvernuͤnfftigen Tihre fragen/ was Gestalt unsere Abgesanten vor unserm Koͤnige er- scheinen muͤssen/ die werdens uns schon sagen/ die werden uns dieses in die Ohren ruffen; eurem Konige ist weder mit suͤssen worten/ noch bundgemahleten Brieffen/ noch darstel- lung etlicher Boͤmischen Untertahnen gedienet; schaffet ihm/ daß er seinem Stande ge- maͤß leben koͤnne/ alsdan werdet ihr als rechtschaffene Untertahnen bey eurem Koͤnige handeln. Damit ich aber nicht vor einen Großsprecher angesehen werde/ der viel rede/ und wenig tuhe/ wolan/ so habe ich zwar zween Erben/ einen Sohn und eine Tochter/ aber dieselben wil ich vor erst also versorgen/ meinen Sohn Leches vermache ich meinem gnaͤ- digsten Koͤnige zum Leibdiener/ und meine Tochter untergebe ich meinem gnaͤdigsten Koͤ- niglichen Fraͤulein zur Magd und auffwaͤrterin; hernach biete ich alle meine fahr- und liegende Haabe/ Lehn und Erbe aus zukauffe/ daß die Herrn Abgesanten das Geld davor meinem gnaͤdigsten Koͤnige mit uͤbernehmen/ damit seine Durchl. in der fremde nicht mangel leyde/ sondern sich noch Boͤmischer Zusteuer zuerfreuen habe/ und warte ich auff nichts anders/ als daß sich ein Kaͤuffeꝛ angebe/ die lieferung sol auff erlegung der Gelder stuͤndlich folgen. Die Versamlung schaͤmete sich nicht wenig/ daß sie dieses nicht zuvor bedacht/ ruͤhmeten Herren Pribisla Vermahnung/ und erkenneten/ sich ihm deßwegen verbunden seyn/ traten zusammen/ beredeten sich einer freywilligen Steuer/ und wie hoch dieselbe sich erstrecken solte. Ninisla gab sein Bedenken/ es moͤchten die Untertahnen sehr uͤbel empfinden/ daß man dergleichen ungewoͤhnliche Nebenschatzung ansetzen wolte/ die Koͤnigliche Kammer wuͤrde ausser zweiffel wol mit so vielem versehen seyn/ als ihr kuͤnff- tiger Koͤnig mit etlichẽ wenig Dienern verzehren wuͤrde/ der vielleicht nur als ein schweif- fender Ritter zu reisen gesonnen waͤhre; jedoch koͤnte er ihrem Gutduͤnken sich nicht wie- dersetzen/ nur dz er hoffete/ man wuͤrde ihn damit verschonen/ weil die Pannonischen Raͤu- ber ihn nit allein abgepluͤndert/ sondern sein Gut reinweg gebrand/ auch sein Weib/ Kin- der (ohn den aͤltesten Sohn) und alles Gesinde nidergeschlagen/ ja ihm nichts als seine liegende Guͤter und außstehende Gelder/ uͤbrig gelassen/ davon er mit genauer Noht seinen Stand fuͤhren koͤnte. Herr Bugesla gab ihm zur Antwort; es waͤhre auff keine gezwun- gene Schatzung angesehen/ sondern es solte Herrẽ/ Aedlen/ Buͤrger und Bauer frey gestel- let werden/ was sie tuhn oder nicht tuhn wolten; und solten redliche Leute aus allen Staͤn- den erwaͤhlet werden/ die alles/ was eingebracht wuͤrde/ auffheben/ und dagegen einen Schein von sich geben solten. Hiemit wahr diesem wie derwertigen das Maul/ aber nicht der Erstes Buch. der Unsin gestopffet/ und schlossen sie/ daß ihrem Koͤnige/ als lange er ausserhalb Landes seyn wuͤrde/ jaͤhrlich 100000 Kronen/ dieses erste Jahr aber alsbald eins so viel nach Padua solte uͤbergemachet werden/ auff daß er sich zur Reise desto besser außruͤsten koͤn- te; macheten auch die drey erwaͤhleten Beysitzer/ als Herren Krokus/ Bugesla und Sta- nisla aus/ der Koͤnigin und dem Fraͤulein solches anzudeuten/ doch daß Herr Pribisla als der erste nachsinnige Rahtgeber mit ihnen ginge. Die Koͤnigin erfreuete sich des erbie- tens hoͤchlich/ und versprach Pribislaen/ ihr Herr Sohn solte es/ wo nicht an ihm selbst/ zum wenigsten an seinen Kindern zu verschulden wissen/ dz er nicht allein den ersten Vor- schlag getahn/ sondern alle seine Guͤter dieser Behueff freywillig zukauffe außgebohten/ und wolte sie ihn hiemit vor ihren geheimen Raht und Drosten erklaͤret/ angenommen uñ bestaͤtiget haben. Dieser aber antwortete hierauff: Allergnaͤdigste Koͤnigin/ ich wil nim- mermehr hoffen/ daß ihre Hocheit im sechs und siebentzigsten Jahre meines alters mich mit dieser unertraͤglichen Buͤrde belegen wird; ich habe nunmehr XLVI Jahr aneinan- der dem Vaterlande unter bedienungen auffgewartet/ uñ mir die unfehlbahre Hoffnung gemacht/ ihre Hocheit wuͤrden mich anjezt aller solchen beschwerden gnaͤdigst erlassen/ weil ich mir gaͤnzlich vorgenommen/ hierumb untertaͤhnigst anzuhalten; dann meine Schuldern sind nunmehr unvermoͤgen/ die Beine wanken/ und ist nichts an mir/ als der blosse Wille/ welches nicht der Ruhe begehren solte. Ich habe aber einen Sohn/ wie eure Hocheit weiß/ der ist jung und stark/ und hat fuͤnff Jahr lang den ritterlichen uͤbungẽ nach- gesetzet/ denselben wil ich meinem Koͤnige zusenden/ ihm auff der Reise auffwaͤrtig zu seyn/ oder da er schon fortgezogen ist/ ihm zu folgen/ auff daß er in der fremde einen ange- bohrnen Untertahnen zum Diener habe/ dem er kuͤhnlich trauen duͤrffe. Mein guter Pri- bisla/ antwortete die Koͤnigin/ ich erlasse euch/ weil ihr lebet/ meiner Dienste nicht/ jedoch trage ich sie euch auch nicht auff/ ob soltet ihr mit ungemach hieselbst arbeiten und aufwar- ten/ sondeꝛn ihr sollet alle eure freyheit haben/ und nach belieben/ wie und wann ihr wollet/ zu Hofe seyn/ aber nicht desto minder eure Bestallung haben; und ob ihr solches nicht ger- ne annehmen woltet/ muͤsset und koͤnnet ihr mirs doch nicht versagen. Als die Koͤnigin ausgeredet hatte/ trat das Fraͤulein mit der allerbewaͤglichsten freundligkeit zu ihm/ hatte ein schoͤnes Kleinot vorne an der Brust auffgehefftet/ welches sie abreiß/ und es ihm mit diesen Worten einreichete: Mein guter Freund Pribisla/ hie wil ich euch dieses Pfand zu verwahren geben/ als eine Handschrifft dieser Verheissung/ daß wo mein Herꝛ Bruder die Vergeltung eurer heutigen Traͤue zu leisten nicht erleben solte/ ich an dessen stat treten/ und das von meiner Fr. Mutter versprochene erfuͤllen wil. Der Alte bedankete sich der hohen Gnade/ nam das Kleinot willig zu sich/ und gab zur Antwort: O jhr Goͤtter/ lasset mich nur so lange leben/ daß ich mit meinen dunkelen Augen dieses unvergleichliche Fraͤulein mag sehen zur Traue fuͤhren/ und schicket ihr den wirdigen Braͤutigam zu/ alsdann wil ich nicht allein dieses Kleinot gebuͤhrlich wieder einliefern/ sondern auff Ihrer Durchl. Ber- lager zwanzig Fuder Wein mit meinen Kosten aus Italien herbeyschaffen. Wie nun Pri- bisla? sagte sie hierauf/ meynet jhr/ daß ich euch dieses geringe auff so schweren Zinß leihen wolle? O nein/ mein Freund/ solchen Schacher-Handel treibe ich trauen nicht. Behuͤten mich Erstes Buch. mich ja die Goͤtter vor solche Gedanken/ antwortete er; es ist Euer Durchl. freygebigstes Herz mir gar zu wol bekant/ nur bitte ich untertaͤhnigst/ dieselbe wolle ihres unwirdigen al- ten Knechtes Erbieten nicht verstossen/ wie zu deren Gn. ich in aller Untertaͤhnigkeit die feste Zuversicht trage. Wolan/ sagte sie/ so nehme ichs auff meiner Fr. Mutter Bewilli- gung gerne an/ aber mit dem bedinge/ daß wann nach der Goͤtter Willen ich dereins ver- heyrahtet seyn werde/ ich eure Tochter/ wo sie noch ledig seyn wird/ von dem meinen auß- steuren/ und sie nach Standes Wirde mit einem Gemahl versehen wil/ dessen euer Adel uñ Freundschafft sich nicht schaͤmen sol/ dann mir ist nicht unwissend/ daß sie ihrer Mutter wegen mir noch etwas verwand ist; solte sie aber schon verheyrahtet seyn/ sol ihrem Liebstẽ das erste grosse Lehn in dem Lande verfallen seyn/ in welchem ich wohnen werde. Pribisla bedankete sich untertaͤhnigst dieses hohen Erbietens/ und sagete: Jezt erfahre ich des alten Sprichwortes Guͤltigkeit/ daß wer auff fruchtbaren Acker saͤet/ zehnfachen Gewin zuer- warten habe. Euer Gn. aber ergebe ich mich samt allen den meinen zur bestaͤndigen Ge- wogenheit/ als lange sie uns untertaͤhnig-getraͤu spuͤren werden. Weil diese so redete/ hielt die Koͤnigin Raht mit den gesamten Reichs Raͤhten/ was vor Gesanten zuerwaͤhlen waͤ- ren/ und hielt gaͤnzlich davor/ es wuͤrde den Staͤnden angenehm seyn/ wañ man diese drey Herren darzu verordnete/ nehmlich Krokus/ Bugesla und Stanisla/ welche sie als jetzige ihre Abgeschikten darzu gleichsam vorgeschlagen haͤtten; wie sie dann solches vor ein Zei- chen sonderlicher Gnade auslegeten/ und ihnen Volmacht gaben/ hin und wieder zuschꝛei- ben/ daß die gewilligte Geldhuͤlffe auffs schleunigste bey einander gebracht wuͤrde/ weil man nohtwendig damit eilen muͤste/ und auffs hoͤchste nach Verlauff XII Tagen die Reise geschehen solte. Inzwischen verfertigte die Koͤnigin samt den Landstaͤnden ein Schreiben an Ladisla/ wobey sie als Mutter noch ein absonderliches legete. Frl. Valißka wolte diese Gelegenheit nicht versaͤumen/ setzete sich mit jhrer vertraueten Libussen auff ihr verriegel- tes Gemach/ daselbst muste sie ihr etliche Haar von ihrem Haͤupte schneiden/ und weil sie mit dergleichen Arbeit wol umbzugehen wuste/ ein mit Perlen durchseztes Armband ma- chen; unterdessen nam sie die Feder zur hand/ und setzete ein Brieslein an ihren Herkules auff/ welches ihr nimmer gut genug dauchte/ daher sie es wol dreymahl enderte/ und end- lich auff diese weise abschrieb. Durchleuchtigster Groß Fuͤrst/ hochwerter Herr Oheim und Bruder; wie schmerzlich euer Liebe außgestandenes Ungluͤk mich gequaͤlet/ so hoch bin ich durch dessen Endigung ergetzet worden/ insonderheit/ daß dieselbe dannoch mitten in dem Leyden der unverschuldeten Knechtschafft einige Vergnuͤgung durch die Erkaͤntnis des einigen wahren Gottes eingenommen/ welche zu fassen/ ich ho- hes Verlangen trage. Der von zeigern dieses Wenzesla/ uͤbergebrachte schoͤne und sehr angenehme Ring ist mir wol eingelieffert/ werde mich durch dessen staͤtiges anschauen euer Liebe getraͤues auffrich- tiges Herz taͤglich vorstellen/ und daß zur gebuͤhrlichen Dankbarkeit derselben ich mich schuldig halten muß/ so daß/ wie geschehener teurer Verpflichtung an meiner Seite noch kein Haͤaͤrlein entgangen/ ich hinfuͤro auff so fest beschwornen Grund/ weder Werke noch Worte/ noch Gedanken baue/ als die euer Liebe koͤnnen behaͤglich seyn. Dieses zu leisten/ dessen mein Gewissen mir Zeugnis gibt/ habe ich mich bißher beflissen/ und wird sein einiger wahrer Gott/ der auch mein Gott seyn sol/ mir die Krafft verleyhen/ diesem bestendigen Vorsatze so wenig Abbruch zu tuhn/ als wenig ich mich selbst zu hassen oder zu schaͤnden gesonnen bin. Die Kuͤhnheit meines Schreibens wird eure Liebe durch meine Ju- gend entschuldigen lassen/ welche ohndaß frevelkuͤhn ist/ wie dessen daß geringschaͤtzige beygefuͤgete D d (welches Erstes Buch. (welches angenehm zu seyn ich wuͤnsche) noch staͤrker bekraͤfftigen kan. Daß ich mich aber hierzu selbst bereden koͤnnen/ machet einig/ daß ich seyn und bleiben muß/ meinem hoͤchstwerten Herkules/ dem teu- ren Groß Fuͤrsten/ zu ehren stets verbundene Valißka. Dieses stellete sie dem alten Wenzesla in grosser Geheim mit diesen Worten zu: jhr wisset mein Freund/ daß jhr mir neulich ein vertrauliches Schreiben von Fuͤrst Herku- les uͤbergebracht/ und habe ich seinem Begehren/ so viel ich gekunt/ gnug getahn/ wie er aus diesem Brieffe sehen wird/ welchen jhr jhm ohn einiges Menschen Beyseyn oder An- merkung einhaͤndigen sollet. In diesem versiegelten Buͤchslein aber ist ein Ring der in Blutstillung oft bewehret ist/ welchen jhr jhm/ also vermachet/ einreichen/ und meinetwegẽ jhn erinnern werdet/ daß wo moͤglich/ er meinen Herꝛn Bruder von der gefaͤhrlichen wei- ten Reise abmahne; dafern sie aber schon wuͤrden fortgangen seyn/ alsdann stellet dieses al- les Ritter Leches zu/ daß ers in seineꝛ Nachfolge mit uͤbernehme. Nun hatte sie aber nicht allein gedachten Ring/ sondern auch das koͤstliche Armband mit hinein vermachet/ deswe- gen sie jhm solches so fleissig zu getraͤuen Haͤnden befahl; nam hernach ein eingewickeltes sehr koͤstliches Brust Kleinot hervor/ von 48. Demanten in gestalt eines Habichts ge- macht/ welcher in der rechten Klaue ein Taͤublein/ in der linken/ ein Zettel hielt/ mit diesen Buchstaben: S. F. C. welche bedeuteten: Secura facilè capitur. Eine sichere wird leicht gefangen. Dieses solte jhrem Bruder H. Ladisla mit uͤbergebracht werden/ und daß ers wirdigen moͤchte/ nicht allein bruͤderlich anzunehmen/ sondern auch dereins schier seiner Liebesten zu schenken/ welches/ daß es bald geschehen moͤchte/ jhr hoͤchster Wunsch waͤhre. Wenzesla bedankete sich der hohen Gnade/ daß jhre Durchl. jhn solches zu verrichten wirdigte/ ver- sprach allen untertaͤhnigen Gehorsam und Fleiß/ und wie er nicht allein kurzweilig wahr/ sondern sich einer heimlichen Liebe zwischen Herkules und dem Fraͤulein vermuhtete/ fing er an denselben der gestalt zu ruͤhmen/ und nicht allein seine Tapferkeit/ sondern auch seine Freundligkeit und Gestalt zu erheben/ daß sie leicht merkete/ zu was Ende dieses angesehen waͤhre/ ließ sich aber nichts vernehmen/ sondern gab zur Antwort; es ist mir lieb/ daß mein Herꝛ Oheim und Bruder lobwirdig ist/ moͤchte nur wuͤnschen/ daß er die weiten Reisen einstellete/ und vielmehr sich nach Schweden erhoͤbe/ damit sein verlobetes Koͤnigliches Fraͤulein/ Frl. Schulda jhn schier wieder zusehen bekaͤhme; welches sie so ernstlich vorzu- bringen wuste/ daß diesem seine vorige Muhtmassung gaͤnzlich benommen ward. Es hatten die saͤmtlichen Landstaͤnde sich zimlich angegriffen/ und drey Tonnen Schaz zusammen gelegt/ welche auff Wagen geladen/ und des folgenden Morgens/ nach dem das Fraͤulein dem Alten das Schreiben eingehaͤndiget/ in Begleitung 500 Reuter/ biß an die Roͤmischen Grenzen fortgebracht wurden/ und folgeten die drey Gesanten nebest Leches und Wenzesla/ mit acht Dienern bald hernach. Gleich da sie das Roͤmische Gebiet errei- cheten/ liessen sie jhre Manschaft wieder zu ruͤcke gehen/ zeigeten jhren Schein Brieff von der Koͤnigin auf/ in welchem gebehten ward/ diese jhre Leute samt bey sich habenden Wa- gen und Sachen frey und sicher nach Padua ziehen zu lassen/ und gingen ohn Hinderung mit grossen Tagereisen fort/ biß sie in einem Doͤrfflein/ eine Meile von Padua gelegen/ an- langeten/ woselbst sie in ein Wirtshauß einkehreten/ sich von Koht und Staub zureinigen/ auff daß sie in gutem Ansehen den Einzug in die Stadt halten moͤchten. Sie frageten die- se Erstes Buch. se einfaͤltigen Leute nach neuen Zeitungen/ und empfingen Bericht/ es wuͤrde folgendes Tages des Roͤmischen Stathalters Tochter zu Padua mit einem fremden Herꝛn Hoch- zeit machen/ wobey ein Ritterliches Stechen solte gehalten werden/ und allen/ so wol frem- den als jnheimischen Rittern die Rennebahn erlaͤubet seyn; den Dank wuͤrde die Braut selbst neben anderen Roͤmischen Fraͤulein austeilen/ doch hielte es jederman davor/ wann der Braͤutigam und sein Bruder mit stechen solten/ haͤtte kein ander Hoffnung/ den Preiß zuerwerben, erzaͤhleten daneben/ was wegen Zerstoͤrung des Raub Nestes sich zugetragen/ nur daß sie unserer Helden Nahmen dabey nicht meldeten. Hieraus verstunden die Gesan- ten/ daß jhnen an der Eile wuͤrde gelegen seyn/ damit jhnen die Herbergen nicht berennet werden moͤchten. Unter dem Tohr frageten sie nach der Koͤnigin geheiß/ ob nicht fremde Ritter bey dem Tohrhuͤter verlassen haͤtten/ daß/ wann etliche Schreiben oder andere Sa- chen ankaͤhmen/ sie an bestimmete oͤrter abgeleget werden solten; weil aber unsere Helden dieses aus der acht geschlagen/ ward jhnen mit einem kurzen Nein geantwortet/ womit sie auch zu frieden wahren/ in Hoffnung/ unter andern Tohren bessere Nachricht zu finden; ritten also die Gasse hin/ biß sie auff den Markt kahmen/ und der aufgerichteten Bilder ge- wahr wurden/ uͤmb welche die kleinen Knaben und Maͤgdlein von drey biß zu sieben Jah- ren in grosser Menge als an einem Reihen tanzeten/ und dieses Kinderliedlein sungen: D Ie Helden haben Trost und Leben Uns armen Kinderlein gegeben/ Und Raͤubers Frevel abgekehrt, Drum wollen wir sie stets besingen/ Und lassen unser Lied er klingen So lange Welt und Himmel wehrt. Herꝛ Krokus befahl Wenzesla naͤher zu reiten/ uͤmb diese Bilder recht zu beschauen/ wel- cher nicht allein aus der uͤberschrift/ sondern auch aus den bekanten Angesichtern die War- heit bald fassete/ aber wegen Verwunderung hielt er als ein gehauenes Bild stokstille/ wie- wol sein Pferd anfing zuspringen/ woruͤber die Kinder erschrecket wurden/ daß sie mit ei- nem Geschrey davon flohen. Etliche vornehme Buͤrger stunden auf dem Platze/ und stel- leten jhn zu rede/ waruͤmb er die Kinder so verjagete/ uñ von jhrem wolzugelassenen Spie- le abschreckete; woran er sich aber wenig kehrete/ sprengete hinter sich nach seiner Gesel- schafft/ und sagte zu jhnen: Ihr meine Herꝛen/ ich bringe euch das groͤsseste Wunder zur neuen Zeitung/ dann entweder ist unser Koͤnig und der junge Teutsche Großfuͤrst in jene Bilder verwandelt/ oder sie sind jhnen zu sonderlichen und unsterblichen Ehren auffge- richtet/ dañ sie heissen Herkules und Ladisla die Fremden. Sie ritten ingesamt dahin/ fundens also/ und frageten die Anwesenden mit sonderlicher Freundligkeit/ ob die Ritter/ von denen diese Bildnissen genom̃en waͤhren/ sich in der naͤhe auffhielten. Ward jhnen aber geant- wortet; dieselben muͤsten aus abgelegener fremde kommen/ denen solches unbewust waͤhre; das grosse angelegete Werk gegen dem Stadhause uͤber/ wuͤrde auff Kaͤyserliche Anord- nung jhnen zur erblichen Burg erbauet/ biß zu deren Verfertigung sie vieleicht bey dem Roͤmischen Stathalter Herꝛn Fabius sich auffhalten wuͤrden; gaben jhnen auch Nach- richt/ welche Gasse sie reiten muͤsten. Aber Wenzefla hielt nicht vor rahtsam/ unangemel- det bey jhnen einzukehren/ weil sie vielleicht unerkennet seyn wolten/ welches er muhtmas- sete/ weil jhres Standes und Vaterlandes bey der Oberschrifft nicht gedacht ward zogen demnach diese Gasse zwar hin/ aber sie wolten in eine Herberge nicht weit von des Stat- D d ij halters Erstes Buch. halters Wohnung einkehren/ da jhnen doch der Einzug/ mit vorwenden/ das Hauß waͤh- re von andern Rittern besprochen/ abgeschlagen ward; doch so bald Wenzesla anzeigete/ sie waͤhren Herꝛn Ladisla Diener/ wurden sie mit sonderlicher Ehrerbietung auffgenommen. Ehe sie jhre Ankunfft anmeldeten/ ersuchete Leches die Geselschafft/ sie moͤchten feine Ge- genwart verhehlen/ er waͤhre willens/ sich als ein Unbekanter auf der Morgenden Steche- Bahn finden zu lassẽ/ ob er etwa in seines Koͤniges Gegenwart seine Ritterschafft zu pruͤ- fen Gelegenheit haben koͤnte; welches sie jhm nicht allein gerne zu liessen/ sondern auch Mittel zur noͤhtigen Außruͤstung gaben/ mit Ermahnung/ alles sein Vermoͤgen anzuwen- den/ damit sein ganzes Vaterland durch jhn geehret wuͤrde/ worauff er Abscheid von jhnẽ nam/ und in eine abgelegene Herberge sich legete. Wenzefla aber ritte nach des Stathal- ters Hoff/ ob er seinem Koͤnige jhre Ankunfft in geheim andeuten koͤnte/ traf einen praͤch- tig-gekleideten aͤdel Knaben vor der Pforten an/ welcher Tullius wahr/ denselben baht er/ die Muͤhe auff sich zu nehmen/ daß er Herꝛn Ladisla eigenen Diener koͤnte zusprechen be- kommen; Derselbe/ mein Herꝛ/ bin ich/ sagte er/ und wann bey seiner Gn. jhr etwas wollet bestellet haben/ moͤget jhr mir solches befehlen. Es ist mir sehr lieb/ antwortete er/ und zeiget nur eurem Gn. Herꝛn in hoͤchster geheim an/ es sey einer/ Nahmens Wenzesla/ der jhn geꝛ- ne sprechen wolte. Dieser lief geschwinde hin/ fand jhn bey dem Frauenzimmer/ uñ mache- te jhm das anbefohlne zu wissen; woruͤber er sich entfaͤrbete/ in meinung/ er wuͤrde so ein- sam von seiner Fr. Mutter und den Landstaͤnden auff das Hochzeitfest abgeschicket seyn; nam einen Abtrit/ einwendend/ Herꝛ Herkules liesse jhn fodern/ zu welchem er ging/ und mit jhm abredete/ daß sie Wenzesla einen Wink geben wolten/ in etwa eine Herberge zu reiten/ welches auch geschahe/ und sie jhm auf dem Hueffschlage zu Fusse nachfolgeten. Die Gesanten hatten sich auff ein absonderliches Gemach gelegt/ und wahr Wenzesla al- lein unten im Hause/ der sie ehrerbietig empfing. Ladisla fragete jhn/ wie er so einsam kaͤh- me/ und ob niemand von den Staͤnden abgeschicket waͤhre/ auf seinem Hochzeitfeste zuer- scheinen. Hochzeitfest? sagete dieser: ich versichere eure Gn. daß weder deren Fr. Mutter/ noch einiger Mensch des allergeringstẽ von dieser hocherfreulichen Zeitung ichtwas ver- nommen; beklagete hernach sein Ungluͤk/ daß er so lange Zeit auff der Reise von Rom nach Prage zubringen muͤssen/ und meldete der dreyeꝛ Gesanten gegenwart an/ welche sich als- bald wuͤrden einstellen/ wann sie nur wuͤsten/ wovor jhre Durchl. sie bey andern ehren sol- ten. Sie sollen/ antwortete Ladisla/ uns beyde gleich ehren; dann wer ich bin/ ist nunmehr den Vornehmsten bewust/ aber Herkules Vaterland sol aus gewissen Ursachen verschwie- gen bleiben. Der Alte meldete jhnen solches an/ daher sie alsbald mit gebuͤhrender unter- taͤhniger Ehrerbietung zu jhnen traten/ und freundlich empfangen wurden/ da Krokus also anfing: Unsere allergnaͤdigste Koͤnigin/ und gnaͤdigstes Fraͤulein entbieten jhren Durchll. beyderseits Muͤtter- und Schwesterlichen Gruß/ die saͤmtlichen Landstaͤnde aber untertaͤhnigsten Gehorsam; haben jhreꝛ Durchl. hoͤchstbeliebtes Schreiben/ wiewol etwas spaͤte empfangen/ dero Gesundheit auch mit Freudenthraͤnen vernom̃en; und als die Land- staͤnde berichtet sind/ daß jhr Gnaͤdigster Koͤnig willens/ sich eine Zeitlang in der Fremde aufzuhaltẽ/ haben sie in unteꝛtaͤhnigstem gehoꝛsam damit fꝛiedlich seyn muͤsse/ ob uns gleich in dieser Welt nicht liebers/ als unsers Koͤniges leibliche Gegenwart waͤhre. Dieses jhrer Durchl. Erstes Buch. Durchl. anzudeuten/ sind wir von hoͤchstgedachten/ unfer Fr. Koͤnigin und dem Koͤnigl. Fraͤulein/ dann auch den saͤmtlichen Landstaͤnden abgefeꝛtiget/ und daneben dieses Schrei- ben nebest 300000 Kronen freywilliger Landsteur/ behuef jhrer Durchl. Koͤniglicher aus- ruͤstung zu vorgenommener Reise/ unterthaͤnigst einzulieffern. Ladisla bedankete sich des uͤbergebrachten Grusses/ nebest angedeuteter Fxeude uͤber der Landstaͤnde Gutwilligkeit/ erkennete daraus jhre gewogene Herzen/ welche zu vergelten/ er stets wolte gefliessen seyn; brach das Schreiben/ und fand dariñen/ was gestalt sie alle mit einander seiner vorgenom- menen sehr beschwer- und gefaͤhrlichen Reise halber gantz unmuhtig waͤhren/ und die Koͤ- nigin vor andern instaͤndig anhielt/ sich deren zu begeben/ und durch abgeordnete das Ge- luͤbde abzulegen/ damit sie der muͤhseligen Reichsverwaltung benommen/ ihꝛ angehen des Alter in Ruhe setzen/ und den angebohrnen Erbherren erstes Tages moͤchte die Herschaft fuͤhren sehen. Nachgehends ruͤhmete sie der Untertahnen Gutwilligkeit wegen der aufge- brachten Gelder/ in sonderheit was der alte getraͤue Pribisla dabey verichtet/ und zu seines Koͤniges Unterhalt alle seine Guͤter loßschlagen wollen/ welches die Staͤnde nur verhin- dert/ und ihrem Koͤnige/ als lange er in der fremde seyn wuͤrde/ jaͤhrlich 100000 Kronen uͤberzumachen sich anerboͤhten. Die vorgeschlagene Reichs Raͤhte waͤhren alle beliebet/ die Herschafft in gutem Wolstande/ und so wol innerlich als aͤusserlich Friede und Ruhe. Als er alles gelesen/ lieferte ihm Wenzesla wegen der Fraͤulein das Brust Kleinot mit eben den befohlenen Worten; Worauf er zur Antwort gab: Meine Frl. Schwester wird vielleicht einen Warsager Geist haben/ daß gleich diesen lezten Tag vor der Hochzeit sie mir solches anbefihlet/ welches nach jhrem Begehren fleissig sol verrichtet werden. Inzwischen war- tete Herkules mit grossem Verlangen/ was vor Zeitung er von seinem Fraͤulein haben wuͤrde/ und ob er schrifftlicher Antwort gewirdiget waͤhre; hatte aber noch keine Gelegen- heit/ Wenzesla abzufodern/ dann es wahr Ladisla in voller Erzaͤhlung seiner Heyraht be- griffen/ dem sie alle fleissig zuhoͤreten/ und ihm darzu Gluͤk und Segen wuͤnscheten. Nun wolte gleichwol der Alte seine Werbung bey Herkules gerne ablegen/ darumb gab er vor/ er waͤhre von der Koͤnigin befehlichet/ etwas absonderlich mit jhm zureden; ging auch mit ihm aus dem Gemache/ nam das Schreiben nebest dem versiegelten Schaͤchtelchen her- vor/ und sagete zu ihm: Durchl. Fuͤrst/ das mir anvertrauete Schreiben habe ich an ge- buͤhrlichen Ort nebest beygefuͤgetem Ringe getraͤulich eingeliefert/ und wird ohn zweiffel das Fraͤulein alles seinem begehren nach/ verꝛichtet haben/ krafft dieses Schreibens An- zeige; sonsten habe ich gnaͤdigsten Befehl/ ihre Durchl. von meinem Gn. Fꝛaͤulein freund- lich zugruͤssen/ und daneben anzudeuten/ daß sie in diesem versiegelten Buͤchslein derselben einen Ring uͤbersende/ dessen Krafft in der Blutstillung treflich bewaͤhret sey; schließlich auch/ daß das Durchl. Koͤnigl. Fraͤulein in Schweden hoͤchlich wuͤnschen solle/ ihren veꝛ- lobeten Fuͤrsten/ Herꝛn Herkules schier zu sehen; moͤchte daher seine Reise auffschieben/ uñ dieselbe vorher zu besuchẽ unbeschweret seyn. Wie erfreulich ihm das empfangene Schꝛei- ben wahr/ so fremde kahmen ihm die lezten Reden vor/ merkete doch bald/ daß sie selbst un- ter dieser Bemaͤntelung jhre eigene Begierde ihn zu sehen/ haͤtte anzeigen wollen/ daher er sich ihrer Bestaͤndigkeit uͤbrig schon versicherte/ stellete sich doch allein in einen Winkel/ uñ nach Verlesung des Brieses/ als mit inniglichster Vergnuͤgung uͤberhaͤuffet/ gab er zur D d iij Ant- Erstes Buch. Antwort: Mein Freund Wenzesla/ eure fleissige Verrichtung hat meine Frl. Schwester mir geruͤhmet/ welche zu seiner Zeit ich unvergolten nicht lassen werde; der meiste Inhalt dieses Briefes ist/ daß die Fr. Koͤnigin samt dem Fraͤulein mich hart anstraͤngen/ ich moͤge meinen Bruder Herꝛn Ladisla von der gefaͤhrlichen Reise abwendig machen/ welches ich schon auff einen guten fuß gesetzet/ und seine Heyraht zu dem ende aus allen Kraͤfften be- fodert habe; zweifele auch nicht/ ich werde ihn endlich bereden/ meinem ansuchen stat zu geben. Eben dieses bey Euer Durchl. zuwerben/ sagte er/ hat mein Gn. Fraͤulein/ und Koͤ- nigl. Hocheit selbst mir anbefohlen/ unter welchem Scheine Eure Durchl. ich auch abge- fodert habe. Gingen hiemit wieder hin zu den andern/ und hielten mannicherley Unterre- dung/ da die Gesandten/ Herkules/ der Koͤnigin/ der Fraͤulein/ und gesamten Landstaͤnde Gruß und untertaͤhnigste Dienste anmeldeten/ uñ dz er in ihres Koͤniges getraͤuer freund- schafft wie bißher/ bestaͤndig verbleiben moͤchte/ dann wuͤrden sie dereins bey Beheꝛschung ihrer Reiche keine auslaͤndische Macht zu fuͤrchten haben. Auff welches Vorbringen er wegen des beschehenen Grusses sich anfangs kind-bruͤder- und freundlich bedankete/ her- nach anzeigete/ wie er seinem geliebeten Bruder Herꝛn Ladisla durch so unzaͤhliche bruͤdeꝛ- liche Bezeigungen dergestalt verpflichtet waͤhre/ daß er Gottes Straffen billich zubefuͤrch- ten haͤtte/ wann durch einige Widerwaͤrtigkeit oder Furcht er sich von seiner Freundschaft anwendig machen liesse. Aber/ sagte er/ es wundert mich hoͤchlich/ daß unsere Fr. Mutter die Koͤnigin meines Bruders Heyraht noch allerdinge unberichtet ist/ angesehen vor sie- ben Wochen schon deroselben es bey eigener reitender Botschafft zuwissen gemacht wor- den/ und wir uͤberdas zum andern mahl geschrieben/ welches/ da es recht zugienge/ auch schon bey eurem abreisen muͤste eingeliefert seyn. Wenzesla antwortete/ sein eigen Beyspiel lehrete/ wie leicht einem einzelnen Bohten auff so weiten Reisen/ langwierige Verhinder- nissen einfallen koͤnten/ und moͤchte vielleicht wol alsbald nach ihrem Abzuge der Bote an- gelanget seyn; wie er auch hieran nicht fehlete; dann Ladisla erster Abgeschikter wahr mit dem Pferde auff der Reise gestuͤrzet/ und hatte ein Bein und einen Arm zubrochen/ daß er sich etliche Wochen verbinden lassen muͤssen; jedoch kam er des andeꝛn Nachmittages nach der Gesanten Abreise/ zu Prag an/ ließ sich bey der Koͤnigin angeben/ nnd lieferte ihr diesen Brief von ihrem Sohn Ladisla ein: Herzgeliebte Fr. Mutter; ich kan nicht uͤmhin/ euch mit froͤlichem Herzen zu vermelden/ was gestalt durch sonderbahre Schickung unser guͤtigen Goͤtter mit dem Durchleuchtigen Hochgebohrnen Fraͤulein/ Frl. Sophia Fabiin/ des Hochmoͤgenden Herꝛn/ Herꝛn Q. Fabius/ Roͤmischen Stathal- ters zu Padua Frl. Tochter/ auff jhrer Hochansehnlichen Eltern und meines lieben Bruders Herku- les Bewilligung ich mich ehelich eingelassen und versprochen/ auch willens bin/ auff schier kuͤnfftigen XVII Tag des Brachmonats/ das Hochzei t fest Fuͤrst- und gebuͤhrlich anzustellen; wann denn ich nicht zweifele/ eure Muͤtterliche Hulde werde hierin gerne einwilligen/ und dieses Fraͤulein/ in betrachtung jhrer Tugend und sehr hohen Roͤmischen Gebluͤtes/ vor eine kuͤnfftige Schwieger Tochter unwegerlich auff und annehmen/ und aber zu bevorstehendem Ehrenwerke nicht geringe Kosten erfodert werden/ als gelanget an die Fr. Mutter mein Kindliches ersuchen/ mir mit etwa 150000 Kronen beyraͤhtig zu seyn/ damit ich mein Vermoͤgen der hochansehnlichen Freundschafft meiner herzgeliebeten Fraͤulein/ dartuhn/ und nicht noͤtig haben moͤge/ daß aus derselben Beutel (deren Heyrahtsgelder sich uͤber 1200000 Kronen erstrecken) alles bezahlet werden duͤrffe; koͤnte ich dann daneben das Gluͤk haben/ daß meine herzgeliebte Fr. Mutter/ oder auffs wenigste (woran ich nicht zweifeln wil) meine Frl. Schwe- ster Erstes Buch. ster auff angesetzetes Heyrahtkest allhier erscheinen wuͤrde/ solte mir ein solches die hoͤchste Vergnuͤ- gung bringen. Ich gelebe der Zuver sicht/ meine Fr. Mutter werde mich keine Fehlbitte/ wo im̃er moͤg- lich/ tuhn lassen/ welche nebest meiner auch herzgeliebeten Frl. Schwester von meinem Herkules Kind- und Bruͤderlich gegruͤsset wird; dessen Vergnuͤgung uͤber meine Heyraht/ aus beygelegeten Beylager- Getichten (wahren die/ welche am 113 und folgendem Blade stehen) kan erkennet werden. Geschrieben zu Padua am XXII. Tage des April Monats/ von Eurer Muͤtterlichen Gnaden gehor- samstem Sohn Ladisla. Die Koͤnigin ward dieser Zeitung uͤber auß hoch erfreuet/ ließ die Reichs Raͤhte und Herren Pribisla voꝛ sich ruffen/ und sagete zu ihnen: Geliebte Freunde/ ich habe von eurem kuͤnfftigen Koͤnige meinem herzlieben Sohne ein beliebtes Schreiben empfangẽ/ welches allen Schrecken des kaum vergangenen grausamen Donnerwetters mir benommen hat/ moͤchte zwar wuͤnschen/ daß unsere Gesanten noch alhie waͤhꝛen/ doch werden wir sie nicht duͤrffen zuruͤk fodern/ wann sie nur der verspochenen Eyle sich erinnern moͤchten; reichete ihnen hiemit das Schreiben/ dessen Inhalt ihnen grosse Vergnuͤgung brachte/ und frage- te Pribisla/ warumb das Fraͤulein nicht gegenwaͤrtig waͤhre. Ach/ sagete die Koͤnigin/ ih- re Abwesenheit machet/ daß meine Freude nicht recht loßbrechen kan/ massen sie heut fruͤh mit etlichen Jaͤgerknechten und Reutern hinaus auff die Jagt geritten/ und noch nicht zu Hause kommen ist; fuͤrchte sehr/ daß sie etwa von dem Gewitter beschaͤdiget/ oder sonst zu Unfal kommen sey; das leidige Jagen ist ihr ja von ihrem hoͤchst Seel. Herr Vater leyder angeerbet/ wovon sie nicht kan abgehalten werden/ dessen ich mich nicht wenig bekuͤm̃ere. Niemand wolte sie mißtroͤsten/ nur daß sie alle wuͤnscheten/ ein Mittel zu erfinden/ daß das Fraͤulein von dieser Ubung koͤnte abgezogen werden/ und hielt der Kanzler vor rahtsam/ dz etliche außgeschickt wuͤrden/ ihr nachzuforschen/ ob sie irgend wegen des harten Donner- wetters sich in einem Dorffe verspaͤtet haben moͤchte. Als sie noch hievon redeten/ trat sie mit ihren pfuͤtzenassen Kleidern ins Gemach/ und gab durch ihre todten-bleiche Farbe gnug zu verstehen/ daß es nach ihrem behagen nicht ergangen wahr. Die Mutter empfing sie mit zimlich harten worten/ und sagte; Geliebtes Kind/ wie machestu mir doch so man- nichley Angst und herzleyd mit deinem verfluchten Jagen; bedenke doch daß mein gelieb- ter Sohn Herkules auff der Jagt gefangen/ ja dein Herr Vater gar drauff umbkommen/ und sein Leben elendig eingebuͤsset hat; drumb so laß doch ab von dieser/ meines erachtens/ unlustigen und gefaͤhrlichen Lust/ damit ich nicht mehr Bekuͤmmernis daher einnehmen duͤrffe. Das Fraͤulein ward bestuͤrtzet/ daß in der Reichs Raͤhte gegenwart die Mutter ihr so hart zuredete/ daher sie anfangs bedenken trug/ ihre außgestandene grosse Gefahr zuer- zaͤhlen; die Koͤnigin aber fuhr also fort: Wie sehe ich dich so bleich/ naß und Ungestalt/ mein Kind? gilt wo du nicht in Lebensgefahr gestecket hast/ und mit grosser Muͤhe erhal- ten bist? davor ich dann den Goͤttern billich danke. Ich weiß fast selber nicht/ herzliebe Fr. Mutter/ antwortete sie/ ob ich den heutigen Tag/ unter die Gluͤklichen oder Ungluͤklichen schreiben sol; sonst muß ich wol gestehen/ daß mir Zeit meines Lebens/ Wetter und Men- schen nie so hefftig/ als eben heut zugesetzet/ so daß ich mich wundere/ wie ich der grausamẽ Verfolgung habe entgehen koͤnnen. Die Koͤnigin entsetzete sich vor solcher Rede/ hub die Haͤnde auff gen Himmel und sagete; Nun ihr huͤlffreichen guͤtigen Goͤtter/ ich danke euch vor diese heutige Rettung/ und daß ihr der unbedachtsamen Jugend eure kraͤfftige Hand Erstes Buch. Hand habt bieten wollen; wirstu mir aber nach diesem das Reiten und Jagen so hefftig treiben/ soltu nicht sagen/ daß du mein Kind seist/ dann du goͤnn est mir ja fast keinen ruhigẽ Tag/ daß ich deinet wegen nicht in Sorgen stehen muͤste. Ach/ Gn. Fr. Mutter/ sagte sie/ eyfert euch nicht so sehr/ und verzeihet mir die bißher begangene Fehler; ich wil nach die- sem schon wissen mich zumaͤssigen/ zweiffele auch nicht/ der Himmel selbst/ und meine aͤr- gesten Feinde zugleich/ haben mich hievon heut diesen Tag abschrecken wollen. Die Anwe- sende saͤmptlich bahten solches zuerzaͤhlen/ sie aber ging zuvor nach ihrem Zimmer/ und muste Libussa ihr ganz andere Kleider anzihen/ welche auff ihrem zarten Leibe noch zimlich viel Koht sehend/ zu ihr sagte; wie gehet diß zu Gn. Fraͤulein? hat dieselbe sich mit den Saͤuen im Mistlachen gewaͤlzet? O mein liebes Kind/ antwortete sie/ was vor einem un- saͤglichen Ungluͤk und verderben bin ich heut entgangen! Himmel/ Erde und Wasser ha- ben mich vertilgen wollen/ so daß ichs vor ein Wunder rechne/ und mir selbst kaum trauen darff/ daß ich leben dig alhier wieder angelanget bin. Diese wolte alsbald alles verlauffs berichtet seyn; aber sie befahl ihr mit nach ihrer Fr. Mutter Zimmer zugehen/ da sie alles vernehmen wuͤrde/ wo sonst der Schrecken ihr so viel Verstand und Worte uͤbrig gelassen haͤtte/ daß sie alles in die Nachdanken fassen und außreden koͤnte. Als sie nun zu ihrer Fr. Mutter sich nidergesetzet hatte/ fing sie also an: Hat der Himmel mich heut gerettet/ so hat er mich nicht weniger geschrecket daß ich gaͤnzlich davor halte/ die Goͤttliche Versehung habe mir zeigen wollen/ wie hart sie die selben angreiffe/ die ihrem Grimme unterworffen sind. Als ich heut fruͤh mit meiner Geselschafft außritte/ warnete mich ein alter Pfaffe/ ich solte zwar Hasenart nicht hindan setzen/ aber doch der Entvogel Weise fleissig in acht neh- men; welches ich nicht verstund noch groß achtete/ biß die Noht michs rechtschaffen ge- lehret/ und an die Hand gegeben hat. Vor erst wolte mein Pferd sich weder satteln noch zaͤumen lassen/ biß ichs zum Gehorsam pruͤgelte; und als ichs uͤber die Bruͤcke ritte (hie warnete mich der Pfaffe) straͤubete es sich hefftig/ stund als ein verschuͤchtertes Rehe/ und hielt sich nicht anders/ als ob es uͤber ein Feur haͤtte gehen sollen; ich hatte fast immer an ihm zu stossen und schelten/ biß ichs ihm endlich muͤde machete/ daß es Gehorsam leistete. Etwa eine halbe Meile von der Stad sties ich auff ein artiges Rehe/ dem ich mannichen Pfeil nachschikte/ ehe sichs legen wolte/ und wie es den Tod im Herzen fuͤhlete/ fiel es mit so erbaͤrmlichen Geberden nider/ daß michs hoͤchlich jammeꝛte. Bald darauff ward ich et- licher Reuter gewahr/ die mit verbundenen Maul und Wangen/ daß man sie nicht keñen solte/ zerstreuet umbher ritten/ woruͤber ich in Argwohn eines Auffsatzes geriet; wie auch meinen Reutern und Jaͤgerknechten nicht wol dabey wahr/ und mich warneten/ ich solte mich wieder zuruͤk zihen/ weil sichs ohn daß zum schweren Wetter ansehen liesse; taht ih- nen auch folge/ hies das Rehe auff den mitgefuͤhrten Karren legen/ und nach der Stad ei- len; aber ehe ich michs versahe/ wahr ich umbgeben/ und zaͤhlete XII auff vorgemeldete Weise vermummete Reuter/ welche mir nach schrihen/ ich moͤchte stille halten/ und so hart nicht eilen/ sie wolten meine getraͤue Begleitsleute seyn/ und mich an Ort und Ende fuͤh- ren/ da mir besser bey einem jungen Braͤutigam/ als bey der altẽ Mutter seyn wuͤrde. Mei- nes lachens wahr hie nicht viel uͤbrig/ insonderheit/ als ich sahe/ daß ihrer sechse auff meine Leute zusetzeten/ und sie alle in stuͤcken hieben. O mein herzen Kind rief die Koͤnigin/ schwei- ge Erstes Buch. ge schweige/ und laß mich ja bey leibe kein groͤsser Ungluͤk hoͤren. Aber Pribisla redete ihr ein/ Ihre Hocheit moͤchte sichs gefallen lassen/ daß das Fraͤulein alles anzeigete/ weil sie durch der Goͤtter Huͤlffe entrunnen/ und alhie frisch und gesund wieder ankommen waͤh- re. Meine Reuter und Jaͤgerknechte/ fuhr das Fraͤulein fort/ wahren hiemit auffgeopfert/ und hatte ich noch drey Pfeile im Vorraht/ deren ich mich zugebrauchen bedacht wahr; weil sie aber den Weg nach der Stad zu/ gar verlegeten/ und zugleich mir auff den Leib ruͤcketen/ zog ich von Leder/ und suchete mit Gewalt durchzubrechen/ wie ich dann ihrer drey also zurichtete/ daß sie es nicht nachsagen werden/ bekam auch hiedurch so viel Lufft/ daß ich aus ihrem Gedraͤnge mich loßwickelte/ und das freye Feld einnam/ der Hoffnung/ ich wuͤrde nunmehr gewonnen/ und meine Seele gerettet haben/ und ob gleich das grausa- me Donnerwetter schon angangen wahr/ daß der Blitz alles feurig scheinen machete/ liessen doch jene so wenig nach/ mich zuverfolgen/ als ich mich bemuͤhete auszureissen; doch hatte ich diesen Vorzug/ daß mein Pferd schneller von Schenkeln wahr/ und einen guten Vorsprung in kurtzer Zeit gewan. Aber umb Verzeihung/ sagte sie/ daß ich mein mattes Hertz zulaben genoͤhtiget werde; stund auff/ und taht einen guten Trunk aus ihrer Fr. Mutter Becher/ da die Koͤnigin unter dessen sagete: O Kind/ Kind/ wann der Him̃el sich dein nicht erbarmet haͤtte/ wuͤr destu ohn zweifel schon tod oder geschaͤndet seyn/ und hat wol niemand als dein Schutz Gott deinem Pferde so gerade Fuͤsse gemacht. O nein Herzen Fr. Mutter/ antwortete sie/ der Himmel hat mich in das groͤsseste Ungluͤk gestuͤr- zet/ massen wie ich in vollem rennen wahr/ und mein gutes Pferd nicht anders als ein Vo- gel daher flohe/ taht der Himmel einen hefftigen Doñerschlag/ daß der feurstrahlende Keil in eine hohe Eiche fuhr/ und dieselbe mitten voneinander spaltete/ wandte sich hernach zur seiten/ und ging dergestalt unter meinem Pferde her/ daß ihm das rechte Voͤrder- und lin- ke Hinter-Bein ober dem Knie glat abgeschlagen ward/ und ich mit ihm zur Erden stuͤr- zete/ dessen meine Verfolger sich hoͤchlich freueten/ uͤberfielen mich auch/ weil ich unter dem Pferde mich nicht loßarbeiten kunte/ und nahmen mich/ wiewol mit zimlich freundlichen Worten gefangen. Mein Schwert/ Bogen und Koͤcher ward einem zur Verwahrung eingeliefert/ mich aber nam ein ander vor sich auffs Pferd/ und begunten mit mir sortzuzi- hen/ da wir inwendig einer Stunde an die Molda kahmen/ und ich auff meine frage/ wo- hin sie mich dann zu fuͤhren willens waͤhren/ keine andere Antwort bekam/ als mein Braͤu- tigam (welches sie aus auffrichtiger Einfalt erzaͤhlete) wuͤrde diese Nacht sich so freund- lich gegen mich erzeigen/ daß ich mich von ihm zu scheiden kein Verlangen tragen wuͤrde. Es wahr mir solches eine verdaͤchtige Rede/ daher ich alle meine Gedanken anwendete/ wie ich mich loßmachen koͤnte. Nun sahe ich von ferne VI ledige Baurenpferde in der Weide gehen/ und ritten wir in einem tieffen Wege/ da nur zween bey einander her zihen kunten/ hatten uns auch schon von der Molda hinweg gewand und die Heerstrasse errei- chet/ da mein Fuͤhrer stille hielt/ und von seinem Gesellen ein Leilach foderte/ in welches er mich ganz einhuͤllen wolte/ damit ich unerkaͤntlich waͤhre; ich aber ward meines heimlichẽ Dolches eingedenk/ zog ihn unvermerket aus/ druͤckete ihm denselben ins Herz/ daß er ohn Wortsprechen vom Pferde stuͤrzete/ und schwang ich mich gluͤklich auff das hohe Ufer des engen Fahrweges/ daß mir kein Pferd folgen kunte/ lief daꝛauf/ so schnel ich much- E e te/ Erstes Buch. te/ nach den obgedachten Bauren Pferden/ setzete mich auf deren eines/ und rante Sporn- streichs gleich auf die Molda zu. Die hintersten Reuter wahren meiner Flucht zeitig inne worden/ hatten sich uͤmgewand/ und bearbeiteten sich/ mir den Weg abzuschneiden; mir aber fiel zwar zum gefaͤhrlichen/ aber doch gutem Gluͤcke des alten Pfaffen warnung ein; und da ich nach der Hasen art durch das Feld davon zufliehen keine moͤgligkeitsahe/ nam ich der Entvogel gebrauch an mich und setzete gerade auf die Molda zu. Am Ufer kam mir ein erschrekliches grausen an/ dann der schnelle Stꝛohm bildete mir nicht allein den gewis- sen Tod vor die Augen/ sondern das hohe Ufer/ von welchem ich etliche klafter hinab sahe/ machte mich verzaget/ daß ich den Sprung nicht wagen durffte/ hielt also stille/ biß die lei- digen Verfolger sich naheten/ denen ich zurief/ sie solten mich meines weges ziehen lassen/ oder ich wolte mich ins Wasser stuͤrzen; welches sie auch ein wenig stutzen machte/ daß sie anfingen mir gute Worte zu geben/ vorwendend/ sie sucheten ja mein Verderben nicht/ ich haͤtte mich des aller geringsten nicht zu befuͤrchten/ meine Wolfahrt bestuͤnde in diesem/ wann ich mit jhnen unwegerlich fortzihen wuͤrde; aber dieses wahr noch lange die rechte Lokpfeiffe nicht/ sondeꝛn ich fragete besser nach/ was vor einen Braͤutigam sie mir dqñ voꝛ- schluͤgen/ solten sie mich wissen lassen/ alsdañ wuͤrde ich mich erklaͤren koͤnnen. Dieses an- zudeuten wahr jhnen ungelegẽ/ uͤmsetzeten mir meinen Weg/ daß ich weder zur seiten noch hinterwarz fliehen kunte/ sondern bloß nur der tieffe Fluß mir offen stund. Die uͤbrigen Reuter kahmen auch angestiegen/ deꝛen eineꝛ von feꝛne rief/ sie solten mich anfassen/ es haͤt- te nichts zu bedeuten/ daß ich mich in das Wasser stuͤrzen wuͤrde. Nun muß ich bekennen/ daß ich sehr zweiffelmuͤhtig wahr/ dann weil ich des Schwimmens aller dinge unerfah- ren/ sahe ich auff solchen Fal/ daß ich mich in den Tod stuͤrzen wuͤrde/ jedoch/ weil jhrer vie- re zugleich von den Pferden stiegen/ und auf mich zudrungen/ fassete ich eine kurze Erklaͤ- rung/ sahe gen Himmel und rief mit andaͤchtigem Herzen; du warhaftiger Gott/ wie du auch heissest/ hilf mir aus der Wassers Noht/ wie du mich von dem Donnerkeil und diesen Raͤubern hast erloͤset; und als diese Buben gleich nach mir griffen/ wagete ich den sprung frisch zum Ufer hinab/ da der Wind unter meine Kleider mich fassete/ und mich wol VI grosser Schritte hinein fuͤhrete/ daß ich schon daher schwam wie ein Entvogel/ wiewol die augenblikliche Wasseꝛkaͤlte auf den heissen schweiß miꝛ gar ungewohne taht. Es dauchte mich ein Spielwerk seyn/ so lange meine Kleider trocken wahren/ und der Strohm mich nicht fassete/ aber hernach galt es tꝛauen todes Angst; ich hatte wol ehmals schwimmen ge- sehen/ aber es wolte mir nicht fugen/ massen wann ich mit den Fuͤssen zuschlagen anfing/ zogen sich meine durchnetzeten Kleider zusammen/ daß ich nur drinnen verwickelt ward. Bald darauf geriet ich in den Stꝛohm/ der mich uͤber und uͤber purzelte/ und ich mich dem Tode gutwillig ergab/ nur daß ich mich scheuhete/ das unreine Wasser zu trinken/ und da- her meinen Mund feste zuhielt/ biß ich das Haͤupt ausserhalb Wassers merkete/ dañ schoͤp- fete ich Lufft/ und durch dieses Mittel entging ich dem hefftigsten Strom/ in dem ich mit den Fuͤssen unterwarts/ und mit den Haͤnden nach dem andern Ufer zu arbeitete/ biß ich an einen Sandhuͤgel geriet/ da mir das Wasser naͤhrlich an den Leib reichete/ und ich fein aufrecht stund mich auszuruhen. Meine Verfolger hielten am Ufer und rieffen mir zu/ ich solte mich ja nicht durch die Flucht von dem gefasseten Stande lassen abtreiben/ das Wasser Erstes Buch. Wasser waͤhre an der noch uͤbrigen seiten unergruͤndlich/ darinnen ich ohn alle Huͤlfe er- sauffen muͤste; es haͤtten jhrer etliche sich fast ausgezogen/ die mir nach schwimmen/ und mich retten solten. Als ich diesen unangenehmen Trost hoͤrete/ rief ich die himlische Huͤlfe zum andern mahle an und sagete du Gott/ der du bißher mein Schiff/ Ruder und Steur- man gewesen bist/ gib nicht zu/ daß die mehr als halb geleistete Rettung an mir vergeblich sey. Wagete mich also mit Trost vollem Herzen wieder fort/ arbeitete auch auf die vorige weise/ daß mir der Mund stets ausserhalb Wassers blieb/ daher ich Gottes unfehlbaren Beystand spuͤrete/ und nichts hoͤhers wuͤnschete/ als daß dieser mein huͤlfreicher Gott mir bekant seyn moͤchte/ uͤmb jhm meine Dankbarkeit sehen zu lassen. Es wehrete mein after schwimmen zwar noch eine gute weile/ doch ehe ich michs versahe/ stieß ich mit einem Fusse wieder den Grund/ daß ich den uͤbrigen Weg im Wasser gehend endigte/ und Ge- sund ans trokne Ufer trat. Hie sahe ich mich erst kuͤhnlich umb/ und ward gewahr/ daß die langen nassen Kleider mir am Lauffe sehr hinderlich seyn wuͤrden/ und ich doch einen wei- ten Weg zu Fusse wandern muste/ warf deswegen das Oberkleid gar hinweg/ ruhete ein wenig auf die Schwimme-Muͤdigkeit/ und dankete dem Gott inniglich/ der mir so weit in sicherheit geholffen hatte. Bald naheten sich zween Buben/ welche weit obenwertz des Flusses sich ganz nacket hinein gewaget/ und die Schwerter ins Maul gefasset/ ohn zweifel des Vorhabens/ mich zuerschlagen/ da sie mich lebendig nicht wuͤrden uͤber bringen koͤn- nen; weil mich aber Gott vor dißmahl retten wolte/ traf ich VI bequeme Werfsteine an/ de- ren ich mich getroͤstete/ ließ den foͤrdersten zu mir ankommen/ welchem ich/ da er das Ufer fast erreichet hatte/ die Stirne mit einem/ und bald darauf das Maul mit dem ander stein dergestalt kuͤssete/ daß er niderstuͤrzete; ich behende zu jhm hin/ nam sein Schwert zu mir/ und erwartete des andern ohn alle Furcht/ nur daß ich abscheuh an dem nacketen und un- flaͤtigen Buben hatte/ welcher ganz veꝛwaͤgen auf mich anging/ ruͤffend; weil jhr/ schoͤnstes Fraͤulein/ nicht habt gluͤklich leben wollen/ muͤsset jhr ungluͤklich sterben; ich schaͤtzete sein Draͤuen gar liederlich/ mich naͤhst Gott auff meine zimliche Fechter-Erfahrenheit ver- lassend/ stellete mich in ein bequemes Lager/ und sahe der Unflat daraus/ daß ich mich mei- ner Haut erwehren wuͤrde/ welcher von der Fechtkunst wenig vergessen hatte/ daß ich vor jhm mich leicht beschuͤtzete/ jhm auch Gnade und Leben anboht/ dafern er sich mir er geben/ und die Anstiffter dieser Freveltaht nahmhafft machen wolte; weil er dessen sich aber we- gerte/ und endlich als ein rasender anfiel/ ließ ich jhn in mein Schwert lauffen/ daß jhm das Herz durchbohret ward. Nicht desto weniger ritten die uͤbrigen jenseit des Ufers auff und nider/ ob sie mit den Pferden durchsetzen koͤnten/ daher ich mich eines neuen uͤberfalls befuͤrchtend/ meine Fuͤsse auffmunterte/ und mit rischen Spruͤngen das blutige Schwert auff allen Nohtfall in der Faust haltend/ mich nach der Stad kehrete/ da ich mein Nider- kleid biß an die Knie auffheben muste/ dz ich am lauffen nicht verhindert wuͤrde; es dauch- te mich nicht raht seyn/ am Ufer hinzulauffen/ damit ich den Schelmen nicht allemahl im Gesichte bliebe/ sahe von ferne eine Hecke/ hinter dieselbe begab ich mich/ und lauschete/ wz sie an fahen wuͤrden/ merkete auch/ daß sie sich unter einander nidermacheten; doch wolte ich ihr leztes nicht abwarten/ sondern nach andenrthalbstuͤndigem irrelauffen traf ich ein al tes Weib an/ die ihrer Sage nach/ Graß vor ihre Kuh samlete/ und fragete sie/ ob ich den E e ij naͤhe- Erstes Buch. naͤhesten Weg zur Stad vor mir haͤtte; welche mich sehend/ beyde Haͤnde zusam̃en schlug/ und zu mir sagete; O allerschoͤnste Jungfer/ wie kommet ihr an diesen Ort? Ich gab ihr zur Antwort/ sie solte hiernach nicht fragen/ sondern mir Anleitung geben/ wie ich hinweg kommen moͤchte. Ja wol/ sagte sie/ der Weg ist viel zuweit/ welchen euch eure zarten Beine nicht tragen koͤnnen. Ich aber haͤtte mich schier uͤber der Vettel erzuͤrnet/ bekam doch end- lich noch einen so verwirreten Bescheid/ daß ich ungewisser von ihr ging als ich kommen wahr/ dann sie beschrieb mirs so kunterbund durch einander/ ich muͤste erst Hotte/ hernach wieder Schwade/ dann etwas gleich vor mich hin/ den ungebahneten Weg gehen/ sonst wuͤrde ich in die Pfuͤtzen biß uͤber die Ohren gerahten; welches ich zwar mit einem Gelaͤch- ter beantwortete/ aber rechtschaffen zufunde kam/ indem ich biß an den Leib durch dẽ weich- gefahrnen Koht waden/ und hernach mich in einer Bach dabey wieder abwaschen muste. Kaum wahr solches geschehen/ da stieß ein Reuter auff mich/ den ich vor einen verwaͤge- nen Puschkloͤpffer hielt/ sahe mich von ferne kommen/ stieg ab von seinem Pferde/ band es an eine Staude/ und blieb stille stehen/ als er merkete/ daß ich gerade und ungescheuh e t auff ihn zuging/ ihn auch fragete/ ob diß der rechte und naͤheste Weg nach der Stad waͤhre; worauff er mir zur antwort gab/ es naͤhme ihn groß wunder/ wie so eine aͤdle schoͤne Jung- fer mit blossem Schwerte in diesem weiten Felde so einsam ginge/ griff auch nach mir/ uñ sagete zugleich/ er haͤtte nie das Gluͤk gehabt dasselbe anzutreffen/ was ihn vergnuͤgete/ ohn vor dißmahl; Ich wiche hinterwarz/ boht ihm die Spitze und warnete ihn/ sich wol vorzu- sehen/ und nicht weiter zu gedenken als mein guter Wille waͤhre; woran er sich doch wenig kehrete/ sondern mich baht/ seine Liebe mir gefallen zu lassen/ und mich hinter die Hecke zu ihm niderzusetzen; suchete auch/ wie er mir das Schwert ausschlagen/ und sich meiner be- maͤchtigen koͤnte; wor auff ich zu ihm sagete: Du schaͤndlicher Bube/ weiche und laß mir dein Roß/ oder wehre dich meiner; schlug ihn auch flaͤchlings uͤber die Ohren/ daß er des- sen wol empfand; noch wolte er sich nicht warnen lassen/ und drang immer hefftiger zu mir ein/ woruͤber ich ihm eine Wunde uͤber die linke Faust gab/ daß er schrihe/ und sich seines Schwerts zugebrauchen anfing/ da ich ihm nach kurtzem Gefechte das Eisen durch die Gurgel stieß/ und mir hiedurch ein Pferd erstritten hatte/ auff welches ich mich setzete/ des Ertoͤdteten Schwert an meine Seite hing/ und von einem Bauren auf den rechten Weg gefuͤhret ward/ welchen ich bald kennete/ und auffs schnelleste fortjagete/ die Stad schier zu erreichen. Es begegneten mir aber zween andere/ die mich frageten/ wie ich zu dem Pfer- de und Schwerte kommen waͤhre; denen ich gleich zu antwortete/ wie es ergangen wahr. Diese aber darauff sagten/ ich wuͤrde meine Leute bey mir gehabt haben/ welche ihren red- lichen Gesellen abgesetzet/ oder wol gar ermordet haͤtten/ und begunte der eine schon sein Schwert zu zuͤcken/ dem ich doch/ ehe er sichs versahe/ einen Schnit uͤber die Kehle gab/ dz er die Erde suchete/ auch den andern/ wie er sich an mich machte/ dergestalt abfertigte/ daß sein Pferd/ wie des vorigen/ ohn seinen Re u ter davon lief/ ich aber nach eilferley Gefahr/ und Niederschlagung neun gottloser Schelmen/ (dem Himmel und dem wahren Gott/ der drinnen herrschet/ sey dank) gesund und frisch dieses Schloß wieder erreichet habe/ und ist mir nicht unangenehm/ daß ich die Zubereitung des Abendessens sehe/ wobey ich mein Fruͤhstuͤcke einnehmen wil. Es hatten ihre Fr. Mutter und alle anwesende die Erzaͤhlung mit Erstes Buch. mit Verwunderung angehoͤret/ daß die Koͤnigin zu unterschiedlichen mahlen daruͤber er- starrete/ und alle lebendige Farbe verlohr/ fingen auch an zu uͤberlegen/ wer doch im̃ermehr des ersten uͤberfalles Stiffter seyn moͤchte/ da etlicher Muhtmassung recht zutraff/ wiewol sie es nicht durfften melden/ und erst lange hernach an Tageslicht kam. Bey der Mahlzeit sagete die Koͤnigin zu dem Fraͤulein: Herzallerliebstes Kind/ sol ich dich nach abgelegetem Schrecken mit einer gewuͤnscheten Zeitung erfreuen? O ja/ Gn. Fr. Mutter/ antwortete sie/ habt ihr etwa von meinem Herr Bruder etwas gutes/ so teilet mirs mit. Siehe da/ sagte sie/ lise dieses/ so weistu so viel als ich und wir alle mit einander. Aber die gute Mutter wuste nicht/ wie hoch sie ihre Tochter hiedurch erfreuete/ welche auch jhre Hertzensvergnuͤ- gung nicht verbergen kunte/ da sie nach Verlesung saget: Ach mein Gott/ der du mir heut so gantz gnaͤdig geholffen hast/ gib doch/ daß ich diese meine Fr. Schwaͤgerin und Schwe- ster ja ehist sehen und umfahen moͤge/ weil ich schon wol weiß/ daß mein Herr Bruder kein unwirdiges Fraͤulein heyrahten wird; fassete auch alsbald die Gedanken/ wie sie erhalten moͤchte/ die Reise auff das Hochzeit fest erstes Tages vorzunehmen/ und wahr ihr sehr leid/ daß sie ihr heutiges Ungluͤk so umstaͤndig erzaͤhlet/ und dadurch ihrer Mutter Sorge und Bekuͤmmerniß rege gemacht hatte. Nach der Mahlzeit ging sie mit Libussen ein halb- stuͤndichen auff ihr Zimmer/ da sie mit betruͤbeten Worten zu jhr sagete: Ich habe heut uͤ- beraus grosse Angst in meiner Seele empfunden/ aber wann mein Herkules mich mit ei- nem Briefelein begruͤsset und erfreuet haͤtte/ wolte ichs alles vor gedoppelt ersetzet rechnen; meynestu aber nicht/ geliebetes Kind/ daß ich nicht ursach gnug habe/ mich uͤber ihn zube- schweren/ weil er bey meines Bruders eigenem Bohten mir nicht schreiben wollen? O wie koͤnte ich doch ein solches uͤber mein Herz bringen/ daß ich so gute Gelegenheit verab- seumete? Libussa lachete deß/ und gab zur Antwort: Gn. Fraͤulein/ ich haͤtte nicht gemey- net/ daß der Liebe eine solche Vergessenheit solte beywohnen; bedenket Eure Gn. nicht/ dz ihr Antwort-Schreiben gestern fruͤh erst fortgeschicket/ und dem lieben Fuͤrsten noch nicht geliefert ist? oder meynet sie/ er habe solches so lange vorher riechen koͤnnen? muß er nicht zuvor wissen/ ob seine Schreiben auch angenommen werden oder nicht? Was wuͤrde sie doch von jhm halten oder urteilen/ wann er sie mit seinen taͤglichen Briefen uͤberstuͤrmete/ ehe und bevor er einige Antwort bekommen? Wolle demnach Eure Gn. dieser Bezichti- gung ihn schwesterlich erlassen/ biß er jhrer Antwort kan habhafft seyn/ und verabseumet eꝛ alsdann einige Gelegenheit/ ists doch noch fruͤh genug ihn anzuklagen. Mein Herkules muß dir ohn zweifel Jahrs bestallung geben/ sagte sie/ daß du allemal wider mich sein wort redest/ oder hastu etwa so gute Kundschafft mit ihm gepflogen/ so sage mirs/ daß ich dich wegen seiner gewirdigten Liebe gebuͤhrlich ehren moͤge. So muste die Geige gestimmet werden/ antwortete jene/ wo sie sonst scharff klingen sol/ und hat der Eifer mein Gn. Fraͤu- lein schon eingenommen/ so ist mirs halb leid/ dz ich mich nicht zutaͤhtiger bey ihm gemacht habe/ vielleicht haͤtte ich auch noch eine bessere/ als gemeine Gunst von ihm erhalten/ dann ich getraue durch meine Gestalt und Freundligkeit noch wol einen Fuͤrsten zu meiner Ne- benliebe zubewaͤgen/ ob er mir gleich nicht werden kan. Dem Fraͤulein wahren ihre lustige Schwaͤnke und ehrliebendes Herz bekant/ sonst wuͤrde sie ihr diesen Streich schwerlich zu gute gehalten haben; doch sagte sie zu ihr; Kind Kind/ fidelstu nicht zu groh auff kleinen E e iij Sei- Erstes Buch. Seiten? wie wuͤrde dir solches ein ander als ich/ zum besten auß deuten koͤñen? Sihe dich aber wol vor/ daß du ja nicht aus unbedacht in anderer Leute Gegenwart dergleichen Scherz treibest/ du duͤrftest dir sonst Ungelegenheit ohn dein Verbrechen verursachen. Ja mein Fraͤulein ja/ antwortete sie/ da Scherz keinen Kaͤuffer hat/ lasse ich ihn wol unaußge- bohten; ihre Gn. haben mich ja viel anders gepruͤfet; daß aber bey derselben ich solche Kuͤhnheit gebrauche/ ist die einige Ursach/ daß vor uͤbermaͤssiger herzens Liebe ich nicht weiß/ auff was Art euer Gn. ich Lust und anmuht erwecken wil/ und wann ich wissen solte/ daß dieselbe ich hiedurch verunwilligte/ wolte ich mir lieber die Zunge abbeissen/ als ein Woͤrtlein ihr zu wieder reden. So magstu immerhin plaudern/ sagte sie/ wann wir allein sind. Diese Erlaͤubnis/ fuhr jene fort/ wolte ich gerne haben/ und kan nunmehr nicht ver- bergen/ wie lieb mirs ist/ daß eure Gn. heut mit zween nacketen hat fechten muͤssen. Je/ ant- wortete sie/ du wirst ja nicht gar aus der Erbarkeit Schranken loßbrechen. Lasset michs doch zuvor alles aussagen/ wieder antwortete jene; dann haͤtten die frechen Buben volle Ritterharnische angehabt/ samt Schild und Helm/ duͤrffte umb Eure Gn. es gefaͤhrlich gestanden seyn. Ich aber/ sagte das Fraͤulein/ moͤchte wuͤnschen/ daß ein ieder drey Harni- sche angehabt haͤtte. Wie so? fragte iene. Bistu nicht eine Naͤrrin? sagte sie/ dann unter solcher Last haͤtten sie ja im Wasser ersauffen muͤssen. Libussa schaͤmete sich der Fehlfrage/ und fing an: Was habe ich mich dann auch groß umb diese Buben zu bekuͤmmern? viel- lieber fahre ich fort in des allertrefflichsten Fuͤrsten Verteidigung/ und wage eine Wette/ ob nicht innerhalb kurtzer Zeit Eure Gn. Schreiben von ihm hat; und nicht allein nur Schreiben/ sondern wegen des Haaren Armbandes zehnfache Erstattung; aber wie dann Gn. Fraͤulein/ wann ich Arbeitslohn ihm angefodert/ und zuwissen getahn haͤtte/ daß ich die Kuͤnstlerin gewesen bin? O du dumkuͤhnes Tihr/ antwortete sie/ du wirst ja so unver- schaͤmt nicht seyn. Unverschaͤmt? sagte Libussa; heisset man das unverschaͤmt/ wann der Arbeiter seinen Lohn fodert? Du loser Sak/ antwortete sie mit einem lachen/ ich habe noch nicht viel Briefe gesehen/ in welchen er deine Arbeit angefodert; wiltu aber Arbeitslohn haben/ so fodere ihn von mir/ und nicht von meinem Herkules. Ich wil schon wissen/ ihn von beyden auff einmahl zufodern/ sagte sie/ aber daß euchs schwer gnug fallen sol/ mich zu befriedigen. Ey draͤue so hart nicht/ antwortete das Fraͤule in/ koͤnnen wir dañ den Haͤupt- stuel so geschwinde und auff ein mahl nicht abtragen/ wollen wir die Zinsen richtig machẽ/ Gott gebe nur/ daß die Zeit schier komme/ daß du uns beyde in einem Gemache mahnen koͤnnest. Also fuͤhreten sie ihr ehrliebendes Gespraͤch/ und wuste diese Jungfer dem Fraͤu- lein so genehm vorzuschwaͤtzen/ daß sie offt ja so befrie diget sich befand/ als wann sie auff ih- res Herkules Schosse gesessen waͤhre. Des naͤhstfolgenden Morgens ward auff dem Koͤniglichen Schlosse angemeldet/ es waͤhre eine Geselschafft von LVI Reutern/ in lauter Sammet gekleidet vor dem Stadtohr/ welche vorgaͤben/ sie kaͤhmen von jhrem Koͤnige Ladisla aus Italien. Die Koͤnigin ließ das Fraͤulein solches wissen/ daß sie nach angelegetem Schmuk zu jhr kaͤhme/ und der Gesan- ten Werbung mit anhoͤrete/ welche dann alle eingelassen/ und in die besten Herbergen ver- legt wurden/ von denen Friederich und Lutter allein sich nach Hofe verfuͤgeten/ und nach abgelegetem Kind- und Bruͤderlichen Gꝛuß von Ladisla und Herkules an die Koͤnigin und das Erstes Buch. das Fraͤulein/ reicheten sie Ladisla Schreiben ein also lautend: Gnaͤdigste Fr. Mutter; ich wil nicht zweiffeln/ jhr werde mein Schreiben/ in welchem ich meine sehr gluͤkllche Heyraht angemeldet/ wol eingelieffert seyn; Mein Hochzeitliches Freudenfest wird auff bestimmete Zeit/ da ich lebe/ vor sich gehen/ moͤchte meiner Fr. Mutter und Frl. Schwester gegenwart von Herzen wuͤnschen/ damit nicht allein ich jhnen mein allerliebstes und mit allen Fuͤrstlichen Tugenden begabtes Fraͤulein/ sondern zu- gleich auch andere Ehren-Begebnissen zeigen moͤchte/ deren wir von Kaͤyserl Hocheit noch viel mehr gewaͤrtig sind/ wie zeigere dieses/ Friederich und Lutter werden berichten koͤnnẽ/ denen sie vollen Glau- ben zustellen wollen; und weil ich willig gestehen muß/ daß mein Herkules aller meiner Ehren die einige Ursach ist/ dessen Heldenmuht und Tugend zubeschreiben ich unduͤchtig bin/ wird meine Fr. Mutter leicht erkennen/ wie hoch wir demselben veꝛpflichtet sind. Die begehreten Gelder wolle meine Fr. Mut- ter nur zuruͤk behalten: weil deren ich uͤber Notturfft habe/ und in kurzem eines groͤsseren Schatzes mir vermuhten bin; moͤchte nochmahls von Herzen gerne jhre und meiner Frl. Schwester Anwesenheit/ wo moͤglich/ hieselbst wissen und sehen. Gegeben zu Padua am XII. Tage des Mey Monats/ von ihrem gehorsamen Sohn Ladisla. Mutter und Tochter lasen es zugleich mit einander/ und ging dieser ihres Herkules Ruhm dergestalt durchs Herz daß sie sich/ von ihm geliebet zuwerden/ viel zugeringe schaͤt- zete Weil sie dann verlangen trugen Ladislaen Gluͤk zu erfahren/ muste Friederich solches mit allen umbstaͤnden erzaͤhlen/ welcher dabey vermeldete/ es zweiffelte niemand/ die er- oberte Beute in der Raͤuber Hoͤhle wuͤrde Herkules und Ladisla von dem Roͤmischen Kaͤyser ganz und gar geschenket werden/ ungeachtet dieselbe sich uͤber die CL Tonnen Gol- des belieffe/ welches die Koͤnigin vor unglaͤublich hielt. Lutter wahr vielfaͤltig drauff be- dacht/ wie er dem Fraͤulein die Sachen neben dem Schreiben heimlich beybringen wolte/ daß er von seiner Geselschafft sich nicht trennen/ sondern zugleich mit ihnen nach Teutsch- land gehen moͤchte/ hatte nun schon vernommen/ wie gute Luft sie zu schoͤnen Pferden truͤ- ge/ daher er die/ so Herkules seinem Bruder schickete/ hoch zuruͤhmen anfing/ nebest an- zeige/ daß dem Durchl. Fraͤulein von Fuͤrst Herkules er auch eines zu liefern haͤtte/ dafern dieselbe ihm gnaͤdigst befehlen wolte es herzuhohlen. das Fraͤulein verstund alsbald/ daß er sie allein zusprechen Gelegenheit suchete/ sagte demnach zu ihm/ er moͤchte sie alle bringẽ/ daß sie dieselben beschauete/ als dann wolte sie biß in den groͤsten Vorplaz folgen; welches dann alsbald geschahe/ da die sechs nach Teutschland uͤbermachte zur Seite gestellet wur- den/ deren mit Gold und Perlen gestickete Saͤttel und Zeug nach abgezogenen rohten le- dernen uͤberzuͤgen statlich hervor blicketen; der Fraͤulein schneweisses/ mit langer liecht- rohter Maͤhne und Schwantze ward von zween Teutschen absonderlich geleitet. Lutter hatte die zu Padua empfangene ganz guͤldene Huefeisen ihm zu Prag mit silbern Naͤgeln unterlegen lassen. Naseband/ Gebiß/ Stangen Steiffbuͤgel und Spangen wahr alles klammer Gold mit aͤdlen Steinen außgesezt/ vor dem Haͤupte hatte es ein Kleinot hangen in gestalt eines halben Monden/ welches von Demanten schimmerte; Zaum/ Sattel/ Vor- und hinderzeug wahr mit Gold und Perlen auffs reichlichste gesticket/ uñ die Decke so auff dem Pferdelag/ und an beyden Seiten den Steiffbuͤgeln gleich hing/ wahr ein guͤl- den Stuͤk in gruͤn/ daß desgleichen Pracht daselbst nie gesehen wahr. Ober dem Kleinot vor der Stirn wahr ein zartes weisses Leder angehefftet/ und auff demselben der Nahme VALISCA, mit guͤldenen Buchstaben. Hinter dem Pferde folgete die blaue Sammete Gutsche mit sechs muhtigen Blaͤnken im guͤldenen Zeuge/ welches alles das Fraͤulein mit Verwun- Erstes Buch. Verwunderung ansahe/ und Lutter ihr solches also einlieferte: Durchleuchtigstes Koͤnig- liches Fraͤulein/ der auch Durchleuchtigste Fuͤrst und siegreiche Held/ Großfuͤrst Herku- les/ hat mir gnaͤdigst anbefohlen/ ihrer Durchl. dieses Pferd/ welches in dem Eilande Si- zilien geworffen und abgerichtet ist/ in seiner Durchl. Nahmen untertaͤhnigst einzuhaͤn- digen/ mit Bitte/ solches an Stat eines geraubeten Bandes unbeschwert anzunehmen/ und mit schwesterlicher Gewogenheit im stets zugetahn zu verbleiben. Die Gutsche samt auffgesetzeter Lade wird gleicher Gestalt euer Durchl. von hoͤchstgedachtem Fuͤrsten zuge- schicket/ wobey ich den Befehl habe/ deroselben dieses Schreiben/ und dabey gefuͤgeten/ zu der Lade gehoͤrigen versiegelten Schluͤssel/ ohn anderer auffmerkung zuzustellen/ welches ich hiemit an diesem bequemen Orte wil geleistet haben/ und wird eure Durchl. mir goͤñen/ daß die Lade alsbald auff ihr eigenes Zimmer getragen werde. Mein Herr Oheim und Bruder/ der Durchl. Großfuͤrst/ antwortete sie/ hat gar zu uͤbrige Kosten an den Pferde- schmuk geleget/ welches ich nit zu vergelten weiß/ als nur mit einem schwesterlichen Wil- len/ der zu keiner taht gelangen kan. Die Lade werdet ihr hintragen lassen wie ihr befehli- chet seid/ und wil ich schon sehen wohin dieselbe etwa weiters sol fortgeschicket werden. Ihrer andern Leib Jungfer Brelen befahl sie nach ihrem Zimmer mit Luttern zu gehen/ denselben biß auff ihre Ankunfft mit unterredung auffzuhalten/ und die Lade in ihr abson- derliches Kaͤmmeꝛlein niderzusetzen. Sie aber ging mit Libussen nach der Koͤnigin/ ruͤh- mete den uͤberauß kostbahren Schmuk des von Herkules geschikten Pferdes/ und die wol- gemachte Gutsche/ zeigete daneben an/ der Uberbringer wolte von wegen ihres Herrn Bruders und dessen Frl. Braut sie gerne absonderlich sprechen/ wolte ihn deßwegen auff ihr Zimmer fuͤhren/ dafern es die Fr. Mutter vor gut hilte; machte sich auff Bewilligung mit Libussen dahin/ hieß Brelen einen Abtrit nehmen und bey der Koͤnigin auffwarten/ aber in Libussen Gegenwart taht sie bey Luttern allerhand Nachfrage/ und merkete/ daß ihm ihre und Herkules Liebe unbewust wahr/ daher sie ihn abfertigte/ mit dem Verspre- chen/ daß sie seine fleissige Verrichtung dereins zu seiner Befoderung wolte zu ruͤhmen wissen; gab ihm damit urlaub/ ging mit der Jungfer in die absonderliche kleine Neben- kammer/ in welcher die Lade nidergesetzet wahr/ machte den Schluͤssel loß/ und wolte als- bald auffschliessen/ da sie von der Jungfer erinnert ward/ den Brieff erst zu lesen. Ach/ sagte sie/ aus uͤbermaͤssigen freuden habe ich dessen gar vergessen; zog ihn hervor/ und sa- gete weiter: Kom doch mein Kind/ und hilff mir meines Herkules Schreiben lesen/ ich darffs allein nicht erbrechen/ aus furcht/ es moͤchte etwas wiedriges darinnen stehen. Et- was wiedriges? antwortete sie; wisset ihr auch mein Fraͤulein/ warumb er euer Gn. daß koͤstliche Pferd und die schoͤne Gutsche geschicket hat? nirgend umb/ als daß ihr darauff sollet zu ihm nach Padua reiten oder fahren. O meine Herzen Libussa/ sagte das Fraͤulein/ nun liebe ich dich erst recht/ weil du so gar meine Gedanken sehen kanst/ welche mich diese ganze Nacht schlaffloß gehalten/ ob ich nicht ein Mittel/ diese reise bey meiner Fr. Mutter zuerhalten/ außsinnen moͤchte/ ist aber alles vergeblich gewesen/ biß das Gluͤk mir solches ohngefehr jezt diesen Morgen an die Hand gegeben/ und ich darzu schon den ersten Anfang gemacht. O behuͤte Gott behuͤte Gott/ sagte die Jungfer: Eure Gn. werden ja diese meine Scherzrede nicht in ernst auffnehmen; dann wer wolte zu dieser gefaͤhrlichen Reise rah- ten Erstes Buch. ten koͤnnen/ angesehen ihre Gn. kaum vorm Stadtohr sicher ist/ und ihrer Schoͤnheit we- gen so hefftige Nachstellung erfahren muß? Was? antwortete sie/ woltestu mir nicht bes- sern Trost geben/ und in meinem Vorhaben mir hinderlich seyn? glaͤube mir bey meinen Ehren/ daß ich dir mein Lebelang nicht trauen/ noch dich lieben wil/ wo du mir ein Woͤrt- lein hierin zuwieder redest; mein Schluß stehet feste/ ich muß auff meines Herren Bru- ders Hochzeitfest/ es gehe auch wie es wolle. Libussa sahe ihren Ernst/ und gab zur Antwort; ihre Gn. wuͤste ja wol/ daß sie mit willen ihr nicht zuwieder tuhn noch reden koͤnte/ und wañ sie meynete sicher durchzukommen/ wolte sie es nicht allein gar nicht hindern/ sondern un- tertaͤhnigst ansuchen/ daß sie in ihrer Geselschafft bleiben moͤchte. Ja meynestu/ sagte das Fraͤulein/ ich werde ohn dich fortzihen? ich muß ja einen getraͤuen Menschen bey mir ha- ben/ und wen wolte ich zwischen Herkules und mich gebrauchen koͤnnen/ als dich meine andere Hand? Diese kunte ihren Scherz noch nicht einzihen/ uñ sagte; ich wundere mich uͤber euch/ Gn. Fraͤulein/ daß sie den Wagen schon anspannet/ ja daß in Gedanken sie sich schon zu Padua befindet/ willens/ mich an den Fuͤrsten hinzuschicken/ da sie doch noch nit eins weiß/ ob auch Fuͤrst Herkules sie des Orts/ wissen wil; eure Gn. lese doch zu vor das Schreiben/ dann hat sie noch Zeit gnug uͤbrig/ sich zuerklaͤren. Sie erbrach dasselbe zwi- schen Furcht und Freude/ und fand diesen beliebten Inhalt: Mein Schoͤpffer/ der allerhoͤch- ste und einige Gott/ gibt meinem Gewissen und diesem Schreiben Zeugnis/ daß in diesem jrdischen mich nach nichts so sehr verlanget/ als zu erfahren meiner Durchl. Frl. Schwester Wolergehen/ und ob sie ihres unwirdigen/ doch Herz- und Seelen- ergebenen Knechtes Herkules in Schwesterlicher Gewogenheit und versprochener Liebe zuzeiten koͤnne eingedenke seyn. Das Fraͤulein brach hie- selbst ab/ uñ sagte; O du mein hoͤchstgeliebtes allerwirdigstes Herz/ warumb magstu doch an meiner traͤue zweiffeln/ oder dich selbst vor unwirdig schaͤtzen uñ schelten/ da doch mein unvolkommenes Wesen an deinen Ehrenpreiß noch lange und bey weitem nicht reichet? Getraͤue Liebe wanket zwar nicht/ antwortete Libussa/ aber in langer Abwesenheit und wei- ter Ferne fuͤrchtet oder eifert sie noch wol/ insonderheit/ wann man von dem so gar keine Zeitung hat/ daß man so hefftig liebet. Wie leicht kan euer Herkules ihm diese Gedanken machen; daß treflichste Koͤnigliche Fraͤulein der Welt/ ist nunmehr in die mannbahren Jahre getreten; ihre Schoͤnheit leuchtet allen andern vor; Daͤnnenmark/ Schweden/ Wenden/ und andere Koͤnigreiche (des neulichen Markomirs haͤtte ich schier vergessen) haben ihre junge erwachsene Fuͤrsten/ deren keiner sich wegern solte/ ein solches Kleinot der Welt mit seinem Blute zuerstreiten. Ists dann Wunder/ mein Fraͤulein/ daß der teure Liebhaber/ der bestaͤndige Anbehter eurer Vortrefligkeit/ die wahrhaffte Wissenschafft eu- rer Gegenliebe wuͤnschet? Ich sage vielmehr/ taͤhte ers nicht/ ja fuͤrchtete er das oberwaͤh- nete nicht/ so waͤhre er entweder kein Erkenner eurer Schoͤnheit/ oder liebete nur oben hin auff ein gut beraht. Lasset ihn demnach/ Gn. Fraͤulein/ wuͤnschen und wiederwuͤnschen/ biß er nach erhaltener Besitzung nicht mehr wuͤnschen noch fuͤrchten/ sondern nur trauen und geniessen darff. Es mangelt mir jezt am kleinen Gelde/ sagte das Fraͤulein/ sonst muͤste ich dir einen Heller schencken/ welchen das in Gegenwart gesprochene Lob verdienet; aber ich wil durch dein Geplauder mich im lesen ferner nicht stoͤren lassen; fuhr auch also aus dem Schreiben fort. Verzeihet/ Durchl. Fraͤulein/ meiner Verwaͤgenheit/ und schreibet sie/ bitte ich/ F f dersel- Erstes Buch. derselben Krafft zu/ die solche in mir wirket; eurem volkommenen Geiste/ der nichts als Tugend blaͤset; euren durch brechenden Augelein/ die alle Hertzen durchdringen; eurer unvergleichlichen Schoͤnheit/ die sich bemuͤhet/ den Leib zur wirdigen Herberge einer so auserlesenen koͤstlichen Seele zu machen. Recht so/ Fuͤrst Herkules/ recht so/ fing Libussa an; straffet mich nun nach diesem mehr/ mein Fraͤulein/ wann ich eure Wirdigkeit preise; sehet/ euer Herkules/ dem jhr vielmehr trauen muͤsset/ sagets nicht allein in die vergengliche Lufft/ sondern er schreibets aus wolbe- dachtem Vorsaz auff ewigwehrende Blaͤtter/ daß es bekleiben und bleiben sol. O Fuͤrst Herkules/ wie einen breiten Schild gebet jhr mir in die Hand/ welchen ich allen Straff- pfeilen meiner Gn. Fraͤulein vorwerffen/ und sie unbeschaͤdiget auffangen kan. Sprechet nun auch/ mein Fraͤulein; Herkules du Fuchs Schwaͤnzer/ du Schmeichler/ du Liebkoser; Ja suchet eure kleine Gelderchen hervor/ und bietet ihm einen Schaͤrf zum Schreibelohn/ oder ist Schreiberey kostbahrer als muͤndliches Vorbringen/ so bietet ihm zween. Ey ey/ sagte sie mit einem Handklitschen/ wie einen bewehrten Zeugen habe ich nun ohn alles ge- fehr bekommen/ den ich um viel nicht missen wolte. Frl. Valißka muste des Vorbringens laut lachen/ sagte endlich: es ist mir leid/ daß ich den Brief nicht allein gelesen/ und dich nit davon gelassen habe; Nun koͤnte ich dir deine Ruhmraͤtigkeit mit einem Worte umbstos- sen/ wann ich bloß allein sagete; Mein Herkules wisse aller unverstaͤndigen Kinder art uñ weise/ daß sie niemand guͤnstiger seyn/ als der sie lobet; aber ich wil mich nicht immerfort mit dir katz-balgen/ und gebiete dir/ daß du mich vor Verlesung dieses allerliebsten und herzerquiklichen Briefes ungestoͤret lassest. Nur noch ein Wort/ mein Fraͤulein/ sagte sie/ ist es der allerliebste und herzerquikliche Brief/ so ist er auch mit lauter Warheit angefuͤl- let/ dann Luͤgen und Unwarheit haben Euer Gn. noch nie gefallen. Unterscheide die Luͤgen vom hoͤflichen Scherze/ antwortete sie/ so wirstu bald hinter die rechte Meynung kommen; lase damit weiter folgenden Anhang: Diese Volkommenheiten/ beteure ich/ wirken allein/ daß ich wuͤnschen darff/ dessen ich nicht faͤhig bin/ und doch auff ihre beywohnende Guͤte mich verlassend/ noch nicht gar von der Hoffnung abtrete/ des so koͤstlichen Gutes/ welches die Welt kaum wert ist/ und dem der eins voͤllig gentessenden mehr Neider als Goͤnner machen wird. O Wunder dieser Welt! setzet/ bitte ich/ meiner flatternden Seele einen festen Grund/ welches nur mit diesen Worten geschehen koͤn- te/ wann ihre holdselige Zunge ihrer Feder diß zu schreiben anbefehlen wolte: Frl. Valißka erinnert sich des versprochenen unwidersprechlich. O des suͤssen Klanges/ O des erquiklichen Trostes! Nun mein Fraͤulein/ werde ichs schier erhalten/ so bin ich genesen; verfehle ich aber des Wunsches/ so geniesse ein wirdiger und gluͤkseliger als ich nicht bin/ wanns nur ohn meinen Willen geschihet/ der sich unterstehen wird (wo moͤglich ohn meiner Fraͤulein Verletzung) ihm so hohe Veꝛgnuͤgung zu miß- goͤnnen; umb dessen Abwendung ich meinen Gott taͤglich anruffe/ und bey demselben nicht minder Er- hoͤrung/ als bey meinem Fraͤulein Bestaͤndigkeit zu finden hoffe. Beygefuͤgetes Reitpferd nebest be- spanneter Gutsche und auffgesetzeter Lade/ wolle mein Fraͤulein von ihrem Diener Herkules als ein moͤgliches Zeichen seiner unbewaͤglichen Untergebenheit auffzunehmen unbeschweret seyn/ und ver- bleibe ich Zeit meines Lebens/ Meiner gebietenden Fraͤulein gehorsamster und ganz eigen-ergebener Knecht Herkules. O Fuͤrst Herkules Fuͤrst Herkules/ sagte sie hier auff/ warumb mag eure gar zu zwei- fel spitzige Feder mir die Seele so durchstechen; oder was vor Ursach habt jhr/ mich vor traͤuloß und unbestendig zu argwohnen. Nichts/ durchaus nichts/ antwortete Libussa/ als nur/ was dieser Brieff anzeiget/ eure Volkommenheit/ deren zugeniessen er so hoch wuͤn- schet/ Erstes Buch. schet/ und sie zu verlieren sich befuͤrchtet: wie er dann wol gedenken mag/ daß mehr junge Fuͤrsten als er und Markomir das schoͤnste waͤhlen. Und bedenket nur/ mein Fraͤulein/ ob jhr dieser Steknadel so acht habet/ als eures kostbahresten Kleinots; jene stecket jhr in ein Nadelkuͤssen/ bleibet sie; gut; wo nicht/ macht jhr euch weiter keine Gedanken; dieses aber verschliesset jhr nicht allein in feste/ mit eisen beschlagene Truhen/ sondern setzet es auff das wolverwahrteste Gemach/ und dannoch fuͤrchtet jhr euch noch wol vor Dieben. Warumb goͤnner jhr eurem Herkules nicht eben diese gebuͤhrliche Freiheit/ sich der Diebe zu besor- gen/ die euch so heftig nachstellen? Dieser Vorsorge verdenke ich jhn nicht/ antwortete das Fraͤulein/ wann er nur meine Traͤuenicht in zweifel zoͤge/ die ich bey Markomirs anwer- bung/ und noch gestern/ meiner Meynung nach/ voͤllig dargelegt/ in dem ich seinet/ ja bloß seinetwegen mich dem wuͤtigen Strohm anvertrauet/ ob ich jhm zu gute uñ zu seiner Veꝛ- gnuͤgung mein Leben retten koͤnte/ welches ich mir sonst im troknen lieber haͤtte durchs Schwert kuͤrzen lassen/ solte es auch mein eigenes verrichtet haben/ da mirs zur Hand ge- wesen waͤhre. Wol/ sehr wol getahn/ sagte die Jungfer; eure unvergleichliche Seele/ eu- re getraͤueste Bestendigkeit flammet aus dieser Taht Sonnen-klar hervor: aber goͤnnet doch/ mein Fraͤulein/ goͤnnet dem durchhin verliebeten Fuͤrsten dessen zuvor Wissenschaft/ ehe jhr seinen Zweifel/ der doch so gar Zweiffelmuhtig nicht ist/ anklaget und entgegen fein- det Aber wil dann jhre Gn. die gelieferte Lade auch unbesehen wieder hinweg tragen las- sen/ wie des Markomirs seinen geschahe? das wirstu bald erfahren/ antwortete sie/ ergreif den Schluͤssel/ oͤfnete das wol verwahrete Schloß/ und fand anfangs ein seidenes Tuch/ als eine Huͤlle; nahm dasselbe hinweg/ und zohe etliche Stuͤk der besten Guͤldenen Stuͤk Tuͤcher hervor dreyerley Gattung/ jhr zu Kleidern; Unter diesen stund eine helffenbeinen Schachtel in welcher zwoͤlf trefliche Stuͤk allerhand Haͤupt- und Brust-Kleinote lagen; noch ein schwarzes Schaͤchtelchen mit Gold belegt/ welches da es geoͤfnet ward/ blitzeten die Strahlen von den kostbahresten Demanten hervor/ dann es wahr der ganze Raͤuber- Fuͤrstin Schmuk/ welchen Servilius jhm in der Hoͤhle unvermerket eingehaͤndiget hatte. In beyden Schachteln lag ein kleines Brieflein/ welches andeutete/ daß solches alles dem Fraͤulein von Herkules geschicket wuͤrde/ zur Vergeltung der jhm ehmals erzeigeten ab- waschung des unsaubern Pannonischen Blutes. Die dritte und vierde Schachtel fand sich auch/ da in der einen eine koͤstliche Halßkette von Rubinen und Smaragden uͤms an- der geheftet/ gedoppelt drey Ellen lang/ ein par Armbaͤnder fuͤnffdoppelt gleicher Art/ ein Leib Guͤrtel und Messerketchen eben derselben Arbeit/ zwey Ohrengehaͤnge und sechs Rin- ge mit grossen Rubinen/ gelegt wahren/ auch ein beygefuͤgetes Zettel anzeige taht/ daß es als ein Beutpfennig der Koͤnigin von Herkules solte eingereichet werden. In der lezten lagen zehn par guͤldene Armbaͤnder und zehn Ringe/ vor das adeliche Frauenzimmer der Koͤniglichen Fraͤulein/ so daß jene schwarz und weiß verbluͤmet/ und auff jedem Schlosse ein schoͤner Rubin eingefasset wahr/ diese aber drey Rubinen in gestalt eines Kleeblades hatten; noch zwey par Armbaͤnder von Rubinen und Schmaragden/ und zween Ringe von koͤstlichen Demanten/ vor der Fraͤulein zwo Leib Jungfern; und endlich XII koͤstliche Ringe von allerhand Steinen vor das Fraͤuleiu selbst/ welches alles auch ein Zettel anzei- gete. Als Libussa nun die schoͤnen Tuͤcher zu den Kleideꝛn besahe/ fiel ein kleineꝛ praller Beu- F f ij tel Erstes Buch. tel heraus/ von filbern Stuͤk gemacht/ uñ oben darauf zwo sehr schoͤne Korallen an stat deꝛ Knoͤpfe/ welchen sie ofnete/ und tausend Stuͤk Zahl Perlen darinnen fand/ (welche von der Raͤuber Fuͤrsten jhren Kleidern abgeschnitten wahren) uͤber deren volkommener Reinig- keit/ Groͤsse und Runde sie sich verwunderte/ und den uͤberschlag machete/ daß sie uͤber eine Tonne Schaz austrugen. Hiemit wahr die Lade/ dem Ansehen nach/ ledig/ und doch sehr schwer zu heben/ merketen auch das ein Mißscheid in der Lade wahr/ weil sie den Bodem fast in der Mitte sahen/ funden bald/ daß derselbe kunte hinweg getahn werden/ und traffen unter demselben 15000 eingepackete Kronen an/ dabey dieses Zettel lag: Der Koͤniglichen Fraͤulein Valißka Handpfennig auff ein Jahr 15000 Kronen. Nach kurzer Betrachtung sagete das Fraͤulein; iezt klage ich meines Herkules Verschwendung mehr an/ als seinen vorigen Zweifel; dann lebet er ohn Gewißheit meiner Liebe/ warum schenket er mir dann mehr als mein ganzes Heiraht Gut antraͤget? Sie stellete Libussen jhrẽ Anteil zu/ welche davor dan- kete/ legte jhren ganzen Schmuk an/ und nam der Koͤnigin uͤberschiktes mit sich in der Schachtel. Als dieselbe nun jhre Tochter mit solcher Kostbarkeit zu jhr treten sahe/ entsetze- te sie sich daruͤber/ und sagte: Hatte der fremde dieses bey dir zu werben? Sage mir doch/ liebes Kind/ von wannen komt dir ein solcher fuͤnkelnder Schaz? Ich wil meiner Gn. Fr. Mutter den jhren zuvor auch anlegen/ sagte sie/ und hernach die Zettel zeigen/ welche uns den milden Geber kund machen sollen. Die Koͤnigin stund als im Traum/ als jhr so viel Stuͤcke von dem Fraͤulein gelieffert wurden/ sahe auch aus den Bey Brieffen Herkules Freygebigkeit/ und gingen jhr die Augen vor Freude uͤber/ da sie zu jhrer Tochter sagte: Du bist wol eine teure Bademagd; doch die Goͤtter geben dir keinen unwirdigern zu wa- schen/ als meinen Sohn Herkules/ und weil derselbe dich mit einem so reichen Handpfen- nige versehen/ wirstu mir nichts mehr abfodern. Diese Worte durchgingen der Fraͤulein Mark und Seele/ daß ihr unmoͤglich wahr/ ihre Liebesveraͤnderung zu verhehlen/ dessen auch die Mutter wahr nam/ und die Gedanken zufassen begunte/ diese beyde wuͤrden schon ein mehres als Bruͤderschafft gemacht haben/ welches dann ihr einiger Wunsch wahr/ uñ sichs doch nicht merken ließ. Libussa muste der Fraͤulein adeliches Zimmer herzu hohlen/ denen die uͤbergeschikte Sachen eingereichet wurden/ und Jungfer Brela als die andere/ und naͤhst Libussen die geheimeste Leib Jungfer/ den andern Teil des vornehmsten bekam; nach deren Abtrit fing das Fraͤulein also an: Herzallerliebste Fr. Mutter/ ob gleich der heu- tige fremde mir im Nahmen Fuͤrst Herkules alle erwaͤhnete Sachen eingeliefert hat/ ist doch dieses nicht seine Haͤupt- sondern nur Nebenwerbung gewesen/ dann er wahr eigent- lich von meinem Herr Bruder Ladisla und dessen Frl. Braut befehlichet/ mir anzudeuten/ daß wo einige Schwester- und Schwaͤgerliche Liebe ich gegen sie truͤge/ wuͤrde ich nicht unterlassen/ auff ihrem Hochzeitfeyr zuerscheinen/ da sie mir den wolverwahrten Beut- pfennig selbst einliefern wolten/ der nicht geringer als der uͤbermachte seyn solte; und haͤtte Fuͤrst Herkules bey dieser Gelegenheit solches verrichten wollen/ weil er noͤhtiger Geschaͤf- te wegen nach Rom reisen muͤste/ und dem Beylager nicht beywohnen koͤnte; Zwar sie wuͤnscheten beyderseits nichts liebers/ als zugleich auch der Fr. Mutter Gegenwart; weil aber die Landschafft unser beyder Reise schwerlich einwilligen wuͤrde/ haͤtten sie darauff so hart nicht dringen duͤrffen. Nun wolte ich meiner herzgeliebten kuͤnfftigen Fr. Schwester ihr Erstes Buch. ihr erstes Begehren nicht gerne abschlagen/ wanns immer mensch- und moͤglich bey der Fr. Mutter zuerhalten waͤhre/ warumb ich dann kindlich und demuͤhtig bitte. Die Koͤni- gin erschrak der Werbung/ und gedachte sie eins vor alles abzuweisen/ gab ihr demnach diese Antwort: Herzliebes Kind/ sage mir davon ja kein Wort mehr; ich bin schon diese Nacht in so grosser Angst wegen deines gestrigen Ungluͤks gewesen/ daß mich alle mahl ge- dauchte/ du waͤhrest mir von der Seite gerissen; Ja wann du hinaus vor das Tohr reitest/ verlanget mich/ daß ich dein Angesicht wieder sehe/ uñ ich solte dich einen so langen gefaͤhr- lichen Weg reisen lassen? bedenke/ ob ich solches vor dem Himmel und der Welt verant- worten koͤnte/ wann durch diese Zulassung ich dein Ungluͤk und Verderben befoderte? Dein Bruder wird ohn zweiffel mit seinem Gemahl hieselbst bald ankommen/ dañ hastu noch Zeit genug/ dein Schwesterliches Hertz jhnen zu erzeigen; daß sie dir aber solches zu- muhten/ geschihet nur Ehrenhalben/ dann sie selbst wuͤrden mirs verdenken/ wann ich dich dergestalt hinzihen liesse. So entschlage dich nun solcher Gedanken/ und betrachte dein ge- striges Ungluͤk/ als dañ wird dir dieser Vorsaz selbst miß fallen. Diese abschlaͤgige Antwort trieb dem Fraͤulein die Traͤhnen aus den Augen/ welches die Koͤnigin sehr befremdete/ und daher in ihren vorigẽ Gedanken/ wegen jhrer Verliebung gegen Herkules gestaͤrket ward/ dann sie kennete jhren festen Sinn/ und daß jhr Herz zuvor bluten muste/ ehe das Augen- wasser hervor brach/ hoͤrete auch diese Rede der Fraͤulein mit sonderlicher bewaͤgung an: Gnaͤdigste Fr. Mutter/ es tuht meiner innigen Seele leid/ und ist ihr fast unertraͤglich/ daß ich meinem einigen Herr Bruder auff sein e m gewuͤnscheten Beylager nicht Geselschafft leisten sol; Ja wann etwa Kriege oder an dere Unruhe waͤhren/ die mich hievon abhielten/ dann haͤtte ich Entschuldigung einzuwenden; sol ich aber mein nicht-erscheinen bloß hie- mit beschoͤnen/ daß meine Fr. Mutter mir solches nicht goͤnnen wollen/ weiß ich nicht/ ob redliche Leute daran ein genuͤgen haben werden. Mein Herr Bruder ist gleichwol ein be- ruͤhmter und maͤchtiger Koͤnig/ aber auff seinem eigenen Beylager wird er ein verlassener ohn-freund seyn/ absonderlich/ weil sein Herkules ihm keinen Beystand leisten kan; jedoch muß ich meiner Fr. Mutter billich gehorsamen/ wie schwer mirs auch in diesem Stuͤcke faͤllet/ wiewol ich noch der festen Zuver sicht gelebe/ sie wede sich eines andern bedenken/ uñ in einer so schlechten Sache meinen Herrn Bruder nicht schimpflich stecken lassen. Ein Baur folget ja feinen Verwanten von einem Dorffe zum andern; ein Buͤrger von einer Stad zur andern/ warumb solten dann Koͤnigliches Standes Schwester uñ Bruͤder ein- ander diese Freundschafft nicht leisten? Ich habe ja des Meers wuͤten nicht zubefuͤrchten/ dann die Gutsche kan mich dahin tragen; so sind auch noch so viel Reuter wol in Boͤh- men/ die mich sicher begleiten koͤnnen/ wann es nur meiner herzaller liebsten Fr. Mu t ter ge- fallen wolte/ welche noch dieses bedenken wird/ wie ungleich die Frl. Braut/ und jhre El- tern es ausdeuten werden/ daß kein Anverwanter auff dem Beylager erscheinet. Freylich werden sie argwohnen/ als achte man diese Roͤmische Braut/ und ihre Eltern zu geringe; welches wol immerzu ein schlimmes Mißtrauen verursachen duͤrffte. Die Koͤnigin hatte sie uͤberaus lieb/ hoͤrete nicht allein ihre wehmuͤhtige Reden und nachdenkliche Ursachen/ sondern sahe daneben ihre Traͤhnen herunter fliessen/ welche sie laͤnger nicht reitzen kunte/ daher sie antwortete: Gedulde dich liebes Kind/ ich wil noch weder ja noch nein gesagt ha- F f iij ben/ Erstes Buch. ben/ sondern es vorhin mit den Reichs Raͤhten in bedacht zihen/ dann es ist nicht so ein ge- ringes/ wie deiner Jugend nach du es von der Hand schlaͤgest; Wann du noch ein unman- bahres Fraͤulein waͤhrest/ haͤtte ich so viel wenigeꝛ zubedenken; nun du aber schon ansehn- licher bist/ als dein Alter mit sich zubringen pfleget/ muß ich so viel mehr und groͤssere sorge vor dich tragen. Ey herzen Fr. Mutter/ sagte sie/ hindert mich sonst nichts an der Reise/ so koͤnte ich mich leicht mit einem Mañeskleide verstellen/ uñ euch dieser angst mit einem par Hosen benehmẽ. Die Koͤnigin lachete des anschlags/ uñ gab zur antwort: O mein Schaͤtz- gen/ meinestu dz dich iemand wegẽ eines par Hosen vor einen Jungling haltẽ werde? Nein o nein! deine Zartheit/ uñ dz du zimlich schon gebruͤstet bist/ wuͤrde dich viel zu bald verrah- ten. Meinen Busem/ sagte sie weiß ich wol zuvermachen; so war jensmal meines Bruders Fuͤrst Herkules Zartheit nicht viel geringer als die meine. Seine Sitten und Geberden/ sagte die Koͤnigin/ auch die Gliedmassen/ gingen der Mannheit naͤher als deine. Ich wil mich in solchem allen auch wol zwingen/ antwortete das Fraͤulein/ und ob ihr meine Haar mir vorwerffen wuͤrdet/ sol ein leichter Helm dieselben bald unsichtbar machen. Du hast es schon gar fleissig uͤbergeleget/ sagte die Mutter/ gehe hin und heiß mir den Kanzler her- kommen/ daß ich seine Gedanken hieruͤber vernehme. Das Fraͤulein seumete sich nicht/ redete ihn mit hoͤchster Freundligkeit an/ er moͤchte sich vor dißmahl als ein rechtschaffeneꝛ Freund sehen lassen/ und ihre Reise befodern/ welches nicht allein sie/ sondern auch ihr H. Bruder verschulden solte; wer ihr aber hierin zuwieder seyn wuͤrde/ nachdem sie ihre Fr. Mutter schon gewoñen haͤtte/ an dem wolte sie sich schier heut oder Morgen/ als an ihrem aͤrgesten Feinde raͤchen; welche Draͤuung er nicht unbillich zu herzen zog. Sie hingegen wahr so schlauch/ daß sie die versamleten Reichs Raͤhte/ bey denen auch Pribisla wahr/ stehendes Fusses besuchete/ und eben die Verheissung und bedraulichen Trozworte ihnen vorbrachte/ worauff dieselben ungefodert nach der Koͤnigin gingen/ es mit ihr zu beraht- schlagen/ da das Fraͤulein vorher Pribislaen seiner getahnen Zusage erinnerte/ und mit diesen Worten beschloß: In diesem Stuͤk wil ich euch redlich pruͤfen/ ob ihr ein Werk- odeꝛ Mund-Freund seid. Sie alle aber/ wie auch zuvor der Kanzler versprachen ihr alle Be- foderung ihrer Reise/ und liessen ihr doch die Gefahr nicht unangezeiget; welches sie mit einem Gelaͤchter und dieser Rede beantwortete: Gott hat mich gestern nicht zu dem Ende im Wasser erhalten/ daß ich Morgen oder uͤbermorgen zwischen hie und Padua sol erschla- gen werden. Vielmehr sollen die Herren Reichs Raͤhte betrachten/ daß ich durch diese Ge- legenheit sie der schweren Last grossenteils entheben/ und ihren Koͤnig mit mir uͤberbrin- gen werde. Als die Reichs Raͤhte bey der Koͤnigin anlangeten/ und dieselbe ihnen ihrer Frl. Tochter heftiges und mit Traͤhnen vermischetes begehren vorgetragen hatte/ antwor- tete Herr Bretisla als Reichskanzler also: Ihrer Koͤnigl. Hocheit Vorbringen ist von uns unteraͤhnigst angehoͤret/ und schon von dem Durchl. Fraͤulein an uns fast hefftig be- gehret worden/ daß wir in diese Reise einwilligen moͤchten. Meine Meynung nun hieruͤber zu eroͤffnen/ so gestehe ich/ daß ich zwischen Tuͤhr und Angel so klam nie gestecket/ als e- ben jezt; dann diese gefaͤhrliche Reise zu rahten/ und die Verantwortung auff mich zu neh- men/ da ihrer Gn. einiger Unfal zustossen solte/ ist mir nicht tuhnlich/ dann es wuͤrde/ wie billich/ bey mir gesucht werden; dem Fraͤulein aber steiff zuwiederstehen/ wil ich lieber die Kanzley Erstes Buch. Kanzley Bedienung auffruffen/ weil ihren gewissen Zorn und schwere Rache ich uͤber mich zihen wuͤrde. Die andern wahren alle der Meynung/ aber niemand betruͤbeter als Pribisla/ daß er auff sich selbst ungehalten wahr/ umb/ dz er nicht von Hoffe gezogen waͤh- re. Endlich ward der Schluß gemacht/ die Koͤnigin moͤchte das Fraͤulein absonderlich vornehmen/ ob sie von der Reise koͤnte abgebracht werden/ wo nicht/ solte man sie auff der saͤmtlichen Landstaͤnde Bewilligung hin weisen/ so verfloͤsse inzwischen die Zeit/ und wuͤrde das Beylager oder Hochzeit fest gehalten. Die Koͤnigin ließ sich alles wolgefallen/ ohn daß sie der Reichs Raͤhte Gegenwart dabey wissen wolte; foderte das Fraͤulein vor/ und nach wiederhohlung der grossen Gefahr/ vermahnete sie dieselben mit guͤtigen Wor- ten/ von diesem Vornehmen abzustehen/ dann/ sagte sie/ es koͤnte kein verstaͤndiger solches gut heissen. Als sie diesen unbedingeten Abschlag hoͤrete/ uͤberging sie zugleich ein Herzbre- chendes Leyden und rachgieriger Eyfer/ und gab mit gebrochener Rede diese Antwort; Nun wolan/ du liebe Geduld/ ergib dich deiner Fr. Mutter Gebot in gehorsam/ nach dem deren Wille/ meinem Herr Bruder dem Koͤnige/ und mir des Koͤniges Schwester/ zu wieder gemacht ist; sihe dich aber nach diesem vor/ Valiska/ wem du trauest. Kehrete hie- mit umb/ und wolte davon gehen/ aber der Zorn uͤbermeisterte sie/ daß alles ihr rohtes in eine braͤune verendert ward/ und sie im hingehen mit einem bitteren Lachen anfing; Ich haͤtte der gebuͤhrlichen Dankbarkeit schier vergessen/ damit ich den Herren Raͤhten samt und sonders verbunden bin/ umb daß ihr versprechen sie so fleissig ins Werk gerichtet; sie sollen aber dannoch wissen/ daß wann sie keinen andern Vorsaz gehabt/ sie ihr reiches Er- bieten wol sparen/ und andere als ein Koͤnigliches Fraͤulein mit leeren Worten speisen moͤchten. Nun nun/ die Geduld/ wie schon erwaͤhnet/ muß hie Meister spielen/ aber biß da- hin. Unmoͤglich wahr ihr/ ein mehres vorzubringen/ oder weiter fortzugehen/ setzete sich deßwegen auff den naͤhesten Stuel nider/ der Hoffnung/ sie wuͤrde bessern Bescheid er- halten. Es erschraken aber die Raͤhte dergestalt uͤber ihre spitzige Reden/ daß sie nicht umbhin kunten/ durch den Kanzler ihr also zu antworten. Durchleuchtigstes Fraͤulein/ unsere untertaͤhnigste Bitte ist/ uns des Argwohns gnaͤdigst zuerlassen/ und ihren Zorn von uns abzuwenden/ die Goͤtter wissen das wir bereit und erboͤtig sind/ auch unser Blut vor ihrer Durchl. Wolfahrt auffzuopffern; ist dann ihre Gn. mit der Frau Koͤnigin Ant- wort nicht friedlich/ so geruhe sie doch gnaͤdigst/ es den versamleten Landstaͤnden vortragen zu lassen/ damit hernaͤhst uns wenigen es nicht in die Schuch moͤge gegossen werden/ und man/ welches ja der Himmel abwende/ uns nicht vor Verraͤhter des Koͤniglichen Ge- bluͤts angeben und straffen moͤge. Die Koͤnigin redete ihr auch ein/ was diese Verwaͤ- genheit solte/ daß sie denen draͤuen duͤrfte/ die an Stat des Koͤniges herscheten; sie haͤtte sich vorzusehen/ und des ergangenen Abtrag zu machen. Gn. Fr. Mutter/ antwortete sie/ wann die Herren Reichs Raͤhte also anstat des Koͤniges herscheten/ daß sie dessen redli- chem willen sich gemaͤß bezeigeten/ waͤhre ich straffwirdig; weil sie aber wieder ihren Koͤ- nig und dessen willen (der ihnen aus des Koͤniges einladungs Schreiben bekant ist) her- schen wollen/ werde ich ihnen nimmermehr gut heissen/ viel weniger der Koͤnig; doch ha- be euer Muͤtterlichen Gn. ich zu hefftig geredet/ so bitte ich dessen herzliche verzeihung; dz aber der Kanzler sich unterstehen darff/ mich uͤber dz noch auffzuzihen/ sage ich nochmahls/ ich Erstes Buch. ich muͤsse es biß dahin der Gebuld befehlen. Dieser wuste vor Angst nicht zuantworten/ endlich entschuldigte er sich mit grossen verfluchungen/ daß ihm solch buͤbisches Vorneh- men nie in den Sin gestigen waͤhre. Worauff sie zur Antwort gab: Herr Reichskanzler/ ich nehme eure Entschuldigung an/ wann ihr mir dagegen den Wahn abnehmet/ daß eu- er Vorschlag wegen der Landstaͤnde Versamlung auff nichts anders gemeinet ist/ als mir ein Naͤsichen anzudrehen/ und durch diese Verzoͤgerung die Zeit des Beylagers vorbey zuspielen; wisset ihr nicht/ daß am XVII dieses/ das Fest bestimmet ist? oder meinet ihr/ ich koͤnne ohn federn hinuͤber fliegen? Doch/ ich wil dieses alles nicht so hoch treiben/ sondern sage nur so viel: Ist eure Entschuldigung euch ernstlicher/ als daß heutige Versprechen/ so machets also: Gebet unterschiedlichen Außreitern einen offenen Brieff; traget in dem- selben den vornehmsten Staͤnden des Koͤniges Willen und mein Ansuchen redlich vor/ und hohlet also ihre Stimmen ein/ als dann wil ich euch vor unschuldig halten/ und sonst keines weges. Diesen Vorschlag/ dessen sie sich wunderten/ musten sie eingehen/ und wie- derhohlete der Kanzler seine Abbitte und Entschuldigung/ welche das Fraͤulein mit hohem Erbieten annam. Ihre Mutter merkete wol/ was vor ein Hake sie so hefftig nach Padua zohe/ lies sichs aber nicht vernehmen/ und fragete doch/ was sie bewoͤge/ diese Reise so un- ablaͤssig zu begehren; welches sie beantwortete; Vor erst waͤhre daß grosse Verlangen/ ihrem Herrn Bruder und kuͤnfftiger Fr. Schwester zu gehorsamen; hernach bildete sie sich gaͤnzlich ein/ wer ihr die Reise hemmen wolte/ wuͤrde ihres Gluͤks verhinderung seyn/ weil vor einem viertel Jahre ihr im Traume vorkommen/ als ob sie in Italien in der Stad Padua (welche sie nicht als aus den Geschicht Buͤchern kennete) aus einem grossen Dorn- pusche/ eine treffliche guͤldene Kron/ wie wol nicht ohn Muͤhe hervorgezogen/ da zwar die Dornen sie gestochen/ und doch nicht blutig gemacht; die gifftigen Schlangen unter dem Pusche sie vielfaͤltig angehauchet/ und doch nicht vergifftet haͤtten. Die Koͤnigin gab zur Antwort; Ob sie sich dann vor solchen Dornen und Schlangen nicht fuͤr chtete? es waͤhre ja leicht geschehen/ daß ein Fraͤulein zuschaden und schanden kaͤhme; solte demnach viel- mehr sich durch diesen Traum von solcher Reise abschrecken lassen. Nein Gn. Fr. Mut- ter/ sagte sie; wer den Kern essen wil/ muß zuvor die Schale zubrechen; die Kirschen oben im Gipffel werden zwar mit Gefahr abgebrochen/ aber sie schmecken doch am suͤssesten; so lasts nun seyn/ ob mich Dornen stechen/ wann sie mich nur nicht verwunden; daß mich Schlangen anhauchen/ wann sie mich nur nicht vergifften. Biß zu frieden/ antwortete die Koͤnigin/ die Außreiter sollen Tag uñ Nacht mit schnellen Pferden eilen/ und der Land- staͤnde Meynung einhohlen/ aber deren Schluß soltu dich unterwerffen. Also wurden die Schreiben schleunigst verfertiget/ in welchen alles nach der Fraͤulein begehren angefuͤhret ward/ neben angehengter Frage/ in wie starker Bekleitung sie fortgehen solte/ dañ es wol- te der Kanzler sich alles verdachts entbrechen. Nun wolte aber Frl. Valiska des gewisse- sten spielen/ machte in aller stille ein kurzes Nebenschreiben/ darin sie umb Verguͤnstigung/ und des Koͤniges Willen zu geleben anhielt/ auch sich aller Dankbarkeit erboht; welches dann so wol wirkete/ daß sie alle einwilligten/ und die Anzahl der Begleitung den Reichs- Raͤhten heimstelleten/ ohn allein Herr Ninisla lobete nicht allein der Fraͤulein Vornehmẽ/ sondern taht hinzu/ es wuͤrde ein sonderlicher Wolstand seyn/ wann sie als ein frisches Frl. etwa Erstes Buch. etwa mit V oder VI Reutern fortzoͤge/ gleich ob sie eine Amazonin waͤhre. Die Reichs- Raͤhte gaben ihr biß an die Roͤmischen Grenzen 250 Reuter zu/ deren hernach 110 umb- kehren/ und 40 gar mit ihr fortgehen solten. Frl. Valiska seumete sich nicht/ sondern/ nachdem sie umb der Braut anverwanten willen eine Tonne Goldes an Baarschafft/ uñ treffliche Kleider vor sich und den Braͤutigam/ wie auch eine gute Anzahl Kleinot in Wetscher gepacket und auff Maul Esel geladen hatte/ setzete sie sich mit Libussen und Bre- len auf eine Gutsche/ lies ihr gewoͤhnliches Prunk Roß ihr nach fuͤhren/ uñ eilete den Weg in guter Sicherheit froͤlich fort/ biß sie an einem Abend zimlich spaͤte in einem offenen Fle- cken vier kleine Teutsche Meile von Padua einkehrete/ der Meynung/ am folgenden Mor- gen unbekanter weise den Einzug zu halten/ und anfangs keinen/ ohn den alten Wenzesla ihre Ankunfft wissen zu lassen. Weil sie aber zu dem Hochzeitfest zu spaͤte/ und zu ihrem Un- gluͤk viel zu fruͤh kahmen/ sparen wir ihre Begebniß biß dahin/ und wenden uns nach Pa- bua ins Wirtshauß/ woselbst Herkules und Ladisla/ wie oberwaͤhnet/ bey den Boͤhmischẽ Gesanten sich etliche Stunden auffhielten/ hernach Abscheid von ihnen nahmen/ und dem Stathalter ihre Ankunfft zuwissen macheten/ der dessen froh wahr/ und sie auff seiner Leib- Gutsche zum Abendessen einhohlen ließ/ verwunderte sich ihres herlichen Ansehens/ und ehrete sie als Koͤnigliche Gesanten. Die uͤbergebrachten Gelder ließ Ladisla von des Stat- halters Rentschreiber annehmen/ uñ seinem Gemahl Fr. Sophien einliefern/ ob sie gleich nicht zur Hochzeit/ sondern zur Reise geordnet wahren. Diesen Abend feyrete Ritter Le- ches auch nicht/ sondern kauffte eine gute Ruͤstung nach seinem Willen/ damit er auff der Stechebahn erscheinen wolte. Es trug sich aber des Abends gar spaͤte zu/ daß der Stathalter/ indem er die Steige hinunter ging/ einen Brief mit dem Wischtuche unversehens auswarff/ welchen Fr. So- phia/ die hinter ihn herging/ auffhub/ und unwissend des Inhalts ihn in den Busemstec- kete; Weil auch unsere Helden die Vornacht bemuͤhet wahren/ zum morgenden stechen alles anzuordnen/ muste Frl. Sibylla bey ihr schlaffen/ da/ indem sie die Kleider von sich legeten/ der gefundene Brief/ an welchen sie nicht mehr gedachte/ ihr aus dem Busen auff die Erde fiel; dessen das Fraͤulein inne ward/ und sie fragete/ von wannen er kaͤhme. Jene aber zur Antwort gab: sie haͤtte ihn ohngefehr gefunden/ wuͤste nicht/ wer ihn verlohren/ oder was er meldete. Ey so lasset uns zusehen/ sagte das Fraͤulein/ ob vielleicht etwas dran gelegen waͤhre/ daß mans seinem rechten Herrn wieder zustellen moͤge. Als sie ihn nun auf- falzeten/ sahen sie/ daß Herr M. Fabius der Fraͤulein Vater ihn von Rom an den Stat- halter geschrieben hatte/ legeten ihn deswegen wieder zusammen/ weil sie nicht begehreten ihrer Eltern Heimligkeiten nachzuforschen; aber das Fraͤulein machte sich allerhand ge- dancken/ daß ihr Vater nicht an sie geschrieben/ auch ihr Vetter ihr nicht eins den Elterli- chen Gruß angemeldet; daher sie sagete: Ich wil ja nicht hoffen/ daß etwa boͤse Zeitung in diesem Schreiben begriffen sey; meine Fr. Mutter wahr nicht zum besten auf/ uñ wird mein H. Vater an seiner Zipperleinsplage niderliegen/ sonst waͤhre er schon hie; einmahl weiß ich wol/ daß Klodius und Markus die Botschafft brachten/ er waͤhre etwas unpaß gewesen. Fr. Sophien selbst wahr nicht gar wol dabey/ wolte sie doch nit mißtroͤsten/ son- dern gab vor/ sie wuͤrde ja auch etwas drum wissen/ wann ein sonderliches Ungluͤk sich zu- G g getra- Erstes Buch. getragen haͤtte; aber diese ward nur in ihrer furcht gestaͤrket/ daß sie endlich nicht umhin kunte/ sie zu bitten/ den Inhalt ein wenig nachzusehen; worin sie ihr gern zuwillen wahr/ und diese Worte heimlich lase: Herzlieber Bruder/ aller der deinen gutes Wolergehen habe ich beydes aus jetzigem und vori- gem Schreiben ersehen; und wirstu Kaͤyserlicher Hocheit sonders-gnaͤdigste Gewogenheit gegen die beyden fremden Helden wol erfahren haben/ deren ehiste Ankunfft man sich dieses Orts mit Freuden vermuhtet. Wann dann deiner Meynung nach/ der Ritterliche Held Herr Herkules eine zuͤchtige ehr- liche Liebe zu meinem Kinde tragen solte/ wollestu unbeschweret seyn/ mit ihnen uͤberzukommen/ und unsere beyden Toͤchter mitzubringen/ da dann wolgedachter Herr ohn zweifel die gebuͤhrliche Anwer- bung vor die Hand nehmen/ und alles nach Standes Erheischung vollenzihen wird. Daß aber meine Sibylla ihm so geheim seyn/ und vielfaͤltige Unterredung mit ihm pflegen sol/ ungeachtet ich an bey- derseits Zucht/ krafft deiner Vergewisserung nicht zweifele/ so nimt michs dannoch nicht wenig wun- der/ weil bißdaher man sie/ mit Mannesbildern umzugehen/ nicht hat bereden koͤnnen; doch ist sie Fleisch und Blut/ hat auch eine dankbare Seele/ die ohn zweifel eine Gegenliebe in ihr wirket/ weil sie von diesem Helden Ehr und Leben hat. Wollest mich demnach eure Ankunfft etliche Tage zuvor wissen lassen/ daß ich auff so wirdige Gaͤste/ unangesehen meines Zipperlein/ mich in etwas schicken moͤge. Gehabe dich wol/ und biß neben den deinen gegruͤsset von deinem Bruder M. Fabius. Das Fraͤulein kunte des Endes kaum erwarten/ aber auff ihre Frage gab Fr. Sophia ihr zur antwort: Es kaͤhme ihr die Hand unleserlich vor/ deswegen sie ihr einhelffen moͤch- te. Meines Herr Vaters Hand/ sagte sie/ ist mir gar leicht zu lesen/ trat hinzu/ uñ lase frisch weg/ biß sie an die geschriebene Liebe kam/ da die Schamhafftigkeit sie dergestalt uͤberfiel/ dz sie kein Auge auffschlagen durffte/ sondern zu Fr. Sophien sagete: Geliebete Fr. Schwe- ster/ was vor Lust hat sie doch an dieser Aufftreiberey? ich habe ja solches um euch wissent- lich nicht verschuldet. Sie hingegen beteurete ihre Unschuld hoch/ daß sie weder umb diese Sache noch des Schreibens Inhalt ichtwas gewust haͤtte/ biß auff ihr Anhalten sie dessen inne worden; und was werffet ihr mir Aufftreiberey vor? sagte sie/ ist es eures Vaters Hand/ werdet ihr wissen. Ach ja/ antwortete das Fraͤulein/ es ist freylich dessen Hand/ aber wie mag er doch immermehr auff solche Gedanken gerahten seyn? Lasset uns den Brief vollends durchlesen/ sagte Fr. Sophia/ so finden wir vielleicht/ das uns aus dem Zweifel helffen kan. Weil sich aber das Fraͤulein weiteres lesens wegerte/ lase sie ihr das uͤbrige fein deutlich vor/ woruͤber sie vor Scham nicht mehr bey ihr bleiben kunte/ sondern legete ihre Niderkleider ab/ und machte sich nach dem Bette; und als Fr. Sophia ihr alsbald folge- te/ fing jene an: Ach herzgeliebte Fr. Schwester/ was vor Ungluͤk doch/ hat euch diesen Brief in die Haͤnde gebracht? nun sind ja die Goͤtter meine unfehlbare Zeugen/ daß weder Herr Herkules dergleichen Liebe je an mich gesoñen/ noch ich gegen einigen Menschen mich des- sen verlauten lassen; aber das Schreiben gibt mir ausdruͤklich so viel an die Hand/ daß mein Herr Vetter der Stathalter uns beyde in Verdacht halten muß/ worin er uns gewiß das groͤste Unrecht tuht/ weil wir dessen aller dinge unschuldig sind; aber dieses gestehe ich euch/ daß auff sein ehrliebendes Anhalten ich ihm Schwesterliche Liebe und Traͤue verheis- sen/ welches ich umb so viel lieber getahn/ weil ich des Vorsatzes bin/ daß/ wann mir der Himmel einen solchen leiblichen Bruder gegeben haͤtte/ ich an andere Mannes-als Vater- und Bruder-Liebe nimmermehr gedenken wolte. Fr. Sophia antwortete: Herzen Schwe- ster/ warumb machet ihr euch deßwegen so bekuͤm̃erte Gedanken? Dann vorerst ist ja nichts im Erstes Buch. im Schreiben/ das euch zu Schimpff oder Unehr koͤnte ausgedeutet werden/ und waͤhre uͤber das diese Ehe ja so uneben noch nicht angeleget/ in Betrachtung/ mein Herr Bruder Herr Herkules hohes Fuͤrstenstandes ist/ wie ihr wol glaͤuben moͤget/ und ihr eins des an- dern wol wert waͤhret; Ist nun mein Herr Vater durch eure freundliche Unterredung uñ sonst bißher gepflogene Freundschafft in diese Gedanken gerahten/ das lasset euch ja nicht wundern/ dann ich wil euch bekennen/ daß ich eben der Meynung gewesen bin/ aber dessen mich gegen niemand verlauten lassen/ weil euer keiner mir dessen ichtwas vertrauet hat. Saget mir aber eure herzliche Meynung/ wann Herr Herkules umb Heyraht anhielte/ woltet ihr ihm solches abschlagen? Darzu ist er viel zu verstaͤndig/ antwortete sie/ daß er solches nicht bey mir/ sondern bey denen/ die uͤber mich zugebieten haben/ suchen wuͤrde, bitte deßwegen/ die Fr. Schwester wolle dieses Faß zuschlagen/ und von ungefangenen Fischen keine Mahlzeit anrichten; ich habe ihr schon mehr/ als meine Scham ertragen kan/ zugehoͤret. Fr. Sophia solte aus der Fraͤulein Reden billich gemuhtmasset haben/ daß Herkules keine eheliche Liebe gegen dieselbe truͤge/ aber ihre Einbildung wahr so starck auff diese Ehe gerichtet/ daß sie noch immerzu einen guten Ausschlag hoffete; brach doch vor dißmahl ab/ und begab sich zur Ruhe. So bald der Sonnen Vorbohte den Him̃el Bleich- roht/ und die Erde suͤß-feuchte gemacht/ wahren diese beyde schon wache/ und liessen sich auffs allerbeste ausputzen. Fr. Sophia merkete/ daß das Fraͤulein nie so grossen fleiß auff ihren Schmuk/ als dißmahl angewendet/ uñ daß ihr einfaͤltiges frommes Herz immer zu- taͤhtiger ward/ daher sie umb so viel mehr ihr Vorhaben ins werk zurichten sich entschloß/ so bald einige Gelegenheit sich eraͤugen wuͤrde. Es wahr gar ein schoͤner lustiger Tag/ und weil die Stechebahn nahe vor der Stad wahr/ wolten sie sich der Gutschen nicht ge- brauchen/ sondern zu fusse hinaus gehen/ da der Stathalter und sein Gemahl voraus tra- ten/ und folgeten nach der Ordnung/ Ladisla mit seinem Gemahl/ Herkules mit Frl. Si- byllen; der junge Fabius mit Fr. Ursulen/ und hinter ihnen die Boͤhmischen Gesandten. Herkules wahr wegen versicherter Liebe seiner Frl. Valißken so voller Vergnuͤgung/ daß er sich nicht maͤssigen kunte; und weil er Frl. Sibyllen in so treflicher Zierde neben sich sa- he/ lag ihm die andere so viel staͤrker im Gedaͤchtniß/ daher er mit dieser sich desto freundli- cher geberdete/ dessen Fr. Sophia fleissig wahr nam. Auff der Schau Buͤhne nahmen sie den Sitz nach der Ordnung des Ganges/ aber Frl. Helena/ da sie Herkules nicht zum Be- gleiter haben solte/ sondern Frl. Sibylla ihr vorgezogen ward/ stellete sie sich krank und ging nach Hause. Die drey Geschenke/ so den Uberwindern solten eingereichet werden/ wahren ein Halßband am Wert 3000; ein Armband 1600; und ein Ring 1000 Kronẽ; welche Fr. Sophia/ Frl. Sibylla und Fr. Ursul austeilen solten; auch waren so viel gruͤ- ne/ mit treflichen Perlen durchzogene Kraͤnze dabey gelegt. Die Gesetze wurden abgele- sen/ und offentlich auffgehenkt; als I solte weder scharff noch feindselig/ sondern mit stumpffen Speeren gestochen werden. II Der Gefellete solte seinen Gegener nicht weiter bemuͤhen. III Schwert- streit waͤhre allerdinge verbohten. Hierauff hielten die Ritter ihren Einzug in die Schran- ken/ CXXV an der Zahl; Der erste wahr ein ansehnlicher Herr/ der auff seinem Helm einẽ Engel fuͤhrete/ in dessen Rechten ein Schildlein hing mit dieser Schrifft : Benè si honestè. Gut genug/ wanns erbar ist. In seinem Schilde stund ein Ritter/ der einen Riesen umbrach- G g ij te/ Erstes Buch. te/ und diese Worte dabey: Robur cedat fortitudini. Leibeskrafft muß der Hertzhaftigkeit weichẽ. Seine Feldbinde wahr Karmesihn roht mit treflichen Perlen durch und durch gesticket/ und die Pferdedecke gleicher Farbe mit Silber durchwircket; sein Harnisch blau angelauf- fen/ mit silbern Sternichen/ und sein Pferd weiß mit braunen Flecken/ als mit Aepffeln be- worffen. Wie er auff die Bahn ritte/ schlug er den Helm auff/ und erwieß den Zusehern grosse Ehr und Hoͤfligkeit im gruͤssen/ daß niemand zweiffelte/ er muͤste ein grosser Herr seyn/ wie er dann sechs wolgeputzete reitende Diener hatte; unter dem Angesicht wahr er schwarzbraun/ doch lieblicher Gestalt/ seines Alters ohngefehr von XXIIX Jahren. Nach ihm kam ein Ritter in schwarzem Harnische/ und uͤberal schwarzem Zeuge/ wel- ches so artig gemacht wahr/ als kroͤche es vol kleiner Wuͤrmlein. Im Schilde stund eine Jungfer/ die einen Ritter umbfangen hielt/ und ein ander zohe sie/ wie w ol vergebens und wieder ihren Willen zu sich; die Umbschrifft wahr: Aut tu meus, aut ego vetmium cibus; Du must meine/ oder ich der Wuͤrmer Speise seyn. Auff dem Helm hatte er den Tod mit der Sichel/ der diesen Spruch in der Linken fuͤhrete: Præstat mori quam sperni: Besser Tod als verachtet seyn. Es wahr dieser ein vornehmer Roͤmischer Herr/ gegen Frl. Sibyllen mit Lie- be verhafftet/ daher trug er gegen Herkules einen starken Eyfer/ weil er ihn vor ihren Braͤutigam hielt/ dz wo er sich vor dem Kaͤyser nicht gefuͤrchtet/ er ihn gewiß zum Kampf außgefodert haͤtte. Der dritte wahr mit einer lichtblanken Rustung gezieret/ mit schwar- zem Blumwerk; Feldzeichen und Pferdedecke wahren auch weiß/ mit schwarzen Koral- len gesticket/ und das Pferd glaͤnzend schwarz. Im Schilde stund ein Uberwundener mit froͤlichem Angesicht/ ungeachtet ihm Helm/ Schild und Harnisch zuschlagen/ und das Blut im aus den Wunden floß/ mit diesen Worten rings umbher: Victus sæpè Victore for- tior. Der Uberwundene ist offt herzhaffter als der Uberwinder. Auff dem Helme lies sich ein ni- dergelegter Loͤue sehen/ und diese Worte auff einem Nebentaͤflein; Succumbo Sorti. Ich unterwerffe mich dem Gluͤcke. Nach ihm folgeten die uͤbrigen in feiner Ordnung; aber der lezte hatte die meisten Anschauer/ dessen Harnisch mit fleiß geetzet wahr/ als ob er ganz re- stig waͤhre. Feldbinde und Pferde decke wahr Himmelblau/ aber mit Seide artig durch- wircket/ als obs mit Koht hin und wieder bewoꝛffen waͤhre/ daher etliche ihn den Kotigten/ andere den rostigen Ritter nenneten. Im Schilde fuͤhrete er einen Hinkenden mit diesen Worten; Pedis vitium me fecit ultimum. Meines Fusses Mangel macht daß ich der lezte bin. Auff dem Helm stund ein heßlicher Mann/ welcher die linke Hand vor die Augen hielt/ und in der Rechten ein Taͤflein mit diesem Spruche: Nocte latent mendæ. Bey Nachtzeit sihet man den Mangel nicht. Als die Schranken geschlossen wahren/ stellete sich ein unbe- wapneter Reuter vor die Schanbuͤhne/ und fragete: Ob von dem Roͤmischen Stathalter ihm verguͤnstiget waͤhre/ eine Frage vorzubringen. Und als ihm von demselben mit ja ge- antwortet ward/ sagte er: Es waͤhre ein vornehmer Herr unweit von hinnen/ welcher vor etlichen Wochen einen sehr lieben Freud/ nahmens Silvan der Großtaͤhtige/ durch un- sal verlohren haͤtte; weil dann derselbe willens waͤhre/ den Tod seines Freundes an dem Taͤhter zuraͤchen/ und aber er denselben nicht ausforschen koͤnte/ als baͤhte er diese hoch- loͤbliche Versamlung durch Rittersehre/ da ihrer einem solcher Taͤhter kund waͤhre/ und wo er anzutreffen/ ihn dessen zuverstaͤndigen/ damit er seinem Vorsaz ein genuͤgen tuhn koͤnte. Erstes Buch. koͤnte. Herkules hoͤrete bald/ daß es eine ertichtete Frage wahr/ baht den Stathalter umb urlaub zu antworten/ und sagete zu dem Abgeschikten: Mein Freund/ ich erinnere mich/ mit einem Silvan Haͤndel gehabt zu haben/ welcher aber kein Großtaͤhtiger/ sendern ein Strassen Raͤuber und gewalttaͤhtiger Menschen Dieb wahr/ auch besser des Buͤttels als eines Ritters Schwert verdienet hatte/ welchen demnach kein redlicher Ritter zuraͤ- chen vornehmen wird; jedoch/ wann dein Herr gleichwol solch unsauber Blut seiner Ra- che wirdig achten solte/ kan er sich melden/ und sein Heyl versuchen/ welches in solchen un- gerechten Sachen sehr geringe pfleget zu seyn. Dieser gab zur Antwort; es wuͤrde seinem Herren sehr lieb seyn/ daß er seinen Mann angetroffen/ und wann derselbe bey dem Stat- halter koͤnte erhalten/ daß er sich weder vor noch nach dem Kampffe nennen und sein Ange- sicht zeigen duͤrfte (es waͤhre dann daß sein Feind ihn dazuzwuͤnge) wolte ersich inwendig zwo Stunden einstellen/ und seiner Verpflichtung ein Genuͤgen tuhn. Herkules antwor- tete: Er koͤnte sich mit keinem Ungenanten schlagen/ es waͤhre dann daß ein Buͤrge sich stellete/ welcher bezeugete/ daß sein Außfoderer kein Ubeltaͤhter oder Unmann/ sondern ein redlicher Ritter waͤhre. Jener wiederantwortete darauff; Sein Herr waͤhre hohes A- dels und ritterlicher Redligkeit/ aber daß er nicht wolte erkennet seyn/ waͤhre bloß die Ur- sach/ daß er seines Feindes gar zu grossen Freund den Roͤmischen Kaͤyser fuͤrchten muͤste; waͤhre doch des steiffen vorsatzes auff unverhoffete abschlaͤgige Antwort nicht zuruhen/ biß er den Todschlaͤger seines allerbesten Freundes/ auff was Weife es auch geschehen moͤchte/ nidergeworffen haͤtte. Herkules lachete dessen und sagte; Mein Kerl/ wann ich vor diesem Trotzer mich fuͤrchtete/ wuͤrde ich dich mit gutem Recht und fuge lassen auff die Folter legen/ biß du mir deines Herrn Schlupffwinkel meldetest/ welcher mir vor Kaͤysl. Hocheit Rede und Antwort geben muͤste; aber daß ich in seiner Vermaͤssenheit ihn nicht steiffe/ so nehme ich den Kampff an mit samt der bedingung/ welche ihm redlich sol gehal- ten werden. Zwar der Stathalter wolte einsperrung machen/ mit beteurung/ es solte die- ser Bube/ weiler eine gewaltsame Raͤubertaht verfechten wolte/ am Leben gestraffet wer- den; aber Herkules Wille ging vor/ und muste ihm Klodius sein Pferd und Rustung/ die er ihm bezeichnete/ aus der Stad hohlen/ da Ladisla und Fabius die ihre auch bringen lies- sen. Inzwischen ging das Stechen in den Schranken an/ da die vornehmsten ruhig wah- ren/ und die Unachtsamere sich dergestalt tummelten/ daß sie mehrenteils die Erde kuͤsse- ten. Silvans Raͤcher blieb nicht gar eine Stunde aus/ und hatte Herkules sich kaum mit Ladisla und Fabius ins Feld gesetzet/ da er einen sehr grossen Ritter in ganz schwarzer Ru- stung sahe uͤber das quer Feld mit sanfftmuͤhtigem Schritte daher kommen. Derselbe wahr von seinem Abgeschikten berichtet/ mit was vor einem unbaͤrtigen schwanken Juͤng- ling ers wuͤrde zutuhn haben; dessen er dann so unmuhtig wahr/ daß er vermeinete/ lauter Schande an demfelben zu erstreitten. Nun wolte Herkules vor dem Kampff mit seinem Wiedersacher sprache halten/ und als er solches einwilligte/ ritten sie gegen einander/ da Herkules seinen Helm auffschlug/ und zu ihm sagete: Ritter/ ehe ich mit euch Kaͤmpffe/ moͤchte ich von euch gerne berichtet seyn/ ob ihr eigentlich wisset/ in was vor schaͤndlicher Taht ich den Silvan ertappet/ und nidergelegt habe. Silvan der Großtaͤhtige/ antworte- te dieser/ hat nie was schaͤndliches begangen/ sondern er als ein Außbund der loͤblichẽ Rit- G g iij ter- Erstes Buch. terschafft verdienet/ daß hundert tausend Ritter sein aͤdles Blut raͤchen/ welches ohn allen zweiffel unredlicher Weise muß vergossen seyn; kan auch nimmermehr glaͤuben daß von eurer Feder leichten Hand er auff Ritters Weise im wenigsten habe koͤnnen beschaͤdiget werden/ wovon ich weiters nicht reden noch hoͤren/ sondern also mit euch handeln wil/ daß ihr dem tapffern Silvan zum Opffer geschlachtet werdet. Mein Kerl/ sagte Herkules/ ich hoͤre schon das ein Raͤuber den andern lobet/ moͤchte aber wuͤnschen daß du dein draͤuen einstelletest/ damit ich Ursach haͤtte/ mit dir etwas freundlich umbzugehen; weil du aber nur schlachten wilt/ ob waͤhrestu ein Metscher und ich ein Schaff/ so muß ich mich bemuͤ- hen/ dessen eine Reue in dich zubringen. Ja antwortete dieser/ wann deiner ein par Dutzet waͤhren/ moͤchtestu draͤuen; daß du aber mit wenigem wissest/ wornach du dich zu richten habest/ zeige ich dir hiemit an/ daß dieser Streit seyn sol ein Kampff ohn Gnade. Wolan/ sagte Herkules/ ihm sey also/ wo du nicht bald dich eines bessern bedenkest; kehreten hiemit beyde umb/ und auff den ersten Trometen Schal renneten sie mit eingelegten Speeren so grimmig auffeinander/ daß die ganze versamlete Ritterschafft und alle andere Zuseher dessen sich entsetzeten/ auch ins gemein dem Fremden den Sieg zulegeten. Sie traffen bey- derseits wol/ doch weil Herkules grosse Krafft anwendete/ muste der Fremde im Sattel schwanken/ daß ihm der Fal sehr nahe wahr/ und er hingegen unbewaͤgt vorbey rennete. Weil auch die Speere gar zusplittert wahren/ griffen sie zu den Schwertern/ wiewol der Fremde sich nicht wenig entsetzete/ daß sein Feind ungefellet blieben wahr/ und noch den Vortel erhalten hatte. Ihr Schwertgefechte ging an/ so bald sie sich erreichen kunten/ und meinete der Raͤcher añoch/ mit Herkules bald fertig zu werden/ deßwegen er als ein Ra- sender auff ihn anfiel/ daß er anfangs gnug zutuhn hatte/ seine grimmigen Streiche teils auszunehmen/ teils durch außweichen abzulehnen/ wozu dann sein Pferd wol abgerichtet wahr. Endlich/ wie dieser ohn auffhoͤren fortstuͤrmete/ brach Herkules weidlich loß mit seinen Doppelhieben/ daß der vor erst nur wuͤtete/ nunmehr sich schuͤtzen muste/ und wehre- te dieser Kampff uͤber eine halbe Stunde/ ehe man an ihnen einige muͤdigkeit vernam; a- ber endlich gingen des Raͤchers Hiebe langsamer und schwaͤcher/ dessen sich Herkules zum Vortel gebrauchete/ und ihm dergestalt zusetzete/ daß ihm das Blut an unterschiedlichen Orten seines Leibes hervor spruͤtzete/ uñ er selbst zweiffelte/ ob er unserm Helden in die Har- re wuͤrde koͤnnen zu Pferde außhalten. Weil er dann/ angesehen seiner gewaltigen Leibes groͤsse/ den Sieg zu Fusse ihm gaͤnzlich einbildete/ gab er Herkules Pferde eins in die linke Seite/ daß es ganz unduͤchtig zum Gefechte ward. Dieser ergrimmete uͤber solchem Schelmstuͤcke/ sprang geschwinde herunter/ hieb seines Feindes Pferde das Maul en- zwey/ und zwang ihn/ gleichergestalt herunter zu steigen; worauff der Kampff von neuen/ und gar auff eine andere Art anging; dann hier wolte Herkules weder weichen/ noch ei- nigen Schlag unbezahlt lassen/ sondern taht seinem Feinde so gedrange/ daß er etliche Schrit hinter sich zuweichen gezwungen ward. Es wolte aber Herkules demselben kein Wort/ weder boͤses noch gutes zu reden/ sondern je mehr derselbe an Kraͤfften abnam/ je hefftiger er ihm zusetzete; woruͤber er ihm mit dem Schwert hinter den Schild kam/ und ihn am linken Arm so hart verwundete/ daß er den Schild fallen lies/ daher dieser ihm die Rechnung einer kurzen Niderlage leicht zu machen hatte/ verwunderte sich aber/ als er sa- he/ Erstes Buch. he/ daß sein Feind den Schild auch von sich legete/ und zwar bloß nur darumb/ daß er kei- nen Vortel vor ihn haben wolte; noch dannoch wahr der Raͤcher so frevelmuͤhtig/ daß er kein Wort reden wolte/ weßwegen Herkules ihm dergestalt umb die Ohren ging/ daß ihm geschwand/ welches er merkend/ zu ihm trat/ ihm den Helm vom Kopffe reiß/ und zu ihm sagete: Nun habe ich dich gezwungen/ mir dein Angesicht sehen zulassen/ und melde mir ja bald deinen Nahmen/ oder unser Streit muß ein Kampff ohn Gnade seyn. Der Raͤcher bisse die Zaͤhne im Kopffe/ und weil er bey dem Kaͤyser keine Gnade zuhoffen hat- te/ setzete er stilschweigens auff Herkules mit hoͤchster Wuht/ welches aber einen kurzen Lauff hatte/ massen er gar bald einen Stoß ins rechte Auge bekam/ daß er zu Bodem fiel. Er fragete ihn also liegend/ ob er lieber seinen Nahmen von sich geben/ oder den Kopff ver- lieren wolte; Und als dieser an stat der Demuht noch schmaͤhe worte vernehmẽ lies/ schlug er ihm das Haͤupt mit einem Streiche herunter/ wischete sein Schwert/ und ging ganz unverwundet nach seinem Ladisla zu/ welcher ihm mit einem ledigen Pferde entgegen ran- te/ worauff er sich setzete/ und den Stathalter baht/ daß er den Reutern ihres todten Her- ren Leichnam wegzufuͤhren goͤnnen moͤchte; welches er leicht erhielt. Die Anwesende Ritterschafft verwunderte sich zum hoͤchsten uͤber Herkules Tapfferkeit/ und rieffen ihm alle Gluͤk zum Siege zu/ denen er mit blossem Haͤupte/ und frischen freundlichen Angesicht dankete; baht auch den Stathalter/ daß das Stechen alsbald seinen Fortgang wieder ge- winnen moͤchte/ nachdem er seine uͤbung geendiget/ deren er sich nicht vermuhten gewest waͤhre. Der Einrit in die Schranken geschahe nach der erstgehaltenen Ordnung/ und versuchten sich noch etliche Ritter/ die kein sonderliches Zeichen loͤseten; biß der zum er- sten eingerittene sich auff die Bahn setzete/ seinen Helm auffschlug/ und ins gemein re- dete: da einer oder der ander ihn eines Rittes wirdigen wolte/ waͤhre er solches zuer- kennen willig. Der schwarze Ritter gewehrete jhn des Ansuchens/ traffen zu beyden seiten wol/ uñ liessen sich keines Wanks meꝛken; im and’n Ritte entwischete dem Schwaꝛ- zen der rechte Stegreif/ aber im dritten muste er gar herunter/ da doch jener stets fest sitzen blieb/ auch bald uͤmkehrete/ und den gefelleten uͤm Verzeihung baht/ indem er zugleich des- sen Manheit preisete/ und den Fall bloß auff das Gluk legete; welche Hoͤffligkeit unseren Helden wolgefiel. Nach diesem Verlauf stellete sich der blanke Ritter ein/ und baht uͤmb ei- nen Versuch; worauff ein starker ansehnlicher aus dem Hauffen hervorsprengete/ und die- se Antwort gab: Ritter ich bin euch zugefallen/ dafern ich nicht zu dem andern treffen ge- noͤhtiget weꝛde. Dem Blanken dauchte diese Anmuhtung etwas stolz seyn/ und sagete: Rit- ter/ wir wollen zuvor den ersten Gang versuchen/ und den andern auff gut Gluͤk aussetzen. Es fuͤhrete sein Gegener einen Uhr Ochsen im Schilde/ welcher mit den Hoͤrnern wieder einen grossen Baum lief/ mit dieser uͤmbschrifft: Ne quid nimis. Vermiß dich nicht zu viel. Auf dem Helme stund das Gluͤckes-Bilde/ und diese Worte dabey: Per me succumbit fortior. Wañ ich wil muß der Staͤrkere unterliegen Sie nahmen beyde einen langen Lauff/ traffen nicht allein mit den Speeren/ sondeꝛn auch mit den Pferden und Leibern dergestalt/ daß sie uͤbeꝛn hauffen fielen/ und jederman gedachte/ sie haͤtten unter jhren Pferden das Herz im Leibe zubrochen; arbeiteten sich doch loß/ und sahen mit Verwunderung/ wie jhre Pferde alle viere von sich strecketen und verschieden/ daß man sie muste hinweg schleppen lassen; bekah- men Erstes Buch. men aber von den Zusehern ein gutes Lob jhrer Manheit/ und ward jhnen gegoͤnnet/ ande- re Pfeꝛde hohlen zu lassen. Nachgehends renneten noch mannicht zusammen/ und empfin- gen einander zimlich rauch; da Frl. Sophia Gelegenheit nam/ mit jhrem Ladisla zu reden wegen Herkules und Sibyllen Heyraht/ nachdem sie aus jhren freundlichen Gespraͤchen eine heimliche Liebe/ jhrem Vorgeben nach/ muhtmassete; worauf er zur Antwort gab; er wuͤste nicht/ was er in diesem Stuͤk von jhm gedenken solte; sie wuͤꝛde aber von dem Fraͤu- lein zu vernehmen haben/ ob er bey jhr dessen etwas geworben haͤtte/ dann wo solches nicht solte geschehen seyn/ haͤtte man kein Wort deswegen zu verlieren; welche Antwort sie fast aller Hoffnung beraubete. Der erste Ritter mit dem Riesen ward von einem ansehnlichen Herꝛn ausgefodert/ welches jhn doch bald gereuete/ weil er im eꝛsten Ritte springen muste. Der Kotigte wolte sich biß daher an nichts kehren/ hielt gar am Ende/ ob waͤhre er uͤmb zusehens ankommen/ daß man schon einen gemeinen Spot aus jhm machete/ und ein stol- zer Ritter/ welcher im Schilde einen Sperber fuͤhrete/ d e r eine gefangene Taube hielt/ sich offentlich verlauten lies/ er muͤste mit diesem Rostigen eine kurzweil anrichten; ritte auch zu jhm/ und sagte: Ritter/ ich meine/ jhr seyd auch erschienen/ ein Speer zu bꝛechen/ welches ich mit euch gerne versuchen wolte. Dieser hatte gleich seine Gedanken am anderen Orte/ und betrachtete Herkules tapferes Gefechte/ desgleichen er nie mit Augen angesehen hatte/ daher gab er auff solche Rede keine Antwort; welches jener jhm vor eine Furchtsamkeit auslegete/ und in dem er jhn beym Arme fassete/ also fort fuhr: Ritter jhr haltet in tieffen Gedanken; oder wegert jhr euch meines Ansuchens/ so muß ich weiter gehen. Dieser schaͤ- mete sich des Fehlers/ und gab zur Antwort: Gewißlich Herꝛ Ritter/ ich habe nicht gemet- net/ daß seine ehꝛliche Anfoderung an mich gerichtet waͤhꝛe/ sonst wuͤꝛde ich gebuͤhꝛlich ge- antwortet haben. Es ist noch Zeitig gnug/ sagte jener/ wañ ichs nur gewehret werde. Ganz gerne/ antwortete dieser; dann wer einen Rit scheuhet/ muß warlich ausserhalb Schranken bleiben. Nahmen hierauf ohn ferner Wortwechseln die Bahn ein/ und warteten alle An- wesende mit Verlangen/ was dieser Kotigte gutes verrichten wuͤrde. Sie sahen daß er im Sattel sich sehr wol hielt/ das Pferd aꝛtig zu tummeln uñ sein Speer geschiklich zu schwen- ken wuste; aber sein Gegenteil versprach jhm selbst dẽ Sieg so gewiß/ als haͤtte er jhn schon in Faͤusten gehabt; wiewol das Treffen viel einanders auswieß; dañ er ward von dem Ko- tigten so unsanft auff die Erde gesetzt/ daß jhm sehen und hoͤren veꝛging/ und man jhn mit zubrochenem Arme von der Bahn hinweg tragen muste/ da doch jener sich im geringsten nicht bewaͤgete/ und aller Zuseher Gunst bekam/ welche sageten/ dem Hochmuht waͤhre recht gelohnet. Des herabgestochenen Bruder wolte diesen Schimpfraͤchen/ welcher im Eifer zu jhm ritte und also redete; Rostiger; das Ungluͤk hat meinen Bruder durch eure unwirdige Hand abgesezt/ der sonst eurer dreyen solte Fuß gehalten haben; ich aber werde nach endigung dieses Schimpffspiels wissen/ euch deswegẽ zu besprechen. Dieser gab jhm zur Antwort; Glaͤnzender und Wolgepuzter/ ich habe eurer Zungenkraft schon erfahren/ was aber euer Arm vermag/ muß ich biß dahin aussetzen/ und sollet jhr mich nach alle eu- rem Begehren finden. Der Stathalter und unsere Helden hoͤreten diesen Zank und ver- droß sie nicht wenig/ daß der Außfoderer solchen Frevel gebrauchen durfte/ daher jhm der Stathalter selbst geboht/ sich als ein Schaͤnder seiner Gesetze bald zupacken/ odeꝛ der straffe gewaͤr- Erstes Buch. gewaͤrtig zu seyn; Aber der Rostige antwortete darauff; Gnaͤdigster Herꝛ Stathalter; es geliebe eurer Durchl. diesem Ritter gn. zu verzeihen/ und uns beyden zu erlaͤuben/ daß wir alsbald unsern Span ausser den Schranken mit Speer und Schwert schlichten moͤgen. Der Stathalter beredete es kuͤrzlich mit unsern Helden/ und gab jhm zur Antwort: wolan Tugendhafter Ritter/ ich willige in euer Begehren. Sie wurdẽ des beyderseits froh/ mach- ten sich hinweg und nahmen jhre scharffen Speere zur Hand/ da der Ausfoderer an der rechten Schulder hart verwundet/ zur Erde geworffen ward; daher der Obsieger abstieg/ den Schwertstreit zu Fusse mit jhm antrat/ jener aber wegen empfangeneꝛ Wunde schlech- ten Wiedeꝛstand taht/ daß dieser jhn leicht haͤtte niderschlagen koͤnnẽ; Er wolte aber nicht/ sondern sagte zu jhm: Mein Freund/ koͤnnet jhr von der ganz unbillichen Rache abstehen/ wil ich euch des Streits gerne erlassen/ weil ich sehe/ daß die empfangene Wunde euch an weiterm Gefechte sehr hinderlich ist. Dieser wolte solches ehrliche Erbieten nicht ausschla- gen/ und gab zur Antwort: Ritter ich erkeñe eure Hoͤfligkeit/ die mich euch zu aller freund- schaft verbindet; gaben darauff einander die Haͤnde/ und schieden wol vergnuͤget wiewol der Rostige sich wieder in die Schranken begab/ da sich alsbald fuͤnff Ritter nach einander an jhm rieben/ welche alle springen musten/ daß seine vorige Verachtung in den hoͤchsten Ruhm verwandelt ward. Nun meinete der Schwarze Ritter an diesem zuerlangen/ was er an dem ersten verlohren hatte/ traffen auch zweymahl mit gleicher Standhaftigkeit/ abeꝛ im dritten Satze ging es mit jhm wie vorhin. So hatte der Blanke auch ein Pferd wiedeꝛ bekommen/ und versuchte sich mit jhm/ hielt auch zween harte Puͤffe aus/ aber im dritten ging er uͤber und uͤber. Der mit dem Uhr Ochsen wagete sich an den ersten/ und ward glei- cher gestalt im dritten Treffen nidergeleget. Es huͤtete sich aber der Rostige mit fleiß/ diesem ersten kein Anlaß zum ausfoderen zu geben/ und tummelte sich mit andern weidlich heꝛum/ die ihm alle denunwilligen Fußfall tahten; wie gleicher weise jener erste sich auch nicht saͤu- mete/ und ebenmaͤssige Krafft sehen ließ/ daher alle wuͤnscheten/ daß diese beydẽ es mit ein- ander auffnehmen moͤchten/ damit man den besten kennete; uñ hoffete zwar dieser/ es wuͤꝛ- de der Rostige ihm die Spitze bieten; weil es aber nicht geschahe/ machte er sich zu ihm/ uñ sagte: Ritter/ ihr seyd in diesem Spiel offt ausgefodert/ aber allemahl zu euren Ehren/ wel- ches ich eurer Tapfferkeit wol goͤnne/ und schier nicht wagen darff/ euch ein mehres anzu- muhten; haͤtte demnach wuͤnschen moͤgen/ daß unsere Speere sich einander auch gegruͤs- set haͤtten/ welches zwar das meine noch gerne leisten wolte/ wann ichs ohn Unhoͤfligkeit bitten duͤrffte. Der ander merkte wol/ daß dieser ein grosser Herr seyn muͤste/ und antworte- te ihm mit demuͤhtigen Worten: Er achtete sich dieser Ehr unwirdig/ mit dem weiter noch zustechen/ welcher ausser allem Zweiffel den hoͤchsten Preiß schon erworben/ wolte auch sein begehren/ wann es ohn Verletzung Ritterlicher Ehr geschehen koͤnte/ gerne von sich lehnen/ weil er aber hoffete/ ihm durch Wilfaͤhrigkeit einen Dienst zu tuhn/ waͤhre er bereit ihm zugehorsamen. Herkules hoͤrete ihn reden/ und sagte zu Ladisla: Dieser Ritter zeiget inner- und aͤusserlich seine Demuht an/ haͤlt sich vor Rost- und koͤtig/ und ist der wol- geputzeten einer/ dessen Kundschafft ich wol haben moͤchte. Dem Ausfoderer gefiel seine Hoͤfligkeit nicht weniger/ baht/ mit dem unverdienten Lobe sein zu verschonen/ und wuͤrde ihm/ sich mit jhm zuversuchen/ angenehmer seyn/ als alles uͤbrige schon geleistete. Wor- H h auff Erstes Buch. auff jener abermahl seine Willigkeit anboht. Sie foderten feste Speer/ begegneten einan- der zierlich und herzhafft/ daß die Speere splittersweise in die Lufft flogen/ und keiner im Sattel bewaͤget ward. Diese beyde stechen umb den ersten Preiß/ sagte der Stathalter zu Ladisla/ wo sie ihn nicht beyde gewinnen. Ich fuͤrchte eben dasselbe/ antwortete dieser/ schik- te deßwegen nach der Stad/ ein Halsband/ dem ersten gleich/ herzuhohlen. Die Stecher foderten neue Speere/ und wurden auff sich selbst unwillig/ daß sie im andern Ritte beyder- seits fehleten/ weil jeder sich bemuͤhete/ dem andern aus dem Stosse zuweichen/ und seinen anzubringen; tahten darauff den dritten so viel hefftiger und gerade zu/ da sie beyde hinter sich bogen/ auch der Rostige einen Stegreiff verlohr/ dessen doch niemand innen ward; und weil die Speere abermahl zubrochen wahren/ nahmen sie nochmahls andere/ ranten als blindling/ und traffen sehr wol/ auch ohn alles wanken; im voruͤbertraben aber griffen sie ei- ner nach dem andern/ zogen sich von ihren Pferden/ sprungen bald auff/ und fingen an mit einander zu ringen/ in welchem der Rostige schier solte Meister worden seyn; weil aber die Richter auffklopffen und sie warnen liessen/ traten sie voneinander/ und lieffen ihren Pfeꝛ- den zu. Bald darauff ward das Stechen auffgeruffen/ und den Rittern ins gemein Dank gesagt/ welche auff den folgenden Tag wieder eingeladen wurden. Die Richter/ Herren Kornelius und Emilius traten mit Fr. Sophien/ Frl. Sibyllen und Fr. Ursulen zusam- men/ und urteileten/ daß der erste und lezte in gleichem Wert den hoͤchsten Preiß verdienet haͤtten; den andern legten sie dem Blanken/ und den dritten dem Schwarzen zu. Da ließ nun Fr. Sophia die ersten beyden vor sich fodern/ und redete sie also an: Manhaffte/ hoch- aͤdle Ritter/ wie selten es geschihet/ daß zween zugleich den hoͤchsten Preiß verdienen/ so hoch verwundert man sich uͤber euer beyder gleichmaͤssigem Wolverhalten/ und daß man ihre Tapfferkeit so gar nicht zu unterscheiden weiß/ ohn daß der eine hat muͤssen scharff fech- ten. Der erste entschuldigte sich der Ehren/ und legete dem Rostigen das hoͤchste Lob zu; die- ser gab dagegen vor/ sein Stechen waͤhre mit dieses seinem nicht zuvergleichen/ welches al- le anwesende wuͤrden bezeugen muͤssen. Aber Fr. Sophia sagte: Ihr Herren Ritter/ wer- det ja unserer Herren Richter Urtel nicht unguͤltig machen/ sondern dieses unwaͤgerlich als einen wolverdienten Gewin annehmen; reichte damit einem jeden das Halsband ein/ und daß sie dabey sich ihres Wolverhaltens allemahl zuerinnern haͤtten. Der Rostige aber taht seinen Helm ab/ dann er wahr der Boͤhmische Ritter Leches/ ging ungefodert nach Ladisla auff die Schau Buͤhne/ setzete sich vor ihm auf die Knie/ und sagete uͤberlaut: Durchleuch- tigster/ gnaͤdigster Herꝛ; daß gestriges Tages Euer Durchl. ich die Haͤnde untertaͤhnigst zukuͤssen unterlassen/ bitte ich umb gnaͤdigste Verzeihung/ bin sonst mit den Koͤniglichen Herꝛen Gesanten heruͤber kommen/ keiner andern Ursach wegen/ als Ihrer Durchl. un- tertaͤhnigst auffzuwarten/ und in meines Koͤniges Diensten zu sterben; Zog sein Schrei- ben hervor/ und uͤbergab es seinem Herꝛn/ welches die Koͤnigin ihm absonderlich mitgege- ben/ und darinnen seines Vaters des alten Pribisla Traͤue uͤberschrieben hatte; begehrete auch/ diesen guten Ritter in geheime Dienste zunehmen/ und als einen Koͤniglichen Ver- wanten zu halten. Ladisla wahr nicht allein seiner Ankunfft froh/ sondern freuete sich inson- derheit/ daß er sich im Kampff und Stechen so ritterlich verhalten hatte/ hieß ihn auffste- hen/ boht ihm die Hand (welche er kuͤssete) und versprach ihm alle Gnade und Gewogen- heit/ Erstes Buch. heit. Inzwischen stellete Frl. Sidylla dem Blanken/ und Fr. Ursul dem Schwarzen Rit- ter das andere und dritte Geschenk zu/ und gingen nach Vollendung wieder hin nach des Stathalters Hof. Bey dem Abendtanze ging alles lustig zu/ wobey Frl. Helena Ehrenhal- ben sich muste finden lassen/ deren Eiser gegen Frl. Sibyllen Herkules gemerket hatte/ und jhm uͤbel gefiel/ insonderheit/ weil er schon andere Unarten an ihr spuͤrete/ welche nirgends als aus ihrer Eltern Nachlaͤssigkeit herruͤhreten/ massen dieselben wegen gar zu grosser Lie- be jhre Gebrechen nicht sahen/ viel weniger abgewehneten; Weil dann Herkules derglei- chen Unvolkommenheiten nicht kunte zugetahn seyn/ enthielt er sich ihrer mit fleiß/ und naͤherte sich Frl. Sibyllen umb so viel mehr/ weil er sonst keine Geselschafft hatte/ und Fr. Sophien ihren Ladisla goͤnnen muste. Dieses verursachete/ daß man ihn vor verliebet schaͤtzete/ welches doch in sein Herz nicht kommen wahr/ huͤtete sich auch fleissig/ kein Liebes- Gespraͤch mit ihr zuhalten/ weil er merkete/ daß ihr Herz eines mehren/ als der bruͤderli- chen Freundschafft sich gerne haͤtte bereden lassen/ wann er Anlaß darzu geben wollen. Frau Sophia hermete sich sehr/ daß sie nichts gewisses von ihm erfahren kunte/ taht ihr auch leid/ daß das liebe Fraͤulein bey ihren Eltern selbst in diesem Verdacht seyn/ und vielleicht durch vergebliche Hoffnung auff Herkules/ alles andere Gluͤk verscherzen solte; zu geschweigen/ daß ihr solche Kundschafft mit ihm/ uͤbel ausgedeutet/ und von andern ge- meidet werden moͤchte/ daß sie wol gar daruͤber duͤrffte sitzen bleiben. Dieses wo moͤglich/ abzukehren/ setzete sie sich zu Herkules an die ander Seite/ und fragete/ ob sie den dritten Spꝛachmann geben duͤrffte; baht ihn hernach/ er moͤchte helffen die heutigen Ritter beob- achten/ unter welchen etliche vornehme Roͤmische Herren waͤhren/ aus denen sie die Wir- digsten hervor suchen/ und sie ihren beyden Frll. Wasen/ als Frl. Helenen und Fcl. Si- byllen freyen wolte. Sibylla aber die solches hoͤrete/ auch ihren Vorsaz wol verstund/ des- sen sie sich doch nicht merken lies/ gab zur Antwort; sie gedaͤchte noch auff kein heyrahten/ wolte auch nicht hoffen/ daß man Ursach haͤtte/ sie so freygebig außzubieten; zweiffelte da- neben/ ob sonderliche vornehme Roͤmische Herren bey dem heutigen Ritterspiel sich an- gefunden/ massen sie kein sonderliches Wolverhalten von ihnen gesehen haͤtte. Herkules gab ihr Beyfal/ und ruͤhmete an ihr/ daß sie ihres Gluͤks abzuwarten willens waͤhre. Des- sen Fr. Sophia lachete/ und zu ihm sagete; wie wann dann etliche sich bemuͤheten/ dem Herr Bruder auch eine an die Hand zubringen? was gilt/ wo er alsdan einen so getraͤuen Beystand an meiner Frl. Schwester haben wuͤrde? Daß hat mit mir nichts zu bedeuten/ antwortete er/ massen meine Sachen noch zur Zeit also beschaffen sind/ daß ich an heyrah- ten oder Liebe nicht gedenken muß/ wann gleich meine Jugend nicht waͤhre; mit ernst aber von meiner hochgebohrnen Frl. Schwester zu reden/ moͤchte ich wuͤnschen/ Gelegenheit zu haben/ ihr dereins auff ihren hochzeitlichen Ehrentagen auffzuwarten/ und sehe ich dieselbe vor so verstaͤndig an/ daß sie sich nicht wird uͤberschnellen lassen; meines teils muß ich mit derselben bekennen/ daß sonderlicher Herren Gegenwart ich heut nicht verspuͤret/ und ob mir gleich nicht geziemen wil einigen Menschen veraͤchtlich zu schaͤtzen/ so kan ich doch nicht umbhin/ meines Herzen Gedanken zu offenbahren/ daß unter der heutigen Ritter- schafft (wann ihrer gleich XII in einander geschmolzen wuͤrden) ich keinen gesehen/ der mei- ner Frl. Schwester Liebe zur Heyraht wirdig waͤhre. Ach mein Herr/ antwortete das Frl. ich haͤtte solches Lobes mich billich zubedanken/ wanns nicht gar zu hoch waͤhre/ nachdem H h ij meine Erstes Buch. meine geringfuͤgigkeit mir wol bewust ist/ und ich von den hohen Tugend-volkommenen Rittern und Herren mir keine Hoffnung zu machen habe. Der Tanz verstoͤrete dieses Ge- spraͤch/ weil Herkules ein vornehmes Paduanisches Fraͤulein zugefuͤhret ward/ mit wel- cher er einen zierlichen Tanz hielt/ kam hernach mit dem Stathalter ins Gespraͤch/ wel- cher von ihm zu wissen begehrete/ wie bald er die Reise nach Rom fortsetzen wuͤrde; dem er zur Antwort gab; er wolte inwendig acht Tagen mit schnellen Pferden fortgehen/ Kaͤy- serl. Hocheit untertaͤhnigst auffzuwarten/ und bald darauff eine hoͤchstnoͤtige Reise vor- nehmen; welche Antwort den Stathalter nicht wenig befremdete/ als welcher ihm viel andere Gedanken eingebildet hatte. Herkules redete ihm zwar die Warheit seines Vor- satzes/ welchẽ er diese Nacht bey sich beschlossen hatte/ dz nach abgel e gter Reife nach Rom/ er Ladisla (unter dem Schein einen Christlichen Ort seinem Geluͤbde nach/ allein zubesu- chen) zu Padua verlassen/ und in geheim nach Boͤhmen reiten wolte/ in dem naͤhesten Staͤdlein bey Prag sich auffhalten/ seine Anwesenheit dem Fraͤulein zuwissen machen/ und durch seine Gegenwart uñ muͤndliche Unterredung einen festen Schluß ihrer kuͤnfftigen Ehe setzen/ welche er nach zweier Jahre verlauff (die er in den Morgenlaͤndern durch Rit- terschafft zubringen wolte) zu volzihen Hoffnung fassete. Aber Gott schikte es viel anders/ wie in folgenden Buͤchern wir werden zuvernehmen haben. Diese Nacht erhub in unserer Helden Marstalle sich ein graͤuliches gepoͤlter/ daß die Pferde vor Angst strampfeten/ und die Knechte aus Furcht sich verbergeten; welches des folgenden Morgens angemeldet/ und daraus gemuhtmasset ward/ es wuͤrde heut beym Stechen scharff daher gehen; welches aber nicht erfolgete/ sondern gelinder als das vori- ge wahr/ ohn das zween Ritter im herunter fallen das Genik abstuͤrzeten/ und einer von sei- nem Pferde geschleiffet ward/ daß er des dritten Tages hernach die Seele ausbließ. Die Preißtraͤger des vorigen Tages/ liessen sich heut nicht gebrauchen/ daher jener mit dem Uhr Ochsen den ersten Dank/ eine Huhtschnur von Demanten auf 1000 Kronen; Klodi- us den andern/ einen Federpusch mit einem Kleinot/ auf 800 Kronen; Und Markus den dritten/ ein Kaͤyserl: Brustbilde mit Demanten eingefasset/ auf 600 Kronen/ davon brach- ten. Diese Nacht hielt die Spuͤkerey in dem Marstalle an/ und wahr heftiger dann vorhin so daß die Pferde sprungen/ schlugen uñ wrinscheten/ daß kein Diener hinzu nahen durfte/ welches Herkules anfangs vor ein solches Werk des Teufels hielt/ durch welches derselbe jhm eine mißglaͤubige Furcht einjagen wolte; Verfuͤgete sich auch zimlich fruͤh nach dem Obristen Christlichen Lehrer daselbst/ es mit jhm zu bereden/ welcher es auf gleiche Weise auslegete/ und sich erbot/ mit der ganzen Christlichen Gemeine es in sein andaͤchtiges Ge- beht zu nehmen/ und Gott den Herꝛn inbruͤnstig anzuruffen/ daß er des Teufels Werk zer- stoͤren/ nnd alles Ungluͤk gnaͤdig abwenden wolte. Ladisla nam es auch sehr zu Herzen/ und durch Fr. Sophien lies er die heidnischen Pfaffen ersuchen/ den Goͤttern Opfer zu schlach- ten/ welche nicht allein solches uͤber sich nahmen/ sondern auch ohn Herkules Vorbewust (der es sonst nicht wuͤrde eingewilliget haben) allerhand Raͤuchwerk und andeꝛe abeꝛglaͤu- bische Dinge in dem Stalle verrichteten/ mit dem vorgeben/ dafern diese Nacht sichs nicht enderte/ muͤste man auff vier Wochen den Stal raͤumen/ das Pflaster uͤmkehren und das Dach mit neuen Steinen belegen. An diesem dritten Tage ward ein Ringel rennen gehalten/ bey welchem sich Herku- les Erstes Buch. les in praͤchtiger Kleidung finden lies/ tummelte sein Pferddermassen/ daß aller anwesen- den Augen sich nach jhm kehreten. Bey dem Rennen bedingete er sich/ zwar zur Lust und in Geselschaft mit zumachen/ aber keinen Teil am Gewinn zu haben. Weil ers dann allen andern weit zuvor taht/ schikte jhm das Frauenzimmer einen schoͤnen Blumen Kranz mit koͤstlichen Perlen und aͤdlensteinen uͤmbwunden/ welchen er mit hoͤflicher Ehrerbietung an den rechten Arm steckete. Der ordentliche Siegesdanck ward dem fremden zuerkennet/ welcher des ersten Tages nebest Leches den hoͤchsten Gewinn erhalten hatte; nehmlich/ ei- ne guͤldene Speer Spitze mit Rubinen eingelegt/ ein par guͤldener Sporen/ und ein par Steig Buͤgel auff gleiche art gezieret/ ingesamt am Wert 4000 Kronen. Dieser haͤtte un- sers Herkules Kundschafft gerne gehabt/ weil er jhm uͤber die masse gewogen wahr; nach- dem er aber eine schleunige Reise fortzusetzen hatte/ ritte er nach geendigter uͤbung zu jhm hin/ und redete jhn also an: Hochberuͤmter Ritter und Herꝛ; ich dieses Orts ein Fremder auch Auslaͤndischer/ moͤchte wuͤnschen/ die Gelegenheit zu haben/ mit demselben in bessere Kundschafft/ und da ichs wert seyn koͤnte/ vertraulichere Freundschafft einzutreten/ als welcher vor Ritters Ehr und Zier nicht unbillich von jederman geschaͤtzet wird; weil aber die Nohtwendigkeit mir befihlet/ meine Reise straks Angesichts fortzusetzen/ bitte ich sehr/ mein Herꝛ wolle mich/ Nahmens Pharnabazus aus Persen/ unter die Zahl seiner auff- richtigen Diener und getraͤuen Freunde auffnehmen/ und bey diesem schlechten Ringe (welchen er jhm reichete/ uñ uͤber 3000 Kronen wert wahr) meiner stets eingedenke seyn/ da dañ meine hoͤchste Veꝛgnuͤgung seyn wuͤrde/ meinem Herꝛn deꝛ eins angenehme Dien- ste leisten zu koͤnnen. Herkules bedankete sich dessen mit sonderlicher Freundligkeit/ und sa- gete: Mein Herꝛ/ ich schaͤtze mich ganz unwirdig des gesprochenen Lobes; Die verheisse- ne Freundschafft ist mir tausendmahl angenehmer/ trage meinem Herꝛn ein gleichmaͤssi- ges aus redlichem Herzen auff/ uñ moͤchte sich wol begeben/ daß ich die abgelegenen Mor- genlaͤnder besuchete/ da seinem lieben Nahmen nachzufragen/ ich unvergessen seyn werde/ wann ich nur des Orts etwas genauere Nachricht haben koͤnte; reichete jhm auch einen Ring ein/ koͤstlicher als der empfangene/ und noͤhtigte ihn/ bey dem Stathalter mit einzu- kehren. Dieser nam die Gedaͤchtniß mit hohem Dank zu sich/ dabey anzeigend/ sein Nah- me waͤhre bey den Fuͤrsten Hoͤfen in Assyrien/ Susiana/ Persen/ Meden/ uñ andern mehꝛ/ auch in der Parthischen Hauptstad selbst zimlicher massen bekant/ wann man nur fragete nach Pharnabazus des Persen Artaxerxes Oheim. Nachgehends meldete er ihm vertrau- lich an/ es wuͤrden in kurzer Zeit solche Verenderungen und Begebnissen in den Morgen- laͤndern vorgehen/ dergleichen in mehr als 400 Jahren nicht erhoͤret waͤhren/ und dafern er/ Herkules/ belieben truͤge/ in fremden Kriegen/ Lob/ Ehr und Gut zuerstreiten/ wuͤrde in der ganzen Welt ihm bessere Gelegenheit nicht zustossen/ wolte ihn auch bey seiner Redlig- keit versichern/ daß an Persischer seiten ihm seine Kriegsdienste dergestalt solten ersetzet werden/ als er wuͤrde wuͤnschen koͤnnen. Daß er aber nach seinem begehren mit ihm vor dißmahl nicht einkehrete/ verhinderte seine hoͤchste Eile/ worauff vieler tausend Seelen Wolfahrt hafftete/ und er sich hieselbst/ bloß aus Begierde feiner Kundschafft/ schon zu lange auffgehalten haͤtte/ welches er mit Nachtreisen einbringen muͤste; nam hiemit Ab- scheid/ baht/ das eroͤffnete ingeheim zuhalten/ und den Durchleuchtigsten Fuͤrsten Herrn Ladisla untertaͤhnig zu gruͤssen. Herkules kunte ihn wider seinen Willen nicht auffhalten/ H h iij wuͤn- Erstes Buch. wuͤnschete ihm Gluͤk zu alle seinem wichtigen Vorhaben/ versprach auch/ inwendig Jahrs frist/ da er lebete/ mit einer kleinen Ritterlichen Schaar/ bey welcher er vor Raͤuber Anfall gesichert seyn koͤnte/ sich in Persen finden zu lassen/ welches diesem Herrn uͤberaus ange- nehm wahr/ auch zuvernehmen gab/ je staͤrker er kommen wuͤrde/ je angenehmer wuͤrde er seyn/ ungeachtet man auff allen fall zum uͤberfluß Voͤlcker haͤtte. Also begab sich Herkules nach Hofe/ woselbst uͤber Tische von diesem fremden Herrn viel geredet ward/ und schaͤtze- te ihn der Stathalter vor einen Parthischen Gesanten/ der irgend bey dem Kaͤyser noͤhti- ge Werbung zuverrichten haͤtte/ worin er doch irrete/ massen er von andern Morgenlaͤn- dischen Fuͤrsten abgesendet wahr. Des Abends nach der Mahlzeit bey dem Tanze/ uͤber- fiel Herkules eine ungewoͤhnliche Traurigkeit/ deren er sich durchaus nicht entschlagen kunte/ wie sehr er sich gleich der Froͤligkeit annahm. Ladisla merkete solches an ihm/ und fragete/ ob er sich nicht wol befuͤnde; dem er antwortete: Ich weiß fast selber nicht/ wie miꝛ ist; mein Gemuͤht in mir ist als zerschlagen/ mein Herz ligt mir im Leibe als ein Kiselstein/ und weiß dessen doch nicht die allergeringeste Ursach; darumb bitte ich meinen Gott/ dz er von uns alles schaͤdliche gnaͤdig abwenden wolle. Mir ist nicht viel besser zu sinne/ sagte La- disla/ weiß nicht/ ob etwa die vielfaͤltigen Gaͤstereyen solchen Ekel und Widrigkeit erwec- ken moͤgen; saͤhe demnach gerne/ daß du dich zur ruhe legtest/ so wil ich dir bald folgen. Ich bin gleich des willens/ antwortete er; rief Klodius zu sich/ und befahl ihm/ daß er 1000 Kronen morgen gar fruͤh dem Christlichen Lehrer bringen solte/ dieselben unter die Armẽ auszuteilen; schrieb auch/ da er in seiner Schlaffkammer angelanget wahr/ ein Brieflein an denselben/ offenbahrete ihm sein trauriges Anliegen/ und begehrete/ daß gegen morgen fruͤh er sich auff eine Trostpredigt schicken moͤchte/ nach deren Anhoͤrung er willens waͤhre etwas auszureiten. Richtete hiemit seine herzliche Andacht zu Gott/ und sprach unter an- dern dieses Gebeht: Gnaͤdiger Helffer! mein Heyland JEsus Christ; verzeihe mir gnaͤdig die bißher begangene grosse uͤppigkeit/ und daß ich schier ohn einigen rechtschaffenen Gottesdienst/ diese Tage in der Weltpracht und nichtigen Fleischeswerken zugebracht habe; Du weist/ HErr mein Gott/ daß ich wider meinen Willen mich dabey finden lassen muß/ und viel lieber in stiller Einsamkeit dir dienete/ dein heiliges Wort zubetrachten; allein ich lebe ja leider in der Welt/ in der heydnischen Welt/ da ich manniche Abgoͤtterey und Boßheit anzuhoͤren gezwungen werde/ und mich solchem unbillichen Wesen nicht widersetzen darff. HErr sihe mich an mit den Augen deiner vaͤterlichen Barmhertzigkeit; wende von mir des Herzen Traurigkeit/ uñ gib mir einen ruhigen Freuden Geist/ welcher von der welt sich abzihen und dir in beharlicher furcht dienen moͤge. Solte aber etwa ein schweres Ungluͤk wegen meiner vielfaͤltigen Suͤnde mir bevor stehen; O HErr so wende es in Gnaden von mir/ und stehe mir zur Rechten/ daß ich darunter nicht erliegen moͤge; alsdann wil ichs durch deine Huͤlffe gerne tragen/ und deine Zuͤchtigung zur heilsamen Besserung annehmen; dann ich weiß HErr/ daß des Fleisches Wolergehen mich auff dem Wege zum Himmel nicht erhalten kan/ sondern deine Glaͤubigen dir durch viel Truͤbsal nachfolgen muͤssen. Erhoͤre mich HErr mein Gott umb deiner Barmherzigkeit willen/ und laß deine Guͤte uͤber mich walten/ wie ich auff dich hoffe. Nach geendigtem Gebeht legte er sich und schlug alle weltliche Gedanken auß dem Sin- ne. Ladisla wolte samt seinem Gemahl mit Herkules in einem Gemache schlaffen/ weil er seine Traurigkeit sahe; folgete ihm auch bald nach/ und funden ihn schon in voller Ruhe/ da er einem Engel Gottes aͤhnlicher als einem Menschen sahe. Die Arme hatte er nacket aus dem Bette liegen/ und die Haͤnde gefalzet/ dann uͤber dem Gebeht (welches stets seine Gewonheit) wahr er eingeschlaffen. Sie wolten ihn in seiner Ruhe nicht stoͤren/ legten sich Erstes Buch. sich auch so sanffte nider/ daß er ihrer Anwesenheit nicht inne ward. Als es gegen den Mor- gen ging/ ließ er einen schweren Seufzen im Slaffe hoͤren/ woruͤber Ladisla erwachete/ und ihn bewaͤglich fragte/ ob er sich nit wol befuͤnde. Er vernam nun erst/ daß er mit ihm auff einem Gemache schlieff/ und gab zur Antwort; Ey dz Gott walte/ wie schrecken mich die leidigen Traͤume und einbildungen; Gott behuͤte mich und alle die meinen vor schwe- rem und unertraͤglichem Ungluͤk. Fr. Sophia baht ihn/ sein Anliegen zu melden; welches er ihr nicht versagen wolte/ und zeigete an/ es waͤhre ihm vorkommen/ als haͤtte ein listiger Fuchs einen grossen hauffen hungeringer Woͤlffe auff ihn gehetzet/ welche ihn grimmig angefallen/ und das Herz ihm aus dem Leibe gerissen/ welches er zwar endlich/ aber mit un- außsprechlicher Muͤhe und Lebensgefahr wieder bekommen/ da er sich zu Wasser und Lan- de darnach wagen muͤssen. Ladisla sagete darauff; alle boͤse Deutungen gehen uͤber unsere Feinde; aber Fr. Sophia/ welche ihnen die traurigen Gedanken benehmen wolte/ machte einen Scherz daraus/ gab vor/ sie koͤnte daher anders nichts schliessen/ als das ein schoͤ- nes verstaͤndiges Fraͤulein ihn verliebet machen/ und der Liebes Gott seine Pfeile mit hauffen auff sein Herz zuschiessen wuͤrde/ biß er sein ander Herz erlangete und in seine Ge- walt braͤchte; welches er mit wenigem beantwortete/ uñ sie darauff/ weil es noch sehr fruͤh wahr/ bald wieder einschlieffen/ ohn Herkules/ der ohn unterlaß in seinem herzlichen Ge- beht zu Gott anhielt/ daß er doch die allerschaͤrffesten Straffruhten ihn nicht wolte fuͤhlen lassẽ/ sondern als ein gnaͤdiger Vater mit ihm handeln. Behtete darauff den XXV, XXXI, CXXI, CXXX, und andere Psalmen Davids mehr/ und verrichtete seine Christeiferige Andacht nicht ohn Traͤhnen. Als er nun eine Stunde also mit Gott geredet hatte/ fuhr Ladisla aus dem Schlaffe und sagte; Die Goͤtter behuͤten dich vor allem uͤbel. Wen mein Schaz/ wen sollen die Goͤtter behuͤten/ fragete ihn Fr. Sophia. Ich rede es wegen meiner Frl. Schwester/ antwortete er/ die mich dauchte in grosser Ohmacht liegen/ an Haͤnden und Fuͤssen gebunden/ da sie zu mir sagte: Mein Bruder/ wilt dann weder du noch Herku- les eure Schwester Valißken retten/ die umb euret willen dem grimmigen Drachen sol vorgeworffen werden? Sein Gemahl redete ihm ein/ man muͤste auff Traͤume nicht ach- ten/ als durch welche die Menschen gemeinlich betoͤhret wuͤrden. Aber Herkules ward hie- durch noch leidiger; dañ er deutete sein geraubetes Herz schon auff nichts anders aus auf sein allerliebstes Fraͤulein; daher baht er Gott instaͤndig/ er moͤchte sie gnaͤdigst bewahren/ daß sie nicht im Heydentuhm unterginge; hernach sagte er zu Ladisla: Mein Bruder/ ich fuͤrchte sehr/ es werde zu Prag nicht am besten zugehen/ oder doch ein feindlicher Anfal nit weit seyn/ welchen zu hindern uns ohnzweiffel die Traͤume anreizen wollen; und wer weiß/ was der Pannonier im Schilde fuͤhret/ welcher schon bey deines H. Vaters Lebzeiten Ur- sach und Gelegenheit zum Kriege suchete; waͤhre demnach nicht undienlich/ dz du mit dei- nem Gemahl dich nach deinem Koͤnigreiche erhoͤbest/ und deines Heyls wahr naͤhmest. Ja mein Bruder/ antwortete er; Mein Gemahl und ich sind darzu bereit und fertig/ nur mangelts bloß an dir/ ob du dich erklaͤren koͤnnest/ mit uns fortzuzihen/ als dañ sol der erste Tag mir der liebeste seyn. Herkules erseufzete uͤber diesem anmuhten/ nnd sagte; wann ich dir sonderlich nuͤtze in deinem Koͤnigreiche waͤhre/ wolte ich dir ein solches nicht versagen. Er wolte weiter in der Rede fortfahren/ aber Klodius klopfete an/ uñ als ihm Herkules be- fahl hinein zu tꝛetẽ/ meldete er an/ es waͤhꝛe diese Nacht ein solches Unwesen in ihꝛem Maꝛ- stalle Erstes Buch. stalle gewesen/ dz das vorige nur ein Kinderspiel dagegen zu rechnẽ waͤhre/ und wañ sie die wirkung des ergangenen uͤbels sehen wolten/ stuͤnde solche zu jhꝛem belieben/ nachdemnun mehr vor einer halben Stunde sich alles gestillet haͤtte. Herkules wuste nicht/ was er dar- aus machen solte; und Ladisla fing an ungeduldig druͤber zu werden; ob dann der Teufel auff jhren Pferden Ritter werden wolte. Sie machten sich bald dahin in den aͤussersten Vorhoff/ da jhr Maꝛstal wahr/ und sahen nicht allein/ daß XXIV statliche/ teils Gutsch-teils Reit Pferde daselbst im Platze tod lagen/ sondern auch acht uͤbel zugerichtete Pferdeknech- te/ denen Arm uñ Beine entzwey geschlagen wahren. Das ganze Dach war uͤber die Stat- maur hinweg gefuͤhret/ und das Pflaster des Stalles wahr dergestalt uͤmbgewuͤhlet/ daß kein Stein an seinem vorigen Orte lag. Ladisla rief einen Gutscher herzu/ und fragete/ wie es zugangen waͤhre; welcher diese Erzaͤhlung vorbrachte: Gleich uͤm die Mitternacht ging das vorige Un\&w̃esen an da die Pferde prausteten und tꝛampfeten/ biß ein heftiges peit- schen gehoͤret ward/ worauff die Pferde jhre Halfter zurissen/ loß wurden/ und ein solches wrinschen/ schlagen und beissen unter sich anfingen/ daß wir alle miteinander nicht anders gedenken kunten/ als das sie alle drauf gehen wuͤrden; Unser etliche machten sich auf/ uͤmb den Stal zu oͤffnen/ woruͤber jene arme Kerle von den Pferden so elendig zugerichtet sind; mir aber fugete das Gluͤk daß ich zu der Stal Tuͤhr nahete/ und sie auffstieß/ worauff die Pferde als wild und tol hinaus sprungen/ auch so bald sie unter den blossen Himmel kah- men/ ganz stille und ruhig wurden/ als waͤhren sie auff der Weide gangen. Im Stalle aber wahr ein solches Wesen/ als haͤtte man jhn gar uͤmwerffen wollen/ biß endlich ein starker Sturmwind das Dach fassete/ und es in einem Stuͤcke durch die Luft hinweg fuͤhrete/ da dann diese XXIV Pferde druͤber zu nicht kommen/ die uͤbrigen aber/ ohn vier verwundete/ Gesund blieben sind. Herkules sagte zu Ladißla; wir wollen dem Teufel zu Troz dieses al- les verachten/ verlachen/ und kein Wort davon reden/ er mag im̃erhin sich in dem stinken- den Pferdestal lustig machen; ging mit jhm hin in den Lust Garten/ und als sie vor einem Rosenstocke vorbey traten/ ward Herkules gewahr/ daß unter den weissen Rosen eine roh- te oben im Gipfel saß/ dessen er sich wunderte/ und es Ladisla zeigete. Frl. Sibylla machte sich zeitig nach Fr. Sophien/ und wahr jhre erste Frage/ warumb Herꝛ Herkules des voꝛi- gen Abends so schwermuͤhtig gewesen/ uñ wieder seine Gewonheit stilschweigens Abscheid genommen haͤtte; worauff sie antwortete: Er haͤtte sich etwas uͤbel befunden/ waͤhre aber schon besser mit jhm. Als sie gekleidet wahren gingen sie nach dem Garten/ da jhnen Herku- les die Blutrohte Rose unter den Schneweissen zeigete/ welches Fr. Sophia vor ein son- derliches Ungluͤks-Zeichen hielt/ und das noͤhtig waͤhre/ durch Opfer die zornigen Goͤtter zu versoͤhnen. Aber Herkules/ der solche Abgoͤtterey nicht staͤrken wolte/ gab zur Antwort: man muͤste kein aberglaͤubisch Ding aus den Gewaͤchsen machen; es truͤge sich desglei- chen an den Zwiebel gewaͤchsen zu/ daß sie wol alle Jahr jhre Farbe enderten. Dieses brach- te er zwar mit dem Munde vor/ aber sein Herz legte es viel anders aus/ und baht Gott um̃ abwendung alles uͤbels. Sie hatten abgeredet/ heut zur Lust auszufahren/ aber Fr. Sophia wiederriet es bey dem Fruͤhstuͤcke/ welches sie zu dem Ende hatten zurichten lassen/ dann sie befuͤrchtete sich/ es moͤchte jhnen auf so mancherley Zeichen etwa ein Ungluͤk zustossen. Ende des Ersten Buchs. Des Des Christlichen Teutschen Herkules Anderes Buch. D Ie Boͤhmischen Gesanten hatten gleich diesen Morgen unter sich abgeredet/ ih- ren Herrn und Koͤnig umb gnaͤdigste Erlassung zur Heimreise untertaͤhnigst zubegruͤssen/ und wo moͤglich/ solgendes Tages ihren Ruͤkweg vorzunehmen/ der ungezweifelten Hoffnung/ es wuͤrde ihr Koͤnig nunmehr seine Gedanken und Vorsaz geendert/ und der fernen Reise sich begeben haben/ so daß er entweder mit seinem Gemahl eine zeitlang zu Padua verbleiben/ oder in kurzen nach Boͤhmen folgen/ und die vollige Beherschung antreten wuͤrde. Herkules wahr die Mahlzeit uͤber mit gleichmaͤssi- gen Gedanken beladen/ und wuste nicht/ wessen er sich hinfuͤro zuverhalten haͤtte. Zwar er kunte ihm nicht einbilden/ daß sein lieber Ladisla weiteꝛs noch mit ihm zureisen solte geson- nen seyn/ nachdem er sein herzgeliebtes Fraͤulein sich hatte trauen und ehelich beylegen las- sen; jedoch weil er sahe/ daß diese Verenderung ihm nicht das allergeringeste von der alten eingewurzelten Freundschafft benam/ kunte er nichts gewisses schliessen/ vielweniger er- sinnen/ auff was weise er sich wuͤrde von ihm trennen koͤnnen/ daß es mit seinem guten wil- len geschaͤhe; dann er wahr des steiffen Vorsatzes/ keines weges zu Padua oder in Boͤh- men seine Jugend zuzubringẽ/ ehe er die Welt/ insonderheit die beschrihenen Reiche/ Grie- chenland und Asia/ auch wo moͤglich/ Egypten besucht/ und daselbst Ritterschafft geuͤbet haͤtte. Weil er aber hierin so bald keinen gewissen Schluß machen kunte/ befahl er seinem Gotte die Sache/ der ungezweifelten Hoffnung/ er wuͤrde alles nach seinem gnaͤdigen wil- len schaffen und zum besten schicken. Als er in diesen Gedanken begriffen wahr/ trat sein Leibknabe Publius vor den Tisch/ und meldete an/ es waͤhre ein verwundeter blutiger Reu- ter in fremder Kleidung haussen vor dem Hof-Tohr/ dessen Reden und Seufzen niemand verstehen koͤnte/ ohn daß er die Nahmen Wenzesla und Ladisla offt widerhohlete. Der Stathalter hatte dem Wenzesla die Ehre angetahn/ und ihn mit zur Mahlzeit gefodert/ und sagte Herkules zu ihm: Lieber gehet doch hin/ und vernehmet/ obs etwan der Herren Gesanten Diener einer sey; dann ich mache mir die Gedanken/ sie werden entweder unter sich selbst/ oder mit andern in Zaͤnkerey Wunden gewechselt haben. Der Knabe antwor- tete: es waͤhren ihm der Herren Gesanten Diener alle miteinander sehr wol bekant/ dieser aber waͤhre gar ein fremder/ und suͤhrete zween zimlich schwer beladene Maul Esel an der Hand. Wenzesla ging eilends hinaus/ umb die eigentliche Warheit zuvernehmen/ und sa- he uͤber alles vermuhten in hoͤchster Verwunderung seines Bruders Sohn Neklam vor dem Tohr halten/ ganz blutig/ schwach und erschrocken/ welchen er alsbald fragete/ wie die- ses zuginge/ und was vor Ungluͤk ihn also zugerichtet haͤtte. Dieser ließ einen tieffen seuf- zer aus seinem Herzen/ schlug die Haͤnde zusammen/ und sagete: O Verlust uͤbeꝛ Verlust/ Elend uͤber Elend! fing hiemit an so bitterlich zu weinen und sich zu geberden/ daß er kein Wort aussprechen kunte. Wenzesla erzitterte hieruͤber/ dann es wahr ihm Neklams fester Muht und steiffe Hartnaͤckigkeit wol bekant/ redete ihm dannoch ein/ das weibische weinen zumaͤssigen/ und den schweren unfall zuerzaͤhlen; Welcher darauff diese Worte als mit ei- J i ner Anderes Buch. ner stuͤrmenden Fluht heraus brach: Ach ach! ach des Jammers! unser Fraͤulein Va- lißka! ach unser Fraͤulein Valißka ist diesen Morgen gefangen hinweg gefuͤhret/ und alle ihre Leute erschlagen. Kein Donnerschlag haͤtte den Alten haͤrter treffen moͤgen/ als diese elende Zeitung/ gestaltsam er im Augenblik auff sein Angesicht zur Erden stuͤrzete/ und in harter Ohmacht liegen blieb. Der Thorhuͤter ersahe dieses/ hohlete eine Schale mit kal- tem Wasser/ legte ihn auff den Ruͤcken/ und netzete ihn unter dem Angesichte; wodurch eꝛ sich wieder ermunterte/ stund auff/ und fragete Neklam/ ob er irgend seinen Wiz verlohren haͤtte. Ja wol verlohren/ lieber Vetter/ sagte dieser; was ich leider nicht allein mit meinen Augen angesehen/ sondern dabey drey zimliche Wunden empfangen habe/ kan ich wol be- zeugen; und wolte Gott/ ich redete aus Aberwitz. Der Alte wuste nicht/ was er vor Trau- rigkeit und Herzensangst taht oder redete/ und fragte weiter/ wo dann das Fraͤulein waͤh- re. Ach/ sagte er/ wann ich wuͤste/ wohin sie von den Raͤubern gefuͤhret worden/ koͤnte man umb so viel besser jhnen nachsetzen. Wo aber/ und wann ist dieses geschehen? fragete Wen- zesla weiter. Heut morgen sehr fruͤh/ antwortete er/ in einem offenen Flecken/ vier Meile von hinnen. Wie komt dann das Fraͤulein daher? sagte der Alte; und antwortete ihm Ne- klam: Sie ist in Begleitung XL Reuter heruͤber gereiset/ dem Hochzeit Feste ihres Herrn Bruders beyzuwohnen. O ihr Goͤtter/ sagte Wenzesla/ warum lasset ihr uͤber die volkom- menste Blume dieser Welt ein solches Ungluͤk aus? die euch doch nie mit keinem Worte zuwider gelebet. Befahl hierauf dem Tohrhuͤter alsbald einen Arzt herzuhohlen/ damit die- ser Reuter/ welcher Herrn Ladisla Diener/ verbunden/ und mit Speise und Trank gelabet wuͤrde; Er aber fassete selbst sein Pferd beym Zuͤgel/ fuͤhrete ihn samt den Maul Eseln in den Vorhof/ und ließ etliche anwesende Diener die Wetscher abheben und auff den Esse- Saal ihm nachtragen/ da er vorhin ging tod-bleich und zitternd/ als ein verurteileter Mensch/ dem der Scharff Richter das Schwert uͤber dem Kopffe haͤlt. Ladisla sahe ihn hin- ein treten/ und sagte: Was Zeitung bringt ihr Wenzesla? wie sehe ich euer Angesicht so bleich und erschrocken? nimmermehr gehet dieses recht zu. O gnaͤdigster; antwortete er; mit welchem Worte er abermahl in Ohmacht fiel/ und alle viere von sich streckete. Die Fraͤulein und andere anwesende entsetzeten sich uͤber alle masse/ hiessen die Diener ihn auff- heben/ und Erquickung beybringen; welche allen fleiß anwendeten/ biß sie jhn wieder zu- rechte brachten. Herkules empfand unsaͤgliche Angst in seiner Seele/ und sagte zu Ladisla in Teutscher Sprache: Mein Herz hat mir ohn zweifel vorher angedeutet/ welches wir schier vernehmen werden/ und fehlet nicht/ es muß sich ein sehr schweres Ungluͤk zugetra- gen haben/ welches eigentlich uns angehet; deßwegen lieber Bruder Ladisla/ fasse ein standfestes Herz/ und laß deinen Muht nicht sinken. Herzlieber Bruder/ antwortete er/ ich fuͤrchte sehr boͤse Zeitung von Hause/ wo die unsern nicht wol gar von unvermuhtlichen Reichs Feinden/ Pannoniern oder andern/ gefaͤnglich hinweg gefuͤhret/ oder erschlagen sind. Wir wollen so gar ein ungluͤkliches nicht hoffen/ sagete Herkules/ wie wol es nicht viel besser seyn moͤchte. Wenzesla kam wieder zu sich selbst/ wrang die Haͤnde/ rauffte das Haar/ und rieff alle Goͤtter umb Rettung an. Herkules kunte auff seiner Stelle nicht blei- ben/ trat hin zu ihm/ und erinnerte ihn/ anzudeuten/ aus was Ursachen er sich so klaͤglich geberdete. O so erbarme es die Goͤtter/ sagte er darauff/ daß ich dieser leidigen Zeitung an- bringer Anderes Buch. bringer seyn muß; sahe hiemit Herkules sehr traurig an/ und auff Teutsch sagte er mit lei- ser Stimme zu ihm: Ach Fuͤrst Herkules/ unser Fraͤulein Valißka/ unser Frl. Valißka! damit verging ihm die Rede und der Odem zugleich. Als Herkules diesen allerliebsten Nahmen hoͤrete/ erstarreten alle seine Gliedmassen/ das Gebluͤt aus allen Adern lieff ihm zum Herzen/ daß ihm ein kalter Schweiß außbrach/ und er nur diese Worte sagte: O du allerliebstes Seelichen! o wo bistu/ wo bistu? womit er sanfftiglich zur Erden niderfiel/ uñ unbewaͤglich liegen blieb. Frl. Sibylla stund ihm allernaͤhest/ sahe ihn sinken/ und ward dadurch so bestuͤrzet/ daß ihr gleiche Ohmacht uͤberging/ und sie auff ihn dahin fiel. Der Stathalter sahe den grossen Jammer/ schlug die Haͤnde zusammen/ und wuͤnschete ihm selber den Tod. Ladislastund wie ein Stein/ kunte weder reden noch schweigen/ biß ihm ber grosse Herzensprast diese Worte heraus draͤngete: Sol es dann also aus Angst und Truͤbnis gestorben seyn/ werde ich gewißlich nicht der lezte uͤberbleiben. Der junge Fabius troͤstete ihn/ er solte sich seines unuͤberwindlichen Gemuͤhts erinnern/ dem Ungluͤk geherzt das Haͤupt bieten/ und nicht mit todes Gedanken umbgehen/ sondern anordnen helffen/ daß sein Freund gelabet wuͤrde. Damit trat die Stathalterin hinzu/ risse Frl. Sibyllen den Busem auff/ und bespruͤtzete sie mit kuͤhlem Wasser. Ladisla ruͤttelte und schuͤttelte sei- nen Herkules/ wischete ihm den Angstschweiß ab/ und bestreich ihn mit Krafftwasser/ zu ihm sagend: Mein Bruder/ hastu Ursach gnug zusterben/ so nim deinen Ladisla mit/ der dich nimmermehr uͤberleben wird. Fabius taht ihm getraͤuen Beystand/ daß er endlich zu ihm selber kam/ und mit einem tieffen Seuffzer und halb verschlossenen Augen wieder zu Teutsch anfing: O du allerliebstes Seelichen? o du unvergleichlicher Weltschaz! sol ich dich dann in der ewigen Seligkeit nicht sehen? O du allerliebstes Seelichen/ o wo bistu? Ladisla trat hin zu Wenzesla/ (der wieder zun Fuͤssen kommen wahr/ und neben den Gesan- ten diß grosse Ungluͤk beklagete) und fragete ihn/ ob dann seine Frl. Schwester todes ver- blichen waͤhre. Nein Gn. Herr/ antwortete er/ aber sie ist gefangen und in Raͤuber Haͤn- den. Nun dann sagete er/ so stehet ihr ja noch zu helffen; ging wieder zu Herkules/ und sag- te zu ihm: Mein allerliebster Bruder/ unsere Schwester Valiska lebet. O Bruder o Bru- der/ antwortete er/ ertichtete Hoffnung zergehet bald; und sagte weiter: O du aͤdle Seele/ du außbund menschliches Geschlechts/ waͤhrestu doch nur vor deinem Ende zur erkaͤnt- nis deines Heylandes kommen; o so duͤrftestu die ewige Verdamnis nit ertragen. Wen- zesla trat auch zu ihm/ sprechend: Gewißlich Gn. Herr/ eure Frl. Swester lebet und ist gesund/ nur daß sie von etlichen Raͤubern gefangen gehalten wird. Hierauff besan er sich/ fuͤrchtend/ er haͤtte etwa in dieser Angst sich etlicher Reden vernehmen lassen/ wodurch sei- ne Liebe koͤnte geargwohnet werden; stund auff und sagte: Ich bin meiner Frl. Wasen uñ Schwester ohnzweiffel mein Leben schuldig/ welches zu raͤchen/ sie vor zwey jahren so be- reit und willig wahr/ da es die Noht erfodert haͤtte; in betrachtung dessen/ muß ihre Ge- faͤngnis oder meines Lebensfadem gebrochen werden/ welches ich in keinem wirdigern Dienste anzuwenden weiß. Er nahete sich zum Tische/ mit einem Trunk Wein seine matten Geister zu laben/ sahe aber das Fr. Sophia/ deren niemand acht hatte/ auff ihres H. Va- ters Stuele in der tieffsten Ohmacht saß/ und kein Lebenszeichen sehen lies/ welches vor seinem Ladisla zu verbergen/ er ihr den Busem oͤffnete/ und den Wein unter das Angesicht J i ij streich/ Anderes Buch. streich/ daß sie zur empfindnis kam/ und zu ihm sagete: Herzgeliebeter Herr Bruder/ ich gedachte/ wir waͤhren alle mit einander verschieden; O saget mir doch/ was vor eine helli- sche Unholdin hat uns unschuldige so hefftig erschrecket? Ach meine Fr. Schwester/ ant- wortete er; meine Fraͤulein Wase und Schwester/ Frl. Valißka ist gefangen und in Raͤu- ber Haͤnde gerahten. O ihr Goͤtter! o du bitteres Verhaͤngnis! sagte sie; verlohr die leben- digen Geister zum andernmahle/ und hatte Fr. Ursul mit ihrer erquickung gnug zu tuhn. Herkules rieff seinem Knaben/ befahl sein Pferd und Rustung ungeseumet zubringen/ und fragete Wenzesla/ woher er doch eigentlich wuͤste/ daß sie noch im Leben/ und nur ge- fangen waͤhre. Der Bohte/ sagte er/ welcher mir die leidige Zeitung bringet/ hat mirs also erzaͤhlet. Und wo ist dann dieser unselige Bohte? fragete Herkules. Draussen im Vorhe- se/ antwortete er/ da ihm seine Wunden verbunden werden/ die er bey dem grossen Ungluͤk empfangen hat; dann wie ich vernehme/ ist er von XL allein uͤbrig blieben. Wie? fragte Herkules/ ist es dann in der naͤhe geschehen? Ja/ sagte er/ es hat der elende Ungluͤksfal sich drey oder vier Meile von hinnen in einem Flecken zu getragen. Ladisla fiel ihm in die Rede/ und sagte zu ihm: Wie raset ihr etwa Wenzesla/ oder habt ihr euch von einem Possenreis- ser aufftreiben lassen? O daß ich biß an mein Ende immerhin rasete/ antwortete er und nur dieses Ungluͤk erlogen waͤhre! Das Fraͤulein hat euer Gn. auff ihrem hochzeitlichen Ehrenfeste Geselschafft zu leisten/ sich heruͤber gewaget/ und ist druͤber gefangen/ dessen jene Wetscher Zeugnis gnug geben/ die mit dem Boͤmischen Reichswapen bezeichnet sind/ uñ vor den Raͤubeꝛn erhalten worden/ weꝛden ohn zweiffel mit der Fraͤulein Schmuk und Kleidern angefuͤllet seyn. Ey Gott lob/ sagte Herkules/ daß es dannoch in der naͤhe geschehen ist/ und wir verhoffentlich ihr desto ehe koͤnnen zu Huͤlffe kommen. Die Gesanten stunden in hoͤchster Betruͤbnis als die ausgehauene Bilder/ und wahr jhrer keiner der eines Woͤrtleins haͤtte maͤchtig seyn koͤnnen; biß endlich Herꝛ Stanisla sagete: Es ist meiner Meinung/ ein liderliches beginnen/ daß man dem jungen frischen Fraͤulein diese Reise entweder angemuhtet oder gegoͤnnet hat/ da man weiß/ daß jhr un- terschiedliche mahl solche Unfaͤlle aufgestossen sind/ die man vor rauberische Nachstellung hat halten muͤssen. Der Stathalter lies alle junge Manschafft auffbieten/ mit jhrem Ge- wehr alsbald fertig zu seyn/ wohin man sie seinem Schwieger Sohn zu Dienste fuͤhren wuͤrde; die sich dann hiezu willig finden liessen/ und schwuhr Herkules allen Anwesenden/ in Padua nicht wieder zukommen/ noch seine Seele zu befriedigen/ biß das Fraͤulein erloͤ- set waͤhre/ da sie sonst noch lebete; solte sie aber verschieden seyn/ wolte er jhren Tod an den Raͤubern deꝛ gestalt raͤchen/ daß die ganze uͤmliegende Gegend davon solte zu sagen wissen. Die Pferde wahren gesattelt/ Herkules/ Ladisla und der junge Fabius mit jhren ritterli- chen Dienern sassen auf/ und liessen dem verwundeten Zeitungs bringer/ nachdem er ver- bunden und gelabet wahr/ ein geruhetes Pferd geben/ umb jhnen den Weg zu zeigen. Es folgeten jhnen 200 Reuter und 2000 zu Fusse nach/ aber weil Herkules die geringe Zahl der annoch uͤbrigen Raͤuber von Neklam verstund/ hieß er die Voͤlker uͤmkehren/ und be- hielt nur 50 wolberittene/ die jhm folgen musten. Sie ranten aus allen Kraͤften fort/ was die Pferde lauffen kunten/ biß Fabius zu jhnen sagete; jhr Herꝛen bedenket/ bitte ich/ daß wir vier Meile vor uns haben/ solten wir nun also fort fahren/ wuͤrdẽ die Pferde zeitig uͤm- fallen; Anderes Buch. fallen; ihr sehet schon wie unsere Reuter dahinden bleiben. Herkules merkete wol/ daß jhm alles an der Eile wuͤrde gelegen seyn/ muste doch den Pferden luft goͤnnen/ damit sie deren laͤnger gebrauchen koͤnten/ und rieff Neklam zu sich/ daß er ausfuͤhrlich erzaͤhlete/ wie es in raubung des Frauleins ergangen waͤhre; welcher darzu willig wahr/ und also anfing: Gnaͤdigste Herꝛen/ als unser gnaͤdigsten Frauen der Koͤnigin/ jhres Herꝛn Sohns Hei- raht zu wissen gemacht ward/ hielt das Fraͤulein ganz instaͤndig uͤmb Erlaͤubnis an/ dersel- ben beyzuwohnen/ welches doch jhre Hocheit vor jhr Haͤupt/ wie auch die Herꝛen Reichs- Raͤhte nicht einwilligen wolten/ biß endlich die gesamten Landstaͤnde mit darzu gezogen/ und von dem Fraͤulein auf jhre Seite gebracht wurden/ welche jhr 40 Reuter zur Beglei- tung mitgaben. Das Fraͤulein hatte jhre zwo vertrauete aͤdle Leibjungfern/ Libussen und Brelen bey sich in der Gutsche/ und etliche Wetscher auff zween Maul Eseln/ welche ich/ ausser einen/ gerettet/ und zu Padua unversehret uͤberlieffert habe. Unsere Reise ging nach allem Wunsch schnelle und gluͤklich fort/ biß wir in dem unseligen Flecken ankahmen/ und in zwey nahe beyeinander gelegene Wirtshaͤuser einkehreten/ die Speise einnahmen/ und uns zeitig an die Ruhe legeten/ weil das Fraͤulein Anordnung machete/ folgendes Tages sehr fruͤh auffzuseyn. Sie wolte anfangs sich zu Padua ungemeldet auffhalten/ und nie- mand als meinem alten Vetter Wezesla ihre Anwesenheit zuwissen tuhn; hatte einen son- derlichen kurzweiligen Auffzug vor/ in welchem ich des Narren spielen solte; Sie mit ih- ren beyden Jungfrauen wolten die drey Goͤttinnen der Freundligkeit seyn; ihr angemasse- ter Name wahr Aglaia/ Libussa solte Thalia/ Brela aber Euphrosyne heissen/ und solte die- sen Abend solche Mummenschanze ihrem Herr Bruder und dessen Gemahl gebracht woꝛ- den seyn/ neben einem sonderlichen von ihrer Gn. selbst ersundenem neuen Tanze/ in wel- chem sie sich alle Abend und Morgen auff den Herbergen dieser gantzen Reise fleissig uͤbe- ten. Ihre Durchl. selbst hatte einen kleinen zierlichen Handbogen mit einem Koͤcher voll kleiner guͤldenen Pfeilichen/ an denen fornen eine kleberige Salbe geschmieret wahr/ daß sie hafften blieben/ worauff man sie schoß. Mit diesen/ sagte sie/ wil ich allem Frauenzimmeꝛ auff der Hochzeit eine furcht einjagen/ und ihnen die Pfeilichen in den Busem schiessen/ da man ein lustiges Schreckgeruffe hoͤren sol; und wer weiß/ ob nicht etliche gar schreyen uñ klagen werden/ daß sie verwundet seyn; befahl auch ihren beyden Jungfern ihre kleine mit rohter Farbe gefuͤllete Spritzichen frisch zugebrauchen/ und ihnen den Busem damit zu netzen/ damit sie in den Wahn gerieten/ es waͤhre ihr eigen Blut. Herkules wie betruͤbt er wahr/ muste der lustigen Erfindung lachen/ und sagte: Wolte Gott/ daß ihr dieser Possen angangen waͤhre/ sie solte dessen schleunige Vergebung erhalten haben; Aber wie bezeigete sich das Fraͤulein sonst auff der Reise? Gnaͤdigster Fuͤrst/ antwortete er; Ihr Herz wahr mit freuden erfuͤllet/ weil sie schon alle Gefahr meynete uͤberwunden haben/ und hatte/ weiß nicht wz vor ein heimliches Gespraͤch mit Jungfer Libussen/ die ihr uͤberaus geheim war/ daß sie sich auch mannichmahl mit ihr herzete; sie hatten einen kleinen Brief/ welcher kreuzweise zusammen gefalzet wahr/ denselben lasen sie offt durch mit sonderlicher Belusti- gung. Herkules hoͤrete an diesem Zeichen/ daß es sein leztgeschriebenes Brieflein wahr/ und erkennete daher unfehlbar/ sie waͤhre eigentlich durch die herzliche Liebe gegen ihn zu dieser Reise bewogen worden/ welches er in seinem Hertzen aͤngstiglich beklagete. Neklam J i iij fuhr Anderes Buch. fuhr inzwischen in seiner Erzaͤhlung fort/ und sagete: Als wir die letzte Tagesreise nach dem Flecken fortsetzeten/ ging es uns etliche mahl gar selzam: Ihre Gutsche schlug auff ebener Erde umb/ daß kein Mensch die Ursach solches Unfals ergruͤnden kunte; und ob gleich dz Fraͤulein samt den beyden Jungfern aus dem Wagen uͤber und uͤber tummelten/ bekam doch ihrer keine einigen Schaden. Kaum hatten sie sich mit lachendem Munde wieder auffgesetzet/ da wolte unsers Fuͤhrers Pferd nicht aus der Stelle gehen/ und als es recht- schaffen gestriegelt ward/ geriet es in ein rasen/ daß es mit ihm querfeld einlieff/ und ers durchaus nicht zwingen kunte; bald darauff erging es uns ingesamt gleich also/ da wir im Felde so wunderlich durch einander hersprengeten/ als waͤhren wir alle mit einander toll gewesen/ und waͤhrete solches ohngefehr eine gute Viertelstunde/ da liessen sich die Pferde wieder nach unsern Willen lenken. Das Fraͤulein ward froh/ da sie sahe/ daß wir wieder- umb eine richtige Ordnung schlossen/ und fragete uns/ ob wir oder unsere Pferde vom Tol- kraut gefressen haͤtten; aber ein Reuter unsers Mittels rieff uͤberlaut: Ihr Bruͤder/ schie- ket euch auff eine redliche Abendteur/ die ohn Blut und Wunden nicht abgehen wird. Wiꝛ gedachten ein jeder das seine/ und zogen fort/ biß wir den Flecken erreicheten/ und wie ob- erwaͤhnet/ uns daselbst einlegeten. Es wahr die ganze Nacht zimlich stille/ ohn dz die Hun- de ein erschrekliches Geheule trieben/ wobey sich die Eulen weidlich mit hoͤren liessen/ daß auch etliche an das Kam̃erfenster geflogen kahmen/ wo dz Frl. schlief/ und war uns trauen hiebey nit so gar wol/ dz wir auch die ganze Nacht gewaffnet blieben/ uñ die Schildwachtẽ außsetzeten/ welche kurz vor Morgens ein Geschrey machtẽ/ der Flecken waͤhre erstiegen/ uñ voller Feinde. So bald das Frl. dessen gewahr ward/ rief sie mir/ weil ich auf ihrer Kam̃er wachen muste/ und sagete: Geschwinde auff Neklam/ und trage mir diese Wetscher etwa in einen Kuͤhe- oder Schweinstall/ verbirge sie unter die Streu oder sonst in heimlichen Win- keln/ und wann sichs ja zutragen solte/ daß alles uͤber und uͤber ginge/ so bemuͤhe dich/ diese Sachen nach Padua zu bringen. Gnaͤdigstes Fraͤulein/ antwortete ich/ die Goͤtter werden uns behuͤten/ und alle Feindseligkeit von uns abwenden. Nach weniger Zeit hoͤreten wir ein maͤchtiges gestuͤrme und brechen an der Haußtuͤhr/ welche endlich mit Gewalt auffge- treten ward/ unterdessen ich empfangenem Befehl nach/ die Wetscher hinweg trug/ ohn einen sehr schweren/ den ich wegen des starken gefechtes im Hause/ nicht fortbringen kunte. Es funden sich zu unserm Ungluͤk nur XIIX unser Geselschafft bey dem Fraͤulein/ die uͤbri- gen wahren in der andern Herberge zur naͤhesten Wand; noch stritten wir mit den Raͤu- bern eine gute Stunde/ und erlegten ihrer etliche und zwanzig/ biß ich sahe daß meine Ge- selschafft fast alle erschlagen/ und die wenige uͤbrige biß auff den Tod verwundet wahren/ empfing auch meine Wunden in diesem Gefechte/ und hatte mich erklaͤret/ mit meinen Bruͤdern ehrlich zusterben/ biß mir endlich der Fraͤulein Befehl zu Gedaͤchtnis kam/ da ich aus der Hintertuͤhr in den Hoff sprang/ nach dem Kuhstalle (in welchẽ ich mein Pferd und beyde Maul Esel gezogen hatte) mich zu verbergen/ eilete/ und daselbst alles verneh- men kunte. Unsere Geselschafft in der naͤhesten Herberge/ waͤhren dem Fraͤulein gerne zu huͤlffe kommen/ wurden aber von den Raͤubern so warm gehalten/ daß ihnen unmoͤglich wahr durch zubrechen/ und hoͤrete ich ein solches gemaͤtsche und Winseln der Sterbendẽ/ daß mir die Haar zu berge stunden. Das Fraͤulein lies ihr anfangs ein Schwert und Schild/ Anderes Buch. Schild/ neben ihren scharffen Pfeilen und Bogen auff die Kammer reichen/ und zohe nachgehends die angesezte Leiter zu sich hinauff. Die ganze Reise hatte sie Mannskleider unter ihrem Rok angeleget/ welche sie auch zu Nachtzeit gar selten abzohe. Endlich sahe ich mit grossem Schrecken/ daß in solchen Manneskleidern sie mit ihren beyden Jungfeꝛn zugleich auff die Gutsche gesetzet und zum Flecken hinaus gefuͤhret ward/ nach dem die Raͤuber alle unsere Pferde aus den Staͤllen gezogen/ und mit sich hinweg nahmen. Als ich nun in meiner Gewarsam merkete/ daß alles stille wahr/ wie sie dann gewaltig hinweg eileten/ kroch ich hervor/ und hatte mich zimlich verblutet/ wagete mich ins Hauß/ und sa- he den abscheulichen Anblik der Erschlagenen/ unter denen die unsern mutternacket auß- gezogen wahren/ welche aber so redlich gefochten hatten/ daß die Raͤuber etliche siebenzig in beyden Haͤusern eingebuͤsset/ dagegen auch die unsern saͤmtlich dz Leben zugesetzet hatten. Zu meinem sonderlichen Gluͤcke wahr ein Pannonischer Knecht in unserm Wirtshause/ mit welchem ich reden kunte/ der zeigete mir an/ daß die Raͤuber uͤber 100 Mann anfangs stark/ kaum mit etlichen und zwanzigen wieder abgezogen waͤhren/ zu denen ausserhalb des Flecken noch XX gestossen/ welche denselben außwendig besetzet gehalten/ haͤtten den Einwohnern kein Leid getahn/ noch ihnen einigen Hellerswert entwendet/ und vorgeben/ Sie haͤtten ihre und des Reichs Feinde zuerschlagen von der Obrigkeit Befehl/ da sie sich nicht gutwillig ergeben wuͤrden; waͤhren sehr betruͤbet/ wegen des grossen verlustes der ihrig e n/ davon gezogen/ ohn daß uͤber die Gefangene und einen grossen Wetscher/ in dem viel Gold und etliche Kleider gewesen/ sie sich hoͤchlich erfreuet haͤtten. Auff mein fleissiges nachfragen berichtete er mich ferner/ daß wie alle die unsern erschlagen/ waͤhre das Fraͤu- lein in Manneskleidern an die Kammertuͤhr getreten/ und mit ihren Pfeilen dermassen von sich geschossen/ daß fuͤnffe davon niedergefallen und umbkommen/ welche ich auch lie- gen sahe/ und die Pfeile in ihren Leibern stecken. Die Raͤuber hierdurch hoͤchlich erzuͤrnet/ haͤtten eine Leiter angeschlagen/ und zu ihr hinauff klimmen wollen; sie haͤtte aber dem er- sten und andern den Weg mit dem Schwerte dergestalt zuruͤk gewiesen/ daß sie Tod hin- unter gepurzelt/ uñ sich keiner mehr zu ihr machen duͤrffen; ja es waͤhre eine solche furcht unter ihnen entstanden/ da sie die uͤbertrefliche Schoͤnheit dieses vermeyneten Juͤnglings/ und dessen feur brennende Augen erblicket/ daß der groͤste Teil in dem Wahn gestanden/ er waͤhre etwa ein Gott/ biß endlich einer unter ihnen geruffen/ man solte feur herbringen/ und die Kammer anzuͤnden/ dafern er sich nicht ergeben wuͤrde; wolte er aber mit seiner Geselschafft herunter steigen/ solte ihnen saͤmtlich/ Lebens- und ehren- sicherheit aͤidlich versprochen werden. Hierauff waͤhre der trefliche Juͤngling in die Kammertuͤhr getre- ten/ und sie mit herzhafften Worten angeredet; er koͤnte nicht außsinnen/ was Feindselig- keit man ihm und den seinen angelegt/ und so viel unschuldig Blut vergossen haͤtte/ da er doch keine Ursach oder Anlaß darzugegeben/ noch einigen Menschen beleidiget; so waͤhre er ja kein Feind noch verraͤhter/ vielweniger ein verurteileter/ sondern ein grosser Herr/ und des Roͤmischen Kaͤysers Anverwanter/ moͤchten sich demnach wol versichern/ dafern ihm oder dem bey sich habenden aͤdlen Frauenzimmer Schimpff angeleget wuͤrde/ es an ihnen sehr schwehr wuͤrde gerochen werden. Koͤnte es nun seyn/ daß man ihn mit den sei- nen nach Padua frey und ungehindert abzihen liesse/ wolte er ihnen hiemit eine hohe An- zahl Anderes Buch. zahl Geldes aͤidlich versprechen/ und ohn List und gefaͤhrde ehistes einliefern lassen; meine- ten sie aber/ hiedurch noch nicht gnug versichert zu seyn/ wolte er samt seinen Jungfern sich ihnen ergeben/ und mit ihnen in ihre Gewahrsam zihen/ biß ihnen die Loͤsegelder gezaͤhlet waͤhren/ auch zugleich verheissen/ daß es an ihrer keinem solte geeifert noch gerochen wer- den; jedoch solten sie zuvor ihm einen leiblichen aͤid schwoͤren/ und zuhalten angeloben/ dz ihm und den seinen/ wie sie sich anjezt erbohten haͤtten/ an Ehr und Leben nichts widriges solte angelegt werden; wo nicht/ waͤhre er gaͤnzlich entschlossen/ sich viel ehe mit Feur ver- brennen zulassen; alsdann habt ihr nicht allein unserer euch gar nicht bemaͤchtiget/ hatte er gesagt/ sondern werdet keinen Heller Loͤsegeld zugeniessen haben/ da ich euch aus freyem Willen hundert tausend Kronen zugeben/ mich hiemit anerbiete. Fabius der weder Boͤhmisch noch Teutsch verstund/ haͤtte auch gerne den Verlauff gewust/ deswegen Herkules jhm alles kuͤrzlich erzaͤhlete/ und darauff von jhm gefraget ward/ wie alt dann dieses Fraͤulein waͤhre; er aber zur Antwort gab: Den Jahren nach kan sie sich keines hohen Alters ruͤhmen/ gestaltsam sie vor wenig Monaten ins sechzehnde Jahr jhres Alters getreten ist; jhre Tugend aber leuchtet der Welt schon dergestalt vor/ daß wann sie bereit graues Haar truͤge/ man schwerlich ein mehres von jhr fodern koͤnte. Aber berich- tet uns nun weiter/ sagte er zu Neklam/ ob die Raͤuber den gefoderten aͤid auch geleistet ha- ben. Ja gn. Herꝛ/ antwortete er/ sie sind eintraͤchtig vor die Kammer getreten/ und haben solchen aͤid/ wie er jhnen von dem Fraͤulein vorgesprochen worden/ mit ausgerekten Armẽ und erhobenen Fingern nachgesaget/ worauf das Frl. ganz beherzt/ die beyden Jungfern aber sehr betruͤbt und mit weinenden Augen herunter gestiegen wahren/ und verwunder- te ich mich/ sagte der Pannonische Knecht zu mir/ wie maͤnlich es dem ertichteten juͤngling anstund/ welchen ich zwar des vorigen Abends in weiblichen Kleideꝛn und langen schoͤnen Haaren gesehen hatte/ die jhr aber jezt als einem jungen Gesellen abgeschnitten wahren. Ich bat den Knecht/ daß er mir vergoͤnnete auf die Kammer zusteigen/ woselbst ich unter der Bettestet ein zusammen gewickeltes Buͤndlein jhrer Haar/ uñ diese vier guldene Rin- ge daneben fand/ welches alles ich zu mir nam/ uͤm meinem gn. Koͤnige es einzuliefern. La- disla nam es zu sich/ uñ als Fabius das Haar so glaͤnzender Goldfaꝛbe sahe/ sagte er: Koͤmt die uͤbrige schoͤnheit dieser Fraͤulein mit diesem Haar uͤberein; so muß sie keine gleichen haben. Herkules sahe dasselbe mit betruͤbten Augen an/ und fehlete wenig/ er waͤhre vom Pferde gesunken/ erhohlete sich doch/ und baht Ladisla/ jhm des Haars ein wenig zum Ge- daͤchtnis zu verehren/ der jhm das ganze Buͤndlein reichete/ welches er alsbald von ander machete/ und seinen an das Fraͤulein geschriebenen Brief darinnen fand/ den er allen un- vermerket zu sich nam/ nachgehends das Haar in drey Teile legete/ gab deren zween Ladis- la und Fabius/ den dritten und groͤsten behielt er vor sich/ und mit sonderlichem Eifer sagte er: Gebe mir Gott das Gluͤk/ dieser Schelmen maͤchtig zu werden/ welche das Fraͤulein in die aͤusserste Noht/ jhr schoͤnstes Haar abzuschneiden/ gestuͤrzet haben/ sie sollens gewiß- lich mit dem Halse/ und zwar nicht ohn Pein bezahlen. Von den Ringen behielt Ladisla der Fraͤulein kleines Pitschier/ in dessen schwarzen Stein ein Loͤue mit einem zweyfachen Herzen geschnitten wahr/ und umher der Nahme VALISCA. Die uͤbrigen drey uͤberliefeꝛ- te er Herkules/ welcher nach Beschauung alsbald denselben darunter fand/ den er ihr bey Wen- Anderes Buch. Wenzesla geschicket hatte. Der ansehnlichste/ ihr Daumen Ring hatte einen grossen feurrohten Stein/ worauff zwo zusammen geschlagene Haͤnde stunden/ zwischen deren Fingern ein Pfeil durchflochten war; innerhalb des Ringes lase er diese Buchstaben: HVEARLCIVSLCEAS; die er etliche mahl besahe/ und nach seiner Spizfindigkeit bald in- nen ward/ daß sein und der Fraͤulein Nahme durch einander versetzet wahr/ so daß die un- geraden/ HERCVLES, die geraden aber VALISCA musten gelesen werden. Im dritten Ringe wahr ein trefflicher Rubin/ und in demselben ein Greif geschnitten/ der ein Laͤmlein zwischen den Klauen fuͤhrete/ mit dieser uͤmschrifft: LVBENSFEROR. Ich lasse mich gerne also fuͤhren. Er haͤtte sie gerne alle drey behalten/ muste aber ehren halben Fabius einen bie- ten/ zu welchem er/ den lezten hinreichend/ sagete: Mein Herꝛ Bruder/ jhr werdet dem Fraͤulein zu Liebe diesen Finger Reiff tragen/ und jhn nicht von euch lassen kommen/ biß sie selbst jhn wied’ abfoderen moͤchte. Dieser bedankete sich hoch/ uñ gelobete/ daß kein Mensch/ ohn das Fraͤulein selbst diese allerliebeste Gedaͤchmis von jhm bekommen solte. Herkules redete Neklam an/ und sagete: Guter Geselle/ nachdem jhr diese eure Traͤue erwiesen/ und diß Haar neben den Ringen uns eingehaͤndiget/ auch sonst als ein redlicher Diener euch in dieser Gefaͤhrligkeit bezeiget habt/ wil ich euch dessen dergestalt zuergetzen wissen/ daß jhr euch Armut nicht sollet zu befuͤrchten haben/ und wird mein Bruder euer Herꝛ und Koͤnig Ladisla sich auf meine Vorbitte nicht wegern/ euch wegẽ eures wolverhaltens in den Boͤh- mischen Adel- und Ritterstand aufzunehmen. Ladisla antwortete: Sey du nur gefliessen Neklam/ daß wir die Raͤuber antreffen moͤgen/ was ohn meines Bruders Vorbitte/ ich die zugedacht habe/ sol dir nicht entwischen/ dessen du dich wol versichern magst. Dieser wuste nicht/ wessen auff so hohe angebohtene Gnade er sich verhalten solte/ und antwortete: Ihr meine gnaͤdigste Herꝛen/ ich bin ja euer Durchll. gar zu unwirdiger Knecht/ habe auch nicht das minste der uͤberfluͤssigen Gnade Verdienen moͤgen/ und wolte Gott/ daß ich die moͤrderischen Raͤuber ausspuͤren koͤnte/ wolte ich mein Leben gerne dabey zusetzen/ nur daß mein gn. Fraͤulein geꝛettet wuͤrde; uñ sehet da vor uns den unseligen Flecken dieses so gꝛos- sen Verlustes. Herkules wallete das Blut in allen Adern auff/ hoffete noch/ das liebe Fraͤu- lein loßzumachen/ weil ja fast unmoͤglich waͤhre/ daß man einem so grossen Hauffen zu Pferde nicht solte nach spuͤren koͤnnen/ und begehrete von Neklam/ er solte in seiner Erzaͤh- lung fort fahren/ da ers bey Einlieferung der Ringe gelassen haͤtte. Ja Gn. Fuͤrst/ antwor- tete er; es berichtete mich der Pannonische Knecht endlich/ daß wie unser vermummeter Juͤngling samt den Jungfern herunter gestiegen/ er die Raͤuber/ als waͤhre er ihr Befeh- lichs haber gewesen/ ermahnet haͤtte/ sich an seinen Jungfern nicht zuvergreiffen/ und ihres aͤides eingedenke zu seyn; welches sie ihm auffs neue versprochen/ und mit ihnen also da- von gezogen waͤhren. Herkules er seuffzete hieruͤber/ und sagte: Erbarme es Gott/ daß die- se alleraͤdleste Seele/ welche/ so viel ihre Vernunfft und Wissenschafft vermag/ sich aller Tugend befleissiget/ unter den Haͤnden dieser schnoͤden Raͤuber sich muß zwingen lassen! Ladisla sagte: Ich hoffe/ es sol ihre Ehr und Leben des Himmels ungezweifelten Schutzes geniessen/ insonderheit/ weil sie sich vor einen Juͤngling ausgibt/ und ihren angenommenẽ Stand wol wird zu spielen wissen. Unter diesem Gespraͤch langeten sie in dem Flecken an/ und funden die Inwohner bemuͤhet/ Gruben zu machen/ in welche sie die Eꝛschlagenen ohn K k Unter- Anderes Buch. Unterscheid verscharren wolten; aber Fabius/ den sie wol kenneten/ verboht ihnen solches/ hieß die Boͤhmischen ehrlich begraben/ und die Raͤuber alle an Kreuze hefften. Stiegen von ihren Pferden/ denen sie Futter geben liessen/ und forscheten fleissig nach/ wer diese Raͤuber seyn moͤchten/ und wohin sie sich gewendet haͤtten; wovon ihnen anfangs niemand Bericht zugeben wuste/ nur daß der Wirt anzeigete/ es waͤhre ein fremder unansehn- licher Mann/ welcher Wuͤrffel und Karten feil truͤge/ und sich offters bey ihm finden liesse/ kurz vor der fremden Ankunfft bey ihm eingekehret/ die Nachtherberge zunehmẽ/ haͤt- te sich aber/ da er diese fremden gesehen/ und genaue acht auff alles ihr Tuhn gegeben/ fast im Augenblik verlohren/ moͤchte wol seyn/ daß er ein Kundschaffer und Verraͤhter waͤhre/ und alles dieses Ungluͤks Stiffter; wuͤrde er sich nun schier heut oder morgen wieder hie- selbst finden lassen/ solte er handfeste gemacht/ und der Obrigkeit eingeliefert werden; viel- leicht erfuͤhre man von jhm/ an was Ort und enden diese boͤse Rotte sich auffhielte; es mu- sten aber etliche bekante unter diesen Raͤubern seyn/ sagte der Wirt/ weil ihrer sechse sich vermummet hatten/ und ihre Gesichter nicht wolten sehen lassen; und diese/ wie sie gnug zu verstehen gaben/ hatten den andern zugebieten/ nahmen auch die Beute zu sich/ und halte ich gaͤnzlich davor/ es muͤsse zu ihrem Verderben ausschlagen/ daß sie so viel Pferde mit genommen haben/ dann der Huefschlag wird sie nohtwendig verrahten. Zum gutes gluͤk kam gleich ein Baur in dieses Wirtshaus/ und begehrete einen Trunk Wein umb Geld. Herkules sahe ihn/ und fragete alsbald/ woher er kaͤhme/ und was neues er wuͤste. Dieser antwortete/ er kaͤhme von einem Dorffe zwo Meile von hinnen/ und waͤhre ihm eine rei- tende Schaar auffgestossen/ welche drey schoͤne junge Leute/ als einen fast Goͤttlichen Juͤng- ling/ und zwo Jungfern mit garstigen Lumpen behaͤnget/ zwischen sich auf Pferden gefuͤh- ret/ und da ich nicht weit von ihnen gangen wahr/ sagte er/ fand ich eine gar schoͤne Gutsche im Felde ledig stehen/ welche sie zweifels ohn abgepluͤndert und verlassen haben; ich meines teils moͤchte wuͤnschen/ daß die Raͤder davon auff meinem Hofe stuͤnden/ und ich sie bezah- let haͤtte. Die unsern vernahmen aus des Bauren Rede/ daß das liebe Fraͤulein annoch le- bete/ verspuͤreten auch der Raͤuber List/ daß sie Argwohn uñ Erkaͤntniß/ oder Nachforschung zu meiden/ ihre Gefangene so elendig behaͤnget hatten. Herkules fragete fleissig nach/ ob er den Gefangenen nahe gewesen/ und ihres tuhns wahr genommen haͤtte. Ja/ sagte dieser/ ich hatte einen alten lumpichten Rock an/ den kaufften sie mir abe umb IIX Groschen/ legtẽ ihn dem Juͤnglinge uͤber die Schulder/ und bedecketen damit in etwas sein Angesicht/ des- sen er sich uͤbel gehuhb/ und sich etlicher Draͤuworte vernehmen ließ/ sahe auch so frisch uñ unverzaget aus/ als haͤtte er sie alle gehoͤhnet/ da hingegen den Jungfern es an Traͤhnen nicht mangelte/ und wahren ihnen die Augen roht von vielem weinen. O du furchtlose Seele/ sagte Herkules/ der Almaͤchtige Gott bewahre dich/ daß dein unuͤberwindlicher Muht dir ja nicht schaden moͤge; begehrete darauff weiter zu wissen/ ob sie dem Juͤngling etwa leid angetahn/ und wie bald man sie wol erreichen koͤnte. Der Baur antwortete/ aus- ser daß man ihn mit Lumpen behaͤnget/ haͤtte er nicht gemerket/ daß ihm leid solte geschehen seyn; ob man sie auch vor Abends erreichen wuͤrde/ zweifelte er sehr/ massen er vernom̃en/ daß die meisten von ihren Pferden abgestiegen/ und sich dermassen verteilet haͤtten/ daß nit uͤber fuͤnffe bey einander blieben waͤhren/ ohn daß etwa jhrer zehne die gesamten Pferde ge- koppelt/ Anderes Buch. koppelt/ und mit der ansehnlichsten Jungfer die Heerstrasse gezogen/ der Juͤngling und die andere Jungfer aber waͤhren zu fusse mit in das Gehoͤlz gefuͤhret; als er ihn nun nachsehẽ wollen/ haͤtten sie ihm zugeruffen/ er solte seines weges ohn umsehen fortgehen/ od’ deꝛ Hals wuͤrde ihm gebrochẽ werdẽ. Herkules ward hieruͤber sehr betruͤbt/ bedachte sich ein wenig/ uñ hielt nit vor rahtsam/ dz seine ganze Geselschaft mit ritte. Aber Ladisla redete ihm ein/ er moͤchte sie auf allen fall mit zihen lassen/ ob man ihrer zugebrauchen haͤtte; wo nit/ koͤntẽ sie allezeit fruͤhe gnug wieder umbkehren; die Begebnissen waͤhren selzam/ und nim̃er also be- schaffen wie man sie ihm selbst einbildete. Also lies sichs Herkules gefallen/ hies den Bau- ren ein geruhetes Pferd auß dem Flecken nehmen/ gab ihm zwo Kronen/ uñ sagte zu ihm; er wuͤrde sich gefallen lassen/ mit ihm an den Ort zu reiten/ wo er diesen hauffen zulezt gesehẽ/ dann er muͤste wo moͤglich/ den geraubeten Jungling sprechen/ woran ihm viel gelegen waͤhre. Der Baur wahr des Geldes froh/ und willig mit zu reiten/ versprach auch inwen- dig einer Stunde frist/ sie an den Ort zubringen; ritten ingesamt eilig fort/ und kahmen vor erst nach des Bauren außsage an die leere Gutsche/ hernach in das Gehoͤlze/ da der Baur ihnen anzeigete/ diß waͤhre die Stelle/ da er die Reuter leztmahls gesehen/ wuͤrden sich demnach bemuͤhen/ bey ihnen anzulangen/ weil er seinem Versprechen gnug getahn/ und ein mehres nicht zu leisten wuͤste. Herkules hies den Bauren etwas warten/ weil er zweiffelte/ ob ihm auch zutrauen stuͤnde/ sendete Leches/ Klodius und Markus mit der mei- sten Reuterey den geraubeten Pferden nach/ mit dem Befehl/ alle wiederspenstigen nider- zuhauen/ und die uͤbrigen gefangen zunehmen/ insonderheit sich zu bemuͤhen/ daß sie den Fuͤhrer lebendig bekaͤhmen/ welcher nachricht wuͤrde geben koͤnnen/ wohin die uͤbrigen sich gewendet haͤtten. Diese ritten alsbald fort und folgeten dem frischen Hueffschlage/ unter der Hoffnung etwas nuͤzliches außzurichtẽ. Nachgehends ermahnete Herkules den Bau- ren/ er muͤste etwas besser außbeichten/ wie und wo er die Raͤuber gesehen sich verteilen; welcher aber mit hohen Schwuͤren bekraͤfftigte/ daß er davon nicht daß geringste zu sagẽ wuͤste/ weil sie ihm gar zu hart verbohten/ zuzusehen; jedoch gedaͤuchte ihn/ man haͤtte den schoͤnen Juͤngling samt der Jungfer nach der rechten Hand hingefuͤhret/ und duͤrffte ich schwoͤren/ sagte er/ eben der Juͤngling waͤhre euer leiblicher Bruder/ so gar aͤhnlich ist er euch. Herkules antwortete ihm: Freund/ ihr habt vielleicht so gar unrecht nicht gesehen; lies ihn von sich/ und hielt mit den andern Raht/ wie es forthin anzugreiffen. Diese wah- ren sehr betruͤbt und stunden ihnen die Augen vol Wasser/ daß Herkules sagete: O wolte Gott daß ich mich mit den Raͤubern drum schlagen solte/ aber mit der Unwissenheit zu kaͤmpffen/ daß ist uͤber mein vermoͤgen. Doch ich wil meinem Gott trauen/ und nicht zwei- feln/ er werde mich leiten und fuͤhren/ daß ich erfahre/ und finde/ was ich suche. Stieg hiemit vom Pferde/ und wolte von Ladisla und Fabius abschied nehmen/ umb allein in den Wald zugehen/ und zu vernehmen/ wohin die Raͤuber sich gewendet haͤtten. Aber Ladisla zohe ihn zuruͤk/ sprechend: Liebster Bruder/ meinestu ich werde dich allein lassen? es ist mei- ne leibliche Schwester/ der ich so wol und mehr nachzusuchen schuldig bin/ als sonsten nie- mand. Doch waͤhre mein Raht/ wir sendetẽ zuvor unsers mittels etliche durch dẽ Wald/ etwas Kundschafft einzuhohlen/ und erwarteten alhie Leches Ankunfft/ ob er uns Zeitung braͤchte/ worauff wir ohn Irtuhm fortgingen; dann die Zeit unnuͤzlich verzehren/ wird K k ij meiner Anderes Buch. meiner Frl. Schwester am schaͤdlichsten seyn. Fabius sagte; auff euer verbessern ihr Her- ren/ waͤhre meine Meynung daß wir Leches nachfolgeten/ das Werk desto gluͤklicher zube- schleunigen/ dann haͤtten wir nur einen gefangenen von den Raͤubern/ wolten wir schon erfahren/ wohin man sich wenden muͤste. Herkules wahr so verwirret/ daß er seiner Ver- nunfft fast nicht maͤchtig wahr/ hielt endlich diesen Raht vor den besten/ und in dem er sich wieder auff das Pferd setzete/ sagte er: Nun so lasset uns in dem Nahmen des Almaͤchti- gen Gottes reiten und Leches folgen/ vielleicht beduͤrffen sie unsers rahts und Huͤlffe; or- dente doch zuvor zehne aus ihrer Geselschafft/ welche den Wald hin uñ wiedeꝛ durch reiten solten/ ob sie etwas außforschen moͤchten; er mit den uͤbrigen folgete Leches Spuhr/ kunten ihn doch nicht erreichen/ weil er einen grossen Vorsprung vor ihnen hatte; dann er jagete mit seinen leuten immer fort biß an den spaͤten Abend/ da sahe er ein Doͤrflein vor ihm lie- gen/ worauff die Raͤuber nach außweisung des Hueffschlages/ zugezogen wahren. Er baht Klodius voraus zusetzen/ und in der Stille nachzuforschen/ ob sie in diesem Dorffe blieben/ oder weiter fortgezogen waͤhren; welcher dann schnelle forteilete/ und die andern der weil sich hinter einer Hecken verborgen hielten/ traff eine erwachsene Bauren Dirne an/ welche der Kaͤlber huͤtete/ und fragete sie/ ob nicht Reuter mit ledigen Pferden daher geritten waͤhren. Ja sagte sie/ es waͤhren Reuter und ledige Pferde dahergezogen/ ob sie aber alle geritlen/ oder etliche zu fusse gangen/ haͤtte sie so eigentlich nicht acht gehabt. Klo- dius wie betruͤbt er wahr/ muste doch der Einfalt lachen/ und fragete ihn die Dirne/ ob er zu den andern gehoͤrete/ und sie gedaͤchte zuerreichen/ muͤste er nicht lange Gefatternspra- che halten/ dann sie waͤhren sehr eilig fortgezogen/ und haͤtte sie im voruͤber reiten von ihnẽ gehoͤret/ daß sie in dem Flecken/ welcher eine Meile von hinnen laͤge/ ihr Nachtlager hal- ten wolten. Klodius winkete seinen Gesellen/ welche bald herbey ruͤcketen/ nahmen einen Bauren aus dem Dorffe mit sich ums Lohn/ ihnen den rechten Weg zuzeigen. Zwischen einer guten Viertelstunde kam Herkules mit den seinen eben bey demselben Dorffe an/ rieff einem Bauren zu/ ob nicht eine zimliche Schaar Reuter hieselbst durch gezogen waͤh- re. Ja/ antwortete dieser/ sie sind kurz vor euch hinweg/ und haben meinen Nachbar ge- dinget/ ihnen den Weg zum naͤhesten Flecken zuzeigen/ vorgebend/ sie folgeten ihrer Ge- selschafft/ die vor drittehalb Stunden mit vielen ledigen Pferden hindurch gezogen sind/ und daselbst benachten werden. Er ward der Zeitung froh/ uñ sagte zu ihm: Mein Freund/ da habt ihr eine halbe Krone; lieber seid gebehten/ und fuͤhret uns auch dahin/ daß wir zu unsern Leuten kommen moͤgen/ weil uns daran gelegen ist. Behuͤte Gott/ antwortete der Bauer; solte ich so viel Geld davor nehmen? ich bin euch gerne zu dienst/ aber umb die ge- buͤhrliche Billigkeit/ als drey Groschen/ ein mehres nehme ich nicht. Lieber Gott/ sagte Herkules/ daß alle Welt dieser Genuͤgsamkeit moͤchte ergeben seyn/ wie mannicher unnuͤ- tzer Streit wuͤrde alsdann unterwegen bleiben; hieß den Bauren ein Pferd hohlen/ und vor ihnen her reiten/ weil sie eilen muͤsten; die Belohnung solte ihm nach seinem Willen werden. Sie seumeten sich nicht lange/ und traffen Leches mit den seinen an/ da sie gleich von den Pferden gestiegen/ und den Flecken zuersteigen sich fertig gemacht hatten. Als sie nun der Reuter hinter ihnen gewahr wurden/ meyneten sie/ es waͤhren Raͤuber/ lieffen ihren Pferden zu/ und wolten auffsitzen; welchen Irtuhm Fabius merkend/ allein zu ihnen hin Anderes Buch. hin ritte/ und diese Worte redete: Herkules ist verhanden; Worauff sie alsbald stille wurdẽ. Der Flecken ward außwendig mit XV Mann besetzet/ mit den uͤbrigen ging Herkules zu fusse nach dem Tohr/ und spuͤrete/ daß es inwendig nicht sonderlich fest verriegelt wahr/ setzeten deswegen ihre Schuldern ingesamt dagegen/ und schoben es auff/ gingen hin/ und traffen einen alten Mann auff der Gassen an/ welchen Herkules mit freundlichen Worten fragete/ in was Herberge die Geselschafft mit den ledigẽ Pferden eingekehret waͤhre. Die- ser gab zur Antwort: Herr/ sie liegen dort gleich vor euch in jenem Hause/ da ihr die Liech- ter scheinen sehet. Ladisla fragete weiter/ ob sie alle bey einander in einem Hause waͤhren/ auch wie viel ihrer wol seyn moͤchten. Mich deucht/ antwortete er/ ich habe ihrer zehne ge- zaͤhlet/ haben wol 50 Pferde bey sich/ und gar ein schoͤnes Weibesbilde/ welche sie ohn zwei- fel geraubet haben/ nachdem sie sich sehr trostloß bezeiget. Ja sagte Herkules/ freylich habẽ sie das gute Mensch gewaltsam entfuͤhret/ welches ihnen uͤbel bekommen sol. Wol wol ihr Herren/ sagte er/ sie werden reiff seyn zur Straffe/ wiewol sie hieran wenig gedenken/ son- dern mit ihrem Wirte/ der nicht umb ein Haar besser seyn mag als sie/ sich lustig machen/ teilen auch einen treflichen hauffen schoͤnes Goldes unter sich/ wie ich jezt gesehen/ da ich vor dem Fenster hergangen bin/ und gebe euch Gott das Gluͤk/ diese Buben zuertappen/ welches durch eure Vorsichtigkeit leicht geschehen kan. Gebet euch zu srieden/ sagte Her- kules/ wir sind von dem Roͤmischen Stathalter zu Padua ausgeschikt/ sie zu fahen/ uñ zur gebuͤhrlichen Straffe zu zihen/ deßwegen/ da sich etwa uͤber vermuhten ein Aufflauff erre- gen solte/ so machet es den Inwohnern zuwissen/ daß sie ruhig und ohn furcht seyn/ auch sich keines dinges annehmen/ damit sie nicht in Ungelegenheit gerahten/ dañ haussen vorm Tohr haben wir eine gute Anzahl Voͤlcker stehen. Ging hierauf mit den seinen gerade fort und in aller stille/ besetzete das Haus rings umher/ trat hernach selb viere hinein/ oͤffnete die Stubentuͤhr/ und wuͤnschete der Geselschafft einen gluͤklichen Abend. Die Raͤuber sassen am Tische/ hatten schon Mahlzeit gehalten/ und zecheten weidlich herumb: Der vornehm- ste unter ihnen/ den sie vor ihren Haͤuptman scholten/ saß oben an/ hatte die Jungfer neben sich/ und suchte durch allerhand freundliche Reden sie zur Froͤligkeit zubewaͤgen/ welche ih- re Zeit mit stetem seuffzen und weinen zubrachte/ und ihr nur den Tod wuͤnschete/ weil sie wuste/ daß sie dieses frechen Raͤubers boßhafften Willen zuersaͤttigen/ vorbehalten ward. Herkules sahe die Jungfer/ und erkennete sie alsbald vor dieselbe/ welche er stets dey dem Fraͤulein zu Prag gesehen hatte/ wolte sich aber ihr nicht alsbald offenbaren/ noch die Raͤu- ber uͤberfallen/ sondern redete sie freundlich an; er saͤhe/ daß eine erbare Geselschaft bey ein- ander waͤhre/ uñ weil er samt seinen Gefaͤrten von der Reise ermuͤdet/ uñ unter dem schwe- ren Reuter harnische/ welches er zu fusse truͤge/ etwas matt worden/ haͤtte er lust ein Stuͤn- dichen froͤlich und guter dinge mit ihnen zu seyn/ insonderheit/ weil es hie so schoͤnes Frau- enzimmer gaͤbe. Die Raͤuber hatten ihr Gewehr neben sich liegen/ verwunderten sich ihreꝛ stillen Ankunfft/ da sie doch von fuß auff gewapnet wahren/ und ungeachtet ihres widrigen vorgebens/ ausser Zweifel zu Pferde muͤsten ankommen seyn; stutzeten daher anfangs/ end- lich antwortete der vornehmste: er und die seinen haͤtten in diesem Hause nicht zu gebietẽ/ und wann sie dem Wirte wilkommen waͤhren/ muͤsten sie auch friedlich feyn. Der Wirt a- ber redete alsbald darzwischen/ er haͤtte sein Haus voll Gaͤste/ welche alle reisende Kauff- K k iij leute Anderes Buch. leute waͤhren/ und sie umb anderer willen nicht ausweisen koͤnte; wer ehe kaͤhme der mah- lete ehe; muͤsten also nach einer andern Herberge sich umsehen/ deren es im Flecken gnug gaͤbe. Herkules aber sagte zu ihm: Gebet euch zufrieden/ guter Freund/ ich kan hinte nicht weiter gehen/ und wollen wir noch vorschlaffens gut Geschir machen; zeigete ihm hiemit eine Hand vol Kronen/ und sagete weiter: Diese muͤssen verzehret seyn/ ehe ich aus dieser Herberge gehe/ doch mit dem bedinge/ daß mir Raum bey der schoͤnen Jungfer gemacht werde; dann ich sehe schon/ ihr Buhler gefaͤllet ihr nicht/ ob ich mich etwa zutaͤhtiger ma- chen/ und ihr Herz besser gewinnen koͤnte. Zu dem Raͤuber aber sagete er: Guter Freund/ stehet nicht mit euch zuhandeln/ daß mir die Jungfer zu teil wuͤrde/ nachdem/ wie ich mer- ke/ sie euch ihre Gunst nicht geben wil. Dieser merkete unraht/ und stellete sich gleichwol zornig; was er ihm die Jungfer anzufodern haͤtte? dieselbe waͤhre sein/ und haͤtte sonst nie- mand Ansprache auff sie/ hoffete auch vor sich allein Freude mit ihr zu haben. Herkules antwortete: wie aber/ meine liebe Jungfer/ wollet ihr nicht lieber mir beywohnen? Se- het da/ ich versichere euch Ehr und Leben/ und alles was ihr wuͤnschet/ das in meinen Haͤn- den stehet. Die Jungfer ward inniglich seuffzen/ empfing doch etwas Hoffnung aus die- ser Rede/ und durffte gleichwol vor Angst kein Wort sprechen; dann ihr naͤhester Beysit- zer machte sich schon zum Gefechte bereit/ greiff zum Degen/ und ermahnete die seinen/ ge- herzt und frisch drauff zuschlagen. Aber Herkules zog von Leder samt die bey ihm wahren/ und sagte: Ihr meinaͤidigen ehrvergessenen Boͤsewichter/ bald ergebet euch dem Roͤmi- schen Stathalter zu Padua/ oder ihr sollet alsbald in stuͤcken zerhauen werden; rief auch zur Tuͤhr hinaus: Herein/ und packet mir diese leichtfertigen Schelmen an/ daß ihrer kei- ner entrinne. Worauff Leches mit etlichen ungestuͤm zur Tuͤhr hinein drang/ welches die Raͤuber sehend/ sich nach den Fenstern kehreten/ in Meynung hinaus zuspringen/ sahen a- ber nach Eroͤffnung/ daß alles mit Bewapneten besetzet wahr. Herkules foderte ihnen die Schwerter ab/ welche sie willig von sich gaben/ und vor Angst kein Wort sprechen kunten. Leches/ so bald er die Jungfer sahe/ deren er sein Herz schon etliche Jahr/ aber bißher umb- sonst angebohten hatte/ kunte seine Flammen laͤnger nicht bergen/ trat mit entbloͤssetem Haͤupte vor den Tisch/ damit sie ihn kennen moͤchte/ und sagte: Jungfer Libussa/ hochge- liebte Wase/ wie gehets euch alhier? habt ihr auch irgend Schande und Schmach von diesen Buben erleiden muͤssen? Die geaͤngstete Jungfer kennete ihn alsbald/ und antwor- tete: O herzlieber Vetter Leches/ wie kommet ihr mir zu so gelegener Zeit zuhuͤlffe! sprang hiemit uͤber den Tisch zu ihm/ und sagte weiter: Meine Ehre ist Gott Lob añoch unverletzet/ wañ nur unser Gn. Frl. moͤchte gerettet seyn. Herkules befahl/ dz man die Raͤubeꝛ samt dẽ Wirte festbinden solte/ zohe den Helm ab/ und uͤmfing die Jungfer gar freundlich/ boht jhr auch einen Kuß/ und sagte zu jhr: Ich freue mich sehr/ daß ich meine geliebete Freundin gesund und ungeschmaͤhet antreffe/ und an jhr einen guten Anfang der Erloͤsung gemacht habe. O Durchl. Fuͤrst/ antwortete sie/ hat jhre Gn. uͤm mich unwirdige so grosse Muͤhe uͤber sich genommen? Nun nun/ die Goͤtter retten nur unser allerliebstes Fraͤulein; was ich dann zu vergelten zu unvermoͤgen bin/ werden andere zuverschulden jhnen lassen ange- legen seyn. Wolte jhm hiemit die Hand kuͤssen/ welches er doch nicht zugebẽ wolte/ sondeꝛn zeigete jhr Ladisla/ zu dem sie ganz ehrerbietig nahete/ und von jhm wol empfangen ward. In- Anderes Buch. Inzwischen kehrete Herkules sich zu den Gefangenen/ und sagete zu dem Vornehmesten: Geschwinde/ und sage mir/ wo sind deine Gesellen mit dem gefangenen Junglinge und der andern Jungfer blieben? Dieser antwortete: Mein Herꝛ/ schenket mir das Leben/ so wil ich euch dahin fuͤhren/ und den Juͤngling wieder liefern/ sonst wird euch unmoͤglich seyn jhn anzutreffen/ viel weniger zu erretten. Wissen dann diese deine Mitgesellen auch/ sagte Herkules/ wo sie sich auffhalten? Ja/ antwortete er/ wo sie hinte diese Nacht bleiben wer- den/ ist jhnen bewust/ aber nicht/ wohin man sie morgen fuͤhren wird. Nun dann/ sagte Her- kules zu Fabius/ so wird mein Herꝛ Brudeꝛ wissen/ sie nach Roͤmischen Recht abzustraffen als gewaltsame Raͤuber und Moͤrder. Dieser nam sie an/ uͤbergab sie seinen Reutern wol zuverwahren/ und schwuhr/ er wolte sie in dem Flecken lebendig kreuzigen lassen/ woselbst sie den Mord und Raub veruͤbet haͤtten; uͤber welcher Urtel sie dermassen erschracken/ daß sie jhre Gesellen gluͤkselig preiseten/ die im Streit uͤmkommen wahren. Der Wirt durfte viel Entschuldigung einwenden/ aber die Raͤuber begunten schon daruͤber zu murren/ und re- dete Herkules den Vornehmesten unter jhnen/ welcher Gallus hies/ also an: Ob du wol dein Leben so wol/ und vielleicht mehr als diese anderen verwirket hast/ sol es dir dannoch geschenket seyn/ dessen du mir wol trauen magst/ dafern du mich zu dem Juͤnglinge fuͤhrest/ wo er ist/ damit ich denselben meinen geliebten Bruder wieder uͤberkommen moͤge; aber sage mir ohn einige Falscheit: traͤget der Wirt auch Wissenschafft uͤmb diese Taht? Herꝛ/ sagte Gallus/ die groͤste Schuld dieser uͤbeltaht haftet auff jhm/ gestaltsam er den Anschlag gemacht/ und uns auf getrieb eines fremden unbekanten Ritters/ Nahmens Victor/ fast wieder unsern Willen darzu verleitet hat/ massen unser Frevel vor diesem nie so groß ge- wesen ist/ die Leute in beschlossenen Flecken zu uͤberfallen; ja sein ganzes tuhn ist anders nichts/ als daß er uns bißher ausgespuͤret hat/ wo in der naͤhe ein Raub zuerhaschen ist. Bistu dann derselbe/ fragete jhn Herkules/ der gestern Abend in jener unseligen Herberge die Wuͤrffel und Karten feil getragen hat? Ja eben derselbe ist er/ sagte Gallus/ welches sich leicht ausfuͤndig machen wird/ wañ meine Herꝛen jhn nur werden dahin bringen las- sen. Hierauff sagte der Wirt zu jhm; O du meinaͤidiger Verraͤhter/ ist das mein Dank und Lohn/ daß ich dir so mannichen Dienst zu Tag und Nacht geleistet habe? Fabius la- chete des/ und sagte: Gib dich zu frieden du gotloser Schelm/ ich werde dir schon davor lohnen/ und in Padua eine solche Rache von dir nehmen/ daß andere deines gleichen sich daran zu spiegeln haben. Heꝛkules wahr willens/ alsbald wieder auffzusitzen/ und sein alleꝛ- liebstes Fraͤulein zuretten; weil er aber sahe dz seine Leute mat und muͤde wahren/ uͤberdas auch von Gallus vernam/ daß die Eile ihnen zu nichts dienen/ und die helle Tageszeit ih- nen vortraͤglicher seyn wuͤrde/ den Anschlag ins Werk zurichten/ hieß er die Wirtin essen aufftragen/ so gut sie es zuschaffen wuͤste/ und einen Trunk Wein dabey/ welches ihr richtig solte bezahlet werden. Die gemachte Beute brachte Gallus alles wieder bey/ so wol an Gelde als Kleidern/ welches Ladisla geliefert ward/ und funden sich an Baarschafft etliche tausend Kronen/ auch koͤstliche Weiberkleider/ die dem Fraͤulein zustunden. Des Goldes teileten sie etwas unter ihre Reuter aus/ daß jeder XII Kronen bekam/ wodurch sie so gut- willig gemacht wurden/ daß sie alle sich erbohten/ das Leben vor sie zu lassen. Die Wirtin schaffete Wein gnung/ der sehr gut wahr/ aber die Speise wolte anfangs nicht zureichen/ biß Anderes Buch. biß sie aus der Nachbarschafft so viel zusammen brachte/ daß sie alle gesaͤttiget wurden. Nach gehaltener Mahlzeit begehrete Herkules die Rechnung von der Wirtin/ und weil dieselbe gar leidlich gestellet wahr/ zahlete er ihr ein uͤbriges; welche Freygebigkeit ihr gar wol gefiel/ und sie immerzu fleissig auffwartete. Sie wahr feiner Gestalt/ und etwa ihres Alters von XXVI Jahren/ taht als bekuͤmmerte sie sich um nichts/ so daß sie auch anfangs sich ihres Mannes im wenigsten nicht annam/ biß sie mit Herkules etwas Kundschafft gemacht hatte/ da fragete sie denselben mit halblachenden Worten: Ob dann nicht gnade vor ihren Mann uͤbrig waͤhre. Er aber antwortete ihr/ es waͤhre davon nichts zu reden/ weil es in seiner Macht nicht stuͤnde; in andern dingen wolte er ihr gerne zu gefallen seyn. Ey mein Herr/ fuhr sie fort/ und zwar mit gleichmaͤssigen froͤlichen Geberden: Ihr koͤntet gleichwol noch ein gut Wort vor ihn einlegen/ weil er selber nicht gemordet oder geraubet hat. Hehler und Staͤhler sind gleiche gut/ antwortete er/ und ist diese Taht viel zu boͤse/ welche keines weges ungestraffet hingehen kan/ sondern muß mit dem Leben bezahlet und gebuͤsset werden; ihr aber habt euch nicht zubefuͤrchten/ sondern sollet bey dem euren ge- schuͤtzet werden/ es sey dann/ daß einer oder ander kommen/ und sein geraubetes Gut wie- der fodern wuͤrde. Die Frau wendete sich zu ihrem Manne/ und sagte: Da sehet ihr noch mein gutes Herz/ welches ich zu euch trage/ indem ich vor euer Leben bitte/ welches ihr nimmermehr tuhn wuͤrdet/ da ich in eurer stelle stehen solte. Ja/ antwortete ihr Mann/ dz moͤgen die Goͤtter wissen/ wie deine Vorbitte von Herzen gehe/ welches dein leichtfertiges Lache-Maul schon mehr als zu viel verraͤht/ und behuͤte mich nur der Himmel/ daß ich dei- ner Gnade oder Vorbitte nicht beduͤrffe. Diese taht/ als hoͤrete sie solches nicht/ sondern fragete mit etwas betruͤbtem Angesicht/ ob dann ihr Mann gewißlich sterben muͤste; und als ihr mit bestaͤndigem Ja geantwortet ward/ dz sie daran nit mehr zu zweifeln hatte/ keh- rete sie sich abermal nach demselben um/ und fing mit erblassetem Gesicht also an: Nun so gebe Gott/ dz dich der Henker vor deinem Ende so peinigen und quaͤlen moͤge/ wie du boß- haffter Moͤrder/ Dieb uñ Ehebrecher mich armes unschuldiges Weib diese zwey Jahr ge- aͤngstet hast/ und ich erfahre/ dz dir mit vollem masse gelohnet sey. Dieser beiß vor Eifer die Zaͤhne im Kopfe zusam̃en/ uñ deutete an/ er waͤhre ihm gar keine andere Vorbitte bey seinẽ frechen gottlosen Weibe vermuhten gewesen/ wolte auch gerne sierben/ wañ er ihr nur den Lohn ihres verdienstes geben solte; bekeñete daneben er waͤhre des vorigen tages daran ver- hindert worden/ sonst solte sie sein Ungluͤk nit erlebet haben. Herkules uñ seine Gefaͤrtẽ hoͤ- reten mit Verwunderung zu/ und begehreten von dem Weibe die Ursach ihrer so hefftigen Feindschafft/ und unversoͤhnlichen Widerwillens zu wissen; worauff sie antwortete: Mein Herr/ wañ ich mein Ungluͤk und Widerwaͤrtigkeit alles erzaͤhlen solte/ welches ich von die- sem Gottlosen ehrvergessenẽ Buben habe annehmen und außstehen muͤssen/ wuͤrde ichs im Sommerlangen Tage nit koͤnnen zum Ende bringen. Der Mann wolte ihr einreden/ und seine entschuldigung tuhn; aber sie sagte zu ihm; schweig du Verraͤhter/ du hast keine Eh- re zusprechen. Es merketen die unsern was vor ein Kraut sie vor sich haͤtten/ und liessen sie immerhin waschen/ da sie also fortfuhr; Meine Herren; zwey Jahr habe ich mit diesem Laußhunde in der Ehe gelebet/ aber keine friedliche noch froͤliche Stunde bey ihm gehabt/ da er mir doch alle seine Wohlfahrt zu danken hat; er wahr nacket und bloß/ und wann ichs Anderes Buch. ichs ja sagen sol/ vol Unziefer/ da ich mich sein erbarmete/ und ihn zu mir nam. Ach was hatte ich vorhin einen feinen frommen Mann/ sagte sie mit erdichteten Traͤhnen; des A- bends brachte er mich zu Bette/ und verrichtete noch etliche Stunden die noͤhtige Arbeit; des morgens stund er auff und lies mich schlaffen. Dieser leidige boͤse Schelm ging nach meines Mannes Tode mir so listig nach/ daß ich mich sein nicht laͤnger erwehren kunte/ und ihm die Ehe versprach; und als ich ihm bald darauff mehr goͤnnete/ als mir jezt lieb ist/ muste ich hernach stets seines Willens Leben/ welches ich dann taht/ umb einen guten Grund zur friedsamen Ehe zulegen; aber ich meine er hat mirs vergolten; er ging mit meinen Guͤtern umb als die Prasser pflegen; vor muste er mit Wasser und Brod vor lieb nehmen/ jezt wahr ihm der Landwein zu herbe/ und die Haußspeise zu unverdaͤulich; doch haͤtte ichs noch alles verschmerzet/ und fuͤnffe gerade seyn lassen/ nach Art meiner ange- bohrnen Froͤmmigkeit (welches ruhms die ganze Geselschafft lachete) wann er mir nur waͤhre getraͤu gewesen/ aber ungeachtet ich/ ohn Ruhm zu melden die schoͤnste Frau des ganzen Flecken bin/ mitete er doch allemahl die huͤbschesten Maͤgde/ die zubekommen wah- ren/ hohlete sie uͤber etliche Meileweges her/ hielt mit ihnen als ein Ehebrecher zu/ und lies mich armes Weib gehen/ als haͤtte er mich etwa hinter dem Zaune auffgeraffet. Wañ ich mich dann dessen beklagete/ und mich an den leichtfaͤrtigen Ehebrecherischen Huren raͤ- chen wolte/ so muste ich mich so elendig von ihm stossen und pruͤgeln lassen/ daß es einen Stein in der Erden haͤtte erbarmen moͤgen; aber ich hoffe/ es sol ihm schier vergolten wer- den/ dann der Himmel hat mein Elend nicht laͤnger ansehen koͤnnen/ die Erde ist zu muͤde solchen Unflaht zu tragen/ und die Lufft sehnet sich daß er in ihr erhoͤhet/ das Angst-wasser schwitze/ und das Angst-feur im Herzen fuͤhle. Kehrete sich hiemit zu ihrem Manne/ und sagte: Kanstu noch nicht erkennen/ daß die Goͤtter muͤde sind meinen Jammer zuerdulden/ welchen du Wuͤterich und greulicher Bluthund mir zugefuͤget hast? fahre hin an den Gal- gen und an das Rad; ich wil wol einen Kerl haben/ wann du schon am Kreuze verdorret bist/ der mich besser in ehren halten/ und meine Wirdigkeit erkennen sol/ als du nacketer Bettelbube nie getahn hast! Sie wolte in ihrer rede fortfahrẽ/ aber Ladisla hies sie schwei- gen/ und fragete den Wirt/ warumb er sich so hart und undankbar gegen sein Weib ver- halten/ die Zeit seines elendes ihn auffgenommen haͤtte. Ach mein Herr/ antwortete er/ gut ists/ daß ihr das schwaͤzhaffte Weib habt schweigen heissen/ es wuͤrde ihr sonst unmoͤg- lich seyn das Ende ihrer Rede zu finden/ und duͤrffte ihr gehen wie einer Art Vogel/ davon man saget/ daß sie sich zu tode singen sollen. Sie wolte dieses nicht unbeantwortet lassen/ aber Herkules hielt vors beste/ daß man sie hinaus schaffete; welches abzuwenden/ sie ver- sprach stille zu seyn. Worauff ihr Mann also fortfuhr: Ob ich gleich weiß/ daß ich zu ei- nem grausamen Tode behalten werde/ glaͤube ich doch nicht/ daß des Henkers Peinigung schwerer seyn koͤnne/ als dieses heillosen Weibes. Ich kan wol sagen/ daß ich die zweijaͤh- rige Helle schon an ihr versucht/ aber auch mit ihr gebauet habe; Ich habe diese ganze zeit uͤber nicht ein gutes Wort von ihr gehabt/ sondern lauter schnarchen/ murren uñ schelten/ und kunte ichs ihr nimmer zu danke machen/ ich griffe es gleich link oder recht/ oben oder unten an; trunk ich ein Maaß Wein mit meinem Nachbar/ oder einem andern/ dabey ich wol fuͤnffe verdienete/ so muste ich ihr Verbringer seyn; lag ich bey ihr auff dem Bette/ so L l muste Anderes Buch. muste ich ihr fauler Schluͤngel seyn; stund ich dann auf/ so hieß es/ ich schleppete mich mit den Maͤgden; Dieses stieg mir endlich zu Kopffe/ daß ich auff Mittel bedacht wahr/ sie zu zwingen/ und den boͤsen Teufel aus ihr zu treiben; und muß bekennen/ daß ich sie offt gar uͤbel zugerichtet habe/ insonderheit/ wann sie die jungen frischen Gaͤste in ihrer Voͤllerey durch unzuͤchtige Schandreden zu allerhand Unzimligkeit reizete/ und ohn scheuh sich mit ihnen herzete und zausete/ einwendend/ die Wirtinnen muͤsten freundlich seyn/ wann die Gaͤste das Geld bey ihnen verzehren solten; und was mir endlich daran abginge/ behielte ich doch alles was ich schon haͤtte; Ja ich darff vor zuͤchtigen Ohren nicht erzaͤhlen/ wie sie in Reden und Geberden sich offt erzeiget hat; darauff legete ich dann wol die schwere Hand/ aber alles umbsonst und vergebens/ daher ich mir endlich vornam/ sie im Schlaffe zu erwuͤrgen/ und solte mein groͤster Trost seyn/ wann es nur geschehen waͤhre. Ladisla ant- wortete: als viel ich aus euer beyden Rede vermerke/ ist garstiger Spek umb stinkende Butter vertauschet/ und beduͤrffte ein Richter guter Leute Raht/ umb zu entscheiden/ wer unter euch mit der groͤsten Schuld behafftet waͤhre. Die Wirtin sagte: O ihr lieben Her- ren/ helffet ja/ dz er nicht wieder loß koͤmt/ sonst muͤste ich elendes Weib es verlauffen. Her- kules verdroß bey so gestalten Sachen dieses langwierige Narrenwerk/ geboht der Frauẽ ruhig zu seyn; es wuͤrde dieser ihr Mann sie foͤrder nicht weiter belaͤstigen; Er wolte ihr aber diese Lehre geben wann sie den dritten nehmẽ wuͤrde/ solte sie sich sein demuͤhtig zuͤch- tig und gehorsam gegen ihn verhalten/ und nicht ursach zu Zorn und Widerwillen geben. Ja mein Herr/ sagte sie/ bedenket aber/ daß ich gleichwol Frau des Hauses bin/ und diesen Schluͤngel aus Erbarmung zu mir eingenommen habe/ solte ich dann mein Recht und Herschafft so gar abtreten/ und mich ihm zur Magd geliefert haben? doch wann diesem die Raben nur erst die Augen moͤchten ausgehacket/ und sein faules Fleisch verzehret habẽ/ solte der dritte Braͤutigam sich wol bald finden. Herkules sahe/ was vor ein Unkraut in ihr steckte/ wolte ihr nicht zu fernerem Geschwaͤtze Gelegenheit geben/ sondern befahl seinen Leuten/ die Ruhe zu nehmen/ und gegen fruͤhzeitigen Auffbruch sich gefasset uhalten/ vor allen Dingen aber die Gefangenen wol zu verwahren/ daß ihrer keiner entwischete/ der ih- nen den ganzen Handel durch Verraht leicht verderben wuͤrde. Den Wirt/ sagete Ladisla/ wollen wir der Wirtin zu huͤten geben/ die wird ihn nicht entlauffen lassen. Das Weib hoͤ- rete es/ und sagete: Wol meine Herren/ gebet mir Gewalt uͤber ihn/ so wil ich ihm die Daumen und grosse Zee kreuzweise zusammen binden/ uñ ihn diese Nacht in meiner Kam- mer auff die blosse Erde legen/ mit welcher Peinigung er mich wol zwanzig mahl beleget hat/ auff daß er nur empfinden moͤge/ wie mir ein solches bekommen ist/ und ich noch zu gu- ter lezt meine Augenweide und Herzenslust an ihm haben moͤge. Fabius sagte zu Ladisla: behuͤte der Himmel einen jeden redlichen Mann vor solchen Ehegatten; ich halte nicht/ dz dieses Weibes gleichen je gebohren sey. Sie stund nicht weit davon/ hoͤrete es/ und gab zuꝛ Antwort: Ja wol mein Herr/ so muͤsten meine beyde Nachbariñen/ oben und unten/ nicht seyn/ welche mir offt verweißlich gnug vorwerffen/ was ich mich von so einem lausichten Hunde dermassen verachten und schmaͤhen lasse; dann ihre Maͤnner/ die ungleich groͤsser/ staͤrker und ansehnlicher sind/ als mein Hudler/ muͤssen ihnen in allem Gehorsam seyn/ und tanzen/ wann sie nur die Pfeiffe stimmen/ wollen sie aber nicht/ so treiben sie die Esel aus dem Anderes Buch. dem Hause/ schlagen ihnen die Tuͤhr vor der Nasen zu/ und lassen sie lange gnug um schoͤn Wetter bitten; aber dahin habe ichs mit diesem Aur Ochsen nicht bringen koͤnnen. Her- kules sagte zu Fabius: Geliebter Bruder; je mehr man den Zunder blaͤset/ je weiter er glim- met. Freylich mein Herr/ sagte das Weib/ und haͤtte ich meinem Kerl nicht bald anfangs so viel Wind gegeben/ solte er so stark nicht geglimmet haben; aber geschehene Dinge sind zu beklagen/ nicht zu verbessern. Niemand wolte ihr antworten/ weil ihr Blasebalg da- durch nur gefuͤllet ward. Dem Wirte aber taht seine Gefaͤngniß nicht so weh/ als die ver- aͤchtliche Reden seines frechen Weibes/ gedachte aber fleissig nach/ ob er nicht vor seinem Abscheide sich an ihr raͤchen koͤnte; sprach sie an umb einen Trunk Wein/ sein mattes Herz zu laben/ stellete sich auch/ als waͤhre ihm herzlich leid/ was er ihr bißher zu leide getahn/ uñ baht sehr umb Verzeihung/ weil er doch nun sterben muͤste; wuͤnschete ihr langes Leben uñ allen gluͤklichen Fortgang in ihrer Nahrung/ und hielt an/ sie moͤchte alles vergessen/ und guten Abscheid von ihm nehmen/ auch gedenken/ daß sie gleichwol Eheleute mit einander waͤhren. Das Weib nahete sich zu ihm/ und begunte sich mitleidig zu stellen/ da er sie eriñer- te/ etwas weiter mit ihm von der Geselschafft zu treten/ weil er ihr vertrauen und offenbah- ren wolte/ was vor ansehnliche Schulden er in dem Flecken hin und wieder ausstehen haͤt- te/ davon er ihr bißher nichts sagen wollen. Sie wahr ihm gerne zu willen/ und ging mit ihm in den Winkel hinter die Tuͤhr stehen/ da er sie fein an die Wand draͤngete/ daß sie ihm nicht entweichen kunte/ und weil ihm die Haͤnde auff dem Ruͤcken gebunden wahren/ druͤc- kete er sie mit seinen Knien und dem Leibe fest an die Wand/ fiel sie mit den Zaͤhnen an/ uñ bisse ihr/ Nasen/ Ohren und beyde Lippen abe/ zureiß ihr auch die Wangen dergestalt/ daß sie keinem Menschen aͤhnlich sahe. Das Weib straͤubete sich zwar mit den Haͤnden und schriehe jaͤmmerlich/ aber er zauete sich so eilig mit seiner Rache/ daß ehe jemand zu ihrer Errettung nahete/ er sie schon also zugerichtet hatte/ daß ihn selbst dauchte/ es koͤnte gnug seyn; ließ auch von ihr ab/ und sagte: Nun meine Herren/ ich wil nun gerne sterben/ nach- dem ich den Schimpff etlicher massen ersetzet und gerochen habe/ den ich von ihr einnehmẽ muͤssen/ hoffe auch/ dieses schandlose Weib sey nunmehr unter ihrem Gesicht dergestalt zu- gerichtet/ dz ihre ehebrecherische Buhler/ deren sie nicht wenig hat/ forthin so haͤuffig nach ihr nicht mehr lauffen sollen. Das Weib lag in tieffster Ohmacht/ biß ihre Magd sie er- quickete/ fand sie aber dermassen zerbissen/ daß jederman abscheuh daran hatte. Herkules gab Befehl/ sie nach dem Arzt zubringen/ und straffete den Wirt mit harten Worten we- gen des begangenen Frevels; weil aber geschehene Dinge nicht zu endern stunden/ mustẽ sie damit zu frieden seyn; dann sie ingesamt bekenneten/ es haͤtte das Weib mit jhrem fre- chen Maul ihr dteses Ungluͤk selbst muhtwillig zu wege gebracht. Jungfer Libussa haͤtte mit Herkules gerne alle in geredet/ und ihm der Fraͤulein lezten Willen angezeiget/ weil es aber sehr spaͤte wahr/ und jeder die Ruhe begehrete/ muste sie es biß auff naͤheste bessere Ge- legenheit auffschieben. Die meiste Zeit der Nacht brachte Herkules mit behten zu/ und rieff Gottes Barm- herzigkeit an/ jhm die Gnade zu verleihen/ daß er das Fraͤulein aus der Raͤuber Haͤnden er- loͤsen moͤchte/ insonderheit/ daß Gott jhre Ehr und Zucht in seinen Schuz nehmen/ und sie vor allem unfal bewahren wolte; befahl sich endlich selbst seinem Erloͤser/ und schlieff ruhig L l ij ein. Anderes Buch. ein. Kurz vor Tage erschien jhm im Schlaffe ein Gesichte/ nehmlich ein sehr ansehnliches schoͤnes Weibesbilde zeigete jhm eine koͤstliche guͤldene Kron/ mit dieser uͤmschrifft: Hoc Emolumentum Redimit Christiana Virtus Labore Et Spe Zu Teutsch: Diesen Nutzen loͤset die Christliche Tugend durch Arbeit und Hoffnung. In der anderen Hand fuͤhrete sie eine Fahne/ in welcher die Wollust wieder die Gottesfurcht streitend gemahlet wahr/ und stunden diese Worte uͤber jhren Haͤuptern: Volentibus Adest Levamen Jehovæ, Sistitq́; Coronam Aeterni- ratis. Das ist: Gottes Huͤlffe stehet den Willigen bey/ und stellet jhnen die Kron der Ewigkeit zu. Unten zu den Fuͤssen der Gottesfurcht lase er diese Teutsche Reimen: 1 L Aß das Ungluͤk immer wuͤten/ Laß die Weltergrimmet seyn; Gott wird Unschuld wol behuͤten/ Was schafft dir dann Gluͤckes schein? Wer den boͤsen wil gefallen/ Hat durchaus nicht festen Fuß/ Er bleibt wol des Gluͤckes Ballen/ Biß er gar verderben muß. 2 Einer ist/ der wird dich fuͤhren/ Du kennst seinen Nahmen schon; Dessen Rettung wirstu spuͤren/ Biß er dir den Gnaden-Lohn Der Unsterbligkeit wird schenken. Ey so brich durch Noht und Pein/ JESUS wird an dich gedenken/ Drum mustu gerettet seyn. An der Gottlosigkeit oder Wollust seite/ wahr dieser Reim mit rohten (die vorigen aber mit guͤldenen) Buchstaben gesetzet: Fleisches Lust kan Gott nicht ehren Tuͤgend faͤlt durch Fleisches Lust; Was die Straffen sol abkehren Komt aus einer reinen Brust. Neben der Gottesfurcht stunden diese Worte: Wann der Teufel noch so wuͤtet/ Wann gleich alles uns gebricht/ Und die Welt nur Ungluͤk bruͤtet/ Laͤst doch Gott die seinen nicht. Sonst gedauchte jhn/ das trefliche Bilde haͤtte ihn etlichemahl ganz fꝛeundlich angelachet/ und diese Worte jhm zum drittenmahl zugeruffen/ da sie die beyden voͤrdersten Finger jh- rer rechten Hand aufrecht hielt: Was du suchest soltu finden/ Doch mustu im Glauben fest Dich auff Gottes Beystand gruͤnden/ Der die seinen nicht verlaͤst. Als dieses Gesichte hierauff verschwand/ erwachete Herkules/ empfand einen sonderlichen Trost uñ geistliche Freude in seinem Herzen/ und sprach dieses Gebeht zu Gott: O du Schoͤp- fer und Erloͤser des menschlichen Geschlechtes/ gib mir wahre Bestaͤndigkeit/ deinem heiligen Willen folge zu leisten/ und die schnoͤde Wollust der uͤppigen geilen Welt zufliehen/ auff daß ich durch wahren Glauben auff dein Verdienst gerechtfaͤrtiget/ die himlische Kron der Gerechtigkeit/ welche du allen Auserwaͤhlten von Ewigkeit bereitet hast/ aus deiner Gnaden Hand empfahen/ und durch keine Boß- heit mich deren verlustig machen moͤge. Er verrichtete ferner sein gewoͤhnliches Morgen Ge- beht/ und so bald die Sonne die hohen Berges-Spitzen der Finsterniß entreiß/ befahl er die Pferde zu satteln/ und so wol die von den Raͤubern entfuͤhrete/ als ihre eigene fertig zuhal- ten/ des gewissen Vorsatzes/ sein herzgeliebtes Fraͤulein auffs fleissigste zu suchen/ ob jhm gleich Ketten und Bande/ ja der Tod selbst druͤber zustossen solte. Fabius lies die Gefan- genen fest binden und auff Pferde setzen/ macheten sich auff und nahmen den Ruͤkweg nach dem Gehoͤlze wieder vor sich/ da die Jungfer zwischen Herkules und Ladisla reiten/ und ih- nen erzaͤhlen muste/ was sich irgend zu Prag sieder jhrem Abwesen denkwirdiges zugetra- gen hatte/ biß Ladisla wegen enge des Weges hinter sich zu Fabius ritte/ und sie Gelegen- heit Anderes Buch. heit hatte mit Herkules in geheim zureden/ an dessen Finger sie ohngesehr den obgedachten Ring mit den eingeschlossenen Haͤnden sahe/ und zu jhm sagete: Durchl. Fuͤrst/ ich erinne- re mich/ diesen Ring mehr gesehen haben/ und nimt mich wunder woher er euer Durchl. sey zu teil worden. Nach dem sie aber von jhm Bericht empfing/ was gestalt Neklam den- selben nebest anderen Sachen uͤberbracht haͤtte/ nam sie daraus gute Hoffnung/ es wuͤrde das Fꝛaͤulein dieser Gefahr entrinnen/ und mit dem Fuͤrsten veꝛehelichet werden; fing dem- nach an/ und sagete zu jhm: Ich habe von gestern Abend her Gelegenheit gesuchet/ mit euer Gn. in geheim zu reden/ hoffe zuerst dieselbe werden mir gnaͤdigst veꝛzeihen/ daß uͤmb deren heimligkeit ich gute Wissenschafft von anfang her getragen/ auch die einige Ursach gewest bin/ daß mein gn. Fraͤulein euer Gn. Brieff bey Wenzesla beantwortet/ halte auch/ dafern meinem gn. Fraͤulein ich zu Zeiten mit Trost nicht beygesprungen waͤhre/ sie wuͤꝛde schweꝛ- lich euer Gn. Verlust lange uͤberlebet haben; wolle demnach mein gn. Fuͤrst sich vor mir nicht verbergen; ich wegen Pflicht und Schuld/ damit meinem gn. Fraͤulein verhafftet bin/ kan nicht unterlassen/ euer Gn. jhren lezten willen zu eroͤffnen/ nehmlich/ als im Gehoͤlz sie hat muͤssen von mir scheiden/ wahr sie mehr auf jhres allerliebsten Fuͤrsten als auff jhre eigene Wolfahrt bedacht/ befahl mir deswegen/ alle Moͤgligkeit anzuwenden/ daß jhrer Gn. ich jhren Verlust/ durch alle Mittel alsbald zu wissen taͤhte/ und dabey andeutete/ daß ja dieselbe sich jhretwegen in keinerley Gefahr einliesse/ sie waͤhre dann mit solcher Huͤlffe versehẽ/ daß sie den Raͤubern bestand gnug seyn koͤnte. Herkules antwortete: es ist mir sehꝛ lieb/ aͤdle Jungfer/ daß ich solches alles von jhr vernehme/ wil auch/ da mir das Leben uͤbrig bleibet/ allen Fleiß anwenden/ die Dienste/ welche sie meinem Fraͤulein uñ mir getahn/ nach Vermoͤgen zuverschuldẽ; betreffend aber deren Warnung/ werde nach gestalten Sachen ich mich schicken und verhalten muͤssen/ auch meinem Gott trauen/ er werde mir in Ungluͤk und Gefahr beystehen. Ich moͤchte aber gerne sehen/ daß sie zu Padua verbliebe/ und von dannen nicht wieche/ biß sie von dem Fraͤulein oder von mir gewisse Zeitung haͤtte/ muͤste ich ihr dann in fremde Laͤnder folgen/ dahin sie gefuͤhret wuͤrde/ wie ich doch nicht hoffen wil/ werde ich an euch nach Padua zuschreiben/ nicht unterlassen; erfahret ihr aber wo ich bin/ und gehet etwas/ mir noͤhtig zu wissen/ vor/ kan sie bey eigenem Bohten solches ver- richtẽ; doch als lange ich meinem Fraͤulein nachsuche/ wird mein Name nicht Herkules/ sondern Valikules seyn; sonsten daß unsere Liebe noch zur Zeit gegen jedermaͤnnig muͤsse verschwiegen gehalten werden/ wird unnoͤhtig seyn/ euch zuerinnern. Aber lieber saget miꝛ/ da ichs wissen darff/ was doch mein hoͤchstgeliebetes Fraͤulein eigentlich bewogen/ diese schleunige Reise auff sich zunehmen? Ach mein Durchl. Fuͤrst/ antwortete sie/ wie hat mein Gn. Fraͤulein Tag und Nacht auf Gelegenheit getichtet/ Eure Gn. zu sehen/ und etwa nur ein Stuͤndichen mit derselben zu sprachen/ umb zuerfahren/ ob dieselbe dann ihre hochloͤb- liche Art durch den neuen Glauben so gar verendert/ wie man in Teutschland hat vorgebẽ duͤrffen; mag demnach Eure Gn. sich kuͤhnlich versichern/ dz weder ihr Herr Bruder noch dessen Gemahl sie von Prag nach Padua wuͤrde gelocket haben/ wann Eure Durchl. nit daselbst gewesen waͤre. Ach ach mein Frl. sagte Herkules/ das leidige Gluͤk hat uns biß da- her diese Ergezligkeit nicht goͤñen wollen/ dz wir durch muͤndliche Unterredung unsere Lie- be erneuert haͤtten; einmahl ist es ein Schwert in meinem Herzen/ dz ein solches Fraͤulein Ll iij meinet- Anderes Buch. meinetwegen in diese Angst und Gefahr gerahten ist; doch/ hilfft mir der allmaͤchtige Gott/ wil ich nicht ruhen/ biß sie gerettet/ und die Bosheit gestraffet sey; vor dißmal wil ich euch den Brieff in Verwahrung geben/ welchen ich in ihren allerschoͤnsten Haaren funden/ ob mein Fraͤulein ihn wieder fodern wuͤrde. Libussa nahm ihn zu sich/ mit Erbietung/ ihn wol auffzuheben/ ungeachtet das Fraͤulein ihn so offt gelesen haͤtte/ daß sie ihn fertig herzusagẽ wuͤste. Indem sie also fort ritten/ ersahe Herkules etliche Reuter stark auff sie ansetzen/ uñ ward bald innen/ daß es die außgeschikte Speher wahren/ welche Zeitung brachten/ daß sie zwar etliche Maͤñer mit Holzaxten im Walde hin und wieder zerstreuet angetroffen/ wel- che aber von keinen Raͤubern zusagen gewust. Gallus zeigete ihnen an/ eben diß waͤhren die rechten/ und moͤchte wuͤnschen/ daß sie entweder ihr Nachsuchen gar unterlassen/ oder deren einen gefangen mit sich gebracht haͤtten/ alsdann wuͤrde man einige Nachricht von ihnen haben einnehmen koͤnnen/ welches nun schwer zugehen duͤrffte/ dafern man ihnen nicht biß in ihre heimliche zimlich-abgelegene Schluͤpff-winkel nachsuchen wuͤrde. Her- kules sahe wol/ daß ihm kein Mensch als dieser Raͤuber zu seinem Vorhaben koͤnte behuͤlf- lich seyn/ und fragete ihn/ ob er dann ihrer abgelegenen Hoͤhlen Wissenschafft haͤtte. Ja/ bekennete dieser/ er waͤhre ihrer vornehmsten Haͤuptleute einer/ und haͤtte aller Heimlig- keiten durchgehende Kundschafft/ wolte es auch mit Worten dahin bringen/ daß der ge- fangene Juͤngling neben der Jungfer solte loßgelassen werden; zwar die versamlete Her- ren moͤchten wol gedenken/ er redete solches/ sich etwa loßzuwirken/ und hernach davon zulauffen; aber seyn Vorsaz waͤhre nicht also beschaffen welches sie ihm wol trauen moͤch- ten. Herkules nam ihn darauff absonderlich vor und redete ihn also an: Hoͤre Gallus/ uñ erinnere dich der Gnaden daß ich dich vom Kreuz loßgewirket/ an welchem du sonst in groͤssester Peinsterben muͤstest/ und betrachte/ daß du mir davor verhafftest seist; wiltu mir nun traͤue und redligkeit beweisen/ dein Leben hinfuͤro in besserung stellen/ und in meinem Vorhaben mir nach aller moͤgligkeit beyraͤhtig seyn/ so verspreche ich dir hinwiederumb/ bey meinen ritterlichen Ehren/ welche zu schaͤnden ich nicht bedacht bin/ daß ich dich her- naͤhst dergestalt beguͤtern und erheben wil/ mehr als du jemahls haͤttest hoffen oder dir ein- bilden koͤnnen. Gallus antwortete mit einfaͤltigen Geberden: Gn. Herr/ der Gott der uͤ- ber alles herschet/ ist mein Zeuge/ daß aus hoͤchstdringender Noht/ und mein Leben zu ret- ten/ ich mich in die Raͤuber Geselschafft begeben/ massen ich fuͤnff Jahr ein Roͤmischer Feldwebel gewesen/ biß ich beim Trunke wegen eines Spieles/ darin mir Unrecht gescha- he/ meinen Faͤhndrich erstochen/ und deßwegen außreissen muͤssen; und weil ich nirgend sicher wahr/ habe ich mich drey Jahr in den Wildnissen auffgehalten/ und zu Zeiten ge- raubet/ wovon ich das Leben erhalten/ biß vor vier Jahren ich in diese Raͤubergeselschafft gerahten bin; ich gelobe aber ihrer Gn. bey dem hoͤchsten Gott/ dz dero getreuester Knecht biß an meines lebens Ende ich seyn und bleiben wil/ nicht so viel wegen jeziger gar zu hoher Zusage/ deren ich nicht faͤhig bin/ als daß dieselbe mich der Kreuzespein enthoben/ und miꝛ dz Leben geschenket/ welches durch meine Untahten ich hundertfach verwirket habe. Her- kules sagte zu ihm: Nun/ du beruffest dich auff den wahren Gott/ der wuͤrde dich auch mit harter Straff-hand angreiffen/ wann denselben zu taͤuschen du gesinnet waͤhrest/ welches ich dir doch nicht zutraue/ sondern nehme dein Erbieten als fest und redlich gemeinet an/ und Anderes Buch. und versichere dich hinwiederumb/ daß deine kunfftige Dienste ich dir nach getahnen ver- sprechen vergelten wil; kehrete sich hiemit nach Fabius/ und begehrete von ihm/ er moͤchte als ein von dem Roͤmischen Stathalter gevolmaͤchtigter/ ihm zu Liebe und Freundschafft diesen seinen neuen Diener Gallus frey und ehrlich/ auch aller Straffe loß und ledig spre- chen. Dieser wahr hirzu willig/ lies ihm die Bande an Haͤnden uñ Armen entzwey schnei- den/ und erklaͤrete ihn ehrlich/ frey/ uñ aller Anklage enthoben; woruͤber der recht buͤssende Mensch hoͤchst erfreuet/ auff seine Knie niderfiel/ und mit traͤhnenden Augen vor beschehe- ne Gnade dankete; sagete; er waͤhre nun reich und gluͤkselig genug/ und wolte in ihren Diensten gerne und mit freuden sterben. Sie ritten feisch fort/ biß sie endlich an die Stelle kahmen/ da die Raͤuber sich geteilet hatten/ woselbst Herkules seine lieben Freunde allein zu sich foderte/ umb zu bereden/ wie die Sachen am tuhnlichsten anzugreiffen seyn moͤch- ten; aber da wahr mancherley und keine bestaͤndige Meynung/ weil niemand etwas ge- wisses hatte/ darauff er fussen kunte/ daher Herkules zu ihnen sagete; Ich merke wol/ daß mein Gallus hierin der beste Rahtgeber seyn wird/ rieff ihn herzu/ und befahl ihm seine Ge- danken hieruͤber frey und ungescheuhet zueroͤffnen. Dieser aber baht sehr/ seine Gñ. Her- ren wolten doch nach belieben rahten/ er wolte alles nach Vermoͤgen ins Werk richten helffen/ ob er gleich das aͤusserste daruͤber außstehen solte; dann wuͤrde ich einen Anschlag machen/ sagte er/ und es geriete zum aͤrgesten/ wie ich doch nicht hoffen wolte/ moͤchte ich einiger Verraͤhterey verdacht werden. Mein Gallus/ antwortete Herkules/ wann ich diese Gedanken von euch haͤtte/ wuͤrde ich euch so ledig und loß neben mir nicht reiten lassen/ drumb lasset hoͤren was euch duͤnket. Gn. Herr/ sagte er/ so bitte ich untertaͤhnig/ mir zu verzeihen/ wann irgend mein Vorschlag nicht beliebet seyn koͤnte/ ausser dem wir aber un- ser Vorhaben schwerlich erreichen werden/ dann die außspehung eurer Reuter hat mir die Sache sehr verwirret/ und die Raͤuber aus der naͤhe in ihre heimliche Gewahrsam ge- trieben; dahin/ waͤhre ich der Meynung/ mich zu begeben/ und einen getraͤuen Menschen eures mittels zu mir zunehmen/ welcher sichs nicht wuͤrde muͤssen verdriessen lassen/ mit mir durch Hecken und Puͤsche zu fusse zu krichen/ und sich zu stellen/ als waͤhre er von mir vor einen Raͤuber-Landsknecht geworben; solte man dann nach seinem zustande fragen/ koͤnte er irgend vorgeben/ er haͤtte einen Todschlag hie oder da begangen/ daß er fluͤchtig seyn muͤste/ und sich im verborgenen zuhalten gezwungen wuͤrde; waͤhre uns dann Gott beystaͤndig/ wie ich gaͤnzlich hoffe/ daß wir den geraubeten Juͤngling antraͤffen/ solte er euch Zeit/ Ort/ und Weise eurer Ankunfft und uͤberfals berichten/ wie ichs finden wuͤrde/ am sichersten und bequemesten zu seyn/ im falle ich sie in der Guͤte nicht bereden koͤnte/ die Gefangenen neben der Beute von sich zugeben. Sie hielten diesen Raht alle vor gut/ lobe- ten seine vernuͤnfftigen Anschlaͤge/ und reizeten ihn mit grossen verheissungen zur besten- digkeit. Und als man daruͤber rahtschlagete/ wer Gallus zugegeben werden solte/ schlug Ladisla seinen Leches vor/ Fabius stimmete auff Klodius; Herkules aber baht/ man moͤchte ihm die Wahl goͤnnen/ weichen er darzu wuͤrde duͤchtig erachten/ und nach bewilligung stieg er vom Pferde/ sprechend: Ich werde mich zu dieser Abenteur selbst gebrauchen las- sen/ und traue meinem Gott ungezweiffelt/ er werde mir Gluͤk und guten fortgang verley- hen. Ladisla und Fabius bahten ihn sehr/ von solchem Vorhaben abzustehen/ angesehen der grossen Anderes Buch. grossen Gefahr/ wann er erkennet wuͤrde. Gallus selbst riet ihn traͤulich ab/ allermeist/ daß die andern nicht in ungleiche Gedanken gerahten moͤchten/ ob suchete er an diesem Her- ren einige Verraͤhterey zu uͤben. Herkules aber fragete ihn/ ob neulich etliche von den Raͤubern zu Padua gewesen/ und als er dz Wiederspiel vernam/ sagte er; so bringet mich niemand als Gottes Gewalt von diesem Vorsatze; legte sein Harnisch abe/ ging mit Klo- dius hinter eine Hecke und nam dessen ledernes Kleid vor sein Scharlaken/ suchte die kost- bahren Kleinot/ die darin vermacht wahren/ zusammen/ und nach kurz genommener Ab- rede/ lies er sich als einen geworbenen Raͤuber hinleiten. Ladisla aber kehrete mit der Ge- selschafft umb nach dem Flecken/ da das Ungluͤk sich zugetragen hatte/ und erwartete da- selbst seines lieben Herkules Wiederkunfft. Derselbe nun eilete geschwinde fort/ damit er sein geliebtes Fraͤulein schier aus Raͤuberhaͤnden frey machen moͤchte/ so dz Gallus kaum mit ihm fortkommen kunte/ welcher ihn aber baht/ er moͤchte gemachsam fahren/ es waͤhre das Schlupffloch nicht so nahe/ daß mans mit einem lauffe erreichen wuͤrde/ hielte auch vor sicherer/ spaͤte als fruͤh bey ihnen anzulangen/ dann sie wuͤrden ohn zweiffel sehr ver- schuͤchtert seyn/ und wegen seiner unvermuhtlichen Ankunfft sich nicht ein geringes ver- wundern/ welches er ihnen doch bald benehmen wolte. Herkules lies sich weisen/ befahl sich Gott seinem Erloͤser in grosser Andacht/ und lies Gallus vorhingehen/ weil er seiner Traͤue noch nicht aller dinge versichert wahr/ ob er ihm gleich zimlichen Glauben zustellete. Sie kahmen an eine Bach/ bey welcher ein dickes Geslꝛaͤuche stund/ in welches Gallus ohn Verzug hinein kroch/ und bey einer Viertelstunde darinnen verzog/ daß Herkules nicht wuste/ ob er verrahten oder verlassen wahr; als er nun wieder hervor kam/ hatte er sein An- gesicht dermassen unkaͤntlich gemacht/ daß Herkules anfangs meynete/ es waͤhre ein ander. Gallus merkete solches/ und sagte zu ihm: Gnaͤdiger Herr/ Eure Gn. kennen mich zweif- fels ohn wegen dieser Verstellung nicht mehr. Die Kleider/ antwortete er/ sind mir neben der Rede nicht unbekant/ aber seyd jhr der vorige Gallus/ so werdet ihr etwa euren Kopff in diesem Pusche vertauschet haben. Dieses sagte er nicht ohn ursach/ dann er wahr ganz anders gestalt als vorhin; Sein Haar und Bart wahren sonst gelbroͤhtlich/ das Angesicht weißroht und wolgebildet; jezt aber wahr sein ganzes Haar schwarzbraun/ und sein Ge- sicht als waͤhre es von der Sonnen schwarzgelb gebrant. Gallus lachete der Rede/ und sagte zu ihm: Gnaͤdiger Herr/ eben diese Kunst sol ob Gott wil Eure Gn. eben so unkaͤnt- lich als mich selbst machen/ und wann mir dieses Mittel nicht bewust waͤhre/ haͤtte Eure Gn. ich nimmermehr mit mir genommen/ massen euer Angesicht der gewisse Verraͤhter seyn/ und des Juͤnglings Bruder kund machen wuͤrde. Bey leibe/ sagte Herkules/ lasset diese hohe Ehren Nahmen/ mich Eure Gn. zu heissen/ unterwegen/ und nennet mich bey meinem Nahmen schlecht hin/ und ob euch derselbe unwissend ist/ so heisse ich Valikules. Unterdessen/ als er dieses redete/ greiff er ihm nach dem Haͤupte und Angesicht/ dann er meynete gaͤnzlich/ er haͤtte eine Haarhaube und falsches Gesicht angeleget/ nachdem er aber die blosse Haut fuͤhlete/ entsetzete er sich in etwas/ und hielt es vor eine Zaͤuberey; welches Gallus merkend/ ein Wandlaͤplein nahm/ und damit sein Angesicht rieb/ wie auch Haar und Bart/ da ward alles wie vorhin/ daß auch nicht das geringste Fleklein uͤbrig blieb; sage- te darauff: Mein hochgeehrter Herr/ hier offenbare ich ihm die erste Heimligkeit der Raͤu- ber/ Anderes Buch. ber/ welche nur unser dreyen wissend ist; nam ein Buͤchslein mit graugelblichem Staube gefuͤllet/ schuͤttete es in ein Gefaͤß/ und dessen gar wenig/ ruͤhrete es mit Wasser uͤmb/ netze- te jhm damit sein Gesichte/ Haar und Haͤnde/ und lies es an der Sonnen trocken werden/ da bekam er angesichts die schwaͤrzlichte Farbe/ und weil er einen alten Spiegel mit aus der Hoͤhle gebracht hatte/ hielt er ihm denselben vor/ und sagte: Wann meines Herrn sei- ne Gesellen jhn jetzo sehen solten/ wuͤrden sie ihn schwerlich kennen. Herkules besahe sich selbst mit Verwunderung/ und wahr ihm zu dieser Verstellung sehr liebe/ begehrete auch an Gallus/ wo des Kunst-Staubes mehr verhanden waͤhre/ moͤchte er einen guten Anten zu sich nehmen/ ob sie dieses Weges nicht wieder gehen wuͤrden/ dann er wolte dessen her- naͤhst zu seiner Lust gebrauchen. Aber/ sagte er/ laͤsset sichs nicht mit Wasser oder Lauge ab- waschen? Nein/ antwortete er/ je mehr mans waͤschet/ je mehr es faͤrbet/ aber sonst verleu- ret sichs innerhalb zwoͤlff Wochen allgemach/ kan doch/ wie mein Herr gesehẽ/ mit einem geringen Laͤplein/ welches mit einem gemeinen Dinge bestrichen wird/ und man dessen al- lenthalben habhafft seyn kan/ leicht abgerieben werden/ so daß die Haut klaͤrer wird dann vorhin. Kroch darauff zum andern mahl in das Gepuͤsche/ nam des Kunst-Staubes einẽ zimlichen ledern Beutel voll zu sich/ brachte auch Brod uñ Kaͤse zum Fruͤhstuͤcke mit/ wel- ches sie assen/ und einen Trunk aus der klaren Bach darzu tahten. Nach gehaltenem kurzẽ Inbiß begab er sich abermal ins Gestraͤuche/ und hohlete zween unansehnliche zimlich lan- ge Springstecken hervor/ deren einen er Herkules mit diesen Worten reichete: Sehet da mein Herr/ dieses wird ihm hinfuͤro eine zeitlang an stat des Schwerts vor ein Gewehr dienen muͤssen/ wollen derweile sein Schwert in diesem Pusche wol verwahren/ hilfft uns dann Gott wieder zuruͤk/ wie ich hoffe/ sol mein Herr dasselbe unversehret wieder nehmen. Herkules wahr nicht bedacht das Schwert von sich zu legen/ und sagete: Ich folgete euch zwar gerne/ aber womit wehren wir uns/ wann wir irgend Anfechtung haben solten/ nam gleichwol den angebohtenen Stab zu sich/ und dauchte ihn derselbe viel schwerer seyn/ als dessen groͤsse mit sich brachte. Gallus sagte zu ihm: Diese Staͤbe werdẽ uns schon Schweꝛt und Spieß verschaffen; zohe unten am Stabe ein kleines Haͤklein loß/ da sprang ein vier- ecketes spitziges Eisen einer Ellenlang hervor/ welches einer Hellebarten nicht ungleich sahe. Mein Gott/ sagete Herkules/ gehet doch die Bosheit heimlich zu schaden/ mit mehreꝛ Verschlagenheit umb/ als auffrichtige Gegenwehr Klugheit anwenden mag. Ja mein Herr/ sagte Gallus/ diß ist das erste Gewehr/ da man sich frey wenden kan/ solte dieses aber unnuͤzlich zugebrauchen seyn/ dann werffe ich den ganzen Stab hinweg/ und behalte nur dẽ obersten Handgriff. Indem er dieses sagete/ zohe er ein trefliches Schwert heraus/ hatte eine runde Plate bey sich/ die er mit aus dem Pusche gebracht/ steckete sie anstat eines Ge- faͤsses daran/ daß die Hand dahinter sicher und beschirmet wahr/ und reichete Herkules ei- ne gleichmaͤssige. Der besahe nun seinen Stab eigentlich/ fand ihn auff gleiche Art zuge- richtet/ und legte das Schwert willig ab; Sie gingẽ miteinander die Raͤuber-Bahn fort/ da sie offt durch verwachsene Hecken kriechen musten/ welche Zeit uͤber Herkules ohn unteꝛ- laß mit seinem Gott redete/ und mit vielen Seuffzen baht/ ihm die Gnade zu verleihen/ dz er sein geliebtes Fraͤulein zum Christlichen Glauben bringen moͤchte. Gallus sahe ihm un- vermerket fleissig zu/ und spuͤrete/ daß er in seiner Andacht den Nahmen Jesus offters nen- M m nete/ Anderes Buch. nete/ woraus er erkennete/ daß er ein Christ wahr/ seuffzete daher inniglich und sagete: O mein Herr/ es stosset mir gleich jezo meine allergroͤbeste Suͤnde ans Herz/ die ich ehmal be- gangen/ und fuͤrchte sehr/ sie werde mir nimmermehr vergeben werden. Herkules antwor- tete: ist sie euch von Herzen leid/ so bittet den wahren Gott um Verzeihung/ und huͤtet euch hinfuͤro vor dergleichen. Wie gerne taͤhte ich solches/ sagte er/ wañ ich nur wuͤste/ wie ichs anfahen solte. Dafern ihr nicht beschweret seyd/ mir die Suͤnde wissen zu lassen/ sagte Herkules/ wil ich euch meinen getraͤuen Raht gerne mitteilen. Ach mein Herꝛ/ antwortete er/ ich bin in der Jugend von meinen Eltern fleissig zur Schuel gehalten/ und habe einen frommen Lehrmeister gehabt/ der mich traͤulich in der Gottesfurcht unterwiese/ unter an- dern mich einen Gott anbehten lehrete/ welcher JEsus Christus heisset/ und vor der Welt Suͤnde im Judischen Lande sol gestorben seyn; in dem Glauben blieb ich etliche Zeit/ biß Kaͤyser Septimius Severus vor XXIV Jahren die grausame Verfolgung wider die Christen anstellete/ und alles was diesen Glauben bekennete/ peinigen und toͤdten ließ: Ich wahr dazumahl von ungefehr XIV Jahren/ und verrieten mich meine gewesene Mitschuͤ- ler/ daß ich ein Christ waͤhre/ ward deßwegen hingefuͤhret/ entweder lebendig verbrennet zu werden/ oder den heydnischen Goͤttern zu opffern/ und den Christen Gott zu verleugnen. Zwar eines gelindern Todes waͤhre ich umb des Christlichen Glaubens willen gerne ge- storben/ aber vor des Feuers Hitze erschrak ich so hefftig/ daß ich mich durch Fleisch und Blut verfuͤhren ließ/ den HErrn JEsus verleugnete/ nnd dem heydnischen Gott Juxiter Weyrauch auff die Kohlen schuͤttete. Dieses halte ich vor die einzige Ursach alles meines Ungluͤks/ und peniget mein erschrockenes Gewissen so hefftig/ daß ichs keinem Menschen klagen kan. O wolte Gott/ ich haͤtte meines Heylandes Gnade wieder/ welchen ich boͤßlich verleugnet habe/ wie gerne wolte ich mich zehn und mehr mahl verbrennen lassen. Dieses/ mein Herr/ habe zu offenbahren ich nicht umhin koͤñen/ weil aus feiner Andacht ich gespuͤ- ret/ daß er ein Christ seyn muß/ dann wir elende Heyden haben ein solches Vertrauen nicht zu Gott/ daß wir in Noͤhten uns solcher gestalt begreiffen/ und mit GOttes Barmhertzig- keit uns troͤsten koͤnten. Herkules sahe ihn freundlich an/ und sagte zu ihm: Mein Gallus/ ist diese Busse euch ein rechter Ernst/ und gedenket ihr euch wieder zu dem Heylande der suͤndlichen Welt zubekehren/ so danket vor erst Gott/ daß ihr anfangs in meine Hafft/ her- nach in meine Gesellschafft kommen seyd/ dann ich bin ein Christ/ und gehe gleich jetzo in meiner Andacht/ welche ich zu diesem meinem Heylande gerichtet. Ich habe solches da- bey vermerket/ sagte Gallus/ daß mein Herꝛ den suͤssen Nahmen JEsus so offt nennete/ vor welchen ich mich bißher ungleich mehr/ als vor alle Waffen gefuͤrchtet habe; dann mein Herz weiß und muß gestehen/ daß er der warhafftige Gottes Sohn ist; Was mir nun dasselbe vor eine Seelen-Angst gebieret/ so offt ich drangedenke/ ist der Zunge unmoͤglich auszusprechen. Ja mein Gallus/ sagte er/ ihr habt in Warheit eine erschrekliche Suͤnde begangen/ nicht allein/ in dem ihr euren Heyland verleugnet/ welcher euch zu gute Mensch worden/ und umb eurer Seligkeit willen sein heiliges unschuldiges Blut am Stamme des Kreuzes vergossen hat/ und ihr habt euch gescheuhet/ umb seines Nahmens willen das eu- re wieder zuvergiessen/ oder im Feur verzehren zu lassen; Dieses/ sage ich/ ist nicht allein ei- ne uͤberaus schwere Suͤnde/ sondern daß ihr uͤberdas noch eine so geraume Zeit/ XXIV Jahr Anderes Buch. Jahr lang in solcher Gottlosigkeit verblieben/ und euch nicht wieder durch herzliche Reu angemeldet/ und zur Christlichen Kirchen begeben habt; trauet mir/ daß alle eure Boß- heit/ die ihr mit Stehlen/ Rauben/ Morden oder sonsten begangen/ gegen diese Suͤnde nicht eins zurechnen sey/ dann jenes beleidiget eigentlich die Menschen/ dieses aber ist schnuhrgerade wieder GOtt im Himmel selbst gerichtet. Jedoch; ist es euch von Herzen leid/ und habt jhr den steifen Vorsaz/ diese Suͤnde der Verleugnung nimmer- mehr wieder zu begehen/ sondern bey eurem Heylande in Schande und Ehre/ in Gluͤk uñ Wiederwaͤrtigkeit fest zu halten/ so das weder Feur noch Schwert/ Wasser noch Strik/ Angst noch Pein euch davon scheiden sol; daneben auch aller Boßheit/ so viel mensch-uñ moͤglich/ euch hinfuͤro zuenthalten/ und mit wahrem Glauben dem Sohn Gottes anzu- hangen/ auch ein Christliches Gottseliges Leben zu fuͤhren gesonnen seyd/ so verspreche ich euch/ daß Christus solche und alle andere Suͤnde/ keine ausgenommen/ euch gnaͤdig verzi- hen/ und in die tieffe des Meers versenket hat. O wolte Gott/ sagte Gallus/ daß ich dieses glaͤuben/ und in mein Herz fassen koͤnte/ wie gerne wolte ich mich selber bey den Richtern vor einen Christen angeben/ und zu aller zeitlichen Pein und Straffe meinen Leib froͤlich darbieten. Dieses muͤsset jhr glaͤuben sagte Heꝛkules/ und was haͤlt euch abe/ daß jhrs nicht in euer Herz bringen koͤnnet? Gallus antwortete: O der schwere Stein meiner Suͤnden/ welcher mich hinunter biß in die unterste Helle druͤcket! Eure Suͤnde? sagte Herkules/ wisset jhr nicht/ das Jesus in die Welt kommen ist/ nicht uͤm der Frommen oder Gerech- ten/ sondern uͤmb der Suͤnder willen? Spricht er nicht selber/ er sey kommen/ zu suchen was verlohren wahr? Ja/ laͤsset er nicht uͤmb eines einzigen verlohrnen Schaffes willen die ganze Herde in der Wuͤsten/ und gehet diesem nach/ biß ers finde/ leget es hernach auff seine Achseln mit Freudẽ/ und traͤget es wieder hin in seinen Schaffstal/ da es das Leben uñ volle Gnuͤge habẽ muß? Was saget jhr mir dañ von euren Suͤnden? Solte die den Gna- denbrun der Barmherzigkeit Gottes wol ausgetroknet haben? Lasset jhr nur abe vom boͤ- sen/ bereuet eure uͤbertretung/ euꝛe verleugnung und uͤbeltahten/ und kehret euch wieder hin zu dem/ welchen jhr aus Fleisches Schwacheit/ nicht aus frevelmuͤhtiger Boßheit veꝛleug- net habet; Wann dann eure Suͤnde gleich Blutroht sind/ sollen sie doch Schneweis wer- den/ wann sie sind wie Rosinfarbe/ sollen sie wie die weisse Wolle werden. Dieses spricht Gott selber/ der Mund der unstraͤflichen Warheit/ der nicht liegen kan/ und unmoͤglich ist/ daß er liegen solte. Hoͤret hoͤret/ wie Christus Jesus euch und eures gleichen ruffet: Kom- met her zu mir alle die jhr muͤhselig uñ beladen seyd/ ich wil/ nicht allein ich kan/ sondern ich wil/ ich wil euch erquicken. Zweifelt jhr ferner/ ob der Sohn Gottes eine solche Suͤnde/ ei- ne solche Verleugnung euch vergeben wolle? Sehet an die den HErꝛn selbstgekreuziget haben/ wie hart suͤndigeten die? Noch dannoch vergab eꝛ jhnen nicht allein gerne und wil- lig/ noch ehe sie jhn darumb ersucheten/ sondern er baht auch vor sie zu Gott seinem himli- schen Vater. Und deucht euch auch dieses noch nicht gnug? Ey so nehmet vor euch den Apostel und Juͤnger des HErꝛn den Petrus: wahr derselbe nicht etliche Jahr mit dem HErꝛn uͤmher gereiset? Hatte er nicht seine Zeichen und Wunder gesehen? Ja hatte er nicht bekennet/ du bist Christ der Sohn des lebendigen Gottes? Vermaß er endlich sich nicht gar/ mit jhm in Gefaͤngnis und in den Tod zu gehen? Gallus sagete: Mein Herꝛ/ ich M m ij erinne- Anderes Buch. erinnere mich sehr wol/ dieses alles in meiner Jugend gehoͤret zu haben. Je wisset jhr dañ nicht/ fuhr Herkules fort/ daß eben dieser Petrus seinen HErꝛn und Meister verleugnete? Nicht aus furcht vor dem Feur/ wie jhr getahn/ sondern da er durch einer armen Magd stimme vom Feur/ dabey er sich waͤrmete/ hinweg getrieben/ und nur bloß gefraget ward/ ob er deren einer waͤhre/ die dem JEsus von Nazareth zu folgen pflegeten; sehet was vor ein Fall wahr dieser. Nicht desto weniger nam jhn der HErꝛ stuͤndlich wieder zu Gnaden an/ da er seine Suͤnde herzlich beweinete; ja noch ehe dann er sie beweinete. O du grund- guͤtiger Gott/ sagte hierauff Gallus/ so biß doch auch mir armen Suͤnder/ mir boßhaftigen Verleugner/ mir Raͤuber und Moͤrder/ gnaͤdig und barmherzig/ und laß meine Beichte und Busse dir zu herzen gehen/ wie du des Moͤrdeꝛs seine/ welcheꝛ mit dir gekreuziget waꝛd/ dir zu herzen gehen liessest; fing damit an so bitterlich zu weinen/ daß Herkules ein grosses Mitleiden mit jhm trug/ und zu jhm sagete: Seyd versichert/ mein Gallus/ daß JEsus der Sohn Gottes diese eure Traͤhnen durch den heiligen Geist in euch wirket/ uñ trauet Ihm nur gewiß/ daß Er euch alle eure Suͤnde aus Gnaden verzihen uñ vergeben hat/ laut Sei- ner teuren Verheissung/ Er wolle deren keinen hinaus stossen/ die durch wahre Reu und Busse in wahrem Glauben zu Ihm kommen. O ja mein Herꝛ/ antwortete er/ mein Herz empfindet schon die Gegenwart der Barmherzigkeit Gottes/ daher mir eine solche Freu- digkeit entstehet/ als ob ich von neuen gebohren waͤhre/ und in der allergroͤsten Himmels- Freude schon saͤsse. Dieses/ sagte Herkules/ ist eben das Zeugnis/ daß wir Gottes Kinder sind/ wann unser Geist durch den Geist Gottes also auffgerichtet/ und aus dem Sumpfe der Verzweifelung hervorgerissen wird/ dann ein jeder der wirklich in den Bund Gottes auffgenommen ist/ uñ in wahrem Glauben seinem Eꝛloͤser anhanget/ dessen Herz kan duꝛch- aus/ auch in der allergroͤssesten Wiederwertigkeit/ der geistlichen Freude nicht beraubet werden/ massen alles was die Weltweisen oder Irdisch-Gelehrten von dem hoͤchsten Gu- te schꝛeiben/ und dessen doch das alleꝛgeringste nicht geniessen/ daß findet sich alles bey eines Christen Seele/ die in Gott gestaͤrket ist/ welches aber nicht aus unser Krafft und Erwer- bung/ sondern einzig und allein aus dem Gnadenschaz Gottes herruͤhret. O das muß ein uͤberaus gnaͤdiger Gott seyn/ sagete Gallus/ der die groben mutwilligen Suͤnder uͤmsonst wieder zu Gnaden annimt; ja antwortete Herkules/ wann es an unser seite nicht uͤmsonst geschaͤhe/ so geschaͤhe es nimmermehr; gestaltsam nichts duͤchtiges an uns ist/ welches Gottes Guͤte erwerben koͤnte; daher meldet auch die Heilige Schrifft/ der Sohn Gottes sey vor uns gestorben/ da wir noch Suͤnder/ ja da wir noch seine Feinde wahren/ anzudeu- ten/ daß das Werk unser Begnadigung ohn alles unser Zutuhn geschehen sey. Gallus sage- te; mein Herꝛ/ ich habe mich nach meiner Verleugnung allemahl vor Gottes gestraͤngem Recht gefuͤrchtet/ und nicht gewust/ daß seine Barmherzigkeit demselben begegnen und sel- biges stillẽ koͤnte. Billich fuͤꝛchtet sich ein Mensch vor Gottes Geꝛechtigkeit/ sagete Herku- les/ als oft er seine unwirdigkeit betꝛachtet; aber daß jhꝛ euch daꝛein recht zuschicken wisset/ so nehmet diesen kurzen Bericht ein/ der euch nun in einer kindlichen Furcht staͤrken/ uñ die knechtische schuͤchternheit abnehmẽ wird; es ist freylich Gott der HErꝛ beydes eingerechteꝛ und zugleich ein barmherziger Gott/ bleibet auch in alle Ewigkeit so wol gerecht als barm- herzig; Und weil wir Menschẽ alle miteinander die Gerechtigkeit Gottes mit unsern Suͤn- den Anderes Buch. den hoch beleidiget und zu Zorn gereizet hatten/ muste trauen derselben Gerechtigkeit Got- tes ein genuͤgen/ und zwar ein voͤlliges Genuͤgen geschehen/ sonsten waͤhre Gott nicht ge- recht; als aber in keines Menschen Vermoͤgen wahr/ diese Gerechtigkeit durch seine Werke zubeguͤtigen/ und dannoch die barmherzigkeit Gottes aller Menschen Verdamnis nicht zugeben kunte/ da erweckete diese Barmherzigkeit den ewigen Sohn Gottes/ die an- dere Person des einigen ewigen goͤttlichen Wesens/ daß dieselbe sich freywillig erboht/ der Gerechtigkeit gnuͤge zuleisten/ und zwar in unserm menschlichen Fleische/ als welches dem Zorn unterworffen wahr; solches zuerfuͤllen/ nam dieser ewige Sohn Gottes vor 227 Jahren (nach der wahren Rechnung) unsern menschlichen Leib und Seele in dem Leibe der keuschen Jungfrauen Marien an sich/ lag/ wie andere Menschen/ XL Wochen unter dem gereinigten Herzen seiner lieben Mutter/ lies sich hernach von derselben als einan- der Mensch in armseliger kindlicher Gestalt an diese Welt gebehren/ sich mit seiner Mut- ter Bruͤsten speisen/ mit Essen und Trank aufferzihen/ unterwarff sich allen menschlichen Gebrechligkeiten/ ausser der Suͤnde/ lebete allerdinge heilig und nach allen Gebohten Got- tes unstraͤfflich/ wie es die Gerechtigkeit Gottes schnurgleich und nach der hoͤchsten straͤn- ge erfodeꝛt/ uñ alser das maͤnnliche Alter erlanget hatte/ trat er in sein Messias- oder Erloͤ- sungs Amt/ lehrete und predigte/ verrichtete allerhand goͤttliche Wunder/ in dem er die Blinden sehen/ die Tauben hoͤren/ die Lahmen gehen/ die Aussaͤtzigen rein/ die Kranken ge- sund/ ja die Todten lebendig machte/ biß die Zeit kam/ daß er vor unsere Ubertretung ley- den uñ sterben muste/ da lies er sich von seinem eigenen Volke den Juden/ fahen/ verspeyen/ hoͤhnen/ geisseln/ kreuzigen uñ toͤdten. Sehet nun Gallus/ alles was der ewige Sohn Got- tes in seinem angenommenen Fleische gutes taht und boͤses litte/ daß geschahe einzig und allein zu dem Ende/ daß er der Gerechtigkeit Gottes ein Genuͤgen tuhn moͤchte/ damit die- selbe gestillet/ der Barmherzigkeit hinfuͤro uͤber uns die Herschafft und freie Huͤlffe goͤn- nete. Weil dann nun unser Heyland an unser Stelle Gottes Gerechtigkeit erfuͤllet/ und uns bey derselben außgesoͤhnet hat/ koͤnnen und duͤrffen wir getrost und freydig vor seinen Gnadenstuel treten/ und auff Christus Gnugtuhung uns verlassend/ ja dieselbe Gott dem Vater vorstellend/ umb vergebung aller unser Suͤnde kuͤhnlich und in fester Zuversicht anhalten/ dann so wil er/ in ansehung dieses voͤlligen Gehorsams uns seine Barmherzig- keit und daß ewige Leben nicht versagen. Ja er ruffet uns selber zu sich/ wir sollen durch wahre Busse uns zu ihm bekehren/ dann wolle er sich unser erbarmen/ wie grob wirs auch mit unsern Suͤnden gemacht haben. Gedenket deßwegen ja nicht/ als fodere Gott etwa einige Gnugtuhung von euch; Nein/ nichts mehr als ein williges Herz/ daß wir der Wir- kung Gottes des Heiligen Geistes nicht wiederstreben/ sondern uns von ihm zihen und lenken lassen/ und unsere Gerechtigkeit auff Jesus den Sohn Gottes bauen. Daher lehret uns Paulus/ daß derselbe schon vor Gott gerecht sey/ der an den Sohn Gottes glaͤubet; ein solcher habe schon das ewige Leben/ nemlich in der Hoffnung/ zur unfehlbahren kuͤnff- tigen Erteilung/ spricht unser Heyland selber/ und er wolle ihm am juͤngsten Tage zu dessel- ben volkommener Niessung aufferwecken/ dafern er sonst seinem Willen/ weil er alhie auff Erden wallet/ folge leistet/ den Kampff wieder den Teuffel/ die Welt/ und sein eigen Fleisch und Blut antrit und außfuͤhret/ so daß er nach der heiligen Lehre in guten M m iij Wer- Anderes Buch. Werken der Christlichen Liebe sich fleissig uͤbet. In diesem Vorsatze muͤsset ihr nun fort- hin bestaͤndig verbleiben/ alsdann werdet ihr erfahren/ wiegnaͤdig sich Gott wird finden lassen; und ob wegen begangener Suͤnde er euch etwa hier zeitlich mit dem lieben Kreuz heimsuchen/ daß ist/ mit seiner vaͤterlichen Zuchtruhte staͤupen wuͤꝛde/ daß ihr in Krankheit/ Gefaͤngnis/ Armut/ ja in den zeitlichen Tod selbst gerahten soltet/ wird euer Herz doch immer freudig bleiben/ und alle Pein und Angst dieses Lebens verachten. So komt nun her/ setzet euch mit mir auff die Knie/ und sprechet mit herzlicher Andacht mir folgen des Gebeht nach. Gallus wahr darzu willig/ fiel auff die Erde ganz nider/ lehnete sich auff die Arme/ und mit gefaltenen Haͤnden und heissen Traͤhnen sagte er ihm dieses Gebeht nach: O du barmherziger HErr JEsus Christ/ du Liebhaber der Menschen/ du Erloͤser der Suͤnder/ du Be- kehrer der Unbußfertigen/ du Heyland aller Welt; ich bitte dich durch deine heilsame Menschwerdung und Geburt/ durch dein Leyden/ Kreuz und Tod/ ja durch deine siegreiche Aufferstehung und Himmel- fahrt/ du wollest mich armen elenden Suͤnder mit den Augen deiner grundlosen Barmherzigkeit an- sehen/ wie du angesehen hast die bußfertige grosse Suͤnderin/ den Verleugner Petrus/ den Raͤuber uñ Moͤrder am Kreuz. HErr mein Gott/ ich bin nicht wert/ daß ich vor dir erscheine/ noch meine Augen und Stimme zu dir erhebe/ weil ich dich meinen Heyland mutwillig verleugnet/ auch nachgehends in solcher Verleugnung viel Jahr ohn Wiederkehrung zugebracht/ da ich unterdessen durch des boͤsen Feindes Verleitung und meines eigenen Willens Getrieb/ mein ganzes Leben in allerhand Suͤnden und groben Lastern zugebracht habe. Dannoch aber/ weil du grundguͤtiger HErr allen Suͤndern ohn Unterscheid zur Busse ruffest/ und ihnen Vergebung umbsonst/ und himlische Freude ohn Entgeltniß anbeutest/ O HErr/ so halte ich dir dein Wort vor/ ich erinnere dich HErr deiner Einladung; komme in solcher Zuversicht zu dir/ erkenne und bekenne meine Suͤnde/ und kehre mich zu deiner troͤstlichen Gnade und Barmherzigkeit. O Gott Vater/ und HErr meines Lebens/ biß mir armen elenden Suͤn- der gnaͤdig und barmherzig umb deines lieben Sohns JEsus Christ willen/ ach heilige und reinige mich mit deinem Heiligen Geiste in meinem ganzen Leben/ mache aus mir ein heilsam und nuͤzliches Werkzeug zu Lobe deinem Nahmen/ und zu meiner Seelen Seligkeit erhalte mich zum ewigen Leben; Dann sihe O Gott mein Heil/ ich komme ja zu dir/ nicht auff meine Gerechtigkeit/ welche auch nichts als Unflaht ist/ sondern auff deine grundlose Barmherz i gkeit mich verlassend/ deß wegen handele doch mit mir nicht nach meiner Sünden/ und vergilt mir nicht nach meiner Missetaht/ sondern wie sich ein Vater erbarmet uͤber seine Kinder/ so erbarme dich HErr uͤber mich/ auff daß ich deiner Gnade teil- hafftig werde/ und so wol hier zeitlich als dort ewig dich davor loben/ ruͤhmen und preisen moͤge/ Amẽ. Nach endigung dieses Gebehts/ sprachen sie den Algemeinen Christlichen Glauben und das heilige Vater Unser/ stunden hernach von der Erden wieder auff/ und ruͤhmete Gallus mit freudigem Angesicht/ wie er so einen kraͤfftigen Trost in seiner Seele empfuͤn- de/ und Gottes Barn herzigkeit eigentlich spuͤrete. Herkules antwortete/ es ist mir sehr lieb/ daß ihr durch meine Anleitung/ die Gott gewirker hat/ wiederumb ein wahres Glied- maß der algemeinen Christlichen Kirchen worden seid; aber bittet Gott/ daß durch sei- nen guten Geist er euch in diesem wolangefangenen Werke staͤrke und erhalte; und sehet zu/ lasset euch durch Fleisch und Blut ja nicht verfuͤhren/ daß ihrs wieder anfangen woltet/ wo ihrs gelassen habt. Unterrichtete ihn hernach weiter in den Haͤuptstuͤcken des Christ- lichen Glaubens/ deren er sich alle wieder erinnern kunte/ wie er ohn daß einen scharffen Verstand uñ gutes Gedaͤchtnis hatte. Schlißlich ermahnete er ihn/ er solte bey des Glau- bens Einfalt bleiben/ und durch die vorwitzig-Gelehrten sich nicht irre machen lassen/ in- sonder- Anderes Buch. sonderheit muͤste er der Ketzer Gift meiden/ welchen der leidige Teuffel in Simon dem Zaͤuberer außgehecket/ und der Christlichen Kirchen zu grossem Schaden erwecket; als da waͤhren/ die des Menander/ Zerinthus/ Ebions/ Basilides/ Karpokrates/ Zerdon/ Marzi- on/ Tazianus/ Montanus und dergleichen ungereimten Schwarm in der Kirchen Gottes außzubreiten sich bemuͤheten. Gallus gelobete traͤulich an/ diesem allen nach vermoͤgen nachzusetzen; und da es meinem Herrn geliebet/ sagte er/ werden wir etwas stiller gehen/ massen wir unsern muͤhseligen Wegschier zum Ende bracht/ und bald daselbst anlangen werden/ wo die gottlose Geselschafft ihre verborgene Hoͤhle hat. Wie gar vergeblich aber aller eurer Reuter Nachsuchung wuͤrde gewesen seyn/ hat mein Herr gnug abzunehmen/ weil unmoͤglich ist/ daß ein unbewanderter diesen Weg finden/ vielweniger zu Pferde hin- durch kommen solte. Herkules erkennete solches wol/ und ging in aller stille mit ihm fort/ biß sie unter einen grossen Baum kahmen/ zwischen dessen dicken Aesten Gallus hinauff in die hoͤhe sahe/ und als er niemand darauff sitzen fand/ nam ihnsolches wunder/ und sagte: Mein Herr/ es gehet alhie nicht recht zu/ sonst saͤsse eine Schildwache auff diesem Baume. Valikules (also werden wir Herkules eine Zeitlang nennen) fragete/ obs dann ein boͤses oder gutes Zeichen waͤhre. Ich kan mich nicht drein schicken/ antwortete er/ und glaͤube ja nicht/ daß nach empfangener so grosser Schlappe/ sie sich von dem vorigen Ritter zu ei- nem andern Wagstuͤcke haben verleiten lassen/ welcher uns mit grossen Verheissungen zu dem gestrigen angetrieben hat/ unter dem Vorgeben/ der Juͤngling waͤhre des Roͤmi- schen Kaͤysers Feind/ und haͤtte statliche Gelder und Kleinot bey sich/ welche wir alle zum Raube behalten solten/ wann wir nur den Juͤngling zu seinen Haͤnden liefern wuͤrden. Doch/ waͤhren sie gleich außgezogen/ so haͤtten sie dannoch die Schildwache unbesetzet nicht gelassen. Sie gingen weiter fort/ und pfiffe Gallus dreymahl in ein helles Pfeifchen die Lose/ stund und horchete/ vernam aber nichts als eine ungewoͤhnliche stille; worauff er sagete: Nun weis ich nicht was ich gedenken sol/ daß mir nicht geantwortet wird; es muß sich in Warheit etwas sonderliches zugetragen haben/ welches wir bald erfahren werden. Sie gingen ein wenig fort/ da funden sie drey tode Leichnam in ihrem Blut ligen. Gallus besahe sie und sagete: Diß sind Raͤuberbursche/ wer mag dieses Nest immermehr verstoͤ- ret haben? Und als sie etwas weiter gingen/ sahen sie bald hie bald da/ bey die hundert er- schlagene zerstreuet liegen/ woruͤber sie sich hoͤchlich entsetzeten/ und sagte Gallus; als viel ich merke/ muß eine Raͤuber Zunft uͤber die andere bekommen seyn/ dann ich sehe unser Volk und Fremde durch einander liegen. O so sey es Gott geklaget/ sagte Valikules mit einem tieffen Seuffzen; ich fuͤrchte sehr/ mein geliebter Bruder sey mit erschlagen/ oder von an- dern Raͤubern gefangen hinweg geschleppet; O wo sol ich dich nun suchen/ O du meiner Seelen werdester Freund? O mein Bruder/ wolte Gott/ ich solte an deine Stat die Ket- ten und Banden tragen/ weil du sie nur meinetwegen tragen must. Gallus stund als ein Verzucketer/ wuste nicht was er antworten solte/ endlich sagete er: Komt mein Herꝛ/ lasset uns die Todten durchgehen/ vielleicht finden wir noch einen Lebendigen unter jhnen; pfiffe auch noch einmahl uͤberlaut/ da wehrete es nicht lange/ daß ein verwundeter aus dem Pu- sche hervorkroch welcher zu Gallus sagete: O Herꝛ Haͤuptmann/ wo kommet jhr her/ die- ses grosse Ungluͤk anzusehen? Geschwinde/ sagte Gallus/ und zeige mir an/ was dieses vor eine Anderes Buch. eine Niederlage sey? Ach/ antwortete dieser/ es ist vor ohngefehr acht Stunden eine starke Geselschafft See Raͤuber uns unvermuhtlich uͤber den Hals kom̃en/ welche wir anfangs etwa XX Mann stark schaͤtzeten/ funden ihrer aber uͤber hundert; Diese haben unser Volk in die 50 Mann alles niedergehauen/ wiewol sie nicht ungerochen gestorben sind. Gallus fragete/ wo dann der gestriges Tages gefangene Juͤngling waͤhre. Ja sagete er; Dieser/ dieser Juͤngling/ der rechte Wunder-mensch? davon moͤchte ich euch wunder uͤber wun- der erzaͤhlen: Als die See Raͤuber mit uns stritten/ gedachte dieser anfangs/ es waͤhren Leute zu seiner Rettung ausgeschicket/ saß demnach mit seiner Jungfer stille in der Hoͤhle/ uñ nam sich keines dinges an; da er aber eines andern berichtet ward/ foderte eꝛ Schwert/ Schild und Helm/ gab sich mit ins Gefechte/ und trieb durch seine Behaͤndigkeit solch Wunder/ daß/ wo seiner zehne bey uns gewesen/ der Sieg uns nicht solte entnom̃en seyn. Die See Raͤuber verwunderten sich des schoͤnen streitbaren Juͤnglings und bohten ihm Leben und Sicherheit an/ dafern er sich ergeben wuͤrde/ im widrigen solte er auffs aͤusser- ste gehoͤhnet werden/ und eines grausamen Todes sterben. Als er nun sahe/ daß zuentkom- men jhm unmoͤglich wahr/ antwortete er jhnen; wann jhr mir euer versprechen redlich zu halten gesiñet seyd/ wil ich mich euch ergeben/ weil die Goͤtter es also fuͤgen; seyd aber hoͤch- lich gebehten/ und nehmet meine Wase mit in diesen Schluß/ welche neben mir gefangen ist/ und durch der Goͤtter Schuz jhre Ehre bißher erhalten hat; dieses alles verhiessen sie jhm/ nahmen sie beyde mit sich/ und gingen davon. Valikules fragete/ ob sie irgend dem Juͤnglinge Leid angetahn/ nachdem er sich ergeben haͤtte. Nein sagte dieser verwundete Raͤuber/ sie nahmen ihn ungebunden mit sich/ weil er aͤidlich angelobete/ nicht von jhnen zuweichen/ es waͤhre dann/ das Staͤrkere uͤber sie kaͤhmen/ und jhn zum drittenmahl ge- fangen naͤhmen. Gallus wolte wissen/ was vor Sprache diese Meer Raͤuber sich gebraucht haͤtten; und berichtete jener/ es haͤtte niemand kein einziges Wort von jh- nen vernehmen moͤgen/ ohn daß sie einen Dolmetscher bey sich gehabt/ der mit dem Juͤng- linge bald Latein bald Griechisch geredet. Valikules wahr in zwischen in tausend aͤng- sten/ welche durch diese Zeitung nur vermehret wurden/ weil er nicht wissen kunte/ in was Landschafft sein geliebtes Fraͤulein gefuͤhret wuͤrde/ fragete endlich/ welchen Weg dañ diese Raͤuber vor sich genommen; dessen jhn der Verwundete nicht berichten kunte/ ohn daß der Dolmetscher dem Juͤnglinge gesagt/ sie haͤtten jhr Schiff nicht weit von hinnen stehen/ wohin sie mit einander gehen wuͤrden/ biß sie jhre Wagen antraͤffen/ welche den Raub zusammen fuhreten/ worauff er jhn samt der Jungfer setzen/ und nach dem Meer bringen wolte. Ach mein Gott/ sagte Valikules/ iezt habe ich deiner Huͤlffe mehr von noͤh- ten/ als vorhin/ deswegen stehe mir gnaͤdig bey/ daß ich die Unschuldigen erretten/ und zur Erkaͤntnis deiner Warheit bringen moͤge; nun nun du mein Gott/ wirst mich leiten und fuͤhren/ ich wil folgen durch Arbeit und Ungemach/ und nicht auffhoͤren/ biß ich bessere kundschafft habe/ solte ich auch graue Haar druͤber zeugen. Sagte hernach zu Gallus/ da- fern jhm der Weg nach dem Meer bekant waͤhre/ moͤchte er jhn dahin bꝛingen/ uñ hernach seines gefallens gehen wo er wolte/ doch daß er zu Padua bey seinem Freunde Ladisla sich angaͤbe/ und von jhm 6000 Kronen abfoderte/ die er jhm unfehlbar auszaͤhlen wuͤrde/ und koͤnte er sich mit solchem Gelde wol ernaͤhren/ biß er etwa wiederkaͤhme/ dann solte jhm ein mehres Anderes Buch. mehres gefolget werden. Als Gallus solches hoͤrete/ fiel er vor jhm in die Knie/ und baht uͤmb Christus willen/ er moͤchte jhn nicht von sich stossen/ dann sein hoͤchster Wunsch waͤh- re/ bey jhm zu leben und zusterben; er wolte sich in seinen Diensten dergestalt verhalten/ daß er ob Gott wil/ damit koͤnte begnuͤget seyn. Valikules hatte Zeugnis gnug seiner Traͤue/ weil er ungeachtet des grossen Geldes jhn nicht lassen wolte/ uñ sagete zu jhm: Mein Gal- lus/ ich habe gezweiffelt/ ob jhr mir uͤber Meer zu folgen bedacht waͤhret/ weil ich nun eure Meinung verstanden/ sol mir zu dieser Reise kein Mensch lieber seyn als jhr/ weil ich euch als einem Christen am sichersten Trauen kan; also wil ich euch nun meiner Heimligkeitẽ mehr vertrauen/ als ich meinen allerbesten Freunden nicht tuhn wuͤrde/ und wisset dem- nach/ daß der gefangene Juͤngling inwarheit ein gebohrnes Koͤnigliches Fraͤulein/ mir nicht allein mit Blutfreundschafft verwand/ sondern auch meine verlobete Braut ist/ und Herꝛn Ladisla/ von dem ich heut geschieden bin/ leibliche Schwester; die Jungfer welche bey jhr ist/ wie auch die erloͤsete/ sind zwar hohes Adels/ aber nur jhre Leibdieneꝛinnen; woꝛ- aus jhr abnehmen moͤget/ ob ich nicht Ursach habe/ mich jhreꝛ Erloͤsung anzunehmen. Gal- lus erschrak dossen/ verstund hieraus/ wes Standes sein Herꝛ wahr/ und sagte: Durch- leuchtigster Fuͤrst/ eure Durchl. bitte ich untertaͤhnigst uͤmb verzeihung/ daß derselben die gebuͤhrliche Ehre nicht geleistet habe; betreffend die anvertrauete Heimligkeit/ sol dieselbe bey mir sterben. Ich bin mit eurem Erbieten gnug zu frieden/ antwortete er/ sol euch auch zu seiner zeit vielfaͤltig vergolten werden; ich befehle euch aber vor dißmahl/ daß jhr mich durchaus nicht hoͤher ehret/ als einen schlechten Herꝛn Standes/ und weil es euch gefaͤlt in meinen Diensten zubleiben/ weꝛden wir uns im Namen unsers Gottes/ uñ dessen Schuz und Anfuͤhrung auff den Weg begeben. Wie es euer Gn. beliebet/ sagte er/ wiewol mein geringer Raht waͤhre/ wir gingen zuvor in die Hoͤhle/ und naͤhmen etwas Speise zu uns/ unsere Kraͤfte zustaͤrken/ uͤmb/ den bevorstehenden Weg desto frischer wanderen zukoͤnnen. Er lies sich hierzu bereden/ weil es schon weit nach Mittag wahr/ funden etliche gebratene kalte Speisen/ davon sie mit guter Begierde assen; hernach durchsuchete Gallus alle be- kante Winkel/ sahe wol daß sie rechtschaffen ausgepluͤndert wahren/ fand aber doch noch ein verborgẽ Loch/ in welchem er 800 Kronen antraff/ welches Zehrpfenniges er sich nicht wenig freuete/ brachte alles seinem Herꝛn/ und sagte: Eꝛ zweiffelte nicht/ Gott haͤtte jhnen dieses auff die bevorstehende Reise bescheret. Herkules aber versicherte jhn/ er solte wegen der Zehrungs kosten jhm keine Gedanken machen/ sein heimlicher Schaz den er an Klei- noten bey sich fuͤhrete/ waͤhre zehnmal groͤsser/ als dieses gefundene/ wiewol es jhnen auch zustatten kommen koͤnte; solte jhnen aber ein mehres noͤhtig seyn/ koͤnte er durch Wechsel von Padua haben/ so viel er wuͤnschete/ obs gleich etliche Tonnen Goldes austruͤge. Hieꝛ- auff rief er den verwundeten Raͤuber zu sich/ hieß jhn Speise nehmen/ stillete jhm das Blut mit seinem koͤstlichen Steine/ veꝛband jhm seine Wunden/ uñ sagte zu jhm: Guteꝛ Freund/ nim jezt deines Gluͤckes wahr/ welches dir bluͤhet/ und verrichte mir einen kleinen Dienst/ der sol dir zu statten kommen; Laß dich deine Schwacheit nicht aufhalten/ und gehe nach dem Flecken/ woselbst der Juͤngling gestern geraubet ist/ da wirstu etliche Herꝛen antreffen/ denen bringe Bericht zu/ alles was sich hieselbst zugetragen hat/ und daß Gallus mit sei- nem Gefaͤrten alhie wol ankommen/ auch albereit nach dem Meer gangen sey/ da sie auf ein N n Schiff Anderes Buch. Schiff sich setzen und den Seeraͤubern folgen/ auch nicht uͤmkehren werden/ biß sie gewisse Kundschafft wegen des Juͤnglings eingezogen haben. Dem Vornehmsten aber unter ih- nen soltu sagen/ mein Begehren an ihn sey vor erst/ daß/ wo er mein Freund ist/ eꝛ mir nicht folge/ biß ich ihm schreibe/ welches geliebts Gott/ in weniger Zeit geschehen sol; dieses solt du keines weges in Vergeßstellen. Hernach/ daß ich dir Leben/ Freyheit und so viel Gelder versprochen/ als mein aͤdler Diener Vierteljahrs Bestallung hat/ welches er dir alsbald einreichen wird; und sihe da/ nim dieses Trinkgeld mit auf den Weg/ und laß dich an deineꝛ Moͤgligkeit nichts irren; doch soltu eben nicht eilen/ sondern koͤmst morgẽ noch zeitig gnug daselbst an. Hiemit reichte er ihm X Kronen/ und nam von ihm aͤidliche Zusage/ daß er al- les auffs traͤulichste verrichten wolte. Nach dieses Abfertigung begaben sie sich auff den Weg nach dem Meere zu/ und hatten mancherley Gespraͤch von geistlichen Sachen/ gin- gen fast biß Mitternacht/ ehe sie Leute antraffen/ weil sie wegen der See Raͤuber ausgewi- chen wahren; endlich hoͤreten sie ein Gemurmel hinter einem Gehaͤge/ wohin sie sich in al- ler stille wendeten/ und eine zimliche Rotte Bauren ansichtig wurden/ welche ihren Ver- lust hoͤchlich beklageten/ daß ihnen alle Speise und Baarschafft samt dem besten leinẽ Ge- raͤhte hinweg geraubet waͤhre. Valikules trat hin zu ihnen/ gruͤssete sie freundlich/ uñ fra- gete/ warumb sie bey so spaͤter Nacht in solcher Versamlung unter dem freyen Himmel laͤ- gen? Diese Leute sahen ihn stillschweigens an/ und hielten ihn anfangs vor einen Ausspeheꝛ und Raͤubergenossen; welchen Argwohn ihnen zubenehmen/ er sich unerschrocken bezei- gete/ und gab vor/ er waͤhre neben diesem seinen Gefaͤrten von dem Roͤmischen Stathal- ter zu Padua ausgeschicket/ umb zuerforschen/ wohin die See Raͤuber sich gewendet haͤt- ten/ von deren Einfall das Geschrey schon erschollen waͤhre/ und wuͤrde man nicht unter- lassen/ ihnen nachzusetzen/ es geschaͤhe gleich zu Lande oder uͤber Meer. Der aͤlteste unter diesem Hauffen antwortete: Ach ja! so pfleget mans ins gemein zumachen/ daß man den Brunnen zuleget/ wann das Kind ersoffen ist; Hielte man gebuͤhrliche Auffsicht bey dem Meer/ so kaͤhmen wir armen Leute nicht so schlimlich umb das unsere. Valikules stellete sich ernsthafftig/ und gab zur Antwort: Ey mein Freund kan dann die Obrigkeit von sol- chen und dergleichen unvermuhtlichen faͤllen Rechenschafft geben? muͤsten nicht vielmehꝛ des Meers Anwohner acht haben/ nicht zu sicher seyn/ sondern der Obꝛigkeit es andeuten/ wann etwa Gefahr zubefuͤrchten waͤhre? Ihr sprechet aber/ es sey ohn euer vermuhten ge- schehen. Aber hats dann die Obrigkeit koͤnnen riechen? oder kan dieselbe allenthalben ge- genwaͤrtig seyn? Sol man aber den ganzen Meerstrand besetzen/ und zwar in Friedeszeitẽ? das wuͤrde euch guten Leuten erst verdrießlich seyn; dann hie wuͤrdet ihr durch so uner- traͤgliche Dienste oder Unkosten gar zu hart belastet werden. Doch hievon haben wir mit einander nicht zu zanken/ sondern man muß darauff bedacht seyn/ wie man sich an den ver- waͤgenen Buben am besten raͤchen moͤge; da ihr nun getraͤue Leute und Untertahnen eu- rer Obrigkeit seyd/ werdet ihr mir unwegerlich zuwissen tuhn/ wohin die See Raͤuber sich gewendet/ welche zuverfolgen alsbald Anordnung sol gemacht werden. Vorgedachter Baur entschuldigte sich/ wegen seiner unvorsichtig-ausgelassenen Reden/ und haͤtte er aus Betruͤbniß wegen seines nicht geringen Verlustes etwas ungebuͤhrliches vorgebracht/ moͤchte es nicht im argen auffgenommen werden. Ein ander frecher Baur redete darzwi- schen; Anderes Buch. schen; was er sich vielzuentschuldigen haͤtte; wer das seine verlieren und zusetzen muͤste/ em- pfuͤnde des uͤbels/ und haͤtte noch wol so viel Freyheit/ daß er sein Ungluͤk beklagete. Und wer weiß/ sagete er/ ob dieser junge Kerl nebest seinem Gesellen nicht suchet/ uns noch wei- ters Ungelegenheit zumachen? Der mehrerteil begunten mit zu grießgramen/ und liessen sich vernehmen/ sie solten sich bald packen/ oder man wuͤrde ihnen Fuͤsse machen. Valiku- les hielt nicht vor rahtsam/ sich mit diesem Lumpengesindle in Handgemenge einzulassen/ wo er sich sonst auff andere weise vor ihnen retten koͤnte/ sagte demnach zu ihnen: Ihr gu- ten Leute/ huͤtet euch ja vor weitere Ungelegenheit/ das rahte ich als ein Freund; es liegen dort im Pusche uͤber 300 bewehreter Mann/ denen ich mit einer Pfeiffe bald ein Zeichen geben wolte/ euch alle mit einander niderzumachen. Gallus nam bald sein Pfeiffchen her- vor/ und begunte es schallen zu lassen; worauff die Bauren ingesamt/ ausser den ersten Al- ten/ davon lieffen/ als haͤtte ihnen der Kopff gebrant/ daß er druͤber lachen muste/ befahl auch Gallus/ alsbald zuruͤcke zulauffen/ und der Voͤlcker Auffbruch zu verhindern; wen- dete sich zu dem Alten/ und begehrete von ihm weiteren Bericht wegen des Abzuges der Meer Raͤuber. Welcher zur Antwort gab: Er haͤtte es mit Augen angesehen/ daß sie mit samt ihrem Raube waͤhren zu Schiffe gangen/ und auff das hohe Meer gefahren; haͤtten ein treflich festgebauetes Schiff gehabt/ darauff in die 200 bewehreter Mann sich sehen lassen. Valikules fragete/ ob sie auch Menschen geraubet haͤtten? Ja/ antwortete er; sie nahmẽ XII starcke Baurknechte mit sich/ an den Rudern zuzihen/ fuͤhreten auch einen sehr schoͤnen Juͤngling nebest einer wolgestalten Jungfer mit sich auff einem Wagen/ welche sie ohn zweiffel geraubet hatten/ muste ihnen aber Blut gekostet haben/ weil nicht allein viel unter ihnen verwundet wahren/ sondern uͤberdas auch nicht mit so starker Manschafft zu- ruͤk kahmen/ als sie hingezogen wahren. Die Gefangenen/ sagete Valikules/ werden nicht gelassen werden/ weil sie dem Stathalter zu Paduanahe befreundet sind; Aber koͤnnet ihr mir nicht sagen/ wohin sie ihren Lauff genommen haben? So gar eigentlich weiß ich davon nicht zuberichten/ antwortete er/ nur daß sie gewaltig fort ruderten/ biß sie unteꝛ den Wind kahmen/ und man sie in kurzer Zeit nicht mehr sehen kunte; meinem beduͤnken nach gingẽ sie nach Griechenland/ dann ihr Lauff wahr Sud Ost/ wiewol ich sie nicht vor Griechen/ sondern vor Barbaren halte/ aus den Asiatischen Morgenlaͤndern; dann ich hoͤrete etliche die Parthische Sprache reden/ die mir von XXX Jahren her bekant ist/ da ich unter dem Kaͤyser Severus als ein Frey Reuter die Parther und Adiabener bestreiten/ und unter dz Joch bringen helffen. Valikules wunderte sich/ daß solche von dem Mittel Meer so weit abgelegene Voͤlker sich auff See Raͤuberey begeben solten; verstund doch aus diesem Be- richt/ wie gefaͤhrlich es umb sein Fraͤulein stuͤnde/ und wie unmoͤglich es waͤhre/ ihr zu helf- fen/ wo nicht Gottes Barmherzigkeit ihm den rechten Weg zeigen wuͤrde. Insonderheit bekuͤmmerte er sich hefftig/ daß kein Schiff verhanden wahr/ worauf er sich setzen und den Raͤubern folgen koͤnte; Wie er aber in den groͤsten Gefaͤhrligkeiten sich allemahl auf Got- tes Huͤlffe und Beystand verließ/ also gelebete er der Christlichen Hoffnung/ sein Heyland wuͤrde sein Vorhaben noch beseligen/ und alles nach seinem gnaͤdigen Willen ordnen und schicken. Weil er dann durch das ungewoͤhnliche straͤnge gehen sehr ermuͤdet wahr/ legte er sich unter einen Baum/ und ruhete etliche Stunden gar sanffte/ biß die helle Sonne uͤ- N n ij ber Anderes Buch. ber dem Erdboden stund/ da inzwischen Gallus immeꝛzu wache blieb/ und ein wenig davon mit dem Alten sein Gespraͤch hielt/ welchen Valikules durch verheissung eines Geschen- kes darzu vermocht hatte. Nachdem er wieder erwachet wahr/ ruͤhmete er/ wiewol er ge- schlaffen haͤtte/ und von der gestrigen Ungelegenheit des gehens ausgeruhet/ redete mit dem Alten/ und baht ihn/ ein Schiff im naͤhesten Hafen auszuhoͤren/ wovor er ihm ein gu- tes Trinkgeld vergnuͤgen wolte. Der Baur berichtete ihn/ er waͤhre vor zween Tagen bey einem Hafen/ zwo Meile von hinnen/ voruͤbergangen/ da er zwey Kauffmansschiffe gese- hen/ Wein und andere Waaren einladen/ deren das eine zweiffelsohn abgefahren; das an- dere haͤtte noch auff Ladung gewartet/ und da er nit irrete/ wuͤrde dasselbe nach Griechen- land fahren. Mein Freund/ sagete Valikules/ dahin muͤsset ihr mich geleiten; gab ihm VI Kronen/ und macheten sich ohn ferner Auffhalten fort/ traffen auch das Schiff an/ wel- ches schon fertig wahr abzulauffen/ da der Schiffherr anzeigete/ daß er in unter schiedlichẽ Hafen Griechenlandes anhalten/ etliche Waaren ausladen/ und dagegen andere wieder einnehmen wuͤrde. Weil nun dieses ihm sehr gewuͤndschet fiel/ dingete er sich neben Gal- lus auff das Schiff/ und fuhren in Gottes Nahmen davon/ der gewissen Hoffnung/ jhr Helffer wuͤrde seinen Beystand ihnen scheinlich sehen lassen. Dieses Tages/ wiewol gegen den spaͤten Abend/ gelangete der verwundete Raͤuber bey dem unseligen Flecken an/ woselbst er eine grosse Menge nacketer Maͤnner an Kreuze ge- hefftet sahe/ deren annoch etliche lebeten/ und uͤberaus grossen Jammer trieben/ und da er jhnen naͤher kam/ ward er gewahr/ daß sie alle seiner vorigen Geselschaft wahren; dessen er so hart erschrak/ daß er nicht wuste/ ob er foͤrder gehen/ oder zuruͤk weichen solte; endlich wagete ers in seiner Mattigkeit/ und ging der Herberge gleich zu. Ladisla und Fabius wah- ren in grossem Kummer/ daß jhnen von Herkules keine Zeitung zukam/ und gerieten auff die Gedanken/ er moͤchte von seinem Fuͤhrer hintergangen/ den Raͤubern uͤberliefert/ oder wol gar erschlagen seyn; biß dieser sich angab/ uñ alles berichtete was jhm befohlen wahr; dessen sie nicht wenig erschraken/ und fleissig nachfrageten/ wie zeitig er meinete/ daß Her- kules bey dem Meer anlangen wuͤrde; als sie nun vernahmen/ daß er solches schon diesen Morgen wuͤrde erreichet haben/ ward Ladisla uͤber die masse betruͤbet/ daß jhm die Augen uͤbergingen/ und zu sich selber sagete: So hat Herkules ohn seinen Ladisla sich auff das Meer begeben/ und jhn verlassen koͤnnen? O du mein allerbester Freund/ O du mein aller- liebester Bruder/ wo suche ich dich dann nun? Wo finde ich dich wol wieder? Fabius wahr nicht viel anders zu muhte/ dann er liebete Herkules mehr als sich selbst/ hatte auch bey sich beschlossen/ da es moͤglich waͤhre/ seiner Geselschaft sich nimmermehr zu aͤussern. Ladisla/ wie spaͤt es gleich wahr/ befahl eilends sein Pferd zusatteln/ daher Klodius/ Mar- kus und Leches sich auch fertig machten/ wiewol es diesem sehr hart einging/ daß er Jung- ser Libussen so bald lassen solte/ nachdem er in Hoffnung stund/ die so lange gesuchte Liebe nunmehr zubefestigen/ uͤmb welche er am Boͤmischen Hofe schon ins drirte Jahr angehal- ten hatte/ aber mit schlechter Hoffnung gespeiset wahr/ nicht; daß sie ihm so ungewogen waͤhre/ sondn weil sie sich von seiner Schwester durch schimpfliche Reden beleidiget fand/ welche diese Heyraht zu hindern/ alle Muͤhe anwendete. Hier in der Fremde aber stellete sie sich geneigter/ und nam Leches die Gelegenheit in acht/ daß er diesen und vorigen Tag sehr Anderes Buch. sehr hart an sie setzete/ und sich vernehmen lies/ dafern sie seine ihr bißher erzeigete Liebe und Traͤue nicht erkennen wolte/ haͤtte er noch ein Mittel vor sich/ wodurch er seinen Wunsch hoffete zuerhalten. Die Jungfer begehrete solches von ihm zu wissen/ sagte im Scherz (massen sie jhr schon vorgenommen hatte/ sich mit jhm zuversprechen) sie koͤnte nicht eꝛsin- nen/ was mittel dieses waͤhre/ sintemahl sie ja frey und jhres eigenen willens lebete. Leches antwortete: Er gedaͤchte auch auff keinen Zwang/ oder was dem aͤhnlich waͤhre/ nur vor erst wuͤste sie/ in was grossen Gnaden sein Vater bey der Fr. Koͤnigin stuͤnde; so haͤtte er auch einen ganz gnaͤdigen Herꝛn an seinem Koͤnige Ladisla/ und gleicher gestalt eine gnaͤ- dige Frau an dessen Gemahl/ welche ihm nach geendigtem Speerbrechen eine guͤldene Kette/ und ein Kleinot auff 6000 Kronen wert geschenket. Libussa hoͤrete schon wo er hin- aus wolte/ taht doch nicht desgleichen/ sondern mit einem Gelaͤchter sagte sie; es waͤhꝛe jhr seinetwegen lieb/ daß er in diesen Gnaden stuͤnde; aber sagte sie/ was tuht solches bey dieser Sache/ die in meinem freyen Wilkuͤhr stehet/ so viel das lassen betrift? Ich hoͤre aus dieser eurer Rede/ mein Vetter/ daß jhr etliche Nachte wenig muͤsset geschlaffen haben/ weil eur Gehirn sich etwas verwirret befindet. Dem guten Leches wahren jhre Schwaͤnke wol be- kant/ und daß in solchem scherzen jhr am besten beyzukommen wahr/ antwortete jhr dem- nach: Er gestuͤnde gerne/ daß er bißher nun etliche Jahr schon/ mannicher ungereimter Reden sich gebraucht haͤtte/ die aus Unruhe des Gemuͤhts herruͤhreten/ nicht wegẽn man- gel des Schlaffes/ sondern daß sein hoͤchstes Gut je laͤnger je mehr vor ihm floͤhe/ und aller niessung jhn beraubete. Vetter/ antwortete sie/ jhr gerahtet aus dem Tropfen gar in den Schlagregen; dann wie reimet sich euer vorbringen? Ihr beruͤhmet euch eines hoͤchsten Gutes/ welches ihr das eure nennet/ und gleichwol klaget ihr/ es fliehe vor euch/ ja ihr seyd dessen Niessung gar beraubet; kan es aber wol das eure seyn/ wann ihrs weder besitzet noch geniesset? Meine hoͤchstgeliebete Jungfer sagte er; es ist mein hoͤchstes Gut im wuͤnschen/ aber nicht im geniessen. Auff solche weise/ sagte sie/ wird es keinem Menschen an seinem hoͤchsten Gute mangeln/ weil ein jeder ihm solches wuͤnschet; doch lasse ich euch dieses hin- gehen/ ob ich gleich nicht weiß/ von was grossem Gute eure Rede eigentlich zuverstehen sey; aber ich merke wol/ ihr fuchet ausfluͤchte/ mir auff das vorige bescheid zugeben. Dem guten Leches wahr schon entfallen/ was seine vorige Rede wahr/ baht auch jhn deren zuer- innern; woruͤber die Jungfer lachens sich nicht enthalten kunte/ und zu ihm sagte: Habe ich nun nicht wol und wahr geredet/ daß mein Vetter noch nicht ausgeschlaffen/ weil er ohn Verstand und im Schlaffe geredet hat? Wollet ihrs aber ja wissen/ so frage ich zum andern mahle/ was die großgeruͤhmete Gnade/ die ich euch doch gerne goͤnne/ zu dieser Sa- che tuhn koͤnne. Meine wahre Freundin/ antwortete er; die Goͤtter wissen/ daß ihre Liebe und deren Niessung/ ich nicht gerne einem andern/ als ihr allein danken wolte. Die bißher geleistete/ sagte sie/ ist nicht sonderliches dankens wert; aber antwortet/ bitte ich/ auff meine Frage; ich werde sonst gedenken muͤssen/ ihr schlaffet noch immerhin. Leches antwortete: Weil ihr mir dann gebietet/ daß ichs sagen sol/ muß ichs nach gebehtener Veꝛzeihung aus- druͤcken/ daß ich des gaͤnzlichen Vorhabens bin/ an meinen Vater zuschreiben/ daß er umb unsere Heyraht bey unser gnaͤdigsten Koͤnigin anwerben moͤge; inzwischen werde ich nit schlaffen/ bey meinem Koͤnige und dessen Gemahl umb eben dasselbe instaͤndigst anzuhal- N n iij ten. Anderes Buch. ten. Nun/ sagte sie/ gehet mein Vetter mit solchen Gedanken schwanger/ werden ihm die- selben kein hoͤchstes Gut/ wie ers ja taͤuffet/ zuwege bringen; dann was waͤhre ihm mit ei- ner gezwungenen Liebe gedienet? Gezwungene? sagte er; davor wolte ich eines schnoͤden Todes sterben; Ich suche ja keinen Zwang/ sondern nur eine kraͤfftige Vorbitte. Ach ja doch/ sagte sie; gleich als wann ihr nicht wuͤstet/ daß der Koͤnige Bitte an ihre Untertah- nen ein lauter Zwang ist; wil demnach nimmermehr hoffen/ daß ihr solcher gestalt/ und zwar in der Fremde mit mir verfahren werdet/ da ich gar keinen Beystand habe. Hier fing nun Leches an/ alle seine Wolredenheit außzuschuͤtten/ und ihr so viel liebliches din- ges voꝛzuschwatzen/ wie er ihr so traͤulich dienen/ auch niemand als sie in sein Herz auff- nehmen wolte; daß sie endlich sich erklaͤrete/ er moͤchte sich gedulden/ biß auff ihrer Gn. Fraͤulein Wiederkunfft; wann dann dieselbe gnaͤdigst darein gehehlen koͤnte/ solte ihm seine bißher erzeigete Gewogenheit und Traͤue ehrengebuͤhrlich vergolten werden. Le- ches nam dieses vor eine unbedingete Erklaͤrung an/ bedankete sich hoͤchlich/ und steckete ihr einen schoͤnen Ring an den Finger/ welchen anzunehmen sie sich anfangs wegerte/ und ihn endlich noch behielt/ wiewol mit vor angezogenem Bedinge/ welches sie doch selbst nit in zweiffel zog/ weil das Fraͤulein/ deren Leches Liebe bewust wahr/ sie schon etlichemahl vermahnet hatte/ diese gute Heyraht nicht außzuschlagen/ als wodurch sie in Koͤnigliche Verwandschafft auffgenommen wuͤrde. Gleich als diese Beredung geschehen wahr/ er- ging Ladisla Befehl zum Auffsatteln; muste also Leches von dem liebes Gespraͤch abbre- chen/ und sich umb ander ding bekuͤmmern. Fabius aber redete Ladislaen ein/ in dieser Spaͤte nicht so eilig auffzubrechen/ sondern zuvor eine kurze Bedenkzeit zu nehmen zu ei- ner bestaͤndigen Erklaͤrung; und wohin wollen wir reiten? sagte er/ da wir keinen Weg wissen/ auch Herr Herkules/ in betrachtung seiner eile nach dem Meer/ sich zweiffels ohn schon wird auff ein Schiff begeben haben. Ladisla gab zur Antwort; er hoffete nicht/ daß einiger Mensch ihm an der Nachfolge seines Freundes wuͤrde hinderlich seyn. Eben des sinnes bin ich auch/ sagte Fabius; aber die finstere Nacht/ der unbekante Weg/ und daß ich zum ersten melden sol/ die Unbesonnenheit/ werden uns zu unserm Vorhaben wenig die- nen. Und ob wir den Zeitungsbringer zu uns nehmen wolten/ so weis er ja so wenig/ wo Herr Herkules zu suchen ist/ als wir selbst; zu geschweigen/ daß er wegen seiner Wunden und toͤdlichen Schwacheit auff der Streu lieget/ und nicht weiter fort kan. Libussa kam darzu/ mit vermeldẽ/ der sehr schwache Bote haͤtte an Koͤnig Ladisla eine sonderliche Wer- bung abzulegen; deßwegen er bald zu ihm ging/ und fragete/ was sein Anliegen waͤhre. Mein Herr/ sagte dieser; der so mich hergeschicket/ hat mir sehr ernstlich eingebunden/ dem Herren anzumelden/ daß wo er ihn liebe/ er ihm ja nicht folge/ biß er Schreiben von ihm haben wird/ welches in kurzen geschehen solle/ und weil ich leider bekennen muß/ daß ich von der Raͤuber Geselschafft bin/ hat euer Freund mir Leben und Freyheit/ auch von euch eine Viertel Jahrs Bestallung seines aͤdlen ritterlichen Dieners versprochen/ da ich diese Werbung abzulegen fleiß anwenden wuͤrde. Ladisla fragete den Wund Arzt/ der ihn gleich verbunden hatte/ ob er genesen wuͤrde; Und als derselbe guten Trost gab/ sagte er weiter zu dem Kranken: Guter Geselle laß dein wolpflegen/ wozu ich dir alsbald XXX Kronen einreichen wil; und nach erlangeter Gesundheit gib dich zu Padua bey mir an/ da Anderes Buch. da soltu das Veꝛsprochene schon finden. Kehrete sich drauff zu Fabius und sagte: Ich werde meinem Herkules muͤssen gehorsamen/ und die Nachfolge etliche Tage einstellen/ wil inzwischen mich bedenken/ wie ichs best anzugreiffen habe; und halte vor gut/ daß wir stuͤndlich uns nach Padua erheben/ den unsern Zeitung zubringen. Fabius ließ alsbald den Reutern ansagen/ sich fertig zuhalten/ dessen sich niemand so sehr freuete als Leches/ welcher seiner geliebeten so viel in den Ohren lag/ daß sie ihm eine Stelle auff der Fraͤu- lein Gutsche neben sich goͤnnete/ und ward sehr geeilet/ weil sie gegen Mitternacht zu Pa- dua bey den ihren zu seyn bedacht wahren; woselbst eine uͤberaus grosse Traurigkeit und Angst entstund/ so daß wenig fehlete/ Fr. Sophia haͤtte sich selbst umbs Leben gebracht; Dann es ward desselben Tages eine fliegende Zeitung/ die aus Irtuhm herruͤhrete/ in der Stad außgesprenget/ wie eine Reuter Schaar/ welche sie meineten aus Padua geritten seyn/ in einem Flecken angegriffen/ und alle miteinander erschlagen waͤhren/ ohn daß ein einziger junger Ritter/ mit gelben Haaren und zartem Angesicht/ durch seine unglaͤubliche Mannheit sich so lange gewehret/ biß ihm Lebensfreyheit zugesaget waͤhre; woꝛauff er end- lich sich gefangen hinweg fuͤhren lassen. Dieses erzaͤhlete Herren Emilius Haußhalter in beysein Frl. Helenen/ wie ers auff der Gasse gehoͤret hatte. Selbe hinterbrachte es ihrem Vater/ welcher den Haußhalter eigentlich befragete/ und ging bald hernach zu dem Stat- halter/ ihm anzeigend/ es gingen boͤse Zeitungen umb/ und fuͤrchtete/ die Außgerittenen haͤt- ten einen Ansal erlitten; wolte ihn zwar ungerne betruͤben/ koͤnte aber nicht umbhin/ es zu melden/ daß eine Schaar Reuter von XL Pferden in einem Flecken gaͤnzlich/ auff einen einzigen nahe/ solten erschlagen seyn. Herr Fabius entsetzete sich daruͤber zum hefftigsten/ fragete nach dem Zeitungs-bringer/ und sendete alsbald etliche Diener aus/ dem Geschrey nachzuforschen; welche bald wieder kahmen/ und berichteten/ daß die ganze Stad davon redete. Inzwischen ging Frl. Helena hin/ ihre Wase Fr. Sophien zu besuchen/ und da ihr diese Zeitung zukommen waͤhre/ sie in ihrem Ungluͤk zu troͤsten; fand aber/ daß sie dessen noch unberichtet wahr/ biß Herr Fabius in das Frauenzimmer trat/ und mit gelinder Stimme anfing; lieben Kinder/ ich finde/ das ein Geschrey in der Stad erschollen/ ob sol- ten unsere Leute angegriffen seyn/ und etwas Niderlage erlitten haben; wird demnach rahtsam seyn/ daß man Reuter außschicke/ umb eigentlich nachzuforschen/ ob sichs also ver- halte oder nicht. O Herzlieber Herr Vater/ sagete Fr. Sophia mit zitternden Gliedern; vielleicht sind sie alle miteinander erschlagen. Solches wollen wir nicht hoffen/ antworte- te er/ vielweniger ohn Ursach muhtmassen; dann das Geschrey pfleget solche und derglei- chen Luͤgen offtmahl auff die Beine zusetzen. Ging damit hinweg/ und lies stuͤndlich 500 zu Pferde auffbieten/ vermochte auch Herren Kornelius/ daß er ihr Fuͤhrer ward/ welcher mit seinen Leuten schleunig auffbrach/ und die gemeine Landstrasse nach dem Flecken vor sich nam. Fr. Ursula wahr damahls auff ihrem Zimmer allein/ und hatte ihre Leibdiene- rin außgesand/ ihr etliche Goldfaͤdem einzukaͤuffen; diese vernam das Geschrey auff der Gassen/ lieff ganz unbesonnen zu ihrer Frauen mit grossem geheule/ und sagte; es waͤhre ihr Gemahl samt Herren Ladisla und allen Reutern erschlagen/ und Herr Herkules ge- fangen; woruͤber sie dermassen erschrak daß sie in starke Ohmacht niderfiel/ und weder Hand noch Fuß mehr regete. Die Magd entsetzete sich hieruͤber/ lieff nach Fr. Pompeien und Anderes Buch. und taht ihr solches zuwissen/ welche alsbald kraͤfftige Sachen zur Hand nam/ und mit Fr. Sophien und Frl. Sibyllen zu ihr ging/ funden sie als eine Todtenleiche/ und bestrichen sie so lange/ biß sie wieder zu sich kam/ und mit gar schwacher Stimme und traͤhnenden Augen sagte. Ach warumb lasset ihr mich meinem allerliebsten Fabius nicht folgen! oder gedenket ihr/ daß ich nach seinem Tode lust habe laͤnger zu leben? Fr. Sophia ward hier- uͤber aͤngstig zittern/ daß sie sich nieder auff die Erde setzen muste/ und sagte: O Herz liebe Schwester/ was habt ihr dann neues von meinem Bruder? Ich hoffe ja nimmermehr/ daß ihr traurigere Zeitung wisset/ als wir alle mit einander; Fr. Ursula aber fuhr fort mit ihrer Klage; Ach mein Fabius! ach Herr Ladisla! was vor grausame Faͤuste haben euch erschlagen koͤnnen? und was vor Gewalt hat den Handfesten unuͤberwindlichen Herkules gefangen? Als Sophia diß hoͤrete/ rieff sie mit hartweinender Stimme, O ist dann mein liebster Ladisla schon dahin? O ist meine einige Freude und Wollust ermordet? Mein Er- retter! mein allerbester Schaz! mein einiges-Al? O du allerliebste Seele/ warumb bistu nicht alsbald nach deinem Abschiede hieher geflogen/ daß du mich auffgemuntert haͤttest/ mit dir zuzihen? Ja warumb koͤmstu noch nicht/ und foderst die meine ab/ zu dir/ nach dem sie mit dir unauffloͤßlich verknuͤpffet ist? Nun nun/ unsere Freude ist dahin/ unsere Wol- lust ist zum Ende gelauffen/ aber leichter als der Wind/ schneller als der Schein eines auß- geloͤscheten Lichtes; geschwinder als die Gedanken selber. O du liebreiche Seele/ hastu deine schoͤne Herberge/ den wolgestalten Leib schon außgezogen? Bistu dieses Lebens bereit muͤde gewesen/ und hast mir so offt beteuret/ es daͤuchte dich solches in unser Liebe erst recht angehen? Zwar du hast die Eitelkeit abgelegt/ und bist wol ohn zweiffel schon in der Goͤt- ter Zahl angeschrieben; was solte dich dann bewaͤgen/ diese Gebrechligkeit laͤnger zu tra- gen? Aber biß eingedenke/ bitte ich/ biß eingedenke der inniglichen Liebe und Gewogenheit/ womit meine Geister dir verbunden sind/ und laß mich in deinem Himmels Stolze doch nur zu deinen Fuͤssen ruhen/ und mich an deiner allerliebsten Gegenwart ergetzen. Bistu noch eine Menschen Seele/ so wirstu die meine nicht beschaͤmen/ wann sie zu dir nahet; bistu eine goͤttliche Krafft worden/ O so nim die meine als deine getraͤueste Dienerin an/ die dich anzubehten nicht wird unwillig seyn/ dann ich kan durchaus nicht von dir geschie- den bleiben/ so wenig jezt im Tode/ als vorhin im Leben/ nachdem ich dich einmahl geken- net habe. Schließlich hoffe ich/ man werde unsern Leibern diese Freundschafft tuhn/ und sie in einen Sarg beyeinander legen. Hiemit nam sie ihr kleines Messerchen von der Sei- ten/ und sties es gleich auff ihre Kehle zu/ des gaͤnzlichen Vorsatzes/ ihrer Seele daselbst den leichtesten Weg zu oͤffnen. Aber Frl. Sibylla/ welche neben ihr auff der Erden saß/ uñ aus ihren Reden ihr Vorhaben leicht abnahm/ gab eben acht auff ihre Haͤnde/ sahe den Stich/ und warff mit einem grossen Geschrey ihre zarte Hand vor/ welche sie ihr nicht al- lein gar durchstach/ sondern auch noch ein zimliches Loͤchlein ihr selbst neben der Kehle machte. Das Fraͤulein empfand der Wunde/ und riß die Hand mit Gewalt zu sich/ daß das Messer drinnen stecken blieb. Der Stathalter trat gleich ins Zimmer/ sahe ihre bluti- ge Hand/ und der Tochter den rohten Schweiß vom Halse die Brust hinab lauffen/ auch sie zugleich nebest ihrer Mutter und Fr. Ursulen in tieffer Ohmacht liegen/ zog vorerst dem Fraͤulein das Messer heraus/ ließ alsbald einen Wund Arzt hohlen/ und fragete/ was dieses Anderes Buch. dieses Unwesen bedeutete. Ach Gott/ sagete das Fraͤulein/ ich merkete/ daß meine Frau Schwester ihr selbst aus Unmuht die Kehle abstechen wolte/ welches Ungluͤk abzuwenden/ ich meine Hand vorwarff/ und den Stich aufffing/ sehe aber leider/ daß sie auch noch eine Wunde bekommen hat. Fabius verfluchte sein Ungluͤk/ und nachdem Fr. Ursula sich er- hohlete/ auch Frl. Helena darzu kam/ brachten sie die Stathalterin/ und endlich Fr. So- phien wieder in etwz zurechte/ welche ihres Blutes im Busem/ aber keiner toͤdlichen wun- de empfindend/ zu dem verwundeten Fraͤulein sagte: Ihr unbarmherzige Feindin/ und Hinderung meines billichen Vorhabens; warum mißgoͤnnet ihr mir meinẽ Ladisla/ bey dem meine Seele nun bereit schweben wuͤrde/ wann eure grausame Hand nicht waͤhre; sahe sich hiemit nach ihrem Messer umb/ und gedachte den Mord noch zu vollenden. Abeꝛ der Vater setzete ihr mit harter Rede zu; wessen sie sich zeihete/ daß sie so unbesonnen wuͤ- tete/ uñ den Tod suchte? man haͤtte ja noch keine gewisse Zeitung ihrer Niderlage/ sondeꝛn das blosse luͤgenhaffte Geschrey waͤhre nur da; jedoch/ gesezt/ daß ihm also waͤhre/ solte man dann alsbald Moͤrder an seinem eigenen Leibe werden? waͤhre es aber erlogen/ wie ers gaͤnzlich davor hielte/ was wuͤrde sie dann ihren Eltern und Verwanten/ ja ihrem La- bisla selbst vor Herzleid machen; solte sich demnach zur Ruhe begeben/ biß man Gewißheit haͤtte. Fr. Sophia antwortete ihm: O mein herzallerliebster Herr Vater/ ohn allen zwei- sel habt ihr hievon gewissere Zeitung/ als euch lieb ist/ und gedencket mich nur mit leeren Worten zuunterhalten. Fing darauff an/ sich von neuen uͤber den vermeynten Verlust ihres Ladisla so klaͤglich zustellen/ daß sie alle anwesende zu weinen bewaͤgete. O mein aller- suͤssester Schatz/ sagte sie/ dessen volkommene Zucht und Tugend auszusprechen mir un- moͤglich ist; mustu dann deinen Lauff so schleunig zum Ende bringen/ uñ in der ersten Bluͤ- te schon untergehen? Aber weder ich noch dte Welt sind deiner reiffen Fruͤchte wuͤrdig ge- wesen; der Himmel der Himmel sucht das seine/ und goͤnnet der undankbaren Welt solche Volkommenheit nicht. Gewißlich wird die klare Seele ein neuer Stern am Him̃el seyn/ welchen die Sternseher bald spuͤren werden. O Ladisla Ladisla/ sollen wir uns mit deinem Bildniß/ dir zu Ehren auffgerichtet/ vergnuͤgen lassen? Ja das wird uns nicht schuͤtzen; Ja das wird uns nicht erfreuen/ noch den Raͤubern erschreklich seyn. Fraget nun nach/ was das Gespenst in meines Ladislaen Marstalle bedeutet habe; das Dach ist weg geris- sen/ die Seele meine ich; das Pflaster ist umgewuͤhlet/ den Leib verstehe ich. Die Pferde sind erschlagen/ seine Kraͤffte/ O seine Kraͤffte haben muͤssen erliegen unter der wuͤtenden Raͤuber Haͤnden. Fraget nach/ was die einige blutrohte Rose unter so v i elen weissen bedeu- tet habe; Ach ihr Goͤtter/ schicket es ja/ daß niemand anders/ als ich/ dadurch moͤge bezeich- net seyn. Drey Nachte hat das Gespenst angehaltẽ/ fragestu/ wie diese drey Nachte heissen? Fabius/ Ladisla/ Herkules! O ihr drey klare Lichter/ seyd ihr so geschwinde Nacht worden? dann wer wird michs uͤberreden/ daß Herkules noch im Leben sey/ oder nach Ladislaen To- de noch laͤnger darinnen zubleiben begehre? So seyd ihr nun verschwunden/ ihr Lichter; so hat uns nun uͤberfallen eine dreifache Nacht! O du stokfinstere Nacht/ wer wil deine Dunkelheit vertreiben? O ihr hellen Lichter/ wann wird eures gleichen wieder angezuͤndet werden? Der Vater ließ sie ihre Klage ausfuͤhren/ und ward Frl. Sibylla inzwischen veꝛ- bunden/ welche nachgehends sich wieder zu ihr setzete/ und sie freundlich ermahnete/ sie O o moͤch- Anderes Buch. moͤchte doch gemach tuhn/ und ihres Lebens schonen; dann solte es gleich wahr seyn/ muͤste man ja mit den Goͤttern nicht streiten/ welche durchaus ihren Willen haben wolten/ wie hart wir uns auch dawider straͤuben moͤchten; waͤhre es aber nicht wahr/ wie dann ihr Sinn ihr ein solches allerdinge zutruͤge/ was stellete sie sich dann einer Unsinnigen aͤhnli- cher als einer Witzigen? Ja ihr habet wol ursach mich zu troͤsten/ sagte Fr. Sophia/ da ich bald Moͤrderin an euch worden bin/ daß ihr Zeit eures Lebens bey dieser Narbe an mich ge- denken koͤnnet/ welches mir doch herzlich leid ist. Und O haͤttet ihr doch dem Stich seinen Weg gegoͤnnet/ so waͤhre ich nun aller Pein ab/ und ginge meine Seele suchen/ wie sie mit ihrem Ladisla entweder umherschweben/ oder in Ruhe sitzen moͤchte. Das Fraͤulein/ un- geachtet der Schmerzen/ zeigete ihr mit einem froͤlichen Angesicht die verbundene Hand/ und sagete: O wie sol Herr Ladisla noch dieser meiner Hand danken/ daß sie seiner herzge- liebeten Sophien das Leben erhalten hat. Ach mein Schwesterchen/ antwortete sie/ mey- net ihr/ daß mein Ladisla noch leben solte? O ihr Goͤtter/ wie wol waͤhre mir dann! aber leider leider! die Zeitung gibt es viel anders; dein Leben ist gebrochen/ O du unvergleich- licher Held! O du allerfreundlichster Liebhaber! Was vor Unsiñigkeit treibet euch dann/ sagte das Fraͤulein/ daß ihr euren Ladisla mit Gewalt tod wollet haben? Ich halte/ stuͤnde er hie vor euch/ ihr legetet Hand an ihn/ daß nur euer widersinniger Kopff recht haben moͤchte; sehet da/ ich gebiete euch im Nahmen und von wegen eures Ladisla/ der ohn zweifel noch frisch und gesund lebet/ daß ihr nicht allein eure Klage maͤssiget/ sondern euch straks angesichts verbinden lasset; dañ was meynet ihr wol/ das er gedenken wuͤrde/ wann er die- se Wunde an eurem Halse/ und das geronnene Blut in eurem Busem sehen solte? Rieff hiemit dem Arzte/ uñ hießihn die wunde besichtigen. Fr. Sophia ward hiruͤber dermassen bestuͤrzet/ daß sie vor Furcht kein Wort reden kunte/ saß nur und sahe sie an/ weil der Arzt die Wunde betrachtete/ endlich sagte sie zu ihr: O ihr harte Zuchtmeisterin! traget jhr dañ gar kein Mitleiden mit mir elenden? Ich wil euch nicht hoͤren/ antwortete sie/ biß die wun- de verbunden ist/ und gebiete euch nochmahl/ von wegen Herrn/ Ladisla/ daß ihr euch ver- binden lasset. Ach ja mein Schwesterchen/ antwortete sie/ ich bin ja gehorsam; hielt auch dem Arzt die Kehle zu/ und ließ ihn nach allem Willen machen. Der Stathalterverwun- derte sich der Fraͤulein treflicher Vernunfft/ daß sie dieses Mittel/ sie zubereden/ so kluͤglich haͤtte erfinden koͤnnen. Aber so bald die Verbindung geschehen wahr/ da ging der Jam̃er von neuen wieder an; die Traͤhnen schossen ihr dermassen haͤuffig aus den Augen/ daß sie in ihre Schoß fielen. O ihr Goͤtter/ sagte sie/ kan auch der Baum gruͤnen/ wañ er die Wuꝛ- zel verlohren hat? Ja ja/ man stellet ihn ins Wasser/ und erhaͤlt seine Blaͤtter etliche Tage auff mit solcher gewaltsamen Anfeuchtung; aber es bestehet nicht lange/ dann fallen sie a- be/ und vergehen/ ehe mans inne wird. Gleich also kan man mich durch falsche Hoffnung auch ein wenig laben/ auch ein wenig erhalten; aber unmoͤglich ist es/ daß es lange bestehen solte; dann die Wurzel/ auff welche ich gegruͤndet wahr/ ist abgehauen; Ach ihr Goͤtter/ sie ist abgehauen und dem Stam entzogen/ der von ihr allen Safft und das Leben selbst hatte. Frl. Sibylla kunte wegen Mitleiden und Empfindligkeit der Wundenschmerzen/ ihr nit zureden/ deswegen fing der Vater an zuversuchen/ ob er durch Gelindigkeit etwas bey ihr ausrichten koͤnte/ und sagte zu ihr: Herzgeliebtes Kind; du weist/ mit was grossem fleiß ich und Anderes Buch. und deine Mutter dich aufferzogen/ und uns deiner angenommen haben/ weil wir deinen Gehorsam gegen uns allemahl gespuͤret/ und du dir sehr wol hast koͤnnen rahten lassen; Warumb entsagestu mir dann jezt alle folge/ und kuͤndigest mir den Gehorsam gar auff/ dessen ich mich zu dir nimmermehr versehen haͤtte? O mein Gn. herzallerliebester Herr und Vater/ antwortete sie; mein Unfal ist ungleich schwerer/ als daß er von mir schwachem Kinde solte geduldig koͤnnen ertragen werden; und wann ihr empfinden moͤchtet/ was vor Pein und Angst meine hochbetruͤbete Seele in ihrem Fleische leidet/ nachdem mir derselbe durch den Tod geraubet ist/ welcher mein Leben wahr/ zweifele ich nicht/ ihr wuͤrdet mir willig goͤnnen/ mich der Qual loßzumachen/ und aus diesem Kummer meine Seele auß- zuspannen. O Ladisla! O mein Schaz! haͤtte eure Freundligkeit mir doch unbekant bleibẽ moͤgen; waͤhre ich dann gleich nimmermehr gluͤkselig worden/ so wuͤrde ich dannoch zum wenigsten ohn-ungluͤkselig blieben seyn. Mein Kind/ sagte der Vater/ hastu dann etwa ge- wisse Zeitung von deines Gemahls Tode/ so mache es mir auch kund/ ob ich zum wenigsten seinen Tod raͤchen moͤchte/ wie er dann auff solchen fall ungerochen nicht bleiben wuͤrde; trauestu aber nur dem blossen Geruͤchte/ so hoͤre mich doch in so weit/ und enthalte dich al- ler Taͤhtligkeit/ biß wir unbetriegliche Zeitung haben werden; muß es dann hernach gestor- ben seyn; wolan/ ich wil dir Schwert und Messer selbst in die Hand geben; besinne dich nur inzwischen/ wie du es vor den Goͤttern/ ja vor Ladislaen Seele/ wann er tod seyn wuͤr- de/ verantworten wollest/ daß du mit einem Stiche/ dich und deine Eltern zugleich/ als eine Erzmoͤrderin umbringest. Diese Worte durchdrungen ihr Herz dermassen/ weil sie dabey ihres Vaters Traͤhnen sahe/ welche ihr bißher unbekant wahren/ daß sie angelobete/ sich einzuhalten/ und ihrer Seele Auffloͤsung anderer gestalt zuerwarten; woruͤber ihr Vater hoͤchlich erfreuet ward/ unter der Hoffnung/ die Zeit wuͤrde den Schmerzen lindern/ wañ nur der erste Sturm in etwas gestillet waͤhre. Ihre Fr. Mutter wahr zeitig hinweg gangẽ in ihr Kaͤm̃erlein/ woselbst sie als eine gottfuͤꝛchtige Christin ihꝛ andaͤchtiges Gebet zu Gott auf ihren Knien verꝛichtete/ daß derselbe das schwere Ungluͤk in gnaden von ihrẽ Kind’n ab- wenden/ uñ sie nit im Heydentuhm wolte hinsterbẽ lassen; ging hernach in zimlicher Frei- digkeit zu ihnen hin/ da sie ihre Tochter etwz beruhiget fand/ zu welcher sie sagete; vertraue dem wahren Gott/ mein Kind/ ob du ihn gleich nit keñest/ und zweiffele nit/ mein Gott wiꝛd dich meiner Vorbitte geniessen lassen/ uñ in kurzen dein Leid in freude verkehren; dañ mein Herzsaget mirs/ ohn zweiffel aus Gottes Wirkung/ dz meine Soͤhne alle drey noch im Le- ben/ und das Geruͤcht allerdinge falsch sey. Aber der Trost welchen sie daher schoͤpffete/ war sehr geringe/ doch versprach sie ihrer Mutter/ sie wolte alle moͤgliche Geduld ergreiffen/ biß die Goͤtter dem Leyden wuͤrden ein Ende machen/ und verblieben sie in diesem leidigen Stande/ biß umb Mitternacht/ daß sie weder an Essen noch Ruhe gedachten. Der Tohr- huͤter vernam umb diese Zeit ein hartes Geklopffe vor dem aͤussersten Tohr des Hoffes/ und fragete/ wer sich so ungestuͤm erzeigete. Was fragestu viel/ antwortete der junge Fa- bius/ bald oͤffne mir das Tohr. Dieser kennete die Stimme/ und sagte; Ach Gn. Herr/ seid ihrs selber/ oder ists euer Geist? Er aber begunte unwillig zu werden/ und draͤuete ihn zu pruͤgeln/ wo er nicht bald auffmachen wuͤrde. Worauff jener sagete; ja wie gerne wolte ich mich biß auff den Tod pruͤgeln lassen/ wann nur eure Gn. noch im Leben waͤhren. La- O o ij disla Anderes Buch. dlsla lachete der Rede/ und meinete/ dieser Mensch waͤhre aberwitzig/ redete ihm deßwegen guͤtlich zu/ und sagte; Ja mein guter Pfoͤrtner/ dein Herr Fabius lebet noch/ wie du ja hoͤrest/ mache uns nur auff. Helfft ihr Goͤtter/ rieff dieseꝛ vor freuden/ da hoͤre ich ja Her- ren Ladislaen Stimme auch noch; machete geschwinde auff/ und sagete: O ihre Gnn. sein wilkommen; wie hoch und schmerzlich wird deren Tod von dem Frauenzimmer beweinet. Ladisla fragete/ was die Ursach waͤhre. Die ganze Stad ist des geschreies vol/ antwortete er/ als ob sie alle Tod/ und Herr Herkules gefangen sey; daß wol keine Gasse oder Hauß in der Stad ist/ darinnen euer Tod nicht solte beweinet seyn; aber eure Gn. halten mich laͤn- ger nicht auff/ daß ich die gute Zeitung anmelde/ wovor ich ein reiches Botenbrod gewaͤr- tig bin. Daß soltu ohn daß wol haben/ sagte Ladisla/ aber weil es also beschaffen ist/ wollen wir uns selbst melden; stieg auch mit Fabius/ Leches/ und Libussen im Vorhoffe ab/ und gingen in allerstille durch den Hoff die Stiege hinauff nach dem Esse Saal/ woselbst der Stathalter mit den seinen gar allein wahr/ und untereinander allerhand Gespraͤch fuͤhre- ten; da Fr. Sophia des Kato Tochter Fr. Porzia/ Herren Brutus Gemahl hoch ruͤh- mete/ daß nach ihres Ehe Herren Tode sie nicht laͤnger im Leben bleiben wollen/ uñ ob man ihr gleich alle Mittel des Todes aus dem Wege geraͤumet/ haͤtte sie auff eine zuvor uner- hoͤrete Weise durch verschluckung gluͤender Kohlen/ ihre Seele aus dem Leibe getrieben/ und sie ihrem allerliebsten Brutus nachgeschicket. Worauff ihre Fr. Mutter antwortete; Ob gleich solche und dergleichen Gewalttaͤhtigkeit an sich selbst begangen/ von etlichen Weltgelehrten gebilliget und geruͤhmet wuͤrde/ so haͤtten doch andere aus der Vernunft sehr wol geurteilet/ daß solches Unrecht waͤhre/ und der wahren Tugend allerdinge zuwie- der lieffe/ daher auch solche Gesetze gefunden wuͤrden/ Krafft deren alle so sich selbst er- morden/ vor unehrlich erklaͤret werden/ und daß man ihren todten Leichnam mit einem Schandmahle zeichnen solle. Hat dann die keusche Lukrezie des Kollatinus Gemahl auch unrecht gehandelt/ sagte Fr. Sophia/ als sie von Sextus Tarquinius dem frechen Buben genoht zuͤchtiget/ ihr keusches Gemuͤht durch einen freywilligen Tod zuerkennen gab? Daß wahr eine andere Sache/ antwortete ihre Mutter/ welche nach deinem Vernunfft- Glauben etwas scheinlicher kan behaͤuptet werden/ wie wol ichs leicht dartuhn wolte/ daß ihre Taht mehr aus verzweiffeltem Unmuht/ als rechtschaffener Tugend geleistet ist/ dañ ein Mensch hat von Gott nicht Gewalt bekommen uͤber sein eigen Leben/ sondern er muß solches so lange behalten/ biß Gott dasselbe von ihm sodert. Der Stathalter gab seinem Gemahl recht/ und daß er in dieser Frage mehr dem Aristoteles als den Stoischen Lehreꝛn beypflichtete/ wolte auch nicht/ daß man davon weiters reden solte/ daher Frl. Sibylla (welche zum hefftigsten bemuͤhet wahr/ ihre Wase zu beguͤtigen) das tieffe ihres verstan- des hervorsuchete/ mehr als vor nie/ und fing an zu reden/ von des Gluͤckes unbestaͤndigem Wechsel/ und wie man dessen Wuͤtereien begegnen muͤste/ da ste zu Fr. Sophien also an- hub: Herzgeliebte Fr. Schwester/ ich halte vor ganz gewiß/ euch nicht unbewust zu seyn/ was vor Beschaffenheit es umb uns Menschen in dieser Welt habe/ da das umbwalzige Gluͤk nicht anders/ als das Gewitter sich erzeiget. Fruͤh Morgens blicket das allerschoͤnste Himmel-roht nach hoͤchster Lust hervor/ und darff der Sonnen selbst troz bieten; dessen der Wandersman wahrnehmend/ ihm die Rechnung machet/ er wolle noch diesen Tag seine Anderes Buch. seine Reise gar leicht enden; ehe aber der Sonnen Rad sich mit allen seinen Speichen uͤ- ber der Erde sehen laͤsset/ koͤmt ein Sturmwind/ und treibet die Wolken zusammen/ aus welchen ein grosser Plazregen faͤllet/ daß der Wandersman gezwungen wird/ unter eine Schaurhuͤtte zutreten/ und des folgenden Tages zuerwarten; ist er aber so naͤrrisch/ und laͤufft unbesonnen im Regenfort; dann wird er nicht allein durch und durch naß/ sondern er geraͤht an eine Bach/ woruͤber ein schmaler Steg lieget/ eilet hinuͤber/ und weil er schlip- ferig worden ist/ glitschet er hinab/ faͤlt in daß auffgelauffene wasser/ und ersaͤufft gar drin- nen. Was hat dieser Unbesoñener nun vor nutzen/ meine Fr. Schwester/ als ein muht- williges verderben? Ja was hat er vor Ehre davon/ als Spot und Hohn vor aller Welt? Sehet/ das Ungewitter hat uns leider auch getroffen/ wie ihr davor haltet/ da doch des Tages Anfang in eurer Heyraht sich nach allem Wunsche sehen lies. O erzeiget euch doch dem naͤrrischen Wandersmanne nicht gleich/ damit ihr nicht umb Lob und Leben auff ein- mahl kommet. Ist diese das Fraͤulein/ wuͤrde jederman sprechen/ welche wir auff dem Marsplatze zu Rom/ als einen Spiegel und Außbund der Weiblichen Klugheit sehen muͤs- sen/ und kunte das Ungewitter (ja vielleicht nur ein bloßvermeinetes) nicht uͤber sich hin- wehen lassen/ sondern stuͤrzete sich muhtwillig selbst in den Sumpff des verderbens? wir haben ihren Wiz hoͤher geachtet/ als er wert ist. Diesem Ubel vorzubauen/ meine Fr. Schwester/ lasset uns doch hinte etwas Schirm nehmen; vielleicht wird Morgen Sturm und Hagel gelinder/ oder verschwindet wol gar. Ein frisches Herz in guten Tagen/ kan auch der feigeste erzeigen; ja ich getraue mir/ ein Schiff wol zu steuren/ wann der Wind mich fuͤhret/ wohin ich gedenke; und wer koͤnte solches nicht? Wann man aber zwischen Schwertern uñ Spiessen stecket/ da hinten und fornen die Pfeile umb uns her fliegen/ dañ zeiget sich der Furchtsame schon selber/ und stuͤrzet zur Erden ehe er getroffen wird; und ich im Sturme muͤste als eine unerfahrne gewislich mit samt dem Schiffe verderben. Ey so ergreiffet ein Herz meine Fr. Schwester/ und lasset blicken/ daß euer Muht nicht nur auff der Zungen/ sondern viel tieffer und fester sitze/ als daß ein falsches Geschrey ihn stuͤr- zen und fellen koͤnne; und trauet mir/ daß keine Last so schwer sey/ welche durch Vernunfft nicht solte koͤnnen gehoben und fortgebracht werden. Fr. Sophia antwortete ihr; Herz- liebste Schwesterchen; ihr seid bey meiner traͤue auß der Zunfft dieser Kriegs Obersten/ welche ihren Soldaten zwar einen Muht einsprechen/ und des feindes Macht mit Wor- ten zuverkleinern wol abgerichtet sind/ aber in die Schlacht kommen sie nicht/ sondern ste- hen nur von ferne/ und fechten in Gedanken/ da wo ihnen weder Pfeil noch Schwert scha- den kan; meinet ihr aber/ daß Reden und Tuhn ein Ding sey? O wie wolte ich einem so geherzt zusprechen/ wann ich selbst ausser der Gefahr waͤhre! O wie wolte ich einemder ans Kreuz gehefftet ist/ die Geduld einpredigen/ wann die Schmerzen mich nicht ruͤhre- ten! Ist dann der Mensch ein unverstaͤndiges Tihr/ welches ihm nichts zu Gemuͤht zeu- het? oder ist ein schwaches Weibsbild ein unempfindliches Holz/ wann ihr daß genom̃en wird/ welches sie ungleich hoͤher liebet als sich selbst? Ich weiß zwar wol/ daß meiner Tap- ferkeit wegen ich nicht auff den Marsplaz gesetzet bin/ sondern auß blosser Gnade; aber versuchet zuvor/ was es sey/ ein mehres als sich selbst verlieren/ ehe ihr mich richtet uñ ver- dammet; doch die Goͤtter behuͤten euch davor. Frl. Sibylla wolte ihr nicht zu hart wie- O o iij der- Anderes Buch. dersprechen/ sondern dieses schmerzliche Geschwer auffs sanffteste außdruͤcken/ und ant- wortete also: Meiner Schwacheit/ hochgeliebte Fr. Schwester/ habe ich sehr gute Kund- schafft/ und wie leicht mich Ungluͤk niderdruͤcken kan; weil mir aber eure Großmuͤhtigkeit bekant ist/ nimt mich wunder/ daß dieselbe so schleunig/ und durch ein blosses Geschrey er- lieget; habe demnach versuchen wollen/ ob mirs gluͤcken wuͤrde/ daß wie ein kleiner recht angeschlagener Hebebaum einen grossen Block leicht umbwaͤlzet/ ich durch mein gering- fuͤgiges Einreden euer Herz bewaͤgen moͤchte/ daß sichs an den gewoͤhnlichen Ort setzete/ daraus es getreten ist/ und der Wiederwertigkeit troz boͤhte/ welche die Herschafft suchet. Ach mein teures Schwesterchen/ sagte jene; meinet ihr dann/ daß mein Herz nur aus sei- ner Stelle gesetzet/ uñ noch in mir sey? Ach nein! ich habe es gar verlohꝛẽ/ es ist verschwun- den und erloschen wie eine Flamme vom Wasser; dann alles was muhtig in mir wahr/ ist mit meinem Ladisla schon Tod und erstorben; ja derselbe wahr mein Muht und mein Herz. Mit welchem Worte ihr eine Oh macht zustieß/ daß man gnug mit ihr zuschaffen hatte/ sie wieder zuerquicken; da sie auffs neue anfing/ eine solche Traͤhnenbach zuvergiessẽ/ daß allen anwesenden die Augen uͤbergingen; und endlich das Fraͤulein abermahl anfing: Hilff Gott/ was wird dann endlich draus werden? wollet ihr dann dem Lebendigen die Leichbegaͤngniß halten? sehet da/ eine naͤrrische Magd hat euch eine ungegruͤndete Zei- tung gebracht/ und die muß bey euch mehr gelten/ als eure Eltern/ und alle die es gut mit euch meynen; In Warheit/ ihr verdienet hiemit/ daß Herꝛ Ladisla auf seine gluͤkliche Wie- derkunfft euch hart genug angreiffe/ weil ihrs doch nicht besser haben wollet. Ich meyne/ ihr haͤttet uns versprochen/ biß auff eingebrachte gewisse Zeitung ruhig zu seyn/ und uͤber- haͤuffet das Klageleid je laͤnger je hefftiger. Nun nun/ antwortete sie/ ich muß geduldig seyn; aber wie habt ihrs doch mit mir im Sinne? ruhe ich durch Ohmacht (dann anders weiß ich nicht zu ruhen) so ruͤttelt/ schuͤttelt und begiesset ihr mich so lange/ daß ich wieder unruhig werden muß/ und also sol ich wider mein Vermoͤgen/ und eure Bemuͤhung ruhig seyn; so goͤnnet mir nun die Ruhe/ die meinem elenden Zustande gleichmaͤssig ist/ so lasset mich (in der Unruhe/ welche ich weder einzwingen noch verjagen kan) wolte sie sagen/ aber Ladisla mit seiner Geselschafft trat gleich zur Saal Tuͤhre hinein/ gegen welche Fr. Sophia gerade uͤber saß/ daß sie seiner alsbald gewahr wurde/ und mit lauter Stimme rief: O mein Ladisla komt daher! fiel auch vor grosser Freude auff den Tisch mit dem Haͤupt/ und blieb unbewaͤglich liegen. Die andern stunden alle auff/ da Fr. Ursul ihrem Fabius/ die Stat- halter in ihrem Schwieger Sohn umb den Hals fiel/ das Fraͤulein aber zu Frau Sophien nahete/ und ihr einen grossen Becher vol kuͤhles Weins in den Busem schuͤttete. Ladisla lieff zu ihr hin/ und fragete die Anwesenden/ warumb sein Gemahl uͤber seiner Ankunft sich dergestalt bewaͤgete/ daß ihr alle lebendige Geister entgingen; sie aber erhohlete sich bald/ umfing ihn mit beyden Armen/ und sagte: O mein trauten Schatz/ haben euch die Goͤtter mir vor dißmahl noch wieder goͤnnen wollen? O ich erkenne meinen grossen Fehler/ welchẽ ich begangen/ indem ich umb ein Haar durch die Wunde meiner Kehle euch nidergestochẽ haͤtte. Ladisla verstund diese Rede nicht/ biß Fr. Ursul ihn des ergangenen berichtete/ uñ das Frl. Sibylla ihr das Leben erhalten/ aber auch daruͤber eine zimliche Wunde bekom̃en haͤtte. Ladisla hatte bißdaher seinem liebẽ Gemahl noch nie hart zugeredet/ abeꝛ dißmal kun- te er Anderes Buch. te er sich nicht enthalten/ jhr einen zimlichen Filz zu lesen; es stuͤnde trauen zumahl verwaͤ- gen/ daß ein vernuͤnftiger Mensch wegen zufallenden Ungluͤks jhm selber gewaltsame Hand anzulegen fertig waͤhre/ gestaltsam dieses einen frechen Mutwillen wieder die Goͤt- ter und ihre Versehung anzeigete; dann niemand koͤnte dieses anders auslegen/ als suche- te man hiedurch/ an den Goͤttern Rache zu uͤben/ uñ wo moͤglich/ sie selbst zueꝛmorden/ weil es aus blosser Wiederspenstigkeit gegen jhre Verhaͤngnis voꝛgenommen wuͤrde. Sie hin- gegen sahe jhn mit etwas Schamhaftigkeit an/ mehr willens/ ihre untertaͤhnigkeit blicken zu lassen/ als weitlaͤuftige Entschuldigung einzufuͤhren; bekennete demnach/ daß sie gesuͤn- diget/ und jhren heftigen Bewaͤgungen die Herschaft uͤber die Vernunfft gegoͤnnet haͤtte; weil es aber aus Liebe gegen jhn geschehẽ waͤhꝛe/ hoffete sie desto leichtere Verzeihung; wel- che er jhr aber so leicht zu geben nicht willens wahr/ damit sie auff einandermahl von der- gleichen vornehmen abgeschꝛecket wuͤꝛde/ daher antwortete er ihr: Ob sie dieses so schlecht von der Hand schlagen koͤnte? Sie moͤchte nur bedenken/ was vor eine Wunde sie zuma- chen vorgehabt/ wodurch jhre und seine/ vielleicht auch wol jhrer lieben Eltern Seele zu- gleich ausgangen waͤre; er vor sein Haͤupt hielte es nicht vor eine Liebeswirkung/ sondern vor eine verzweifelte Raserey/ welches jhre Seele dermassen unwert und abscheuhlich wuͤrde gemacht haben/ daß die seine in jener Welt sich nimmer zu ihr genahet haͤtte. Das verliebete Herz empfand diese Zuͤchtigung fast todes masse; gefiel aber den Eltern sehr wol/ insonderheit/ daß/ wie sie sich zu jhm nahete/ ihn zu uͤmfangen/ eꝛ sich dessen ausdꝛuͤklich we- gerte/ dafern sie jhm nicht an aͤidesstat versprechen wuͤrde/ solcher unmenschlichen Gedan- ken forthin allerdinge muͤssig zugehen/ ob gleich sein ertoͤdteter Leib vor jhren Fuͤssen laͤge; dann/ sagte er/ ich bin kein Gott/ daß ihr euch mir zum Opfer daꝛstellen woltet; uͤberdas seyd jhr mir Traͤue und Beywohnung schuldig (wie ich euch im gleichen); aber im Tode sol- let ihr mir trauen keine Geselschafft leisten/ biß so lange es den Goͤttern gefaͤlt; Und moͤget ihr wol den Goͤttern und dieser eurer heutigen Schuz Goͤttin (auf Frl. Sibyllen zeigend) danken/ die ein so grobes Laster uñ unverantwortliche uͤbeltaht von euch abgekehret habẽ. Ists nicht uͤberal leichtsinnig/ fuhr er fort/ daß man auff ein blosses Geschꝛey/ da kaum icht- was nichtigers in der Welt seyn kan/ man ihm selbst den Todesweg mit dem Messer oͤfnen wil? In der warheit/ wann euch dieser Sinn waͤhre vor dem Kopf geschrieben gewesen/ wuͤrde es kraͤftig genug gewesen seyn/ mich von eurer Liebe abzuschrecken; dañ/ koͤnte man- nicher gedenken/ wessen solte ein solches erzuͤrnetes Weibsbilde verschonen/ die mit ihr sel- ber kein Mitleiden traͤget? Er wolte weiter fortfahren/ sahe aber/ daß sie mit thraͤhnenden Augen sich zum Fußfalle zubereitete/ daher er ihr aus einem gelinderen Fasse einschenkete/ und nachdem er sie bey der Hand gefasset hatte/ zu ihr sagete: Nun ich trage dieses Ver- trauen zu euch/ ihr werdet meinem Begehren nach/ miꝛ eine aͤidmaͤssige Veꝛheissung tuhn/ daß zeit eures Lebens ihr dessen euch nit mehr unternehmẽ wollet/ aber wo ich lebe/ sollet ihr meiner Frl. Schwester gestochene Handwunde schwer gnug buͤssen. Sie kam hieselbst erst recht zur Erkaͤntnis ihres groben Irtuhms/ gelobete traͤulich an sich solcher Untaht her- naͤhst alleꝛdinge zuenthalten/ und empfing daꝛauff voͤllige Vergebung; nach welchem Veꝛ- gleich er zu dem Fraͤulein trat/ kuͤssete sie freundlich/ und baht seines Gemahls wegen uͤmb Verzeihung/ neben dem Versprechen/ er wolte es dereins auff ihrem Beilager dergestalt zuer- Anderes Buch. zuerkennen wissen/ daß seine Dankbarkeit daher solte gespuͤret werden. Fr. Sophia selbst fiel ihr uͤm den Halß/ herzete und kuͤssete sie/ und schwuhr/ diese ihre grosse und uͤberschwe- sterliche Traͤue nun und nimmermehr aus jhrem Gedaͤchtnis kommen zulassen. Inzwi- schen fragete der Stathalter seinen Sohn/ ob nicht Herꝛ Kornelius auff sie gestossen waͤh- re; und vernam/ daß sie denselben nicht angetroffen/ weil sie nicht die Heerstrasse/ sondern einen richtigern Nebenweg genommen haͤtten. Ich danke den Goͤttern/ sagte der Vater weiter/ daß eure Niderlage bloß ertichtet ist; aber wer mag doch lust haben/ dergleichen schaͤndliche Luͤgen auszusprengen? Ladisla antwortete; seines Erachtens waͤhre es ein Ir- tuhm/ und ruͤhrete daher/ daß seine Frl. Schwester in Gestalt und Kleidung eines Juͤng- linges sich haͤtte lassen gefangen nehmen/ welchen etliche vor Herkules moͤchten gehalten haben. Erstward Fr. Sophia durch Frl. Helenen anzeige/ der fremden Jungfer gewahr/ und fragete Ladisla/ wer sie waͤhre. Er gab zur Antwort; Sie waͤhre hohes Adels aus sei- nem Koͤnigreiche/ und die Vornehmste des Frauenzimmers seiner Frl. Schwester/ welche sie vorgestriges Tages aus etlicher Raͤuber Haͤnden erloͤset haͤtten. Darauff trat sie zu ihꝛ hin/ uͤmbfing sie freundlich/ und hieß sie sehr wilkommen seyn/ baht auch uͤm Verzeihung/ daß man sie so lange unangeredet stehen lassen; dessen die ergangene Verwirrung Ursach waͤhre. Diese bedankete sich untertaͤhnigst/ wiewol mit etwas anderen Geberden und Lei- besneigungen/ als in Italien bꝛaͤuchlich wahr/ schaͤtzete sich unfaͤhig der hohen Ehre/ die ihr einer unwirdigen angetahn wuͤrde/ sintemahl sie sich bloß vor ihrer Gn. Dienerin eꝛkeñen muͤste; moͤchte aber von Herzen wuͤnschen/ daß ihr gnaͤdigstes Frl. selber gluͤklich ankom- men/ und ihre geliebte Fr. Schwester und Schwaͤgerin kuͤssen und uͤmfangen moͤgen; baht hierauff/ uͤmb Verzeihung ihrer ungeschikten Rede/ weil sie die lateinische Sprache zureden ungeuͤbet waͤhre/ und ihr weniges durch Unterrichtung ihrer gnaͤdigsten Fraͤulein gefasset haͤtte. Fr. Sophia bezeugete mit ihren Traͤnen/ wie herzlich leid ihr der Fraͤulein Verlust waͤhre/ hoffete doch zu den Goͤttern/ sie wuͤrden sich ihrer gnaͤdig annehmen/ und sie vor Lebens- und ehren-Gefahr beschuͤtzen. Die Boͤmischen Gesanten wahren nicht al- lein wegen der Fraͤulein Verlust sehr betruͤbet/ sondern weil ihnen auch die Zeitung von ihres Koͤniges Tode zu Ohren kommen wahr/ hielten sie sich nicht anderst als verzweiffel- te Leute/ und hatten sich kurz vor Ladisla Ankunfft ungessen und ungetrunken zur Ruhe ge- legt. Der Stathalter aber lies ihnen andeuten/ sie moͤchten ihren grossen Kummer maͤs- sigen/ nach dem ihr Koͤniggesund und ohn alle zugestossene Gefahr wieder angelanget waͤh- re; Worauff Bugesla sagete: Ey Gott lob/ so sind wir ja noch nicht gar zu Waͤysen woꝛ- den/ weil unser Koͤnig noch im Lebẽ ist. Die Verwirrung und Freude der Geselschafft war so groß/ daß sie nach Herkules zufragen eine gute Zeit vergassen/ biß Sibylla ahnete/ wo sie ihn gelassen haͤtten; Und Fabius darauff anzeigete/ er waͤhre auff gut Gluͤk mit einem gefangenen Raͤuber Haͤuptmann als ein neugeworbener Raͤuber Bursche von ihnen ge- schieden/ das verlohrne Fraͤulein außzukundschaffen/ und nachdem er vernommen/ daß sie schon in ander Raͤuber Haͤnden/ und nach dem Meere auff ein Schiff gebracht waͤhre/ haͤtte er sich mit dem Raͤuber Haͤuptmann auch zu Schiffe gesetzet/ ihꝛ zu folgen. Alle An- wesende hatten Herkules Liebe gegen das Fraͤulein aus seinen damahligen Geberden zur Gnuͤge verspuͤret/ ob sie gleich dessen sich nicht merken liessen. Und als der Stathalter hoͤ- rete/ Anderes Buch. rete/ daß er allein der geraubeten nachgezogen waͤhre/ sagete er: es gibt dieser Heldgnug- sam an den Tag/ wie hoch er dieses Fraͤulein schaͤtze; und weil er in allen stuͤcken so gar volkommen ist/ auch nichts unvolkommenes hoch achtet/ muß ausser zweiffel dieselbe uͤbeꝛ viel andere mittreflichen Gaben des guͤnstigen Himmels gezieret seyn. Libussa/ aus getrieb uͤbermaͤssiger Liebe gegen ihr Fraͤulein/ kunte nicht umbhin/ derselben Ruhm zusprechen/ und gab dem Stathalter diese Antwort: Ja Gnaͤdiger Herr; mein gnaͤdigstes Koͤnigli- ches Fraͤulein/ Frl. Valißka/ mag ich wol mit hoͤchstem Fuge die treflichste Zucht der Welt nennen/ welchen Ehren-Nahmen ihr kein bekanter Mensch mißgoͤnnen wird; dann ihre Tugend/ Verstand und Schoͤnheit uͤbersteiget die gemeine Art sehr hoch; ihre Fertigkeit im schiessen hat noch keiner uͤbertroffen; ihr Herz ist so gar ohn Furcht/ daß sie lieber stuͤr- be/ als dessen einiges Zeichen blicken liesse/ da sie doch vor weniger Zeit das funffzehnde Jahr erst hinter sich geleget hat. Mein Herꝛ Fabius wird zeugen/ daß sie sieben streitbah- re Raͤuber/ teils mit Pfeilen/ teils mit dem Schwert erleget hat/ uñ jhren ganzen Hauffen getrotzet/ als ob sie jhre Gebieterin waͤhre. Mein gnaͤdigster Koͤnig weiß selber/ das Ver- halten ihrer kindlichen Jugend/ welches nicht kindisch wahr/ da sie einen grimmigen Och- sen mit ihrem Brotmesserchen bestanden uñ ertoͤdtet hat; wil aniezt geschweigen/ was voꝛ unaussprechliche Gefahr sie neulicher Zeit nach der Herꝛn Gesanten Abzug ausgestandẽ/ und sich aus den Haͤnden vieler Raͤuber nicht ohn grosses Blutvergiessen und erschrekli- che Wassersgefahr loßgearbeitet hat. Das Vornehmste aber/ welches alle so sie kennen/ am hoͤchsten an ihr lieben und loben/ ist jhre uͤberaus demuͤhtige Freundligkeit und keusche Zucht/ wodurch sie aller Menschen Herz dermassen an sich zeuhet/ daß jederman ihr biß in den Tod muß gewogen seyn; daher auch der Durchl. Fuͤrst Herꝛ Herkules/ als ein naͤ- hester Blutfreund bewogen ist/ sie bruͤderlich zulieben/ wiewol ihre Kundschaft sehr gerin- ge/ sie auch in langer Zeit eines von dem andern nichts gewust noch erfahren haben. Allen Anwesenden kamen die lezten Worte fremde vor. Der junge Fabius antwortete darauff: Ich hoffe zu den Goͤttern/ das Gluͤk der Kundschafft dieser Koͤnigl. Fraͤulein zuerlangen/ die ohn allen zweifel ganz unvergleichlich seyn muß; und ist mir schon dieses Gluͤk zuge- stossen/ daß ich ein gedoppeltes Gedechtnis von ihr habe. Zohe damit seinen Anteil Haar hervor/ wickelte sie von ander/ und im hinreichen sagte er zu seiner Schwester; sihe da/ diß allerschoͤnste Haar/ desgleichen ich nie gesehen/ ist auff dieser Fraͤulein Haͤupte gewachsen/ welches sie ihr selber abgeschnitten/ damit sie vor ein Mannesbilde moͤge angesehen wer- den; und ist dieses kaum der vierde Teil. Ladisla gab ihr seines darzu/ welches sie alle mit Verwunderung besahen/ Fr. Sophia es auch kuͤssete/ und diesen Wunsch hinzu taht; O ihr Goͤtter/ seyd gnaͤdig diesem euren treflichen Geschoͤpf/ und goͤnnet mir diese Vergnuͤ- gung/ daß ich meine hoͤchstwirdige Frl. Schwester ehist uͤmfahen/ und an ihrer lieben Ge- genwart mich ergetzen moͤge. Sie sassen fast biß an den Morgen beyeinander/ liessen ihnen kalte Kuͤche auftragen/ und legten sich darauff zur Ruhe/ da Frl. Sibylla Jungfer Libus- sen zur Schlaffgesellin waͤhlete/ welche solches gerne bewilligte. Des folgenden Tages lies der Stathalter die Urtel wider den raͤuberischen Wirt ergehen/ daß er erstlich mit Ruhten solte gestrichen/ hernach ans Kreuz gehenket werden; doch ehe solches volzogen ward/ trat der alte Fabius mit seinem Schwieger Sohn und Sohn zusammen/ umb zubetrachten/ P p wie Anderes Buch. wie man in der Fraͤulein Nachsuchung Herkules am besten beyspringen koͤnte. Ladisla waꝛ willens/ eine zimliche Schifffart auszuruͤsten; aber der Stathalter gab sein bedenken/ es waͤhre sehr gut/ wann man Nachricht haben koͤnte/ an was ort uñ enden sie zusuchen waͤh- re/ dann biß dahin wuͤrde alles vergeblich seyn/ wie fleissig man auch das Meer durchstri- che; zugeschweigen/ daß die Raͤuber nicht seumen wuͤrden/ sie in Sicherheit zubringen; wuͤste man nun/ sagte er/ aus was Landschafft sie waͤhren/ alsdann haͤtte man vorerst sich zuerklaͤren/ was vor Hafen zubesuchen seyn wuͤrden. Ladisla antwortete: Ja wann aber inzwischen mein Herkules selbst in Ungluͤk geriete/ und keine Gelegenheit haͤtte/ an uns zu schreiben? Und zwar kenne ich seinen Sinn aus der Erfahrung gar zu wol; massen als voꝛ ohngefehr zwey Jahren und drey Monaten er gefangen/ und als ein Leibeigener zu Rom verkaufft ward/ haͤtte erleicht an mich schreiben/ und mir seinen Zustand berichten koͤñen/ daß ich mich bemuͤhet haͤtte/ ihn frey zu machen; aber da ließ er sich lieber anderthalb Jahr als ein Sklave halten/ daß er seinen Eltern und mir keinen Unmuht machen moͤchte; wie- wol eine andere Neben-ursach darzu kam; daher weiß ich/ wann er gleich in Ketten und Banden laͤge/ wuͤrde er michs unberichtet lassen/ wie gute Gelegenheit er auch haben moͤchte/ an mich zuschreiben/ weil er immerzu fuͤrchtet/ mich zu hoch zuerschrecken/ oder dz seinetwegen ich mich etwa in Gefahr wagen wuͤrde. Ja ich mache mir fast die Gedanken/ er habe mich/ ihm zufolgen/ bloß deßwegen abmahnen lassen/ damit ich nicht in Ungelegen- heit gerahten moͤge. Mein geliebter Herr Sohn/ sagte der Stathalter; es ist nicht ohne/ daß/ die wenige Zeit ihr bey mir gewesen/ ich euer beyder tuhn und lassen zimlich angemer- ket und erfahren/ daß wie ihr euren Herkules liebet und ehret/ also laͤsset er ihm eure Wol- fahrt und Vergnuͤgung von Herzen angelegen seyn. Herr Vater/ antwortete er; Ich weiß selber nicht/ wie ihm eigentlich ist; dann wie geheim und bekant wir gleich einander sind/ so treibet mich doch eine innerliche Krafft/ ihn zu ehren/ ungeachtet er sich dessen taͤg- lich gegen mich beschweret. Vor dißmahl fuͤrchte ich/ er werde durch diese Gelegenheit/ meine Frl. Schwester zu suchen/ mich gar verlassen; Dann weil er weiß/ daß zeit meines Lebens ich mit willen mich von ihm nicht scheide/ und er aber mir nicht goͤnnen wird/ mit ihm umher zureisen/ haͤtte er bessere Gelegenheit nicht haben moͤgen/ sich von mir abzuzi- hen; Und O wie mag er wol etliche Zeit schon darauff gesinnet haben/ wie er sich heimlich hinweg machen koͤnte/ wiewol er vor dißmahl nicht unterlassen wird/ meiner Frl. Schwe- ster fleissig nachzuforschen. Ausser allem zweiffel wird er alles Vermoͤgen dran strecken/ sagte der Stathalter/ in Betrachtung seiner hohen Neigung gegen dieses Fraͤulein/ wo- von aber zu reden/ mir vielleicht nicht gebuͤhren wil. Ladisla lachete deß/ und versicherte ihn/ daß seines wissens keine andere Gewogenheit zwischen ihnen beyden waͤhre/ als die aus deꝛ nahen Verwandschafft herruͤhrete/ in Betrachtung/ sie in zwey Jahren und laͤnger/ einan- der nicht gesehen/ und die erste Jugend ihnen jensmahl keine Liebe einbilden moͤgen/ da Her- kules mit mir nur VI Wochen zu Prage wahr/ sagte er/ und mit ihr wenig und selten um- ging/ auch er nur XIX Jahr/ sie aber kaum XIII Jahr alt wahr/ und mag mein Herr Vater mir wol glaͤuben/ daß mein Herkules erst vor zween Monat in das XXII ste Jahr eingetre- ten ist. Was saget ihr mir von XXII Jahren? sagte der Stathalter/ ist es dann moͤglich dz bey solcher Jugend ein so treflicher Verstand/ eine solche Staͤrke/ Erfahrenheit/ Vorsich- tig- Anderes Buch. tig- und Hoͤfligkeit gefunden werde? Und als Ladisla solches bestendig bejahete/ mit dem Anhange/ daß er drey Jahr weniger vier Wochen und vier Tage aͤlter als Herkules waͤh- re; sagte Herr Fabius: O ihr Goͤtter/ so erhaltet doch dieses Wunder der Welt/ daß es nicht in der ersten Bluͤte vergehen/ sondern der Erdbodem seiner herlichen Fruͤchte noch manniche Zeit geniessen moͤge. Ladisla kam auff sein voriges/ und ließ sich heraus/ daß er auff Herkules versprochenes Schreiben zum laͤngsten noch zehn Tage warten wolte. Weil solches dieses Orts vorging/ wolte Libussa ihrer/ Herkules getahnen Zusage nachkommen/ welches sie durch Frl. Sibyllen Vorschub hoffete ins Werk zurichten/ deren sie sich gar diensthafft und ehrerbietig erzeigete/ und aus allen ihren Reden spuͤrete/ daß sie eine sondeꝛ- liche Neigung gegen ihn trug; gab ihr demnach zuvernehmen/ wie dieser Fuͤrst es vor gut angesehen/ daß sie zu Padua verbliebe/ biß sie von seiner Durchl. oder von dem Koͤnigl. Fraͤulein schrifftliche Zeitung haͤtte; nur wuͤste sie nicht/ ob ihre gnaͤdigste Koͤnigin Frau Sophia darein gehehlen wuͤrde. Aber diese gab zur Antwort: Machet ihr euch deswegen wol einige Gedanken? ich versichere euch/ meine Freundin/ daß meiner Frau Schwester nichts angenehmers begegnen wird/ als wann sie hoͤren sol/ dz sie euch in ihrer Geselschaft mag behalten/ umb von der Koͤnigl. Fraͤulein bessern Bericht einzunehmen. Die Boͤhmischen Gesanten/ als sie desselben Morgens mit ihrem Koͤnige viel und mannicherley geredet hatten/ hielten untertaͤhnigst umb Abfertigung an/ mit Bitte/ ihre Gn. gegen ihre Fr. Mutter sich schrifftlich erklaͤren moͤchte/ wie es mit des Reichs Be- herschung ferner solte gehalten werden. Ladisla willigte in ihren Abzug/ und berichtete die Koͤnigin im Briefe auffs glimpflichste/ wz gestalt seine Frl. Schwester durch etliche Raͤu- ber entfuͤhret waͤhre/ denen aber Herkulesschon gefolget/ sie zu retten; und daß solches um so viel gewisser geschehen moͤchte/ waͤhre er willens/ mit einer ansehnlichen Manschafft auch fortzugehen/ weil sie gewisse Kundschafft haͤtten/ daß sie nicht allein annoch im Lebẽ/ sond’n auch alsein verstelleteꝛ Juͤngling ausse Gefahr ihrer Ehren waͤhre. Endlich meldete er/ daß bey Zeigern Ihren Gesanten er 600000 Kronen uͤberschickete/ wovon 400000 Kronen denen/ welche aus gutem Herzen die zu seiner Reise verordneten Gelder zusam̃en geschossen/ solten ausgeteilet werden/ so daß ein jeder den vierden Pfennig uͤberschuß zu- geniessen haͤtte; dz uͤbrige wuͤrde sie zur Besserung der Festungen anzuwenden wissen. Ehe er den Brieff endigte/ gaben die Gesanten sich bey ihm an/ und brachten vor/ was gestalt vor weniger Zeit der junge Koͤnigliche Großfuͤrst der Franken und Sikambern in Galliẽ/ umb Frl. Valisken Heyraht sehr instaͤndige Anwerbung getahn/ worin sie aber durchaus nicht einwilligen/ noch einige Geschenke von dem Gesanten annehmen wollen/ alles unter dem Vorschutz/ sie haͤtte ihrem Herr Bruder aͤidliche Verheissung getahn/ ohn sein Vor- wissen und ausdruͤkliche Bewilligung sich weder zuverheyrahten noch zuverloben/ dz dem- nach der Gesanter mit solcher Antwort haͤtte muͤssen abzihẽ/ welcher ohn zweiffel sich bald wieder einstellen wuͤrde/ umb bessere Erklaͤrung zu hohlen. Ladisla verwunderte sich uͤber dieser Erzaͤhlung/ und weil das Fraͤulein solche Verheissung nicht getahn/ er sie auch von ihr nie begehret hatte/ muhtmassete er daher gaͤnzlich/ sie wuͤrde mit Herkules in heimlicheꝛ Liebe stehen/ und sich zu ihm versehen/ daß er sie demselben am liebsten goͤñete; sagete dem- nach zu den Gesanten: Meine Frl. Schwester hat loͤblich gehandelt/ daß sie ihꝛes mir teur P p ij gelei- Anderes Buch. geleisteten aͤides eingedenk gewesen/ und solcher Heyraht sich noch zur Zeit entbrochẽ hat; solte nun deswegen in ihrer Abwesenheit weitere Anwerbung erfolgen/ muͤste er mit lauter zweifelhafftiger Antwort abgespeiset werden/ biß auff seine und der Fraͤulein Gegenwart zu Prage/ massen er gleicher gestalt seiner Frl. Schwester beteurlich verheissen haͤtte/ sie an niemand wider ihren Willen zuverheyrahten. Und daß solches nicht aus der acht gelassen wuͤrde/ taht er dessen in seinem Briefe an die Koͤnigin/ Erwaͤhnung. Wahr sonst aus hos- nung kuͤnfftiger Heyraht zwischen ihr und Herkules so vergnuͤget/ daß er aller Traurigkeit vergaß. Nach Schliessung des Schreibens fuͤhrete er die Gesanten mit sich zu Tische/ uñ da sie im Esse Saal versamlet wahren/ sahe Libussa ihrer Fraͤulein annoch verschlossene Wetscher stehen/ und fragete/ ob sie nicht waͤhren befichtiget worden. Fr. Sophia antwoꝛ- tete/ sie waͤhren zeit wehrender angst wegen der Fraͤulein Verlust herauff getragen/ und haͤtte sider dem kein Mensch weiter dran gedacht/ wie sich dann ohn das nicht gebuͤhrete/ anderer Leute verschlossene Sachen zuoͤffnen. Ladisla hieß sie auff Libussen anhalten auff- machen/ auch das Seiden Gewand/ welches den Raͤubern wieder abgenommen wahr/ herbey bringen/ und funden sie allerhand koͤstliche Kleinot/ damit er beydes sich und sein Gemahl ausschmuͤcken solte. Die guͤldene und silberne Tuͤcher zur Kleidung wahren gar fremder Art/ mit allerhand schoͤnen Blumwerk/ auch Bildern mancherley Tihren durch- wirket/ welches alles er seiner Liebsten mit betruͤbtem Herzen einreichete/ wuͤnschend/ dz sol- ches alles nebest den in der Raͤuber Hoͤhle gefundenen Schaͤtzen in Abgrund des Meers moͤchte versenket/ und hingegen nur das Fraͤulein gerettet seyn. Fr. Sophia nam es mit weinenden Augen an/ und sagete: Ach wer weiß/ in was wilder Fluht das allerliebste Herz- chen jetzo unter den See Raͤubern daher faͤhret? Sie fehlete auch hieran gar nicht; dann so bald die Raͤuber mit ihr zu Schiffe gangen wahren/ seumeten sie sich nicht/ sondern ge- braucheten sich des guten Windes/ und segelten Tag und Nacht auff dem Adriatischen Meer Sudost werz/ strichen an Griechenland her/ und legten zuerst bey dem Eylande Kre- ta an/ welches jezt Candia genennet wird. Sie hielten aber diesen ihrẽ vermeynten Juͤng- ling/ welcher sich Herkuliskus nennete/ neben Jungfer Brelen sehr wol/ und durffte sich niemand an ihnen vergreiffen/ meyneten auch/ es waͤhre grosser Schade/ daß der Himmel nicht ein Weibsbild aus ihm gemacht haͤtte/ nachdem er mit so volkommener Schoͤnheit begabet waͤhre; insonderheit wahr der Dolmetscher den beyden Gesangenen sehr gewo- gen/ hatte sich auch in Brelen hefftig verliebet/ uñ hoffete durch Herkuliskus Befoderung sein Vornehmen zum gewuͤnscheten Ende auszufuͤhren/ und sie endlich zu ehelichen. Er wahr ein gebohrner Grieche/ hohes Adels von Athen/ nahmens Alexander/ und hatte in seinem Vaterlande schon unterschiedliche Ehrenaͤmpter bedienet; weil eꝛ aber einẽ Rahts- herren daselbst/ der ihm den meisten Teil seiner Guͤter wider Recht vorenthielt/ aus Zorn entleibet hatte/ muste er die Flucht ergreiffen/ da er umb desto mehrer Sicherheit willen in die abgelegenen Morgenlaͤnder ausser Roͤmische Grenzen sich begeben/ und in Kundschaft dreyer vornehmer streitbahrer Parthischen Herren gerahten war/ welche in ihrer Jugend ihr vaͤterliches Erbe unnuͤzlich verschwendet hatten/ daß ihnen an Standes Unterhalt schon begunte abzugehen. Alexander sahe/ daß sie beherzt und guter Faͤuste waren/ deshal- ben schlug er ihnen beym Trunke ein Mittel vor/ daß wann sie etwa eine Tonne Schaz baaꝛ wuͤsten Anderes Buch. wuͤsten auffzubringen/ wovor man ein festes Schiff kaͤuffen/ auch Schiffleute und Sold- ner bestellen koͤnte/ wolte er neben ihnen sich auff das Mittelmeer begeben/ und in kurzer Zeit einen solchen Schaz erwerben/ daß sie forthin sich der Armut nicht zubesorgen haͤt- ten; massen des Orts umbher guter Friede waͤhre/ und die Kauffhandelung stark zur See fortginge/ daß wann das Gluͤk es fuͤgete/ man offt auff einem Schiffe etliche Tonnen Gol- des wert antraͤffe. Diese drey liessen ihnen den Vorschlag wol gefallen/ richteten auch mit ihm einen schrifftlichen Verbuͤndniß-Schluß auff/ daß ihm der vierde Teil aller Beute/ nach Abzug ihres vorschusses und angewanden Kosten/ und was die bestelleten Voͤlker nehmen wuͤrden/ getraͤulich solte außgefolget werden; verschwurẽ sich mit einander auffs allerhoͤchste/ bruͤderliche Traͤue und einigkeit fest und unbruͤchig zuhalten; einer den an- dern in keiner Noht zuverlassen/ noch wegen kuͤnfftiger Teilung Streit oder uneinigkeit anzurichten; solte auch niemand unter ihnen macht haben/ die Verbuͤndnis oder Gesel- schafft zuverlassen oder auffzuruffen/ biß nach vollendeter Schiffart sie wieder zu Lande getreten/ und die Parthischen Grenzen erreichet haͤtten/ es geschehe dann mit ihrer aller guten Bewilligung/ und solten hieselbst nicht die meisten Stimmen gelten/ sondern ohn arge List alles gehalten werden. Diesem nach richteten sie ihr Vorhaben eiferig ins Werk/ kaufften zu Seleuzien in Syrien ein fest-gebauetes Schiff/ nahmen bey 300 Boßknechte und Soldaten an/ vorgebend/ sie waͤhren Kauffleute/ und gedaͤchten umb Affrika hin nach dem Indischen reichen Eylande Taprobana zu saͤgeln/ und daselbst ihre Handelung fort- zusetzen. Als sie das Fraͤulein raubeten/ hatten sie ihre Seeplackerey schon anderthalb Jahr getrieben und manniches Schiff geplundert/ in den Grund gebohret/ und einen grossen Schaz zusammen gelegt/ daß sie schon auff der Wiederkehr wahren/ und nach Parthen zugedachten/ weil sie so wol in Afrika als Spanien und der Ends es so grob gemacht hat- ten/ daß man ihnen begunte nachzutrachten. Sie hatten aber beschlossen/ unsern Herku- liskus und Brelen wegen ihrer vortreflichen Schoͤnheit dem grossen Parther Koͤnige Ar- tabanus zum sonderlichen Geschenk einzuliefern/ als welcher von allenthalben her schoͤne Jungfern außspuͤren/ und in sein Frauenzimmer versperren ließ/ seinen geilen Mutwillen zuersaͤttigen/ uñ wurden die schoͤnẽ Knaben nach abscheuhlichem heidnischem Gebrauch/ ihrer Mannheit beraubet/ und des Frauenzimmers zu huͤten abgerichtet/ und daß ich mich zumelden scheuhe/ zur Sodomitischen Unzucht gebrauchet. Alexander hatte diesen Vor- schlag der Verschenkung selber getahn; nachdem er aber seine Liebe auff Brelen geworf- fen/ gereuete ihn solches/ trachtete auch nach Gelegenheit/ sie entweder mit seiner Gesellen gutem Willen zuerhalten/ oder nach gemachter Teilung sie an einem Orte heimlich zuver- stecken/ da er nur hierzu der Jungfer Willen erhalten koͤnte. Herkuliskus merkete seine gu- te Zuneigung gegen sie/ ließ ihm solches wolgefallen/ und hoffete/ es solte zu seiner Erloͤ- sung guten Vorschub tuhn; massen er gnugsam spuͤrete/ daß allein durch se ine anordnung ihnen so viel gutes wie derfuhr. Als sie/ wie obgemeldet/ bey Kreta anlangeten/ uñ er mer- kete/ daß sie daselbst außsteigen wuͤrden/ baht er Alexander umb Urlaub/ mit an Land zutre- ten: er waͤhre des Meeres ganz ungewohnet und befuͤnde sich nicht allerdinge wolauff; doch solte er nicht argwohnen/ als suchete er Gelegenheit zuꝛ Flucht; dañ er wolte sich aͤid- lich verbinden/ nicht von ihnen zuweichen noch einige Ungelegenheit zuerwecken/ sondern P p iij sich Anderes Buch. sich etwa ein Stuͤndichen unter dem Schatten jener lustigen Baͤume zuerquicken. Alexan- der wolte ihm solches nicht abschlagen/ und warb es bey seiner Geselschafft auffs beste; welche es aber nicht vor rahtsam hielten/ angesehen es sich leicht begeben moͤchte/ daß ei- ner seiner bekanten ihnen auffstiesse/ woruͤber sie umb Gut und Leben kommen duͤrfften. Dieser antwortete; es waͤhre diese Furcht vergeblich/ massen die Gefangene dieses Orts ganz unbekant/ und aus weit abgelegenen Westnordischen Laͤndern waͤhren; wuͤrden auch nur unter den naͤhestẽ Baͤumen sich ein wenig aufhaltẽ/ da man ihnen gnugsame Huht uñ Wache zu geben koͤnte; man muͤste ihnen ein wenig Willen und Freyheit goͤnnen/ und ihre zarten Leiber betrachten; wie leicht koͤnte es geschehen/ daß ihnen wegen Unmuhts und des Meers Ungewohnheit/ einige Krankheiten/ ja der Tod selber zustiesse; was ihnen alsdañ mit den todten Leichnamben wuͤrde gedienet seyn; hielte demnach vor rahtsam/ ihnen die- ses begehren einzuwilligen. Hiemit bewaͤgete er sie/ daß sie endlich zu frieden wahren/ und sie mit sich auffs Land fuͤhreten; gaben ihnen doch zehn Huͤter zu/ und liessen sie an der Heerstrasse eine halbe Welsche Meile vom Meer/ unter etlichen Nußbaͤumen ihre Ruhe halten. Herkuliskus sahe der Baͤume einen am Wege stehen/ so noch jung wahr/ ging hinzu/ und schnitte mit einem kleinen Messer folgende Lateinische Worte mit Boͤhmischeꝛ Schrifft gar zierlich hinein: Valisca, nunc Herculiscus, in Parthiam ducta. Das ist: Valis- ka/ lezt Herkuliskus genennet/ ist nach Parthen gefuͤhret. Und ob man gleich diese Buchstaben nicht lesen kunte/ zweiffelte sie doch nicht/ daß sie in wenig Tagen sich oͤffnen undgnug auß- wachsen wuͤrden. Weil er nun mit Jungfer Brelen allein/ und von den Huͤtern zimlich abgesondert wahr/ daß sie ihr Gespraͤch nicht vernehmen kunten/ welches sie ohn daß nit wuͤrden verstanden haben/ wolte er diese Gelegenheit nicht lassen vorbey gehen/ und sagete zu ihr: Herzliebes Kind/ ich sehe aus Alexanders beginnen/ daß er eine sonderliche Liebe zu euch traͤget/ welches auch die einige Ursach ist/ daß man uns so schoͤn tuht; so haltet euch nun nicht unfreundlich oder stoͤrrisch gegen ihn/ damit uns nicht aͤrgers wiederfahre. Er hat mir seinen Stand zuwissen gemacht/ und ist von gutem Adel; dafern nun seine Liebe gegen euch auff Ehre und Treue gegruͤnder waͤhre/ wie ich nicht zweiffele/ und ihr mit ihm koͤntet friedlich seyn/ wuͤrde solches zu unserm besten erspriessen. Ihr habt vernommen/ wie man willens ist/ uns dem Parther Koͤnige zuzufuͤhren/ welches trauen auff Ehre nicht kan angesehen seyn; dann die groben Morgenvoͤlker sind vor anderen der Unkeuscheit er- geben; offenbahret mir derwegen euer Herz und Willen/ daß ich wisse/ wie ich auff allen Fal mich gegen Alexander zu verhalten habe. Brela wahr eines vornehmen Boͤmischen Herren Tochter/ wiewol Elterlos/ und von Jugend auff im Koͤniglichen Frauenzimmer erzogen/ hatte nunmehr das XIIX de Jahr erreichet/ und wahr eine sitsame schoͤne Jung- fer. Als sie das Fraͤulein also reden hoͤrete/ lachete sie anfangs daruͤber/ und zeigete an; al- lem muhtmassen nach wuͤrden ihre Gn. sich in diesen Gedanken irren/ und fuͤrchtete sie gar sehr/ Alexander haͤtte ihre Verstellung etwa gemerket/ und in sie selbst sich verliebet/ welches daher zuschliessen/ daß er sich ungleich mehr ihrer Gn. als ihrer geringfuͤgigkeit nahete. Herkuliskus bedachte sich hierauff ein wenig/ uñ bald sagete er zu ihr; Nein mein Kind/ du bist ganz unrecht dran/ und erinnere ich mich anjezt etlicher Reden/ so ich von ihm gehoͤret/ und daraus versichert bin/ daß er sein ganzes Absehen allein auff dich hat. Die Anderes Buch. Die Jungfer solches hoͤrend/ fing an inniglich zu weinen/ und gab zur Antwort. Solte die- sem also seyn/ wolte ich wuͤnschen/ ich waͤhre entweder von den ersten Raͤubern im Fleckẽ/ oder von den andern im Walde erschlagen/ oder wuͤrde noch von ihnen ins Meer gestuͤr- zet. Herkuliskus antwortete: O du meine liebe und getraͤue Brela/ du sihest ja/ daß weinen und wuͤnschen uns zu nichts helffen kan/ sonst wolte ich auch noch wol Traͤhnen und Wor- te finden; sondern weil Gott uns in diese Noht hat fallen lassen/ muͤssen wirs gedultig er- tragen/ und unsern Wiz gebrauchen/ insonderheit unsern Willen zwingen/ und annehmẽ/ was uns werden kan/ wann wir nit haben moͤgen/ was wir begehren; ich vor mein Haͤupt sehe trauen nicht/ was an Alexandern zu tadeln waͤhre/ ohn daß ihn Ungluͤk zum Seeraͤu- ber gemacht hat. Ach mein Fraͤulein/ antwortete sie/ ich bitte/ mir gn. zuverzeihen/ daß der- selben ich meine Heimligkeit offenbahre; Es weiß ihre Gn. daß Ritter Neda/ Herr Kro- kus Sohn sich eine zeitlang zu Prag am Koͤniglichen Hofe/ wider seine Gewohnheit hat finden lassen, mit demselben bin ich in vertrauliche Freundschafft gerahten/ weil ich mich seiner straͤngen Anlaͤuffe laͤnger nicht erwehren moͤgen/ und endlich/ da meine Verwanten und seine Eltern es bewilligen wuͤrden/ ich ihm eheliche Traͤue versprochen habe/ welche ich nicht werde brechen koͤnnen. Du hast recht getahn/ antwortete sie/ dz du dieses getraͤuẽ Liebhabers Neigung hast erkennet/ und ersetzen wollen/ uñ bin ich selbst mit dieser Heyraht schon etliche Zeit umgangen; wann es dir nun frey stehet/ ihm das verheissene zu halten/ tuhstu recht und wol; aber/ so viel ich merke/ gedenkestu/ du sitzest zu Prag in meinem Zim- mer; weist du nicht/ daß wir gefangene Leute sind? weistu nicht/ wohin man uns fuͤhret? wird auch der Parther Koͤnig nach Boͤhmen senden/ und dir deinen Ritter Neda hohlen lassen? oder wird Neda mit zehnmahl hundert tausend Mann kommen/ dich abzuhohlen? O nein/ dieses ist vor dißmahl die Frage nicht/ ob du lieber Ritter Neda als Alexander hey- rahten wollest; sondern/ ob du/ da es dir so gut werden kan/ lieber eines Griechischen reichẽ aͤdelmans eheliches Weib seyn/ und mit ihm in Boͤhmen/ oder wo es dir geliebet/ ein freyes Leben fuͤhren; oder aber des Koͤniges der Parthen Kebsweib/ und da er deiner muͤde/ der andern Magd seyn/ ja auch wol gar einem unflaͤtigen Stallbuben zum Mißbrauch dich verschenken lassen wollest. Brela antwortete: Ach ihr Goͤtter! jezt sehe ich erst/ in was un- gluͤk ich gerahten bin; und wolte Gott/ dz ich unter diesem Baume mein Leben endẽ solte! O haͤtte ich doch so viel herzens/ miꝛ selbst den Tod anzutuhn! weil aber meiner schwacheit solches unmoͤglich ist/ muß ich aus der Noht eine Tugend machen/ und wil Euer Gn. al- les heimstellen/ nur daß ich mag Gelegenheit haben/ mich in euren Diensten gebrauchen zulassen/ und eure Freyheit und Erloͤsung zubefodern. Wolan/ sagte das Fraͤulein/ so ist uns schon mehr als halb gerahten; aber eines erinnere ich euch/ dz ob wir schon allein bey- sammen seyn wuͤrdẽ/ ihr mit mir/ auch in unser Sprache/ nicht anders reden sollet/ als mit einem Mannesbilde/ und eures Vaters Bruder Sohne. Brela gelobete solches/ und baht/ daß wann Alexander sich zu ihr nahete/ sie nicht weit von ihr seyn wolte/ daß er nicht etwa Gewalt an sie legete/ und nachgehends der Ehe vergaͤsse. Davor lasset mich sorgen/ sagete Herkuliskus; Er ist eines ehrliebenden freyen Gemuͤhtes/ und wird seine Begier- den wol in den Schrankẽ der billichẽ Zucht zu halten wissen. Die Seeraͤuber brachten zim- lich lange in der Stad zu/ da sie einẽ teil ihrer geraubetẽ Waaren zu gelde machtẽ/ noͤhtige Spei- Anderes Buch. Speisen uñ viel koͤstliche Weine einkauften/ weil sie im Lande nit ꝛaubẽ duꝛften/ demnach sie im veꝛwahreten Hafen lagen. Nach verrichtung ihrer geschaͤfte gingẽ sie wied’ zu Schiffe/ und segelten gegen Osten nach Zypern zu/ da sie auf halbẽ Wege eines Raub Schiffes ge- wahr wurden/ auff welchem in die hundert wolbewehrte Griechen sich mit ihren Waffen sehen liessen. Die unsern machten sich alsbald gute Hoffnung zur Beute/ stelleten sich an- fangs furchtsam/ als wolten sie die Flucht nehmen/ die ihnen durch brechung des Steuers gehindert wuͤrde; liessen auch niemand oben auff dem Schiffe sehen/ als etliche wenige in Kauffmans Kleidung. Den Griechen gefiel das starke grosse Schiff/ merketen/ daß es schwer geladen wahr/ und eileten mit grosser Unsinnigkeit auff dasselbe zu/ in meinung/ es alsbald zuuͤberwaͤltigen/ und die Beute ohn streit zuerhalten; schrihen ihnen demnach zu/ sie solten sich ergeben/ oder alle in das Meer gestuͤrzet werden. Diese hingegen bahten uͤm̃ Gnade/ wolten ihnen alles gutwillig einliefern/ wann jhnen nur Leben und Freyheit uͤbrig bleiben moͤchte; worffen auch ihre Anker aus/ und legten das Schiff feste. Bald wahren die Griechen fertig/ hefteten die Schiffe zusammen/ legten das Gewehr nider/ nnd wolten das andere besteigen; diese abeꝛ/ da ihnen Zeit dauchte/ dꝛungen wolgewapnet heꝛvor/ fielen mit aller Macht in das Griechsche Schiff/ und weil sie an Manschafft uñ guter Ordnung ihnen viel uͤberlegen wahren/ erhielten sie den Sieg mit leichter Muͤhe in kurzer Zeit/ er- schlugen alles was lebendig wahr/ und funden so uͤberaus grosse Schaͤtze an aͤdlen Stei- nen/ Gold/ Silber/ und koͤstlichen Kauffmans Waaren/ daß sie einen ganzen Tag gnug hatten auszuladen; dann es wahren diese Griechen lange Zeit ausgewesen/ und hatten in den reichen Indischen Morgenlaͤndern allerhand koͤstliche Sachen/ teils durch Hande- lung/ teils durch Raub an sich gebracht. Als das Schiff ganz ausgeleeret wahr/ senketen sie es in den Grund/ uͤbeꝛschlugen den Reichtuhm/ und funden/ daß er etliche viel Tonnen Goldes austrug/ und ihr Geiz voͤllig ersaͤttiget ward; wolten demnach auff Zypern nicht fahren/ daher sie sonst noch den lezten Raub zuhohlen willens wahren/ sondern gingen in das Syrische Meer/ und lendeten zu Tyrus an/ woselbst sie ihr Schiff und Waaren zu Gel- de macheten/ ihren Knechten doppelten Sold zahleten/ und auff Gelegenheit warteten/ daß sie in Sicherheit biß an den Eufrat kommen moͤchten. Der verliebete Valikules wahr/ wie oberwaͤhnet/ mit Gallus zu Schiffe getreten/ uͤmb sein verlohrnes Fraͤulein zusnchen / wuste doch nicht eigentlich/ wohin die See Raͤu- ber ihren Lauff genommen hatten; nur daß er seinem Got vertrauete/ welcher ihn leiten/ und sein Vornehmen begluͤkseligen wuͤrde. Ihr Schiff laͤndete in unterschiedliche Hafen Griechenlandes an/ aber niemand wuste ihnen von den See Raͤubern einige Nachricht zugeben. Als sie nun nicht weit von Peloponnesus schiffeten/ vernam Valikules/ daß sie willens waͤhren voruͤber zusegeln/ und den Lauff gerade nach Zypern zunehmẽ/ trat zu dem Schiffherꝛn und fragete/ ob ihm nicht gefallen koͤnte/ ihn in dem naͤhesten Hafen bey Ko- rinth auszusetzen/ wovor er ihm geꝛecht seyn wolte. Der Schiffherꝛ gedachte/ er koͤnte da- selbst vielleicht Handelung antreffen/ ließ sich bereden/ und gegen Zahlung XX Kronen wahr er ihm zuwillen. Er wahr dessen froh/ massen er wuste/ daß die Christliche Lehre da- selbst von den Bohten Gottes Paulus fest gepflanzet/ und eine herliche Gemeine Gottes anzutꝛeffen waͤhꝛe; stieg in dem naͤhesten Hafen aus/ uñ begab sich mit Gallus in die Stad. Sie Anderes Buch. Sie kehreten bey einem Wirte ein/ welcher sich gar freundlich bezeigete/ und ihnen allen guten Willen anboht/ fragete auch fleissig nach woher sie kaͤhmen/ ob sie hieselbst bekant waͤhren/ und was vor Geselschafft sie mit sich gebracht haͤtten. Valikules trauete ihm viel/ blieb des ersten Tages zu Hause/ und ruhete von der Schiffart ungelegenheit aus. Des andern Morgens zohe er in des Wirts gegenwart ein Kleinot auff 1500 Kronen wert hervor/ und gab es Gallus zuverkauffen/ welcher bald wieder kam/ und die baaren Gelder auff ihre Kammer niedersetzte. Bald vernam er ein Getuͤmmel auff der Steige/ trat der Tuͤhr naͤher/ und hoͤrete den Wirt zu seinem Haußknecht sagen; biß lustig/ Kallias/ der Braten wird hinte statlich truͤpfen/ wann jhm nur das Feur recht geschuͤret wird; ich ha- be diesen Morgen gut Schmehr bey ihm gesehen/ welches mir zwar entflossen ist/ er aber dessen ohn zweifel mehr bey sich haben muß; erzaͤhlete hiemit/ was vor ein koͤstlich Kleinot eꝛ heut fruͤh aus seinen Kleidern hervor gezogen haͤtte. Der Knecht antwortete ihm: Herꝛ es waͤhre immer und ewig schade/ daß ein so schoͤner junger Mensch solte ermordet werdẽ. Was schade/ was schade/ sagte er; was haben wir von der Schoͤnheit! Das Weib im Keller wahr auch nicht heßlich/ und hat doch herhalten muͤssen. Biß du nur fertig; uͤmb Mitternacht soltu gute Beute haben/ als vor nie. Gallus entsetzete sich uͤber diesen moͤr- derischer Anschlag/ und hatte nicht lange nachzudenken/ auff wen er eigentlich gerichtet waͤhre/ ließ sich doch nichts merken/ sondern nach des Wirts abtrit machte er sich zu sei- nem Herꝛn/ uud vermeldete ihm/ was er gehoͤret hatte/ welcher nicht wenig erschrak/ nach- gehends sagete: So muß ich des gemeinen Sprichworts guͤltigkeit gar zeitig erfahren/ daß Griechische Traͤue nicht weit reichet; wir wollen uns aber nichts merken lassen/ son- dern Mahlzeit mit ihm halten/ wie sie dann taͤhten. Der Wirt wahr sehr geschaͤfftig/ ging seinen Gaͤsten guͤtlich vor/ und baht/ vorlieb zunehmen/ es solte gegen Abend ein bessers er- folgen. Nach genommenen Speisen ging Valikules mir Gallus hin und kaufte zween gu- te Reitharnische/ glinzend Schwarz/ und mit guͤldenen Striemen eingelegt; auff seinen Helm ließ er einen erzoͤrneten Loͤuen setzen/ und in dessen Tatze ein Schildlein mit diesen Worten; Donec invenero, non conguiescam. das ist; Ehe ich werde wiederfinden/ wil ich nicht ruhen. Auff seinem Schilde stunden diese fuͤnff Wort mit silbeꝛnen Buchstaben/ deren fuͤnff erste Buchstaben guͤlden wahren: Inops Est Solatium Virtus Simulata. Ertichtete Tngend ist ein armseliger Trost. Hierzu kaufte er zwey trefliche Pferde zu Agrigent in Sizilien geworf- fen und abgerichtet/ beyde schwarz und gar starkes Leibes; kehrete nachgehends wieder in seine Herberge/ und foderte von dem Wirte mit freundlichen Worten die Rechnung/ daß er wissen moͤchte/ was er gestern und heut verzehret haͤtte/ wolte auch die bevorstehende Mahlzeit mit eingeschlossen haben. Dieser wolte zum erstenmahle Bescheidenheit gebrau- chen/ weil er ohn das die Hoffnung hatte/ in wenig Stunden aller seiner Gelder Herꝛ zu seyn/ da ihm dann Gallus auff Befehl ein uͤbriges zahlete/ und ihm anzeigete/ sein Herꝛ haͤt- te an einem Orte noͤhtig zuverrichten/ daß man mit der Mahlzeit auff ihn nicht warten duͤrfte/ wann er etwa nicht zu rechter Zeit sich einstellen wuͤrde; welches ihm/ als dem das Gewissen druͤckete/ verdaͤchtig vorkam/ uñ doch nicht dawieder reden durfte; verdroß ihn gleichwol/ daß er die Rechnung nicht hoͤher angeschlagen hatte. Im hingehen begegnete ihm ein alter Erbarer Mann/ welchen er nach freundlicher Begruͤssung baht/ ihm eine gu- Q q te Anderes Buch. te Herberge zuzeigen/ da er um sein baares Geld zehren/ und mit zwey Pferden und einem Diener Unterhalt haben koͤnte. Mein Herr/ antwortete dieser/ ich nehme selber gerne gute Leute ein/ wann ich weiß/ aus was Landes Art sie sind/ und die mit vorlieb nehmen koͤnnen. Und als Valikules hierauff anzeigete/ daß sie Roͤmisch/ und etliche Tage sich hieselbst auff- zuhalten bedacht waͤhren/ sagete er zu ihnen: So kehren die Herren nur kuͤhnlich bey mir ein/ und nehmen mit andern Gaͤsten vor gut/ da es ihnen beliebet. Fuͤhrete sie selbst mit sich in sein Hauß/ und hieß sie wilkommen seyn. Es wahren zwoͤlff huͤbsche Juͤnglinge alda bey einander/ die in koͤstlichen Kleidern auffzogen/ und in Hoͤfligkeit wol abgerichtet wahren; Diese verwunderten sich des fremden Gastes/ und woher ein so uͤberaus schoͤner ausehnli- cher Juͤngling kaͤhme; Daß er kein gebohrner Grieche wahr/ gab die Zunge an den Tag; Dann ob er zwar die Sprache fertig und ohn Anstoß redete/ nach Art und Renligkeit der Gelehrten/ so dauchte sie doch die Ausrede etwas schaͤrffer seyn als des Landes Art mit sich brachte. Aus seinen Sitten urteileten sie bald/ daß er nicht unter gemeinen Leuten auffer- zogen wahr/ wiewol seine Kleider etwz geringer/ doch ritterlich schienen; eh r eten ihn auch daher nicht umb das geringste minder. Valikules stellete sich gegen sie alle gleiche freund- lich; und gewan ihre Herzen/ daß ein jeder mit ihm sprachen/ und der naͤheste um ihn seyn wolte. Bey der Mahlzeit huben sie eine gelehrte Unterredung an/ massen sie zu Athen etli- che Jahr den freyen Kuͤnsten obgelegen wahren/ und brachte einer diese Frage vor: wie es die Vernunfft-Geister (welche sie intelligentias nenneten) anschluͤgen/ wann sie die grosse Himmels Kugel umtrieben. Bald ließ ein ander hoͤren/ ob drey unterschiedliche/ oder nur eine einzige Seele in des Menschen Leibe waͤhre. Ein ander stieg mit hoͤhern Sachen auf; Worinnen des Menschen hoͤchstes Gut bestuͤnde; Obs in wolzugelassener Seelen Wol- lust; oder in der Ehre; oder in der Wissenschafft und Fertigkeit/ oder Besitz der Tugend; oder aber im Gebrauch der Tugend zu gruͤnden waͤhre; Und hatten sie von solchen Fragen ein weitlaͤufftiges Geplauder; Dieser foderte von seinem Gegener eine gewisse Schluß- rede; Jener brachte sie auff die Bahn/ und ließ sich verlauten/ sie stuͤnde auff allerdinge ge- wissen Fuͤssen/ so daß sie unhintertrieblich waͤhre. Valikules saß und hoͤrete ihrer Zaͤnke- rey geduldig zu/ sahe wol/ daß sie geschikter wahren von der Tugend zu reden/ als nach de- ren Anweisung zu leben; biß endlich der eine ihn in seiner Streitigkeit zum Scheidsman waͤhlete/ und also anfing: Mein Herr/ ich bitte freundlich/ er wolle sich belieben lassen/ unse- re Uneinigkeit durch einen Vernunfft-Machtspruch beyzulegen/ weil mir nicht zweifelt/ er darzu gnugsam gelehret sey. Mein Herr/ antwortete er; hierzu befinde ich mich nicht ge- schikt genug/ massen ich meine Jugend in dergleichen Sachen nicht angewendet/ sondern/ nachdem ich das XVI de Jahr erreichet/ habe ich das Pferd beschritten und die Waffen an- gelegt/ auch darinnen schon zimliche Puͤffe ausgehalten; jedoch waͤhre mirs sehr leid ge- wesen/ daß ich die Buͤcher solte unter die Bank geworffen haben/ ob mir gleich viel Hin- derniß vorgefallen ist/ dieselbe nach willen zugebrauchen; Wann nun meine Herrenleiden koͤnnen/ daß ich als eine Gans unter den Schwanen/ oder wie ein Sperling bey den Ler- chen mit schnattere oder zwitzere/ wil ich/ umb die Zeit zuvertreiben/ ihnen gerne zu willen seyn. Drey vorgebrachte Fragen habe ich/ wo mir recht ist/ angehoͤret; Vorerst/ auff was weise die Engel sich mit der Himmelskugel geberden/ wann sie dieselbe umzutreiben bemuͤ- het Anderes Buch. het sind; Vors ander/ ob der Mensch nur eine/ oder mehr Seelen habe; schließlich/ wor- innen des Menschen hoͤchstes Gut in diesem Leben eigentlich bestehe. Betreffend die erste Frage/ habe ich mich ehmahls berichten lassen/ wie mannicherley Meynungen bey den ge- lehrten Himmelskuͤndigern hievon gefunden werden. Die so dem Pythagoras und Plato folgen/ bilden ihnen einen sonderlichen sehr anmuhtigẽ Klang ein/ welchẽ die unterschied- liche Himmels Raͤder oder Kreisse durch ihre Bewaͤgung anstimmen sollen; ob ihrer einer nun diese grosse Leir jemahls habe spielen hoͤren/ stelle ich dahin/ und muß derselbe wol rechtschaffen duͤnne Ohren gehabt haben. Andere/ diesem durchaus zuwider/ haben vorgeben duͤrffen/ der Himmel und die saͤmtliche Sternen bleiben unbewaͤglich stehen/ uñ lauffe hingegen die Erde mit uns geschwinde herumb/ wie man etwa einen Keusel umb- drehen moͤchte; deren Meynung mir gar ungereimet vorkoͤmt. Aristoteles tichtet etwas zierlicher; Er sahe daß der Himmel oder vielmehr die Sternen in gleichlauffender Bewaͤ- gung bleiben/ und ohn unterlaß sich ringsumb drehen; da kunte er ihm nun nicht einbildẽ/ daß eine solche Bewaͤgung der Himmel von ihm selbst treiben solte; stellete daher demsel- ben eine vernuͤnfftige Krafft neben zu/ welche durch GOttes Ordnung dieses verrichten muͤste. Aber O wir vermaͤssene Menschen! warumb tichten wir etwas in Sachen/ die un- ser Vernunfft gar zu hoch und entsessen sind? warumb leugnen wir/ daß der Himmel sich selbst bewaͤgen solte/ als ob dem allmaͤchtigen Gott unmoͤglich waͤhre/ ihm solche Kraft uñ Art einzugiessen? Muß darumb einer stehen und waͤlzen den Himmel umb/ weil Aristote- les nicht glaͤuben kan/ daß Gott durch ein einziges Wortsprechen ihm solches zugebieten hat? Aber ich moͤchte nur gerne wissen/ warumb ein ander/ und nicht Gott selbst den Him- mel umtreibe? fuͤrchtet man sich etwa/ es gebe zu grosse Muͤhe? das sind elende kindische Gedanken; Oder stehet es der Goͤttlichen Hocheit besser an/ daß er hierzu seine Diener halte? Ey dieses ganze Rund und alles was drinnen schwebet und lebet/ dienet ihm ja. So muͤssen wir auch von Gott nicht solche nichtige Einbildungen fassen/ als schlage er Hand an/ und arbeite uns Menschen gleich; Nein O nein! sondern mit einem Winke kan er al- les verrichten was er wil; Und trauet mir/ meine Herren/ wann Gott nur spraͤche: Him̃el und Erden sollen einen zierlichen Tanz mit einander halten/ und das Meer darzu auffspie- len/ muͤste solches alsbald geschehen/ so gar muß alles der Allmacht Gottes gehorsam seyn. Warumb sol ich dann einen Engel tichten ohn Noht/ da mir weder Gott/ noch die Ver- nunfft/ noch die Sinne denselben zeigen? Alles was mir nun Aristoteles hieselbst einwirft/ kan ich mit schlechter Muͤhe aufloͤsen/ als lange er mir denselben nicht zeigen kan/ welchen er dem Himmel als einen staͤten Umtreiber durch eitele Spitzfindigkeiten angebannet hat. Fraget aber einer/ woher Aristoteles der hochgelehrte Mann in dieser Vernunfftfrage so groͤblich geirret; gebe ich ihm zur Antwort: Seines Irtuhms Ursach ist die Unwissen- heit von Gott und dessen Wirkungen. Er gedachte; gleich wie ein Koͤnig in seinem Rei- che die mannicherley Geschaͤffte durch unterschiedliche Bedieneten verrichten muß/ also auch Gott dort oben im Himmel. Aber haͤtte er sich nur besonnen/ was Gottes Allmacht heisset und vermag/ wuͤrde er solche Umtreib-Geister nicht vor eine Nohtwendigkeit er- achtet haben; dann Gott vor sich allein ist genug darzu/ daß Himmel/ Erde/ Meer und al- les in seinem Wesen/ Bewaͤgung/ und Eigenschafften erhalten werde/ und bedarff darzu Q q ij ganz Anderes Buch. ganz keines Gehuͤlffen. So sage ich nun; Die Sonne/ der Monde/ die Sternen alle mit einander halten ihren Lauff in gewisser masse und unfehlbarem Schritte/ weil es Gott also haben wil/ und derselbe ihnen dieses eingepflantzet hat/ gleich wie die Baͤume von sich selbst muͤssen zu ihrer Zeit gruͤnen/ bluͤhen/ und Fruͤchte bringen. Aber ich halte mich in dieser Frage gar zu lange auff/ und beruͤhre mit wenigen/ was des Menschen Seele sey; ist sie schlecht oder dreyfach? Zwar die unterschiedlichen Wirkungen zeigen uͤberfluͤssig an/ daß ihre Kraͤffte mannicherley sind; dann eine andere Krafft ist/ wodurch ich lebe und wachse; eine andere/ wodurch ich fuͤhle/ sehe uñ hoͤre; eine andere/ wodurch ich verstehe/ uñ von einẽ dinge Urtel abfassen kan. Dieses wird mir nit bald einer leugnẽ; Ob aber dieses drey unteꝛ- schiedliche Seelẽ/ od’ drey unterschiedliche kraͤfte einer einigẽ Seelẽ in mir wirken/ warum zanken wir daruͤber so eiferig? lasset uns vielmehr zusehen und fleiß anwenden/ dz wir diese Kꝛaͤfte recht/ nemlich zu Gottes Lob uñ Ehren/ auch zu unsers Naͤhestẽ Besserung uñ unser selbst eigenen Erbauung gebrauchen/ dann haben wir die rechte Weißheit schon ergriffen. Zwar ich kan wol leiden/ daß ein und ander davon so lange katzebalget als er wil; wann er aber sich so muͤde geplaudert hat/ daß ihm der Odem stehen bleibet/ was hat er mehr da- von/ er wird nicht umb ein Haar besser dadurch. Die lezte Frage gefaͤlt mir noch am be- sten/ dann deren Erkaͤntniß lehret mich/ was Tugend oder Schande/ gut oder boͤse/ erbar oder lasterhafft ist. Nun habe ich eines jedweden Meynung vielleicht nicht recht einge- nommen/ und deßwegen mir keine Urtel daruͤber anmasse; jedoch meine Gedanken davon zueroͤffnen/ spreche ich/ daß freilich die ehrliche Seelenwollust ein treffliches Gut sey/ als welche nirgends seyn kan/ wo nicht die Tugend die Herschafft fuͤhret; aber sie duͤnket mich mehr der Gluͤkseligkeit Begleiterin/ als die Gluͤkseligkeit selber seyn; massen ein Tugend- haffter ihm die Wollust nicht zum Ziel stecket/ sondern ein tugendhafftes Leben und Wan- del/ welches diese Wollust ohn das schon geben wird/ als die Gott zu dem ende der Gluͤkse- ligkeit zugeordnet hat/ daß sie uns reizen sol/ dem guten desto hitziger nachzustreben. Se- het; die Niessung der Speisen/ ist wegen des Leibes Erhaltung/ und hat unser Gott solcheꝛ Niessung deswegen eine angenehme Wollust beygefuͤget/ daß wir dadurch gereitzet wer- den/ unsere Leiber durch Speisen zuerhalten; nicht/ dz wir umb dieser Wollust zugeniessen/ essen oder trincken solten. Daß aber die blosse Besitzung der Tugend/ da nemlich einer weiß uñ gelernet hat gutes zu tuhn/ noch die groͤsseste gluͤkseligkeit nit sey/ moͤchte ein Kind urtei- len; massen auch der Schlaffende solches bey ihm hat/ aber im Schlaffe der wahrẽ Gluͤkse- ligkeit nit geniessẽmag. Bleibet demnach eins vor alles/ dz die zeitliche odeꝛ weltliche Gluͤk- seligkeit in der uͤbung und gebrauch deꝛ Tugend bestehe/ uñ niemand seligeꝛ moͤge geschaͤtzet werden/ als wann er von den Lastern abgesondert/ sich der herlichẽ Tugend besteissiget/ und nach derselben sein Leben anstellet. Hier haͤtte ich nun wol von einer weitbesseren Gluͤkse- ligkeit zu reden/ welche einem Menschen in dieser Welt kan zu teile werden/ und durch wel- che er zu der kuͤnftigen ewigen und himlischen Gluͤkseligkeit befodert wird; weil aber ich damit meinen Herren und lieben Freunden nur moͤchte verdrißlich seyn/ und ohn daß an- lezt keine gute einfaͤlle habe/ meinen Reden eine Zierligkeit anzubringen/ bitte ich sehr/ so wol ins gemein/ als einen jedẽ insonderheit/ mir meine Kuͤhnheit uñ grobe Einfalt freund- lich zuverzeihen. Die ganze Geselschafft zeigete an/ sein Gespraͤch waͤhre ihnen sehr an- genehm Anderes Buch. genehm gewesen/ moͤchten wuͤnschen/ daß sie Gelegenheit haͤtten/ von dergleichen Fragen sich offt mit ihm zu bereden/ weil sie gar eine andere Art der Aufloͤsung und Beantwor- tung bey ihm merketen/ als in ihren Schuelen uͤblich waͤhre. Nach endigung dieses/ ma- chete Gallus draussen mit dem Wirt bessere Kundschaft/ bezeichnete ihm ihre vorige Her- berge und fragete nach desselben wirts Gelegenheit. Dieser antwortete ihm; es waͤhre vor wenig Jahren daß vornemste Wirtshauß gewesen/ aber eine Zeit her haͤtte man dem guten Manne etwas nachgeredet/ dessen er verhoffentlich unschuldig waͤhre; nicht desto- weniger taͤhte es ihm nicht geringen Schaden/ und wolte fast niemand bey ihm einkehꝛen. Herr Wirt/ sagte Gallus/ ich halte euch vor einen Bidermann/ und hoffe/ da ich euch et- was vertraue/ werdet ihr mich nicht in Ungluͤk bringen; mag euch also nicht bergen/ daß ich heut diesen Morgen angehoͤret/ wie derselbe Wirt mit seinem Knechte anlegte/ meinen Herren diese Nacht zuermorden; vernam auch so viel/ daß sie noch eine erschlagene Frau im Keller liegen haͤtten; wollet deßwegen redliche Leute vor dieser Herberge warnen helf- fen. Der Wirt erschrak dessen hoͤchlich/ und erinnerte ihn/ ob er irgend aus alter Feind- schafft ihm solches nachredete; Und als er vernam/ daß er vor diesem ihn niemahls gese- hen noch ichtwas von ihm gehoͤret haͤtte/ baht er ihn/ solches niemand mehr zuvertrauen; suchte auch Gelegenheit von ihm zu gehen/ weil solche Taht zu verschweigen wieder sein Gewissen lieff/ nachdem er ein Rahtsverwanter wahr; machte sich demnach/ ungeach- tet es schon gegen den Abend ging/ nach dem Rahtsmeister/ ihm anzeigend/ was er gehoͤ- ret hatte. Derselbe sendete als bald etliche seines Mittels zu dem traͤulosen Wirte/ mit be- gehren/ er moͤchte dem Raht seinen Keller auff wenige Zeit verheuren/ sie wolten etliche Weine dahin legen/ welche in kurzer frist solten weiter fortgeschiffet werden. Dieser we- gerte sich/ den Keller zu oͤffnen/ weil er ihn/ seinem vorgeben nach/ schon an etliche Kauff- leute vermietet/ und Gelder darauff empfangen haͤtte. Nachdem aber diese der Gemeinen Stad vorzug ihm vorhielten/ kunte er sich laͤnger nicht wegern/ und baht sie/ nur ein we- nig zuverzihen/ biß er ihn durch seinen Haußknecht haͤtte außraͤumen lassen; Und weil diese Außflucht auch nicht helffen wolte/ ging er nach dem Hintergebaͤu/ vorgebend/ den Schluͤssel zu hohlen; da ihm zween gleich auff dem Fusse nachfolgeten/ und inzwischen der dritte einen Schloͤsser gleich gegen uͤber wohnend herein rieff/ den Keller zu oͤffnen; ging mit seinem Gefaͤrten hinein/ und funden eines nacket außgezogenen Weibes Leich- nam/ traten bald wieder heraus/ und liessen die Bewehrete/ so haussen auffwarteten her- ein ruffen/ folgeten dem Wirt/ der in nachsuchung der unverlohrnen Schluͤssel noch be- muͤhet wahr/ und sageten; es waͤhre ihnen eilig/ und weil die Schluͤssel verlegt/ moͤchte er seinem Haußknecht ruffen/ daß derselbe ihnen in der Nachbarschafft einen andern Keller verhoͤrete. Dieser ward dessen froh/ ließ seinen Kallias bald kommen/ und erzeigete sich froͤlich; aber die Gewapneten traten zu ihm/ und redete der Vornehmste von den Abge- ordenten ihn also an: Akusilaus/ ihr muͤsset euch samt eurem Knecht der Obrigkeit stellen/ nachdem man mit euch etlicher Sachen halber zu reden hat/ die sehr wichtig sind. Dieser fuͤhlete sein nagendes Gewissen/ stellete sich doch geherzt/ nur daß er zuwissen begehrete/ was man mit ihm so spaͤt und eilig wolte/ uud was solche Gewapnete Schaar zu bedeuten haͤtte; warum man ihm nicht nach Stad Gebrauch einen Rahtsdiener geschikt/ und ihn Q q iij als Anderes Buch. als einen Buͤrger/ welcher allemahl sich gehorsam bezeiget/ aufffodern lassen? Dieser be- antwortete es mit wenigem; er wuͤrde dessen alles vor dem gemeinen Raht gnugsame Ursachen zuvernehmen haben; worauff er ganz vewaͤgen mit ging/ und sich nicht dran kehrete/ daß sein Knecht gefangen gefuͤhret/ und in den Turm geleget ward. So bald er vor den Raht trat/ gruͤssete er sie nicht sonderlich/ stund und schwieg stille/ umb zuverneh- men was man ihm vortragen wuͤrde; da der Rahtsmeister ihn freundlich anredete/ sich uͤber so spaͤter Vorfoderung nicht zu verwundern/ und nur ein kurzes zu beiten/ biß noch ein oder ander sich einstellen wuͤrde/ so der Beredung mit beywohnen muͤste; worauff er zur Antwort gab; es nehme ihn hoͤchst wunder/ daß man ihm das Verwundern uͤber sol- cher ungewoͤhnlichen gewaltsamen Vorfoderung noch verbieten wolte; ja daß man uͤ- berdaß noch seinen Knecht gefaͤnglich hinweg schleppete/ ehe man ihm als dessen Herren einige Ursach anzeigete; doch muͤste er solches dahin lassen gestellet seyn/ koͤnte auch noch zur Zeit nichts dawieder vornehmen/ als daß er sich durch nohtwendige Bedingung aufs allerbeste verwahrete. Bald ward das ermordete Weib mit Tuͤchern bedecket/ ihm vor die Fuͤsse gelegt/ welche der Rahtsmeister zuentbloͤssen befahl/ und zu Akusilaus sagete; Guter Freund/ ihr habt euch nicht so hoch zu beschweren/ noch wieder eurer Obrigkeit Vornehmen euch groß zubedingen/ sondern sehet diesen Stummen und Blinden an/ wel- cher ob er gleich kein Wort mehr zu machen weiß/ klaget er euch doch auff Leib und Leben an. Dieser stellete sich ganz fremde/ wuͤste nit/ was dieses Schauspiel bedeutete/ daß man todte Leichnam daher schleppete; ob er sich mit todten zanken solte oder koͤnte: Aber der Richter redete ihm haͤrter zu; er solte das erschlagene Weibsbild etwas eigentlicher be- trachten/ die aus seinem Keller daher getragen wuͤrde/ wovon er ja billich rede und Ant- wort geben muͤste. Dieser hielt sich noch/ als wolte er vor verwunderung aus der Haut fahren; da jener fortfuhr in seiner rede; es waͤhre umsonst/ dergleichen blinde auffzuͤge zu- machen/ und viel besser/ die Warheit zu bekeñen: Und was wollet ihr viel leugnẽ/ sagte er; dieser Diener gegenwaͤrtig bringet bericht ein/ daß euer Knecht die moͤrdliche Taht schon gutwillig bekennet hat; wird euch demnach viel zutraͤglicher seyn/ Gnade zu bitten/ als die Richter zuverbittern. Was hoͤre ich/ ihr meine Herren/ sagte dieser; solte mein Kalli- as wol einen solchen schaͤndlichen Mord begangen haben? Ich habe ja dergleichen Boß- heit noch nie an ihm gespuͤret; bedachte sich ein wenig/ und sagte weiter; doch ich duͤrffte schier in den Argwohn gerahten/ massen ich mich erinnere/ daß vor wenig Tagen ich ein frembdes Weib beherberget/ von welcher mein Knecht vorgab/ wie sie des folgen- den Tages sehr fruͤh/ ehe ich auffgestanden/ davon gezogen/ und ihm das verzehrete Geld zugestellet haͤtte/ welches er mir auch geliefert hat; fuhr darauff fort; es moͤchten die Herꝛen fleissig nachforschen/ und wann sein Knecht gemordet/ solte man ihn nur ge- schwinde am Leben straffen/ wann man ihn nur aus solchem Laster-Spiele liesse; Er haͤtte von Jugend auff sich aller Tugend und auffrichtigkeit befliessen/ wie ihm dessen die ganze Stad wuͤrde Zeugnis geben muͤssen; baͤhte demnach/ ihn des Argwohns zuerlassen/ viel weniger zuglaͤuben/ da etwa uͤber verhoffen sein Knecht zum doppelten Schelm werden/ und wañ er schuldig waͤhre/ ihn als einen Mitschuldigen aus Hoffnung gelinderer Straf- fe angeben wuͤrde. Die Rahtsherꝛen hiessen ihn darauff einen Abtrit nehmen/ verwundeꝛ- ten Anderes Buch. ten sich uͤber des listigen Fuchses Boßheit/ und beschlossen/ ihn in eine ehrliche Gefaͤngnis zulegen; biß man ihm den Mord besser uͤberbringen koͤnte. Ward auch der Knecht aber eins befraget/ welcher dann bestaͤndig dabey verblieb/ daß sein Herꝛ den Todschlag mit ei- gener Faust verrichtet/ nachdem er sie vorher mit hoher Bedraͤuung zu seinem schnoͤden Willen genoͤhtiget/ und ihr bald darauff solchen Lohn gegeben; Sie haͤtte am Gelde und Kleinoten einen guten Vorraht bey sich gehabt/ welches eꝛ alles zu sich genommen/ uñ ihm jhre Kleider samt XXX Kronen davon gegeben haͤtte; gestund uͤber das auch/ daß er den Anschlag uͤber Valikules gemacht/ wie es Gallus seinem andern Wirte erzaͤhlet hatte; welcher nach solcher Befragung bey spaͤtem Abend wieder nach Hause ging/ seine Gaͤste noch beysammen fand/ und bey dem Schlafftrunke mit ihnen allerhand Unterredung pfle- gete/ da er auff die Boßheit etlicher Wirte zureden kam/ und ihnen anzeigete/ was gestalt gleich diesen Abend ein Wirt eingezogen waͤhre/ dem schuld gegeben wuͤrde/ als haͤtte er ein fremdes/ ohn zweifel vornehmes Weib nach angelegter Schaͤndung auff dem Bette ermordet/ deren Leichnam man auch in seinem Keller gefunden haͤtte/ und wuͤrde darauff das Recht zur abscheuhlichen Straffe billich ergehen muͤssen. Valikules erschrak der Re- de/ und sagte zu ihm: Herꝛ Amyntas (so hieß dieser Wirt) vielleicht ist es mein gewesener Hauswirt/ von dem ich solche uͤbeltaht durch sonderliche Schickung Gottes erfahren/ uñ uͤmb deswillen diese Herberge verlassen habe. Ja mein Herꝛ/ antwortete er/ eben derselbe ist es; wil aber durchaus nicht gestehen/ daß er einige Wissenschafft davon habe/ sondern legt es alles auff seinen Knecht/ dafern die Taht wahr seyn solte. Ich danke meinem Gott/ sagte er/ welcher mich diese Nacht so Vaͤterlich behuͤtet hat/ da ich uͤber meine Gewonheit fest geschlaffen/ und bitte denselben/ er wolle diesem Suͤnder seine uͤbeltaht vergeben/ unge- achtet er schon den Anschlag gemacht hatte/ mich diese instehende Nacht zuerwuͤrgen/ wie mein Diener angehoͤret. Amyntas wahr ein Christ/ wiewol nach Nikodemischer Art/ heimlich/ damit er seines Ehrenstandes nicht entsetzet wuͤrde/ merkete auch aus Valikules Reden/ daß er kein Heide wahr/ welches besser zuerfahren/ er zu ihm sagete: Mein Herꝛ; wolte Gott/ daß alle Menschen also gesinnet waͤhren/ ihren Beleidigern und Feinden so gerne und leicht zuverzeihen; aber nicht alle Gesez lehren uns diese Tugend/ und da sie es gleich lehreten/ stecket doch der Nachdruk nicht dahinter/ daß sie in uns den Gehorsam wiꝛ- ken moͤchten. Valikules verstund seine Christliche Rede bald/ und gab ihm zur Antwort; Er haͤtte recht geredet/ wolte auch daher Ursach nehmen/ bessere Kundschafft mit ihm zu- machen. Ein aͤdler Juͤngling aus Sizilien saß jhm am naͤhesten/ und fragete ihn/ ob er vielleicht eben der Ursachen hie waͤhre/ welche sie nach Elis zureisen auffgemahnet haͤtte; dem er antwortete; jhm waͤhre jhrer Reise Ursach allerdinge unbewust; seine betreffend/ haͤtte er jhm vorgenommen/ das hochbeschrihene Griechenland in etwas zu besehen/ und nachgehends seinen Weg weiters vorzunehmen/ welcher weit uͤber Meer und Land ginge; dafern es jhnen aber nicht zu wieder/ baͤhte er/ jhm zumelden/ warumb eine so ansehnliche Geselschafft aͤdler Juͤnglinge sich hie beyeinander hielten. Dieser sahe jhn an/ und laͤchel- te/ sagte bald darauff: Er hielte nicht/ daß die Ursach ihrer Gegenwart jemand dieses Orts unwissend seyn koͤnte. Ja antwoꝛtete er/ solches kan wol seyn; mir aber der ich gestern die- ser oͤrter erst angelanget bin/ und Griechenland sonsten nie gesehen habe/ wird solche Un- wissen- Anderes Buch. wissenheit wol koͤnnen verzihen werden. Warumb nicht? sagte dieser; berichtete ihn dar- auff/ es wuͤrden uͤber acht Tage/ die Olympischen Spiele hochfeyrlich gehalten/ auff wel- chen sie sich zu uͤben willens waͤhren. Nun hatte Valikules von diesen Spielen viel gele- sen/ und wahr froh/ daß er denen zuzusehen Gelegenheit bekam; baht demnach/ da es ihnen nicht zuwieder/ jhn mit in jhre Geselschaft zunehmen; und ob er gleich als ein Spieler sich dabey finden zulassen nicht geuͤbet waͤhre/ haͤtte er doch Lust/ einen Zuseher zugeben; wel- ches sie jhm dann gerne bewilligten/ und zur Nachtruhe freundlich voneinander schieden. Des folgenden Morgens sehr fruͤh/ foderte Valikules den Wirt zu sich/ und gab ihm zu- vernehmen/ wie er aus gestrigem Gespraͤch verstanden/ daß er des Christlichen Glaubens nicht unberichtet waͤhre; baͤhte daher/ jhm anzudeutẽ/ wo/ uñ zu welcher Zeit die Christliche Versamlung zum Gottesdienste angestellet wuͤrde/ weil er solche zubesuchẽ willens waͤhre. Amyntas hatte sein auffrichtiges Herz schon gespuͤret/ woͤlte sich deswegen vor jhm nicht verbergen/ sondern bekennete/ er waͤhre ein Christ/ wiewol heimlich; und da es jhm gefiele/ koͤnte er gleich jezt mit jhm gehen/ eine Christliche Predigt anzuhoͤren. Er wahr dessen sehꝛ froh/ gingen miteinander/ und traff er eine grosse Gemeine an/ welche den Gottesdienst in herzlicher Andacht verrichteten. Er hoͤrete der Predigt fleissig zu/ und blieb bey dem Got- tesdienst/ biß das heilige Abendmahl solte gehalten werden/ ging hernach zu dem Christli- chen Lehrer/ gab jhm 50 Kronen/ unter die Armen auszuteilen/ und baht/ daß man seiner im gemeinen Gebeht wolte eingedenke seyn/ daß ihm Gott beystehen moͤchte/ ein Weibsbild seines Gebluͤtes von den Raͤubern entfuͤhret/ wieder zuerloͤsen; mit dem Versprechen/ da- fern er solches von Gott wuͤrde erhalten/ solte die Christliche Kirche zu Korinth von jhm so viel belegte Baarschafft haben/ davon jaͤhrlich 3000 Kronen Zinse/ zur unterhaltung der Lehrer und Armen koͤnte gehoben werden. Der Lehrer bedankete sich sehr/ beydes wegen des empfangenen und versprochenen/ und sagte zu jhm: Christlicher Juͤngling/ eure An- dacht bey dem heutigen Gottesdienste/ ist mir nicht verborgen gewesen/ wodurch ihr euer Herz dem allerhoͤchsten Gott in wahrem Glauben und rechtschaffenem Gehorsam geopfeꝛt habet; jetzo aber lasset jhr euren lebendigen Glauben durch grosse Almosen/ deren wir alhie ungewohnet sind/ vor den Menschen erscheinen/ wodurch euer Vater im Himmel geprei- set wird/ welcher euer unvergaͤnglicher Lohn/ und kraͤftiger Schild seyn wil. Unser Gebeht sol euer nicht vergessen/ ob uns gleich euer Stand und nahme unbekant ist. Mein Nahme/ antwortete er/ ist anjetzo Valikules/ sonst in Verkrauen gesagt/ bin ich Fuͤrsten Standes/ uñ durch sonderliche Gnade zum Christentuhm bekehret/ woruͤber meine Eltern mich enter- bet; dessen ich doch wenig achte/ und vielmehr es vor einen Gewinn rechne/ weil ichs uͤmb meines Herꝛn Christus willen leide; wollet mir demnach verzeihen/ daß ich mich nicht al- lerdinge offenbahre. Der Lehrer wuͤnschete jhm Bestaͤndigkeit im Glauben/ und Gottes gnaͤdigen Beystand/ mit Verheissung/ es wuͤrde der Sohn Gottes jhm ohn allen Zweifel in jenem Reiche hundertfaͤltig vergelten/ daß er uͤmb seines Nahmens willen ein irdisches Fuͤrstentuhm hindansetzete/ und seinen Heyland uͤber Vater uñ Mutter liebete; die Christ- liche Gemeine hier/ und in anderen uͤmliegenden Orten solten ihn in allen Versamlungen/ auch die verlohrne Fuͤrstin/ in das gemeine Gebeht gerne und willig einschliessen. Nach getahner Danksagung vor solches erbieten/ nam Valikules abscheid/ und ging mit seinem Wirte Anderes Buch. Wirte nach Hause/ da derselbe bald darauff von seinen Mitherꝛen zu Rahthause gefodert ward/ woselbst er zween grosse ansehnliche Ritter fand/ welche bey dem Raht uͤmb Gehoͤr anhielten; Und als sie vorgelassen wurdẽ/ redete der Ansehnlichste/ und brachte vor/ wie sie gestern bey spaͤtem Abend hieselbst zu Korinth angelanget waͤhren/ unter andern Be- freundeten/ ihren naͤhesten Blutverwanten und Mutter Bruder/ Herꝛn Akusilaus zu be- suchen/ vernaͤhmen aber mit Schmerzen/ daß derselbe einer Mordtaht faͤlschlich angege- ben waͤhre/ die sein Hausknecht/ ihm unwissend/ aus anderer eingeben und getrieb moͤchte begangen haben. Nun waͤhren sie Ritter/ uñ keine Zungendroͤscher/ koͤnten demnach nicht viel Zaͤnkerey machen/ aber mit dem/ was sie an der Seite fuͤhreten/ wolten sie behaͤupten/ daß jhr Vetter unbillich und mit hoͤchster Unwarheit angeklaget waͤhre. Der Raht achte- te ihr anbringen nicht groß/ antwortete: Sie moͤchten jhre Ritterschafft und gutes Herz ausbieten und anwenden da es gelten wolte/ so gut sie immer koͤnten/ und jhnen rechtswe- gen frey stuͤnde; sie ihres teils wuͤrden als eine bestalte Obrigkeit sich durch ihre Schwer- ter gar nicht abschrecken lassen/ Recht und Gerechtigkeit zuhandhaben; So waͤhre jhr An- verwanter von keinem eigentlich angegeben/ sondern die himlische Rache haͤtte seine Boß- heit an den Tag gelegt/ und waͤhre die erschlagene Frau ohngefehr in seinem Keller gefun- den; auch haͤtte man grosse Muhtmassung aus des Knechts freywilliger Bekaͤntnis/ daß er Wissenschafft darumb truͤge. Der ander Ritter fing an; es moͤchten die Herꝛen wol zu- sehen/ was sie taͤhten/ dann er haͤtte gute Nachricht/ daß in jhres Vetteꝛn Hause zween frem- de Kerle eingekehret/ deren einer ein roͤtliches Haar/ der ander ein zartes Angesicht gehabt/ und noch jung von Jahren gewesen/ auff deren Anreizung haͤtte der Knecht das Weib er- schlagen/ welches er beweisen wolte/ wann er nur erfahren koͤnte/ in was Herberge dieselbe anzutreffen waͤhrẽ; massen er wuͤste/ daß sie sich noch in dieseꝛ Ringmaur befuͤnden. Amyn- tas stund im Rahte auff/ und baht uͤmb Verguͤnstigung/ einen Abtrit zunehmen/ weil er zu Hause etwas noͤhtiges zuverrichten/ aus der acht gelassen/ wolte sich bald wieder einstellen. Ging hin und erzaͤhlete Gallus dieses alles/ welcher es seinem Herꝛn hinterbrachte in Bey- seyn der Griechischen Juͤnglinge. Der verwunderte sich nun hoͤchlich uͤber solche Luͤgen/ ließ den Wirt herein fodern/ und als derselbe jhm solches aufs neue erzaͤhlet hatte/ sagte er ihm Dank; kehrete sich zu der anwesenden Geselschaft/ und baht sie/ mit jhm vor den Raht zutreten/ uͤmb seine Zeugen zu seyn/ dessen/ was er mit diesen ehrendiebischen Verleumdern und falschen Rittern handeln wuͤrde. Sie gingen miteinander fort/ und zeigete Amyntas dem Raht an/ daß die beyden fremden/ deren diese Ritter meldung getahn/ verhandẽ waͤh- ren/ und/ uͤmb gehoͤret zuwerden/ fleissig anhielten. Sie wurden durch den Rahtsdiener bald vorgefodert/ und folgeten die Griechischen Juͤnglinge mit hinein; da Valikules nach freundlicher Begruͤssung also redete: Hochweise/ ansehnliche Herꝛen; jch/ Nahmens Va- likules/ ein Roͤmischer Ritter/ neben gegenwaͤrtigen meinen Diener Gallus/ bin vorgesteꝛn uͤmb den Mittag bey dem gefangenen Akusilaus zur Herberge eingekehret/ und haben wir beyde sonst keinen Menschen bey uns gehabt/ auch niemand fremdes/ weder Mannes noch Weibesbilder in der Herberge angetroffen/ wie solches alles der mitgefangene Knecht uñ das andere Gesinde werden bezeugen muͤssen; als ich nun meinete/ ich waͤhre bey einem ehrlichen Manne/ und in guter Sicherheit/ so hat zu meinem sonderlichen Gluͤcke dieser R r mein Anderes Buch. mein Diener ohngefehr angehoͤret/ wie daß gestern derselbe mein Wirt mit seinem Knech- te einen gefaͤhrlichen Anschlag auff mein Leben gemacht/ mich in folgender Nacht zuer- wuͤrgen/ damit er der Kleinot/ deren er bey mir vermuhten wahr/ habhafft werden moͤch- te. Zwar ich habe davon gar kein Wesen machen wollẽ/ sondern es Gott befohlen/ bin auch deswegẽ nach geschehener uͤbrigen Bezahlung in ein ander Wirtshaus eingekehret. Ich vernehme aber mit hoͤchster Verwunderung/ daß ein und ander sich sol finden lassen/ und mir als Uhrhebern einen begangenen Mord zumaͤssen duͤrfen. Nun koͤnte ich diese schaͤnd- liche Luͤge und ehrendiebische Verleumdung mit unbewaͤglichen Gruͤnden gar leicht hin- teꝛtreiben/ uñ solche mutwillige Laͤsterer schamroht machẽ; nachgehends bey der Obrigkeit es treiben/ daß sie mit eben der Straffe beleget werden muͤsten/ welche sie mir zuzurichten bedacht und bemuͤhet sind; weil ich aber veꝛnehme/ daß dieselben so stark auf jhꝛ Faustrecht pochen/ und ihres Seiten Gewehrs sich getroͤsten/ bin ich bereit/ meine Unschuld nach Rit- ters-art zuverfechten/ und des gerechten Gottes seiner Urtel gerne zuerwarten. Der gan- ze Raht sahe ihn starre an/ kunten sich seiner Schoͤne/ Hoͤfligkeit und unerschrockenen Her- zens nicht gnung verwundern/ und befahlen den beyden Klaͤgern/ ihre zuvor angebrachte Beschuldigung in des Beklagten gegenwart zuwiederhohlen/ uñ mit gebuͤhrlichem recht- maͤssigem Beweißtuhm sich gefasset zuhalten; wie sie dessen sich anerbohten haͤtten. Der erste Ritter aber gab mit hochmuͤhtigen Geberden zur Antwort: Weil dieser Knabe (so nennete er Valikules) die Klage albereit wuͤste/ waͤhre die Wiederhohlung unnoͤhtig/ viel- weniger ein wortreicher Beweißtuhm/ nachdem sich dieser ohn das lieber dem Ritter- als Henker-Schwerte zur Straffe untergeben wolte/ welches ein unhintertꝛeiblicheꝛ Beweiß- tuhm waͤhre/ daß er oͤffentlich gestuͤnde/ den Tod verdienet zu haben; nur waͤhre ihm sehr leid/ und fast schimpflich/ daß ers/ so zu rechnen mit einem Kinde solte zutuhn haben/ und waͤhre wol zu frieden/ daß er seinen Diener zu Huͤlffe naͤhme/ der ihm den Schild vorwerf- fen koͤnte/ dafern er so beherzt waͤhre/ morgen fruͤh auff dem Platze zuerscheinen/ da das Gericht solte gehalten werden/ woselbst sich bald ausfuͤndig machen wuͤrde/ wer die War- heit oder Luͤgen geredet haͤtte. Der versamlete Raht wolte sich darzwischen legen/ uñ Va- likules vom Kampffe abmahnen/ weil sie nit zweifelten/ erwuͤrde ohn das seine Unschuld mit gnugsamen Gruͤnden behaͤupten koͤnnen; Er aber antwortete: Er waͤhre ein Ritter/ und koͤnte diese ehrenruͤhrige Beschuldigung des Mords nicht auff sich ersitzen lassen; langwieriges Rechten gaͤbe seiner Reise Eilfertigkeit auch nicht zu; und daß er vor ein Kind/ und vor einen Knaben von diesem hochmuhtigen Verleumder und Ehren Diebe gehalten wuͤrde/ muͤste er dahin lassen gestellet seyn/ wolte nicht desto weniger lieber mit ih- nen beyden zugleich den Kampf antreten/ als vor einen Moͤrder sich ausruffen lassen; baͤh- te daher instendig/ ein Hochweiser Raht wolte ohn fernere weigerung ihnen des Kampfes Freyheit goͤnnen/ welches ihm als einem Roͤmischen Buͤrger und Freyen Ritter ohn das nicht koͤnte gehindert werden; Dieses alles brachte er mit so ernstlicher Rede vor/ daß alle anwesende es wunder nam; wiewol es den beyden Klaͤgern maͤchtig verdroß/ daß er sie so veraͤchtlich hielt/ und so kuͤhnlich ausschalt; daher sagete der aͤltere/ Nahmens Demetrius mit einem Gelaͤchter: es meynete dieser Knabe etwa/ man wuͤrde mit Stecken oder Brad- wuͤrsten sechten/ welche zuverschlucken er vielleicht moͤchte gelehret seyn; Aber er antwor- tete Anderes Buch. tete ohn Bewaͤgung: man muͤste unbendigen Zungen uͤbersehen/ biß es Zeit waͤhre sie zu hemmen/ dann er haͤtte in dieser seiner Jugend schon die Erfahrung/ daß eine ruhmraͤtige Zunge allemahl von einem feigen Herzen angetrieben wuͤrde; Woruͤber diese beyde sich dergestalt entruͤsteten/ daß sie auff der Rahtstuben sich schier an ihm vergriffen haͤtten/ da ihnen solches nicht bey Leibesstraffe waͤhre verbohten worden. Der Rahtsmeister suchte nochmahls/ unsern Valikules von dem Kampffe abzumahnen/ aber als er merkete/ daß al- les vergebens und umsonst wahr/ goͤnneten sie ihm endlich seine Freyheit/ welches er mit hoͤflichem Dank annam/ und seine Klaͤger erinnerte/ sich gegen Morgen fruͤh zum taͤhtli- chen Beweißtuhm ihrer Schandluͤgen gefasset zu halten; Welches sie vor Eifer nicht beantworten kunten/ sich auch nicht anders als wahnwitze Untihre bezeigeten/ daß ihnen der Geifer zum Maule ausfloß. Amyntas und alle seine Gaͤste waren sehr leidig wegen der getahnen Ausfoderung; auch Gallus selbst bekuͤmmerte sich dermassen/ daß erweder essen noch trinken wolte/ dann er hatte seinen Herrn noch nie kaͤmpffen gesehen; welcher ihm ge- boht/ er solte schaffen/ daß sein Harnisch auff bestimmete Zeit zum Kampffe fertig waͤhre; erzeigete sich sonst den ganzen Tag durch immerzu froͤlich/ als wuͤste er nichts von dem morgenden Kampffe; und wann die Geselschafft dessen Erwaͤhnung taht/ und wegen der kuͤnfftigen Gefahr sich leidig bezeigete/ baht er sie/ nicht daran zugedenken/ wanns ihnen sonst einige Bekuͤmmerniß machete; ja er vermahnete sie/ gutes muhts zu seyn/ und sage- te: Man muͤste nicht allein von der Tugend reden und sinreiche Gespraͤch fuͤhren/ sondeꝛn sich auch befleissigen/ sie Zeit der Noht in rechtschaffene uͤbung zu bringen/ und der wirkli- chen Gluͤkseligkeit beyzeiten einen Anfang zu machen; so haͤtte ers biß daher gehalten/ und wie jung er waͤhre/ schon mannichen harten Streit mit angesehen/ auch wol gute Stoͤsse mit nach Hause getragen. Einer von der Geselschafft antwortete darauff; es waͤhre zwar alles sehr wol und weißlich geredet; jedoch muͤste man die Herzhaftigkeit allemal der Ver- nunfft zur Einzaͤum- und Beherschung unterwerffen/ und nichts uͤber Vermoͤgen oder Alters Kraͤffte vornehmen/ damit dieselbe nicht uͤber die Schnuhr hiebe/ die Tugend-art verloͤhre/ und in eine verwaͤgene Kuͤhnheit verwandelt wuͤrde/ welches er doch auff ihn nit wolte geredet haben. Mein Freund Urteilet recht und wol/ antwortete er; und ist freilich dieses die rechte Klugheit und Vernunfft/ daß unsere Handelungen in der Mittelwage bleiben/ so daß sie weder nach der Linken/ nach dem Mangel; noch nach der Rechten/ das ist/ nach der uͤbermasse außschlagen; nicht desto weniger aber muß unser ehrlicher Nahme und guter Leumut uns lieber als das Leben seyn/ und wird niemand die Schranken der Tugendhafften Kuͤhn- und Herzhafftigkeit uͤberschreiten/ wann er sein Blut zur vertei- digung seiner Redligkeit vorsichtig anwendet/ da er dann eben nicht seinen Leibeskraͤfften oder seiner Erfahrenheit/ sondern vielmehr seiner guten Sache/ am meisten aber dem ge- rechten Gott vertrauen muß/ welcher die Stolzen und Gewalttaͤhter stuͤrzet/ und dagegen die Demuͤhtigen und Nohtleidenden kraͤfftiget und erhaͤlt. Mein Herr/ gab ihm ein ander zur Antwort; es muͤssen die guͤtigen Goͤtter demselben Menschen hoͤchst gewogen seyn/ welchen sie so fruͤhzeitig in diese Tugendschuele schicken/ in welcher mein Herr aufferzo- gen und unterrichtet ist/ woselbst er nicht allein die Erkaͤntnis/ sondern zugleich die Erfah- rung uñ fertigkeit tugendhaft zu handeln bekom̃en hat. Meine Erfahrung/ sagte Valikules R r ij ist Anderes Buch. ist viel geringer/ als daß sie einiges Lobes wert waͤhre/ aber damit ich die Erfahrung mir durch mañiche Ubung zuwege bringen moͤge/ muß ich deren keine verseumẽ/ welche icho hn verletzung meiner Ehre nicht unterlassen kan; aber auch fleissig zusehen/ daß ich nicht Ur- sach zum Streit und Kampff suche/ weil solchen Blutgierigen und Zanksuͤchtigen der Al- maͤchtige Gott seinen Beystand enttzeuhet/ und sie anlauffen laͤsset/ daß sie fallen muͤssen ehe sie recht stehen. Sie brachten diesen Tag mit solchen Gespraͤchen zu/ daß diese Juͤng- linge außdruͤklich bekenneten/ aller ihrer Lehrmeister Unterweisung zur Tugend/ waͤhre lauter Wasser gegen dieses jungen Ritters koͤstlichsten Wein/ von welchem sie staͤrckere anreizungen zum guten anhoͤreten/ als ihre Lehrer selbst noch nicht begriffen haͤtten. Des folgenden Tages wapnete sich Valikules nach seinem Willen/ sahe selber zu dz sein Hengst recht gesattelt ward/ und ritte in begleitung aller Juͤnglinge hinauß/ da Gallus instendig bey ihm anhielt/ er moͤchte ihm den Kampff wieder diese starke hochmuhtige Ritter goͤn- nen; er ihm aber anzeigete/ daß/ weil seiner eigenen Bekaͤntnis nach/ er in solchen Strei- ten ungeuͤbt waͤhre/ koͤnte er ihn nicht so leicht in die Schanze schlagen. Als er auff den Kampffplaz kam/ traff er keinen von seinen Wiedersachern an/ erwartete ihrer aber ganz freudig mit auffgeschlagenem Helme. Die ganze Stad hatte in erfahrung bracht/ daß ein frischer Juͤngling mit zween starken Rittern umb Leib und Leben kaͤmpffen wuͤrde/ lieffen demnach groß und klein hinaus/ dem Streite zuzusehen. Der Raht hatte eine Schaubuͤh- ne auffschlagen lassen/ darauff sie stiegen/ und nachdem die beyden Ritter gebruͤdere auff grossen Pferden erschienen/ teileten die Richter des Kampffes ihnen Wind und Sonne gleich/ und gaben ihnen die Macht zu treffen/ weil sie sahen/ daß Valikules nicht nachlassen wolte/ sondern sich auff seine Roͤmische Freyheit berieff. Darauff sendeten die hochmuh- tigen Ritter einen Diener an ihn/ uñ liessen fragen/ wem unter ihnen er die Ehre des Sie- ges am liebsten goͤnnen wolte/ wie schlecht auch dieselbe waͤhre/ die man an Kindern erlan- gete/ deß wolten sie ihm die Wahl geben/ weil sie sich selbst nicht wol daruͤber vergleichen koͤnten. Der gefangene Akusilaus wahr auff seiner beyden Oheime hefftiges anhalten un- ter starker Huht mit herauß gelassen/ welcher dann mit solcher Frecheit zusahe/ daß er oͤf- fentlich rieff/ daß/ wo einer von seinen Oheimen unterliegen wuͤrde/ wolte er sich selbst vor schuldig anklagen und uͤber sich Straffe fodern; Valikules aber erzuͤrnete sich uͤber der Ritter schimpflichen Worten dergestalt/ daß er uͤberlaut zur Antwort gab; packe dich bald und sage den schlimmen Tropfen/ es sey mir eben eins/ ob ihrer einer allein/ oder sie alle bey- de mir zugleich begegnen; und fuͤrchten sie ihrer Haut/ so nehmen sie nur den dritten auch zu sich; welche Außfoderung ihm alle Anwesende vor einen Wahnwiz außlegeten. Er aber schloß den Helm zu/ und tummelte sein Pferd sehr art- und freidig/ biß er sahe/ daß der Juͤngere/ nahmens Dionysius sich zum Treffen schickete; da begegnete er demselben mit solcher Krafft/ daß er ihm den Arm durchbohrete/ und ihn als einen Strohwisch auß dem Sattel warff/ daß er alle viere von sich streckete. Sein Bruder erschrack des Falles/ da hingegen die Zuseher ein froͤliches Geschrey ergehen liessen/ dessen doch Valikules we- nig achtete/ sondern kehrete bald umb/ und winckete diesem/ daß er auch treffen solte; der sich dann zwar bemuͤhete seines Bruders Unfal zu raͤchen/ aber da sie mit den Speeren aneinander gerieten/ traff ihn Valikules wieder die Brust/ daß er ein lautes Geschrey ge- hen Anderes Buch. hen ließ und mit samt dem Pferde uͤbern hauffen fiel. Da haͤtte man ein Frolocken der Zu- seher hoͤren sollen; die Goͤtter koͤnten wedeꝛ Unrecht noch Frevel dulden/ und wuͤꝛden die Unschuld bald an den Tag bringen. Valikules sahe dz der erste sich auff die Fuͤsse gemacht/ und der andere noch unter dem Pferde zappelte/ rennete mit verhengetem Zuͤgel zu jenem hin/ sprang herunter auff die Erde/ und in dem er zu ihm trat/ sagete er; du frecher Tropf/ wirstu dich noch weiter umb daß erste Treffen zweien/ oder sihestu schier/ daß dein Leben in meiner Hand stehet? doch ich wil dirs so lange schenken/ biß ich sehe/ wie du das trotzige Schwert zugebrauchen gelernet hast; damit fuͤhrete er so gewaltige Hiebe gegen ihn/ daß er gar fruͤh Blutrustig ward; ließ ihn deßwegen stehen/ ging zu dem andern/ riß ihn unter dem Pferde loß/ und sagte; auff du lange Schlaͤffer und erwaͤhre dich des Kindes/ wel- chen dein Bruder schon vor keinen Knaben mehr haͤlt. Dieser schaͤmete sich so hefftig/ daß ihm das Blut vor die Augen schoß/ stellete sich zwar zur Gegenwehr/ aber die Blut-zeichẽ erschienen bald an ihm/ und trieb ihn Valikules ohn auffhoͤren/ daß er gar Athem-loß ward/ rieff auch dem andern herzu und sagte; wie laͤssestu deinen Bruder so im stiche/ da ich euch doch beyde zugleich außgefodert habe? Dieser sahe seines Bruders Noht/ und wolte ihn nicht laͤnger darinnen stecken lassen/ weil es ihm frey gestellet war; aber da Vali- kules zween Feinde uͤber den Halß bekam/ die sich trauen aͤusserst bemuͤhetẽ/ ihr Leben teur gnug zuverkaͤuffen/ wañ sie es nicht retten koͤntẽ/ wuchs ihm nur sein gutes Herz dadurch/ verdoppelte seine Streiche/ und schlug in kurzer Zeit dem aͤltern das Haͤupt von der Schulter hinweg/ dz es ihm zun Fuͤssen fiel; trat hernach dem and’n ein/ reiß ihm Schwert und Schild aus den Faͤusten/ und warff ihn wider die Erde/ da er ihm den Tod draͤuete/ wo er seines Vettern Mord nicht bekennen/ und seine ertichtete Luͤgen wiederruffen wuͤr- de. Dieser baht/ er moͤchte nur bald mit ihm verfahren/ sintemahl er in solcher Schande nicht laͤnger zuleben begehrete. Aber er antwortete ihm: O nein/ so koͤmst du Verleumder nicht davon/ sondern du must oͤffentlich meine Unschuld bekennen/ oder mit der Folter daꝛ- zu gezwungen werden. Dieser fuͤrchtete sich vor solcher Draͤuung/ und bekennete willig/ daß er solches bloß seinen Vettern zuretten/ aus dessen Eingeben vorgeschuͤtzet haͤtte. In- dem nun Valikules die umstehende baht/ ihm dessen Zeugniß zugeben/ ergreiff dieser seines Bruders Schwert/ und meynete unsern Held an den Beinen zu verletzen/ dann es hatte sich dieser Meuchelmoͤrder auff die Knie gerichtet/ jener aber weich ihm aus mit einem Sprunge/ trat bald wieder ein/ und stieß ihm das Schwert durch die Gurgel/ da er sagete: Ich merke wol/ daß du eines laͤngern Lebens unwirdig bist/ welches ich dir sonst wolgegoͤn- net haͤtte/ und wird Zeit seyn/ daß der loͤbliche Ritterstand von einem so unwirdigen Bu- ben befreyet werde. Zog hernach seinen Helm ab/ legete das Schwerd und den Schild nider/ trat vor die Buͤhne/ und redete mit heller und leichter Stimme/ als ob er sich durch- aus nicht bemuͤhet haͤtte: Hochweise Herren/ sagte er/ ich bedanke mich gegen dieselben samt und sonders/ daß auff mein Anhalten sie mir diesen Plaz gegoͤnnet/ meine Unschuld zuverfechten/ und die Bosheit meiner Verleumder an den Tag zubringen/ damit ich mei- nen Ehren alhie zu Korinth keinen Schaudfleck anschmitzen lasse/ welche ich bißher/ ohn Ruhmzumelden/ vor uͤbeltahten bewahret/ aber auch vor unbefugten Feinden geschuͤtzet habe. Solte ich nun bey meinen Herren mich meiner Kuͤhnheit gebrauchen duͤrffen/ an R r iij die- Anderes Buch. dieselben etwas zugesinnen/ so ist meine fleissige Vorbitte/ dieselben wollen den beyden ar- men Suͤndern Akusilaus und seinem Knechte so viel Gnade erzeigen/ und da sie ihre uͤbel- taht erkennen werden/ ihnen den gelindestẽ Tod antuhn/ von welchem sie durch kein Recht werden koͤnnen loßgesprochen werden. Der Raht trat auff der Schau Buͤhne zusammen/ unter welcher Zeit Akusilaus zu guten Gedanken greiff/ seine begangene Mordtaht oͤffent- lich bekennete/ und mit einem wehmuͤhtigen Fußfalle umb Gnade baht; da der Rahtsmei- ster unserm Valikules mit entbloͤssetem Haͤupte antwortete: Trefflicher Ritter/ wir alle mit einander muͤssen bekennen/ daß bey Menschen Gedenken eine solche Heldentaht zu Ko- rinth und in ganz Griechenland nicht begangen ist/ welche wir so hoch schaͤtzen/ daß wir un- sern Augen kaum trauen duͤrffen. Eure Ehr/ aͤdler Ritter/ wird vor dergleichen Laͤsterer wol ungekraͤnket bleiben/ welche zuerheben wir nicht unterlassen sollen. Betreffend die Ge- fangenen/ muͤssen sie euer kraͤfftigen Vorbitte geniessen/ wie wenig sie es auch umb euch verdienet haben/ und da ihnen sonst die Kreuzigung erkennet wahr/ sollen sie mit dem Schwerte begnadet werden. Valikules bedankete sich der hohen Gewogenheit/ und ver- pflichtete sich zu jhren Diensten/ nam sein Schwert und Schild zu sich/ und schwaͤnkete sich in vollem Harnische so ringfertig auff sein Pferd/ daß die Zuseher sprachen: es waͤhre des Ritters gleichen in aller Welt nicht zufinden. Gleich da er auffgestiegen wahr/ ersahe er unter den Umstehenden einen ansehnlichen Mann/ welchen er aus seinen Geberden vor einen Christen hielt/ wie er auch wahr; denselben baht er/ die beyden Pferde der Er- schlagenen zu sich zunehmen/ sie zu verkauffen/ und das Geld unter die Armen auszu- teilen/ welcher/ wegen der Armut dankend/ ihm solches verhieß. Seines Sieges aber freuete sich niemand so herzlich/ als sein ergebener Gallus/ welcher nunmehr sahe/ was vor einem Herꝛn er aufwartete. Die Juͤnglinge kahmen auch zu jhm geritten/ wuͤn- scheten jhm des erhaltenen treflichen Sieges wegen Gluͤk/ und verbunden sich/ jhm willig zudienen. Valikules gebrauchete sich seiner gewoͤhnlichen Freundligkeit gegen sie/ baht uͤmb jhre gute Gewogenheit/ und verpflichtete sich nach Vermoͤgen zu jhrem guten Willẽ. Nach jhrem Abzuge erging alsbald das Gerichte uͤber die armen Suͤnder/ da der Knecht Kallias sich anfangs vor die Begnadung bedankete/ und anzeigete/ er haͤtte nie den Willen gehabt/ solche Mordtaht zubegehen/ aber sein Herꝛ/ dem es die Goͤtter vergeben moͤchten/ haͤtte jhn mit Gewalt und durch Bedraͤuung darzu gezwungen/ daß er haͤtte muͤssen mit Hand anlegen/ und jhm an die zwanzig fremde Gaͤste helffen uͤmbringen. Die Rahtsher- ren entsetzeten sich uͤber solcher Bekaͤntnis/ und wahr jhnen die erteilete Begnadigung schon leyd/ welche sie doch Valikules zu Ehren nicht wieder auffruffen wolten/ ward also dieser zu erst hingerichtet. Akusilaus gestund dessen Bekaͤntnis/ baht sehr/ daß die erteilete Gnade in jhrer Kraft verbleiben moͤchte/ und fing zu der uͤmstehenden Buͤrgerschaft diese Rede an: Ihr Buͤrger von Korinth/ die jhr zugegen/ und abwesend seyd/ wendet eure Au- gen her auf mich/ und stellet euch den boßhaften moͤrderischen Wirt Akusilaus vor zum Beyspiel/ daß jhr nicht dermahleins/ wie er/ des Henkers Schwert/ als eine sonderliche Gnade euch selbst bitten duͤrfet. Die erste Grund Ursach aller meiner begangenen Boß- heit ist/ Hoffart/ Wollust/ und Faulheit; Meine Guͤter hatte ich in der Jugend verprasset/ welche meine Eltern durch Muͤhe und Schweiß/ ja auch wol durch Betrug und Vervoꝛ- teilung Anderes Buch. teilung zusammen getrieben hatten/ damit ich Lebensmittel haben moͤchte; jch wahr des Wollebens gewohnet/ und hatte nichts geleꝛnet wodurch ich mein Brod gewiñen moͤgen; so wahr ich auch guter Tage begierig/ hatte aber den Beutel ausgeleeret/ und wolte doch nicht Mangel leiden/ daher suchte ich eine Raͤuber-Geselschaft/ fand sie auch in dieser Stad an etlichen meines gleichen/ und erhielt mich eine Zeitlang durch solche Untugend; endlich gedauchte mich diese Hantihrung zu grosse Gefahr auff sich haben/ brachte auch nicht allemahl so viel ein als ich mir wol Hoffnung gemacht hatte/ deswegen zog ich mich davon abe/ und ward ein Gastwirt/ nirgends anders uͤmb/ als daß ich nicht mehr duͤrffte nach dem Raube ausgehen/ sondern fremde Gaͤste mir denselben ins Hauß bringẽ moͤchtẽ. Dieses hat mir etliche Jahr gegluͤcket/ aber endlich sind meine Haus Goͤtter solcher Un- taht muͤde worden/ und haben mich in dieser meiner Boßheit an das Tage-Liecht herge- stellet. So sehet nun auff mich/ Junge und Alte/ damit jhr nicht mit mir vor der Welt zu Spot und Schanden werdet. Ihr Jungen/ lernet beyzeiten etwas redliches/ daher ihr euch ernaͤhren koͤnnet/ und gewaͤhnet euch nicht zum Muͤssiggange. Ihr Alten verzehret nicht mehr als jhr erwerbet/ und lasset euch genuͤgen an der Notturft. Ich weiß wol das es meines gleichen unterschiedliche in Korinth gibt/ so wol nach meiner lezten als ersten Betreibung/ und moͤchte wuͤnschen/ daß sie alle hie bey mir stuͤnden den Lohn zuempfahen/ damit die Stad von solchem Unflaht gesaubert wuͤrde; weil solches aber ein vergeblicher Wunsch ist/ hoffe ich dannoch durch diese meine Vermahnung etliche von solcher Boß- heit abzuzihen/ und an meines Lebens Ende dem lieben Vaterlande einen guten Dienst zu- tuhn/ vor die mir anjezt erzeigete Gnade. Das erschlagene fromme Weib liegt mir gewal- tig auff der Seele/ dann ich habe sie anfangs uͤmb die Ehre/ hernach uͤmbs Leben gebracht/ und hat sie mir es geweissaget/ der almaͤchtige Gott/ der sie uͤmb jhrer Suͤnde willen in die- se Noht gerahten lassen/ wuͤrde meine Ubeltaht in kurzer frist an den Tag bringen/ so daß mein eigen Maul mich verrahten wuͤrde; welches ich auch halte geschehen seyn/ und Herꝛ Amyntas leicht erfahren kan. Ich sage nochmahl/ daß dieser Moꝛd mir das Herz gewal- tig druͤcke; aber mein lezter noch vielmehr/ welcher dreyfach ist; dann wer kan es leugnen/ daß ich nicht solte diese meine beyden Oheimbe/ und diesen meinen frommen Knecht Kal- lias ermordet haben. Ich ich bin eine Ursach jhres Todes; jene beyden habe ich durch mei- ne Luͤgen verleitet; diesen habe ich gezwungen uͤbel zutuhn/ dagegen er mich von anfang her getraͤulich von solcher Boßheit abgerahten/ mir auch Mittel vorgeschlagen hat/ wodurch ich mich ehrlich ernaͤhren moͤchte; weil ich aber nicht habe folge leisten wollen/ so trit her du Henker und erteile mir den Lohn/ welchen ich doch vor die hoͤchste Gnade erkeñe/ so Zeit meines Lebens mir wiederfahren ist/ dann ich habe uͤber die 50 Menschen teils selbst er- mordet/ teils Raht und Taht darzu geleget. Wie es nach dem tode meiner armen Seele er- gehen werde/ muß ich gewaͤrtig seyn/ und wann alle von mir ermordete sich an mir raͤchen wolten/ wie ich fuͤrchten muß/ werde ich des Leidens so viel finden/ daß mir die Haar davor zu Berge stehen. Hiemit endigte er/ setzete sich auff die Knie/ und ließ sich einer Spanne kuͤrzer machen. Amyntas ging nach gehaltenem Gericht nach Hause/ und erzaͤhlete seinen Gaͤsten allen Verlauff; woruͤber Valikules seuffzete/ und zur Antwort gab: O weh o weh dieser armen Seele des verzweiffelten Akusilaus! er hat sich vor die Seelen der von ihm erschla- Anderes Buch. erschlagenen gefuͤrchtet/ welche ihn wol ungepeiniget lassen werden/ aber der Gerechte Gott/ mit welchem ihm das fromme/ ohn zweiffel Chꝛistliche Gottselige Weib gedraͤuet/ hat ihm andere Peiniger/ die boͤsen Teuffel in der Helle zugegeben/ welche ihm groͤssere Angst werden zubereiten/ als Menschen Verstand nicht ergruͤnden/ und keine Zunge auß- sprechen kan. Des folgenden Tages bereiteten sich die Juͤnglinge zu der Reise nach der Stad Eliß/ weil die Olympischen Spiele in derselben gegend gehalten wurden. Diese sind mit unter den aͤltesten ritterlichen Ubungen/ deren bey den Geschichtschreibern mel- dung geschihet. Pelops/ des Phrygischen Koͤniges Tantalus Sohn/ hat sie dem Jupiter Olympius zu ehren gewidmet/ im Jahr nach erschaffung der Welt 2634/ da Ehud die Kinder Israel richtete; vor Koͤnig Davids herschung 256 Jahr; vor zerstoͤrung der Stad Troja 133 Jahr; vor erbauung der Stad Rom 564 Jahr; vor Christus unsers Heylan- des Geburt 1314 Jahr. Und als sie mit der Zeit in abgang kahmen/ erneuerten sie die Ge- bruͤder Atreus und Thyestes/ zum ehrengedaͤchtnis des ersten Stifters Pelops/ nachdem sie vor 95 Jahren den ersten Anfang genommen hatten. Uber 19 Jahr hernach ersetzete und bestaͤtigte sie der Griechische Herkules Alkmenen Sohn/ abermahl/ wie vor ihm A- treus; sie fielen aber wieder/ biß endlich im 427sten Jahr nach Herkules (wahr das andere Jahr nach Romulus Geburt) Iphitus sie dem Herkules zu ehren wieder anrichtete/ von welcher Zeit her sie in steter Ubung geblieben sind. Sie wurden aber allezeit nach verlauff vier ganzer Jahr gehalten/ und zaͤhleten die Griechen ihre Zeit nach diesen Spielen in ih- ren Geschicht Buͤchern. Dasselbe/ welches vor dißmahl solte gehalten werden/ wahr von Iphitus her zurechnen/ das 251ste Olympische Spiel. Die versamleten Juͤnglinge ehretẽ unsern Valikules auff der Reise nach vermoͤgen/ und hielten bey ihm an/ daß er bey den Spieluͤbungẽ sich mit findenlassen moͤchte; welches aber wieder sein Gewissen und Glau- ben lieff/ massen er wuste/ daß es den Heidnischen Goͤtzen zu ehren angefangen wahr; ent- schuldigte sich demnach hoͤfflich/ einwendend/ er waͤhre in solchen Spielen nicht unterꝛich- tet/ haͤtte auch derselben teils wenig/ teils gar nicht versuchet/ daher wolte er diesen Plaz denen gerne goͤnnen/ welche hoffeten daselbst Ehre zuerwerben; jedoch wegerte er sich nit/ die Zeit des Feiers uͤber/ alda zuverbleiben/ und der Lust zuzusehen/ dann er vorlaͤngst ge- wuͤnschet haͤtte/ des Spiels eigenliche Erkaͤntnis zu haben. Auff der Reise nach Elis sties ihnen nichts sonderliches zu/ ohn als sie etwa noch anderhalb Meile dahin hatten/ begeg- neten ihnen vier geharnischte Ritter/ welche Valikules/ ihn so zart und jung in seinem Haꝛ- nische reiten sehend/ mit hoͤhnischen Worten zu Rede setzeten/ wer ihn so kuͤhn gemacht haͤtte/ daß er einen Ritter Harnisch anlegen duͤrffen/ und nicht/ wie die andern Juͤnglinge in seinen Kleidern ritte. Denen er zur Antwort gab: Er haͤtte noch bißher seine Waffen mit Ehren getragen/ vermeynete auch nicht/ daß einiger Mensch in der Welt lebete/ wel- cher Ansprach darzuhaͤtte; und kaͤhme ihm zumahl fremde vor/ daß sie ihn als einen unbe- kanten dergestalt auff freyer Landstrasse rechtfertigten. Diese macheten sich naͤher zu ihm/ und sageten mit spoͤttischer Rede: Sie wolten ihm die schwere Ruͤstung abnehmen/ daß er nicht drinnen erstickete. Als auch einer ihm nach dem Helme griff/ ihm denselben abzu- loͤsen/ traff er ihn mit dem Schilde dergestalt vor das Maul/ daß ihm die Zaͤhne knirreten/ und das Blut aus den Lippen hervor floß; ergriff darauff sein Speer von Gallus/ und fra- gete Anderes Buch. gete sie/ ob sie Ritter oder Raͤuber waͤhren; und da sie ihn keiner Antwort wirdigten/ setze- te er sich ins Feld/ und rieff ihnen zu; dafern sie ihm wegen des angelegten Schimpffs nit wolten abtrag machen/ solten sie sich vor ihm huͤten. Diese hatten ihre Speer von den Dienern auch schon zur Hand genommen/ und nach kurzem Zank/ welcher unter ihnen den ersten Angriff tuhn solte/ machte sich der dritte in der Ordnung hervor/ traff mit Va- likules/ und ward von ihm dergestalt auff die Erde gesetzet/ daß er im Falle das linke Bein entzwey brach. Der andere solches sehend/ erschrak uͤber seines nahen Anverwanten Un- fall/ und wolte ihn raͤchen; aber Valikules/ der sein Speer annoch unzerbrochen hatte/ be- gegnete ihm mit grossem Eifer/ traff ihn auch so unsauber/ daß ihm das Speereisen zur Helffte in den Leib ging/ und er toͤdlich verwundet in den Sand stuͤrzete. Als die beyden uͤbrigen solches sahen/ wahr ihnen das zittern nicht weit/ sonderlich dem/ welcher die erste Maulschelle davon getragen/ und sich im Haͤupte nicht gar wol befand/ setzeten deswegen zusammen/ und wolten auff Valikules zurennen/ welches Gallus zuverhindern bedacht wahr/ und sich mit einmischen wolte/ bekam aber von seinem Herrn Befehl/ er solte sich an nichts kehren/ und ging derselbe nach zubrochenem Speer mit entbloͤssetem Degen ihnen entgegen/ huͤtete sich auch/ daß sie beyde fehl stechen musten/ hingegen traff er den blutigen im voruͤberhauen auf die rechte Schulder/ daß derselbe Arm biß auff den Knochen abge- hauen ward/ und er selbst aus Ohmacht niderstuͤrzete. Den lezten ermahnete er/ sich zuer- geben/ oder des Todes zuerwarten. Weil nun derselbe der wehrhaffteste unter allen wahr/ dauchte ihn die Bedingung zu herbe/ zog von Leder/ und erwehrete sich seiner Haut nach Vermoͤgen/ bekam aber nach kurzem Gefechte etliche tieffe Wunden/ welche ihm an fernerer Gegenwehr hinderlich wahren/ dessen Valikules doch nichts achtete/ sondern ohn aufhoͤren ihm so gedrange taht/ daß er endlich suchete auszureissen/ waͤhre auch schier ent- wischet/ wann nicht sein Pferd unter ihm gestrauchelt haͤtte/ daß er druͤber gar absatteln muste/ da ihm Valikules so nahe auf der Haube wahr/ daß er ihm den linken Arm fast gar vom Leibe abloͤsete/ und der Verwundete mit einem harten Geschrey niderstuͤrzete. Also lagen diese vier freche Trotzer im Felde/ als waͤhren sie mit der Schleuder dahin geworf- fen/ und kunte ihrer keiner/ weder sich selbst/ noch den andern helffen/ da dann Valikules sich weiter nicht an sie kehren wolte/ sondern seine Geselschafft/ welche XXXI Mann stark wahr/ freundlich baht/ sie moͤchten auff den fall/ da es noͤhtig seyn wuͤrde/ ihm das Zeugniß geben/ daß er aus Noht gezwungen waͤhre/ diesen Kampff anzugehen/ dessen er viellieber haͤtte wollen geuͤbriget seyn. Diese alle hatten sein Gefechte mit hoͤchster Verwunderung angesehen/ wuͤnscheten ihm Gluͤk zu seinem heldtaͤhtigen Siege/ und verfluchten den uͤber- muht der nider gelegeten Ritter/ ermahneten jhn zugleich/ sie vollends hinzurichten/ damit sie nicht schier heut oder morgen ihm moͤrdlich nachstelleten; er aber gab zur Antwort: waͤhren sie des Lebens wirdig/ wolte ers ihnen goͤnnen/ wo nicht/ wuͤrde ihnen Gottes hand schon den Tod zuschicken/ und zogen darauf ihres Weges fort. Nach verlauf einer guten halben Stunde stiessen ihnen drey andere Ritter auff/ welche frageten/ ob ihnen nicht vier Ritter mit so viel reitenden Dienern begegnet waͤhren; Valikules antwortete freundlich: Ja/ sie waͤhren ihnen unlaͤngst begegnet/ und da es ihnẽ nit zuwider/ moͤchten sie ihm unbe- schweret anzeigen/ was sie ihnen wolten. Es sind vier hochmuͤhtige Trotzer/ antwortete der S s eine/ Anderes Buch. eine/ und haben mir einen solchen Schimpff bewiesen/ welchen ich mit diesen meinen Ge- huͤlffen suche zu raͤchen. Dieser Rache wird mein Herr nicht beduͤrffen/ sagte Valikules/ massen ich ihm darinnen zuvor kommen muͤssen/ nachdem sie mir als einem unwirdigen meine Waffen abnehmen wollen. Was vor Huͤlffe hat dann mein Herr gehabt? fragete der vorige. Waͤhren meine Herren so viel zeitiger kommen/ antwortete er/ haͤtte deren Beystandes ich mich hoͤchlich zuerfreuen gehabt/ weil ich aber gar allein in diesem Kampf gewesen/ habe ich dem lieben Gott und meiner guten Sache trauen muͤssen/ da mein Speer mich an den beyden ersten/ und mein Schwert mich an den beyden lezten gerochen/ daß sie uͤbel verwundet und zubrochen im Sande liegen blieben sind/ wo sonst ihre Diener sie nit in Gewahrsam fuͤhren. Die ganze Geselschafft bezeugete/ daß es also ergangen waͤhre; Worauff dieser zu Valikules sagete: Gott nehme euch/ tapfferer Ritter in seinen Schuz/ und muͤssen diese sehr gluͤkselige und tugendhaffte Eltern seyn/ welche einen solchen Held an diese Welt gezeuget haben; Jene freche Buben aber muͤssen mit dem Leben nicht davon kommen wo ich sie sonsten noch ertappen kan/ nachdem sie mich an meiner Liebesten und an mich selbst dergestalt beleidiget haben/ daß sie mir nicht anders als mik dem Leben be- zahlen koͤnnen. Mein Herr/ antwortete Valikules/ ich bedanke mich beydes des Gottseli- gen Wunsches und des unverdienten Lobes/ und verpflichte mich zu seiner Freundschafft und Diensten. Also ritten sie von einander/ und renneten diese drey hin/ die ihnen bezeich- nete Wahlstatt zubesehen/ funden die vier Diener in voller Bemuͤhung/ wie sie ihre hart verwundete Herren fortbringen moͤchten/ welche in grossen Schmerzen lagen/ insonder- heit der ander/ so mit dem Speer im Leibe verwundet wahr/ als welcher schon mit dem To- de rang. Die drey Ritter jaͤcheten alle Diener/ dz sie mit blutigen Koͤpfen das Hasen-panier auffwurffen/ macheten sich hernach zu den Verwundeten/ und fragete sie der Beleidigte: was vor ein redlicher Zuchtmeister hat euch verlogenen gottlosen Schelmen den schaͤnd- lichen Hochmuht und Frevel so statlich eingetrieben. O verzeihet uns/ mein Herr/ ant- wortete der zum ersten mahl verwundete/ so wir euch heut und eure versprochene Liebste be- leidiget haben/ wovor wir dann Abtrag zumachen uns willig anerbieten/ uñ erbarmet euch uͤber uns/ die wir von zehn Rittern ungewarnet uͤberfallen und schelmischer weise also zu- gerichtet sind. O du verwaͤgener Luͤgener/ antwortete dieser; kanstu noch nicht auffhoͤren großzusprechen/ daß du dich uͤber zehne beklagest/ und ein einziger junger Ritter euch nach Verdienst geputzet hat/ welchen du noch vor einen Schelmen ausruffen darffst/ da er ge- zwungen hat muͤssen eine Nohtwehre tuhn. Jedoch haͤttestu gestriges Tages samt deinen Gesellen dich an meiner Beschimpffung begnuͤgen lassen/ und der ehrlichen aͤdlen Jungfer geschonet/ wolte in diesem euren Elende ich euch Huͤlffe zubeweisen/ mich nicht wegern/ a- ber der Geistliche und Jungfern schaͤndet/ ist beydes des Ritterordens und des Lebens un- wirdig. Hieß darauff seinen Diener absteigen und die Rache volstrecken/ welcher ihnen al- len die Gurgel abstach/ und sie also liegen ließ. Die eigentliche Ursach/ daß dieser Ritter so eiferig verfuhr/ wahr diese: Es reisete derselbe auff jenseit Elis gar allein/ so daß er seine verlobete Braut eine Hochaͤdle Tugendhaffte und schoͤne Jungfer neben sich auff einem Zelter fuͤhrete/ da er seine beyden Diener voraus nach der Stad hatte reiten lassen/ ihm gu- te Herberge auszurichten. Diese vier Freveler begegneten ihm in einem lustigen Walde/ und Anderes Buch. und gebohten der Jungfer/ ihre Angesichts Verhuͤllung hinweg zu tuhn/ und sehen zu las- sen/ ob dann ihre Haut so zart waͤhre/ daß sie vor der Sonnen Hitze muͤste verdecket wer- den; Ihr Braͤutigam vermahnete sie/ sich aller Taͤhtligkeit und Beschimpffung zuenthal- ten/ und ehrliebende Jungfern ihres Weges reiten zu lassen; aber ehe er sichs versahe/ ma- cheten sich drey uͤber ihn her/ nahmen ihm Schild/ Schwert und Helm/ warffen ihn vom Pferde/ und bunden ihm Haͤnde und Fuͤsse fest zusammen. Der vierde hatte sich inzwischẽ an die Jungfer gemacht/ sie vom Zelter vor sich auff sein Pferd gezogen/ das Angesicht ihr entbloͤsset/ und als er sie so zart und schoͤn sahe/ sich ungebuͤhrlich gnug gegen sie bezeiget; weil sie dann sich straͤubete/ und ein hefftiges Geschrey trieb/ naheten die andern auch her- zu/ rissen ihr alle ihre Kleider biß auffs Hemde vom Leibe/ legeten sie auff die Erde/ und staͤupeten sie mit frischen Ruhten/ daß das Blut begunte hernach zufolgen/ hernach schlep- peten sie dieselbe fest gebunden samt dem Ritter ins Gehoͤlze/ und ritten der Stad zu. Nach ihrem Abschiede wirkete sich der Ritter loß/ entband seine Liebste desgleichen/ und dankete nebest ihr den frommen Gott/ daß ihre Ehre noch unverletzet blieben wahr/ funden ihre zer- rissene Kleider am Wege/ in welche sie sich verhuͤllete so best sie kunte/ traffen ihre Pferde auch im Gehoͤlze grasend an/ denen die Zuͤgel abgestreiffet wahren/ die sie auch wieder fun- den/ sich beritten macheten und nach der Stad zueileten. Ihre beyde Diener daͤuchte ihr aussenbleiben lange seyn/ ritten nach bestelleter Herberge ihnen entgegen/ und erfuhren/ wie es ihnen ergangen wahr; worauff sie anzeigeten/ daß sie solche vier Ritter haͤtten sehẽ zur Stad Elis einreiten. Also bemuͤhete sich nun der Beleidigte nach Huͤlffe/ traff zween bekante Ritter an/ denen er den Schimpff klagete/ und sie zum Beystand vermochte/ da er dann die Rache/ wie zuvor gemeldet/ vollstreckete. Valikules ritte inzwischen mit seiner Gesellschafft fort/ und als sie zu Elis ankahmen/ musten sie sich in unter schiedliche Herbeꝛ- gen verteilen/ weil sie mehrenteils schon bezogen wahren. Die Blume der Griechischen Ritterschafft wahr hieselbst versamlet/ welche dem Spiele teils als Einverleibete/ teils als Zuseher beyzuwohnen bedacht wahren. Es gingen aber daselbst mannicherley uͤbungen vor; Etliche hielten einen Wette-lauff/ welches nicht unlieblich zu sehen wahr; Andere be- fliessen sich die weitesten Spruͤnge zu tuhn. Dort wolte einer dem andern mit dem jaͤhen Stein- und eisern Ballenwurff uͤberlegen seyn. Hie traten unterschiedliche Kaͤmpffer/ wie sie das Loß gefuͤget hatte/ mit Schwertern; dort mit Streitkolben zusammen/ und teileten gute Puͤffe aus. Etliche wolten mit Ringen sonderlichen Preiß erwerben; andere rungen und fochten zugleich/ die man Pankratisten nennete/ weil sie alle Kraͤffte anwendeten/ die sie hervor zusuchen wusten. Und diese uͤbungen geschahen alle zu fusse/ welche dann ihre gewis- se Tage hatten. Nachgehends sahe man das Rennespiel anstellen/ da man teils mit zwey/ teils mit vier vorgespanneten Pferden den Wagen nicht allein schleunig fortzurollen/ son- dern auch artig zu wenden fleiß anlegete. Es funden sich uͤber das Reuter/ die den Pferdẽ den Zuͤgel schiessen/ und sie mit moͤglichster Schnelligkeit dem gestekten Zweg zulauffen liessen. Nach welchen Leibesuͤbungen/ andere ihrer Zungen Beredsamkeit hoͤren zulassen aufftraten/ welches Valikules dann insonderheit wolgefiel/ weil ihn dauchte/ er haͤtte aus dieser uͤbung dißmahl den besten Nutzen gehabt. Der Preiß/ welcher den Uberwindern ausgeteilet ward/ wahr weder Silber noch Gold/ noch einiges Kleinot/ sondern nur ein S s ij Kranz Anderes Buch. Kranz von gruͤnen Oelzweigen/ eines sonderlich darzu gewidmeten Baumes/ dessen Blaͤt- ter viel anders/ als der andern Oelbaͤume/ gestaltet waren; welche Vergeltung ihres wol- verhaltens sie hoͤher als allen Reichtuhm schaͤtzeten/ und ward des Siegers Nahme in ein Gedaͤchtnis-Buch eingeschrieben/ und ihm auch wol eine Ehren Seule auffgerichtet. Nach geendigten Spieltagen/ wahr Valikules willens/ sich auff die Reise zubegeben/ und sagete zu Gallus: Was rahtet ihr? gehen wir zu Lande nach Bisanz fort/ oder setzen wir uns zu Korinth auff ein Schiff/ und fahren alsbald den Morgenlaͤndern zu? Gallus ant- wortete: Mein Gn. Herr hat meines Rahts hierin nicht von noͤhten; doch meine unvor- greiffliche Meynung waͤhre/ daß wir uͤber Meer gingen/ weil die Reisen zu Lande viel und mannicherley Verhinderungen geben koͤnnen/ und ein Ritter offt Anfall hat/ wie solches Eure Gn. diese kurze Zeit her schon zur gnuͤge erfahren. Eben dieses/ sagte Valikules/ liegt mir auch im Kopffe/ und sehe ich/ daß die Rittersleute hier zu Lande ihnen die Freyheit suchen/ sremde zubeschimpfen/ deßwegen ich mich noch heut erklaͤren werde/ was ich tuhn wil. Es lag aber ein vornehmer Griechischer Herr/ Nahmens Parmenio mit ihm in ei- ner Herberge/ welcher in des Persischen Groß Fuͤrsten Artaxerxes Kriegsbestallung war/ von dem er grosse Gelder gehobẽ hatte/ etliche Geschwader Griechisch Kriegsvolk zuwer- ben. Mit diesem waͤhre er zwar sehr gerne fortgezogen/ merkete aber an ihm eine sonder- liche Ungewogenheit/ und hatte albereit unterschiedliche Stachelreden bey der Mahlzeit von ihm eingefressen; doch/ Ungel egenheit zuverhuͤten/ sie allemahl neben sich hinstreichen lassen/ weil er nicht mit Nahmen genennet wahr. Dieser Parmenio wahr sonst ein sehr verwaͤgener handfester Ritter/ und wolversuchter Kriegs Obrister/ aber uͤberaus ruhmraͤtig und stolz/ der sich von seinen Dienern mehr als Fuͤrstlich auffwarten und ehren ließ/ und wahr uͤbel zu frieden/ daß ihm von Valikules/ seiner Meynung nach/ nicht Ehre gnug angetahn ward/ welcher ihm doch mehr Hoͤffligkeit erzeigete als er schuldig wahr/ ohn/ daß er ihn nicht seinen Gn. Herren nennete/ noch ihm nach Willen redete/ weil sein Gemuͤht viel zu aͤdel wahr/ einem Tugendlosen Menschen zuschmeicheln. Als sie dieses Tages sich zu Tische setzeten/ nam Parmenio seiner Gewonheit nach/ ohn einige noͤhtigung die Oberstelle ein/ durffte auch die andern anfodern/ wie sie sitzen solten. Es wahr ein an- sehnlicher Rahtsverwanter/ von Athen mit am Tische/ dem gefiel Valikules sitsames Le- ben sehr wol/ trachtete auch allemahl/ ihm am naͤhesten zu sitzen/ und durch vielfaͤltiges fra- gen/ gab er ihm offt Ursach zu antworten/ welches er doch allemahl mit kurzen Worten taht. Parmenio fuͤhrete stets das grosse Wort uͤber Tische/ und suchte allerhand Gelegen- heit/ ihn zubeschimpffen/ welches er merkend/ sich fleissig vorsahe/ daß er seinen Willen nit fuͤglich zu werke richten kunte; endlich fing jener eine Rede an von der jetzigen Jugend ver- waͤgener Kuͤhn- und Grobheit/ wie dieselben alte und hochersahrne Leute wenig ehreten; meineten/ ihr glatter Schnabel und unbaͤrtiges Maul duͤrffte sich so wol hoͤren lassen/ als andere; uñ waͤhre nunmehr so weit kom̃en/ daß wann einer den Sattel beschreiten/ und in ein Stuͤk Harnisch sich verstecken lassen koͤnte/ er alsbald in den Ritterstand wolte auffge- nommen seyn/ welchen er entweder mit Gelde/ oder unzuͤchtiger Freundschafft erlangete/ und koͤnte mannicher zum feinen Manne und guten Landsknecht gedeien/ wañ er der Jah- re erwartete; weil man aber so zart und jung sich unter die scharffen Schwerter wagete/ wuͤrde Anderes Buch. wuͤrde ihnen das gelbe Haar daruͤber also gestraͤhlet/ daß sie vor grauen befreiet/ sterben muͤsten/ ehe sie recht angefangen zu leben. Niemand wahr uͤber Tische/ der nicht hand gꝛeif- lich merkete/ daß Valikules damit gestochen wahr/ der sich doch nicht anders stellete/ als ging es ihn im wenigsten nicht an/ und deßwegen mit seinem Beysitzer von Athen immer- fort redete. Parmenio legete ihm solches vor eine bloͤde Furcht auß/ sahe auch/ daß keiner von den Anwesenden sich daran kehrete/ sondern durch stille schweigen und ernsthafftiges Gesicht merken liessen/ daß sie an seinen Reden gar keinen gefallen trugen; und dannoch wolte er nicht ablassen/ sondern redete Valikules an/ und sagete; junger Herr/ von wañen seid ihr? Dieser sahe ihn zwar nicht saur/ jedoch ernsthafftig an/ und sagete: Mein Herr/ ich bin vor weniger Zeit uͤber Meer aus fremden Landen alhier angelanget/ umb einen gu- ten Freund zu suchen/ welcher/ wie ich berichtet worden/ sich dieser oͤrter auffhalten sol. Mein/ antwortete Parmenio/ ihr seid noch jung/ und duͤrffet euch schon uͤber Meer wagen/ uñ unbekante Landschafften durchzihen? fuͤrchtet ihr euch nicht/ daß ihr euch in der Frem- de verlieren moͤchtet? aber saget mir/ da ichs wirdig bin/ was vor eine Landschafft ist es/ in welcher so herzhaffte und zierliche Juͤnglinge erzogen werden? Valikules sahe/ daß er sich in die Harre mit Hoͤfligkeit nicht wuͤrde schuͤtzen koͤnnen/ wolte doch so viel moͤglich/ uͤber sich gehen lassen/ und antwortete auff solchen groben Spot: Mein Herr/ ob ich irre ritte/ muͤste ich des Weges bey andern nachfragen; meine Zierligkeit betreffend/ ist dieselbe gar schlecht; jedoch bitte/ wo moͤglich/ mein zuverschonen/ als der ich ihn im wenigsten nicht beleidiget/ auch sehr ungerne mit jemand unwillen haben moͤchte. Dieser rede entruͤstete sich jener/ und sagte; feiner Herr/ da ihr mein Diener waͤhret; muͤstet ihr etwas mehr Hoͤfligkeit lernen/ sonsten wuͤrde ichs euch schwerlich zu gute haͤlten. Ja/ antwortete er/ alsdann muͤste ich mich freilich nach seinem Willen schicken/ wozu ich ohn daß mich erbie- ke/ so viel ohn Nachteil und Verkleinerung meiner Ritterlichen ehren geschehen mag. Parmenio fragete; ob er dañ sich wegerte/ ihm zu dienen. Freundschafft Dienste/ antwor- tete er/ bin ich einem jeden schuldig/ aber in Knechtschafft mich einzulassen/ noch zur Zeit nit willens. Ich bin dessen zu friedẽ/ sagte jener/ dañ ich begere solches stolzen Dieners nit. Wol dann/ antwortete er/ so werden wir geschiedene Leute seyn/ weil ich solchen Herren noch nie gesucht habe; daß er mich aber vor einen stolzen angibt/ darinnen irret er weit. Hiemit wahr dem hochmuhtigen Freveler viel zu nahe getreten/ bruͤstete sich demnach wie ein Pfau/ und hies ihn die Pfeiffe einhalten/ oder er muͤste sie ihm mit dem Pruͤgel stopffẽ lassen. Welchen Schimpf er nicht anders empfand/ als ob ihm ein Schwert durchs Herz gestossen waͤhre; maͤssigte doch seinen Zorn/ wegen der ansehnlichen gegenwaͤrtigen Ge- selschafft/ die er mit folgenden Worten anredete; Ihr meine Herren und werte Freunde; ich halte ja/ daß Roͤmische Kaͤyserl. Hocheit dieses Orts gebuͤhrlich beobachtet werde; Und als sie solches mit Ehrerbietung bejaheten/ fuhr er also fort: Nun bin ich aber ein Roͤmischer Ritter/ und von meinem allergnaͤdigsten Kaͤyser unter die hoͤchsten Geschlech- ter zu Rom angenommen/ darzu aͤdel/ und rittermaͤssig gebohren/ habe auch/ als lange ich das Schwert fuͤhren koͤnnen/ mich fleissig gehuͤtet/ niemand vorsezlich zubeleidigen. Was mir aber diese Mahlzeit uͤber vor schmaͤhlicher Schimpf wiederfahren/ beruffe ich mich auff meiner Herren Zeugnis. Zwar ich hatte mir steiff vorgenommen/ alles voruͤber ge- S s iij hen Anderes Buch. hen zulassen/ so viel immer tuhnlich waͤhre; weil ihr aber (euch rede ich an Parmenio) weil ihr mich als einen Sklaven mit Pruͤgeln draͤuet/ ungeachtet ihr meines Standes und Wesens ganz unberichtet seid/ ich euch auch durchauß nicht beleidiget habe/ so schiebe ich alle eure außgelassene Schmaͤhungen in euren Busem/ begehre von euch Abtrag/ und in dessẽ Wegerung fodere ich euch aus zum Kampffe/ es sey in Kleidern oder im Harnisch; es sey zu Roß oder zu Fusse; daß ihr alsbald auff dem Plaze erscheinet/ wo diese Tage die Spiele sind gehalten worden; daselbst wil ich euer wahr nehmen/ wo ihr mir sonst nicht zuvor kommet/ umb zuvernehmen/ ob eure Tugend so groß als euer Hochmuht sey. Par- menio Laͤchelte hieruͤber/ und fragete ihn/ obs dann sein Ernst waͤhre; er wolte nimmer hoffen/ daß er so straͤnge mit ihm verfahren wuͤrde. Die Anwesende Herren bahten ihn/ er moͤchte diesen jungen Herren nicht so gar hoͤnisch halten/ zumahl er Roͤmisch waͤhre/ und sein Geld gleich andern verzehrete; es koͤnte ihnen dermahleins zum nachteil gereichẽ/ wañ sie darzu allerdinge wuͤrden stille schweigẽ. Gallus der mit zu Tische faß/ hatte bißher noch kein Wort darzu geredet; als er aber vernam/ daß andere sich mit einmischeten/ kunte er laͤnger nicht einhalten/ und sagte zu Parmenio; hoͤret ihr Großsprecher/ ich bin schon vor XII Jahren ein Roͤmischer Besehlichshaber unter einer Legion gewesen/ und habe ohn Ruhm zu melden zehn Feldschlachten beygewohnet/ noch schaͤme ich mich nicht/ diesem meinen Gn. Herren aus freien Willen als ein Diener auffzuwarten/ dem ihr dz Schwert nachzutragen nicht wirdig seid; und wolte Gott daß ich meinem Gn. Herren vorgreiffen duͤrffte/ ihr muͤstet mir diesen euren tolpischen Frevelmuht mit dem Leben bezahlen/ oder mir daß meine nehmen. Valikules redete ihm ein; er solte sich des Streits nicht anneh- men/ uñ wuͤrde Parmenio ihn dessen kaum wirdigen/ weil er kein Ritter waͤhre; er selbst wolte sich schon bemuͤhen/ seine Ehre zu handhaben. Aber Parmenio nam Gallus erbie- ten willig an/ und sagte; er selbst wolte ihn hiemit vor einen Ritter erklaͤret haben/ und ihn vor einen duͤchtigen Kaͤmpffer halten/ weil er sich vielmehr schaͤmen muͤste/ daß er sich mit einen Unbaͤrtigen jungen in Streit einliesse; waͤhre ihm also lieb/ daß ers mit einem Man- ne solte zu tuhn haben. Valikules nam diese Rede mit einer sonderlichen Freimuhtigkeit auff/ und sagete; Parmenio/ gebrauchet euch eures zungendroͤschens frey uͤber Tische/ seid ihr aber so kek/ daß ihr euch auff dem Platze finden lasset/ werde ich schon euch so nahe tre- ten/ daß ihr Ursach haben sollet beyder Faͤuste zugebrauchen. Dieser Rede meinete Par- menio zu bersten/ sprang hinter dem Tische auff und sagete; weil du junger Lecker dañ nit anders wilt/ muß ich dich nach verdienst straffen; zohe gleich damit die Faust/ und wolte ihn ins Gesicht schlagen. Er aber wiche ihm aus/ daß er sehl schlug/ und druͤber hinter dem Tische etwas ausglitschete/ dessen Valikules wahr nam/ und ihm mit der lincken Hand eine Ohrfeige reichete/ daß es im Gemache erschallete/ und diesem der rohte Schweiß aus der Nase floß/ daher er sich hinter dem Tische nicht anders geberdete als ein wilder Ochse/ fassete das Messer/ und warff es ihm nach/ da er schon vom Tische auffgestanden wahr/ fehlete aber/ daß es nebenhin in die Stubenthuͤr fuhr; woruͤber er sich hefftig eiferte/ daß er zu ihm sagete; Du unbehoͤfelter Ochse/ ist dieses dein ri t terliches Fechten/ daß du mit blossen Faͤusten und Brodmessern umb dich schlaͤgest und wirffest? zwar mir stuͤnde frey/ dir dein Messer durch den Wurff wieder zuzusenden/ da ich dein gewißlich nicht fehlen wolte/ Anderes Buch. wolte/ aber damit in sochem moͤrdlichen Vorhaben ich mich dir nicht gleich stelle/ soltu mir diesen Schimpff vor freier Faust bezahlen/ wo ich lebe; ging hiemit nach seiner Kam- mer/ und ließ ihm von Gallus die Waffen anlegen/ aber das Pferd beschickete er selber/ damit nichts daran versehen wuͤrde. Der Unhold tobete nach seinem Abtrit noch immer- fort/ und draͤuete/ daß er ihn durch seine Landsknechte in Stuͤcken wolte zerhacken lassen; welches zween aͤdle Juͤnglinge/ die mit ihm von Korinth kommen wahren/ hoͤreten/ ge- schwinde hinlieffen/ und es den andern ihren Gesellen sageten; welche dann alsbald aus- gingen/ einen bewehreten Hauffen zu Pferde zuversamlen/ damit ein solcher uͤberfall abge- kehret wuͤrde. Etliche von denen wahren in einer Herberge/ vor welcher Valikules voruͤ- ber reiten muste/ sahen ihn mit Gallus daher kommen/ und frageten/ wohin er so eilig ge- daͤchte. Ihr meine liebe Herren und Freunde antwortete er; es ist ein verwaͤgener hoch- muhtiger Ritter in meiner Herberge/ der mich ohn alle Ursach zupruͤgeln draͤuet; mit dem werde ichs versuchen/ ob ihm solcher Frevel in eine Reue koͤnne verkehret werden. Diese bahten ihn sehr/ ein wenig zuverzihen; ihnen waͤhre bewust/ daß Parmenio uͤber LX neuge- worbene Knechte in dieser Stad haͤtte; daß ihm nun von denselben keine Unredligkeit be- wiesen wuͤrde/ waͤhren sie schon bemuͤhet eine Schaar zuversamlen/ die auf solchen fall ihm schutz halten koͤnte. Er bedankete sich dieser Vorsorge/ stieg derweile ab/ uñ kehrete bey ihnẽ ein/ da inzwischen die anderen nicht feireten/ ihnen einen Anhang zumachen. Es wehrete nicht lange/ daß Parmenio voruͤber ritte/ welchen Valikules durchs Fenster ersehend/ zu den Anwesenden sagete: Was dieser hochmuhtige Ritter mir heut und etliche Tage vor Schimpff erwiesen/ kan ich nicht sagen/ und da ichs ungerochen liesse/ duͤrfte ich mein Vaterland nimmer wieder betreten. Etliche so zugegen wahren/ kenneten Parmenio/ sahen Valikules traurig an/ und gaben zur Antwort: Sie moͤchten wuͤnschen daß ers mit einem andern zutuhn haͤtte/ ruͤhmeten zwar sein gutes Herz/ aber dafern er diesen Rit- ter besser kennen solte/ wuͤrde er zweifels ohn auff andere Wege sich mit ihm vergleichen. Der jungen aͤdelleute einer/ der ihn zu Korinth und auff dieser Reise hatte kaͤmpfen sehen/ antwortete; Er vor sein Haͤupt kennete zwar den Parmenio nicht/ doch zweifelte er an Herꝛn Valikules Siege so wenig/ daß er 500 Kronen verwetten wolte/ jener gleichete die- sem weder an Kraͤften/ noch an Erfahrenheit zu kaͤmpfen. Der Wirt wahr ein haabseliger Mann/ und sagte: wann Herꝛ Valikules sichs nicht zum Schimpffe zoͤge/ waͤhre er wil- lens die Wette in so weit anzunehmen/ daß jener diesem in beyden Stuͤcken zum wenigsten nicht ungleich waͤhre. Valikules baht sehr/ der erste moͤchte sein erbieten wiederruffen/ mit anzeigung/ wie sehr jhm solches zu wider waͤhre; welcher aber sich daran so wenig keh- rete/ daß ers auff ein doppeltes setzete. Der Wirth nam es an/ mit der Bedingung/ daß er jhm Versicherung der Bezahlung schaffete/ im falle er unten ligen wuͤrde; da Valikules zu dem Wettesetzer sagete; weil jhr dann so gute Hofnung zu mir traget/ ob ich gleich weniger bin als jhr mich haltet/ ich mich auch bloß nur auff GOtt und meine gute Sache verlassen muß/ wil ich doch nicht/ daß ihr meinetwegen in Schaden gerahtet/ und setze euch daher ein Pfand vor/ womit ihr auff mein Unverhalten werdet bezahlen koͤnnen. Zohe hiemit ein koͤstliches Kleinot hervor/ welches die Anwesende uͤber 2000. Kronen schaͤtzeten/ und stellete es dem Wirt zu. Die gantze Gesellschafft wunderten sich sein/ wuͤnscheten jhm Heyl und Anderes Buch. und Sieg/ auch selbst der/ welcher die Wette wieder jhn auffgenommen hatte/ und beteu- rete hoch/ daß er lieber eins so viel verlieren/ als jhm Lebens Unfall goͤnnen wolte; und die Goͤtter/ sagte er/ wollen meinem Herren Gluͤck verleihen/ auff welchen fall er mir verspre- chen wird/ heut mein Gast zu seyn. Valikules bedanckete sich dessen/ und gab zur Antwort; es moͤchte Gott seinen gnaͤdigen Willen schaffen. Weil auch die Juͤnglinge mit jhrer an- sehnlichen bewehreten Gesellschafft verhanden wahren/ setzete er sich zu Pferde/ dankete jh- nen hoͤfflich wegen jhrer Gewogenheit/ und folgete seinem Feinde gantz gehertzet nach. Als er nun mit Gallus auff das Feld kam/ fand er so eine grosse Menge der Zuseher/ dz er Muͤhe hatte hindurch zu brechen/ dann es war die Fehde in der gantzen Stadt erschollen/ und hat- ten sich nicht allein Maͤnner und Knaben/ sondern auch Weiber und Jungfern hinaus ge- macht/ die sonst bey den Olympischen Schauspielen/ vermoͤge der Gesetzen/ sich nicht durf- ten finden lassen. Parmenio sahe jhn herzu nahen/ schlug seinen Helm auff/ uñ sagete uͤbeꝛ- laut: O jhr Goͤtter/ muß ich nun zu m̃einem ewigen Schimpfe mit einem Jungen streitẽ/ der mir seinen Frevel nicht bezahlen kan/ ob er gleich zehn Haͤlse haͤtte! doch der Roͤmi- sche Nahme/ welchen er vorwirft/ machet/ daß ich jhn meinen Stalbuben nicht unter die Haͤnde geben kan. Sendete alsbald seinen Reitknecht ab/ uñ ließ jhm ansagen; weil er sich wirdig hielte/ den Tod von eines Ritters und Kriegs Obristen Hand zuempfahen/ dessen er doch zugering waͤhre/ wolte er ihm denselben bald mitteilen/ durchaus aber zuvor mit Gallus ein Treffen tuhn. Wolan/ sagte Valikules/ reitet hin/ und saget dem stolzen Narꝛn/ mein Gallus solle jhm zuwillen seyn/ das uͤbrige wil ich mit der Faust beantworten. Gal- lus ward dessen froh/ und hoffete grosse Ehr einzulegen/ welches er ihm nicht zutrauete/ massen er wol sahe/ daß er zu Pferde wenig geuͤbet wahr; unterrichtete ihn deswegen in aller kuͤrze/ wie er sich verwahren und im rennen sich verhalten solte; welches er fleissig in acht nahm/ stellete sich mit frischem Muht gegen Parmenio/ den er schon daher sprengen sahe/ und brachte seinen Stoß wolan/ vermochte ihn aber im Sattel nicht zubewaͤgen/ da eꝛ doch hingegen unsanft ausgehoben ward/ daß er im Falle einen Arm verrenkete/ und an der Schulter etwas verwundet ward. Parmenio trabete hochmuhtig vorbey/ nicht an- ders als haͤtte er mit einem Stosse sie alle beyde nidergeworffen/ nahete sich zu Valikules/ und sagete; Schelm/ was gaͤbestu iezt druͤm/ daß ich dir Lebensfristung verhiesse/ uñ wegen deines Verbrechens dich taͤglich zweymahl peitschen liesse. O du Hund/ sagte Valikules/ kunte vor Zorn kein Wort mehr sprechen/ sondern warf das Speer von sich/ weil er der Zeit nicht erwarten kunte/ grif zum Schwert/ und schlug mit solchen Kraͤften auff ihn loß/ daß alle Zuseher sich der ungeheuren Streiche verwunderten. Dieseꝛ hatte sich des schnel- len Angrifs nicht versehen/ weil er aber ein streitbahrer Ritter wahr/ verlohr er so bald das Herz nicht/ sondern brauchte sein bestes/ daß sie eine geraume Zeit einander uͤmtrieben/ biß endlich Parmenio aus Muͤdigkeit etwas nachließ/ und zu jhm sagete: Ich bekenne/ daß ich dir ungleich getahn/ in dem ich deine Manheit so liederlich geschaͤtzet. Er aber ant- wortete: Trift dich die Furcht schon so zeitig/ und ist kaum der Anfang gemacht! O nein! bitten ist zu fruͤh/ und reue zu spaͤt. Darauff schlug er von neuen mit solchen Kraͤfften auff jhn loß/ daß er mehr/ sich zu schuͤtzen/ als seinen Feind zuverletzen/ fleiß anwenden muste/ weil ihm schon etliche/ wiewol geringe Wunden geschlagen/ aber der Schild fast gar zerhauen wahr/ Anderes Buch. wahr/ und nachdem er sich nicht getꝛauete/ in die laͤnge auszuharren/ schwaͤnkete er sich/ uñ hieb seines Bestreiters Pferde die Sehne ab/ am linken Hinterschenkel/ daß es zur Erden stuͤrzete/ sein Reuter aber gleich damit herunter sprang/ und zu ihm sagete: Du heilloser Tropf/ da begehestu keine Ritterliche/ sondern Meucheltaht/ daß du mir das Pferd muht- willig erlegest. Gallus hatte sich erhohlet/ stund und hielt sein Pferd beym Zuͤgel/ und fuͤh- rete es seinem Herꝛn zu/ welcher sich darauf setzete/ und den Feind mit einem froͤlichen Ge- schrey angrif. Dieser sahe ihn kommen/ getrauete sich nicht mit dem Schwert laͤnger zu- schuͤtzen/ sondern ließ ihm sein Speer reichen/ und sagete: Hoͤre Ritter (wo vor ich dich nunmehr erkenne) ich muß dich mit dem Speer auch pruͤfen/ nachdem ich halte/ wir die Schwerter einer dem andern gnug haben zuerkennen geben. O du feiger Großsprecher/ antwortete er/ was vor einiges Zeichen hat dein Schwert dann wol geloͤset? suchestu etwa ein wenig frist/ daß wird dich gar nicht schuͤtzen. Jedoch daß du nicht gedenkest/ ich fuͤrchte mich vor deinem Speer/ so halte dich nur wol damit/ und gedenke nicht/ daß wir beyde le- bendig von diesem Platze kehren werden. Diesem kam die Reue gar stark/ daß er ihn so schimpflich gehalten hatte; Weil es aber nicht kunte wiederbracht werden/ muste er das aͤusserste dran setzen/ legte das Speer ein/ und hoffete damit seinen Feind zu fellen/ weil er den Ruhm hatte/ daß er nie aus dem Sattel geworffen wahr. Valikules begegnete ihm unerschrocken/ da dann die Zuseher sich immerzu mehreten/ und doch eine solche Stille bey jhnen wahr/ daß jhrer keiner einigen Laut von sich gab. Unsere Kaͤmpfer ranten aufeinand’/ und ward Valikules auf die Brust getroffen/ nahm aber keinen Schaden/ weil der Stoß abglitschete; hingegen fassete er jenen gleich oben am Sattelknauffe/ und warff ihn so un- gestuͤm zuboden/ daß er muͤhe hatte/ wieder aufzustehen. Der Sieger sahe sich umb und ward gewahr/ daß jener auf der Erden gestrekt lag/ sprang auch vom Pferde/ uñ weil Par- menio sich inzwischen auffrichtete/ und zum Fußstreite sich fertig machete/ trat er jhm nahe gnug/ uñ sagete: Nun wirstu mir das Pferd nicht zum andernmahle niderhauen; fuͤrchte auch nicht/ dz du mir entlauffest. Damit schlug er so hurtig auf ihn/ als haͤtte er noch keinẽ Streich gefuͤhret/ und den Zusehern unschwer wahr/ von dem Ausgange dieses Kampfs zuuꝛteilẽ. Paꝛmenio wendete allen fleiß an zuwiedeꝛstehẽ/ aber es fiel ihm endlich zu schweꝛ/ weil er empfand/ daß seines Feindes Kraͤfte je laͤnger je mehr zunahmen. Weil er dann nicht wolte vor uͤberwunden angesehen seyn/ und gleichwol den Kampf gerne aufgeruffen haͤtte/ sagte er zu jhm: Ritter/ ich meine/ ihr habt nicht Ursach/ euch weiter in Lebensgefahr zuwagen/ sondern nachdem jhr eure Manheit gnugsam erwiesen/ spreche ich euch frey von diesem Streite/ und nehme euch auff in die Zahl meiner guten Freunde. Haha du ruhm- raͤtiger Narꝛ/ antwortete er; meinestu mir so zuentwischen? Schlug unterdes im̃er frisch auff ihn zu/ daß er endlich gezwungen ward/ hinter sich zuweichen/ eilete auch mit gutem Willen hin/ woselbst er den groͤsten Teil seiner geworbenen Knechte beyeinander sahe; uñ als er nahe zu ihnen kam/ rief er; rettet euren Obristen von diesem Teufel/ und hauet ihn kuͤhnlich zustuͤcken. Diese wahren nicht faul/ traten auff den Kampfplaz/ und wolten ihn uͤberfallen; aber die Griechischen Juͤnglinge mit ihrem Beystande sprungen von ihren Pferden/ mischeten sich mitein/ und draͤueten allen den Tod/ die sich unterstehen wuͤrden diesen Kampf zutrennen; wodurch diese Knechte mit leichter Muͤhe abgetrieben wurden/ T t deren Anderes Buch. deren Valikules schon zween mit so viel Streichen nidergehauen hatte. Als Parmenio solchen Beystand seines Feindes sahe/ merkete er/ daß sein letztes Ende nicht ferne wahr/ doch weil er sein Leben sehr lieb/ und vor dem Tode ein grosses Schrecken hatte/ sagte er: Trefflicher Ritter/ ich meyne nicht daß unsere Feindschafft weiter als auff die Ehre des Sieges gehe; weil dann solche ich euch selber zuspreche/ so lasset/ bitte ich/ euch damit be- gnuͤgen/ und ruͤhmet/ daß ihr den bißher steten Uberwinder uͤberwunden habet. O du ver- zagete Memme/ antwortete er/ hat dich mein Schwert nunmehr ein wenig Bescheiden- heit gelehret? jezt erzeigestu/ wie wenig rechtschaffener Tugend dir beywohne/ und dz dein ruhmraͤtiges Maul und bloͤdes Herz nicht aus einerley Fleisch gemacht sey/ sonsten stuͤr- bestu lieber redlich/ als daß du schaͤndlich zuleben suchest. Jedoch/ haͤttestu noch zulezt nicht so gar buͤbisch gehandelt/ indem du deine Schelmen-Knechte auff mich gehetzet/ moͤchte ich aller vorigen Schmach vergessen/ und mich uͤber dich erbarmen/ dessen ich nun keine Ur- sach habe/ insonderheit wann ich bedenke/ daß du nur zu meinem Verderben leben/ und nit ruhen wuͤrdest/ biß du mich meuchlischer weise haͤttest ermorden lassen. Parmenio ver- zweifelte wegen dieser Rede an seines Feindes Gnade/ samlete alle seine Kraͤffte zusam̃en/ und uͤberfiel ihn mit solchem Wuͤten/ daß seine gewogene etwas Hoffnung schoͤpften; abeꝛ es wehrete kurze Zeit/ weil seiner Glieder Krafft durch das hefftige bluten hinweg geflossen wahr. Valikules hatte Verdruß/ so lange Zeit mit ihm zuzubringen/ lief ihm unter/ fassete ihn beym Leibe/ und warff ihn als einen Klotz zur Erden; und als er ihm den Helm vom Haͤupte gerissen/ sagte er: Hinfort soltu keinen redlichen Ritter mehr beschimpfen. Die- ser warff sein Schwert hinweg/ und baht mit gefaltenen Haͤnden umb Gnade/ weil er sich uͤber alle masse vor dem Tode entsetzete/ und dabey fest angelobete/ ihn nimmermehr zu be- leidigen oder verfolgen; wodurch er sich bewaͤgen ließ/ daß er willens wahr/ ihm das Leben zuschenken/ schlug seinen Helm auff/ und sagete zu ihm: Weil du dann den Tod hoͤher als die Schande fuͤrchtest. Indem er dieses redete/ ward er gewahr/ daß Parmenio einen klei- nen Dolch heimlich hervor zuͤckete/ welchen er bey der Spitze fassete/ und ihn denselben ins Gesicht werffen wolte; aber er kam ihn mit einem Streiche zuvor/ mit welchen er ihm das Haͤupt von der Schulder schlug/ und diese Worte hinzu taht; Wer solche Buben und Meuchelmoͤrder leben laͤsset/ versuͤndiget sich an der Welt. Ihr aber/ sagte er zu seinen ge- worbenen Knechten/ da habt ihr eures Obristen Leichnam/ dann nach dem Tode suche ich keine Rache mehr; darumb verscharret ihn in den Sand/ weil seine verwaͤgene Zunge ihn in Gefahr/ und sein meuchelmoͤrderisches Herz in den Tod gestuͤrzet hat; sehet aber zu/ dz ihr nach diesem ehrlicher handelt/ als ihr bey mir zuhandeln willens gewesen seyd. Der groͤsseste Teil der Zuseher/ insonderheit das Weibervolk/ die sich uͤber seiner Gestalt ver- wunderten/ fingen ein Freudengeschrey an/ wuͤnscheten dem Uberwinder Gluͤk/ und freue- ten sich/ daß die Goͤtter den Hochmuht zu stuͤrzen/ sich offt selber im Streit finden liessen. Valikules bedankete sich des guten Willen gegen alle Anwesende/ mit tiefgebogenem Haͤupte/ setzete sich auff Gallus Pferd/ und hies ihn Parmenions reiten; baht auch die Griechischen Juͤnglinge/ mit ihm in seine Herberge einzukehren/ und diesen Abend seine Gaͤste zu seyn. Aber der so die 1000 Kronen verwettet hatte/ erinnerte ihn seiner getahnen Zusage/ und fuͤhrete ihn samt den Juͤnglingen in sein Haus/ taht ihnen guͤtlich/ und zahle- te die Anderes Buch. te die Wette willig aus/ sprechend/ es waͤhre ihm leid/ daß er eines solchen Helden Mann- heit aus Unwissenheit in Zweifel gezogen haͤtte. Des andern Tages/ weil er wegen Gallus Verwundung ohn das nicht reisen kunte/ lud er diesen Mann neben den Juͤnglingen zu sich/ und ließ nichts mangeln/ kauffte hernach ein Pferd wieder/ dem vorigen gleich/ und schikte sich zum Auffbruche/ da die aͤdlen Juͤnglinge/ in der Stunde seines Abzuges einen ihres Mittels an ihn sendeten/ und ihm folgendes Ehrengeticht einliefern liessen. Pindarisches Lied. Zum unsterblichen Ruhm der mannhafften Tugend des treflichen Ritters und Helden/ Herrn Valikules. Erster Saz. I Hr Musen/ die ihr auff dem Helikon Der wahren Tugend Ruhm und Lohn Zu tichten pfleget. Besinget unsern Held/ Den das Olympsche Feld Zun Wolken traͤget. Last eure Seiten klingen/ Stimt eure Lauten an/ Die unsern Sinn durchdringen Mehr als die Trummel kan. Erkennet ihm den Dank Der allerschoͤnsten Tugend/ In welcher seine Jugend Fest steht ohn allen Wank. Erster Gegen Saz. J A freylich! dem gebuͤhret Lob und Preiß/ Der Tugendhafft zu leben weiß. Ihm sol gelingen. Dir O du Gluͤckes-Sohn Sol auff dem Helikon Ein Ruhm-Lied klingen. Wer uͤppigkeiten liebet Empfaͤhet dieses nicht/ Was unser Lob dem giebet/ Der in der Tugend Pflicht Ohn Eitelkeit besteht; Dann wer boßhafftig faͤhret/ Macht/ daß er ungeehret In Schanden untergeht. Erster Nach Saz. W Er kan O Tugend dann Dein Lob dir nach gebühr Mitteilen? Jederman Such’ alle Krafft herfuͤr. O Tugend! O dein klarer Schein Laͤst seine Strahlen Viel tausendmahl noch heller seyn/ Als Sonnen Pracht/ Die alles klarweiß kan bemahlen, Dein wird gedacht Selbst in der Goͤtter Raht/ Die nichts als Tugend nur belohnen. Ja wer die Tugend hat/ Koͤmt in der Goͤtter Schaar zu wohnen. Nun dann/ so wollen wir dein stolzes Lob erheben/ Als lang uns unser Geist vermoͤgen gibt uñ Lebẽ. Anderer Saz. V Alikules/ des Ritterstandes Ehr/ Fuͤhrt seinen Degen/ Schild und Speer/ Zu Troz den boͤsen. Sein Vorsaz faͤhret frisch/ Daß er die Unschuld risch Nur mag erloͤsen. Er hat bißher der Frommen Und ihrer Schwacheit sich Getraͤulich angenommen. Auff daß der Bosheit Stich Sie nicht erwuͤrge gar. Des muß ihm hie auff Erden Der schuldige Dank werden Und bleiben immerdar. Anderer Gegen Saz. V Alikules/ der teure Musen Sohn Empfaͤhet billich diesen Lohn Von Phoͤbus Haͤnden. Den wird das falsche Gluͤk Ihm wol kein Augenblik Mit recht entwenden. T t ij Sein Anderes Buch. Sein Nahme sol stets bluͤhen/ Sein Lob nicht untergehn/ Weil Musen Soͤhne zihen/ Er sol den Kranz schier sehn/ Der ihm bereitet ist/ Der ewiglich sol wehren/ Weil Vogel Koͤrner zehren/ Und der Wolff Schaffe frisst. Anderer Nach Saz. S O recht! damit die Welt Auch noch erkennen mag/ Daß Kunst auff Tugend haͤlt/ Daß ihr ein lieber Tag Gewidmet wird. Valikules Hat wol gesieget/ Drum lebet er/ da unterdeß Der Praler faͤlt/ Und hat sich in den Sand geschmieget. O teurer Held/ Wir singen euren Ruhm/ Den ihr erstritten Zu eurem Eigentuhm; Habt ihr dann gleich den Hohn erlitten/ So ist er tausendfach durch eure Rach’ ersetzet/ Dañ eure Tugend wird durch Pochers falergetzet. Nach Verlesung dieses/ bedankete er sich der unverdienten Ehre und gar zu hohen Lobes/ das an seine Wenigkeit nimmermehr wuͤrde reichen koͤnnen; befuͤnde sich demnach gar zu hart verbunden/ daß er nicht saͤhe/ wie er so grosser Schuld sich loßwirken solte/ insonder- heit zu diesem mahle/ da er gleich auffsitzen/ und seinen noͤhtigen Weg vor sich nehmen muͤste; Dafern ihm aber das Gluͤk so guͤnstig seyn wuͤrde/ daß bey seiner Ruͤkreife er sie an- treffen moͤchte/ wolte er seine Dankbarkeit nach vermoͤgen sehen lassen. So bald dieser ab- gefertiget wahr/ fetzete er sich mit Gallus zu Pferde/ nam seinen Weg nach Korinth zu/ und hatte sich seinem GOtt diesen Morgen in fleissiger Andacht befohlen/ weil ihm eine Schwermuͤhtigkeit zugestossen wahr/ deren ursach er doch nicht ersinnen kunte. Des A- bends zuvor/ ehe er sich auff den Weg machete/ kam ein unbekanter Ritter in seine Herber- ge/ und fragete den Wirt weitlaͤufftig/ ob ihm nicht bewust waͤhre/ wohin Valikules zurei- sen willens/ und als er vernahm/ daß er nach Korinth gedaͤchte/ sagte er: Weil sein Weg auch dahin ginge/ waͤhre ihm lieb/ in dieses beruͤmten Ritters Geselschafft zu reisen/ und seine angenehme Kundschafft zuerlangen. Dieser nun/ der sich von den unsern nicht hatte sehen lassen/ nam des Morgens ihres ausreitens wahr/ und folgete ihnen von ferne; errei- chete sie doch zeitig/ und indem er sich stellete/ als wolte er voruͤber hauen/ gruͤssete er sie freundlich/ ward ihm auch von Valikules gebuͤhrlich gedanket/ der ihn fragete/ wohin er so eilig gedaͤchte. Er zeigete an/ daß er zu Korinth noͤhtig zu verrichten haͤtte/ und wann er wissen solte/ daß sie einen Weg reisen wolten/ bliebe er gerne bey guter Gesellschafft/ da es ihnen nicht zuwider. Gesellschafft ist mir allemahl angenehm/ sagte Valikules/ und koͤn- nen wir also mit einander reiten. Wir wollen sie aber zihen lassen/ weil sie zu ihrem Ungluͤk noch viel zu fruͤh kommen/ und uns nach Padua kehren/ woselbst Ladisla mit schmerzen seines lieben Herkules Schrei- ben erwartete/ und wehreten ihm die zehn Tage/ die er dem Stathalter zu harren verspro- chen hatte/ laͤnger/ als nie keine voꝛhin/ ungeachtet sein liebes Gemahl ihm allerhand Kurz- weil zumachen/ und die Traurigkeit zu benehmen/ sich aͤusserst bemuͤhete. Als der zehnde und lezt versprochene Tag herbey kam/ verfuͤgete er sich zu seinem Schwager Fabius/ und sagte zu ihm; Geliebter Bruder/ ihr wisset/ wie ihr mir verheissen/ allen Vorschub zu tuhn/ daß ich meinen lieben Herkules suchen/ und wohin er seine Reise genommen/ erfahren moͤ- ge; Anderes Buch. ge; nun ist heut der lezte Tag unsers verzuges/ und zweifele nicht/ so viel laͤnger wir uns auffhalten/ so viel beschwerlicher unsere verrichtung fallen wird; Wann euch nun gut daͤuchte/ wolten wir zwey starke Schiffe mit gutẽ Kriegsknechten besetzen/ uñ unterschied- liche Wege vor uns nehmen; ich begehre vor mich kein groͤsseres/ als welches 50 Kriegs- knechte auffnehmen kan/ dann hiemit werde ich das Meer desto geschwinder durchstrei- chen/ und gleichwol in der Noht mich gnugsam zur Gegenwehr gebrauchen koͤnnen. Fa- bius antwortete; Hochwerter Herr Bruder/ unserer Abrede erinnere ich mich sehr wol/ und hat mich die Zeit eben lange gedaucht/ ehe sie verflossen ist. Der Vorschlag ist mir sehr angenehm/ und bin ich willens/ ein Schiff mit 100 Kriegsknechten außzuruͤften/ da- mit ich mich umb so viel sicherer in die wilde See wagen mag. Ich habe schon vor etlichen Tagen ans Meer geschikt/ und koͤnnen wir unter XXV gen die freie Wahl haben; sonst waͤhren sie alle zu unsern Diensten. Nur eines besorge ich/ wie eure Liebe von ihrem Ge- mahl wird Abschied erhalten/ und werde ich mit meiner Ursul auch gnug zu schaffen ha- ben. Mein liebes Gemahl/ sagt Ladisla/ wird sich hierin schon zu schicken wissen; werde demnach zuvor hingehen/ und unserm Herren Vater ferner anzeigen/ wessen wir gesinnet seyn; machten sich auch stuͤndlich zu ihm hin/ erinnerten ihn der genommenen Abrede/ uñ bahten umb befoderung ihrer Reise. Dieser erschrak dessen; er wuͤste sich solcher Abrede durchaus nicht zuentsinnen/ sondern haͤtte stets gemeinet/ Leches und andere getraͤue Leute solten dem Fraͤulein mit einer Anzahl Schiffe nachforschen/ und Herren Herkules zu- huͤlffe geschicket werden. Ladisla aber antwortete; O mein Herr Vater/ habt ihr dann die Gedanken fassen koͤnnen/ daß ich meinen Herkules von wegen meiner Frl. Schwester wuͤꝛ- de in der Irre herumb zihen lassen/ und unbemuͤhet bleiben/ sie zu suchen/ und ihnen moͤg- liche Huͤlffe zuleisten? Solches kan ich euch nicht gaͤnzlich verbieten/ sagte er/ nur daß zu- vor von anderen Kundschafft eingehohlet werde/ wo sie moͤchten anzutreffen seyn. Ja mein Herr Vater/ antwortete er/ wann jemand zu finden waͤhre/ der in Herkules Nachsu- chung gedaͤchte groͤssern fleiß anzuwenden/ als ich/ dañ so wolte ich mir diesen Vorschlag willig gefallen lassen; weil ich aber hieran sehr zweiffele/ habe ich Dienst- und Kindlich zubitten/ mich in meinem Vorhaben nicht laͤnger auffzuhalten. Der Stathalter diesen Ernst sehend/ und uͤber die masse sehr betruͤbt/ sagte zu ihm; O mein geliebter Sohn/ wollet ihr dann von eurem Gemahl und von mir so schleuͤnigen Abscheid nehmen? Herzlieber Herr und Vater/ antwortete er; nicht Abscheid/ als nur auff wenig Monat/ welches er mir schon goͤnnen wird/ weil ich lieber sterben/ als meinen Herkules lassen wil. Ja mein geliebter Herr Sohn/ sagte er; Schiffarten und Feldzuͤge stehen nicht in unser Macht/ wie sie gerahten sollen. Ich leugne dieses nicht/ antwortete er; aber hingegen haben die Goͤtter in den groͤsten Noͤhten auch die groͤste Obacht uͤber uns; so nehme ich ja diese Schiffart nit aus Leichtfertigkeit/ sondern hoͤchstgezwungener Noht vor/ uñ dafern mein Herr Vater mich liebet/ wird er ohn ferner einreden mein Vorhaben bewilligen. Wie aber/ sagte der Alte/ wann mein Sohn Kajus diese Muͤhe auff sich genommen haͤtte? Ich bedanke mich dieser vaͤterlichen Bewilligung/ sagte der Sohn/ weil ich ohn daß Herren Ladisla versprochen habe/ ihm in dieser Nachsuchung Geselschafft zu leisten. Der Vater waͤhre hieruͤber fast niedergesunken und sagte mit traurigen geberden; sol ich dann mei- T t iij ner Anderes Buch. ner beyden Soͤhne auff einmahl beraubet werden/ so erbarme es die Goͤtter. Aber Ladisla troͤstete ihn/ mit bitte/ solche unselige Gedanken ihm nicht einzubilden; es haͤtten die Goͤt- ter ihn nicht deßwegen aus so mannicher Noht und Gefahr gerettet/ daß er in dieser ge- ringeren verderben solte; waͤhre demnach sein Vorsaz/ so bald ein Schiff außzuruͤsten; so wuͤrde sein geliebter Bruder auch eines nehmen; wolten ihre Fahrt teilen/ und mit der Goͤtter Huͤlffe ihr Vorhaben bald zum Ende bringen. Ja wann es nicht anders seyn kan/ sagte der Alte/ muß ich mich wol gedulden; ihr werdet aber es noch acht Tage ansehen/ weil die Schiffe vorher außgebessert/ und alle Notturfft zum fuͤgligsten muß herbey ge- schaffet werden; inzwischen moͤget ihr euch bemuͤhen/ eure Gemahlen zu bereden/ daß sie damit friedlich seyn/ oder nehmet sie lieber gar mit; dann ich wil die Gefahr zum andern- mahl nicht stehen/ die mir schon begegnet ist. Daß sey ferne/ sagte Ladisla/ daß mein liebes Gemahl dieser Gefaͤhrligkeit solte teilhafftig werden; viel lieber wil ich sie in mein Koͤnig- reich senden/ woselbst ihr nicht anders/ als einer herschenden Koͤnigin sol auffgewartet/ und von meiner Fr. Mutter alles liebes uñ gutes erzeiget werden. Ich stelle meiner Toch- ter frey/ sagte der Stathalter/ zu waͤhlen was ihr gefaͤlt/ nur daß sie mir dergleichen Auff- zuͤge nicht mehr mache/ wie bereit geschehen/ da etwa eine wiedrige Zeitung entstehẽ wuͤr- de. Ladisla bedachte sich/ wie er von seinem Gemahl gute Einwilligung erlangen moͤchte/ wolte sie doch desselben Abends nicht verunruhen noch betruͤben/ sondern da er fruͤh Mor- gens mit ihr vom Schlaff erwachete/ sagte er zu ihr: O mein allersuͤssester Schaz/ bey wel- chem ich zu Leben und sterben begehre; ich habe eine Bitte bey euch abzulegen/ welche mei- ner gaͤnzlichen Hoffnung nach/ ihr mir nicht versagen werdet. Fr. Sophia sahe ihn gar lieblich an/ und begehrete/ ihr mit solchem bitten zuverschonen/ dann weil sie sein ehelich Gemahl waͤhre/ erkennete sie sich schuldig/ ihm zugehorsamen. Ich nehme dieses Erbietẽ von ganzem Herzen an/ sagte er/ und zweiffele nicht/ ihr werdet eine kurze Reise/ die ich nohtwendig tuhn muß/ euch nicht lassen zuwieder seyn/ weil mir unmoͤglich ist/ dieselbe zu- ruͤk zusetzen. Mein allerliebstes Herz/ antwortete sie; meinet ihr/ daß nicht vor acht und mehr Tagen schon/ ich mich dieser Reise vermuhtet? ich weiß mehr als zu wol/ daß ihr nit unterlassen werdet/ euren Herkules zusuchen/ koͤnnet auch/ vermoͤge eurer Freundschafft nicht wol anders/ angesehen er ohn daß umb eurer Frl. Schwester willen aussen ist; deß- wegen/ wie herzlich gerne ichs gleich anders saͤhe/ muͤste ich wol grob seyn/ wann hierin ich euch wiedersprechen solte; reiset ihr nur in dem Nahmen aller Goͤtter/ und bringet euren Herkules neben dem lieben Fraͤulein bald wieder her; ja bin ich euch nicht hinderlich/ so nehmet mich mit euch/ es sey zu Wasser oder zu Land/ es sey zum Leben oder zum tode/ weil ich nunmehr mich also geschicket habe/ daß ich der Goͤtter Gunst und Gluͤk nicht außschla- gen/ und ihre straffen/ auch den Tod selbst geduldig leiden/ und dawieder nicht murren wil. Ladisla hatte sich solcher angenehmen Erklaͤrung nicht versehen/ nam es vor ein Zei- chen kuͤnfftigen gluͤklichen außschlages auff/ und umbfing sie/ sprechend: Mein außerwaͤhl- tes Herz; niemahls habe ich einen groͤsseren Beweißtuhm eurer Liebe und traͤue gegen mich verspuͤret/ als jetzo; daher verspreche ich euch/ daß nach vollendeter dieser Reise ich mit willen nim̃ermehr von euch scheiden wil/ biß der Tod den Riß machet: Mein Schaͤtz- chen/ antwortete sie/ ich nehme solches Versprechen an/ uñ wil euch nicht verhehlen/ war- umb Anderes Buch. umb ich in diese Reise so leicht willige; vor erst weiß ich/ dz euch unmoͤglich ist/ euren Her- kules zu verlassen/ der auch mir/ nach euch/ der liebste Freund in der Welt ist. Hernach wuͤr- de ich mit meinen Traͤhnen und wiederspenstigen Bezeigungen euch nur betruͤben/ wo nicht gar erzuͤrnen/ welches ich nimmermehr zu tuhn gedenke. Endlich habe ich bey den Sternsehern mich des außganges dieser vermuhtlichen Reise erkuͤndiget/ und daneben die Goͤtter nicht vorbey gehen wollen. Wisset ihr euch nicht zuerinnern/ daß heut vor sechs Tagen ich einen fremden Mann/ mit einem langen Rocke und Barte bey mir hatte/ und durch Bitte bey euch so viel vermochte/ daß ihr ihm eure Hand zeigetet/ womit fast eine halbe Stunde hinging/ und ihr schier unwillig waͤhret druͤber worden. Dieser hocherfahꝛ- ne Handdeuter berichtete mich eures kuͤnfftigen ergehens in etwas/ zeigete an/ daß euch eine Reise zu Wasser und Lande bevorstuͤnde/ mit wunderbahrem Gluͤk und Ungluͤk ver- mischet/ wuͤrde doch endlich zum gewuͤnschten Ende außschlagen/ und waͤren insonderheit die Ehren- und Gluͤckes-Striche in euren Haͤnden dermassen beschaffen/ daß er deßglei- chen nie gesehen/ koͤnte auch nicht fehlen/ ihr muͤstet ein Koͤnig seyn/ oder schier kuͤnfftig ein Reich erlangen/ weil er eine gedoppelte Kron in eurer Hand fuͤnde. Ladisla gab auf solche Alfanzerey sehr wenig; weil aber sein Gemahl daher so gute Hoffnung geschoͤpfet hatte/ wolte er nicht dawieder reden/ sondern zu ihrem Trost ruͤhmete er die Kunst/ nam auch Ge- legenheit daher/ sie zuvermahnen/ da ein falsches Geschrey seines Todes oder Unfalles ent- stehen wuͤꝛde/ sich daran nit zukehꝛen/ sond’n Gott und seinem Gluͤk zutrauen; ja weil er veꝛ- stuͤnde/ daß sie auch die Goͤtter mit ihrem Opfer versohnet haͤtte/ moͤchte er gerne wissen/ wz hofnung ihꝛ dañenhero gemacht waͤhꝛe. Ich habe/ antwoꝛtete sie/ an unteꝛschiedlichen oꝛten gr osse feiste Ochsen zum Opfer gegebẽ/ uñ die Waꝛsager-Pꝛiester bittẽ lassẽ/ aus dem Einge- weide uñ andeꝛen zeichẽ zuerforschẽ/ ob eine wichtige reise/ welche schier duͤrfte voꝛgenom̃en werdẽ/ gluͤklich ausschlagen/ uñ das begehrte wieder gefunden/ uñ erhalten werden solte; da ich dann von allen einerley Antwort bekommen; man haͤtte nach fleissiger Forschung er- lernet/ daß zwar ohn Gefahr und grosse Muͤhe diese Reise nicht seyn/ aber doch einen ge- wuͤnschten Ausschlag nehmen wuͤrde; und damit ihr sehet/ sagtesie weiter/ daß ichs nach Moͤgligkeit getrieben/ wil ich augenscheinlich Zeugniß bringen; stieg hiemit aus dem Bet- te/ und hohlete ein Zettel aus ihrem Handlaͤdichen/ legte sich wieder nieder/ und sagete: hieꝛ- innen stehet ein Oraculum oder Goͤttliche Antwort/ welche ich mit schweren Kosten zuwege gebracht; weil mirs aber zuverstehen noch zur Zeit unmoͤglich ist/ wil ichs fleissig/ biß zum Ausgange verwahren/ ob ich alsdann bessere Erkaͤntniß daher nehmen moͤchte; gab es La- disla/ und baht/ es bedachtsam und nachdenklich duꝛchzulesen/ weil ihrem vermuhten nach etwas wichtiges darinnen begriffen waͤhre/ welches zum wenigsten die Zeit entdecken wuͤꝛ- de. Ladislanam es zu sich/ und fand diese Worte: D Er mischte Nahme wird an beyden Seiten muͤssen/ Eh daß er einfach steht/ im Vngluͤk zimlich buͤssen/ Doch Ehr und Leben bleibt/ nur daß sich Gluͤk und Stand Gar krauß und bund verkehrt/ eh das gewũnschte Band Vnd Rettung folgen kan. Die Sucher sind geschaͤfftig/ Gehn uͤber Meer und Land/ bemuͤhen sich sehr hefftig Durch Leiden und Gefahr, Der Himmel ist ihr Schild/ Da wo ihr Herz und Faust nicht wirket oder gilt. Wie geht es hie so scharff! Wie manches Blut muß rinnẽ/ Wie mancher stolzer Held verleuret Krafft und Sinnen/ Eh alles wird volbracht! eh daß der grosse Schaz Wird voͤllig ausgeteilt/ und der genehme Plaz Nach Wunsch erstritten ist; Das lezte dieser Sachen Mag ich vor unmuht nicht den fragenden kund machen/ Weil es mir schaͤdlich ist; nur dieses meng ich ein/ Sie werden nach der Angst und Arbeit froͤlich seyn. Ladisla Anderes Buch. Ladisla sahe diese dunkele Reimen etlichemahl gar fleissig durch/ kunte aber den eigentlichẽ Verstand nicht fassen/ und sagte zu ihr; was insonderheit alhie gemeldet wird/ werden we- der ich noch ihr/ noch jemand anders errahten; abeꝛ dieses sehe ich gleichwol/ daß wir/ zwaꝛ nicht ohn Muͤhe und Gefahr/ aber doch gleichwol hindurchkommen werden/ welches mir auch gnug ist; es sey dann dieses alles ertichtet/ wie man dessen wol Begebnissen hat/ daß die geizigen Pfaffen sich eines Dinges ingeheim erkuͤndiget/ uñ hernach solche verschrau- bete Worte gesetzet haben/ die einander nicht errahten/ sie aber solche hernach ihres gefal- lens drehen und deuten koͤnnen; jedoch kehre ich mich nicht groß daran; dann wie ich die Goͤtter nicht verachte/ also glaͤube ich nicht leicht/ was in Goͤttlichen Sachen mit Gelde erkaufft wird. So wil ichs aber glaͤuben/ sagte sie/ weil es mich zum wenigstẽ in guter Hof- nung erhalten kan. Ich muß euch aber/ ehe wir die Federn verlassen/ noch eins erzaͤhlen; ohngefehr vor zwo Wochen/ hat sich ein treflicher Sternseher bey mir angeben lassen/ mir meines Lebens-Laufs-Beschreibung/ aus des Himmelswirkung herruͤhrend/ nach anlei- tung des Gestirns zustellen/ und mein vergangenes und zukuͤnfftiges Gluͤk und Ungluͤk anzudeuten. Ich hatte von diesen Leuten unterschiedlichemahl reden hoͤren/ da etliche ihre Kunst lobeten und vor gewiß hielten; andere aber sie verachteten und verlacheten; ließ ihn deswegen zu mir fodern/ und begehrete/ er solte nicht allein mir/ sondern euch/ Herꝛn Her- kules/ und Frl. Sibyllen dieselbe stellen/ wovor ich ihm wolte gerecht seyn. Er verhieß mir solches/ begehrete aber zuvor unser aller Geburt-stunde/ und den Ort zu wissen/ da wir ge- zeuget waͤhren; und als ich ihm solches nicht von allen sagen kunte/ nam er einen Stab/ machte einen Kreiß uͤmb sich/ und murrete viel Dinges/ kritzelte auch selzame Zuͤge in den Sand. Bald stund er auff dem linken/ bald auf dem rechten Fusse; hing den Kopff/ rieb die Stirn; zopffete das Haar/ und hielt sich einem Narren nicht ungleich; endlich daͤuchte mich/ wie ich einen mit ihm reden hoͤrete/ dessen Worte er in ein Schreibtaͤfflein fleissig auffzeichnete/ und sahe ich aus allen seinen Geberden/ dz eꝛ ein Schwaꝛzkuͤnstler seyn muste. Da nun sein Affenspiel geendiget wahr/ sagte er zu mir: Gn. Frau; ihr fodert auff vier Menschen/ ihres Gluͤks und Lebens Bericht von mir: nun wil ich euch in dreyen gerne zu willen seyn/ dafern mir die Muͤhe vergolten wird; aber mit dem vierden haben weder ich noch die Goͤtter zuschaffen. Ich gab ihm zur Antwort: Der Zahlung halben solte er un- bekuͤmmert seyn/ weil mein Geldbeutel zimlich gꝛoß und schwer waͤhre; hoffete aber nicht/ daß unter uns vieren einer solte gefunden werden/ auf welchen die Goͤtter einen Unwillen und feindlichen Zorn gefasset haͤtten; muͤste demnach wissen/ weꝛ unter uns gemeinet waͤh- re/ sonst koͤnte ich mich mit ihm in keine weitere Handlung einlassen. Dieser wahr willig es anzuzeigen/ da ich ihm versprechen wuͤrde/ es inwendig XII Tagen nicht zuoffenbahren: Und als ich ihm solches veꝛhieß/ berichtete er mich; Herꝛ Herkules waͤhre deꝛselbe/ von dem seine Goͤtter ihm weder gutes noch boͤses anzeigen wolten. Ich ward hieruͤber sehr bestuͤr- zet/ und baht ihn/ mich zuberichten/ auff was weise doch dieser fromme und meines wissens unschuldige Herꝛ/ den Goͤttern koͤnte versoͤhnet werden; vermochte aber ein mehres aus ihm nicht zubringen/ als daß er seinen Goͤttern hart angelegen/ haͤtte doch nichts erhalten/ ohn daß Herkules die Ursach schon wuͤste/ uñ niemand besser als er selbst/ es anzeigen koͤn- te/ wuͤrde auch den ernstlichen Nachfragern es nicht verhehlen. Ladisla antwortete ihr mit einem Anderes Buch. einem Laͤcheln; geliebtes Herz; ihr sollet euch in diesem falle wegen Herkules durchaus kei- ne Gedanken machen; dann ich versichere euch/ daß wie er dieses Sternguckers und Zaͤu- berers Goͤtter nichts achtet/ sie ihm hingegen auch keinen schaden tuhn werden; dann er le- bet nicht ohn Gottesfurcht/ wie ihr wolgespuͤret/ und ob er gleich alle andere Goͤtter ver- achten wuͤrde/ die wir ehren/ halte ich doch/ es sey ein ander Gott/ der ihm Schuz haͤlt/ und sich seiner gewaltig annimt; dañ sonst koͤnte es nicht moͤglich seyn/ eꝛ muͤste schon vorlaͤngst unter der Erde stecken. So irret auch mein Herꝛ Vater nicht sagte sie/ von dem ich neulich lauschend vernommen/ daß er zu meiner Fr. Mutter sagete; es stuͤnde ihm klaͤrlich vor Augen/ daß Herꝛ Herkules ein Christ waͤhre/ massen man von ihm keine leichtfertige scheꝛz- rede hoͤrete/ ginge oft und viel in andaͤchtigen Gedanken/ hoͤbe seine Haͤnde auff gen Him- mel/ schluͤge an seine Brust/ und liesse sich in allem sehr Gottfuͤrchtig merken; insonderheit waͤhre er seinen Feinden zuverzeihen so willig/ meidete allen uͤberfluß in essen und trinken/ und/ welches allein Beweißtuhms gnug waͤhre/ hoͤrete man ihn niemahls von Goͤttern/ als von vielen reden/ sondern nur von einem einzigen/ welchen er den Allmaͤchtigen nenne- te; nun ist mein Herꝛ Vater der Christlichen Lehre eben nicht auffsaͤtzig/ sagte sie/ wie ins gemein die Roͤmischen Beamten sonst zuseyn pflegen/ sondern kan sie wol leiden; verhin- dert auch ihre Verfolgung/ als viel ihm moͤglich ist/ weil er wisse/ sagt er/ daß die heimliche Unzucht und Schande/ welche sie in ihren Versamlungen treiben sollen/ von ihren wider- wertigen ihnen aus Haß und Neid faͤlschlich auffgedrungen/ und mit hoͤchster Unwarheit nachgelogen werde. Ich wil euch auch unverhalten seyn lassen/ daß meine Fr. Mut- ter in der Christlichen Lehre von jugend auff erzogen ist/ und kam sie auff keinerley wejse da- von gebracht werden/ wie bund und wunderlich es mein H. Vater auch vor diesem ver- suchet hat; laͤsset ihr aber nunmehr ihren freyen Willen. Doch wird es in groͤster Geheim gehalten; dann solte es auskommen/ duͤrsten bald etliche hinter meinem H. Vater her seyn/ und ihm als einem Christen Freunde zusetzen/ daß er wol gar aus seinem Ehrenstande ge- hoben wuͤrde; massen die hoͤchsten Nebenhaͤupter des Reichs diesem Glauben sehr zuwie- der sind/ und manniche Verfolgung/ bald hie bald da anrichten/ ob sie gleich der ietzige Kaͤy- ser wol leiden kan. Ladisla antwortete ihr; Euer Herꝛ Vater mag vielleicht es schier errah- ten haben/ welches ich doch eigentlich nicht sagen kan; seine Eltern weiß ich wol/ sind kei- ne Christen/ sondern diesem Glauben sehr zuwieder; wir beyde aber achten solches nicht unter uns/ dann weil man des Glaubens halber nur den Goͤttern rechenschafft geben darf/ sol es unsere Freundschafft nicht brechen; und halte ichs nach meiner Einfalt davor/ die Goͤtter werden sich aller deren ohn des Glaubens unterscheid erbarmen/ die ein frommes unstraͤfliches Leben fuͤhren; wiewol mein Herkules gar einer wiedrigen Meinung ist. Abeꝛ daß ich auff eure vorige Reden komme; hat euch dann der Sterngucker den begehreten Bericht erteilet? Nein/ sagte sie/ er hat acht Wochen zeit bestimmet/ und mir daneben an- gedeutet/ daß inwendig solcher Zeit eine wundersame Verenderung bey uns sich zutra- gen wuͤrde/ woran er dann nicht gelogen hat. Der Narꝛ wird euch viel Fratzen bringen/ sagte Ladisla/ dem ihr ja nicht trauen duͤrfet; es ist aber Zeit/ daß wir uns von dem Lager er- heben/ und ich anordnung zu meiner Reise mache. Nach eurem belieben/ sagte sie; aber nachdem ich dieselbe so gerne bewilliget habe/ wird mein Schaz mir diese Gunst erzeigen/ V n und Anderes Buch. und etwa noch acht oder X Tage bey mir verharren/ damit der gar zu schleunige Abscheid mich nicht zu sehr betruͤben moͤge. Ladisla wuste wol/ daß die Schiffe so geschwinde nicht kunten zugerichtet werden; versprach deswegen noch IIX Tage zubleiben; dessen sie sich hoͤchlich bedankete. Gleich nun/ da sie sich bekleideten/ und ihr Gespraͤch hievon hatten; trat der junge Fabius zu ihnen ins Gemach/ umb zuvernehmen/ wessen seine Schwester sich wegen der Reise erklaͤret haͤtte. Ladisla fragete die Ursach seiner so fruͤhzeitigen Ankunft/ die er wegen der Schwester gegenwart nicht melden wolte; welches jener meꝛkend/ zu ihm sa- gete; da es etwa ihre Reise betraͤffe/ moͤchte er kuͤhnlich reden/ nachdem sein liebes Gemahl schon gerne darein gewilliget haͤtte. Fabius ward dessen froh/ und sagte: Ey so muß mir meine Ursul auch heute noch anders reden/ und meiner lieben Schwester den Gehorsam ablernen; erzaͤhlete darauff/ was Muͤhe er diese Nacht mit ihr gehabt/ daß er schier naͤr- risch druͤber worden; insonderheit haͤtte sie ihre Wase Sophien beklaget/ als welche keine Stunde leben wuͤrde/ da sie vernehmen solte/ daß Herꝛ Ladisla eine solche Reise auf sich zu- nehmen gesinner waͤhre; und habe ich mich selber dessen nicht ein geringes befahret; weil ich aber deren guten Willen vernehme/ wolle dieselbe ihr nur hart gnug zureden/ dann sie wird sich hieselbst bald anfinden. Kaum wahr dieses geredet/ da trat sie zur Tuͤhr hinein/ und da sie ihrer Wasen nahete/ schossen ihr die Traͤhnen in die Augen; welche alsbald fra- gete/ was ihr kuͤmmerliches anliegen waͤhre; Und als sie es nicht bekennen wolte/ sagte sie; Ich zweifele nicht/ ihr weinet daruͤmb/ daß mein lieber Bruder eine zeitlang von euch hin- weg zihe wird/ und ihr etliche Wochen oder Monat allein schlaffen sollet; seyd ihr dann in so kurzer Zeit verwaͤhnet/ daß ihr nicht mehr koͤnnet ohn einen Beyschlaͤffer seyn? Aber dz ich ernstlich mit euch rede; Ich haͤtte/ geliebte Schwester/ wol so viel/ wo nicht eine gute Hand vol mehr Ursachen zu weinen/ als ihr; Wann ich mich aber erinnere/ daß ich mei- nem allerliebsten Gemahl zu gehorsamen schuldig bin/ muß ich meinen Willen wol in den seinen schliessen/ unter der Hoffnung/ die Goͤtter werden uns dereins wieder zusammen fuͤ- gen/ nachdem sie ihrer Versehung nach/ uns gnug werden gepruͤfet und im Gehorsam be- wehret haben; inzwischen wollen wir mit den Gedanken und staͤtem gluͤkwuͤnschen ihnen alle Tage folgen/ ja ohn unterlaß umb und bey ihnen seyn/ biß wir sie mit den Haͤnden wie- der erreichen/ und mit beyden Armen umfassen koͤnnen. Fr. Ursul hoͤrete ihr mit Ver- wunderung zu/ und entfielen ihr alle Reden/ welche sie (unter der Hoffnung/ diese wuͤrde mit ihr einstimmen) ihr vorgenommen hatte/ ohn alle Scheuh heraus zustossen; endlich fing sie also an: Geliebte Schwester; ich bin von Jugend auff mit euch umgangen/ aber in euren Sinn weiß ich mich so wenig zuschicken/ als haͤtte ich euer gar keine Kundschaft; Vor X Tagen woltet ihr gar verzweifeln/ daß ihr euren Ladisla in XXIV Stunden nicht gesehen; jetzo mahnet ihr ihn fast selber an/ daß er von euch zihen sol/ und wisset doch nicht/ ob ihr ihn jemahls werdet wieder zusehen bekommen. Ach Schwester/ antwortete sie/ die Goͤtter kennen mein Herz/ und wie hoch ich wuͤnsche/ nimmermehr von meinem Liebsten getrennet zuwerden; aber was seyn muß/ und von dem unwandelbahren Raht der Goͤtter selbst beschlossen ist/ dawider hilfft alles mein beginnen weniger/ als wolte ich das uͤbeꝛlauf- fende Meer mit einem Strohalm zuruͤcke schlagen; geschweige/ daß ich meinen Liebsten nur unwillig und betruͤbt machen wuͤrde. Fr. Ursul antwortete: Seyd ihr dann/ Frau Schwe- Anderes Buch. Schwester/ in der Goͤtter Rahtstube gewesen/ und habt daselbst ihren unwandelbahren Schluß von ihnen gehoͤret? Was saget ihr mir von der Goͤtter ihrem Raht? Es ist eures Ladisla und meines Fabius freygewaͤhlter Wille/ sind vielleicht ihrer Weiber schon muͤde/ und suchen eine Verenderung; sehet/ das nennet ihr den Goͤtter-Raht. Ihr Fabius gab ihr einen Wink/ sich im reden zumaͤssigen; aber sie sagte durre heraus/ sie wolte und muͤste Herrn Ladisla die Warheit sagen/ damit er sie nicht vor gar zu einfaͤltig hielte; Dann ihr/ ihr Herr Ladisla/ sagte sie/ seyd die einige Ursach/ daß ich von meinem Liebsten mich muß trennen lassen; woruͤber sie hefftig anfing zuweinen. Er hingegen wahr so bestuͤrzt/ daß er ihr so bald nicht zuantworten wuste; Endlich sagte er: Die Goͤtter wissen/ daß ich euren Liebsten zu dieser Reise nicht beredet habe/ sondern es ist sein freyer Wille/ mit mir fort- zugehen/ wil auch gerne sehen/ daß er seinen Vorsaz endere; mich aber betreffend/ muͤste ich Ritters-Ehre unwirdig seyn/ wann ich meine Frl. Schwester/ so umb meinet willen in Raͤuber Haͤnde gefallen ist/ ungesuchet liesse/ und mich gegen dieselbe traͤger und verzag- ter als mein Herkules/ der nur ihr Oheim ist/ bezeigete. Fabius ward auch ungehalten/ uñ sagte zu ihr: dafern sie gedaͤchte in seiner ehelichen Hulde zubleiben/ solte sie sich in solchen Reden maͤssigen/ sie wuͤrde sonst eines groͤssern uͤbels Ursach seyn; dann koͤnte sie sich nicht in guͤte lassen bereden/ wie seine geliebete Schwester/ wuͤrde er gezwungen/ mit Unwil- len von ihr Abscheid zu nehmen; sagte hernach zu Ladisla: Er wolte hingehen/ und ihre Pferde satteln lassen. Als er hinweg wahr/ fing Sophia an/ ihre Wase zustraffen; es waͤh- re nicht das rechte Mittel/ eines Ehegatten Huld und Liebe zuerhalten/ wann man dessen steiffen Vorsaz durch noch steiffere Hartnaͤckigkeit zu brechen sich unterstehen wolte; so wuͤrden die Ritter offt durch Ehre gezwungen/ etwas vorzunehmen/ daß sie sonst wol un- terliessen/ und koͤnte sie wol erkennen/ daß ihr Gemahl schuldig waͤhre/ nicht allein seiner Frl. Schwester/ sondern auch seinem getraͤuen und liebsten Freunde Herkules zu folgen. Da treffet ihr den rechten Zweg/ antwortete sie/ und haͤttet ihr ungleich besser getahn/ sag- te sie zu Ladisla/ daß ihr euch mit eurem Herkules/ als mit meiner Fr. Schwester haͤttet ehelich trauen lassen/ weil ihr so gar von demselben nicht koͤnnet geschieden sein/ daß mich auch wunder nimt/ daß ihr nicht mit Herkules und eurem Gemahl stets auff einem Bette schlaffet. Ladisla lachete daruͤber/ wie ernstlich sie gleich solches vorbrachte/ und sahe wol dz mit dieser aus Liebeseifer erzoͤrneten Frauen nicht zu handeln wahr/ biß der erste Schie- fer wuͤrde voruͤber seyn/ daher gab er zur Antwort/ er wolte seiner herzlieben Fr. Schwe- ster dieses auff gelegenere Zeit beantworten/ jetzo aber seinem Bruder Herr Fabius folgen. So gehet hin/ sagte sie/ und benehmet ihm den Unwillẽ/ welchen er uͤber mich gefasset hat. Ja gar gerne/ antwortete er/ wann sie nur den ihren von mir abwenden wil. Der wird euch zu nichts schaden/ sagte sie/ weil ihr ohn daß nur euren Spot damit treibet. Er entschuldig- te sich dessen/ boht ihr einen freundlichen Kuß/ und ging hin/ seine Waffen anzulegen/ ritte mit Fabius nach dem naͤhesten Hafen des Adriatischen Meers/ in welchem eine gute An- zahl Roͤmischer Kriegsschiffe lagen/ waͤhleten jeder eines daraus/ welches ihm am gefaͤl- ligsten wahr/ und liessen sie iñerhalb sechs Tagen mit aller Notturfft versehen. Die Kꝛiegs- und Ruderknechte wurden unter den versuchtesten ausgelesen/ und wolte ein jeder diesen ritterlichen Zug mit tuhn. Des dritten Tages vor ihrem Abscheide/ ritten sie aber hin/ die V u ij Schiff- Anderes Buch. Schiffruͤstung zubesichtigen/ und da sie einen zimlichen Weg bey dem Meeres Ufer sich mit reiten erlustigten/ begegnete ihnen ein alter Mann/ welchen sie frageten/ was er neues wuͤste. Dieser antwortete: es waͤhre sider dem naͤhesten uͤberfall der Meer Raͤuber stille uñ sicher gewesen. Was ist das vor ein uͤberfall davon ihr redet? fragete Ladisla. Welcher vor XVI Tagen ohngefehr/ von den Meer Raͤubern uns leider begegnet ist/ antwortete der Al- te. Ladisla sagte zu Fabius: gilt Bruder/ dieser ist uns von den Goͤttern zugeschikt/ uns etwz Nachricht zugeben/ und hoffe/ er solle uns ein besser Wahrsager seyn/ als auff dessen An- kunfft mein Gemahl so grosse Hoffnung gesetzet hat; fuhr gegen den Alten fort/ und for- schete/ ob dieser Raͤuberhauffe nicht gefangene Leute mit sich gefuͤhret haͤtte. Ja/ sagte er/ ei- nen sehr schoͤnen Juͤngling und eine adeliche Jungfer; denen des folgenden Tages ein jun- ger Herr im ledern Kleide/ mit einem ansehnlichen Diener/ der ein roͤhtliches Haar hat- te/ nachfolgete. Ladisla sprang vor Freuden vom Pferde/ und sagte: Guter Freund/ ihr muͤsset uns hievon etwas mehr sagen; dann dieses zuerforschen/ sind wir ausdruͤklich hie- her kom̃en so lasset uns nun wissen/ wohin segelten diese Raͤuber? Meiner Meynung nach/ sagte er/ richteten sie ihren Lauff straks in das Meer hinein/ etwa an die aͤussersten Ende Griechenlandes/ oder wol gar vorbey zu fahrẽ/ welches ich daher muhtmasse/ weil sie Bar- baren/ und aus den Asiatischen Morgenlaͤndern/ ja wo ich recht habe/ gar aus Parthen wahren. Freund/ sagte Ladisla/ koͤnnet ihr dann die Parthische Sprache? Nicht gar/ mein Herr antwortete er/ sondern ich verstehe sie nur zimlich/ weil ich vor diesem im Parthischen Kriege gedienet habe. Was vor Gelegenheit aber hatte der junge Herr/ den Raͤubern zu folgen? fragete Ladisla weiter. Ich brachte ihn/ sagte jener/ auff ein Kauffmans Schiff/ dessen er mich ehrlich lohnete; und dieses nam seinen Weg nach Griechenland/ Handlung daselbst zu treiben. Ladisla gab ihm VI Kronen/ und sagte: Mein Alter/ waͤhret ihr alsbald nach Padua kommen/ und haͤttet dieses bey dem Stathalter gemeldet/ wolte ich euch das beste Meiergut vor der Stad geschenket haben. Sie kehreten hierauff bald wieder umb/ und berichteten den Stathalter/ was sie erfahren hatten; Welcher daraus leicht abnam/ was vor eine beschwerliche Nachsuchung diese seyn wuͤrde; Dann sagte er/ wofern Her- kules vorsezlicher weise sich heimlich halten wird/ sollet ihr etliche Jahr zubringen/ ehe ihr ihn auskundschaffet; dann Griechenland ist sehr weitlaͤufftig/ und die umbligende Eylan- de mannigfaltig. Die Goͤtter moͤgen euch sonderlich fuͤhren/ sonst sehe ich kein außkom̃en. Uberdas hoͤre ich/ er sey gewohnet/ fremde Nahmen an sich zunehmen darumb fraget nit so viel nach/ wie er heisse/ als wie er gestalt sey/ und sein Diener genennet werde. Jungfer Libussa wolte Herren Ladisla vor seinem Abscheide etwas Nachricht geben/ und zeigete an/ Fraͤulein Valiska liesse sich Herkuliskus nennen. Bey meiner traͤue/ sagte hierauff La- disla zu seinem Gemahl; diese Jungfer duͤrffte eine gute Dolmetscherin eurer verborge- nen Reimen sein/ und mich den Goͤtter-Spruch inetwas treffen lehren; dann sehet den Anfang desselben/ welcher also lautet: Der mischte Nahme; das ist/ der vermischete; dañ aus Herkules und Valißka/ ist der Nahme Herkuliskus gemacht; und wird er gewißlich es mit seinem Nahmen auch also spielen. Und zwar hieraus nahm er noch den groͤsten Arg- wohn/ es muͤste eine vertrauliche Liebe zwischen ihnen beyden seyn/ davon er nichts wuͤste. Vor seinem Abscheide redete er sonst mannicherley mit seinem Gemahl/ schrieb auch an sei- Anderes Buch. seine Fr. Mutter und die saͤmtlichen Landstaͤnde; zeigete ihnen seine Reise an/ und weil er nicht wissen koͤnte/ wie bald er dieselbe zum Ende bringen/ und was ihm begegnen moͤch- te/ verordnete er/ da die Goͤtter verhoffentlich sein Gemahl mit Leibesfrucht gesegnet haͤtten/ daß sie solchen kůnfftigen Erben ihnen solten lassen befohlen seyn/ als dem nach seinem ableiben die Krohn Boͤhmen unstreitig zu stehen wuͤrde. Sein Gemahl solte auff diesen Fal in das Koͤnigreich nicht mit lediger Hand kom̃en/ sondern uͤber LXX Ton- nen Goldes hinein bringen; woraußsie gnug urteilen koͤnten/ daß er von der Krohn keines Unterhalts beduͤrffte. Als er diesen Brieff gleich versiegelt hatte/ trat sein Gemahl zu ihm ins Gemach/ und lieserte ihm ein Schreiben/ welches von Roman Herkules haltend/ ge- bꝛacht wuͤrde. Ladisla sahe des umschlages Aufschrifft/ uñ erkeñete/ dz ihn Sabinus ihꝛ al- ter Wirt daselbst/ geschrieben hatte; reiß den Umschlag davon/ und lase die Auffschrift des ingelegten Briefes: Dem Durchleuhtigsten Fuͤrsten und Herrn/ Herrn Herkules/ gebornẽ Groß- fuͤrsten/ meinem herzlieben Sohne. Er bedachte sich/ ob ers brechen/ oder ungelesen verschlos- sen lassen solte; endlich/ weil er fuͤrchtete/ es moͤchte einer Antwort beduͤrffen/ oͤffnete ers/ und lase folgenden Inhalt: Herzlieber Sohn; dein Schreiben/ neben dem uͤbergemachten Beut- pfennige/ Pferden und Harnisch an deinen Bruder Baldrich/ und F rl. Schwester Klaren/ ist alles ge- traͤulich eingeliefert/ und erfreuen wir uns deiner Ehr und Wolergehens; wundert auch deinen Herꝛn Vater nicht wenig/ daß unsere Goͤtter/ die du so veraͤchtlich haͤltest/ dich so weit uͤbersehen/ und nach unser Pfaffen Draͤuung nicht alsbald in die tieffste Pfuͤtze alles Ungluͤks stuͤrzen. O wie hermet sich dein Herr Vater/ daß er dein/ mit hoͤchstem Schaden des ganzen Vaterlandes/ entbehren/ und seinen aͤrgesten Feinden/ den Roͤmern zum besten/ dich so fleissig muß auferzogen haben. Sey ja vorsichtig/ und laß dich von ihnen nicht auff dein Vaterland hetzen/ dessen Verderben sie mehr als einigem Din- ge nachtrachten. Dein Bruder und Frl. Schwester gruͤssen dich herzlich/ nebest freundlicher Danksa- gung vor das uͤbergeschickete. Unsers Sohns Ladisla Heyraht komt uns allen sehr verdaͤchtig vor/ se- het zu/ und vertieffet euch nicht zuweit mit den listigen Roͤmern/ welche unser Freyheit Stricke zulegẽ/ nimmer auffhoͤren werden/ damit Kindeskinder nicht ursach haben/ euch nach dem Tode zuverfluchẽ. Lebe wol/ und gruͤsse deinen Ladisla. Geschrieben von deiner getraͤuen Mutter Gertrud/ Groß Fuͤrstin der Freyen Teutschen. Nach verlesung legte er den Brieff in seiner Gemahl Gegenwart wieder zusam̃en/ und damit er ihr keinen boͤsen Argwohn machete/ sagte er; es wuͤrde bloß nur vor dz uͤber- geschikte nach Teutschland/ gedanket/ und waͤhre von Herkules Fr. Mutter geschrieben; redete nachgehends mit ihr von unterschiedlichen Sachen/ und versprach ihr/ innerhalb sechs Monaten auffs laͤngste/ sich zu Padua wieder einzustellen/ oder wegen seines außblei- bens schriftliche Anzeige zu tuhn; wuͤrde sie dañ unterdessen von Herkules oder seiner Frl. Schwester/ Zeitung haben/ folte sie solches an Sabinus nach Rom schrifftlich gelangẽ las- sen/ der ihm solches auff Begebenheit zusenden wuͤrde; dann weil von allenthalben her nach Rom Botschafften gingen/ wolte er dahin an obgedachten Sabinus offt schreiben/ da er nicht inzwischen seinen Herkules solte außforschen koͤnnen. Sie verhieß ihm alles fleissig in Obacht zu nehmen/ und hoffete zu den Goͤttern/ es wuͤrde auff jetzige traurige Scheidung eine abermahlige/ und zwar bestendige zusammen fuͤgung erfolgen. Aber eines Bitte ich sehr/ sagte sie/ mir in Vertrauen zu offenbahren; hat Herr Herkules sich mit euer Frl. Schwester ehelich versprochen/ so verberget es nicht vor mir/ weil ich nicht ohn Ursach darnach frage. Gewißlich mein Schaz/ antwortete er/ ich weiß hiervon durchauß V u iij nichts Anderes Buch. nichts mehr/ als was ich beginne zu muhtmassen; moͤchte auch von herzen wuͤnschen/ daß etwas daran waͤhre/ dessen ich doch keinen Grund zu finden weiß; es waͤhre dann/ daß vor zwey Jahren sie ihre Sachen mit einander abgeredet haͤtten/ wovon aber meine Fr. Mut- ter eben so wenig weiß als ich und ihr; so hat mein Herkules mir dessen nicht die geringste Anzeigung getahn/ welches mir den groͤsten Zweiffel verursachet/ inbetrachtung/ er sehr wol weiß/ das beydes ich und meine Fr. Mutter sie niemand in der ganzen Welt lieber goͤnnen/ als ihm; doch habe ich numehr Muhtmassung gnug/ dz meine Frl. Schwester eine Liebe zu ihm trage/ und ihr nicht geringe Hoffnung mache/ ihn zum Gemahl zubekom̃en. Aber mein Herz/ saget mir doch/ warumb ihr so fleissig hiernach fraget. Fr. Sophia lache- te/ und gab zur Antwort; mir solte gleich so wol als euch nichts liebers seyn/ wann diese Heyraht vorwaͤhre; jm widrigen goͤnnete ich ihm keine lieber/ als meine geliebte Schwe- ster Frl. Sibyllen. Mein liebster Schaz/ sagte er/ so bald uns das Gluͤk zusammen brin- get/ wil ich mich dessen bey ihm erkuͤndigen/ auch auff wiedrigen Fal allen fleiß anwenden/ euer Vorhaben zubefodern/ wie wol dem lieben Fraͤulein keine Hoffnung zu machen ist/ dann ich gar nicht zweiffele/ daß wo er meine Frl. Schwester in der Wilden fremde erret- ten/ und in seine Gewarsam uͤberkommen wird/ duͤrfften sie noch wol schliessen/ was an- noch ungeschlossen ist. Der junge Fabius kam gleich darzu/ und meldete/ daß die Schiffe fertig stuͤnden/ und ein sehr guter Wind ihrer wartete; deßwegen ließ Ladisla seine Leib- gutsche bringen/ auff welche er sich mit seinem Gemahl setzete; Fabius wahr mit seiner Ursul auch auff einer allein/ die sich nunmehr eines bessern bedacht/ und in sein Vorhaben eingewilliget hatte; auff der dritten wahr der Stathalter und sein Gemahl/ und auff der vierden Frl. Sibylla und Jungfer Libussa/ als welche ihnen das Geleite biß an die Schiffe gaben. Klodius ritte zu Ladisla an die Gutsche/ uñ bat sehr/ ihre Gn. moͤchte ihn mit auf sein Schiff nehmen/ dann da er mit Herr Fabius fahren solte/ fuͤrchtete er sich/ es moͤchte ihm dereins zu Haͤupte steigen/ daß er ihn ehemahls so unbedachtsam außgefodert; versprach auch/ sein Leib und Leben bey ihm willig auffzusetzen; bekam aber zur Antwort; er solte sich deßwegen gar nicht bekuͤmmern/ weil er so wol ihn als Markus der Dienste zu erlassen ge- sinnet waͤhre/ daß sie hinfuͤro ihres Willens leben solten/ und nicht destoweniger vier Jahr- lang ihren volkommenen Sold empfangen/ als ob sie wirklich dieneten; befahl auch sei- nem Gemahl/ dessen eingedenke zu seyn. Er aber ward wegen solcher Antwort sehr betruͤ- bet/ und zeigete mit traurigen Geberden an; er und sein Spießgeselle Markus wolten nit hoffen/ so untraͤulich gedienet zuhaben/ daß sie dergestalt auff stehen dem Fusse solten beur- laubet werden; baͤhten demnach untertaͤhnigst/ da sie in vorigen Diensten nicht koͤnten ge- lassen werden/ sie nur vor Schiffsoldaten zubestellẽ/ weil sie durch aus nicht bedacht waͤh- ren/ ihre Herren vor Außgang der versprochenen Jahre zuverlassen/ es waͤhre dann/ daß dieselbe sich vor der Zeit in sicherem Stande befuͤnden/ und ihre Herschafften antraͤten. Wolan/ sagte Ladisla/ weil ihr so redlich seid; und euren Herren zu Liebe/ viel lieber die Gefahr waͤhlen/ als auff euren Guͤtern in guter Ruhe sitzen wollet/ so sol euch hinfuͤro eu- er Monatlicher Sold doppelt außgezaͤhlet werden; und wer weiß/ womit ihrs verdienet/ daß euch alle vorgeschossene Gelder gar geschenket werden? Klodius entschuldigte sich/ es haͤtte diese Meynung nicht; die schon erzeigete Gnade und Woltahten waͤhren ohn dz viel Anderes Buch. viel wichtiger/ als sie Zeit ihres Lebens ersetzen koͤnten; Und weil Ladisla wol erkennete/ daß dieser gnugsame Ursach hatte/ sich Fabius Geselschafft zu entaͤussern/ wiewol ihm der- selbe von herzen gewogen wahr/ behielt er ihn bey sich/ und ordente Leches und Markus auf Fabius Schiff/ der sie willig und mit Dank annam/ auch alsbald Leches zum Befehlichs- haber uͤber das ganze Schiff/ und Markus zum Haͤuptman uͤber die Kriegsknechte ernen- nete/ jedoch dz dieser Leches Befehl gehorsamen solte. Ladisla gab Klodius auch die Haͤupt- manschafft uͤber sein Schiff/ und wahr ihm sonderlich liebe/ daß er schon vor dieser Zeit zur See gefahren/ und ihm die Griechischen Meerhaffen und vornehmsten Eylaͤnder be- kand wahren. Als sie dem Meer naheten/ und die auff dem Schiffe ihrer ansichtig wurden/ liessen die Boßknechte samt den Soldaten einstarkes Freudengeschrey gehen/ und hiessen ihre Herren mit den Trometen wilkommen. Der Stathalter lies alle Schiffknechte und Soldaten schwoͤren/ dem Roͤmischen Reich getraͤue zu seyn/ und diesen ihren bey den O- bersten allen Gehorsam biß in den Tod zu leisten. Es wahren alle außerlesene Knechte/ und des Meers uͤberal erfahren/ unter denen eine zimliche Anzahl aͤdler wahren/ welche sich unterhalten liessen/ in diesem loͤblichen Zuge etwas zu sehen. Am Ufer des Meers nah- men die Soͤhne vor erst Abscheid von ihren Eltern/ und befahlen sich ihrer steten Gunst und Liebe. Fr. Pompeja kunte vor betruͤbnis kein Wort reden/ sagete endlich mit vielen Traͤhnen; der almaͤchtige Gott Himmels Erden und Meers sey euch gnaͤdig; der schuͤtze/ leite und fuͤhre euch/ daß ihr nach wol verrichtetem Vorhaben frisch und gesund wieder- kommet/ und nach dieser Bekuͤmmernis die euren wieder erfreuet. Hernach trat Ladisla zu seinem Gemahl/ uñ in dem er sie anreden wolte/ belieff ihm das Hertz/ daß er kein Wort sprechen kunte; ermannete sich doch bald/ und mit einem lieblichen umbfahen sagete er; Mein außerlesenes Herz/ ich hoffe euch ehe wieder zu sehen/ als ihr moͤget Glauben haben; unterdessen befehle ich euch dem Schuz aller Goͤtter/ zweiffele nicht/ ihr werdet meine ge- traͤue Liebe allemahl im frischen Gedaͤchnis fuͤhren und verwahren. Sie hingegen em- pfand solche innigliche Schmerzen in ihrer Seele/ daß ihr nicht anders zu muhte wahr/ als solte ihr das Herz im Leibe bersten; endlich brachen die Traͤhnen haͤuffig loß/ wodurch sie etwas Lufft bekam/ daß sie antwortete: O mein außerwaͤhlter Schaz/ an dem ich alle meine Wollust und Ergezligkeit habe; ich bitte euch herzlich und umb unser Liebe willen/ waget euch nicht zu kuͤhn in Gefahr/ und ohn Beystand; und da euch andere umb Huͤlffe ansuchen/ so entbrechet euch dessen/ als viel ritterliche Ehre immermehr zulassen kan/ in be- tracht/ daß ihr nicht allein der eure/ sondern auch der meine seid. Schreibet mir ja bald/ wann ihr an Land kommet/ oder euch ein Schiff auffstosset welches dieses Orts anlaͤnden wolte/ und seid dem Schuz aller Goͤtter befohlen. Sehe ich euch wieder/ so bin ich vergnuͤ- get; wo nicht/ muß ich gedenken/ ich bin eines so grossen Gluͤks nicht wirdig gewesen. Mit diesem Wort fiel sie in Ohmacht nieder zur Erden/ daß das Frauenzimmer herbey zu tre- ten/ und sie zuerquicken genoͤhtiget ward. Ladisla erinnerte sie ihrer bißher erzeigeten und so teur angelobeten Bestaͤndigkeit/ welche sie nicht beyseit setzen/ sondern eine geringe Wie- derwertigkeit geduldig außhalten moͤchte; worauff sie sich erhohlete/ kuͤssete ihn freundlich zur Gluͤkwuͤnschung einer guten Reise/ und sagte; Nun so fahret unter Gluͤcks begleitung/ und eilet mit eurer Wiederkunfft/ damit dieselbe groͤssere Vergnuͤgung/ als der Abscheid Schmer- Anderes Buch. Schmerzen bringe. Stieg hiemit auff ihren Wagen/ und nam Sibyllen samt Libussen zu sich. Diese lezte nun wahr diese Tage uͤber von ihrem liebstẽ Leches so wol bedienet/ daß sie etlichemahl vornam/ sich mit ihm auff den Weg zubegeben/ unter dem Schein/ als wolte sie dem Fraͤulein folgen; dann es ging ihr hart ein/ ihn so bald von sich zihen zu lassen; je- doch umb verdachts willen zohe sie sich allemahl wiederzuruͤcke. Leches hielt unterschied- lich bey ihr an/ das Beylager vor ihrer Reise zuvolstrecken/ kunte es aber nicht erhalten/ sondern bekam diese Zusage: so bald ihn die Goͤtter gluͤklich wieder zu Lande bringen wuͤr- den/ solte in sein Begehren unwegerlich eingewilliget werden; womit er fich sehr ungern abspeisen ließ. Der junge Fabius/ da er von seinem Gemahl/ die sich kaum wolte troͤsten lassen/ Abscheid genommen hatte/ trat hin zu seiner Schwester an die Gutsche/ gesegne- te sie/ und befahl sich ihrer Schwesterlichen Gewogenheit/ mit Bitte/ sie moͤchte sein Ge- mahl nicht verlassen/ sondern sie in ihre Geselschafft auffnehmen. Sie hingegen vermah- nete ihn traͤulich/ der guten Vorsichtigkeit sich zugebrauchen/ und allerunnoͤhtigen Ge- fahr muͤssig zu gehen/ damit er durch seine gesunde Wiederkunfft die seinen ingesamt wie- der erfreuen moͤchte. Darauff liessen sie ihre Pferde zu Schiffe bringen/ und weil das Weinen Zeit ihrer Gegenwart bey dem Frauenzimmer nicht nachlassen wolte/ eileten sie nach den Schiffen/ hiessen die Anker lichten/ und die Segel auffspannen/ wuͤnscheten allen hinterbleibenden gluͤkliches Wolergehen/ und fuhren froͤlich davon/ liessen auch die Tro- mete blasen/ als lange sie die ihren am Ufer sehen kunten; welche die Seekante auch nicht verlassen wolten/ so lange sie die Schiffe im Gesichte hatten; hernach kehreten sie umb/ und fuhren in grosser Traurigkeit nach Padua/ da Fr. Sophia erst bereuete/ daß sie bey ihrem Gemahl nicht fleissiger angehalten/ sie mit zunehmen; und haͤtte sie ohn zweiffel ihr Leben durch graͤmnis geendet/ dafern die stete Geselschafft Frl. Sibyllen und Jungfer Li- bussen nicht gewesen waͤhre; dann diese insonderheit kunte ihr so lustige Schwaͤnke vor- machen/ daß sie darob sonderlichen Gefallen trug/ und ihr vornahm/ sie nimmermehr zu verlassen. Ladisla hatte mit Fabius Abrede genommen/ er wolte etwas nidriger Nord- warz an Griechenland fahren/ und moͤchte er sich besser nach Suden in einem Hafen des Landes Peloponnesus anfinden. Sie hatten beyderseits ungemaͤssigte schrifftliche Vol- macht/ als Roͤmische Gesanten bey sich/ denen allenthalben/ wo Roͤmischer Nahme guͤl- tig/ auff begehren solte gewilfahrt werden/ welches vor Roͤmischer Kaͤyserl. Hocheit alle- mahl zuverantworten/ sich H. Q. Fabius als Stathalter/ in solchen Briefen erboht. Ehe und bevor diese beyden Schiffe sich scheideten/ sahen sie von ferne drey auff dem Meer hin und wieder schwebende Schiffe/ welches ihren Steurmannen verdaͤchtig vorkam/ in son- derheit/ weil sie keine Flaggen bey ihnen sahen/ aus welchen sie haͤtten urteilen moͤgen/ was vor Leute oder Landesart sie waͤhren/ daher sie solches ihren beyden Herren anzeigeten/ wel- che ihre Kriegsknechte hiessen das Gewehr fertig halten/ und auf Begebenheit ihren Fuͤh- rern frisch nachsetzen; sie hielten vor gut/ daß ihre Schiffe nahe bey einander bliebẽ/ damit nit etwa eines von jener zweien zugleich angetastet wuͤrde. Als sie naͤher zusam̃en kahmen/ sagte Fabius Schifman; ohn Streit werden wir diesen nit entweichen/ dañ ich sehe/ daß es Pañonische Schiffe sind/ welche uns Roͤmeꝛn mañichen schadẽ auf dem Meeꝛ tuhn/ wañ sie gelegẽ heit darzu haben. Ladisla ward dessen auch berichtet/ daher sie ihrer Schanze um so viel Anderes Buch. so viel fleissiger wahr nahmen. Nu hatten jene nicht allein die unsern sehr fruͤh ins Gesicht bekommen/ sondern auch oben von den Mastkoͤrben ihre Flaggen/ daß sie Roͤmisch wah- ren erkennet/ und weil sie auf jedem Schiffe 80 bewehreter Mann hatten/ auch bald inne wurden daß die unsern bey weitem nicht so stark waͤhren/ nahmen sie ihnen vor/ sich ihrer zubemaͤchtigen/ nicht allein daß sie ihren damahligen oͤffentlichen Feinden abbruch tuhn/ sondern auch verhoffentlich gute Beute erstreiten moͤchten; und damit den unsern bald anfangs eine Furcht eingejaget wuͤrde/ stelleten sie alle ihre Volker oben auff die Schiffe in gute Ordnung mit vollem Gewehr/ sendeten bald darauff in einem Jagtschiffe an sie/ mit befehl/ ihr Gewehr niderzulegen/ alle Guͤter so sie bey sich fuͤhreten/ ihnen als ihr eigen Gut zuliefern/ und sich selbst ihnen auff Gnade und Ungnade zuergeben. Ladisla ließ den Abgeschikten anhalten/ und nach kurzem Kriegsraht sendete er einen verstendigen Boots- knecht ihnen wieder zu/ welcher nach kurzer Wiederhohlung/ was an sie geworben wahr/ diese Antwoꝛt geben muste. Meine Herꝛen in jenen beyden Schiffen/ so aͤdle Roͤmische Rit- ter sind/ des Vorhabens ohn einiges Menschen Beleidigung nach Griechenland zusegeln/ begehren von euch zuwissen/ was vor Leute ihr seyd/ von wannen ihr kommet/ und welcher schaͤndliche Frevel euch muhtige/ ein solches Begehren an sie abgehen zulassen/ welches nicht menschlich/ sondern viehisch/ ja recht teuflisch ist/ behalten ihnen auch vor/ es gebuͤhr- lich an den Redlensfuͤhrern zuraͤchen. Der Haͤuptmann des ersten Schiffes sagte darauf mit einem Gelaͤchter; die Antwort wollen wir ihnen geben/ doch nicht/ daß sie dieselbe hoͤ- ren/ sondern mit betruͤbeten Augen sehen sollen; hieß auch ohn ferneres Bedenken diesen Bohten an den Mastbaum aufhenken/ und zwar mit dieser Trostrede; weil seine ganze Geselschaft doch sterben muͤste/ solte er die Ehre haben/ der erste zuseyn. Dieser Schifknecht sehend/ daß er sein Leben nicht retten kunte/ reiß sich loß von denen die ihn hielten/ stieß dem Haͤupmann sein Brodmesser ins Herz/ sprang aus dem Schiffe ins Meer/ und weil er ein sehr guter Schimmer wahr/ gluͤckete es ihm/ daß er davon kam/ massen die unsern seinen Sprung in das Meer ersehend/ ihm alsbald ein Boͤtchen entgegen schicketen/ in welches er trat/ und den unsern seine Verrichtung meldete. Woruͤber hoch und nidrig so entruͤstet wurden/ daß sie sich aͤidlich verbundẽ/ die Schmach zuraͤchen oder zusterben/ nahmen auch den Pannonischen Abgeordenten/ und knuͤpfeten ihn alsbald auf/ welches die Feinde wol sahen/ und sich des Frevels/ wie sie es nenneten/ nicht gnug verwundern kunten/ setzeten sich alsbald zusammen/ und verfluchten sich hoch/ den Tod ihres Abgeschikten grausam zuraͤ- chen; Es wahren an Feindes seite in jedem Schiffe X Geharnischte/ die uͤbrigen alle Ge- panzert; aber bey den unsern wahren nicht allein die Haͤupter/ als Ladisla/ Fabius/ Leches/ Klodius und Markus/ sondern auch alle aͤdle so unter ihnen wahren/ an der Zahl XLV mit guten Harnischen/ die uͤbrigen mit Panzerhemden/ Sturmhauben und Brust stuͤcken odeꝛ Krebsen wol versehen. So bald sie sich erreicheten/ wahren sie von beyden seiten bemuͤhet/ wie sie der Feinde Schiffe an die ihren mit starken Haken fest anheften moͤchten. Der un- sern Schiffknechte hielten an/ daß jhnen erlaͤubet wuͤrde mit zufechten/ welches ihnen La- disla verhieß/ daß sie zum Entsaz solten gebraucht werden/ daher ihrer XXXVI sich mit ih- ren Waffen fertig hielten. Der erste Angrif wahr uͤber allemasse ernstlich und herbe/ dann die Pañonier meineten es solte ihnen nicht fehlen mit ihrer ersten Wuht durchzud’ringen/ X x und Anderes Buch. und diesem Spiele eine kurze Endschafft zugeben/ aber sie funden uͤber verhoffen Schuch vor ihre Fuͤsse; dann Fabius/ Leches und Markus/ in dem einen/ Ladisla aber und Klodius im andern Schiffe drungen dergestalt zu ihnen ein/ daß sie keinen Fußbreit gewinnen kun- ten. Weil auch Fabius Schiff das groͤste/ und mit der meisten Manschaft besetzet wahr/ machten sich zwey Feindes-Schiffe an dasselbe/ eines von fornen her/ das ander von der seite/ deswegen Fabius mit 50 Mann den Voͤrderteil/ Leches aber und Markus die seite mit gleicher Manschafft schuͤtzeten. Ladisla munterte die seinen anfangs mit freidigen woꝛ- ten/ hernach mit tapferem Gefechte auf/ dann er wuͤtete nicht anders als ein Loͤue/ und rieff uͤberlaut; ihr Raͤuber und Moͤrder/ gedenket ihr dañ/ das redliche Ritter sich von euch als zur sonderlichen Gnade alsbald wollen henken lassen? Es ging an allen dreyen Orten zim- lich fruͤh uͤber des Feindes geharnischte/ nach deren Erlegung die Zeichen des Sieges sich an der unsern seite spuͤren liessen; dann Ladisla drang dergestalt durch/ daß er in des Fein- des Schiff uͤbersprang/ und folgete ihm Klodius samt XII streitbahren aͤdlen frisch nach/ denen immerzu mehr folgeten/ daß endlich Freund und Feind alle in dem einen Schiffe wahren; Die Pannonier hieselbst wahren uͤbermannet/ und begunten schon das Gewehr von sich zuwerffen/ rieffen umb Gnade/ und begehrten Lebensfristung; welches ihnen aber nicht verheissen ward/ sondern Klodius muste mit XX Mann hie bleiben/ und den Gefan- genen/ deren XLV wahren/ Ketten anlegen/ wozu die angeschmiedete Bootsknechte/ welche gefangene Roͤmische wahren/ tapffer holffen; Mit den uͤbrigen ging Ladisla fort nach Fa- bius/ der einen harten Stand hielt/ und dem Feinde schier haͤtte weichen muͤssen/ dann die allertapffersten fochten gegen ihn; Auf Ladisla Ankunfft aber enderte sichs bald/ massen derselbe sich an den Haͤuptman einen starken verwaͤgenen Kaͤmpffeꝛ machete/ und ihm den rechten Arm laͤhmete/ daß er muste ruhig seyn; Fabius schaͤmete sich/ daß er seiner Huͤlffe bedurffte/ und ging daher so eiferig loß/ daß er zu den Feinden uͤbersprang/ da ihm Ladisla und Markus folgeten; Die Feinde aber wolten nicht so leicht hinter sich weichen/ daß sie den ihren Raum gemacht haͤtten/ nachzusetzen/ daher sie immer schlagen und stechen mu- sten/ daß sie nach gerade etliche wenige Helffer bekamen/ welche auch so frisch hinein drun- gen/ daß die Feinde ihnen Raum genug geben musten/ und endlich/ als uͤbermannet/ das Gewehr niderlegen; Daher auch Markus hieselbst mit XXX Kriegsleuten blieb/ die ange- schmiedeten losmachte/ und die freien in Bande legete. Da drungen nun Ladisla uñ Fabius mit ihrer ganzen Macht auff das dritte Schiff/ auff welches Leches schon selb zwoͤlfen fe- sten Fuß gesetzet hatte; Diese der ihren Niderlage ersehend/ haͤtten sich gerne durch die Flucht gerettet/ aber sie kunten das Schiff nicht losmachen; so kam ihnen auch der Ent- satz gar zu zeitig uͤber den Hals/ daß sie sich gleich den andern ergaben/ und die Bande an- nahmen. Es wahren an Feindes Seiten in allen dreyen Schiffen LX erschlagen/ und 180 gefangen; Da hingegen an unser Seite nur V aͤdle IIX unaͤdle tod; auch XVI aͤdle uñ XXII unaͤdle verwundet wahren. Bald nach erhaltenem Siege wurden die Pannonischen Haͤuptleute und alle Befehlichshaber auf Fabius Schiff gebracht/ welche Ladisla in Pan- nonischer Sprache also anredete: Finde ich euch nun in solcher gestalt/ ihr trotzige uñ ver- waͤgene Schelme und Moͤrder/ die ihr mir und meinen redlichen Gesellen und Kriegs- leuten den Strang zur hoͤchsten Begnadung anbieten duͤrffen/ da unser keiner euch jemal belei- Anderes Buch. beleidiget hat; Ja/ waret so gottlos/ daß ihr wider aller Voͤlker Rechte meinen Abgeschik- ten zur Kurzweil woltet henken/ welchen doch der Him̃el augenscheinlich aus euren Haͤn- den errettet und lebendig erhalten hat? Da sehet ihr (nach dem Mastbaum zeigend) euren Abgeschikten am Strange bammeln/ weil ihrs mit Gewalt also habt haben wollen; Und sollet mir straks angesichts anzeigen/ ob der mir und den meinen angebohtene Tꝛoz nur von etlichen/ oder aus algemeiner Bewilligung herruͤhre. Es wolte anfangs keiner vor dem andern antworten/ biß Fabius einen beym Arme fassete/ und zu ihm sagete: Bald gib Be- scheid auff die Frage/ oder du solt die Folter bescheissen. Dieser durch die Warheit Gnade zuerlangen hoffend/ bekennete: es waͤhre von den dreyen Oberhaͤuptleuten also angestifftet und von ihnen allen hoch und nidrig also beliebet worden. Wolan/ antwortete Ladisla/ so sol euch allen widerfahren/ was ihr andern unschuldigen habt tuhn wollen. Klodius und Markus wahren inzwischen an die zuvor angeschmidete/ nunmehr freygemachte Ruder- knechte abgeschikt/ bey jhnen zu erkuͤndigen/ wessen sich diese Pannonier bißher auff dem Meer verhalten haͤtten; Da ihrer etliche andeuteten: sie haͤtten inwendig eines halben Jahrs frist XIIX Roͤmische Kauffmans Schiffe uͤberwaͤltiget/ alle Guͤter zur freyen Beu- te gemacht/ und die Menschen ohn Unterscheid/ ob sie sich gleich willig er geben/ dannoch nach hefftiger Pruͤgelung an ihre eigene Mastbaͤume aufgeknuͤpffet/ und nachgehends die Schiffe treiben lassen/ wie sie der Wind gefuͤhret. Die unsern entsetzeten sich vor solcher unmenschlichen Grausamkeit/ und sprachen ihnen die Urtel/ daß ihnen allen ein gleiches solte angeleget werden; Wurden demnach anfangs die Haͤuptleute und Befehlichshaber von den Ruderknechten aus allen fuͤnff Schiffen ohn alle Barmherzigkeit biß auf den Tod epruͤgelt/ und nachgehends an ihre eigene Masten/ weil sie noch lebeten/ angeknuͤpffet. Weil solches die Pannonischen gemeinen Knechte ansahen/ trieben sie ein jaͤmmerliches Geheule/ weil sie wusten/ daß es ihnen gar bald gleich also ergehen wuͤrde/ wie dañ gescha- he/ biß sie alle mit einander auff solche weise hingerichtet wahren/ und die drey Mastbaͤume von unten auff mit solchen Buben behaͤnget wurden. Die Beute/ welche sie bey ihnen an- traffen/ wahr uͤberaus groß/ wovon den Kriegsleuten und Schiffknechten in gleicher Tei- lung/ doch nach Unterscheid der Aempter ein statlicher Beutpfennig gegeben ward/ so daß jeder gemeiner Knecht 800 Kronen bekam/ die erloͤseten aber/ deren uͤber hundert wahren/ jeder 400 Kronen. Es ward von Fabius ein grosser Brief gemacht/ und an den groͤsten Mastbaum des ersten Schiffes geschlagen/ worin aller Verlauff kuͤrzlich berichtet ward/ uñ musten die erloͤseten Ruderknechte aͤidlich angeloben/ dz sie die Schiffe uͤberbringen/ uñ sich zu Padua bey dem Stathalter angeben solten. Weil auch XXVI unter diesen wahren/ welche umb Kriegsbestallung bey den unsern anhielten/ wurden sie willig angenommen/ und dadurch der erschlagenen Stelle gnug ersetzet. Des andern Tages schieden Ladisla uñ Fabius/ gemachtem Schlusse nach/ von einander/ und eilete Ladisla sehr/ dann sein Hertz wahr ihm schwer/ daß er zu Klodius sagete: Mir muß etwa ein Ungluͤk bevorstehen/ oder meiner besten Freunde einer leidet noht. Dieser baht ihn/ nicht zu straͤnge zu segeln/ dann es gaͤbe alhie viel verborgene Klippen/ welche mannichen Schiffbruch verursacheten. Deꝛ Steurman trat auch hinzu/ und meldete: man muͤste sich wenden/ und die Hoͤhe wie der er- greiffen/ damit das Schiff und ihr aller Leben nicht in Gefahr kaͤhme; welches ihm Ladisla X x ij nicht Anderes Buch. nicht wehren durffte/ dann er sahe selbst/ daß man zu weit gangen wahr; Daher sie etliche Tage zwischen den Klippen zubrachten/ und nicht geringe Gefahr ausstunden/ biß sie end- lich in einen Hafen/ gegen Korzyra uͤber/ einlieffen/ woselbst er sein Schiff ausbessern ließ/ und sich wieder auffs Meer begab/ da er wegen Windes Widerwertigkeit hin und wieder schwebete/ biß er in den naͤhesten Hafen bey der Stad Patr æ in Peloponnesus einlieff/ und also fein erstes Vorhaben nicht erreichen kunte. Fabius hatte nicht viel besser Gluͤk/ dann er lieff wider den Wind/ und brachte fast drey Wochen zu/ ehe er Peloponnesus erreichen kunte; und da er umb die Gegend dieser Landschafft ankam/ wahr er zweifelhafftig/ ob er einlaͤnden/ oder weiter nach dem Eylande Kreta schiffen solte; endlich beschloß er/ nach Korinth zu segeln/ ob er daselbst Ladisla antreffen/ oder sonst etwas zu seinem Vorhaben dienlich erforschen koͤnte. Umb diese Zeit/ als die drey Boͤhmische Herren von Padua wieder zu Prag ange- langet wahren/ und etwa vor zween Tagen der Koͤnigin den Verlust ihrer liebsten Frl. Tochter auffs glimpflichste vorgetragen hatten/ woruͤber sie sich uͤber alle masse hermete/ ließ sich daselbst vor dem Stad Tohr eine starcke Reuter Schaar 1600 Pferde stark/ anmel- den/ daß sie von einem grossen Herrn abgesand waͤhren/ bey der Großmaͤchtigsten Koͤnigin in Boͤhmen etwas in aller Freundschafft zuwerben. Die Reichs Raͤhte/ welche wegen deꝛ Fraͤulein Verlust uͤberaus betruͤbt wahren/ insonderheit/ weil die Koͤnigin sich so gar nicht wolte troͤsten lassen/ hielten nicht vor rahtsam/ daß auff solches ungewisse Angeben der Gesante solte eingelassen werden/ und liessen ihm in der Koͤnigin Nahmen andeuten: Er solte wissen/ daß er in einem freyen Koͤnigreich waͤhre/ und schuldig/ sich zuvor mit so vie- len Reutern von ferne anmelden zulassen/ ehe und bevor er vor dem Stad Tohr anklopf- fete; wuͤrde ihm also kraft dieses ernstlich gebohten/ seine ganze Reuterey biß auf XII Mañ/ straks angesichts zuruͤk gehẽ zulassen biß auf eine halbe Meile von der Stad/ oder man wuͤꝛ- de ihnen bald Fuͤsse machen. Der Gesante wolte diesen Befehl unwillig empfinden/ und mit grossen Bedingungen aufftreten/ aber ihm ward zum endlichen Schlusse gesagt/ die Voͤlker hinter sich zu schicken/ oder eines Angriffs gewaͤrtig zuseyn/ weil man ohndas nicht wuͤste/ ob er von Freunden oder Feinden abgeschikt waͤhre; Welcher Ernst ihn bewog/ dz er naͤhern Kauff gab/ die Reuter schleunig von sich gehen ließ/ und von neuen anmeldete/ er waͤhre ein Gevollmaͤchtigter Gesanter des gewaltigen Koͤniges der Franken und Si- kambrer/ uñ zweifelte nit/ man wuͤrde ihn von wegẽ seines Koͤniges unbeschimpffet lassen. Herr Gesanter/ antwortete ihm H. Stanisla/ welcher an ihn geschicketwar: Euer Koͤnig bleibt an diesem Orte wol unbeschimpfet/ meinet ihr aber/ man koͤñe es in Boͤhmen riechẽ/ oder den Leuten vor dem Kopffe lesen/ von wannen sie kommen/ uñ wem sie zustehẽ? warum habt ihr solches nit bald anfangs gemeldet? habt ihr dasselbe aus Koͤnigl. befehl verschwie- gen/ so hat man euch nit allerdinge zu trauen; habt ihrs aber vor euch selbst getahn/ muͤsset ihr einẽ schlechten Gesanten Verstand haben; wie wol ich solches mit euch nit streiten/ son- dern hoͤchstgedachtem Koͤnige zu ehren euch gebuͤhrlich empfangen und in die Stad beglei- ten wil. Der unbesonnene Mensch wuste dieses nicht zubeantworten/ nur dz er vorgab/ er meinete nicht anders/ als daß er bald anfangs seines Koͤniges Meldung getahn haͤtte; wo nicht/ waͤhre es ohn versehens unterlassen. Welches aber Stanisla mit einem stilschwei- gen Anderes Buch. gen beantwortete. Es hatte der erste Gesante des Koͤniges Hilderich aus Franken (wie im ersten Buche gemeldet) nahmens Klogio/ einen blossen zu Prag geschlagen/ als er vor sei- nes Koͤniges Sohn dem jungen Fuͤrsten Markomir umb eine Heyraht mit Frl. Valiß- ken Anwerbung taht; Als er nun von solcher Reise bey seinem Koͤnige und dem jungen Fuͤrsten wieder anlangete/ und die gegebene Erklaͤrung zuruͤk brachte/ ward er schlecht ge- wilkommet/ infonderheit/ daß er dem Fraͤulein weder die Geschenke noch das geheime Schreiben hatte gewust fuͤglich beyzubringen; endlich/ als sie die Antwort recht bey sich erwogen/ hielten sie es gaͤnzlich davor/ es waͤhre nichts/ als eine hoͤfliche Abweisung; und ob gleich die Reichs Raͤhte dagegen vorbrachten/ daß solche Antwort eine grosse Wichtig- keit hinter sich haͤtte/ insonderheit weil der Fraͤulein Herr Bruder zugleich nunmehr ihr gebietender Koͤnig waͤhre/ uñ sie ohn dessen Einwilligung nicht wuͤrde eine Heyraht schlies- sen duͤrffen; so wolte doch solches bey dem Koͤnige nicht hafften/ wie ein kluger und ver- nuͤnfftiger Herr er auch wahr. Vielweniger wolte der junge Fuͤrst sich damit befriedigen lassen/ und warff derselbe einen solchen Unwillen auff seinen sonst so angenehmen Klogio/ daß derselbe sich heimlich davon machen/ und als verborgen Leben muste. Inzwischen ging der junge Fuͤrst in steter Schwermuͤhtigkeit/ daß ihm Faꝛbe und Fleisch/ endlich auch alle Lust zur Speise eniging; woruͤber sein Herr Vater/ welcher ihn uͤberaus liebete/ sich hart graͤmete; und mannicherley Mittel bey sich uͤberlegte/ wie er die hefftigen Begierden seines Sohns befriedigen moͤchte/ und beschloß endlich auff seiner Raͤhte gutheissen; er wolte eine abermahlige Geselschafft nach Prage abgehen lassen/ umb das Fraͤulein zuwer- ben/ also und dergestalt/ daß wañ man sich nicht offenherzig mit ja erklaͤren/ sondern ent- weder unter einer Vermum̃ung spielen/ oder abschlaͤgige Antwort geben wuͤrde/ man als- bald einen Ernst zur Sache tuhn/ und das Fraͤulein mit gewaltsamer Hand wegnehmen solte/ dero behueff man auff allen Fal ein starkes Kriegsheer zu Roß und Fuß so nahe es geschehen koͤnte hin an Boͤhmen fuͤhren/ und in der Bundsverwanten Land so stiller/ so bes- ser/ einlegen muͤste/ welche auff empfangenen Befehl in zween Tagen und Nachten gar hin- an ruͤcken/ die Stad Prag ersteigen/ und das Fraͤulein davon fuͤhren koͤnten. Niemand gefiel dieser Anschlag besser/ als dem jungen Fuͤrsten Markomir/ welcher emsig wahr/ daß in wenig Wochen 40000 zu Roß/ uñ 80000 wolversuchte Fußknechte/ welche mañichen Sieg von den Roͤmern und Galliern erhalten hatten/ zusammen gebracht und auß Gal- lien nach dem alten Frankenlande geschikt wurden. Der Koͤnig haͤtte zwar gerne gesehen/ daß der junge Fuͤrst daheim blieben waͤhre/ aber derselbe hielt so instaͤndig umb erlaͤubnis an/ als ein Unbekanter und Auffwarter des Gesanten mit zuzihen/ daß der Vater ihm solches nicht wegern kunte; jedoch ihm und allen hohen Kriegs Beamten ganz ernstlich einband/ keine Gewalt zugebrauchen/ wann keine Hoffnung waͤhre/ das Fraͤulein dadurch zuerlangen; solten auch keinen Inwohner deßselben Landes beleidigen/ als die sich ihnen taͤhtlich wiedersetzen/ und ihr Vorhaben zuhindern sich unterstehen wuͤrden. Mit dem ob- gedachten starken und wolgewapneten Heer ging nun beydes der junge Fuͤrst Markomir/ doch in unbekanter Gestalt/ und des Koͤniges Gesanter/ nahmens Herr Dagobert fort/ nahmen auch 1600 Pferde mit sich biß nach Prag/ und hatten auff dem ganzen Wege/ biß an den Ort/ da ihr Heer liegen blieb/ etliche hundert einzelne Reuͤter verleget/ welche X x iij mit Anderes Buch. mit schnellen Pferden (die stets gesattelt stehen musten) einer zum andern rennen/ und auff den Fal/ das Heer herzu fodern solten; welcher Anschlag dann so weißlich angelegt wahr/ daß wann das Fraͤulein daheim waͤhre gewesen/ wuͤrde sie unmoͤglich ihren Haͤnden ent- gangen seyn. Der Gesanter wahr vor sich selbst so unvernuͤnfftig nicht/ als er obgedachter Art sich vor dem Tohr zu Prag anmeldete/ sondern der junge Fuͤrst/ welcher als sein Rit- terlicher Diener hinter ihm her ritte/ ordente es so/ wieder dessen Willen und gutheissen/ daher er ihm auch hernach solches in der Herberge verweißlich vorhielt/ mit Bitte/ hinfuͤ- ro solcher anschlaͤge muͤssig zugehen/ durch welche man dem Koͤnige boͤse Nachrede/ und ihm selbst einen schlimmen Nahmen zuzoͤge; welches er ihm auch angelobete. Auff Befehl der Koͤnigin ward dieser Gesanter in der Herberge wolgehalten/ und musten ihm Stanis- la und Krokus Geselschafft leisten/ welche dann auß seinen Reden befunden/ daß er ver- staͤndiger wahr/ als sie ihn an fangs geschaͤtzet hatten; sie huͤteten sich aber/ ihn zu fragen/ was seine Anwerbung waͤhre/ gedachten auch der verlohrnen Fraͤulein mit keinem Wor- te/ sondern erbohten sich/ da es ihm also gefallen wuͤrde/ bey der Koͤnigin anzuhalten/ daß er des folgenden Tages vor ihre Hocheit zutreten Freyheit haben solte. Herr Krokus Sohn/ ein tapfer Ritter/ und neulich bestelleter Haupman uͤber die Schloß-besatzung/ auch Ver- weser der Koͤniglichen Ruͤstkammer/ nahmens Neda/ ward mit 60 Reutern hinaus ge- schikt/ die mitgebrachten Reuter auff die umbliegende Doͤrffer zuverlegen/ welcher solches fleissig verrichtete. Er traff unter diesen Franken einen Ritter an/ welcher ein gebohrner Daͤhne wahr/ und vor dreyen Jahren mit ihm/ da er in Daͤnnemark Ritterschafft uͤbete/ gute Kundschafft gemacht hatte/ derselbe gab ihm in geheim vertraulich zu vernehmen/ was vor eine grosse Macht die Franken in bereitschafft haͤtten/ und daß wol gnug gefaͤhr- liche Anschlaͤge moͤchten obhanden seyn/ denen man nicht als durch Macht wuͤrde begeg- nen koͤnnen. Neda dankete ihm im Nahmen seiner Koͤnigin vor solche Warnung/ hinter- brachte es alsbald und ward darauff in beyseyn der Koͤnigin geheimer Raht gehalten/ auch nach kurzer Unterredung den Außreitern schrifftlicher Befehl erteilet/ durch das gan- ze Koͤnigreich die Ritterschafft auffzumahnen/ welche sich nach den Grenzen/ daher die Franken kommen wahren erheben/ und auff alles gute acht haben/ auch die außgesetzeten Postreuter (dann von denen hatte der Daͤhne auch meldung getahn) ohn unfreundligkeit auffhalten/ und sie nicht allein fortreiten lassen solten. Uberdaß ward in Prage diese Nacht eine solche Menge wolgewapneter Voͤlker eingelegt/ daß sie nicht alle Raum darinnen hatten/ sondern ein Lager vor der Stad vor 6000 Mann abstechen/ und darinnen wol ver- schanzet sich auffhalten musten. Der Frankische Gesanter drang nicht auff eine schleuni- ge Verhoͤrung/ sondern meinete/ noch etliche Tage es auffzuschieben/ und alle Gelegen- heit/ wie man die Stad am besten uͤberrumpeln koͤnte/ abzusehen/ welcher Vorsaz ihm aber des folgenden Morgens aus zweien Ursachen verging; erstlich/ weil die seinen ihm auff dem Lager die Zeittung brachten/ daß diese ganze Nacht ein Getuͤmmel in der Stad auff allen Gassen gewesen/ uñ man allenthalben nichts als bewehrete Soldaten saͤhe; hernach/ weil die Koͤnigin fruͤhzeitig zu ihm schickete/ und ansagen ließ/ wann er Verhoͤrung be- gehrete/ solte er sich in vier Stunden darzu gefasset halten; wo nicht/ wuͤrde sie umb noͤhti- ger Geschaͤffte willen/ auff ihn laͤnger nicht warten koͤnnen/ nach dem sie eine Reise nacher Teutsch- Anderes Buch. Teutschland zu ihrem Herr Bruder dem Großmaͤchtigsten Groß Fuͤrsten der Sachsen und anderer Freien Teutschen/ vorhaͤtte/ umb hoͤchstwichtige Sachen/ die Beschuͤtzung ihres Reichs wieder alle meuchel Feinde betreffend/ mit demselben abzuhandeln. Auß die- sen beyden Ursachen muhtmassete so wol der Gesanter/ als der junge Fuͤrst selbst/ ihr vor- haben muͤste verrahten seyn/ hatten doch nicht Zeit sich lange zu bedenken/ sondern gaben zur Antwort; Ob zwar der Gefante von der zimlich langen Reise/ welche er Tag und Nacht fortgesetzet/ noch muͤde waͤhre/ und auff eine zierliche Rede sich nicht geschicket haͤtte/ muͤste er doch billich Koͤniglicher Hocheit untertaͤhnigst gehorsamen/ und auff angesetzte Stun- de erscheinen/ vor sein Haͤupt untertaͤhnigst gesinnend/ daß er Freyheit haben moͤcht/ mit seinem geheimen Schreiber (welcher alle Handlung in die Feder nehmen wuͤrde) vorzu- treten. Dieses ward ihm gerne eingewilliget/ und schickete sich Dagobert der Gesante auffs beste darzu/ wie er dann schon vor der Reise seinen Vortrag wol gefasset hatte. Es sahe aber die Koͤnigin vor gut an/ daß die Zeitung von der Fraͤulein Raubung/ wie wol ohn Benennung/ wo solches geschehen/ in der Stadt/ sonderlich in der Herberge/ wo der Gesante lag/ kund gemacht wuͤrde/ welche man bißher allerdinge hatte verborgen gehaltẽ. Der Frankischen Diener einer hoͤrete bald davon reden/ uñ brachte es dem Gesanten vor/ welcher nebest den jungen Fuͤrsten (dieser wahr der angegebene geheime Schreiber) es vor ein Getichte hielt/ auß groben Unverstand herruͤhrend/ weil mans eben so auff den Stuz außsprengete/ kehreten sich auch nichts daran/ sich stellend als ob sie davon nichts er- fahren haͤtten. Herr Krokus hielt mit der Koͤniglichen Leibgutsche vor der Herberge/ auf welche sich Herr Dagobert samt seinen verstelleten Secretarius oder geheimen Schrei- ber setzete/ und eine lange Gasse/ die mit ansehnlichen Kriegsleuten angefuͤllet wahr/ hin- fuhr/ welches ihn nicht wenig irre machete/ insonderheit/ da er auff dem Schlosse uͤber ei- nen hohen Lustgang gefuͤhret ward/ von welchem er hinaus ins freye Feld sehen kunte/ und daselbst gewahr ward/ daß uͤber die 12000 junger Mannschafft getrillet und im Gewehr geuͤbet wurden. Doch lag ihm dieses nicht so hart an/ als die ausgesprengete Zeitung von dem verlohrnen Fraͤulein/ wie wol er sich dessen auch begab/ weil ihm Krokus auff dieser Fahrt nichts davon gemeldet hatte. Die Koͤnigin/ welche diese Tage uͤber in stetem klagen und weinen zugebracht/ ergriff sich auff der Raͤhte bewaͤgliche Ermahnung/ sich gegen den Gesanten keiner uͤbermaͤssigen Traurigkeit vernehmen zu lassen/ daher sie ein gezwungenes freymuhtiges Gesicht annahm/ als Herr Dagobert mit seinem Schreiber in die Verhoͤr Stube trat/ und dieser nach geleisteter demuͤhtiger Neigung sich an ein Neben-Tischlein setzete/ fertig/ alles was geredet wuͤrde/ auffzuzeichnen; daher drey Boͤhmische geheime Schreiber an einem andern Tische ein gleiches vornahmen. Dagobert/ nachdem eꝛ seine Koͤnigliche Glaubens-Bescheinigung schrifftlich eingereichet hatte/ und solche von dem Herꝛn Reichs Kanzler vor gnugsam eꝛklaͤret wahr/ brachte dar- aufvor; Es wuͤꝛde die Gꝛoßmaͤchtigste Koͤnigin in Boͤhmen ungezweiffelt añoch in unver- ruktem Andenken haben/ was gestalt unlaͤngst der auch Großmaͤchtigste Koͤnig der freyen Franken und Sikambrer in Gallien/ Herꝛ Hilderich/ an vorhoͤchstgedachte ihre Koͤnigl. Hocheit eine ansehnliche Gesandschafft abgehen lassen/ und solches aus aufrichtigem Her- zen/ uͤmb durch eine wirdige Heyraht zwischen seinem Herꝛ Sohn dem Durchleuchtig- sten Anderes Buch. sten Koͤniglichen Großfuͤrsten und kuͤnfftigen Kron-Erben seines freyen Reichs/ Herꝛn Markomir/ und der auch Durchleuchtigsten Koͤniglichen Fraͤulein aus Boͤhmen/ Frl. Valisken/ eine nahe Verbuͤndnis und ewigwehrende Freundschafft zustifften; wie dann gedachter Koͤniglicher Gesanter/ Klogio/ solches gebuhrlich geworben zuhaben/ man die Hofnung truͤge/ welches er ja mit gegebener schriftlicheꝛ Antwoꝛt bescheiniget haͤtte. Weil aber die Erklaͤrung auff vorgetragene Anwerbung/ an Koͤnigl. Boͤhmischen seiten sehr tunkel und ungewiß waͤhre/ und aber Koͤnigl. und Großfuͤrstl. Hocheit an Fraͤnkischer sei- ten gerne den gewissen und unwandelbahren Schluß dieser so hochbegehreten wirdigen Heyraht wissen und haben moͤchten/ als waͤhre im Nahmen und von wegen seines Aller- gnaͤdigsten Koͤniges/ und Gnaͤdigsten jungen Großfuͤrsten/ sein freund-inniglichstes Ansu- chen und Gesinnen/ daß an Koͤnigl. Boͤhmischer seite solche aus sonderlicher Gewogen- heit/ Freundschafft und Liebe herruͤhrende Heyrahtswerbung freundlich moͤchte beliebet/ gut geheissen/ und geschlossen werden/ wie man an Koͤnigl. Frankischer seiten das feste Veꝛ- trauen haͤtte/ man wuͤrde dessen kuͤnftigen Kron-Erben nicht unwirdig solcher Heyraht schåtzen/ insonderheit/ weil dessen Durchleuchtigkeit dem vortreflichen Boͤhmischen Koͤ- nigl. Fraͤulein mit Herz/ Seele/ und allem Vermoͤgen sich so gar zu eigen eꝛgeben haͤtte/ daß ihm ungleich leichter seyn wuͤrde/ sich seines Lebens/ als dieser Seelenfesten Liebe zuverzei- hen; und daher leicht zuermaͤssen waͤhre/ was vor ein hochschaͤdliches und beiden Voͤlkern grundveꝛderbliches Unheil aus deꝛ unveꝛhoffeten Heirahts Verweigerung entstehen duͤꝛf- te/ welches zuverhuͤten/ die Koͤnigliche Boͤhmische Kron ihr schon wuͤrde lassen angelegen seyn/ worzu das frey Frank-Sikambrische Reich sich mit auffrichtigem Herzen anerboͤh- te. Schließlich hielt Dagobert bittlich an/ daß das Koͤnigliche Fraͤulein/ wie bey voriger Gesandschaffts-Verhoͤrung geschehen/ selbst gegenwaͤrtig seyn/ und die Koͤnigl. Boͤhmi- sche Erklaͤrung hiedurch so viel angenehmer/ suͤsser und guͤltiger machen moͤchte. Die Koͤ- nigin ließ auff die letzten Worte einen tieffen Seufzer aus/ daß ihr schwer fiel/ sich des wei- nens und klagens zuenthalten/ nur der Koͤnigliche Wolstand/ welchen sie uͤber alless chaͤtze- te/ hielt sie davon abe; Sie redete aber kein Wort/ sondern Herr Bretisla als Reichskantz- ler/ gab dem Gesanten mit entbloͤssetem Haͤupte (dann also bezeigete sich dieser auch) zur Antwort: Es haͤtte die Großmaͤchtigste Koͤnigin in Boͤhmen/ die/ im Nahmen des auch Großmaͤchtigsten Koͤnigs der Freyen Franken und Sikambrer in Gallien/ abermahlige Anwerbung/ eine wirdige Heyraht zwischen dem Koͤnigl. Groß Fuͤrsten und der Koͤnigl. Fraͤulein betreffend/ wol verstanden/ und dafern dem Herrn Gesanten nebest seinem ge- heimen Schreiber gefallen wuͤrde/ einen kurzen Abtrit zunehmen/ wolte man sich an dieser Seiten ohn Verzug also herauslassen/ daß hoͤchstgedachter Koͤnig und der Durchl. Koͤ- nigliche Großfuͤrst daran ein satsames Genuͤgen wuͤrden haben koͤnnen. Diese leisteten solches gerne/ unter der Hoffnung/ es wuͤrde alles nach ihrem Wunsch ergehen/ bildeten ihnen auch ein/ das Geschrey von der Fraͤulein Entfuͤhrung/ waͤhre ihnen zum hoͤfflichen Auffzuge getichtet/ nachdem ihr Vorhaben der Raubung ihnen moͤchte verkundschaffet seyn; Also pflegen des Menschen Begierde sich allemahl zu kitzeln/ als lange sie durch Hof- nung unterhalten werden. Die Koͤnigin und der Reichs Raht hatten vorhin schon die Muhtmassung gefasset/ was das Frankische Vorbringen seyn wuͤrde/ und sich einer Erklaͤ- rung Anderes Buch. rung beredet/ wobey es auch vor dißmahl schlechter dinge gelassen ward/ daher Krokus nach Verlauf einer halben Stunde/ den Gesanten mit freundlicher Bezeigung wieder einfoderte/ welcher von Herꝛn Bretisla also beantwortet ward: Hochansehnlicher Herꝛ Gesanter; die im Nahmen und von wegen des Großmåchtigsten Koͤniges der Franken und Sikambrer in Gallien/ und dessen Hochheit Herꝛn Sohns des Durchleuchtigsten Koͤniglichen Großfuͤrsten/ Herꝛn Markomirs/ angetragene/ und aus sonderlicher Gewo- genheit/ Freundschafft und Liebe herruͤhrende Heyrahts werbung/ hat die auch Großmaͤch- tigste Koͤnigin in Boͤhmen/ allergnaͤdigst gegenwaͤrtig/ teils mit hocherfreulichem/ teils auch mit inniglichstbetruͤbetem Herzen angehoͤret und wol verstanden/ erkennet daraus den recht freundlichen hohen Willen hoͤchstgedachten Koͤniges und dessen Herꝛ n Sohns Liebden gegen sie und ihre herzgeliebte Fråulein Tochter/ welchen an dieser seite zuersetzen/ weder Fleiß noch Auffrichtigkeit/ ja weder Muͤhe noch Kosten zuersparen/ man sich red- lich und Koͤniglich anerbeut; in betrachtung/ daß eine naͤhere und sicherere Freundschafft und Verbuͤndnis nicht kan noch mag zwischen Koͤnigen erdacht werden/ als die durch Heyraht gestiftet uñ befestiget wird. Daß man nun zu der vorgeschlagenen wirdigen Hey- raht (dann wem ist die Macht und Hocheit des Frankisch-Sikambrischen Reichs nicht bewust?) an dieser seite bald anfangs ein satsames genuͤgen/ und darzu einen ganz guten Willen getragen/ ist dem vorigen Koͤniglichen Herꝛn Gesanten Herꝛn Klogio/ nicht durch eine tunkele und ungewisse/ sondern klare und offenherzige Erklaͤrung zu aller moͤglichen Gnuͤge angezeiget worden/ und bestehet dieselbe hierinnen/ daß/ weil das Koͤnigliche Fraͤu- lein ihrem Herꝛ Bruder und nunmehr gebietenden Koͤnige/ dem Großmaͤchtigsten Koͤni- ge in Boͤhmen/ Herꝛn Ladisla/ auff dessen Hocheit straͤnges und bruͤderliches Ansuchen/ diese aͤidliche/ und also hoͤchstverbindliche Zusage getahn/ ohn dessen Vorwissen und Ein- willigung/ sich schier heut oder morgen in kein eheliches Geluͤbde einzulassen/ koͤnte auf Koͤ- nigliche Frankische Anwerbung/ die wiꝛdige Heyraht betreffend/ nichts schließliches geant- wortet werden/ ehe und bevor hoͤchstgedachtem unseꝛm Erbkoͤnige solches vorgetragen/ uñ seine bestaͤndige Meinung daruͤber vernommen waͤhre; wobey man sich aber zugleich hat erbohten/ unserm Koͤnige diese Anwerbung eiligst zuzuschreiben; endlich auch angezeiget/ man gelebete der gedoppelten Zuversicht an dieser Seiten/ daß an anderer Seite solche Verzoͤgerung nicht allein nicht ungleich wuͤrde auffgenom̃en/ sondern auch geduldet wer- den/ wañ etwa uͤber verhoffen (wovon man doch das allergeringste nicht wuͤste) das Fraͤu- lein von ihrem Herr Bruder und Koͤnige schon anderwerts solte versprochen seyn. Se- het Herr Gesanter/ das ist die erste redliche und auffrichtige Erklaͤrung gewesen/ und eine naͤhere hat man wegen verbindlichen Gewissens an der Fraͤulein Seite nicht geben koͤn- nen/ wie solches ein jeder Biderman gerne gestehen wird; und zweifelt man nicht/ dafern dieselbe eurem Koͤnige und dessen Herꝛn Sohn getraͤulich hinterbracht ist/ werde der Herꝛ Gesanter durchaus nicht ursach haben/ sie vor eine dunkele uñ ungewisse anzugeben. Daß man aber der gegebenen Erklaͤrung an dieser seiten redlich nach gesezt habe/ wolle der Herꝛ Gesanter sich weiters berichten lassen. Es hat unsere Allergnaͤdigste Koͤnigin kurz nach Herꝛn Klogio Abreise von ihrem hoͤchstgemeldeten Herꝛ Sohn die erfreuliche Zeitung be- kommen/ daß dessen Hochheit sich zu Padua in Italien mit des Hochmoͤgenden Kaͤyserl. Y y Stat- Anderes Buch. Stathalters daselbst/ Herꝛn Q. Fabius Fraͤulein Tochter ehelich versprochen/ und daduꝛch mit Roͤmischer Kaͤyserl. Hocheit (diß sagte er den Franken zum Schrecken) sich in ein festes Verbuͤndnis eingelassen; worauff das Durchl. Fraͤulein sich unter gnugsamer Be- gleitung straks auffgemacht/ dem Beylager ihres Herꝛn Bruders daselbst Schwesterlich beyzuwohnen/ da dann nicht die geringste Ursach gewesen ist/ daß mit oft hoͤchstgedachtem ihrem Herꝛ Bruder sie von der angetragenen Frankischen wirdigen Werbung muͤndlich reden/ und mit dessen Liebe einen Schluß daruͤber fassen wolte; Aber das leidige Gluͤk (hier fing die Koͤnigin an zuweinen) hat ihrer Durchl. solches leider leider! nicht goͤñen wollen/ massen sie in einem Flecken vor Padua von einer grossen Raͤuber Schaar bey der ersten Morgenschimmerung uͤberfallen/ alle ihre Reuter/ ausser einen einzigen erschlagen/ und sie selbst in verstelleter Juͤnglings Gestalt samt ihren beyden Leibjungfern gefangen hinweg gefuͤhret ist; uͤber welche Raͤu berschaar des andern Tags eine staͤrkere anzahl Meer Raͤu- ber kom̃en sind/ welche jene erschlagen/ und das Fraͤulein in ihrer beharlichen Juͤnglings- Verstellung neben einer Leibjungfer/ nach dem Adriatischen Meer gefuͤhret/ sie auff ihr grosses Raubschiff gesetzet/ und mit ihr davon gesegelt sind/ uns allen unwissend/ wohin sie gebracht worden sey; nur allein/ daß wir die Zuversicht zu den guͤtigen Himmels Goͤtteꝛn tragen/ dieselben werden sie vor Ehren- und Lebensgefahr gnaͤdiglich bewahren/ und ihr kraͤftige Rettung zusenden/ wie sie dañ alsbald den vortreflichen und hochberuͤhmten Held Herꝛn Herkules/ gebohrnen Großfuͤrsten und Erbnehmen des Teutschen Reichs/ auffge- mahnet haben/ daß er dem geraubeten Fraͤulein nachgesegelt ist/ und ihꝛ Herꝛ Bruder nun- mehr auch schon wird gefolget seyn. Aus welcher Erzaͤhlung nun der Herꝛ Gesanter zur gnuͤge wird verstaͤndiget seyn/ warumb das Durchl. Fraͤulein sich vor dißmahl bey dieser Verhoͤrung nicht anfinde/ welches dero Durchl. sonsten keines weges wuͤrde unterlassen habẽ. Es wird derselbe weiters hieraus/ seiner beywohnenden ruͤhmlichen Weißheit nach/ schon merken/ wie und warumb man auff die vorgetragene abermahlige/ und der Groß- maͤchtigstẽ Koͤnigin in Boͤhmen sehr angenehme und gnug wirdig geachtete Anwerbung/ sich mit weniger Gewißheit/ als bey erster Gesandschafft heraus lassen koͤnne/ weil man nicht allein unsers Gnaͤdigsten Koͤniges Meinung hieruͤber ganz unberichtet ist/ sondern auch das Durchl. Fraͤulein selbst in der Irre (Gott mag wissen/ wo) herumb schwebet. Der Gesante verwunderte sich zum hoͤchsten/ wie man einem (seiner Meynung nach) falschem Getichte/ solches zierliche Faͤrblein anstreichen koͤnte/ begehrete mit seinem Schreiber einen kurzen Abtrit uñ beredete sich mit demselben/ was doch auf solches Vor- bringen wuͤrde zu antworten seyn. Derselbe nun wahr uͤber die masse betruͤbt/ ging auch aus grosser Liebeswuht mit lauter gefaͤhrlichen weit außsehenden Vorschlaͤgen umb/ wel- che doch unmoͤglich wahren ins Werk zu richten. Dagobert aber zeigete ihm Augen- scheinlich/ daß dergleichen Vornehmen zu keiner Wirkung gelangen moͤchten/ und gab ihm zu bedenken/ obs nicht eine Sache waͤhre/ daß man sich merken liesse/ man trauete sol- chem Vorbringen nicht/ auch daneben baͤhte/ solche stellungen fahren zulassen/ und sich sein Teutsch zuerklaͤren. Weil dann Markomir nichts bessers zuersinnen wuste/ hielt er solches vor gut und nuͤzlich. Nun hatte Herr Krokus diese beyden Zeit ihrer Beredung von ferne belauret/ ihre Reden zwar nicht verstanden/ aber doch aus den aͤusserlichen Ge- berden Anderes Buch. berden gesehen/ daß der juͤngling mehr als der Gesante selbst waͤhre/ welches er alsbald der Koͤnigin und den andern Raͤhten anmeldete/ die daher vor gewiß schlossen/ es wuͤrde dieser Schreiber der junge Groß Fuͤrst selber seyn; worauff Krokus zu sagen sich nicht enthalten kunte; Es scheinet wol auß dieses ertichteten Schreibers Geberden/ daß er muhtig und verschlagen sey/ aber wann ich meines herzen Meynung sagen solte/ halte ich gaͤnzlich da- vor/ aus tausend Markomiren koͤnne man nicht einen einzigen Herkules schmieden/ wel- ches ich zu dem Ende andeute/ weil aus Groß Fuͤrst Herkules wehemuͤhtiger bezeigung wegen des verlustes der Fraͤulein/ ich einer starcken Liebe vermuhten bin; worin mich sei- ne ungeseumete Nachfolge bekraͤfftiget/ und gebe der Himmel/ daß er sie antreffe/ rette/ uñ heyrahte/ dann besser kan sie in dieser Welt nicht versorget werden. Die Koͤnigin/ wie be- truͤbt sie auch wahr/ kunte sich nicht enthalten/ hieruͤber zu lachen/ wolte doch ihre Gedan- ken so klar nicht an den Tag legen/ sondern sagte zu ihm. Mein Krokus/ es ist euch mein lieber Sohn Herkules wegen des gesprochenen Lobes verpflichtet/ und da ihr recht waͤhnẽ soltet/ waͤhre er euch zwiefach schuldig/ was wolte es dan werden/ wañ euer lezter Wunsch wahr wuͤrde? Je was wolte es werden/ gnaͤdigste Koͤnigin? sagte er/ lauter Freude und Vergnuͤgung an allen Seiten. Ey so bestaͤtigen die Goͤtter euren Wunsch/ antwortete Stanisla/ und haben wir diesen Franken schon mehr als zuviel geheuchelt. Es hat aber mein Sohn Herkules mich hierumb noch nicht begruͤsset/ sagte die Koͤnigin/ und gedenke ja nicht/ daß wann er mein Kind antreffen solte/ er mit ihr heimliche Verloͤbniß machen werde. Krokus wahr zu zeiten kurzweilig/ und antwortete darauf; Ich taͤhte es/ gnaͤdigste Koͤnigin/ wann ich Herkules waͤhre. Die andern alle mit der Koͤnigin lacheten/ und diese sagte: Seyd ihr noch so arg/ mein Krokus/ was wisset ihr aber/ ob ichs euch gut heissen wuͤrde? Gnaͤdigste Koͤnigin/ antwortete er; Wer der Tochter Herz gewoñen hat/ bekomt der Mutter Hand auch wol. Wir wollen hiervon zu gelegener Zeit mehr handeln/ sagte die Koͤnigin/ und vor dißmahl des Gesanten Vortrag vernehmen/ da eurer etliche fleissige acht haben werden/ auff des verstelleten Schreibers Geberden/ in welchem/ wann er das Alter erreichet/ noch wol ein guter Koͤnig stecket. Jene beyden traten wieder ins Gemach/ da der Schreiber seine vorige Stelle bekleidete/ und Dagobert also anfing: Großmaͤchtig- ste Koͤnigin/ die Erklaͤrung/ daß meine vorgetragene Anwerbung beliebet sey/ wird meinen allergnaͤdigsten Koͤnig/ und den Durchl. jungen Groß Fuͤrsten hoͤchst erfreuen/ aber auch zugleich dero Hocheiten in die allertieffeste Verwunderung/ wil nicht sagen Nachdenklig- keit stuͤrzen/ daß gleich in der Stunde meiner Verhoͤrung (welches mir vor Ohren kom- men/ ich aber vor ein Getichte geachtet) solcher Verlust der Koͤniglichen Fraͤulein in der Stad erschollen ist/ welches mir uͤber das auch hieselbst als eine unfehlbare Warheit wil vorgetragen werden; Großmaͤchtigste Koͤnigin/ Ihre Hocheit/ bitte ich/ glaͤuben ja solchẽ fliegenden falschen Geruͤchte nicht; sondern trauen den Goͤttern/ daß dero Frl. Tochter ausser Zweifel in solchem gefaͤhrlichem Stande nicht begriffen ist/ und wird dero Durchl. von Padua/ nach gehaltenem Beylager sich schon wieder einstellen; wiewol ich ganz nit gemeynet haͤtte/ daß dieselbe ausser Landes solte verreiset seyn/ nach dem vorgestꝛiges Tages mir unterschiedliche zu Pferde und zu Fuß begegnet/ welche auff meine Nachfrage anzei- geten/ sie kaͤhmen von Prag/ und lebete Ihr Gn. Koͤnigin samt der Koͤnigl. Fraͤulein an- Y y ij noch Anderes Buch. noch in guter Gesundheit/ liesse sich auch diese taͤglich in den offenen Feldern sehen/ uñ stel- lete dem Wilde nach mit ihren Pfeilen; Da nun dieses sich also verhalten solte/ getraue Eurer Koͤnigl. Hocheit ich untertaͤhnigst und zuverlaͤssig/ dieselbe werde allergnaͤdigst ge- ruhen/ mir eine bestendigere Erklårung mitzuteilen/ und zwo Koͤnigliche Seelen durch ei- nen kraͤfftigen Heyraht-Schluß zuerfreuen; welches so wol zu des einen als zu des andern Wolfahrt gereichen wird; und mag Ihre Koͤnigl. Hocheit ich wol versichern/ ihr jeztge- sprochenes Wort von uͤberaus grosser Wichtigkeit und Wirkung seyn werde; Und da- mit solches zuvernehmen ich das gute Gluͤk haben moͤge/ wil ich mit meinem Gefaͤrten zu- vor gerne einen abermahligen Abtrit nehmen/ und ihnen eine Unterredung zur erfreuli- chern Erklaͤrung goͤnnen. Die Koͤnigin winkete dem Reichs Kanzler/ welcher den Ge- santen warten hieß/ empfing darauff einen kurzen Befehl mit wenig Worten/ und fing her- nach also an: Herr Gesanter; Er hat seine Rede mit einem zierlichen Mantel der schein- bahren Hoͤfligkeit bedecket/ welche/ da sie etwa ein ander vorgebracht haͤtte/ wuͤrde er gesagt haben/ meine Allergnaͤdigste Koͤnigin tichtete ihrer Frl. Tochter Rauberey zum Schein/ damit sie des Herrn Gesanten loßwerden moͤchte; dann eben dieses traͤget dessen Re- de auff ihrem Ruͤcken. Stehet ihr aber in den unzimlichẽ gedanken/ so hat man euch schon viel zu viel uͤbersehen; und wuͤrdet ihr mehr zuverantworten bekommen/ als in allen euren Kraͤfften nicht ist. Das unser Durchl. Fraͤulein in Warheit/ auff erzaͤhlete Art und wei- se geraubet sey/ verhaͤlt sich leider viel zu gewiß also/ massen in dieser Versamlung drey Reichs Raͤhte sitzen/ welche gleich dazumahl in Padua gewesen/ als der einige uͤberbliebene hart verwundete Reuter daselbst die hochbetruͤbte Zeitung angemeldet/ sie auch hernach das Haus selbst besichtiget/ in welchem solches Ungluͤk sich zugetragen hat; und wer dieses nicht glaͤuben wil/ der reite hin und frage nach/ wird ers dann nicht also finden/ so hat er uꝛ- sach zu sagen/ die Großmaͤchtigste Koͤnigin in Boͤhmen gehe mit Getichten umb. Luͤgener sind es gewesen/ welche gesagt haben/ das Fraͤulein sey neulich in dieser Feldmark herumb geritten/ und Schelme sind es/ die solches tichten. Enchaltet euch deswegen Herr Gesan- ter/ solcher unverantwortlichen Auflagen/ und befleissiget euch/ einer herschenden Koͤnigin auff ihrem Schlosse bessere Ehre anzutuhn/ damit man sich nicht bey eurem Koͤnige uͤber eure Unvernunfft zubeschweren habe. Und weil euch die lautere und klare Warheit ist vor- getragen/ so werdet ihr mit der wolgemeyneten Erklaͤrung friedlich seyn/ oder euch heraus lassen/ was vor eine andere ihr bey so gestalten Sachen begehren koͤntet. Der Gesante er- schrak der harten Rede/ begunte das vorgebrachte vor die Warheit zuhalten/ und baht um̃ gnaͤdigste Vergebung dessen/ was er nicht aus Bosheit/ sondern ihm gemachten Argwohn vorgebracht haͤtte; wolte vor dißmahl an gnaͤdigster Verhoͤr und Antwort ein genuͤgen haben/ nur daß Ihre Koͤnigl. Hocheit ihn morgendes Tages noch einmahl hoͤren moͤchte. Welches ihm dann gerne eingewilliget war. Als er nun hiemit einen Abtrit nehmen wol- te/ und nach seinem Schreiber sich umsahe/ ward er gewahr/ dz derselbe in steiffeꝛ Ohmacht saß/ und in einem Winkel sich angelehnet hatte; dessen er zitternd erschrak/ ging zu ihm hin/ und ruͤttelte ihn/ daß er endlich wieder erwachete/ und mit einem tieffen Seufzen sagete: O du elender und trostloser Markomir; nun liget ja alle deine Hoffnung gar in des Mee- res Tieffen! Dagobert raunete ihm ins Ohr/ sich nicht zuverrahten/ da gleich Herr Kro- kus Anderes Buch. kus zu ihnen hin trat/ und den Gesanten fragete/ was seinem Schreiber vor ein Unfall be- gegnet waͤhre? Welcher zur Antwort gab: Er haͤtte diese Schwacheit an sich/ daß wann er uͤber die gewoͤhnliche Zeit fastete/ er daruͤber in Ohmacht geriete/ wuͤrde sich aber bald wieder stillen. Wie er sich dann stark machete/ und mit Dagobert davon ging/ welcher ihn mehrenteils beym Arme fuͤhrete; Die unseren aber sich bezeigeten/ als ob sie dessen nit acht haͤtten; wiewol die Koͤnigin ihnen alsbald allerhand kraͤfftige und kostbahre Stårkungen nachschickete/ und muste Herr Vorich der Reichs Raht mit ihnen nach der Herberge fah- ren/ und mit ihnen Mahlzeit halten/ da ihnen Koͤniglich aufgewartet ward. Vor dem Es- sen nahm Dagobert mit Markomir einen Abtrit/ und ward dieser von jenem gemuhtiget/ sich wegen der Fraͤulein Entfuͤhrung nicht zu hart zubekuͤmmern/ nachdem sie ja noch im Leben/ und ihm unversaget waͤhre. Worauf er sich in etwas erhohlete/ und die Unterstelle am Tische nam. Bey dem Essen siel wenig wichtiges vor/ und nach abgetragenen Spei- sen hielt Dagobert an/ daß der Herren einer/ so neulich von Padua kommen/ und die leidi- ge Zeitung mitgebracht/ sie besuchen/ und bessern Bericht ihnen mitteilen moͤchte; welches Herr Vorich bey der Koͤnigin warb/ und Krokus darauff befehlichet ward/ zu ihnen zu fahren/ und alles getraͤulich zuberichten/ ohn daß er seine Gedanken wegen Groß Fuͤrst Herkules bey sich behielte/ und vielmehr dem jungen Fuͤrsten eine geringe Hoffnung ma- chete/ damit er in der uͤbermaͤssigen Liebe nicht gar verginge. Krokus haͤtte dieses lieber ei- nen andern verrichten lassen/ dann er wahr den Franken nicht sonderlich gewogen/ muste doch den Befehl uͤber sich nehmen/ und solches leisten/ da er dann an Dagobert einen fleis- sigen/ an seinem Schreiber aber einen nachgruͤblenden Zuhoͤrer hatte/ welcher nicht unterließ/ das vornehmste in sein Hand-Buͤchlein auffzuzeichnen. Nach geendigter Erzaͤhlung gab Krokus ihnen den Raht/ daß sie uͤber wenige Zeit etliche ihrer Leute nach Padua schicketen/ ob etwa gewissere Zeitung von dem geraubeten Fraͤulein ein- kommen waͤhre/ wohin man sie gefuͤhret/ und auff was Weise sie best koͤnte erloͤset wer- den. Welches sie ihnen sehr wol gefallen liessen/ und ihr Zweiffel hiedurch ihnen aller- dinge benommen ward. Nun kunte doch Markomir sich nicht einzwingen/ seine Gedan- ken zu eroͤffnen/ und sagte in beysein Herren Krokus zu Dagobert; Wie meinet ihr Herr Gesanter/ solte unser Koͤnig und sein Sohn der junge Fuͤrst nicht wol auff die Gedanken gerahten/ bald nach erforschung/ wo dieses unvergleichliche Fraͤulein auffgehalten wird/ ein Kriegsheer von etlichen hundert tausenden dahin zuschicken/ und durch die allergroͤste Reichsmacht einen solchen koͤstlichen Schaz frey zu machen? Ich halte wol/ antwortete er/ daß ihre Koͤnigl. Hocheit sich darzu verstehen duͤrffte/ wann der junge tapffere Held/ der Koͤnigl. Groß Fuͤrst ihn dazu anreizen wuͤrde. Dessen feurbrennende Liebe gegen dieses Koͤnigl. Fraͤulein/ ist mir zum teil bewust/ sagte der verstellete Schreiber/ und zweiffele ich nicht/ dessen Durchl. werde Tag und Nacht/ ohn Rast und Ruhe darauff sinnen/ wie solche Rettung zum fuͤglich- und heilsamsten ins Werk gerichtet werde. Worauff Krokus ant- wortete: Wir an unserm Orte wollen hoffen/ es solle solcher weitlaͤufftigkeit nicht beduͤr- fen/ sondern der Himmel werde unserm Koͤnig und seinem Oheim Groß Fuͤrst Herkules das Gluͤk verleyhen/ unser allerliebstes Fraͤulein (welche ihr aller Untertahnen Herz ver- bunden hat) anzutreffen/ und in freien Stand zu setzen. So wolte ich unserm jungen Groß- Y y iij Fuͤrsten Anderes Buch. Fuͤrsten wuͤnschen/ sagete der Schreiber/ daß dessen Durchl. bey eurem Koͤnige sein moͤch- te/ nicht allein dessen gewuͤnschete Kundschafft zuerlangen/ sondern nebest dessen Hocheit in erloͤsung der Koͤnigl. Fraͤulein sein Blut und Leben anzuwenden/ welches/ weiß ich/ sei- ne allerhoͤchste Vergnuͤgung seyn wuͤrde. Mit solchen und dergleichen Unterredungen ward der Tag zugebracht/ und befand sich der junge Fuͤrst der Sachen Gelegenheit nach/ zimlich getroͤstet. Des folgenden tages ward dem Gesanten erlaͤubet/ wieder vorzutreten/ und was er annoch zusuchen haben moͤchte/ kuͤhnlich anzudeuten; welcher dann nicht un- terließ mit seinem Schreiber/ welcher den gestrigen Tisch bekleidete/ sich einzustellen; ließ sich vor dißmahl sehr demuͤhtig vernehmen/ baht umb allergnaͤdigste Vergebung seiner gestrigen Unbesonnenheit/ und hielt instaͤndig an/ ihre Koͤnigl. Hocheit wolten der gesche- henen Anwerbung gnaͤdigst eingedenke seyn/ auff gluͤkliche Wiederkunfft der Koͤnigl. Fraͤulein die so hochgewuͤnschte Heyraht durch ihre muͤrterliche Gewalt und kraͤfftig-gel- tende Unterhandlung zubefodern und in Richtigkeit zu stellen/ solches wuͤrde der junge Groß Fuͤrst Zeit seines Lebens mit kindlichem Gehorsam erkennen/ und nach ihrer Hocheit Willen sich verhalten. Die Koͤnigin wahr froh/ daß ein so guter Abscheid vor dißmahl solte genommen werden/ und gab durch den Kanzler zur Antwort; Sie bedankete sich nochmahls sehr/ beydes gegen den Koͤnig/ und den jungen Groß Fuͤrsten/ des guten wil- lens/ welchen ihre Liebden gegen sie und ihre Frl. Tochter truͤgen/ baͤhte/ in solcher Gewo- genheit zu verbleiben/ und nicht zuzweiffeln/ daß sie alles dz vornehmen und leisten wolte/ was zu der angetragenen wirdigen Heyraht koͤnte gedeilich seyn/ dafern nur die Goͤtter ihre Frl. Tochter wieder zu Lande braͤchte/ und ihr Herꝛ Sohn dieselbe nicht unterdessen etwa einem andern verheyrahtet haͤtte/ welches sie dann nicht hoffen wolte; befahl/ den Koͤnig und Groß Fuͤrsten zugruͤssen/ und zeigete an/ daß nach verlauff zwo Stunden der Kanzler ihm ein Schreibẽ an seinen Koͤnig zustellen wuͤrde. Hiemit nahmen sie abscheid/ und zeigeten an/ sie haͤtten beydes von dem Koͤnige und dem jungen Groß Fuͤrsten Geschen- ke bey sich an das Koͤnigliche Fraͤulein/ welche sie aber wegen des leidigen Unfalles wuͤr- den muͤssen mit sich wieder zuruͤk nehmen/ es waͤhre dann/ daß ihre Koͤnigl. Hocheit diesel- ben verwahrlich bey sich behalten/ und auff gluͤkliche Wiederkunfft sie dem Fraͤulein einlie- fern wolte; ward aber geantwortet/ weil der Fraͤulein Wiederkunfft in der Goͤtter Haͤn- den und Gewalt stuͤnde/ wuͤrde daß beste seyn/ daß der Herr Gesanter solche Sachen bey sich behielte. Ward ihnen also Gluͤk auff die Reise gewuͤnschet/ und so wol dem Gesanten als Schreiber eine statliche guͤldene Kette mit angehengetem Kleinot verehret; welche sie mit Danksagung annahmen/ und Markomir dabey blicken ließ/ daß viel eine groͤssere Hoͤf- ligkeit/ als eines Schreibers/ bey ihm waͤhre. Sie eileten selbst fort zuzihen/ legeten allen Vorsaz des feindlichen uͤberfalles ab/ und gingen in moͤglicher eile fort/ unter der Hoff- nung/ es wuͤrde diese Heyraht noch einen Fortgang gewinnen. Als sie bey dem grossen Kriegsheer anlangeten/ muste die Reuterey mit ihnen geschwinde fort/ und die Fußvoͤlker nach moͤgligkeit folgen/ ruheten auch keinen Tag/ biß sie bey dem Koͤnige ankahmen. Der junge Groß Fuͤrst hatte auff der Reise mannicherley einfaͤlle welche auff der Fraͤulein Er- loͤsung gerichtet wahren/ und zieleten alle dahin/ wie er solche mit seiner Faust und Voͤlkeꝛn verrichten/ und durch solchen Dienst ihre Liebe erwerben moͤchte/ so daß sie sprechen muͤ- ste/ Anderes Buch. ste/ sie waͤhre sich ihm schuldig; aber wann er sich erinnerte/ daß ihm der Teutsche Groß- Fuͤrst Herkules (dessen Tapfferkeit ihm Herr Krokus so hoch geruͤhmet hatte)/ wie auch der Fraͤulein Bruder selbst im Vorfange wahren/ und sie antreffen moͤchten/ ehe er erfuͤh- re/ wo sie auffgehalten wuͤrde/ gab ihm solches lauter Schwermuͤhtigkeit/ so daß er wuͤn- schete/ sie moͤchten ihr Nachsuchen vergebens tuhn/ oder gar im Meeꝛ ersauffen/ damit ihm die Ehr und das Gluͤk dieser Rettung von ihnen nicht entrissen wuͤrde. Zu zeiten traff ei- ne hefftige Verzweiffelung sein Herz mit scharffen Anfechtungspfeilen/ ob sie auch noch lebete/ und ihre Ehre annoch unverletzet haͤtte; Und wann ihm Dagobeꝛt (welcher viel bey ihm vermochte) diese Zagheit benommen hatte/ brach eine andere loß/ ob er ihr auch ge- fallen wuͤrde/ weil sie sein so gar nicht geachtet hatte/ als er sie vor Prag im Walde an- geredet/ und alle seine Freundligkeit hervorgesucht. Wann dann die erinnerung darzu kam/ daß sie weder sein geheimes Liebe Schreiben/ noch die uͤbergeschikten Geschenke von Klogio hatte annehmen wollen/ brachte ihm solches eine solche Raserey/ das er sich nicht anders geberdete/ als wolte er vor Zweiffelmuht vergehen; und muste hieselbst Dagobert allen Wiz zusammen suchen/ ihn wie der in Ruhe und Hoffnung zustellen; uͤber welche Herz-fressende Einbildungen er sehr von Leibe/ und kraͤfften kam/ daß seine Eltern/ da er zu Hause anlangete/ sich daruͤber entsetzeten/ uñ seine Fr. Mutter zu ihm sagete: Den Goͤttern sey dank/ mein Sohn/ daß sie dich so bald wieder hieher begleitet haben/ zum Trost deinen Eltern und dem ganzen Lande; und ob dich gleich die Liebe in etwas an deinem Flei- sche gemindert hat/ hoffe ich doch/ deine Goͤttin (wie du sie nennest uñ schaͤtzest) werde dein Gemuͤht gelabet und erquicket haben. Markomir ließ auff solche Rede einen herzbrechen- den Seufzer aus/ und gab damit den Anwesenden schon zuverstehen/ daß seine Reise uͤm- sonst gewesen waͤhre; fing auch bald darauff an: Gnaͤdigste Fr. Mutter/ ich moͤchte von Herzen wuͤnschen daß ihr Raͤtzel eintreffen solte; aber ich muß ihr aus betruͤbter Seele klagen/ daß meine ehemalige Wald Goͤttin leider leider zur Meer Goͤttin worden ist. Ich verstehe dein Raͤtzel nicht/ lieber Sohn/ sagte sie. Darumb last uns schweigen/ sagte Koͤnig Hilderich/ damit wir wissen moͤgen/ was vor eine Wirkung diese andermahlige Gesand- schafft gehabt habe/ nach welcher wir unsere Anschlaͤge richten werden; dann solte an Boͤh- mischer seite Beschimpfung mit unterlauffen/ wuͤrde ich gezwungen ihnen sehẽ lassen muͤs- sen was die zusammen gesetzete Frankische Sikambrische Macht kan und vermag; wird demnach mein Gesanter Dagobert anzeige tuhn alles dessen/ was vorgangen ist. Dieser wahr darzu bereit/ erzaͤhlete alles mit volkommenen Umstaͤnden/ und legte der junge Fuͤrst seine traͤulich gehaltene Schrifft dabey. Worauff der Koͤnig dieses antwortete: Der An- schlag das Fraͤulein durch Kriegsmacht zuerhalten/ ist ausser zweifel gleich bey eurer An- kunfft zu Prag verrahten; darauff haben sie ihre Grenzen mit Reuterey/ und die Festung mit Fußvolk kluͤglich veꝛwahret. Daß man sich bey Ankunfft voꝛ deꝛ Stad nicht hat teutsch und auffrichtig melden wollen/ ist ein schlimmes Versehen// unloͤblich/ und eine gnugsame Ursach zum hochstschaͤdlichen Mißtrauen/ welche zugeben/ ein jeder Vernuͤnfftiger sich huͤ- ten muß. Redliche Erklaͤrung hat die loͤbliche Koͤnigin gegeben/ aber eine unverantwort- liche Grobheit ist es/ daß Dagobert dieselbe aus eigener Einbildung hat duͤrfen luͤgen straf- fen/ ehe uñ bevor er einigen gewissen Fuß falscher stellung gehabt/ daher er billich von Boͤh- mischer Anderes Buch. mischer seite ausgehechelt ist/ woselbst man doch mehr Hoͤfligkeit gebrauchet hat/ als man schuldig gewesen. Der Fraͤulein raͤuberische Entfuͤhrung ist ein Werk der Goͤtter/ die sol- ches nicht ohn Ursach verhaͤnget haben/ und ist ein wolgemeinter Voꝛschlag/ mit der Nach- fragung zu Padua/ woselbst ich einen heimlichen Kundschaffer halten wil/ welcheꝛ von dan- nen nicht weichen sol/ ehe und bevor er von dem verlohrnen Fraͤulein gewisse Zeitung hat/ wo sie sey/ und wie sie gehalten werde; stehets dañ in Frankischer Macht/ sie loßzumachen/ und zur Heyraht zuerhalten/ sollen weder Kosten/ noch Muͤhe noch Blut daran gesparet werden. Nur liegt mir des jungen Teutschen einzige Nachsuchung mehr im Sinne als ihr Verlust selber; und da die Goͤtter ihm das Gluͤk wuͤrden verleihen/ sie anzutreffen uñ loß- zumachen/ bedarff man keines Dolmetschers darzu/ was zur Dankbarkeit ihm auff sein instendiges begehren duͤrfte geliefert werden. Ich wil aber den Goͤttern vertrauen/ sie wer- den es dahin nicht lassen kommen; jedoch/ wann ihr Schluß also gehen solte/ wird an unseꝛ Seiten nichts uͤbrig seyn/ als in deren Willen sich zuergeben/ und wil nimmermehr hoffen/ daß ich einen Sohn werde gezeuget haben/ der so verwaͤgen/ unvernuͤnfftig und gottloß seyn wolte/ sich dem Himmel selbst zuwidersetzen/ oder der grossen Krafft/ deren sich die ganze Welt willig unterwirfft/ entgegen zustuͤrmen; Doch/ wie gesagt/ stehe ich annoch fest in der Zuversicht/ die guͤtigen Goͤtter/ welche bißher noch allemahl mein Vornehmen ge- segnet/ werden uns einen angenehmen Ausschlag erleben lassen/ als welche in dieser kurzen Zeit mich von meiner/ aͤusserlichem Ansehen nach/ unheilsamen Krankheit uͤber alles ver- hoffen befreyet/ und bessere Gesundheit verliehen/ als ich vor nie gehabt. Also redete dieser hochvernuͤnftige Koͤnig/ welcher zu seiner Zeit an Tapferkeit/ kluger Weißheit und auff- richtiger Gerechtigkeit sehr wenig seines gleichen hatte. Aber sein Sohn/ welchen die uͤber- maͤssige Einbildung der allervolkommensten Schoͤnheit der Boͤhmischen Koͤniglichen Fraͤulein/ zu der unbezwinglichen Begierde der wirklichen Niessung/ je laͤnger je mehr an- hetzete/ kunte solche wolgegruͤndete Ursachen nicht zuherzen nehmen/ weil die starke Liebes- Bewaͤgung seine Vernunft ganz uͤbermeistert und nider geworffen hatte; deswegen eꝛ daꝛ- auf sinnete/ wie er den Vater/ der ihn mehr als sich selbst liebete/ auff andere Gedanken brin- gen moͤchte; wie er dann vor dißmahl dessen Vortrag also beantwortete: Gnaͤdigster Herꝛ und Vater; ich bin von Kindesbeinen auff von ihrer Gn. darzu angehalten/ daß der Goͤt- ter Schickung ich mir gefallen lassen/ und denen nicht wiederstreben sol; welches ich auch so fest in meine Seele gedrukt/ daß/ wo es nicht eine groͤssere Kraft heraus treibet/ als die es hinein gesenket hat/ mir wol biß an mein Ende unverruͤkt verbleiben wird. Ich halte aber davor/ die himlischen Goͤtter wann sie uns ein uͤberkoͤstliches Gut zeigen/ wie mir geschehen ist/ fuͤgen sie alsbald eine gꝛosse und wichtige Schwerheit zur aͤusseꝛsten Bemuͤhung dabey/ uͤmb uns zuversuchen und pruͤfen/ ob wir auch so viel Muht und Herz haben die Muͤhe anzutreten/ und unsere Nachstrebung ihrer Guͤtigkeit beyzulegen. Werden wir dañ diesem nach/ an unser seiten muͤssig sitzen/ uñ lauren/ ob die Goͤtter uns dieses Kleinot in die Schoß hinein schuͤtten/ werden wirs mit unserm unwiederbringlichen Schaden erfahren/ daß sol- ches nicht anders sey/ als seine Wolfahrt verseumen. Mein Gn. Herꝛ Vater erinnere sich/ bitte ich/ seines gedoppelten Lebens-Spruches/ dessen zwar der erste ist; Alles nach der Goͤtter Willen und Schickung; der andere aber: Die Goͤtter verkauffen uns ihre Guͤter uͤm̃ unsere Arbeit. Das Anderes Buch. Das allerkostbahreste Gut der Goͤtter vor mich/ ist die himlische Valiska/ welche ich billich die Sonne der Unterwelt nenne; Was ists dann Wunder/ daß sie auch anjezt in ihrem Lauffe nach der Goͤtter Willen begriffen ist/ nach dem die Sonne nimmer stille stehet? wer ihr nachlaͤufft/ wird sie ohn Zweiffel erlangen; wer aber stille sitzet/ und wartet biß sie von ihr selbst zu ihm lauffe/ wird einen blossen schlagen. Diesem nach/ goͤnne mir mein Gn. Herr Vater/ daß ich ihr nachlauffe/ damit nicht der Sachsische Laͤuffer mir gar zu einen grossen Vorsprung abgewinne. Du traͤgest gute Speisen auff/ mein Sohn/ antwortete der Vater/ aber das Salz mangelt/ welches ich daran schuͤtten muß; nehmlich die vorsich- tige Klugheit. Du wilt lauffen/ aber wohin? Du wilt suchen/ aber an welchem Orte? Du wilt einem andern vorkommen/ aber auff welcher Bahn? Sihestu was dir fehlet? Dein Seiger ist verrukt/ der muß gestellet werden; aber durch Vernunfft/ nicht durch blindes zuplatzen. Der Teutsche junge Groß Fuͤrst Herkules laͤufft; wir wollen auch lauffen/ ja wiꝛ wollen lauffen. Herkules laͤufft ohn zweifel auffs ungewiß; das wird ihn nicht zum Ziele bringen; Markomir sol gewisser lauffen/ so wird er dem Herkules vorkommẽ. Und schaͤtze dich nicht geringer/ mein Sohn/ als jenen Herkules; dann was bey den Sachsen Herku- les heisset/ das heisset bey den Sikambern Markomir. Mein Uhr Anherr der allererste Koͤ- nig der Sikambrer fuͤhrete diesen Nahmen/ und wahr des hochberuͤhmten Trojaners des Antenors Sohn/ welcher vor 673 Jahren den ersten Grund dieses Reichs geleget hat/ uñ wir denselben unter der Zahl unser Goͤtter verehren. 216 Jahr nach seinem Tode hersche- te/ der Neunde in der Ordnung/ der Ander Markomir/ und zwar eben so viel Jahr lang als der erste/ nehmlich XXIIX Jahr/ welchen wir als ein Wunder halten wegẽ seiner hoch- gelehrten Klugheit und Wissenschafft in den freyen Kuͤnsten. Der dritte Markomir kam 335 Jahr nach ihm/ hat vor 97 Jahren das Reich angenommen/ und demselben XXI Jahr lang uͤberaus loͤblich vorgestanden; massen die Franken unter ihm an Reichtuhm und Kraͤfften mehr zugenommen/ als unter keinem andern vor ihm; und da es den Goͤttern nit zuwider ist/ gelebe ich der Hoffnung/ du werdest der Vierde Markomir von unsern Nach- kommen gezaͤhlet werden; Helffe der Himmel/ daß du nicht geringer noch unbenahmter werdest als der vorigen einer. Aber mein Sohn/ wollen wir in dieser Hoffnung unbetrogẽ seyn/ muͤssen wir in alle unserm Vornehmen die Vernunfft vorne an setzen/ als eine voll- kommene Beherscherin aller unser Begierden; und wo wir uns in diesem Stuͤk uͤberse- hen/ wird die folgende Zeit uns entweder in das Buch der Vergessenheit/ oder (welches noch schlimmer) der Verachtung einschreiben. Drumb ehe und bevor wir lauffen/ wollen wir uns zuvor des Weges erkundigen/ daß wir nicht nach Westen zurennen/ wann wir ge- gen Osten sollen. Muß demnach ein getraͤuer und verstaͤndiger Diener zu Padua verneh- men/ ob er daselbst/ unser Wegweiser zu seyn/ koͤnne geschikt gemacht werden; sonsten wo ich dich zeitiger lauffen liesse/ wuͤrde ich dich meinen einigen Sohn und gewissen Reichs- Erben ins Verderben jagen/ dessen ich vor der gantzen Welt muͤste verachtet/ und von al- len meinen Untertahnen verfluchet seyn. Wie aber/ mein Herr Vater/ sagte Markomir/ wann mir der Herkules vorlieffe? So ruht ers durch der Goͤtter Willen und ihrer sondeꝛ- lichen Schickung/ antwortete er/ denen wir durchaus nicht koͤnnen widerstreben; Drum so du mich und dich/ ja wo du die koͤstliche Welt Perle Frl. Valisken recht und vernuͤnff- Z z tig lie- Anderes Buch. tig liebest/ so gehorche mir/ stehe in Geduld/ als einem tapffern Herzen gebuͤhret/ und laß uns vernuͤnfftig fahren/ welches nicht seumen heisset/ als dann wird das Gluͤk uns beyraͤh- tig/ und der Himmel uns behuͤlfflich seyn. Dieses wahr zwar der Beschluß dieser Unter- redung/ aber gar kein Loͤschewasser auff Markomirs flammichte Brunst. Ein verstaͤndi- ger Frankischer Ritter/ in der Lateinischen und Griechischen Sprache wol erfahren/ nah- mens Farabert/ ward alsbald erwaͤhlet/ selb dritte nach Padua zureiten/ sich daselbst als ein schweiffender Ritter auffzuhalten/ und an des Roͤmischen Stathalters Hofe daselbst Kundschafft zusuchen/ damit er sich beydes des geraubeten Fraͤulein und des Groß Fuͤr- sten Herkules Zustandes erkuͤndigte/ und alle Wochẽ fleissigen schrifftlichen Bericht taͤh- te. Dieser/ als er daselbst ankam/ und den Ruhm der unvergleichlichen Tapfferkeit des Teutschen Herkules von jungen und alten hoͤrete/ dann auch/ daß derselbe uͤber der Fraͤu- lein Verlust sich mehr/ als uͤber kein Ding in deꝛ Welt entsetzet haͤtte/ und ohn alles seumen ihr als ein geworbener Raͤuberknecht gefolget waͤhre/ auch wie man davor hielt/ schon in Erfahrung gebracht/ an was Ort und Enden er das geraubete Fraͤulein antreffen koͤnte; uͤberschrieber dieses an den Koͤnig/ wie es an sich wahr/ und schickete es bey seiner Diener einem uͤber; welcher zwar von Farabert befehlichet wahr/ es niemand als dem Koͤnige ein- zuliefern/ aber Markomir hatte seine Leute bestellet/ welche ihm des Klodimirs (also hieß dieser Diener) Ankunfft zuwissen tahten/ noch ehe er zu dem Koͤnige kam; begehrete dem- nach/ er solte sich straks angesichts zu ihm auff sein Gemach verfuͤgen. Dieser/ den jungen Fuͤrsten so ungestalt/ bleich und mager sehend/ als welcher in steter Wehmuht sein Leben zubrachte/ entsetzete sich daruͤber/ und wolte ihm allerhand Trost einsprechen; Er aber fra- gete also bald nach/ ob er ein Schreiben an seinen Herr Vater haͤtte? Ja/ antwortete er; bin aber schuldig/ solches niemand als dem Koͤnige selbst zuliefern. Umb so viel schlimmer vor mich/ antwortete er; doch wolte er ihm das Schreiben nicht mit Gewalt abnehmen/ sondern ging mit ihm hin nach dem Koͤnige/ umb/ den Inhalt desselben zuvernehmen. Deꝛ Koͤnig sahe ihn ungerne dabey/ merkete auch schon aus Klodimirs Gesichte/ daß noch zur Zeit wenig Trostes vor seinen Sohn wuͤrde verhanden seyn/ und durffte ihm doch das uͤ- bergeschriebene nicht hinterhalten. Welches sie beyde mit einander lasen/ und der Koͤnig alles zum guten auszudeuten bemuͤhet wahr/ aber die Muhtmassung wahr viel zustark vor den so hochgeruͤhmten Herkules; daher Markomir also mit betruͤbetem Herzen anfing: Nun ihr Goͤtter/ dann euch allein muß ichs zuschreiben; Ihr habet mich vor unwirdig er- kant/ diesen Schatz zubesitzen/ der uͤber eines Menschen Wirdigkeit gehet/ dann sonst haͤt- tet ihr meinem Herr Vater die Gedanken eingeblasen/ daß er mir gegoͤnnet haͤtte nachzu- folgen/ da vielleicht auch noch ein mitleidiger Gott mir den Weg zu dem Fraͤulein gezeiget haͤtte/ daß ich ehe als Herkules/ oder mit ihm zugleich angelanget waͤhre/ und auffs minste aus ihrem Munde meine lezte Urtel angehoͤret haͤtte; Weil aber nun ein solches verseumet/ und unwiderbringlich ist/ wuͤrdet ihr Goͤtter dem elenden Markomir keine hoͤhere noch angenehmere Gnade erzeigen koͤnnen/ als daß ihr seine muͤhselige trostlose Seele aus der ungenehmen Herberge des schon abgematteten Leibes abfodertet; fuͤrchte aber sehr/ ihr werdet ihn noch laͤnger zuquaͤlen Lust tragen. Der Vater wolte ihm Trost einreden/ aber er baht denselben/ sein zuverschonen/ weil seinem Herzen unmoͤglich waͤhre/ dessen ichtwz anzu- Anderes Buch. anzunehmen/ und waͤhre ihm nichts liebers als die Einsamkeit. Es brachte dieses dem Koͤ- nige die Traͤhnen aus den Augen/ und hielt vor rahtsam/ ihn vorerst ihm selber zu goͤnnen/ nur fuͤrchtete er am meisten/ er moͤchte aus Verzweifelung sich selbst entleiben/ welches ab- zuwenden/ er allerhand Gewehr und Messer von ihm abnehmen ließ/ welches er geduldig erlitte/ unter der Hoffnung/ man wuͤrde daher desto weniger Aufsicht auff ihn haben/ dann sein ganzer Varsatz wahr/ seinem Leben ein Ende zumachen. Zween aͤdle Frankische Juͤng- linge/ welche mit ihm aufferzogen/ und von ihm sehr geliebet wurden/ musten auff des Koͤ- niges Befehl ihm auff seinem Gemache Geselschafft leisten/ welches ihm der groͤste Trost wahr/ weil er keinen andern Menschen umb sich leiden mochte. Nach eingenommenen we- nig Speisen und starken Trunk gewaͤsserten Weins/ legte er sich diesen Abend fruͤh zur Ruhe/ lag etwa ein halb stuͤndichen ganz stillschweigens auff dem Bette/ trieb etliche Gaͤu- keley mit den Haͤnden/ und laͤchelte zuzeiten dabey ein wenig. Der eine aͤdelknabe wolte mit ihm reden/ und ihm von seiner Stuterey (wozu er sonderliches belieben trug) etwas vorsagen; Er aber sagte zu ihm: Mein Walther (also hieß dieser) was hastu dich zwischen zwey verliebete Fuͤrsten-bilder einzumischen? meynestu daß meine Gnade gegen dich groͤs- ser sey als daß sie koͤnte gebrochen werden? Sihe da/ ich gebiete dir/ wo du mich noch ein- mahl verstoͤrest mit der zu reden/ deren ich ganz eigen bin/ wil ich dich lassen an den lichten Galgen hencken. Ach ihr Goͤtter/ fing dieser mit Traͤhnen an/ was wird hieraus werden? Der andere Juͤngling/ Nahmens Anther/ trat zu ihm/ und sagete: Durchleuchtigster Groß Fuͤrst/ kan mir dann wol erlaubet seyn/ mit euch zuschwaͤtzen? Ja/ sagte er/ wann du weist wer ich bin. Wie solte ich solches nicht wissen? antwortete dieser; Eure Durchl. ist ja unser Groß Fuͤrst Markomir. Was? sagte er/ bin ich der verfluchte Markomir? Wie solte ich mich wuͤnschen ein solcher ungluͤklicher Liebhaber zuseyn; Mein Nahme ist Herkules/ gebohrner Groß Fuͤrst der unuͤberwindlichen Sachsen Voͤlker; und werde ich nach Ver- lauff vier Monat das Beylager mit meinem vertrauten Fraͤulein halten. Walther lieff auff solche Rede hin nach dem Koͤnige/ und zeigete ihm solches wahnwitzige Vorbringen mit Traͤhnen an; Welcher ihm zur Antwort gab: Dieses ist spaͤter kommen als ich michs befuͤrchtet habe; Die Goͤtter wollen sich mein und meines lieben Sohns erbarmen; gehe du aber wieder hin/ und gib nebest deinem Gesellen gute acht auff deinen Herrn/ dz ich bald erfahre/ wie sichs weiter mit ihm schicket/ dann ich fuͤrchte noch viel ein schlimmers. In- zwischen wolte Anther ihm einreden/ und solche Einbildung ihm benehmen; aber er sahe denselben mit verwendeten Augen und greßlichem Gesichte an/ und draͤuete ihn zu fressen/ wo durch er geschrecket/ ganz stille schwieg. Der Koͤnig ließ seinen Leib Arzt zu sich fodern/ gab ihm das Ungluͤk zuverstehen/ und fragete/ was vor Raht hie seyn wuͤrde/ des jungen Fuͤrsten Witz zuretten. Dieser machte sich alsbald fertig zu ihm zugehen/ und wo moͤglich/ ihm die Ader springen zulassen/ fand ihn aber im harten unruhigen Schlaffe ligen/ welcher ihn als im Augenblicke uͤberfallen hatte; und sahe er aus allen Zeichen/ daß ihm das Ge- hirn schon verruͤcket wahr/ auch nach geendigtem Schlaffe er eine tobende Wuht wuͤrde sehen lassen; daher riet er dem Koͤnige/ welcher ihm gefolget wahr/ daß man ihn also schlaf- fend mit dem Bette auff ein festes Gemach braͤchte/ damit er nicht loßbrechen koͤnte/ wel- ches ohn seumen geschahe. Gegen den Morgen erwachete er/ fing ein hartes Geschrey an/ Z z ij welches Anderes Buch. welches einer Ochsen- als Menschen-Stimme aͤhnlicher wahr/ sprang aus dem Bette/ und zureiß sein Hemde in kleine Laͤplein/ stund ohn alle Schahm ganz mutternacket/ und rief/ man solte ihm seine ritterliche Ruͤstung bringen/ es muͤste sein Erzfeind der Frankische Markomir diese Stunde von seinen Haͤnden sterben/ als welcher ihm seine vertrauete un- redlicher weise abspenstigen wolte. Walther und Anther waren bey ihm auff dem Gema- che/ und hatten sich aus Furcht verstecket/ dann sie gedachten nicht anders/ er wuͤrde sie er- wuͤrgen; endlich schliech der erstgedachte heimlich nach der Tuͤhr/ und klopffete leise an/ daß die haussen stehende Diener ihm auffmachen solten/ welches zwar geschahe/ aber Maꝛ- komir ward dessen zu fruͤh innen/ sprang so nacket hinter ihm her wie ein Hirsch/ daß er zu- gleich mit ihm aus der Tuͤhr kam/ erhaschete ihn im Platze/ und haͤtte ihn ausser Zweiffel erwuͤrget/ wann nicht sechs starke Knechte herzugelauffen waͤhren/ und ihn gerettet haͤttẽ/ welche auch des jungen Fuͤrsten endlich/ wiewol mit grosser Muͤhe und Arbeit/ maͤchtig wurden/ und ihn bey Armen und Beinen wieder nach seinem Gemache schleppeten. Sei- ne Eltern sahen an ihm sehr grosses Herzleid/ und kunte seine from̃e Mutter sich anfangs nicht zufrieden geben; dann er blieb in solchem Wahnwitz eine geraume Zeit/ biß ihm noch endlich durch einen erfahrnen Arzt raht geschaffet ward/ wovon zu seiner Zeit Meldung geschehen wird. Unser Valikules/ wie droben gesagt/ reisete mit Gallus in der Landschafft Achaja/ in willens nach Korinth sich zu begeben/ und stellete sich der fremde Ritter sehr freundlich ge- gen ihn/ welchen er meinete ohn gefehr in seine Geselschafft kommen seyn. Sie redeten miteinan der von neuen Zeitungen/ und wuste dieser von so mañicherley Sachen zu schwaͤ- zen/ daß Valikules ihm sehr gewogen wahr; unter andern trug er ihm diese Geschichte vor/ welche sich vor etwa X Wochen zugetragen haͤtte; Es wohneten nicht weit von Ko- rinth/ sagte er/ zween Ritter in einem Flecken/ einer schon zimliches Alters/ von LVI Jah- ren/ welcher nie Lust zum Frauenzimmer gehabt/ und seine Anverwanten ihn zur Heyraht nimmer haben bewaͤgen koͤnnen; der ander XXX Jahr juͤnger als dieser/ hat schon vor IV Jahren eine adeliche frische/ wie wol ehrliebende Jungfer geehelichet/ aber mit ihr nie kei- nen Erben gezeuget/ ohn daß sie vor XIIX Wochen eines jungen Soͤhnleins genesen/ wel- cher nicht allein dem vorgemeldeten alten Ritter sehr aͤhnlich wahr/ sondern hatte auff der linken Hand ein Schwert-mahl/ gleich wie derselbe Ritter auch; wodurch der Juͤngere in hefftigen Argwohn gerahten ist/ es habe sein Weib diesen Sohn mit jenem im Ehebruch gezeuget/ welches ihm auch kein Mensch hat koͤnnen aus dem Sinne bringen/ dann er alle- mahl bestaͤndig vorgegeben/ die Goͤtter haͤtten durch solches Zeichen seines Weibes Un- traͤu wollen offenbahr machen; und wuͤrde er sie schon ermordet haben/ wann nicht ihre Eltern sie in den Sechswochen heimlich entfuͤhret und in Gewarsam gebracht haͤtten/ welches doch wieder der Frauen Willen geschahe/ sich befuͤrchtend/ sie wuͤrde sich dadurch der Schuld verdaͤchtig machen. Ihr Ehe Junker/ als er sahe/ daß die Gelegenheit sich an ihr zuraͤchen/ ihm benommen wahr/ nahm ihm vor sich an dem Ehebrecher zuerhohlen/ welches er also anschlug; Es hatte derselbe seinen Reitenden Diener/ umb einer Untraͤu willen abgeschaffet/ welchem er allemahl viel vertrauet hatte/ nunmehr aber in erfahrung brachte/ daß er ihn vielfaͤltig betrogen; diesen nahm der juͤngere Ritter/ nahmens Timo- leon Anderes Buch. leon/ in Dienste an/ hielt ihn wol und fragete ihn/ warumb sein voriger Herr von XLIV Wochen her/ sich weder von anderen haͤtte wollen lassen besuchẽ/ noch andere ansprechen. Dieser gab zur Antwort; er moͤchte die Ursach nicht melden/ weil derselbe es sehr heimlich hielte/ und nunmehr sich bald wiederumb wuͤrde unter die Leute machen. Dieser aber hielt so hart bey ihm an/ daß er endlich es offenbahrete; nemlich/ als dieser sein voriger Herr da- zumahl bey ihme waͤhre zu gaste gewesen/ waͤhre er nach Mitternacht zu hause kommen/ und haͤtte gar nichts mehr von seinem Barte gehabt/ welchen er sonsten zimlich lang zu- tragen pflegete/ haͤtte vorgeben/ es waͤhren ihm etliche vermum̃ete Buben auf der Stras- se begegnet/ welche ihn angefasset/ und mit einer Scheren ihm den Bart reine hinweg ge- schnitten; und weil er sich in solcher Gestalt nicht moͤchte sehen lassen/ wolte er daheim blei- ben/ auch wann mann nach ihm fragete/ sich lassen verleugnen/ biß der Bart ihm guten teils wuͤrde wieder gewachsen seyn. Timoleon dachte diesem ernstlich nach/ und erinnerte sich daß Phorbas/ (so hieß der alte Ritter) ihn dazumahl gewaltig zum Trunk genoͤhtiget/ und von ihm erhalten/ dz sein junges Weib haͤtte mit zechen muͤssen; weil dann Timoleon noch sehr wenig vom Bart hatte/ gedachte er; was gilts/ wo nicht dieser alte haberstolz von unbilliger Lust gereizet/ durch abschneidung des Barts sich mir hat etwas aͤhnlich machen wollen/ daß er dadurch mein unschuldiges Weib hintergangen/ und ihr unwissend solche Schande angefuͤget hat; und dieses bildete er ihm so fest ein/ daß er gar nicht mehr daran zweiffelte/ insonderheit/ weil er sich erinnerte/ daß er in der Trunkenheit jensmahl/ wuͤste nicht wie/ wahre entkleidet/ und in das Nebenbette gelegt worden. Sein grosser Eifer trieb ihn/ nicht lange zuruhen/ taht seinem neuen Diener grosse Verheissung/ da er ihm helffen koͤnte zu Phorbas auff sein Gemach zukommen/ wann er alle in waͤhre/ weil er ihm etwas anzuzeigen haͤtte/ daran ihnen beyden viel gelegen. Dieser gedachte nicht/ daß Ti- moleon mit gefaͤhrlichen Sachen umbginge/ wahr ihm zu Willen/ und ging mit ihm hin nach Phorbas Hoffgleich umb die Zeit/ wann derselbe in seinem Lustgarten pflegte allein umbher zugehen/ und an den mañicherley selzamen Gewaͤchsen sich zuerlustigen; woselbst ihn auch Timoleon antraff/ da er in der Sommerlaube saß/ und in des Homerus Schriff- ten lase. Phorbas entsetzete sich/ als er ihn fahe/ und meldete ihm sein Gewissen alsbald/ was die Ursach seiner Ankunfft seyn wuͤrde/ gleich da er ihn hoͤrete also reden: Du Erz- verraͤhter und buͤbischer Ehebrecher/ warumb hastu mir mein Weib geschaͤndet/ als du unter dem Schein redlicher Freundschafft mich besuchetest? leugne nur nicht warumb du den Bart selbst abgeschnitten/ dann es ist mir viel zukund worden/ und schicke dich zum tode/ dann du must sterben. Phorbas gab zur Antwort: Mein Freund/ ich habe mich an euch und eurem ehrliebenden Gemahl durch antreibung unziemlicher begierden hart ver- gangen/ und bin willig den Tod davor zu leiden/ nur schonet eures Gemahls/ welche aller- dinge unschuldig ist/ und von dieser meiner Untaht nicht das allergeringste weiß. Timo- leon hatte auff solche Bereuung sich bedacht/ was er mit ihm vornehmen wolte/ doch end- lich durch Eifersucht uͤbermeistert/ hat er ihm das Schwert durchs Herz gestossen und ist davon gangen. Es wahr aber des Phorbas Leibdiener gleich darzu kommen/ umb seinem Herren anzumelden/ daß sein Bruder Philotas nebest seiner zwo Schwester Maͤnnern Jason und Hyllus kommen waͤhren ihn zubesuchen; Dieser als er den Timoleon gesehen Z z iij sein Anderes Buch. sein blutiges Schwert abwischen/ hat er gleich die Wahrheit gewaͤhnet/ und den dreyen jeztgemeldeten es weinend geklaget/ welche alsbald zu ihm hin ein gedrungen/ und mit vie- len Stichen und hieben ihn nidergemacht haben; sind darauff davon geritten/ und haben die Sache uͤberdz anhaͤngig gemacht/ da Timoleons/ sonst ehemahls des Phorbas Knecht alles hat muͤssen auß sagen/ welcher auch darauff des Landes verwiesen ist. Timoleons tu- gendreiches Weib/ als sie allen Verlauff erfahren/ hat sie ihres Ehe Junkern Tod heftig beweinet/ ist bald hernach auffgefahren/ und hat anfangs ihrem eigenen Kinde/ aus Eifer wie der den Betrieger Phorbas/ den Hals umbgedrehet/ und hernach sich selbst von der Hoͤhe herunter zu tode gestuͤrzet; welches ihrer Mutter so sehr zuherzen gangen/ daß sie in der Ohmacht verschieden ist. Aber hiemit hat diese Streitigkeit noch kein aufhoͤren/ son- dern Timoleons Schwiegervater hat sich mit einer Gegenklage wieder die Moͤrder seines Schwiegersohns gesetzet/ und gibt diese Sache den Richtern nicht wenig zuschaffen/ wie sie darin sprechen sollen/ daß der heiligen Gerechtigkeit ein Genuͤgen geschehe. Valikules gab zur Antwort/ es waͤhre ein zumahl klaͤglicher Fal/ und dafern nicht kluge Richter den- selben zueroͤrtern bekaͤhmen/ koͤnte der Gerechtigkeit leicht eintrag geschehen. Da es umb den Mittag kam/ sahen sie einen Weg nach der Rechten zu/ von der Landstrasse auff ein Ge- hoͤlze gehen/ welchen der Ritter vor sich nam/ vorgebend/ er ginge viel richtiger nach Ko- rinth/ und laͤge ein kleiner Flecken hinter dem gehoͤlze/ in welchem sie Mahlzeit halten/ und die Hitze etwas vorbey gehen lassen koͤnten. Valikules sagete; er hielte sich allemahl lieber auff der Heerstrasse/ weil die Nebenwege von Moͤrdern und Raͤubern nicht so gar sicher waͤhren/ je doch wolte er ihm folgen. Als sie vor das Gehoͤlze kahmen/ straͤube te sich sein Pferd mit ganzer Gewalt/ und wolte nicht hinein; uñ wie ein guter Reuter er sonst wahr/ muste er doch dem Pferde vordismahl seinen Lauff goͤnnen/ biß ers mit Sanfftmuht len- kete. Das Pferd wegerte sich abermahl/ aber er gab ihm die Sporn und zwang es mit Macht fortzugehen/ sagte auch zu ihm: Harre bistu da zubrochen/ daß du dich vor den Baͤumen entsetzest/ werde ich dich bald abschaffen und ein anders an deine Stelle kauffen. Aber es wahr des Pferdes Schuld nicht/ sondern ein Zeichen des bevorstehenden Un- gluͤks. Sie ritten unter den lustigen Baͤumen im gewuͤnschten Schatten fort/ uñ gedach- te Valikules an keine Verraͤhterey/ sondern hielten ihr Gespraͤch immer fort/ und da sie des Waldes Ende schier erreichet hatten/ sahen sie einen Bauren mit einem fuder Holz quehr durch den Wald daher fahren/ und ihnen nachfolgen/ da sie in einem engen Fahrwe- ge ritten/ welcher an beyden Seiten hohe Ufer hatte. Valikules sagte zu dem Ritter; hie ist gar ein schlimmer Ort/ und wann noch ein Wagen auff uns zu stossen solte/ koͤnten wir weder hinter noch vor uns kommen. Der Ritter gab ihm zuverstehen/ es waͤhre ein kurzer Weg/ da diese Enge auffhoͤrete/ und weil es ein schattigter Ort wahr taht er den Helm ab/ sich zuerkuͤhlen/ vermahnete auch Valikules der frischen Lufft sich zu bloͤssen; dessen er sich wegerte/ weil man in solchẽ Schlupfloͤchern nicht zu sicher seyn duͤrffte. Er hatte die Wor- te kaum außgeredet/ da hoͤrete er ein geklapper der Waffen/ und sahe bald darauff in die 50 Mann/ teils geharnischt/ teils gepantzert/ mit Hellebarten und Schlacht Schwertern in zimlicher Ordnung gegen sie daher treten. Valikules fragete den Ritter/ was dieses be- deutete; es ginge ja keine oͤffentliche Fehde in dieser Landschafft vor; bekam aber so kalte Ant- Anderes Buch. Antwort/ daß er an des Ritters Auffrichtigkeit zweifeln ward. Hierzu kam/ daß der Baur seinen Holzwagen forne im Wege stehen ließ/ die Pferde abstrickete/ und mit denselben da- von rennete; sagete des wegen zu Gallus: Wir sind gewißlich verrahten; kehrete sich her- nach zu dem Ritter/ und fragete/ warumb er ihn an diesen gefaͤhrlichen Ort gefuͤhret haͤt- te; welcher sich aber gar trotzig erzeigete/ und mit hoͤhnischem Gelaͤchter fragete: warum er ihm gefolget waͤhre? Er haͤtte ihn ja nicht gezwungen noch genoͤhtiget; wolte er aber gu- ten Raht erkennen/ solte er sich ja sonder Sperrung ergeben/ sonsten duͤrffte ers nicht lan- ge machen. Ey du schaͤndlicher Verraͤhter/ sagte Valikules; wie lange ichs machen werde/ stehet bloß allein bey Gott; du abeꝛ solt dich deiner Veꝛraͤhterey nit lange ruͤhmẽ; zog hiemit sein Schweꝛt aus/ uñ spaltete ihm das Haͤupt mittẽ von andeꝛ. Das heꝛzudringende bewaf- nete Gesinde sahen dieses/ uñ schrihen ihm zu: Ey du meinaͤidiger Ritter/ warum̃ toͤdtestu diesen vornehmen Herꝛn? Mit welchen Worten sie feindlich auff ihn zulieffen. Valikules sahe/ daß es ihm gelten solte/ weil aber daselbst kein Ort zum Pferdestreit wahr/ und sie zu Fuß auff ihn ansetzeten/ stieg er samt Gallus ab/ uñ stelleten sich vor den Wagen an beyden seiten der Deichsel/ daß man weder von hinten noch von der seite her ihnen beykom̃en kun- te. Bald traten zween mit Hellebarten vor dem Hauffen her/ und begehreten mit trotzigen Worten/ sie solten sich gefangen geben. Valikules fragete ihn/ in wessen Nahmen er solches an ihn begehrete. Du wirst es noch mehr als zu fruͤh erfahren/ sagte dieser/ und jemehr du dich wiedersetzest/ je haͤrter wird die Straffe seyn. Ich weiß mich keiner uͤbeltaht schuldig/ antwortete er/ daher mir kein Mensch straffe zudraͤuen hat. Dieser meinete ihn zugreiffen/ und rief/ man solte ihm einen Strik reichen; aber Valikules schlug ihm die Hellebarte zur seite aus/ und stieß jhm das Schwert durchs Gerippe/ daß er ungeredet zur Erden stuͤrzete. Die anderen dieses sehend/ stuͤrmeten einmuͤhtig auff ihn zu/ daß sie ihn mit ihren Leibern zu bodem stiessen/ fasseten ihn bey Haͤnden und Fuͤssen/ und bunden ihn/ daß er kein Gliedmaß regen kunte; woruͤber er sich dermassen erzuͤꝛnete/ daß ihm das Blut aus den Lippen spꝛang. Gallus ward auf gleiche Weise gefesselt/ welches er ansahe/ uñ diesen verwaͤgenen Hauffen nochmahls fragete/ was vor Ursach oder Befehl sie haͤtten/ ihn dergestalt zu uͤberfallen. Sie moͤchten ihm sein Leben bißdahin fristen/ daß er vor die Obrigkeit dieses Orts treten/ und seine Unschuld dartuhn koͤnte. Ja/ antwortete ihm der Fuͤhr er; vor die Obrigkeit soltu freylich gestellet werden/ uñ begehrete dieselbe dich nicht lebendig/ wuͤrdestu schon kalt seyn. Er kunte ihm nicht einbilden/ was man dieses Orts auf ihn zusprechen haͤtte/ biß ihm ein- fiel/ es muͤste entweder wegen der beyden zu Korinth erlegeten Ritter/ oder wegen des auff dem Wege nach Elis gehaltenen Kampfs/ oder wegen Parmenions seyn; ward doch froh/ daß ihm Lebens Sicherheit biß dahin versprochen wahr/ und redete dieses Gesinde gar be- herzt an/ da er zu ihnen sagete: Weil es dann Gott also schicket/ daß ich euer Gefangener seyn muß/ so gehet mit mir uͤmb als mit einem hochaͤdlen Roͤmischen Ritter/ und machet die Bande loß/ damit ihr mich gefesselt habet. Ja/ sageten sie/ die Beine sollen dir geloͤset werdẽ/ daß du aber keinen Mord mehr begehest/ werden wir dir die Faͤuste schon verwahrẽ; bunden ihm auch dieselben ganz unbarmherzig auf den Ruͤcken/ daß die Stricke ins Fleisch schnitten/ welches er geduldig erlitte/ und geschwinde mit ihnen fortging/ nachdem sie ihm den Harnisch und alles Gewehr abgenommen hatten. Als sie in dem Flecken anlangeten/ fuͤhre- Anderes Buch. fuͤhreten sie ihn auf das Schloß/ welches gar zierlich gebauet wahr/ und in dem er in das Thor hinein trat/ begegnete ihm ein Diener/ und sagte zu ihm: Bistu da du Verraͤhter uñ Moͤrder? Ey das leugestu/ antwortete er/ ich bin ein ehrlicher Ritter. Der Bube zohe die Faust/ schlug ihn ins Gesichte und sagete: Darfstu noch viel trotzen? Jedoch gib der Zun- gen urlaub/ weil du sie gebrauchen kanst/ iñerhalb wenig Stunden sol sie schon ruhig seyn. Valikules litte diese Schmach geduldig/ sahe gen Himmel/ und baht seinen Erloͤser innig- lich/ daß er ihm wolte gnaͤdig seyn/ und da es sein Vaͤterlicher Wille waͤhre/ ihn nicht so schaͤndlich uͤmkommen lassen/ damit die teuflischen Pfaffen in Teutschland nicht Ursach zu laͤstern håtten/ ob waͤhre ihm solches wegen Verleugnung der falschen Goͤtzen begegnet. Etliche von dem Hauffen gingen zu dem Herꝛn des Schlosses/ welcher Charidemus hieß/ und zeigeten an daß der Verraͤhter gefaͤnglich hergebracht waͤhre/ welcher/ ehe er gegriffen worden/ seinen Oheim/ Ritter Rikokles erschlagen haͤtte; woruͤber er sich von neuen eifer- te/ und hinunter sagen ließ/ man solte den gefangenen Doppelt-Moͤrder herauf schleppen; welches alsbald geschahe/ und Valikules verlangen trug/ zuvernehmen/ was vor Mord- tahten man ihm vorhaltẽ wuͤrde. Er ward auff ein zierliches Gemach gefuͤhret/ in welchem ein alter ansehnlicher Herꝛ auf einem schwarzen Sam̃eten Stuele saß/ und neben ihm ein schoͤnes junges adeliches Weib. Dieser empfing ihn mit einem grimmigen Angesichte/ uñ redete ihn also an: Bistu da/ du moͤrderischer Boͤsewicht/ der du den treflichen Held und Kriegs Obeꝛsten/ Herꝛn Parmenio/ meinen leiblichen und einigen Bruder so veꝛraͤhterlich ermordet hast? Valikules sahe ihn wiederumb ganz feurig an/ und antwortete: Herꝛ seyd ihr Ritterstandes/ und haltet etwas auff Ritterliche Hocheit/ so lasset mich ungebunden mit euch reden/ dann ich bin ein Roͤmischer Ritter von hohem Adel/ und habe durchaus nicht verdienet/ daß ich so schaͤndlich gebunden/ und als ein uͤbeltaͤhter geschleppet werde. Die Frau sahe ihn mitleidig an/ kunte sich seiner vortreflichen Schoͤnheit nicht gnug ver- wundern/ empfand auch eine solche Erbarmung gegen ihn in ihrem Herzen/ daß ihr die Traͤhnen aus den Augen stiegen/ dessen sie sich doch nicht durfte merkẽ lassen. Charidemus antwortete ihm gar hoͤhnisch: Bistu ein Roͤmischer Ritter? Ja/ sagte er/ als lange mir Gott das Leben goͤñet. So soltestu auch Roͤmische Ritterliche Tahten begehen/ antwortete er/ wañ du nicht woltest gebunden seyn. Ich weiß mich durchaus keiner unredlichen Tah- ten schuldig/ antwortete er/ welches ich vor allen uñ jeden redlichen Richtern dartuhn wil; aber seyd ihr Ritterlichem Stande iemahls hold gewesen/ so erlasset mich der Bande/ biß ich mich verantwortet habe. Die Frau wagete es/ und baht ihren Herꝛn/ ihn nur bißdahin aufloͤsen zulassen/ welches er endlich verwilligte/ sprechend: Ob du gleich billich diese Ban- de traͤgest/ biß dir nach Verdienst gelohnet werde/ wil ich dannoch aus lauter Barmheꝛzig- keit dir so viel Gnade erzeigen/ deren du doch nicht wirdig bist. Als ihm die Stricke abge- loͤset wahren/ und er sahe/ wie ihm die Arme zugerichtet/ ging ihm diese Schmach mehr als der Tod zuherzen/ fing seine Rede mit hoͤflichen unerschrockenen Geberden an/ und sagete: Herꝛ; euer Stand uñ Nahme ist miꝛ unbekand/ daher wird mir leicht zuverzeihen seyn/ daß ich mit euch/ als mit einem Unbekanten rede. Ihꝛ habt mir voꝛgeworffen/ als haͤtte ich eurẽ Bruder verraͤhterlich ermordet; nun sind ja so viel tausend Menschen zugegen gewesen/ die unsern Kampf angesehen/ daß ich mich nicht unbillich verwundere/ wie ich einiger Ver- raͤthe- Anderes Buch. raͤhterey koͤnte beschuldiget werden; ich habe ja mit ihm in offenem Felde gestritten/ ohn alle List und Verraͤhterey/ wozu er mich durch unerhoͤrete Schmach genoͤhtiget hat. Kan diesen meinen Worten nicht geglaͤubet werden/ so haltet mich in gnugsamer Verwah- rung/ und fraget die ganze Stad Elis. Sonst sehe ich euch als einen trefflichen Herꝛn/ vor einen redlichen Rittersmann an/ und mache mir die gaͤnzliche Hoffnung/ ihr werdet mit mir ritterlich und ohn Gewalt verfahren; ist aber einer oder ander zu gegen/ welcher mich einiger Verraͤhterey beschuldigẽ wolte/ wideꝛ denselbẽ erbiete ich mich/ bloß ohn Harnisch/ mit dem Schwert zu streitẽ/ ja wañ ihrer gleich drey oder vier waͤren; dañ ich getꝛoͤste mich meiner Unschuld/ und bin versichert/ mein Gott werde dieselbe retten. Charidemus ant- wortete; Ich habe dich nicht fahen lassen/ daß du alhier mit mir zanken/ oder mir zur Lust einen Kampff halten sollest/ sondern daß du meinen Bruder ermordet hast/ der ungleich besser wahr als du/ davor ist mir dein Leben verfallen/ wann du auch zehn Haͤlse haͤttest; und was wiltu dich viel entschuldigen und durch Luͤgen weiß brennen? Hastu nicht gleich jetzt eine moͤrdliche Taht an meinem Oheim einen trefflichen Ritter begangen/ woruͤber du von meinem Volk ertappet bist? sprich auch/ das dieses nicht moͤrdlich gehandelt sey. Valikules antwortete; Ich gestehe/ daß ich diesen Ritter aus gerechtem Eifer niderge- hauen/ weil er mir ungescheuhet ins Gesichte sagete/ daß er mich verrahten/ uñ euren Die- nern listiger Weise uͤberliefert haͤtte/ da er doch anfangs als ein sonderlicher Freund sich anstellete; und als er hieruͤber noch willens wahr mich anzugreiffen/ bin ich ihm mit mei- nem Schwerte zuvorkommen; habe also nach aller Voͤlker Recht gehandelt/ welches un- ser selbst verteidigung zur Nohtwehr nicht unrecht heisset: jedoch/ kan dieses/ weil es euch zuwieder/ mit Gelde gebuͤsset werden/ so fodert getrost; ich wil nicht von hinnen begehren/ biß solches erleget sey. Charidemus sagete; ich bedarff deines Geldes nicht/ dessen ich mehr habe als du/ sondern dein Haͤupt ist mir die rechte Bezahlung/ das muß vor mir auf der Schuͤssel stehen/ ehe und bevor drey Stunden vorbey gangen sind/ wovor dich kein Gott schuͤtzen sol. Valikules hoͤrete diese Gotteslaͤsterung viel ungeduldiger/ als die Draͤu- ung an/ erinnerte ihn gleichwol/ er solte sehr wol bedenken was er taͤhte; er waͤhre ein Roͤ- mischer Herr/ und des Kaͤysers naher anverwanter/ welcher ohn allen zweiffel seinen Tod an ihm und seinem ganzen Geschlechte sehr hart und schwer raͤchen wuͤrde. Gut gut/ sagte Charidemus/ das du mir solches anzeigest/ dañ destoweniger werde ich dich loß geben/ da- mit du hernaͤhst der Rache entuͤbriget seist. Rieff hie mit seinen vier Schergen/ die vorm Gemache anffwarteten/ und sagete: Nehmet diesen gefangenen Buben/ uñ fuͤhret ihn an die Staͤtte/ wo er heut meinen lieben Oheim erschlagen hat/ daselbst hauet ihm das Haͤupt von den Schultern/ reisset ihm das schelmische Herz aus dem Leibe/ und zerstuͤcket ihn in XXIV teile/ deren eines jedwedem meiner Freundschafft zur billigen Rache uͤber meines Bruders Tod solzugestellet werden; hernach enthaͤuptet auch seinen Diener/ und weil er nichts boͤses getahn/ so verscharret seinen Leib in die Erde. Die vier Henkers Buben wah- ren von Leibe sehr stark; jeder hatte ein grosses Richtschwert an der Seite/ uñ einen Strik in der Hand/ welche mit einem Haͤuptwink ihren Gehorsam zur Volstreckung anzeigeten. Valikules entsetzete sich vor dieser Urtel nicht/ enderte seine Farbe nicht im geringesten/ sondern stund wie ein Engel mit froͤlichem Gemuͤht und sagete: Herr; euer Recht muß A a a warlich Anderes Buch. warlich mit Menschen Blut geschrieben seyn; und haͤtte ich nie geglaͤubet/ daß groͤssere un- barmherzigkeit und Grausamkeit in Griechenland als in der Skytischen Barbarey solte geuͤbet werden; jedoch/ dafern diese Urtel unwiederrufflich ist/ wil ich mich willig drein ge- ben; Bittet ihr aber Gott/ daß er mein unschuldiges Blut an euch nicht in kurzen raͤche; Ich verzeihe euch von Herzen alles/ was ihr durch Gewaltsamkeit an mir tuht; nur eines bitte ich euch: lasset mich ungebunden hinfuͤhren/ daß man gleichwol diesen geringen Un- terscheid zwischen Rittern und gemeinen verurteileten Leuten halte; Ich bin ja ohn alle Waffen/ und haben sich diese vier starke Maͤnner meinetwegen im geringsten nicht zube- fuͤrchten. Ihr aber/ wolgebohrne Frau/ sagte er zu Charidemus Gemahl/ seyd von mir eh- rendienstlich gebehten/ und erhaltet mir dieses bey eurem Herrn; kan ichs sonst nicht ver- gelten/ weil mein Leben daran muß/ und ich mich dem Tode ergeben habe/ so nehmet dieses schlechte von mir an stat einer geringen Vergeltung. Mit welchem Worte eꝛ ein koͤstli- ches Kleinot hervor zohe/ und ließ es der Frauen durch einen anwesenden aͤdelknaben ein- reichen. Die Frau fragete ihren Herrn demuͤhtig/ ob ihr erlaubet waͤhre solches anzuneh- men; welcher antwortete: Was solte der Bettelbube vor koͤstliche Kleinot haben? neh- met hin und besehet es. Der Frauen gefiel dasselbe sehr wol/ und weil sie davon guten ver- stand hatte/ sagte sie ihm heimlich: es waͤhre ein Fuͤrstliches Kleinot von hohem Wert; sing hernach an/ ihꝛen Herrn mit furchtsamer Rede zubitten/ wann es ihm gnaͤdig gefallen koͤnte/ moͤchte er ihn ungebunden hinfuͤhren lassen/ nachdem er unbewehret waͤhre/ und die Schergen ihn wol wuͤrden verwahren koͤnnen. Charidemus sagete zu Valikules: nicht allein du/ sondern dieses Kleinot/ welches du etwa magst gestohlen haben/ ja alles was in deiner Gewalt seyn mag/ ist mir heimgefallen/ daher du es nicht verschenken kanst; jedoch weil mein Weib vor dich eine Bitte einleget/ soltu dessen zu geniessen haben/ und ungebun- den hingefuͤhret/ auch also abgetahn werden. Ihr aber/ sagete er zu den Henkern; sehet zu/ daß er euch nicht entwische/ und verrichtet an ihm was euch befohlen ist/ oder ihr sollet an seiner stelle stehen. Der groͤste unter ihnen antwortete: Gnaͤdiger Herr/ ich wil euch sein Haͤupt liefern/ welches ich wie eine Stek Ruͤbe hinweg hauen wil; und gefaͤlt es Euer Gn. so uͤbergebe sie mir dieses Buͤbichen allein; Er muͤste mir warlich nicht entrinnen/ wann seiner gleich ein halb dutzet waͤhre; dann mein kleinester Finger ist kraͤfftig gnung ihn zu erwuͤrgen. Valikules hatte schon diese Erklaͤrung gefasset/ daß da man ihm die Freyheit der Haͤnde wuͤrde gewegert haben/ einem Schergen das Schwert zunehmen/ und im Ge- mache sich mit ihnen herumb zuhauen; weil er aber Charidemus Einwilligung mit Her- zensfreuden vernam/ enderte er sein Vorhaben/ und rieff seinen Heyland in hoͤchster An- dacht an/ Er moͤchte ihm Staͤrke und Krafft verleihen/ sein Vorhaben zuvolbringen/ ge- dauchte ihn auch/ nach ausgelassenen Seuffzen/ ihm wuͤrde ein sonderlicher Trost und in- nigliche Freudigkeit ins Herz gegossen. Als er zur Tuͤhr hinaus treten solte/ sagte er: Hoch- aͤdle Frau/ ich bin schuldig/ euch vor die erzeigete Gunst und Vorbitte demuͤhtig zu dan- ken/ zweifele auch nicht/ der allerhoͤchste Gott werde es euch reichlich vergelten/ daß ihr ei- nem ehrlichen Ritter die schimpflichen Bande abgenommen habt/ welche ich in Warheit mehr als die gesprochene Urtel gescheuhet habe/ weil in meinem Vaterlande Ketten und Bande ungleich mehr schaͤnden als das Richt Schwert. Der Frauen stunden die Augen voll Anderes Buch. voll Wasser/ kunte vor mitleiden kein Wort sprechen/ durffte auch wegen Charidemus ge- genwart nicht/ welcher sie hart und veraͤchtlich hielt; Wiewol sie nicht unterließ/ ihm eine sehr freundlichen Blik zuverleihen/ und hiemit zuverstehen gab/ wie geneiget sie ihm waͤh- re. Also ward er zwischen zween Henkersbuben hingeleitet/ welche viel Gespoͤttes und un- keusche Reden gegen ihn trieben/ daß ihm das Herz im Leibe blutete. Charidemus ließ im ganzen Flecken bey Lebensstraffe verbieten/ daß kein Mensch mit hinaus gehen/ uñ die Vol- streckung des Gerichtes ansehen solte/ ohn die darzu verordnet waͤhren; dann ihm wahr leide/ Valikules wuͤrde ihnen anzeigen wer er waͤhre/ da einer oder ander aus Hoffnung eines Geschenkes es nach Rom an den Kaͤyser berichten duͤrffte/ und er daruͤber in Unge- legenheit kaͤhme. Als sie von der Steige in den Schloßplatz kahmen/ nahmen die beyde uͤ- brige Schergen den gebundenen Gallus zwischen sich/ welcher bißher in seinem Gebeht zu Gott gestanden wahr/ und denselben mehr umb Herkules als seine eigene Erloͤsung an- rief/ weil er bekennete/ eine solche Straffe durch sein voriges uͤbeltuhn wol verdienet zu ha- ben; jetzund aber fragete er/ wohin man mit ihnen wolte; da sein Herr ihm antwortete: Mein frommer getraͤuer Knecht/ unsere Zeit ist kommen/ derhalben laß uns ein Herz fas- sen/ daß wir willig und gerne sterben; Wir haben ja noch die Ehre/ daß wir von diesen vier tapfferen geherzten Maͤnnern/ und nicht von schlimmen schwachen Buben den Tod an- nehmen werden. Diese vier Schelmen dauchten sich groß/ da er ihnen dieses Lob erteilete/ und sagte der vornehmste zu ihm: Nun junger/ du solt dieses Worts geniessen/ daß ich dich nicht lange peinigen/ sondern so bald wir auff den Platz kommen/ dir im Augenblik davon helffen wil/ daß du Todesschmertzen nicht empfinden solt. Charidemus hatte IIX Dienern befohlen/ mit hinaus zugehen/ und dem Gerichte zuzusehen/ unter denen auch dieser wahr/ welcher unsern Held ins Angesicht geschlagen hatte; Sie gingen aber auff die 50 Schrit- te hinter ihnen her/ daß sie nicht hoͤren kunten/ was er mit den Schergen redete/ da er zu ih- nen sagete: Ihr guten Leute habt mir versprochen/ ohn Peinigung mich niderzuhauen/ davor ich mich dankbar erzeigen wil/ massen ich ein geldreicher Herr bin/ und grosse Baar- schafften habe; Vor dißmahl ist mir aber nichts uͤbrig blieben/ als dieser koͤstliche Ring/ welchen ich euch schenke/ und zu allem Danke vor 800 Kronen verkaufft werden kan/ wel- che Gelder ihr unter euch bruͤderlich teilen sollet; lasset aber bald nach meinem Tode ent- weder einen eures Mittels/ oder sonst einen getraͤuen Menschen nach Padua an den Stat- halter ablauffen/ und ihm nur muͤndlich sagen: Der junge Ritter mit den gelben Haaren/ welcher sich eine zeitlang bey ihm aufgehalten/ liege bey etlichen Raͤubern gefangen/ die ihn ohn Erlegung 6000 Kronen nicht loßgeben wollen; habe deswegen diesen abgeschikt/ sol- che Gelder alsbald zuhohlen; Zum Wahrzeichen; daß er ihm bey seinem lezten Abscheide einen koͤstlichen Ring verehret haͤtte; ich versichere euch/ sagte er/ es wird auff dieses Wort das Geld stuͤndlich ausgezahlet werden. Die Schergen wahren arme Bettel Buben/ hat- ten bey ihrem Herrn kaum das liebe Brod; Sie sahen den glaͤnzenden Ring/ und gefiel ih- nen derselbe wol/ wurden auch der uͤbrigen Verheissung so froh/ daß sie vor Freuden auff- sprungen. Sie traten zu ihm/ bohten ihm die Hand/ und bahten/ er moͤchte ihnen verzeihen/ daß sie gezwungen wuͤrden/ ihn und seinen Diener hinzurichten. Ich verge- be es euch gerne/ sagte er/ wann es nicht anders seyn kan; doch moͤchte ich euch wol einen A a a ij Vor- Anderes Buch. Vorschlag tuhn/ wann er euch gefallen koͤnte: Hoͤret/ wie duͤnket euch/ wann ihr mir das Leben geschenket/ und in aller Eile mit mir nach Eliß gelauffen waͤhret/ da wolten wir vor eurem unbarmherzigen Herrn schon sicher seyn/ und daß er unser Flucht nicht so bald inne wuͤrde/ wolten wir unsere acht Nachfolger durch Zwang vor uns hintreiben/ daß sie mehr als den halben Weg mit uns lauffen solten; waͤhren wir dann zu Elis/ so waͤhrẽ wir schon sicher/ und wolte ich darauff euch zu reichen Herren machen/ dessen ihꝛ mir wol trauen moͤ- get. O nein/ sagte der ansehnlichste/ das sind Dinge von nichts/ wir koͤnnen so nicht davon lauffen/ und unsere Weiber und Kinder zur Straffe hinter uns lassen; uͤberdas ist unser Herr so maͤchtig/ daß er nicht ruhen wuͤrde/ biß er dich und uns durch den schaͤndlichsten Tod hingerichtet haͤtte; must demnach solche Gedanken nicht fassen/ sondern bey deiner freimuͤhtigen Erklaͤrung zum bevorstehenden Tode verbleiben. Er gedachte in seinem heꝛ- zen: Wolan/ ich habe dein Leben zu retten gnug getahn; wolte auch umb Verdachts willẽ nicht weiter darum anhalten/ sondern sagete: Ihr guten Leute sehet wol/ dz das Leben lieb ist; wann euch aber mein Anschlag nicht gefallen wil/ muß ich wol zufrieden seyn/ und den Tod annehmen/ wie ich mich demselben schon ergeben habe; Vergesset nur nicht die ver- sprochenen Gelder zu Padua abzufodern/ und tuht mir noch diesen Gefallen/ dz mein Die- ner auch auffgeloͤset werde/ und ohn gebunden sterben moͤge; ich wil euch gut davor seyn/ daß er euch nicht entlauffen sol/ dann er ist ohn das uͤbel zu fusse. Es sol die Einfoderung nicht vergessen werden/ sagete der vorige Scherge/ und daß du sehest/ wie guͤnstig ich dir bin/ wil ich deinen Diener alsbald aufloͤsen; seines entlauffens befuͤrchte ich mich ganz nit/ massen ich dergestalt hinter ihm anklopffen wuͤꝛde/ daß ihm das lauffen schon veꝛgehen sol- te; dann wie groß und schwer ich bin/ habe ich doch mannichem guten Pferde mit lauffen angewonnen/ und mannichen Groschen damit verdienet; schnitte unter diesen Reden die Stricke von Gallus Armen loß/ und ließ ihn also frey zwischen den bey den andern Scher- gen gehen. Dieser merkete schon/ mit was Vorsatz sein Herꝛ umging/ empfand eine grosse Freude in seinem Herzen/ und gab genaue acht/ wie ers angreiffen wuͤrde. Hingegen ließ Valikules sich im geringsten nichts merken/ sahe sich etliche mahl nach den folgen den Die- nern umb/ und ward gewahr/ daß nur ihrer zween Seiten Gewehr/ die uͤbrigen weisse Staͤ- be hatten. Er sahe die stelle/ da er den Ritter erschlagen hatte/ nicht weit mehr seyn/ uñ sag- te zu den Schergen: Ich merke wol/ je naͤher man dem Tode ist/ je mehr man sich vor ihm fuͤrchtet. Dieser wolte ihm ein Herz einsprechen/ und sagte: Ey der Tod ist so bitter nicht; bleibe du nur fein bestaͤndig in deiner Herzhaftigkeit/ ich wil dir geschwinde davon helffen/ daß du des Todes nicht mehr als eines geringen Dornstiches empfinden solt. Das wil ich tuhn/ sagete er/ und meinen einmahl genom̃enen Vorsaz nicht brechen; aber wie mag es kommen/ daß euer Herr so wenig Zuseher verordnet hat? Das koͤnnen wir nicht wissen/ antwortete der Scherge/ es moͤchte dann seyn/ daß er dieses Gerichte nicht wolle ausge- breitet/ sondern verschwiegen haben. Ich bin dessen auch zufrieden/ sagte Valikules; keh- rete sich damit umb nach Gallus/ welcher hinter ihm her geleitet ward/ und sagete zu ihm: Mein ehrlicher Diener/ entsetze dich nicht vor des Schwertes Schaͤrffe/ sondern nim von mir ein Beyspiel/ weil es mir doch zum ersten gelten sol. Sie gingen hierauf etwa noch XXX Schritte fort/ da ersahe Valikules seine Gelegenheit/ und sagte: Nun ihr guten Ge- sellen; Anderes Buch. sellen; hie wird die staͤdte seyn/ da man ohn blutvergiessen nit bleiben kan; aber was wollen dorten unsere Zuseher anfangen? Dieses sagte er zu dem Ende/ daß die Schergen sich da r - nach umbsehen solten/ wie auch geschahe/ daher Herkules einen freien Griff hatte/ reiß dem vornehmsten/ der ihm zur rechten Hand ging/ das Schwert von der Seite/ und hieb den andern/ der seines zuzuͤcken anfing/ im Augenblik nider; ergreiff dessen Schwert/ und machte sich nach Gallus Gleitsleuten/ deren einem er den Kopff spaltete/ und seinem Gal- lus das ander Schwert reichete. Der vornehmste Scherge entsetzete sich hieruͤber/ daß er sich nit besiñen kunte/ der vierte aber taht einen Sprung zu ruͤcke/ entbloͤssete dz Schwert/ und sagete; O ihr Schelmen/ sind daß eure gut. Worte? fing hierauff an/ mit Valikules sich umbzutreiben/ und bekam der vornehmste des andern ertoͤdteten Schwert auch/ da- mit er auff Gallus ganz grim̃ig und verwaͤgen ansetzete; es erschraken aber die acht Nach- folger uͤber diesem Gefechte dergestalt/ daß sie weder hinter sich lauffen noch vor sich gehen kunten. Valikules sahe/ daß Gallus seinem Manne nicht gewachsen wahr/ und demselben nur stets außweichen muste/ ward mit seinem aber bald fertig/ und trat dem vierden ent- gegen/ da er Gallus befahl/ die acht Diener wol in acht zunehmen/ dz ihrer keiner entruͤñe. Dieser wahr gehorsam/ ging zu ihnen hin/ und rieff ihnen zu/ da ihrer einer fliehen/ oder sich regen wuͤrde/ solten sie alle sterben. Wodurch sie geschrecket/ stille stunden/ und auf sei- nen Befehl sich nider auff die Erde legeten. Der uͤbrige Scherge hatte einen Muht ge- fasset/ und ging mit unmenschlichen Hieben auff Valikules loß/ der ihm anfangs nicht be- schaͤdigen wolte/ sondern nur außweich/ und ihm Gnade anboht; wovon aber dieser duꝛch- aus nicht hoͤren wolte/ sondern ihn erschreklich schmaͤhete/ nebest Draͤuung/ wie grausam er mit seinem Leichnam geberden wolte; welches er aber wenig achtete/ und ihm zur Ant- wort gab; ich sehe wol/ daß dich Gott nicht laͤnger wil leben haben/ noch dir goͤnnen/ daß du dich beruͤhmen sollest/ einen Fuͤrsten unter deiner Gewalt gehabt zu haben; Und als er- sahe/ daß dieser mit einem quehrhiebe sich verhauen/ und allerdinge sich bloß gegeben hat- te/ taht er einen Schlag mit aller Macht auff ihn/ und hieb ihn mitten im Leibe ab. Gallus sahe diesen Streich mit hoͤchster Verwunderung an/ zu dem sich Valikules alsbald ver- fuͤgete/ und die acht Diener unter harter Bedraͤuung befragete/ zu was Ende sie mit her- außgangen/ uñ ob sie von ihrem Herren eigentlich darzu befehlichet waͤhren. Der furcht- sameste unter ihnen fing an: Mein Herr/ es hat H. Charidemus diesem im ledern Kleide befohlen/ selb achte mit heraus zugehen/ welcher uns darzu beruffen/ daß wir uns an die- sem Schauspiele ergetzen solten. Valikules kennete den gezeigeten/ daß er eben von dem- selben ins Gesicht geschlagen wahr/ ergrimmete uͤber ihn/ und sagte: Du ehrvergessener Schelm/ warumb schlugestu mich/ da ich gebunden wahr/ und ich dich doch im geringsten nicht beleidiget hatte? ich hoffe aber nicht/ daß du dich dessen lange beruͤhmen solt/ du ha- best einen Fuͤrsten so hoch beschimpfet. Trat mit Gallus ein wenig abseit/ und sagte: Lassen wir diese Buben leben/ so lauffen sie alsbald hin/ und verrahten uns/ da wir von Reutern bald moͤchten eingehohlet und ergrieffen werden; ist also besser daß sie sterben/ als unsers todes eine neue Ursache seyn; tuht demnach zur Sache/ und richtet sie hin/ meinẽ schlim- men Zuchtmeister aber am ersten/ und die zween bloͤdesten lasset Leben. Gallus verrichtete dieses in kurzer Zeit/ und ließ sich durch kein bitten bewaͤgen/ dann er trug die groͤste Erbar- A a a iij mung Anderes Buch. mung mit ihm selbst. Zu den beyden uͤbrigen aber sagete Valikules; geschwinde auff/ und lauffet mit uns/ sonst muͤsset ihr sterben. Diese wahren hierzu willig/ uñ huͤpffeten vor ihm her des Weges nach Eliß zu. Gallus sahe seines Herren Ring an des abgehauenen Schergen Finger stecken/ nahm ihn zu sich/ und folgete nach; sie hatten sich aber mit der erschlagenen Diener ihrem Seitengewehr versehen/ weil sie bequemer wahren/ sich im nohtfalle damit zu schuͤtzen/ und lieffen das Gehoͤlze auffs schnelleste hindurch/ daß die bey- den Knechte endlich aus grosser Mattigkeit niderfielen. Gallus sties sie an/ noch weiter zu lauffen; aber Valikules sagte/ lasset sie immerhin liegen/ ich spuͤre es an meinen Beinen wol/ daß sie so gesch winde nicht sollen zuruͤk eilen. Wir aber haben Gott unserm Heylande wol zu danken/ welcher uns vor dißmahl so ganz gnaͤdig und wunderlich errettet hat. Sie hoͤreten nicht auff zu lauffen/ als lange sie des vermoͤgens wahren/ biß sie an eine Bach kahmen/ in welcher sie die Haͤnde abkuͤhleten/ und nachgehends einen Trunk daraus tah- ten. Gallus riet/ sie wolten sich mit ihrem Kunststaube verstellen/ daß man sie nicht kenne- te/ welches er ihm wol gefallen ließ/ strichen ihre Haͤnde/ Haar und Angesicht an/ und die weil solches trocken ward/ und die Farbe von der Lufft und Sonne empfing/ verrichteten sie ihre herzliche Danksagung zu Gott/ und bahten/ daß er ihnen ferner behuͤlfflich seyn wol- te. Nach geendigtem Gebeht traten sie wieder auff ihre ermuͤdeten Fuͤsse/ und hoͤreten nicht auff zu gehen/ biß sie in ihrer Verstellung bey einem unbekanten Wirt einkehreten/ und durch Speise und Trank ihre matten Geister labeten. Den mehrenteil der Nacht brachte Valikules mit Gebeht und Danksagung zu Gott hin/ legte hernach fleissig uͤber/ wie ers weiter anzuschlagen haͤtte. Zwar sein Vorsaz/ das Fraͤulein zu suchen/ kunte nicht gebro- chen werden; hingegen wahren die Lebensmittel fast vergriffen/ und wuͤrde nicht viel uͤ- brig blieben seyn/ wann zwey gute Ritterpferde und andere gebuͤhrliche Rustung solte ein- gekaufft werden; daher ward er zu Raht/ seinen Gallus in angestrichener Gestalt alsbald nach Padua zu senden und etwa 10000 Kronen von Libussen ingeheim abzuhohlen/ wel- che Herr Kornelius auff sein Schreiben wol verschiessen wuͤrde. Dieses ward desselben Morgens ins Werk gerichtet/ da Gallus in Kauffmans Kleidung auff einem Kloͤpper sich nach Korinth machete/ daselbst mit dem ersten Schiffe foꝛtzugehen/ oder eines vor sich zu dingen. Als er nun daselbst sich am Hafen befand/ sahe er ohngefehr Fabius und Leches am Ufer gehen/ dessen er erschrak/ und sich zuverbergen suchete; weil ihm aber einfiel/ daß er verstellet wahr/ ritte er kuͤhnlich zu ihnen hin/ und nach gebehtener Verzeihung fragete er/ ob das Schiff bald nach Italien fahren wuͤrde. Fabius antwortete: wann es ihm eilig waͤhre/ muste er nach anderer Gelegenheit sich umbtuhn; fragete ihn hernach/ woher er kaͤhme/ und was gutes neues er haͤtte. Dieser antwortete: Er kaͤhme gleich her aus der Landschafft Eliß/ jenseit der Hauptstad desselben Landes/ welche auch Eliß geneñet wuͤrde/ und haͤtte wegen seiner Handelung in Italien hochnoͤhtig zuverrichten/ da ihm auff der Eile alle seine Wolfahrt stuͤnde; Neues waͤhre nichts sonderliches/ ohn dz neulich die O- lympischen Spiele gehalten/ und er vor wenig Tagen ein elendes Gericht gesehen/ etliche wenig Meilẽ disseit der Stad Eliß/ woselbst ein uͤberaus schoͤner junger Mensch mit langẽ gelben Haaren im Ritterlichen Kleide/ nebest noch einem Manne der ein roͤhtliches Haar gehabt/ zum Tode waͤhren hinaus gefuͤhret worden/ dessen er noch diese Stunde nicht ver- gessen Anderes Buch. gessen koͤnte; die Ursach haͤtte er nicht erfahren moͤgen/ als daß ihm gesagt waͤhre; der jun- ge Ritter haͤtte einen uͤberaus streitbahren Griechschen Herꝛn im offentlichen Kampfe er- leget/ und waͤhre nachgehends durch List gefangen worden. Fabius erschrak hieruͤber daß er zitterte/ und sagete zu Leches: Die Goͤtter verhuͤten gnaͤdig/ daß es nicht Herꝛ Herkules gewesen sey/ dann Gallus wahr solcher Farbe/ wie sein Geselle beschrieben wird. Er fragete alsbald diesen vermeinten Kauffmann/ woher er dieses wuͤste/ und wovor er diesen jungen Ritteꝛ hielte. Wer er eigentlich gewesen/ antwortete er/ weiß ich nicht/ nur daß gesagt wiꝛd/ er waͤhre vor weniger Zeit aus Italien mit einem Kaufmanns Schiffe kommen/ haͤtte auch einer weiten Reise gedacht die er vorhaͤtte/ uͤmb einen verlohrnen sehr lieben Freund zusuchen; Daß ich aber die Warheit sage/ duͤrfen meine Herꝛen nicht zweifeln/ weil ichs mit Augen angesehen/ daß sie von vier Schergen zur Gerichtsstat gefuͤhret wurden/ wahr auch willens des Endes zuerwarten/ welches mir aber von den Schergen mit hoͤchsteꝛ Be- draͤuung verbohten ward/ und durffte kein Mensch/ als etliche darzu bestellete Diener zu- sehen. Fabius gehub sich als ein verzweifelter Mensch/ ließ einen schweren Seuffzen aus/ und flossen ihm die Traͤhnen uͤber die Backen herunter. O ihr Goͤtter/ sagte er/ es ist bey meinem aͤyde niemand anders gewesen/ als Herꝛ Heꝛkules. O du Ausbund des ganzen menschlichen Geschlechtes! hat dich ein nichtiger Henkersbube toͤdten/ uñ dein Hochfuͤrst- liches Blut auff die Erde schuͤtten muͤssen? so erbarme es die Goͤtter! die ich schier der Ungerechtigkeit anklagen duͤrfte. Ich wil aber deinen Tod/ du unvergleichlicher Held/ mit solchem Grimme raͤchen/ daß ganz Griechenland davon sol zusagen uñ singen wissen. Gal- lus kehrete Zeit solcher Klage sich von ihm/ und wolte hinweg reiten; aber er rieff ihm nach uñ sagete: Guter Freund/ ich werde euch nicht von miꝛ zihen lassen; ihr muͤsset noht- wendig mit mir uͤmkehren/ und mir den Ort dieses unseligen und verfluchten Gerichts zei- gen/ auff welchem ein mehres haftet/ als ihr nicht gedenken moͤget. Dieser entschuldigete sich hoch/ seine Wolfahrt wolte ein solches nicht leiden; es waͤhre ein Kauffmann zu Ra- venna ihm und andern/ viel tausend Kronen schuldig/ von dem gesagt wuͤrde/ daß er ein Baͤnkchen machen wolte. Vor diesen Verlust wil ich haften/ sagte Fabius; und das ihr wisset/ mit wem ihr redet; Ich bin ein Roͤmischer Gesanter/ mit habender Volmacht/ nach gut Befindung/ nicht allein einzelne Leute/ sondern ganze Gemeinen auffzufodern; weil nun dieser ermordete Ritter mir nahe verwand ist/ werde ich gebuͤhrliche Straffe uͤber sei- nen unschuldigen und hochbetraurlichen Tod ergehen zulassen/ nicht uͤmhin koͤnnen. Gn. Herꝛ sagte Gallus/ ich befinde mich schuldig zugehorsamen/ bitte nur/ daß die Reise nicht lange auffgeschoben werde. Hieran wird nichts mangeln/ sagte er; befahl auch/ daß Leches und Markus alle Kriegsknechte stuͤndlich mit ihrem Gewehr und dreytaͤgiger Speise aus dem Schiffe fuͤhren solten; welches ungeseumet geschahe/ und sich auff den Weg mache- ten/ weil Fabius und seine Geselschaft mit unglaͤublicher Betruͤbnis und vorgenommenen Eifer der Rache eilig fortzohẽ. Gallus wuste den eigentlichen Weg nicht/ fuͤhrete sie gleich nach Elis zu/ biß sie an den Nebenweg kahmen/ wohin der Ritter unsern Held in den Wald gefuͤhret hatte/ denfelben nahmen sie vor sich/ zogẽ durchs Gehoͤlze/ biß sie an die Stelle kah- men/ wo die Schergen wahren nidergehauen/ uñ etliche blutige Zeichen sich noch merken liessen; da Gallus zu Fabius sagete: Gn. Herꝛ/ dis ist der Ort/ da die Henkersbuben den jungen Anderes Buch. jungen Ritter fuͤhreten. Dieser ward des Bluts auff der Erden gewahr/ daher ihm die hel- len Zehren aus den Augen schossen/ und des lauten Weinens nebest Leches und Markus sich nicht enthalten kunte; nachgehends mit wehemuͤhtigeꝛ Stimme klagete: O du aͤdles/ frommes und keusches Blut/ hastu an diesem verfluchten Orte durch Henkers Schwert muͤssen vergossen werden? Nun du bist leider dahin/ und laͤssest allen deinen Freunden ein immerwehrendes Trauren dahinten; aber ich wil dir alle dieselben zum Opfer schlachten/ die Ursach und Huͤlffe zu deinem Tode gegeben haben; und muͤsse diese Gegend ewig ver- fluchet seyn/ in welcher der ruhmwirdigste Held/ den iemahls die Sonne beschienen/ sein Leben so elendig hat zu setzen muͤssen/ dessen die ganze Welt kaum wirdig wahr. Hernach fing er an/ Ladisla zubeklagen/ und wie derselbe immermehr den Tod seines einiggeliebtesten Freundes wuͤrde erdulden koͤnnen/ den er weit uͤber seine Seele schaͤtzete. Charidemus dauchte die Zeit lange/ da seine Schergen uͤber die angesetzete Stunde ausse blieben/ klagete seinem jungen Gemahl/ wie ihm so angst uͤmb das Herz waͤhre/ und befahl/ daß ein Diener hinauslauffen/ und wie es mit dem Gerichte ergangen/ Zeitung ein- hohlen solte; welcher/ als er anfangs die sechs erschlagenen Diener/ und bald darauff die vier Schergen entleibet sahe/ bey denen ihre Schwerter lagen; entsetzete er sich/ und wuste nicht was er gedenken solte; kehrete doch bald wieder uͤmb/ solches anzumelden; aber wie er den halben Weg schon zuruͤk gelauffen wahr/ fiel ihm ein/ eꝛ wolte wieder uͤmkehren/ und zusehen/ ob er nicht etliche Gelderchen zur Beute bey den Erschlagenen finden moͤch- te/ da er kaum etliche Groschen bekam; in dem er nun fortgehen wolte/ ward er der beyden Diener von ferne gewahr/ welche nach Valikules Abzug sich nach Moͤgligkeit erhoben/ und geeilet hatten/ aus Furcht/ es moͤchte Gallus uͤmkehren/ und sie erschlagen/ wie er dañ willens gewesen wahr. Der ausgeschikte erwartete ihrer/ machten sich nach Charidemus Schlosse/ und kahmen uͤm Abendessenszeit an/ da sie alles uͤmstaͤndlich berichteten/ und wie sie mit lauffen muͤssen/ damit ihre Flucht nicht so bald angemeldet wuͤrde. Hieruͤber entset- zete sich Charidemus so hart/ daß er das Messer aus der Hand fallen ließ/ und den halbge- schlukten Bissen aus dem Maule speiete/ zu der Frauen sprechend: Nun muß ich mich in kurzer frist aus dem Staube machen/ oder eines schaͤndlichen Todes sterben/ dafern der junge Moͤrder derselbe ist/ vor welchen er sich angegeben hat; O des verfluchten Kleinots/ welches ihm die moͤꝛderischen Faͤuste hat frey gemacht! Die Frau stellete sich sehr traurig/ aber ihr Herz wahr voller Freude/ als sie vernam/ daß dieser unschuldige Herꝛ das Leben davon gebracht; daß aber solches an ihr nicht gemerket wuͤrde/ fragete sie/ als mit sonderli- chem Eifer/ wie es dann moͤglich waͤhre/ daß der junge wehrlose Mensch ein solches haͤtte verrichten moͤgen. Mich dauchte/ antwortete dieser/ daß ich sahe/ wie er den Schergen et- was schenkete; dann daß sie ihm mit gegebenen Haͤnden danketen/ sahe ich eigentlich. Sie loͤseten auch dem andern die Haͤnde auff sein begehren auff/ ehe sie an den Richtplaz kah- men/ woselbst der Juͤngling dem groͤsten Schergen das Schwert von der seite reiß/ und sie alle niederhieb/ wie ich schon gemeldet habe. Ja Gn. Frau/ sagte er weiter/ haͤtten eure Gn. gesehen/ wie dem jungen Menschen die Augen vor Zorn und Rachgier im Haͤupte fuͤnkel- ten/ sie haͤtte vor Furcht sterben moͤgen; ich zwar habe mir gaͤnzlich eingebildet/ er muͤsse ein Gott/ oder doch ihres Geschlechtes seyn. Die Frau nam aus dieser Erzaͤhlung ihr bestes/ und Anderes Buch. und sagete: Hieraus erscheinet/ daß ob mein geliebter Herꝛ gleich den Schergen nicht zu- gelassen haͤtte/ ihm der haͤnde freiheit zu goͤnnen/ wuͤrde er solches doch durch seine listige Schmeichelreden leicht bey ihnen eꝛhalten haben/ weil ers so gar vor seinen Diener hat er- langen koͤnnen. Charidemus fragete den Diener/ ob man ihnen mit schnellen Pferden nit nachsetzen/ und sie ereilen koͤnte; und als er vernam daß sie schon zu Elis wuͤrden angelan- get seyn/ sagte er zu Fr. Euphrosynen (so hieß sein junges Gemahl); hier ist weder Raht noch Rettung/ dafern wir uns nicht in wenig Tagen von hinnen machen/ und dem Ungluͤk aus dem Wege zihen. Mein herzgeliebter Herꝛ/ antwortete sie/ ich glaͤube nimmermehr/ und der Sinn traͤget mirs nicht zu/ daß es mit uns so grosse Noht habe; Dann wie wolte ein so grosser Herꝛ nur mit einem Diener in fremden Landen umher reisen? Lassets aber geschehen/ daß er ein solcher sey; Er muß ja zuvor nam Rom/ und daselbst umb Huͤlffe an- suchen; inzwischen koͤnnen wir unsere sachen darnach richten/ wie uns best daͤucht; jedoch waͤhre mein unvorgreifflicher Raht/ man sendete einen Diener nach Eliß/ umb in geheim nachzuforschen/ ob er bey der Stad umb Huͤlffe und Rache anhalte/ daß man durch gute Freunde (deren wir daselbst unterschiedliche haben) vorbauete/ und zum wenigstẽ nur auf- schoͤbe/ biß wir unsere Baarschafften in Sicherheit gebracht haͤtten. Der Unhold pflag der Frauen sonst wenig Gehoͤr zugeben/ aber in dieser Angst dauchte ihn ihr Raht der beste seyn; daher er nicht stark eilete/ insonderheit/ weil er erfuhr/ daß zu Elis alles stille/ und kein Mensch von den entlauffenen zusagen wuste; wiewol er dannoch bey der Sache nit schlief/ sondern sich bemuͤhete/ Parmenions Gelder (die er bey sich hatte) nebest den seinen nach Persen auff Wechsel uͤberzumachen/ und daselbst die Werbungen seines Bruders fortzu- setzen/ weil er noch stark an Leibeskraͤfften wahr; Daher er auch in voller Bereitschafft wahr zum Auffbruch/ als Fabius den Flecken mit 70 Mañ besetzete/ und gleich unter dem Mittagsmahl mit den uͤbrigen dreissigen auff das Schloß drang/ und den Tohrhuͤter fra- gete/ ob der Herr daheim waͤhre; welcher ihm zur Antwort gab: Er hielte Mahlzeit/ und wuͤrde alsbald verreisen. So kommen wir noch zu rechter Zeit an/ sagte er/ dann wir ge- denken ihn auf deꝛ Reise zubegleiten; Ließ sich den Esse Saal zeigen/ uñ ging mit seiner wol- bewehreten Schaar die Steige eilend hinauf. Charidemus hoͤrete das Getuͤmmel/ lieff selbst zur Tuͤhr/ und fragete/ was vor ein Aufflauff da waͤhre? Aber Fabius setzete ihm das Schwert auff die Brust/ und sagete mit starker Stimme: Gib dich gefangen/ du schaͤnd- licher Bluthund und verraͤhterischer Erzboͤsewicht! Dieser wolte zur Seite neben aus dringen/ da Leches auff ihn sprang/ und ihn alsbald zur Erden niderreiß/ uͤbergab ihn her- nach den Kriegsknechten zuverwahren und zu binden/ und ging mit Fabius auff den Es- se Saal/ da sie das gute Weibichen in harter Ohmacht auf dem Boden ligen funden/ wel- che von ihnen so viel geruͤttelt und mit Wein bespruͤtzet ward/ daß sie sich erhohlete/ uñ Fa- bius ganz grimmig zu ihr sagete: Frau/ habt ihr in eures Mannes Mordtaht gehehlet/ uñ seine Verraͤhterey gebillichet/ so muͤsset ihr ohn alle Gnade mit ihm eines schaͤndlichen To- des sterben. Ach mein Herr/ sagete sie/ wie hefftig ist mir diese boͤse Taht zuwider gewesen/ welches die Goͤtter wissen/ und dieser liebe junge Herr selbst bezeugen wird/ daß ich schier die einige Ursach seiner Errettung gewesen bin. Ach meine liebe Frau/ sagte Fabius mit freudigem Herzen: Ist dann dieser junge Herr gerettet/ und annoch im Leben? Ja mein B b b Herr Anderes Buch. Herr/ antwortete sie/ er ist/ den Goͤttern sey Dank/ frisch und gesund davon kommen/ wie- wol zu meines Eheherrn åusserstem Verderben; doch wolte ich lieber sterben/ als erfahrẽ/ daß dieses aͤdle und unschuldige Blut umkommen waͤhre; Wollen aber meine Herren mir nicht trauen/ goͤnnen sie mir nur/ einem Diener zuruffen/ der mit dabey gewesen/ und von allem gute Nachricht geben kan. Ey so bin ich voͤllig genesen/ sagte Fabius; ließ den Knecht alsbald herkommen/ der ihm getraͤulich erzaͤhlete/ wie es ergangen wahr. Charide- mus hoͤrete draussen seiner Frauen Entschuldigung/ und daß sie vor eine Erretterin des entlauffenen sich ruͤhmete/ welches ihm sehr zu Herzen ging/ und betaurete/ daß eꝛ sie nicht erwuͤrget haͤtte/ wie er willens gewesen wahr/ sie auch schon etliche mahl jaͤmmerlich dar- umb geschlagen hatte/ daß sie seiner Haͤnde Freyheit verursachet; und weil er merkete/ daß er der Todesstraffe nicht entgehen wuͤrde/ stellete er sich als ein unsinniger Mensch: Ob dz redlich gefochten waͤhre/ daß man freye Herren in ihrem Gewarsam und unabgesaget/ moͤrderisch- und raͤuberischer weise uͤberfiele. Fabius hoͤrete solches/ und gab zur Antwort: O du meinaͤidiger Schelm und Boͤsewicht/ stund dir dañ solches zu/ daß du einen Roͤmi- schen Ritter und gebohrnen Groß Fuͤrsten/ welchen Kaͤyserl. Hocheit als ihren Bruder liebet/ ungewarnet und verraͤhterlich fahen/ und den Henkers Buben ohn eingehohlete Ur- tel/ ja ohn uͤberbrachte einige Untaht uͤbergeben/ und zum allerschaͤndlichsten Tode hinaus fuͤhren laͤssest? Haͤtte ich aber Lust mit dir zurechten/ koͤnte ich dich nach Rom auff den Marsplaz/ oder nur nach Padua auf den Markt hinweisen/ wo du dieses unvergleichlichẽ Helden trefliche Ehrengedaͤchtnis und aufgerichtete Seulen finden wuͤrdest/ als welcher dem Roͤmischen Reiche mehr Dienste getahn/ als deiner zwanzig tausend nicht tuhn koͤn- ten. Dieser wolte sein Leben in etwas fristen/ und berief sich auf den Kaͤyser/ aus Hofnung/ auff der Reise nach Rom/ Gelegenheit zur Flucht zufinden; Aber Fabius gab ihm zur Antwort: Ja ich meyne/ mein Allergnaͤdigster Kaͤyser wuͤrde mirs Dank wissen/ wann Seiner Hocheit ich einen solchen Verraͤhter/ der seine Schelmstuͤcken nicht leugnen kan/ zusenden wuͤrde. Ich bin ein Kaͤyserlicher Gesanter/ und wil in dessen Nahmen/ nach em- pfangener Volmacht/ dich schon abzustraffen wissen/ weil du denselben/ und alle Roͤmische Ehre/ in diesem Ritter/ so viel an dir ist/ geschaͤndet hast. Machte darauff die Urtel/ daß der Verraͤhter Charidemus wegen seiner begangenen Ubeltaht auff dem Platze/ woselbst er den unschuldigen Ritter niderhauen lassen wollen/ von seinen bey den Dienern/ denen der- selbe das Leben geschenket/ solte hingerichtet/ das Herz ihm aus dem Leibe gerissen/ und der Leib in XXIV Stuͤcken zerteilet werden/ wie ers uͤber den unschuldigen jungen Helden also bestimmet haͤtte. Dieser entsetzete sich uͤber dieser Urtel dermassen/ daß er sein Gemahl/ die neben ihm stund/ bitlich ersuchete/ sie moͤchte ihm ihr Brodmesser ins Herz stossen. Wor- auff sie antwortete: Wie koͤnte ich immer und ewig solchen Mord an meinem Gemahl volbringen? uͤberdas muͤste ich ohn Zweifel eines boͤsen Todes sterben/ wann wider dieses gewaltigen Herrn Willen ich mich dessen unternehmen wuͤrde. Wie? sagte er zu ihr; be- gehrestu dann nach meinem Tode laͤnger zuleben? Nicht laͤnger/ sagete sie/ als der Goͤtter Wille ist/ denen ich ja nicht versprochen habe/ mit euch zusterben. Die gute Frau hatte we- nig ursach ihn zulieben/ weil er sie sehr uͤbel hielt/ und sie uͤberdas ihn wider ihꝛen Willen uñ aus Zwang hatte nehmen muͤssen; aber in dieser Noht trug sie ein so herzliches mitleiden mit Anderes Buch. mit ihm/ daß wanns moͤglich gewesen/ sie ihm mit alle ihrem Gute das Leben gerne erkaufft haͤtte. Er hingegen suchete nur einig/ da er sterben solte/ sie mit sich in den Tod zunehmen/ solte er auch selbst den Mord an ihr volbringen; Weil ihm nun die Haͤnde auf den Ruͤckẽ gebunden wahren/ rief er sie zu sich/ vorgebend/ er haͤtte ihr in geheim etwas zusagen; Und als sie ihm gehorsamete/ und auff nichts widriges gedachte/ stieß er mit dem Fusse nach ihr/ in Meynung/ sie toͤdlich zubeschaͤdigen; weil aber ein Kriegsknecht dessen zeitig wahꝛ nam/ bauete derselbe vor/ daß der Stoß seine volle Wirkung nicht erreichete/ ob sie wol zimlich hart getroffen ward. Die Frau zuͤrnete daruͤber gar nicht/ sondern fragete mit trauriger Rede/ warumb er doch so grosses Verlangen nach ihrem Tode haͤtte/ da sie/ wañs moͤglich waͤhre/ ihm das Leben gerne erhalten wolte. Darumb/ sagete er/ daß du deinen schoͤnen Leib nicht etwa einem andern williger goͤnnen moͤgest/ als mir mag geschehen seyn; und wer weiß/ ob du nicht noch heute den gemeinen Knechten zu teile wirst? Davor wird mich der Tod befreyen/ antwortete sie. Leches hoͤrete solches/ und sagte zu ihr: Fuͤrchtet euch dessen nicht/ geliebte Freundin/ und versichert euch nur/ daß man eure/ dem unschuldigen fremden Herren erteilete Redligkeit mit besserem Dank belohnen werde; auch daß unter uns duꝛch- aus keine Ehrenkraͤnker redlicher Weiber sind/ noch die eure die allergeringste Gefahr hat/ dessen gebe ich euch meine Traͤue zum Pfande. Geliebete Frau? Traͤue? sagte Charide- mus zu unterschiedlichen mahlen; ists mit euch beyden schon so weit kommen/ da ich noch im Leben bin? In meinem Herzen bistu Boͤsewicht schon tod/ sagte Leches; und wann wir beyde von den Goͤttern einander sonst versehen waͤhren/ wuͤrdestu es wol nicht gar lange hindern koͤnnen. Dieser stellete sich hieruͤber sehr zornig/ und foderte ihn aus zum Kampffe auff Leib und Leben. Er aber antwortete ihm: Ja wie so herzlich gerne wolte sich diese mei- ne Hand/ wegen deines/ an meinem gnaͤdigsten Herꝛn begangenen Frevels/ an dir raͤchen/ wann du nicht ein Roͤmischer Gefangener/ und zum Tode verurteileter waͤhrest/ da nicht ein Ritter/ sondern der Henker die Urtel an dir volstrecken muß. Die gute Frau wahr uͤ- beꝛaus betruͤbet/ fiel Leches zu fusse/ und baht durch alle Goͤtter/ ihrem Eheherrn das Leben zuschencken/ weil ja der junge Herr mit dem Leben davon kommen waͤhre; sie wolte gerne sich aller ihrer Guͤter begeben/ und mit ihm/ da er sie bey sich leiden koͤnte/ das Elend bauẽ/ oder sich bey ihren Freunden auffhalten. Leches hub sie freundlich auf/ und sagete: Ein sol- ches muͤste nicht bey ihm gesucht werden/ weil er nicht deꝛ Roͤmische Gesanter waͤhre; wol- te ihr doch gerne allen moͤglichen Vorschub tuhn/ wañ er einige Moͤgligkeit saͤhe; Er keñe- te aber des Herrn Gesanten Eifer/ insonderheit/ weil der so hoch beschimpffete junge Herr ihm lieber als seine eigene Seele waͤhre. Fabius kam darzu/ und befahl die Urtel zu volzi- hen/ wobey er sich selbst wolte finden lassen. Der Gefangene aber bedingete sich nochmals wegen der unbefugeten Gewalt/ und als er sahe/ daß alles nichts helffen wolte; begehrete er so viel Zeit/ daß er seinen lezten Willen auffsetzen/ und gebuͤhrlich bekraͤfftigen koͤnte/ wie ers nach seinem Tode mit seiner zeitlichen Verlassenschafft wolte gehalten haben. Aber Fabius antwortete ihm: Ein Ubeltaͤhter/ der schon unter Buͤttels Haͤnden ist/ hat keinen lezten Willen mehr/ noch einige Freyheit uͤber seine gewesene ehmahlige Guͤter zubestellẽ/ sondern dieselben stehen in seines Richters Haͤnden/ insonderheit/ da man an der hoͤchsten Obrigkeit sich versuͤndiget hat. Also besetzete er das Schloß mit 50 Mann/ unter Markus B b b ij Befehl; Anderes Buch. Befehl; die uͤbrigen 50 nam er zu sich/ ließ den Gefangenen/ weil er nicht hinaus gehẽ wol- te/ auff einer Karre hinschleppen/ und musten seine obgedachten beyden Diener samt sei- nem Schiffs-Nachrichter neben her gehen. Die ganze Menge des Flecken kahmen zusam- men/ und schrihen Ach und Rache uͤber Charidemus: Er haͤtte diese Straffe laͤngst wol verdienet/ weil er sie mit Schatzungen und Frohn diensten unbarmhertzig gedruͤcket/ und solchen Muhtwillen an den ihren veruͤbet/ daß keines redlichen Mannes Weib oder mañ- bahre Tochter vor ihm sicher seyn koͤnnen/ ungeachtet er so ein schoͤnes und Tugendreiches Gemahl/ so wol vor diesem als jetzo gehabt. Fabius redete ihnen troͤstlich zu/ es solte ihm diese Boßheit auff einmahl bezahlet/ und hingegen sie von aller ungebuͤhrlichen Beschwe- rung befreyet werden. Als sie auff den Richtplatz kahmen/ foderte Fabius die bey den Die- ner allein vor sich/ und draͤuete ihnen den Tod/ dafern sie nicht andeuten wuͤrden/ wer mit dem jungen Herrn so unbarmherzig umgangen/ und ihn so elendig gebunden haͤtte. Diese gingen alsbald unter den Hauffen der Zuseher/ und rieffen drey boßhaffte Schelmen her- vor/ welche sie uͤberzeugeten/ wie sie mit Herr Valikules geber det; Und als sie nicht dar- tuhn kunten/ daß sie dessen ausdruͤklichen Befehl gehabt/ ließ ihnen Fabius als bald den Grind herunter schlagen/ daß Charidemus zusehen muste; welcher daruͤber hefftig er- zitterte/ und alle seine Guͤter zum Loͤsegeld seines Lebens darboht. Es ward ihm befohlen von dem Karren zusteigen/ und als er nicht wolte/ zogen seine beyden Diener ihn beym Kopff herunter. Fabius geboht ihnen die Urtel zuvollstrecken/ daher sie ihren Herrn umb Verzeihung bahten/ und daß er niederknien moͤchte/ damit er ohn sonderliche Schmerzen koͤnte abgetahn werden; Weil er sich nun auch dessen wegerte/ rissen ihn die Kriegsknechte zur Erden/ und richteten ihn die beyden elendig zu/ daß er nach empfan- genen XXIV Wunden erst die boßhaffte Seele außbließ. Nach gehaltenem Gerichte keh- reten sie wiedeꝛ umb nach dem Schlosse/ und musten die Gerichts volstreckeꝛ den Leichnam bey den Fuͤssen mit sich fort schleppen. Fr. Euphrosyne hielt sich inzwischen auff dem Schlosse uͤber alle massen klaͤglich/ daß Markus grosses Mitleiden mit ihr hatte/ und nach allem Vermoͤgen sie auffs freundlichste troͤstete; sie moͤchte sich doch in der Goͤtter Willen ergeben/ nach dem es nicht anders seyn koͤnte; ihre Woltaht dem jungen Herren erzeiget/ wuͤrde ihr nicht unvergolten bleiben; aber es mochte dieses alles bey dem traurigen Weib- lein wenig schaffen. Als Fabius mit Leches wieder auffs Schloß trat/ kunte sie ihr die Rechnung leicht machen/ wie es ihrem Alten wuͤrde ergangẽ seyn; wolte aber nach seinem Tode ihre eheliche Liebe und Traͤue spuͤren lassen/ fiel vor Fabius nider/ und kunte sie kein Mensch von der Erden auffbringen/ biß ihr versprochen wahr/ daß Charidemus Leib zur Erden solte bestattet werden. Folgends traten Fabius/ Leches und Markus zusammen/ und befrageten sich/ wie es mit der Frauen und ihren Guͤtern solte gehalten werden; zwar in betrachtung ihres Mannes/ waͤhre alles der Obrigkeit verfallen; weil aber die Frau in die Boßheit nicht eingewilliget haͤtte/ sondern vielmehr bemuͤhet gewesen/ dieselbe zu hin- dern/ wuͤrde es unverantwortlich seyn/ daß man ihr nicht vielmehr vor Herkules Lebens- erhaltung danken/ als durch Armuht und beraubung sie betruͤben wolte. Der gute Mar- kus hatte sich schon an ihrer Schoͤnheit vergaffet/ scheuete sich doch/ es zu bekennen/ bekla- gete ihr Ungluͤk/ und daß vor ihre Dienste sie nichts als Truͤbseligkeit empfuͤnde; da Fa- bius Anderes Buch. bius zu ihm sagete; Mein lieber Freund; ihr wisset daß ich euch alles gutes goͤnne; und taͤhte ich euch einen Dienst daran/ wolte ich euch dieses schoͤne junge Weibichen freien/ so wuͤrde euch und ihr geholffen. Markus bedankete sich dienstlich vor die hohe Gewogen- heit/ und da ihm diese gewuͤnschte Heyraht werden koͤnte/ wolte er sich gluͤkselig schaͤtzen. Die sol und kan euch nit entstehen/ sagte Fabius; gehet nur hin/ und leget den ersten Stein zu diesem Liebesgebaͤu selbst/ auff daß eure Neigung sie aus eurem eigenen Munde hoͤre; hernach wil ich schon wissen/ euch Beystand zuleisten. Markus wagete die Schanze/ ging hin zu ihr/ und sagete; es haͤtte der Roͤmische Gesanter grosses Mißfallen an ihrem unab- laͤssigen Weinen/ da er doch ihr zur sonderlichen Freundschafft seine Urtel geendert/ und dem Leichnam die Erde gegoͤnnet; wolte sie demnach vor sich gar Freund- und traͤulich erinnern/ ihr gar zu grosses klagen zu maͤssigen; sie haͤtte ja alles ihr Ungluͤk ihrem gewese- nen Eh Herren zu danken/ welcher/ unangesehen ihres grossen mitleidens/ sie zu ermorden willens gewesen; und ob ihr vielleicht noch nicht alles kund waͤhre/ was durch ihren Ehe- gatten verwirket/ koͤnte er ihr unangemeldet nicht lassen/ daß in solchen Faͤllen nicht allein Leib und Leben/ sondern auch Haabe und Gut samt der Freyheit verfallen waͤhre; solches Ungluͤk aber an euch zuverhindern/ sagte er/ erbiete ich mich nach aͤusserstem Vermoͤgen; massen mein Herz in meiner hochgeehrten Freundin Zucht und Schoͤnheit sich dergestalt verliebet hat/ daß wann ich als ein Roͤmischer Ritter und aͤdelman aus Rom von ihr nicht verschmaͤhet werde/ ich dieselbe mir zu einem Ehegemahl in kuͤnfftig/ aus rechter Traͤue und Bestaͤndigkeit wuͤnsche und begehre/ dienstlich bittend/ mir mein geschwindes ehrlie- bendes Anmuhten nicht zu veruͤbeln/ und auff dasselbe mir eine gunstfreundliche Antwort zuerteilen. Die gute Frau wahr von ganzer Seele traurig und betruͤbt/ wie wol sie ihr an- noch nicht einbilden koͤnnen/ daß ihre Guͤter und Freyheit solten Gefahr haben; doch sich erinnernd/ daß ihre Haabseligkeit von Charidemus herruͤhrete/ fuͤrchtete sie sich darumb zukommen. Sie sahe Markus mit traͤhnenden Augen an/ hatte aus seinen Reden schon gemerket/ daß er ein geschikter aͤdelman wahr/ auch an Leib und Leben untadelhafft; aber das bildete sie ihr nicht ein/ daß er so duͤrre sie umb eheliche Liebe ansprengen wuͤrde. Nun durffte sie ihn nicht vor den Kopff stossen/ weil er sich so hoch gegen sie erboht; solte sie a- ber einwilligen/ da ihr Ehherr noch vor wenig Stunden gelebet/ muͤste ihr billig zur gros- sen Leichtfertigkeit außgelegt werden; antwortete ihm demnach/ sie bedankete sich ehren- dienstlich des mitleidens/ welches er mit ihr in ihrem grossen Ungluͤk truͤge/ sich auch er- boͤhte/ alles kuͤnfftige nach Vermoͤgen abzuwenden; nun waͤhre sie in des Herrn Gesan- ten Macht und Gewalt/ und wie derselbe mit ihr schalten wuͤrde/ muͤste ihr wehe und wol tuhn; einmahl waͤhre ihr lieb/ daß ihr Lebens- und ehrensicherheit schon hoch versprochen worden; daß uͤbrige vorgebrachte betreffend/ erkennete sie billich seine gute Gewogenheit/ wuͤrde auch selbe zu ruͤhmen/ Zeit ihres Lebens Ursach haben; weil aber die erste Ehe ihr so ungluͤklich gerahten/ und uͤberdaß mit so schmerzlichem Unfal versalzen waͤhre/ haͤtte sie billiche Ursach/ sich des Ehestandes hinfuͤro zuenthalten/ und den uͤbrigen Teil ihres Le- bens in stetem Witwenstande zu enden. Markus gedauchte/ die lezten Reden waͤhren aus so tieffen herzen nicht gangen; wolte sich deßwegẽ nicht abschrecken lassen/ sondern sagete: Sie haͤtte nicht unbillig zu zweiffeln/ ob sie jemahls in der Ehe gelebet/ nachdem Charide- B b b iij mus Anderes Buch. mus mit ihr dergestalt geberdet/ und durchaus keine Redligkeit noch Traͤue ihr erwiesen; baͤhte nochmahl/ sein auffrichtiges Herz zuerkennen/ und seine inbruͤnstige Liebe ihr bester massen lassen befohlen seyn; nam/ inzwischen er dieses redete/ sein Wischtuch/ troknete da- mit die Traͤnen von ihren Augen und Wangen/ und beteurete hoch/ mit was bestaͤndiger Traͤue er biß an sein Ende ihr auffwarten/ und alle schuldige Liebe erweisen wolte/ hielt auch so instaͤndig umb bessere Erklaͤrung an/ daß sie endlich zu ihm sagete; Sie erkennete sich vor ein ungluͤkseliges verlassenes Weib/ bedankete sich sehr dienstlich/ daß er sich ihrer in so grossem elende anzunehmẽ/ so gar willig anerboͤhte/ wolte auch/ da die Zeit ihrer traueꝛ voruͤber waͤhre/ sich gegen ihn solchergestalt heraus lassen/ daß er sie nicht undankbar spuͤ- ren solte. Markus hielt dieses vor eine volkommene Zusage/ ging zu Fabius und sagete: Er hoffete das Schloß zu gewinnẽ/ dafern er mit zutreten/ uñ durch se in ansehen den feste- sten Ort stuͤrmen wuͤrde; woran dieser es nicht wolte ermangeln lassen/ ging neben Mar- kus zu ihr/ und baht sehr/ diesen Roͤmischen aͤdlen Ritter nicht abzuweisen/ sondern in sein ehrliebendes Ansuchen einzuwilligen/ alsdan solten alle ihres gewesenen Mannes hinter- lassene Guͤter/ bewaͤglich und unbewaͤglich ihr ohn einige schmaͤlerung verbleiben; und ob sie zwar einstreuete/ daß ihr Ehegatte erst heut to des verfahren/ moͤchte sie daneben ihren elenden Stand bedenken/ und wie alle Untertahnen so erbittert waͤhren/ daß Charidemus sie uͤber Billigkeit so gedruͤkt und fast außgesogen haͤtte; duͤrfften solches bey der hohen Obrigkeit klagen/ und das ihrige mit zehnfachen Zinsen wieder fodern/ dessen alles sie be- freiet seyn koͤnte/ wann sie diesen Ritter und aͤdlen Haͤuptman heyrahten wuͤrde/ welches ihr nicht anders als zu Ehr und Nutzen außschlagen solte. Fr. Euphrosyne antwortete ihm gar demuͤhtig: Ach mein gebieten der Herr/ ich erkenne mich ihnen ja in allen dingen verpflichtet und auffwaͤrtig/ muͤste auch wol unbesoñen seyn/ wann die angebohtene Ehr ich außschluͤge/ da sie Macht haͤtten/ mich in die aͤusserste Schande zusetzen. Es wollen aber meine hoch werte Herren vernuͤnfftig erwaͤgen/ ob dieser Herr nicht schier heut oder Mor- gen mich vor eine leichtfertige außzuruffen und zu hassen/ gnug Ursach haͤtte/ wann ich/ noch ehe mein gewesener Eheherr zur Erden bestattet ist/ einem andern mich versprechen wuͤrde; er lasse mich/ bitte ich/ die gebuͤhrliche Zeit meiner Trauer außhalten; endert er dann inzwischen sein Gemuͤht nit/ sol ihm in seinem ehrliebendẽ Begehren gewilfahret werden. Aedle Tugendsame Frau/ sagte hierauff Fabius/ eure ehrliebende Zucht/ ist heut von allen Inwohnern dieses Flecken oͤffentlich gepreiset/ und zugleich Charidemus geile Frecheit außgeruffen und verfluchet worden/ durch welche er sich aller euer trauer unwerd und veꝛ- lustig gemacht hat. Sie fiel ihm in die Rede/ und sagete: Ach mein Gott! hat man dann nun alles muͤssen hervorbringen/ welches ich doch nach bestem Vermoͤgen bemaͤntelt/ und willig uͤbersehen habe? Desto klaͤrer scheinet eure Tugend/ sagte Fabius/ und duͤrfet euch deßwegen keine Gedanken machen/ daß man euch wegen eheliches versprechens ichtwas verargen solte. Kan nun meine wolgemeinete Vorbitte hafften und guͤltig seyn/ wird mei- ne geliebte Freundin diesen meinen lieben Freund und Mit Roͤmer durch eine angeneh- me Erklaͤrung befriedigẽ/ welches ich vor eine sonderliche mir erwiesene Ehre uñ Freund- schafft rechnen werde; umpfing sie hiemit freundlich/ und sagete nochmahl zum Abtrit; der sie vorsezlich hat ermorden wollen/ ist unwirdig/ daß sie seiner Gedaͤchtnis eine Stun- de in Anderes Buch. de in ihrer Seele raum geben wolte. Markus fuhr fort da es Fabius gelassen hatte; sie moͤchte solche Gedanken von ihm nicht fassen/ daß ers ihr vor eine Leichtfertigkeit außle- gen wolte/ da sie auff sein inbruͤnstiges Ansuchen ihm gewirige Antwort erteilete; wieder hohlete sein voriges erbieten/ und erwartete der Erklaͤrung/ welche ihm die Frau mit einer sonderlichen Schamhafftigkeit folgender Gestalt gab. Mein hochwerter Hr. ich bin von ihnen beyden dermassen verbunden/ dz ich nit sehe/ wie ohn aͤusserste undankbaꝛkeit ich mich des begehretẽ entbrechẽ sol; wil demnach meinem Herꝛẽ die angefod’te Antwort hiemit voͤl- lig uñ nach seinem behagen gegebẽ haben/ jedoch/ dz er mir hinwiederum ritterlich verspre- che/ mich wieder meinẽ willen vor außgang einer gebuͤhrlichẽ Tꝛauerzeit zum Beylager nit zunoͤhtigen/ damit ich von and’n redlichen Frauen nit angespeiet uñ verfluchet werde. Her- nach und vors ander; daß diese unsere Verloͤbnis uͤmb eben der Uꝛsach willen eine zeitlang moͤge in geheim gehalten/ und verschwiegen weꝛden. Meine herzgeliebte Frau und Freun- dinn/ antwortete er; vorerst bedanke ich mich der hochguͤnstigen Erklaͤrung von ganzem Herzen; und ob das uͤbrige mir zwar sehr schwer fallen wird/ wil ich doch meine Begier- den unter den Gehorsam ihres ehrliebenden Vorsatzes zwingen/ jedoch daneben hoͤchlich bitten/ die Traurzeit/ (wozu sie gar keine Ursach hat) nicht zuweit auszusetzen. Nam hiemit einen schoͤnen Ring/ und vermåhlete sie ihm damit; gingen auch miteinander nach Fabi- us und Leches/ und nahmen von ihnen die Gluͤkwuͤnschung an. Bey der Abendmahlzeit erschien der vermeinete Kauffmann Gallus/ auff Fabius Begehren/ welcher schon mer- kete/ daß Markus sich in Charidemus Stelle einflicken wuͤrde/ welches er ihm wol goͤnne- te. Nach gehaltener Mahlzeit begehrete er mit der Frauen allein zureden/ welches sie wun- der nam; massen sie ihn ihr Lebelang nicht gesehen hatte; wahr ihm doch zuwillen/ trat mit ihm in ein Nebengemach/ daß ihr nur eine Leibdienerinn folgete/ und sagete zu ihm: Guter Freund/ habt ihr etwa bey mir wegen meines Seel. Herꝛn/ einige Schuldfoderung/ so ver- schweiget sie mir nicht; was dann mit gnugsamen Beweiß bescheiniget wird/ sol von mir ehrlich bezahlet werden. Gallus neigete sich vor ihr/ und antwortete: Hochaͤdle Frau; es laͤsset mein Gn. Herꝛ der junge entlauffene Ritter/ sie zum allerfleissigsten gruͤssen/ und vor erwiesenes Mitleiden ihr von Herzen danken/ insonderheit/ daß sie ihm seiner Haͤnde Frey- heit durch ihre kraͤftige Vorbitte erhalten/ ohn welches Mittel er sonst haͤtte muͤssen des To- des seyn. Es hat aber mein Gn. Herꝛ ohngefehr in Erfahrung gebracht/ daß Herꝛ Fabius seines Unfals berichtet/ und diese Rache zuuͤben vorgenommen haͤtte/ darumb er mich als- bald mitzihen geheissen/ uͤmb einig darnach zuarbeiten/ daß ihrer hochaͤdlen Tugend weder Ehre/ noch Leben/ noch einige Haabseligkeit gekraͤnket wuͤrde/ wie Gott lob alles verhuͤtet ist. Die gute Frau warvoller Freuden/ uñ sagete: O den Goͤttern sey ewig dank/ daß dieses unschuldige Blut gerettet ist/ dem ich mich mit alle meinem Vermoͤgen schuldig erkenne; und wolte Gott/ daß ich ihm einige Dienste leisten koͤnte/ solte mir angenehmers nicht seyn. Ja/ hochaͤdle Frau/ sagte er/ sie kan meinem Herꝛn grosse Freundschafft erzeigen/ welches ich ihr anzeigen wil/ dafern ihr belieben kan/ mich ihrer Verschwiegenheit zuversichern. Uñ als sie ihm dieselbe verhieß/ sagte er weiter: Es hat mein Gn. Herꝛ eine ferne Reise vor/ uͤm̃ einen verlohrnen lieben Freund zusuchen/ auff welcher ihm Herꝛ Fabius gerne Geselschaft leisten wolte/ er aber lieber allein fortzihen wil/ deswegen er sich auch vor ihm verborgen haͤlt; Anderes Buch. haͤlt: Nun hat hochgedachter mein Herꝛ mich wollen nach Padua schicken ihm etwa 20 oder 30000 Kronen abzuhohlen; aber weil ihm solches mein reisen an seiner Eilfaͤrtigkeit sehr verhinderlich ist/ moͤchte ich wuͤnschen die Gelegenheit zuhaben/ daß ich solche Gelder hier oder in der naͤhe auff richtige Wechsel heben koͤnte/ ob ich gleich ein oder etliche tau- send Kronen dabey zusetzen solte/ waͤhre daran nichts gelegen. Wuͤrde nun meine hochaͤd- le Frau etwa an der Bezahlung zweiffeln/ welches ihr kein Mensch veruͤbeln kan/ wolle sie nur vor geschlossenem Wechsel Herꝛn Fabius anmelden/ wie sie meinem Herꝛn vor wenig Tagen in geheim zu solchen Geldern schon verholffen habe/ und wann Herꝛ Fabius sich nicht alsbald erbieten wird/ es wieder richtig zumachen/ wil ich meinen Kopff verlohren haben. Die Frau antwortete ihm: Mein Freund/ ich zweifele im geringsten nicht an eures Herꝛn Auffrichtigkeit/ wann ihr mir nur einen schlechten Beweistuhm bringen koͤntet/ daß ihr dieses Herꝛn Diener seyd. Hochaͤdle Frau/ sagte er/ ich bin freylich sein Diener/ uñ zwar eben derselbe/ welcher mit ihm hat sollen enthaͤuptet werden. Ach nein/ sagte sie/ der seyd ihꝛ nicht/ odeꝛ mein Gesinde muͤste euch unꝛecht abgemahlet haben. Gallus lachete des/ und baht/ sie moͤchte nur einen Diener kommen lassen/ der ihn zeit seiner Gefaͤngnis gese- hen/ als dann solte sie dieses Zweifels bald benommen werden. Die Leibdienerinn ging bald hin einen auffzufodeꝛn/ und fragete bey allen nach/ wer unter ihnen die beyden ehmals Ge- fangenen/ insonderheit den aͤltesten gesehen haͤtte/ uñ als sich etliche meldeten/ nam sie einen mit sich/ welcher/ da er zu der Frauen hinein trat/ ward eꝛ von ihr gefraget/ ob er diesen Mañ kennete; Nein sagte er/ ich habe ihn nie als heut gesehen. Er muste auff Gallus bitte einen kurzen Abtrit nehmen/ und sagte dieser darauff zu der Frauen; ich stehe anietzo vor eurer hochaͤdl. Tugend mit angestrichenem Angesicht und Haaren/ welche Verstellung ich gleich abtuhn wil/ nam sein Laͤplein hervor und rieb damit alles ab/ dessen sie sich nicht wenig ver- wunderte; rief dem Diener wieder hinein/ und als derselbe alsbald sagete: Gn. Frau/ die- ser ist eben der/ welcher mit dem jungen Ritter hat sollen abgetahn werden; antwortete sie: Es ist gut/ aber wo du einigem Menschen sagen wirst/ daß du ihn alhie gesehen/ sol es dir dein Lebenkosten. Nach seinem Abtrit machte Gallus seine Farbe wieder zurechte/ und be- strich sich damit; da die Frau zu ihm sagete: Mein Freund/ durch dieses Mittel koͤntet ihr mannichen schlim̃en Betrug anrichten/ wañ ihr nit redlich waͤhret. Sie ließ ihn aber da- selbst/ biß seine Verstellung richtig wahr/ ging hin zu Parmenions Geldern und Kleinoten/ setzete ein kleines Schreiben auf/ uñ verfuͤgete sich mit Gallus wiedeꝛ hin zu der Geselschaft/ da sie als ohngefehr auf Herkules zureden kam/ und sagete: Es taͤhte ihr leid/ daß sie nicht wissen moͤchte/ wo er geblieben waͤhre/ damit sie etwa zur Anzeige eines guten Willen ihm mit einem Stuͤk Geldes aushelffen koͤnte/ dessen er vielleicht in der Fremde benoͤhtiget seyn duͤrfte. Dieses beklage ich am meisten/ antwortete Fabius/ daß er bey seinem grossen Reich- tuhm solte Gebrech und Mangel leiden; jedoch zweifele ich nicht/ er werde auf Wechsel be- dacht seyn/ welche zu Padua stuͤndlich sollen bezahlen werden/ wanns gleich viel Tonnen Goldes betꝛaͤffe. Aber weiß meine Freundin nicht ein wenig Nachricht/ wohin eꝛ sich mag gewendet haben? Eꝛ ist geꝛade auf Elis zugelauffen/ sagte sie/ abeꝛ wie fleissig mein gewe- seneꝛ Ehherꝛ ihm daselbst nachfragen lassen/ hat man doch nicht das allergeringeste von ihm eꝛfahren moͤgẽ; daher ich nicht zweifele/ eꝛ habe sich alsbald/ uͤmb Gefahr zumeidẽ/ hin- weg gemacht. Sie baht daꝛauf von den Anwesenden Verzeihung/ mit veꝛmeldẽ/ daß diesem Kauff- Anderes Buch. Kauffmann etwas wegen Charidentus handelung nachstaͤndig waͤhre/ welches sie richtig machẽ/ uñ bald wiederkom̃en wolte. Verfuͤgete sich mit demselben auf ein grosses Gemach/ uñ sagte zu ihm: Wolte Gott/ daß einiges Mittel in der Welt waͤhre/ wodurch eurem Herꝛn ich mein bereitwilliges Herz erklaͤrẽ koͤnte; ihr aber habt mir die groͤsseste freundschaft erzei- get/ daß ihr mir diese Gelegenheit an die Hand gegeben habt/ ihm zu dienẽ. So sind nun die- se zween Wetscher mit gepregetem Golde und Kleinoten auff 20000 Kronen gefuͤllet; darzu nehmet diesen Wechselbrieff auff 12000 Kronen haltend/ welcher der genennete Mann euch zu Elis stuͤndlich erlegen wird/ und ist hie noch eine kleine Handschrifft auff 8000 Kronen/ welche Parmenio bey seinem Wirte daselbst nidergeleget/ und alsbald koͤn- nen gehoben werden. Ich muß euch aber beydes euren vorigen schrecken in etwas ergetzen/ und zugleich anzeigen wieviel Freundschafft ihr mir vor dißmahl erzeiget habet. Vereh- rete ihm hiemit einen Beutel mit 4000 Kronen/ welche er/ ungeachtet aller Wegerung annehmen muste. Schlißlich sagte sie ihm; das Ubrige liefert eurem Herren von meinet- wegen/ als eine Anzeigung meines dienstwilligen Gemuͤhts/ und daß alle meine Guͤter zu seinen diensten seyn. Das mir geschenkete Kleinot ist mir ein unfehlbares Gedaͤchtnis sei- nes gnaͤdigen willens; und solte ihn die Gelegenheit nach Korinth fuͤhren/ wolle er seine bereitwilligste Magd daselbst zubesuchen nicht unterlassen/ dann ich werde mich ehistes tages dahin begeben. Gallus entsetzete sich vor dieser Freigebigkeit; es haͤtte durchaus die Meynung nicht/ daß er einiges Geschenk vor seinen Herren oder vor sich suchete/ und wuͤꝛ- de derselbe schon Mittel ergreiffen/ es dankbarlich zu erstatten. Gebet euch zu frieden/ sagte sie; ich bin eurem Herren viel ein mehres schuldig/ als dieses wenige/ und da euch Mor- gen zu reisen geliebet/ so nehmet eures Herren und euer Pferd samt Harnisch und anderem zubehoͤr/ welches ihr bey einander vorne im Mahrstalle finden sollet/ und reitet in Gottes Nahmen. Damit gingen sie wieder hin zu der Geselschafft/ und hielt Gallus bey Herren Fabius an umb erlaͤubnis zu seiner Reise/ nachdem er ihm zu nichts mehr nuͤtze seyn koͤn- te. Aber die Frau noͤhtigete ihn die Nacht zu bleiben/ weil der Abend einfiele. Nach abge- nommenen Speisen redete sie mit Markus/ daß er sie mit nach Korinth fuͤhren moͤchte/ woselbst sie in die 60000 Kronen Baarschafft stehen haͤtte; ihr waͤhre unmoͤglich/ wegen eingenommenen Schreckens an diesem Orte laͤnger zuverbleiben/ moͤchte auch nach ver- lauff einer geringen Zeit wol Ansprach von jungen Freiern bekommen duͤrfen; wolte er nun diese ihre Herschaft Erblich behalten/ stuͤnde zu seinem Belieben/ sonst koͤnte er sie vor fuͤnff Tonnen Goldes baar verkauffen. Markus wahr ohn daß dem Gelde zugetahn/ und wie er diesen ihren Reichtuhm vernam/ wunderte er sich/ daß ihm das Gluͤk ohn alle seine Sorge und Muͤhe im Augenblik so beguͤtert haͤtte; umbfing seine liebste freundlich/ und versprach/ sie an Ort und Ende zu fuͤhren/ wo sie am sichersten waͤhre. Nach diesem nam sie ihn mit sich auff die Korn Spiker/ in die grossen mit Wein belegete Keller/ auch zu den Schaaff-Kuͤhe- und Pferd Staͤllen/ welches alles uͤber drey Tonnen Schaz außtrug. Endlich muste er mit ihr auff ein fest verschlossenes enges Gemach gehen/ da sie ihm ein Kleinot Laͤdichen vorsetzete auff 40000 Kronẽ/ nachgehends vier Laden mit 80000 Kro- nen baar/ und zu ihm sagete; dieses wil ich meinem geliebeten Herren zur Dankbarkeit des mir heut erzeigeten mitleidens uͤberliefern/ mit Bitte/ es nit außzuschlagen. Er aber nam C c c nur Anderes Buch. nur etliche Ringe daraus; das uͤbrige stellete er ihr wieder zu/ einwendend/ er wolte es ger- ne in seine Verwahrung nehmen; weil es aber bey ihr sicherer waͤhre/ koͤnte es biß auff ih- ren Abzug stehen bleiben. Wie es euch geliebet/ sagte sie/ und befahl ihrer Dienerin/ Her- ren Fabius und Leches herzubitten/ denen sie etwas zu liefern haͤtte; zu denen sie/ da sie herzutraten/ also redete: Ihr meine hochwerte Herren/ ob ich zwar etliche Schaͤtze in so ge- heimer Verwahrung habe/ daß ich sie mit leichter Muͤhe vor mich selbst behalten koͤnte/ so sollen mich dannoch die Goͤtter wol davor behuͤten/ damit das unrechtmaͤssige Gut nicht mein Erbe zugleich mit verzehre; Dieser Kasten vermag einen statlichen Vorraht/ und gehoͤret dem erlegeten Parmenio teils eigen/ teils als empfangene Werbungs Gelder zu; Stelle solches demnach zu des Herrn Gesanten Haͤnden/ seines Willens damit zuschaltẽ; schloß den Kasten auff/ und zeigete ihnen eine grosse Menge gemuͤnzetes Goldes/ auch in einem Beylaͤdichen unterschiedliche koͤstliche Kleinot. Fabius gab ihr zuꝛ Antwort: Paꝛ- menions eigenes Geld muͤste ihr billich als der naͤhesten Erbin bleiben/ das uͤbrige wolte er Herrn Herkules verwahrlich behalten; jedoch/ daß sie von solchem Teil zur Vergeltung ihrer Aufrichtigkeit 12000 Kronen haben solte. Fr. Euphrosyne bedankete sich/ nachdem ihr wegern nicht gelten wolte/ und empfing es mit dem bedinge/ daß ihr frey stuͤnde/ es nach Belieben anzuwenden. Es wahren die eigenen Gelder von den Werbungsgeldern abge- sondert/ uñ zeigete eine hinzugelegete Rechnung/ daß der Werbe Gelder 300000 Kronen/ der eigenen aber 250000 Kronen wahren. Die 12000 versprochene Kronen schichtete sie/ und gab die eine Helfte ihrem Liebesten/ die andere den 100 Roͤmischen Kriegsknechten/ je- dem durch die Bank hin 60 Kronen; welches ihm Fabius so wol gefallen ließ/ daß er zu ihr sagete: Nun meine Freundin/ ich verspuͤre hieraus ihren Verstand und gute Gewo- genheit/ werde mich auch bemuͤhen/ es unvergolten nicht zulassen. Von den eigenen Gel- dern aber nam sie 50000 Kronen/ und teilete dieselben gleich unter Leches und Markus/ da jener sich zwar wegerte/ aber auff seines Mitnehmers Noͤhtigung es ihm beybringen ließ. Als sie sich nun wieder gesetzet hatten/ wolte sie Gallus noch eine Verehrung zuschan- zen/ und sagete zu Markus ingeheim: Ist euch heut durch eines andern Unfall ein Gluͤk zugestossen/ so lasset den Urheber auch in etwas/ und so viel seine Wirdigkeit zugibt/ mit ge- niessen. Dieser kunte nicht ersinnen/ wen sie damit meynete/ und baht/ ihm solches etwas deutlicher anzuzeigen. Je/ sagte sie/ wer hat euch an diesen Ort gefuͤhret? hats nicht jener Kauffmann getahn? Ich erkenne mich ihm verbunden/ antwortete er/ redete ihn auch als- bald mit diesen Worten an: Guter Freund/ ich erinnere mich/ daß mit Verseumung eu- rer Geschaͤfften ihr mit uns gereiset seyd/ davor ich mich dankbar erzeigen wil; schenkete ihm alsofort 600 Kronen/ und sagte: Nehmet dieses/ bitte ich/ zur Ergetzung vor euꝛe Muͤ- he von mir an/ und da ich schier heut oder morgen euch mehr Dienste werde leisten koͤñen/ habt ihrs kuͤhnlich bey mir zufodern. Gallus sahe/ daß es alles aus der Frauen Anstifftung herruͤhrete/ hielt vor unnoͤhtig/ sich lange zuwegern/ und bedankete sich deꝛ grossen Schen- kung. Ey so wolleñ wir beyde auch nicht so gar undankbar seyn/ sagte Fabius zu Leches/ uñ begehrete an Markus/ er solte 600 Kronen von Parmenions Geldern hohlen/ und sie ihm ihrer beyder wegen zustellen. Des folgenden Morgens sehr fruͤh/ nam Gallus von der Frauen freundlichen Abscheid/ bedankete sich nochmahls der hohen Ehr und Guttaht/ uñ ver- Anderes Buch. versicherte sie/ sein Herr wuͤrde es statlich zuvergelten nicht unterlassen; legte die Gelder auf Maul Esel/ sattelte sein und Herkules Pferd/ und ritte in Geselschafft vier Knechte des nåhesten auff Eliß zu/ weil er nicht zweifelte/ sein Herr wuͤrde sich daselbst noch auffhalten. Er hatte aber Valikules Waffen angelegt/ und seine eigene dem Diener zu fuͤhren gegebẽ/ ritte damit in die Herberge/ und fand seinen Herrn im Hause allein gehen/ und sich mit ge- danken schlagen/ wie ers am besten machen koͤnte/ wann etwa Gallus wegen widerwaͤrtigẽ Windes zu lange aussenbleiben wuͤrde. Die Zeit hatte ihm sider Gallus Abreise gar lange gewehret/ welche er mit einem fremden Manne vertrieb/ der aus Mazedonien wahr/ und sich eine zeitlang in der Landschafft Karia zu Laodizea auffgehalten hatte; Dieser ließ sich anfangs vernehmen/ daß er ein Christ waͤhre/ da er merkete/ daß Valikules des Glaubens wahr/ der sich gleichwol nicht gegen ihn heraus ließ/ weil er ihm wenig trauete. Zween Ta- ge vor Gallus Wiederkunfft fing dieser fremder/ nahmens Agemachus/ etwas kuͤhner an mit ihm zureden/ da er anfangs beklagete/ daß die Welt so mannicherley Glaubens waͤhre/ und ihrer viel/ ja der mehrer Teil sich so plageten und peinigten/ zu der Volkommenheit zu gelangen/ da doch kein lustiger Weg waͤhre/ als eben dieser/ auff welchem man dahin kaͤh- me/ wiewol niemand/ als welche der wahren Erkaͤntniß sich gewidmet haͤtten/ denselben zu finden wuͤsten/ welche daher Gnostici; das ist/ die Erkennende oder Hochkluge geneñet wuͤr- den. Valikules merkete alsbald/ was vor einen schaͤndlichen groben Ketzer er vor sich haͤt- te/ ließ sich dessen aber nit merken/ sondern fragete/ ob dann dieselbẽ Hochweisen/ der Heyd- nischen/ oder Indischen/ oder Christlichen Lehre zugetahn waͤhren/ und ob man ihrer so hochgeruͤhmten Volkommenheit nicht koͤnte teilhafftig werden; Er waͤhre jung/ aber be- gierig nach der Weißheit/ wolte auch solche Lehre leicht fassen/ wann sie ihm vorgetragen wuͤrde/ und zwar so viel leichter/ weil sie einen solchen lustigen Weg zu der Volkommenheit zeigete. Agemachus antwortete ihm: Es waͤhren diese Erkennende weder Heyden noch Juden/ sondern Christen/ wie wol nicht des gemeinen Schlages/ sondern von ihnen/ bey des in der Lehr und im Leben weit abgesondert. Der erste Stifter waͤhre Karpokrates/ welcheꝛ vor 100 Jahren den Grund dieser Lehre geleget/ und aus himmlischer Offenbahrung die Erkaͤntniß erlanget/ daß diese Welt/ Himmel/ Erde/ Meer/ und was drinnen ist/ nicht von dem einigen obersten Gott/ welcher der ungezeugete Vater hiesse/ erschaffen waͤhre/ sond’n von einer gewissen Anzahl gewaltiger Engel/ welche doch viel geringer/ als jener oberste Gott waͤhren. So haͤtte er auch die Offenbahrung gehabt/ daß JEsus von Nazareth des alten Josephs warhafftiger Sohn waͤhre/ allen andern Menschen gleich/ ohn allein/ daß derselbe eine reine und krafftfeste Seele bekommen/ welche in ihrem Leibe sich dessen alles haͤtte zuerinnern gewust/ wz sie in dem Kreißlauffe (als sie noch in dem ungezeugete Gotte gewesen) gesehen hatte; und daß weiters seine Seele die Krafft und das Vermoͤgen von vorgedachtem Gotte bekommen/ daß sie der Engel oder Welt-Bauer Gewalt sich entbro- chen/ und durch alle 365 Himmel zu Gott hinauff gestiegen/ auch duꝛch eben dieselben wie- der herunter kommen waͤhre. Und deren Seelen fuͤnden sich bey andern mehr in gleicher Volkommenheit/ ja die noch volkommener als des Jesus seine waͤhren. Herkules hatte von dieser Ketzerey zwar etwas/ aber nichts insonderheit gehoͤret/ nur daß sie ganz neue Lehre fuͤhreten/ und gar ein abscheuhliches Leben trieben; wolte sich aber nicht zur Antwoꝛt C c c ij finden Anderes Buch. finden lassen/ biß dieser etwas besser gebeichtet haͤtte/ und sagete zu ihm: Mein Freund/ ihr traget mir eine Lehre vor/ von welcher ich/ muß bekennen/ bißher nicht gehoͤret habe/ und ich daraus wol verstehe/ wie weit die also genante Erkennende von den andern Christen/ die Lehre betreffend/ abgesondert sind; Abermag er mich nicht auch berichten/ wie dieselbẽ ihr Leben anstellen und fuͤhren. Ja mein Herr/ antwortete er/ hat er Lust darzu/ wil ich ihm solches wol offenbahren/ sehe ihn auch so redlich an/ daß er mich deswegen nicht in Ungele- genheit stuͤrtzen werde. Es haben diese erleuchtete Leute noch weiter aus der himlischen Offenbahrung/ daß eines Menschen Seele nicht ehe zur Seligkeit gelangen koͤnne/ ehe uñ bevor sie alle Arten der Betreibung versuchet und geleistet habe/ welche beydes Christen uñ Heyden vor boͤse/ vor Schande/ Unreinigkeit und abscheuhliche Laster halten; solches al- les/ sage ich/ muß eine Seele zuvor betrieben haben/ ehe sie in die Seligkeit auffgenommen werden kan; Daher auch/ wann eine Seele durch den Tod aus einem Menschen faͤhret/ welcher von solchen Lusthaͤndeln sich enthalten/ oder sie wenig getrieben/ wird solche Seele in einen andern/ ja in den dritten/ vierden/ fuͤnfften/ und wol mehren Leib wieder hinein ge- gossen/ biß sie alle solche Haͤndel in volkommener Anzahl verrichtet/ dann gelanget sie erst zur himlischen Seligkeit. Moͤchte jemand einwenden/ je haben dann wol so viel Leiber nur eine einzige Seele nacheinander/ wie werden dann nach diesem Leben sich alle diese Leiber umb die Seele vergleichen koͤnnen? aber diß ist eine kindische und unnoͤhtige Frage/ mas- sen die Aufferstehung der Leiber nur ein Geticht ist/ und dieselben nach dem Tode biß in E- wigkeit vergehen. Herkules kreuzigte uñ segnete sich in seinem Herzen vor solcher abscheu- lichen Lehre; und sagte zu ihm: Ists aber wahr/ mein Freund/ daß die genandte Erkennen- de diese Lehre vor gewiß halten? Es wuͤrde ja daher folgen/ daß ein Mensch seiner Seelen Seligkeit durch nichts so wol befodern koͤnte/ als durch Unzucht/ Ehebruch/ Blutschande/ Sodomiterey/ und anderen uͤbungen/ welche andere Menschen vor boͤse uñ suͤndlich schaͤt- zen. Ja mein Herr/ antwortete Agemachus/ daher sihet nun derselbe/ daß es wahr sey/ wz ich anfangs gesagt habe/ daß kein lustiger Weg sey zu der Volkommenheit/ als eben dieser. Herkules kunte solcher Ungebuͤhr nicht laͤnger geduldig zuhoͤren/ wolte doch versuchen/ ob er diesen elenden Menschen von solchem schaͤndlichen Irtuhm loßreissen koͤnte; und redete ihn also an: Mein Freund/ haben die Gnostici oder Erkennende eine solche Lehre/ war- umb nennen sie sich dann Christen? Treten doch die Juden und Heyden den Chri- sten viel naͤher/ beydes im Leben und in der Lehre/ als diese Unmenschen; Dann in Warheit/ die unflaͤtigste Art der Heyden/ welche man Epikurer nennet/ moͤchte ich gegen diese zu rechnen/ vor heilige schaͤtzen. Lasset uns aber besehen/ was ihr alles vorgetragen habt/ obs den Stich halten/ und ein vernuͤnfftiger Mensch/ welchen der Teuffel nicht gar beklommen/ es vor wahr und gut schaͤtzen koͤnne. Eure erste Lehre wahr von der Schoͤp- fung der Welt/ da euer Karpokrates vorgeben/ solche sey nicht von Gott selbst sondern von Engeln verrichtet. Aber warumb solt ich diesem Kerl seinen neuen Tand glaͤuben/ welchen er weder durch Wunderzeichen/ noch durch Vernunfft-gruͤnde erwiesen hat? Moses hat mich vor 1600 und mehr Jahren viel ein anders gelehret/ und es durch seine goͤttliche Wunder bekraͤfftiget. Alle die nach ihm gelebet/ und von Gott mit dem wundertaͤhtigen Glauben sind außgerustet worden/ haben solche Lehre des Mose vor wahr gehalten. Mein Hey- Anderes Buch. Heyland/ welcher so viel Zeichen getahn/ daß sie nicht alle wegen der Menge haben koͤñen beschrieben werden/ heisset die Schrifften des Mose gut/ und weiset uns an dieselben hin/ wann er spricht: Sie haben Mosen uñ die Propheten/ laß sie dieselbigen hoͤren: Ist nun dieses wahr/ was Mose von der Welt erschaffung schreibet/ daß Gott selber solche geleistet habe/ so muß nohtwendig falsch seyn/ daß euer Karpokrates saget: Nicht Gott selber/ sondern die Engel haben die Welt erschaffen; dann unter ja und nein muß nohtwendig eines wahr das ander falsch seyn. Euer ander vorgebrachtes ist/ Gott vergebe es euch/ eine recht teuf- lische Laͤsterung wieder den Herren Jesus/ aus welchen ihr nach der Lehre eures Verfuͤh- rers Karpokrates einen blossen Menschen/ und Josephs warhafftigen Sohn machen wol- let. Aber wie beweiset ihr solches? sagen ist in Glaubenssachen nicht gnug/ sondern Grund Grund muß da seyn. Zwar daß mein Herr Jesus ohn zutuhn eines Mannes durch Wir- kung Gottes des heiligen Geistes von der Jungfrauen Maria empfangen sey/ daß er auch nicht ein blosser Mensch/ sondern zugleich wahrer Gott sey/ solches lehren uns die unge- zweiffelten Schrifften der Evangelisten Mattheus/ Lukas und Johannes; welche Lehre alle Apostel und juͤnger des Herren angenommen/ vor wahr gehalten/ sie duꝛch ihre viel- faͤltige Zeichen bekraͤfftiget/ und durch ihren Tod/ welchen sie wegen dieser Lehre erlitten/ versiegelt haben; ja darauff so viel tausend glaͤubige Christen so fest gestanden sind/ daß sie sich viel lieber haben wollen lassen brennen/ braten/ und auff allerhand erschrekliche Weise hinrichten/ als solche verleugnen oder auffs minste in zweiffel zihen. Was vor Beweiß- tuhm aber fuͤhret euer Karpokrates/ wodurch er das Wiederspiel behaͤupten wil? solte ich einem eintzigen Menschen ohn Beweißtuhm mehr glauben zustellen/ als der ganzen Christlichen Kirchen und ihren unzaͤhlbahren Wunderzeichẽ/ so muͤste ich wol aller Ver- nunfft beraubet seyn. Erwaͤge ich nun euer drittes Lehrstuͤk/ so muß ich bekennen daß ihr damit dem Vernunfft- und Tugend-Fasse auff ein mal den Bodem außstosset. Dann an- fangs saget ihr/ es koͤnne keines Menschen Seele zur Volkommenheit/ verstehe zur Se- ligkeit dienlichen Volkom̃enheit gelangen/ wo dieselbe nicht zuvor allerhand Laster/ Suͤn- de und Schande begangen habe/ und auff vollendung solcher boßheiten bekomme sie die himlische Seligkeit/ sonst nicht. Mein/ wisset ihr auch was ihr redet? habet ihr der Ver- nunfft abgedanket? ja habt ihr Wiz und Sinne gefressen? wer hat jemahs solche unver- nuͤnfftige Meynungen und Gedanken in seyn Herz kommen lassen; das boͤse mache einen Menschen volkommen zum guten? hoͤret mein Freund/ wann ich zu euch sprechen wuͤrde; gehet zu Winterszeit hin/ setzet euch nacket auff das Eyß/ und waͤrmet euch also: Gehet zur Sommerzeit in die heißbrennenden Sonnenstralen sitzen und kuͤhlet euch also; wuͤrdet ihr mich nicht vor einen Narren und Unsinnigen halten? taͤhtet ihrs aber nicht/ so waͤhret ihr ein solcher. Aber was ist es anders/ wann ihr sprechet: Gehe hin und treibe allerhand Unzucht/ Boßheit/ abscheuliche Ubeltaht/ und was Gott sonsten hasset und verbohten hat/ auff daß du im guten volkommen werdest/ auff daß du deine Seele befoderst zur schleuni- gen Seligkeit? Hilff Gott! hat der Teuffel auch wol jemahl die Menschen heslicher be- schiessen und verblendet als auff diese Weise? Mose und die ganze heilige Schrifft durch Zeichen und wunder bekraͤfftiget/ unterrichtet mich/ das Gott ein heiliger Gott sey/ und daß eꝛ von den Menschen ernstlich erfodere/ daß sie auch heilig seyn sollen. Sie unterichtet C c c iij mich/ Anderes Buch. mich/ das Gott ein gerechter Gott sey/ welcher alle Suͤnde und Fleisches Unreinigkeit ernstlich verbohten/ und mit dem ewigen hellischen Feuer straffen wolle. Und euer Karpo- krates saget; wiltu zu dem heiligen und gerechten Gott kommen/ wiltu der hellischen Ver- damnis entgehen/ und die himlische Seligkeit erlangen/ so enthalte dich der Heiligkeit/ so lebe in Unzucht und aller Fleisches Unreinigkeit. Sind daß die Erkennende/ die Erleuchte- te/ die Hochweisen? Gewißlich ich weiß nicht was ich hierzu sagen sol/ als daß ich nim̃er glaͤube/ daß der Teuffel selbst so unverschaͤmt sey/ ein solches zu sagen; den die Luͤge ist zu grob/ uñ wiederspricht aller Vernunfft. Ich halte euch diß vor/ mein Freund/ daß betrach- tet bitte ich; was alle vernuͤnfftige Menschen/ Heiden/ Juden uñ Chꝛisten eintraͤchtig vor die nohtwendige Warheit halten/ daß muß nohtwendig wahr seyn. Daß aber niemand durch Suͤnde und Boßheit Gott gefalle oder die Seligkeit erlange/ daß halten alle ver- nuͤnfftige Menschen vor die nohtwendige Warheit. Darumb muß es nohtwendig wahr seyn. Ich koͤnte alhie tausend und noch tausend Gruͤnde einfuͤhren/ damit diese eures Kar- pokrates Unvernunfft uͤbern hauffen geworffen wird; aber was bedarffs der Muͤhe? Nur noch eins mein Freund: Wie deucht euch/ wann diese eure Lehre von der Welt an- genommen wuͤrde/ wuͤrde sie auch wol sechs Tage bestehen koͤnnen? wuͤrden nicht alle und jede suchen/ die groͤsseste Boßheit gar zeitig vorzunehmen/ damit sie desto fruͤher in den Himmel kaͤhmen? aber auß diesem Grunde wuͤrde in kurzem nichts hervor quillen als ein durchgehendes Morden und Wuͤrgen/ biß der einige lezte Mensch nur allein uͤbrig waͤhre/ welcher/ weil er keinen Mitsuͤndiger haͤtte/ wuͤrde er an ihm selbst die schwereste Suͤnde begehen/ und sich nidermachen. Gewiß mein Freund/ ich habe euch diese Tage vor einen vernuͤnfftigen Mann angesehen/ aber werdet ihr in diesem Wahnwiz verbleiben/ so muß ich euch vor einen leibhafftigen Teuffel halten/ und noch schlimmer. Derwegen stehet ab von solcher Gotteslaͤsterlichen/ falschen/ und unehrbahren Lehre/ oder machet euch als bald aus dieser Herberge/ wo ihr sonst nicht wollet/ daß ich euch eure Boßheit zuerkennen geben sol. Dieser fing als bald an; er waͤhre dieser Lehre nicht zugetahn/ sondern haͤtte nur bloß erzaͤhlet/ was diese Leute glaͤubeten. Dann es wahr mit in ihrer Lehre begriffen/ daß man/ Gefahr zu meiden/ seinen Glauben wol verleugnen duͤrffte. Aber er hatte sich schon zu weit verrahten/ daher wolte ihn Herkules nicht laͤnger umb sich leiden/ daß er bey Sonnen- schein die Herberge raͤumen muste; insonderheit/ weil er sich wegerte/ ichtwas auff die vorgebrachten Gruͤnde zu antworten. Die folgende Nacht hatte Valikules aber ein neues Ungluͤk; nehmlich/ es hatte der Haußknecht gesehen/ dz er zimlich viel gepregetes Gold bey sich trug/ welches er aus einem verkaufften Ringe geloͤset hatte. Darauff machte nun jener einen Anschlag/ ob er dessen nicht einen Teil haabhaft werden moͤchte/ und nam ihm vor/ bey Nacht schlaffen der Zeit auff seine Schlaffkam̃er einzubrechen/ und ihm den Beutel zu fegen. Nun schlieff Vali- kules gar allein auff einem Gemache/ versperrete auch alle Tuͤhren und Fenster gar wol ehe er sich legete/ und uͤber daß behielt er die Unterhosen stets an/ hatte das Schwert zur Rechten/ den Dolch zur Linken/ und schlieff/ so lange es finster wahr mit sorgen/ nur gegen den Morgen hielt er sich sicher/ und ruhete alsdann aus. Der diebische Knecht huͤtete sich nicht davor/ stieg diese Nacht/ welche gar dunkel wahr/ auff einer Leiter aussen am Hause hin- Anderes Buch. hinauff biß an das Fenster/ und wuste es so leise auffzumachen und hinein zu kriechen/ daß er dessen nicht gewahr ward. Nun hatte er aber seine Oberhofen/ in welchen die Gelder wahren auff seinem Bette zun Fuͤssen liegen/ welche der Dieb hin und wieder suchete/ auch endlich fand/ grieff hinein/ und nam in die 30 Kronen zum erstenmahle heraus/ gleich als Valikules erwachete/ des Diebes Athem hoͤrete/ und zugleich seine Hosen missete/ richtete sich deßwegen auff/ und fassete den Degen/ zugleich fragend/ wer ihm bey Nachtschaffen- der Zeit auff der versperreten Kammer umb ginge. Der Dieb ließ vor Angst die ergriffe- nen Hosen fallen/ lieff mit der Handvol Kronen zum Fenster zu und wahr sehr gerade wie- der hinaus; aber Valikules folgete ihm/ und gab ihm mit des Schwerts Knauffe einen solchen Stoß oben auff den Schedel/ daß er betaͤubet hinunter fiel und recht auff den Kopf stuͤrzete/ daß er das Genicke abbrach; blieb also liegen/ und lagen die gestohlene Kronen umb ihn her. Er sahe ihm nach aus dem Fenster/ merkete daß der Dieb Tod wahr/ und be- dachte sich/ ob er ein Geschrey machen wolte oder nicht; endlich hielt er vor das beste/ daß erstille schwiege/ fassete doch die angeschlagene Leiter/ und warff sie umb/ welches ein zim- liches Gepolter im Hofe verursachete/ daß das andere Gesinde samt den Wirt davon er- wacheten/ auff stunden/ und zusahen was es waͤhre/ da sie den Dieb funden daß er mit dem Tode rang/ und das Geld umb ihn her gestreuet lag/ auch die Leiter recht auff ihm. Sie kunten leicht ersinnen/ wie es zugangen waͤhre/ meineten doch/ Valikules wuͤrde nichts drum wissen/ und muͤste die Leiter im absteigen umbgeschlagen seyn; daher sie den Dieb auff des Wirts Befehl hinweg trugen/ welcher inzwischen die Gelder aufflase/ und da- von ging. Valikules stund und sahe alles an/ ließ sich doch nichts merken/ nur als er des Morgens hinunter ging/ foderte er den Wirt vor sich/ und zeigete ihm an; er haͤtte die- sen Morgen seine Oberhosen mitten im Schlaffgemach auff der Erden gefunden/ und etliche daraus gestreuete Gelder dabey/ da er sie doch des Abends auff sein Bette gelegt haͤtte; begehrete demnach/ daß er fleissig nach forschete/ wer unter seinem Gesinde sich sol- cher Dieberey unternehmen duͤrffte; uͤber das haͤtte er gestern dem Hausknechte befohlen (dieser wahr eben der Dieb) etwas zubestellen/ moͤchte ihm ruffen lassen/ um zuvernehmẽ/ ob ers verrichtet haͤtte. Nun wahr zwar der Wirt willens/ wo moͤglich/ es zuvertuschen/ aber aus keiner andern ursach/ als daß dieser fremde Gast nicht moͤchte von ihm zihen/ und ein solches unter die Leute bringen/ welches ihm an seiner Nahrung schaden wuͤrde; Weil er aber sahe/ daß der Fuchß auff solche Nachfrage zum Loche aus muste/ bekennete er/ daß der Knecht unter dem Fenster waͤhre tod gefunden/ da er mit samt der Leiter herunter ge- fallen waͤhre; Doch der gefundenen Gelder gedachte er nicht/ und wolte ihn auch Valiku- les wegen des wenigen noch zur Zeit nicht schamroht machen/ fondern beklagete vielmehr des Knechtes Unfall/ und dz er duꝛch dẽ Geitz sich zu solcher Untaht haͤtte verfuͤhren lassen; wiewol er bedacht wahr/ in wenig Tagen die Herberge zu endern; aber/ wie droben gesagt/ sein Gallus traff ihn noch daselbst an/ als er in seiner Ruͤstung und auff seinem Pfeꝛde zum Hause hinein ritte/ da er auff dem Fluhr wandelte/ und sich mit Gedanken schlug. Er er- kennete aber beydes seine Waffen und sein Pferd alsbald/ und gedachte/ es waͤhre ein Rit- ter von Charidemus abgeschikt/ der ihn auskundschaffen solte/ weil er den Helm zugemacht hatte. Dieser aber stieg geschwinde vom Pferde/ setzete den Helm ab/ und gab seinem Herꝛn gnug Anderes Buch. gnug ursach zur Verwunderung; Welcher zu ihm sagete: Wie nun Gallus? Ich schaͤtze- te euch schon zu Padua/ so habt ihr umb Pferd und Harnisch willen euch dieser oͤrter so lange auffgehalten/ und euch in Leib und Lebensgefahr gewaget. O nein/ Gn. Herr/ ant- wortete er/ unser Gott hat mich einen guten Weg gefuͤhret/ und seine Gnade uͤber uns so reichlich sehen lassen/ daß ich mich dessen nicht gnug verwundern kan; legete den Harnisch ab/ fuͤhrete die Pferde in den Stall/ und nachdem er die Gelder von den Maul Eseln abge- laden und in Gewarsam gebracht hatte/ hieß er den Knecht nach Verehrung etlicher Kro- nen mit den Eseln hinweg zihen/ und seine Frau in geheim freundlich gruͤssen. Valikules wuste nicht/ wie er mit ihm daran war/ und sagte: Ich bin verwirreter uͤber eurer Ankunft/ als ich unter den Schergen im Holze wahr. Dieser kehrete sich nirgends an/ reichete ihm anfangs einen sehr koͤstlichen Demant Ring/ mit diesen Worten: Die hochaͤdle Frau Eu- phrosyne/ des weiland schelmischen Charidemus nachgelassene Wittib/ entbeut ihrer Gn. ihre untertaͤhnige bereitwilligste Dienste. Traͤumet euch Gallus? sagte Valikules. Er a- ber fuhr imer fort/ als hoͤrete ers nit; Sie bedanket sich zum hoͤchsten wegẽ des damals ver- ehreten Kleinots/ welches/ als lange sie lebet/ zum Gedaͤchtniß bey sich tragen wil/ dessen Lebensrettung ihr die allergroͤste Freude gebracht/ weil sein unverdienter Tod ihr unange- nehmer als ihr eigener wuͤrde gewesen seyn; bittet krafft solcher Gewogenheit/ Eure Gn. wolle hinwiederumb dieses schlechte Ringlein als eine unwirdige Erinnerung ihres will- faͤhrigen Gehorsams von ihr annehmen. Er empfing den Ring mit gutem Willen/ und befahl ihm/ ohn Umbschweiffe zuerzaͤhlen/ wie es ihm ergangen waͤhre. Gallus baht umb Verzeihung/ gab vor/ er haͤtte vorerst etwas noͤhtiges zu verrichten; hieß den neuen Hausknecht mit ihm gehen/ und hohlete auff die beyden Wechsel Brieffe 20000 Kronen/ die ihm alsbald in verpitschierten Beuteln zugestellet wurden; brachte sie seinem Herꝛn/ und lieferte ihm an Baarschafft und Kleinoten 40000 Kronen; wel- cher ihn fragete/ woher ihm dieses unveꝛmuhtliche Geld kaͤhme. Es ist eine geringe Ver- ehrung/ sagte er/ welche obgedachte Frau ihrer Gn. zum Zehrpfennige sendet. Fing hier- auff an alles nacheinander zuerzaͤhlen/ was gestalter Herꝛen Fabius/ Leches und Markus zu Korinth im Hafen angetroffen/ ihnen verdekter weise seinen Unfall erzaͤhlet/ und mit ih- nen nach dem Flecken reisen muͤssen/ da Fabius aus sonderlichem Eifer den boßhaften Cha- ridemus von den beyden Dienern/ denen sie das Leben geschenkt/ niederhauen lassen; und haͤtte/ allem ansehen nach/ Markus sich mit der jungen Witwen verliebet. Als er nun der- selben gute Gewogenheit gespuͤret/ haͤtte er sich in geheim zuerkennen gegeben/ und uͤmb Befoderung zu einem Wechsel angehalten; worauf sie ihm dieses alles eingehaͤndigt/ bloß als ein Zeichen ihres dienstbegierigen Herzens; ja sie håtte einen grossen Schaz des Par- menions angegeben/ welcher ihrer Gn. zum besten von Fabius verwahret wuͤrde. Uber das haͤtte er aus ihrem Gespraͤch verstanden daß Herꝛ Ladisla auch mit einem Schiffe auff der Fahrt waͤhre/ seinen Freund Herkules zusuchen/ und ihm zufolgen. Dieser wahr sehr un- willig/ daß gegen Charidemus so scharff veꝛfahren waͤhre/ und verwies es Gallus hoͤchlich/ daß er Fabius darzu veranlasset/ wodurch er wieder sein Christliches Gewissen gehandelt/ und solche eigentaͤhtliche Rache vor Gott schwer zuverantworten haͤtte/ dañ ich hatte ihn/ sagte er/ der Straffhand Gottes befohlen. Gallus entschuldigte sich/ berieff sich auff Gott/ daß Anderes Buch. daß er Herꝛ Fabius nicht im geringsten zu solcher Straffe angereitzet haͤtte/ und erkennete er hieraus Gottes sonderliche Versehung; dann/ sagte er/ wer hat diesen eiferigen Raͤcher aus geschikt? ohn Zweiffel hat es Gott selber getahn/ welcher ihm seine schaͤndliche Boß- heit und unerhoͤrete Grausamkeit hat auff seinen Kopf vergelten wollen/ vielen andern sei- nes gleichen zum merklichen Beyspiel/ sich von solchem Frevel zuenthalten. Ich erkenne es vor nichts anders/ antwortete er; aber man haͤtte gnaͤdiger mit ihm verfahren sollen/ uñ waͤhre ihm die Landesverweisung Straffe gnug gewesen. Das wuͤrde dem guten Markus wenig frommen und vergnuͤgung gebracht haben/ sagte Gallus/ der aniezt in tausend Freu- den gehet/ wie sehr ers gleich zuverbergen suchet. Eure Gn. aber zweifeln an dieser Frauen Verschwiegenheit gar nit/ welche vielleicht noch heut nach Korinth sich erhebẽ/ uñ daselbst ihre Wohnung nehmen wird; hat mich auch sehr instaͤndig gebehten/ ihre Gn. zuvermoͤ- gen/ sie daselbst auff ein Wort zusprechen. Ich aber habe diese Reise auch nicht uͤmsonst getahn/ sondern von der Franen 4000/ von Markus 600/ und von Fabius und Leches in- gesamt auch 600 Kronen/ als ein unbekanter Kauffmann vor meinen Mitzug/ wieder mei- nen Willen nehmen muͤssen. Valikules verwunderte sich der grossen Zuneigung dieser ehrliebenden Frauen/ und sagte: Ich bin verpflichtet/ dieser Frauen/ als meiner Schwe- ster/ Zeit meines Lebens gutes zutuhn/ werde es auch wissen in acht zunehmen/ uñ wil nicht unter lassen ihr zu Korinth zuzusprechẽ/ wohin wir/ geliebts Gott/ erstes Tages unsern Weg fortsetzen wollen/ nachdem ich mich schon uͤber die gebuͤhr in diesen Laͤndern auffgehalten habe. Als Gallus von Fr. Euphrosynen hinweg geschieden wahr/ hielten Fabius/ Leches und Markus miteinander Raht/ auff was weise sie eigentlich erfahren koͤnten/ ob Herꝛ Herkules dieser oͤrter sich noch auffhielte/ uñ wurden eins/ daß Markus den naͤhesten Weg nach Korinth zihen/ Fabius aber und Leches zu Elis sich etwas auffhalten/ und allerseits fleissige Nachfrage tuhn solten; sendeten auch achzig ihrer Soldaten uͤmher in die Flecken und Staͤdte/ auff zehn Meile weges/ ob sie ihn ausforschen moͤchten; wo nicht/ solten sie heut uͤber zwo Wochen sich zu Korinth wieder einstellen. Fr. Euphrosyne ließ inzwischen das Fruͤhstuͤk bereiten/ und alle ihre Baarschaften und Kleider auff Wagen packen/ taht ihres Vaters Bruder-Sohn das Schloß und die Herschaft auff Rechnung ein/ uñ maͤs- sigte der Untertahnen Frohndienste und andere Beschwerungen/ daß sie uͤber die helfte geringer wahren. Ihren Charidemus hatte sie des ersten Abends ohn alles Gepraͤnge las- sen zur Erden bestatten/ und zog mit ihrem Liebsten/ unter der Begleitung X Soldaten nach Korinth/ woselbst sie einen adelichen Hoff mietete/ und in demselben biß auff Markus Wiederkunfft (der mit Fabius die Reise zuvollenden willens wahr) ihre Trauerzeit ein- sam mit ihrem Gesinde zubringen wolte. Fabius und Leches aber blieben mit X Kriegs- knechten zu Elis/ liessen aussprengen/ sie waͤhren nach Korinth gezogen/ und legten sich in Valikules erste Herberge/ da sie der Ursach des Kampfs mit Parmenio uͤmstaͤndlich be- richtet wurden. Unserm Valikules wahr ihre Gegenwart unverborgen/ und daß man in den Stadtohren auff ihn acht zugeben befohlen hatte. Er troͤstete sich aber seines Raͤuber- Kuͤnstleins/ ohn dessen Huͤlffe er nicht leicht wuͤrde entgangen seyn/ und muste wieder sei- nen Willen noch zween Tage zu Elis sich auffhalten/ biß er seine Pferde/ Gelder und Waf- fen heimlich hinaus bringen kunte; worauff er sich eilig fort machete nach Korinth zurei- D d d ten/ Anderes Buch. ten/ und kehrete daselbst bey seinem Christlichen Wirte ein/ von dem er schon als ein Er- mordeter hoͤchlich beklaget wahr. Er meinete nicht/ daß Markus mit seiner Liebesten da- selbst schon solte angelanget seyn/ deren Leibdienerin des andern Tages vor seiner Herberge herging/ nnd ihn ohngefehr durchs Fenster sahe/ dann er hatte die angestrichene Farbe ab- getahn/ und seinem Wirte sich zuerkennen gegeben. Es wahr noch fruͤh morgens/ uñ zwei- felte die Magd anfangs/ ob sie recht såhe/ wolte die Gewißheit haben/ und machte eine fal- sche Werbung in das Haus/ da sie ihn eigentlich besahe/ uñ aus dem Hause wieder hinweg eilete. Zum guten Gluͤk ersahe sie Gallus/ kennete sie alsbald/ und fragete/ ob ihre Frau die- ses Orts schon angelanget waͤhre/ und warumb sie so eilete. Sie aber antwortete: Mein Freund/ haltet mich nicht auff/ dañ ich werde grosse Herꝛen erfreuen/ und ein reiches Boh- tenbrod verdienen/ wann ich ihnen dessen Zeitung bringe/ was ich in diesem Hause gesehen habe. Er hingegen fagete zu ihr: Bey Leib und Leben schweiget/ und tuht meines Herꝛn Gegenwart niemand als eurer Frauen zuwissen/ die euch schon weiter unterrichten wird; ging hin und vermeldete es seinem Herꝛn/ der sich entschloß/ des naͤhesten die Frau zubesu- chen. Markus ritte des folgenden Tages sehr fruͤh nach dem Meerhafen vor seiner Herbeꝛ- ge her/ welches eꝛ sahe/ und alsbald seinen Gallus an die Frau schickete/ ihr anzumelden/ daß er sie gerne sprechen wolte; welche alsbald ihre Dienerin mit Gallus zuruͤk sendete/ uñ ihn daruͤmb dienstlich ersuchen ließ. Er machete sich bald auff/ in einem gruͤnen Guͤldenstuͤcke (welches er zu Elis hatte machen lassen) bekleidet/ und hatte einen grossen blutroten Feder- pusch auff dem Hute. Da er nun so Fuͤrstlich zu ihr ins Gemach trat/ gruͤssete er sie hoͤflich und sagete: aͤdle und tugendreiche Frau/ hochwerte Freundin; ich kan wol mit Warheit beteuren/ daß mir nie von keiner Frauen groͤssere Dienste/ als von ihr beschehen sind/ in be- trachtung/ ich nicht allein durch ihren Vorschub mein Leben erhalten/ sondern/ nach dem sie hiedurch in grosse Angst gerahten/ sie mir noch eine unverdiente Freygebigkeit erzeigen/ uñ bey meinem Diener so viel tausend Kronen zum Zehrpfennige uͤberschicken wollen. Nun meine wahre Freundin/ ich bin dieses Orts des Vermoͤgens nicht/ so hohe Neigung zuveꝛ- gelten/ hoffe aber ungezweifelt/ da mir Gott das Leben weiter fristet/ Gelegenheit zuhaben/ daß mein dankbares Herz erkennet werde. Im uͤbrigen ist der wahre Gott mein Zeuge/ daß die Unbarmherzigkeit an Charidemus ergangen/ mir hoͤchlich mißfaͤllet/ wolte auch solche/ da mirs moͤglich gewesen/ gerne hintertrieben haben; wiewol ich gaͤnzlich glaͤube/ mein Gott habe es also geschicket/ dessen Gerichte/ ob sie gleich zu zeiten verborgen/ doch nie- mahls ungerecht sind. Bitte demnach/ meine in Ehren hoͤchstgeliebete Freundin wolle ih- ren Willen in Gottes Willen stellen/ und mit dessen Ordnung friedlich seyn/ und versichere sie/ daß ihr jetziger Braͤutigam gegen sie viel ehrerbietiger und hoͤflicher/ als Charidemus/ sich bezeigen wird. Den uͤbergeschikten Ring habe ich von meinem Diener empfangen/ uñ alsbald an diesen Finger gestecket/ welcher mir an stat einer stetswehrenden Erinnerung dienen sol/ wie viel ich meiner aller liebsten Freundin und Lebens-Retterin schuldig bleibe. Fr. Euphrosyne sahe ihn mit hoͤchster Verwunderung an/ kunte seiner freundlichen Bli- cke und Reden sich nicht ersaͤttigen/ und antwortete ihm gar zuͤchtig: Durchleuchtiger Fuͤrst; Gnaͤdiger Herr; ich moͤchte wuͤnschen/ eigentlich zuwissen/ mit wem ich rede/ da- mit ihm die gebuͤhrliche Ehre und Auffwartung von mir koͤnte geleistet werden; weil ich aber Anderes Buch. aber weiß/ daß Ihreꝛ Gn. nicht gefaͤllig ist/ erkennet zuwerden/ gebuͤhret mir nicht/ hiernach zuforschen. Nun schreibet ihre Gn. mir dero Erloͤsung zu/ aber ich sehe nicht/ warumb. Zwar daß auff mein Anhalten/ diese krafftigen Arme (die sie ihm zuͤchtig anruͤhrete) un- gebunden blieben sind/ rechne ich vor das beste Werk/ welches ich je begangen; aber ihre unglaͤubliche Staͤrke hat die Errettung selbst zuwegen bracht. Die Grausamkeit meines gewesenen Eheherren (hier fing sie an zu weinen) hat meiner Seelen unglaͤublichen Schmerzen verursachet/ und fehlete wenig/ ich waͤhre vor Angst nidergesunken/ daß ich mein Mitleiden nicht durffte merken lassen/ wie wol meine waͤsserige Augen dessen etwas Anzeigung geben kunten; wuͤrde mir auch der Tod lieber/ als die Zeitung gewesen seyn/ dz Charidemus Urtel waͤhre volstrecket worden; und weil mir unmoͤglich wahr/ mich uͤber euer Gn. Flucht so betruͤbt anzustellen/ als Charidemus es gerne gesehen haͤtte/ habe ich deßwegen nicht allein viel Scheltworte und harte Schlaͤge in kurzer Zeit annehmen/ son- dern/ welches mir ungleich mehr zu Herzen ging/ solche schmaͤhe- und ehren-ruͤrige Wor- te einfressen muͤssen/ deren ich noch diese Stunde nicht vergessẽ kan; habe ihm aber solches Zeit des Ungluͤks nicht geniessen lassen/ sondern haͤtte ihm das Leben gerne mit aller meiner Haabseligkeit erkaufft; wie wol ich nicht willens wahr/ bey ihm laͤnger zubleiben; dann er haͤtte mich ohn zweiffel endlich ermordet; sondern wolte mich zu meines Vaters Bruder nach Athen erhoben/ und bey demselben meine uͤbrige Zeit zugebracht haben/ welcher ein frommer alter Herr/ uñ Christlichen Glaubens ist/ wozu er mich gerne gebracht haͤtte/ wañ Charidemus es haͤtte zugeben wollen/ welcher mich auff solchen Fal oͤffentlich zuverbren- nen draͤuete. Meine in ehren geliebete Freundin/ sagte er/ ist auff sehr gutem Wege gewe- sen/ und moͤchte wuͤnschen/ daß sie des Vorsatzes annoch waͤhre/ massen ich sie versichere/ daß ausser diesem Christlichen Glauben kein Mensch die Seligkeit erlangen kan; dann ich bin auch ein Christ/ und wuͤnsche nichts mehr/ als das alle meine Freunde darzu gelangen moͤchten. Die Frau hoͤrete solches gerne/ und versprach/ nicht allein forthin als eine Chri- stin zu leben/ sondern auch ihren Markus eben dessen auff Gelegenheit zubereden. Worauf er ihr kurzen Unterricht des Christentuhms gab/ und sie ermahnete/ mit seinem Wirte Kundschafft zu machen/ der ein guter und fein gelehrter Christ waͤhre/ und sie zu dem Leh- rer daselbst fuͤhren koͤnte. Sie versprach ihm solches alles zuverrichten/ bedankete sich we- gen der Befoderung ihrer Seligkeit/ und kam nachgehends wieder auff ihr voriges/ da sie baht/ ihre Gn. moͤchten des wenigen Geldes halben so grosse Danksagung nicht leisten/ nachdem sie ihm mit alle ihrem Vermoͤgen herzlich gerne verbunden bliebe. Er bedankete sich des Erbietens/ und begehrete von ihr/ dafern seine Freundschafft ihr angenehm waͤhre/ moͤchte sie alle hohe Benennungen unter lassen/ und mit ihm als einen vertraueten Freund und ihres gleichen umbgehen. Ich bin meinem Gn. Herren zugehorsamen schuldig/ ant- wortete sie/ dafern mir solches zu keiner unhoͤffligkeit außgeleget wird; Zohe hiemit eine koͤstliche Kette hervor/ in deren jedem Gliede etliche teure Demanten versetzet wahren/ welche Fuͤrst Artaxerxes in Persen dem Parmenio geschenket/ da er ihn zu einem Kriegs- Obristen bestellet/ und auff 36000 Kronen geschaͤtzet waꝛd. Parmenio hatte sie ihr als sei- ner Schwaͤgerin vor wenig Wochen verehret/ wegen daß sie seine geworbene Knechte (die nun mehr alle verlauffen wahren) etliche Zeit gespeiset hatte. Diese Kette reichete sie ihm D d d ij in Anderes Buch. in einem Seidenen Tuͤchlein/ und sagete: Mein hochwerter Herr (weil eure Gn. von mir keiner hoͤheren Benennung kan gewaͤrtig seyn); dieses hat mir Parmenio ehemahls ge- schenket/ welches ich niemande zugedacht habe als ihm/ und bitte ehren-dienstlich/ es von mir als einen Nohtpfennig anzunehmen; dann weil ich merke/ daß mein Herr sich weit in die Morgenlaͤnder zubegeben willens ist/ und man allemahl in der Fremde keine Wechsel haben mag/ moͤchte es dereins demselben zu steuer kommen/ nach dem mans ohn alle hin- dernis unter den Kleidern tragen und verbergen kan. Sie wolte ihm aber von Parme- nions Geldern/ die bey ihr stunden/ nichts sagen/ dann sie befuͤrchtete sich/ er moͤchte ihr des- sen gar zu viel schenken. Valikules wegerte sich des annehmens nicht/ sagete doch/ dafern ers nicht zuvergelten haͤtte/ wuͤrde er solche Geizigkeit nicht spuͤren lassen; steckete ihr nach- gehends einen gar schoͤnen Ring an ihren Finger/ welchen er zu dem Ende eingekaufft hat- te/ und sagete: Er wolte sie hiemit ihm als eine Christliche Freundin verbinden/ daß ihre ehrliebende Freundschafft Zeit ihres Lebens nicht getrennet weꝛden solte: hoffete/ sie wuͤr- de ihm zum Gedaͤchtnis denselben nicht lassen von sich kommen; gab ihr uͤberdaß auch dz Ringelein zuverwahren/ welches er vor diesem Frl. Valisken zugeschikt/ und von Neklam wieder bekommen hatte/ und sagete: Meine werte und geliebete Freundin; ich gebe ihr dieses auffzuheben/ welches einer gebohrnen Koͤniglichen Fraͤulein zustehet/ die ich zuerloͤ- sen suche; bitte gar sehr/ es fo lange in obacht zu haben/ biß ichs mit einem viel besseren wie- der außwechfeln werde. Sie kunte auß dieser Rede leicht schliessen/ daß er sehr hohes Fuͤr- sten Standes seyn muͤste/ wolte sichs aber nicht merken lassen/ uñ verspꝛach/ es bey sich wol auffzuheben/ biß sie es entweder ihm/ oder dem Koͤnigl. Fraͤulein sebst wuͤrde einliefern koͤnnen, wuͤnschete ihm Gottes Huͤlffe und Gnade zu seinem Vorhaben/ und muste er ihr versprechen/ neben dem Fraͤulein auff der Ruͤkreise sie zubesuchen. Sie hatten sonst ihr Ge- spraͤch miteinander biß an den Mittag/ da er einen freundlichen Abscheid von ihr nam/ sie umbfing/ und der Gnade seines Heylandes sie befahl/ weil er nicht meinete/ daß er sie wie- der sprechen wuͤrde. Markus kam bald hernach zu Hause/ und ward von seiner Liebsten freundlich empfangen/ die er in mehrer Froͤligkeit antraff/ als bißher ihre Gewohnheit wahr. Des folgenden Tages ritte Valikules mit Gallus nach dem Hafen/ umb zuerfor- schen/ ob nicht Gelegenheit nach Syrien zu schiffen waͤhre; traff aber nur ein Schiff an/ welches uͤber sechs Tage nach Kreta segeln wolte/ woselbst man/ des Schiffers Bericht nach/ fast taͤglich Gelegenheit nach Syrien haben koͤnte. Er beklagete sehr/ daß er die Zeit daselbst vergeblich zubringen/ uñ von seiner Reise abgehalten werden solte/ welches er doch nicht endern kunte. Es funden sich diesen Morgen in seiner Heꝛberge acht Griechische Ritter an/ welche XXIV wehrhaffte Diener bey sich hatten/ Valikules aber blieb stets in sei- ner angestrichenen Farbe samt Gallus/ daher diese ihn vor einen ganz fremden und erst ankommenden hielten. Bey der Mahlzeit veruͤbeten sie zimlichen Pracht/ daß sie dem Wirte fast alle seine Speisen/ die doch untadelich wahren/ verachteten/ und das beste ihren Hunden vorworffen/ welches ihnen der Wirt endlich nicht uͤbersehen kunte/ sondern ihnen duͤrre unter die Augen sagete/ er haͤtte nunmehr XVI Jahr lang redliche Leute beherberget/ aber solchen Frevel haͤtte ihm noch kein Mensch gebohten/ und weil er solchen in seinem Hause nicht erdulden wolte/ solten sie ihm die auffgetragenen Speisen bezahlen/ und sich nach Anderes Buch. nach anderer Herberge umbtuhn. Der Vornehmste unter ihnen wolte ihn mit Schelt- wort angreiffen/ aber er gab ihm zur Antwort; dafern er sich zu krauß machen wuͤrde/ muͤ- ste er bey der Stad Obrigkeit Schuz suchen; sie solten ihnen ja nicht einbilden/ daß man in Korinth ihnen Freyheit goͤnnen wuͤrde/ einigen Inwohner zubeleidigen. Worauff die- se es naͤheren kauffs gaben/ aber zu Valikules Ursach sucheten/ weil derselbe nicht allein von dem Wirte mehr als sie geehret und genoͤhtiget ward/ sondern auch so viel darzu ge- redet hatte/ daß wan die Speisen ihnen nicht gefielen/ moͤchten sie es dem Herrn Wirt guͤtlich anzeigen/ und die Gaben Gottes nicht den Hunden vorwerffen. Welche erinne- rung sie nicht wenig verdroß. Es fing aber einer von ihnen an/ den Wirt zu fragen/ ob er sie nicht berichten koͤnte/ auff welcher Gasse und in was behausung man den Roͤmischen Ritter antreffen moͤchte/ welcher des loͤblichen Herren Charidemus junge Wittib als ei- nen freien Raub mit sich genommen haͤtte/ und deren mit Gewalt mißbrauchete. Ich weiß von einem solchen unredlichen Ritter nicht/ antwortete Amyntas der Wirt/ aber daß weiß ich wol/ daß Charidemus aus erheblichen Ursachen von dem Roͤmischen Gesanten zur Straffe gezogen/ auch dessen Witbe sich gutwillig unter dessen Schuz und Gehorsam ge- geben hat. Hieruͤber/ antwortete der Vornehmste/ habt ihr nicht zurichten/ und werden sich dessen schon andere als ihr/ annehmen; gebet uns nur Nachricht wo wir den rauberi- schen Entfuͤhrer antreffen moͤgen. Valikules vernam hieraus/ daß sie Rache an Markus sucheten/ und entschloß bey sich selbst/ sich seiner nach moͤgligkeit anzunehmen/ lies aber sich dessen anfangs nicht merken/ sondern sich stellend ob blutete ihm die Nase/ ging er hin- aus/ und folgete ihm Gallus/ dem er befahl/ was er gleich alsbald Markus in seiner vori- gen Kauffmans Gestalt vortragen solte; er aber/ nach dem er sich zum Schein gewaschen hatte/ ging wieder hinein zu der Geselschafft/ welche inzwischen von dem Wirt zu wissen begehreten wer dieser junge Kerl waͤhre; welches er mit wenigem beantwortete; er waͤh- re ein Roͤmischer Herr und Ritter/ redlich und from/ welcher erst gestern angelanget/ und bald wieder fortgehen wuͤrde. Als Valikules wieder hinein trat/ stellete er sich ernsthafftig/ und baht den Wirt/ ob er etwa von einem Roͤmischen Ritter gehoͤret haͤtte/ welcher solche Untaht begangen/ dessen ihn diese Herren zeiheten/ moͤchte er ihm solches unbeschweꝛt mel- den; er vor sein Haͤupt wolte nicht hoffen daß Roͤmische Ritter solche Bubenstuͤk begingẽ/ doch wann es geschehen waͤhre/ wolte ers vielmehr raͤchen als entschuldigen/ ungeachtet eꝛ selbst ein Roͤmischer Ritter waͤhre. Der Vornehmste unter den Griechen/ Nahmens Aristodemus/ antwortete ihm; der Rache halben duͤrffte er unbekuͤmmert seyn/ nachdem sie dieselbe auff sich genommen haͤtten. Valikules aber taht anfangs/ als hoͤrete ers nicht/ und gab acht auff Amyntas Antwort/ welcher zu ihm sagete; ja mein Herr/ ich weiß zwar/ daß ein Roͤmischer Ritter/ nahmens Herr Markus/ vor wenig Tagen hieselbst mit ge- dachter Wittiben ankommen ist/ welche bey dem Raht hieselbst angesucht/ ihr zu goͤnnen/ daß sie eine Zeitlang in ihrem gemieteten Hause bey uns wohnen moͤchte/ und sol gedach- ter Ritter bey ihr seyn/ nicht als ein gewalttaͤhter/ sondern als ein Freund. Ja wol als ein Freund/ redete der andere Grieche/ nahmens Eubulus darzwischen; nach dem sie geschaͤndet ist/ muß sie wol auß der Noht eine Tugend machen/ damit sie bey ehren bleibe. Valikules wolte dieses noch nicht beantwoten/ sondern fragete den Wirt von wannen D d d iij die- Anderes Buch. dieser Ritter Markus moͤchte kommen seyn; Von Padua/ antwortete er/ mit Herrn Fabius dem Roͤmischen Gesanten/ dessen Schiffs-Hauptmann er seyn sol. So ist Herr Fabius mein Freund/ und Ritter Markus mein guter Bekanter und Mit Roͤmer/ an- jetzo in dieser Landschafft? sagete Valikules/ als mit verwunderung; Gewißlich ihr Her- ren/ redete er zu den Griechen/ ihr werdet von diesem Ritter unrechten Bericht eingenom- men haben/ dann zu solcher unverantwortlichen Untaht daß er aͤdle ehrliebende Weibes- bilder schaͤnden und entfuͤhren solte/ ist er viel zu redlich. Archidas der dritte fragete ihn/ was er sich hierumb zugeheihen haͤtte/ sie wolten dem Entfuͤhrer seine Untaht mit dem Schwerte schon uͤberbringen. Einem redlichen Ritter/ antwortete er/ muß man von kei- nem geheihen sagen; und moͤchte er wol wissen/ daß er willens waͤhre sich seines Freundes und guten bekanten anzunehmẽ/ dafern er wuͤrde unschuldig seyn; wo nicht sollet nicht ihr/ sondern seiner Obrigkeit Schwert die gebuͤhrliche Rache verrichten. Ich glaͤube/ sagte Theellus der vierde Grieche/ ihr werdet euch unterstehen wollen/ der freien Griechischen Ritterschafft neue Gesaͤtze vorzuschreiben/ uñ ihre loͤblichen Gebraͤuche auffzuheben. Mit nichten/ antwortete er/ sondern ich wil helffen arbeiten/ daß ein nicht minder freier Roͤmi- scher Ritter vor Ungebuͤhr befreiet bleibe. Auff was Weise gedenket ihr solches ins werk zurichten? fragete Speusippus der fuͤnffte. Auff alle gebuͤhrliche und wol zulaͤssige/ welche dem Ritterstande weder Schimpff-noch verkleinerlich sind/ antwortete er. Ist dann hier- unter ein ritterliches Treffen mit verstanden? fragete Philippus/ der sechste. Ja/ warumb nicht? antwortete er/ wann ich auff guͤtlichere Weise nicht koͤnte davon kommen/ muͤste ich mich billich meiner ritterlichen Freyheit/ daß ich mich wehren darff/ erinnern. Es ge- het aber in Griechenland mit dem ritterlichen Gefechte scharf daher/ sagte Evagoras der siebende. Wans nur redlich und ohn hinterlist zugehet/ antwortete er/ so tuht billich ein je- der sein bestes; habe aber von meinem Herꝛn Wirt verstanden/ daß es mit dem Kampf zwi- schen den fremden Ritter und Parmenio/ nicht gar zu redlich sol zugangen seyn/ da dieser seine Knechte zu huͤlffe geruffen hat. Wie ist euer Nahme/ der ihr dieses reden duͤrffet? fragete der achte und lezte/ Phayllus. Meinen Nahmen leugne ich nicht/ welcher Julius Probus heisset/ und daß ich die Warheit rede/ wird mir kein Mensch veruͤbeln/ viel weni- ger verbietẽ/ sagte er. Ich moͤchte wuͤnschen/ sagte Aristodemus der erste/ daß euer Freund Markus bey euch waͤhre/ dañ koͤnte man euch beyden auff einmahl antwort geben. Ist die Antwort auf Billigkeit gegruͤndet/ so wil ich sie in unser bey der Nahmen anhoͤren/ antwor- tete er/ und bescheidentlich wieder antworten. Griechische Ritter gehen mit keiner Unbil- ligkeit uͤmb/ sagte Eubulus/ und wer sie dessen zeihen wolte/ muͤste druͤber zuschanden wer- den. Ich ehre die Griechische Ritterschaft gebuͤhrlich/ antwortete er/ uñ sage bestaͤndig/ wer so frevel hafft seyn/ und eines ganzen Landes Ritterschafft schelten wolte/ muͤste bill ich in stuͤcken zurissen werden. Daß aber unter eines ganzen Landes Ritterschafft nicht zu zeiten ein oder ander reudig Schaff solte gefunden werden/ wird kein Verstaͤndiger leugnen/ dem die Welt nur ein wenig bekant ist. Wann wir mit unter die Redlichen eingeschlossen werden/ sagte Archidas/ gehet uns das uͤbrige nichts an. Und weil von den anwesenden Herꝛen ich weder gutes noch boͤses weiß/ antwortete er/ nach dem sie mir unbekant sind/ halte ich sie billich so lange vor redlich/ als mir nicht ein schlimmers vorkomt/ ja ich trage zu Anderes Buch. zu ihnen samt und sonders das Vertrauen/ die meinem Freunde Markus und mir/ zuge- dachte Antwort werde nicht unredlich seyn/ weil wir uns keiner Unredligkeit bewust sind/ ausser daß ich die ietzige Beschuldigung meines Freun des biß dahin aussetzen muß. Das erste ist was scharff/ das andere wird sich finden sagte Theellus/ wann nur der Taͤhter an Tages Liecht komt. Ein Hausdiener foderte hieselbst Valikules hinaus/ da ihm Gallus von Markus antwort brachte; eꝛ bedankete sich gegẽ ihn/ als einen Unbekanten ganz dienst- lich/ daß er seine Ehr als eines Abwesenden hatte retten/ und zugleich zu seinem Beystande sich anmelden wollen; die begehrete X Soldaten und XXVI gewapnete Schiffknechte wuͤꝛ- den bald verhanden seyn/ als dañ er sich einstellen/ und seine Unschuld ritterlich handhaben wolte. Fr. Euphrosyne wahr hieruͤber sehr bekuͤmmert/ merkete aber leicht/ daß Herkules in unbekanter Gestalt sein Leben neben Markus zu ihrer Ehren-Rettung wagen wolte; doch suchte sie Gelegenheit/ es in der Guͤte beyzulegen/ und machte sich fertig/ nach Herku- les Herberge zufahren/ uͤmb zuvernehmen/ wer dieser boßhafften Verleumdung Stiffter waͤhre; welches ihr Markus nicht wehren durffte. Als sie in die Essestuben trat/ und zwar in ihren Traurkleidern/ wolten die Griechen auffstehen/ und sie empfahen; aber sie redete also zu ihnen; ihr Herꝛen Schwaͤgere/ bleibet stille an eurem Ort sitzen/ wo ihr sonst nicht wollet/ daß ich ungeredet wieder hinweg gehen sol; ich werde veꝛtraulich berichtet/ ob finde sich einer oder ander unter euch/ der uͤber einige Gewalt und Ungebuͤhr klaget/ welche mir an meinem Leibe und an meiner Ehre solte angefuͤget seyn. Diesem wiederspreche ich hie- mit bestaͤndigst/ und sage/ daß wer solches redet/ habe es als ein schaͤndlicher Verleumder und gottloser Ehrendieb voꝛgebracht/ der mir auch solches beweisen/ oder davor leiden sol. Stille mit solcher Pfeiffe/ sagte Aristodemus; ihr seyd hierzu abgerichtet/ ihr Ungetraͤue/ und wollet dadurch eure Untugend beschoͤnẽ/ welche wir bißher vertuschet/ uñ alle Schuld auff den Taͤhter geleget haben. Ich kenne euch wol/ Aristodemus/ antwortete sie/ aber ge- denket nur nicht/ daß ich mich vor euch fuͤrchten werde/ nun ich zu Korinth bin; uͤmb euret/ und eures gleichen willen/ habe ich mich von meinem Schlosse hinweg gemacht/ weil ich nicht zweifelte/ ihr wuͤrdet dasselbe vielmehr in meinem Witwenstande bey mir suchen/ wessen ihr euch schon/ da ich verheyrahtet wahr/ durfftet geluͤsten lassen. Und ihr ehrlicher Eubulus/ weꝛ hat euch so kuͤhn gemacht/ hieselbst zuerscheinen/ und mich einiger Ungebuͤhr zubeschuldigen? Ist euch die Ruͤckenwunde zugeheilet/ welche euch vor sechs Wochen Herꝛ Charidemus Seel. schlug/ da ihr euch gegen mich so unzuͤchtig bezeigetet? Frau/ Frau/ sagte Archidas/ nicht zu grosse Zungen Freyheit. Ja du bist wol ein ehrlicher Geselle/ antwortete sie/ koͤnte dein Eheweib das fromme unschuldige Herz wieder von den Todten auferstehen/ darin du sie durch schaͤndlichen Meuchelmord gestuͤrzet hast/ soltestu des Buͤt- tels Hand nicht entlauffen. Was habt ihr dann auff mich zusprechen? sagte Theellus. Ist einer unter euch redlich/ so seyd ihrs wol alle/ antwortete sie/ und wundere ich mich/ wie die- ser Drek sich so schleunig wieder ein ehrliches hochbetruͤbtes Weib zusammen geschlagen hat. Das ist zuviel/ sagte Speusippus/ eine ganze ehrliche Geselschafft zuschaͤnden. Jawol eine ehrliche Geselschafft/ antwortete sie/ goͤnne du mir nur Zeit/ so wil ich deine Mordtah- ten dir leicht uͤberbringen; und eben du bist derselbe/ der meinen gewesenen Ehherꝛn wie- der mich verhetzet/ und ihm den moͤrdlichen Anschlag gegeben/ wie er durch des erschlage- nen Anderes Buch. nen Nikokles Verraͤhterey/ des Parmenions uͤberwinder in seine Gewalt bekommen/ und sich an ihm raͤchen koͤnte. Aber was zanke ich mich mit einem so schlimmen Wuhst; ihr uͤbern Hauffen seyd meines Gespraͤchs nicht wirdig/ noch daß ein redlicher Ritter sein Schwert gegen euch entbloͤssen solte. Hernach wendete sie sich gegen Valikules/ erkennete seine Verstellung/ und redete ihn also an: Hochaͤdler und Vester Ritter/ ob zwar der redli- che Ritter Markus/ nicht ersinnen kan/ was vor ein grosser Freund sich gegen diese Ver- leumder seiner so getraͤulich angenommen/ so erkennet er solches doch vor einen solchen Dienst/ welchen er nicht anders/ als mit seinem Blute zuersetzẽ weiß. Ich vor mein Haupt rede alhie als vor dem Angesicht des allerhoͤchsten warhafftigen Gottes/ daß weder Ritter Markus noch einiger ander Roͤmischer/ mir nicht die allergeringste Kraͤnkung meiner Ehren zugemuhtet habe/ sondern nachdem ich von dem Roͤmischen Herrn Gesanten ver- staͤndiget worden bin/ wie hoch Roͤmische Kaͤyserl. Hocheit/ unter deren Gebiet ganz Grie- chenland ist/ durch die Verurteilung des fremden jungen Ritters beleidiget sey/ habe ich mich unter dessen Schutz ergeben/ damit ich beydes an Ehr und Guͤtern moͤchte unbelei- diget bleiben/ denen beyden zum wenigsten viere unter diesen Schelmen wuͤrden nachge- trachtet haben. Hochaͤdle/ mir biß daher unbekante Frau und Freundin/ antwortete Va- likules; Ich/ nahmens Julius Probus/ ein Roͤmischer Ritter/ vernehme ungerne die schlimmen Benahmungen/ mit welchen gegenwaͤrtige acht Ritter von eurer aͤdlen Tu- gend angesehen werden; welches ich/ als der ich ihr Richteꝛ nicht bin/ dahin muß gestellet seyn lassen; und hoffe ich/ es werden dieselben/ von euch so uͤbel geneñete/ nunmehr sich nicht wegern/ die Antwort hoͤren zulassen/ welche sie Ritteꝛ Markus und mir versprochen/ so wil ich mich in unser beyder Nahmen darauff gebuͤhrlich heraus lassen. Aristodemus winkete Phayllus/ sich zuerklaͤren; Welcher/ weil er das Maul wol zugebrauchen wuste/ also an- fing. Wann der frechen Weiber Art mir unbekant waͤhre/ sonderlich deren/ die ihres alten Ehherrn muͤde/ nach einem jungen sich umsehen/ wuͤrde ich mich uͤber der Kakophrosynen (also verkehrete er ihren guten Nahmen) Laͤster Maul biß auff die Ohmacht entsetzet habẽ; Weil aber die ganze Welt solcher Schandhuren Brauch kennet (O du Schelm! sagte Euphrosyne/ er aber fuhr fort)/ ist unnoͤhtig diesen garstigen und uͤbelstinkenden Drek zu- treten/ damit er nicht noch weiter redlichen Rittersleutẽ unter das Angesicht spruͤtze. Euch aber Julius Probus wie ihr euch nennet/ und eurem unredlichen Gesellen Markus gebe ich hiemit die begehrete Antwort/ daß wir acht ehrliche Ritter wider ihn und alle/ die sich sein annehmen/ es mit unserm Speer und Schwert nach wolhergebrachter Ritters-art/ behaͤupten/ und darlegen wollen/ daß er mit diesem Schand-Balg/ unter der Zeit/ da ihr ehrlicher und unschuldiger alte Eh Herꝛ Charidemus zum unbillichen Tode ist hinaus ge- fuͤhret worden/ sich in geiler Unzucht erlustiget habe; Welches/ weil es zur hoͤchsten Be- schimpffung des ganzen loͤblichen Griechischen Adels gereichet/ kan es von uns/ als des Hochseel. Herrn Charidemus nahen Anverwanten und Blutfꝛeunden/ ungerochen nicht gelassen werden. Euphrosyne fing an: Und wann mir dieser acht Schelmen Bosheit nit so helle und klar vor Augen stuͤnde/ muͤste ich vor Angst vergehen; weiß aber/ Gott Lob/ daß ich solcher Beschuldigung so ferne bin/ als wahr der gerechte Gott lebet/ welcher auch/ wie mir mein Herz es saget/ diese Gottlose und Ehrvergessene Buben ungestraffet nicht lassen wil. Anderes Buch. wil. Aedle Frau/ sagte Valikules/ redet ihr dieses mit reinem Gewissen? Ja mein Herꝛ/ sagte sie ganz freidig/ so wahr ich gedenke dereins vor des allerhoͤchsten Gottes Angesicht wol zu bestehen; wil mich auch nicht wegern/ die alleꝛgrausamste Pein uͤber mich zunehmẽ/ wann ich von diesen Ehrendiebẽ einiger Unzucht kan uͤberwiesen werden; die ietzige Ver- leumdung betreffend/ kan ich meiner Leibjungfer und anderer Dienerinnen Zeugnis vor- bringen/ daß biß an diese Stunde ich kein Augenblik mit Ritter Markus allein gewesen/ habe auch allemahl zum wenigsten drey oder vier Weibesbilder so wol bey Tage als Nach- te umb mich gehabt. Wolan/ sagte Valikules/ ich muß dieser hohen Beteurung billich glaͤuben/ biß das Widerspiel hell und klar erwiesen werde. Wer hat euch aber zum Rich- ter gesetzet? sagte Aristodemus; ich glaͤube nicht/ daß der geringste Bube sich eurem grauen Haͤupt unter geben werde. Ich begehre auch in dieser Jugend noch keines grauẽ Haͤuptes/ werffe mich eben wenig zum Richter auff/ antwortete er; aber dieser aͤdlen Frauen/ die ich vor ehrlich und unschuldig halte/ mich anzunehmen/ zwinget mich mein Ritterstand/ bey dessen Antretung ich aͤidlich angelobet/ alle elende Weibesbilder unter meinen moͤglichen Schutz zufassen; deswegen erbiete ich mich/ dafern ihr Achte/ die ausgestossene Verleum- dung wider diese Tugendreiche Frau nicht wieder ruffen/ und derselben gebuͤhrlichen Ab- trag machen werdet/ wil ich mit meinem Schwert und Speer wider euch alle/ einen nach dem andern/ behaͤupten/ daß ihr durch solche schaͤndliche Verleumdung euren Ritterstand verunehret/ und euch desselben allerdinge unwirdig gemacht habet. Und gesetzet/ ihr haͤttet etwas unzimliches von ihr gewust/ haͤttet ihr doch sollen auff andere/ als solche weise ver- fahren. Erkennet ihr mich nun als einen Roͤmischen Ritter wirdig eures Speers und Schwerts/ so stellet euch auff den fall eurer beharlichen Beschuldigung/ gegen mich/ nach der Ordnung/ wie ihr mit mir die erste Rede gepflogen habet/ doch also/ daß der lezte/ wel- cher auch vor dißmal der Worthalter in grosser Kuͤhnheit gewesen ist/ den Anfang mache; Da es mir aber in dieser vermeyneten guten Sache/ wider euer einem oder andern miß- lingen solte/ als dann und nicht ehe/ sol mein Freund Markus Macht haben/ seine Ehr und Ritterlichen Leumut wider euch auch zuverfechten. Mein Herr/ sagte Fr. Euphrosyne/ mit was vor Gehorsam kan ich unwirdige dieses hohe Erbieten im wenigsten ersetzen? Weil aber das Ritterliche Wort gesprochen ist/ nehme ichs billich an/ nur das ich im Nah- men Ritter Markus sehr bitte/ ihm an solchem Kampffe auch Teil zugoͤnnen. Bekuͤm̃ert euch nicht/ meine Freundin/ sagete er; ist eure Sache so gut/ als ihr saget und ich glaͤube/ alsdann wird mir Gott die Krafft verleihen/ nicht nur diesen achten/ sondern zwanzigen ihres gleichen/ eine Reue ihrer Verleumdung anzubringen. Ich moͤchte auch gerne redẽ/ sagete Aristodemus. Es ist euch erlaͤubet/ antwortete Valikules. Dieser eiferte sich daruͤ- ber und fing an: So hoͤret dann/ ihr stolzer Narr: Es ist der Kampff auff begehrete wei- se von uns angenommen/ wiewol michs verdreust/ daß ich der lezte in der Ordnung geset- zet/ und also alles Streitts enthoben bin. Dieser waschhafften unverschaͤmten Huren und Ehren Diebin Boßheit sol bald an Tageslicht kommẽ/ und werdet ihr viel zu spaͤte beseuff- zen (dann zur Klage wird keine Zeit uͤbrig seyn) daß ihr diesem Balg so leicht geglaͤubet/ und unsere Tapfferkeit so liederlich geschaͤtzet habet. Mein/ ihr scheltet und draͤuet/ antwor- tete Valikules; aber ich hoffe vor Abends noch sehen zulassen/ ob ihr ursach habt/ mich vor E e e einen Anderes Buch. einen stolzen Narren ausruffen; sonsten eure Tapfferkeit/ wo die nit groͤsser/ als eure Hoͤf- ligkeit ist/ wird sie mir wenig schrecken bringen. Aber wz vor Bedingungen unseꝛs Kampfs setzet ihr? Keine gelindere/ antwortete Eubulus/ als daß der uͤberwundene den Tod/ oder die Leibeigenschafft willig annehme. Wol! sagte Valikules/ ich gelebe eures Willens. Fr. Euphrosyne sagte zu jenem: Ich hoffe zu Gott/ du solt hie nicht ein Eubulus (heist ein gu- ter Rahtgeber) sondern ein Kakobulus (heisset ein boͤser Rahtgeber) an deiner seite seyn. Bekuͤm̃ert euch weiters nicht/ meine Freundin/ sagte Valikules zu ihr/ sondern zeiget mei- nem Freunde/ Ritter Markus an/ ich habe ursach/ mich vor ihm zuverhehlen/ deßwegen sey mein begehren an ihn/ mich zur Offenbahrung meiner selbst nicht zunoͤhtigen/ sondern un- ter gutem Schutze/ umb unredlichen uͤberfall zuverhuͤten/ vor dem Norden Tohre sich fin- den zulassen/ woselbst ich auch erscheinen/ und meinem Worte nach Moͤgligkeit Krafft geben wil. Ihr Ritter aber/ befahret ihr euch an meiner seiten ganz keiner Unredligkeit/ doch enthaltet euch deren auch nach Gebuͤhr. Mein Herr/ sagte Amyntas der Wirt/ be- sorget euch dessen gar nicht; ich habe dem Rahtmeister schon die Sache angedeutet/ wel- cher 100 bewehreter Mann auffbieten laͤsset/ den Kampffplaz vor aller Unbilligkeit zube- wahren. Wolan/ antwortete er/ so gehe ich hin mich zuwapnen/ und mich auff Wunden zu schicken. Hastu genug/ rief ihm Archidas nach/ wann ein jeder dir eine einzige anbringet? Werde ich recht getroffen/ sagte er/ kan mich ein Stoß oder Hieb nideꝛlegen. Fr. Euphro- syne wahr schon hinweg gangen nach ihrem Markus/ welcher auff angehoͤrete Erzaͤhlung sie herzlich baht/ ihm zuoffenbahren/ was vor ein Angesicht der fremde redliche Ritter haͤt- te; welches sie getraͤulich verrichtete. Worauff er sagete: es waͤhre ihm unmoͤglich/ aus- zusinnen/ wer dieser Julius Probus waͤhre. Seine Soldaten und Schiffknechte kahmen in grosser Eile/ machten sich mehrenteils beritten/ und geleiteten ihn hinaus. Es wahr a- ber eben derselbe Platz/ woselbst Valikules des moͤrderischen Akusilaus Oheimben nider- gelegt hatte. Bald darauff stelleten sich die acht Ritter mit ihren Dienern auch/ und ritte Valikules nahe hinter ihnen her/ von XL bewapneten Buͤrgern begleitet/ machte sich hin zu Markus/ und mit verstelleter Heiserigkeit und auffgeschlagenem Helme redete er ihn al- so an: Mein Herr/ er verwundere sich nicht/ daß ich ihn/ und er mich nicht kennet/ zu seiner Zeit werde ich mich melden/ und er solches zur Unzeit von mir nicht begehrẽ. Wir wollen hieselbst die Zeit mit langem Gespraͤche nicht zubringen/ uñ habt ihr diesen Verleumdern vor dem Gefechte etwas anzumelden/ werdet ihrs kuͤrzlich verrichten/ doch daß mir durch- aus der erste Kampff verbleibe/ damit ich nicht angesehen werde/ ein mehres geredet zuha- ben/ als ich zutuhn willens. Ich verbleibe meines Herrn Gehorsamer/ antwortete er/ und sage ihm mit einem Worte Herzens-Dank vor seinen Beystand; Ritte hierauff mit auf- geschlagenem Helme gegen die Griechischen Ritter/ und redete sie also an: Ich bin berich- tet/ daß ihr Achte/ mich einer Ungebuͤhr gezihen habt/ die ich mit der aͤdlen Fr. Euphrosy- nen/ dort auff jenem verdecketen Wagen haltend/ sol begangen haben. Ich widerspreche solcher schaͤndlich-erlogenen Verleumdung/ und weil meinem Beystand ich nicht vor- greiffen darff/ erbiete ich mich/ nach dessen Kampffs Endigung/ alles dasselbe mit meinem Speer und Schwert/ durch des reinen Himmels Beystand zuleisten/ welches zuꝛ Rettung meiner Redligkeit/ welche ihr ohn alle Ursach schaͤndet/ von mir erfodert wird. Gib dich zufrie- Anderes Buch. zufrieden/ du Ehebrecher/ sagte Aristodemus/ es sol dir nur gar zu fruͤh kommen/ was du suchest. Du Schaͤnder leugest/ antwortete er/ welches ich durch des Him̃els Huͤlffe offen- bahr machen wil. Es wolte Valikules die Zeit zulange wehren/ deßwegen winkete er dem Phayllus mit dem Speer/ welcher grosse Ehre einzulegen hoffete/ aber da es zum treffen kam/ flohe er uͤber den Sattel hinter sich/ als haͤtte ihn der Wind herunter gewehet; doch ehe sein Feind den Lauff geendet hatte/ stund er auff den Fuͤssen/ weil er unbeschaͤdigt blie- ben wahr. So bald Valikules bey ihm anlangete/ stieg er ab/ trat ihm entgegen/ und sage- te: Du bist ein besserer Schaͤnder und Springer/ als Stecher; laß aber auch sehen/ was du vor ein Fechter seyst. Damit ging er mit solcher Krafft auff ihn loß/ daß er alsbald hin- ter sich zu weichen gezwungen ward. Weil er dann nicht lange mit diesem unerfahrnen zu- bringen wolte/ betaͤubete er ihn mit wenig kraͤfftigen Schlaͤgen/ rennete ihn mit seinem Schilde zu bodem/ beraubete ihn des Schwerts/ Schildes und Helmes/ und gab ihm mit dem Knopffe seines Schwerts einen Stoß wider die Stirn/ daß ihm geschwand; wor auf er zween Schiffknechte zu sich foderte/ welche ihn binden/ und an Fr. Euphrosynen Wa- gen fuͤhren musten. Sie hielt auff einer nahen Hoͤhe/ da sie allen Verlauff sehen kunte/ veꝛ- wunderte sich des schleunigen Sieges/ und sagete zu dem gefangenen: Sihestu nun Pha- yllus/ vielmehr Phaulus (heisset ein Nichtiger) zunennen/ was gestalt der gerechte GOtt den falschen Luͤgenern das Maul zu stopffen pfleget. Ich hoffe/ sagte dieser/ meine Gesellen werden mich schon loßmachen/ und meinen Unfall/ der mir wegen meines Fiebers zuge- stossen/ gebuͤhrlich raͤchen. Du kanst noch nicht auffhoͤren zu luͤgen/ sagte sie; kehrete damit ihr Gesicht nach der Streitbahn/ und sahe den Evagoras sich schon im Sande kruͤmmen; massen als die Griechen sahen/ daß der Anfang an ihrer Seite so schlecht und ungluͤklich wahr/ ritten sie zusammen/ und ermahneten sich unter einander zur vorsichtigen Tapffer- keit/ welche jeztgedachter Evagoras bedacht wahr zuerweisen/ aber Valikules traff ihn mit dem Speer in den Unterbauch/ dz ihm das Eisen gar hindurch ging/ uñ im Leibe steckẽ blieb/ welches diesem einen geschwinden Tod verursachete/ so daß nach dreymal wiederholetem Jam̃er- und Wehgeschrey/ ihn der Todesrampf zu ihen begunte. Valikulus meynete nit/ dz er so hart verwundet waͤre/ ritte zu ihm/ stieß ihn mit dem uͤberbliebnẽ stuͤcke seines Speeꝛs an/ uñ fragete/ ob ihm nit gefallẽ koͤnte/ sein Schwert zuergreiffen/ sahe aber/ dz eꝛ schon mit dem Tode rang/ uñ ließ ihn ligen. Philippus/ der dritte in der Ordnung/ entsetzete sich uͤber diesen Unfal/ und als er loßbrechen wolte/ sagte er zu seinen Gesellen: ich fuͤrchte/ der heuti- ge Tag habe keinen Griechischen// sondern einen Roͤmischen Gott zum Auffseher/ daher duͤrffte uns das Wasser uͤber die Koͤrbe gehen; solte ich nun unten liegen/ wuͤrde ichs zu spaͤt bereuen/ daß ich mich von dem jetzt ertoͤdteten Evagoras zu diesem boͤsen Vornehmen habe verleiten lassen. Valikules traff ihn/ daß er mit samt dem Pferde uͤbern hauffen fiel/ und daß linke Bein rein abbrach/ daß es unter dem Knie bammelte/ daher er ein jaͤmmer- liches Geheule trieb/ da sein Obsieger zu ihm nahete und ihn zum Streit auffmahnete/ welcher als er ihn so beschaͤdiget sahe/ rieffer etliche Schiffer herzu/ die ihn weg tragen musten. Fr. Euphrosyne empfing ihn mit diesen Worten; Euch Philipp habe ich vor ehrlicher angesehen/ als daß ihꝛ in solche Schelmstuͤcken euch soltet haben eingemischet/ zweiffele auch nicht/ ihr seid von anderen darzu verleitet. Dieser kunte wegen Schmerzen E e e ij nicht Anderes Buch. nicht antworten/ und ließ sie einen Arzt herzuruffen/ welcher ihn verbinden muste; der ihm aber diesen Trost gab; es muͤste ihm das Bein abgeschnitten werden/ oder ungezweiffelt wuͤrde er sterben. Nach dieses Niderlage ritte Markus hin zu Valikules/ wuͤnschete ihm Gluͤk zum dreyfachen Siege/ und baht ihn sehr instaͤndig/ daß ihm gegoͤnnet seyn moͤchte mit dem vierden ein treffen zutuhn; welches ihm endlich erlaͤubet ward. Dem Griechen Speusippus wahr hierzu sehr liebe/ traffen auffeinander und hielten beyderseits redlich aus/ daß die Speere in stuͤcken brachen/ daher sie zu den Schwertern griffen/ und beher- zet gnug auffeinander schlugen; aber Markus gute Sache und Erfahrenheit behielt die Oberhand/ daß er ohn Wunden blieb/ und sein Feind dergestalt an unterschiedlichen Or- ten getroffen ward/ daß ihm alle Krafft entging/ daher er ihm im Falle nachsprang/ und durch abschneidung der Gurgel ihm das lezte Ende beybrachte. Die Reihe traff nunmehr den hochtrabenden Theellus/ welcher sich bey den ersten beyden Treffen befuͤrcht ete/ ihm wuͤrde die Gelegenheit/ seine Mannheit zubeweisen/ von den vorgehenden entrissen wer- den/ und nunmehr haͤtte er wol gewuͤnschet mitten in Thrazien/ in der Stad Nikopolis zu sitzen/ von dannen sein Vater entsprossen wahr/ insonderheit/ als er sahe/ daß Valikules mit ihm anlegen wolte; endlich verkehrete sich die Furcht in ein Rasen/ und weil er dem Speer gar nicht trauete/ warff er solches von sich/ fassete das Schwert/ und setzete eiferigst auff seinen Außfoderer an/ welcher sich ihm gleich bezeigete/ und gar bald bey ihm anklop- fete/ daß er die wichtigkeit seiner Arme empfinden muste; er taht aber sein aͤusserstes/ sich zuwehren/ wiewol es ihm wenig halff/ weil Valikules seinem Blute durch unterschiedli- che Wunden Lufft machete/ daß ihm die Wuht geleget ward. Ihr Buben/ sagte unser Held zu ihm/ wollet ihr Gott und der Warheit noch nicht die Ehre geben/ und eure Boß- heit bereuhen/ muͤsset ihr gewißlich am verstande gar verblendet seyn. Dieser hatte noch gute Hoffnung auff Aristodemus gesetzet/ und gab zur Antwort: ich bin mir keiner Boßheit bewust/ ist auch nichts neues/ daß das blinde Gluͤk neben der guten Sache hinsihet. Wie gut deine sey/ sagte Valikules/ sol vor verlauff einer guten Stunde der Welt schon vor Augen stehen; schlug ihn damit uͤber den Helm/ daß ihm das Gehirn im Kopff erzitterte/ und er vom Pferde stuͤrzete/ daher ihn drey Schiffknechte annahmen/ und nach Fr. Eu- phrosynen hinleiteten/ welche zu ihm sagete. Und du frecher Ehrenschaͤnder mustest dich auch in diese Noht stuͤrzen/ dessen du sehr wol haͤttest koͤnnen geuͤbriget seyn. Das Gluͤk ist rund/ und aller Tage Abend noch nicht kommen/ antwortete dieser; wiewol ich mich nicht zuerinnern weiß/ daß ich wieder eure Ehre ichtwas geredet habe. Dieser Phaulus/ sagte sie/ ist eurer aller Mund gewesen/ dessen kanstu dich erinnern. Markus haͤtte gerne noch einen gang mit dem folgenden Archidas gewaget/ aber Valikules baht ihn/ sich zu maͤssi- gen/ traff auch den jezt genanten daß er vom Pferde als ein Klaͤuel purzelte/ behielt doch den Zaum an der Hand/ und setzete sich wieder auff/ daß er mit dem Schwerte schon fertig wahr/ als Valikules zu ihm nahete/ welcher zu ihm sagete: Bistu schuldig an der Ubeltaht/ welche die redliche Fr. Euphrosyne dir unter die Nase gerieben hat/ so gedenke nur daß deines ermordeten Weibes Blut gleich jetzo Rache von dir haben wolle. Dieser ward durch solche Erinnerung so bestuͤrzet/ daß ihm Muht und Krafft entging/ und sich kaum auffrecht in den Stegreiffen halten kunte; taht auch keinen Hieb/ sondern saß als ein er- starre- Anderes Buch. starreter; welches Valikules sehend/ ihn vom Pferde warf/ und zu ihm sagete: Bistu zum andernmahle auffgestiegen/ dz du schimpflicher als vorhin abfallen woltest? Zween Schif- knechte packetẽ ihn an/ und brachten ihn zu den andern/ da Fr. Euphrosyne zu ihm sagete: Komstu schaͤndlicher Moͤrder deines eigenen redlichen Weibes? nun sihestu wie Gott endlich der Boßheit vergilt/ ob sie gleich eine zeitlang frey durchlaͤufft. Ja antwortete er/ meines Weibes Geist schwebet mir vor Augen/ und hat mich aller dinge wehrloß gemacht/ drumb wuͤnsche ich nur bald bey ihr zu seyn/ damit ich mich an ihr raͤchen moͤge. Du wirst solcher Rache nach dem Tode wol vergessen/ antwortete sie/ da Gott selbst sich an dir raͤ- chen wird. Jezt muste Eubulus vor seinen Meister/ welcher zu Aristodemus sagete: Ich bin leider nach Euphrosynen Wunsch und Weisagung an unsern sechs Gesellen zum Ka- kobulus (boͤsen Rahtgeber) worden/ und traͤgt mir der Sinn vor mich selbst nichts bes- sers zu/ zweiffele auch sehr/ ob dirs zum Siege gelingẽ werde; drumb sage bald/ wollen wir Gnade/ oder den Tod suchen. Verflucht sey/ wer an Gnade gedenket/ gab jener zur Ant- wort; ich wil und kan mein Maul nicht zur Taschen machen/ und hoffe/ mein Blut sol mit des Feindes seinen vermischet werden/ ungeachtet derselbe einem Teuffel aͤhnlicher als ei- nem schwachen Menschen scheinet: Und O haͤtte Ungluͤk uns nicht zu den selben gefuͤhret/ wolten wir des andern sein Meister bald worden seyn. Nun so wil ich auch stehen oder fal- len/ antwortete Eubulus/ legte das Speer ein und hilt sich so fest im Sattel/ daß/ wie hart ihn gleich sein Gegener traff/ er doch sitzen blieb. Weil dann die Speere in stuͤcken gingen/ musten die Schwerter deren Mangel ersetzen/ welches aber dem verzweiffelungs-nahen- dem Eubulus zu schwer fiel/ so daß nach empfangenen dreyen Wunden/ deren lezte ihn das Schwert zu fuͤhren unduͤchtig machete/ er vom Pferde geworffen und zu der anderen Geselschafft gebracht ward. Ey Gott lob so empfing ihn Fr. Euphrosyne/ daß boͤser Raht den Rahtgeber selbst mit getroffen hat. Er antwortete aber kein Wort/ sondern ließ sich verbinden/ und erwartete des außganges. Valikules ritte hin zu Aristodemus/ und sagete zu ihm: Was deucht dich bey dem Narrenspiel/ welches ich dir an deinen sechs Gesellen habe sehen lassen? meinestu noch/ du werdest alles Streits befreiet seyn? Ja laß mich wis- sen ob du dich unter meine Gnade demuͤhtigen koͤnnest/ so wil ich dich sehen lassen daß ich ja so barmherzig bin/ als stolz du dich erzeiget hast. Ich habe alle dieselben verflucht/ ant- wortete dieser/ welche deiner Gnade begehren wuͤrden/ und solte nun der erste seyn? ehe muͤsten du und ich in stuͤcken zerhacket werden. Nun dañ sagte er/ so muͤssen meine Schel- len sich auch hoͤren lassen/ weil du dich selbst aller Gnade unwirdig machest. Also setzeten sie mit hinweg werffung ihrer Speere so grimmig auff einander/ daß sie kaum Zeit hatten ihre Schwerter zuentbloͤssen/ da es dann ein sehr herbes Treffen gab/ dann es wahr dieser einer von den vornehmstẽ Rittern in ganz Griechenland/ er wehrete sich auch seiner Haut so emsig/ daß Valikules sagte; Es ist Jammer daß du deine Kraff nicht in ehrlicher red- ligkeit anwenden solt/ und kanstu noch demuͤhtig werden/ sol dir Gnade wiederfahren. Deine Gnade wuͤrde mir unleidlicher seyn/ als ein tausendfacher Tod/ antwortete er/ und muß Aristodemus siegen oder sterben. Vielleicht deren keines/ sagte Valikules/ setzete auch viel eiferiger auff ihn an als vorhin/ und gluͤckete ihm/ daß er ihn mit dreien Hieben an beyden Armen laͤhmete/ warf ihn vom Pferde/ uñ ließ ihn den uͤbrigen zufuͤhren/ welche E e e iij ihn Anderes Buch. ihn ersehend/ vor Angst vergehen wolten. Fr. Euphrosyne redete ihn an und sagete; Du schaͤndlicher Feind meiner Keuscheit/ nun werde ich Gelegenheit finden dir zuvergelten/ was du an mir getahn hast. Ist dirs nicht gnug du buͤbische Hure/ antwortete er/ daß ich gerne sterben wolte/ und wieder meinen Willen Leben muß? Sie eiferte sich uͤber solche Schmaͤhung/ daß ihr die Traͤhnen auß den Augen hervor drungen. Valikules aber kam zu ihr gesprenget/ und mit auffgeschlagenem Helme sagte er zu ihr: Aedle Tugendreiche Frau/ da habt ihr eure buͤbische Verleumder/ so viel ihrer noch im Leben/ welche Krafft ih- rer eigenen Urtel und wahl in den Stand der Leibeigenschafft gerahten sind; weil dann der gerechte Gott eure gute Sache an den Tag gebracht/ und eure Laͤsterer zu schanden gemacht hat/ sind sie euch hiemit vor eure Leibeigene uͤbergeben/ mit ihnen nach belieben zu schalten. Ich bedanke mich von ganzem Herzen/ mein Herr/ antwortete sie/ und bitte Gott/ daß er euren Waffen wieder alle eure Feinde kraͤfftigen wolle/ damit durch deren Vor- schub manniche meines gleichen geschuͤtzet/ und die boͤsen gestraffet werden. Sie wolte weiter reden/ aber er nam Abscheid von ihr/ und ritte in Begleitung etlicher gewapneten Buͤrger nach der Stad/ denen er vor ihre Gegenwart hoͤchlich dankete/ und ihnen etliche Haͤnde vol Kronen reichete/ welche sie seinetwegen in einer froͤlichen Wirtschafft fein friedlich verzehren solten; wovor sie Dank sageten. Markus durffte ihm nicht folgen aber Gallus in seiner ehemahligen Kauffmansgestalt wahr bald bey ihm. Fr. Euphrosyne ließ ihren liebsten zu sich bitten/ welcher ihr zu ihrer Ehrenrettung Gluͤk wuͤnschete; sie hingegen ihm klagete/ daß diese ihre Leibeigenen noch nicht auffhoͤreten/ sie vor eine Ehebrecherin außzuschelten; worauff er/ als lachend zur Antwort gab; aͤdle Frau/ sie gebe sich zu frieden/ ich werde ihr schon helffen ein Mittel erdenken/ daß ihnen die Schandzunge gehemmet und ihre Boßheit offenbahret werde. Die Schiffknechte wolten sie mit nach der Stad haben/ aber sie wegerten sich dessen/ und rieffen/ hier wolten sie als freye Ritter ehrlich sterben. Aber Markus gab zur Antwort; O nein/ die Freyheit ist dahin/ uñ weil ihr nicht willig gehen wollet/ sollen euch schon andere Fuͤsse gemacht wer- den. Also band man sie quehr uͤber auf Pferde/ und schleppete sie mit fort. So bald sie in der Stad anlangeten/ musten die Schiffknechte ihre Gefangenen mit sich nach dem Schif- fe nehmen/ woselbst sie auff der Folter gekrecket/ einhellig bekenneten/ daß Aristodemus sie beredet håtte in seine Geselschafft zutreten/ uͤmb sich beydes an Markus und Euphrosynen zuraͤchen/ daß sie mit demselben davon gezogen waͤhre; sie wuͤsten von ihrer Unzucht nicht das geringste/ als was schon gedachter ihr Anfuͤhrer und Verleiter ihnen vorgetragen haͤt- te. Hingegen wolte Aristodemus nichts gestehen/ ließ sich auch zerren/ biß die Seele aus ihm ging; worauff die anderen ingesamt auch nideꝛgemacht wurden/ weil sie ihnen solches vor die Leibeigenschafft waͤhleten. Und ob gleich etliche ihrer Anverwanten gute Lust hat- ten/ den Schimpff zuraͤchen/ wahr doch die Furcht der Straffe zu groß/ daß sie zuruͤk hiel- ten. Markus haͤtte seinen Beystand gerne gekennet/ aber seine Liebste hielt ihn ab/ unter dem Trost/ daß er sich erbohten hatte/ zu gelegeneꝛ Zeit sich selbst zumelden. Nun gingen Maꝛkus Gedanken alle dahin/ es waͤhre Herꝛ Herkules/ weil alle seine Geberden und Waffen-Ge- braͤuche demselben gleich wahren/ aber das Angesicht wolte nicht eintreffen/ welches ihn im Zweifel erhielt. Zween Tage nach diesem Kampfe ritte Valikules abermahl nach dem Meer/ Anderes Buch. Meer/ fand aber nicht allein keine andere Gelegenheit/ sondern daß der vorige Schifmann seine Abfart noch auff etliche Tage weiter aussetzete/ deswegen er zu Gallus sagete: Ich eile fast/ meine Reise vorzunehmen/ und fallen doch immer mehr Veꝛhinderungen vor; hal- te gaͤnzlich/ Gott selbst werffe sie mir in den Weg; dañ gestern fruͤhmorgens/ da ich in mei- ner Andacht lag/ und wieder eingeschlummert wahr/ dauchte mich eigen/ es rieffe mir eineꝛ zu; eile nicht/ eile nicht! Nun ich wil meinen Gott lassen walten/ der wird alles nach sei- nem gnaͤdigen Wolgefallen schicken. Kehrete wieder uͤmb/ und eilete nach seiner Herber- ge/ da er seinen Klodius in elender Gestalt gegen ihn daher reiten sahe/ dessen Pferd kaum mehr fortschreiten kunte; woruͤber er nicht wenig erschrak/ und zu Gallus sagete: Sehet/ da komt mein Klodius her/ welcher mir gewißlich wenig gutes in dieser traurigen Gestalt bringen wird. Ritte hin zu ihm/ und ward alsbald von ihm gefraget/ ob er ihm nicht anzei- gen koͤnte/ in was Herberge der Roͤmische Gesante Herꝛ Fabius anzutreffen waͤhre. Va- likules hieß ihn in seine Herberge folgen/ fuͤhrete ihn mit sich auff seine Kammer/ und sagte zu ihm: Mein guter Klodius/ aͤrgere dich nit an meiner fremden Gestalt uñ angestrichenẽ Farbe/ du wirst an der Rede vernehmen/ daß ich Herkules bin/ und sage mir/ wie koͤmstu so verwundet und scheußlich auffgezogẽ? Dieser erfreuete sich hoͤchlich/ meldete aber alsbald mit einem seuffzen an/ wz gestalt H. Ladisla/ nach dem er zween Ritter im oͤffentlichẽ Kampf erleget/ durch schaͤndliche Verraͤhterey mehꝛ als von 80 Rittern uͤberfallẽ/ alle seine Diener erschlagen/ und er selbst nach ritterlichem Gefechte gefangen worden. Er erschrak hierob/ daß ihm die Rede stehen blieb/ und fragete alsbald/ ob er dañ noch lebete. Ich hoffe solches/ antwortete er/ dann ich sahe/ daß sie ihm mit Schlaͤgen ferner nicht zusetzeten/ da sie ihn ge- bunden hatten. Nun wol an/ sagte er/ so wird mir Gott beystehen/ daß ich ihn errette. Daß du aber Herꝛn Fabius Huͤlffe alhie suchest/ ist uͤmsonst/ dann er haͤlt sich zu Elis verborgen/ nur daß er mich ausforschen moͤge/ weil er muhtmasset/ ich sey annoch daselbst. Aber was duͤnket dich/ solte man ihm ohn Kriegsvolk nicht helffen koͤnnen? gar schwerlich/ antwor- tete er; dann es haͤlt da uͤmher ein zimlicher Anteil des Adels wieder ihn zusammen/ wel- che des von euch ertoͤdteten Parmenions Freundschafft sind/ und zweifele nicht/ man ha- be ihn irgend auff ein Schloß eines alten ådelmans/ dessen Sohn er mit dem Speer erle- get/ gefangen hingefuͤhret/ welches allem Vermuhten nach/ nicht weit von der Stad Patr æ seyn kan/ in deren Feldmark das Ungluͤk sich zugetragen. Valikules uͤberlegete die Sache fleissig/ sagte hernach zu Gallus/ er solte schaffen/ daß Klodius gelabet und verbunden wuͤr- de; machete sich hin zu Markus/ uñ ließ ihm sagen/ es waͤhre iezt Zeit/ daß sein Mitkaͤmpfer sich ihm zuerkennen geben wolte. Dieser saß gleich bey seiner Liebsten/ und erzaͤhlete ihr von Herkules und Ladisla tahten/ ging mit Freuden hinunter/ und hieß ihn als seinen aller- liebsten Herꝛn und besten Freund wilkommen seyn/ weil eꝛ ihn nunmehr durch seine hoͤchst- begehrete Kundschafft beseligen wolte. Er fuͤhrete ihn alsbald mit sich die Steige hinauff nach seiner Liebsten Gemach/ welche von ihrem Sitze auffstund/ und ihn wegen seiner an- noch verenderten Gestalt als einen unbekanten wilkommen hieß; Da er nach kurtzem Ge- spraͤch zu Markus sagete: Mein Freund/ ehe ich mich gegen ihn weiter melde/ habe ich zu- vor mit der aͤdlen Frauen Euphrosynen ein Wort in vertrauen allein zureden/ welches ihr mir nicht werdet vor uͤbel halten. Ganz nicht/ antwortete er/ nahm einen willigen Abtrit/ und Anderes Buch. und erwartete/ biß ihm wieder geruffen wuͤrde. Herkules aber sagte zu ihr/ meine Freun- din/ ob zwar ich des willens nicht gewesen bin/ mich ihrem Liebsten zuoffenbahren/ koͤmt miꝛ doch gleich jetzo eine wichtige Ursach zuhanden/ daß ich meinen Vorsatz endern muß/ wil auch hoffen/ er werde meine Anwesenheit verschweigen koͤnnen. Sie bedankete sich voꝛ die- se Gnade/ verhoffete/ er wuͤrde seines Dieners Traͤue schon gepruͤfet haben. Worauff er alsbald die Farbe beydes von Angesicht/ Haar und Haͤnden hinweg taht/ und Markus zu sich hinein ruffen ließ/ welcher ihn sehend/ sich sehr bestuͤrtzet befand/ und wolte sich vor ihm in die Knie legen; da er also zugleich redete: Durchlaͤuchtigster Fuͤrst/ Gnaͤdigster Herr; hat Eure Durchl. vor ihren unwirdigsten Diener wider siebẽ Schelmen sich wagen wol- len/ nur daß derselbe unbemuͤhet bliebe? Herkules wehrete ihm das niderknien/ und daß er dergleichen unnoͤtiges Gepraͤnge einstellen solte/ weil ihm sein gutes Herz ohndas wol be- kant waͤhre; Wolte ihn vorerst erinnern/ daß bey Verlust seiner Hulde er ihn bey Fabius nicht meldete; hernach sich schleunigst fertig hielte/ seinen Herrn Ladisla retten zu helffen/ welcher auff Leib und Leben gefangen laͤge/ wie er gleich jezt von dem hartverwundetẽ Klo- dius Bericht eingenommen haͤtte. Markus erschrak dieser Zeitung/ daß er bebete/ erboht sich/ Gut und Leben willig zu seines Herrn Rettung anzuwenden/ wolte auch/ da es Ihre Gn. gut befuͤnde/ stuͤndlich die Trummel ruͤhren lassen/ und etliche hundert Mann werbẽ/ worzu er/ Gott Lob/ Mittel gnug haͤtte. Fr. Euphrosyne wahr bald fertig/ eine Lade mit Golde herein tragen zu lassen/ womit die Knechte solten bestellet werden. Aber Valikules hieß sie ruhig seyn/ es beduͤrffte dieser Weitlaͤufftigkeit nicht/ wuͤrde auch mehr Hinderniß als Befoderung geben/ wann die boßhafften Widersacher vernehmen solten/ daß man so grosse Bereitschafft machete; Die Sache muͤste eilig und in aller stille angegriffen werdẽ. Er wuͤste/ daß sein Schiff noch etliche tapffere Kriegs- und Schiffknechte haͤtte/ deren wolten sie XXVI beritten machen/ und die Rettung vornehmen. Markus stellete es alles zu seinem Befehl/ ließ seine Reit- und Wagenpferde/ deren er XXXVI hatte/ zur Reise wol futtern/ und ritte Spornstreichs nach dem Schiffe zu/ da inzwischen Fr. Euphrosyne al- len Bericht von Herkules einnahm/ und mit ihm nach seiner Herberge ging/ besseren Ver- stand von Klodius zufassen/ dem seine Wunden schon verbunden wahren/ und er von Gal- lus vernam/ was vor eine trefliche Heyraht seinem Freund Markus zugestossen waͤhre; gleich da diese Braut mit Herkules zu ihm hinein trat/ und ihn in grosser Schwacheit auf der Bank liegen funden/ woruͤber sie sich gar leidig stellete/ und ihn in seinem Ungluͤk troͤ- stete/ begehrete auch der Ritter Nahmen zuwissen/ welche Herr Ladisla erlegt haͤtte; und als sie hoͤrete/ daß es Perdickas und Ariston wahren/ vergoß sie ihre Traͤhnen/ und klagete/ daß ihre so nahe verschwaͤgerte so grosses Unheil anrichten muͤsten; massen Perdickas ihres gewesenen Charidemus Vater-Bruder-Sohn; Ariston aber ihrer Mutter Schwester Tochter ungehorsamer Stief Sohn waͤhre/ dessen Vater Kleander sie vorm halben Jah- re ohngefehr/ wider ihren Willen geheyrahtet/ da sie kaum von XVII; Er aber uͤber LXXIIX Jahr alt gewesen. Eben dieser Kleander/ sagete Klodius/ hat meinen Gn. Herrn gefangẽ; doch an was Ort er eigentlich wohne/ kan ich nicht wissen. Der Ort/ sagete sie/ ist mir gnug bekant/ und bin kaum vor IV Wochen daselbst gewesen/ und meine Wase besuchet; Sein Schloß ist zimlich fest und wol verwahret/ eine geꝛinge Meile von Patr æ gelegen/ in einem sehr Anderes Buch. sehr lustigen Walde. So weiß ich Gott Lob/ sagte Herkules/ wo ich meinen Freund suchen sol. Klodius wuste nicht/ was vor ein freundliches schoͤnes Weibsbilde sich gegen ihn so gunstwillig erzeigete/ biß sie zu ihm sagete: Mein Herr/ ich hoffe/ er werde mir und seinem bruͤderlichen Freunde Markus die Freundschaft erzeigen/ und auf einer Saͤnffte sich nach mein er Behausung tragen lassen/ weil ich nicht zugeben kan/ daß sein anders wo/ als bey mir gewartet werde. Verzeihet mir/ hochaͤdle Frau/ antwortete er/ daß ich bißher nicht ge- wust/ mit wem ich geredet habe; wuͤnsche ihr zu der kuͤnfftigen Heyraht alle Wolfahrt/ und verpflichte mich zu allen ehrliebenden Diensten; wolte aber lieber in dieseꝛ Herberge mich auffhalten/ als ihr einige Ungelegenheit machen. Sie sahe/ daß ihm Ruhe noͤhtig wahr/ ermahnete ihn deswegen eine Stunde zu schlaffen/ inzwischẽ wuͤrde Markus vom Schif- fe wieder kommen/ und das uͤbrige schon ordnen. Baht hierauff Herkules sehr freundlich/ ihr die Gnade zuerweisen/ und auff hinte das Abendmahl mit ihr zuhalten/ als dann koͤnte er mit seinem Diener Markus alles bequehm abreden/ und morgen fruͤh sich mit dem Ta- ge auffmachen. Ich bin meiner geliebten Freund in viel ein mehres schuldig/ sagte er/ bitte aber/ ja keine unnoͤhtige uͤppigkeit wegen der Speisen anzuwenden/ weil ich mich ohndas gerne zeitig zur Ruhe begeben/ und Morgen geliebts Gott/ desto fruͤher wache seyn wolte; befahl Gallus inzwischen acht auff Klodius zuhaben/ und geleitete Fr. Euphrosynen wie- der nach ihrer Behausung/ welche nach aller Moͤgligkeit zurichten ließ/ und ihn mit aller- hand Gespraͤch unterhielt/ ihm die Traurigkeit zubenehmen/ die wegen Ladisla Unfall und Gefahr er in seinem Gemuͤhte empfand. Markus kam mit seinen geharnischtẽ Soldaten/ welche alle aͤdel wahren/ und wolgepanzerten Schiffknechten zeitig wieder/ hohlete seinen lieben Spießgesellen Klodius nach seiner Wohnung/ und erboht sich/ ihm mit alle seinem Vermoͤgen zudienen; welcher zu ihm sagete: Geliebeter Bruder/ ihr koͤnnet den Goͤttern nimmermehr gnug danken vor das unbegreifliche Gluͤk/ welches sie euch als im Schlaffe bescheret haben/ worzu ich euch von ganzem Herzen Gluͤk und alle Wolfahrt wil gewuͤn- schet haben. Dieser bekennete solches gerne/ sahe Gallus in seiner angestrichenen Farbe/ und fragete ihn/ ob er dann auch bey Herrn Herkules sich auffhielte; dessen er lachete/ und zur Antwort gab: Mein Herr/ ich bedanke mich nochmahl vor erteilete Guttaht/ und freue mich sehr/ dz des unwerten Charidemus tugendsames Gemahl uñ saͤmtliche Guͤter in eure Besitzung kommen sind; Er wolle sich aber wegen meiner Verstellung nicht verwundern/ dann sonst ist mein Nahme Gallus. Nun mein geliebter Freund/ sagete er/ so sind wir Spießgesellen/ und dienen einem Herrn; daher werde ich hinfuͤhro schuldig seyn/ euch ei- nen besseꝛn Dank sehen zulassen. Hiemit geleiteten sie Klodius biß an die Saͤnfte/ und gin- gen nach Markus Behausung. Bey der Mahlzeit wolte dieser neben Gallus zu Tische die- nen/ aber Herkules hieß sie beyde sich setzen/ und redete insonderheit Markus zu/ er solte der- gleichen Unnoͤhtigkeiten einstellen/ und sich bezeigen als der die Wirtsstelle vertreten muͤ- ste; Seyd ihr etwa wenig Monat in meinem Dienste gewesen/ sagte er/ solches kan eurem Adel durchaus keinen Schaden noch Abbruch tuhn/ und seyd Standes und Tugend hal- ber wol wert bey mir niderzusitzen. Sonsten wahr er gar unge duldig/ daß man so grossen uͤberfluß in Speisen und allerhand kostbahren verzuckerten Sachen aufftragen ließ/ und sagete: wann sie nach diesem solches mehr taͤhten/ wolte er nicht mehr Mahlzeit mit ihnen F f f halten/ Anderes Buch. halten/ weil durch solche gar zu grosse Menge der Trachten nur GOtt im Himmel erzuͤr- net wuͤrde. Fr. Euphrosyne aber wuste ihm mit so hoͤflicher Entschuldigung zubegegnen/ daß er umb Verzeihung baht seines kuͤhnen einredens. Als die Mahlzeit geendiget/ und Gallus hin zu Klodius gangen/ auch das Gesinde abgeschaffet wahr/ redete Fr. Euprosy- ne ihren Markus an/ und sagete zu ihm: Mein geliebter Herr/ ihr wisset/ wie weit ich mich mit euch eingelassen/ und auff euer Begehren und unnachlaͤssiges Anhalten/ insonderheit auff Herrn Fabius Noͤhtigung euch nach abgelegter Traur die eheliche Beywohnung ver- sprochen/ auch alsbald zum volkommenen Besitzer aller meiner Guͤter gemacht habe. Nun ist noch etwas geheimes an mir/ welches ich euch noch zur Zeit nicht offenbahren wollen/ nunmehr aber långer nicht verhehlen kan; als nehmlich: Ich bin eine Christin; Und wie hart und stoͤrrisch gleich Charidemus sich gegen mich erzeigete/ goͤñete er mir doch meines Glaubens Freyheit/ welche ich biß in mein Grab zuerhalten/ steiff und unbewaͤglich geson- nen bin; dafern ich nun wissen solte/ daß euch solche Lehre zuwider/ und ihr vielleicht der Ursach wegen euer Herz von mir abkehren/ und einigen Unwillen und Gramseligkeit mir zuwenden woltet/ wil ich anjetzo mit bestendigem Vorsaz (meinem Gn. Herrn zum Zeugẽ ruffend) euch alle meine Guͤter eigentuͤhmlich einraͤumen/ und mit 10 oder 12000 Kronẽ davon gehen/ zu meiner nohtduͤrfftigen Unterhaltung/ weil ich meinen Gott umb Men- schen willen nicht verleugnen kan noch wil; bitte demnach/ ihr wollet in beyseyn unsers al- lerseits Gn. Herrn mir hierauff bestendige Erklaͤrung geben/ und bey euren Ritterlichen Ehren befestigen; habe ein solches in Gegenwart Herrn Herkules vortragen wollen/ weil auß dessen Reden ich gnugsam gespuͤret/ daß er Christliches Glaubens ist. Ja/ sagete Her- kules hierauf: Meine Freundin irret in diesem gar nicht; Ich bin freylich ein Christ; wel- chen Glauben ich doch von meinen Eltern nicht geerbet/ sondern durch Gottes Gnade zu Rom gelernet habe/ und bestehet in dieser Erkaͤntniß des wahren GOttes mein hoͤchstes Gut und einige Wollust; moͤchte auch von Herzen wuͤnschen/ daß nicht allein mein guter Freund Markus/ sondern alle meine Bekanten/ ja alle Menschen desselben Glaubens seyn moͤchten; weil ich so gewiß bin/ als wahr Gott lebet/ daß ausser diesem Glauben kein an- der ist/ dadurch wir Menschen koͤnnen selig werden; Doch solte ihm nicht gefallen koͤñen/ sich hierin zubequemen/ wie dann kein Mensch wider seinen Willen darzu sol genoͤhtiget werden/ halte ich ihn der Bescheidenheit und Verstandes/ daß umb eures Christlichen Glaubens willen er euch nicht anfeinden/ oder auff einigerley weise zusetzen wird. Jedoch/ solte er eine Christin zum Ehegatten inkuͤnfftig nicht dulden wollen/ wird er auff euer in- stendiges Begehren selbst anzeigen/ auff welchen fall ich meiner Freundin verspreche/ und bey meinen Ritterlichen Ehren beteure/ daß ich sie mit groͤsserem Reichtuhm versehẽ wll/ als sie umb Christus Nahmen verlassen wuͤrde. Markus hatte alle Reden wol verstanden/ erhub sich/ nach dem Herkules auffgehoͤret hatte zureden/ von seiner Stelle/ und schwuhr bey dem wahren Gott Himmels und Erden/ daß er nicht allein seiner herzgeliebten diesen Glauben frey goͤnnen/ sondern auch denselben hinfuͤro selbst annehmen und bekennen wol- te; wie ich dann/ sagte er/ meiner Vor Eltern und Verwanten viel weiß/ welche teils umb dieses Glaubens willen sich haben toͤdten lassen/ teils denselben noch diese Stunde bekeñen. Auff solche Rede umfing ihn seine Liebeste zum ersten mahl mit einem Kusse/ und sagete: Ey Anderes Buch Ey Gott Lob/ nun werde ich erst anfangen/ euch recht und von Herzen zu lieben/ nach dem ich sehe/ daß ich mit keinem Gottes Feinde zuschaffen habe. Valikules wuͤnschete ihm hieꝛ- zu des Heiligen Geistes Beystand und wahre Bestaͤndigkeit/ besuchete Klodius auff seinẽ Lager/ redete mit dem angenommenen Wegweiser/ und gab sich hernach zur Ruhe/ da ihm sein geliebter Ladisla im Schlaffe erschien ganz traurig und mit gebundenen Haͤnden auf dem Ruͤcken/ und dauchte ihn/ daß er zu ihm sagete: Mein Bruder Herkules/ laͤssestu dei- nen Ladisla dann im Heydentuhm dahin sterben/ daß er der kuͤnfftigen Seligkeit nicht kan faͤhig seyn? Er erwachete druͤber; rieff seinen Gott ganz in bruͤnstig um Ladisla Errettung an/ und machte sich noch vor Tage fertig zur Reise/ hieß seine Leute auff drey Tage Speise zu sich nehmen/ und jagete frisch fort/ weil sie alle geruhete Pferde hatten. Inzwischen ward Klodius von Fr. Euphrosynen fleissig gewartet/ daß er in kurzer frist zu Kraͤfften kam/ wiewol er wegen einer Armwunde sich maͤssig und im Bette halten muste. Weil sie dann sahe/ daß er zu reden stark gnug wahr/ baht sie ihn/ ausfuͤhrlich zuer- zaͤhlen/ durch was Gelegenheit Herr Ladisla in dieses Ungluͤk gerahten waͤhre; Welches er auff solches begehren willig leistete/ und also anhub: Hochaͤdle Frau; nachdem wir mit unserm Schiffe/ uͤber welches mein Gn. Herr mich zum Hauptmann gesetzet/ von Herrn Fabius auff dem Meer geschiedẽ/ gerieten wir nicht in geringe gefahr zwischen den Stein- klippen/ biß wir endlich mit grosser Muͤhe und Arbeit in einen Hafen des Landes Epirus einlieffen/ woselbst wir unser zubrochenes Schiff ausbessern liessen/ und weiter Sudwerz gingen/ biß wir einen Hafen/ nicht weit von Patr æ erreicheten. Hieselbst stiegen wir selb zehne und einen aͤdelknaben zu Lande/ und ritten mit einander nach der Stad zu. Es hatte sich mein Herr koͤstlich/ seinem Stande nach/ ausgeputzet/ daß sein Harnisch und Pferde- schmuk von aͤdelsteinen und Golde glaͤnzete/ und ich allernaͤhest mit dem aͤdelknaben hin- ter ihm her ritte/ die acht Reuter aber in vier Gliedern etwas von ferne folgeten. Auff sei- nem Helme fuͤhrete er einen Adler von lauterm Golde/ dessen beyde Demanten Augen hel- le fuͤnkelten/ wann die Sonne darauff schien/ uñ in der rechten Klaue einen schoͤnen Kranz hielt. In seinem Schilde stunden zwo Fackeln/ deren eine fein helle brennete/ und sich nach der andern ausgeloͤscheten lenkete/ dieselbe wieder anzuzuͤnden/ mit dieser Umbschrifft: Nisi concipies flammam, \& ego extinguar. Das ist: Wirstu nicht wieder breñen/ so werde ich auch erloͤschen. Da wir in die Stad kahmen/ musten ich und der Leibknabe uns mit ihm in eine Herberge legen/ die uͤbrigẽ aber sich in unterschiedliche andere verteilen/ damit wir unserm Vorhaben/ Herrn Herkules auszuforschen/ desto besser nachsetzen koͤnten. Wiꝛ hatten uns kaum zur Mahlzeit gesetzet/ da etliche gegenwaͤrtige Griechische vom Adel sich uͤber einen Roͤmischen Gesanten sehr beschwereten/ welcher einen freyen Herrn nicht ohn aͤusserste Beschimpffung des ganzen Griechischen hohen Adels/ als einen Ubeltaͤhteꝛ/ von dessen ei- genen Knechten haͤtte niderhauen lassen/ dessen Guͤter eingezogen/ und sein nachgelassenes Weib mit sich hinweg gefuͤhret/ welches ungerochen nicht bleiben koͤnte/ zumahl der Ge- toͤdtete durch den ganzẽ Adelstand befreundet waͤhre. Hievon hatte nun mein Herr durch- aus nichts vernommen/ fragete deswegen fleissig nach/ uñ muht massete aus allen Umstaͤn- den/ daß Herꝛ Fabius muͤste gemeynet seyn; kunte doch die Ursach solcher straͤngen Rache nicht erfahren/ biß ich des Abends spaͤte alles von unserm Wirte einnam/ welches ich fol- F f f ij genden Anderes Buch. genden Morgens minem Herrn hinterbrachte/ der mir befahl/ bessere Kundschafft einzu- zihen. Obgedachte vom Adel hatten meinen Herrn in verdacht/ er selbst waͤhreder Roͤmi- sche Gesanter; uñ nachdem sie von dem Leibdiener erforschet/ dz wir neulich aus Italiẽ mit einem Schiffe ankom̃en/ zweifelten sie nit/ sie haͤtten den rechten Fuchs gefangẽ. Des moꝛ- gens etwa umb IX Uhr kam unser Wirt zu mir in den Pferdestall/ mit bericht/ es waͤre ein vornehmer Griechischer Herr/ nahmens Perdickas/ wieder seine Gewohnheit bey ihm ein- gekehret/ welcher alsbald nachgefraget/ ob der stolze fremde Ritter noch verhanden waͤhre; und nach bejahung haͤtte er zu den Anwesenden gesagt; wolan! so wil ich noch heut mein Schart außwetzen/ und den Schimpff gebuͤhrlich raͤchen/ nachdem er nicht kan wieder- bracht werden. Ich bedankte mich sehr gegen ihn/ wegen der getraͤuen Warnung/ mit ver- sprechen/ da er ferner nachforschen/ und hinterbringen wuͤrde/ was ihr Vorhaben wahre/ solte es ihm mit einem ansehnlichen Geschenke vergolten werden; ging alsbald hin zu meinem Herren/ und gab ihm von allem Bericht/ auch daß dieser Perdickas des gestrig- gedachten ertoͤdteten Anverwanter/ und ein sehr Wehrhaffter/ aber auch Großsprechiger Ritter waͤhre; wobey ich meinen geringen Raht fuͤgete/ man moͤchte noch eine gute anzahl Kriegsknechte auß dem Schiffe fodern/ deren man sich auff allen Nohtfal zugebrauchen haͤtte. Wir zweiffelten nicht/ dieser Perdickas wuͤrde von den andern aͤdelleuten gefodert seyn; welches doch mein Herr wenig achtete/ auch meinen Raht vor unnoͤhtig hielt/ ohn daß er seine gegenwaͤrtige Reuter/ ihm auffzuwarten/ auß den Herbergen fodern ließ. Er kleidete sich praͤchtig/ und da er zum Essen ging/ hatte er sein Schwert an der Seite/ hieß mich folgen/ und die uͤbrigen/ ohn den Leibknaben/ draussen warten biß ihnen etwa geruf- fen wuͤrde. Perdickas wahr schon auff dem Essesaal/ welchen mein Herr mit einem ansehn- lichen Ernste gruͤssete. Kehrete sich hernach zu dem Wirte/ uñ begehrete/ ihm einen schleu- nigen Bohten außzurichten/ der nach Eliß Schreiben bringen solte; welches ihm der Wirt zubestellen versprach. Es stunden zwoͤlff wolgeputzete starke Diener/ die dem Per- dickas auffwarteten/ und kahmen noch sieben aͤdelleute zu Tische/ welche ihm grosse Ehr er- bohten/ und wie der Außgang bezeugete/ von ihm auff das kuͤnfftige Spiel erfodert wah- ren. Bey wehrender Mahlzeit ging allerhand Gespraͤch vor/ biß Perdickas sich mit mei- nem Herren einließ/ und ihn nach gebehtener Verzeihung fragete/ wie neulich er von Eliß kommen waͤhre; worauff mein Herr gar bescheidentlich antwortete/ er kaͤhme nicht von Eliß/ waͤhre auch niemahls da gewesen; welches diesen groß Wunder nam; mochte viel- leicht ihm einbilden/ eꝛ scheuhete sich/ solches zubekennen/ und redete mich an/ sprechend/ da er nicht irrete/ meinete er/ mich gar neulich zu Eliß gesehen haben. Ich antwortete ihm mit wenigen; es wuͤrde inwendig zwey Jahren nicht geschehen seyn; sonst waͤhre ich vor diesem da gewesen. Weil er nun sich zu keinem Irtuhm gestehen wolte/ blieb er bey seinen funff Augen; er haͤtte neulich einen/ mir gar aͤhnlichen/ bey dem gesehen/ welcher sich vor einen Roͤmischen Gesanten angeben/ und seinen Vetter den loͤblichen Herren Charide- mus unredlicher Weise haͤtte ermorden lassen/ welches/ sintemahl es dem ganzen Grie- chischen Adel zum unabwischlichen Schimpf und Hohn gereichete/ ungerochen nicht bleiben koͤnte. Ich dagegen blieb bey meiner ersten Antwort; ich haͤtte in so kurzer Frist weder die Stad Eliß/ noch einen solchen Roͤmischen Gesanten gesehen/ der einiger Unred- ligkeit Anderes Buch. ligkeit oder moͤrderischen vornehmens koͤnte beschuldiget werden. Mein Herr mengete sich alsbald mit ein/ und sagte zu ihm: Herꝛ/ ihr moͤget euch wol versichern/ daß wann die- ser mein Ritter und Schiffhaͤuptmann neulich zu Eliß gewesen/ er solches weder gegen euch/ noch jemand anders leugnen solte oder wuͤrde. Was ihr sonsten von unredlicher Taht eines Roͤmischen Gesanten einfuͤhret/ deucht mich nicht wol getahn seyn/ daß man abwesende Herren so hoch und ehrenruͤrig beschuldiget; je doch solte ich wissen/ daß einigeꝛ Roͤmischer Ritter/ ob er gleich eines Gesanten Amt fuͤhrete/ moͤrderisch handelte/ wuͤrde ich zum wenigsten ihn deßwegen zu Rede setzen/ da es die Gelegenheit gaͤbe: Es koͤmt aber zu zetten/ daß ein Gesanter auß Befehl seiner Obrigkeit etwas zuverrichten gehalten ist/ welches nicht jederman kan angenehm seyn; bitte demnach/ wo moͤglich/ er wolle in der- gleichen verhasseten Reden sich maͤssigen; ich bin auch ein Roͤmischer Beamter/ und lief- fe trauen wieder meine Pflicht/ daß ich Roͤmischer Gesanten Schaͤndung unbeantwor- tet liesse/ ehe sie der Laster uͤberwiesen sind; und wann mir solches nicht oblaͤge/ wolte ich kein Wort darzu reden. Perdickas antwortete mit zornigem Angesichte: Er wolte zwar Roͤmischen Nahmen nicht schaͤnden/ als welchen man ja in Griechenland/ welches ehe- mahls der Welt Haͤupt und Meister gewesen/ erkennen muͤste. Daß er aber hoch ruͤhmen solte/ wann die Roͤmer junge unerfahrne Leute vor Gesanten in fremde Laͤnder schicketen/ die ihre eigene Rache unter dem Deckel Roͤmischer Gewalt durchtrieben/ und mit dem hochbefreieten Adel nicht anders/ als mit den schlimmesten Buben und Leibeigenen umb- gingen/ dessen haͤtte er wenig Ursach; hoffete auch/ da er sich an den vermeineten Gesan- ten raͤchen wuͤrde/ der seinen Blutfreund/ einen freien Griechischen Herren durch seine eigene Diener haͤtte ermorden/ und dessen Weib mit allen Guͤtern als einen Raub (also brachten siees allemahl vor) hinweg fuͤhren lassen/ es solte zu Rom von den Verstaͤndigen mehr gebillichet als getadelt werden. Haͤtte sein Vetter gesuͤndiget/ welches er doch nicht wuͤste/ solte man ihn vor dem Griechischen Recht angeklaget/ und dessen Urtel erwartet haben; die uͤbrige Vermahnung von abwesenden nichts uͤbels zureden/ liesse er dahin ge- stellet seyn/ und koͤnte man die Ubeltaͤhter nicht allemahl gegenwaͤrtig haben/ wann man sich uͤber dieselben zubeschweren haͤtte/ vielweniger solche Mordtahten ruͤhmen und prei- sen/ wolte es auch lieber in des leichtfertigen Moͤrders Gegenwart als Abwesenheit reden/ und an demselben ein Beyspiel hinterlassen/ daß die Roͤmer hernaͤhst kluge graue Haͤupter und nicht frevelmuhtige junge laffen vor Gesanten außschicketen; doch wie diesem allen/ waͤhre seine Gelegenheit und Weise nicht/ nach der Weiber Art zuzanken; er haͤtte mehr als XVI Jahr Waffen gefuͤhret/ und mannichem hochmuhtigen Ritter die Faust lieber als das Maul gebohten; waͤhre er dann (mein Herr) ein Roͤmischer Bedieneter/ so waͤhre er dagegen ein freier Griechischer Herr/ daher er ihn mit dergleichen Reden verschonen wuͤrde. Mein Herr wahr sehr ungewohnet/ sich dergestalt uͤber das Maul fahren zulassen; doch maͤssigete er sich/ und gab zur Antwort: Ritter/ wie koͤnnet ihr solches vor Recht an- geben/ wann ihr unter dem Vorsaz einer eigentaͤhtlichen Rache/ euch an einen Roͤmischen Gesanten machen wuͤrdet? wisset ihr nicht/ daß derselbe an der Stelle des Roͤmischen Kaͤysers stehet/ und von niemand/ als von seinem Oberherren allein kan gerichtet werden? Oder solte ein Roͤmischer Gesanter nicht macht haben/ einen und andern nach befindung F f f iij zu Anderes Buch. zu straffen; und ihr woltet euch daß Recht anmassen/ einen Gesanten anzugreiffen? Hier- auff fragete mein Herr die Anwesenden/ ob niemand zugegen/ ihm des Roͤmischen Ge- santen Nahmen melden koͤnte; und als einer sagete/ er liesse sich von den seinen Herr Fa- bius nennen; antwortete mein Herr: Herr Fabius? der ist trauen ein Roͤmischer und ein redlicher Ritter/ der in seiner Jugend schon verdienet hat/ daß man ihm zu Rom eine Ehrenseule auffgerichtet; und derselbe solte alhie in Griechenland sich vor einen unred- lichen Moͤrder und Ubeltaͤhter außschreihen lassen? Ritter/ sagte er zu Perdickas/ ihr muͤs- set warlich diese Beschuldigung gebuͤhrlich erweisen/ oder euren Irtuhm bekennen/ sonst wird euch solches ungestraffet nicht hingehen; ich vor mein Haͤupt bin diesem Herren ver- bunden/ mich seiner anzunehmen/ nit allein wegen unser nahen Verwandschafft/ sondern auch/ weil wir ein Amt tragen; so sprechet nun/ ob ihr die auß Unbesonnenheit außgestos- sene Reden wiederruffen/ oder daruͤber voꝛ Recht stehen wollet. Perdickas lief vol Zorn/ und sagete: Es waͤhre ihm lieb/ da er nicht der Schelmichte Gesanter selber/ zum wenig- sten noch sein Freund und Verwanter waͤhre; koͤnte auch gedachten Fabius nicht anders/ als vor einen boßhafftigen und des Ritterstandes unwirdigen Buben halten/ weil er mit einem ehrlichen freien Herren so graͤulich umbgangen waͤhre. Ey/ sagete mein Herr/ so halte ich dich vor einen solchen Schelmen/ biß du diese Boßheit meinem Freunde uͤber- bringest; Und ob ich zwar nach tragendem Ampte dich mit Recht wol vornehmen koͤnte/ auch schon Mittel weiß/ dich darzu anzuhalten/ so wil ich mich doch vor dißmahl meines Amptes begeben/ und es mit dir auff die Faust wagen; sage dir deßwegen ab auff Leib und Leben/ und mache dich nur bald fertig zum redlichen auffrichtigen Streite; massen die Goͤt- ter schier werden sehen lassen/ ob du im schaͤnden/ oder ich im entschuldigen bessere Sache und Faͤuste haben werden; wil aber hierbey nicht unterlassen/ andere zuvermahnen/ daß sie ja so verwaͤgen nicht seyn/ sich unsers Streites anzunehmen/ dafern sie nicht dem Roͤmi- schen Kaͤyser mit Gut und Blut wollen verfallen seyn. Hier fing nun Perdickas sein groß- sprechen an/ wie er so mannichen beruͤmten Ritter/ in und ausser Griechenlandes bestan- den/ und ihren Hochmuht zu daͤmpffen gnug gewesen; und muͤste noch erleben/ daß so ein junger Sproͤßling ihn herauß fodern duͤrffte/ welcher vielleicht meinete/ ein Ritter koͤnte mit zierlichen Kleidern und grossen Federbuͤschen zu Bodem gerennet werden. Es waͤh- re ihm gleichwol lieb/ daß er sich wolte finden lassen; von seinem tragenden Ampte wuͤ- ste er nichts/ ginge ihn auch solches nicht an/ sintemahl er sich nicht vor einen Roͤmischen Knecht/ sondern freien Herꝛen zuhalten haͤtte; doch wolte er ihn schon versichern/ daß kein ander sich in ihren Streit einmischen solte/ wañ seiner gleich ein halb dutzet waͤhre. Dein Maul ist gut/ sagte mein Herr/ dessen ich keinen Beweißtuhm mehr begehre/ nur ist noch uͤbrig/ daß ich die Faͤuste und das Herz auch kennen lerne. Ein junger aͤdelman/ gutes ansehens/ der Ariston/ saß mit uͤber Tische/ gedachte dem Perdickas zuliebeln/ uñ baht ihn/ Er moͤchte seine so mannigfaͤltige Siege durch bestreitung dieses jungen Menschen nicht selbst beschimpffen/ sondern ihn in die Stelle treten lassen; er verhoffete diese geschwin- de Außfoderung in eine noch geschwindere Reue zuverkehren. Ja mein Kerl/ sagte mein Herr mit einem Gelaͤchter/ du bist schwerlich derselbe/ welcher mich mit sein e m Speer oder Schwerte schrecken wird/ wiewol ich dir Streits nicht versage; du aber Perdickas/ bistu Anderes Buch. bistu ein redlicher Ritter/ und von solchen Tahten/ wie dein Maul ruͤhmet/ wirst du dich des Kampffs nicht entbrechen; mir gilt alles gleich/ wer unter euch beyden den Anfang mache/ da du dann verhoffentlich empfinden wirst/ daß ich dich mit schaͤrfferem Gewehr/ als mit Kleidern und Federbuͤschen angreiffen werde. Ich redete hierauff mit ein/ und be- gehrete/ der Ariston moͤchte mich seinen Gegener seyn lassen/ aber er wolte durchaus zuvor mit meinem Herꝛn einen Versuch tuhn. Hiemit lieff die ganze Geselschafft/ ein jeglicher zu seinen Waffen. Perdickas hatte einen grossen Anhang/ weil inwendig einer Stunde uͤber die XX Griechische von Adel/ jeder mit drey oder vier Dienern sich beysam̃en funden/ des- wegen ich meinen Herꝛn nochmahls erinnerte/ was Gefahr durch Verraͤhterey entstehen koͤnte/ dem annoch zubegegnen waͤhre/ wann man bey der Stad Schuz suchete; welches er aber leider in den Wind schlug/ sich auff Perdickas zusage verließ/ und uns alle mit reiten hieß; wiewol er mir geboht/ da uͤber alle Zuversicht eine Verraͤhterey vorgehensolte/ mich loßzuwiꝛken/ und es Herꝛn Fabius zu Elis anzudeuten. Wir macheten uns geschwinde nach dem bestimmeten Platz/ woselbst Perdickas schon mit LXXX Pferden hielt/ und mei- nem Herꝛn den Tod schwuhr. Es lieff auch eine solche Menge Volkes mit hinaus/ daß sie den Kaͤmpffern die Bahn einnahmen/ weil sie sich uͤbern Hauffen draͤngeten. Mein Herꝛ redete ihnen freundlich zu/ sie moͤchten etwas zuruͤk treten/ und den Kaͤmpffern nicht hin- derlich seyn; und dauchte mich/ wie der Großsprecher mit seinem Gefechte zeigete/ wie ers mit meinem Herꝛn anfahen wolte. Ariston hielt sich zum ersten Angriff fertig/ wiewol ich zu ihnen reiten/ uñ sie fragen muste/ wie sie es ferner begehreten/ moͤchten sie ihn wissen las- sen; da mir Perdickas zur Antwort gab: Weil dein frevelmuͤhtiger Herꝛ so schleunig zum Tode eilet/ wollen wir ihm nicht unbarmherzig seyn/ noch wieder seinen Willen ihm das Leben verlaͤngeren. Ich wiedersprach kurz seiner Schaͤndung/ und erinnerte ihn/ wie naͤr- risch es waͤhre/ ihm das Spiel und den Gewin zuzueignen/ da die Wuͤrffel noch auff dem Tische laͤgen. Inzwischen winkete Ariston mit dem Speer/ und legete ein/ aber ihm ward der gestalt begegnet/ daß da sie traffen/ dieser durch uñ durch gerennet ward/ daß er tod uͤber sein Pferd hinunter fiel. Ich sahe eigentlich/ daß Perdickas sich uͤber diesen Fall entsetzete; ließ doch seinen Muht nicht sincken/ sondern wie er ein streitbahrer und bedachtsamer Rit- ter wahr/ daß man meinete/ er haͤtte in Griechenland kaum seines gleichen/ also begegnete er meinem Herꝛn mit gutem Herzen/ gingen auffeinander wie die Loͤuen/ und traffen zu beyden seiten/ daß sie der Stoͤsse wol empfunden/ welches zwar ohn Wunden abging/ aber der Fall doch Perdickas sehr nahe wahr/ daß er sich an seines Pferdes Maͤhne halten mu- ste. Mein Herꝛ wahr auff sich selbst ungehalten/ daß er seinen Feind nicht herunter geworf- fen/ und gedachte den andern Rit besser anzulegen; dessen aber jener nicht erwarten wolte/ sondern nam das Schwert zur Faust/ und setzete damit auff meinen Herꝛn an/ welcher mit gleichem Gewehr und Begierde ihm entgegen sprengete/ da sie dann ihr Gefechte eine gu- te Zeit ganz ernstlich trieben/ daß alle Zuseher sich verwunderten/ wie sie so hefftige Strei- che aushalten kunten/ biß es meinem Herꝛn geriet/ daß er ihm hinter den Schild kam/ und in den linken Arm eine zimliche Wunde schlug/ wiewol der Streit damit noch kein Loch gewan/ sondern sie triebens so lange/ daß beydes die Kaͤmpfer und ihre Pferde mat wurdẽ/ so daß diese nach ihrer Reuter Willen sich nicht mehr lenken kunten; aber Zagheit ließ sich bey Anderes Buch. bey ihnen nicht merken/ sondern schlugen immer kraͤfftiger auffeinander/ daß mein Herꝛ endlich sagete: Mich jammert dein/ daß du in so unredlicher Sache dich schaͤnden/ und dein Leben verlieren must. Perdickas antwortete: Du hast mich ja noch nicht uͤberwun- den/ ob ich gleich bekennen muß/ daß mir deines gleichen noch nicht auffgestossen ist. Gut/ sagete mein Herꝛ; also wirstu meiner kein halb dutzet begehren. Das schlagen ging von neuen wieder an/ und bekam Perdickas etliche Wunden/ da ihn mein Herꝛ vermahnete/ er solte einen wiederruf tuhn/ und die Herꝛn Fabius angelegete Unbilligkeit erkennen/ alsdann wolte er ihn ferneres Streits entheben. Dieser wahr des nicht willens/ sondern durffte noch wol draͤuen/ mein Herꝛ solte und muͤste von seinen Haͤnden sterben; fuͤhrete auch ei- nen so kraͤfftigen hieb/ daß wañ er ihn getroffen/ es ohn schaden nicht wuͤrde abgangen seyn. Er schlug aber zukurz/ und traff meines Herꝛn Pferd zwischen die Ohren/ daß es alsbald fluͤrzete/ und sein Reuter muͤhe hatte/ ohn fallen abzusteigen. Hier fing nun Perdickas an/ ihm Sieges-Hoffnung zumachen/ und wolte meinen Herꝛn uͤberreñen/ aber er trat ihm zu Fuß entgegẽ/ hieb seinem Pferde die vorder Schenkel enzwey daß es fiel/ und sein Reuter darunter zuliegen kam. Darauff trat er zu ihm und sagete; Nun ist dein Leben in meiner Gewalt/ aber daß du meine Redligkeit erkennest/ wil ich dich nicht angreiffen/ biß du auff den Fuͤssen stehest/ und dich deines Schwerts gebrauchen kanst. Perdickas stellete sich als hoͤrete ers nicht/ da mein Herꝛ ihn doch loß reissen half/ daß die Zuseher meineten/ sie wuͤr- den verglichen seyn; abeꝛ da ging das Spiel erst zu Fusse an/ wiewol man klaͤrlich sahe/ daß mein Herꝛ Gewinner seyn wuͤrde/ weil er fast keinen hieb taht/ daß nicht das klare Blut darauff folgete. Jener fuͤhlete/ daß er seinen Meister bekommen hatte/ und mochte ihm wol leid seyn/ daß auff voriges anerbieten er sich nicht bequemet; schande halber aber wolte er sich keiner Furcht merken lassen/ wie schwer ihm auch fiel/ die gedoppelten Streiche auszu- nehmen. Meinen Herꝛn verdroß auch nicht wenig/ daß er sich nicht demuͤhtigen und uͤm̃ Erlassung anhalten wolte/ schlug deswegen immer fort auff ihn zu/ biß er sahe/ daß ihm die Krafft entging/ uñ er den Schild fallen ließ; worauff er zu ihm sagete: Perdickas/ gereuet dich dein Frevel noch nicht? Erklaͤre meinen Freund Fabius vor redlich/ so wil ich dem Kampf die Endschafft geben. Dieser antwortete mit schwacher Stimme: Ein redlicher Ritter leidet lieber den Tod als Schimpff. Mein Herꝛ wahr nicht destoweniger willens/ ihm das Leben zuschenken; er sahe aber/ daß ein grosser Auffstand ward/ und Perdickas Ge- selschafft zu ihm eindrang/ daher fassete er das Schwert/ und richtete ihn mit einem Strei- che zubodem. Die Ursach dieses Aufflaufs wahr des ertoͤdteten Aristons Vater/ welcher ohngefehr auff seiner Gutsche daher gefahren kam/ vielleicht/ daß er dem Kampf zusehen wolte; dieser da er vernam/ daß sein Sohn tod wahr/ gehub er sich als ein verzweifelter mensch/ raufte sein Haar und Bart aus/ und stellete sich so jaͤmmerlich/ daß alle anwesen- de zum mitleiden bewaͤget wurden. O ich armer abgelebter Man/ rief er/ habe ich dich zu dem Ende in meinem Alter gezeuget und von den Goͤttern erbehten/ daß du mir so unselig must ermordet werden/ gleich da du mein Stab und Trost sein soltest/ und ich schier freu- de an dir zuerleben hoffete? O daß ich vor dich haͤtte sterben sollen/ und du nach mir uͤber- blieben waͤhrest/ dañ alle meine hofnung ist verschwunden/ alle meine freude ist dahin. O mein Sohn Ariston! O Ariston mein Sohn mein Sohn! nachgehens kehrte er sich zu Per- dickas Anderes Buch. dickas Geselschaft und rieff/ jhr meine liebe Herren und verwanten/ erbarmet euch meines elendes; lasset euch meinen Unfal zu herzen gehen/ und goͤnnet mir die Rache wieder diesen schaͤndlichen Moͤrder. Hiemit brachte er sie auff/ daß sie ihre Pferde ansporneten/ und auff meinen Herꝛn einmuͤhtig zustuͤrmeten. Ich und die uͤbrigen meines Herꝛn Diener/ sahen diesen Anfall/ gleich da Perdickas nidergehauen ward/ wolten ihn deswegen in dieser Noht nicht stecken lassen/ sprengeten hinzu/ und ließ ich meinen Herꝛn/ wie billich wahr/ auf mein Pferd sitzen/ welcher ungeachtet aller gehabten Arbeit/ rechtschaffen uͤm sich hieb/ und den ersten/ der auff ihn zuritte/ stuͤrzen machete/ dessen Pferd mir sehr wol zustatten kam/ und mischeten wir uns dermassen unter sie/ daß in die XX Mann an ihrer seiten erlegt wurden/ hingegen aber alle unsere Leute darauff gingen. Noch wolte mein Herꝛ sich nicht ergeben/ biß ein schlimmer Schelm ihm das Pferd erstach/ daß es mit ihm stuͤrzete/ da ich alsbald ruffen hoͤrete/ nicht schlaget ihn tod/ sondern nehmet ihn gefangen/ er muß viel eines schnoͤ- dern Todes sterben. Ich saß noch zu Pferde/ wiewol ich alle meine Wunden schon hinweg hatte/ und wahr anfangs willens/ mein Leben daselbst auch zulassen; weil ich aber meinen Herꝛn lebendig gefangen sahe/ und mir sein voriger Befehl zu gutem Gluͤk einfiel/ reiß ich Spornstreichs aus/ und kehrete mich des Weges nach Elis. Sie schicketen mir drey Die- neꝛ nach/ mich nideꝛzuhauen/ abeꝛ weil mirs gluͤckete/ daß ich eines nach dem andern maͤch- tig ward/ legte ich ihrer zween nider/ daß der dritte seiner Haut fuͤrchtend/ davon rennete. Ich/ meiner Wunden ungeachtet/ hoͤrete nicht auff zureiten/ biß ich zu Elis anlangete/ da ich schmerzlich vernam/ Herꝛ Fabius waͤhre nach Korinth gereiset/ labete mich daselbst mit wenig Speise uñ Trank/ ließ meine Wunden verbinden/ uñ kaufte vor einen schoͤnen Ring ein ausgeruhetes Pferd/ welches mich zwar heꝛgetragẽ/ aber wie ich in Herꝛ Herkules Heꝛ- berge abstieg/ alsbald niderfiel und die Seele ausbließ. Fr. Euphrosyne hoͤrete dieser Er- zaͤhlung fleissig zu/ und sagte: Mein geliebter Herꝛ und Freund/ ihr habt mir einen sehr her- ben Streit erzaͤhlet/ welchen ich sehr fuͤrchte/ noch nicht geendiget seyn/ sondern werde von Herꝛ Herkules erst recht fortgesetzet werden; nur dieses ist mir leyd/ daß fast alle diese aͤdel- leute in meine Verwandschafft gehoͤren; iedoch/ wer unbillich handelt/ der erwarte auch der Straffe; Gott rette nur die Unschuldigen/ und behuͤte meine geliebete Wase vor Un- gluͤk; schied hierauff von ihm/ uñ hieß ihn die Ruhe nehmẽ/ weil es schon zimlich spaͤte wahꝛ. Valikules reisete inzwischen mit seiner Geselschafft frisch fort/ nahmen die unwegsameste Bahn/ daß sie nicht ausgespuͤret wuͤrden/ und seumeten sich nicht/ biß sie bey Patr æ an- langeten/ da die Reuter und Schiffknechte sich in dem Walde verstecken musten. Eꝛ ritte mit Markus uñ Gallus in die Stad/ fragete nach der Herberge/ in welcher deꝛ Roͤmische Ritter gelegen/ uud forschete daselbst nach allerhand Zeitung; erfuhr auch/ daß der Roͤmi- sche des naͤhstfolgenden Morgens mit dem Schwerte gerichtet/ und Kleanders Gemahl lebendig verbrennet werden solte/ weil man ihr Schuld gaͤbe/ daß sie ihren Alten haͤtte er- morden/ uñ mit dem fremden davon lauffen wollen. Dieser Zeitung erschrak er zwar sehr/ und freuete sich doch/ daß er noch lebete/ setzete auff Gott allen Trost/ und forschete/ wo des Roͤmischen Herꝛn sein Schiff blieben waͤhre; vernam abeꝛ/ daß weil sie gewarnet worden/ sich vorzusehen/ haͤtten sie sich nach einem andern Hafen gemacht. Markus und Gallus musten Speise kaͤuffen/ als viel sie auff ihren Pferden fortschlep pen kunten/ damit die Voͤl- G g g ker Anderes Buch. ker gelabet wuͤrden/ deren fast die Helffte vergessen hatte Speise mitzunehmen. Valiku- les aber kauffte vier Trometen/ nam sie vor sich auffs Pferd/ und folgete der Geselschaft. Auff dem Wege begegnete ihm ein Baur/ welchen er fragete/ ob ihm Kleanders Schloß bekand waͤhre/ und als er solches bejahete/ gab er ihm die Trometen zutragen/ dessen er ihn lohnen wolte. So bald seine Leute gessen hatten/ hieß er sie Ruhe nehmen/ und erfuhr von dem Bauren/ was gestalt folgendes Tages das Gericht zwischen IX und X uhr solte ge- halten werden/ welches er daher wuͤste/ weil er Kleanders Untertahn/ und das Holz gefuͤh- ret haͤtte/ worauff sein junges schoͤnes Weib solte verbrennet werden. Weil er nun bey dem Bauren ein grosses Mitleiden wegen der Frauẽ vernam/ sagete er zu ihm: Guter Freund/ ich bin der guten Frauen naher Verwanter/ und komme/ sie von dem Feur zuerloͤsen; hast du nun mit dem unschuldigen Blute Mitleiden/ so gib mir Anleitung/ wo wir uns in der naͤhe am besten verbergen/ und ihr zu rechter Zeit helffen moͤgen; sihe ich verspreche dir bey meinen Ehren/ daß dir der beste Meierhoff in dieser ganzen Herrschafft davor sol Erb-uñ eigen geschenket werden. Der Baur gelobete mit teuren Schwuͤren/ getraͤu zu seyn/ und sie an solchen Ort zufuͤhren/ da man ihrer nicht wahr nehmen solte/ biß sie nur noch wenig Schritte zu ihnen haͤtten. Er dankete ihm vor dieses Erbieten/ und schenkete ihm X Kro- nen/ ließ ihn aber doch binden/ und sagete: Er muͤste solches nicht vor uͤbel nehmen/ weil er sich sein recht versichern muͤste; dessen er dann wol zufrieden wahr. Nach Mitternacht brachen sie auff/ und liessen sich an den bestimten Ort fuͤhren/ woselbst das Gericht solte ge- halten werden; da Valikules sein andaͤchtiges Gebeht zu GOtt hielt/ und alle seine Leute sich auffs beste wapnen hieß/ versprach auch einem jeden Soldaten und Schiffknecht in Korinth 40 Kronen zuerlegen/ dafern sie ihm frisch folgen/ und den gefangenen Roͤmischẽ Gesanten zuerledigen fleiß anwenden wuͤrden; welches sie alle angelobeten. Hierauf lase er viere von ihnen aus/ denen gab er die Trometen/ behielt deren drey bey dem Volke/ wel- che er in so viel Hauffen setzete/ den vierden aber ließ er allein/ zulezt einen falschen Laͤrm zu machen. Die bestimmete Zeit des Gerichts kam herzu/ und sahen sie alsbald darauf zween Gefangene an Stricken daher leiten/ welche mit ohngefehr 50 bewehreten Bauren umb- geben wahren. Ihnen folgeten bey XXX Reuter/ deren nur IV gewapnet/ dann es wahren aͤdelleute/ welche kommen wahren/ nicht zufechten/ sondern dem Gerichte zuzusehẽ. Der al- te Kleander ließ sich in einer Trauer Gutsche nachfuͤhren/ vor dem seines Sohns Leichnam in einem Sarge hergetragen ward/ welchem Ladisla als ein Opffer solte abgeschlachtet werden. Als Herkules seinen lieben Freund so schaͤndlich gebunden/ uñ von den Henkers- Buben geschleppet werden sahe/ meynete er/ das Herz wuͤrde ihm vor Mitleiden und Zoꝛn bersten/ und wahr doch noch zu fruͤh loßzubrechen/ biß der Kreiß geschlossen wahr/ und die verurteileten hinein gefuͤhret wurden. Die elende Frau rief stets umb Gnade und Barm- herzigkeit/ und beteurete ihre Unschuld/ aber alles umsonst und vergebens. Ladisla wahr viel zu großmuͤhtig/ seinen Feind zubitten/ sondern als er sahe/ dz es anders nicht seyn wol- te/ ergab er sich dem Tode geherzt/ und sagete: Nun mein Herkules/ die Goͤtter erhalten dich; Du verleurest aber anjezt deinen getraͤuesten Bruder/ dessen Tod du sonder zweiffel nicht ungerochen lassen wirst. Gleich da er diese Wort redete/ ging Valikules mit fuͤnff geharnischten und IX gepanzerten loß wie ein Sturm/ und muste der eine tapffer blasen/ fiel Anderes Buch. fiel mit einem hefftigen Geschrey an/ und setzete unter die gewapnetẽ Bauren hinein/ schlug und hieb umb sich als ob er unsinnig waͤhre/ daß hier ein Arm/ dort ein Kopff hinflohe/ rief ihnen auch zu: sie waͤhren alle des Todes/ dafern den Gefangenen einiges Leid wiederfuͤh- re. So bald sein Trometer auffhoͤrete zublasen (dann also wahr es abgeredet) brach Mar- kus an einer Seite ein/ mit dꝛey Geharnischten und so viel Gepanzerten; Gallus aber mit zween Geharnischten und vier Gepanzerten zur andern Seite/ und liessen ihre Trometen auchfrisch hoͤren/ da es dann an allen dreyen Orten weidlich uͤber die armen erschrockenen Bauren ging. Kleanders vier Geharnischte wolten den ihren Beystand leisten/ aber Va- likules schikte ihnen seine fuͤnff Geharnischte entgegen/ welche ihnen redlich Stand hieltẽ/ und in kurzer Zeit deren zween niderschlugen die andern beyden aber hart verwundeten. Unsere andere drey Hauffen drungen als in die Wette durch hin zu den Gefangenen/ und wahr der Henker so verstokt/ daß er/ dessen alles ungeachtet/ sein Amt an Ladisla volstrecken wolte/ hatte auch schon das Schwert gezukt/ ihn niderzuhauen; aber Valikules wahr ihm zur rechter Zeit auff der Haube/ und schlug ihn mit einem Streich den Arm hinweg/ damit er das Schwert gefasset hatte. Markus draͤngete mit herzu/ sprang von seinem Pferde/ schnitte die Bande von seines Herrn Armen hinweg/ setzete ihm eines erschlagenen Bau- ren Sturmhaube auff/ gab ihm das Henker-Schwert und seinen eigenen Schild/ und sa- gete: Geschwinde mein Herr/ und setzet euch auf mein Pferd. Ladisla dankete ihm sehr/ stieg auf/ und mischete sich mit in den Streit/ da Markus sich auff eines Schiffknechtes Pferd machte/ deren etliche abgestiegen waren/ uñ zu fusse die Bauren mit ihren grossen Schwer- tern in die Pfanne hieben. Das arme Weibichen wahr in den groͤssesten aͤngsten/ und noch unter Buͤttels Haͤnden/ welcher sie schon gefasset hatte/ lebendig ins Feur zuwerffen; doch kam ihr Valikules zu rechter Zeit zu Huͤlffe/ schlug die Schergen nider/ und nam sie vor sich auf sein Pferd/ setzete auch mitten durch die Bauren/ welche sich schon nach der Flucht umsahen/ und legte sie gebunden unter einen Baum nider/ gleich da der lezte Trometer an- fing im Walde zu blasen/ welchen Valikules zu sich nahm/ und mit ihm auffs neue anfiel/ da schon die Unordnung unter den Bauren so groß wahr/ daß sie sich nicht wieder setzen kunten. Der alte Kleander hatte sich dieses hefftigen uͤberfalls nicht versehen/ sahe die klei- nen Haͤuflein der unsern/ und rieff den seinen zu/ nur geherzt zu seyn/ was sie sich von einer Hand voll Volckes treiben liessen? aber es waͤhrete nicht lange/ da merkete er/ dz schon der groͤste Teil der Bauren gestrecket lagen. Ladisla setzete mit Markus und Gallus unter die geputzeten aͤdelleute/ deren sie achte niderhieben/ ehe die algemeine Flucht anging/ welche dann nicht lange anstund/ massen als Valikules wieder kam/ samlete er die Geharnischten umb sich/ setzete damit unter die Bauren/ da sie noch stand hielten/ und wirkete so wol/ daß sie alle ihr Gewehr von sich worffen/ und sich unter die grosse Menge der Zuseher verstecke- ten/ deren uͤber die 50 von den Pferden zutreten und sonst hart verwundet wurden/ der be- wehreten Bauren aber 38 mit der Haut bezahleten. Kleander sahe/ daß alles verlohren wahr/ und wolte sich durch die Flucht davon machen/ hieß auch schon seinen Gutscheꝛ aus- reissen; aber Ladisla kam ihm gerade entgegen/ stieß dem Gutscher das Schwert durch den Leib/ fassete den Alten beym Arme/ und zohe ihn vor sich auff sein Pferd/ zu ihm sagend: Du graͤulicher Bluthund und Erzschaͤndigter Wuͤterich/ jezt werde ich deiner teuflischen boß- G g g ij heit Anderes Buch. heit ein Ende machen/ wiewol ich keine Straffe sehe/ welche derselben gnug waͤhre. Dieser sperrete und straͤubete sich sehr vor ihm auff dem Pferde/ fing an umb Gnade zubitten/ und daß er sich mit viel tausend Kronen loͤsen wolte. Aber sein Verbrechen wahr zu groß/ und Ladis i aen Zorn zu hefftig/ welcher ihn zu dem lohebrennenden Feur hinfuͤhrete/ und ihn da hinein warff/ da er mit erschreklichem bruͤllen und langwieriger Pein endlich seinen Geist auffgab. Unterdessen hatten Markus und Gallus samt ihren Gehuͤlffen die aͤdelleute in ein Gedraͤnge getrieben/ welche auff Ladislaen Ankunfft umb Gnade schrihen/ deꝛ ihnen stuͤnd- lich von ihren Pferden zusteigen befahl/ ließ sie mit ihren Zaͤumen binden/ uñ fragete nach/ wer unter ihnen der schelmischen Verraͤhterey beygewohnet haͤtte/ da er so moͤrdlich uͤber- fallen waͤhre? Deren funden sich nun noch neune in dieser Geselschaft/ und wurden ohn weitere Urtel alsbald nidergehauen; die uͤbrigen dreyzehn aber/ biß zu weiterer Verord- nung gefangen behalten. So bald Valikules sahe/ daß die Gefahr vorbey war/ ritte er mit Gallus hin zu der annoch gebundenen Frauen/ stieg vom Pferde und loͤsete ihr die Bande auf; oͤfnete auch seinen Helm/ daß sie ihn unter dem Gesichte sehen kunte/ und sagete zu ihꝛ: Hochwerte Freundin/ ich bedanke mich gegen euch hoͤchlich/ daß ihr euch/ wie ich merke/ des Gefangenen nach Vermoͤgen angenommen. So gehet nun hin/ und saget ihm: Ein unbekanter Freund/ den er sein lebelang nie gesehen/ aber wol von ihm mag gehoͤret haben/ lasse ihn erinnern/ sich von Vergiessung des unschuldigen Blutes zuenthalten/ und daß ich umb Verzeihung bitte/ wegen meines schleunigen Abscheides; dann ich werde auf ein an- dermahl mich ihm schon offenbahren. Die gute Frau fiel ihm zun Fuͤssen/ und baht fleissig/ mit ihr auff das Schloß zu reiten; Er aber kehrete sich ferner nichts an sie/ stieg wieder zu Pferde/ und rennete mit Gallus Spornstreichs davon/ hoͤreten auch nicht auff zueilen/ biß sie zu Korinth bey Fr. Euphrosynen anlangeten. Ladisla wuste noch nit/ was vor Leute ihn gerettet hattẽ/ wiewol er nit anders meynete/ es waͤren Herkules uñ Fabius; so hatte Mar- kus bißher seinen Helm noch nit auffgeschlagen/ sondern nach Vollendung dieses Streits/ stieg er ab vom Pferde/ taht seinẽ Helm hinweg/ uñ nachdem eꝛ ihm die Hand gekuͤsset hatte/ sagte er: Gn. Herr/ heut habe ich den Tag meiner hoͤchstẽ Gluͤkseligkeit erlebet/ indem Eureꝛ Gn. angenehme dienste zuerzeigẽ ich gelegenheit gehabt. Ja mein lieber Markus/ antwor- tete er; du haͤttest auch kein Augenblik laͤnger außbleibẽ duͤꝛffen/ da mein Leben solte gerettet seyn/ wirst dich auch zuversichern haben/ daß ich dir Zeit meines Lebens solches geniessen lassen werde. Aber wo ist mein Herkules/ welcher durch seine Faͤuste fast uͤbermenschliche Tahten gewirket hat? Von Herren Herkules/ sagte Markus/ ist mir nichts bewust; dieser grefliche Held aber muß ja euer Gn. durch sonderliche schickung Gottes zugesand seyn/ wie gleichergestalt auch mir vor wenig Tagen/ wovon zur bessern Gelegenheit wird zu re- den seyn. In dem sahe Ladisla die elende Frau dorther treten/ noch so voller Angst/ daß alle ihre Gliedmassen zitterten/ hub sie vor sich auff sein Pferd/ und nam sie freundlich mit ei- nem Kuß in die Arme/ zu ihr sagend: Herzgeliebete Freundin als Schwester/ die Goͤtter haben unsere Unschuld angesehen/ und nicht zugeben koͤnnen/ daß wir als Ehebrecher und Moͤrder verderben solten; gebet euch demnach zufrieden/ weil der alte Bluthund sein Le- ben in eben demselben Feur schon geendet hat/ welches er euch hatte anzuͤnden lassen; fuͤh- rete sie damit nach der Gutsche/ und setzete sie dahinein. Markus hatte seine Krieges- und Schiff- Anderes Buch. Schiffleute auch gesamlet/ deren nur drey verwundet und kein einziger Tod wahr/ und nachdem Ladisla sich einer Verraͤhterey und neuen uͤberfalles von dem umher wohnen- den Adel besorgete/ ließ er die Gefangenen nach dem Schlosse fuͤhren/ und machete sich mit den seinen ungeseumet dahin/ ließ alle Tohre biß auff eines/ versperren/ und musten Markus Leute dasselbe besetzen. Er wahr voller Gedanken/ wer dieser seyn Erretter seyn moͤchte/ uñ waꝛumb derselbe so schleunig davon geritten waͤhre/ sagte auch zu Markus; hat dir irgend mein Herkules verbohten/ daß du ihn nicht melden sollest/ so sage mirs nur/ ich wil ihm wieder seinen willen nicht folgen. Mein Herr/ antwortete ihm Fr. Agatha: Es ist dieser treffliche Held zu mir kommen/ nachdem er mich schon zuvor erlediget hatte/ hat mir die Bande selbst auffgeloͤset/ uñ mir befohlen/ ihm sein Begehren anzumelden; brach- te hiemit vor/ was er ihr unter dem Baum gesagt hatte. Ey meine Freundin/ sagte er/ wie wahr er doch Gestalt? Er ist/ sagte sie/ braunlich von Haͤnden/ Haar/ und Angesicht/ aber gar lieblich/ so daß ich ihn vor einen halte/ der auß den Asiatischen Morgenlaͤndern/ entsprossen ist. Weil sie dieses erzaͤhlete/ ließ sich ein Schiffknecht angeben/ und brachte vor/ der unbekante Ritter haͤtte bey seinem Abzuge ihn zu sich geruffen/ und anfangs ange- zeiget/ wo sie das von ihm versprochene Geld empfangen solten; hernach befohlen/ Herꝛen Ladisla zuvermelden/ wie er aus sonderlicher Gewogenheit/ durch himlische Anreizung ihn entsetzet/ und moͤchte er durch unzeitige Nachforschung ihm keine vergebliche Muͤhe ma- chen/ weil unmoͤglich waͤhre/ daß er ihn wuͤrde antreffen koͤnnen/ biß ihm selbst geliebete sich zumelden. O ihr Goͤtter/ fagete er darauff; muß ich dann meinen Retter nicht keñen/ dem ich Leib und Leben schuldig bin? Kehrete sich hernach zu Markus/ und fragete/ wie er in seine Geselschafft kommen waͤhre. Worauff er antwortete; es ist dieser Held mit seinem Diener/ einem ansehnlichen guten Ritter in Korinth zu mir kommen/ woselbst er sieben Ritter/ welche mir und Charidemus Wittiben mit falschem Luͤgenmaul ungebuͤhrliche Sachen nachredeten/ nacheinander in einem Kampf erleget; und als zween Tage hernach euer Gn. Gefaͤngnis ich von Klodius berichtet worden/ hat er sich bey mir angemeldet (wie heimlich er sonst nach gehaltenem Kampff sich vor mir hielt); eꝛ haͤtte vernommen daß ich nach der Stad Patr æ zu reisen willens waͤhre; weil dann fein Weg auch dahin fiele/ such- te er gute Geselschafft umb Sicherheit willen. Als er nun mein Vorhaben vernam/ ei- nem unschuldig gefangenen Herren nach vermoͤgen Rettung zuleisten/ erboht er sich frei- willig/ nicht von mir zu scheiden/ biß mein Vorsaz zum gewuͤnschten Ende außgefuͤhret waͤhre/ weil er/ wie er sagete/ Herren Ladisla wol kennete/ derselbe aber ihn nicht. Er hielt sich bey uns/ als waͤhre er unser Obrister gewesen/ und bekenne ich meinesteils/ dz ich ihm gerne gehorchet habe; massen er alle Dinge kluͤglich anordente/ dz ich mich sein nicht gnug verwundern kunte; insonderheit mit den Trometen/ wahr sein angeben/ welches uns wol geholffen und die Feinde erschrecket hat. Die naͤhst vergangene Nacht musten wir alle ruhen/ aber in seine Augen kam kein Schlaff/ sondern ging und sinnete/ wie er sein Vorha- ben recht anfahen wolte/ wozu er sich eines Baurẽ rahts gebrauchete/ dẽ er ohngefehr hat- te angetroffen. Nun ihr Goͤtter/ sagte Ladisla/ euch sage ich voraus Dank vor meine Erle- digung/ und wuͤnsche zugleich/ daß ich dieses Freundes Kundschafft erhalten moͤge/ mit dem ich alles mein Vermoͤgen und Haabseligkeit gerne teilen wolte/ sonst werde ich nicht G g g iij koͤnnen Anderes Buch. koͤnnen von Herzen froͤlich seyn. Wer hat dir aber meinen Unfal zu Korinth so schleunig kund getahn? wie ich schon gemeldet habe/ sagte er/ der hartverwundete Klodius/ der an- noch in grosser Schwacheit zu Korinth danider lieget. Erzaͤhlete hernach/ wie es Fabius und ihm ergangen/ und was Gestalt ihm Gott so grosses Gluͤk zugefuͤget/ uñ eine Tugend- reiche wolbeguͤterte Bꝛaut bescheret haͤtte. Ladisla erfreuete sich dessen/ und sagete zu ihm: Es waͤhre ihm lieb/ daß er sein anteil schon funden/ sonst wolte er ihm die heut errettete zu gefreiet haben; wovor er sich untertaͤhnigst bedankete/ und ihn baht/ seines getraͤuen Die- ners Klodius eingedenke zu seyn; welches er ihm verhieß. Die Frau kam gleich wiedeꝛ darzu gangen/ und hielt bey Markus an/ ihr zuverzeihen/ daß vor die geschehene Erloͤsung sie ihm noch nicht gedanket. Er aber gruͤssete sie von wegen ihrer Fr. Wasen/ und befahl sich ihrer guten Freundschafft und Gewogenheit/ der Hoffnung gelebend/ daß er noch ver- traulichere Kundschafft mit ihr zu machen/ Gelegenheit haben wuͤrde. Bald fragete sie ihn/ ob er vielleicht ihrer Wasen Fr. Euphrosynen Liebster waͤhre; und da er solches be- kennete/ erboht sie sich/ mit ihm nach Korinth zuzihen/ und ihre vertrauete Freundin zube- suchen. Der Baur welcher diese Nacht bey Valikules gewesen/ trat hin zu Markus/ und baht/ der gestrigen Zusage eingedenk zu seyn; es waͤhren unter den Erschlagenen Bauren unterschiedliche/ welche grosse Meierhoͤfe hinterlassen/ insonderheit einer/ der weder Weib noch Kind haͤtte/ und sein Gut gar loßgestorben waͤhre. Markus erzaͤhlete dieses Mañes Fleiß und Traͤue/ wovor ihm nicht allein der begehrete Hoff mit allem vieh und zubehoͤr/ sondern seinen vier Soͤhnen und fuͤnf Toͤchtern so viel Guͤter der Erschlagenen Bauren zugewendet wurden/ daß ihres gleichen an Reichtuhm in derselben Gegend nicht wahr. Nachgehends fo derte Ladisla alle gefangene aͤdelleute vor sich und die Frau/ und begehrete von ihnen zuwissen/ warumb sie an ihrem unschuldigen Tode so grosses Wolgefallen ge- habt/ und bey dem unmenschlichen Gerichte sich eingestellet/ nicht anders/ als ob sie zum Hochzeit Feir geritten waͤhren? Diese wusten sich nicht zuentschuldigen/ nur; es waͤhre ih- nen ihre Unschuld allerdinge unwissend gewesen/ und haͤtte ihr Anverwandter Kleander sie viel eines andern beredet/ als ob Fr. Agatha mit dem Gefangenen Abrede genommen/ ihn bey Nachtschlaffender Zeit zuerwuͤrgen/ und den Gefangenen zum Besitzer aller seineꝛ Guͤter zumachen. Aber Ladisla beantwortete ihnen dieses also: O ihr frevelmuhtige Bu- ben/ wie duͤrffet ihr mit diesem nichtigen Behelff angestochen kommen? haben nicht ich uñ diese Tugendsame Frau euch bey unser schaͤndlichen Ausfuͤhrung unsere Unschuld uͤber- fluͤssig vorgestellet/ aber wer ist unter euch/ der sich im geringsten daran gekehret/ ja der nur einiges Zeichen des Mitleidens haͤtte sehen lassen? Daß auch des unbarmherzigen alten Bluthundes Vorgeben nichts als eine schaͤndliche Luͤge und Verleumdung sey/ sollet ihr daher erkennen/ daß vor erst ich mein eheliches Gemahl zu Padua habe/ und daß ich her- nach ein groͤsser Reich erblich besitze als gantz Pelopoñesus kaum ist; wird auch kein Mensch erfahren/ daß ich eines Strohalmes wert von dieser aͤdlen Frauen Guͤtern umsonst zuge- niessen begehre/ der ich euch alle leicht eigen kaͤuffen/ und aus meinem Schiffe euch uͤbeꝛ XII Tonnen Schaz Zehrgelder vorlegen koͤnte. Also sehet ihr nun/ wie boßhafftig der verfluch- te Wuͤterich an mir und dieser unschuldigen Frauen gehandelt/ welche durchaus nichts gesuͤndiget hat/ nur daß sie seine teuflische Boßheit wider mich nicht billichen koͤnnen/ und mit Anderes Buch. mit meinem Ungluͤk ein Mitleiden getragen/ welches sie auch bewogen hat/ daß sie anfangs mich in meiner Gefaͤngniß gespeiset und getraͤnket/ darinnen ich sonst haͤtte muͤssen Hun- gers und Durstes sterben; nachgehends sich bemuͤhet/ mich loßzumachen/ welches ihr mißlungen. Damit ihr aber auch euer Verbrechen wisset/ so bedenket/ wie Roͤmische Kaͤy- serl. Hocheit es empfinden werde/ daß ihr mich einen Roͤmischen gevollmaͤchtigten Ge- santen dergestalt zum Tode begleitet/ und an meinem Verderben euch erlustiget habet. Zwar ich haͤtte Recht und Macht genug euch alle mit einander durch schaͤndlichen Tod hinzurichten/ aber daß nicht eure Anverwanten sich zubeschweren haben/ ich verfahre nach meinem eigenen Willen und angemasseter Rache/ so haltet euch fertig/ morgendes Tages zu Schiffe zutreten/ daß ihr vor Kaͤyserl. Hocheit erscheinet/ umb daselbst eures Tuhns Rechenschafft zugeben; und dafern euch eine geringere Straffe auffgeleget wird/ als daß ihr alle zum Tode verurteilet/ und eure liegende und fahrende Guͤter der Kaͤyserl. Kam̃er zugesprochen werden/ so wil ich meinen Kopff verlohren haben. Wolte nu einer oder ander diese meine Rede vor ein Schreckwerk haltẽ/ so sehet da meine Roͤmische schrifftliche Voll- macht/ und schicket euch/ dasselbe auszustehen/ wz ihr verdienet habet/ welches auch an der schon abgeschlachteten ihren hinterbliebenẽ sol ausgefuͤhret werdẽ. Als die Gefangenẽ sol- ches hoͤreten/ uñ seinen schriftlichen Beweißtuhm sahen/ eꝛschraken sie uͤbeꝛ alle masse/ haͤttẽ auch gerne alsbald eine Abbitte getahn/ wañ nit Ladisla mit der Frauẽ gleich waͤhre davon gangen; liessen doch durch einen Kriegsknecht/ der sie bewachete/ um gnaͤdige Verhoͤrung untertaͤhnig anhalten; worauff sie wieder zu ihnen gingen/ und fing der Vornehmste unter den Gefangenen also an: Durchleuchtiger Gnaͤdiger Herr; wir koͤnnen nit umbhin/ zube- kennen/ daß an eure Gn. wir uns sehr grob und hart versuͤndiget haben/ indem wir nicht allein in die/ ihrer Gn. angelegete Unbilligkeit gehehlet/ sondern uͤberdas diesem unrecht- maͤssigen gottlosen Gerichte beyzuwohnen/ uns geluͤsten lassen. Nun sind aber dessen die Goͤtter unsere Zeugen/ daß vor erst uns allerdinge unwissend gewesen/ daß eure Gn. ein Roͤmischer Ritter; vielmehr/ daß sie ein gewaltiger Gesanter Ihrer Roͤmischen Kaͤyserl. Hocheit ist/ sondern man hat uns dieselbe als einen fremden Umbschweiffendẽ vorgemah- let/ von dessen Stand und Wesen niemand einige Kundschafft haͤtte. Doch sey diesem wie ihm wolle/ wir haͤtten billich beffer nachfragen sollen/ und wird dahero unsere Unwis- senheit uns nicht entschuldigen/ sondern unsere einige Zuflucht ist zu eurer Gn. Barm- herzigkeit und Guͤte/ wie auch zu unser hoͤchst geehrten Fr. Wasen und Schwaͤgerin wol- gelittener kraͤfftigen Vorbitte und Sanfftmuht/ untertaͤhnig und wehmuͤtig bittend und flehend/ uns diesen groben Fehler zuverzeihen und es vor Roͤmische Kaͤyserl. Hocheit nicht gelangen zulassen; dagegen erbieten wir uns/ so viel unsere Guͤter vermoͤgen/ Abtrag zu- machen/ und unsere Suͤnde zu buͤssen/ auch hernaͤhft ihnen mit Gut und Blut stets ver- bunden zu seyn. Ladisla wahr sehr ernsthafftig; es wolte in so beschaffenen Sachen sich nit also lassen durch die Finger sehen/ das Verbrechen waͤhre zu grob und uͤbermacht/ muͤsten demnach in Hafft verbleiben/ biß ers mit seinem Mit-Gesanten Herrn Fabius wuͤrde in Bedacht gezogen haben. Diese wusten nun/ wie scharff derselbe mit Charidemus verfah- ren/ daher sie sich eines gleichen befuͤrchteten/ tahten deswegen einen wehmuͤhtigen Fuß- fal/ und daß nach seiner Gn. er selbst mit ihnen handeln moͤchte. Weil dann Ladisla ihre ernst- Anderes Buch. ernstliche Reue sahe/ nam er mit Fr. Agathen einen Abtrit/ und fragete/ weß sie gesinnet waͤhre; da sie etwa in kuͤnfftig sich vor ihnen zubefuͤrchten/ koͤnte man sie anjezt daͤmpffen; doch hielte ers davor/ ihr beydeꝛ Schimpff und Spot waͤhꝛe zur gnuͤge an den rechtschul- digen gerochen; daher waͤhre er bedacht/ nach seines Erloͤsers Raht und Willen mit ih- nen zuhandeln/ jedoch/ daß sie gnugsame aͤyd- und schrifftliche Versicherung von sich ge- ben solten/ sich hernaͤhst auff keinerley Weise an ihr oder den Ihrigen zu raͤchen. Die Frau wahr ohndas sehr mitleidig/ und baht mit heissen Traͤhnen/ den Gefangenen zuverzeihen/ welches sie wuͤrden zuerkennen wissen. Also gingen sie wieder zu ihnen hin in den Saal/ da die Gefangene noch auff den Knien lagen/ welche er auffstehen hieß/ und sie also an- redete: Ob zwar eure Verbuͤndnis wieder einen Roͤmischen Gesanten nit weniger als Le- bensstraffe und Verlust aller Guͤter verdienet hat/ insonderheit/ weil ich ja nit in diese Land- schafft kom̃en bin/ einem einzigen Menschẽ ein Haͤaͤrlein zukraͤnken; so hat doch gegenwaͤr- tige eure F. Wase und Schwaͤgerin bey mir mit so heftigen Zaͤhren um Begnadigung an- gehalten/ dz ich ihr zu gefallen/ anders/ als ich willens gewesen/ mit euch verfahren wil; er- biete mich demnach/ euch allẽ insgemein/ uñ jedem insond’heit die verwirkete Stꝛaffe nach- zulassen/ mit der Bedingung/ daß ihr gleich jetzo aͤidlich angelobet/ schier heut oder morgen weder durch euch selbst/ noch durch andere/ euch an dieser Frauẽ/ oder wer es seyn moͤchte/ zuraͤchen/ sondern ihr allen freundlichen Willen Zeit eures Lebens zuerweisen/ sonder arge List und Gefaͤhrde. Ob ihr nun dieser Vorbitte wegẽ/ euer Fr. Wasen einige rechtschaffene Dankbarkeit schuldig seyd/ stelle ich eurem Gewissen anheim; doch sollet und muͤsset ihr mir aller/ heut/ und Zeit meines Kampffs erschlagenen Guͤter und Erben nahmhafft ma- chen/ welche ich wegen der muhtwilligen Boßheit schon finden werde/ insonderheit/ weil ich sie zu Patr æ selbst gewarnet/ sich an mir als einem Roͤmischen Bedieneten nicht zuver- greiffen. Diese bedanketen sich der Gnade untertaͤhnig/ leisteten den aͤid mit gutem Wil- len/ und gaben dessen schriftliche Zeugniß von sich. Worauff ihnen Ladisla ihre Pferde zu- stelle/ uñ sie hin auf ihre Guͤter zihen hieß. Diese besucheten zuvor der erschlagenen Frauen/ troͤsteten sie/ und gaben ihnen ihr annoch bevorstehendes Ungluͤk zuerkennen/ auch zugleich den Raht/ daß sie nach Fr. Agathen reiseten/ ihr ansehnliche wichtige Geschenke mitbraͤch- ten/ und sich ihrer Vorbitte gebr aucheten/ sonst wuͤrde der Roͤmische Gesante ihnen nicht eines Hellers wert von allen ihren Guͤtern uͤbrig lassen/ ia sie alle miteinander vor Leibeige- ne annehmen. Zwar es ging diesen Frauen ihrer Maͤnner Tod sehr zuherzen/ dañoch abeꝛ fuͤrchteten sie das kuͤnfftige noch mehr; wahren demnach willig/ diesem Raht folge zuleistẽ; da sie dann stuͤndlich an Fr. Agathen schrieben/ daß/ wo sie ihre gegenwart erleiden koͤnte/ wolten sie dieselbe gerne erstes Tages besuchẽ. Als sie nun kahmen/ brachten sie ihr an Klei- noten/ Perlen und gemuͤnzetem Golde uͤber die 140000 Kronen wert; lieferten ihr dane- ben auff 50000 Kronen Handschrifften ein/ welche sie ihrer Eltern wegen hatten/ uñ schen- keten ihr solches alles. Darauf brachten sie ihre Werbung vor/ uñ bahten mit heissen Traͤh- nen/ ihnen bey dem Herꝛn Gesanten Gnade zu erlangen/ daß uͤmb ihrer Maͤnner Verbre- chens willen sie nicht von ihren Guͤtern moͤchten verstossen/ noch uͤmb ihre Freyheit ge- bracht werden. Fr. Agatha troͤstete sie allesamt in ihrem Elende/ mit Bezeugung/ wie heꝛz- lich leid jhr solches waͤhre/ und bemuͤhete sich bey Ladisla/ das jhnen samt und sonders alle Straffe Anderes Buch. Straffe erlassen ward/ nur musten sie dagegẽ angelobẽ/ mit jhrer wasen und Schwaͤgerin auffrichtige freund- und nachbarschaft zuhaltẽ/ und wegen Kleanders Erbschafft jhr durch- auß keine ansprach zuzumuhten/ sondern ihr bestes zubefodern und ihren Schaden nach Vermoͤgen abzuwenden. Perdickas nachgelassene Wittib/ eine ansehnliche statliche Frau/ ohngefehr von XXX Jahren/ Nahmens Artonis/ kam auff ermahnen obgedachter aͤdelleu- te auch dahin/ und erlangete durch ihre Freundligkeit bey Ladisla voͤlligen Erlaß; sie wahr uͤberaus Geldreich/ uñ hatte ihrem Eheherꝛn viel Tonnen Goldes zur Heimsteur gebracht/ welcher sie in Persen geheyꝛahtet/ und weil sie dem Persischen Großfuͤrsten Artaxerxes na- he verwand wahr/ hatte sie jaͤhrlich daher grosse Rente zuheben. Sie gewann eine solche Zuneigung gegen Ladisla/ daß ihr schwer fiel/ sich von ihm zuscheiden/ da sie ihm sechs treff- liche Persische Pferde mit gestiktem Zeuge/ und einen Medischen Saͤbel grosses Werts; uͤberdas IIX Stuͤcke Kleinot auff 26000 Kronen geschaͤtzet/ fast wieder seinen Willen ver- ehrete. Fr. Agathen lieferte sie 16000 Kronen gemuͤnztes Goldes/ und eine Handschrifft auff 10000 Kronen/ wovor sie einen grossen Teil ihres Vaters Guͤter zum Unterpfande hatte/ und sagete zu ihr: Geliebete Fr. Schwaͤgerin/ ich erkenne gar wol/ daß all euer Un- fal einig und allein von meinem gewesenen Ehherꝛn heꝛruͤhret/ welches miꝛ herzlich leyd ist; damit ich nun mein gutwilliges Gemuͤht etlicher massen bezeugen moͤge/ und ich des ihren hinwieder versichert seyn koͤnne/ hoffe ich/ sie werde diese Gelder und Handschrifft samt al- ten den Guͤtern/ die von ihres Seel. Herꝛn Vaters wegen ich unter Haͤnden habe/ von mir unwegerlich annehmen/ und weil ich lebe/ vertrauliche Freundschafft mit mir halten. Fr. Agatha bedankete sich gar demuͤhtig/ haͤtte ja ein solches nicht verdienet/ und waͤhre ihr unmoͤglich es zuvergelten/ wolte deswegen die Goͤtter bitten/ daß sie es in andere Wege er- statten wolten. Es wahr Fr. Agatha zwar von gutem Griechischen Adel/ aber ihre Eltern wahren ihr sehr fruͤh abgangen/ und hatten wegen schwerer Buͤrgschafften ihr nichts als Schulden hinterlassen/ daß sie auch von ihren Anverwanten aus Erbarmung aufferzogẽ wahr/ biß sie den alten Kleander wieder ihren Willen heyrahten muste; derselbe merkend/ daß ihre Guͤter fast tieff verschuldet wahren/ wolte damit keine Ungelegenheit noch muͤhe haben/ und uͤbergab sie den Glaͤubigern/ vermachte ihr dagegen auff seinen Todesfal ein zimliches Leibgedinge/ dessen Auffkuͤnffte sie Zeit ihres Lebens geniessen solte/ dafern sie nit wieder heyrahten wuͤrde. Weil nun sein Sohn erschlagen/ und sie/ wie er vorgab/ von ihm lauffen wollen/ hatte er seines Bruders Sohn zum Erben eingesezt/ welcher bey Ladisla Er- loͤsung strak anfangs mit nidergehauen wahr/ und keine nahe Erben an Kleanders seite uͤbrig wahren/ die ihꝛ solche Erbschafft haͤtten streitig machen koͤñen/ welches ohn das leicht koͤnnen verwehret werden. Sie wahr schoͤn und verstaͤndig/ im achzehnden Jahre ihres Alters/ und hatte mit ihrem Alten ohngefehr ein halbjahr im Ehestande gelebet; anfangs da sie vom Feur erloͤset wahr/ mochte sie sich Hoffnung machen/ daß Ladisla sie hernaͤhst heyrahten wuͤrde/ weil sie seines Wesens und Ehestandes unberichtet wahr/ aber diese Ge- danken verlieffen bald bey ihr. Die XIII freygelassene aͤdelleute/ welche alle wolbeguͤtert wahren/ schicketen VI ihres Mittels an Ladisla/ uñ sendeten ihm zwo uͤber aus trefliche Gut- schen mit XVI Pferden in guͤldenem Zeuge/ daneben eine guͤldene Kette mit einem koͤstli- chen Kleinot/ welches alles er wieder seinen Willen annahm/ ohn des grossen Alexanders H h h Brust- Anderes Buch. Brustbilde auff einem Goldpfennige abgegossen/ welches mit uͤbergeschicket ward/ wahr ihm sehr angenehm; nachgehends lieferten sie Fr. Agathen an Kleinoten 20000 Kronen/ uñ an Baarschafften 60000 Kronen/ auch dabey ihreꝛ Eltern Verbrieffungen auf 40000 Kronen Haͤuptstuel. Die Guͤter/ welche sie davor unterhatten/ wurden ihꝛ alle abgetreten/ daß sie den groͤsten Teil ihres Vaͤterlichen Erbes uͤmsonst wieder bekam/ und ihr Landgut uͤm ein trefliches mehrete. Sie boht Markus 60000 Kronen zur Verehrung an/ weil La- disla nichts von ihr nehmen wolte; er aber antwortete ihr/ es wuͤrde ein schlechter Grund kuͤnfftiger Verwand- und Schwaͤgerschafft seyn/ wuͤste es auch vor seiner Liebesten durch- aus nicht zuverantworten/ zugeschweigen/ daß er schon ein uͤbriges haͤtte nehmen muͤssen/ massen die gesamten Wittiben ihm 10000 Kronen/ die aͤdelleute 6000/ und Fr. Artonis 4000 Kronen geschenket hatten. Nach Verrichtung aller Sachen/ machten sie sich zum Auffbruch fertig/ da Fr. Agatha alle ihre Baarschafften und Kleider auff Wagen lude/ ihre Guͤter einem ihrer Anverwanten umb gewissen Pacht eintaht/ und mit der Gesell- schafft sich nach Korinth erhuhb/ ihre Trauerzeit bey ihrer geliebten Wase auszuhalten. Als sie von dem Schlosse abzogen/ stellete sie jedem Kriegsknechte 100 Kronen/ und jedem Schiffknechte 80 Kronen zu/ welches ihm Ladisla wolgefallen ließ/ welcher mit IIX Gehar- nischten auff Elis ritte/ Fabius abzuhohlen; Markus aber nam mit den uͤbrigen den naͤhe- sten Weg auff Korinth/ wiewol sie nahe vor derselben Stad wieder aneinander gerieten/ weil diese wegen der schwer beladenen Wagen gemaͤhlich zihen musten. Es hatte Fabius aus dem gemeinen Geschrey vernommen/ was massen Ladisla der grossen Gefahr entgan- gen/ dessen er nun voͤllig berichtet ward/ kunte aber nicht aussinnen/ was vor ein Ritter sol- che Errettung geleistet haͤtte; Sie wolten es Herkules gerne zulegen/ nur die Gestalt traff nicht ein. Zu Korinth wahren sie bey Fr. Euphrosynen sehr wilkommen/ deren gute Art Ladislaen wolgefiel/ ging alsbald zu Klodius vor das Bette/ ruͤhmete seine Traͤue/ ohn wel- che er sein Leben nicht haͤtte erhalten koͤnnen/ und ermahnete ihn/ sich des Arztes Befehl ge- maͤß zuverhalten/ daß er bald gesund wuͤrde/ und den Lohn/ welchen er ihm zugedacht/ em- pfahen koͤnte; worin Klodius sich nicht zufinden wuste/ meynete/ es wuͤrde etwa ein gut Stuͤk Geldes seyn. Unser Valikules/ so bald er wieder zu Korinth anlangete/ fand er ein Schiff daselbst/ welches des folgenden Tages nach Kreta wolte/ ging des Abends zu Fr. Euphrosynen/ und hielt Mahlzeit mit ihr/ brachte ihr auch die gute Zeitung/ was massen er Fr. Agathen dem Henker aus den Haͤnden gerissen/ da sie gleich haͤtte sollen ins Feur geworffen werdẽ/ waͤhre aber von Ladisla zur Wittiben gemacht/ und baht/ wann sein Klodius diese Braut vom Tantze fuͤhren koͤnte/ moͤchte er ihm solches wolgoͤnnen. Euphrosyne gab ihm die Hand darauff/ nicht zuruhen/ biß sie diese Heyraht ins Werk gerichtet/ wolte auch dero behueff ihre Wase nach Korinth hohlen lassen/ dafern sie Markus nicht mit bringen wuͤr- de/ woran sie doch nicht zweiffelte. Des folgenden Morgens/ als er zu Korinth alles nach Willen bestellet hatte/ ging er mit Gallus unter herzlicher Anruffung GOttes umb eine gluͤkliche Reise/ zu Schiffe/ und fuhr nach dem Eilande Kreta mit gewuͤnschetem Winde. Des Tages/ als Markus zu Korinth wieder ankommen wahr/ ging Valikules Christlicheꝛ Wirt zu ihm/ erboht sich anfangs zu allen moͤglichen Diensten/ wie Herr Valikules mit ihm Anderes Buch. ihm vertraulich abgeredet haͤtte/ uñ reichete ihm nachgehends 1000 Kronen nebest einem verschlossenen Briefelein/ des fremden Ritters wegen/ welches er brach/ und folgenden Inhalt daraus lase: Daß ich euch/ lieber Freund/ vor meinem Abschiede nicht gesprochen/ werdet ihr meiner Sachen Notturfft und grosser Eile zuschreiben/ als der ich bloß eures Herrn wegen meine wichtige Reise nach Spanien auffgeschoben/ welchen ich freundlich zugruͤssen bitte/ und dz den Kriegs- und Schiffknechten/ welche in Erloͤsung ihres Herrn tapffer und redlich gefochten/ das von mir ver- sprochene Geld ausgeteilet werde. Sonsten warte ich auff bequeme Gelegenheit/ mich dereins besser kund zugeben. Inzwischen gehabt euch wol/ uñ seyd gegruͤsset von eurem gutẽ Freunde. Jul. Probus. Er brachte dieses Schreiben alsbald Herrn Ladisla zuverlesen/ welcher alle Gedanken auf diesen Ritter/ aber ganz vergeblich wendete/ nur erfreuete er sich/ daß auch schriftlich er sei- ne Kundschafft angelobete. Fr. Euphrosyne nam dazumahl auch ein Schreiben aus ihrer Naͤhe Lade hervor/ und sagete: Ich haͤtte schier aus der acht gelassen/ meinem Liebesten ein Schreiben einzuhaͤndigen/ welches vor dreyen Tagen mir ein Schiffknecht gebracht/ mit vermelden/ es kaͤhme von einem sehr guten Freunde/ welcher in dem Eilande Kreta zu Schiffe gangen/ und nach Zypern gesegelt waͤhre; haͤtte ihm eine Krone Trinkgeld ver- sprochen/ da ers zurecht einliefern wuͤrde/ welche ich ihm auch gegeben. Markus nam den Brief zu sich/ sahe nach Erbrechung den untergezeichneten Nahmen/ und sagete/ als aus Verwunderung: O Gn. Herr/ ein Schreiben von Herrn Herkules. Was? antwortete er/ schreibet mein Herkules an euch/ und nicht an mich? da stecket was neues hinter/ und merke ich schon/ mit was Anschlaͤgen er umgehet; Aber leset uns doch den Inhalt/ daß wir seines ergehens Bericht einnehmen. Markus gehorsamete/ und lase wie folget: Lieber Freund Markus/ ich werde ohngefehr berichtet/ daß ihr zu Korinth mit einem Schiffe sollet ankom̃en seyn/ zweifele auch nicht/ mein herzlieber Bruder und Seelen-Freund Ladisla habe euch ausgeschickt/ oder finde sich selbst dabey/ welches ich doch nicht eigentlich erfahren koͤnnen. Lieber schreibet oder ver- meldet ihm/ meine herzliche Bitte sey/ daß er wegen meines Abschiedes sich nicht bekuͤmmere/ noch mir zufolgen sich unternehme/ sondern bey seinem lieben Gemahl zu Padua verbleibe/ in Betrachtung/ ich viel zu einen weiten Weg/ beydes zu Wasser und Lande reisen muß/ ehe ich dahin gelange/ wohin sein Frl. Schwester geführet wird; und ist unmoͤglich/ daß jemand in Rittersgestalt ihr beykommen solte/ sondern werde mich in Weibeskleidern verstellen muͤssen/ da ich sonst ichtwas zu ihrer Rettung wirken wil; Hoffe demnach/ dafern mein geliebter Bruder mich in ihm zu toͤdten nicht gemeynet ist/ er werde mir hierin wilfahren/ und mit Gottes Huͤlffe/ meiner/ und seiner Frl. Schwester Ankunfft/ inwendig halbjaͤhriger frist gewaͤrtig seyn. Ich haͤtte selbst an ihn geschrieben/ da ich nicht gleich jezt in ein Schiff treten muͤste/ mit gutem Winde aus Kreta nach Zypern zufahren/ und von dar ab weiteꝛ den abgelegenen Morgenlaͤndern zu/ durch Wellen und Wuͤsteneyen. Der Allmaͤchtige Gottschuͤtze mich und meinẽ getraͤuen Diener Gallus/ der aus einem boͤsen Raͤuber ein gewuͤnscht-from̃er Mensch worden ist. Meinen Gruß an alle guten Freunde und Freundinnen unvergessen. Herkules Ladisla sagete nach Verlesung mit seuffzen: O Herkules/ Herkules/ ist das die geschwoꝛ- ne Traͤue? Warumb fleuhestu so vor mir? Warumb ist dir meine fernere Geselschafft so verdrießlich? oder meynestu/ ich koͤnne nicht so wol ungemach leiden als du? ich scheuhe mich mehr vor Wellen und Wuͤsteneyen/ als ich dich liebe? Fabius antwoꝛtete ihm: Mein Herr Bruder/ mir zweifelt nicht/ eure Gesellschafft sey Herrn Herkules uͤberaus ange- nehm; nur weil wir wegen des Barts unser Geschlecht nicht koͤnnen verbergen/ hat er/ als viel ich muhtmasse/ uns warnen wollen/ alle Gefahr bestes Fleisses zumeidẽ; kan uns dem- H h h ij nach Anderes Buch. nach dieser Brief in so weit dienen/ dz wir auff unser Reise desto behutsamer gehen; moͤch- te aber wuͤnschen/ daß uns der Ort wissend waͤre/ wohin wir unsern Weg nehmen muͤssen. Ja antwortete Ladisla/ wer weiß/ ob diesem Schreiben ichtwas zutrauen stehet/ und nicht vielmehr alles nur/ mich abzuschrecken/ ertichtet ist? Ich keñe meinen Herkules viel zu wol in solchen Streichen/ und hat er mir dergleichen Possen in der Jugend schon mehr geris- sen. Ich erinnere mich anjetzo/ wie unser Lehrmeister nach geendeten Unterweisungs-stun- den pflag mit uns zur Ergetzung ins Feld zugehen/ und bey solchem Urlaub uns doch am meisten lehrete; Dann alles/ was wir sahen/ musten wir ihm Lateinisch und Griechisch nennen; sahen wir dann nichts sonderliches/ so sagte er wol zu uns: Wañ uns dieses oder jenes wilde Tihr begegnete/ und lieffe mit grimmiger Wuht und auffgesperretem Rachen zu uns ein/ wie woltet ihr/ Herkules/ es auff Griechisch; und ihr Ladisla/ es auff Lateinisch geben? Nun trug sich einsmahls zu/ daß unter solchem Lustgehen mein Herkules eines Nestes mit jungen Woͤlffen (dann er hatte stets die Augen allenthalben) gewahr ward/ schwieg aber stille/ und taht es niemand zuwissen/ sondern baht/ wir moͤchten wieder nach Haufe umkehren. Als wir daheim wahren/ und er sich des Lehrmeisters auff ganz listige weise entlediget hatte/ nam er seinen Handdogen/ etliche Pfeile/ und einen langen Strik zu sich/ ging bald hie bald da/ und suchte sich von mir hinweg zustehlen/ weil ich ihm aber stets nachging/ sagte er: Mein Bruͤderchen/ hole doch deinen Bogen/ und laß uns wette fchies- sen. Ich wahr so einfaͤltig/ und ging hin; aber da ich wieder kam/ wahr mein Herkules hin- weg und nach dem Pusche gelauffen/ da er die jungen Woͤlffe gesehen. Es waͤhre ihm aber schier uͤbel bekommen; dann die Woͤlfin/ welche erstmahl nicht da wahr/ hatte sich inzwischẽ wieder herbey gemacht/ und wie er in aller stille hinzu kreucht/ den Raub zufahen/ macht sich die Woͤlfin auff/ und springet ihm mit offenem Rachen entgegen. Zwar es wahr sein gluͤk/ daß er mit gespannetem Bogen und aufgelegtem Pfeile gangen wahr; dann wie ihn die Woͤlfin anfaͤlt/ scheust er ihr den Pfeil in den Rachen tieff hinein/ welcher/ weil er Wie- der-haken hatte/ nicht kunte heraus geschuͤttelt werden/ sonst waͤhre es umb sein Leib und Leben getahn gewesen; wahr also die Woͤlfin mit grossem Geheule davon gelauffen/ welche man des andern Tages tod/ und ihr den Pfeil im Rachen fand. Inzwischen hatte er sich nach der Hoͤhle gemacht/ und zween schon zimlich erwachsene junge Woͤlffe zusammẽ ge- fesselt/ die er am Stricke als Hunde daher fuͤhrete; wie ich auch anders nicht meynete/ es waͤhren junge Hunde gewesen; fragete ihn deswegen/ wo er diese scheußliche Hunde be- kommen? dessen er lachete/ nnd zu mir sagete: Lieber Bruder/ kennestu noch keine Woͤlffe? es sind trauen keine Hunde. Ich fragete ihn/ warumb er mich hinweg geschicket/ und mir den Bogen befohlen zuhohlen. Ja/ antwortete er/ meynestn/ daß ich in solcher Gefahr dich sehen koͤnte/ in welcher ich gleich jezt gewesen bin/ ehe ich diesen Raub erhalten/ uñ der Woͤl- sin die jungen entfuͤhret? Und wann ich dich gleich haͤtte mitgenom̃en/ wuͤrdestu mir duꝛch deine Gegenwart nur schaͤd- und verhinderlich gewesen seyn; massen ich so stille nicht haͤt- te koͤnnen hinzu schleichen/ noch mit meinem Bogen so frey seyn/ als da ich allein wahr. Ich lief alsbald hin zu seinem Herr Vater/ und ruͤhmete Herkules gluͤkliche Kuͤhnheit/ dz er einer Woͤlfin zween junge entfuͤhren duͤrffen; welcher anfangs lachete/ und zu mir sage- te; Lieber Sohn Ladisla/ dein Herkules aͤffet dich/ er wird ein paar junger Baurhunde ha- ben; Anderes Buch. ben; Da er aber mit seinen Tihrichen auffgezogen kam/ erschrak sein Herr Vater/ und fra- gete/ wie er bey die Woͤlfichen kaͤhme? Herr Vater/ antwortete er/ es ist bey Traͤuen schan- de/ daß unsere Jaͤger ihr Brod so gar umsonst fressen/ und beym Luder verzehren/ und las- sen diese schaͤdliche Raube Tihre in der Naͤhe ihre Jungen auffbringen/ da sie einen unbe- wehreten Menschen aus Hunger leicht anfallen und zureissen folten; haͤtte ich dieses Nest nicht verstoͤret/ wie manniches Schaf wuͤrde es uns gekostet haben? Und ist bey so gestaltẽ Sachen gar kein Wunder/ daß unsern Schaͤffern es so offt an der Zahl mangelt/ die ihnen geliefert ist. Sein Vater fragete ihn/ wie ers dann angefangen haͤtte/ und nachdem ers er- zaͤhlet hatte/ straffete er ihn hart mit Worten; Er solte hinfuͤro sich ja nicht geluͤsten lassen/ so verwaͤgen zu seyn/ oder der Lehrmeister wuͤrde ihn darum zuͤchtigen; ob er nicht wuͤste/ daß ers ihm schon vor diesem verbohten haͤtte/ da er den grossen Wolff im Pusche erstochẽ? Mein Herkules durffte sich wol beschweren; so hoͤre ich wol/ sagte er/ mein Herr Vater zuͤrnet auff mich/ wann ich Schaden abkehre/ was haͤtte ich zugewarten/ wann ich uͤbels tuhn wuͤrde? Dieses erzaͤhle ich zu dem Ende/ daß ich euch geliebter Bruder/ seine Art uñ weise zuerkennen gebe/ wie ers schon/ da er kaum von X Jahren wahr/ mit mir gespielet/ uñ ich demnach in solchen Begebnissen ihm nicht zutrauen habe. Fabius erboht sich/ er waͤhre willig und bereit/ die Reise erstes Tages mit fortzusetzen/ wann man nur wuͤste/ wie mans am besten anstellen solte; Ich weiß/ sagete er/ daß er noch in dieser Gegend gewesen ist/ als ich ankommen bin/ noch hat er sich aus dem Staube gemacht/ und nicht wollen erkennet seyn; Daher ist mein Raht/ doch auff Verbesserung/ daß wir mit geringer Geselschaft ihm folgen/ ob wir ihn auff solche weise ausforschen moͤchten; dann so wir ihn einmahl ertappet haben/ wird er nicht von uns weichen. Ladisla antwortete: Ich bin schon bedacht gewesen/ mein Schiff nach Hause zuschicken/ und etwa selb dritte oder vierde ihm zufolgen; wel- ches ihm Fabius mit gefallen ließ/ uñ wurden eins/ iñerhalb weniger Zeit/ so bald die aus- geschikte Soldaten wieder ankommen waͤhren/ ihm nachzusetzen. Des naͤhesten Tages rit- ten Ladisla und seine Geselschafft nach dem Hafen/ weil sie Zeitung hatten/ daß sein Schiff daselbst eingel auffen wahr/ und teilete Markus die 1000 Kronen unter seine Leute aus. Inzwischen leistetẽ die beyden jungen Frauen dem añoch betlagerigẽ Klodius Geselschaft/ und hatten mancherley Gespraͤch mit einander/ biß Fr. Euphrosyne ihre Wase baht/ ihr zu erzaͤhlen/ warum Kleander so grausam mit ihr verfahren/ uñ sie veꝛbreñen lassen wollen/ da er doch die ganze Zeit her/ und noch neulich sich gegen sie verlauten lassen/ wie lieb er sie/ uñ in seinẽ hohẽ Alter alle seine Ergetzung an ihr haͤtte. Ach herzliebe Wase/ antwortete sie/ ihr heisset mich nur meinen unsaͤglichen Jam̃er wiederhohlen/ dessen ich bißher noch nicht ver- gessen koͤnnen/ und mir alle Nachte das erschrekliche Feur vorkomt in welches ich solte ge- worffen werden; doch wil ich euch wilfahren so gut ich kan. Ihr werdet zweiffels ohn be- richtet seyn/ was harten Streit Herr Ladisla mit Perdickas gehalten/ da er zuvor meinen Stieffsohn Ariston (der mir inner halben-Jahresfrist manniche Traͤhnen heraus gelocket) erschlagen hatte. Ja fagete sie/ es hat mir solches alles gegenwaͤrtiger Herr Klodius umb- staͤndlich kund getahn/ biß dahin man ihn hat wollen gefangen nehmen. Das uͤbrige/ sagte Fr. Agatha/ ist mir gnug bewust/ und hat mirs meines alten Kleanders Leibknabe unter- schiedlichemahl erzaͤhlet/ daß wie Herr Ladisla mit dem Pferde gestuͤrzet/ waͤhren sie alle- H h h iij samt Anderes Buch. samt auff ihn zugefallen/ daß er nicht anders gemeinet/ man haͤtte ihn gar erdrukt; nach- dem er sich aber auffgerichtet/ haͤtte Kleander denen die ihn erstechen wollen/ zugeschrien/ man moͤchte ihm den Gefangenen lebendig liefern/ er wolte schon wissen mit ihm zuver- fahren/ daß Herr Perdickas und sein lieber Sohn neben den andern Erschlagenen seinen lieben Freunden und Anverwanten/ gerochen wuͤrden: Ladisla mochte hieraus leicht ab- nehmen/ daß er nicht viel gutes im Sinne hatte/ doch hatte er gar nicht umb Gnade ge- behten/ sondern zu den Anwesenden gesagt; ich habe ehmahls Griechenland wegen auff- richtiger Traͤue ruͤhmen hoͤren/ weiß aber nicht/ wie man daß verantworten kan/ daß man mich so uͤberfallen/ und die meinen allesamt erschlagen hat. Er hatte aber zur Antwort be- kommen/ er solte nur das Maul halten; es waͤhre ihm schon zu lange zugesehen/ und nicht zuverantworten/ daß Perdickas nicht gerettet waͤhre. Auff der Wahlstat haͤtte man IIX von Adel und XVI Diener Tod funden/ daneben alle die mit Herren Ladisla kommen wah- ren/ ausser seinen Leibknaben und vornehmsten Ritter/ welcher außgerissen/ dessen die gan- ze Geselschafft erschrocken/ H. Ladisla aber erfreuet wahr/ der gleich dazumahl vor Klean- der gestanden/ und ihn also angeredet hatte. Alter Vater/ mir ist Leid/ daß der junge aͤdel- man/ welcher eue r Sohn seyn sol/ ihm dieses Ungluͤk selber zugerichtet/ und wieder meinen Willen sich in diesen Streit eingemischet hat/ da ich doch durchauskeinen Wiederwillen zu ihm trug/ er mich auch nicht beleidiget hatte/ nur daß er suchete/ ehre an mich zuerfechtẽ/ welches ihm mißlungen ist; darumb sollet ihr als ein alter verstaͤndiger Herr mich hierin nicht verdenken/ was durch zulaß aller Voͤlcker Rechte von mir begangen ist/ und eure vaͤterliche Neigungen einzwingen/ daß sie nicht aus den Schranken der Erbarkeit und vernuͤnfftigen Rache schreiten/ dann euer Sohn ist ritterlich gestorben/ ohn einiges Zei- schen der Furchtsamkeit; so habe ich auch anders nicht gekunt/ als ihm zu willen seyn/ da- fern ich mich nicht selbst des Ritterstandes unwirdig machen wolte. Hierauff hatte ihm Kleander keine andere Antwort gegeben/ als daß er ihn vor einen verfluchten meinaͤidigen Moͤrder gescholten; welches er nicht ohn Zorn folgender Gestalt beantwortet; Alter/ hal- tet ein mit solcher Schmaͤhung; ich bin ein Roͤmischer aͤdler Ritter und Kaͤyserl. hoher Beampter/ und weiß mich alleꝛ Untahten unschuldig/ deßwegen bedenket was ihr redet/ und stuͤrzet euch und alle Anwesende nicht in ein unvermeidliches Ungluͤk. Was? hatte Kleander hierauff gesaget/ wiltu mir noch darzu trotzen/ und gebieten was ich tuhn oder lassen sol? jedoch harre nur ein wenig/ biß meines lieben Sohns Begraͤbnis zugerichtet wird/ alsdann soltu ihm zum Opffer geschlachtet werden/ oder ich wil eines abscheulichen todes sterben. Diese Urtel wahr von H. Ladisla also beantwortet; Herr Alter/ ihr wandelt nicht auff der Tugendbahn/ daß ihr so mit mir schalten wollet/ und versichere euch und alle Anwesende/ dafern ihr auff diesem Vorsaz bestehet/ wird mein Tod an euch allen viel grausamer gerochen werden/ als neulich der Roͤmische Gesante/ wie ich hoͤre/ mit Chari- demus verfahren/ woruͤber ich auch in diese Ungelegenheit habe gerahten muͤssen. Mein Kleander hatte diese Rede mit einem Hohngelaͤchter ersetzet/ und zur Antwort gegeben; Wolan/ wir wollen deines Trotzes erwarten/ und dafern die Roͤmer sich unterstehen wer- den/ den Griechischen Adel zu unterdruͤcken/ muß man sich nach Schuz und Huͤlffe umb- tuhn. Darauff hatte man ihm den trefflichen Harnisch (welchen er hernach auff meinem Schlosse Anderes Buch. Schlosse wieder bekommen) abgezogen/ und hatte sich mit gebundenen Haͤnden auff den Ruͤcken neben Kleanders Gutsche durch Lachen und Psuͤtzen herschleppen lassen muͤssen/ da er grosse Bestaͤndigkeit und geduld erzeiget. Ach Gott/ sagete Fr. Euphrosyne/ wie ge- hets in der schnoͤden Welt her! wie muß die Tugend sich von dem Frevelmuht so schaͤnd- lich lassen rechtfaͤrtigen! doch haben wir niedriegen Standes Leute hieraus zu lernen/ wie auch wir das Ungluͤk geduldig ertragen sollen/ wann es uns trifft/ weil wir sehen/ daß so vornehme Herren dessen nicht moͤgen geuͤbriget seyn/ und sie sich uͤberdaß noch so fein da- rein zu schicken wissen. Aber lieber fahret fort mit eurer Erzaͤhlung. Ja sagete Fr. Aga- tha/ das uͤbrige kan ich umb so viel besser sagen/ weil ich selbst dabey/ und ein vornehmes Glied in diesem Trauerspiel gewesen bin/ wañ ichs nur vor Wehmuht verrichten koͤnte; doch vielleicht helffet ihr mir noch wol etliche Schmerzen-Traͤhnen mit vergiessen. Als Herr Ladisla also gebunden anff das Schloß gefuͤhret ward/ ging ich im voͤrder Platze/ meinem Gesinde etwas zubefehlen/ und hoͤrete/ daß gegenwaͤrtiger Gefangener meinem Stieffsohn Ariston/ dem ich sehr gewogen wahr/ das Leben geraubet haͤtte/ gehueb mich deßwegen auß herzlicher Traurigkeit sehr uͤbel/ und geriet bald darauff in grossen Zorn/ fiel den Gefangenen an/ und wahr willens ihm die Augen außzukratzen; da ich ihn aber so praͤchtig gekleidet/ und von so guter Gestalt sahe/ gedachte ich alsbald/ dieser wuͤrde nim- mermehr kein Moͤrder seyn/ enderte auch meinen Vorsaz/ und gab mich auff das Weinen. Herr Ladisla sahe mich freundlich an/ und sagete; aͤdle Frau/ tuht nicht so uͤbel wegen des ertoͤdteten aͤdelmans/ den er ist oͤffentlich im Streit als ein mannlicher Ritter gestorben/ und versichert euch daneben/ daß ich kein Ubeltaͤhter/ sondern ein ehrlicher Ritter hohes Standes bin/ deßwegen traget mit mir ein mitleiden als mit eurem Gefangenen/ weil ich in meiner guten Sache mich ohn das eurem auffrichtigen Herzen/ welches durch die Au- gen hervor leuchtet/ gerne vertrauen wil. Ich taht als hoͤrete ich seine Reden nicht/ die mir doch mehr Traͤhnen/ als meines Sohns Tod/ auß den Augen trieben; dann ich em- pfand so grosses Mitleiden uͤber ihn in meinem Herzen/ daß ichs nicht außsprechen kan; durffte michs aber mit keinem Worte merken lassen/ ohndaß ich ihn freundlich ansahe/ und doch zugleich mit ihm schalt/ warumb er sich mit dem jungen Herren in Streit einge- lassen haͤtte. Er antwortete mir; es waͤhre ihm der Unfal nicht weniger selbst leid/ koͤnte aber nicht dawieder/ weil er zu dem Kampf genoͤhtiget waͤhre/ und die Zuseher wol bezeu- gen wuͤrden; nun waͤhre aber unmoͤglich in solchen Spielen die Hiebe und Stoͤsse mit der Goldschale abzuwaͤgen/ insonderheit/ wañ das Gluͤk uͤbel wolte. Ich sprach ihn in meinem Herzen nicht allein frey und loß/ sondern auch allerdinge unschuldig; aber als mein Alter vom Wagen stieg/ befahl er/ den Gefangenen in den staͤrkesten Turm zu legen/ und ihn weder mit Essen noch Trinken zulaben. Herr Ladisla redete ihm ein/ er moͤchte sich eines andern bedenken/ und einen aͤdlen Roͤmischen Ritter nicht nach Sklafen Art einsperren/ sondern auff ein Gemach einlegen/ ja/ bedenken/ was vor Freyheit ein Roͤmischer Buͤrger/ geschweige Beamter haͤtte; er wolte bey rittelichen Ehren versprechen/ nicht zu weichen/ sondern der Urtel abzuwarten. Aber dawahr den Tauben geprediget; dann die Knechte stiessen ihn ohn ferner Wort sprechen in den Turm/ der doch eigendlich zum Gefaͤngnis nicht gebauet/ sondern auff den Fall der Feuersnoht zugerichtet wahr/ daß man die besten Sachen Anderes Buch. Sachen hinein floͤhen und erhalten moͤchte; ging auch nicht gar tieff in die Erde/ sondern wahr inwendig fein renlich/ und mit einer starken eisern Tuͤhr verwahret/ an welcher in- wendig fuͤnff grosse eiserne Schloͤsser sassen/ die in einem umbdrehen/ und nur mit einem Schlussel zugleich auffgemacht wurden. Wie sehr mich nun seiner im Gefaͤngnis jam̃er- te/ nam ich michs doch aͤusserlich nicht an/ sondern ging meinem Alten traurig nach/ troͤste- te ihn in seinem Ungluͤk/ und baht ihn mit Traͤhnen/ er moͤchte durch gar zuhefftiges Graͤ- men und uͤbrigen Zorneifer ihm selber nicht das Leben verkuͤrzen; wuͤnschete zwar von Herzen/ daß ich vor seinen lieben Sohn gestorben waͤhre/ damit der einige Erbe haͤtte moͤ- gen uͤberbleiben; weil es aber den Goͤttern anders gefallen/ muͤste ich nunmehr vorbauen/ daß nicht der Vater mit dem Sohn zugleich dahin fiele; machte ihm uͤberdaß Hoffnung/ weil er noch von zimlichen Leibeskraͤfften waͤhre/ koͤnte sein Geschlecht durch mich erbauet werden. Nun muß ich bekennen/ daß ausser des alters eigentuͤhmlicher Gramseligkeit/ er bißdaher mir allen guten Willen erzeiget hatte/ nam auch dieses mein troͤften sehr wol auf/ daß er mich umfing/ und versprach/ er wolte sich zufrie den geben/ nachdem er Gelegen- heit haͤtte/ sich an dem Taͤhter zu raͤchen; dem ich nicht wiedersprechen durffte. Umb Mit- ternacht stund ich sanffte von ihm auff/ und ließ diese meine Dirne sich zu ihm legen/ ging hin zu dem Turm/ und durch das Loch der eisern Tuͤhr/ da man kaum eine Hand hindurch stossen kunte/ redete ich dem Gefangenen zu/ und sagete: Ritter schlaffet ihr? Er hoͤrete es alsbald/ und fragete/ wer ihn in der Nacht zubesuchen wirdigte? Ich bin die Frau des Schlosses/ antwortete ich/ deren ihr heut eure Unschuld sattsam habet dargetahn/ trage auch grosses Mitleiden mit eurem Unfall/ und daß ihr so elendig sollet abgeschlachtet wer- nen. Wisset ihr nun gute Freunde/ die euch retten koͤnnen/ so tuht mir solches sicherlich kund/ daß ich alsbald nach ihnen sende/ damit ihr dem grausamen Tode entgehet/ mit wel- chem mir nichts gedienet ist/ nur daß ihr mir angelobet/ euch schier heut oder morgẽ an mei- nem alten Eh Herꝛn nicht zuraͤchen. O ihr meine Herzen Freundin/ antwortete er/ die Goͤt- ter muͤssen euch dieses mit ewiger Barmherzigkeit vergelten; aber seyd zuvor gebehten/ uñ gebet mir einen Trunk Wasser/ mein abgeduͤrstetes Herz zu laben. Ach ihr Goͤtter/ sagte ich/ wie bin ich doch so unbesonnen; lief geschwinde hin/ und holete ihm eine Kañe Wein/ und etwas kalt Gebratens/ davon er des folgenden Tages gnug zu essen hatte; kam bald wieder/ und schnitte die Speisen in kleine stuͤklein/ die ich ihm durch das Loch reichen wol- te; Er aber sagete: Meine Freundin/ die Haͤnde sind mir noch auff den Ruͤcken gebunden/ daß ich nichts zu mir nehmen kan; habt ihr nun irgend ein Messer/ so werfft mirs doch heꝛ- ein/ ich wil sehen/ wie ichs zur Hand bekomme/ und mich loßschneide. Geschwinde band ich mein Messer an einen Fadem/ und hing es durchs Loch hinein/ daß ers ruͤklings fassete/ und so lange sich quaͤlete/ biß er einen Bruch in den Riemen machete. Weil er nun dursti- ger/ als hungerig war/ hielt ich ihm den Wein vor das Loch/ da er auf ein Tuͤhr Schloß trat/ und den Mund gleich dem Loche hatte/ daß er durch ein Rohr fein trinken kunte/ und sich erquickete; hernach reichete ich ihm die Speisen zu/ daß er sich zimlich saͤttigte. Nun ihr Goͤtter/ sagte er/ helffet mir aus dieser Gefaͤngniß/ daß ich mich gegen diese Tugendreiche Frau dankbarlich koͤnne finden lassen. Ich antwortete ihm: Es waͤhre mir schon Danks genug/ wann ich ihm davon zuhelffen bestand seyn wuͤrde; aber er muͤste mir anzeigen/ auff was Anderes Buch. was weise es moͤglich waͤhre; dann Gewalt zugebrauchen/ stuͤnde in meiner Macht nicht/ ob es gleich an meinem Willen nicht mangelte. Solches begehre ich auch von meiner ge- liebeten Freundin nicht/ sagte er; nur daß sie einen getraͤuen Menschen nach Elis senden wolle/ der meinem Diener Klodius daselbst/ oder dem Roͤmischen Gesanten Fabius den Tag des Gerichts anzeige; dann werden sie sich schon bemuͤhen/ mich loßzumachen. Ich ward dessen von Herzen froh/ ließ auch folgenden morgens sehr fruͤh einen ablauffen/ wel- cher aber so wenig von Klodius als von Fabius erfragen koͤnnen/ und aller Sache unver- richtet wieder kam. Desselben Tages muste Herr Ladisla ungetrunken bleiben/ biß ich ihn zu Nachtzeit wieder besuchte/ und ein langes schmales Gefaͤß von einer Kuͤh Haut zurich- tete/ in welches etliche Maß Wein gingen/ steckete es ihm zu durch das Loch/ und hatte er also des folgenden Tages gnug zu essen und trinken. Nach vollendeter dieser Nacht erin- nerte ich Kleander/ umb Argwohn zumeiden/ dafern dem Gefangenen so gar alles essen uñ trinken abgeschnitten wuͤrde/ muͤste er ja Hungers oder doch durstes sterben; moͤchte dem- nach Anordnung machen/ daß er noͤhtigen Unterhalt bekaͤhme; worauff ihm grob trocken Hunde-Brod/ und ein Trunk Wasser gereichet ward. Unteꝛdessen bemuͤhete ich mich aͤus- serst/ den Tag des Gerichts auffzuschieben/ aber vergebens/ und weinete mir das Herz im Leibe/ daß ich kein Mittel seiner Erloͤsung finden kunte; dann ich hatte mir gaͤnzlich vorge- nommen/ entweder zusterben/ oder ihn zuerloͤsen; stellete mich deswegen zween Tage vor dem angesezten Gerichte/ als ob mich bey der Mahlzeit gꝛosse Haͤupt- und Bauchschmeꝛ- zen anstiessen/ und ließ mich von den Maͤgden nach Bette tragen. Mein Alter hielt sich sehr leidig/ fuhr doch nicht desto weniger fort/ allerhand Anordnung zumachen/ daß sein Vor- haben ausgefuͤhret wuͤrde. Des folgenden Tages/ welcher deꝛ naͤheste vor dem Gerichts- Tage wahr/ baht ich meinen Alten sehr/ die Volstreckung so lange auffzuzihen/ biß ich die Lufft ertragen koͤnte/ weil ich Verlangen haͤtte/ derselben beyzuwohnen; und nach dem auch dieses nicht zuerhalten wahr/ bemaͤchligte ich mich des Schluͤssels zum Turme/ ließ auch Herrn Ladisla durch meine vertrauete Dienerin andeuten: er solte sich fertig halten/ wann zu Mitternacht die Tuͤhr geoͤffnet wuͤrde/ und hernach auff dem Plaz hinter den ledigen Faͤssern sich verbergen/ biß der Hiꝛt die Kuͤhe austreiben wuͤrde/ dann koͤnte er zugleich mit hinaus wischen/ und im Gehoͤlze sich verstecken; ob dann ein Lermen daruͤber entstehen wuͤrde/ wolte ich die Nachfolge zuverhindern/ allen Fleiß anwenden. Mein Vorhaben ließ sich anfangs gluͤklich an/ dañ mein Kleander lag im tieffen Schlaffe/ da ich hinunteꝛ ging/ und den Schluͤssel in die Tuͤhr steckete; weil aber meine Haͤnde viel zu schwach wahren/ denselben umzudrehen/ suchte ich einen starken Pruͤgel/ steckete ihn durch den Handgriff/ und wolte gleich auffschliessen; Inzwischen mag mein Alter erwachen/ und vernehmen/ dz bey dem Turm etwas reges ist/ weil er gerade gegen der Schlaffkammer uͤber stehet/ und schlug das Ungluͤk darzu/ daß er mich beym Mondenschein alsbald erkeñete/ kam geschwin- de im blossen Hemde/ wiewol in aller stille herunter gelauffen/ und fassete mich beym Halse/ ehe ich sein innen ward/ erschrak auch von ganzem Herzen/ da er mit greßlicher Stimme zu mir sagete: O du falsches boshafftes und ehebrecherisches Weib/ schaͤtzestu deine verspro- chene Traͤue so liederlich/ daß du zu diesem Moͤrder dich in Unzucht finden/ und mit ihm davon lauffen wilt? Ich fassete ein Herz/ so gut ich mochte/ und antwortete ihm: Mein lie- J ii ber Anderes Buch. ber Herr/ ich stehe keines weges alhie/ Unzucht zutreiben/ viel weniger davon zulauffen; voꝛ beydes werden mich die Goͤtter schon bewahren; aber nachdem ich nicht allein von deꝛ un- schuld dieses gefangenen Ritters gnugsame Kundschafft eingezogen/ sondern auch in Er- fahrung gebracht/ was vor grosse Gefahr euch und mir auff dessen Tode stehe/ so bekenne ich/ daß zu eurem besten ich ihm habe wollen davon helffen/ damit ihr nicht durch seinen Tod/ euch und alle eure Zugehoͤrigen moͤchtet verderben; wie er mir dann aͤidlich verspre- chen hat/ sich an euch und die euren durchaus nicht zu raͤchen; koͤnnet oder wollet ihr nun euer eigen Gluͤk und Ungluͤk nicht erkennen/ wolan/ so wil ich entschuldiget seyn/ und moͤ- get ihrs hernaͤhst verantworten/ wiewol ich euch nochmahl von Grund meines Heꝛzen bit- ten wil/ eure eigene Wolfahrt nicht zuverseumen/ noch eure ehrliche grauen Haar zu aller- lezt mit Schanden und schaden unter die Erde zubringen. Kleander stund und sahe mich an/ kunte vor grossem Zorn und Eifer nicht reden/ sondern ergriff den Pruͤgel/ den ich zu meinem eigenen Ungluͤk gesucht hatte/ und zuschmierete mir die Rippen und Arme so jaͤm- merlich/ daß ich die Zeichen noch auffzuweisen habe/ und ob ihm Herꝛ Ladisla gleich vielfaͤl- tig zuschrihe/ er moͤchte mit seinem frommen unschuldigen Weibe so grausam nicht ver- fahren/ halff es doch im geringsten nicht/ sondern ward nur unsiñiger dadurch/ und wecke- te seine Knechte auff/ die mich in ein schlimmes Gefaͤngniß werffen musten/ da er dann mit hohen Schwuͤren beteurete/ nicht zuruhen/ biß er sein ungetraͤues ehebrecherisches Weib haͤtte zu Aschen und Staub verbrennen lassen. In was vor Angst und Pein dazumal mein Herzstund/ ist mir unmoͤglich zu sagen/ nicht allein meines Unfalls wegen/ sondern dz duꝛch meine Unvorsichtigkeit Herrn Ladisla Rettung gar zu Wasser worden wahr. Fruͤh mor- gens ließ Kleander seine naͤhesten Anverwanten zu sich fodern/ denen er klagend vorge- bracht hatte/ daß sein junges Weib/ die er fast aus Mitleiden und Erbarmung geheyrah- tet/ traͤuloß an ihm worden/ und mit seinem aͤrgesten Feinde dem gefangenen Moͤrder da- von lauffen wollen; waͤhre ausser allem Zweiffel mein Vorsaz gewesen/ ihn zuerwuͤrgen/ u n d hernach seine besten Schaͤtze mit hinweg zunehmen; baͤhte demnach/ ihm guten Raht mitzuteilen/ damit sie andern ihres gleichen zum Beyspiel gestraffet wuͤrde. Dieses wahr seinẽ Verwanten ein gewuͤnschtes Fressen/ als welche nach Aristons Tode nach der reichen Erbschafft schnappeten/ und ich ihnen hernaͤhst keinen Eintrag tuhn moͤchte; rieten also einhellig/ mich im Rauche gen Himmel zuschicken; Aber Gott fuͤgete es/ dz indem sie mich wolten brennen sehen/ sie allesamt erschlagen wurden. Die Urtel erging darauff alsbald/ ich solte und muͤste brennen/ Herr Ladisla aber mit dem Schwerte abgetahn werden/ wel- ches auch auff Kleanders begehren von allen anwesenden gebillichet/ und von dem naͤhe- sten Verwanten/ mir fruͤh morgens zwischen sieben und achten angekuͤndiget ward/ wel- chem ich meine Taht umstaͤndlich erzaͤhlete/ und wie unschuldig ich an der Beruͤchtigung des Ehebruchs und vorgegebenen Mordes waͤhre; liesse demnach die ganze Freundschaft instaͤndig bitten/ sich an meinem unschuldigen Blute nicht zuversuͤndigen oder solches zu verdammen. Dieser falsche Bube stellete sich gegen mich sehr mitleidig/ und sagte: Er vor sein Haͤupt hielte nicht allein mich vor unschuldig/ sondern muͤste mir uͤber das zuerkennen geben/ wie hefftig er in mich verliebet waͤhre/ so daß er auf nichts/ als auff des alten Klean- ders Tod laurete/ damit er mich wieder heyrahten koͤnte/ durffte mir auch in meiner hoͤch- sten Anderes Buch. sten Betruͤbniß Unzimligkeit zumuhten/ nebest dem versprechen/ nicht zuruhen/ biß er mich wuͤrde errettet haben. Als ich ihm aber zur Antwort gab: Ich wolte ihm hernaͤhst in sein ehrliches Anmuhten einwilligen/ und die Erettung Zeit meines Lebens zuerkennen wissen/ aber das unzimliche keines weges begehen/ noch/ da ich bißher meine Zucht Ehre bewahret haͤtte/ dieselbe im Gefaͤngniß schaͤnden. Da ließ eꝛ sich vernehmen/ er haͤtte daran ein gutes Genuͤgen/ und wolte alle menschliche Moͤgligkeit zu meiner Erhaltung anwenden/ aber (wer solte bey einigem Menschen solche teuflische Boßheit suchen?) er hatte/ wie ich her- nach berichtet bin/ nicht allein sich meiner gaꝛ nicht angenommen/ sondern der ganzen Veꝛ- samlung zur Antwort von mir hinterbracht/ ich haͤtte auff sein listiges nachforschen und vorgeben/ ihm nunmehr gestanden/ daß der Moͤrder mit seinen verfuͤhrischen Worten und uͤberaus grossen Verheissungen/ mich zu einer gewaltigen Frauen zu machen/ mich darzu verleitet haͤtte/ meinen Alten helffen umzubringen/ und mit ihm davon zu lauffen. Al- so ward der weisse Stab uͤber mein Leben gebrochen/ und traten nach einer Stunde zween Henkers Buben zu mir in die Gefaͤngniß/ welche nach gebehtener Verzeihung/ mir die Haͤnde auff den Ruͤcken bunden/ und mich nachgehends auff einen Karch setzen wolten; dessen ich mich aber wegerte/ und den herben Weg zu fusse zugehen mich anerboht. Herr Ladisla ward vor mir hergetrecket/ und musten IIX gewapnete Bauren zwischen uns gehẽ/ daß wir nicht mit einander reden solten; jedoch hoͤrete ich/ daß er den neben her reitenden aͤdelleuten zurief: Ihr Herren/ mit mir schicken es die Goͤtter nach ihrer Versehung/ wañ ja ein auffrichtiger Kampff in Griechenland als eine moͤrderische Taht ganz moͤrderischeꝛ weise sol gestraffet werden/ wiewol das erschrekliche Weh deßwegen alle eure und der euren Haͤupter treffen wird/ wozu ihr euch nur gefasset halten moͤget; aber diesem redlichen/ frommen und unschuldigen Weibe geschihet vor GOtt und der Welt Gewalt und un- recht/ welches ich allein gegen euer zehne behaͤupten wil/ wann mirs kan zugelassen werden. Aber ihm ward nichts als ein spoͤttliches Gelaͤchter zur Antwort; der Kaͤmpf- fer traͤte hinter ihm her/ welcher ihm die ruhmraͤhtige Zunge schier laͤhmen und das Luͤ- genmaul stillen wuͤrde. Ich empfand aus seiner Rede einen sonderlichen Trost in mei- nem Herzen/ und rieff ihm zu: Frommer ehrlicher Ritter/ ey last uns getrost in unser un- schuld sterben/ und die gerechten Goͤtter zu Richter uͤber unser Blut setzen/ die werden die- sen an uns vorgenommenen unbillichen Mord nicht ungerochen lassen. Ja ihr Tugend- krone/ antwortete er mir gar laut/ ich danke euch vor euer Mitleiden uͤber meine Unschuld/ und bitte die Goͤtter/ daß sie eine Verachtung dieses irdischen Lebens/ und Herzhafften Muht biß ans Ende in euch wircken wollen/ alsdann werdet ihr eurer Tugend und Froͤm- migkeit Belohnung ohn allen zweiffel von ihnen erlangen. Wir wurden zimlich langsam zwischen Spiessen und Schwertern nach der Schlachtbank und dem Opfferheerde hin- gefuͤhret/ biß ich endlich das grosse Feur sahe/ wovor ich schier in Ohmacht nidergefallen waͤhre/ und erhielt mich nur die blosse Furcht/ und eine gar schlechte Hoffnung zur Barm- herzigkeit/ welche mich am Ende vielfaͤltig umb Gnade ruffen machte/ wiewol allerdinge vergebens und umbsonst; biß die guͤtigen Goͤtter (die durch etliche Regentropffen/ welche wie Traͤhnen bey klarem Sonnenschein herunter fielen/ ihr Mitleiden gegen uns bezeuge- ten) uñ unsere Erretter auß den Pusche uns unversehens zuschicketen/ welche die gar zu un- J i i ij barm- Anderes Buch. barmherzige Boßheit mit vollem masse vergolten/ wie euer Liebster euch zweiffels ohn schon außfuͤhrlich wird berichtet haben. Als Fr. Agatha hiemit ihre Rede/ und zwar nit ohn Traͤhnen endete/ sagte Fr. Euphrosyne mit weinender Stimme zu ihr; herzgeliebete Wase; als mein Charidemus wegen seiner Unbilligkeit nidergehauen ward/ meinete ich unmoͤglich seyn/ daß eines Menschen Ungluͤk dem meinen gleichen koͤnte/ aber als viel ich auß euren Reden vernehme/ ist das eure noch umb ein gutes Teil haͤrter gewesen. Klodius redete sie auch an mit einem durch dringenden Trost/ und gab ihr zuverstehn/ sie haͤtte sich zuversichern/ daß durch diese mitleidige Taht sie ihr so grosse Freunde gemacht haͤtte/ wel- ches sie kaum wuͤrde glaͤuben koͤnnen/ daher wuͤrde sie in kurzen zu hoͤheren Ehren erho- ben werden/ als nie keiner ihr es ganzen Geschlechtes/ ob gleich sein gnaͤdigster Herr da- von wenig Worte machete/ haͤtte gleichwol zu ihm gesagt; dieser aͤdlen Frauen bin ich meine Seele schuldig/ und werde Muͤhe haben/ mich zubesinnen/ wie ich meine Dankbar- keit sehen lasse. Fr. Agatha entschuldigte sich/ es waͤhre ihr alles schon tausendfach vergol- ten/ nam mit ihrer Wasen Abscheid von ihm/ und ward ihnen angesagt/ daß Herr Ladisla wiederkommen waͤhre/ und auff sie wartete. Im hingehen troͤstete sie Fr. Euphrosyne auffs neue/ sie solte ein froͤliches Herz fassen/ und sich versichern/ daß alles zu ihrem besten geschehen waͤhre; dann mir ist/ sagte sie/ nicht unbewust/ wie gram und auffsaͤtzig euch euer Stieffsohn Ariston wahr/ der nach seines Vaters Tode euch kaum dz trockene Brod auß den Guͤtern wuͤrde gegoͤnnet haben; nun aber seid ihr Erbin und Frau uͤber alle Schaͤ- tze und Reichtuhm; und wer weiß/ waß vor ein beruͤhmter Ritter euch noch bescheret ist? Fr. Agatha antwortete: Sie koͤnte nicht leugnen/ daß ihr Stieffsohn einen unversoͤhnli- chen Haß wieder sie gefasset/ da sie ihm doch als eine Magd auffgewartet/ und was er be- gehret/ von dem Vaterloßgebehten haͤtte. Weil ich nun merkete/ sagte sie/ daß nach Klean- ders Ableben/ er mir wenig wuͤrde abfolgen lassen/ sahe ich mich vor/ machete aus Korn/ Vieh/ und insonderheit aus Linnewand/ daran ich meine Maͤgde steiff arbeiten ließ/ und selbst mit fleissig wahr/ einen zimlichen Nohtpfennig/ daß wann ich etwa vier Jahr frist ge- habt/ wolte ich seiner Gnade eben so groß nicht geachtet haben/ massen ich in dieser gerin- gen Zeit uͤber 1200 Kronen schon beygelegt/ die ich einer verarmeten aͤdel Jungfer zur auß- steur schenken wil. Hieran tuht ihr wol/ sagte Fr Euphrosyne/ und schlaget forthin allen Unmuht aus/ ich wil mich bemuͤhen/ daß ihr bald/ wie ich/ mit einem Braͤutigam erfreuet werdet. Herr Ladisla trat gleich zu ihnen auff den Saal/ und hatte sein freundliches Ge- spraͤch mit ihnen/ dann er liebete Fr. Agathen nicht anders als eine leibliche Schwester/ weil sie seinetwegen sich in so grosse Gefahr gewaget hatte/ daher er vor dißmahl in Gegen- wart ihrer Wasen zu ihr sagete; er koͤnte nicht ruhen/ biß er seine geliebete Freundin des leidigen Witwenstandes entnommen saͤhe. Markus und Leches musten alle ihre Schaͤtze/ deren nicht wenig wahren/ aus den Schiffen in die Stad bringen lassen/ und stelleten La- disla und Fabius des folgenden Tages eine trefliche Gaͤsterery an/ auff welche sie die vor- nehmsten Herren des Rahts/ unter denen auch Amyntas wahr/ einluden/ auch zur besse- rung der Stadmauren 6000 Kronen verehreten/ wodurch sie ihnen die ganze Gemeine guͤnstig macheten. Inzwischen muste Klodius noch immer hin des Bettes huͤten/ ob er gleich die Gefahr Tage schon vorbey gebracht hatte; doch ward er von beyden Frauen taͤg- lich Anderes Buch. lich wol vergeselschafftet/ und ließ Markus ihn selten allein/ welcher ihn einsmahls frage- te/ wie ihm Fr. Agatha gestele/ und dafern er ein Herz zu ihr haͤtte/ solte ers ihm kuͤhnlich offenbahren/ und vor das uͤbrige ihn sorgen lassen. Klodius wahr mit diesen Gedanken von Anfang ihrer Ankunfft schon umgangen/ weil er aber am wirklichem fortgange fast zweiffelte/ durffte er sichs nicht merken lassen/ biß er durch diese gemachte Hoffnung er- muntert/ ein Herzfassete/ und nach geschehener Danksagung ihn baht/ dieses seines Gluͤks Befoderer zu seyn/ welches er Zeit seines Lebens erkennen wolte. Markus hies ihn gutes muhts seyn/ und seiner Gesundheit pflegen/ ließ ihm auch alsbald schoͤne Kleider machen/ die er auff seinen ersten Außgang anlegen solte/ hielt nachgehends bey Ladisla untertaͤh- nigst an/ er moͤchte seines getraͤuen Dieners Klodius gnaͤdigst eingedenke seyn/ ob zwischẽ ihn und Fr. Agathen eine Heyraht koͤnte geschlossen werden; der ihm mit lachender Rede zur Antwort gab: Er moͤchte vielleicht hierauff schon mehr und fleissiger als er selbst/ be- dacht seyn; inzwischen solte er mit seiner liebesten es anlegen/ daß sie ihr einen Willen daꝛzu machete; welches sie aber vor unrahtsam hielt/ nicht zweiffelend/ es wuͤrde durch unver- muhtliches Vorbringen Herrn Ladisla/ leichter vor sich gehen als sonst. Wenig Tage her- nach erhielt Klodius bey dem Arzt/ daß er auffstehen durffte/ wornach ihn sehr verlangete; Da ihn Fr. Euphrosyne auffs beste mit alle dem außputzete/ was einen Buhler beliebet machen kan; wie er dann ohndaß ein ansehnlicher wolgestalter Ritter wahr/ und von gu- ter Hoͤffligkeit. Als er zu den Versamleten ins Gemach trat/ und seinem Herrn Ladisla die gebuͤhrliche Ehrerbietung leistete/ empfing ihn derselbe mit diesen Worten; mein gu- ter Klodius/ ich erfreue mich/ daß ihr der Wunden genesen seid/ die ihr meinetwegen em- pfangen/ und werde ich mich noch heut bemuͤhen/ euch derselben zuergetzen. Dieser zwei- felte nicht/ es haͤtte Markus der Heyrahtwegen mit ihm geredet/ und gab zur Antwort: Durchleuchtigster Gnaͤbiger Herr/ mir hat nie etwas sanfter getahn/ als eben diese Wun- den/ nachdem ich vernommen/ daß ihre Gn. mit dem Leben davon kommen find; die Be- lohnung habe ich vorlaͤngst schon gehoben/ daher euer Durchl. gnaͤdiges Erbieten ein lau- ter Uberfluß ist; befehle mich dero staͤtiger Gewogenheit/ und ergebe mein Leib und Seele ohn einiges bedingen euer Gn. eigen. Hernach trat er zu Fr. Agathen/ kuͤssete ihr die Hand/ und bedankete sich der hohen Gunst/ die sie ihm in taͤglicher Besuchung geleistet/ moͤchte wuͤnschen/ das seine Dienste biß an ihre behaͤgligkeit zureichen bestand waͤhren/ und erboht sich zu aller moͤglichen Auffwartung. Die schoͤne junge Frau sahe ihn an/ hatte sich ein solches Ansehen von ihm nicht eingebildet/ weil sie ihn nur bißher im Bette gese- hen/ und antwortete ihm freundlich: Mein Herr/ ich erkenne sehr wol/ daß sein angewan- ter Fleiß zu errettung seines Gn. Herrn/ mir gleich so wol zustatten kommen ist/ wovor mich ihm billich verhafftet erkenne/ bedarff demnach vor geschehene Besuchung gar kei- nes Dank es; dann weil ich uͤberdaß wuste/ daß ihm seine Wunden von meinen naͤhesten Verwanten geschlagen wahren/ muste ich mich billich entschuldigen/ daß es aus meinem Geheiß nicht geschehen sey. Sie setzeten sich hierauff zu Tische/ da unter anderm Gespraͤ- che Fabius zu Klodius sagete: Mein lieber Freund und Mit Roͤmer/ die Traͤue/ so ihr zu meines Herrn Bruders besten/ ungeachtet eurer Wunden angewendet/ wird meine Fr. Schwester Sophia zu seiner Zeit ersetzen; vor dißmahl ernenne ich euch zum Obristen- J i i iij Stad- Anderes Buch. Stad-Verweser meiner Roͤmischen Legion/ zur bezeugung meiner Dankbarkeit/ und sol- len eure Bestallungs-Gelder von der Zeit angehen/ da von Kaͤyserl. Hocheit sie mir ge- schenket worden. Dieser hohen Gunst haͤtte sich Klodius zu ihm nicht versehen/ stund auf/ und bedankete sich der grossen Ehre gar demuͤhtig/ deren er sich unwirdig erkennete/ auch keines weges verdienet haͤtte; wolte doch Zeit seines Lebens sich gegen ihn nach aͤusserstem vermoͤgen dienstwillig und Gehorsam erzeigen. Nach solchem kehrete sich Ladisla zu Fr. Agatha/ und brachte vor/ er waͤhre noch wol eingedenk der grossen Woltaht und Freund- schafft welche sie ihm Zeit seiner Gefaͤngnis erzeiget/ und sich daruͤber in die hoͤchste lebens Gefahr/ ja beynahe in das Feur gestuͤrzet/ nur daß sie ihn/ einen wild-fremden Unbekan- ten erretten/ und loßmachen moͤchte; er haͤtte sich muͤssen als ein Hund Speisen lassen/ mit gefesselten Haͤnden auff dem Ruͤcken die ganze Zeit uͤber/ ja des Durstes haͤtte er in der ersten Nacht muͤssen verschmachten/ wann ihre Vorsorge Barmherzigkeit und La- bung es nicht verhuͤtet; also befunde er sich dermassen ihr verbunden/ daß er Zeit seines Lebens gnug zuvergelten haͤtte; erboͤte sich demnach mit alle seinem Vermoͤgen zu ihrer Freundschafft und wilfaͤhrigkeit/ dessen zur Anzeige wolte er vor erst einen geringen Be- weißtuhm ablegẽ; Ließ ihr hierauff ein Laͤdichen mit Kleinoten angefuͤllet/ auf 20000 Kro- nen wert/ und zwoͤlff Beutel mit 80000 Kronen baar auff einen Neben Tisch hinstellen/ welches anzunehmen sie sich hefftig wegerte/ vorgebend/ was sie etwa Zeit seiner Gefaͤng- niß getahn/ haͤtte die Billigkeit selbst erfodert/ nach dem sie von Kleanders Leibdiener seiner Unschuld bericht eingenom̃en; solten aber ihre geringe Dienste ja einiger Belohnung wert seyn/ waͤhre es schon tausendfach vergolten/ in dem bloß allein durch seine Huͤlffe und schuz sie nicht allein Erbin aller Kleandrischen Guͤter bliebe/ sondern ihr uͤber das von den Wit- tiben uñ aͤdelleuten sd trefliche Geschenke eingereichet waͤhren/ daß sie sich unter die reiche- sten Frauen Griech enlandes wol zaͤhlen duͤrffte; baͤhte demnach untertaͤhnig/ ihre Gn. moͤchten dieses gar zu grosse Geschenk wiedeꝛ zu sich nehmen; es waͤhre gar zu schweꝛ Kost- geld vor die kleinen Bißlein/ welche sie ihm durch das enge Loch zugeworffen. Ladisla sage- te: Er wolte nicht hoffen/ daß sie die erste seyn wolte/ die seinen guten Willen ausschluͤge/ uñ duͤrffte sie sich nicht besorgen/ daß seine Guͤter wegen dieses schlechten Geschenkes groß gemindert wuͤrden. Er haͤtte aber in einem Stuͤk sie hochbeleidiget und beraubet/ dessen er sich wol erinnerte/ baͤhte demnach/ ihm zugoͤnnen/ daß ers wi e der gut machen und ersetzen moͤchte. Fr. Agatha wuste von keiner Beleidigung oder Beraubung/ meinete/ es waͤhre im Scherze geredet/ und gab zur antwort: Ja wann ihre Gn. sie beraubet haͤtte/ welches sie doch nit hoffete geschehen seyn/ waͤhre es zumahl billich/ daß ihr solches wieder zugestellet wuͤrde/ damit sie nicht Ursach haͤtte/ sich dessen voꝛ Kaͤyserl. Hocheit hoͤchst zubeklagen. Des- sen sol es nicht beduͤrffen/ sagete er; baͤhte nur/ ihrer Erklaͤrung eingedenk zu seyn/ und rede- te sie weiter also an: Vielwerte/ in ehrer herzgeliebte Freundin als Schwester/ daß durch Auffopfferung des boßhafften Kleanders ich ihr ihren Ehegatten geraubet/ und sie in den leidigen Witwenstand gesetzet/ wird sie nicht leugnen koͤnnen. Nun ist alhie gegenwaͤrtig der aͤdle und veste Roͤmische Ritter und aͤdelmann Klodius/ bestalter Obrister Statver- weser uͤber eine Legion/ und anjetzo mein Schiffhauptmann und lieber Freund/ der seinen Ritter- und Adelstand wol zubehaͤupten weiß; da ich nun bey meiner geliebeten Freundin ein Anderes Buch. ein gluͤklicher Werbesmann seyn koͤnte/ daß sie denselben vor ihren Braͤutigam und kuͤnf- tigen Ehejunker auff und annehmen wolte/ wuͤrde mir dadurch Gelegenheit an die hand gegeben/ es weiter zuverschulden; steckete ihr damit einen sehr koͤstlichen Ring an den Fin- ger/ und sagete: Diesen uͤbeꝛreiche ich meiner Freundin im Nahmen und von wegen Rit- ter Klodius/ hoffe sie werde ihn zubehalten ihr gefallen lassen koͤnnen. Die gute Frau wahr dieses unvermuhtlichen Anmuhtens wegen sehr bestuͤrzet/ daß ihr das Gebluͤt unter die Augen schoß/ durfte sich doch nicht wegern den Ring zunehmen; stund eine zeitlang ohn Antwort und sahe ihre Wase an/ nicht zweiffelnd/ sie wuͤrde dieses Anschlages nicht allein gute Wissenschafft tragen/ sondern es wol selbst also gefidert haben/ uñ zuͤrnet fast sehr/ daß sie ihr den geringesten Wink nicht davon gegeben haͤtte; insonderheit schaͤmete sie sich/ daß ihre scherzhaffte Antwort ihr als eine Anfoderung hierzu/ kunte ausgedeutet werden; end- lich erhohlete sie sich/ und gab diese Antwort: Durchleuchtigster Gn. Herꝛ; wie hoch eu- re Gn. sich meiner angenommen/ ist allen gegenwaͤrtigen kuͤndiger/ als daß es weitlaͤufti- ger Wiederhohlung beduͤrfte; bitte untertaͤhnig/ dieselbe wollen in dieser hohen gewogen- heit gegen mich/ allemahl verbleiben/ deren als gehorsame Dienerin ich in ehren allemahl verbunden bin; was die erwaͤhnete Heyraht betrifft/ wil euer Gn. ich untertaͤhnig ant- worten/ nachdem mit meiner geliebten Wasen mich dessen werde beredet haben; bitte die- sen geringen Verzug nicht ungnaͤdig auffzunehmen/ noch meine vorige/ aus unwissenheit getahne Scherz-Foderung mir ungleich auszulegen. Frau Euphrosyne fiel ihꝛ in die rede; sie wuͤste hierin nichts mit ihr zubereden/ weil sie ihren freyen Willen haͤtte/ sie auch nicht zweifelte/ ihres Gn. Herꝛn Vorschlag ihr nicht zuwieder seyn wuͤrde; uͤberdas erkennete sie Herꝛn Klodius vor einen redlichen auffrichtigen Ritter/ der ihrer wolwirdig/ ihr auch als ein getraͤuer Ehegemahl allezeit gebuͤhrlich begegnen wuͤrde. Wann ich dann/ sagte sie/ aus allen uͤmstaͤnden vermerke/ daß ihr nicht aus Unwillen/ sondern schamhalber eure Ant- wort hinterhaltet/ wil ichs an eure Stat herzlich gerne verrichten; bedanke mich demnach gegen eure Gn. Herꝛ Ladisla/ untertaͤhnig/ daß dieselbe meine geliebete Wase so wol verse- hen/ die Heyraht mit Ritter Klodius selbst vortragen/ und die beyden Befoderer der ge- schehenen Rettung miteinander verehelichen wil; jedoch/ weil mich deucht/ meine Wase moͤchte ihres Freyers worte gerne selbeꝛ hoͤren/ wil ich fernere Antwort biß dahin auffschie- ben. Klodius und Agatha sassen beyde gleich bestuͤrzet/ uñ fing diese an; Fr. Wase/ ich haͤt- te mich solcher Beschimpffung zu euch nicht versehen/ da ihꝛ mich durch eure Reden in die- se Verwirrung stuͤrzet/ daß ich weder zuschweigen noch zuantworten weiß; und was mag dieser Ritter (auff Klodius zeigend) gedenken/ daß ich ihn zureden auffmahnen solte? Hof- fe demnach/ diese Hoch-Fuͤrstl. und Ritterliche Geselschafft/ werde es euren kurzweiligen Auffzuͤgen zuschreiben. Ladisla mengete sich mit ein/ und sagete zu Fr. Euphrosynen: Ge- wißlich hat meine Freundin nicht unbillich Ritters Klodius eigene Worte ausgefodert/ welche ihm auch vorzutragen wol anstehen wird; jedoch/ daß Fr. Agatha ihr hernach ge- fallen lasse/ selbst zuantworten/ damit sie (sagete er mit einem Lachen) nicht ursach habe/ ih- re Fr. Wase zubeschuldigen/ als haͤtte sie zuviel oder zu wenig versprochen. Klodius ließ sich hierauff bald finden/ und fing also an: Durchleuchtigster Gn. Herꝛ/ daß eure Gn. ihr meine Wolfahrt so hoch laͤsset angelegen seyn/ daß die Frucht ihrer Gefaͤngniß zu meinem Nutzen Anderes Buch. Nutzen reichen sol/ daher befinde zeit meines Lebens euer Gn. mich zu allem untertaͤhnigen Gehorsam und Diensten verbunden; und wann die hochaͤdle Fr. Agatha/ mich wirdigen koͤnte und wolte/ voꝛ ihren ergebenen Diener uñ kuͤnfftigen Ehegatten mich auffzunehmẽ/ und meines Gn. Herꝛn Anwerbung gelten zulassen/ verpflichte ich mich hinwiederumb/ die- selbe in ehelicher Traͤue zulieben und ehren/ wie solches von einem redlichen Ritter erfodert wird/ der hoffnung gelebend/ ihre hochaͤdle Tugend werde mit einer genehmen Antwort mich beseligen/ und daduꝛch meine gewuͤnschete Gluͤkseligkeit in Volkommenheit setzen. Fr. Agatha haͤtte gerne gesehen/ daß den Sachen in etwas Anstand gegeben waͤhre; weil aber sie sich der Erklaͤrung nicht entbrechen kunte/ auch ihre Wase sie also anredete: Herzliebe Schwester/ was seyd ihr so bestuͤrzet? Ich meine ja nicht/ daß einiger Mensch zugegen sey/ vor dem ihr euch zu scheuhen haͤttet/ in Ehrensachen eine antwort zugeben; so seyd ihr ja uͤberdas euer selbst eigen/ und nicht gehalten/ jemands Willen einzuhohlen; wollet ihr aber vorschuͤtzen/ daß die geschlagene Wunde noch zu sehr schmerze/ duͤrffet ihr dessen gar nicht; massen Kleander nicht als euer Ehegatte/ sondern als euer Erzfeind und Moͤrder gestor- ben ist; derwegen gebet eure Antwort frey ungescheuhet/ doch also/ daß Herꝛ Ladisla so we- nig eure Undankbarkeit/ als Ritter Klodius die Unbarmherzigkeit anzuklagen/ uꝛsach ha- ben moͤge. Es wahren ihr hiemit alle weitere Ansfluͤchte benommen/ daher sie endlich ein Herz ergrieff/ und dieses vorbrachte; sintemahl mein Gn. Herꝛ/ Herꝛ Ladisla/ durch seine schon gar zu hohe Woltahten/ mich seinem Gehorsam allerdinge unterwuͤrffig gemacht/ und uͤberdas noch meine Wolfahrt zubefodern/ gegenwaͤrtigen aͤdlen Roͤmischen Ritter/ Herꝛn Klodius mir zu einem kuͤnfftigen Braͤutigam zuzufuͤhren willens ist/ erkenne seiner Durchl. hohe Gnade ich billich/ und untergebe mich dero in gehorsamer Untertaͤhnigkeit; habe auch nicht ursach/ Herꝛn Klodius jeztgetahnes Versprechen/ wegen seiner auffrichti- gen Traͤue und Liebe/ in zweiffel zuzihen/ und nehme hiemit selbe nach seinem Ansuchen eh- ren-gebuͤhrlich an/ stelle ihm meinen Gehoꝛsam und alle meine Guͤter zu/ derselben sich nach Willen zugebrauchen/ und wil nach abgelegter Trauer/ welche ich hieselbst bey meiner ge- liebeten Wasen und Schwester zuhalten entschlossen bin/ ihm an Ort und Ende folgen/ wohin es jhm gelieben wird. Ladisla bedankete sich der angenehmen Erklaͤrung; Klodius aber trat hin zu ihr/ und ward die Ehe mit einem Handschlage uñ freundlichen uͤmfangen bekraͤfftiget. Die Anwesenden wuͤnscheten hierzu Gluͤk/ und erfreuete sich Markus seines lieben Freundes Wolergehens hoͤchlich. Noch hielt diese neue Braut bey Herꝛn Ladisla an/ die grossen Goldbeutel wieder zu sich zunehmen/ da sie ja die teuren Kleinot zubehalten gezwungen waͤhre; aber Ladisla sagete zu Klodius: Lieber redet euer Braut ein/ daß sie auf- hoͤre sich zuwegern; und daß auch ihr eine geringe Ergetzung der empfangenen Wunden habt/ werdet ihr wegen des bewusten geringen Vorschusses von meinem Herkules keine Ansprach haben; koͤnnet also euer Liebsten ein freyes Roͤmisches Rittergut zubringen/ daß sie gleichwol sihet/ daß ihr nicht Armut wegen/ sondern etwas zuerfahren/ euch in meine Dienste begeben habt. Seinem Markus taht er gleichmaͤssige Schenkung des verschosse- nen/ und ließ alles was verzehret ward von seinem Schatze nehmen; welche Freygebigkeit den beyden Braͤuten sehr zuwieder wahr. Am andern Tage nach der Verloͤbnis/ da die Liebhaber schon vertrauliche Kundschafft mit ihren Liebesten gemacht hatten/ kam ein an- sehnlicher Anderes Buch. sehnlicher Griechischer Herꝛ/ Nahmens Attalus/ zu Korinth an/ und legete sich bey Amyn- tas zur Herberge; ließ folgendes Tages sich bey seiner unbekanten Wase Fr. Euphrosy- nen anmelden/ und begehrete mit ihr in geheim zureden. Als ihm solches gerne zugelassen ward/ und er zu ihr kam/ machete er seine Hoͤffligkeiten guter massen/ die doch sehr gezwun- gen und nach der Schuelart wahren/ stellete sich dabey ernsthafftig/ und nachdem er mit zuͤchtigen Geberden empfangen wahr/ zeigete er an/ die nahe Anverwandschafft/ (davon doch weder sie noch er ichtwas wusten) haͤtte ihn kuͤhn gemacht/ seine innigliche Begierden vor ihr auszulassen/ zweiffelte nicht/ sie wuͤrde in Ansehung dessen/ ihm alle wolguͤltige Be- foderung erzeigen/ ihn bey seiner hoͤchstgeliebeten Freundin Fr. Agathen bester massen be- liebt zumachen/ und die Sache (daß ers in die kuͤrze zoͤge) dahin zubefodern/ daß nach abge- legeter kurzen Trauer/ er deren Liebe im wirdigen Ehebette besitzen und geniessen moͤchte/ demnach er vor unsaͤglicher Liebe gegen dieselbe brennete; er wolte solches aͤusserst zuerken- nen geflissen seyn/ und sich ihrer nicht anders als seiner leiblichen Schwester annehmen: Zohe auch zween Ringe hervor/ den einen am Wert XX Kronen ihr selbst zuschenken/ als eine Vergeltung kuͤnfftiger Befoderung; den andern von XL Kronen/ umb solchen seiner Liebesten (wie er Fr. Agathen schon nennen durffte) auf kuͤnfftige eheliche Liebe und Traͤue einzuliefern. Den Vogel am Gesange/ den Topff am Klange/ gedachte Fr. Euphrosyne; sie hatte dieses Menschen gar keine Kundschafft/ nur daß sie ehmahls von ihm gehoͤret/ daß er Leibes und Ansehens gnug/ aber wenig Wiz haͤtte; uͤber das auch reich an Guͤtern/ aber dabey uͤberaus filzig und hundisch waͤhre. Ihre Verwandschafft betreffend/ wuͤrde es muͤ- he gekostet haben/ ehe man des zehnden Gliedes inne werden moͤgen; Doch als eine ver- standige Frau ließ sie sich nichts widriges merken/ wegerte sich doch die Ringe zunehmen/ und sagete zu ihm: Sie bedankete sich sehr/ daß er sie in solchen wichtigen Geschaͤfften zu gebrauchen wirdigte/ wolte ihm auch darinnen gerne bedienet seyn/ als viel ihr weniges Vermoͤgen leisten koͤnte/ welches aber noch zu zeitigseyn wuͤrde/ angesehen ihrer Wasen ausgestandenen grossen Elendes/ und daß sie noch in grosser Betruͤbniß waͤhre/ daher von Heyrahtsachen nicht mit ihr zu handeln seyn wuͤrde. Attalus hatte seiner Einbildung nach sich dieser Antwort nicht versehen/ zog zwar die Ringe gerne wieder nach sich/ weil er sie ohn das nicht gerne gemisset haͤtte/ wie geringe sie auch wahren; aber mit dieser ungewissẽ Antwort sich abspeisen zulassen/ sagte er/ waͤhre seine Gelegenheit nicht/ in Betrachtung/ er der Ursach halben einen gefaͤhrlichen Weg uͤber die sechs Meile mit seinem Hofmeister o- der Verwalter geritten/ und nicht geringe Kosten angewendet haͤtte; wolte demnach aber- mahl gebehten haben/ diese Werbung bey seiner Liebesten anzubringen/ die verhoffentlich/ da sie seinen Namen hoͤren wuͤrde/ sich/ ehe sie meynete/ willig erklaͤren duͤrffte. Fr. Euphro- synen gereuete schon/ daß sie mit dem Gecken sich so weit eingelassen hatte/ dann sie sahe nit/ auff was weise sie sich seiner wuͤrde entbrechen koͤnnen/ gedachte noch durch eine glimpffli- che Veraͤchtligkeit sein abzukommen/ und fragete ihn/ wer er dann waͤhre. Dieser entruͤste- te sich in etwas/ und sagete: Ey meine Fr. Wase/ solte sie ihren so nahen Anverwanten nit besser kennen/ den ohn Ruhm zumelden/ ansehnlichen reichen Freyherrn/ Herrn Attalus/ von dessen gutem Geruͤcht Griechenland hin uñ wieder redet? dessen Liebe und Holdschaft so manniches Frey Fraͤulein gewuͤnschet hat/ daß er fast taͤglich mit Ansuchungs-Briefen K k k uͤber- Anderes Buch. uͤberlauffen wird? Die gute Frau kunte lachens sich nicht enthalten/ sahe was vor einen Ebenteur sie vor sich hatte/ und gedachte ihren guten Freunden noch heut einen kurzweili- gen Auffzug zumachen fragete ihn deshalben/ ob er ihrer Wasen Kundschaft haͤtte; und da sie vernam/ daß er sie niemahls gesehen/ forschete sie weiter nach/ woher doch dann die so hefftige Liebe ihre Ursach genommen haͤtte; welches er fein teutsch anzeigete/ er waͤhre in Erfahrung gebracht/ daß sie nicht allein schoͤn/ aͤdel und jung/ sondern auch sehr reich und wol beguͤtert waͤhre/ welches in ihm die Begierde aufgemuntert/ es mit ihr zuwagen/ weil er gegen seinen Reichtuhm einen gleichmaͤssigen haben muͤste. Auf dieses Vorbringen er- boht sie sich/ ihm zum sonderbahren Gefallen die Werbung zuverrichten/ moͤchte gebehten seyn/ sich bey der Mahlzeit einzustellen/ dann koͤnte nicht allein diese Handelung vorgenom- men werden/ sondern wuͤrde uͤberdas Gelegenheit haben/ mit etlichen vornehmen Roͤmi- schen Herren gute Kundschafft zumachen; haͤtte er nun etwas kostbahrere Kleinot/ als die auffgezeigeten schlechten Ringe/ wuͤrde er ohn ihr erinnern solche mitbringen; dann im fall die Heyraht solte geschlossen werden/ muͤste er seiner Liebesten dieselbe darbieten/ wor- an er nichts verlieren/ sondern alles mit ihr wieder bekommen wuͤrde; Dieses wolte sie ihm zu dem Ende rahten/ weil die Weibesbilder aus dem ersten Geschenk von der Buhler Lie- be gemeiniglich zu urteilen pflegeten. Dieser ward froh/ und gab zur Antwort: Ob zwar die Einkaͤuffung vieler Kleinot nichts anders als Geld-verspillung waͤhre/ wolte er doch wissen dem Dinge sein Recht zutuhn; nahm von ihr hoͤflichen Abscheid/ mit dem Er bieten gegen die Mahlzeit sich einzustellen/ und sein Vorhaben ins Werk zurichten; ging nach der Herberge/ und stellete es mit seinem duͤnne bespunnenen Hofmeister/ welchen er auff- zuwarten bey sich hatte/ in Raht; meynete/ wann er etwa vor 100 Kronen Kleinot ein- kauffen wuͤrde/ koͤnte er damit sehr wol bestehen; weil aber dieser etwas witziger wahr als sein Herr/ gab er ihm einen guten Auswischer: ob er meynete/ dz er zu einer gemeinen Buͤr- ger-Dirnen ginge? diese hochaͤdle Frau waͤhre dermassen beguͤtert/ daß sie ihm so liderli- che Sachen wuͤrde vor die Fuͤsse werffen. Er haͤtte ihm ja/ ehe sie ausgezogen waͤhren/ sei- ne Meynung gesagt/ daß er ihn als seinen Leibdiener muͤste zierlich und nach seiner Leibfar- be auskleiden/ wie andere seines gleichen wol taͤhten/ die nicht den zehnden Teil seiner Guͤ- ter haͤtten; Er muͤste nicht mit einem sondern V oder VI reitenden Dienern auffzihen/ daß man sein Vermoͤgen daher erkennete; Er muͤste beyde Schieb Saͤcke vol Kronen haben/ und den Spielleuten keine Silber Groschen/ sondern VII/IIX oder mehr Kronen auff ein- mahl auffwe r ffen; Er muͤste V oder VI Kleider/ auffs praͤchtigste gemacht/ bey sich haben/ damit er sich alle Tage umkleiden koͤnte; Er muͤste den Leibdienerinnen seiner Liebesten sol- che Ringe schenken/ als er ihr selbst zuge dacht haͤtte; Und also muͤste er dieses sein Vorha- ben entweder ganz lassen bleiben/ oder zum wenigsten sich auff 2000 Kronen wert Kleinot schicken/ damit er nicht auff einen Stumpff lieffe. Dem filzigen Lauser dauchte dieses gar zu viel seyn; jedoch in Hoffnung/ eine Speckseite mit einem Ey herunter zuwerffen/ ließ er sichs endlich noch gefallen/ und wahr ihm leid/ daß er nicht etliche seiner Droͤscherknechte beritten gemacht/ und zum Prunk mit sich genommen hatte. Inzwischen machte sich Fr. Euphrosyne hin zu ihren Gaͤsten/ zeigete ihnen in Gegenwart ihrer Wasen/ dieses neuen Buhlers duͤrre Werbung an/ und wie sie ihn haͤtte auff die Mahlzeit bescheiden; baͤhte/ man Anderes Buch. man moͤchte ihr goͤnnen/ einen kurzweiligen Auffzug zumachen/ da sonst die Herren eines toͤrichten Menschen Ruhmraͤtigkeit geduldig anhoͤren koͤnten; weil sie auch wuste/ daß Le- ches solchen Leuten fein zustellẽ/ uñ sie possierlich auffzuzihen wuste/ hielt sie bey ihm an/ die- sen Kerls ein wenig in die Schule zufuͤhren. Die Unsern liessen ihnen solches gefallen/ uñ wolten nach langwieriger Betruͤbniß gerne ein Affenspiel sehen/ daher Ladisla seinem Le- ches befahl/ alle seine Kurzweils Kuͤnste hervor zusuchen/ wozu er dann willig wahr. Frau Agatha aber beschwerete sich/ warumb sie mit dem Narren sich auffnehmen/ und im Aus- kehrich nur Spott zu Lohn haben solte; Sie erinnerte sich/ daß er vorm Jahre bey ihren Anverwanten umb sie geworben/ aber weil die Heimsteur zu schlecht gewesen/ gar spoͤttisch auff sie loßgezogen haͤtte. Geliebte Wase/ antwortete Euphrosyne/ ihr habt nicht ursach/ euch eben so hart zuwegern; dann wer weiß noch/ ob ihr ihm in eurem Traurgewande auch schoͤn und freundlich gnug seyn werdet? Nun hatte sie eine arme adeliche Jungfer bey sich/ die ihr auffwartete/ von guter Gestalt/ und beschwatzet/ aber daneben frisches Gemuͤhtes/ daß sie einem bloͤden Kerle zum Faustrecht gnug gewachsen wahr; dieselbe foderte sie in beyseyn Fr. Agathen vor sich/ und gab ihr zuverstehen/ dafern sie ihr eigen bestes erkennen koͤnte/ stuͤnde ihr ein gutes Gluͤk vor der Hand; nehmlich/ Junker Attalus/ zwar etwas schwach am Verstande/ aber gutes aͤusserlichen Ansehens/ und grosses Vermoͤgens an Baarschafft und liegenden Guͤtern/ haͤtte sich angeben/ nach Fr. Agathen zu heyrahten; geliebete ihr nun/ seines Reichtuhms gebietende Frau zuwerden/ muͤste sie sich bald erklaͤ- ren/ und heut diesen Tag ihm alle Tohrheit zugute halten/ alsdann wolte sie es schon zukar- ten wissen/ daß ihr solches nicht fehlen solte; zweifelte auch nicht/ sie wuͤrde ihn von der Ei- telkeit abzihen/ und mit der Zeit zum feinen Manne machen koͤnnen. Diese Jungfer/ nah- mens Eurydize/ hatte von diesem einfaͤltigen Tohren viel gehoͤret/ doch weil ihr Sinn nach Reichtuhm stund/ erboht sie sich alsbald/ dieses Gluͤk nicht auszuschlagen/ dafern es ihr werden koͤnte/ sie hoffete ihn nachgehends verstaͤndiger/ oder zu ihren Sklaven zumachen/ wolte sich demnach ihrer Befoderung befohlen haben. Wolan/ sagte Fr. Euphrosyne/ so halte ich diese Heyraht schon vor geschlossen; unterrichtete sie/ wie sie sich gegen ihn verhal- ten solte/ legte ihr koͤstliche Kleider und Kleinot an/ und gab ihr einen Ring/ den sie ihm auff Begebenheit als ihrem Braͤutigam verehren solte. Hiemit wahr dieser Tantz gefi- delt/ und stellete sich Attalus zu rechter Zeit ein/ welchen die unsern anfangs vor einen ge- schikten Ritter ansahen/ massen er sich dannoch zimlich ausgeputzet/ und die ersten Geber- den fein einrichtete/ ließ auch einen treflichen Rauff Degen hinter sich her tragen/ den er doch zufuͤhren wenig gelehret wahr. Seine Reden aber verrieten ihn bald/ massen er vor- gab: Demnach seine Schuldigkeit erfoderte/ den Herren Roͤmischen Gesanten aufzuwar- ten/ haͤtte er solches gerne leisten wollen/ umb sehen zulassen/ was vor Leute seine Fr. Wase in ihrer Blutfreundschafft haͤtte. Ladisla und Fabius hiessen ihn wilkommen/ und liessen sich vernehmen/ weil er ein solcher tapffer Ritter waͤhre/ muͤste er ihnen angenehm seyn. Leches aber/ als die Ordnung an ihn kam/ ihn zuempfahen/ sahe ihn ein wenig an/ bald dar- auff demuͤhtigte er sich vor ihm und fing an: Hilff Gluͤk! sehe ich nicht vor mir den voll- kommensten unter aller Griechischen Ritterschafft/ den großgepreiseten Herrn Attalus? Ja guter Herr und Freund/ antwortete er/ ich bin ohn unzeitigen Ruhm derselbe; ob sonst K k k ij der Anderes Buch. der Herr meiner Kundschafft hat? Nicht weiter/ mein hoͤchstgeehrter Herr/ sagte Leches/ als daß ich sein Gemaͤhlde gesehen/ und als ich aus dessen Angesichts-Zuͤgen gemerket/ daß ein sonderlicher Geist in ihm waͤhre/ habe ich von vielen anwesenden vernommen/ daß er nicht ohn ursach die Zier der loͤblichen Ritterschafft genennet wuͤrde; aber mein Herr/ ich bitte nochmahl/ mir meine Bitte nicht zuverargen/ daß ich recht moͤge berichtet werden/ ob dann gleichwol Eure Gn. derselbe Herr Attalus sey/ welcher weder im Springen/ noch Tantzen/ noch Fechten/ noch Reiten/ noch Gluͤk bey schoͤnen vornehmen Frauenzimmer/ je- mahls seines gleichen sol gehabt haben. Ich bin eben derselbe/ guter Freund/ antwortete eꝛ/ koͤnte euch auch dessen allen Beweißtuhms gnug sehen lassen/ wann es die Zeit und Orts Gelegenheit goͤnnen wolte. Warumb nicht? Gnaͤdiger Herr/ antwortete Leches/ alle Zeit ist den Volkommenheiten/ und alle oͤrter deren uͤbung gewidmet. Worauff dieser Narr alsbald seine Tanz Kunst sehen zulassen/ fertig wahr/ und etliche Schnitspruͤnge hermach- te/ welche doch sehr schlecht und baͤurisch wahren; bald steckete ihm Leches ein Ziel/ ob er auch einen so weiten Sprung tuhn koͤnte. Dieser begehrete alsbald mit ihm in die Wette zuspringen/ welches Leches annam/ und den ersten gar kurzen Sprung taht. Jener hoffete ihn umb ein weites zuuͤberwinden/ nam einen Zulauff/ und sprang so unvorsichtig/ dz er mit den Hacken ausgli t schete/ und ruͤklings niderschlug/ daß ihm die Zaͤhne im Kopff knirre- ten/ und die unsern sich schier aus dem Odem lacheten/ so daß Ladisla zu Leches sagete: Trauen ihr muͤsset uns den Narren nicht zu fruͤh stellen/ es wird sonst kein auskom̃en seyn. Er aber antwortete in Teutscher Sprache/ darin er auch angeredet wahr: Gn. Herr/ der Anfang muß gemacht seyn/ da mit ich sehe/ wie grosse Pillen er verschlucken koͤnne. Als At- talus gleich wieder auffgestanden wahr/ und stilschweigens die stelle besahe/ die er mit seinẽ Leibe gemaͤssen hatte/ Leches aber ihn fragete/ ob hinfuͤro das fallen im springen allemal mit geltẽ solte/ weil alsdañ die Fuͤsse Mannes lang weiter vor sich kaͤmen (dessen die anwesende noch am meistẽ lacheten); da trat gleich das Frauenzim̃er in den Saal/ so dz die beyde Frauẽ in Trauerkleidern gingẽ/ uñ die statlich geputzete Eurydize zwifchen sich fuͤhreten/ gegẽ wel- che Attalus sich wendete/ uñ in die vielen Kleinot/ so er an ihr sahe/ sich dergestalt verliebte/ daß er eines nach dem andern beschauete/ zu ihr hin trat/ ihꝛ die Hand kuͤssete/ und nach Be- klagung ihres unfals ihr seine willige Dienste zu Tage uñ Nacht fertig uñ beꝛeit anmeldete; baht sehr/ ihn und sein Vermoͤgen anzunehmen; und wolte nicht wieder von ihr hinweg weichen. Die Anwesende wahren des Anschlages schon berichtet/ empfingẽ Eurydize hoͤf- lich/ und nahete Leches zu ihr/ ob haͤtte er auch den Narren an ihr gefressen/ welches Atta- lus mit bitter-sauren Augen ansahe; doch weil sie sich an Leches nichts kehrete/ sondern wieder zu ihm hin trat/ gab er sich zufrieden/ insonderheit/ da auff seine Rede sie ihm diese Antwort gab; Hochansehnlicher Herr und Oheim/ ich danke billich den Goͤttern/ daß sie meines Herrn Kundschafft mir heut goͤnnen wollen/ welches ich vor mein hoͤchstes Gluͤk schaͤtze; bitte sehr/ mein Herr wolle seiner Dienerin nicht verargen/ daß sie demselben sei- ner hohen Wirdigkeit nach zubegegnen nicht geschikt noch duͤchtig ist/ wie wol am guten Willen es ihr nicht ermangelt; meine geliebte Wase Fr. Euphrosyne hat von meines hoͤchstgeehrten Herrn Oheims Gegenwart mir gar nichts gemeldet/ sonst wuͤrde ich mich auff zierlicheren Schmuk und wilkommen-heissen geschicket haben. Alle gut/ alle gut hoch- geliebte Anderes Buch. geliebte Fr. Wase/ antwortete er/ ich freue mich nicht weniger das Gluͤk zuhaben zu ihrer Kundschafft/ hoffe daneben/ sie werde mir dieselbe gerne goͤnnen/ und zwar auff diese Wei- se/ als ich deren zugeniessen mir vorgenommen habe; fassete hiemit Fr. Euphrosynen bey der Hand/ fuͤhrete sie in einen Winkel von den andern abgesondert/ und baht sehr/ sie moͤchte ihm behuͤlflich seyn/ daß er seiner inbruͤnstigen Liebe bald koͤnte die hochbegehrete Ergetzung geben. Sie antwortete ihm/ er muͤste gemach tuhn/ dann so freundlich ihꝛe Wa- se waͤhre/ so ungeduldig waͤhre sie auch/ wann man so schleunig zuplatzen/ und ihr von lie- bes Sachen sagen wuͤrde; uͤberdaß moͤchte er sich sein bedenkẽ/ ob sie ihm auch gnug schoͤn und hoͤflich waͤhre/ dann nach einmahl geschlossener Heyraht/ koͤnte man den Kauff nicht wiederruffen. Attalus fing an/ sich zu verfluchen/ es waͤhre ihm nie keine schoͤnere vorkom- men als diese/ und wann ja etwas an ihrer Schoͤnheit mangeln solte/ wolte er solches her- nach mit seinen koͤstlichen Kleinoten ersetzen; so wuͤste er vor dem brennenden Feur der peinigenden Liebe nicht zubleiben/ sondern/ da ihm nicht bald gerahten wuͤrde/ muͤste er ohn zweiffel darin ersticken; die Furcht seiner Unbestaͤndigkeit waͤhre vergebens/ und haͤtte er diese so fest in sein Herz geschlossen/ daß nichts als der Tod sie daheraus reissen koͤnte. Gebet euch ein wenig in Geduld/ mein Herr/ sagete sie/ biß die Maalzeit wird geschehen seyn/ alsdann wil ich schon Gelegenheit suchen/ hieruͤber gebuͤhrliche Handelung anzu- stellen; unterdessen wird mein Herr Oheim die naͤheste Stelle bey meiner Wasen zuneh- men/ sich gefallen lassen. Ja/ sagte er/ dieses waͤhre sein hoͤchster Wunsch/ wann die Gesan- ten ihm nur diese Ehre goͤnnen wolten. Sie fassete ihn alsbald bey der Hand/ und fuͤhrete ihn zu Tische/ setzete die Jungfer zu ihm/ und folgeten. die anderen nach/ da Leches ihm zur andern Seite der naͤheste sein muste/ und Fr. Agatha sich zu aller unterst bey Fr. Euphro- synen nider ließ/ auch bey der Mahlzeit sich traurig geberdete/ daher ihre Wase genom̃ener Abrede nach zu ihr sagete: Geliebte Freundin/ warumb seid ihr so betruͤbt? stellet euch doch froͤlich/ wie dorten meine Wase/ dañ ich waͤhre schier bedacht/ euch meinen Herrn Oheim Attalus zu freien/ wañ er noch unversaget und unverliebet waͤhre. Ach/ antwortete sie/ wer wolte doch mich armes verlassenes Mensch haben? Dieser treffliche Herr wuͤrde mich kaum vor eine Magd/ geschweige vor eine Braut wirdigen; jedoch wann mir ein solches Gluͤk bescheret waͤhre/ haͤtte ich dem Himmel hoch zu danken. Gute Frau und Freundin/ antwortete Attalus/ warumb solte ich sie so veraͤchtlich halten/ nachdem ich vernehme/ daß sie meiner Fr. Wasen etwas verwand ist/ ob mir gleich nicht gelegen seyn kan/ sie zu hey- rahten/ weil ich mein Herz schon an einem hohen Orte verpflichtet habe. Die Anwesende kunten sich des Lachens nicht erwehren/ daß dieser mit seinem Koͤrbe-außteilen so fertig wahr/ und sagte Leches zu ihm; trefflicher Herr Attalus/ er handelt fein auffrichtig/ daß er dieser jungen Wittiben deutlich saget/ wo es geschrieben stehet/ dann also muß man die Bauren mit der Mistgabel kitzeln/ sonst fuͤhlen fie es nit. Einem Ritter gebuͤhret solches/ antwortete Attalus/ daß er sich frey rund loßherzige/ damit eine oder andere vergebliche Hoffnung im ersten Grase ersticket werde/ welche sonst/ da sie zu groß wachsen wuͤrde/ aller- hand Ungelegenheit erwecken duͤrffte. Daß wahr recht/ sagte Leches; aber die andern wu- sten vor Lachen nicht zu bleiben; nur Fr. Agatha stellete sich dumb/ und sagete; es moͤchte sich dieselbe wol gluͤkselig schaͤtzen/ die eines solchen Herrn Liebe geniessen wuͤrde. Ja frei- K k k iij lich Anderes Buch. lich werde ich dieselbe gluͤkselig machen/ antwortete er/ wann sie es nur wird erkennen koͤn- nen; baht hierauff Fr. Euphro synen/ ihrem Versprechen/ da es ihr geliebete/ ein Genuͤgen zu tuhn. Darzu bin ich willig/ antwortete sie; aber ehe wir von andern Sachen reden/ muß ich meinen Herrn Oheim zuvor fragen/ wie ihm seine Beysitzerin/ meine geliebete Wase gefalle; massen/ da ich wissen solte/ daß er sie/ und sie ihn hinwiederumb lieben koͤnte/ wuͤrde ich diese Heyraht zubefodern nicht umbhin koͤnnen. O nein/ meine Fr. Wase/ sagte Eurydize/ so hohe Gedanken mache ich mir nicht/ und hat sie ja schon gehoͤret/ daß dieser treffliche Herr am hohen Orte verliebet ist/ daher ich das geringere Gluͤk werde nehmen muͤssen/ welches mir bevorstehet. Attalus kunte laͤnger nicht zuhoͤren/ und fing an; Hoch- aͤdle Frau/ sehr geliebete Freundin; sie versichere sich als vor gewiß/ daß ich zwar verliebet bin/ aber in keine andere als in sie/ hoffe demnach/ sie werde meine Anwerbung nicht auß- schlagen/ und mich vor ihren Braͤutigam auff und annehmen; ich habe so manniche Lade mit Gold und Geld außgefuͤllet/ als Wochen im Jahre find; alle meine Kornboden sind beschuͤttet/ meine Staͤlle vol Vieh/ mein Schloß wolbefestiget/ und kurz zusagen/ weiß ich gewiß/ daß mirs in Reichtuhm und alle dem was einem Ritter zustehet/ keiner in ganz Griechenland bevor tuht; und da sie mir solches etwa nicht zutrauen wuͤrde/ lasse sie nur meinen Hoffmeister und Amtsverwalter herauff treten (diesen hatte man bald anfangs hinunter geschaffet) welcher alles bekraͤfftigen wird; nam hiemit einen Ring/ sties ihr den- selben an ihren Finger/ und baht/ sie moͤchte denselben von ihm diesergestalt annehmen/ daß sie ihm dadurch vermaͤhlet wuͤrde. Diese/ wie sie abgerichtet wahr/ gab ihm den Ring wieder/ und sagete; sie wuͤste nicht/ ob es sein Scherz oder Ernst waͤhre: Er als ein trefli- cher Herr/ wuͤrde vielleicht sie nur auffs Eyß leiten/ und auff eine oder andere Nacht freien wollen/ welches gar nicht seyn koͤnte; wann es ihm aber umb eine rechtmaͤssige Heyraht zutuhn waͤhre/ moͤchte er solches fein deutlich anzeigen. Bald steckete er ihr den Ring zum andernmahle an/ und verfluchete sich hoch/ kein ander Mensch solte/ ohn sie allein/ in sein Herz kommen/ und da er hierin fehlete/ oder jemahls anders redete/ wolte er diesen anwe- senden Roͤmischen Herrn Gesanten mit Leib und Gut verfallen seyn; begehrete darauff/ daß die Dienerin von seinem Hoffmeister seine statlichen Kleinot hohlen solte/ oder daß er vielmehr sie selber braͤchte. Dieser kam herzu/ hatte solche Sachen in einen beschmitze- ten heßlichen Lappen eingewickelt/ und uͤberreichete sie in demselben seinem Herꝛn/ der ihm geboht/ zuzeugen/ ob nicht sein außdruͤklicher Vorsaz waͤhre/ diese hochaͤdle Frau zu hey- rahten; der ungeschliffene bestetigte solches mit hohen Schwuͤren/ und ward alsbald wie- der hinunter gefuͤhret. Attalus schaͤmete sich nicht das besudelte Schnupftuch bey dem Tische auffzuloͤsen/ und fing an/ als ein Kramer ein Stuͤk nach dem andern außzulegen/ nach der Seite/ da Leches saß/ meldete auch bey einem jeden/ wie viel es ihm kostete/ und log uͤber die helffte darzu: Als er viere hingelegt hatte und das fuͤnffte (es wahren aber inge- samt XV Stucke) hervor suchete/ ruͤckete Leches ihm unversehens eines von den vieꝛen hin- weg/ und steckete es ihm in seinen eigenen Schiebsak; als er das siebende langete/ nam er aber eins/ und bey außkramung des zehenden/ nam er das dritte darzu/ machte es auch mit den beyden/ als mit dem vorigen/ daß dieser es nicht merkete/ biß er nach gaͤnzlicher heꝛauß- legung anfing sie zu zaͤhlen/ da missete er drey Stuͤcke; er zaͤhlete sie wol sechsmahl uͤber/ und Anderes Buch. und traf doch die begehrete Zahl nicht/ entfaͤrbete sich daruͤber/ uñ kuckete unter den Tisch/ ob sie ihm entfallen waͤhren/ da inzwischen Leches noch zwey Stuͤcke hinweg nam/ und sie hinter ihm unter das Polster steckete. Dieser sahe nichts unter dem Tische/ uͤberzaͤhlete die Stuͤcke zum siebendenmahle/ und da er nur noch zehne fand/ fing er uͤberlaut an; Nein ihr meine Herren und Freunde/ dieses gehet nicht recht zu/ es werden mir die Kleinot un- ter den Haͤnden hinweg gestohlen/ und misse ich schon den dritten Teil/ welches kein ander Mensch/ als mein naͤhester Beysitzer kan getahn haben. Da ging es nun an ein uͤbermaͤssi- ges algemeines Lachen/ nur Leches stellete sich ernsthafftig/ und fragete/ ob er ihn Diebeꝛey bezichtigte. Dieser gab zur Antwort/ wann er nur seine fuͤnff Kleinot wieder bekaͤhme/ haͤt- te er mit ihm weiters nicht zu schaffen; und weil er dieses redete nam er ganz eiferig die uͤ- brigen X hinweg/ und legte sie an die andere Seite/ seine liebste bittend/ auffsicht znhaben/ daß keine mehr abhaͤndig gemacht wuͤrden. Leches stellete sich ungehalten/ und fragete we i - ter/ ob er dann gesehen haͤtte/ daß er ihm etwas genommen? haͤtte ichs gesehen/ antwortete dieser/ wuͤrde ich bald darumb gesprochen haben. Ja wer hats euch dann gesagt? fragete er weiter. Es kans kein ander getahn haben als ihr/ antwortete er; dann wer haͤtte koͤnnen so weit herreichen? Nun ihr Herren und Freunde alle miteinander/ fing Leches an/ ihr hoͤ- ret und vernehmet/ daß dieser Ritter mich Dieberey zeihet/ welches ich nicht wol werde koͤnnen auff mich ersitzen lassen; und wann mich nicht drey wichtige Ursachen abhielten/ wuͤrde ich Hn. Attalus außfodetn/ sich mit mir zu schmeissẽ; was sind dz vor Ursachen? fra- gete Fr. Euphrofyne. Die erste ist/ antwortete er/ dz ich weiß/ daß H. Attalus seines gleichẽ im fechten nit hat; die andere/ daß ich unschuldig bin; die dritte/ daß ich gar kein Blut/ son- derlich mein eigenes nit sehen kan. Es wahꝛ niemand zugegẽ/ der sich im Lachen haͤtte maͤs- figẽ koͤñen/ nur Attalus ergriff dieses zu seinem vortel/ uñ draͤuete ihm wo er die fuͤnff stuͤe- ke Kleinot ihm nit alsbald wieder gebẽ wuͤꝛde/ solte uñ muͤste er sich mit ihm schmeissẽ. Ich habe sie nit sagete Leches/ abeꝛ wañ ich sie haͤtte odeꝛ noch bekom̃en koͤnte/ solte ich sie dañ be- halten/ wañ ich mich mit euch schmeissen wolte? Je/ antwortete Attalus/ so waͤhre ich wol ein Narr/ wañ ich auff solche Bedingung foͤchte. Warumdañ sol ich mich mit euch schla- gen? fragete iener. Je darumb/ antwortete dieser/ daß ich meine fuͤnff Kleinot wieder ha- ben wil. Suchet nach/ sagte Leches/ vielleicht habt ihr sie noch wol bey euch/ dann ich habe sie nicht gefressen. Attalus griff in beyde Schiebsaͤcke/ fand alsbald in der linken die drey Stuͤk/ entsetzete sich daruͤber/ und sagete: welcher Diebshenker hat dich dahinein gefuͤhret? Es mangeln mir aber noch zwey/ so zuvor auff dem Tische gelegen. Leches stellete sich zor- nig und sagte zu ihm: Wie stehen wir beyde nun miteinander? Also/ sagte jeneꝛ/ daß ich die uͤbrigen zwey Stuͤk auch wiederhaben wil. Suchet im andern Schiebsak fein fleissig/ ant- wortete er/ ob ihr sie euch auch selbst gestohlen habt. Ey das ist ein unhoͤfflich Wort/ sagte Attalus. Eurydize sahe hinter ihm die beyden Stuͤk liegen/ nam sie hervor/ und reichete sie Attalus mit diesen Worten hin; Mein Herꝛ sehet/ sie sind euch entglitschet/ da finde ich sie. Ey meine Freundin/ antwortete er/ hat sie/ uͤmb eine Kurzweile zumachen/ solche verstecket gehabt? Inzwischen haͤtten die Anwesende/ sich schier zum Schiefer gelachet/ nur Leches begunte sich nunmehr zornig zustellen/ und sagte zu ihm: Herꝛ Attalus/ ob ihr gleich der be- ste Fechter von der Welt seyd/ so zwinget mich doch mein ehrlicher Nahme/ daß ich der be- schul- Anderes Buch. schuldigten Dieberey mich zuentbrechen/ einen Gang mit euch wagen muß/ doch nicht mit scharffen Schwertern/ weil ich mein eigen Blut gaꝛ nit sehen kan/ sondern nur mit stumpf- fen Fechtdegen. Dem Gekshaͤuser wahr liebe zu solcher Ausfoderung/ dann weil er in der Fechtkunst unterrichtet wahr/ hoffete er grosse Ehre einzulegen/ und gab zur antwort: Ob er gleich seine Kleinot wieder haͤtte/ koͤnte er doch solche Ausfoderung nicht erdulden/ und wuͤrde schwerlich ohn Blut abgehen/ obs gleich nur mit stumpffen Degen geschehen solte. Der ganzen Geselschafft wahr liebe darzu/ diesen Kampff anzusehen/ ohn allein die Braut begunte uͤber der Tohrheit in ihrem Heꝛzen leid zuempfinden/ muste doch diesen Tag gemachter Anordnung nach/ alles gut heissen. Die Degen wurden gebracht/ da sich dann Attalus im ersten Angriff gar beherzt/ Leches hingegen sich gar furchtsam merken ließ/ daß er nur immer hinter sich wiche/ biß er gar die Wand erreichete/ und weiter nicht austreten kunte/ da gebrauchte er sich seiner Kunst und Staͤrke/ und reichete ihm etliche uͤber die Ar- me/ daß sie striemicht wurden/ endlich versetzete er ihm eins uͤber den Schedel/ haͤrter als ers selbst gemeinet haͤtte/ daß dem guten Attalus die rohte Suppe uͤber das Gesicht herun- ter lieff/ den Fechtdegen von sich warff/ und seinen Gegener beschuldigte/ er haͤtte nicht ge- sochten/ sondern als ein grober Baur auff ihn zugeschlagen. Die anderen fielen ihm in sol- cher Anklage bey/ und legeten Leches zur straffe auff/ daß er ein grosses Weinglas vol aus- trinken solte/ womit dieser vergnuͤget wahr/ und durch einen Handschlag sich mit ihm ver- trug; ging hernach hinab/ ließ sich von seinem Hoffmeister waschen und verbinden/ und setzete sich wieder hin zu seiner Braut/ ob haͤtte ers sehr wol gemacht/ so daß er auch Leches auffzihen durfte/ wie eꝛs immermehr haͤtte machen sollen/ wañ er in der Feigheit ihm gleich waͤhre/ und sein eigen Blut nit sehen koͤnte. Hiermit hatte dieses Lustspiel seine Endigung/ und weil Attalus von niemand mehr angezapffet ward/ wendete er sich zu seiner Liebsten/ deren eꝛ alle seine Kleinot/ wiewol ein Stuͤk nach dem andeꝛn/ einꝛeichete/ mit bitte/ sie moͤch- te sich morgen ihm zugefallen damit ausputzen. Sie nam solches alles mit grosser Ehrer- bietung zu sich/ steckete ihm ihren Ring wieder an/ und versprach/ da er sich gebuͤhrllch im Leben und Wandel gegen sie verhalten wuͤrde/ wolte sie desgleichen tuhn/ und ihn hjemit vor ihren Braͤutigam angenommen haben. Darauff ging das Gluͤkwuͤnschen fort/ biß Fr. Euphrosyne den Braͤutigamb allein foderte/ ihn fragend/ wie bald das Beylager solte gehalten werdeñ/ und hernach das Hochzeitfest. Er saͤhe wie hoͤchlich seine Braut ihn lie- bete/ moͤchte demnach das Ziel nicht zuweit hinaus setzen. Dieser gab zuverstehen/ er wolte gerne alsbald diesen Abend ihm die Braut zufuͤhren lassen. Abeꝛ sie beschwerete sich dessen/ suͤrchtend/ die Braut/ wie sie vorgab/ wuͤrde daꝛein nicht willigen; doch wolte sie/ ihm zuge- fallen/ allen fleiß anwenden/ daß seinem Willen ein genuͤge geschaͤhe; setzeten sich wieder zu Tische/ und sagete Fr. Euphrosyne zu der Braut: Sie hoffete gaͤnzlich/ man wuͤrde ihr allerseits volmacht geben/ die Zeit des Beylagers anzusetzen; und auff williges Ja-wort sagte sie: So muß die Braut diesen Abend ihrem Braͤutigam zugebracht werden/ weil ich schon weiß/ daß demselben hiedurch ein sonderlicher Gefallen geschehen werde. Eurydi- ze stellete sich wiedrig/ baht sehr/ es moͤchte noch etwa zehn oder eilff Monat ausgesetzet wer- den/ hernach wolte sie nicht laͤnger auffschub suchen. Attalus aber wiedersprach dem mit grossem Eifer; es waͤhre ihm ungelegen/ so lange hin zuwarten; seine Liebe brennete ihn viel Anderes Buch. viel zu hefstig/ zweiffelte auch nicht/ weil sie ihren Willen einmahl von sich gegeben/ wuͤrde sie nicht wiederruff tuhn. Die gute Braut ließ sich nach angelegter Karte noch etwas noͤhtigen; aber da die Sonne untergangen wahr/ wegerte sie sich ferner nicht/ sondern fol- gete ihrer Frauen willig/ welche sie dem Braͤutigam zufuͤhrete/ und sie biß an den hellen Morgen ungestoͤret beysammen ließ. Als die unsern ingesamt schon auffgestanden wah- ren/ lag dieser junge Ehmann mit seiner Liebesten noch in den Federn/ und forschete fleissig nach ihren liegenden Guͤtern und Baarschafften/ was vor eine Bewandnis es damit haͤt- te; bekam aber zur antwort: Es wuͤrde sich solches schon finden/ und haͤtte sie ihm davon keine Rechnung auff dem Bette zutuhn/ fing auch an/ ihn zu unterrichten/ dafern er fort- hin in ehelichem Fꝛiede mit ihr leben/ und ihrer Liebe und Huld geniessen wolte/ muͤste er sei- ne alte Haut gar ablegen uñ in eine neue kriechen. Er fragete/ wie solches zuverstehen waͤh- re. Ich werde es euch fein deutlich sagen/ antwortete sie; euer Gehirn hat grossen gebrech am Verstande/ und euer Herz an der Vorsichtigkeit/ solches muͤsset ihr endern/ die kindi- sche Tohrheit/ und nichtige Großpralerey neben der eitelen Leichtglaͤubigkeit hinfuͤro mei- den/ und euch von mir zu allem guten anweisen lassen; weꝛdet ihr solches tuhn/ wil ich noch woleinen Menschen und einen aͤdelmann aus euch machen; bedenket bitte ich/ die tausend- faͤltigen Tohrheiten die ihr gestern in so wenig Stunden begangen habt/ mit tanzen/ sprin- gen/ Kleinot zaͤhlen/ ausfodern/ fechten/ und was ich noch nicht melden mag; solches alles stehet keinem Manne/ sondern unverstaͤndigen kleinen Buͤbichen zu; doch wil ichs zum Anfange hiebey gut seyn lassen/ weil es hohe Zeit ist/ daß wir uns in die Kleider machen. Es verdroß den guten Kerle eine solche deutliche Aushechelung nicht ein geringes/ aber Zag- heit halber durffte er kein Wort darauff antworten. Des vorigen Abends gar spaͤt/ da die jungen Eheleute schon zu Bette wahren/ ging Fr. Agathen Leibdienerin hinunter in die Gesindestube/ und sagte: Der Posse ist gleichwol sehr artig angangen/ und habe ich heut in der Taht erfahren/ was man im gemeinen Sprichwort saget: Wer das Gluͤck haben sol/ dem entlaufft es nicht; die gute Eurydize muste gestern auffwarten/ und ihrer Frauen gnade leben/ und heut ist sie zur grossen Frauen worden/ und einem reichen Herꝛn/ wiewol auch einem grossen Narren beygelegt/ der ihr dannoch manniches Kleinot geschenket hat: mich sol immer und ewig geluͤsten/ weꝛ diese Heyraht mag so schleunig befodert haben. At- talus Hoffmeister stund haussen vor dem Fenster/ und hoͤrete alles an/ trat hernach hinein/ und nach kurzem Gespraͤch fragete er/ ob die schoͤne ausgeschmuͤckete Frau nicht Kleandeꝛs nachgelassene Wittib waͤhre. Deren ieztgedachte Leibdienerin fing darauff an uͤberlaut zu lachen/ und sagte: Kleanders Wittib? Ja wol! meine Frau wuͤrde sich mit eurem wizlo- sen Herꝛn besudeln oder einlassen? Dieselbe saß zu allerunteꝛst bey Fr. Euphrosynen in ih- ren schlechten Traurkleidern/ und die ausgeschmuͤkte wahr gestern uͤmb diese Zeit/ was ich anjezt noch bin/ ohn daß sie gleichwol aͤdles heꝛkommens ist. Da schlage Ungluͤk und Hagel drein/ antwortete dieser/ so hat mein Herꝛ in Warheit geirret/ und wird diesen Kauff nim- mermehr halten. Als die Dirne solches hoͤrete/ lief sie geschwinde zu ihrer Frauen/ und zei- gete solches an; Der Hoffmeister folgete bald hernach/ mit ungestuͤmen Begehren/ ihn als- bald zu seinem Herꝛn zulassen/ er haͤtte demselben etwas noͤhtiges anzudeuten/ welches durchaus keinen Auffschub leiden wolte. Klodius aber filzete ihn zimlich aus/ was er sich L l l unter- Anderes Buch. unterstehen duͤrffte seinen Herꝛn in der angenehmen Ruhe zustoͤren. Dieser gab vor/ es ir- rete alles nichts/ und wolte er solches schon zuverantworten wissen. Als aber Klodius zu ihm sagete; packe dich bald wo du ungepruͤgelt bleiben wilt/ und brennet deines Herꝛn Fischteich so loͤsche ihn; da ging er aus Furcht hinter sich/ und muste des folgenden Tages eꝛwarten. Dazumahl seumete er nun nicht/ sondern/ so bald er merkete/ daß er aufgestanden wahr/ ging er zu ihm/ da seine junge Frau annoch bey ihm auff der Kammer stund/ foderte ihn in einen Winkel/ und sagte zu ihm: Herꝛ/ habt ihr auch nachfrage getahn/ wer eure Braut ist/ bey der ihr hinte geschlaffen? Sie ist trauen nicht Kleanders Wittib/ sondern Fr. Euphrosynen Leibdienerin. Attalus meinete vor unmuht zu besten/ trat zu ihr hin/ und fragete/ wie sie hiesse/ uñ wer sie waͤhre. Diese merkete daß ihn sein Diener gewarnet haͤtte/ redete denselben ganz zornig an/ und sagete: Je du leichtfertiger Schelm/ wer hat dich so kuͤhn gemacht/ zu deiner gebietenden Frauen ungefodert auff ihr Schlaffgemach zutreten? ergreif hiemit einen Pruͤgel/ uñ zuschmierete ihm die Rippen dergestalt/ daß er vor schmeꝛ- zen nicht zubleiben wuste/ und sich hinter seinen Herꝛn zuverbeꝛgen suchete; aber sie schlug immer tapffer fort/ gab auch dem guten Attalus etliche Streiche mit/ als waͤhre es ohnge- fehr geschehen/ daß endlich der Herr samt dem Knechte anfing zu schreihen/ und davon zu lauffen; wiewol sie diesen alsbald freundlich anredete/ mit Entschuldigung/ daß es ohn voꝛ- saz geschehen waͤhre. Die beyden Frauen hatten allernaͤhest ihr Gemach bey dieseꝛ Kam̃eꝛ/ hoͤreten das Getuͤmmel/ und lieffen herzu/ dann sie meyneten nicht anders/ die jungen Eh- leute wuͤrden ihres dinges uneins worden seyn/ uñ haͤtten sich unter einander so zerblaͤuet. Als sie nun naheten/ baht Eurydize dieselben/ mit ihr hinein zugehen/ da sie den guten Atta- lus stehen sahen als ein erschrockenes Rehe/ und wuͤnschete/ daß er nur bald sterben moͤch- te. Seine Braut trat mit freundlichen Geberden zu ihm/ und sagete: Warumb fragete mich mein Schatz kurz zuvor/ wer ich waͤhre/ und wie ich hiesse? Weiß er solches nicht/ uñ hat nicht allein sich mit mir vermaͤhlet/ sondern auch das Beylager schon gehalten? Das ist mir ja eine wunderliche Sache! Jedoch weil ich meinen Nahmen und ehrliches Her- kommen noch nie verleugnet/ sollet ihr wissen/ daß ich die Eurydize Parmeniskus juͤngste Tochter bjn/ welcher zwar an zeitlichen Guͤtern nichts uͤberfluͤssiges/ aber doch seinen voll- kommenen Adel und ehrlichen Nahmen hat. Fr. Euphrosyne redete mit darzu: es naͤhme sie Wunder/ daß er so hefftig nach ihrer Wasen (wie sie dann wahr) geworben/ ehe und be- vor er sie gekennet; ich meynete/ sagte sie/ ihr wuͤrdet umb ihr Wesen gute Wissenschafft gehabt haben/ sonsten solte euch solches nicht verhehlet worden seyn. Fr. Agatha lachete/ daß ihr das Herz bebete/ lief hin und hohlete Ladisla und die andern herzu/ die spaͤte Reue nach gehabter Lust anzusehen. Als dieselben kahmen/ funden sie Attalus als einen Kloz un- bewaͤglich stehen/ welchen sie gruͤsseten/ und ihn frageten/ ob die ungluͤklichen Traͤume ihn diese Nacht so hefftig erschrecket haͤtten. Worauff er zur Antwort gab: Ihr meine Herrẽ/ ich zwiffele nicht/ sie werden an aller Betriegerey grosses Mißfallen tragen/ damit ehrliche Leute geaͤffet werden/ insonderheit an dieser/ durch welche ich so schaͤndlich hintergangen bin/ und man mir an statt Kleanders Wittiben/ etwa eine Dienerin von armen geringen Adel beygelegethat. Niemand wahr zugegen/ der nicht von Herzen gelachet haͤtte/ ohn die uͤber die Schmachworte hart ergrimmete Eurydize/ welche ihm naͤher trat/ und zu ihm sa- gete: Anderes Buch. gete: Du ungeschliffenes Holz/ wer hat dich betrogen? hastu mich auch jemahls vor Kle- anders Wittiben angesprochen? oder habe ich und jemand anders mich davor ausgege- ben? Es ist mir leid/ daß ich mich mit dir eingelassen habe/ und haͤtte ich meine Jungfer- schafft wieder/ ich wolte dich rechtschaffen uͤber den Toͤlpel werffen. Dieser erboht sich/ vor diese einige Nacht ihr das beste Kleinot unter allen zulassen/ welche er ihr auff die vermey- nete Ehe/ als Kleanders Wittiben geschenket haͤtte/ alsdann wuͤrden sie verhoffentlich geschiedene Leute seyn. Diese meynete vor Unmuht zubersten/ und fiel ihr schwer/ sich zu- enthalten/ daß sie ihm das Haar nicht ausrauffete. Fabius trat zwischen sie ein/ und sagete zu Attalus: Hoͤret mein schoͤner Herr; wie ist euch schon entfallen/ daß ihr uns mit Leib uñ Gut woltet verfallen seyn/ wofern ihr in eurer Traͤue wanken wuͤrdet? geschwinde/ und be- denket euch eines bessern/ oder euch duͤrffte ein wunderliches Bad zugerichtet werden. At- talus erseuffzete hoch/ und sagete: Ey meine Herren/ es ist alles auff Fr. Agathen/ nichts auff diese von mir geredet worden; Zeigete weiter an/ wie er diese vor Kleanders Wittibẽ gehalten/ und wuͤrde Fr. Euphrosyne ihm das Zeugniß geben/ daß er ja bald anfangs um dieselbe und umb keine andere die Anwerbung getahn haͤtte. Diese gab zur Antwort: Ja / im Anfange ist solches freylich geschehen/ aber nachdem ich sahe/ daß ihr nach dieser andern euch wendetet/ gedachte ich/ ihr wuͤrdet nach Art der wankelmuͤhtigen euren Sinn geen- dert haben. Dieser Streitigkeit ist bald abzuhelffen/ sagte Fabius; massen wann man euch etwa vorgetragen haͤtte/ daß damahlige Jungfer Eurydize jeztgedachte Wittib waͤhre/ so duͤrffte sich eure Entschuldigung in so weit hoͤren lassen/ wo nicht/ so ists euer blosser Muht- wille/ der euch treibet/ diese eure junge Ehefrau zuverlassen/ nachdem ihr eure Begierde an ihr ersaͤttiget habet; lasset euch demnach nicht geluͤsten/ ein mehres hievon zu reden/ oder ihr werdet den kuͤrzern zihen; und was wollet ihr immermehr einwenden? hat nicht Fr. Eu- phrosyne euch Fr. Agathen in unser aller gegenwart angebohten/ uñ ihr habt unverschaͤmt gnug ihr den Korb oͤffentlich geben duͤrffen/ einwendend/ wie euer Herz schon anderwerz verliebet waͤhre. Der arme Attalus wahr in solcher Angst/ daß er gerne gestorben waͤhre/ wann es nichtweh getahn haͤtte/ gab naͤhern Kauff/ und begehrete mit seinem erbaren Hof- meister ein wenig allein zureden/ darnach wolte er sich erklaͤren. Erklaͤren? sagte Eurydize; hastu dich nicht gestern erklaͤret? Fr. Euphrosyne redete ihr ein/ sie solte ihn nit so schimpf- lich halten/ weil sie sich selbst dadurch verunehrete; foderte den Hofmeister/ und trug ihm alles vor/ was gestern in seinem Abwesen vorgangen wahr; befahl ihm darauf/ seinẽ Herꝛn eines bessern zuerinnern/ alsdann solten ihm die empfangenen Streiche mit einer Hand voll Kronen vergolten werden. Dieser sahe/ daß es sein bestes seyn wuͤrde/ und daß seines Herrn Unvorsichtigkeit an allem schuld truͤge/ ging deswegen zu ihm/ und sagete: Wie Herr/ schaͤmet ihr euch nicht/ daß ihr so blind und unwitzig fahret/ uñ euch mit einer ehelich einlasset/ ja das Beylager haltet/ ehe und bevor ihꝛ nach ihrem Nahmen und Stande fra- get? Ach/ ach! sagte er/ die schoͤnen Kleinot haben mich betrogen; zweifele auch nicht/ man habe sie einig und allein zu dem Ende also ausgeputzet. O weit gefehlet/ antwortete dieser; dem Ritter/ so euch zur Seite saß/ hat man sie freyen wollen/ dem seyd ihr zuvor kommen; deßwegen tuht gemach/ und wegert euch ferner nicht mehr/ ihr weꝛdet sonst in Ungluͤks Kuͤ- che das Fruͤhstuͤk essen; dann ihr muͤsset entweder Eure Eheliebste behalten/ oder Leib und L l l ii Gut Anderes Buch. Gut hergeben; da waͤhlet nun was ihr wollet/ hier wird nichts anders aus; koͤnnet ihr a- ber gutem Raht folgen/ so findet euch mit eurer Liebsten gebuͤhrlich abe; hat sie dann nicht grosse Guͤter/ so ist sie dannoch ein schoͤnes Bild und eurem Stande gemaͤß/ und danket dẽ Goͤttern/ daß man euch nicht gar eine Bauren-Dirne hat angeschmieret. Ey so muß ich sie dann wol behalten/ sagte er/ wann sie mir nur nicht gar zu hart seyn/ und den Fehler ver- gessen wolte. Davor lasset mich rahten/ antwortete der Hofmeister; ging hin/ und meldete Fr. Euphrosynen an/ wie leid seinem Herrn der Verstoß waͤhre/ er sich auch mit seiner Eheliebsten gerne abfinden wolte. Dieser guten Verrichtung/ sagte sie/ muͤsset ihr geniessẽ, gab ihm 30 Kronen/ neben anmahnung/ seinen Herꝛn in dieser guten Meynung zu erhal- ten; unterrichtete nachgehends die Braut/ wie sie mit Attalus verfahren solte/ und ließ sie allein zu ihm hingehen. Sie fand ihn noch in grosser Betruͤbnis/ dann der Spot wolte ih hm/ wie einfaͤltig er sonst wahr/ auß dem Kopffe nicht/ daß man ihm die Magd an stat der Frauen zugefuͤhret hatte; aber sie redete ihm suͤsse zu und sagete: Mein allerliebster/ nach- dem ich verstehe/ daß euch der Frevel leid ist/ den ihr mir unverschuldet angeleget/ wil ich den schweresten Stein mit euch nicht heben; dieses aber sollet ihr euch stets/ und weil ihr lebet/ erinnern/ daß ich euch keinen Bothen geschicket/ noch mich euch angetragen/ sondern mich vielmehr gewegert habe/ biß euer unablaͤssiges Auhalten mich genoͤhtiget hat/ in eure Heyraht einzuwilligen; wolte sonst ohn euch wol einen wirdigen Braͤutigam angetroffẽ haben/ der mir schon nicht ferne wahr. Ihr sollet mir hiebey versprechen/ daß/ wie ich euch heut fruͤh schon ermahnet/ ihr eure bißher gefuͤhrete Tohrheit und filzigen Geiz ablegen/ und eurem Stande euch gemaͤß verhalten wollet/ habe zu dem Ende schon eine feine Gut- sche mit vier Blaͤnken im Kauffe/ die ihr bezahlen sollet. Wegen Verwaltung eurer Guͤ- ter lasset mich nur rahten und sorgen/ die sollen durch mich nicht gemindert sondern ver- bessert werden. Wem wahr lieber als dem verschuͤchterten Attalus/ daß ihm keine schwe- rere Busse aufferleget ward/ er baht umb verzeihung des begangenen/ und versprach hin- fort ihres Willens zu leben. Damit wahr diese Fehde geendet/ und schaͤtzete er sich nach dem offt gluͤkselig wegen dieser Heyraht/ massen sie ihn inwendig Jahre s frist der Gestalt un- terrichtete/ daß er gar ein ander Mensch ward; dann es hatte ihm in der Jugend an der Erzihung gemangelt/ weil seine Eltern ihn als ihren einigen Sohn verzertelten/ und hin- ter dem Ofen auffwachsen liessen. Jedoch bekam er mit ihr noch 4000 Kronen Braut- schaz; dann Fr. Agatha schenkete ihr die obgedacht 1200 Kronen/ worzu Ladisla/ Fabius und Fr. Euphrosyne ingesamt 2800 Kronen legeten/ ihn weiters nicht mehr auffzogen/ weil er sich ganz eingezogen und demuͤhtig bezeigete/ und des dritten tages diese jungen Eh- leute nach ihren Guͤtern zihen liessen. Ihr Vater Parmeniskus erfreuete sich der Heyraht sehr/ und weil er ein Christ wahr/ brachte er sie beyde nach verlauff zwey Jahr zum Christ- lichen Glauben/ wozu Fr. Euprosyne bey ihrer Wiederkunfft auß Persen ein grosses ver- richtete/ und dem Vater einen feinen Meierhoff schenkete/ worzu Groß Fuͤrstin Valiska 6000 Kronen baar legete. Am Tage des abzuges dieser jungen Ehleute redete Agatha mit ihrer Wasen; sie moͤchte gerne wissen/ ob Herr Leches noch unbefreiet und ohn Liebe waͤh- re/ auff welchen Fall sie ihm Kleanders Brudern Tochter/ die sehr schoͤn und von gewal- tigen Mitteln wahr/ gedaͤchte zuzuschanzen. Euphrosyne wolte nicht unterlassen/ dieses zu- ver- Anderes Buch. vernehmen/ aber er bedankete sich ihrer guten Gewogenheit/ und offenbahrete ihr in hohem vertrauen/ daß er seinen Anteil ihm schon außersehen/ und mit einer adelichen Jungfer sei- nes Vaterlandes/ anjetzo zu Padua anwesend/ sich ehelich versprochen haͤtte; wolte auch seine Baarschafften uñ Kleinot/ die er meistenteils von ihrer freygebigkeit empfangen/ bey ihr verwahret stehen lassen/ biß sie etwa mit Gelegenheit seiner Liebesten koͤnten uͤbermacht werden. Die gute Frau schaͤmete sich/ daß sie einen blossen schlug/ baht sehr/ ihr nichts zu- verargen/ und spielete es dahin/ daß ihm von Parmenions Geldern 20000 Kronen zu- gewendet wurden. Es blieben aber Ladisla und Fabius zu Korinth beyeinander/ biß die außgeschikten Knechte/ so Herkules außspuͤren solten/ wieder bey einander wahren/ deren etliche sich uͤber die angesetzete Zeit verspaͤteten/ mehr dem Wolleben nachhaͤngend/ als Herkules nachfragend/ welcher auch ihrer Kundschafft zu weit entfernet wahr/ mas- sen/ wie ob erwaͤhnet/ er mit seinem Gallus sich auff ein Kauffmans Schiff gesetzet hatte/ welches nach Kretafuhr. Es funden sich IIX boßhaffte Raͤuber bey ihnen/ welche in der- selbigen Gegend Beute zumachen gesonnen wahren. Sie sahen Valikules in seinen schoͤ- nen Kleidern/ und dz er bey tageszeit neben seinem Diener gemeiniglich geharnischt wahr/ auch zu Nacht einer umb den andern wacheten/ und grosse Wetscher bey fich fuͤhreten/ in denen sie grossen Reichtuhm vermuhten wahren; macheten daher ihren Anschlag/ wie sie ihn als einen Fremdling uͤberfallen/ und mit samt seinem Diener erwuͤrgen moͤchten/ daß fie der verhoffeten Beute teilhafftig wuͤrden. Sie naheten unterschiedlichemahl zu ihnen/ hatten doch so viel herzens nicht/ sie anzugreiffen/ weil sie ausser dem Seitengewehr keine Waffen hatten/ ohn daß ihrer etliche/ kurze duͤnne Panzer unter den Kleideꝛn verborgen trugen. Endlich/ da sie nicht weit von Kreta wahren/ machten ihrer drey ein falsches Ge- zaͤnke untereinander/ daß sie auch zu den Schwertern griffen. Valikules stund dabey ganz gewapnet/ und hieß sie ruhig seyn/ haͤtten sie was zu fechten/ so waͤhre das Ufer nicht weit/ da ihnen Raum gnug seyn wuͤrde/ den Zank außzutragen; worin die Kauffleute uñ Schif- fer mit ihm eins wahren/ deren Einrede sie auch gerne und willig auffnahmen/ aber zu Va- likules sagten sie/ was er sich umb ihr Tuhn zugeheien/ oder ihnen zugebieten haͤtte? Er solte geschwinde das Maul halten/ oder man wuͤrde ihm dz eiserne Wammes beklopffen. Daß waͤhre unguͤtlich gehandelt/ antwortete er/ da ich nur eur bestes suche; es sey aber wie ihm wolle/ so gebet mir Zeit/ biß ich an Land steige/ und stoͤret den Schiff-friede nicht/ als- dann wil ich eures klopffens schon wahr nehmen. Der ansehnlichste Raͤuber gab ihm sehr hoͤhnische worte/ griff auch zum Degen/ und schlug zu ihm ein; Valikules aber seumete sich auch nicht/ stellete sich neben den Mastbaum/ und nach des Raͤubers außgenommenen Schlage/ hieb er ihm den Unterbauch auff/ daß ihm das versehrete Gedaͤrmans dem Lei- be sprang/ und er Tod niederstuͤrzete. Als die uͤbrigen dieses sahen/ fielen sie einmuͤhtig auf ihn ein; aber Gallus zog mit von Leder/ welcher zween/ Valikules noch vier in gar kurzer frist erlegete/ auch den Lezten hart verwundete/ welchen er beim Halse ergriff/ und ihm alle Pein draͤuete/ wo er nicht bekennen wuͤrde/ aus was Ursachen sie ihn so moͤrdlich uͤberfallẽ. Diesen trieb die Furcht zur Bekaͤntnis/ daß es bloß aus Hoffnung reicher Beute gesche- hen waͤhre/ woruͤber die Kauffleute/ so bißher mit hoͤchster Verwunderung zugesehen/ der- gestalt ergrimmeten/ dz sie diesen annoch lebendigen/ mit samt den erschlagenen ins Meer L l l iij stuͤrze- Anderes Buch. stuͤꝛtzten/ und dagegen Valikules hohe Ehr erbohten/ dessen Heldentaht sie uͤber die masse hoch hielten. Es schickete aber Gott/ daß die Kauffleute wieder ihren Willen in den Hafen einlauffen musten/ woselbst Valiska vor ohngefehr vier Wochen außgestiegen wahr; da- selbst lohnete er dem Schiffer/ ließ die Pferde und Sachen ans dem Schiffe bringen/ und wahr willens mit Gallus Land ein zureiten/ und die vornehmsten Staͤdte zubesehen; weil er dann auff dem Meer zimlichen Unlust wegen des Sturms eingenommen hatt/ legte er sich unter die schoͤnen Baͤume in den Schatten. Gallus geriht gleich unter den Baum/ in welchen das Fraͤulein die zierliche Schrifft eingeschnitten hatte/ die sich schon in etwas von einander getahn/ daß man sie auff etliche Schritte wol erkennen kunte. Valikules fragete ihn/ was er an dem Baume so eigentlich besaͤhe. Es findet sich/ sagte er/ eine fremde Schrifft alhie/ die ich nicht lesen kan/ und ohn zweiffel eine gelehrte Hand muß hinein ge- schnitten haben. Bin ich dann gelehrter als ihr/ sagte Valikules/ so wil ich versuchen/ ob ichs verstehen kan; ging hnzu/ und lase diese Worte: Valisca, nunc Herculiscus, in Parthi- am ducta , daß ist: Valiska/ jezt Herkuliskus genennet/ ist nach Parthen gefuͤhret; woruͤber er bey des vor freuden und Mitleiden niederfiel/ daß ihm alle Kraͤffte entgingen; dessen Gal- lus wahrnehmend/ ihn sanfft nidersetzete/ uñ umb sein Anliegẽ fragete; da er ihm antwor- tete: O Gallus/ mein Gott hat mich diesen Weg sonderlich gefuͤhret/ dann mein gelieb- tes Fraͤulein selbst diese Schrifft hinterlassen/ und angezeiget hat/ daß sie nach dem Par- therlande hingefuͤhret werde; daher ich Gott Lob nunmehr weiß/ an was Ort der Welt ich sie suchen muͤsse. Es ist aber ein weitabgelegenes Reich/ woselbst der maͤchtigste Herr der Welt/ nach den Roͤmern/ die Herschafft fuͤhret/ und muͤssen wir uͤber das Syrische Meeꝛ/ hernach uͤber den Eufrat und Tigerfluß/ dann gehen wir zu lande durch Assyrien und Per- sen/ und haben von Jerusalem fast 400 Meilen/ ehe wir die Parthische Haͤuptstad Cha- ras/ vor zeiten Hekatompylos genennet/ erreichen/ welchen aͤlteren Nahmen sie gefuͤhret/ weil sie hundert Stadtohre gehabt/ auch so groß ist/ daß sie von den Persen eine kleine Welt genennet wird. Ich wil aber/ ungeachtet aller bevorstehenden muͤhseligkeit/ meinemlieben Gott vertrauen/ nicht zweiffelnd/ er werde unser Gleitsman seyn/ und unser Vorhaben zum gewuͤnschten Ende hinaus fuͤhren/ weil es ja zu seinen goͤttlichen Ehren/ und meines naͤhesten Rettung und Wolfahrt angesehen ist; und freue mich nicht wenig/ daß ich Ge- legenheit habe/ die oͤrter zubesuchen/ da unser Herr und Heyland JEsus Christ gebohren ist/ da er gelehret/ Wunder getahn/ und umb unsert willen den Tod gelitten hat; moͤchte wuͤnschen/ daß wir bald ein Schiff antraͤffen/ welches uns dahin braͤchte. Nam hiemit sein Messer/ und schnitte oberhalb der Fraͤulein Schrifft diese Worte hinein: Valicules duce DEO sequitut. Daß ist: Valikules folget unter Gottes begleitung nach; setzeten sich her- nach wieder zu Pferde/ luden ihre Sachen auff den Maul Esel/ welchen Gallus an der Hand fuͤhrete/ uñ besahen die vornehmsten oͤrter in der naͤhe gelegẽ/ da ihnen nichts denk- wirdiges begegnete/ ohn daß man in der Stad Gnossus ihn wolte zweiffeln machen/ ob er auch der wahre Teutsche Herkules waͤhre. Dann als er daselbst ankam/ und in seinem Wirtshause die Waffen kaum abgelegt hatte/ ritten zween statlichgeputzete junge Ritter voruͤber/ denen acht Diener folgeten; und als er den Wirt fragete/ was vor Herren diese waͤhren/ antwortete er; es sind die beyden trefflichen Helden/ Herr Ladisla und Herr Her- kules Anderes Buch. kules/ denen Roͤmische Kaͤyserl. Hocheit wegen ihrer loͤblichen Tahten/ herliche Ehren- Seulen zu Rom auffrichten lassen. Valikules sahe ihn an/ meinete/ er wuͤrde ihn etwa gekennet haben/ und durch diese Rede solches zuverstehen geben wollen; fragete ihn dem- nach/ ob er ehmahls der jetztgenanten Herren Kundschafft gehabt haͤtte. Nein/ sagte die- ser/ bevor sie in dieses Land ankommen sind/ habe ich sie niemahls gesehen; daß ihnen aber obgedachte Ehre zu Rom/ Padua/ und anderswo begegnet/ ist gar kein zweiffel/ sintemahl unterschiedliche Schiffe solches einhellig bezeugen/ die des Orts herkommen. Was vor Landes-Art aber moͤgen sie seyn? fragete Valikules. Man haͤlt sie vor Teutsche/ sagte der Wirt; wiewol man solche grobe sprache nie von ihnen hoͤret/ sondern deꝛ Juͤngste mit dem gelben Haar/ H. Herkules/ redet stets lateinisch/ scheinet auch gar from und einfaͤltig seyn/ wie geuͤbet er sonst in Waffen ist; H. Ladisla aber gebrauchet sich zuzeiten der Griechischen Sprache mit/ ist auch in aͤusserlichen Geberden viel muhtiger als sein Geselle. Valikules lachete des/ und haͤtte sich fast zuviel verlauten lassen/ ging mit Gallus von dem Wirte hin- weg/ und sagete zu ihm; Mein/ habt ihr vernommen/ was abenteurliche Zeittung uns der Wirt erzaͤhlet? Ja mein Herr/ antwortete er/ und zwar mit grosser Verwunderung/ daß ich anfangs gedachte/ ob wir in eine andere Welt kommen waͤhren/ da man eben das fuͤn- de/ was in Italien vorgehet. Ich aber zweiffele nichts an des Wirts Reden/ sagte Valiku- les; aber diese muͤssen zween abgefeimete Buben seyn/ die ihnen anderer Leute Nahmen uñ Ehre zueignen/ und dadurch bey deꝛ Welt sich beschrihen und ansehnlich machen duͤrffen; nun wolte ichs zwar nicht groß achten/ dafern sie ein wirdiges Leben dabey fuͤhren/ solte ich aber vernehmen/ daß durch lasterhafften Wandel sie meinem Ladisla und mir Schimpf und Unehr beweisen/ werde ichs trauen raͤchen/ und sie vor der Welt zuschanden machen; wil mich aber vor die Haußtuͤhr stellen/ daß ich sie/ wann sie wieder herein reiten/ unter dem Gesichte sehen und erkennen moͤge ob sie uns aͤhnlich seyn; dañ es kan nicht fehlen/ sie muͤs- sen unser Kundschafft haben/ und daneben wissen/ daß wir in der fremde leben; oder ge- denken vielleicht/ wir sind gar umbkommen/ und wollen sie der Fruͤchte unserer Muͤhe und Arbeit geniessen/ ist mir also lieb/ daß ich in fremder Gestalt in diß Land ankommen bin. Es stund nicht lange an/ da sahe er sie wiederumb daher reiten; er im voruͤberzihen taht seinen huet tieff ab/ und gruͤssete sie ehrerbietig; die ihn doch keines danks wirdigten/ tah- ten auch/ als haͤtten sie ihn nicht gesehen/ und eileten ihrer Herberge zu: Woruͤber er sich fast erzuͤrnete/ und zu Gallus sagete; nimmermehr were ich zugeben/ daß diese Buben un- ter unserm Nahmen ihren auffgeblasenen Stolz treiben/ wann ich nur wuͤste es auffs be- ste anzuschlagen. Endlich sendete er Gallus umb den Abend in ihre Herberge/ ihres tuhns etwas acht zu haben; welcher da er wieder kam/ berichtete/ daß diese vermummete Lecker/ jeder ein unzuͤchtiges Weib bey sich gehabt/ und in Gegenwart des Wirts und der Wir- tin/ ja aller Diener/ schaͤndliche uͤppigkeit getrieben haͤtten/ wiewol der vermeinete Ladisla mehr als sein Geselle. Valikules wahr keinem Laster feinder/ als der Unzucht/ ergrimmete daruͤber/ und aus Christlichem Eyfer sagete er; Solten diese leichtfertige Nahmen- und Ehren Diebe/ meinem Ladisla und mir solches Geruͤcht bey der erbaren Welt machen/ als beflecketen wir uns mit dieser Suͤnde? davor wolte ich alsbald mein Leben lassen. Er legete folgenden Morgens nach verrichtetem Gebeht die Waffen an/ stellete sich/ als kaͤhme er gleich Anderes Buch. gleich jetzt aus der Fremde in diese Stad/ und kehrete mit Gallus in ihre Herberge ein. Der Wirt wolte ihn anfangs nicht auff nehmen/ vorgebend/ er haͤtte schon sein Hauß vol Fremde/ daß er sie nicht wol lassen koͤnte; doch wie Valikules freundlich anhielt/ und daß eꝛ umb gute Zahlung nur das Mittagmahl bey ihm halten wolte/ wahr er gerne zufrieden. Die beyden vermeinete Herren stunden kurz vor der Malzeit von ihren unzuͤchtigen Wei- bern auff/ traten in zierlicher Kleidung in den Essesaal/ und frageten den Wirt/ wer diese beyde schwarzbraune Ritter waͤhren. Dieser antwortete nach Valikules Vorgeben/ sie kaͤhmen auß dem Eylande Sardinien/ und wolten nach den Syrischen Landẽ. Der falsche Ladisla wahr ein sehr vermaͤssener Tropff/ und verwieß es dem Wirt/ daß er solche umb- schweiffende auffnaͤhme/ es waͤhre ihm ungelegen/ sich mit dergleichen Gesellen in Wirt- schafft einzulassen; jedoch weil der Wirt ihn sehr baht/ nur diese Mahlzeit friedlich zu seyn/ ließ ers geschehen. Sie hatten einen zierlichen Leibknaben/ welcher ihnen vorschneiden muste; derselbe legete nur seinen Herꝛn vor/ und kehrete sich an die unsern gar nicht/ haͤtte ihnen auch nicht eins die Schuͤssel zugeruͤkt/ wann er seinen Teil daraus genommen/ wel- ches Valikules nicht wenig verdroß/ insonderheit/ da diese Buben ihn nicht eins wirdig- ten/ ihm zuzutrinken/ und ihr eigenes Geschir ihnen geben liessen. Es stund ein herlicher Braten auff dem Tische/ gleich vor dem vermeinten Ladisla/ welchen Valikules seinem Gallus vorsetzete/ mit befehl ihm etwas davonzuschneiden; der das beste davon abloͤsete/ welches jene verdroß/ daß sie auch begunten mit Stichelworten umb sich zu werffen/ aber Valikules wolte es nicht verstehen/ und hielt sein Gespraͤch mit dem Wirt/ kehrete sich auch so wenig an diese beyden/ als er von ihnen geachtet ward/ welches der Wirt seiner Unwissenheit zuschrieb/ und zu ihm sagete: Mein Herꝛ/ weil ihr aus weit abgelegeneꝛ Land- schafft erst dieser oͤrter ankommet/ halte ich euch nicht vor uͤbel/ daß diese beyde/ meine Gñ. Herren/ euch unbekant sind. Ja antwortete er/ ich wuͤste nicht/ daß ich sie vor mehr als in dieser Stad gesehen haͤtte. Der Wirt fuhr fort/ und erzaͤhlete ihm/ was vor tapffere Hel- den sie waͤhren/ und wie hohe Ehr man ihnen/ ihres Wolverhaltens halber in Italien an- getahn haͤtte. Unter welcher Erzaͤhlung sich der falsche Ladisla gleich einer Kroͤten blehete/ und endlich zu dem Wirt sagete; ich habe euch offt gebehten/ unsere Gegenwart mit sol- chem Ruhm zu veꝛschonen/ damit nit jemand waͤhne/ man haͤtte es mit euch also angelegt; Wer demnach uns und unsere Tahten zu wissen begehret/ kan sich nach Padua/ Mantua/ Ravenna/ und Rom verfuͤgen/ und daselbst von allen satten Bericht einnehmen. Va- likules kehrete sich nichts an diese Rede/ dankete dem Wirt wegen genehmer Unterrich- tung/ und begehrete/ ihm ihrer beyder Nahmen zu melden; worauff er hernach zur ant- wort gab; es kan wol seyn/ daß sich unterschiedliche Menschen eines Nahmens finden/ dann ich kenne sonst zween vornehme Herren eben dieses Nahmens/ mit denen ich mannichen Weg gereiset bin. Als der falsche Ladisla dieses hoͤrete/ fuͤrchtete er sehr/ die- ser wuͤrde ihn zuschanden machen/ nam alsbald vor/ solchem Ubel durch einen Kampff vorzukommen/ weil er guter Faͤuste/ und in ritterlichen uͤbungen wol unterwiesen wahr; massen sein Vater ein Paduanischer vom Adel/ dessen unehelicher Sohner wahr/ ihn an- fangs zur Schule gehalten/ nachgehends in Ritterspielen unterweisen lassen; fing dem- nach an/ und sagete: Ob etwa einer oder andeꝛ ausser ihnen beyden sich vor Ladisla uñ Her- kules Anderes Buch. kules ausgeben duͤrften/ dieselben muͤsten ohn zweiffel sich faͤlschlich also nennen/ uñ alle die es bejaheten/ hielte er nicht anders. Valikules sahe daß es zeit wahr loßzubꝛechen/ und ant- wortete ihm: Er solte ja wol zusehen was er redete/ koͤnte ihm auch goͤnnen/ daß er sich bey zeiten erkennete/ und auffhoͤrete sich fremder Tahten zuruͤhmen/ an welchen er keinen Teil haͤtte/ sonsten muͤste er ihm gewißlich einen Rittersatz halten. O du Unseliger/ sagte dieser/ was Ungluͤk hat dich hieher gefuͤhret/ deines Lebens Ende von meinem Schwerte zuneh- men; mit welchem ich in einem Kampffe mehr dann XXX Fechter erschlagen? Du? sagte Valikules/ hastu Leutebescheisser ein solches getahn? und soltestu der beruͤmte Ladisla seyn? ein Erz Bube und Luͤgener bistu/ der anderer Leute Nahmen und Ehre stihlet; und bildestu dir ganz umsonst ein/ daß ich Herrn Ladisla und Herkules nicht kennen solte. Kehrete sich hiemit zu dem Wirte/ und sagete: Dafern ihr mir diesen Boͤsewicht heimlich davon strei- chen lasset/ sollet ihr von eurer Obrigkeit an Leib und Leben gestraffet werden/ darnach habt euch zurichten; dann ich bin von diesen beyden Herren abgesand/ daß ich den Frevel dieser Luͤgener eintreibe. Stund hiemit auff/ ging in sein Gemach/ und ließ von Gallus sich die Waffen anlegen. Inzwischen blieb dieser Bube im Esse Saal/ und gehub sich dermassen/ als wolte er vor Eifer bersten/ insonderheit muste der Wirt sich rechtschaffen leiden/ war- umb er diesen Luͤgener beherberget haͤtte. Gallus kam gleich darzu/ und hoͤrete diese Schelt- worte/ fassete einen Stecken/ der ihm zur Hand stund/ und schlug ihn damit etliche mahl uͤ- ber die Ohren/ sprechend: Du ehrvergessener Bube/ soltestu meinen Herrn in seinem Ab- wesen also schelten. Dieser wolte solchen Schimpf auff sich nicht ersitzen lassen/ fassete das Brodmesser/ in Meynung ihm die Gurgel abzustechen/ fehlete aber neben hin/ und stieß es ihm in die Schulder/ daß es in der Wunde abbrach/ da ers wieder heraus zihen/ und den andern Stich fuͤhren wolte. Valikules folgete bald/ stellete sich zwischẽ sie mit entbloͤssetem Degen/ und hieß den Buben die Waffen anlegen/ umb sehen zulassen/ ob er in Tapfferkeit dem gleich waͤhre/ dessen Nahmen er fuͤhrete; wuͤrde er sich dessen aber wegern/ solte der Diebshenker seiner Schelmstuͤcken Bekaͤntniß bald aus ihn peinigen. Dieser blieb ver- waͤgen nach wie vor/ sagete/ er haͤtte diesen Nahmen bißher mit Ehren gefuͤhret/ uñ so man- nichen Sieg von Großsprechern erhalten/ daß alle Landschaften/ die er durchgereiset/ seines Ruhms voll waͤhren; lief hiemit zur Tuͤhr hinaus/ und ruͤstete sich zum Streit. Deꝛ ertich- tete Herkules folgete ihm zitternd nach/ dann er wahr mit Waffen nie umgangen/ sondern seiner Kunst ein Mahler Geselle/ und hatte sich von dem andern verleiten lassen/ Herkules Nahmen anzunehmen/ den er doch niemahls gesehen; Weil er nun merkete/ dz ihr Betrug offenbahr werden duͤrffte/ gab er seinem Gesellen zuverstehen/ er waͤhre willens davon zu lauffen/ und seine Kunst zutreiben; aber dieser wehrete ihm/ mit Bedraͤuung/ da er nit ein Herz ergreiffen wuͤrde/ wolte er ihn strak angesichts erstechen; solte nur frisch und unver- zagt die Waffen anlegen/ und mit hinaus reiten/ er wolte dem Streitschon wissen eine sol- che masse zugeben/ daß dieser fremder auff dem Platze bleiben solte. Also ließ dieser unschul- dige Herkules sich halten und in Harnisch zwingen. Valikules ritte unterdessen nach dem Stadmeister/ zeigete ihm die betriegliche Boßheit an/ und daß er ein Roͤmischer Ritter waͤhre/ eigentlich derhalben zugegen/ daß er diesen Luͤgen ihre Endschafft gaͤbe; begehrete demnach/ die Stad Tohr zubesetzen/ daß die Buben nicht entreiten moͤchten. Dieser hatte M m m schon Anderes Buch. schon grossen Argwohn auff die beyden/ und wahr ihm gerne zu willen. Sonsten ward die ganze Stad hieruͤber rege/ insonderheit das geringe Volk/ welches nicht wenig auff diese vermeynete junge Herren hielt; daher fast alle Einwohner mit hinaus lieffen/ dem Streite zuzusehen. Valikules spuͤrete alsbald/ daß der unschuldige Herkules sich in Waffen nicht zuschicken wuste/ da der ander sich hingegen dermassen unwuͤrsch erzeigete/ daß alle Zuseher ihm den Sieg zulegeten. Gallus hatte das abgebrochene Messer aus deꝛ Wunde zihen/ uñ sich verbinden lassen; und wie grosse schmertzen er gleich empfand/ wolte er doch den Streit mit ansehen/ da Valikules sich schon in gleichen Wind und Sonne gesetzet hatte/ und sei- nes Feindes erwartete/ der sich auch bald finden ließ/ aber im ersten Ritte auff die Erde ge- setzet ward/ richtete sich doch geschwinde auff/ wiewol er sich vor seines Feindes Krafft sehr entsetzete/ und seines Lebens Ende vor Augen sahe. Valikules stieg bald ab/ trat mit blossem Schwert auff ihn zu/ und sagete: Wolher du falscher Bube/ und laß sehen/ warum du des Nahmens Ladisla wert seyst/ schlug auch dermassen auff ihn loß/ daß alle anwesende sagetẽ: es waͤhre unmoͤglich/ daß er lange gegen halten koͤnte. Indem versetzete ihm Valikules ei- nes auff den Helm/ daß er taumelte und das Schwert fallen ließ/ reiß ihm den Helm abe/ und draͤuete ihm mit angesetzeter Spitze an die Gurgel/ dafern er nicht alsbald seinen Be- trug bekennen wuͤrde. Dieser aber/ weil er lieber im Kampff als durch Buͤttels Hand ster- ben wolte/ fassete das angesezte Schwert/ und stach ihm damit selbst die Gurgel rein ab/ daß er nider fiel/ und seinen Geist ausbließ. Jener arme Herkules sahe dieses mit betruͤbeten Augen an/ und wahr willens auszureissen; aber Gallus machete sich herzu/ stieß ihn vom Pferde/ und draͤuete ihn zuerschlagen/ wo er nicht fuß halten wuͤrde; Worauff er antwor- tete: O mein Herr/ gebet mir Lebens Sicherheit/ so wil ich alles gerne und willig beken- nen; legete auff Gallus Geheiß den Harnisch weg/ und ließ viel Traͤhnen fallen/ daß auch jener zu seinem Herrn sagete: Sehet diesen geherzten Herkules/ und wie artig er sich mit weinen zuvertedigen weiß. Valikules trug Mitleiden mit ihm/ und sagte: Mein/ wie bistu doch so unbesonnen gewesen/ und hast dich vor Herkules ausgeben duͤrffen/ dem du meines ermaͤssens/ sehr ungleich bist. Ach mein Herr/ antwortete er/ der boßhaffte Marius/ den ihꝛ aniezt erschlagen/ hat mich darzu fast genoͤhtiget/ und moͤchte wuͤnschen/ daß ich nie kein Herkules worden/ sondern ein fleissiger Mahler Geselle blieben waͤhre; aber/ wie gesagt/ ich wahr zu einfaͤltig/ dem Verfuͤhrer zuwiderstehen; dann wie ich bey seinem Vater/ un- fern von Padua etliche Gemaͤhlde verfertigte/ kahm er zu mir/ und sagte: Mein guter Au- fidius/ was liegestu hier/ und arbeitest ums Brod? folge mir nur/ ich wil dich zum reichen Herrn machen/ und solt doch nichts tuhn/ als fressen/ sauffen/ und mit dem vornehmsten Frauenzimmer dich erlustigen. Du bist ein schoͤner Mensch/ und gleichest fast Herrn Her- kules/ dessen Bilde zu Padua auffgerichtet ist/ wann du nur ein gelbes Haar haͤttest. Nun ist aber derselbe heimlich davon gezogen/ und weiß kein Mensch/ wo er geblieben; sihe/ da hastu eine Haarhaube/ den seinen nicht ungleich; zohe mir dieselbe uͤber den Kopff/ und sag- te weiter: Nun sihestu Herrn Herkules so aͤhnlich/ daß wenig Leute einigen Unterscheid zwischen euch beyden machen solten; und wann ich meine Haar Haube auffsetze/ sagte er/ bin ich Herrn Ladisla auch nicht unaͤhnlich. Hiemit lag er mir zween Tage in den Ohren/ mit so haͤuffigen Verheissungen/ daß ich mich endlich uͤberreden ließ/ uñ mit ihm nach Ra- venna Anderes Buch. venna lieff/ da wir von dem Gelde/ welches er seinem Vater gestohlen hatte/ uns trefflich ruͤsteten/ und nach Sizilien schiffeten/ wo selbst wir uns leider vor die Herren Ladisla und Herkules ausgaben/ allenthalben wol empfangen wurden/ und etliche tausend Kronen auf Wechsel zogen/ die wir nimmermehr bezahlen werden. Von dannen macheten wir uns an diesen Ort/ wuͤrden auch innerhalb weniger Zeit uns nach dem Eilande Rhodus fort- gemacht haben/ da mein Herr uns nicht zuvor kommen waͤhre. Nach dieser Erzaͤhlung fiel er vor ihm nider in die Knie/ und baht umb Gnade/ weil alle Boßheit von seinem Gesellen verrichtet/ und er nur dessen Willens haͤtte leben muͤssen/ wie solches ihre Diener bezeugen wuͤrden. Valikules antwortete ihm: ich habe dich weder zu straffen noch loßzusprechen/ sondern die Obrigkeit dieses Orts wird mit dir zuverfahren wissen/ bey denen ich doch ei- ne Vorbitte umb Linderung einlegen wil. Aber diese wolten ihn nicht geringeꝛ als mit dem Staupbesem bestraffen/ und verwiesen ihn hernach des ganzen Landes/ da ihm Valikules etliche Kronen Zehrgeld schenkete; Der Betrieger Pferde und andere Sachen wurden verkaufft/ daß der Wirt/ die Diener/ und andere noch zu ihrer Bezahlung kahmen; aber Valikules wahr leidig/ daß er wegen Gallus Verwundung sich hieselbst so lange auffhal- ten muste. Gleich umb diese Zeit entstund zu Padua eine sehr grosse Unruhe und Traurigkeit/ dessen Ladisla Leibknabe Tullius Ursach wahr; dann wie dieser seinen Herrn mit Perdickas kaͤmpffen sahe/ und daß alle seine Diener von der Menge uͤberfallen und erschlagen wur- den/ meynete er nicht anders/ sein Herr wuͤrde das Leben eingebuͤsset haben/ lieff vor Angst und Schrecken nach einem Hafen zu/ da er einen Kauffmann antraff/ welcher nach Italiẽ schiffen wolte; denselben baht er/ ihn mitzunehmen/ dessen ihn der Stathalter zu Padua lohnen solte. Als er nun in einem Hafen hinter Padua angelaͤndet wahr/ lief eꝛ zu fusse hin/ und wolte gleich zu dem Stathalter gehen/ da ihm Frl. Helena auff deꝛ Gassen begegnete/ die sich seiner einsamen Ankunfft verwunderte/ und ihn fragete/ wie/ und woher er so gar allein kaͤhme; deren er mit wehmuͤhtiger Stimme antwortete: seinem Gn. Herrn waͤhre es nicht wol gangen/ und er allein zu fusse entrunnen; dessen sie hoͤchlich erschrak/ hieß ihn mit nach ihres Vaters Hofe gehen/ und verboht ihm ernstlich/ keinem einigen Menschen hievon zusagen. Herr Emilius entsetzete sich nicht weniger uͤber dieser traurigen Zeitung/ und wahr ihm sehr leid/ seinen Schwager damit zubetruͤben/ ließ doch den Knaben in sei- nem Hause/ und ging allein hin zu Fabius/ vorgebend/ er haͤtte betruͤbte Zeitung/ daß es Herꝛn Ladisla nicht wol ergangen/ und er in Griechenland gefangen waͤhre. Fabius be- stuͤrzete hieruͤber/ und als er nach dem Zeitungs-bringer fragete/ muste Tullius alsbald zu ihm kommen/ der mit klaͤglichem Weinen außfuͤhrlich erzaͤhlete/ wie es mit dem Streit ergangen/ und seines Herꝛn Diener alle erschlagen waͤhren. Fabius fragete ihn/ wie es dann mit seinem Herꝛn abgelauffen; und als er hierauff erstummete/ und der Luͤgen keine Farbe anzustreichen wuste/ weil ihm Emilius eingebunden hatte/ er solte sich stellen/ als wuͤste er nicht darumb/ draͤuete ihm Fabius harte Straffe/ wo er nicht gleich zu bekennen wuͤrde; worauff er sagete. Ach Gn. Herr/ ich kan in Warheit nicht eigentlich wissen/ wie es meinem Gn. Herrn endlich ergangen sey; dañ wie alle seine Diener/ auch/ wo mir recht ist/ Klodius Tod wahren/ entstund umb ihn her ein solches Getuͤm̃el/ daß er mit samt dem M m m ij Pferd Anderes Buch. Pferde zur Erden stuͤrzete/ und der ganze Hauffe auff ihn zudrang/ daher ich nicht sehen kunte/ ob er auffstund oder liegen blieb/ nur daß ich ein wuͤstes Geschrey hoͤrete/ da etliche rieffen/ schlaget ihn Tod; andere aber/ fahet ihn lebendig/ daß man ihn gebuͤhrlich abstraf- fen koͤnne. Fabius erseufzete hieruͤber/ muste vor Angst und Schrecken sich nidersetzen/ und sagete; so sey es den Goͤttern geklaget/ daß ein so redlicher Held in seiner bluͤhenden Ju- gend hat muͤssen umbkommen und ich eines so lieben und angenehmen Eidams beraubet bin/ welchen ich mit meinem Leben gerne loͤsen wolte/ wans moͤglich waͤhre; und ach ach! wie werde ich solches vor meiner Tochter verbergen koͤnnen/ die nunmehr/ genommener Abrede nach/ alle Stunden angenehme Schreiben von ihm erwartet/ und ihr schon nicht viel gutes traumen laͤsset; hielt also vor rahtsam/ es noch zur Zeit keinem Menschen zu offenbahren/ sondern wolte auffs schleunigste ein Jagtschiff außlauffen lassen/ welches zu Patr æ eigentliche Nachfrage tuhn solte. Aber Fr. Ursul hatte von ihrer Magd schon er- fahren/ sie haͤtte Tullius bey dem Stathalter gesehen/ wolte eine so angenehme Zeitung/ wie sie meinete/ nicht verschweigen/ sondern taht es Fr. Sophien zuwissen/ welche alsbald argwohnete/ es muͤste nicht recht zugehen/ weil der Knabe sich nicht am ersten bey ihr mel- dete; schickete auch ihre Dienerin ab/ umb zuerforschen/ ob sichs eigentlich also verhilte; welche den Bericht einbrachte/ sie haͤtte den Knaben bey dem Stathalter und Herrn Emi- lius sehen Weinend stehen; worauff Fr. Sophia ihre Haͤnde zusammen schlug und uͤber- laut rieff; O ihr Goͤtter! mein allerliebster Ladisla ist Tod! Frl. Sibylla wahr bey ihr/ er- mahnete sie/ sich so uͤbel nicht zuhalten/ wolte nicht hoffen/ daß es so ungluͤklich stehen solte; befahl auch Fr. Ursulen/ acht auff sie zu haben/ und lieff zu dem Stathalter/ ihm andeu- tend/ seine Tochter haͤtte des Knaben Ankunfft und Traͤhnen erfahren/ daher sie sehr arge Gedanken schoͤpffete; baͤhte demnach/ ihr einigen Trost mitzuteilen/ da sonst noch einiger uͤbrig waͤhre. Ich weiß nicht/ sagete er/ wer meiner Tochter alles neue so bald anbringen mag; lieber saget ihr/ es habe keine Gefahr/ als viel sein Leben betrifft/ nur daß er umb ei- nes Ritters willen/ welchen er im Kampff erleget/ gefangen sey/ und sich ehist wieder frey machen werde. Als Fr. Sophia dieses vernam/ gab sie sich anfangs zimlich zufrieden/ doch kunte ihr die schlimmere Zeitung nicht lange verschwiegen bleiben/ weil Emilius Ge- sinde bey anderen schon davon geplaudert hatten/ daß in weniger Zeit in der Stad eine ge- meine Sage wahr/ Herr Ladisla waͤhre Tod; daher ihre Mutter und andere Anverwan- ten allen Fleiß anlegeten/ ihr das aͤrgeste auß dem Sinne zubringen; das leidige und ver- logene Geschrey/ sagten sie/ pflegete alle Dinge groͤsser zumachen/ als es an ihm selbst waͤh- re/ und entstuͤnde alle Muhtmassung bloß aus Tullius einsamer Ankunfft/ welches alles sie sich nichts solte irren lassen; ihr Vater haͤtte schon ein eigen Renneschiff abgeordnet/ den eigentlichen Verlauff zuerforschen/ hoffete demnach/ sie wuͤrde inzwischen in Ge- duld stehen; es koͤnte ihrem Gemahl besser gehen/ als man Glauben haͤtte. Aber Fr. So- phia hatte den Knaben schon absonderlich gefraget/ auch aus seinen unbestaͤndigen Reden so viel gemerket/ daß ihr der schwerste Knoten verschwiegen wuͤrde; doch wolte sie ihre ein- mahl gefassete Bestaͤndigkeit nicht brechen/ sondern antwortete ihrer Mutter; sie verstuͤn- de ihr Vorbringen sehr wol/ und solten des Geschreies Luͤgen in diesem Stuͤk niemand lieber seyn als ihr; koͤnte aber leicht gedenken/ daß ihre liebe Eltern ihrer ehmahligen Han- delung Anderes Buch. delung annoch sich erinnerten/ und ihretwegen sich ein gleichmaͤssiges befuͤrchteten; baͤh- te aber sehr/ ein solches aus dem Sinne zuschlagen; dann sie haͤtte ihrem Liebsten verspro- chen/ nichts von seinem Tode zu glaͤuben/ biß sie der ungezweiffelten Warheit gnug wuͤr- de berichtet seyn; und also wolte sie in Geduld stehen/ biß die Außgeschikten/ Gewißheit braͤchten/ alsdann hoffete sie/ ihres liebsten Ladislaen Seele wuͤrde die ihre bald abfodern/ und mit sich hinweg nehmen/ daß sie auffs minste im Tode ungeschieden blieben/ wañ das mißguͤnstige Gluͤk ihnen dieses lebens Freude laͤnger nicht zulassen wolte. Nun meinete der Stathalter selbst/ Ladisla waͤhre gewißlich hingerichtet/ besinnete sich auch schon auff eine schwere Rache; doch ward er froh/ daß seine Tochter sich vor erst zur Ruhe begab/ machte auch mit den andern den Schluß/ dafern das außgeschikte Schiff die traurige Zei- tung bringen wuͤrde/ ihr dessen Wiederkunfft/ so lange moͤglich/ zuveꝛbergen/ auff das die Zeit ihre hefftige Traurigkeit lindern/ und sie ihres liebesten moͤchte vergessend machen. Libussa wahr nicht weniger betruͤbet/ da sie diese leidige Maͤhre vernam/ und uͤberdaß we- der von dem Fraͤulein noch Herkules einige Zeitung hatte. Sie bemuͤhete sich aber/ Fr. Sophien zu troͤsten/ und die Betruͤbniß ihr auß dem Sinne zuschwatzen; wobey Frl. Si- bylla sich getraͤulich mit gebrauchete; aber da halff alles sehr wenig; dann sie aß und trank des Tages kaum so viel/ als ein Kind/ daß erst von der Brust entwehnet wird/ daß auch deꝛ groͤste teil ihrer Schoͤnheit gar verschwand/ und sie innerhalb zwo Wochen fast von allen Kraͤfften kam/ daß Libussa sich nicht enthalten kunte/ sie mit harten Worten zustraffen; wie unguͤtlich sie nicht allein an ihr selbst/ sondern auch an ihren Eltern und liebstem Gemahl handelte/ in dem sie durch Betruͤbnis und Hunger sich gedaͤchte umbs Leben zubringen; wann sie nun dahin waͤhre/ welches auff solche Weise nicht lange anstehen koͤnte/ was haͤt- te sie dann vor eine ruhmwirdige Taht außgerichtet/ als daß sie an ihrem eigenen Leibe und Leben selbst Moͤrderin werden/ und ihren Gemahl/ der sie so hefftig liebete/ in den Tod stuͤrzen wuͤrde; sie moͤchte doch zu anderen Gedanken greiffen/ und nicht so gar die Goͤtter selbst mit ungeduld trotzen/ welche hiedurch vielmehr erzuͤrnet/ als zur Barmherzigkeit be- waͤget wuͤrden. Diese und dergleichen vielfaͤltige Vermahnungen hoͤrete sie zwar mit ge- duldigen Ohren an/ aber ihre Meinung wahr nicht/ sich zu endern/ sondern antwortete end- lich; Geliebete Freundin/ ich weiß nicht wie es koͤmt/ daß ich mich vor eure Straffreden mehr/ als vor meine Eltern selbst fuͤrchte; doch versichert euch/ daß kein Mensch wieder meine einmahl gefassete Meinung mich im Leben erhalten wird; ich koͤnte zwar mit einem Stiche mich der Angst leicht abhelffen/ aber meine Eltern nicht zubeleidigen/ habe ich sol- ches Mittel veꝛschworen; mus demnach in diesem langwierigen Kummer meine Kraͤfte algemach verzehren/ biß sie endlich brechen/ und der Betruͤbniß entrissen werden. O mein allerlieblichster Freund/ welche grausame Hand hat dich mir geraubet? O du holdseliges Angesicht/ welcher Wuͤterich hat dir die schoͤnen Wangen-Rosen in ein Todtesbleich ver- kehret? Aber auch du unbarmherzige Seele/ warumb suchestu nicht Gelegenheit/ mich ab- zufodern? Nun nun/ meines Lebens einiger Trost ist dahin; alle meine Vergnuͤgung ist verschwunden; waͤhre nur mein Leib so halstarrig nicht/ und liesse den betruͤbten Geist auß- fahren/ der wieder seinen Willen verbleiben muß/ alsdann wuͤrde ich ja dereins zur ge- wuͤnschten Ruhe kom̃en. Fing hernach an/ und wuͤnschete zuwissen/ wie es doch nach dem M m m iij Tode Anderes Buch. Tode eine Beschaffenheit umb die Seele haben moͤchte/ und ob die/ so im Leben verliebet waͤhren/ auch in jener Welt ungetrennet blieben: Weil sie sich nun durch das Reden zim- lich abgemattet hatte/ baht sie Libussen/ ihr das Bette zu recht zumachen/ dann sie muͤste ein wenig ruhen. Gleich da sie dieses begehrete/ trat Frl. Sibylla zu ihr ins Gemach/ hatte ein Kleid von gruͤn Silberstuͤcke angetahn/ und mit so viel Kleinoten sich uͤberal geputzet/ ob solte sie Hochzeitliches Beylager halten; welches Fr. Sophia ersehend/ zu ihr sagete: Geliebtes Schwesterchen/ wie habt ihr euch so koͤstlich geschmuͤcket? Ich bin ja sider der unsern Abscheid solches an euch nicht gewohnet; oder tuht ihrs vielleicht/ mich in meiner Traurigkeit zuerlustigen? Je warum solte ich mich noch betruͤben? antwortete sie/ ist es nicht gnug an euch/ daß ihr so unklug seid/ und euch auß lauter Mutwillen das Leben kuͤr- zen/ ja auch zugleich euren Ladisla mit hinreissen wollet? welches ich hinfort durchaus nit mehr leidẽ kan noch wil/ sond’n dafern ihr miꝛ nicht versprechet/ gleichmaͤssige Fꝛoͤligkeit an euch zunehmen/ wil ich mich stehendes Fusses nach Korinth machen/ ja zu Herrn Ladisla nach Korinth wil ich mich machen/ und demselben klagen/ was vor Ungehorsam ihr euren lieben Eltern und allen die euch gutes rahten/ erzeiget. Es hatte sich diß liebe Fraͤulein biß- her sehr traurig gehalten/ und wegen ihrer Wasen trostlosigkeit sich dermassen gehermet/ daß ihre Schoͤnheit sich gutenteils gemindert hatte. Fr. Sophia aber meinete nicht an- ders/ sie waͤhre wegen Mangel der Ruhe im Witze verstoͤret/ daß sie sich also stellete; ließ deßwegen einen schweren Seufzen gehen/ und sagete: Ach so erbarme es den Himmel/ daß ich eures Aberwitzes Ursach bin? Ach ach/ wie werde ich solches vor euren lieben Eltern verantworten? Was? sagte das Fraͤulein/ scheltet ihr mich vor eine Aberwitzige/ weil ich euch draͤue? sehet da/ ich schwoͤre es euch bey allen Goͤttern/ werdet ihr mir nit gehorsamẽ/ wil ich alsbald nach Korinth/ ja/ hoͤret ihrs/ nach Korinth wil ich schiffen/ und euch vor Herꝛn Ladisla dergestalt anzuklagen wissen/ daß er euch gaͤnzlich uͤbergeben/ und mich an eure Stelle nehmen sol. Durch diese Reden ward Fr. Sophia in ihrer Meinung noch mehr gestaͤrket/ und jammerte sie des lieben Fraͤulein so hart/ daß sie mit weinenden Augen zu Libussen sagete: Ach Gott/ tuht es doch eilends meinen Eltern zuwissen/ dz sie sich nach Raht und Huͤlffe umbtuhn moͤgen. Ja/ sagte das Fraͤulein/ ich halte/ ihr habt nicht gnug daran/ daß ihr euch selbst aͤffet/ ihr muͤsset mich auch aufftreiben/ und wol gar vor eine Un- sinnige angeben; wie aber/ wann ich euch vor eine solche außschoͤlte? haͤtte ich nit ungleich mehr Ursach darzu? Ihr habt bißher euren Ladisla mit Gewalt Tod haben wollen/ und ist doch frisch und gesund zu Korinth mit meinem Vetter Kajus Fabius/ eurem Bruder. Nun haltet ihr mich vor eine Aberwitzige/ weil ich mich meinem Stande nach außgekleidet habe; aber wovor seyd ihr zuhalten/ daß ihr als eine Wittib in Traurkleid ern lebet/ uñ doch euer Gemahl gesund und wol auff ist? Ich sage euch noch einmahl/ euer lieber Ladisla ist zu Korinth/ und hat diesen Brief mit eigener Hand geschrieben; welchen ihr aber nicht sehen sollet/ biß ihr andere Kleider angelegt; dann es ist zeit/ daß ihr dermahleins den Unmuht/ haͤtte schier gesagt die Unsinnigkeit fahren lasset. Libussa zweiffelte selber/ was sie von dem Fraͤulein halten solte; weil ihr aber ihre lustige Einfaͤlle bekant wahren/ sagte sie zu Fr. So- phien: Ich bitte sehr/ Eure Gn. gehorsamen doch dem liebẽ Fraͤulein/ dañ mein Herz traͤgt mir Anderes Buch. mir zu/ dz sie gute uñ gewisse Zeitung von meinẽ gnaͤdigstẽ Koͤnige habe. Gewisse Zeitung? sagte dz Fraͤulein; habe ich euch nit zum oftern gemeldet/ H. Ladisla lebe zu Korinth froͤlich uñ wolgemut? Ach haltet mich nit laͤnger auf/ herzliebstes Schwesterchen/ sagte Sophia/ auff daß ich ursach haben moͤge/ mich mit euch zufreuen/ da ihr mich sonst nicht auffzihet. Hierauff trat das Fraͤulein naͤher zu ihr/ greiff sie zimlich hart an/ daß mit ihrer Steiffsin- nigkeit und Schwermuht sie ihren Eltern so mañiches Herzleid machete/ welches sie nim- mermehr verantworten koͤnte; nun waͤhre ja ihr Gemahl frisch und gesund/ welcher zum Warzeichen Ritter Klodius/ der mit ihm solte erschlagen seyn/ neben seiner schoͤnen ade- lichen Jungefrauen heruͤber geschicket haͤtte. Noch wolte sie nicht allerdinge glaͤuben/ son- dern sagete: Ich bitte euch umb unser Freudschafft willen/ saget mir die rechte ungefaͤrbe- te Warheit/ daß ich wisse/ woran ich bin; Ja warumb nicht/ antwortete sie/ alles was ich geredet habe/ ist die lautere Warheit/ und da nehmet nun euer Schreiben/ und brechet es selber. Fr. Sophia erkennete aus der Auffschrifft die Hand gar bald/ daher sie voller Freu- den ward/ fiel dem Fraͤulein umb den Hals/ und baht sehr umb Verzeihung/ daß sie ihr so grossen Schimpff angeleget/ und sie vor unwitzig gehalten/ auch durch ihre Traurigkeit ihrer vielfaͤltigen Unruhe Ursach gewesen/ neben Zusage/ wie sie hinfuͤro sich bessern wolte; brach zugleich den Brief/ und lase folgenden Inhalt: Herzallerliebster Schatz; daß ein son- derliches Ungluͤk mein Schreiben so lange auffgehalten/ wird Zeiger dieses Obrister Statverweser Klodius berichten koͤnnen/ dessen Eheltebste ohn zweiffel aus sonderlicher Schickung der Goͤtter/ mein Leben erhalten/ daß im Gefaͤngniß ich nicht Hungers und Durstes umkommen bin/ wodurch sie sich umb ein Haar selber in das Feur gestuͤrzet haͤtte; Werdet sie demnach als meine Erhalterin uñ wah- re Freundin lieben. Mein Herkules ist schon nach den Morgenlaͤndern hinzu/ und werde ich samt eu- rem lieben Bruder ihm alsbald folgen/ hoffen unser Vorhaben gluͤklich auszufuͤhren/ und euch froͤ- lich wieder zusehen. Inzwischen erinnert euch allemahl meiner herzlichen Traͤue/ und lasset euch fal- sches Geschrey von versprochener Bestaͤndigkeit zu leben nicht abspenstigen/ und solches dem zu kuͤnff- tiger Vergnuͤgung/ der da ist und bleibet/ euer biß in den Tod ergebener Ladisla. Nun dann hinweg alle Traurigkeit/ sagte sie nach Verlesung; ich werde mich aber ein wenig zieren/ die fremde Freundin zuempfahen/ deren ich mich selbst schuldig bin/ auch ver- nehmen/ wie es meinem Ladisla bißher ergangen/ und wie er der grossen Gefaͤhrligkeit ent- runnen sey; werde mich auch/ mein Schwesterchen/ an euch zuraͤchen wissen/ daß ihr mich dergestalt auffgesetzet und verwirret habet. Sie ließ alsbald ihr Haar kraͤusen/ und ande- re Kleider hohlen/ und ging mit ihrer Geselschafft hin/ die fremde Frau zuempfahen. Als sie in den Saal trat/ ging ihr Klodius in statlicher Kleidung (wie ihm sein Herꝛ befohlen hatte) entgegen/ kuͤssete ihr die Hand/ neben Vermeldung eines herzlichen Grusses von ih- rem Gemahl/ und von ihrem Bruder/ sagte nachgehends: Als viel ihrer Gn. jaͤmmerliche Gestalt ausweiset/ hat dieselbe meines Gn. Herꝛn Gefaͤngnis mehr empfunden/ als er sel- ber. Ja mein geliebter Freund/ antwortete fie/ die traurige Zeitungen welche mir vorkom- men sind/ haben mir wenig Ursach zur Wollust gegeben. Sahe in dem Fr. Agathen gegen sie daher treten/ welche sie mit einem freundlichen uͤmarmen/ und schwesterlichen Kusse empfing/ zu ihr sprechend: Herzgeliebete wiewol bißher unbekante Freundin; die Goͤtter muͤssen euch der Traͤue und Freundschafft lohnen/ welche ihr meinem Gemahl in aͤusser- ster Gefahr eures Lebens erwiesen/ und er mir schrifftlich zuverstehen gegeben/ nebest ernst- lichem Anderes Buch. lichem Befehl/ es nach allem Vermoͤgen zuerkennen/ welches ich dann nimmermehr in vergeß stellen wil. Diese verwunderte sich der uͤberaus grossen Freundligkeit/ entschuldig- te sich ihrer Unwirdigkeit/ daß eines maͤchtigen Koͤniges Gemahl sie dergestalt empfinge/ hoffete/ ihre Gn. wuͤrden sie vor ihre Magd auffnehmen/ und an ihren schlechten Diensten ein gnaͤdiges gefallen tragen; meldete hernach ihres Gemahls und Bruders herzlichen Gruß/ und endlich Leches/ Markus/ und Fr. Euphrosynen unteꝛtaͤhnigste Dienste an; wo- bey sie Fr. Sophien/ Fr. Ursulen und Frl. Sibyllen/ ieden drey koͤstliche Kleinot/ einen Teil von Ladisla/ den andern von Fabius/ den dritten von Fr. Euphrosynen einhaͤndigte/ wovor sie sich ingesamt hoͤchlich bedanketen/ insonderheit wegen des dritten/ weil es von ei- ner unbekanten Freundin herruͤhrete/ von welcher sie bißher nichts mehr wusten/ als daß sie Frau Agathen Wase waͤhre. Es wahr gleich Zeit/ das Abendmahl einzunehmen/ setzeten sich zu Tische/ und fuͤhreten mancherley Gespraͤch/ insonderheit verwunderten sie sich uͤber Klodius hoͤfliche und vernuͤnfftige Reden/ weil er vor dem sich gar nidrig und stille gehalten hatte. Frau Pompeja begehrete an ihn/ er moͤchte doch kuͤrzlich erzaͤh- len/ was den ihren vor Abenteur zugestossen waͤhren; wozu er willig wahr/ und anfangs ihren Schiff-Streit mit den Pannoniern ausfuͤhrlich meldete/ ungeachtet dem Stat- halter solche Schiffe schon geliefert/ und auff sein Befehl alle Erhenkete ins Meer geworffen wahren; hernach taht er Herkules Unfall/ und Charidemus Hinrichtung hinzu/ auch daß sein Geselle Markus dessen Nachgelassene mit grosser Haabseligkeit durch Herrn Fabius Befoderung geheyrahtet. Ladislaen Streit mit Perdikas berichtete er auch außfuͤhrlich/ aber seine Gefaͤugnis und Erloͤsung muste Fr. Agatha umbstaͤndlich erzaͤhlen/ woruͤber sie alle herzlich weineten/ und nach endigung Fr. Sophia sich auffs neue mit ihr herzete/ sich teur verpflichtend/ es Zeit ihres Lebens zu erkennen/ sagte nachgehends zu Klodius; seid ihr mein Freund/ so werdet ihr alhie bey uns in meines H. Vaters Ho- fe wohnen/ damit ich Gelegenheit habe/ eurer Liebsten sehen zulassen/ wie angenehm mir ih- re Freundschafft sey. Er bedankete sich des hohen Erbietens/ einwendend/ wann ja etwas ver d ienet waͤhre/ haͤtte sein Gn. Herꝛ alles viel tausendfach ersetzet/ waͤhre auch selbst der Ehestiffter zwischen ihnen gewesen; im uͤbrigen haͤtte er von seinem Obristen Herrn Fa- bius Befehl/ zu Padua zuverbleiben/ dafern der Legion Nohtwendigkeit seine Gegenwart nicht erfodern wuͤrde; wolte demnach sich alsbald nach einer Wohnung umbtuhn/ so nahe er sie bey des H. Stathalters Hofe haben koͤnte. Aber H. Fabius sagete/ es solten ihm auf seinem Hofe gute Gemaͤcher eingeraͤumet/ und seine Pfeꝛde auff Herrn Herkules Mahr- stalle gefuͤttert werden; wozu Fr. Sophia kam/ uñ ihm außdruͤklich wegen ihres Gemahls geboht/ nicht von ihr zuzihen/ und da er nicht gehorsamen wuͤrde/ wolte fie doch ihre liebste Freundin Fr. Agathen nicht von sich lassen. Klodius gab zur Antwort; er waͤhre ihrer Gn. zugehorchen schuldig/ und haͤtte sie volkommene Gewalt ihm zubefehlen/ derhalben er ohn ihren Willen keinen Fuß von dem Hofe setzen wolte. Die Ursach aber/ daß Klodius zu Padua ankam/ wahr diese: Als Fabius außgeschikte Kriegsknechte ganz keine Nach- richt wegen Herkules mit sich brachten/ sahe Ladisla vor gut an/ das groͤste Schiff wieder nach Italien zusenden/ und mit dem andern nach Syrien zuschiffen. Ehe sie diese Reise vor sich nahmen/ begehreten sie an die beyde junge Witwen/ vor ihrem Abzuge das Bey- lager Anderes Buch. lager zuhalten/ welches Ladisla insonderheit stark bey Fr. Agathen trieb/ und ihr zugemuͤht fuͤhrete/ wie Unrecht sie taͤhte/ daß sie dem zugefallen sich ihrem Braͤutigam versagete/ der ihr nach Ehr und Leben gestanden. Fabius erinnerte Fr. Euphrosynen gleichergestalt was vor ein Bubenstuͤk Charidemus wieder sie im Sinne gehabt/ und sie selbst toͤdten wollen/ wodurch er sich aller ehelichen Liebe-Gedaͤchtnis unwirdig gemacht haͤtte. Klodius und Markus liessens an ihrer Seiten auch nicht mangeln/ und wusten ihren Braͤuten so lieb- lich zuzusprechen/ daß die gutẽ Weiberchen endlich uͤbermannet/ einwilligen musten/ und ihnen das Beylager wolgefallen liessen/ welches gar praͤchtig/ alles auf Ladisla und Fabius Kosten gehalten ward. Nach Endigung der Hochzeit Tage/ macheten die jungen Ehemaͤn- ner sich fertig/ mit ihren Herren fortzureisen/ uñ troͤsteten ihre betruͤbeten Frauen/ mit ver- heissung/ sich bey ihnen schier wieder einzustellen/ und hernach von ihnen nimmermehr zu scheiden. Als nun diese beyde nicht anders meyneten/ als erstes Tages mit nach Syrien zu segeln/ foderten Ladisla und Fabius sie in ihrer Frauen Gegenwart vor sich/ und redete La- disla sie folgender gestalt an: Ihr werdet euch noch wol erinnern/ was massen ihr meinem Herkules und mir auff eine gewisse Zeit euch verpflichtet habt; Wann ihr nun der Mey- nung/ wie ich merke/ noch seyd und bleibet/ zweifele ich nicht/ ihꝛ werdet uns eure Dienste an Ort und Enden leisten/ da sie uns am ersprießlichsten sind. Klodius und Markus verbun- den sich auffs neue zu aller Moͤgligkeit; Worauff er also fort fuhr: So muͤsset ihr Klo- dius/ euch mit eurer Liebesten unwaͤgerlich nach Padua erheben/ und daselbst erwarten/ ob wir Wechsel oder Manschafft abzufodern benoͤhtiget waͤhren; Zehrungs-Kosten uñ wir- dige Besoldung werdet ihr von meinem Gemahl zuempfangen haben/ und wird meine Freundin Fr. Agatha ihr gefallen lassen/ meinem Gemahl eine zeitlang Gesellschafft zulei- sten. Ihr aber Markus/ werdet vorerst es allhie zu Korinth ansehen/ dann unsere Schrei- ben sollen an euch gerichtet werden/ welche ihr weiter fortzuschicken nicht unterlassen wer- det. Es hatten diese sich zwar schon zur Reise fertig gemacht/ und auff viel tausend Kronen wert Kleinoter zum Nohtpfennige zu sich genommen/ auch jeder sich mit einem Leibdiener versehen; weil ihnen aber die Liebe zu ihren Frauen nicht wenig anlag/ liessen sie sich desto leichter beredẽ/ bey ihnẽ zu bleiben/ uñ merketen ihre Frauen wol/ dz alles ihnen zu liebe ge- schahe/ welches sie mit grossem Dank erkeñeten/ und uͤberaus stark anhielten/ ihnen zugoͤn- nen/ daß sie von ihren eigenen Guͤtern leben moͤchten. Aber Ladisla antwortete ihnen: Ihr lieben Herzen/ gebet euch zufrieden; so lange unsere Bedienetẽ uns wirkliche Dienste leistẽ/ muͤssen sie trauen unsern Sold heben; oder meynet ihr/ daß wir sie euch zu dem Ende zu- gefreyet haben/ daß sie eure Guͤter verzehren/ uñ nicht vielmehr ersparen/ ja vermehren sol- ten? Die Frauen kuͤsseten ihm die Haͤnde/ und bedanketen sich aller gnaͤdigen Gewogen- heit untertaͤhnig. Ihren guten Willen aber spuͤren zulassen/ zahleten sie von ihren Baar- schafften jedem Schiff Soldaten 80 Kronen/ und jedem Boßknechte 40 Kronen zur Veꝛ- ehrung/ welches ganze sich auff 15000 Kronen belief. Darauff ward Klodius das groͤsse- re Schiff mit dem meisten Volk uͤbergeben/ es wieder nach Padua zubringen/ und behiel- ten Ladisla und Fabius nur XXX Soldaten auff dem kleineren Schiffeneben Leches/ als welcher seinen Koͤnig durchaus nicht verlassen wolte/ deßwegen er von den beyden Frauẽ mit allerhand Kleinoten und gemuͤnzetem Golde auff 16000 wert begabet ward/ worzu N n n ihm Anderes Buch. ihm Fabius von Parmenions Geldern noch 12000 Kronen verehrete/ welches alles er nebest dem schon erworbenen/ Fr. Agathen zustellete/ fleissig bittend/ es seiner geliebtẽ Jung- fer Libussen mit uͤber zunehmen/ und seinetwegen in stiller geheim einzureichen. Dieselbe nun vergaß ihrer Zusage nicht/ sondern bald des andern Tages nach ihrer Ankunft zu Pa- dua/ rief sie die Jungfer allein zu sich/ und baht anfangs/ Herrn Leches und ihr nicht zuveꝛ- argen/ daß er ihrer Heimligkeit sie gewuͤrdiget/ und ihre vertrauliche Liebe zuerkennen ge- ben haͤtte/ von dem sie weiter befehlichet waͤhre/ ihr neben Anmeldung seiner Dienste und Liebe/ beygefuͤgtes Schreiben und uͤbergesendete Schaͤtze einzuliefern. Reichte ihr damit die Kleinot/ auff 10000 Kronen/ und daneben in fuͤnff Laden 75000 Kronen gemuͤntzetes Goldes. Die gute Jungfer schaͤmete sich anfangs vor dieser fremden/ aber nach Verle- sung des Schreibens sagte sie: Hochgeehrte Freundin/ ich bedanke mich der gehabten Muͤhe/ und noch mehr ihrer Freygebigkeit/ sintemahl ich aus diesem Briefe ersehe/ daß die- ses alles grossen teils von ihr und ihrer Fr. Wasen herruͤhret/ und weil solches zuersetzen in meinem Vermoͤgen nicht bestehet/ wil an stat der Vergeltung ich ihr meinen getraͤuen wil- len zu eigen geben/ auch ihre Dienerin/ als lange ich lebe/ verbleiben. Ich weiß von keinen solchen Geschenken/ antwortete diese/ welche von mir solten kommen/ und so grosses dan- kens wert seyn/ aber diese Armbaͤnder/ Halskette und fuͤnff Ringe/ wird meine hochgelieb- te Freundin von ihrer bereitwilligen Dienerin anzunehmen sich nicht wegern; taht ihr dieselben an ihre Arme/ Hals und Finger/ und umfing sie mit einem freundlichen Kusse/ da sie zugleich einander alle schwesterliche Liebe und Traͤue schworen. Als nun die Jungfer ihren Schatz nach ihrer Kammer hatte tragen lassen/ gingen sie mit einander nach dem Frauenzimmer/ woselbst Fr. Agatha denselben allen/ als der Stathalterin/ Fr. Sophien/ und Ursulen/ auch Frl. Sibyllen und Helenen kostbahre Ringe schenkete/ welche anzuneh- men sie sich anfangs beschwereten/ weil ihnen ihr Wolvermoͤgen unwissend wahr; nach- dem sie aber von Libussen berichtet wurden/ daß sie aͤdles Herren-Standes/ und ihre Her- schafft drey Schloͤsser/ zween Flecken/ und XXI Doͤrffer in sich hielte/ wahren sie willig/ und erbohten sich/ es zuerwiedern. Der Stathalter kam mit Klodius darzu/ das Frauenzim̃er vor der Mahlzeit zubesuchen/ und hatten mancherley Gespraͤch/ da Fr. Sophia zu Klodius sagete: Gewißlich habt ihr und Ritter Markus euer reisen nach Griechenland nicht ver- gebens getahn/ und wuͤrdet in Italien ein solches Gluͤk schwerlich angetroffen haben/ schei- net auch fast/ ob haͤtten eure Herren in Ungluͤk gerahten muͤssen/ nur daß der Goͤtter schluß uͤber euch beyden gemacht/ erfuͤllet wuͤrde/ welcher ohn dieses Mittel nicht leicht haͤtte koͤn- nen volstrecket werden. Er antwortete: Er erkennete gerne/ daß ihm seine Liebste ja so an- genehm seyn solte/ ob sie gleich kein eigenes Baurhuͤtchen haͤtte/ schaͤtzete auch die an seinem Gn. Herrn erwiesene Traͤue tausendmahl hoͤher/ als alle ihre Haabseligkeit; so haͤtte er Gott Lob nach Befreyung seines Erbes/ Lebensmittel zur Gnuͤge/ wolte gefchweigen/ daß seine Obrist-Verwaltschafft ihm mehr als ein uͤbriges bringen koͤnte. Der Stathalter sa- gete zu ihm: Es ist mir lieb/ daß mein Sohn Fabius eure Wirdigkeit erkennet hat; ich werde mich aber gleicher gestalt bemuͤhen/ sehen zulassen/ daß eure/ meinen Kindern erzei- gete Traͤue bey mir in obacht ist/ daher ich euch die Oberhauptmanschafft hiesiger Besat- zung uͤber 6000 zu Fuß schenke/ welche ihr von diesem Tage an zuverwalten auff euch neh- men Anderes Buch. men wollet. Klodius bedankete sich der hohen Befoderung/ ließ sich den Voͤlkern vorstel- len/ und verhielt sich dermassen traͤufleissig in diesem Amte/ daß die ganze Stad ihm sehr gewogen ward/ und ihm ein herliches Landgut zu Lehn aufftrugen/ davor er seine Dank- barkeit zuerzeigen/ ein Stuͤk 40 Schritte lang/ an der alten Stadmaur niderreissen/ und auff seinen Kosten neu machen ließ/ welches lange Zeit den Nahmen behielt/ daß es Klo- dius-Werk genennet ward. Als er nun hieselbst mit seiner Liebsten in guter Gesundheit und hohem Ehrenstande lebete/ wolte ihm das Gluͤk bald anfangs einen Tuͤck beweisen/ woruͤber er schier das Leben haͤtte einbuͤssen muͤssen. Es wahr ein junger reicher Paduanischer aͤdelmann/ Nahmens Volumnius/ derselbe befand sich gegen Fr. Agathen hefftig verliebet/ und suchete alle Ge- legenheit/ mit ihr zureden/ und ihr seine Liebe zuoffenbahren. Er hatte seinen Hof gegen den Stathalter uͤber/ bey dem er zimlich gelitten wahr/ weil er sich hoͤflich zu schicken/ und den Schalk zubergen wuste. Nachdem er nun diese Zeit sich viel statlicher hielt/ als er zuvor ge- wohnet/ und in Fabius Hofe sich taͤglich sehen ließ/ merkete Fr. Sophia/ daß es umb Liebe willen geschahe/ wiewol sie nicht finden kunte/ auff welche er sein Absehen haben moͤchte. Nun ging sie einsmahls mit Fr. Ursulen und Agathen/ auch Frl. Sibyllen und Libussen hinaus vor das Tohr/ weil es ein lustiger Herbsttag wahr/ und stund Volumnius gleich vor seinem Hofe; wolte also diese Gelegenheit nicht versaͤumen/ sondern folgete nach/ und baht wegen dieser Kuͤhnheit umb Verzeihung. Fr. Sophia sagete: weil sie ingesamt sich zu ihm aller Erbarkeit und Freundschafft versaͤhen/ solte es ihm erlaͤubet seyn. Nicht ferne von der Stad wahr ein lustiger Ort/ voller schattigter Baͤume/ da sie sich auff die Erde niderliessen/ und hatte Fr. Sophia schon angemerket/ daß im hingehen er sich Fr. Agathen sehr nahete; hier aber nam er ungenoͤhtiget die naͤheste stelle bey ihr/ kunte auch seine unkeu- sche Begierden nicht verhehlen/ daß die Augen ihn nicht verrahten haͤtten/ wiewol dessen niemand als Fr. Sophia wahr nam/ welche besser dahinter zukommen/ auffstund/ und mit den andern etwas weiter unter die Baͤume ging/ da Fr. Agatha ihr zwar folgen wolte/ abeꝛ von Volumnius auffgehalten ward/ weil er vorgab/ ihr ingeheim etwas zuvertrauen; fing auch aus verwaͤgener Kuͤhnheit an/ seine unzimliche Liebe unter dem Deckel einer sonder- lichen Gewogenheit ihr beyzubringen/ daß sie seiner Unbilligkeit nicht inne ward/ biß er um diese und jene Gunst bey ihr anhielt/ dessen sie nicht wenig erschrak/ wolte ihm doch nicht unhoͤflich begegnen/ sondern entschuldigte sich/ daß sie keine solche waͤhre/ die von Mannes- bildern angebohtene Liebe auffnehmen/ und darauff sich erklaͤren koͤnte/ angesehen sie im E- hestande lebete/ und er demnach seine Liebe an ort und ende verwenden wuͤrde/ da sie haften und Vergeltung erlangen koͤnte. Aber dieser durch Liebe verblendet/ hielt es nur vor eine Wort-Entschuldigung/ weil sie so gar ohne Bewaͤgung redete; fuhr demnach fort in sei- ner schaͤndlichen Werbung/ und suchte allerhand schoͤne Worte hervor/ sich bey ihr beliebt zumachen; Er haͤtte nicht gemeynet/ sagte er/ daß Griechenland so zarte Engelchen zeuge- te/ koͤnte ihm auch nicht einbilden/ daß ihres gleichen in derselben ganzen Landschafft zu fin- den waͤhre/ daß daher selbiges Reich uͤber ihren Ehe Junker sich wol beklagen moͤchte/ daß er einen so treflichen Schatz von dannen gefuͤhret/ und Italien damit ausgezieret haͤtte; jedoch wolte er sich daruͤber vielmehr erfreuen/ als beschweren/ der Hoffnung gelebend/ ihr N n n ij Herz Anderes Buch. Herz wuͤrde nicht weniger mitleidig/ als der Leib schoͤne sey; er suchete nicht/ sie ihꝛem Jun- ker zuentfuͤhren/ weil er an ihrem Willen zweifelte/ dann sonsten wuͤrde ihm nichts liebers seyn/ als seine ganze Lebenszeit mit ihr zuzubringen; nur dieses waͤhre vor dißmahl sein hoͤchster Wunsch/ daß er gewirdiget werden moͤchte/ vor ihren Diener auffgenommen zu werden; nam hiemit ihre Hand/ als solte hiedurch sein Begehren schon geschlossen seyn. Aber Fr. Agatha/ welche nie vorhin durch solche unehrliche Ansprengungen ersuchet waꝛ/ ohn in ihrem Gefaͤngniß/ empfand daher einen grossen Unwillen/ reiß die Hand los/ und antwortete mit erroͤhtetem Angesicht: Herr/ ich weiß nicht/ mit was Worten ich ihm be- gegnen sol/ ohn daß ich mich hoͤchlich verwundere/ wie er mir darff Liebe anmuhten/ die ich an meinen Ehegatten gebunden bin; hoffe demnach/ er werde mich hinfuͤro mit dergleichẽ Ansuchen verschonen/ und nicht vor eine solche mich ansehen/ dje von ihrem Ehe Junker zu lauffen willens sey/ er wuͤrde mir sonst ursach geben/ mich dessen zubeschweren; stund damit auff/ und folgete den andern nach. Volumnius wolte sie nicht allein gehen lassen/ gab ihr das Geleite/ und redete nicht minder freundlich mit ihr/ sie hoͤchlich bittend/ daß sie ja keinẽ Haß auff ihn werffen/ sondern ihm veꝛzeihen moͤchte/ wozu ihn die Liebe gezwungen/ welche er nicht laͤnger zuverbergen gewust. Aber sie begegnete ihm mit einer schaͤrfferen Antwoꝛt: Sie haͤtte ihm schon viel zu lange zugehoͤret; es waͤhre zeit/ daß er seinem unehrlichen An- suchen ein Ende machete/ und sich von ihrer Seiten hinweg taͤhte; solche Freundschafft/ die er ihr antruͤge/ solte er auff die wenden/ so auff Unerbarkeit ihre Wollust baueten; und hierauff rief sie: Schwester Libussa/ wollet ihr mich nicht mitnehmen/ warumb eilet ihr so sehr? Fr. Sophia dieses hoͤrend/ gedachte bald/ ihr wuͤrden ungenehme Sachen vorgetra- gen seyn/ kehrete sich um/ und sahe ihr entgegen/ biß sie zu ihr kam; Der verwaͤgene Mensch aber ging dessen ungeachtet/ neben ihr her/ und beschloß hiemit: Vielleicht moͤchte sie seineꝛ redlichen Liebe Wirkung bald erfahren; fing auch drauff an von andern Dingen zuredẽ. Sie wolte das ergangene lieber unter den Fuß treten/ als ausbreiten/ und auff seine unter- schiedliche Fragen gab sie ihm freundliche Antwort/ welches der Bube dahin deutete/ ihr Zorn waͤhre nur ertichtet/ und liesse dieses Schloß sich leicht stuͤrmen/ wann sichs nur we- gen der drauff liegenden Besatzung ergeben duͤrffte; oder deutlicher zu fagen/ weil mit ih- rer Ehe sie sich am meisten entschuldigte/ meynete er nach Trennung dieses Bandes nicht zufehlen; daher er Klodius hinzurichten bedacht wahr. So bald sie zu Hause anlangeten/ klagete sie alles Fr. Sophien und Libussen mit Traͤhnen/ und daß sie nicht wuͤste/ wessen sie sich hernaͤhst zu verhalten haͤtte/ daß sie von ihm unangefochten bliebe; ob sie nun schweigẽ/ oder ihrem Liebsten es offenbahren solte/ wolte sie von ihnen vernehmen. Fr. Sophia ant- wortete: es waͤhre gut/ daß der Schandvogel sich an Ort und Ende haͤtte kund gegeben/ da kein Frevel gegolten; man wuͤste sich hinfuͤro desto besser vor ihm zuhuͤten/ koͤnte aber nicht gut heissen/ daß Klodius es erfuͤhre/ weil darauff ein unvermeidlicher Kampff erfolgen wuͤrde; Sie moͤchte das geschehene verschmerzen/ und sich versichern/ daß sie schon Mittel wuͤste/ diesem verwaͤgenen zusteuren; gingen darauff mit einander zu Tische/ und hatten allerhand Unterredung/ biß sie sich schlaffen legeten. Klodius hatte den Brauch/ daß er fast alle Nachte umher ging/ die Wachten zubesuchen/ und ließ von seinem Leibknaben ihm das Seiten Gewehr nachtragen. Dieses wuste Volumnius/ und wartete ihm eben diese Nacht auff Anderes Buch. auff den Dienst/ da er von der Besichtigung kam/ stieß ihm das Schwert durch den Leib/ und machte sich in seiner vermummeten gestalt im Augenblik davon/ daß ihn niemand ken- nete. Nach empfangenem Stosse fiel Klodius nider zur Erde/ woruͤber sein Knabe hart ruf- fen ward/ welches ein Wund Arzt in der naͤhe wohnend/ vernam/ lief im blossen Hemde heꝛ- zu/ und empfand an der Schlag Ader/ dz noch Leben in ihm war/ trug ihn mit huͤlffe etlicheꝛ herzulauffenden Buͤrgeꝛ in sein Hauß/ uñ fand/ dz der Stoß forne ein/ uñ hinten wiedeꝛ aus ging. Er brauchte allen fleiß/ biß er ihn erquickete/ uñ verband ihm die Wunde/ mit dem veꝛ- sprechen/ dafern er am Eingeweide unverlezt waͤhre/ welches sich bald außweisen wuͤrde/ solte er vor dißmal gerettet seyn. Klodius antwoꝛtete ihm; ist meine Zeit kom̃en/ so sterbe ich gerne/ wann ich nur vor meinem Tode erfahren mag/ was vor ein Bube mich so unredli- cher Weise angefallen hat/ damit ihm sein Lohn werden moͤge. Die Anwesende bahten ihn/ Geduld zuhaben/ und durch Eiser sich nicht zubewaͤgen/ damit das Ubel nicht aͤrger gemacht wuͤrde; nach dem Taͤhter solte fleissig geforschet/ und ihm die Mordtaht nicht ge- schenket werden/ es geriete gleich mit ihm zum Tod oder Leben. Inzwischẽ wahr sein Kna- be nach des Stathalters Hofe gelauffen/ und hatte seines Herꝛn Tod/ wie er meinete/ ruchtbar gemacht. Fr. Agatha lag im harten schlaffe/ und kam ihr vor/ wie ein Baͤhre sie haͤtte niederreissen wollen; weil er ihr aber nicht beykommen moͤgen/ waͤhre er an Klodius gefallen/ und haͤtte ihn zur Erden geworffen/ dessen sie also erschrak/ daß sie ein lautes Ge- schrey ergehen ließ/ gleich da Fr. Sophia mit einer Windkerze zu ihr kam/ und sie ermah- nete/ sich uͤber ihrer Ankunfft nicht zu entsetzen; es kaͤhme ein Geschrey/ als waͤhre ihr lieb- ster etwas verwundet/ welches sie ihr lieber selber/ als durch andere anzeigen wollen/ damit sie durch unwarhaften Bericht nicht zu hart erschrecket wuͤrde. Die gute Frau hoͤrete die leidige Zeitung mit bebenden Gliedern/ gehub sich uͤbel und sagete; sie zweiffelte nicht/ er wuͤrde schon Todseyn/ weil ihr solches im schlaffe vorkommen waͤhre; stieg gar ohmaͤch- tig aus dem Bette/ und legte die Kleider an/ umb selbst hinzugehen/ und diesen Unfall in Augenschein zunehmen: Fr. Sophia hatte schon etliche Diener außgeschikt/ deren einer wiederkam/ und andeutete/ er waͤhre zwar hart verwundet/ aber schon verbunden/ und gaͤ- be der Arzt guten Trost. Hiedurch ward sie in etwas gestaͤrket/ und fragete/ wer doch der schaͤndliche Taͤhter seyn moͤchte; kunte aber nichts erfahren biß der Leibknabe berichtete/ es waͤhre ein Verkappeter auß einem Nebengaͤschen hervor gewischet/ und nach getah- nem Stosse davon gelauffen. Alsbald muhtmassete sie auff Volumnius/ und sagete; Gn. Frau/ ich wolte den Moͤrder leicht errahten; und was gilts/ wo es nicht der heutige Bube ist? Sie antwortete/ lasset euch nichts merken/ so wollen wir noch wol dahinter kommen. Libussa kam mit Frl. Sibyllen auch herzu/ liessen sich ingesamt von bewehreten Knechten nach des Arztes Behausung bringen/ und wolten gleich zu dem verwundeten in die Stube gehen; aber der Arzt wehrete ihnen; man muͤste ihn nicht verunruhen/ dz nicht die Wun- de mit Lebens-gefahr auffspruͤnge; welches Fr. Agatha annam/ als waͤhre er gewißlich Tod/ und sagete zu ihm: Mein Freund/ der Kranke gehoͤret mir am naͤhesten zu/ drumb saget mir die Warheit/ uñ speiset mich nicht mit leerer Hoffnung/ damit ich die lezte traͤue an ihm verrichte; mit welchem Worte sie in Ohmacht fiel/ und ward ohn alle empfindlig- keit auff ein ander Gemach getragen/ daß nicht Klodius durch ein Jammergeschrey irre N n n iij gemacht Anderes Buch. gemacht wuͤrde; doch brachte sie der Arzt bald wieder zurechte/ und sagte zu ihr: Hochaͤdle Frau/ sie glaͤube bitte ich/ meinen Worten/ der Oberhauptman ist in Warheit annoch am Leben/ sol auch durch der Goͤtter Huͤlffe und meinen Fleiß wieder genesen; wil sie mir aber nicht trauen/ so verspreche sie mir/ daß sie ihn durch nichts irre machen wolle/ so wil ich sie zu ihm fuͤhren/ daß sie ihn sehe und seinen Odem vernehme; Ach ja/ sagte sie/ nur bald bald/ ich werde keinen Unwiz gebrauchen/ wann ich nur ein geringes Zeichen seines Lebens sehe. Als sie nun mit ihm in die Stube trat/ hub er gleich die rechte Hand etwas in die hoͤhe/ uñ legete sie sanfft wiederumb nider/ welches sie ersehend/ zuruͤcke trat/ und durch ihre Diene- rin 200 Kronen hohlen ließ/ welche sie ihm vor den ersten Band gab/ mit bitte/ alle moͤglig- keit anzuwenden/ welches sie zehnfach ersetzen wolte. Der Arzt/ welcher seiner Kunst ge- wiß wahr/ und doch/ weil er nicht auffschneiden kunte/ wenig gebraucht ward/ bedankete sich der Mildigkeit/ und versprach inwendig XXIV Stunden verhoffentlich gewisse Zei- chen der kuͤnfftigen Gesundheit anzumelden. Darauff gingen sie wieder nach Hause/ und funden den Stathalter auff der Gasse/ welcher einem Hauptman befahl/ alle Tohre wol zubesetzen/ daß niemand hinaus kaͤhme/ er wolte nicht ruhen/ biß deꝛ Moͤrder ertappet/ und zur abscheuhlichen Straffe gezogen waͤhre; troͤstete nachgehends Fr. Agathen/ und baht sie/ in geduld zustehen/ dann ob gleich geschehene Dinge nicht koͤnten geendert werden/ ge- buͤhrete doch Straffe darauff. Der Taͤhter Volumnius stund oben auff einem Gemache seines Hofes/ und hoͤrete alles/ was auff der Gasse geredet ward/ hoffete/ Klodius wuͤrde dem Tode/ und ihm Fr. Agatha zuteil werden. Fr. Sophia aber nam mit ihrem Vater einen Abtrit/ und erzaͤhlete ihm/ wie es heut Fr. Agathen mit dem Buben ergangen waͤh- re/ daher sie fest in den Gedanken stuͤnde/ er und kein ander waͤhre der Taͤhter. Er dagegen/ ob er gleich erschrak/ erinnerte sie doch/ man muͤste emen hohen von Adel nicht aus blossem Argwohn beschuldigen/ es erfoderte starken Beweißtuhm/ darauff man sich schicken muͤ- ste. Den Beweißtuhm/ sagte sie/ wollen wir schon finden/ dann Klodius Knabe berichtet/ dem Taͤhter sey Klodius Blut auff die Kleider gespruͤtzet/ wann man nur Volumnius bald koͤnte zu sehen bekommen/ oder bey ihm nachsuchen lassen/ ob was blutiges verhandẽ/ solte man ihn leicht ertappen. Ihr Vater bedachte sich/ und nachdem er merkete/ das Fr. Agathen Mutmassung ein hoͤfliches Nachforschen entschuldigen koͤnte/ schikte er einen verschlagenen Diener zu Volumnius/ mit begehren/ zu ihm auff die Gasse zukommen; be- fahl ihm daneben in grosser geheim/ fleissige acht zugeben/ wie er sich hielte/ und ob er ver- mummete oder blutige Kleider an haͤtte; und da er auff dem Bette laͤge/ solte er sich umb- sehen nach seinen Kleidern/ ob irgend Merkzeichen daran zufinden waͤhren. Dieser ging alsbald mit einer Leuchte hin/ aber der Bube wolte sich nirgend finden lassen/ und gab sein Leibjung vor/ er laͤge in der Ruhe: Daher dieser nach der bekanten Kammer lieff/ fand a- ber das leere Nest/ und schalt den Knaben aus/ warumb er ihn aͤffete; welcher doch mit hohen Schwuͤren beteurete/ daß er nicht anders wuͤste/ als daß sein Herꝛ zu Bette gangen waͤhre; koͤnte auch nicht gedenken/ wohin er sich gemacht hatte; er vor sein Haͤupt waͤhre gleich auffgestanden/ weil er eines getuͤmmels auff der Gasse inne worden. Ey/ sagte der Knecht/ so gehe mit mir/ und gib mir dessen Zeugnis bey meinem Herꝛn/ sonst glaͤubet er mir nicht; lockete also den Knaben mit sich hinweg/ berichtete seinen Herꝛn/ wie ers fun- den/ Anderes Buch. deu/ ließ den Knaben zuͤruͤk/ und ging bald zum andernmahl hin/ wo moͤglich/ etwas besse- re Kundschafft einzunehmen. Volumnius hatte den Knecht zum erstenmahl kom̃en und hinweg gehen sehen/ wuste doch nicht/ daß er auff seiner Schlaffkammer gewesen wahr; lieff nach seinem Wegscheide gleich hin und legte sich ans Bette/ daß er erst hinein gestie- gen wahr/ da der Knecht zum andermahle kam/ welcher/ weil er niemand hoͤrete/ die Trep- pe hinauff stieg. Welches Volumnius vernehmend/ hinunter rieff/ wer bey eileter Nacht ihm im Hause umbginge. Der Knecht kehrete sich nicht daran/ ging mit der Leuchte hin- auff/ und brachte seine Werbung vor/ daß der Stathalter ihn gerne sprechen wolte; des- sen sich dieser fremde stellete/ ob etwa dem Herrn Stathalter etwas wiedriges begegnet waͤhre; er erkeñete sich schuldig demselben so bey Nacht als bey Tage auffzuwarten; sprang damit aus dem Bette/ und wolte sich ankleiden/ daher der Knecht unter dem Schein eineꝛ Dienstwilligkeit zu den Kleidern lieff/ ihm dieselben zuzutr agen/ fand auch einen blutigen Strumpff/ an dem er die Hand faͤrbete/ dessen er sich doch nicht merken ließ/ sondern ihm die Kleider brachte/ welches er mit unwillen auffnam und ihm befahl/ dem Stathalter zu vermelden/ dz er alsbald bey ihm seyn wolte/ muste ihm aber ein wenig Licht aus der Leuch- te geben/ damit er das seine anzuͤnden koͤnte/ welches dieser taht/ und ihn doch bald gereue- te/ massen Volumnius hiedurch gewahr ward/ das ihm Blut auff der Hand saß/ dessen er nicht wenig erschrak/ und sich fuͤrchtete/ der blutige Strumpf duͤꝛffte ihm Haͤndel machen: fassete doch bald einen Raht/ ritzete eine geringe Wunde in den Schenkel/ verband ihn her- nach/ als er etwas blutes daraus auff die Fußbank lauffen lassen/ und legete die Kleider an/ die er schon alsbald nach der Taht geendert hatte/ und sicher wahr/ daß sie ihn nicht ver- rahten wuͤrden; ging darauff ganz verwaͤgen zu dem Stathalter/ welcher schon von dem Knechte unterrichtet wahr/ wie ers funden haͤtte/ daher derselbe selbst meinete/ man wuͤr- de hiedurch zur Kundschafft gelangen koͤnnen/ und erwartete des Moͤrders im Vorhofe/ welcher ihm auffstieß/ sich wegen der Verzoͤgerung entschuldigend/ er waͤhre vor etlichen Stunden zu Bette gangen da er den Schenkel an der Tuͤhr entzwey gestossen/ welche Wunde bey seinem schleunigen auffstehen ihm wieder auffgesprungen/ daß er sich auffs neue verbinden muͤssen. Nachgehends fragete er/ ob dem Stathalter einige Ungelegen- heit begegnet/ daß er seine Nachtruhe braͤche. Herr Fabius verwunderte sich uͤber den schlauen Buben/ und merkete/ wie schwer es zugehen wuͤrde/ ihn der Untaht zu uͤberzeugen/ wo nicht bessere Zeichen sich eraͤugeten; stellete sich doch nicht unfreundlich gegẽ ihn/ son- dern klagete/ daß der Oberhauptman schelmischer Weise angefallen/ und toͤdlich verwun- det waͤhre. Worauff dieser antwortete: Ey mein Herr/ diese Zeitung wird verhoffentlich falsch seyn/ massen ich ihn noch bey spaͤtem Abend gehen sehen. Als nun der Stathalter hierauff andeutete/ daß es etwa vor anderhalb Stunde geschehen/ stellete er sich sehr mit- leidig/ und sagte; es muͤste ein leichtfertiger Moͤrder seyn/ der redliche Leute bey Nacht- schlaffender Zeit anfiele/ und waͤhre billich/ daß man sleissige Nachfrage taͤhte/ damit der Bube zum Abscheuh gestraffet wuͤrde. Der Stathalter sahe ihn genaue bey dem Lichte an/ merkete aber weder Zeichen an den Kleidern/ noch Verenderung im Gesichte/ schieden endlich voneinander/ und hatte man schlechteren Grund als vorhin/ daher man auch sei- nen Leibknaben lauffen ließ/ da der Stathalter zum Schein sich unnuͤtze machete/ was man bey Anderes Buch. bey Nachtzeit anderer Leute Diener auffzuhalten haͤtte. Volumnius merkete handgreiff- lich/ daß man ihn in verdacht hatte/ noch taht er nicht deßgleichen/ sondern ging des folgen- den Morgens bey ihm aus und ein/ welches Fr. Sophia nicht dulden kunte/ daher sie zu ihm sagete; er solte ihres Vaters Wohnung muͤssig gehen/ wann er mit unehrlichen Ge- danken schwanger ginge/ und ehrlicher Weiber Leumut zuschaͤnden suchete; woruͤber er sich leidig hielt/ und sehr baht/ ihn mit solchen ehrenruͤhrigen aufflagen zuverschonen; er haͤtte nie im Sinne gehabt/ einiges verheyrahteten Weibes zu begehren/ und hoffete/ sie wuͤrde ihm den meinaͤidigen Verleumder vorstellen/ daß er sich rechtens an ihm erhohlen/ uñ seine Unschuld der ganzen erbarẽ Welt vor Augen setzen koͤnte; Ich gestehe euch nichts/ sagte sie/ dan ich sehe/ was vor unergruͤndliche Boßheit in euch begraben lieget/ welche durch der Goͤtter Huͤlffe zu seiner Zeit ans Licht wird gebracht werden. Was? sagte Vo- lumnius/ Boßheit? was? unergruͤndliche Boßheit? Ich bin ein redlicher gebohrner von Adel/ und gestehe weder ihr noch einigem Menschen solche und dergleichen Beschuldi- gung; darumb wird sie sich nicht wegern/ mir deßwegen Rede und Antwort zu geben. Durchaus nicht/ sagte sie/ biß zu seiner Zeit. Ging damit von ihm/ und verfuͤgete sich hin zu Fr. Agathen/ der sie klagete/ wie es ihr mit dem Buben ergangen waͤhre; diese muste sich mit ihr des durchtriebenen Fuchses verwundern/ und sagete; Gott waͤhre ihr Zeuge/ daß es anders nicht ergangen waͤhre/ als sie ihr erzaͤhlet haͤtte/ und duͤrffte allem ansehen nach noch wol daruͤber in Verleumdung gerahten. Nein/ antwortete sie/ dessen traget keine Sorge/ dann ich habe euch nicht genennet; ist er aber so kuͤhn/ so verrahte er sich nur selber/ alsdann wollen wir ihn schon fassen. Aber mich deucht/ wir taͤhten besser/ dz wir nach Klo- dius gingen/ weil der Arzt mir zuentbohten hat/ ihn verlange sehr/ euch zu sehen. Ach ja/ sag- te sie; Gott helffe nur meinem Liebsten wieder auff/ der Moͤrder wird seinem Richter nicht entlauffen/ ob er sich gleich eine zeitlang verbirget; gingen hiemit fort/ und funden ihn noch in zimlicher Schwacheit liegen/ troͤstete dannoch seine Liebste/ sie moͤchte sich zu frieden ge- ben/ dann er fuͤhlete keine Todesangst/ sondern nur gemeine Wundenschmerzen. Weil er dann auffs neue solte verbunden werden/ trat das Frauenzimmer hinaus/ und fand der Arzt so gewisse Zeichen seiner kuͤnfftigen Besserung/ daß er vor Freuden auffsprang/ und zu ihm sagete: Mein Herr/ ihr seyd an eurem Eingeweide unverletzet/ woran ich bißher et- was gezweifelt/ und solt mit Gottes Huͤlffe innerhalb drey Wochen mit dem Herrn Stat- halter zu Tische gehen; welches er auch dem anwesenden Frauenzimmer vortrug/ die sich hoͤchlich daruͤber erfreueten. Inzwischen ließ Fr. Sophia von ihrem fleisse nicht ab/ den boßhafften Taͤhter zu uͤberzeugen/ und fragete bey den Nachbarn hin und wieder vertrau- lich nach/ ob nicht jemand dessen Nachricht geben koͤnte/ erfuhr auch so viel/ daß gleich umb die Zeit/ da man Klodius verwundung angezeiget/ Volumnius Hofheimlich aufgeschlos- sen/ und nicht wieder zugemacht waͤhre/ wie dann des Stathalters Knecht ihn offen gefun- den hatte. Diese Zeugen/ derer drey waren/ ließ sie gerichtlich abhoͤren/ und klagete darauf Volumnius vor ihrem Vater an/ ihn dahin zuhalten/ daß er den Auffschliesser seines Ho- fes namhafftig machete/ weil er ja selbst oder sein Gesinde darumb wissen muͤsten. Fabius ließ ihn vor fodern/ hielt ihn der Zeugen Aussage vor/ und begehrete kurzum den Aufschlies- ser zuwissen. Er aber stellete sich hieruͤber unwillig/ beschwerete sich hoch/ daß man mit einẽ Roͤmi- Anderes Buch. Roͤmischen aͤdlen Buͤrger dergestalt gewaltsam verfahren wolte; dann wie koͤnte er uͤber unbewuste Dinge Rechenschafft geben? Ob etwa sein Gesinde heimliche Huren- oder Diebeswinkel haͤtten/ oder aber unbekante Diebe ihm zu Nachtzeit den Hof oͤfneten/ solte man deswegen billicher Mitleiden mit ihm tragen/ als ihn daruͤber vor Gericht fodern. Schließlich baht er den Stathalter/ er moͤchte/ als ein hochverstaͤndiger Herꝛ/ sich an Wei- ber Rede nicht kehren/ noch deren Nachstellung achten/ deren Ungunst man mit einem ungenehmen Anblik verdienen koͤnte. Er waͤhre ein ehrlicher Ritter/ entschuldigte zwar den Stathalter/ aber da sonst jemand sich fuͤnde/ der ihn einiger Untaht zeihete/ waͤhre er be- reit/ es durch alle zugelassene Mittel zueifern. Noch zur Zeit kunte Herr Fabius nit mehr/ als ihn in freye Hafft nehmen/ dessen er sich hoͤchlich bedingete/ und doch endlich/ Argwohn zumeiden/ sich darein gab. Der Arzt legte allen moͤglichen fleiß an/ daß Klodius am XV den Tage nach seiner Verwundung die Kleider anzog/ und IIX Tage hern ach mit dem Stat- halter zur Mahlzeit ging/ da er berichtet ward/ wie unterschiedliche Vermuhtungen man seiner beschehenen Verwundung auff Volumnius haͤtte; Ja/ sagte Frau Sophia/ koͤnten wir das schwereste beweisen/ welches an sich selbst wahr ist/ und von dem Buben dannoch geleugnet wird/ wolten wir schon wissen mit ihm zuverfahren. Klodius haͤtte folches gerne gewust/ aber sie hieß ihn biß nach gehaltener Mahlzeit ruhen/ und erzaͤhlete ihm hernach/ wie er bey Fr. Agathen umb unzimliche Sachen angehalten haͤtte/ welches er doch nicht allein leugnen/ sondern uͤberdas noch boͤßlich draͤuen duͤrffte. Worauff Klodius mit we- nigen antwortete: Sie moͤchte sich ein geringes gedulden/ biß er Waffen zufuͤhren wie- der geschikt waͤhre/ alsdann solte die Rache weiter nicht verschoben werden; jedoch daß sei- ne Eheliebeste es nicht erfuͤhre/ als welche daruͤber in traurige Gedanken gerahten koͤnte; Wie er dann nach Verfliessung fuͤnff Tage/ in Gegenwart etlicher Paduanischer Herꝛen/ bey dem Stathalter anhielt/ den boßhafften Volumnius vorzufodern/ uͤber welchen er et- was zuklagen haͤtte; da ihm zur Antwort ward: dafern seine Klage gegruͤndet waͤre/ stuͤn- de ihm der Weg Rechtens offen; Und als derselbe auff Erfoderung willig erschien/ trug Klodius seine Anklage mit diesen Worten vor: Hochmoͤgender Herr Stathalter/ auch ihr Hochaͤdle Herren; Gegenwaͤrtiger Volumnius hat sich unterwinden duͤrffen/ mein liebes Weib auff Unehr anzufodern; woran er wider Ritters Ehr gehandelt; und als de- ren Redligkeit ihm solches/ wie billich/ abgeschlagen/ hat er bey tunkeler Nacht/ da ich meine Wachte besichtiget/ mich schelmisch- und moͤrderischer weise uͤberfallen/ ausseꝛ allem zwei- fel in Hoffnung/ wann er mich aus dem Wege geraͤumet/ wuͤrde er sein Ansuchen desto leichter erhalten/ und sich an meine stat eindringen koͤnnen. Die erste Untaht/ da es noͤhtig ist/ kan meine Eheliebste mit einem aͤide bekraͤfftigen; der andern habe ich gute Zeugnis; Dann vorerst ist kuͤndig/ daß sein Hof umb eben die Zeit meiner Verwundung geoͤffnet worden; Vors ander/ ist er nicht auff seinem Bette gefunden/ ob gleich sein Hausgesinde solches gemeynet; Vors dritte/ hat man an seinen Struͤmpfen Blut gesehen uñ gefuͤhlet/ welches nirgends anders her als aus meiner Wunde geflossen ist; dañ haͤtte er seinem voꝛ- geben und erlogenen Tichtungen nach/ sich wund gestossen/ wuͤrde er ja die Struͤmpffe nit eben unter seine Kleider verstecket haben; daß ich also im geringsten nicht zweifele/ ich habe ihn seiner Mordtaht gnugsam uͤberzeuget; jedoch wil ich zum uͤberfluß diese meine Ankla- O o o ge wider Anderes Buch. ge wider ihn mit einem oͤffentlichen Kampffe behaͤupten/ wie einem ehrlichen Ritter zuste- het und vergoͤnnet ist. Volumnius hoͤrete alles mit ertichteter Freidigkeit an/ ruͤhmete sich gluͤkselig/ daß dereins die mißguͤnstigen Weiber einen Abtrit genommen/ und die erlogene falsche Anklage von einem Ritter vorgetragen wuͤrde/ mit dem ers gebuͤhrlich ausfechten koͤnte/ schob alle seine ausgegossene Schmach und Verleumdung in des unrechtmaͤssigen verlogenen Klaͤgers Busem/ und koͤnte zwar mit leichter Muͤhe die an gefuͤ hreten nichtigẽ Ursachen hintertreiben/ auch seine Unschuld zurecht dartuhn/ weil aber die Bezichtigung gar zu ehrenruͤrig waͤhre/ koͤnte er der Zeit des Rechtspruchs aus ritterlichem Eifer nicht erwarten/ noch so lange in der Hafftverbleiben/ sondern foderte hiemit den Klaͤger als einẽ Ehrendieb und Verleumder aus/ nicht zweifelnd/ die Goͤtter wuͤrden in dieser sache Rich- ter seyn/ und durch seine gerechte Waffen den Luͤgener abstraffen/ damit die Welt erkenne- te/ daß der Himmel sich auch deren annaͤhme/ welche auff der Erden belogen und unschul- dig verfolget wuͤrden. Klodius antwortete mit wenigem: Er haͤtte beydes das verstellen und schaͤnden wol ausgelernet/ was seine Waffen vermoͤchten/ hoffete er zuersahren/ nach- dem sie nunmehr solten redlich und in offenem Kampff gebraucht werden; vor dem Him- mel fuͤrchtete er sich sonst in seiner gerechten Sache ganz nicht; gingen also beyde hin/ sich fertig zumachen. Volumnius vergifftete Speer und Schwert/ und ritte hinaus auff den bestimten Platz/ nehmlich woselbst er Fr. Agathen Unehr angemuhtet hatte. Klodius fol- gete ihm bald/ und stelleten sich viel vornehme Leute als Zuseher ein/ unter denen Volum- nius nicht wenig Goͤnner hatte/ weil sie ihm verwand und verschwaͤgert wahren. Erstes Anblickes renneten sie ganz eiferig auff einander loß/ da Volumnius das Speer zu tief sin- ken ließ/ und seines Feindes Pferd ein wenig an der Stirn verletzete/ er aber dagegen aus dem Sattel auff die Erde geworffen ward/ und wahr der Gifft so straͤnge/ daß ehe Klodius seinen Lauff vollfuͤhrete/ sein Pferd rasend ward/ alles in die quere lief/ und sich weder an Sporn noch Zuͤgel kehrete/ auch am Haͤupte dicke geschwal/ daß er grosse muͤhe hatte/ ohn Gefahr abzusteigen/ und nicht wuste/ wohin er diesen Unfall rechnen solte; doch ließ er sein Pferd lauffen/ und trat mit unerschrockenem Gemuͤhte auff seinen Feind/ welcher seiner zwar mit entbloͤssetem Schwert/ aber zuschlagenem Gewissen erwartete/ daß sichs gar zei- tig sehen ließ/ auff welche seite die uͤberwindung fallen wuͤrde; gestaltsam Klodius in wenig Streichen ihn zur Erden fellete/ ihm den Helm abriß/ und draͤuete/ dafern er seine Untah- ten nicht bekennen/ und Abbitte tuhn wuͤrde/ solte er durch Henkers Hand darzu genoͤhti- get werdẽ. Aber der Boͤsewicht gab ihm keine Antwort/ sondern fassete sein eigẽ Schwert/ und schnitte ihm selbst damit die Kehle ab/ wovon er zur stunde geschwal/ und jederman deꝛ Vergifftung innen ward/ weil auch Klodius Pferd schon alle viere von sich streckete. Nach gehaltenem Kampfe/ ließ der Stathalter des Taͤhters Hauß fleissig durchsuchen/ da sich das blutige Kleid in einem Winkel fand/ und sein Hausgesinde bezeugete/ er haͤtte es des Tages/ als er mit dem Frauenzimmer zu hause kommen/ sehr spaͤt angelegt; kam also sein moͤrdliches Vornehmen an den Tag/ und ward sein Leichnam dem Henker uͤbergeben/ ihn auff die Schindgrube zuschleppen; Klodius aber ward in alle seine Guͤter eigentuͤhmlich eingesetzet/ weil er keine nahe Erben hinterließ/ wie dann der Kaͤyser selbst eine solche Urtel vor rechtmaͤssig hielt und erkennete. Ende des Andern Buchs. Des Christlichen Teutschen Herkules Drittes Buch. V Nser vermummeter Herkuliskus wahr/ vorigen Buches meldung nach/ mir seiner Jungfer Brelen/ die er vor seine Wase angab/ von den See Raͤubern zu Tyrus eingebracht/ woselbst sie etliche Wochen stille zuliegen gezwungen wur- den/ weil sie umb mehrer Sicherheit willen zureisen/ auf gewapnete Geselschaft warten musten/ damit sie in den unsicheren Morgenlaͤndern nicht uͤberfallen und erschlagẽ wuͤrden/ nachdem sie/ umb Kosten zumeiden/ keine eigene Leute bestellen wolten. Inzwischẽ befand sich Alexander gegen gedachte Jungfer je mehr und mehr in Liebe entzuͤndet/ dz ihn unmoͤglich dauchte/ den Flam̃en laͤnger zuwehren koͤnnen; wagete es demnach/ uñ mach- te sich mit freundlicher Rede an Herkuliskus/ ganz innig bittend/ ihm in seinem Vorhaben behuͤlflich zuseyn; Er haͤtt diese zeit her eine solche Zuneigung gegen die aͤdle und tugend- reiche Jungfer Brelen in seinem Herzen empfunden/ daß er nicht umhin koͤnte/ ihm sol- ches zuoffenbahren; sein anmuhten gruͤndete sich auff Ehre und eheliche Traͤue; so waͤh- re er seiner Geburt und Herkommens von gutem uhralten Adel/ und zweifelte nit/ es wuͤr- de der Jungfer tuhnlicher seyn/ mit ihm in bestaͤndiger Ehe zuleben/ als einem Barbari- schen Koͤnige wenige Zeit in Unzucht auffzuwarten/ und nachgehends entweder den fol- genden juͤngern Weibern vor eine Magd/ oder wol gar den schlim̃en Knechten zum Miß- brauche und Mutwillen zudienen. Lebensmittel haͤtte er uͤbersluͤssig/ und wolte auff diesen fall sich an Ort und Ende niderlassen/ wo es der Jungfer am liebsten seyn wuͤrde. Herku- liskus vernam diese Anwerbung ganz gerne/ hatte biß dahin mit Brelen schon abgeredet/ welche nunmehr diesen Braͤutigam anzunehmen entschlossen war/ nachdem sie keine Hof- nung hatte/ ihren Liebsten Neda wieder zusehen; doch ließ Herkuliskus sich dessen gegen dẽ Freyer nicht vermerken/ sondern gab ihm als mit halber Bestuͤrzung zur Antwort: Es waͤhre eine schleunige und unvermuhtliche Werbung/ moͤchte wuͤnschen/ daß er ihm diesen seinen Willen etwas zeitiger zuverstehen geben haͤtte/ damit er ihm desto besser hierin dienẽ moͤgen; wolte doch nicht destoweniger alsbald mit seiner Wasen davon reden/ und hoffete/ ihm genehme Antwort zubringen. Ging auch gleich zu ihr hin meldete die getahne eheliche Ansuchung/ und erinnerte sie des schon gemachten Schlusses; Worauff die Jungfer sich erklaͤrete: Die Goͤtter waͤhren ihre Zeugen/ daß sie lieber sterben/ als diese Heyraht eingehẽ wolte; weil sie aber vor Augen saͤhe/ daß ihre Ehre auff andere weise nicht koͤnte gerettet/ noch ihrem Gn. Fraͤulein durch sie besser geholffen werden/ wolte sie sich selbst und ihren eigenen Willen uͤberwinden/ und keine Einsperrung machen/ insonderheit/ weil sie ohndas ein schwaches Mensch waͤhre/ und da einiges Mittel zur Flucht sich eraͤugen solte/ nicht wuͤrde folgen/ noch des reitens oder gehens ungemach ausstehen koͤnnen. Herkuliskus lo- bete ihre Vernunfft/ und daß sie gutem Raht statt gaͤbe/ zweifelte nicht/ er wuͤrde ihr alle ge- buͤhrliche Zucht und Liebe beweisen/ massen man diese ganze Zeit uͤber nichts lasterhafftes an ihm gespuͤret haͤtte. Machte sich bald wieder nach Alexander/ der sein mit schmerzẽ war- O o o ij tete/ Drittes Buch. tete/ und brachte ihm zur Antwort: Er haͤtte seinet wegen mit der Jungfer gehandelt/ wel- che zwar sehr leidig waͤhre/ daß sie in der fremde/ und ohn Vorwissen ihrer naͤhesten Anveꝛ- wanten/ eine solche Enderung vornehmen/ und an einen kuͤnfftigen Ehe Junkern sich ver- sprechen solte; jedoch/ weil sie an ihm nichts als loͤbliche Zucht und Tugend gespuͤret/ wol- te sie sich ihm zu ehren ergeben/ dafern er ihr folgende drey Bedingungẽ goͤnnen/ und diesel- ben einzugehen aͤidlich angeloben wuͤrde: Als erstlich/ daß er Zeit seines Lebens sie nit las- sen/ sondern als sein Ehegemahl/ die von adelichem hohen Geschlecht waͤhre/ gebuͤhrlich halten; Vors ander/ sich hinfuͤro des unloͤblichen Seeraubens begeben/ und ritterlichem Stande gemaͤß leben; Und endlich drittens/ sie unberuͤhret/ und an ihrer Jungfraͤulichen Zucht allerdinge ungekraͤnket biß nach Padua bringen wolte; von dannen sie alsdañ wei- ters fortzihen/ und in Teutschland oder Boͤhmen sich niderlassen koͤnten. Alexander haͤtte/ seiner Liebe ein genuͤgen zutuhn/ das dritte gerne gemaͤssiget gesehen/ durffte aber nicht wi- dersprechen/ ging mit Herkuliskus hin zu ihr/ und redete sie also an: Hochaͤdle/ Großehren- reiche Jungfer/ herzgeliebete Freundin; daß Ihre Hochaͤdle Tugend meinem inbruͤnstigẽ Ansuchen stat geben/ und auff Unterhandlung meines hochwerten Freundes Junkeꝛ Heꝛ- kuliskus/ vor ihren er gebenen Knecht und Diener mich aufnehmen wollen/ solches nehme ich zu hohem Danke an; Meine Liebe und Traͤue/ die nur auff Ehre ruhet/ wil bey Verlust aller Goͤtter Hulde ich ihr teur versprechen und unbruͤchig halten/ des leidigen Raubwe- sens/ dazu mich Unfall gezwungen/ mich gaͤnzlich abtuhn/ uñ meinem ritterlichen Herkom- men mich gemaͤß verhalten; endlich auch/ wie ungenehm es gleich meinen Liebesbegierden fallen mag/ sie nach ihrem Willen biß nach Padua/ ohn einiges anmuhten/ wz wider jung- fraͤuliche Zucht und Keuscheit streitet/ hinbegleiten/ daselbst mit ihr das Beylager hal- ten/ und von darab weiters mit ihr hinreisen/ und Wohnung nehmen/ da sie es wuͤnschet und begehret; Zu dessen auffrichtiger Bezeugung ich ihr hiemit alle meine Schaͤtze als ihr Eigentuhm uͤberliefere/ auch sonsten meinen willen unter ihren gehoꝛsam gebe. Die Jung- fer bedankete sich der Ehren und getahnen erbietens/ und taht ihm hinwiederumb Zusage aller kuͤnftigen ehelichen Traͤue; hielt nachgehends bey ihm an/ er moͤchte ihrem Oheim Herkuliskus etliche Kleinot zum Nohtpfennige zustellen/ welches seine Anverwanten dop- pelt und dreyfach erstatten folten/ nur daß er auff den fall einer gluͤklichen Flucht/ wegen Mangel der Zehrung nicht Kummer leiden duͤrffte. Alexander freuete sich/ Gelegen- heit zu haben/ sein gutwilliges Herz in etwas darzubieten/ hohlete eine zimliche Anzahl grosser Indianischer Perlen/ an eine feste Schnuhr gereihet/ daneben ein Demant-Ket- chen nebest sechs Ringen/ alles auff 20000 Kronen nach liederlichem Wert angeschla- gen/ wickelte es in ein seidenes Tuͤchlein zusammen/ und uͤberreichte es Herkuliskus mit diesen Worten: Mein hochwerter Herr und Freund/ nehmet/ bitte ich/ dieses ge- ringe von mir an/ als einen heimlichen Schatz/ welcher anfangs in der fremde gnug seyn kan/ Armutsnoht abzulehnen/ und versichert euch/ daß mit alle meinem Vermoͤgen euch zuhelffen ich willig bin; und wolte der Himmel/ daß mir einiges Mittel zuftossen moͤchte/ euch aus der Parther Haͤnde loßzuwirken/ wolte ich mich gerne darzu gebrauchen lassen/ wiewol wegen ihrer wachsamen Augen/ es allerdinge unmoͤglich scheinet/ es auch meinem geleisteten sehr hohen aͤidschwur gar zuwieder ist. Er hingegen bedankete sich beydes vor di e Drittes Buch. die Kleinot und den guten Willen/ begehrete nicht daß er oder einiger Mensch seinetwe- gen sich in einige Gefahr stuͤrzen solte; haͤtten die Goͤtter seine Erloͤsung gnaͤdig versehen/ zweiffelte er nicht am gluͤklichen Verfolg; die Kleinot wolte er anzunehmẽ sich nicht we- gern/ und da er leben wuͤrde/ die Vergeltung nicht hindan setzen; wiewol seine Fr. Mut- ter/ so bald er in Teutschland ankommen wuͤrde/ alles reichlich erstatten solte. Aber/ sagte er weiter; wie stehet ihr mit euren dreyen Gesellen/ den Parthischen Herren? werden sie in diefe eure Heyraht auch einwilligen? Ich wil/ antwortete er/ alle moͤgligkeit anwenden/ sie mit Gelde zubefriedigen; solte es aber nicht geschehen koͤnnen/ welches ich doch nicht fuͤrchte/ wil ich meinen Wiz gebrauchen/ sie zu noͤhtigen/ daß sie mir dieses wol einwilligen muͤssen. Er machte sich/ umb keine Zeit zuverlieren hin zu ihnen/ und redete sie also an: Ihr meine Hochwerte Herren/ uñ Bruͤderliche Freunde; billich danken wirs dem Gluͤk/ daß es zu unserm Vorhaben uns so treflichen Fortgang verlihen/ und uns ein mehres be- scheret hat/ als wir wuͤnschen duͤrffen; wobey ich zwar gerne gestehe/ daß in fleissiger Be- muͤhung ich der geringste gewesen/ ob ich gleich an meinem Vermoͤgen nichts erwinden lassen/ die Segel-fahrt zusuchen/ welche uns am vortraͤglichsten waͤhre/ wovor mir dann/ vorgetroffenem vergleiche nach/ gnugsame Vergeltung wiederfahren/ daß ich mehr Ur- sach zudanken/ als ein mehres zufodern habe; weil aber meine Begierden mich fast treiben und draͤngen/ umb eine sonderliche Gunst/ bey meinen Hochwerten Herren/ doch ohn ih- ren Schaden anzuhalten/ bitte ich sehr dienstlich/ solches mit Gewogenheit auffzunehmen/ und dafern moͤglich/ hochgeneigt einzuwilligen. Ich gestehe/ fuhr er fort/ daß ein sonder- liches Feur/ durch die Augen unser gefangenen aͤdlen Jungfer in meiner Seele angezuͤn- det ist/ daher ich mir sie zu ehlichen allerdinge entschlossen bin/ wann von meinen Herren ich sie umb ein zimliches Geld erhalten kan. Die Einlieferung des gefangenen Herkulis- kus kan bey eurem grossen Koͤnige Artabanus euch angenchm gnug machen/ welcher ohn daß in seinem Frauen Zimmer eine grosse Anzahl schoͤner Weibsbilder hat/ so das nicht mehr bey ihm wol empfangen sind/ welche schoͤne/ sondern nur die allerschoͤnsten bringen. Dieses aber sey wie ihm wolle/ so erbiete ich mich doch/ eine moͤgliche/ nicht gar zu schwere Außloͤsung an Gold und Kleinot vor sie anzuwenden/ damit ich meine Begierden befrie- digen moͤge; bitte/ meine Hochwerte Herꝛen wollen mich einer genehmen Erklaͤrung wiꝛ- digen. Die Parthischen Herꝛen sahen sich untereinander mit Verwunderung an/ hiessen ihn einen Abtrit nehmen/ und fing der vornehmste unter ihnẽ/ nahmens Idarnes/ also an: Geliebte Bruͤder und Oheimbe; euch ist ohn mein erinnern bewust/ was vor Traͤue und Fleiß dieser fremdling Alexander uns erzeiget hat/ und ausser allem zweiffel die vornehmste Ursach unserer uns zugestossenen Gluͤkseligkeit ist/ massen wir ohn sein Angeben und Auff- munterung/ ein solches Mittel/ uns in Reichtuhm zusetzen/ nimmermehr wuͤrden ergriffen haben/ und wir demnach schuldig sind/ ihm eine Freundschafft hinwiederumb sehen zu- lassen; ob aber einer oder ander einwenden wolte/ man waͤhre dessen nicht benoͤhtiget/ in- betrachtung/ er bey aller Beute mit zu gleicher Teilung gangen waͤhre; so haͤtte man doch/ sagte er/ zubedenken/ daß sie in der Roͤmer gebiet annoch waͤhren/ uñ er/ da er zum Schelm und Verraͤhter werden wolte/ sie umb Gut und Leben bringen koͤnte: Nun wuͤste man aber auch/ was die Liebe vor eine hefftige und blinde Anstraͤngung waͤhre/ die weder Ehre noch O o o iij eigene Drittes Buch. eigene Wolfahrt achtete/ sondern der Verzweiffelung alles in die Haͤnde gaͤbe; daß aber Alexander darzu nicht gereizet wuͤrde/ koͤnte man nicht umbhin/ ihm zuwilfahren/ jedoch daß er ein ansehnliches stuͤk Geldes davor erlegete. Der juͤngste unter ihnen/ ein sehr ver- wegener Mensch/ nahmens Thymondas/ gab zur Antwort: Er selbst befuͤnde sich in diese Jungfer uͤberaus verliebt/ waͤhre auch gesiñet gewesen/ sie diesen Tag von der Geselschaft umb eine billiche Vergeltung zubegehren/ und hoffete/ daß man ihm vor dem Griechen den Vorzug goͤnnen und geben wuͤrde. Der dritte mit nahmen Atizies redete ihm sehr guͤtlich ein/ er moͤchte ja nicht Ursach geben zu seinem und ihrer aller dreien Verderben/ welches ausser allem zweiffel auß dieser Liebes Zaͤnkerey entstehen muͤste; er haͤtte ja daheim sein Weib/ die ihm solches kaum goͤnnen wuͤrde; so duͤrfte auch Alexander ein so statliches Loͤsegeld vor die Jungfer bieten/ welches hingegen er wol nicht eins begehrete vor sie zuer- legen. Doch wie dem allen/ so muͤste diesem Unheil vorgebeuget werdẽ/ solte er auch gleich hingehen und der Jungfer den Kopff abreissen. Idarnes fiel diesem bey/ und beredeten Thymondas dahin/ daß wo Alexander uͤber 20000 Kronen vor sie erlegen wolte/ solte er sie davor haben; foderten alsbald Alexander wieder vor sich/ und gab ihm Idarnes zube- trachten/ daß sein selbst eigener Vorschlag waͤhre/ die begehrete Jungfer dem Koͤnige zu- liefern/ welches ja nach algemeiner Bewilligung unwiederruflich seyn muͤste; uͤberdas waͤhre ihm des Koͤniges Begierde nach schoͤnen unbeflekten/ sonderlich/ außlaͤndischen Jungfern wol bewust/ und hielten sie davor/ ihres gleichen wuͤrden in Artabanus Frauen- Zimmer sehr wenig zu finden seyn/ und sie daheꝛ nicht geringe Gnade und Vergeltung von seiner Hocheit/ vor sie zugewarten haben/ moͤchte daher sich wol versichern/ daß es ihm aus sonderlicher Freundschafft wiederfuͤhre/ wann man ihm dieselbe mit Gelde zu loͤsen/ goͤn- nen wuͤrde; welches aber auff den Fall mit des Juͤnglings guter Bewilligung geschehen muͤste/ und daß derselbe aͤidlich angelobete/ dessen bey Koͤnigl. Hocheit im geringsten nicht zugedenken/ damit sie nicht deßwegen in Ungelegenheit kaͤhmen. Hernach haͤ t ten sie von ihm zuvernehmen/ womit er ein so koͤstliches Kleinot zu loͤsen sich erboͤhte; alsden koͤnten sie sich umb so viel weiter heraus lassen. Alexander fuͤrchtete sich/ sie wuͤrden ihn umb den groͤsten Teil seiner Beute schneuzen wollen/ weil ihm die Parthische sehr schlechte Freyge- bigkeit mehr als zu wol bekant wahr; ließ sich doch keiner Furcht merken/ sondern gab zur Antwort; Er bedankete sich vor erst der gemachten Hoffnung uñ freundlichen erbietens/ und haͤtte es mit Bewilligung des Juͤnglings seine gute Richtigkeit/ als welcher seine Wase lieber in Freyheit als weitere Gefahr setzen wolte/ wuͤde auch den begehrten aͤid ab- zustatten sich nicht wegern; im uͤbrigen moͤchten sie bedenken/ daß Krafft auffgerichteter Verbuͤndnis/ ihm der vierdeteil so wol an der Jungfer/ als an dem Juͤnglinge zustuͤnde/ den wuͤrden sie vor erst guͤnstig abrechnen/ und was sie daruͤber begehreten/ ihm unverzuͤg- lich melden. Diese hingegen wolten zuvor von ihm wissen/ wie hoch er den vierdenteil an dem Juͤnglinge rechnete. Er aber wegerte sich dessen/ weil ihm/ sagte er/ unbewust waͤhre/ was der Koͤnig vor ihn erlegen wuͤrde/ wiewol er wegen seiner unvergleichlichen Schoͤn- heit/ umb ein grosses hoͤher als die Jungfer muͤste geschaͤtzet werden; jedoch/ sie weiter nit auffzuhalten/ auch die hefftigkeit seiner Liebe ihnen sehen zulassen/ wolte er sie beyde gleich/ und jeden umb eine Tonne Goldes schaͤtzen/ nach welchem außschlage er erboͤtig waͤhre vor Drittes Buch. vor die Jungfer gleich also baar 50000 Kronen zuerlegen/ und damit aller Ansprache an den Juͤngling sich zubegeben; trat wieder ab/ und baht sehr/ sie moͤchten sich eines Schlus- ses zu seiner Vergnuͤgung vergleichen. Die Parther verwunderten sich des milden erbie- tens/ und sagte Idarnes zu Thymondas; mein Oheim/ ihr sehet ja vor Augen/ dz ihr und Alexandeꝛ nicht gleiche Kauffleute seid/ weꝛdet demnach mit uns beyden zustim̃en/ und um verhuͤtung Guͤter- und Lebensgefahr ihm das Mensch folgen lassen; ich vor mein Haͤupt wil von meinem drittel des gebohtenen Geldes euch so viel zuwenden/ daß ihr 20000 Kronen vol/ zu eurem Anteil heben sollet. Atizies redete ihm auch zu/ und ließ sich verneh- men/ er koͤnte wol leiden/ daß er die helffte des geloͤseten Geldes/ als 25000 Kronen zu sei- ner Vergnuͤgung bekaͤhme: Worauff dieser geizige unhold sich endlich erklaͤrete/ Alexan- der moͤchte sie davor hinnehmen/ nur daß er bey der Lieferung nicht seyn/ und sie ihm die versprochenen Gelder schaffen wolten; dessen sich diese willig erbohten/ und ihn von sich liessen. Nach seinem Abscheide liessen sie Alexander andeuten/ er solte die Gelder/ und zu- gleich die Jungfer herzu hohlen/ inzwischen beredeten sich diese beyde/ wessen sie sich wei- ters verhalten wolten. Der verliebete ließ ihnen alsbald solche Gelder in zehn gleichwichti- gen Beuteln zustellen/ uñ folgete er mit Brelen bald hernach/ des behaͤglichẽ Außspruchs erwartend; da Idarnes/ nachdem er die Gelder in zween gleiche Teile gesetzet hatte/ also anfing: Jungfer Brela; ist es euer guter und freier Wille/ daß ihr von dem Juͤnglinge eurem Oheim geschieden/ und gegenwaͤrtigem aͤdlen Herꝛn/ Herꝛn Alexander als eine Braut und kuͤnfftiges Ehegemahl zugesprochen werdet? Ja/ meine Herꝛen/ antwortete sie. Wol dann/ fuhr jener fort/ so willige ich samt meinen beyden Gesellen in solches euer Ehegeluͤbde/ und stellen euch eure Freyheit nach eurem Begehren hie mit voͤllig zu; wollen auch unsern guten Willen gegen euch sehen zu lassen/ euch mit einer Heimsteur/ nemlich mit der halbscheid dieser gelieferten Gelder begabẽ/ damit ihr nicht gar zu bloß eurem lieb- sten zugefuͤhret werdet/ welches aber ausser uns vieren hiegegenwaͤrtig niemand wissen fol. Atizies stellete ihr alsbald fuͤnff Beutel zu/ und bedanketen die verlobeten sich davor zum hoͤchsten/ wiewol Alexander leicht aus den lezten Worten schloß/ daß Thymondas ihm diesen Kauff nicht goͤnnete/ dessen er sich doch nicht merken ließ. Er meinete aber/ es wuͤrde ihm nun nichts mehr uͤbrig seyn/ als daß er mit seiner Liebsten sich zu Schiffe setze- te/ und nach Padua zu segelte; Die Parther aber erinnerten ihn der Verbuͤndnis/ Kraft deren er gehalten waͤhre mit ihnen biß nach Charas der Hauptstad in Parthen/ ehmahls Hekatompylos geheissen/ zu reisen/ weil ihnen aus vielen Ursachen insonderheit wegen des gefangenen Juͤnglinges/ ein Dolmetscher hoch noͤhtig waͤhre. Dies e r entsetzete sich uͤber dem Anmuhten/ und wendete ein; es hielte solches ihre gemachte Verbuͤndnis durchaus nicht in sich/ hoffete auch nicht/ daß sie ihn zu solcher Reise noͤhtigen wuͤrden/ weil er nicht absehen koͤnte/ was Gestalt er ohn sehr grosse Kosten wieder zuruͤk gehen koͤnte; jedoch ih- ren guten Willen zuerhalten/ und alle Ursach boͤser Nachrede ihnen zu benehmen/ waͤhre er erboͤhtig/ ihnen einen guten Dolmetscher von seinen eigenen Kosten zuschaffen/ und biß nach Charas frey zuhalten/ womit sie verhoffentlich wuͤrden friedlich seyn. Den beyden Parthern wahr dieser Vorschlag lieb/ weil sie sich auff der langen Reise einer Uneinigkeit zwischen ihn und Thymondas befahreten/ nahmen deßwegen sein erbieten an/ und hiessen ihn Drittes Buch. ihn damit eilen; da ihm dann nach vielen umbfragen ein geraubeter Griechischer Juͤng- ling von XXIV Jahren zuhanden sties/ welcher in Lateinscher und den vornehmsten Mor- genlaͤndischen Sprachen ganz fertig wahr/ denselben kauffte er umb 8000 Kronen/ und befahl ihm in Herkuliskus Gegenwart/ niemand als demselben allein getraͤue zu seyn/ und ihn taͤglich in Parthischer/ Medischer und Persischer Sprache fleissig zuunterrichten/ stel- lete ihm 800 Kronen zur ruͤkzehrung biß nach Padua zu/ mit dem teuren versprechen/ daß er ihm daselbst seine Freyheit schenken/ und ihm seine Muͤhe entweder mit 3000 Kronen vergelten/ oder die Verwaltung seiner Guͤter in freier Bedienung uͤbergeben wolte. Als nun dieser alle moͤgliche Traͤue und Auffwartung versprochen hatte/ ging er mit ihm hin zu Idarnes/ und lieferte ihm zugleich 400 Kronen Zehrgeld biß nach Charas/ womit dieses seine gute Richtigkeit hatte. Weil dieses vorging/ hatte Valiska mit Brelen abge- redet/ sie solte Alexandern ihren Stand und Geschlecht nicht zuwissen machen/ biß sie mit ihm uͤber das Syrische Meer/ und zum wenigsten in Zipern waͤhre; hernach sich bemuͤhen/ ihren Herkules oder Ladisla in Kreta und Peloponnesus nachzufragen/ ob sie vielleicht/ wie sie gaͤnzlich hoffete/ schon auff der Fahrt waͤhren/ sie zuerledigen; sonst muͤsten sie nach Padua schiffen/ woselbst sie ohn daß abzulegen willens waͤhren/ und sie daselbst von allem gute Nachricht haben wuͤrden; koͤnten alsdann mit eigenem Bohten ihrer Fr. Mutter zuwissen machen/ in was Stande sie lebete/ jedoch daß ihr gute Hoffnung ihretwegen ge- macht wuͤrde. Schließlich/ sagte sie/ da ihr Herkules oder meinen Bruder antreffet so zei- get ihnen an/ daß ich/ als lange mein Geschlecht kan verborgen gehalten werden/ Herku- liskus/ nachgehends aber Herkuliska heissen wil/ und werde nicht unterlassen/ dieses Zei- chen an die Waͤnde und Tuͤhren in Staͤdten und Doͤrffern zumahlen/ und an die Baͤume zu schneiden/ weßweges ich reise/ auff daß meine Nachsucher iu etwas nachricht haben/ und mir nachfragen koͤnnen. Jungfer Brela weinete sehr/ daß sie von ihrem Fraͤu- lein hinweg scheiden solte/ versprach alles auffs fleissigste außzurichten/ und weder Muͤhe noch Kosten zu sparen/ damit ihr koͤnte gedienet seyn/ naͤhete auch das vorgemahlete Zei- chen in ihre Kleider/ es desto eigentlicher zu behalten. Alexander kam nach guter verrich- tung wieder zu ihnen/ und redete mit Herkuliskus/ weil er gaͤnzlich entschlossen waͤhre den teur geleisteten aͤid den Raͤubern zuhalten (welcher dieser wahr/ dz sie an keinem Orte Roͤ- misches Gebiets dessen ichtwas melden oder anzeige tuhn wolte/ was sie von den Raͤubern wuͤste/ damit sie nicht in Ungelegenheit kaͤhmen) so wuͤste er durchaus vor sich kein Mittel/ ihn auß ihren Haͤnden loßzumachen/ duͤrffte sich dessen auch gegen sie im allergeringsten nicht verlauten lassen; vermahnete ihn aber/ da ihm Gelegenheit zustossen wuͤrde außzu- reissen/ solte er seine Flucht anfangs gegen Norden wenden/ uñ hernach immer der Son- nen Untergang folgen/ biß etwa an das Euxinische Meer/ aus welchem man in das E- geische biß gar nach Kreta schiffen koͤnte. Herkuliskus antwortete ihm; der Goͤtter Gna- de waͤhre ihm tausendmahl lieber/ als sein eigen Leben/ und was dem anhaͤngig waͤhre/ wolte deßwegen den geleisteten aͤid nimmermehr brechen/ noch den Parthischen Herren einige Ungelegenheit durch verraͤhterey zufuͤgen/ sonst koͤnte er leicht ein Mittel zu seiner voͤlligen Freyheit finden/ wann er nur bey der Obrigkeit dieses Orts sich als ein Freund des Roͤmischen Kaͤysers anmeldẽ liesse; vor die Unterrichtung des Ruͤkweges auff den gluͤc- kes Drittes Buch. kes Fall seiner Flucht bedankete er sich/ und taht Jungfer Brelen Befehl/ von Padua nicht zuweichen/ biß sie Zeitung seines besseren zustandes haben wuͤrde. Diese wahr so herzlich betruͤbet/ daß sie dem Fraͤulein kein Wort antworten kunte/ herzete und kuͤssete sich mit ihr ganz innig/ daß Alexander daher schier argwoͤhnische Gedanken haͤtte fassen sollen/ da daß Fraͤulein sie troͤstete/ und endlich mit ihrem Braͤutigam zu Schiffe gehen hieß/ dann der gute Wind und ihr Schiffman fo derte sie an/ welcher sie in kurzer zeit in Zipern brachte. Die Parthischen Herren zogen des tages nach Alexanders Abscheid in Geselschafft 100 Kauffleute auch fort/ und hatten ihre Schaͤtze auff Kamehl und Maul Esel geladen. Herkuliskus muste seinen Siz auff einem Kamehl unter einem breiten Schirm nehmen/ daß er weder von den Sonnenstrahlen moͤchte getroffen/ noch von andern gesehen werden; die uͤbrigen alle reiseten zu Pferde/ mit Geschoß und anderem Gewehr wol versehen/ ohn daß Timokles stets bey ihm auff dem Kamehl bleiben/ und ihn in den Morgenlaͤndischen Sprachen zum fleissigsten unterweisen muste/ wozu er uͤbeꝛauß grosse Begierde hatte/ und in wenig tagen darinnen dergestalt zunam/ daß sein Lehrmeister sich dessen verwunderte/ wie wol er dessen sich gegen die Parther nicht merken ließ. Ihren Weg nahmen sie gerade auff Damaskus zu/ von darab ferner nach dem Eufrat/ da sie durch Mesopotamien zogen/ biß sie uͤber den Tigerfluß in Assyrien kahmen; wohin wir sie wollen reisen lassen/ und Ale- xanders gnte Verrichtung erzaͤhlen/ dem seine liebste in Zypern ihrer Fraͤulein Valisken eigentlichen Zustand entdeckete/ woruͤber er sich uͤberaus bestuͤrzet befand/ von Herzen wuͤnschend/ daß er solches zu Tyrus haͤtte wissen moͤgen/ damit er ihrer Erloͤsung sich be- muͤhen koͤnnen/ welche in Anwendung aller seiner Beute/ ihm nicht leicht solte gefehlet ha- ben/ wie wol den Parthen ungezweiffelte Lebensgefahr darauff stuͤnde/ wann ihr Koͤnig dessen ichtwas in Erfahrung bringen moͤgen. Eines betraurete er am meisten/ daß ihres Geschlechtes Vertuschung nicht lange bestehen wuͤrde/ massen entweder seine vorige Ge- sollen selbst/ oder zum wenigsten Artabanus Aerzte nicht umhin koͤnten/ ihn zubeschauen/ wann er zum verschnittenen solte gemacht werden. Hingegen trauete Brela den Goͤttern/ sie wuͤrden daß liebe gottfuͤrchtige Fraͤulein in Schuz halten/ und alle Schande gnaͤdig von ihr abwenden; ihr einiger Wunsch nur ging dahin/ daß sie Herkules oder Ladisla an- treffen moͤchte; weil sie dann in Zypern denen vergeblich nachfrageten/ fuhren sie mit sehr gutem Winde nach Kreta/ und laͤndeten durch Gottes schickung bey Gnossus an/ woselbst Valikules wegen Gallus Verwundung sich bißdaher auffgehalten hatte/ und des folgen- den tages abzusegeln willens wahr. Daselbst kehꝛete nun Alexander in ein Wirtshauß ein/ welches vol Griechischer Kauffleute wahr/ deren etliche er kennete/ und daher sich bald hinweg machete/ damit er nicht erkennet/ und wegen seines verbrechens zu Athen/ in Haft genommen wuͤrde; geriet zu gutem Gluͤk in Valikules Herberge/ gleich da man Mittags- mahl halten wolte/ gruͤssete die Anwesende freundlich/ und ward von ihnen hinwieder wilkommen geheissen. Bey wehren der Mahlzeit sahen Valikules und Gallus die Jung- fer fleissig an/ und gedauchte sie/ dieselben mehr gesehen haben/ kunten sich doch nicht erin- nern/ wo und zu welcher Zeit/ biß endlich Gallus sich besan/ vom Tische/ als haͤtte er etwas zubestellen/ auffstund/ und nachgehends unter dem Schein/ als wolte ein fremder jhn spre- chen/ seinen Herrn abfodern ließ/ zu dem er sagete: Gn. Herr/ ich muß sehr irren/ oder ebẽ P p p diese Drittes Buch. diese ist die Jungfer/ welche wir nebest dem Fraͤulein im Flecken vor Padua gefangen bekommen/ daher ich nicht unterlassen koͤnnen/ ihrer Gn. es anzudeuten. O ja/ mein Gott/ antwortete er/ sie ist gewißlich Jungfer Brela/ die ich zu Prag offt gesehen/ und Li- bussa uͤberdas mich berichtet hat/ daß sie mit dem Fraͤulein hingefuͤhret sey. Aber ach Gott! was bedeutet dieses/ daß ich sie/ und nicht auch das Fraͤulein alhie sehe? Sie muß entwe- der tod/ oder in ander Raͤuber Haͤnde gerahten seyn; ließ darauff einen schweren Seuff- zer und sagete: O du barmherziger Gott/ betruͤbe mich doch nicht zu sehr/ mit so trauriger Zeitung. Gallus troͤstete ihn mit guter Hoffnung/ und koͤnte man nach gehaltener Mahl- zeit gelegenheit gnug haben/ sie deßwegen zubefragen; setzeten sich wieder zu Tische/ uñ kun- ten wegen Furcht und Hoffnung keiner Speise mehr geniessen. Die Begierde aber/ wel- che Valikules antrieb/ wolte der Mahlzeit Endschafft nicht abwarten/ deswegen er nach geb ehtener Verzeihung die Jungfer auff Griechisch fragete/ von wannen sie kaͤhme/ und wohin sie gedaͤchte; bekam aber von Alexandern zur Antwort: Sie verstuͤnde die Grie- chische Sprache fast wenig/ weil sie aus den Nordischen Laͤndern waͤhre/ und nur etwz La- teinisch zusprechen wuͤste. Er wiederhohlete darauff seine getahne Frage mit Lateinischen Worten/ da sie meldete/ sie waͤhre neulich aus Zypern gefahren/ und gedaͤchte nach Italiẽ/ dahin sie von ihren Freunden erfodert waͤhre. Hieraus verstund er leicht/ daß sie nicht wil- lens wahr/ sich einem Fremden erkennen zugeben/ uñ argwohnete zugleich aus ihrer Trau- rigkeit/ es muͤste nicht recht umb sein Fraͤulein stehen; fing deswegen auf Teutsch zu ihr an/ und sagte: Hochaͤdle Jungfer/ dafern meine Augen mich nicht betriegen/ habe ich sie vor wenig Monaten am Pragischen Hofe in Boͤhmen gesehen; ist sie nun dieselbe/ und veꝛste- het meine Sprache/ wolle sie mir solches nicht leugnen; dann ich bin ein Teutscher/ und nicht ohn gefehr dieser oͤrter angelanget. Brela ward voller Freuden/ da sie die Teutsche Sprache hoͤrete/ und antwortet auff teutsch: Ja mein Herr/ ich bin warhafftig dieselbe/ und erfreuet meine Seele sonderlich/ daß in diesen fremden Laͤndern ich einen bekanten Menschen antreffen sol; aber ich bitte sehr/ mein Herr wolle ohn verweilen mich verstaͤn- digen/ ob er etwan dem teuren Fuͤrsten Herrn Herkules bedienet sey/ und ob dessen Durch- leuchtigkeit dieser ends anzutreffen/ dann seinetwegen habe ich diese Reise eigentlich aus Geheiß seines allerliebsten Freundes auff mich genommen. Hier aus erkennete er/ daß das Fraͤulein annoch im Leben waͤhre/ und antwortete ihr: Sie moͤchte sich biß nach gehalte- ner Mahlzeit gedulden/ alsdann wolte er ihr von diesem Fuͤrsten etwas Zeitung sagen. Kein Mensch wahr zugegen/ der diese Sprache verstund/ wiewol Alexander alsbald waͤh- nete/ er wuͤrde ein Teutscher/ und Fuͤrst Herkules Bedienter seyn; durffte doch nicht fra- gen/ weil er hoͤrete/ daß er gut Griechisch und Latein redete. Brela merkete seine Begierde/ und wolte ihm etwas Kundschafft geben/ daher sagete sie zu ihm: Mein Herr/ dieser wird uns Unterricht erteilen/ woselbst wir unserm Gluͤcke nachfragen sollen. Worauff er ant- wortete: So werde ich diesem Herrn meine kuͤnfftige Gluͤkseligkeit zudanken haben; fol- gete bald hernach auff Valikules begehren/ auff sein absonderliches Gemach/ woselbst Gal- lus mit ihm sprachen muste/ biß er in einem Neben Gemache die angestrichene Farbe von Haaren/ Angesicht und Haͤnden hinweg getahn hatte/ worauff er zu ihnen hinein trat/ und von der Jungfer straks angesichts erkeñet ward/ die ihm ehrerbietig entgegen trat/ in mey- nung/ Drittes Buch. nung/ sich vor ihm auff die Knie zusetzẽ; aber er fassete sie unter die Arme/ kuͤssete sie fꝛeund- lich/ und sagte: Meine vielwerte Freundin/ ich erfreue mich von Herzen ihres Wolerge- hens/ und bitte/ mir zusagen/ wie es dem Durchleuchtigsten Fraͤulein gehe/ ob sie lebendig oder tod sey. Mein Durchleuchtigster Groß Fuͤrst/ antwortete sie/ mein gnaͤdigstes Fraͤu- lein ist Gott Lob annoch frisch und unverletzet an Gesundheit und Ehren/ aber in Raͤuber Haͤnden; wendete sich damit umb/ und sagte zu Alexander: Da sehet ihr den Durchleuch- tigsten Groß Fuͤrsten/ Herrn Herkules/ den wir eigentlich suchen/ und von ihm meiner gn. Fraͤulein Erloͤsung gewaͤrtig sind. Alexander neigete sich tieff vor ihm/ und baht untertaͤh- nigst umb Verzeihung/ daß Ihrer Durchl. er die gebuͤhrliche Ehre nicht angetahn haͤtte; baht nachgehends/ ihn unter die Zahl seiner gehorsamsten Knechte anzunehmen/ wolte in seiner Gn. Diensten sein Leben willig enden/ weil er der unseligen Gefaͤngniß der Durchl. Fraͤulein mit ursach waͤhre. Er aber boht ihm die Hand/ neben Erinnerung/ ihn mit der- gleichen Fuͤrstlicher Ehre noch zur Zeit zuverschonen/ weil er unerkant seyn wolte; begeh- rete nachgehends/ ihm kuͤrzlich zuerzaͤhlen/ wie es dem Fraͤulein von der Zeit ihrer lezten Gefaͤngniß her ergangen waͤhre/ welches die Jungfer gerne leistete/ und da sie gleich der eingeschnittenen Woͤrter in den Walnusbaum dieses Eilandes Erwaͤhnung taht/ trat Gallus nach abgelegter Farbe wieder zu ihnen hinein/ welchen sie ersehend/ vor Zorn und Eifer erroͤhtete/ und zu Herkules sagete: Durchl. Fuͤrst/ dieser ist der vornehmsten Raͤubeꝛ einer/ die mein Fraͤulein zu allererst geraubet haben/ und erinnere mich noch wol/ mit was schnoͤden Lumpen uns dasmahl zubedecken/ er anordnete. Meine Freundin/ antwortete eꝛ/ es ist ihm also/ aber er hat schon davor voͤllig gebuͤsset/ und wie er schuld traͤget an ihrem Verlust/ also muß er sie mir wiederumb suchen helffen. Das ist wol eine wunderliche schic- kung/ sagte sie; dann dieser/ auff Alexander zeigend/ ist auch deren einer/ die uns im Walde geraubet/ und ich habe ihn/ meinem Gn. Fraͤulein zugehorsamen/ zum Braͤutigam anneh- mẽ muͤssen/ nachdem Ihrer Gn. er getraͤulich verheissen/ Eurer uñ Koͤnig Ladisla Durchll. nachzufragen/ und denen ihren Zustand zu hinterbringen; fuhr hernach in voriger Erzaͤh- lung fort/ und was ihr sonst von dem Fraͤulein anbefohlen wahr/ da sie endlich anzeigete/ dz sie nach dem Parther Lande zu/ schon vor XIV Tagen von Tyrus wuͤrde auffgebrochen seyn. Endlich fragete sie/ wo Libussa blieben waͤhre/ welche Gallus absonderlich mit sich hin- weg gefuͤhret haͤtte/ und erfuhr von Herkules/ daß er sie noch desselben Tages gerettet/ und nach Padua zihen lassen/ woselbst sie seiner Anordnung nach noch eine zeitlang verweilen duͤrffte/ baht demnach/ sie moͤchte mit ihrem Liebesten dahin reisen/ und bey Libussen werbẽ/ daß sie ihm einige Wechsel auff 60000 Kronen nach Tyrus uͤbermachete. Nein/ dessen bedarff es nicht/ antwortete sie/ massen mein Liebster eine zimliche Baarschafft bey sich fuͤh- ret/ wovon Eure Gn. nach belieben nehmen mag. Wahr also Alexander bald fertig/ neben Gallus die Gelder aus seinem Gemache zuhohlen/ mit erbieten/ da Ihre Gn. etliche Ton- nen Goldes begehreten/ koͤnte sie deren bemaͤchtiget seyn. Er aber bedankete sich des guten Willens/ haͤtte vor dißmahl genug an diesem/ weil er schon eine zimliche Baarschafft bey sich fuͤhrete; verfertigte nachgehends etliche Schreiben nach Padua/ und brachten den uͤ- brigen Tag mit allerhand Gespraͤche zu/ da ihm Alexander die Reise nach Charas/ so viel moͤglich wahr/ beschrieb/ und nachgehends seinen Unfall klagete/ welcher ihn aus seinem P p p ij Vater- Drittes Buch. Vaterlande von Athen hinweg getrieben haͤtte/ moͤchte wuͤnschen/ daß Ihꝛe Durl. bey dem Kaͤyserl. Stathalter zu Padua wolte befoderlich seyn/ daß er daselbst frey und unangefoch- ten sich auffhalten/ oder seine Landguͤter loßzuschlagen bemaͤchtiget seyn koͤnte; Worinnen er ihm gerne zu willen wahr/ endlich ihnen einband/ nirgends zumelden/ daß sie so nahe in Kreta bey ihm gewesen waͤhren/ sondern solten davor Zypern nennen; moͤchten aber ihre Reise auff Korinth nehmen/ und Markus seinen Zustand verstaͤndigen/ insonderheit den Verlauff mit dem falschen Ladisla und Herkules. Des folgenden Morgens/ da er von A- lexander eine schriftliche Unterrichtung genommen/ wes Weges die Parthen mit dem Frl. nehmen wuͤrden/ ging er zu Schiffe/ und segelte froͤlich nach dem Judischen Lande/ fuhr in- wendig zwoͤlff Tagen unter Gaza an/ welche Stad eine halbe Meile zu Lande ein von dem Ufer gelegen ist/ woselbst er bey einem Christlichen Wirte einkehrete/ und den vornehmsten Lehrer zu sich bitten ließ/ welcher ihm eine Predigt halten/ und mit ihm speisen muste/ nach- dem er ihm 300 Kronen unter die Armen/ und 200 unter die Lehrer auszuteilen/ zugestellet hatte; nam auch von ihm allen Bericht ein/ was vor eine Beschaffenheit es dieser Zeit im Judischen Lande haͤtte/ daß nehmlich Kaͤyser Elius Adrianus vor 93 Jahren eine Stad auff einen Teil des Platzes der verstoͤreten Stad Jerusalem aufgebauet/ und nach seinem und des Abgottes Jupiter Capitolinus Nahmen Ælia Capitolina genennet/ woselbst er so wol auff der Stelle des Salomonischen Gottes Hauses/ als auff dem Berge Golgatha/ heydnische Kirchen erbauet/ woruͤber dazumahl die Juden dergestalt er grimmet waͤhren/ daß sie unter ihrem betrieglichen falschen Messias Bar-Kochba/ einen blutigen Krieg wi- der die Roͤmer angefangen/ aber iñerhalb zwey Jahren gedaͤmpffet/ und ihrer viel tausend erschlagen worden/ da nachgehends derselbe Kaͤyser vor den Tohren dieser neuen Stad/ Saͤue/ und andere den Juden verbohtene Bilder einhauen lassen/ auch alle Juden aus dem gelobten Lande vertrieben/ daß nur Heyden und Christen sich daselbst auffhalten duͤrf- fen; Doch haͤtten die Juden mit grossen Kosten so viel Freyheit zuwege bracht/ daß ihnen erlaͤubet worden/ jaͤhrlich am X Tage des Augst Monats nach Jerusalem zukommen/ und ihres Reichs Untergang zubeweinen/ biß sie vor dreyen Jahren wiederumb die Freyheit von dem jetzigen Kaͤyser erhalten/ in diesen Laͤndern unter einem Judischen Vorsteher zu- wohnen/ der gleichwol des Roͤmischen Stathalters Botmaͤssigkeit unteꝛworffen seyn muͤ- ste. Die Reise nach Tyrus koͤnte innerhalb sechs Tagen abgeleget werden/ weil von Gaza nach Jerusalem XI Meilen/ und von dar ab nach Tyrus XXV Meilen waͤhren/ doch wañ er die vornehmsten Oerter des Landes besehen wolte/ wuͤrde mehꝛ Zeit darzu gehoͤren. Va- likules hoͤrete alles mit Lust an/ weil ihm wenig hievon bewust wahr/ und nach dem er mer- kete/ daß dem guten Manne an Lebensmitteln gebrach/ schenkete er ihm noch 200 Kronen/ und baht/ sein im gemeinen Gebeht zu gedenken/ daß ihm Gott zu seiner Reise/ wegen Er- loͤsung einer unschuldig gefangenen angestellet/ Gluͤk geben wolte; in seiner Ruͤkreise solt e die Kirche dieses Orts seine dankbare Mildigkeit weiter spuͤren; bestellete des dritten A- bends einen Christen/ dem die heiligen oͤrter zwischen Gaza und Jerusalem wol bekant wa- ren/ und reisete folgendes Tages mit Gallus nach Bethlehem/ da sie nicht ohn Traͤhnen sahen/ wie die Heyden das Haus der Abgoͤttin Venus besuchten/ welches Kaͤyseꝛ Adrianus den Christen zur Schmach daselbst hatte auffrichten lassen/ und in demselben viel Unzucht getrie- Drittes Buch. getrieben ward. Sie kehreten sich aber in herzlicher Andacht zu Gott/ und danketen ihm/ daß er seinen lieben Sohn alhie haͤtte wollen lassen zur Welt gebohren werden; liessen sich hernach eine Viertelmeile von der Stad gegen Suden zu dem Turm Eder fuͤhren/ bey welchem der grosse Engel des HErrn den armen Hirten im Felde die freudenreiche Ge- burt des lieben Jesuleins verkuͤndiget hatte; hernach kehreten sie wiederumb zuruͤk gegen Norden/ da man ihnen auff der andern Seite der Stad eine Viertelmeile von dannen/ dz Grab Rahel zeigete. In der Stad sahen sie des Jesse/ Davids Vaters Begraͤbniß/ und nahmen von dar ab ihren Weg nit straks gegen Norden auff Jerufalem zu/ sondern wen- deten sich gegen Osten/ Bethanien zubesehen/ da sie des von den Todten erwecketen Lazarus Grab/ und Simon des Aussaͤtzigen Haus ihnen zeigen liessen. Von dannen gingen sie fol- gendes Tages die halbe Meile biß nach Jerusalem zu fusse gegen Westen zu uͤber den Oel- berg/ eben den Weg/ auff welchem der Herr Christus seinen Koͤniglichen Einzug auff ei- nem Esel gehalten hatte/ da sie allen Bericht fleissig einnahmen/ wo der Garte Gethsema- ne gelegen/ in welchem Christus Blut geschwitzet und gefangen worden; an was Orte er uͤber die Bach Kidron gefuͤhret; wo das Tempel- und Schaf Tohr gewesen; wo Hañas/ wo Kaiphas Wonung/ wo Pilatus Richthaus gestanden/ da der HErr verspottet/ gegeis- selt/ und mit Dornen gekroͤnet wahr. Leztlich liessen sie sich auff den Berg Golgatha leiten/ da die heydnische Kirche stund/ an welche sie sich doch nicht kehreten/ sondern fielen auf ihre Knie/ uñ verrichteten ihr Gebeht etliche Stunden/ da Valikules unter andern dieses hielt. O du Sohn des ewigen Gottes/ der du samt deinem Vater und Heiligem Geiste eines Wesens bist; dir danke ich aus tieffestem Abgrunde meiner Seelen/ daß du mich armen Sünder so hoch geliebet/ und umb meiner Seligkeit willen dein unschuldiges heiliges Blut am Stamme des Kreuzes auff die- sem Berge hast vergiessen wollen/ der ich sonst ewig verdamt und verlohren seyn muͤssen. O du barm- herziger Gottes Sohn/ sihe nicht an meinen vorigen heydnischen Unglauben/ noch was ich aus Flei- sches Schwach- und Boßheit jemahls wider deinen heiligen Willen begangen habe/ sondern von alleꝛ meiner Untugend wasche mich mit deinem teuren Blute/ und erhalte mich im bestaͤndigen Glauben/ und beharlicher Gottseligkeit/ daß ich durch Fleisch und Blut mich nicht verfuͤhren lasse/ deinem Wil- len zuwiderstreben/ und deines Verdienstes mich unfaͤhig zumachen. Gib auch Gnade zu meiner vor- genommenen Reise/ und erhalte mein geliebtes Fraͤulein beym Leben/ auff daß sie aus den Haͤnden der schnoͤden Raͤuber/ und des unzuͤchtigen Gottlosen Koͤniges erloͤset werden/ und an ihren Ehren unverlezt bleiben moͤge O du mein Heyland/ laß sie doch zum wenigsten nur so lange im Leben/ biß sie durch deines Heil. Geistes Krafft im seligmachenden Glauben unterrichtet werde/ damit wegen der heydnischen Greuel sie nicht in die hellische Verdamniß falle/ sondern ein Kind des ewigen Lebens sey und bleibe. Ist es auch dein gnaͤdiger Goͤttlicher Wille/ so zeug meinen geliebten Ladisla/ meine herz- liebe Eltern/ Geschwistere und Anverwanten/ daß sie von Verachtung deines hochheiligen Nahmens abstehen/ und die allen Suͤndern angebohtene Gnade empfahen. Dieses mein Gebeht wollest du O mein Erloͤser gnaͤdiglich erhoͤren/ umb deines Blutes und Todes willen/ Amen. Nachdem er dieses und dergleichen Gebehter mit haͤuffigen Traͤhnen und inbruͤnsti- ger Andacht gesprochen hatte/ legte er sich in eine geringe Herberge/ und nach zween Ta- gen ließ er sich bey dem Bischoff daselbst anmelden/ der ihn bald zu sich foderte/ uñ freund- lich empfing; er hinwieder bezeigete sich gegen ihn als einen Vorsteher der Kirchen Got- tes sehr ehrerbietig/ und offenbahrete ihm in vertrauen/ daß er von Fuͤrstlichen Eltern in Teutschland gebohren/ und durch Unfal gefangen nach Rom gefuͤhret/ woselbst er durch P p p iij Gottes Drittes Buch. Gottes sonderliche schickung zum Christlichen Glauben bekehret worden; und ob er gleich damahls ihm vorgenom̃en/ nach dem heiligen Lande zu reisen/ und sich im Jordan taͤuffen zu lassen/ waͤhre ihm uͤberdas eine Ursach zuhanden gestossen/ die solche Reise beschleuni- get haͤtte/ in dem eines Koͤniges Tochter/ seine nahe Anverwandtin von Parthischen Raͤu- bern hinweg gefuͤhret waͤhre/ die er zu erloͤsen suchete; hoffete demnach/ ihre Ehrwuͤrden solches sein Christliches Vorhaben befodern wuͤrden/ zu welchem ende er sein Christliches Bekaͤntnis tuhn wolte; fing demn ach an von der Schoͤpffung/ vom Stande der Unschuld menschliches Geschlechtes/ und von dem elenden Suͤndenfalle zureden/ wie duꝛch des Teu- fels Neid und List der Mensch in die Suͤnde gerahten/ doch durch Gottes Barmherzig- keit in seinem Falle getroͤstet/ in dem der Messias und Heyland aller Welt/ der gesegnete Weibessame ihm versprochen worden/ welcher der hellischen Schlangen den Kopff zu- treten/ und durch sein Leyden und Tod vor unsere Suͤnde buͤssen und bezahlen solte/ wie er dann in der voͤlle der Zeit aus dem Leibe der keuschen Jungfrauen Marien zu Bethlehem an diese Welt gebohren waͤhre/ haͤtte durch seine goͤttliche Krafft viel Zeichen und Wun- der sehen lassen/ und alles daß uͤberfluͤssig geleistet/ wz von ihm duꝛch Mose und die Prophe- ten geweissaget worden/ da doch/ dessen alles ungeachtet/ seine eigene Verwanten daß Ju- dische Volk ihn verworffen/ verfolget/ gelaͤstert/ endlich gar ans Holz gehenket haͤtten/ waͤhre aber von Gott aufferwecket am dritten Tage/ und nach XL Tagen gen Himmel ge- fahren/ da er sich zur Rechten Gottes gesetzet/ und mit uns Menschen den Bund gemacht/ daß wir durch den Glauben an ihn die ewige Seligkeit erlangen/ und nach seinem Wil- len uns in guten heiligen Wercken der Christlichen Liebe uͤben solten/ biß er am Juͤngsten Tage wieder kom̃en wuͤrde/ zu richten die Lebendigen und die Todten/ also und dergestalt/ daß die Glaͤubigen und Frommen als Gottes liebe Kinder alsdann in die himlische ewi- ge Freude eingehen; die Unglaͤubigen und Gottlosen aber der unendlichen hellischen Ver- damnis solten zugesprochen werden. Diese Stuͤcke alle miteinander wuste er dermassen auß der heiligen Schrifft darzutuhn und zuerweisen/ daß der Bischoff sich dessen zum hoͤchsten verwunderte/ insonderheit als er vernam/ daß vor anderthalb Jahren er von die- sem Glauben noch kein Wort gehoͤret haͤtte/ und gab ihm zur Antwort: Durchleuchtiger Fuͤrst/ und in unserm Heylande geliebter Sohn; daß unser Gott nach seiner unaußsprech- lichen Gnade und Barmherzigkeit auß der graͤulichen Finsternis der heidnischen Blind- heit euch zur erkaͤntnis seines lieben Sohns/ und zum Lichte des Lebens gebracht hat/ sol- ches erwaͤget ihr billich mit dankbahrem Herzen/ massen euch ein groͤsseres in dieser Welt nicht wiederfahren koͤnnen/ in betrachtung der erschroͤklichen Hellenpein/ auß welcher ihr durch dieses einige Mittel zur himlischen Seligkeit gebracht seid; dann weil ihr nunmehꝛ Gott Lob eurem Heylande anhanget/ und durch den Glauben ihm einverleibet seid/ habt ihr an der Seelen Wolfahrt foͤrder durchaus nicht zuzweiffeln/ weil er der Mund der Warheit selber spricht; daß alle die an ihn glaͤuben/ nicht sollen velohren werden/ sondern das ewige Leben haben; Und er zu dem Ende in diese Welt kommen sey/ selig zu machen was verlohren wahr. Als ich nun aus eueꝛ Christlichen Bekaͤntnis wol vernommen/ daß ihr in der reinen seligmachenden Lehre/ von den Rechtglaͤubigen zu Rom/ die mit uns einen Glauben haben/ zur Gnuͤge unterrichtet seid/ waͤhre es unbillich/ und wieder mein Gewis- sen/ Drittes Buch. sen/ da ich in euer Christliches begehren nicht einwilligen/ und euch die heilige Tauffe ver- sagen wuͤrde; moͤget mir demnach die Zeit und den Ort bestimmen zu diesem Christlichen heilsamen Werke/ alsdann ich euch einen alten Gottfuͤrchtigen Lehrer zuordnen wil/ der euch dieses koͤstliche Seelenbad mitteilen/ und in die voͤllige Gemeinschafft der Christli- chen algemeinen Kirchen euch einfuͤhren sol; worauff ich euch folgends mit dem wahren Leibe und Blute eures Erloͤsers/ zur staͤrkung eures Glaubens und zur vergewisserung der Seligkeit speisen werde. Der Almaͤchtige Gott und Vater unsers Herꝛn JEsus Christ verleihe euch seinen heiligen Geist/ daß ihr nach erhaltener Tauffe des fleisches Werke und die uͤppigen Weltluͤste stiehen und meiden/ und dagegen die Fruͤchte des lebendigen Glau- bens/ in der Gottseligkeit/ Hoffnung/ Geduld und allen anderen Christlichen Tugenden/ in eurem ganzen Leben hervor geben moͤget/ alsdañ werdet ihr das wolangefangene Werk ritterlich und standhafftig volfuͤhren/ und nach dieser Vergaͤngligkeit die Krone der Ehren empfahen/ da ihr erst recht erkennen und empfinden werdet/ was Paulus saget: unser Zeit Leiden ist der Herligkeit nicht wert/ die an uns sol offenbahret werden. Valikules dankete ihm sehr/ und baht/ auff naͤhst folgenden Tag Anordnung zur Tauffe zumachen/ welche er gerne zu Bethabara empfangen wolte/ wie auch gegenwaͤrtiger sein Diener Gallus. Der- selbe trat nun auch herzu/ taht seines Glaubens Bekaͤntnis/ und in des Bischoffs Gegen- wart beichtete er Gott dem Herꝛn seine begangene schwere Suͤnden/ welche er ehemahls durch Verleugnung seines Heylandes/ nachgehends durch Morden/ Rauben und ande- ren vielfaͤltigen uͤbeltahten wieder die heiligen Geboht Gottes begangen/ welches alles er mit heissen Traͤhnen beweinete/ auch Gott von Herzen dankete/ daß er ihn ganz wunder- bahrer Weise davon abgezogen haͤtte/ uñ gelobete zugleich an/ durch Kraft und Beystand des Heiligen Geistes/ solche Werke des Satans hinfuͤro zu meiden/ und durch keine Wie- derwertigkeit/ wie die auch Nahmen haben moͤchte/ sich von seinem grundguͤtigen Hey- land und Erloͤser treñen zulassen. Worauff ihn der Bischoff mit herlichen Spruͤchen des goͤttlichen Worts troͤstete/ in welchen Gottes unendliche Gnade und Barmherzigkeit an- gedeutet wird. Des andern Tages sehr fruͤh/ machten sie sich zu Fusse nach Bethabara/ vier Meilen von Jerusalem belegen/ dan ich wil/ sagte Valikules/ nicht dahin reiten oder fahren/ wohin mein Erloͤser der Sohn Gottes umb meinet willen zu Fusse gangen ist; weil aber der Taͤuffer alt und unvermoͤgen wahr/ ritte er auff einem Esel neben ihnen her. Als sie bey der Tauffstaͤte anlangeten/ woselbst unser Heyland vor 197 Jahren sich hatte Taͤuf- fen lassen von Johannes Zacharias Sohn/ und Valikules hinein stieg/ die Tauffe zu em- pfangen/ behtete er diese kurze andaͤchtige Worte: O du mein Heyland JEsus Christ/ ich dan- ke dir von Herzen/ daß du mich diesen heilsamen Tag hast erleben lassen/ an welchem ich durch daß Ba d der Wiedergeburt erneuret/ und dir zugefuͤhret werde. Ach gib uñ verleyhe/ daß ich nach empfangeneꝛ Tauffe mich ja nicht mit groben Lastern wieder mein Gewissen besudele/ sondern behersche mich mit deinem Heiligen Geiste in meinem ganzen Leben/ und erhalte mich im rechtschaffenen Glauben und Christlichen Wandel zu der ewigen Seligkeit Amen. Recht so/ mein geliebter Sohn/ sagte der alte Taͤuffer/ so stellet ihr euch als ein wirdiger Gast zu dieser heilsamen Gnade ein. Es ist zwar vor den Augen der Unglaͤubigen ein einfaͤltiger Gebrauch/ und kan Fleisch uñ Blut nicht begreiffen/ wie es zugehe/ das durch dieses aͤusserliche Waschen die Seele innerlich gerei- Drittes Buch. gereiniget werde; aber wer in Gottes Wort unterrichtet ist/ und seine blinde Vernunfft dem Gehorsam des Glaubens zu unterwerffen weis/ ist der seligmachenden Krafft dieses Bades schon gnug versichert/ weil uns Paulus lehret/ dz wir dadurch gerecht werden und Erben des ewigen Lebens. Wañ ich nu diesen ganzen Weg heꝛ solche gelehrte uñ andaͤch- tige Glaubens Gespraͤche von euch angehoͤret habe/ die mich eures Christentums uͤbrig ver- sichern/ wil mir nicht gebuͤhren/ euch dieses Bad zuversagen; deßwegen so taͤuffe ich euch auß Befehl meines lieben Heylandes JEsus Christ/ in dem Nahmen Gottes des Vaters/ und des Sohns/ und des Heiligen Geistes. Alsbald darauff empfing auch Gallus die hei- lige Tauffe/ nachgehends hielten sie ihr Gebeht eine gute Stunde am Ufer kniend/ kehre- ten hernach zu Bethabara ein/ und blieben dieselbe Nacht aldar. Des folgenden Morgens machten sie sich zu Fusse wieder nach Jerusalem/ und kunte der Taͤuffer des jungen Herꝛn Andacht bey dem Bischoff nicht gnug ruͤhmen/ der das H. Abendmahl des Herꝛn mit ihnen hielt/ und von dessen Einsetzung/ Wirdigkeit und Nutzen eine lehrreiche Predigt anstellete/ nach deren Endigung Valikules diese beyde Geistliche mit sich in die Herberge fuͤhrete/ und bey sich zum Abendessen behielt/ da er ihnen erzaͤhlete/ was grosse Schaͤtze ihm sein Gott in bestuͤrmung eines Raubnestes bescheret/ davon er nach Christus Befehl sei- nen Neben Christen gerne mitteilete; lieferte auch alsbald dem Bischoffe 3000 Kronen/ halb unter die Armen/ und halb unter die lernende Jugend außzuteilen; dem Taͤuffer gab er 300/ und dem Bischoffe 700 Kronen; weil aber dieser solches vor sich gar nicht neh- men wolte/ einwendend/ daß er unverheyrahtet waͤhre/ und Lebensmittel gnug haͤtte/ baht Valikules/ es unter die uͤbrige Geistligkeit außzuteilen. Des folgenden Morgens besuch- te er den Bischoff gethaner Verheissung nach/ in seinem Hause/ welcher ihm etliche schoͤ- ne Buͤchlein verehrete/ so teils von Geminus/ damals hochberuͤmten Obristen Lehrer zu Antiochia/ teils von Origenes/ der auch zur selben Zeit lebete/ geschrieben wahren/ und er- lustigte er sich nicht wenig an den schoͤnen Geistlichen Schrifften/ welche er sonst bey ihm sahe; dann da fand er die herlichen Bucher des Dionyfius Areopagita/ des Ignatius/ des Polykarpus/ des Hermes/ des Maͤrterers Justinus/ unter welchen ihm dieses Lezten seine Schutz-Schrifften sonderlich wolgefielen/ die er vor etliche funffzig Jahren hatte ausgehen lassen. Er sahe des Athenagoras/ des Theophilus/ sechsten Bischoffs zu Antio- chia nach Petrus; des Ireneus/ des Tertullianus/ des Alexandrinischen Kirchen Lehrers Klemens/ und vieler anderen mehr; In welche Buͤcher er sich dergestalt verliebete/ daß er dem Bischoff 3000 Kronen zustellete/ ihm davor die vornehmsten abschreiben zulassen/ welche er mit Gottes Huͤlffe bey seiner Ruͤkreise abfodern wolte; wuͤnschete daneben/ der- eins Mueß zuhaben/ daß er sie durchlesen koͤnte; nam endlich von dem Bischoffe freund- lichen Abscheid/ und befahl sich in sein andaͤchtiges Gebeht/ welcher ihn biß auff die Gasse geleitete/ und vor die den Armen erzeigete Mildigkeit hoͤchlich dankete. Als sie nun haussen vor der Tuͤhr ein wenig mit einander sprache hielten/ sahe Valikules/ daß der Bischoff als vor Angst erbleichete/ wolte auch ohn Ausfuͤhrung seiner Rede zuruͤk ins Haus treten; woruͤber sich Valikules bekuͤmmerte/ und ihn fragete/ warumb er sich so geling uͤbel befuͤn- de. Dieser antwortete ihm halb zitternd: Er saͤhe dort einen sehr frechen und verwaͤgenen Juden herkommen/ einen Erzfeind des Christlichen Nahmens/ welcher ihm zur Geissel gegeben Drittes Buch. gegeben waͤhre/ und von ihm/ so offt er ihm begegnete/ uͤbel gescholten und angespeiet wuͤr- de/ waͤhre auch wegen grosser Erfahrenheit in Waffen/ so hochmuͤhtig/ daß er fast jederman hoͤhnete. Ehrwuͤrdiger Herꝛ/ sagte Valikules/ ich bitte euch hoͤchlich/ weichet diesem Hun- de nicht/ stehet euch dann ein Spott zu umb des Glaubens willen/ so tragets mit Geduld; doch hoffe ich/ wo ers tuhn wird/ es solle ihn bald gereuen. Der Bischoff fassete hiedurch ein Herz/ und trat unerschrocken etwas weiter hin auff die Gasse/ um zuerwarten/ wz ihm begegnen wuͤrde; da der Jude/ so bald er ihm nahete/ auf seine Sprache zu ihm sagte: Gott chaͤnde dich Verfuͤhrer/ spie ihn auch ins Angesicht; woruͤber Valikules sich so hefftig ei- ferte/ daß er ungeredet die Hand zog/ und ihn ins Gesichte schlug/ daß er taumelte/ sagte heꝛ- nach zu ihm: Je du Gottloser Bube/ was hastu diesen frommen Herrn so schaͤndlich zu verhoͤhnẽ/ der mir zu liebe biß hieher getretẽ ist? Der Jude erhohlete sich bald/ fiel auf Va- likules zu/ in meynung/ ihn bey der Kehle zufassen und zuerwuͤrgen; aber er wahr ihm mit seinem Schwerte zu behende/ hielt ihm solches auff die Brust/ und sagete: bald packe dich/ und hohle deine Waffen/ wo du Streit begehrest/ so wil ich dir dessen satt geben. Es gehub sich der Jude nicht anders/ als waͤhre er von Sinnen kommen/ und schwuhr bey dem wah- ren lebendigen Gott/ er muͤste von seinen Haͤnden sterben/ und in kleine Bißlein zerhacket werden; weil er aber solcher Draͤuworte wenig achtete/ hieß er ihn fortmachen/ weil er nit lange der weile haͤtte auff ihn zuwarten. Also muste dieser vor dißmahl die Ohrfeige ver- schlucken/ die er doch schwer zuraͤchen gesinnet wahr/ und ihn deswegen hoch beschwuhꝛ/ dz er nicht ausreissen/ sondern ihm die Ausfoderung halten solte/ ging auch alsbald hin/ sich zuwapnen. Dem Bischoff wahr diese Begebniß herzlich leid/ und fuͤrchtete sehr/ es wuͤrde Valikules dem trotzigen Juden lange nicht gewachsen seyn/ daß er ihn schon so gut als er- schlagen hielt. Er aber troͤstete ihn/ mit Versicherung/ es wuͤrde der gerechte Gott diesem Gotteslaͤsterer schier die verdiente Straffe auflegen; jedoch/ weil ihn der Bischoff warne- te/ daß ob er gleich diesem ansiegen solte/ wuͤrden ihn doch die anderen Juden lebendig zer- reissen/ da verfuͤgete er sich alsbald hin nach dem Roͤmischen Stathalter desselbigen Or- tes/ Herrn Kajus Pompejus/ meldete ihm Herꝛn Fabius zu Padua bruͤderlichen Gruß an/ und gab ihm zuverstehen/ er waͤhre ein Roͤmischer Ritter/ und von Roͤmischer Kaͤyserl. Hocheit in die aͤdlesten Geschlechter zu Rom angenommen/ haͤtte aber gleich diese Stun- de auff freyer Gasse einen Schimpff von einem verwaͤgenen Juden annehmen muͤssen/ welches er mit einer Ohrfeige gerochen; Weil dann der Jude solches durch offentlichen Kampff zueifern gemeynet waͤhre/ als baͤhte er den Hochansehnlichen Herrn Stathalter/ als einen Großberuͤhmten Vorsteher der Gerechtigkeit dienstlich/ die Anordnung zutuhn/ daß er nicht etwa von dem heillosen Juden Gesindle/ unredlicher weise uͤberfallen wuͤrde/ sondern wider unbillichen Gewalt Schutz haben moͤchte. Herr Pompejus sahe unsern Valikules an/ verwunderte sich uͤber seiner schoͤnen Gestalt/ hoͤflichen Geberden und groß- geherzter Rede/ dankete ihm freundlich vor den uͤberbrachten angenehmen Gruß/ und hieß ihn der ends sehr wilkommen seyn/ mit dem versprechen/ weil von Kaͤyserl. Hocheit er so hoch geehret/ mit seinem Bruͤderlichen Freunde Herr Fabius in guter Freundschaft stuͤn- de/ und wider einen Juden zukaͤmpffen willens waͤhre/ wolte er mit einer starken Schaar seiner Besatzung selbst dabey seyn/ und auff alles gebuͤhrliche Auffsicht haben; dessen ihn Q q q Vali- Drittes Buch. Valikules dienstlich dank sagete/ ging damit hinweg/ und verfuͤgete sich wieder zu dem Bischoffe/ den er fleissig baht/ ihm die Freundschafft zuleisten/ und dem Streite zuzusehen; Er hoffete diesem Schaͤnder dergestalt abzulohnen/ daß er nach diesem sich vor ihm nicht mehr solte zubefuͤrchten haben. Dem Bischoffe gingen vor Erbarmung und Mitleiden die Augen uͤber/ zeigete ihm an/ wie herzlich er sich bekuͤmmerte/ daß er mit diesem Baum- starken Juden den ungleichen Kampff antreten solte/ der so mannichen redlichen und tapf- feren Ritter nidergelegt haͤtte/ daß niemand/ der ihn kennete/ sich an ihm reiben wolte. Er hingegen troͤstete ihn/ und daß man nicht allein im wolergehen/ sondern auch in Gefaͤhrlig- keiten sich auff Gottes Schutz und Huͤlffe verlassen muͤste; Er waͤhre zwar noch jung/ haͤt- te aber doch dergleichen Wagestuͤcken schon unterschiedliche erlebet; setzete sich damit auff sein gutes Pferd/ welches ihm Gallus zufuͤhrete/ und ritte dem Stathalter entgegen/ der mit seinen Kriegsknechten schon daher kam. Kurz darauff ließ der Jude mit acht Gewap- neten sich auch sehen/ und ward gewahr/ daß der Stathalter neben seinem Feinde hielt; Dieses einige schreckete ihn ab/ daß er ihn nicht auff der Gasse uͤberfiel. Herꝛ Pompejus sa- he den Juden/ und kante ihn/ sagte deswegen zu Valikules: Herr Ritter/ Vorsichtigkeit und Krafft wird euch noͤhtig seyn/ da ihrs mit diesem antreten wollet/ desgleichen in Waf- fen wenig zufinden ist/ so daß unterschiedliche ansehnliche Ritter/ lieber einen Schimpf von ihm annehmen/ als mit ihm anbinden wollen. Mein Herr/ antwortete er/ solte in einem Juden wol rechtschaffene Tugend seyn/ deren hoͤchstes nur in rasichter Wuht bestehet? Er mag biß daher mit seinem viehischen Trotze durchgedrungen haben/ obs aber wahre Ritterschaft oder tumme Verwaͤgenheit sey/ sol mit meines Gottes huͤlffe er mir noch heut einen schaͤrfferen Beweißtuhm sehen lassen/ als der in Schaͤndung geistlicher Lehrer beste- het. Nun so helffe euch euer Gott/ sagte er/ und hilfft er euch/ muß ich freylich sagen/ daß er kein unvermoͤgender Gott sey; sendete auch alsbald einen Haͤuptman an den Juden/ wel- cher sich Ben-Levi nennete/ uñ geboht ihm: da er streiten wolte/ solte er sich hinaus uͤbeꝛ die Bach Kidron machen/ wohin sein Ausfoderer ihm folgen wuͤrde. Dieser bisse die Zaͤhne im Kopffe zusammen/ sendete einen Juden wieder hin zu dem Stathalter/ und gab durch denselben zur Antwort: Er muͤste dem Herrn Stathalter billich gehorsamen/ baͤhte aber/ den verwaͤgenen Buben anzuhalten/ daß er ihm nicht entlieffe. Daß ich kein Bube/ er abeꝛ ein schlimmer Schaͤnder ist/ sagte Valikules/ sol sich wils Gott schier ausfuͤndig machen/ und hat er sich meines entlauffens nichts zubefahren; dann ich habe bißher meinen Faͤu- sten mehr als den Fuͤssen getrauet. Soltet ihr wol derselbe seyn/ antwortete der abgeschikte gewapnete Jude/ der Ritter Ben-Levi einen Trotz bieten duͤrffte? Wolte Gott/ ich moͤchte als viel ein unerfahrner an seiner stelle stehẽ/ wie wuͤrdet ihr mir so gute Worte geben muͤs- sen/ wann ihr den Kopff davon bringen woltet. Reite fort Jude/ sagte Valikules/ und hin- terbringe meine Antwort/ wozu du abgefertiget bist/ vielleicht gibt es Gelegenheit/ daß du deines Wunsches gewehret werdest. Das helffe mir Gott/ antwortete er; ging fort/ und baht Ben-Levi/ daß er ihm den Streit goͤnnen moͤchte; welches er ihm aber abschlug. Va- likules baht den Stathalter/ daß gegenwaͤrtigem Christlichen Lehrer moͤchte vergoͤnnet seyn mit hinaus zugehen/ und den Kampff anzusehen/ weil eꝛ von diesem Juden ohn alle ge- gebene Ursach zum hoͤchsten beleidiget waͤhre. Der Bischoff waͤhre zwar lieber daheim geblie- Drittes Buch. geblieben/ weil seinem vorgeben nach/ er bey streit- und kaͤmpffen nichts zuschaffen haͤtte/ durffte es aber dem Stathalter nit abschlagen/ welcher sich nicht gnung verwundern kun- te/ daß Valikules in solchem jungen Alter so frisch und unerschrocken war/ welches er doch alles seiner Unwissenheit zuschrieb/ und daß er dieses streitbahren Juden keine Kundschaft hatte. Als sie uͤber die Bach kahmen/ waͤhlete Valikules den Ort zum Kampffe/ da vorzei- ten der Garte Gethsemane gewesen wahr/ ritte hin zu Ben-Levi/ schlug seinen Helm auff/ und redete ihn also an: Nun sage mir Jude/ ob dich der Hohn gereue/ welchen du jenem frommen Christlichen Lehrer angetahn hast/ so wil ich den gelindeꝛn Weg mit dir gehen/ wo nicht/ so mache dich bald auff die Bahn. Dieses seine Beysteher fingen der Rede uͤberlaut an zulachen/ und spien veraͤchtlich aus; der Ausgefoderte aber vermeynete des anmuhtens vor Zorn zubersten/ und antwortete mit grausamer Stimme: O du elender Wurm/ wie werde ich mich nur an dir einzigem gnug raͤchen? Ritte darauff selbst zu dem Stathalter/ und sagte: Er hoffete ja/ daß ihm als einem Ritter/ der sich bißher in Roͤmischen Kriegen ruͤhmlich gebrauchen lassen/ vergoͤnnet seyn wuͤrde/ mit seinem Feinde nach Rittersbrauch zuhandeln. Ja wol ist solches zugelassen/ antwortete er/ aber nichts weiters/ sintemahl euer Bestreiter ein aͤdler Roͤmischer Ritter ist. Hiemit kehrete sich der Jude gegen Valikules/ der festen Einbildung/ ihn des ersten Rittes niderzulegen; Sie fasseten beyde ihre Speere/ und wolten sich des Schildes nicht gebrauchen; dann als Valikules sahe/ daß jener den seinen von sich gab/ reichete er Gallus den seinẽ auch hin; Welches der Stathalter sehend zu seiner Geselschafft sagete: Trauen dieser junger Ritter hat wenig Furcht in seinem her- zen/ und wil sich gar keines Vortels gebrauchen/ welches ihm wol koͤnte zugelassen seyn; waͤhre demnach immer schade/ daß er in dieser bluͤhenden Jugend drauff gehensolte/ und in den ersten Lehr Jahren bleiben. Inzwischen ranten diese mit solchem Eifer zusammen/ daß die Lufft zischete/ und im Treffen beyde Speere splittersweise in die Lufft flogen/ dz auch Valikules hinter sich zubeugen gezwungen ward/ welches ihm vor nie begegnet wahr. Deꝛ Jude aber ward so unsanfft auff die Erde geworffen/ daß die Zuseher nicht anders meyne- ten/ er waͤhre schon tod. Herr Pompejus sahe dieses Wunder/ und sagte: Dieser junge Held ist wirdig/ daß er von aller Welt geehret werde. Es lief aber des Juden Pferd seineꝛ Gewohnheit nach auff Valikules zu/ schlug und beiß nach ihm/ daß er muͤhe hatte/ sich sein zuerwehren/ schaͤmete sich doch das Schwert deswegen zuentbloͤssen/ und gab ihm mit dem uͤbrigen Speerstuͤcke etliche Streiche hinter die Ohren/ daß es als rasend von dem Kampf- platze hinweg lief. Unterdessen bekam der Jude Zeit sich zuerhohlen/ stund auff/ und schaͤ- mete sich uͤber die masse/ daß er durch einen Stoß so schaͤndlich gefellet wahr; wolte doch nicht gewonnen geben/ sondern foderte seinen Schild wieder/ fassete das Schwert/ und ging auff Valikules zu/ welcher bald vom Pferde sprang/ und ihm mit diesen Worten ent- gegen trat: Wie nun du unglaͤubiger Jude/ meynestu noch mit einem Buben zuschaffen zuhaben? Was nimstu den Schild so bald wieder zur Hand? Noch ist es Zeit/ Abtrag zu machẽ/ hernach wird keine Gnade mehr uͤbrig seyn. Gallus wolte seinem Herrn dẽ Schild auch darreichen/ aber er nam ihn nicht/ sondern fassete den Dolch in die linke/ und als der Jude als ein ergrimmeter Loͤue auff ihn eindrang/ unterliefer ihm den Streich/ und stieß ihm den Dolch in den linken Arm/ daß er den Schild nicht mehr halten kunte/ sondern ihn Q q q ij auff Drittes Buch. auff die Erde fallen ließ. Dieser sahe/ daß ihm sein Meister uͤber den Hals kommen wahr/ erwog sich auch seines Lebens/ und bemuͤhete sich nur/ seinen Feind mit in den Tod zuneh- men/ daher er ihn mit solchem wuͤten uͤberfiel/ daß die Zuseher etliche Zeit zweifelten/ wohin der Sieg fallen wuͤrde. Valikules aber ließ ihn sich wol abmatten/ gebrauchte hernach sei- ne Kraͤffte und Behendigkeit/ uñ sprang ihm/ ehe er sichs versahe/ auf die Schulder/ schlug ihm die Beine umb die Arme her/ daß er sein Schwert nicht gebrauchen konte/ riß ihm den Helm vom Haͤupte/ sprang wieder von ihm/ und als er sich in sein Lager gestellet hatte/ sag- te er: Wie nun Jude fuͤrchtestu noch/ daß ich dir entlauffen werde? Wiltu noch Abbitte tuhn wegen des angefuͤgten Schimpffs/ so erklaͤre dich kurz. Ich weiß nicht/ antwortete dieser/ ob du ein Mensch oder ein Teufel bist; doch gestehe ich mich zu nichts/ weil ich aller Christen Feind leben und sterben wil/ als deren ich schon mannichen erwuͤrget habe. Ich hoͤre wol/ sagte Valikules/ daß du kein Sadduzeer bist/ weil du Teuffel seyn glaͤubest; und weil du deine uͤbeltahten frey bekennest/ werde ich dich als einen Moͤrder abstraffen; damit ging der Scharmuͤtzel wieder an/ wehrete aber nicht lange/ massen dem Juden das Haͤupt mit einem Streiche biß auff die Schulder von einander gespaltet ward. Da solches der Bischoff sahe/ hub er seine Haͤnde auf gen Himmel/ weinete vor Freuden/ uñ sagete: HErꝛ mein Gott/ dieses ist ja dein Werk. Valikules aber kehrete sich umb zu den anwesenden Ju- den/ und redete sie also an: Ihr Juden/ lasset euch dieses ein Beyspiel seyn/ und scheuhet euch nach diesem/ Christliche fromme Lehrer zubeschimpffen; Ihr wisset was vor Leibes- Staͤrke und Erfahrenheit hinter diesem gestecket/ und dannoch hat mein JEsus ihn duꝛch meine als eines Juͤnglings Hand nidergelegt. Ich moͤchte aber den vorigen abgeschickten wol absonderlich sprechen/ umb von ihm zuvernehmen/ ob sein voriger Wunsch ihm noch nicht entsunken sey/ alsdann sol er dessen gewehret werden. Der freche Bube/ Nahmens Benjamin gab sich alsbald hervor/ und fing mit lauter Stimme an: Hoͤre du Unbeschnit- tener/ du hast/ welches ich an deinen Waffen erkenne/ den Sieg wider den besten Ritter deꝛ Welt durch Zauberey erhalten/ massen man augenscheinlich gesehen hat/ daß dieselben mit deines Feindes Schwerte nicht haben moͤgen verletzet werden/ woran du nicht ritterlich/ sondern als ein Schelm gehandelt hast. Wiltu nun/ daß ich dich bestehen sol/ so lege deine Waffen ab/ und entlehne andere/ oder stelle dich ungewapnet mit Schild und Schwert/ dann sol die Welt bald inne werden/ worin deine Krafft bestehe. Ey du frecher Schaͤnder/ antwortete Valikules/ du komst mir ja mit tollen Auffzuͤgen angestochen; meynestu etwa/ ich verrichte meinen Kampff durch den Schem Hamphoras/ dem ihr so grosse Krafft zu- schreibet? Und was sagestu? habe ich deinen so hochgeruͤhmten Ritter dann auch vom Pferde gezaubert/ da er sich im Sande umweltzete? Damit du aber sehest/ daß mir dein draͤuen nur ein hundisches bellen sey/ so lege bald deine Waffen abe; rief darauff Gallus zu sich/ welcher hinreiten muste/ bey dem Stathalter umb weitere Erlaͤubniß zufechten anzu- halten/ erlangete solche/ ließ ihm die Waffen abzihen/ und ging mit Schild und Schwert auff seinen Feind loß/ welcher mit unerhoͤrter Verwaͤgenheit und blinder Wuht auff ihn anfiel/ und mit lauter Kreuzhieben von sich schlug/ welches ihm Valikules goͤnnete/ und ihm ausweich/ aber hernach eintrat/ und ihm die rechte Faust im Gelenke so eben traff/ daß sie mit samt dem Schwerte auff die Erde fiel/ worauf er sich nicht schaͤmete/ davon zu lauf- fen/ Drittes Buch. fen/ und sich unter einen hauffen Juden/ welche zusahen/ sich zuverstecken. Aber der Stat- halter schikte alsbald einen Haͤuptman ab/ und ließ/ die ihn zwischen sich genommen hattẽ/ bedraͤuen/ dafern sie den entlauffenen nicht alsbald darstelleten/ solten sie alle am Leben ge- straffet werden. Als der abgelauffene solches hoͤrete/ begehrte er von einẽ Juden sein Bꝛod- messer/ nam es in die linke Hand/ und schnitte ihm selber damit die Kehle ab; uͤber welchen Wuht sich Valikules und der Stathalter sehr entsetzeten. Die uͤbrigen bewaffneten Judẽ hielten einen Raht/ ob sie alle zugleich auf Valikules einstuͤrmen/ und ihn niderschlagẽ wol- ten/ ungeachtet sie wieder sterben muͤsten; wahren auch schon eins/ diesen Mordfall zuwa- gen/ aber der Stathalter befahrete ein solches/ und sendete ihnen zehn geharnischte Reuter entgegen/ welches ihren Vorsatz brach/ und Valikules unangegriffen blieb. Derselbe ging nun zu fusse dem Stathalter entgegen/ welcher mit zimlicher eile zu ihm hin ritte/ dem er/ so bald er zu ihm kam/ mit entbloͤssetem Haͤupte vor seine Gegenwart dienstlich dankete/ wel- che ausser allem zweifel ihm Schutz wider seines Feindes Anhang gehalten/ und ihr moͤrd- liches Vorhaben gebrochen haͤtte. Er aber antwortete ihm: Treflicher Ritter/ ich bitte um verzeihung/ dz anfangs ich an eurer gnugsamkeit habe gezweifelt/ nachdem euꝛe Tugend uñ staͤrke ich deꝛmassen beschaffen sehe/ dz ich schuldig bin euch zuehrẽ/ als welcheꝛ von meinem allergnaͤdigstẽ Kaͤyser selbst/ nit unbillich geehret ist; Werdet demnach mir die freundschaft erweisen/ uñ mit mir nach meiner Wohnung reiten. Valikules hingegẽ stellete sich sehr de- muͤtig/ einwendend/ das unverdiente Lob machete ihn nur schamroht/ waͤre schuldig dem Herrn Stathalter auffzuwarten/ und ihn biß an seinen Hof zubegleiten/ zweiffelte auch nicht/ er wuͤrde darauff hochguͤnstige Erlassung von seiner Durchl. erhalten/ weil seine Reise sehr eilig waͤhre. Herr Pompejus nam das Erbieten mit freundlicher Antwort an/ und ritten nach der Stad zu/ da er ihn baht/ seinen Nahmen unbeschweret zumelden/ da- mit er ihn als seinen Freund zu neñen wuͤste. Hierin wolte er ihm nun gerne zuwillen seyn/ und sagte: Mein Herꝛ/ aus gewissen Ursachen nenne ich mich diese Zeit Valikules/ sonst ist mein rechter Nahme Herkules. Herkules? sagte der Stathalter/ umbfing ihn auch mit dem linken Arme auff dem Pferde mit sonderlicher Freundligkeit/ und fuhr also fort: Euch danke ich ihr Goͤtter/ daß ich den trefflichen Helden und Erretter meines Vaterlan- des kennen und ehren sol/ massen ich durchaus nicht zweiffele/ er und kein ander Herkules ist es/ welcher durch gluͤkliche auffreibung der Raͤuber vor Padua/ ganz Italien vom ver- derben befreiet hat. Dieser wunderte sich hoͤchlich/ daß diese Zeitung schon so weit uͤber Meer erschollen wahr/ gereuete ihn auch/ daß er seinen Nahmen genennet hatte/ und gab zur Antwort; daß ich Italien vom Verderben befreien solte/ bin ich viel zu wenig; die Rau- berische Rotte habe ich zwar nach meinem geringen Vermoͤgen helffen angreiffẽ/ wie auch mein bruͤderliche Geselle Ladisla; aber dem Hochmoͤgenden Herrn Stathalter zu Padua und seinem ritterlichen Sohne/ muß die Ehre dieses Sieges billich vorbehalten werden. Nein mein Herr/ sagte Pompejus/ seine hoͤfliche Demuht heisset ihn so reden/ dann nicht allein mein Schwager und bruͤderlicher Freund Herr Fabius/ sondern Kaͤyserl. Hocheit ihr Hoffmeister selbst hat mir alles außfuͤhrlich beschrieben/ auch was vor Ehren-Gedaͤcht- nis den beyden Fremden unvergleichlichen Helden auffgerichtet sind. Freilich hat man uns weit uͤber unser Verdienst und Wirdigkeit erhoben/ antwortete er/ aber uns dadurch Q q q iij zu Drittes Buch. zu ewigen Diensten verbunden/ wann sie nur von uns koͤnten geleistet werden. Damit lan- geten sie vor dem Hofe an/ stiegen ab/ und gingen ingesamt hinein. Der Stathalter hatte seinem Gemahl Fr. Terenzia/ und seinem einzigen Kinde/ Frl. Lukrezien schon zuentboh- ten/ daß er einen vornehmen fremden Herꝛn mit sich bringen wuͤrde/ daher sie sich in der Eile außgeputzet hatten/ warteten auch schon im innersten Platze auff/ denselben zuempfa- hen/ welcher dann mit entbloͤssetem Haͤupte ihnen entgegen trat/ und seine Hoͤfligkeit in ge- berden und Worten gnug spuͤren ließ/ daß sie sich uͤber ihn nicht gnug verwundern kunten; weil er dañ sahe/ daß dieses tages auß seineꝛ Reise nichts werden wolte/ lies er sich von Gal- lus entwapnen/ legte ein zierliches Kleid an/ und befahl die Pferde nach der vorigen Her- berge zubringen/ welches doch der Stathalter nicht zugab/ sondern ließ sie in seinen Mahꝛ- stal zihen/ sendete seine Diener mit Gallus nach seiner vorigen Herberge/ und ließ alle sei- ne Gelder und andere Sachen auff seinen Hoff tragen/ lhn aber fuͤhꝛete er mit sich auff den Essesaal/ weil es hohe Zeit wahr Speise einzunehmen/ setzete ihn gegen Frl. Lukrezien uͤber/ die ohngefehr von XV Jahren wahr/ und erboht sich/ den Christlichen Bischoff gerne zur Mahlzeit zu fodern/ dafern es ihm lieb sein koͤnte/ und ihre Geselschaft umb so viel groͤsser waͤhre. Herkules stellete es zu seinem gefallen/ sagte/ er koͤnte nit laͤugnen/ daß er ein Chꝛist waͤhre/ und diesen Glauben zu Rom gefasset haͤtte/ im welchem er gedaͤchte Gottsellg zu Leben uñ willig zusterben/ deßwegen er mit diesem frommen Lehrer vor zween Tagen Kund- schafft gemacht/ und nach Christlichen Satzungen sich im Jordan haͤtte taͤuffen lassen. Pompejus antwortete ihm: Mein geliebter Herꝛ und Freund/ ob ich zwar Roͤmisches glaubens lebe/ wie meine Vor Eltern/ sehe ich doch mehr auff Tugend als Glaubens un- terscheid/ und wird kein Christ Ursach haben/ uͤber mich zu klagen/ als solte ich ihnen ihrer Lehre halben zusetzen; daß ich aber den Juden in meinem Herzen niemahls hold gewesen/ gestehe ich gerne/ und ist die Vrsach/ daß sie uns unwirdig achten/ mit denen sie essen und trinken solten. Sandte darauff alsbald hin/ und ließ den Bischoff freundlich zur Mahlzeit laden/ welcher dieser Gnade nicht gewohnet wahr/ und leicht gedachte/ es geschaͤhe dem jungen Herrn zu ehren; stellete sich willig ein/ wuͤnschete dem Stathalter gluͤkliche Her- schung/ und neben allen den seinen/ langes Leben; bedankete sich untertaͤhnig der geschehe- nen Ehre und Einladung/ und baht/ ihm und der armen Christenheit mit Gewogenheit und Gnade zugetahn zuverbleiben. Der Stathalter wahr noch nie mit ihm umbgangen/ seine Gottfuͤrchtige Reden aber gefielen ihm wol/ und noͤhtigte ihn niederzusitzen. Auch Herkules stund auff/ und wolte ihm seinen Plaz geben/ welchen er doch nicht nehmen wol- te/ einwendend/ es gebuͤhrete ihm nicht/ sich hohen Fuͤrstlichen Haͤuptern vorzuzihen; wel- ches die Anwesende hoͤreten/ und nicht gedenken kunten/ auß was Landschafft dieser junge Herꝛ seyn moͤchte. Herkules haͤtte lieber gewolt/ daß er dieses Wort stecken lassen moͤgen/ baht auch/ ihn mit uͤberfluͤssiger Ehre zuverschonen/ weil er nur als ein Umschweiffender Ritter/ den Abenteuren in der Welt nachzoͤge. Uber Mahlzeit gab es allerhand Gespraͤch; dann Pompejus wahr ein Weltkluger Mann/ und forschete/ ob auch Weißheit hinter dem jungen Herꝛn steckete/ dessen er aber mehr fand als er hoffen moͤgen/ und sich nicht enthal- ten kunte/ zu dem Bischoff in Syrischer Sprache zusagen; es muͤste ein guͤnstiger Him̃el seyn/ und sehr geschlachtetes Land/ da Weißheit sich bey solcher Jugend fuͤnde. Das schoͤ- ne Fraͤu- Drittes Buch. ne Fraͤulein aber ward gegen ihn so inbruͤnstig verliebet/ daß sie kein Auge von ihm abwen- den kunte/ und uͤber seinen freundlichen Reden/ essens und trinkens vergaß/ welches ihr Vater zeitig wahrnam/ und sich eines mehren daher besorgete. Fr. Terenzia suchte auch Gelegenheit mit ihm zu schwaͤtzen/ und fragete/ wie es ihrem geliebeten Schwager H.Q. Fabius ginge/ welches er kuͤrzlich beantwortete/ er wuͤste nicht anders als wol/ wuͤrde von jederman wert und in ehren gehalten/ und haͤtte neulich seine Tochter Frl. Sophien an seinen nahen verwanten Herꝛn Ladisla verheyrahtet/ weil er sie aus etlicher Raͤuber Haͤn- den ritterlich erloͤset; so hielte sich auch Herr. M. Fabius Tochter/ Frl. Sibylla vom Rom/ bey jetzt gedachter ihrer Wasen auff/ welche aus eines Raͤubers des stolzen Silvans Haͤn- den loßzumachen er das hohe Gluͤk gehabt haͤtte. Ach mein Herr/ sagte Fr. Terenzia/ deß muͤssen euch die Goͤtter lohnen/ dañ dieses Fraͤulein ist meiner leiblichen Schwester Toch- ter/ so ist mein Herꝛ und Gemahl mit Fr. Pompejen zu Padua/ Gebruͤder Kind/ zweiffele auch nicht/ mein Herꝛ Schwager wuͤrde seine einzige wolger ahtene Tochter einem frem- den Herrn nicht geben haben/ dafern er deren nicht wirdig waͤhre. Nach dieses Gespraͤchs Endigung kunte das liebe Fraͤulein sich laͤnger nicht enthalten mit ihm zu sprachen/ bedan- kete sich demnach gegen ihn/ daß er ihrer geliebten Wasen guten Zustand ihr haͤtte anmel- den wollen/ moͤchte wuͤnschen/ die Gelegenheit zu haben/ sie dereins zu sprechen/ haͤtte fast gemeinet/ ihre Frau Wase/ Fr. Sophia wuͤrde ihr die Ehre getahn/ und sie auff ihr hoch- zeitliches Fest eingeladen haben/ weil in der Kindheit sie gar vertraulich umgangen/ und mit einander aufferzogen waͤhren; daher sie nicht anders als Schwestern gelebet. Herku- les antwortete ihr: Vortrefliches hochgebohrnes Fraͤulein/ ich wolte dieses leicht errah- ten haben/ da ich sie erstmahls sahe/ inbetrachtung/ daß sie mit Reden/ Sitten und Geber- den sehr gleich einstimmen; erinnere mich auch/ das sie ihrer Frl. Schwester/ Frl. Lukre- zien unterschiedliche Erwaͤhnung getahn/ zweiffele nicht/ da die geschwinde Eile es nicht verhindert/ wuͤrde mein Fraͤulein vor allen andern zum Hochzeit Fest erbehten seyn; sonst gestehe ich/ das Hochgedachte Frau und Fraͤulein mir in auffrichtiger keuscher Liebe der- massen zugetahn sind/ das unsere Schwester- und Bruͤderliche Freundschafft nimmer- mehr brechen wird. Solches ist mir sehr lieb zu hoͤren/ sagte das Fraͤulein/ wundert mich aber/ warumb mein Herr von so lieben Freunden und aus so lustiger Landschafft sich an diese durch Krieg verwuͤstete oͤrter begeben koͤnnen. Mein Fraͤulein/ antwortete er/ es hat mich trauen Wollust nicht uͤber Meer getrieben/ sondern H. Ladislaen Schwester/ meine sehr nahe Blutfreundin/ ist von etlichen See Raͤubern hinweg nach dem Parther Lande gefuͤhret/ welche ich zu retten suche/ hoffe auch zu meinem Gott/ er werde mir Krafft und Gluͤk verleyhen/ es zum gewuͤnschten Ende zubringen. Ist sie dann ein Roͤmisches Fraͤu- lein? fragete sie. Nein/ sagte er/ sie ist aus einer abgelegenen Landschafft/ welche die Roͤmer vor Barbarisch halten/ aber meiner geringen Urtel nach/ wirdig/ daß die Welt sich ihrer Erloͤsung annehme; ist ihres alters von XV Jahren/ aber solcher Herzhafftigkeit/ daß sie sich nicht hat wollen gefangen geben/ biß sie sieben Raͤuber/ teils mit Pfeilen teils mit dem Schwerte nidergemacht; und weil sie sich vor einen Juͤngling außgegeben und verkleidet/ wird sie auch in solchem Wahn fortgefuͤhret/ dem grossen Parthischen Koͤnige Artaba- nus zur sonderlichen Verehrung/ wegen ihrer Schoͤnheit. So muß selbiges Land ritter- liche Drittes Buch. liche Leute zihen/ antwortete sie/ weil die zarten Fraͤulein dergestalt mit ihren Feinden wis- sen umbzugehen/ uñ wird mein Herr derselben sehr hoch verbunden seyn/ daß er ihr durch so manniche Gefahr so gar einsam folget. Ja mein Fraͤulein/ sagte er/ sie ist mir so nahe verwand/ daß wir einen Großvater gehabt// und da ich von meinem Gott das Gluͤk erhal- ten werde/ sie wieder zu finden/ wil euer Liebe ich versprechen/ dieses Orts mit ihr einzukeh- ren. Es sol mir sehr lieb seyn/ sagte sie/ und wuͤnsche meinesteils daß es bald geschehen moͤge/ werde alsdan bey meinen herzlieben Eltern ansuchen/ ob mir koͤnte erlaubet seyn/ mit ihnen nach Padua zu schiffen/ umb meine Verwanten daselbst zubesuchen. Ihr Vater lachete dessen und sagte zu ihr; Mein geliebtes Kind/ hievon werden wir hernaͤhst zureden haben/ ist es dann sache/ und diesem Herrn nicht zuwieder/ kan ich leicht ein Schiff auß- ruͤsten/ und euch nach Padua bringen lassen. Herkules gab zur Antwort/ er waͤhre seiner hochwerten Fraͤulein stets bereitwilligster Knecht/ deren nach moͤgligkeit auffzuwarten/ er Zeit seines Lebens wolte geflissen seyn. Das gute Fraͤulein kunte seiner freundlichen Reden nicht sat werden/ baht daher nach gehaltener Mahlzeit/ ihr zuerzaͤhlen/ wie sichs mit ihrer beyden Wasen Raubung und Erloͤsung eigentlich zugetragen haͤtte; welches er ih- nen außfuͤhrlich/ wie auch die Bestuͤrmung des Raubnestes beschrieb/ und sie/ bevorab deꝛ Bischoff es mit sonderlicher Lust und Begierde anhoͤreten/ auch sich verwunderten/ wie er so zierlich Latein redete/ da er doch ausser Roͤmischen Gebiet gezeuget wahr. Nachge- hends suchte er Gelegenheit/ bey dem Stathalter umb Schuz der armen Christenheit des Orts bitlich anzuhalten/ und redete ihn also an: Großmaͤchtiger Herr Stathalter/ dafern mir frey stuͤnde/ eine bitte bey demselben abzulegen/ wolte ich demuͤhtige Ansuchung tuhn/ daß er ihm die unschuldige Christenheit dieses Orts bestermassen moͤge lassen anbefohlen seyn/ als lange sie im erbaren Leben verharren/ und ihrer von Gott ihnen vorgesetzeter Obrigkeit in allen Weltsachen gebuͤhrliche Ehr und Gehorsam leisten/ damit sie nicht we- gen des Christlichen Glaubens moͤgen geschaͤndet und verfolget werden; da aber jemand unter ihnen ist/ welcher sich der Boßheit und Laster befleissiget/ wie dann leider auch solche unter ihnen gefunden werden/ vor solche sol meine bitte durchaus nicht gemeinet seyn; nur daß umb etlicher weniger willen/ nicht die ganze Gemeine moͤge Noht und Gefahr leiden. Der Stathalter antwortete ihm: Mein geliebter Herr und Freund/ was er an mich be- gehret/ ist der Billigkeit ohn daß Gemaͤß; er sol sich aber zuversichern haben/ daß die Chri- stenheit dessen geniessen wird/ als lange ich alhie das Stathalter Amt verwalte/ und da ich meinen Nachfolger eben dessen bereden kan/ sol es von mir nicht aus der acht gelassen werden/ dann es verdreust mich nicht wenig/ daß zu Rom und an anderen Orten den Chri- sten so unguͤtlich zugelegt wird/ als verehren sie einen Eselskopf an stat ihres Gottes/ des- sen ich viel anderen Beweißtuhm eingezogen habe; und damit meine Gutwilligkeit ich ei- nesteils auch in der Taht spuͤren lasse/ sol der Bischoff alhie gegenwaͤrtig von mir jaͤhr- lich sechs Fuder Korn/ zehn Ochsen/ 30 Schaffe/ und ein Fuder Wein zu der Lehrer un- terhalt zuheben haben/ so lange ich dieses Amt verwalte; dagegen sollen sie vor Roͤmische Kaͤyserl. Hocheit/ vor des Roͤmischen Reichs auffnehmen/ und vor meine und der meinen Wolfahrt bitten. Der Bischoff stund auff und dankete mit gebogenen Knien und fliessen- den Augen/ nebest dem versprechen/ er und die ganze Christliche Kirche seines Bistuhms wolten Drittes Buch. wolten nicht nachlassen/ Gott im Himmel anzuruffen/ daß er solche milde Gnade hier zeit- lich mit allem Segen/ und dort ewig mit himlischen Freuden reichlich ersetzen wolte; son- sten unterliessen sie ohndaß nicht/ vor Roͤmische Kaͤyserl. Hocheit und ihre vorgesezte O- brigkeit in allen ihren Versamlung e n zu behten. Es ward sonst dieser Tag mit allerhand Gespraͤch zugebracht/ da unter andern der Stathalter unserm Herkules anboht/ daß wañ ihm damit gedienet waͤhre/ wolte er ihm einen offenen Befehl an alle Beamten dieser Moꝛ- genlaͤnder Roͤmisches Gebiets/ gerne mitteilen/ daß sie ihm mit Leuten/ Pferden und Gelde allemahl solten behuͤlflich seyn; dann er hatte solche Zuneigung in so kurzer Zeit auff ihn geworffen/ daß zwischen Vater und Sohn sie nicht herzlicher seyn moͤgen. Herkules be- dankete sich der angebohtenen Huͤlffe/ wolte solches Schreiben zu allem Dank annehmen/ und doch acht haben/ niemande beschwerlich zu seyn. Als der Tag verflossen/ un d es Zeit zur Ruhe wahr/ nahm Herkules von dem Stathalter freundlichen Abscheid/ weil sein Vorhaben die Eile erfoderte/ und er schon durch unterschiedliche Hindernissen auf sei- ner Reise waͤhre auffgehalten worden; Aber Herr Pompejus verwieß ihn zuvor an sein Gemahl und Tochter/ bey denen er solches erstlich suchen wuͤrde. Er hatte ihm vorgenom- men/ ohn weiter verweilen fortzugehen/ fuͤrchtete aber sehr/ auffgehalten zuwerden/ deßwe- gen er mit bewaͤglicher Rede zu der Stathalterin sagte: Hochgebohrne Frau; der Ehren mir allhie begegnet/ erkenne ich mich unwirdig/ insonderheit/ weil mirs an gelegenheit feh- let es zuwiederkehren/ hoffe doch/ dereins das Gluͤk anzutreffen/ daß ich ein dankbegieriges Herz/ wo nicht leisten/ doch werde zeigen koͤnnen; Vor dißmahl aber ist meine instaͤndige Bitte/ mich großguͤnstig zuerlassen/ damit durch Versaͤumniß ich nicht schuld tragen moͤ- ge an dem/ was diesem Fraͤulein/ der ich folge/ arges zustossen kan; Im uͤbrigen verbleibe ich meiner gebietenden Frauen ohn Einrede/ verbundener Knecht/ dienstlich bittend/ sie wolle dieses schlechte Ringelein (welches er ihr reichete) zum Gedaͤchtniß meiner Schuld bey ihr behalten/ biß mir gelegenheit zustosset/ es mit einem wichtigern zuverbessern. Frau Terenzia antwortete: Mein hochgeliebter Herr Sohn; wie solte ich dann nicht so bitselig seyn/ etwa eine Woche bey ihm zuerhalten/ damit ich nur Anzeige tuhn koͤnne/ wie genehme Freundschaft er mir in Rettung meiner Wasen geleistet? Zwar es muͤste mir herzlich leid seyn/ wann dem treflichen geraubten Fraͤulein ein mehres uͤber ihre Gefaͤngniß zustossen solte; weil aber eine so geringe Zeit ihr verhoffentlich nicht schaden wird/ weiß ich schon/ dz ein so hoͤflicher Ritter/ mir eine geringe frist nicht kan versagen/ wil auch wegen Gedaͤcht- niß/ deren meiner gantzen Freundschafft geleisteten Dienste diesen Ring gerne annehmen/ dabey ich mich stets erinnern werde/ wie viel meinem Herrn Sohn ich schuldig verbleibe. Herkules sahe wol/ wohin es gespielet wahr/ und weil er Ehrenhalben anders nicht kunte/ versprach er/ den folgenden Tag gehorsamlich zubleiben; Trat hernach zu dem Fraͤulein mit diesen Worten: Hochgebohrnes Fraͤulein/ ich rechne es trauen unter meine hoͤchste irdische Gluͤkseligkeiten/ die grosse Ehrezuhaben/ und in ihre Kundschafft gerahten zuseyn; Da ich nun foͤrder das Gluͤk haͤtte/ in die Zahl ihrer minsten Diener auffgenommen zu- werden/ koͤnte mir angenehmers nicht wiederfahren/ massen uns die Erbarkeit treibet/ da- hin zustreben/ was vor andern geehret zuseyn wirdig ist/ gebuͤhrlich zubedienen. Es tuht mir aber sehr leid/ daß ich keine gelegenheit habe/ deroselben scheinen zulassen/ wie teur und R r r hoch Drittes Buch. hoch ich Zucht und Tugend an ihr und ihres gleichen achte/ getroͤste mich dannoch zu Gott der Gnade/ er mein Leben auch zu ihrem Dienste und Gehorsam sparen werde/ damit man nicht sage oder gedenke/ Herkules sey williger Woltahten anzunehmẽ/ als zuvergeltẽ; zwar wie schlecht mein Vermoͤgen sey/ weiß vielleicht niemand besser als ich; jedoch hat mich noch allemahl dieses gemuhtiget/ daß Tugend und Witz nicht so viel auf Wichtigkeit der Taht als des Willen haͤlt; und weil meiner geraubeten Frl. Wase und Schwester aͤusseꝛ- ste Noht mich zwinget/ Tag und Nacht zueilen/ gelebe ich der gaͤnzlichen Zuversicht/ mein gebietendes Fraͤulein werde meinen Abzug mehr befodern als verhindern helffen. Solte ich aber durch Verguͤnstigung ihrer lieben Eltern uñ ihrer selbst/ ihr ein geringes gedaͤcht- niß meiner aͤussersten Schuldigkeit bieten duͤrffen/ waͤhre meine instaͤndige Bitte/ sie dieses geringfuͤgige paar Armbaͤnder (welche von lauter Demanten schimmerten) ihrem Knecht zu ehren annehmen wolle/ zum minsten/ von wegen der vertraulichen schwesterlichen Lie- be/ mit welcher/ ohn unzeitigen Ruhm zumelden/ ihre hoͤchstgeliebeten Frau und Fraͤulein Wasen mir unwirdigem zugetahn sind. Die Eltern hoͤreten diese Rede an/ und furchten sich/ ihre annoch junge Tochter wuͤrde nicht bestand seyn/ hierauff zuantworten; welche a- ber durch die in ihrem Herzen aufsteigende Liebe satsam unteꝛwiesen/ es also eꝛsetzete: Hoch- beruͤmter Ritter uñ Herr/ da so wol mir als meinen geliebeten Wasen sein Stand eigent- lich bekant seyn wuͤrde/ wolte ich mich befleissigen/ ihn der gebuͤhr zuehren/ weil aber mein Herꝛ noch zur Zeit ein umschweiffender Ritter wil gehalten seyn/ muß nach seinem Willẽ ich mich billich richten. Die erzeigete Ehre/ deren mein Herr sich dermassen hoch bedanket/ ist trauen viel zu schlecht/ daß sie sol genennet werden/ massen uns ja Zeit muͤste vergoͤnnet seyn/ da wir vor geleistete Dienste und Rettung der unsern/ in etwas dankbar seyn solten; Uberdas fodert mein Herꝛ an mich/ ihn unter meine Diener anzunehmen/ deren ich doch keine habe/ und mir schwer fallen wuͤrde/ mich seines gutẽ Willens zuversichern/ gestaltsam er nur eilet von uns zuscheiden. Daß meine geliebte Wasen ihn in sonderliche Vertrau- ligkeit auffgenommen/ darzu sind sie gnugsam verbunden/ nachdem sie ihm Ehr und Leben zudanken haben; erkenne auch daher/ wie viel meinem Herrn ihretwegen ich schuldig bin. Zwar seiner vortreflichen Fraͤulein Wasen Erloͤsung zuhemmẽ/ wil mir keines weges ge- buͤhren; wie aber/ wann mein Herr/ etwa im heutigen Kampffe eine Wunde empfangen haͤtte? muͤste er derselben nicht abwarten? Ich meines teils goͤnne ihm dieselbe nicht; abeꝛ er gedenke/ bitte ich/ als ob er ein acht oder zehn Tage betlaͤgerig seyn muͤste/ und leiste in- zwischen uns alhie in Gesundheit so viel angenehmere Geselschafft/ alsdann werden wir meines Herrn erbieten nicht vor ein blosses erbieten halten; Das angebohtene par Arm- baͤnder ist zu koͤstlich/ einer unverdienten zuschenken/ wann aber meine liebe Eltern nit wi- dersprechen/ nehme ichs von ihm als einem in Ehren hochwerten Freunde an/ und wie es das erste ist/ mir von einem fremden geschenket/ sol mirs nicht unangenehm seyn/ da ich nur wissen moͤchte/ wie ein Fraͤulein es wieder zuverschulden gehalten sey; jedoch was hierin meiner Jugend Unverstande abgehet/ werden meine liebe Eltern zuerstatten ihnen ange- legen seyn lassen. Herkules bedankete sich der Ehren/ wendete ein/ er waͤhre in Hoffnung gestanden/ bessere Gnade des abscheidens bey seinem gebietenden Fraͤulein anzutreffen/ uñ fuͤnde sie noch viel gestraͤnger als ihre Eltern selbst; weil er dann ihrer Fr. Mutter einen Tag Drittes Buch. Tag gehorsamete/ wolte er ihrer Liebe des andern Tages auffwarten/ unter der Hofnung/ sie wuͤrden seine Eile nicht der Grobheit/ sondern der Noht zuschreiben/ ausser welcher er manniche Jahr ohn einige Wegerung sich in ihren Diensten wolte finden lassen. Herr Pompejus merkete aus seiner Ernsthafftigkeit/ daß weiteres noͤhtigen ihm nur wuͤrde veꝛ- drießlich seyn/ bedankete sich demnach der beyden versprochenen Tage/ jedoch mit dem be- dinge/ daß auff schier folgende gluͤkliche Ruͤkreise er dergleichen Eilfertigkeit sich begeben wuͤrde/ und wuͤnscheten ihm hier auff eine gluͤkselige Nacht. So bald die Eltern Abscheid genommen hatten/ nahete sich das Fraͤulein zu ihm/ und fragete mit gar anmuhtigeꝛ Rede/ wie und warumb er doch so schleunig hinweg eilete/ und ihr nicht goͤnnen wolte/ gleichmaͤs- sige Kund- und Freundschafft zumachen/ wie ihre Wasen; Sie haͤtte nun diese Armbaͤn- der empfangen/ da sie ihn kaum gesehen/ nnd wuͤrde ihr nicht Zeit gegoͤnnet/ sich zubedenkẽ/ auf was weise ihre Dankbarkeit anzustellen waͤhr. Herkules spuͤrete ihre gute Gewogen- heit gar wol/ wolte ihr aber keine Ursach einiger Hoffnung geben/ und nach gebohtenem Handkusse antwortete er ihr also: Mein hochwertes Fraͤulein/ Gott ist mein Zeuge/ daß ich hoͤchstwichtige Ursachen habe/ mit meiner Reise moͤglichst zueilen/ sonsten waͤhre ich ja schuldig/ ihr und den lieben ihrigen/ als lange es ihnen belieben wuͤrde/ auffwaͤrtig zu seyn; Ich versichere aber mein Fraͤulein/ dafern Gott mein Leben sparen wird/ sie dieses Orts wieder zu sprechen/ und alsdann so schleunig nicht hinweg zueilen. Das schlechte Geschen- ke ist der Vergeltung viel zu unwirdig/ massen es nur zum Gedaͤchtniszeichen angesehẽ ist. Ja mein Herr/ sagte sie/ er hat sich wol zuversichern/ daß kein Mensch dieser Welt lebẽ sol/ der mir diese angenehme Gedaͤchtniß mit meinem Willen entfremden wird/ werde es auch von diesem Tage an umb meinen Armen tragen/ und da er bey seiner gluͤklichen Wieder- kunfft sie an dieser stelle (auf ihre Arme zeigend) nicht finden wird/ wil ich in seine wilkuͤhr- liche Straffe verfallen seyn. Hiemit wuͤnschete sie ihm eine ruhige Nacht/ ging nach ihreꝛ Eltern Kammer/ und legete sich auff ihr gewoͤhnliches Bette. Das Feur aber/ welches sie in ihrem Herzen empfand/ machte sie die Nacht uͤber sehr unruhig/ und wie hefftig sie sich auch zwang/ kunte sie doch ihr anliegen so gar nicht verbergen/ daß ihre Eltern dessen nicht solten wahr genommen haben/ die doch/ ihrer Zucht gnug trauend/ sich dessen nicht merken liessen. Dagegen wuͤnschete Herkules/ daß die versprochenen Tage schon moͤchten geendi- get seyn/ und da er des Morgens fruͤh auffstund/ befahl er Gallus die Pferde fertig zuma- chen/ dann er waͤhre willens/ ein wenig zur Lust auszureiten. Dieser gehorsamete willig/ uñ in dem er alles verfertigte/ erinnerte ihn des Stathalters Diener/ sein Herr haͤtte sich wol vorzusehen; dann es waͤhren gestriges Abends etliche unbekante gewesen/ die fleissig nach seinem Auffbruch gefraget/ und was Weges er reisen wuͤrde. Gallus taht es seinem Herꝛn bald zuwissen/ der hieraus unschwer urteilete/ es muͤstẽ etliche Juden ihm aufflauren/ ging zu dem Stathalter/ und berichtete ihn dessen/ baht auch/ er moͤchte ihm seinen Anschlag ge- fallen lassen/ indem er zum schein gleich jezt auffbrechen/ und den Weg nach Emahus vor sich nehmen wolte; koͤnte er nun einer Anzahl Reuter bemaͤchtiget seyn/ die ihm von ferne folgeten/ zweifelte er nicht/ er wuͤrde gar bald etliche Juden antreffen/ die einen moͤrdlichen Anschlag auff sein Leben gemacht haͤtten. Herr Pompejus erschrak dessen/ ließ ihm doch diese Meynung wolgefallen/ und gab einem seiner Ausreiter Befehl/ sich des Weges un- R r r ij vermer- Drittes Buch. vermerket zuerkuͤndigen/ welcher bald wieder kam/ und berichtete/ daß ihm unterschiedliche Geselschafften/ von zehn und mehr Mannen auffgestossen waͤhren/ welche alle mit gutem Gewehr wol versehen/ und er sie vor Juden hielte. Darauff ließ der Stath alter in aller stille 80 Reuter fich ruͤsten/ uñ auf allen fall fertig seyn. So bald Herkules mit seinem Gal- lus wolgewapnet hinaus ritte/ sahe er vorm Tohr einen leichten Reuter/ welcher/ so bald er ihrer ansichtig ward/ Spornstreichs davon rante; dessen Gallus inne ward/ und es seinem Herrn zeigete/ der sich doch nichts daran kehrete/ sondern sanftmuͤhtig fortritte/ biß er sechs Reuter hinter einem Pusche nach der Linken zu gewahr ward/ welche/ so bald sie ihn sahen/ auf ihn zusetzeten/ daher Gallus von seinem Herrn eriñert ward/ das Gewehr fertig zu hal- ten/ und jenen nach den Faͤusten zusehen; ritte also fort/ und taht/ als gingen diese ihn nicht an; doch da sie naheten/ gruͤssete er sie mit ernsthafften Geberden/ uñ fragete/ ob dieser Weg nach Emahus truͤge. Ihr Fuͤhrer fragete hinwieder/ was er da zuschaffen haͤtte? Darauf habe ich mich noch zubedenken/ antwortete er/ ob ich euch antworte/ massen ich mir nicht einbilden kan/ daß ihꝛ von der Landes Obrigkeit hieher gesetzet seyd/ reisende Leute zurechtfeꝛ- tigen. Wol/ sagte dieser/ so werde ich dir antworten muͤssen/ weil ich sehe/ daß der Trotz dir noch nicht vergangen ist/ und versichere dich demnach/ daß du nach Emahus nimmermehr kommen wirst/ fielen auch zugleich/ teils mit Streit Axten/ teils mit kurzẽ Schwertern ganz grimmig und verwaͤgen zu ihm ein/ daß Gallus im ersten Scharmuͤtzel am linken Schen- kel sehr gefaͤhrlich verwundet waꝛd. Herkules seumete sich nicht/ schlug ihrer zween von den Pferden/ ehe die andern es recht inne wurden/ empfing aber auch eine tieffe Wunde in die rechte Schulder von einer Streit Axt/ daß er wol empfand/ er das Schwert in die Harre nicht wuͤrde fuͤhren koͤnnen. Gallus erlegte auch einen/ und machte sich an den Fuͤhreꝛ/ wel- chen er aufhielt/ so viel seine Verwundung es zulassen wolte. Sein Herr hatte sich zweyer zuerwehren/ und taht ihnen so gedrange/ dz sie endlich beyde zu bodem stuͤrzten/ gleich da die 80 Reuter daher stuͤrmeten/ weil sie des Gefechtes zeitig wahren inne woꝛden/ und nahmen den Juden/ der Gallus Meister schier worden waͤhre/ gefangen/ welcher schon suchte/ sich selbst zuentleiben. Er ward wegen des moͤrdlichen uͤberfalls befraget/ wolte aber nichts be- kennen/ biß man ihm einen Strik umb den Kopff legete/ und mit einem Stecken zudrehete/ da verriet er den Anschlag/ es haͤtten noch 112 Gewapnete Juden zu Fusse den Weg nach Emahus besetzet/ und sich verschworen/ keine Kleider abzulegẽ/ biß Ben-Levi tapferes Blut an seinem Moͤrder gerochen waͤhre. Darauf gab ihnen Herkules den Raht/ es solten ihrer 40 umhin hauen/ und von Emahus her sie ausspuͤren/ auch die sie lebendig bekommen koͤn- ten/ gefangen nehmen/ und die uͤbrigen nidermachen; Die andern aber solten noch etwas stille halten/ hernach des Weges nach Emahus langsam fortreiten/ und sich gegen die be- wehreten Juden gleich so bezeigen; Er vor sein Haͤupt wolte ihnẽ gerne die huͤlfliche Hand bieten/ muͤste aber wegen harter Verwundung umkehren/ und neben seinen Dieneꝛ sich veꝛ- binden lassen; nahm doch zween Reuter mit sich/ welche den Gefangenẽ fortschleppen mu- sten. Als er auff des Stathalters Hof ritte/ sahe ihn das Fraͤulein ganz blutig daher kom- men/ dessen sie sehr erschrak/ und ihm entgegen rief: O Herꝛ Herkules/ wie gehet diß zu? wie seyd ihr so blutig? Es hat keine sonderliche Gefahr/ mein Fraͤulein/ antwortete er/ wann ich nur bald einen guten Wund Arzt haben kan. Es wahr bald einer verhanden/ und kam der Stat- Drittes Buch. Stathalter auch herzu gelauffen/ welcher ihn vom Pferde heben ließ/ weil er zimlich kraft- los wahr. Da man ihm den Harnisch und das Wammes abgezogen hatte/ sahe der Arzt/ daß der Schade nicht zuverachten wahr/ und hatte anfangs grosse Muͤhe/ das Blut zustil- len/ biß er selbst seinen/ ihm von Frl. Valisken zugeschikten koͤstlichen Ring hervor suchen ließ/ welcher noch das beste taht/ wiewol er wenig Blut bey sich uͤbrig hatte/ daher/ wie fest er sich auch zuhalten meynete/ er endlich der Ohmacht weichen muste; welches das liebe Fraͤulein sehend/ ihre Zuneigung nicht bergen kunte/ sondeꝛn mit ihm zugleich dahin sank/ daß kein Lebenszeichen an ihr erschien; weil man aber allerhand kraͤfftige Wasseꝛ zur hand hatte/ wurden sie endlich wieder erquicket/ und das Fraͤulein/ wiewolwider ihren Willen/ hinweg gefuͤhret. Nach geschehener Verbindung legete man ihn auf ein Bette/ und wur- den ihm etliche Diener zugegeben/ die sein fleissig warten musten. Inzwischen hatten die Diener auch Gallus von einem unerfahrnen Arzt verbinden lassen/ welcher sich vernehmẽ ließ/ der Schenkel muͤste ihm gar abgenommen werden; dessen er sich nicht wenig herme- te/ und begehrete/ dz ein ander Arzt herzu gehohlet wuͤrde/ daher/ so bald Herkules verbun- den wahr/ sein Arzt hergeruffen ward/ der auff Befehl den Schaden aufloͤsete/ und nach wegwerffung aufgelegter Sachen/ die Wunde fein sauber wusch/ auch nachgehends aufs neue verband/ dann/ sagte er/ wo die auffgelegten Sachen zwoͤlff Stunden dꝛauff verblie- ben waͤren/ wuͤrde er seines Schenkels ohn wordẽ seyn/ wolte ihn abernumehr versichern/ daß derselbe ihm ja so gerade und gesund werden solte als vorhin; welchẽ Trost er ihm mit 12 Kronen vergalt/ und seines Herrn wegen ihm 30 Kronen vor den ersten Band lieferte. Das Fraͤulein kunte nicht ruhẽ/ biß sie erfuhr/ wie es Herkules erginge/ ließ seiner Aufwar- ter einen zu sich ruffen/ uñ befahl/ alsbald anzuzeigen/ da einige gefahr solte obhanden seyn. Des Abends/ da die Wunde zum andern mahle verbunden ward/ fand der Arzt/ dz sie sich fein gesetzet hatte/ und vermaß sich naͤhst goͤttlicher Huͤlffe/ sie beyde in wenig Wochen voͤl- lig auszuheilen/ woruͤber das Fraͤulein hoͤchlich ergetzet ward. Gleich dazumahl kam ein Reuter/ und meldete an/ wie es den ausgeschikten Schaaren ergangen waͤhre/ daß sie un- terschiedliche harte Scharmuͤtzel mit den verwaͤgenen Juden gehalten/ und von den ihren XII eingebuͤsset/ dagegen XL erschlagen/ und LXXII gefangen/ daß ihrer nicht ein einziger waͤhre entrunnen/ woruͤber Herkules sich herzlich erfreuete/ und Gottes augenscheinlichen Schutz spuͤrete/ dann menschlicher weise zu urteilen/ waͤhre es unmoͤglich gewesen/ daß er ihnen lebendig haͤtte entkommen koͤnnen/ da er recht unter sie gefallen waͤhre. Der Stat- halter ließ die Gefangenen alle wol verwahren/ daß sie auff Herkules wieder erlangete Ge- sundheit verurteilet wuͤrden/ weil er/ sie haͤrtiglich zu straffen/ entschlossen wahr. Alexander und Jungfer Brela verrichteten auffs fleissigste/ was ihnen von Herku- les befohlen wahr; dañ so bald sie zu Korinth anlangeten/ gingen sie nach Markus Woh- nung/ und uͤberlieferten ihm ein Schreiben von Herkules/ worinnen er kuͤrzlich meldete/ wohin seine Reise ginge/ und was in dem Eylande Kreta sich zugetragen haͤtte. Fr. Eu- phrosyne machte mit Brelen gute Kundschafft taht ihnen etliche Tage sehr guͤtlich/ und gab ihr ein Schreiben mit nach Padua an Fr. Agathen; so schrieb Markus an Fr. So- phien/ was massen sein Gn. Herꝛ Ladisla nebest Fabius und Leches ihre Fahrt nach Zypern gewendet/ von darab nach Syrien zuschiffen. So bald Alexander in dem naͤhesten Hafen R r r iij hinter Drittes Buch. hinter Padua ankam/ ließ er seine Sachen auff Wagen laden/ und reisete zu Lande nach der Stad zu/ da er seine Liebste mit bey sich habenden Guͤtern in eine Herberge einkehren ließ/ er aber gleich nach Herr Fabius Hoff ritte/ und sich angab/ es haͤtte bey dem Herrn Stathalter ein fremder Ritter/ so uͤber Meer kaͤhme/ einen Gruß und Werbung abzule- gen. Nun wahr es gleich der andere Tag nach dem Kampfe/ welchen Klodius mit dem boßhafften Volumnius gehalten/ und heut eine grosse Gaͤsterey angestellet hatte/ auf wel- che alle vornehmste Rahtsherren und Kriegsbeamten samt ihren Frauen und Toͤchtern eingeladen wahren. Herr Fabius lies den Fremden zu sich auff den grossen Saal fodern/ da die Geselschafft bey einander wahr/ welcher im hineintretẽ alle anwesende hoͤflich gruͤs- sete/ und einen Diener baht/ ihm den Herꝛn Stathalter zu zeigen/ der ihm schon entgegen trat/ und nach freundlicher empfahung fragete/ ob er in geheim mit ihm zu reden haͤtte/ wolten sie in ein sonderliches Gemach Abtrit nehmen. Er aber antwortete/ es waͤhre eben so heimlich nicht/ sondern haͤtte zuvor einen Gruß an den Herrn Stathalter und dessen Gemahl/ wie auch Fr. Tochter und andere Fraͤulein abzulegen/ denen allen samt und son- ders sein gnaͤdigster Fuͤrst Herr Herkules seine willigste Dienste und alles gutes anmelden liesse. Fr. Sophia kunte auff gehoͤrte Meldung dieses lieben Nahmen nicht laͤnger ruhen/ stund auff und sagte zu Alexander: Mein Herr/ wie gehets dann doch diesem teuren Fuͤr- sten/ uñ wo habt ihr ihn zu lezt gesprochẽ? Gn. Frau/ antwortete er/ es gehet seiner Durchl. meines wissens noch sehr wol/ und bin in dem Eylande Zypern von ihm geschieden/ gleich da er nach Syrien zu schiffen willens wahr. Wie sagte sie/ hat er dann nicht geschrieben? Ja Gn. Frau/ sagte er/ hie habe ich Schreiben an meinen Gn. Herꝛn den Stathalter/ wie auch eines an ihre Gn. abzugeben. Herꝛ Fabius bedankete sich des uͤberbrachten angeneh- men Grusses/ brach den Brieff/ und lase unter andern/ was wegen Alexanders drinnen enthalten wahr/ sagte hernach zu ihm: Mein Freund/ ihr seid mir wilkommen wegen des treflichen und lieben Fuͤrsten/ der euch abgefertiget hat/ deßwegen setzet euch in unser Ge- selschafft nider; was euretwegen gesucht wird/ wil ich euch/ und noch viel einmehres mit einem Worte alles versprechen/ wie ihrs wuͤnschen und begehren moͤget. Alexander be- dankete sich untertaͤhnig/ und erboht sich zu allen moͤglichen Diensten. Unterdessen besahe Fr. Sophia ihres Brieffes Auffschrift/ also lautend: Denen Durchleuchtigen Hochgebohr- nen Frauen und Fraͤulein/ Fr. Sophien und Frl. Sibyllen/ meinen Hochwerten Frau und Fraͤulein Schwestern. Sie steckete ihn darauff in ihren Busem/ und rieff das Fraͤulein zu ihr/ spre- chend: Herzgeliebtes Schwesterchen/ komt und helfft mir ein Schreiben lesen/ welches an euch zugleich mit haͤlt. Das fromme Fraͤulein erroͤhtete anfangs davor/ und antwor- tete: O nein geliebte Fr. Schwester/ ich habe euch einmahl einen Brieff helffen lesen/ ihr verleitet mich nicht so leicht wieder. So unwirdiget ihr Herr Herkules Schreiben anzu- sehen/ sagte Fr. Sophia? Daß sey ferne von mir/ antwortete sie/ wann ich nur versichert bin/ das es von so redlicher frommer Hand herkomt; gingen miteinander in ein Neben- gemach/ und lasen nach erbrechung folgenden Inhalt: Durchleuchtigste Frau und F raͤulein Schwestere/ in ehren herzgeliebete Freundinnen; das hohe Mitleiden/ welches sie letztmahls meiner Anwesenheit uͤber den traurigen Verlust meiner auch hochwerten Fraͤulein Schwester/ Frl. Valisken/ durch Ohmacht und Klage mir zuerkennen gegeben/ haͤlt mir taͤg- und stuͤndlich meine Un dankbarkeit vor/ daß ohn einzig genommenen Abscheid Ihre Liebden Drittes Buch. Liebden ich verlassen/ und den Weg zur Rettung (wie ich hoffe) der geraubeten fortgesetzet habe; weil aber die aͤusserste Noht und Gefahr/ welche der Hoͤfligkeit Satzungen zu uͤberschreiten offt gezwun- gen wird/ mich meiner Schuldigkeit entrissen/ und nach dem Meer hingefuͤhret haben/ hoffe ich gaͤnz- lich/ es werden Eure Liebden mir diesen Fehler biß dahin schenken/ daß ich durch meines GOttes Lei- tung mich wieder einstellen/ und umb Verzeihung gebuͤhrlich anhalten werde/ da meiner Frl. Schwe- ster Frl. Valisken Vorbitte ich mich kuͤhnlich gebrauchen werde/ welche dañ/ vermoͤge unser Vertrau- ligkeit/ mir solche nicht abschlagen wird/ erwarte nur mit hoͤchstem Verlangen/ was dieselbe wird wir- ken koͤnnen. Inzwischen befehle ich alle meine Freunde und Freundinnen dem Schuz des Allmaͤchtigen wahren Gottes/ mit Bitte/ meine hochgeliebete Fr. Mutter/ die Fr. Stathalterin/ wie auch Fr. Ur- sulen/ Frl. Helenen/ und Jungfer Libussen herz- und dienstlich zugruͤssen/ und verbleibe Zeit meines Lebens meiner Fr. und Frl. Schwester dienstschuldiger Knecht Herkules. Ich rechne mirs vor eine grosse Ehre/ sagte das Fraͤulein nach verlesung/ daß der trefli- che Held diesen Brieff an mich zugleich hat richten wollen/ und bitte sehr/ ein solches in- gehe im zuhalten/ damit nicht Frl. Helena daher neue Ursach bekomme/ ihren ganz naͤrri- schen Eifer wieder auffzublasen/ dessen ich doch an meiner Seiten von Herzen lache/ wuͤn- sche nur von ganzer Seele/ daß er sein ihm ohn zweiffel schon verlobetes Fraͤulein ehist ge- sund und ihrer Ehren unverlezt antreffen/ und zu uns heruͤber bringen moͤge/ biß dahin ich nicht willens bin von hinnen zuscheiden/ damit in dero Kundschafft durch euren Vor- schub ich angenom̄en werde. Sie antwortete: Ich werde auch mit meinem Willen euch nicht von mir lassen/ darumb gedenket ja auff kein wegzihen; was ich aber wegen Herrn Herkules seiner Liebe zu diesem Koͤnigl. Fraͤulein urteilen sol/ weiß ich durch aus nicht; zwar allem Ansehen nach kan es nicht wol anders seyn/ wann ich seine Ohmacht und ge- fuͤhrete Klagen/ ja wann ich seine schleunige Nachfolge betrachte. Hingegen versichert mich mein Ladisla/ daß ihm von nichts bewust sey/ ja er haͤlt es vor unglaͤublich/ weil sie in so langer Zeit einander weder gesehen/ noch durch Schreiben gegruͤsset haben. Aber saget mir mein Schwesterchen/ welcher Meinung doch gebet ihr Beyfal? Beyfal? sagte das Fraͤulein; lieber leset nur sein Schreiben mit etwas Nachdenken/ und betrachtet zugleich mit seine schon angefuͤhrete Ohmacht uñ Klage/ als dañ werdet ihr durch eures Gemahls Einwuͤrffe euch wenig irren lassen; dann kunten sie ihre Liebe nicht ja so heimlich halten vor ihm/ als euer Bruder und sein Ursulchen vor euch? oder werden sie ihre vertrauete Schreiben in dieser Heimligkeit geschrieben/ eurem Gemahl erst zulesen eingeschikt habẽ? Was haͤlten sie aber vor Ursach gehabt/ ihre Liebe vor meinem Ladisla zuverbergen/ ant- wortete Fr. Sophia/ als welcher nichts tadeln kan was seinem Herkules gefaͤlt? Tausen- derley Ursachen/ sagte sie/ haben sich finden koͤnnen; und warumb hat euer Bruder seine Liebe vor euch so verborgen gehaltẽ/ welcher eben wol eurer guten Einwilligung versicheꝛt gnug wahr? Es hat mit der Liebe nicht eine solche beschaffenheit/ als mit andern Sachen; alles offenbahret man guten vertraueten Freunden/ Gluͤk und Ungluͤk/ Freude und Leid; aber die Liebe/ so lange sie wuͤnschet heimlich zu seyn/ wil sie auch von dem besten Freunde nicht erkennet seyn. Ich wil euch dieses lassen gehen/ sagte Fr. Sophia/ aber ich sehe nicht/ warumb ich aus seiner Ohmacht und Klage seine Liebe schliessen solte. O so einfaͤltig/ Fr. Schwester/ seid ihr nicht/ antwortete das Fraͤulein/ daß ihr solches nicht vor ein unfehl- bares Zeichen seiner Liebe schaͤtzen soltet. Da recht mein Schwesterchen/ da recht/ sagte Fr. So- Drittes Buch. Fr. Sophia/ diese Bekaͤntnis habe ich schon lange gesuchet/ und sie doch nicht heraus loc- ken koͤnnen; dann mus ich aus seiner Ohmacht ein solches schliessen/ was versichert mich dann eure Ohmacht/ die nicht umb ein Haar geringer/ als die seine wahr; kan demnach nicht fehlen/ ihr muͤsset ihn lieben/ ja ihr muͤsset ihn inbruͤnstig lieben. Dieser Boßheit haͤt- te ich mich zu euch nicht versehen/ antwortete das Fraͤulein; dann gesezt/ daß ich ihn Herz- und Schwesterlich liebe/ wer hat mich dann mehr als eben ihr darzu angereitzet? Ja wie habe inbetrachtung seiner hohen Woltahten ich anders gekont oder gesolt? Wollet ihrs aber auff eine andere Liebe außdeuten/ solches gestehe ich euch durch aus nicht/ nach dem ich mein Herz davon gnug entfreiet weiß; es waͤhre dann daß eure Ohmacht ein gleich- maͤssiges Zeugen solte/ welches ich nicht eines gedenken darf. Wir werden uns aber wie- der nach unser Geselschafft machen/ damit andere nicht eben in diesen euren nichtigen Argwohn gestuͤrzet werden. Fr Sophia umbfing und kuͤssete sie aus wahrer Liebe/ spre- chend: O mein Schwesterchen/ die Goͤtter sind meine Zeugen/ daß ich euch eben so viel gutes als mir selbst goͤnne/ habe auch mehr Gedanken auff euer bey der Heyraht gewendet/ als kein ander; solte es aber der Himmel nicht versehen haben/ muß ich mich gedulden/ und inzwischen auff ein anders bedacht seyn; fassete sie hie mit bey der Hand/ und fuͤhrete sie mit sich nach dem Saal/ da sich gleich ein Diener bey Jungfer Libussen anmeldete/ es waͤhre ein bekanter Freund in seines Herꝛn Wirtshaus eingekehret/ welcher etwas uͤbel auff/ und daher baͤhte/ die Jungfer moͤchte ihn zu besuchen unbeschweret seyn. Sie gedach- te alsbald/ ihre Koͤnigin wuͤrde von Prag einen abgeschicket haben/ umb nach zuforschen/ was Zeitung von dem verlohrnen Fraͤulein einkommen waͤhre/ deßwegen machte sie sich stehendes Fusses dahin/ traff aber uͤber alles Vermuhten daselbst ihre geliebte Wase und Schwester Jungfer Brelen an/ dessen sie bey nahe vor freuden in Ohmacht gesunken waͤh- re/ umbfing sie gar freundlich und sagte: O herzliebste Schwester/ wo ist unser gnaͤdigstes Fraͤulein? In guter Gesundheit/ wie ich hoffe/ antwortete sie/ aber weit von hinnen/ und annoch unter der Raͤuber Gewalt/ ich aber/ wie ihr sehet/ der Gefahr so weit entrunnen. Wie? sagte Libussa/ habt ihr dann das Fraͤulein in der Gefahr verlassen/ und von ihr hin- weg zihen koͤnnen? Ich habe wol gemust/ sagte Brela/ weil sie michs geheissen; erzaͤhlete ihr darauff kuͤrzlich/ was Gestalt sie auff der Fraͤulein Begehren sich mit dem Griechischẽ Ritter/ welcher von Herꝛn Herkules das Schreiben gebracht/ ehelich haͤtte versprechen/ und sich auff die Reise machen muͤssen/ damit sie ihrem Bruder/ oder Oheim/ oder beyden hinterbringen moͤchte wohin sie gefuͤhret wuͤrde; und zweiffele nicht/ sagte sie/ die Goͤtter werden das allerliebste Fraͤulen retten/ und sie uns wieder sehen lassen. Machten sich also nach des Stathalters Hof/ da die Abendmahlzeit anging/ und da sie in den Saal traten/ nam jederman wunder/ wer die fremde schoͤne Jungfer waͤhre/ biß Libussa das anwesende Frauenzimmer also anredete: Gnaͤdige Frauen und Fraͤulein/ ich bitte demuͤhtig umver- zeihung daß ohn gebehtene Urlaub ich diese fremde Jungfer/ meine geliebte Wase mit mir herein fuͤhre/ nach dem ich schon weiß/ sie nicht gar unangenehm seyn werde/ in betrach- tung daß von meiner gnaͤdigsten Fraͤulein/ Frl. Valisken sie hieher geschikt ist/ uns ihret wegen Zeitung zu bringen. O so seid uns sehr wilkommen/ sagte Fr. Sophia/ und mus der heutige wol ein gluͤklicher Tag seyn/ an welchem wir von zween so lieben Freunden auf einmahl Drittes Buch. einmahl Zeitung bekommen. Brela bedankete sich gar tugendhafft/ mit angehengter Bit- te/ ihrer unhoͤfligkeit zu verzeihen/ daß sie diese hochansehnliche Geselschafft durch ihre zu- kunsst verunruhete. Fr. Sophia meldete/ daß dieser entschuldigung es nicht beduͤrffte/ und fragete alsbald/ an was Ort und Enden das Koͤnigliche Fraͤulein sich auffhielte/ und was vor Beschaffenheit es umb sie haͤtte. Brela trug vor/ sie haͤtte an den Herrn Stathal- ter und dessen Gemahl/ wie auch an ihre gnaͤdigste Koͤnigin Fr. Sophien/ von ihrem gnaͤ- digstẽ Fraͤulein/ Frl. Valisken/ wie auch von dem Durchl. Fuͤrsten und Herꝛn/ Herꝛn Her- kules einen dienstfreundlichen Gruß abzulegen. So merke ich wol/ sagte Fr. Sophia/ nach freundlicher Danksagung/ die Jungfer werde mit dem fremden Griechischen Ritter an- kommen seyn; welches sie bejahete/ und alsbald/ weil die Speisen schon auffgesezt wah- ren/ an den Tisch genoͤhtiget ward/ da sie wider ihren Willen zwischen Fr. Sophien und Frl. Sybillen die Stelle nehmen muste/ und nach gehaltener Mahlzeit den ganzẽ Verlauf wegen der entfuͤhreten Fraͤulein zuerzaͤhlen gebehten ward/ welches sie willig leistete/ und endlich hinzu taht/ was massen/ umb Ihrer Gn. Fraͤulein Rettung zubefodern/ sie mit ge- genwaͤrtigem Griechischen Aedelman sich zu Tyrus ehelich versprochen/ da er zuvor åid- lich angelobet/ sie unberuͤhret nach Padua zubringen. Nun dann/ sagte Fr. Sophia/ weil euer Liebster durch Geleitung der Goͤtter solches/ wie ich merke/ ehrlich gehalten/ werdet ihꝛ euch forthin nicht wegern/ das Beylager ehist vor sich gehen zulassen/ da dann ich/ neben Jungfer Libussen/ wo es euch also gefallen kan/ eure naͤheste Freund in seyn/ und die Mutteꝛ- stelle bekleiden wil; bestimmete darauff den vierzehnden Tag nach diesem/ unter welcher Zeit alles gegen die Hochzeit zubereitet ward. Brela uͤberlieferte gleichwol auch noch des- selben Abends Markus und Euphrosynen Schreiben an gehoͤrigen Ort/ aus welchen die Geselschafft auff ein neues erfreuet ward/ da sie vernahmen/ was gestalt Herr Ladisla nebest H. Fabius und Leches mit gutem Winde von Korinth ab nach Zypern gesegelt/ von dan- nen sie willens waͤhren nach Seleuzia in Syrien zufahren/ umb des naͤhesten nach Parthẽ zureisen/ weil sie nicht zweifelten/ Fuͤrst Herkules/ nebest dem geraubeten Koͤnigl. Fraͤulein daselbst anzutreffen. Fr. Sophia und die andern anwesenden wuͤnscheten ihnen alle Gluͤk- seligkeit nach/ und daß sie nach wolverrichtetem Vorhaben frisch und gesund wieder zu Hause angelangen moͤchten. Nun hielt Ladisla mit den seinen eben den Lauff/ welchen er ihm zu Korinth vorgenommen/ kam auch in Zypern gluͤklich an/ woselbst er je zween und zween umher schickete/ ob sie etwas von einem Ritter/ nahmens Herkules oder Valikules aus spuͤren koͤnten/ fand sich aber niemand/ der ichtwas von ihm zusagen wuste/ daher La- disla zu Fabius sagte: Ich wuste vorhin wol/ daß der Brief an Markus von einem andeꝛn Orte herkommen wuͤrde/ als die Unterschrifft meldete/ ist demnach mein Raht/ wir wendẽ uns gleich hin nach der Parther Landschafft zu/ und nehmen etwa Dienste bey Koͤnig Ar- tabanus/ da wir meiner Frl. Schwester und Herkules Zustand am besten erfahren werdẽ; wann er dann unsere Gegenwart vernehmen wird/ wird er sich weiters nit mehr vor uns verbergen. Fabius ließ ihm solches wolgefallen/ und machten sie die Ordnung/ wie sie es hernaͤhst halten wolten/ da sie vor rahtsam funden/ ihre Gelder an einen gewissen Ort in Syrien niderzulegen/ auch ihr Schiff alsbald nach Padua wieder hin zusenden/ weil un- terschiedliche Schiffe verhanden wahren/ welche nach Syrien lauffen wuͤrden/ erwaͤhletẽ S s s aus Drittes Buch. aus ihren Schiff Soldaten drey Diener/ welche vor dem schon Harnisch gefuͤhret hatten/ die uͤbrigen schicketen sie nach Hauß/ doch daß sie erst zu Korinth anfahren/ und Markus ihr Schreiben uͤberbringen solten. Also setzeten sie sich auff ein Schiff/ und segelten nach Seleuzia/ erlitten zimlichen Sturm/ und erhielt sie Gott sonderlich/ daß sie nicht an einer Klippen mit sampt dem Schiffe zuscheitern gingen/ erreichten endlich einen Hafen drey Meilen von der Stad/ luden ihre Baarschafften auff Wagen/ und reiseten nach der Stad zu/ woselbst sie etliche Tage stille lagen/ ihre Baarschafften meistenteils bey der Stad O- brigkeit gegen einen gegebenen Schein nidersetzeten/ und einen Dolmetscher/ Nahmens Mardus/ in Bestallung nahmen/ dem sie monatlich 100 Kronen versprachen/ dagegen er sie taͤglich etliche Stunden in den vornehmsten Morgenlaͤndischen Sprachen unterwei- sen solte. Zu Padua kam die bestimte Zeit zu Alexanders und Brelen Beylager her- an/ wornach den Braͤutigam uͤber aus hefftig verlangete/ und fast die ganze Zeit uͤber/ sehr traurig und schwermuͤhtig wahr/ dessen er selbst keine Ursach wuste. Der Stathalter hatte ihm des folgenden Tages nach seiner Ankunfft einen Gewals Brief an die Obrigkeit der Stad Athen mitgeteilet/ und darinnen bezeuget/ daß/ weil er dem Roͤmischen Reiche gute Dienste getahn/ und umb Vergebung seiner veruͤbten Gewalttaͤhtigkeit/ wozu er fast ge- noͤhtiget worden/ untertaͤhnigst angehalten/ wåhꝛe ihm nicht allein solche Gnade widerfah- ren/ sondern er uͤber das in Roͤmische Kriegsbestallung angenommen/ daher man ihm/ mit seinen Guͤtern nach Willen zuschalten/ frey und ungehindert goͤnnen solte. Alexander schickete dieses alsbald fort/ und schrieb dabey an seine Verwanten/ daß er ihnen seine be- waͤg- und unbewaͤgliche Guͤter gegen Erlegung zwo Tonnen Schatzes (da sie den vierden Teil mehr wert wahren) abtreten wolte/ und solten sie solche Gelder inwendig XIV Tage nach Empfahung dieses/ nach Korinth an den daselbst wohnendẽ Roͤmischen Herꝛn Mar- kus/ uͤbermachen/ welcher sie deswegen gebuͤhrlich quitsch reiben wuͤrde/ welches auch un- verzoͤglich geschahe. Nun hatte Klodius mit belieben des Stathalters ihm des dritten Ta- ges nach seiner Ankunfft die Hauptmanschafft uͤber ein Faͤhnlein Knechte der Besatzung verlihen/ welchem Amte er mit sonderlichem Lobe vorstund/ daß Klodius willens wahr/ ihm die Ober Wachtmeister schafft dazu zugeben. Etliche Unter befehlichshabere verdroß es sehr/ daß dieser fremder (und wie sie schon munkelten/ geweseneꝛ See Raͤuber) ihnen voꝛ- gezogen wahr/ henketen einen verwaͤgenen Hauptman/ nahmens Florian (sonst der Mei- lånder genant/ weil er von dannen buͤrtig wahr) an sich/ dem sie faͤlschlich vorbrachten/ der Grieche haͤtte ihn bey dem Oberhaͤuptman angetragen/ als versaͤhe er seine Wachten nit gebuͤhrlich/ goͤnnete auch seinen Knechten/ allerhand Plackerey auff den Doͤrffern zutrei- ben/ und den armen Leuten/ was sie auff die Wochenmarkte zuverkauffen braͤchten/ gewalt- sam abzunehmen. Woruͤber dieser uͤber Alexandern dermassen ergrimmete/ daß er sich veꝛ- fluchte/ ihn/ so bald er ihn antraͤffe/ niderzustossen/ laurete ihm auch des Tages vor der an- gesetzeten Hochzeit fleissig nach/ da er die Wache in den Aussenwerkẽ zuversehen hatte/ wo- selbst er sich an ihn machte/ und mit greßlichem Angesicht fragete/ wovor dieselben zuhalten waͤhren/ welche ihre redliche Spießgesellen faͤlschlich beloͤgen/ und hie durch eine sonderli- che Gewogenheit bey der Obrigkeit suchten. Alexander sahe/ daß er nicht viel gutes im Sinne hatte/ achtete es doch nicht groß/ und gab ihm zur Antwort/ aus was Ursa- chen Drittes Buch. chen er ihm eine so nachdenkliche weit aussehende Frage/ und zwar ausser der Kriegs- Beampten Versamblung vortruͤge; er waͤhre zwar nicht schuldig/ ihm darauff zu- antworten/ jedoch/ an den Tag zulegen/ wie wenig er sich vor seinem schnarchen fuͤrchtete/ und daß er solcher Boßheit vor sein Haͤupt unschuldig waͤhre/ hielte er dergleichen falsche Angeber vor liderliche ehrlose Buben/ aber auch dieselben voꝛ solche/ die ihn dessen etwa ge- daͤchten zu zeihen. So bistu doch ein solcher/ sagte der Meilaͤnder/ und zuͤckete alsbald seine Hellebarte. Dieser wahr damit auch fertig/ und rief die anwesende zu Zeugen/ daß er eine Nohtwehr zutuhn/ gezwungen wuͤrde/ widersetzte sich auch dergestalt/ daß jener ihm nicht alle in nichts anhaben kunte/ sondern ihm im Gefechte die Stange in der Mitte abbrach. Alexander ward hiedurch sein Meister/ wolte ihn aber nicht beschaͤdigen/ sondern sagte zu ihm: Sihe da du moͤrderischer Anspraͤnger/ haͤtte ich nicht rechts genug/ dich gar nider zu stossen/ wann ich mein selbst nicht schonete? Jener trat zuruͤk/ entbloͤssete das Schwert/ uñ gab zur Antwort: Bistu kein Verraͤhter/ wovor ich dich halte/ so kom heꝛ mit gleichem Ge- wehr/ sonst wird man dich vor einen Moͤrder darzu schelten. Mein guter Kerl/ sagte dieseꝛ/ ich bliebe gleiche redlich/ wann ich dir gleich mit diesem Gewehr den Lohn deines falschen Luͤgenmauls erteilete/ aber daß ich dir auch vor dißmahl noch ein genuͤgen tuhe/ wil ich dir mein Schwert bieten. Weil sie nun beyde uͤber aus gute Fechter wahren/ gab es einen sehꝛ ernstlichen Kampff zwischen ihnen/ da sie im ersten Gange einer dem andern nichts abge- winnen/ noch einige Wunde bey bringen kunten; Im andern Satze bekam der Meilaͤnder einen Stoß durch den linken Arm/ und Alexander einen Hieb in das rechte Ober Bein/ worauff sie durch etliche anwesende Unterbefehlichshaber von ander geschieden wurden/ mit Bezeugung/ sie haͤtten bey derseits ihren Ehren ein genuͤgen getahn/ und sich als tapfe- re Rittersleute erzeiget/ daher sie sich mit einander vergleichen/ und die Zwietracht beylegẽ moͤchten. Alexander wahr hierzu nicht ungeneigt/ dafern der andere seine falsche Bezich- tigung widerruffen wuͤrde; welcher aber von keinem andern Vertrage hoͤren wolte/ als welcher vermittelst des Schwerts geschaͤhe/ daß also Alexander den dritten Gang mit ihm antrat/ in welchem sie nicht allein sich hefftig abmatteten/ sondern auch beyderseits unter- schiedliche/ wie wol untoͤdliche Wunden empfingen/ biß endlich der Meilaͤnder sich bloß gab/ daß ihm Alexander die Gurgelhalb abschnitte/ jener aber zugleich von sich stieß/ uñ ihm das Herz im Leibe traf/ daß er alsbald niderfiel/ und seinen Geist auffgab/ da seine lezten Worte wahren: O mein Brelichen ich sterbe. Der Meilaͤnder fiel zwar auch zur Erden/ und gurgelte das Blut haͤuffig aus dem Halse/ als haͤtte mans abgezapffet/ trieb aber bey einer halben Stunde unsaͤglichen Jammeꝛ/ biß er endlich in seinem eigenen Blute ersticke- te. Klodius kam gleich darzu gegangen/ sahe Alexandern mit dem Tode ringen/ und ließ ihn auffheben/ aber die Seele fuhr gleich dahin. Er forschete fleissig nach der Ursach ihrer Feindschafft/ und mit was Worten sie an einander gerahten waͤhren/ da des Meilaͤnders Leibdiener zu ihm sagete: Herr Ober Haͤuptman/ dieses Elende ist von etlichen Luͤgenmaͤu- lern zugerichtet/ und lasset diesen Unter Haͤuptman (den er mit Fingern zeigete) nur scharf fragen/ dann sol die Warheit bald an Tages Liecht kommen; erzaͤhlete auch/ was vor Ver- leumdungen dieser und andere mehr/ seinem Hauptman vorgebracht haͤtten. Welches Klodius also beantwortete: Ich kan bey meinen ritterlichen Ehren Zeugnis geben/ dz sol- ches nicht allein von Alexandern niemahls geschehen/ sondern er vielmehr den Meilaͤnder S s s ij wegen Drittes Buch. wegen fleissiger Auffsicht geruͤhmet hat; aber du leichtfertiger Verleumder solt mir zur gnuͤge davor buͤssen/ daß du durch dein Luͤgenmaul mich zweyer tapfferer Hauptleute/ und eine aͤdle Jungfer ihres lieben Braͤutigams beraubet hast. Dieser wolte anfangs sich aufs leugnen begeben/ und als er sahe/ daß etliche anwesende Kriegsknechte ihn uͤberzeugeten/ ersahe er seine Gelegenheit/ wagete einen Sprung/ und entran gluͤklich aus der Schantze/ und ob ihm gleich etliche nachgeschikt wurden/ ihn zufahen/ wahr er doch so gerader Fuͤsse/ daß er ihnen allen entkam/ haͤtte auch sonder Zweifel sein Leben gerettet/ wann nicht eine Schaar Reuter aus Padua ihm begegnet waͤhren/ welche ihn kenneten/ und leicht muht- masseten/ er wuͤrde wegen uͤbelthat davon gestrichen seyn/ nahmen ihn deswegen gefangen/ und fuͤhreten ihn mit sich zuruͤk/ da er dem Ober Hauptman eingeliefert ward/ welcher ihm mit der Folter draͤuete/ worauff er alle Mitschuldigen bekennete/ und daß es aus Haß und Neid geschehen waͤhre/ weil man ihnen diesen fremden vorgezogen haͤtte. Die Schuldigen wurden alle nach der Hauptwache gefuͤhret/ und sagte Klodius: O der elenden Hochzeit/ da man die Braut mit Trauerkleidern behaͤnget/ und den Braͤutigam in einen Todten- Sarg legen muß! Er ließ aber Alexanders Leichnam auff langen Spiessen zur Stad hin- ein tragen/ uñ seine Helle Barte und blutiges Schwert neben ihn her/ da er in eine ansehn- liche Herberge nidergesetzet/ der Meilaͤnder aber/ andern zum Abscheuh biß gegen Abend an den Galgen gehenket/ und nachgehends von dem Steckenknecht in die Erde verschar- ret ward. Er aber ging nach des Stathalters Hof/ und wahr wegen des Unfals sehr betruͤ- bet. Frl. Sibylla begegnete ihm im innersten Platze/ und bald nach ihr Fr. Sophia/ welche ihn frageten/ was er so traurig und schwermuͤhtig wåhre/ ob er nicht gedaͤchte/ daß er mor- gen des Braͤutigams naͤhester Beystand seyn solte. Ach sagte er/ eben darumb bin ich von Herzen betruͤbt/ daß die morgende Hochzeit uns durch einen klaͤglichen fall in ein grosses Herzleid verkehret ist; Erzaͤhlete darauff kuͤrzlich/ was sich zugetragen hatte; dessen sie sehr leidig wurden/ und alsbald Libussen besuchten/ ihr solches anzudeuten; welche hiedurch uͤ- beraus erfreuet ward/ und sich doch nichts merken ließ/ sondern sich neben ihnen traurig stellete/ und nicht minder als sie/ das Ungluͤk beklagete/ ging auch auff ihre Bitte hin zu ih- rer Wasen/ es auffs bescheidenste anzubringen/ damit sie sich nicht zu hoch entsetzete/ welche sie auff ihrem Gemache in zimlicher Verwirrung alleine fand/ und zu ihr sagete: Herzge- liebete Schwester/ wie seyd ihr so voller Gedanken? Leget ihr etwa bey euch uͤber/ was vor Kleidung und Schmuk ihr morgen gebrauchen wollet? Ich komme aber anjetzo zu euch/ solche erfreuliche Zeitung anzumelden/ wie ihr sie wuͤnschẽ moͤchtet. Ach herzliebe Schwe- ster/ antwortete sie/ sonderliches Gluͤks bin ich mir nicht vermuhten/ abeꝛ was ist es/ dz mich so hoch erfreuen sol? Es sind gleich diese Stunde/ sagte sie/ etliche Gesanten von Prage an- kommen/ nehmlich Herr Stanisla und Herr Struniko eure Anverwanten/ nebest dem al- ten Wenzesla/ welcher mir in stiller geheim ihre Gegenwart anmeldẽ lassen; sehet/ die wer- den auff morgenden Ehrentag euch ansehnlichen Beystand leisten koͤnnen. Ja es ist etwz/ antwortete sie/ wañ ein betruͤbtes Herz dadurch koͤnte erfreuet werden/ wiewol es dannoch einen Trost bringet. Warumb solte euch ihre Anwesenheit nicht erfreuen? sagte Libussa/ bin ich doch uͤber die masse froh/ daß ich sie sprechen sol; aber ich habe sie euch noch nicht al- le genennet/ mein lieber Vetter Neda/ euer gewesener Schatz/ ist mit in ihrer Geselschafft. Hieruͤ- Drittes Buch. Hieruͤber entsetzete sich nun Brela/ daß ihr die Sprache und das Gesichte verging; schlug die Haͤnde zusammen/ wrang sie/ daß ihr die Finger schmerzeten/ und setzete sich nider auff die Erde/ endlich fing sie mit einem Geheule an: O ihr Goͤtter/ wie straffet ihr mich so red- lich wegen meines Verbrechens! O vollendet nur das wol angefangene Werk/ und lasset mich/ auff was weise es euch gefaͤllet/ diese Nacht meine ehr- und aͤidvergessene Seele aus- blasen/ damit ich diesen Menschen nimmermehr sehen/ noch durch morgende Hochheit gar zu sehr betruͤben moͤge. Ich erkenne und bekenne/ O ihr Goͤtter/ daß ich mich an euch und ihm haͤrtiglich versuͤndiget habe/ daß ich diese Heyraht eingewilliget/ und nicht lieber bey meinem Gn. Fraͤulein blieben bin; Ich haͤtte eurer Macht und Guͤte trauen/ und mein ge- tahnes Geluͤbde besser beobachten sollen/ und daß ihr ja so leicht mich bey Ehr und Leben/ als das Fraͤulein/ haͤttet erhalten koͤnnen. Aber O ihr redlicher Neda/ mit was Augen werde ich euch/ ja mit was Augen werdet ihr mich ansehen/ nachdem ich gestehen muß/ daß ohn alle Bedingung ich euch meine Traͤue versprochen/ und sie nun so schaͤndlich und leicht- fertig gebrochen habe? O meine Herzen Schwester/ was sol ich machen/ was sol ich begin- nen? Frey/ ich habt ihr nicht zum besten gehandelt/ sagte Libussa/ daß ihr eure einmahl gege- bene Traͤue dergestalt gebrochen/ und einen andern an seine stat angenommen habt/ ja einẽ Raͤuber/ einen Raͤuber unser Fraͤulein; weiß auch nicht/ ob es in Rechten koͤnne zugelas- sen oder entschuldiget werden; Und ob ihr gleich unser Gn. Fraͤulein Befehl/ und eure au- genscheinliche Noht vorschuͤtzet/ sage ich doch/ ihr haͤttet das aͤusserste muͤssen abwarten/ uñ dem Fraͤulein vorhalten/ daß wie ihr nur ein Herz/ einen Leib/ eine Seele habet/ also koͤntet ihr ein einziges nicht zween Herren verkaͤuffen oder verschenken. Doch wil ich das gesche- hene so genaue auff die Gold Schale nicht legen; aber bedenket/ bitte ich/ wie euer morgen- des Hochzeit Fest ablauffen werde; Ihr kennet euren Neda/ wolte sagen/ euren gewesenen Neda/ nunmehr aber euren verlassenen/ wo nicht verstossenen Neda sehr wol/ was aufrich- tige und inbruͤnstige Liebe er zu euch getragen; wie offt er sich verfluchet/ er wolte sich nicht scheuhen/ mit zehnen den Streit auffzunehmen/ die ihm diesen seinẽ teuren Schatz (so nan- te er euch) abwendig zumachen/ sich duͤrfften geluͤsten lassen. Solte er nun wol erdulden koͤnnen/ daß in seineꝛ Anwesenheit ihr einem andern vertrauet wuͤrdet/ da er von euch schon Ringe und aͤndere Sachen auff bestetigte wolbedachte Ehe empfangen hat? Ich fuͤrchte sehr/ er werde Alexandern das Braut-Bette dergestalt klopffen/ daß er ohn Lebens Verlust nicht davon kommen wird/ welches ich ihm nicht verdenken kan/ ob er gleich ein wildfrem- der waͤhre/ und mir mit keinem Blutstropffen zugehoͤrete. Ursachen hat er uͤbrig gnug; Er wil euch aus Raͤubers Hand erloͤsen/ der euer nicht werd ist; Er wil den Schatz wiedeꝛ erstreiten/ der niemand als allein ihm zustehet. Sehet/ wer wil ihm solches wehren? Brela fiel vor Angst nider auff die Erde/ gehuhb sich als eine Verzweifelte/ und sagte: O meine herzallerliebste Schwester/ ich bitte euch von Grund meiner Seelen/ helffet mir dieser Pein ab/ dann ich kan und wil nicht laͤnger leben; oͤffnete hiemit ihren Busem/ und fuhr also fort: Sehet/ da ligen meine Messer; traget ihr nun einiges Mitleiden mit mir/ so stosset mir deren eines in mein ungetraͤues Herz/ dañ ich erkenne/ den Tod wol ver- schuldet zu haben/ und ist mir unmoͤglich/ des redlichen Neda Angesicht zuerdulden/ nach- dem ich so meinaͤidig an ihm worden bin. Hiemit sties sie eine starke Ohmacht an/ daß ihr S s s iij alle Drittes Buch. alle Sinne entgingen. Nach dem aber Libussa sie wiederum erquicket hatte/ sagte sie zu ihr: Herzliebe Schwester/ warumb lasset ihr diese todes Gedanken in eurem Herzen auffstei- gen/ ehe es auff der aͤussersten Spitze stehet? fasset ein Herz/ und lasset uns auff Mittel und Wege bedacht seyn/ ob wir diese verworrene Sache durch der guͤtigen Goͤtter Huͤlffe und unsere Vernunfft noch also loßwirken moͤchten/ daß beydes euch und dem getraͤuen Lieb- haber Neda ein Genuͤgen geschen koͤnte. Ach nein ach nein! sagte Brela/ daß sind vergeb- liche Anschlaͤge; dann Alexander laͤsset mich nun und nimmer mehr fahrẽ; so moͤchte Ne- da vielleicht demselben/ als dem Raͤ u ber seiner gewesenen Braut zusetzen/ aber was wird er meiner als einer Traͤulosen achten? Ich wolts ihm selber nicht rahten. Ich sage euch/ fasset einen Muht/ antwortete sie/ ich bin gnugsam/ aller dieser Schwuͤrigkeit abzuhelffen/ wie unmoͤglich es euch gleich vorkomt; aber ihr muͤsset mir zuvor den Grund eurer Seele oͤffnen/ und auff etliche Fragen richtigen Bescheid geben; deßwegen saget mir/ wann euch Zeitung kͤhme/ Alexander waͤhre ohngefehr erstochen/ und Neda hͤtte aus Ungeduld sei- ner gegen euch tragenden Liebe sich selbst entleibet/ welches wuͤrde euch aufs haͤrteste kraͤn- ken. Ach meine Freundin/ antwortete sie/ was kan man durch Frage und Antwort groß außrichten? wuͤrde jener erstochen/ so muͤste mans schaͤtzen als einen wolverdienten Lohn seines ehmahl gefuͤhrten Lebens; aber meinet ihr/ daß ich eine Stunde meine Seele in mir leiden wuͤrde/ wann ich hoͤren solte/ daß der auffrichtige Liebhaber Neda die seine umb mei- net willen außgeblasen haͤtte? Darauff ging eine starke Traͤhnenbach auß ihren Augen hervor/ und baht durch alle Goͤtter/ ihr in dieser verzweiffelten Sache/ guten Raht/ wo ei- niger uͤbrig waͤhre/ mit zuteilen. Ihr Verbrechen waͤhre ihr herzlich leid/ und daß sie mit einem andern sich verkoppelt haͤtte. Diese Busse ist schon ein guter Anfang/ eure Sache auff bessern Fuß zusetzen/ aber sie wils noch nicht außmachen/ sagte Libussa/ sondern wann ich meine Kunsthuͤlffe hervor suchen sol/ muͤsset ihꝛ mir bey eurem aͤide sagen/ ob ihꝛ willens seid/ dem frommen Neda die geschehene Zusage zu halten/ da es in eurer Macht stehen/ und Alexander nicht wiedersprechen wird; dann solten die Goͤtter es fuͤgen/ daß Alexan- der nicht allein sich euer begaͤbe/ sondern noch wol einen grossen Teil seiner Schaͤtze euch zuwendete/ und ihr wuͤrd e t/ durch solchen Reichtuhm auffgeblasen/ den guten Neda her- nach verachten und zuruͤk setzen/ waͤhre meine angewante Muͤhe nicht allein umbsonst/ sondern duͤrffte dannenher noch viel ein groͤsser Ungluͤk entstehen. Ja meine Schwester/ antwortete sie/ waͤhre mein Gluͤk in dem Zustande/ wie ihrs entwerffet/ wuͤrde das uͤbrige eine unnuͤtze Sorge seyn/ dann was koͤnte mir gewuͤnschter seyn/ als daß mir frey stuͤnde/ meinem Neda/ ja ich sage noch diese Stunde/ meinem Neda das versprochene zu halten? weil ja einzig und allein in diesem Stuͤk meines zuschlagenen Gewissens Ruhe und Befrie- digung bestehen wuͤrde. Darumb so tichtet und wirket was ihr koͤnnet und moͤget/ daß A- lexander sich meiner nur begebe/ und Neda meines Verbrechens wegen nicht auff mich zuͤrne/ mit seinem Reichtuhm mag er zihen wohin es ihn geluͤstet/ ich begehre davon nicht einen Heller. Nicht also meine Schwester/ nicht also/ sagte Libussa/ sondern ihr sollet und muͤsset aller seiner Schaͤtze einige und warhafftige Besitzer in seyn und bleiben; und hoͤret weiter zu; ich spreche euch quit/ frey und loß von Alexander dem See Raͤuber/ und solches auß Krafft und Befehl aller Goͤtter. Hiemit schwieg sie stille/ und laͤchelte ein wenig/ daß Brela Drittes Buch. Brela sie daher vor unwitzig schaͤtzete/ und zu ihr sagete: Schwester/ wie bezeiget ihr euch so selzam? haben euch die Goͤtter einigen Befehl erteilet? Ja ich meine Alexander werde sich daran groß kehren. Er hat sich schon daran gekehret/ antwortete sie/ uñ sich dem Wil- len der Goͤtter unterworffen; fraget ihr aber wie? er hat vor einer Stunde mit dem Mei- laͤnder welchen ihr kennet/ einen blutigen Kampff gehalten/ und sind beyde auff dem Pla- tze Tod blieben/ der eure/ Gott Lob mit Ehren/ und jener mit Schande. Brela erzitterte hieruͤber/ und sagete; ach was saget ihr mir/ geliebte Schwester? versichert euch auff mein aͤid/ antwortete sie/ daß sichs anders nicht verhaͤlt/ und also seid ihr/ dem Himmel sey dank/ dieses Braͤutigams loß/ den ich euch noch niemals gegoͤnnet habe. Brela fing auffs neue an ihre Traͤhnen zu vergiessen/ und sagte; Nun kan ich wol sagen/ daß der gute Alexander mich mit ungefaͤlschter Liebe und Traͤue gemeinet hat/ und sind die Goͤtter meine Zeugen/ daß umb solcher herzlichen Zuneigung willen ich ihm solchen Unfal nicht goͤnnen wolte/ da von dem gezwungenem Bande ich auff andere weise haͤtte koͤnnen loßgemacht werden. Ich aber/ sagte Libussa/ wil deßwegen wieder die Goͤtter nicht murren/ dann/ die Warheit zusagen/ hat michs nicht ein geringes verdrossen/ daß der Grieche/ der gleichwol ein See- Raͤuber gewesen/ und an meiner Gn. Fraͤulein entfuͤhrung grosse Schuld traͤget/ dasselbe besitzen solte/ was mein geliebter Vetter ihm vorhin mit grosser Muͤhe erworben hat; dañ ich erinnere mich noch gar wol/ was er umb euret willen getahn und erlitten/ ehe er euch zur Gegenliebe bewaͤgen kunte. Bedenket den gefaͤhrlichen Kampff/ welchen er mit den Nachtschergen hielt/ da er euch in vermummeten Kleidern den ansehnlichen Auffzug brachte; ja was hat er von seinen eigenen Leuten erdulden und außstehen muͤssen/ die ihn mit aller Macht von euch abzutrennen/ sich bemuͤheten/ und ihm Herr Vratislaen Toch- ter wegen ihres treflichen Brautschatzes anschmieren wolten/ da hingegen ihr euren Vor- muͤnderen/ umb daß sie eure Guͤter verschwendet/ nicht sonderlich zu danken hattet; aber er ließ euret wegen Vater/ Mutter/ Schwester und Anverwanten immerhin murren und machen/ und schaͤtzete bloß eure Tugend hoͤher als aller Welt Reichtuhm. Diese Traͤue ha- ben ihm die Goͤtter nicht koͤñen unbelohnet lassen/ sondern ihn so hoch beseliget/ daß er sei- nen unrechtmaͤssigen Mit buhler auch nicht eins lebendig hat sehen sollen/ dem er ohndas wuͤrde den Hals gebꝛochen haben/ da er ihm seine vertrauete mit willen nicht haͤtte wollen solgen lassen. So betrachtet nun dieses/ herzgeliebte Schwester/ und gedenket nicht/ daß ich mehr meines Vettern als euer bestes suche; ihr selber wisset/ daß ich ungleich vertrau- lichere Freundschafft mit euch/ als mit ihm gepflogẽ habe/ ungeachtet er mir eines Schrits naͤher verwand ist/ als ihr seid; Und werdet ihr nun eurem jeztgetahnem versprechen ehr- lich nachkommen/ habt ihr an kuͤnfftigem Gluͤk nicht zu zweifeln. Brela gab ihr zur Ant- wort: Es verhaͤlt sich alles wie ihr saget/ und zweiffele nicht/ die Goͤtter haben es also ge- fuͤget/ deren Ordnung ich nicht brechen/ noch ihre schickungen hindern kan; es sey aber wie ihm wolle/ wann ich bedenke/ wie grosse Ehr und Zucht mir Alexander auff dieser gan- zen Reise erwiesen hat/ kan ich anders nicht/ als uͤber seinen Fal von Herzen betruͤbet seyn. Solches ist billich/ sagte Libussa/ uñ im wiedrigen wuͤrdet ihr euch dem Laster der Undank- barkeit nicht entbrechen koͤnnen; aber doch zihet euch die Sache nicht zu sehr zu Herzen/ und gedenket/ daß gleich wol die erste Liebe am festesten bindet. Versichert euch/ sagte Bre- la/ was Drittes Buch. la/ was eurem Vetter Neda ich vor diesem versprochen habe/ sol forthin an meiner Seiten traͤulich gehalten werden/ nach dem ich wieder frey/ und nach der Goͤtter schickung mein eigen bin; ich fuͤrchte aber sehr/ er werde sein Gemuͤht von mir gar abwenden/ wañ er ver- nehmen sol/ daß ich mich einem andern verlobet; moͤchte ihm auch die Gedanken machen/ als haͤtte Alexander an mir weiteren Genies gehabt/ als Jungfraͤuliche Keuscheit und Zucht leiden kan; da er nun deßwegen einigen Zweiffel in mich setzen solte/ wuͤrde ich mein Herz so weit von ihm abkehren/ als nahe ichs ihm vorhin zugewendet habe. Dieses lasset mich machen/ sagte Libussa/ und bleibet inzwischen in eurer Leidklage; dann daß Frauen- zimmer wird schier da seyn/ euch zu troͤsten/ da ihr jetzigem Stande schon wissen werdet/ euch gemaͤß zuhalten; ich gehe gleich hin nach den Boͤmischen Gesanten/ welche mich ha- ben zu fich fodern lassen. Als sie den Abtrit nam/ kam alsbald das Frauenzimmer herzu/ uñ funden Brelen mit Traͤhnen fast genetzet/ weil ihr dannoch der klaͤgliche Fal zu Herzen ging/ und sie zugleich wegen Ritter Neda ankunfft nicht wenig bestuͤrzet wahr. Es sprach ihr aber das Frauenzimmer/ insonderheit Fr. Agatha vielfaͤltigen Trost ein/ als welche ihren und ihrer Wasen Unfal dermassen außzustreichen wuste/ daß diese endlich gestund/ ihr Ungluͤk waͤhre damit nicht zuvergleichen. Libussa machte sich inzwischen nach den Boͤmischen Herren/ die etwa vor zwo Stunden ankommen wahren. So bald sie bey ih- nen anlangete/ meldeten sie ihr der Koͤnigin gnaͤdigsten Gruß und Willen an/ frageten da- neben/ ob nicht Zeitung von ihrem Gn. Fraͤulein einkommen/ und ob ihr Koͤnig Ladisla dem Teutschen Groß Fuͤrsten Herkules bald gefolget waͤhre; worauff sie ihnen alles er- zaͤhlete/ was sie von dem Fraͤulein und sonsten deren Nachsuchung erfahren hatte/ machte ihnen auch gute Hoffnung/ sie wuͤrde von H. Herkules und ihrem Bruder Ladisla sonder zweiffel erloͤset/ und gesund wieder heimgebracht werden; doch gedachte sie ihrer Wasen Brelen mit keinem Worte/ biß sie Gelegenheit bekam/ mit Ritter Neda allein zu reden/ zu dem sie sagte: Geliebter Vetter/ ich bitte/ mir zu sagen/ was euch verursachet habe/ diese beschwerliche Reise zu tuhn; ich glaͤube kaum/ daß eure Eltern euch mit gutem Willen ha- ben zihen lassen. Geliebte Wase/ antwortete er/ es ist wie ihr saget; aber nach dem ich mei- nen Eltern eins vor alles zuverstehen gegeben/ daß ich mich von ihnen nicht wolle in die Kammer versperren lassen/ noch ihnen die Huͤnereyer auff der Scheuren zusammen lesen/ haben sie wol muͤssen friedlich seyn. Wie aber stehets umb eure Liebe? fragte sie weiter/ habt ihr die reiche Jungfer Wisna/ Herꝛn Vratisla Tochter euch schon beylegen lassen? Davor behuͤten mich die Goͤtter/ sagte er/ daß ich die meiner liebsten Brelichen einmahl getahne Zusage brechen solte. Libussa stellete sich hierauff ganz traurig/ und antwortete: Ach geliebter Vetter/ dieser Liebe werdet ihr euch muͤssen entschlagen/ welches niemand lieber als euren Eltern seyn wird. Er entsetzete sich uͤber diesem Vorbringen/ und fragete/ ob sie irgend wiedrige Zeitung von ihr wuͤste. Ja/ sagte sie/ leider mehr dann gar zugewisse Zeitung/ dann sie hat einem Griechischen Aedelman/ der sie rauben helffen/ doch wieder ih- ren Willen/ eheliche Liebe und Traͤue verheissen/ und vor ihren Braͤtigam annehmen muͤs- sen/ und daß ichs euch umstaͤndlich erzaͤhle/ hat unser gnaͤdigstes Fraͤulein sie hart darzu genoͤhtiget/ weil vor erst ihre Durchl. uns wegen ihres Zustandes sonst nichts haͤtte berich- ten koͤnnen; vors ander/ weil meine Wase dem Parther Koͤnige als ein Kebsweib hat sol- len Drittes Buch. len zugefuͤhret werden/ welcher sie/ so bald er eine schoͤnere angetroffen/ wuͤrde verstossen/ und entweder einer andern zur Magd/ oder seinen Buben zum schaͤndlichen Muhtwillen uͤbergeben haben; daher hat sie aus zweien bevorstehenden uͤbeln das leichteste erwaͤhlen/ und lieber in die ungenehme Ehe/ als jene unwiederbringliche Schande einwilligen muͤs- sen/ welches weder ihr noch einiger ehrliebender Mensch ihr verargen wird/ massen in ih- rer Macht nicht stund/ euch das versprochene zuhalten/ und zweiffele ich nicht/ ihr werdet ihr lieber Ehre als Schande goͤnnen/ weil ihr sie doch vor eine verlohrne halten muͤsset. Dieser Rede/ ward Neda so traurig/ daß er kein Wort sprechen kunte; die Traͤhnen drun- gen ihm haͤuffig auß den Augen/ und entging ihm alle Krafft so gar/ daß er gezwungen ward/ sich niderzusetzen/ biß er endlich sich erhohlete/ und folgende Antwort gab: Herzliebe Jungfer Wase/ ich muß bekennen/ daß sie an ihrer und meiner Seite besser getahn hat/ eine wiedrige Ehe/ die gebrochen werden kan/ als oͤffentliche Schande/ die unwiederbringlich ist/ zuerwaͤhlen/ weil ja eines hat seyn muͤssen; ich aber werde nicht ruhen/ biß ich sie fundẽ/ und von diesem gezwungenen Bande gefreiet habe. Je mein geliebter Vetter/ was reder ihr da? sagte sie; bey leibe gedenket ein solches nicht; geschehene Dinge sind wol zubeklagen/ aber nicht zu endern; und was woltet ihr euch durch eines andern Wunde selbst ermorden? es sind ja mehr Weibsbilder in der Welt/ und muͤste schade seyn/ daß meine Wolfahrt so gar nur auff einen Grund gebauet waͤhre/ daß nach dessen Hinwich ich zugleich mit drauf gehen solte; und wie woltet ihr ihm tuhn/ wañ sie gestorben waͤhre! woltet ihr in die Erde steigen und sie wieder hohlen? Ich wolte alsdann sagete er/ keine Stunde nach ihr im Le- ben bleiben. Ist dañ/ fuhr sie fort/ die einige Brela euch nur gerecht und eben? lieber beden- ket euch eines bessern/ und stehet ab von solchem Irrewahn; sehet da/ ich weiß hieselbst eine schoͤne aͤdle/ Reiche/ Junge/ Tugendhafte Jungfer/ die wil ich euch zufreien. Alles vergeb- liche gedanken/ antwortete er/ dann mein Geist hat schon vorlaͤngst geschworen/ daß weder meine Begierden/ noch mein Leib/ einiges Weibsbildes/ ausser meiner Liebsten Brelen teilhafftig werden sollen. Ein steifer Sinn/ wie ich vernehme/ sagte sie; aber was haͤtte ich bey euch verdienet/ wañ ich noch ein Mittel wuͤste/ euch eure Brelen wieder in die Hand zu spielen? Dieser erboht sich hierauff/ er wolte sich aller seiner Erbschaft willig begeben/ und ihr solche schrifftlich vermachẽ. Worauff sie ihn nicht laͤnger aͤngsten wolte/ sondern zu ihm sagete; Herzlieber Vetter/ ob gleich meine Guͤter eben so groß nicht sind/ sollen mich dannoch die Goͤtter behuͤten/ daß ich euer vaͤterliches Erbe eines Fusses breit schmaͤ- lern wolte; aber vernehmet vor erst meinen Zustand. Ihr wisset/ daß euer getraͤuer Freund Ritter Leches meine Liebe/ eine zimliche Zeit her gesucht hat; die ich ihm allemahl stand- hafftig versaget/ und mag dessen Ursach euch vielleicht nicht unbewust seyn/ daß nehmlich seine gnug spoͤttische Schwester/ meiner bey anderen adelichen Jungfern dermassen ver- aͤchtlich gedacht/ als troͤge ich mich vergeblich auff ihren Bruder/ dem wol ein ander Gluͤk bescheret waͤhre; daher ich mir gaͤnzlich vorgenommen hatte/ seinem Ansuchen nimmer- mehr stat zu geben/ habe ihm doch die Ursach allemahl verschwiegen/ damit Ungluͤk ver- mieden bliebe; weil er aber neulich in Rettung meiner sich so hefftig bemuͤhete/ hab ich ihn endlich vor meinen liebsten angenommen; doch ist er mit unserm Koͤnige fortgereiset/ und hat mir vor weniger Zeit an Gold und Kleinoten viel tausend Kronen wert uͤbergemacht. T t t O du Drittes Buch. O du gluͤkseliger Leches/ antwortete er/ wie wandelbahr ist des Gluͤckes Rad; ich gedenke der lieben Zeit/ da du mich den seligsten/ und dich den verworffensten nenne test; nun aber hat sich das Spiel gar verkehret; doch/ geliebte wase/ saget mir/ bitte ich/ durch was Mittel ich zu ihr gelangen koͤnne; solte ich dann daruͤber zu grunde gehen/ wil ich euch zuvor zur einigen Erbin aller meiner Guͤter einsetzen/ welches/ wie ich durchaus nicht zweiffele/ un- sers Koͤniges Gemahl alhie bekraͤfftigen sol. Nun nun/ sagte sie/ gebet euch zu frieden/ ihr solt nicht druͤber sterben/ sondern sie ohn alle Muͤhe erhalten/ wañ ich nur einwilligen wer- de. Neda stund auff/ fiel ihr umb den Hals/ und kuͤssete sie so inniglich/ daß sie ihn deßwegen straffen muste. Wie stellet ihr euch so unbendig? sagte sie/ ich kan wol schwoͤren/ daß mich nie kein Mannesbilde dergestalt gehoͤhnet/ und wann ihr nicht meiner Stief-Schwester Sohn waͤhret/ wuͤrde ichs trauen an euch eifern. Neda baht umb Verzeihung/ zweifelte nicht/ die nahe Blutfreundschafft wuͤrde ihn von allem ungleichen Wahn leicht befreyen und loßsprechen. Ja sagte sie/ in Ansehung deren sol euch auch Verzeihung widerfahren; aber vernehmet nun/ wie die Sachen stehen. Es ist nicht anders/ daß eure Liebste auff un- ser Gn. Fraͤulein Willen und Befehl mit einem Griechischen Ritter/ Nahmens Alexan- der in der Stad Tyrus sich ehelich hat versprechen muͤssen/ welcher ihr hingegen aͤidlich angelobet/ sie keinerley weise zuberuͤhren/ biß er sie in Italien nicht weit von hinnen wuͤrde gebracht haben/ da er uͤber das den bestimmeten Tag zur Hochzeit abwarten solte. Nun hat er ihr solchen aͤid unbruͤchig gehalten/ wie meine Wase mir mit hoͤchster Beteurung ge- meldet/ und ich/ angesehen er ein Tugendhaffter auffrichtiger Aedelmann ist/ billich glaͤu- ben muß/ und ist der morgende Tag zum Beylager und Hochzeit Fest berahmet. Wehe miꝛ armen/ fiel er ihr in die Rede/ ist das der Trost/ den ihr mir versprochen habt? Aber sagt miꝛ Herzen Wase/ werdet ihr bey der Hochzeit auch mit erscheinen? Welch eine Frage ist diß? sagte sie/ sol ich doch ihr naͤhester Beystand seyn. Gar wol/ antwortete er/ so wird der Aff- ter Braͤutigam entweder auff mein Einsprechen abtreten/ oder ich werde auch sein naͤhe- ster Beystand seyn/ doch also/ daß entweder er oder ich das Leben druͤber einbuͤssen. Ich wuͤrde euch dieses selbst heissen/ wanns je noͤhtig waͤhre/ sagte sie/ aber nun bedarffs dessen keines/ dann der vermeynte Braͤutigam ist etwa vor zwo Stunden von seinem Spieß Ge- sellen im absonderlichen Kampffe erstochen/ und also meine Wase ehe Witwe als Frau worden. Herzgeliebte Wase/ sagte er/ wie moͤget ihr mich dergestalt aufzihen/ und mit mei- ner hefftigen Liebe einen so leichten Spot treiben? Versichert euch/ sagte sie/ daß ich die lautere Warheit rede/ als gewiß ich begehre in der Goͤtter Gnade zuverbleiben; Ob sie a- ber euch wieder annehmen wolle (sagte sie/ da er sich froͤlich bezeigete) ist mir unwissend/ massen sie von ihrem todten Braͤutigam uͤber XVII Tonnen Schatz an lauter Baarschaft/ Kleinoten und verkaufften Landguͤtern geerbet hat/ welcher grosse und welt beliebte Reich- tuhm gar leicht einen grossen Roͤmischen Herrn zu ihrer ohn das gnug wir digen Liebe be- waͤgen duͤrffte. Ich weiß nicht/ sagte Neda/ wie ihrs mit mir im Sinne habt; Wann ich mich fuͤrchte/ dann troͤstet ihr mich; empfahe ich dann etwas Freude in meiner Seele/ so stuͤrzet ihr mich nur immer in tieffere Verzweifelung; drumb bitte ich euch umb unser na- hen Verwandschafft willen/ erloͤset mich aus der Angst/ in welche ihr mich gefuͤhret/ und versichert euch/ daß ich mich dermassen dankbar erzeigen wil/ daß ihr daraus mein Herz eꝛ- kennen Drittes Buch. kennen sollet. Saget mir/ antwortete sie/ von keiner Dankbarkeit/ ich bin schuldig/ als euer Mutter Schwester euer bestes zuwissen/ und hoͤret nun den rechten Ausschlag: Jungfer Brelen Braͤutigam hat sich mit ihr nun mehr hieselbst XIII Tage auffgehalten/ und ist al- les ergangen/ wie ich schon vorhin angezeiget habe; Morgen haͤtte ungezweifelt die Hoch- zeit seyn sollen/ worauff alles auffs beste ist zugerichtet/ und XVI Tausend Kronen ausge- geben worden/ aber ohn Zweifel aus sonderbahrer Versehung der Goͤtter hat er muͤssen vor dem Beylager nidergestossen werden/ damit ihr euer Brelichen (die in Warheit ein liebes Bildichen ist) rein und unbeflekt bekommen soltet/ welche diese Tage uͤber stets mein Stuben- und Schlaff Geselle gewesen ist/ und ich wol weiß/ daß sie noch nie eines Mannes schuldig worden. Sie hat aber von eurer Anwesenheit noch keine Wissenschafft/ ist auch wegen des Unfals/ welchen ich ihr angemeldet/ etwas betruͤbet/ doch als eine/ die duꝛch euch fein wird zutroͤsten seyn/ weil diese Ehe ihr sehr zuwider wahr; und moͤget mir kuͤhnlich trauen/ daß ich euer bestes tuhn/ und nicht ablassen werde/ biß ich eine bestaͤndige genehme Erklaͤrung von ihr bekomme/ und euch zum reichesten Herrn in Boͤhmen machen helffe. Neda sahe sie mit blinzenden Augen an/ und antwortete: O ihr meines Gluͤks einige Mei- sterin; nehmet euch meiner an/ und schafft mir Ruhe in dieser Pein. Die Goͤtter wissen/ daß ich ihren Reichtuhm nichts achte/ ja vielmehr wuͤnsche/ dz sie dessen moͤchte ohne seyn/ weil sie dadurch nur stolz und mir ungewogen werden kan. Gebet euch zufrieden/ antwor- tete sie/ und lasset mich machen/ morgen fruͤh wil ich euch Zeitung bringen/ die euch verhof- fentlich ergetzen sol. Aber ich habe jezt nicht laͤnger Zeit alhie zuharren/ sondern wil gehen/ und eure Ankunfft dem Stathalter zuwissen tuhn/ dann so ihr euch zu lange werdet heim- lich halten/ duͤrffte ihn solches verdriessen/ oder zum wenigsten argwoͤhnische Gedanken er- wecken. Also schied sie von ihm/ uñ berichtete Herrn Fabius/ was gestalt ihre Allergnaͤdig- ste Koͤnigin etliche Gesanten hergeschicket haͤtte/ umb zuerforschen/ ob nicht Zeitung we- gen ihrer allerliebsten Frl. Tochter einkom̄en waͤhre; haͤtten auch unterschiedliche Schrei- ben/ so wol an den Herrn Stathalter/ als an ihre Gn. Frau Sophien bey sich. H. Fabius befahl alsbald seine Gutsche anzuspannen/ und die Gesanten aus der Herberge zuhohlen/ welches Klodius verrichtete/ und sie von dem Stathalter und Fr. Sophien gar freund- lich empfangen wurden/ legten hernach ihren Gruß ab/ und uͤberreicheten die Schreiben von der Koͤnigin und den Land Staͤnden untergezeichnet/ und uͤber diese noch eines/ von der Koͤnigin absonderlich an ihre geliebte Schnuhr geschrieben. Diese zulesen/ nam der Vater einen Abtrit mit der Tochter ins Neben Gemach/ da sie beyder Schreiben gleich- maͤssigen Inhalt funden/ daß die Koͤnigin uñ saͤmtliche Landstaͤnde des freyen Koͤnigreichs Boͤhmen sich hoch erfreueten/ dz nach der Goͤtter sonderbarer Schickung ihr Herr Sohn und Erb Koͤnig mit einem so hochansehnlichen Roͤmischen Herrn sich befreundet/ und ein Tugendreiches verstaͤndiges/ der Koͤniglichen Krone gnug wirdiges Gemahl uͤberkom̄en haͤtte. Weil sie dann schmerzlich erfahren/ daß ihr Herr Sohn und Koͤnig dem geraube- ten Durchleuchtigsten Koͤniglichen Fraͤulein nachzihend/ sich in abgelegene Landschafften begeben/ als baͤhten sie instendig/ der Hochmoͤgende Herr Stathalter ihnen ihre kuͤnfftige Koͤnigin unwegerlich zuzihen lassen wolte/ damit sie zeit ihres Koͤniges Abwesens/ dersel- ben gebuͤhrlich aufwarten/ und an die Hand gehen moͤchten/ welches der añoch herrschen- T t t ij den Drittes Buch. den Koͤnigin und des ganzen Koͤnigreichs Wunsch und begehren waͤhre; und erboͤhte sich die Kron Boͤhmen/ biß an ihre Freyheit/ dem Roͤmischen Reiche alle moͤgliche Freund- schafft zuerweisen. In dem absonderlichen Briefe aber uͤberschrieb die alte Koͤnigin Fr. Sophien muͤtterlichen Gruß und Liebe/ gab die Begierde/ ihre herzgeliebte Fr. Tochter zu sehen/ an den Tag/ und beklagete den Verlust ihrer Fraͤulein Tochter Frl. Valisken/ als welcher verursachete/ daß auch ihre Fr. Schwieger Tochter ihres Gemahls/ ja das ganze Land ihres Koͤniges entrahten muͤste; Schließlich baht sie/ ihr muͤtterliches Herz und das ganze Land durch ihre hochbegehrte Gegenwart zuerfreuen/ und der Beherschung nach ihrer geruͤhmten Weißheit mit vorzustehen. Nach Verlefung sagte Herr Fabius: ihm zweifelte nicht/ die Koͤnigin und Landstaͤnde sucheten dieses mit auffrichtigem Verlangen/ gestaltsam ihm der Mitternaͤchtigen Voͤlker Gemuͤhter gnug bekant waͤhren/ welche nicht nach Roͤmischer boͤser Art/ ein anders auff der Zungen uñ in Briefen/ als im Herzen fuͤh- reten; moͤchte deßwegen seine Tochter ihre Meynung andeuten/ was sie zu tuhn willens waͤhre. Diese gab ihm zur Antwort: Sie waͤhre zwar ihrer Schwieger der Fr. Koͤnigin und den saͤmtlichen Landstaͤnden verbunden/ ihrem begehren stat zugeben/ weil die Goͤtter ihren Sohn und Koͤnig ihr zum Gemahl bescheret haͤtten; Wann sie aber bedaͤchte/ daß ihr lieber Ladisla abwesend/ und/ welches die Goͤtter gnaͤdig verhuͤten wolten/ er in der fremde sein Leben enden solte/ wie es ihm schon nahe gnug gewesen/ waͤhre die Reise nach Boͤhmen nichts/ als eine vergebliche Muͤhe/ weil sie nicht gewillet waͤhre/ nach dessen To- de daselbst lange zuhausen. Uberdas waͤhre dem Koͤnigreich mit ihrer Gegenwart wenig gedienet/ nur daß die Koͤniglichen Unkosten dem Lande gedoppelt wuͤrden; haͤtte demnach/ wañ ihr Herr Vater einwilligen koͤnte/ in ihrem Herzen beschlossen/ ihres Gemahls Wie- derkunfft hieselbst zu Padua zuerwarten/ als dann wuͤrde sie schuldig seyn/ dessen Willen nachzukommen/ wie ers ordente. Fabius hoͤrete gerne/ daß sie mit ihm gleicher Meynung wahr/ gingen in den Saal/ da man zur Abendmahlzeit anrichtete/ und wurden die Koͤnig- liche Gesanten der Gebuͤhr bedienet/ gegen welche insonderheit Fr. Sophia sich garleut- selig/ bezeigete/ beklagete auch mit Traͤhnen den schmerzlichen Verlust der Koͤniglichen Fraͤulein/ und daß in der fremde sie sich dergestalt muͤste umher schleppen lassen; berichte- te doch daneben/ wie sie nicht allein vor weniger Zeit ihres annoch guten ergehens gewisse Zeitung gehabt/ sondern auch die Goͤttliche Antwort und Zeichen der Opffer/ ihre froͤliche Wiederkunfft eigentlich verhiessen. Libussa wahr nicht mit zu Tische/ gab vor/ sie muͤste bey ihrer hochtraurigen Wasen Jungfer Brelen bleiben/ und ihren grossen Kummer durch ihren Trost etwas lindern und benehmen; wiewol dessen wenig gedacht ward/ sondern ihr Gespraͤch wahr stets von Ritter Neda/ dessen bestaͤndige Liebe und Traͤue sie dergestalt her- aus zustreichen wuste/ daß sie hiedurch das halberloschene Feur in dem Herzen dieser Lieb- haberin voͤllig wieder auffbließ/ welche/ da sie vernam/ wie Neda willens gewesen/ sie durch einen Kampff von Alexander loß zumachen/ und ungeachtet er sie schon geheyrahtet haͤtte/ zum Weibe zunehmen/ sich nicht enthalten kunte/ daß sie endlich sagete: O du getraͤuer be- staͤndiger Freund und Liebhaber/ dessen Auffrichtigkeit ich mehr als einen Beweißtuhm eingenommen/ wie boͤßlich habe ich mich an euch versuͤndiget/ daß ich einem andern das eure versprochen; billicher haͤtte ich mich ins Meer stuͤrzen/ als an euch meinaͤidig werden sollen. Drittes Buch. sollen. Jedoch was hiedurch ich wider meinen Willen und aus hoͤchstgezwungener Noht begangen habe/ sol von mir in andere Wege ersetzet werden/ bin auch der gaͤnzlichen Mey- nung/ es haben die Goͤtter es also geschicket/ daß ich euch wiederumb zugefuͤhret wuͤrde; werde aber/ herzallerliebste Schwester/ nicht ruhen/ biß ich mich dankbar gegen euch bezei- get/ welches ich nur so lange auffschieben muß/ biß mein Neda und ich uns dessen beredet haben. Die Gesanten/ ausser Neda/ wahren wegen Brelen Wiederkunfft noch unberich- tet/ biß ihrer bey der Mahlzeit ohngefehr Meldung geschahe/ woruͤber Herr Struniko/ ihr naher Blutsfreund hoͤchlich erfreuet ward/ und sich ihres Zustandes voͤllig berichtẽ ließ/ da sie nachgehends eins wurden/ sie folgendes Tages in ihrer Traurigkeit zubesuchen. Die ganze Nacht kunte Brela nicht ruhen/ dann der Schrecken mit Begierde vermenget/ ließ ihr den Schlaff nicht zu; aber gegen Morgen kam ihr vor/ wie Alexander in bleicher Far- be/ und mit Blute gar bespruͤtzet/ sie bewaͤglich anredete: Sie moͤchte seine getraͤue Liebe nit mit Undank vergelten/ sondern ihm zu Ehren XX Trauer Wochen aushalten/ sonsten wuͤr- den die von ihm geerbeten Schaͤtze ihr durch Raͤubers Hand genom̄en/ und sie in Lebens- und Ehrengefahr gerahten. Woruͤber sie dermassen erschrak/ daß sie aus dem Schlaffe fuhr/ und wie ein Espenlaub zitterte; wolte doch Jungfer Libussen nichts davon melden/ wie stark sie gleich anhielt/ ihr die Ursach solcher Verenderung und Schreckens anzuzei- gen/ sondern nam ihr aͤidlich vor/ das Beylager vor Ausgang der XX Wochen durchaus nicht zuhalten. Da sie nun des Morgens auffstunden/ und Libussa ihr Gespraͤch von Ne- da wieder anfing/ in meynung/ sie zubereden/ dz in kurzer frist die Hochzeit angestellet wuͤr- de/ ward sie der Anmuhtung etlicher massen unwillig/ und sagete: Sie erinnerte sich ihrer genommenen Abrede/ dabey solte es ihres teils sein verbleiben haben/ jedoch unter zwo Be- dingungen; Als vorerst wolte sie umb boͤse Nachrede zumeiden/ die angesezte Zeit halten/ welches sie hiemit aͤidlich angelobete; Hernach muͤste sie versichert seyn/ daß nicht schier heut oder morgen ihr Neda schimpflich vorhielte/ daß sie aus gezwungener Noht/ und um Rettung ihrer Ehren/ sich mit Alexandern so weit eingelassen haͤtte; dann solte sie davon das geringste im Schimpff oder Ernst hoͤren/ wuͤrde ihr solches schmerzlicher seyn/ als der Tod selbst; Dafern nun Neda sich dieser beyden Anmuhtungen/ nicht buͤndig gnug heraus lassen koͤnte/ waͤhre ihr unbewaͤglicher Vorsatz/ ihr ganzes Leben in Jungfraͤulichem Stan- de zuzubringen. Libussa sahe/ daß sie ernstlich uñ aus Herzengrunde redete/ durffte ihr dem- nach nicht widersprechen/ wie sehr ihr gleich im Anfange die erste Bedingung zuwider wahr/ sondern sagte zu ihr: Geliebte Schwester/ das erste stehet ganz in eurer Macht/ wie- wol mir in etwas mißfaͤlt/ daß ihreuch aͤidlich dazu verbindet. Ich tuhe solcheß/ sagte Bre- la/ umb meiner Ehre willen/ und sonsten aus einer hoͤchstwichtigen Ursach/ welche ihr der- eins erfahren sollet/ deswegen ist von diesen XX Wochen kein einziger Tag/ ja keine Stun- de abzuhandeln. Ich lasse es gut seyn/ antwortete Libussa; Das andere aber betreffend/ da- vor wil ich euch mein Leben zu Pfande setzen. Ach nein/ sagte Breka/ davor kan mir kein Mensch/ als er allein/ gut sagen/ und wird er sich daher gefallen lassen/ mir dessen einen schrifftlichen/ und zwar gnug guͤltigen Schein heraus zugeben/ weil ich mich hierin nicht zu wol verwahren kan/ und dañoch scheuh trage/ es ihm anzumuhten. Er wird es aber mit ganz gutem Willẽ tuhn/ antwortete sie; nuꝛ saget mir/ wz euret wegen ich ihm einliefeꝛn sol/ T t t iij daraus Drittes Buch. daraus er eure Gunst und beharliche Liebe in etwz spuͤren moͤge. Noch zur zeit nichts/ sagte Brela/ biß auf mein doppeltes begehrẽ ich seine runde erklaͤrung habe; heꝛnach wil ich alles nach eurẽ gutduͤnken machen/ uñ von meinen Geldeꝛn uñ Kleinoten ihm so viel zustellen/ dz er meines guten willens gnugsame Kundschafft haben sol. So gehe ich hin/ sagte Libussa/ alles nach eurem Willẽ an ihn zu fodern/ welches er/ wie ich weiß/ williger leisten wird/ als ihrs von ihm begehret. Neda war gleich aufgestandẽ/ da sie zu ihm kam/ die andern aber la- gen noch auff ihrem Lager; als er sie nun sahe/ trat er ihr entgegen/ und nach wuͤnschung eines gluͤkseligen Morgens fing er an: Herzgeliebete Jungfer Wase/ bringet ihr mir Leben oder Tod? Ich bringe euch dessen nichts/ antwortete sie; das Leben habt ihr schon; den Tod begehre ich euch nicht anzutuhn; wisset aber/ daß ich euretwegen mit meiner Wasen sieder gestrigem abscheiden/ mannicherley Reden gepflogen/ und weiß sie dero euch vor die- sem gegebener Traͤue sich noch wol zuerinnern/ wuͤrde auch ausser der hoͤchsten Noht die kein Gesez hat/ einem andern neben euch sich nimmermehr versprochen haben/ wie schon von mir ist angezeiget worden. Wollet ihr aber in vorige Gunst wieder angenom̄en seyn/ werdet ihr euch unbeschweret erzeigẽ/ zweyerley Bedingungen ohnwegerlich auff euch zu nehmen; hielt ihm dieselben kuͤrzlich vor/ und sagte nachgehends; nun erklaͤret euch bald/ ob ihr dieses eingehen/ welches meines beduͤnkens so gar schwer nicht ist/ oder im wiedri- gen lieber wollet/ daß sie sich noch diesen Tag der ewigen Jungfrauschafft aͤidlich verlobe. Neda antwortete; ob ihm gleich daß erste nicht lieb waͤhre/ befuͤnde ers doch in Erbarkeit und Tugend gegruͤndet; im andern haͤtte er sich durchaus nicht zubeschweren/ angesehen/ kein ehrliebender Mensch sie hierin verdenken koͤnte/ sondern muͤste ohn bedingen an ihr ruͤhmen/ daß sie/ Laster zu meiden/ sich selbst uͤberwunden/ und Alexandern die Ehe verspro- chen haͤtte; seid demnach gebehten/ fuhr er fort/ und hinterbringet ihr solches neben Anmel- dung meiner bereitwilligsten Dienste. Nein lieber Vetter/ sagte sie/ vor dißmahl wil es mit muͤndlicher Erzaͤhlung nicht geschlichtet seyn/ sondern ehe ihr mit ihr zureden kom- met/ wird solches schrifftlich von euch geschehen muͤssen/ als dann hat daß Ding seine richtigkeit. Neda wahr hier zu bald fertig/ sahe ein Schreibzeug mit allem zubehoͤꝛ auf dem Tische stehen/ schnitte eine neue Feder/ ritzete in seine linke Brust und schrieb mit dem auß- getropfeten Blute folgenden Brieff: Hochaͤdel-gebohrne Jungfer/ herzgeliebete vertrauete Freundin; Was meine vielgeehrte Wa- se Jungfer Libussa mir/ euer Hochaͤdl. Tugend ergebenem Knechte vorgehalten/ daß vorerst derosel- ben bestaͤndiger Vorsaz sey/ vor Ausgang der naͤhesten XX Wochen das Beylager nicht zu vollenzi- hen; Hernach/ sie von mir nicht gewaͤrtig seyn wolle/ daß so wenig im Scherz als Ernst ihre dem wei- land Wolaͤdlen Herrn Alexander getahne eheliche Versprechung ihr aufgerucket/ viel weniger als un- loͤblich vorgehalten werde; So verspuͤre aus dem ersten Ihrer Hochaͤdl. Tugend ehrlitbendes Ge- muͤht/ ich zu voller Gnuͤge/ in dem sie boͤsen Laͤstermaͤulern vorzubeugen geflissen ist. Das andere wird deroselben kein redlicher Mensch verdenken/ angesehen ihre Ehre zuretten kein ander Mittel gewesen. Und verspreche ich bey meinen ritterlichen Ehren/ daß nicht allein in diesem/ ihrem Willen ich mich al- lerdinge gemaͤß bezeigen/ sondern/ als lange einiger Blutstropffen in mir uͤbrig ist/ seyn und verbleibẽ wolle meiner herzgeliebten Jungfer und vertrauten Freundin in allem/ was ihr gefallen kan/ bereit- willigst-gehorsamster Knecht Neda. Libussa laß dieses/ und sagte; Nun wartet meiner; uͤber ein wenig wil ich euch bestaͤn- dige Antwort bringen; ging eilig zu ihrer Wasen/ welche sie gar schwermuͤhtig fand/ und frage- Drittes Buch. fragete/ was ihr anliegen waͤhre. Saget mir zuvor bescheid von meinem Neda/ antwor- tete sie/ als dann wil ich euch mein hefftiges Anliegen nicht laͤnger verhehlen. Wie? sagete diese/ zweiffelt ihr wegen des bescheides? hieselbst habe ich ihn in der Hand/ und zwar mit seinem Blute geschrieben/ welches er unter seinem Herzen heraus zapffete/ daß ihr ja nicht zweiffeln moͤchtet/ ob ihm von Herzen gehe/ was er alhie verheisset. Brela entsetzete sich da- vor und sagete: Es ist mir leid/ das ich schriftliche Versicherung an ihm begehren/ uñ seine Redligkeit in zweiffel setzen duͤrffen; nam hiemit das Schreiben zur Hand/ lase es mit fleiß durch/ und sagte nachgehends; ich wil diesen Brieff nicht behalten/ sondern ihm denselben wieder zustellen/ damit er hieraus nicht Ursach zu unwillen nehme. Bey leibe nicht/ ant- wortete Libussa/ er wuͤrde sich viel mehr fremde Gedanken machen/ und Ursach haben/ euch vor unbestaͤndig zu halten. Wollet ihr ihm aber ein Zeichen eurer guten Vergnuͤgung sehen lassen/ solches wil ich ihm gerne beybringen. Ja/ sagete sie/ dessen wil ich mich fort- hin nicht wegern; nam eine trefliche guͤldene Kette/ ein par Armbaͤnder und etliche guͤlde- ne Ringe aus ihrer Handlade/ wickelte alles zusammen/ in ein Seidenes weisses Tuͤchlein uñ sagete; So tuht miꝛ so viel zugefallen/ geliebte Schwester/ und liefert ihm dieses meinet wegen; vielleicht gibt die Gelegenheit/ daß ich das uͤbrige selbst mit ihm Rede. Diese ver- richtete solches mit gutem willen/ und hinterbrachte es mit diesen Worten: Mein Vetter/ eure vertrauete Freund in und abermahlige Braut laͤsset euch ihre von nun an beharliche Liebe uñ Traͤue durch mich anmelden/ hoffet/ ihr werdet die Anmuhtung wegen der schrift- lichen Versicherung nicht ungleich außdeuten; haͤtte doch euer Blut darzu nicht begeh- ret; erkennet aber daher euren guten Willen/ welchen zu seiner Zeit nach moͤgligkeit zu vergelten sie sich bemuͤhen wil; unterdessen habe ich von ihr Befehl/ euch diese Kette an den Hals/ diese Armbaͤnder an eure Arme/ und diese Ringe an eure Finger zulegen/ zum Zeichen/ daß nach diesem sie lieber sterben/ als diese Verbindung zum andernmahle bre- chen wil; und damit es an wirklicher Leistung nicht mangele/ wil ich euch vor mich diesen Kuß ihretwegen hinzulegen. Neda sahe die koͤstliche Kleinot mit Verwunderung an/ und antwortete: Mein Herz ist mit allem wol vergnuͤget/ nur daß ich alhie nicht Mittel weiß/ meiner Liebsten etwa ein Kleinot wieder zuliefern. Ihr seid daß beste Kleinot// sagte Libus- sa; doch habe ich schon hierauff gedacht/ daß euch hieran nicht mangeln sol; zog hiemit ei- ne zarte koͤstliche Halßkette mit einem zimlichen angehenkten Kleinot hervor/ wie auch ei- nen schoͤnen Demant Ring; welches beydes er auff Begebenheit seiner liebsten selbst ein- zulieffern bedacht wahr/ und es gedoppelt zuersetzen sich erboht/ da gleich die Boͤmische Gesanten hin zu ihnen traten/ mit begehren/ wann es Libussen gefaͤllig/ und ihrer betruͤb- ten Wasen nicht zuwieder waͤhre/ wolten sie mit ihr hingehen/ sie in ihrem Unfal zubesu- chen. Brela hatte sich auff ihre Ankunfft geschicket/ das Gemach mit schwarzem Tuche/ und sich selbst mit Flohr umb und umb behaͤnget/ empfing auch ihre lieben Freunde und bekanten mit traurigen Geberden/ und bleicher Farbe/ welche ihr doch durch Neda an- schauen bald in Feurroht verkehret ward/ dessen Herr Struniko wahrnam (weil Herr Krokus seines Sohns Verliebung ihm vor diesem geklaget hatte) ließ sichs doch nicht merken/ sondern redete ihr troͤstlich zu/ sie wuͤrde ihreꝛ Vernunfft nach sich in diesem Fall zuschicken wissen/ massen die Goͤtter ihꝛen Willen haben woltẽ/ denen menschliche schwach- heit Drittes Buch. heit zuwiederstehen nicht bestand waͤhre. Herꝛ Stanisla trat etwas naͤher; zweiffelte nicht/ es haͤtte sich der Unfall mit H. Alexandern nicht so ohngefehr zugetragen/ ob man gleich den unwandelbahren Schluß der himlischen Versehung mit unser blinden Vernunfft nicht außgruͤbeln koͤnte; er vor sein Haͤupt rechnete es dahin/ daß entweder gedachter A- lexander ihrer nicht wirdig/ oder sie einem andern von den Goͤttern vorbehalten wuͤrde/ deßwegen muͤste sie in Geduld stehen und bedenken/ daß wie der verstorbene sie anfangs wieder Recht geraubet/ also haͤtten die Goͤtter ihn hinwiederumb nach ihrem gefallẽ duꝛch den Tod hin rauben lassen. Der alte Wenzesla machte es kurz/ und wie er mit ihr ohndaß wol bekand wahr/ und gerne zu scherzen pflegete/ wann andere mit ernsthafften Sachen umbgingen/ sagte er: Griechenland muͤste den Boͤhmen die schoͤnsten Jungfrauen nicht so entfuͤhren/ sie moͤchte gemach tuhn/ und der Traͤhnen schonen/ es waͤhre noch so man- nicher junger Ritter in ihrem Vaterlande/ unter welchen sie die Wahl haben/ und den be- sten außlesen solte. Brela keñete seine Anschlaͤge/ wolte sich daher mit ihm nicht uͤberwerf- fen/ sondern antwortete auff seine Reden nichts/ nur das sie seiner guten Gesundheit sich freuete/ und ihn wilkommen hieß. Dieser fuhr in seiner posserey fort/ boht seine Dienste und alles Vermoͤgen/ was ein grauer Bart vermoͤchte/ willig an/ wann er nur nicht moͤch- te geschuͤppet und durch den Korb gestuͤrzet werden; daß die gute Jungfer sich kaum des lachens enthalten kunte/ und zu ihm sagte: Es waͤhre noch zu zeitig von heyrahten zu re- den/ weil ihr gewesener Braͤutigam noch nicht eins beerdiget waͤhre; haͤtte er sich aber voꝛ diesem zu Prag so freundlich vernehmen lassen/ wuͤrde sie solches Gluͤk schwerlich außge- schlagenhaben. Freylich/ sagte er/ wuͤrdet ihrs nicht außgeschlagen/ sondern wol gar auß- gepeitschet haben; jedoch/ sagte er zu Neda/ nehmet ihr dieser Schanze wahr; vielleicht waͤhren es Schuch vor eure Fuͤsse/ und ein Nest vor eure Huͤnerchen. Wodurch er eine solche Roͤhte in der beyder liebhabenden Angesicht erweckete/ daß ihr keiner ihm ein Wort antworten kunte/ biß endlich Neda sagete: Er wuͤste nicht/ ob bey so traurigen Faͤllen sich dergleichen teidungen allemahl reimeten; baht hernach/ es moͤchte die Jungfer sich an seiner Kurzweil nicht irren/ weil des Alten Art ihr ohndaß bekant waͤhre; boht ihr damit die Hand/ uñ brachte ihr den Ring so heimlich an den Finger/ daß dessen niemand gewahr ward; hernach redete er sie also an: Hochaͤdle Jungfer/ ich erfreue mich sehr uͤber ihre uñ meiner geliebten Wasen Jungfer Libussen Rettung/ wie betruͤbet ich gleich bin wegen un- ser gnaͤdigsten Fraͤulein Verlust und Gefaͤngnis; wie ich nun aber aus meiner hochge- ehrten Jungfer abenteurlichen Reisen/ und wunderbahrer Erloͤsung nichts anders als deꝛ Goͤtter sonderlichen Schuz und Huͤlffe spuͤren und schliessen kan/ also zweiffelt mir nicht/ dieselben werden sich hinfort ihrer Durchl. auch annehmen/ sie gnaͤdig retten/ und ihrer aller Leid in Freude verwandeln. Brela bedankete sich des guten Willen/ und wuͤnschete ihm hinwieder stete auffnahme seiner ritterlichen Ehren/ und was ihm sonst lieb und er- sprißlich seyn koͤnte. Darnach wante sie sich/ Argwohn zu vermeiden/ zu ihrem Vetter H. Struniko/ und fragete fleissig nach ihrer Gnaͤdigsten Koͤnigin Zustand/ und wie es allen ihren Anverwanten/ insonderheit ihren Vormuͤndern ginge. Dieser wuste wol/ daß die- selben sehr ungleich bey ihr gehandelt/ und aus ihren Guͤtern den Eigennuz gesucht hattẽ/ welches ihr zimlich bewust wahr; ließ sich doch dabey nichts merken/ biß er von sich selbst dessen Drittes Buch. dessen Erwaͤhnung taht; welches sie mit kurzen beantwortete: Sie haͤtte Gott Lob/ ihrer Seel. Eltern Rechnungen und Buͤcher in guter Verwahrung/ in welchen alle Schuld und Unschuld richtig auffgezeichnet stuͤnden; Zweifelte demnach nicht/ ihre Vormuͤndere wuͤrden dieselben nicht tadeln/ noch auff ihre Ankunfft sich wegern/ Rechnung abzulegen. Worauff Struniko wenig antwortete/ dann ihm wahr wol bewust/ es wuͤrde ihre Ankunft etlichen seinen nahen Anverwanten nicht sonderlich angenehme seyn; nur fragete er sie/ ob sie nicht willens waͤhre/ mit ihnen heimzureisen/ und ihrer Koͤnigin der Fraͤulein Zustand muͤndlich zuberichten; dem sie zur Antwort gab: Sie haͤtte von ihrem Gnaͤdigsten Fraͤu- lein/ dann auch von Fuͤrst Herkules Befehl/ nicht von Padua zu weichen/ biß sie Schreibẽ und ausdruͤklichen Erlaß von ihnen haben wuͤrde; Hoffete demnach/ ihre Gnaͤdigste Koͤ- nigin/ als welche ihr selbst befohlen/ dem Fraͤulein zugehorsamen/ wuͤrde ihr solches nicht ungnaͤdig veruͤbeln. Nach dem sie nun bey anderthalb Stunden gesprachet hatten/ namen sie Urlaub von ihr; aber Libussa sagte zu Neda: Geliebter Vetter/ ihr sollet mit mir auff mein Gemach gehen/ welches hie allernaͤhest ist/ daselbst wil ich euch zeigẽ/ dessen ich gestern gegen euch gedacht habe; inzwischen wartet meiner alhie/ biß den Herren Gesanten ich an stat meiner Wasen das Geleit gegeben habe. Brela verwunderte sich ihrer listigen Erfin- dung/ wahr doch damit wol zu frieden/ und nach jener Abscheid/ ergriff sie ihren Liebsten bey der Hand/ sprechend: Vertraueter Herr und Freund/ koͤnnet ihr noch die leichtsinnige Brelen mit gewogenen Augen ansehen/ die durch grosse Unbilligkeit euch so hoch beleidi- get/ in dem wider geschehene teure Zusage sie sich mit einem andern eingelassen und ehelich versprochen hat; Nun sind gleichwol die Goͤtter meine Zeugen/ daß ich viel lieber mir das Leben haͤtte nehmen lassen wollen/ und solte Alexander vor sich nimmermehr so maͤchtig ge- wesen seyn/ mich zugewinnen/ dafern ichs nicht umb meiner Gn. Fraͤulein willen getahn; Dann haͤtte deren Heil und Wolfahrt ich nicht angesehen/ solte das Meer meinem Leben gar bald den Fadem auffgeloͤset haben/ daß versichere ich euch bey meinem hoͤchsten aͤide/ und wil aller Goͤtter ewigen Fluch uͤber mich selbst wuͤnschen/ dafern Alexander oder eini- ges Mannesbilde meiner so weit genossen hat/ daß meiner Jungfraͤulichen Zucht und Eh- re im geringsten Nachteil geben koͤnte; deswegen ihr dann dem guten Alexander billich ge- wogen seyn sollet; Dann haͤtte er Gewalt und seines Rechts sich gebrauchen wollen/ wuͤr- de ich euch in solchem Stande nicht behalten seyn/ angesehen der fernen Reise/ die ich mit ihm zu Wasser und Lande getahn habe. Ich meyne abeꝛ/ den blossen Nahmen eines Braͤu- tigams euch und mir teur gnug bezahlet seyn/ angesehen ich uͤber XVII Tonnen Schatz an Baarschafft und Kleinoten von ihm empfangen und geerbet habe/ daß wir inkuͤnfftig un- sern Stand besser als kein Boͤhmischer Landsasse fuͤhren koͤñen. Ich weiß gar wol/ dz eure Eltern und Verwanten in Verhinderung unser Heyraht nichts eingestreuet haben/ als dz ich euch nicht reich genug waͤhre; Wollet ihr nun meinem Willen folgen/ sollet ihr eures ganzen vaͤterlichen Erbes euch begeben/ oder da ihr solche Guͤter zubesitzen Lust traget/ euer Schwester so viel von meinen Geldern heraus geben/ als die Guͤter ingesamt wert sind/ alsdañ haben sie euch nichts vorzuwerffen; aber diese XX Wochen wil ich hieselbst zubrin- gen/ und aͤusserlich meinen aus Zwang angenommenen Braͤutigam betrauren/ dem ihr dann nebest euren Gefaͤrten morgendes Tages die Ehre und Freundschafft erweisen/ und V u u zu Drittes Buch. zu Grabe folgen werdet; Im uͤbrigen bleibets bey unser zu Prage lezt genommenen Abre- de. Neda umfing sie gar freundlich/ und antwortete ihr: Herzgeliebtes Herz/ sie tuht in warheit ihr selbst grosse Unbilligkeit an/ indem sie ihr selbst dasselbe uͤbel ausleget/ dessen ich und ein jeder redlicher Mensch sie zum hoͤchsten ruͤhmen und preisen muß; bitte demnach von Grund meines Herzen/ dessen fort mehr nicht zugedenken; dann haͤtte sie gleich durch Noht gezwungen/ eine zeitlang mit Alexander ehelich leben muͤssen/ koͤnte und muͤste mir ja solches nicht zuwider seyn/ wolte sie auch nicht umb das geringste weniger/ als jezt/ ehren und lieben/ und mit solcher jungen Witwen wol zufrieden seyn/ ja den Goͤttern noch darzu danken/ wañ mir keine Jungfer zu ehelichen bescheret waͤhre; Im uͤbrigen ist die kurze ein- gebildete Freude von Alexander dergestalt durch den grossen Schaz vergolten/ daß man ihm davor billich zudanken hat; welcher Reichtuhm doch von mir im geringsten nicht sol gemindert werden/ und moͤget ihrs mit meinem vaͤterlichen Erbe nach eurem gefallen an- stellen/ und meiner Schwester/ ob sie es gleich weder umb euch noch mich verdienet hat/ al- les schenken/ oder ein Stuͤk Geldes davor zuwenden/ dessen ich gleichwol keine Ursach sehẽ kan. Zwar die bestimmeten Traurwochen/ wie widrig sie auch meiner herzlichen Liebe fal- len/ sind sie doch meinem vernuͤnfftigen Willen lieb und angenehm/ wil auch umb so viel mehr darein gerne gehehlen/ damit ihr nicht ursach habt zusagen: Alexander sey euch ge- horsamer gewesen als euer Neda; Dann wie ich schon anderthalb Jahr mich geduldet/ al- so wil ich diese XX Wochen alle Tage zaͤhlen/ biß ich den lezten hinter mich gelegt habe; als- dann werden mir die Goͤtter goͤnnen/ dessen wirklich zugeniessen/ welches ich hoͤher als al- ler Welt Wollust und Reichtuhm achte. Dem redlichen frommen Alexander wil ich ger- ne (sagete er mit lachen) zu Grabe folgen/ und lieber/ als wann ich ihn mit meiner Faust haͤt- te muͤssen hinunter schicken/ welches unvermeidlich haͤtte geschehen muͤssen/ wann dieses gluͤkliche Ungluͤk nicht darzwischen kommen waͤhre. Ach nein/ mein Schatz/ sagete sie/ redet nicht spoͤtlich von ihm; Er hats in Warheit weder umb euch noch mich verschuldet; uͤber- das bin ich diese Nacht durch einen Traum hoͤchlich erschrecket/ da mich eigentlich dauch- te/ wie er gar bleich und blutig vor mir stuͤnde/ und mich bey hoher Straffe erinnerte/ seiner Liebe nicht zuspotten/ sondern die benante Zeit in der Trauer ihm zu Ehren und Gedaͤcht- niß auszuhalten; dieses/ bekenne ich/ hat mich bewogen/ ihm diese Wochen aͤidlich zuver- sprechen/ welches ich auch unbruͤchig halten wil. So wil ich/ sagte Neda/ auch zu Ehren uñ Gefallen/ seiner allezeit im besten gedenken/ und diese Zeit neben euch in Traurkleidern ge- hen/ damit seinem schwebenden Geiste ein gedoppeltes genuͤgen geschehe. Es haͤtte sich a- ber gebuͤhret/ fuhr er fort/ daß bald anfangs wegen zugeschikter Kleinot ich mich bedanket/ als welche bey mir die staͤte Gedaͤchtniß unser von neuen getroffenen Versprechung frisch erhalten sollen/ und bitte dienstlich/ meine herzgeliebete Freundin wolle mir zu liebe dieses schlechte Halsketchen tragen/ und von ihr nicht kommen lassen. Die Jungfer besahe das Kleinot/ und gefiel ihr die kuͤnstliche Arbeit uͤber die masse wol; dann ob zwar nicht sechs Kronen Gold dran wahren/ hatte doch der Arbeits Lohn uͤber 100 Kronen ausgetragen; so wahr auch das angehenkte Kleinot so leicht und unansehnlich/ aber von sieben trefflichen Demanten so art- und kuͤnstlich ins Kreuz gesetzet/ daß sie bekennete/ so schoͤne Arbeit nie ge- sehen zuhaben. Sie bedankete sich dessen aber/ und nach dem sie ein wenig von schwarzer duͤnneꝛ Drittes Buch. duͤnner Seide darum gewickelt hatte/ legte sie es an ihre blosse schneeweisse Kehle/ und ver- sprach/ es in andere wege zuverschulden. Indem kam Libussa hin zu getreten/ und fragete sie/ ob ihnen sider ihrem Abwesen die Zeit lange gewehret. Neda sagte: sein Wunsch waͤhre/ daß dieses ewig tauren/ und sie nimmer wieder moͤchten getrennet werden. Da ihm Bre- la antwortete: Mein geliebtes Herz/ geduldet euch/ bitte ich/ diese kurze Zeit/ ihr seyd ja gnug versichert; es waͤhre dann/ daß mir die Goͤtter ein gleichmaͤssiges Ungluͤk wieder zuschickẽ wolten; dem ich aber ohn allen Zweifel mit einem schleunigen Tode vorkommen wuͤrde. Schweiget stille/ sagte Libussa/ mit solchen ungenehmen Reden/ und beobachtet vielmehr der Goͤtter wunderliche Schickung mit uns Menschen; dann heut ist der Tag zu eurer Hochzeit mit Alexander bestimmet/ und muͤsset dagegen mit euren rechtmaͤssigen Braͤuti- gam euch auffs neue einlassen uñ verbinden/ welches ich trauen vor kein ohn gefehres hal- ten kan; so gehen uͤber das andere schon mit euer beyder Heyraht umb/ gestaltsam Herr Struniko mich anjetzo hoͤchlich erinnert hat/ mich dahin zubemuͤhen/ daß ihr beyde eine Ehe schliessen moͤchtet; welches ich aber nur mit einem leichten Gelaͤchter beantwoꝛtet ha- be; Aber geliebter Vetter/ sagte sie zu Neda/ wollet ihr bey eurer Liebsten noch umb einen ehrlichen Kuß anhalten/ muͤsset ihr die Gelegenheit nicht unter den Haͤnden zerrinnen las- sen/ dann das Frauenzimmer wird bald hie seyn/ und euren Schatz besuchen. Als Brela solches vernam/ beuhrlaubete sie ihn freundlich/ mit versprechen/ Gelegenheit zufinden/ daß vor seinem Abscheide sie wieder bey einander kaͤhmen. Also ging Neda hinweg/ froͤlich und wolgemuht/ daß die Goͤtter ihm seine liebste Brelen mit so grossen Schaͤtzen wiederumb zugefuͤhret hatten/ welche bey des Frauenzimmers Ankunft ein trauriges Gesicht annam/ wiewol ihr des Herzen Prast ganz benommen und vertrieben wahr. Unter der Beredung fragete Frau Pompeja Jungfer Libussen/ wer doch der ansehnliche junge Ritter waͤhre/ mit dem sie sich so gemein hielte. Worauff sie antwortete: Ihre Gn. moͤchten ihr solche Freyheit nit verargẽ/ nach dem dieser Ritter Boͤhmisches Herren Standes/ ihrer Schwe- ster Sohn waͤhre/ welchen sie mit Herr Krokus (der vor diesem hieselbst gewesen) gezeuget haͤtte. Das kan seyn/ sagte sie/ dann er sihet euch nicht unaͤhnlich; aber wie habt ihr schon ei- ne so alte Schwester? Sie ist/ sagte Libussa/ meine Schwester/ von einem Vater/ aber nicht von einer Mutter/ und hatte schon etliche Jahr geheyrahtet/ da ich gebohren ward/ wie dañ dieser Ritter sechs Jahr aͤlter ist als ich. Frau Sophia gab unter dieser Rede acht auff Jungfer Brelen Geberde/ uñ befand eine Verenderung der Farbe an ihr/ so offt eꝛ geneñet ward; daher verstoͤrete sie dieses Gespraͤch/ und redete von andern Sachen/ biß jener die ge- woͤhnliche Farbe wieder kommen wahr/ da fing sie aber an/ als ohngefehr/ von Neda zufra- gen/ und spuͤrete im Augenblik die vorige Verenderung an der Jungfer/ daß sie vor gewiß hielt/ diese beyde muͤsten sich ehmahls mehr gekennet haben; welches zuerforschen sie nach genommenem Abscheid Libussen mit sich auff ihr Zimmer fuͤhrete/ und sie also fragete: Ge- liebte Freund in/ habt ihr nicht vernommen/ was eure Wase mag gesinnet seyn? Ob sie hie- selbst bey uns bleiben/ oder mit den Gesanten nach Prag reisen wil? Gn. Frau/ antworte- te sie/ ich habe von ihr verstanden/ daß Eure Gn. sie untertaͤhnigst bitten wird/ ihr zugoͤñen/ daß sie biß auff unser Gn. Fraͤulein gluͤkliche Wiederkunfft sich alhie in ihrer Gn. Frau- enzimmer auffhalten moͤge. Dieses kam ihr sehr verdaͤchtig vor/ antwortete des wegen: V u u ij Wann Drittes Buch. Wann ihr solches ein Ernst ist/ sol mir nichts liebers seyn/ werde sie auch ihrer Wirdigkeit nach zuhaltẽ wissen; doch aber/ wañ ich mit euch vertꝛaulich redẽ duͤꝛfte/ haͤtte ich euch etwz anzumelden/ welches ihr ohn allen Zweifel besser wisset/ als ich selber; saget mir die rechte Warheit/ da ichs wissen darff; ist nicht eine verborgene Liebe zwischen Ritter Neda und Jungfer Brelen gewesen/ und noch? Libussa erschrak der Frage/ und antwortete: Je Gn. Frau/ woher ist ihrer Gn. solches kund worden? Aus ihrer beyderseits Augen und Ver- wandelungen/ sagte sie; dann da gestern Abend der Jungfer ohngefehr meldung geschahe/ erroͤhtete der Ritter zusehens; und heut gings der guten Jungfer nicht anders/ als wir von ihm sprache hielten. Wanne/ wanne! sagte Libussa/ so muß man sich vor Euer Gn. gegen- wart fleissig huͤten/ wann man sich einiger Liebe bewust ist; offenbahrete ihꝛ hierauff/ was gestalt schon vor anderthalb Jahren/ diese beyde sich untereinander ehelich verbunden haͤt- ten/ und hielte sie es vor ein sonderliches Gluͤk/ daß Alexander erstochen waͤhre; dann ihr Vetter wuͤrde ihm diesen Braten ohn die bitteren Todes Salsen nicht haben geniessen las- sen/ als welcher mit allem Recht diese Braut dereins vom Tantze fuͤhren muͤste. So ists freylich besser/ sagte Fr. Sophia/ daß jener umb einer anderen als dieser Ursach willen um- kommen ist; Und habe ich uͤberdas wol gemerket/ daß der Jungfer Traurigkeit zwar wol gemeynet/ aber nicht tieffherzig ist. Sie hat aber dan noch aͤidlich angelobet/ sagte Libussa/ ihrem Alexander XX Wochen zur Trauer auszuhalten. Daran tuht sie recht und loͤblich/ antwortete sie; dann so werden boͤse Maͤuler gestopffet; doch wird sie ja ihrem erstẽ Braͤu- tigam das ehmahlige Versprechen halten. Daran zweifele Eure Gn. nur nicht/ sagte fie; ich habe diesen Morgẽ/ doch anfaͤnglich wider meiner Wasen wissen/ sie zusam̃en gebracht/ und das vorige durch Mund/ Hand und Geschenke an allen Seiten verneuert und fest ge- macht. Sie ist gar eine tugendhaffte zuͤchtige Jungfer/ sagte Fr. Sophia/ und eines redli- chen Ehegatten wol wirdig. Ihr muͤsset ihnen aber Gelegenheit machen/ daß vor ihrer Scheidung sie offters zusammen kommen/ und werde ich darzu helffen/ als viel mir moͤg- lich. Ihr aber lasset euch gegen ihrer keinen merken/ daß ich Wissenschafft hierumb trage; welches sie ihr zwar versprach/ und doch nicht unterließ/ ihren Vetter zuwarnen/ aus was Zeichen Fr. Sophia ihrer Liebe wahr genommen/ damit er sich auff eine Antwort schicken koͤnte/ wann er von ihr gestochen wuͤrde. Des folgenden Tages/ da die Leiche solte bestellet werden/ ließ der Stathalter durch Klodius alles praͤchtig anordnen/ und folgete er/ von Stanifla und Struniko begleitet/ al- lernaͤhest; Nach ihm Neda und Klodius/ die des vorigen Tages gute Kund- und Bruͤ- derschafft gemacht hatten; wodurch dieser erkuͤhnet/ zu jenem unter der Leichbegaͤngniß sagte: Geehrter Herr Bruder/ wann mir nicht verarget wuͤrde/ bey eines Braͤutigams Begraͤbniß den andern auszukiesen/ wuͤste vor den H. Bruder ich keine bequemere zufin- den/ angesehen/ daß alles bey dieser aͤdlen Jungfer uͤberfluͤssig ist/ was ein Weibsbild wert und angenehm machen kan. Neda gab ihm zur Antwort: Geehrter Herr Bruder/ nach- dem unsere Freundschafft so nahe zusammen getreten ist/ wil ich ihm den groͤsten Teil mei- ner Heimligkeit offenbahren/ daß Jungfer Brela schon vor anderthalb Jahren meine versprochene Braut ist/ welche mir der entleibete gewißlich nit vorenthalten sollen/ er muͤ- ste dann zuvor meines Lebens Meister worden seyn/ dessen ich mit ihm mich gewagethaͤtte; nach- Drittes Buch. nach dem aber die Goͤtter meine auffrichtige Liebe erkennet/ haben sie es geschicket/ daß ich ihm als einem verstorbenen Freunde zu Grabe folge/ da ich ihm bey seinem Leben nichts/ als aͤusserste Feindschafft håtte erzeigen koͤnnen/ es waͤhre dann/ daß er aus Liebe zuꝛ Erbar- keit mir das meine willig abgefolget haͤtte. Klodius bedankete sich der Ehren/ daß er ihm solche Heimligkeit anvertrauet/ und baht/ weil er vernommen/ dz seine Liebste sich alhie auf- halten wuͤrde/ er moͤchte bey ihm bleiben/ und da es ihm nit zugeringe/ Alexanders Haͤupt- manschaft nebst dem Obrist Wachtmeisters Platz annehmen; Er zweifelte nicht/ der Stat- halter wuͤrde ihm solches vor andern gerne goͤnnen. Neda/ nach geschehener Danksagung/ antwortete: Er waͤhre ein Koͤniglicher Gesandter/ muͤste vorerst wieder nach Prag zu sei- ner Gnaͤdigsten Koͤnigin; da ihm aber der Platz so lange koͤnte offen gehalten werden/ er- boͤhte er sich ohn Sold zu dienen/ uͤmb Gelegenheit zu haben/ bey seiner Liebsten zuseyn; wel- ches ihm Klodius nach allem Willen versprach/ auch nach geendigter Begraͤbniß es mit dem Stathalter vertraulich redete/ da Fr. Sophia gleich darzu kam/ und eben dasselbe von ihrem Vater bitten wolte; als sie nun hoͤrete/ daß dieser ihr schon zuvor kommen war/ sag- te sie im Scherz zu ihm: Ich gedachte den Dank allein bey diesen verliebeten zuverdienen/ und mich bey meinen kuͤnfftigen Untertahnen beliebt zumachẽ/ aber ihr seyd mir zugescheid gewesen/ welches/ ehe fuͤnff Tage vergehen/ ich gedenken wil. Klodius baht untertaͤhnig um Verzeihung/ es waͤhre ihm leid/ daß er so ungluͤklich gewesen/ und ihrem Willen zugegen gehandelt/ baͤhte solches nicht zueifern/ wolte sich nach diesem keines Dinges unternehmẽ/ ehe und bevor er von ihrer Gn. Urlaub haͤtte; doch waͤhre ihm gar unbewust gewesen/ daß Ihre Gn. umb diese heimliche Liebe Wissenschafft gehabt. Die habe ich auch nicht gehabt/ antwortete sie/ ausser dem/ was ich argwohne; Es ist mir aber sehr lieb/ daß ihr zugleich mit mir hierauff bedacht gewesen seyd. Gleich da sie dieses redeten/ kam Jungfer Libussa/ und brachte eine flehliche Bitteschrifft/ welche von den gefangenen Beschuldigten an Jungfer Brelen gestellet wahr/ darinnen sie vorerst gar klaͤglich umb Verzeihung bahten/ hernach umb Gnade und Lebensfristung anhielten/ welches sie bey dem Herrn Stathalter und O- ber Hauptmann durch ihre Vorbitte leicht erhalten koͤnte. Diesen Brief uͤbergab sie dem Stathalter/ und zeigete an/ es haͤtte ihre Wase den Inhalt gelesen/ wolte aber nichts darzu reden/ ohn daß sie Ihrer Gn. alles heimstellete/ und wann dieselbe aus eigener Bewaͤgniß/ oder wegen anderer Vorbitte/ Barmherzigkeit und gelindere Straffe wolte ergehẽ lassen/ waͤhre sie damit wol zufrieden/ angesehen ihꝛ mit ihrem Blute nicht gedienet/ ob sie es schon gnug verwirket haͤtten. Aber Fr. Sophia sagte: Es koͤnte eine solche aͤrgerliche Taht/ ih- rem schlechten Verstande nach/ nicht ungestraffet hingehen/ ob gleich nach befindung einer schaͤrffer als der ander zubestraffen waͤhre; Ward also nach den Uhrhebern gefraget/ und befunden/ daß ihrer drey vor andern dieses Ungluͤk gestiftet hatten/ deswegen sie mit Ruhtẽ geschlagen und enthaͤuptet/ die acht uͤbrigen aber ins Elende geschikt wurden/ in den Berg- werken drey Jahr zuarbeitẽ. Bey dem Abendessen warẽ die vornemste Herrẽ deꝛ Stad ein- geladen/ da die Koͤnigliche Gesanten mit dem Frauenzimmer in eine bunte Reihe gesetzet wurden/ und dem guten Neda das Gluͤk so wol fugete/ daß er neben seiner Liebesten die Stelle bekam/ dessen Fr. Sophia heimlich lachete. Nach abgetragenen Speisen fagte der Stathalter zu Neda; aͤdler Ritter/ nach dem euer Vater H. Krokus mein guter Freund/ V u u iij und Drittes Buch. und ihr wirdig seid/ geliebet und befodert zuwerden/ massen euer wolveꝛhalten ich von den andern Herren Gesanten verstanden/ stelle ich euch den Obrist Wachtmeister-Plaz in die- ser Roͤmischen Kaͤyserl. Besatzung an/ dafern euch geliebet selben anzutreten/ und kan ich euch nach diesem weitere Freundschafft leisten/ sollet ihr mich dazu willig haben. Neda stund auff/ neigete sein Haͤupt/ und bedankete sich der hohen unverdienten Gnade in unter- taͤhnigkeit; nam auch das angebohtene Ampt an/ dafern ihm zuvor koͤnte vergoͤnnet wer- den/ laut Koͤnigl. Befehls wieder in sein Vaterland zukehren/ umb/ von seiner Gn. Koͤni- gin und den Land Raͤhten Urlaub seiner Dienste zu erhalten/ weil er zu Prage in der Koͤ- nigl. Besatzung eine Hauptmanschafft/ neben Verwaltung der Rustkammer bedienete. Herr Struniko wahr sein Oberster/ erließ ihn auch alsbald der Hauptmanschafft/ so daß er das Faͤhnlein seines gefallens verkaͤuffen moͤchte/ ungeachtet ers aus seinem Beutel ge- worben haͤtte. Aber Jungfer Libussa redete ihm ein; ihrer Schwester Sohn solte mit sei- nem Schaden nicht abtreten/ sondern sie wolte dem Obristen davor 2000 Kronen erlegẽ/ daß sie ihn hieselbst hey sich haben/ und seines Rahts sich gebrauchen koͤnte: Worzu ihm Fr. Sophia eine guͤldene Kette von 500 Kronen verehrete/ und Neda sich gegen seinen Obristen erboht/ dafern er nach seinem wol vermoͤgen bey der Koͤnigin ihm Urlaub erhal- ten wuͤrde/ wolte er ihm das Faͤhnlein auff seine Kosten mit 50 Mann verstaͤrken; Und ob gleich H. Struniko allem Erbieten wiedersprach/ muste er doch wegen vieler noͤhtigung die Bedingungen eingehen. Folgendes tages zimlich fruͤh ließ Fr. Sophia Ritter Neda zu sich fodern/ zu dem sie sagete; weil ich vernehme/ dz ihr willens seid/ erst wieder mit nach euer Gn. Koͤnigin zu reisen/ wiewol ich euer außbleiben schrifftlich wol entschuldigen wol- te/ werdet ihr euch nicht wegern/ mit mir nach Jungfer Brelen Gemach zu gehen/ die euch in meiner Gegenwart eigentlich erzaͤhlen sol/ was vor Zeitung ihr eurer Gn. Koͤnigin von dem Durchl-Koͤniglichen Fraͤulein anzumelden habt. Dieser roch den Braten schon/ taht doch nicht deßgleichen/ uñ folgete ihr willig. Im hingehen spꝛach sie vor Libussen Gemach (welche gleich bemuͤhet wahr/ die versprochenen 2000 Kronen abzuzaͤhlen) und baht sie/ der Jungfer ihrer Wasen anzudeuten/ daß sie mit ihr ein wenig zu reden haͤtte. Diese hat- te sich kaum halb bekleidet/ legte doch das uͤbrige an/ so gut sie in der Eile mochte/ und da sie ihren Neda mit kom̄en sahe/ entfaͤrbete sie sich dermassen/ daß sie schier blind ward; dessen aber Fr. Sophia sich nicht annam/ sondern nach dem sie ihr einen gluͤklichen Morgen ge- wuͤnschet hatte/ sagte sie; es wuͤrden die Koͤnigl. Gesanten ihre Reise ehist wieder zuruͤk nehmen; haͤtte demnach Ritter Neda mit sich hergefuͤhret/ daß er aus ihrem Munde der Fraͤulein Zustand eigentlich einnehmen/ und seiner Gn. Koͤnigin Bericht einbringen koͤn- te. Diese wahr hiezu willig/ und erzaͤhlete alles mit den vornehmsten Umstaͤnden/ doch so verwirret/ daß ihr verliebter Sinn daher leicht abzunehmen wahr; welches Libussa mer- kend/ ihr zuzeiten wieder einhalff. Nach geendigter Erzåhlung/ gab es noch unterschiedli- che Unterredungen/ biß Fr. Sophia vor erst Neda einen treflichen Ring schenkete/ mit be- gehren/ denselben zum Zeichen der Gewogenheit anzunehmen; stellete bald darauff Brelẽ einen gleichmaͤssigen mit eben denselben Worten zu/ und redete sie hernach beyde also an: Ihr meine geliebten Freunde; die Goͤtter wissen/ daß ich euch von Herzen gewogen bin/ welches in der Taht zuerweisen vielleicht dereins bessere Gelegenheit fallen wird; ich moͤch- te aber Drittes Buch. te aber wuͤnschen/ daß ihr beyde einer dem andern noch auff andere Weise/ und viel gewo- gener waͤhret/ nach dem/ wie ich meine/ ihr beyderseits frey und keinem verbunden seid/ zweiffele auch nicht/ es koͤnte ein solches nicht anders als zu allem Gluͤk außschlagen. Kan ich dieses nun bey euch erhalten/ so vertauschet diese bey den Ringe mit einander; wo nicht/ als dann behalte ein jeder den seinen zum Gedaͤchtnis meiner guten Meynung. Brela waꝛd hieruͤber sehr schamroht/ wuste nicht/ ob sie von Libussen verrahten waͤhre/ und harrete/ biß Neda antworten wuͤrde; welcher hingegen in Furcht stund/ seine Reden moͤchten ihr un- genehme seyn; welches Libussa merkend/ diese Antwort gab; Gn. Frau/ es ist eine wichtige Sache/ die eure Gn. vornimt/ bitte demnach in dieser beyder Nahmen untertaͤhnig/ daß ihnen neben mir ein kurzer Abtrit nicht moͤge verarget werden. Fr. Sophia wahr dessen wol zu frieden/ und blieb derweile im Gemach allein/ da Libussa zu ihrer Wasen sagte: Ich weiß nicht/ wie unsere Gn. Frau zu diesem Vorsatz komt/ davon sie mir durchaus nichts gesagt hat/ und muß sie ohnzweiffel auß etlichen Zeichen eure Liebe angemerk et haben; rah- te deßwegen getraͤulich/ vertrauet ihrer Gn. eure Heimligkeit/ deß werdet ihr inkuͤnfftig vielfåltig zugeniessen haben; so wird sie es auch auff euer Bitte und Begehren wol verbeꝛ- gen. Brela fassete hierauff ein Herz/ und wie sie zusammen wieder ins Gemach gingen/ sagte sie zu Neda; Mein Herr/ seid gebehten/ und berichtet unsere schier kuͤnftige gnaͤdig- ste Koͤnigin unsers Zustandes/ welches wir niemand sicherer als ihrer Gn. zuvertrauen haben. Er verrichtete solches mit zuͤchtigen Worten/ und taht Brela hinzu/ wie sie durch aͤusserste Noht gezwungen/ umb ihre Ehr zuretten/ weiland H. Alexandern vor ihren Braͤutigam auffnehmen muͤssen; gaben hernach einer dem andern die geliefferten Ringe/ und bahten ihre Gn. es noch in etwas vor jederman ingeheim halten moͤchte/ welche bald darauff Abscheid nam/ und Neda bey Straffe aufferlegte/ bey seiner Liebsten zu warten/ biß sie ihn abfodern liesse/ welches sich doch in die vier Stunden verzog; inzwischen Neda mit seiner Brelen sich vieler Sachen beredete/ da sie insonderheit ihn erinnerte/ es waͤhre billich/ daß man Jungfer Libussen vor ihre Traͤue ein Zeichen schuldiger Dankbarkeit se- hen liesse/ gestaltsam sie nicht allein ihr gutes Herz durch mannichen Dienst/ sondern auch in herschiessung ihrer Geld er erzeiget haͤtte/ uñ da sie nicht von so gar grossen Mitteln waͤh- re/ dan noch gestern Abend ihretwegen 2000 Kronen Herꝛn Struniko außgesprochen/ nur daß sie ihre langwierige treñung hinderte. Neda erboht sich/ er wolte nach aͤusserstem ver- moͤgen tuhn/ sie aber antwortete; darumb ists von mir nicht geredet; ich habe/ den Goͤttern sey Dank/ Mittel gnug/ so weit man mit Schenkungen reichen kan/ wollet denmach meine Gedanken vernehmen; ich habe Fuͤrst Herkules in der Fremde 60000 Kronen vorgese- tzet woruͤber ich einen Wechselbrieff an sie habe; nun waͤhre meine Meynung/ ich wolte ihr diesen Wechsel euret und meinetwegen schenken/ dafern ihr dessen friedlich seid. Er gab zur Antwort/ ihr stuͤnde alles frey/ nach Willen zu machen/ und solte ihm solches herz- lich angenehme seyn; worauff sie ihm alle ihre Schaͤtze zeigete/ und ihm manniches Klei- not zustellete/ die er wieder seinen Willen annehmen muste; insonderheit lieferte sie ihm unterschiedliche/ welche er seiner Mutter und Schwester ihretwegen mitbringen moͤchte; sendete auch der Koͤnigin einen treflichen Ring/ bey dessen Lieferung es Gelegenheit geben wuͤrde/ umb gnaͤdigsten Urlaub anzuhalten. Fr. Sophia kam endlich selbst wieder mit Li- bussen/ Drittes Buch. bussen/ und begunte diese/ ihre Wase mit Worten zimlich umbzutreiben; sagte unter an- dern/ es haͤtte ihre Gn. Frau ohnzweiffel einen Wahrsager Geist/ welcher ihr der Men- schen Heimligkeiten offenbahrete. Ach nein/ antwortete Fr. Sophia/ es bedarff dessen nit; die Augen der Menschen/ wann man deren nur recht wahr nimt/ koͤnnen leicht anzeigen/ was im tieffen verborgen liegt/ insonderheit bey denẽ/ welchen das Gebluͤt lieber aufwarz/ als unter sich steiget. Brela wolte Libussen bezahlen/ und fing an: Wie dann Gn. Frau/ halten dann eure Gn. mich allein vor verliebet/ und sehen meine Wase so einfaͤltig und so frey an/ da sie doch an dieser Seuche hefftiger danieder lieget weder ich? Libussa fiel ihr in die Rede; dafern sie noch ein Woͤrtlein hievon meldung tuhn wuͤrde/ wolte sie hinweg lauf- fen; trat auch auß dem Gemache/ umb unvermerket zu lauschen/ was weiters vorfallen wuͤrde. Da Fr. Sophia anhielt/ ihr den Braͤutigam zu nennen; und als sie hoͤrete/ daß es Leches wahr/ sagte sie; nun bin ich wol einfaͤltig/ daß ich solches nicht habe merken koͤnnen; ging hin Libussen wieder zu ruffen/ und da sie dieselbe an der Tuͤhr stehen sahe/ sagte sie; was lauffet ihr so furchtsam hinweg/ Ritter Leches jaget euch ja nicht. Des muͤsse Brela die Plauder Matzin dank haben/ antwortete sie/ aber haͤtten ihre Gn. es auff diese Weise nicht erfahren/ wolte ich dieselbe zur Hochzeit gebehten haben/ ehe sie von dem Braͤutigam icht- was gewust haͤtte. Sie hielten noch eine zeitlang ihr Gespraͤch/ biß Fr. Sophia von ihnen nach Frl. Sibyllen ging/ und derselben diese Heyraht Sache vertrauete/ die es ihrer guten Freundin wieder sagete/ daß in weniger Zeit es uͤberal ruchtbar ward. Libussa blieb noch etwas bey ihrer Wasen/ welche ihren Wechselbrieff hervor nam/ uñ sie also anꝛedete: Heꝛz- geliebte Schwester; mein Liebster und ich/ erinnern uns billich der getraͤuen Freundschaft die ihr in so kurzer Zeit uns alhier erzeiget habet/ wolten auch selbe gerne mit Dankbarkeit erkennen/ als viel wir vermoͤgens sind und ersinnen koͤnnen/ da wir dann vor erst euch ein schlechtes bieten wollen/ unter der Hoffnung/ ihr werdet uns solches nicht verschmaͤhen. Libussa antwortete; O ihr meine Herzgeliebete Freunde/ sind wir dann nicht schuldig/ uns alhier in der Fremde traͤulich zu meinen? gedenket doch an keine andere Vergeltung/ als die im guten Willen beruhet/ dann meine Dienste und Vermoͤgen bestehen nur in dem- selben. Euer guter Wille/ sagte Brela/ hat mehr gewirket/ als viel grosse Schaͤtze nicht veꝛ- moͤgen; deßwegen/ da ihr uns traͤulich meinet und liebet/ so seid uns hier in nicht verdriß- lich noch zu wider. Was verdrießlich? antwortete sie; ich verbleibe die eure aller seits/ wie ihr verhoffentlich nicht zweiffeln werdet/ wil auch euer Erbieten umb zugehorsamen/ an- nehmen/ jedoch/ daß die Vergeltung nicht zu groß sey. Die groͤsse eurer Ver dienste/ sagte Brela/ muͤssen wir nicht ihr maͤssen/ und ob wiꝛ gleich daran so leicht nicht reichen koͤnnen/ wollen wir doch den Willen sehen lassen. So schauet nun her/ kennet ihr die Hand dieses Schreibers? O ja/ sagte sie/ betriegen mich meine Augen nicht/ so hat Fuͤrst Herkules die- sen Brieff geschrieben. Es ist wahr/ sagte sie; so nehmet nun denselben von uns beyden an stat eines willigen Danks an; wo ihr euch dessen aber ferner wegert/ sol alle unsere Freund- schafft auffgeruffen seyn. Libussa kunte nicht außsiñen/ was Verehrung ein solcher Brief in sich hielte/ oder zu bedeuten haͤtte/ sagte doch mit halblachendẽ Woꝛten; ja diesen Brief/ aber nichts mehr nehme ich von euch an. Gnug/ sagte Brela/ den Brieff mit seinem In- halt/ und sonsten vor dißmahl nicht mehr. Worauff jene die außdeutung foderte/ was durch Drittes Buch. durch den Inhalt zuverstehen waͤhre. Den sollet ihr selber lesen/ antwortete Brela/ nach- dem ihr euch eigentlich erklaͤret habt. Ich muß wol/ antwortete Libussa/ wo unser gedinge sol geendiget seyn/ nehme es demnach an/ weil ich mich schon sicher weiß/ daß ihr mir kei- nen Brieff boͤses Inhalts schenken werdet. Nam also das Schreiben zu sich/ kunte sich aber doch nicht drein finden/ was es bedeuten solte/ biß Brela zu ihr sagete: Sehet herzlie- be Schwester/ diese benahmete 60000 Kronen/ welche ich Fuͤrst Herkules vorgeschossen/ sollen euch unsertwegen zur Vergeltung geschenket seyn/ welche Fr. Sophia alle Stunden mit Dank außzahlen wird. Libussa entsetzete sich dergestalt vor dieser Freygebigkeit/ daß sie den Brieff aus der Hand fallen ließ/ und sich hoch vermaß/ dafern sie dieses zuvor haͤtte wissen sollen/ wolte sie ihretwegen keinen Fuß aus der Stelle gesetzet/ noch einiges Wort verlohren haben; dann es schiene nicht anders/ als ob man sie entweder gar eigen kaͤuffen/ oder mit so grossem Gelde abschrecken wolte/ sich hernaͤhst weiter in freundschafft Dienstẽ finden zulassen; erklaͤrete sich doch endlich/ die Gelder mit hoͤchster Dankbarkeit anzuneh- men/ jedoch mit dem außdruͤklichen Vorbehalt/ daß wo Leches schier heut oder Morgen nicht einwilligen wuͤrde/ es alles damit solte auffgeruffen seyn/ welches sie endlich einwil- ligen musten; gingen darauff mit einander zur Mahlzeit/ und vertrieben den uͤbrigen Tag mit allerhand Gespraͤch. Des folgenden Morgens reiseten die Gesanten/ nach empfan- genem freundlichem Antwort Schreiben von dem Stathalter uñ Frau Sophien/ wieder- umb nach Boͤhmen/ da Jungfer Brela ihrem Liebsten 50000 Kronen auff Wechsel uͤbeꝛ- machte/ und 3000 Kronen mit auff die Reise gab/ nebest allerhand koͤstlichen Ringen und anderen Kleinoten/ die sich auf 40000 Kronen belieffen/ verabscheideten auch/ daß inwen- dig acht Wochen sie zu Padua wieder beysammen seyn wolten. Die Gelder vor Alexan- ders verkauffte Guͤter sendete Markus uͤber/ ehe ichtwz von seinem Tode in Griechenland ruchtbar ward/ und ob gleich nachgehends seine hinterbliebene nahe Anverwanten solches wieder foderten/ hatte sie doch zu maͤchtigen Schuz an dem Stathalter/ wiewol sie seiner Schwester/ die nicht von grossen Mitteln wahr/ 20000 Kronen aus freyem Willen schen- kete. Es ging ihr sonsten nach gemeiner Art der wolbeguͤterten Jungfern/ daß mannicher Freyer sich bey ihr melden ließ/ unter denen ein Land Junker war/ unfern von Padua woh- nend/ welcher auff seine Leibes Zierligkeit sich verlassend/ so gar nicht am gluͤklichen verfolg zweifelte/ daß er sich ungescheuhet selbst bey ihr anmeldete/ aber auch mit solcher Antwort abgewiesen ward/ daß er nachgehends immerfort die Boͤhmischen Jungfern beschuldig- te/ daß sie zwar schoͤn von Leibe/ und reich an Gelde/ aber heßlich an Gutwilligkeit/ und arm an Hoͤfligkeit waͤhren. Herkules lag unterdessen zu Elia oder Jerusalem an seiner Wunde drey Wochen zu Bette/ ehe er voͤllig genaß/ und hatte wehrender Zeit sehr gute Pflege/ dann Fr. Teren- zia und ihre Tochter Lukrezie besuchten ihn taͤglich etliche mahl/ wodurch das Liebe Feur in dem zarten Herzen dieser zuͤchtigen Fraͤulein haͤuffig gemehret ward/ und ob sie gleich ih- rem geliebten Freunde alle Wolfahrt goͤnnete/ sahe sie doch/ daß seine Verwundung die ei- nige Ursach seines bleibens wahr/ also daß sie seinen Unfall vor ihr Gluͤk rechnete. Als sie nun vernam/ daß sichs mit ihm zur Besserung anließ/ wolte sie einen Versuch tuhn/ ob er sich laͤnger koͤnte auffhalten lassen/ daher sie einsmals zu ihm sagete: ob es nicht sache waͤh- X x x re/ daß Drittes Buch. re/ daß er durch andere/ seine verlohrne Frl. Wase suchen liesse/ und er inzwischen bey ihnẽ verbliebe/ biß er gewisse Zeitung haͤtte/ an was Orten sie anzutreffen; Sie wolte ihren H. Vater leicht dahin vermoͤgen/ dz er die versuchtesten des Landes ausschickete/ und ihr duꝛch alle Landschafften nachspuͤren liesse/ so weit man meynete/ die Raͤubeꝛ mit ihr moͤchten gan- gen seyn; Dieses hielte sie vor nuͤzlich und sicher/ koͤnte auch durch seine angenehme liebe Gegenwart ihre Eltern desto laͤnger erfreuen; so fuͤrchtete sie uͤber das/ die verteufelten Ju- den wuͤrden ihn zuverfolgen noch nicht ablassen/ und was sie sonsten einzustreuen wuste. Herkules hatte dieser Fraͤulein hohe Zuneigung diese Zeit uͤber aus vielen Geberden und Worten gnug gespuͤret/ welches ihm dann/ angesehen ihre Zucht und Scham nicht unan- genehm wahr; Demnach aber sein Herz dahin nicht mochte gelenket werden/ ihr diese wil- fahrung zubezeigen/ gedachte er/ es wuͤrde das beste seyn/ daß eꝛ sich mit solchen Reden eins vor alles heraus liesse/ woraus sie einen Argwohn seiner Liebe fassen/ und von den Gedan- ken einiger Heyraht (wo sie dieselben haͤtte) befreyet werden koͤnte; antwortete ihr deswe- gen sehr freundlich: Es waͤhre ihm eine lautere Unmoͤgligkeit/ sich der Reise zubegeben/ oder einem andern/ wer der auch seyn moͤchte/ die Nachsuchung anzuvertrauen/ massen sie in fremder gestalt und Manneskleidern gefangen waͤhre/ und bißher vor einen Juͤngling gehalten wuͤrde/ haͤtte auch ein sehr heimlich-vertrauetes Wahrzeichen/ durch dessen Vor- schub er und kein ander sie erfragen koͤnte. Uberdas waͤhre er von kindlicher Kundschafft her diesem Fraͤulein/ und sie ihm dergestalt verpflichtet/ daß geborne Bruͤder und Schwe- ster sich nimmermehr hoͤher und herzlicher lieben moͤchten; koͤnte demnach nicht ruhen noch von herzen froͤlich seyn/ biß er sie wieder in freyem Stande sehen wuͤrde. Das gute Fraͤulein hatte bißher der gleichen Reden von ihm nicht gehoͤret/ fassete aber bald hieraus die unfehlbahre Meynung/ wie es stehen muͤste/ und das merken zuvermeiden fragete sie/ ob die verlohrne ihm dann so nahe verwand waͤhre. Eben so gar nahe nicht/ sagte er/ nur die volkommene Zuneigung zwinget mich am meisten/ ihre Erloͤsung zubefodern. Ja wol/ antwortete sie/ so tuht ihrs nicht umb Verwandschafft/ sondern umb Liebe willen. Er wol- te dieses nicht stark leugnen/ weil es eben zu dem ende angefangen war/ damit ihr der Weg/ ein mehres zuhoffen/ verlegt wuͤrde/ und gab zur Antwort: Ja Hochgebohrnes Fraͤulein/ wann ich die Warheit bekeñen sol/ die ich noch keinem andern geredet habe/ so treibet mich nicht wenig die in kindlichen Jahren gesetzete Liebe/ dieser meiner Frl. Wasen mich anzu- nehmen. Welches ihr aber nicht sonderlich lieb zuhoͤren wahr/ ließ sichs doch im geringsten nicht merken/ sondern baht/ er moͤchte sich mit schwermuͤhtigen Gedanken nicht verunru- hen/ damit er seines langwierigen Lagers schier entnommen wuͤrde; was vor ihr Haͤupt sie zu Befoderung der Erloͤsung seiner liebsten Fraͤulein schaffen koͤnte/ wolte sie keines we- ges unterlassen; und stund nicht lange an/ daß Herkules zur voͤlligen Gesundheit kam/ und sich wieder tuͤchtig befand/ Waffen zu fuͤhren/ daher er bey dem Stathalter freundlich an- hielt/ daß seiner Reise Nohtdurfft nach/ er guͤnstig erlassen wuͤrde; Welcher ihm antwor- tete: Es muͤsten die gefangene moͤrderische Juden zuvor/ ihrem Verbꝛechen nach/ verdiente Straffe empfangen; waͤhre demnach willens/ sie morgendes Tages zuverurteilen. Her- kules wuste/ daß ihrer eine grosse Anzahl wahr/ welche vielleicht nicht alle in gleicher schuld moͤchten begriffen seyn/ fragete deswegen/ ob nicht denen/ vor welche er bitten wuͤrde/ das Leben Drittes Buch. Leben koͤnte geschenket werden; und da ihm solches versprochen wahr/ baht eꝛ den Bischof/ einen Christlichen sanfftmuͤhtigen Lehreꝛ zu ihnen ins Gefaͤngniß zusenden/ ob sie vielleicht/ oder nur etliche unter ihnen/ den falschen Glauben ablegen/ uñ die Christliche seligmachen- de Lehre annehmen wolten/ als dann wuͤrde man sich bemuͤhen/ daß ihnen entweder das Le- ben gar geschenket/ oder doch gelindere Straffe auffgelegt werden solte; Aber vorerst war alle Vermahnung vergeblich/ indem ihrer etliche sich duͤrꝛe heraus liessen/ als fromme Ju- den zusterben; die andern es mit einem stilleschweigen beantworteten; Daher wurden sie allesamt gebunden auff den Platz hinaus gefuͤhret/ woselbst Herkules mit Ben-Levi den Kampff gehalten/ und stunden LX Kreuze auffgerichtet/ vor welchẽ die Gefangene sich hef- tig entsetzeten/ und ein jaͤmmerliches Geschrey anfingen/ klageten sehr/ daß sie nicht samt ih- ren Bruͤdern sich haͤtten niderhauen lassen/ damit sie des elenden schmerzhafften Todes moͤchten befreyet seyn. So bald das Geschrey erging/ daß die Urtel uͤber die gefangene Ju- den solte gesprochen und das Gericht gehaͤget werden/ liessen sich zehn ansehnliche Juden bey dem Stathalter angeben/ daß sie untertaͤhnig begehreten/ gnaͤdig gehoͤret zuwerden. Er wolte sie anfangs nicht vor sich lassen/ doch auf Herkules fleissiges anhalten/ ließ ers gesche- hen; da der aͤlteste unter ihnen/ nahmens Meister Schmul dieses vortrug: Hochmoͤgen- der Herr Stathalter; wir von der ganzen Juͤdischeit dieser Landschafft Abgeordnete/ sind befehlichet worden/ euer Hochvermoͤgenheit untertaͤhnig vorzutragen/ und zubitten/ diesel- be gnaͤdig geruhen wolle/ sich zuerinnern/ was gestalt Roͤmische Kaͤyserl. Hocheit uns und unserm Volke den Juden die Freyheit allergnaͤdigst erteilet/ nicht allein in dieser Stad uñ umliegenden Judischen Lande unter unserm Vorsteher und eurem/ als Roͤmischen Stat- halters Schutze sicher und frey zuwohnen und zuwerben/ sondern auch unserm Gottes- dienste obzuliegen/ ohn Einsprache und Verhinderung. Wann wir dann vor warhafft be- richtet werden/ daß eine zimliche Anzahl unserer Glaubens genossen in straͤnger Hafft und Gefaͤngniß sollen gehalten/ und mit abscheuhlicher Straffe bedrauet werden/ und solches zwar umb eines einzigen Christen willen/ dem sie weder am Leben/ noch an der Gesundheit noch an seinen Guͤtern keinen einigen Schaden zugefuͤget/ und er uͤberdas ein Fremdling/ und wol gar des Roͤmischen Reichs Feind seyn mag; Als stehet die loͤbliche Judischeit in Betrachtung dessen/ in gewisser Hoffnung/ es werde der Roͤmische Herr Stathalter seine Haͤnde mit unschuldigem Blute nicht besudeln/ noch unsere uns von Roͤmischer Kaͤyserl. Hocheit selbst allergnaͤdigst erteilete Sicherheit schwaͤchen oder brechen/ sondern die un- schuldig Gefangenen gnaͤdig erlassen; solte aber unsers Feindes Frevel durchdringen/ uñ bey dem Herrn Stathalter seinen Mutwillen erhalten/ alsdann bedingen wir uns auffs zierlichste von alle dem Unheil/ welches hieraus entstehen duͤrffte/ beruffen uns auch auff diesen unverhoffeten fall/ auff Kaͤyserl. Hocheit/ und daß vor dero gerechtestem Richter- Stuel wir diese gerechte Sache anhaͤngig zumachen uñ auszufuͤhren/ ungehinderte Frey- heit haben moͤgen. Der Stathalter erzuͤrnete sich uͤber diese Vermaͤssenheit hefftig/ begrif sich doch/ und gab ihnen diese Antwort: Frecher Jude/ du hast dein Luͤgenmaul weit auff- getahn/ und deinem Trotz grossen Urlaub gegeben; Und bin ich krafft tragendes Amtes nicht schuldig/ dir zuantworten/ nur allein soltu wissen/ daß ich keine Juden/ sondern oͤffent- liche Moͤrder einsetzen lassen/ welche den hochteuren Landfrieden schaͤndlich gebrochen/ ei- X x x ij nem Drittes Buch. nem hochverdienten Roͤmischen Ritter und sonderlichem Bruͤderlichen Freunde unsers Allergroßmaͤchtigsten Kaͤysers moͤrdlich auffgewartet/ und dadurch als Ubeltaͤhter das Leben verwirket/ denen also durchaus kein Anruffen an Kaͤyserl. Hocheit zustehet/ sondern nach gemeinem Recht sollen und muͤssen gestraffet werden. Ich frage euch aber/ ob euer Worthalter alles nach eurer Bewilligung vorgetragen/ oder ein und ander unter euch et- was daran zutadeln habe. Sie fingen drauff einmuͤhtig an/ daß ihrer aller durchaus eine Meynung und einerley Rede wåhre. Wolan/ sagte der Stathalter/ so habt ihr euch schwe- rer Bedraͤuung vernehmen lassen/ als ob auff mein Vornehmen grosses Unheil erfolgen duͤrffte/ welches nichts anders/ als ein algemeiner Auffstand eures Volkes seyn wuͤrde/ wo- vor ihr euch als Redelns fuͤhrer anmeldet/ und deswegen in gestraͤnger Hafft verbleiben sollet/ biß von Kaͤyserl. Hocheit ich Befehl bekommen werde/ wie mit euch weiters zuver- fahren sey/ da ich dann keines weges zweifelen wil/ ihr sollet es mit dem Leben bezahlen. Die- se hielten an/ der Stathalter moͤchte sich eines bessern bedenken/ und sie der Hafft erlassen/ es wuͤrde sonst eine grosse Verantwortung darauf stehẽ. Aber er antwortete : O ihr Schel- men/ fahret ihr noch fort mit eurem Trotz/ und haͤttet guter Vorbitte so hoch von noͤhten? Hieß sie alsbald in die Gefaͤngniß fuͤhren/ daraus die andern genommen waren/ und ward durch die ganze Stad ausgeruffen: Dafern einige Juden sich mit Waffen wuͤrden finden lassen/ oder heimliche Zusammenkunfft halten/ solte es alsbald am Leben gestraffet werden. Hiedurch wurden sie erschrecket/ daß sie von ihrem Vorsatz abstunden/ da sie geschlossen hatten/ die verurteilete Moͤrder loßzumachen/ es geschaͤhe in Guͤte oder durch Gewalt. Auf dem Gerichtplatze trat der vorige Christliche Lehrer wieder hin zu den Gefangenen/ und er- mahnete sie mit Traͤhnen und sonderlicher Wolmeynung/ weil er ein geborner Jude war/ sie moͤchten doch ihre eigene Wolfahrt und kuͤnfftigen Zustand nach dieser Vergaͤnglig- keit betrachten/ damit sie nicht das zeitliche und ewige zugleich verlieren moͤchten. Es koͤnte leichtlich erwiesen werden/ wie groͤblich sie irreten/ indem sie auff einen andern Messias als auff den gekreuzigten und von den Todten aufferstandenen JEsus hoffeten. Sie moͤchten doch ihren jetzigen Zustand behertzigen; Der Reichs-Stab waͤhre ja nach Jakobs Weis- sagung von ihnen hinweg genommen/ ihr Gottes Hauß und aͤusserlicher Gottesdienst zer- stoͤret und auffgehoben/ ihre weltliche Herrschafft vergangen/ und liesse sich durchaus kei- ne Hoffnung zur Ersetzung blicken. Es waͤhren nunmehr schon 155 Jahr/ daß Jerusalem in der Asche laͤge; LXII Jahr lang waͤhre es ein wuͤster Hauffe gewesen/ woselbst sich nur wilde Tihre auffgehaltẽ/ biß vor XCIII Jahren Kaͤyser Elius Hadrianus diese jetzige Stad dahin gebauet/ und sie Elia Capitolina nach seinem und seines Abgottes Nahmen genen- net/ aber als eine Heydnische Stad nicht den Juden/ sondern den Heyden zur Woh- nung; Und ob gleich die Juden sint der Verstoͤrung her schon etliche mahl versucht haͤttẽ/ ein Reich wieder anzurichten/ waͤhren sie doch allemahl jaͤmmerlich druͤber angelauffen. Hiebey fuͤhrete er ein/ was gestalt vor CXI Jahren die Juden in Egypten viel tausend stark sich versamlet/ unter ihrem Fuͤhrer Andreas sich dem damahligen Kaͤyser Trajan entge- gen gesetzet/ und in die 200000 Menschen erschlagen/ auch die uͤbrigen des Orts gezwun- gen/ der erschlagenen Fleisch zu fressen/ und sonsten viel Gransamkeit veruͤbet haͤtten. In der Insul Zipern haͤtten sie es gleich um dieselbe Zeit nicht besser gemacht/ uñ in die 24000 Menschen Drittes Buch. Menschen daselbst erwuͤrget; wie auch in Mesopotamien und anderen Landschaften waͤh- ren sie auch in voller Ruͤstung gewesen; aber allenthalben dergestalt von den Roͤmischen Feld Herren geschneuzet/ daß ihrer unzaͤhlig viel tausend druͤber hingerichtet waͤhren; in- sonderheit in Zypern/ woselbst dasmahl ein Gesetz gegeben worden/ daß wo ein Jude da- hinein kaͤhme/ auff was weise es auch geschehen moͤchte/ folte es ihm den Hals kosten. Et- wa fuͤnff Jahr hernach haͤtten sie in diesem Judischen Lande abermahl einen Aufstand ge- macht/ aber von dem Roͤmischen Stathalter Titinius Rufus so manniche Schlappe ein- genommen/ daß sie endlich ruhig seyn muͤssen. Dreyzehn Jahr hernach/ als Hadrianus diese Stad Elia erbauet/ und auff den Platz des ehmaligen Gottes Hauses die jetzige heyd- nische Kirche zum Jupiter Capitolinus genant/ aufgerichtet/ waͤhre ein neuer Lermen dar- uͤber unter den Juden entstanden/ haͤtten sich anfangs unter der Erden in den Kluͤfften uñ Hoͤlen auffgehalten und bewehrt gemacht/ endlich unter ihrem Fuͤhrer und vermeynten Messias dem Bar-Kochba einen offentlichen Krieg wider den Kaͤyser angefangen/ auch anfangs sehr grausame Tahten verrichtet/ biß inwendig drey Jahrẽ ihre Macht gedaͤmpf- fet/ und ihrer in unterschiedlichen Treffen uͤber die 580000 Mann erschlagen worden; de- ren aber/ die durch Hunger und Seuchen umkommen/ waͤhre eine unzaͤhlbare Menge; da haͤtte man alle Juden ins gemein aus diesem Lande vertrieben/ uñ es den Heyden uñ Chri- sten zubewohnen eingeraͤumet; Ja noch neulich/ etwa vor XXIII Jahren haͤtten die Juden unter dem Moͤrder Klaudius eine Auffruhr erwecket/ aber vom Kaͤyser Severus waͤhren sie bald gezwungen sich zudemuͤtigen. Daß also sich nirgends haͤtte Gluͤk zu ihren Anschlaͤ- gen finden wollen. Nach solcher Erzaͤhlung/ erzwang er/ daß die bestimmete Zeit des Mes- fias ausser allem Zweifel schon erfuͤllet/ und die von dem Propheten Daniel ernennete LXX Jahrwochen laͤngst verflossen/ uñ haͤtte JEsus von Nazareth durch alle Zeichen sich kraͤf- tig erwiesen/ daß er der versprochene Messias und Heyland der Welt waͤhre/ indem er nit allein allerley Krankheiten und Seuchen mit einem Worte geheilet/ sondern nach seiner sie greichen Aufferstehung gen Himmel gefahren/ und nach seiner Aufffahrt seinen Juͤn- gern den Heiligen Geist sichtbahrer weise mitgeteilet/ durch dessen Krafft sie im Nahmen JEsus grosse Wunderzeichen verrichtet håtten/ wie solches alles so helle am Tage/ und mit so viel hundert tausend Maͤrterer Blute bestaͤtiget und versiegelt waͤhre/ daß kein Witzigeꝛ/ dem es kund getahn wuͤrde/ daran zu zweifeln haͤtte. Dann warumb haͤtten diese alle einem Menschen zu gefallen/ umb ertichtete Luͤgen ihr Leben durch allerhand grausame Pein auf- opffern wollen oder koͤnnen/ wann sie nicht versichert waͤhret/ das JEsus/ umb dessen Wil- len sie gelitten/ ihnen viel ein wichtigers wieder geben wuͤrde/ wañ sie nach seiner Lehre/ ihm zu liebe und ehren/ Leib und Leben in die Schanze schluͤgen? Uber das solte man die Weis- sagungen Altes Testaments oder Bundes betrachten/ so wuͤrde sichs finden/ wie artig und genau dieselbe mit dem HErrn JEsus uͤbereinstimmeten; uͤberlief hiebey kuͤrzlich die voꝛ- nehmsten Spruͤche der Schrifft/ welche von dem Messias handeln/ insonderheit aus dem LIII Cap. des Esaias/ daraus er bewieß/ dz Messias vor der Welt Suͤnde sterben und buͤssen muͤste/ auf dz Gottes gnade uñ die ewige Seligkeit uns armẽ verdamtẽ Menschẽ wieder er- worben uñ zuwege gebracht wuͤrde. Einer unter diesen gefangenẽ/ namens Mose/ der in dẽ Rabbinischen Schrifften fleissig gelesen hatte/ fing mit diesem Christlichen Lehrer ein Ge- X x x iij spraͤch Drittes Buch. spraͤch von dem Messias an/ und unterstund sich zubehaͤupten/ Messias wuͤrde kommen/ ein zeitliches Reich anzurichten/ und die Judische Herschafft in den Stand zusetzen/ wie sie Zeit Koͤnig Salomons gewesen; dann er solte ja ein Koͤnig seyn; er solte Davids Stuel besitzen/ und seine Feinde zum Schemel seiner Fuͤsse legen. Dieser aber bewies ihm gerade das Wiederspiel: Es waͤhre durch Christus oder Messias Reich nicht ein weltliches oder irdisches zu verstehen/ sondern er waͤhre uns verheissen und gesand/ die bußfertigen Suͤn- der aus dem Rachen der Hellen und des leidigen Teuffels zuerretten; nehmlich er solte der Hellischen Schlangen den Kopff zutreten/ und ein Segen aller Voͤlker seyn/ also das Gottes Reich durch ihn in der ganzen Welt außgebreitet wuͤrde/ welches sonsten nur in den engen Grenzẽ dieses gelobeten Landes eingeschlossen wahr. Und da Messias nur das zeitliche Reich anrichten solte/ was haͤtte dann Koͤnig David und andere in der hoͤchsten bluͤte des Judischen Reichs nach dem Messias so aͤngstiglich ruffen duͤrffen/ daß die Huͤlffe aus Sion uͤber Israel kom̄en/ und Gott sein gefangen Volk erloͤsen moͤchte? Weil ja zu der Zeit keine leibliche Gefaͤngnis oder unterdruͤckung wahr/ damit die Juden solten geplaget wordẽ seyn. Schließlich wiederholete er/ dz die Weissagung von den 70 Jahrwochẽ beim Daniel/ Gottes unfehlbahres Wort uñ Verheissung waͤhre/ welches kein Mensch hem̄en noch umstossẽ koͤnte/ uñ weil solche Zeit ausseꝛ allẽ zweifel verflossen/ ja weil sie gleich um die Zeit des Leidens uñ der Aufferstehung des HErꝛn Jesus zu ende gelauffẽ waͤre/ muͤste ja der Messias schon kom̄en seyn/ da man sonst Gottes Wort nit zu Luͤgen machen wolte; es wuͤrde auch kein ander/ als JEsus von Nazareth der Messias seyn/ weil sich niemand fuͤnde/ wel- cher davor koͤnte gehalten werden; sintemahl Johannes der Taͤuffer außdruͤklich geleug- net haͤtte/ er waͤhre nicht Messias/ da die Judische Geistligkeit solches von ihm gefraget; ja er haͤtte außdruͤklich auff den HErꝛn Jesus mit Fingern gezeiget/ der waͤhre der Mes- sias; der waͤhre das Lamb Gottes welches der Welt Suͤnde traͤgt/ und ein so grosser Herꝛ/ daß er auch unwirdig waͤhre/ ihm seine Schuch nachzutragen. Da man aber einstraͤuen wolte/ warumb dann die Juden diesen JEsus nicht haͤtten vor den Messias erkennen uñ annehmen wollen; koͤnte man vor erst nicht laͤugnẽ/ daß sehr viel Juden/ auch etliche von den Schrifftgelehrten ihm angehangen haͤtten; die uͤbrigen haͤtten sich an seiner aͤusserli- chen geringen Gestalt geaͤrgert und gleich mit den heutigen Juden gewaͤhnet; ob wuͤrde Messias ein weltliches Reich anrichten/ und mit guͤldenem Reichs Stabe und Kron tref- lich einher prangen muͤssen; die Rotte der Phariseer aber waͤhre ihm ungewogen gewe- sen/ weil er ihre aͤusserliche falsche Scheinheiligkeit und innerliches boßhafftes Leben oͤf- fentlich gestraffet/ und ihre Suͤnden auffgedecket/ woruͤber sie ergrimmet/ ihm nach Leib und Leben gestanden/ biß sie ihr Muͤhtlein an ihm gekuͤhlet/ und dem Landpfleger Pontius Pilatus uͤbergeben. Und da sie seiner Aufferstehung von den Todten waͤhren von den Grabeshuͤtern berichtet worden/ haͤtten sie Gott dem Herrn zu trotze alles geleugnet/ und den Kriegsknechten Geld gegeben/ ein solches zu verschweigen. Dieses alles/ sagte er/ moͤchten sie doch beherzigen/ und ihrer armen Seele rahten lassen. Moses und etliche we- nig andere/ hoͤreten ihm fleissig zu/ und daͤuchte sie/ wie eine sonderliche Bewaͤgung und Andacht in ihrem Herzen erwecket wuͤrde/ daß auch einer/ nahmens Isaak/ der dem Mose am naͤhesten stund/ zu ihm sagte: Rabbi/ ihr muͤsset dieses alles bestaͤndig wiedeꝛlegen/ odeꝛ mir Drittes Buch. mir nicht verargen/ wann ich/ durch dieses Christlichen Lehrers Beweißtuhm uͤberwun- den/ meinen vorigen Glauben ablege/ und als ein rechtschaffener Christ sterbe/ dafern mir Lebens-Gnade nicht begegnen kan; massen ich mein Herz der massen geruͤhret befinde/ daß vor mich ich nit mehr zu wiedersprechen weiß. Ein solches bestaͤtige in euch der H. Geist/ sagte der Christliche Lehrer/ und versiegele das Wort in eurem Herzen zu dem ewigen Le- ben. Moses stund wie ein Taumelichter/ und bedachte sich ein wenig/ fing hernach an/ und rieff mit heller Stimme. Ihr meine lieben Freunde/ und dem Fleische nach/ warhafte Bruͤ- der/ versichert euch festiglich/ daß wir von unsern Rabbinen bißher heßlich hinter das Licht gefuͤhret/ und durch ihre Luͤgen Schrifften auff den Irreweg geleitet sind; dann in War- heit/ die heilige Schrifft Gottes zeuget dieses alles von dem Messias/ was dieser Christ- liche Lehrer mit bestand eingefuͤhret hat; daher sehe ich vor erst/ daß wir uns einen falschen Messias einbilden; und hernach/ weil die von Gott durch den grossen Daniel bestimte Zeit (deren ich offtmahls ganz zweiffelmuͤhtig nach gedacht) verflossen/ JEsus von Nazareth aber umb dieselbe Zeit kommen ist/ er und kein ander/ der wahre Messias seyn muͤsse/ wie er solches durch seine Wunder/ deren wir gute Kundschafft haben/ gnugsam dargetahn; an diesen nun wil ich hinfort glaͤuben/ an diesen wil ich mich halten; bey diesem wil ich Le- ben und sterben/ daß helffe mir Gott und dieser mein Messias JEsus/ Amen. Hierauff fing er an/ seine Mitgefangenen zu vermahnen da sie des Himmelreichs faͤhig werden/ und an Messias Teil haben wolten/ muͤsten sie Christen werden/ sonst wuͤrden sie der ewigen Veꝛ- damnis eigen bleiben. Aber diese Ermahnung wolte so bald nicht hafften/ sondern der groͤste Teil speieten ihn an/ uñ verfluchten ihn biß in der Hellen Abgrund/ dz er den schaͤnd- lichen Glauben annehmen/ und an einen auffgehenkten Gott glaͤuben wolte; er moͤchte doch als ein Gelehrter/ seinen Glaubens genossen den Schimpf nicht antuhn/ und die Leh- re verdammen/ in welcher Abraham/ Isaak und Jakob sanfft und selig eingeschlaffen waͤh- ren; des Christlichen Lehrers Vorbringen waͤhre nicht der Wichtigkeit/ daß ein wol ge- gruͤndeter Jude dadurch koͤnte irre gemacht uñ verleitet werden; der Messias muͤste frey- lich ein grosser Koͤnig seyn/ und sie von der Heyden Dienstbarkeit loß reissen/ und da er ein solcher nicht seyn wuͤrde/ moͤchte er wol gar ausse bleiben. Des Daniels LXX Jahrwochen waͤhre eine dunkele und schwere Weissagung/ in deren Außlegung man leicht irren koͤnte. Und wann gleich dieselbe Zeit verflossen waͤhre/ und Gott auff solche Zeit den Messias zu senden versprochen haͤtte/ so hinterhielte doch Gott solche Verheissung umb der Suͤnde willen des Judischen Volks/ dañ so bald dieselben in rechtschaffener Lebensbesserung sich anfinden wuͤrden/ alsdann wuͤrde deꝛ Messias auch nicht laͤnger verzihen. Aber der Christ- liche Lehrer antwortete darauff; es waͤhre ihre blosse Einbildung/ daß Messias ein irdischer Koͤnig seyn wuͤrde; der Weissager und Lehrer Esaias beschriebe ihn viel anders in ob an- gezogenem/ wie auch im anfange des LXI Cap. daß auch Gott den Messias wegen der Ju- den Suͤnde hinterhalten solte/ waͤhre nichtig und nichts/ massen Daniel ohn alle Bedin- gung solcher Suͤnde oder Froͤmmigkeit desselben Zukunfft auff gewisse Zeit/ nach verlauf der genanten Wochen bestim̄et haͤtte/ welchen Willen und Warheit Gottes/ keines Men- schen Suͤnde hindern odeꝛ zuruͤk haltẽ koͤnte. Als er dieses sehr bewaͤglich vorgebracht hat- te/ traten noch VI aus dem Hauffen/ und erbohten sich Christen zu werden/ hernach moͤchte die Drittes Buch. die Obrigkeit mit ihnẽ nach gutduͤnken verfahren/ weil sie bekeñen muͤsten/ daß sie den Tod verschuldet haͤtten/ welchen sie auch leiden wolten/ nach dem sie hoffeten der Seligkeit nun- mehr vergewissert zu seyn. Der Stathalter kam unterdessen mit Herkules und andern/ unter der begleitung LX Reuter und 350 Fußknechte auff den Gerichtsplaz/ da außgeruf- fen ward/ ob einiger Jude unter den Zusehern sich befuͤnde/ solte derselbe bey Lebensstraffe sich alsbald hinweg packen; worauff ein gemurre unter dem Volke ward/ und bald dar- auff sich in die dreissig davon macheten/ welche/ dafern der Stathalter es nicht gehindert haͤtte/ von de Zusehern wuͤrden gesteiniget seyn. Der Christliche Lehrer taht Herkules zu wissen/ daß die IIX abgeson derte Gefangene das Christentuhm angenom̄en haͤtten/ und bereit waͤhren in demselben zu sterben. Bald darauff setzete sich der Stathalter auff den Richtstuel und fellete die Urtel: Es haͤtte Roͤmische Kaͤyserl. Hocheit ihm bey betretung seines Stathalter Amts/ dieses insonderheit und mit hoͤchstem Ernste aufferleget/ daß er Frieden und reine Strassen in dieser Landschafft erhalten/ die Auffruͤhrer/ Moͤrder/ Diebe/ und Strassen Raͤuber aber ohn ansehen und Gnade/ andern zum abscheuhlichen Beyspiel abstraffen solte. Nun haͤtten gegenwaͤrtige gefangene Inden/ einen hochverdienten Roͤmi- schen Ritter und Herꝛn auff freier Landstrasse ermorden wollen/ wie ihre einhellige Uhr- gicht und Bekaͤntnis zu Tage leuchtete/ wodurch sie den Landfrieden gebrochen und das Leben verwirket haͤtten/ solten demnach lebendig aus Kreuz gehefftet/ und auff solche Wei- se vom Leben zum Tode gebracht werden/ nur diese außgenommen/ denen hochgedachter beleidigter Herr das Leben verbitten wuͤrde/ welches demselben als einem sonderlichen Freunde des Roͤmischen Kaͤysers frey stuͤnde. Herkules rieff die IIX neue Christen vor sich/ und fragete sie/ ob sie vor ihrem tode die Christliche Tauffe begehreten; und als sie mit herz- licher Begierde ja rieffen/ auch mit wenigem umb einen gelinderen Tod anhielten/ sagte er weiter; wie wann dañ bey dem Großmaͤchtigen Herrn Stathalter ich euch gar Lebens- fristung erbitten wuͤrde/ woltet ihr auch im Christentuhm bestaͤndig verharren/ und der Erbarkeit euch forhin befleissigen? Diese begunten schon Hoffnung zu fassen/ und sagten mit teuren Worten zu/ umb Christus Willen gerne alles außzustehen; wurden demnach auff Herkules Vorbitte alsbald ledig und frey gesprochen/ und ihrer Bande erlassen/ zu- mahl/ weil sie dartuhn kunten/ daß sie fast genoͤhtiget wahren/ sich in diesem Moͤrdlichen Anschlage gebrauchen zu lassen. Als die uͤbrige sahen/ daß diese wegen des angenom̄enen Christentuhms Lebens Sicherheit erhielten/ funden sich X unter ihnen/ welche sich erboh- ten/ den Heidnischen Glauben forthin zu bekennen/ welches sie doch nur aus Heucheley/ dem Tode zu entgehen/ und aus Feindschafft wieder den Christlichen Nahmen tahten. Der Stathalter wolte ihnen solches nicht wegern/ und hieß alsbald Feur und Rauchwerk herzu bringen; und da sie dem Abgott Jupiter zu ehren den Weirauch auff die Kohlen gestreuet hatten/ legte man ihnen Schweinefleisch vor zu essen/ dessen sie sich auch nicht we- gerten/ unter der Hoffnung sie wuͤrden von aller Straffe loßgesprochen werden; Aber der Stathalter befahl/ daß man bald mit ihnen zur Straffe eilete/ ehe sie zum vorigen Aber- glauben wieder treten moͤchten; uͤber welche Urtel Herkules und alle Anwesende Christen ihrem Heylande von Herzen danketen; diesen zehn Abtruͤñigen aber/ da sie solches vernah- men/ kam alsbald die Reue/ lieffen zum Feur/ stiessen es mit den Fuͤssen umb/ und schrien; sie Drittes Buch. sie wolten als fromme Inden sterben/ fluchten auch dem Jupiter/ und rieffen; der Gott Abraham/ Isaak/ uñ Jakobs ist allein wahrer Gott. Woruͤber der Stathalter hart ergrim- mete/ daß er sie alsbald außzihen/ geisseln/ und hernach aus Kreuz hefften lies. Von den uͤbrigen traten auff des bekehreten Moses anmahnung noch VI zum Christentuhm/ uñ er- hielten diese Gnade daß sie nach außgestandener Geisselung mit dem Leben begnadet/ und auff drey Jahr zur Leibeigenschafft verdammet wurden. Die uͤbrigen alle/ an der Zahl XXXVI (dann XII wahren im Gefaͤngnis an ihren Wunden gestorben) musten zugleich aus Kreuz. Moses wolte neben dem Christlichen Lehrer nicht von ihnen weichen/ so lange sie lebeten/ vermahnete und baht sie mit heissen Traͤnen/ daß sie ihrer Seligkeit wahrnehmen/ und die angebohtene Gnade Gottes zum Himmelreich durch ihre Halsstarrigkeit nit selbst verwerffen moͤchten/ rieff auch mit andern Christen andaͤchtig zu Gott/ er wolte sie erleuch- ten und zur Busse zihen; welches dann so viel wirkete/ daß V von den zum Heidentuhm ge- fallene/ und VI von den uͤbrigen den Christlichen Glauben annahmen/ und in der Pein froͤ- lich und wolge muht abscheideten/ welches Herkules eine sonderliche Freude zuhoͤrẽ war; der dann mit dem Stathalter und dem Bischoffe wieder zuruͤk ritte/ hielten Mahlzeit/ uñ redeten von mannicherley Geschichten aus Gottes Worte/ dem der Stathalter fleissig zu- hoͤrete/ und sich unterrichten ließ/ woher man eigentlich wuͤste/ daß den Buͤchern Mose uñ anderen/ deren sie meldung taͤhten/ festiglich zutrauen waͤhre/ und vor wie viel Jahren der Moses gelebet haͤtte; welches der Bischoff mit sonderlichem fleiß verrichtete/ da H. Pom- pejus sich sehr verwunderte/ daß dieser Moses 826 Jahr vor Erbauung der Stad Rom gebohren waͤhre/ und vor vieler deren Zeit gelebet haͤtte/ welche von den Griechen und Roͤ- mern vor Goͤtter angenommen waͤhren; Insonderheit hatte er sonderliche Lust anzuhoͤrẽ/ was von Erschaffung der Welt/ und von Ausfuͤhrung der Kinder Israel aus Egypten- land vorgebracht ward/ und Herkules daher gute Hoffnung zu seiner Bekehrung fassete. Nach abgetragenen Speisen baht Herkules umb großguͤnstige Erlassung/ seine Reise zu verfolgen/ und fuͤhrete die Ursachen seiner Eile mit solchem Ernste an/ daß sie wol sahen/ ein weiteres noͤhtigen wuͤrde ihm nur verdrießlich seyn/ deßwegen Herr Pompejus ihm Freyheit gab/ des naͤhstfolgenden Tages nach seinem belieben zuschalten. Das Fraͤulein haͤtte ihn gerne noch etliche Tage auffgehalten/ umb seiner lieben Gegenwart etwas laͤngeꝛ zugentessen/ und ob ihr gleich die Gedanken zu einer kuͤnfftigen Ehe benommen wahren/ blieb doch die einmahl erweckete Gunst und Freundschafft in ihrem Herzen unbewaͤglich/ aus deren Getrieb sie nach gehaltener Mahlzeit/ da sie mit einander im Garten umher gin- gen/ ihn also anredete: Mein hochwerter Herr und Freund/ es tuht mir sehr leid/ daß eure beliebte Gegenwart in ein betruͤbtes Abscheiden sol verkehret werden; weil ich aber zu schwach bin/ seinen Willen zubrechen/ muß ich damit friedlich seyn; doch wil ich eines von ihm bitten/ daß/ dafern er gleiche Gewogenheit in Ehren an mir/ als an meinen Wasen zu Padua gespuͤret/ er mich unter dieselben mit rechnen wolle/ und sich versichern/ daß ich nit weniger bedacht bin/ ihn zeit meines Lebens zulieben und ehren als ihrer eine; und ob ich dẽ Nahmen einer Schwester/ wie jene/ noch nicht verdienet habe/ werde ich doch zum wenig- sten vor eine nicht viel mindere Freundin gehalten seyn; gestehe auch gerne/ daß wie mir der Himmel keinen Bruder gegoͤnnet/ dannoch das Gluͤk mich einen kennen gelehret/ bey Y y y dessen Drittes Buch. dessen Lebenszeit ich mich Bruder-loß nicht schaͤtzen werde; welches zureden ich mich nit scheuhe/ weil mein Herz mir Zeugniß gibt/ daß meine Neigungen in reiner Keuscheit be- stehen. Herkules antwortete ihr: Hochgebohrnes Fraͤulein/ und da ichs zufagen gewirdi- get bin/ in Ehren herzgeliebte Frl. Schwesterchen; ich weiß nicht/ wie ich diese gar zu hohe Ehre und Gunst zeit meines Lebens vergelten sol/ es waͤhre dann/ daß mein Fraͤulein sich hiemit bezahlen liesse/ daß in ihren Diensten zusterben ich allemahl bereit bin. Mein Gott weiß/ mit was herzlicher Zuneigung Euer hohen Tugend ich mich verbunden befinde/ so daß weder Zeit noch Abwesenheit/ noch Unfall mich ihrer hochwerten Gedaͤchtniß berau- ben wird/ und dafern ich meine Freyheit noch haͤtte/ wuͤrde ich mich erkuͤhnen/ umb mehre als schwesterliche Liebe Ansuchung zutuhn; nach dem ich aber nunmehr vor zwey Jahren einer andern/ und das ich noch zur Zeit niemand vertrauet/ eben diesem Fraͤulein verspro- chen bin/ welche zuretten ich mich bemuͤhe; taͤhte ich als ein Meinaͤidiger/ und wider Rit- ters Ehre/ da ich geschworne Traͤue zubrechen/ und hohes Standes Fraͤulein zu verfuͤh- ren mich geluͤsten lassen wuͤrde. Diesem nach bitte ich meine hochwerte und herzgeliebete Frl. Schwester/ sie die Gedaͤchtniß meiner Wenigkeit in ihrem Herzen nicht sterbẽ lassen/ auch da es moͤglich/ sich an keinen verheyrahten wolle/ der ihr nicht von heꝛzen gefallẽ wird; wer weiß/ ob ich nicht einen nahen Anverwanten habe/ mir in dem/ was lobens wert seyn mag/ nicht ungleich/ dem ein solches liebes Fraͤulein ich wol goͤnnen moͤchte. Schließlich ist mein hoͤchster Seelen Wunsch/ meine Frl. Schwester koͤnte sich aus freyem willen zum Christentuhm bequemen/ auff daß sie nach dieser Sterbligkeit neben mir und allen Außer- waͤhlten der erschreklichen Verdamniß entgehen/ und in unauffhoͤrlicher Freude bey Gott leben moͤchte/ welches in Warheit niemande ausser den Christen widerfahren kan. Herz- geliebter Herr und Bruder/ antwortete das Fraͤulein; nach dem ich euer zuͤchtigen bruͤ- derlichen Freundschafft gnug versichert bin/ so verspreche ich hiemit/ in keine Heyraht/ ohn euer Vorwissen uñ Bewilligung mich einzulassen. Dem Christentuhm aber bin ich schon so nahe/ daß ich in kurzer Zeit hoffe/ eures Glaubens zuseyn/ und wil euch in hohem Ver- trauen offenbahren/ dz meine geliebte Eltern alle Nachte berahtschlagen/ wie sie am heim- lichsten Christen werden moͤgen/ damit es nicht ruchtbar werde/ und sie druͤber nicht der- eins in Ehr- und Lebens gefahr zu Rom gerahten moͤgen; und dieses treiben sie so verbor- gen/ daß sie es mir anfangs zuverhehlen entschlossen sind/ damit ich nicht aus Unbedacht- samkeit der Jugend es andern offenbahre; ich erwarte aber nur ihres Verfolgs/ dann wil ich nicht lange von ihnen abgesondert seyn; und bin ich versichert/ daß mein H. Vater die- se Glaubensenderung nicht lange auffschieben werde. Herkules hub in sonderlicher Freu- de seine Haͤnde auff gen Himmel/ und dankete Gott/ dz dieses durch Anlaß seines Kampfs befodert waͤhre. Er hatte aber einen koͤstlichen Ring einkaͤuffen lassen/ welchen er seinem lieben Fraͤulein mit diesen Worten an den Finger steckete: Sehet meine hochgeliebete Frl. Schwester/ hiemit wil ich euch ein schlechtes Denkzeichen hinterlassen der vertraueten Freundschafft/ die wir anjetzo mit einander in keuscher Schwester- und Bruͤderlicher Liebe auffgerichtet haben \&w̃elche dann in meinem Herzen nimmer mehr erloͤschen sol. Das Frl. hatte gleich zu dem Ende auch einen schoͤnen Ring zu sich genommen/ und bißher sich ge- scheuhet/ ihm denselben zuliefern; aber durch diese Gelegenheit erkuͤhnete sie sich/ daß sie ihn aus Drittes Buch. aus ihrem Busem hervor zohe/ und zu ihm sagete: Hochwerter Herr Bruder/ ich wil den mir angestekten Ring mit geschehener Bedingung annehmen/ und hinwiederumb nicht zweifeln/ er werde diesen auff gleicher Tråue Gedaͤchtniß von mir bruͤderlich empfahen/ und seiner Zusage dabey eingedenke seyn/ da er mir versprochen/ uns/ wo er lebet/ alhie wie- der zubesuchen. Herkules umfing sie hierauff tugendreich/ und antwortete: Sein verheis- sen waͤhre aus gutem bedacht geschehen/ und solte/ da ihm Gott das Leben fristen wuͤrde/ nit gebrochen werden. Als diese beyde ihre Freundschafft solcher gestalt bestaͤtigten/ traten die Eltern zu ihnen/ und redete Herr Pompejus folgender gestalt Herkules an: Sonders ge- ehrter lieber Herr und Freund; Nach dem euer steiffer Vorsatz ist/ naͤhstkuͤnfftigen Tages fortzureisen/ moͤchte ich gerne sehen und befodern helffen/ daß solches mit gluͤklichem Fort- gang geschaͤhe; habe demnach eine offene Schrifft an alle Roͤmische Beamten von hier biß durch Mesopotamien an den Tigerfluß auffgesetzt/ und begehret/ euch als einem hoch- verdienten Roͤmischen Freunde allen Vorschub mit Leuten/ Pferden und Gelde nach eu- rem Willen zuleisten/ auch wider aller Feinde Gewalt und Verfolgung euch zuschuͤtzen/ in Festungen anzunehmen/ und alles das zutuhn/ damit euch kan gewil fahret werden. Uber- das wil ich euch einen Freybrief erteilen/ als einem von dem Roͤmischen Kaͤyser an den Parther Koͤnig Gesanten/ der euch in Gefahr und Anfaͤllen sehꝛ nuͤtzlich seyn kan. Weil ihr auch eines getraͤuen Dolmetschen hoch werdet von noͤhten haben/ wil ich euch meinen be- sten Sprachmeister/ nahmens Plautus zu geben/ welcher nebest der Lateinischen und Grie- chischen/ in den meisten Morgenlaͤndischen Sprachen wol erfahren ist; habe ihm vor sein Håupt und dreyen reiten den unbewehrten Dienern/ Reise Kosten gnug zugestellet/ nach- dem ich ihn vor mich mitsende/ mir eures Zustandes auff begebenheit Bericht ein zuschickẽ. Und weil ich von euch eine heimliche Freundschafft empfangẽ/ die euch noch zur Zeit selbst mag unbewust seyn/ ihr sie aber hernaͤhst erfahren werdet/ muß ich hinwieder meine Dank- barkeit spuͤren lassen; wollet demnach diese Kette/ die ihr ungehindert am Leibe verborgen tragen koͤnnet/ von mir annehmen/ und zum Nohtpfennig behalten/ weil man nicht weiß/ was uns auff solchen Reisen zustossen moͤchte. Es wahr aber diese Kette zimlich stark/ wie ein Guͤrtel gemacht/ daß man sie umb den Leib legen/ und verborgen tragen kunte/ und hin- gen 150 koͤstliche Demant daran/ rings umher/ deren der geringste auff 400/ der vornehm- ste auff 1200 Kronen geschaͤtzet ward/ daß das ganze Kleinot eine Tonne Goldes austrug. Dieses/ sagte Herr Pompejus weiter/ ist bey Antretung meines jetzigen Amptes mir von den Juden dieser Landschafft verehret/ umb meine Hulde zukauffen/ die niemand vor Geld ausstehet/ und wil es euch daher so viel lieber zustellen/ daß ihr ein Siegszeichen von diesem boßhafften Volke haben moͤget. Herkules wegerte sich sehr/ ein solches zunehmen; weil a- ber der Stathalter so hefftige Reden gegen ihn gebrauchete/ daß er sich ferner nicht ent- brechen kunte/ nam er sie zu sich/ und antwortete: Demnach es also seyn muͤste/ wolte er wil- lig gehorsamen/ als durch Zwang und Oberbotmaͤssigkeit darzu gehalten/ hoffete aber den Tag zuerleben/ seine Vergeltungs-Willigkeit dereins sehen zu lassen. Nachgehends baht eꝛ den Stathalter/ auff Begebenheit H. Q. Fabius seinetwegen in Schreiben zu gruͤssen/ wie imgleichen dessen Gemahl/ Fr. Tochter und Frl. Sibyllen/ welche beyde/ sagte er/ nicht al- lein an Schoͤnheit und Jahren/ sondern auch an Tugend und Verstande/ ihrer Frl. Wa- Y y y ij sen/ Drittes Buch. sen/ meiner hochwerten Frl. Lukrezien nicht ungleich sind/ und ich mich versichert halte/ ich habe an dieser dreyen Kundschaft und Gewogen heit/ die vortrefllichste Jungfraͤuliche Tu- gend der Stad Rom erkennet/ und zu Freundinnen bekommen/ mehr und vollkommener/ als bey so jungen Fraͤulein ich mir haͤtte einbilden koͤnnen. Die Mutter hoͤrete solches Lob sehr gerne/ aber dz Fraͤulein antwortete ihm: Hochberuͤmter Fuͤrst/ Herꝛ Herkules/ ich bin nie in Gegenwart meiner lieben Eltern so hoch beschaͤmet/ als jezt von euch zu guter lezt/ je- doch wil ich mir die Rache biß auff seine gluͤkliche Wiederkunfft vorbehalten/ und doch ei- nen solchen Lehrmeister nicht ungerne hoͤren/ der in allen Vollkommenheitẽ vortreflich ist/ damit ich den minsten Teil noch lernen moͤge/ was er ganz an mir sein scherzen darff. Dem Vater gingen die Augen uͤber/ da er sein liebes Kind so vernuͤnfftig reden hoͤrete/ und sagte zu ihr: Geliebte Tochter/ dieser trefliche Herr und unvergleichliche Ritter spielet mir dir/ als ein vernuͤnfftiger Meister mit seinem beliebten Lehrknaben/ dessen Werk er ruͤhmet/ ob gleich nichts dahinten ist/ und lobet alle Stuͤcke insonderheit/ damit er den Gebrechen von ihm selbst sehen/ und darnach trachten moͤge/ wie ers verbessere. Herkules baht umb Ver- zeihung/ beteurete daneben/ daß er nicht gewohnet waͤhre/ jemand zu gefallen zu reden/ viel weniger zu beschimpfen/ wie es seiner hochwerten Fraͤulein auszulegen beliebete; sondern was gut an sich und vollkommen/ muͤste weder er noch kein ander tadeln; Tugend verdie- nete ihren Dank/ und Ehre folgete dem Wolverhalten wie dem Leibe der Schatten/ daher gebuͤhrete demselben Fluch und Schande/ der das wirdige seines Preises beraubete/ und zu gebuͤhrlicher Zeit nicht mit Ruhm erhoͤbe. Pompejus lachete/ daß er dieses mit so ern- stem Eifer vorbrachte/ und antwortete: Geliebter Herr als Sohn/ ob gleich meiner lieben Tochter/ angesehen ihre Jugend und andere Verhinderungen/ viel gebricht/ muß ich doch eure Reden anders nicht urteilen/ als die aus sonderlicher Gewogenheit und Freundschaft herruͤhren/ nach deren Anleitung man zuzeiten unvermerkt einen uͤbersprung tuhn kan. Hier auff nahete die Stathalter in zu ihm/ hatte den ihr von ihm geschenkten Ring am Fin- ger/ und redete ihn solcher gestalt an: H. Herkules/ euer wegscheidẽ gehet mir so nahe zu heꝛ- zen/ als reisete mein leiblicher Sohn von mir/ welchẽ Namẽ ich euch gerne gebe/ weil ihꝛ ihn anzunehmen allemahl ganz willig gewesen seyd; wil demnach die Gedaͤchtnis eureꝛ Fꝛeund- schaft aus meinem Herzen nicht lassen/ und euch dieses (auf den Ring zeigend) zu liebe und gefallen tragen. Wañ sich aber gebuͤhren wil/ daß ich ein muͤtterliches Zeichen von mir ge- be/ wodurch ihr meiner gewogenheit in etwas koͤnnet erinnert seyn/ werdet ihr/ da ihr mich liebet/ euch nicht wegern/ diesen Ring und Kette/ nebest etlichen Baarschafften und Klei- noten zum Zehrgelde (welches sich auff 40000 Kronen erstreckete) von mir anzunehmen/ sonsten muͤste im widrigen ich schliessen/ die angebohtene muͤtterliche Gewogenheit wuͤrde von euch geringe geschaͤtzet. Davor behuͤte mich mein Gott/ antwortete er; dann ich halte es billich vor eine sonderliche Gluͤkseligkeit/ daß meine Fr. Mutter mich vor ihren Sohn wirdiget/ befinde mich auch schuldig/ dieselbe/ zeit meines Lebens/ kindlich zuehren/ wie ich dann mit Gottes Huͤlffe dereins gedenke darzutuhn/ daß/ ob sie gleich einen unvermoͤgen- den/ dannoch traͤu-bereitwilligsten Sohn und Knecht an mir habe. Frl. Lukrezie wuste schon/ was von ihren Eltern ihr befohlen wahr/ ihre Reden aber nach ihrer Gewogenheit zustellen/ gebrauchte sie sich des geschehenen muͤtterlichen erbietens/ und sagete zu ihm: Trefli- Drittes Buch. Treflicher Fuͤrst/ und in Ehren hochwerter Freund; weil ich anjetzo angehoͤret/ daß ihr von meiner herzgeliebten Fr. Mutter an Sohns stat erwaͤhlet und anffgenommen seyd/ werde ich/ Ungehorsam gegen meine Eltern/ und Unhoͤfligkeit gegen euch zumeiden/ euch forthin als einen Bruder zu ehren und lieben gehalten seyn. Wann dann mein Herr Bruder die beschwerliche weite Reise vor sich hat/ worzu Kosten und andere Nohtturfft erfodert wird/ als wolte mir unleidlich seyn/ denselben ohn alle schwesterliche Huͤlffe zihen zulassen/ angese- hen er sich in Erloͤsung meiner Wasen und Schwestern so verdienet umb mich gemachet hat/ da schon die Bruͤderschafft zwischen uns/ nach meiner Fr. Mutter willen/ nicht gestiff- tet waͤhre; bitte demnach/ etliche Kleider und leinen Geraͤhte/ die ich auff meiner lieben El- tern Geheiß verfertigen lassen/ anzunehmen/ wie auch beygefuͤgte schlechte Kleinot/ und dieses par Armbaͤnder/ dem verlornen Fraͤulein meinetwegen zuschenken; und werde ihm durchaus keine abschlaͤgige Antwort gestehen/ es waͤhre dann/ daß er sonderliches belieben truͤge/ allemahl/ so offt ich mit ihm rede/ mich schamroht zumachen/ welches mir sehr em- pfindlich seyn/ und seiner Freundschafft mich wenig versichern wuͤrde. Herkules kuͤssete ihr die Hand/ und gab zur Antwort: Durchleuchtiges Fraͤulein/ der Bruder Nahme/ des- sen sie mich wirdiget/ ist mir in Warheit angenehmer/ als alle Schaͤtze und Reichtuhm die- fer Landschaft; wil mich auch aͤusserst bemuͤhen/ also zuleben/ daß solche hohe Ehre ich durch Untugend nicht besudele/ oder mich deren unwerd mache/ ob gleich derselben mich schon viel zugeringe weiß; und weil die Bedingung viel zu stark ist/ auch durch Wegerung nur in ihre Ungunst fallen wuͤrde/ muß ich das angebohtene von meiner Frl. Schwester/ wie- wol nicht anders/ als ein Knecht die Schlaͤge von seinem Herrn annehmen; dann die gar zu grossen Schenkungen mich gewißlich betruͤben/ daß da ihre Gemuͤter mir nicht zu wol bekant waͤhren/ ich gedenken muͤste/ sie fuchten mich auff einmahl abzukaͤuffen. Ich wuͤn- sche aber/ Gott mir die Gnade verleihen wolle/ daß ich gelegenheit haben moͤge/ mein Blut und weniges Vermoͤgen in ihren Diensten anzuwenden. Diesem sey nun wie ihm wolle/ so muß ich doch vor dißmahl nicht allein unverschaͤmt werden/ sondern wideꝛ meinen Wil- len mir eine Last auffbuͤrden lassen/ die ich weder tragen kan/ noch zutragen je verdienet ha- be; ja wann ich språche/ man schluͤge mich zu bodem/ ehe der Kampff anginge/ wuͤrde ich nicht irren. Jedoch hoffe ich/ der Alleingewaltige Gott werde sie mit Geist- und leiblichen Woltahten uͤbeꝛschuͤtten/ daß sie demselben bekennen muͤssen/ was ihnen zubekennen ich an- jetzo gezwungen werde. Ich hoffe solches mit/ sagte Pompejus/ Gott werde mir Gnade uñ Barmherzigkeit verleihen/ mehr als ich ihm zu danken vermoͤgens bin/ und halte davor/ er habe dessen schon einen sehr guten Anfang gemacht. Herkules taht als verstuͤnde er diese Reden nicht/ ungeachtet er eigentlich spuͤrete/ daß er auff das Christentuhm zielete. Sie verharreten auch in diesem hoͤflichen Gespraͤch/ biß man sich zur Abendmahlzeit setzete/ da es nicht anders schien/ als ob nur Eltern/ Kinder und Geschwister mit einander umbgin- gen/ und wunderte sich Pompejus mehr uͤber Herkules grosse Zucht/ die er in Worten uñ Tahten bey dem Fraͤulein spuͤren ließ/ als uͤber seine Herzhafftigkeit uñ Staͤrke/ irrete doch in seinen gedanken nicht/ er muͤste sein Herz schon am andern oꝛte/ und ohn zweifel dem ent- fuͤhreten Frl. zu ehelicheꝛ Liebe versproehẽ haben. Gallus/ mit dem es sich zeitiger/ als mit sei- nem Herrn gebessert hatte/ ward auch unbeschenket nicht gelassen/ sondern der Stathalter Y y y iij vereh- Drittes Buch. verehrete ihm 2000 Kronen uñ ein gutes Reitpferd mit allem Zubehoͤr/ welches er mit un- tertaͤhniger danksagung annam/ uñ die Gelder neben dem was er schon bey sich hatte/ dem Fraͤulein biß auff seine Wiederkunfft zu verwahren gab. Des folgenden Morgens ließ Herkules die Pferde gar fruͤh satteln/ und die beladene vier Maul Esel fertig machen/ wel- che die drey Diener uñ der Dolmetscher Plautus bey der Hand fuͤhren solten. Das Fraͤu- lein besuchte ihn auff seiner Kammer/ da sie nach wuͤnschung eines gluͤkseligen Morgens von ihm Bruͤderlich umbfangen ward/ welches ihr die Traͤhnen aus den Augen lockete/ und sie zu ihm sagete: Nun reiset mein einiger in ehren herzgeliebter Bruder von mir hin- weg/ daß ich nicht weiß/ ob ich ihn Zeit meines Lebens wie derumb sehen werde; jedoch ge- schihet solches alhie in dieser Welt nicht/ wird der Christen Gott uns dorten wiederumb zusammen fuͤgen/ da unsere Freundschafft ewig wehren muß. Hochwerte/ Herzliebe Frl. Schwester/ antwortete er/ ich bitte/ sie wolle dem wahren Gott und Schoͤpffer aller dinge trauen/ der in kurzen uns wieder beysammen bringen kan und wird; und triebe mich die hoͤchste Noht meiner verlohrnen Fraͤulein nicht/ ich wuͤrde so eilig von diesem lieben Orte nicht scheiden/ wil doch nicht unterlassen/ offt und viel an sie zugedenken/ auch meinen Zu- stand ihr anzumel den/ doch daß nichts moͤge nach Padua berichtet werden/ ohn daß ich Lebe und in guter Gesundheit sey/ weil ich dessen wichtige Ursachen habe; hiemit befahl er sie dem hoͤchsten Gott/ und baht/ das Christentuhm nicht lange auffzuschieben/ welches sie ihm teur verhies; und weil sie beliebung hatte/ ihm die Rustung helffen anzulegen/ ließ er solches geschehen/ ging hernach mit ihr zu ihren Eltern/ und nach dem er sich mit allen sehr freundlich geletzet hatte/ saß er zu Pferde/ und ritte mit Gallus/ dem Dolmetscher/ und den dreyen zugegebenen Dienern fort. Haussen vor dem Stad Tohr warteten XL Reuter auf ihn/ die er wieder seinen Willen muste zu sich nehmen/ und sie zwo Tagereise/ zehen Meilen mit sich reiten lassen/ weil der Stathalter sich eines Judischen Auffsatzes befahrete. Des dritten tages erreichete er mit seiner engen Geselschafft den Berg Thabor/ XIV Meilen von Jerusalem Nordwertz gelegen/ uͤber dessen zierliche Ruͤnde und sonderliche Lustbarkeit er sich sehr verwunderte/ da er zu Gallus sagete: Sehet/ diß ist der heilige Berg/ auff wel- chem Moses und Elias mit unserm Heylande geredet/ und ihm seines Leydens Erfuͤllung angedeutet/ in dem er vor den Augen seiner anwesenden Juͤnger herꝛlich verklaͤret ward. Als Plautus dieses hoͤrete/ hohlete er einen tieffen Seuffzer aus seinem Herzen hervor/ und beklagete zugleich/ daß er in seiner Jugend Christliches Glaubens gewesen/ haͤtte aber denselben vor XXIV Jahren wegen grausamer Verfolgung aus Furcht verleugnet; weil er nun wuͤste/ daß ihre Gn. dieses Glaubens/ und uͤberdas der Herr Stathalter den Chri- sten geneigt waͤhre/ wolte er von nun an solche Lehre wieder annehmen/ unter dem steiffen Vorsatze/ ehe den Tod anzugehen/ als davon wieder abzutreten. Herkules fuͤhrete ihm zu gemuͤhte/ was vor eine schwere Suͤnde er durch solche Verleugnung begangen/ insonder- heit weil er darinnen so lange Zeit verharret/ vermahnete ihn zur rechtschaffenen Busse/ und daß er die ganze Zeit seines uͤbrigen Lebens seine grosse Schuld beweinete/ jedoch sich auff seines Heylandes Verdienst verliesse/ und in steter Abbitte bey Gott anhielte/ als dañ wuͤrde er Gnade und Vergebung erlangen. Unter diesem Gespraͤch ersahe Gallus fuͤnff Reuter mit Sturmhauben und Streit Axten von des Berges rechten Seiten auff sie zu reiten/ Drittes Buch. reiten/ und meldete es seinem Herrn (der nun wiederumb Valikules wolte genennet seyn) mit bewaͤglicher Verwarnung an/ weil es schiene/ daß sie wenig gutes im Sinne haͤtten; dessen er sich aber nichts anfechten ließ/ sondern ritte selbst zu ihnen hin/ und fragete sie in Griechischer Sprache/ ob diß der rechte Weg nach dem Galileischen Kana waͤhre. Die- se Juden sahen bald/ daß er ein Heyde oder Christ seyn muͤste/ und weil sie lang geuͤbete Raͤuber und Moͤrder wahren/ sich auch gewisse Rechnung zu grosser Beute auff den Maul- Eseln machten/ hiessen sie ihn und seinen Gesellen die Waffen ablegen/ ingesamt von ihren Pferden steigen/ und die beladene Esel ihnen einlieffern/ als dann solte ihnen das Leben ge- schenket seyn. Valikules wahr dessen mit ihnen noch nicht einig/ stellete sich doch etwas bloͤde/ und fragete sie/ was Glaubens sie waͤhren. Worauff er zur Antwort bekam/ jetzt waͤhre nicht Zeit lange vom Glauben zu sprachen/ doch weil ers ja wissen wolte/ haͤtte er fuͤnff standhaffte Juden und aller Christen Feinde vor sich. Als unser Held dieses vernam/ sagte er mit hefftigem Eifer zu ihnen: Und wer hat euch Buben dann so verwaͤgen ge- macht/ daß ihr ehrliche Ritter rechtfertigen/ und von ihren Pfer den duͤrffet steigen heissen? bald packet euch hin eures Weges/ oder ich werde euch zeigen/ wie wenig ein rechtschaffe- ner Christ sich vor gewissen-lose Juden fuͤrchte. Diese bissen vor wuͤtiger Ungeduld die Zaͤhne im Kopffe zusammen/ und stuͤrmeten ein muͤhtig auff ihn ein; er aber erreichete als- bald den einen/ daß ihm das Haͤupt von der Schulder sprang; so nam Gallus seiner Schanze auch wahr/ und legete den andern zu Bodem; und als sein Herr bald darauff auch den dritten hinrichtete/ wolten die uͤbrigen beyden Versengeld geben; aber die Pferde wurden ihnen von hinten zu lahm gehauen/ dz sie uͤbern hauffen fielen/ sie aber mit Zuͤgeln gebunden/ und mit nach Kana fortgeschleppet/ da man sie der Obrigkeit uͤberliefferte/ mit begehren/ daß sie dem Stathalter zugeschicket wuͤrden; und muste Plautus allen Verlauff schrifftlich berichten; wurden darauff/ so bald sie daselbst ankahmen vor den Stathalter gestellet/ der sie geisseln und kreuzigen ließ. Er hatte auch seine zehn gefangene Juden in fe- ster Verwahrung/ biß er auff seinen Bericht von Rom zur Antwort bekam/ auff der Ju- den weiteres Vornehmen gute acht zu haben/ die Gefangene vor Gericht zustellen/ und sie zum Schwerte zu verurteilen/ doch da sie umb Gnade demuͤhtig anhalten und ihre Feile erkennen wuͤrden/ sie allerdinge loßzulassen. Es wahren aber diese so freche verwaͤgene Buben/ daß sie Zeit wehrender Hafft immer zu trotzeten/ auch noch/ da sie vor das Gericht gestellet wurden/ fragen durften/ wessen sich der Stathalter wol anmassete/ daß er nicht al- lein vor etlicher Zeit ihre unschuldige Leute haͤtte kreuzigen lassen/ sondern auch sie so lange Zeit im Gefaͤngnis auffgehalten; sie hoffeten/ er wuͤrde in sich gehen/ und dem Judischen Volk nicht Ursach zum Auffstande geben. Der Stathalter fragete sie/ ob sie sonsten nichts vorzutragen haͤtten; und als sie antworteten/ nach erlangeter Freiheit wolten sie ihre not- turfft weiter vorzubringen wissen; sagte darauff der Stathalter; wolan/ so sollet ihr hie- mit auff Kaͤyserl. Befehl zum Schwerte verurteilet seyn/ damit ihr nicht die jenigen seid/ welche neue auffwiegelung zumachen Lust haben. Weil sie nu in diese Straffe mit Willen sich nicht geben wolten/ ließ der Stathalter einen nach dem andern mit Gewalt nider- hauen/ und blieben doch biß auff den lezten immerzu halsstarrig/ nebest Bedrauung/ wie schwer ihr unschuldiges Blut wuͤrde gerochen werden. Aber es erfolgete nichts darauff/ weil Drittes Buch. weil die Judischeit kein Haͤupt hatte/ und die in den umbliegenden Landschafften wohne- ten mit ihnen nicht einstimmen wolten. Herkules reisete von Kana nach Ptolemais/ und von darab ferner nach Tyrus/ da er die von Jungfer Brelen ihm beschriebene Herberge außfragete/ und alsbald an dersel- ben Haußtuͤhr und Ecken seiner herzgeliebeten Frl. Valisken Zeichen zierlich ange mahlet sahe/ kehrete deßwegen bey demselben Wirte ein/ und fragete fleissig nach/ wie lan- ge es waͤhre/ daß die drey Parthische Herꝛen/ Idarnes/ Atizies und Thymen das mit einem schoͤnen Juͤnglinge/ den sie bey sich gefuͤhret/ von hinnen abgereiset waͤhren; und vernam mit schmerzen/ das schon neun Wochen voruͤber/ und sie in Geselschafft einer zimlichen Anzahl Kauffleute den naͤhesten Weg nach dem Eufrat genommen; daher er nicht wil- lens wahr/ lange daselbst zu verharren/ sondern machte sich fertig/ bald des folgendẽ tages dem lieben Fraͤulein nachzusetzen; welche/ wie droben erwaͤhnet/ des Weges nach Assyrien gefuͤhret ward/ von dannen sie foͤrder ins Partherland solte gebracht werden. Es hatte ihre Geselschafft/ als lange sie in Syrien disseit des Eufrats reiseten/ gute Sicherheit/ auch durch Mesopotamien hin biß an den Tigerfluß/ kahmen sie ungeschlagen hindurch/ wiewol schon unterschiedliche kleine Raͤuber schaaren sich sehẽ liessen/ welche doch/ als zu schwach/ keinen angriff auff sie wagen durfften. Auff jenseit der Tiger erreichten sie Assyrien/ in wel- chem sie groͤssere Gefahr antraffen/ und von Raͤubern unterschiedlichemahl angefallen wurden/ jedoch allezeit durch ihre Menge sich durchbrachten/ biß sie an die Medischen Grenzen kahmen/ wo selbst ihre Geselschafft sich zerteilete/ und der groͤsseste Teil Sudost/ die Parthische Herren aber mit XXV Kauffleuten besser Nordwerz gingen/ daher sie ihre grossen Schaͤtze unter so geringem Schutze nicht bey sich fuͤhren wolten/ sondern in einer Assyrischen Grenze Stad gegen empfahung eines Scheins nider setzeten/ auff dessen ein- lieferung die versiegelte Sachen willig solten außgefolget werden. Unser Herkuliskus hat- te auff der ganzen Reise/ genommener Abrede nach/ sein gewoͤhnliches Zeichen entweder selbst/ oder durch seinen getraͤuen und fleissigen Dolmetscher Timokles an alle Herbergen/ auch da es die Gelegenheit gab/ vor den Stadtohren/ und an den Landstrassen an die Baͤu- me angekreitet/ unterließ auch nicht hin und wieder anzumelden/ da uͤber kurz oder lang ihm jemand folgen wuͤrde/ was vor einen Weg sie zogen/ damit den Nachfragern solches koͤnte zu wissen gemacht werden. Er beschwerete sich aber gegen die Parther gar zeitig/ auff dem Kamehl zu sitzen/ un baht/ daß man ihn in Geselschafft moͤchte reiten lassen; wel- ches er auch endlich bey ihnen erhielt/ da er sich immer zu von Timokles in den Morgen- laͤndischen Sprachen sehr fleissig unterrichten ließ/ daß wie sie bey den Medischen Grenzen ankahmen/ er schon alles verstehen/ und daß noͤhtigste mit reden kunte; muste aber allezeit vermummet reiten damit seine Schoͤnheit nicht erkennet/ und die Raͤuber dadurch ange- reizet wuͤrden/ an sie zusetzen; insonderheit hatten sie sein fleissig acht/ als sie von diesem Orte der Assyrischen Grenzen in geringer Anzahl auffbrachen/ uñ in Gesel schafft XXXIII Mann nach Persen reiseten/ da sie des ersten tages gluͤklich fortzogen/ und gleichwol etliche hier und dort zustraͤuet reiten sahen/ deren etliche mit freundlichem Grusse zu ihnen nahe- ten/ und sich erkuͤndigten/ welche Strasse sie zu reisen willens waͤhren/ ritten hernach zur Seite wieder aus/ und liessen sich nichts merken/ woraus doch Herkuliskus urteilete/ es wuͤrde Drittes Buch. wuͤrde Gefahr verhanden seyn. Diese Nacht brachten sie in einem zimlichen Flecken zu/ uñ wahren froͤlich und guter dinge. Des Morgens brachen sie auff/ und reiseten in der fruͤhe/ da sie an einen grossen Wald gerieten/ durch welchen die Heerstrasse trug/ und wuͤnscheten/ daß sie denselben ohn Anfal und hindernis zum Ende bringen moͤchten/ zogen demnach in guter Ordnung daher/ alle mahl bereit zu seyn/ da einige Ungelegenheit sich eraͤugen wuͤrde. In diesem Walde wahren sie ohn gefehr eine Stunde fortgereiset/ da begegneten ihnen XXX bewehrter Mann zu Fusse/ und hielten bey ihnen an um einen Zehrpfennig/ des- sen die Parthische Herꝛen mit einem Hohngelaͤchter sich wegerten/ und sie vor Landplac- ker und Raͤuberische Diebe scholten/ welches diese in sich frassen/ uñ mit geneigetem Haͤup- te ihren Weg fortsetzeten/ ein wendend/ sie waͤhren außgeschikt/ etliche Herren durch den Wald zu begleiten; verlegeten aber nur den engen Durchzug hinter ihnen/ daß sie nicht zuruͤk flihen solten/ und stund nicht lange an/ daß in LXX wol geruͤstete/ deren XXX zu Fusse/ und XL zu Pferde/ von der rechten Seiten durch das Gehoͤltze auff sie angingen/ und mit einem Troz frageten/ von wannen sie kaͤhmen/ und wohin sie gedaͤchten. Den unsern ver- ging hierauff der Frevel guten teils/ stelleten sich ehrerbietig/ und gaben freundlichen Be- scheid; sie waͤhren mehrenteils Kauffleute/ und wolten nach Parthen/ Waaren daselbst zubestellen/ und sie auff gelegene Zeit abzuhohlen; wåhren sonst mehrenteils in Assyrien/ auch etliche in Meden gesessen. Der ansehnlichste unter ihnen antwortete hierauff; wie sol ich glaͤuben/ daß ihr Kauffleute seid/ nach dem euer Ritter- und Soldaten Gewehr viel ein anders außweiset/ und ihr drey insonderheit/ sagte er zu den Parthen/ habt ja weder Kauffmans Ange sichter noch geberden. Der Parther Idarnes antwortete; er haͤtte recht geurteilet/ daß er und seine zween Gesellen keine Kauffleute waͤhren/ weil sie gutes Adels/ uñ etliche Jahr in fremden Landen Ritterschafft gepflogen/ nur jetzo mit dieser Geselschaft/ umb sicher durchzukommen/ sich vereiniget haͤtten/ wolte demnach hoffen/ es wuͤrde nie- mand auff sie zusprechen haben/ weil sie niemand beleidiget haͤtten. Dieser sagte darauff; er haͤtte sein Wort gehoͤret/ und glaͤubete davon so viel ihm geliebete/ vor dißmahl aber waͤhre sein Befehl/ daß sie alle mit einander absteigen/ und das Gewehr niderlegen solten. Idarnes hingegen eriñeꝛte ihn/ es waͤhre auff freier Landstrasse/ uñ gehoͤreten sie veꝛmuht- lich alle unter den grossen Koͤnig Artabanus; moͤchten deßwegen sich aller Taͤhtligkeit ent- halten/ und jeden seines Weges zihen lassen; doch waͤhre es ihnen etwa umb ein Stuͤk Gel- des zu tuhn/ haͤtten sie dessen zwar wenig bey sich/ wolten aber umb Friede und Einigkeit willen/ ihnen eine Reuter zehrung uͤbersenden/ dafern sie einen oder etliche ihres Mittels mit ihnen in die naͤheste Stad wuͤrden reiten lassen. Jener stellete sich als hoͤrete ers nicht/ und sagte mit ernstlichem Gesichte; ihr habt meinen Befehl vernommen; werdet ihr nun nicht alsbald absteigen/ und euch meiner guten Gnade ergeben/ sollet ihr alle samt in stuͤckẽ gehauen werden. Herkuliskus sahe wol was sich hier zu tragen wuͤrde/ und sagte zu Timo- kles; wañ ihr sehen werdet/ daß es an ein Treffen gehet/ so haltet euch stets bey mir/ das wir nicht geschieden werden/ und gebet vor/ dz wir zween gefangene/ uñ diese drey geharnisch- te Erz Raͤuber seyn. Er hatte diese Worte kaum außgeredet/ da sahe er das elende gemaͤl- sche; dann wie die Parthische Herren das stete Draͤuen hoͤreten/ daͤuchte sie rahtsamer/ ritterlich zu fechtẽ/ als unbewehret sich niederhauen zulassen/ woltẽ doch zuvor alle freund- Z z z liche Drittes Buch. liche Mittel suchen/ ihr Leben zufristen/ und gaben hinwieder zur Antwort: Herr/ warum solten wir in Stuͤcken gehauen werden/ nach dem weder einige Feindschafft zwischen uns ist/ noch wir unter streitende Herren gesessen sind/ hoffen demnach/ ihr werdet euch eines bessern bedenken/ und an unser noͤhtigen Reise keine Verhinderung machen; wir erbieten uns noch mahl zu aller bescheidenen Billigkeit/ wie vorhin; wollen auch etliche unsers mit- tels bey euch als Geisel hinter lassen/ biß ihr ohn gefahꝛ koͤnnet vergnuͤget seyn. Ihr habt ge- hoͤret/ was ich fodere/ fuhr jener fort/ und schwoͤre euch bey den Goͤttern/ werdet ihr auf die- ses mein drittes Geheiß nicht alsbald absteigen/ sollen euch ohn alle gnade die Haͤlse gebro- chen werden. Die Parther wahren guter Faͤuste und Herzens/ und dauchte sie unleidlich seyn/ solche Draͤuworte geduldig anzuhoͤren; daher sagte Idarnes zu ihm: Herr nehmet euer wahr/ und leget nicht Hand an uns ohn ursach/ wir werden sonst gezwungen/ als lan- ge das Vermoͤgen es zulaͤsset/ uns auffs aͤusserste zuwehren/ da wir dann insonderheit uns bemuͤhen muͤssen/ wie wir euch mit in den Tod nehmen/ wañ es uns unverhoffentlich tref- fen solte/ was wuͤrdet ihr aber als dann gewonnen haben? bedenket/ daß man unter der Veꝛ- zweifelung tapffer zuschlaͤget/ und nehmet von uns an/ was ihr ohn Wunden erhalten koͤn- net. Bald redete jener darauff seine Leute an/ frisch darein zuschlagen/ und keines/ der sein Gewehr zuͤckete/ zuschonen. Diese hingegen reitzeten auch die ihren/ ihnen freudig nach zu- setzen/ fielen alle drey zugleich auff den Fuͤhrer/ welcher sich zwar wehrete/ aber bald erstochẽ ward; nach dessen Fall eine so grausame Schlacht zwischen diesen kleinen Schaaren sich erhub/ daß es erschreklich zusehen wahr/ und ob die Raͤuber gleich zween gegen einen hat- ten/ wurden sie doch dermassen zugerichtet/ daß sie zuruͤk weichen musten/ haͤtten auch das Feld gar verlohren/ wann die dreyssig/ so den Weg zuruͤcke verlegt hatten/ ihnen nicht zu huͤlffe kommen waͤhren; dann als Herkuliskus sahe/ daß seine Leute die Oberhand behalten wuͤrden/ ritte er mit Timokles hinter sich/ in meynung auszur eissen/ traff aber jezt gedachte Raͤuber auff dem besezten Durchzuge an/ und sagte zu ihnen: Wollet ihr den euren nicht Beystand leisten/ welche so jaͤmmerlich erschlagen werden? Worauff sie alsbald mit ihnen gingen/ und zu rechter Zeit ankahmen/ gleich als die jenigen/ so noch zu Pferde wahren/ die Flucht geben wolten/ da sie dann als geruhete frisch traffen/ und den Kaufleuten/ derẽschon XII gefellet wahren/ eine solche Furcht eintrieben/ daß sie alle Hoffnung des Lebens fallen liessen. So wahren die drey Parther schon hefftig verwundet/ welche gleichwol nicht auf- hoͤreten/ den ihren ein Herz einzusprechen; aber es fiel ihnen zuschwer/ da der getriebene Hauffe den Entsatz vermerkend auffs neue wieder ansetzete/ und der ihren Tod dergestalt raͤchete/ daß sie keinen leben liessen/ haͤtten auch Herkuliskus neben Timokles in solchem Grimme nidergemacht/ dafern sie von dem Entsatz nicht geschuͤtzet waͤhren/ welche ihnen Zeugniß gaben/ daß sie zu rechter Zeit ihnen die Gefahr verkundschafftet/ und sie zum Tref- fen auffgefodert haͤttet; wo durch nicht allein ihr Leben gerettet/ sondern sie bey allen in gu- te Gewogenheit gebracht wurden/ insonderheit Herkuliskus/ uͤber dessen Schoͤnheit sie sich allesamt zum hoͤchsten verwunderten/ und ihn frageten/ wie er in diese Geselschafft gerahtẽ waͤhre; der seinen Dolmetscher vor sich antworten ließ: Er waͤhre aus weit abgele genen Landen von den drey erschlagenen Parthischen Rittern geraubet/ und biß hieher gefuͤhret/ baͤhte demnach die Geselschafft sehr/ ihn loß zulassen/ daß er wieder nach seinem Vaterlan- de zu- Drittes Buch. de zureiten moͤchte. Die Raͤuber traten zusammen/ und befrageten sich hieruͤber/ da einer den Vorschlag taht/ man solte sich des gefundenen Gluͤks gebrauchen/ und diesen schoͤnen Juͤngling dem Fuͤrsten zu Ekbatana zufuͤhren/ bey dem sie hiedurch in sonderliche Gnade kommen/ und eine ehrliche Vergeltung davon bringen koͤnten; und warumb solte man den Juͤngling in so augenscheinlicher Gefahr zuruͤk reiten lassen/ da ihm unmoͤglich waͤhre/ so einsam durch zu kommen; wuͤrden ihn also nur andern Raͤubern zuschicken/ die ihren Vor- tel daher machen koͤnten. Dieser Raht ward vor beschlossen angenommen/ und Herkulis- kus mit freundlichen Worten zuwissen getahn/ da sie ihm zugleich die unvermeidliche Ge- fahr der Ruͤkreise vorhielten/ und ihn daneben versicherten/ es waͤhre der Medische Groß- Fuͤrst Herr Phraortes ein dermassen leutseliger und Tugendliebender Herr/ bey welchem er nicht allein gute Gewogenheit/ sondern wol gar sichere Begleitung biß in Syrien erlan- gen wuͤrde; moͤchte sich demnach nicht beschweren/ mit ihnen fortzureiten/ und demselben sich darzustellen. Herkuliskus durffte sich der Anmuhtung nicht wegern/ insonderheit/ da ihm Huͤlffes-Hoffnung bey diesem Fuͤrsten gemacht ward/ und ließ durch seinen Dolmet- scher antworten: Er bedankete sich sehr/ dz sie ihn vor gewalt schuͤtzen/ und zu diesem maͤch- tigen Groß Fuͤrsten fuͤhren wolten; solten auch gewißlich glaͤuben/ da er ihnen bey demsel- ben einige gute und angenehme Ersprießligkeit werben koͤnte/ wolte ers nicht aus der acht lassen; Hernach hieß er sie die drey gewapnete Parther auszihen/ bey denen sie statliche Beute finden wuͤrdẽ; wie auch in der Taht erfolgete; dann sie trugen die treflichsten Klei- not auff zwo Tonnen Schatz wert/ in ihren Kleidern verborgen/ uͤber welchen Raub sie deꝛ- massen erfreuet wurden/ daß sie auffsprungen und ihrer empfangenen Wunden vergassen; suchten nachgehends auch bey den andern erschlagenen fleissig nach/ und bekamen bey den- selben fast die helffte so viel an Baarschafften; welches alles sie gleich unter sich teileten/ weil ihre vornehmste Haͤupter alle erschlagen wahren/ welches ihnen dann nicht unangenehm wahr. Es hatte aber der aͤlteste von den Parthischen Herren/ Atizies/ die schrifftliche Ver- sicherung auff alle ihre nidergesetzeten Schaͤtze/ in seinem Sattel vermachet/ welches Her- kuliskus wuste/ weil in seinem beywesen sie dessen einig wurden/ und nicht meyneten/ daß er ihre Reden verstanden haͤtte. Nun wahr das Pferd samt seinen Herren erschlagen/ und wuste er nicht/ wie er sich des Sattels bemaͤchtigẽ solte; sagte endlich zu Timokles: Er haͤt- te gar einen unbequemen Sattel/ moͤchte deßwegen jenen von dem erschlagenen Pferde ab- spannen/ und ihm denselben aufflegen/ welches geschwinde verrichtet ward/ und er unwis- send allen/ die beste Beute davon brachte; wolte aber den Brief an solchem Orte nicht lan- ge stecken lassen/ sondern in der ersten Nachtherberge schnitte er den Sattel auf/ wickelte den Brieff in ein schmeidiges Leder/ und trug ihn bey sich am blossen Leibe/ der Hoffnung/ die- sen Schatz dereins abzufodern/ und seinem liebsten Herkules als einen Beutpfennig zu- schenken; und wahr ihm insonderheit angenehm/ daß ihre ganze Gesellschafft erschlagen wahr/ und niemand die Zeitung ihrer Niderlage zuruͤk bringen kunte; reisete also mit dem Raͤuberhauffen etliche Tage sicher fort/ dann sie hatten einen falschen Sicher Brieff/ als von dem Medischen Groß Fuͤrsten geschrieben/ bey sich/ durch dessen Vorschub sie unange- sochten blieben/ biß sie gar nahe bey Ekbatana anlangetẽ/ woselbst ein gewaltigeꝛ Medischer Herr/ nahmens Mazeus/ auff einem festen Schlosse sein Wesen hatte/ welches an einem en- Z z z ij gen Drittes Buch. gen Durchzuge lag/ uͤber welchen sie zihen musten. Hieselbst meyneten sie/ wie an andern or- ten/ mit ihrem Freyzettel durchzukommen/ aber dieser Herr merkete an der untergezeichne- ten Hand/ daß der Brief nicht richtig wahr/ befand auch das Pitschafft von altem Wach- se/ mit frischerem angeklebet/ deswegen er die vornehmsten von ihnen genau befragete/ und aus ihrer unbestaͤndigen Antwort des Betruges bald innen ward; ging demnach zu dem ganzen Hauffen (deren XIIX bey einander wahren) hinunter/ und indem er sie das Gewehr hieß niderlegen/ ward er des allerschoͤnsten Herkuliskus gewahr/ der dann mit sonderlicher Hoͤfligkeit zu ihm trat/ und nach seiner Landesart ihn demuͤhtig gꝛuͤssete/ wobey er doch eine freundliche Ernsthafftigkeit und unverzagten Muht merken ließ/ daß Herꝛ Mazeus ihm sehr gewogen ward/ und zu ihm sagete: Schoͤner tugendhaffter Juͤngling/ aus was abge- legener Landschafft kommet ihr dieser oͤrter an? Dann aus eurer Gestalt uñ Sitten erken- ne ich vor gewiß/ daß ihr in diesen Morgenlaͤndern nicht gezeuget seyd; werdet euch dem- nach unbeschweret finden/ mich eures Zustandes zuberichten/ welches euch zum aͤrgesten nicht gedeyen sol. Herkuliskus sahe/ daß dieser Herr Liebe zur Tugend trug/ und antworte- te ihm mit ernsthafften Geberden in Griechischer Sprache/ in welcher er auch angeredet wahr. Hochansehulicher Herr/ sagte er/ wann ich den Verlauff meines Gluͤks umstaͤnd- lich erzaͤhlen solte/ wuͤrde ich den Ohren nicht allein Verdruß/ sondern vielleicht auch dem Herzen Mitleiden erwecken; jedoch kurz zumelden/ bin ich aus weitabgelegenen Nordwe- stischen Laͤndern von hochadelichen Eltern entsprossen/ und auff der Reise/ meine Verwan- ten zubesuchen/ von Raͤubern gefangen/ denen ich von einer staͤrkeren Geselschafft zum an- dern mahl abgenommen/ und auffs Meer gebracht bin/ nachgehends eine geraume Zeit uͤ- ber Meer und Land fortgeschleppet/ biß ich endlich diesen Leuten nicht ohn blutvergiessen zu teile worden/ und erwarte mit verlangen/ was endlich der grosse Gott mit mir zuschaffen willens seyn moͤge/ dem ich doch mit standhafften Herzen aushalten wil/ weil mein Gewis- sen mir Zeugniß gibt/ daß ich ohn verschuldet und bloß durch dessen Verhaͤngniß in diesen Unfall gerahten bin. Mazeus sahe ihn mit Verwunderung an/ und fragete/ wie alt er waͤ- re; worauff er zur Antwort gab: Nach meinem Ungluͤk zurechnen/ uͤbertreffe ich manni- chen Greisen/ wiewol ich das XV Jahr erst hinter mich gelegt habe. So wollen euch die Goͤtter ferner behuͤten/ sagte Mazeus; aber hat eure Geselschafft euch mit Gewalt gerau- bet? Ja mit Gewalt/ antwortete er/ aber nicht wideꝛ meinen Willen/ demnach sie mich von meinen Raͤubern erlediget/ und versprochen/ mich zu einem mit leidigen tapfferen Fuͤrsten der Meder zufuͤhren/ der mein Ungluͤk nicht allein zu herzen zihen/ sondeꝛn mir auch zu mit- teln/ in mein Vaterland zureisen/ verhelffen wuͤrde. Das waͤhre ewig schande/ sagte er/ daß meinem gnaͤdigsten Groß Fuͤrsten ein so adelicher Knabe von diesen unreinen Haͤnden sol- te uͤber liefert werden/ sondern sie muͤssen mir trauen ihrer Plackerey bessere Rechenschafft geben; ging wieder in den Platz/ und hieß Herkuliskus folgen/ da er zu den Raͤubern sagte: Ihr ehrvergessene Schelme uñ Buben/ wie duͤrffet ihr euch unterstehen/ mit falschẽ Brie- fen eure Bosheit zubemaͤnteln/ und allerhand Rauberey im Lande zutreiben; ja so verwaͤ- gen zuseyn/ daß ihr noch wol euer Obrigkeit einen Teil der geraubeten Beute zufuͤhret/ nit anders/ als haͤtte dieselbe euch vollkommene Freyheit/ solche Bosheit zutreiben/ eingeraͤu- met? jedoch habt ihr wol getahn/ daß ihr euch so gutwillig zur Straffe einstellet/ moͤchte wuͤnschen/ Drittes Buch. wuͤnschen/ daß eure uͤbrige Gesellschafft auch verhanden waͤhre/ damit sie neben euch den verdienten Sold ihrer schandlosen Arbeit empfahen koͤnten; ließ sie darauff durch seine Kriegsleute alsbald nidersaͤbeln. Es haͤtte zwar Herkuliskus gerne eine Vorbitte zu ihrer Verschonung eingelegt/ weil er aber sahe/ daß es vergeblich seyn wuͤrde/ und er muͤhe hat- te seinen Dolmetscher zuretten/ hielt ers vor eine Goͤttliche Rache/ und erinnerte er nach- gehends H. Mazeus der Kleinot/ welche die nidergemachten Raͤuber bey sich trugen/ wur- den auch also bald hervor gesucht/ und dem Herrn eingeliefert/ der sich solcher koͤstlichen sa- chen verwundernd/ unsern Herkuliskus fragete/ ob ihm dieselben zustuͤnden/ solten sie ihm unvorenthalten bleiben; Er aber zur Antwort gab: Nein Gn. Herr/ ich habe nicht die al- lergeringste Ansprache darzu/ sondern meine vorige Raͤuber haben sie anderwerts gestoh- len und genommen. Es sey wie es wolle/ sagte er/ muͤssen sie doch neben euch meinem Gn. Groß Fuͤrsten geliefert werden. Er ließ darauff seinem Gemahl Fr. Roxanen/ und deren Fraͤulein Schwester Frl. Barsene (die ohngefehr von XV Jahren) ruffen/ und da sie kah- men/ sagte er zu ihnen: Sehet da meine Geliebten; habt ihr jemahls einen schoͤnern Juͤng- ling mit Augen beschauet? Fr. Roxane zweifelte/ ob sie ein geschniztes Bilde/ oder lebendi- gen Menschẽ faͤhe/ biß er ihr tieffe Ehrerbietigkeit erwieß/ worauff sie zu ihrem Herrn sag- te: Allerliebstes Herz/ von wannen komt euch dieser Liebes-Gott! lasset uns ihm gebuͤhrli- che Ehre bezeigen/ nach dem er gewißlich ein Gottes Sohn seyn muß/ dann aus menschli- chem Samen kan solche Volkommenheit nicht gezeuget werden. Nein/ meine Geliebte/ antwortete er/ Goͤtter lassen sich nicht gefangen fuͤhren/ und ist ausser Zweilfel dieser Juͤng- ling nur ein blosser Mensch/ wiewolich gerne bekenne/ daß der Himmel ein volkommenes Meisterstuͤk an ihm gebildet hat/ wann ich seines adelichen Gemuͤhts und wolgezierten Lei- bes Beschaffenheit betrachte; sonsten hat seines Landes Art ihm die Farbe verlihen/ weil daselbst die Sonne wegen ihrer seicht-abfallenden Strahlen die Leiber so stark nicht beschei- nen noch braͤunlich faͤrben kan/ insonderheit/ wann man sich viel unter dem Dache haͤlt. Die Frau fahe ihn noch immer hin steiff an/ trat ihm endlich naͤher/ und hieß ihn sehr wil- kommen seyn; gegen die er sich mit freundlichen Geberden und lieblichen Worten bedan- kete/ so viel er der Sprache kuͤndig wahr/ baht auch umb Verzeihung/ daß er wegen Uner- fahrenheit der Landsprache ihrer Gn. gebuͤhrlich nicht antworten koͤnte. Das junge Fraͤulein Barsene/ nach Landesart etwas braͤunlich/ aber sehr lieblicher gestalt/ kunte un- sern Herkuliskus nicht gnug beschauen/ und fragete ihre Frau Schwester/ obs auch moͤg- lich waͤhre/ daß die Irdische Welt solche vollstaͤndige Schoͤnheit bilden koͤnte/ redete ihn hernach mit wenigen an/ und sagte: Schoͤner Juͤngling/ beliebet euch bey uns allhie zu bleiben/ sollet ihr allen guten Willen spuͤren; Worauff er antwortete: Gn. Fraͤulein/ daß Ihre Gn. sich uͤber einen armen gefangenen Juͤngling erbarmet/ bedanke ich mich in Untertaͤhnigkeit/ und hat anwesender mein gnaͤdiger Herr mit mir zu schaffen nach allem Willen. Herr Mazeus redete zwischen ein/ es stuͤnde ihm dieser Juͤngling nicht zu/ sondern weil er dem Groß Fuͤrsten schon zugedacht waͤhre/ muͤste er dahin billich geliefeꝛt werden. Er taht ihm aber die Ehre an/ und ließ ihn mit uͤber seinem Tische Mahlzeit hal- ten/ da er sich dermassen Fuͤrstlich zubezeigen wuste/ daß die Anwesenden sich dessen nicht gnug verwundern kunten. Weil dann Mazeus sein Vaterland und herkunfft eigentlich Z z z iij zu Drittes Buch. zu wissen begehrete/ gab er sich vor eines vornehmen Teutschen Herrn Sohn aus/ welcheꝛ vor wenig Jahren im Treffen wieder die Roͤmer/ als Feld Obristeꝛ uͤber ein grosses Kriegs- heer/ sein Leben ritterlich eingebuͤsset/ nach dem er etliche tausend der Feinde erleget/ und seinem Koͤnige einen herlichen Sieg erhalten; seine Mutter waͤhre annoch im Leben/ de- ren ohn das trauriger Witwenstand durch seinen Verlust nicht wenig wuͤrde beaͤngstet seyn/ hoffete dannoch/ sie wuͤrde sich auch in Gottes Willen zu schicken wissen/ weil dessen Almacht ihn so leicht wieder nach Hause bringen koͤnte/ als sie ihn in die Fremde gefuͤhret haͤtte. Wie aber sagte Mazeus/ wann die Goͤtter solches nicht versehen haͤtten/ und ihr in diesen Laͤndern bleiben muͤstet? Dann werde ich viel zu wenig seyn/ antwortete er/ ihren Vorsaz oder Schluß zubrechen; wann es aber Sitte in diesen Landen waͤhre/ durch eine ritterliche kuͤhne Taht/ oder Kampf mit einem Ritter oder wilden grimmigen Tihre die Freiheit zuerstreiten/ wie solches bey uns der Brauch wol ist/ dann wolte ich hoffen/ mein Vaterland bald wieder zu sehen. Mazeus schrieb diese Reden seiner Jugend zu/ und sagte mit lachenden Worten: Ja lieber Juͤngling/ es gibt hier zu Lande starke Kaͤmpfer/ und grausame wilde Tihre/ welche durch Schoͤnheit nicht koͤnnen gefellet werden. Verflucht sey/ der sich auff Schoͤnheit verlaͤsset/ antwortete er; ich wolte mich trauen meiner Kuͤhn- heit und Haͤnde gebrauchẽ/ da mirs so gut werden koͤnte. Euer Herz ist gut/ sagte Mazeus/ aber die Jahre fehlen euch noch. Jahre schlagen niemand/ antwortete er/ sondern ein freu- diges Herz/ daß die Faͤuste zugebrauchen weiß/ und durch Vernunfft ersetzen kan/ was den Leibeskraͤfften mangelt. Mazeus gedachte/ dieser Knabe muͤste ehmahls treffliche Maͤn- ner also haben reden hoͤren/ denen er nachaffete/ suchte auch Gelegenheit/ ihn zu pruͤfen/ uñ durch anlauff eines wilden Tihres zu erschrecken/ deßwegen er nach gehaltener Mahlzeit mit ihm in dem Garten inwendig des Schlosses zur Lust umbher ging. Er hatte aber ei- nen von Jugend auff gezaͤhmeten sehr grossen Loͤuen/ der also abgerichtet wahr/ daß er ihn mit einem Worte entruͤsten/ und mit dem andern im Augenblik stillen kunte; diesen ließ er heimlich in den Garten fuͤhren/ folgete auch bald selber nach mit einem Seitengewehr/ wel- ches Herkuliskus ihm nachzutragen sich anerboht. Unter dem hin und wiedergehen frage- te er nach allerhand neues/ so in Teutschland vorginge/ biß er den Loͤuen von ferne daher springen sahe/ da sagte er zu ihm: Geliebter Juͤngling/ sehet ihr den Loͤuen dort gegen uns daher eilen? geschwinde/ und lasset uns flihen. Mein Herꝛ/ antwortete er/ rettet euch/ ich wil das Tihr auffhalten; lief ohn ferneres Wort sprechen zu ihm ein/ fassete das Schwert/ und stellete sich neben einen Baum/ seiner Ankunft daselbst mit frischem Angesicht erwar- tend. Mazeus entsetzete sich vor dieser Kuͤhnheit/ und rief dem Loͤuen zu/ welcher seines H. Stimme erkennete/ von Herkuliskus ablies und zu ihm nahete/ der seine Anstellung zu ver- decken/ zu ihm sagte: Herzhafter Juͤngling/ es ist mir lieb/ daß ich geirret habe/ indem ich anfangs diesen Loͤuen vor einen unbendigen gehalten/ und nun zu eurem uñ meinem Gluͤk sehe/ daß es mein gezaͤhmter ist. So ist mir solches nicht weniger lieb/ antwortete er/ und waͤhre immer schade/ daß ich ein so wol abgerichtetes Tihr haͤtte erschlagen sollen/ da ich ihm schon einen solchen Streich uͤber den Rachen zugemaͤssen hatte/ daß ihm die Zunge bald vor den Fuͤssen solte gelegen haben; trat mit diesem Worte dem L e uen naͤher/ und strich ihm mit der Hand uͤber das Haͤupt/ welches ihm Mazeus verboht/ weil er sich be- fuͤrch- Drittes Buch. fuͤrchtete/ er moͤchte ihm als einem Unbekanten schaden zufuͤgen; aber es legte sich dersel- be zu Herkuliskus Fuͤssen nider/ nicht anders/ als waͤhre es etwa ein Schoßhuͤndichen ge- wesen; richtetete sich hernach wieder auff/ und lehnete sich mit dem Haͤupte an seine Seite; welches Mazeus sehend/ schier auff seines Gemahls Gedanken gerahten waͤhre. Herku- liskus sahe etliche gruͤne Kraͤuter stehen/ brach dieselben ab/ und machte ein Kraͤnzlein da- von/ welches er auff des Loͤuen Haͤupt setzete/ der sich abermahl ehrerbietig vor ihm auff die Knie legte/ bald wieder auffstund/ und gleich als waͤhre ihm eine sonderliche Ehre be- gegnet/ gnug trotzig herein trat/ daß er sich auch an H. Mazeus fast nicht mehꝛ kehrete/ son- dern unserm Herkuliskus folgete/ welcher also anfing; Ich habe Zeit meines Lebens nie kei- nen Loͤuen/ als diesen gesehen/ solte ich mich aber mit allen so wol begehen koͤnnen/ wuͤrde ich mit willen keinem schaden tuhn; und ist mir lieb/ daß ich mit diesem in Kundschafft gerahten bin/ nach dem ich nun mein angebohrnes Wapen kennen lerne/ in welchem ich von meinen Uhrahnen her einen Loͤuen fuͤhre. Trefflicher Juͤngling/ antwortete er/ ich weiß nicht was ich von meinem Loͤuen urteilen sol/ welcher bißher sich von keinem Frem- den hat wollen anruͤhren lassen/ und muß er ohn zweiffel euren hohen Adel erkennen/ vor dem er sich dergestalt demuͤhtiget/ als er vor mir selbst noch keinmahl getahn hat; hiemit ließ er einen tieffen Seufzen außgehen/ und fuhr also fort; ich moͤchte von Herzen wuͤn- schen/ daß ihr entweder zu Hause bey eurer Fr. Mutter/ oder nur so gar schoͤne nicht waͤh- ret; dann eure außbuͤndige Gestalt machet es/ daß ich euch weder bey mir behalten/ noch nach eurem Vaterlande schicken darff/ insonderheit/ weil ihr meinem Groß Fuͤrsten zu ge- dacht seid; und gebe der Himmel/ daß ihr bey demselben eben die Gunst findet/ die ihr bey mir habt/ woran ich doch nicht zweiffeln wil. Herkuliskus bedankete sich der sonderlichen Gnade/ und antwortete; dafern er wissen solte/ daß ihm seine Gestalt jrgend zu schaͤdlich seyn koͤnte/ wolte er in kurzer Frist sich so scheußlich zu richten/ daß niemand ihn ohn gꝛau- sen ansehen solte. Nein diese Meynung hat es nicht/ sagte Mazeus/ nur daß euch niemand gerne wird fahꝛẽ lassen/ der euch in besiz hat. In diesem gehen kahmen sie bey dem gewoͤhn- lichen Fechterplatze an/ woselbst der Fechtmeister etliche aͤdelknaben unterrichtete/ unter denen schon ihrer sechse zimlich geuͤbet wahren. Herkuliskus baht umb Urlaub/ ihnen ein wenig zuzusehen/ und erkennete gar bald/ daß der Meister der rechten Kunst wenig erfah- ron wahr/ ließ sich dessen aber nicht merken/ sondern lobete ihr wol verhalten; da ihn Ma- zeus fragete/ ob er auch schon des Schwerts gebrauch wuͤste; Ich habe wegen meiner Ju- gend mich dessen nicht zu ruͤhmen/ antwortete er/ aber meine Begierde zu solchen uͤbungen kan ich nicht leugnen. Mazeus stellete ihm frey/ sich mit einem zuversuchen/ welches der Meister vernehmend/ ihn fragete/ ob er mit den neuesten oder erfahrnestẽ Schuͤlern einen Gang wagen wolte; dem er antwortete; wans ihm frey stuͤnde/ wolte er am liebsten mit dem Meister selbst ein Auffhebens machen/ als von dem er die besten Streiche zu lernen und zu empfahen hoffete. Mazeus taht dem Fechter alsbald Befehl/ es mit ihm auffzuneh- men/ welcher sich aber schaͤmete mit solchem Juͤnglinge auff andere Weise als mit einem Schuͤler umzugehen; worauff Herkuliskus antwortete/ er waͤhre auch nur in Schuͤlers- gestalt hier/ doch wann er sein auff andere Weise begehrete/ koͤnte er dessen gar wol bemaͤch- tiget seyn; welches jener vor einen Troz außlegend/ zu ihm sagte/ er moͤchte sich stellen/ und der Drittes Buch. der Medischen Streiche gewaͤrtig seyn. Dieser aber sagte mit sanfftem gelaͤchter; mein Freund/ es sey euch erlaͤubet; nahm das Fechtschwert/ welches ihm am bequemesten wahꝛ/ zur Hand/ und so bald er mit ihm angebunden hatte/ gab er ihm fuͤnff Schlaͤge uͤber Kopf/ Arm und Beine/ den sechsten aber uͤber das Maul daß er mit den Zaͤhnen blaͤkete/ und hin- gegen allerdinges unberuͤhret blieb/ dessen Mazeus und die Schuͤler sich wol zu lacheten/ und dieser Tropf druͤber gar zu schanden ward. Mazeus scheidete sie/ und vermahnete den Fechter/ sich hinfuͤro im eigenen Ruhm zu maͤssigen/ nahm auch Herkuliskus mit sich nach dem Zeughause/ und fragete ihn auff dem Wege/ wie lange er sich des Fechtschwerts ge- brauchet haͤtte; da er zur Antwort bekam; er haͤtte schon im zehnden Jahre seines Alters sich lassen unterrichten/ weil er aber im halben Jahr und druͤber sich nicht geuͤbet/ haͤtte er anfangs sich auff Streiche geschikt/ merkete aber wol daß dieser Fechter sie außzuteilen nicht gar wol gelernet haͤtte. Als sie hie mit in das Zeughauß traten/ klagete der Zeugmei- ster seinem Herrn/ daß in weniger Zeit/ weil er anderswo zu schaffen gehabt/ unterschiedli- che Waffen mit Rost angelauffen waͤhren; g in gen mit einander hinein/ und fand Herku- liskus eine zimliche Menge Schwerter/ Speere/ Hellebarten/ Bogen und Pfeile/ und wie er fragete/ ob das Schiessen dieser oͤrter viel im Gebrauch waͤhre/ antwortete ihm Ma- zeus; Pfeil und Bogen sind unserer Jugend vornehmste und taͤgliche Ubung/ auff das im Alter sich zu ernaͤhren sie geschikt seyn moͤgen/ massen man bey uns kein zahmes Vieh unterhaͤlt/ sondern vom Wilde sich ernaͤhret. Herkuliskus sahe einen zierlichen leichten Bogen liegen/ welchen er nach gebehtener verzeihung zur Hand nam/ und sich verlauten ließ/ so bald er wieder in sein Vaterland kaͤhme/ muͤste er einen nach dieser Art machẽ lassen. Mazeus gedachte in seinem Heꝛzen; vor dein Vaterland werden dich die Goͤtter wol behuͤ- ten/ wolte ihn doch nit betruͤbẽ/ es zusagen/ sondeꝛn fragete ihn/ ob er dañ auch im schiessen geuͤbet waͤhre. Er aber antwortete: In seinem Vaterlande waͤhre schiessens-brauch nicht gemeine/ doch haͤtte er von Kindesbeinen an sehr grosse Lust darzu gehabt/ und aber in gu- ter Zeit keinen Bogen beruͤhret/ daß er fuͤrchtete/ seine Erfahrenheit vergessen zuhaben. Daran ist wenig gelegen/ sagte er/ und gefaͤlt euch dieser Bogen/ so nehmet ihn mit dem ge- fuͤlleten Koͤcher zu euch/ das vergessene wieder zulernen; traten mit einander hinaus/ und gingen nach dem Gemache/ in welches Mazeus den Loͤuen wieder einsperren ließ/ der mit Traurigkeit und Unwillen von Herkuliskus scheidete. Im fortgehen sahe er eine grosse Ringel Taube fliegen/ die er von freyer Faust aus der Lufft herunter schoß/ daß sie vor Ma- zeus Fuͤssen nidersiel/ der sie auf hub/ uñ befand/ daß ihr der Pfeil noch in der Brust steckete. Er streich ihm aber mit der Hand uͤber das Haͤupt/ und sagte: Mein Herkuliskus/ ich weiß in Warheit nicht/ was ich aus euch machen sol/ dann daß eures gleichen mir nie vorkom̃en ist/ gestehe ich gerne; aber getrauet ihr euch noch so einen Schuß ohnfehl zutuhn? Ein sol- cher Schuß/ antwortete er/ hat wenig zubedeuten/ welchen ich in vollem rennen auff dem Pferde wol verrichten wil. Ey sagte er/ verweilet alhie noch ein wenig/ biß ich wieder bey euch seyn werde; ging hin/ und hohlete sein Gemahl samt dem Fraͤulein herzu/ erzaͤhlete/ wz sich zugetragẽ hatte/ uñ ermahnete sie/ ob sie eine Kurzweil sehen wolten/ moͤchten sie in den Vorhof kommen. Nun hatte er einen Schuͤtzen/ Nahmens Batis/ der im ganzen Ge- biet seiner Kunst halben beschrihen wahr/ rief denselben zu sich/ und sagte: Hoͤre Batis/ du weist/ Drittes Buch. weist/ das ich dir grossen Sold reichen lasse/ weil du vor einen sonderlichen Schuͤtzen dich außgibst; nun ist dieseꝛ Juͤngling/ hie gegenwaͤrtig/ so kuͤhn/ daß er sich nicht scheuet mit dir wette zu schiessen/ da du es auffnehmen darfst. Batis welcher seine Erfahrenheit selbst hoch hielt/ sahe Herkuliskus an/ uñ sagte: Juͤngling/ wollet ihr der Kunst gerne unterrichtet seyn? Ja/ antwortete er/ Kunst zu lernen bin ich sehr begierig. Was wollet ihr dann dran wagen? fragete jener. Wann ich euch drumb ansprechen werde/ sagte er/ wil ich die Unter- weisung von euch nicht umbsonst begehren/ weil ihr aber so ruhmraͤhtig seid/ suche ich des- sen nichts bey euch/ dann da ihr volkommen waͤhret/ wuͤrdet ihr euch lieber in der Taht als blossen Worten finden lassen/ halte demnach daß euch in dieser Kunst schier ja so wol fehle als mir ungeuͤbeten. Dieser ward dessen zornig und foderte ihn zur Wette/ da es sonst nit veraͤchtlich stuͤnde mit einem jungen Knaben es auffzunehmen. Schuͤtze/ sagte Herkulis- kus/ da ich jetzt so frey waͤhre als vor diesem/ duͤrfte ich euch diese Beschimpfung schwer- lich zu gute halten/ insonderheit da ihr in der Taht fehlen soltet; aber nach dem ich meines Unfals mich gerne erinnere/ muß ich euch billich uͤbersehen. Mazeus redete seinem Dieneꝛ hart ein/ mit Draͤuung schwerer Straffe/ da er daß geringste in Unglimpf außstossen wuͤr de/ daher dieser umb verzeihung bat/ und unsern Herkuliskus fragete/ wie hoch die Wette seyn solte. Daß werdet ihr bestim̃en/ sagte er/ nach dem ihr mit außfodern so kek seid. Ich meines teils/ antwortete jener/ setze eine Jahrs Besoldung dran/ sind 400 Kronen. Wol- an/ sagete Herkuliskus/ ihm sey also/ und bitte/ mein Gn. Herr wolle vor mich gut sagen; ich wil gewinnen/ oder die Gelder schon wissen diese stund zu verschaffen. Wie aber/ redete er zu den Schuͤtzen/ wann ich einen Schuß taͤhte/ den ihr mir nicht eins duͤrfftet nachtuhn? Daran setze ich noch 400 Kronen/ anwortete Batis. Ich nehme es mit euch an/ sagte Heꝛ- kuliskus; foderte darauff alsbald einen kleinen Apffel/ reichte ihn Frl. Barsenen hin/ und sagte zu ihr; schoͤnes Fraͤulein/ dafern sie sich nicht scheuhete/ wuͤrde ich dienstlich bitten/ sie diesen Apffel in ihre linke Hand zwischen den Daumen und zeiger Finger fassen/ und die anderen Finger außstrecken wolte; das Fraͤulein/ weil niemand wuste/ was es bedeute- te/ wahr ihm gerne zu willen/ und redete Herkuliskus folgends den Schuͤtzen also an: Hoͤ- ret Batis/ ich habe die Wette und Doppelwette mit euch angenommen/ aber hoͤret nun die Bedingung: Wir nehmen funffzig starke Schritte von diesem Fraͤulein/ und schiessen ihr den Apffel aus der Hand; wer nun fehlet dem sol die rechte Faust/ wer aber das Fraͤu- lein im wenigsten beschaͤdiget/ der Kopff abgeschlagen werden. Alsbald ließ das Fraͤulein den Apffel fallen/ und sagte: O nein o nein/ die Wette halte ich nimmermehr. Auch erblas- sete Batis der Rede/ fassete doch wieder ein Herz und sagte: Ja ich halte die Wette noch/ wann ihr den Anfang machet. Den wil ich freilich machen antwortete er/ und baht das F r aͤulein sehr/ ihm den Apffel zum Schusse zu halten; aber Fr. Roxane wolte keines we- ges einwilligen/ sondern rieff ein armes Maͤgdlein herzu/ dem sie zwo Kronen gab/ daß sie den Apffel hielt/ welchen Herkuliskus hinweg schoß/ daß er ihren Finger nicht ruͤhrete/ uñ sagte nach getahnem Schusse; nun Batis/ nun ist Zeit eure zu vor so hoch geruͤhmte Kunst sehen zu lassen. Aber 800 Kronen wahren verspielet/ dann er wegerte sich unter gesetzter Bedingung es nachzutuhn; deßwegen zaͤhlete Mazeus seines Dieners wegen die Gelder auß/ und warnete ihn/ hinfuͤro keinen unbekanten zuverachten/ wie jung er auch waͤre/ weil A a a a kein Drittes Buch. kein Meister lebete/ der nicht seinen Meister haͤtte. Herkuliskus fragete/ ob ihm frey stuͤnde/ mit dem Gelde nach seinem Gefallen zuschalten/ und nach Bejahung baht er Fr. Roxa- nen/ es seinetwegen unter ihre Leibdienerinnen und diesem armen Maͤgdlein auszuteilen; Dann/ sagte er/ ich habe noch nie Wette geschossen/ und wil den ersten Gewin nicht vor mich behalten; kehrete sich nachgehends zu dem Fraͤulein/ und sagte: Hochgebohrnes Fraͤulein/ Ihrer Gn. ich unwirdiger Knecht bitte demuͤhtig/ mir zuverzeihen/ daß ich so unhoͤflich gehandelt/ und den Apffel zuhalten/ derselben unbedachtsam zumuhten duͤrf- fen/ versichere sie daneben/ da die Goͤtter/ wie ich festiglich traue/ mir guͤnstig seyn wer- den/ daß ich vor diese Grobheit dereins Abtrag machen wil. Es hatte dieses liebliche Frl. sich an diesem schoͤnen Juͤngling so hefftig verliebet/ daß sie gerne mit ihm ins Elend gezo- gen waͤhre/ da sie Hoffnung gehabt/ seiner dereins ehelich zugeniessen; wuste anfangs nicht/ was sie ihm antworten solte/ ohn dz sie seine Kunst hoch ruͤhmete/ und naehgehends beteu- rete/ sie haͤtte seines anmuhtens halben gar keine Ungunst auff ihn geworffen; wuͤnschete endlich/ daß die Goͤtter seines Herzen Wunsch und Begierde erfuͤllen moͤchten. Ich be- danke mich untertaͤhnig/ antwortete Herkuliskus/ und nach dem eure Vortreffligkeit duꝛch ihre hohe Gunst mich kuͤhn gemacht/ bitte ich ferner/ mein als eines armẽ gefangenẽ Juͤng- lings bey diesem schlechten Ringe mit gewogenem Herzen zuzeiten eingedenke zuseyn; stee- kete ihr einen von Alexander zu Tyrus empfangenen an den Finger/ der auf 1000 Kronen austrug/ und kuͤssete ihr freundlich die Hand; hernach kehrete er sich zu H. Mazeus/ und sagte: Gnådiger Herr/ diesen jezt eingelieferten schlechten Ring/ habe ich noch von meiner lieben Fr. Mutter aufzuweisen/ damit sie mich auf meinen Geburtstag voꝛm Jahre ange- bundẽ; weil ich ihn aber nit getraue laͤnger zuverwahren/ weiß ich ihn an keinẽ Orte lieber/ als bey diesem trefflichen Fraͤulein; bitte demnach untertaͤhnig/ Ihre Gn. wollen mein Gn. Fraͤulein erbitten helffen/ daß sie diesen schlechten Gedenk Ring von einem armen gefange- nen anzunehmen/ unbeschweret seyn wolle. Sie hat dessen gute Freyheit/ antwortete Ma- zeus/ wird den Ring auch/ nach dem sie ihn schon zu sich genommen hat/ seinetwegen gerne behalten/ und zum stets wehren den Gedaͤchtniß tragen. Ja/ warumb nicht/ sagte das Fraͤu- lein/ eure Zucht und Tugend ist so groß/ daß ich nicht anders urteilen kan/ als daß ihr von hohem vortrefflichen Gebluͤte muͤsset entsprossen seyn/ welches dieser kostbahre Ring in et- was Zeugniß giebet; Weil ihr mich dann dieser Gedaͤchtniß wir diget/ welche ihr von eu- rer Frau Mutter annoch uͤbrig habt/ wil ichs euch zu gefallen tragen/ als lange ich lebe/ uñ mich ruͤhmen/ daß ich von einem so trefflichen Juͤnglinge die Ehre einer Gedaͤchtniß em- pfangen. So verleihen mir die Goͤtter/ sagte er/ daß mein hochwertes Fraͤulein es der eins vor eine Ehre rechnen koͤnne/ was von mir als einem Gefangenen aus gutem Herzen ge- schihet; kuͤssete ihr damit die Hand abermahl mit sonderlicher Anmuhtigkeit/ dessen das Fraͤulein wol zufrieden wahr/ ob sie gleich sich dawider bedingete/ es geschaͤhe ihr hiedurch gar zu hohe Ehre. Inzwischen sahen Herr Mazeus und Frau Roxane diesen beyden mit Verwunderung zu/ da diese zu ihrem Gemahl sagete: Gewißlich/ da dieser schoͤne Juͤng- ling etliche Jahr aͤlter waͤre/ oder eine zeitlang bey uns verbliebe/ duͤrffte er meiner Schwe- ster das Herz leichtlich stehlen. Ach nein/ antwortete er/ stehlen duͤrffte ers nicht/ es wuͤrde ihm wol geschenket/ und ohn Widerrede gegoͤnnet/ so viel ich aus ihren Augen merke; aber ich Drittes Buch. ich muß des Juͤnglings lachen/ daß er gerne viel reden wil/ und so wenig Worte weiß; doch sihet man aus alle seinem tuhn und vornehmen/ daß er nicht/ wie er vorgibt/ nur vom Adel/ sondern von Fuͤrst- oder wol gar Koͤniglichem Gebluͤte seyn muß/ und taͤhte sehr wol/ daß ers von sich sagte/ dann hiedurch wuͤrde er ohn zweifel unsern Fuͤrsten bewaͤgen/ daß er ihn seinen Eltern wieder zuschickete. Fr. Roxane hatte ihre Dienerinnen/ deren sechse waren/ neben dem armen Maͤgdlein herzu treten lassen/ und sagte sie zu Herkuliskus; Holdseliger Juͤngling/ wollet ihr diesen meinen Leuten etwas/ so stehen sie allhier zu euren Diensten. Batis stund nicht ferne davon/ und sahe mit betruͤbten Augen an/ wie seine Gelder solten ausgeteilet werden/ doch verdroß ihn der Schimpff mehr/ daß er ohn Versuch hatte ver- spielen muͤssen/ als der Schade selbst. Herkuliskus haͤtte ihm das Geld alles gerne wieder- gegeben/ wann er ihn nicht so schimpflich mit Worten angezapffet/ aber jezt muste ers an- sehen/ daß er jeder Dienerin/ und dem armen Maͤgdlein 100 Kronen zuzaͤhlete/ doch end- lich sagte: Wañ ich wuͤste/ daß Batis mir danken wolte/ gaͤbe ich ihm 100 Kronen zuruͤk. Dieser nicht faul/ gedachte/ es waͤhre ein guter Nohtpfennig/ uñ antwortete: Wuͤrden mir 100 Kronen geschenket/ ich naͤhme sie mit gebuͤhrlichem Danke an; worauff er noch mit zur Teilung ging. Es wahr diese Zahlung kaum geendet/ da hoͤreten sie ein Geruffe: Ret- tet euer Leben/ rettet euer Leben! woruͤber sie alle erschraken/ und nach dem innern Gebaͤu zulieffen/ ohn Herkuliskus ließ sich nichts anfechten/ sondern nam alsbald seine Pfeil und Bogen zur Hand/ und sahe darauff ein erschrekliches Tigertihr daher auff ihn zuspringen/ und mit offenem Rachen sein zubegehren/ dessen er fleissig wahr nam/ und nach dem er sei- nen Vortel ersahe/ ihm einen Pfeil in den Rachen schoß/ bald noch einẽ ins Auge/ dz es uͤber uñ uͤber purzelte; fassete nachgehends Mazeus Seitengewehr (welches an der Wand hing) ging hinzu/ und erstach es damit vollends. Die uͤbrigen hatten sich unterdessen in Gewahꝛ- sam begeben/ und beklagten den aͤdlen Juͤngling/ welchen sie schon vor tod und zerꝛissen hiel- ten/ gleich da er zu ihnen mit dem blutigen Saͤbel hinein trat/ und mit hellfeurigen Augen sie ansahe; Woruͤber Mazeus sich entsetzend/ zu ihm sagte: Goͤttlicher Juͤngling/ wie habt ihr des grimmigen Tihrs euch erwehren moͤgen? Gnaͤdiger Herꝛ/ antwortete er/ Eure Gn. mit ihrer Geselschafft treten nur kuͤhnlich hervor/ dann dieses scheußliche Tihr wird fort- hin niemand schaden tuhn noch Schrecken einjagen/ nach dem seine Wuht einmahl gaͤnz- lich gedaͤmpffet ist. Sie gingen ingesamt mit ihm hin und sahen es in seinem Blute ligen/ wusten nicht/ was sie vor Wunder sagen und gedenken solten; Dann waͤhre Herkuliskus nicht so bald fertig gewest/ wuͤrde ihre Flucht viel zu spåt/ und allerdinge vergebens gewe- sen seyn; massen das ergrimmete abgehungerte Tihr aus seinem Kefich losgebrochẽ war/ weil der darzu bestimmete Knecht sein vergessen/ und drey Tage lang ohn Speise gelassen hatte. Mazeus erkennete diese Rettung vor eine sonderliche Schickung der Goͤtter/ und sagte zu Herkuliskus: Nun weiß ich nicht/ ob ich Menschen oder Goͤtter in meiner Gesel- schafft habe/ und gewißlich/ da euch die Goͤtter nicht gezeuget/ muͤsset ihr zum wenigsten ih- res Gebluͤtes seyn. Ach mein Herr/ antwortete er auff Griechisch; solten Goͤtter wol zeu- gen? Ja solten sie wol schwache Menschen zeugen/ und sie nachgehends dem Gluͤk uͤbeꝛge- ben/ daß sie von boßhafften Raͤubern weggefuͤhret wuͤrden? Doch auf gewisse art/ sind wiꝛ Menschen alle Goͤttliches Geschlechts/ indem sie uns eine vernuͤnfftige unsterbliche Seele A a a a ij einge- Drittes Buch. eing egossen haben. Eure Gn. schaͤtzen es hoch/ daß ich ein schwacher Juͤngling/ dieses fres- sige Ungeheur nidergelegt habe; aber was ist das Wunder/ daß ein vernuͤnfftiger Mensch/ der seinen Witz gebrauchen kan/ einem unvernuͤnfftigen Tihre obsteget? Hier ist nichts als freche Wuht/ die sich selbst in Spiesse/ Pfeile und Schwerter stuͤrzet/ wann wirs ihr nur vorsich tiglich bieten und goͤnnen/ bey uns aber finden die gesunden Gedanken leicht einen Vortel/ dadurch unbesonnene Leibeskrafft gebrochen wird; und wer hier an zweifelt/ muß noch wenige Erfahrenheit haben/ was vor Unterscheid zwischen Witz und Frevel/ zwischẽ Klugheit und Wuht gesetzet ist; uͤber das hat die Vernunst solche heilsame Wehr uñ Waf- fen uns in die Hand gestellet/ daß wir die wilden Tihre fellen koͤnnen/ ehe sie uns erreichen moͤgen; Die Vernunfft hat durch solche Mittel uns die Herrschafft/ nicht auff der festen Erde/ sondern auch auff den wallenden Wassern/ ja oben in der Lufft verlihen/ dz sich nichts vor uns bergen/ noch unserer Nachstellung entgehen mag; Und was solte mich hindern/ dz ich diß grosse Tihr in der naͤhe/ und auff der Erden/ nicht leichter erlegete/ als vormahls die in Luͤfften schwebende Taube? nur daß verzagete Herzen sich vor einem auffgesperreten Rachen entsetzen/ und scharffe Klauen fuͤrchten und fuͤhlen/ ehe sie drinnen stecken/ und ei- nigen Angriff empfinden. O wie ein furchtsamer Muht ist der/ welcher den Ungluͤks-weg erwaͤhlet/ da wol hundeꝛt Neben-strassen sind! wie ein verzagter Siñ/ der liebeꝛ deꝛ Schlan- gen Stich ausstehet/ als daß er sie aus dem Wege stossen solte! trauet mir/ mein Herr/ eine vernuͤnfftige Seele ist kraͤfftiger als alle Leibesstaͤrke/ und bedachtsame Gegenwehr vortraͤg- licher als hundert Mauren; dann stehe ich unbesonnen hinter diesen/ kan ich leicht von ih- rem Falle erschlagen werden; Vorsichtigkeit aber ist auch des allergrimmesten Gluͤckes Meisterin. Moͤchte jemand einwenden: es fuͤnden sich deren unter uns nicht in gar grosseꝛ Menge/ welche der Vernunfft recht gebrauchen koͤnnen/ so fehle es auch zuzeiten an Mittel und Gewehr/ daß man der Wuht gewonnen geben/ und unterliegen muͤste; aber ich ant- worte drauff: es bleibet die Laute wol ein kuͤnstliches ruhmwirdiges Spielzeug/ ob gleich der Baur sich deren nicht zugebrauchen weiß/ oder sie wol gar zerdruͤcket; also ist und blei- bet die Vernunfft wol eine Koͤnigin uͤber alle irdische Volkommenheiten/ ob gleich der we- nigste Teil unter uns bemuͤhet ist/ daß er lernen moͤge/ sie recht anzuwenden; Mittel und Gewehr aber gibt uns Goͤttliche Versehung Zeit der Noht selbst in die Hand/ wañ sie uns gnaͤdig ist/ und sie die Gefahr/ mehr zu unser Pruͤfung als Verderben uns zuschicket; Da sind Steine/ Koht und Sand/ deren wir uns offt zur Erlegung grimmiger Tihre gluͤklich gebrauchen; und ein vorsichtiger Mann schicket sich gemeiniglich auff ein Noht Gewehr. Jedoch/ weil der Mensch nicht Gott/ sondern sterblich und schwach ist/ komt es auch wol/ daß er in moͤglicher Anwendung seiner Vernunfft unterliegen/ uñ den kuͤrzern zihen muß; Aber solches begegnet ihm gemeiniglich entweder daher/ daß er mit Gott nicht wol dran ist/ den er durch Untaht und Frevel mag erzuͤrnet haben/ uñ er ihn durch solche Schickung zur straffe fodert/ oder daß er mit ihm aus dieser Vergaͤngligkeit eilet/ und in den Elysischẽ Feldern ihn vor seine Froͤmmigkeit und Tugend ergetzen wil/ daß ihm also solcher Unfall zum besten dienen muß. Zwar es gehet als dann wol sein Leib darauff/ daß er von wilden Tihren gefressen/ oder sonst verwuͤstet wird/ aber gleich wie das Gold seine Wirdigkeit nit empfaͤhet/ weil es noch mit Erz und Erde vermischet ist/ also bekoͤmt des Menschen Seele erst Drittes Buch. erst ihren koͤstlichen Schein und rechtstaͤndige Gluͤkseligkeit/ wann sie gelaͤutert/ und von dem irdischen schwachen Leibe abgescheiden wird/ welches auch die einige bewaͤgende Ur- sach ist/ daß wir Menschen uns von Leibes Wollust und Frecheit abzihen/ und der Tugend alle unsere Haͤndel und Vornehmen widmen/ damit wir der kuͤnfftigen Gluͤseligkeit nicht moͤgen beraubet werden. Mazeus wunderte sich zum hoͤchsten seiner vernuͤnfftigen Redẽ/ und sagte zu ihm: Hochgeliebter Juͤngling/ was vor gelehrte Unterweisungen haben eu- re Lehrmeister euch in solcher Jugend beygebracht/ die man bey den alten Weisen kaum suchen darff/ und gebe der Himmel/ daß ihr die vollkommenen Jahre erreichen/ und den so wol angefangenen Tugendlauff gluͤklich vollenden moͤget; Ich zweifele sonst gar nicht/ daß wann ich hundert Soͤhne eures gleichen haͤtte/ wolte ich durch eure Tugend ein Herꝛ uͤber die ganze Welt werden. Das wuͤrde schwerlich geschehen/ antwortete er; dann sie wuͤrdẽ umb Herrschafft willen keinen Pfeil verschiessen/ und kein Schwert bloͤssen/ sondern viel- lieber andern rechtmaͤssigen Besitzern das ihre beschuͤtzen helffen. Solches wuͤrde ich sie selbst heissen/ sagte Mazeus; ich rede aber von ihrem Vermoͤgen/ insonderheit/ da sie zu ih- ren vollen Kraͤfften kommen solten. Frl. Barsene wahr wegen des harten schreckens kaum wieder zu sich selbst kommen/ und hatte die Kuͤhnheit nicht/ dem todten Tigeꝛ nahe zutreten/ biß Herkuliskus sagte: Hochgebornes Fraͤulein/ wie scheuhet sie sich doch fast mehr vor ihrẽ todtẽ als lebendigen Feind; dann wie sie die lezte im flihen wahr/ also ist sie die lezte im wie- derkehren. Als er dieses redete/ hoͤrete er zugleich ein Geraͤusche in der Lufft/ und ward ge- wahr/ daß ein grosser Vogel nach einer Taube schoß/ und sie mit den Klauen fassete/ so be- richtete ihn Mazeus auff seine Frage/ es waͤhre ein Adler/ deswegen er denselben eigentli- cher zubesehen/ den Bogen fassete/ und im Fluge ihn durch den Hals schoß/ daß er/ wiewol ausserhalb des Schlosses herunter fiel/ und die gefangene Taube unverlezt davon flog; wel- ches ein alter Kriegsknecht/ Nahmens Boges/ der auff der Schildwache stund/ ersehend/ aus weissagendem Geiste zu ihm sagete: Treflicher Juͤngling/ gedenket an mich/ wann die- ses Vorbide an euch erfuͤllet wird; Dann der Adler ist der groͤste Raͤuber im obern Reiche der Lufft/ und das Taͤublein das unschuldigste Tihrlein. Mazeus wahr gleich hingangen/ den Adler/ welcher noch lebete/ auffheben zulassen/ und hoͤrete dieses Gespraͤch nicht/ deswe- gen Herkuliskus ihm desto kuͤhner antwortete/ und zu ihm sagete: Mein Freund/ ob ihr deꝛ- eins mein Wolergehen erfahren wuͤrdet/ so sprechet mir zu/ ich wil euch diesen Tꝛost unveꝛ- golten nicht lassen. Batis kam mit dem Adeler/ den er vollends zu tode geschlagen hatte/ dorther getreten/ und durffte oͤffentlich sagen/ er koͤnte nicht glaͤuben/ daß folcher Schuͤtzen mehr in der ganzen Welt waͤren; dessen Herkuliskus nur lachete/ und ihn eriñerte/ er haͤtte gaꝛ nit gelernet/ in seinen Reden das Mittel zuhalten; dann/ sagte er/ es ist noch nicht gnug/ oder die hoͤchste Kunst/ gewiß zu schiessen/ wann man fest stehet/ sondern da man zu Pferde sitzet/ und im vollen rennen dergleichen voruͤber fliegende Dinge in der Lufft oder auff der Erden fellet; solches hat meiner Meynung nach etwas mehr auff sich/ und kenne ich einen meines Alters/ der sichs zur Unehr gerechnet haͤtte/ daß ihm ein Hase/ den er mit dem Pfer- de verfolgete/ solte entsprungen seyn/ wann ihm sein Boge zur Hand wahr; und daß ichs ohn Ruhm melde/ moͤchte ichs ehmahls auch zuzeiten geleistet habẽ. Ich halte dessen nichts mehr vor unmoͤglich/ antwortete Batis/ nach dem ich heut viel unmoͤgliches gesehen habe. A a a a iij Hie- Drittes Buch. Hiemit ging der Tag fast zum Ende/ dz die Zeit des Abendmahls herbey kam/ wobey man- cherley Gespraͤch vorging/ und insonderheit Frl. Barsene gute Kundschafft mit diesem ih- ren lieben Juͤnglinge machete/ der sich uͤber nichts so hoch beklagete/ als daß die geringe Wissenschafft der Sprache ihn hinderte/ seines Herzen gefassete Gedanken auszureden. Gegen den spaͤten Abend meldete Mazeus ihm an/ daß wie unlieb es ihm gleich waͤhre/ er doch morgendes Tages ihn seinem Groß Fuͤrsten Phraortes nach Ekbatana zusendẽ muͤ- ste/ weil ihm grosse Gefahr auff die Unterlassung stuͤnde/ nach dem er dem Groß Fuͤrsten zu- gedacht waͤhre/ und haͤtte er sich insonderheit zu dieser Zeit vorzusehen/ in Betrachtung er schon bey ihm in Ungnade/ wiewol unverschuldet/ gefallen waͤhre; baͤhte demnach freund- lich/ er wolte sich belieben lassen/ diesen kurzen Weg mit gutem Willen auff sich zunehmen/ verhoffete gaͤnzlich/ sein Schreiben an den Groß Fuͤrsten auffgesetzet/ solte ihmgute Gnade und Gewogenheit bey ihm machen. Frl. Barsene hoͤrete diese Rede nicht anders an/ als waͤhre ihr ein Schnit durchs Herz gangen; Herkuliskus aber antwortete: Gn. Herr/ waꝛ- umb bittet eure Gn. ihren Knecht/ dem sie voͤllig zugebieten hat? meines Standes kan ich mich sehr wol eriñern/ daher bedanke ich mich untertåhnig der hohen Gnaden/ die mir heut uͤber mein Verdienst und Wirdigkeit sind angeleget/ und traͤget mir dannoch mein Herz zu/ ich werde dereins das Gluͤk haben/ Ihrer Gnad. besser/ und mit wirklicher Art zu dan- ken; Da nun dieselbe an den Durchleuchtigsten Groß Fuͤrsten mir eine Vorschrifft ertei- len wil/ nehme ichs billich mit untertaͤhnigem Danke an/ und hoffe/ weil ich einem Men- schen/ ja einem Fuͤrsten zugeschicket werde/ koͤnne daselbst Unschuld und Tugend nichts als Gnade und Woltaht verdienen; wuͤrde aber dessen Herz zu Schande und uͤppigkeit ge- neiget seyn/ wird mich gewißlich keiner wider meinen Willen darzu noͤhtigen/ was durch einen ehrlichen Tod abzuwenden stehet. Mazeus wolte ihn nicht betruͤben/ ob er gleich bald uͤberschlagen kunte/ wozu der unflaͤtige Parther Koͤnig Artabanus ihn gebrauchen wuͤr- de/ da er demselben vermuhtlich solte geschicket werde/ und antwortete ihm; lieber Juͤng- ling/ machet euch keine wiedrige Gedanken/ die Goͤtter werden nicht verhengen/ daß ein so herliches Gewaͤchs in dem ersten Grase ersticke; dañ so viel meinen Groß Fuͤrsten betrift/ ist derselbe aller Untugend und Lastern von Herzen feind/ er zihet auch seinen einigen Sohn dergestalt Fuͤrstlich/ daß selbiger mit der Zeit seine Vorfahren leicht uͤbertreffen wird; a- ber saget mir/ bitte ich/ ob dann euer rechter Nahme Herkuliskus sey; ja/ antwortete er/ als lange ich mich einen Knaben gedenken kan/ bin ich nicht anders genennet. Wol wol/ mein Herkuliskus/ sagte er/ die Goͤtter werden einen groͤssern Herkules aus euch machen/ als nie keiner auff der Welt gewesen ist. Nach solchen/ und dergleichen Gespraͤch/ begaben sie sich endlich zur Ruhe/ und ward unserm Herkuliskus und seinem Dolmetscher auff einem Ge- mache jedem ein absonderliches Bette gezeiget/ da Frl. Barsene einen freundlichẽ Abscheid von ihm nam/ auch des folgenden Morgens gar fruͤhe sich bey ihm vor dem Bette fand/ und ihn also anredete: Mein geliebter und werter Freund/ was herzliche zuneigungen ich zu euch als einem zuͤchtigen Juͤnglinge trage/ wil ich jetzt diese Stunde erweisen/ und euch in hohem Vertrauen offenbahren/ daß ich meinen Schwager H. Mazeus und sein Ge- mahl meine Fr. Schwester hint diese Nacht in geheim reden hoͤren/ wessen sie euretwegen sich befahren/ daß nehmlich unser Groß Fuͤrst euch seinem Lehn Herrn dem Parther Koͤni- ge/ we- Drittes Buch. ge/ wegen eurer vortreflichen Schoͤnheit zusenden duͤrfte/ woselbst man mit solchen Juͤng- lingen dergestalt umbgehen sol/ daß ich mich zu sagen schaͤme/ und doch Freundschafft we- gen sagen muß/ als daß man sie der Mañheit beraubet/ und nachgehends dem Frauenzim- mer/ als aufwaͤrter zugiebet; weil nun eure unvergleichliche Kuͤhnheit gnugsam anzeiget/ daß zu solchen ungenehmen Diensten ihr wenig beliebnis traget/ waͤhre mein Raht/ ihr machtet mit dem jungen Medischen Fuͤrsten gute Vertrauligkeit/ daß derselbe entweder seinen Herr Vater beredete/ euch bey sich zubehalten/ oder aber behuͤlfflich waͤhre/ daß ihr mit der Flucht euch loßwirken/ und dieser Gefahr entgehen koͤntet; und dafern mein weni- ges Vermoͤgen hierzu ichtwas vermag/ schwoͤre ich euch bey dem Leben der Unsterblichen Goͤtter/ daß/ ungeachtet aller Gefahr/ die mir daher entstehen koͤnte/ ich hierbey nichts un- terlassen wil/ was euch zu eurer Wolfahrt dienlich seyn kan. Herkuliskus ward der Zeitung nicht wenig betruͤbt/ ließ sichs doch nicht merkẽ/ sondern nach dem er dem Fraͤulein hoͤch- lich gedanket hatte/ antwortete er mit halben Scherze; daß waͤhre sehr unbarmherzig ge- handelt/ dafern man mit mir dergestalt umbgehen wolte; nach dem mir aber die Weissageꝛ meines Vaterlandes einhellig diesen Lebenslauff gestellet/ daß ich der eins im Ehestande leben sol/ wird der Himmel nimmermehr verhaͤngen/ daß mir solche Schande angelegt werde; jedoch solte ich dem unzuͤchtigen Koͤnige ja muͤssen zugefuͤhret werden/ und man mir dergleichen Sachen anmuhten wuͤrde/ sol er bey mir einen solchen frischen Muht fin- den/ dessen er nimmermehr gehoffet haͤtte. Das Fraͤulein antwortete ihm; sie wolte selbeꝛ nicht zweiffeln/ die guͤnstigen Goͤtter wuͤꝛden allen Schimpf und Unfal von ihm abkehren; da er nun eine Zeitlang zu Ekbatana bleiben/ oder sonst loß kommen/ und nach seiner Hei- mat reisen wuͤrde/ moͤchte er sie zuvor dieses Orts besuchen/ damit sie vor den koͤstlichen Ring ihm hinwieder ein schlechtes Dankzeichen ihrer Gewogenheit und Traͤue zustellen koͤnte/ welches sie biß dahin wolte auffgeschoben haben. Herkuliskus versprach ihr solches mit dargebohtener Hand/ und ließ ihr seinen schneweissen Arm sehen/ welchen mit beyden Haͤnden freundlich zu umfangen sie sich nicht enthalten kunte/ womit sie von ihm Abscheid nam/ uñ ihm gerne einen ehrliebenden Kuß gelassen haͤtte/ wañ durch jungfraͤuliche Zucht und Scham sie davon nicht abgehalten waͤhre. Er stund bald hernach auff/ legte seine Kleider an/ und erwartete/ woh in man ihn fuͤhren wuͤrde. Mazeus hatte alles schon fertig machen lassen/ nahmen doch zuvor das Fruͤhstuͤcke ein/ und ward unser Herkuliskus mit einem zierlichen Saͤbel und koͤstlichen Medischen Rok von Fr. Roxanen verehret/ der ihm uͤber die masse wol anstund. Ihr Leibgutsche von Violen-braunen Sammet mit sechs schneweissen Pferden in guͤldenem Zeuge stund im Vorderplatze fertig/ dahin er von Ma- zeus/ seinem Gemahl und dem Fraͤulein begleitet ward/ und er sich so froͤlich anstellete/ als haͤtte man ihn in sein Vaterland fuͤhren wollen; hielt auch bey Mazeus bitlich an/ ihm den gestriges tages gebrauchten Bogen mit auff den Weg zugeben/ welchen er ihm wieder zu- ruͤk senden wolte; worauff Mazeus sagte: Mein geliebter Herkuliskus/ und wann der Bo- gen etliche tausend Kronen wert waͤhre/ da er doch etwa mit 50 bezahlet ist/ muͤste er euch willig geschenket seyn; ließ ihn auch alsbald neben einem Koͤcher vol schoͤner Pfeile hoh- len/ und auff die Gutsche legen. Als er sich nun auffgesetzet hatte/ lieferte ihm Fr. Roxane eine zimliche Helffenbeinen Schachtel/ welche verpitschieret/ und mit der Raͤuber Kleino- ten an- Drittes Buch. ten angefuͤllet wahr/ da sie zu ihm sagte; geliebter Herkuliskus/ damit ihr nicht mit leerer Hand zu dem Groß Fuͤrsten kommet/ sollen dessen Durchl. die bey den Raͤubern gefundene Kleinot mit euch zugleich uͤberliefert werden. Bald setzete sich Herr Mazeus Amtman zu ihm auff/ und fuhren unter dem Nachwunsche aller Goͤtter begleitung nach Ekbatana/ woselbst sie noch vormittages ankahmen/ und im Koͤniglichen Schlosse bey dem Groß- Fuͤrsten sich untertaͤhnigst anmeldẽ liessen; welcher zur Antwort gab; wie ist mein Unter- tahn Mazeus schon so stolz worden/ daß er mich selbst nicht spricht/ sondern seine Knechte schicken darff? jedoch/ daß ich ihm den Scheffel volmaͤsse/ so lasset ihn kommen/ und seine Werbung anbringen. Der Abgeordente Amtman ging auff erfodern hin/ und ließ Herku- liskus mit seinem Timokles haussen vor dem Gemache stehen/ er aber trat hin/ erzeigete dem Groß Fuͤrsten nach Medischen brauche gebuͤhrliche Ehre/ und redete ihn also an: Großmaͤchtiger Groß Fuͤrst/ gnaͤdigster Herr; euer Groß Fuͤrstl. Durchl. untertaͤhnigsteꝛ Diener/ mein Herr/ Mazeus/ bittet untertaͤhnigst umb gnaͤdigste verzeihung/ daß vor eurer Groß Fuͤrstl. Durchl. er selber nicht erscheinet/ welches umb keiner Ursach willen unter- lassen wird/ nur daß ihre Durchl. durch seine ungenehme Gegenwart nicht beleidiget wer- den moͤge/ nachdem leider bey E. G F. D. er von seinen Wiederwaͤrtigen faͤlschlich als ein Ungehorsamer und Wiederspenstiger angegeben ist; jedoch auff sein unschuldiges und reines Gewissen/ sich beruffend und verlassend/ entbeut E. G F. D. er durch mich unwir- digsten seinen untertaͤhnigsten Gruß und bereitwilligsten Gehorsam/ uͤbersendet derosel- ben einen aͤdlen herzhafften/ und seiner Meinung nach/ so wol in Schoͤnheit als in der Schießkunst und vielleicht andern Waffen/ wolerfahrnen fremden Juͤngling/ und bittet untertaͤhnigst/ E. G F. D. denselben nebest beygefuͤgeten schlechten Kleinoten gnaͤdigst annehmen/ und mit allen Groß Fuͤrstlichen Huld- und Gnaden ihrem untertaͤhnigsten Knecht Mazeus in seiner Unschuld (welche darzulegen er bereit ist) stets gewogen seyn uñ bleiben/ auch seinen Angebern nicht weiter/ als erweißlich seyn wird/ glaͤuben wollen; rieff darauff Herkuliskus hinein/ und erinnete ihn/ sein Gewehr haussen abzulegen; welcher sich nicht seumete/ nam seinen Huet nach teutschem Gebrauche vom Haͤupte/ neigete sich tieff/ und mit großmuͤhtiger frischer Stimme redete er den Groß Fuͤrsten also an: Großmaͤch- tiger Durchleuchtigster Groß Fuͤrst/ gnaͤdigster Herr; was Gestalt mein guter Herr und goͤnner/ Herr Mazeus/ mich etlichen Raͤubern entzogen und hergesand/ wird gegenwaͤr- tiger sein Amptman berichten koͤnnen; ich vor meine Wenigkeit/ erfreue mich hoch/ daß in dem groͤsten Unfal mir das Gluͤk noch so geneigt und guͤnstig ist/ mich an diesen Ort zu fuͤhren/ alwo ich denselben Groß Fuͤrsten schauen/ und ihm gehorsamst auffwarten mag/ dessen hochfuͤrstliche Tugend und Liebe zu allen Tugendhaften/ mir von den Raͤubern selbst in wilder Wuͤsteney hoͤchst gepriesen worden. Nicht ruͤhme ich mich einiger Duͤchtigkeit/ wuͤrde auch/ angesehen meine Jugend/ mir fast verwaͤgen anstehen; daß aber nie keine Un- tugend mein Gemuͤht lieben oder laben moͤgen/ gibt mir mein Gewissen Zeugnis. Von Geburt und herkommen bin ich Gott Lob frey und nicht dienstbar/ doch muß ich nun mehr bedenken/ nicht der ich ehmahls wahr/ sondern der ich durch Raͤuber Hand worden bin/ es sey dann/ daß Gott auch dieses an mir endern wollen/ welches in seiner blossen Macht und gefallen stehet/ und ich mich darein wol schicken werde. Eines erfreuet meine Geister/ daß Drittes Buch. daß durch des Himmels schickung einem solchen Fuͤrsten ich zugefuͤhret werde/ der gluͤc- kes Fålle zu beherzigen weiß/ ja dessen unsterblicher Ruhm und Preiß nach langen Jahren in den Geschicht Buͤchern nicht der geringste seyn wird/ daß er durch unfal nie dergeschla- gene aufgerichtet/ gefangene erloͤset/ entfuͤhrete wieder gebracht/ und ein fester Schuz der Gewaltleiden den gewesen ist. Hernach meldete er dem Groß Fuͤrsten H. Mazeus Dien- ste an/ kuͤssete den Brieff/ und uͤberreichte ihn mit sonderlicher Liebligkeit. Der Groß Fuͤrst saß auff seinem praͤchtigen Stuele/ hielt einen schneweissen helffenbeinen Stab in der Hand/ und hoͤrete des Knaben zierlichen verstaͤndigen Reden mit hoͤchster Verwunde- rung zu/ ward auch durch seine Schoͤnheit dermassen bewaͤget/ daß er anfangs kein Wort reden kunte/ welches zuverbergen/ er den Brieff brach/ in welchem Mazeus kuͤrzlich erzaͤh- lete/ auff was Weise er Herkuliskus etlichen Raͤubern abgenommen/ und wegen aufgeleg- ten falschen Freibriefes auch vielfaͤltiger begangener Boßheit ihnen die gebuͤhrliche Straf- fe erteilet; ruͤhmete des uͤbergeschikten Juͤnglings Verstand und Herzhafftigkeit/ mit dem Beschluß/ der Groß Fuͤrst ihn alles ungleichen verdachts gnaͤdigst erlassen/ und seinen An- gebern entweder nicht glaͤuben/ oder sie nur vor seine Gegenwart kommen lassen moͤchte/ alsdann er auff alle zugelassene Weise seine Unschuld darlegen/ oder im wiedrigen Fal sich der Straffe eines meinaͤidigen ungetraͤuen Buben nicht entbrechen wolte; beygefuͤgte schlechte Kleinot den Raͤubern billich entzogen/ wuͤrde der Juͤngling versiegelt einliefern; Wie solches auch nach verlesenem Schreiben von ihm alsbald verrichtet ward/ welche nach Eroͤffnung der Groß Fuͤrst sehr koͤstlich befand; kehrete sich darauff zu dem Abgeord- neten und sagte zu ihm: Bald mache dich wieder hin zu deinem Herrn Mazeus/ vermel- de ihm meine Gnade und Gewogenheit/ uñ daß er mich alsbald besuche; Seine Unschuld halte ich schon vor erwiesen/ und hat er sich zu mir nichts als alle Gnade zuversehen; befahl daneben einem aͤdelknaben/ daß ungeseumet seine taͤgliche Leib Gutsche angespannet/ und sein Drost und Raht Mazeus nebest seinem Gemahl und dero Frl. Schwester heruͤber ge- hohlet wuͤrde. Hernach sagte er zu Herkuliskus: Dein Unfall/ Juͤngling/ ist mir leid/ und erinnert mich des Gluͤckes wunderbahrer Schickungen; Es muß aber ein guͤnstiger Him- mel seyn/ der des Menschen Leib und Seele in gleicher Vollkommenheit schaffet. Fragete hierauff nach seinem Vaterlande und Herkommen/ und ward ihm gleich/ wie des vorigen Tages Herrn Mazeus/ geantwortet; welches er mit Verwunderung anhoͤrete/ und zu ihm sagete: Bistu Teutsches Gebluͤts/ mein Sohn/ so muͤssen wol barbarische Schreiber seyn/ die euch vor barbarisch ausruffen; und ob du mir gleich sehr wilkommen bist/ moͤchte ich doch von Herzen wuͤnschen/ daß du bey den deinen waͤrest/ oder mir frey stuͤnde/ dich zuruͤk in dein Vaterland zusenden; nach dem aber der grosse Koͤnig in Parthen/ mein/ und aller umliegenden Fuͤrsten Lehn Herr/ alle vor andere mit Schoͤnheit begabete/ so wol Mannes- als Weibesbilder/ ihm alle in vorbehalten/ und einzuliefern/ ernstlich befohlen hat/ kan ich nicht umhin/ dich ihm zuzuschicken/ wo ich sonst nit meiner Landschafft verlustig seyn wol- te; jedoch wil ich dich durch Schreiben bey seiner Hocheit dergestalt antragen/ dz du zwei- fels ohn einen Allerguaͤdigsten Herrn an ihm haben wirst. Wegen dieser Rede stellete sich Herkuliskus etwas traurig/ und gab zur Antwort: Ich hatte mir schon die feste Hoffnung gemacht/ an diesem Groß Fuͤrstlichen Hofe in meines gnaͤdigsten Herrn Diensten ange- B b b b nommen Drittes Buch. nommen zuwerden/ und etwa mit der Zeit mich verdienet zumachen/ daß mir als einem Freygebohrnen mein Vaterland wieder zusuchen vergoͤnnet wuͤrde; weil aber E. G F. D. mich einem Gewaltigeꝛn zuzusenden gehalten ist/ muß ein solches ich mir billich gefallen las- sen/ unter der Hoffnung/ der grosse Koͤnig/ dem die maͤchtigsten Fuͤꝛsten sich zum Gehorsam untergeben/ werde nichts uͤber die Tugend schaͤtzen/ auch denen alle Gnade erzeigen/ die deꝛ- selben sich gewidmet/ viel lieber tausend mahl sterben/ als eine Stunde unehrlich leben wol- len; solte aber an meiner Gestalt ichtwas seyn/ das andere zu meinem Mißbrauch reizen koͤnte/ weiß ich schon gnugsame Mittel/ mich scheußlich zumachen; wiewol bey einem so grossen Herrn ich mich solcher Schande nicht vermuhte/ waͤhre auch Suͤnde/ es nur zu- gedenken/ nach dem die Stathaltere Gottes auff dieser Unterwelt billich in dessen Fußstapf- fen treten/ und nach aller Moͤgligkeit sich demselben gleich uñ aͤhnlich bezeigen. Der Groß- Fuͤrst ließ ihm diese Rede wolgefallen/ und sagte: Feiner Juͤngling/ es solte billich so seyn/ wie du sagest/ waͤhre auch zuwuͤnschen/ daß die groͤste Macht und Gewalt allemal den Tu- gendreichesten verlihen wuͤrde; aber weistu nicht/ wie mannicher in Armuht und Nidrig- keit die Tugend liebet/ und nach dem eꝛ durch dieselbe erhoͤhet ist/ sich undankbarlich von ihꝛ abwendet/ und nur dasselbe vor Tugend haͤlt/ was ihm gefaͤllet/ und eben deucht; ja wol so stoltz und verwaͤgen wird/ daß er dasselbe/ was Gott uñ die gute Vernunfft als eine Tugend eingesezt und gebohten hat/ zur Ungebuͤhr machen/ und gar auffheben/ hingegen seine gar- stigen Unzimligkeiten/ und freche Suͤnden wil geehret/ und andern zur Nachfolge vorge- setzet haben? daher findet man mehr Erbarkeit in nidrigen Wohnungen/ als auff guͤldenẽ Stuͤlen; Dann ein Verstaͤndiger weiß wol/ daß wo er in der Niedrigkeit sich ungebuͤhr- lich bezeiget/ ihm bald Haß/ Neid/ und Verachtung zuwaͤchset/ und der Weg zur Ehre und Gewalt ihm verleget wird/ welches die hoͤchsten Haͤupter nicht befuͤrchten/ und daher ihre Luͤste und Begierden der Billigkeit nicht unterwerffen wollen; ja mannicher weiß den Schalk dergestalt zubergen/ so lange er in bemuͤheter Nachsuchung ist; wann er aber das vorgestekte Ziel erreichet hat/ dann bricht der Wilmuht aus den Schranken/ gleich wie deꝛ Loͤue/ wann er lauschet/ die scharffen Klauen einzeuhet; wañs ihm aber zeit daͤucht/ so strec- ket er sie hervor/ und uͤbet Gewalt und Grausamkeit seines gefallens. Nicht rede ich solches meinem grossen Koͤnige zum Schimpf/ dessen Sitten ein jeder Untertahn ihm billich ge- fallen laͤsset/ nur daß ich dir zeige/ daß Tugend und Macht nicht allemahl/ ja wol gar selten an einem Joche zihen. Freylich redet E. G F. D. die lautere Wahrheit/ antwortete er/ uñ ist leider der gemeine Weltbrauch/ daß Gewalt die Wollust/ Wollust aber die Frecheit ge- bieret/ aller Tugend abgesagte Feindin; Nach dem aber die Tugend Gott selber/ oder ja des- sen vornehmste Eigenschafft ist/ pfleget sie sich an den Frevelern/ wie groß die auch seyn moͤ- gen/ haͤrtiglich zuraͤchẽ; dessen uns der unkeusche Tonoskonkoleros/ lezter Assyrischer Groß- Koͤnig/ von den Griechen Sardanapallus genennet/ ein lebendiges Beyspiel gibt/ welchen vor ohngefehr 1100 Jahren/ E. G F. D. Vorfahr/ der Tugendliebende Fuͤrst Arbazes des Reichs beraubete/ und zusterben zwang/ weil er weder des Lebens/ noch als ein unflaͤti- ger Weiber Narr/ herzhafften Maͤnnern zugebieten/ wirdig wahr. Geschikter Juͤngling/ sagte der Groß Fuͤrst/ woher sind dir diese unsere alten Geschichte in deiner weit abgelege- nen Heimat kund worden? Aus der Griechen und Lateiner Buͤchern/ antwortete er/ in welchen Drittes Buch. welchen meine liebe Eltern mich fleissig haben unterrichtẽ lassen/ weil sie eine gute Neigung zu solcher Wissenschafft bey mir merketen. Der Groß Fuͤrst stund von seinem Stuele auf und sagte: Kom mein Juͤngling/ und folge mir/ es ist Zeit/ Speise zunehmen/ da du mir auffwarten/ und dich aller Gnade versichern solt. Herkuliskus neigete sich demuͤhtig/ zeige- te an/ wie selig er sich schaͤtzete/ eines so hochverstaͤndigen Fuͤrsten Leibdiener zuseyn/ und aus dessen Reden der Tugend Beschaffenheit zufassen/ fragete auch im hinaus treten/ ob ihm gnaͤdigst erlåubet waͤhre/ seinen Saͤbel/ Pfeile und Bogen zu sich zunehmen/ mit denen er nach empfangenem Befehl sich bewehrete/ und seinem Groß Fuͤrsten anmuhtig nachtrat/ welches ihm so wol anstund/ daß Groß Fuͤrst Phraortes unterschiedliche mahle sich umsa- he/ und seiner Geschikligkeit sich nicht gnug verwundern kunte. Die Groß Fuͤrstin/ Fuͤrst- liches Persisches Gebluͤts/ nahmens Saptina/ ihres Alters von XXVI Jahren/ stund mit ihrem Frauenzimmer schon im Esse Saal/ und da sie diesen fremden Juͤngling mit seinem Gewehr daher treten sahe/ welcher seinen Huet in der Hand trug/ uñ sein Goldgelbes Haaꝛ uͤber die Schuldern herab hangen ließ/ ward sie samt allen anwesenden voll Verwunde- rung/ und sagte zu ihrem Gemahl: Woher hat mein Groß Fuͤrst doch immermehr diesen wunderschoͤnen Liebling bekom̃en/ dessen gleichen Menschen Augen wol niemals geschauet haben? Es ist ein gefangener Teutscher ådelknabe/ antwortete er/ mir von Mazeus gleich diese Stunde zugeschicket. Inzwischen legte er seinen Bogen nider/ erzeigete anfangs der Groß Fuͤrstin/ nachgehends dem jungen Medischen Fuͤrsten Arbitanes/ und leztlich dem uͤbrigen Frauenzim̃er mit anmuhtigen geberden gebuͤhrliche Ehre/ entschuldigte sich sehr/ daß wegen Unerfahrenheit der Landes Sprache er nicht viel Worte machen koͤnte/ und be- fahl sich der Groß Fuͤrstin und des jungen Fuͤrsten beharlicher gnade und hoher gewogen- heit. Die Groß Fuͤrstin besahe ihn gar eben/ und sagte: Nun ists doch im̃er und ewig scha- de/ daß der Himmel an diesem Juͤnglinge so sehr geirret/ und ihn nicht zum Maͤgdlein hat werden lassen; Was vor zartes Weibervolk aber muß es in Teutschland geben/ demnach die Knaben so vollkommener Schoͤnheit sind? Bey der Mahlzeit muste er den Wein uͤbeꝛ- reichen/ welches er mit solcher Hoͤfligkeit verrichtete/ daß die anwesende aͤdelknaben sich ih- rer Grobheit zuschaͤmen hatten. Auch hieß ihn die Groß Fuͤrstin die Speisen vorschneidẽ/ da er seiner Unwissenheit sich zwar entschuldigte/ und doch umb gehorsams willen/ wie er sagete/ untertaͤhnigst folgete/ auch einen gebratenen wilden Entvogel mit solcher Fertigkeit und zierlichen Schnitten zerlegete/ dz die Groß Fuͤrstin zu ihm sagete: Juͤngling/ ihr seyd ge- wißlich vor mehr bey Fuͤrstlichen Mahlzeiten gewesen. Ja gnaͤdigste Groß Fuͤrstin/ sagte er/ ich bin mit meines aller gnaͤdigsten Koͤniges junger Herschafft aufferzogen; worauff er ihr mit so freundlich-laͤchelnden Aeuglein vorlegete/ daß ihr Herz in hoͤchsteꝛ Freundschaft gegen ihn entzuͤndet ward/ und sie zu dem Groß Fuͤrsten sagete; Ach was herzlieber Knabe ist doch dieser Mensch/ und waͤhre er ein Maͤgdlein/ ich koͤnte ihn nimmermehr von mir las- sen. Vielweniger wuͤrde Eure Liebe ihn behalten koͤnnen/ antwortete er/ massen er alsdann den allerhoͤchsten Buhler gar bald bekommen wuͤrde. Als er aber vorgelegt hatte/ hieß die Groß Fuͤrstin ihn auch nehmen und essen; dessen er sich aber wegerte/ mit vorgeben/ es ge- buͤhrete einem Knechte nicht/ mit seinem Herrn Mahlzeit zuhalten/ sonsten waͤhre seiner Groß Fuͤrstin er in Untertaͤhnigkeit billich gehorsam. Wann ichs euch aber heisse/ sagte sie/ B b b b ij haͤlt Drittes Buch. haͤlt mein Groß Fuͤrst euch solches nicht vor uͤbel. Ja iß mein Herkuliskus/ sagte er selber/ es sol dir zu keiner Unhoͤfligkeit ausgelegt werden. Es wahr der Groß Fuͤrst ein Herr von LIII Jahren/ lebete mit diesem Gemahl in der andern Ehe; Der junge Fuͤrst nunmehr acht- zehnjaͤhrig/ wahr sein einiger Sohn aus erster Ehe gezeuget/ daher er ihn umb so viel herz- licher liebete/ hatte ihm auch die Erbschafft seines Fuͤrstentuhms bey Koͤnig Artabanus schon erhalten. Derselbe nun vergaß essens und trinkens/ schauete unsern Herkuliskus mit unverwendeten Augen an/ und sagte zu seinem H. Vater: Wann die Goͤtter mir diesen allerliebsten Juͤngling zum Bruder verlihen haͤtten/ wuͤrde ich haben/ den zugleich neben meinen Eltern ich lieben koͤnte; und weil von meinem Gn. Herr Vater ich vernehme/ daß er beydes zur Wissenschafft und ritterlichen uͤbungen nicht geringe beliebung traͤget/ wolle mein Herr Vater mir ihn zum Gesellen geben/ er sol an mir einen solchen Freund finden/ daß verhoffentlich ihn nicht verlangen wird/ unsern Hof zuverlassen. Aber sein H. Vater antwortete ihm: Lieber Sohn/ dieser Juͤngling ist nicht in meiner Gewalt/ sonst waͤhre er dir unversaget/ koͤnte auch euer beyder Gesellschafft wol leiden/ wann er nicht unserm gros- sen Koͤnige Artabanus nach Charas muͤste geliefert werden/ dem ich ihn nichtvorenthaltẽ kan; jedoch wil ich ihn dir zu liebe acht Tage bey uns lassen/ wie wenig ichs auch zuverant- worten weiß. Arbianes ward der Rede traurig/ bedankete sich dañoch gegen seinen H. Va- ter der hohen Gnade/ und sagte zu Herkuliskus: Geliebter Freund/ es wird euch nicht zu- wider seyn/ daß ich eure Geselschafft von meinem H. Vater auff etliche wenig Tage erbeh- ten/ und sollet ihr die Zeit uͤber an mir einen getraͤuen Freund haben. Durchlaͤuchtiger Fuͤrst/ antwortete er/ ich erkenne mich gar zu unwirdig/ auff andere weise von Ihrer Gn. als ein Knecht gehalten zu seyn/ wozu ich mich gerne und willig verpflichte/ wann nur eini- ge angenehme Auffwartung von mir koͤnte geleistet werden. Arbianes redete ihm ein/ dz solche Entschuldigung ein uͤberfluß waͤhre/ foderte ihn auch nach gehaltener Mahlzeit auf/ mit in den Lustgarten zugehen/ da der Groß Fuͤrst nach ihrem Abscheide zu seinem Gemahl sagete: Er haͤtte nimmerwehr geglaͤubet/ daß bey einem funffzehnjaͤhrigen Knaben ein so hoher Verstand und brennende Liebe zur Tugend seyn koͤnnen/ als er diesen morgen erfah- ren haͤtte; uͤber das/ sagte er/ wird er mir als ein sonderlicher guter Schuͤtze geruͤhmet; da es nun dem saͤmtlichen Frauenzimmer also gefaͤllet/ wollen wir in den Garten folgen/ und ihm seine Pfeile und Bogen nachtragen lassen; es sind sonst etliche unter meinen aͤdelkna- ben/ die sich mit ihrer Schieß Kunst keine Sau duͤnken lassen/ auch mein Arbianes selbst/ die sollen sich mit ihm ein wenig versuchen. Das Frauenzimmer ließ sichs gerne gefallen/ gingen mit dem Groß Fuͤrsten hin/ und sahen diese beyde neuen Freunde sich im fechten uͤ- ben/ wobey Herkuliskus sich etwas bloͤde stellete/ und nur die Hiebe ausnam/ sich bißweilen auch treffen ließ/ und gar selten zu ihm einschlug/ ohn wann er sahe/ daß er leicht verfetzen kunte/ daher alle Zuseher urteileten/ er waͤhre dieser uͤbung wenig erfahren/ hieltens ihm auch wegen seiner Jugend nicht vor uͤbel. Des jungen Herꝛn Fechtmeister/ ein Persischer hochmuhtiger vom Adel sahe mit zu/ und fing an/ sich gegen den Groß Fuͤrsten zuruͤhmen/ wie weit er seinẽ Sohn in der Kunst schon gebracht haͤtte/ sagte auch zu Herkuliskus: Juͤng- ling/ ihr seyd zu bloͤde im fechten/ daheꝛ seyd ihꝛ mehr bemuͤhet euch zuschuͤtzen/ als euren Ge- gener zuschlagen. Herkuliskus antwortete ihm: Er haͤtte sich ja vor keinen Fechtmeister ange- Drittes Buch. angemeldet/ und koͤnte gerne leiden/ daß andere ihn in dieser Kunst und uͤbung uͤbergingen/ waͤhre auch Jugend halber geschikter zulernen/ als andere zuunterweisen. Dieseꝛ wolte den Anwesenden seine Kunst alsbald sehen lassen/ nam des jungen Herrn. Fechtdegen/ unserm Herkuliskus etliche gute Nachhiebe zuzeigen/ die er zuvor haͤtte anbringen koͤnnen/ und es nicht in acht genommen; welches er dann vorerst willig von ihm annam; aber da er des musterns zu viel machen wolte/ ward er endlich ungeduldig/ und sagte zu ihm: Ich bleibe bey meines Teutschen Lehrmeisters Art/ welche ich euch/ da es gefaͤllig seyn kan/ zum Be- weißtuhm wil sehen lassen; ging hiemit frisch auff ihn/ und gebrauchte gegen des Meisters Staͤrke/ seine ringfertige geschikligkeit dermassen/ dz er diesem elenden Fechter unterschied- liche Streiche uͤber den Kopff gab/ ihm auch das linke Schienbein blutruͤstete; woruͤber dieser meynete voꝛ Zorn zubersten/ unterlief ihm auch/ uñ rante ihn als viel staͤrker/ mit dem Leibe zu bodem; doch wahr unser Herkuliskus bald wieder auff/ lachete des Toͤlpels/ und fagte als im schertze: Ich meynete mit einem Fechter mich geuͤbet zuhaben/ und sehe uͤber vermuhten/ daß ihm der Flegel besser anstuͤnde/ als das Schwert. Der Meynung bin ich auch/ sagete die Groß Fuͤrstin/ dann sie wahr ihm von herzen feind/ darumb/ daß er ein ein- faͤltiges Mensch ihres Frauenzimmers geschaͤndet hatte. Dieser stellete sich/ als haͤtte er der Groß Fuͤrstin Worte nicht gehoͤret/ und antwortete unserm Herkuliskus mit grimmigen Augen: Ich fuͤrchte mich/ indem ich deine zarte Haut verletzen wuͤrde/ meinen gnaͤdigsten Groß Fuͤrsten zubeleidigen/ sonst wolte ich dir das gelbe uͤbel vom Schnabel wischen. Her- kuliskus wolte ihm keine Antwort geben/ sondern kehrete sich gegen den Groß Fuͤrsten/ und baht untertaͤhnigst umb Erlaubnis/ sich des erwieseuen Schimpffs zuraͤchen; und wie der Groß Fuͤrst ihm einredete/ er moͤchte der Grobheit etwas zu gute halten/ alsdann solte her- naͤhst dessen nichts mehr vorgehen; antwortete er: Nun gnaͤdigster Herr/ ich erkenne mei- nen elenden Zustand gerne/ in welchen mich Ungluͤk gesetzet hat/ gehorsame auch billich; a- ber solt ich schier heut oder morgen dich uͤber tausend Meilen suchen/ sagte er zu dem Fech- ter/ so schenke ich dir dieses nicht. Der Groß Fuͤrst kunte sich der Großmuhtigkeit eines so zarten Herzen nicht gnung verwundern/ und sagte: Mein Herkuliskus/ ich wolte diesen euren Streit gerne beylegen; kans aber auff andere weise nicht seyn/ so vergoͤnne ich euch beyden einen scharffen Gang mit dem Saͤbel und Schilde/ nach dessen Endigung (in wel- chem jedem nicht mehr als fuͤnff Streiche sollen frey gegeben seyn) ihr euch vergleichen werdet. Wol an/ sagte Herkuliskus/ so schicke dich du grober Baur/ ohn Streit entgehestu mir nicht. Bald ließ der Groß Fuͤrst zween gleichmaͤssige leichte Saͤbel und Schilde her- hohlen/ welche diese beyderseits erzuͤrnete zu sich nahmen/ und mit grossem Eifer auff ein- ander gingen; Unferm Herkuliskus branten die Augen wie Feur im Haͤupte/ ging umb seinen Feind her mit aller Behutsamkeit/ welcher auch nicht gerne einen vergeblichen Hieb tuhn wolte; schlug anfangs einen ungestuͤmen Hieb nach Herkuliskus Haͤupt/ welchen er mit dem Schilde abglitschen machte/ und verwundete ihm dagegen das rechte Oberbein. Jener der Wunden empfindend taht einen starken querhieb/ welchen Herkuliskus durch einen Hintertrit und Kruͤmmung des Leibes ablehnete/ und ihm dagegen ein zimliches Loch in die rechte Seite gab/ daher jener sich nunmehr der Vorsichtigkeit gebrauchen wol- te/ wehrete aber nicht lange/ da schlug ihm Herkuliskus die rechte Faust rein ab/ daß sie mit B b b b iij samt Drittes Buch. samt dem Saͤbel auff die Erde fiel/ und aus Ohnmacht bald selbst nach stuͤrzete. Nun be- schimpffe forthin mehr unbekante/ sagte Herkuliskus/ die hoͤheres Standes sind als du; und hastu die Kunst nit besser gelernet/ bistu wol ein unschuldiger Meister/ wirst auch mit dieser dich forthin nit mehr kratzen duͤrffen. Die Zuseher kunten dieses Juͤnglings Geschikligkeit nit gnug ruͤhmẽ/ uñ weil der Großfuͤrst den verwundeten verbindẽ ließ/ redete die Großfuͤr- stin mit ihm; er muͤste ohn zweiffel gnaͤdige Goͤtter haben/ die ihn nit koͤntẽ beschimpfen las- sen/ und waͤhre ihr in sonderheit lieb/ dz der unzuͤchtige Bube seine Straffe empfangen/ uñ er dagegen unverletzt blieben waͤhre. Herkuliskus kuͤssete ihr aus untertaͤhnigkeit den Roc- kessaum/ und befahl sich ihrer hohen Gnade/ und da sie ihm die Hand boht/ kuͤssete er die- selbe inniglich/ daß sie sich nicht enthalten kunte zu sagen: Ach daß die Goͤtter mir einen solchen lieben Sohn oder Tochter geben wolten/ wie hoch wuͤrde ich ihnen davor verbun- den seyn. Es hatte aber der junge Fuͤrst Arbianes eine solche Vergnuͤgung an seinem Sie- ge/ daß er vor freuden in die hoͤhe sprang/ und mit beyden Armen ihn umbfing/ zu ihm sa- gend: Mein geliebter Herkuliskus/ wie angenehm ist mir eure Gesundheit/ welche die Goͤt- ter ja nimmermehr wollen stoͤren lassen; und hoͤnet mich nicht wenig/ daß ich bißher einen so unerfahrnen Lehrmeister gehabt/ welcher in der wahren Kunst fast weniger als nichts verstehet; erkenne sonst wol wie hoͤfflich ihr mit mir in der Ubung verfahren. Herkuliskus baht umb verzeihung und antwortete: Mein Durchl. Fuͤrst sichtet meines ermaͤssens vor- sichtiger/ als der ruhmraͤhtige Meister/ der nur gewohnt ist/ mit seinen Schuͤlern zu spie- len/ weis zwar seine Streiche in etwas zu fuͤhren/ aber er hat sie so wenig alle gelernet als ich. Inzwischen sahe er einen aͤdelknaben seine Pfeil und Bogen halten/ nahm selbe von ihm ab/ und ruͤhmete/ daß Herr Mazeus sein grosser Freund ihm solche geschenket haͤtte. Wir wissen wol/ sagte die Groß Fuͤrstin/ daß ihr in der Schießkunst wol erfahren seid/ haͤt- ten auch dessen vielleicht schon eine gute Bewehrung gesehen/ da euch der Unhold nicht davon auffgehalten; ich setze aber dieses Gedenk Ringelein vor dißmahl auff den Gewin/ da etliche seyn moͤchten/ die darumb schiessen wollen. Herkuliskus nam den Ring/ der zwaꝛ nicht so gar hoch im Preise wahr/ aber doch seine Neigung anzuzeigen/ nam er unbeuhr- laubet denselben aus der Groß Fuͤrstin Hand/ kuͤssete ihn/ und sagte: Dieses alle liebste Ehrengedaͤchtnis zuerhalten/ wil ich meinen Fleiß nicht sparen/ es waͤhre dann/ das mein Gn. Fuͤrst Arbianes bedacht seyn moͤchte/ mit zuschiessen/ dann dessen Durchl. greiffe ich nicht vor. Der junge Fuͤrst sahe/ daß dieses aus Ehrerbietigkeit geschahe/ fassete ihn bey deꝛ Hand/ und baht/ dafern er sein Freund sein wolte/ auff solche Weise mit ihm nicht zu- verfahren/ ob zwar vor dißmahl er nicht bedacht waͤhre mit zu schiessen/ sondern ihm den Gewin gerne goͤnnete/ welchen ohn das zuerhalten er ihm nicht getrauete. Also henkete Herkuliskus das Ringelein an die Gartentuͤhr/ und begehrete/ daß die Mitschiesser sich melden moͤchten. Bald traten acht aͤdelknaben hervor/ und liessen sich vernehmen/ sie haͤt- ten Lust einen Pfeil umb den Gewin mit zu wagen. Herkuliskus mahlete darauff aller naͤ- hest unter dem Ringel ein einen weissen Flecken/ so groß als der Ring wahr/ schrieb zu bey- den Seiten des Groß Fuͤrsten uñ der Groß Fuͤrstin/ drunten aber des jungen Fuͤrsten Nah- men/ uñ sagte: Wer nun mit mir umb diesen aller liebsten Ring scheust/ der mus den Pfeil in dieses weise Flecklein schiessen/ versehret er den Ring/ mus er in fuͤnff Jahren keinen Pfeil Drittes Buch. Pfeil anruͤhren/ trifft er auff der Nahmen einen/ sind es vier Jahr; fehlet er aber weiter aus/ mus er die Pritsche haben. Alle Anwesende hielten dieses vor eine Unmoͤgligkeit/ uñ erbohten sich die Mitschiesser/ dafern er solches leisten wuͤrde/ solte er Obermeister seyn/ und den Ring ohn alle Einrede hinweg nehmen/ wolten auch der Pritsche sich keines We- ges entzihen. Worauff er anlegte/ und den Schuß nach allem Willen verrichtete; baht hernach die Groß Fuͤrstin/ die Urtel zu sprechen/ ob er den Preiß gewonnen haͤtte; welche mit ihrem Gemahl hinzu ging/ uñ den abgeschossenen Pfeil mitten im weissen stecken fand/ daß auch der Groß Fuͤrst zu ihr sagte: Geliebtes Herz/ ich weis nicht/ ob die Goͤtter in menschlicher Gestalt zu uns kommen/ umb zuerforschen/ wie wir uns gegen elende gefan- gene bezeigẽ wollen/ dañ was ich an diesem Juͤnlinge sehe/ ist alles uͤber menschlich; Schoͤn- heit/ Vernunft/ Tugend/ Kunst/ Heꝛzhafftigkeit/ uñ was man an einem volkom̄enen Men- schen erdenken kan; weis auch gewiß/ daß als Apollo wie ein Mensch auff Erden umbher gewandelt/ haͤtte er diesen Schuß nicht verrichten moͤgen; und glaͤube ich nimmermehr/ daß die rauhen Nordwestischen Laͤnder solche Volkommenheit bringen solten. Hoͤchst- geliebter Herr uñ Gemahl/ antwortete sie/ ich weis hierzu wenig zu sagen/ wuͤrde uns auch villeicht nicht anstehen/ wann wir uns dieser Gedanken wolten merken lassen; kan aber meinem geringen Raht stat gegeben werden/ so wollen wir ihn Fuͤrstlich und unferm eige- nen Sohn gleich halten/ weil er ohndas nicht lange bey uns bleiben wird/ ein mehres koͤn- nen die Goͤtter selbst von uns nicht sodern. Eben dieses sind auch meine Anschlaͤge/ sagte der Groß Fuͤrst/ und tuht mir herzlich wehe/ daß ich ihn dem Koͤnige liefern muß/ stuͤnde ich aber noch in vorigen Gnaden bey ihm/ wuͤrde ichs wagen/ und ihn unter gnugsamer Begleitung wieder nach seinem Vaterlande schicken/ welches mir bey jeztgestalten Sa- chen nicht zurahten stehet/ es waͤhre dann/ daß ich mich und meinen Sohn zugleich umb dieses Fuͤrstentuhm bringen wolte; dan meine Wiederwertigen wuͤrden nicht ruhen/ mich deßwegen anzutragen/ da ich nicht anders als ein Verraͤhter der Koͤnigl. Hocheit muͤste gestraffet werden. Ihr werdet aber zu gelegener Zeit dem Juͤnglinge anzutragen wissen/ wie er hinfuͤro von uns solle gehalten seyn. Nach genommener dieser Abrede foderte er die acht aͤdelknaben hervor/ und befahl ihnen die Pritsche zugeben; aber Herkuliskus fiel vor der Groß Fuͤrstin nieder auff die Knie/ und baht untertaͤhnigst/ solche Straffe gnaͤdigft auffzuheben/ damit diese aͤdelleute nicht schier heut oder Morgen ihm deßwegen einigen Haß zu werffen/ und an seinem Gluͤk ihm schaͤdlich seyn moͤchten. Worauff sie bey ihrem Gemahl anhielt/ diese Vorbitte gelten zulassen/ welches auch gnaͤdigst eingewilliget ward. Gleich dazumahl kam der außgeschikte aͤdelknabe wieder/ und berichtete/ dz Herr Mazeus mit den seinigen im voͤrderplatze feines Groß Fuͤrsten Befehl erwartete. Herkuliskus hoͤ- rete diese Zeitung gerne/ und sagte zu dem Groß Fuͤrsten: Eure G F. D. moͤgen sich wol versichern/ daß sie an diesem redlichen Herrn einen getraͤuen auffrichtigen Diener haben/ und da ihrer Durchl. es nicht zuwieder ist/ wollen dieselbe mir gnaͤdigst befehlen/ denselben herzuhohlen. So gehen wir beyde mit einander/ sagte Arbianes/ dann ich habe ohn das mit ihm zu reden; gingen auff erlaͤubnis hin/ und hatten sich bey den Haͤnden gefasset; wel- ches der Groß Fuͤrst ersehend/ zu seinem Gemahl sagete; der Juͤngling hat meinem Sohn das Herz gar gestohlen/ und wie wird es noch ablauffen/ wañ sie sich werden scheiden muͤs- sen? Drittes Buch. sen? Ach wer koͤnte doch so einem lieben und zuͤchtigen Menschen abhold seyn? antwortete sie; und gibt ja der liebe Fuͤrst hie durch klaͤrlich an den Tag/ daß er auff Tugend und ge- schikligkeit etwas halte; aber eure Liebe erinnern sich/ bitte ich/ was jener hocherfahrne Sternseher vor etlichen Jahren von ihm geweissaget hat/ daß seine allerhoͤchste Vergnuͤ- gung und Gluͤkseligkeit ihm aus weit wilder fremde zukommen werde. Es faͤllet mir gleich ein/ sagte er/ wil auch die Goͤtter alles ohn mein bekuͤmmern machen lassen/ ob ich gleich nicht absehen kan/ was vor Gluͤk ihm dieser Juͤngling mit gebracht habe. Mazeus/ der mit seinem Gemahl und Fraͤulein abgestiegen wahr/ sahe den jungen Fuͤrsten und Herkuliskus daher treten/ wunderte sich ihres mehr als bruͤderlichen Verhaltens/ und ging ihnen ehr- erbietig entgegen; Arbianes hies ihn freundlich wilkom̄en/ bedankete sich sehr/ daß er ihm einen so lieben und werten Freund zugeschicket haͤtte/ und erboht sich/ da er Leben solte/ es dergestalt zuvergelten/ daß er Ursach haben wuͤrde/ ihm zu danken; taht auch ein gleiches gegen dessen Gemahl/ und fragete das Fraͤulein/ ob sie einem so lieben Menschen nur eine Nachtherberge geben wollen; diese aber hatte nur ihre Augen und Gedanken nach Herku- liskus hingewendet/ daß sie fast nicht hoͤrete/ was ihr gesagt ward/ insonderheit da dieser ihr lieber Freund auch zu ihr trat/ und mit einem zuͤchtigen Handkusse sie freundlich wil- kommen hies/ da er schon zuvor Herrn Mazeus und dessen Gemahl ein gleichmaͤssiges er- zeiget/ und sich hoͤchlich bedanket hatte/ daß er ihn einem so treflichen Fuͤrsten zugeschicket. Gingen mit einander nach dem Garten/ da der Groß Fuͤrst ihn sehr gnaͤdig empfing/ und zu ihm sagete: Mazeus/ ihr wisset ohn mein erinnern/ daß falsche Maͤuler zuzeiten ein boͤ- ses Feuer anblasen koͤnnen/ welches ihnen doch bey uns gefehlet hat/ nachdem wirs in der Aschen geloͤschet; deßwegen so lassets ohn weiteres Nachfragen hingehen/ und versichert euch/ daß ich hinfort so leicht nicht glaͤuben/ und doch unter dessen euch so viel gnaͤdiger halten werde/ dessen zu einem Zeugnis/ schenke ich euch die vor diesem umbs Geld begehre- te Herschafft mit allen Renten/ Diensten und Einkommen/ und euer Liebsten die 12000 Kronen/ welche von heut uͤber vierzehn Tage in die Rentkammer solten geliefert werden. Mazeus entsetzete sich wegen so grosser angebohtenen Gnade/ merkete wol/ daß es alles wegen Herkuliskus geschahe/ uñ antwortete ihm: Gnaͤdigster Groß Fuͤrst und Herr; Eu- re G F. D. wollen allemahl mit G Fuͤrstl. Hulde ihrem untertaͤhnigst-getraͤuen Knechte gewogen und zugetahn verbleiben. Die angebohtene Gnade ist zu groß/ kan auch von mir und den meinen in ewigkeit nicht ersetzet werden; da sich aber einige Gelegenheit eraͤugen solte/ vor Eure Durchl. mein Gut und Blut in die Schanze zu schlagen/ sol dessen von miꝛ nichts gesparet werden; kam nachgehends auff Herkuliskus zu reden/ und erzaͤhlete/ was Gestalt er ihn bey den Raͤubern angetroffen/ auch was sonst/ die wenige Zeit er bey ihm ge- wesen/ vorgangen waͤhre/ welches die Anwesende mit verwunderung anhoͤreten/ und in ihrem Heidnischen zweiffel gestaͤrket wurden/ ob sie ihn vor einen Menschen oder vor ei- nen Gott halten solten. Inzwischen ging Herkuliskus mit seinem gespanneten Bogen hin und wieder/ und suchte Gelegenheit einen kuͤnstlichen Schuß zu tuhn/ welches Mazeus merkend/ seine Rede abbrach/ und zu den Anwesenden sagete; jetzt werden wir etwas son- derliches von ihm sehen/ welches ich an seinen Augen spůre/ die er hin und wieder in der Lufft umbgehen laͤsset. Er sahe aber einen Falken sehr hoch fliegen/ der ihm gar zu ferne wahr/ Drittes Buch. wahr/ stund deßwegen und lauschete/ biß er sich etwas nidriger gab/ da schoß er ihn daß er vor dem Groß Fuͤrsten niderfiel/ und ihm der Pfeil mitten in der Brust steckete. O du Vol- kommenheit/ sagte der Groß Fuͤrst/ wie hastu dich in solchen zarten Leib begeben/ nur daß du aͤusserliches Ansehen zu schanden machen/ und dein Spiel mit uns als in einem Schau- spiele treiben wilt. Herkuliskus trat hinzu/ hub den Vogel auff/ und boht ihn Frl. Barse- nen mit diesen Worten; Gn. Fraͤulein/ fuͤrchtet sie sich auch so sehr vor diesen todten Vogel/ als vor den gestrigen todten Tiger? Nein mein Freund/ antwortete sie; aber wie gefaͤllet es euch an diesem Groß Fuͤrstl. Hofe? ich vernehme/ daß ihr schon feindselig von dem Fechter angegriffen seid/ welcher sich billich an dem unsern haͤtte spiegeln sollen. Die Goͤtter/ sagte er/ geben mir nur keine schlimmere Feinde/ als ich gestern und heut gehabt/ dann werde ich mich meines Ungluͤks mehr zu freuen als zubeklagen haben/ insonderheit weil der Himmel mir so hohe Freunde bescheret hat. Die Groß Fuͤrstln stund dabey/ und sagte zu ihm: Hoͤret mein geliebter Herkuliskus/ ihr sollet euch eures Unfals nicht zu hart betruͤben/ dann wir merken und spuͤren auß allen euren geberden und Vornehmen daß ihr hoͤheres Standes und wirden seid/ als ihr euch außgebet/ deßwegen so waͤhle und nehme ich euch hiermit auff und an vor meinen Sohn/ der von meinen Leuten nicht anders als mein Sohn der junge Fuͤrst sol gehalten und bedienet werden/ welches ihnen auch hiemit ernstlich gebohten wird. Arbianes ward dessen so herzlich erfreuet/ daß er sagte: Herzge- liebte Gr. Mutter/ jezt erkenne ich eure Muͤtterliche Hulde gegen mich euren Sohn/ wel- cher ich Zeit meines Lebens wil eingedenke seyn. Hingegen stellete sich Herkuliskus sehr trauꝛig uñ sagte; Durchleuchtigste Groß Fuͤrstin/ gnaͤdigste Frau; ich bitte unter taͤhnigst/ ihren unwirdigsten Knecht nicht mit zu hoher Ehrenlast zubeschweren; dann Gott weiß/ wie sehr mir dieses zuwieder ist/ und bin schon zu hoch begnadet mit dem/ was mir bereit wiederfahren; uͤber daß bringet mein Stand es nicht mit sich/ daß vor ihrer G F. Durchl. Sohn/ und dem jungen Groß Fuͤrsten ich solte gleich gehalten/ oder auch von aͤdelknaben bedienet werden. Was mein geliebter Bruder/ sagte Arbianes? ist euch dieses so sehr zu wieder/ so tuht mirs zu gefallen; wer weiß/ worinnen ich schier heut oder Morgen euch Dienste und bruͤderliche Freundschafft erzeigen kan? Herkuliskus kuͤssete ihm die Hand/ antwortend/ er waͤhre und bliebe allemahl seiner Durchl. untertaͤhniger Knecht und erge- bener/ und nach dem er gezwungen wuͤrde sich hoͤher zuhalten als er waͤhre/ muͤste er der Einbildung geleben/ als die in Schauspielen eine Fuͤrst- oder Koͤnigliche Verwaltung auff sich nehmen/ ob sie gleich arme Betler sind; welche Worte er/ als der Sprache unerfah- ren/ zwar stamlete/ aber doch mit sonderlicher Gnade vorbrachte/ daß ihr er aller Herz da- durch geruͤhret/ mit ihm grosses Mitleiden trugen. Es kam aber ein Dieuer in den Garten/ und meldete an/ Ihrer G F. D. Frau Sap- tinen Herr Bruder waͤhre gluͤklich wieder angelanget/ und hielte im innersten Platze; des- sen der Groß Fuͤrst sehr froh ward/ daß er sagete: O Dank sey den Goͤttern/ die ihn gesund hergeleitet haben/ als nach dessen Wiederkunfft ich und andere mit mir ein grosses Ver- langen getragen; ging auch geschwinde hin/ ihn zuempfahen/ da Arbianes neben Herku- liskus seinem H. Vater nachtrat. Der fremde Herr sahe seinen Oheim und Schwager gegen ihn daher kommen/ eilete auff ihn zu/ und empfingen sich sehr fꝛeundlich/ redetẽ auch C c c c fast Drittes Buch. fast eine Stunde mit einander in grosser geheim/ biß nach dessen Endung Arbianes diesen seinen Vetter gebührlich wilkommen hieß. Nachgehends trat auch Herkuliskus zu ihm hin/ kuͤssete ihm die Hand/ und baht/ seiner Kühnheit zuverzeihen/ daß er als ein Fremdling und gefangener einen einheimischen und Fuͤrstlichen Anverwanten zuempfahen sich unter- stuͤnde. Der fremde Herꝛ sahe jhn als verzucket an/ redete jhm sehr freundlich zu/ und ge- dauchte ihn/ das Angesicht etweder selbst/ odeꝛ doch eines demselben sehr aͤhnlich/ mehr ge- sehen haben; endlich fiel ihm das kleine Gemåhlde ein/ welches er stets bey sich im Seckel trug/ besahe es/ und sagete bald darauff: O ihr Goͤtter/ was Bildniß zeiget ihr mir so un- vermuhtlich? Herkuliskus erschrak dessen sehr/ meynete nicht anders/ er waͤhre erkennet/ und schlug die Augen vor sich nieder; Der fremde aber fuhr fort/ und fragete den Groß- Fuͤrsten/ von wannen ihm doch dieser vortrefliche Juͤngling kaͤhme; worauff er zur Ant- wort gab: Er ist mir erst heut von Mazeus zugeschicket/ und gibt sich vor einen Teutschen ådelknaben aus/ welcher von unterschiedlichen Raͤubern gefangen/ und biß in diese Laͤnder gefuͤhret sey. Aus Teutschland? sagte der fremde Herr; kehrete sich hernach zu ihm/ und sagte: Vortrefflicher junger Herr/ euer Angesicht erinnert mich eines ritterlichen Helden und grossen Fuͤrsten/ dessen Kundschafft zuhaben/ ist nicht gar lange/ ich gewirdiget bin/ welches ich trauen unter meine hoͤchste gluͤkseligkeiten rechne; reichete ihm hiemit das Brust Bilde hin/ sprechend: Mein Herr/ ich bitte sehr/ mir zu sagẽ/ ob ihm dieses Gemaͤhl- de bekant sey? Herkuliskus empfing es mit besonderer Ehrerbietung/ sahe es an/ und er- kennete seines herzgeliebten Herkules Angesicht alsbald/ weil noch zum Uberfluß umbher geschrieben wahr: Hercules, humanigeneris delitiæ. Das ist: Herkules des menschlichen Ge- schlechts beluͤstigung. Es ward aber hieruber seine Seele mit überschwaͤnklicher Freude er- fuͤllet/ daß ihm das Blut unter das Gesichte schoß/ stund und wankente als ein taumeln- der/ daß er in Ohmacht fast niedergesunken waͤhre; dessen Arbianes wahrnehmend/ ihn fragete/ woher diese schleunige Verenderung kaͤhme; worauff er sich erhohlete und zu dem fremden sagte: Ach mein Herr/ ich bitte hoͤchlich/ mir zusagen/ ob dieser Ritter annoch im Leben und guter Gesundheit sey/ von dem dieses Gemaͤhlde genommen ist? Ich weiß nicht anders/ mein Herr/ antwortete er; aber irre ich nicht/ so seyd ihr beyde leibliche Bruͤder/ massen ihr fast einerley Gesichtes und Schoͤnheit seyd. Ach ja mein Herr/ sagte er/ er ist mir tausendmahl lieber/ als ein Bruder/ wiewol er nicht mein Bruder/ sondern meiner Mutter Bruder Sohn ist. Wol mein Herr/ sagte der fremde/ ihm wider seinen Willen die zarte Hand kuͤssend/ so bin euer Liebe ich mit Gut und Blut zu dienen be- reit und willig/ deswegen wollen sie sich meiner Dienste frey gebrauchen/ welches mir die hoͤchste Vergnuͤgung geben wird. Herkuliskus bedankete sich sehr des unverdien- ten Erbietens/ und verlangete den Groß Fuͤrsten hefftig/ zuerfahren/ aus was Ursachen sein Oheimb sich gegen diesen Juͤngling dermassen dienstbar erzeigete; Derselbe aber sagete zu ihm: Durchl. Groß Fuͤrst; dieses jungen Herrn Mutter-Brudern Sohn/ ein Herr von ohngefehr XXI Jahren/ gleicher Schoͤnheit und Antlitzes mit diesem/ wie mein Bildniß zum Teil aus weiset/ ist der trefflichste Held in ritterlichen übungen und Tapfferkeit/ so je- mahls gelebet; ganz Italien und die Stad Rom reden von ihm/ und habe ich seine und sei- nes Gesellen herliche Ehren Saͤulen zu Rom und Padua gesehen/ halte mich auch inson- derheit Drittes Buch. derheit gluͤkselig/ daß ich seine Freundschafft erhalten/ und diesen Ring von ihm zum Pfan- de unbruͤchiger Traͤue empfangen. Der Groß Fuͤrst sagte: Was Standes aber ist er? Da- von weiß niemand in Italien etwas gewisses zusagen/ antwortete er/ wiewol ausser zweifel ist/ daß er uhralter Koͤniglicher Wirden seyn muß/ massen sein Geselle/ ein gebohrner und herschender Koͤnig in Boͤhmen ist/ und derselbe doch jenen hoͤchlich ehret. Niemand hoͤre- te diese Reden lieber als Arbianes/ daher er zu ihm sagete: Warumb wil dann mein wer- ter Freund und Bruder seinen Hoch Fuͤrstlichen Stand verleugnen/ dessen er doch mehr als kein ander wirdig ist? Er antwortete: Ach der Himmel ist mein Zeuge/ wie gerne ich unerkennet in dieser fremde seyn wolte; jedoch ist dieser mein Oheim gleichwol hoͤheres Standes als ich/ in Betrachtung/ daß meine Fr. Mutter so hoch nicht geheyrahtet/ als ihr Herkommen ist. Die Groß Fuͤrstin kam auch herzu/ ihren geliebten und einigen Bruder zuempfahen; Derselbe nun wahr aus Fuͤrstl. Persischen Gebluͤt entsprossen/ und eben deꝛ- selbe Pharnabazus und unbekante Ritter/ der zu Padua im Turnier mit Ritter Leches um̃ den hoͤchsten Preiß stach/ wovon fast am Ende des Ersten Buches meldung geschehen. Schwester und Bruder empfingen sich uͤberaus freundlich/ weil eine sonderliche Liebe zwi- schen ihnen wahr/ und als er Frl. Barsenen gewahr ward/ nahete er sich zu ihr/ wie er dañ eine gute Neigung zu ihr trug; welche aber Herkuliskus zu seiner Zeit umb ein grosses be- foderte/ wie an seinem Orte folgen wird. Weil dann vor dißmahl der Abend einbrach/ und es Zeit wahr/ das Maal einzunehmen/ gingen sie mit einander nach dem Saal; da Phar- nabazus unsern Herkuliskus geleitete/ welches er fast mit Ungeduld zugeben muste/ und sich solcher Ehre nicht entbrechen kunte. Niemand aber von der ganzen Geselschafft wahr mit empfidlicheren Bewaͤgungen beladen/ als Frl. Barsene/ gestaltsam sie ihren lieben Herku- liskus ohn unterlaß ansahe/ wodurch das zarte Herz immer weiter eingenommen ward. Nach auffgehobenen Speisen hielt Pharnabazus bey Herkuliskus an/ er moͤchte der an- wesenden Geselschafft zugefallen/ seines Oheims des unvergleichlichen Herkules Leben zu erzaͤhlen unbeschweret seyn/ als welches ihm ohn zweifel nicht unbewust waͤhre. Er weger- te sich dessen zwar nicht/ entschuldigte sich aber/ dz es von ihm in Morgenlaͤndischer Spra- che nicht geschehen koͤnte/ und fing in Griechischer also an: Hochgebohrner Herr Phar- nabazus/ Eure Liebe erwecken in mir die Gedåchtnis etlicher Wunder-sachen/ welche/ da sie bey den Roͤmern oder Griechen vorgangen waͤhren/ durch Schrifft und Buͤcher sie in alle Welt ausgebreitet werden muͤsten; nach dem sie aber in Teutschland/ einem verachtetẽ Winkel der Nordwestischen Laͤnder sich begeben haben/ kommen sie nicht weiter/ als wo man sie muͤndlich erzaͤhlet. Nun haͤtte ich zwar ohn eitelen Ruhm zumelden/ ein weitoffe- nes Feld/ umstaͤndlicher Erzaͤhlung vor mir/ weil ich aber fuͤrchte/ meinen gnaͤdigsten Her- ren und Frauen/ auch andern anwesenden wirdigen Freunden/ durch herbeyfuͤhrung al- ler uͤmstånde nur verdrießlich zuseyn/ wil ich meines herzgeliebten Oheims und mehr als Bruͤderlichen Freundes Zustand und Leben nur Inhaltsweise andeuten. Nicht also/ mein geliebter Sohn/ sagte der Groß Fuͤrst/ sondern lasset uns dieses teuren Helden Leben und Tahten voͤllig kund werden/ so viel euch dessen bewust und zu Gedaͤchtniß komt/ dann durch Hindansetzung eines liederlichen Umstandes/ wird offt einer Geschichte der beste Schmak benommen; solte sichs dañ gleich in die spaͤte Nacht zihen/ wird dem Frauenzimmer erlaͤu- C c c c ij bet Drittes Buch. bet seyn/ die Ruhe nach belieben zunehmen; Ich neben meinem Oheim und Sohne werdẽ euch die Ohren hierzu willig leihen/ als die wir in dergleichen Geschichten/ in welchen die Goͤtter bey den Menschen etwas sonderliches wirken/ mit begieriger Lust uns pflegen um- zusehen/ worzu ich meinen Sohn Arbianes von Jugend auff angehalten/ daß er die Grie- chischen und Roͤmischen Kriegsbeschreibungen/ nebest dem/ was von unserer Vorfahren Handelungen auffgezeichnet ist/ fleissig lefen/ und mir taͤglich vor Abends erzaͤhlen muß/ was er daraus behalten; alsdann zeige ich ihm den rechten Kern und Safft der Begeb- nissen/ nehmlich die lehrreichen weltklugen Anmerkungen/ welche ihm dereins so wol in Friedes-als Kriegszeiten nuͤzlich und heilsam seyn koͤñen. Herkuliskus antwortete: Weil dann E. G F. D. mir solches gnaͤdigst anbefihlet/ wie unduͤchtig ich mich gleich darzu be- finde/ muß ich doch willigst gehorsamen. Fing darauff seine Erzaͤhlung folgender massen an: In meinem geliebten Vateꝛlande ergiessen sich drey zimlich weit von einander fliessen- de Schiffreiche Wasser/ die Weser/ die Elbe/ und der Rein/ welche/ nach dem sie manniche schoͤne Aue/ teils befeuchtet/ teils vorbey gestrichen/ sich endlich in das Teutsche Meer stuͤr- zen. Zwischen diesen wird der gewaltigste Teil Teutschlandes/ als Sachsen und Franken begriffen/ eine sehr weite/ und von den Einwohnern erfuͤllete Landschafft/ welche dem Gese- tze der eingepflanzeten Billigkeit sich gemaͤß zubezeigen in vielen stuͤcken sehr geflissen sind/ sonderlich die Freyheit betreffend/ welche uͤber allen Reichtuhm und Herrligkeit geschaͤtzet wird/ deswegen noch zur Zeit keine Macht oder Gewalt sie darzu treiben moͤgen/ daß sie fremder Herrschafft sich untergeben/ und einige Dienstbarkeit uͤber sich nehmen solten/ ohn die sie ihrer/ teils angebohrnen/ teils selbst erwaͤhleten Obrigkeit schuldig sind. Niemahls haben die Roͤmer/ welche sich der Welt Herren nennen/ einige Feinde mehr gefuͤrchtet/ als die Teutschen/ auch da unter Augustus ihre Macht am groͤssesten wahr/ und wie mannichẽ Krieg sie gleich mit ihnen gefuͤhret/ sind die Teutschen dannoch Teutsche/ das ist/ freye unbe- zwungene Leute blieben. Es ist vor sich ein auffrichtiges Volk/ Genuͤgenheit ist bey ihnen durchgehend; Das boͤse/ in andern Laͤndern offt kleinen Kindern bewust/ ist bey ihnen den alten unerhoͤret/ daher achtet ein Teutsches Herz weder Fleisches Wollust/ noch Geldes Schaͤtze/ ohn die man den Feinden entwendet. Suͤnde finden bey ihnen selten Veꝛzeihung. Dreyer Groschen Dieberey wird mit dem Strange gestraffet. Ehebruch gehet wunder- selten vor/ erlanget auch weder Barmherzigkeit noch Gnade. Das uͤbel der Eifersucht ist ihnen unbekant/ dann ein jeder laͤsset sich an einem Weibe genuͤgen/ und jemehr dieselbe ih- rem Manne Kinder gebieret/ je mehr wird sie von ihm geliebet und von anderen geehret; und wann sie dem leidigen Biergesoͤffe (wiewol auch nicht alle/ noch allenthalben) nicht so sehr zugetahn waͤhren/ stuͤnden sie nicht zuverbessern. Insgemein sind sie mit dem zufriedẽ/ was ihr Land traͤget/ die aber ein mehres begehren/ suchen es mit Waffen bey ihren Fein- den/ deren sie von allen Seiten haben/ aber daher nicht umb ein Haar verzagter sind/ mey- nen/ ihre Faͤuste seyn maͤchtig gnug/ sie zuschuͤtzen/ wann nur die Goͤtter nit lassen den Him- mel uͤber sie einfallen; welche Antwort sie dem grossen Alexander gaben. Sonsten ist dem L an de unmoͤglich/ alle in ihm erzeugete Menschen zubegreiffen/ daher mannich tausend Mutter Kind andern Sitz und Herberge suchen muß; ungeachtet ihre Aecker/ da sie recht gebauet werden/ voll Korn stehen/ und ihre Waͤlder mit Wild angefuͤllet sind. Ochsen und Kuͤhe/ Drittes Buch. Kuͤhe/ Pferde und Esel/ Schaffe und Schweine gibt es uͤberfluͤssig/ wie imgleichen eine uͤ- ber aus grosse menge allerley koͤstliches Fischwerks. Schaͤdliche Tihre/ ausser dem Fuchs und Wolfe/ lassen sich nicht finden/ und werden die Schlangen an mannichem Orte zum Wunder gezeiget. Ihre Berge moͤchten wol Gold und Silber zeugen/ wann es gefucht wuͤrde/ und mangelt ihnen an keinem Dinge/ was zur Leibes Notturfft erfodert wird. Ihr Gottesdienst bleibet unverendert/ welchen sie nicht in engen Gebaͤuen/ sondern unter dem freyen offenen Himmel in schoͤnen gruͤnen Waͤldern anstellen und verrichten. Ehmahls haben sie ihre Koͤnige gehabt/ deren groͤste Macht und Reichtuhm in Menge der Kriegs- leute und Pferde bestund. Heut zu tage gehorsamen sie ihrem Groß Fuͤrsten/ der keinen o- bern/ als Gott und das Schwert erkennet/ ist von dem aller aͤltesten Koͤniglichen Teutschen Blut entsprossen/ nahmens Henrich/ dessen Ruhm mit vielen Worten auszustreichen/ hie- her nicht gehoͤret/ dann er herschet/ daß jederman ihn preisen und ehren muß; Den Unter- tahnen ist er lieb/ den Nachbarn angenehm/ den Feinden erschreklich. Er heyrahtete im dreissigsten Jahre seines Alters ein trefliches Fraͤulein/ des Großmaͤchtigsten Fuͤrsten und Herrn/ Herrn Ragwalds/ der Gothen und Schweden Koͤniges Tochter/ Frl. Gertrud/ mit welcher er diesen seinen ersten Sohn/ und kuͤnfftigen rechtmaͤssigen Nachfolger in der Herrschafft/ die Blume aller Froͤmmigkeit und Ritterschafft (niemand sein Lob benom̃en) meinem herzgeliebten Oheim und Bruder Fürst Herkules/ vor XXI Jahren zeugete/ wor- uͤber im ganzen Reiche unsaͤgliche Freude und frolocken entstund/ weil man sich einer erb- losen Ehe befahrete/ und die Groß Fuͤrstin drey Jahr unbefruchtet blieb. Wenig Stunden nach seiner Geburt/ ward ein alter Pfaffe herzu gefodert/ dieses neugebohrne Herrlein zu weihen und segnen/ welcher vor gab (ich erzaͤhle es/ wie ichs von meiner Fr. Mutter offt ge- hoͤret)/ er haͤtte aus allen Zeichen der Opffer/ auch Vogel- und Pferde-Geschrey angemer- ket/ das junge Herrlein wuͤrde an Verstand/ Froͤmmigkeit/ und Erfahrenheit in Waffen dermassen vortreflich seyn/ daß durch ihn aller seiner Vorfahren Lob wüꝛde verdunkelt weꝛ- den; fremden Landschafften wuͤrde er anfangs mehr Dienste/ als seinem Vaterlande lei- sten. Die alten Teutschen Goͤtter wuͤrde er durch Annehmung eines neuen Gottes zuruͤk setzen und verachten; Liebe halben solte er viel Widerwertigkeit ausstehẽ/ aber durch stand- hafftigkeit alles uͤberwinden; grosse Schaͤtze und Reichtuhm durch streitbahre Faust er- werben; eine Ursache seyn/ daß der groͤssesten Welt Herren einer fallen und untergehen muͤste; Uber seine Anverwanten wuͤrde er grosse Glükseligkeit bringen/ und seine Eltern unvermuhtlich aus Raͤuber Haͤnden und Todesgefahr erloͤsen; und was des Geplauders mehr seyn muchte/ worauff die Eltern/ als uͤber der Geburt ihres lieben Soͤhnleins hoch erfreuet/ wenig acht gaben/ wiewol sie nachgehends dessen schon viel in der Taht erfahren haben. Seine Fr. Mutter hatte schwere Geburtswehe/ daß man ihrem Leben wenig traue- te/ ward deswegen dem jungen Herrlein alsbald eine adeliche Frau zugeordnet/ die es mit ihren Bruͤsten speisen solte/ aber vergebens/ massen es sich durchaus nicht wolte anlegen lassen/ wie fast mans auch noͤhtigte/ daher man es mit Gemüse unterhielt/ biß uͤber zehn Ta- ge seine Frau Mutter zimlich genaß/ deren Brust es mit sonderlicher Begierde ergriff/ uñ einzig von ihr sich saͤugen ließ. Als das Herrlein eines halben Jahrs alt wahr/ und die El- tern zur Lust ins grüne fuhren/ ließ die einschlum̃ernde Mutter das Kind von ihrer Schos C c c c iij fallen/ Drittes Buch. fallen/ daß es zwischen den Raͤdern hinunter purzelte/ haͤtte auch ohn allen zweifel seinen Geist auffgeben muͤssen/ wann nit zu allem gluͤcke ein grosser Stein im Wege gelegen/ vor welchen das Herrlein zu liegen kam/ dz des Rades Stoß auff demselben gebrochen ward/ und ohn alle Verletzung uͤberhin ging/ welches dann wol ein Zeichen seiner kuͤnfftigen ge- fahr seyn mochte. Nachgehends gaben sie etwas fleissiger acht auff ihn/ kunten aber doch den unvermeidlichen faͤllen nicht vorbauen/ dann wie nach dreyen Jahren der Groß Fuͤrst neben seinem Gemahl und diesem ihren aͤltesten Herrlein (dann der Himmel hatte ihnen schon den andern bescheret) auff der Groß Fuͤrstin Fr. Mutter Begraͤbniß in Schweden reiseten/ wurden sie an der Ost See des Nachtes in einem Dorffe von einer Schaar Daͤ- nischer See Raͤuber über fallen/ da der Groß Fuͤrst mit seinem Gemahl sich in einer alten Scheuren verbarg/ das Herrlein aber mit samt der Warts Frauen/ bey welcher es schlief/ hinweg gefuͤhret ward; jedoch/ weil des Groß Fuͤrsten Voͤlker bald ins Gewehr kahmen/ und den Raͤubern nach setzeten/ ward das Herrlein wieder erloͤset/ und seinen Eltern zuge- stellet. Nach gehaltener Leich begångniß machte der Groß Fuͤrst sich wieder in sein Land/ uñ wendete grossen fleiß auff seines Soͤhnleins Erzihung/ welcher/ da er schier von sechs Jah- ren wahr (eben dazumahl bin ich gebohren) von seinem H. Vater eine ritterliche Ruͤstung foderte/ in welcher er zuzeiten ausreiten/ und als eines Landes Fuͤrsten Sohn sich zeigen koͤnte; und als ihn sein Herr Vater mit schimpflichen Worten abwies/ er waͤhre zu klein/ Harnisch zufuͤhren/ uñ stuͤnde ihm eine Tuͤte vol Zucker ungleich besser an/ verredete er/ kein Zucker mehr zuessen/ triebs auch bey dem H. Vater so lange/ dz er ihm ein kleines Schwert und leichten Bogen geben ließ/ womit er den ganzen Tag uͤber sein Kinder-Spiel hat- te und inwendig drey Monden sich dergestalt ůbete/ daß manniger Vogel von ihm erschos- sen ward. Seines H. Vaters Jaͤger kahmen (da er sieben Jahr alt wahr) eins mahls von der Jagt/ brachten etliche grosse Woͤlffe auffs Schloß/ und erzaͤhleten/ mit was grosser Muͤhe sie dieselben gefellet haͤtten/ dessen Herkules nur lachete/ und sie fragete; was ihm wol fehlen solte/ ein solches Tihr zuerlegen/ wann er sein Schwert und Bogen bey sich haͤt- te; Und als seine Fr. Mutter gegenwaͤrtig ihm ein redete/ er solte bey Leib und Leben schwei- gen/ und die Goͤtter bitten/ daß ihm ja ein solches grimmiges Tihr nicht auffstiesse/ sonst muͤste er von demselben alsbald verschlungen werden/ antwortete er: Gnaͤdigste Fr. Mut- ter/ solten die Goͤtter wol zugeben/ daß ein so unwertes Tihr sich mit eines jungen Fuͤrsten Fleisch speisete? hat man auch gehoͤret/ daß ein Fuͤrst jemahls von einem Wolffe verschlukt oder hinweg getragen sey? forschete darauff bey den Jaͤgern gar eigentlich nach/ an was Ende die Woͤlffe gefangen waͤhren; und da sie ihm aus Scherz den naͤhesten Dornpusch beim Schlosse mit Worten bezeichneten/ hieß er des folgenden Morgens seinen Auffwar- ter/ (der fuͤnff Jahr aͤlter als er wahr) mit gehen/ und ihm seinen kleinen Spieß nachtra- gen/ lieff geschwinde nach dem beschriebenen Pusche/ und wie er gar leise hinzu trat/ sahe er einen scheußlichen grossen Wolff/ mit auffgesperretem Maule schlaffen liegen/ nam sei- nen kleinen Degen/ und sties ihm den selben in den Rachen biß ans Gefaͤß/ sprang darauff wieder zuruͤk/ und hohlete den Spies/ damit ging er wieder auff den Wolff/ welcher schon mit allen vieren von sich schlug/ und mit dem tode rang; dessen er aber nichts achtete/ son- dern ihm das Schwert/ welches er nicht verlassen wolte/ wieder aus dem Maule zog/ und ihm Drittes Buch. ihm den Spies auffs neue in den Rachen stieß/ ihn auch so lange quaͤlete/ biß er dahin starb/ ungeachtet ihm das Blut hin und wieder auff die Kleider spruͤtzete/ hernach dem Knaben befahl etliche Jaͤger zu hohlen/ die den Wolff nach dem Schlosse schleppeten. Dieser be- richtete in der Groß Fuͤrstin Gegenwart/ was sich zugetragen haͤtte/ welches ihm niemand glaͤuben wolte/ biß auff vielfaͤltiges beteuren sie mit etlichen Dienern hinunter ging/ und ihr liebes Soͤhnlein mit blutigem Spiesse und Kleidern gegen ihr daher lauffen sahe/ der sie also anredete: Herzen Fr. Mutter/ sprechet forthin mehr/ der Wolff werde mich ver- schlingen/ ich habe ihn gleich wol so geputzet/ daß er sich an mir ferner nicht reiben sol. Die Groß Fuͤrstin gedachte/ er wuͤrde etwa einen Hund erstochen haben; als sie aber das grau- same Tihr in seinem rauchenden Blute liegen sahe/ erschrak sie uͤber alle masse/ und schalt hefftig mit ihm/ dz sie ihn auch zu ficken draͤuete/ welches aber das Herꝛlein mit einem son- derlichen Eifer und ernstlichem Angesichte beantwortete: Je Herzen Fr. Mutter/ sagte er/ solte ich mich dann von diesem Ungeheur fressen lassen? So wahꝛ ich ein Teutscher Fuͤrst gebohren bin/ werde ich mein Leben so liederlich nicht dahin geben/ und weis gewiß/ mein H. Vater wird mir ein groͤsseres Schwert geben/ daß ich hernaͤhst der schaͤndlichen Schaff Raͤuber mehr aus dem Wege schaffe; stellete sich auch unter dem Reden so freu- dig/ mit zierlichen springen/ Tanzen/ und zusammen schlagung der Haͤnde/ daß seiner Fr. Mutter die Freudentraͤhnen hervor drungen/ insonderheit/ da er auff dem Schlosse die herzutretende Jaͤger mit hoͤhnischen Worten angriff; was sie vor schlimme furchtsame Kerle waͤhren/ und einen Wolff zutoͤdten/ vor ein grosses Werk außgeben duͤrfften. Der Groß Fuͤrst wahr des vorigen tages außgeritten/ und da er des folgen den wiederkam/ und die Taht erfuhr/ auch das Tihr besahe/ kunte er vor verwunderung fast kein Wort reden/ biß er endlich zu seinem Gemahl sagete; Ich habe diesen unsern Sohn allemahl vor eine sonderliche Gabe der Goͤtter gehalten/ darumb haben sie mir ihn nun zum drittenmahl beschuͤtzet; werden wir aber sein nicht besser acht haben/ duͤrffte der Himmel ihn bald wie- der abfodern. Zwar die Goͤtter haben uns noch einen maͤnnlichen Erben/ unsern Bald- rich (der dazumahl im fuͤnfften Jahr wahr/ und sich nunmehr zu allen fuͤrstlichen Tugen- den schicket) gegeben/ aber muͤssen wir darumb diesen in solcher Gefaͤhrligkeit/ als einen Baurjungen allein umbher lauffen lassen? Hernach fuhr er dz junge Herrlein scharff an; hoͤre du Leckerchen/ sagte er/ wer hat dir befohlen die Puͤsche durch zukrichen/ und ohn Uhr- laub vom Schlosse zu lauffen? wirstu das mehr tuhn/ sol dir mit frischen Ruhten geloh- net werden. Herkules stellete sich etwas beleidiget seyn/ und antwortete: Mein Herr Va- ter/ zuͤrnet doch nicht so hart mit mir/ weil ich ja nichts boͤses begangen habe; meine Fr. Mutter wolte mich schrecken/ da mich ein Wolff antraͤffe/ wuͤrde er mich verschlingen; ja wie schoͤn hat er mich verschlungen? Ich wahr ihm mit meinem prafen Degen viel zu be- hende. Wie ungehalten nun der Groß Fuͤrst wahr/ muste er doch des Knaben von Herzen lachen/ und sagte zu ihm; wie aber/ wann er dich verschlungen haͤtte/ wuͤrde man dir das Leben haben wieder geben koͤnnen? Verschlungen? antwortete das Herrlein/ und wann ihrer gleich zween gewesen/ solten sie mich nicht verschlungen haben; ich hatte ja den Vor- tel im Pusche/ daß sie nach Willen nicht haͤtten koͤnnen an mich kommen/ und wie leicht haͤtte ich ihrer etliche/ einen nach dem andern uͤbern hauffen stossen koͤnnen; darumb bitte ich Drittes Buch. ich euch/ Herzlieber Herr Vater/ nehmet mich forthin allemahl mit auff die Wolffesjagt/ weil ich ihnẽ schon gnug gewachsen bin. Du magst mir ja gewachsen seyn/ sagte der Groß- Fuͤrst mit einem Gelaͤchter/ aber gedulde dich nur ein wenig/ ich wil dich schon auff eine Wolffesjagt (Buͤcherjagt meine ich) fuͤhren/ da du die Buchstaben jagen/ uñ mit dem Ge- daͤchnis fangen solt. Nun hatte vor weniger Zeit der Groß Fuͤrst etliche Råuber einsetzen lassen/ welche erstes tages solten abgetahn werden; unter denen fand sich ein Roͤmer/ der in Griechischer und Lateinischer Sprache wol erfahren wahr/ nahmens Katullus/ densel- ben ließ der Groß Fuͤrst vor sich allein fodern/ und sagte in des jungen Herrichens Gegen- wart zu ihm; du wirst dich erinnern/ daß du umb Untaht willen dein Leben zehnfach ver- wirket hast/ welches dir nicht als durch meine Gnade kan geschenket werden; wañ ich nun wissen solte/ daß du forthin die Boßheit angeben/ dich der Erbarkeit befleissigen/ und die- sen meinen jungen Sohn in Lateinischer und Griechscher Sprache fleissig unterweisen woltest/ moͤchte dir vielleicht mehr gutes begegnen/ als du dir jemahls haͤttest einbilden koͤnnen; so gib mir nun hierauff richtige Erklaͤrung/ wessen du dich zuverhalten gesonnen seist/ und gedenke ja nicht/ mich mit betrieglichen Worten zuhintergehen/ dañ soltestu wie- der auff dein altes fallen/ wuͤrde ich schon Mittel wissen/ dich in meine Gewalt zubringen/ und alsdann das neue mit dem alten zubezahlen. Dieser fiel vor dem Groß Fuͤrsten in die Knie/ baht um Lebensfristung/ und erboht sich/ hinfuͤro ein frommes Leben zu fuͤhren/ auch allen moͤglichen Fleiß in Unterweisung des jungen Herrlein anzuwenden; Worauff er demselben alsbald vor einen Lehr- und Hoffmeister zugeordnet/ die uͤbrigen sechs Raͤuber aber hin zur Richtstat gefuͤhret wurden/ deren einem/ weil er sich vor Katullus Anverwan- ten angab/ und derselbe einen Fußfal vor ihm taht/ das Leben geschenket ward/ jedoch/ daß er stuͤndlich Teutschland raͤumen solte/ welches er nit allein angelobete/ sondern nach dem er mit wenigem von Katullus Abscheid genommen/ sich hinweg machte. Herkules aber hatte gar kein Herz zu diesem Lehrmeister/ und beklagete sich unterschiedliche mahl gegen seine Fr. Mutter/ daß er einem Raͤuber muͤste untertahn seyn/ und von demselben sich un- terweisen lassen; und wer weiß/ sagte er/ ob er mich dereins nicht gar er morden duͤrffte; welches aber als eines Kindes Rede verachtet ward/ wiewol die Reue bald darauff folge- te/ gestaltsam er kaum vier Wochen diesem seinem Amte vorgestanden wahr/ da ein armer Mann/ die leidige Zeitung auff das Schloß brachte: Er haͤtte zween einzelne Maͤnner ins Gehoͤlze reiten sehen/ deren einer einen schoͤnen jungen Knaben vor sich auff dem Pfer- de gefuͤhret/ dem der Mund mit einem Tuche zugestopffet/ auch die Augen verbunden ge- wesen; und da ihm recht waͤhre/ haͤtte er vor diesem den Knaben mit einem kleinen Degen und Handbogen auff dem Schlosse gehen sehen. Dem Groß Fuͤrsten ward dieses alsbald kund getahn/ und Katullus mit dem jungen Herrlein gesuchet/ aber umb sonst/ massen die Schildwachte berichtete/ sie waͤhrẽ mit einander ihrer Gewohnheit nach aus dem Schlos- se gangen/ und haͤtte jeder ein Buch in der Hand getragen. Bald wurden die Pferde ge- sattelt/ und musten 100 Reuter mit dem Zeitungsbringer auffs eiligste fort reiten/ mit dem veꝛsprechen/ da sie das Herrlein samt den Raͤubern lebendig einbringen wuͤrden/ solte jedem drey Monat Sold geschenket werden. Diese macheten sich geschwinde auff den Weg/ und geriet ihnen so wol/ daß sie gegen den spaͤten Abend alle drey unter einer hohen Eichen Drittes Buch. Eichen sitzend antraffen/ da sie ein wenig Brod zur Speise/ und einen trunk Wasser aus einer voruͤberflissenden Quelle hatten. So bald Katullus der Reuter inne ward/ fassete er sein Brodmesser/ uñ wolte damit vor erst das junge Herrlein/ hernach sich selbst entleiben/ geriet ihm aber durch der Goͤtter abwendung keines; dann Herkules dieses sehend/ wie er sehr gerader Gliedmassen wahr und noch ist/ da er lebet/ sprang geschwinde auff/ uñ weich ihm aus dem Stich/ wiewol er nicht allerdinge unbeschaͤdigt blieb/ sondern ihm das Mes- ser in das linke Ober bein fuhr/ und weil es vielleicht schon einen Bruch haben muchte/ da- rinnen gar abbrach/ daß uͤber die helffte drinnen stecken blieb/ und also der Moͤrder kein Mittel hatte/ ihm selber Hand anzulegen. Herkules rieff/ ungeachtet aller Schmerzen/ hef- tig umb Rettung/ welche ihm bald wiederfuhr/ dann die Reuter drungen stark auff sie zu/ sahen dz junge Herrlein bluten/ und zogen ihm die zubrochene Messerklinge aus der Wun- de/ da inzwischen die anderen sich an die beyden Raͤuber machten/ ihnen Haͤnde und Fuͤsse bunden/ und mit sich auff den Pferden forischleppeten/ ritten auch die ganze Nacht/ nach- dem sie das Herrlein ein wenig mit frischen Kraͤutern verbunden hatten/ biß sie folgenden Morgens sehr fruͤh bey dem Groß Fuͤrstlichen Schlosse anlangeten. Der Groß Fuͤrst samt seinem Gemahl hatten diese Nacht die Kleider nicht abgeleget/ da die Mutter mit stetem Weinen und Klagen wegen ihres verlohrnen allerliebsten Soͤhnleins anhielt/ biß ihnen die froͤliche Zeitung kam/ daß das Herrlein gerettet/ doch in etwas von dem Raͤuber verwundet waͤhre/ welcher dann alsbald zu seinen lieben Eltern hinauff getragen ward/ durch muͤdigkeit und verblutung sehr abgemattet; erhohlete sich doch ein wenig/ da er sich in seiner Fr. Mutter Armen befand/ und sagte mit schwacher Stimme; die Goͤtter haben mir das Leben erhalten/ sonst wuͤrde ich schon erstochen seyn/ muß mich deßwegen nach die- sem mehr vor Raͤubern als vor den Woͤlffen vor sehen/ und hat mir von Anfang her/ wie ihr wisset vor diesem schlimmen Lehrmeister gegrauet. Die Mutter troͤstete ihn/ er solte zu frieden seyn/ sie wolte nicht goͤnnen daß ein solcher Raͤuber ihm nach diesem vor einen Lehꝛ- meister zugegeben wuͤrde; vor dißmahl solte er dem Wund Arzt fein stille halten/ ob die Verbindung ihn gleich ein wenig schmerzen wuͤrde. Verbindet ihr mich nur recht/ sagte er zu dem Arzt/ ich wil euch gerne stille halten/ nur daß mir der Schenkel nicht krum oder lahm werde/ dann ich wil lieber sterben/ als unduͤchtig werden/ dereins Waffen zu fuͤhren. So bald er verbunden wahr/ und der Arzt ihn versicherte/ daß es nur eine Fleischwunde/ und keine Gefahr zubefuͤrchten waͤhre/ lachete er vor freuden/ und sagte zu dem Arzt/ mich deucht ihr seid gar zu gelinde mit mir umbgangen/ dann mein H. Vater pfleget zu sagen; Weiche Aerzte machen faule Wunden. Nein Gn. Herrlein/ antwortete er; Eure Gn. ha- be ich ja so scharff angegriffen/ als wann ein starker Baur die Wunde gehabt haͤtte/ wie er dann beteurete/ daß er mit dem Wundeisen die tieffe recht erforschet/ und er sich uͤber des Herꝛlein Geduld verwundert haͤtte/ welche bey vielen erwachsenen nicht waͤhre; welches das Herrlein hoͤrend/ zur Antwort gab/ ey so tuht die verwund- und Verbindung gleich- wol so wehe noch nicht/ als ich mir eingebildet hatte; foderte einen Trunk/ und legte sich zuꝛ Ruhe. Inzwischen ward Katullus und sein Mitraͤuber/ der sein leiblicher Brudeꝛ wahr/ auff der Folter/ jeder absonderlich befraget/ aus was Ursachen sie das unschuldige from- me Kind/ welches ihrer keinen jemahls mit einigem Worte oder Augenwink beleidiget/ hin- D d d d weg Drittes Buch. weg gefuͤhret haͤtten; wohin sie es fuͤhren wollen/ und warumb es so schaͤndlich verwundet worden. Worauff sie endlich durch erschrekliche schwere Pein uͤbernommen/ einhellig be- kennet: Sie waͤhren Gebruͤder aus Mantua/ haͤtten nach ihrer Mutteꝛ Tode ihren Stief- Vater erschlagen/ umb dessen grosse Guͤter zugeniessen/ die er ihnen ohn das schon erblich vermacht gehabt/ und sie seinen Tod nicht abwarten wollen; weil aber der Hausknecht den Mord ohngefehr gesehen/ haͤtten sie sich muͤssen aus dem Staube machen/ waͤren nach vie- len umlauffen/ dieser oͤrter in Teutschland angelanget/ und in eine starke Raͤuber-geselschaft von allerhand Landsleuten gerahten/ welche sich stehlens und Strassenraubes nehreten/ be- zeichneten auch den Ort/ da sie sich auffhielten/ und bekenneten ferner/ Katullus haͤtte bey dem damahligen Gefangenen/ dem das Leben gesehenket worden/ der Raͤuber-geselschafft zuentbohten/ umb welche Zeit sie ihm ein Pferd senden solten/ auff welchem er ihnen seinen Schuͤler zufuͤhren wolte/ den hernach seine Eltern mit grossem Gelde loͤsen wuͤrden; als er nun der folgenden Reuter gewahr worden/ haͤtte er beydes das Herrlein und sich selbst ermorden wollen/ waͤhre aber durch des Messers Zerbrechung daran verhindert worden. So bald Herkules vom Schlaffe erwachet wahr/ erzaͤhlete er seinen Eltern/ wie Katullus etliche Tage her ihn mit sich hinaus vor dz Schloß hinter eine Hecke gefuͤhret/ vorgebend/ im gruͤnen lernete sichs am besten; als er nu gestern ein grausen in seinem Herzen empfun- den/ und anfangs mit ihm nicht hinaus gehen wollen/ einwendend/ ihm waͤhre etwas uͤbel/ haͤtte er ihm vorgetragen/ er haͤtte des vorigen Tages ein Nest voll junger Hasen in der be- kanten Hecke gefunden/ welche sie ausnehmen/ und auff ihrer Lerne-Stuben groß zihen wolten; wodurch er sich auffsprechen lassen/ und waͤhre mit ihm hinter die Hecke gangen/ woselbst ihn der Raͤuber mit der dicken Faust vor die Stirn geschlagen (dessen er noch em- pfuͤnde)/ daß er nidergestuͤrzet waͤhre/ haͤtte ihm alsbald ein zusammen gewickeltes Tuch in den Mund gestopffet/ und eins umb die Augen gebunden/ mit hoher Bedraͤuung/ wo er ei- nigen Laut von sich geben wuͤrde/ wolte er ihm die Gurgel abschneiden; haͤtte ihn ein wenig fortgeschleppet/ nachgehends sich zu Pferde gesetzet/ und mit ihm auffs hefftigste davon ge- eilet/ worauff es aber angesehen/ oder wohin sie ihn fuͤhren wollen/ haͤtte er nicht gewust/ biß gegen den Abend sie sich mit ihm unter den grossen Baum gesetzet/ und ihn heissen gutes muhts seyn/ es solte ihm nichts boͤses wider fahren/ nur muͤste der Groß Fuͤrst ihnen viel tausend Kronen vor seine Erloͤsung geben. Alsbald schickete der Groß Fuͤrst eine Reuter- Schaar 300 stark an den Ort/ woselbst das Raͤuber-gesindle sich auffhielt/ zwo grosse Ta- gereisen vom Schlosse gelegen/ traffen dieselben in guter Sicherheit an/ und namen sie al- lesamt/ an der Zahl LXXV gefangen/ da sie gute Beute bey ihnen funden/ und fuͤhreten sie mit sich/ welche alle mit einander umb das Koͤnigliche Schloß her an Baͤume auffgehen- ket wurden; So bald das Herrlein wieder gehen kunte/ wurden die beyden Raͤuber hinge- richtet/ Katullus mit gluͤenden Zangen viermahl gezwakt/ und hernach vier grossen hunge- rigen Woͤlfen vorgeworffen/ die ihn jaͤmmerlich zurissen/ welches alles sein Bruder anse- hen muste/ der mit den Zangen verschonet ward/ aber erstlich hefftig gestrichen/ und nach- gehends eben diesen Woͤlfen zur Speise uͤbergeben; welcher Straffe Herkules zusahe/ uñ sie doch nicht billichte/ vorgebend/ es waͤhre zu grausam/ mit einem Menschen dergestalt zu verfahren; haͤtte es auch gerne verbehten/ wann ers erhalten moͤgen; seine Fr. Mutter a- ber Drittes Buch. ber unterrichtete ihn/ es muͤste solche scharffe Straffe ihnen angelegt werden/ auff daß an- dere dadurch von dergleichen Vornehmen abgeschrecket wuͤrden/ gestaltsam mannicher verwaͤgener Bube/ nicht so viel den Tod selbst/ als die Pein fuͤrchtete. Nach vollstrecketer Urtel wurden den Teutschen Schutz-Goͤttern nicht allein wegen geschehener gnaͤdigen Rettung/ viel Opffer geschlachtet/ sondern auch/ daß sie hinfuͤro sich des jungen Herrleins Heil uñ Wolfahrt wolten angelegen seyn lassen/ welcher schon solche Lust/ Kunst Tugend und Sprachen zu lernen/ in seinem Herzen empfand/ daß er bey seinem H. Vater taͤglich anhielt/ ihm einen getraͤuen Lehrmeister zuzuordnen; welcher aber ohn das schon hieruͤber bemuͤhet wahr/ und in Erfahrung brachte/ dz ein vornehmer Teutscher Herr einen erkauff- ten Roͤmer/ Nahmens Tibullus bey seinen Kindern hielte/ die nunmehr die Buͤcher bey- seit legen/ und dem Kriegswesen nachzihen solten. Diesen verschrieb der Groß Fuͤrst; und als er sich einstellete/ ließ er ihn in beyseyn etlicher vornehmer Herren vor sich treten/ und redete ihn also an: Was vernuͤnfftige Eltern ihren Kindern schuldig sind/ wolte ich den meinen ungerne entzihen/ damit sie nicht dereins Ursach haben moͤgen/ mich in der Grube zuverfluchen. Leib und Leben/ Land und Leute hat dieser mein Sohn (der vor ihm stund) durch der Goͤtter Gnade von mir teils empfangen/ teils zuhoffen; welches alles aber ihn nit gluͤk- selig machen kan/ dafern sein Gemuͤht wilde und ungebauet bleiben solte. Vor weniger Zeit setzete ich ihm einen Lehrmeister vor/ welchem ich das Leben schenkete/ da ich ihn auf of- fentlichem Strassen Raube ertappete/ vermachte ihm daneben eine ehrliche Jahrsbestal- lung/ und ließ ihn bey meinen vornehmsten Hofeleuten/ ja zuzeiten/ wann ich allein wahr/ uͤber meinem Tische Speise nehmen/ ihn durch solche Gnade anzulocken/ daß er bey mei- nem Sohn Traͤu und Fleiß anwenden solte; welches er aber mit solchem schaͤndlichen Undank ersetzet hat/ daß er anfangs mein liebes Kind mir zurauben/ nachgehends gar zu ermorden sich unterwinden duͤrffen/ dessen ich/ andern zum Beyspiel/ ihm abscheuhliche Straffe erteilen muͤssen. Nun habe ich zu dir viel ein ander Vertrauen/ als dessen Froͤm- migkeit/ Wissenschafft und Fleiß mir von deinem vorigen Herrn geruͤhmet ist/ daher ich dir nicht zum Schrecken/ sondern zur blossen Erkaͤntniß jeztgedachte Begebniß vorstellen wollen/ der Hoffnung gelebend/ du werdest nit minder bey mir/ als vorhin bey andern dich redlich und traͤufleissig finden lassen/ so daß du diesen meinen Sohn ohn alle gegebene aͤr- gerniß (welche der Jugend schaͤdlichster Gifft ist) zur Furcht und Liebe der unsterblichen Goͤtter haltest/ der Tugend innerliche Schoͤnheit ihm angenehm und bekant machest/ und in Griechischer und Lateinischer Sprache/ auch andern Wissenschafften ihn unterweisest. Wirstu dieses nach Vermoͤgen leisten/ so sol dir uͤberfluͤssig an Speise uñ Trank/ Kleidung und geziemenden Schmuk gereichet/ ein Reitpferd samt einem Diener gehalten/ und zur jaͤhrlichen Bestallung 400 Kronen aus gefolget werden/ nebst Fuͤrstlicher Versprechung/ daß ich dich uͤber acht Jahr reichlich begabet/ in vollkommene Freyheit setzen/ und in dein Vaterland zihen lassen wil; wuͤrde dir aber gefallen/ bey mir zubleiben/ soltu bey mir haben/ was du wuͤnschen wirst/ und dein Stand ertragen kan. Tibullus durch so hohes versprechẽ fast entzuͤcket/ setzete sich vor dem Groß Fuͤrsten auff die Knie/ und nachdem ihm von dem- selben ernstlich befohlen wahr aufzustehen/ antwortete er also: Großmaͤchtigster Großfuͤrst/ gnaͤdigster Herr; Euer G F. Durchl. ich unwirdigster Knecht/ finde weder Worte noch D d d d ij Vermoͤ- Drittes Buch. Vermoͤgen/ eine so hohe Gnade zubeantworten/ gestaltsam ich meine Leibeigenschafft wol erkenne/ in welcher ich schon uͤber ein Jahr/ wiewol in leidlicher Dienstbarkeit zugebracht habe/ nachdem ich im Streit/ da ich XVII Jahr alt wahr/ gefangen/ uñ nach Kriegsbrauch meiner Freyheit beraubet bin. Daß nun Eure G F. D. mir einige Hoffnung/ selbe dereins wieder zuerlangen/ gnaͤdigst machen wollen/ verbindet mich ungleich mehr zu aller Traͤue und moͤglichem Fleisse/ als wann mir eine ganze Herrschafft wirklich eingeraͤumet wuͤr- de/ massen ich von einem vornehmen Roͤmischen Herrn/ wiewol als ein Bastard Sohn erzeuget/ und auff den fall meiner Freyheit von demselben grosse Befoderung zuhoffen ha- be. Ich bin zwar erst von XIIX Jahren/ aber von erster Jugend an in Kuͤnsten und Spra- chen wol unterwiesen/ da ich kaum aus der Schuele trat/ uñ wie gesagt/ in die Knechtschaft fiel/ verspreche auch bey Verlust aller Goͤtter Gnade/ und daß dieselben mich mein gelieb- tes Vaterland nimmermehr wieder sehen lassen/ dafern ich einiges vermoͤgen spare/ in un- terweisung dieses Durchleuchtigen jungen Herrleins anzuwenden/ dessen Augen und Be- zeigung nebest der vortrefflichsten Gestalt mir schon einen gewuͤnschten Verstand und Lie- be zur Tugend sehen lassen/ daher ich nicht zweifele/ die Goͤtter werden aus ihm schier heut oder morgen einen solchen Fuͤrsten werden lassen/ dessen Ruhm und Tahten den groͤsten Teil der Welt durchschallen sollen. Dafern nun Eure G F. D. gnaͤdigst geruhen wird/ miꝛ etliche begehrte Buͤcher von Koͤln zuverschreiben/ wil mit der Goͤtter Huͤlffe diesen jungen Fuͤrsten ich in wenig Jahren so weit anfuͤhren/ daß die allerschweresten Geschicht Buͤcher der Griechen und Lateiner er ohn muͤhe lesen und verstehen sol. Dieses Versprechen ließ ihm der Groß Fuͤrst wol gefallen/ gab ihm alsbald neue Kleider/ und raͤumete ihm ein lusti- ges Gemach ein/ da dann das junge Herꝛlein so willig zu den Buͤchern wahr/ daß man ihn davon reissen/ und zum essen noͤhtigen muste; dann er liebete diesen seinen Lehrmeister herz- lich/ welcher ein geschikter frommer und Gottfuͤrchtiger Mensch wahr/ hatte auch solche Zuneigung gegen diesen seinen Schuͤler (welchen er einen Wundermenschen zunennen pflegete) gefasset/ daß ihn dauchte/ er wuͤrde ihn schwerlich sein lebelang verlassen koͤnnen; Der junge Herr lernete auch in zwey Jahren so trefflich/ daß er nicht allein Latein uñ Grie- chisch fertig lesen und artig schreiben/ sondern ein jedes Ding in diesen Sprachen nennen/ und was er begehrete/ ohn Anstoß fodern kunte. Kurze Zeit nach Bestellung dieses wolge- rahtenen neuen Lehrmeisters/ besuchte der Großmaͤchtigste Koͤnig in Boͤhmen Herr Note- sterich/ seinen Schwager und Oheim Groß Fuͤrst Henrich/ dann er hatte dessen/ und mei- ner Fr. Mutter leibliche Schwester zum Gemahl/ fuͤhrete auch seinen Sohn und einigen maͤnlichen Erben des Koͤnigreichs Herrn Ladisla mit sich dahin/ welcher der Zeit ohnge- sehr von X Jahren/ und drey Jahr aͤlter als Herkules wahr. Pharnabazus fiel ihm hier in die Rede (weil er der Groß Fuͤrstin Saptina einen Trunk muste bescheid tuhn) und sag- te: Diesen Fuͤrsten und jetzigen Koͤnig in Boͤhmen kenne ich/ dann er hielt gleich zu meineꝛ Zeit mit des Stathalters zu Padua Frl. Tochter daselbst Beylager/ da ich die grosse Eh- re gehabt/ so wol dem Freystechen als Ringelrennen beyzuwohnen/ und zwar unter dieser Gunst/ daß man mir allerdinge unbekanten den hoͤchsten Preiß (ob ichs gleich nicht ver- dienete) eingeliefert hat/ der mir insonderheit wegen des Ringelrennens nicht gebuͤhret haͤtte/ massen Fuͤrst Herkules mir im selbigen weit uͤberlegen wahr/ und muß bekennen/ daß ein Drittes Buch. ein so vollkommener Meister dieses Spiels mir niemahls vorkommen ist/ gestaltsam er nit keinen Fehl Ritt taht/ sondern allemahl das Ringelein sehr kuͤnstlich/ und bald mit der rech- ten/ bald mit der linken Hand hinweg nam/ welches allen Zusehern grosse Belustigung uñ verwundern erweckete; Weil er aber bald anfangs sich bedingete/ daß er nicht umb den Preiß/ sondern bloß zur Ergetzung mit rennete/ habe ich mir den Dank muͤssen auffdringen lassen. Phraortes der Groß Fuͤrst fragete/ ob dann dieser Fuͤrst nicht mit gestochen haͤtte; Nein/ antwortete er/ dann so viel ich verstund/ hatte er neben seinen Gesellen Koͤnig Ladisla/ (welcher so wol als jener/ sich nur bloß einen Herrn nennen ließ) das Ritterspiel angestel- let/ wiewol ihm bald anfangs dieses Stechens ein sehr verwaͤgener Ritter auff Leib und Leben absagen ließ/ mit dem er aber ausser den Schranken bald fertig ward/ und ihm seines Schwerts Schaͤrffe dergestalt mitteilete/ daß ich gerne bekenne/ dergleichen Gefecht nie gesehen zuhaben. Er ist noch sehr jung/ und hat noch kein Haͤaͤrlein umb den Mund/ wuste sich aber auff der Schau Buͤhne der massen ernsthafftig und freundlich zuhalten/ daß jedeꝛ- man ihn beydes zulieben und ehren gezwungen ward. Zu seiner Rechten saß ein wunder- schoͤnes Fraͤulein/ deren er mit reden gar geheim wahr/ und ließ ich mich berichten/ daß sie eines sehr vornehmen Roͤmischen Herrn Tochter/ und mit Koͤnig Ladisla Gemahl blut- nahe verwand waͤhre/ und haͤtte er sie vor weniger Zeit aus der Hand eines maͤchtigen Roͤ- mischen Ritters erloͤset/ wuͤrde sie auch ehistes heyrahten. Diese lezten Worte durchschnit- ten Herkuliskus das Herz und die Seele dermassen/ als ob ein Blitz oder Donnerkeil da- durch gefahren waͤhre/ er erbleichete gar im Angesicht/ und meynete vor Herzensangst den lezten Geist und Odem auszublasen/ so daß die Haͤnde bey ihm nidersunken/ uñ das Haͤupt auf seine rechte Schulder sich neigete; dessen Arbianes wahrnemend/ schleunig aufsprang/ ihn ruͤttelte und schuͤttelte/ auch mit einem Glase Wein unter dem Gesichte begoß/ daß er endlich wieder zu sich selber kam. Frl. Barsene kunte dasmahl ihre Zuneigung nicht ber- gen/ sondern trat mit hinzu/ und fragete mit bewaͤglicher Stimme/ ob ihm eine Machtlosig- keit zustiesse; worauff er sich bald ermunterte/ und ihr zur Antwort gab: Er wuͤste selbst nit eigentlich/ wie ihm geschaͤhe/ welches die ganze Zeit seines Lebens ihm niemahls begegnet/ schaͤmete sich auch fast sehr/ in so Hochfuͤrstlicher Geselschafft einige Ungelegenheit zuma- chen/ und gab vor/ er muͤste sich etwa in heutigem Gefechte zu hefftig bemuͤhet haben; baht endlich bey Pharnabazus umb Verzeihung/ daß er seine Eꝛzaͤhlung gestoͤr et haͤtte/ und hielt fleissig an/ sein vorgenommenes auszufuͤhren/ wie das Stechen abgelauffen/ und ob sein O- heim Herkules das treffliche Fraͤulein schon geheyrahtet haͤtte; wor in er ihm gerne zuwil- len wahr/ auch endlich hinzu taht/ er håtte Fuͤrst Herkules angeloben muͤssen/ nach geendig- ter seiner Reise nach Rom/ ihm zu Padua zuzusprechen/ aber wie er daselbst wieder ankom- men/ waͤhre die ganze Stad vol traurens gewesen/ wegen des Verlusts einer jungen Fraͤu- lein/ Koͤnigs Ladisla Frl. Schwester/ welche von Raͤubern entfuͤhret/ und von Herkules/ Ladisla/ und des Stathalters Herrn Fabius Sohn embsig nachgesuchet wuͤrde. Herkulis- kus bestuͤrzete wegen dieser Rede/ fuͤrchtete sich sehr/ in Argwohn genommen zuwerden/ uñ antwortete als aus grosser Verwunderung: Ach mein Gott! ist dieses allerliebste Fraͤu- lein/ meine nahe Anverwantin dann auch geraubet worden? jezt erinnere ich mich eines Teutschen Pfaffen ungluͤkliche/ aber wie ich vernehme/ warhaffte Weissagung/ welcher/ da D d d d iij ich Drittes Buch. ich mit diesem Fraͤulein einsmahls spielete/ zu den anwesenden sagete: Diese beyde werdẽ fast auff eine Zeit verlohren/ aber nicht auff eine Zeit wieder gefunden werden; fragte auch fleissig nach/ wie lange es wol seyn moͤchte/ daß dem Fraͤulein solches Ungluͤk zugestossen/ uñ ob Herkules und die andern mit starker Geselschafft zur Nachsuchung ausgezogen waͤhrẽ. Er antwortete: Die Entfuͤhrung waͤhre ohngefehr vor vier Monat geschehen; sahe in sein Handbuͤchlein/ und fand/ daß es CXIIX Tage waͤhren; meldete nachgehends/ daß wie Herꝛ Herkules der Fraͤulein Verlust erfahren/ er wie ein todter Mensch zur Erden niederge- sunken waͤhre/ daß ederman gemeynet/ er haͤtte sein Leben vor grosser Herzensprast und Angst auffgegeben; nachdem er aber wieder er quicket worden/ haͤtte er ohn genommenen Abscheid sich mit etlichen zu Pferde gesetzet/ und X Raͤuber/ die eine gefangene Jungfer von der Fraͤulein Geselschafft bey sich gehabt/ in einem Flecken angetroffen/ und sie alle seinem Gesellen uͤbergeben/ ohn daß er mit einem Råuber sich zu fusse davon gemacht/ umb das Fraͤulein zusuchen/ und wie er ausgeforschet/ daß sie nach dem Meer zugefuͤhret worden/ ihr alsbald gefolget; sein Geselle aber H. Ladisla und der junge Fabius haͤtten sich hernach mit zwey ausgeruͤsteten Schiffen auffgemachet/ beydes das Fraͤulein und ihren Freund Herkules zusuchen/ wie mir solches/ sagte er/ von einem vornehmen Rahtsverwanten zu Padua eꝛzaͤhlet. Wie kunte aber mein Oheim Herkules sein geliebtes Roͤmisches Fraͤu- lein so verlassen/ sagte Herkuliskus/ und dieser ver lohrnen nachsetzen? dann ob sie gleich na- he verwand/ gehet doch ohn Zweifel die Liebe der Blutfreundschafft vor/ insonderheit/ weil ich versichert weiß/ daß er dieser Fraͤulein sehr wenige Kundschafft hat. Ja/ antwortete er/ eben aus dieser eiferigen Nachfolge und erzeigeter grosser Traurigkeit hat man eigentlich gemuhtmasset/ daß sein Herz einer andern/ als dieser Roͤmerin/ muͤsse geschenket seyn; und die runde Warheit zubekennen/ gab ich genaue acht auff seine Unterredung/ die er auff der Schau Buͤhne mit dem Fraͤulein fuͤhrete/ merkete aber an ihm duꝛchaus keine solche Blic- ke/ welche den verliebten Geist zuverrahten pflegen. Doch haͤlt dieses Fraͤulein sich annoch zu Padua auff/ mag auch etwas Hoffnung zur kuͤnfftigen Heyraht haben/ welches ich so eben nicht wissen kan/ aber ohn Zweifel ist es/ daß sie mit der Boͤhmischen Jungfer/ die ein sehr feines adeliches Bilde von Leibe und Gestalt ist/ in sonderlicher Freundschafft lebet. Durch diese Reden ward Herkuliskus wieder erquicket/ und feindete sich selber an/ daß er solche Gedanken von seinem auffrichtigen ergebenen Herkules ihm einbilden koͤnnen/ fasse- te auch die gewisse Hoffnung der schierkuͤnfftigen Erloͤsung/ weil man in Nachsuchung sei- ner so embsig wahr/ schlug alle Furcht und Gefahr aus dem Sinne/ und trug fast Verlan- gen dem Parther Koͤnige geliefert zuwerden/ der festen Zuversicht/ dessen Gemuͤht durch ehrliebende Reden von aller unbillichen Liebe oder anmuhten abzulenken/ uñ in Erzeigung seiner Großmuͤhtigkeit und Waffen-Erfahrung/ sein weibliches Geschlecht zuverbergen/ darinnen er sich aber betrogen fand. Pharnabazus sahe/ daß seine Mattigkeit sich geleget hatte/ und meynete ihn zu fernerer Erzaͤhlung von Herkules Leben anzufuͤhren/ aber der Groß Fuͤrst befuͤrchtete/ es moͤchte ihm die Ohmacht wieder kommen/ und hielt vors beste/ daß man sich zur Ruhe begaͤbe/ weil es ohn das zimlich spaͤte/ und ihm folgendes Tages viel Geschaͤffte oblagen; womit das Frauenzimmer wol zufrieden war/ ohn daß Frl. Barsene gerne noch etliche Stunden bey ihm haͤtte sitzen moͤgen/ die in ihrem Gemuͤte alle gedanken umlauffen Drittes Buch. umlauffen ließ/ durch wz mittel sie ihm ihre herzliche ehrliebende Zuneigung uñ verliebete Seele zuverstehen gebẽ koͤnte/ worauf sie auch die ganze Nacht uͤber bedacht war. Arbianes eriñerte damals seinen geliebten Herkuliskus der heutigẽ an muhtung/ uñ dz er sein Schlaf- geselle zu sein sich nit wegern moͤchte der ihm zur Antwort gab: Er waͤre seinẽ Fuͤꝛsten nach aller moͤgligkeit auffwaͤrtig/ fuͤrchtete abersehr/ dem selben hiedurch Ungelegẽheit zu schaf- fen/ angesehen sein getahnes Geluͤbde ihn verbuͤnde/ keine Nacht ausseꝛ den taͤglichen Klei- dern zu schlaffen/ biß er sehen wuͤrde/ was eigentlich Gottes Versehung mit ihm vor haͤt- te. Dieser ließ sich dadurch von seinem Vorhaben nicht abwendig machen/ so gar/ daß er sich er boht/ gleichergestalt in seinen Kleidern zu schlaffen/ daher Herkuliskus alle entschul- digung benommen ward/ und mit ihm nach Bette gehen muste/ stellete sich auch/ als ob er geschwinde fest eingeschlaffen waͤhre/ welches Arbianes von weiterem Gespraͤche abhielt/ weil er ihn in der Ruhe nicht stoͤren wolte/ wie wol er aus Herzbruͤderlicher Liebe ihn etli- chemahl freundlich kuͤssete/ auch ihm den Arm unterlegete/ in welchem er die halbe Nacht hindurch lage. Des Morgens/ da sie vom Schlaffe erwacheten/ suchte Arbianes die ver- trauliche Freundschafft mit ihm fester zu legen/ uñ red te ihn mit diesen Worten an: Ihr mein allerliebster und werdester Freund/ ich kan mich nicht gnug verwundern/ aus was Ursachen ihr euch so niedrig und unweꝛd halten moͤget/ da doch eure allernaͤheste Blutver- wanten/ Koͤnige und Groß Fuͤrsten sind/ woraus dann Sonnen klar erscheinet/ daß ihr e- ben des Standes seyn muͤsset; so gelanget demnach an euch mein freundliches Ersuchen/ mich hinfuͤro mit hohen Ehren-benahmungen nicht zu beschweren/ wie gestriges tages mit meinem Verdrus geschehen ist. Meine herzliche Zuneigung gegen euch an den Tag zuge- ben/ kan ich durchaus nicht umbhin/ welcher Liebes Brunnen die Gedanken meiner Seele durch der Zungen Dienst aus dem innersten hervor treibet/ daß ich bey euch Ansuchung zu tuhn gezwungen werde/ mich forthin vor einen Bruder auffzunehmẽ (weil ihr ja von mei- ner Fr. Mutter vor einen Sohn erwaͤhlet seid/ und vor einen solchen Verbundenen mich zu halten) der hiemit aͤ dlich verspricht/ sein Leib und Leben/ und alles was ich irgend bin uñ vermag/ ohn einige Bedingung oder Außnahme zu eurem besten anzuwenden. Wann ihr nun nicht die Ursach meiner stets wehrenden Traurigkeit und betruͤbnis sein wollet/ wer- det ihr meine getahne Bitte bey euch Stat und Raum finden lassen. Herkuliskus wahr aus allen seinen Handlungẽ gnug versichert/ dz er nichts ertichtetes redete/ wolte sich auch nicht unhoͤfflich gegen ihn stellen/ noch sein Ansuchen abschlagen/ und antwortete ihm also: Ach mein allerliebster Fuͤrst/ und herzengewogener Freund; mit was Diensterweisungen kan oder sol ich immer und ewig diese hohe angebohtene Gunst ersetzen/ welche recht zube- trachten/ mein Gemuͤht viel zu unverstaͤndig/ mein Herz viel zu bloͤde ist; muß demnach ich die Vergeltung bloß allein von Gott erbitten/ welcher dañ ohn zweiffel diese mir armen geraubeten Juͤngling erwiesene Gnade zubezahlen sich wird finden lassen. So viel meinen Stand betrifft/ wird derselbe zwar in meinem Vaterlande Fuͤrsten gleich gehalten/ weil mein Vater ein gewaltiger Feldherr uͤber mehr als 100000 Mann wahr/ wie wol der Ge- burt nach nur Herꝛen-standes/ wie etwa Herr Mazeus/ dabey ich doch nicht leugne/ daß meine Fr. Mutter des maͤchtigsten Groß Fuͤrsten der Teutschen eheleibliche Tochter ist. Aber gesetzet/ ich waͤhre mit meinem aller liebsten Fuͤrsten gleiches Standes; bin ich dann nicht Drittes Buch. nicht ein armer geraubeter Knabe/ von den meinen so weit entfernet/ daß meine Heimfuͤh- rung niemande als dem Alwaltigen Gott moͤglich ist? doch weil unangesehẽ meines Elen- des/ mein gnaͤdigster Groß Fůrst und Herr/ Herr Phraortes mir so hohe Gnade wieder- fahren laͤsset/ daß er mich als einen Fuͤrsten haͤlt/ und meine gnaͤdigste Groß Fuͤrstin sich mir zur Mutter angebohten/ muß ich dann nicht hinwiederumb/ nicht allein deren Durch- leuchtigkeiten/ sondern auch ihrem wirdigen Sohn die gebuͤhliche Ehre bezeigen? Mein Fuͤrst beut meiner Unwirdigkeit den liebreichen Bruder Nahmen an: O waͤhre ich in dem Stande/ daß denselben anzunehmen ich in etwas nur moͤchte bestand seyn! von Bruͤder- licher Bewaͤgung/ die mich zu meinem Fuͤrsten hinreisset/ ist mein Herz auffgequollen/ sol auch in meiner Seele bestaͤndig verbleiben/ wann sie schon von dem Leibe als ihrer kuͤm- merlichen Herberge frey und loß seyn wird; unterdessen aber goͤnne mir mein Fuͤrst/ bitte ich sehr/ ihn zum wenigsten nuꝛ in anderer Leute Gegenwart gebuͤhrlich zu ehren/ daß nicht durch dessen unterlassung ich von andern unhoͤfflich angesehen werden/ und daher in ver- achtung fallen moͤge; wann als dañ meinem werten Fuͤrsten es also gefaͤllet/ ihm/ da wir ohn auffmerker allein seyn/ den suͤssen Brudernahmen mit der Zungen zuzulegen/ den das Herz ohn auffhoͤren außruffet/ wil ich gerne und willig gehorsamen. Auff dieses Erbieten umbfing ihn Arbianes Bruͤderlich/ und schwuren einer dem andern alle moͤgliche Traͤue/ als lange sie an beyden Seiten (welches Herkuliskus nicht ohn Ursach hinzu taht) der wah- ren Fuͤrstlichen Tugend sich befleissigen wuͤrden. Worauff Arbianes einen schweren Seuf- zen ließ/ und mit traͤhnen den Augen zu ihm sagete ꝛ O mein trauten Bruͤderchen/ wie aͤng- stet sich meine Seele/ daß ich des vermoͤgens nicht bin/ eure Lieferung nach Charas zu hin- dern; doch werde ich noch mannichen gedanken fassen/ ob ich etwas darzwischen werffen moͤchte. Stille stille mein allerliebster Fuͤrst und Bruder/ antwortete er/ und lasset bey Leib und Leben euch solches Vornehmens nicht geluͤsten; dann hat Gott es also beschlossen/ je warumb solte ich mich dann wegern/ dem grossen Koͤnige mich darzustellen? wer weis/ ob er nicht noch Mitleiden mit mir hat/ wann er meines Unfals berichtet wird? ist aber alle Liebe zur Tugend und Erbarkeit in ihm erloschen/ weis ich doch noch ein Mittel mich von seiner Greuligkeit loßzubrechen. Nicht destoweniger gehe es nach Gottes Willen/ ich bleibe von Charas nicht hinweg/ nach dem ich einmahl vernommen/ daß eurem H. Vater einige Gefahr auff meiner nicht-Lieferung stehen koͤnte; daher wird mein Fuͤrst und Bru- der die Befoderung tuhn/ daß ich eh ist dahin gefuͤhret werde; dann je zeitiger ich dahin komme/ je fruͤher ich diesen lieben Ort besuchen kan. Arbianes wuͤnschete hierauff/ daß er mit zihen/ und einerley Gluͤk und Gefahr mit ihm gemein haben moͤchte/ jedoch wolte er die Tage seiner Anwesenheit nicht kuͤrzen lassen/ die sein H. Vater ihm gestriges tages ver- sprochen/ gelebete auch der Hoffnung/ er selbst wuͤrde ihm diese kurze Zeit seiner Gluͤkselig- keit goͤnnen. Machten sich hiemit von ihrem Lager auff/ und gingen nach dem grossen Gast- Saal/ wo selbst das Frauenzimmer ihr Gespraͤch von Herkusiskus fuͤhrete/ und dessen nicht eins werden kunten/ ob Schoͤnheit/ oder Verstand/ oder Liebe zur Tugend/ oder Freund- ligkeit/ oder Waffens erfahrenheit/ oder der unuͤberwindliche Muht am meisten an ihm zu ruͤhmen waͤhre. Als er zum Gemache hinein trat/ und vor erst der Groß Fuͤrstin/ nachge- hends Fr. Roxanen und Frl. Barsenen die Haͤnde mit sonderlicher Anmuhtigkeit kuͤssete/ ward Drittes Buch. ward er nicht anders als ein Sohn uñ Bruder empfangen/ wie wol das Fraͤulein ihm den Bråutigams Nahmen am liebsten gegeben haͤtte; nam ihr auch gaͤnzlich vor/ bey erster Gelegenheit ihm die Rede vorzutragen/ welche sie diese Nacht außgesinnet hatte/ welches aber diesen Tag sich nicht fugen wolte/ aber des naͤhst folgenden gluͤckete es ihr/ daß sie auff einem Umgange sich bey ihm allein befand/ weil Arbianes von seinem Herr Vater weg ge- fodert ward/ fing demnach mit schamhafftigen Geberden folgende bewaͤgliche Rede an: Wann die Liebe durch Tugend erwecket/ der ganzen erbaren Welt wol anstehet/ kan ich meine Gedanken dessen nimmer mehr bereden/ daß in tieffer Nachsiñung euer volkom̄en- heiten sie einigen Verweiß verdienen moͤgen/ es waͤhre dann/ daß allein Barsene in dem suͤndigte/ was andern als gut und loͤblich außgeleget wird; weil aber dieses eine unwitzige Furcht seyn wolte/ scheuhe ich mich nicht zu bekennen/ daß der goͤttliche Herkuliskus seiner Barsenen Herz durch alles was an ihm ruhmwirdig ist/ ihm dergestalt zu eigen verbundẽ hat/ daß ihr der Tod angenehmer/ als die Vermeidung seiner Gegenwart seyn wuͤrde/ des- sen sie doch keines so gar zeitig hoffet. Veꝛsichert euch/ mein in ehrẽ hoͤchstgeliebter freund/ das mein Herz sider des grimmigen Tihrs Erlegung ohngeruhet bemuͤhet ist/ wie durch eine Wiedergeltung meines dazumahl erhaltenen Lebens ich anzeige tuhn moͤge/ wie be- reit willig ich bin/ meinem Erretter dankbar zu seyn/ so dz auch sein Leben und was dem an- haͤngig ist/ der instehendẽ gefahr entrissen werde; zwar durch Krafft uñ Staͤrcke vermag ich weniger als nichts/ wiewol mein Gemuͤht fast nicht zweiffelt/ ein Mittel erfunden zuha- ben/ durch welches mein teurer Herkuliskus nicht allein bey Mañheit/ Ehr/ und Leben blei- be/ sondern auch bey seiner geliebten Fr. Mutter frisch und gesund anlange. Wovor ich ihn vor seinem Bette neulicher Zeit gewarnet/ ist leider mehr als gewiß zubefahren/ dann aus was vor Ursachen wolte man ihn dem unzuͤchtigen Koͤnige sonst zufuͤhren? Toͤchter und Nifftel hat er nicht/ die man ihm zu verheyrahten gedaͤchte/ sondern der Zweg dahin mit ihm gezielet wird/ ist Laster und Schande/ dessen schnoͤdes Werkzeug er wird wieder seinen Dank und Willen seyn muͤssen. Nun ist der gerechten Roͤmer Gebiet nicht so gar weit von hinnen/ welches wir in wenig Tagen mit schnellen Pferden erreichen koͤnnen/ uñ ich den richtigsten Wegweiser mit verheissung einer Anzahl Kronen bald zu wege bringen wil. Mein allersuͤssester Freund wolle nur sein Herz ansprechen/ ob dasselbe mir die Her- berge einer stets bleibenden Ehefreund in goͤnnen und geben kan/ als dann getraue ich den Goͤttern/ sie sollen mit uns reiten/ und unsern Pferden die Sporen geben/ in solcher Si- cherheit und Beschirmung/ wie solches eure Volkommenheit und meine herzliche Liebe verdienet. Dafern aber meinem Freunde weder der Anschlag noch die Bedingung gefaͤl- let/ wird er zum wenigsten hier aus ein Zeichen fassen/ daß zu vergeltung der mir geleisteten Lebens Rettung ich nichts zu sparen gemeinet bin/ wodurch ihm einiger Weise angeneh- me Freundschafft kan erzeiget werdẽ. Herkuliskus haͤtte sich einer solchen Erklaͤrung nim- mer mehr versehen/ daher er sich auff eine Antwoꝛt so schleunig nicht besinnen kunte/ jedoch sie zu keiner Verzweiffelung oder Wiederwillen zu reitzen/ umbfing er sie mit beyden Ar- men/ boht ihr auch unter schiedliche zuͤchtige Kuͤsse/ und bedankete sich herzlich der hohen ehrliebenden Zuneigung/ die er mit einer solchen Liebe zuersetzen aͤidlich angelobete/ welche nimmermehr fehlen solte/ so viel in seinem Vermoͤgen waͤhre; wolte demnach hiemit ver- E e e e sprechen/ Drittes Buch. sprechen sie vor seine stets bleibende herzens Freund in zu halten/ nur daß sie nicht im un- gleichen verstehen moͤchte/ dz auff getahnen Vorschlag er nicht alsbald Antwort gaͤbe/ weil der Sachen Wichtigkeit eine kurze Bedenkzeit erfoderte. Er wolte weiter reden/ haͤtte sich auch fast erkuͤhnet ihr sein weibliches Geschlecht zu entdecken; weil er aber Fr. Roxanen herzu nahen sahe/ (welches ihm sehr lieb wahr) gab er seiner Rede die Endschafft/ mit ver- sprechung/ gegen Abend sich voͤllig herauszulassen. Fr. Roxane hatte daß Herzen und Kuͤs- sen dieser beyden ohngefehr durch ein Fenster gesehen/ wobey ihr nicht so gar wol wahr/ weil sie sich einer ungebuͤhrlichen Liebe zwischen ihnen vermuhtete/ welches sie doch ihrer keinem zuschreiben durffte/ und daher in zweiffel stund/ ob sie sich ihrer Wissenheit solte merken lassen; redete anfangs mit beyden freundlich/ biß Herkuliskus Abscheid nam/ da er- innerte sie ihre Frl. Schwester/ es pflegte bey fremden Argwohn zuerwecken/ wann die Fraͤulein mit Mannes bildern allein umbgingen/ zwar sie haͤtte deßwegen gar keine Sorge/ aber boͤse Nachrede zu meiden/ muͤste man sich offt auch in diesem maͤssigen/ welches an sich nicht aͤrgerlich waͤhre/ weil es boͤse Maͤuler ungleich außdeuten koͤnten. Das Fraͤulein be- ch durch diese Zuͤchtigung in etwas beleidiget/ verschmerzete es doch/ mit Vorwen- sie glaͤubete nicht/ daß jemand hierdurch koͤnte geaͤrgert werden/ was zwischen ihnen vorgangen waͤhre; wolte sich doch ihrer Erinnerung schon wissen gemaͤß zuverhalten/ und dabey dañoch der gebuͤhrlichen Hoͤffligkeit nicht vergessen/ durch welche sie gehalten waͤh- re/ von redlichen Leuten nicht baͤurisch hinweg zulauffen/ welche sie unter dem freien Him- mel zusprechen begehreten; wie sie dann diesem Tugendhafften zuͤchtigen Juͤnglinge/ we- gen ihres Lebens Errettung vor dem Tiger/ noch wol schuldig waͤhre/ seine Reden anzuhoͤ- ren/ welche auff nichts als Erbarkeit zieleten. Ihre Schwester wolte sich mit ihr nicht zweien/ fassete sie bey der Hand/ und ging mit ihr zu der Groß Fuͤrstin/ auff deren Zimmer sie ingesamt den ganzen Tag mit mancherley Spiel zubrachten/ weil der Groß Fuͤrst und Pharnabazus mit geheimen wichtigen Haͤndeln beschaͤfftiget/ erst zur Abendmahlzeit sich einstelleten/ nach deren Endigung Herkuliskus das Fraͤulein haussen vorm Gemache allein antraff/ da er nach gegebenem Kusse zu ihr sagete: Hochwertes Herzgeliebtes Fraͤulein/ ich wieder hohle noch mahs/ daß mein Unvermoͤgen ihre hohe mir erzeigete Gewogenheit nimmer mehr vergelten kan/ ob ich mich ihr gleich zum untrenlichen Freunde geliefert und aͤidlich verbunden habe. Ihren heutigen Vorschlag liesse ich mir gerne mit gefallen/ zwei- sele auch fast nicht/ er duͤrffte gluͤklich von statten gehen/ dafern solches unser Gluͤk nicht anderer Leute/ und zwar unserer besten Freunde gewisses Ungluͤk und Verderben nach sich fuͤhrete/ gestaltsam der grosse Koͤnig Artabanus ungezweiffelt davor halten wuͤrde/ es waͤh- re unsere Flucht mit des Groß Fuͤrsten Vorbewust und einwilligung vorgenommen/ wor- uͤber er in Land- und Lebensgefahr gerahten wuͤrde; zugeschweigen/ daß der Groß Fuͤrst nicht anders muhtmassen koͤnte/ als Herr Mazeus haͤtte unsers tuhns gute Wissenschaft/ oder zum wenigsten dessen Gemahl/ eure Fr. Schwester. Was vor Unheil nun denen hier- aus er wachsen wuͤrde/ ist unschwer zuerrahten. Weil ich aber tausendmahl lieber sterben/ als zu solchem Ubel Ursach geben wolte/ muͤssen wir unsern Rahtschlag nohtwendig en- dern/ und die Reise nach Charas ein willigen/ daß ich dem Koͤnige dargestellet werde; da ich dann meinem Herzgeliebten Fraͤulein teur versprechen wil/ aus diesen Laͤndern nicht zu Drittes Buch. zuscheiden/ als mit ihrem guten Willen und volkommener Erlaubniß. Solte sie aber we- gen der vor Augen schwebenden Gefahr meiner Ehren/ und was dem anhaͤngig/ in einiger Furcht stehen/ so versichere ich sie bey dem heut geschwornen aͤide/ daß ich ungezweifelte Mittel weiß/ mich davon loßzubrechen/ welche mir entweder gerahten muͤssen/ oder der schandbahre Koͤnig sol mir sein Leben lassen/ ehe und bevor ichtwas ungebuͤhrliches an mir verrichtet wird. Das verliebete Fraͤulein/ da sie sahe/ daß er sich nicht wolte abschrecken las- sen/ wolte ihn dannoch ihrer Liebe versichern/ uñ durch einen aͤid versprechen/ ihr Herz nim- mermehr keinem andern als ihm zuzuwenden/ welches Herkuliskus merkend/ ihr in die re- de fiel/ und sie durch Gott baht/ damit einzuhalten/ weil er ihrer herzlichen getraͤuen Liebe schon gnug vergewissert waͤhre/ daß sie also mitten in der Rede abbrach/ und ihr vornehmẽ nicht vollfuͤhrete. Es hatte aber Pharnabazus des vorigen Tages eine sonderliche Gunst diesem Fraͤulein zugewendet/ dessen er sich gleich wol nicht merken ließ/ und ging die Groß- Fuͤrstin eben mit den Gedanken umb/ sie ihm zufreyen. Inzwischen wuste der verschlagene Herkuliskus sich allerseits in die Possen zuschicken/ indem er sich an diesem Orte teils ver- geblich von dem Fraͤulein/ teils ungenehm von Arbianes muste lieben lassen; dann dieses Schlaffgeselle zuseyn/ war ihm nicht allein zuwider/ sondern fuͤrchtete sich fast/ ihren gelieb- ten Braͤutigam dadurch zubeleidigen/ oder doch dermahleins boͤsen Verdacht und schlim- me Nachrede zuerwecken. Unterdessen reisete Ladisla mit seinen Gefaͤrten und Dienern frisch fort nach dem Par- ther Lande zu; dann da sie von Seleuzia abschieden/ gingen sie gar sicher und unangefochtẽ biß an den Eufrat/ da sie in Mesopotamien kahmen/ und zween Tage ohn Hindernis fort- zogen; Am dritten Tage aber sahen sie sechs gewaltige grosse Ritter auff starken Hengstẽ gerade auff sie zu reiten/ da Ladisla zu Fabius sagte: Geliebter Bruder/ es scheinet fast/ ob wolten uns jene Landsknechte rechtfertigen/ werden uns demnach in etwas vorzusehen ha- ben/ befahl auch den Dienern/ das Gewehr fertig zuhalten/ und auff Begebenheit/ ihren Herren frisch nachzufolgen/ doch/ daß Mardus der Dolmetscher/ weil er unbewapnet war/ und solcher Spiele ungeuͤbet/ sich des Streites enthalten solte. Je nåher jene sechse an sie kahmen/ je mehr sich die unsern uͤber ihrer Leibes-groͤsse verwunderten/ und vermuhteten sich eines harten Puffes/ dessen sie sich doch wenig entsetzeten/ schicketen auch Mardus an sie/ umb zufragen/ wie weit sie noch zu einer Stad haͤtten/ weil sie fremde und des Weges unerfahren waͤhren; dem sie aber keinen Bescheid erteileten/ sondern kurzumb zuwissen be- gehreten/ was vor Leute sie waͤhren/ wohin sie gedaͤchten/ und woher sie kaͤmen. Ladisla/ dem dieser Frevel zu Haͤupte stieg/ antwortete durch den Dolmetscher/ ihre Reise waͤhre eilig/ daß sie nicht der Zeit haͤtten/ langwieriges Gespraͤch zufuͤhren/ achteten sich auch nit schul- dig es zubeantworten/ weil man sie ihrer ersten Frage nicht vergnuͤgen wolte. Hiemit war dem Tanze schon gnug gepfiffen/ massen diese ungeheure Rulande solche trotzige Reden/ wie sie es auslegeten/ nicht verschmerzen kunten/ griffen demnach zun Schwerteꝛn/ und sa- geten: weil ihnen dann die Reise so eilig waͤhre/ wolten sie ihnen den Weg kurz gnug ma- chen; befahlen ihren sechs Knechten stille zuhalten/ und fielen ohn ferner Wortwechseln ein- muͤhtig auff die unsern an/ welche ihr Gewehr auch nicht lange in der Scheide stecken lies- sen/ und gnug zuvernehmen gaben/ daß sie nicht willens waͤhren/ ihr Blut wolfeil zuver- E e e e ij kauffen/ Drittes Buch. kauffen/ weil sie ohndas an der Zahl sich gleich schaͤtzeten/ nicht anders gedenkend/ ihre Die- ner wuͤrden ihre Schuldigkeit betrachten/ und zugleich mit auff den Feind ansetzen; worin sie sich aber zeitig betrogen funden; dann diese ungetraͤue Buben hielten anfangs stille/ uñ sahen dem Gefechte nur zu/ unter der Hoffnung/ es solten ihre Herren bald den kuͤrzern zi- hen; als aber unsere drey Helden diesen sechsen gewachsen wahren/ und sich mit ihnen der- gestalt um trieben/ dz deren zween im ersten Anfall zimlich verwundet wurden/ begaben sich der unsern Diener gar auff Feindes seite/ und schlugen auff ihre eigene Herren ungescheu- het mit zu; woruͤber Ladisla sich so hefftig erzuͤrnete/ daß er/ ungeachtet aller Gefahr/ sich an seinen meinaͤidigen Diener machete/ uñ ihm das Haͤupt vom Rumpfe glat hinweg schlug/ stund auch nicht lange an/ daß er dem vornehmsten von den Gewalttaͤhtern einen Stoß zwischen die Rippen gab/ daß er vom Pferde stuͤrzete. Fabius schaͤmete sich/ daß er noch kei- nen nidergelegt hatte/ und wagete sich an den einen so eiferig/ daß er ihm durch den Helm das Angesicht auffspaltete/ daß er ohnmaͤchtig vom Pferde fiel. Inzwischen hatte Leches auch seinem Knechte gelohnet/ und ihm die rechte Faust hinweg gehauen/ daß er vom Pfer- de steigen/ und unter einen Baum sich nidersetzen muste; da Mardus der gefelleten Die- ner Pferde/ als die mit Golde und Kleinoten zimlich beladen wahren/ derweile fleissig huͤ- tete/ mochte vielleicht gedenken/ es sie gete einer oder ander/ koͤnte er ihm doch durch diesen Dienst Freunde machen. Es stelleten sich die uͤbrigen vier Parther uͤberaus grimmig/ daß diese drey ihrer Haut sich so lange erwehreten/ uñ dꝛaͤueten ihnen mit erschreklicher Stim- me die grausamste Pein/ welches die unsern/ weil sie es nicht verstunden/ nicht beantworte- ten/ ohn mit den Schwertern/ welche sie nicht feyren liessen/ so daß Ladisla in kurzer Zeit noch e i nen zu bodem legete. Der Parther sechs Knechte sahen/ daß schon drey von ihren Herren gestenzet wahren/ daher einer unter ihnen anfing: Wir muͤssen sehen lassen/ dz wir getraͤuer dienen als jene/ die zu unsern Herren uͤbergetreten sind/ welches ihnen doch uͤbel gelungen/ und muͤssen jene drey gewißlich lebendige Teuffel aus der Helle seyn/ sonst waͤhre ihnen unmoͤglich/ einer solchen Gewalt zuwiderstehen/ welche sie/ wo wiꝛs nicht verhindeꝛn/ in kurzem gar brechen duͤrfften; Zween seiner Mitknechte gaben ihm recht/ wahren auch schon fertig/ ihre Herꝛen teils zur aͤchen/ teils zuretten; aber die anderen dꝛey widersetzten sich diesen/ einwendend/ es waͤhre schon mehr als schelmisch von ihren Herren gefochten/ dz sie nicht allein in groͤsser Anzahl die fremden ohn ursach uͤberfallen/ sondern deren schelmichtẽ Diener ihres Beystand sich gebraucht haͤtten/ welche Bosheit/ wie vor Augen stuͤnde/ der Himmel nicht wolte ungestraffet lassen; solten demnach diese sich stille einhalten/ oder sie wolten ihnen so viel zuschaffen geben/ daß sie des unritterlichen Entsatzes bald veꝛgessen sol- ten. Weil dann diese drey auffrichtige Maͤnner (welche Roͤmische Untertahnen/ und ihrẽ Herren aus Zwang dieneten) in Waffen ungleich besser erfahren wahren als die andern/ erhielten sie durch ihre Draͤuworte/ daß sie sich eines andern bedachten. Fabius sahe/ daß sein annoch uͤbriger Knecht ausreissen wolte/ und gedachte ihm den garaus zumachen/ wel- cher aber vom Pferde sprang/ in die naͤhesten Hecken kroch/ und hiedurch sein Leben erꝛet- tete/ Fabius aber wieder umkehrete/ und seinen Gesellen Huͤlffe leistete/ daß es nunmehr ei- nen gleichen Streit gab/ drey wider drey; gluͤckete auch Leches so wol/ daß er mit seinem Manne zuerst fertig ward. Weil er nun wuste/ daß weder Ladisla noch Fabius seinen Bey- stand Drittes Buch. stand zulassen wuͤrde/ fing er des abgestrichenen Knechtes Pferd auff/ band es an einen Baum/ und machte sich hin nach den sechs Dienern; da die drey redlichen ihm der andeꝛn Vorhaben anzeigeten/ und er darauf denen befahl/ von den Pferden zusteigen/ und das Ge- wehr von sich zutuhn/ worzu sie/ als uͤbermannet/ willig wahren. Er ruhmete auch der an- dern auffrichtiges ritterliche Gemuͤht/ und versprach ihnen gute Belohnung; hieß hernach Mardus den Streiten den naͤher zureiten/ umb zuvernehmen/ ob die Feinde umb Gnade bitten wuͤrden; welches ihnen Ladisla gerne/ Fabius wider seinen Willen goͤnnete/ uñ mu- ste sie der Dolmetscher fragen/ aus was ursachen sie diese Feindseligkeit geuͤbet/ da sie doch fremde waͤren/ und ihnen nie kein Leid angetahn. Diese gaben zur Antwort/ sie håtten ihre Bescheids-wegerung vor eine Beschimpffung gehalten/ und waͤhren von ihren drey Die- nern mit Hand- und Haͤuptwinken angereizet/ den Streit anzufahen/ woraus sie leicht die Rechnung machen koͤnnen/ daß grosse Schaͤtze bey ihnen verhanden waͤren/ deren die- se mit zugeniessen hoffeten. Leches verwundeter Knecht muste solches gestehen/ und daß sie etliche mahl willens gewesen/ ihre eigene Herren zuermorden/ da es ihnen bloß an der Ge- legenheit gefaͤhlet. Die beyden Parther hielten unterdessen auff Pferden/ und ran dz Blut hauffenweise von ihnen/ dann sie waͤhren toͤdlich verwundet/ daß auch der eine/ ehe man sichs versahe/ vom Pferde stuͤrzete/ und seinen Geist auffgab; daher der lezte sich Sterbens erwog/ wolte aber streitend gefellet seyn/ und fiel mit hefftigem wuͤten auff Fabius an/ als welcher ihn dergestalt zugerichtet hatte/ ward doch mit wenig Streichen getroffen/ dz ihm der Helm vom Haͤupte sprang/ und man sein greuliches Gesicht bloß sehen kunte/ an dem sie alle abscheuh hatten/ daß auch Fabius sagte: Es waͤhre vor der erbaren Welt nicht zu- verantworten/ daß man dergleichen Unholden leben liesse; mit welchem Worte er ihm dz Haͤupt abschlug. Als dieser gefellet wahr/ kam der zuerst verwundete wieder zu sich selbst/ richtete sich auff/ und ward gewahr/ daß alle seine Gesellen herunter geschlagen waren/ uñ auff der Erden gestrekt lagen/ dagegen unsere Helden noch frisch und unverwundet auff ihren Pferden sassen; legete deswegen seinen Helm ab/ und sagte: Er moͤchte dieser Ritter Erkaͤntniß gerne haben/ die über menschliches vermoͤgen gefochten/ und drey gegen neune das Feld erstritten haͤtten. Die unsern wolten ihm hierin zuwillen seyn/ entbloͤsseten ihre Haͤupter/ und liessen ihre Angesichter sehen; welche dieser Parther so jung und zierlich schauend/ sich nicht anders geberdete/ ob wolte er rasend werden/ sagte auch mit grimmigẽ Worten: Dafern ihr Menschen und nicht Goͤtter seyd/ bin ich nicht werd/ daß ich jemals Harnisch gefuͤhret/ weil euch alle drey mit meiner Faust zuerwuͤrgen ich zu schwach gewe- sen bin. Ladisla/ der keine Beschimpffung leiden kunte/ stieg vom Pferde/ reichte diesem ein Schwert und sagete: Nun must du mir deine Manheit in der Taht beweisen/ oder als ein verzagter ohn Gegenwehr nidergehauen werden. Es wahr aber so ein ungleiches Paar/ da sie zu fusse bey einander stunden/ daß Ladisla wie etwa ein vierzehnjaͤhriger Knabe gegen ihn schien/ daher ihm dieser die unfehlbare Rechnung machte/ er wolte ihn im ersten Angꝛif zur Erden legen; befand sich aber heßlich betrogen/ dann wie er sich nach wenig Streichẽ veꝛhieb/ und ihm Ladisla ausweich/ bekam er zuꝛ Wiederkehr einen solchen Schlag auf den rechten Arm/ daß ihm das Schwert aus der Faust fiel/ und das Blut aus den geoͤffneten Adern ins Angesicht spruͤtzete/ Ladisla aber zu ihm trat/ ihm den Helm abreiß/ und durch sei- E e e e iij nen Drittes Buch. nen Dolmetscher zu ihm sagete: Meynest du unbendiges Tihr/ daß ein ungeschikter Klotz von einer leichten Holz Axt nicht koͤnne nidergehauen werden? Ja ich empfinde/ antworte- te dieser/ dz die Goͤtter mich gar verlassen haben/ sonst muͤstestu mir so leicht als ein Schos- Huͤndichen seyn; darumb gebrauche dich deines Gluͤks/ und vollende/ was du vorhast. La- disla aber sagte: Es muͤste mir leid seyn/ daß mit solchem unreinen Drek ich mich weiter beschmitzete; reichte Mardus das Schwert hin/ der ihn den Schedel herunter schlug; welches der von Fabius im Angesicht verwundete mit Schmerzen ansahe/ und sich mit seinem eigenen Dolche erstach/ da Leches seinem Knechte unter dem Baume den leztẽ Lohn gab/ wahr ihnen aber leid/ daß Fabius Diener davon kommen war/ der ihnen etwa Gefahꝛ bereiten koͤnte. Sie foderten der erschlagenen Parther sechs Diener vor sich/ da die drey redliche anzeigeten/ sie waͤhren Buͤrger und Inwohner deꝛ Stad Damaskus/ und von die- sen ihren vorigen Herren gefangen/ welche sie zu dienen gezwungen haͤtten/ bahten sehꝛ um Freylassung/ und meldeten an/ daß ihre niedergelegte Herren von dem Parther Koͤnige vor Kriegs Obristen bestellet waͤhren/ umb in der naͤhesten Stad (daraus unsere Helden vor vier Stunden geritten wahren) 4 Tonnen Goldes behueff ihrer Werbung zu heben. Leches besuchte die Erschlagenen/ fand sehr koͤstliche Kleinot bey ihnen und ihren Dienern in Wetschern/ auff 120000 Kronen wert/ dabey einen offenen Wechsel wegen der obge- dachten Gelder/ wurden deswegen zuraht/ die drey moͤrdliche Diener alsbald niderzuma- chen/ damit sie von ihnen nicht verrahten wuͤrden/ nachgehends zuruͤk nach der Stad zu reiten/ und die Wechsel Gelder zuheben/ welches ihnen gluͤklich geriet/ bestelleten auch da- selbst drey Knechte/ die ungewapnet dienen/ ihrer Pferde warten/ und jeder/ wie auch Mar- dus einen beladenen Maul Esel an der Hand fuͤhren musten; den dreyen Damaskern aber schenketen sie 36000 Kronen/ und liessen sie ihres Weges reiten/ eileten sonst sehr auf dem Wege/ daß sie den Tigerfluß hinter sich legen moͤchten/ und wie sie denselben auff eine Stunde erreichet hatten/ wurden sie von beyden Seiten her angesprenget/ merketen auch/ daß der Raͤuber eine zimliche Anzahl im Gehoͤlze verstecket wahr/ daher Ladisla dem Dol- metscher befahl/ etwas hinter sich zureiten/ und sein hellschallendes Hoͤrnlein zublasen/ her- nach/ so bald solches geschehen/ ihnen Spornstreichs zufolgen; welcher Anschlag so gluͤk- lich gerieht/ daß die Raͤuber alle sich verstecketen/ und nicht anders meyneten/ es waͤhre ei- ne grosse Anzahl dahinden/ deswegen sie sich zuruͤk zogen/ und den unsern freyen Durchzug liessen/ daß sie in guter Sicherheit uͤber den Tigerfluß gingen/ und nicht ferne von dannen in eine grosse Kauffstad Assyrischen Landes ankahmen/ sich in eine Herberge legeten/ und auff Geselschafft warteten/ mit deren sie wegen Unsicherheit der vielen Råuber ungeschla- gen durchkommen moͤchten. Inzwischen brach Valikules von Tyrus auff nach Damaskus zu reisen/ weil ihm sein Wirt nachrichtung gab/ welches Weges die Parthischen Herren gezogen waͤhren/ wolte sich aber seines an die Roͤmische Beamten erteileten Schreibens nicht gebrauchen/ son- dern hielt sich an allen Orten ungemeldet/ biß er nach Damaskus kam/ woselbst er dem Roͤ- mischen Stathalter Herrn Sulpizius/ den Gruß von seinem Oheim Herrn Pompejus anmeldete und nach auffgelegtem Schreiben Fuͤrstlich empfangen ward/ nicht anders/ als ob des Kaͤysers naͤhester Anverwanter ankommen waͤhre muste auch wiedeꝛ seinen wil- len Drittes Buch. len drey Nacht daselbst verharren/ und weil er in gute Kundschafft mit ihm geriet/ legte er den groͤsten Theil seiner Baarschafften bey ihm nieder/ nahm die angebohtene Be- gleitung von dreyssig Pferden zu sich/ und zog in guter Sicherheit uͤber den Eufrat in Mesopotamien/ da er in der naͤhesten Stad einen versamleten Hauffen/ LIII stark an- traf/ die sich mit Gewehr auffs beste versehen hatten/ und einen Haͤuptmann unter sich auffworffen/ welcher ein grosser ansehnlicher aber sehr verzagter Mensch wahr. Er gab sich mit in ihre Geselschafft/ mit dem erbieten/ lieb und leid mit ihnen auszustehen/ und da sie loßbrachen/ wunderte er sich der ungeschiklichen Ordnung/ welche dieser Großpraler ihr Hauptmann bey dem Fortzuge anstellete/ in dem er die Kauffmans Wa- gen und Karren voraußgehen ließ/ und sich mitten unter dem Hauffen versteckete/ da er in der besten Sicherheit zu seyn vermeinete; da wieder er aber nichts reden wolte/ als lange er sahe/ daß keine Gefahr verhanden wahr/ nur daß er in allem Glimpf erinnerte/ er hielte es vor rahtsam/ daß die Wagen und Karren fein in die mitte genommen wuͤrden/ und die zu Fusse dabey lauffende (deren XXV wahren) mit ihren Pfeilen sich darzwischen setzeten/ als dann wuͤrde man auff allem Fall die Waaren beschuͤtzen und den Anfal abhalten koͤñen; dessen ihr Hauptman lachete/ und zur Antwort gab; er haͤtte so manniche Reise getahn/ waͤhre auch mehr als einmahl in Scharmuͤtzeln wieder die Raͤuber gestanden/ und beduͤrf- te dergleichen junger unerfahrner Rahtgeber nicht/ es moͤchte Valikules sich umb seine Haut bekuͤmmern/ weil er bey den Guͤtern nichts zuverlieren haͤtte. Dieser als ein verstaͤn- diger fraß solches geduldig in sich/ weil er nicht wuste/ wessen er sich zu den uͤbrigen zuver- sehen haͤtte/ gedachte es doch auff Begebenheit zu ahnen/ wor zu es folgendes tages gute Gelegenheit gab/ da eine Raͤuberische Schaar LXXX Reuter stark ihrer von ferne gewahr wurden/ welche auch unser Held zeitig ins Gesicht bekam/ daher er seine Gefaͤrten fragete/ ob sie willens waͤhren frisch zu fechten/ wo sie angegriffen wuͤrden/ als dann wolte er daß seine mit dabey tuhn/ ungeachtet er mit sehr guten Freibrieffen versehen waͤhre/ auch keine eigene Guͤter beschuͤtzen duͤrffte. Worauff ihr Hauptman ihm antwortete; es stuͤnde ihm frey zu fechten oder zu ruhen/ und ob er sich seiner gelben Haar fuͤrchtete/ kaͤhme es umb ihn nicht zu/ so grauete ihm gar wenig vor jenen Weibischen Raͤubern/ weil er einen jeden in seiner Geselschafft besser/ als jener drey schaͤtzete. Valikules sahe/ daß es unzeitig wahr/ mit dem Narren zu zanken/ taht als hoͤrete ers nicht/ und ermahnete die andern/ daß sie ihr Ge- wehr fertig hielten und die Glieder fest setzeten/ alsdann solte es mit Gottes Huͤlffe keine Noht haben; er saͤhe schon daß der Gegenteil sich gefast machte/ auff sie loßzugehen/ und muͤste man sich zur Gegenwehr schicken. Worauff die Geselschafft sich ermunterte/ und ihm versprachen/ Leib und Leben zu wagen/ und einem guten Vorgaͤnger zu folgen; wel- ches alles er gerne vernam/ uñ zu dem verordenten Hauptman sagete: Mein Freund/ ihr werdet euch eures Amts eriñern/ dann hie wil es mit hoͤnischen Worten trauen nicht auß- gerichtet seyn; demnach erwaͤhlet euch eine Schaar/ denen ihr am meisten trauet/ und fan- get mit deren Beystand den Streit an/ da man uns Gewalt anlegen wolte/ ich wil helffen so viel ich gelernet habe. Der stolze Kleinot-Haͤndeler empfand diese eriñerung sehr hoch/ und durffte sich schimpflicher Draͤuworte vernehmen lassen; er aber ermahnete ihn/ daß er ja nicht durch innerliche Empoͤrung die ganze Geselschafft in Gefahr setzete/ haͤtte er a- ber/ Drittes Buch. ber/ nach dem diese Feinde wuͤrden gedaͤmpffet seyn/ auff ihn zusprechen/ und er von der loͤblichen Geselschafft dessen Urlaub haͤtte/ solte ihm schon zur Gnuͤge begegnet werden; vor dißmahl muͤste man bedenken/ was vor Antwort den Abgefertigten/ die dort herkaͤh- men/ solte erteilet werden. Laß sie ankommen/ antwortete dieser/ ich wil ihnen die Antwort mit der Faust und nicht mit der Zunge geben. Er hingegen baht die Geselschafft hoͤchlich/ sie moͤchten zu ihrer eigenen Wolfahrt ihrem Hauptman einreden/ damit er durch unbe- sonnene Frecheit nicht Ungluͤk anrichtete; man muͤste den Feind nicht verachten/ insonder- heit da er an Mannheit uͤber legen/ und wie sichs ansehen liesse/ in Waffen wolge uͤbet waͤh- re/ hielte auch davor/ es wuͤrde gut seyn/ daß man den herzunahenden Abgeordenten mit hoͤfflicher Antwort begegnete. Die Geselschaft ließ ihr solches wol gefallen/ aber ihr Fuͤh- rer grimgramsete/ ob er sich von so einem jungen unerfahrnen Menschen solte unterweisen lassen; es waͤhre ihm von allen Anwesenden die Haͤuptmanschafft einhellig auffgetragẽ/ und wolte er schon wissen/ diesen Schimpf zu gelegener Zeit zu raͤchen. Wol wol/ antwor- tete er/ und lasset uns nur in dieser algemeinen Gefahr gute Freunde seyn/ hernach solt ihr alles finden was ihr suchet. Ritte darauff mit seinem Dolmetscher Plautus und vier fri- schen jungen Kauffleuten den Abgeschikten entgegen/ uñ hoͤrete von ihnen diese Werbung an: Sie waͤhren von jener aͤdlen ritterlichen Geselschafft abgeordnet/ umb zu vernehmen/ was vor Leute sie waͤhren/ und wessen sie sich zu ihnen versehen solten/ auch ob Kauffleute sich unter ihnẽ fuͤnden/ die mit ritterlichem Gewehr/ wieder ihren Stand sich außgeruͤstet haͤtten/ darauff begehreten sie insonderheit Erklaͤrung/ daß sie den ihrigen eine richtige Antwort hinterbringen koͤnten. Der stolze Kleinot-Haͤndler kam herzu gerant/ in Mey- nung/ sie mit hochmuhtigen Worten abzuschrecken; aber Valikules kam ihm zuvor/ und sagte: Seid gebehten/ und goͤnnet uns eine geringe frist/ daß wir uns einer Antwort ver- gleichen moͤgen: Und als sie dessen zu frieden wahren/ begehrete er von seiner Geselschafft zu wissen/ was die Ursach waͤhre/ das sie absonderlich nach Kauffleuten frageten; und ver- nam/ daß die Raͤuber vor erst aus Liebe zur Beute solches wissen wolten/ hernach/ weil sie nicht leiden koͤnten/ daß Kauffleute mit Wehr und Waffen sich zum Schuz gefasset hiel- ten. Seid ihr dann der festen Meynung/ sagte Valikules/ euch redlich und geherzt zu weh- ren/ so wil ich getraͤuen Beystand leisten/ wo nicht/ weiß ich schon Mittel/ mich samt mei- nen Dienern als ein Gesanter durchzubringen; weil sie sich nun erklaͤreten/ biß auff den lezten Blutstropffen zu fechten/ und den Plaz nicht als nur Sieghaft zu verlassen/ ver- mahnete er sie noch mahls/ daruͤber aus zu seyn/ daß ihrem Fuͤhrer untersagt wuͤrde/ damit er nicht durch Frevel ein unwiederbringliches Ungluͤk verursachete; kehrete sich nachge- hends zu den Abgeschikten/ und antwortete ihnen durch seinen Dolmetscher: Es naͤhme sie nicht un billich Wunder/ was man sie auff freier Landstrasse rechtfertigen duͤrffte/ da sie doch weder mit einigem Menschen Feindschafft haͤtten/ noch andere zu beleidigen suchten; wolte demnach ihre aͤdle Geselschafft freundlich erinnert haben/ sie an ihrer Reise nicht zu verhindern/ damit man ihnen nicht Ursach gaͤbe/ sich dessen zubeschweren. Die drey Ab- geschikte wolten mit dieser Antwort nicht friedlich seyn/ sondern begehreten außdruͤklich zu wissen/ was vor Leute sie waͤhren. Valikules erinnerte sie noch mahls/ sie moͤchten sich keiner Taͤhtligkeit unterfangen; sie waͤhren Leute die sich gedaͤchten nach moͤgligkeit zu schuͤtzen/ Drittes Buch. schuͤtzen/ und zeigeten die Wagen und Karren an/ was vor hantierung sie trieben/ weil sel- be/ nach dem sie es ja wissen wolten/ nicht mit Bauren oder Soldaten-sondern Kauffmans Waaren beladen waͤhren. Wolan/ sprachen diese; so seid ihr Afte Reuter und Kauffleute/ deßwegen laͤsset euch jene Ritterschafft hiemit bey Lebensstraffe gebieten/ die Waffen/ so euch zu fuͤhren nicht geziemen/ alsbald abzulegen/ alle eure Waaren ihnen willig zu liefern/ und endlich vor Lebensfristung eines jeden/ 150 Kronen aus dem naͤhesten Orte herbey zu- schaffen. Das waͤhre unguͤtlich gehandelt/ antwortete Valikules; dañ vor erst haben wir unsere Wassen nicht angelegt/ jemand zubeschaͤdigen/ sondern bloß zu unser Beschuͤtzung/ wolten sie auch gerne diese Reise uͤber behalten/ oder auffs wenigste so lange/ als wir sie verteidigen koͤnnen. Uber das sind die Waaren mit unsern wolgewoñenen Geldern einge- kaufft/ daran eure Geselschafft durchaus keine weitere Ansprach hat/ als was sie davon eink auffen moͤchten. Sollen wir aber hieruͤber noch unser Leben von euch loͤsen/ muͤssen wir vorhin wissen/ ob ihr Macht daruͤber habt; koͤnnen uns demnach anders nicht erklaͤren/ als daß wir von euch freien Fortzug begehren/ welchen wir euch zu hindern eben wenig gemei- net sind. Diese verwunderten sich der herzhaften Erklaͤrung/ sonderlich von einem so jun- gen Menschen/ und sagten zu ihm: Juͤngling/ uns jam̃ert eures bevorstehenden Ungluͤks/ und gebet ihr freilich zu verstehen/ daß ihrmehr im Kramladen/ als auf der Streitbahn ge- uͤbet seyd/ doch wollen wir mit euch nicht zanken; aber es wird euch uͤbel ausschlagen/ daß ihr im vollen Streitharnische duͤrffet aufgezogen kommen/ welches von einem Kramer- Knecht unerhoͤret ist. Valikules antwortete mit halblachender Stimme: Er moͤchte viel- leicht schon vor diesem sich im Felde getum̃elt habẽ/ muͤste auch seine Haut selber zu mark- te tragen/ und moͤchten sie seinetwegen nur unbekuͤm̃ert seyn/ ohn daß er ihnen andeuten wolte/ er hielte seine Haut sehr teur/ waͤre auch diese Stunde noch nicht willens sie zu ver- schenken. Ließ sie damit reiten/ hieß die Wagen und Karꝛen enge ineinander fuͤhren/ und die Kauffdiener und Fuhrleute mit ihren Spiessen und Pfeilen sich darzwischen stellen/ die Geselschaft aber fleissige Aufsicht haben/ daß sie sich naͤhest bey den Wagen hielten/ und sich weder davon abtreñen noch gar uͤmringen liessen/ waͤhlete hernach ihrer zwoͤlfe neben Gal- lus und dem Dolmetscher/ die allemahl sich uͤm jhn halten/ und seinem Vornehmen folgen solten. Kaum wahr dieses angeordnet/ da drang der raͤuberische Hauffe frech uñ veraͤcht- lich auff sie an/ denen die hochmuhtige Rede des jungen Kauffmanns in vollem Harni- sche heftig zu Herzen gieng/ insonderheit da sie ihn sein Pferd vor dem Hauffen so verwaͤ- gen tum̃eln sahen/ wodurch er doch die seinen dermassen anfrischete/ daß sie alle gute Hoff- nung des Sieges fasseten; dagegen rechneten jene es vor einen Schimpf und stilschwei- gendes Ausfodern/ schikten deßwegen einen an ihn ab/ ob er die Kuͤnheit haͤtte/ vor dem al- gemeinen Gefechte einen absonderlichen Kampf anzutreten; denen er zur Antwort gab: Dafern sie sich etwas wieder zuruͤck ziehen/ oder ihm sonst Sicherheit vor moͤrderischem Anfal schaffen wuͤrden/ waͤhre er bereit und erboͤtig/ so lange mit einem und folgendem zu kaͤmpffen/ als er das Schwert fuͤhren koͤnte; dessen zwar seine Geselschafft sich betruͤbete/ aber Gallus redete ihnen ein Herz ein: Sie haͤtten sich seines Herren wegen nicht zu be- kummern; Er zweifelte nicht/ ihnen Bestand gnug zu seyn/ sie nach einander alle saͤmtlich niederzulegen. Jene namen den Kampf uñ gemaͤssigte bedingung an/ gaben den Kaͤmpfeꝛn F f f f Raum Drittes Buch. Raum gnug/ und als Valikules mit seinem Manne traf/ und kaum fuͤnff Streiche gefuͤh- ret hatte/ schlug er ihm das Haͤupt vom Rumpfe glat hinweg/ schikte seinen Dolmetscher an die Feinde/ es moͤchte ein ander kommen/ und seines Gesellen Schaden raͤchen. Diese haͤtten sich des Unfals nicht vermuhtet/ mercketen auch aus seinẽ Gefechte/ daß er mit dem Gewehr anders als auff Kaufmans art uͤmging; doch fand sich ein wolversuchter Raͤu- ber/ der mit einer schweren Streitkolbe auff ihn zusetzete/ damit er ihm den Gar-auß zu ma- chen bedacht wahr; Er aber weich ihm aus dem ersten Streich/ und versetzete ihm eins auf den rechten Arm/ daß derselbe mit samt der Kolbe auff die Erde fiel/ und dieser zwar auß- reiß/ aber Schmerzen halben vom Pferde stuͤrzete. Bald ließ Valiskules den Raͤubern an- deuten/ da ihrer einer nicht muhtig gnug waͤhre/ den Kampff fortzusetzen/ moͤchten ihrer zween zugleich kommen. Zwar der Hohn taht ihnen wehe/ wolten doch den Streit nicht versagen/ und schicketen zween ab/ mit Befehl/ den verwaͤgenen Buben lebendig zu fahen/ damit ihm die gebuͤhrliche Straffe werden moͤchte; aber er mischete sich unter sie/ und er- legte beide mit wenig Streichen; worauff der ganze raͤuberische Hauffe aufbrach/ und sol- ches Schadens von einem einzigen nicht mehr gewaͤrtig seyn wolten. Valikules sahe die- ses zeitig/ und foderte seine zwoͤlff Erwaͤhlete durch den Dolmetscher zu sich/ den Ubrigen ließ er sagen/ die Glieder fest und unbeweglich zu schliessen/ uñ sich nicht zu regen/ biß sie an- gefallen wuͤrden/ oder er ihnen dessen ein Zeichen gaͤbe/ schikte auch Gallus ihnen wieder zu/ sie zu unterweisen/ wessen sie sich verhalten solten/ weil er sahe/ daß sie wenig geuͤbet wah- ren; Er aber hielt mit seinen Zwoͤlffen auff der Wahlstatt/ da er schon die vier erleget hat- te; und als eine starcke Schaar/ von XXX Mann auff ihn traff/ setzete er mit den seinen der- gestalt in sie/ daß ihrer im ersten Treffen X stuͤrzeten/ und sie dagegen nur einen einbuͤsseten/ hielt auch mit seinem Gemaͤtsche immer an/ biß der Feinde XX gestrekt lagen/ und er em- pfand/ daß er nunmehr ihnen an der Zahl der Manschafft nicht ungleich wahr/ da ließ er sein ganzes Volk einbrechen/ mit denen Gallus so eiferig angriff/ daß inwendig einer halben Stunde nicht XX Raͤuber mehr Vermoͤgens wahren/ das Schwert zu gebrauchen/ befun- den sich uͤberdas so gar von allenthalben umgeben/ daß ihnen unmoͤglich war durchzubre- chen; so hatten die Fuhrleute und Kauffdiener sich auch herbey gemacht/ und ihnen den Abzug verleget/ daß sie endlich uͤm Gnade und Lebens-Fristung bahten. Valikules erhielt bey den seinen einen kurzen Anstand/ schlug den Helm auff/ und wolte kurzumb wissen/ was vor Leute sie waͤhren/ und was vor Ursach zur Feindseligkeit sie vorschuͤtzen koͤnten. Diese antworteten/ fie waͤhren alle verarmete vom Adel/ aus dieser und andern umliegenden Landschafften/ haͤtten sich eine zeit her des Staͤgreiffs ernehret/ und von reisenden Kauff- leuten gebeutet/ weil es keinen Krieg gaͤbe; weilnun der groͤste teil ihrer Geselschafft erschla- gen/ baͤhten sie Lebens Freiheit. Ich weiß nit/ antwortete er/ ob ihr des Lebens forthin wuͤr- dig seyd/ nach dem ihr euren adelichen Ritterstand so schaͤndlich beschmitzet/ und euch auff Rauben nud Morden begeben habt; ich bin auch ein Ritter/ und ohn unzeitigen Ruhm/ gnug Adeliches Herkommens/ aber niemand feinder/ als die ihren Adel durch Untugend schaͤnden. Sehet an diese redliche Kauffleute/ wie Blutsaur sie sichs werden lassen/ daß sie mit Gott und Ehren etwas erwerben moͤgen/ davon die ihrigen Unterhalt haben; dieselben nun sind/ oder muͤssen deßwegen mit Gewalt eure Feinde seyn/ daß sie ein Stück Brodt be- sitzen. Drittes Buch. sitzen. Doch wann ich wissen koͤnte/ ob auch Besserung bey euch zu hoffen waͤhre/ wolte ich mich bemühen/ vor euch eine Bitte einzulegen. So bald die Kauffleute merketen/ daß er sich zur Barmherzigkeit wolte lenken lassen/ fielen sie einmühtig zu/ und erschlugen die uͤbri- gen alle/ weil aus ihrer Geselschafft auch IIX das Leben zugesetzet/ und XV verwundet wah- ren. Dann/ sagten sie/ bleiben diese lebendig/ so ist der lezte Betrug aͤrger als der erste/ und haben wir nicht allemahl einen solchen Schutz-Gott (auff Valikules zeigend) bey uns. Al- so muste er sie nach Willen machen lassen/ ruͤhmete sie nach erhaltenem Siege wegen er- wiesener Tapfferkeit/ und vermahnete sie zur Pluͤnderung/ da sie auff den Pferden und in der Raͤuber Kleidern eine Barschafft auf zwo Toñen Goldes/ und an Kleinoten fast ja so viel funden/ welches sie alles getraͤulich zusammen legeten/ und ihr vermeynter Haͤuptman sich schon durffte vernehmen lassen/ wie groß sein Anteil seyn muͤste; Herkules trat zu dem- selben/ und fragete ihn/ ob er noch zornig waͤhre/ oder des willens/ mit ihm einen Kampff zu halten/ es solte ihm dißmahl sein schaͤndliches Geplaͤrre nach gesehen seyn/ wuͤrde er aber nach diesem es mehr machen/ solte er Streiche davor leiden. Gallus sagte: Ja mein Herꝛ/ der verzagte Hudler hat sich nicht eins in den Streit wagen duͤrffen/ sondern ist stets hin- ter den Karren in Sicherheit blieben. Er hat ihm recht getahn/ antwortete Valikules/ dañ weil in solchen Faͤllen an dem Hauptmann ein grosses gelegen ist/ hat er uns allen zum be- sten sein Leben retten wollen/ und mag er meinethalben seine Hauptmanschafft wol wieder antreten/ nur allein uͤber mich nicht. Das wenden die Goͤtter ab/ rieffen die uͤbrigen ein- muͤhtig/ sagten auch ausdruͤklich/ er waͤhre des Ampts unwirdig/ haͤtte durch sein Groß- sprechen und aͤusserliches Ansehen ihnen falsche Hoffnung gemacht/ und im Streite uͤbrig sehen lassen/ wie wenig sein Herz mit der Zungen einstimmete/ indem er sich verstecket/ und seinen Gesellen in Noͤhten nicht beygesprungen waͤhre/ wovor er dann abtrag machen/ odeꝛ am Leben solte gestraffet werden; dann seine Guͤter/ die er bey sich fuͤhrete/ gingen am Wert hoͤher/ als die uͤbrigen alle mit einander/ was sie dann endlich benoͤhtiget waͤhren/ ihm das seine zuschuͤtzen/ und vor ihn ihr Blut zuvergiessen; da laͤgen acht ihrer Gesellen auff dem Sande gestrecket/ welche nicht den hundertsten Teil Guͤter dabey haͤtten/ und waͤhren doch nicht unwillig gewesen/ alle gefahr mit auszustehen/ da dieser inzwischen geruhet/ biß es zur Ausbeute kommen waͤhre/ da haͤtte er sich tapffer gebrauchet/ und ihm schon den besten Teil der Beute fodern duͤrffen. Valikules rief ihn vor sich/ und fragete ihn/ wie er diese Auflage zuverantworten gedaͤchte; aber die Furcht hatte ihm alle Sprache benommen; endlich noch wandte er ein/ ihm waͤhre uͤbel worden/ da ihn seine alte Plage der Schwindel ange- stossen/ und er sich ins Gedraͤnge nicht wagen duͤrffen/ wolte sonst den Feind mit hauffen nidergeschlagen haben. Aber ein junger verwundeter Kauffmann fiel ihm in die Rede/ uñ sagte: Je du verzagter Hudler/ muste dann der Schwindel eben im anbegin der Schlacht kommen/ und mit deren Endigung alsbald auffhoͤren/ dz du munterer bey der Pluͤnderung seyn kuntest/ als einige andere? Und haben meine Augen mich nicht betrogen/ so meyne ich nicht anders/ als daß du etliche geraubete Sachen schon zu dir gestecket hast/ als ein Dieb. Dieser gab sich auffs leugnen/ aber viere griffen ihn an/ suchten nach/ funden acht koͤstliche Kleinot in seinem Schieb Sak/ und frageten/ wie er dabey gehandelt haͤtte. Er sahe/ daß er die Untaht nicht leugnen kunte/ gab vor/ er haͤtte anfangs gemeynet/ ein jeder solte behalten F f f f ij was Drittes Buch. was ihm dz Glük befcherete/ weil es aber der Geselschafft anders gefiele/ waͤren die Stuͤcke da/ und noch unverzehret/ und damit man sich uͤber ihn nicht zubeschweren haͤtte/ wolte er nach gehaltener gleicher Teilung ihnen in der ersten Herberge einen Schmauß geben. Wodurch sie alle sich dergestalt uͤber ihn eiferten/ daß sie ihn ohn Zweifel erschlagen haͤttẽ/ dafern Valikules nicht waͤhre sein Schutz gewesen/ welcher sie dann zufrieden sprach/ und sie vermahnete/ einen gemeinen wolbedachten Raht uͤber ihn zuhalten/ damit er sich keiner Gewaltsamkeit zubeklagen haͤtte. Sie nach gehaltener Beredung trugen vor: Es haͤtte dieser Großsprecher sich zur Hauptmanschafft fast eingedrungen/ und ungezweifelt einge- logen/ hernacher seinen Unverstand zu solchem Amt sehen lassen/ nach gehends den Kopff gar aus der Schlinge gezogen/ und keinen Schwerdschlag gegen den Feind getahn/ unge- achtet ihnen bewust waͤhre/ daß seine geladene Guͤter auff etliche Tonnen Goldes sich er- strecketen; haͤtte also sein Gut samt dem Leben verwirket/ welches sie ihm auch nehmen/ uñ es vor der Obrigkeit schon verantworten wolten/ weil bey allen reisenden Geselschafften dieses Recht guͤlte/ daß sie alle vor einen Mann stehen/ und der Ungetraͤue das Leben ver- lieren solte. Valikules hieß den Beklagtẽ seine verantwortung tuhn/ ob etwa seiner schlim- men Sache koͤnte geholffen werden; Er hatte aber nichts erhebliches einzuwenden/ ohn daß er angab/ er haͤtte geringe Sachen geladen/ die bey weitem nicht so hoch im Preise waͤ- ren; Und als er hiemit endigte/ warnete ihn Valikules/ seine Gefahr zubedenken/ und alle moͤgliche Mittel hervor zusuchen/ durch welche die erzuͤrnete Geselschafft koͤnte beguͤtiget werden. Dieser meynete die Gefahr nicht so groß zu seyn/ und lag ihm seine vorige Haupt- manschafft noch etwas im Kopffe. Aber die Geselschafft bestund auff ihrem vorhaben/ und machten sich schon fertig/ ihn niderzusaͤbeln; nur Valikules baht sie mit bewaͤglichen Woꝛ- ten/ sie moͤchten umb seiner Vorbitte willen ihm das Leben schenken/ und wann er ja nicht gar ohn straffe davon solte/ ihm eine gelindere aufflegen. Worauff sie ihm anzeigeten/ da- fern er der kraͤfftigen Vorbitte dieses tapfferen Helden (den er so hoch beleidiget haͤtte) ge- niessen wolte/ muͤste er den vierden Teil aller bey sich habenden Guͤter zu ihren freyen Haͤn- den stellen/ und durch einen Fußfall umb Vergebung bitten. Dieses Ausspruchs meynete der geizige Mensch zuverzweifeln; Sie moͤchten ihn doch nicht an den Bettelstab bringẽ/ oder daß er gezwungen wuͤrde/ ein Baͤnkchen zumachen/ massen er nicht mit seinen eigenẽ/ sondern mit erborgeten Geldern handelte/ wolte dannoch nicht allein sich alles Anteils an der Beute begeben/ sondern uͤberdas noch ihnen 600 Kronen zustellen/ nicht zweifelnd/ sie wuͤrden damit friedlich seyn. Auff welches erbieten sie ihn zur Erden rissen/ und erbaͤrmlich zupruͤgelten/ daß wo Valikules ihn nicht mit seinem Leibe geschuͤtzet haͤtte/ wuͤrde er dem Tode nicht entgangen seyn; Derselbe nun brachte es durch Vorbitte zur naͤheren Hande- lung/ und ward der Schluß gemacht/ welchen Valikules mit gut heissen muste; Es solte der Verdamte eins vor alles 30000 Kronen geben/ oder seine Guͤter alle miteinander muͤ- sten preiß seyn. Hier besan er sich nun/ was ihm am ertraͤglichsten waͤhre/ sterben/ oder so viel Gelder missen; endlich besorgete er sich der gar zu sauren Todes Bitterkeit/ und erbot sich/ ihrem Willen ein genuͤgen zutuhn. Nun hatte er uͤber 120000 Kronen Baarschafft bey sich/ welche er aus Kleinoten geloͤset/ und uͤberdas vor eben so viel/ ungefassete Steine; wog die Gelder ab/ und als die Fuhrleute und Diener den grossen, Vorrahtsahen/ wolten sie Drittes Buch. sie alles Preiß machen/ welches zuverhuͤten er ihnen 10000 Kronen schenken muste. Da ward nun alle Feindes Beute samt den 40000 Kronen in drey gleiche Teile geleget/ deren einen die Geselschafft vor sich dehalten/ den andern Valikules zustellen/ den drittẽ/ die halb- scheid Gallus/ und das uͤbrige den Wittiben und Kindern der acht erschlagenen Kaufleu- te zuwenden wolten/ uñ redete ein verstaͤndiger Kauffman unseꝛn Valikules also an: Hoch- aͤdler tapfferer Held und Ritter; wir allesamt muͤssen bekennen/ daß eure unuͤberwindliche Faust und hohe Klugheit unser aller Leben und Guͤter beschuͤtzet/ und aus den blutgierigen Haͤnden dieser Raͤuber loßgerissen hat/ so dz ohn eure Huͤlffe uns unmoͤglich gewesen waͤh- re/ dem Tode zuentgehen; ist demnach billich/ daß wir ein Zeichen unserer Dankbarkeit spuͤren lassen/ und eurer Hochaͤdl. Gestraͤnge diesen wolverdienten Anteil der Beute ein- reichen/ wobey wir Kaufleute ingesamt eine Tonne Schatzes von unsern Guͤtern legen/ und zum Andenken seines hohen Verdienstes liefern wollen; Da auch ihre Gestr. uns an- zeigen wolte/ worin wir derselben sonst dienen koͤnten/ wuͤrde uns solches die hoͤchste Ver- gnuͤgung geben. Valikules bedankete sich des Erbietens zum freundlichsten/ und gab zur Antwort: Er waͤhre in Beschuͤtzung seines eigenen Lebens bemuͤhet gewesen/ und haͤtte ein jeder unter ihnen maͤnlich gefochten/ daß ihm daher durchaus kein Dank/ geschweige/ einige Verehrung oder Anteil der Beute gebuͤhrete; so waͤre auch seine art nit/ um Geld oder Geldesgewehr zu fechten/ dessen er nicht allein zu guter gnuͤge bey sich fuͤhrete/ sondern allenthalben/ wo er auch kaͤhme/ gnug haben koͤnte; wuͤrden demnach nicht allein von ihren Guͤtern keine Anlage zu seiner Verehrung machen/ sondern auch den grossen unverdientẽ Teil der Beute wieder zu sich nehmen; Ihr freundwilliges Herz waͤhre ihm Erstattungs gnug/ wolte sich auch mit Auffrichtigkeit zu ihrer aller Dienst und Freundschafft hiemit anerbohten haben. Die Kauffleute wurden hieruͤber sehr betruͤbt/ beredeton sich kuͤrzlich/ und liessen durch den vorigen abermahl vorbringen: Sie truͤgen das feste Vertrauen zu seiner Hochaͤdlen Gestr. dieselbe wuͤrde durch beharliche Wegerung sie nicht gar zu hoch beschaͤmen/ sondern dafern sie in dero Gewogenheit waͤhren/ zum wenigsten den Anteil der Beute zu sich nehmen/ sonsten/ da sie solches uͤber verhoffen nicht wuͤrden erhalten koͤnnen/ waͤhre dieses ihr Geluͤbde/ daß derselbe ganze Anteil als eingeheiligtes verlobetes durch diese Wuͤsteney eines guten Weges hin solte ausgestreuet werden. Valikules erkennete daher ihren Vorsaz/ durffte sich ihnen nicht zu stark entgegen setzen/ und erboht sich/ weil es ihnen also gefiele/ er aber seinen Gehorsam ihnen nicht versagen koͤnte/ wolte er zum freund- lichen Andenken ihrer so guten Gewogenheit die Kleinot von dem Anteil der Beute zu sich nehmen/ und die Baarschafften der ehrlichen Geselschafft lassen; womit sie endlich zufrie- den wahren/ weil man ihm meistenteils Kleinote gelegt hatte/ nahmen aber die Gelder/ und teileten sie unter Gallus und Plautus/ welches er weder durch Bitte noch Ernsthindern kunte. In der ersten Herberge foderte er den gewesenen Hauptman allein vor sich/ und leg- te ihm alle seine Kleinot vor/ mit Befehl/ daß er davon vor 30000 Kronen zu sich nehmen solte/ damit er seines Schadens nachkaͤhme/ womit ihm durchaus nicht gedienet waͤhre; Uber welche Hoͤfligkeit sich dieser nicht gnug verwundern kunte/ wolte dessen auch nichts zu sich nehmen/ sondern baht gar wehmuͤhtig/ er moͤchte ihm sein hohes Verbrechen hoch- guͤnstig verzeihen/ wodurch er ihn unverantwortlich zu Zorn gereitzet haͤtte/ dann er erken- F f f f iij nete/ Drittes Buch. nete/ daß durch seine Vorbitte er Leib und Leben/ auch den groͤsten Teil seiner Guͤter erhal- ten; Ja er nam einen koͤstlichen Ring/ auff 3000 Kronen wert/ und schenkete ihm denselbẽ/ mit Bitte/ ihm zugoͤnnen/ daß er sich ihm hiemit zu ewigen Diensten verpflichtete. Vali- kules sahe seine Reue/ welche ihm sehr wol gefiel/ nam den Ring auff Freundschafft an/ uñ stellete ihm ein wichtigers Kleinot wieder zum Gedaͤchtniß zu/ welches er auch mit Dank- sagung behielt/ aber Gallus ein gleichguͤltiges wieder schenkete. Die uͤbrige Reise durch Mesopotamien biß an den Tigerfluß endeten sie in guter Sicherheit/ da sie Assyrien errei- cheten/ sich daselbst teileten/ und gegen Valikules aller moͤglichen Dienste sich erbohten/ in- sonderheit vergaben sie ihrem gewesenen Hauptmann auff dessen hohe Vorbitte/ und daß dessen Verbrechen sie gegen niemand gedenken wolten; Und ging nun Valikules auff sei- ner Reise eilig fort/ weil er noch zur Zeit seiner Liebsten Zeichen allemahl antraf/ und nach diesem Leitstern seinen Lauff in guter Hoffnung richtete. Es wird aber schier Zeit seyn/ daß wir unsern Herkuliskus nach Charas begleiten/ welcher die fuͤnff Tage uͤber zu Ekbatana aller Anwesenden Herzen ihm dermassen durch seine Zucht und Freundligkeit verbunden hatte/ daß nicht weniger der Groß Fuͤrst und sein Gemahl/ als die andern ihn inbruͤnstig liebeten/ auch wegen seiner Großmuͤhtigkeit und Waffen Erfahrenheit niemand Argwohn fassete seines weiblichen Geschlechtes/ ohn allein Pharnabazus/ dem daß geraubete Fraͤulein stets im Sinne lag/ und fast nicht mehr zwei- felte/ sie waͤhre eben dieselbe in Manneskleidern; jedoch/ wann er ihren Muht/ Schiessen und Fechten betrachtete/ straffete er sich selbst dieser Gedanken halber; bemuͤhete sich nicht desto minder/ ob er nicht etwas gewisses von Arbianes erfahren koͤnte/ weil er wuste daß sie Schlaffgesellen wahren/ daher fragete er ihn eins mals ob auch Herkuliskus so zart am Lei- be als unter dem Gesichte und an den Haͤnden waͤhre. Diesem wahr die Ursach solcher Frage unbekant/ und antwortete; er koͤnte hievon nicht wissen/ weil er stets in Kleidern schlieffe/ vorgebend/ er haͤtte dessen ein Geluͤb de auff sich/ hielte sich auch so schamhafftig/ daß er nichts blosses an seinem Leibe sehen liesse. Es fehlete wenig/ daß Pharnabazus nit loß brach/ und seine Meinung anzeigete/ nur weil er fuͤrchtete/ ihn dadurch zubeleidigen/ hielt er an sich/ und beschloß in seinem Herzen/ hievon keinem Menschen ichtwas anzuzei- gen/ ob er gleich im geringsten nicht mehr an der Warheit zweiffelte. Er wahr aber mit samt dem Groß Fuͤrsten sehr betruͤbet/ daß er dem unkeuschen Koͤnige nach Charas solte geliefert werden/ welches doch nohtwendig geschehẽ muste/ weil seine vortreffliche Schoͤn- heit dermassen schon beschriehen wahr/ daß die aͤdlen und Herrenstandes in der naͤhe haͤuf- fig nach Hofe reiseten/ den fremden Juͤngling zu sehen. Noch wahr niemand der seines tuhns und lassens genauer wahr nahm/ als Fr. Roxane/ weil daß verliebete Fraͤulein ihre Zuneigung nicht bergen kunte/ und weil er sich aller Hoͤffligkeit gegen sie gebrauchete/ in die Gedanken fiel/ es moͤchte eine unzimliche Liebe daraus entstehen/ welches an der Fraͤu- lein Seite nichts als Schimpf und Schande bringen koͤnte/ weil sie an der Unbilligkeit nicht zweiffelte/ die man ihm in Parthen zumuhten wuͤrde. Herkuliskus wahr so einfaͤltig nicht/ daß er dieser fleissigen Auffmerkerin Gedanken nicht solte erkennet haben/ dessen er aber in seinem Herzen lachete/ nicht zweiffelnd/ sie wuͤrde sich dereins solches Argwohns am meisten schaͤmẽ/ welche doch vor dißmahl nach nichts so sehr/ als nach sein em Abscheid verlangen Drittes Buch. verlangen trug/ weil die Groß Fuͤrstin sich schon etlcher reden/ betreffend Pharnabazus und der Fraͤulein Heyraht/ hatte vernehmen lassen/ welches ohn zweiffel wuͤrde den Krebs- gang gewiñen/ da man der Fraͤulein Liebe zu Herkuliskus merken solte. Groß Fuͤrst Phra- ortes schlug sich inzwischen mit zweiffelmuͤhtigen Gedanken/ wie ers mit ihm halten solte; Er haͤtte ihn herzlich gerne in Teutschland geschicket/ muste sich aber befuͤrchten/ Koͤnig Artabanus wuͤrde ihn deßwegen von Land und Leuten jagen/ als der ihm ohn daß zimlich ungewogen wahr/ weil er sich etlicher reden wieder seine Hoch eit solte haben vernehmen lassen; berahtfragete sich deßwegen mit Pharnabazus/ hielt ihm beydes die Gefahr und sein Mitleiden vor/ und daß auff den Fall der Lieferung er nicht allein sich wuͤrde muͤssen seiner Mannheit berauben lassen/ sondern auch wol abscheuhliche Unflaͤterey annehmen. Dieser wuste des guten Rahts nicht viel/ steckete zwischen Tuͤhr und Angel; haͤtte zwar seinem Freunde Herkules zugefallen die Lieferung gerne gehindert und wiederrahten/ uñ sahe doch nicht/ wie sein Schwager der grossen Gefahr entgehen wuͤrde/ welches ihn zu dieser Antwort veranlassete; die Goͤtter wissen/ daß in dieser Sache gar kein Raht bey mir ist; moͤchte wuͤnschen/ daß Mazeus ihn hieher nicht geliefert/ sondern eine Zeitlang in der stille bey sich behalten haͤtte/ damit man ihn/ andern unwissend/ nach seiner Heimat senden moͤgen; ehe wir aber etwas schliessen/ waͤhre mein Raht/ mit ihm zu reden/ und seine Mei- nung druͤber zu hoͤren. Herkuliskus ward darauff gefodert/ welcher/ da er ihre Traurig- keit sahe/ fragte er ganz lieblich/ was dessen die Ursach waͤhre; meinete/ es geschaͤhe wegen des Fechters Tod/ welcher an den von ihm empfangenen Wunden vor anderthalb Stun- den gestorben wahr/ derhalben er sich entschuldigte/ und sich auff des Groß Fuͤrsten Zeug- nis berieff/ daß er ehren halber nicht anders gekunt haͤtte. Aber der Groß Fuͤrst antwortete ihm; Mein geliebter Herkuliskus; hundert und noch hundert Fechter Tod/ wuͤrden mich zu dieser Schwermuͤhtigkeit nicht; bewaͤgen/ kan auch nicht anders Urteilen/ als daß ihm recht geschehen sey. Euer/ ja bloß euer Zustand lieber Sohn/ stuͤrzet mich in diese Traurig- keit/ weil ich durchaus kein Mittel bey mir erdenken kan/ euch in freien Stand zusetzen/ daß ihr nicht dem Koͤnige Artabanus nach Charas geliefert werdet; dann wie lieb und ange- nehm mir eure Kundschafft/ auch eure und meines Sohns Arbianes Freundschafft ist/ so hart schmerzet mich die Ungelegenheit/ in welche ihr etwa dorten gerahten moͤchtet/ und ich nicht wuͤrde abwenden koͤnnen. Herkuliskus fassete des Groß Fuͤrsten Hand/ kuͤssete die- selbe inniglich/ und fing darauff also an: Durchleuchtigster Groß Fuͤrst/ gnaͤdigster Herr; der Sohns Nahme/ den eure Groß F. Durchl. meiner Unwirdigkeit zu geben gnaͤdigst beliebet/ wird mich Zeit meines Lebens der Schuld erinnern/ womit euer GF. Durchl. ich verbunden bin/ und darff ich der kuͤhnen Hoffnung geleben/ es komme dereins die Zeit/ daß dieselbe den suͤssen Vater-Nahmen mit gnaͤdigem Willen von mir annehmen wird; daß aber dieselbe meinetwegen einige Bekuͤm̃ernis uͤber sich nehmen solte/ muͤste mir von ganzer Seele leid seyn/ welches zubezeugen/ schwoͤre ich alhie vor des Himmels Gegen- wart/ daß/ dafern Eure D. meine Reise nach Charas uͤber die angesetzte/ auff zween Tage verflossene Zeit/ noch laͤnger auffschieben wolte/ ich alle Gelegenheit suchen wil/ erstes tages als ein Fluͤchtiger dahin zu reisen/ und dem Koͤnige in euer Durchl. Nahmen mich dar- zustellen; dann warumb solte ein so teurer Fuͤrst meinetwegen sich bekuͤmmern/ oder einige Gefahr Drittes Buch. Gefahr auff sich laden? ehe wolte ich eines schnoͤden todes sterben/ wañs auff andere Wei- se nit koͤnte abgewendet werden; bitte demnach eure Durchl. untertaͤhnigst/ und beschwoͤ- re sie bey Gott/ daß sie fortnicht mehr sich meinetwegen herme/ noch die Reise auffschiebe; dann ich bin dessen gewiß und versichert/ das groͤsser Ungluͤk mich nicht uͤbergehen kan/ als der Himmel/ oder vielmehr der wahre Gott/ der uͤber alles herschet/ uͤber mich beschlossen hat; es waͤhre dann daß derselbe auff diese Unterwelt kein Auge wendete/ welches ihm a- ber kein vernuͤnfftiger Mensch wird einbilden lassen. So beschleunige nun mein gnaͤdigsteꝛ Herr diese Reise/ auff daß derselbe dieser Sorge entrissen/ und ich der himlischen Verse- hung geliefert werde. Phraortes hoͤrete dieses mit uͤbergehenden Augen an/ umbfing ihn als einen Sohn und sagete: Nun dann/ weil es ja so seyn sol und muß/ wil ich mein Vor- nehmen endern/ welches bloß auff eure Erloͤsung tichtete und nebest euch hoffen/ die Goͤtter werden euch in kein verderben gerahten lassen/ welches nach Vermoͤgen abwenden zuhelf- fen/ ich selber mit euch reisen/ und euch dem Koͤnige zufuͤhren wil. So wil ich mit einen Gefaͤrten geben/ sagete Pharnabazus/ und da euch eine Gefahr zustehen solte/ muß mir zu- vor mein Leben gebrochen werden. Wolan/ so sey es beschlossen/ sagete der Groß Fuͤrst/ daß wir geliebts Gott uͤbermorgẽ auffbrechen/ uñ mit grossen Tagereisen und geruheten Pfer- den nach Charas zu reiten; dessen Herkuliskus nicht wenig erfreuet ward/ massen des jun- gen Arbianes Liebe sich taͤglich gegen ihn mehrete/ so daß er fuͤrchtete/ sein Geschlecht in die laͤnge vor ihm nicht verbergen zukoͤnnen; zugeschweigen/ daß schier heut oder Morgen es ihm moͤchte verdacht bringen/ daß er bey ihm so viel Nachte geschlaffen; hierzu kam Frl. Barsenen blinde Liebe/ die ihren Vorschlag ins Werk zusetzen/ noch immer anhielt/ weil sie ihr leicht die Rechnung machete/ dafern sie den Vogel aus dem Kefich liesse/ duͤrfte er ihr entfliegen/ oder von einer andern abgefangen werden/ auf welchen Fall sie sich sterbens erwogen hatte. Uberdas merkete er an Pharnabazus unterschiedlichen verdecketẽ Reden/ daß er ihn vor Herkules verlohrne Liebste hielt/ in dem er einsmahl/ da er ihm nahe saß/ der unvergleichlichen Liebhabere/ Fuͤrst Herkules uñ Frl. Valisken Gesundheit trank/ auch nach getahnem bescheide ihn umbfing/ sprechend; ach daß ich meinem Freunde Fuͤrst Her- kules wuͤnschen koͤnte/ daß er die Kron seiner Seelen dergestalt umbarmen moͤchte/ oder zum wenigsten ich ihm dereins darzu koͤnte behuͤlflich seyn/ wie ich der Hoffnung gelebe; woraus er leicht verstund/ was dieses Raͤzel bedeutete; ihm aber von dergleichen Vorneh- men abzuhalten/ also antwortete: Mein Herr; ich vor mein Haͤupt wuͤste meinem Oheim und meiner Wasen nichts bessers zu wuͤnschen/ und kan moͤglich seyn/ daß solcher Wunsch schon seine Erfuͤllung habe; wo nicht/ als dañ wolle mein Herr ihnen nach moͤgligkeit traͤu- lich beystehen/ vor allen dingen aber ihre Heimligkeit/ die ihm etwa moͤchte bewust seyn/ verschwiegen halten/ und keinem Menschen unter der Sonnen offenbahren/ auch sich ih- rer aͤussersten Dankbarkeit versichern. Auß welcher Antwort er abnam/ daß ihm die Er- kaͤntnis seines Geschlechtes allerdinge zu wieder waͤhre/ daher er hinfort sich dessen mit keinem Worte merken ließ/ und gedachte auff nichts so hefftig/ als wie es noch endlich zu Charas ablauffen wuͤrde; welches hingegen Herkuliskus auß dem Sinne schlug/ uñ nicht eins darauff achten wolte/ biß er saͤhe/ wie mans mit ihm wuͤrde anschlagen. Als nun der Schluß zur Reise gemacht wahr/ gingen sie miteinander zu Tische/ nach dessen auffhebung der Drittes Buch. der Groß Fuͤrst unsern Herkuliskus fragete/ ob ihm geliebete/ mit auff die Jagt zu reiten/ solte ihm solches frey stehen; welches er mit grossem dank annam/ und auff verguͤnstigung samt Arbianes in den Mahrstall ging/ ihm ein Pferd zu waͤhlen/ auff welchem er einige Zierligkeit koͤnte sehen lassen. Es gefiel ihm aber keines so wol/ als der Blaͤnke/ welcher von den andern allen abgesondert stund/ und laut anfing zu wrinschen/ da er in den Stal trat/ ging ihm naͤher/ und verwunderte sich uͤber seine hohen geraden Schenkel/ wolstaͤndigen Hals/ lange Maͤhne/ zierlichen Kopf/ starke Brust und geschiklichen Leib/ sagte auch zu Ar- bianes; ohn zweiffel wird dieses Pferd niemand/ als der Groß Fuͤrst selbst reiten. O nein/ herzlieber Bruder/ antwortete er/ es ist ein dermassen unbendiges Tihr/ daß es niemand wil auffsitzen lassen; ist in der Wildnis gefangen/ und meinem Herr Vater vorm halben Jahre geschenket/ welcher es etliche mahl hat wollen niderschiessen/ weil es so gar nicht zu zaͤhmen ist/ und habe ichs bißher noch verbehten/ ob es mit der Zeit die Wildheit ablegen wolte/ weil es noch jung/ etwa von drey Jahren ist. O daß ich ein solches Pferd haͤtte/ es zubereiten/ sagte Herkuliskus/ ich wolte ihm entweder den Kitzel vertreiben/ oder es muͤste mirs muͤde machen/ dann es scheinet aus allen Zeichen/ daß es uͤber die masse fest/ und zum außreissen geschikt ist. Der Bereiter stund dabey/ und antwortete ihm: Junger Herr/ ich wil fast ja so gern auff einem Tiger/ als auff diesem Pferde sitzen/ werde es auch nimmer- mehr rahten/ daß ihr euch dessen unterfahet. Haͤtte ich darauff meines Gn. Groß Fuͤrsten erlaͤubnis/ sagte er/ ich wolte euch schon zeigen/ wie man mit diesem unvergleichlichẽ Pfer- de geberden muͤste/ und bitte sehr/ sagte er zu Arbianes/ mir die Freyheit bey seinem Herr Vater zu erbitten/ daß ichs nur versuchen moͤge. Dieser wolte ihn durch einfuͤhrung der Gefahr abmahnen/ als es aber nicht verfangen kunte/ ging er mit ihm hin/ und brachte sein Begehren vor; worauff der Vater antwortete: Mein Sohn Herkuliskus/ ich bin euch in allem zugefallen/ aber warumb solte ich Ursach eures Verderbens seyn? waͤhlet euch sonst ein Pferd nach belieben/ dañ dieses wuͤrde euch den bittern Tod verursachen. Euer GF. Durchl. gehorsame ich billich/ antwortete er; aber Jammer und Schade ist es/ daß dieses aͤdle Tihr wegen des Bereiters Unerfahrenheit bey der Krippe versteiffen und veralten sol/ welches/ wann ich ein Ritter waͤhre/ umb eine Herschafft nit vertauschen wol- te. Pharnabazus halff bitten/ daß es nur auff den Plaz gefuͤhret wuͤrde/ damit er saͤhe wie unleidlich es des reitens waͤhre. Und als der Groß Fuͤrst einwilligte/ ging er in fluͤchten nach dem Mahrstalle zu/ und befahl auff Phraoꝛtes geheiß/ ihm einen gelinden Zaum anzu- legen/ welches aber nicht verrichtet werden kunte/ biß ihm alle viere gefesselt wahren/ und man ihm zugleich ein scharffes Naseband antaht/ bey welchem vier starke Knechte es an beyden Seiten zum Stalle außleiteten/ deren keiner unbeschaͤdigt davon kam. Sobald es auff den Plaz gebracht wahr/ und seine Wildheit immerfortsehen ließ/ nam Herkuliskus einen Rohrstecken/ rieff ihm auff Teutsch hart zu/ und gab ihm unterschiedliche Streiche uͤber die Lenden/ redete ihm darauff freundlich zu/ und streichelte ihm zugleich den Hals/ woruͤber es zwar nicht allerdinge sich zur Ruhe begab/ aber doch den groͤsten Teil seiner Wuht einstellete/ so daß er nach abgerissenem Nasebande/ den Zuͤgel fassend/ sich hinauff schwang/ und es ungesattelt im Plaze weidlich tummelte/ da es anfangs sich hefftig bemuͤ- hete/ seinen Reuter abzuwerffen/ und in kurzem doch so sanfftmuͤhtig ward/ daß ers nach G g g g allem Drittes Buch. allem Willen lenken und zwingen kunte. Der Groß Fuͤrst dieses ersehend/ sagete zu den Anwesenden; dieser Juͤngling schaͤndet mir alle meine Leute/ denen ich so grossen Sold ge- be; meine Schuͤtzen muͤssen sich vor ihm verkriechen; dem Fechter hat er gar die Faust hin- weg gehauen; die Bereiter macht er jezt zu Lehrjungen; und wer weiß/ wie es noch heut meinen Jaͤgern und mir selber ergehen wird? Unterdessen belustigte sich Herkuliskus auff dem wunder starken-geraden Pferde/ biß ihn dauchte genug seyn/ da sprang er herunter/ liebkosete ihm mit flachen Handschlaͤgen/ an der Stirn/ Brust/ Hals und Lenden/ welches das Pferd nicht allein willig añam/ sondern uͤber daß sich mit lustigem wrinschẽ/ Schweif- schlagen und Fußkratzen so freidig und zugleich gehorsam erzeigete/ als waͤhre es sein lebe- lang mit ihm umbgangen. Er zohe es nachgehends in den Mahrstal/ entzaͤumete es/ uñ gab ihm ein gutes Futter/ kehrete wieder nach dem Saal/ und ließ sich gegen den Groß Fuͤr- ften verlauten/ er hielte das Pferd nach seinem schlechten verstande hoͤher/ als daß es ums Geld koͤnte geschaͤtzet werden/ weil es eine so aͤdle Art/ gewuͤnschete Geschikligkeit/ uñ tref- liche Leibesstaͤrke haͤtte; merkete auch so viel/ daß es sich sklavischer Weise von den Knech- ten nicht wolte zwingen lassen; und dafernich nicht irre/ fuhr er fort/ so hat es fast abscheuh bey andern Pferden zu stallen. Phraortes legte ihm die Hand auffs Haͤupt und sagete: Geliebter Sohn/ ich erinnere mich bey euch des grossen Alexanders und seines aͤdlen Bu- zephals/ welches nur diesen einzigen auffsitzen ließ/ und keines andern Zuͤgel oder beschrei- tung sich untergeben wolte; zweiffele nicht/ es habe mit diesem meinem Pferde gleichmaͤs- sige Beschaffenheit/ gestaltsam ichs mit ihm auff allerhand Weise versuchet habe/ aber bißher allemahl vergebens; und daher nicht anders Urteilen kan/ als daß eure Vor Elteꝛn/ wo nicht ihr selbst von goͤtlichem Stamme muͤssen entsprossen seyn/ auch umb so viel mehꝛ mich versichere/ der Himmel werde sich euer in allen begebenheiten getraͤulich annehmen. Herkuliskus kuͤssete ihm die Hand/ und gab zur Antwort: Er waͤhre seines Groß Fuͤrsten untertaͤhnigst-gehorsamster Knecht/ wuͤste sich auch schuldig ihrer Durchl. Scherzreden geduldigst anzunehmen/ wie hohe rohtgefaͤrbete Wangen ihm dieselben gleich macheten/ daß seine unwirdigkeit dem groͤsten Welt Herrn Alexander verglichen/ ja biß an der Goͤt- ter Gebluͤt erhaben wuͤrde/ welche doch in seinem Vaterlande sich mit schwachen Men- schen nicht so gemein macheten/ daß sie Kinder mit ihnen zeugeten. Es sey wie ihm wolle/ antwortete der Groß Fuͤrst/ so erkennet doch mein unvernuͤnftiges Pferd etwas sonderli- ches an euch warumb solte dann ein verstaͤndiger Mensch dasselbe nicht begreiffen? Aber geliebet euch/ den Blaͤnken auff der Jagt zu reiten/ werdet ihr ihm den Sattel selbst muͤs- sen aufflegen/ da er meinen Leuten den Gehorsam ferner wegert/ weil es Zeit seyn wird/ sich auffzumachen. Daran sol es nicht mangeln/ sagte Herkuliskus; empfing von Arbia- nes den Sattel/ welcher mit Rubinen und Perlen auff ein Guͤldenstuͤk trefflich gesticket wahr/ und ließ die Bereiter den Versuch tuhn/ ob sie forthin das Pferd besser zwingen wuͤrden; aber alles vergeblich/ dann es schlug und bisse von sich/ viel erschreklicher als vor- hin; so bald aber Herkuliskus ihm mit dem Stecken draͤuete/ und selber Hand anlegete/ stund es wie ein Lamb/ und ließ sich von ihm kratzen/ kaͤmmen/ Zaͤumen und Satteln. Im hinaus reiten zohe der Groß Fuͤrst allein voraus/ und folgete ihm Arbianes und Herkulis- kus/ hinter denen Pharnabazus und Mazeus. Es ward aber Herkuliskus mit solchem Wunder Drittes Buch. Wunder beschauet/ daß Jung und Alt/ Weibes und Mannes Volk haͤuffig herzu lieff/ die schon so hoch beschriehene Schoͤnheit und Geschikligkeit dieses fremden Juͤnglinges zu- sehen/ daher Arbianes zu ihm sagete: Sehet mein herzen Freund/ wie sich die Inwohner draͤngen/ euch als ein Weltwunder zubeschauen. Er antwortete ihm mit einem freund- lichen lachen: Durchl. Fuͤrst; warumb solten diese Zuseher nit vielmehr an ihrem Groß- Fuͤrsten/ und dessen einigem wirdigen Erben/ als an meiner Unwirdigkeit sich erlustigen/ nachdem sie ja von mir weder zugeniessen noch zu hoffen haben? Nein o nein? sondern die Liebe zu ihren angebohrnen Herrn/ hat sie aus den Haͤusern gelocket/ und koͤmt nur ohnge- fehr/ daß der arme geraubete Herkuliskus von ihnen mit beschauet wird; ja wer weiß/ ob nicht der groͤste Teil meiner Unhoͤfligkeit uͤbel wil/ daß ich mich unterstehẽ darf/ dem Groß- Fuͤrstlichen jungen Herꝛn an der Seite zu reiten. Er aber hoͤrete dieses mit grossem Un- willen an/ daß er sich verlauten ließ/ wann er jemand unter dem Hauffen mit solchen Ge- danken beladen wissen solte/ muͤste derselbe es mit dem Leben buͤssen. Nicht so unbarmher- zig/ mein Fuͤrst/ nicht so unbarmherzig/ antwortete er; dann weil ich dem groͤsten Hauffen/ ja fast allen Zusehern unbekant bin/ wer koͤnte ihnen solches verargen? fassete damit seinen Bogen/ und in dem er auff eine voruͤber fliegende Taube loßdruͤckete/ sagte er mit heller Stimme; ein Schuß auff meines Fuͤrsten und wahren Freundes Gesundheit; schoß ihr auch den Pfeil in die Brust/ daß sie auß der Lufft hernider fiel/ und von Pharnabazus auf- gefangen ward; dessen das anwesende Volk nicht allein sich zum hoͤchsten verwunderte/ sondern ein starkes freuden Geschrey anstimmete; Der junge Fuͤrst lebe/ und sein Freund/ der junge Fuͤrst lebe und sein Freund! Daß verleihen mir die Goͤtter/ sagte Arbianes/ daß ich mit meinem Freunde Herkuliskus/ und nicht ohn ihn leben moͤge. Welches sein Vater mit betruͤbetem Herzen anhoͤrete. Sie wahren kaum auff den besameten Acker hinaus kom̃en/ da Herkuliskus einen Hasen quer uͤber lauffen sahe/ und weil er ihnen ferne wahr/ ließ er sein Pferd auff ihn zu eilen/ welches wie ein Bolzen von der Sehne dahin flohe/ da er in- zwischen anlegete/ und den Hasen schoß/ daß er uͤber und uͤber purzelte. Der Groß Fuͤrst dieses sehend/ sagte zu den folgenden; ich ruffe den Him̃el zum Zeugen/ daß mein Gemuͤht durchaus zweifelt/ ob der Juͤngling ein Mensch oder Gottes Kind sey; und was werde ich noch in kurzen vor Wunder zu Charas von ihm sehen? aber sehet doch/ wie er mit sei- ner Beute dorther pranget/ welche er vielle icht unser einem zu liefern bedacht ist; worin er doch irrete; dañ er wendete sich hin zu der Groß Fuͤrstin Gutsche/ reichete ihr das Wild untertaͤhnigst und mit laͤchelnden Augelein/ sprechend: Durchl. Groß Fuͤrstin/ weil mir das Gluͤk so wol mitfaͤhret/ daß ich die erste/ und zwar ungestellete Beute davon gebracht/ ihrer Durchl. aber mit alle meinem Vermoͤgen mich Leibeigen weiß/ so gelanget an diesel- be mein untertaͤhnigstes Ansuchen/ dieses Haͤsichen gnaͤdigst vor mir anzunehmen; kuͤssete ihr hiemit die Hand/ und lieferte das Wild einem beylauffenden aͤdelknaben ein. Mein al- lerliebster Herkuliskus/ antwortete sie; billich solte dieser Hase zum Gedaͤchtnis eines fast unmoͤglichen Schusses auffgehoben werden; aber damit ihr eigentlich sehet/ was vor ei- ne Gewogenheit ich euch trage/ wil ich selbst Hand anlegen/ und ihm das Fel abstreiffen/ daß er auff dem Groß Fuͤrstlichen Tische verzehret werde. Bald darauff ging die Haͤupt- jagt an/ bey der sich Phraortes weidlich gebrauchete/ auch die anderen ihr bestes wirketen/ G g g g ij da- Drittes Buch. daher Herkuliskus ihnen keinen Eingrieff tuhn wolte/ nur wann er sahe/ etwas den andern schon entgangen seyn/ dem setzete er nach/ und gab ihm den Fang; dann sein Pferd wahr wunder geschwinde/ und seiner Hand gehorsam/ so daß es zugleich mit bemuͤhet wahr/ die fluͤchtigen Tihre zuerlegen/ wie es dann einer wilden Sau der gestalt auff den Ruͤssel traff/ das sie sich uͤber und uͤber warf. Nach geendeter Jagt/ da sie wieder nach Ekbatana ritten/ funden sie die Felder mit Menschen angefuͤllet/ die sich versamlet hatten/ den wunder-schoͤ- nen Juͤngling zu sehen/ unter welchen sich ein Sternseher fand/ in der schwarzen Teufels- kunst erfahren/ der sich sehr zu ihm nahete/ und uͤberlaut/ daß etliche hundert Menschen es hoͤreten/ ihn also anredete: Unvergleichlicher wunder-Juͤngling; euer verborgenes ist mir nicht so gar verborgen/ ob gleich kaum vor fuͤnff Tagen ich euch erstmahls gesehen: O wie manniches Herzenweh ist euch schon uͤbergangen/ und o wie manniches draͤuet euch der Himmel noch! troͤstet euch aber mit dem/ daß keine ungewogene Sternen uͤber euch auff- gehen; und ob zwar eine vaͤterliche Zuchtruhte euch treffen moͤchte/ sol doch kein Henkers Schwert uͤber euch gezuͤcket werden; nur wanket in eurem herzhafften Vorsatze nicht/ als- dañ muß euch die allerschmerzlichste Wieder wertigkeit zur empfindlichen Wollust gedeien; dann wessen eure Freunde sich euretwegen besorgen/ daß ist unmoͤglich/ erfuͤllet zu werden/ wie ihr selber wisset. Dieses Mannes Ansehen hatte aller Anwesenden Gemuͤht einen sol- chen Gehorsam eingegebẽ/ daß sie ihm stille schweigend zuhoͤreten/ da er nur mit der Hand winkete; insonderheit gab Herkuliskus fleissig acht auff seine Rede/ meinete auch nicht an- ders/ als daß der Himmel selbst ihm diesen Trost zugeschikt haͤtte/ deßwegen er ihm zur Ant- wort gab; Geliebter/ wie wol unbekanter Alt Vater; eure Vermahnung zur Tugend/ die den himlischen Trost mir zum grunde leget/ muhtiget mich dergestalt/ dz ich Gottes Gunst mir ungezweiffelt versprechen darf; werde mich demnach aͤusserst bemuͤhen/ daß weder im Ungluͤk ich der goͤttlichen Verhaͤngnis wiederspenstigkeit/ noch im wolergehen Frevel- muht sehen lasse; seid aber gebehten/ und verleyhet mir bey Gott eine Vorbitte/ der euch wirdiget/ kuͤnfftige Geheimnissen euch zu offenbahren. Der Alte sagete hier auff: Eure ver- sehung/ treflichster Juͤngling/ bedarf meiner Vorbitte nicht/ und wo ich nicht heßlich be- trogen bin/ werdet ihr in wenig Monaten dieses Begehren selbst wieder ruffen; kehrete sich darauff von ihm hinweg/ verbergete sich unter das Volk/ und verließ Herkuliskus wegen der tunkelen Reden in schmerzlichen Nachdenken/ welcher nach einer halben viertel Stun- de/ da er frisch nach der Stad fort ritte/ einen Mann etwa von 40 Jahren am Wege stehẽ sahe/ der seine Augen starre uͤber sich gen Himmel wendete/ und dauchte ihn/ wie eine son- derliche Freidigkeit und Inbrunst aus seinem Antliz erschiene/ daß er auch nicht umbgang haben kunte/ ihn zu fragen/ ob er etwas sonderliches am Himmel vernaͤhme/ daß er mit so unverwendeten Augen hinauf saͤhe; welcher ihm zur Antwort gab: Tugendliebender Herꝛ/ meine Himmel-bruͤnstige Augen/ kehren sich auffwerz nach dem wahren Schoͤpffer dieseꝛ irdischen Welt/ welcher zwar allen thalben gegenwaͤrtig ist/ aber dort oben die Herschafft seiner goͤttlichen Herligkeit fuͤhret/ zu demselben seufzet mein Geist/ euch in seinen gnaden Schuz zu nehmen/ und eure Seele zuerleuchten/ auff daß ihr schier erkennen moͤget/ was Gott sey/ und was vor unaußsprechliche Himmelsfreude er denen bereitet hat/ die ihn er- kennen/ und auff seinen heiligen Wegen gehen/ auch umb dessen Willen alles Ungluͤk ge- duldig Drittes Buch. duldig ausstehen/ weil sie endlich erfahren und befinden/ daß ihnen mehr gutes und heilsa- mes aus der Welt Angst/ als Wollust aus ihrem liebkosen zukomme; und zweifelt mir nit/ derselbe wahre Gott werde den Brunn seiner Gnade uͤber euch ergiessen/ daß ihr eure See- le nicht weniger mit Himmelsfreude/ als das Gemuͤht mit Tugend-begierigen Gedanken erfuͤllen moͤget. Herkuliskus hatte der gleichen Wunsch vor nie gehoͤret/ und gedauchte ihn/ daß eine sonderliche Krafft in den Worten steckete/ bereitete sich deswegen/ ihm zuantwor- ten; aber der vorige Alte trat unvermuhtlich wieder herbey/ und sagte: Trefflicher Juͤng- ling/ nicht sehet/ bitte ich/ diesem Neulinge ins Maul/ der euch von ertichteten Dingen und ungefangenen Fischen schwaͤtzet/ gestaltsam er ein Veraͤchter der Goͤtter ist/ und/ umb einẽ einigen Gott alle himlischen Kraͤffte zuvertauschen/ anzusuchen pfleget; haltet vielmehr dz vor wahr/ was ihr mit Augen sehet/ und verwerffet/ was dieser und andere seines gleichen ohn Grund und klaren Beweißtuhm tichten und luͤgen; sehet an die glaͤnzende Sternen/ den wandelbahren Monde/ die unvergleichliche Sonne/ das verzehrende Feur/ und erken- net ihre Goͤttliche Krafft und unbetriegliche Gottheit. Alter Vater/ antwortete Herkulis- kus/ mit wemstreitet ihr? oder was hat euch dieser andaͤchtige Mañ leides zugefuͤget/ dz ihr ihn der Luͤgen zeihet/ deren er mir doch keine vorgelegt hat? so hoͤre ich im geringsten nicht/ daß er dem Himmel oder der Erden ichtwas ungebuͤhrliches auffbuͤrde/ daher ihr zweifels ohn seine Reden unrecht werdet verstanden haben. Ja/ trefflicher Juͤngling/ sagte der Al- te; ist es noch nicht Bosheit gnug/ daß er von einem einigen wahren Gott sein Geblaͤrre fuͤhren/ und dadurch die andern alle uͤbern hauffen schaͤnden darff? Ich hoͤre kein schaͤndẽ aus seinem Munde/ sagte Herkuliskus/ und das er von einem wahren allmaͤchtigen GOtt redet/ ist nicht sein Getichte/ wie ihr vorbringet/ sondern viel hochverstaͤndige Leute sind des- sen mit ihm einig. Dieses redete sie/ weil sie aus Herkules Schreiben solches gesehen/ und in ihrem Herzen sich schon erklaͤret hatte/ den Christlichen Glauben anzunehmen. Der Alte/ ungeachtet aller Einrede/ wolte in seiner Verleumdung fortfahren/ weil aber Arbia- nes unsers Herkuliskus Verdruß sahe/ hieß er ihn schweigen/ und sich hinweg packen; da inzwischen der andere/ welcher ein andaͤchtiger erleuchteter Christ wahr/ sich wegen seines getahnen wolgemeyneten Wunsches demuͤhtig entschuldigte/ dem Herkuliskus antwor- tete: Er naͤhme es mit gutem Herzen auff/ truͤge einen begierigen Willen nach des wahren Gottes Erkaͤntniß/ und hielte selbst davor/ daß mehr Menschen durch Gluͤckes Gewogen- heit/ als dessen Sturm in das Verderbens Meer gestuͤrzet wuͤrden; nam darauff freund- lichen Abscheid von ihm/ und folgete seiner Geselschafft/ die schon voran geritten war. Des folgenden Tages/ welcher der naͤheste vor dem Auffbruche wahr/ ließ der Groß Fuͤrst ein treffliches mahl anrichten/ worzu unterschiedliche Medische Herren eingeladen wurden. Arbianes und Herkuliskus wahren in einem guͤldenen Stuͤcke auff einerley art gekleidet/ empfingen die Gaͤste/ und verrichteten das Vorschneider Amt; Nach auffgehobenen Spei- sen/ ward eine treffliche Lust auff allerhand Seitenspielen angestimmet/ woran Herkuliskus sich zimlich ergetzete/ auch der Geselschaft zu ehren/ und seinem lieben Herkules zum anden- ken/ folgendes Lied in Teutscher Sprache in die Harffesang/ die er zugleich selber gar ar- tigspielete. G g g g iij 1 So Drittes Buch. 1 S O muß ich nun gezwungen froͤlich seyn/ Ob ich die Lust gleich suche gar zumeiden. O liebes Herz/ wie offt gedenk ich dein/ Was magstu wol von meinetwegen leiden? Wo gehestu wol in der Irr’ umher? Und klagest so: sind wir dann gar gescheiden? 2 Bistu hinweg ohn alle Wiederkehr? Bistu hinweg? O Herkules mein Leben; Ich singe zwar/ doch koͤmt es ohngefehr; Dann niemand kan mir Lust und Freudr geben/ Als einig du. Wie fuͤrcht’ ich deiner fast/ Es werde dir schwer seyn/ den Stein zuheben. 3 Der ferne Weg benimt dir Ruh und Rast/ Des Raͤubers Schwert wird dich rechtschaffen uͤben. Ihr Himmel helfft/ daß unter dieser Last Mein Einig-All nicht gar werd auffgerieben/ Lasst uͤber mich vielmehr das Wetter aus/ Und diesen frey/ den ich ins Herz geschrieben. 4 Du grosser Gott/ der du des Himmels Hauß Gewoͤlbet hast; sol er mich wieder finden/ So wickel’ es nicht gar zubund und krauß/ Und laß viel eh mich armes Kind dahinden/ Ich muͤste sonst/ wann er solt’ untergehn/ Vor Ungemach und Herzensangst verschwindẽ. 5 Nun Hoffnung nun/ sol ich ihn wieder sehn/ So wil ich mich an seiner Tugend laben; So wil ich/ was mir Leides ist geschehn/ Als einen Scherz voruͤber lassen traben; Nun Hoffnung nun! sol meine Lust bestehn/ So muß ich ihn doch endlich wieder haben. Alle anwesende verwunderten sich der uͤberaus lieblichen Stimme/ welche sie dergestalt zu zwingen/ und in der Kehle zukraͤuseln wuste/ daß mans mit keinem Spielwerke ihr nach- machen kunte/ daher der Groß Fuͤrst hernach zu seinen Leuten sagete: Daran mangelte es noch/ daß auch meine Spielleute und Saͤnger vor diesem Juͤnglinge/ wie Butter an der Sonne bestehen musten. Niemand aber/ als Pharnabazus/ urteilete daraus ihr weibliches Geschlecht/ und wunderte sich sehr/ daß niemand einigen Argwohn darauff legete. Das lohbrennende Feur wuchs in Frl. Barsenen Herzen je mehr und mehr/ ließ auch keine ge- legenheit voruͤber streichen/ da sie ihm dessen Anzeige geben kunte; vor dißmahl aber baht sie umb Abschrifft der Gesanges-Weise/ dann sie wahr dieser Kunst und des Harffenspiels zimlich erfahren/ dessen sie einen Beweißtuhm ablegete/ und folgende Reimen dabey in Persischer Sprache sang: 1 I Hr meine Gedanken/ wo denket ihr hin? Seyd nicht zu muhtig; Es trifft zu blutig/ Wann schwaches Vermoͤgen und kraͤfftigeꝛ Siñ In einer Geselschafft sich duͤrffen verparen/ Dann ausser dem koͤnnen muß wollen sich sparẽ. 2 Ihr meine Gedanken/ wem ziehet ihr nach? Last leichtes fliegen/ Und schweres liegen; Dann beydes gibt schaden uñ schmerzliches ach; Diß druͤcket/ und jenes bringt schnoͤdes verachtẽ; Hier mustu ersticken/ und dorten verschmachten. 3 Das Mittel geht ohne Gefaͤhrligkeit zu; Scharff ist zu Herrisch/ Und stumpff zu naͤrrisch; Der bleibet ohn fehlen in stetiger Ruh/ Wer immer auff mitteler Strasse sich waget; Dañ niedriges schmaͤhet/ uñ stoltzer Mut plaget. 4 Dich Ikarus treibet die uͤppige Lust Zur Himmels Spitze/ Da du vor Hitze Verschmelzen/ uñ nunteꝛ in Meeres-gꝛund must. Wer Faͤhrligkeit liedet/ muß drinnen vergehen/ Und kluge Vorsichtigkeit bleibet bestehen. 5 Drumb endert ihr meine Gedanken euch bald; Schwingt eur Gefieder Nicht auff/ nicht nider; Auff mitteler Strasse wird jederman alt; Doch goͤnnet dem besseren dieses zu erben/ Was eure Gebrechen nicht koͤnnen erwerben. Herkuliskus ließ sich nicht merken/ daß es von ihr aus halber Verzweifelung wegen seiner Liebe gesungen wahr/ lobete beydes den Tichter und die Stimme/ und ward von der Groß- Fuͤrstin gebehten/ ihr die Harffe zureichen/ damit sie auch ein schlechtes Schuelrecht tuhn/ und Drittes Buch. und der Tugend Lob nach vermoͤgen angeben moͤchte; welchem zu folge/ sie allen Spielleu- ten geboht/ mit einzustimmen/ daß das Spielzeug gedaͤmpffet/ und in sanftem Gleich-Klan- ge gespielet wuͤrde; Worauff sie folgendes Lied hoͤren ließ. 1 O Du heller Tugend-Schein/ Kan man deines gleichen finden? O nein! alles muß verschwinden/ Was dir darff zuwider seyn. Frevel-Macht/ Hochmuht Pracht Muß zu deinen Fuͤssen Liegen/ und demuͤhtig buͤssen. 2 O du unsers Lebens Licht/ O du Glanz der keuschen Sinnen! Dein Vornehmen/ dein beginnen Schlaͤget keinen blossen nicht. Schanden-Lust/ Falsche Brust Muß zu deinen Fuͤssen Liegen und demuͤhtig buͤssen. 3 Wer kan deiner Staͤrke dann/ Deiner Herrschafft sich entbrechen? Du weist Feindes Macht zu schwaͤchen/ Und legst ihnen Ketten an; Spieß und Schild/ Freches Wild Muß zu deinen Fuͤssen Liegen und demuͤhtig buͤssen. 4 Blutgier/ Mord/ List/ und Gewalt/ Geldes Sucht/ unkeusches wollen; Und vor Neid gar seyn geschwollen/ Hat bey dir kein Auffenthalt. Drumb wil ich/ Einzig dich Tugend stets besingen/ Und dir mein Lob-Opffer bringen. Herkuliskus gab diesem Gesange genaues Gehoͤr/ und wie er gar eines fertigen Verstan- des wahr/ tichtete er stuͤndlich einen Gegen Satz/ in dem er des Gluͤckes Grausamkeit an- klagete/ wie dasselbe der Tugend gemeinlich widerstrebete; dannoch aber dieselbe gar zuun- terdruͤcken nicht tuͤchtig waͤhre; nam die Harffe zu sich/ und sang darein folgende Reimẽ: 1 J A Tugend; Weder List noch Streit Kan dich erlegen. Wie aber? daß des Gluͤckes Neid Sich so verwaͤgen An dir zureiben pflegt/ Und immer fort mit wuͤten auff dich schlaͤgt? 2 Wann sie auff rechtem Wege geht/ Und Frieden liebet/ Bistu/ der ihr entgegen steht/ Und sie betruͤbet. Wie schlecht sie immer ist/ Verfolgt man sie doch/ wann du zornig bist. 3 Das fromme Schaf versiht es leicht/ Daß du ergrimmest/ Wann es dir nicht den Reichs Stab reicht/ So bald du bruͤmmest/ Dann gehstu mit Geschoß Und Grimmigkeit auff sie verwaͤgen loß. 4 Du hetzest alle Welt auff sie Durch Luͤgen-tichten; Der zwakt sie da/ und jener hie/ Durch falsches richten; Ja deines Zornes Glut Sucht Loͤschung in der frommen Tugend Blut. 5 So kaͤmpfft das Gluͤk; muß aber doch Der Tugend goͤnnen; Daß sie geherzt das schwere Joch Wird tragen koͤnnen; Dann wie der Palmen Baum Bricht sie hervor/ nimt man ihr gleich dẽ Raum. 6 Sie wartet der bestimten Zeit/ Die Gott gesetzet/ Weil sie Traͤu und Bestaͤndigkeit Vor hoͤchstes schaͤtzet. Schoͤn Wetter/ spricht ihr Wiz/ Erfolget doch auff Hagel/ Sturm und Bliz. 7 Nun dann/ so muß mein Herz und Sin Doch nicht ersticken/ Solt’ auch des Gluͤckes Neid mich hin Ins Wilde schicken/ Da wo der Drachen Wuht Nur wohnet/ weil sich Tugend zu mir tuht. Arbianes baht nach geendigtem singen/ ihm dieses Teutschen Liedes Inhalt ins Griechi- sche uͤberzusetzen/ welches hernach Pharnabazus in gleiche Art Medische Reimen brachte/ und Drittes Buch. und hatte die Groß Fuͤrstin ein solches Vergnuͤgen an demselben/ daß sie es vor ihr bestes waͤhlete/ so daß sie ihrem vor geben nach/ es Herkuliskus zum Gedaͤchtniß vor ihr Leibstuͤk halten wolte/ weil mit seinem Zustande es so gar einstimmete. Dieser/ weil er sich erinnerte/ daß er des naͤhstfolgenden Morgens seine Reise nach Charas anstellen wuͤrde/ stund von seiner Stelle auff/ entbloͤssete auff Teutsche Art sein Haͤupt/ und fing folgende Rede an: Durchleuchtigster/ Großmaͤchtiger Groß Fuͤrst; wie dann Durchleuchtigste Groß Fuͤr- stin; auch Durchleuchtigster Fuͤrst Arbianes/ Gnaͤdigste Herren und Frau; Der aus sei- nem Vaterlande entraubete Herkuliskus/ dessen der Himmel sich als eines Gluͤks Ballen gebrauchet/ kan nicht absehen/ mit was gebuͤhrlichem Danke Ihren Durchleuchtigkeiten zubegegnen er duͤchtig ist/ vor die uͤberaus grosse Gnade/ ihm uͤber alle Verdienst und Wir- digkeit angetahn; Der Unfall hat ihm vor etlicher Zeit seinen lieben Vater entrissen/ den hat er an dem Durchl. Groß Fuͤrsten alhie wieder funden. Die boßhafften Raͤuber haben ihn seiner herzlieben Fr. Mutter entfuͤhret/ dieselbe hat er an seiner gnaͤdigsten Groß Fuͤrstin hieselbst angetroffen; Das Ungluͤk hat ihn von seinem vertrauten Oheim Herkules weit abgeschieden/ der ist ihm an seinem hoͤchstwerten Fuͤrsten Arbianes wieder gegeben. Nim- mermehr werde ich mich dieses Gluͤks gnug ruͤhmen koͤnnen; nimmermehr werde ich sol- ches zuerkennen geschikt genug seyn. In meiner ersten Ankunft bildete ich mir eine leibeige- ne Knechtschafft ein/ und ward vor Sohn und Bruder erwaͤhlet; ich furchte mich vor dz unbekante Ekbatana/ und traff daselbst meiner Eltern Schos an. O Him̃el/ gib mir Ver- nunfft/ es recht zubetrachten; und du Gott/ der du darinnen herschest/ verleihe mir Gnade/ ein Dankzeichen abzulegen; ja vergeltet das gute an mir erwiesen/ ersetzet/ was alle meine Verwanten zubezahlen nicht gnug sind. Gewaltiger Groß Fuͤrst/ was hat Eure Durchl. uñ Gn. an ihrem unwirdigsten Knechte gesehẽ/ das ihn so angenehm gemacht hat? Hoͤchst- ruͤhmliche Groß Fuͤrstin/ welcher Liebes-Gott hat ihre muͤtterliche Brust mir geoͤffnet/ dz ich hinein geschlossen bin? Durchleuchtigster Fuͤrst Arbianes/ warumb leget seine Vor- treffligkeit einem gefangenen Knechte den suͤssen Bruder Nahmen zu? Die Gnade ist zu haͤuffig; die Liebe zu straͤnge; die gewogenheit uͤbermaͤssig; und dannoch habe ichs anneh- men muͤssen/ wolte ich mich selbst nicht unangenehm machen; Ich muste mich vor den hal- ten lassen/ der ich nicht bin/ und solche Verwaltung in diesem Schauspiele auff mich neh- men/ der ich viel zu leichte wahr; daher haben meine Hoͤchstgebietende ja so wenig die Er- setzung von mir zugewarten/ als ich sie nimmermehr zuerlegen weiß. Aber diese Liebe Traͤh- nen (die er mit dem Finger aus den Augen wischete/ und auff den Tisch warff) sollen hie- selbst zum Zeugnis vertroknen/ daß wofern ich leben sol/ ich nicht voͤllig werde gluͤkselig seyn koͤnnen/ als lange mirs an gelegenheit mangelt/ mein Herz sehen zulassen/ wie gerne es den Anfang der Zahlung seiner unzaͤhlichen Schuld machen wolte/ welche voͤllig abzutragen/ des Himmels Reichtuhm erfodert. Aber O mir gar zu verhaffteten! wie sol ich eure hoch- geneigete Freundschafft und Hulde/ Hochgebohrner Herr Pharnabazus/ Herr Mazeus/ Fr. Roxane/ Frl. Barsene/ wie sol ich immermehr ihnen erwiedern/ was ich von ihnen ohn maß empfangen habe? Lasset euch/ bitte ich/ des guͤtigen Gottes Art gefallen/ der mehr ver- gnuͤgung an der Wilfaͤhrigkeit/ als an Geschenken hat/ und versichert euch doch/ daß ich kein Vermoͤgen sparen wolte/ wañ mirs beywohnete/ da ich nun wegen mangel nur Wort- Speisen Drittes Buch. Speisen auffzutragen genoͤhtiget werde. Niemand war uͤber Tische/ dem die klaren Traͤh- nen nicht in den Augen gestanden waͤhren; Das Frauenzimmer aber fingüberlaut an zu weinen/ und Arbianes wahr der Ohmacht am naͤhesten. Diese Traurigkeit nun in etwas zulindern/ foderte Herkuliskus die Harffe/ und mit einem Liebes-brennenden Angesichte/ sang er folgendes Lied in Griechischer Sprache: 1 W Ann mein Wunsch in Krafft bestuͤnde/ Und mein wollen/ koͤnnen fuͤnde; Solte meine Dankbarkeit Feste stehn zu aller Zeit. 2 Wann die Haͤnde koͤnten zahlen/ Was Gedanken wol abmahlen/ Solte meine Dankbarkeit Feste stehn zu aller Zeit. 3 Aber O! von Armut wegen/ Kan ich gar kein Zeichen legen; Drumb steht meine Dankbarkeit Nur im wollen allezeit. 4 Ja mein Herz/ sih wie es gehet; Wer zu hohe Gunst empfaͤhet/ Und mehr als er tragen kan/ Schauet niemand froͤlich an. 5 Wer zu schwer wird uͤberladen/ Wann er muß durch Fluten waden/ Traͤgt vergebens seinen Sin Nach dem fernen Ufer hin. 6 Herz/ jezt lernestu gar eben/ Mehr zu nehmen als zu geben; Solte das nun Tugend seyn; Waͤhrstu voller Tugendschein. 7 Doch du hast zwar nehmen muͤssen; Drumb wird Gott zu lohnen wissen/ Was ein schwacher Schuldes-Mann Durch sich nicht ersetzen kan. Der Groß Fuͤrst erhohlete sich unterdessen/ und die weiblichen Traͤhnen wurden gestillet/ daß auch Arbianes sich wieder erinnern kunte/ wo er wahr/ und gab Herr Mazeus nach Groß Fuͤrstlichem Befehl/ unserm Herkuliskus diese Antwort: Durchleuchtiger/ und von Himlischer Gunstreichbegabeter Herr Herkuliskus; Groß Fuͤrstl. Durchl. allerseits/ haͤlt die hohe Danksagung vor überfluͤssig/ weil sie ichtwas geleistet zuhaben/ sich nicht erinnern koͤnnen/ das eure Vollkommenheit nicht hundertfach verdienet haͤtte; wuͤnschen nichts mehr/ als daß ihnen Freyheit gegoͤnnet werde/ euch zeit ihres Lebens Elter- und Bruͤder- liche Liebe zu erweisen/ erbieten sich bey Groß Fuͤrstlichen Ehren/ es an keinem ermangeln zulassen/ was in ihrem Vermoͤgen stehet. Auch wird mein Herr sich erinnern/ was unser allerseits Gn. Groß Fuͤrst sich neulich gegen ihn erboten/ aber er selbst aͤidlich geunwilliget/ und sich widersetzet hat. Seine GF. Durchl. aber zweifelt nicht/ ihm werde gelegenheit zustossen/ auch am bewusten Orte ihm seine gewogenheit und vaͤterliches Herz sehen zulas- sen. Darauff trat Herkuliskus zu dem Groß Fuͤrsten/ setzete sich auff seine Knie/ und kuͤssete ihm die Haͤnde in kindlicher Neigung/ biß ihn derselbe auffrichtete/ und zu ihm sagte: Mein geliebter Sohn/ ich hoffe/ die guͤtigen Goͤtter werden uns verleihen/ uns unter einander bes- sere Freundschafft zuleisten/ als bißher geschehen. Er hingegen wendete ein/ er haͤtte schon gar ein uͤbriges empfangen/ machte sich hin zu der Groß Fuͤrstin/ und wolte sich auch vor ihr niderlegen/ welche ihn aber umfing/ und nach erteiletem muͤtterlichen Kusse sagete: Mein Sohn/ die Goͤtter wollen euch beystehen; ein mehres wolte die herzbewaͤgende Trau- rigkeit nicht zulassen. Arbianes meynete/ die Ordnung wuͤrde nun an ihm seyn/ empfand aber in seinem Gemuͤht nicht/ wie er sich verhalten solte; welches Herkuliskus merkend/ zu ihm sagete: Hochgeliebter Fuͤrst/ wir werden hernach allein bequemere gelegenheit haben/ uns vor dißmahl zuletzen; wendete sich zu Pharnabazus/ ihm Ehre zubeweisen/ welches er aber nicht zugeben wolte/ sondern ihm wider seinen Willen die zarte Hand kuͤssete/ einwen- H h h h dend/ Drittes Buch. dend/ es waͤhre gar zu viel/ daß er sich auch gegen seine Wenigkeit bedanket haͤtte/ da ihm doch keine Gelegenheit zustossen wollen/ ihm auffzudienen/ die er gleichwol zusuchen/ hoͤchst wolte geflissen seyn. Mazeus taht desgleichen/ und erboht sich mit alle seinem Vermoͤgen. Hernach trat er hin zu Frl. Barsenen/ die sein halbzitternd erwartete/ kuͤssete ihr die Hand/ und meldete in Hoͤfligkeit/ wie er sich der erzeigeten Gunst unwirdig schaͤtzete/ baht umb stetswehrende gewogenheit/ und verpflichtete sich mit vielfaͤltigem erbieten/ ihr steter Die- ner zubleiben/ als viel sein Vermoͤgen ohn einige Bedingung leisten koͤnte; wie ihm dann sein Herz eigentlich zutruͤge/ sie wuͤrden in bestaͤndiger Freundschafft noch manniche Zeit leben. Das Fraͤulein waͤhre lieber mit ihm allein gewesen/ umb ihre Liebe zu guter lezt zube- zeugen/ und seiner Zusage ihn zuerinnern/ weil es aber Zeit und Orts gelegenheit nit goͤn- nete/ muste sie es vertragen/ wuͤnschete ihm mit gebrochener Stimme des Him̃els Schutz/ und bedankete sich aller geschehenen Ehre. Es hatte Fr. Roxane seine Worte angehoͤret/ welche sie alle ungleich deutete/ und auff eine hitzige Liebe zog; Sie wuste fast nicht/ ob sie ihm hold oder ungeneigt seyn solte/ weil sie in den Gedanken stund/ er ginge mit gefaͤhrli- chem Vorsatz umb/ ihre Frl. Schwester zuverleiten/ und war ihr nicht so gar unangenehm/ daß er seine Reise nunmehr fortsetzen wuͤrde. Herkuliskus hatte aus unterschiedlichen Stachelreden/ auch von dem Fraͤulein selbst vernommen/ wessen sie gegen ihn gesiñet war/ welches er ihr doch nichtverargete/ stellete sich auch vor dißmahl uͤbeꝛaus freundlich gegen sie/ und nach geendigter Danksagung/ hielt er bitlich an/ mit ihm einen kurzen Abtrit zuneh- men/ weil vor seinem Abscheide er gar ein wenig mit ihr absonderlich zureden haͤtte. Sie bestürzete hieruͤber/ und zweifelte nicht/ es wuͤrde die Offenbahrung seiner Liebe gegen das Frl. betreffen/ welche einzuwilligen sie durchaus nicht gesinnet wahr/ weil sie mit deꝛ Groß- Fuͤrstin die Heyraht ihres Bruders zimlicher massen schon beredet hatte; wegerte sich demnach hoͤflich/ mit ihm zugehen/ biß ihr Gemahl ihr solches gebot. So bald sie im Ne- ben Gemache sich allein befunden/ kuͤssete er ihr die Hand/ und brachte vor/ er haͤtte vorerst ihr eine grosse Heimligkeit zuentdecken/ und hernach eine freundliche Bitte abzulegen/ wañ er ihrer Verschwiegenheit koͤnte versichert seyn. Sie bildete ihr den vorigen Wahn so sest ein/ daß sie gaͤnzlich meynete/ es wuͤrde die Anwerbung darauff erfolgen/ und gab ihm zur Antwort: Es moͤchte vielleicht eine solche Heimligkeit feyn/ welche sie zuwissen nicht be- gehrete; wann dann eine unmoͤgliche Bitte darzu kommen solte/ würde er nur ihre gute gewogenheit in Zweifel zihen da sie ihm doch von herzen alles gutes goͤnnete. Herkuliskus lachete dieser Sorge bey ihm selber/ wolte sie doch etwas besser pruͤfen/ und sagte weiter: Sein hoͤchstes Vertrauen haͤtte er auff ihre Guͤtigkeit gebauet/ wolte auch nicht hoffen/ dz sie ihm ihre Gutwilligkeit versagen wuͤrde; Die Heimligkeit waͤhre so beschaffen/ daß sie noch zur Zeit kein Menfch/ als sie/ wissen duͤrffte/ deren Nohtwendigkeit die hinzugefuͤgete Bitte aͤusserst erfoderte/ so daß er sich billich vor ungluͤkselig schaͤtzen muͤste/ wann er bey ihꝛ solte einen blossen schlagen. Ach mein geliebter Herkuliskus/ antwortete sie/ die Goͤtter wis- sen/ wie gerne ich ihm zugefallen bin/ wegere mich auch nicht/ nach seinem begehren zuschal- ten/ dafern nur meine Frl. Schwester nicht mit eingemenget wird/ weil dieselbe nicht mehr frey/ sondern von der Groß Fuͤrstin und mir/ einem trefflichen Herrn/ ihrem nahen Anver- wanten ehelich versprochen ist/ ob sie gleich dessen selbstnoch keine Wissenschafft traͤget. Ich erfreue Drittes Buch. mich von Hertzen/ sagte er/ daß mein hochwertes Fraͤulein zu gutem Gluͤk sol ausgesteuret werden/ und weil meine liebe Freundin nicht gerne sihet/ daß das Fraͤulein mit zugezogen werde/ so ist solches eben mein begehren/ frage nur noch einmahl/ ob ich mich auf eure Ver- schwiegenheit verlassen darff; solte dann meine Bitte nicht koͤnnen stat finden/ woran ich doch im geringsten nicht zweifele/ wil ich derselben gerne sie erlassen. Aber was frage ich lange nach eurem guten Willen/ der mir durch so manniche Erweisung mehr als zu kund ist? Vernehme demnach meine hochwerte Freundin/ meine groͤsseste Heimligkeit/ die ich noch keinem fremden offenbahret habe; und was meynet ihr/ herzgeliebete Frau Roxane/ mit wem ihr redet? etwa mit Herkuliskus? Ja mit dem/ der allen andern biß dahin Her- kuliskus bleibet/ nur allein euch nicht als meiner allervertrautesten Freundin. Es fing Fr. Roxane an vor Furcht zuzittern uñ beben/ nicht anders gedenkend/ er wuͤrde sich ihr offen- bahren/ daß er ein warhafftiger Gott waͤhre; Er aber taht/ als merkete er ihre Furcht nicht/ und fuhr also fort: So hoͤret nun meine Freundin/ diese Heimligkeit/ und wisset/ daß ich so wenig maͤnliches Geschlechtes bin/ als eure Frl. Schwester/ sondern ihr sehet vor euch ei- nes maͤchtigen Koͤniges Tochter/ des so offtgedachten Herkules Wase und versprochene Braut/ Valiska. Ich sehe wol/ meine Freundin/ dz ihr gedenket/ ich scherze; aber ach nein; die Merkzeichen sollen bald zeugen/ was ich rede; oͤffnete hiemit ihren Busem/ und ließ ih- re zarten Bruͤste sehen; daß Fr. Roxane sich in hoͤchster Verwunderung befand/ und ihr diese Antwort gab: Allergnaͤdigstes Fraͤulein/ ich bedanke mich untertaͤhnigst der erzeige- ten Gnade/ wodurch sie ihre hoͤchste Heimligkeit mir vertrauen wollen/ und gelobe ihr hie- mit aͤidlich/ daß ich keinem einigen Menschen dieser Welt solches offenbahren wil/ als lan- ge sie es verschwiegen zuhalten mir gnaͤdigst anbefihlet; uñ weil ich durch blinden Irtuhm eine sehr unbedachtsame Grobheit begangen/ bitte ich umb gnaͤdigste Vergebung. Herku- liskus fiel ihr umb den Hals/ kuͤssete sich lange mit ihr/ und taht ihr zuwissen/ daß um Erhal- tung ihrer Jungfraͤulichen Keuscheit sie Juͤnglings gestalt angenommen/ baͤhte/ ihr nicht zuverdenken/ daß sie Arbianes Schlafgeselle zuseyn sich bereden lassen/ weil er sie noch diese Stunde vor einen Juͤngling hielte/ wiewol sie meist deswegen mit ihrer Reise eilete/ dz sie des Verdachts moͤchte enthoben werden; Demnach sie aber nicht wuͤste/ ob ihre Verstel- lung zu Charas gelten wuͤrde/ moͤchte sie gerne auf allen fall uñ ingeheim ein weiblich Kleid bey sich haben/ welches zu bezahlen sie Mittel gnug haͤtte/ und diß waͤhre die Bitte/ welche sie zugleich ablegen wolte. Warumb gedenket mein Gn. Fraͤulein der Zahlung? antwor- tete sie; ich bin ja derselben wegen jezt erzeigeter Gnade mit viel einem mehren verbunden/ und weil ich meiner Schwester gestriges Tages ein neues Kleid verfertigen lassen/ da der Unter Rock von einem Silberstuͤk mit allerhand Farben durchwirketem Blumwerk/ das Oberkleid aber von zarter weisser Seide ist/ mit Perlen gestikt/ wobey Struͤmpfe/ Schuh/ und anderer gebuͤhrlicher Zierraht sich findet/ als wolle Eure Durchl. solches von mir gnaͤ- digst annehmen/ und meines bereitwilligsten Herzens dabey eingedenke seyn. Herkuliskus bedankete sich davor herzlich/ baht/ sein mit grossen Koͤniglichen Ehren-Nahmen zuver- schonen/ und erboht sich/ wegen des versprochenen wolgefaͤlligen Kleides alle Dankbarkeit sehen zulassen; haͤtte aber noch eine Bitte bey ihr abzulegen/ als nehmlich/ daß sie etliche ge- traͤue reitende Diener aussenden wolte/ des Weges/ welchen er kommen waͤhre/ um/ in den H h h h ij mit Drittes Buch. mit diesem Merkmahl bezeichneten Herbergen zuerforschen/ ob nicht ein oder ander fremder Ritter daselbst gewesen/ der entweder nach Herkuliskus oder Valiska gefraget/ massen sie nicht zweifelte/ ihr Herkules oder wol andere mehr/ wuͤrden nicht unterlassen/ ihre Erloͤsung zubefodern. Fr. Roxane lobete ihr traͤulich an/ ein solches erstes Tages ins Werk zurichten/ und weil sie beyderseits sich fuͤrchteten/ es moͤchte ihr langes Gespraͤch den anwesenden verdaͤchtig fallen/ gingen sie wieder in den Saal/ da Frl. Barsene in Furcht stund/ er wuͤrde ihrer Fr. Schwester ihre Liebe anvertrauet haben. Es war die lezte Nacht/ daß Arbianes feinen geliebeten Herkuliskus im Arme schlaffen hatte/ bey dem er anhielt/ es von seinem H. Vater zuerbitten/ daß ihm moͤchte verguͤnstiget werden/ mit nach Parthen zureisen/ damit er umb so viel laͤnger seiner lieben Geselschafft und Gegenwart zu geniessen haͤtte; welches er ihm zwar versprach/ und doch zuleisten nicht gesoñen wahr/ dann es wol- te ihm der junge Herr schon zu geheim werden; daher er wegen der instehenden Reise sich nicht wenig freuete. Des folgenden Morgens lieferte ihm Roxane das Kleid in einem Wetscher/ und betruͤbete sich Arbianes sehr/ daß ihm mitzuzihen durchaus nicht wolte er- laͤubet werden/ und er also von seinem Herkuliskus den endlichen Abscheid zunehmen ge- zwungen ward/ welchen er mit diesen Worten anredete: Die Goͤtter sind meine Zeugen/ herzgeliebeter Bruder/ daß in Abwendung seines Ungluͤks/ welches ihn vielleicht treffen moͤchte/ ich weder Gut noch Blut sparen wolte/ wann sich einige gelegenheit erzeigen wuͤr- de; nach dem ich aber bey meinem Herꝛ Vater nicht erhalten kan/ daß mir die Reise gegoͤn- net werde/ bin ich gezwungen/ mich auff dißmahl mit dem groͤsten Teil meiner Seele zulet- zen/ daß ich auch nicht weiß/ ob mir das Gluͤk verleihen wird/ ihn dereins wieder zu sehen; wiewol ich das Vertrauen zu den himlischen Goͤttern habe/ sie werden nichtzugeben/ dz die allerschoͤnste tugendhaffteste Menschenzucht in Ehren- und Lebens gefahr gerahte; welche Hoffnung mir die Verheissung tuht/ ich solle meinen Herzensfreund nicht gar verlieren/ sondern (welches ich wuͤnsche) in hohem Ehrenstande mit Koniglichen Gnaden uͤberhaͤuf- fet/ wieder antreffen; Inzwischen wil ich ihm des Himmels Schutz helffen erbitten/ nicht zweifelnd/ er werde mir sein versprochenes in der ferne nicht ersterben lassen/ sondeꝛn die an- gefangene Freundschafft und traͤue Auffrichtigkeit halten/ welches bey Verpfaͤndung mei- ner Seele von mir sol geleistet werden; fiel ihm mit diesen Worten umb den Hals/ und in dem er ihn unterschiedliche mahl kuͤssete/ sagete er: O wie gluͤkselig wuͤrde ich seyn/ wann mir vergoͤnnet waͤhre/ des Ungluͤks helffte uͤber mich zunehmon/ da meinem Seelen-freun- de sonst einiges von dem Verhaͤngniß angedraͤuet wird. Mein hochwerter Fuͤrst/ antwor- tete Herkuliskus/ er wolle sich/ bitte ich/ meines kuͤnfftigen ergehens so hoch nicht annehmẽ/ sondern vielmehr sich versichern/ daß mein Muht dem Him̃el noch viel ein mehres trauet/ da ich ihm dann hiemit bruͤderlich verheisse/ aus diefen Morgenlaͤndern nicht zuweichen/ ehe und bevor ich an seiner beliebeten Gegenwart auffs neue mich ergetzet/ und die ange- schuͤrzete Liebes Bande fester geknuͤpffet habe. Wendete sich darauff zu der Groß Fuͤrstin und anderen anwesenden/ und nach abermahl genommenem Abscheide/ befahl er sich ihrer beharlichen Gnade und Gewogenheit/ setzete sich neben den Groß Fuͤrsten auff seine Leib- Gutsche/ und in Begleitung 200 Reuter/ die von Pharnabazus und Mazeus gefuͤhret wurden/ eileten sie auffs geschwindeste fort/ die Parthische Haͤuptstadt Charas zuerreichẽ. Ladisla Drittes Buch. Ladisla und Fabius samt Leches und ihren neuen Dienern/ hatten in Assyrien gute Geselschafft angetroffen/ mit denen sie in zimlicher Sicherheit fast die Persischen Grenzen beruͤhreten/ da dem guten Fabius gar ein schweres Ungluͤk zusties/ als sie im Gehoͤlze einẽ engen Weg ritten/ und wegen Raͤuberischen anfalles gute Auffsicht haben musten/ welcheꝛ Ursach halben Ladista vor dem Hauffen/ Leches in deꝛ Mitte/ und Fabius hinten nach ritte. Als nun dieser/ umb das sein Pferd stallen wolte/ sich ein wenig bey einem krummen umb- wege verspaͤtete/ und eines Steinwurffs zu ruͤcke blieb/ nahmen dessen vier junge verwaͤ- gene Raͤuber wahr/ die ihm Pusche sich verborgen hielten/ schossen ihm das Pferd alsbald nieder/ und sprungen auff ihn zu/ da er unter dem Pferde lag/ hielten ihm das Maul zu/ bunden ihm die Haͤude/ und fuͤhreten ihn mit sich ins Gestraͤuche/ da sie ihm die Augen verbunden/ den Harnisch abzogen/ und alsbald zuerstechen draͤueten/ dafern er nicht willig mit fort gehen wuͤrde. Fabius wahr uͤbermañet/ muste mit springen/ und wahr ihm das ungelegenste/ daß man ihm das Maul geknebelt hatte/ und sich solcher Gestalt eine grosse Meile muste treiben lassen; endlich/ da er dieser Beschwerung entnommen wahr/ gab er mit wenig Persischen Worten zuverstehen/ sie moͤchten ihn als einen Ritter handeln/ er wolte als ein Gefangener ihres Willens leben. Diese aber kehreten sich hier an wenig/ son- dern fuͤhreten ihn mit gefesselten Armen nach dem Fuͤrstentuhm Susiana/ und da sie etli- che Meilen ohn auffhoͤren fortgelauffen wahren/ und sich keiner Nachfolge mehr zubefah- ren hatten/ frageten sie/ wer er waͤhre/ und ob er Geld bey sich haͤtte. Er gab vor/ er hiesse Kleon/ waͤhre ein gebohrner Grieche/ haͤtte mit niemand Feindschaft/ triebe auch kein ge- werbe/ ohn daß er als ein schweiffender Ritter seinem Gluͤk nachzoͤge: Die Geselschaft/ mit denen er gereiset/ waͤhren reiche Kauffleute/ deren eineꝛ ihm ein zusammen gewickeltes kleines Tuͤchlein zuverwahren gegeben/ moͤchtẽ wol koͤstliche Sachen drinnen seyn/ die er ihnen gerne einhaͤndigen wolte; uͤberreichte ihnen hiemit etliche zusam̃en gebundene Klei- not ohngefehr 8000 Kronen an wert; uͤber welche die Raͤuber sich hoͤchlich freueten/ und ihm die Wahl zur sonderlichen Gnade gaben/ ob er lieber sterben/ oder sich verkaͤuffen las- sen wolte. Er empfand hieraus schlechten Trost/ und gab ihnen zur Antwort; dafern er so bittselig seyn koͤnte/ das ihm Leben und Freyheit geschenket wuͤrde/ wolte er sich aͤidlich ver- pflichten/ es an ihrer keinem zueifern; waͤhre es aber ja nicht zuerhalten/ baͤhte er um Lebens- fristung/ und daß sie ihn einem vornehmen Herrn verkauffen moͤchten. Nein antworteten sie/ wir bieten dich nicht weiter aus/ als an einen/ welcher dich nach Willen selbst behalten/ oder weiter verhandeln wird. Weil er nun die Bremsen nicht reizen/ noch diese Buben mit unangenehmen bitten erzuͤrnen wolte/ ergab er sich ihrem Willen/ nur daß sie ihm die Haͤnde frey lassen moͤchten/ nachdem er ihnen nicht entlauffen koͤnte; welche Gnade er in so weit er hielt/ daß ihm dannoch die Arme mit einem Stricke aneinander gebunden wah- ren/ und er deren sich nicht frey gebrauchen kunte. Er gelebete noch immer der Hoffnung/ Ladisla wuͤrde seines abwesens zeitig inne werden/ und umb seine Erloͤsung sich bemuͤhen; aber alles vergeblich/ weil die ganze Geselschaft ihn vor spaͤtem Abend/ 6 Stunden nach seinem Verlust/ nicht misseten/ da sie auff einem breiten Platze sich samleten/ und Ladisla nach ihm umsahe/ endlich ihm mit Nahmen rieff/ und fleissig nachfragete/ ob nicht jemand umb ihn Wissen schaft truͤge. Man befand zwar/ daß er nach gemachtem Schlusse sich an- H h h h iij fangs Drittes Buch. fangs hinter der Schaar gehalten/ waͤhre aber in 6 Stunden daselbst nicht gesehen/ so daß man gedacht/ er wuͤrde neben hin geritten seyn/ und unter andere sich vermischet haben. O mein Bruder/ sagte hierauff Ladisla/ so bistu gewißlich in Unfal gerahten/ und wol gar erschlagen; wendete damit sein Pferd umb/ in meynung/ den Ruͤkweg zunehmen/ und ihn zusuchen; aber Leches redete ihm ein; es waͤhre spaͤter Abend und in der Wildnis/ da nicht allein Raͤuber sondern auch die wilden Tihre zu fuͤrchten; so muͤste man einen Weg von sechs Stunden reiten/ welches den Pferden ja unmoͤglich fallen wuͤrde; zwar er waͤhre bereit zu folgen/ doch hielte er vor rahtsam/ den Pferden etliche Stunden Futter und Ruhe zu goͤnnen/ ob man etliche von der Geselschaft vermoͤgen koͤnte/ in fruͤher Morgen Stunde mit zu reiten/ und Nachsuchung zu tuhn. Ach Leches/ antwortete er; inzwischen kan er gaꝛ umb sein Leben kommen. Die Goͤtter werden ihn behuͤten/ gab er zur Antwort/ und solchẽ Unfal von ihm abwenden. Ladisla sahe daß er gezwungen diesem Raht folgen muste/ hielt auch bey der Geselschaft an/ des folgenden tages in dem Flecken zu verweilen/ biß er ent- weder seinen Gesellen angetroffen/ oder zum wenigsten einige Kundschaft von ihm einge- zogen haͤtte; die zehrungs kosten/ wie hoch sie lauffen wuͤrden/ wolte er gerne abtragen. Dieses erhielt er nicht allein bey ihnen/ sondern sie erbohten sich uͤber daß/ mit ihm zu rei- ten; machten sich auch fruͤh Morgens auff/ und zogen des vorigen Weges/ biß sie sein er- schlagenes Pferd antraffen/ auff welchem der Wetscher noch unversehret/ unter dem Reit- mantel gefundẽ ward/ welchen sie abloͤseten/ uñ zu sich nahmen/ weil auff die 150000 Kro- nen wert Kleinot darinnen wahren. Ladisla gingen die Augen uͤber/ und kunte nicht ersin- nen/ wie diß moͤchte zugangen seyn/ biß einer aus der Geselschaft anzeigete; er erinnerte sich/ daß er dieses Orts etwas zuruͤcke blieben waͤhre/ und muͤsten etliche verborgene Raͤu- ber ihn unversehens uͤberfallen/ und mit sich hinweg gefuͤhret haben. Dessen muß ich ge- wissere Zeichen suchen/ sagte Ladisla; stieg mit XXV Mannen ab/ und durch kroch die Puͤ- sche hin und wieder/ biß sie sein Harnisch und Schwert funden/ woraus sie gewisse Hoff- nung fasseten/ er muͤste nicht erschlagen/ sondern gefangen hinweg gefuͤhret seyn; zweiffelte auch nicht/ er wuͤrde seiner Verschlagenheit nach/ schon Mittel finden/ sich loß zu machen/ worzu ihm die kostbahren Kleinot/ die er bey sich fuͤhrete/ koͤnten behuͤlfflich seyn. Also keh- rete Ladisla mit der Geselschaft wieder umb/ und nam Fabius Harnisch/ Schwert und Pferde Zeug mit sich. Inzwischen muste der Gefangene Kleon (also werden wir Fabius eine Zeitlang nenen) auch noch diesen ganzen Tag bey geringer Speise biß in die sinkende Nacht eilig fort traben/ wie auch des folgenden tages biß an den Mittag/ da sie in einem geringen Flecken ankahmen/ und bey ihrem bekanten Wirt einkehreten/ dem sie den Gefan- genen umb 100 Kronen zukauffe bohten; nachdem aber Kleon auff des Wirts Frage/ was er gelernet haͤtte/ zur Antwort gab/ daß er ein Kriegsman/ und keines Handwerks kuͤndig waͤhre; sagete dieser: Mit solchem nichts werten Menschen ist nichts bessers anzu- fahen/ als daß man ihn erschlaͤgt; dañ weil ich ihn nirgend zu lassen weis/ werde ich nicht hundert Pfennige vor ihn außzahlen. Kleon wahr in augenscheinlicher Gefahr seines Lebens/ weil die Raͤuber der Muͤhe verdroß/ welche sie/ ihn mit zufuͤhren/ angewendet hat- ten/ daher sie sich uͤber ihn machten/ ihm die Kleider abzuzihen/ uñ nachgehends den Kopf einzuschlagen; wuͤrde auch dem tode nicht entgangen seyn/ wo er nicht diese List erdacht/ und Drittes Buch. und bey dem Wirt angehalten haͤtte/ er moͤchte ihm ein Wort absonderlich hoͤren/ so wol- te er ihm schon Ursach melden/ warumb er ihn kaͤuffen solte; uñ als sie allein wahren/ sagte er zu ihm: Mein Herr/ da ich von diesen vieren gefangen ward/ und verstund/ daß ich solte verkauft werden/ wuste aber/ daß ich keine Handkuͤnste gelernet hatte/ wolte ich dannoch meinem Kaͤuffer in andere Wege Ergezligkeit machen/ und habe diesen Schaz heimlich bey mir verwahret/ welchen ich euch liefern wil/ moͤget euch wol verfichern/ daß er mit gu- tem Willen umb 6000 Kronen kan verkauft werden: So nehmet ihn nun zu euch/ daß es diese nicht erfahren/ und ich mein Leben behalten moͤge/ weil ja niemande mit meinem Blut kan gedienet seyn; ob ich auch gleich kein Kuͤnstleꝛ bin/ wil ich mich doch in die Hand Arbeit/ und was einem Knechte oblieget/ wol zuschicken wissen; uͤberdaß findet sich wol ein grosser Herr der mich kaͤufft/ daß ich ihm die Pferde abrichte/ oder wol seine Kinder in fremden Sprachen unterweise. Der Wirt nahmens Orsillos/ besichtigte die Kleinot/ fand sie koͤst- lich/ und sagete: Du hast durch diese Bedachtsamkeit kluͤglich gehandelt/ und nun zweifele nicht/ ich wil dich kaͤuffen/ und umb ein geringes Geld dich einem guten Herꝛn zufuͤhren. O wie froh ward Kleon/ daß er Lebensversicherung bekam; er erboht sich zu aller moͤglichẽ Auffwartung/ und ging mit dem Wirt in die Stuben/ welcher zu den Raͤubern sagete; es haͤtte ihn dieser arme Tropf duꝛch viel bitten vermocht/ daß er ihn kaͤuffen wolte; ward also mit ihnen umb 80 Kronen eins/ die eꝛ baar erlegte/ und seinen Kleon alsbald in den Pfeꝛde- stal jagete/ denselben außzumisten; wohin er sich willig verfuͤgete/ umb daß er daselbst seine annoch uͤbrigen Kleinot/ die er unter den Kleidern am Leibe trug/ verbergen moͤchte/ welche eine Tonne Schaz am wert uͤbertraffen; nach welcher verrichtung er mit der Arbeit/ ehe man sichs versahe/ fertig wahr/ da ihn gleich einer nach dem Hause rieff/ die Kleider abzu- legen/ welche die Raͤuber bey dem kauffe ihnen vorbehalten hatten. Nun wahr er hierzu gar willig/ uñ mit den geflicketen Lumpen/ die man ihm zuwars/ wol zufrieden; weil er abeꝛ im außzihen merkete/ daß noch ein Ring in dem Hosenfutter verborgen wahr/ gab er sei- nem Herrn einen Wink/ daß Kleid nicht aus der Hand zu lassen/ ob ers gleich dreyfach be- zahlen solte; welcher seine Rechnung leicht machete/ daß noch ein Vortel muͤste verhan- den seyn/ uñ daher die Raͤuber mit 30 Kronen befriedigte; vorgebend/ es stuͤnde das Kleid seinem Leibeigenen so zierlich/ daß er in demselben ihn umb ein zimliches teurer als sonst zuverkaͤuffen hoffete; und zwar dz außgelegte Geld reuete ihn nicht/ massen nach der Raͤu- ber Abscheid er einen Demant Ring auff 1200 Kronen dariñen fand/ dessen er sich freue- te/ und zu Kleon sagete; weil du mir auch noch diesen Vortel hast goͤnnen wollen/ soltu mich wieder gnaͤdig finden/ und wil dich in Speise und Kleidung besser als die andern hal- ten. Also muste dieser Held allhier 5 Wochen als ein Leibeigener dienen/ da ihm taͤglich gaꝛ ein wenig warme Speise zum groben Brodte/ und ein Trunk Wasser gereichet ward/ mu- ste unterdessen die Viehstaͤlle misten/ die unflaͤtigen Winkel reinigen/ Holz hauen/ Wasser tragen/ und dergleichen schwere und unflaͤtige Haußarbeit mehr verrichten/ und zwar ohn einige gegoͤñete Tagesruhe biß in die sinkende Nacht; als dañ gab man ihm eine duͤn- ne Straͤu im Viehstalle/ worauff er mit geschlossenen Fuͤssen ruhen muste. Drey Maͤgde wahren im Hause/ von zimlicher Frecheit/ welche sich seiner guten Gestalt geluͤsten liessen/ und ihm sehr nachgingen/ daß er Muͤhe hatte/ sich ihrer zu erwehren/ ja des Wirts Weib selber/ Drittes Buch. selber/ wie alt sie gleich wahr/ begunte ihn ungebuͤhrlich anzusprechen. Vier Tage verscho- nete ihn sein Herr mit schlaͤgen/ aber am fuͤnfften suchte er Ursach an ihn/ umb zuerfor- schen/ wie er sich in die Peitsche schicken wuͤrde/ striegelte ihn auch so elendig ab/ daß er fast am ganzen Leibe blutstrimig wahr; welches er vor dißmahl mit moͤglicher Geduld auff- nam; als ihm aber solches zu unterschiedlichen Zeiten begegnete/ nam er ihm vor/ diesen Jammer durch den Tod zu endigen und zuvor seinen wuͤterischen Herrn zuermorden; je- doch erhohlete er sich durch Standhaftigkeit/ und ward nach Verlauff dreier Wochen zu rahte/ den selben zu bitten/ er moͤchte ihn etwa in eine Stad fuͤhren/ ob sich irgend ein Kauf- man fuͤnde/ der ihn seinethalben vergnuͤgete. Dieses setzete er folgendes tages ins Werk/ aber mit seinem grossen Ungluͤk; dañ Orsillos schlug ihn mit einem Ochsenstecken so jaͤm- merlich/ daß er druͤber in Ohmacht niederfiel; hernach redete er ihn mit diesen an: Du leichfertiger fauler Schelm/ woltestu mir vorschreiben/ wie ichs mit dir anschlagen sol? Eja/ bistu meiner Knechtschaft bereit uͤber druͤssig? harre nur/ wir muͤssen uns was besser beriechen/ ehe wir uns scheiden; ich habe etliche Tage her an dir wol gespuͤret/ daß du nicht mehr so hurtig zur Arbeit bist wie vorhin; aber ich werde dir den Brodkorb umb so viel hoͤher knuͤpfen/ daß dir der Kitzel vergehe; wobey dieser Ochsenstecken das seine auch tuhn sol: Du ungeschikter Esel kanst mir keinen Groschen erwerben/ wovor sol ich dir dañ das fressen geben? Der gute Kleon verdaͤuete auch noch dieses Fruhstuͤk mit Geduld/ uñ nach dem er sich erhohlet hatte/ gab er zur Antwort: Mein lieber Herr/ eben dieses/ dz ich nichts verdienen kan/ gehet mir auch zu Herzen/ daß ich gedachte/ euch moͤchte etwa mit dem Gel- de mehr/ als mit mir gedienet seyn; weil ich aber sehe/ daß euch solches nicht zuwillen ist/ wil nach diesem mit so ungenehmer Anmuhtung ich euch nicht mehr beschwerlich seyn. Daß wil ich dir auch nicht rahten/ antwortete er/ wo du Hund sonst dieser Schlaͤge sorthin muͤssig gehen wilt; ich bedarf deines nicht werten Rahts gar nicht/ und werde schon selber wissen/ wie ichs mit dir anfahen sol. Mit diesem Troste ging der elende Kleon wieder an seine Arbeit/ und stunden ihm die Augen vol Traͤhnen. Ach ihr Goͤtter/ sagte er/ wodurch habe ich dise schwere Busse verdienet? O Herkules! O Ladisla! O mein lieber Vater! O meine Ursul! werdet ihr euch auch wol einbilden koͤnnen/ in was vor Schmach ich mein unseliges Leben fuͤhre? Hiemit er greifer eine Holzaxt/ des Vorsatzes seinen Herrn damit zuerschlagen; aber sein guter Geist mahnete ihn noch dißmahl ab; jedoch schwur er bey sich selbst einen aͤid/ dafernsein Elend inwendig drey Wochen nicht solte gelin dert werden/ wolte er versuchen außzureissen/ ob er gleich daruͤber sterben solte. Es verlieffen aber nur zwo Wochen/ daß ein Frey Herr desselben Landes daselbst durchreisete/ welcher zwar in ei- ne andere Herberge einkehrete/ aber doch etliche Diener bey Orsillos einlegete; mit deren einem machete Kleon Kundschaft/ und fragete ihn/ ob nicht sein Herr eines Knechtes be- noͤhtiget waͤhre/ der ihm junge Pferde abrichtete/ dz Gewehr putzete/ oder seine junge Herr- lein in Lateinischer und Griechischer Sprache unterrichten und zu allerhand Ritterspie- len anfuͤhren koͤnte/ als dann wolte er nicht allein ihm traͤulich dienen/ sondern das Geld/ welches er heimlich verborgen haͤtte/ selbst außzahlen/ damit er seinem jetzigen Herrn koͤnte abgekauffet werden. Dieser zeigete ihm an/ ob sein Herr solches gleich gerne tuhn wolte/ duͤrfte er ohn seines Gemahls vorwissen es nicht wol wagen/ als welche ihn nicht anders als Drittes Buch. als einen Stok Narren handelte. Mein Freund/ antwortete er/ lieber seyd mir zugefal- len mit dieser Werbung/ und wann ihrs dahin bringet/ verspreche ich euch einen Ring von 50 Kronen zur Verehrung. Dieser meynete nicht/ daß ein so lausichter und lumpich- ter Knecht (massen er vol Unziefer wahr) von solchen Mitteln seyn solte/ daher wolte er den Ring zuvor sehen; welcher ihm nicht allein gezeiget/ sondern alsbald geschenket ward/ mit traͤhnender Bitte/ ihm behuͤlfflich zu seyn/ daß er diesem unbarmherzigen Herrn moͤchte entrissen werden. Dieser trug Mitleiden mit ihm/ sahe aus seinen Geberden/ daß er kein ge- meiner Sudelknecht wahr/ und ging hin zu seinem Herrn/ ihn alles zuberichten; welcher antwortete: Ein guter Bereiter stuͤnde mir nicht uͤbel an/ und wann ich ihn uͤber das noch ohn meine Kosten erhalten kan/ habe ich nicht ursach/ ihn auszuschlagen. Der Knecht ver- staͤndigte Kleon dessen/ welcher mit ihm anlegete/ wie er sich weiters verhalten solte; der auch alsbald hin zu Orsillos ging/ und ihn fragete/ ob sein leibeigener Kleon ihm feil waͤh- re; sein Herr waͤhre eines benoͤhtiget/ den er mit dem Fuͤrsten verspielet haͤtte/ und moͤchte ihm so bald diese Gelegenheit/ ein zimlich Stuͤck Geldes aus ihm zuloͤsen/ nicht zustossen. Orsillos gab zuverstehen: Der Leibeigene waͤhre ihm lieb/ weil er dreyer Mannes Arbeit verrichten koͤnte/ jedoch schluͤge er ihn wol loß/ wann er ihm gebuͤhrlich bezahlet wuͤrde; a- ber unter 1500 Kronen waͤhre er ihm nicht feile/ gegen deren Auszahlung er ihn in guter Ritterlicher Kleidung liefern wolte. Das waͤhre viel vor einen solchen Sudelknecht/ ant- wortete dieser; jedoch wil ichs meinem Herrn hinterbringen; ging aber zuvor nach Kleon/ und taht ihm bericht wegen des hohen Preises. Demselben sprang das Herz vor Freuden in seinem Leibe/ stellete sich doch traurig/ und sagete: Es wuͤrde nicht raht seyn/ ihn mit vie- lem Dingkauffe aufzuhalten/ damit er nicht ruͤkfaͤllig wuͤrde/ und wuͤste doch eigentlich nit/ ob er so viel zuwege bringen koͤnte; er haͤtte ein Kleinot/ in welchem alles sein Vermoͤgen bestuͤnde/ verhoffete auch/ wann er in eineꝛ grossen Stad waͤre/ solte mans so hoch wol aus- bringen. Davon weiß ich guten Bericht zugeben/ sagte dieser/ weil ich V Jahr bey einem Kleinod-macher gedienet habe/ und moͤchte vielleicht mein Herr das Geld wol selber vor das Kleinot erlegen/ da es so viel austragen kan. Kleon nam aus seinem Winkel ein weib- lich Bruststuͤk hervor/ welches uͤber 2500 Kronen geltenkunte/ boht es diesem dar/ und sa- gete mit trauriger Stimme: O ihr Goͤtter/ gebet/ daß dieser mein Schatz mich selber zube- zahlen/ guͤltig gnug seyn moͤge. Der Diener/ nach kurzeꝛ Besichtigung/ sahe/ daß es doppelt so viel gelten kunte/ als Orsillos soderte/ ließ sichs doch nicht merken/ sondern erboht sich/ Fleiß anzuwenden/ daß es verkaufft wuͤrde; und wann ich (sagte er mit lachen) es einem uͤber seinem Wert anschmieren koͤnte/ wuͤrde mir ja solcher Vortel wol gegoͤnnetseyn. Ja wanns viel tausend Kronen austruͤge/ antwortete eꝛ/ wolte ich ihm solches von heꝛzen goͤn- nen; nur bitte ich/ mein Freund wolle nicht seumen/ damit mein Herr sich nicht eines an- dern bedenke. Dieser verfuͤgete sich alsbald zu seinem Herrn/ zeigete an/ der Leibeigene haͤt- te ein Kleinot/ welches nicht sonders koͤstlich/ hoffete aber/ es dem Wirte in dem begehreten Preise anzubringen/ daß der Leibeigene damit gekaufft wuͤrde; ging auff erlangete Voll- macht zu Orsillos/ lieferte ihm das Kleinot Pfandsweise/ und zeigete an/ weil sein Herr jetzo auff der Reise so viel Baarschafft nicht entrahten koͤnte/ solte es drey Wochen bey ihm ste- hen/ und als dann mit 1500 Kronen ausgeloͤset werden. Also ward Kleon ins Haus geruf- J i i i fen/ Drittes Buch. fen/ zu dem sein Herr sagete: Deine Haut ist nun verkaufft/ so nim nun diese deine vorigen Kleider/ und lege sie an/ weil ich dich zuliefern gedenke/ wie ich dich empfangen habe. Die- ser kunte vor Freuden nicht antworten/ taht doch nicht/ als wann ihm groß drumb waͤhre/ wiewol er sich auffs beste putzete/ seinem neuen Herrn zugefallen/ nachdem er seine trefflichẽ Kleinot wieder zu sich genommen hatte. Orsillos fuͤhrete ihn hin/ trat anfangs allein vor Nabarzanes/ und berichtete/ er waͤhre da/ seinen verkaufften Leibeigenen zuliefern/ welcher auch alsbald hinein gefodert ward. Bey seinem Eintrit taht er seinem Herrn grosse Ehr- erbietung/ der ihn auff Griechisch fragete/ aus welchem Lande er kaͤhme/ und was sein Ge- werbe waͤhre. Er hingegen ließ gnugsam erscheinen/ daß ob er gleich einen grossen Teil sei- nes Fleisches verlohren/ er doch sein gutes Herz und Hoͤfligkeit annoch unverlezt haͤtte/ und fing also an: Hochgebohrner gnaͤdiger Herr; daß Eure Gn. von der schnoͤden un- saubern Arbeit mich loßzuwirken/ gnaͤdig eingewilliget hat/ davor bedanke ich mich unter- taͤhnig und von herzen; mein Stand/ der Geburt nach/ ist ohn Ruhm zumelden/ frey/ und von Griechischem Adel/ und bin nie dienstbar gewesen/ ohn daß vor wenig Wochen mich etliche Raͤuber hinterlistiger weise gefangen/ und gegenwaͤrtigem Orsillos dem unbarm- herzigen und Feinde alles aͤdlen Gebluͤts/ verkaufft haben; Ich bin von Jugend auf zu den freyen Kuͤnsten/ nach gehends zu den Waffen gehalten; im Pferde bereiten hoffe ich die Gebuͤhr zuleisten/ und was sonst vor ritterliche uͤbungen von mir erfodert werden. Einem solchen Diener/ sagte Nabarzanes/ habe ich lange nach getrachtet/ und waͤhre unbillich/ daß du mit unflaͤtiger Arbeit laͤnger soltest beladen seyn; Wirst du dich nun getraͤn und fleissig bey mir halten/ soltu bessern und gelindern Herrn dir nicht wuͤnschen. Kleon bedankete sich der angebohtenen Gnade untertaͤhnig/ und hielt um Vergünstigung an/ wenig Worte mit gegenwaͤrtigem Orsillos zureden/ nach deren Erlangung er zu ihm sagete: Hoͤret ihr greu- licher Wuͤterich; ich erinnere euch zugleich/ was vor einen ansehnlichen Schatz ich euch bald anfangs eingeliefert/ und dadurch eure Gunst und freundlichere Pflegung wol ver- dienet haͤtte/ wie ihr mir aber solches vergolten/ und diese fuͤnff Wochen mit mir umbge- sprungen seyd/ wird euch noch in frischem Andenken seyn/ verheisse demnach hinwiederum und an aͤides-stat/ daß wann mir schier heut oder morgen vor meine getraͤuẽ Dienste meine Freyheit wieder werden solte/ ich nicht ruhen wil/ biß ich euch aller Woltaht halber baar und mit vollem masse bezahlet habe/ weil meine begierden mich ohn das allemal zur Dank- barkeit anreizen/ und ich nicht gerne schuldig bleibe/ erbiete mich daneben/ daß ich mit der Goͤtter huͤlffe bald kommen/ und meine versetzeten Kleinot samt dem lezten Ringe (weil sie mir nur mit Schlaͤgen haben wollen bezahlet werden) einloͤsen wil. Ja kom nur/ wañ dichs geluͤstet/ sagte der verwaͤgene Orsillos/ die Kleinot (ich meyne den Ochsenstecken und die Peitsche) hangen noch an ihrem gewoͤhnlichen Orte/ und koͤnnen dir/ so offt du mit lusten darnach bist/ zu aller gnuͤge mitgeteilet werden/ wiewol ich mich von herzen herme/ daß ich dich verkaufft/ und nicht vielmehr lebendig ans Kreuz geheftet/ oder den Hunden zur Spei- se vorgeworffen habe. Behaltet diese Antwort in eurem Gedaͤchtniß/ sagete Kleon/ ich hof- fe euch derselben dereins in aller Guͤte zuerinnern/ da euch erst der jeztgedachte Reuel recht kommen duͤrffte. Dein draͤuen/ und eines Sperlinges zwitzern gilt mir gleich/ sagte Orsil- los/ und wann ich uͤbel wolte/ koͤnte ich mit dir als einem Leibeigenen verfahren/ dz du einem freyen Drittes Buch. freyen Persen und Susianer draͤuen darffst. Ich habe kein Draͤuwort aus meinem Mun- de gehen lassen/ antwortete er/ und wollet ihr mit mir vor die hohe Landes Fuͤrstliche Obrig- keit treten/ hoffe ich euch zuuͤberbringen/ daß ihr ein Feind und Schaͤnder des ganzen A- dels seyd. Dieser wolte sich so weit nicht einlassen/ sagte mit wenigem: Ein leibeigener hat keine Ehre/ einen Freyen zubeschuldigen/ als welcher immerzu Luͤgen redet wider seinen Herrn/ der ihm hart gewesen ist/ welches du mehr/ als nie keiner/ verdienet hast; und ging damit hinweg. Nabarzanes wolte seinen neuen Diener pruͤfen/ wie ihm das reiten anstuͤn- de/ und befand ihn darin so vortrefflich/ daß er bekennete/ ihm waͤhꝛe seines gleichen nie voꝛ- kommen. Des folgenden Tages sehr fruͤh brach er mit seinem Gesinde auff/ daß er noch vor Abends sein Schloß erreichen moͤchte; Er hatte sechs gewapnete freye Knechte/ und drey Leibeigene bey sich/ da Kleon den vierden gab/ der seinen Herrn fragete/ ob ihm wegen der Gefahr der Raͤuber nicht vergoͤnnet waͤhre/ Harnisch anzulegen/ damit er auff Bege- benheit vor seinen Herꝛn streiten/ und sein Blut behutsam wagen koͤnte. Nun wahr Na- barzanes ein hochmuhtiger Narr/ und gewaltiger Großsprecher/ aber dabey so eine feige Maͤmme/ daß ihn der Blaͤtter geraͤusch an den Baͤumen erschrecken kunte/ dannoch wolte er seinen neuen Diener nicht offentlich beschimpffen/ sondern sagte auff sein begehren: Gib dich zu frieden Kleon/ und fuͤrchte dich nicht zuhart deiner Haut/ ich bin meiner Faͤusteselbst maͤchtig gnug/ und solt vor Wunden schon geschuͤtzet werden; uͤberdas habe ich wehrhaff- te freye Diener gnug bey mir/ und wil dich zu nirgend/ als meine zween junge Soͤhne ersteꝛ Ehe zulehren/ und etwa ein junges Pferd abzurichten/ gebrauchẽ/ woneben du meine Ruͤst- kammer unter handen haben/ und die Waffen fein sauber halten solt. Kleon durffte nicht widersprechen/ insonderheit/ da er der Tohrheit seines Herrn innen ward/ und beklagete seine Leibeigenschafft nicht so sehr/ als daß er keinen rechtschaffenen Herꝛn hatte. So ver- droß es die freyen Knechte nicht wenig/ daß er sich unternehmen wolte/ Waffen zuführen/ daher sie ihm viel Schimpffs erwiesen/ auch endlich gar mit Maulschellen draͤueten/ wel- ches alles er geduldig erlitte/ unter der Hoffnung/ es ihnen einzubringen. Um den Mittag/ da sie den halben Weg hinter sich gelegt hatten/ sahen sie sechs gewapnete Ritter von ferne auff sie zureiten/ dessen Nabarzanes nicht wenig erschrak/ und anfangs willens wahr/ aus- zureissen/ bedachte sich doch wieder/ und hoffete/ es wuͤrden etwa bekante oder sonst aufrich- tige Ritter seyn. Jene kahmen in guter Ordnung auff sie angesetzet/ und merkete Kleon bald/ was ihr Vorhaben wahr/ daher er zu seinem Herꝛn sagete: Diese werden uns gewiß- lich mit ihren Schwertern gruͤssen/ und haͤtte ich Waffen/ wuͤrde ich nicht unterlassen/ ih- rer Gn. ein dienstwilliges Herz in Bestreitung dieser vermuhtlichen Raͤuber sehen zulas- sen. Nabarzanes kunte sich vor Angst kaum auff dem Pferde halten/ und antwortete ihm mit zitternder Stimme: Weil du dann so gute Lust hast zu fechten/ wil ich dir vor dißmahl meine Waffen uͤberlassen/ weil ich wegen eines Fiebers mich sehr uͤbel befinde. So lassen ihre Gn. die Diener voraus reiten/ sagte er/ und da sie solten angefallen werden/ den Streit anfahen/ daß ich Zeit gewinne/ mich zuwapnen. So bald jene auff diese stiessen/ griffen sie nach kurzer Wortwechselung zu den Schwertern/ und schlugen frisch auff die sechs Die- ner loß/ welche zwar den ersten Anfall aushielten/ aber endlich hinter fich getrieben wurdẽ/ gleich da Kleon gewapnet wahr/ welcher sie also anfuhr: Schaͤmet ihr euch nicht/ daß in J i i i ij eures Drittes Buch. eures Herꝛn gegenwart ihr euch auff die Flucht begeben duͤrffet? ein solches trifft ja mit eurem heutigen Troz bey weitem nicht ein; so folget mir nun/ wollet ihr sonst nicht an eu- rem Herꝛn Verraͤhter spielen/ und euch aller Ritterschafft unwirdig machen; traff hiemit auff die Feinde mit folchem Ernst/ daß er im ersten Angriff einen niderhieb/ und den andeꝛn toͤdlich verwundete; welches die Diener ersehend/ wieder einen Muht fasseten/ und auf die Feinde los gingen; wurden aber dergestalt empfangen/ daß ihrer viere stuͤrzeten; dahinge- gen Kleon einsolches Gemaͤtsche hielt/ daß sie vor ihm wichen/ biß sie alle auff einen/ teils erschlagen/ teils zum Gefechte unduͤchtig gemacht wurdẽ. Nabarzanes hielt von ferne hin- ter einer Hecke/ und sahe mit Verwunderung zu/ wie sein neuer Knecht Raum machete/ daß er im Herzen bekennen muste/ er haͤtte ohn seine huͤlffe sich vor dem Tode oder Gefaͤng- niß nicht beschuͤtzen koͤnnen; Als er nun sahe/ daß die Raͤuber biß auff einen erlegt waren/ gab er sich aus dem verborgenen hervor/ und rief Kleon zu/ er solte niemand leben lassen/ sondern den lezten auch hinrichten; dann weil dieser ein fester Ritter wahr/ gab er ihm viel zuschaffen/ wiewol man leicht sahe/ daß ers in die harre nicht treiben wuͤrde; ließ doch sein gutes Herz nicht sinken/ und sagte zu Kleon: Ritter/ ihr seyd der meinen Tod gewesen/ wel- ches ich billich raͤchen muß. Ritter/ antwortete er/ mannichem mißlinget die Rache/ drum lasset euch genuͤgen/ es duͤrffte euch sonst gereuen. Darauff muß es gewaget seyn/ sagte je- ner/ und hielt sich wol/ biß Kleon ein Stoß geriet/ mit welchem er ihm den garaus machete. Hiemit wahr der Streit geendiget/ jedoch auch Kleon an etlichen Orten feines Leibes zim- lich verwundet. Nabarzanes aber stund und beklagete seine Diener/ welche da gestrekt la- gen/ sagte auch zu Kleon: Du hast dich zwar zimlich gehalten/ aber haͤtte ich selbst gefochtẽ/ solte meiner Diener keiner beschaͤdiget seyn. Dieser seuffzete uͤber seines Herrn Tohrheit/ und merkete aus seinen Reden/ was hinter ihm steckete/ hoffete doch bessere Gelegenheit bey ihm/ als bey dem vorigen zuhaben/ daß er seine Zeit ersehend/ sich davon machen koͤnte; wol- te ihn aber dißmahl mir genehmer Lauge zwagen/ und gab ihm zur Antwort: Ja/ gn. Herꝛ/ an eurer unbegreiflichen Staͤrke/ und Heldenmutiger Herzhaftigkeit/ trage weder ich noch jemand Zweifel/ auch ist mir hingegen meine Schwacheit wol bekant; aber gewißlich muß Euer Gn. Dienern das Ungluͤksehr uͤbel gewolt haben/ daß von diesen nichtwerten Raͤu- bern sie dergestalt gezuͤchtiget sind/ da sie vorhin vor Hochmut bersten wolten/ uñ der Waf- fen mich unwirdig schaͤtzeten/ wiewol ich ihnẽ das Leben gerne geschuͤtzet haͤtte/ da es in mei- nem Vermoͤgen gewesen. Nabarzanes antwortete mit wenigem: Hin waͤhre hin/ und koͤn- te nicht wiederbracht werden/ nur laͤge ihm am meisten dran/ daß er in so schlechter Beglei- tung auff sein Schloß reiten solte. Damit hieß er ihm die Waffen wieder geben/ und von den erschlagenen die besten zu sich nehmen/ welches er willig verrichtete. Die beyde annoch uͤbrige freye Knechte ritten mit ihrem Herꝛn fort/ aber ehe sie das Schloß erreicheten/ stuͤꝛ- zeten sie von ihren Pferden und verschieden/ da Kleon uñ die drey Leibeigenen aller erschla- genen Pferde zusammen kuppeln/ und mit sich fuͤhren musten. Als sie das Schloß ins Ge- sicht bekahmen/ erkennete Kleon/ daß vor einen so ungeschlieffenen Herꝛn es viel zu gut waꝛ/ und im Einzuge befand er nicht geringe Zeichen seines Reichtuhms. Die Frau/ ein junges und schoͤnes Bild/ die mit seiner Ursulen dem Angesichte nach/ sich in vielen sehꝛ veꝛglieche/ stund im innern Platze/ sehr praͤchtig gekleidet/ und hatte sechs Leibdienerinnen hinter ihr stehen/ Drittes Buch. stehen/ empfing aber ihren Nabarzanes solcher gestalt/ daß Kleon die Haar davor zu Berge stunden. Feiner Herr/ sagete sie/ wie bleibet man uͤber die bestimmete Zeit so lange aus? ich meyne/ man habe den Weg vergessen; Jedoch/ grosse Narren (Herren wolte ich sagen) muͤssen sich erlustigen/ damit die Speisen ihnen desto besser schmecken. Hier wirds gewiß nicht ohn Haar rauffen abgehen/ gedachte Kleon/ und legte schon uͤber/ wessen Beystand er seyn wolte; wie er aber hoͤrete/ daß dieser Tropf die Pillen geduldig verschluckete/ ja vom Pferde herunter stieg/ und ihr liebkosete/ gedachte er; Oho gehets hier so zu/ must du der Frauen zu dienste stehen/ als dann wirstu wol hindurch kommen; sprang gleich damit vom Pferde/ setzete sich vor ihr auff die Knie/ und redete sie mit diesen Worten an: Hochge- bohrne Gn. Frau; nachdem das Gluͤk in meinem hoͤchsten Unfall mich so beseliget/ einer so trefflichen Frauen untertaͤhnig auffzuwarten/ habe uͤber meinen biß her erlittenen Ver- lust ich nicht zuklagen; wuͤnsche nur bloß/ daß meine geringschaͤtzige Dienste also moͤchten beschaffen seyn/ daß Ihrer Gn. selbe gefallen koͤnten/ welche ohn Sparung meines Blu- tes anzuwenden/ ich bereit und willig bin/ bitte in tieffster Demuht und Untertaͤhnigkeit/ meine Gn. Frau wolle mit beharlichen Gnaden ihrem unwirdigsten Knechte gewogen bleiben. Fr. Statira sahe Kleon instaͤndig an; sein Angesicht und Hoͤfligkeit gaben/ daß eꝛ kein gemeiner Knecht wahr; hieß ihn demnach auffstehen/ und fragete Nabarzanes/ von wannen ihm dieser Diener kaͤhme/ und wo sein ander Gesinde waͤhre/ auch was die Kup- pelpferde wolten; sie hoffete ja nicht/ daß er gar zum Pferdetaͤuscher gedienen. Hieselbst fing nun dieser Gecken seine Ruhmraͤhtigkeit weidlich an: Dieser sein Kleon/ Griechisches A- dels/ waͤhre ihm von einem vornehmen Persischen Herrn vor leibeigen geschenket; Vier Meilen von hinnen haͤtte er einen harten Stand wider eine grosse Anzahl Raͤuber ausge- halten/ und alle seine Diener zugesetzet; sein Arm waͤhre von vielem Gefechte ihm erstar- ret/ und entsetzete sich vor den Blutbaͤchen/ die sein Schwert heute rinnen gemacht. O du Auffschneider/ sagte sie/ schaͤmestu dich dann keiner Luͤgen mehr? Ja wañ dein Hasenherz mir unbekant waͤhre/ moͤchtestu mir dieses Kletchen anwerffen; Vielleicht hast du hinter einem Baum gehalten/ und zugesehen/ wie deine Diener nidergeschlagen sind. Unter dieser Rede ward sie gewahr/ daß noch etliche Blutstropfen von Kleon fielen/ und sagte zu ihm: Tapffer Ritter/ hat euch Ungluͤk etwa in Dienstbarkeit gestuͤrzet/ so trauet den Goͤttern uñ eurem Gluͤk/ die euch in vorigen Stand wieder setzen koͤnnen; meine Gutwilligkeit sol euch unversagt seyn/ wann ihr euch (wie ich dann nicht zweifeln wil) gebuͤhrlich verhalten wer- det. Befahl auch alsbald einer Magd/ den Arzt zufodern/ damit ihm seine Wunden ver- bunden wuͤrden/ und gefiel ihr dieser Diener so wol/ daß sie nichts so sehr/ als seine voͤllige Gesundheit begehrete/ insonderheit/ da sie sein tapfferes Gesecht von dem einen Leibeige- nen ruͤhmen hoͤrete. Unser Herkulifkus hatte gar eine gluͤkliche Reise von Ekbatana nach Charas/ wo- selbst er mit dem Groß Fuͤrsten und der ubrigen Geselschafft ohn einigen Anfall anlangete. Phraortes ließ sich bey Artabanus untertaͤhnigst anmelden/ daß ihm ein freier Zutrit alleꝛ- gnaͤdigst moͤchte vergoͤnnet seyn/ aber es ward ihm solches nicht allein gewegert/ sondern muste von einem nichtigen Kaͤmmerlinge in sich fressen/ was ihn so verwaͤgen kuͤhn mach- te/ ungefodert vor seinem Groß Koͤnige zuerscheinen. Dieser schaͤndliche Hochmuht er- J i i i iij schreckete Drittes Buch. schreckete unsern Herkuliskus in etwas/ und vermuhtete daher wenig Hoͤffligkeit und Liebe zur Tugend bey diesem Unholden. Hingegen kehrete sich Phraortes/ als dem des Koͤniges Stolz bekand wahr/ gar nichts daran/ sondern ließ zum andernmale seine alleruntertaͤh- nigste Dienste anmelden/ nebest andeutung/ er wuͤrde seine Koͤnigl. Hocheit zubemuͤhen sich nicht unterstanden haben/ wañ er nicht deroselben ein sonderliches einzuliefern haͤtte/ nehmlich einen schoͤnen ritterlichen/ tugendliebenden fremden Juͤngling/ deßgleichen ihrer Koͤnigl. Hocheit sehr wenig oder wol gar keiner wuͤrde vorkommen seyn. Worauff er sei- nes Ansuchens einwilligung bekam; stieg vor dem innersten Schloßtohr ab/ und ließ Her- kuliskus/ von Pharnabazus und Mazeus begleitet/ hinter ihm her treten/ auff welchen alle Anwesende ihre Augen wendeten/ und nicht anders meineten/ er waͤhre ein Engelisches Bilde. Anfangs hatte sich derselbe verwundert uͤber dieser Stad groͤsse/ uñ ihrem praͤch- tigen Ansehen/ aber hier entsetzete er sich wegen der unglaͤublichen Vortrefligkeit dieses Koͤ- niglichen Schlosses/ da alles auffs uͤppigste gebauet wahr/ und man daß ganze Werk von dem außerlesensten Alabaster und kraußbunten Schein-Marmel auffgemauret sahe. Der Glanz der uͤberguͤldeten Daͤcher und gegossenen Bilder/ welcher von den Sonnen- strahlen entstund/ blendete den Anschauenden das Gesicht; des Schlosses Begriff wahr so weit/ daß mans vor eine zimliche Stad schaͤtzen moͤgen/ und wahr nicht desto weniger ein jeder Stein auffs allerfleissigste außgearbeitet/ so daß man Urteilen muste/ hundert tau- send Steinmaͤtzen haͤtten es in etliche hundert Jahren nicht enden koͤnnen; der zierlichen Windeltreppen/ lustigen Umbgaͤnge unter den Daͤchern/ und der Hange-Garten wahr sast keine Zahl; und wann ich nur die vornehmsten Gemaͤcher mit ihrer Zierligkeit entwerf- fen solte/ wuͤrde ich ein zimliches Buch damit anfuͤllen. Eine schr weite Windeitreppe/ fast mitten am Gebaͤu Ostwerts/ wahr die ansehnlichste/ welche mit 60 Kriegsknechten und 20 Trabanten außwendig besetzet/ niemand zu steigen erlaͤubet wahꝛ/ ohn die außdruͤk- lichen Koͤniglichen geheiß bescheinigen kunten/ und weil sie dahinauff begleitet wurden/ muhtmassete Herkuliskus nicht vergebens/ es waͤhre der Gang zum Koͤniglichen Gema- che; deren dann drey in außgestrekter laͤnge aneinander gebauet wahren/ und kunte man durch alle drey hindurch von einem Ende zum andern sehen. Im hinterstẽ saß der Koͤnig/ wann er Gehoͤr verguͤnstigte/ auff einem erhabenen Stuel mit guͤldenen Tuͤchern behaͤn- get/ die von aͤdlen Steinen glaͤnzeten. Außwendig vor der Tuͤhr legete der Groß Fuͤrst sei- nen Saͤbel ab/ wie auch Herkuliskus/ der mit Pharnabazus und Mazeus daselbst wartete/ biß er hinein gefodert wuͤrde; dann Phraortes trat anfangs allein hinzu/ fiel bald im Ein- gange nach Parthischem Gebrauch auff die Knie/ und taht dem Koͤnige den Fußfal/ und da er dieses Gemachs Ende erreichet hatte/ und zum mitteln eintrat/ leistete er eben diesel- be Ehrerbietung/ im dritten und innersten/ blieb er liegen/ biß Artabanus ihm durch Nei- gung des Reichsstabes auffstehen hieß/ da er seine Rede diesergestalt fuͤhrete. Allergroß- maͤchtigster unuͤberwindlichster Koͤnig/ allergnaͤdigster Herr: Die Goͤtter verleihen euer Koͤnigl. Hocheit stetswierige Gesundheit und gluͤkliche Herschung; befehle mich dero- selben in trefster Untertaͤhnigkeit und Gehorsam/ und zeige derselben demuͤhtigst an/ daß aus fernen Landen durch der Goͤtter Vorschub mir von dem Gluͤk ein wolstaͤndiger schoͤ- ner Juͤngling zugefuͤhret ist/ welcher/ unangesehen seiner Jugend/ im Schiessen/ Fechten/ Reiten/ Drittes Buch. Reiten/ Jagen/ Tanzen/ Singen/ und Seitenspielen sehr wol und außbuͤndig geuͤbet/ doch unserer Morgenlaͤndischen Sprachen nicht allerdinge erfahren ist/ sondern ins gemein Griechisch und Latein redet; vom Geschlecht ist er/ seinem vorgeben nach/ Fuͤrstenstandes/ und von Zierligkeit der Sitten in meinen Augen fast volkommen; wañ dann ihre Koͤnigl. Hocheit den ernstlichen Befehl ergehen lassen daß die zierlichsten Juͤnglinge und Jung- fraͤulein/ deroselben sollen zugefuͤhret werden/ habe ich solches gehorsamst verrichten wol- len/ untertaͤhnigst bittend/ Ihre Koͤnigl. Hocheit wollen dieses mein Tuhn allergnaͤdigst vermerken/ und mit beharlichen Gnaden mir/ ihrem gehorsamst-untertaͤhnigsten Knech- te gewogen verbleiben. Artabanus neigete den Reichsstab zum Gnadenzeichen gegen ihn und sagte: Mein Fuͤrst lasse zu uns den Knaben nach gebuͤhr herein treten/ wie er wird unterwiesen seyn; werden wir dann etwas sonderliches an ihm finden/ sol es von uns al- lergnaͤdigst erkennet werden. Phraortes eilete ihn hinein zu fuͤhren/ der ihm unerschrockẽ folgete/ und wie er unterrichtet wahr/ taht er den gewoͤhnlichen Fußfall durch alle drey Ge- maͤcher. Da ihn nun der Koͤnig in der naͤhe beschauete/ ward er uͤber seiner volkommenen Schoͤnheit fast entzuͤkt/ neigete den Koͤnigsstab ziemlich tieff gegen ihn/ und gab ihm da- durch Erlaͤubnis zu reden/ da er mit freudigem Angesicht/ unerschrokenem Herzen und un- verworrener Rede in Persischer Sprache (dann er hatte sich fleissig darzu geschicket) also anfing: Unuͤberwindlichster aller großmaͤchtigster Koͤnig/ allergnaͤdigster Herr; es hat deꝛ Himmel aus sonderlicher Gunst gegen diese weitlaͤuftige volkreiche Morgenlaͤnder/ eure Koͤnigliche Hocheit auff diesen großgebietenden Stuel setzen/ und dero herliches Ansehen mir zuerkennen geben wollen/ daß ihrer Hocheit unermaͤßliche Gewalt/ volkom̃ene Weiß- heit/ und helleuchtende Tugend ich verhoffentlich dermahleins meinem weit abgelegenen Vaterlande anmelden/ und dero praͤchtigste Herligkeit kund machen folle. Zwar manni- cher meines gleichen/ wuͤrde lieber den Tod als diese Stelle/ worauff ich stehe/ waͤhlen; ich aber/ nach dem ich der festen gewißheit bin/ daß/ wie eure Koͤnigl. Hocheit mit Gewalt den Goͤttern am naͤhesten sitzet/ dieselbe nicht weniger an Liebe zur Tugend und Erbarkeit ihnẽ verwand seyn muͤsse/ werde/ diese hohe Gluͤkseligkeit/ eure Koͤnigl. Hocheit gesehen und an- geredet zu haben/ aus meinem Gedaͤchtnis nimmermehr kommen lassen. Dafern nun eu- re Koͤnigl. Hocheit ein goͤttliches Werk der Barmherzigkeit/ meiner Fr. Mutter/ einer gebohrnen Groß Fuͤrstin aus Teutschland erzeigen/ und mich/ ihren lieben Erben dersel- ben allergnaͤdigst wieder zusenden wolte/ wuͤrde die Parthische Gerechtigkeit daher ihre Strahlen umb so viel weiter werffen/ angesehen/ ich keines Feindes Kind/ noch in einer Schlacht oder Fehde gefangen/ sondern von boßhafften Raͤubern auffgefasset/ und den meinen nicht ohn Blutvergiessen entfuͤhret bin/ denen die goͤttliche Rache albereit ihren verdienten Lohn gegeben/ und sie durch andere Raͤuber hat erschlagen lassen. So eroͤffne nun eure Koͤnigl. Hocheit ihr von Barmherzig- und Gerechtigkeit angefuͤlletes Herz/ mir/ ihrem aller untertaͤhnigsten Diener/ und lasse mich unwirdigsten einen Teil ihrer Koͤnig- lichen hohen Gnade unter die Leute außtragen/ damit die weit abgelegene Welt erkenne/ der grosse Koͤnig Artabanus sey wirdig/ von der Sonnen Auffgang/ biß zu ihrem Nieder- gange den Reichsstab außzustrecken/ als mit dessen Volkom̃enheit nichts unter dem Him- mel kan verglichen werden. Allergerechtester Koͤnig/ ich halte nicht an/ umb Koͤnigl. Ge- schenke; Drittes Buch. schenke; nicht umb Huͤlffe wieder maͤchtige Feinde; nicht umb wider gewinnung/ was mir wiederwaͤrtige Hand und Macht moͤchte genom̃en haben; sondern bloß/ daß mir moͤge aller gnaͤdigst erlaͤubet seyn/ mich nach den meinen zuverfuͤgen/ ohn einiges Menschen be- schwerung/ Schaden und Muͤhe/ die ich nicht doppelt zuerstatten mich verpflichten solte. Schließlich wuͤnsche ihrer unvergleichlichen Koͤnigl. Hocheit ich untertaͤhnigster/ gesun- des Leben/ bestaͤndige Herschaft/ Sieg wieder alle ihre Feinde/ und gluͤklichen Fortgang al- les Vornehmens/ deren allergnaͤdigsten Gewogenheit ich mich untertaͤhnigst empfele. Nach geschlossener dieser Rede/ fiel er abermahl vor des Koͤniges Fuͤssen nider/ und buͤcke- te sich gar biß auff den Bodem. Koͤnig Artabanus antwortete ihm mit keinem einzigen Worte/ betrachtete nur seine innigliche Schoͤnheit/ und gab ihm mit dem Reichsstab ein Zeichen aufzustehen; nachfolgends saß er als ein Tiefsinniger/ der im Herzen rahtschlaget/ ob er der Bitte Stat geben wolle oder nicht; daß auch Phraortes und Herkuliskus selbst in hoffnungs Gedanken gerieten/ er wuͤrde von der Tugend sich uͤbermeistern lassen/ und ihn den seinen wieder zusenden; aber sie wurden hierin sehr betrogen; dann er hatte keine Acht auff Herkuliskus Rede gewendet/ sondern uͤberlegete/ wozu er ihn am besten gebrau- chen wuͤrde. O/ sagte er in seinem Herzen/ daß dieser Juͤngling in ein Weibesbild koͤnte verwandelt werden/ alsdann haͤtten meine Begierden den Zweg ihres Nachsuchens voͤl- lig erhalten. Endlich brach er mit diesen loß: Mein Fuͤrst Phraortes/ von wannen koͤmt euch dieser zierliche Knabe/ welcher ohn zweiffel an Schoͤnheit mein ganzes Frauenzim- mer weit uͤbertrift? Phraortes wiederhohlete sein voriges/ und am Ende baht er/ ihre Koͤ- nigl. Hocheit wolten die innerliche Seelen Schoͤnheit dieses Fuͤrstlichen Juͤnglinges/ durch welche er an Tugend und Geschikligkeit leuchtete/ ihr allergnaͤdigst gefallen lassen. Ja er wird uns sehr lieb seyn/ antwortete der Koͤnig/ sol auch diese Hulde spuͤren/ deren noch kein ander genossen hat/ wie seine Schoͤnheit auch wol verdienet. Aber Juͤngling/ sagte er zu Herkuliskus/ dich wird zuvor ein kleiner Schmerzen uͤbergehen/ nach dessen Vollendung dir hoͤhere Gluͤkseligkeit begegnen sol/ als du dir niemahls hast einbilden koͤn- nen. Dieser wunderte sich/ daß ihm so gar nichts auff seine Rede geantwortet ward; und ob er gleich in seinem Herzen gedachte/ hier ist weniger Liebe zur Tugend/ als bey einem abgesageten Feinde der Erbarkeit/ wolte er doch noch eins versuchen/ was durch Worte moͤchte zuerhalten seyn/ und gab diese Antwort: Allergroßmaͤchtigster Koͤnig; ich weiß nicht/ was vor Schmerzen der hoͤchste Fuͤrst auff Erden mir einem unschuldigen Juͤng- linge Fuͤrstliches Gebluͤts anzulegen/ goͤnnen oder zugeben koͤnte/ zumahl ich der allerge- ringsten uͤbertretung mich nicht schuldig weiß; es waͤhre dañ/ daß dieses Koͤniglichen Ho- fes Gebrauch mit sich braͤchte/ daß man etwa einen Beweißtuhm der Demuht oder Ge- duld ablegen muͤste/ dessen ich mich nicht wegern werde; dañ in meinem Vaterlande fuͤh- ret man mich und andere meines gleichen zu solcher Bewehrung oftmahls an; deßwegen wil ich mich umb so viel desto gefasseter darzu einstellen/ und zwar in alle dem/ was ohn veꝛ- letzung meiner Zucht und Ehre geschehen kan/ wie ich mich dann dessen verlustes an diesem Orte nicht befahren darff/ welchen wir als der Goͤtter Siz anbehten muͤssen. Der Koͤnig ließ hierauff ein greßliches Angesicht erscheinen/ doch zwang er sich uͤber seine Gewohn- heit/ und sagte zu Phraortes/ es schiene dieser ein sehr frecher Knabe zu sein/ daß er seiner Hocheit Drittes Buch. Hocheit von Ehre und Zucht reden duͤrfte/ da doch des Koͤniges Wille der Ehre uñ Zucht die masse gaͤbe; hernach befahl er dreien aͤdlen Trabanten/ die im Gemach auffwarteten/ sie solten den Juͤngling hinfuͤhren/ daß er verschnitten/ und aufs fleissigste geheilet wuͤrde; welches Herkuliskus hoͤrend/ sich auff die Knie legete/ und mit ganz bewaͤglicher Stimme also redete: Allergroßmaͤchtigster Koͤnig; euer Koͤnigl. Hocheit ich unwirdigster bitte uñ flehe demuͤhtigst/ mich dieser Schmach nicht zu unterwerffen/ als nach deren gewaltsame anlegung ich mich vollends hinzurichten/ gaͤnzlich entschlossen bin. Mein Stand/ in dem ich gezeuget/ ist trauen nicht Knechtisch/ und ein teutsches Herz untergibt sich lieber dem Henkerschwert/ als dem schanden-Messer; meinet eure Koͤnigl. Hocheit/ mich etwa im Frauenzimmer zugebrauchen? O nein! dem werde ich durch einen ruͤhmlichen Tod leicht vorkommen; oder ist einer/ der mir groͤssere Schande anmuhten duͤrfte? dem schwoͤre ich bey dem wahren Gott/ daß ich seiner Viehischeit sehr teure Bezahlung suchen werde/ eben da er am wenigsten sichs versehen moͤchte. Nicht rede ich solches euch grossem Koͤnige zu Troz/ davor mich der Himmel wol bewahren sol/ dann wie koͤnte zu demselbigen ich mich einiger Unmenschheit versehen? Nur ist mein aller demuͤtigstes flehen/ eure Koͤnigl. Hoch- heit wolle ihren scharffen Befehl alleꝛgnaͤdigst auffhebẽ. Deꝛ Koͤnig stellete sich nochmals/ als haͤtte er der Rede nicht wahrgenommen/ sahe seine Diener greßlich an/ und fragete: Ob sie seinen Befehl vernommen haͤtten. Dieselben fielen nider/ bahten umb Gnade/ und machten sich mit freundlicher Rede an Herkuliskus/ er moͤchte ja durch seine wiederspen- stigkeit des grossen Koͤniges Zorn nicht auff sich laden sondern willig mit ihnen gehen. Er wolte aber nicht/ sondern blieb auff seinen Knien sitzen/ und sahe den Koͤnig mit helblinken- den Augen ins Angesicht/ mit solchem frischen bestaͤndigen Muht/ daß alle Anwesende sich davor hoͤchlich entsetzeten; daher die Diener ihren Koͤnig frageten/ ob ihnen befohlen waͤh- re/ den wiederspenstigen Juͤngling mit Gewalt hinweg zu tragen. Nein/ antwortete er/ a- ber wird Phraortes nicht schaffen/ daß der frevelmuhtige Knabe mit gutem Willen fott gehe/ sol es an beyder Leben grausamlich gerochen werden. Der Groß Fuͤrst erzitterte hier- ob/ trat zu ihm/ und sagete: Mein geliebter Sohn/ sollen wir dann beyde eines boͤsen todes sterben? doch mein Leben kan ohn daß so gar lange nicht mehr wehren. Er aber richtete sich freudig auff/ neigete sich anfangs gegen den Koͤnig/ und gab zur Antwort: Ey daß wolte Gott nicht/ daß so ein teurer ehrliebender Fuͤrst meinetwegen in Lebensgefahr gerahten solte; neigete sich abermahl/ und mit ernsthaffter Stim̃e sagte er zu dem Parther: Gros- ser Koͤnig/ es hat mich keine to des Furcht von dieser Stelle auffgehoben/ sondern euer Koͤ- nigl. Hocheit den ersten Gehorsam nicht zu wegern/ gehe ich mit diesen Dienern hin; das uͤbrige stelle ich Gott heim/ zu Rettung euer Koͤnigl. Hocheit Ehren/ auch zu meiner Zucht und Gesundheit/ als lange sie koͤnnen beysammen seyn; dann ich schwoͤre nochmals/ daß alles beydes an mir untrenliche Schwestern sind/ so daß der einen Verlust die andere wil- lig nach sich zihen wird; dessen doch ungeachtet/ eure Koͤnigl. Hocheit ich klaͤrlich sehen lasse/ wie hoch ich dero Befehl achte; neigete sich zum drittenmahl/ und sagete zu den Die- nern/ komt bald/ wir muͤssen auff Koͤniglichen Befehl/ diesen Weg vor uns nehmen/ umb zu sehen/ wie es Gott weiter schicken werde. Als sie aus dem lezten Gemach traten/ nam er seinen Saͤbel von Timokles/ hing ihn an/ und befahl ihm/ geschwinde nach der Gutsche K k k k zu Drittes Buch. zulanffen/ und ihm seinen Kleiderwetscher zu holen; Pharnabazus und Mazeus aber baht er/ in der naͤhe zu bleiben. Die drey Diener hatten alsbald einen treflichen Wund Arzt bey sich/ der unserm Herkuliskus versprach/ er wolte so saͤuberlich mit ihm verfahren/ daß er des Schnittes kaum solte inne werden. Gingen also miteinander uͤber den innersten Plaz nach einem Gemache/ welches fein gezieret wahr/ und an allen vier Seiten sehr klare Fen- ster hatte; in der Mitte stund ein langer Tisch/ auff welchem etliche seidene Stricke lagen/ und an den Fenstern umbher stunden allerhand erquikliche Kraftwasser in Kristlinen und Alabaster Geschirren/ deren etliche sie hervor nahmen/ und bald darauff begehreten/ Her- kuliskus solte die Kleider ablegen; gab aber zur Antwort; durchaus nicht/ dann ich habe dessen von meinem Koͤnige keinen Befehl/ mich solcher Schmach zu unterwerffen/ sondern nur mit zugehen/ dem ich gehorsamst nachkommen bin. Diese lacheten der kalten Entschul- digung/ und erinnerten ihn zum andernmahl/ damit sie Hand anzulegen moͤchten geuͤbri- get seyn/ drungen auch zugleich auff ihn hin/ des Vorsatzes ihn zu entkleiden. Er sagte/ sie solten gemach tuhn/ legte den Medischen Rok von sich/ riegelte die Tuͤhr inwendig zu/ trat an dieselbe/ und sagte: Da liegen alle Kleider/ die ich aus Zwang lebendig abzulegen wil- lens bin/ uñ noͤhtige mich ja niemand zu einem mehreren. Die Diener kehreten sich hiran wenig/ und wolten ihn bey den Armen erhaschen/ da er ihnen entweich seinen Saͤbel zuͤcke- te/ und mit feurigen Augen zu ihnen sagete: Haltet ein ihr Buben/ haltet ein/ wo ihr mich nicht noͤhtigen wollet/ euch den Lohn vor verrichteter Arbeit zugeben. Weil sie nun immer begieriger auff ihn drungen/ hieb er dem verwaͤgensten den Schedel glat herunter; richtete sich gegen den andern/ der ihn zuerschrecken/ den Saͤbel entbloͤssen wolte/ aber ehe er sichs versahe/ wahr ihm der Bauch auffgeschlitzet/ daß ihm das Gedaͤrm vor die Fuͤsse fiel; der dritte ergriff ihm den Saͤbel bey dem Kreuz/ aber er risse ihm seinen eigenen von der Sei- te/ und spaltete ihm den Kopff biß an die Kinnebacken. Der Arzt versteckete sich hinter den Tisch; aber er sagte zu ihm: Du unflaͤtiger Bube solt dieses schaͤndliche Handwerk nit mehr brauchen; auff welches Wort er ihm den Saͤbel durchs Hirn schlug. Pharnaba- zus und Mazeus hoͤreten draussen das Gematze/ und macheten ihnen bald die Rechnung/ was vor gehen muͤste/ daher Pharnabazus verdecketer Weise sagete: Gilt mein Herr/ wo unser Herkuliskus nicht durch diese Taht ganz in ein ander Geschlecht verwandelt wird/ welches sich bald kund geben sol. Derselbe nun oͤffnete gleich das Gemach/ ließ seine Augẽ nicht anders als zwo brennende Kerzen sehen und sagete: Geliebte Freunde/ ich bin in ei- nes unvergleichlichen Wuͤtrigs Hand gerahten; doch wil ich ehe sterben als in Schande Leben/ und wer mir Schmach anzufuͤgen gedenket/ sol gleich also/ wie diese Buben/ geloh- net werden worzu ich gute Mittel weiß/ und wans gleich Artabanus selber waͤhre. Sehet/ diese Schandbuben haben aus mir einen Verschnittenen machen sollen/ welches doch un- moͤglich/ und wieder meine Geburts Art ist/ massen ich euch nunmehr offenbahren muß/ daß ich kein Mannesbilde/ sondern/ ein Koͤnigliches Fraͤulein aus Boͤhmen/ meines einig geliebeten Herkules verlobete Braut hin/ wie solches/ meiner muhtmassung nach/ Herr Pharnabazus an mir schon gemerket hat. Aber dieser wolte solches gar nicht gestehen. Mazeus verwunderte sich zum hefftigsten/ und stelleten sich beyde unwillig/ daß sie ihr Ge- schlecht biß auff die lezte Stunde vertuschet haͤtte; Sie aber sagete; lasset euch nichts ir- ren/ Drittes Buch. ren/ nur machet euch beyseit/ Ungluͤk zuvermeiden/ und daß mein Diener bald komme. Un- ter diesem Verlauff wahr niemand in groͤsser Angst/ als Phraortes; Er bedachte bey ihm selbst/ ob auch die Goͤtter dem frommen Juͤngling so grosse Schande und Schmach wuͤr- den anlegen lassen; nimmermehr/ sagte er in seinem Herzen/ wird er sich hierzu bequemen/ und wer weiß/ ob er wol nicht schon tod ist? Der Koͤnig sahe/ daß er sehr verwirret wahr; Zwar es steckete demselben noch ein Zorn im Herzen/ aber die Liebe trieb solchen gemehlig aus; Daß er nun des Groß Fuͤrsten Gedanken erforschen moͤchte/ fragete er ihn/ was er so bekuͤmmert waͤhre? Ich weiß nicht/ aller gnaͤdigster Koͤnig/ antwortete er/ was vor selzame Schwaͤrmereyen mir im Kopffe umher schweben/ nur bitte ich untertaͤhnigst/ Ihre Koͤ- nigl. Hocheit wollen mir keine Ungnade zulegen/ da der Juͤngling meinem vermuhten nach/ sich sperren wuͤrde/ welches ich hoͤchlich fuͤrchte/ wann ich seiner lezten Rede mich er- innere. Was wolte er sich sperren? sagte der Koͤnig/ meine Diener werden ihn schon zaͤh- men. O allergn. Koͤnig/ antwortete er/ seine geschikligkeit in Waffen uͤbertreffen alle Kraͤf- te/ dessen mein Fechter wol inne worden. Wir werdens bald erfahren/ sagte der Koͤnig/ wie bendig er wird gemacht seyn/ wann sie dessen die Zeichen bringen. Herkuliska (also wolte sie nunmehr geneñetseyn) so bald sie die weiblichen Kleider von Timokles bekam/ legte sie die- selben auffs schleunigste an/ schmuͤckete sich mit Kleinoten und Perlen auffs praͤchtigste/ und ging ohn einiges Menschen hinderung die bekante Steige wieder hinauff. Dem Koͤ- nige begunte zu mißduͤnken/ daß seine Diener so lange aussen blieben/ und befahl einem aͤ- delknaben/ zuzusehen/ was dessen die Ursach waͤhre; Dieser begegnete dem Fraͤulein oben auff dem Gange/ nahe vorm Gemache/ und entsetzete sich vor ihrer Schoͤnheit; Sie hin- gegen fragete ihn freundlich/ wohin er eilete/ und auffseine kurze Antwort sagte sie zu ihm: Mein/ saget Fuͤrsten Phraortes/ es sey hier eine/ die wolle ihm von allem Bericht geben. Dieser/ nach erwiesener hoher Ehre wahr gehorsam/ und sagete zu Phraortes: Mein Herꝛ/ ein himlisches Weibesbilde in trefflichem Schmucke/ deren gleiche die Sonne wol nim- mermehr beschienen hat/ und dem weggeführeten Juͤnglinge fast aͤhnlich ist/ suchet Eure Gn. zusprechen/ mit dem erbieten/ von allem ergangenen bericht zutuhn. Ich weiß von kei- nem Weibesbilde/ antwortete er/ deren ich auch keine in meiner Geselschafft gehabt; doch ging er auff Befehl des Koͤniges hin/ es zuerfahren; und weil das Angesicht ihm wol be- kant wahr/ wiewol sie wegen angenommener freundlichen Geberden gar eine andere zu seyn schiene/ wolte er doch nicht zweifeln/ und sagte zu ihr: Mein Herkuliskus/ was bedeutet diese Umkleidung? gedenket ihr etwa den Koͤnig hiedurch zugewiñen? O ich fuͤrchte sehr/ es werde keinen gluͤklichen Ausgang nehmen! Mein herzallerliebster Herꝛ Vater/ antwoꝛ- tete sie/ Eure Gn. lassen sich dieses nicht befremden/ und glaͤuben bey meinem aͤide/ daß ich nie kein Mannesbilde gewesen/ sondern zu Rettung meiner jungfraͤulichen Zucht/ welches mir Gott Lob bißher gegluͤcket/ die Kleider gebraucht habe; weil mich aber dieselben nicht laͤnger verbergen koͤnnen/ muß eine tapffere Erklaͤrung mich wuͤrgen oder retten; Ihr weꝛ- det demnach glaͤuben/ daß ich das verlohrne Boͤhmische Koͤnigliche Fraͤulein warhafftig bin/ nur zeiget dem Koͤnige an/ was ihr sehet/ und lasset die Goͤttliche Versehung vor das uͤbrige sorgen. Dieses redete sie mit solcher ernsthafften Liebligkeit/ daß er in die Gedanken geriet/ sie waͤhre warhafftig eine Goͤttin/ welches zuerzeigen/ er sich vor ihr niderlegen wol- K k k k ij te; Drittes Buch. te; Sie aber sagete: Mein Herzen Herr Vater/ umb Gottes Willen enthaltet euch dessen/ und versichert euch/ daß ich Fuͤrst Herkules verlobete bin und bleiben werde. Ey nun dañ/ antwortete er/ so wil mit euer Liebe ich leben und sterben/ wie es der Himmel versehen hat. Ging hin/ fiel vor dem Koͤnige nider/ und sagete: Allergnaͤdigster Koͤnig/ die wunderselza- men Begebnissen durchgehen mein Gemuͤt/ daß ich fast nicht reden kan; dann ich erfahre gleich jezt mit hoͤchster Bestuͤꝛzung/ daß der Juͤngling unter der Kleider Verstellung in deꝛ Warheit ein hochgebohrnes Fraͤulein ist/ welches zuzeigen/ sie sich mit weiblichen Kleideꝛn angetahn hat/ und umb allergnaͤdigsten Urlaub/ hereinzutretẽ anhaͤlt. Eysagete er/ die wird uns ein liebes Fraͤulein/ und die Kron unsers Herzen seyn; daß wir sie nur bald sehen/ und unser Koͤniglichen Hulde sie versichern. Phraortes ging froͤlich hin/ sie hinein zufuͤhren/ und ruͤhmete ihr des Koͤniges Gewogenheit; Sie aber gab zur Antwort: Seine Hulde muß noch viel anders beschaffen seyn/ dafern ich meinem Herkules zum besten leben sol/ dann demselben allein lebe ich/ und sterbe sonst einem andern jedweden; uͤber welcher Rede der Groß Fuͤrst in die Erde vermeynete zusinken/ und sagte zu ihr: Ach mein Fraͤulein/ ich bitte von herzen/ dem Koͤnige gelinde und vernuͤnfftig mitzufahren. Er wolte ferner reden/ sie aber fassete ihn bey der Hand/ und ging mit ihm hinein/ taht auch keinen Fußfall/ biß sie vor den Koͤnig kam/ da sie sich auff ihre Knie legete/ in Meynung/ solcher gestalt ihre Rede vorzubringen; aber der Koͤnig befahl dem Groß Fuͤrsten/ er solte sie auffrichten/ welches sie willig zuließ/ und also anfing: Aller Großmaͤchtigster Koͤnig/ aller gnaͤdigster Herr; Ich/ Fraͤulein Herkuliska/ gebohrne aus Koͤniglichem und freyem Groß Fuͤrstlichen Stamme/ stelle vor Ihrer Koͤnigl. Hocheit mich nunmehr in meiner gebuͤhrlichen Kleidung/ nach- dem mein Geschlecht ich weiter nicht verbergen kan/ wie bißher/ dem Himmel sey Dank/ ohnvermerket geschehen ist/ wodurch ich nicht allein vielem Ungluͤk vorgebauet/ und alle Schande von mir abgekehret/ sondern auch dem Zorn der Goͤtter biß auff diese Stunde mich entrissen habe. Dann Euer Koͤnigl. Hocheit gebe ich hiemit allergehorsamst zuver- nehmen/ was gestalt meine geliebete Eltern mich in der Stunde meiner Geburt/ der gros- sen und keuschen Goͤttin Vesta/ biß auff Vollendung meines XVII den Jahrs verlobet/ wel- ches ich nach gehends frey eingewilliget/ uñ mit hoͤchster Verfluchung/ da ich bruͤchig wuͤr- de/ bekraͤfftiget habe. Solte nun Ihrer Koͤnigl. Hocheit nicht belieben/ mich in solchem meinem Geluͤbde Koͤniglich zuschuͤtzen/ sondern dieses zubrechen/ mich zwingen oder noͤh- tigen wollen/ so schwoͤre ich bey eurem Koͤniglichen Haͤupte/ welches das heiligste auff Er- den ist/ daß solcher Gewaltsamkeit vorzukommen/ ich mich diese Stunde unterstehen wil/ damit ich nicht hernach gezwungen werde/ beydes mich und den Noͤhtiger zugleich hinzu- richten/ worzu ich krafft meines der Goͤttin geleisteten aͤides verbunden bin; Und daß ich von meiner Goͤttin hierzu Staͤrcke und Muht gnug habe/ sollen die drey Diener und der Arzt bezeugen/ welche alle viere ich inso viel Streichen (ungeachtet sie mit dreyen entbloͤs- seten Saͤbeln auff mich angangen) hingerichtet habe/ und zwar mit solchen kraͤfftigen Hie- ben/ wie der Augenschein bezeugen wird/ welche meinem schwachen Jungfraͤulichen Arme unmoͤglich waͤhren/ wann derselbe nicht von meiner Goͤttin waͤhre gefuͤhret/ und die Fre- veler erschrecket worden/ umb/ daß wider Koͤnigl. Befehl sie mich wolten entkleiden/ und meiner Entschuldigung/ daß ich ein Weibsbild waͤhre/ keinen Glauben zustellen. Nun feh- len Drittes Buch. len mir an der Zeit meines Geluͤbdes annoch ein Jahr und zehn Wochen/ nach deren En- digung ich mich nach Euer Koͤnigl. Hocheit/ und meiner gnaͤdigsten Fr. Mutter Willen zuverheyrahten/ nicht abgeneiget bin. Hier auff trat sie fuͤnff Schritte zuruͤcke/ legte ihre rechte Hand unter den Ober Rok/ an den daselbst verborgenen Dolch/ ließ dessen Gefaͤß se- hen/ und sagete weiter: Nun stelle Euer Koͤnigl. Hocheit ich die freye Wahl zu (dieses re- dete sie mit der allerherzbewaͤglichsten Freundligkeit) ob dieselbe mir wollen befehlen/ als- bald zusterben/ oder aber die jeztgemeldete Zeit allergnaͤdigst und kraͤftigst versprechen; dañ ich wil lieber mich allein/ als Eure Koͤnigl. Hocheit zugleich mit/ niderstossen/ ja ich wil lie- ber den allerruhmwirdigsten zeitlichen Tod/ als ein unbeflektes reines Opffer der Goͤtter/ mir selbst antuhn/ als von den boͤsen hellischen Geistern nach dieser kurzen Zeit mich immeꝛ und ewig auaͤlen lassen. Der Koͤnigsahe des Dolchen Handhabe/ und schwebete dermas- sen zwischen Furcht und Begierde/ daß er sich keiner gewißheit entschliessen kunte/ biß Her- kuliska also anfing: Nun du keusche Goͤttin Vesta/ nim an mein Blut/ welches ich vor den schaͤndlichen Raͤubern in Manneskleidern beschuͤtzet habe/ aber wider diesen Allermaͤch- tigsten Koͤnig auf Erden nicht vertaͤhtigen kan; Ich opffere dir/ O meine Goͤttin/ dasselbe/ wie du weist/ in eben derselben reinen Keuscheit/ in welcher es von meiner Fr. Mutter an diese Welt kommen/ und dir pflichtschuldig verbunden ist. Womit sie den Dolch begunte zu zuͤcken/ woruͤber Artabanus sich entsetzend/ mit erhabener Stimme rief: Wir Artabanus/ schwoͤren bey unserm Haͤupte/ Kron/ Reichsstab und Schwert/ euch allerschoͤnstes Fraͤu- lein die Zeit eures Geluͤbdes unverstoͤret zugoͤnnen/ nach deren Verlauff aber/ euch die koͤ- nigliche Kron/ als unserm erhabenen Gemahl auffzusetzen/ und biß dahin euch ein wolbe- wahretes Gemach und eigenes Frauenzimmer zuzuordnen/ von dem ihr Koͤniglich sollet geehret und auffgewartet werden. Ließ darauff alsbald einen erhabenen/ mit guͤldenen Tuͤ- chern behaͤngeten Stuel neben sich stellen/ auff welchen Herkuliska nach koͤniglichem befehl von Phraortes gesetzet ward; aus welcher Gnade sie gewisse Hoffnung schoͤpffete/ ihr groͤ- stes Ungluͤk wuͤrde vorbey seyn/ und Herkules Zeit genug gewinnen/ ihre Erloͤsung zube- fodern. Sie stund aber von ihrem Stuele bald wieder auff/ stellete sich vor den Koͤnig/ und redete ihn folgender gestalt an: Allergroßmaͤchtigsteꝛ Koͤnig/ aller gnaͤdigsteꝛ Herꝛ; anfangs bitte ich demuͤhtigst umb Verzeihung/ daß mit diesem Dolche (welchen sie hiemit Phraor- tes reichete) vor eure Koͤnigl. Hocheit ich mich finden lassen/ in ansehung/ daß er zu nichts anders/ als den Goͤttern das ihre zugeben/ solte gebrauchet worden seyn/ daher Groß Fuͤrst Phraortes ihn auch als einen geweiheten wird in ein fliessend grosses Wasser/ oder in eine grundlose Erdengrube hinein werffen. Und weil die gar zu hohe/ mir teils schon erzeigete/ teils aufs kuͤnftige angebohtene Gnade mich dieses Opfers hat benehmen wollen/ werde ich daher ursach haben/ stets nachzusinnen/ wie viel Euer Koͤnigl. Hocheit ich davor schuldig bin. O wie einen unsterblichen Ruhm wird meinem Allergnaͤdigsten Koͤnige diese allerloͤb- lichste Taht erwerben/ welche zuvergelten/ sich der Himmel mit allen seinen Kraͤften bemuͤ- hen wird. So ergebe nun Euer Koͤnigl. Hocheit ich mich ganz und gar/ mit untertaͤhnig- ster Bitte/ dieselbe wollen ihrem hohen unwiderruflichen versprechẽ nach/ mir ein keusches Frauenzimmer zuordnen/ in deren Geselfchafft ich meinen Jungfraͤulichen Stand/ ohn einige aͤrgerniß und Furcht halten und fuͤhren moͤge. Der Koͤnig ließ alsbald zwoͤlff schoͤ- K k k k iij ne Drittes Buch. ne aͤdle Inngfern/ und vier ehrbare aͤdle Frauen herzu hohlen/ welche er also anredete: Se- het da/ was vor einen kostbaren Schatz wir euch anvertrauen/ dieses unser herzallerliebstes Fraͤulein/ mit welcher wir uns ehelich versprochen/ und nach Vollendung einer gewissen Zeit sie zur Groß Koͤnigin uͤber unsere Landschafften kroͤnen wollen; gehorsamet ihr/ als eu- rer vollkommenen Gebieterin/ zum Tode und Leben. Zwar es wird uns schwer fallen/ das Koͤnigliche Beylager so lange auffzuschieben/ aber doch versprechen wir uͤber das vorige/ daß wir die ganze Zeit uͤber/ unserm Fraͤulein so nahe nicht kommen wollen/ als ein Mann mit dem Wurffspiesse abwerffen kan/ auff daß sie daher erkeñen moͤge/ wie willig wir sind/ sie ihrer Bitte/ auch mit unsern Schmerzen zugewehren. Dieses versprechens erfreuete sie sich hoͤchlich/ nam es mit Untertaͤhnigkeit an/ und in unterschiedlichen Gutschen wurdẽ sie ingesamt nach einem andern Schlosse gefuͤhret/ welches fast am Ende inwendig der Stad/ eine gute Viertelstunde gehens/ von dem Koͤniglichen/ Nordwest gelegen/ und mit einem breiten auffgemaureten Graben/ und sehr hoher Maur befestiget wahr. Pharnaba- zus muste auff ihr begehren zu ihr auff die Gutsche steigen/ dem sie allen Verlauffkuͤrzlich erzaͤhlete/ und mit ihm Abrede nam/ er moͤchte seinem Freunde Herkules zugefallen/ unter- schiedliche reitende Bohten auf die vornehmsten Landstrassen senden/ umb zuvernehmen/ ob nicht er selbst/ oder einige andere unterweges waͤhren/ ihr nachzufragen; dann ich habe/ sagte sie/ uͤber Jahrsfrist keine Gefahr/ wosonst Artabanus nit meinaͤidig wird; aber nach deren Verlauff sehe ich nicht/ wie ich mein Leben retten sol/ es sey dann/ daß mein Herkules komme/ der schon Mittel finden wird/ mich loßzumachen. Pharnabazus gelobete ihr alle Moͤgllgkeit/ mit Beteurung/ wann er wissen solte/ wo er anzutreffen waͤhre/ wolte er mit etlichen Geschwaden Reuter ihm entgegen zihen. Der gute Timokles hatte nun auch er- fahren/ was vor einem Herrn er bißher gedienet/ lief neben der Gutsche her/ und weinete vor Freuden; Herkuliska hieß ihn auffsitzen/ und sagete zu ihm: Mein getraͤuer Freund/ ich danke euch vor alle redliche Auffwartung/ welche ihr mir bißher geleistet/ und zweifele nicht/ ihr werdet ferner getraͤu verbleiben/ auff welchen fall ihr euch versichern sollet/ daß ich aus euch einen grossen und reichen Herꝛn machen wil; leget euch in eine Herberge/ neh- met von Herrn Pharnabazus Leuten einen Diener an/ haltet euch adelich/ verzehret mei- ne Kleinot ohn sparen/ stellet euch taͤglich etliche mahl bey meinem Schlosse ein/ da ihr obẽ beym Fenster mein Zeichen werdet schwarz angemahlet sehen/ und was euch Herr Phar- nabazus weiter anvertrauen wird/ dem kom̃et fleissig nach/ des sol euch dereins eine Herꝛ- schafft zu lohne werdẽ. Ja mein Timokles/ setzete Pharnabazus hinzu; ihr werdet in wich- tigen Geschaͤfften als ein vornehmer Diener bestellet/ drumb lasset euch kein Ding in der Welt zur Untraͤu verleiten/ des wil ich euch bey meinen Ehren vor mein Haͤupt 50000 Kronen zur Vergeltung versprochen haben/ und euch noch heut 6000 Kronen zustellen/ nebest einem grossen und kleinen Diener/ samt dreyen Pferden; zehret nur als ein Herr/ und lebet nach eurem Willen. Diesem stunden die Augen vol Traͤhnen/ bedankete sich des gar zu hohen erbietens/ und verwuͤnschete sich zu aller zeitlichen und ewigen Straffe/ wo er nicht selnem Gn. Fraͤulein getraͤuer als ihm selber seyn wolte/ als lange er lebete/ welchẽ Vorsatz weder Pein noch Tod ihm aus dem Herzen nehmen solte. Nachgehends redete sie mit Pharnabazus alle Nohtwendigkeit ab/ und bedankete sich seines gutwilligen Herzẽ. Nach Drittes Buch. Nach der Fraͤulein Abscheide wahr der Koͤnig mit Freuden und unzaͤhligen Begierden umgeben/ rieff Phraortes zu sich/ und sagete: Mein geliebteꝛ Fuͤrst/ weil ihr unser Herz mit der Volkommen heit dieser Fraͤulein befriediget habt/ sollet ihr dessen zu Lohn alle Schat- zungen eures Groß Fuͤrstentuhms vier Jahr lang vor euch heben/ und in den geheimen Groß Koͤniglichen Raht/ als der fuͤnffte in der Ordnung hiemit auffgenommen seyn. Ließ auch Mazeus vor sich kommen/ belehnete ihn mit einer erledigten Herrschafft in Assyrien/ und vermachete ihm als einem Hof Raht jaͤhrlich 12000 Kronẽ zur Bestallung. Bey der Abendmahlzeit erzaͤhlete Phraortes alles denkwirdige/ wz sich mit dem Fꝛaͤulein zugetragẽ/ als wodurch ihnen aller Argwohn ihres weiblichen Geschlechtes benom̃en waͤre; woruͤ- ber der Koͤnig sich hoͤchlich erlustigte/ und dermassen in Liebe entzuͤndet ward/ dz ihn schon gereuete/ wessen er sich verbunden hatte/ uñ doch eine Unmoͤgligkeit fand/ es zuwiederruffẽ. Der getraͤue Liebhaber Valikules reisete unterdessen in Persen als in der Irre um- her/ weil er von der Spuhr abkommen wahr/ und weder in Staͤdten noch auff dem Lande feiner Fraͤulein Zeichen angeschrieben fand. Die Ursach dieses Irtuhms wahr/ daß er den geradesten Weg nach Parthen vor sich nam/ da sie von den Raͤubern Nordwerts gefuͤh- ret wahr. In dieser Ungewißheit nun befand er sich nicht wenig betruͤbet/ daher er zu Gal- lus sagete: Ich bin sehr irre in meinem Gemuͤht/ daß mein Leitstern sich nicht mehr finden wil/ wor aus ich muhtmasse/ die Parther muͤssen einen andern Weg gezogen seyn/ dessen Ungewißheit mich an meinem Vorhaben sehr verhindern duͤrffte; ja wer weiß/ ob sie mein Fraͤulein nicht gar einen andern Herrn zugefuͤhret haben? O mein Gott/ sagte er mit gefaltenen Haͤnden; zeige du mir den Weg meines Vorsatzes/ und gib nicht zu/ daß diese Unschuldige in Ehren- oder Lebensgefahr gerahte: Gallus antwortete ihm; Gn. Herr/ wir werden in Mangel dieses Zeichens den geradesten Weg nach dem Koͤniglichen Haͤuptfitze vornehmen/ woselbst wir ohn zweiffel Zeitung von ihr haben werden. Ja ge- rade/ sagte er/ als ob ihr nicht auff der gefaͤhrlichen Reise ein Ungluͤk haͤtte zustossen koͤn- nen/ welches wegen Mangel des Zeichens ich nicht unbillig fuͤrchte; muͤssen demnach den grundguͤtigen Gott bitten/ daß er unser Fuͤhrer und Gleitsman seyn wolle/ damit unser Vorhaben zum gewuͤnschten Ende außschlage. Des Abends kahmen sie in ein geringes Doͤrfflein/ da sie Herberge nahmen/ und mitschlechten Speisen zu friede wahren/ weil ih- re Pferde gute Futterung antraffen/ welche sie diesen Tag sehr abgeritten hatten. Valiku- les brachte die ganze Nacht auff der Straͤu mit dem Gebeht zu/ ohn gegen Morgen uͤber- fiel ihn der Schlaff/ und gedauchte ihn/ wie ihm auff der Reise ein alter Mann den Zuͤgel aus der Hand ruͤckete/ und da er Ostwerts reiten wolte/ ihn straks gen Norden leitete/ wor- uͤber er erwachete/ auffsatteln ließ/ uñ den Wirt fragete/ was vor Landschafften gegen Nor- den gelegen waͤhren. Als ihm nun Meden geneñet ward uñ er vernam/ daß etliche Tagerei- sen nach der Haͤuptstad Ekbatana waͤhren/ sagete er: Nun so wil ich im nahmen Gottes den Streich vor mir nehmen/ ob es gleich meiner Einbildung straks zuwieder laͤufft; bekam doch in sechs Tagen keine Hoffnung/ wie eilend er auch mit seinen Wegweiser fortjagete/ der ihn gegen Abend in einen Flecken brachte/ dreissig guter Teutscher Meilen vom vorigẽ Dorffe gelegen. Des siebenden Tages wahr er fruͤh auff/ und traf umb den Mittag einen Scheideweg an/ deren einer in einen grossen Wald gerade gegen Norden; der ander nach einer Drittes Buch. einer weitlaͤuftigen Wuͤsteney Nordost Werts fuͤhrete/ und wie sehr ihm der Wegweiser zu diesem riet/ waͤhlete er doch durch sonderliche Eingebung den an dern/ da er sagete: Ich muß und wil Norden folgen/ als lange ich innerhalb Meden bleibe/ erinnerte doch Gallus/ sein Gewehr fertig zu halten/ daß man sich auff allen Fall schuͤtzen koͤnte/ weil der Ort ge- faͤhrlich seyn schiene. Sie wahren eine Stunde im Walde geritten/ da stiessen vier junge verwaͤgene Raͤuber zu Pferde mit Streit Axten auff sie/ mit Besehl/ sie solten stille halten/ und nicht naͤher ruͤcken/ woran Valikules sich wenig kehrete/ nur daß er sich wegen seines Fuͤhrers betruͤbete/ welcher solches hoͤrend/ ohn einiges Wortsprechen außrieß/ und der Streiche nicht erwarten wolte/ wiewol ihn Valikules wieder seinen Willen nicht auffge- halten haͤtte/ wann er ihm nur seinen Lohn entrichten koͤnnen: Weil es aber nicht Zeit wahr/ sich umb ihn zu bemuͤhen/ ließer ihn reiten/ und setzete immer seinen Weg fort; ant- wortete auch jenen vieren; es waͤhre ihnen ungelegen/ sich zuseumen/ weil seines Fuͤrsten Geschaͤfte eile erfoderten. Nicht desto weniger begegnete ihm deren einer/ mit Begehren/ er solte neben seinem Gesellen Gut oder Blut geben/ auch alsbald den Harnisch ablegen: Die uͤbrigen drey setzeten frisch nach/ der Meinung geschwinde fertig zu werden/ und vor ihrer Geselschafft Ankunst die beste Beute davon zu trecken; aber Valikules den Ernst sehend/ machte nicht viel wesens/ sondern mit Gallus mischete er sich unter sie/ dergestalt/ daß inwendig einer halben viertel Stunde sie alle vier gestrecket lagen; sie aber wolten hier nicht lange verzihen/ fuͤrchtend/ es moͤchten bald mehr kommen/ und dieser ihren Tod raͤ- chen/ worin sie dann nicht irreten/ massen in kurzem ihnen IIX begegneten/ eiferig fragend/ ob ihnen nicht viere mit lichtbraunen Pferden auffgestossen waͤhren. Ja/ sagte Valikules/ aber so bald sie mich und meine folgende Schaar sahen/ kehreten sie sich nach der rechten Hand/ uns etwa vor Raͤuber haltend. Diese erschraken der Rede/ namen kurzen Abscheid/ und machten sich ausser Weges nach der Seite davon. Nicht lang hernach folgeten ihrer zehẽ/ welche mit gleicher Antwort auff ihre ebenmaͤssige Frage abgeschrecket wurden/ daß sie den andern nachsetzeten. Hingegen dankete Valikules seinem Gott/ vor die scheinbare Rettung/ und jagete mit den seinen fort/ als viel die Pferde es ertragen kunten/ da eꝛ in kuꝛ- zer Frist einen zimlichen Hauffen erschlagener und von dem Wilde fast gar verzehreter Leichnam antraff/ auch zu gutem Gluͤk seiner Fraͤulein Zeichen an dreien Baͤumen gemah- let sahe/ mit dieser Unterschrifft Cum aliis prædonibus Ecbatana tendo: Ich nehme mit andern Raͤubern meinen Weg nach Ekbatana. Erzeigete dieses Gallus mit freuden/ und sagete: Dem barmherzigen Gott sey Lob und Dank gesagt/ der uns diesen Weg gefuͤhret hat; dañ mein Herz traͤgt mirs zu/ ich werde schier gewisse Zeitung haben. Ich hoffe solches mit/ sagte Gallus; wir werden aber unsern Pferden rechtschaffen zusprechen muͤssen/ es moͤchten die Raͤuber des betruges inne werden/ und uns verfolgen; darauff sie dann nach aͤusserster Moͤgligkeit forteileten/ welches ihnen wol zu statten kam; dañ jene/ als sie keine Nachfolge merketen/ gingen den rechtigsten Weg vor sich/ da sie ihre vier erschlagene antraffen/ deren einer noch lebete/ und sich beklagete/ was Gestalt sie von zweien Rittern also zugerichtet waͤhren/ welche seiner Hoffnung nach/ den verdienten Lohn schon wuͤrden empfangen ha- ben. Pfui Schande uͤber Schande/ antworteten diese/ daß wir aus vergeblicher Furcht diese Buben haben reiten lassen/ kehreten mit ihren Pferden umb/ und meineten sie noch anzu- Drittes Buch. anzutreffen/ aber vergeblich/ massen die unsern schon einen grossen Vorsprung genom̃en hatten/ da sie ohn Speise und Trank fortjageten/ biß sie ein zimlich Staͤdlein erreicheten/ und doch auff dem Wege der Fraͤulein Zeichen nicht merketen; Hieselbst erfuhr Valiku- les/ daß sie noch sieben zunliche Tagereisen nach Ekbatana vor sich haͤtten/ weil er im Wal- de irre geritten/ und zu weit nach der rechten Hand gangen waͤhre. Sie vertauscheten hieselbst ihre Pfeꝛde/ weil sie undũchtig wordẽ/ lagen fuͤnff Tage stille/ nahmen einen Weg- weiser zu sich/ und gelangeten nach abermahliger siebentaͤgiger Reise in einem Flecken an/ welcher nahe bey Mazeus Schlosse lag/ bleib auch die Nacht daselbst/ uñ fragete den Wirt/ was vor einen Herrn diese Festung haͤtte/ dieser antwortete ihm; es waͤhre gar ein freund- licher verstaͤndiger Herr/ und erst diesen Tag von einer weiten Reise wieder zu Hause an- gelanget/ stuͤnde bey dem Groß Fuͤrsten in sonderlichen Gnaden/ und waͤhre sehr maͤchtig: Sein Schloß waͤhre nicht anders/ als eine offene Herberge fremder Ritter und Herꝛen/ auff welche er jaͤhrlichs ein grosses verwendete; und wañ ihr ihm die Ehre antaͤhtet/ sagte er zu Valikules/ ihn vor eurem Abscheide nach Ekbatana zu sprechen/ wuͤrdet ihr bald ei- nen guten Freund an ihm bekommen/ der in euren Werbungen bey dem Groß Fuͤrsten euch sehr behuͤlflich seyn kan. Hiedurch ward er bewogen/ dieses Herꝛn Kundschafft zu suchen/ weil er ohndaß uͤber diesen Durchzug muste/ machte sich des Morgens sehr fruͤh auff/ und da er dem Schlosse nahete/ ward er uͤber die masse hoch erfreuet/ dann er sahe seiner aller- liebsten Fraͤulein Zeichen uͤber die 20 mahl am aͤussersten Tohr angemahlet/ und (welches ihm die Frendentraͤhnen außtrieb) diese Worte dabey geschrieben: Herculisci suave Diver- sorium. Des Herkuliskus liebliche Herberge. Er warff die Augen etwas hoͤher/ da sahe er uͤber dem Tohr einen von dem reinesten Erz gegossenen Juͤngling mit dieser uͤberschrifft: Mira- culum Orbis Herculiscus. Herkuliskus das Wunder-Geschoͤpff der Welt. Hilff Gott/ sagte er zu Gallus/ hier laͤsset mich mein Heyland die Ergezligkeit aller meiner Muͤheverwaltungen blicken; und O du aͤdle Seele/ hast nicht ruhen koͤnnen/ diesen fremden Laͤndern auch im durchreisen/ ein unsterbliches Gedaͤchtnis deiner Volkommenheit zu hinterlassen; dann freilich ist diese Ehrenschrift dir nicht ohn Ursach gesetzet. Wie er in dieser Betrachtung vor dem Tohre hielt/ rieff ihm die Schildwache zu/ von wannen er kaͤhme/ und wohin er gedaͤchte. Er hingegen begehrete/ man moͤchte dem Herrn des Schlosses anmelden/ daß ein fremder Ritter ihre Gn. gerne sprechen wolte. Mazeus/ als ein fleissiger Auffseher sei- ner Geschaͤfften ging schon im Innerplaze/ und ließ auff anmeldung den fremden hinein geleiten und auf den grossen Gastsaal fuͤhren/ da Valikules ihn nach Ritterstandes gebuͤhr hoͤfflich gruͤssete/ und nach gebehtener ver zeihung andeutete: Er haͤtte nicht allein am Toh- re/ die ihm bekante angemahlete Zeichen/ sondern uͤber demselben ein auffgestelletes Bild- nis samt angesetzeten nahmen Herkuliskus gesehen: Nun waͤhre er von seinem Herꝛn aus weit abgelegener Landschaft außgeschicket/ diesem Juͤnglinge nachzufragen/ und seines Zustandes sich zu erkuͤndigen; gelangete demnach an ihre Gn. sein dienstfleissiges Ansu- chen/ ihm deßwegen einige Nachricht zu goͤnnen/ wovor sein Herꝛ alle moͤgliche Dankbar- keit wuͤrde spuͤren lassen. Guter Freund/ antwortete Mazeus/ suchet ihr diesen vortreflich- sten jungen Herrn/ deß gleichen diese Welt kaum gezeuget hat/ als dañ muͤsset ihr mir sehr wilkommen seyn; rieff darauff seinem Diener/ er solte diesem fremden die Waffen abzihen/ L l l l und Drittes Buch. und muste ein ander hingehen/ seine Geselschaft herein zu hohlen. Er verwunderte sich deꝛ freundlichen Bezeigung/ gab vor/ es wolte ihm nicht geziemen/ sich auffhalten zu lassen/ muͤste als ein getraͤuer Diener seines Herrn/ nochmals umb Nachricht anhalten/ als wor- nach derselbe/ und andere mehr/ grosses Verlangen truͤgen. Ich weiß wol/ sagte Mazeus/ daß man diesem vortreflichen Juͤnglinge nachfraget/ aber einer ist insonderheit/ dessen an- kunft vor andern hoch begehret wird/ moͤchte von Herzen wuͤnschen/ daß derselbe in der Naͤhe waͤhre/ dañ hie durch wuͤrde ich meines Wunsches voͤllig vergnuͤget/ und den Zweg meiner hoͤchsten Begierden erlangen. Valikules wuste nicht/ was er aus dieser Rede schliessen solte/ und antwortete; er koͤnte nicht wissen/ was vor einen ihre Gn. so hoch wuͤn- scheten/ da er ihm aber bey nahmen genennet wuͤrde/ moͤchte er ihm vielleicht bekant seyn. Mazeus kunte diesem Mißtrauen nichts verargen/ wolte sich doch so bald nicht bloß gebẽ/ umb/ dieses Dieners Traͤue zuerforschen/ und sagete: Der Nahme waͤhre ihm entfallen wiewol er ihn haͤtte nennen hoͤren/ wuͤste ihn auch so eigentlich nicht zu beschreiben/ weil er ihn nie gesehen haͤtte aber dessen preißwirdige Tahten zum guten Teil von seiner Freunde einem vernommen/ und wolte gerne den besten Teil seiner Herschaft dran setzen/ dz er dem- selben auff seinem Schlosse guͤtlich tuhn solte. Je geneigter sich aber dieser vernehmen ließ/ je argwoͤhnischer Valikules ward/ daß er ihm gaͤnzlich vornam/ sich noch zur Zeit nit zu melden; bald gedachte er: hat auch dieser Herr meiner Fraͤulein weibliches Geschlecht in erfahrung gebracht/ daß er sie dieses Orts verborgen haͤlt/ und suchet/ durch Auffopffe- rung meiner/ sich ihrer zuversichern? Ja/ ist auch das Bilde vielleicht als ein Lokvogel uͤ- ber das Tohr gestellet/ mich dadurch zu fahen? Bald fuͤrchtete er sich/ diesem redlichen Manne durch solche Gedanken grosses Unrecht anzulegen/ und antwortete in zimlicher Verwirrung: Ihre Gn. muͤssen diesem Herrn trefliche Neigung tragen/ welchen sie mit so grossem Verlust ihrer Herschafft wuͤnschen/ dasie doch denselben/ ihrem Vermelden nach/ nie gesehen haben. Eben darumb verlanget mich so hoch nach seiner Kundschafft/ sagte er/ weil ich ihn bißher nur von hoͤrsagen kenne; jedoch/ da die Goͤtter mir nicht gar zu wieder sind/ werde ich die Ehre haben/ ihn zu sprechen; ermahnete ihn nochmahls/ den Harnisch abzulegen; er haͤtte einen geringen Abtrit zu nehmen/ und wolte bald wieder bey ihm seyn; gin hin zu seinem Gemahl und deren Frl. Schwester/ und zeigete ihnen an/ es waͤhre ein frischer junger Ritter/ braͤunlicher Gestalt ankommen/ welcher dem Herkuliskus nach fragete/ ob er sich auch gleich nicht kund geben wolte/ zweiffelte er doch nicht/ er waͤhre von Fuͤrst Herkules abgeschikt. Fr. Roxane ward der Zeitung froh/ meinete/ dafern solches waͤhre/ wolte sie es bald erfahren/ ging mit ihrem Gemahl hin zu ihm/ und nach freundli- cher empfahung/ redete sie ihn also an: Mein Herr ist uns sehr wilkommen/ als ein bekan- ter des alleraͤdelsten Herkuliskus/ dessen Bildnis/ Zeit abwesens meines Gemahls ich uͤbeꝛ das Schloßtohr auffrichten lassen/ auff daß ich eine taͤgliche Auffmunterung habe/ der vertraulichen Freundschafft/ welche er mit mir gestifftet/ und zu seiner allergeheimesten Freundin mich gewirdiget hat. Valikules kuͤssete ihr die Hand/ und antwortete: Wolge- bohrne Frau; ich treffe alhie eine unvermuhtliche und zugleich unverdienete Freundschaft und Gutwilligkeit an/ mehr als ich mir nie einbilden moͤgẽ/ angesehen ich dieser oͤrter ganz unbekant/ und mein gnaͤdiger Herr/ der mich außgeschikt/ mir nicht die allergeringste An- zeige Drittes Buch. zeige getahn/ dessen was mir begegnet; muß demnach eine sonderliche schickung Gottes seyn/ daß ich mir diesen Weg erwaͤhlet/ und mir sonst viel einen andern vorgenom̃en hatte. Vielleicht mag eurem Herrn diese unsere Freundschaft wol selbst unbewust seyn/ sagte Fr. Roxane/ und wann ich fragen duͤrfte/ ob derselbe der Durchleuchtigste Groß Fuͤrst aus Teutschland waͤhre/ wuͤrde ich mich so weit erkuͤhnen; Ursach/ weil auff meines allerwer- desten Freundes Herrn Herkuliskus anhalten/ ich unterschiedliche reitende Bohten auß- geschikt habe/ umb zuvernehmen/ ob dessen Durchl. nicht in diesen Laudschaften anzutref- fen sey/ weil von meinem Anverwanten/ Herrn Pharnabazus ich gewisse Nachricht habe/ daß seine Durchleuchtigkeit sich uͤber Meer begeben/ diesen meinen Freund aus Raͤuber Haͤnden zu erloͤsen. Valikules nam aus dieser Rede ab/ es muͤste seyn Fraͤulein an die- sem Orte sehr vertraulich gelebet/ auch Pharnabazus (uͤber dessen Anwesenheit er sich freuete) wol gar ihr Geschlecht offenbahret haben/ und gab diese Antwort: Mich wundert sehr/ wie ihre Gn. mir meinen Herrn so eigentlich beschrieben hat/ welchen vor redlichen Leuten zu verschweigen ich nicht Ursach habe; moͤchte wuͤnschen/ daß ich nur in etwas nachrichtung wegen des verlohrnen Herkuliskus haben koͤnte/ ob derselbe annoch im Le- ben und guter Gesundheit sey/ damit ich stuͤndlich umbkehren/ und meinem Gn. Herrn/ der sich in deꝛ Naͤhe auffhaͤlt/ diese so hoch gewuͤnschete Zeitung bringen moͤchte. O ihr Goͤtter antwortete sie/ ist der so viel begehrete Fuͤrst Herkules ankom̃en! O ihr mein gnaͤ- digstes herzallerliebstes Fraͤulein! Mit diesen Worten stutzete sie/ dann sie wahr nicht wil- lens/ straks im anfange merken zu lassen/ daß sie ihres weiblichen Geschlechtes Kundschaft haͤtte; aber der Brey wahr aus unvorsichtiger Freude schon verschuͤttet/ und sie aus Valikules grosser Veraͤnderung merkete/ daß er durch dieses Wort getroffen wahr; doch fuhr sie fort; Mein Herr seumet euch nicht auf dem Wege/ und bringet dem Durchl. GF. aus Teutschland/ neben Anmeldung meiner untertaͤhnigen Ehrendienste diese Zeitung/ wann er meines Seelenfreundes/ Herrn Herrkuliskus guten Wolstand erfahren wil/ moͤ- ge seine Durchl. mir seiner gehorsamen Dienerin die Gnade bezeigen/ und den Bestztuhm dieses geringen Schlosses/ als lange es ihm gefallen wird/ einnehmen; inzwischen werde ich an meinen Herzenfre und Herrn Herkuliskus eine schleunige Bohtschaft abfertigen/ ihr (hier verredete sie sich abermahl) die gluͤkliche Ankunft ihres Seelen-eigenen Oheims wissen zu lassen. Valikules baht sehr/ mit dieser Abfertigung etwas einzuhalten; sein Gn. Herr waͤhre in der Naͤhe/ zweiffelte nicht/ er wuͤrde ihm die angenehmste Zeitung bringen. Mazeus erboht sich mit zureiten/ aber er wehrete solches ab/ ihn versichernd/ daß er selbst sich bald einstellen wuͤrde; nahm Abscheid/ und ritte mit seinen Leuten nach der vorigen Herberge/ daselbst machete er die angestrichene Farbe ab/ legete ein koͤstliches Kleid an/ und putzete sich Fuͤrstlich aus/ nachdem er Standeshalben schon erkennet wahr. Als er mit den seinen nach dem Schlosse ritte/ sahe er/ daß Mazeus nebest seinem Gemahl uñ dem Fraͤulein ihm ausserhalb Schlosses entgegen gingen/ und zwo treffliche Gutschen hinten nach fuͤhren liessen/ deßwegen/ als er ihnen etwa auff 50 Schrit nahete/ sprang er sehr zier- lich vom Pferde/ als er zuvor dasselbe ein wenig auffs kuͤnstlichste getummelt hatte. Sein Kleid wahr ein guͤlden Stuͤk mit gruͤner Seiden durchwirket/ uñ mit Schmaragden reich- lich besetzet/ welches ihm Frl. Lukrezie mit auff den Weg gegeben hatte; an stat des Helmes L l l l ij trug Drittes Buch. trug er einen schwarzen Huht mit einer langen weissen Feder/ und flogen ihm die Goldgel- ben Haarlocken umb die Schuldern. Jene sperreten Mund und Augen auf/ da sie ihn an- fangs so zierlich mit dem Pferde sprengen/ her nach ihn so treflich wolgestaltsahen. Er aber trat ihnen entgegẽ/ da er mit entbloͤssetem Haͤupte sie sehr freundlich gruͤssete/ nachgehends dem Fraͤulein/ und Fr. Roxanen/ ungeachtet ihres wegerns/ die Haͤnde kuͤssete; und als er darauff Herꝛn Mazens anreden wolte/ kam ihm derselbe zuvor/ und sagete: Durchl. Groß- Fuͤrst/ Gn. Herr/ wie uͤberaus grosse Vergnuͤgung ich an meinem heutigen Gluͤk habe/ kan ich mit Worten nicht zuverstehen geben/ wolte auch Euer Durchl. willig und gehorsam et- liche Tagereisen mit gnugsamer Manschaft zuꝛ Wegesversicherung entgegẽ geritten seyn/ wann dero Ankunfft ich waͤhre verstaͤndiget worden; erfreue mich hoͤchlich uͤber Ihrer Durchl. Gesundheit/ mit demuͤhtiger Bitte/ dieselbe mit ihrem Knechte der Zeit Gelegen- heit nach/ gnaͤdig vor lieb und gut nehmen/ und auff meinem Schlosse nach allem ihren Willen gebieten und verbieten wollen. Herkules bedankete sich mit sonderlicher Freund- ligkeit/ der angebohtenen unverdieneten Ehre und Freundschafft/ und baht ganz ernstlich/ mit ihm/ als mit einem Freunde und umschweiffenden Ritter umzugehen/ weil ihm dieser Zeit nichts so sehr/ als ein Fuͤrstlicher Nahme zuwider waͤhre; nachgehends sagte er: Ihꝛ meine hochwerte Freunde/ ich befinde mich ihnen wegen der/ meinem Oheim Herkuliskus erzeigeten Freundschafft dermassen verbunden/ daß ich nicht absehen kan/ durch was Mit- tel er oder ich/ uns dankbarlich loßwirken koͤnnen/ es waͤhre dann/ dz ein williges Herz/ auch vor sie zusterben/ in Bezahlung moͤchte gültig seyn/ welches ich ohn einige Wegerung daꝛ- biete. Mazeus gab zur Antwort: Seine Dienste waͤren Unvermoͤgens halber sehr schlecht/ und ihm wegen des trefflichen Herkuliskus schon mit einer geschenketen statlichen Herr- schafft tausendfach vergolten. Welche Rede ihn nicht wenig befremdete/ dañ er wuste wol/ daß sein Fraͤulein in diesen Landschafften keine liegende Guͤter zuverleihen hatte; doch wol- te er nicht nachfragen/ sondern auff vielfaͤltiges noͤhtigen ging er mit auff das Schloß/ da er Frl. Barsenen bey der Hand/ wiewol wider ihren Willen/ fuͤhrete/ welche zu ihm sagete: Durchl. Fürst/ es hat mein Gn. Fraͤulein/ Frl. Herkuliska/ mich und andere/ die ganze zeit ihres anwesens so artig auffgezogen/ indem sie sich vor einen Herren-Standes-maͤssigen Juͤngling angegeben/ also daß wir ihr die wolgebuͤhrliche Ehre und Auffwartung nicht leisten koͤnnen. Ob nun zwar aus ihrem zarten Angesicht/ wir von ihrem Geschlecht billich haͤtten urteilen sollen/ muͤsten wir doch von neuen wieder zweifelhafftig werden/ massen wiꝛ aus diesem Grunde nicht anders/ als Eure Durchl. vor ein Fraͤulein halten koͤnten. Her- kules stellete sich der Rede halben sehr verwundernd/ und antwortete: Mein hochwertes Fraͤulein; so ist meine Fraͤulein Wase/ an diesem Orte ihrem Geschlechte nach erkennet? O was vor ein sonderbahres Gluͤk hat sie doch an diesen Freundes-Ort gefuͤhret? Zwar wann dieselbe aus Leichtsinnigkeit Mannes Gestalt an sich genommen haͤtte/ wuͤrde ich deꝛ erste seyn/ der es an ihr tadelte; weil aber zu ihrer Ehrenversicherung es nohtwedig hat ge- schehen muͤssen/ werden meine hochwerten Freunde ihr diese Mummerey nicht verargen/ insonderheit/ nach dem/ wie ich vernehme/ sie sich noch endlich zuerkennen gegeben hat. O nein/ antwortete sie/ solches ist von meinem Gn. Fraͤulein so heimlich gehalten/ daß es kein Mensch erfahren moͤgen/ ohn daß ich argwohne/ meine Fr. Schwester habe des Tages ih- rer Drittes Buch. ter Reise/ dessen von ihr Wissenschafft bekommen; dann einmahl muß sie mir nunmehr ge- stehen/ daß sie ihre Durchl. mit Kleidern auff den Weg versehen. Hiervon wollen wir zur gelegenen Zeit reden/ sagte Fr. Roxane/ dann ob ich solches von meiner Herzen Freundin erfahren haͤtte/ was sie dir verschwiegen/ darff dich nicht wundern/ nach dem mein Gemahl felbst es von mir nicht hat wissen koͤnnen. Sie gelangeten hiemit vor dem Schloß Tohr an/ da Herkules das Bild beschauete/ und von Fr. Roxanen diesen Bericht empfing: Durchl. Fuͤrst; wo sonst Menschen Haͤnde die Goͤttlichen Vollkommenheiten in etwas nachaffen oder entwerffen koͤnnen/ meyne ich/ dieser Abguß solle etwas getroffen seyn/ welchen ich zeit der Abwesenheit meines Gemahls zurichten lassen/ und dannoch mir vorgenommen/ den rechten Abdruk niemand zuzeigen/ biß der hochbegehrete Fuͤrst Herkules verhanden waͤh- re; nachdem nun die Goͤtter denselben hergefuͤhret/ muß das geheime entdecket werden. Was habt ihr dann vor ein geheimes/ sagte Mazeus/ das ihr weiters noch vor mir verheh- len moͤgen? Sie antwortete ihm nicht/ sondern befahl einem Schloß-Soldaten/ auff das Tohr zusteigen/ und des Bildes Hinterteil mit gewalt herunteꝛ zureissen/ da sich alsbald ein zierliches Fraͤulein-bilde sehen ließ/ und zun Fuͤssen diese Worte auf Medisch geschrieben: Valiska/ eine Sonne aller Schoͤnheit/ Vernunfft und Tugend/ gebohrnes Koͤnigliches Fraͤulein/ des Trefflichsten der Welt Eigene. Bey Leib und Leben/ sagte Mazeus/ daß solches kein Mensch innen werde. Also ward das Verdeck stuͤndlich wieder daran geschlagen/ und zwar so feste/ daß es ohn Werkzeug nicht kunte herunter gerissen werden. Herkules nam hier aus ab/ dz sie ihm hiedurch seine Liebe wolte zuverstehen geben/ und ward von ihr auff ein herrliches Gemach geleitet/ weil Mazeus anderwerts zuordnen hatte/ und das Fraͤulein die Kuͤche bestellen ließ/ welche Gelegenheit er in acht nam/ und zu Fr. Roxanen sagte: Hochwerte Freundin; ihrem Willen mich gemaͤß zubezeigen/ habe ich mich ungeseumet einstellen wol- len/ umb verstaͤndiget zu werden/ was gestalt mein Fraͤulein lebe/ und an was Ort sie sich auffhalte/ auff daß ich ihre Erloͤsung/ wie ich hoffe/ beschleunigen/ und sie in ihr Vaterland fuͤhren moͤge. Euer Durchl. Frl. sagte sie/ gehets meines wissens sehr wol/ und nachdem mein Gemahl unserm Groß Fuͤrsten/ Herrn Phraortes das Geleite nach Charas gegebẽ/ wohin sie dann nohtwendig hat muͤssen gefuͤhret werden/ da sie/ unsers Groß Fuͤrsten aͤus- serstes Verderben abzuwenden/ diese Reise selbst instaͤndigst begehret hat/ so bin nach seiner Wiederkunfft ich alles Verlauffs umstaͤndlich berichtet worden. Erzaͤhlete hier auff die be- gebnis zu Charas mit dem Fraͤulein/ und meldete zulezt/ was gestalt Koͤnig Artabanus sich nicht allein sehr gnaͤdig gegen sie erzeiget/ sondern in so hefftige Liebe entbrand/ daß er sie stuͤndlich vor sein Groß Koͤnigliches Gemahl erklaͤret/ und allen andern Fraͤulein vorgezo- gen haͤtte. Dieser meynete solcher Zeitung wegen zusterben; die schoͤne Farbe ward in ein Todtenbleich verendert/ und weil die Knie ihn nicht mehr halten wolten/ fiel er ohn einiges Wortsprechen nieder zur Erden; dessen sie so hefftig erschrak/ daß es ihr fast auch also er- gangen waͤhre; merkete doch/ daß ihre dunkele Rede hieran schuldig wahr; Sie schuͤttelte ihn aber/ biß seine Geister wieder kahmen/ und er seine Augen zugleich mit diesen Worten auffschlug: Ach meine hochwerte Freundin/ ihr saget mir wunderliche Zeitungen/ deren bey so gestalten Sachen ich mich nimmermehr haͤtte versehen koͤnnen. Mein werter Fuͤrst/ antwortete sie/ nicht nehmet meine Worte unrecht ein; der Koͤnig hat das Fraͤulein zwar L l l l iij zum Drittes Buch. zum Gemahl erwaͤhlet/ aber darumb sie noch nicht geheyrahtet; dann weil ihrem damahli- gen vorgeben nach/ sie ein Geluͤbde auff sich hat/ der Goͤttin Vesta noch über ein Jahr lang in Jungfraͤulicher Keuscheit zudienen/ hat der Koͤnig ihr aͤidlich versprechen muͤssen/ sie in solcher Zeit durchaus unangefochten zulassen; Worauff sie dann mit ihrem zugegebenen Frauenzimmer auff ein sehr wolverwahrtes Schloß in der Stad Charas gefuͤhret ist/ wo- selbst kein Mannesbilde/ auch der Koͤnig selbst nicht zu ihr kommen darff. Herkules ward durch diese Reden wieder ermuntert/ bedankete sich der geschehenen Erzaͤhlung/ und weil er gnug spuͤrete/ daß sie seiner Heimligkeit guten teils Wissenschafft truͤge/ baht er sehr/ es als eine vertrauete Freundin im Herzen zubewahren/ welches ihr nach aller Moͤgligkeit dereins solte ersetzet werden. Als nun Mazeus und das Fraͤulein wieder zu ihnen kahmen/ und seiner Farbe Verenderung wahr nahmen/ gab er vor/ er empfuͤnde zuzeiten eine Ver- mahnung vom Fieber/ welches aber bald wuͤrde voruͤber seyn; Welcher geschwinden Er- findung sich Fr. Roxane verwunderte/ und als unwissend fragete/ ob er der Ruhe begehre- te. Weil er nun dessen sich wegerte/ wurden allerhand kraͤfftige eingemachte Sachen auff- getragen/ biß es Tischzeit wahr/ da sie diesem ihren lieben Gast nach aller Moͤgligkeit guͤt- lich tahten/ auch nach auffgehobenen Speisen allen Verlauff mit Herkuliskus erzaͤhleten/ welches ihm grosse Vergnuͤgung und gewisse Hoffnung machete/ Gott wuͤrde ihre Erloͤ- sung zum gewuͤnschten Ende ausfuͤhren; Insonderheit wahr ihm sehr angenehm/ daß er in Pharnabazus bessere Kundschafft kommen solte/ von dem er grosse Befoderung seines Vorhabens hoffete; waͤre auch gerne noch desselbigen Tages nach Ekbatana auffgebrochẽ/ doch weil er von ihnen allen/ nur biß auff morgen zubleibẽ/ bitlich ersucht ward/ ließ er sichs gefallen. Bey dem Abendessen fragte Frl. Barsene den Schuͤtzen Batis/ welcher aufwar- tete/ ob ihm auch weiters nach einem Wette-schiessen mit Herꝛn Herkuliskus verlangete; worauf er mit einem Seuffzen antwortete: Er beklagete den Verlust seiner Gelder durch- aus nicht/ wann ihm nur der Koͤnigl. Frl. Gnade koͤnte wieder erworben werden/ dann er haͤtte mit seiner Unbescheidenheit wol verdienet/ daß ihm harte Straffen aufferlegt wuͤr- den; jedoch weil die Goͤtter (vor deren Tochter er dieses Fraͤulein hielte) durch Bitte koͤn- ten versoͤhnet werden/ wolte er von seinem Gn. Herrn Urlaub bitten/ nach Charas zulauf- fen/ ob er durch seinen Freund Timokles Gnade erlangen koͤnte. Herkules fragete nach/ wz vor ursach er haͤtte sich zubeschweren; Und nach dessen Erzaͤhlung sagete er zu ihm: Guteꝛ Freund/ euer Verbrechen ist eben so groß nicht/ und muͤste mir leid seyn/ daß dieses Fraͤu- lein/ so mir verwand/ an diesem lieben Orte/ einigen ungewogenen/ oder der mit fuge sich uͤ- sie beschweren kan/ haben solte/ dessen ich euch aber wegẽ eures grossen Verlustes nichts vor uͤbel halten koͤnte; Demnach versichert euch/ daß ich nicht allein aller Ungnade bey diesem Fraͤulein euch entheben/ sondern eures erlittenen Schadens euch er getzen wil; hieß darauf Gallus/ ihm 800 Kronen zuzaͤhlen/ welche er auch/ unangesehen Mazeus sehr widersprach/ zu sich nehmen muste. Des folgenden Morgens/ nach eingenommenem Fruͤhstuͤk/ machtẽ sie sich fertig zur kurzen Reise/ dann Fr. Roxane und Frl. Barsene wolten der Freude zu Ekbatana mit teilhafftig seyn; und als Herkules willens wahr/ sich in angestrichener Far- be daselbst einzustellen/ widerriet es Mazeus/ weil der Groß Fuͤrst etwas argwoͤhnisch/ und zu ungleichen Gedanken geneigt waͤhre; versicherte ihn daneben/ er duͤrfte demselben kuͤhn- lich Drittes Buch. lich trauen/ ob gleich Pharnabazus hohe Neigung nicht waͤhre. Also folgete er willig/ legte ein schwarzes Kleid an/ mit einem silbern Grund/ und eingewirketen guͤldenen Blumen/ steckete einen schwarzen Federbusch auf den Huet/ welchen er mit einer koͤstlichen Demant- Kette fest machete; Die Armbaͤnder/ so er von Frl. Lukrezien bekommen/ trug er oͤffentlich/ und ließ ihm Pferd und Harnisch nachfuͤhren/ weil er mit Mazeus und dem Frauenzim- mer auff der Gutsche sitzen wolte. Auff halben Wege begegnete ihnen ein ansehnlicher Rit- ter mit sechs reitenden Schuͤtzen/ welchen Herkules ersehend/ gar eilig seinen Helm auff- setzete/ und sein Brustharnisch anlegete/ dz auf allen fall er fertig seyn koͤnte/ und befahl Ma- zeus seinen acht Schuͤtzen/ die hinter dem Wagen her ritten/ sich fertig zuhalten. Der frem- de hatte gesehen/ dz Herkules ihm seine Waffen reichen lassen/ welches er vor eine beschim- pfung auslegete/ uñ durch seinen Leibdiener fragen ließ/ aus was ursachen solches/ und obs ihm zum Trotz geschaͤhe? Dem Herkules zur Antwort gab: Reitet hin/ mein Freund/ und saget eurem Herꝛn/ ich habe meine eigene Waffen angelegt/ welches mir zu Tage uñ Nach- te frey stehet/ wie ihm auch; und ich darum ihn nimmermehr werde fragen lassen/ noch ihm meines tuhns und lassens Rede und Antwort geben. Damit wird mein Herr schwerlich zufrieden seyn/ sagte der abgeschikte; welches Herkules mit wenigem also beantwortete: Und von mir wird er noch schwerlicher eine andere Antwort bekommẽ/ sprang damit aus der Gutsche/ setzete sich auff sein gutes Pferd/ uñ mit Schild und Speer ritte er neben dem Wagen her/ mit Mazeus Sprache haltend. Jener trotzige lachete der empfangenen Ant- wort/ und ließ ihm zum andeꝛn mahl gebieten/ stille zuhalten/ und die Waffen abzulegen/ heꝛ- nach wann er würde voruͤber seyn/ solte ihm frey stehen/ dieselben wieder anzulegen. Wor- uͤber er sich etwas eiferte/ und durch Plautus seinen Dolmetscher ihm antworten ließ: Er befuͤnde sich wegen Anfoderung seiner Waffen/ an seinem ehrlichen Ritter-Nahmen be- schimpfet seyn/ daher er ihm in guͤte abtrag machen/ oder des feindlichen Angriffs solte ge- waͤrtig seyn. Dessen sich aber jener so hart beleidiget befand/ dz er seinen Saͤbel bloͤssete/ den Anbringer niderzuhauen/ waͤhre auch ohn zweifel geschehen/ wañ dieser nicht durch seines Pferdes geradigkeit sein Leben gerettet haͤtte. Herkules sahe solches/ uñ rante eiferig hinzu/ ihm von ferne zuschreyend/ es muͤste ihm dz Lebẽ kosten/ dafern er sich an seinem Diener un- redlich vergreiffen wuͤrde. Weil dann jener darauf einhielt/ und zuruͤk zohe/ sein Speer zu hohlen/ weich Herkules auch/ das uͤbrige seines Harnisches anzulegẽ/ weil er sich der feind- lichen Pfeile befahrete. Mazeus kunte nicht außsinnen/ was dieser vor ein frevelmuͤhtiger Ritter seyn muͤste/ welcher sich sehr unbendig erzeigete/ und im̃erzu winkete/ daß man ihm begegnen solte. Weil dann Gallus in voller Rustung ritte/ wolte er sich gegen ihn wagen/ nam das Speer zur Hand/ und setzeten ganz grimmig auffeinander/ aber mit seinem gros- sem Nachteil/ massen er nicht allein getroffen und außgeho ben/ sondern auch an der rech- ten Schulter zimlich verwundet ward/ daß er wol empfand/ er waͤhre schon unduͤchtig ge- macht/ das Schwert zu gebrauchen; der Fremde/ nach volbrachtem Lauffe/ wolte mit dem Saͤbel uͤber ihn her/ und ihn vollends hinrichten/ aber Herkules ritte zu ihm hin/ und sag- te: Hoͤret ihr stolzer Ritter/ mit mir muͤsset ihr zuvor stechen/ ehe ihr dz Schwert gebraucht/ hernach tuht was euch gefaͤlt; Gallus nam diese Gelegenheit zu seiner Rettung in acht/ hatte sein Pferd noch beim Zugel/ setzete sich drauff/ und muste nach abgelegtem Harnisch ihn Drittes Buch. ihn der Schuͤtzen einer verbinden. Der Fremde aber gab unserm Herkules zur Antwort/ du nichts werter Tropf must neben deinem Gesellen sterben/ und haͤttestu noch fuͤnff Har- nische uͤbereinander angezogen. Du stolzer Schaͤnder sagete er/ du must mich zuvor kaͤuen/ ehe du mich einschluckest/ drum setze dich ritterlich/ so wil ich forschen/ ob dein oder mein Tod der naͤheste sey. Also ritten sie vonander/ und nahmẽ einen raumen Lauff/ traffen auch dergestalt/ das die Speer splitters weise in die Luft fuhren/ und keiner gefellet ward/ wiewol Mazeus unserm Herkules den Preiß zulegete/ und sich uͤber seiner Staͤrke verwunderte: Sie hatten bald andere Speer zur Hand/ wageten den andern Saz/ und wirketen derge- stalt/ daß unserm Herkules sein Schild durchstochen ward/ und das Speer ihm zwischen der Seiten und den linken Arme hindurch fuhr/ daß es schien/ als waͤhre er durch uñ durch gerennet; Der fremde aber taht einen unwilligen und sehr unsanften Fal/ daß ihm die Rie- ben im Leibe knacketen/ und muͤhe hatte wieder auffzustehen; als er nun sich wieder in den Sattel gerichtet hatte/ machte er mit der rechten Hand etliche verwunderungs Zeichen/ uͤ- ber seiner Niderlage/ und schickete sich zum Schwertstreite. Herkules hatte Zeit/ dz Stuͤcke vom Speer aus seinem Schilde zureissen/ und hoffete/ dieses hochmuͤhtigen Verwaͤgen- heit schier zu daͤmpffen. Sie fielen wie tolle Hunde/ besser zusagen/ wie wuͤtige Loͤuen auff- einander/ und getr auete ein jeder seinen Feind in den Tod zu schicken/ daher sichs nicht an- ders ansehen ließ/ als waͤhre das Feur aus ihren Schwertern gesprungen; anfangs wah- ren sie beyde gleiche munter/ aber nicht gleiche behutsam/ in welcheꝛ Tugend Herkules weit uͤbertraf/ und seinem Feind gar zeitig etliche Wunden anbrachte/ welches zuleiden dieser ungewohnet wahr/ und es doch nicht endern kunte/ woruͤber er in hefftiger Wuht mit den Zaͤhnen kirrete/ dz es uͤber etliche Schritte gehoͤret ward. Aber Herkules ließ sich dadurch nicht schrecken/ sondern sagte; ich befinde mich gleichwol noch ferne von deinem Maule/ und beissest schon so Hundisch zu; schlug ihn auch zugleich uͤber das Helmgesicht/ daß ihm das Maul davon schmerzete; noch wehrete er sich nach bestem vermoͤgen/ und trieben sie den Kampf/ daß endlich ihre Pferde ermuͤdet/ keinen festen Trit mehr tuhn kunten/ wel- ches sie machete absteigen/ umb ihr Heyl zu fusse zu versuchen/ da der Fremde/ nahmens Susag/ ein hochbeschrie hener Skytischer Kriegs Obersteꝛ/ mit unserm Herkules bald hof- fete fertig zu werden; wie wol ihn seme Meynung umb ein grosses betrog; dann ob er zwaꝛ viel groͤber und staͤrker von Knochen und Gliedmassen wahr/ als unser Held/ wuste doch dieser durch seine Geschwindigkeit alles doppelt zu ersetzen/ uñ richtete ihn also zu/ daß sein Harnisch blutroht gemahlet ward/ auch zimliche Pfuͤele Blut von ihm auff der Erde stun- den/ welches ihm seine Kraft/ aber nicht den Troz benam/ daß er den redlichen Held als ei- nen Hundebuben außschalt/ welcher sich dannoch den Eifer nicht wolte uͤbernehmen las- sen/ sondern zu ihm sagte; ich merke wol/ daß deine schaͤbichte Zunge suchet mich zu toͤd- ten/ nach dem weder dein Speer/ noch dein Saͤbel/ noch deine Zaͤhne des vermoͤgens sind; und haͤtte ich mich uͤber dich erbarmet/ wañ du dich dessen selbst nicht unwirdig machetest. O du verzaͤuberter Bube/ fing dieser an/ mein Saͤbel und Speer sind noch auff keinem Stahl oder Eisen abgeglitschet. Du must auffhoͤren zu schmaͤhen und zu trotzen/ fiel ihm Herkules in die Rede/ und schlug ihn damit uͤber den Helm daß es wie eine Glocke doͤhne- te/ wodurch dieser dutzig ward und zur Erden stuͤrzete; da ihm Herkules das Haͤupt gar bloͤsse- Drittes Buch. bloͤssete/ und ihn wieder zu sich selbst kommen ließ/ umb zusehen/ wie er sich bezeigen wuͤrde/ erkennete auch aus dem scheußlichen Angesichte was vor eine ungeschlieffene Seele in ihm wahr. Dieser/ als er sich erhohlet hatte/ und das Haͤupt bloß merkete/ sagte er zu ihm selber. Je du schlimmer nichts werter Susag/ hat man dich darumb den uͤberwinder bißher ge- nennet/ daß du dich nieder stossen und schlagen laͤssest? auff welche Rede er ihm selbst die Kehle mit seinem eigenen Saͤbel rein abschnitte/ und aus dieser Wunde das uͤbrige seines Blutes außschuͤttete. Herkules schickete alsbald einen Schuͤtzen anseine Leute/ und ließ ihnen sagen/ dafern sie koͤnten ruhig seyn/ solte ihnenkein Leid wiederfahren; welches diese vor bekant annahmen/ und ihre schon auffgelegeten Pfeile wieder in den Koͤcher stecketen; auch ihrer einer zu Herkules ritte/ mit der Frage/ ob er ihnen noch etwas anzusagen haͤtte. Mazeus sprang aus der Gutsche/ und sagte: Er wolte sie vor aller Gefahr versichern/ da- fern sie redlich bekennen wuͤrden/ wer ihr Herr gewesen/ und aus was Ursachen er solchen Stolz und Frevel getrieben. Warumb solten wir solches verschweigen? antwortete dieser; Unser gewesener Herr wahr der Welt beschrihene Skyte/ Herr Susag/ welcher seinem Koͤnige Skolothus so mannichen Sieg erhalten/ als nie keiner vor ihm/ ist auch biß da- her unuͤberwindlich geschaͤtzet worden/ massen er in einem Tage mit XXI Rittern solcher- gestalt gekaͤmpffet/ daß er anfangs einen/ hernach zween/ weiters drey/ und immerzu einen mehr/ biß auff sechse vorgenommen/ und sie alle hingerichtet hat. Ich habe zu Charas noch neulich von ihm gehoͤret/ sagte Mazeus/ und bekomme nun die Ehre/ ihn uͤberwunden zu sehen. Ja/ antwortete dieser/ mich daͤucht es traͤume mir seine Niderlage/ und wird man uns an unsers Koͤniges Hofe ein solches nicht glaͤuben/ daß durch einen einzigen jungen Ritter im auffrichtigen Kampffe er gedemuͤhtiget sey. Herkules antwortete ihm: Also pfleget Gott allemahl den Hochmuht zu daͤmpfen/ aber was hatte dieser Susag doch auff meine Waffen zusprechen? Nichts/ sagte dieser/ als dz er sie nicht leiden kunte. Daß wahr gar zu ein grosser Frevel antwortete er/ und zwar in eines andern Herrn gebiet. Ihr aber sollet mit eurer Geselschafft freien Abzug haben/ dafern ihr mir schwoͤren werdet/ daß ihr alles an eurem Ort redlich erzaͤhlen wollet/ wie ihrs gesehen und gehoͤret habet; und dane- ben anzeigen/ daß ein fremder Ritter aus weitabgelegenen westnordischen Laͤndern buͤrtig ihn gezwungen habe/ daß er ihm seine Waffen hinfuͤro werde muͤssen unangeschriehen lassen. Ja mein Herr/ antwortete dieser/ wir wollen solches angeloben/ und als redliche auffrichtige Skythen leisten. Mazeus fragete weiter/ was Susag dieser ends zuverrichtẽ gehabt; er antwortete; ihm waͤhre gesaget worden/ daß seiner nahen Anverwantinnen ei- ne von sechs Assyrischen Rittern aus Parthen heimlich hinweg gefuͤhret waͤhre/ wie wol gesagt wuͤrde/ sie haͤtte sich gerne darzu gebrauchen lassen; weil aber Susag ihm solches vor einen grossen Schipf angezogen/ waͤhre sein Vorhaben gewesen diese sechse auff ein- mahl und in einem Kampffe zubestehen. Diese/ antwortete Herkules/ werden sich seinet- wegen weiters nicht zu befuͤrchten haben; ihr aber moͤget euren Susag mit euch fuͤhren/ oder hieselbst bestatten/ nach eurem gefallen. Seine Waffen/ sagte dieser/ wollen wir sei- nem Bruder Argunthis mit uͤbernehmen/ aber der Leichnam wuͤrde uns stinkend werden. Hiemit machten die unsern sich wieder auff ihren Weg/ und nach abgelegten Waffen/ se- tzete sich Herkules an seinen Ort in die Gutsche/ da er wegen seiner Tapfferkeit sich von M m m m dem Drittes Buch. dem Frauenzimmer gnug muste ruͤhmen lassen. Sie wahren kaum eine halbe Meile wei- ter fortgezogen/ da fahen die Beyreuter in der Naͤhe einen ungeheuren Loͤuen auff ein er- schrockenes Weibesbilde ansetzen/ woruͤber sie ein lautes Geschrey ergehen liessen/ dessen Herkules sich in etwas entsetzete/ von der Gutsche sprang/ und mit entbloͤssetem Schwert gleich als im Sprunge dem Loͤuen entgegen lieff; Als nun das Tihr auff das elende Weib anfallen wolte/ stellete er sich zwischen ein/ und mit einem Hiebe schlug er ihm beyde Tatzen ab/ daß er zur Erden stuͤrzete und grausam bruͤllete; er aber reichete ihm noch einen Stoß in die Seite/ uñ richtete ihn damit hin. Das armselige Weib hatte sich ihres Lebens schon getroͤstet siel vor ihm nieder/ und bedankete sich demuͤhtig/ daneben wuͤnschend/ der guͤtige HErr JEsus moͤchte ihm solche Woltaht hier zeitlich und dort ewiglich belohnen/ weil in ihrem Vermoͤgen es nicht stuͤnde. Herkules den allersuͤssesten nahmen JEsus in dieser Fremde hoͤrend/ ward voller freuden/ hielt es vor ein sonderliches gnaden Zeichen/ richtete das Weib auff/ und als er vernam/ daß sie eine Witwe wahr/ schenkete er ihr eine ganze Hand vol Kronen/ gleich da Mazeus herzu kam/ und zu ihm sagete: Euer Gn. haben uns des Schreckens bald benommen/ als die ohn zweiffel dergleichen Tihre mehr wird erleget haben. Er aber antwortete/ ihm waͤhre auff der ganzen Reise kein Loͤue auffgestossen/ haͤtte auch nie keinen im freien Felde lauffen sehen/ meinete doch/ daß ihnen leicht zubegegnen und beyzukommen waͤhre/ wann man nur gute Auffsicht auff sein Vornehmen haͤtte; setzete sich wieder auff die Gutsche/ und weil ihm Anleitung gegeben ward/ fing er eine Re- de an von des Menschen Vortrefligkeit uͤber andere Tihre. Wir haben/ sagte er/ dem grundguͤtigen Gott hoch zu danken/ daß er uns Menschen eine vernuͤnftige Seele einge- gossen/ und diesem Teile nach/ uns unsterblich gemacht hat; dann durch anfuͤhrung dieser verstaͤndlichen Kraft koͤnnen wir nicht allein die wunderbahren mañigfaͤltigen Geschoͤpfe erkennen/ sondern auch diesem selbst nachfragen/ der solches alles in ihrem Wesen darstel- let/ und die Oberverwaltung uͤber Himmel und Erden fuͤhret. O wie eine suͤsse Beluͤsti- gung unserer Seelen ist es/ wann man Gottes wahre erkaͤntnis hat/ und nach dessen Wil- len zu leben weiß! Gleich wie aber die maͤchtigsten Tihre den allergroͤsten Schaden tuhn/ wann sie ihre Krafft in eine Wuht verwandeln; also wirken auch wir Menschen das al- lergroͤbeste uͤbel/ wann der Seelen Vermoͤgen aus den Schranken der Gottesfurcht und Erbarkeit loßbrechen/ und den Luͤsten des Fleisches nachhaͤngen; welcher Frevel dann lei- der in der Welt so gemein und durchgehend ist/ daß die Erbarkeit kaum neben ihm demuͤh- tig herzukriechen/ Raum findet. O wie mannichmahl sehen wir die Frecheit der Gottes- furcht uͤberlaͤstig seyn? Ja was ist taͤglichers/ als daß Tugend den Lastern die Fuͤsse kuͤssen muß? Dieses alles ruͤhret aus Fleisches Bosheit her/ welche der Seelen die Augen blen- det/ daß sie den gebuͤhrlichen Zweg nicht absehen kan/ nach welchem sie zuzielen befuget ist; und wann sie es gleich sihet/ ist doch der Boge zu schwach/ die Sehne zu schlapff/ der Pfeil zu fladdericht. Hingegen wo die Begierden der Billigkeit die Herrschafft goͤnnen/ ey da leuchtet des Menschen unvergleichliche Hocheit hervor/ und laͤsset sich sehen/ auch mitten im tunkeln/ in dem der Mensch alle Guͤltigkeit der Seele hinwendet zu dem/ daß ihm von Gott und dem Recht eingebunden ist. Kein vernuͤnfftiger widerstehet seiner eigenen Wol- fahrt/ und ein unvorsichtiger nimt derselben nicht eins wahr/ dann er kaͤmpffet wider seinẽ eige- Drittes Buch. eigenen Vortel/ wann er sonst nichts zutuhn hat/ und rennet willig ins Verdeꝛben/ ehe man ihn jaget; Das macht/ er schaͤmet sich von Tugendhafften zulernen/ was ihm selig ist; ja verlachet noch wol denselben in seinem woltuhn/ ob er gleich sihet/ daß ein solcher von Gott durch alles Gewitter frey hindurch gefuͤhret wird; und wie koͤnte etwas schaͤdliches haff- ten/ da man Gott zum Fuͤhrer waͤhlet? Wie koͤnte es anders als gluͤklich ausschlagen/ da Tugend das Faͤhnlein schwinget? Ich heisse aber das nicht Gluͤk/ von Koͤniglichem oder sonst aͤdlem Gebluͤt entsprossen seyn; Ich heisse das nicht Gluͤk/ die Kasten und Saͤcke mit der Welt Narren-Schellen/ den guͤldenen und silbernen Pfennigen gefuͤllet haben; Ich heisse das nicht Gluͤk/ des Leibes Kraͤffte in aller Gesundheit brauchen; wiewol auch diese Stuͤcke eigentlich und an sich nicht ungluͤklich sind; sondern Gluͤk ist Gottes Gnade; Gluͤk ist ein gutes Gewissen; Gluͤk ist ein froͤliches Herz/ auch mitten im Tode/ und auff der Fol- terbank; dann Leibesweh ist so ein schaͤdliches uͤbel nicht/ wanns von Gott zur Besserung herruͤhret. Aber der Seelen Krankheit/ die trifft gar zustraͤnge/ die verwundet gar zu ge- faͤhrlich/ die toͤdtet gar zu herbe/ weil sie Gottes Hulde stoͤret/ und dem innerlichen Peini- ger/ ich verstehe das boͤse Gewissen/ uns in die Haͤnde liefert. O du undankbare Welt/ wie darffstu deine Augen gen Himmel wenden/ da du das hoͤchste Gut/ dir von Gott verlihen/ ihm entgegen stellest? Die Seele meyne ich/ welche du zwingest/ dem Fleische unterwuͤrf- fig zu seyn/ und der uͤppigkeit die folge durch Wasser und Feur zuleisten. Wer ruͤhmets an einem Untertahnen/ daß er seines Fuͤrsten Freygebigkeit zu dessen Verderben gebrauchet? wie ist dann derselbe in den Augen Gottes zuachten/ welcher das groͤste Himmels geschenk wider den Himmel selbst kehret/ und stuͤrmet auff den zu/ welcher ihm die Krafft zustuͤrmen verlihen hat? Hieran sind alle muhtwillige schuldig/ die ihrer Seelen Wirkung durch Lie- be zur Leichtfertigkeit und Fleisches Wollust von der Bahn abzihen/ auf welcher sie zuwan- deln von Gott erschaffen sind/ koͤnten auch folge leisten/ wann sie das boͤse diesem besten Teil nicht zustraͤnge eindruͤcketen/ sondern dem Frevelmuht das Gebiß anlegeten/ wann er zur seiten ausweichet/ und mehr den suͤssen/ als gesunden Speisen nachhaͤnget. Wer nun die- sem uͤbel einzureden kuͤhn genug ist/ der allein geneust des Lebensaffts/ welcher durch der Seelen Wirkung eingetruͤpffet wird/ und umb so viel haͤuffiger/ je bestaͤndiger er auff die Tugend ansetzet. Ich bekenne/ daß einem Gottlosen Menschen besser waͤhre/ ein Klotz zu seyn; Aber waͤhre auch dem jezt erschlagenen Loͤuen nicht besser/ daß er zum Hasen oder Eichhoͤrnichen gedien waͤre? Noch bleibet Loͤuenadel wol uͤber anderer Tihre Guͤltigkeit; aber weil er Wuht vor Krafft/ blinden Anfall vor Vorsichtigkeit brauchte/ muste ihn seine eigene Last stuͤrzen. Also muß ich der Ursach halben menschliche Vortrefligkeit nicht schaͤn- den/ ob gleich der boshaffte mehr uͤbels als einiges wildes Tihr begehet/ sondern Vernunft bleibet in sich gut und heilsam/ wann das boͤse nur gemieden wird/ und wer seinen Verstand zum guten anwendet/ hat unter allen Geschoͤpffen Gottes seines gleichen nicht; Ja wann er diesem gehorsamet/ verbindet er ihm denselben/ daß er ihn weder in Noͤhten stecken lassen/ noch die Huͤlffe ihm versagen kan. Mazeus und die seinen/ sahen ihn/ weil er dieses redete/ mit unverwendeten Augen an/ und gedauchte sie/ weder lieblichere Stimme/ noch holdseli- ger Angesicht/ noch zuͤchtigere Geberden jemahls bey einigem Mannesbilde gespuͤret zuha- ben/ und nahm sie wunder/ daß er in seiner Rede des ergangenen Streites so gar mit kei- M m m m ij nem Drittes Buch. nem Worte gedachte/ als ob er nichts davon wuͤste; so wolte ihrer niemand antworten/ um ihn dadurch zureizen/ daß er seinen anmuhtigen Worten noch laͤnger folge gaͤbe. Weil er aber geschlossen hatte/ sagte Mazeus endlich: Durchl. Fuͤrst/ es muß warlich ihr Tentsch- land treflich gelehrte Manner haben/ welche der Jugend so hohen Verstand so fruͤhzeitig beybrigen/ und in der ersten Frecheit der kindischen Jahre sie zur Tugend anfuͤhren koͤñen. Man hat ja vor diesem in Persen auch weise Lehrer gehabt; aber heut zu tage finde ich bey ihnen nur dieses/ daß sie uns diesen oder jenen Stern am Himmel zeigen/ und mit ertichte- ten Kreissen uns ihren Lauff einbilden; dann fahen sie von deren Wirkungen an: Dieser bringe trockene Duͤrre; Jener nasse Feuchte; Unter jenem Gestirn gebohren werden/ ma- che beherzt; unter diesem gelehrt/ reich/ faul/ aberwitzig/ gluͤklich/ frech/ wolluͤstig/ und so fort an; Aber wie unsere Seele mit Gottesfurcht und Tugend muͤsse ausgeschmuͤcket werden/ davon wissen sie nichts/ wie solches ihr Leben und Wandel gnugsame anzeige tuht/ in dem sie in aller Unzucht und Schande sich waͤlzen/ und zum Nuz des Vaterlandes keine Ader anwenden. Das sind die allerschaͤdlichsten Lehrer/ sagte Herkules/ die mit ihrem Leben ein Haus niderreissen/ wann sie durch die Kunst etwa eine Wand getuͤnchet haben; wiewol ich ihre Unterrichtung und Lehre selbst vor schaͤdlich halte/ als wodurch sie die jhnen anveꝛ- trauete Jugend entweder sicher oder verzagt machen/ da einer gedenket/ mein guter Stern wird mir schon das versprochene Gluͤk zuwenden; Der ander: Meine Muͤhe nach dem guten ist umsonst/ weil mein Himmelszeichen mir daran verhinderlich ist/ und sie also alle beyde durch Verleitung ihres Lehrmeisters ins Verderben gerahten. Aber gibt es in die- sen Laͤndern sonst keine andere Lehrer? Jenes elende Weib/ sagte er/ welches dem Loͤuen fast im Rachen steckete/ ließ unter ihrer Danksagung sich etlicher Reden merken/ aus welchen ich muhtmasse/ daß sie in der Gottesfurcht zimlich muͤsse unterwiesen seyn/ gestaltsam sie mir einen nennete/ welcher von den Christen (wie man sie heisset) voꝛ den wahren GOttes Sohn gehalten wird. Ja/ antwortete Mazeus/ es finden sich dieser Orten auch Christen/ und zwar unter den gemeinen Leuten/ in zimlicher Menge; doch muͤssen sie sich in ihrem Glauben heimlich halten/ weil ihre Verfolger ein wachsames Auge auff sie haben/ und sie zur erschreklichen Straffe zihen/ da sie einige Missetaht auff sie bringen koͤnnen. So ist uͤ- berdas ihnen jederman gehaͤssig/ weil sie alle andere Goͤtter verachten/ und/ wie man saget/ einen Gekreuzigten anbehten/ und uͤber alles erheben. Nichts desto weniger stehen sie auff ihrer Meynung so feste/ daß sie auch durch Feur und Schwert davon nicht moͤgen abge- bracht werden. Aber ihre Lehrer werden von uns nicht gehoͤret/ damit man sich mit ihrem toͤrichten Aberglauben nicht beschmitze. Herkules gab zur Antwort: Ich habe die Christen zu Rom auch lernen kennen/ und anfangs nicht anders gemeynet/ sie waͤhren ein wahnwit- ziges/ und ihrer Sinnen beraubetes Volk/ daß ich ihrer neben andern zuspotten pflag/ da ich doch/ meines wissens/ keinen gesehen hatte; aber so bald ich dessen besser unterrichtet ward/ und ihren erbaren Wandel und heilige Werke sahe/ bekam ich Lust/ mich ihres Got- tesdienstes etwas besser zuerkuͤndigen/ befand auch/ daß ihre Widerwaͤrtigen ihnen viel dinges aufdringen/ dessen sie durchaus nicht schuldig sind. Zwar man gibt insgemein voꝛ/ sie geben ursach zu Auffruhr/ sie treiben Unkeuscheit bey ihrem Gottesdienste/ und was der Aufflagen mehr sind; aber wie kan solches und der gleichen von ihnen gemuhtmasset wer- den? Drittes Buch. den? sintemahl sie weder nach weltlicher Herschafft trachten/ noch/ die mit groben Lastern beschmitzet sind/ in ihren Versamlungen dulden. So hat ja noch keiner/ der sich von ihnen abgesondert/ jemahls gestanden/ oder mit Warheit dargetahn/ daß solche und dergleichen Suͤnde von ihnen solten begangen seyn/ oder gut geheissen werden. Ich weiß wol/ daß an etlichen Orten es schaͤndliche Menschen gibt/ welche sich vor Christen halten/ und doch we- der in der Lehre noch im Wandel denselben im geringsten gleich sind/ sondern sie verbergen sich unter solchem faͤlschlich angenommenen Nahmen/ und waͤhren wert/ daß wegen ihrer Unflaͤterey und Suͤnde sie vertilget wuͤrden/ daher auch die wahren Christen mit densel- ben nicht die allergeringste Gemeinschaft haben/ sondern sie vor Ketzer schelten/ und zu Gott ruffen/ daß er sie verstoͤren wolle. Mazeus antwortete: Ich habe der Christen tuhn und las- sen wenig wahr’ genommen/ wann sie aber der Froͤmmigkeit dergestalt er geben sind/ kan ich nicht absehen/ aus was ursachen man ihnen so auffsaͤtzig ist/ daß man ihnen auch die gemei- ne Lufft nicht goͤnnen wil. Es mag sich mein Herr wol versichern/ antwortete Herkules/ dz sichs ingemein mit ihnen also verhaͤlt/ habe ihnen auch verheissen/ als lange sie dergestalt le- ben/ wolle ich ihnen alle hohen Haͤupter/ mit denen ich in Kundschafft gerahte/ nach Ver- moͤgen gnaͤdig und geneigt machen; und da ich meinem Herrn ein solches ihretwegen an- muhten darff/ habe ich darumb fleissig zubitten. Mazeus erklaͤrete sich hierauff/ ob gleich sein Vermoͤgen schlecht und geringe waͤhre/ wolte er doch bey zufallender Gelegenheit nicht unterlassen/ diesen Leuten eines solchen Fuͤrsten Vorbitte geniessen zulassen. Also brachten sie die Zeit mit Unterredungen hin/ biß sie vor das Stad Tohr kahmen/ da Herkules das Liebe Zeichen etliche mahl angeschrieben sahe/ und zu Mazeus sagete: Sehet mein Herr/ dieses Zeichen ist mein Leitstern gewesen/ welcher naͤhest Gott mich diesen Weg/ von Tyrus her/ gefuͤhret hat. Es ist uns wol bewust/ sagte Fr. Roxane/ habe auch nach unser gnaͤdigstẽ Fraͤulein begehren/ unterschiedliche Reuter ausgeschikt/ um zuerforschen/ ob Euꝛe Durchl. in den mit diesem Zeichen bemahleten Herbergen nicht gewesen waͤhre/ deren aber noch keiner zuruͤk kommen ist. Als sie in der Stad vor dem Schloß Tohr anlangeten/ da es fast umb den Mittag wahr/ stiegen sie ingesamt vom Wagen/ und gingen zu fusse hinauff. Im innersten Platze funden sie den Groß Fuͤrsten mit Pharnabazus ein ernstliches Gespraͤch halten/ wurden auch von ihnen nicht gesehen/ biß Pharnabazus sich umwante/ und unsers Herkules gewahr ward/ welchen er ansehens kennete/ und zu den Groß Fuͤrsten sagete: Hilf Gott! da komt der teure Fuͤrst Herr Herkules her! trat ihm geschwinde entgegen/ und em- pfing ihn nicht viel geringer als einen herschenden Koͤnig. Herkules hingegen umfing ihn mit beyden Armen/ und sagete: Mein hochwerter Herr und Freund/ ich bitte sehr/ mich mit so uͤberflüssiger Ehre nit zubelasten/ sondern der fest versprochenen ausrichtigẽ Freund- schaft eingedenk zuseyn/ als welche mich angemahnet hat/ meinen werten Herrn uñ Freund nicht vorbey zugehen/ da ich denselben in der naͤhe seyn/ vernommẽ habe; erfreue mich auch von herzen/ Gelegenheit zufinden/ das wolangefangene fortzusetzen. Hiemit trat er zu dem Groß Fuͤrsten/ erwieß ihm sonderliche Ehre/ und redete ihn mit diesen Worten an: Groß- maͤchtiger Groß Fuͤrst/ daß ungemeldet meiner Ankunfft/ auff diesem Koͤniglichen Schlos- se ich erscheinen duͤrffen/ darzu hat mich mein Freund’/ Herr Mazeus verleitet; weil aber dieses meine Unhoͤfligkeit nicht entschuldigen kan/ als bitte Eure Durchl. ich demuͤhtig um M m m m iij Ver- Drittes Buch. Verzeihung/ dero ich mich ohn einige Bedingung zu allen moͤglichen Diensten anerbiete. Der Groß Fuͤrst antwortete ihm: Wessen Eure Liebe sich gleich jezt gegen meinen gelie- beten Oheim beschweret/ haͤtte ich grosse ursach/ gegen Eure Liebe zuwiederhohlen/ die ich als einen hochgewuͤnschten Freund sehr wilkommen heisse/ mit Bitte/ dieselbe sich des mei- nigen nicht anders als ihres Eigentuhms kuͤhnlich gebrauchen wollen. Herkules wendete ein: Er liesse sich hieselbst bloß als ein umschweiffender Ritter sinden/ dannenhero ihm nit gebuͤhren wolte/ sich seiner Durchl. gleich zuschaͤtzen/ baͤhte demnach untertaͤhnig/ dieselbe wolten ihm nicht auffdringen/ wider gebuͤhr und willen unhoͤflich zuseyn/ dann seine schul- digkeit waͤhre ja/ nicht allein Ihrer Durchl. selbst/ sondern auch dero hohen Beamten ge- horsam und folge zuleisten. Küssete ihm darauf die Hand/ und befahl sich seineꝛ Großfuͤrstl. Gewogenheit. Fr. Roxane hatte sich als bald nach dem Frauenzimmer gemacht/ und des Fuͤrsten Ankunfft vermeldet/ derhalben die Groß Fuͤrstin einen aͤdelknaben herunter schie- kete/ ihr Gemahl wolte sich belieben lassen/ den angenehmẽ Gast hinauf zufuͤhren. Woselbst nun Herkules seine Hoͤfligkeit spuͤren ließ/ und nach gebohtenem Handkusse also redete: Durchleuchtigste Groß Fuͤrstin/ die Unruhe durch meine Ankunfft erwecket/ muß ich mit der Nohtwendigkeit entschuldigen/ die mich treibet/ einer Fraͤulein nachzufragen/ deren ich auff unterschiedliche weise hoch verbunden bin; Als ich nun in Erfahrung gebracht/ was grosse Ehre und Liebe derselben alhie erzeiget worden/ ist meine hoͤchste Schuldigkeit/ die Danksagung davoꝛ/ mit Worten abzulegen/ weil des Vermoͤgens Unkrafft mich an die Wiederleistung nicht hinlaͤsset. Es seyn aber Ihre Groß Fuͤrstl. Durchl. eines ergebenen Knechtes an mir versichert/ so daß in dero Diensten mein Leben zuwagen/ mir die hoͤchste Vergnuͤgung bringen solte. Sie aber antwortete ihm: Durchleuchtigster Groß Fuͤrst; ge- wißlich erwecket Euer Liebe ankunft durchaus keine Unruhe/ weil man derselben mit hoͤch- stem Verlangen erwartet hat; Dem Koͤnigl. Fraͤulein habe wegen ihrer Verstellung ich wenig Ehre und Dienste erzeigen koͤnnen/ solte aber ihr Geschlecht und Stand mir kund worden seyn/ wuͤrde ich mich bemuͤhet haben/ ihr besser zur hand zugehen; muß also die Un- wissenheit zur Entschuldigung einschieben/ und daher mich befleissigen/ den an dem Koͤnigl. Fraͤulein begangenen Fehler/ auff zugelassene weise zuverbessern. Der junge Fuͤrst Arbia- nes kam wieder zu hause vom Lustreiten/ und ward ihm im Schloßplatze gesagt/ es waͤhre ein trefflicher schoͤner Herꝛ/ mit Mazeus ankommen/ dem vorigen Herkuliskus fast aͤhnlich. O Dank sey allen Goͤttern/ sagte er/ es wird gewißlich der treffliche Held/ Fuͤrst Herku- les seyn/ durch dessen Unterweisung ich in ritterlichen Ubungen etwas zu fassen gedenke; blieb ein wenig stehen/ und bedachte sich/ wie eꝛ ihn empfangen wolte; stieg alsbald hinauf/ und als er in den Saal trat/ neigete er sich gegen ihn/ kuͤssete ihm die Hand/ und redete ihn also an: Durchleuchtigster Groß Fuͤrst/ hochberuͤhmter Held; nach dem die Goͤtter mein Begehren erfuͤllet/ und ihrer Durchl. den Weg hieher gezeiget/ verhoffe ich/ dieselbe wer- den meiner demuͤhtigen Bitte Stat geben/ und mich in die Zahl ihrer Diener einschrei- ben/ da mit aus ihrem Leben und Tahten ich fassen moͤge/ was einem gebohrnen Fuͤrsten schier heut oder Morgen Ruhm und Ehre bringet. Aus diesen lezten Worten vernam er/ daß er der junge Fuͤrst wahr/ taht ihm gleiche Ehre an/ und gab ihm zur Antwort: Wa- rumb machet mein Durchl. Fuͤrst mich vor ihren geliebten Eltern/ und dieser ganzen hohẽ Gesel- Drittes Buch. Geselschaft so schamroht/ daß ich nicht weiß wie ihrer Liebe ich mit Worten begegnen sol? Zwar meine geringe Tahten werden das Lob mir anjezt gesprochen/ nimmermehr errei- chen/ ob ich gleich tausend Jahr leben solte; aber ein Freund uñ williger Diener des Groß- Fuͤrstl. Medischen Erben zu seyn und bleiben/ erbiete ich mich mit auffrichtigem Herzen/ wil mich auch nimmermehr wegern/ vor ihrer Liebe Wolfahrt/ mein Schwertz/ wie krafft- loß es gleich ist/ gerne zu fuͤhren/ und in ihrer Geselschaft mich mit zugebrauchen/ als wel- che ich schon so tapfer/ und in ritterlichen Ubungen erfahren weiß/ daß sie meiner gering- schaͤtzigen Unterweisung durchaus nicht beduͤrffen. Groß Fuͤrst Phraortes antwortete: Hochberuͤmter Fuͤrst; mein Sohn zeiget ja noch seine Begierden/ daß ihm deren Gesel- schaft und Unterweisung/ die durch Tugend den Weg der Unsterbligkeit fuchen/ angeneh- meꝛ ist/ als welche auff ihre Macht und Gewalt sich verlassend/ ihrem Willen folge leisten/ und nach den Lustreizungen des gemuͤhtes Kraͤfte lenken. Herkules sagete hierauff; es hat auch mein hochwerter Fuͤrst von einem solchen Vater nicht anders koͤnnen angefuͤhret werden/ und schaͤtze mich billich gluͤkselig/ wann unter dergleichen Geselschaft ich mag ge- rechnet werden; zweifele nicht/ ihre Durchl. werden vor genommene Muͤhe die schoͤne Frucht des außgestraͤueten Samen/ in kurzen/ reichlich einernten. Die Groß Fuͤrstin men- gete sich mit ein/ vorwendend/ die Speisen wuͤrden kalt werden; daher die Geselschaft sich zu setzen genoͤhtiget ward. Bey dem Mahle gab es unterschiedliche Beredungen/ und er- zaͤhlete Arbianes seinem Vater/ was gestalt ihm auff dem heutigen kurzẽ Wege zwo wich- tige Begebnissen auffgestossen waͤhren/ und zwar fast an einem Orte; Vor erst haͤtte er ei- nen sehr grossen erschlagenen Loͤuen im offenen Felde liegen sehen/ dem die beyden Tatzen abgehauen gewesen; bald hernach waͤhren sechs Skythische Schuͤtzen hinter ihm ange- ritten/ mit Panzern verwahret/ deren jeder ein Stuͤk eines mit Blut gefaͤrbeten Ritter- Harnisches und blosses Schwert bey sich gefuͤhret/ haͤtte deren herzunahung erwartet/ uñ nach befragung zur Antwort bekommen/ der gewaltige bisher unuͤberwindliche Skythi- sche Kriegs Obriste/ H. Susag waͤhre etwa vor anderhalb Stunden von einem jungen fremden Ritter im auffrichtigen Kampf zur Erden gebracht und seines Helms beraubet/ worauff er ihm selbst vor Unmuht wegen der Niederlage die Kehle abgeschnitten/ dessen Leichnam sie in die Erde begraben/ und seine Waffen mit sich fuͤhreten/ wie ihnen von dem Uberwinder erlaͤubet waͤhre. Was? sagte Pharnabazus/ ist der Frevelmuͤhtige baumstar- ke Skithe Susag durch eines einzigen Ritters Hand gedaͤmpffet/ von dem vor bestaͤndig gesagt wird/ daß er schon vorm Jahre uͤber 260 Ritter im offenen Streiterschlagen/ und er mannichesmahl deren fuͤnff oder sechse auff einen Bissen genommen. O wie hoch wird durch diese Zeitung ein vornehmer Fuͤrst erfreuet werden/ welches ersten tages von mir zu schreiben ich nicht umbgang haben kan. Mein Oheim schreibe solches nur kuͤhnlich/ sagte Mazeus/ dann ich habe diesen Kampf mit Augen angesehen/ in welchem er inwendig einer halben Stunde von gegenwaͤrtigem Teutschen Groß Fuͤrsten ist niedergeschlagen worden; und hat eben dessen Schwert den gedachten Loͤuen auch in den Tod gefchicket; er- zaͤhlete darauff allen Verlauff eigentlich; woruͤber die Anwesende sich hoͤchlich verwun- derten/ und Arbianes wuͤnschete/ das Gluͤk gehabt zu haben/ daß er diesen Kampf haͤtte moͤgen ansehen. Mazeus fragete Plautus/ der bey der Mahlzeit auffwartete/ wie es umb seinen Drittes Buch. seinen verwundeten Spießgesellen stuͤnde/ worauff der Groß Fuͤrst als bald befahl daß er aus der Herberge/ in welche er/ sich heilen zu lassen/ eingekehret wahr/ nach dem Schlosse gehohlet/ und auffs beste gepfleget wuͤrde. Nach abgetragenen Speisen fragete die Groß- Fuͤrstin Herkules nach Koͤnigs Ladaisla Wolergehen; und vernam/ daß sie auff der Reise nicht aneinander getroffen/ hoffete doch/ dafern er auff dem Wege keine Verhindernis gehabt/ duͤrffte er schon in Parthen angelanget seyn. Pharnabazus fragete nach Leches/ welchen er wegen seiner Rittermaͤssigkeit sehr ruͤhmete/ mit wuͤnschung/ die Gelegenheit zu haben/ daß er ihm einige Dienste und Freundschafft leisten koͤnte; fragete auch nach sei- nem Stande und Herkommen/ und wahr ihm liebe/ zuvernehmen/ das er nicht von gerin- gem Adel/ sondern Herrenstandes waͤhre/ so daß er der Mutter nach/ dem Koͤniglichen Gebluͤte verwand/ weil ohngefehr vor 100 und mehr Jahren/ seine Großaͤlter Mutter/ ei- nes Koͤniges aus Boͤhmen Tochter/ sich an einen vornehmen Teutschen Herrn verhey- rahtet haͤtte. Die Groß Fuͤrstin fragete ihren Bruder/ was vor Kundschaft er mit diesem Ritter haͤtte; worauff er ihr erzaͤhlete/ wie sie auff dem Freystechen zu Padua in Kund- schafft gerahten/ und er an demselben einen scharffen Gegenstecher gehabt haͤtte. Der Tag ward mit allerhand freundlicher Unterredung zugebracht/ uñ hielt endlich Herkules fleis- sig an/ daß ihm folgendes tages seine Reise nach Charas moͤchte verstattet werden; weil ihn aber der Groß Fuͤrst versicherte/ es koͤnte ihm aus gar zu schleuniger Eile/ Ungelegen- heit zuwachsen/ muste er sich auffhalten lassen/ und zu Ekbatana laͤnger bleiben/ als ihm lieb und angenehm wahr. Ladisla/ wie droben erwaͤhnet/ wahr umb seinen geliebeten Fabius herzlich bekuͤm- mert/ und erhielt bey seiner Geselschaft so viel/ daß sie ihm zugefallen zween Tage in dem Flecken stille lagen/ da er alle Stunden der Hoffnung gelebete/ er wuͤrde sich loß machen und nachfolgen; weil aber alles harren vergeblich wahr/ nam er von seiner Geselschafft abschied/ richtete seinen Weg auff Persen zu/ und hatte Leches/ den Dolmetscher/ und drey Knechte bey sich/ deren jeder ein Handpferd mit Golde und Kleinoten belegt/ an der Hand fuͤhrete. Seine Reise hielt er fast Sudost/ daß er auch bißweilen gar in das Fuͤrstentuhm Susiana ruͤckete/ wiewol er kurze Tagereisen taht/ und zuzeiten an einem Orte etliche Tage stille lag/ ob er von Fabius etwas vernehmen moͤchte. Einsmahls/ wie er in den Susia- nischen Grenzen Herberge nam/ traff er einen ansehnlichẽ Herrn an/ mit welchem er zwar Kundschaft machete/ aber doch nicht erfahren kunte/ von wannen/ und wer er eigentlich wahr; wiewol er ihm zuvernehmen gab/ daß er nunmehr ins dritte Jahr sich in diesen weitlaͤuftigen Morgenlaͤndern auffhielte/ welche er auch/ aus Liebe/ die Welt zuerkennen/ in die laͤnge und breite/ als von dem Mittelmeer biß an den Ganges/ und von dem Persi- schen biß an das Kaspische/ durchzogen und besehen haͤtte; es wird aber mein Herr erfah- ren/ sagte er/ was vor eine nahmhaffte Verenderung in kurzem vorgehen/ und den Par- thischen Stuel aus seiner alten Stelle verruͤcken werde/ massen ich an allen fuͤrstlichen Hoͤ- fen merke/ daß man der Arsazischen Herschaft von Herzen muͤde ist/ welches man nirgend unvorsichtiger/ als an diesem Susianischen außschlaͤget/ und dannoch zugleich vor sehr klug wil gehalten seyn. Doch scheinet/ daß dieser Fuͤrst darunter seinen sonderlichen Geitz- Vortel spiele/ um unteꝛ diesem Dekmantel die Unteꝛthanẽ duꝛch ungewoͤhnliche Schatzun- gen Drittes Buch. gen und zuvor unerhoͤrte Aufflagen umb ihre Baarschafft zubringen/ und solche in die Schazkammer zu spielen/ welches bißher die Inwohner nicht gemerket/ auch weil sie haab- selig sind/ nicht groß geachtet haben/ aber wo das Ziel uͤberschritten wird/ duͤrffte es nicht wol ablauffen; zwar es bauet der Fuͤrst allenthalben vor was er kan/ so gar/ daß er auch sei- nen leiblichen Bruder/ einen redlichen/ tapffern und frommen Herrn/ nahmens Satro- pazes/ sol haben auff der Jagt (wie man bestaͤndig berichtet) meuchlischer weise erschies- sen lassen/ weil eine Rede außgangen/ es waͤhre derselbe besser zur Herschaft als er; aber ich fuͤrchte sehr/ er werde durch Verwaͤgenheit dem Fasse endlich den Bodem gar aus stos- sen; einmahl ist gewiß/ daß kein groͤsser Feind des außlaͤndischen Adels in allen diesen Laͤn- dern zufinden ist/ als eben dieser Fuͤrst/ und habe ichs meinem Gluͤk hoch zudanken/ daß ich seinen Haͤnden entgangen bin. Ladisla hoͤrete diesem verstaͤndigen Manne fleissig zu/ und erkundigte sich mann icherley/ sonderlich/ was vor Beschaffenheit es mit dem Paꝛthischen Hofe haͤtte; da ihm dieser zuverstehen gab/ es waͤre der uͤbermuhtige Pracht dieses gros- sen Koͤniges nicht zubeschreiben/ und wuͤrde ohn zweifel ein zwiefaches uͤbel denselben zu grunde richten; als/ seine Sicherheit/ und seine unkeusche Begierden; es sey dann/ sagte eꝛ/ daß seine tapffere Leute/ deren er etliche hat/ durch ihre Vorsichtigkeit ersetzen/ was er selbst verdirbet. Ich bin willens/ sagte Ladisla/ die grosse und so hochbeschriehene Parthische Haͤupt Stad zubesehen/ und suche ich nur Geselschafft/ mit welcher ich sicher durchkom̃en moͤge. Mein Herr wird daselbst viel boͤses und wenig gutes sehen/ antwortete er/ dann es gehet alda nach dem alten Sprichwort: Wie das Haͤupt sich haͤlt/ so machens auch die Glieder; Der Ort ist mit unsaͤglichem Reichtuhm angefuͤllet/ und daher komt es/ daß ein Reisender vor viel Geld wenig Pflege/ ja wol kaum ein gut Wort hat/ insond’heit/ wo man die Herberge nahe bey dem Schlosse suchet/ da man mehr vor das Schlaff Gemach/ als vor die Speisezahlen muß. Ich werde mich dieser guten Unterrichtung zubedienen habẽ/ sagte Ladisla/ ließ sich sonst von allerhand Sachen unterweisen/ und wahr ihm leid/ daß er dieses Mannes Geselschafft nicht laͤnger geniessen kunte/ welcher seinen Weg nach Assy- rien/ er aber Persen werz nam/ und in des Landes Grenzen in einer Herberge des Abends drey Persische Herren antraff/ welche von ihren Dienern sich gewaltig ehren liessen; weil er aber sahe/ daß wenig Tugend hinter ihnen steckete/ kehrete er sich nicht groß an sie/ und begab sich bald nach gehaltener Mahlzeit zu Bette. Folgenden Morgens geboht er Le- ches/ sich ihm allerdinge gleich zuhalten/ nam auch bey dem Mittags Mahl die Oberstelle/ und hieß Leches neben sich sitzen/ welches den Persen/ als ohndas hochmuhtigen Leuten/ zu Haupte stieg/ kunten doch nicht gedenken/ was diese vor Herren waͤhren/ weil ihre Ange- sichter und Sprache anzeigete/ dz sie aus der fremde kaͤmen/ sie auch mehrenteils Teutsch/ und mit ihrem Sprachmeisteꝛ Griechisch redeten/ dessen einer von diesen auch kuͤndig war/ und daher Gelegenheit nam/ mit ihm zu sprachen/ da er fragete/ wohin seine Reise angese- hen waͤhre. Weil er aber so richtig bey fremden auszubeichten nicht gewohnet wahr/ gab eꝛ zur Antwort: Sein Drittes mann haͤtte sich auf dem Wege durch unfall von ihm geschie- den/ welchen auszufragen/ er bald hie/ bald dahin ritte/ ehe er seinẽ richtigen Weg/ der nach einem grossen Herrn ginge/ verfolgen koͤnte. Als er nun hinwieder nach des Landes Gele- genheit fragete/ bekam er gleichmaͤssigen Bescheid: Es waͤhre ein weitlaͤufftiges Fuͤrsten- N n n n tuhm/ Drittes Buch. tuhm/ und haͤtte unterschiedliche Gebraͤuche und Sitten/ aber das aͤdleste Volk unter der Sonnen zu Inwohnern; merkete also Ladisla bald/ wz vor Stolz hinter diesen Leuten stec- kete; ließ sich gleichwol nichts anfechten/ sondern fing durch seinen Dolmetscher ein Ge- spraͤch mit dem Wirt an/ und fragete/ wohin man den naͤhesten Weg nach Charas nehmẽ muͤste; baht ihn nachgehends/ er moͤchte nach einem Kleinot-Haͤndler senden/ der ihm al- lerhand koͤstliche Kleinot bringen solte; welches dann bald geschahe/ uñ weil ihm die Stuͤc- ke nicht gefielen/ muste er andere hohlen/ deren er ihm vor 180000 Kronen abkauffte/ und ohn das noch uͤber 100000 Kronen Baarschafft bey sich behielt/ uͤber die Kleinot/ welche er auff drey Tonnen Goldes wert bey sich fuͤhrete. Die anwesende verwunderten sich des Reichtuhms/ und gedachten/ er wuͤrde etwa dem Koͤnige oder seinen Hof Schranzen diese Verehrung uͤberbringen wollen; Und weil ihm sein Pferd gedruͤkt wahr/ kauffte er zween gleichmaͤssige starke/ zum Schimpf und Ernst wolabgerichtete Rappen/ welche er mit 2000 Kronen bezahlete. Es hatte der Wirt etliche leichtfertige Weibsbilder im Hause/ die nach Persischem Gebrauche sich begunten herbey zumachen/ an welche sich die unsern nichts kehreten/ wolten auch der Persen unflaͤtigen Muhtwillen nicht ansehen/ sondern begehre- ten von dem Wirt ein absonderliches einsames Gemach/ in welchem sie schlaffen und ge- speiset werden koͤnten/ gestaltsam sie aus den Laͤndern waͤhren/ da man Zucht und Erbarkeit hoͤher als unbaͤndige Wollustschaͤtzete. Die Persen legten dieses zu ihrer Beschimpffung aus/ und durfften verwaͤgen gnug fragen/ warumb er ihrer Geselschafft sich aͤussern wolte; denen er zur Antwort gab: Als lange sie zuͤchtig und keusch lebeten/ waͤhre ihm ihre Gesel- schafft nicht zuwider/ aber unzuͤchtigen Reden und Tahten beyzuwohnen/ haͤtte er niemals Lust getragen; Zwar er wolte ihnen weder heissen noch verbieten/ meynete aber/ er taͤhte ih- nen zugefallen/ daß er ihnen wiche/ da er sonst ohn das in gemeiner Herberge so grosse Frey- heit auffzustehen/ als sie zusitzen/ haͤtte. Hiemit war der Brey schon verschuͤttet/ und begun- ten diese mit gnug hoͤhnischen Worten zufragen/ er wuͤrde vielleicht nicht wissen/ bey was Geselschafft zusitzen er gewirdiget waͤhre; man haͤtte ihm/ angesehen seiner fremde und Ju- gend schon etliche Streiche zugute gehalten/ welches er dem blossen Gluͤk und ihrer Hoͤf- ligkeit zuzuschreiben haͤtte/ und liesse er gnugsam sehen/ wie wenig er mit Herren Standes umgangen waͤhre. Mit Herren Standes? sagte Ladisla; trauen in meinem Vaterlande muͤste sich ein aͤdler Herr mit gemeinen Weibern nicht zihen/ da er seinen Ritterstand nicht gar einbuͤssen wolte; Das ich nun fremde und jung bin/ macht mich weder schlimmer noch besser/ bin mir auch einiger Unhoͤfligkeit nicht bewust/ es waͤhre dann/ daß man mir veruͤ- beln wolte/ daß ich an leichtfaͤrtiger Weiber Geselschafft abscheuh trage; jedoch moͤgen sie mit ihnen nach willen leben/ aber wer mich gleichwol zwingen wolte/ solchen Sachen bey- zuwohnen/ muͤste es trauen nicht mit Worten/ sondern auff Rittersweise versuchen. Die Weiber empfunden diese Schmach sehr hoch/ wolten sich doch etwas hoͤflich bey der Sa- che stellen/ uñ sagte die eine zu ihm: Schoͤner Herr/ als viel ich merke/ werden schoͤne Frauẽ eures Geldes nicht viel/ noch weniger euer Liebe geniessen. Freylich findet kein Mensch ei- nigen genieß bey mir/ antwortete Ladisla/ wann mirs Schimpff und Schande braͤchte. Wir sind auch nicht einem jeden zugefallen/ gab diese zur Antwort/ aber warumb solte man grossen Herren moͤgliche Dienste versagen? Er wolte sich mit ihnen nicht zanken/ weil es einen Drittes Buch. einen Hurenstreit geben wuͤrde/ sondern stund mit Leches auff/ in willens davon zugehen; aber die fuͤnff Weiber traten an die Tuͤhr/ vorgebend/ sie wuͤrden ihm keinen Abzug verstat- ten/ ehe und bevor er wegen des angetahnen Schimpffs abtrag machete; Woruͤber die Persen sich kitzelten/ daß auch der vornehmste unter ihnen einem Weibe an die Hand gab/ sie solte ihm einen Kuß bieten/ ob er auch so hoͤflich seyn/ und vor solche Gunst ihr der eingekaͤufften Kleinot eines schenken wuͤrde. Die gute Tochter ließ sich bereden/ und fiel ihm unzuͤchtig gnug umb den Halß/ ward aber mit einer solchen Ohrfeige abgewiesen/ daß ihr die Zaͤhne im Maul knirreten/ und sie ohmaͤchtig zur Erden fiel; wor auf er zu dem Peꝛ- sen sagete: Wie bistu so ein weibischer und unhoͤflicher Kerl/ dz du unzuͤchtige Weiber auf einen ehrliebenden Ritter hetzen darffst/ dessen du mir trauen Rechenschafft geben must; und hastu vor dich allein so viel herzens nicht/ so nim deine beyden Gesellen zu dir/ dann solt du keine Bestreiter/ als mich selbander finden/ auff daß ich das Gluͤk haben moͤge/ zuerfah- ren/ ob ihr so wol gelehret seyd/ ritterlich zufechten/ als leichtfertig zu scherzen. Mit diesen Worten ging er mit Leches hinaus/ legetẽ die Waffen an/ befahlen auch dem Dolmetscher/ dem Wirt zubezahlen/ und samt den Knechten mit ihren Wetschern zufolgen. Die Persen nahmen den Streit an mit einem Hohngelaͤchter/ beredeten sich schon/ wie sie nach eꝛhalte- nem Siege die koͤstliche Beute unter sich teilen wolten/ wapneten sich/ und folgeten den un- sern mit ihren unbewehrten Dienern bald nach/ damit sie nicht entfliehen moͤchten. Ladisla ermahnete Leches/ er solte im anfange seine Kraͤffte sparen/ daß er/ wann der Streit sich in die harre verzoͤge/ ihm Lufft machen koͤnte. Jene tahten mit dem Schwert den eiferigen Angriff unter guter Vorsichtigkeit/ gaben auch den unsern gnug zuschaffen/ so daß sie schon gewonnen rieffen; aber man ließ sie sich abarbeiten/ biß man merkete/ daß ihre Schlaͤge ge- machsamer gingen/ da sagete Ladisla zu Leches: Nun tapffer dran; Hieben damit so grim- mig von sich/ daß die Feinde zuruͤk wichen/ und keinen Stand mehr fassen kunten/ welches ihnen Ladisla verwieß/ da er zu ihnen sagete: Empfindet ihr schier/ daß sichs bey unzuͤchti- gen Weibern sicherer sitzet/ als auff dem Pferde unter Feindes Schwert? Hoͤrete doch nit auff zuschlagen/ daß in kurzer Zeit das Blut an allen dreyen haͤuffig hervor drang/ und sie willens wahren/ auszureissen; aber Ladisla fassete den vornehmsten beym Halse/ und warf ihn vom Pferde/ daß er das Genicke zubrach; die uͤbrigen beyden stuͤrzeten auch nach we- nig Streichen tod von ihrẽ Pferden/ welches ihre Diener ersehend/ alsbald nach der Stad zuflohen. Hier wird nicht lange Federlesens seyn/ sagte Ladisla/ rennete mit den seinen spo- renstreichs davon/ und hoͤrete nicht auff/ biß sie noch desselben Tages sieben Meilen hinter sich gelegt hatten/ wodurch sie ohn zweifel ihr Leben retteten; dann weil der erschlagenen Herschafften in der naͤhe belegen wahren/ brachten die ihrigen alsbald 50 Pferde zusam- men/ ihrer Herren Tod zuraͤchen. Ladisla ruͤhmete sein neugekaufftes Pferd hoch/ daß er dem Verkaͤuffer gerne ein gedoppeltes davor gegoͤnnet haͤtte/ und machete sich mit den sei- nen straks Nordwerz/ da er in einem Flecken eine Versamlung von 80 bewehreten Kauff- leuten antraff/ die in Parthen zureisen willens wahren/ gaben sich in ihre Geselschafft/ und nahmen den Weg Ostenwerz in guter Sicherheit/ biß fast an die Parthischen Wuͤsteneyẽ/ woselbst 60/ meistenteils wolgewapnete Reuter/ von Mittage her auff sie stiessen/ und nach- dem Ladisla und Leches/ die voraus ritten/ bey ihren Pferden und Harnischen alsbald er- N n n n ij ken- Drittes Buch. kennet wurden/ schicketen jene einen Reuter an diese Kauffmans Geselschafft ab/ mit Ver- meldung: Es fuͤnden sich zween moͤrderische Ritter unter ihrer Schaar/ die man uͤberdz vor Ausspaͤher hielte/ haͤtten drey vornehme Persische Herren unredlicher weise erschla- gen/ und dadurch des Henkers Straffe verdienet; begehreten demnach/ die uͤbrigen sich de- ren nicht annehmen/ sondern sie ungewegert zur Straffe ausfolgen solten. Die Geselschaft nahmen unsere Helden stündlich vor/ umb zu hoͤren/ was sie auff so schwere Klage und Be- schuldigung antworten wuͤrden; Und nachdem sie des wahren Verlauffs berichtet/ auch Ladisla sich erboht/ wider jedem/ der sein begehren wuͤrde/ es mit dem Schwert auszufuͤh- ren/ wie faͤlschlich und boßhafft sie ihn beyde des Mords und der Verraͤhterey beschuldig- ten/ gaben diese jenen hinwieder zur Antwort: Es gestuͤnden die Beklagten solche Auffla- ge nicht/ daher man Erbarkeit halben sie nit verlassen koͤnte/ zumahl sie bereit waͤhren/ durch einen redlichen Kampff ihre Unschuld zuhandhaben. Also ritte der Abgeschikte zuruͤk/ und Mardus mit ihm/ welcher in: Nahmen seines Herrn die Verfolger also anredete: Nach- dem meine beyde Herren mit Schmerzen verstanden/ daß etliche eures Mittels sich finden duͤrffen/ sie als Verraͤhter und Moͤrder bey ihrer Geselschafft in Verdacht zubringen/ als schieben sie solche unredliche Schmaͤhung in deren Bart und Busem/ sagen ihnen auf Leib und Leben ab/ und fodern sie/ krafft dieses zum auffrichtigen Kampffe/ da die Unschuld ver- mittelst des Schwerts sich schon eraͤugen wird. Es wahren vier vornehme Peꝛsische Her- ren/ der drey Erschlagenen nahe Anverwanten/ welche die Rache anskelleten/ und ihre Die- ner mit sich genommen hatten/ es desto besser ins werk zurichten. Als sie diese Ausfoderung vernahmen/ taht es ihnen weh/ daß der vermeyntliche Schimpff von zweyen Auslaͤndischẽ ihnen solte angelegt werden; liessen die Geselfchafft zum andern mahl erinnern/ sich wol vorzusehen/ was sie taͤhten; es koͤnte an ihnen dereins schwer gerochen werden; wolten ih- nen demnach rahten/ sich dieser Ubeltaͤhter nicht anzunehmen/ noch deren Mißhandelung sich teilhafftig zumachen; Diese/ weil sie Kauffleute wahren/ begunten der Sache zwischẽ sich uneins zuwerden; etliche wendeten ein/ warumb man sich umb dieser fremden willen in Gefahr setzen wolte? man solte sich des Handels entschlagen/ daß man dieser Herꝛen un- gunst uͤberhoben bliebe/ deren Haͤnde weit umb sich grieffen. Dem guten Ladisla wahr hie- bey nicht gar wol/ hielt umb Erlaubniß an zureden/ und sagete: Ihr meine vielwerte Her- ren und Freunde; nicht lasset/ bitte ich/ diese nichtige Draͤuung euch schrecken/ vielweniger dahin bewaͤgen/ daß ihr unuͤberzeugete den unbillichen Feinden uͤbergeben woltet/ die sich euretwegen auff begebenheit alle Gefahr gemein zuhaben/ erkkaͤret/ uñ eurer Redligkeit sich anvertrauet; solten dann diese Raͤuber/ davor ich sie halte/ sich ferner des Streits entbre- chen/ so tuht der Unschuld und Gerechtigkeit dieses zu steur/ und lasset sie wissen/ ich habe mich auff den grossen Koͤnig der Parther beruffen/ daß sie etliche ihres Mittels in eurer loͤblichen Geselschafft lassen mitreiten/ und daselbst mich mit Recht besprechen/ als dann ich ihnen Rede und Antwort geben wil. Diesen Vorschlag liessen sie alle sich wol- gefallen/ beschlossen/ demselben zugeleben/ und begehreten/ daß Mardus es jenen vor- truͤge. Ladisla wahr dessen froh/ unterrichtete diesen/ und ließ ihn die Werbung solcher gestalt ansagen: Nach dem jene loͤbliche Geselschafft/ und insonderheit meine beyde Herren vernehmen muͤssen/ daß ihr den Ritterlichen Kampf wieder Rittersbrauch nicht allein Drittes Buch. allein verzagter Weise außschlaget/ sondern uͤberdas bey vorigem begehrensteiff vorhar- ret/ wird euch hiemit eins vor alles zuwissen getahn/ daß man in euer Ansuchen durch aus nicht gehehlen kan/ sondern da ihr einige Beschuldigung auff diese beyde habt/ und sie sich auff den grossen Koͤnig Artabanus beruffen/ stehet euch frey/ etliche eures mittels mit zu senden/ und an gebuͤhrendem Orte die Klage zuverfolgen; denen jene so viel Sicherheit versprechen/ als sie ihnen selber geben koͤnnen. Die vier Herren stecketen die Koͤpffe zusam- men/ und funden sich uͤbermannet/ sonst haͤtten sie sich gerne an ihnen allen gerochen. Die Klage vor den Koͤnig zu bringen dauchte sie nicht tuhnlich/ und stelleten es lieber auff die Spitze des Kampfs. Nun hatten sie unter ihren Reutern zween zu Roß und Fuß wolver- suchte Kaͤmpffer/ deren einer ein Indier/ nahmens Hages/ uͤber vierdehalb Ellen lang/ und maͤchtiger Leibes staͤrke; sein Geselle Tyriotes/ ein Assyrier von rechter groͤsse/ und im Kampfe behuhtsam. Diese beyden fodertẽ die vier Persische Herren vor sich/ und verspra- chen jedwedem 1000 Kronen/ wann sie diese beyden Ritter im Kampf erlegen/ oder gefan- gen nehmen wuͤrden. Der verwaͤgene Hages antwortete; man moͤchte ihm die 2000 Kro- nen allein goͤnnen/ so wolte er beyden zugleich das Schwert bieten/ und sie unter den Ar- men davon tragen. Sein Herr zweiffelte an seiner Uberwindung nicht/ doch weil es ihn etwas gefaͤhrlich daͤuchte/ nam er ihn absonderlich vor; er solte sichs gefallen lassen/ wie es vorgetragen waͤhre/ nach erhaltenem Siege solte ihm nicht destoweniger so viel eꝛlegt weꝛ- den; dessen er dann friedlich wahr/ jedoch mit dem bedinge/ daß sein Geselle sich nicht ein- mischen solte/ biß ers ihn heissen wuͤrde. Fertigten also den Dolmetscher wieder zuruͤcke/ und liessen ihnen sagen; es waͤhre zwar unbillich/ dz unsere Helden/ angesehen ihrer Moꝛd- taht/ wie Ritter im Harnisch sterben solten/ weil aber ihre Geselschaft sich ihrer so weit an- naͤhmen/ welcher Schimpf biß dahin solte außgestellet seyn/ solten sie alsbald hervor treten und sich niderhauen lassen. Ladisla lachete der Draͤuung und sagete: Daß waͤhre gar ein schoͤnes Anmuhten/ sich ohn gegenwehr niderhauen zu lassen; ich meine aber noch vor A- bends darzutuhn/ das ich mein Leben zuverlieren noch heute nicht willens bin; setzete den Helm auff/ und empfand des Schimpfs wegen/ grossen Zorn in seinem Herzen. Alsbald sahen sie den vierschroͤtigen Hages auff einem hohen Hengste daher traben/ vor dem sich die Kauffleute hart entsetzeten/ und zu Ladisla sageten: Er haͤtte sich wol vorzusehen/ dann aller anzeige nach/ wuͤrde er einen harten Stand halten muͤssen. Er aber antwortete; ihr ehrlichen lieben Herren und Freunde; in meiner guten Sache schrecket mich dieses Un- geheur nicht/ wann er gleich selb ander kaͤhme/ wiewol mirs etwas schwer fallen wird/ sei- ne Waffen durchzuhauen; bleibet ihr nur guͤnstig/ und verhuͤtet unredlichen Uberfal. Schwaͤnkete damit sein Pferd mit entbloͤssetem Haͤupte/ biß Hages ihn also anredete: Rit- ter du erzeigest dich zimlich kuͤhn in dieser deiner Jugend/ und ist mir dein Verbrechen halb leid; jedoch/ weil du es also verdienet hast/ so stelle dich unerschrocken ein; ich gebe dir die Wahl/ ob du lieber von meiner wehrhaften Faust sterben/ oder als ein gefangener Moͤrder unter Buͤttels Hand leiden wilt; auch ruffe deinen Gesellen herzu/ dann ich habe mich veꝛ- bunden/ euch beyde auff einmahl und zugleich vorzunehmen. Ladisla hatte unter dessen den Helm aufgesetzt/ machte aber das Gesichte wiedeꝛ auf/ uñ sagte zu ihm: Du unverschaͤmter Großsprecher/ ich meinete/ du wuͤrdest mich zum Kampf außfodern/ so beutestu mir schon N n n n iij den Drittes Buch. den gewissen Tod/ auffs wenigste/ die Gefaͤngnis an; ja/ gedenkest auch zugleich meinen Ge- sellen auff einen Bissen mit zuverschlucken/ da du doch so wenig meine Kraft/ als ich die deine gepruͤfet habe; weil ich aber noch niemals einen einzigen selb ander bestritten/ werde ich deinetwegen meine Gewohnheit nicht brechen; versuche zuvor dieses mein Schwert; ist dirs dañ zu leicht oder zu stumpf/ koͤmt meines Gesellen hernach fruͤhe gnug; ließ damit den Helm zufallen/ setzete mit freudigem Herzen sehr behutsam auff ihn an/ und gab ihm bald anfangs etliche Streiche uͤber den Helm/ daß ihm die Ohren gelleten. Dieser meine- te vor Zorn zu bersten/ und uͤberfiel Ladisla mit solchem Wuht/ daß wann sein fester Schild nicht gewesen/ er bald anfangs der Wunden nicht wenig haͤtte annehmen muͤssen; massen jener ihm gaͤnzlich vorgenommen hatte/ sein Schwert nicht ruhen zulassen/ biß Ladisla stuͤrzen wuͤrde. Derselbe aber ließ dieses tolle Vieh sich immer abarbeiten/ nam unterdes- sen seiner Schanze wahr/ mehr durch behaͤndigkeit als staͤrke/ und weich ihm mannichen Streich aus; dann setzete er unversehens wieder an/ daß Hages seinen Vorsaz vergeblich schend/ aller Beschuͤtzung vergaß/ und sich bloͤssete/ daß ihm Ladisla eine grosse Wunde an den linken Arm beybrachte/ empfing aber dagegen einen solchen Schlag uͤber den Helm/ daß ihm bey nahe geschwunden waͤhre. Die beyde Schaaren hielten in ihrer Ordnung/ sahen dem Gefechte zu/ und verwunderten sich hoͤchlich/ daß Ladisla der grossen Gewalt so lange Wiederstand halten koͤnte; schaͤtzeten es doch nur vor eine geringe Frist/ und schrie- ben seinem Feinde an beyden Seiten die Uberwindung zu/ so daß die Kauffmans Gesel- schafft ein grosses Mitleiden mit ihm trugen; denen aber Leches Trost einredete/ sie solten gutes muhts seyn/ es waͤhre seines Herrn Brauch allemahl/ im anfange behutsam zuge- hen/ biß sein Feind die ersten Kraͤfte gebrochen haͤtte; welches er dann gleich dazumahl spuͤren ließ; dann als er empfand/ daß seines Gegeners Streiche viel schwaͤcher als im anfange gingen/ ermunterte er sich/ und sagete zu ihm: Hastu grobes Tihr dañ nicht schier außgewuͤtet/ daß mir auch etwas Willen gegoͤnnet werde? Damit verdoppelte er seine Hiebe und Stoͤsse/ daß Hages sich mehr des Schildes als des Schwerts gebrauchen mu- ste; weil er aber darin zimlich unerfahren/ bekam er unterschiedliche Wunden/ ersahe end- lich seinen vermeineten Vortel/ und gedachte Ladisla das Haͤupt zu spalten: Weil er ihm nun behende zur Seiten außwich/ und dieser den Schlag nicht einhohlen kunte/ traff er sein eigenes Pferd zwischen die Ohren/ daß ihm das Hirn aus dem Kopffe sprang/ und mit ihm zur Erden stuͤrzete. Als seine Herren ihn liegen sahen/ trieben sie Tyriotes an/ La- disla anzusprengen und Hages zuentsetzen; welcher zur Antwort gab/ es waͤhre solches wieder Ritters Ehre/ doch auff ihr Befehl und Verantwortung wolte ers tuhn. Leches sahe ihn daher rennen/ ging ihm freidig entgegen/ und sagete: Du meinaͤidiger Bube/ haͤl- testu also Rittersbrauch? damit fingen sie einen ernstlichen fast gleichmaͤssigen Kampf an/ weil sie an Alter/ Groͤsse/ und Leibeskraͤften sich schier gleicheten. Ladisla sahe seinen Hages auff der Erden unter dem Pferde liegen/ stieg auch ab/ und sagte zu ihm: Bald er gib dich/ oder du must sterben. Dieser antwortete: Bistu ein redlicher Ritter/ so laß mich zun Bei- nen kommen/ sonst wird man sagen/ nicht du/ sondern ich selbst habe mich gefellet. Ladisla lachete des Einwendens und sagete: Ich bleibe wol ein redlicher Ritter/ ob ich mich gleich meines Gluͤks gebrauche/ daher sprich bald/ ob du mein Gefangener seyn/ oder sterben wol- lest. Drittes Buch. lest. Dieser sahe/ daß er dem Tode nicht entgehen wuͤrde/ und verdroß ihn sehr/ daß von seinen Herren ihm keine Huͤlffe geschahe/ daher gab er zur Antwort: Ich ergebe mich/ abeꝛ zu freyem Ritterdienste. Ladisla wahr damit zu frieden/ half ihm auff die Fuͤsse/ und wolte das Schwert von ihm nehmen. Dieser aber sich auffrecht befindend/ ward meinaͤidig/ trat zuruͤk/ und in dem er das Schwert zum Schlage auffhuhb/ sagete er: Ich bin wieder frey/ und du must mir den Schimpf mit dem Leben bezahlen. So muß ich mich noch mit einem Schelme schmeissen/ antwortete er/ ward auch von dem grossen Ungeheur dergestalt uͤ- berfallen/ daß er groͤssere Gefahr als zuvor außstund/ welches ihn fast reuen machete/ daß er ihm getrauet hatte; dann durch staͤrke vermochte er nichts außzurichten/ sondern muste nur der Behendigkeit sich gebrauchen/ welches ihm in vollem Harnisch schwer genug fiel/ wiewol ihm endlich ein Stoß geriet/ daß er ihm die vornehmste Sehnader am rechten Arme abstach/ und er den Schild von sich werffen/ das Schwert aber in die linke Hand (welcher Arm auch schon verwundet wahr) nehmen muste. Hier empfing Ladisla voͤllige Hoffnung zum Siege/ daß er zu Hages sagete: Ich hoffe du solt schier fuͤhlen/ wie die Goͤt- ter den Meinaͤidigen zu lohnen pflegen. Diesem schlug der Dampf aus dem Helmgesichte/ wolte doch nit gewoñen geben/ sondern fuͤhrete mit dem Schwert einen hefftigen Streich/ welcher zu behaͤuptung des Sieges waͤhre gnug gewesen/ wann Ladisla durch das Außwei- chen fich nit geschuͤtzet haͤtte; wiewol Hages sich daruͤber gar verhieb/ und das Schwert tieff in die Erde schlug/ dessen sich Ladisla zu seinem Vortel gebrauchete/ trat ihm ein/ uñ schlug ihm die linke Hand reine hinweg. Dieser wolte außreissen/ aber wegen vergiessung des Blutes wahr er zu schwach; Und als er seinen Feind hinter sich merkete/ wendete er sich/ lieff ihm ein/ und rante ihn unversehens zu Bodem/ wahr auch geschwinde uͤber ihn her/ uñ wolte ihn mit den Fuͤssen zutreten; aber Ladisla richtete sich schleunig auff die Knie/ und schlug ihn mit dem Schilde wieder das linke Bein/ daß er stuͤrzen muste/ machte sich uͤber ihn/ reiß ihm den Helm ab/ und sagete: Unter welchem Arme wiltu mich nun als dei- nen Gefangenen fortschleppen? Doch sage mir/ kanstu dich noch nicht uͤberwinden/ daß du mein Gefangener seist? Dieser gedachte/ es waͤhre sein Ernst und gab zuꝛ Antwort: Ich bin nun durch dich uͤberwunden/ darumb gelebe ich deines Willens. Ja/ wer wird mir vor dich gut sagen/ sagte Ladisla/ daß du nicht abermahl zum Schelme werdest? fassete den Schild und schlug ihm damit das eine Bein entzwey/ dann er wolte ihn nicht toͤdten/ son- dern sich sein nur versichern/ daß er ihm nicht entlieffe; setzete sich auff sein Pferd/ uñ hielt neben ihm/ dem Kampfe zusehend/ welchẽ die andern beyden hielten. Die Persischen Her- ren erschraken des Unfals mit Hages/ welchen sie ihnen nicht haͤtten koͤnnen einbilden/ uñ erklaͤreten sich/ die ganze Kauffmans-Geselschafft unversehens zu uͤberfallen/ unter der Hoffnung/ sie wuͤrden sich nicht wehren. Ladisla merkete ihr Vorhaben/ und sagete zu den seinen: Lieben Freunde/ ich meine ja nicht/ daß ich ichtwas/ meine Unschuld zuerweisen/ unterlassen habe/ aber allem ansehen nach/ gehẽ jene Bubẽ mit einem Schelmstuͤk schwan- ger; so saget mir nun/ bitte ich/ ob ihr willens seid/ einen unredlichẽ Anfal abzuweisen/ so wil ich fechten/ als lange ein tropfen Blutes in mir uͤberbleibet. Die Kauffleute zogen alle von Leder/ und erbohten sich/ nicht allein ihnen redlich zuwiederstehen/ sondern diese Raͤuber freidig anzugreiffen. Er aber mahnete sie ab/ wolte ungerne/ daß ihrer einer ein troͤpflein Blut Drittes Buch. Blut seinetwegen solte verlieren/ und sendete seinen Mardus ab/ jenen zu sagen: Ob sie so kuͤhn waͤhren/ und sich regeten/ solte ihres Gebeins nicht davon kommen; wodurch der groͤste Teil dergestalt geschrecket ward/ daß sie sich des Anfals gegen ihre Herren außdruk- lich wegerten. Leches hatte mit seinem Manne noch volle Arbeit/ dann er wahr ein fester wolgeuͤbeter Kaͤmpfer/ aber wegen empfangenen tieffen Wunden so Kraftloß/ daß er sich kaum schuͤtzen kunte/ wolte nun nicht/ wie sein Geselle/ das aͤusserste wagen/ sondern nach auffgeschlagenem Helme sagte er zu ihm: Trefflicher Ritter/ ich habe meinem Verspre- chen gnug getahn/ da habt ihr mein Schwert/ und das uͤbrige meines Lebens zu eurem Dienste/ welches ich redlich halten wil. Leches antwoꝛtete: Behaltet eur Schwert und fol- get mir/ ihr werdet dort an meinem Herrn finden was ihr suchet; ritten mit einander nach Ladisla/ zu welchem Leches sagete: Gn. Herr/ dieser begehret vor kuͤnftige getraͤue Dienste/ Lebens fristung/ welches in eurer Gn. Willen und Haͤnden stehet. Getraͤuer Leute/ antwoꝛ- tete Ladisla/ sind wir benoͤhtiget/ und moͤchte wuͤnschen/ daß Hages auch so vernuͤnftig ge- handelt haͤtte/ worzu ich ihm satte Anleitung gab. Bald schicketen die Persen ihren Die- ner herzu/ und begereten den Gefangenen wieder/ wie auch den elenden Hages/ welcher auff der Erden lag/ und sich als ein wurm kruͤmmete: Tyriotes aber gab dem Anwerber diese Antwort selbst: Was den frevelmuhtigen Hages betrift/ darzu habe ich nicht zu re- den/ ich aber bin ein williger Gefangener/ und habe Lust diesen treflichen Helden hinfuͤro stets zu dienen; dann weil meiner vorigen Herren keiner so viel Herzens gehabt/ mich zu- entsetzen/ bin ich ihnen fort nicht verbunden. Ladisla setzete dieses hinzu: Wollen deine veꝛ- leumderische Herren noch Gefangene von mir fodern/ und sehen/ daß sie schier selbst meine Gefangene sind? sendete auch seinen Mardus an sie/ welcher sie also anreden muste: Nachdem eure Vorfechter unterliegen/ und meiner Herren Unschuld dadurch an die kla- re Sonne gestellet ist/ koͤnnen jeztgedachte meine Herren damit noch nicht friedlich seyn/ sondern fodern die vier Persische Herren/ als boßhaffte Schaͤnder und Verleumder zum Kampffe aus; werden sie sich dessen wegern/ als dann wird euch jene ehrliebende herzhaff- te Geselschafft angreiffen/ und euch allen die Haͤlse zubrechen; Meine beyde Herren wollen sonst die viere auff einmahl bestehen/ und ihnen die Bosheit vergelten. Diese viere zuͤcketen in etwas/ doch weil ihre Voͤlker selbst sie ihrer Ehren erinnerten/ und des Gefechtes sich ausdruͤklich wegerten/ weil sie uͤbermannet waͤren/ musten sie fort/ uñ stelleten sich zugleich auf den Platz/ denen unsere Helden unerschrocken begegneten/ uñ bald anfangs ihrer zween zur Erden stuͤrzeten/ daher die uͤbrigen beyde des Vertrags begehreten; denen aber Ladis- la zur Antwort gab: Die ihm angelegete Schmach waͤhre viel zu groß; so haͤtten sie auch keine Loͤsegelder bey sich/ muͤsten demnach sich nicht verdriessen lassen/ dasselbe auszustehen/ was sie aus lauter Bosheit und ohn redliche Ursach ihm zugedacht haͤtten; worauff sie auch bald mit jhnen fertig wurden/ und sie erwuͤrgeten; sendeten folgends Mardus an die uͤbrigen/ ob noch etliche verhanden waͤhren/ die Streits begehreten/ solten sie sich stellen; aber diese entschuldigten sich demuͤhtig: Sie waͤhren gezwungen/ mitzureiten/ und bahten umb freyen Abzug/ auch/ daß sie ihre erschlagene Herren mit sich fuͤhren moͤchten/ welches ihnen gegoͤnnet ward/ wiewol mit dem bedinge/ daß ihrer einer herzu reiten/ dem Hages/ als einem meinaͤidigen die andere Faust auch abhauen/ und ihn den wilden Tihren daselbst ligen Drittes Buch. liegen lassen solte; welches der Bube mit Ohrẽ anhoͤrend/ ein schrekliches Geheule anfing/ muste aber noch solche Straffe ausstehen/ da er sich dann vollends verblutete/ und die See- le auffgab. Der von Leches zuerst gefellete wahr noch am Leben/ welches die unsern nicht wahr nahmen/ und davon zogen/ daher seine Diener ihn auffhuben/ und in der eile verbun- den/ daß er noch das Leben behielt/ wiewol er an beyden Armen lahm blieb. Die Kauff Ge- selschafft erfreuete sich des Sieges hoͤchlich/ tahten unsern Helden grosse Ehre an/ und lies- sen Tyriotes nebest den unsern (welche etliche/ wiewol geringe Wunden bekommen hattẽ) fleissig verbinden/ setzeten ihren Weg fort/ und merketen unterschiedliche Raͤuber Schaar auff der folgenden Reise/ welche aber/ umb daß sie zu schwach waren/ nicht ansetzen durfftẽ. Der verwundete Kleon ward von Fr. Statiren fleissig gewartet/ die sich gegen ihn hefftig verliebet befand/ daher sie ihn taͤglich besuchete und troͤstete/ daß sie willens waͤhre/ ihn vor ihren Diener anzunehmen; ja sie scheuhete sich nicht/ der Verbindung selbst beyzu- wohnen/ und seines Leibes Gestalt zubesichtigen/ wodurch sie je mehr und mehr zu unzimli- chen Begierden gereizet ward/ welche sie/ da er wieder gehen kunte/ ihm nicht lange verber- gen wolte/ sondern unverschaͤmter weise andeutete/ sie haͤtte eine sonderliche Zuneigung zu ihm/ weil sie aus seiner Tapfferkeit und guter Leibesgestalt leicht urteilete/ daß er nicht von Knechtischen Eltern/ sondern von gutem Adel müste entsprossen seyn. Dieser Anmuhtung ward sein Gemuͤht verworrener/ als alles uͤbrigen Ungluͤks/ wolte auch solche Reden nicht verstehen/ sondern als haͤtte sie etwa von ehrlicher Huld und Gnade geredet/ gab er demuͤh- tig zur Antwort: Er bedankete sich der hohen Gnade/ die er nicht verdienen koͤnte/ mit Bit- te/ in derselben beharlich zuverbleiben; Er hingegen wolte in allen Ehrendiensten sich alle- mal als ihren bereitwilligstẽ Knecht finden lassen; welches sie aber seiner Einfalt zuschrieb. Zween Tage nach seiner voͤlligen Gesundheit empfing Nabarzanes Schreiben von seinem Fuͤrsten Gobares/ zu ihm zukommen/ dahin er seinen neuen Diener Kleon mitzunehmen willens wahr; weil aber sein Gemahl es nicht zugeben wolte/ einwendend/ dz der Fuͤrst ihm allemahl seine besten Diener abspaͤnstigte/ ließ er ihn daheim/ mit Befehl/ seinem Gemahl in allem volkommenen Gehorsam zuleisten; Dieser waͤhre ungleich lieber mitgereiset/ sahe aber/ daß die Frau es verhinderte/ dessen Ursach ihm so gar unbewust nicht wahr; wie sie dann uͤberdas ihm solches noch desselbigen Tages nach seines Herrn Abschied so viel klaͤ- rer zuverstehen gab/ da sie ungescheuhet zu ihm sagete: Mein geliebter Kleon/ als Bruder/ ihr habt meine herzliche Gewogenheit vor weniger Zeit von mir verstanden/ welche sieder dem sich nicht gemindert/ sondern groͤßlich gemehret hat; und warumb solte ichs euch viel mit verbluͤmter Rede vortragen? Meine Meynung ist/ daß ihr meiner Hulde/ als eines geliebeten und ergebenen Buhlen sollet maͤchtig seyn; koͤnnet euch demnach wol ruͤhmen/ daß wegen eurer guten Gestalt/ Sitten und Tapfferkeit ich euch dasselbe anbiete/ was gros- se Herren mit trefflichen Geschenken vergeblich gesucht haben. Kleon sahe des Weibes un- verschaͤmte Kuͤhnheit/ wuste nicht/ was er ihr antworten solte/ und sagete endlich: Gnaͤdi- ge Frau; mir zweifelt nicht/ Eure Gn. in Betrachtung ihres und meines Standes/ ein sol- ches nur zum Scherze reden/ um mich zupruͤfen/ ob ich so kuͤhn seyn/ uñ meinem Gn. Herꝛn einige Schande an seinem allerliebsten Gemahl anzulegen mich duͤrffte geluͤsten lassen/ wo- vor mich aber die Goͤtter schon behuͤten werden; bitte demnach untertaͤhnig/ dieselbe wolle O o o o auff Drittes Buch. auff andere wege meine Traͤue zuerforschen ihr gnaͤdig belieben lassen; Ich verspreche deꝛ- selben bey meiner hoͤchsten Pflicht/ daß ungeachtet meiner Einfalt/ ich wol gelehrt bin/ mich der gestalt zuverhalten/ daß ich mit keinem Gedanken begehren sol/ was ihrer Gn. und mei- nem Gn. Herrn irgend kan verweißlich feyn; Weil dann Eure Gn. diese meine Erklaͤrung wol vernommen/ bitte ich untertaͤhnig/ bey meinem Gn. Herꝛn nicht allein mich bester mas- sen zubefodern/ sondern vor sich selbst meine Gn. Frau zuverbleiben. Diese gedachte añoch/ er verstuͤnde ihr anmuhten nicht recht/ wolte ihn doch vor dißmahl weiter nicht anstraͤngẽ/ sondern nur ihreꝛ Liebe ihn zuversichern/ sagte sie: Mein herzgeliebeter Freund/ versehet euch zu mir aller redlichen Traͤue/ und gedenket nicht/ daß eine solche boßhaffte Falscheit in mei- nem Herzen wohne/ dann verfluchet muͤste ich seyn/ wann durch der Zungen Stellung ich euch Stricke legen/ und bey meinem mir ohnd as unangenehmẽ Gemahl euch Leibesgefahr erwecken wolte/ sondern was ich rede/ das meyne ich/ dessen ich euch ein Schwesterliches Zeichen blicken lassen wil; worauff sie ihn freundlich umfing/ und sich hoch verpflichtete/ nimmermehr zuzugeben/ daß ihm einige Widrigkeit begegnen solte/ die sonst abzuwenden/ in ihrer Macht stuͤnde. Kleon wahr fast willens/ ihr solches anmuhten mit duͤrꝛen Worten abzuschlagen; weil er aber wuste/ daß sie Herr im Hause wahr/ widersprach er zwar nicht/ und gab doch durch stilleschweigen gnug an den Tag/ wie sehr ihm solches zuwider wahr. Hingegen legete sie es ihm vor eine Bloͤdigkeit aus/ aber zur Versicherung ihrer gewogen- heit/ muste er zu Abend mit ihꝛ Mahlzeit haltẽ/ ungeachtet alles vor gebrachten einwendens. Sie zechete zimlich mit ihm loß/ und fuͤhrete allerley Gespraͤch zur Liebesreitzung/ wobey sie sich offt leichtfertig gnug bloͤssete/ biß sie ihm endlich zumuhtete/ es waͤhre zeit/ sich an die ru- he zulegen/ und weil sie allein zuschlaffen/ gar zu furchtsam waͤhre/ solte er ihr allerliebester Schlaffgeselle seyn. Er aber wolte diesem Feur so nahe nicht kommen/ und bꝛachte zur Ent- schuldigung vor/ es wuͤrde ihm solches von andern uͤbel ausgelegt werdẽ/ als die daher un- zimliche Gedanken schoͤpffen koͤnten/ da er dann lieber unschuldig sterben/ als hierzu ursach geben wolte; Jedoch ihrer grauenden Furchtsamkeit vorzukommen/ waͤhre er erboͤhtig/ ne- ben anderen seinen Mitknechten vor ihrem Gemache die ganze Nacht zuwachen. Ihr seyd gar zu einfaͤltig/ sagete sie/ dann ihr hoͤret ja/ daß umb Liebe willen ich euch zu mir nehmen wil/ und ihr wollet noch Schildwache dabey aussetzen? So kommet nun/ und lasset uns gehen/ die Freude zunehmen/ welche Zeit und Gluͤkselbst an die Hand gibt. Hiemit fassete sie ihn an/ und wolte ihn mit sich in die Kam̃er fuͤhren; dessen er sich aber wegerte/ und mit demuͤhtigen Worten baht/ solcher unzimlichen Gedanken muͤssig zugehen; Er waͤhre ein armer Knecht/ und muͤste ohn Gnade sterben/ da ein solches von ihm auskaͤhme; ja wann sie nach begangener Suͤnde sich eines bessern bedaͤchte/ wuͤrde sie ihn deswegen selbst aus dem Mittel raͤumen/ und ihm tausendmahl feinder werden/ als sie ihm anjetzo Gnade sehen liesse. Dieser abschlaͤgigen Antwort meynete sie vor Liebe und Ungeduld zubersten/ und sa- gete: O du und ankbahrer/ haͤltestu mich so unwert und veraͤchtlich/ da ich doch Macht und Gewalt uͤber dein Tod und Leben habe? Sihe da/ ich schwoͤre dir bey der getraͤuen aufrich- tigen Liebe/ so ich dir und ankbahren angebohten/ daß wo du miꝛ nicht mit gutem Willen fol- gen/ und ehe dann eine Viertelstunde vergehet/ dich bey mir liebhaft einstellen wirst/ du moꝛ- gen solt ans Kreuz gehefftet/ und durch die allergrausameste Pein hingerichtet werden. Ging Drittes Buch. Ging mit dem Worte von ihm in die naͤheste Kammer/ entkleidete sich daselbst bey einem Liechte/ und ließ die Tuͤhr offen stehen. O waͤhre ich nun noch in meiner ersten Dienstbar- keit/ sagte Kleon bey ihm selber/ wie gerne wolte ich den Ochsenstecken leiden/ und mit Was- ser und Brod vorlieb nehmen; besan sich ein wenig/ und den gewissen schmerz-schmaͤhlichẽ Tod vor Augen sehend/ sagete er als ein Heyde in seinem Herzen: Nun wirstu ja unver- meidlich gezwungen/ boͤses zubegehen/ und must zur Rettung deines Lebens das tuhn/ was du nie bedacht gewesen bist vorzunehmen. Ging darauff hin in die Kammer/ setzete sich vor ihr in die Knie/ und sagte: Gn. Frau; ich bitte demuͤhtig umb Gnade und Vergebung/ daß dieselbe ich mit meinen Reden erzuͤrnet habe/ dann ich weiß auch diese Stunde noch nicht/ ob ihre Gn. in Ernst und aus Liebe/ oder nur zum Versuch mit mir geredet habe; Zwar wz solte ich hoͤhers wuͤnschen koͤnnen/ als die Liebe einer solchen vortreflichen schoͤnen Frauen? weil aber in Ansehung meines Standes ich mir so grosses Gluͤk nicht einbilden kan/ bitte ich nochmahls untertaͤhnig/ mir ihre ernstliche Meynung gnaͤdig erkennen zugeben. Als sie ihn nun dergestalt nach ihrem Willen reden hoͤrete/ richtete sie ihn auff/ und nach freundli- chem umfahen beteurete sie ihm aͤidlich/ sie suchete nitsein Verderben/ sondern aus inbruͤn- stiger Liebe bezwungen/ haͤtte sie ihm vertrauliche Freundschafft angebohten; loͤschete nach- gehends dz Liecht aus/ uñ nachdem eꝛ die Kleid’ abgelegt hatte/ fuͤhꝛte sie ihn mit sich zu Bette; nach welcher Wilfahrung er bey ihr in beharlicher Gunst verblieb/ dañ sie nam ihr gaͤnzlich vor/ ihn nim̃ermehꝛ von sich zulassen. Also muste er wider seinen Willen dieser Zirze als ein Ulysses 13 Wochenlang aufwarten/ in Hofnung/ es wuͤrde sich gelegenheit eraͤugen/ davon zukom̃en/ uñ seinẽ Ladisla nachzusetzen. Nach steben Tagẽ kam Nabaꝛzanes wieder zu hause/ gruͤssete sein Gemahl des Fuͤrsten wegen freundlich/ und daß er nach Verlauff IX Tage bey ihr seyn wuͤrde. Sie bedankete sich dessen/ und hieß ihn mit suͤssen Worten wilkom̃en seyn/ welches sonst ihre Gewohnheit nicht wahr/ ruͤhmete auch den neuen Diener Kleon/ wie er in Bereitung seiner Pferde so trefflichen Fleiß angewendet/ und in dieser kurzen Zeit sie huͤbsch abgerichtet haͤtte; Sie haͤtte vorlaͤngst gerne einen solchen Diener haben wollen/ und weil sie ihn nunmehr nach Wunsch uͤberkommen/ gedaͤchte sie ihn zeit ihres Lebens nit zuuͤbergeben; so hielte er auch seine beyden Soͤhne/ ihre Stief Kinder in feinem gelinden Zwange/ und braͤchte ihnen alles mit Lust bey; daß nun der gute Kleon in diesem Fleisse moͤchte erhalten werden/ solte er ihn frey lassen/ jedoch daß er zuvor einen aͤid leistete/ ohn Urlaub nicht wegzuscheiden. Nabarzanes ließ ihn vor sich fodern/ taht nicht des gleichen/ ob haͤtte er von seinem Gemahl dieses vernommen/ sondern fragete ihn/ ob er seinem befehl nachgelebet/ und in schuldigem Gehorsam seinem Gemahl auffgewartet haͤtte; Und als er zur Antwort gab/ er hoffete nach seinem Vermoͤgen getahn zuhaben; fing sie von neuen an/ ihn in seiner Gegenwart zuruͤhmen; daran Nabarzanes grosses gefallen trug/ nebest dem ernstlichen Geboht/ er solte seiner Schuldigkeit weiter also nachkommen; dann wo sein Ge- mahl in einiger Sache uͤber ihn klagen wuͤrde/ solte er an ihm einen ungnaͤdigen Herꝛn ha- ben. Kleon lachete des geduldigen Tropfes/ und erboht sich zu aller Moͤgligkeit. Daran er- fuͤllestu meinen Willen/ sagte sein Herr/ und weil ich willens bin/ dich ihr zum Diener zuuͤ- bergeben/ wil ich dich von Knechtischer Leibeigenschafft frey lassen/ doch daß du mir aͤidlich angelobest/ ohn Vorsatz des ausreissens bey mir zuverbleiben. Dieser wahr nicht willens/ O o o o ij sich Drittes Buch. sich dergestalt zuverbinden/ und gab zur Antwort: Gn. Herr/ da ihre Gn. einiges Miß- trauen in mich setzen/ warumb wollen die mich dann frey geben? den aͤid zu leisten/ wuͤrde ich mich nicht wegern/ aber was ist Euer Gn. damit geholffen? Wer zum Buben werden wil/ achtet geschwornen aͤid gar wenig; so habe ich uͤberdas solche Freyheit/ daß ich groͤsse- re nicht begehre noch begehren kan. Ich wil aber nicht zugeben/ sagte Fr. Statira/ daß ihr laͤnger in knechtischer Dienstbarkeit/ sondern forthin als ein Freyer leben sollet/ wie ihr in dieser kurzen Zeit es wol verdienet habet/ und noch in kuͤnfftig besser verdienen werdet. Al- so sprach ihn Nabarzanes frey/ und sie ließ ihm ein schoͤnes Scharlaken Kleid hohlen/ wel- ches sie ihm hatte machen lassen/ da er nicht viel geringer als sein Herr selbst/ auffgezogen kam/ da sie ihm uͤberdas einen Leibdiener hielt. Sie trieb aber ihre Bulerey so unbesonnen/ daß Nabarzanes handgreiflich spuͤrete/ es ginge nicht allerdinge recht zu/ durffte sie doch daruͤber nicht zu rede stellen/ weil er ihr schon die Freyheit gegeben hatte/ mit Fürst Goba- res solche unzulaͤssige Freundschafft zuhalten; dannoch verdroß ihn/ daß sein Knecht mit ihm in ehelicher Gemeinschafft sitzen solte/ daher ward er zu rahte/ ihn zubeurlauben/ foder- te ihn vor sich/ und sagete: Kleon/ deine Dienste gefallen mir nicht alle mahl/ und gibt mir zimlichen Verdacht/ daß du so wol gehalten bist; so habe ich mich nun berahten/ dich meineꝛ Dienste zuerlassen/ daß du nach belieben einen andern Herrn/ oder vorige Freyheit suchest. Niemand wahr hierzu lieber als Kleon; dann vorerst wahr er der gezwungenen unbillichẽ Liebe von herzen uͤberdruͤssig; vors ander begehrete er nichts mehr/ als die Freyheit zu ha- ben/ seinen liebsten Ladisla und Herkules zusuchen; und gab ihm diese Antwort: Gnaͤdigeꝛ Herr/ ich bedanke mich untertaͤhnig vor diese Gnade/ nebest dienstlicher Bitte/ mir bey sei- nem Gemahl gleichmaͤssige Beurlaubung zuerlangen; hat aber mein Herr irgend einen Verdacht auff mich/ traͤgt er selber schuld daran/ nachdem er mir bey verlust seiner Hulde gebohten/ seinem Gemahl in allem zugehorchen/ welches ich leisten/ oder der Straffe von beyden gewaͤrtig seyn muß; hoffe gleichwol nicht/ daß er gar zu ungleiche Gedanken haben werde. Solche Meynung hat es nicht/ sagte er/ nur du hast meinen endlichen Willen ver- standen. Ja/ antwortete Kleon/ dem wil ich alsbald und von herzen gerne nachkommen/ da mirs nur so gut werden kan/ welches bey meiner Gn. Frauen mir zuerlangen/ ihr alles eueꝛ Vermoͤgen anzuwenden habt. Ging darauf in den Stall/ sattelte sein Pferd/ legte die Waf- fen an/ und machete sich fertig/ als einer/ der stuͤndlich reisen wil; wiewol ihm gnug bewust wahr/ daß nichts draus werden wuͤrde. Die Frau sahe ihn im Harnische daher treten/ und das Pferd bey dem Zügel fuͤhren/ fragete ihn auch mit Bestuͤrzung/ was dieses bedeutete. Mein Gn. Herr/ sagete er/ hat mir den Dienst aufgekuͤndiget/ und daß ich bey Soñenschein sein Schloß raͤumen solle; weil ich dann wider dessen Willen nicht laͤnger bleiben darff/ uñ er mir nichts zuverzehren gegeben/ bitte Eure Gn. ich untertaͤhnig umb etwz noͤhtigeꝛ Rei- sekosten/ und daß dieselbe zuzeiten ihres Kleons eingedenke seyn wolle. Sie lachete des vor- bringens/ ihn fragend/ wz vor Lust ihm dieser kurzweilige Aufzug gaͤbe. Als er aber bestaͤn- dig dabey verblieb/ nebest Erinnerung/ er fuͤrchtete sehr/ sein Herr haͤtte ihres Liebetuhns wahr genommen/ und duͤrffte ihm wol gar nach Leib und Leben stehen/ daher ers vor ein Gluͤk rechnete/ daß er also davon kaͤhme/ auch daneben baht/ sie moͤchte an seinem Tode nit ursach seyn/ er hoffete gelegenheit zuhaben/ ihr hernaͤhst besser und laͤnger zudienen; Da er- zuͤrnete Drittes Buch. zuͤrnete sie sich hefftig/ und sagete: Was? hat euch der Esel beurlaubet? Lieber komt mit mir/ ich wil ihn schon lehren meinen Freunden auffzudanken. Weil er nun wuste/ daß er nicht kunte erlassen werden/ und Lust hatte/ dieses Spiel anzusehen/ ging er mit ihr/ da sie mit grimmigen Augen und zitternder Stimme den armen Nabarzanes also anfuhr: Du nichtswerter fauler Tropff/ was hastu meinem lieben Diener auffzukündigen? Bald sage mirs/ oder ich wil dir die Augen aus dem Kopfe kratzen. Der elende Mensch erschrak dessen so hart/ daß er kein Wortsprechen kunte/ da Kleon zu ihm sagete: Gn. Herr/ ver- denket mirs nicht/ dañ ich bin willig/ diese Stunde eurem Befehl nachzukommen. Was? sagete sie/ soltet ihr davon reiten? ehe wolten wir diesen unnuͤtzen Hund die Steige hin- unter werffen; uñ was nennet ihr ihn einen gnaͤdigen Herrn? er ist ein unachtsamer Hud- ler. Aber/ antwortestu mir nichts? sagete sie zu Nabarzanes: Warumb wiltu meinen lie- besten Diener vertreiben? Tuht gemach Frau/ tuht gemach/ antwortete er; Es gebuͤhret sich nicht/ dz ein Weib den Diener mehr als den Herrn liebet; gehet in euch/ wie viel Wil- len ich euch gegoͤnnet habe/ und noch goͤnne/ wann es Zeit und Gelegenheit giebet/ und be- schimpfet mich nicht so hoch/ daß ihr einen gefangenen Knecht zu lieben waͤhlet; ich habe diese Zeit her gnug gespuͤret/ aus was Ursachen ihr ihn bey meiner Wiederkunft so treflich ruͤhmetet; daher sage ich nochmahl/ bedenket euch eines bessern/ und boͤses Geruͤchte zu- vermeiden/ lasset ihn zihen/ nachdem er von mir Abscheid bekommen hat. Als sie dieses hoͤrete/ schrihe sie Zeter und Mord uͤber ihn/ verstellete die Geberden dergestalt/ daß Kleon ein Abscheuh davor hatte: O du meinaͤidiger Kerl/ sagete sie/ woltestu meinen Kleon/ die- sen aͤdlen und tapferen Kleon verachten/ deßgleichen mir nie vorkommen ist/ welcher dir dein Leben gerettet; ja/ welcher mehr Vernunft und Geschikligkeit in seinem kleinen Fin- ger/ als du ungewaschener Flegel in deinem ganzen Leibe hast? Sihe da; nach dem dichs verdꝛeust/ daß ich etwas auf ihn halte/ wil ich ihn erst lieben/ uñ dir zu troz ihm alle Freund- schafft erweisen. Er ist mein Diener; und wiltu es recht wissen? er ist mein Freund; und troz sey dir gebohten/ daß du mir ihn beurlaubest. Damit wendete sie sich mit freundlichen Geberden hin zu Kleon und sagete: Mein lieber Freund/ nicht kehreteuch an dieses losen Mannes Reden/ ihr wisset daß ihr mein Diener seid/ darumb sollet ihr hinfuͤro ihn nicht hoͤren/ wann er euch von Abscheid sagen wuͤrde. Weil sie dieses redete/ machete sie sich an seinen Harnisch/ guͤrtete ihm denselben ab/ und in dem sie ihn umbfing/ sagete sie: Kom̃et mein Freund/ wir wollen uns an diesen nichtigẽ Holzbok nichts kehren. Nabarzanes seuf- zete hieruͤber sehr tieff/ und sagete: Wann ihr dañ euren Kleon gar nicht lassen wollet/ wil ich endlich zu frieden seyn/ doch dz ihr ihn nicht mehr in meiner Gegenwartso lieblich um- fahet/ als jezt geschehen ist; und wollet ihr hierin mein nicht schonen so schonet. Des Fuͤr- sten wolte er sagen: Aber sie fiel ihm in die Rede; wessen solte ich schonen? wollet ihr un- gleiche Gedanken aus meinem umbfahen nehmen? Waͤhre ich des Sinnes/ ich wuͤrde in eurer Gegenwart mich schon wissen zu maͤsstgen; Unsere Liebe bestehet auff Freundschaft/ die mir kein Mensch nicht wehren sol noch kan. Wer wolte ein anders gedenken/ antwor- tete der verzagete Tropff/ nach dem eure Redligkeit mir viel zu wol bekant ist; nur rede ich solches aus guter Meinung/ damit nicht andere ein mehres argwohnen/ als es an ihm sel- ber ist. Kleon lachete des geduldigen Menschen/ und sagete: Mein Herr/ ihr habt gar ein O o o o iij bloͤdes Drittes Buch. bloͤdes Gchirn/ und koͤnte ich eine Sache nicht besser außfuͤhren/ wuͤrde ichs nicht anfan- gen; doch werde ich hernaͤhst meines freien Willens Leben/ weil ihr mir eins vor alles auf- gedanket habet. Die Frau hatte nun was sie suchete/ und gab ihrem Nabarzanes zur Ant- wort: Mit eurem lezten Erbieten wil ich zu frieden seyn/ doch sol Kleon nach diesem nicht mehr als ein Diener auffwarten/ sondern als ein guter Freund mit uns stets zu Tische ge- hen. Der elende Mensch wahr mit allem friedlich/ und rechnete es vor ein Gluͤk/ daß er nicht gar außgeschlossen ward. Auff die angesetzete Zeit stellete Fuͤrst Gobares sich ein/ welches Statira vor diß- mahl lieber haͤtte gelassen sehen/ da Kleon bey der Mahlzeit in guter Hoͤffligkeit auffwar- tete/ daß der Fuͤrst ihm besondere Gnade zulegete. Nabarzanes hatte sein Gemahl aus dieses Fuͤrsten Frauenzimmer geheyrahtet/ ungeachtet der Fuͤrst schon etliche Jahr ihrer gute Kundschafft gehabt/ hatte sie ihm auch mit diesem außdruͤklichen Vorbehalt auß- folgen lassen/ daß/ so oft er zu ihm kom̃en wuͤrde/ er seiner alten Liebe Freiheit haben moͤch- te/ welches dieser naͤrrische Mensch/ aus blinder Liebe eingangen wahr/ und nachgehends nicht wiederruffen kunte. Der Fuͤrst fragete ihn/ was vor einen wolgeschaffenen Diener er haͤtte/ welchen er vor nie bey ihm gesehen; worauff er antwortete: Er haͤtte vor etlichẽ wochen ihn in einem Flecken bekommen/ waͤhre durch Raͤuber Haͤndein Dienstbarkeit ge- rahten/ und sonst der Geburt nach/ adeliches herkommens aus Griechenland. Bald fra- gete ihn der Fuͤrst von neuen Zeitungen; dem er so zubegegnen wuste/ daß er sonderliches Wolgefallen daran hatte/ und ihm alle Gnade versprach; welcher Gelegenheit sich Kleon bedienete/ und dem Fuͤrsten klagete/ wie unbarmherzig er von seinem vorigen Herrnge- halten waͤhre/ baht auch untertaͤhnigst/ ihre Fuͤrstl. Durchl. wolten in ihrem Lande gnaͤ- digst anordnen/ daß aͤdelgebohrne Leibeigene/ wegen ihres Adelstandes nicht schnoͤder als andere gehalten wuͤrden/ wie ihm leider begegnet waͤhre/ daß er stets haͤtte muͤssen auff dem Brodte fressen/ der Adelstand waͤhre zu nirgend nuͤtze/ weil er sich nicht auff Handwerke le- gete/ daheꝛ man Vortel schaffen koͤnte; welche Verschmaͤhung ihm schmerzlicher als deꝛ Tod selbst/ gewesen waͤhre. Fr. Statira kam ihm hieselbst zu huͤlffe/ und baht den Fuͤrsten/ solchen Schimpff zu eifern/ als welcher dem ganzen Adel hoͤchst verweißlich waͤhre/ und nicht auffhoͤren wuͤrde/ biß an einem und andern Adelfeinde eine ernstliche Straffe ergin- ge. Der Fuͤrst wahr ihr gerne zugefallen/ und sagete zu Kleon: Ich moͤchte einen solchen Schelm/ wie dein voriger Herr ist/ wol sehen und reden hoͤren; drum so nim meine Die- ner zu dir/ und hohle ihn heruͤber; finde ich ihn dañ dieses Frevels schuldig/ wil ich ihm ei- ne recht wirdige Urtel sprechen/ und ihn dir zum Leibeigenen schenken/ damit du gnugsame Rache wieder ihn anstellen koͤnnest. Kleon/ welcher ohndz rachgierig wahr/ erfreuete sich dessen hoͤchlich/ bedankete sich der grossen Gnade/ und ritte mit IIX Fuͤrstlichen Reutern nach dem Flecken/ besetzete rings umbher das Hauß/ als er seiner Anwesenheit verstaͤndi- get wahr/ und ging zu ihm in die Stube/ gleich da er mit seinem Weibe Mahlzeit hielt/ rieff seine Reuter auch herzu/ und redete anfangs freundlich mit ihm/ da er begehrete/ er solte ihm und seiner Geselschaft vor gute bezahlung etlicheleckere Speisen und den besten Wein aufftragen/ dann er muͤste in diesem Hause auch einmahl gut Geschir machen/ da er ehmahls so grosses Ungemach außgestanden haͤtte. Dem Weibe begunte Angst zu wer- den/ Drittes Buch. den/ Orsillos aber/ nach seiner Verwaͤgenheit/ fragete ihn/ wer ihn so kuͤhn gemacht haͤtte/ ohn gebehtenes Urlaub in sein Hauß zutreten; weil er auch an seine lezten Draͤuworte ge- dachte/ redete er ihm hoͤnisch zu: Ob er in so kurzer Zeit haͤtte Herr zu spielen/ gelernet; er muͤste gemach fahren/ und nicht uͤber knechtes Stand sich erheben. Worüber Kleon von Zorn und Grim entbrante/ und schier Hand an ihn gelegt haͤtte/ zwang sich noch ein/ und sagte zu ihm: O du boßhafter unbarmherziger Schelm/ gedenkestunicht/ daß nach geen- deten Dienst Jahren der Zahlungs-tag endlich herbey komt? Stelle dir nun vor Gedaͤcht- nis allen Frevel und Boßheit/ so du mir angeleget hast/ und schicke deine Haut/ daß sie ein gleichmaͤssiges anzunehmen sich nicht wegere: Band ihm damit die Haͤnde auff den Ruͤc- ken/ und stellete ihm etliche unwuͤrsche Maulschellen zu. Dieser ließ sich harter Draͤuwor- te vernehmen/ er solte den Hunden zur Speise vorgeworffen werden/ daß mit einem freien Susianer dergestalt zuverfahren er sich unternehmen duͤrffte. Kleon kunte sich laͤnger nit enthaltẽ sein Muͤhtlein an ihm zu kuͤhlen/ uñ sagete zu ihm: Was? darfstu mir noch draͤuẽ? hohlete den Ochsenstecken von dem bekanten Orte/ welchen er oft hatte verdaͤuen muͤssen/ und striegelte ihn dergestalt/ daß ihn dauchte es koͤnte sich zum anfange leiden/ weil er sahe/ daß ihm die Ohmacht nicht ferne wahr. Das Weib fing an Zeter und Gewalt zu ruffen/ wolte auchzum Hause hinaus wischen/ die Nachbarn zur Huͤlffe auffzumahnen/ aber sie ward von einem Reuter mit harten Maulschellen hinter sich getrieben/ und an eine Saͤule fest angebunden. So bald Orsillos sich etwas erhohlet hatte/ fragete ihn Kleon/ ob er an- noch seine Reden nicht hoͤher als des Sperlinges Zwitzern schaͤtzete: Bekam aber keine Antwort/ ohn daß er vorgab/ das Blad wuͤrde sich bald wenden: Wovor ihm auffs neue etliche gute Streiche zu teile wurden. Nachgehends fragete Kleon nach seinem Kleinot/ und welches er von Herrn Nabarzanes pfandsweise bekommen haͤtte. Dieser antworte- te: Es waͤhre dieses annoch in guter verwahrung und solte gegen Einlieferung der ver- sprochenen Gelder sich schon finden/ von mehrem wuͤste er nichts/ als welches er ihm dazu- mahl geschenket/ und er vor 10 Tagen verkauft/ aber kaum 80 Kronen davor bekommen/ weil es alles von falschen Steinen gewesen. O du Bube/ sagete Kleon/ haͤttestu deinem versprechen nach mich etwas gelinder gehalten/ wolte ich dir nichts abfodern; aber deine grausame Unbarmherzigkeit hat dich dessen unwirdig gemacht. Rieff dem Haußgesinde/ und begehrete zu wissen/ ob ihr Herr die Kleinot verkaufft haͤtte; welche davon nichts zu sagen wusten/ und muste der Haußknecht frische Ruhten herzuhohlen/ seinem Herrn die Kleider abzihen/ und ihn am ganzen Leibe zerhauen/ biß er durch Schmerzen uͤberwundẽ/ sich erboht/ alles herzulangen/ dann es wahr noch unverkauft. Die Nachbarn hoͤreten das elende Geschrey welches Orsillos bey der Geisselung trieb/ und kahmen haͤuffig her zu/ ihn zu erretten; Sie kenneten aber des Fuͤrsten Reuter/ und empfingen von ihnen Bericht/ dz alles aus ihres Herrn Befehl erginge; worauff sie es geschehen liessen/ weil sie ohndas ihm wenig gutes goͤnneten. Orsillos fragete Kleon ob er dann durch Ungluͤk in sei- ne Leibeigenschaft gefallen waͤhre. Er aber gab zur Antwort/ er wuͤrde solchen Außspruch von seinem Landes Fuͤrsten selbst hoͤren/ uñ sich gefasset halten aller guttahten Vergeltung zu empfahen: Legete ihm einen Strik umb den Leib/ und schleppete ihn durch Koht und La- chen neben dem Pferde her/ biß er ihn dem Fuͤrsten darstellete/ uñ also anfing: Durchleuch- tigster Drittes Buch. tigster Fuͤrst/ Gnaͤdigster Herr; hier sihet eure Durchl. dieses unbarmherzige Tihr/ den abgesagten Feind aller ritterlichen Tugenden/ welcher alle aͤdlen bloß darumb vernichtet/ daß sie nicht so viel auff geizigen Vortel/ als auff Ehre sehen/ daher er dann schliessen darf/ der Adel muͤsse zu grunde außgetilget werden/ wo sonst ein redlicher Kauffmann sein Ge- werbe mit Nuz treibẽ sol. Der Fuͤrst gab Orsillos Freyheit/ seine Verantwortung zutuhn; welcher darauff anfing sich zubeklagen/ was gestalt dieser sein ehemahliger Leibeigener ihn einen freien Susianer in seinen eigenen vier Pfaͤlen uͤberfallen/ gepruͤgelt/ mit Ruhten zerhauen/ gefesselt/ und als ein unvernuͤnfftiges Vieh neben sich hergeschleppet; zweiffelte nicht/ seine Fuͤrstl. Durchl. wuͤrde solchen unerhoͤreten Frevel ungerochen nit lassen hin- gehen/ nachdem er sich von Jugend auff als ein getraͤuer Untertahn erzeiget/ und seinen Schoß/ Dienste/ und andere Unpflichte allemahl gebuͤhrlich abgetragen haͤtte. Fuͤrst Go- bares erinnerte ihn/ er muͤste vor solcher Klage zuvor auff die Beschuldigung antworten/ als dann solte er zur Gnuͤge gehoͤret werden: Weil er sich aber schuldig wuste/ und von sei- nen eigenen Leuten leicht haͤtte koͤnnen uͤberzeuget werden/ baht er umb Gnade/ zur Ent- schuldigung anfuͤhrend/ er moͤchte etwa aus Eifer ein Wort zu milde geredet haben/ wo- vor er seinem Gn. Fuͤrsten mit einem Stuͤk Geldes Abtrag machen wolte/ uñ sich hernaͤhst aller solcher Ungebuͤhr gerne enthalten. Oho hastu keine bessere entschuldigung/ sagte der Fuͤrst/ bistu aller Gnade unfaͤhig: Sprach ihm darauff diese Urtel; Kleon/ nachdem du diesem Buben so schwere Dienstbarkeit hast leisten muͤssen/ ungeachtet du ihm so grosse Schenkungen getahn/ sol er dir davor zum Leibeigenen geliefert seyn/ deines gefallens mit ihm zu schalten. Kleon nam den Außspruch mit untertaͤhnigem Danke an/ ließ seinem Leib- eigenen eine starke Kette anlegen/ und setzete ihm eben so viel Tagewerk/ in seines Herrn Mahrstal und anderen unflaͤtigen Orten zuverrichten/ als er ihm hatte leisten muͤssen; weil er aber schon zimlich bey Jahren wahr/ und seiner Glieder nicht so maͤchtig als Kleon/ kunte er die gesetzete Arbeit nicht außfuͤhren/ daher ihm allemahl vor Abends der Ochsen- stecken mitgeteilet ward/ daß er ihm endlich vornam/ mit Kleon zuhandeln/ ob er sich vor ein gewisses Geld loßkaͤuffen koͤnte; aber er ward wegen des zumuhtens mit gleich solchen Worten uñ Schlaͤgen empfangen/ als Kleon ehmahl/ da eꝛ um verkauffung seiner/ anhielt/ daß er nur stets des Todes begehrete. Diese Tage lebete Fr. Statira mit Fuͤrst Gobares nach ihrer alten Gewohnheit/ wie wol mehr aus Zwang als gutem Willen/ dann sie hing so gar an ihrem Kleon/ daß sie keines anderen neben ihn achtete; weil sie es aber nicht en- dern kunte/ hielt sie ihr Wesen sehr geheim/ daß Kleon dessen nicht innen werden moͤchte; welcher aber so einfaͤltig nicht wahr/ daß er diesen Braten nicht zeitig gerochen haͤtte. Was solte er aber machen? er waͤhre gerne davon gewesen; solte er nun außreissen/ uñ man wuͤr- de ihn in der Flucht wieder ertappen/ muͤste er ohn Gnade eines abscheuhlichen todes ster- ben; so wahr er in einem fremden unbekanten Lande/ wuste weder Wege noch Stege/ hat- te auch keinen andern Menschen/ der ihm davon Unterricht geben moͤgen/ und welches das aͤrgeste wahr/ gab Statira so genaue acht auff ihn/ daß ihm unmoͤglich wahr/ sich fuͤg- lich und bewapnet von ihr loßzuwirken/ dann sie hatte ihr Gesinde/ welches auff alles sein Tuhn und lassen fleissig merken muste; ward also gezwungen/ sich in sein Ungluͤk zuschicken/ biß ihm etwa Gelegenheit vorfallen wuͤrde/ ohn sondere Gefahr davon zu streichen/ und so lange Drittes Buch. lange umher zu reiten/ biß er etwas von Ladisla oder Herkules koͤnte in erfahrung bringen/ wornach ihn am allermeisten verlangete. Zu Ekbatana muste sich Herkules auch wieder seinen Willen auffhalten/ woselbst er von hohen und nidrigen sehr geliebet und geehret ward/ bekam auch von dem Groß Fuͤrstẽ die Zusage/ er wolte sich der Fraͤulein Erloͤsung als seiner leiblichen Tochter lassen ange- legen seyn/ weil sie von ihm/ (wiewol auff ihre felbst eigene anstraͤngung) zu abwendung seiner Gefahr/ dah in geliefert waͤhre. Zween Tage nach seiner Ankunft hielt Pharnaba- zus bey dem Groß Fuͤrsten an/ ein offenes freies Ritter-stechen außzuschreiben/ daß man sehen moͤchte/ was vor wehrhafte Ritter sich in seinem Lande fuͤnden/ deren man in kuͤnff- tig sich zugebrauchen haͤtte/ welches niemand so sehr als Herkules zuwieder wahr/ und sich dessen doch nicht durfte merken lassen. Seine hefftige Liebe reizete ihn taͤglich zu der Reise nach Charas; so wiederriet man ihm daselbst die Eilfaͤrtigkeit/ dessen Ursach ihm unbewust wahr/ und daher umb so viel destomehr sorge in seiner Seele empfand; weil er aber nicht wiedersprechen duꝛste/ trieb er stark an/ daß das bestimmete Ritterspiel auffs schleunigste moͤchte fortgesetzet werden/ welches aber erst den 14den Tag hernach seinen Anfang nam/ damit es gleichwol durch die umbliegende Laͤnder in etwas lautbar werden moͤchte/ daher fich auch inwendig solcher Zeit die Ritterschaft daselbst in guter Anzahl einstellete. Herku- les beschloß bey sich/ nicht anders/ als auff verstellete Weise bey dem Stechen zuerscheinen/ und wahr ihm doch schwer/ einigem Menschen mehr zu entdecken/ daß er durch Mittel des Pulvers sich unbekant machen kunte. Des naͤhesten Tages vor dem Stechen baht Phar- nabazus/ er moͤchte im Rennen ihn zum Gesellen annehmen; er haͤtte noch fuͤnff feste Me- dische Ritter/ mit deren Beystand und Huͤlffe er die uͤbrigen alle versuchen wolte. Dieser entschuldigte sich/ er waͤhre ein Fremdling/ koͤnte durch dieses Mittel ihm bey mannichem grossen Wiederwillen und Verfolgung zu wege bringen/ auch gar zubekant hie durch weꝛ- den/ welches seinem Vorhaben sehr schaͤdlich seyn wuͤrde; umb dieser Ursach willen haͤt- te er ihm vorgenom̃en/ dem Schimpffspiel nur zuzusehen. Nun haͤtte die Groß Fuͤrstin ih- rem lieben Bruder gerne eine sonderliche Ehre gegoͤnnet/ wahr deßwegen auff ein Mittel bedacht/ wodurch Herkules mit-stechen/ und doch unbekant bleiben moͤchte/ und sagete zu ihm: Da eure Liebe mir zur Freundschafft mit Rennen wolte/ waͤhre ich gesonnen/ dem Frauenzimmer durch dero Tapfferkeit eine sonderliche Ehre zu erwerben/ im falle dieselbe unbeschweret seyn koͤnte/ in Gestalt und Kleidung einer Amazonin auff der Steche-Bahn zuerscheinen. Er antwortete mit laͤchelndem Munde: Euer Durchl. Vortrag waͤhre so uneben nicht/ aber woher nehmen wir in der Eile die Amazonischen Waffen und Kleider? Fehlet es sonsten an nichts sagte sie/ koͤnte mein Gemahl eine zimliche Schaar Amazonin- nen außruͤsten/ und ich die behoͤrigen Kleider schaffen. So bin ihrer Durchl. ich allemahl bereitwilligster Knecht/ antwortete er: Und ist dieses der geringste Gehorsam/ welchen eu- er Durchl. ich schuldig bin/ nur daß von meiner hochwerten Fraͤulein Barsenen ich sehr freundlich bitte/ sie wolle mir erlaͤuben/ ihren Nahmen zu fuͤhꝛen; ihre Durchl. aber gnaͤ- dig einwilligen/ daß ich nicht steche/ als unter der Bedingung/ daß wer durch mein Speer gefellet wird/ sich zu euer Durchl. verfuͤge/ und von derselben drey Befehl empfahe/ wel- che zu leisten/ er bey ritterlichen Ehren sol gehalten seyn. Der Ehꝛe bin ich nicht faͤhig/ sagte P p p p die Drittes Buch. die Groß Fuͤrstin: So ist auch ohn zweiffel mein Nahme zu unwirdig/ sagte das Fraͤulein/ daß er von meinem Gn. Fuͤrsten gefuͤhret werde. Er hingegen erboht sich alle Muͤhe an- zuwenden/ daß dieser Nahme unbeschimpfet bliebe. Darauff gingen sie mit einander nach der Rustkammer/ und nahmen zierliche Amazonische Waffen heraus/ auch einen verguͤl- deten/ und mit aͤdlen Steinen außgeziereten Bogen/ neben einen helffenbeinen Koͤcher mit verguͤldeten Pfeilen/ die ihm ein Juͤngling in Amazonischer Kleidung nachfuͤhren sol- te. Der Helm wahr oben etwas zugespitzet/ und zu oberst ein fligender Drache mit arffge- sperretem Rachen. Der Rock/ welchen die Groß Fuͤrstin herzu brachte/ wahr ein trefliches Guͤldenstuͤk/ Leibfarbe durchscheinend/ welcher nach Amazonischer Art nur etwas uͤber die Knie reichete. Ladisla gelangete vier Wochen nach gehaltenem herben Kampffe wieder Hages/ in einer Stad an/ woselbst er in einer Herberge zwoͤlf Medische Ritter antraff/ die er freund- lich gruͤssete/ und von ihnen hinwiederumb hoͤflich empfangen ward/ vernam auch bey der Mahlzeit/ daß ein eilfertiger Post Reuter vermeldet haͤtte/ es wuͤrde zu Ekbatana ein rit- terliches Stechen gehaltẽ werden/ dahin sie zuzihen willens waͤhren. Er beredete sich kuͤrz- lich mit Leches/ in Geselschaft dieser Ritter fortzureisen/ weil er nicht besser/ als durch sol- che Gelegenheit von Herkules und seiner Fraͤulein Schwester/ auch wol gar von Fabius Zeitung erfahren koͤnte. Weil dann Leches ohn daß bey solchen Ritterspielen sich gerne finden ließ/ riht er fleissig mit zu/ nur daß er fragete/ wie sie es mit ihrem verwundeten Ty- riotes machen wolten/ der am Fieber hart darnieder laͤge. Der muß uns nicht hinderlich seyn/ sagte Ladisla/ kan er dann nicht mit reiten/ so lasse er sich heilen/ und folge nach. Auff solchen gefasseten Schluß redete er die Versamleten also an: Ich vernehme gerne/ daß eu- re Tapfferkeit euch anstraͤnget/ auff angesetzetem Stechen/ Ruhm und Ehre zu suchen; ob nun zwar meine Haͤuptreise eigentlich dahin nicht gerichtet ist/ sol mir doch dieser Umb- schweiff nicht verdrißlich seyn/ dafern meinen Herren es nicht mißfaͤllig ist/ mich und mei- nen Gefaͤrten in ihre Geselschafft auffzunehmen/ da wir dann alle Gefahr der Reise mit ihnen gemein haben/ uñ unser Leben neben das ihre zu algemeinem Schutze hinstellen wol- ken. Der ansehnlichste unter ihnen antwortete: Sie laͤgen zu dem Ende alhier stille/ daß sie gute Geselschafft antreffen moͤchten/ weil ohn zweiffel das außgeschriebene Ritterspiel die Strassen unsicher machen duͤrfte; wuͤnscheten demnach/ daß ihre Schaar fuͤnffmahl staͤrcker waͤhre/ und sie desto sicherer durchgehen koͤnten. Boßhaffte Raͤuber/ sagte Ladisla/ sollen uns wol ungeschaͤndet lassen/ wann wir uns mit allerhand Gewehr versehen/ und unsere Diener mit Geschoß außruͤsten; so wollẽ wir gute feste Speere neben den Schwer- tern fuͤhren/ und unter der Goͤtter begleitung Morgen fruh auffbrechen/ vielleicht mehret sich unser Hauffe auff dem Wege mehr als wir gedenken. Er befahl dem Wirte alsbald/ nach allerhand gutem Gewehr zu schicken/ welches er aus seinem Beutel bezahlete/ daß ihrer schon 30 bewehrter Mann wahren: Durch welchen kuͤhnen Vorschlag und ange- wendete Kosten er erlangete/ daß sie ihn einhellig zum Hauptmann auffworffen/ dessen er fich zwar wegerte/ aber doch endlich annehmen muste/ wiewol er diese Bedingung hinzu setzete/ das mit solchem Amte sie taͤglich umbwechseln wolten. Hernach fragete er den Wund Arzt/ ob Tyriotes zum reiten duͤchtig waͤhre; uñ als er ein wiedriges vernam/ ließ eꝛ ihm Drittes Buch. ihm durch Mardus andeuten/ er solte sein wol pflegen/ und so bald moͤglich/ nach Ekbatana folgen/ zu dessen behuef er ihm 300 Kronen einreichete; welcher daher sehr traurig ward/ und untertaͤhnig baht/ ihn nicht zuruͤcke zulassenz es waͤhre mißlich/ ohn starke Geselschafft durchzukommen; so befuͤnde er sich/ daß er des reitens ungemach hoffete zuertragen/ wolte doch lieber auff der Reise sterben/ als von seinem Gn. Herrn geschieden seyn. Ladisla veꝛ- wunderte sich dieser Traͤue/ und ließ einen sanfften Wagen kauffen/ auf welchem der Kran- ke solte mitgefuͤhret werden; nam noch deffelbigen Abends von seiner vorigen Geselschafft Abscheid/ und bedankete sich ihres guten Schutzes. Des folgenden Morgens nam diese ritterliche Schaar den naͤhesten Weg auff Ekbatana vor sich/ und kam Ladisla der Wagen wol zu statten/ auff welchem er seine Gelder und Kleinot fuͤglich mit fort bringen kunte. Auff der Reise begegneten ihnen unterschiedliche Raͤuber Schaaren/ die mannichen An- fall wageten/ so hatten sie auch zuzeiten Gefahr von wilden Tihren/ aber weil ihr Hauffe sich taͤglich mehrete/ und sie unter unsers Helden vorsichtiger Anordnung sich fleissig huͤteten/ gingen sie allenthalben sicher durch. Als sie noch anderthalbe Tagereisen nach Ekbatana hatten/ und sie uͤber LX bewehreter Mann stark wahren/ stieß von der linken Seite her ein Hauffe von XXX teils geharnischten/ teils gepanzerten Reutern auf sie/ vor gebend/ sie wol- ten nach Ekbatana auff das Ritterspiel/ und haͤtten Lust/ in ihrer Geselschafft fortzugehen; welches Ladisla etwas verdaͤchtig vorkam/ weil sie mehr auff Raͤuber- als Ritter-Art ge- wapnet wahren/ hielt demnach mit seinen Leuten eine kurze Unterredung/ uñ nach gemach- tem Schlusse zeigete er ihnen an/ sie wolten ihnen zwar nicht wehren/ mit fortzureisen/ aber umb Verdacht zumeiden/ wuͤrden sie in einem absonderlichen Hauffen allein reiten/ und ihr Seitengewehr/ biß eine Meile an Ekbatana von sich geben/ als dann solte ihnen Schutz vor allen Anfall gehalten werden. Diesen wahr solches ungelegen/ stelleten sich doch demuͤ- tig/ und gaben vor/ sie wolten zwar ihnen hierin gerne gehorsamen/ aber vorerstwuͤrde es ihnen schimpflich seyn/ wehrloß zureiten; hernach kaͤhme es offt/ daß man unversehens an- gegriffen wuͤrde/ und man als dann das Gewehr zuspaͤt suchete. Weil nun solche Entschul- digung einen Schein hatte/ und man ihnen doch wenig trauete/ muste Leches mit 26 Ge- harnischten sie ganz enge zwischen sich nehmen/ und mit ihnen hinter dem ganzen Hauffen herzihen/ so daß sie keinen Raum zur Gegenwehr haben kunten. Als sie etwa eine halbe Meile fortgeritten wahren/ kam ein grosser Hauffe in die LII stark von derselben Seite her- zu gerennet/ schicketen einen Reuter ab/ und begehreten zuwissen/ was vor Leute sie waͤhren/ wohin sie gedaͤchten/ und warumb man ihre Gesellen als gefangene eingeschlossen hielte/ welche ihnen doch kein Leid angetahn haͤtten. Ladisla selbst gab ihm zur Antwort: Die erste und andere Frage zubeantworten/ hielte man vor unnoͤhtig; das uͤbrige geschaͤhe nicht/ je- mand zubeleidigen/ sondern sich selbst zuversichern; drumb solte er hinreiten/ und alsbald anzeigen/ wessen man sich zu denen/ so ihn abgesand/ zuversehen haͤtte/ als dann solte ihnen bessere Erklaͤrung mitgeteilet werden. Die XXX eingeschlossene begunten gelegenheit zu suchen/ sich loßzumachen/ aber Leches zeigete ihnen an/ dafern sie nicht alsbald ihr Gewehr willig von sich geben wuͤrden/ solten sie als Feinde gehandelt werden/ weil die Anfoderung schon uͤbrig gnug meldete/ was vor Leute sie waͤren. Diese hingegen fingen alsbald ein wuͤ- stes Geschrey an/ und drungen mit ganzer Macht nach der linken zu/ sich loßzumachen/ wel- P p p p ij ches Drittes Buch. ches ihre Gesellen erschend/ ohn weitere Worthandelung zun Schwertern und Streit Ax- ten griffen/ in Meynung/ Leches Hauffen zuuͤberfallen/ und den ihren Lufft zumachen; aber Ladisla setzete mit XII Speer Rittern auff sie hinein/ erlegten im ersten Treffen XIII Raͤu- ber/ und braucheten bald hernach ihre Schwerter redlich; Die Bogen Schuͤtzen an unser seite feyreten auch nicht/ und tahten den Feinden zimlichen Abbruch. Die eingeschlossene fuͤhleten auch schon Leches und der seinen harte Schlaͤge/ welche beydes Roß und Reuter in solcher enge nidermachten/ daß ihrer kein einziger uͤbrig blieb; wor auff er Ladisla entset- zete/ so daß nach verlauff einer Stunde die ganze Raͤuber Schaar LXXXII Mann gestree- ket lagen/ bey denen die unsern an Baarschafft und Kleinoten vier Tonnen Schatz fundẽ/ woran aber weder Ladisla noch Leches anteil haben wolten/ denen die andern/ wegen ihres Ritterlichen verhaltens/ uͤberaus grosse Ehr antahten/ nicht anders/ als waͤhrens ihre ge- bietende Herren gewesen. Nach diesem Treffen gingen sie unangefochten fort/ und hielten des folgenden Tages zimlich spaͤt ihren Einzug zu Ekbatana/ da sie sich in unterschiedliche Herbergen verteileten. Ladisla waͤhlete sechs Ritter aus dem Hauffen/ deren Streitbarkeit er in der Raͤuber Schlacht angemerket hatte/ und baht sie/ mit ihm auff seine Kosten eine enge Geselschafft zumachen/ weil er willens waͤhre/ sich selb achte zustellen/ und aller anwe- fenden zuerwarten; legte sich mit ihnen in eine absonderliche Herberge/ ließ acht blanke Harnische mit eingeschmelzetem guͤlden Blumwerk/ und sechs starke Rappen bringen/ da- mit er sie versahe; Ihre Pferdedecken waren schneeweiß mit guͤldenem Blumwerk/ ausge- nommen die seine war mit koͤstlichen Perlen gezieret/ uñ sein Pferdezeug glaͤnzete von aͤdlen Steinen/ daß sie sich verwunderten/ woher diesem Ritter in der fremde so grosse Schaͤtze kaͤhmen. Auff dem Helm fuͤhrete er einen guͤldenen Loͤuen/ welcher in der rechten Tatzen ein Schwert/ in der linken ein Schildlein hielt/ mit diesen eingegrabenen Worten: Fratrem quæro \& Sororem. Ich suche den Bruder und die Schwester. Im Schilde war nach kuͤnstlicher Arbeit ein gedoppelter heller Strahl gemahlet/ und ein Schatten davor gezogen/ mit dieseꝛ uͤberschrifft: Ubi lates, mundi decus? Wo liegst du verborgen/ du Zier der Welt? Herkules und Pharnabazus liessen an der Zubereitung auch nichts ermangeln/ nahmen sechs Ritter in ihre Geselschaft/ und erwarteten des Tages/ da indessen der Groß Fuͤrst alles zu diesem Rit- ter Spiel noͤhtig/ anordnen ließ. Der Renneplatz wahr ein Halbviertel Meilichen von der Stad/ und die Steche Bahn so weit/ daß zehne neben einander Raum gnug zustechen hat- ten. Die Schau Buͤhne umher so groß/ daß etliche tausend Menschen darauff sitzen und stehen kunten. Des Groß Fuͤrsten und seiner Gemahl Koͤnigliche Stuͤle/ wahren uͤber an- dere inetwz erhaben; allernaͤhest saß Arbianes (dem das Stechen von seinem Vater noch nicht wolte erlaubet werden)/ und Herr Mazeus neben andern Medischen Herren; Vor ihnen her/ etwas niedriger/ sassen Fr. Roxane/ Frl. Barsene und etliche andere Herren- Standes/ und hatten einen zimlichen hauffen des adelichen Frauenzimmers bey sich. Es versamlete sich eine treffliche Anzahl Ritter/ von Inwohnern und Auslaͤndischen/ welche zierlich auffgezogen kahmen. Herkules/ als eine Amazonische Heldin/ und Pharnabazus/ mit ihrer Geselschafft/ wahren die ersten/ und erschienen in ansehnlicher Ruͤstung. Herku- les Schild wahr verguͤldet/ auff welchem ein junger Loͤue an einer Ketten lag/ zu dem ein groͤsser trat/ ihn loßzumachen/ mit dieser Umschrifft: VOLENTE DEO. Nach Gottes willen. Die Drittes Buch. Die Pferde Decke wahr roͤhtlich/ mit Perlen gesticket/ uͤber welcher sich der Amazonische Rok etwas ausbreitete; und daß er ja vor ein Weibesbild moͤchte angesehen seyn/ ritte ein zierlicher Knabe in Amazonischer Kleidung/ mit Pfeil und Bogen hinter ihm her. Auff der Bahn nam er mit seiner Geselschafft einen Ort gegen Osten ein/ daß er den Großfuͤr- sten stets im Gesichte hatte. Ihm folgeten etliche Medische und Assyrische Ritter/ Herren- Standes bey die zwanzig. Darauff ließ sich Ladisla mit seinen Gefaͤrten sehen/ die in ober- waͤhneter gleichmaͤssigen Ruͤstung hinter ihm her ritten/ welches ein feines anschen gab/ dz jederman die Augen auff ihn warff/ und ihn gerne unter dem Gesichte gesehen haͤtte/ wel- ches er mit fleiß unter dem Helme verdecket hielt/ weil er ohngefehr diesen Morgen erfahrẽ hatte/ daß Pharnabazus zugegen waͤhre/ und mit stechen wuͤrde/ da er dann zweifelte/ ob es raht waͤhre/ sich ihm zuerkennen zugeben. Herkules/ der allernaͤhest bey Pharnabazus hielt/ sahe seinen liebsten Freund/ den er nichtkennete/ in die Schranken reiten/ und sagte zu sei- nem Gesellen: Dieser wird gewißlich ein grosser Herr seyn/ welches sein Auffzug auswei- set/ zweifele nicht/ da die Kraft den Geberden antwortet/ werde er uns zuschaffen geben. So bald alle Gebraͤuche des Stechens gehalten/ und die Gesetze abgelesen wahren/ ritte Phar- nabazus hervor/ und mit einer zierlichen Ehrerbietung fing er an: Hochansehnliche Ge- ftraͤnge Ritter und Herren; demnach der Großmaͤchtige Groß Fuͤrst der Meden/ aus son- derlicher Beliebung zu der Ritterschafft/ dieses Stechen angestellet/ als hat diese gegenwaͤꝛ- tige Durchleuchtige Amazonin/ Frl. Barsene/ welche ohngefehr bey uns angelanget ist/ die- ser uͤbung beyzuwohnen sich gefallen lassen/ doch mit diesem ausdruͤklichen Vorbehalt/ daß wer sie zur Erden fellen/ und selbst ungefellet bleiben wird/ von ihrer Gn. ein absonderliches Kleinot auff 12000 Kronen zum Preise von ihr bekommen; hingegen aber/ da er von ihr Sattel-loß gemacht wuͤrde/ er sich der Durchleuchtigsten Groß Fuͤrstin gegenwaͤrtig/ kni- end darstellen/ und von ihr drey Befehle annehmen sol/ unter ritterlichen Ehren nach Ver- moͤgen zuleisten; solte aber jemand solches einzugehen bedenken tragen/ bittet hochgedachte Amazonin/ ihres Speers sich zuenthalten; und wil ich hiemit ansuchung tuhn/ es wollen zween Ritter mit uns beyden den Anfang zumachen/ sich gefallen lassen. Die Ritterschafft sahe einer auffden andeꝛn/ meynetẽ anfangs/ Ladisla/ seinem ansehen nach/ wuͤrde die Bahn einnehmen; weil er sich aber nicht bewaͤgete/ gaben sich zween Assyrische Ritter hervor/ uñ ranten getrost auff die Anfoderer zu/ aber die Amazonin legete den ihren alsbald zur Erdẽ/ und trabete unbewaͤglich vorbey/ welches Ladisla ersehend/ zu Leches sagete: Ob ich zwar nicht glaͤube/ daß diese verstellete Amazonin ein Weibsbild sey/ so bin ich mir doch solches Rittes bey ihr nicht vermuhten gewesen. Pharnabazus traf mit seinem Gegenteil auch/ und weil keiner gefelletwahr/ wiederhohleten sie den Ritt/ daß der Assyrer den Sattel raͤu- men muste/ wie hart er sich auch bemuͤhete/ den Fall zuverhuͤten. Der zuerst abgestossene schaͤmete sich sehr/ weil er vor einen festeren Ritter als sein Geselle/ gehalten ward/ bezeigete sich doch den vorgeschriebenen Satzungen gemaͤß/ stieg auf die Schau Buͤhne/ legete sich auff die Knie/ und erwartete der Groß Fuͤrstin Befehl. Dieselbe aber hieß ihn auffstehen/ und redete ihn also an: Mannfester aͤdler Ritter/ weil der Durchleuchtigen Amazonin es also gefaͤllet/ ist mein dreyfacher Befehl/ daß ihr dem Groß Fuͤrsten/ meinem Gemahl/ auff begebenheit zu dienste; der Amazonin gewogen; uñ Ritterlichen Ehren stets zugetahn seyd P p p p iij und Drittes Buch. und verbleibet; und weil ihr der erste gewesen/ der in diesem Spiel mit der unuͤberwindli- chen Amazonin (dann davor wird sie gehalten) ein Treffen gewaget/ sollet ihr diesen Ring (der auff 500 Kronen wert wahr) zu dessen Gedaͤchtniß von mir annehmen. Dieser kuͤssete ihr den Rockes Saum/ und sagete: Er waͤhre den dreyfachen gnaͤdigsten Befehl ohndas schuldig zuleisten/ und erboht sich/ lieber zu sterben/ als deren einen aus der acht zulassen; waͤhre ich aber/ sagte er/ dieses Gnadengeschenkes mir vermuhten gewesen/ wuͤrde ich mich selbst vom Pferde herunter geworffen haben/ wañ es dieser tapfferen Amazonin wider mich gefehlet haͤtte. Inzwischen stelleten sich drey andere von Pharnabazus Geselschafft/ denen drey begegneten/ mit diesem Gluͤcke/ daß von den Ausfoderern einer/ an der andern Seite zween abgeworffen wurdẽ. Die uͤbrigen 3 hielten sich besser/ und legeten im dritten Treffen ihre Gegener nider. Bald wahr Herkules und Pharnabazus wieder fertig/ und stellete sich gar ein ansehnlicher Ritter gegen die Amazonin/ ließ ihr doch durch einen Knaben andeu- ten/ er naͤhme ihre vorgetragene Bedingung an/ jedoch wann ihm auch die seine gewehret wuͤrde/ daß auff den fall seines Sieges/ sie bekennete/ daß sein Schatz das schoͤnste Fraͤulein in ganz Assyrien waͤhre. Herkules lachete der Anmuhtung/ und gab zur Antwort: Juͤng- ling/ sage deinem Herrn/ ich kenne seinen Schatz nicht; ist sie aber so schoͤn/ wil ich auch auf den fall meines Sieges ihr diesen Preiß gerne lassen/ daß er mir nur frisch begegne. Keh- rete sich hernach zu Pharnabazus/ und sagete: Dieser Ritter muß entweder mit dem Lie- bespfeil/ wie ich; oder mit Hasen Schroht getroffen seyn/ daher ich mich desto besser vorzu- sehen habe/ daß ich vor ihm Schimpff-loß bleibe; mit welchem Worte er so eiferig auf ihn ansetzete/ dz er ihn mit samt dem Pferde niderwarff/ uñ alle anwesende sich der Kraft hoͤch- lich verwunderten/ insonderheit Ladisla/ der zu Leches sagete: Ich werde nicht unterlassen/ es mit dieser vermummeten Amazonin zuwagen/ Gott gebe/ wer des andern Meisteꝛ wird. Pharnabazus machete gleicher gestalt seinen Bestreiter die Erde kuͤssen/ und seine ganze Geselschafft legte zu diesem mahle Ehre ein/ dessen er sich nicht wenig freuete. Herkules uñ sein Geselle stelleten sich zum dritten mahle/ gleich da Ladisla loßzubrechen willens war/ wel- cher aber alsbald einhielt/ dann er wolte es mit der Amazonin nicht anlegen/ biß er zuvor so mannichen Ritt gegen andere/ als sie/ getahn haͤtte. Es begunten schon etliche schimpflich gnug von ihm zureden/ daß ers auch hoͤrete/ aber sich daran nicht kehrete/ sondeꝛn wahꝛ ihm liebe/ daß ein trefflicher Ritter/ von zween anderen begleitet/ sich gegen die Amazonin stelle- te/ mit dem sie ein gewaltiges Treffen hielt/ daß sie beyderseits der Puͤffe wol empfunden/ und doch unbewaͤglich sitzen blieben/ da hingegen Pharnabazus seinen Mann niderlegete/ sein Geselle aber abgestochen ward. Jene tahten den andern Ritt/ und verlohr der fremde ein Stegreiff/ welches ihn nicht wenig hoͤhnete/ spuͤrete auch/ daß sein Pferd zu leicht wahr/ daher er ein staͤrkeres von einem andern Ritter nam/ und gedachte dißmahl das aͤusserste zu versuchen. Herkules sagete zu Pharnabazus: Dieser ist in Warheit ein gewaltiger Ritteꝛ/ und muß er oder ich zum dritten mahl unten liegen; stuͤrmeten auch frisch und behutsam auff einander/ und traff die Amazonin dergestalt/ daß jenem die Sattelgurt zusprang/ und er mit samt dem Sattel auff die Erde fiel. Nun/ sagete Ladisla/ diese Amazonin stehet nicht zutadeln/ wie mirs auch mit ihr noch heut ergehen wird. Aber der abgestochene stund aus dem Sattel auff/ voll Zorn und Unmuht des leidigen Falles halber/ daß er offentlich sage- te: Drittes Buch. te: Und wann mein Diener solche schwache Gurt angelegt haͤtte/ muͤste ers mit dem Leben buͤssen; schickete auch an die Amazonin/ mit Bitte/ ihm den vierden Ritt nicht zuversagen/ weil nicht er/ sondern der Sattel abgestochen waͤhre. Herkules aber gab zur Antwort: Es waͤre freylich die schwache Gurt des Falles ursach; weil aber das vierde Treffen beydes wi- der die abgelesene Satzungen/ uñ wider seine gewohnheit waͤre/ baͤhte er/ ihn dessen guͤnstig biß auf morgen zuerlassen/ weil er seine Tapfferkeit gnug haͤtte zuerkeñen gebẽ/ und sich nit vor uͤberwunden schaͤtzen duͤrfte; womit er sich auch befriedigen ließ. Pharnabazus uͤbrige fuͤnffe hieltẽ sich abermal wol/ dz nur einer den Sattel raͤumete; Worauff Ladisla uñ Leches mit einẽ zierlichen Pferdetum̃eln die Bahn einnamen/ uñ nit wenig auf ihre festen Hengste sich verliessen. Er setzete sich gleich gegen die Amazonin/ und waꝛtete/ ob sich jemand stellen wuͤrde/ welches nit lange anstund/ dañ eben sie selbst und Pharnabazus liessen sich finden; welches ihm doch noch zur Zeit ungelegen war/ und seiner Ritter einẽ mit dieser Werbung an sie schickete: Mein Gn. Herr uñ sein Gefaͤrte naͤhst anmeldung ihrer Dienste uñ Grus- ses/ erfreuen sich/ die Ehre zu haben/ mit eurer Vortrefligkeit einen ritterlichen versuch zu tuhn; weil sie aber bißdaher geruhet/ und hingegen eure Pferde sich hart bemuͤhet haben/ ist ihr bitliches suchen/ ihnen die Ehre zu goͤnnen/ deren sie schon genossen/ damit sie auch zuvor mit dreyen andern sich versuchen moͤgen/ hernach sind sie zu ihren pflichtschuldigen Diensten bereit und willig/ welches Ansuchen/ weil es der Billigkeit gemaͤß/ sie umb so viel desto leichter zuerhalten hoffen. Pharnabazus/ nach dem er zuvor deꝛ Amazonin Meinung vernommen/ gab zur Antwort: Herr Ritter/ wir bedanken uns wegen des uͤbergebrach- ten Grusses von eurem ansehnlichen/ uns unbekanten Herrn/ ersetzen denselben mit glei- chem/ und geben ihrem Begehren billich stat/ als wodurch sie ihre Herzhafftigkeit uns se- hen lassen; sonsten wuͤnschen wir ihnen/ zubehauptung ihrer Ehren/ Gluͤk und Sieg. Hie- mit ritten sie alsbald von der Bahn/ welches ein grosses auffsehen gab/ weil die wenigsten ihre Rede verstehen kunten; doch funden sich bald zween andere/ die Lust hatten dieses tref- lich geputzeten Herrn Mannheit zuversuchen/ kunten sich aber wegen des Gegenstechers nicht vergleichen/ dann jeder wolte mit dem vornehmsten dieser kleinen Geselschaft es zu ruhn haben/ biß sie Ladisla und Leches loßbrechen sahen/ denen diese zwar verwaͤgen gnug begegnetẽ/ wurden aber so unsaͤuberlich empfangen/ daß sie beyde uͤber und uͤber purzeltẽ/ und der von Ladisla getroffene den licken Arm zubrach/ da doch die unsern unbeweglich vorbey gingen. Der Anfang ist trauen gut/ sagete die Amazonin zu ihrem Gesellẽ. Es hat- ten aber schon zween andere die Bahn eingenommen/ und gaben durch winken ihr Begeh- ren zuverstehen/ musten doch den vorigen gleich/ einen unwilligen harten Sprung tuhn/ daß ihnen das Gerippe knackete. Ein hochmuhiger Hirkaner fuͤrchtete sich/ Ladisla wuͤrde ihm an erwerbung des Preises hinderlich seyn/ rieff seinen Gesellen zu sich/ und begegnete ihm frisch/ erhielt auch die Ehre/ daß er vom ersten Stosse ungefellet blieb/ aber der andere streckete ihn dergestalt langs auff der Erden aus/ daß man ihn ohmaͤchtig von der Bahn tragen muste/ da Leches den seinen schon im ersten gange außgehoben hatte. Dieser gewal- tige Ritter hat besser Gluͤk und Ehre als wir/ sagte die Amazonin zu Pharnabazus/ weil jederman sich an ihm reiben wil/ zweiffele auch nicht/ er werde sich aͤusseꝛst bemuͤhen/ den schon erworbenen Preiß zu handhaben/ weil ich ihn noch nicht gesehen im Sattel wanken/ und Drittes Buch. und mag sein Geselle auch wol vor einen guten Rittersmann bestehen. Nach diesem tah- ten drey von Ladisla Geselschafft ein Treffen/ und behaͤupteten den Sieg; die uͤbrigen drey aber wurden herunter gestossen. Worauff der/ so von der Amazonin mit dem Sattel ge- fellet wahr/ sich auff die Bahnstellete/ es mit Ladisla zu wagen; dem solches nicht unange- nehm wahr. Sie ranten mit guter Vorsichtigkeit wieder einander/ und nach außgehalte- nem Stosse gingen sie beyde unverruͤkt voruͤber. Leches fand auch seinen Mann/ der vom ersten Treffen sich nicht wolte beugen lassen. Ladisla gedachte bey sich: Werffe ich diesen nicht herunter/ so sieget mir die Amazonin ob/ dessen ich vor meinem Herkules mich schaͤ- men muͤste; nam ein starkes Speer zu sich/ sprach seinem Pferde muhtig zu/ und ging mit solchem Eifer auff seinen Mann/ daß er ihn mit samt dem Pferde uͤbern Hauffen rante/ wiewol er des Gegenstosses wol empfand/ und einen Stegreiff daruͤber verlohr. Daß ist ein treflicher Ritter/ sagte Herkules/ deßgleichen mir sehr wenig vorkommen sind; waͤh- re aber seyn Pferd nicht so stark und wol abgerichtet/ haͤtte er ohn zweiffel dem andern im fallen Geselschaft leisten muͤssen. Der Gefellete taht einen unsanften Sprung/ daß ihm die linke Huft verrenket ward/ und von ihm selber nicht auffstehen kunte; welches Pharnaba- zus ersehend/ hinritte/ und zu ihm sagete: Treflicher Ritter/ wie befindet ihr euch/ wegen eures Pferdes Untraͤue? Herr antwortete er/ ich habe keine Gefahr/ ohn daß mir eine Huft ein wenig verrenket ist/ wollet demnach die meinen kommen lassen/ daß sie mich auff ein ander Pferd heben. Weil nun diese gleich verhanden wahren/ ließ er sich von ihnen hinweg fuͤhrẽ. Leches muste mit seinem Gegener den dritten Saz wagen/ welcher ihm nach Willen gluͤckete. Ihre sechs Gesellen stelleten sich zugleich auff die Bahn/ und ungeachtet sie starke Gegenrenner hatten/ erhielten sie doch die Uberwindung. Der Groß Fuͤrst haͤtte Ladisla gerne gekennet/ und sagete zu seinem Gemahl: Dieser und unsere Amazonin wer- den einander etwas bieten/ da sie sonst aneinander gerahten; so wird euer Liebe Bruder uñ jenes sein Geselle auch zu tuhn bekommen. Dieses hatte er kaum außgeredet/ da schickete Ladisla einen Ritter an die Amazonin/ mit dem Erbieten/ da es ihr nun gefaͤllig/ koͤnte sie sein zu einem Versuch bemaͤchtiget seyn. Herkules gab zur Antwort: Es haͤtte seines Hn. Pferd sich gewaltig abgemattet/ moͤchte es zuvor ein halb Stuͤndichen ruhen lassen/ als- dann koͤnten inzwischen andere sich der Bahn gebrauchen/ und solte sein Herꝛ ihn darauf zu Dienst und Willen haben. Ladisla verstund hieraus/ das sie gleiche Hoͤfligkeit gegen ihn gebrauchen wolte/ und ließ sichs nicht mißfallen. Also ward die Zeit uͤber zwar manniches/ aber kein denkwuͤrdiges Stechen verricht/ ohn daß etliche vom Falle verletzet/ und einer zu Tode gerennet ward/ weil er das Genik abstuͤrzete. Nach verlauff der gesetzeten Zeit tum- melte Ladisla sein Pferd gar zierlich; die Amazonin taht nicht minder/ und merketen alle Anwesende/ daß diese beyden nunmehr umb den besten Dank stechen wuͤrden/ wende- ten auch ihre Augen nur auff dieselben hin/ umb den Außgang zuerkennen. Leches stellete sich naͤhest bey Ladisla; Pharnabazus bey Herkules/ so daß Herkules mit Leches/ Ladisla mit Pharnabazus treffen muste/ welches ihnen allerseits nicht unangenehm wahr. Im ersten Ritte wolte niemand wanken/ im andern musten Leches und Pharnabazus sich an ihrer Pferde Maͤhne halten; im dritten befunden sich diese beyden auff der Erden/ und stunden mit Scham und Zorn auff/ insonderheit Leches/ der sich fuͤrchtete/ er wuͤrde von einem Drittes Buch. einem Weibesbilde abgesetzet sein. Herkules wahr wegen seines Gesellen Fall entruͤstet/ und nam vor/ ihn/ wo moͤglich/ zu raͤchen. Ladisla stund in gleichen Gedanken/ und setzeten mit solchen Kraͤften auffeinander/ daß sie daumlich wurden/ hielten doch solche unfreund- liche Puͤffe aus/ daß sie unbewaͤglich sitzen blieben/ als waͤhren sie im Sattel angenagelt. Die Zuseher verwunderten sich der grossen Mannheit/ sonderlich/ wie sie waͤhneten/ bey einem Weibesbilde/ daß die sitzenden alle auffstunden/ des Stechens Ende und Außgang desto eigentlicher zuerkennen. Unsern Stechern aber wuchs das Herz durch ihrer Gegen- Kaͤmpffer Tapfferkeit/ und wahren froh/ daß jeder seines gleichen angetroffen hatte/ wa- geten den andern Saz/ daß sie wegen der unsanften Stoͤsse beyde hinter sich bogen/ wiewol Ladisla etwas mehr als Herkules. Nach vollendetem Treffen sahen sie sich beyderseits um/ und weil fie noch keinen Fall vermerketen/ machten sie sich beyde die Rechnung des kuͤnfti- gen/ nur daß jedem die Hoffnung uͤberblieb/ seinen Mañ mit zu fellen. Die Pferde schwit- zeten/ daß der Dampf von ihnen ging/ insonderheit der Amazonin ihres/ als welches das schwaͤcheste wahr; noch muste es zum drittenmahl gewaget seyn; da sie dann nicht allein mit den Speeren/ sondern mit Pferden und Leibern dergestalt aneinander gerieten/ daß Mann und Roß uͤbern Hauffen fiel/ und die Ohmacht beyden nicht weit wahr. Leches uñ Pharnabazus erschraken des Unfals/ und lieffen eilig hinzu/ den ihren zu helffen. Ladisla Pferd ermunterte sich wieder/ uñ stund auff von seinem Herrn/ der sich Buͤgelloß gemacht hatte/ und als ihm Leches den Helm abnam/ daß er frischen Luft bekam/ erhohlete er sich bald wieder. Pharnabazus hatte mit seinen Rittern mehr zu schaffen/ das tode Pferd von Herkules abzuwalzen/ rissen ihm auch den Helm ab/ und vernahmen mit freuden/ daß er ohn Schaden blie ben wahr/ da er sagete: Mich verlanget zu wissen/ wer dieser trefliche Held sey/ der mich Zeit meiner Ritterschaft zu allererst gefellet hat. Ladisla hingegen bekla- gete sich gegen Leches/ daß er vielleicht von einem Weibesbilde muͤste nidergeleget seyn/ und sinnete schon nach/ wie er sie zum Schwertstreit bringen moͤchte; aber er ward dieser Gedanken bald entladen/ dann Herkules hatte sein Angesicht schon erblicket/ deßwegen er mit außgerecketen Armen hin zu ihm lieff/ fiel ihm umb den Hals/ und sagete: O du mein Herzliebster Bruder/ warumb muͤssen wir uns so feindlich angreiffen? ist daß der Dank/ welchen ich meinem getraͤuesten Freunde vor sein eiferiges Nachsuchen schuldig bin? La- disla ward uͤber seines Herkules unvermuhtlicher Gegenwart so voller freuden/ daß er nit bey ihm selber wahr/ kuͤssete ihn etlichemahl und sagete: Verflucht sey das Amazonische Kleid/ welches mich deiner Erkentnis beraubet hat; es wuͤrde mir sonst nicht gefehlet ha- ben/ deines Stechens Art in gedaͤchtnis zu ruffen; aber mein werter Bruder/ hastu auch Schaden genommen? Herkules fragete deßgleichen/ und danketen Gott vor fristung ihrer Gesundheit. Leches machete sich auch zu Herkules/ taht seinen Helm ab/ setzete sich auff ein Knie/ und baht untertaͤhnigst umb verzeihung/ das er sein Speer wieder ihre Durchl. gerichtet haͤtte: Ward aber von ihm auffgerichtet/ und wilkommen geheissen/ neben der Erinnerung/ daß das verzeihung-bitten ein uͤberfluß waͤhre. Weil diese mit einander re- deten/ entbloͤssete Pharnabazus sein Haͤupt/ uñ erzeigete Ladisla grosse Ehre/ als einem Koͤ- nige/ indem er ihm nach tieffer Neigung die Hand kuͤssete/ und sich ungluͤklich schalt/ ihre Hocheit nicht vor dem Reñen erkennet zu haben; hieß ihn sehr wilkom̃en seyn/ und sagete: Q q q q Er Drittes Buch. Er haͤtte nunmehr seinen Wunsch erreichet/ wolte auch Ihrer Durchl. vielleicht zu aller- erst die gute Zeitung von dero Durchleuchtigsten Frl. Schwester bringen/ dz sie wol auf/ in guter Gesundheit und Ehren-sicherheit waͤhre. Mein Herr und grosser Freund/ ant- wortete er; mir kan hoͤhere Gluͤkseligkeit nicht zustossen/ als diesen Tag geschehen ist/ wollen daher der hartẽ Puͤffe vergessen/ damit wir uns gegruͤsset/ weil es aus Unwissenheit ergen- gen/ und bitte sehr/ mich mit uͤberfluͤssiger ganz ungenehmer Ehren-benennung guͤnstig zu- verschonen/ weil ich mich dieser oͤrter nicht anders als einen umschweiffenden Ritter erken- ne; kehrete sich wieder nach seinem Herkules/ kunte sich an seinem anschauen nicht ersaͤtti- gen/ und sagete zu ihm: Mein Bruder; wir haben beyderseits unserer Paduanischen kuꝛ- zen Ergezligkeit scharffe Besalzung in Griechenland eingenommen; aber sage mir/ bitte ich; wahrestu nicht derselbe/ der bey dem Feur mich vom Tode errettete? Ich wahr nicht weit davon/ mein Bruder/ antwortete er/ aber bloß mein Heyland JEsus/ dem ich dich in meinem taͤglichen Gebeht stets befehle/ hat dein Leben dazumahl erhalten/ sonst haͤttestu dem Tode nicht entgehen koͤnnen/ welches ich dir bey besserer gelegenheit erklaͤren wil. So bin ich schuldig/ sagte Ladisla/ deinem kraͤfftigen JEsus/ als meinem wahren Gott und Helffer von herzen davor zudanken. Kein angenehmer Wort hatte Herkules von einigen sterbli- chen Menschen jemahls gehoͤret/ lachete auch vor freuden/ und auff dreyfaches umfahen sa- gete er zu ihm: O mein Bruder/ wie hoch erfreuestu mich durch dieses erbieten! Ist dein Herz von dem wahren Gott schon so weit geruͤhret/ werde ich nun erst anfahen/ dich mei- ner ganzen Liebe teilhafftig zumachen/ welches dein hartnaͤckigter Unglaube mir bißher veꝛ- bohten hat. Hatten nun die anwesende sich uͤber ihren ernstlichen Kampff verwundert/ be- fremdete sie die unverschene inniglichste Freundschafft vielmehr/ und daß der fremde Herr von Pharnabazus so trefflich geehret ward; daß auch der Groß Fuͤrst selbst einen Knaben auf die Renne Bahn schickete/ umb zuvernehmen/ was vor grosse Freude die Amazonin uͤ- ber den fremden Ritter haͤtte. Aber indem dieser hinging/ sagete Fr. Roxane: Ich duͤrffte wetten/ es sey der allerliebsten Fraͤulein Herꝛ Bruder. O ja/ antwortete er/ kein ander ist es. Der Knabe brachte gleich den Bericht: Der fremde Herr hiesse Ladisla. So muß ich ge- stehen/ sagte er darauff/ daß nie vollkommenere Ritter Harnisch gefuͤhret haben; und sind/ ungeachtet ihres hohen Standes wirdig/ daß alle Welt sie ehre und liebe. Die stille aber unter der Ritterschafft wahr so groß/ daß niemand auff ferneres Stechen gedachte; daher zum Abzuge geblasen ward/ und erreichete das Spiel die Endschafft. Die Kleinot/ welche den Uberwindern geordnet wahren/ wurden hervor getragen/ und erkenneten die Richter einhellig/ die Amazonin uñ Ladisla haͤtten den ersten; der Ritter mit der verrenketen Hufft den andern; Pharnabazus und Leches den dritten Preiß verdienet. Weil aber unsere bey- de Helden sich wegerten/ den Dankzuempfahen/ und der beschaͤdigte/ wie fast man nachfra- gete/ sich nicht melden wolte/ musten Pharnabazus und Leches den ersten; zween Medische Ritter/ einer von Ladisla/ der ander von Herkules Hauffen/ den andern; Der Assyrer/ so mit Herkules am ersten stach (weil er nachgehends sich tapffer hielt) und ein Parthischer Ritter/ den dritten Dank annehmen. Nach dieser Austeilung kehrete ein jeder nach seiner Herberge/ ohn daß der Groß Fuͤrst unsern Ladisla mitseiner ganzen Geselschafft auff das Schloß laden ließ/ wovor er sich hoͤchlich bedankete/ stiegen ingesamt zu Pferde/ und ritten in zier- Drittes Buch. in zierlicher Ordnung nach der Stad/ da Ladisla und Herkules im ersten; Pharnabazus und Leches im andern Gliede/ und ihre zwoͤlff Ritter vermenget hinten nach ritten/ dañ deꝛ Groß Fuͤrst wahr mit seiner Geselschafft schon voran gezogen; Im vorder Platze aber des Schlosses empfingen sie Ladisla sehr freundlich/ welcher dem Groß Fuͤrsten und Frauen- zimmer den Handkuß umsonst anboht/ uñ sich sehr bedankete wegen der seiner Frl. Schwe- ster erwiesenen Gunst und Freundschafft/ mit erbieten aller seiner Moͤgligkeit. Der Groß- Fuͤrst entschuldigte sich und die andern ingesamt/ daß wegen Unwissenheit/ sie dem Koͤnigl. Fraͤulein die gebuͤhrliche Ehre und Aufwartung nicht haͤtten leisten koͤnnen/ und baht/ sei- ne Liebe moͤchte hieselbst als auff ihrem eigenen/ gebieten und verbieten. Weil nun hohe zeit wahr/ das Mahl einzunehmen/ fassete ihn der Groß Fuͤrst bey deꝛ Hand/ und fuͤhrete ihn die Stiege hinauf/ da nach abgelegeten Waffen man sich bald zu Tische setzete/ und Ladisla al- lernaͤhest dem Groß Fuͤrsten; Herkules zwischen der Groß Fuͤrstin und Frl. Barsenen die Stelle gegeben ward. Die zwoͤlff Ritter stelleten sich zudienen vor den Tisch/ wurden aber in das Neben Gemach gefuͤhret/ und daselbst wol bewirtet. Bey wehrender Mahlzeit ward mehrenteils von dem Fraͤulein gesprachet/ uñ als Pharnabazus die eheliche Versprechung Koͤniges Artabanus erzaͤhlete; gab Ladisla zur Antwort: Man wird nicht leicht jemand finden/ der solche anschnliche Schwaͤgerschafft ausschlagen solte/ wiewol ich viel eines an- dern Sinnes bin/ weil dieser Koͤnig mir zu schwer seyn wuͤrde. Die Groß Fuͤrstin meynete nicht/ daß Herkules Liebe seinem Ladisla solte verborgen seyn/ und antwortete ihm: Ich zweifele nicht/ als lange Fuͤrst Herkules lebet/ werde Eure Liebe sich dieser Schwaͤgerschaft nicht zubefahren haben/ angesehen der uͤber grossen Traͤue und Liebe/ damit diese beyden ein- ander zugetahn sind; wie dann dem allerliebsten Fraͤulein unmoͤglich wahr/ ihre Liebe zu- vertuschen/ auch in ihrer Mannes-verstellung/ wie dessen dieses Teutsche Lied/ welches sie etliche mahlsang/ und von unserer keinem verstanden wird/ ohn zweifel Kundschafft giebet/ massen der Nahme Herkules darin enthalten ist; es war aber dasselbe/ welches droben am 606ten Blade gesetzet ist/ und sie Ladisla zulesen reichete. Herkules wuͤnschete/ daß sie mit dieser Offenherzigkeit haͤtte inne gehalten; hingegen freuete Ladisla sich hoͤchlich/ und ant- wortete nach des Gesanges Verlesung: Ich versehe mich zu Gott/ er werde meiner Frl. Schwester ein wirdiges Gemahl bescheren/ und wird sie von meiner Fr. Mutter und von mir niemand lieber gegoͤnnet seyn/ als dem ich sie/ ehe er sie gesehen/ in meinem Herzen zu- gefreyet habe. Herkules sagete zu der Groß Fuͤrstin: Es muß meine Frl. Wase ein uͤberaus grosses Vertrauen auf Ihre Durchl. gesetzet haben/ daß sie unsere Heimligkeit derselben offenbahret/ welche sie ihrer leiblichen Fr. Mutter uñ ihrem einigen H. Bruder verschwie- gen. Sie ist auch hieselbst so ausschlaͤgern nicht gewesen/ antwortete die Groß Fuͤrstin/ und hat solches erst zu Charas meinem Gemahl und wenig anderen vertrauetẽ Freunden kund getahn. Herkules fragete seinen Freund/ wie er den jungen Fabius bereden moͤgen/ nach Padua wieder umzukehren/ da er schon biß in Griechenland mit fortgezogen waͤhre. Wor- auf er gar traurig antwortete: Ebẽ diß ist mein groͤstes Ungluͤk/ welches mir auf dieser gan- zen Reise zugestossen/ daß ich ihn in einem Walde verlohren/ und sider dem keine Zeitung von ihm einzihen koͤnnen. Eꝛzaͤhlete darauf allen Verlauff/ uñ gab ihm Herkules den Trost/ er wuͤrde sich wieder finden. Die Groß Fuͤrstin stellete nach der Malzeit ein herliches Sei- Q q q q ij ten- Drittes Buch. tenspiel an/ da sie endlich selbst die Harffe zur Hand nam/ und ihr erwaͤhletes Leib-stuͤk am 607den Blade gesetzet/ mit anmuhtiger Stimme sang/ auch nachgehends berichtete/ ihr Bruder haͤtte es aus der Fraͤulein Teutschem/ durch Huͤlffe der Lateinischen Sprache/ ins Medische uͤbersetzet. Sie reichete darauf Herkules die Harffe hin/ welche er sehr wol spie- lete/ daher er ihr solches nicht versagen durffte: Weil es dann dazumahl umb die Zeit waꝛ/ daß die Geburt Gedaͤchtniß des lieben Jesuleins von den Christen gefeyret ward/ uñ er voꝛ wenig Tagen ein Danklied darauff gesetzet hatte/ ließ er ihm sein Buch hohlen/ spielete und sang dasselbe mit hoher Stimme/ welches also lautete: Christliches Dank-Lied/ Vor die heilsame Geburt unsers lieben Jesuleins. 1 S O bistu nun/ du werter Gast Eins kommen/ hast an dich gefasst Mein schwaches Fleisch/ bist sterblich worden; Hast Gottes ungemaͤßnen Pracht Dem Erden-Staube gleich gemacht/ Und trittest in der Menschen Orden? 2 Du/ welchen schon im Paradeiß Der erste Mensch zunennen weiß/ Du Schlangen-Treter/ biß wilkommen; Du Weibes-Saamen/ und doch Gott/ Du Hellen-Stuͤrmer/ Todes Tod/ Du starke Hoffnung aller Frommen. 3 Wilkommen/ O du grosser Held/ Der du die Grundverderdte Welt Wilt mit dem hoͤchsten Segen laben; Wilkommen du gewuͤnschtes Heil/ Nach dem die Vaͤter alleweil Von Herzengrund geseuffzet haben. 4 Nun ist der Jakobs-Stern bereit Zu dieser angenehmen Zeit Der ganzen Welt zum Trost erschienen. Der andre Moses predigt schon Das suͤsse Wort/ den Gnaden-Lohn; Des Herren Zweiglein siht man gruͤnen. 5 Der Jungfern Soͤhnlein ist nun hier/ Immanuel/ woruͤber wir Vor grosser Herzensfreude lachen; Der Gott und Mensch/ der Wunder-Mann/ Das grosse Liecht/ das alles kan/ Auch Finsternissen/ helle machen. 6 Der Sohn/ der schon so lange Jahr Uns duͤrfftigen versprochen wahr/ Und uns zum Heyland auserkohren; Der Frieden Fuͤrst/ Krafft/ Held und Raht/ Das Reiß/ das Jessen Wurzel hat Gezeuget/ ist Gott Lob gebohren. 7 Der Heyden Trost/ des Teufels Leid/ Die Sonne der Gerechtigkeit Bescheinet nun den Kreiß der Erden; Der Braͤutigam sucht seine Braut/ Die er ihm ewig hat vertraut/ Und laͤst sie nicht geschaͤndet werden. 8 O allerliebstes Jesulein/ So wiltu nun mein Bruder seyn/ Und laͤssest dich ein Kind gebaͤhren? Koͤmst her zu mir/ verlaͤsst die Krohn Des Himmels/ wirst ein Menschen Sohn/ Und tauschest Kot vor Pracht und Ehren? 9 Du grosser Herscher/ Herr der Welt/ Wie daß dir Mensch zu seyn gefaͤlt? Wie daß dir unser Fleisch behaget? Ist nicht der Sternen Zelt dein Sitz? Bistu nicht/ der den hellen Blitz Abscheust/ davor die Welt verzaget? 10 Bistu nicht/ dessen starke Hand Des Donner Knalles schnellen Brand So schreklich loßzubrennen pfleget? Bistu nicht/ der das weite Rund Des Himmels/ und der Erden Grund Gewoͤlbet hat/ und fest geleget? 11 Und koͤmst zu mir in diese Quaal/ Nur daß du mir den schoͤnen Saal Magst/ deiner Herligkeit/ erwerben? Ja wirst ein Kind/ arm/ klein und bloß/ Damit ich wuͤrde reich und groß/ Und nicht moͤcht’ ewiglich verderben. 12 Wie duͤnket dich der Stall so fein/ Du allerschoͤnstes Jesulein/ Da Ochs und Esel dich beschreihen? Wie daß du in der Krippen liegst/ Und dich so eng’ inander schmiegst? Wie kan dich Stroh und Heu erfreuen? 13 Ach Drittes Buch. 13 Ach freylich hab ich diese Noht Dir angetahn/ und Kreuzes Tod/ Durch meine Schuld und schwere Suͤnden; Ich bin/ der sich durch Missetaht So hefftig grob vergangen hat/ Und du must dessen Straff’ empfinden? 14 Du bist mein Schutz/ ich schmaͤhe dich/ Ich bin dein Feind/ du liebest mich; Du bist ein Gott/ und must doch buͤssen? Ich bin ein Stank und Ungehtur; Und du erkaͤuffest mich so teur/ Daß auch dein Blut muß von dir fliessen? 15 Mein Helffer! Guͤter hab ich nicht/ Damit ich meiner Schuld und Pflicht Nach Wirdigkeit mich kan entheben; Drumb wil ich dir mein Herz und Sinn/ Und alles was ich sonsten bin/ Zur eignen Knechtschafft uͤbergeben. 16 Doch ist es leider viel zu schlim/ Erwecket leichter Gottes Grim/ Als daß es vor ihm koͤnte nuͤtzen. Mein Gott! mit deiner Reinigkeit/ Die dir beywohnet jederzeit/ Wil ich mein schlimmes tuhn beschuͤtzen. 17 Du hast/ was ich nicht leisten kan/ O JEsus Christ vor mich getahn; Dein Ungemach/ die tieffen Wunden; Dein Leiden/ Schmach/ Angst/ Kreuz und Tod/ Die haben aller Pein und Noht Mich armen Suͤnder schon entbunden. 18 Hier stek ich meines Lebens Ziel/ Ein ander suche was er wil; Mich sol kein irdisches verleiten; Du JEsus bist mein Einig-all/ Den meiner Lippen Ruhm und Schall Besingen sol zu allen Zeiten. 19 Du hast mich wieder frey gemacht/ Mir Leben/ Heil und Wollust bracht/ Und aus der Helle mich gerissen; Du JEsus bist mein Loͤse Geld/ Auff daß ich auch des Himmels Zelt Und deiner Freude mag geniessen. 20 So laß doch diesen schlechten Schall/ Gott hochgelobet uͤberall/ Biß hin zu deinen Ohren gehen/ Und daß ich mit der frommen Schaar/ Nach dieser Truͤbsal und Gefahr Mag deiner Gnaden-Antliz sehen. Ladisla hoͤrete den Worten/ die uͤbrigen nur der Weise zu/ und weil ers in Teutscher Spra- che sang/ meyneten sie/ es wuͤrde seinem Fraͤulein zu Ehren angestimmet seyn/ daß auch die Groß Fuͤrstin sagete: Durchl. Fuͤrst/ ob gleich mein Wunsch keinen Nachdruk hat/ daß eu- rer Liebe vertrautes Fraͤulein moͤchte gegenwaͤrtig seyn/ gelebe ich doch der Zuversicht/ sie werden einander bald sehen und sprechen. Das verleihe uns Gott/ antwortete er/ und der- selbe gebe/ daß ich sie ihrer hoͤchstbetruͤbten Fr. Mutter bald zufuͤhren moͤge. Es ging noch mannicherley Gespraͤch unter ihnen vor/ da die Groß Fuͤrstin unterschiedliche Fragen an unsere Helden/ sie zuerlustigen/ abgehen ließ; Wie lange es waͤhre/ daß das Herrlein Her- kules die jungen Woͤlffe aus dem Neste gehohlet/ und seinen Ladisla nicht mitnehmen wol- len? Wie lange es waͤhre/ daß Ladisla sich von seineꝛ Fr. Mutter haͤtte krank nach Teutsch- land fuͤhren lassen/ umb/ seinen Herkules zusehen? Was Herkules gedacht/ da sein Ladisla ihm seine Eltern in ihrem Schlosse mit seinen eigenen Untertahnen belagert? Ob Herku- les mehr Kuͤhnheit in seinem Herzen empfunden/ da er nacket mit dem grimmigen Panno- nier gestritten; oder mehr Schahm/ da ihm sein Fraͤulein das Blut vom Leibe helffen ab- waschen/ und was der Fragen mehr wahren/ deren sich die unsern nicht gnug verwundeꝛn kunten/ und doch leicht gedachten/ das Fraͤulein muͤste ihren ganzẽ Lebenslauff erzaͤhlet ha- ben. Der gleichen Unterredungen trieben sie/ biß der spaͤte Abend sie nach Bette führete/ da Herkules bey seinem Ladisla auff einem Lager schlief. Als sie des Morgens erwacheten/ be- gehrete Ladisla zuwissen/ wie dañ sein JEsus ihn in Griechenland vom Tode errettet haͤtte. Herkules gedachte/ jezt waͤhre es Zeit/ ihn nach moͤgligkeit zubewaͤgen; erzaͤhlete ihm/ was Q q q q iij vor Drittes Buch. vor ein Gesichte er gehabt/ ehe ihn Klodius angetroffen haͤtte. Was? fiel ihm Ladisla in die Rede/ ist dann Klodius bey dir gewesen? Ja freilich/ antwortete er/ aber er hat neben Markus mir aͤidlich verheissen muͤssen/ es keinem Menschen zuoffenbahren/ daher du ihnẽ solches nicht verargen wirst. Und also wirstu nun erkennen/ fuhr er fort/ daß mein Gott und Heyland mich zu deiner Rettung in Griechenland auffgehalten/ dem ich auch dazu- mahl angelobet/ allen moͤglichen Fleiß anzuwenden/ daß du zum Christentuhm gebracht werdest. Nun mein Bruder/ so erkenne doch Gottes Guͤte; ja erkenne dich selber auch/ und laß dich des boͤsen Feindes Stricke weiter nicht binden. Ach glaͤube mir/ wann ich meines Glaubens nicht so gewiß waͤhre/ wolte ich dieses so eiferig nicht bey dir treiben; so suche ich ja auch nicht meinen Vortel/ sondern bloß allein deine Wolfahrt/ deren du dich bey der hoͤchsten Warheit/ und so gewiß Gott lebet/ berauben wirst/ wo du nicht wirst meinen Hey- land annehmen/ und ihn vor deinen Erloͤser halten. Hierauff fing Herkules dieses Gebet an zu Gott/ und sagete: Du barmherziger Herr/ du Vater meines lieben HErrn JEsus Christ; ach ach! erbarme dich uͤber diesen meinen Freund/ geuß ihm den Heiligen Geist ins Herz/ welcher den halstarrigen Unglauben hinweg nehmen/ und ihn zu dir zihen moͤge/ damit er des teuren verdienstes unsers Heylandes faͤhig werden/ und ewig geniessen moͤge. Zeit dieses Gebehts drungen ihm mehr Traͤhnen aus den Augen/ als Worte aus dem Munde; welches Ladisla nicht ohn bewaͤgung wahr nehmend/ zu ihm sagete: Hoͤre auff lieber Bruder/ dich uͤber meiner ehe- mahligen Halsstarrigkeit zubetruͤben; dein Gott hat mich so maͤchtig geruͤhret/ beydes durch deine jezige Vermahnung und gestriges andaͤchtiges Danklied/ das mein Herz nit anders begehret/ als in deinem Glauben forthin zu leben und zu sterben; hoffe auch/ dein lieber HErr JEsus Christ werde mir die Gnaden-tuͤhr nicht versperꝛen/ welche er dir ge- oͤfnet hat; nur unterrichte mich/ was ich nach diesem glaͤuben/ und wie ich mein Leben an- stellen muͤsse; dann deine mir zu Rom getahne Erinnerung hat nicht haften koͤnnen/ weil des wahꝛen Gottes ich mich selbst unwirdig machete. Dank sey dir mein Heyland/ sagte Herkules/ vor diese deine unaußsprechliche Guͤte/ und befodere diß Werk/ welches du an- gefangen hast/ dañ es ist nicht mein/ sondern dein Werk; umbfing ihn hernach und sagete: O du mein wahrer und einiger Freund; lobe ja Gott mit mir vor diese gnaͤdige Erleuch- tung/ und befestige dein Herz/ daß du bey der einmahl erkanten Warheit bestaͤndig verhar- rest/ und keine Wiederwertigkeit noch Furcht/ noch Wollust dich davon abwenden lassest. Fing darauff an/ ihm den algemeinen Christlichen Apostolischen Glauben vorzu behten/ welchen er mit feuriger Andacht nach sprach/ und ihn als bald außwendig lernete; hernach von ihm selbst das heilige Vater Unser behtete/ welches Herkules wunder nam/ ihn fra- gend/ wer ihn solches gelehret haͤtte. Wer sonstẽ/ antwortete er/ als du selber? massen ichs so oft von dir gehoͤret/ und weil mirs sonderlich wolgefallen/ habe ichs sider deinem abwe- sen/ auch noch ehe ich in das Griechische Ungluͤk geriet/ taͤglich gesprochen/ unter dieser Hoffnung/ der wahre Gott/ wer er auch waͤhre/ wuͤrde es von mir annehmen; muß auch gestehen/ daß mirs oft grossen Trost in mein Herz gegossen. Du hast wol getahn/ antwor- tete Herkules/ daß du des wahren Gottes hast begehret/ zweiffele auch nicht/ derselbe habe solches an dir geliebet/ und dein Herz algemach zu sich gezogen. Darauff erzaͤhlete er ihm/ wie er zu Jerusalem in seinem Glauben so treflich gestaͤrket waͤhre/ und daselbst die heilige Tauffe Drittes Buch. Tauffe empfangen/ daß auch der Roͤmische Stathalter daselbst/ Herr Pompejus/ mit sei- nem Gemahl und Frl. Tochter das Christentuhm angenommen; auch was sonsten sich daselbst begeben haͤtte. Hernach stunden sie von ihrem Lager froͤlich auff/ und legeten ihre Kleider an/ die von aͤdlen Steinen schimmerten. Weil dann Leches ihnen andeutete/ daß der Groß Fuͤrst mit den seinen schon im Gastsaal waͤhre/ gingen sie zu ihnen hinein/ und wurden freundlich empfangen/ auch zur Morgen Suppe gefuͤhret/ weil man dem Stechen etwas zeitiger den Anfang geben wolte. Ladisla foderte seine sechs Ritter in gegenwart aller vor sich/ sagete ihnen Dank wegen ihres ritterlichen Beystandes/ und schenkete jedem einen Ring von 200 Kronen. Weil auch unsere beyde Helden heut nicht stechen wolten/ erklaͤreten sich Pharnabazus und Leches deßgleichen. Der Groß Fuͤrst ließ etliche Gut- schen anspannen/ und als er vernam/ daß die unseren zu Pferde hinaus wolten/ muste man vor ihn und Arbianes auch satteln. Nun hatte Herkules des vorigen Abends vernom̃en/ wie artig Herkuliskus das unbendige Pferd beritten/ und bekam grosse Lust/ es zu pruͤfen/ insonderheit/ als er hoͤrete/ daß sider ihrem abwesen es vorige Wildheit wieder angenom- men haͤtte. Weil ihm dann solches gerne gegoͤnnet wahr/ ging er selber in den Marstal/ redete dem Pferde freundlich zu/ und stellete sich neben dasselbe; da stund es so stille wie ein Lamb/ ließ sich auch von ihm das Gebiß antuhn/ und den Sattel aufflegen. Arbianes sahe es mit verwunderung an/ lieff geschwinde hin/ und taht es der Geselschafft zu wissen/ wel- che hervor traten/ und ihm zusahen/ wie er den aͤdlen Blaͤnken am Zuͤgel aus dem Stalle leitete/ der sich zwar uͤberaus muhtig/ aber so gehorsam bezeigete/ als haͤtte er seinen Sinn eigentlich gewust. Herkules schwang sich leichtfertig hinauff/ und tummelte ihn so artig/ daß Phraortes uͤber laut sagete; es muͤste ohnzweiffel der Teutsche Fuͤrsten Stand allen Adel der Welt uͤbergehen/ daß auch die unvernuͤnftigen Tihre es merken koͤnten. Weil er dann aus Herkules Reden spuͤrete/ daß ihm das Pferd sehr wol gefiel/ sagete er zu ihm; Wann er wissen solte/ daß er so ein schlechtes Geschenk nicht außschlagen/ und wegen der treflichen Fraͤulein es vor sein Leibroß gebrauchen wolte/ haͤtte er zu bitten/ es davor anzu- nehmen. Welches Geschenkes er sich hoͤchlich bedankete/ ihn versichernd/ daß es ihm lie- ber als so schwer Gold waͤhre. Ladisla kunte seinen Hengst wegen des gestrigen falles nicht reiten/ daher er auff Erlaͤubniß einen grossen Lichtschimmel aus des GFuͤrsten Leibrossen waͤhlete/ welchen er mit schoͤnem Zeuge/ seinen Kleidern Gemaͤß/ außputzen ließ. Im hin- aus zihen ritte Ladisla dem Groß Fuͤrsten zur Rechten/ und Herkules zur Linken. Arbianes aber ward von Pharnabazus und Leches begleitet/ worauff zehn Gutschen mit Frauen- zimmer folgeten/ hinter denen Mazeus und andere Medische Herren ritten. Jederman sahe unsere Helden mit verwunderung an/ und kunten nicht ausfinnen/ was vor grosse Herren/ und aus was Landschaft sie seyn moͤchten/ weil es von ihnen sehr heimlich gehal- ten ward. Doch Urteileten sie ingesamt/ es würden die gestrige Best-stecher seyn. Auff der Schaubuͤhne nam der GFuͤrst und sein Gemahl die vorige Stelle ein/ und wahren zween Stuͤele gleicher Hoͤhe und Zierde mit jenen/ gesetzet/ auff welche sich unsere Helden nider- lassen musten/ da Herkules auff Ladisla emsiges noͤhtigen/ den naͤhesten Siz bey der Groß- Fuͤrstin nam/ weil er Lust haͤtte bey Fuͤrst Arbianes zu bleiben/ und mit dessen Liebe bessere Kundschaft zu machen. Die versamlete Ritterschaft verstund nicht ungerne/ dz die frem- de Drittes Buch. de Herren nicht mit stechen wuͤrden/ dann keiner hatte Hoffnung/ ihnen anzugewinnen/ ohn ein ansehnlicher Herr/ in einem ganz verguͤldeten Harnische mit schwarzen eingeetze- ten Blumen/ und sehr praͤchtig gezieret/ der von zwoͤlff herlichen Rittern begleitet ward. Dieser nam Herkules vorigen Plaz ein/ und als er unsere Helden auff der Schaubuͤhne sahe/ ritte er selb dritte wieder aus den Schranken. Es gab ein sonderliches auffsehen/ uñ gedachte der mehrerteil/ ihm waͤhre eine Schwacheit zugestossen; Aber Herkules sagete zu Ladisla; irre ich nicht/ so ist es eben der gewaltige Ritter/ der sich gestern an uns beyden versuchete/ und weil er gestern mit niemand/ als uns beyden/ stechen wolte/ wil er sich heu- te gar enthalten/ nachdem er uns nicht findet. Bald fiel ihm ein/ dz er ihm noch einen Rit auff heut versprochen hatte/ und baht den GFuͤrsten/ ihm eine kurze Rede an die Ritter- schaft zu erlaͤuben/ da er stehend also anfing: Hoch- und wolgebohrne Herren und saͤmtli- che hochloͤbliche Ritterschaft; ich erinnere mich gleich jezt einer Zusage/ die mir bey mei- nem Gewissen entfallen wahr/ da ich nehmlich dem gestrigen lobwirdigen Ritter auff sein freundliches anhalten heut ein oder etliche Ritte versprochen; nun koͤnte ich mich meines nicht-stellens halbẽ damit wol entschuldigen/ daß ich ihn wegen des lezten Treffens schad- haft gesehen; jedoch/ dafern demselben gefaͤllig seyn moͤchte/ vor sich selbst/ oder durch ei- nen gevolmaͤchtigten es zu leisten/ bitte ich dienstlich/ mich meines außbleibens nicht zu verdenken/ und seine Anwesenheit mich wissen zu lassen. Niemand wahr zugegen der ge- antwortet haͤtte/ ob er gleich eine Zeitlang stehen blieb/ setzete sich deßwegen nieder/ und be- fahl Gallus/ ihm seine Waffen zu hohlen. Ladisla ließ die seinen mit bringen/ dañ sie sahen/ daß wie zween Ritter den Anfang zum Stechen macheten/ einer von der zwoͤlffen Zahl sich heimlich aus den Schranken hinweg stahl/ der ohn zweiffel dem entwichenẽ Zeitung brin- gen wolte. Also legeten sie ihre Waffen an/ wie auch Pharnabazus und Leches/ und setze- ten sich auff die Bahn/ woselbst Ladisla des vorigen Tages gehalten hatte. Nicht lange hernach sahen sie einen selb sechse herzu rennen/ welche doch/ verdacht zu meiden/ sich nicht zu den ersten verfuͤgeten; ihr Fuͤhrer aber schickete bald darauff einen ab an Herkules/ der ihn also anredete: Treflicher Mannfester Ritter/ naͤhest anmeldung seiner Dienste und Grusses laͤsset euch der gestrige Ritter/ dem die Gurt zubrach/ freundlich anzeigen/ es sey ihm vorerst eine hohe Freude gewest/ dz er in erfahrung gebracht/ wie ihr nur der Durchl. Groß Fuͤrstin zu ehren und Dienste gestriges Tages das Amazonische Kleid angeleget/ entschuldiget sich seines aussenbleibens/ wegen des verrenketẽ Schenkels/ und erbeut sich zu allen moͤglichen Freundschaft-diensten; damit aber eure vortreffligkeit alhier sein nicht vergeblich warten moͤchte/ hat sein Geselle sich an seinen Plaz gesetzet/ welcher dann umb den versprochenen Rit freundlich ansuchet/ und hingegen sich aͤusserst verbindet. Mein Herr/ antwortete er/ die trefliche Mannheit eures Herrn oder Freundes zu ruͤhmen/ habe ich satte Ursach; bedanke mich des Grusses und erbietens dienstlich/ mit Wunsch/ dereins demselben dienen zu koͤnnen/ und seiner hochwerten Kundschaft zu geniessen. Dem Ansu- chen seines wirdigen Gesellen gebe ich billich stat/ und bin zu aller Wilfahrung bereit. Als der Ritter diese Antwort vernam/ wunderte ihn nicht weniger seiner Freundligkeit als staͤrke/ und schickete sich auff das instehende Treffen. Herkules uͤbersahe auch nichts/ ohn daß er zweiffele/ ob sein Blaͤnke sich in den Handel schicken wuͤrde/ welcher anfing mit den Fuͤs- Drittes Buch. Fuͤssen zukratzen und zu wrinschen/ auch sich forne zuerheben/ daß die anwesende es mit Lust ansahen. So bald Herkules einlegete/ flohe es wie ein Pfeil von der Sehne/ die Bahn hin/ und ward sein Gegener dergestalt getroffen/ daß ihm das Gesichte verging/ und an seines Pferdes Maͤhne sich halten muste. Die Speer gingen beyderseits zutruͤmmern/ und wel- ches das aͤrgeste wahr/ sprang der Blaͤnke dem andern Pferde auff den Hals/ und risse es mit den Zaͤhnen zu bodem/ daß es mit samt seinem Reuter dahin fiel; woruͤber Ladisla sich hoch erfreuete; aber Herkules wahr mit dieser Wuht nicht zufrieden/ weil es ein Schimpf- Spiel seyn solte/ kunte doch das Pferd weder mit Gewalt noch Kunst abhalten/ sondern muste ihm sein rasen goͤnnen/ da nach begangener Taht es sich umsahe/ ob noch einer oder ander verhanden waͤhre/ der sich an ihm reiben wolte. Der gefellete Ritter wahr des ge- doppeltẽ Schimpffs zornig/ ob er gleich keinen Schaden nam/ welches Herkules merkend/ abstieg/ zu ihm trat/ und mit offenem Helme ihn also anredete: Trefflicher Ritter/ meines Pferdes rasen ist mir sehr leid/ weiß auch/ daß sichs nicht ziemet/ dergleichen auff Schimpf- Spiele zuführen. Nun ist aber der Him̃el mein Zeuge/ da ich dessen die allergeringste Wis- senschafft nicht gehabt/ nach dem ichs heut zuerst gesehen/ und von meinem Gn. Groß Für- sten mir geschenket ist; bitte demnach dienstlich/ mir dieses nicht zuzuschreiben/ noch daher einen Widerwillen auff mich zulegen. Der Ritter nam diese Entschuldigung an/ und ant- wortete: Es ist wahr/ trefflicher Ritter/ daß man solche Pferde auff Schimpff-Streiten nicht gebrauchen sol/ werde auch so unhoͤflich nicht seyn/ ihn darumb anzufeinden/ weil kein Vorsatz darunter stecket; aber seyd gebehten/ und goͤnnet mir noch einen oder etliche Ritte/ da es euch nicht zuwider ist. Er bedankete sich der Verzeihung/ und wahr ihm im übrigen gerne zu dienste; kehrete sich auch zu Leches/ ihm sein Pferd zuleihen/ welcher geschwinde ab- stieg/ und ihn auffsitzen ließ/ wolte nachgehends den Blaͤnken beym Zuͤgel fortleiten/ der ihm aber dergestalt zusetzete/ daß er ihm weichen muste/ biß die Stallknechte herzu lieffen/ und es aus den Schranken trieben. Inzwischen hatten die Kaͤmpffer sich fertig gemacht/ inson- derheit der fremde; da sie dann eiferig traffen/ und dieser zimlich auff die Weichseite kam/ brachte doch den Lauff zum ende/ und begehrete des dritten Treffens/ in welchem Herkules ohn einiges wanken/ ihn der gestalt herunter warff/ dz jederman meynete/ er haͤtte das Herz im Leibe zubrochen/ lag auch als unempfindlich/ und ward von den seinen auf ein Pferd ge- hoben/ und weggefuͤhret/ da er vol unmuhts wahr/ daß er sich schlimmer als des vorigen Tages gehalten hatte/ machete sich auch mitseiner Gesellschaft davon/ daß niemand erfah- ren kunte/ wer er wahr/ und wohin er sich begab. Herkules wolte auch nicht laͤnger in den Schranken halten/ und sagete zu Ladisla: Damit gleichwol dieser Ritter sehe/ daß wir un- sere Waaren auch nicht den Bauren feil bieten/ deucht mich das beste seyn/ wir lassen den andern Raum/ ihre uͤbung fortzusetzen; Als sie aber im Abzuge begriffen wahren/ machete sich ein unansehnlicher doch festgesezter Ritter hervor/ und sagte zu Ladisla: Mein Herr/ ich zweifele nicht/ ihm geschehe ein sonderlicher Dienst/ da ihm gelegenheit gegeben wird/ ein Speer zubrechen/ auff welchen fall ich mich darbiete/ wo ich dessen wirdig bin. Es hatte dieser schon desselben Tages fuͤnff ansehnliche Ritter nidergelegt/ welches Ladisla nicht un- bewust wahr/ daher er ihm zur Antwort gab: Seine schon erwiesene Mannheit haͤtte ihm wolgefallen/ bedankete sich des erbietens/ und moͤchte sich nur alsbald auff die Bahn stellẽ. R r r r Sie Drittes Buch. Sie traffen beyde gewaltig auff einander/ daß die Speere in die Lufft flogen/ hielten aber zu beyden teilen redlich aus; foderten andere Speere/ und wageten es abermahl/ da der Aus- foderer schier den kuͤrzern gezogen haͤtte/ jedoch sich des Falles noch enthielt. Ladisla meyne- te/ es waͤhre ihm schimpflich/ daß er den dritten Satz halten solte/ in welchem er ihn auch traff/ daß er sich mit samt dem Pferde uͤberwog/ uñ im Falle den rechten Schenkel zubrach; Noch wolte er sich nicht lassen hinweg fuͤhren/ sondern ließ sich im naͤhesten Zelt verbindẽ/ und kehrete wieder in die Schranken/ der Hoffnung/ an dem Preise Teil mit zuhaben. Mit Leches trug sich sonst ein werklicher Zauberposse zu. Es ritte ein kleiner Zwerg zu ihm/ gruͤs- sete ihn mit starker Stimme von seines Herrn wegen/ und zeigete an/ daß er ihn umb ein Treffen ersuchen liesse. Niemand hatte das Zwerglein gesehen in die Schranken reiten/ welchem Leches antwortete: Er waͤhre zu dem ende da/ niemand/ der dessen begehrete/ ab- zuschlagen. Nun dann/ so haltet euch wol/ sagte der Zwerg/ dann es wird euch noͤhtigseyn. Ich wil mein bestes tuhn/ gab er zur Antwort/ ein mehres kan ich weder versprechen noch leisten. Hierauff gedauchte ihn/ es hielte ein erschreklicher Riese gegen ihn/ und winkete mit einem Stangenbaums-dicken Speer; daher er zu Ladisla sagete: Gn. Herr/ ob gleich die- ser Riese mich mit unrittermaͤssigem Gewehr angreiffet/ wil ich ihm dannoch begegnen. Ladisla wolte ihn fragen/ wo dann dieser Riese waͤhre; aber er rante alsbald fort/ zweifelnd/ ob er auch mit dem Leben davon kommen wuͤrde; da inzwischen ein heftiges Gelaͤchter bey- des von den Rittern und Zusehern angefangen ward; dann als Leches vermeynete einen grossen Riesen zutreffen/ bekam er ein Gebuͤndlein Stroh an sein Speer/ womit er dẽ Lauff vollendete/ und annoch nicht anders meynete/ er haͤtte den graͤulichen Riesen zur Erde ge- worffen/ der auff ihn einen Fehlstoß getahn. Hingegen sahen alle anwesende/ daß nur ein Pferd gegen ihn lieff/ auff welchem das Buͤndlein Stroh lag/ welches ein Zaͤuberer zuge- richtet hatte/ den anwesenden ein Gelaͤchter zuerwecken. Nach vollfuͤhretem Ritte sahe Le- ches sich umb/ hoͤrete das lachen/ und ward des Strohs auff seinem Speer innen/ sahe abeꝛ keinen abgestochenen auff der Bahn liegen/ daher er voll Eifer lief/ daß er bey seinen Ehren schwuhr: Koͤnte er den Augenverblender erforschen/ solte er ihm das Leben lassen. Aber La- disla redete ihm ein/ er haͤtte nicht ursach zuzuͤrnen; einem jeden redlichen Ritter koͤnte ein gleichmaͤssiges begegnen/ taͤhte demnach am besten/ daß er mit lachete; welche Erinnerung doch so bald bey ihm nicht hafften wolte/ biß er sich endlich besan/ und da sie wieder auff die Schau Buͤhne gestiegen wahren/ dem Groß Fuͤrsten seinen Strohwisch mit diesen Wor- ten zun Fuͤssen legete: Gnaͤdigster Groß Fuͤrst/ ein boshafter Zaͤuberer hat gemacht/ dz mir dieser Wisch als ein ungeheurer grosser Riese erschienen ist/ daß ich mich auch des Lebens schon erwogen hatte; weil aber ich etwa mit Fisch Augen geschen/ habe ich das auslachen billich davor zu Lohn davon getragen. Er aber troͤstete ihn/ und sagete: Es haͤtte ohn zwei- sel der betriegliche Zaͤuberer sein unerschrockenes Herz erkeñet/ daß er auch mit einem Rie- sen zutreffen sich nicht scheuhete/ wovor ihm billich der Preiß des Stechens zuerkeñet wuͤꝛ- de. Das Spielward noch zimlich angetrieben/ und begaben sich lauter Ungluͤksfaͤlle/ so dz keiner abgestochen ward/ der nit Arm oder Bein zubrochen haͤtte; ja es begunte ein solcher Lermen unter der Ritterschafft zuentstehen/ dz sichs ansehen ließ/ als wolten sie sich in zween Hauffen schlagen/ und einen scharffen Streit anfahen; des wegen Herkules zu dem Groß- Fuͤrsten Drittes Buch. Fuͤrsten sagete: Gewißlich bemuͤhet sich der arge Menschen Feind/ unschuldig Blut zuveꝛ- giessen! Ich weiß selber nicht/ antwortete er/ was ich gedenken sol; ließ den Abzug blasen/ und bey Leib und Lebensstraffe alle Taͤhtligkeit verbieten; wodurch dann im Augenblik al- ler Aufflauff gestillet wahr/ und die Richter mit dem Frauenzimmer zusammen traten/ we- gen Austeilung des Gewins anordnung zumachẽ/ der auf sechs Haͤupter zugerichtet waꝛ. Herkules und Ladisla/ auch der mit jenem gestochen hatte/ wurden ausgesetzet/ und ihnen der Preiß mit einer kurzen Lobrede zugelegt; Darauf sendete man den ersten Dank dem Ritter/ der so manlich mit Ladisla getroffen hatte/ welcher ein Skythischer Herr wahr; den andern wolte man Leches einhaͤndigen/ aber er baht sehr/ das Ziel der Gerechtigkeit nit aus Freundes Neigung zuuͤberschreiten/ damit nicht einer oder ander ursach haͤtte/ darauff zu schimpffen/ daß vor Abstechung eines Strohwisches er diese Belohnung empfangen haͤt- te; welches sie dañ gelten liessen/ wiewol die Großfuͤrstin ihm ein absonderliches Geschenk versprach/ und folgendes Tages einlieferte/ nehmlich ein koͤstliches Halsband auff 2000 Kronen wert; Die uͤbrigen fuͤnff Geschenke wurden den Obsiegern gebuͤhrlich eingerei- chet. Zeit wehrender Austeilung kam ein wolgeputzeter Ritter in vollem Rennen herzu/ stieg bey der Schau Buͤhne ab/ und ließ bey dem Groß Fuͤrsten gebuͤhrlich ansuchen/ ob ihm koͤnte zugelassen seyn/ auff die Schau Buͤhne zutreten; er haͤtte im nahmen und von wegen eines grosses Herrn/ den beyden fremden Rittern etwas vorzutragen. Der Groß Fuͤrst wahr willens/ ihm solches abzuschlagen/ sich neben allen anwesenden befuͤrchtend/ er wuͤrde sie zu einem blutigen Kampff ausfodern sollen; aber weil Herkules umb Einwilligung sehr anhielt/ gab ers zu/ insonderheit/ als er ihn neben Ladisla auffstehen sahe/ hinunter zutreten. Der Abgesante mit halb verschlossenem Helme redete sie beyde also an: Vortreffliche Rit- ter und Herꝛen; mein Gn. Herꝛ/ welcher gestern und heut sich mit euch versuchet/ und seine Meister gefunden hat/ laͤsset euch seine aufrichtige Freundschaft und moͤgliche Liebesdien- ste durch mich anmelden/ und umb Verzeihung bitten/ daß aus hoͤchstwichtigen Ursachen er vor dißmahl unerkeñet davon reiten muß/ moͤchte von herzen gerne eurer beyder Stand und Nahmen wissen; erbeut sich/ auf euer begehren/ solches vor jedermaͤnniglich zuver- schweigen/ und wil zu gelegener Zeit sich ihnen gerne kund geben; hat mir sonst diese beyde Ringe zugestellet/ Eurer Gn. Gn. solche als ein Pfand seiner Ergebenheit einzuliefern. Al- le anwesende wurden hiedurch hoͤchlich erfreuet/ und nahmen unsere Helden die Ringe mit ernsthaffter Hoͤfligkeit zu sich/ deren jeder auf 8000 Kronen geschaͤtzet ward/ dabey Herku- les diese Antwort gab: Herr Ritter; mein Freund hie zugegen und ich/ haben ursach zube- kennen/ daß euer Herꝛ so wol an Mannheit als Hoͤfligkeit ganz vortrefflich und vollkom- men ist/ gegen den wir auch wider unsern willen uns gebrauchet haben/ halten gaͤnzlich da- vor/ es sey an unser Seite ergangen/ wie den Spielern/ die wegen des Mit Spielers bewil- ligung mit schlimmer Karte und wenig Augen gewinnen/ und gestehen gerne/ daß zeit un- sers Lebens wir von keinem Ritter haͤrtere Puͤffe/ als von ihm eingenommen. Daß er in Vertrauen unsers Standes gerne wil berichtet seyn/ rechnen wir vor eine sonderliche Eh- re/ und wolle er seinem Herꝛn unter solchem Vertrauen andeuten/ daß wir um unser Wol- fahrt willen/ die niemand schaͤdlich/ als schweiffende Ritter umher zihen/ auch nahe Blut- freunde sind/ und uns ohngefehr hieselbst angetroffen; Mein Geselle ist ein herschender Koͤ- R r r r ij nig Drittes Buch. nig in weit abgelegenen Nordwestischen Laͤndern/ und ich ein gebohrner Groß Fuͤrst der Teutschen; Dieser heisset Ladisla/ und ich Herkules. Die eingereicheten koͤstlichen Ringe nehmen wir mit gebuͤhrendem Danke an/ und bitten/ mein Herꝛ wolle seinem Herꝛn diese beyde Ringe (welche sie von ihren Fingern zogen/ und nicht minder koͤstlich wahren) hin- wiederumb zur gleichmaͤssigen bezeugung unsers ihm ergebenen Herzens und Willens/ uͤ- berliefern/ nebest dem aufrichtigen erbieten/ daß da wir dereins so gluͤkselig seyn weꝛden/ die- sen vortrefflichen Herꝛn zu erkeñen/ wir nicht unterlassen wollen/ unfere gegenwaͤrtige Auf- wartung ihm willig zuleisten. Der Ritter bedankete sich des hohen erbietens/ und sagete: Wie hoch werde ich meinen Gn. Herꝛn erfreuen/ wann er vernehmen wird/ daß Eure Durchll. eben dieselben sind/ welche er selbst gewuͤnschet/ als die in Italien ihnen einen sol- chen Nahmen erworben/ welcher durch die ganze Welt fleuget. Wir sind seiner Durchl. eures Herꝛn Diener/ sagte Ladisla/ und werden stets auf unsere Gluͤkseligkeit hoffen/ eures und unsers Herꝛn Kundschaft zuerlangen. Dieser ritte in schneller eile davon/ und verließ allen anwesenden nicht geringe Verwunderung; man kunte aber in keiner Herberge er- fahren/ wer er seyn moͤchte/ wiewol der Groß Fuͤrst und Pharnabazus es eigentlich errietẽ; doch weil sie sahen/ dz jener noch zur Zeit ungemeldet seyn wolte/ sich dessen gegen niemand merken liessen. Sie ritten wieder nach der Stad/ da Herkules Pferd sich uͤber aus freudig erzeigete/ daß er unverhohlen sagete: Es waͤhre ihm sein Blaͤnke lieber als eine Grafschaft/ wolte auch kein Geld sparen/ wann er seines gleichen wuͤste vor Ladisla zubekommen. Bey der Mahlzeit suchete Herkules gelegenheit nachzufragen/ was und wie mancherley Glau- ben und Gottesdienst in diesen Morgenlaͤndern uͤblich und zugelassen waͤhre; dessen ihn Pharnabazus den besten Bericht geben kunte/ der ihm dann anzeigete/ es waͤhre durchge- hend der Persische Gottesdienst der gebraͤuchlichste/ da man den uhralten Griechischen Glauben fest behielte/ und die naͤrrischen Tichtereyen der jetzigen Griechen und Roͤmer verlachete/ welche ihnen Goͤtter traͤumen liessen/ die von Menschen gebohren und erzeuget sind/ denen sie Kirchen und Klausen aufrichteten/ auch wol Bilder schnitzeten/ ob waͤre bey denselben eine sonderliche Krafft zuhelffen; diesen kindischen Wahn/ sagete er/ koͤnnen wir uns nicht einbilden lassen/ sondern sind von unsern Vorfahren gelehret/ unsere Goͤtter un- ter demfreyen Himmel und auf den Gipfeln der Berge zuverehren; Unser hoͤchster Gott ist Jupiter/ durch welchen wir die hoͤchste Krafft/ die alles erhaͤlt/ verstehen; hernach haben wir andere Goͤtter/ diesem algemeinen Gott unter geben/ als da sind/ Sonne/ Monde/ Feur/ Erde/ Wasser/ Winde; denẽ unsere andaͤchtige Opffer zuverꝛichten/ haben wir von unsern Vorfahren gelernet. Jedoch finden sich auch in diesen Landschafften/ wie im Roͤmischen Gebiet/ Juden und Christen/ und zwar in nicht geringer Anzahl; haben doch die Freyheit nicht/ ihren Gottes dienst oͤffentlich zuhalten; und ob gleich diese unter sich stetige Irrungẽ haben/ auch/ wie ich davor halte/ ihres dinges nimmermehr einig werden koͤnnen/ so sind sie doch in Verachtung unser Goͤtter ganz einig/ beschuldigen uns des Aberglaubens/ uñ spre- chen; alles was wir vor Goͤtter ehren/ seyn nur Geschoͤpffe ihres wahren Gottes/ und da- her nicht vor Goͤtter zuachten; worauf dann unsere Gelehrten sehr uͤbel zusprechen sind/ und sich heftig bemuͤhen/ solches vorgeben durch wolgesetzete Vernunftgruͤnde umbzustos- sen/ und unserer Goͤtter Ehre zuschuͤtzen; weil sie aber in dem Hauptgrunde nicht koͤnnen einig Drittes Buch. einig werden/ auff welchem der aͤusserste Beweißtuhm hafften muß/ behaͤlt immer ein teil gegen den andern damit er seine Meynung schuͤtzet/ und die widerwertige anficht. Herku- les wolte sich mit ihm in kein Streitgespraͤch einlassen/ sondern fragete/ wie dañ die Christẽ ingemein sich in ihrem Leben uñ Wandel verhielten. Die Juden/ antwortete Pharnaba- zus/ sind uͤberal dem Wucher ergebẽ; essen weder mit Christẽ noch Heiden; Aufrichtigkeit findet sich bey ihnẽ nit; zum gebrauch der Waffen sind sie gar ungeschikt; befleissigẽ sich alleꝛ tuͤckischẽ boßheit/ uñ hoffen auf einen ihres Geschlechts/ der sie aus aller Welt versamlẽ/ uñ in ihr Land wieder fuͤhren solle. Den Christen wird auch viel boͤses nachgesagt/ aber es wil sich dannoch allerdinge nicht finden; einmahl ist gewiß/ daß sie ihrem Gottesdienste fleissig obliegen/ und sich lieber durch allerhand Pein hinrichten lassen/ als daß sie ihren Gott ver- leugnen solten; man hat sich oft bemuͤhet/ diese Lehre zuvertilgen/ aber weil sie durch Ver- folgung nur zunimt/ und sie gleichwol noch keinmahl wieder die Obrigkeit Empoͤrung vor- genommen/ wie die Juden sich wol unterstanden/ laͤsset man sie hingehen. Gewißlich ist es auch unrecht/ sagete Herkules/ einigen Menschen umb des Glaubens willen zu toͤdten/ wann man sonst nichts auff ihn zu sprechen hat/ und da es hie zu Ekbatana etliche Christen haͤtte/ moͤchte ich ihre Kundschaft wol haben/ dann ich bekenne/ daß weder zu Rom noch zu Jerusalem/ jezt Elia genand/ mir mehr Liebedienste/ als von den Christen geschehen sind. Freilich gibt es hie derselben/ sagte Mazeus/ und wann wir nur einen Juden haͤtten/ solte uns derselbe bald einen schaffen: Dann diese sind ihre rechten Spuͤhrhunde und abgesag- te Todfeinde. Eines Juden wollen wir balb bemaͤchtiget seyn/ sagte der Groß Fuͤrst/ und befahl einem Diener nach der Wechselbank zu lauffen/ wo felbst sich stets Juden fuͤnden; ward auch ungeseumet einer herzu gefuͤhret/ welcher ohn ehrerbietung ins Gemach trat/ und alsbald fragete/ ob die Herren oder das Frauenzimmer etliche Kleinot zu kaͤuffen/ Lust haͤtten/ koͤnten sie deren bey ihm umb liederlichen Preiß bemaͤchtiget seyn. Mazeus antwortete ihm: Du bist schacherns halben vor dißmahl nicht hergefodert/ sondern uns einen Christen herzuschaffen. Des Unziefers wol hundert vor einen/ sagte der Jude/ wañ sie nur alle moͤchten gehenket seyn/ wie ihr Luͤgen-Gott. Herkules ergrimmete wegen der Laͤsterung/ das ihm Herz und Haͤnde bebeten/ hatte das Messer schon gefasset/ ihn damit durch zu werffen; doch brach er seinen Eiser/ nur daß er zu ihm sagete: Je du leichtferti- ger Bube/ darfstu dann einen Gott schaͤnden/ und zwar in dieser Fuͤrstl. Gegenwart? wañ du Ritterstandes waͤhrest/ du muͤstest mir ohn fehlen mit dem Halse bezahlen; nun aber werde ich mich an dir nicht reiben/ und zweiffele nicht/ dafern der Christen Gott ein war- haftiger Gott ist/ werde er seine Ehre schuͤtzen. Der Jude/ nahmens Eleasar/ erschrak der Draͤuung anfangs/ weil aber keine taͤhtligkeit erfolgete/ ließ ers hingehen/ und hohlete ei- nen Christen herzu: Welcher/ da er ins Gemach trat/ demuͤhtigete er sich sehr/ wuͤnschete anfangs dem Groß Fuͤrsten und seinem Gemahl Gottes Gnade/ langes Leben/ und gluͤkli- che Herschung; nachgehends allen Anwesenden/ Friede/ Gesund heit/ und alles wolerge- hen; Zeigete darauff an/ er haͤtte verstanden/ daß ihre Groß Fuͤrstl. Durchl. gnaͤdigst seine gegenwart begehreten/ deßwegen er untertaͤhnigst haͤtte erscheinen sollen und wollen/ umb/ gehorsamst zuvernehmen/ woriñen seinem gnaͤdigsten Groß Fuͤrsten oder anderen grossen anwesenden Herren/ er koͤnte auffwaͤrtig und bedienet seyn. Dem Groß Fuͤrsten gefiel diese R r r r iij Rede Drittes Buch. Rede schr wol/ und fragete ihn mit freundlicher Stimme/ ob er ein Christ waͤhre. Ja/ gnaͤ- digster Groß Furst/ antwortete er/ ich bin ein Christ/ und mit allen meinen Glaubens-ge- nossen behte ich taͤglich zu Gott/ daß er eure Durchl. mit ihrem ganzen Groß Fuͤrstl. Hause vor allem Unheil vaͤterlich beschuͤtzen wolle; befleissigen uns auch eines guten gewissens/ und da uns von unsern Fein den zu leide geschihet/ verzeihen wir ihnen von Herzen/ und befehlen unserm Gotte die ganze Sache und Rache. Daran tuht ihr wol/ sagete der Groß- Fuͤrst/ und als lange ihr euch in diesen Schranken verhaltet/ sol euch wegen des Glaubens keine uͤberlast geschehen; nur daß gleichwol unser Gottesdienst von euch ungeschendet blei- be. Dem Christen stiegen vor freuden die Traͤhnen aus den Augen/ fiel vor dem Groß Fuͤr- sten nieder/ und bedankete sich in aller Christen Nahmen zum untertaͤhnigsten/ mit beten- rung/ da einiger Christ wieder Groß Fuͤrstliches Geboht oder Verboht handeln/ oder sonst unerbarlich Leben wuͤrde/ wolten sie ihn keine Stunde unter sich dulden/ sondern bey der Obrigkeit anklagen/ und der Straffe uͤbergeben. Der Groß Fuͤrst fragete weiter/ aus was Ursachen die Juden ihnen und ihrem Gott so gehaͤssig waͤhren/ und was sie denselben zu leide taͤhten. Gn. Groß Fuͤrst/ antwortete er: Wir huͤten uns mit allem Fleiß vor ihnen/ koͤnnen aber doch nicht unangefochten bleiben/ sondern da sie bey uns hergehen/ speien sie uns an/ und fluchen unserm Heylande an den wir glaͤuben; wie mich dann jezt der Anwe- sende Jude hart angegriffen/ daß wegen meines Luͤgen-Gottes (mein Gott verzeihe mirs/ daß ich ihm die Laͤsterung nach rede) von einem jungen hochmuhtigen Ritter/ und wie er ihn mehr neñete/ eꝛ sich haͤtte muͤssen uͤber das Maul hauen lassen; wo aber/ und wann sol- ches geschehen/ hat er nicht hinzugetahn. Der Groß Fuͤrst erzuͤrnete sich hieruͤber heftig/ ließ den Juden ins Gemach fodern/ und sagete zu ihm: Du meinaͤidiger Schelm wer hat dir befohlen/ oder die Freyheit gegeben/ diesen Christen und ehrlichen Mann unbilliger Weise anzufahren/ der unter meinem Schuz wohnet? und wie darfstu gegenwaͤrtigen Rit- ter (auff Herkules zeigend) so frech schaͤnden? Dieser fiel auffs leugnen; sagte/ die Christen waͤhren boshaffte verlogene Leute/ und sucheten nur/ wie sie fromme Juden bey der Obrig- keit verhasset macheten/ daher sie des verleumdens kein Ende finden koͤnten. Daß leugestu Bube/ sagte der Groß Fuͤrst; es hat noch nie kein Christ einigen Juden bey mir angetragẽ. Herkules kunte nicht laͤnger schweigen/ machte sich an den Juden/ und sagete: Du wirst/ versichere dich/ ohn Straffe nicht entgehen/ dafern du vor erst nicht klaͤrlich dartuhst/ daß die Christen solche boshafte Leute seyn; hernach/ daß ihr Gott ein Luͤgen-Gott sey. Ist er ein luͤgen Gott? Ich meine ja/ er habe euch gehalten/ und mit vollem masse eingeschenket/ was er euch gedraͤuet/ daß zu Jerusalem kein Stein solte ubeꝛ den andern bleiben: Ich mei- ne ja/ er habe seyn Blut uͤber euch und eure Kinder kommen lassen/ und euch in alle Welt zustreuet. So schicke dich nun zum beweißtuhm/ oder ich werde bey meinem Gn. GFuͤr- sten der unschuldigen Christen Vorsprach seyn/ und zugleich mit eifern/ daß du mich vor einen hochmuͤhtigen gescholten hast. Der Jude warff sich weit/ daß er des Worts solte gedacht haben/ setzete auch den Christen mit heftigen Worten zu rede; Ob er ihm diesen Ritter genennnet haͤtte/ dessen Nahme ihm ganz unbekant waͤhre? Der Christ antwortete: Wen er gemeinet haͤtte/ waͤhre ihm unbewust/ aber daß er sich uͤber einen jungen Ritter ob gedachter gestalt beschweret haͤtte/ wuͤrden ohn zweifel die Kriegsknechte bezeugen koͤn- nen/ Drittes Buch. nen/ die haussen vor dem Schloßtohr wacheten. Wie sie dann bey schleuniger Verhoͤrung einmuͤhtig ablegeten; der Christ waͤhre ohngefehr voruͤber gangen/ da ihn der Jude an- gespien/ schaͤndlich außgemacht/ und ob gedachte Worte daneben gefuͤhret haͤtte. Wor- uͤber der Groß Fuͤrst sich dermassen erzuͤrnete/ daß er befahl ihn mit Knuͤtteln zu toͤdten. Weil aber Herkules und der Christ vor ihn bahten/ daß ihm das Leben moͤchte geschenket werden/ wolte der Groß Fuͤrst weiter nicht verfahren/ sondern stellete Herkules frey/ die Urtel nach belieben zu fellen; Der ihn vorfoderte/ und zu wissen begehrete/ ob ihm seine Bosheit leid waͤhre; welcher aber nichts anders antwortete/ ohn das er umb verzeihung baht/ weil er nicht gewust haͤtte/ daß er ein Christ waͤhre. Ob ich ein oder kein Christ bin/ sagte Herkules/ bin ich nicht schuldig dir Buben rechenschaft zu geben; nur antworte mir auff meine Frage/ ob dir leid sey oder nicht/ was du wieder der Christen Gott außgespeiet hast. Der Jude sahe vor sich nider/ aber kein einziges Wort kunte man aus ihm bringen/ daß endlich Herkules sagete: Dieser Laͤsterer ist in seiner Bosheit so verhaͤrtet/ daß alle besserungs Hoffnung an ihm verlohren ist; ich bitte aber sehr/ ihre Durchl. wollen ihn un- gestraft gehen lassen/ weil er die Obrigkeit und ihre außdruͤkliche Satzungen nicht beleidi- get noch uͤbertreten hat; vor das uͤbrige wird ihn der gerechte Gott schon finden. Euer Lie- be zu gefallen/ sagte der Groß Fuͤrst/ endere ich meinen Vorsaz; du solt aber/ sagte er zu dem Juden/ mit diesem Christen hin zu allen denen gehen/ die du vor diesem hast beleidiget/ uñ ihnen mit gebogenen Knien und gefaltenen Haͤnden abbitte tuhn/ oder ich wil dich mit dei- nem ganzem Hause stuͤndlich lassen ans Kreuz heften. Der Jude versprach allen Gehor- sam/ sein Leben zuerretten/ und ging mit dem Christen hin/ da unfern vom Schlosse drey erschroͤkliche grosse schwarze Hunde Nordwerts herzu lieffen/ und den Juden ohn einzi- ges gebelle anfielen/ in kleine Stuͤcke zurissen/ und doch nichts von ihm frassen/ sondern liessen alles liegen/ ohn daß sie das Eingeweide auff der Gassen zerzerreten; und ob gleich eine sehr grosse menge Volkes dabey stund/ kehreten sich doch die Hunde an niemand/ son- dern nach verrichteter Taht lieffen sie deß Weges den sie kommen wahren/ und sahe kein Mensch wo sie endlich blieben. Der Christ entsetzete sich uͤber der goͤttlichen Rache/ lobe- te seinen Heyland/ daß er seine Ehr selber geschuͤtzet hatte/ und kehrete wieder nach dem Schlosse/ dem Groß Fuͤrsten ein solches anzumelden. Da man nun seine gegenwart der Fuͤrstlichen Geselschaft zu wissen taht/ meinetẽ sie/ er wuͤrde von dem Juden auff ein neues beleidiget seyn/ auff welchen Fall der Groß Fuͤrst ihm die aͤusserste Straffe draͤuete. Des Christen erschrockenes Angesicht zeigete etwas sonderliches an/ daher in Herkules frage- te/ woruͤber er sich dergestalt entsetzet haͤtte. Dieser gab zur Antwort: Durchleuchtigste gnaͤdige Herren und Frauen; es hat der almaͤchtige Gott ein ernstliches Beyspiel seiner Gerechtigkeit an dem Gotteslaͤsterlichen Juden sehen lassen; dann als derselbe mit mir fortging/ und ohn unterlaß mir zum verdrieß diese Worte mit sanfter Stimme wieder- hohlete; der Christen Gott ist dannoch ein Luͤgen-Gott: Ich aber dagegen meine Andacht gen Himmel richtete/ Gott moͤchte ihm diese Laͤsterung verzeihen/ wañ ers aus unwissen- heit taͤhte; kahmen alsbald drey grausame Hunde herzu gelauffen/ und zu rissen ihn in stuͤc- ken/ welches uͤber zwey hundert Menschen angesehen/ uñ noch beschauen/ weil sie kein Biß- lein von ihm gefressen/ sondern alles liegen gelassen auch ohn andere weitere beschaͤdigung einiges Drittes Buch. einiges anderen Menschen davon gelauffen sind. Die Anwesende entsetzeten sich uͤber die- ser Erzaͤhlung/ und gingen mit einander hin/ das Wunder zu sehen; aber Herkules sagete in seinem Herzen: Gelobet seistu mein Heyland/ daß du deines Nahmens Ehre gerochen/ und die- sem unwissenden Volke deine goͤttliche Krafft hast zuerkennen gegeben/ und bitte dich demuͤhtig/ er- halte mich in erkaͤntnis deiner seligmachenden Warheit zu dem ewigen Leben. Ladisla wahr wegen dieses Wunders in seinem Gewissen ganz erschlagen/ sahe mit zittern an/ wie abscheulich der Jude zurissen/ und alle seine Knochen zubrochen wahren/ daß das Mark und Gehirn unter dem Blute vermischet lag/ und sagete zu Herkules: Lieber Bruder/ ich habe mit mei- nem ehmaligen schaͤndlichen Gespoͤtte wol verdienet/ daß dein HErr JEsus gleiche straf- fen uͤber mich kommen liesse; so hilff mir nun unsern Heyland aͤngstiglich bitten/ daß er mir meine abschenliche Laͤsterungen allergnaͤdigst verzeihen moͤge/ weil ichs nit aus Boß- heit/ sondern aus Irtuhm getahn habe. Herkules troͤstete ihn in seiner Herzensangst; er solte zwar diese Begebnis wol zu gemuͤht fassen/ aber nicht zaghafft daruͤber werden; waͤh- re er gleich vorhin ein Feind Gottes gewesen/ und haͤtte laͤsterliche Reden aus unwissen- heit wieder den Sohn Gottes außgegossen/ waͤhre ihm doch solches schon alles verzihen und vergeben/ weil er diese seine Suͤnde bereuete/ und mit rechtschaffener Busse sich hin zu dem Suͤndentraͤger gewendet haͤtte; nur allein solte er sich huͤten/ daß nach einmahl erkan- ter Warheit er nicht wieder abfiele/ und zum Heydentuhm sich begaͤbe; alsdann wolte er ihm seine Seele verpfaͤnden/ das Christus Blut ihn von vorigem schon gesaubert uñ rein gewaschen haͤtte. Ey so wolte ich mich lieber in hundert tausend Stuͤcken zerlegen lassen/ antwortete er/ ehe daß ich meinen Heyland angeben und schaͤnden wolte. Ich lobe deinen Vorsaz/ sagete Herkules/ und Gott hat ein wolgefallen an demselben/ du must aber deinen Heyland Herz- und taͤglich bitten/ daß er dich hier in staͤrcken/ und die Hand nicht von dir abzihen wolle/ dann alle bestendigkeit im Glauben ruͤhret nicht aus unser Kraft/ sondern aus des heiligen Geistes Wirkung her. Den Groß Fuͤrsten und die andere Anwesende traf ein grausen wegen des Juden Unfalles/ und bekenneten oͤffentlich/ der Christen Gott waͤh- re in Warheit kein geringer Gott/ daher man ihn nicht schaͤnden/ sondern unter die Zahl der wirdigsten Goͤtter setzen muͤste; und solches redeten sie nach ihrer heidnischen Einfalt/ weil sie ihren gefasseten Irtuhm nicht ablegen kunten. Herkules aber nam den Christen beyseit/ und befahl/ er solte des folgenden Morgens auff gewisse Zeit sich vor dem Schlosse finden lassen/ und bey dem Bischoffe eine Christliche einfaͤltige Predigt uͤber die Haͤupt- lehren/ von Gottes Wesen/ und seiner Barmherzigkeit/ auch von Christus gnugtuhung/ und dann von der Busse und Glauben bestellen/ und zwar wegen seines Gesellen/ der im Glauben annoch schwach und unwissend/ und erst vor weniger Zeit zum Christentuhm getreten waͤhre; Er aber wolte mit seinem Diener da gegenwaͤrtig/ das heilige Abendmahl empfangen. Der Christ/ nahmens Ammonius/ bestellete solches willig/ aber als er des fol- genden Morgens sehr fruͤh sich nach dem Schlosse verfuͤgete/ den unsern solches anzumel- den/ ward er von etlichen vermummeten Månnern/ welche aus einer Nebengasse unver- muhtlich hervor sprungen/ verfolget/ und weil er gerader Fuͤsse wahr/ daß sie ihn nicht er- haschen kunten/ wurffen sie mit Steinen weidlich auff ihn/ daß er an der rechten Schulter hart gnug beschaͤdiget ward/ doch entging er ihnen/ kam bey dem Schloßtohr an/ und kla- gete Drittes Buch. gete den wachenden Kriegsknechten daselbst/ was ihm begegnet wahr/ uñ er nicht anders muhtmassen koͤnte/ als daß es Juden seyn muͤsten. Weil sie dann solches mit Augen selbst gesehen hatten/ gingen ihrer etliche loß/ die Gewalttaͤhter zu erhaschen/ deren sechse wah- ren/ aber nur zween von ihnen ertappet und dem Hauptman uͤbergeben wurden/ welcher alsbald alles an den Groß Fuͤrsten gelangen ließ/ der in grossem Eifer Herkules und La- disla zu sich foderte/ und dem Christen Ammonius/ nach dem er verbunden wahr/ befahl/ alles zuerzaͤhlen. Die beyden Gefangenen wuꝛden darauff vorgefodert/ und unter der be- draͤuung der grausamesten Pein/ absonderlich verhoͤret/ da der eine aus Furcht/ die War- heit bekennete/ es haͤtte die ehrliche Judischeit dieser Stad sich gestern Abend verbunden/ nicht zu ruhen/ ehe dañ der Zaͤuberer Ammonius von ihnen getoͤdtet waͤhre/ welcher durch des Teuffels Huͤlffe den ehrlichen und bestaͤndigen Juden Eleasar so schåndlich umbge- bracht haͤtte. Der Groß Fuͤrst fragete nach den Redelsfuͤhrern/ bey deren benennung die- ser sehr unbestendig redete/ daher er samt seinem Gesellen auff die Folter gelegt/ und alles aus ihnen gebracht ward. Kaum wahr die befragung geschehen/ da zeigete ein Auffwar- ter an/ es waͤhren in die 100 Juden vor dem Schlosse/ und hielten demuͤhtig an/ daß der Groß Fuͤrst sie gnaͤdigst hoͤren moͤchte. Er stellete alles mit Herkules und Ladisla in Raht/ und ließ sie alle in den Vorplaz kommen/ da sie von 200 Kriegsknechten umbgeben wurden. Herkules ging zu ihnen hin/ und zeigete an/ daß Groß Fuͤrstl. Durchl. sie hoͤren wolte/ jedoch daß sie zuvor zehn auff dem Zettel benennete vor seine Durchl. allein solten treten lassen. Sie merketen daraus/ daß die Sache schon verrahten wahr/ und begehrten Bedenkzeit/ welches ihnen Herkules verweißlich auffruͤckete/ und ihnen riet/ sich ja gehor- sam zubezeigen; wor auff die begehreten mit gingen/ sahen die bey den Gefangenen in elen- der gestalt zur Seite sitzen/ weil sie wegen der Folterungsschmerzen nicht stehen kunten/ uñ erschraken daruͤber daß sie erzitterten. Des Großfuͤrsten geheimer Schreiber fragete sie aus der Uhrgicht/ ob nicht ihrer viere mit den zween Gefangenen in vermummeter gestalt den Christen Ammonius verfolget haͤtten. Vors ander: Ob nicht die uͤbrigen sechse den Anschlag uͤber Ammonius gemacht/ und daß sie ihn vor einen Zaͤuberer angeben wolten/ damit ihre Sache desto scheinbahrer/ und der Christ getoͤdtet werden moͤchte. Die viere kunten ihre Taht nicht leugnen; die sechs uͤbrigen zeigeten an/ daß sie als Vorsteher ihres Volkes sich der Sache billich angenom̃en haͤtten/ ihrer aller Ehre zu retten. Sie wurden darauff absonderlich allezehne befraget/ ob die sechs vermum̃ete mit vorbewust/ und aus geheiß der sechs Vorsteher dem Christen Ammonius zugesezt haͤtten; welches die Ver- folger mit schlechtem ja; die andern aber mit unbestendiger Rede beantworteten/ biß ihnẽ die Peinigung angesaget ward/ und sie darauff mit einstimmeten; daher sie alle 12 hinab gefuͤhret wurden/ und der geheime Schreiber diese Urtel vor allen Juden ablase: Dem- nach gegenwaͤrtige 12 Juden den gemeinen Frieden gebrochen/ und einen frommen un- schuldigen Einwohner dieser Stad auff freier Gassen biß an das Groß Fuͤrstliche Schloß mit Stein-werffen verfolget/ des Vorsatzes/ denselben vom Leben zum tode zu bringen/ wo durch sie ihre Obrigkeit selbst geschaͤndet/ und unerhoͤrter Sache eine vermeinete Ra- che anstellen wollen/ die ihnen keines Weges zustunde/ ob sie gleich von dem verfolgeten (welches doch nicht geschehen) beleidiget waͤhren; so haͤtte der Groß Fuͤrst beschlossen an S s s s die- Drittes Buch. diesen 12 verbrechern ein Beyspiel sehen zu lassen/ durch welches andere ihres gleichen/ uñ jedermaͤnniglich von dergleichen offenbahren Mordtaht abgeschrecket wuͤrde; wurden also dieselben hiemit und Kraft dieses verurteilet/ daß sie alsbald solten gegeisselt und le- bendig an Kreuze mit Nageln auffgehenket werden/ unter der verwahrung/ daß/ wer voꝛ sie eine Vorbitte einlegen wuͤrde/ eben solcher Straffe solte unterworffen seyn. Den un- schuldigen Christen Ammonius (dafern man nicht volguͤltigen Beweißtuhm fuͤhren wuͤr- de/ daß er ein Zaͤuberer waͤhre) haͤtte der Groß Fuͤrst unter seinen sonderbahren Schuz und Schirm genommen/ also und dergestalt/ daß/ wo einziger Jude durch sich selbst oder durch andere/ mit Worten oder Werken/ ihn wuͤrde beleidigen/ solten alle Anwesende 90 Juden mit der Kreuzigung bestraffet/ ihre Weiber und Kinder Leibeigen gemacht/ und alle ihre Guͤter der Groß Fuͤrstl. Schazkammer eingeliefert werden; wie dann der 12 ver- urteileten ihre Guͤter der hohen Obrigkeit verfallen waͤhren/ davon der unschuldige Am- monius den zehenden Teil/ das uͤbrige der Groß Fuͤrst zu sich nehmen wuͤrde. Die Juden ingesamt erschraken der Urtel zum hoͤchsten/ fielen alle miteinander nider zu der Erden/ uñ trieben ein jaͤmmerliches Geheule/ aber es wahr keine Gnade zuerhalten; Die verdam- meten wurden alsbald hinaus gesuͤhret/ mit denen Herkules ritte/ ob er ihrer etliche zum Christlichen Glauben bekehren moͤchte/ und weil es vergebens wahr/ machte er sich wiedeꝛ zuruͤcke/ und wolte der Volstreckung nicht beywohnen. Die uͤbrigen neunzig Juden bega- ben sich nach hauß ohn getahne Vorbitte/ damit sie nicht in gleiche Straffefallen moͤch- ten/ und ward hiedurch Ammonius und der ganzen Christenheit Ruhe und Friede vor den Juden geschafft/ weil diese in den Wahn gerieten/ der Groß Fuͤrst selber waͤhre ein Christ worden. Herkules samt Ladisla/ Leches/ Gallus und Plautus gingen mit Ammonius hin zu der Christlichẽ Versamlung/ in eines Rahtsherrn Haus/ welcher ein heimlicher Christ wahr/ und die unsern sehr ehrerbietig empfing/ auch sie auff einen wolgezierten Saal fuͤh- rete/ woselbst der Christliche Bischoff ein ansehnlicher eißgrauer Mann/ vor einem erha- benen Tische stund/ auff welchem er Brod und Wein/ und daneben die Heilige Schrifft Gottes liegen hatte. Er hieß die anwesende wilkom̃en/ und weil er verstund/ dz sie Fremd- linge/ der Lateinischen Sprache erfahren wahren/ hielt er in derselben anfangs eine kurze Vermahnung zur Andacht/ laß aus dem dritten Kapittel des Evangelisten Johañes/ den sechszehnden Vers/ Also hat Gott die Welt geliebet/ etc. in dessen Erklaͤrung er die oben be- ruͤhrte Hauptstuͤcke so klar und deutlich einfuͤhrete/ und innerhalb drey Stunden vollende- te/ daß Herkules gestund/ er haͤtte des Lehrers gleichen von Gaben und Geschikligkeit noch nie gehoͤret. Ladisla wahr in seiner Andacht so inbruͤnstig/ daß er als ein verzuͤcketer saß/ uñ zum offtern seine Buß Traͤhnen fallen ließ/ insonderheit/ da die Lehre von Gottes Barm- herzigkeit erklaͤret ward/ und der Bischoff die Geschichten der Kinder Israel in der Wuͤ- sten kuͤrzlich durchlief/ wie offt dieselben ihren Gott durch Abgoͤtterey/ Ungehorsam und Widerspenstigkeit erzuͤrnet haͤtten/ dannoch aber unser GOtt durch Mose Vorbitte sich zur gnade wenden lassen/ und mit den Ubertretern geduld gehabt; nachgehends zeigete er eben solche faͤlle aus dem Buch der Richter/ und meldete zur Lehre/ daß Gott offtmahl ei- nes unglaͤubigen Menschen schonete/ wegen der Vorbitte eines glaͤubigen Christen/ wel- ches Ladisla auff sich und Herkules fein auszudeuten wuste; auch sich durch des Lehrers Schluß Drittes Buch. Schluß trefflich getroͤstet befand/ daß obschon etliche vorwitzige sich bemuͤheten/ zuerfahrẽ/ worin eigentlich Gottes Wesen und Hocheit bestuͤnde; was er getahn haͤtte/ und wo er ge- wesen waͤhre/ ehe er die Welt erschaffen; so wolte er doch mit allen einfaͤltig-Glaͤubigen in steter Verwunderung bleiben/ daß Gott so voll und reich von Barmherzigkeit und Gnade waͤhre/ und seinem ungehorsamen mutwilligen Geschoͤpff diese Gnade und unaussprech- liche Liebe erzeiget/ daß er seinen ewigen einigen Sohn umb ihret willen mit Fleisch und Blut bekleidet/ und in den schmerzhafftesten Tod des Kreuzes dahin gegeben haͤtte. Leches wuste anfangs nicht/ was dieses bedeuten solte/ dann er wahr des Christentuhms im geꝛing- sten nicht unterrichtet; nicht desto weniger lenkete ihn der Heilige Geist/ daß er sich bald schickete/ diesen Glauben anzunehmen. Nach geendigter Predigt/ da Herkules und Gallus mit etlichen andern anwesenden das Heilige Abendmahl empfangen woltẽ/ nam Ladisla mit etlichen anderen ungetaufften Christen einen Abtrit/ und ließ sich nachgehends unter- richten/ was dieses vor eine Speisung waͤhre/ deren kein ander/ als nur die getauffte Chri- sten zugeniessen haͤtten/ daß nemlich alhier zwar nur Brod uñ Wein gesehen und geschmec- ket wuͤrde/ aber es haͤtte unser Heyland krafft seines Wortes es also geordnet/ daß wann ein Mensch das gesegnete Brod aͤsse/ und diesen gesegneten Wein truͤnke/ so aͤsse und truͤn- ke man zugleich auch seinen Leib und sein Blut/ wie es der Sohn Gottes selbst also haͤtte verordnet und eingesetzet/ welches uns dienete zu unsers Glaubens staͤrkung/ und zur Versi- cherung unser Seligkeit/ wañ wirs in Christlicher Andacht und mit reinem Heꝛzen empfin- gen; Weil es aber nur den getaufften Christen koͤnte zuteil werden/ moͤchte er sich daran nicht aͤrgern/ und der Zeit seiner Tauffe abwarten. Was aͤrgern? sagete Ladisla; ich achte mich schon unwirdig/ den Trost Gottes aus seinem Wort anzuhoͤren/ wie solte ich dann so verwaͤgen seyn/ und solcher hochheiligen Speise begehren? Wendete sich hierauff zu dem Bischoff/ und sagete: Ehrwuͤrdiger Vater/ vor die deutliche Unterrichtung in der heiligen Lehre/ und erteileten starken Seelentrost bedanke ich mich sehr/ und bitte/ mir ein Buͤchlein mitzuteilen/ in welchem dieser seligmachende Glaube kurz und einfaͤltig verfasset ist; Der Bischoff wahr willig/ und ließ jedem ein kleines Buͤchlein reichen/ in welchem der kurze Glaubens-begriff enthalten wahr. Leches fragete/ womit das Buͤchlein bezahlet wuͤrde/ uñ vernam/ daß mans den armen gerne umsonst zukommen liesse/ die Haabseligen aber gaͤben davor nach ihrem belieben/ welches zur Unterhaltung der Knaben und Juͤnglinge ange- wendet wuͤrde/ die taͤglich gewisse Stunden in Abschreibung dieser und anderer Christli- chen Buͤcher zubringen muͤsten. Ladisla ließ dem Bischoff sein dankwilliges Gemuͤht sehẽ/ indem er ihm andeutete: Er wolte noch heut ihm 12000 Kronen lassen einreichen/ die auff Rente gelegt/ und in drey gleiche Teile/ zum Unterhalt der Lehrer; deꝛ Witwen und Waͤy- sen/ und der Buͤcher-Abschreiber solten angewendet werden. Leches stellete ihm einen Ring von 200 Kronen zu/ und gleich so viel Baarschafft; Gallus 150 Kronen/ und Plautus 40 Kronen/ bekahmen jeder ein Buͤchlein/ und nahmen damit Abscheid/ nachdem Herkules 1000 Kronen versprochen/ und Ladisla der Kirchen Vorbitte sich befohlen hatte. Weil die unsern in dieser gottseligen uͤbung wahren/ ging das Stechen wieder an/ und als der Groß- Fuͤrst auff die unsern wartete/ zeigete ihm Mazeus an/ er haͤtte vernommen/ daß sie durch das gestrige Zauberwerk etwas entruͤstet waͤren/ und nicht willens/ dem Stechen heut bey- S s s s ij zuwoh- Drittes Buch. zuwohnen/ aus furcht/ es moͤchte sich des gleichen mehr zutragen. Also zog der Groß Fuͤrst ohn weiteres nachfragen mit den seinẽ hinaus/ und ließ anfangs ausruffen/ dafern ein bos- haffter Zåuberer heut wiederumb etwas anrichten wuͤrde/ solten alle Zaͤuberer/ so viel man deren in seinem Lande antreffen wuͤrde/ zum Feur verurteilet werden; und meynete jeder- man/ daß hiedurch der Bube waͤhre abgeschrecket worden/ weil sich dessen nichts merken ließ. Die Kreuzigung der Juden wahr gleich an dem Wege verrichtet/ dahin der Groß- Fuͤrst mjt den seinen zog/ und trieben dieselben nicht allein ein jaͤmmerliches Angstgeschrey/ sondern auch vielfaͤltige Laͤsterungen wider den Sohn Gottes/ zappelten den ganzen Tag am Kreuz/ biß sie gegen Abend auff Herkules Vorbitte mit Pfeilen tod geschossen wurdẽ. Gleich zu endigung des Stechens kahmen die unsern bey dem Groß Fuͤrsten an/ da ihm Herkules zuverstehen gab/ er haͤtte mit den seinen heut in aller stille ihm als ein Christ lassen seinen Gottesdienst halten/ hoffete/ es wuͤrde seiner Durchl. nicht zuwider seyn. Aber der Groß Fuͤrst beschwerete sich der Entschuldigung/ vorwendend/ er haͤtte Ihrer Liebe bey ih- rer Ankunft alle Freyheit/ nach willen zuhandeln/ zugestellet/ wobey es sein auffrichtiges veꝛ- bleiben haͤtte/ zugeschweigen/ daß jedem fremden seine Goͤtter billich muͤsten gegoͤnnet wer- den. Als die Speisen auffgehoben wahren/ stund Herkules auff/ und mit entbloͤssetem Haͤupte fing er diese Rede an: Großmaͤchtiger Groß Fuͤrst/ gnaͤdiger Herr; die uͤber aus grosse und recht vaͤterliche Hulde und Freundschafft/ welche Eure Durchl. wie nicht we- niger die Durchleuchtigste Großfuͤrstin/ mir zeit meineꝛ Anwesenheit erzeiget/ bin ich schul- dig/ als lange ich lebe/ zuruͤhmen/ erkeñe mich davor allerdinge verpflichtet/ und werde mich bemuͤhen/ wo nicht wirklich/ doch durch moͤglichste Zeichen/ ein dankbegieriges Herz sehen zulassen. Nun wissen Ihre Durchll. ohn mein eriñern/ aus was Ursachen ich die beschweꝛ- liche Reise uͤber Meer/ biß an diesen Ort fortgesetzet habe/ und daß mir gebuͤhren wil/ keine gelegenheit zuverabseumen/ die meinem Vorhaben ichtwas kan zutraͤglich seyn; bitte dem- nach von herzen/ mein hoͤchstgeneigeter Herr Vater und Fr. Mutter (wovor ich sie zeit meines Lebens ehren wil) wollen mir gnaͤdig erlaͤuben/ meine Reise samt meinem Brudeꝛ Ladisla ohn weiter es anffschieben naͤhstfolgendes Tages fortzusetzen/ damit ich meinem voꝛ- gestekten Ziel naͤher treten moͤge/ umb zuversuchen/ wie weit solches-zuerꝛeichen/ der Barm- herzigkeit Gottes gefallen werde; und weil mein geliebter Bruder/ der imgleichen Euren Durchll. sich als ein gehorsamer Sohn und bereitwilligster Diener darbeut/ eben des vor- habens mit mir ist/ habe in unfer beyder Namen ich diese Bitte vortragen wollen/ nit zwei- felnd/ ihre Durchll. werden/ in betrachtung der Sachen Wichtigkeit/ uns gnaͤdig und wil- lig erlassen; fassete hierauff des Groß Fuͤrsten Hand/ dieselbe zukuͤssen/ welcher ihm aber vorkam/ und ihn ganz våterlich umfing/ nach gehends also antwortete: Hochwerte Herrẽ/ und (welches wegen der mir gegebenen Freyheit ich von herzen rede) allerliebste Soͤhne; koͤñen sie in ansehung unser vertraulichen Freundschaft auch den allergeringsten Gedanken wol fassen/ daß mit gefahr der trefflichen Fraͤulein/ meiner herzgeliebeten Fraͤulein Toch- ter/ ich sie eine Stunde/ ja einen einzigen Augenblik auffhalten/ und nicht vielmehr sagen wolte: Auff/ und zu Pferde/ damit nichts verseumet werde/ was man hernach mit keinem Gelde loͤsen kan. O nein/ ihr meine wahre Herzens Freunde; ist mir gleich eure gegenwart genehme/ so sehe ich doch mehr auff eure Wolfahrt/ als auff meine Vergnuͤgung. Nun weiß Drittes Buch. weiß ich aber sicherlich/ daß ein geringes verweilen eurem vorhaben vortraͤglicher ist/ als die schleunige Eilfaͤrtigkeit; dann euren Liebden ist ohn mein erinnern bewust/ daß man auf den erst-eingesperreten Vogel viel genauer acht gibt/ als auff den schon gewehneten. Lasset/ bitte ich/ den ohn das argwoͤhnischen Koͤnig etwas sicher werden/ dann ist ihm sein Herz zu nehmen/ aber doch mehr durch List als Gewalt. Erzaͤhlete darauff/ wie fleissig das Fraͤu- lein von einer Besatzung lauter Verschnittener bewachet wuͤrde/ so daß kein Mannesbil- de/ ohn sonderbahre Koͤnigliche Erlaubniß zu ihr kommen moͤchte. Und was gilts/ sagte eꝛ/ wo nicht Eurer Liebe ich den Weg/ zu ihr zukommen/ bahnen muß? so folget mir nun/ bitte ich/ und zihet diesen meinen Raht nicht in Argwohn/ goͤnnet mir auch zugleich/ da ihr mich Vaters wirdiget/ eurer Liebe bessere Kundschafft. Herkules bedankete sich der våterlichen Gewogenheit/ und antwortete mit wenigem: Es waͤhre unnoͤhtig/ ihre Durchli zueriñeꝛn/ daß man ehe zuspaͤht als zu fruͤh kaͤhme; Sie wolten sich zu Charas schon wissen eingezogẽ zuhalten/ daß durch Unvorsichtigkeit das ganze Wesen nicht uͤbern hauffen gestossen wuͤr- de; waͤhren nicht desto weniger willens/ bey ihrem Gn. Herr Vater sich noch etliche Tage auffzuhalten/ weil seinem vaͤterlichen Herzen es also gefiele; im uͤbrigen baͤhten sie/ seine Durchl. wolte allemahl die hohe gewogenheit fortsetzen/ als dessen Raht und Huͤlffe ihr Vorhaben mehr als alles ihr Vermoͤgen/ befodern koͤnte/ daher sie auch naͤhst Gott sich auf seinen Beystand verliessen. Der Groß Fuͤrst wahr mit diesem erbieten friedlich/ und uͤbete Herkules den jungen Medischen Fuͤrsten Arbianes im reiten/ rennen/ stechen/ fechten/ sprin- gen und ringen/ daß er in geringer Zeit mehr von ihm fassete/ als er sonst sein lebelang nicht wuͤrde gelernet haben/ weil insonderheit er etliche boͤse Stuͤkchen im reiten angewaͤhnet hatte/ die ihm zu allen ritterlichen uͤbungen sehr schaͤdlich wahren. Unsere Herkuliska ward inzwischen in ihrem Schlosse als in einem Kefig verwah- ret/ da es ihr an koͤniglicher Verpflegung nicht mangelte/ nur daß sie ausserhalb Schlosses nicht kommen durfte/ hatte auch keinen Menschen umb sich/ mit dem sie vertraulich reden moͤgen; so durfte Timokles nicht zu ihr kommen/ ja nicht eins sich merken lassen/ daß er ihꝛ zugehoͤrete/ sondern ihrem Befehl nach/ hielt er sich in einer Herberge auff/ nicht weit vom Schlosse/ als einer der etwas zu sehen/ sein Geld verzehrete. Er lebete kaͤrglich/ hielt nur einen Diener zu Fusse/ und ein Pferd auff der Stren/ wolte auch von seinem Wirte nicht herlich gespeisetseyn/ dem er aber reichlich zahlete/ und seinen Kindern/ deren er ein zim- liches Haͤuflein hatte/ fast taͤglich geschenke und nottuͤrftige Kleider gab/ wodurch er sich sehr beliebt machete. Pharnabazus hatte ihm angezeiget/ der Fraͤulein Befehl waͤhre/ daß er auff den Fall/ ihr Herkules Ankunfft mit einem weissen/ Ladisla gegenwart mit einem rohten Tuͤchlein in der Hand/ solte bezeichnen/ da aber nur Botschaft von ihnen kaͤhme/ sol- te er die gute mit gelber; die traurige mit blauer Farbe andeuten. Anfangs wolte das Frauenzimmer sich zu gemein mit ihr machen/ dem sie bald vorbauete/ uñ ein sonderliches Gemach waͤhlete/ auff welches niemand ungefodert durste zu ihr kommen/ daher sie es die verbotene Stube nennete. Ihꝛ Ansehen zuerhalten/ waͤhlete sie aus den zwoͤlf Jungfern ei- ne Leibdiener in/ nahmens Aspasia/ und unter den vier Frauen eine Hofmeisterin/ Fr. Sy- sigambis; verteilete je viere uñ viere in ein Gemach/ welche taͤglich zwo Stunden in dem grossen Saal zusammen kommen/ und rechenschaft geben musten/ was sie gewirket/ ge- S s s s iij sticket Drittes Buch. sticket oder genaͤhet hatten/ dann sie wolte ihnen durchaus keinen Muͤssiggang verstatten. Weil sie auch etliche etwas leichtsinnig seyn spuͤrete/ gab sie nicht allein jedem Teil Jung- fern eine Frau zur Auffseherin zu/ sondern versetzete sie stets umb den andern Tag/ welches sie so bund zu karten wuste/ dz die ganze Zeit uͤber sie nit wieder auff ein Gemach kamen/ die einmahl beyeinander gewest wahren. Hiedurch erhielt sie ihr Frauenzim̃ er in gehorsam/ Furcht/ Fleiß und Froͤmmigkeit/ und daß sie nicht anders als fremde miteinander lebeten; Ja sie wuste auff Begebenheit sich dergestalt in ihre Gemuͤhter einzuschlingen/ daß sie eineꝛ jeden Art und Begierden voͤllig erkennete. Inzwischen hielt sie sich gegen alle so zuͤchtig/ daß sie sich von keiner einzigen an etwa ihrem Leibe nacket sehen ließ/ so gar/ das ihr ganzes Frauenzimmer zweiffelte/ ob sie ein Fraͤulein oder Juͤngling waͤhre/ weil sie anfangs sich in Mannes Gestalt angegeben hatte. Ihre Ubung wahr mannigfaltig/ vor erst hatte sie einen kleinen Wagen mit zwey Pferden/ mit welchem sie im Schloßplatze zu rennen pflag/ daß sie den Wagen zu wenden treflich fertig ward. Dabey hatte sie ein Reitpferd/ welches auch taͤglich muste getummelt seyn. Unter ihrer Besatzung wahren etliche geũbete Fech- ter/ die ihr mannichen Streich ablerneten. Pfeil und Bogen gebrauchete sie am meisten; so erlustigete sie sich nicht wenig mit der Angelruhte/ wann sie auff der hohen Maur mit verdecketem Angesicht saß/ und aus dem tieffen Graben die koͤstlichsten Fische fing und zu ihr hinauff zog. Zu zeiten erzaͤhlete sie ihrem Frauenzimmer/ was vor Ungluͤk sie schon er- lebet und auff der Reise außgestanden/ wodurch sie ihnen manniche mitleidens Traͤhnen hervorlockete. Auch muste ihr der Koͤnig einen Altar bauen lassen/ gab vor/ ihr geluͤbde er- foderte solches/ daß sie der Goͤttin Vesta den taͤglichen Weihrauch opffern muͤste. Der Koͤnig hingegen wuste seine Freude nit zu maͤssigen/ dz er ein Fraͤulein nach allem Wunsch angetroffen hatte/ ruͤhmete solches so Schrift-als muͤndlich bey seinen Fuͤrsten und Ge- waltigen/ und daß ihm ein sonderlich angenehmer Wille geschaͤhe/ wer ihm huͤlffe sein Fråulein ehren. Was nun dieses nach sich fuͤhrete/ wahr leicht außzulegen/ daher fast kein Beamter wahr/ der nicht ein koͤstliches Geschenk nach vermoͤgen eingeschikt haͤtte/ mit un- tertaͤhnigster Bitte/ ihre Groß Koͤnigl. Hocheit moͤchte durch ihr hochvermoͤgen dem un- duͤchtigen Geschenk die Wirdigkeit erteilen/ dz es dem unvergleichlichẽ Fraͤulein/ als ihrer schier-kuͤnftigen Groß Koͤnigin duͤrffte eingeliefert werden; und dieses tahten nicht allein die getraͤuen Diener/ sondern auch die Fuͤrsten so sich wieder ihn heimlich verbunden hat- ten/ umb Argwohn zuvermeiden/ triebens am eiferigsten/ daß sie wol aus den abgelegen- sten Indien die kostbahresten Sachen bringen liessen/ und dem Fraͤulein zuschicketen/ wel- ches alles der Koͤnig zu sich nam/ und hernach durch ihre Hofmeisterin nebest den beyge- fuͤgeten Schreiben ihr zustellen ließ; daher sie Zeit ihrer Anwesenheit zu Charas einen sol- chen Schaz samlete/ welcher sich auff viel Tonnen Goldes belieff/ daß wann sie so nidriges gemuͤhts gewesen/ und durch schenkungen haͤtte koͤnnen geblendet werden/ sie ihren Herku- les wol haͤtte auffgegeben; aber ihre tugendhafte Seele hielt solches alles vor Koht und eitel; ja sie haͤtte es mit keinem Auge angesehen/ noch mit Haͤnden beruͤhret/ da sie des Koͤ- niges Ungnade nicht zubefuͤrchten gehabt. Also muste sie sich in die Zeit schicken/ wie ihr treflicher Verstand sie darzu statlich anfuͤhrete/ daß sie auff einliefferung dem Koͤnige alle- mahl einen Dankbrieff zuschickete/ in welchem sie doch so behutsam ging/ daß sie ihn we- der Drittes Buch. der an ihrer Liebe zweifeln machete/ noch zu einiger Begier des reizung gelegenheit gab. Ihr verbohtenes Gemach wahr Westwerts gelegen/ und kunte sie durchs Erker-Fenster diese ganze Seite außwendig uͤber sehen/ woselbst Timokles nach ihrem Befehl sich taͤglich zu- bestimmeter Zeit anfand/ daß nicht allein sie ihn/ sondern er sie auch im Fenster wol sehen und erkennen kunte. Uber vorigem anmelden durch die Farben hatte sie ihm noch befehlen lassen/ da etwas hochwichtiges vorgehen wuͤrde/ welches ihr zu wissen noͤhtig/ solte er ihr solches zuschreiben/ und den Brieff in einem hohlen Pfeile uͤberschiessen/ worzu sie ihm den Ort fruͤh genug bezeichnen wolte. Nachdem sie nun uͤber einen Monat lang nach ih- rem Herkules umsonst aussahe/ machte diese Verzoͤgerung/ oder vielmehr der Zweifel sei- ner Ankunfft ihrem Gemuͤht nicht geringe Sorgen/ welche sich in ihr innerstes senketen/ dz ihr anfangs die Lust zur Speise vergieng/ und fast einen steten Durst empfand/ welchen sie auch bißweilen zu Nachtzeiten mit einem Labetrunk stillen muste/ daher ihꝛe Schoͤnheit sich umb ein grosses ringerte/ welches ihr Frauenzimmer mit hoͤchstem Kummer empfunden/ und sie untertaͤhnigst bahten/ ob sie ein Anliegen oder Leibesschwacheit merkete/ moͤchte sie es beyzeiten offenbahren/ daß ihr koͤnte raht geschaffet werden; entstuͤnde es aber aus Be- truͤbniß des Gemuͤhts/ wuͤrde sie ihrem goͤttlichen Verstande nach sich dessen schon wissen zuentschlagen/ und sich dem zu Trost und Ergetzung zuerhalten/ der sie mehr als seine Seele liebete. Ja/ antwortete sie/ wann ich hierauff nicht bedacht waͤhre/ haͤtten mich die Wuͤr- mer schon verzehret; Ihr sollet euch aber meinet wegen nicht bekuͤmmern/ dann ich weiß/ daß es mit mir nicht noht zum Tode hat. Das Frauenzimmer empfand hiedurch etwas Trostes/ welches doch nicht lange wehrete; dann des folgenden Tages siel sie ein hitziges Fieber/ welches dem Koͤnige bald kund getahn ward/ welcher dessen heftig erschrak/ und die vornehmsten Aerzte der Stad versamlẽ ließ/ mit eiferiger Bedraͤuung/ dafern sie nit Raht schaffen/ und dem Fraͤulein zu voriger Gesundheit verhelffen wuͤrden/ muͤste es ihnen das Leben kosten. Der erfahrneste unter ihnen gab dem Koͤnige zur Antwort: Er/ neben seinen zugeordneten wolten allen menschlichen Fleiß anwenden und spuͤren lassen/ auch verhof- fentlich mit der Arzney gutes wirken/ dafern ihm und etlichen anderen nur wuͤrde vergoͤn- net seyn/ dem Koͤniglichen Fraͤulein 24 Stunden aneinander auffzuwarten/ daß man der Krankheit Art/ Hefftigkeit/ Abwechselung und Ursachen nachsuchen koͤnte. Der Koͤnig ließ ihnen solches gerne zu/ und durffte das Fraͤulein nicht widersprechen/ wiewol sie ihnen an ihrem Leibe nichts mehr gestattete/ als die Schlag Adern an den Armen zubegreiffen/ uñ auff ihren Athem/ Haͤnde- und Angesichts-Hitze zuachten; stellete sich sonsten frisch/ ob em- pfuͤnde sie weder Anliegen noch Schmerzen/ welches die Aerzte doch aus den Zeichen an- ders befunden/ die nach verlauff der berahmeten Stunden sich wieder nach dem Koͤnige verfuͤgeten/ da der vorige also redete: Allergroßmaͤchtigster unuͤberwindlichster Koͤnig/ allergnaͤdigster Herr; die guͤtigen Lebens Goͤtter werden nicht zugeben/ dz die unvergleich- liche Blume menschliches Geschlechts (billich nenne ich dieses Koͤnigliche Fraͤulein also) vergehen solte/ noch ehe sie sich recht aufgetahn/ und Ihrer Groß Koͤnigl. Hocheit die Nies- sung eingeliefert hat/ deren sonst kein Mensch dieser Welt faͤhig ist/ und dahero durch der Goͤtter Verhaͤngniß nohtwendig hat muͤssen hieher gefuͤhret werdẽ. Sol ich nun mein be- denken von ihrer Krankheit geben/ so ist dieselbe zwar gefaͤhrlich/ jedoch nit verzweifelt-boͤse/ kan Drittes Buch. kan auch durch sorgfaͤltige Arzney vertrieben werden/ wann nur dz Koͤnigl. Frl. nit selbst durch schwermuht erstickẽ wird/ wz der Him̃el gerne er haltẽ wil. Alle Zeichen/ die ein Arzt wissen uñ suchẽ kan/ so weit es vergoͤñet ist/ geben Zeugniß eines wolgeseztẽ gesundẽ Leibes; Lunge uñ Leber/ Milz uñ Nieren sind gewuͤnscht volkom̃en/ nur dz Herz leidet Noht/ wiewol nit durch mangel/ sondern wegen Gemuͤtsbekuͤm̃ernis/ so dz auch das Gebluͤt schon davon geaͤrgert/ und in etwas angangen ist. Aber ihre Hocheit wenden jeztangedeutete Ursach der Krankheit allergnaͤdigst ab/ welches deroselben leicht wird zu tuhn seyn; vor das uͤbrige wil ich stehen. Artabanus wolte anfangs nicht glaͤuben/ das sein Fraͤulein durch Schwer- muht diese Krankheit ihr solte zugezogen haben; jedoch/ weil die Aerzte es einhellig beja- heten/ fragete er/ durch was Mittel sie meineten/ daß solche von ihr koͤnte abgekehret wer- den. Wann ihr Anliegen mir bewust waͤhre/ antwortete der vorige/ muͤste man weiter sin- nen/ dem Gemuͤhts-Ubel zubegegnen; solte ich aber meine Gedanken zu oͤffnen Freyheit haben/ wolte ich fast schwoͤrẽ/ biß auff dreyerley zuerrrahtẽ/ was ihr diese Seelen-beschwe- rung verursache. Als nun der Koͤnig solches von ihm in geheim hoͤren wolte/ uñ mit ihm in ein absonderliches Gemach trat/ fuhr der Arzt weiter also fort: Ihre GKoͤnigl. Hoch- heit werden mir recht geben/ ja mit mir schon einer Meinung seyn/ daß das Fraͤulein ent- weder die Abwesenheit von ihren Eltern und Anverwanten; oder ihre harte Einsperrung; oder sonst eine kuͤnftige Wiederwertigkeit/ welche sie befahret und nicht melden darf/ in ihrem Herzen betrauret; umb diese dreyerley muß man sie befragen/ nebest anmeldung/ so bald sie genesen werde/ solte ihrem Begehren gewilfahret/ und die Wiedrigkeit aus dem Wege geraͤumet werden. Hiedurch wird die Hoffnung alle Traurigkeit vertreiben/ und die Feymuͤhtigkeit unsere Arzney nach Wunsch wircken machen; im Falle aber dieses nit helffen wolte/ muͤste man sie mit etwas bedraͤuen/ daß ihr am heftigsten zuwieder waͤhre. Artabanus hoͤrete ihm fleissig zu/ lobete seinen guten Verstand/ und befahl ihm/ dieses nach seiner besten Weißheit zuverrichten/ welches mit hoher Gnade solte ersetzet werden. Die uͤbrigen Aerzte/ deren 25 wahren/ wurden beurlaubet/ und jedem 1000 Kronen gegeben/ nur der eine nam die Muͤhe auff sich/ ging hin zu dem Fraͤulein/ und wie er dann gnug be- redsam wahr/ fing er also zu ihr an: Durchleuchtigstes gnaͤdigstes Fraͤulein; ihre Groß- Koͤnigl. Hocheit entbieten ihrer Durchl. alle Gnade und Liebe/ und weil dieselbe von den Aerzten berichtet sind/ daß ihrer Durchl. Krankheit nur aus Kummer und betruͤbnis her- vor quelle/ als laͤsset allerhoͤchstge dachte ihre Hocheit/ dieselbe vaͤterlich erinnern/ sich alles graͤmens zu entschlagen/ und nur kuͤhnlich anzudeuten/ was die Ursach ihres hermens sey; alsdann wollen sie aͤusserst sich bemuͤhen/ solches zu endern. Insonderheit ist mir allergnaͤ- digst an befohlen/ diese dreyerley zu erfragen; erstlich/ ob ihre Durchl. nach ihrer Fr. Mut- ter verlangen trage/ solle alsbald eine ansehnliche Bohtschaft an dieselbe abgeschicket wer- den; oder ob derselben diese Einsamkeit mißhage/ wolle der GKoͤnig sie auff sein Schloß nehmen; oder ob sie sich einiges wiedrigen befahre/ solle ihr satsame Versicherung gesche- hen/ daß alle Furcht vergebens sey. Ist nun/ daß ihre Durchl. Koͤniglicher Hocheit hierin gehorsamen/ und meine Wenigkeit zum untertaͤhnigsten Knecht zugebrauchen/ wirdigen wil/ wolle dieselbe miꝛ gnaͤdigst anzeigen und befehlen/ was ihꝛe Erklaͤꝛung/ und meine ver- richtung sey. Das Fraͤulein hatte dieses Fuchses Schlauheit schon gestriges tages gemeꝛ- ket/ Drittes Buch. ket/ und wie sie sich des aͤrgesten befuͤrchtete/ ging sie sehr behutsam/ da sie anfangs zu ihm sagete: Mein Freund/ ich schaͤtze euch uͤber alle Aerzte/ die leben moͤgen/ inbetrachtung/ daß ihr nicht allein meines Leibes/ sondern auch des gemuͤhts Gebrechen habt erkennen koͤn- nen; welches trauen eine anzeige ist ein es treflichen verstandes; und lobe ich meinen Koͤ- nig sehr/ daß er sich eures Rahts gebrauchet; ja ich schaͤtze ihn vor gluͤkselig/ daß ihm die Goͤtter euch gegoͤnnet und zugefuͤhret haben. Die drey mir vorgestellete Fragen zubeant- worten/ bin ich nicht allein willig/ sondern auch schuldig/ meinem allergnaͤdigsten Koͤnige zugehorsamen; gebe euch demnach zuvernehmen/ daß es nicht allerdinge ohn ist/ das mein Gemuͤht etliche Tage her harte und schwere anfechtungen erlittẽ/ welche unleidlicher sind als der Tod; daß aber hierin die ganze Ursach meiner Leibesschwacheit bestehen solte/ kan ich mir nicht einbilden/ und doch euch nicht vor uͤbel halten/ daß ihr solche nicht wisset. Betrachtet bitte ich/ daß ich dem Leibe nach ein junges/ zartes und schwaches Fraͤulein bin; dagegen haltet nicht allein/ daß ich zu dreyen unterschiedlichen mahlen in Raͤuber Haͤnde gefallen/ sondern uͤber Meer und Land in die 800 Meile geschleppet bin; wie manniches ungewoͤhnliches Gewitter habe ich erlitten; wie heftige Hitze hat mich gebrennet; wie mannichen ungesunden Trunk habe ich eingeschlukt; wie oft ist mir die noͤhtige Ruhe ge- stoͤret worden. Suchet nun/ mein Freund/ suchet meiner Krankheit Ursach; ihr werdet deren zehne vor eine finden. Jedoch leugne ich nicht/ daß meines gemuͤhtes Leiden auch der Gesundheit meines Leibes abbruch tuhe; aber diß eine Pferd trecket den Ungluͤkswa- gen nicht allein/ ihr werdet ein starkes Span davor gestricket sehen. So wil ich nun auff eure Rede kommen/ da mein Koͤnig zu wissen begehret/ was meine Gedanken aͤngstige. Vermeldet seineꝛ Hocheit dẽ aͤussersten Gehorsam von seiner armẽ Magd/ die er an zeitli- chen Guͤtern in dieser kurzen Zeit reicher gemacht hat/ als alle ihre Vor Eltern nicht gewe- sen sind/ und versichert dieselbe wegen der ersten Frage/ daß ich nicht Ursach habe/ nach meiner Fr. Mutter oder nach meinem Vaterlande verlangen zutragen/ so lange derselbe nicht darinnen ist/ welchen ich mehr als mich selbst liebe/ wegen der Liebe die er mir traͤget. Auch suche ich nicht/ die vorige Armut mit dem jetzigen Reichtuhm wieder zuvertauschen. wolte aber ihre Hocheit meiner betruͤbten Fr. Mutter nach diesem meine Gluͤkseligkeit zu- wissen tuhn/ wil ich nicht wiedersprechen. Auff die andere Frage antworte ich mit Be- stendigkeit/ daß diese meine Einsamkeit und Verwahrung mir die aller angenehmste Frey- heit sey/ die mir dieser Zeit Gelegenheit nach begegnen koͤnte/ werde auch ohn zweiffel des todes seyn/ dafern man mich derselben bergubet. Wollet ihr nun euer aͤusserstes Ungluͤk von euch abwenden/ und daß ich nicht dereins mich grausam an euch raͤchen sol/ so tichtet und erdenket Raht und Mittel/ daß weder ihr noch einiger Mensch meinen Koͤnig dahin verleite/ mich von diesem Schlosse hinweg auff seines zunehmen/ wie ihr dann durch vor- wendung mannicher Ursachen es leicht hintertreiben koͤnnet; und warumb ich dieses so hefftig begehre/ wird euch aus meiner Antwort auff die dritte Frage klar genug werden. Es ist wahr/ fuhr sie fort/ daß mich eine Furcht der kuͤnftigen Wiederwertigkeit drucket/ welche ich bißher keinem Menschen offen bahren duͤrffen/ stehe auch noch diese Stunde bey mir an/ ob ichs ohn Lebensgefahr werde tuhn koͤnnen; dann es ist die groͤsseste Angst mei- ner Seele/ uñ bin entschlossen gewest/ es mit mir in die Grube zu nehmen; wiewol meinem T t t t Koͤ- Drittes Buch. Koͤnige zugehorsamen/ wil ichs euch alles ausbeichten. Hat mein Koͤnig euch noch nicht wissen lassen/ was gestalt ich der ernstlich-gerechten Goͤttin Vesta/ biß zum Ende meines siebenzehnden Jahrs verlobet bin? so hoͤret es anjezt aus meinem Munde. Merket nun weiter meine Rede/ und zweifelt so wenig an der Warheit/ als an meines Leibes jetzigem Gebrechen. Ich erzittere vor der Erzaͤhlung/ und zweifele/ ob nicht diese Goͤttin mir des- wegen gehaͤssiger werde/ als sie schon ist. Vor ohngefehr drey Wochen (so lange hat mein Frauenzimmer meine merkliche Verenderung gespuͤret) lag ich im tieffen Schlaffe/ eine Stunde vor Tage/ als die saursichtige Goͤttin Vesta mich mit diesem Verweiß anfuhr: Ist dirs nicht schon verbrechens gnug/ O du Undankbare/ daß du meinen Opfferherd ohn Rauchwerk stehen liessest/ da du zu Ekbatana Gelegenheit gnug gehabt hast/ dich deiner Schuldigkeit zuer innern; und kanst uͤber das noch mit Hochzeitgedanken umgehen/ die miꝛ so gar zuwider sind; ja dir einen lieben Braͤutigam waͤhlen/ weil du noch in meinem Bun- de stehest? traue mir/ daß deiner frommen Mutter Gebeht die einige Ursach deines Lebens ist/ welches wegen deines schlimmen Ungehorsams mir schon verfallen war. Nicht sage ich dieses/ ob waͤre dir dein Verbrechen schon verzihen; O nein; du solt zeit deines Lebens hier- an zukaͤuen haben. Wirstu dann uͤber vorigen Frevel so verwaͤgen seyn/ und voꝛ Endigung der Zeit deines Geluͤbdes/ ohn meine Einwilligung (die nur von Prag muͤste hergehohlet werden) dich in Mannes Armen finden lassen/ es geschehe aus freyem Willen oder durch Zwang; alsdann wil ich von dir und deinem unbillichen Gemahl eine solche Rache neh- men/ daß ihr beyderseits aller Welt sollet zum Beyspiel dienen. Ich warne dich nicht ver- gebens/ dann des Koͤniges und deine Gedanken sind mir nicht verborgen; Huͤtet euch/ O hütet euch vor der Goͤtter Zorn/ welcher ungleich schwerer ist/ als daß Menschen Haͤnde sie abhalten koͤnten. Woltestu aber mich fragen/ durch was Mittel du dich mir rein und unbe- flecket bewahren koͤnnest/ so hastu Feur/ Wasser/ Schwert/ Gifft/ Strang/ solches brauche wider meinen Beleidiger so lange du kanst/ oder zum wenigsten gebrauche es wider deinen eigenen Leib/ damit deine arme Seele von der gar zu schweren Straffe frey bleibe. Sehet mein Freund/ sagte das Fraͤulein weiter/ ob ich nicht ursach habe/ meiner Seele die betruͤb- niß zugoͤnnen/ und kommet mir/ ist es moͤglich/ mit eurem klugen Raht zu huͤlffe/ des wil ich zeit meines Lebens euch verpflichtet seyn. Der Arzt hoͤrete alles mit Verwunderung an/ kunte wegen ihrer Ernsthafftigkeit nicht die geringste Muhtmassung ergreiffen/ daß sie an- ders als die Warheit geredet haͤtte/ und gab ihr zur Antwort: Duꝛchleuchtigstes Fraͤulein; ich muß freylich gestehen/ daß ihr Gemuͤht nicht ohn ursach verwirret ist. Aber ist Euer Durchl. dieses Gesichte mehr als einmahl erschienen? Nein weiters nicht/ sagete sie; nur daß die gedraͤueten Straffen mir stets vor Augen schweben. Weil ich aber der Goͤttin nicht allein grosse Opffer verheissen/ sondern uͤber das mich aͤidlich verbunden/ entweder froͤlich zusterben/ oder ihre Loßsprechung (es geschehe durch Endung der Zeit/ oder durch ihre frey- willige Enderung) abzuwarten/ hoffe ich bey ihr Gnade und Barmherzigkeit des begange- nen zuuͤberkommen; habe mir auch vorgenommen/ alle Traurigkeit aus dem Sinne zu schlagen/ und durch stetigen Gottesdienst mir die Goͤttin wieder zuversoͤhnen. Befahl hieꝛ- auff ihrer Leibdienerin/ eine bezeichnete Schachtel mit Kleinoten ihr herzureichen/ daraus nam sie einen Ring und ein Halsband auff 16000 Kronen geschåtzet/ reichte es dem Arzt/ und Drittes Buch. und sagete: Nehmet von mir dieses geringe Zeichen meiner Freundwilligkeit/ und versi- chert euch/ daß ich dereins mich bemühen werde/ ein ungleich mehres zuleisten; hingegen aber fodere ich von euch auffrichtige Traͤue/ als weit sie unserm Koͤnige zutraͤglich/ uñ euch selbst unschaͤdlich ist; wendet auch fleiß an/ meine Gesundheit zubefodern/ daß ich ursach ha- be/ dem Koͤnige euer wolverhalten zuruͤhmen. Dieser nam das Geschenk zu sich/ versprach sein aͤusserstes/ und nachdem er ihr etliche Arzneyen eingegeben hatte/ machte er sich nach dem Koͤnige/ ruͤhmete der Fraͤulein hohen Verstand/ und erzaͤhlete ihm die ursach ihrer be- truͤbeten Gedanken fast mit ihren Worten; wovor sich der Koͤnig entsetzete/ und dem Arzt vertraulich offenbahrete/ wie er waͤhre gesonnen gewesen/ seine dem Fraͤulein getahne Zu- sage zu widerruffen/ und das Beylager in kurzer frist zuhalten/ weil ihm seine Begierden zu hefftig druͤngen; welches der Arzt mit betruͤbten Geberden anhoͤrete/ und nachgehends ihm anzeigete/ in was vor ein Verderben er sich selbst und das Fraͤulein stuͤrzen wuͤrde/ massen die Goͤttin Vesta eine sehr maͤchtige und hart straffende Goͤttin waͤhre; Dieses fuͤhrete er mit so bewaͤglichen Gruͤnden an/ daß der Koͤnig vor dißmahl sein Vorhaben zuendern be- wogen ward/ ließ auch dem Fraͤulein durch den Arzt anmelden/ daß ihr die geschehene Zu- sage unbrüchig solte gehalten werden. Weil dann der Arzt alle Moͤgligkeit anwendete/ und das Fraͤulein/ in Hoffnung der schier nahenden Gegenwart ihres Herkules/ vorige Froͤ- ligkeit wieder annam/ ward sie in kurzer Zeit wieder gesund/ und durch einen Briefrühme- te sie dem Koͤnige des Arztes Fleiß/ daß er deßwegen mit einem statlichen Ritter Sitze ver- ehret ward. Nun haͤtte das Fraͤulein nicht uͤbel getahn/ wann sie des Koͤniges erbieten befodert/ und eine Botschafft an ihre Fr. Mutter haͤtte abgehen lassen/ als welche ihretwegen herz- lich bekuͤmmert wahr; dann nachdem ihre Gesanten von Padua wieder zu Prag anlan- geten/ und neben Einreichung der ihnen zugestelleten Schreiben/ auch muͤndlich ablegetẽ/ was Jungfer Brela ihnen vor Zeitung von dem Fraͤulein gebracht hatte; kunte sie nicht glaͤuben/ daß sie zeit ihres Lebens dieselbe wieder sehen wuͤrde; begab sich demnach gar aufs klagen und weinen/ daß ihre Raͤhte und Frauenzimmer gnug an ihr zutroͤsten hatten. Rit- ter Nedataht das beste bey ihr/ indem er ihr das gute Herz erklaͤrete/ welches sie auf der Rei- se getragen/ auch den guten Fleiß/ welchen Herkules und Ladisla zu ihrer Rettung anwen- deten/ daß sie sich etlicher massen zufrieden gab/ und zu rahte ward/ einen steten Gesanten zu Padua zuhalten/ der sie schleunig berichten koͤnte/ wann Zeitung von dem Fraͤulein ein- kaͤhme. Dieses dauchte Neda eine gewuͤnschete Gelegenheit/ sein Vorhaben desto fuͤglicheꝛ ins Werk zurichten; baht auch untertaͤhnigst/ ihm solches Amt gnaͤdigst zubefehlen; erzaͤh- lete zugleich Brelen Zustand/ und daß er sich ehelich mit ihr versprochen haͤtte/ da er ihr zu- gleich ein koͤstliches Kleinot ihretwegen einlieferte. Die Koͤnigin hoͤrete solches gerne/ gab ihren Willen darein/ und befahl ihm/ sich bald fertig zumachen/ damit er ungeseumet sich nach Padua erheben koͤnte. Also zog er nach seinen Eltern/ und gruͤssete sie samt seiner Schwester im Nahmen Libussen und Brelen freundlich/ denen zwar der erste Gruß sehr angenehm/ der andere aber hefftig zuwider wahr/ daß auch die Schwester nicht unterlassen mochte zuantworten: Seine gluͤkliche Wiederkunfft/ und ihrer Wasen Gesundheit waͤh- re ihr lieb; das uͤbrige aber haͤtte nicht groß zubedeuten/ es waͤhre dann/ daß ihr Bruder T t t t ij durch Drittes Buch. durch ihr anschauen in vorige Tohrheit wieder gerahten waͤhre. Neda hatte ihm vorge- nommen/ sich nichts irren zu lassen/ und sagte im Scherze zu ihr: Ich moͤchte gerne wissen/ geliebte Schwester/ was dir an dieser Jungfer so hefftig mißfaͤllet; an Zucht/ Adel/ und Schoͤnheit ist sie ja keiner Jungfer dieses Koͤnigreichs viel schuldig/ ohn daß sie ein verlas- senes Waͤyselein ist; Woltestu sie nun deswegen verachten/ koͤntestu dich dadurch versuͤn- digen/ daß dir dermahleins ein gleiches widerfuͤhre. Die Schwester befand sich hiedurch in etwas verletzet/ und wolte schaͤrffer loßbrechen; aber die Eltern wehreten ihr/ und sagetẽ: Sie koͤnten selber nicht billichen/ dz man ehrliche Jungfern verachtete; vernaͤhmen gleich- wol nicht/ daß seine Schwester desgleichen taͤhte/ sondern es ginge ihr aus Schwesterlicheꝛ Zuneigung zu herzen/ daß ihr Bruder durch Heyraht seine Guͤter verringern solte/ massen wo kein Braut Schatz folgete/ muͤste der weibliche Schmuk von des Mannes Guͤtern ge- zeuget werden/ welches nur Schulden verursachete. Geliebete Mutter/ antwortete Neda; ich stelle dieses an seinen ort/ und wann ich gleich eine arme Jungfer heyrahten wuͤrde/ hof- se ich doch so viel zuerwerben/ daß ich sie ohn mein vaͤterliches Erbe ernehren wolte; solte man aber einen aus Freundschafft angebohtenen Gruß so hoͤhnisch verwerffen? zwar mei- ne Eltern hoͤre ich gerne/ aber meiner juͤngeren Schwester raͤume ich diese Macht durch- aus nicht ein/ uͤber mich zuherschen/ wuͤrde auch meinem Ritterstande und tꝛagendem Am- te sehr schimpflich stehen. Aber lieber saget mir/ habt ihr auch etwz mehr auff Jungfer Bre- len zusprechen oder an ihr zutadeln/ als daß sie unbeguͤtert ist? Nein/ sagte die Mutter/ wir halten sie im uͤbrigen wirdig gnug; weil du aber selber bekennest/ daß du den Eltern Gehoꝛ- sam schuldig bist/ wirstu ihnen folgen/ und ihren gemacheten Schluß nicht umstossen. Was ist das vor ein Schluß? fragete Neda. Je/ antwortete sie; welchen wir mit Herr Vratisla wegen deiner und seiner Tochter Heyraht getroffen haben. Wie versaget/ oder verkaͤufft ihr mich dann/ fragete er/ und forschet nicht zuvor/ ob ich auch einwilligen werde? Ich bin ja kein gebohrner Sklav/ so kan ich euch auch nicht bergen/ daß ich umb Geldes willen/ Ehꝛ uñ Redligkeit hindan zusetzen nicht gemeynet bin/ und wolte den Geizhals Vratisla mit sei- ner Tochter lieber erwuͤrgen/ als in solche verfluchte Ehe einwilligen. Die gute Mutter wuste das Geruͤchte wol/ entschuldigte es aber bester massen; man muͤste den Laͤstermaͤuleꝛn nicht glaͤuben; mannicher redlichen Jungfer wuͤrde ohn alle schuld eine Klette angeworf- fen; und was des dinges mehr wahr. Sein Vater Krokus wolte auch laͤnger nit schwei- gen/ sondern sagete zu dem Sohn: So bin ich gleichwol dein Vater/ und da du mir gehoꝛ- sam versagest/ werde ich mein Recht zugebrauchen wissen. Was vor Recht/ lieber Vater? antwortete er; ich wuͤste ja kein Recht in der Welt/ daß mich zwingen koͤnte/ wider meinen Willen ein Weib zunehmen? Der gute Alte erzuͤrnete sich hieruͤber/ und draͤuete ihn zuent- erben; aber Neda bewaͤgete sich gar nicht/ sondern fragete nur/ wem er die Guͤter zuwendẽ wolte. Wem sonst/ sagte der Vater/ als deiner einigen Schwester. Ja/ antwortete er/ wañ sie mir davor dankete/ liesse ichs ihr vielleicht mit gutem Willen zu; aber dann muͤste sie zu- vor gegen Jungfer Brelen einen bessern Willen fassen; wiewol meine gnaͤdigste Koͤnigin- nen/ so wol die herschende/ als die zu Padua/ mich vor Enterbung schon befreyet habẽ/ auch meiner Schwester/ wegen ihrer lieben Brelen Verachtung/ eine schlimme Urtel sprechen duͤrfften; Ist demnach diese Bedraͤuung vergebens/ und weiß ich schon vorhin wol/ daß sie euch/ Drittes Buch. euch/ lieber Vater/ nicht von herzen gehet; dann wie koͤnte ich der Lehnguͤter entsetzet/ oder dieselben meiner Schwester zugelegt werden? bin ich euch aber verhasset gemacht/ das zei- get mir an/ alsdann wil wider euren Willen ich keines Hellers wert von eurem Gute ge- niessen/ sondern nach eurem Tode sie der hoͤchsten Obrigkeit aufftragen/ und dannoch vor Armuht und Mangel gnug befreyet seyn; wisset auch/ daß meine Gnådigste Koͤnigin mich vor ihren stets sitzenden Gesanten zu Padua bestellet hat. Hierauf gaben die Eltern naͤheꝛn Kauffs/ dann sie wusten/ in was Gnaden Brela wahr; sageten demnach/ wann er ihm ja nicht wolte rahten lassen/ moͤchte er nach seinem willen freyen. Aber die gute Schwester durffte allein widersprechen; das koͤnte nicht seyn; was Herr Vratisla sagen wuͤrde; das verheissene solte und muͤste gehalten werden/ oder ihre Eltern wuͤrden vor unwarhafft aus- geruffen werden/ und duͤrffte sie Jungfer Wisna nicht unter die Augen kommen. Wiltu auch nach diesem meine Schwester heissen/ sagte Neda/ soltu dich der leichtsinnigen Dir- nen entschlagen/ oder ich/ als dein aͤlterer Bruder/ werde diesem wissen vorzubauen; Weist du nicht/ daß ihr Bruder umb ihret willen seinen wolgezierten Reitknecht erstochen hat/ weil er ungebuͤhrliche Dinge gesehen hatte? Wer mit Dieben laͤufft/ der lernet stehlen; und huͤte dich nur/ daß du ihres Geruͤchtes nicht teilhafftig werdest/ damit unser Geschlecht un- geschaͤndet bleibe. Die Mutter wolte ihre Tochter viel entschuldigen/ als welche ein gros- fes Geplaͤrre anfing; aber der Vater sagete: Dafern die Wisna in solcher Nachrede stec- kete/ haͤtte feine Tochter sich billich vorzusehen/ daß ihr nicht gleicher Schandflecken ange- haͤnget wuͤrde. Worauff Neda also anfing: Herzgeliebete Eltern und Schwester; meine versprochene Braut/ die aͤdle Brela/ welche mit unserm gnaͤdigsten Fraͤulein biß in Syrien gewesen/ und neulich zu Padua wieder angelanget/ entbeut euch Kindlichen und Schwesterlichen Gruß/ uͤbersendet zum Zeichen ihrer Liebe uñ Ergebenheit diese Klei- not/ mit bitte/ ihr wollet ein Vater-Mutter- und Schwester-Herz gegen sie fassen/ uñ euch versichern/ daß wieder euren Willen sie weder tuhn noch lassen wolle. Und daß ihr sie fort- hin armut halben nicht verachtet/ moͤget ihr wol glaͤuben/ daß ihre Baarschaften uñ Klei- not zu Padua sich uͤber 16 Tonnen Goldes erstrecken. Erzaͤhlete nachgehends allen Ver- lauff/ und daß Herr Fabius ihm die Oberwachtmeisterschaft uͤber die Paduanische Be- fatzung gegeben/ worzu das obgedachte Koͤnigliche Amt kaͤhme/ daß er erstes tages sich da- hin begeben muͤste. O du naͤrrische Geldliebe/ was koͤnnen Geschenke und Gaben bey den Menschen nicht erhalten? Die Mutter und Schwester besahen die kostbahre Sachen/ wel- che uͤber ihren Stand reicheten/ auch die mit guͤldener Muͤnze außgesuͤlleten Wetscher/ daher sie das uͤbrige zu glaͤuben desto leichter bewaͤget wurden. Da wahr nun Brela die beste/ die aͤdleste und angenehmste. Ach Herzliebe Tochter Brela/ waͤhret ihr doch selber hie/ daß das Beilager gehalten wuͤrde/ sagete die Mutter. Ach Herzliebe Schwester Bre- la/ waͤhret ihr doch mit uͤberkommen/ sagete Schwester Therba. Alles wahr vergessen/ als waͤhre es nie ergangen. Was? solte ich der leichtfertigen Wisna meinen Sohn geben? sagte die Mutter. Was? solte die schiefmaulichte Wisna meinen Bruder heyrahten? sag- te die Schwester. Woruͤber nicht weniger der alte Vater als Neda selbst zu lachen bewaͤ- get ward/ sahen doch gerne/ daß alle Feind schaft auffgehaben wahr. Der Vater wuͤnsche- te dem Sohn zu beyden Amtsverwaltungen Gluͤk/ und fuhr selbst mit ihm nach Prag zu T t t t iij der Drittes Buch. der Koͤnigin/ woselbst Neda sich mit 10 gewapneten rittermaͤssigen Dienern versahe/ und nach empfangenem Koͤniglichen Befehl und Volmacht/ den geradesten Weg nach Pa- dua zuritte. Auff der Reise stieß ihm unterschiedliche Gefahr auff/ die er teils durch Mañ- heit/ teils durch List abwendete/ biß er zu Padua frisch und gesund anlangetete. Er fand daselbst alles im vorigen guten Stande/ ohn das sein Obrister/ Herr Klodius nicht anhei- misch/ sondern mit seiner liebesten Agathen des vorigẽ morgens nach Rom geritten wahꝛ/ dem er nach kurzer ablegung seines auffgetragenen Befehls/ und einlieferung der Koͤnig- lichen Schreiben alsbald zu folgen gesinnet wahr; weil aber Frau Sophia und Frl. Si- billa Lust gewonnen/ mit zureisen/ ward es biß folgenden Morgen auffgeschoben/ und bere- dete Fr. Sophia die beyden Boͤmischen Jungfern leicht/ daß sie ihr Geselschaft leisteten; Sie kunten aber Klodius in zween Tagen nicht erreichen/ wie hart sie auch eileten/ da jeneꝛ doch eine Begleitung von 10 Fußknechten/ und diese 20 wolberittene Reuter bey sich hat- ten. Des dritten tages fast gegen Abend/ gerieten sie an ein Gehoͤlze/ da Neda mit seinem Leibdiener voran ritte/ und die Gutschen und beladene Wagen mit dem Frauenzimmer unter der Begleitung folgen ließ. Als er den Wald fast zum Ende wahr/ hoͤrete er ein Ge- fechte und Geschrey etlicher Klagenden/ setzete frisch fort/ und sahe einen Ritter zu Fusse sich mit acht Moͤrdern schlagen. Umb ihn her lag eine zimliche menge Toder und sterben- der/ uñ wahr gleich an dem daß der Ritter sich haͤtte muͤssen fahen lassen; dem er Beystand zu leisten sich alsbald entschoß/ schickete seinen Diener zu ruͤk nach seinen Reutern/ und mit entbloͤssetem Schwert rieff er den Moͤrdern zu/ sie solten sich an dem Ritter nicht ver- greiffen; sprengete unter sie/ uñ erlegete bald im anfange ihrer zween; weil aber sein Pferd erstochen ward/ machte er sich herunter/ trat neben den andern schon zimlich verwundeten Ritter/ und sagte; haltet euch frisch/ wir werden bald mehr Beystand haben. Worauff sich dieser ermunterte/ daß vor der an dern ankunft sie die Raͤuber alle erlegeten/ und nach erhaltenem Siege Klodius den Helm abzog/ umb zuvernehmen/ wer ihm so ritterlichen Beystand geleistet haͤtte. Neda kennete ihn alsbald/ und sagete: Geehrter Herr Bruder/ ich freue mich sehr/ daß ich ihm zu rechter Zeit bin zu huͤlffe kommen; aber wo hat er seine Liebeste? Klodius umbfing ihn/ bedankete sich kuͤrzlich der geleisteten Rettung/ und klagete/ er wuͤste eigentlich nicht/ wohin sie geritten waͤhre; haͤtte ihr aber drey Kriegsknechte zu- geordnet/ und meinete nicht anders/ als daß sie sich nach der rechten Hand hingewendet haͤtte. Weil dann Neda Geselschafft gleich herbey kam/ teileten sie sich/ und traffen sie zn i- schen vier Moͤrdern an/ die ihre Knechte erschlagen/ und sie mit sich gefuͤhret hatten/ ward aber bald frey gemacht/ und herzu geleitet/ dañ wegen erschreknis kunte sie keinen Fuß aus der Stete setzen; meinete auch nicht anders/ es waͤhren neue Raͤuber/ die sie aber mahl ge- sangen; so bald sie aber berichtet ward/ daß ihr Junker von seinem Oberwachtmeister Ne- da enisetzet/ und Fr. Sophia mit ihrem Frauenzimmer zu gegen waͤhre/ erhohlete sie sich wie der/ ward auch von der Geselschaft freundlich empfangen/ ihres Unfals getroͤstet/ und zogen miteinander fort nach dem naͤhesten Flecken/ woselbst Klodius sich verbinden ließ. Zu Rom ward Fr. Sophia mit ihrem Zimmer von Herr M. Fabius umb so viel freund- licher empfangen/ weil sie unvermuhtlich kahmen/ insonder heit freuete sich Frl. Sibyllen Mutter uͤber ihrer geliebeten Tochter Gegenwart/ und taht Frl. Virginien und anderen ihren Drittes Buch. ihren Gespielen ihre Ankunft zu wissen. Als aber zu Rom ausgebreitet ward/ daß Fr. So- phia von Padua verhanden waͤhre/ deren der Keyser und der Raht das Ehrengedaͤchtnis hatte richten lassen/ ward sie von den vornehmsten Roͤmischen Frauen besuchet/ und hoͤch- lich gepreiset/ daß durch ihren Raht und Angeben das grosse und algemeine Verderben von ganz Italien abgewendet waͤhre. Kaͤyser Alexanders Mutter Fr. Mammea/ ließ sie auff ihrer Leibgutsche nach ihrer Burg hohlen; diese wahr dem Glauben nach zwar eine Christin/ aber der Christlichen Tugenden befließ sie sich nicht allerdinge/ dann sie uͤbete an unterschiedlichen Roͤmern schlimme grausamkeit/ und wahr dem Geiz fehr ergeben. Die- ses wuste Fr. Sophia wol/ hatte sich auch mit uͤbergrossen Geschenken versehen/ die auff drey Tonnen Goldes sich belieffen/ welche sie ihr demuhtig einhaͤndigte/ und sich ihrer gnaͤ- digsten Hulde und Gewogenheit befahl. Diese wegerte sich anfangs sehr/ ein so reiches Geschenk anzunehmen/ aber auff harte noͤhtigung empfing sie es/ mit erbieten/ bey ihrem Herr Sohn dem Kaͤyser alles daß zuleisten/ was zu ihrem auffnehmen gereichen koͤnte; da sie dann/ ihre Gunst zu erzeigen/ mit ihr auff einer Gutsche nach dem Marsplatze fuhr/ und ihr Ehren-Gedaͤchtnis besahen. Der Kaͤyser selbst/ wie er ihrer Anwesenheit berich- tet ward/ baht sie neben Herr M. Fabius und Frl. Sibyllen zur Mahlzeit/ und vernam al- les umbstaͤndlich von ihr/ wie sichs in Bestuͤrmung des Raubnestes zugetragẽ haͤtte; sagte/ er waͤhre willens gewesen/ die treflichen Helden nach Rom fodern zu lassen/ und mit ihnen Kundschaft zu machen/ haͤtte aber erfahren/ daß wegen eines geraubeten Fraͤuleins sie ab- wesend waͤren; uñ muste sie diesen Unfal gleichmaͤssig erzaͤhlen/ da der Kaͤyser und andere Anwesende sich der herzhafften Frl. Valiska nicht gnug verwundern kunten. Klodius und Neda macheten inzwischen zu Rom gut geschir/ dann wie verachtet jener ehemahls wegen seiner schuldhaften wahr/ so hoch ward er jezt geehret/ und von den Roͤmischen jungẽ Rit- tern besuchet und zu Gaste geladen. Titus Bellizius/ welcher Klodius aͤlteste Schwester geheirahtet hatte/ stellete des dritten Tages nach ihrer Ankunft eine grosse Gaͤsterey an; untern andern Gaͤsten wahr ein verwaͤgener aͤdler Roͤmer/ nahmens Kajus Opelius/ deꝛ- selbe fing an/ etliche Schimpfreden auff den Teutschen Adel außzustossen/ nur daß er Ur- sach an Neda haben moͤchte/ der sich vor ihm nicht so tieff demuͤhtigte/ als ers gerne gese- hen haͤtte. Nun hatte dieser gleich sein Geschwaͤtze mit Klodius Schwester/ daß ers nicht acht nahm; so wahr Klodius hinaus gangen/ daß er ihm nicht einreden kunte/ und wolten die andern sich nicht mit einmengen/ weil er ein unreiner Vogel wahr/ und sein Adel neben der treflichen Erfahrenheit in Waffen/ ihn gar frech machete. Als dieser merkete/ daß der erste Bolzen vergebens abgeflogen wahr/ fiderte er bald einen schaͤrfferen/ und fragete sei- nen Nebensitzer/ mit was vor Waffen sich die Teutschen doch gegen sie gestellet/ als Kaͤy- ser Antoninus Karakalla sie vor eilf Jahren am Main geschlagen. Dieser wolte ihm nicht Ursach zu weiterem Unlust geben/ und antwortete; er koͤnte nicht leugnen/ daß ihre Ritter- schaft wol und redlich gefochten/ und ob sie gleich mit Waffen so volkommen nicht waͤhrẽ versehen gewesen/ haͤtten sie dannoch diesen Abgang durch Mannheit ersetzet/ und moͤchte er vor sein Haͤupt wuͤnschen/ dz man diese zimlich abgelegene Nachbarn zu stetigen Freun- den haben koͤnte/ massen die Teutschen Kriege viel Wunden und wenig Beute braͤchten. Opelius fuhr fort; er hoffete/ die Teutschen wuͤrden das Narrenseil schier wieder zihen/ und Drittes Buch. und einen blinden Fal wagen/ alsdann wolte er auff seine kosten wieder sie fortzihen/ und nach Rom nicht kommen/ biß er 50 aͤdle Teutschen gefangen/ welche ihm seine Landguͤter als Leibeigene bestellen/ und des Vihes huͤten solten; dann ich hoͤre/ sagte er/ daß sie in Frie- deszeiten den Pflug selber treiben/ damit sie nicht hungers verschmachten. Diese Reden gingen beydes Klodius und Neda durchs Herz/ uñ kunte jener insonderheit seinem Herꝛn Herkules zu ehren/ es unbeantwortet nit lassen/ sagete demnach zu ihm; Geliebter Oheim Opelius/ ich bitte/ er wolle sich in solchen Reden maͤssigen/ welche vielleicht etlichen Anwe- senden zu nahe treten moͤchten; ich diene einem teutschen Herꝛn/ und wil mich gluͤkselig achten/ als lange ich die Ehre habe/ ihm zu dienen/ dann ich weiß/ daß nicht alle Teutschen so beschaffen sind/ wie man sie uns vormahlet; solten nugleich Teutsche von Adel sich zu- zeiten des Ackerbaues annehmen/ wuͤrde solches ihren Adel eben so wenig schaͤnden/ als es ehmahls den treflichsten Roͤmern L. Quintius Zinzinnatus/ Attilius Seranus/ Markus Kato/ uñ anderen mehr/ keines Weges veraͤchtlich gewesen ist; nachdem wir aber freund- schaft und Lust wegen beyeinander sind/ wollen wir von froͤlichern Sachen schwaͤtzen. In- zwischen saß Neda und brante vor Zorn/ nahm auch gaͤnzlich vor/ sich an dem Schaͤn der zuraͤchen/ und sagte zu Klodius; Geehrter Herr Obrister/ und Bruͤderlicher Freund/ er weiß dz ich mich unter den Teutschen Adel zaͤhlen lasse/ ob ich gleich meine Guͤter in Boͤh- men habe/ welches Reich doch mitten in dem Herzen Teutschlandes gelegen ist. Nun wil ich nicht hoffen/ daß die jezt vorgebrachte Reden insgemein auff allen teutschen Adel ge- meinet seyn/ sondern nur auff die Unnuͤtzen und faulen/ deren es ohnzweiffel allenthalben/ auch mitten in Rom geben moͤchte; daher dann dieser Ritter so wenig Ursach hat umb solcher willen so weit zu reisen/ als wenig wir uns dessen anzunehmen haben; wiewol ich wuͤnschen moͤchte/ daß er alle nichtwerte Teutschen vor Leibeigen haͤtte/ auff daß Teutsch- land/ welches nur tapffere Herzen liebet/ des unnuͤtzen Wustes moͤchte entladen seyn. Ope- lius wahr so tummes verstandes nicht/ daß er den Auffzug nicht solte gemerket haben/ ge- dachte ihm aber zuvergelten/ und gab zur Antwort: Die unuͤberwindlichen Roͤmer haben nicht dẽ Brauch/ daß unnuͤtze mit sich uͤber Land zuschleppen/ sondern geben es ihrer Mut- ter der Erden; nur was sie tuͤchtig finden/ dem goͤnnen sie das Leben zu ihrem Dienste; uñ hat man wol ehmahls mehr Leibeigene Teutschen/ als Herren zu Rom gefun den; ja wer weiß/ was uns das Gluͤk in kurzem zuwendet? Ich ruͤhme die unuͤberwindlichen Roͤmer/ als Herren vieler Laͤnder/ sagete Neda/ aber die Leibeigenen haben sie nicht beim Trunke/ noch mit dem Maule/ sondern mit bewehrter Faust gemacht. Damit ging der Tanz recht an/ massen Opelius alsbald fragete/ ob er damit gestochen waͤhre. Niemand/ antwortete Neda/ ohn der den redlichen Teutschẽ Adel schaͤndet/ welchen Kaͤyserl. Hocheit neulich auf dem Marsplatze sonderlich geehret hat. Opelius fassete das Trinkgeschir/ in meinung ihm dz Gesicht damit zuschaͤnden/ aber Neda solches sehend/ fing den Wurff mit der Hand auf/ wolte doch nicht wieder werffen/ sondern redete die Anwesende Geselschafft also an: Ihr hoch aͤdle ruhmwirdige Roͤmer/ werdet mir schier heut oder Morgen dessen bestaͤndige Zeugniß geben was alhie vorgangen ist; Dich boßhafften Schaͤnder aber/ sagte er zu O- pelius/ halte ich des Ritterstandes unwirdig/ weil du einen Ritter nicht mit Ritterlichen Waffen/ sondern mit einem Trinkgefaͤß angreiffest/ uñ wil ich dich umb deiner Schmach- rede Drittes Buch. rede willen ausfodern/ dz du auff dem Marsplatze erscheinest/ damit ich sehen moͤge/ ob dein Herz so fest wiederhalten/ als dein Maul schaͤnden kan. Dieser antwortete: Ob er noch ei- nen Teurschen Bauren Flegel bey sich haͤtte/ solte er denselben zu huͤlffe nehmen/ daß er ihm den Schild vorhielte. Hie fuͤhre ich meinen Flegel an der Seite/ sagte Neda/ und werde noch heut sehen/ ob du bequemer seyst zu droͤschen oder gedroschen zuwerden. Ging damit hinaus auff sein absonderliches Gemach/ legete seine Waffen an/ und ritte nach des Kaͤy- sers Burg/ bey dem Fr. Sophia zu gaste wahr; dieselbe ließ er zu sich hinaus bitten/ erzaͤh- lete ihr alle begebniß/ und baht untertaͤhnigst/ bey Kaͤy serl. Hocheit ihm urlaub zuerlangen/ seine Ausfoderung zuverfolgen; worzu sie willig wahr/ brachte es auch bewaͤglich vor/ ne- best anmeldung/ dieser Ritter waͤhre eines vornehmen Boͤhmischen Herrn Sohn/ und ih- res Gemahls lieber Getraͤuer/ daß auch ihr Herr Vater ihn wegen seiner Tapfferkeit in Roͤmische Dienste genommen haͤtte. Der Kaͤyser ließ ihn selbst hervor treten/ da er dann den Schimpff/ dem ganzen Teutschen Adel angelegt/ so ernstlich vortrug/ und zugleich unt Erlaubniß des Kampffes anhielt/ daß der Kaͤyser sich alsbald erboht/ den Opelius deswe- gen an Leib und Leben zustraffen/ dafern er seiner Anklage glaubwirdige Zeugniß fuͤhren koͤnte. Weil er dann sechs Roͤmische Ritter bey sich hatte/ die solches einhellig ablegeten/ erzuͤrnete sich der Kaͤyser sehr/ haͤtte auch ernstliche Straffe ergehen lassen/ wann nicht Ne- da davor gebehten/ der nur bloß umb des Kampffs Verguͤnstigung ansuchung taht/ dessen er durch Fr. Sophien Vorbitte endlich gewehret ward/ doch daß Opelius zuvor bey dem Kaͤyser erscheinen muste/ welcher ihn also anfuhr: Du beschimpffung des Roͤmischen A- dels; wie darffstu eines ganzen Landes Adel schaͤnden/ dessen Manheit unserm Reich alle- zeit widerstanden/ und sich in Freyheit erhalten hat? Du hast vielmehr des Henkers Beil/ als das Ritterliche Schwert verdienet/ indem du eben diese wider unser Reich auffzuwie- geln bedacht bist/ welche mit Freundschafft uns zuverbinden/ wir geflissen sind; weil wir a- ber absonderlich erbehten worden/ diesen Kampff zuzulassen/ kanstu dich darzu schicken/ und im fall du obsiegest/ nicht desto minder des Rechts erwarten. Opelius taht einen demuͤhti- gen Fußfall/ haͤtte wegen eines eingebildeten Schimpffs zu milde geredet/ welches er abzu- bitten erboͤhtig waͤhre; hoffete sonst vor dißmahl zuzeigen/ wie hoch Roͤmischer Adel den Teutschen uͤberginge. Der Kaͤyser hieß ihn sich packen/ und daß er nicht bedacht waͤhre/ seines unbesonnenen Schwerts zu solchem wichtigen Beweißtuhm zugebrauchen; stund auff/ und machte sich mit seiner Geselschafft fertig/ dem Kampffe beyzuwohnen/ und da es noͤhtig seyn wuͤrde/ des Teutschen Ritters Leben zuretten/ weil ihm Opelius Kuͤhnheit wol bekant wahr. Das Frauenzimmer zog mit hin/ und empfand die gute Brela in ihrem Heꝛ- tzen nicht geringe Furcht und Schmerzen/ daß sie zu Libussen sagete: Meinen ungenehmẽ Braͤutigam habe ich zu Padua im Kampff verlohren; solte ich nu meinen Seelen Schaz hier zu Rom einbuͤssen/ haͤtte ich erstuͤber Ungluͤk zuklagen. Aber Libussa troͤstete sie; Neda haͤtte vorerst die Gerechtigkeit/ hernach der Goͤtter und des Kaͤysers Gunst auff seiner sei- te/ und waͤhresein erstes nicht/ daß er hochmuͤhtigen Frevel daͤmpffete. Die Kaͤmpffer setze- ten mit ihren Speeren grimmig auff einander/ welche in der Lufftverstoben/ aber keinen niderwurffen; daher ließ ihnen der Kaͤyser neue reichen/ weil Neda insonderheit darumb anhielt; der sich dann mit solcher Gewalt auff seinen Feind loß gab/ daß er ihn gestrekt auf V u u u die Drittes Buch. die Erde niderlegete/ daher seine Brela gute Hoffnung fassete des kuͤnfftigen Sieges. Ne- da stieg bald ab/ trat hin zu dem gefaͤlleten mit blossem Schwerte/ da derselbe sich noch nicht regete/ machte ihm das Helmgesicht auff/ daß er frische Lufft empfing/ und sagete uͤberlaut zu ihm: Nun mein Opelius/ bistu noch gewillet/ 50 Teutsche von Adel zufahen/ deren viel- leicht noch keiner mag gebohren seyn? der Anfang ist zimlich schlecht/ und stuͤnde dein Leben in meiner Hand/ wann ich eine grausame Seele haͤtte; aber mache dich auff die Fuͤsse/ da- mit ich sehen moͤge/ ob du besser auff zwey als auff vier Beinen streiten koͤnnest/ dann ich muß dein Schwert auch kennen lernen. Dieser erhohlete sich wieder/ und als er sich auff- gerichtet hatte/ gab er zur Antwort: Nicht du/ sondern des Kaͤysers Ungnade hat mich ab- gestochen. Ja/ hastu so hochgelehrte Entschuldigungen/ sagte Neda/ so ist gefaͤhrlich mit diꝛ zuzanken; aber fasse einen Muht/ und trit dem Ungluͤk mit eben der Herzhafftigkeit entge- gen/ durch welche du die aͤdlen Teutschen mit hauffen pflegest gefangen zunehmen/ wann dir der Wein wol schmecket. Dieser Spot taht ihm weher als der Tod selbst; warff sich in die Hoͤhe/ und fing an seine Fechterkunst sehen zulassen. Aber Neda droͤschete weidlich auf ihn loß/ daß in weniger Zeit seine Waffen mit Blut angefaͤrbet wurden/ und ihm alle kraft entging. Weil er dann nicht willens wahr/ ihn zutoͤdten/ trat er ihm mit dem Schilde ein/ ließ sein Schwert fallen/ und risse ihm das seine aus der Hand/ sprechend: Nun gib dich/ Opelius/ ich bin nicht willens/ dich zuverderben/ wann du guten Willen erkennen kanst; uñ daß du mein redliches Herz spuͤrest/ wil ich mich bemuͤhen/ dir einen gnaͤdigen Kaͤyser zu machen. So waͤhre ich euch mein Leben schuldig/ sagte Opelius; ist aber keine Gnade zueꝛ- halten/ so beseliget mich mit einem schleunigen Tode; Der Kaͤyser hoͤrete ihr Gespraͤch/ a- ber nicht dessen Verstand/ vor welchem Neda sich in die Knie legete/ und alleruntertaͤhnigst baht/ ihre Kaͤyserl. Hocheit moͤchte in ansehung seiner beyden gnaͤdigen Herꝛen/ Ladisla uñ Herkules/ deren Ehren Gedaͤchtniß hier auffgerichtet stuͤnden/ gegenwaͤrtigem Ritter O- pelius allergnaͤdigst verzeihen/ als ob des verlauffenen nichts vorgangen waͤhre. Fr. So- phia und Frl. Sibylla bahten ein gleiches bey des Kaͤysers Fr. Mutter; Worauf der Kaͤy- ser sich also erklaͤrete: Redlicher Ritter/ damit ihr sehet/ wie hoch ich die Gedaͤchtniß der beyden Helden/ Herren Ladisla und Herkules halte/ und ihre Wirdigkeit schaͤtze/ insonder- heit/ weil des erstgenanten sein Gemahl das Wort mit fuͤhret/ so trit herzu/ du unvorsichti- ger Opelius/ dein Verbrechen ist tod/ und sol forthin weder gedacht noch genennet werdẽ. Die anwesenden ingesamt erfreueten sich der ganz ungewoͤhnlichen Gnade/ kehreten wieder umb/ teils nach der Burg/ teils nach T. Bellizius Behausung/ und liessen den ver- wundeten fleissig verbinden. Des folgenden Morgens stellete Klodius auff Fr. Agathen begehren eine treffliche Gaͤsterey an/ bey welcher sich Herr M. Fabius mit Fr. Sophien und Frl. Sibyllen einstelleten. Nach abgehobenen Speisen hielt Fr. Agatha in aller Gaͤste gegenwart bey ihrem Klodius an; nachdem sie ihn zum Herrn aller ihrer Guͤter gemacht haͤtte/ moͤchte er ihr den dritten Teil aller seiner Roͤmischen Guͤter schenken/ welches von allen mit einem Gelaͤchter angenommen ward; Er aber/ weil er ihr vorhaben merkete/ wil- ligte alsbald darein; worauf sie dessen drey gegenwaͤrtige Schwestern also anredete: Hoch- werte Frr. Schwestere/ und herzgeliebete Freundiñen; weil ich meinen ergebenen schwe- sterlichen Willen ihnen gerne in der Taht erzeigen/ und dessen ein Zeichen hinter mir las- sen Drittes Buch. sen wolte/ so bitte ich freundlich/ sie wollen diesen dritten Teil aller Roͤmischen Guͤter ihres geliebeten Bruders unwegerlich von mir annehmen/ und dabey sich allemahl meines ge- neigten Herzens erinnern. Sie samt ihren Ehejunkern verwunderten sich der grossen frey- gebigkeit/ weil einer jeden Anteil sich auff 12000 Kronen wert erstreckete/ und wahr keine unter den Schwestern so kuͤhne/ daß sie geantwortet haͤtte; woruͤber Klodius anfing: Er wolte nimmermehr hoffen/ daß seine Schwestern ihrer Schwaͤgerin seiner Eheliebsten diese ihre erste Bitte abschlagen wolten; so duͤrfften sie auch nicht gedenken/ als wann ihm solches zuwider waͤhre; Gott haͤtte ihm so grosse Guͤter mit seiner Liebsten bescheret/ daß er durch diese Verehrung keinen Abgang zubefuͤrchten haͤtte. Darauff ward das Geschenk mit sonderlicher Danksagung allerseits angenommen/ und verehreten die drey Schwaͤgeꝛ ihr hinwiederumb eine treffliche Gutsche mit sechs Sizilischen Blånken/ blieb auch diese Geselschafft zwo Wochen zu Rom/ da Klodius und Neda etliche mahl bey der Kaͤyserli- chen Mahlzeit sich musten einstellen/ hernach macheten sie sich wieder nach Padua. Als sie daselbst ankahmen/ wurden sie mit neuer Freude uͤberschuͤttet; dann es trat zugleich mit ihnen ein Bohte hinein/ welcher von Jerusalem geschicket wahr/ und dem Stathalter drey Schreiben einlieferte; eines von Herr Pompeius/ das andere von Ladisla/ das dritte von dem jungen Fabius seinem Sohn. Pompejus meldete/ wie es Fuͤrst Herkules bey ihm ergangen waͤhre; die anderen beyde zeigeten ihr wolergehen an/ und hatten ihre Briefe zu Seleuzia geschrieben. Frau Sophia bekam zwey Schreiben; eines von ihrem Ladisla/ da er sie seines Abwesens troͤstete/ und schleunige Wiederkunfft versprach; das andere hat- te Fraͤulein Lukrezie auffgesetzt/ unter dieser uͤberschrifft: Der Durchleuchtigsten Fuͤrstin und Frauen/ Frauen Sophien Fabiin/ vermaͤhleten Koͤnigtn in Boͤhmen; meiner vertraueten Frau Schwester Hier muß gewißlich mein Ladisla oder Herkules gewesen seyn/ sagte sie; dann was wuͤsten sie zu Jerusalem sonst von meiner Heyraht? Aber ihr Vater antwortete: Gedenkest du dann/ daß ich meinen naͤhesten Anverwanten deine Heyraht nicht werde zu- geschrieben haben? Sie oͤffnete den Brief/ und lase daraus folgende Worte: Herzgeliebete Frau Schwester; nach dem der Durchleuchtigste Groß Fuͤrst/ Herr Herkules/ dieses Orts gluͤklich angelanget/ hat der Allmaͤchtige Gott es gnaͤdig geschicket/ daß ich in seiner Liebe Kundschafft und bruͤderliche Vertrauligkeit auffgenommen bin/ dessen zeit meines Lebens ich mich ruͤhmen und freuen werde/ angesehen ich den Ausbund aller Tugend und Zucht bey ihm angetroffen; ja eben den/ welcher der Frau Schwester nicht anders als seiner Seele gewogen ist. Zeit seiner Ver- wundung. Was muß das vor eine Verwundung seyn? sagte sie zu ihrem Vater; welcheꝛ ihr befahl/ sie solte zum Ende lesen/ hernach wolte er dieses aus seinem Schreiben schon er- klaͤren; fuhr demnach also fort: Zeit seiner Verwundung/ da ich ihm stetige Geselschafft leistete/ musten seine Frau und F raͤulein Schwestere Sophia und Sibylla allemahl das Hauptwerk seiner Rede seyn/ daß mich wunder nam/ wie eine andere ihn von so lieber Geselschafft abzihen moͤgen/ es sey dann/ daß mit der verlohrnen sein Herz verlohren waͤhre/ welches ich muhtmasse/ weil weder Gefahr noch icht was anders ihn von dieser Nachsuchung abhalten kunte. Aber erkennet doch euer Gebre- chen/ ihr herzliebe Schwestern/ daß ihr einen so allerliebsten Bruder ohn gebuͤhrliche Kleidung habt koͤnnen von euch zihen lassen; zwar eure Fehler habe ich nach Moͤgligkeit ersetzet/ aber hiedurch seyd ihr nicht zuentschuldigen/ welches nach diesem euch muͤndlich zuverweisen/ ich unvergessen seyn wil. Inzwischen befehle ich euch dem Schutz des allmoͤgenden wahren Gottes/ verbleibend/ weil ich lebe/ V u u u ij meiner Drittes Buch. meiner hochgeliebten Frau Schwester bereitwilligst-gehorfamste/ und ganz ergebene Dienerin/ Lukrezie Pompejin. Fraͤulein Sibylla wuste nicht/ ob sie ihr Schreiben oͤffentlich lesen duͤrffte/ biß Herr Fabius ihre neue Zeitung ihnen mitzuteilen anhielt; worauff sie den Brief ihrer Wasen zulesen reichete/ der also lautete: Herzgeliebete Frl. Schwester; eures guten Zustandes/ welchen ihr ohn zweifel dem unver- gleichlichen Fuͤrsten/ Herrn Herkules zudanken habet/ bin ich zur gnuͤge berichtet; moͤchte wuͤnschen/ daß wir so nahe beysammen lebeten/ daß die Zunge uns an stat der Briefe dienen koͤnte. Aber O! in was grosser Freude und Lust muͤsset ihr gewesen seyn/ da der zierliche Silvan euch im Pusche so viel Honigsuͤsses vorschwatzete; nimt mich wunder/ wie ihr demselben Schwesterliche Hulde zuwenden koͤnnen/ der euch eines so hoͤflichen Schatzes beraubet hat. Bitte sehr/ dieses Schreiben vor eine Trost Schrifft zu rechnen/ und dem Kummer wegen Abfalls dieses Liebesten nicht zu weiten Raum in eurer Seele zugoͤnnen. Ich habe unserm Bruder Herr Herkules diese Unhoͤfligkeit sehr auffgeruͤc- ket/ daß er einem verliebeten Fraͤulein einen so hoͤflichen Buhlen entrissen/ der in Freundligkeit es ei- nem erzuͤrneten Ochsen fast zuvor tuhn solte. Maͤssiget/ bitte ich/ eure Traͤhnen/ und machet mich durch genehme Antwort wissen/ was mein Schreiben vor Trost gewirket. Dem Schutz Gottes empfohlen/ von eurer getraͤuesten Schwester Lukrezien Pompejin. Alle anwesende lacheten des Auffzuges; aber das Fraͤulein sagte: Ich goͤnne mei- ner Wasen nichts boͤses/ aber den hundertsten Teil meiner damahligen Angst duͤrffte ich ihr fast wuͤnschen; doch wann sie daher die Straffe ihres Gelaͤchters erkennete/ wolte ichs ihr gerne wieder abnehmen. Ihr muͤsset ihr diesen Streich vergelten/ sagte Herr Fabius; und als sie ihre Einfalt anzog/ sagte Frau Sophia: Gebet euch zu frieden/ wir wollen zehn Pfeile vor einen finden/ so bald wir nur den Bogen haben/ sie ihr zuzuschiessen. Frau Ur- sula stellete sich sehr betruͤbt/ daß sie kein absonderliches Schreiben von ihrem Fabius hat- te/ welches aber in des Vaters seinem verschlossen wahr/ und ihr endlich eingehaͤndiget ward/ da sie wegen seines Wolergehens sich vergnuͤget befand/ und mit den andern der gluͤklichen Wiederkunfft mit Schmerzen erwartete. Zu Ekbatana freueten sich unsere Helden/ daß die Zeit ihrer Reise nach Charas biß auff einen Tag verflossen wahr/ da sie dann allerdinge fertig wahren loßzubrechen. Es kam aber eine Botschafft von Artaxerxes den Persischen Groß Fuͤrsten/ mit Schreiben an Pharnabazus. Phraortes wahr ihm nicht ohn Ursach eines wichtigen Inhalts vermuh- t en/ brachen den Brieff/ und funden dieses: Ihm waͤhre glaubwirdig vorkom̃en/ daß zween vortreffliche Ritter sich bey ihnen auffhielten/ deren Erfahrenheit in Kriegssachen sehr groß waͤhre; nun wuͤrde man zweiffels ohn dem ruhmwirdigen Vorhaben in kurzen sei- nen Fortgang goͤñen/ wobey ritterliche Helden das meiste verrichten koͤnten; und ob man gleich fremder Waffen nicht beduͤrfte/ welche dannoch nicht außzuschlagen/ haͤtte man doch zuverhuͤten/ daß solche Leute nicht dem Feinde zu dienste gingen; baͤhte demnach/ al- le moͤgligkeit anzuwenden/ daß man sich dieser Helden versicherte/ und keinen Sold zu hoch achtete/ damit man sie in bestallung bringen koͤnte. Phraortes merkete wol/ woher Arta- xerxes dieses erfahren/ ließ ihm den Vorschlag wolgefallen/ und beriet sich mit Pharna- bazus/ wie das Ding am fuͤglichsten anzugreiffen waͤhre/ daß man gleichwol die Geheim- nis Drittes Buch. nis voꝛ ihnen noch zur Zeit verborgen hielte; macheten sich hin zu unsern Helden/ und tru- gen ihnen dieses vor; Hochwerte Herren und Freunde/ es ist eine hochwichtige hoͤchstge- heime Verbuͤndnis obhanden/ in welcher wir neben andern hohen Haͤuptern begriffen find; begehren demnach instendig von uns/ mit euer Liebe vertraulich zuhandeln/ ob denen belieben koͤnte/ als lange sie in diesen Laͤndern sich auffhalten/ ihnen mit Raht und Taht beypflichtig zu seyn/ auff welchen Fall sie euch Monatlich 200000 Kronen ingesamt be- stallungs Gelder/ und jedem 100 Leib Reuter zu unterhalten anbieten/ es moͤge Krieg er- folgen oder nicht; da euch dann die Hoch Fuͤrstl. Verbuͤndnis freiwillig verspricht/ auff den Fall ihr selbst Feinde bekommen wuͤrdet/ euch mit 200000 Mann Beystand zuleisten. Herkules und Ladisla beredeten sich hierauff kuͤrzlich/ und gaben zur Antwort: Sie wuͤn- scheten denen Durchll. vereinigten Fuͤrsten und Staͤnden Gluͤk und Heyl zu ihrem loͤb- lichen Vorhaben/ und weil sie hoͤreten/ daß sie beyde selbst vornehme Glieder solcher ver- buͤndnis waͤhren/ erkenneten sie sich schuldig/ ihnen mit Gut und Leben zu dienen/ als viel ihr Vorhaben immermehr zulassen wolte; daß sie aber durch wirkliche Bestallung sich zu- verbinden bedenken truͤgen/ wuͤrde verhoffentlich der Groß Fuͤrst ihnen nicht verargen/ massen ihnen allerdinge unbewust waͤhre/ wie lange sie in diesen Landschafften sich wuͤrden auffhalten koͤnnen. Der Groß Fuͤrst erboht sich hingegen/ ihnen im Nahmen der vereinig- ten Staͤnde schriftliche Versicherung zu tuhn/ daß wieder ihren freien Willen sie nicht ei- nen Tag auffgehalten/ noch irgend wo zu solten gefodert werden/ daß ihrem Vorhaben koͤnte hinderlich seyn; wiederhohlete darauff seyn voriges/ und wandte ein/ da sie auff be- harlichen Abschlag fest stehen wuͤrden/ duͤrften die vereinigte zweiffelhafte Gedankẽ fassen/ wessen sie sich zu ihnen versehen solten. Hierauff erbohten sie sich/ ihres Willens zu leben/ dafern der Krieg nicht wie der die Roͤmer angesehen waͤhre/ auff welchen wiedrigen Fall sie lieber getraͤue Mitler zum Friede seyn wolten. Und als ihnen auch diese Furcht gaͤnz- lich benom̃en wahr/ schlossen sie miteinander/ und daß Leches Monatlich 4000 Kronen/ im Felde aber gedoppelt so viel haben solte. Also ward diesen Tag alles zum Auffbruch fertig gemacht/ und nach genommenem Abscheide/ welcher traurig genug wahr/ und nicht ohn Traͤhnen geschahe/ begaben sie sich unter der Begleitung 200 Reuter/ auff den Weg nach Charas/ so daß Pharnabazus mit ihnen biß an die Parthischen Grenzen fort- ritte/ und von darab sich wieder nach Persepolis zu dem Persischen Groß Fuͤrsten begab/ welcher ihn nach Rom ver- schicket hatte. Ende des Dritten Buchs. V u u u iij Des Des Christlichen Teutschen Herkules Vierdes Buch. F Urst Gobares/ nach dem er zwoͤlff Tage bey Nabarzanes außgehalten/ und sei- nen unkeuschen Willen nicht so wol als ehemahls vergnuͤget hatte/ ward ein- gedenke/ daß die Reichsnoturfft seine Gegenwart erfoderte/ deßwegen er sich wieder zur heimreise fertig machete. Er merkete aber aus den Liebesblicken/ welche F. Statira auff ihren Kleon zum oftern schiessen lies/ daß sie nicht schlechte Zunei- gung gegẽ ihn truͤge; so lag ihm die Kaltsinnigkeit uñ geringe Inbrunst im Kopffe/ welche sie ihm dißmahl uͤber ihre Gewohnheit hatte merken lassen; dann die Warheit zumelden/ waͤhre sie des Fuͤrsten gerne abgewesen/ wann sie mit Fuge gekont haͤtte/ und gedachte fort mehr keinem ihre Liebe/ als Kleon zuerteilen/ so daß sie auch mit den Gedanken schwangeꝛ ging ihren Nabarzanes vom Brodte zurichten/ und Kleon vor einen Gemahl anzuneh- men/ auch mit ihm gar davon in sein Vaterland zuzihen/ da sie zuvor alles/ was tuhnlich waͤhre zu Gelde machen/ auch was sie außstehen hatte/ einfodern wolte. Der Fuͤrst/ wel- cher ohndaß dem Zorn und der Eifersucht ergeben wahr/ fassete aus blossem ungegruͤnde- ten Argwohn/ solche schwere ungnade wieder Kleon/ daß er ihm gaͤnzlich vornam/ diesen verdaͤchtigen Mitbuhler des Lebens zuberauben/ jedoch zuvor wahr zunehmen/ ob er sich auch einiger Bezeigung wuͤrde merken lassen/ daher er seiner Buhlerey koͤnte vergewissert werden; Welches jener aber so fleissig verhuͤtete/ daß der Fuͤrst in etwas gelinder ward/ und in seinem Herzen gedachte/ vielleicht ist dieses Feur in Statiren Seele annoch ver- borgen/ und Kleon unwissend; foderte doch des Abends vor seinem Abscheide Nabarza- nes allein vor sich/ und redete ihn also an: Ich weis nicht/ mein Freund/ was guͤnstige Au- gen unsere Statira eurem neuen Diener zuwirffet/ die mich fast/ ja wol ungezweiffelt eineꝛ heimlichen Liebe zwischen ihnen berichten wollen; wie nun solches mich nicht wenig ver- driessen wuͤrde/ also waͤhre es euch trauen sehr nachteilig/ mit einem schlimmen erkaufften Knechte euer eheliches Gemahl gemein zu haben/ insonderheit da dieser schier heut oder Morgen sich dessen bey andern beruͤhmẽ solte. Ja wer weiß/ ob er euch nicht gar nach dem Kragen stehen duͤrfte/ worzu ich ihn verwaͤgen gnug ansehe. Nehmet demnach bey Zeiten wahr/ was vor eine schaͤdliche Schlange ihr in eurem Busen ernaͤhret/ und bauet dem Ungluͤk vor/ ehe es Oberhand nimt/ dann in dem ersten Grase kan das Unkraut leicht ge- daͤmpfet werden/ wans aber schon vollen Samen gesetzet hat/ nimt es den ganzen Garten ein und verdirbet alles/ daß man ihm weder zu rahten noch zu steuren weiß. So habet nun bey zeiten acht auff euch selbst/ und koͤnnet ihr dem Ubel auff andere Weise nicht vorkom- men/ so lasset den Buben entweder nidermachen/ oder jaget ihn von euch/ habt ihr dañ Gel- der vor ihn angewendet/ die wil ich euch gedoppelt und dreyfach wieder geben. Nabarza- nes wuste umb diese Haͤndel sehr wol/ schaͤmete sich aber/ es dem Fuͤrsten zu offenbahren/ und fuͤrchtete sich zugleich vor seinem Gemahl/ daher er diese Antwort gab: Gnaͤdiger Fuͤrst und Herr/ ich bin dieses dinges bißher unberichtet/ habe auch davon nichts merken koͤn- Vierdes Buch. koͤnnen; doch kan es seyn/ daß der schlimme Bube mit dieser Bosheit schwanger gehet/ welches da ichs vernehmen würde/ ihm trauen nicht solte uͤbersehen werden; einmahl kan ich nicht leugnen/ daß mein Gemahl sehr viel auff ihn haͤlt/ weil er gar ein guter Bereiter und Jaͤger ist; es wissen aber eur Durchl. daß sie von mir keine Einrede annehmen wil/ daher ich mich scheuhe/ eurer Gn. Gedanken ihr vorzutragen/ und moͤchte wuͤnschen/ daß dieselbe ihr nur scharff gnug einredete/ und diesen Fehler verweißlich vorhielte/ welches ohn zweiffel viel nutzen schaffen und dem Ubel leicht steuren wuͤrde. Mein/ ihr seid gar zu einfaͤltig/ sagte Fuͤrst Gobares/ und wil sich ja nicht reimen/ daß sie dessen verweiß von mir einnehme/ sondern euch lieget ob/ sie ihres verbrechens zuerinnern/ und nach befindung zu straffen/ welches/ daß es erster Stunde geschehe/ ich traͤulich rahten wil/ doch daß ihr meiner dabey im geringsten keine Meldung tuht. Wie es euer Durchl. beliebet/ antwor- tete er/ und wil schon wissen/ sie rechtschaffen vorzunehmen; weil aber die Abendspeisen schon auff uns warten/ werden wir uns zu Tische setzen. Bey der Mahlzeit ließ der Fuͤrst sich keines Wiederwillen merken/ biß Statira ihrer Gewohnheit nach/ die Augen gar zu hefftig an ihren gegen ihr uͤberstehenden Kleon weidete/ und fast essens und trinkens druͤ- ber vergaß/ daß auch Kleon unwillig druͤber ward/ und ihr einen Wink gab/ sich hierin zu maͤssigen. Gobares/ der genaue acht aufsie gab/ entbrante hieruͤber von Zorn/ dz er den Ei- fer sich bald haͤtte uͤbermeistern lassen/ ihr verweißlich zuzuredẽ/ welches Nabarzanes meꝛ- kend/ seinen Kleon einen Abtrit nehmen hieß/ vorgebend/ er haͤtte mit dem Fuͤrsten in ge- heim zureden/ welcher dann nach Kleons Abtrit zu Nabarzanes sagete: Gewißlich mein Freund/ ihr habt einen holdseligen Diener an diesem Griechen/ und scheinet derselbe ein guter erkenner des schoͤnen Frauenzim̃ers zu seyn. Fr. Statira ward durch diesen Stich am innersten ihrer Seele geruͤhret/ und nam ihr vor es unbeantwortet nicht zu lassen/ wañ nicht Nabarzanes ihr zuvor kommen waͤhre/ der zu dem Fuͤrsten sagete: Ich weiß nicht/ daß mein Diener nach dem Frauenzimmer sich ernstlich umbsehen solte/ sonsten hat mein Gemahl unterschiedene saubere Dirnen/ deren eine ich ihm an den Hals werffen wolte. Daß ihrs nicht gemerket/ sagte der Fuͤrst/ ist umb so viel schlimmer; so schnappet manni- cher lieber im finstern nach dem schoͤnsten/ als an der Sonnen nach dem mittelmaͤssigen/ und hat man sich mehr vor schlaubeissende als bellende Hunde vorzusehen/ dann die fallen uns ungemeldet an/ so daß sie den Biß schon volbracht haben ehe mans gewahr wird. Un- ter dieser Rede/ wie hart sie gleich wahr/ besan sich dannoch Statira/ verbarg ihren Zorn/ und antwortete mit laͤchelndem Munde; Wañ ich wuͤste/ daß meines Gemahls Diener so freyisch waͤhre/ wolte ich ihm keine einzige aus meinem schlechten Zimmer versagen/ in- sonderheit/ weil mein Gemahl sich erbeut/ selbst freywerber zu seyn. Sie suchte aber Ge- legenheit zu anderem Gespraͤche/ und stellete sich algemehlig gegen den Fuͤrsten freundli- cher als diese Zeit uͤber geschehen wahr; wodurch sein Grim sich legete/ und er in etwas be- friediget ward ließ sich auch weiter nicht daß geringste gegen sie vermerken. Sie aber ma- chete sich des folgenden Morgens zu ihrem Nabarzanes/ kuͤssete und herzete ihn uͤber ihre Gewohnheit/ und sagte nachgehends: Herzgeliebter Herr und Gemahl/ was hatte der Fuͤrst gestern Abend vor Ursach/ auff meinen Kleon zu schimpfen? Ich wil ja nicht hoffen/ daß durch falsches Geschwaͤtze ihr ihm Ursach darzu gegeben habet/ mich und ihn in un- glei- Vierdes Buch. gleichen Verdacht zuziehen; dann waͤhre solches geschehen/ wolte ich versichert mich als- bald vor euren Augen erstechen. Der einfaͤltige Tropff meynete/ sie ginge bereits mit To- des Gedanken umb/ offenbahrete ihr deswegen alles/ was der Fuͤrst mit ihm geredet/ und er hinwieder geantwortet haͤtte/ taht endlich aus seinem eigenen Gehirn hinzu/ der Fuͤrst waͤ- re entschlossen/ Kleon etwas mit auff den Weg zunehmen/ und niderhauen zulassen; wor- uͤber sie gar bestuͤrzete/ machte sich bald hin zu Kleon/ und gab ihm Befehl/ Sudwerz auff die Jagt zureiten/ und vor spaͤten Abend nicht wieder zukommen/ weil sie fuͤrchtete/ er wuͤr- de mit dem Fuͤrsten reiten muͤssen/ welches ihm Ungelegenheit geben duͤrffte. Diese Zei- tung wahr ihm nicht so gar angenehm/ gestalisam er sein bevorstehendes Ungluͤk unschwer zuerkennen hatte; machte sich demnach bald auff/ nam ein Strik Winde zu sich/ und taht wie ihm befohlen wahr. Inzwischen uͤberlegete Gobares bey ihm selber/ wie er Kleon vom Brote richten koͤnte/ dz Statira dessen nicht gewahr wuͤrde/ und befand endlich am tuhn- lichsten/ es dergestalt anzugreiffen/ wie Nabarzanes aus eigenen Gedanken vorgab/ machte sich darauff von seinem Lager/ und ließ alles zum schleunigen Auffbruch fertig halten. Wie er nun Kleon bey dem Frühstuͤcke/ vorigem Gebrauche nach/ nicht aufwarten sahe/ und sei- nes abwesens ursach zuwissen begehrete/ gab die Frau ihm zur Antwort: Weil sie gestern Abend gemerket/ daß Ihre Gn. etwa einen Unwillen zu ihm truͤge/ wolte sie dieselbe durch seine Gegenwart nicht zu weiterem Zorn oder ungenehmer Bewaͤgung reizen; uͤberdas haͤtte sie des Fuͤrsten gestrigen Reden etwas tieffer nachgedacht/ und da sie wissen solte/ daß sie damit gestochen waͤhre/ wolte sie verschwoͤren/ sich zeit ihres Lebens von einigem Man- nes bilde/ wer der auch waͤhre/ weiter beruͤhren zulassen/ wolte auch zum Zeugniß ihrer Un- schuld/ diesen ihren Diener/ ungeachtet seiner Unschuld/ mit eigenen Haͤnden erwuͤrgen; welche Worte sie mit einem klaͤglichen weinen endigte; Wodurch der Fuͤrst dergestalt be- waͤget ward/ daß er ihr Trost einsprach/ mit Beteurung/ es waͤre nur scherzweise/ uñ durch- aus nicht auf sie geredet; so haͤtte er auch gar keine Ungnade auff ihren hoͤflichen Diener geworffen/ dessen adeliche Sitten ihm insonderheit wolgefielen/ daher er ihm/ etliche Meilẽ mitzureiten/ zulassen wolte. Zwar es merkete Statira sein meuchlisches Vorhaben hand- greifflich/ ließ sich aber dessen nicht merken/ sondern befahl dem Kleon zuruffen/ ward aber berichtet/ er waͤhre nicht anheimisch/ sondern gar fruͤh auf die Jagt ausgeritten/ mit vor- geben/ nicht umzukehren/ biß er einen Hirsch/ oder sonst ander groß Wild angetroffen håt- te. Erst gedachte Gobares/ diß muͤste ein angelegtes Spiel seyn/ kunte doch seine Reise nit auffschieben/ sondern nach eingenommenem Mahle/ setzete er sich mit allen seinen Dienern zu Pferde/ ohn daß er einen verschlagenen aͤdelknaben hinterließ/ der sich krank stellen/ und auf Statiren und Kleons Beginnen acht habensolte/ welches von ihm fleissig verrichtet ward; dann so bald Kleon mit seinem grossen wilden Eber/ den er auf einem Karꝛen nach- fuͤhren ließ/ zu Hause anlangete/ empfing die Frau ihn nach Gewohnheit sehr freundlich/ und ging bald darauff mit ihm in ein absonderliches Gemach/ welches der Knabe ersehend/ heimlich nachschleich/ und ihres Liebehandels zu gutem teile wahrnam/ ging unvermerket wieder davon/ und setzete nach genommenem Abscheide seinem Fuͤrsten ungeseumet nach/ welcher vor wenig Stunden seine Haupt Stad Susa erreichet hatte; demselben taht er zuwissen/ nicht allein was er ingeheim verspuͤret/ sondern auch oͤffentlich angesehen haͤtte/ daß Vierdes Buch. daß Kleon mit Nabarzanes zu Tische/ allernaͤhest bey Fr. Statiren gesessen waͤhre. Diefe Zeitung wahr dem Fuͤrsten als ein Schwert im Herzen/ wolte doch nicht/ daß es unter die Leute solte ausgebreitet werden/ weil ohn das diese seine Buhlerey sehr heimlich und ver- borgen wahr/ derhalben er den Knaben die folgende Nacht auf dem Lager mit einem Stric- ke erwuͤrgen ließ/ und sendete fruͤh Morgens sechs gewapnete Knechte nach Nabarzanes Schlosse mit diesem Schreiben: Fuͤrst Gobares wuͤnschet Nabarzanes seinem lieben getraͤuen/ Gluͤk und Heil. Nachdem ich neulich von euch weg geritten/ und die loͤbliche Sitten eures Dieners Kleons in bessere Obacht gezo- gen/ ist mir eine sonderliche beliebung ankommen/ ihn vor meinen Letbdiener zuhaben/ zweifele nicht/ ihr werdet mir hierin gerne wilfahren/ wie imgleichen Kleon solches gute Gluͤk nit ausschlagen wird. Ich uͤbersende bey Zeigern den bewusten Lehnbrief uͤber das versprochene Rittergut/ welches ihr von nun an besitzen/ und als euer Eigentuhm gebrauchen sollet/ ohn einiges Menschen Hinderung uñ Ein- rede. Gehabt euch wol/ und gruͤsset unsere herzgeliebete Fr Statiren. Diese Abgesanten hatten von ihrem Fuͤrsten den ausdruͤklichen Befehl/ daß sie Kleon auff dem Wege erschlagen/ und sein Haͤupt mit uͤberbringen/ den Leib aber den Hunden vorwerffen solten; welche/ solches zuverrichten/ sich auff den Weg begaben/ kahmen auch des dritten Tages umb Mittageszeit auff Nabarzanes Schlosse an/ da die Frau mit ihrem Kleon gleich auff einem Lustgange umher ging. Sie muhtmassete als bald/ es wuͤrden des Fuͤrsten Leute seyn/ deswegen verbarg sie ihn auff einem Gemache/ ging darauf nach ihrem Gemahl/ und lase neben ihm des Fürsten Schreiben; nam einen frischen Muht an sich/ uñ gab zur Antwort: Dieses waͤhre ein schlechtes begehren von Ihrer Fuͤrstl. Gn. dem leicht koͤnte und billich muͤste untertaͤhnig gewilfahret werden/ und moͤchten die Abgesanten sich nur gedulden/ biß Kleon von der Jagt wieder zu hauß kaͤhme; ihres Gn. Fuͤrsten Woltah- ten waͤhren so groß/ daß sie ihm nicht allein einen Diener/ sondern alle ihre Guͤter und Ver- moͤgen schuldig waͤhre. Nabarzanes ward dieser Erklaͤrung sehr froh/ und lobete sein Ge- mahl/ daß sie wider des Fuͤrsten Willen sich nicht sperrete; Sie aber/ weil sie ihren gelieb- ten Buhlen so leicht zuuͤbergeben nicht willens wahr/ machte sich hin zu ihm/ er solte bey Nachtzeit in stiller geheim hinaus reiten/ sein Pferd unfern des Schlosses erstechen/ und seinen Huet und Degen dabey ligen lassen/ nach gehends zu fusse wieder auff das Schloß kehren/ und nur gutes muhts/ auch der gewissen Zuversicht seyn/ daß sie Lebensgefahr mit leichter Muͤhe von ihm abwenden wolte. Kleon verwunderte sich ihrer listigen Erfindun- gen/ und hielt sich fertig/ ein solches ins Werk zurichten/ dann er merkete schon/ daß ihr die- ser Streich gerahten wuͤrde. Sie bezeigete sich gegen den Abgesanten sehr freundlich/ und fragete offt nach des Fuͤrsten wolergehen/ da sie unter andern zuwissen begehrete/ in was Diensten seine Fuͤrstl. Gn. Kleon gebrauchen wolte/ bekam aber eine solche kalte Antwoꝛt/ daß sie daher gnug abnam/ es wuͤrde ihm die lezte Urtel schon gesprochen seyn. Als das A- bendmahl solte gehalten werden/ fragte sie nach Kleons Wiederkunfft/ und befahl/ daß er bey Tische auffwarten solte/ umb den lezten Abscheid von ihrem Herrn Nabarzanes zuem- pfahen; weil ihr aber zur Antwort ward/ er liesse sich nirgends finden; fing sie an: Ich ha- be ihm schon vor diesem ernstlich gebohten/ daß er beyzeiten von der Jagt umkehren/ und seine obliegende Geschaͤffte verrichten solte/ doch weil er nun einen maͤchtigen Herrn be- koͤmt/ werde ich ihm diesen Ungehorsam müssen zugute halten. Nabarzanes verwunderte X x x x sich Vierdes Buch. sich sehr/ daß sie zu seiner Erlassung so willig wahr/ sagte gleichwol zu dem Abgesanten/ weil dieser sein Diener ihm bißher traͤulich auffgewartet haͤtte/ moͤchte er den Fuͤrsten in seinem Nahmen untertaͤhnig ersuchen/ daß er gnaͤdig gehalten wuͤrde. Kleon verschlief die Zeit nicht/ sondern umb Mitternacht ritte er heimlich hinaus/ verrichtete der Frauen Befehl/ und stellete sich unvermerket an bewustem Orte wieder ein/ da sie ihm etliche Stunden ge- sellschafft leistete. Des Morgens wahr sie sehr fruͤhe auff/ nam wegen Kleons aussenblei- bens sich einer zornigen Ungeduld an/ und befahl etlichen Dienern/ hinauszureiten/ umb zu erforschen/ wo er bliebe; welche dann bald wieder kahmen/ und Kleons Schwert samt sei- nem blutigen gnug zerhacketen Huet mit sich brachten/ dabey berichtend/ es laͤge sein Pferd nicht weit vom Schlosse im offenen Wege/ und waͤhre mit unterschiedlichen Stichen und Hieben nieder geschlagen/ auch der Zaum hinweg/ aber der Sattel añoch vorhanden. Des Fuͤrsten Abgesanter mit seinen Dienern stund dabey/ hoͤrete diese Zeitung/ ritte hinaus/ uñ fundens also/ daher niemand/ auch Nabarzanes selbst nit zweifelte/ er waͤhre gefangen hin- weg geführet/ welches er auch den Fuͤrsten schriftlich wissen ließ/ und dessen Leute zuruͤk sen- dete. Fr. Statira wahr froh/ daß ihr dieser Anschlag gerahten wahr/ stellete sich gegen ihrẽ Gemahl sehr traurig/ und gab vor: Ob sie gleich sich gegen den Abgesanten vernehmen lassen/ wie willig sie waͤhre/ dem Fuͤrsten diesen ihren Kleon zuuͤbergeben/ haͤtte es ihr doch sehr wehe getahn/ einen solchen getraͤuen und tapfferen Diener zuverlieren/ desgleichen sie nimmer wieder bekommen wuͤrde/ und stuͤnde sie fast in den Gedanken/ ob waͤhre er von des Fuͤrsten Leuten schelmischer weise erschlagen/ die ihm etwa aufgew artet haͤtten/ nach dem sie vernommen/ daß er auff der Jagt waͤhre; wodurch sie dann Nabarzanes in seiner mey- nung dergestalt vergewisserte/ daß er bey allen Goͤttern geschworen haͤtte/ es verhielte sich also; doch entschuldigte er des Fuͤrsten Leute/ und daß er nicht glaͤuben koͤnte/ daß sie dessen befehl von ihrem Fuͤrsten haͤtten. Also speisete sie nun ihren Kleon gar wol auff einem ge- heimen Gemache/ und lebete mit ihm ihres willen. Niemand aber freuete sich mehr über seinen Tod/ als sein leibeigener Orsillos/ welcher sich bey der Frauen angab/ und begehrete/ in vorige Freyheit wieder gesetzet zuwerden/ nach dem die Goͤtter sein Elend angesehen und den greulichen Bluthund Kleon hinweg genommen haͤtten; worauf sie anfangs nicht son- derlich antwortete/ sondern ihm die verzuckerte Galle einstreich/ er solte sich ein wenig ge- dulden/ seiner Bitte koͤnte nach befindung ein genuͤgen geschehen/ und wolte sie es mit ih- rem Gemahl in gnaͤdigen bedacht zihen. Hiedurch ward er sicher/ ging muͤssig/ aß uñ trank/ und kehrete sich so gar an keine Arbeit/ ob haͤtte er die Dienstketten schon abgeleget. Aber nachdem sie mit ihrem Kleon abrede genommen/ und er uͤber fuͤnff Tage abermahl zimlich ungestuͤm anhielt/ auch viel Schimff- und Schmachreden wider Kleon ausstieß/ redete sie ihm dannoch guͤtlich zu/ erkundigte sich bey allem Gesinde wegen seines verhaltens/ uñ taht es ihrem Gemahl zuwissen/ ihn mit bewaͤglichen Worten erinnernd/ daß er einmal/ um sein Ansehen bey dem Gesinde zuerhalten/ einen Ernst sehen lassen/ uñ diesen Buben also straffen solte/ daß es den andern allen zur Warnung dienen/ und sie in gebuͤhrlichem Fleisse erhal- ten koͤnte. Dieser ließ sich darzu leicht bereden/ und nach ihrer Anordnung ward allem Ge- sinde des Abends angesagt/ auff dem Schlosse zubleiben/ und vor ihrem Herrn und Frauẽ zuerscheinen; Welches da es geschahe/ muste Orsillos zuerst vortreten/ da ihm die Frau mit guter Vierdes Buch. guter Freundligkeit die Freyheit gab/ sein gestriges und ehmahliges begehren ihrem Herꝛn und Gemahl selbst vorzutragen; worauf er also anfing: Gn. Herr/ ob ich zwar durch des Schandbuben Kleons falsche Bezichtig- und Verleumdung bey unserm gnaͤdigen Fuͤr- sten dergestalt angegossen bin/ daß dessen Durchl. mich ihm zum Leibeigenen/ wiewol/ wie ich nicht anders davor halte/ auf eine kurze Zeit uͤbergeben hat/ so bin ich dannoch meiner Ankunfft und Geburt nach/ frey/ und kan dartuhn/ daß meine Vorfahren aͤdel und ritter- maͤssig gewesen/ wie ich dann selbst in meiner Jugend Waffen gefuͤhret/ und mich in Krie- gen wider die Roͤmer/ drey Jahr lang zu Pferde gebrauchen lassen/ welches wann meinem Gn. Fuͤrsten es kund getahn wuͤrde/ zweifele ich nicht/ es wuͤrde von dessen Durchl. mir meine angebohrne Freyheit bald wieder zugesprochen werden; insonderheit/ weil derselbe/ dem ich als einem unwirdigen dienen muͤssen/ durch des Himmels Rache gestraffet/ und meine Unschuld dadurch an den Tag geleget ist. Diesem nach gelebe ich der gaͤnzlichen Zuversicht/ es werden Eure Gnaden mich mit diesen Ketten weiters nicht druͤcken/ sondeꝛn mir meine Freyheit goͤnnen/ daß ich nach meiner Heimat reise/ und mein Haus und Hoff nach wie vor besitze/ bitte danebest umb ein ehrliches neues Kleid und noͤhtigen Reisepfen- nig. Die Frau gab ihrem Gemahl einen Wink/ daß er ihn solte heissen einen Abtrit nehmẽ/ beredete sich weiters mit ihm/ und geboht dem anwesenden Gesinde/ daß alles/ was sie un- billiches von Orsillos wuͤsten/ sie ungescheuhet auf befehl anbringen solten. Dieser ward bald wieder vorgefodert/ und bekam von Nabarzanes diese Antwort: Daß du der knechti- schen Ketten muͤde/ und der Leibeigenschafft uͤberdruͤssig bist/ traue ich dir wol zu; daß du aber umb die Freylassung anhaͤltest/ und zwar mehr foderungs-als bittesweise/ ja mehr trotzest als flehest/ solches befremdet mich in etwas; jedoch/ weil du weist/ daß niemand die verlohrne Freyheit erlangen kan/ es geschehe dann durch Gewalt/ oder durch des Herrn sonderliche Gnade/ oder durch ein gnugsames Loͤsegeld/ ich aber weder das erste noch dritte Mittel sehe/ so wird dir die Freyheit nicht anders als durch meine Gnade koͤnnen zu teile werden. Weil man nun solche grosse und sonderbahre Gnade niemand anders/ als hoch- verdieneten mitteilen muß/ als werde ich gehalten fleissige Nachforschung zutuhn/ ob du ei- ne solche durch deine redliche und getraͤue Dienste und Gehorsam dir erworben habest/ und da ich ein widriges erfahren solte/ muͤste ich mich gegen dich also bezeigẽ/ daß weder ich des- sen schande/ noch du zu hohe belohnung davon haͤttest; Tretet deswegen hervor/ alle Knech- te/ Maͤgde und Dienstbohten/ und bey unausbleiblicher Todesstraffe zeiget an/ ohn scheuh und Ungunst/ was von dieses Orsillos verhalten euch bewust ist. Der Haus Vogt brachte seine Klage zum ersten an: Es haͤtte sieder Kleons ableiben sich dieser Orsillos nit anders als ein Freygelassener bezeiget/ seinen Befehl verachtet/ und seines Willens gelebet/ unter dem vorgeben/ weil der Teuffel seinen schelmichten Herrn gehohlet/ waͤhre er frey und nie- mand verbunden. Die Stall- und Wagen Knechte bezeugeten solches einhellig/ und daß eꝛ alle Abend mit einem Rausche waͤhre zu Bette gangen; Die Kuͤchen Buben klageten/ er haͤtte ihnen kein einiges stuͤk Holtz spalten wollen; Die Schliesserin gab an/ er haͤtte ihr die- se ganze Zeit uͤber angelegen/ gute Speise und Trank ihm zuschaffen/ und haͤtte ihr vor we- nig Tagen Unzucht angemuhtet/ unter dem versprechen/ weil er nunmehr von rechtswegen frey waͤhre/ und seine Haushaltung bald antreten wuͤrde/ wolte er sie ehlichen; Die Maͤg- X x x x ij de kla- Vierdes Buch. de klageten alle mit einander/ wie unzuͤchtig er sich bezeiget/ und gab endlich des Kuͤh Hiꝛten Weib an/ er waͤhre ihr diesen Morgenheimlich auf den Stroh Balken nachgeschlichen/ da sie dem Vieh dz Futter herunter geworffen/ da haͤtte er sie notzuͤchtigen wollẽ/ wuͤrde auch zweifels ohn nicht abgelassen haben/ wann nicht die eine Melke Magd darzu kommen waͤh- re/ und sie gerettet haͤtte; baht deswegen sehr/ ihr gn. Herr moͤchte diesen alten frechen und wolluͤstigen Buben abschaffen/ damit sie und andere mehr vor ihn moͤchten gesichert seyn. Nabarzanes hieß den Beklageten darauff antworten; welcher dañ anfangs sich stark aufs leugnen begab/ und sich doch in seinen Reden etliche mahl selbst verriet; Muste endlich einẽ Abtrit nehmen/ und nach seines Herrn und Frauen Beredung wieder vortreten/ da ihm sein Herr diese Urtel sprach: Nachdem unlaͤugbar ist/ dz Kleon der entleibete/ mein Knecht und Leibeigener gewesen/ so folget daraus unwidersprechlich/ daß alles/ was demselben zu- gestanden/ mein Eigentuhm ist; Weil dañ der Durchleuchtige Fuͤrst von Susa selbst mei- nem Kleon dich Orsillos zum Leibeigenen geschenket hat/ und solches umb deines schweren verbrechens willen/ wird niemand als ein Wahnwitziger es leugnen/ daß Orsillos zugleich/ ja vornemlich auch mein Leibeigener sey. Nun aber haͤlt derselbe nicht allein gar trotzig bey mir umb die Freylassung an/ sondern hat sich uͤberdas dergestalt ungehorsam/ frech uñ buͤ- bisch erzeiget/ daß mein ganzes Gesinde/ niemand ausgeschlossen/ daruͤber klagen muß/ wo- durch er dann verdienethat/ daß er nach meinem belieben gekreuziget/ oder den Fischen zur Speise vorgeworffen/ oder sonst abscheulicher weise am Leben gestraffet werde/ damit an- dere seines Standes sich an ihm spiegeln/ uñ gleiche Bosheit zubegehen scheuh tragen; je- doch/ weil mit so unnuͤtzem Blute mir nicht gedienet ist/ sol er vor dißmahl nacket ausgezo- gen/ an eine Saͤule gebunden/ und von oben an biß unten aus gestrichen werden/ damit ihm der Kitzel zur Unzucht vergehe. Der arme Tropff fiel nider/ und baht umb Gnade/ aber es halff nichts/ dann vier starke ihm ohn das ungewogene Knechte/ entbloͤsseten ihn/ bundẽ ihn an/ und richteten ihn mit scharffen Ruhten so jaͤmmerlich zu/ daß ihm die Haut am ganzen Leibe zerhauen ward. Nach vollendeter Geisselung ging Nabarzanes davon/ und hielt eine kurze Rede an das Gesinde/ daß sie diese Straffe ihnen solten zur Warnung dienen lassen; Sein Gemahl aber/ welche Kleons Schmach noch besser raͤchen wolte/ trat dem ohmaͤch- tigen Orsillos naͤher/ ließ ihn mit starken Krafftwassern an der Saͤule erquicken/ und als er hoffete abgeloͤset zuwerden/ hieß sie Honig herzubringen/ und ihn damit uͤber den ganzen Leib bestreichen/ da die Fliegen sich haͤuffig auf ihn setzeten/ und er so unsaͤglichen Jam̃er trieb/ daß nur seine einige Bitte der Tod wahr; aber sie gab ihm zur antwort: Mit deinem Tode ist weder mir noch deinem abgeleibeten Herꝛn gedienet/ sondern ich muß sehen/ ob ich einige Bescheidenheit in dich bringen moͤge/ daß du hernaͤhst etwas hoͤflicher von deinem Herrn reden lernest/ welcher mir alle behaͤgliche Dienste erwiesen hat. Befahldarauf/ ihn mit Salzwasser abzufpuͤlen/ welches ihm noch die unleidlichsten Schmerzen verursachete/ biß er abgeloͤset/ gelabet/ und mit koͤstlichen Salben geschmieret ward/ durffte auch nach ge- hends seiner Befreyung keine Erwaͤhnung mehr tuhn/ sondern verrichtete seine Arbeit besser als vor nie/ weil er in eine neue Haut gekrochen wahr; uͤberdas wuste er sich fleissig vorzusehen/ und seine Zunge im Zaum zuhalten/ daß er seines gewesenen Herrn weder in boͤsem noch gutem gedachte/ von welchem jederman waͤhnete/ er waͤhre im Pusche vollends erschla- Vierdes Buch. erschlagen/ weil man daselbst ein menschliches Gerippe funden hatte/ da dann Fr. Stati- ra bemuͤhet gnug wahr/ solche Zeitung zubehaupten/ damit so wol Fuͤrst Gobares als ihr Nabarzanes selbst auffhoͤren moͤchten/ ihn weiter zuverfolgen. Unterdessen wehrete dem guten Kleon die Zett in diesem unangenehmen Gefaͤngniß sehr lange/ dann er wahr des frechen Weibes von herzen uͤberdruͤssig/ durffte sich dessen doch nicht merken lassen/ und fand auch keine Gelegenheit/ davon zukommen/ zuͤrnete deswegen auff sich selbst/ dz er die Nacht/ da er sein Pferd erstach/ nicht davon geritten wahr; O wie oft klagete er seine Traͤu- loflgkeit an/ die er seiner lieben Ursulen zubeweisen gezwungẽ ward/ deren Monaten schon vor acht Wochen zum Ende gelauffen wahren/ welches sie doch vor je dermaͤnniglich so meisterlich zuverbergen wuste/ daß man davon nichts argwohnete/ biß das Wehe sie an- ftieß/ und sie zu Fr. Sophien/ die damahls bey ihr wahr/ also sagete: Herzgeliebete Frau Schwester/ meine Buͤrde/ die ich eine zeitlang von eurem Bruder bey mir getragen/ wil sich laͤnger nicht bergen lassen/ dann ich empfinde die Geburtswehe sich herzu nahen/ wol- let es deswegen euren und meinen lieben Eltern zuwissen machen/ daß mir eine vernuͤnff- tige Wehmutter zugeordnet werde. Frau Sophia erschrak dessen/ und verwieß ihr mit harten Worten/ daß sie biß auff die lezte Stunde solches verborgen hielte/ haͤtte sich moͤgẽ mit samt der Frucht in den Tod stuͤrzen/ dafern in aller Menschen abwesenheit/ ihre Zeit herzu genahet waͤhre; Sie haͤtte gerne mehr geredet/ aber die Noht trieb sie fortzueilen/ kam doch mit der Wehmutter und anderer weiblichen Geselschafft bald wieder/ und halff Gott/ daß inwendig zwo Stunden sie eines jungen Fabius genaß/ woruͤber die Eltern und saͤmtliche Anverwanten hoͤchst erfreuet wurden/ weil der ganze Stam durch dieses erste Zweiglein erhalten ward. Wir wollen aber diese ihr junges Soͤhnlein zu Padua baden und saͤugen lassen/ und unsern bey den Helden/ Herkules uñ Ladisla auf der Reise nach Charas nachfragẽ/ die sich in begleitung Herren Pharnabazus und Mazeus von Ekbatana auffgemacht hatten/ von denen sie biß an die Parthische Grenzen wol vergeselschafftet wurdẽ/ woselbst sie sich schei- deten/ weil Pharnabazus/ wie oben erwaͤhnet/ nach dem Persischen Groß Fuͤrsten Artaxer- xes/ Mazeus aber mit den zugegebenen Reutern wieder zuruͤk nach Meden/ und die unsern sieben Mann stark/ des naͤhesten Weges nach Charas fort reiseten/ hatten auch zimliche si- cherheit/ biß auff eine tage Reise von der Stad/ da ihnen 15 gewapnete Reuter im freien Felde aufstissen/ welche in ihrer Rechnung nicht fehleten/ es muͤste gute Beute auff ihre zween grosse Rustwagen geladen seyn; wurden deßwegen eins/ sich derselben zubemaͤchti- gen/ und sendeten zween ihres mittels an die unsern/ mit dem Befehl daß sie stille halten/ und ohn außdruͤkliche Erlaͤubnis nicht fortruͤcken solten. Nun hatte Herkules einen guten Freibrieff von dem Groß Fuͤrsten aus Meden bey sich/ dessen er sich so nahe bey der Stad lieber als des Schwerts gebrauchen wolte/ deßwegen er den Abgeschikten zur Antwort gab/ sie ritten als freie Leute in des Groß Fuͤrsten Phraortes Diensten/ bey Koͤniglicher Hocheit etwas vorzutragen/ wolten demnach hoffen/ daß man ihnen daran nicht wuͤrde hinderlich seyn/ massen sie dessen guten Schein von Hochgedachtem Fuͤrsten auffzulegen haͤtten. Ihr Fuͤhrer solches vernehmend/ wolte sich daran nicht kehren/ und ließ ihnen zum andern mahle andeuten/ es wuͤrden der falschen Freibrieffe heut zu Tage so viel geschrie- X x x x iij ben/ Vierdes Buch. ben/ daß man gar keinẽ mehr zu trauen haͤtte/ weil selbe fast alle miteinander von den Hof- Schreibern erkauft/ nicht von den Fuͤrsten erteilet wuͤrden; doch wie dem allen/ so waͤh- re niemand unter ihnen/ der sich auff Brieffelesen groß verstuͤnde/ muͤsten demnach nicht ihre Briefe/ sondern ihre Waffen/ und was sie auff den Wagen fuͤhreten/ von sich geben/ und von ihrer Gnade das Leben erbitten. Herkules antwortete mit wenigen: Er wolte hoffen es waͤhre ihm und den seinen die Landstrasse zu reisen so frey als einem andern/ da aber ein Fuͤrst oder sonst ein grosser Herꝛ verhanden waͤhre/ wolten sie demselben alle moͤg- liche/ und einem Ritter nicht schimpfbringende Ehre antuhn/ einem andern aber gestuͤndẽ sie durchaus kein heissen noch verbieten. Diese verdroß solche Verwaͤgenheit/ daß eine so kleine Schaar sich noch straͤnben und unnuͤtze Worte von sich geben solte/ setzeten mit vol- lem Lauff und entbloͤsseten Degen auff sie an/ und funden uͤber verhoffen mehr als sie su- cheten; dann Herkules und Ladisla/ neben Leches/ Tyriotes und Gallus gebraucheten sich aller ihrer staͤrke/ und tahten ihre bey den Dolmetscher Plautus und Mardus auch so viel in ihrem Vermoͤgen wahr/ daß in kurzer Zeit der groͤste Teil dieser Raͤuber erschlagen/ uñ die uͤbrigen gefangen wurden/ welche auff bedrauliche Frage bekenneten/ sie kaͤhmen von Charas/ der Ritter mit welchem Herkules den absonderlichen Streit gehalten/ und ihm dz Haͤupt zerspillet/ waͤhre des grossen Koͤniges Artabanus unehlicher Sohn/ Fuͤrst Sana- truzes/ auff dessen Tapfferkeit der Vater viel gehalten/ und ihn zum Feld Obristen uͤber 20000 Parthische Reuter ernennet haͤtte. Dieser Zeitung entsetzeten sie sich uͤber alle mas- se/ so daß sie ganz erbleicheten/ fasseten doch eine kurze Erklaͤrung/ hieben die Gefangenen nider/ und wendeten sich in grosser Eil auff eine andere Strasse/ damit sie des Verdachts dieser Taht moͤchten befreiet bleiben. Herkules hatte zeit wehrendem Gefechte des Tyrio- tes Mann heit verspuͤret/ weil er in wenig Streichen zween feste Ritter erlegete/ sagte deß- wegen nach geendigtem Streit zu ihm: Tyriotes du hast in einer guten Schuele gelernet/ und mangelt dir weder an Vorsichtigkeit noch Herzen; so biß nun getraͤu/ from und ver- schwiegen/ und versichere dich/ daß wann dir geliebet dereins mit uns in unsere Heimat zu reisen/ du daselbst Zeit deines Lebens mit adelichen Guͤtern solt versorget seyn/ oder ge- faͤlt dir diese Osten Welt besser/ sol dirs in Meden oder Persen eben so wenig fehlen/ dessen ich dir meine Redligkeit zum Pfande setze. Dieser ward des Erbietens sehr froh/ bedanke- te sich untertaͤhnig/ mit dem versprechen/ sein Leib und Blut vor seine gnaͤdigste Herren willig auffzuopffern/ leistete auch einen hohen aͤid/ ihren Stand und Heimligkeit niemand zu offenbahren; hingegen vermacheten sie ihm 150 Kronen Monatliche Bestallung/ dañ er wahr zu Charas wol bekant/ daß ihnen seine Dienste sehr er sprießlich wahren. Des an- dern tages nach gehaltenem Kampfe/ naͤherten sie der Stad auff eine Viertelmeile/ stie- gen ab von ihren Pferden/ und tahten zu Gott eine herzliche Danksagung mit vielen an- dachts-Traͤhnen/ daß er sie biß daher geleitet/ und auß mannicher Gefahr erloͤset hatte/ bahten ihren Heyland ferner/ er wolte ihnen forthin allemahl Schuz halten/ und zu ihrem Vorhaben Gluͤk und Seegen geben/ auff daß sie mit dem lieben Fraͤulein wiederumb bey den ihren anlangen moͤchten; wovor sie Zeit ihres Lebens Gottes Lob und Preiß erhoͤhen und außbretten wolten. Nach geendigtem Gebeht setzeten sie sich wie der zu Pferde/ legeten die Harnische auff den Wagen/ und ritten in gemeiner Reuterkleidung in die Stad/ kehre- ten Vierdes Buch. ten aber nicht miteinander in eine Herberge ein/ sondern Herkules/ Ladisla und Tyriotes blieben beysammen/ die uͤbrigen nahmen fast gegen uͤber ihr Ablager/ nicht gar weit von Fraͤulein Valisken Schlosse/ und wahren des ersten tages stille. Des folgenden ging Her- kules mit Tyriotes hin/ dieses Schloß eigentlich zubesehen/ welches zwar gegen das Groß- Koͤnigliche zu rechnen/ klein/ aber uͤber die masse zierlich gebauet wahr/ auch mit tieffen Wassergraben und hohen Mauren und Zwaͤngern umbfangen; das Gebaͤu an sich wahr von glaͤnzendem weissen Marmel/ mit hangenden Gemaͤchern außwendig Blumwerks- weise verguͤldet; die Fenster von dem lautersten kristallen Glase; das Dach glaͤnzete von Golde/ daß wann die Sonne darauff schien/ es den Anschauenden die Augen blendete. Der Graben hielt ein sehr klares Wasser in sich/ welches mit Roͤhren hinein geleitet wahr/ und wurden die herlichsten Fische drinnen gehaͤget/ dann der Fraͤulein hoͤchste Lust wahr in dieser ihrer Einsamkeit/ daß sie zuzeiten mit einer Angelrute oben von der Maur herni- der dieselben fing/ und nach sich in die Hoͤhe zog/ und weil man diesen Graben außwendig gar umbgehen kunte/ besahe Herkules das Schloß rings umbher/ da er eines Obergema- ches Westwerts gewahr wurde/ an welchem außwendig naͤhest bey dem Fenster zu beyden Seiten/ seiner liebsten Fraͤulein Zeichen mit schwarzer Farbe in zimlicher groͤsse ge- mahlet stund/ dessen er hoͤchlich erfreuet ward/ unter deꝛ Hoffnung/ er wuͤꝛde sie dieser ends bald zu sehen bekommen/ weil er ungezweiffelt davor hielt/ dieses muͤste der Fraͤulein eige- nes Zimmer seyn/ wie es dann auch wahr; ging deßwegen alsbald wieder nach der Her- berge/ und erzaͤhlete seinem Ladisla was er angetroffen hatte; Sie gingen desselben tages sechsmahl miteinander dahin/ aber vergebens/ dann es befand sich das Fraͤulein den gan- zen Tag uͤber in grosser Traurigkeit und schweren Gedanken/ und solches aus furcht/ daß ihr Herkules auff der gefaͤhrlichen Reise in Ungluͤk gerahten und wol gar umb sein Leben kommen moͤchte; Uberdz hatte sie in erfahrung gebracht/ es stuͤnde wegen eines vermuht- lichen iñerlichen Krieges sehr gefaͤhrlich im ganzen Parthischen Reiche daraus sie muht- massete/ daß die Unsicherheit zu reisen ihn gar wieder zuruͤk zihen duͤrfte/ in welchẽ Gedan- ken sie sich so sehr vertieffete/ daß sie vergaß an ihr Fenster zu gehen/ und ihres Timokles wahrzunehmen/ wie sonsten ihr taͤglicher brauch wahr. Des andern Morgens gingen sie zimlich fruͤhe wieder hin/ und nachdem sie etwa eine halbe Stunde sich daselbst auffgehal- ten hatten/ erblickete Herkules das Fraͤulein ohngefehr am Fenster/ da er vor freuden sei- nem Ladisla an der Seite niedersank/ nicht anders als ob die Seele aus ihm gefahꝛen waͤh- re/ auch Ladisla nicht anders meinete/ er waͤhre etwa vom Schlage getroffen uñ ploͤzliches todes verblichen/ dessen er so hefftig erschrak/ daß ihm schier ein gleiches begegnet waͤhre/ doch hielt er sich feste/ und schuͤttelte seinen Freund so lange/ biß er ihn endlich wieder zu rechte brachte/ weil Timokles/ der seiner Gewohnheit nach sich daselbst von seinem gebie- tenden Fraͤulein sehen ließ/ seines Unfals inne ward/ aus mitleiden hinzu trat/ und aus dem naͤhesten Brunnen Wasser zutrug/ damit sie ihn wieder erquicketen. Frl. Valiska sahe dieses an/ und kennete doch ihre liebsten Freunde nicht/ weil sie beyde ihre Angesichteꝛ verstellet hatten. Ladisla hatte ihrer noch nicht wahr genommen/ biß Herkules/ da er sich er- hohlete/ sie ihm mit beyden Haͤnden zeigete/ und in teutscher Sprache zu ihm sagete: Bru- der/ sihestu deine Fꝛl. Schwester nicht/ deren Geister die meinen zu sich hinauff gezogen ha- ben? Vierdes Buch. ben? Hie mit sahen sie beyde das Fraͤulein starre an/ und kunte Herkules nicht unterlassen/ ihr eine hoͤfliche Ehrerbietung nach tentscher Art zuerzeigen/ dessen sie mit hoͤchster ver- wunderung wahrnam/ und vorgewiß hielt/ ihre allerliebeste Nachsucher wuͤrden in der naͤ- he seyn/ und diese ihre beyden Diener voraus geschikt haben; durfte aber/ Argwohns halbẽ sich nichts merken lassen/ weil ihr Frauenzim̃er mehrenteils bey ihr wahr/ schlug das Fen- ster zu/ voller Gedanken/ und geriet bald auff die furcht/ obs ein Verfuͤhrer waͤhre/ und von dem Koͤnige darzu bestellet. O du guͤnstiger Himmels Gott/ der du von meinem Herkules so hoch geehret wirst/ sagte sie mit stillem Munde/ aber schreienden Herzen und quellenden Traͤhnen/ ist dann die Zeit meiner Erloͤsung nicht schier vorhanden? oder wiltu zugeben/ daß der Außbund des menschlichen Geschlechts/ mein from̃er Herkules mit mir zugleich untergehen und verderben sol/ welchen jederman vor ein volkommenes Meisterstuͤk des Himmels halten und ehren muß? Timokles hatte zwar Herkules Reden an Ladisla nicht gehoͤret/ und ob er sie gleich gehoͤret haͤtte/ wuͤrde er sie doch nicht verstanden haben; aus ih- rer beyder geberden aber urteilete er/ sie muͤsten ohnzweifel der Fraͤulein Kundschaft habẽ/ folgete ihnen deßwegen nach biß in ihre Herberge/ und stellete sich gar ehrerbietig gegen sie/ daher Herkules ihn also anredete: Mein Freund/ ihr seid heut in erquickung meiner sehr bemuͤhet gewesen/ ungeachtet ich euch allerdinge fremde bin; moͤchte deßwegen gerne euer etwas bessere Kundschaft haben/ ob ich daher Gelegenheit finden koͤnte/ euch eure miꝛ geleistete Dienste zuver gelten. Dieser antwortete: Seine Dienste waͤhren schlecht und ge- ringe gewesen/ und keiner Vergeltung wirdig; seinen Zustand betreffend/ waͤhre er hie- selbst fremde/ wuͤrde sich aber eine zeitlang alhier auffhalten/ weil er nach seines Herrn be- fehl/ dem er dienete/ auff dessen gute Freunde wartete/ deren er aus weit abgelegenen West- Nordischen Laͤndern gewißlich vermuhtete/ und waͤhre alles sein tuhn/ daß er taͤglich die vornehmsten Herbergen besuchete/ umb Nachfrage zuhalten/ ob nicht einer oder ander moͤchte ankommen seyn/ denen dieses Zeichen (welches er ihnen vormahlete) bekant waͤhre. Herkules erfreuete sich dieses vorbringens uͤber aus hoͤchlich/ und gab ihm zur Ant- wort: Mein Freund/ es hat ein sonderliches Glük euch zu uns gefuͤhret/ dann niemand als wir/ kan eures Herrn Freunde euch zuerkennen geben/ von denen wir abgefertiget sind/ eu- rem Herrn und dessen wolergehen nachzufragen. Umb meinen Herrn/ sagte Timokles/ ste- hets noch wol/ so viel Ehr/ Leben uñ Gesundheit betrift/ dem von Tyrus biß hieher ich stets auffgewartet habe; aber kan ihnen nicht belieben/ mir ihrer Herren nahmen zu nennen? dann ehe solches geschihet/ werde ich stets im zweiffel bleiben. Mein Herꝛ/ sagte Herkules/ heisset Ladisla. Er neigete sich vor diesem nahmen und gab zur Antwort: Derselbe grosse Herr ist meines Herrn leiblicher uñ einiger Bruder. Ihr wisset genug/ mein Freund/ sag- te Herkules/ und wollen euch unsere Herren bald sehen lassen; befahl darauff/ Tyriotes sol- te ihm ein wenig Geselschafft leisten/ biß man ihn ruffen wuͤrde. Sie aber gingen auff ihr Gemach/ rieben die angestrichene Farbe ab/ legeten koͤstliche Kleider an/ und ward Tyrio- tes von Leches gefodert/ mit dem fremden herauff zukommen/ welcher da er zur Tuͤhr hin- ein trat/ sagte Tyriotes zu ihm; da sehet ihr eures Herrn Freunde/ woran ihr nicht zuzwei- feln habet. Timokles entsetzete sich vor ihrem Fuͤrstlichen Ansehen/ dz er erstarrete/ fiel nach- gehends vor Herkules nider/ und sagete: Durchleuchtigster Groß Fuͤrst/ gnaͤdigster Herꝛ/ mit Vierdes Buch. mit was unaussprechlicher Freude und Vergnuͤgung werde Euer Gn. ergebenes Fraͤu- lein ich unwirdiger noch heut erfuͤllen/ da ihrer Gn. und des Großmaͤchtigsten Koͤniges Herrn Ladisla gluͤkliche Ankunfft deroselben ich andeuten werde; O mit was sehnlichem Verlangen ist Ihrer Gnn. Ankunfft taͤglich erwartet worden/ welche mich meiner Gn. Fraͤulein schierkuͤnftigen Erloͤsung fast versichern darff Herkules hieß ihn auffstehen/ und fragete/ woher er ihrer Kundschafft haͤtte; Und bekam zur Antwort: Es haͤtte Herr Phaꝛ- nabazus auff der Frl. geheiß ihm solches alles offenbahret/ auch mit ihm verabscheidet/ da- fern er ihre Gnn. antreffen wuͤrde/ wolte er seine Herberge ihnen kund tuhn. Nun wahr dieses zwar also ergangen/ aber Pharnabazus hatte es allerdinge vergessen/ und erinnerte sich dessen erst/ da er schon zu Persepolis angelanget war/ woruͤber er sich sehr hermete/ aus furcht/ es wuͤrden unsere Helden diesen traͤuen Diener nicht antreffen. Nicht weniger be- fremdete es auch die beyden Fuͤrsten/ daß er solches so gar nicht geahnet hatte/ wolten sich dessen aber nicht merken lassen/ sondern es ruͤhmete Herkules diesen Diener wegen seiner dem Fraͤulein erzeigeten Traͤue/ vermahnete ihn zur Bestaͤndigkeit/ und verhieß ihm hoͤ- here Belohnung/ als er selbst wuͤnschen moͤchte; wovor er sich untertaͤhnigst bedankete/ und alles vermoͤgen ihnen aͤidlich versprach/ erzaͤhlete hernach kuͤrzlich/ wie es dem Fraͤulein bißdaher ergangen waͤhꝛe/ und taht endlich hinzu/ er hielte es vor ein sonderliches Gluͤk-zei- chen/ daß GFuͤrst Herkules in einem Schneeweissen/ Koͤnig Ladisla in einem rohten Klei- de sich eingestellet haͤtten/ nach dem mahl sein gn. Frl. mit ihm verabscheidet/ ihrer Gnn. anwesenheit ihr mit solchen Farben anzudeuten. Herkules fragete/ ob ihm dann nicht zu- gelassen wuͤrde/ zu dem Fraͤulein zu gehen/ und muͤndlich mit ihr zureden; Und als er ver- nam/ daß noch diese Stunde kein Mannesbilde ohn sonderliche Erlaͤubniß des Koͤniges zu ihr gelassen wuͤrde/ sondern deꝛ ihm solches unteꝛnehmen wolte/ ohn zweifel eines schaͤnd- lichen Todes sterben muͤste/ wie Herr Mazeus ihm schon angedeutet hatte/ merkete er da- her wol/ daß es ihm schwer fallen wuͤrde/ sein Vorhaben ins Werk zurichten; doch weil er in allen dingen seinem Gott und Heylande vertrauete/ also zweifelte er nicht/ derselbe wuͤr- de ihm schon den Zutrit oͤfnen. Timokles hielt demuͤhtig an/ ihn dißmahl nicht laͤnger auf- zuhalten/ damit er seinem gn. Frl. ihre Ankunfft verstaͤndigen/ und ihr den grossen Kum̃er benehmen moͤchte/ welcher sie wegen ihres langen aussenbleibens fast verzehret haͤtte. Es wahr gleich der Frl. Geburts Tag/ nehmlich der 31ste des Jenner Monats/ mit welchem sie in das 17de Jahr trat/ welchen Tag nicht allein sie mit ihrem Frauenzimmer/ sondern der Koͤnig selber mit seinen Hoͤflingen zubegehen willens wahr. Nun befand sich das ver- liebete Fraͤulein/ wegen des empfangenen Ehrengrusses/ mit ungewoͤhnlichen Freuden be- laden/ daß ihr Frauenzimmer/ in betrachtung ihrer bißher erzeigeten Schwermuht/ eine sonderliche beliebung darob hatte. Koͤnig Artabanus sendete ihr ein treffliches schneeweis- ses Kleid/ dessen Werd sich auff zwo Tonnen Goldes erstreckete/ dabey wahr eine Koͤnigli- che Krone/ und eine Halskette von uͤberaus grossen Kosten. Wie sie sich nun auff ihrem Gemache ausputzen ließ/ fand Timokles sich an seinem gewoͤhnlichen Orte/ nam gemach- ter Abrede nach/ ein helles Pfeifchen/ und gab ihr seine gegenwart zuverstehen/ dessen sie sich nicht wenig verwunderte/ gedachte auch alsbald/ er wuͤrde ihr ein sonderbahres Zeichen sehen lassen/ weil er so bald zum andern mahle wieder kam; machete sich demnach hin zu ih- Y y y y rem Vierdes Buch. rem Fenster/ vorgebend/ weil ihr eine geringe Mattigkeit zustiesse/ wuͤrde sie gezwungen/ fri- sche Lufft zuschoͤpffen; schlug das Fenster auf/ und sahe ihn indeꝛ Rechten ein weisses/ und in der Linken ein rohtes Tuͤchlein halten/ und sie beyde froͤlich umb den Kopf schwingen; woꝛ- uͤber sie vor grosser herzlicher Freude niderfiel/ und mit innerlicher Stimme sagete: O hilf nun du wahrer Gott/ nun hilff! damit lief ihr alles Gebluͤt zum Herzen/ daß sie unbewaͤg- lich liegen blieb. Das gesamte anwesende Frauenzimmer erschraken dessen hefftig/ wahren mit kraͤfftigen Sachen bald zugegen/ und macheten ihr den Busem auff/ da sie uͤber ihrer trefflichen Schoͤnheit sich nit gnug verwundern kunten/ dann sie hatte bißher ihren Leib so wenig von diesem ihren Frauenzim̃er beschauen lassen/ als waͤhrens lauter Mannesbilder gewesen; durch welche Keuscheit sie ihr hohes Ansehen bey ihnen erhielt/ wiewol sie es ihr vor einen stolz auslegeten. Es wehrete fast bey einer Viertelstunde/ ehe sie ihrer Sinnen wieder maͤchtig ward/ kahm algemaͤhlich zu sich selbst/ schlug ihre halblaͤchelnde Augen auf/ und sagete zu den anwesenden: Ach ihr meine Freundinnen/ warumb lasset ihr mich nicht in meiner Jungfraͤulichen Keuscheit eines so sanfften Todes dahin sterben? Mit dem waꝛd sie ihres zur helfte entbloͤsseten Busems gewahr/ welches sie heftig verdroß/ ihn alsbald wie- der bedeckete/ und mit ernstlicheꝛ Rede sagete: So nach diesem mich jemand dergestalt ent- bloͤssen wird/ die sol meinem Zorn und schwerer Straffhand nicht entgehen/ dann alles wz an mir ist/ wird nur einem Fuͤrsten verwahret/ sonsten hat kein Mensch der ganzen Welt teil an mir. Das Frauenzimmer baht demuͤhtigst umb Verzeihung; es waͤhre zu ihrem besten geschehen/ ihre Geister wieder hervor zuruffen/ haͤtten nicht gewust/ daß ihre Gn. bey Frauenzimmer sich so schamhafftig halten wolte/ moͤchte demnach ihnen solches Gn. ver- zeihen/ es solte forthin nimmermehr geschehen. Also gab das Fraͤulein sich zufrieden/ trat wieder vor das Fenster/ und sahe Timokles stehen/ und abermahl die Tuͤcher froͤlich schuͤt- teln/ daher steckete sie das Haͤupt gar zum Fenster hinaus/ ließ ihm ihr añoch todtenbleiches Angesicht sehen/ und winkete ihm mit lachendem Munde hinweg zugehen/ und die lieben Freunde herbey zuhohlen. Ihꝛ Schmuk ward ihꝛ voͤllig angelegt/ uñ befahl sie heꝛnach dem ganzen Frauenzimmer/ einen Abtrit zunehmen/ biß ihnen wieder geruffen wuͤrde; Als sie nun allein wahr/ schlug sie ihre Haͤnde mit diesem herzinbruͤnstigen Gebeht zusammen: O du maͤchtiger/ mir annoch unbekanter Christen-Gott; dir sage ich von grund meiner Seele Dank/ daß du meine Ehr und Leben bißher in deinem getraͤuen Schutz erhalten/ und meinen herzgeliebeten Braͤutigam nebest meinen Bruder frisch und gesund herzu gefuͤhret hast/ dann dir/ ja dir allein/ schrei- be ich alle unsere Wolfahrt zu; O nim dich unser ingesamt ferner gnaͤdig an/ gib Gluͤk zu unserm vor- haben/ und verlethe/ daß wir ungetrennet unser liebes Vaterland wieder sehen/ mit den unsern froͤlich leben/ und dir nach deinem Willen/ den ich schier hoffe zuerkennen/ gehorsam dienen moͤgen. Nach geendigtem Gebeht war sie wol mit tausenderley Gedanken umgeben/ ob sie auch ihres lieben Herkules Gegenwart wuͤrde ertragen koͤnnen; ja ob auch derselbe in ihrem an- schauen geherzter als das erste mahl zu Prage/ sich erzeigen wuͤrde. O du getraͤuer unge- faͤrbeter Liebhaber/ sagte sie/ wie manniche Ungelegenheit muß dir zugestossen seyn/ ehe du diesen Ort erreichet hast; aber gib dich zufrieden/ ich wil entweder froͤlich sterben/ oder mit dir von hinnen zihen; bleibe du nur bestaͤndig/ und versichere dich/ daß allein du/ odeꝛ der bit- tere Tod meines Leibes Herr und Meister seyn/ und dessen geniessen sol. Sie hatte etwa ei- ne Stun- Vierdes Buch. ne Stunde in diesen Liebes-gedanken zugebracht/ da sahe sie ihren Bruder Ladisla daher treten/ und einen zu seiner Rechten/ den sie anfangs nicht kennete/ dann es wahr Herkules/ der sein Haar braun gefaͤrbet/ das Angesicht aber nur ein wenig verstellet hatte/ daß wie er naͤher kam/ sie etlicher massen merkete/ er muͤste es seyn/ und wuͤrde ein falsches Haar auff- gesetzet haben/ rief ihrem Frauenzimmer/ und begehrete von ihnen mit freundlichen Wor- ten/ daß sie mit ihr auff den obersten Gang/ der umb das Dach auswendig gezogen wahr/ gehen/ und sich umsehen solten; worzu sie alle willig wahren/ insonderheit/ als sie vernah- men/ daß ihr Unwille sich geleget hatte. Als sie nun da droben in ihrem Koͤniglichẽ Pracht sich eigentlich beschauen ließ/ sagte Ladisla zu Herkules: Sihe da/ geliebter Bruder/ wie hoch der grobe Koͤnig meine Frl. Schwester ehret/ indem er sie nicht anders als eine her- schende Landes-Koͤnigin ausgeschmuͤcket hat. Dieses machet auch/ antwortete er/ daß ich mein Schwert lieber vor/ als wider ihn gebrauchen moͤchte/ dafern er mir nur diesen teurẽ Schatz ungewaͤgert ausfolgen lassen wolte; Doch muß gleichwol noch eine Liebe zur Tu- gend in seinem Herzen uͤbrig seyn/ weil er nicht nach gewohnheit der Unbaͤndigen/ aͤusserli- chen Gewalt brauchet/ sondern ihr ertichtetes Geluͤbde ihm hat gefallen lassen/ und hoffe demnach/ mein HErr Jesus werde uns beystaͤndig seyn/ und helffen/ dz ihre Ehre vor ihm und allen andern gesichert bleibe. Unter diesem Gespraͤch ließ Herkules kein Auge von sei- nem Fraͤulein/ sondern betrachtete sie inniglich/ und befand/ daß innerhalb zwey Jahr und 37 Wochen (so lange hatte er sie nicht gesehen) sie viel gewachsen/ und uͤber ihr Alter anzu- sehen wahr. Das Fraͤulein empfing seine Liebesblicke mit gleicher Andacht/ kehrete ihm dz Angesicht zu/ und sprachete mit stets lachendem Munde mit ihrem Frauenzimmer. In ih- rer Hand trug sie einen verguͤldeten Pfeil/ auf welchen sie mit schwarzen Buchstaben in Teutscher Sprache geschrieben hatte: Ihr lieben Herzen/ sendet mir den hohlen Pfeil. Als sie nun vom Gange ging/ nachdem sie uͤber eine halbe Stunde sich alda hatte sehen lassen/ nam sie den Bogen zur Hand/ und schoß diesen Pfeil als zur kurzweil in die Hoͤhe/ daß er vor Herkules niderfiel/ welcher ihn ehrerbietig aufhub/ und nach der Fraͤulein Abscheid sich mit Ladisla und Timokles nach ihrer Herberge machte/ woselbst sie die Schrifft des Pfeils lasen/ und von Timokles zuwissen begehreten/ was vor einen hohlen Pfeil das Fraͤulein fo- dern moͤchte; Er aber gab ihnen zuverstehen/ was massen ihre Abrede waͤhre/ da etwz son- derliches vorginge/ solte er in einem hohlen Pfeile ihr ein eingestektes Brieflein auff den Gang schiessen; welches listigen fundes sich Herkules verwunderte/ ließ geschwinde einen solchen zurichten/ setzete sich nider/ und schrieb folgenden Brief: Der einige wahre Gott Himmels und Erden/ hat durch manniche Gefahr mich gesund herge- leitet/ und mir heut meiner Seelen-geliebten Fraͤulein hoͤchstgewuͤnschtes Angesicht gezeiget; Mein Ladisla hat mich nicht wollen lassen allein nachsuchen/ sondern ist mir gefolget biß nach Ekbatana/ da wir ohngefehr zusammen gestossen/ und Euer Liebe Zustand erfahren haben; weil mir dann an meineꝛ Fraͤulein Bestaͤndigkeit und Traͤue zu zweifeln nicht gebuͤhren wil/ als welche mehr auff Tugend/ als uͤppigen Stoltz haͤlt/ wird weder Wasser Grabe/ noch steinerne Mauer/ noch Huͤters Wachsamkeit/ ja Koͤniges Artabanus Macht selber nicht/ mir verhinderlich seyn/ dasselbe zuerlangen/ was naͤhst Gott mein hoͤchster Schatz und Wunsch ist. Lebet wol/ meines Lebens Seele/ und seyd gegrüsset von eurem/ biß in den Tod ganz ergebenen Knechte/ Herkules/ jezt Valikules genant. Dieses Schreiben wickelte er artig zusammen/ als ein duͤnnes Pfeifchen/ vermachete es Y y y y ij in Vierdes Buch. in den hohlen Pfeil/ uñ ging des folgenden Morgens sehr fruͤh mit Timokles hin/ der ihm den Bogen nachtrug/ mit welchem er den Pfeil auff den Gang schoß/ und als bald wieder seines Weges ging. Bey der praͤchtigen Mahlzeit saß das Fraͤulein ganz verwirret bey ihrem Frauenzimmer/ daß sie wuͤnschete/ es waͤhren diese Freunde auff einen an dern Tag ankommen. Tausenderley Gedanken lieffen in ihrem Kopffe umb/ daß einer dem andern nicht weichen kunte; bald betrachtete sie die wunder-traͤue Liebe ihres Braͤutigams gegen sie; bald die Gefahr/ welche er schon gluͤklich uͤberstanden; bald/ welche ihm noch bevor stuͤnde; wie es doch wuͤrde koͤnnen moͤglich seyn/ daß er sie aus disem wolverwahreten Schlosse braͤchte; und wann solches gleich geschaͤhe/ wie er mit ihr der grossen Macht des Koͤniges entgehen/ und sicher durchhauen wuͤrde. Doch wahr vor dißmahl ihr hoͤchstes anliegen/ daß sie nicht ersinnen kunte/ wie sie seiner lieben Gegenwart geniessen/ und den sie ungleich mehr als sich selbst liebete/ auff ein vertrauliches Gespraͤch etwa ein Stuͤndichen bey ihr haben moͤchte; endlich gelebete sie der Zuversicht/ Gott wuͤrde es in die Wege schic- ken/ wie es ihnen am ersprießlichsten waͤhre/ straffete wegen ihrer Schwermuͤhligkeit sich selber/ und nam eine besondere Froͤligkeit an sich/ daß sie endlich ihre Laute soderte/ und welches sie an diesem Orte noch nie in einiges Menschẽ gegenwart getahn/ folgende Teut- sche Reimen darein sang: 1 S Choͤnster Leit Stern meiner Seelen/ Hastu dich herbey gemacht? Bistu/ meines Herzen quaͤlen Schier zu endigen bedacht? O du Tugendhaffter Sin/ Sey bestaͤndig wie ich bin. 2 Liebster Seelen-Schatz/ wie lange Hab ich nach dir ausgesehn! Meinem Herzen wahr sehr bange/ Daß du moͤchtest untergehn/ Und die mancherley Gefahr Dich erdruͤcken ganz und gar. 3 O mein Freund/ wie manches Leiden Hat dich sider dem geuͤbt/ Daß du mich hast muͤssen meiden/ Die du vor so sehr geliebt; O wie seufztestu mir nach/ Als mein Brehlchen zu dir sprach: 4 Herkuliskus laͤst sich fuͤhren Nach dem wilden Parther hin/ Da sie wird ohn zweifel spuͤren Manches frechen Menschen Sin/ Und wol der Artaban/ scharff Sie umb Lieb’ anspraͤngen darff. 5 Da wird deiner Seele grauen Recht hervor gebrochen seyn/ Daß du dich hast muͤssen zauen/ Und zu mindern solche Pein/ Deinen Weg befodert hast Tag und Nacht ohn Ruh und Rast. 6 Nun mein Herz/ du bist ankommen/ Und ich bin noch unbeflekt/ Darumb bleibt dir unbenommen/ Was der Seele suͤsse schmekt/ Ich bin dein/ und bleib es wol/ Wo ich sonst noch leben sol. 7 O wie werd ich mich ergetzen/ Wann uns Gott die Freyheit schikt; Dann wil ich bey seite setzen/ Was mich noch so hefftig druͤkt; Dann wil ich dir Leib und Sin Schenken/ weil ich deine bin. Nach dieses Liedes endigung/ sagte Fr. Syfigambis ihre Hofmeisterin zu ihr: Ach mein Gnaͤdigstes Fraͤulein/ es muß der grosse Koͤnig Artabanus bey den Goͤttern in sonderlicheꝛ Hulde stehen/ weil dieselben seiner Hocheit/ ohn einige Heucheley zureden/ das allervoll- kommenste Fraͤulein der Welt/ durch so wunderlichen Gluͤckesfall zugefuͤhret haben; und moͤchte ich meines teils nur wuͤnschen/ daß Ihre Hocheit dieses ihr wunder-suͤsses Lauten- spiel Vierdes Buch. spiel/ und die himlische Stimme haͤtte anhoͤren moͤgen. Das Fraͤulein hatte dieser Frauẽ gute Zuneigung zeit wehrender ihrer Schwacheit wol gespuͤret/ und ob ihr diese Rede gleich sehr zuwider wahr/ wolte sie ihr doch keine ursach zum Widerwillen geben/ wie sie ohn das ihr alles zugute hielt/ damit sie ein vollkom̃enes Vertrauen bey ihr erhalten moͤch- te/ und auff den Nohtfall desto leichter koͤnte hintergangen werden; vor dißmahl aber gab sie ihr die Antwort: Geliebte Freundin; Gottes Versehung bestehet in seinen heimlichen Rahtschlaͤgen/ die keines Menschen Witz erfahren kan; Zu wessen ehelicher Vertrauung mich der Himmel nun verordnet hat/ dem muß ich ohn zweifel zu teile werden/ solte eꝛ mich gleich/ oder ich ihn/ in den aͤussersten Grenzen der Erden suchen; was ihr aber von meineꝛ Volkom̃enheit redet/ hoͤre ich zwar an/ und weiß mich doch zugleich meineꝛ Gebrechẽ sehꝛ wol zueriñern; je doch mein Wille ist auf Tugend gerichtet/ uñ wz menschlicher schwacheit und meinem Unvermoͤgẽ abgehet/ wird unter and’n auch meiner Jugend zugerechnet weꝛ- den. Nachgehends hieß sie einer ihrer Jungfrauen einẽ Tantz spielẽ/ da sie unter der Einbil- dung/ ob ihr liebster Herkules/ sie bey der Hand fuͤhrete/ solche zierliche Spruͤnge/ Schren- kungen der Beine/ und dergleichen Fertigkeiten sehen ließ/ dz alle anwesende wunder nam; uñ weil sie den Anfang gemacht/ mustẽ die Jungfern auch tanzẽ/ so gut sie es gelernet hattẽ/ biß sie endlich mit dem spaͤten Abend sich zur ruhe legete/ da Herkules ihr im Schlaffe im̃eꝛ vor Augen uñ im Gedaͤchtnis fchwebete/ welcher inzwischẽ auf nichts so viel bedacht war/ als dz er ihr den Christlichen Glauben beybringen moͤchte/ wie er solches seinem Gotte an- gelobet hatte/ befand aber/ daß es durch Schreiben schwerlich wuͤrde zuver richten seyn/ uñ sahe doch nicht/ wie er sein Vorhaben/ sie zu sprechen/ so schleunig ins Werk richten koͤnte. Das liebe Fraͤulein/ da sie mit dem anbruche der ersten Morgen roͤhte erwachete/ ging un- vermerket auff den obristen Lustgang/ ob etwa vorigen Abend ihr der hohle Pfeil hinauff geschossen waͤhre/ weil sie aber zu fruͤh kam/ und nichts fand/ machte sie sich eilends wieder nach ihrem Gemache und legte sich zur ruhe/ da sie etliche Stunden vom Schlaffe einge- nommen ward/ und die Einbildungen ihr mannicherley vorstelleten. Wie sie nun erwa- chete/ schaͤmete sie sich/ so lange geschlaffen zu haben/ legte ihre Kleider an/ und ging zum andernmahle auff den Gang/ da sie den Pfeil fand/ ihn froͤlich zu sich nam/ und in ihrem Gemache oͤfnete/ zohe das Brieflein heraus/ und aus der Auffschrift (Der Durchleuchtigstẽ Fraͤulein/ Fraͤulein Valisken ꝛc meiner hoͤchstgeliebeten Frl. Wasen und Schwester) erkennete sie alsbald ihres Herkules Hand/ kuͤssete den Brieff/ und sagete: O ihr mein herzgeliebter Freund/ wann wird uns der Himmel unsere Vergnuͤgung goͤnnen? O daß ich mir Fluͤ- gel wuͤnschen oder machen koͤnte/ nur biß uͤber diese Stad weg zu fliegen/ daß ihr eurer Lie- be und Traͤue schuldige Vergeltung spuͤretet! brach hiemit das Schreiben/ lase es/ und sagete: Nun mein geliebtes Herz/ ob ich gleich viel zu unvermoͤgen bin/ deiner Traͤue und Tugend die Wage zu halten/ wil ich doch mein aͤusserstes dran wenden/ damit die dankwil- lige Herkuliska ihrem Valikules gebuͤhrliche Gegenliebe erzeigen/ und in Geduld alles ver- tragen moͤge/ biß dereins Valiska ihres Herkules in ehren vollig wird geniessen koͤnnen. Aber o ihr mein hoͤchster Schaz/ wollen wir des Gluͤckes Gunst uns versprechen/ muͤssen wir trauen nicht mit Gewalt verfahren/ da wo Gewalt nuꝛ Tohrheit ist/ sondern Vernunft und Vorsichtigkeit wird in diesem Spiel daß beste seyn/ auff daß die Liebesbegierden die Y y y y iij wirk- Vierdes Buch. wirkliche folge durch ihre blinde Verwaͤgenheit nicht hintertreiben/ und der gewuͤnschten Glukseligkeit die ohn das enge Tuͤhr nicht versperren; setzete sich darauff nider/ uñ schrieb folgende Antwort: Der Schoͤpffer und Erhalter dieses grossen Weltgebaͤues/ gibt Valisken und ihrem Gewissen zeugnis/ daß vor ihren Herkules sie mehr Sorge/ als vor ihr eigen Leben getragen; Wie nun dieselbe seine Bestaͤndigkeit aus der gefaͤhrlichen Nachfolge satsam erkennet/ also sol ihm hinwieder ein gleiches/ entweder im ehrlichen Leben/ oder zum wenigsten im froͤlichen tode unfehlbar gehalten werden/ welchen Vorsaz weder menschen Wiz noch Macht brechen wird. Wollen wiꝛ aber dereins gluͤkselig leben/ muß unser Vorhaben durch Vernunft gefuͤhret werden/ sonsten stossen wir das ganze Gebaͤu uͤbern hauffen/ und verlieren alle angewante Muͤhe samt deren belohnung. Eile ist uns noch zur Zeit nicht so gar noͤhtig/ vielweniger rahtsam; dann Koͤnig Artabanus/ seinem mehr als aͤidlichem Versprechen nach/ wird mir seiner vermeinetẽ Braut (wo er nicht gar zum Verraͤhter wird) inwendig Jahresfrist nicht uͤberlaͤstig seyn/ in zwischen hilfft Gott und Gluͤk. Aber o daß mein herzge- liebter Herr und Bruder Ladisla bey seinem liebsten Gemahl blieben waͤhre/ dann mich tauret sehr/ daß dieselbe und sein ganzes Koͤnigreich uͤber mich zu klagen einige Ursach haben sol/ sehe auch keine Gelegenheit/ seiner Liebe solches zuerstatten/ es waͤhre dann/ daß mein Herkules die Vergeltung an meine stat uͤber sich nehmen wolte/ dessen Gesichts verenderung mich et was befremdet. Schließlich bitte ich Freund- und schwesterlich/ mich auff gestrige Weise offters zubesuchen/ als lange uns naͤhere Zusammenkunft gehindert wird/ und verbleibe ich Zeit meines Lebens/ meinem Groß Fuͤrsten Herku- les zu ehren ganz eigen ergebene Valiska. So bald dieser Brieff verfertiget wahr/ schloß sie denselben in eben den empfangenen Pfeil/ sahe aus ihrem Fenster/ und ward ihres Timokles gewahr/ schoß ihm denselben hin- unter/ und winkete ihm fortzugehen; der sich dann nicht lange seumete/ sondern schnelles lauffes der Herberge zueilete/ und den lieben Pfeil seinem Herrn einlieferte/ welcher der schleunigen Antwort sich verwundernd/ den Pfeil oͤffnete/ und auff dem Schreiben diese Auffschrift lase: Dem Durchleuchtigsten Fuͤrsten und Herrn/ Herrn Herkules ꝛc. meinem hoͤchst vertrauten Oheim und Bruder. Bald erbrach er solches/ und nach verlesung sagte er: O du aͤdle Seele/ mir zweifelt nicht/ mein Gott habe dich schon von Ewigkeit her in die Zahl deꝛ Ausserwaͤhlten angeschrieben/ und werde dich gnaͤdig erhalten/ daß du in erkaͤntnis der himlischen Warheit zum ewigen Leben unterwiesen werdest; goͤnnet uns dañ unser Gott/ das zeitliche Leben in stiller ruhe zu fuͤhren/ wollen wirs als sein Gnadengeschenk erkennen/ wo nicht/ so wird uns als dann die Ewigkeit nicht zum andernmahle trennen lassen; gab hernach Ladisla den Brieff durchzulesen/ der sich aber dessen wegerte/ weil ihm wol bewust wahr/ daß verliebeter Leute Schreiben keine fremde Augen leiden wollen. Bald darauff gingen sie nach dem Schlosse/ nahmen auch Leches und Timokles mit sich/ und funden das liebe Fraͤulein am Fenster stehen/ von der sie anmuhtige Blicke und verliebete Winke ein- nahmen/ womit das Fraͤulein nicht veꝛgnuͤget/ sich auff den Umbgang begab/ und sich ge- rade gegen ihren Herkules stellete/ da inzwischen Ladisla mit Leches umbher ging/ diese verliebeten aber/ weil sie naͤher nicht zusammen kunten/ zur anzeige und bekraͤftigung ge- traͤuer Freundschaft/ die empfangenen Briefe/ und ihre eigene Haͤnde kuͤsseten/ biß endlich nach verlauff einer Stunde dz Fraͤulein mit einem hoͤflichen neigen freundlichen Abscheid nam/ nichts mehr wuͤnschend/ als etliche Stunden mit ihrem Schatze sprache zuhalten; mit welcher begierde der uͤberalverliebete Herkules ebenmaͤssig getrieben ward; weil es a- ber noch zur Zeit ein vergebliches Ding wahr/ musten sie mit dem anschauen sich vergnuͤ- gen Vierdes Buch. gen lassen/ da dann Herkules nicht unterlies/ taͤglich drey oder viermahl sich darzustellen/ kam auch nimmer vergebens/ sondern empfing allemahl die behaͤglichen Blicke/ welche er dañ mit zehnfachen Zinsen wie der zu geben wuste. Umb diese Zeit genase Fr. Sophia zu Padua eines jungen Soͤhnleins/ woruͤber alle Anverwanten sich hoͤchlich erfreueten/ und wie wol es in der Geburt zimlich hart daher ging/ hatte die liebe Mutter dañoch ihre herz- liche Ergezligkeit an dem wolgeschaffenen Soͤhnlein/ gab ihm auch den nahmen Herkula- disla/ und sagete: Wird mein liebes Kind seinem Vater und Vetter (deren nahmen es traͤget) nachschlagen/ sol die Welt seiner Dienste noch wol geniessen koͤnnen. Als unsere Helden sich zu Charas wenig Tage auffgehalten hatten/ ward eine fliegen- de Zeitung ruchtbar/ es gingen in unterschiedlichen Fuͤrstentuͤhmen/ absonderlich in Per- sen starke Werbungẽ vor// wie wol in geheim/ und wahr die sage/ Koͤnig Artabanus felbst haͤtte sie angestellet/ des vorhabens/ die Skythen anzugreiffen/ und unter den Gehorsam zubringen/ weil sie die Oberbotmaͤssigkeit des Parthischen Stuels nicht erkeñen/ sondern nach wie vor ohn Schatzung nur vor Freunde/ freie Nachbarn und Bundgenossen wolten gehalten seyn/ einwendend/ sie als der Parther Voreltern (dañ diese wahren von den Sky- then entsprossen) koͤnten ihrer außgewichenen Landsleute Joch durchaus nicht annehmen noch tragen. Artabanus hatte schon von etlichen Jahren her etliche seiner untergebenen Lehn Fuͤrsten in verdacht/ als stuͤnden sie nach der Freiheit/ daher er sich gegen alle ohn un- terscheid sehr hart uñ unmilde erzeigete/ wie er dann ohndaß sehr wuͤtiger Art wahr; Nun wahren sie auch in Warheit des Parthischen Joches muͤde und von Herzen uͤberdruͤssig/ dañ es ging ihnen schwer ein/ daß von Arsazes/ des ersten Parther Koͤniges Zeit an/ die aͤd- len Persen/ Meden/ uñ andere nahmhafte Voͤlker unter dem schweren Parthischen dran- ge sitzen/ und dessen Beherschung ohn Ende solten unterworffen seyn; welches zwar dem Koͤnige durch Verraͤhterey zeitig kund getahn ward/ doch weil es meistenteils auff blossen muhtmassungen bestund/ und man bißher keine Rustung noch dessen etwas vernommen hatte/ wolte der Koͤnig an sich halten/ und die hoͤchsten Haͤupter ihm nicht unwillig machẽ/ umb den algemeinen auffstand zuverhuͤten/ hielt doch unterdessen hin und wieder Voͤlker in bereitschaft/ deren auff allen Fall er sich gebrauchen koͤnte. Weil er nun von unter schie- denen Orten her bericht einnahm/ dz Artaxerxes der Perse mit gefaͤhrlichẽ sachen schwan- ger ginge/ und heimliche Kriegsbestallungen unter dem nahmen seines Koͤniges fortsetze- te/ davon Artabanus doch keine Wissenschaft hatte/ zweiffelte er ferner nicht/ es wuͤrde Zeit seyn/ dem Unheil vorzubauen; wolte aber gleichwol versuch tuhn/ ob er durch hin- richtung der Redlensfuͤhrer das Feur in der Asche daͤmpfen/ und ohn einen blutigen ein- heimischen Krieg/ darein sich die Reichs Feinde leicht mischen duͤrften/ stillen koͤnte/ deß- wegen er dann an Artaxerxes in Persen/ Phraortes in Meden/ Menapis in Hirkanien/ Pusizes in Assyrien/ Eukratides in Baktrien/ Tissafernes in Drangian/ und Gobares in Susian Schreiben abgehẽ ließ/ und begehrete/ daß sie ohn verzug auff seinem Koͤniglichen Hauptschlosse sich einstellen/ und wegen heilsamer bestellung des Parthischen Reichs mit einrahten solten/ weil man nicht wuͤste/ wessen man sich zu dem Roͤmischẽ Kaͤyser/ wie auch zu den Skythen zuversehen haͤtte. Diese Schreiben wurden/ ehe die Werbung ruchtbar ward/ von dem Koͤnige abgefaͤrtiget/ noch ehe Herkules zu Charas an kam. Die Mor- gen- Vierdes Buch. genlaͤndische Fuͤrsten zweiffelten nicht/ es wuͤrde ihre Kriegsverfassung dem Koͤnige kund worden seyn/ liessen sich deßwegen nicht finden/ und ward an stat einer Antwort dem Boh- ten ein kurzer Schein des empfangenen Briefes erteilet. Doch wagete es Phraortes uñ zog auff geschwinder Eile inbegleitung 100 Reuter zum Koͤnige; die andern entschuldig- ten sich teils wegen Leibes schwacheit/ teils durch an dere Einwendung/ und santen gleich- wol ihre Gevolmaͤchtigten gen Hofe. Als Phraortes sich bey dem Koͤnige anmelden ließ/ ward er alsbald vorgefodert/ und fragete ihn derselbe mit blut-grimmiger Rede/ worzu die Kriegsverfassungen angesehen waͤhren/ von denen hin und wieder Bericht einkaͤhme. Er aber gab zur sanfmuͤhtigen Antwort: Aller Großmaͤchtigster Koͤnig/ allergnaͤdigster Herr; des Tages zuvor/ ehe eurer Koͤnigl. Hocheit allerwirdigstes gnaden-Schreiben zu meinem alleruntertaͤhnigst gehorsamsten Haͤnden kam/ hatte ich mich schon fertig ge- macht zu dieser Reise/ umb keiner andern Ursach willen/ als daß mir von Kriegswerbun- gen/ so in den Benachbarten eurer Koͤnigl. Hocheit untergebenen Fuͤrstentuͤhmen vorge- hen solten/ eine und andere fliegende Zeitung zu Ohren kam/ und zwar alle unter diesem Schein/ ihre Koͤnigl. Hocheit selbst haͤtte dieselben allergnaͤdigst angeordnet/ weil man von den Reichsfeinden sich eines Anfals besorgete; Es kam mir ein solches uͤberaus ver- daͤchtig vor/ und zwar daher/ daß ich vor vielen andern solte unwirdig gehalten seyn/ ihrer Koͤnigl. Hocheit durch ein ebenmaͤssiges meinen untertaͤhnigsten Gehorsam zuerzeigen/ da doch von deroselben ich ein volkreiches Land habe/ und die Meden wegen ihrer Schieß- kunst gemeiniglich mit auffgefodert werden/ wañ es zum Tꝛeffen gilt. Ob nun dieses zwar/ wie gesagt/ mich hoch befremdet hat/ so kompt dannoch ihrer K. Hocheit Nachfrage mir ungleich fremder vor/ als woraus ich zu muhtmassen gezwungen werde/ es muͤssen solche verfassungen/ da das Geruͤchte wahr ist/ ohn ihrer K. Hocheit wissen eingerichtet werden/ welches ein gefaͤhrliches Absehen haben wuͤrde/ eure K. Hocheit aber ihrem hoͤchstweisen verstande nach schon wissen wird/ wie solchem unverhofften Unwesen solle gluͤklich begeg- net werden/ wobey er sich/ sagte er/ als ein getraͤuer Knecht des Koͤniges und des gemeinẽ Vaterlandes gehorsambst wolte finden lassen/ so oft/ und an was Orten ihre K. Hocheit solches von ihm allergnaͤdigst begehren wuͤrden/ und waͤhre seine schlisliche alleruntertaͤh- nigste Bitte/ ihm allergnaͤdigst zuverzeihen/ daß auff Koͤnigliche Frage er keine Antwort zu geben wuͤste. Dem Koͤnige wahr von diesem Fuͤrsten nichts absonderlich vorkommen/ und da er sein frisches Gemuͤht und unerschrockenes Angesicht sahe/ hielt er ihn vor un- schuldig/ und antwortete ihm also: Mein lieber Fuͤrst/ du erinnerst dich billich deiner schul- digkeit/ und weil wir dich neulich unter unsere geheimisten Freunde auffgenom̃en/ hoffen wir/ daß anderer Auffruͤhrer Vornehmen dir verhasset und zuwie der seyn werde; so ver- bleibe nun in dieser standhaften Traͤue/ und versichere dich aller mil den Gnade an unser Seiten. Phraortes bedankete sich untertaͤhnigst/ versprach allen Gehorsam/ und blieb et- liche Tage zu Hofe/ weil ohn ausdruͤkliche beurlaubung wegzuscheiden er nicht bedacht wahr. Des andern Tages nach seiner ankunft/ da Herkules sieben Tage daselbst gewesen wahr/ erfuhr dieser seine Gegenwart/ und sendete Plautus an ihn/ daß er ihn gerne spre- chen wolte. Aber der Groß Fuͤrst ging alsbald mit nach seiner Herberge/ und wahr daselbst sehr wilkommen; er erzaͤhlete ihnen die Ursach seiner schleunigen Ankunft/ uñ daß der Koͤ- nig Vierdes Buch. nig ihn alles verdachts wegen der heimlichen Verbuͤndnis erlassen haͤtte/ auch daß er wil- lens waͤhre/ bey dem Koͤnige umb erlaubnis anzuhalten/ das Fraͤulein zubesuchen/ und ihr seines Gemahls Gruß anzumelden; welches Herkules eine gute Gelegenheit zu seyn dauch- te/ zu ihr zukommen/ ließ sich doch dessen nicht merken/ sondern hielt bey dem Groß Fuͤrsten an/ daß er ihn als seinen Leibdiener mit nach Hofe nehmen/ und bey guter Gelegenheit ihn bey dem Koͤnige růhmen moͤchte als einen in Waffen zimlich erfahren Teutschen Ritter/ der vielleicht der Fraͤulein Eltern kennete. Phraortes ließ ihm solches gefallen/ und nach dem er ein gutes ledern Kleid angelegt/ und sich zimlich braͤunlich angestrichen hatte/ trat er hinter dem Groß Fuͤrsten her/ voller Andacht zu Gott/ er moͤchte sein Vornehmen wol gelingen lassen. Bey der Koͤniglichen Mahlzeit wartete er mit auff/ und hielt sich dermas- sen geschiklich und tapffer/ daß Herr Vologeses der juͤnger/ ein naher Anverwanter des Koͤniges den Groß Fuͤrsten fragete/ was vor einen Diener er da haͤtte/ der nach fremden Sitten sich so artig zu halten wuͤste. Phraortes antwortete: Er haͤtte ihn etwa vor drey Wochen bekommen/ und gaͤbe sich vor einen Teutschen von Adel aus/ hielte davor/ es wuͤr- de ihm der Koͤniglichen Fraͤulein Wesen nicht allerdinge unbekant seyn/ weil er von ihm vernommen/ daß er an unterschie dlichen Koͤnig- und Fuͤrstlichen Hoͤfen desselben Landes auffgewartet haͤtte. Wie? sagte Vologeses/ zeiget dañ eure Liebe solches Koͤnigl. Hocheit nicht an? Ich bin dessen willens gewesen/ antwortete er/ habe ihn auch deßwegen außdruͤk- lich mit mir genommen/ und hat bißher nur an Gelegenheit und Mueß gemangelt. So wil ich an eurer stat den Dank verdienen/ sagte jener/ fing auch darauff also an: Ihre Koͤ- nigl. Hocheit wollen allergnaͤdigst vernehmen/ daß Fuͤrst Phraortes gegenwaͤrtiger Leib- diener ein Teutschgeborner seyn sol/ der vielleicht etwas von der treflichen Fraͤulein Herku- lisken Zustand moͤchte erzaͤhlen koͤnnen. Der Koͤnig hoͤrete solches mit Lust/ und fragete Phraortes/ ob sichs also verhielte; welcher zur Antwort gab; es waͤhre ihm also/ und koͤn- te gegenwaͤrtiger sein Diener daruͤber befraget werden. Der Koͤnig sahe Herkules an/ welcher sich sehr tief neigete/ und seinen Gott im Herzen anrieff/ er moͤchte ihm Gnade voꝛ dem Koͤnige verleihen; trat weiter hervor/ daß ihn Artabanus eigentlich sehen kunte/ uñ erwartete seiner Frage. Derselbe nun verwunderte sich uͤber seiner Freidigkeit/ daß er so wenig Furcht als Unhoͤfligkeit merken ließ/ und sagete zu ihm: Mein/ von wannen bistu? Herkules nach erzeigeter Ehrerbietung antwortete: Allergroßmaͤchtigster unuͤberwind- lichster Koͤnig/ grosser Beherscher dieser weiten Morgenlaͤnder; euer Koͤnigl. Hocheit ich unwirdigster Knecht bin eingebohrner Teutscher. Der Konig fragete weiter/ was bꝛin- gestu gutes neues aus deinem Vaterlande/ und wie neulich bistu daraus gezogen? Aller- gnaͤdigster Koͤnig/ antwortete er/ vor zweien Jahren bin ich mit meinem Herrn/ einem vor- nehmen Grafen/ aus Teutschland in Italien gereiset/ dem Kriegswesen nachzuzihen/ und weil ich mit einem Roͤmischen Herrn vorm halben Jahre in zwie spalt kommen/ und ihn im offentlichen Kampfe redlich erleget/ habe ich dannoch der schweren Verfolgung seiner ansehnlichen Freundschaft weichen muͤssen/ bin demnach in einem Meerhafen hinter Pa- dua zu Schiffe gangen/ und mich in Syrien begeben; uñ als man mir auch daselbst nach- stellete/ habe ich der Roͤmer Botmaͤssigkeit zumeiden/ mich in Assyrien und Meden gewa- get/ etwas zusehen und zuerfahren/ unter der Hoffnung/ nach verlauff etlicher Zeit/ mein Z z z z Vater- Vierdes Buch. Vaterland wieder zusuchen. Neues habe ich sonsten aus Teutschland wenig/ ohn daß in Italien das Geschrey ging/ meines gewesenen allergnaͤdigsten Koͤnigs einzige Frl. Toch- ter/ Frl. Herkuliska waͤhre gefangen/ und uͤber Meer in Armenien gefuͤhret. Der Koͤnig verwunderte sich der Reden/ und sagte zu ihm: Melde uns aber/ wer ist derselbige Koͤnig/ dessen Frl. Tochter geraubet ist? Er antwortete: Er wahr ein maͤchtiger Koͤnig der Boͤh- men und anderer umligenden Voͤlker/ nahmens Notesterich/ dessen Gemahl/ Frau Hede- wig/ eine Tochter des Groß Fuͤrsten der unuͤberwindlichen Teutschen/ anjetzo nach abster- ben ihres Koͤniges/ die Herschafft verwaltet/ dann ihr Herr Sohn/ der einige Erbe dieses Reichs/ sol nebest seinem Vettern den jungen Fuͤrsten aus Teutschland/ dem geraubeten Fraͤulein gefolget seyn/ ob sie dieselbe entweder mit der Faust/ oder mit Gelde wieder loͤsen moͤchten. Der Koͤnig fragete weiter: Hastu dann desselbigen Koͤniges Kundschaft gehabt? Ja/ allergnaͤdigster Koͤnig/ antwortete er/ ich unwirdiger habe dero Hocheit vier Jahr als ein aͤdelknabe auffgewartet/ auch von Ihr den Ritters-Orden empfangen; Der Fraͤulein und ihres Herr Bruders Leben ist mir auch nicht unbewust/ welche beyderseits/ ungeachtet ihrer Jugend/ schon viel Abenteur uͤberstanden haben. Als ihm nun der Koͤnig zuerzaͤhlen befahl/ was er von dem Fraͤulein wuͤste/ strich er ihꝛe Schoͤnheit/ Vernunfft/ Tapfferkeit uñ Tugend dermassen heraus/ auch alles wz von ihr im ersten Buche ist aufgezeichnet wordẽ/ daß der Koͤnig als ein verzuͤkter saß/ und nach geendigter Rede zu ihm sagete: Knabe/ als viel wir aus deinen Worten merken/ hat der Frl. Bruder ursach/ sie zusuchen; Wir hal- ten aber gaͤnzlich davor/ da sie in diesen Laͤndern anlangen/ und etwa einem grossen Fuͤrsten oder Koͤnige zuteil werden solte/ wuͤrde sie ihm nicht wieder zugestellet werden/ weil Schoͤn- heit und hohe Gaben in dieser Welt auch geliebet werden; Wir vor unser Haͤupt wuͤrden lieber fuͤnff Fuͤrstentuͤhmer/ als ein solches Fraͤulein fahren lassen/ und wird daher ihres Bruders nachsuchen umsonst seyn; Da sie aber zu uns kommen wuͤrden/ muͤste ihnen alles liebes und gutes widerfahren/ duͤrften auch bey uns leicht solche Gnade zu ihrer Erhoͤhung finden/ daß beydes dem Bruder und Oheim nach ihrem wuͤsten Vaterlande nicht verlan- gen wuͤrde. Aber woltestu das Fraͤulein noch kennen/ wann sie dir zu Gesichte kaͤhme? Her- kules stellete sich/ als haͤtte er Fuͤrst Vologeses ersten Worte von dem Fraͤulein nicht gehoͤ- ret/ und antwortete: Sehr wol/ aller gnaͤdigster Koͤnig/ dann das Angesicht ist mir gar zu eigentlich bekant; es wird aber ein solches sich schwerlich zutragen. Der Koͤnig laͤchelte/ und sagte zu Phraortes: Mein Fuͤrst besuche nach geendigter Mahlzeit unser weꝛtes Fraͤu- lein/ und nehme diesen Teutschen mit sich/ vielleicht ergetzet sie sich daruͤber/ wann sie in der abgelegenen fremde einen Landsmann und bekanten antrifft. Der gute Herkules vermey- nete vor Freuden niderzusinken; Phraortes aber bedankete sich der Koͤnigl. Gnade/ mit vermelden/ er haͤtte an das Fråulein einen untertaͤhnigen Gruß wegen seiner und Mazeus Gemahl/ welche zugleich umb Verzeihung bey Ihrer Gn. demuͤhtig anhalten liessen/ daß sie derselben die gebuͤhrliche Ehre nit erwiesen/ noch erweisen koͤñen/ nach dem ihꝛ Geschlecht ihnen ganz verborgen gewesen. Es erzeigete sich der Koͤnig sehr froͤlich/ daß von seinem al- lerliebsten Fraͤulein er solche ruhmwuͤrdige Zeitung vernehmen solte/ und ruͤhmete sein Gluͤk/ welches sich ihm nie so gewogen/ als in Zufuͤhrung eines solchen unschatzbahren Schatzes/ erzeiget haͤtte. Nach gehaltenem Mahl machten sich Phraortes und Herkules mit Vierdes Buch. mit einem von des Koͤniges verschnittenen hin nach der Fraͤulein Schlosse/ und als sie voꝛ ihrer Herberge hergingen/ und Timokles vor der Tuͤhr stund/ sagte Herkules zu ihm: Zei- ge Ladisla an/ ich gehe auff des Koͤniges Befehl hin/ das Fraͤulein zubesuchen; trat dem Fuͤrsten wieder nach/ daß der Kaͤmmerling es nicht gewahr wurde/ und fuͤrchtete sehr/ es moͤchte einige Verenderung an ihm oder dem Fraͤulein gespuͤret werden; baht deswegen den Groß Fuͤrsten/ dem Fraͤulein seine Anwesenheit vorher anzumelden/ er wolte so lange haussen vor dem Gemache ihres Befehls erwarten. Phraortes ließ sich bey dem Fraͤulein anmelden/ und ward als ein sehr wilkommener Freund zu ihr hinein gefodert. Er erzeigete ihr als einer kuͤnfftigen Groß Koͤnigin hohe Ehre/ daß sie dessen sich fast schaͤmete/ und zu ihm sagete: Geliebter Herr/ als Vater/ ich bitte sehr/ mit mir vertraulich/ und nicht nach Art der Fremden umzugehen/ dann mein Heil und Wolfahrt stehet grossen Teils in euren Haͤnden. Phraortes antwortete: Durchl. Fraͤulein/ die Goͤtter sind meine Zeugen/ daß ihre Vergnuͤgung mir nicht weniger als meine hoͤchste Wolfahrt anlieget/ bitte demnach mir ohn Auffschub zubefehlen/ daß ich den teuren und getraͤuen Liebhaber Herꝛn Herkules zu ihr herein gehen heisse. Das Fraͤulein ward hierüber so voller Freuden/ daß ihr die Re- de stehen blieb/ und als der Groß Fuͤrst sahe/ daß ihr die Ohmacht nicht weit wahr/ redete er sie ernstlich an: Wes zeihen sich Eure Liebe/ sagte er/ wollen die ihren Herkules nicht andeꝛs erfreuen? Es hat Gefahr gnug gehabt/ es so weit zubringen/ und sie wil an stat der notwen- digen Unterredung die Seele gar ausblasen? Nicht stelle Eure Liebe sich also/ oder ich wil ihren Herkules ungesprochen wieder hinweg fuͤhren. Das Fraͤulein erhohlete sich hier auf geschwinder/ als haͤtte man ihr das kraͤfftigste Wasser unter die Nase gerieben/ und sagte zu ihm: O ihr mein allerliebster Herr Vater/ fuͤhret mir doch dann diesen lieben Freund bald herzu/ daß ich meines ausgestandenen sehr grossen Herzleides in etwas ergetzet werde. Phraortes ging alsbald hin/ und sagte zu Herkules: Nachdem eure Gegenwart ich dem Fraͤule in angemeldet/ habe ich mühe gehabt/ ihr die Freuden-Ohmacht zubenehmẽ; so seyd ihr nun geherzter/ und gehet zu ihr hinein/ ich wil das uͤbrige Frauenzimmer besuchen/ und euch Zeit genug zur Beredung goͤñen. Herkules fassete einen Muht/ uñ trat ins Gemach/ ward auch alsbald von ihr erkennet/ dañ er hatte die Farbe haussen vor der Tuͤhr abgetahn; da sie ihn erblickete/ setzete sie sich auff einen herlichen Stuel/ dann es kam sie abermahl eine Ohmacht an/ deswegen Herkules/ wiewol mit geringen Kraͤfften zu ihr trat/ sie freundlich druͤckete und schuͤttelte/ biß sie endlich die Augen/ und bald dar auf den Mund oͤffnete/ da sie zu ihm sagete: O ihr mein herzgeliebter Schatz/ und einiger Auffenthalt meines Lebens; sehe ich euch dañ nun gegenwaͤrtig vor mir/ oder ist es meines Herkules Geist/ der vielleicht vor Unmuht nicht hat laͤnger wollen seinen schoͤnen Leib bewohnen? Ach mein teurestes Fraͤulein/ antwortete er/ fasset doch eure gewoͤhnliche Herzhafftigkeit/ auf daß wir diese uns von Gott verlihene Zeit in Beredung unser so nohtwendigen Geschaͤfften recht anlegen und gebrauchen moͤgen. Hierauff erhohlete sie sich voͤllig/ und umfing ihren vertraueten Braͤutigam mit diesen Worten: O wolte Gott/ wolte Gott! daß wir einigen Weg finden koͤnten/ aus diesem Schlosse zuentriñen; wie gerne wolte ich allerhand ungemach der Rei- se angehen/ und die zaͤhen Waldwurzeln zur Speise vorlieb nehmen/ wañ ich nur hofnung haͤtte/ euch und mich dereins in unserm geliebeten Vaterlande wiederzusehen. Der All- Z z z z ij maͤch- Vierdes Buch. maͤchtige Gott wird uns helffen/ antwortete er/ dafern wir nur denselben recht erkennen uñ ehren; und ist mir die allergroͤste Freude dieser Welt/ daß ich zu Rom zum wahren Chri- stentuhm gebracht bin/ ausser welchem unmoͤglich ist/ nach diesem zu deꝛ Seligkeit zugelan- gen; solches hat auch unser geliebeter Bruder Ladisla nunmehr erkennet/ deswegen er mit sonderlicher Herzensfreude zum Christlichen Glauben getreten ist; Und O mein aus- erwaͤhlter Seelen Schatz/ ich bitte inbruͤnstig und von herzen/ nehmet neben uns diese selig- machende Erkaͤntniß willig an/ als dann wil ich sie versichern/ Gott wird uns helffen/ und ehe diese Mauren niderfallen lassen/ als daß wir unter den Haͤnden dieser Feinde verder- ben und umkommen solten. Das Fraͤulein gab ihm zur Antwort: Mein herzgeliebter Schatz/ ich habe biß daher von Erkaͤntniß des wahren Gottes aus der Weltgelehrten und der Poeten oder Tichter ihren Schrifften wenig lernen koͤnnen/ moͤchte aber von herzen gerne des wahren Gottes Erkaͤntniß haben/ damit ich wuͤste/ zu wem eigentlich in meinen Noͤhten mein Gebet richten/ und von wem ich Hülffe erwarten solte. Ist dieses eure mey- nung/ sagte Herkules/ so danket Gott mit mir; dann auff diese Stunde werdet ihr solches lernen. Unterꝛichtete sie darauff aus den ersten dreyen Capiteln des Ersten Buchs Mose/ von GOttes Wesen/ von dem Werke der Schoͤpffung/ von des Menschen dreyfachem Stande/ als der Unschuld/ des Suͤndenfalles/ und der Erloͤsung; von der Heiligen Drey- faltigkeit/ und wie die Andere Person der Gottheit vor 229 Jahren (damahliger wahrer Rechnung/ dann nach heutiger Dionysischer Zahl waͤre es das 226 Jahr) aus dem Jung- fraͤulichem Leibe/ menschliches Wesen und Eigenschafften angenommen/ und vor unsere Suͤnde zu Jerusalem gestorben/ am dritten Tage wieder aufferstanden/ und am vierzigsten hernach/ gen Himmel gefahren/ haͤtte seine Juͤnger in die Welt ausgesendet/ in seinem Na- men Vergebung der Suͤnden anzukuͤndigen/ auff daß die Menschen sich bekehren/ und se- lig werden moͤchten. Nachgehends fuͤhrete er die ungereimeten schaͤndlichen Getichte des Heydnischen Glaubens ein/ und erwieß/ daß kein anderer als der Christliche uns bey Gott Gnade erwerben/ und zur Seligkeit bringen koͤnte. Endlich erzaͤhlete er das Wunder/ wel- ches sich zu Ekbatana mit dem Juden zugetragen hatte/ uñ betete ihr zulezt das Vater Unser/ den Christlichen allgemeinen Glauben/ und die Heiligen zehn Gebohte vor/ neben der Vermah- nung/ sie solte in dieser Einfalt verharren/ biß der gnaͤdige Gott gelegenheit geben wuͤrde/ sie voͤlliger zuunterrichten. Das Fraͤulein hoͤrete ihm sehr andaͤchtig zu/ und fragete/ warumb dann die Heydnischen Gelehrten hiervon nichts schrieben. Er aber zeigete ihr an/ es haͤtten dieselben den Schein dieses Liechtes nicht gehabt/ sondern nach ihrer blinden Vernunfft von Goͤttern und Erschaffung der Welt getichtet/ wie unter andern aus dem Ovidius zu sehen; Sie solte sich aber mit diesen Gedanken nicht plagen/ sondern in allen ihren Noͤhten auff den Sohn Gottes Christus JEsus bauen und trauen/ auch vor allen dingen sich huͤ- ten/ daß sie ja nicht/ Schande oder Pein zumeiden/ sich selbst umbs Leben braͤchte/ dann mit deren Seligkeit stuͤnde es sehr gefaͤhrlich. Das Fraͤulein erboht sich/ seiner Vermahnung fleissig nachzukommen/ und wuͤnschete/ etliche Buͤcher zuhaben/ in welchen der Christliche Glaube fein deutlich beschrieben waͤhre/ und wie man Gott ehren und Christlich leben muͤ- ste. Herkules stellete ihr sein gewoͤhnliches Buͤchlein zu/ in welchem solches alles kurz und deutlich verfasset wahr/ sagete ihr auch zu/ er wolte schon Gelegenheit finden/ daß die ganze Hei- Vierdes Buch. Heilige Schrifft und andere Christliche Buͤcher ihr durch Phraortes eingeliefert wuͤrdẽ; Aber der allmaͤchtige Gott und Vater/ sagte er/ welcher sich des menschlichen Geschlechtes aus Gnaden erbarmet hat/ erleuchte euren Verstand/ und behersche euren Willen/ daß ihr im heiligen Christentuhm je mehr und mehr wachsen/ und dadurch zum ewigen Leben moͤ- get erbauet werden. Nach diesem erzaͤhlete er kuͤrzlich/ wie er dem Koͤnige ihren Stand geoffenbahret haͤtte/ auch daß ihr Bruder und Oheim sie zusuchen/ auff der Reise waͤhren/ haͤtte sich aber erklaͤret/ viel lieber grosse Fuͤrstentuͤhmer/ als sie/ zuverlieren/ woraus leicht zuschliessen/ daß entweder durch Macht oder List ihre Erloͤsung geschehen muͤste/ wozu er aber Gott Lob/ schon ein solches Mittel in Haͤnden haͤtte/ welches ihm nicht fehlen solte; da aber dieses sich noch etwas verzihen wuͤrde/ wie er nicht eigentlich wissen koͤnte/ moͤchte sie daruͤber nicht zaghafft noch ungeduldig werden/ sondern in getraͤuer Liebe standfest verblei- ben/ und durch aͤusserlichen Schein oder weltlichen Pracht sich von ihm nicht abtrennen lassen; hingegen wolte er ungesparet Leibes und Lebens/ ihre Freyheit zubefodern/ bemuͤhet seyn/ auch ohn ihre Gesellschaffi diese Laͤnder nicht verlassen. Das verliebete Fraͤulein stel- lete sich wegen solcher Erinnerung sehr traurig/ daß ihr auch eine bleiche zustieß/ uñ sie end- lich zur Antwort gab: O mein Gott! hat dann mein Herkules keine bessere Gedanken von mir/ und kan sich fuͤrchten/ als wuͤrde mich Leichtfaͤrtigkeit uͤbernehmen/ ihm einige Tråu- losigkeit zubeweisen? Meine trauten Seele/ fuhr sie fort/ erinnert euch/ bitte ich/ des vergan- genen/ daß/ ungeachtet eure Eltern und ganzes Vaterland euch vor einen Fluch gehalten/ ich nicht desto weniger nach wie vor/ meines Herkules zu eigen er gebene blieben bin/ dessen meine Libussa/ ob Gott wil/ zu seiner Zeit wird Zeugniß geben; so versichert euch nun/ mein Schatz/ daß ich dieselbe getraͤue bleibẽ werde/ als lange dieses Herz (auf ihre Brust zeigend) einiges Blutstroͤpflein in sich behaͤlt; dann in dieses ist der liebe Nahme Herkules so tieff hinein gedruͤcket/ daß ihn weder Lust noch Angst/ noch einige gefahr daraus kratzen sol. Her- kules wuste vor hoher Vergnuͤgung nicht zu antworten/ umfing sie tugendlich/ uñ baht sehr umb Verzeihung seiner Reden/ welche die uͤbermachte Liebe verurfachet haͤtte/ als die sich gemeiniglich pflegete zum zweiffel verleiten zulassen/ insond heit/ wañ das geliebete hochvor- trefflich/ und uͤber unsere Wirdigkeit ist. Uber Wirdigkeit? sagte das Fraͤulein; ja wie man den Monden wolte der Sonnen vorzihen/ der doch allen Schein von ihr entlehnet. Her- kules wolte dieses beantworten/ aber sie redete ihm ein/ mit einem freundlichẽ Ernst bittend/ ihr dieses unbeantwortet zulassen/ deßwegen er die gefassete Rede mit einem Seufszen ver- schluckete/ und damit zuverstehen gab/ wie leid ihm waͤhre/ daß er gezwungen wuͤrde/ den billichen Ruhm seiner Liebsten zu hinterhalten. Sie stunden und fahen einandeꝛ an/ dañ die Liebe hatte ihr innerstes eingenommen/ daß sie ihrer selbst vergessend/ nicht wusten/ was sie redeten oder gedachten/ biß endlich Herkules anfing: Ach mein HErr Jesus/ ist es deiner Barmherzigkeit gefaͤllig/ so erzeige mir die Gnade/ daß ich diesen unvergleichlichen Schatz/ der nunmehr zu deiner Erkaͤntniß gelanget ist/ loßmachen/ und in unsere Heimat wieder geleiten moͤge. Ja mein HErr Jesus/ antwortete sie/ erhalte du diesen deinen Knecht und Diener der Welt zugute/ und laß ihn sein Vaterland wieder sehen; sol ich dann mit ihm fortreisen/ wirstu uns schon sicher geleiten/ wo nicht/ ey so behuͤte mich nur vor Schande/ und laß mich als eine unbefleckete aus dieser Eitelkeit scheidẽ/ damit ich weder dem schaͤnd- Z z z z iij lichen Vierdes Buch. lichen Bluthunde Artabanus/ noch sonst einem andern als meinem Herkules zuteil wer- de. Gleich damahl fiel Herkules ein/ daß er das ehmahls geraubete Band umb seinem Arm trug/ loͤsete es ab/ und uͤberreichte es mit folgenden Worten: Sehet da/ mein Fraͤu- lein/ sie erinnere sich des Frevels/ welchen durch Abloͤsung dieses Bandes ich vor diesem zu Prag begangen/ und daneben versprochen/ es nicht ehe von mir zugeben/ biß ich Hoffnung haͤtte/ sie erstes Tages zu ehlichen; Weil dann solche Zusage ich gerne halten wil/ als liefe- re ich dasselbe gehorsamlich wieder ein/ dienstlich bittend/ es von mir willig anzunehmen/ und die Bedingung zu herzen zufassen/ derẽ Vollenzihung dasselbe ist/ wz in dieser irdischẽ Welt ich am hoͤchsten wuͤnsche/ suche und begehre. Das Fraͤulein erroͤhtete wegen der lezten Worte/ nam es ungewegert zu sich/ und mit einem freundlichen laͤcheln antwortete sie: Es waͤhre aber dabey nicht verabscheidet/ daß ausser Prag/ geschweige zu Charas sie dieses Band von seiner Hand empfangen solte; doch weil Gott es also geschicket haͤtte/ muͤste sie zufrieden seyn/ wolte sich ihm und seinem ehrliebenden Begehren nicht wieder se- tzen/ sondern der Stunde ihrer Erloͤsung erwarten/ und sich alsdann ihm ehelich ergeben/ stellete ihm darauff die aller kostbahrestẽ Kleinot zu/ samt ihrer ersten Raͤuber Handschrift wegen der nidergelegten Gelder/ vorwendend/ sie wolte ihm dieses zur ersten Heimsteur einliefern/ weil ihm billich eine solche Belohnung vor die angewante Muͤhe der Nachsu- chung gebuͤhrete/ biß auff folgende Erloͤsung sie sich ihm selbst eigen lieferte; und ob er sich gleich sehr wegerte/ muste er doch so viel Kleinote zu sich nehmen/ als er in seinen Kleidern verbergen kunte. Sie hielten ihr freundliches Gespraͤch bey die drey Stunden/ und erge- tzeten sich mit inbruͤnstigen ehrliebenden kuͤssen und umbfahen/ unter dem zweifel/ ob sie auch so bald wieder moͤchten zusammen kommen. Und als ihnen Zeit dauchte/ daß es muͤ- ste geschieden seyn/ setzete sie ein Schreiben an den Koͤnig auff/ in welchem sie sich hoͤchlich der Gnaden bedankete/ daß seine Hocheit dem Groß Fuͤrsten und diesem bekanten Diener ihres hoͤchstseel. Herrn Vaters allergnaͤdigst erlaubet haͤtte/ sie zubesuchen/ gab zugleich zuverstehen/ sie waͤhre auff des Koͤniges gutheissen gesonnen/ eine Botschaft an ihre Fr. Mutter abgehen zu lassen/ und ihres guten wolergehens sie zuverstaͤndigen/ auch bey der Goͤttin Vesten Geistligkeit zuversuchen/ ob von der hinterstelligen Zeit ihres geluͤbdes nit etliche Monat durch Opffer und Geschenke abzuhandeln stuͤnden. Unter diesem Schrei- ben faͤrbete Herkules sein Angesicht/ Haar und Haͤnde wieder an/ dessen sie sich nicht we- nig verwunderte/ und auff allen Fall des Pulvers etwas zu sich nam/ weil ihr Herkules zu- verstehen gab/ das alle seine Anschlaͤge zu ihrer Rettung naͤhst der huͤlffe Gottes/ auf dieses Mittel gerichtet waͤhren; Und weil vor dißmahl er sie verlassen muste/ umbfingen sie sich inbruͤnstig/ da er sein Fraͤulein also troͤstete: Nun ihr auffenthalt meines Lebens/ lasset in diesem Ungluͤk den Muht nicht sinken/ sondern vertrauet dem allerhoͤchsten Gott/ ich weiß/ er wird nach dem Dornenstiche uns die lieblichen Rosen der zeitlichen und ewigen Gluͤkseligkeit schier kuͤnftig brechen lassen. O meines Lebens einige Wollust/ antwortete sie/ kraͤnket euch meinetwegen ja nicht/ ich wil unser genommenen Abrede nach/ mich alle- mahl gefasset halten/ ob einige Gelegenheit zu meiner erledigung sich erzeigen wuͤrde/ Gott verleihe nur/ daß es zum Gluͤk außschlagen moͤge. Amen sagete Herkules/ nam freundlichen Abscheid/ und in dem er zur Tuͤhr hinaus trat/ sagete er zu Phraortes/ welcher draussen mit Vierdes Buch. mit dem Frauenzimmer sprache hielt: Gnaͤdigster Fuͤrst und Herr/ nachdem mein aller- gnaͤdigstes Fraͤulein mich ihren unwirdigsten Knecht zur gnuͤge unterrichtet/ was bey ih- rer Koͤnigl. Hocheit ich vortragen sol/ habe ich Urlaub hinweg zu gehen. Das Fraͤulein folgete ihm auff dem Fussenach/ sehꝛ froͤlich und wolgemuht/ uñ sagte zu Phꝛaortes: Mein herzgeliebter Herr Vater/ da eure Liebe zusprechen ich so bald keine Gelegenheit haben sol- te/ bitte ich sehr/ sein Gemahl/ meine auch herzgeliebete Fr. Mutter Kindlich zu gruͤssen/ und was dieser sein Diener bey Koͤngl. Hocheit suchen wird/ befodern zu helffen/ dagegen erbiete ich mich zu allem kindlichen Gehorsam/ so lange ich lebe. Ich bin des Vater-nah- mens zu geringe/ antwortete er/ und verbleibe meiner Gn. Frl. Diener/ bin auch bereit ihrem Befehl willig nachzukommen. Ging also mit Herkules uñ dem zugegebenen Kaͤm- merlinge nach dem Koͤnigl. Schlosse/ und ward von Artabanus wol empfangen/ der ihn alsbald fragete/ wie ihm sein Fraͤulein anstuͤnde/ er aber zur Antwort gab: Sie haͤtte in dieser wenigen Zeit an Schoͤnheit und Leibes-groͤsse wol zugenommen/ glaͤubete auch nit/ daß einige ihres gleichen in aller Welt zu finden waͤhre; seinen Diener haͤtte sie straks An- gesichts gekennet/ und anfangs gewaͤhnet/ er wuͤrde von ihrer Fr. Mutter an sie abgeschic- ket seyn/ da sie aber eines andern berichtet worden/ haͤtte sie instaͤndig angehalten/ bey ihreꝛ Koͤnigl. Hocheit alleruntertaͤhnigst zu werben/ daß ihr moͤchte erlaͤubet seyn/ diesen ihren Diener an ihre Fr. Mutter abzusenden; und weil eꝛ scheuh getragen/ es muͤndlich anzuzei- gen/ haͤtte an seine Koͤnigl. Hocheit sie demselben einen Brief zugestellet. Bald trat Herku- les naͤher/ und uͤberreichte dem Koͤnige denselbẽ/ welcher ihn ganz begierig lase/ und nach endigung sagte: Ey du einige Vergnuͤgung unser Seele und Lebens/ ein solches muͤste dir trauen unversaget seyn/ solten wir gleich eine Begleitung von 50000 Mann zur versiche- rung mit schicken; weil ohn daß es zur beschleunigung unsers Koͤniglichen Beylagers an- gesehen ist/ und wir daher das unfehlbare Zeichen ihrer Liebe gegen uns zur Gnuͤge erken- nen. Aber Juͤngling/ sagte er zu Herkules/ gedenkestu unserm schier kuͤnftigen Koͤniglichen Gemahl redliche Traͤue zuerweisen/ soltu von uns mit grossen Schenkungen angesehen werden. Herkules neigete sich tieff/ und antwortete: Unuͤberwindlichster Koͤnig/ allergnaͤ- digster Herr/ mein ganzes-All wil ich dran strecken/ das meiner gnaͤdigsten Fraͤulein Be- fehl und Wille volbracht werde/ wovon weder Gewalt noch Faͤhrligkeit/ so weit sie zu uͤ- berwinden stehet/ mich nicht abschrecken sol/ insonderheit/ wann euer Koͤnigl. Hocheit al- lergnaͤdigstes Befehlen mit einstimmet. Umb sichere Begleitung wird ihre Hocheit sich nicht bemuͤhen duͤrffen/ gestaltsam mein Gn. Fuͤrst und Herr mir aus Meden Gelegen- heit gnug verschaffen kan/ biß an die Roͤmischen Grenzen zukommen/ da ich mit meinem kuͤnftigen Freibrieffe weiter Raht finden werde. So gib ihm gnugsame Voͤlker zu mein Fuͤst/ sagte der Koͤnig zu Phraortes; wir wollen ihm nur 20 aͤdle Parther zuordnen/ daß er als ein Groß Koͤniglicher Gesanter erscheinen moͤge; und damit du zu unsern Ehren zu Prag dich praͤchtig gnug halten koͤnnest/ sagte er zu Herkules/ sollen dir 400000 Kro- nen aus unser grossen Schazkammer stuͤndlich erlegt/ und gnugsame Vollmachten un- ter unser Hand und Pitschaft mitgeteilet werden; kanst auch Morgen fruͤh mit Fuͤrst Phraortes zu unserm Fraͤulein gehen/ und ihre Handschreiben von ihr empfangen. Hieß darauff vor 600000 Kronen allerhand Kleinot und kostbahre Sachen/ herzubringen/ uñ in Vierdes Buch. in feste Truhen wolvermachẽ/ welche der Koͤnigin in Boͤhmen solten geliefert werden; be- fahl auch daß man durch reitende Diener im Koͤnigreiche hin und wie der nachforschete/ ob der Fraͤulein H. Bruder koͤnte außgekundschaffet werden/ welchen er zu seinem Stat- halter verordnen wolte. Also muste Herkules hingehen/ und sich zur Reise schicken/ dann Phraortes gab ihn auff des Koͤniges Begehren dem Fraͤulein uͤber/ und sprach ihn sei- ner Dienste loß. Da seumete er sich nun nicht/ sondern ging eilends nach seiner Herberge/ und erzaͤhlete seinem Ladisla allen Verlauff; welcher nicht anders meinete/ er haͤtte aus uͤ- berfluͤssiger Liebe seinen Wiz verlohren und fragete/ warumb er doch die Reise nach Prag auff sich nehmen/ und unterdessen die Gelegenheit/ sein Fraͤulein zuerloͤsen verabseumen wolte; ja es liesse sich ansehẽ/ als waͤhre er willens/ Koͤnig Artabanus Freiwerber zu seyn/ welches er nimmer hoffen wolte. Herkules lachete dessen/ und gab ihm zur Antwort: Ge- liebter Bruder/ ich habe dir ja bloß nur zuerkennen gegeben/ wie ich diesen Koͤnig geaͤffet/ und kanstu wol solche Gedanken fassen/ daß ich die Muͤhe/ mein ander Herz zusuchen/ deß- wegen uͤber mich genommen habe/ daß ich mich ihrer so leicht begeben/ uñ sie Artabanus goͤnnen wolte? laß du mich nur machen/ ich bin so wenig willens nach Prage zu reisen als du/ ehe und bevor mein Fraͤulein in unser Geselschaft seyn wird. Meine Meinung aber ist/ daß wir eine Botschaft nach Padua/ und wol gar biß nach Prag senden/ und unsern Zustand den unsern zuwissen machen/ dann mir zweifelt nicht/ weil sie die ganze Zeit uͤber nur ein Schreiben so wol von dir als mir haben/ sie werden grosses Verlangen tragen/ und in steter Furcht unsers Lebens seyn. Inzwischen redete Phraortes bey der Koͤnigli- chen Abendmahlzeit von seinem gewesenen/ nunmehr Koͤniglichem Diener Valikules/ wie er so wol mit Wehr und Waffen umbzugehen wuͤste/ und in allen ritterlichen Ubungẽ erfahren waͤhre/ welches er/ wiewol ungerne/ in etlichen Schimpfspielen haͤtte sehen las- sen/ waͤhre doch gar stille und eingezogen dabey/ und liesse sich dessen so gar nicht merken/ als ob er davon nichts gefasset haͤtte; als er auch endlich hinzutaht/ es waͤhre ihm seines gleichen in dem Alter noch keiner vorkommen/ sagte Fuͤrst Vologeses der juͤnger; so muß er vor seinem Abzuge dessen eine Bewehrung sehen lassen/ dafern Koͤnigl. Hocheit es ge- faͤllig seyn kan; dañ ich habe auch einen aͤdlen Diener aus Armenien/ der mir seiner Mañ- heit so mannichen Beweißtuhm gezeiget/ daß er bißher von allen Ritterspielen den Preiß davon getragen/ wiewol er auch viel groͤsser und staͤrcker von Leibe und Glieden/ als dieser añoch lauterer Juͤngling ist. Phraortes antwortete: Ich verachte euer Liebe Diener nicht/ nach dem er mir unbekant ist/ duͤrfte aber schier eine Schanze wagen/ mein gewesener Va- likules werde ihm wenig oder gar nichts schuldig seyn/ ungeachtet ich von ihm noch keinen ernstlichen Streit gesehen/ auch zu den Schimpfspielen uͤbel zubringen ist/ gibt vor/ man mache ihm dadurch nur Feinde ohn Ursach und aus Ehrgeiz/ und sey besser/ die Kraͤfte zu sparen/ biß man ihrer ehrenhalben und dem Vaterlande zum besten benoͤhtiget sey. Eure Liebe verzeihen mir/ sagte Vologeses/ vielleicht hat euer Diener mehr Wissenschaft und schaͤrffe im Munde/ als in den Faͤusten vermoͤgens/ und halte ich gaͤnzlich davor/ mein Mithrenes schluͤge sich lieber mit seiner ein halb Dutzet/ als mit ihm allein; jedoch weil eu- re Liebe sich zur Wette anerbeut/ bin ich bereit/ ein gedoppeltes gegen ein einfaches zuse- tzen. Phraortes stellete sich etwas furchtsam bey der Sache/ insonderheit/ weil er meinete Her- Vierdes Buch. Herkules dadurch zuerzuͤrnẽ wante demnach abermahl ein/ er pflegete sich der Schimpf- uͤbungen gerne zuentbrechen/ so waͤhre er auch nicht mehr in seinen/ sondern in der Koͤnig- lichen Fraͤulein/ bevorab in Koͤnigl. Hocheit Diensten. Worauff Vologeses zur Antwort gab/ sein Mithrenes solte ihm schon Ursach zum ernstlichen Gefechte geben/ da er sonst so viel herzens haͤtte sich zu wehren/ wolte doch mit ihm abreden/ daß er seiner Gesundheit uñ Lebens schonen solte. Phraortes stellete es endlich zu ihrer Koͤnigl. Hocheit bewilligung/ auff welchen Fall er sich abermahl zur Wette erbot. Artabanus sagete/ er saͤhe den Juͤng- ling davor nicht an/ daß grosse Kraͤfte hinter ihm stecken solten/ nicht destoweniger moͤchte er wol sehen/ wie er sich in die Sache schicken wolte/ und das Gewehr fuͤhren. Des folgen- den Morgens ward Herkules nebest den Groß Fuͤrsten nach dem Fraͤulein gefuͤhret/ da er ihr eine wolgeschriebene Griechische Bibel mitbrachte. Sie verwunderte sich seiner schnellen Wiederkunft/ hies ihn zu ihr ins Gemach treten/ uñ wahr uͤber seiner gegenwaꝛt voller freuden. Phraortes wolte ihr heimliches Gespraͤch nicht stoͤren/ und begab sich in das gemeine Frauenzimmer/ da Herkules gleich anfangs ihr die H. Schrift einhaͤndigte/ und unterricht erteilete/ wie sie dieselbe lesen solte/ worzu ihr lieber wahr/ als haͤtte man ihr ein Koͤnigreich geschenket; dann/ sagte sie/ ich habe hinte diese Nacht eine solche himlische Freude in meiner Seele empfunden/ daß ichs nicht außreden kan/ auch eine Offenbah- rung gehabt/ die mich versichert/ unser Vorhabẽ werde zur gluͤklichen endschaft außschla- gen/ obs gleich nit ohn Muͤhe und Gefahr zu gehen wird/ massen mich eigentlich gedauch- te/ wir waͤhren in vermum̃eter Gestalt mit schnellen Pferden durch Hecken und Dornen/ ja durch Wasser und Feur geritten/ und von ferne hinter uns her eine grosse Anzahl der Verfolger/ die uns erschrecklich mit ruffen und blossen Saͤbeln draͤueten/ aber es stellete sich eine wunderbahre feurige Maur zwischen uns/ daß jene uns weder sehen noch ein- hohlen kunten. Diese feurige Maur/ sagte Herkules/ ist der Schuz der lieben heiligen En- gel/ welche uns unser Gott wil zu geben/ daß wir vor unsern Feinden sicher bleiben sollen/ darumb wollen wir unserm Gott vertrauen und an seiner gnaͤdigen Huͤlffe nicht zwei- feln. Nachgehends berichtete er sie alles dessen/ was bey dem Koͤnige vorgangen wahr/ und wie er willens waͤhre/ etliche Diener nach Padua und wol gar nach Prage zu senden/ und unter der Zeit bey Artaxerxes dem Persen sich auffzuhalten/ biß es Zeit seyn wuͤrde sie abzuhohlen; beredete sich weiter mit ihr/ was vor ertichtete Brieffe er dem Koͤnige un- ter dem nahmen ihrer Fr. Mutter wieder zustellen/ oder da ihr Zustand eine geschwindere Eile zur erloͤsung erfoderen solte/ er sich verhalten wolte/ da ihm mit Gottes Huͤlffe sein Anschlag nicht wuͤrde fehlen/ sie von dem Schlosse zu fuͤhren. Den Tag lasse uns Gott bald erleben/ sagte das Fraͤulein/ damit ich mich schier wieder in Freiheit wissen und sehen moͤge; fingen darauff ein zuͤchtiges inbruͤnstiges Liebe- Gespråch an/ und ergetzeten sich etliche Stunden miteinander/ da Herkules sich erkuͤhnete/ und umb schleunige Einwilligung ih- res Christlichen Beilagers anhielt/ einwendend/ daß er als dañ aller Furcht und Sorge/ die ihn so heftig quaͤlete/ erst wuͤrde benommen seyn. Sie aber kunte aus schamhaftigkeit darein nicht willigen/ ob sie gleich bekennete sich ihm darzu verbunden seyn/ endlich auff sein weiters anhalten/ vertroͤstete sie ihn auff ihre erste Zusammenkunft/ weil sie keine Hof- nung hatte/ ihn vor seinem abreisen wieder zusprechen; womit er auch zufrieden wahr/ er- A a a a a getze- Vierdes Buch. getzeten sich miteinander in reiner Liebe/ und muste er auff ihr anhalten erzaͤhlen/ was ihm auff seiner Reise denkwirdiges begegnet wahr/ da er nicht unberuͤhret ließ/ was vor grosse Freunde er an dem Stathalter zu Jerusalem/ dessen Gemahl und Fraͤulein Tochter haͤtte/ ruͤhmete auch Fr. Sophien Tugend/ und Frl. Sibyllen auffrichtige Froͤmmigkeit. Sie hingegen wolte mit ihm kurzweilen und sagte: Mein trauten Schaz/ ich bin schon in er- fahrung kommen/ daß diese leztgenante sehr schoͤne Roͤmische Fraͤulein zu Padua eurer Lie- be hat sollen vermaͤhlet werden/ und o wie eine herzbrechende Angst wuͤrde mir diese Zei- tung gewesen seyn/ halte auch wol dz bloß nur euer Gewissen euch zuruͤcke gehalten; moͤch- te doch gerne wissen/ ob ihr auch groͤssere Kundschaft mit ihr als bißher mit mir gehabt/ welches euch zuverzeihen/ ich hiemit versprechen wil/ wo es sonsten noch bey der Zimligkeit verblieben ist. Sie brachte dieses zwar mit aͤusserlicher Freundligkeit vor/ welche aber dan- noch den Liebes-Eifer nicht aller dinge bergen kunte. Herkules hingegen lachete dieser Re- den einfaͤltig/ und nach erteiletem herzlichen Kusse antwortete er ihr: Ob ich gleich durch- aus nicht ersinnen kan/ von wañen euer Liebe dieses zukommen sey/ mag sie dañoch sich wol versichert halten/ welches ich auch bey meinem teils des Himmels rede/ das gegen dieses Fraͤulein noch keine eheliche Liebe/ vielweniger eine unzuͤchtige in meinem Herzen aufgan- gen ist/ deren keusche Zucht und Tugend doch geliebet zu werden/ wol verdienet/ wird dem- nach mein Schaz mich solches verdachtes/ da einiger bey ihr ist/ wol erlassen; aber wann sie ja alles was mir in solchen sachen begegnet ist/ wissen wil/ ward mir zu Rom in meiner Leibeigenschaft wol anders nachgestellet/ da ich mich kaum der Tochter im Hause durch er- tichtete Luͤgen erwehret hatte/ als die Stieffmutter mit viel groͤsser er Frecheit meiner un- zimlichen Liebe begehrete; doch schickete es der fromme Gott/ daß ich auch deren durch ein gefaͤhrliches Getichte noch loß wahr/ und ward hohe Zeit/ wie mein Ladisla zu meiner Er- loͤsung sich einstellete/ massen ich aus unterschiedlichen ihren Reden spuͤrete/ daß sie meine getahne Entschuldigung begunte in zweifel zuzihen/ wiewol ich lieber den Tod wuͤrde erlit- ten/ als in ihren gottlosen Willen gehehlet haben. Darff ich nun meinem Seelen-Schatze alles gar vertrauen/ so wisse sie/ daß man mir zu Jerusalem viel naͤher getreten/ als zu Pa- dua/ wiewol ohn alle Unkeuscheit/ haͤtte auch schwerlich voruͤber gekunt/ wann der ruhm- wirdigste Nahme Valiska nicht so tief in mein Herz gepreget waͤhre/ so daß denselben we- der diese noch einige andere außheben wird; darumb so wolle mein Seelichen festiglich glaͤuben/ daß/ sint der Zeit ich die Sonne aller Schoͤnheit/ Frl. Valisken gesehen/ und ei- nige Hoffnung deren Gegenliebe gehabt/ ich mich eben so wenig an den Monde oder an- dere Schoͤnheit-Sternen gekehret habe/ als ob sie in der Welt nicht waͤhren. Ach mein allerwerdester Schatz/ antwortete sie/ verzeihet mir/ bitte ich/ den geringen Argwohn/ wel- chen meine Furcht in mir anblasen wollen/ er ist Gott Lob/ durch diesen grossen Strohm eurer Liebe allerdinge ausgeloͤschet/ sol auch nim̃er mehr wieder angezuͤndet werden; aber maͤssiget euch/ bitte ich sehr/ in den unverdieneten Lobreden meiner Geringfuͤgigkeit, Gott weiß/ daß ich mich noch lange nicht schoͤn genug halte eurer Liebe/ und da ihr die Augen eu- res Verstandes recht wuͤrdet aufftuhn/ muͤsten meine vielfaͤltigen Maͤngel und Gebrechen bald verrahten werden; war umb mag dann mein Schatz mich einer Sonnen vergleichẽ/ da ich nicht der geringste Stern bin? versichert euch aber/ mein Seelichen/ daß/ weil ich ver- Vierdes Buch. vernehme/ daß eure Reden von herzen gehen/ und ihr aus uͤbermachter Liebe mich so hoch schaͤtzet/ ich selbst veꝛlangen darnach trage/ daß ihr in euren ehrliebenden Begierden bald be- friediget werdet/ wuͤnsche auch/ daß ihr das eingebildete an mir finden/ und ein voͤlliges ge- nuͤgen an mir haben moͤget. Unvergleichliches Kleinot/ sagte er hierauff/ warum muß dañ euer herrlicher Verstand allenthalben durchdringen/ und nur in Erkaͤntniß eurer Seelen- und Leibes-Vollkommenheit blind und unwissend seyn? Verringert euch nicht/ mein Fraͤu- lein/ und laͤstert nicht/ was die allgemeine Mutter euch vor andern allen mitgeteilet hat. Und O wie vergnuͤget werde ich seyn/ wann ich (Gott gebe/ daß es bald geschehe) dessen ge- niessen sol/ worauff Artabanus in rasender Wuht hoffet; dann wie schon gesagt/ ehe werde ich weder Ruhe noch sichern Trost bey mir empfinden. Er redete dieses mit so traurigen Geberden/ daß sie gꝛosses mitleiden mit ihm trug/ und von herzen wuͤnschete/ ihn vergnuͤgen zu koͤnnen; fiel ihm auch umb den Hals mit etlichen Kuͤssen/ und sagte zu ihm: Troͤstet euch mein Schatz/ mit der Hoffnung/ vielleicht schickets Gott/ daß ich bald euer Ehe Gemahl werde. Gleich dazumahl ward sie ihres Ringes an seinem Finger gewahr/ an welchem sie inwendig ihrer beyder Nahmen mit durcheinander gesetzeten Buchstaben hatte eingraben lassen/ besahe ihn eigentlich/ und nach gegebenem Handkusse fragete sie/ durch was Gluͤckes- fall ihm dieser waͤhre zuhanden kommen/ dann sie erinnerte sich der ungluͤklichen Herber- ge/ in welcher sie ihn neben ihren Haaren und lezt empfangenem Brieflein/ auch andern Ringen mehr unter die Betstat verstecket haͤtte; und da sie vernam/ daß ers alles von Ne- klam empfangen/ sahe auch/ daß er seinen Anteil von ihren Haaren hervor zohe/ nam sie ein kleines Scherichen/ und schnitte einen Strang seiner Locken von seinem Haͤupte/ baht ihn/ die angestrichene Farbe davon zumachen/ und erklaͤrete sich/ sie wolte ein Armband davon zurichten/ und es zu seinem Gedaͤchtniß tragen. Er aber zeigete ihr an/ daß er diesen Ring nit anders schaͤtzete/ als haͤtte er denselben von ihr selbst bey der Traue empfangen/ sich auch daher mehr vor ihren Gemahl als Braͤutigam gehalten. Sie sahe wol/ daß er aus innig- ster Gewogenheit die Beschleunigung ihrer Ehe suchete/ daher sie sich erkuͤhnete/ zu ihm zu sagen: Damit sie nicht geringere Liebe gegen ihn/ als er gegen sie spuͤren liesse/ wolte sie bey seiner ersten Wiederkunfft ihn vor ihren Herrn und Gemahl halten/ und nur noch dißmal vor ihren Braͤutigam/ welches mit kuͤssen und umfahen bestaͤtiget waꝛd. Weil sie aber bey- derseits merketen/ daß hohe Zeit seyn wuͤrde/ was noͤhtigers vorzunehmen/ wolte sie sich set- zen/ ihre Briefe nach Padua und Prag zuverfertigen/ aber Herkules verhinderte solches/ einwendend/ sie muͤste nicht zu sehr eilen/ noch die gelegenheit/ wieder zu ihr zukommen/ ihm benehmen/ welches sie mit einem schamrohten laͤcheln beantwortete/ und sich endlich erklaͤ- rete/ wanns ihn also gut daͤuchte/ wolte sie nach seinem Abscheide die Feder gebrauchen/ spracheten noch ein Stuͤndichen zusammen/ und als Phraortes sie der Zeit erinnerte/ das Fraͤulein auch sehr zweifelte/ daß das Gluͤk vor seinem Abzuge sie wieder zusammen fuͤgen wuͤrde/ und deswegen einen gaͤnzlichen Abscheid mit Traͤhnen von ihm nam/ stellete er sich gleich auch also/ und sagte zu ihr: Mein allerwerdester Schatz in dieser Welt; ich befehle euch der Obhuet und Wache des allmaͤchtigen Gottes/ biß auff meine gluͤkliche Wieder- kunfft/ derselbe wolle euren Glauben staͤrken und mehren/ und in aller Widerwaͤrtigkeit be- staͤndige Geduld verleihen; inzwischen wil in abwesenheit meiner Gemahl (dann davor A a a a a ij halte Vierdes Buch. halte ich sie) die Hoffnung kuͤssen/ unter der festen Zuversicht/ mein Seelchen werde die mir jeztgetahne Verheissung/ zu meiner ersten Wiederkunfft auff dieses Gemach ungewegert leisten/ damit an ihrer ausbuͤndigẽ Schoͤnheit/ als an meinem Ehelichen Gemahl ich mich ergetzen moͤge/ weil ich nicht bedacht bin/ mich ihres versprechens zubegeben. Sie hoͤrete sein erstes vorbringen mit inniglicher Andacht/ den Beschluß aber mit einer Schamroͤhte an/ und meynete es mit stillschweigen zubeantworten/ weil sie sich fuͤrchtete/ ihm ein mehres als sich gebuͤhrete/ versprochen zuhaben; weil er aber umb schließliche Erklaͤrung anhielt/ sagte sie: Allerteurester Schatz/ ich befinde in meinem Herzen/ daß ich zu schwach bin/ seinẽ Vorsatz zubrechen; und weil ich mein Gemuͤht ihm zuerklaͤren schuldig bin/ angesehen sei- ne getraͤue Liebe/ welche er mir in dieser gefaͤhrlichen Nachfolge satsam erzeiget hat/ so waͤh- re mir zwar nichts liebers/ als daß meiner allerliebstẽ Fr. Mutter ich in dem reinen Jung- fraͤulichen Stande wieder moͤchte geliefert werden/ in welchem ich von ihr ausgezogẽ bin: weil ich aber euch vor meinen Herrn und Gemahl auffgenommen habe/ werde ich muͤssen seinem hefftigen ansuchen stat geben/ und mich ihm als ein Gemahl goͤnnen/ auff daß nicht allein ich ihm seines Mißtrauens und anderer Herzenskraͤnkungen benehme/ sondern ihn hiedurch zur schleunigen befoderung meiner Freyheit desto mehr anreize; welches dann mit einem Handschlage und vielen Kuͤssen bestaͤtiget ward; worauff er mit Phraortes in zimlicher Verwirrung davon ging/ und mit demselben nach dem Koͤniglichen Schlos- se sich verfuͤgete/ woselbst er nunmehr als ein bestelleter Koͤniglicher Diener/ dem Koͤnige selbst auffwarten muste. Nun hatte Vologeses der juͤnger mit seinem Ritterlichen Diener Mithrenes alles angelegt/ wie er ursach an den jungen Teutschen suchen solte/ welcher sich in etwas beschwerete/ daß er sich mit einem schwachen Jungen/ wie er vorgab/ schlagen sol- te. Bey der Mahlzeit ward Phraortes von Vologeses erinnert/ die Wette zubestimmen/ der ohn weiteres bedenken seinen Satz auff 100000 Kronen benahmete/ jener aber/ dieser Beute sich erfreuend/ ein doppeltes zulegen versprach. Herkules wahr sehr geschaͤfftig/ sei- nem Koͤnige zu gefallen/ nam sich einer zuͤchtigen Scham und Furcht an/ und warff daher der Koͤnig auff ihn eine sonderliche Neigung und Gewogenheit. Vologeses aber fing ein Gespraͤch mit ihm an/ er haͤtte aus seinen gestrigen Reden vernommen/ daß er schon in den Ritter Orden getreten waͤhre; nun saͤhe er ihn aber vor sehr jung an/ und moͤchte gerne wis- sen/ was vor Waffen man in seiner Landesart gebrauchete/ die von so jungen Leuten beydes zum Schuz ihrer/ und zur Verletzung der Feinde koͤnten gefuͤhret werden. Herkules ward des Spottes bald innen/ ließ sichs doch nicht merken/ sondern mit demuͤhtiger Herzhaftig- keit sagte er: Gnaͤdiger Fuͤrst und Herꝛ/ in meiner dreyjaͤhrigen ritteꝛlichen uͤbung habe ich mich Roͤmischer Waffen gebraucht/ eines festen Helmes/ Brust-Ruͤck- und Beinharni- sches/ neben gewoͤhnlichẽ Reuter Schilde; das Gewehr ist ein Ritter Speer/ uñ Schweꝛt/ wie es Roͤmische Ritter fuͤhren/ und ich haussen vor dem Gemache abgelegt habe. Vologe- ses fragete nachmahl/ ob er dann so schwere Rüstung schon drey Jahr håtte fuͤhren koͤnnen/ und vernaͤhme von Phraortes/ daß er kaum das zwanzigste Jahr hinter sich gelegt. Der Schimpff haͤtte ihn fast zu herbe gedaucht/ doch hielt er sich ein/ und antwortete mit einem hoͤflichen Ernste: Ja gnaͤdiger Fuͤrst/ wann mir erlaͤubet ist/ ihrer Durchl. zuantworten/ habe ich sie/ ohn Ruhm zumelden/ diese Zeit her gefuͤhret/ und wider meines gleichen Stan- des Leu- Vierdes Buch. des Leuten verteidiget/ so offt sie mir solche streitig machen wollen. Mithrenes hatte sich ge- rade gegen uͤber gestellet/ uñ lachete dieser Antwort gar hoͤnisch; welches ihn heftig schmer- zete/ und nuꝛ wuͤnschete/ gelegenheit zuhaben/ ihn dessen gereuen zumachen/ welche ihm bald an die hand gegeben ward; dann nach geendigter seiner Rede/ die Vologeses als zu frech auffnam/ sagte derselbe zu seinem Mithrenes: Als viel ich von diesem jungen Teutschen vernehme/ ist bey euch uñ ihnen eine grosse Ungleicheit im Ritter-weꝛden. Ja/ Durchleuch- tiger Fuͤrst/ antwortete dieser; wer bey uns in Armenien Ritter heissen wil/ muß nicht al- lein das Maul/ sondern vielmehr die Faͤuste zugebrauchen wissen; so laͤsset man auch keinen unter 25 Jahren zu/ er habe dann fuͤnff Ritter herab gestochen/ und solches ohn einige Be- waͤgung im Sattel/ wuͤrde auch mit so einem jungen Knaben/ wie dieser ist/ sich niemand leicht in Streit einlassen/ da ihm nicht zuvor Zusage geschaͤhe/ es solte ihm an seinem Rit- terstande keinerley weise schimpflich seyn. Herkules ward durch solche aͤusserste beschimpf- fung dermassen entruͤstet/ daß er sich fast uͤbersehen haͤtte/ begriff sich aber noch/ und fing an: Allergroßmaͤchtigster Unuͤberwindlichster Koͤnig/ allergnaͤdigster Herr; demnach Eure Koͤnigl. Hocheit mich unwirdigsten vor einen Ritterlichen Diener angenommen/ auch hoͤhere Koͤnigl. Gnade mir erzeiget/ als meine Wenigkeit faͤhig seyn kan/ gelebe ich allerun- tertaͤhnigst der troͤstlichen Zuversicht/ Dieselbe werden ihrem Diener Freyheit geben/ seine ritterliche Ehre zuhandhaben/ solches bitte ich im Nahmen und von wegen meiner aller- gnaͤdigsten Fraͤulein/ als deren Hoͤchst Seel. Herr Vater mich dieses Standes gewirdiget hat; setzete sich darauf in die Knie/ und erwartete genehmer Antwort. Der Koͤnig sahe ihn an/ entsetzete sich fast vor seinen feurigen Augen/ und antwortete ihm: Weil du unser Die- ner bist/ und jener stolzer (den wir umb seines Herrn willen uͤbersehen) dir zu nahe getreten ist/ sol dir ritterliche Freyheit erlaubet seyn. Bald stund Herkules auff/ bedankete sich aller- untertaͤhnigst/ und sagte zu Vologeses: Durchleuchtiger Fuͤrst/ Eure Durchl. mit einigem Worte zubeleidigen/ bin ich nicht willens; aber wer ihr auch seyd (sagte er zu Mithrenes) habt als ein stolzer (wie Koͤnigl. Hocheit euch gefcholten) wider Rittergebuͤhr mich be- schimpffet/ und ohn alle gegebene Ursach euch gelüsten lassen/ meine ritterliche Ehre zukraͤn- ken; da ich nun solches einfressen wuͤrde/ waͤhre ich nicht allein unwirdig/ meines grossen Koͤniges Diener zuseyn/ sondern duͤrffte auch keinen Fuß wieder in mein geliebtes Vateꝛ- land setzen; begehre demnach Abtrag vor angelegte Schmach/ oder ihr muͤsset mir ohne Kampff nicht entgehen/ wie jung und ungeuͤbet ihr mich gleich haltet. Mithrenes fuͤrchtete sich vor dem Koͤnige/ hatte auch von seinem Herrn einen Wink bekommen/ glimpflich zu- fahren/ deswegen gab er ihm diese Antwort: Habe ich meinem allergnaͤdigsten Koͤnige zu- wider gehandelt/ so bitte von seiner Koͤnigl. Hocheit ich dessen alleruntertaͤhnigst Verge- bung; taht hiemit einen Fußfall/ und ward von dem Koͤnige begnadet; Zu Herkules aber sagte er: Juͤngling/ ich habe dich nicht als einen Koͤniglichen Diener beschimpffet/ dann davor werden die Goͤtter mich wol behuͤten/ aber daß du dich vor einen Ritter angiebest/ wovor du nicht erkennet bist/ habe ich unbeantwortet nicht lassen koͤnnen; nun hastu uͤber das mich noch zum Kampfe ausgefodert/ aber mein Juͤngling/ du weist noch nicht was ein Kampf ist/ und wirst solches zuvor muͤssen in der Schuele lernen/ ehe du dich vor die scharf- fe Spitze wagest/ dann deiner drey oder viere wuͤrden mir viel zu leicht seyn/ daher/ Koͤnigl. A a a a a iij Hocheit Vierdes Buch. Hocheit zu alleruntertaͤhnigstem Gehorsam/ erlasse ich dich dieser Ausfoderung. Sihe da/ antwortete Herkules/ jezt gabestu ja vor/ ein Ritter muͤste nit dz Maul/ sondern die Faͤuste zugebrauchen wissen/ und du wilt mich gleich mit deiner ruhmraͤtigen Zunge zu bodem rennen/ ja meiner viere zugleich vornehmen? waͤhrestu ein vernuͤnfftiger Ritter/ wuͤrdestu nimmermehr solchen stolz brauchen; so gehe nun bald/ uñ wapne dich/ ich wil/ ob Gott wil/ meines gewesenen Koͤniges Ehre retten/ und mit meinem Speer und Schwert behaͤuptẽ/ daß dero Hocheit nie keine unduͤchtige in den loͤblichen Ritterorden angenommen hat/ da dann jederman sehen wird/ wie wenig Teutsche Nidrigkeit den Armenischen Stolz achte; bistu aber zu feige/ allein zuerscheinen/ so nim noch ein Ungeheur zu dir/ es sol dir hiemit er- laubet seyn. Der verwaͤgene Mithrenes vermeynete des Schimpffs zubersten/ warff seinẽ Handschuch vor Herkules nider/ uñ sagte zu ihm: Da hastu dz Pfand/ dz ich dich in stuͤckẽ zerhauẽ wil. Herkules hub ihn auf/ warff ihm den seinen hinwieder zu/ mit halblachender stim̃e sprechend: Da nim wieder hin mein Pfand/ dz dein stuͤkhauen nur eine stolze Einbil- dung sey/ uñ ich/ dafern du durch abbitte mich versoͤhnẽ wiꝛst/ deines Lebens schonẽ wil. Deꝛ Koͤnig geboht ihnẽ dz keiner foͤrder ein wort redete/ oder sich am and’n vergreiffe/ bißsie auf dem Platze erscheinẽ wurdẽ; wodurch Mithrenes verhindert ward sein bedrauliches groß- sprechen fortzusetzen. Vologeses der aͤlter/ ein ansehnlicher/ gerechter und Kriegsverstaͤn- diger Herr/ und der groͤsseste im Reich/ nach dem Koͤnige/ des juͤngern naher anverwan- ter/ merkete wol/ daß sein Oheim dieses Spiel also gefidelt hatte/ welches ihm nicht wol ge- fiel; Ihm warteten seine drey Leibdiener auff die außbuͤndigsten Fechter zu Charas/ deren vornehmster Mentor/ der ander Sabazes/ der dritte Orsines hieß; diese stelleten sich Zeit solches weitlaͤuftigen Gespraͤches an einen Ort zusammen/ und hielten ihre Unterredung; so bald diese den Außspruch des Koͤniges hoͤreten/ und ihnen gaͤnzlich vorgenommen hat- ten/ an diesem jungen fremden Ritter/ der von Phraortes so hoch geruͤhmet wahr/ sonder- liche Ehre einzulegen/ machten sich anfangs zu ihrem Herꝛn hin/ und bahten untertaͤhnig/ ihnen zuverguͤnstigen/ dz sie den ihnen von jenem jungen stolzen Ritteꝛ angelegtẽ Schimpf/ Koͤnigl. Hocheit alleruntertaͤhnigst vortragen/ und um gebuͤhrliche Rache auhaltẽ moͤch- ten. Fuͤrst Vologeses der aͤlter/ der auff diese Buben groß hielt/ weil sie ihre schelmische Bosheit/ durch welche sie mannichen unschuldigen umb Ehr/ Leben und zeitliche Wol- fahrt gebracht hatten/ vor ihm ganz artig zuverbergen wusten/ antwortete ihnen; da sie be- leidiget waͤhren/ stuͤnde ihnen frey solches zu ahnen. Worauff diese drey vor den Koͤnig sich auff die Knie legeten/ und Mentor/ welcher in der Mitte saß/ also anfing: Allergroß- maͤchtigster unuͤberwindligster Koͤnig; euer Koͤnigl. Hocheit alleruntertaͤhnigst zu klagen/ koͤnnen wir nicht umhin/ was Gestalt gegenwaͤrtiger/ dieser fremdling uns alle drey auff freier Strasse/ oͤffentlich beschimpfet/ in dem er uns/ da wir ihn ganz hoͤflich gegruͤsset/ den Gecken gestochen/ und als wir ihn daruͤben zu rede setzeten/ uns zur Antwort gab; ob wir nicht wuͤsten/ daß er ein Koͤniglicher/ wir aber nur kahle Fuͤrstliche bedienete waͤhren/ und ihm daher frey stuͤnde/ uns seines gefallens zu haben. Zwar wir haͤtten fuge und Ursach gnug gehabt/ uns an ihm zu raͤchen/ worzu wir das Mittel an der Seite fuͤhreten/ aber Koͤ- nigl. Hocheit zu alleruntertaͤhnigsten ehren/ haben wir uns an dero Diener nicht wollen vergreiffen/ sondern derselben diesen uns angefuͤgten unabloͤschlichen Schimpff klagen/ und Vierdes Buch. und zugleich umb allergnaͤdigste Erlaubung anhalten wollen/ unser Schwert/ einer nach dem andern wie der diesen Spoͤtter und Geckenstecher zu wenden/ und ihn zuunterweisen/ daß er hinfuͤro ablasse ehrliche Leute dergestalt zubeschimpfen/ dafern er sein Leben vor uns bergen und erhalten wird. Phraortes entsetzete sich uͤber dieser Anklage/ die er wuste falsch und ertichtet seyn/ wahr auch bereit Herkules zu entschuldigen/ welcher aber diese unver- muhtliche beschuldigung mit grosser bestaͤndigkeit anhoͤrend/ sich nicht eins daruͤber bewaͤ- gete/ sondern nach deren endigung sagte: Ihr drey Klaͤger/ weil in vorbringung eurer An- klage ihr mit Fingern und Haͤuptern auff mich gezeiget/ muß ich mich vor den beklageten halten; ich verzeihe euch aber diese Beleidigung ganz gerne/ weil ich nicht zweifele ihr weꝛ- det an mir irren/ und mich vor einen halten der ich nicht bin. Mentor der Klaͤger sagte darauff: Mein Kerl/ der Leute sind mehr in der Welt als du/ welche das Spiel/ Hastu es getahn/ so leugne nur/ wol gelernet haben/ und zugebrauchen wissen; und wann ich allein die- sen Schimpff eingenommen haͤtte/ wuͤrde ich in ermangelung des beweißtuhms wol ein Luͤgner heissen muͤssen/ aber diese meine beyde Zeugen/ denen ein gleichmaͤssiges von dir be- gegnet ist/ werden mich in der Warheit schon steiffen/ und deine Bosheit an den Tag legen. Seine beyde Gesellen fingen alsbald an ein solches mit zu bejahen/ und erbohten sich alle drey zum aͤide. Dessen entsetzete sich nun Herkules in etwas/ blieb doch bey seiner Sanft- muht/ und erinnerte sie nochmahls/ sich wol zubedenken/ und keinen unschuldigen mit so schwerer Klage anzufassen. Weil sie aber bestaͤndig dabey blieben; fragete er sie an was Ort/ und zu welcher Zeit dann solches geschehen waͤre. Ihm antwortete Mentor/ er frage- te nach einem Wege/ welchen er wol wuͤste. Nachdem aber der Koͤnig ihre Antwort be- gehrete/ sagete dieser/ es waͤhre auff der Schloßgassen/ zwo Stunden vor der Mahlzeit diesen Morgen geschehen. Herkules gab zur Antwort: Ich ermahne euch nochmahls alle drey/ daß ihr entweder euren Irtuhm/ oder eure Bosheit bey zeiten erkennet und bekeñet/ sonst werde ich gezwungen/ umb Handhabung meiner Ehre/ euch oͤffentlich zuschanden zu machen/ welches ich doch ungerne tuhn moͤchte. Ihr Herr Fuͤrst Vologeses sagte zu Phraortes: Euer gewesener Diener muß sehr unverschaͤmt/ oder meine drey Fechter die gottlosesten Buben seyn. Dessen gebe ich mein Leben/ Ehr und alle meine Haabseligkeit zu pfande/ antwortete Phraortes/ daß mein gewesener Diener hierin allerdinge unschul- dig ist/ massen er diesen ganzen Morgen biß an die Mahlzeit mit mir bey dem Koͤnigl. Frl. auff dem Schlosse gewesen. Sie liessens bey diesem verbleiben/ umb der Zaͤnkerey Aus- schlag zuvernehmen; dann als Herkules die Klaͤger abermahl also warnete/ blieben sie steiff bey ihrer aussage/ und bestunden fest/ dessen einen aͤid zu leisten. Darauff wendete sich nun Herkules zu dem Koͤnige/ und sagete: Ich weiß nicht/ allergnaͤdigster Koͤnig/ was vor ein neidisches Ungluͤk mir diesen Tag also nachstellet/ und mich suchet zu einem Bubẽ und Spoͤtter zu machen; Nun getroͤste ich mich meines guten gewissens und meiner Un- schuld/ welche gegen diese drey gottlose Verleumder/ die in ihrer offenbahren Unwarheit sich duͤrffen zum aͤide anerbieten/ ich leicht behaͤupten/ und durch gnugsames Zeugnis/ meiner allergnaͤdigsten Fraͤulein/ meines gnaͤdigsten Groß Fuͤrsten/ und der ganzen Besat- zung des Fraͤulein-Schlosses dartuhn wolte/ daß umb die von diesen Verleumdern aus- gesag ete Zeit/ ich auf ieztgedachtem Schlosse/ und nicht auff der Gasse gewesen bin. Aber daß Vierdes Buch. daß nicht einer oder ander Ursach nehme/ mich einer Kleinmuhtigkeit zubeschuldigen/ so erbiete ich mich/ meine gute Sache unter dem Schuz Gottes/ wieder diese drey Veꝛleum- der mit dem Schwerte zuhandhaben/ weil ich vor Augen sehe/ daß alle Anklage bloß zu dem Ende angesehen ist; moͤgen sich demnach diese drey mit meinem ersten Feinde vergleichen/ wer den ersten Streit mit mir angehen sol. Mithrenes gab vor/ weil er zum ersten außge- fodert waͤhre/ haͤtte er billich den Vorzug. Herkules antwortete/ es gefiele ihm soches noch wol/ daß er nunmehr in wirdig und duͤchtig erkennete/ mit dem er einen ritterlichen Ver- such taͤhte. Hingegen wante Mentor ein/ nachdem er sich abermahl auff einen aͤid beruf- fen hatte/ sie waͤhren am ersten beleidiget worden/ daher muͤste er ihnen auch am ersten zu rechte stehen. Ich wil euch verleumdern und luͤgenern solches nicht versagen/ antwortete Herkules/ und daͤucht mich selber/ ich koͤnne mit der geringsten Muͤhe an euch den Anfang machen/ weil es vermuhtlich zu Fusse und mit dem Schwerte geschehen sol; bin also bereit auff dem Vordersaal in gegenwart meines allergnaͤdigsten Koͤniges uñ aller Hoch Fuͤrstl. Geselschaft mit euch den Span zuschlichten/ und erwarte den Ausspruch von Koͤniglicher Hocheit. Fuͤrst Vologeses der aͤlter stund auff/ und redete ihn also an: Herzhafter Ritter/ ihr duͤrfet euch gegen meine drey Diener/ als hochbeschriehene Fechter nicht in Lebensge- fahr wagen/ dafern ihr nach eurer Anzeige eure Unschuld darlegen koͤnnet/ welches ich euch fast zu traue/ da dann auff solchen Fall meine Diener empfinden sollen/ wie feind ich alle- mahl der boßhaften Verleumdung gewesen bin. Durchl. Fuͤrst/ antwortete er/ mit grosseꝛ Ehrerbietung/ Eurer Durchl. hochgepreisete Gerechtigkeit und Helden-Tapfferkeit hat den Preiß des ganzen Erdbodens erworben/ welchen ich zuerheben nimmer mehr verges- sen wil; weil aber mein ritterliches Ansehen allermeist auff der Faust beruhet/ so wolle Eu- re Durchl. gnaͤdigst einwilligen/ daß dieser Kampff vor sich gehe/ und sich versichern/ daß Gott der Unschuld zu steuer legen werde. Wolan/ antwortete der Fuͤrst/ eure Tapfferkeit in dieser Jugend verdienet ein besser Gluͤk/ als boͤse Buben euch zubereiten/ und stelle ichs alles zu Koͤniglicher Anordnung. Artabanus kunte sich uͤber seines Dieners unerschroc- kenen Muht nicht gnug verwundern/ hielt auch seine Unschuld vor schon erwiesen/ wuste aber auch/ mit was guten Fechtern ers wuͤrde zutuhn haben/ und fuͤrchtete sehr/ er wuͤrde sein Leben einbuͤssen muͤssen; wolte demnach in dieser Sache nicht sprechen/ sondern bestel- lete Phraortes an seine stat/ welcher dann durch einẽ Wink von Herkules leicht verstund/ wie er die Urtel abfassen solte/ deswegen er also anfing: Im Nahmen und aus Vollmacht Koͤniglichen Hocheit/ wird dem Koͤnigl. Ritterlichen Diener Valikules hiemit die Frey- heit gegeben/ den Kampff wider seine drey Anklaͤger fortzusetzen/ so daß vorerst der Wort- halter/ hernach der zur Rechten/ und zulezt der zur Linken ihm fuß halten sollen/ an was ort/ und auff was weise ers als Ausfoderer begehren wird/ jedoch alles redlich und ohn Vor- tel. Herkules bedankete sich des Ausspruchs/ und alle anwesende verwunderten sich dessen/ die Verleumder aber huͤpffeten vor freuden auff/ und vermaß sich Mentor/ dafern er un- terliegen wuͤrde/ wolte er sich selbst der Kreuzigung zugesprochen haben; welches die an- deren beyden ihm nachsageten. Herkules taht als hoͤrete ers nicht/ foderte seine Anklaͤger aus auff den Voͤrder Saal/ daselbst schlug er einen zimlichen Kreiß/ so viel Raum zween fechtenden ohn ruͤkweich noͤhtig wahr; und als der Koͤnig mit der ganzen Geselschafft zu- gegen Vierdes Buch. gegen stund/ sagte er: Trit her in diesen Kreiß/ du Verleumder/ und wer von uns beyden daraus schreiten wird/ so lange der Kampf waͤhret/ sol am Kreuz die Seele ausblasen. Die Augen branten ihm im Kopffe/ und niemand hatte genauere acht auff ihn/ als Vologeses der aͤlter/ welcher als dem Koͤnige am naͤhesten stehend/ zu ihm sagete: Dieser junge Ritter ist ausser allem Zweifel mehr/ als er sich ausgibt. Mentor haͤtte diese Kreisses-bedingung lieber ausgeschlagen/ aber die gesprochene Urtel stund ihm im Wege/ und sein erworbener Fechter-Ruhm/ trat also hinein/ und boht seinem Feinde die Spitze; welcher aber in einem kurzen Lager/ sein Schwert mit ausgestrektem Arme gerade auffrecht hielt/ woraus jener schon merkete/ daß er keinen Schuͤler vor sich hatte/ nam ihm auch vor/ alle Vorsichtigkeit anzuwenden; Sie versuchten beyderseits durch falsche Augenwinke und Draͤustoͤsse einer den andern zuverfuͤhren/ aber es wolte nirgend zu/ wiewol alle anwesende unserm Herkules den Vorzug zulegten/ welcher sich schaͤmend/ die Zeit vergebens zuzubringen/ seinem Fein- de/ ehe er sichs versahe/ den rechten Arm mit einem Unterhieb laͤhmete/ dz er das Schwert fallen ließ/ jedoch mit der linken es wieder auffhuhb/ weil ihn Herkules unterdessen nicht be- schaͤdigen wolte: sondern redete ihn also an: Du Luͤgener/ bekenne deine Bosheit und mei- ne Unschuld/ oder du must das Kreuz bekleiden. Ich bleibe bestaͤndig bey der Warheit/ ant- wortete Mentor/ und die erste Wunde ist mir eine Auffmunterung von meinem Schlaffe. Sie bunden von neuen an/ dann Mentor war mit beyden Haͤndẽ geuͤbet/ aber die empfan- gene Wunde/ welche viel Blut gab/ schmerzete ihn sehr/ und machte ihn kraftloß/ daheꝛ ihm Herkules eintrat/ reiß ihm mit der linken das Schwert aus der Faust/ und mit der rechten gab er ihm mit dem Degenknauff eins wider die Stirn/ daß er gestrekt hinter sich fiel; wor- auff sein Uberwinder begehrete/ daß er gefaͤnglich angenommen wuͤꝛde/ welches die Koͤnig- liche Trabanten auff Geheiß verrichteten; aber ehe sie sichs versahen/ zuͤckete dieser seinen Dolch/ und erstach sich damit. O ihr leichtfertige Schelmen/ sagte ihr Herr/ Fuͤrst Volo- geses/ wie tuht dieser uͤberwundene eine so klare Bekaͤneniß durch seine eigene Ermordung/ mit was Bosheit ihr verknuͤpfet seyd. Herkules kehrete sich daran nichts/ sondern rief dem andern/ was er sich lange saͤumete/ sein Mithrenes wolte auch noch ein Stuͤndichen zum Spiel haben; Dieser Sabazes aber wendete ein/ es waͤhre nicht Fechterisch/ sich in einen engen Kreiß einzuschliessen/ welches einige seinem Gesellen allen Schaden getahn haͤtte/ deswegen begehrete er freyen Raum zum Kampffe. So gib ihm Raum/ mein Valikules/ sagte der Koͤnig/ dann die Unschuld kan auch auff freyem Platze siegen. Ganz gerne/ aller- gnaͤdigster Koͤnig/ antwortete er; ging sehr eiferig/ und mit ausgestrecketem Lager auff ihn loß/ brachte ihm bald anfangs einen Schnit uͤber den linkẽ Backẽ an/ womit er ihn zugleich wehrloß machete/ dann er fassete mit der linken in seines Feindes Gefaͤß/ und beugete ihm das Schwert aus der Faust. Dieser begab sich auffs lauffen/ aber Herkules hinter ihn an/ und stieß ihn mit dem genommenen Degen Gefaͤß hinten auff das Haupt/ dz ihm die Hirn- schale borste/ und in kurzem verschiede. Der dritte/ Orsines/ der es den beyden vorigen in der Kunst nit gleich taht/ ging mit erschrockenem Herzen heran/ hatte sich auch kaum recht ins Lager gestellet/ da lag seine Faust mit samt dem Schwert auff der Erden. Herkules fassete ihn an/ und sagete: Mein/ biß du doch der vernuͤnfftigste/ und bekenne die Warheit/ alsdann wil ich dich verbitten/ daß du beym Leben bleibest. Ja mein Herr/ antwortete er/ es B b b b b ist Vierdes Buch. ist unser lauter Muhtwille gewesen/ euch solche ertichtete Luͤgen aufzubuͤrden/ bloß daß wir an euch Ehre erjagen/ und nach eurem Tode euer gutes Kleid erbeuten moͤchten; Wollet nun eurer Zusage nach bey dem Koͤnige mir unwirdigen das Leben verbitten. Aber sein Herr/ Vologeses/ trat hinzu/ und sagte: Ein solcher Erz Schelm muͤste sich ja nicht rühmẽ/ daß er mein Diener gewesen/ und mit seinen Luͤgen mich hintergangen haͤtte; zog hiemit sein Seitengewehr aus/ und stieß ihm solches/ da er auff den Knien saß/ durchs Herz. Die- ser ruhmwirdige Sieg wahr in einer halben Stunde gaͤnzlich erstritten/ und bekam der uͤ- berwinder/ aller anwesenden (den juͤngern Vologeses ausgenommen) sonderliche Gunst; Der Koͤnig wuͤnschete ihm mit wenig Worten Gluͤk; Fuͤrst Vologeses der aͤltere/ ruͤhme- te ihn oͤffentlich/ und boht ihm alle Gnade an; gegen welchen er sich sehr demuͤhtigte/ und sich gluͤkselig preisete/ eines solchen weltbeschriehenen Fuͤrsten Gnade erlanget zuhaben. Der jüngere Vologeses durffte wegen des Koͤniges nicht unhoͤflich seyn/ und sagte zu ihm: Ritter/ ihr habt euch wol erwiesen/ daß eure Jugend des Schwertstreites erfahren sey/ moͤchte wuͤnschen/ daß ihr mit meinem Mithrenes hindurch waͤhret. Gnaͤdiger Fuͤrst/ ant- wortete er/ ich bedanke mich beyde des Ruhms und der gnaͤdigen Gewogenheit untertaͤh- nig/ moͤchte auch wuͤnschen/ daß ich mit ihrer Fuͤrstl. Gn. Diener gleich jezt im Werk waͤ- re/ dann sein Maul hat ihn schon verrahten/ daß das Herz sich auf keine Tugend/ sondern bloß auff die viehische Leibesgroͤsse verlaͤsset/ daher ich mit ihm als mit einem grossen wilden Ochsen umgehen werde/ es sey dann/ daß er zu besseren Gedanken greiffe. Dieser stund nit weit davon/ daß er alles anhoͤrete/ meynete vor Zorn zubersten/ und draͤuete/ ihn in kleine bißlein zuzerhacken; Aber Herkules lachete sein/ und sagte: Ich gedachte/ du Untihr wuͤr- dest dich schon hinaus gemacht haben/ woselbst ich dich noch zu besserer Erkaͤntniß zubrin- gen verhoffe. Der aͤltere Vologeses kunte nicht unterlassen/ seinem hochmuhtigen Oheim einzureden/ wie er doch immermehr einem Diener so viel Frevels gestattete/ wodurch der Koͤnig gar leicht zu schwerer Ungnade wider ihn selbst koͤnte gereizet werden; Aber der Neid/ welchen er wider Herkules gefasset hatte/ wahr so hefftig/ dz er als blind und taub fich stellete. Herkules hielt bey Phraortes an/ den Koͤnig zuersuchen/ daß der Kampff unter deꝛ Fraͤulein Schlosse gehalten wuͤrde/ welches Artabanus leicht bewilligte/ und durch Phra- ortes dem Fraͤulein anmelden ließ/ dafern sie ihren tapferen Diener Valikules/ welcher schon drey Fechter zu fusse erlegt haͤtte/ wolte zu Rosse kaͤmpffen sehen/ moͤchte sie auff ihren Obergang treten/ weil ihr doch nicht geliebete aus dem Schlosse zukommen. Sie ließ sich von dem Groß Fuͤrsten alles Verlauffs berichten/ und sagete: O wie wuͤrde mein Herku- les dergleichen Streite und Kaͤmpffe so gerne alle Tage antreten/ wann er mich aus die- sem Schlosse stechen oder hauẽ koͤnte; doch bin ich ihm davor nit ein geringes verbunden/ daß er meines Hochseel. Vaters Koͤnigl. Wirde handhaben wil. Phraortes troͤstete sie/ es wuͤrde der teure Fuͤrst schon mittel ergreiffen/ sie zu rechteꝛ Zeit ledig zumachen/ wozu zwei- fels ohn ihm seine Kunstfarbe sehr vortraͤglich seyn wuͤrde; Aber meine herzgeliebete Frl. Tochter/ sagte er/ muͤste dem lieben Fuͤrsten hierzu einen Muht und freudiges Herz machẽ. Ja mein allerliebster Herꝛ Vater/ antwortete sie/ wie gerne wolte ich/ wann solches in mei- nen Kraͤfften stuͤnde. Darinnen bestehet es alles/ sagte er; sol ich abeꝛ so kuͤhne seyn/ und sa- gen/ wie? Ach ja/ mein Herr Vater/ antwortete sie; unterrichtet mich/ bitte ich/ als eure Toch- Vierdes Buch. Tochter/ ich wil herzlich gerne folgen. Wol dann/ meine Frl. Tochter/ sagte er; Sie tuhe nur diß/ und gebe dem hoͤchstverliebeten Fuͤrsten nach diesem doch nicht mehr ursach/ daß er trauriger von hinnen scheide/ als er herkomt; ich fuͤrchte/ wo meine Frl. Tochter in ihreꝛ Haͤrtigkeit also fortfaͤhret/ es werde sich des Fuͤrsten Herz in dem ungestuͤmen Liebes Feur bald verzehren; was nun Eure Liebe vor Nutzen daher haben wuͤrde/ stelle ich derselben zu bedenken anheim. Das Fraͤulein entsetzete sich der Rede/ und sagte nach kurzem bedenken: Mein Herr Vater/ wo er mich vaͤterlich liebet/ wolle er mir entdecken/ ob mein Herkules diese Vorbitte an ihn gesucht habe. Nein/ meine Frl. Tochter/ antwortete er/ er weiß bey meinen Fuͤrstlichen Ehren/ nichts umb mein Vorbringen/ stellet sich auch allemahl im ab- scheiden von diesem Orte sehr froͤlich gegen mich/ wiewol ich sein heimliches leiden aus un- terschiedlichen Zeichen wol erkenne. Das Fraͤulein gab sich hierauff zufrieden/ und sagete als im scherze: Es solte ihr Herkules eines solchen kraͤfftigen und vollguͤltigen Vorbitters zugeniessen haben. Und die Warheit zu sagen/ drungen diese Reden dergestalt durch ihr Herz/ daß ihr leid wahr/ ihm nicht alles eingewilliget zuhaben. Der Groß Fuͤrst nam von ihr Abscheid/ sie aber putzete sich Koͤniglich aus/ und ward in aller eile eine Schau Buͤhne vor den Koͤnig und seine Fuͤrsten auffgeschlagen. Der Koͤnig wahr zeitig zugegen mit sei- nem Hof Stabe/ und stelleten sich die Kaͤmpffer auch ein; Herkules wahr der erste/ hatte ei- ne starke Ruͤstung an/ so zu Ekbatana mit sonderlichem fleiß aus dem festesten Stahl ge- schmiedet wahr; Auff dem Helm fuͤhrete er einen Greiff/ auff dessen Brust stunden diese Worte: Pullum ereptum quæro Iugens. Das ist/ Ich suche mein geraubetes junges mit grosser Betraurung. Im Schilde stund der kleine David/ und schlug dem Goliath das Haͤupt ab/ die uͤmschrifft wahr: Pietas victrix domat temerarios Die Sieghaffte Gottesfurcht zaͤh- met die Verwaͤgenen. Seines eigenen Pferdes wolte er sich nicht gebrauchen/ weil er sol- ches noch in keinem absonderlichen Treffen versucht hatte/ und seinen trefflichen Blaͤnken hatte er zu Ekbatana gelassen/ daß er von darab solte nach Persepolis gebracht werdẽ/ waͤh- lete deswegen Leches starken Rappen/ und ritte/ von Tyriotes als einem vermeynten Groß- Fuͤrstlichen Medischen Ritter begleitet/ nach dem Kampffplatze/ stellete sich auch gleich ge- gen uͤber/ da er wuste/ sich das Fraͤulein anfinden wuͤrde. Der Koͤnig sahe ihm mit Lust zu/ wie artig er sein Pferd zusprengen/ und dermassen sich im Sattel zuhalten wuste/ daß er zu Vologeses dem aͤltern sagete: Dafern die Erfahrenheit zu Pferde zustreiten sei- ner Fecht- und Reit Kunst gleichete/ wuͤrde ers seinem Feinde leicht zuvor tuhn. Welches er beantwortete: Er hielte diesen Ritter vor einen halben Wunder-menschen/ der ohn zwei- fel mehr waͤhre/ als er sich ausgaͤbe. Mithrenes von seinem Herrn begleitet/ kam auch an/ sahe einem jungen Riesen nicht ungleich/ und ritte auff einem schweren Hengste. Sein Herr erinnerte ihn seiner Tapfferkeit/ und daß er diesen jungen Ritter nicht gering schaͤtzen solte/ welcher mit seiner Geradigkeit den abgang der Leibeskraͤfte zuersetzen wuͤste/ ungeach- tet es ihm doch auch an diesen nicht fehlete; Die Wette lieffe hoch an/ und auf den fall des Sieges solte er davon 6000 Kronen zu seinem Anteil haben. Dieser verwaͤgene Mensch baht hingegen/ er moͤchte doch keinen Zweifel an der uͤberwindung tragen; es waͤhre ein grosser Unterscheid mit dem Speer zu Pferde/ und mit dem Schwert ohn Harnisch zu fus- se zukaͤmpffen/ weil zuzeitẽ hier die Behaͤndigkeit etwas schaffete/ dorten aber wenig nuͤtzete; B b b b b ij der Vierdes Buch. der Sieg wuͤrde mehr liderlich als ruͤhmlich seyn. Wodurch sein Herr sich nicht wenig der uͤberwindung versichern ließ. Ehe das Treffen anging/ ließ der Koͤnig beyderfeits an- melden/ daß wann zeit wehrendes Streits in die Tromete gestossen wuͤrde/ solte bey Leib- und Lebensstraffe ihrer keiner einigen Schwertschlag mehr fuͤhren; welches zu Valikules Lebensrettung angesehen wahr. Als das Fraͤulein mit bedecketem Angesicht ihre Stelle be- kleidet/ und von ferne sich gegen den Koͤnig tief geneiget/ er hingegen mit seinem Reichssta- be ihr freundlich gewinket hatte/ wurden den Kaͤmpffern gleichmaͤssige starke Speere zu- gestellet/ welche sie eigentlich besahen/ bald darauff einlegeten/ und mit solchem ungestuͤm auff einander ranten/ daß im Treffen die Speere splittersweise in die Lufft fuhren/ auch der grosse Mithrenes uͤber jedermans vermuhten beyde Stegreiff verlohr/ und auf des Pfeꝛ- des Hals zuliegen kam/ daß er mit aͤusserster muͤhe sich des Falles enthielt/ da Herkules hin- gegen unbewaͤglich vorbey trabete/ dessen alle Zuseher/ auch Ladisla selbst sich verwunderte. Der aͤltere Vologeses sagte zum Koͤnige: Eure Hocheit nehmen dieses ihren Dieners wahr/ welcher uns entweder zum sonderlichen Gluͤk/ odeꝛ zum grossen Verderben von den Goͤttern zugeschicket ist. Aber der Koͤnigschlug es in den Wind/ ohn zweifel aus Gottes sonderbahrer Schickung. Herkules foderte ein neues Speer/ und der andere eilete zum Schwertstreite/ welches ihm sein Feind doch nicht goͤnnen wolte/ einwendend/ es muͤste voꝛ einer den Sattel raͤumen/ hernach koͤnte das Schwert noch fruͤh genug gebloͤsset werden; muste also dieser wider seinen Dank den andern Rit wagen/ welcher ihm so ungluͤklich ge- riet/ daß er aus gehoben/ und auff die Erde geworffen ward/ mit solcher gewalt/ daß er uͤber und uͤber purzelte; doch erhub er sich/ und setzete sich wieder auf/ wiewol mit solcher Scham/ daß er kaum sehen kunte. Phraortes sagte zu seinem Wettehalteꝛ: Den Schwertstreit moͤ- gen die Goͤtter und das Gluͤk schlichten/ im Stechen aber habe ich schon gewonnen. Ich bekenne es/ antwortete dieser/ und haͤtte ich hinter diesem jungen Ritter solche unmenschli- che Krafft und Geschikligkeit im rennen nimmermehr gesuchet/ welcher ohn zweifel im ste- chen gar wenige seines gleichen hat/ wie auch in der Fechtkunst/ aber wie ist eure Liebe doch an diesen Diener gerahten? Er hat sich anfangs bey Mazeus angegeben/ antwortete er/ uñ ihn wissen lassen/ daß er wol gesinnet waͤhre/ sich eine zeitlang bey einem Fuͤrsten dieser Laͤn- der aufzuhalten/ worauf er ihn an mich verwiesen/ mich zugleich berichtend/ wie er von ihm sehr kuͤnstliche Schuͤsse gesehen haͤtte. Herkules setzete inzwischen mit entbloͤssetem Degen auff seinen Feind/ und flog daher mit seinem Pferde als in Luͤfften/ ließ das Schwert drey mahl umb den Kopff kommen/ und als er seinem Bestreiter nahete/ sagte er zu ihm: Du hochmuͤhtiger Großsprecher/ begehrestu annoch meiner drey oder viere? Ich meyne ja/ du habest es mit dem Speer erwiesen/ daß Maul und Herz nicht eines Fleisches an dir sey; Dieser schaͤmete sich schon des Falles heftig/ und machten ihn diese Worte vollend rasend/ daß er ohn einiges Wortsprechen Herkules mit solcher Wuht uͤberfiel/ als wolte er ihn mit samt dem Rosse uͤbern hauffen werffen/ der ihm aber mit guter Vorsichtigkeit begegnete/ gebrauchte sich des Schildes/ und verseumete nicht/ wann er gute und wirkende Schlaͤge austeilen kunte/ daß man in kurzer Zeit das Blut von ihm rinnensahe/ und taht uͤberdas sein Pferd einen schlim̃en Fehltrit/ daß es mit ihm uͤbern hauffen fiel. Herkules stieg auch ab/ nahete sich zu ihm/ da er noch auff der Erden unter dem Pferde lag/ und sagte zu ihm: Sihe Vierdes Buch. Sihe mein Kerl/ wie leicht wuͤrde ich dich abschlachten/ wann ich mich meines Rechts uñ Vortels gebrauchen wolte; Aber damit du sehest/ wie wenig mir vor dir grauet/ wil ich dich zun Beinen kommen lassen. Dieser hatte sich gleich hiemit loßgerissen/ wolte die ihm erzeigete Guͤtigkeit nicht erkennen/ sondern trat mit solchen ungestuͤmen Hieben auff Her- kules dar/ daß er gezwungen/ ihm die ersten Hoͤrner muste ablauffen lassen/ gebrauchete sich bald seines Schildes/ bald seines geschiklichen ausweichens/ biß er sich wol abgearbeitet hatte/ da er zu ihm sagete: Hastunicht bald ausgeraset/ du wildes Tihr? griff ihn damit/ nicht weniger vorsichtig als ernstlich an/ hieb ihm auch in kurzer frist den Schild fast zu stuͤcken/ und gab ihm der Wunden so viel/ wiewol sie nit tieff durchgingen/ daß ihm gleich- wol der Harnisch roht gefaͤrbet ward/ uñ sich mehr zu schuͤtzen/ als seinen Feind zuverletzen muste bemuͤhet seyn; welches Herkules meꝛkend/ ihm Gnade anbot/ uñ zu ihm sagte: Mich jam̃ert dein Mithrenes/ deswegen tuhe mir Abtrag/ sonst wird dein Lebẽ bald geendet seyn. Weit gefehlet/ antwortete dieser; samlete auch alle Kraͤfte zusam̃en/ uñ wolte entweder bald verspielẽ oder gewiñen/ dz er auch das uͤbꝛige seines Schildes von sich waꝛf/ uñ dz Schweꝛt mit beydẽ Haͤnden fassete/ ob wolte er seinen Feind in der mitte von einand’ hauẽ; aber diese rechnung betrog ihn/ massen ihm Herkules fein ausweich/ uñ nit desto minder seine Nach- hiebe im̃eꝛzu anbrachte/ biß eꝛ ihm endlich dẽ Helm gar zerhieb/ dz er jm vom Kopfe sprang/ worauff er zu ihm sagete: Kanstu deine Gefahr noch nicht erkennen/ so mustu alles Witzes beraubet seyn; so wiederruffe nun bald deine schmaͤhungen/ oder ich werde dich meinem ge- wesenen allergnaͤdigsten Koͤnige zum Opffer schlachten. Noch wolte sich dieser nicht fin- den/ sondern gab zur Antwort: Nicht du/ sondern das Gluͤk/ und jener allerschoͤnsten Fraͤu- lein Wiederwille hat mich so weit getrieben; aber bistu redlich/ so laß uns ohn Harnisch auff Fechter weise auch versuchen/ dann ich merke wol/ daß deine Waffen durch Zauber- kuͤnste unuͤberwindlich gemacht sind. Daß leugestu Bube/ antwortete er/ und ob ich dir dein begehren abschluͤge/ bliebe ich doch wol redlich; doch daß du auch diese Entschuldi- gung verlierest/ sol dir gewilfahret werden; rieff Phraortes Leibdiener herzu/ und ließ sich von demselben entwapnen/ da Mithrenes ein gleiches verrichtete/ und nach abgelegtem Harnisch die Menge seiner untieffen Wundẽ inne ward/ unter denen etliche/ weil die Blut- adern getroffen wahren/ sehr bluteten. Der Koͤnig sahe daß sein Valikules Meister spie- lete/ deßwegen ließ er alles geschehen/ und kunte seine unvergleichliche Herzhaftigkeit und wolgeschiktes Gefechte nit gnug ruͤhmen/ welches er aber ausser dem Harnische erst recht sehen ließ; dañ da trieb er seinen Feind dergestalt umb/ und versetzete ihm so manniche tief- fe Wunde/ daß der Plaz schlipfrich davon ward/ auch der arme Tropff sich kaum mehr auffrecht halten kunte/ daher ihn Herkules abermahl zum Wiederruff ermahnete/ aber an dessen stat nur Schmaͤhungen zur Antwort bekam/ woruͤber er so eiferig ward/ dz er zu ihm sagete: Ey so solt und mustu auch die Straffe eines boßhaften Schaͤnders außhalten/ wañ dein Kopf auch von Stahl und Eisen waͤhre. Vologeses der juͤnger sahe/ daß es mit seinem Diener am Ende wahr/ und baht den Koͤnig/ er moͤchte/ allergnaͤdigstem verspre- chen nach/ den Kampff auffheben; welcher ihm aber antwortete; so muͤste auch Mithre- nes seine laͤsterhafte Zunge einhalten/ und unsern tapfferen Ritter und Diener unbeschimp- fet lassen/ weil er aber zum Kreuz weder krichen kan noch wil/ empfaͤhet er davor billich sei- B b b b b iij ne Vierdes Buch. ne Straffe; ihr aber schicket euch/ die verwetteten Gelder außzuzaͤhlen. Gleich mit dem Worte fuͤhrete Herkules einen uͤberaus kraͤftigen Hieb/ welcher in der Luft schallete/ da- mit zerspaltete er seinem Feinde das Haͤupt/ so daß der Hieb durch die Brust/ biß fast auff den obersten Magenmund ging/ sahe auff gen Himmel/ und dankete seinem Gott vor den verliehenen Sieg/ legte sein Schwert nieder auff die Erde/ uñ neigete sich gegen sein Fraͤu- lein; bald setzete er sich vor den Koͤnig auff die Knie und sagete: Allergnaͤdigster Koͤnig/ euer hohen Koͤnigl. Gnade danke ich untertaͤhnigst/ wegen gnaͤdigster erlaͤubnis zu diesem Kampfe/ und werde hinfuͤro von diesem hechmuͤhtigen Schaͤnder wol unangefochten bleiben/ dessen schlimmes Herz und machtlose Faͤuste sich in diesen Streitte gar zu sehr ver- rahten haben; bitte daneben/ es wolle der Durchl. Fuͤrst/ Herr Vologeses keine ungnade wegen seines Dieners Tod auff mich werffen/ weil derselbe sich selbst des Lebens unwirdig gemacht hat/ welches ich ihm zu unterschiedlichen mahlen angebohtẽ. Unterdessen schicke- te das Fraͤulein eine ihres Frauenzimmers herunter auff die Streitbahn/ welche den Koͤ- nig also anredete: Unuͤberwindligster Koͤnig/ euer Koͤnigl. Hocheit demuͤhtigste Herku- liska/ bittet unter taͤhnigst/ sie verståndigen zu lassen/ welches Fuͤrsten oder Herrn Diener der entleibete Boͤsewicht sey/ welcher hat zu geben oder gut heissen koͤnnen/ daß ihr Herr Vater hoͤchstmildester gedaͤchtnis von dem Schandmau l durch schmaͤhung seiner Ritter hat muͤssen gelaͤstert/ uñ in seiner Ruhe getadelt werden. Nun hat unser gnaͤdigstes Fraͤu- lein Zeit wehrendes Kampffes einen gespañeten Bogen neben sich gehabt/ des steifen Vor- satzes/ dafern ihr Diener in diesem Streite sich verzagt wuͤrde gehalten haben/ ihn mit ih- rem Pfeil zuerlegen; nachdem er aber den Schaͤnder abgestraffet/ ist sie in so weit vergnuͤ- get/ doch wird ihm Vorbitte vonnoͤhten seyn/ dafern er verzeihung hoffet/ dz er den Streit ohn ihr erlaͤubnis angetreten. Sie behaͤlt aber auff Koͤnigl. Hocheit allergnaͤdigste Ein- willigung/ ihr die Rache gegen den Herrn des ertoͤdteten Knechts bevor/ als an dem sie ihr Leben zu wagen entschlossen/ darumb daß er seinem Diener in verachtung ihres H. Vaters hat uͤbersehen wollen/ und gelebet der troͤstlichen Hoffnung/ ihre Hocheit werde ihr nicht mindere Gnade als ihrem Diener wiederfahren lassen/ dann sie suchet nichts als einen rechtmaͤssigen Kampff zu Fusse/ und fodert hiemit denselben zum Streite aus/ wo er sonst so viel herzens hat/ sich vor den Streichen ihres Schwertes zu schuͤtzen. Der Koͤnig er- schrak der lezten Worte/ wuste nicht was er darzu antworten solte/ und sagete zu Vologe- ses; Bemuͤhet euch/ mein Oheim/ etwa durch Fuͤrst Phraortes oder sonst einen andern meiner Fraͤulein Hulde zuerlangen/ weil kein Mensch in der Welt lebet/ umb dessen Wil- len wir unser verlobetes Fraͤulein und Koͤnigl. Braut zu unwillen reizen werden. Volo- geses wahr ein uͤberaus stolzer Mañ/ und dem Fraͤulein ohndaß sehr auffsetzig/ weil er ihm die Hoffnung gemacht hatte/ der Koͤnig solte seiner Tochter die Koͤnigl. Kron auffgesezt haben; als er nun vernam/ daß er noch bey ihr als einer gefangenen umb Gnade anhalten solte/ antwortete er dem Koͤnige: Ich bitte untertaͤhnigst/ ihre Koͤnigl. Hocheit wolle eines gebohrnen Parthischen Fuͤrsten und Koͤniglichen Blutverwanten Wirde und Ansehen allergnaͤdigst betrachten/ dann ich wil/ als mein getraͤuer Diener/ lieber ehrlich sterben/ als spoͤtlich leben; sprang mit dem Worte zur Buͤhne hinunter/ uñ mit seinem Seitengewehr uͤberlieff er Herkules/ der Meinung ihm den Kopf zuspalten/ haͤtte auch ohnzweiffel seinen Vor- Vierdes Buch. Vorsaz ins Werk gerichtet/ wann nicht Herkules ihm außgewichen waͤhre. Ladisla ward dessen inne/ drang durch die Zuseher hin/ und fassete sein Schwert zur Faust/ in willens sei- nen Herkules zueutsetzen/ welchen Vologeses annoch verfolgete/ und einen Hieb fuͤhrete damit er ihm das Haͤupt abschlagen wolte/ der im weichen außglitschete/ und langs hin auf den Ruͤcken fiel. Dazumahl wahr Ladisla nicht weit mehr von ihm/ meinete nicht anders/ als sein allerliebster Freund laͤge Tod auff dem Plaze/ deßwegen er als ein wahnsinniger Vologeses anrieff; Ey du meinaͤidiger Schelm/ uͤberfaͤllestu einen wehrlosen Ritter so buͤbischer Weise; rante noch immer zu ihm hin/ in Meinung/ ihn niderzuhauen; aber das Fraͤulein kam ihm zuvor/ fassete den Bogen/ und mit einem verguͤldeten Pfeil durch bore- te sie dem Meuchelmoͤrder das Haͤupt/ daß er ungeredet zur Erden fiel/ und mit Haͤnden uñ Fuͤssen zappelte/ auch bald darauff verschied; Als er aber niderstuͤrzete/ uñ ihm dz Schweꝛt aus der Hand fiel/ traff es Herkules/ und verwundete ihn am Halse zwar gar ein wenig/ aber so nahe bey der Luftroͤhre/ daß wo es eines Halmes breit naͤher kommen/ er ohnzweifel des todes haͤtte sein muͤssen. Der Koͤnig hoͤrete den Pfeil zischen/ und sahe zugleich Vo- logeses niderfallen/ dessen er hoͤchlich erschrak. Herkules abeꝛ machte sich bald von der Er- den auff/ und lieff ihm das Blut auff der Seiten nider/ ging hin zu Ladisla/ und hieß ihn/ sich geschwinde hinweg machen/ damit er aus Gefahr und Gefaͤngnis bliebe; welches er in acht nam/ und seine Herberge suchete. Inzwischen erhub sich ein neuer Lermen; dann das Fraͤulein hatte ihren liebsten Herkules bluten sehen/ da er auffgestanden wahr/ meine- te auch nicht anders/ er wuͤrde toͤdlich verwundet seyn/ woruͤber sie in eine harte Ohmacht unter ihres Frauenzimmers Haͤnden nidersank; welches der Koͤnig ersehend/ zu Phraor- tes sagete: Bald schauet zu/ mein Fuͤrst/ was dem Fraͤulein wiederfahren sey/ und ob sie noch lebe; im wiedrigen werden wir grausame Straffen ergehen lassen. Herkules sahe und hoͤrete alles mit an/ zweiffelte nicht/ es wuͤrde sein Blut dieses unfalles Ursach seyn/ deßwegen er zu Phraortes in geheim sagete: Versichert sie/ dz ich nur gar ein wenig durch die blosse Haut verwundet bin. Wol wol/ antwortete der Groß Fuͤrst; machet ihr euch a- ber bald aus dem Staube/ umb weiteres Ungluͤk zuverhuͤten. Hiemit ging Phraortes schleunigst fort/ den Koͤniglichen Befehl zuverrichten; er aber stahl sich mit Tyriotes heim- lich hinweg/ und ließ Pferd/ Harnisch nnd Schwert im stiche/ welches ihm doch Gallus bald nach brachte. So bald das Fraͤulein/ die sich wieder erhohlet hatte/ Phraortes auff dem Gange vor sich stehen sahe/ sagte sie auff Griechisch zu ihm: Ach mein Vater/ bin ich Tod oder lebendig? Lebendig/ lebendig/ und mit dem geliebeten gesund/ ohn daß er ein ge- ringes Schramwuͤndichen von dem nidergefallenen Schwerte am Halse bekommen/ ist auch schon in guter sicherheit. Ey wol an/ sagte sie/ so ergehe es ferner nach Gottes Verse- hung; saget aber meinem Koͤnige/ da meinem Diener einige Gewalt wiederrechtlicher Weise solte angetahn werdẽ/ wil ich mich von diesem Gange hinunter stuͤrzen. Gebet euch zu frieden/ sagte Phraortes/ es wird alles gut werden; ging auch fort hin/ dem Koͤnige be- richt einzubringen/ der sich hoch erfreuete/ da er das Fraͤulein auffrecht stehen/ und sich sehr tieff gegen ihn neigen sahe; ward auch von Phraortes auffs neue erquicket/ als dersel- be ihm der Fraͤulein Gruß und Liebe (viel anders als er befehlichet wahr) anmeldete/ und wie sie/ der volstrecketen Rache halben/ untertaͤhnigste verzeihung bitten liesse/ welche bloß allein Vierdes Buch. allein zur erhaltung ihres Koͤniges Hocheit von ihr vorgenommen waͤhre/ vor dessen Ge- genwart sich der Gewalttaͤhter nicht gescheuhet haͤtte/ dero eigenen ritterlichen Diener moͤrdlich ohn alle Ursach zu uͤberfallen; wolte auch ihre Koͤnigl. Hocheit wolmeintlich in aller untertaͤhnigkeit erinnert haben/ dergleichen freveltahten nimmermehr zugedulden/ weil dieselbe dadurch zum allerhoͤchsten beschimpfet wuͤrde. Worauff der Koͤnig der abge- schikten Jungfer befahl/ sie solte dem Fraͤulein Koͤnigliche beharliche Gnade und Liebe an- melden/ und daß sie allen unmuht sinken liesse; wegen der veruͤbeten billichen Rache verzei- hung zu bitten/ waͤhre ein uͤberfluß/ und haͤtte er hundert Oheime und Soͤhne/ die ihm sol- chen Frevel erwiesen/ muͤsten sie es alle mit dem Leben bezahlen; ihren Diener Valikules betreffend/ solte derselbe sich entweder ihrer Gnade oder Straffe unterwerffen/ je doch wolte er vor ihn bitten/ weil er unschuldig/ und zu diesem Kampf bey den Haaren gezogen waͤhre. Das Fraͤulein wahr der genehmen Antwort froh/ weil sie hiedurch Gelegenheit bekam/ sich an ihres Herkules Gegenwart zuergetzen/ ohn einiges nachdenken ihrer getah- nen Verheissung. Er aber ließ sich schleunig verbinden/ uñ weil ihm Phraortes botschaft raht/ ging er mit dem Seitengewehr hin/ gleich da der Koͤnig auffsitzen/ und nach seinem Schlosse fahren wolte/ der ihn also anredete: Bald gehe hin mit Fuͤrst Phraortes/ die Ur- tel von dem Fraͤulein zu empfahen/ und da sie dir Gnade erzeigen wird/ hastu es unser Voꝛ- bitte zu danken. Herkules fiel mit hoͤchster Danksagung vor ihm nider/ und gedachte in seinem Herzen/ diese Urtel wird mir noch wol zuertragen seyn; verfuͤgete sich auch als bald mit Phraortes nach der Fraͤulein Gemach/ da sie wegen des Frauenzimmers gegenwart ihn mit ertichteten zornigen Augen ansahe/ und er sich grosses schreckens annam/ auch den Groß Fuͤrsten und die Anwesenden des Frauenzim̃ers hoͤchlich bat/ eine Vorbitte vor ihn einzulegen; da die abgeschikte/ welche schon Bericht getahn hatte/ wieder hervor trat/ und sie der Vorbitte ihres Koͤniges erinnerte. Worauff sie zu Herkules sagete: Ihr solt mei- nes allergnaͤdigsten Koͤniges Vorbitte genissen/ sonst wahr ich willens/ euch diesen Pfeil ins Herz zuschiessen. Er kniete vor ihr nider/ kuͤssete ihres rockes Saum/ und bedankete sichder erteileten Gnade/ vorwendend/ die einige Ursach seines Kampfes waͤhre seines weiland allergnaͤdigsten Koͤniges verachtung/ dessen Ehre zu raͤchen er nicht umbgang ha- ben koͤnnen/ wolte auch diese Stunde lieber sterben/ als dessen Schmaͤhung anhoͤren. Daꝛ- auff trat Phraortes mit dem Frauenzimmer hinaus; Herkules aber richtete sich bald auf/ und an stat er des Rockes Saum gekuͤsset hatte/ ward ihm anjezt des Mundes Saum/ die korallen-rohte Lippen willig gegoͤñet/ wo durch er uͤbernom̃en/ gleich da sie ihm seine Wun- de besichtigte/ er sie also anredete: Mein allerwertester Schaz/ und einziger vorwurff aller meiner ehrlichen liebes Begierden; traget ihr so grosses Mitleiden mit diesem geringen Wuͤndichen/ dessen ich nicht eins empfinde? Lieber verbindet mir ohn ferneres wegern die tieffe unleidliche Herzen-Wunde/ welche ihr mit dem Pfeil eurer unvergleichlichen schoͤn- heit mir gemachet/ uñ betrachtet/ bitte ich/ daß unsere Liebe nichts ungebuͤhrliches vorneh- men kan/ sintemahl unsere Ehe vor Gott geschlossen ist; solte dann diese meine herzliche Bitte noch nicht haften koͤnnen/ so erinnere ich mein Engelchen der heut fruͤh getahnen Verheissung/ daß auff meine erste Wiederkunft auff dieses Gemach/ mir mein eheliches Ansuchen solte eingewilliget und zugelassen seyn. Das liebe Fraͤulein ward mit einer star- ken Vierdes Buch. ken Roͤhte uͤberfallen/ dann sie empfand sein inbruͤnstiges Ansuchen/ welches sie noch vor- dißmahl abzuwenden willens wahr/ und fiel ihr doch unmoͤglich/ ihm hart einzureden/ ant- worte ihm deswegen also: O meiner Seelen einige Wollust/ lasset uns dem Allerhoͤchsten danken vor die Gnade/ die uns heut durch seinen Schuz begegnet ist/ und versichert euch hernach/ dz ich mich euch allerdinge zu ehren verpflichtet halte/ ihr auch durch eure getraͤue Nachfolge umb mich wol verdienet/ euch in zuͤchtiger ehelicher Liebe als mein Gemahl an- zunehmen; aber ich bitte euch hoͤchlich/ måssiget vor dißmahl noch eure Begierden/ uñ wie ihr aller eurer Feinde uͤberwinder seyd/ also uͤberwindet euch selbst; Ihr/ ob Gott wil/ und sonst kein ander Mensch sol dessen geniessen/ was euch schon in kindlichen Jahren verspro- chen ist/ nur/ ist es moͤglich/ so lasset ein kurzes auffschieben euch nicht zuwideꝛ seyn. Ach mei- ne innige Freude/ antwortete er/ vielleicht moͤchte Ungluͤk unsere Beywohnung noch laͤn- ger verhindern/ als wir wissen oder hoffen/ und werde ich nicht so bald wieder Gelegenheit haben/ mich bey meinem Schatze anzufinden/ zugeschweigen/ daß sie an allen ihren Verheis- sungen mich wuͤrde zweifeln machen/ wann bey der geschehenen ich einen blossen schlagen solte/ und mag sie wol trauen/ daß dz gar zuhefftige Liebesfeur mich endlich durch ihre Glut gar verzehren moͤchte; bedenket es demnach/ daß die Ehe ein Christliches Werk/ und ein von Gott selbst eingesetzeter Stand ist/ darzu wir zwar durch einen Kirchen Lehrer solten eingesegnet werden; weil aber solches an diesem Orte nicht geschehen kan/ wollen wir mit einem andaͤchtigen Gebeht umb Gluͤk und Segen bey unserm Gott anhalten/ und in Got- tes Nahmen unsere Ehe vollstrecken. Das Fraͤulein sahe schamhafftig vor sich nideꝛ/ sagte/ daß ihr unmoͤglich waͤhre/ seinen Zweifelmuht laͤnger zudulden koͤnnen/ haͤtte zwar seines vorhabens Auffschub gerne gesehen/ biß auff seine gluͤkliche Wiederkunft; weil sie aber ihm als ihrem Ehemahl zugehorsamen schuldig/ wolte sie in aller gebuͤhrlichen Zucht sich ihm hiemit ergeben; traten mit einander vor den Tisch/ und gelobeten auffs neue/ in Liebe und Leid einer den andern nicht zuverlassen/ sondern von diesem Tage an ihre Ehe geschlossen zu halten; Vollzogen also ihre Ehestifftung in Gottesfurcht/ und verblieben drey Stunden in dieser Ergezligkeit bey einander/ so daß sie meyneten/ alles ihr ausgestandenes Leid und Un- gemach waͤhre schon gnug ersetzet. Als nun die Zeit des scheidens herzu nahete/ redete ihn das Fraͤulein also an: Mein herzallerliebster Herr und Gemahl/ nachdem euch nicht ge- faͤllig gewesen ist/ eure Braut aus diesem Gefaͤngniß zufuͤhrẽ/ werdet ihr nicht unterlassen/ euer Gemahl/ erster Moͤgligkeit nach/ zuhohlen; dann Gott ist mein Zeuge/ daß bloß allein/ eures Zweifels/ und der Liebes-Angst euch zubenehmen/ ich in eheliche Vollstreckung einge- williget habe/ damit die furcht/ als wuͤrde ich mich durch Artabanus Schenkungen blen- den und verfuͤhren lassen/ euer Herz allerdinge verlassen moͤge. So wil ich nun diesen A- bend meine rechtgemeinte Schreiben nach Padua und Prag auffsetzen/ die falschen aber vor Morgen nicht verfertigen/ ob hiedurch Gelegenheit fallen koͤnte/ euch noch eins zuspre- chen. Unserm verliebeten Herkules gefiel der Anschlag nicht uͤbel/ nam herzfreundlichen Abscheid/ und in gegenwart des Frauenzimmers sagete er zu Phraortes: Nachdem vor dißmahl von meinem Gn. Frl. ich nicht allein voͤllige erlassung meines Fehlers/ sondern auch zimlichen Unterricht eingenommen habe/ was zu Prage sol bestellet werden/ haben Ihre Durchl. deswegen nicht laͤnger zuwarten. Es ist mir lieb/ sagte der Groß Fuͤrst/ dann C c c c c ich Vierdes Buch. ich mir anfangs die Gedanken machte/ das Fraͤulein wuͤrde euch den Pfeil durchs Herz schiessen/ mit so feindlichen Augen empfing sie euch. Sie hat sich Gott Lob ganz geendert/ antwortete er/ mit gnaͤdigem versprechen/ mir stets gewogen zuverbleiben/ nach dem Ihrer Gn. ich vollkommenen Bericht hinterbracht habe. Also gingen sie mit einander davon/ der Groß Fuͤrst nach dem Schlosse/ Herkules aber wolgemuht nach seinem Ladisla/ dem er vermeldete/ er haͤtte seinem Fraͤulein teur versprochen/ inwendig halben Jahres frist sie aus dem scheinbaren Gefaͤngniß loßzumachen. Koͤnig Artabanus wahr inzwischen we- gen des Unfalls seines Oheims Vologeses nicht wenig betruͤbet/ weil er aber sahe/ daß ihm recht geschehen wahr/ und er solche Straffe durch den moͤrdlichen uͤberfall wol verdienet hatte/ schlug ers aus dem Sinne/ und fragete bey dem Abendmahl/ warumb Valikules nit auffwartete/ und ob er bey dem Fraͤulein voͤllige Verzeihung erlanget. Da ihn Phraortes berichtete/ er waͤhre wegen empfangener Wunde etwas unpaß/ haͤtte auch wegen der mor- genden Reise zubestellen/ sonst haͤtte anfangs wenig gefehlet/ daß er von dem Fraͤulein auf dem Gemache erschossen waͤhre; so bald sie aber Ihrer Koͤnigl. Hocheit vorbitte und gnaͤ- digstes begehren verstanden/ und Valikules zugleich versprochen/ keinen Streit hinfuͤro ohn ihre ausdruͤkliche Verguͤnstigung anzutreten/ waͤhre ihm Verzeihung erteilet wordẽ. Artabanus verwunderte sich des uͤberaus grossen und unerschrockenen Gemuͤhts/ welches dem Fraͤulein beywohnete/ und sagete: Er wuͤste nicht/ ob etwas goͤttliches in ihr verborgẽ waͤhre/ weil alles ihr so trefflich anstuͤnde/ und jeder/ der sie faͤhe/ sie zugleich fuͤrchten/ lieben und ehren muͤste. Hernach redete er von Valikules ritterlichem Kampffe/ und daß er seiner Dienste in Beschuͤtzung seines Koͤniglichen Stuels wol zugebrauchen hoffete/ befahl end- lich/ Phraortes solte ihn morgen zeitig fruͤh mit sich bringen/ damit er des folgenden Tages hernach/ die Reise fortsetzen koͤnte. Nach gehaltenem Mahle/ da sie kaum vom essen auffge- standen wahren/ berichtete Phraortes Leibknabe ingeheim/ es waͤhren Schreiben von Herꝛ Pharnabazus ankommen/ welche er alsbald zu sich nam/ und nach Verlesung sich nach Herkules Herberge begab/ welcher samt Ladista ihn freundlich empfing/ und leicht schlies- sen kunte/ es muͤsten wichtige Sachen obhanden seyn/ die den Groß Fuͤrsten bey spaͤtem A- bend nach ihrer Herberge trieben. Derselbe aber stellete sich froͤlich/ und fing an mit Her- kules zuscherzen/ da er zu ihm sagte: Mein geliebter Herꝛ Sohn/ ich moͤchte wuͤnschen/ daß Eure Liebe so frisch und geherzt bey ihrem Fraͤulein fich zuhalten wüste/ als dieselbe sich heut im Kampff erwiesen; als viel aber seine Geberden anzeigen/ deucht mich/ er gehe trauriger von ihr/ als er zu ihr trit/ ohn heut muste er gewißlich eine sonderliche Gunst auf vorherge- henden ertichteten Zorn erhalten haben. Mein Herr Vater hat nit viel geirret/ antwortete er/ dann ich gestehe/ daß durch ihr heutiges versprechen ich nunmehr unser kuͤnfftigen Ehe mehr dann zuvor versichert bin/ und fehlet an nichts mehr/ als an Gelegenheit/ sie von hiñen zufuͤhren/ welche auszusinnen ich mit allen Kraͤfften mich bemuͤhen wil/ nachdem ich aus des Koͤniges Reden und allen beginnen gnug abnehme/ daß mit willen sie zuverlassen er nit wird zubewaͤgen seyn. Der Groß Fuͤrst befand dieses zu seinem Vorhaben sehr dienlich/ uñ gab zur Antwort: Ihr meine allerliebsten Freunde/ ob ich gleich sie nicht gerne mißtroͤsten wolte/ kan ich doch versichert bejahen/ daß Artabanus lieber sein Leben/ als das Fraͤulein verlieren wird; dann so offt ich von ihr komme/ fodert er mich allein vor sich/ uñ fraget nach allen Vierdes Buch. allen ihren Geberden und Reden/ auch/ ob sie sein eingedenke sey/ und einige Liebe und Huld merken lasse; ja er laͤsset sich ungescheuhet vernehmen/ es moͤchte ihm unmoͤglich fallen/ sein Feur noch ein ganzes Jahr zuunterdruͤcken/ aus furcht/ es werde sein innerstes Mark ver- zehren/ dessen er doch wenig mehr uͤbrig hat/ vermeynet also durch Geschenke sie zubewaͤgẽ/ ihr Geluͤbde zubrechen/ und in zeitigere Heyraht einzuwilligen. Zwar ich weiß/ wie man ihm den Safft durchs Maul streichen/ und nach Willen reden muß/ da man in Gnaden bleiben wil/ daher ich ihm das Maul weidlich auffsperre/ wie inbruͤnstige Liebe sie zu ihm trage; wie fleissig sie seinem Wolergehen nachfrage; beklage selbst/ daß das gar zu harte Geluͤbde sie hindere/ ihm den schuldigen Willen in der Taht darzulegen/ hoffe aber/ er wer- de an ihrem Untergange und Verderben keinen Gefallen tragen/ welches doch unvermeid- lich folgen muͤste/ da ihr vor verlauffener Zeit ichtwas dergleichen solte zugemuhtet werdẽ. Solches und dergleichen habe ich diese Tage vielfaͤltig mit ihm geredet/ daß endlich ich die- se Frage an ihn abgehen ließ: Wann ihre Verwanten etwa umb ihre Erloͤsung anhalten wuͤrden/ ob er sie wuͤrde koͤnnen abfolgen lassen? woruͤber er sich hefftig erzuͤrnete/ und mit scheußlichem Angesicht antwortete: Sein Leben und das Fraͤulein waͤren ihm gleiche lieb/ wolte auch ehe mit ihr einsam/ als ohn sie ein maͤchtiger Koͤnig aller Morgenlaͤnder seyn. Woraus meine Freunde und Herren Soͤhne ermaͤssen koͤnnen/ wessen sie sich zu seinem guten Willen zuversehen haben. Hernach zeigete er an/ was gestalt Fuͤrst Vologeses der aͤlter von Herkules offentlich uͤber Tische gesagt haͤtte/ es lege unter einer schlechten Decke etwas verborgen/ welches grosses Gluͤk oder hartes Ungluͤk bringen wuͤrde. Sonst haͤtte der Koͤnig befohlen/ fleissige Nachfrage zutuhn/ wer auff den juͤngeren Vologeses mit blos- sem Degen so unerschrocken zugelauffen waͤhre/ und sich nicht gescheuhethåtte/ einen so ge- waltigen Fuͤrsten anzuruffen; welches ihm aber kein Mensch anzeigen koͤnnen. Nun so wird ers auch noch zur Zeit nicht erfahren/ sagte Ladisla; Daß aber mein Herkules mit Aꝛ- tabanus gutem Willen meine Frl. Schwester nicht uͤberkommen werde/ habe ich mir lan- ge schon die Rechnung gemacht; solte sie aber ja auff keine andere weise koͤñen gerettet weꝛ- den/ werde ich zum wenigsten mittel finden/ ihm den Hals zubrechen/ es gehe hernach umb mich/ wie Gott wil; dann ich habe bey mir selbst einen aͤid geschworen/ daß ich sie ihm zum Gemahl nicht goͤnnen wolle. Richt so mein Bruder/ sagte Herkules/ du solt dich nicht in gewisses Verderben stuͤrzen/ sondern wir wollen ohn Lebensgefahr gluͤklichen fortgang hof- fen/ habe auch an dem Koͤnige schon so viel gespuͤret/ daß er aͤussersten Gewalt ihr nicht auf- dringen werde/ und da ers taͤhte/ wuͤrde sie ihn gewißlich des Lebens berauben. Aber mein Herr Vater/ sagte er zu Phraortes/ wolle uns/ bitte ich/ anzeigen/ warumb dessen Liebe bey so spaͤtem Abend uns in diesem schlechten Hause zubesuchen wirdiget/ wovor wir demselben verbunden bleiben. Ihr meine Herren Soͤhne/ antwortete er/ die ursach meines unzeitigen besuchens ist eine sehr vertrauliche Heimligkeit/ den Zustand aller dieser Morgenlaͤnder uñ deren Wolfahrt betreffend/ die ich ihnen zuoffenbahren keinen scheuh trage/ tuhe solches auch nicht allein aus eigener Bewaͤgung/ sondern habe dessen Vollmacht und Befehl von den maͤchtigsten Fuͤrsten dieser Morgenlaͤnder; Erzaͤhlete ihnen demnach/ was gestalt etli- che Fuͤrsten eine bestaͤndige Verbuͤndniß unter sich auffgerichtet haͤtten/ des gaͤnzlichen vorhabens/ das unleidliche Parthische Joch abzuwerffen/ und die Persische uhralte Her- C c c c c ij schafft Vierdes Buch. schafft auff den alten Fuß zusetzen; dann es haͤtten die Arsazier ihren wuͤterischen Hoch- muht lange gnug getrieben/ uñ koͤnten andere nicht mehr leiden/ daß sie als leibeigene Die- ner solten gedruͤcket werden/ und zwar von denen/ welche vor diesem nicht wirdig geachtet worden/ in ihre Geselschaft zutreten. Dieser Behuef wuͤrde anjezt eine gewaltige Kriegs- ruͤstung angestellet/ welches dann so heimlich nicht geschehen moͤgen/ dz nicht etliche Ver- raͤhter es dem Koͤnige hinterbracht/ er auch selbst deswegen von dem Koͤnige herzu gefo- dert waͤhre. Nun haͤtte er sich zwar in den Bund begeben/ aber auff so verborgene weise/ daß niemand/ ohn ihr Haͤupt/ und Herr Pharnabazus Wissenschafft davon haͤtten/ und weil er versichert waͤhre/ daß der Koͤnig ausser blossem Argwohn von ihm nichts wissen koͤnte/ haͤtte er sich nicht gewegert/ anher zukommen. Jedoch seumete sich der Koͤnig auch nicht/ sondern stellete hin und wieder/ auch im Roͤmischen Gebiete/ Werbungen an/ weil er ausser seinen Parthen/ anderen Untertahnen wenig trauete; man achtete dessen aber we- nig/ massen die Verfassung an ihrer seite schon dergestalt beschaffen waͤhre/ daß man der Macht des Koͤniges gnug begegnen koͤnte. Daß er nun zu seinem Vorhaben gelangete/ so haͤtte er ein Schreiben von Herr Pharnabazus gleich jetzo bekommen/ woraus die ursach seiner Ankunfft leicht zuerkeñen waͤhre; gab ihnen solches zulesen/ und lautete dasselbe also: Dem Durchleuchtigsten/ Großmaͤchtigen Fuͤrsten und Herrn/ Herrn Phraortes/ Groß Fuͤrsten in Meden/ ꝛc. entbeut Pharnabazus seinen Gruß/ und naͤhst anmeldung untertaͤhniger Dienste/ ver- haͤlt seiner Durchl. er nicht/ was massen von bewustem er zu schreiben befehlichet ist/ daß nunmehr die Zeit/ unsichtbar zuseyn/ verflossen/ und der Fuchs zum Loche aus muß/ nachdem mahl etliche/ wiewol nidriges Standes abtruͤnnige/ denen das Haͤuptwerk unbekant/ an gegen seiten so viel anzeige ge- tahn/ daß der Wuͤterich sein bevorstehendes Ungluͤk merket; Nun wird Eure Durchl. des verspre- chens K. Ladisla und GF. Herkules sich annoch wol erinnern/ welches unserm Haͤupte ich vertraulich hinterbracht/ und er dessen hoch erfreuet ist/ uͤbersendet auch hoͤchstgedachten Herren etliche Kleinot/ freundlich bittend/ solche als ein Zeichen eines begierigen Willens anzunehmen/ und dafern es denen an ihrem hochloͤblichen Vorhaben nicht hinderlich/ neben Euer Durchl. ehist heruͤber zukommen/ da- mit algemeiner Kriegs Raht gehalten/ und dem Werke ein gluͤklicher Anfang gemacht werden moͤge; hingegen erbeut man sich/ hoͤchstgedachter Herren Vorhaben nicht minder als das Hauptwerk selbst zubefodern/ erwartend ehist Eurer Durchll. ingesamt/ genehme Ankunfft/ etc. Ladisla nam mit Herkules einen kurzen Abtrit/ und sagte zu ihm: Geliebter Bruder/ Gott wird uns gewißlich in unserm Vorhaben behuͤlfflich seyn/ und deucht mich/ wiꝛ muͤs- sen diese gute Gelegenheit mit bey den Haͤnden ergreiffen/ nachdem wir ohn zweifel eines Schutzes werden noͤhtig haben/ auff den wir uns zihen koͤnnen. Ich bin deß mit dir eins/ antwortete Herkules/ aber dieser Fuͤrsten Huͤlffe wird das Fraͤulein nit aus dem Schlos- se bringen/ dann es gehoͤret zu viel darzu/ einen solchen maͤchtigẽ Koͤnig aus seinem Stuel zuheben/ und diesen unuͤberwindlichen Ort einzunehmen/ welcher umb der herumligenden Berge willen von wenig Menschen kan geschützet werden; und meynestu/ Artabanus weꝛ- de den Feind biß an die Stadmauren kommen lassen? sihestu nicht/ wie allerhand Vorraht nicht allein an Wehr und Waffen/ sondern auch an Speisen und andern noͤhtigen Sachẽ herein geschaffet wird/ daß man kaum Raum hat auff den Gassen zugehen? Ja wer zwei- selt/ daß er nicht ehist sein Kriegs Heer/ etliche hundert tausend stark/ in Feindes Land fuͤh- ren solte? uͤberdas moͤchte ich diesen Koͤnig nicht gerne bekriegen helffen/ in betrachtung/ er mein Fraͤulein so hoch ehret und liebet/ sondern bin willens/ vorerst gelegenheit zusuchẽ/ sie Vierdes Buch. sie in guͤte an ihn zufodern; versaget er mir sie dann/ wil ich schon wissen/ mich darnach zu richten. Gingen darauff wieder zu dem Groß Fuͤrsten/ und erklaͤreten sich/ sie eriñerten sich billich/ wie hoch sie ihm und Pharnabazus verpflichtet waͤhren/ wolten ihnen demnach sich zu aller Moͤgligkeit/ wie schlecht die auch seyn moͤchte verbunden haben; daß sie aber der Hochfuͤrstl. Verbuͤndniß sich pflicht-schuldig machen/ oder einige gewisse Dienste anneh- men solten/ wuͤrde ihnen/ wie anfangs erwaͤhnet/ nicht tuhnlich seyn/ doch mit aͤiden der Traͤuheit sich belegen zulassen/ wegerten sie sich nicht/ wolten auch dem begehren nach/ mit gen Persepolis reisen/ mit dem aus druͤklichen Vorbehalt/ dz geschehenem verheissen nach/ ihnen allemahl freyer Abscheid mit gutem Willen solte zugelassen seyn. Phraortes wahr mit dieser Erklaͤrung wol zufriedẽ/ uñ reichete ihnen die uͤbergefchikten Kleinot ein/ die sich auff zwo Tonnen Schatz belieffen/ und sie die selben wider ihren Willen annehmen musten; beredeten sich eines Schlusses/ und schieden zimlich spaͤte von einander. Des Morgens sehr fruͤh/ vor der Sonnen Auffgang/ zeigete Herkules seinem Ladisla auff dem Lager an/ er befuͤnde ihr vorhaben uͤber dir masse verwirret/ und/ welches noch dz schlim̃este/ langer Zeit beduͤrftig; man wolte erst nach Persepolis reisen/ von darab dz Frl. von Artabanus guͤtlich begehrẽ/ seiner antwort erwartẽ; auf den fall der verwegeꝛung (welches gewiß erfolgẽ wuͤr- de) sie zum andernmale ernstlich und unter bedraͤuung fodern/ dem Koͤnige absagen uñ ihm in sein Land fallen/ da man wol eine uñ andere Feldschlacht wuͤrde zu halten haben (dañ also hatten sie es des vorigen Abends abgeredet); da moͤchte er nun bedenken/ was vor Zeit dar- zu gehoͤren wuͤrde/ in betrachtung daß Persepolis in die 70 Meile von Charas ablaͤge/ und die Botschaft nicht hin und her fliegen koͤnten. Unmoͤglich aber waͤhre es ihm/ der Fraͤu- lein Erloͤsung so lange auffzuschie ben; dann seine allergroͤsseste Furcht waͤhre/ es moͤchte der Koͤnig aus liebes Ungeduld dem Fraͤulein die versprochene Zeit nicht goͤnnen/ wie er dann außdruͤklich in Boͤhmen durch sehr grosse Gelder solches von der Vesten Pfaffen zuerkaͤuffen/ den Vorsaz haͤtte/ und das Fraͤulein nohtwendig einwilligen muͤste; hierauff trug er ihm seine Meinung vor/ welche ihm Ladisla wolgefallen ließ; ging hernach mit des tages Anbruch nach Phraortes/ und muste inzwischen Ladisla ein Anfoderungs Schreibẽ an den Koͤnig/ und eines an das Fꝛaͤulein auffsetzen/ als wañ sie schon vor 12 tagen geschrie- ben waͤhren. So bald Herkules bey dem Groß Fuͤrsten anlangete/ erzaͤhlete er ihm umb- staͤndig/ was vor hindernissen ihm ein fallen koͤnten/ welche ihn gewißlichen der Zeit/ sein Fraͤulein zuerloͤsen/ berauben wuͤrden/ und ließ ihn wissen/ was gestalt sein Bruder Ladisla gleich jezt ein Anfoderungs Schreiben/ als zu Persepolis geschrieben/ auffsetzete/ welches sein Plautus als ein Abgesanter/ geliebts Gott/ Morgen nach seinem Abzuge dem Koͤni- ge einliefern/ und umb schleunigste Antwort anhalten solte/ demselben moͤchte er nun von seinen Reutern einen oder etliche zugeben/ die ihn des naͤhesten Weges nach Persepolis braͤchten/ also koͤnten sie fast einen ganzen Monat Zeit gewinnen. Sehr wol getahn/ sagte Phraortes/ und werden wir geftrigem Koͤniglichen Befehl nach/ uns alsbald nach Hofe machen. Als sie sich daselbst einstelleten/ wurden sie alsbald vorgefodert/ und sagteder Koͤ- nig zu Herkules: Mein/ wie befindestu dich sider gestrigem Kampfe? wir meinen nicht/ daß ein so maͤchtiger Feind dir jemahls wie derstand gehalten habe/ loben aber deine Herzhaf- tigkeit/ und dz du einer so vortreflichen Fraͤulein Diener zuseyn/ dich wirdig erzeiget hast. C c c c c iij Aller- Vierdes Buch. Allergroßmaͤchtigster Koͤnig/ antwortete er/ bey meinem Feinde wahr mehr rasichte wuht als herzhafte Staͤrke; es tuht mir aber herzlich leid/ daß der teure Fuͤrst Vologeses mich durch unbefugten eure Koͤnigl. Hocheit hochverletzenden Eifer uͤberfallen/ und daruͤber sein Leben etngebuͤsset hat/ bitte alleruntertaͤhnigst/ mir solches nicht zuzurechnen; erkenne mich sonst viel zu unwirdig ihrer Koͤnigl. Hocheit/ und dero Durchleuchtigsten Fraͤulein Knecht und Diener genennet zu werden. Im uͤbrigen bin ich bereit und fertig/ auff aller- gnaͤdigsten Befehl die Reise nach Prag fortzusetzen/ so bald das Koͤnigl. Fraͤulein ihre Schreiben wird verfertiget/ und was muͤndlich sol bestellet werden/ mir in einem Gedenk- zettel zugestellet haben. Er hatte dieses kaum außgeredet/ da vermeldete ein Trabant/ es waͤhre eine Jungfer aus der Koͤnigl. Fraͤulein Zim̃er/ die begehrete ihre Koͤnigl. Hocheit zu sprechen. Sie ward alsbald vorgelassen/ und brachte dieses vor: Ihre Koͤnigl. Hocheit wird von meinem Gn. Fraͤulein untertaͤhnigst gegruͤsset/ laͤsset nochmahl umb gnaͤdigste verzeihung wegen der an Fuͤrst Vologe ses begangenen Taht anhalten/ und zugleich de- muͤhtigst bitten/ deßwegen auff ihren Diener Valikules keine Ungnade zulegen/ nachdem sie verstanden/ daß ihres ruhmwirdigsten Herr Vaters Koͤnigliche Ehr nicht anders/ als durch solchen Kampf hat koͤnnen gerettet werden. So haͤtte sie ferner gestriges tages mit ihrem Diener wegen der vorgenommenen Reise gerne voͤllige Abrede genommen/ waͤhre aber durch gemuͤhts Verwirrung sehr gehindert worden/ welches doch/ da ihrer Koͤnigl. Hocheit es gefaͤllig diesen Morgen in wenig Stunden koͤnte verrichtet werden. Der Koͤ- nig gab zur Antwort: Gehet hin/ und neben anmeldung unser Gnade und Hulde/ vermel- det unserm unvergleichlichen Schatze/ sie habe verzeihung zu begehren keine Ursach/ weil sie nichts verbrochen/ sondern an unser stat die Rache veruͤbet hat/ werdẽ auch ihrem Die- ner keine Ungnade zu legen/ welcher alsbald mit gehen sol/ die Schreiben zu empfahen/ und satten/ so Schrift-als muͤndlichẽ Unterricht seiner kuͤnftigen Verrichtung einzuneh- men. Und hoͤrestu es Valikules? mache dich geschwinde hin zu unser geliebeten deiner gnaͤdigsten Fraͤulein/ daselbst gib wol acht was dir anbefohlen wird/ und halte dich ihrem Willen allerdinge gemaͤß; damit auch nichts aus Eile vergessen werde/ so bleibe auf ihrem Schlosse/ halte daselbst Mahlzeit/ und nach verrichtung/ mache dich fertig zum morgendẽ Auffbruch. Herkules gedachte in seinem Herzen; angenehmer Befehlkan mir nicht auff- getragen werden; neigete sich tieff/ und erboht sich nach aͤusserstem Vermoͤgen seinen Ge- horsam anzuwenden; redete kuͤrzlich mir dem Groß Fuͤrsten ab/ daß die gedachte Schrei- ben von Ladisla in beyder Nahmen unterschrieben/ versiegelt/ und Plautus zugestellet wuͤꝛ- den/ welcher mit seiner geringen Geselschaft aus einem andern Tohre reiten/ und Morgen zum Schloß Tohr wieder herein kommen solte/ seine Werbung gebuͤhrlich zuverrichten; machte sich alsbald darauff mit der abgeschikten Jungfer und einem Koͤniglichen Auff- warter nach der Fraͤulein Schlosse/ da ersein Gemahl in einer koͤstlichen Nacht Schaube bey dem Tische sitzend antraff/ gleich da sie das Schreiben versigelte/ welches sie an ihre Schwester Fr. Sophien zu Padua verfertiget hatte. Da sie nun ihren herzgeliebeten zu ihr hinein treten sahe/ uͤberging sie nicht eine geringe Scham/ deren sie doch durch freund- liches Gespraͤch bald entnommen ward/ da Herkules mit lieblichem umbfahen zu ihr sa- gete: Mein herzgeliebtes Gemahl/ ich stelle mich nach Artabanus Befehl gehorsamst ein/ mei- Vierdes Buch. meinem Seelen Schatze inbruͤnstig diesen ganzen Tag auffzudienen/ mit ihrem Frauen- zimmer Speise zunehmen/ und was zu Prag sol verrichtet werden/ wol zu fassen. Sie la- chete solcher Koͤniglichen Verguͤnstigung herzlich/ und sagete hernach: Ich bedanke mich gegen meinen allerteuresten Schaz und gebietenden Gemahl/ wegen der willigen einstel- lung/ und weil uns so viel Zeit vergoͤnnet ist/ werden wir uns desto besser zubedenken habẽ/ was verrichtet sol werden; inzwischen wird mein Gemahl die angestrichene Farbe able- gen/ damit vordißmahl zu guter lezt/ an meines herzergebenen Gemahls freundlichem An- gesichte ich mich ergetzen moͤge. Herkules wahr damit bald fertig/ goͤnneten ihrer ehelichen Liebe alle zuͤchtige Ergezligkeit/ und offenbahrete Herkules ihr alles/ betreffend die Fuͤrstl. Verbuͤndnis/ und was gestalt sie morgendes Tages nach seinem Abzuge an den Koͤnig solte begehret werden/ da er ihr des Briefes Inhalt wissen ließ/ und sie daruͤber hoch er- freuet ward/ so daß sie nicht unterlassen kunte/ zu ihm zu sagen; es waͤhre ihr herzlich lieb/ daß sie in sein eheliches Ansuchen eingewilliget haͤtte/ weil er dadurch zu solchen heilsamen Gedanken gebracht waͤhre/ ihre Erloͤsung zubeschleunigen. Als sie in solcher herzlichen er- gezligkeit sich befunden/ sagte sie weiter/ Gott moͤchte sie doch gnaͤdiglich bewahren/ daß nicht auff diese ihre innigliche und volkommene herzens Vergnuͤgung ein bitteres Un- gluͤk erfolgete/ wovor sie uͤber alle masse sich fuͤrchtete. Er aber troͤstete sie/ sie solte dem Al- lerhoͤchsten vertrauen/ der wuͤrde ihnen die Zuͤchtigung nicht uͤber ihr vermoͤgen aufflegẽ/ sondern mit ihnen es also schaffen/ daß sie es wuͤrden ertragen koͤnnen. Nachgehend zeige- te er an/ es solte Leches aufs geschwindeste fortreisen/ auff dessen Wiederkunft er doch nicht warten/ sondern zu rechter Zeit sich anfinden/ und dem Koͤnige aufbinden wolte/ wie er von des abtruͤnnigen Phraortes Leuten beraubet/ nur sein Leben gerettet haͤtte. Mir zweiffelt an eurer Treue nicht/ antwortete sie/ aber auff unsers Gottes Barmherzigkeit und Huͤlffe wil ich mich verlassen/ und ist mir lieb/ daß ihr eures Leches erwaͤhnet/ dann ich habe mich gegen seinen Vater hoch verpflichtet/ bitte demnach/ ihr wollet ihm die Handschrist wegẽ der Raͤuber nidergesetzeten Gelder mit geben/ daß er solche einfodere/ und mit uͤbernehme/ von welchem grossen Schatze ich ihm drey Tonnen Goldes verehren wil. Damit wird er seiner liebsten Libussen gar wilkom̃en seyn/ sagte er/ als mit welcher er sich zu Padua ehelich versprochen hat. Mit meiner alleliebesten Troͤsterin Libussen? antwortete sie: Ey so hat die- selbe noch meinem Willen folge geleistet/ welches sie trauen sol zugenissen haben; stund hie- mit auff und hohlete aus ihrem Schatze etliche Kleinot auff viel tausend Kronen wert/ welche ihr Leches zum Beuipfennige nebest den geschenketen Geldern mit bringen solte. Nach diesen fielen unterschiedliche beredungen vor/ und ward des Christlichen Glaubens nicht vergessen; dañ das Fraͤulein hatte ihr Glaubens Buͤchlein schon biß zum Ende durch gelesen/ wie auch die geschichte von erschaffung der Welt/ aus dem ersten Buch Mose/ und was sie nicht recht begreiffen kunte/ ließ sie sich von Herkules auslegen/ womit sie in die zwo Stunden zubrachten. Sie ließ aber nach angelegter Kleidung ihre Hoffmeisterin Fr. Sysigambis zu sich kommen/ und zeigete ihr an/ daß algemeiner Tisch solte gehalten werden/ und wuͤrde dieser ihr Diener nach Koͤniglichem Befehl mit ihnen Speise nehmẽ/ weil sie noch viel mit ihm abzureden haͤtte. Dieses ward also zu werk gerichtet/ da dañ an- fangs das Fråul ein sich einer sonderlichen Ernsthaftigkeit annam/ welche doch (weil ihr Herz Vierdes Buch. Herz voller Lust und Vergnuͤgung wahr) nicht lange wehrete/ und sing sie darauff an ih- rem Herkules diesen Vorschlag zu tuhn; sie zweiselte nicht/ sagte sie/ es wuͤrde ihr aller- gnaͤdigster Koͤnig nach wolverrichteter Reise/ auff seine gluͤkliche Wiederkunft ihm eine sonderliche Gnade antuhn/ durch schenkung eines treflichen Landgutes oder Herrschaft/ und erhoͤhung zu einem ansehnlichen Koͤniglichen Dienste; sie hingegen wolte ihre Gnade sehen zu lassen/ ihm eine Liebste aus diesem ihren Zim̃er zu freien/ jedoch ihm die freie Wahl lassen/ und seiner Braut eine Tonne Schaz zur heimsteuer verehren nebest gnugsamer Kleidung und Ehren Schmuk; solte deßwegen Zeit wehrender Mahlzeit sich unter ihnen umbsehen/ und die ihm am besten gefiele/ außlesen. Das ganze Frauenzim̃er ward dadurch zum gelaͤchter bewaͤget/ aber alle Anwesende Jungfern dergestalt im Herzen geruͤhret/ das sie ihre gewoͤhnliche Farbe verlohren/ dann es wahr keine unter ihnen/ die nicht wuͤnschete/ durch diese Heyraht beseliget zu werden/ daher die eine sich noch freundlicher bezeigete als die ander/ und Valiska dessen inniglich lachen muste. Herkules nam es als im rechten eꝛnst auff/ bedankete sich anfangs der hohen und unverdieneten Gnade/ und hoffete/ seine ver- richtung dergestalt außzufuͤhren/ dz verhoffentlich sein Gn. Fraͤulein daran ein Vergnuͤ- gen haben wuͤrde; weil dañ dieselbe ihm gleich jezt die allerangenehmste Belohnung gnaͤ- digst angebohten haͤtte/ wolte er dasselbe vor seine hoͤchste Gluͤkseligkeit halten/ und haͤtte er bald im eintritte auff dieses Gemach seinem Herzen eine außersehen/ mit welcher er zu leben und sterben begehrete; doch baͤhte er untertaͤhnigst/ daß er dieselbe keinem Menschen/ als dem Fraͤulein offenbahren duͤrfte/ auch der geliebeten selber nicht biß er seine Reise ge- endiget haͤtte. So seid ihr mit eurer Wahl bald fertig worden/ sagte das Fraͤulein/ sehet aber zu und bleibet bestaͤndig/ damit ihr nicht in deren Orden tretet/ welche allenthalben/ da sie sich auffhalten/ ihre liebsten haben. Davor sorgen eure Gn. nit/ antwortete er: Ich wil meineꝛ Außerwaͤhlten meine Traͤue dergestalt versichern/ daß nimmermehr keine ande- re in mein Herz kommen sol. So seid ihr ein redlicher Liebhaber/ sagte das Fraͤulein: Und die anders gesiñet sind/ achte ich unwirdig/ dz ihr Buhle ihnen Traͤue beweise. Hilff Gott/ Gn. Fraͤulein/ sagete Fr. Sysigambis/ so wuͤrden hier zu Land sehr wenig/ ja kein einiger redlicher Liebhaber seyn/ weil einem jeden erlaͤubet ist viel Kebsweiber zu haben. Wer ein Kebsweib hat sagte das Fraͤulein/ der ist seines Eheweibes Liebe nicht wert/ doch außge- nom̃en den einigen Koͤnig. Nach geendigter Mahlzeit ging das Fraͤulein mit ihrem Ehe- Schatze wieder nach ihrem eigenen Zimmer/ woselbst sie noch vier Stunden bey einander verblieben/ und allerhand liebes unterredung pflogen/ biß ihnen Zeit dauchte sich zu schei- den/ da sie dann gar traurigen Abscheid nahmen/ weil sie nicht eigentlich wusten/ ob sie auch Zeit ihres Lebens sich in dieser Welt wiederumb sehen wuͤrden; insonderheit vergoß das Fraͤulein ihre heisse Traͤhnen/ und redete ihn mit diesen Worten an: O ihr meine ei- nige Wollust dieses Lebens/ ihr habt nun bey mir erhalten daß in ansehung eures getraͤuẽ Herzen/ ich in ehelicher Pflicht und Liebe mich euch gegoͤnnet/ wie solches dann euch und keinem andern Menschẽ in dieser Welt zu gedacht war. So bedanke ich mich nun anfangs von grund meiner Seele/ daß ihr nicht allein in Nachsuchung/ sondern auch in bekehrung meiner zu dem wahren Gott/ so gar sorgfaͤltig gewesen seid/ verspreche daneben vor dem Angesicht Gottes/ daß keine Macht noch Schmeicheley mich uͤberwaͤltigen sol/ an euch bruͤchi- Vierdes Buch. bruͤchig zu werden/ da mir sonsten meiner Haͤnde Freyheit nicht benommen wird; dañ der sol und muß unfehlbar durch mich sterben/ wer mir ein solches abzunoͤhtigen sich unterfa- hen wolte/ es gehe auch hernach mit mir/ wie es immer wil uñ kan. Seid aber herzfreund- lich gebehten/ und unterlasset nicht/ oft an mich zu schreiben/ da ihr durch Unfal euch bald einzustellen foltet verhindert werden; insonderheit bedenket meinen Zustand/ und daß viel- leicht vor außgang des Jahrs unsere Ehe moͤchte entdecket werden; da ich nun so lange alhier verbleiben solte/ ist ohn mein eriñern leicht zuerachten wie es mir uñ eurem Fleisch und Blute ergehen wuͤrde; deßwegen lasset euch kein Ding in der Welt/ ausser Gottes ge- walt abwendig machen von dem/ was mich ausserhalb dieses Schlosses bringen kan; her- nach werde ich bestand seyn/ des Weges ungemach durch Gottes Huͤlffe zuerduldẽ. Zwar ich haͤtte auch meinen herzgeliebten Bruder vor eurer Hinreise gerne gefprochen/ je doch weil es mit fuge nicht geschehẽ kan/ muß ich mich gedulden; bringet ihm aber diesen Ring/ mir vom Koͤnige selbst geschenket/ daß er ihn zum Gedaͤchtnis auffrichtiger Schwesterli- cher Traͤue und Liebetrage/ und seid unserm Gott ingesamt zu hundert tausend mahlen. Befohlen/ wolte sie hinzu setzen/ aber der Zungen bedienung kunte sie sich ferner nicht ge- brauchen/ deßwegen verrichtete sie das uͤbrige mit freundlichem Kusse/ da nachgehends Herkules antwortete: Mein aller suͤssester Trost und einige ergetzung meines lebens; bil- lig fiele ich in Gottes Zorn und ungnade/ wann ich einiges Mißtrauen in eure Zucht und Traͤue setzete; da ich dann hingegen euch ebenmaͤssiges verheissen/ und unbruͤchig halten wil; glaͤubet mir aber/ daß ich mir kein Ding in der Welt so viel/ als eure Rettung werde lassen angelegen seyn; aber vor ausgang dreyer Monaten duͤrfte es nicht leicht geschehen koͤnnen; jedoch/ da etwa der Wuͤterich wegen des Beylagers in euch dringen wuͤrde/ so lasset michs wissen/ wozu ihr eures Timokles werdet zugebrauchen haben. Wir wollen a- ber mit Gottes Huͤlffe inwendig solcher Zeit dem Koͤnige dergestalt die Karte vermischen/ und seinen Reichs Stand verwirren/ daß er mehr dem Kriege als der Liebe nachzudenken Ursach haben sol; sonsten verspreche ich/ euch zum wenigsten alle Monat zu schreiben; in- zwischen seid dem alwaltigen Schutze des getraͤuẽ Gottes Herz inbruͤnstig befohlen/ dem- selben traget Abends und Morgens/ ja stuͤndlich euer Anliegen im Gebeht vor/ und troͤstet euch mit seinem heiligen Worte/ dessen ihr schon zu guter Gnuͤge unterrichtet seid; als dan wird uns wieder unsern maͤchtigen Feinden gelingen/ daß wir unsere in Gottes Nahmen angefangene Ehe fried- und froͤlich in gewünschter Ruhe biß ans unvermoͤgliche Alter/ wo wir so lange leben sollen/ werden fortsetzen koͤñen. Umfing sie darauff inbꝛuͤnstig/ und schied mit schwerem Unmuht hinweg/ dessen er sich doch gegen sie nicht merken ließ; Und hatte sie ihn erinnert/ daß Timokles Morgen zeitig fruͤh am gewoͤhnlichen Orte auffwartete/ ob sie vielleicht noch etwas zubestellen haͤtte/ wolte sie ihm solches in einem hohlen Pfeile (de- ren ihr Herkules 12 zugestellet hatte) zu schiessen. Als Herkules auff dz Koͤnigliche Schloß sich verfuͤgete/ wahr es kurz vor dem Abendessen/ fand Phraortes allein bey dem Koͤnige/ welche von seiner fortschickung Unterredung hielten. Er lieferte dem Koͤnige einen offe- nen Brieff zu lesen/ welchen das Fraͤulein an ihre Fr. Mutter zum Schein/ in Lateinischeꝛ Sprache geschrieben hatte/ welchen der Koͤnig ihm durch seinen Dolmetscher vorlesen ließ/ uñ gefiel ihm dessen Inhalt sehr wol/ versiegelte denselbẽ mit seinem grossen Pitschaft/ und stellete ihn Herkules wieder zu; er lautete aber also: D d d d d Der Vierdes Buch. Der Großmaͤchtigsten Unuͤberwindlichsten Fuͤrstin und Frauen/ Frauen Hedewig/ Koͤnigin in Boͤhmen/ gebohrner Groß Fuͤrstin aus Teutschland/ ihrer herzvielgeliebten Fr. Mutter und Koͤni- gin/ entbeut Herkuliska kindliche Liebe und Traͤue bevor/ ꝛc. Demnach nicht ohn sonderliche Verse- hung des Himmels/ ich euren muͤtterlichen Haͤnden entraubet/ durch viel Gefahr endlich dem Aller- großmaͤchtigsten Unuͤberwindlichsten Koͤnige Artabanus/ algemeinem Beherscher der grossen Mor- genlaͤnder zugefuͤhret worden bin/ hat dessen Koͤnigl. Hocheit nach angebohrner hoͤchster Gnade und Guͤte nicht allein mein Elend zu herzen gefasset/ sondern uͤberdas mich unwirdige zu seiner Koͤnigl. Braut allergnaͤdigst angenommen/ welches uͤberaus hohe Gluͤk euer muͤtterliches Herz mir ihrer ei- nigen Tochter nicht mißgoͤnnen/ sondern mich schleunigst berichten wird/ ob Eure Geistligkeit gegen Auszahlung 200000 Kronen mich meines Geluͤbdes (wie ich gaͤnzlich hoffe) loßsprechen koͤnnen/ da- mit umb so viel zeitiger meinem allergnaͤdigsten Koͤnige ich moͤge zugefuͤhret werden. Meinen uͤbri- gen Zustand/ wird Zeiger dieses/ mir von den Goͤttern zugeschicketer Valikules mit mehrem berichtẽ/ welchen meine Fr. Mutter nicht uͤber XXIV Stunden aufhalten/ und ihm als mir selbst/ Glauben zu- stellen wolle. Befehle mich hiemit Euer getraͤuen muͤtterlichen Hulde/ verbleibend/ weil ich lebe/ Euer Koͤnigl. Hocheit untertaͤhnigst-gehorsamste Tochter/ Herkuliska die glükselige; und eine solche durch meinen allergnaͤdigsten Koͤnig Artabanus. Der Koͤnig foderte Herkules absonderlich/ ihn fragend/ ob er noch etwas bey ihm zu werben/ von dem Fraͤulein befehlichet waͤhre. Nein/ antwortete er/ ohn daß Ihre Durchl. anfangs an mich begehrete/ Ihrer Koͤnigl. Hocheit ein Hand Brieflein zubringen/ darin- nen sie umb etliche Gelder/ der Geistligkeit in Boͤhmen vor ihre Lossprechung zuuͤbersen- den/ anhielt; nachdem aber deroselben ich zuwissen machte/ daß ich schon gedoppelt so viel vor mich empfangen/ wovon solches wol koͤnte genommen werden/ hat ihre Koͤnigl. Hoch- heit sie nicht in weitere Kosten setzen wollen. Ey du einfaͤltiger/ sagte Artabanus/ meinestu/ wir werden zugeben/ daß den Goͤttern unsertwegen von deinem Gelde ein so wichtiges Op- fer bereitet werden solte? oder gedenket unser Fraͤulein/ daß unsere Schazkammer umb so geringes Geldes willen in abnehmen gerahten werde? Befahl darauff/ daß man ihm noch vier Tonnen Schaz auff Wagen ladete/ oder da es füglicher waͤhre/ auff Maul Esel/ die der Geistligkeit in Boͤhmen in seinem Nahmen solten geliefert werden/ mit dem Erbieten/ dafern die Goͤtter hiedurch sich noch nicht wolten versoͤhnen oder erbitten lassen/ die Pfaf- fen nur getrost von ihm fodern solten/ obs gleich etliche Millionen austragen wuͤrde. Die 20 Parthische aͤdle Ritter/ welche Herkules als zugeordnete dieser Gesandschafft solten mit gegeben werden/ hatten/ jeder mit einem Diener sich fertig gemacht zu der morgenden Reise/ und befahl der Koͤnig/ Phraortes solte ihnen 200 Pferde zur Begleitung biß an dz Syrische Meer/ mit geben; Die freien Reise-Briefe an die Roͤmische Stathalter in Sy- rien hatte der Koͤnig selbst verfertigen lassen/ und begehrete derselbe eigentlich von Herku- les zu wissen/ gegen welche Zeit er zu Prage seyn/ und mit der Geistligkeit daselbst handeln koͤnte. Dieser merkete die Ursach seines nachfragens/ dz er gegen solche Zeit mit dem Bey- lager fortfahren wolte/ und bestimmete ihm 18 Wochen/ welches ihn zwar lange daͤuchte/ aber doch daßmahl damit friedlich wahr. Es solte Herkules bey dem Neben Tische Mahl- zeit halten/ aber auff entschuldigung/ daß er und der Groß Fuͤrst gegen die Morgende Rei- se noch allerhand zubestellen haͤtten/ wurdẽ fie erlassen/ und verfuͤgeten sich hin nach Ladisla/ der alles gegen den fruͤhzeitigen Aufbruch hatte verfertigen lassen. Sie fodertẽ aber Timo- kles vor sich/ redeten mit ihm alle Notturft ab/ uñ ermahnete ihn Herkules mit aller Freund- ligkeit/ Vierdes Buch. ligkeit/ in seiner bißher so redlich geleisteten Traͤue bestaͤndig zuverbleiben/ deß wolte er ihn hoͤher beseligen/ als seine Gedanken noch zur Zeit nicht fassen koͤnten; gab ihm dessen zum Pfande einen koͤstlichen Ring/ und stellete ihm 12000 Kronen Zehrgelder zu; Und wahr trauen noͤhtig/ daß dieser auff solche weise zur Verschwiegenheit angehalten ward/ als wel- cher alles ihr Vorhaben gar leicht haͤtte koͤnnen brechen und zu Wasser machen/ worzu er doch zu redlich wahr; aber wie bald haͤtte ihn Furcht und Geitz einnehmen koͤnnen; Sihe wann der Anschlag mißglückete/ oder man uns auff der Flucht ertappete/ wer wuͤrde als- dann grausamere Straffe ausstehen muͤssen/ als eben du? hingegen/ wann du dich zum Koͤ- nige verfuͤgest/ und ihm die Gefahr offenbarest/ wird er dir ohn zweifel eine ganze Herrschaft einraͤumen/ und dich zu seinem Raht annehmen; Solche und dergleichen Gedanken haͤt- ten mannichen bewaͤgen sollen/ das gewisse vors zweifelhaffte zuwaͤhlen/ und beyzeiten den Kopff aus der Schlinge zuzihen; aber Timokles wahr der art nicht/ sondern erklaͤrete sich aͤidlich/ mit seinem Gn. Fråulein zugenesen und zuverderben. Worauff er von ihnen ernst- lich vermahnet ward/ nicht so kaͤrglich zuleben/ als er biß daher getahn/ sondern ohn uͤppig- keit und Pracht/ zwey Pferde und einen Knecht zuhalten/ insonderheit gegen seinen Haus- wirt und Wirtin/ auch Kinder/ (deren sie eine zimliche Menge hatten) sich freygebig zu- erzeigen/ deß wuͤrden sie ihm hinwiederumb getraͤu/ und in allem zu willen seyn. Nun hat- ten sie es Leches noch nicht kund getahn/ daß er nach Padua fort solte/ wusten auch nit wol/ wie sie es mit den XX Zugeordneten und ihren Dienern anschlagen solten. Der Großfuͤrst meynete/ man wuͤrde sie in Meden alle muͤssen heimlich nidermachen; Aber Herkules war dawider/ sagte/ es waͤhren unschuldige Leute/ und waͤhre am besten/ daß man sie alle in Haft nehme/ und sie wol verwahrete/ biß nach der Fraͤulein Erloͤsung/ dann koͤnte man sie ohnge- fehr lauffen lassen; aber so fest muͤsten sie gesezt werden/ daß sie weder loßbrechen/ noch je- mand fremdes zu ihnen kommen koͤnte. Darauff ward Leches vorgefodert/ welchen Her- kules also anredete: Es ist unvonnoͤhten/ mein Freund/ euch der Schuldigkeit zuerinnern/ damit ihr eurem Koͤnige und dessen Frl. Schwester verbunden seyd/ dann eure auffrichti- ge ritterliche Traͤue habt ihr dergestalt schon zuerkennen gegeben/ dz ihr euch dadurch zwei- fels-frey gemacht habet. Anjetzo erfodert es hochgedachter eurer Gn. Fraͤulein Heil und Wolfahrt/ daß ihr mit Mardus und anderen Reutern/ die euch sollen zugegeben werden/ nach Padua/ und von dar ab weiter nach Prag zu der Koͤnigin reiset/ auch auf dem ganzen Hin- und Ruͤkwege euch nichts/ als Gottes Allmaͤchtige Hand auffhalten lasset. Auf der Reise sollet ihr anfangs in der bekanten Assyrischen Grenze Stad/ gegen Einlieferung die- ser Handschrifft/ einen sehr grossen verpitschierten Schatz an Kleinoten und gemuͤnzetem Golde erheben/ und auff Kamele und Maul Esel laden/ euch damit nach Damaskus bege- ben/ und von Herrn Sulpitius etliche verwahrete Sachen zu euch nehmen/ auch zu Se- leuzia ein gleiches verrichten/ hernach uͤber Meer nach Padua mit einem eigenen Schiffe segeln/ alle Guͤter (ohn die ich auszeichnen werde) bey H. Fabius nidersetzen/ uñ mit schnel- len Pferden nach Prag reiten/ gewisse Kleinot/ Gelder und Briefe dahin zubringen/ her- nach mit einer guten Anzahl Boͤhmischer Ritter/ so viel Geschwade ihr deren inwendig zween Tagen zusammen bringen koͤnnet/ euch von darab nach Persepolis begeben/ damit auff allen fall/ wir unsere eigene Leute umb uns haben moͤgen. Auch koͤnnen zu Padua/ weil D d d d d ij ihr Vierdes Buch. ihr nach Prage seyd/ etliche Faͤhnlein gute Ritter geworben werden/ woran ihr kein Geld sparen sollet. Umb die Vergeltung eurer Muͤhe seyd unbekuͤmmert/ euer Gn. Fraͤulein selbst hat mir schon eine gute Anzahl Kleinot/ die ich euch hiemit einhaͤndige/ zugestellet/ wel- che ihr eurer Libussen znm Beutpfennige uͤberbringen/ und von den Assyrischen Geldern drey Tonnen Schatz darzu legen sollet. Fr. Brelen sollen auch 100000 Kronen/ wegen der mir und dem Fraͤulein vorgesetzeten Gelder/ und Fr. Euphrosynen 60000 Kronen ausgezaͤhlet werden. Was ich absonderlich nach Teutschland uͤbergemacht habe/ wird die Koͤnigin von Prag ab/ schon weiter fort schicken. So bedenket nun abends und morgens/ daß meiner Frl. Ehr und Leben fast allein auff eurer Eile beruhet/ welches euch schon an- spornen wird/ den Weg ungeseumet fortzusetzen. Leches wuste nicht/ wz er vor grosser freu- de antworten solte/ nicht so sehr wegen der uͤberaus grossen Schenkungen/ sondern daß er gelegenheit bekam/ seiner Obrigkeit behaͤgliche Dienste zu leisten/ und uͤberdas noch seine ei- nig-geliebete Libussen zusehẽ; setzete sich deswegen auf ein Knie/ kuͤssete Herkules die Hand/ und nachdem er aufszustehen befehlichet ward/ antwortete er: Durchleuchtigster/ Groß- Fuͤrst/ gnaͤdigster Herr/ nichts kan mich in dieser Welt hoͤher erfreuen/ als daß meinem gnaͤdigsten Koͤnige/ dem Durchl. Fraͤulein/ und Euer Durchl. einige angenehme gehor- same Dienste zuerzeigen/ ich die gelegenheit bekomme; gelobe demnach bey ritterlichen Eh- ren/ daß ungesaͤumet Tag und Nacht ich dergestalt eilen wil/ daß wo mich Gott nicht ver- hindert/ vor angefetzete Zeit bey Ihrer Gn. ich mich wieder einzustellen hoffe. Die getahne Schenkungen reichen weit uͤber meine Unwirdigkeit/ nehme sie doch von wegen meiner Liebesten untertaͤhnigst an/ und verbinde Leib und Leben zu ihrer Gnn. Diensten. Es wur- den ihm darauff alle auffgesetzte Schreiben eingehaͤndiget/ und absondeꝛliche koͤstliche Klei- not an gute Freunde zu Padua; auch befahl ihm Ladisla ernstlich/ von Kajus Fabius Ver- lust kein Wort zugedenken/ sondern daß er nach Persepolis gereiset gewesen/ und daher nit haͤtte schreiben koͤnnen/ auff daß die Freundschafft nicht zu hefftig betruͤbet wuͤrde. Phra- ortes trug gute Wissenschafft umb Leches bevorstehende Reise/ stellete ihm deswegen son- derliche Verehrungen zu/ welche er seiner Liebsten mitbringen solte/ bestellete ihn zum Obri- sten zu Roß und Fuß/ und gab ihm 50000 Kronen auff die Hand/ mit dem versprechen/ so bald Arbianes fliegendes Heer gerichtet wuͤrde/ solte er den Feldmarschalks-Platz dabey haben. Hierauff muste er noch diesen Abend mit allen Schaͤtzen/ unter der Begleitung 50 Medischer Reuter/ des geradesten Weges nach Assyrien fortgehen/ und daß weder der Koͤ- nig noch Herkules Zugeordnete daher einigen Argwohn nehmen moͤchtẽ/ zeigete Phraor- tes ihnen des folgenden Morgens an/ es waͤhre zu dem ende geschehen/ daß man desto bes- ser forteilen koͤnte/ die ledigen Reuter wuͤrden ihnen bald nachsetzen. Es ging aber Leches sehr gluͤklich fort ohn einigen Raͤuberischen Anfall/ bekam in der Assyrischen Grenze Stad die wolverwahreten Guͤter auff vorgezeigete Handschrifft/ seumete sich hernach zu Da- maskus und Seleuzia auch nicht/ schickete von darab seine Medische Begleitung mit gutẽ Geschenken zuruͤk/ und bekam daselbst ein Italiaͤnisches Schiff/ auff welchem viel Kauff- leute von Ravenna und Padua wahren/ ladete seine Schaͤtze darein/ und saͤgelte mit ge- wuͤnschet-gutem Winde nach Korinth zu. Phraortes ging des Morgens nach Leches ab- zuge/ mit Herkules/ Ladisla/ und den 20 Zugeordneten des geradesten Weges nach Meden/ als Vierdes Buch. als wann Leches eben denselben Weg genommen haͤtte/ und wurden nach gemachtem An- schlage obgedachte zugeordnete Parther nebest ihren Dienern von Phraortes Reuterey/ die noch hundert Mann stark wahr/ des dritten Tages nach ihrem Auszuge/ auff ihrem Nachtlager gefaͤnglich angenommen/ welche an die aͤussersten Grenzen des Medischen Landes geschicket/ und in fleissiger Huht bewahret wurden; hingegen setzeten Phraortes/ Ladisla und Herkules mit ihren wenigen ritterlichen Dienern ihren Weg nach Perfepo- lis fort. Plautus aber kam gegen den Mittag zu Charas wieder an/ voller Staub und Koht/ ritte in solcher gestalt nach dem Koͤniglichen Schlosse/ und ließ sich anmelden als einer/ der von fremden und unbekanten Fuͤrsten bey Koͤnigl. Hocheit etwas anzubringen haͤtte/ welches auff der eile bestuͤnde. Artabanus ließ in bey seyn Fuͤrst Vologeses und ande- rer Gewaltigen ihn vorfodern/ da er nach geziemender Ehrerbietung also anfing: Eure Koͤnigl. Hocheit werden von meinen gnaͤdigsten Herren/ dem Erbkoͤnige in Boͤhmen/ Herrn Ladisla/ dann auch von dem Groß Fuͤrsten aus Teutschland/ Herrn Herkules un- tertaͤhnig gegruͤsset/ senden Ihrer Hocheit dieses Schreiben/ und befehlen sich deren Huld und Gnade. Der Koͤnig ward dieser Zeitung sehr froh/ hieß den Abgesanten mit einer guͤldenen Kette verehren/ und wirdiglich halten/ bedankete sich des uͤbergebrachten Grus- ses/ und fragete nach ihrem Wolergehen; welches Plautus mit wenigen beantwortete/ uñ daß solches aus dem Schreiben ohn zweifel erhellen wuͤrde; welches der Koͤnig brach/ und folgenden Inhalt lase: Dem Allergroßmaͤchtigsten Unuͤberwindlichsten Fuͤrsten und Herrn/ Herrn Artabanus/ der Parther und saͤmtlichen Morgenlaͤnder Koͤnige/ wuͤnschen Ladisla aus Boͤhmen und Herkules aus Teutschland Gluͤk und Heyl. Demnach unsere hochgeliebte/ nach unterscheid/ Fraͤulein Schwester und Wase/ Fraͤulein Herkuliska durch Raͤuber Haͤnde aus ihrem Vaterlande wieder Recht und bil- ligkeit entfuͤhret/ und uͤber Meer und Land an diese weitabgelegene Orter fortgeschleppet worden/ ha- ben wir allen moͤglichen F leiß angewendet/ dieselbe auszuspuͤren/ auch nach vielem hin und wieder rei- sen endlich den gewissen Bericht eingezogen/ daß nach außgestandener grosser Muͤhe und Gefahr sie eurer Koͤnigl. Hocheit in Juͤnglings Gestalt zugestellet sey/ jedoch nicht wissen koͤñen/ ob dero Stand und herkommen eurer Hochett sey zu wissen gemacht; als erachten wir eine Notturft/ dieselbe zube- richten/ daß sie Koͤnigliches Gebluͤtes/ und nicht verdiene/ als eine gefangene oder Leibeigene gehal- ten und versperret zu werden; bitten demnach untertaͤhnig/ obgedachte unsere Frl. Schwester uñ Wa- se/ nicht allein ihrem Stande gemaͤß halten zulassen/ sondern uns zugleich gnaͤdig wissen zumachen/ mit was Loͤsegelde wir den Schimpff ihrer Gefaͤngnis und Dienstbarkeit abwischen/ und sie in vori- ge Freyheit setzen koͤnnen/ damit sie ohn alle Verletzung ihrer Ehren und Zucht/ ihrer Fr. Mutter/ der herschenden Koͤnigin in Boͤhmen/ als eine der Goͤttin Vesta verlobete/ ehist wieder moͤge zugefuͤh- ret werden; zweiffeln nicht/ ihre Hocheit werde zu beschuͤtzung Koͤniglicher Ehre und ansehens/ un- ferm untertaͤhnigen uñ rechtmaͤssigen ansuchen stat geben/ und mit gewuͤnscheter Antwort uns schleu- nigst erfreuen; solches umb eure Hocheit zuverdienen/ wir aͤussersten vermoͤgens wollen verpflichter seyn/ dieselbe dem Alwaltigen Schuz Gottes zu aller Gluͤkseligkeit getraͤulichst empfelend/ als ihrer Koͤnigl. Hocheit bereitwilligste gehorsame/ Ladisla und Herkules. Nach verlesung fragete der Koͤnig den Gesanten/ ob er auch ein Schreiben an das Fraͤulein haͤtte/ und auff bejahung muste ers von sich geben/ ungeachtet er einwendete den Befehl zu haben/ daß ers dem Fraͤulein selbst liefern solte. Auch forschete der Koͤnig/ an was Ort und Ende seine Herren Soͤhne sich auffhielten (dann Ladisla hatte solches aus D d d d d iij Vorsaz Vierdes Buch. Vorsaz nicht hinzu gesetzet); worauff er anzeigete/ er haͤtte seine Gnn. Herren zu Susa verlassen/ welche aber willens gewesen/ des folgenden tages nach Persepolis zu reisen/ und daselbst biß auff seine Wiederkunft sich unbekanter weise auffzuhalten. Artabanus ward der Zeitung traurig/ dann er wahr willens/ ihnen etliche tausend Pferde entgegen zu sen- den/ und sie Koͤniglich einzuhohlen. Er legte es fleissig bey sich uͤber/ befand aber nit raht- sam/ diese Anfoderung dem Fraͤulein zu entdecken/ und trug doch verlangen des andern kleinen Briefleins Inhalt zu wissen/ daher er dann Plautus in eine gute Herberge legen/ und wol bewirten lies/ welcher dann sich bald nach Timokles verfuͤgete/ und mit verlangẽ auff seine Abfertigung wartete. Artabanus aber erbrach ihren Brieff und lase folgenden Inhalt: Herzgeliebete Fraͤulein Schwester; mit freuden haben wir deine Gesundheit erfahren/ und daß du mit behalt deiner Ehren zu Charas dem Großmaͤchtigsten Koͤnige Artabanus uͤberliefert bist/ welcher seiner hohen Weißheit und Guͤte nach/ mit dir schon wird zugeberden wissen; weil uns nun dein Zustand offenbahr ist/ und wir umb deine Erloͤsung an den grossen Koͤnig geschrteben haben/ auch dessen Hoch em zweiffel uns gewierige Antwort geben wird/ hoffen wir dich bald zu seben und muͤ n. Inzwischen biß der Obhuet Gottes befohlen/ von deinem getraͤuen Bruder Ladis bere Oheim Herkules. Der Koͤnig wunde rte sich des kalten Briefes/ enderte sein vornehmen/ und ließ der Fraͤulein Hoffmeisterin zu sich fodern/ deren er das ergangene erzaͤhlete/ und dz er zugleich ein Brieflein an das Fraͤulein/ jedoch geringes Inhalts empfangen haͤtte/ reichete ihr auch dasselbe/ gebuͤhrlich einzuliefern. Das Fraͤulein empfing solches mit ertichteter Froͤlig- keit/ wuste zwar den Inhalt schon/ und lase ihn doch gar begierig/ daß Sysigambis alles hoͤrete/ welche darauff zu sagen sich nit enthalten kunte; das ist trauen ein kaltes Schrei- ben von einem Bruder und Oheim/ welche eure Gn. nicht sonders lieben werden. Gelieb- te Freundin antwortete sie/ ich weiß wol/ daß sie mich bey derseits lieben/ und bilde mir ein/ sie schreiben so schlecht hin/ weil sie gedenken daß mirs schlim̃er gehe/ als geschihet. Weil sie nun von ihrem Herkules schon unterrichtet wahr/ was vor eine Antwort sie darauff ge- ben solte/ setzete sie dieselbe geschwinde auff/ sendete sie dem Koͤnige alsbald unbeschlossen zu/ mit bitte/ es mit seinem Pitschaft zu versiegeln/ und den Bohten mit gefaͤlliger Antwort abzufertigen; unterrichtete daneben diese Frau/ wessen sie auff befragung sich weiters er- klaͤren solte. Dem Koͤnige gefiel das Schꝛeiben uͤber alle masse wol/ ließ auch seine Antwort alsbald auffsetzen/ damit der Abgesante nicht auffgehalten wuͤrde. Er fragete aber fleissig nach/ mit was Geberden und bezeigungen das Fraͤulein die Anfoderung ihres Brudern angehoͤret. Worauff sie sagte: Nicht anders/ als haͤtte man sie geheissen den Koͤniglichen Schmuk abtuhn/ und einen geringen Kittel anlegen; doch entschuldiget sie ihren Bru- der und Oheim mit der Unwissenheit ihres jetzigen herlichen Zustandes/ und gelebet der festen Zuversicht/ sie werden nach dessen erfahrung sich schon eines andern bedenken; sol- ten sie aber uͤber alles verhoffen auff ihrer Meinung fest bestehen/ und der Koͤnig mit be- harlicher Liebe ihr gewogen bliebe/ wolte sie der ihrigen wenig achten/ und auff solchen Fal schon wissen/ sich also zuerklaͤren/ daß sie zu besseren Gedanken greiffen solten. Artabanus gab zur Antwort; Sie solte das Fraͤulein seiner beharlichen Gnade versichern/ und daß er den ihrigen auffs gnaͤdig- gewogenste antworten/ auch solche Verehrungen uͤbermachẽ wolte/ woraus sie seine Gnade solten spuͤren koͤnnen. Ward auch Plautus des folgenden Tages Vierdes Buch. Tages nach Mittage unter der Begleitung 600 Reuter abgefertiget/ welche biß in die lezte Parthische Grenze Stad fortgehen/ daselbst mit den Koͤniglichen Geschenken verharren und nicht abzihen solten/ biß dieselben abgefodert waͤhren. Groß Fuͤrst Phraortes mit unsern Helden und ihrer kleinen Geselschaft gingen/ wie gesagt/ von den Medischen Grenzen eilig fort nach Persepolis/ kamen daselbst des zwoͤlff- ten tages nach ihrem außzuge von Charas bey spaͤtem Abend an/ und gaben sich vor frem- de Ritter aus/ welche Lust haͤtten in Kriegsbestallungen sich gebrauchen zu lassen/ deßwe- gen ihnen eine Herberge angewiesen ward/ in welche sie einkehreten/ den jungen Fuͤrsten Arbianes und Herrn Mazeus daselbst antraffen/ und folgenden Morgen Herrn Pharna- bazus zu sich bitten liessen/ der sich ihrer Ankunft sehr freuete/ und Groß Fuͤrst Artaxerxes hefftiges Verlangen nach ihrer Gegenwart/ ihnen zu wissen machete/ mit vermelden/ Koͤ- nig Artabanus haͤtte schon zum andernmahl Schreiben an die Reichs Fuͤrsten abgehen lassen/ und sie bey Leib und Lebensstraffe nach Hofe gefodert/ des Reichs Notturft zuberaht- schlagen/ mit angehaͤngtem Befehl/ da ein oder ander/ Krankheit vorwendete/ solte er sich dem Brieffebringer zeigen/ und an seine stat einen Sohn/ muͤndig oder unmuͤndig/ in man- gel dessen aber/ drey seiner naͤhesten Anverwanten hinsenden/ und solten die Ungehorsa- men alsbald vor Auffruͤhrer gehalten und abgestraffet werden. Inzwischen waͤhre aller Mannschaft in Parthen angesagt/ sich auff alle Stunden zu Tage und Nacht fertig zu halten/ woruͤber etliche Bundgenossen sehr bestuͤrzt waͤhren/ insonderheit/ weil die Rede ginge/ der Medische Groß Fuͤrst hielte es mit dem Koͤnige/ haͤtte dem selben ein wunder- schoͤnes Fraͤulein zum Gemahl zugefuͤhret/ und wuͤrde ihm ein geuͤbetes Kriegsheer von 80000 Mann zu Felde liefern. Phraortes lachete der lezten Rede/ uñ begehrete zu wissen/ wessen sich die gefoderte Fuͤrsten gegen den Koͤnig moͤchten erklaͤret haben; da er anzeigete/ sie haͤtten alle dem Koͤnige gebuͤhrlichen Gehorsam zugeschrieben/ und zugleich uͤber die be- drauliche Foderung sich beschweret/ als welche ihnen wieder alle Gewohnheit und muht- massung zukommen waͤhre/ hoffeten/ ihre Hocheit wuͤrden alle und jede bey ihren Freyhei- ten schuͤtzen/ und vielmehr der saͤmtlichen Staͤnde Liebe und Zuneigung/ als ihre schuͤch- terne Furcht begehren und suchen; insonderheit haͤtten sie gebehten verstaͤndiget zu werdẽ/ was die grossen Kriegsruͤstungen in Parthen hinter sich hielten; man lebete ja mit den Außlaͤndischen Kaͤyser und Koͤnigen im Friede/ wuͤsten auch von keinem innerlichen Fein- de/ so daß ein jeder fast gezwungen/ wiedrige Gedanken fassen muͤste; wolten daher ihre Hocheit untertaͤhnigst erinnern/ von etlichen unruhigen Leuten/ die etwa des Reichs ver- derben zu ihrer Auffnahme suchten/ sich nicht verleiten/ noch wieder getraͤue Untertahnen anfuͤhren zu lassen. Dieses sagte er/ ist ohn zweifel/ nach genommenem Abscheide/ von allen zuruͤk geschrieben; ohn Artaxerxes/ als der den Koͤnig nur auff sich zulocken begehret/ hat ihm diese Antwort eingeschicket: Er haͤtte des Koͤniges der Parther bedrauliches Schrei- ben mit hoͤchstbestuͤrzetem Gemuͤht able send vernommen/ daß er ein Groß Fuͤrst der hoch- aͤdlen Persen bey Leib und Lebens straffe gefodert/ nicht eins die Freyheit uͤbrig behielte/ sich mit seiner Leibes Schwacheit zu entschuldigen/ ja solte einen nichtigen Bohten vor sein Fuͤrstliches Bette treten/ oder sich wol gar zu ihm hinaus tragen lassen/ welches seiner Fuͤrstl. Wuͤrde sehr schimpflich seyn wuͤrde; doch haͤtte er solche Schmach vielleicht noch koͤnnen Vierdes Buch. koͤnnen erdulden/ dem Koͤnige gehorsam zu seyn; aber warumb foderte man seine lieben Kinder? die waͤhre er trauen bedacht/ selber in Persischen Sitten zuerzihen. Zwar seine Anverwanten haͤtte er ersuchet/ die Muͤhe der Reise auff sich zunehmẽ/ befuͤnden sich aber dessen beschweret/ dafern ihnen nicht gnugsame Geleitsbrieffe zur Sicherheit eingehaͤndi- get wuͤrden. Schließlich bittet er den Koͤnig im Schreiben/ er moͤge ihn als einen getraͤuẽ Knecht des Vaterlandes aus ungleichem Verdacht lassen/ und ihm die wahre Ursach seiner grossen Werbungen anzudeuten unbeschweret seyn; die seine betreffend/ geschaͤhen sie zu keinem andern Ende/ als/ entweder dem Koͤnige damit wieder die Reichs Feinde bey- pflichtig zu seyn/ oder dafern das Geschrey etwas hinter sich haͤtte/ als wolte der Koͤnig et- liche Reichs Fuͤrsten vertreiben/ muͤste er nach algemeinem Voͤlker Recht seines selbst eige- nen Schutzes unvergessen seyn; hoffete doch nicht/ daß seine Hocheit belieben truͤge/ eini- ge innerliche Kriege anzurichten/ sondern wuͤrde vielmehr sich dahin bearbeiten/ daß des Reichs Wiederwertige/ als Roͤmer oder Skythen/ angegriffen und zum bahren gebracht wuͤrden; hiemit befoͤhle er sich des Koͤniges beharlicher Gnade/ und verbliebe weil er le- bete/ des Vaterlandes getraͤuester Knecht biß in den Tod/ als vor welches zu streben er so bereit als schuldig waͤhre. Wie nun diese Antwort wird auffgenommen werden/ sagte Pharnabazus weiter/ wird die Zeit bald eroͤffnen/ dann wir haben (welches euer Durchl. annoch unbewust) am Koͤniglichen Hofe vertrauete Leute/ die uns hievon zeitig gnug be- richten sollen; unser hoͤchster Trost naͤhst der Goͤtter Huͤlffe/ ist/ daß wir innerhalb drey Tagen 90000 Mann wol bewehret ins Feld fuͤhren/ und den Feinden den Kopff bieten koͤnnen/ biß die uͤbrige Huͤlffe von andern Fuͤrsten herbey gebracht werde. Es sind aber die vereinigte Fuͤrsten/ als der Assyrische Herr Pusizes; Hirkanische H. Menapis; Baktria- nische H. Eukratides; Susianische/ H. Gobares; Margianische/ H. Ustazeres; Arische/ H. Okbares; und Drangianische H. Tissaphernes inwendig dreyen Tagen alhier ange- langet/ denen allen noch unwissend ist/ daß der Medische Groß Fuͤrst den Bund angenom- men hat/ und zum Kriegs Raht hergebehten ist. Es ward vor gut angesehen/ daß Pharna- bazus dem GFuͤrsten Artaxerxes ihre Ankunft in geheim anmeldete/ der sie auff drey Gut- schen nach Hofe einhohlen ließ/ und ihnen biß in den vordersten Plaz entgegen ging/ mehr Ritterlich als Fuͤrstlich gekleidet/ ohn dz er fornen am Bunde ein trefliches Kleinot trug. Er empfing sie gar freundlich/ und fuͤhrete sie auff ein absonderliches Gemach/ da er an- fangs wegen ihrer ankunft sich bedankete/ hernach des Parther Koͤniges und seiner vor- fahren Grausamkeit anklagete/ und dagegen der vereinigten Fuͤrsten unbewaͤglichen Vor- saz zur erstreitung der Freyheit ruͤhmete/ auch/ wie uͤberfluͤssig sie die verabscheidete Geld- huͤlffe herbey gebracht/ und die heimlichen Werbungen nach allem Wunsch und uͤber die Zahl fortgesetzet haͤtten/ mangelte also nur bloß an vergleichung der Zeit und des Orts/ dz man auff vorher ergehende Absage den Ernst sehen liesse. Ursachen des Krieges duͤrffte man vom Zaune nicht brechen noch von langen Jahren hervor suchen/ die neulichsten Außschreiben fuͤhreten derselben mehꝛ als zu viel mit sich. Hernach redete er unsere beyden Helden absonderlich also an: Durchleuchtige Fuͤrsten; der Ruhm eurer beyden treflicher Mannheit/ ist mir von unterschiedlichen Orten des Roͤmischen Gebiets zukommen/ da- her nicht eine geringe Begierde zu dero Kund- und Freundschaft in mir erwecket ist/ und hat Vierdes Buch. hat mich hoͤchst erfreuet/ als eurer Liebden guten Willen/ uns im Kriege beystaͤndig zu seyn von meinem Freund und Oheim Pharnabazus vernom̃en habe; bedanke mich demnach ihres guͤnstigen erscheinens/ und verspreche denselben nicht allein vor mich/ sondern auch von wegen des gesamten Hoch Fuͤrstlichen Bundes/ alle Huͤlffe und Beystand/ mit Volk/ Gut und Blut/ es sey zur errett- oder zur beschuͤtzung der ihrigen und ihrer selbst/ damit sie ihr hochloͤbliches Vorhaben/ welches obgedachter mein Oheim mir als einem sicheren Freunde anvertrauet/ zum gluͤklichen Ende bringen moͤgen. Herkules antwortete hin- wieder: Durchleuchtigster Großmaͤchtiger Groß Fuͤrst/ gnaͤdiger Herr; daß eure Durchl. uns ein so hohes ganz unverdientes Lob zuleget/ dienet uns eigentlich zum unfehlbaren Kenzeichen ihrer guten Gewogenheit gegen uns Fremdlinge. Die eigentliche Ursach un- ser Ankunft ist die hochbegehrete Gluͤkseligkeit/ die in ihrer Durchl. Kundschaft wir suchẽ und hoffen/ als deren kraͤftige Mannheit und Tugend uns uͤber vieler anderen dieser gros- sen Morgenlaͤnder zum hoͤchsten gepriesen ist/ und aus deren hoͤchstloͤblichem vornehmen zum uͤberfluß erscheinet. O wie ein unsterblicher ruhm wird bey den Nachkommen dieser sey/ der unverzagte Held Artaxerxes habe daß unertraͤgliche Parthische Joch gebrochen/ und die unleidlichen Bande zurissen/ damit alle Morgenlaͤnder unverantwortlicher Weise gedruͤcket uñ gefesselt wahren. Da nun unsere Dienste also moͤchten beschaffen seyn/ durch welche dem Hoch Fuͤrstl. Bunde/ und absonderlich ihrer Durchl. einige vergnuͤgung koͤn- te geleistet werden/ solte darinnen unsers selbst eigenen Wunsches erfuͤllung bestehen. Im uͤbrigen nehmen wir dero hohes Erbieten mit gebuͤhrlicher Dankbarkeit an/ welches uns auffmuntern wird/ alles dasselbe vorzunehmen/ was von unser Wenigkeit kan verrichtet/ und dem Hoch Fuͤrstlichen Bunde zu Dienst und auffnahme geleistet werden. Artaxerxes sahe unsern Herkules zeitwehrender Rede mit starren Augen an/ und weil er der Sterne- Kunst wol erfahren/ auch aus den Zuͤgen und Zeichen des Angesichts/ von unterscheid der Geburts Arten und ihren eigenfchaften/ geneigenheiten und enderungen nachsinlich urteilen kunte/ befand er aus allen gleichstimmenden Zeichen/ daß ein sonderlicher Geist in ihm waͤhre; dieses aber wunderte ihm am meisten/ daß derselbe einem so uͤberaus schoͤ- nen Leibe eingegossen wahr/ welcher alle Anseher beliebet und ehrerbietig machen kunte. Er gab ihnẽ aber diese wiederantwort: Ihr meine hochwerte wahre Freunde/ des besche- henen Erbietens bedanke ich mich von Herzen/ werde mich auch befleissigen ein redliches freundwilliges Gemuͤht/ als viel mir der Himmel verleihen wird/ in der Taht zuerweisen; bitte/ es wollen eure Liebden mich in ihrer Freunde Zahl auffnehmen/ und unter dieselben rechnen/ welche ihnen mit alle ihrem Vermoͤgen ergeben sind; und weil morgendes ta- ges gemeiner Kriegsraht berahmet ist/ werden eure Liebden sich unbeschwert finden lassen/ mit den versamleten Fuͤrsten auff angestelleter Gaͤsterey heut diesen Tag Kundschaft zu machen/ und dahin bedacht zu seyn/ wie unserm Vorhaben ein gluͤklicher Anfang koͤnne gemacht werden. Ladisla antwortete hierauff: Durchl. Groß Fuͤrst/ eure Liebe erbeut sich gegen uns bißher unbekante gar zu milde; jedoch gibt dieselbe uns hiemit anlaß/ alle Kraͤf- te anzuwenden/ ob wir Mittel und Wege finden moͤchten/ dem gemeinen Wesen nuͤzlich zu seyn; welches vor dißmahl sehen zu lassen/ ich mich anerbiete/ dem Kriege mit meiner Faust und absonderlichem Kampffe den Anfang zu geben/ dafern von den Hoch Fuͤrstlichẽ E e e e e Bunds- Vierdes Buch. Bundsverwanten mir ein solches kan erlaubet werden/ in dem ich willens bin/ an den Koͤ- nig selbst oder einen seiner mannlichsten Kriegs Obristen und Fuͤrsten Streits zubegeh- ren/ umb daß er meine Fraͤulein Schwester nicht aus eigener Bewaͤgnis/ wie einem Koͤ- nige gebuͤhren wolte/ auff freien Fuß stellet. Artaxerxes nam dieses Erbieten mit Dank an/ zweiffelte auch am gluͤklichen Siege nicht/ weil er seiner Mannheit gute Kundschaft hatte. Phraortes aber versicherte sie/ Koͤnig Artabanus wuͤrde/ angesehen seines Hochmuhts und Alters/ den Streit wedervor sein eigen Haͤupt/ noch durch einen andern gnug- wirdi- gen Fuͤrsten annehmen/ ob er wol in seiner Jugend mit Waffen nicht ungeschikt waͤhre umbgangen; uñ haͤtte er unterschiedlichemahl aus seinem Munde gehoͤret/ daß er gewuͤn- schet/ mit dem Roͤmischen Kaͤyser ein Handgemenge anzutreten/ dañ derselbe allein waͤh- re seines gleichen/ andere aber seines Schwerts unwirdig. Unter wehrendem Gespraͤch ging Arbianes auff seines Herrn Vaters Geheiß hin/ die versamleten Fuͤrsten auff ihrem Gemache zu gruͤssen/ uñ seine Ankunft ihnen wissen zu machen; die dessen hoͤchlich erfreuet wurden/ und ward ihnen der schwe rste Stein/ sonderlich dem Assyrischen und Hirkani- schen Fuͤrsten vom Herzen gewalzet/ weil sie diesen maͤchtigen Nachbar/ da er vor den Koͤ- nig ste hen wuͤrde/ nicht wenig fuͤrchteten/ nunmehr aber leichtlich schliessen kunten/ er muͤ- ste des gemeinen Wesens sich mit annehmen. Bald stelleten sich unsere Helden bey dieser Fuͤrstlichen Geselschaft ein/ und ward Ladisla von Artaxerxes/ Herkules aber von Phra- ortes begleitet; sie gruͤsseten die Anwesenden hoͤflich/ und bahten zugleich um Vergebung/ daß auff des Persisches Groß Fuͤrsten Durchl. noͤhtigen/ sie bey so hochfuͤrstlicher Ver- samlung sich finden liessen; welches dieselben zwar nicht unfre undlich/ aber doch nicht als gegen ihres gleichen/ beantworteten/ biß sie die grosse Ehrerbietigkeit sahen/ die ihnen von Artaxerxes und Phraortes angetahn ward; daher Fuͤrst Pusizes aus Assyrien zu Fuͤrst Gobares aus Susiana sagete: Gewißlich werden diese junge Fuͤrsten von sehr hohem Stande seyn/ daß ihnen solche Ehr angebohten wird/ welche man sonst ihrer Jugend hal- ber ihnen nicht schuldig waͤhre/ als die durch grosse Tahten es noch nicht verdienen koͤñen. Gobares/ der ohndaß allen Außlaͤndischen gehaͤssig wahr/ antwortete ihm: Eure Liebe se- hen/ daß man zierliche Blumen mehr umb der Farbe willen/ als wegen ihrer Kraft/ auff guͤldene Gefaͤsse stellet/ und daͤucht mich der eine einem Weibe aͤhnlicher als einem Mañe seyn; ja wer weiß ob er nicht unter dieser ertichteten Kleidung des andern Beyschlaͤfferin ist? doch sey ihm/ wie es wolle/ so werde ich doch Gelegenheit finden/ ein Kurzweilichen mit ihnen anzustimmen. Ich weiß von ihnen weder gutes noch boͤses zu sagen/ antwortete Pusizes/ nach dem ihr Leben und Wandel mir allerdinge unbekant ist/ doch zeigen ihre Ge- berden durchaus keine nidertraͤchtige Gemuͤhter an/ daher eure Liebe sich maͤssigen werdẽ/ welche wolgemeinete Vermahnung eure Liebe mir nicht verargen wolle. Artaxerxes fing inzwischen an/ die Versamlung also anzureden: Durchleuchtige Hochgebohrne Fuͤrsten/ Oheimbe und Freunde; daß gegenwaͤrtige beyde Durchleuchtigste Fuͤrsten uñ ruhmwir- dige Helden/ mich alhier zubesuchen gewirdiget/ rechne ich unter meine Gluͤkseligkeitẽ/ des- sen ihre Liebden ingesamt sich wol versichern moͤgen/ bitte demnach/ mir die Freundschaft zuerzeigen/ und ihnen helffen gutlich tuhn/ damit sie dereins in ihren Koͤnigreichen und Groß Fuͤrstentuͤhmen der Morgenlaͤndischen Fuͤrsten freun dwilligkeit zu ruͤhmen Ursach haben Vierdes Buch. haben moͤgen. Herkules und Ladisla entschuldigten sich/ mit Bitte/ sie mit so unertraͤglicher Ehren-Last nicht zuerdruͤcken/ nach dem sie dieser oͤrter sich nicht anders als umschweiffen- de Ritter zuhalten bedacht waͤhren; koͤnte auch hiedurch einer oder ander leicht beleidiget werden/ wann sie als junge Leute und Fremdlinge/ die in diesen Laͤndern keinen Fußbreit ei- genes haͤtten/ sich so maͤchtigen Fuͤrsten gleich halten lassen wolten. Fuͤrst Pusizes kennete Artaxerxes Gemuͤht sehr wol/ und daß seine Gewohnheit nicht wahr/ unwirdige zuerhe- ben/ viel weniger jemand ins Gesicht zuloben/ und durch Schmeicheley sich beliebt zuma- chen/ dann er wahr in Waffen und ritterlichen uͤbungen so erfahren/ daß ihm in den Mor- genlaͤndern sehr wenig gleicheten; kunte demnach nicht ersiñen/ wer diese immermehr seyn moͤchten/ denen er den Helden-Nahmen zuwendete/ und weil er der aͤlteste von den versam- leten Fuͤrsten/ ein Herr von 72 Jahren wahr/ antwortete er kuͤrzlich: Es muͤsten ihrer kei- nem dieselben unangenehm seyn/ denen seine Liebe ein solches Zeugniß ihrer Tapfferkeit uñ hohen Verstandes mitteilete. Als nun jederman hierauff schwieg/ fing Arbianes an zu sei- nem Herr Vater: Er håtte ihm vorgenom̃en/ eine kindliche Bitte an seine vaͤterliche Gn. in dieser Hochfuͤrstl. Versamlung abzulegen/ der Hoffnung/ da derselbe sich daruͤber etwas beschweret befuͤnde/ wuͤrden seine Gnn. Oheimbe und Fuͤrsten ihm ein Wort zum besten verleihen. Der Vater antwortete lachend: Bin ich dir dann so hart zu/ daß du dein Anlie- gen mir sonst nicht offenbahren darffst? Solches nicht/ Gn. Herr Vater/ sagte er/ nur daß ichs alhie desto leichter zuerhalten gedenke/ und ist dieses mein kindliches ansuchen/ daß Eu- re Gn. mir erlaͤuben wollen/ da etwa eine Kriegsempoͤrung/ wie sichs ansehen laͤsset/ entste- hen solte/ ich unter dem unvergleichlichen Helde/ Groß Fuͤrst Herkules/ reiten/ und von des- sen Durchl. erlernen moͤge/ was inkuͤnfftig mir zu Preiß und Ehren dienen kan. Hochge- bohrner Fuͤrst/ fiel ihm Herkules in die Rede/ ich wuͤrde gewißlich dieses Gemach nicht be- treten haben/ dafern ich haͤtte wissen sollen/ daß wegen Ihrer Liebe gar zu verdaͤchtiger Zu- neigungs-Rede ich alhie so schamroht stehen muß. Phraortes sahe/ daß er schier unwillig worden waͤhre/ fiel ihm deswegen mit halblachenden Worten ein/ und sagete: Eure Liebe wollen meinem Sohn des anmuhtens verzeihen/ dann als viel ich merke/ ist er bedacht/ hin- ter einem guten Schutze sich zuverbergen; Was koͤnte mir aber vor groͤssere Freude be- gegnen/ als wann ich sehen solte/ daß er ungefaͤrbeter Tugend zufolgen/ sich befliesse. Aber/ sagte er zu seinem Sohn/ du bittest von mir/ dessen ich nicht bemaͤchtiget bin/ uñ wirst es bey dem suchen muͤssen/ der dir solches leisten kan. Mein Herr Vater/ antwortete Arbianes/ ich kenne den Durchl. Groß Fuͤrsten/ Herrn Herkules nunmehr so viel/ daß seine Liebe mir kei- ne Moͤgligkeit versaget/ auch meine unhoͤfliche Verwaͤgenheit mir gerne zu gute haͤlt. Ja/ sagte der Vater/ vielleicht triegestu dich auff seine Mildigkeit zuviel; aber auff solche weise werden unhoͤfliche nur frecher gemacht; wil demnach vielmehr bey seiner Liebe anhalten/ dir nicht in allem so willig zuerscheinen/ dann bey je dweden wuͤrdestu es schwerlich treffen. Ich hoffe/ sagte Arbianes/ meine Jugend werde des Frevels Vorsprach bey seiner Durchl. seyn. Es wahr Herkules dieses Gespraͤch uͤber alle masse zuwider/ durffte sich doch keines Widerwillen merken lassen/ und gab dem jungen Fuͤrsten zur Antwort: Ich habe von Euer Liebe weder Unhoͤfligkeit noch Frevel je gehoͤret/ und ist mir lieb/ daß dieselbe auff ih- re Jugend sich beruffet/ als wodurch ich gleicherweise bey alten und verstaͤndigen um ver- E e e e e ij zei- Vierdes Buch. zeihung zubitten pflege/ und wir also in dieser Schuele auff einer Bank neben einander si- tzen/ daher ich mich dessen festiglich versehe/ Eure Liebe hinfuͤro mit uͤbermachten Ehrenbe- nahmungen mein verschonen werden; im uͤbrigen trauen mir dieselbe/ daß ich mir selb- sten wuͤnsche/ neben ihr zugleich den ritterlichen uͤbungen nachzusetzen/ und wir einander zur Tugend reizen moͤgen/ gelebe auch der Hoffnung/ Euer Liebe Herr Vater/ und sie im- gleichen/ mir solches nicht versagen werden. Die anwesende erkenneten aus dieser demuͤh- tigen Rede seine Tugend/ ohn allein Gobares trieb seinen Spot daraus/ daß er endlich zu Fuͤrst Pusizes sagete/ der ihm sehr nahe verschwaͤgert wahr: Dieser Juͤngling suchet durch nidertraͤchtige Reden ein sonderliches Lob/ welches des unverschaͤmten Ehrgeitzes hoͤchste Stuhffe ist; Aber dieser alte verstaͤndige Fuͤrst taht als hoͤrete ers nicht/ und weil es zeit wahr sich zu Tische zusetzen/ noͤhtigte Artaxerxes diesen Fuͤrsten/ die Oberstelle zunehmẽ/ dem er Ladisla allernaͤhest setzete/ welcher sich zwar mit Phraortes fast umtrieb/ und doch wider seinen Willen folge leisten muste/ dessen er alle anwesende umb Verzeihung baht. Nach Phraortes ward Herkules gesetzet/ dem Gobares folgen solte/ hielt sich aber zu stolz/ und waͤhlete ihm selbst die stelle vor dem Tische/ allernaͤhst bey Pusizes/ gegen Phraortes uͤber/ dessen Artaxerxes und andere mehr uͤbel zufrieden wahren. Der Hirkaner Fuͤrst aber fol- gete Herkules/ auff welchen er eine sonderliche Gewogenheit geworffen hatte/ und im ni- dersitzen sagte er zu ihm: Ich werde mich der Kuͤhnheit gebrauchen/ mich bey ihrer Liebe niderzulassen/ umb zu besserer Kundschafft gelegenheit zubekommen. Meine Unwiꝛdigkeit/ hier zusitzen/ antwortete er/ bekenne ich willig/ bitte daher/ niemand hieruͤber einigen Haß auff mich werffen wolle/ weil ich gezwungen unhoͤflich seyn muß. Gobares machte ihm die Gedanken/ es würde seinet wegen geredet/ und fassete einen solchen Groll wider ihn/ daß er ihm nach dem Leben zutrachten bedacht wahr/ da hingegen Herkules ihm gute Neigung zuwendete. Bey der Mahlzeit ward keiner wichtigen Haͤndel gedacht/ ohn daß zuzeiten Koͤniges Artabanus meldung geschahe/ dessen Grausamkeit/ und bißher mannigfaltige/ auch zeitwehrender erster Ehe/ veruͤbete Unzucht niemand besser als dem Hirkaner Fuͤrsten bewust wahr; Erzaͤhlete demnach/ wie zeit seiner ersten bluͤhenden Jugend kein redlicher Mann sein Weib oder (offtmahl noch unmanbahre) Tochter haͤtte schuͤtzen moͤgen; Das årgeste aber waͤhre gewesen/ daß nach deren Mißbrauch und buͤssung seiner Lust/ er seinen Leibdienern gleichen Mutwillen gegoͤnnet/ ja sie offt darzu gezwungen/ und hernach alles selbst ausgebreitet haͤtte/ daher es ihn groß wunder naͤhme/ wie er sich des eingesperreten Fraͤuleins enthalten koͤnte/ deren Schoͤnheit überall vor ganz vollkommen/ und als unver- gleichlich gepreiset wuͤrde/ und man daneben berichtete/ sie ihn dergestalt zu zwingen wuͤste/ daß er nicht eins auff ihr Schloß zu ihr kommen duͤrffte/ sondern sie liesse sich nur von ihm auff den hohen Umgaͤngen/ und zwar wunderselten/ von ferne/ mit verdecketem Angesicht beschauen. Herkules antwortete ihm: Das Fråulein betreffend/ weiß ich vor gewiß/ daß sie ehe eines grausamen Todes sterben/ als in seinen unzuͤchtigen Willen gehehlen wird/ dañ ihr Herz und Muht hasset nichts so sehr/ als Unkeuscheit. Fuͤrst Pusizes fragete ihn/ ob er dieser Fraͤulein Kundschafthaͤtte/ und vernam unvermuhtlich/ daß sie ihrer beydeꝛ Schwe- ster und Wase waͤhre/ und sie ausdruͤklich umb ihrer Erloͤsung willen sich aus ihrem Va- terlande auff die Reise begeben haͤtten/ des gaͤnzlichen vorhabens/ diese Laͤnder nicht zuraͤu- men/ Vierdes Buch. men/ ehe und bevor sie dieses Koͤnigliche Fraͤulein in vorige Freyheit ungeschaͤndet gesetzet haͤtten/ oder der Wuͤterich muͤste sein Leben davor lassen. Weil nun Pusizes gute Wissen- schafft umb des Koͤniges Frevel trug/ antwortete er: Dieses duͤrffte schwer zugehen; dann ist sie der Vollkommenheit/ wie das Geschrey einmuͤhtig zustimmet/ und er seine ehmahlige Begierden nicht ausgezogen hat/ wird er sie zu seinem Willen zubringen/ ihm aͤusserst las- sen angelegen seyn/ solte es auch durch einen unverschaͤmten Nohtzwang geschehen. Dar- zu wird es ob Gott wil nicht kommen/ sagte Ladisla/ ob ers gleich durch eheliche Liebe und Vermaͤhlung suchte/ es geschehe dann mit ihrer naͤhesten Anverwanten bewilligung; nach- demmahl in meinem Vaterlande nicht sitte ist/ dz eine Tochter vor sich selbst zur Ehe greif- fet; wil auch lieber ihres Todes/ als dieses Beylagers verstaͤndiget seyn/ dessen sie schon zuꝛ gnuͤge berichtet ist/ zweifele doch nicht/ Gott werde sie vor beyderley unfal gnaͤdig schuͤtzen. Nachgehends ward mannicherley auff die Bahn gebracht/ und fingen die Morgenlaͤn- dische Fuͤrsten ein Gespraͤch uͤber dieser Frage an: Was die beste Art seyn wuͤrde/ die noͤh- tige Kosten zu der Voͤlker Unterhaltung herbeyzuschaffen; welches dem Susianer nicht gefallen wolte/ dañ er wuste schon/ daß der Ausschlag nach seinem Willen nicht fallen wuͤꝛ- de. Aber Artaxerxes hatte diese Beredung mit fleiß angezettelt/ umb diesen von seinem un- gebuͤhrlichen Vornehmen abzubringen; Welches desto fuͤglicher ins werk zurichten/ er den Assyrischen Fuͤrsten/ Herrn Pusizes/ und den Hirkanischen/ Herrn Menapis ersuchete/ in ihrer wol- und nuͤzlich-angefangenen Rede fortzufahren/ also/ daß ein jeder feine Meynung nach Moͤgligkeit zubehaupten/ ihm liesse angelegen seyn. Weil dann der fromme Hirkani- sche Fuͤrst wol wuste/ dz etliche ihrer Verbuͤndnis/ insonderheit Gobares/ aus ihren Schatz- kammern nicht gerne viel entrahten wolten/ und er doch deren Meynung nicht zugetahn wahr/ wolte er dannoch dieselbe zu handhaben sich unterstehen/ nicht zweifelnd/ Fuͤrst Pusi- zes wuͤrde schon wissen/ ihm mit gebuͤhrlicher Antwort zu begegnen; fing demnach also an: Ihr Durchleuchtigste Fuͤrsten und getraͤue Vaͤter des Vaterlandes; Zu was ende vor dißmahl unsere Zusammenkunfft angesehen sey/ werden wir zu bequemer Zeit zuuͤberlegen haben. Vor dißmahl/ umb/ nebest Vertreibung der Zeit/ auch etwas nuͤzliches zubetrach- ren/ tuhn wir recht und wol/ die von unserm erwaͤhleten wirdigen Haͤupte/ Groß Fuͤrst Ar- taxerxes erwaͤhnete Frage in etwas zubeherzigen; massen kein vernuͤnfftiger Fuͤrst so un- vernuͤnfftig verfahren wird/ einen Krieg anzufahen/ ehe und bevor er auff die Mittel zu des- sen Unterhalt- und Fortsetzung ist bedacht gewesen. Den Krieg/ wie ich vor dißmahl ausseꝛ zweifelsetzen wil/ halten wir vor beschlossen/ und taͤhten wirs nicht/ wuͤrde man uns zu Cha- ras mit Esels Ohren und Narren Schellen abmahlen/ und zwar nicht unbillig/ welches a- ber hieher nicht gehoͤret. Ist dann der Krieg beschlossen/ und ein solcher/ dessen Endschafft sich nicht in wenig Monaten/ sondern etlichen Jahren erst finden duͤrffte; So wird dieses eine allerdinge noͤhtige Frage feyn/ woher die Mittel/ denselben an unser seite gebuͤhrlich zu unterhalten/ sollen genommen werden. Nun sind sie schon da/ ihr meine Herren/ und duͤrf- sen nicht erst in der ferne gesucht werden; nur allein muͤssen wir die guͤtigen. Goͤtter anruf- fen/ daß sie uns ins Herz geben/ die zutraͤglichsten zuwaͤhlen. Wolte dann jemand fragen/ wie mannicherley arten sich finden? so spreche ich: Wir muͤssen entweder solche Mittel von andern hohen Haͤuptern erborgen/ und sie hernaͤhst wieder bezahlen/ oder sonst gut machen; E e e e e iij odeꝛ Vierdes Buch. oder wir muͤssen sie aus Feindes Landen hohlen; oder sie durch ungewoͤhnliche schwere Schatzungen von unsern Untertahnen erzwingen; oder endlich muͤssen wir sie aus unsern Schatzkammern und andern gemeinen Auffkuͤnfften nehmen. Aus diesen vier Mitteln werden wir nohtwendig eines oder anders waͤhlen. Das erste/ weiß ich schon/ wird unser keinem anstehen; dann wo sind diese grosse Fuͤrsten/ die uns so viel hundert Toñen Schatz aufs ungewisse vorschiessen woltẽ? da wir auf den fall des unterligens alles dz unsere wuͤꝛdẽ verlauffen muͤssen; uñ die wir um solchen Vorschub woltẽ begruͤssen/ duͤrfften entweder ein sicheres Pfand fodern/ odeꝛ mit hoͤnischer antwort uns abweisen: wer ein Haus bauen oder kauffen wolte/ muͤste Geld wissen. Doch den Goͤttern sey dank/ wir sind auch nit so duͤrfftig/ sondern da wirs recht angreiffen/ reich und maͤchtig gnug vor uns selbst/ unsere Macht auff festem fusse zuerhaltẽ. Aber wie dann? moͤchte jemand fragen. Ists nit der beste Vortel/ dz man die Voͤlker aus Feindes Landen erhalte? ja sreilich/ wans sicher und mit fuge geschehẽ kan; wil auch der hoffnung geleben/ es solle uns dieses endlich nit fehlẽ; aber ihꝛ meine Her- ren/ werden wir dann bald anfangs unsere Besehle an Feindes Untertahnen koͤnnen lassen abgehen/ und auf unsere Voͤlker den Unterhalt einfodern? Es bedarff keines nachfragens/ was vor Antwort man uns geben wuͤrde: Alles was in Parthen und anderen des Wuͤte- richs Landschaften ein Gewehr zuͤcken kan/ wuͤrde einmuͤhtig auff seyn/ und von uns mit schweren Zinsen hohlen/ was wir von ihnen fodern wolten. Muͤssen derwegen dieses Mit- tel bißzur gelegenen Zeit außsetzen/ ja wo moͤglich/ allen Parthischen Untertahnen einbil- den/ wir seyn nicht zu ihrem verderben/ noch einiger beschwerung/ sondern zu ihrer Erloͤ- sung verhanden/ sie neben uns zuschuͤtzen und in die gewuͤnschete Freyheit zusetzen; alsdañ werden sie entweder sich zu uns schlagen/ oder auffs wenigste/ unserm Vorhaben nicht so gar heftig zuwieder seyn. Bleibet demnach uͤbrig/ es muͤssen die Gelder und unterhaltungs Mittel des bevorstehenden Krieges/ von uns selbst/ und in unsern Laͤndern auffgebracht werden. Nur mus endlich der Schluß gesetzet werden/ auff was Weise; dann hier hier sitzet der rechte Knoden. Zwar wann ein jeder unter uns den Vorraht seiner Schazkam̃er ungemindert erhalten/ und noch wol die kuͤnftigen Landes- auffkuͤnfte verwarlich beylegen koͤnte/ wehre wol eingewuͤnschtes tuhn/ und dahin werden vielleicht andere mehr mit mir stimmen. Dañ sehet/ Durchl. Fuͤrsten/ weil man nicht errahten kan/ wie unser Vorhaben ablauffen werde/ haͤtte ein jeder auff allen Nohtfal eine statliche Baarschaft/ damit er sich mit Weib und Kind in des Roͤmischen Kaͤysers Gebiet verfuͤgen/ und Lebensmittel auff Kindes Kinder haben und behalten koͤnte. Doch diesen Ungluͤksfall außgesezt; wird uns dannoch das sicherste seyn/ daß wir unsere Schazkammer anfangs verschonen/ und unsere Fuͤrstliche Einnahme an uns halten/ im Fall der Noht uns damit von neuen zu ruͤsten/ wann es zu erst nicht gluͤcken wuͤrde. So ist ja unser Krieg den Untertahnen zum besten angesehen/ das unertraͤgliche Joch des Parthischen Wuͤterichs von ihnen abzuwenden; wie solten sie dann dem Kriegsheer nicht unterhalt schaffen/ welches ihnen zum besten gehalten wird? Es ist kein aͤdler Kleinot uͤber die Freiheit/ darein wir sie zu setzen bemuͤhet sind; ists dañ ein grosses/ ob sie zu deren befoderung einen Teil ihrer Guͤter einbuͤssen? So ist es ja leichter/ den Krieg aus vielen/ als aus wenig Beuteln zu unterhalten; Und was kans groß machen/ ob Buͤrger und Bauer/ ja auch wol der Adel ihre Baarschaften muͤs- sen Vierdes Buch. sen herschiessen? Es ist trauen weder rahtsam noch uns Fuͤrsten ersprießlich/ daß unsere Untertahnen Reichtuhm besitzen/ und wir dagegen umb unsern Schaz kommen. Dann was achten reiche Untertahnen ihre arme nohtleidende Obrigkeit? und ey wie schoͤn ste- hets/ wañ der Fuͤrst ein Pferd reitet von etwa 100 Kronen/ und sein Untertahn auff stat- lichen Gutschen mit sechs oder acht Hengsten herein pranget. Geschiehets nicht gemein- lich/ das Untertahnen durch uͤberflus nur stolz/ und ihrer Obrigkeit ungehorsam werden/ daß sie wol gar mit ihnen sich duͤrffen ins Recht legen/ oder hefftige Kriege fuͤhren? wel- cher Muht ihnen bald entsinket/ wañ ihnen die Schmalzfedern geropfet sind/ und man sol- cher Boßheit fruͤhzeitigen Eingriff tuht; welches nicht besser noch fuͤglicher geschehen mag/ als wañ man sie durch armut demuͤhtiget/ oder doch ihnen des uͤbeꝛflusses und Reich- tuhms nicht zu viel goͤnnet. Wolte mir aber jemand einwerffen/ es wuͤrde das Land da- durch außgesogen und kraftloß gemacht/ so halte ich solche Furcht vergebens seyn. Dann des Fuͤrsten Schazkammer ist des Landes Reichtuhm/ und sind die Untertahnen nicht so leicht zuerschoͤpfen/ ob sie gleich alle ihre Baarschaft herzugeben genoͤhtiget wuͤrden; sie sind fuͤglich einem Meel Sak zuvergleichen/ je mehr man den schlaͤget/ je mehr Meel heraus stiebet; und lehrets uns die Erfahrung/ daß die Untertahnen alsdann der Nahrung am fleissigsten nachtrachten/ und der Sparsamkeit sich befleissigen/ wann ihnen von der Obrig- keit eine Schatzung uͤber die andere angesaget wird. Zu geschweigen/ daß man ihnen da- durch zugleich die Ursach und Gelegenheit zum quaas und fraas entzeuhet/ und der Obrig- keit sich zuwiedersetzen die Kraft benimt. Ja der Mißgunst unter ihnen/ hoͤret auff/ wann einer nicht mehr als der ander hat; und werden die alten Geschlechter schon nachlassen sich den Einkoͤmlingen vorzuzihen/ wann es ihnen beyderseits an Hellern gebricht. Zum Beschluß wird auch dieses anzumerken seyn/ daß je weniger die Untertahnen an zeitlichen Guͤtern besitzen/ je liederlicher sie ihr Leben schaͤtzen/ und so viel kuͤhner und unverzagter sich wieder den Feind gebrauchen lassen/ welches wir an den alten Griechen und Roͤmern sehen/ die Zeit ihrer Armut die besten und geherzesten Kriegsleute wahren/ weil sie wenig zuverliehren hatten; es ging bey ihnen nicht/ wie bey uns/ da die Reichen sich wegern/ das Gewehr zuempfangen/ und sich erbieten/ einen andern an ihre stelle zuschaffen. Welches alles/ wañ ichs bey mir uͤberlege/ und zugleich beherzige/ daß der Untertahnen Guͤter und Reichtuhm/ der Macht/ Gewalt und freien verordnung ihrer Obrigkeit untergebensind/ sehe ich kein besser/ fuͤglicher/ noch ablanglicher Mittel/ unsere Kriegsmachtzu unterhal- ten/ als wann ein jeder Fuͤrst alle Monat oder Wochen seinen Untertahnen eine zimliche Schatzung auffleget/ welche sie auff gewisse Tage und Stunden entrichtenund unfehlbar einschaffen muͤssen/ so daß man den Nachlaͤssigen/ alles einwendens ungeachtet/ zehn oder zwoͤlff gnug trotzige Kriegsknechte ins Hauß leget/ denen sie essen/ trinken/ uñ gewisse Gel- der vor ihre Muͤhe entrichten muͤssen/ biß sie ihren Anteil zur Schatzung beybringen. Als- dann wird ein jeder schon wissen/ daß er zu rechter Zeit daß seine herbeyschaffe; und was koͤnnens die Untertahnen so eigentlich nachrechnen/ ob gleich der dritte oder vierde Teil mehr von ihnen gefodert wird/ als zum Kriege noͤhtig/ welcher uͤberschuß unser Schaz- kammer zum besten gereichen kan/ nur daß gleichwol unsern Amtleuten solcher Vortel nicht zuwachse. Inzwischen wann solche Schatzungen eingefodert werden/ hat man die Unter- Vierdes Buch. Untertahnen allemahl zuvertroͤsten/ sie moͤgen nicht ungeduldig werden/ es sollen solche ungewoͤhnliche Lasten nicht lange anhalten/ welche uͤber daß nicht sollen in nachfolge geze- gen werden/ noch jemande an seinen Rechten/ Gerechtigkeiten und Freyheiten schaͤdlich oder nachteilig seyn. Und ob solche gemachte Hoffnung nicht so bald ihre Wirkung errei- chen wuͤrde/ wie man dann dieses mittels/ Geld zu machen/ so lange moͤglich seyn kan/ sich wird zugebrauchen haben; werden sich wol zehn Ursachen vor eine an die Hand geben/ welche man bey den Untertahnen vorzuschuͤtzen hat. Hiemit wil ich meiner Rede die end- schaft geben/ mit bitte/ das vorgebrachte/ reiflich zu erwaͤgen/ uñ meiner gebrauchten Frey- heit nichts zuveruͤbeln. Solte dann ein bessers koͤnnen vorgetragen/ und von den versam- leten Vaͤtern des Vaterlandes beliebet werden/ bin ich erboͤtig/ mich gerne weisen zulas- sen/ und den Kluͤgesten folge zuleisten. Der mehrerteil der Anwesenden Fuͤrsten/ hatten diese Rede mit grosser Ungeduld und bestuͤrtzung angehoͤret/ insonderheit/ weil ihnen dieses Fuͤrsten bißher getragene Liebe zu seinen Untertahnen bekant wahr/ und wie so gar keine Lust noch Willen er die ganze Zeit seines Lebens zu deren beschwerung und unterdruͤckung gehabt hatte/ so gar daß allenthal- ben der Ruff ging/ es wuͤrden keine Untertahnen gnaͤdiger gehalten/ und weniger beleget/ als eben die Hirkaner. Aber Artaxerxes/ der solches mit diesem Fuͤrsten also angeleget hat- te/ ließ ihm das Vorgebrachte wolgefallen/ nicht/ dz er solcher Meynung solte beygepflich- tet haben/ sondern daß man Ursach haben moͤchte/ diesen Unsin/ der bey etlichen/ sonderlich aber bey Gobares eingewurzelt wahr/ aus dem Grunde zuwiederlegen. Doch wolte er daruͤber eines jeden Meynung vernehmen/ deswegen fing er also an: Durchlaͤuchtige Fuͤr- sten/ und getraͤue Vaͤter des Vaterlandes; es hat Fuͤrst Menapis klar und deutlich aus- gebeichtet/ was vielleicht seine Meynung seyn moͤge/ die er nach vermoͤgen mit unterschied- lichen Gruͤnden hat wollen behaͤupten. Ist also noch uͤbrig/ daß wir anderen uns verneh- men lassen/ was wir daran zu loben oder zutadeln haben. Und weil Fuͤrst Gobares/ der aͤus- serlichen bezeigung nach/ mit dieser Meynung uͤbereinstimmen duͤrffte/ wolle dessen Liebe/ da er sonst nichts einzuwenden hat/ sein gutduͤnken hieruͤber vernehmen lassen. Dieser waꝛd uͤberaus froh/ daß er der erste seyn solte; nicht allein/ damit dieser Vorschlag/ welcher eben nach seinem Sinne war/ durch seinen Beyfall gestaͤrket wuͤrde/ sondern/ daß er auch durch solchen Vorzug ihm bey unsern beyden Helden ein so viel groͤsser ansehen machen moͤchte/ und sie ihn daher umb so viel mehr fürchten und ehren wuͤrden; deswegen er mit dieseꝛ Veꝛ- waͤgenheit loßbrach: Durchleuchtiger Fürst Menapis/ die Goͤttin der Klugheit/ welche aus dem Gehirn des allerhoͤchsten Gottes sol gezeuget seyn/ laͤsset sich handgreiflich spuͤren und hoͤren/ daß in eurem Gehirn sie ihren Sitz und Wohnung zu euꝛem unsterblichen Prei- se und Ruhm genommen habe; massen Eure Liebe den rechten Zweg eigentlich getroffen/ und die koͤstliche Grundfeste alles Fuͤrstlichen Wolstandes uns mit solchen unhintertreib- lichen Wichtigkeiten vor Augen gestellet hat/ daß meines ermaͤssens/ (wie ich dann ohne Ruhm zumelden/ in der Welt auch etwas erfahren habe) eure Meynung dergestalt behaͤu- ptet ist/ daß/ wer dieselbe zuwiderlegen/ oder ungültig zu machen sich unterstehen wolte/ gleich solche vergebliche Muͤhe anwenden wuͤrde/ als wolte man das rohte von den Ziegel- steinen mit Wasser abwaschen/ oder durch eine angezuͤndete Kerze der Sonnenstrahlen uͤber- Vierdes Buch. uͤberleuchten. Dann wuͤrde es nicht ein unwitziges beginnen seyn/ wann ein Fuͤrst wegen seiner Untertahnen bestes/ feinen wolerworbenen Schatz verringern/ und in die Schanze setzen wolte? Wer wil uns denselben wieder ersetzen? Es ist mir des groben Poͤvels Ei- genschafft durch langwierige Erfahrung gar zu wol bekand; sie wuͤrdens ihrem Fuͤrsten nicht den geringsten Dank wissen/ ob er ihretwegen etwas anwenden wolte. Drum so lasse ichs bey eurer Liebe getahnem recht Fuͤrstlichem Vorschlage schlechter dinge bewenden/ damit ich nicht vor unverstaͤndig angesehen werde. Nur setze ich noch dieses mit wenigem hinzu/ daß gleich wie ein Leibeigener nichts in seinem Besitz hat/ welches seinem Herrn nit eigentuͤhmlich solte zustehen; also habe ein jeder Fuͤrst Macht und Freyheit/ seinen Unter- tahnen abzufodern/ was von deren Guͤtern (nichts uͤberall ausgenommen) ihm moͤchte be- haͤglich seyn. Herkules und Ladisla entsetzeten sich zum hoͤchsten uͤber solches bißher angehoͤrete vor- bringen/ wuͤnscheten auch in ihrem Herzen/ diese Geselschafft nimmermehr gesehen zuha- ben/ weil sie in der Furcht begriffen wahren/ es wuͤrden die hinterstelligen Stimmen nicht viel anders lauten/ welches anzuhoͤren ihnen ein greuel wahr; daher sie bey Artaxerxes um̃ Erlaubnis/ einen Abtrit zunehmen/ anhielten/ biß die Hochfuͤrstl. Geselschafft diese ihre Beredung moͤchte geendiget haben. Aber der Persische Groß Fuͤrst/ der ihr Anliegen mer- kete/ baht sie freundlich/ sich gefallen zulassen/ daß sie alle Stim̃en/ und den endlichen Schluß anhoͤren moͤchten. Und als sie/ solches einzuwilligen/ durch Hoͤfligkeit sich verbunden sahẽ/ erwarteten sie des Endes mit grossem verlangen; fasseten auch bald eine bessere hoffnung/ da sie Artaxerxes hoͤreten den Assyrischen Fuͤrsten Pustzes also anreden: Durchleuchtigeꝛ Herr Oheim; eure Liebe wird sich unbeschweret befinden/ ihre Meynung uͤber dieser hoͤchst- wichtigen Frage anzudeuten/ also und dergestalt/ daß/ gleich wie die vorigen beyden Stim- men alle ihre Haͤuptgruͤnde angefuͤhret haben/ ihr ohn einiges ansehen euch offenherzig heꝛ- aus lasset/ und da ihr etwa mit ihnen nicht wuͤrdet einig seyn koͤnnen/ nicht allein eure Mey- nung behauptet/ sondern auch die widrige bestreitet und widerleget. Ja mein Durchl. Herꝛ Oheim/ sagte Fuͤrst Menapis; ob mir gleich nicht gebühren wil/ hiezwischen einzureden/ so achte ich doch vor nohtwendig/ ihn mit wenigen zuversichern/ daß wo ich geirret habe/ wie ich dann wol kan geirret haben/ und Eure Liebe mir meinen Fehler zeigen wird/ ich seiner hochbekanten Weißheit von herzen davor zudanken/ mich so willig als schuldig finden las- sen werde; haͤtte mich auch nimmermehr lassen bereden/ die erste Stimme zugeben/ wann ich nicht eurer Liebe unterweisung mich haͤtte zugetroͤsten gehabt; und zweifele nicht/ die Hochfuͤrstl. Geselschaft werde mir diese zwischen-Rede in verbleibender Wolgewogenheit verzeihen. Durchleuchtigste Fürsten/ und getraͤue Vaͤter des Vaterlandes/ antwortete Pusizes; Ob ich zwar anzuhalten befugt waͤhre/ daß andere/ mit mehrer Weißheit begabe- te/ ihre Stimme vor die meine moͤchten ergehen lassen/ wil ich doch/ umb meinen Gehorsam und Gutwilligkeit sehen zulassen/ michs nicht wegern/ mit diesem ausdrüklichẽ Vorbehalt/ daß gleich wie mein Durchl. Oheim/ Fürst Menapis sein Vorbringen zur freyen untersu- chung dargestellet hat/ ich gleicheꝛgestalt mich einer besseren Meynung ganz willig/ und ohn einiges Mißgnuͤgen unterwerffen wolle. Welchem nach ich mir anfangs sehr wol gefallen lasse/ daß Fürst Menapis nach seiner Weltbekanten Weißheit und Erfahrung/ uns die un- F f f f f ter- Vierdes Buch. terschiedlichen Arten vorgestellet hat/ deren eine oder andere wir uns ausser allem zweifel zu unsers Kriegsheers Unterhalt werden zugebrauchen haben. Von den beyden zuerst ange- regten Mitteln wil ich nichts wiederholen/ dann ich stimme damit allerdinge uͤberein. Das uͤbrige aber werde ich muͤssen auff die Wage der Vernunfft legen/ und Euren Liebden inge- samt/ etwas reifflicher zubeobachten vorstellen/ insonderheit/ weil ich handgreiflich sehe und fuͤhle/ daß mein Oheim solches aus keiner andern Andacht vorgetragen hat/ als daß solcheꝛ Wahn/ dem sein Herz nie beygepflichtet/ von einem andern/ als ihm selbst moͤchte zu grunde gerichtet werden/ welches er selbst am besten und bestaͤndigsten haͤtte leisten koͤnnen. Wie sollen wirs dann anschlagen/ O ihr Vaͤter des Vaterlandes/ daß unsere Kriegsmacht in gutem Wesen und Wolstande erhalten werde? Oder daß ich dem Hauptziel nahe gnug trete; Woher nehmen wir Geld/ Brod/ Kleider/ Waffen/ vor unsere Kꝛiegsleute/ und Fut- ter vor ihre Pferde? Aedelman/ Buͤrger und Baur sollens durch ungewoͤhnliche Schat- zungen hergeben/ von denen wollen wirs durch Kriegszwang loßkeltern/ und zwar unter dem Schein/ es geschehe alles zu ihrem besten/ und seyn sie schuldig und gehalten/ es willig ausfolgen zulassen/ nicht als ihr eigenes/ sondern als unser gehoͤriges; so daß es ihnen nuͤtz- licher sey/ solches zuverlieren/ als zu behalten; ja daß sie durch solchen Verlust geschikter ge- macht werden/ wider den Feind zugehen/ als sie sonst nicht tuhn wuͤrden/ weil ihnen ihr Reichtuhmschaͤdlicher als nuͤzlich sey. Also lautets in Warheit/ nach kurzen Worten/ was mit verbluͤmter Rede angefuͤhret ist. Aber mein geliebter Herr Oheim/ Fürst Menapis; Ist diß eures Herzen ernstliche Beichte? Warumb habt ihr dann biß an diesen Tag mit euren Untertahnen so gar das Widerspiel getrieben? Warumb habt ihr so mannichen un- gerechten Beamten lassen auffknuͤpffen: wann dieselben/ daß sie die Untertahnen uͤbersetzt hatten/ uͤberzeuget wurden? Und erinnert ihr euch nicht eures Leib Spruches? Principis gloria in fubditorum divitiis confistit . Eines Fuͤrsten Preiß und Ruhm bestehet in seiner Unter- tahnen Reichtuhm oder Wolstande. Ist demnach unmoͤglich/ daß ihr auff andere weise/ als zum Versuch/ eure Rede vorgebracht/ nur daß ihr denen eure Zunge leihen moͤchtet/ denen euer Herz Himmelweit entfernet ist; wiewol nicht aus argem Vorsatze/ sondern die Schaͤdligkeit solches unwesens uns desto klarer vorzumahlen/ welches sonst kein ander so fuͤglich wuͤrde haben verrichten koͤnnen. Ja was habt ihr durch eure Zwischen-Rede anders gewolt/ als daß ihr mich ausgefodert/ euer ertichtetes Vorbringen/ welches euch selbst abscheulicher ist/ als unser keinem/ zuwiderlegen? Wolan/ ich bin eurer Liebe viel ein mehres schuldig/ darumb wegere ich mich nicht/ euch zugehorsamen; nur bitte ich/ die übꝛi- ge anwesende Durchll. Fürsten wollen an meinem Vorbringen/ welches ich vor einen lau- teren Uberfluß achte/ kein Mißfallen tragen. So habe nun anfangs vernommen/ es werde uns schr noͤhtig und nüzlich seyn/ daß wiꝛ umb vermuhtlichen künftigen Unfalls willen/ un- sere Schatzkammer verschonen. Die Goͤtter werden von unserm heiligen und gerechten Vornehmen solchen Unfall gnaͤdig abwenden. Doch er moͤchte erfolgen/ weil es nicht un- moͤglich ist; Muß dann unser erstes und vornehmstes seyn/ daß wir unsern Eigen-nutzen/ welcher mit dem gemeinen besten nichts zuschaffen hat/ vor allem andern aus/ fest setzen? Trauen/ wer also gesinnet ist/ wird vor des Kriegs anfang seine Gelder uͤber Meer nach Rom in sicherheit bringen muͤssen. Ich wil mich hieselbst nicht lange auffhalten/ sondern gebe Vierdes Buch. gebe zur Antwort: Wessen Heil in der Flucht bestehet/ der gehe beyzeiten durch. Heisset das aber/ umb des Vaterlandes Freyheit bekuͤmmert seyn? Ich meyne/ unser Schluß sey die- ser: Daß wir alles/ was wir auch in Hosen und Wammes tragen/ vor das Vaterland wagen und anwenden wollen; und nun ist die erste Sorge/ wie man Mittel gnug haben uñ behalten moͤge/ weit ausserhalb Vaterlandes im Elende das Leben sicher zufuͤhren. Ich vor mein Haͤupt/ habe mich/ mit allem was ich bin und vermag/ dem Vaterlande gewidmet uñ uͤbergeben/ verschwoͤre mich auch/ kraft dieses/ allen meinen Land Goͤttern/ daß ich disseit des Tiger Flusses/ als ein unversoͤhnlicher Feind des Parthischen Wuͤterichs/ leben und ster- ben wil/ ich moͤchte dann als ein Gefangener dahinein geworffen/ oder hinuͤber geschleppet werden. Und wer sich wegert/ mit mir dieses Geluͤbde zuleisten/ den schaͤtze ich allerdinge unduͤchtig/ ja ich schaͤtze ihn ganz schaͤdlich dieser unser Geselschafft und loͤblichen Vorneh- mens; moͤchte auch wuͤnschen/ daß man jedem unter uns koͤnte des Herzen inwendiges be- leuchten/ auff daß/ wer seinen Schatz lieber/ als Vaterlandes Wolfahrt hat/ alsbald von uns ausgeschlossen/ und mit seinem Schatze nach Rom/ oder gar biß ans Ende der Welt verbannet wuͤrde. Die andere angefuͤhrte ursach scheinet ja noch der Erbar- und Nützlig- keit aͤhnlich; man muͤsse den Fuͤrsten Schatz ersparen/ daß man auf erlittene Niderlage sich daher mit Voͤlkern auffs neue versehen koͤnne. Ja wann die zur ersten Verfassung vor- geschlagene Mittel ehrlich und vortraͤglich waͤhren/ liesse ich mir solches mit gefallen; weil aber das Widerspiel zuerweisen ich mir leicht getraue/ wil ich biß dahin diesen Vortrag ausgestellet haben. Das gutduͤnken ist ergangen/ man solle alle Kriegs Kosten durch Schatzung von den Untertahnen erzwingen/ weil zu ihrem besten der Krieg gefuͤhret wer- de/ und man sie von dem Parthischen Wuͤterich befreyen wolle. O der Unbesonnenheit! Heisset dann das/ befreyen/ da man einen zehnmahl haͤrter dꝛuͤcket und beraubet/ als voꝛhin nie geschehen ist? Da man den Untertahnen eine Last aufbuͤrdet/ welche der Wuͤterich selbst biß daher von ihnen abgekehret hat? Ja wann unsere Untertahnen Kloͤtzer und wahnwit- zige Tihre waͤhren/ denen man mit einem Worte aus saur koͤnte suͤsse/ und aus suͤsse saur machen. Wollet ihr uns von des Parthers Zwange frey machen/ werden sie sagen/ so tuht es nicht durch hefftigere Unterdruckung; dañ wir wollen dem Parther lieber das gewoͤhn- liche geben/ und seines Schutzes geniessen/ als allen unsern Armut euren Kriegsleuten daꝛ- legen/ und nachgehends Mangels halben unser Haus und Hof veꝛlauffen. Und lasset uns doch nur dieses bedenken/ O ihr Vaͤter des Vaterlandes/ daß keiner unter uns eine Stad oder Dorff hat/ in welchem sich nicht Parthisch-gewogene solten finden; wuͤrden diesel- ben nicht mit leichter muͤhe die uͤbrigen/ ob gleich die meisten/ wider uns auffwiegeln koͤn- nen/ wann sie ihnen mit gnug beweißlichen Gruͤnden vorzustellen haͤtten/ unseꝛe vorgenom- mene Rettung fuͤhrete nichts gewissers mit sich/ als ihrer aller gaͤnzliches Verderben und aͤusserste Armut; Was koͤnte daraus anders erfolgen/ als daß Artabanus ohn Schwert- schlag/ durch unsere eigene Leute uns wuͤrde fellen und zu grunde richten? Dann sind un- sere Untertahnen schwuͤrig/ so ist es besser/ wir fallen in unsere eigene Schwerter/ als dz wir uns von ihnen fahen/ binden/ und uͤber das Gebirge nach Charas hinschleppen lassen/ nach- dem uns daselbst keine bessere Wartung zubereitet ist/ als des Buͤttels grausamste Folter. Und diese Aufruhr unserer Leute muß nohtwendig folgen/ wann wir ihnen einige beschwe- F f f f f ij rung Vierdes Buch. rung wider ihren Willen aufflegen. Ich hoͤre aber diesen behelff anzihen/ daß aus vielen Beuteln besser/ als aus wenigen/ der Krieg zuerhalten sey; Und wer ist so Gehirn-loß/ der solches nicht wuͤste? Es muß dieses aber dannoch mit Verstande gesagt werden; nehm- lich/ wann die vielen Beutel willig darzu sind; wo nicht; so fage ich/ daß aus wenig willi- gen Beuteln der Krieg besser zufuͤhren sey/ als ausvielen unwilligen. Uberdas muͤssen wir den Untertahnen nicht ihren Beutel samt dem Gelde wegnehmen/ wann wir wollen/ daß sie uns sollen helffen den Krieg fortsetzen; sonst werden sie uns endlich den leeren Beutel lassen/ und den Parther ihre Faͤuste aus Verzweiffelung leihen/ daß sie ihr Geld samt dem unsern wieder bekommen/ da ausser Zweifel das Wasser uns uͤber die Koͤrbe gehen wuͤrde. Die uͤbrigen angefuͤhrten ursachen achte ich der Beantwortung allerdinge unwirdig/ dañ sie fuͤhren nichts/ als wuͤterische Gruͤnde zum Beweißtuhm an; massen wer solcher gestalt mit seinen Untertahnen wolte verfahren/ sie deswegen mit Schatzungen zubeschweren uñ zuuͤbernehmen/ daß sie sollen in Armut gerahten/ und durch Mangel zum voͤlligen Gehor- sam gegen ihre Obrigkeit gebracht werden/ den setze ich ja billich unter allen Wuͤterichen o- ben an/ und wuͤrden wir auff solche weise unsern Untertahnen anlaß und ursach geben/ daß sie aus hoͤchstgedrungener Noht den Parther wider uns zu ihrem Schutze anruffen muͤ- sten/ ob sie ihm gleich sonst von herzen feind sind. Aber O nein/ ihr lieben Vaͤter/ dieses stim- met ja durchaus nicht mit unserm loͤblichen Vornehmen zu. Wollen wir unsere Land- schafften und Fuͤrstentuͤhmer in Freyheit und sicheren Stand setzen/ so muͤssen dessen die Untertahnen insonderheit empfinden; nicht daß sie daher Ach und Weh uͤber uns schrei- hen/ sondern uns wegen ihrer Wolfahrt danken koͤnnen. Dann rauben wir ihnen die Nah- rung und saur erworbenen Gelder/ und setzen sie in Armut/ so werden wir sehen/ dz sie zwar als verzweifelte Leute wider ihre Feinde sechten werden/ aber diese werden sie als ihre Fein- de anfallen/ von denen sie in schmaͤhliche Armuht gesetzet sind/ welche ungleich unleidlicher ist als der Todt selbst. Der Griechen und Roͤmer Beyspiel/ wil mit diesem ganz nicht zu- stimmen; dann jene wahren ihrer Gelder ja nicht von ihrer Obrigkeit beraubet/ sondern ih- re Goͤtter hatten ihnen biß daher keine bescheren wollen. Und was meynet ihr? Wann ein reicher Mann uns vor sein Haͤupt/ zween/ drey/ oder wol mehr guter Kriegs Knechte schaf- fet/ damit er des Zuges befreyet sey/ solten wir das nicht vor einen Vortel achten? Eines moͤchte ich ungerne beruͤhren/ was Fuͤrst Gobares Liebe hinzugesetzet hat; und gleichwol kan ich nicht umhin/ mich daruͤber mitwenigen heraus zulassen/ insonderheit/ weil mir sol- ches/ den/ von dem Parthischen Wuͤteriche uns getahnen Vorwurff etlicher massen hat erklaͤret/ welchen ich biß daher sonst nicht begreiffen koͤnnen/ da er uns dieser Ungerechtig- keit zeihet/ als solten wir mit unsern untergebenen freyen Untertahnen nicht anders/ als mit verkaufften Leibeigenen umgehen/ und deren Schaͤtze nach belieben zu uns reissen. Die Goͤtter wissen/ daß ich solches vor ein luͤgenhaftes Geticht gehalten habe/ dann meines orts weiß ich mich dessen unschuldig; soltẽ aber ein und ander ihnen solche unbilliche wuͤterische Grausamkeiten haben gefallen lassen/ die moͤgens dann endlich verantworten/ aber sich zu- gleich lassen warnen/ daß sie beyzeiten davon abstehen/ ehe sie die Reue zu spaͤte trifft. Wel- che wolgemeynte Erinnerung mir als einem alten/ ohn Ruhm zumelden/ in etwas erfahr- nen Fuͤrsten/ niemand verargen wird. So halte und schliesse ich nun diesem allen nach/ es Vierdes Buch. es sey kein gewisser und ablanglicher Mittel zu unserm unfehlbaren Verderben zuersiñen/ als wann wir durch uͤbermaͤssige Schatzungen/ der Untertahnen Gemuͤhter von uns ab- wenden/ und ihnen dadurch gnugsame Ursach zum Auffruhr wider uns geben/ weil wir e- ben dadurch dem Parthischen Wuͤterich das Schwert darbieten werden/ unsere Haͤupter uns als Meinaͤidigen herunter zuschmeissen. Was wird aber dann endlich vor ein Mittel uͤbrig seyn/ den Krieg an unser Seiten zuunterhalten? Mittel gnug/ O ihr Vaͤter/ Mittel gnug und uͤberfluͤssig/ wann wir sie nur wollen zu unserm be- sten lieber anwenden/ als zu unserm verderben behalten. Nehmlich/ ein jeder unter uns/ greiffe seine Schazkammer an/ und nehme den Uberfluß heraus; damit wird man ein grosses verrichten koͤnnen. Die grossen und vielen filbernen und guͤldenen Freß-uñ Sauf- geschir/ die wir von unsern Vorsahren geerbet/ wollen wir vermuͤntzen/ und die unnuͤtzen Werkzeuge der uͤppigen betreibungen/ zu des Vaterlandes Rettung anwenden; Und o wie wird mir alsdann meine Speise und Trank aus den jrdenen Gefaͤssen so wol schmecken! Fragen dann unsere Untertahnen nach/ warumb solches geschehe; wollen wir ihnen zur Antwort geben; Ihre und unser aller Wolfahrt erfoderte solches. Daß wird sie zur veꝛ- wunderung bringen; sie werden untereinander sprechen: Lasset uns unserer getraͤuen O- brigkeit unter die Arme greiffen/ damit sie ihren Schaz nicht entleeren/ auff daß/ die wir der Wolfahrt mit zugeniessen haben/ auch die Kosten tragen helffen. Versichert euch/ ihr Vaͤ- ter/ daß sie von sich selbst mehr tuhn werden/ als unser keiner gedacht haͤtte/ und zwar wer- den sie es mit freuden tuhn. Ja die Haabselige werden es den unbeguͤterten kaum goͤnnen/ daß sie mit zuschiessen; und wañ ein oder ander unaͤdler ein ansehnliches hergeben wird/ wollen wir ihn als einen Freund des Vaterlandes in den Adel Stand erheben; wodurch viel andere ihresgleichen werden auffgemuntert werden/ dem gemeinen Wesen reiche bey- steuer zu leisten. Inzwischen lasset uns einen willigẽ Anfang machen. Ich voꝛ mein Haupe habe ohn die bißher angewendete Anreits- und Unterhalts Kosten/ 180 Tonnen Schaz baar abzaͤhlen lassen/ und wañ dieselben werden vergriffen seyn/ wil ich noch eine gleiche Anzahl herschiessen. Solte dañ meine Kammer ganz außgegriffen werden/ wil ich leihen und borgen/ und viel lieber meiner Hoffstat abbrechen/ als das gemeine Wesen Noht leidẽ lassen; wie wol mirs nicht fehlen sol/ von meinen Staͤdten und Staͤnden/ ja auch von ein- zelnen Kauffleuten etliche hundert Tonnen Goldes ohn einigen Zwang und Anfoderung zuerhalten. Lasset uns dieses/ ihr Durchll. Fuͤrsten ohngefehr uͤberschlagen/ so werden wir befinden/ dz unser vermoͤgen groß gnug sey/ etliche hundert tausend Mann zu Roß uñ Fuß/ etliche Jahr an einander im Felde zu unterhalten/ ob gleich unsere Untertahnen und des Feindes Landschaften keinen Heller zuschiessen wuͤrden. Habe diesem nach meine ernstli- che Meinung vorgetragen/ doch also/ wann eine bessere und ehrlichere kan vorgeschlagen werden/ ich von dieser abstehen/ und dem gemeinen Schlusse mich gerne bequemen wil. Herkules und Ladisla bekahmen nunmehr einen bessern Muht/ dañ sie erkeñeten/ daß Fuͤrst Menapis nicht von Herzen/ sondern ertichteter Weise geredet hatte; nur warteten sie mit Schmerzen/ zuvernehmen/ weß Gobares sich erklaͤren wuͤrde; dañ sie sahen/ wie derselbe uͤber Pusizes vorbringen/ zu unterschiedlichen mahlen sich unter dem Gesicht verenderte/ wodurch er sein Mißgnuͤgen gnug zuverstehen gab. Artaxerxes aber stellete sich annoch/ F f f f f iij als Vierdes Buch. als zweifelte er/ welcher Meinung beyzufallen waͤhre/ und begehrete/ daß die andern Fuͤr- sten sich heraus lassen moͤchten. Da dañ Groß Fuͤrst Phraortes mit kurzen/ aber nachdruͤk- lichen Worten anzeigete/ es haftete ausser allem zweiffel ihrer aller Untergang daran/ wo sie durch ungewoͤhnliche Schatzungen ihnen die Untertahnen wuͤrden zu wieder machen/ welche so aͤngstig auff Linderung hoffeten; daher nichts rahtsamers waͤhre/ als den Krieg aus ihren Fuͤrstlichen Auffkuͤnften zu unterhalten/ biß man aus Feindes Land etwas wuͤrde zu heben haben. Welcher Meinung dañ die uͤbrigen ingesamt beypflichteten/ deren etliche ihnen sonst wol andere Einbildung moͤchten gemacht haben. Worauff Artaxerxes ehe er zum Schlusse schritte/ den Hirkaner Fuͤrsten fragete/ ob ihm gefallen koͤnte/ diesen meisten Stimmen beyfal zu geben. Welcher sich erklaͤrete/ daß ob er zwar der Wiederwertigen Meinung das Wort geredet haͤtte/ waͤhre es doch nur zu dem Ende geschehen/ daß er der Hoch Fuͤrstl. Verbuͤndnis derselben Gefahr und Unguͤltigkeit zubetrachten vorstellen wol- len; haͤtte ohn Ruhm zu melden/ seiner Untertahnen bestes ihm bißdaher ungleich mehr/ als sein eigenes angelegen seynlassen/ und waͤhre des willens/ biß in seine Grube also zuver- fahren. So bald Menapis diese Rede anfing/ stellete sich Gobares/ als wuͤrde ihm etwas uͤbel/ machte seine Nase schwitzen/ uñ nam einen Abtrit/ noch ehe dieser Fuͤrst seine Antwoꝛt geendiget hatte. Alle Anwesende merketen/ daß ihn die Scham hinaus trieb/ stelleten sich aber unwissend/ und macheten den festen Schluß/ dz man das erste ganze Jahr alle Kriegs- kosten/ ohn einige beschwerung der Untertahnen solte herbey schaffen/ und bey den Voͤlkern ernstlichen Befehl erteilen/ daß alles was sie verzehreten/ bey Heller und pfennig solten be- zahlen/ auch von keinem Inwohner ihrer Laͤnder daß allergeringste fodern oder entwen- den. Zwar Artaxerxes haͤtte wegen Gobares Unart gerne eines und anders erwaͤhnet/ a- ber vor dißmahl wolte ers hingehen lassen/ insonderheit/ weil er nach verlauff einer halben Stunde sich wieder einstellete/ vorgebend/ er waͤhre etliche Zeit her nicht zum besten auff- gewesen. Welche Entschuldigung ihm wol gegoͤnnet ward/ uñ taht Artaxerxes der Fuͤrst- lichen Verbuͤndnis endlich diesen Vorschlag/ daß alle/ welche in ihren Laͤndern umb Rau- bens/ Stehlens und Mordens/ oder sonst anderer Untahten willen gefangen laͤgen/ mit dem Leben solten begnadet/ und unter dieser Bedingung auff freien Fuß gestellet werden/ daß sie durch tapfere Tahten es in den Schlachten solten gut machen/ was sie verbrochen haͤtten. Andere aber/ die von heut an/ umb Missetaht willen fest gesetzet wuͤrden/ solten ih- rer Straffe gewaͤrtig seyn. Welches die anderen ihnen liessen wolgefallẽ. Die Geselschaft hielt hierauff noch unterschiedliche Unterredung/ und erzaͤhlete Phraortes alles/ was sich zwischen Artabanus und dem Fraͤulein bißdaher zugetragen hatte/ welches die Unwissen- den mit verwunderung anhoͤreten; biß drey Stunde vor Abends Herkules durch seinen Gallus abgefodert ward/ mit vermeldung/ es haͤtte sich Plautus wieder eingestellet/ und wie er vorgaͤbe/ seine Werbung wol verrichtet. Herkules machte sich bald hin auff ein ab- sonderliches Gemach/ und zeigete dieser anfangs an/ wie es ihm mit Artabanus ergangen/ auch daß dessen Leute in der naͤhesten Grenze Stad mit ansehnlichen Koͤnigl. Gnaden- Verehrungen verblieben waͤhren/ biß solche von ihm und Ladisla wuͤrden abgefodert wer- den. Er hatte aber von dem Fraͤulein ein Neben Schreiben/ welches sie Timokles im hoh- len Pfeil zugeschossen hatte/ dasselbe erbrach Herkules zu erst und fand folgenden Inhalt: Aller- Vierdes Buch. Allerteurester Lebens-Schaz/ ich hoffe zu unserem allein wahren Gott/ Er werde euer aller ge- traͤuer Schuz auff dem Wege und in der Fremde seyn/ habe noch zur Zeit nichts neues zu schreiben/ nur mein Gemahl herzlich zu erinnern/ daß die Gelegenheit meiner Erloͤsung nicht moͤge auff die lan- ge Bank geschoben werden/ damit ich aller Furcht und Schwermuht/ welche mich uͤber Gewohnheit hart anfichtet/ bald entrissen werde. Meinem herzgeliebeten Herr Bruder Ladisla/ und meinem Herr Vater/ Groß Fuͤrst Phraortes/ auch Herrn Pharnabazus/ und da andere bekanten mehr zugegen seyn moͤchten/ freundlichen Gruß. Lebet wol mein Seelichen und erfreuet durch eure erst moͤgliche Wie- derkunft die/ so deßwegen gluͤkselig in dieser Welt ist/ weil sie die eure ist. Valiska. Nach verlesung dieses/ nam er das Koͤnigliche zur Hand/ oͤffnete dasselbe/ und lase daraus diese Worte: Artabanus Koͤnig der Parther/ beherscher der grossen Morgenlaͤnder/ entbeut den aͤdlen Fuͤr- sten/ Koͤnige Ladisla aus Boͤhmen/ und Groß Fuͤrsten Herkules aus Teutschland Gnade und Gunst. Euer Schreiben/ geliebten Freunde/ ist uns zu recht geliefert/ haben daraus gnaͤdigst vernommen/ was gestalt eure geliebte Fraͤulein Schwester und Wase/ Frl. Herkuliska/ durch Raͤuber Haͤnde ent- fuͤhret/ von euch fleissig gesucht worden/ biß ihr in erfahrung gebracht/ daß sie uns zugefuͤhret sey; de- ren gute Unterhaltung und gegen angebohtene Loͤsegelder Ausfolgung ihr an uns gesinnet. Nun be- kennen wir/ daß dieses werte Fraͤulein durch sonderliche schickung der Goͤtter uns zukommen/ die wir nicht allein Koͤniglich halten/ sondern auch zu unser schier kuͤnftiges Gemahl erwaͤhlet/ und mit so fester Liebe ihr verknuͤpfet seyn/ daß wir ungleich lieber unsern gewaltigen Reichs Stuel/ ja Leib und Leben/ als diesen Schmuk der Welt zuverlieren/ entschlossen. Werden demnach unsere beliebete Freunde und kuͤnftige Schwaͤger hinfort ihretwegen unbemuͤhet seyn/ und auffs schleunigste sich zu uns herbegeben/ dem Koͤniglichen Beylager beyzuwohnen/ und unser Koͤniglichen Gnade/ uñ Schwaͤ- gerlichen/ ja Vaͤterlichen Hulde/ wirklich zugeniessen/ welche gleich anfangs darzubieten/ ihnen als unsern lieben Herren Soͤhnen ein versiegeltes Koͤnigliches Gnaden-Geschenk uͤbergesendet wird/ ne- best eingeschlossenem/ von ihrer Frl Schwester selbst geschriebenen Brieffe. Artabanus. Dieser jeztgedachte Brieff der Fraͤulein lautete nun also: Herkuliska/ gebohrnes Koͤ- nigliches Fraͤulein aus Boͤhmen/ entbent threm Herrn Bruder Koͤnig Ladisla/ und Oheim Groß- Fuͤrsten Herkules Schwester- und freundlichen Gruß/ und zeiget denen aus hoͤchsterfreulichem Ge- muͤht an/ was gestalt nicht allein die Goͤtter durch manniche Gefahr mich an diesen Ort gefuͤhret/ son- dern auch aus sonderlicher schickung den Allergroßmaͤchtigsten Koͤnig der Welt/ und Beherscher vie- ler Koͤnigreiche und Fuͤrstentuͤmer mir so gnaͤdigst-gewogen gemacht/ daß dessen Groß Koͤnigl. Hoch- heit sich ehelich mit mir versprochen/ und in diesem siebenzehnden Jahre meines Alters das Beylager halten wird. Erfreuet euch/ mein Herr Bruder und Oheim/ daß durch mich ihr dem groͤssesten Herrn der Welt so nahe verschwaͤgert werden sollet/ und stellet euch alhier zu Charas erster moͤgligkeit ein/ unter der Versicherung/ daß von diesem grossen Koͤnige euch so hohe Woltahten begegnen werden/ daß ihr neben mich unsers rauhen/ unfreundlichen uñ armen Vaterlandes leicht und willig vergessen/ und alhier zu wohnen euch nicht beschweren werdet. Dessen versehe ich mich zu euch gaͤnzlich/ uñ ver- bleibe/ weil ich lebe eure stets gewogene Schwester und Wase Herkuliska die gluͤkselige. Er ging nach verlesung wieder nach der Fuͤrstlichen Geselschaft/ und vernam sehr ungerne/ daß in seinem Abwesen ein unfreundliches Gespraͤch zwischen Ladisla und Goba- res vorgangen wahr; deñ Anfang dessen/ machte der Susianer in dem er sich nicht schaͤ- mete von Ladisla zu fragen/ wie viel hundert tausend wolbewehrter und versuchter Mann sie wol vermeineten nach Charas zu fuͤhren/ mit welcher Macht sie den Koͤnig Artabanus wuͤrden zwingen koͤnnen/ ihnen das Fraͤulein/ durch Furcht getrieben/ aus folgen zu las- sen; dann/ setzete er hin zu/ ihr jungen Herꝛen muͤsset wissen und bedenken/ daß ihrs mit dem aller- Vierdes Buch. allergroͤssesten Herrn der Welt werdet zu tuhn haben. Ladisla ging solche trotzige bespot- tung sehr zu herzen/ und gab ihm zur Antwort: Mein Herr wolle sich nur unsers Vorha- bens wegen nicht bekuͤmmern; mein Bruder und ich sind in den Gedanken gestanden/ daß wir mit lauter vertraueten Freunden redeten/ sonst wuͤrden wir unsere Zunge wol ge- zaͤhmet haben. Wie viel tausend Mann wir nach Charas zu fuͤhren gesinnet sind/ wil ich auff eine andere Gelegenheit beantworten/ meine sonst nicht/ daß dem Herrn ichtwas von uns zu nahe geredet sey/ massen ich ihn vor einen redlichen Bundsverwanten gehalten/ der alles gut heissen wuͤrde/ was man wieder den aller groͤssesten Wuͤterich der Welt vor- zunehmen bedacht ist. Als nun Gobares durch verwandelung des Angesichts zuverstehen gab/ daß er sich auff eine scharffe Antwort geschicket hatte/ kam ihm Artaxerxes zuvor/ und ermahnete ihn ernstlich/ dergleichen Ungelegenheiten stecken zu lassen; diese beyde Helden wuͤrden zweifels ohn vor sich schon wissen/ ihr Vorhabẽ nach gestalten Sachen anzugreif- fen; es gaͤben solche anzapfungen keine Ursach zuvertraulicher Freundschaft; solte aber seiner Liebe geluͤsten/ Uneinigkeit dieser Hoch Fuͤrstlichen Versamlung zustifften/ wuͤrde er nicht umbhin koͤnnen ihm einzureden. Es waͤhre viel zu fruͤh/ solches Unwesen anzufa- hen; Mißhelligkeiten/ ob sie gleich geringe/ zerruͤtteten leichtlich/ was in fester Traͤue un- bruͤchig bestuͤnde; hoffete demnach/ Koͤnig Ladisla wuͤrde/ was geredet waͤhre/ vor unge- redet halten/ aber auch Fuͤrst Gobares bedenken/ daß er die gegebene Antwort selbst heraus gelocket haͤtte. Weil nun Ladisla sich hierzu willig finden ließ/ muste Gobares die Pfeiffe auch einzihen/ insonderheit/ weil er sahe und hoͤrete/ daß die ganze Geselschaft uͤber seiner Unhoͤfligkeit entruͤstet wahr. So bald Herkules sich bey ihnen wieder einstellete/ baht er Artaxerxes/ Phraortes/ Ladisla und Pharnabazus/ einen geringen Abtrit mit ihm zu nehmen/ denen er des Koͤniglichen Schreibens Inhalt znverstehen gab/ ließ sie hernach dasselbe lesen/ und sagte darauff: Ob er zwar sehr wol gewust haͤtte/ daß von Artabanus keine andere Erklaͤrung zu hoffen waͤhre/ haͤtte er doch solchen gelinden Weg zuvor gehen wollen/ worauff nunmehr der Ernst ohn verweilen muͤste vorgenommen werden/ und sol- ches ohn verseumung der bevorstehenden Gelegenheit; dafern er nun eines versuchten Kriegsheers etwa 16000 Pferde stark koͤnte bemaͤchtiget seyn/ wolte er sich damit an die Grenzen legen/ inwendig fuͤnff Tagen auffbrechen/ und Morgen fruͤh zeitig an den Koͤnig einen ernstlicheren anfoderungs Brieff abgehen lassen/ welcher auff den Fall der veꝛwege- rung (deren er gewiß waͤhre) zugleich eine Absagung in sich begreiffen solte; hoffete/ es wuͤrde Herr Pharnabazus ihm bey diesem ersten Zuge Geselschafft leisten/ und die Feld- Herschaft uͤber sich nehmen. Angenehmere Zeitung haͤtte Artaxerxes nicht vorkommen moͤgen; er bedankete sich vor erst des Erbietens/ und verhieß ihm inwendig vier Tagen 40000 wol bewehrte versuchte Reuter zu liefern/ welche er aber vor dißmahl nicht begeh- rete/ einwendend/ man muͤste den wolgeruͤsteten Feind anfangs mit einer geringen Mann- schafft angreiffen/ und eine verwaͤgene Sicherheit ihm beybringen. Als nun Artaxerxes ihm solches gefallen ließ/ auch unsern beyden Helden die ungemaͤssene Freyheit als Feld- Herren damit zuschalten zustellete/ bedankete sich Pharnabazus/ daß sie ihn ihrer Gesel- schaft wirdigen wolten. Also setzeten sie nun folgende Schreiben auff: Ladisla Koͤnig in Boͤhmen/ und Herkules Groß Fuͤrst der unuͤberwindlichen Teutschen/ ent- bieten Vierdes Buch. bieten Artabanus der Parther Koͤnige ihren Grus/ und haben aus ihrer Liebe Antwort Schreiben verstanden/ was massen dieselbe ohn vorhergehendes gebuͤhrliches Ansuchen/ bey der Großmaͤchtig- sten Koͤnigin in Boͤhmen F rau Hedewig ꝛc. mit unser Schwester und Wasen Frl. Herkulisken/ sich ehelich versprochen/ auch die Zeit des Beylagers schon bestimmet. Nun haͤtten wir zwar gehoffet/ un- sere Schwester und Wase sich der Kindlichen Schuldigkeit erinnernd/ wuͤrde in so wichtigen Sachen nicht so ploͤtzlich verfahren/ noch ihr der Goͤttin Vesten getahnes Geluͤbde hinter die Tuͤhr gestellet haben; jedoch weil ihre Eltern/ Vaterland uñ Bluts Freunde ihr so sehr stinken wollen wir mit Got- tes Huͤlffe und ehrliebender Fuͤrsten Beystand solches an ihr ernstlich zu raͤchen wissen; es sey dann/ daß eure Liebe sie uns inwendig drey Wochen abfolgen lasse/ und sie den begangenen groben Fehler abbitte; alsdann versprechen wir bey Koͤnigl. und Groß Fuͤrstlichen ehren/ so bald hoͤchstgedachte Koͤ- nigin in Boͤhmen ihre Bewilligung einschicken wird/ euer Liebe diese unsere Schwester und Wase als eine Koͤnigliche freie Braut gebuͤhrlicher Weise zuzufuͤhren/ damit sie nicht schier heut oder Morgen vor eine Leibeigene außgeschrien werden moͤge. Solte aber dieses unser billiges Ansuchen nicht stat finden koͤnnen/ welches wir doch nicht hoffen wollen/ wird kein Mensch uns das Recht der billichen Ra- che verdenken/ bißdahin wir Koͤnigl. Gnaden-Geschenke anzunehmen/ uns nicht bereden koͤnnen/ vor welche dannoch gebuͤhrlich gedanket wird. Erwarten von eurer Liebe offenherzige klare Antwort. Ladisla und Herkules. Der Brieff an das Fraͤulein wahr dieses Inhalts: Ladisla und Herkules entbieten dir Herkuliska wirdigen Gruß. Deiner stolzen Jugend unbesonnenes Vornehmen/ wodurch du deine Koͤnigliche Eltern und verwanten/ ja dein Vaterland und selbst eigene Ehre schaͤndest uñ mit Fuͤssen trittest/ hat dein frevelmuhtiges Schreiben gar zu klar und helle an den Tag gelegt; was gedenkestu dumkuͤhne/ die du unter deiner Fr. Mutter und Blutsverwanten Vormundschaft bist/ und darfst ohn ihr Vorwissen dich ehelich versprechen/ da du kaum die Kinder Schuch abgelegt hast/ und nicht verste- hest/ was heyrahten sey oder heisse? Aber dieses aus der Acht gesetzet; meinestu Gottes vergessene/ die Gewalt und Straffe der grossen Goͤttin Vesta koͤnne dich nicht so wol in Parthen als in Boͤhmen finden/ deren du biß zur gaͤnzlichen Erfuͤllung deines siebenzehnden Jahres dich mit hoͤchster verflu- chung/ aus freien stuͤcken/ wegen ehemahl geschehener Rettung/ verlobet hast? gedenke nur nicht/ daß du dessen einige verzeihung erhalten werdest/ es sey dann das unser rechtmaͤssiges Ansuchen von dei- nem Koͤnige eingewilliget werde; dann dafern du auff diesem unteutschen Sinne verharren wirst/ wollen wir dich und alle deine Helffers Helffer mit Feur und Schwert verfolgen/ auch diese Laͤnder nicht verlassen/ biß du zu gebuͤhrlicher Straffe gezogen/ und deiner Goͤttin auff einem brennenden Holzhauffen auffgeopffert seist; welches zu verhuͤten dein Koͤnig nebest dir/ ihm wird lassen angelegen seyn. Den Nahmen einer Schwester vor beschehene Abbitte dir zuzuschreiben/ achten unnoͤhtig/ Koͤ- nig Ladisla/ und Groß Fuͤrst Herkules. Niemand trug groͤssere Beliebung an diesen Brieffen/ als Groß Fuͤrst Artaxerxes; dann ob er gleich an ihrer auffrichtigen Traͤue nicht zweiffelte/ sahe er doch/ wie hiedurch Artabanus zu aͤusserstem Zorn wieder sie wuͤrde gereizet werden/ welches seinem Vorha- ben uͤberaus vortraͤglich wahr; belegete sie demnach mit treflichen Verheissungen/ und daß in erloͤsung der Fraͤulein er alle seine Macht in ihre Haͤnde stellen wolte. Die Schrei- ben wurden durch zwoͤlff aͤdle Assyrer/ (denen Gallus zugegeben ward/ sie aber sich vor Syrer und Roͤmische Untertahnen außgeben solten) nach Charas geschikt/ und ihnen be- fohlen/ in der Parthischen Grenze Stad die Koͤniglichen Geschenke abzufodern/ mit sich uͤberzunehmen/ und nach einreichung der Brieffe sie zu des Koͤniges Fuͤssen zulegen/ auch dabey anzudeuten/ wie sie befehlichet waͤhren/ solche nit wieder anzunehmen/ biß von dem Koͤnige ihnen gewierige Antwort gegeben wuͤrde. Der grosse Kriegsraht ward des naͤhst G g g g g folgen- Vierdes Buch. folgenden Tages gehalten/ wobey ausser den obgedachten Morgenlaͤndischen Fuͤrsten nie- mand als Pharnabazus/ Mazeus und Arbianes zugelassen ward. Zwar Artaxerxes noͤh- tigte unsere beyde Helden sehr/ demselben mit beyzuwohnen/ sie wolten aber durchaus nit/ sondern wendeten ein/ sie waͤhren fremde/ und gehoͤreten in ihre Verbuͤndnis nicht als Glieder/ sondern nur als Dienstwillige/ ja die Warheit zu sagẽ/ als huͤlffbeduͤrftige. Uber- daß haͤtten sie sich bißdaher noch mit keinem aͤide verpflichtig gemacht; zugeschweigen daß sie nicht willens/ sich in einiges Menschen Dienste einzulassen/ ohn in Artaxerxes uñ Phra- ortes; der uͤbrigen Freunde wolten sie zwar seyn/ aber nicht weiter schuldig/ als was ihrer Freyheit unabbruͤchig waͤhre. Artaxerxes vernam daraus ihren Willen/ und wahr damit friedlich/ ging hin zu den versamleten Fuͤrsten/ und sand dieselben sich etwas mit einander zanken/ welche aber wegen seiner zukunft alsbald stille wurden. Die Ursach solches heffti- gen Gespraͤchs wahr Gobares abermahl/ welcher schon gestern bey abwesenheit der bey- den Groß Fuͤrsten und unserer Helden/ sich gegen die uͤbrigen beschweret hatte/ daß er eine so spitzige und ehren verkleinerliche Antwort von dem jungen fremden Kerls annehmen und verdaͤuen muͤssen/ und ihr Haͤupt solches alles gebillichet haͤtte. Aber der Hirkanische Fuͤrst/ ein beherzter und gerechter Herr/ hielt ihm daßmahl ungescheuhet das Wieder- spiel/ und fuͤhrete ihm zu gemuͤhte/ wie man zum Holz hinein rieffe/ so schallete es wieder heraus; er wuͤrde sich erinnern daß er die fremden auch bloßhin vor junge Herꝛen geschol- ten/ und wegen ihrer Einsamkeit sie verkleinerlich auffgezogen haͤtte/ welche doch Koͤnige und Groß Fuͤrsten waͤhren/ und von ihrem Haͤupte hoch geehret wuͤrden; haͤtte sich dem- nach wol vorzusehen was er taͤhte/ damit er sich selbst nicht in Ungluͤk stuͤrzete/ welches ih- nen allen leid seyn wuͤrde. Weil dañ dazumahl die uͤbrigen alle dieser Vermahnung bey- fielen gab er sich zufrieden/ wie er dann ohndz ein uͤberaus verzagter Mensch wahr. Vor- dißmahl aber nam er abermahl Ursach seinen Unwillen sehen zu lassen/ dann als der Assy- rer nach Artaxerxes fragete/ und der Arische Fuͤrst zur Antwort gab/ daß er sich bey den fremden jungen Fuͤrsten auffhielte/ mit denen er ausser allem zweifel sehr hochwichtige/ uñ der Hoch Fuͤrstl. Verbuͤndnis zutraͤgliche Sachen beredete; antwortete Gobares; er wol- te ja nimmermehr hoffen/ daß Artaxerxes mit solchen fremden unbaͤrtigen jungen Leuten zuvor einen absonderlichen Raht halten/ oder sie etwa in den grossen hochheimen Kriegs- Raht mit sich herfuͤhren wolte/ auff welchen Fall ihm niemand verdenken wuͤrde/ wañ er auffstuͤnde/ uñ sich ihrer Beredung vor dißmahl aͤusserte. Da ihm der Hirkaner abermahl gewaltig einredete/ daß er sich wol zubedenken haͤtte/ was er taͤhte; kunte aber/ weil Artaxer- xes unversehens darzu kam/ seine rede nicht außfuͤhren; dann so bald derselbe seine Stelle bekleidet hatte/ trug er der Versamlung seine Meinung folgender gestalt vor: Durch- lechtigste Fuͤrsten/ Hochansehnliche getraͤue Vaͤter des Vaterlandes/ und maͤchtige Schuͤ- zer unserer guͤldenen Freyheit: Euer keinem ist die Ursach dieser unfer zusammenkunfft unbewust/ nehmlich/ die aͤusserste Noht und der Augenscheinlich bevorstehende Untergang unserer Fuͤrstlichen Hocheit/ ja unserer Ehre/ Leibes/ und Lebens. Der algemeine Mord unser aller/ ist schon in dem Herzen des Parthischen Wuͤterichs empfangen/ und lieget er gleich jetzo in der Geburt/ solche teuflische Frucht an die Welt zubringen. Dañ betrachtet/ bitte ich/ das neulichste Befehl-Schreiben/ wann die vielfaͤltige vorige Schmach euch nicht Vierdes Buch. nicht genug ist/ so werdet ihr befinden/ daß uns der Sterbe Kittel schon genaͤhet sey/ wo es uns nur noch so gut werden moͤchte/ und wir nicht seinen Hunden oder wilden Tihren zum Schauspiel als Leibeigene vielmehr sollen vorgeworffen werdẽ. Das Leben ist uns ja schon abgesprochen/ und die Urtel zuerkant. Auf was weise aber? Nicht anders als Aufruͤhreꝛn/ und die an hoͤchster Obrigkeit sich vergriffen; deßwegen nicht allein wir vor unser Haͤupt/ sondern zugleich unsere Weiber/ Kinder und alle Anverwanten dem allerschmaͤhlichsten Verderben schon zugesprochen sind/ dafern wir dem Unfall nicht vorbauen/ und mit ritter- lichem Gemuͤht dem algemeinen Feinde die Spitze bieten. Solte aber jemand einwenden/ es wuͤrde uns schwer fallen/ wider diesen Stachel zulecken/ der zeige mir/ bitte ich/ einige ur- sach an; ich setze meine Seele und Ehre zu Pfande/ daß mit der versprochenen Huͤlffe ich ihn inwendig drey Jahren auffs hoͤchste dermassen einzutreiben/ Mittel weiß/ daß er uns sein Haͤupt und Koͤnigreich zur Beute uͤberlassen sol; und dahin wil ich mich durch eure Huͤlffe bemuͤhen; dann der an uns begangene Frevel kan nicht anders als mit seinem Blu- te gebuͤsset werden. Dieses aber auszufuͤhren/ haben wir Mittel gnug und uͤberfluͤssig; dañ vorerst kan es uns an Geldern nicht mangeln/ welche die Sehn Adern des Krieges sind; so ist mein einiges Land Volkreich genug/ Kriegesleute herzugeben/ ohngeachtet schon über 50000 statliche Soldaten aus euren Fürstentuhmern mir zukommen sind/ und ich von Groß Fürsten Phraortes allein/ 80000 mehrenteils Reuter/ ehist empfangen werde/ dessen unvermuhtliche Gegenwart eurer keinen befremden sol/ dann er muste bißher ungenennet seyn/ ob er gleich neben mir der erste dieses hochloͤblichen Voꝛnehmens ursach ist. Ungeach- tet wir nun vor uns selbst maͤchtig gnug sind/ unsern Feind zuüberwaͤltigen/ so haben wir uns dannoch zuerfreuen/ daß wir uns vor den Roͤmern nicht allein gar nicht zubefürchten haben/ wie ich dessen von dem Roͤmischen Kaͤyser selbst/ schrifftlich versichert bin/ sondern da wirs nur begehren/ stehet uns deren Hülffe und Beystand offen/ indem die beyde neulich angekommene fremde Fuͤrsten sich freywillig erbohten/ uns inwendig zehn Wochen 50000 zu Roß aus der Roͤmer Gebiet/ von ihren eigenen Anreits-geldern zuzusühren/ welches ich bißher noch abgeschlagen/ und unserer Voͤlker uͤberfluß vorgewendet. Und weil ich auf die- se fremde Fürsten zureden komme/ werde ich gezwungen/ meinen getraͤuen Bundsverwan- ten ihretwegen etwas bessere Nachricht zugeben/ damit niemand sie aus ihren wenigen Jahren/ oder geringer Anzahl der Diener urteilen moͤge. Versichert euch/ Hochmoͤgende Bundsverwanten/ daß in diesen Morgenlaͤndern ich keinen Ritter weiß/ der ihnen an Man- und Erfahrenheit in Waffen überlegen/ dürffte schier sagen/ gleich seyn solte; fraget meinen Oheim Pharnabazus/ der weiß hievon zuerzaͤhlen; und ich kenne ihrer mehr/ die sich hoͤher uͤber ihre Vollkommenheit verwundern/ als einige Hoffnung haben/ es ihnen nachzutuhun. Uberdas sind sie freye Fürsten/ der eine ein Koͤnig/ der ander ein Groß Fuͤrst/ die keine Oberherren als Gott und das Schwert erkennen. Ich habe mich nicht ein gerin- ges bemuͤhet/ sie auff unsere seite zubringen/ und nachdem sie bey uns stehen/ erfreuet michs hoͤchlich; dann solten sie in Artabanus Dienste sich eingelassen haben/ welches unter der Hoffnung/ ihr verlohrnes Fraͤulein zuerhalten leicht geschehen moͤgẽ/ haͤtten wir uns mehr vor ihnen/ als vor des Wuͤterichs ganzer Macht zufuͤrchten. Deßwegen/ so jemand unter uns widrige Gedanken von ihnen geschoͤpffet haͤtte/ der lasse solche/ bitte ich/ fahren/ und be- G g g g g ij denke Vierdes Buch. denke mehr des Vaterlandes Wolfahrt/ als seinen eigenen Willen oder Unwillen. Zwar uns verbunden zu seyn/ beschweren sie sich/ aber durch aͤiden sich verpflichtet zu machen/ uñ als freye Obristen vor uns zufechten sind sie willig; wollen sie demnach/ da es allen beliebet/ zu uns bitten/ den aͤid abzustatten/ und unserm Kriegsraht/ als dessen hochverstaͤndige bey- zuwohnen. Phraortes/ nach dem er zu dem loͤblichen Vorhaben Gluͤk gewuͤnschet hatte/ gab seine Stimme: Er hielte vor gut/ daß diese treffliche Helden herzu geladen wuͤrden/ dann ich kan/ sagte er/ Eure Liebden ingesamt wol versichern/ daß sie so maͤchtige Herren sind/ die des Vorhabens gewesen/ da ihnen unmoͤglich gedaucht haͤtte/ das Fraͤulein ohn Krieg zuerretten/ mit einem Kriegs Heer von etlichen hundert tausenden Teutschen/ Go- then/ Boͤhmen und Roͤmern/ dem gantzen Parthischen Reiche einzufallen/ da insondeꝛheit die ihrem Wege zunaͤhst gelegene es schon wuͤrden empfunden haben. Diese Huͤlffe stehet uns bevor/ da wirs solten benoͤhtiget seyn/ wie ich doch nicht hoffen wil; dann versichert euch/ sie werden nicht scheiden/ ehe und bevor das Fraͤulein aus Artabanus Haͤnden ge- rissen ist/ es geschehe durch List oder Gewalt. Als er hatte ausgeredet/ gab Fuͤrst Pusizes aus Assyrien eben diese Stimme. Hingegen saß Gobares als in tieffen Gedanken/ merkete leicht/ daß seinetwegen von unsern beyden Helden so viel geredet wahr/ durffte doch den Persen und Meden nicht erzuͤrnen/ viel weniger war er willens/ ihnen hierin beyzupflich- ten; suchte deswegen alle seine Beredsamkeit zusammen/ die andern auff seine Meynung zubringen/ und fing also an: Mir zweifelt nicht/ O ihr Vaͤter des Vaterlandes/ unsere hochloͤbliche Zusammenkunfft sey zum Schutze des allgemeinen Vaterlandes angesehen/ vor dißmahl den buͤndigen Schluß zumachen/ und dereins zuvernehmen/ was uns allen wol und wehe tuhn muß/ wobey niemand an seiner Stim̃e Freyheit wird gehemmet/ noch seine Traͤue und Sorge vor das Vaterland und gemeine beste uͤbel ausgedeutet werden. So bin ich nun mit dem Groß Fuͤrsten aus Persen Herꝛn Artaxerxes desses einig/ daß un- sere Kraͤffte und Vermoͤgen uͤbrig bestand sind/ dem Parthischen Hunde die unbillicher weise angemassete Hocheit uͤber unsere aͤdle Untertahnen zunehmen/ wobey ich nicht allein die mir auffgelegte Anzahl an Volk und Geldern/ sondern ein gedoppeltes zutuhn/ mich hiemit versprechen wil. Aber die Goͤtter verhuͤten diesen unverantwortlichen Schimpff/ als solte diese Hochfuͤrstliche Verbuͤndniß zweer so junger Kerlen dergestalt benoͤhtiget seyn/ daß durch deren Abgang das ganze Wesen gefahr leiden/ oder vor deren Feindschafft sich zubefuͤrchten haben muͤste/ denen ich bald zween Ritter entgegen schicken wolte/ die ih- nen das Zahnweh benehmen wuͤrden/ wann sie nur so gewiß an Feindes seiten dieneten. Aber wer versichert uns vorerst/ daß sie maͤchtige Fuͤrsten/ und nicht vielmehr Landstrei- cher und Leutebescheisser sind? Doch gesezt solches; was sol uns ihre Huͤlffe? wollen wir ihnen etwa die obriste Feldherschafft über unsere Voͤlker zustellen? Auff solche weise mü- sten zween fremde Jünglinge kommen/ ohn Volk/ ohn Geld/ und so viel maͤchtige reiche Fürsten erloͤsen. Oder sind sie als verstaͤndige Kriegs Raͤhte zugebrauchen? wo sitzen ihnẽ dann die grauen Haare/ die ihrer Klugheit Zeugen seyn? Es scheinet ja der eine einer jun- gen Metzen aͤhnlicher als einem Mannesbilde/ und mangelt ihm vielleicht nichts als der Weiber Rok. O ihr meine Herren/ kein Susianer wird sich von ihnen befehlen lassen! Sie werden gedenken/ man wolle ihnen Kinder zu Herren setzen/ oder eine neue Weiber-Herꝛ- schafft Vierdes Buch. schafft einfuͤhren. Doch lasset sie auch in diesem Stuͤk hinstreichen/ und gebet ihnen die Feld-Herschafft uͤber; alsdann werden sie entweder unsere Voͤlker auff die Fleischbank fuͤhren/ dann was gehet sie fremdes Blut an? oder dafern sie den Sieg erstreiten/ wollen sie das Parthische Reich zu Lohne haben; ja wol ein feiner Tausch/ auß dem Tropffen in den Schlag Regen/ aus der Sonnen Strahlen in das lohbrennende Feur. Aber ich hoͤre/ sie wollen unverbundene Freybeuter/ wolte sagen/ Freyreuter seyn; freylich unverbundene/ weil sie vielleicht schon an anderer seiten sich verbunden; freilich Frey Reuter/ die nach be- lieben von uns zu dem Feinde/ von dem Feinde zu uns reiten. Und wer weiß/ was vor ein Geheimniß hinter dem gefangenen Fraͤulein stecket? Ists auch eine angelegte Karte/ ihr meine Herren/ und zu unser aller Verderben also durchstochen? Ich fuͤrchte/ ich fuͤrchte/ Teutschland wolle uns taͤuschen/ dann wie ich vernehme/ haben sie sich schon etliche Zeit zu Charas auffgehalten/ und wir wollen ihnen nicht allein trauen/ sondern sie uͤberdas in un- sern geheimen Kriegs Raht oben an setzen. O ihr Goͤtter/ erleuchtet unsere Herzen/ oͤffnet unsere Augen/ und gebet nicht zu/ daß einso heilsames Werk so liederlich vergehe/ und so manniches Fuͤrsten-Blut des Henkers Schwert uͤberliefert werde. Nun ihr meine Her- ren samt und sonders/ ich kan vor Wehmuht nicht mehr reden/ dann wo die himlische Gna- de es nicht abwendet/ sehe ich die Falle schon gestellet/ und das Garn außgeworffen/ damit man alle Fuͤrsten dieser Versamlung berucken/ und dem Bluthunde uͤberliefern wil; wel- chem Ungluͤk vorzubauen/ rahte ich aufrichtig/ und als ein Biderman/ lasset fremde unbe- kante aus unserm Raht/ und suchen sie etwa ein Geschenk/ gebe man ihnen einen Reisepfen- nig/ ich wil ein 50 Kronen mit zuschiessen/ daß sie ihren Rit nicht vergebens und umbsonst getahn zuhaben/ sich beschweren duͤrffen. Hiermit wil ich meine Meynung ohn Haß/ Neid und Mißgunst geredet und beschlossen haben/ und gebe der Hochfuͤrstlichen Versamlung zubetrachten/ was geringer Nutzen uns von diesen beyden jungen Leuten zuhoffen/ und wie grosse Gefahr uns durch ihre vermuhtliche Verraͤhterey erwachsen koͤnne. Artaxerxes und Phraortes wurden durch diese schmaͤhliche Reden hefftig bewogen/ wahren doch wil- lens/ die folgenden Stimmen zuhoͤren; welche aber sich dessen wegerten/ biß ihnen dieser jungen Fuͤrsten Zustand etwas eigentlicher zuwissen gemacht wuͤrde; dann wo Fuͤrst Go- bares Argwohn gegruͤndet waͤhre/ wuͤsten sie sich nicht herauszulassen; erwarteten dem- nach unterrichts/ und hielten biß dahin ihre Stimmen zuruk. Artaxerxes fing darauff an: Wann Fuͤrst Gobares sich nur der Vorsorge und Vorsichtigkeit/ die allen getraͤuen Vor- stehern des Vaterlandes gebuͤhret/ in seiner Rede gebrauchet haͤtte/ wolte ichs an ihm ruͤh- men; weil er aber alles zusammen geraspelt/ was zu dieser fremden Fuͤrsten Verkleinerung dienen kan/ so gar/ daß er weder Groß Fuͤrst Phraortes/ noch meines ehrlichen Nahmens darunter geschonet/ wuͤste ich dieses Kind wol zutaͤuffen/ wann mir nicht die Bundes-Ei- nigkeit lieber/ als mein eigenes Ansehen waͤhre; nur muß ich ihm dieses unangedeutet nicht lassen/ daß er ja hernaͤhst nimmermehr seine Zunge in so langem Zuͤgel reite/ wo er mir nit auff scharffe weise gedenket zuantworten; dann weil ich der Hoffnung gelebe/ die ganze Hochfuͤrstliche Versamlung werde mich vor redlich/ und vor keinen Verraͤhter halten/ wil ich alle Worte/ so wider mich außgestossen sind/ dem Winde befehlen/ sie dahin zuverwehen/ da keines redlichen Mannes Nahme hafftet. Hier auff nun zur Sache zu schreiten/ so habe G g g g g iij ich Vierdes Buch. ich zwar dieser beyder jungen Fuͤrsten und teuren Helden in etwas Kundschafft/ als der ich ihre Tapfferkeit versuchet; aber mein freundlicher lieber Oheim Herr Pharnabazus wiꝛd davon bessere Zeugniß ablegen/ welchen ich bey seinen Ritterlichen Ehren und redlichem Nahmen ermahne/ denen nichts zu liebe noch zu leide/ sondern die reine nackete Warheit vorzubringen. Gobares wolte zwischen einreden/ aber Artaxerxes eꝛinnerte ihn/ ihm stuͤnde solches nicht zu/ biß die Reihe ihn wieder traͤffe. Daher stund Pharnabazus auf von seiner Stelle/ und fing also an: Durchleuchtigste Fuͤrsten/ Gnaͤdige Herren; nachdem anjetzo ich gnaͤdigen Befehl unter der allerhoͤchsten Ermahnung/ empfangen/ es der Durchleuchtig- sten Fuͤrsten und Helden/ Herrn Herkules/ und Herrn Ludisla Ehren-rettung auch erfo- dert/ daß ich ausser der Ordnung reden sol und muß/ wird verhoffentlich von niemand ge- tadelt werden (es muͤste dann ein Feind der Warheit seyn) wann ich schuldigen Gehorsam leiste; Der Fuͤrst von Susa/ Herr Gobares/ haͤlt die jezt hochgedachte beyden Fuͤrsten/ Herꝛn Herkules und Herrn Ladisla/ sehr schwerer Sachen verdaͤchtig/ indem er anfangs ihren Fuͤrstlichen Stand/ hernach ihren Verstand und Erfahrenheit/ weiters ihre Man- heit/ und endlich ihre Auffrichtigkeit und Traͤue in Zweifel zihet. Nun wil mit hochgedach- tem Fürsten von Susa mich deßwegen eben nicht in Streitigkeit einlassen/ wie wenig ichs auch zuverantworten weiß/ daß in meiner Anwesenheit ihren ehrlichen Nahmen ich solte kraͤnken lassen; dann weil ich hoffe/ Fürst Gobares habe keinen Willen sie zubeleidigen/ son- dern seine Furcht/ die aus Unwissenheit herrühret/ anzuzeigen/ werde ich bloß nur einsüh- ren/ wie ungütlich diesen beyden Herren durch so schwere Auflagen geschihet/ welche wider zehn Ritter zugleich mit dem Schwerte abzutreiben/ sie sich nicht scheuhen würdẽ. Betref- fend ihren Fürstlichen Stand/ ist ihnen nichts so sehr zuwider/ als daß er mir und andern ohngefehr kund getahn ist/ welchen sie in diesen Laͤndern nimmermehr solcher gestalt würdẽ offenbahret haben. Daß aber sie vermoͤgene Fürsten sind/ zeigen die grossen Gelder und treffliche Kleinot/ welche sie in diese Landschafft mit sich geführet. Doch was hilfft michs/ diesen Beweißtuhm zugebrauchen? Dann ein Verleumder koͤnte sprechen/ ich suchte das Fürstliche Blut mit Gelde zubehaͤupten; Zeige demnach an/ daß die Koͤnigliche Boͤhmi- sche Gesanten ich mit meinen Augen mehr dann einmahl zu Padua gesehen/ welche ihren Koͤnig Ladisla zu seiner Kron foderten. Ist nun dieser ein Koͤnig/ warumb ist dann sein Geselle minder/ welchen er doch fast mehr ehret als liebet; er auch ein ungleich groͤsser Reich/ als Boͤhmen ist/ in naͤhester Erbschafft sol zugewarten haben. Dannoch gesezt/ sie seyn keine Fuͤrsten/ kan ihrer Manheit dadurch abgehen? Sie muͤssen ja zum wenigsten Herren Standes seyn/ sonst wuͤrde der Hochmoͤgende Roͤmische Stathalter zu Padua/ Herrn Ladisla seine einige Tochter nicht verheyrahtet haben; uͤber welcher Ehe sich doch derselbe zum hoͤchsten erfreuet. Man lasse aber auch dieses ungeglaͤubet; ihr Herkommen und Gebluͤt wird dem Feinde weder Schaden noch uns Vortel tuhn. Nun moͤchte ich gerne wissen/ aus was Ursachen Fuͤrst Gobares dieser beyder Fuͤrsten Verstand und Er- fahrenheit in Zweifel zeuhet; Wegen ihrer Jugend? Ja/ ich gestehe/ daß Jugend insge- mein unverstaͤndig ist/ aber doch nicht allemahl/ noch bey allen/ und muͤste trauen dar- getahn werden/ ob man in gestriger langwieriger Geselschafft ihrer einen unverstaͤndi- ger/ als andere anwesende (verzeihet mir/ ihr meine Gnn. Fuͤrsten) haͤtte reden hoͤren; ich Vierdes Buch. ich vor mein Haͤupt moͤchte wuͤnschen/ daß niemand bey seinen greisen Haaren seines Herzens Tohrheit mehr verrahten moͤchte/ als diese Fuͤrsten bey ihren unbegreiseten; sol ich dann von ihnen in diesem Stuͤk die Warheit sagen/ so bezeugens ihre bißher ge- fuͤhrete Anschlaͤge dz mehr hinter ihnen stecket/ als sie von sich selbst ruͤhmen; ich vor mein Haͤupt gestehe willig und ohn Scham/ daß in kurzer Zeit ich von diesen beyden Helden in Waffens gebrauch mehr gelernet/ als ich zuvor gewust habe. Was sol ich nun von ihrer unerschrockenen/ und durch so manniches Land hochgeruͤhmter Mannheit und Herzhaf- tigkeit sagen? trauen es wuͤrde mir ehe an der Zeit/ als an ihrer Tahten mannigfaltigkeit gebrechen/ wañ ich gleich nur die vornehmsten beruͤhren wolte/ dañ ihr Nahme ist zu hoch gen Himmel gestigen; Rom das Haͤupt der Welt/ so weit sich Nidergang erstrecket/ schaͤ- met sich nicht/ sie vor Schuz Goͤtter ihres Italien außzuruffen. Daselbst habe ich ihre her- liche gegossene Bildnissen auff dem Marsplatze gesehen/ mit dieser Uberschrift: Der Pa- duaner Erretter; wie zu Padua imgleichen/ mit einer herlichen Ehren-benennung. Solte wol jemand waͤhnen koͤnnen/ dieser unsterbliche Ruhm waͤhre ihnen ihrer Jugend und Schoͤnheit halben zugelegt? Nein O nein! ihre Faust uñ ritterlicher Helden-muht hats erworben/ in dem sie etwa mit 36 Reuter in die 200 bewehrete Raͤuber/ alle trefliche Fech- ter und versuchte Hauptleute erschlagen/ welche ihre Werbungen auff viel tausend ange- stellet hatten/ ganz Italien zuverderbẽ. Was ich sonsten vor Wunder von ihnen in ernst- lichen Kaͤmpffen und Schimpff-Stechen gesehen/ ist unnoͤhtig zuerzaͤhlen. Und sehet/ Durchl. Fuͤrst Gobares/ solchen Helden wollet ihr 50 Kronen zur Reise zehrung geben/ die/ so wahr ich ein ehrlicher Ritter bin/ in Padua einer fremden Stad/ uͤber 150 Tonnen Schaz/ an baarschaft/ Kleinoten und anderen Kostbarkeiten haben; und geliebt es euch/ mein Fuͤrst/ kan eure Gn. ihren Nohtpfennig zu sehen bekommen/ den sie bey sich fuͤhren/ und auff acht Tonnen Goldes außtraͤget. Aber O ihr redliche/ auffrichtige und getraͤue Seelen/ Fuͤrst Herkules und Ladisla/ muß man anhoͤren/ daß ihr der Verraͤhterey/ der Freibeuterey/ der Traͤulosigkeit sollet beschuldiget werden? ich leugne nicht/ daß mir sol- ches zeihen nicht anders als ein blutiger Stich durchs Herzgangen/ welches ich an ei- nem andern als diesem Orte nit wuͤrde haben unverantwortet gelassen/ haͤtte mirs gleich mein Leben gekostet. Ihr wollet eure getraͤuen Freunde/ den Groß Fuͤrsten Phraortes/ wel- chen ihr euren Vater nennet/ und seinen wolgerahtenen Sohn Fuͤrst Arbianes/ der euch mehr liebet als sich selbst/ in die Haͤnde des Henkersliefern? O Fuͤrst Gobares/ was be- waͤget euch/ dieses ungeheuꝛe Bubenstuͤk ihnen beyzumaͤssen? muß man aus blossem Arg- wohn oder Mißgunst/ solche Dinge tichten/ und ungescheuhet außreden? Aber ihre Frl. Schwester ist bey Artabanus; ist wahr/ aber hat Groß Fuͤrst Phraortes sie nicht dahin ge- liefert? ihr seid auch selbst eine zeitlang zu Charas gewesen; O freuet euch/ daß Groß Fuͤrst Phraortes euch daselbst beygewohnet/ und eures tuhns/ und lassens Fuͤrstliches Zeugnis geben kan. Gilt dann nur blosses argwohnen/ so muß man den Medischen Groß Fuͤrsten auch aus dieser Hoch Fuͤrstlichen Versamlung bannen/ und ihm 50 Kronen/ haͤtte schier gesagt 50 Groschen vor seinen Ritgeben/ dz er sich nit zubeklagen habe; ja dessen Durchl. wird mehr und tieffer als jene beyde Helden im Verdacht stecken/ dañ er hat sich bey dem Koͤnige daselbst auffgehalten/ ihm das Fraͤulein zugefuͤhret/ ist von ihm deßwegen Koͤnig- lich Vierdes Buch. lich begnadet/ und zum geheimen Raht erklaͤret. Verzeihet mir/ ihr Durchleuchtigsten Fuͤrsten/ daß ich so kuͤhn rede: Entweder Groß Fuͤrst Phraortes/ Herr Mazeus/ uñ meine geringfuͤgigkeit muͤssen Verraͤhter seyn/ oder die fremden loßgesprochen werden; dann wir haben sie hergefuͤhret/ wir haben muͤnd- und schrifftlich bey ihnen angehalten/ sich hie- selbst einzustellen; Bin ich dann ein solcher Bube/ so habe ich mich viel zu lange in dieser Fuͤrstlichen Geselschaft auffgehalten. Artaxerxes sahe/ daß er sich zu eifern begunte/ und ihm die Adern an der Stirn blutig auffquollen/ daher befuͤrchtete er sich einer schaͤrffern antastung gegen Gobares/ welches zuverhuͤten/ er ihm in die Rede fiel/ und mit dieser guͤ- tigkeit darzwischen kam: Geliebter Oheim; meines Herrn Bruders GFuͤrst Phraortes/ wie auch eure und H. Mazeus Redligkeit und auffrichtige Traͤue/ ist uns allen mehr als zu viel bekant/ und die solche in zweiffel zihen wolten/ müsten darüber zuschanden werden; lasset deßwegen es geschehen seyn/ wie ich euch mit meinem Beyspiel vorleuchte/ daß Fürst Gobares seyn Herz des Argwohns entladen hat/ weil ihm zweifels ohn unbewust ist/ daß diese beyde Helden mit euch umgangen sind; die übrige Hoch Fürstliche Geselschafft wird zu euch viel ein besser vertrauen haben/ als daß ihr unter so hoher erinnerung diesen frem- den Fürsten ichtwas zu liebe oder leide reden soltet/ insonderheit/ daß mit unser aller Ge- fahr geschehen moͤchte. Wollen demnach gerne vernehmen/ ob Fürst Gobares wichtige oder sonst nur scheinbahre Ursachen seines Argwohns hat/ welchen er/ wie seine Worte mit sich bringen/ fast ausser zweifel setzen darff; welches er dann freilich uns nicht wird un- gemeldet lassen/ damit wir uns desto besser vor sehen/ und wie er gestimmet hat/ diese beyde fremdlinge abschaffen moͤgen. Hier entfiel dem feigen Gobares der Muht/ dann Phar- nabazus Mannheit wahr ihm bekant/ vor dem er sich fürchtete/ gab also naͤheres kauffs/ und antwortete: Weil es ein wichtiges Werk ist/ damit wir umbgehen/ habe ich/ was sich etwa zutragen koͤnte/ meiner Meinung nach andeuten/ aber nichts gewisses bejahen wol- len/ wie Herr Pharnabazus vielleicht waͤhnet/ dessen/ wie auch des Durchl. Groß Fürsten Phraortes und Herrn Mazeus Redligkeit/ ich mit keinem Worte anzugreiffen willens bin/ und daß ist in dieser Hoch Fürstl. Versamlung meine Stimme; die beyden Fremd- linge/ als welche in unsern Bund nicht gehoͤren/ gehen mich nicht an/ werde auch ihretwe- gen kein Wort mehr verlieren. Wolan/ sagte Phraortes/ wann ich dann vor redlich kan erkennet werden/ so setze ich meine Redligkeit zum pfande/ und wil derselben in alle Ewig- keit verlustig seyn/ dafern diese beyde Helden mit Verraͤhterey umbgehen/ oder einige traͤu- lose Ader an sich haben; mehr wil ich vordißmahl nicht sagen/ umb weiteres Gezaͤnke zu- verhüten. Darauff gab nun Fürst Menapis aus Hirkanien seine Stimme folgender ge- stalt: Ich vernehme ein solches Zeugnis von diesen beyden jungen Fürsten/ daß man ihre Hülffe und Beystand zuerhalten sich billich bemühen sol; angesehen/ die meisten unter uns zwar Mittel und Voͤlker herzugeben/ aber nicht/ mit der Faust den Feind anzugreiffen ge- meinet sind; müssen demnach uns nach solchen umbtuhn/ welche hierzu vor andern düch- tig erfunden werden; eines Fürsten Redligkeit mus man nicht aus ungegründetem Arg- wohn in zweifel setzen/ sonst würden wir unter uns selbst bald deßgleichen anfahen; halte also nicht allein vorgut/ sondern auch hochnoͤhtig/ diese Herren nicht zubeschimpffen/ son- dern sie vielmehr gar in unsere Verbündnis auffzunehmen/ da es von ihnen zuerhalten ist/ auff Vierdes Buch. auff daß sie desto mehr Ursach haben/ unsern Feind zu hassen/ und unser bestes zusuchen; dann es gehe wie es wolle/ der Nutzen bleibet doch unser von allem was sie gewinnen wer- den; und darff ich meine Meinung sagen/ so sehe ich sie fast vor Goͤtter-Kinder an. Die- ser Meinung fielen die übrigẽ eintraͤchtig bey/ und bahten Gobares/ da er einigen Wieder- willen gegen sie gefasset haͤtte/ wie man aus seinen Reden nicht anders urteilen koͤnte/ moͤch- te er durch unzeitige Bewaͤgung dem gemeinen Wesen nicht abbruch tuhn/ oder zum we- nigsten die Ursachen seiner ungewogenheit mit bestaͤndigem Grunde darlegen/ alsdañ sol- te ihm gebührlicher Beyfall gegeben werden. Gobares ward über solche Erinnerung un- willig/ und antwortete: Weil er überstimmet waͤhre/ müste ers geschehen lassen/ daß ihrer Dienste gebrauchte wer da wolte/ er vor sein Haͤupt haͤtte ihreꝛ viel zu wenige Kundschaft/ daß er festen Grund auff sie bauen solte/ und zweifelte nicht/ Artaxerxes waͤhre ihnen allen Feld Obristens genug/ andere Kriegsbeamten würden sich leicht finden/ und haͤtte man deren bereit zu guter gnüge. Diese Wiederspenstigkeit ging ihnen allen sehr zu Herzen/ daß auch Artaxerxes seinen Zorn nicht mehr meistern kunte/ daher er zu der Versamlung also anfing: Ihr redliche Bundsverwanten/ was vor eine wichtige Sache wir vor diß- mahl abzuhandeln haben/ ist eurer keinem unwissend; wann dañ Fuͤrst Gobares etwas vornimt/ daß ein weites Aussehen zu haben scheinet/ frage ich hiemit um/ ob er nicht schul- dig sey/ einen Abtrit zu nehmen/ daß man sich einer Antwort vergleiche/ damit er sich muͤs- se begnuͤgen lassen. Sie wahren dessen alle mit ihm einig/ muste demnach in ein Neben- gemach treten/ biß man sich eines Bescheides vergleichẽ hatte/ da er wieder gefodert ward/ und Artaxerxes ihm dieses vorhielt: Fuͤrst Gobares/ ihr habt durch eure ungegtuͤndete Wiederspenstigkeit die ganze Hoch Fuͤrstliche Versamlung bewaͤget/ daß man euch im Grunde nicht trauen kan/ ob ihr nicht gefaͤhrliche Dinge vornehmen duͤrfftet/ wann man nicht eben eurem Willen gewonnen gibt/ welcher den blinden Bewaͤgungen unter- worffen seynscheinet/ daher man dann Ursach gnug hat/ euch in eine ehrliche Gewarsam zu nehmen/ biß man eurer Auffrichtigkeit besser versichert ist; damit ihr aber sehet/ daß nichts gegen euch aus Wiederwillen/ sondern zu des gemeinen Wesens versicherung alles vorgenommen werde/ wird euch hiemit die Wahl gegeben/ ob ihr lieber bey dieser gegen- waͤrtigen Fuͤrsten einem/ den ihr selbst kiesen moͤget/ verbleiben/ oder von allen und jedem dieser Fuͤrsten/ einen redlichen Ritter zu euch nehmen/ mit denen nach Sasa zihen/ uñ stets ihrer zum wenigsten drey/ Tag und Nacht umb euch leiden wollet/ die auff alles euer Vor- nehmen acht geben. Darauff habt ihr euch zuerklaͤren. Gobares erschrak hieruͤber daß er bebete/ und gab diese Antwort: Durchll. Fuͤrsten/ ich ruffe alle Goͤtter zu Zeugen/ daß mein Herz und Gemuͤht dem Wuͤterich Artabanus/ und seiner unrechtmaͤssigen Herrschafft dergestalt feind und zuwider ist/ daß ich ehe sterben/ als demselben hold und zugetahn wer- den wolte. So wird auch kein Mensch aus meinen Reden dessen einigen Argwohn fassen koͤnnen/ daß eines Verraͤhters Gedanken bey mir seyn solten/ wie ich dañ bereit und willig bin/ mich dessen durch den allerbuͤndigsten aͤid zu entbrechen; in betrachtung dessen bitte ich/ daß dieser Schluß wiederruffen/ und ich des gaꝛ zunachteiligen Schimpffs entnom̃en werde/ mit dem Erbieten/ daß da einiger Mensch ein fuͤnklein solcher untraͤue an mir spuͤ- ren wird/ ich mein Fuͤrstentuhm/ Ehr und Leben wil verwirket haben. Er muste darauff H h h h h aber- Vierdes Buch. abermahl einen Abtrit nehmen/ und auff des Hirkaniers Verhandlung/ ward ihm alles erlassen/ jedoch daß Groß Fuͤrst Artaxerxes ihm einen guten Verweiß geben solte/ welcher ihn dann also anredete: Fuͤrst Gobares/ ihr bezeiget auffs minste schlechten Willen zur Einigkeit/ stehet auch fast verwaͤgen/ daß ihr euch duͤrffet bruͤsten/ als verstuͤndet ihr das Werk besser als die ganze Hoch Fuͤrstl. Versamlung; sol ich Obrister Feldherr seyn/ so werde ich trauen euch nicht fragen/ was vor Heerfuͤhrer ich bestellen wolle/ es waͤhre dañ/ daß ihr euch einer Oberauffsicht uͤber mich annehmen woltet/ welches ich euch schwerlich gut heissen wuͤrde; werdet demnach solches hinfuͤro einstellen/ und nicht aus eigenem ganz unbilligem getrieb euch dem ganzen Schlusse mehr wiedersetzen; habt ihr aber auff dieser Helden einem oder andern absonderlich zu sprechen/ so sagets ihnen auff Ritters Art un- ter Augen und versichert euch/ daß sie euch stehen werden; erinnert euch daneben/ daß eure spitzige Worte/ derẽ ihr mañiches außgestossen/ Koͤnig Artabanus uñ sein grosses Kriegs- Volk nicht fellen werden/ sondern die das Schwert zugebrauchen wissen/ deren sind wir hierzu benoͤhtiget. Und lieber saget mir doch/ waͤhre es nicht besser/ wir spareten der Ein- wohner Blut/ und setzeten dem Parther lauter fremde entgegen/ unsere Mannschaft zuer- halten? und ihr wollet die Außlaͤndischen nicht eins zu lassen. Doch bemuͤhet euch nicht zu hart/ wir haben noch keine Zusage/ daß sie von uns bestallung annehmen wollen/ dann sie achten unsers Geldes viel weniger als wir selbst/ und weiß ich einen/ der ihnen zur Freund- schaft andenken auff 8000 Kronen wert Ringe geschenket/ dem sie gedoppelt so viel wieder einreichen lassen. So zeige ich nun im Nahmen dieser Fuͤrstlichen Geselschaft euch hiemit an/ daß man euch nicht allein der Verwahrung sondern auch des Verdachts entnehmen wil/ weil wir ingesamt der Zuversicht geleben/ ihr werdet bey dem geschlossenen und so fest veraͤideten Bunde traͤu- und redlich halten. Gobares ließ alle harte Reden unbeantwor- tet/ und wahr froh solcher Erlassung/ daher er sich zu aller Redligkeit anerboht. Nach des- sen stillschweigen aber stund Arbianes auff/ und baht sehr demuͤhtig/ das ihm ein Wort zu reden erlaͤubet seyn moͤchte; da ihm sein H. Vater antwortete/ es wuͤrde ihm solches ge- goͤnnet seyn/ wañ es ohn einiges Menschen Beschimpfung geschaͤhe. Worauff er also an- fing: Durchleuchtigste Fuͤrsten/ gnaͤdige Herren; ich habe heut diesen Morgen etliche Re- den anhoͤren muͤssen/ durch welche vor erst mein gnaͤdigster H. Vater/ hernach die Durch- leuchtigste Fuͤrsten/ H. Herkules und H. Ladisla an ihren Hoch Fuͤrstlichen Ehren hoͤchst- schimpflich angezapffet sind; wañ ich nun dasselbe stilschweigend vorbey gehen liesse/ duͤrf- te mirs schter heut oder Morgen verweißlich vorgehalten werden/ ob haͤtte ich einen sol- chen Vater und solche Freunde gehabt; welches zuverhindern und abzulehnen ich der ge- tahnen Laͤsterung mit wolbedachtem Muht wiederspreche/ sie in des Verleumders Bu- sem schiebe/ und so einer zugegen seyn moͤchte/ der Fuͤrst Gobares schmaͤhungen vor recht- maͤssig halten wolte/ denselben fodere ich hiemit auff erlaͤubniß aus/ auff den innersten Plaz daß er mit seinem Seiten Gewehr sich darstelle/ und mit mir ohn alle andere Waf- fen/ den Kampf auff Leib und Leben antrete/ nachdem ich mich veꝛsichere/ daß ich weder von einem Verraͤhter gezeuget bin/ noch von Verraͤhtern je etwas gehalten habe. Mit diesen Worten nahete er sich zu der Tuͤhr/ und sagte: Gobares du Verleumder/ kom und ver- antworte dich mit der Faust/ bistu redlich. Die Fuͤrstliche Geselschaft entsetzete sich der Erklaͤ- Vierdes Buch. Erklaͤrung; sein Vater aber redete ihn also an: Stelle dich mein Sohn auff den Plaz/ nachdem du das Wort gesprochen hast; aber daß du bey verlust meiner Vaͤterlichen Hul- de keinem Menschen die Ursach deines außfoderns wissen lassest. Gobares erblassete die- ser Reden/ und nach Arbianes Abtrit fing er an: Durchl. Groß Fuͤrst/ Artaxerxes/ bin ich schuldig dieser Außfoderung zu stehen/ alsdann wird Groß Fuͤrst Phraortes mirs nicht zum ungleichen außlegen/ wann ich ihn seines einigen Sohns beraube. Wans redlicher Weise vor der Faust geschihet/ antwortete Phraortes/ alsdann ist eure Liebe wol entschul- diget/ und wird dieselbe das ergangene mir nicht zuschreiben/ sondern vielmehr bedenken/ daß/ wer alles redet was er wil/ offt hoͤren muͤsse was er nicht wil; so weiß auch der jugend Hitze nicht so wol/ als die grauen Haar sich zu maͤssigen/ und deute ich uͤberdaß euer Liebe zur Nachricht an/ daß sie nicht so gar einen ungerahtenẽ Schuͤler des Groß Fuͤrsten Her- kules/ an meinem Sohn finden werde. Fuͤrst Pusizes schlug sich darzwischen/ uñ baht sehr/ es moͤchte die Fuͤrstl. Versamlung bedenken/ wann dieses Gefechte vor sich gehen solte/ wie Artabanus und seine Leute sich daruͤber kitzeln wuͤrden/ hoffete deßwegen/ man wuͤrde sich bemuͤhen/ diese Streitigkeit ohn Kampff auffzuheben. Wem wahr hiezu lieber als dem veꝛ- zageten Gobares/ welcher also anfing: Ja eben dieses betaure ich am meisten/ sonst solte miꝛ nichts liebers als die Rache seyn; Da nun der junge Fuͤrst sich eines andern bedenken/ uñ seine Außfoderung wiederꝛuffen wird/ sol an meiner seite alles vergeben und vergessen seyn/ ungeachtet er ohn alle gegebene ursach/ mich ehrenruͤrig angetastet/ als der ich weder seinen Herr Vater noch die fremden einiger Verraͤhterey beschuldiget habe/ sondern nur blosse anzeige getahn/ was von fremden vorgenommen werden koͤnte; solten aber meine Reden anders verstanden seyn/ so bedinge ich mich auffs zierlichste. Wolan/ sagte Artaxerxes/ so ist der Span auffgehoben/ redete Pharnabazus etliche heimliche Worte ins Ohr/ und baht ihn/ Arbianes wieder herein zuruffen; welches ungeseumet geschahe/ welcher auch nach em- pfangenen Unterricht also zu Gobares redete: Es ist mir sehr lieb/ Durchl. Fuͤrst/ daß euer Liebe Reden ich in ungleichem Verstande auffgenommen/ und hiedurch unsere Streitig- keit geendiget ist; hoffe demnach/ eure Liebe werde des ergangenen vergessen/ und mir gewo- gen bleiben. Dieser legte solches vor eine Abbitte aus/ und erklaͤrete sich zu aller Freund- schafft. Worauff Fuͤrst Pusizes/ Herr Pharnabazus und Mazeus von der Fuͤrstl. Gesel- schafft erbehten wurden/ unsere Helden herzubitten; welche sich willig einstelleten/ und von Artaxerxes also angeredet wurden: Durchleuchtige Fuͤrsten; Aldieweil der tapffere Vor- satz dieser Fuͤrstlichen Versamlung/ Euren Liebden gnug wissend ist/ als welcher in Befrei- hung des algemeinen Vaterlandes von dem Parthischen Joche bestehet/ und Eure Lieb- den sich gutwillig finden lassen/ uns daꝛinnen beystaͤndig zuseyn/ wollen sie sich zu uns nider- setzen/ umb zuberahtschlagen/ wie uñ auf was weise wir unserm vornehmen den gewuͤnsch- ten Anfang machen koͤnnen. Ladisla antwortete: Durchleuchtigster GFürst/ Gn. Herr; daß Ihre GFuͤrstl. Durchl. im Nahmen dieser Hochfuͤrstl. Versamlung in ihren Hoch- weisen Raht uns einfodern wollen/ erkennen wir als eine sonderliche Gnade und Gewo- genheit/ deren wir zeit unsers Lebens schuldig seyn muͤssen; weil aber wir dieses Orts frem- de und auslaͤndische sind/ und alhie weder zugebieten nochverbieten haben/ als wil uns nit geziemen/ ihren heimlichsten Rahtschlaͤgen beyzuwohnen/ oder selbige eins zuwissen/ sondeꝛn H h h h h ij nach- Vierdes Buch. nachdem Ihre Durchll. werden geschlossen haben/ werden sie uns besehlen die Vollstrec- kung verrichten zuhelffen/ worzu wir uns erstes Tages fertig halten/ mit einem Heer nach den Grentzen gehen/ und unserer Gesandschafft von Charas daselbst erwarten/ auch/ weil wir keine andere/ als ungenehme Antwort von Artabanus uns vermuhten/ bald nach sol- cher Erlangung den feindlichen Einfall in sein Land tapffer wagen wollen; Inzwischen bitten wir sehr/ uns die Stuͤcke vorzulegen/ worauff unsere aͤidliche Verbindung muß ge- gruͤndet seyn. Nahmen darauff einen Abtrit/ und bahten die Fuͤrsten/ sich daruͤber zuverei- nigen. Nach ihrem Abwich sagte Artaxerxes zu den Versamleten: Ich wuͤste nicht/ was ich an dieser Herren Hoͤfligkeit tadeln/ vielweniger hassen solte/ es waͤhre dann/ daß ich ih- nen mißgoͤnnete/ hoͤflich zuseyn; werden uns deßwegen gleicher Tugend befleissigen/ und keine hoͤhere aͤidesleistung anfetzen/ als die solchen Fuͤrsten wolstaͤndig ist; schlossen also/ nur auff folgende zwey Stuͤk eine freywillige Zufage durch den Handschlag von ihnen zuneh- men; daß sie nach aller Moͤglichkeit das gemeine beste befodern/ und dem Feinde schaden wolten; welches sie auch traͤnlich angelobeten/ doch biß auff ihrer Gesanten Wiederkunft. Des Nachmittages ward Herkules zu raht/ seinen Plautus nach Jerusalem an den Stathalter zusenden/ weil er dessen Dienste ohndas nicht mehr benoͤhtiget wahr; schickete Frl. Lukrezien uͤberaus schoͤne und koͤstliche Kleinot/ uñ dem Bischoff daselbst 10000 Kro- nen/ unter arme und nohtleidende Christen zuverteilen; welcher des folgenden Morgens unter einer Begleitung von 60 Medischen Reutern/ welche Arbianes dahin gebracht hat- te/ sicher fortging/ und daheim wol empfangen ward/ da er alle Begebnissen erzaͤhlen muste/ reichte auch seine Schreiben an den Stathalter und das Frl. ein/ welche mit lauter Dank- sagungen angefuͤllet wahren; Und als das Fraͤulein daraus vernam/ daß die Kleinot ihr von dem geraubeten Koͤniglichen Fraͤulein/ zur Dankbarkeit deren/ ihrem versprochenen Braͤutigam erzeigeten schwesterlichen Hulde und Freundschafft (dann also schrieb Her- kules) uͤbergeschicket wuͤrden/ sagte sie: Der Allmaͤchtige Gott goͤnne mir dieser hochwir- digen Fuͤrstin Kundschafft/ nach dem sie aus ihrem Gefaͤngniß in freyen Stand wird ge- setzet seyn. Des naͤhstsolgenden Tages nach gehaltenem Kriegs Raht zu Persepolis/ schieden alle Morgenlaͤndische Fuͤrsten in stiller geheim/ und mit schnellen Pferden davon/ ein jegli- cher nach seiner Landschafft/ und eileten sehr/ ihre Voͤlker zusammen zubringen; und feyre- ten unsere Helden auch nicht/ sich zum Feldzuge fertig zumachen/ welchen sie auf angestim- mete Zeit fortsetzen wolten. Zehn Tage nach deren Abzug von Charas wolte Artabanus schier unsiñig werden/ vor unmaͤssigen Liebesbegierden gegen das Fraͤulein/ welches durch ihrer Hofmeisterin Fr. Sysigambis Vernunfft noch ruͤkstellig gemacht ward. Weil dañ das Fraͤulein ihrem Herkules folches gerne zuwissen getahn/ und dadurch seine Zukunfft beschleuniget haͤtte/ aber darzu keine gelegenheit sahe/ dann ihren Timokles wolte sie auf al- len fall bey sich in der Stad behalten; erdachte sie diese List: Sie beklagete sich/ daß ihrem Bruder und Oheim sie gar zu einen stolzen Brief geschrieben haͤtte/ welcher ausser Zweifel sie zu grossem Widerwillen antreiben wuͤrde/ waͤhre demnach ihr herzlicher Wunsch/ die gelegenheit zuhaben/ daß bey einem vertraueten Bohten sie ihnen ein Schreiben uͤbersen- den koͤnte/ daß der Koͤnig davon im wenigsten nichts erfuͤhre; damit aber auff solchen fall sie Vierdes Buch. sie nicht zufuͤrchten haͤtte/ als wolte sie ichtwas gefaͤhrliches vornehmen/ solte sie den Brief/ ehe er versiegelt wuͤrde/ selbst lesen/ daraus sie sehen wuͤrde/ daß alles dem Koͤnige zum besten von ihr vorgenommen wuͤrde; Und sehet da/ meine geliebte Freundin/ leset ihn gleich als- bald/ weil ich ihn schon auffgesetzet habe; befindet ihꝛ dann/ daß es nicht raht sey/ wil ich mei- ne Meynung gerne endern. Diese ließ sich dessen nicht eine Sau duͤnken/ daß das Fraͤulein ihre groͤsseste Heimligkeit ihr anvertrauete/ wegerte sich anfangs den Brief zu lesen/ aber auff ernstliches noͤhtigen nam sie ihn zu sich/ ruͤhmete anfangs die wunderzierli- che Schrifft/ und fand folgenden Inhalt: Durchleuchtigste Fuͤrsten/ herzgeliebete/ Herr Bru- der und Herr Oheim. Daß mein voriges Schreiben/ als gar zu frech und verwaͤgen/ Euren Liebden wenig gefallen habe/ trage ich keinen Zweifel; nachdem aber ich mich eines bessern bedacht/ bitte ich Schwesterlich/ mir diesen Fehler zuvergeben/ in meine hoͤchstgluͤkliche Heyraht gerne einzuwilligen/ und inwendig dreyzehn Wochen euch hieselbst anzufinden/ auff daß des grossen Koͤniges und mein gluͤkliches Beylager durch ihre ansehnliche Gegenwart moͤge gezieret/ ich auch von euch als meinen naͤhesten Anverwanten seiner Koͤniglichen Hocheit zugefuͤhret werden. Bedenket doch/ ihr meine ge- liebte Herzen/ wie veraͤchtlich es stehen werde/ daß ich als eine Verwanten-lose allein seyn sol; und ob diese meine Heyraht/ welche gegen genante Zeit ganz gewiß vor sich gehen wird/ euch etwa moͤchte zu- wider seyn/ welches ich doch nicht vermuhten kan/ so bedenket/ daß kein Mittel in der ganzen Welt ist/ solche Heyraht zuhindern/ und lasset euch deswegen/ bitte ich/ gefallen/ was nicht zuendern stehet; Ich versichere euch/ meine liebe Herzen/ daß ihr solche Gnade bey eurem und meinem Koͤnige antreffen wer- det/ welche allen Unwillen/ da einig er bey euch seyn solte/ gaͤnzlich toͤdten und austretben wird; Ach es ist mir sehr zuwider/ daß ich vernehmen muß/ ihr haltet euch in Feindes Landen auf; doch weil ihr mit der Auffruhr nichts zuschaffen habt/ wird der grosse Koͤnig euch deswegen nicht ungnaͤdig werden. Le- bet wol/ meine Herzen-Freunde/ und erfreuet bald mit eurer hochbegehrten Gegenwart/ eure ergebe- ne und getraͤue Schwester und Wase/ Herkulisken die gluͤkselige/ Groß Koͤnigliche verlobete Braut/ und schierkuͤnfftige herschende Groß Koͤnigin aller dieser Laͤnder. Nach Verlesung sagte Sysigambis: Warumb wil doch eure Gn. diesen Brief so heimlich fortschicken/ da doch dem Koͤnige nichts angenehmers seyn wuͤrde/ als wann sei- ne Hocheit dieses Vorhabens solte berichtet seyn. Durchaus nicht/ meine Freundin/ ant- wortete sie/ ich habe grosse ursach/ solches noch zur Zeit vor dem Koͤnige zuverbergen; uͤbeꝛ- das moͤchte ich gerne sehen/ daß etwas gutes geschaffet wuͤꝛde/ daran niemand teilhaͤtte/ als ihr und ich. Ist dieses ihrer Gn. Wolgefallen/ sagte jene/ so wollen wir bald zu einem ge- traͤuen Bohten Raht schaffen; Eure Gn. weiß/ daß mein Sohn von dem Koͤnige offt in schleunigen Verschickungen gebraucht wird/ weil er sich weder zu Nacht noch Tage zurei- ten wegert/ so gerne haͤnget er auff den Pferden. Diesem wil ich das Schreiben zustellen/ und muͤndlichen Bericht erteilen/ wohin ers bringen sol. Das waͤhre der allersicherste Weg/ sagte das Fraͤulein/ und daß euer Sohn meinen gn. Willen sehe/ so schenke ich ihm diesen Ring (welcher 2000 Kronen wert wahr) den ihr ihm geben/ und dadurch zu aller moͤglichen Eile/ insonderheit zur Verschwiegenheit ihn ermahnen sollet. Diese geitzige Frau nam das treffliche Geschenk mit hoher Danksagung zu sich/ mit dem erbieten/ alles gebuͤhrlich zubestellen. Wolan/ sagte das Fraͤulein/ so gehet hin/ und hohlet mir ein ange- zuͤndetes Licht/ daß ich den Brief alsobald versiegele; Als diese nun darzu willig wahr/ ver- wechselte das Fraͤulein den Brief mit einem andern/ welchen sie auff diesen fallschon ver- fertiget hatte/ und gleich wie der vorige zusammen gefalzet wahr; welcher Betrug ihr wol H h h h h iij von Vierdes Buch. von statten ging/ und jagete dieser Bohte dergestalt mit abgewechselten Pferden fort (dero behuess er stets einen Koͤniglichen Befehl bey sich fuͤhrete) daß er des vierden Tages nach seinem Auffbruch zu Persepolis wahr/ da des folgenden Tages unsere Helden mit ihrem Heer fortgehen wolten. Herkules saß gleich und beklagete gegen Phraortes/ daß seinem Fraͤulein die Zeit lange wehren wuͤrde/ ehe er zu ihrer Erloͤsung sich würde einstellen/ und muste er doch nohtwendig seine Reise nach Charas auffschieben/ damit er seinem vorha- benden Getichte die rechtguͤltige Farbe anstreichen koͤnte. Unter diesem Gespraͤch trat Ty- riotes zu ihm/ mit bericht/ es waͤhre ein Schreiben von Charas an ihre Gnaden abgeschikt/ welches niemand als ihr selbst koͤnte eingereichet werden/ und waͤhre ihm der Bohte aller- dinge unbekant/ ein feiner Juͤngling/ und gutes ansehens/ ohngefehr seines Alters von 18 Jahren. Herkules foderte ihn vor sich allein/ und vernam/ daß er von seiner Fr. Mutter/ der Koͤniglichen Fraͤulein Herkuliska Hofmeisterin/ in schnellester Eile abgefertiget waͤh- re/ zween fremden Fürsten/ hoͤchstgedachter Fraͤulein naͤhesten Anverwanten nachzufragẽ/ und ihnen ein Schreiben einzuhaͤndigen/ zweifelte allem ansehen nach/ gar nicht/ Ihre Gn. wuͤrde deren einer seyn; vermeldete ihm seiner Fr. Mutter Gruß/ und gab den Brief ge- buͤhrlich uͤber/ aus dessen Auffschrifft er alsbald die Schreiberin erkennete/ brach ihn auff/ und lase folgenden Inhalt: Herzallerliebster Schatz und Vertrauter; naͤhest anmeldung meines Grusses verhalte demselben nicht/ was gestalt Koͤnig Artabanus/ seinem vorgeben nach/ durch Traͤu- me geschrecket/ zehn Tage nach euer Liebe Abzug hefftig in mich gedrungen/ in unverzuͤgliches Beyla- ger einzuwilligen/ so daß er sich nicht gescheuhet hat/ harte Draͤuungen mit einzumischen; Ich hinge- gen habe anfangs alle freundliche Mittel angewendet/ ihn abzuhalten/ und als dieselbige nicht helffen wollen/ sondern er mir einen guͤldenen Wagen geschikt/ auff demselben zu ihm zufahren/ keiner andern ursach wegen/ als seinen Mutwillen zuvergnuͤgen/ habe ich mich gegen ihn schrifftlich erklaͤret/ ich ge- lebete der gewissen Zuversicht/ Ihre Koͤnigl. Hocheit wuͤrde die auff ihrem heiligen Stuele mir getah- ne hahe Zusage unbruͤchig halten/ oder zum wenigsten meines Dieners Wiederkunfft erwarten/ dann ich muͤste entweder die Zeit des Geluͤbdes aushalten/ oder von der Geistligkeit meines Vaterlandes durch gewisse Opffer der Goͤttin Vesten versoͤhnet und loßgesprochen werden/ welches vor Ankunfft meines Dieners Valikules zu Prag/ (wozu ich noch sechszehn Wochen rechnete) nicht geschehen koͤn- te; solte nun zum allerwenigsten vor endigung solcher Wochen/ Ihre Hocheit in mich dringen wol- len/ muͤste ein schleuniger Tod mich wider alle Gewalt schuͤtzen; baͤhte demnach/ Ihre Koͤnigl. Hocheit wolte sich eigentlich erklaͤren/ ob ich leben oder sterben solte; dann keine Macht dieser Welt koͤnte mir auff solchen fall den Tod hindern. Nach dessen Verlesung hat er sich als ein wuͤtiger Loͤue sehen und vernehmen lassen/ und in solchem rasen befohlen/ mich ihm lebendig oder tod zuliefern/ welches dann ohn zweifel waͤhre vor sich gangen/ dafern meine getraͤue Hofmeisterin/ die ich zu ihm abgeschikt hatte/ durch demuͤhtige Einrede es nicht abgewendet/ indem sie ihm sonst eine schoͤne Jungfer zugefuͤhret/ nachgehends/ nach seines Wuhts Erkuͤhlung/ ihm etwas haͤrter zugesprochen/ was ihm mit meinem Tode gedienet seyn koͤnte. Er hat aber durchaus nicht nachlassen wollen/ biß ich aus hoͤchster Noht ge- zwungen/ ihm von heut uͤber vierzehn Wochen die Vollstreckung der Heyraht zusagen muͤssen/ weil alsdann meine Sache zu Prage wuͤrde koͤnnen richtig seyn. Nun mein allerliebstes Herz/ ihr werdet dieser Tage euch zugebrauchen wissen/ oder euer lebendigen Valisken euch begebend/ aus ihrem Tode die unfehlbare Kundschafft festgehaltener Traͤue nehmen; auff welchen fall ich euch durch den wahren Gott beschwoͤre/ daß ihr eurem Leben meinet wegen keine Verkuͤrzung antuht/ sondern wider den un- keuschen Bluthund eure Rache vorbehaltet. Zeiger dieses meynet/ euch ein Schreiben zuliefern/ in welchem ich euch und meinen Bruder zum Beylager einlade/ werdet es wissen zubeantworten/ daß meine Vierdes Buch. meine Hofmeisterin es lesen duͤrffe; Ist aber Hoffnung und Trost uͤbrig/ das sendet mir bey einem vertraueten zu. Naͤhest Begruͤssung meines herzlieben Bruders und aller guten Freunde/ befehle ich uns ingesamt dem Schutz Gottes. Eure vollkommene Freundin/ Valiska/ die herzlich bekuͤmmerte. Das lezte Wort dieses Briefs kraͤnkete den verliebeten Fuͤrsten/ daß ihm die Traͤhnẽ aus den Augen schossen/ nach deren abwischung er unten im Brieffe diese Worte gezeich- net sahe; dem Boten ein gut Trinkgeld; fragete demnach denselben; guter Juͤngling/ von wem habt ihr das Schreiben empfangen? von meiner Fr. Mutter/ antwortete er/ die mir vertraulich offenbahret hat/ das es von dem Koͤniglichen Fraͤulein selbst geschrieben sey. Sie hat euch die Warheit vertrauet/ sagete er/ haͤtte aber der Muͤhe sparen koͤnnen/ dann ich ihr schon vor etlichen Tagen einen Brieff zugeschicket/ worauff ich Antwort erwarte; weil ich dann eine gewirige noch zur Zeit hoffe/ muͤsset ihr eure Muͤhe nicht umsonst ange- wendet haben; befahl Tyriotes/ daß er ihn wol halten/ Morgen fruͤh ihm 600 Kronen veꝛ- ehren/ und damit fortzihen lassen solte. Er aber setzete ein kleines Brieflein auff/ welches dem Bohten zugestellet ward. Des folgenden Morgens sehr fruͤh muste Tyriotes mit ei- nem geheimeren Schreiben fortgehen/ welcher/ weil er Geldes genug bey sich hatte/ allent- halben frische geruhete Pferde mietete/ so daß er in fuͤnff Tagen zu Charas wahr. Gallus mit seiner Geselschaft seumete sich auch nicht lange auff dem Wege/ und ritten des Koͤni- ges Leute/ welche Plautus begleitet hatten/ mit ihm zuruͤk. Als er sich zu Charas angeben ließ/ ward er neben den andern alsbald vor den Koͤnig gefodert/ welcher in den Gedanken stund/ es wuͤrden seine vermeinete Schwaͤger nicht Worte gnug haben finden koͤnnen/ vor die angebohtene Gnade zu danken/ worin er sich heßlich betrogen fand/ weil der ansehn- lichste von den Abgesanten die zuruͤk geschikten Gelder und Kleinot/ wie sie vom Koͤnige selbst verfiegelt wahren/ vor sich her tragen ließ/ und nachdem er sie vor des Koͤniges Fuͤs- sen nidergelegt hatte/ also anfing: Es lassen unsere allergnaͤdigste Herren/ die Großmaͤch- tigsten Fuͤrsten/ Herr Ladisla/ Koͤnig in Boͤhmen/ und Herr Herkules Groß Fuͤrst der unuͤberwindlichen Teutschen/ ihrer Koͤnigl. Hocheit gebuͤhrlichen Gruß vermelden/ uͤber- senden gegenwaͤrtige Schreiben/ eines an ihre Koͤnigl. Hocheit/ das ander an das Koͤnigl. Fraͤulein/ der Hoffnung gelebend/ ihnen werde auff beydes behaͤgliche Antwort wieder- fahren. Der Koͤnig verwunderte sich des schlechten Grusses/ und was die niedergesetze- ten Beutel vor bedeutung haͤtten/ ließ die Gesanten abtreten/ und lase beyde Brieffe/ wor- uͤber er sich so heftig eiferte/ daß er die Abgesanten in das Stokhauß legen ließ. Nun moͤ- gen wir uns wol schaͤmen/ sagte er/ daß wir diesen undankbahren so hohe Gnade angeboh- ten. O ihr ungehoͤfelte grobe Bauren/ sagte er/ die ihr solcher Tugend-ergebenen Schwe- ster allerdinge unwirdig seid; aber wolan/ wir werden an stat des angebohtenen Gnaden- Brunnen/ ihnen den Abgrund der ernstlichen Straffen auffdecken/ und die leicht sinnigen verwaͤgenen Buben nach verdienst peitschen und streichen lassen. Sendete dem Fraͤulein einen Diener/ mit begehren/ daß ihre Hoffmeisterin zu ihr kommen solte/ und als dieselbe sich einstellete/ fragte er/ wie sich das Fraͤulein bezeigete/ und ob sie bey der getahnen Ver- heissung bestaͤndig verbliebe; welche ihm zur Antwort gab/ es haͤtte ihre Koͤnigl. Hocheit sich im geringsten nicht zubefuͤrchten/ daß das Fraͤulein Krebsgaͤngig werden solte/ als welche nie kein Wort geredet/ dem sie nicht Krafft gegeben haͤtte. Darauff lieferte er ihr beyde Vierdes Buch. beyde Schreiben/ sie dem Fraͤulein zu verlesen zu bringen; welche sich dann daruͤber so ei- ferig zubezeigen wuste/ als haͤtte sie aus der Haut fahren wollen; sie stellete sich/ ob koͤnte sie vor Zorn kein Wort reden/ endlich sagete sie; O wie werde ich mich an meinem unbeson- nenen Bruder und Oheim gnug raͤchen koͤnnen? und mit was gebuͤhrlicher Straffe wird mein allerliebster Koͤnig diese Bosheit gnug bezahlen? Ich werde vor sie zu bitten mich schwerlich gebrauchen lassen/ ich sehe dann zuvor einige wahre Reue in ihren Herzen; O ihr leichtfertigen/ duͤrffet ihr mir das Feur; ja duͤrffet ihr meinem allergroͤssesten Koͤnige die Rache draͤuen? Die Hoffmeisterin erschrak der rede/ und fragete/ was widerwaͤrtiger Zeitung sie immer und ewig von so nahen Blutverwanten einnehmen koͤnte. Mehr als zu viel/ antwortete sie; Ach ach! wie uͤbel hab ich getahn/ fuhr sie fort/ dz ich ihnen bey eurem Sohn ein so freundliches Schreiben zugeschikt habe! O koͤnte ich dasselbe mit viel tausend Kronen wieder an mich loͤsen/ wuͤrde ichs ja nicht lassen; gedenket ihr aber/ meine Freun- din mein Eifer entstehe ohn Ursach/ so nehmet diese boßhaftigen Brieffe/ uñ leset sie durch. Unterdessen setzete sich das Fraͤulein/ und schrieb folgende Worte an den Koͤnig: Allergnaͤdigster Herr/ eure Groß Koͤnigl. Hocheit wolle sich durch die toͤrichte unbesonnenheit meines nicht werten Bruders und Oheims ja nicht bewaͤgen lassen/ viel weniger den Abgesanten als unschuldigen die Straffe anlegen die ihre Herren verdienen; Zorn ohn Macht/ und Draͤuung ohn Nachdruk schlaͤget niemand als den Furchtsamen/ und sind die meinen mehr der Zuͤchtigung als der Rache/ mehr der Ruten als des Schwertes wirdig/ jedoch das andere an ihrem Beyspiel/ die hoͤchste Macht der Welt ehren lernen/ muͤssen sie ungestraffet nicht bleiben. Meiner Fr. Mutter Einwillt- gung/ und die loßsprechung meines Geluͤbdes bey der Geistligkeit/ wird mein Diener Valikules schon erlangen/ und zu seiner Zeit mit sich bringen/ was achte ich dann der uͤbrigen? Ist nun ihrer Koͤnigl. Hocheit es gefaͤllig/ wil ich eine Antwort zuruͤk schreiben/ davor sie die Nase ruͤmpffen sollen/ weil ich leicht errahten kan/ ihre Hocheit werde sie keines Schreibens mehr wirdigen. Ich aber verbleibe nach wie vor meines allergnaͤdigsten und hoͤchstgeliebeten Koͤniges ergebenste demuͤhtigst-gehorsamste/ Herkuliska die gluͤkselige. Sehet da/ sagte sie zu der Hoffmeisterin/ traget mir dieses Brieflein straks angesichts nach dem Koͤnige/ und sprechet: Meine untertaͤhnigste Bitte sey/ daß er sich durch Zorn selber nicht moͤge schaden tuhn; Es pflege der Loͤue eines jungen Hundes Bellen sich nicht irren zulassen/ und muͤste ein erschrockener Gaul seyn/ der wegen eines herzu kriechenden Erdwurms stutzen oder sich straͤubẽ solte. Diese verrichtete den Befehl willig/ ward auch mit solcher Gnade gehoͤret/ daß der Koͤnig zur Antwor gab: Meldet unserm herzgeliebe- ten Fraͤulein unsere Gnade/ und daß wir alles ersetzen wollen/ was ihre undankbare Ver- wanten suͤndigen/ denen wir auch bloßumb ihret willen sanftere Straffe anzulegẽ willens sind/ als sie sonst verdienet haben; sie sind aber unwirdig einiger schriftlichen Antwort/ und sol ihnen vor dißmahl noch zu lezt die Muͤndliche mitgeteilet werden; ließ die Abge- santen alsbald wieder voꝛfodern/ und fragete/ was die niedergelegten Sachen bedeuteten; da ihm geantwortet ward; es waͤhren die Schenkungen/ so ihre Koͤnigl. Hocheit neulich ihren Herren uͤbergeschicket haͤtten/ welche wieder eingehaͤndiget wuͤrden/ auff den Fall ihrer Hocheit die getahnen Vorschlaͤge nicht koͤnten annehmlich seyn. Der Koͤnig ließ daruͤber ein bitteres Lachen ergehen/ und sagete: Koͤnnen unsere undankbaren Knechte sol- ches nicht auff borg behalten/ daß sie ein Zeichen der einmahl angebohtenen Gnade haͤtten? jedoch Vierdes Buch. jedoch/ weil sie deꝛselben nicht wirdig sind/ so muß ihnen auch das uͤbrige entzogen werden. Drum so saget nun den unbesonnenen Knaben unsern Knechten/ wir haben die Ruten schon binden lassen/ damit sie ihre zuͤchtigung einnehmen sollen/ und moͤchten wir gerne se- hen/ was hinter ihrem ohmaͤchtigen Draͤuen und Absagung stecke. Daß aber eures mut- willens vor dißmahl geschonet wird/ habt ihr bloß unser Gnade zu danken/ und trollet euch ohn einiges Wortsprechen stuͤndlich aus unserm Gebiet/ dafern ihr nicht mit euren Her- richen zu buͤssen Lust traget. Diese wurden froh/ daß sie mit dem Leben davon kahmen/ mach- ten sich alsbald aus dem Staube/ und sties Tyriotes eine Meile von der Stad auff sie/ dem Gallus allen Verlauff erzaͤhlete/ und mit ihm Abscheid nam/ an was Ort sie auff ihn warten/ und in einer Geselschaft wieder fortgehen wolten. Dieser/ so bald er zu Timokles kam/ den Gallus nicht eins hatte ansprechen koͤnnen/ uͤberreichte er ihm das Schreiben/ der es in einem hohlen Pfeile hinauff schoß/ gleich da das Fraͤulein bey spaͤtem Abend vor ihrem Fenster stund/ welche denselben bald hohlete/ und nach heraußzihung des Briefes/ diese Worte lase: Allerschoͤnster Seelen-Schaz; euer Liebe Wiederwertigkeit habe ich mit hoͤch- sten Schmerzen empfunden/ danke dem grundguͤtigen Gotte/ daß er auch dißmahl noch des grim̃igen Loͤuen Wuht gebrochen/ und mein unschuldiges Schaͤflein gnaͤdig errettet hat. Sonsten hat eure Lie- be au bestim̃ung der Zeit sehr weißlich gehandelt/ und wil ich mit der Huͤlffe meines Heylandes nicht fehlen/ vor angesetzter Zeit/ dafern ich lebe/ fruͤh genug bey ihr zu seyn/ da mir/ ob Gott wil/ der schon gemachte Anschlag nicht mißrahten wird. Inzwischen stellet euch gegen euer Frauenzimmer froͤlich/ damit man keinen Argwohn auff euch fasse; unterhaltet auch den Koͤnig mit aller Freundligkeit/ und reitet ihn im gelindesten Zuͤgel/ daß er unsere Freude nicht stoͤren moͤge/ deren wir geliebts Gott ge- denken zugeniessen. Ich werde schon wissen dem Koͤnige eine glaubwirdige Ursach beyzubringen/ daß er mich wol vor entschuldiget halten sol. Gott zu tausend mahlen befohlen/ und seid fort nicht mehr die bekuͤmmerte/ sondern die froͤliche Valiska/ damit ich lange bleiben moͤge/ euer Liebe inbruͤnstiger ganz ergebener Herkules. Ey so wil ich auch meinem Gott vertrauen/ sagte sie bey sich selbst/ und wird mein Erloͤser mich mit dem unschuldigen Daniel aus der Loͤuen Grube/ uñ mit Joseph aus dem Gefaͤngnis schon zuerretten wissen/ daß ich noch meine Lust an seineꝛ Gnade sehe. Ein halb Stuͤndichen hernach kam ihre Hoffmeisterin wieder zu ihr/ und brachte ihr das Brieflein von Herkules/ dann ihr Sohn wahr wieder angelanget/ welcher durch einen Unfall (er wahr mit dem Pferde gestuͤrzet und hatte einen Arm verrenket) sich auff der Reise einen Tag zu lange auffgehalten hatte. Das Fraͤulein aber stellete sich betruͤbt/ und gab zur Ant- wort/ sie stuͤnde im zweiffel/ ob sie ihres unbesonnenen Bruders Brieff lesen/ oder hinun- ter in den Graben werffen wolte; endlich auff der Hoffmeisterin anhalten/ oͤffnete sie den- selben/ der also lautete: Zeigern dieses wird zum beweiß der geschehenen Einlieferung eines Brie- fes von der stolzen Herkulisken geschrieben/ hiemit erteilet/ haͤtte zwar eine scharffe Antwort darauff gehoͤret/ aber weil dieselbe ihr verhoffentlich schon wird zu handen kommen seyn/ erachtet man unnoͤh- tig ein Gemuͤse zweimahl zu kochen. Ich unterschriebe mich billich in diesem Zettel als Bruder/ wañ nicht dein stolzer Sinn die ehmahl Schwesterliche Gewogenheit aus deinem Herzen verstossen haͤtte. O bedenke dich eines bessern/ wo du nicht wilt mit samt deinem Koͤnige/ aus welchem du gleichsam ei- nen Abgott/ und d ich zur Abgoͤttin machest/ zu truͤmmern und bodem gehen. Das ist mir ein Bru- der/ das ist mir ein Bruder/ sagte das Fraͤulein nach verlesung; stund hierauff ein wenig stille als in tieffen Gedanken/ und fing hernach wieder an: Nun/ was wil ich machen? zwar I i i i i ich Vierdes Buch. ich habe meinen Bruder allezeit heꝛzlich geliebet/ wolte ihn auch noch wol gerne lieben/ abeꝛ wegen seines wunderlichen Kopfes mich meines Gluͤckes zubegeben/ wird mir kein Mensch rahten. Nein O nein; der Himmel hat mich hieher gebracht/ daß ich meinem Koͤnige zum kuͤnfftigen Gemahl gefallen muͤssen/ solches muß weder mein Bruder noch einiger ander Mensch in der Welt umstossen. Aber vernehmet ihr nicht meine Freundin/ ob zum Koͤnig- lichen Beylager anstalt gemacht werde? man wird ja beyzeiten alle Nohtwendigkeit verse- hen/ damit einem jeden sein gebuͤhr geschehe; Und daß ich euch mein gewogenes Herz sehen lasse/ so habe ich schon in meinem Herzen euch darzu erkohren/ daß ihr zu derselben Zeit die Mutterstelle vertreten sollet. Diese erfreuete sich der Ehren hoͤchlich/ und zeigete an/ wie geschaͤfftig der Koͤnig schon waͤhre/ alles auffs praͤchtigste anzuordnen; doch bitte ich/ sagte sie/ meiner Kuͤhnheit gnaͤdige Vergebung/ umb zufragen/ ob die annoch ausstehende Wo- chen nicht biß auff die Halbscheid koͤnten gebracht werden; Und O wann meinem Koͤnige ich die Zeitung bringen solte/ wie ein treffliches Bohten-Brod wuͤrde ich verdienen! Sie wuste aber nicht/ was vor ungenehme Reden/ diese der Fraͤulein zuhoͤren wahren/ als wel- che ohn das einen Verdacht auff sie hatte/ sie spielete mit dem Koͤnige in diesem stuͤk heim- lich unter einer Decke/ deswegen wolte sie vor dißmahl die gelegenheit nicht versaͤumen/ sie durch die allerhefftigsten Bedraͤuungen davon abzuschrecken/ und gab ihr diese Antwort: Liebe Hofmeisterin/ ich halte euch vor meine allergeheimdeste Freundin/ wie ihr wisset/ und ich dargetahn habe/ indem ich mich euer und eures Sohns Dienste/ in uͤbersendung mei- nes Briefes an meinen unfreundlichen Bruder/ gebrauchet/ wovor ich auch eurem Sohn das begehrte Landgut bey dem Koͤnige ungezweifelt loßmachen wil; wollet ihr aber meiner Freundschafft in der Taht geniessen/ so lasset ja diese jezt ausgedrückete Gedanken ferne von euch seyn/ und betrachtet/ daß ich nicht unter menschlicher/ sondern unter einer maͤchtigen Goͤttin gewalt und gehorsam verbunden liege/ von welcher ich durch grosse Opffer zuvor muß loßgemacht werden/ ehe ich ins Ehebette treten kan/ wo ich nicht die aller grausamste Straffen über mich nehmen wil; wovor ich aber lieber zusterben gedenke. Solte ich nun von dem Koͤnige hierüber ferner angestraͤnget werden/ sol und muß ichs niemand als eben euch zuschreiben/ und kan mir endlich nirgend zu schaden/ ob ihr mein ausgesantes Schrei- ben gleich verrahten wuͤrdet/ weil in demselben nichts wider den Koͤnig gesezt gewesen/ wie ihr bezeugen muͤsset/ und die empfangene Antwort ausweiset; Aber dieses schwoͤre ich euch zu dem Allerhoͤchsten Gott/ daß/ auff den fall mein Koͤnig aber eins in mich dringen solte/ ich nicht ruhen wil/ biß ich bey demselben erhalten werde/ euch und euer ganzes Geschlecht mit der allergraͤulichsten Straffe auszurotten. Hiernach wisset euch zurichten/ und verhuͤ- tet ein solches Ungluͤk. Werdet ihr aber es bey dem Koͤnige/ wie ihr wol koͤnnet/ fest unter- bauen/ daß er biß an die versprochene Zeit geduldig auswarte/ sollet ihr hingegen/ und euer ganzes Geschlecht so viel groͤssere Gnade und Woltaht von mir gewaͤrtigseyn. Die Hof- meisterin erschrak der Reden/ daß sie zitterte/ kunte auch in guter Zeit nicht antworten/ biß sie endlich sich besan/ und diese Entschuldigung vorbrachte: Gnaͤdigstes Fraͤulein/ ich bitte aus gehorsamsten Herzen/ dergleichen Ungnade auff mich und die meinen nicht zuwerffen; die Goͤtter wissen meine Unschuld/ und daß ich aus Unbedachtsamkeit solches geredet/ wil auch/ diesen Fehler zuwiderbringen/ ihrer Gn. verheissen/ auf den fall der Koͤnig die Zeit zu endern Vierdes Buch. endern bedacht seyn solte/ welches mir doch unwissend ist/ entweder zusterben/ oder ihm sol- chen Vorsatz zubenehmen. Mit diesem erbieten bin ich zufrieden/ antwortete das Fraͤulein/ werde auch hieraus spuͤren koͤnnen/ daß ihr mich von herzen meynet. Aber wie koͤmt es/ dz/ eurem vorgeben nach/ euch der Koͤnig nicht wieder fodern laͤsset/ und der Abend mit Macht herein bricht? Sie hatte dieses kaum ausgeredet/ da klopffete ein Koͤniglicher Kammer- diener an/ und foderte sie wieder; da das Fraͤulein sie vermahnete fortzugehen/ und ihrer Verheissung bey aller gelegenheit eingedenke zuseyn. Als sie zu dem Koͤnige hinein trat/ fragete er sie/ wie sein Fraͤulein lebete/ und ob wegen ihres groben Bruders und Oheims sie sich auch sehr betruͤbete? Worauff sie zur Antwort gab: Es haͤtte ihr Gn. Fraͤulein sich zwar uͤber die Schreiben erzuͤrnet/ aber nicht beküm̃ert/ entschluͤge sich auch alles Unmuts/ damit gegen das Beylager ihr an ihrer Schoͤne nichts abginge. Wir wissen nicht/ sagte der Koͤnig aus Scherz/ ob unsere Heyraht auch vor sich gehen werde/ nachdem ihre trotzi- ge Blutfreunde sie unter so harter Bedraͤuung abfodern. Diese wolte den Scherz nicht verstehen/ und antwortete: Vor solche Gedanken behuͤten ja die guͤtigen Goͤtter Eure Koͤnigl. Hocheit/ und solte das hochverliebte Fraͤulein dieses hoͤren/ wuͤrde sie in Angst uñ Ohmacht vergehen; massen Ihre Koͤnigl. Hocheit ich wol versichern kan/ dz sie/ ohn durch den Tod/ von diesem ihrem Gluͤcke sich nicht wird abtreiben lassen/ zweifele auch nicht/ da die grosse Furcht vor der unbarmherzigen Goͤttin Vesta sie nicht hinterhielte/ sie des Bey- lagers Fortgang lieber heut als morgen wissen moͤchte. Artabanus ward der Zeitung so froh/ daß er vor freuden auffsprang/ kunte sich auch nicht inne halten/ sondern sagte zu ihr: Heut werden wir erst recht durch euch ergetzet/ und sollet ihr unsere Scherz Rede ja nicht vor ernstlich gemeynet halten/ ob fürchteten wir uns vor dem nichtigen draͤuen zweer jun- gen Buben/ sondern dieses Haͤupt (das seine anruͤhrend) wollen wir lieber verlieren/ als solchen unvergleichlichen Welt Schatz/ nachdem die Goͤtter uns denselben aus sonderlicheꝛ Versehung zugeschicket; Und O daß wir einiges Mittel auszusinnen wuͤsten/ daß unser Fraͤulein in beschleunigung des Koͤniglichen Beylagers gehehlen wolte! Die Hofmeiste- rin stellete sich wegen der lezten Worte uͤberaus betruͤbt und erschrocken/ und gab zur Ant- wort: Ach allergnaͤdigster Koͤnig/ ich bitte zum untertaͤhnigsten/ Eure Koͤnigl. Hocheit wolle ihre arme einfaͤltige Magd hoͤren/ und wo sie ihrer Wolfahrt und eigenem Leben nicht feind ist/ meinem Gn. Fraͤulein die versprochenen Wochen/ die bald verstreichen werden/ auffrichtig aushalten/ alsdann werden sie erfahren/ daß nie kein Fraͤulein mit froͤlicherem Herzen sich ihrem Gemahl hat zufuͤhren lassen/ als eben sie. Sie liebet niemand hoͤher/ als Eure Koͤnigl. Hocheit; aber sie fuͤrchtet sich auch vor nichts in der Welt hefftiger/ als vor den Zorn ihrer Goͤttin. Hierauff stund sie ein wenig als in Gedanken/ biß sie sahe/ daß der Koͤnig reden wolte/ da hub sie wieder also an: Allergnaͤdigster Koͤnig/ darff Ihrer Hocheit ich ein wichtiges Geheimniß anvertrauen/ welches mein Gn. Fraͤulein mir als einer ver- schwiegenẽ Hoffmeisterin offenbaret hat/ und sol mirs dereins nicht zum Ungluͤk ausschla- gen/ wil ich durch diese Anzeige klaͤrlich sehen lassen/ daß ich keinem Menschen in der ganzẽ Welt so getraͤu bin/ als Ihrer Koͤnigl. Hocheit. Er ward hiedurch zu grossem verlangen angetrieben/ es zuerfahren/ und versicherte sie bey Koͤnigl. Traͤue vor allem Schaden und Gefahr. Worauff sie ihm dieses Getichte vorbrachte: Was ich rede/ das habe ich gesehen/ I i i i i ij und Vierdes Buch. und aus einem Beweißtuhm erfahren/ daß es wahr ist. Als Ihre Koͤnigl. Hocheit neulich so hefftig wegen des Beylagers in das Fraͤulein drang/ schickete sie sich zum Tode/ aber zu einem solchen/ welcher Eure Koͤnigl. Hocheit unfehlbar haͤtte zugleich mit aufreiben muͤs- sen. Sie hatte ein kleines irdenes Buͤchslein/ welches sie kuͤssete/ und zugleich sagete: O du bitteres und unangenehmes Geschenk meiner Goͤttin/ muß ich dann dein noch gebrauchẽ/ und aus befehl der himlischen Macht eine Rache volstrecken/ welche mir hefftiger als der Tod selbst zuwider ist? O Goͤttin/ wie gerne stuͤrbe ich in deinem Dienst und Gehorsam/ wann ich nur nicht zugleich denselben ermorden muͤste/ der nicht aus Bosheit/ sondern gaꝛ zu grosser und inbruͤnstiger Liebe/ deinen goͤttlichen Willen uͤbertrit. Ich merkete hieraus/ daß dem Leben meines Koͤniges gedraͤuet wuͤrde/ deßwegen sagte ich zu dem Fraͤulein: Eu- re Gn. reden sehr verdaͤchtig/ und wie werde ich solches verschweigen duͤrffen? Ihr muͤs- set schweigen/ antwortete sie/ oder es wird meine Goͤttin euch das Genik abdrehen; doch wann ihr die aͤusserste Noht meiner Keuscheit sehet oder merket/ so moͤget ihr reden/ was ich euch sonst auff hoͤchstes Vertauen offenbahren wil; Sehet ihr dieses kleine irdene Buͤchs- lein? sagte das Fraͤulein; dieses hat mir meine saursichtige Goͤttin vor zehn Tagen zuge- stellet/ gleich da ich meine Botschafft nach Prag abgefertiget hatte/ und mir befohlen/ dafeꝛn ich vor Ausgang XV Wochen zum Beylager solte unvermeidlich genoͤhtiget werden/ muͤ- ste ich zum lezten Gehorsam aus diesem Buͤchslein ein wenig an einen gewissen Ort mei- nes Leibes streichen/ daher mir zwar der Tod als einem goͤttlichen Opffer ohn alle Schmeꝛ- zen entstehen/ mein uͤberwaͤltiger aber/ so bald er mich beruͤhrete/ drey ganzeꝛ Tage uñ Nach- te in der allergroͤssesten unaussprechlichen quahl zubringen/ und nach deren Verlauff in ra- sender Wuht ihm selbst die Haͤnde/ und so weit er mit den Zaͤhnen reichen koͤnte/ alles ab- fressen wuͤrde/ biß die Seele aus ihm fuͤhre; Wollet ihr aber/ sagte das Fraͤulein zu mir/ mei- ner Rede nicht trauen/ so lasset eines von meinen Huͤndichen kommen/ und versuchet an demselben des Gifftes wirkung. Ich muste dem Fraͤulein gehorchen/ und strich dem Hünd- lein gar ein weniges an seinẽ Bauch/ worauff es alsbald anfing einen solchen Jammer zu treiben/ daß wir zu mitleiden bewaͤget wurden/ und es hinunter in den Graben wurffen. Der Koͤnig nam dieses vor die allergewisseste Warheit an/ entsetzete sich daruͤber zum heff- tigsten/ und gab ihr zuvernehmen/ daß er zwar biß diese Stunde gesiñet gewesen/ das Bey- lager auff die helffte der versprochenen Zeit zubringen/ saͤhe und vernaͤhme aber/ daß er sich eines andernerklaͤren/ und der Geduld biß zum Verlauff der gesetzeten Wochen sich gehoꝛ- samlich untergeben muͤste; Verehrete auch der Hofmeisterin ein Kleinot 12000 Kronen wert/ daß sie ihm dieses offenbahret hatte/ wiewol er diese Bedraͤuung ihr vorhielt/ dafern nach verflossener Zeit sein Fraͤulein das allergeringste zu weiterer Auffschiebung einstraͤuẽ würde/ solte es an der Hofmeisterin Leben gerochen werden. Eine ganz unnoͤhtige sorge/ antwortete sie/ weil ich weiß/ daß nach solcher Zeit dem Durchl. Fraͤulein nichts angeneh- mers seyn wird/ als dem maͤchtigsten Herscher der Welt ehelich beygelegt zuwerden. Und O wie froͤlich und ohn sorge wuͤrde das allerliebste Fraͤulein leben/ und an ihrer Schoͤnheit von Tage zu Tage zunehmen/ wann ihr diese einige Furcht des zu fruͤhzeitigen Anspruchs zum Beylager/ gaͤnzlich solte benommen seyn. Dieses Kummers/ sagte der Koͤnig/ wollen wir sie schon entheben/ weil es doch nicht anders seyn kan; setzete sich alsbald/ und schrieb diesen Brief mit eigener Hand: Der Vierdes Buch. Der grosse Koͤnig Artabanus gelobet hiemit und krafft dieses seiner hoͤchstgeliebeten Fraͤulein Herkulisken/ daß er vor Ausgang der bestimmeten Wochen sie in keinerley wege umb das Beylager/ oder sonst einiges Liebewerk begruͤssen und ansuchen wil/ und da solches von ihm nicht steiff und unbrü- chig gehalten wird/ zaͤhlet er sein geliebtes Fraͤulein ihrer getahnen Zusage ledig und loß/ so daß ihre Liebe und das an dieser seiten hoͤchstgewuͤnschtes Beylager sie ihm biß in Ewigkeit zuversagen Macht haben sol. Artabanus. Als er dieses geschrieben hatte/ legte ers zusammen/ gabs der Hofmeisterin/ und sagete: Sehet da/ diese Versicherung ist die hoͤchste/ die wir dem lieben Fraͤulein geben koͤñen; brin- get sie ihr zu/ und ermahnet sie/ gutes muhts zuseyn; jedoch/ daß sie uns gleichmaͤssige Ver- schreibung ihrer Einwilligung erteile. Sie ging mit dieser Handschrifft eilig hinweg/ und nach erzaͤhletem Verlauff/ uͤberlieferte sie dieselbe dem Fraͤulein/ welche ihr antwortete: Nun meine Freundin/ ihr habt vor dißmahl eurer Redligkeit ein satsames Genuͤgen ge- tahn/ so daß meines falschen Argwohns halben ich billich umb Vergebung bey euch anhal- ten muß; so bleibet nun bestaͤndig in solcher Traͤue/ und versichert euch/ daß ichs alles mit vollem Maaß ersetzen werde. Als sie nun von ihr zuwissen begehrete/ auff was weise sie die- se Verschreibung von dem Koͤnige loßgewirket haͤtte; baht sie untertaͤhnigst/ ihr zuverzei- hen/ daß sie den Koͤnig mit einer Nohtlügen hintergangen/ seinen Vorsaz wegen des Bey- lagers beschleunigung zubrechen/ welches auff eine gelegenere Zeit sie ihr erzaͤhlen wolte; womit sie dann wol zufrieden wahr/ nebest Versprechung/ auff Morgen früh dem Koͤnige eine gleichmaͤssige schrifftliche Vergnügung einzuschicken. Diese Nacht setzete sie an ihren Liebsten Gemahl einen Brief auff/ welcher also lautete: Mein hoͤchster Lebens Schatz; Euer Liebe augenehmes Brieflein ist mir von Timokles zuge- schossen/ und daß andere von meiner Hofmeisterin Sohn bald hernach eingeliefert. Wie gar schlecht und nichtig dero Draͤuungen geschaͤtzet werden/ habt ihr aus der gegebenen muͤndlichen (weil man auch keiner schrifftlichen wirdiget) zuvernehmen. Was sonst der Koͤnig/ auff listiges Getrieb meiner von mir in Furcht gestuͤrzeten Hofmeisterin/ mir vor eine schrifftliche Versicherung aus freyem Wil- len erteilet/ und ich hinwiederumb mich erklaͤren muͤssen/ solches ist aus den Beylagen A und B zuerse- hen. So erwarte nun Eure Liebe nichts/ als der Gelegenheit/ mich in wendig sieben oder acht Wochen auffs hoͤchste/ unter dem Nahmen meines Dieners Valikules zubefuchen/ damit unseꝛ Vorsatz beyzei- ten koͤnne ausgefuͤhret werden/ und ich vermoͤge gegebener Versicherung nicht gezwungen sey/ die un- moͤgliche Heyraht durch meinen Tod abzuwenden/ solches suchet/ bittet und flehet/ Eurer Liebe zum Tod und Leben allergetraͤueste Valiska. Hierin legete sie des Koͤniges und ihrer Versicherung Abschrifft/ und schoß es des folgenden Morgens sehr früh Timokles im hohlen Pfeile zu/ der Tyriotes damit schleunig abfertigte/ welcher des dritten Tages bey Gallus und seiner Geselschafft anlangete. Nun wahr Fürst Vologeses eben dazumahl nicht zu Charas/ son- dern auff seinen Guͤtern/ kam aber desselben Morgens/ da Tyriotes wegreisete/ bey dem Koͤ- nige an/ welcher ihm der fremden Fuͤrsten Draͤuung zuwissen machte; worauf er zur Ant- wort gab: Ich fuͤrchte sehr/ es stecke hierunter eine sehr wichtige Geheimniß/ welches die Zeit offenbahren wird/ und ich meine Gedanken noch zur Zeit nicht anzeigen darff; Es wird aber noͤhtig seyn/ daß Spitamenes/ dem die Grenzen anbefohlen sind/ Koͤniglichen Befehl bekomme/ gute Auffsicht auff das gemeine Wesen/ und auff seine Voͤlker zuhaben/ damit er nicht krafft dieser Draͤuung/ welche man keiner Antwort gewirdiget/ uͤberfallen werde/ ehe er weiß/ daß er Feinde hat. I i i i i iij So Vierdes Buch. So bald Gobares zu Susa wieder anlangete/ gewan er Lust Fr. Statiren zubesuchẽ/ und weil er bißher noch stets argwohnete/ sie hielte Kleon heimlich bey ihr auff/ schrieb er zuvor an Nabarzanes; er waͤhre in glaubwirdige Erfahrung kommen/ ob solte Kleon nit allein noch im Leben/ sondern auff seinem Schlosse in einem absonderlichen Gemache ver- sperret seyn/ welches eigentlich zuerfahren/ er fleissig acht geben solte/ wohin Statira zu- zeiten allein ginge/ koͤnte ihr alsdann heimlich nachschleichen/ und also leicht hinter die Warheit kommen. Nabarzanes nach seiner Einfalt wunderte sich der Zeitung/ nam des Fuͤrsten Lehr in acht/ und folgete seinem Gemahl/ die des andern Morgens sehr fruͤh vom Bette hinweg schleich/ leise nach/ sahe sie auff ein abgelegenes Gemach gehen/ und die Tuͤhꝛ hinter ihr verriegeln/ deßwegen er naͤher hinzutrat und sie behorchete/ gleich da sie ihren Kleon also anredete: Herzlieber Schaz/ ich kan euch nicht bergen/ daß Fuͤrst Gobares Die- ner gestern ankommen ist/ und ich seine Werbung nicht erfahren kan/ ohn daß er vor gibt/ sein Fuͤrst werde uns ehist besuchen/ wornach mich aber wenig verlanget. Kleon antwor- tete; Er fuͤrchtete sehr/ daß seine Anwesenheit endlich moͤchte außgespehet werden/ auff welchen Fall er gewiß sterben muͤste/ baͤhte demnach dienstlich/ ihre Gn. wolten ihn auff wenig Tage erlassen/ er wolte inwendig Viertel Jahrs frist sich ohnfehlbar wieder einstel- len; welches sie ihm aber mit freundlichen Worten abschlug. Nabarzanes/ nachdem er zwar seines Gemahls Stimme vernam/ aber die Reden nicht verstehen kunte/ ohn daß er sie ihren Kleon etlichemahl neñen hoͤrete/ machte sich in aller stille wieder davon/ uñ schꝛieb an den Fuͤrsten/ er haͤtte seiner Durchl. klugem Raht nachgelebet/ und den Fuchs im ver- sperreten Loche angetroffen/ zweifelte nit/ da er Huͤlffe haͤtte/ ihn zuerhaschen/ uñ dem Fuͤr- sten zu liefern; fertigte damit den Bohten ab/ und legte sich wieder zur Ruhe. Des nach- mittages/ da sein Gemahl an andern Orten geschaͤftig wahr/ ging Nabarzanes wieder nach Kleons Gemache/ klopffete an und sagete: Tuhe miꝛ auff Kleon/ nachdem ich von meinem Gemahl berichtet bin/ dz du hie bist. Dieser erschrak dessen nit wenig/ wolte doch nicht ant- worten/ sondern hielt sich ganz stille/ da jener zum andernmahl sagete: Warum antworte- stu mir nit Kleon/ uñ kuntest heut fruͤh dich mit meinem Gemahl so wol begehẽ? erst mer- kete er den betrug/ uñ ließ ihn unbeantwortet abzihẽ. So bald nun Statira dessen von ihm mit furchtsamer Stim̃e berichtet ward/ lachete sie uñ sagete: Gebet euch zu fꝛiedẽ/ wir wollẽ ihm diesen Tanz leicht verdrehẽ/ brachte ihn gegen Abend auf ein ander Gemach/ uñ ließ sich gegen Nabarzanes im wenigsten nichts merken; doch machte sie ihr leicht die Rechnung/ er wuͤrde es dem Fuͤrsten schon zugeschrieben haben/ weil dessen Diener hinweg wahr. Des folgenden Morgens machte sie sich gleich wie des vorigen/ fruͤhe nach demselben Ge- mache/ da Nabarzanes ihr abermahl folgete/ und eine zeitlang horchete/ dessen sie wahr- nehmend/ nicht anders redete/ ob waͤhre Kleon bey ihr/ machete endlich die Tuͤhr auff/ als wuͤste sie nicht umb ihn/ und stellete sich wegen seiner Gegenwart erschrocken; woruͤber er ein Herz fassete/ und zu ihr sagete: Meine herzgeliebete/ warumb tuht ihr mir und euch so grosse Schande an/ und verberget Kleon alhie/ als koͤntet ihr ohn ihn nicht leben? Was; antwortete sie/ verberge ich Kleon? ja wol Kleon! welchen das Wild leider im Walde ge- fressen und verzehret hat; zwar ich leugne nicht/ daß ich zu zeiten mich an diesem Orte fin- de/ und seine Liebe Gedaͤchtnis begehe/ weil ich ihn mit eurer bewilligung geliebet; aber da- fern Vierdes Buch. fern ihr die Gedanken fuͤhret/ er sey noch im Leben/ oder auch in diesem Gemache/ seid ihr sehr unrecht dran. Ey sagte er/ ihr werdet mich ja nicht mit hoͤrenden Ohren taub machẽ; und was stehet ihr alhie ohn Kleider? ja was sprachet ihr so freundlich/ wann niemand bey euch ist? Sie stellete sich zornig hierauff/ und gab zur Antwort: Was haͤtte ich vor Ur- sach/ ihn vor euch zuverbergen/ wann er nochlebete? Aber es ist leider sein Geist/ sein aͤdler Geist aus dem schoͤnen Leibe hinweg gereiset; und immer schade/ daß dieser von den wil- den Tihren hat sollen zerrissen werden. Er lachete der Rede/ und begehrete/ sie moͤchte ihn nur ins Gemach lassen/ dann wuͤrde sichs bald außfuͤndig machen/ wo Kleon verborgen laͤge. Billich klage ich solches den Goͤttern/ sagte sie/ daß ihr mich in so falschen Verdacht zihet; aber habe ich oder einiger Mensch euch jemahls gehindert auff dieses Gemach zu gehen/ ob ichs gleich Kleons Seele gewidmet habe? kommet und suchet/ ich bins wol zu frieden; fassete ihn auch beim Arme/ und zog ihn hinein; da er nichts als eine ledige Betstat mit Tuͤchern behaͤnget/ und einen gedecketen Tisch fand; woruͤber er sich zum hoͤchsten verwunderte/ und zu ihr fagete: Nun schwuͤre ich zu allen Goͤttern/ ich haͤtte ihn mit euch reden gehoͤret/ kan auch nicht anders gedenken/ ihr muͤsset ihn an einen andern Ort gebracht haben. Ey ihr naͤrrischer Mensch/ antwortete sie; habe ich ihn dann durch Waͤnde und Mauren zihen koͤnnen? oder ist er als ein unsichtbarer zur Tuͤhr hinaus verschwunden/ wañ ihr ihn gehoͤret habt? doch kommet und durchsuchet alle mei- ne Gemaͤcher nacheinander/ und wann ihr ihn findet/ wil ich das Leben verwirket haben. Der schlechte einfaͤltige Nar begunte schon zu zweiffeln/ und auff ihr anhalten durchging er mit ihr alle Gemaͤcher. Sie hatte ihn aber im Kleiderladen verberget/ welchen sie doch auffgesperret siehen ließ/ wohin sie ihren Gemahl endlich fuͤhrete/ trat mit ihm vor den La- den/ da Kleon hinter einem langen Mantel auffrecht stund/ und fing sie also an zu reden: O du lieber aͤdler Kleon/ mustu dann nach deinem Tode so gefuͤrchtet/ und wegen blosses Argwohns zur ganz unverdienten Straffe gesuchet weꝛden? Nun zweiffele ich an deinem Tode nicht/ dann waͤhrestu noch im Leben/ wuͤrde ich dessen ohn zweiffel berichtet seyn; aber deine mißguͤnstige koͤnnen nicht ruhen/ sondern wollen dich/ da sie doch nur deinen Tod suchen/ mit Gewalt lebendig haben. Frau/ antwortete er/ ihr wisset/ wie viel ich euch uͤber- sehe/ und allen Willen goͤnne/ koͤnte euch auch diesen Diener wol lassen/ dafern es unserm Fuͤrsten nicht so hefftig zuwieder waͤhre/ als welchen verdreust/ daß ein Leibeigener Teil an euch haben sol. Er wolte weiter außbeichten/ aber sie fiel ihm in die Rede/ und sagete: Was treibet ihr vor ein naͤrrisches Gewaͤsche/ oder was hat der Fuͤrst mir zubefehlen/ sintemahl ich euer/ und nicht sein Gemahl bin; so habe ich auch mit Kleon keine andere als zulaͤssige Freundschaft gepflogen/ wodurch euch im geringsten kein Abbruch geschehen ist; aber wir stehen alhie schon zu lange/ deßwegen lasset uns weiter gehen und nachsuchung tuhn/ daß der eitele Argwohn euch benommen werde. Ich gehe mit/ sagte er/ und bin gewiß/ daß er auff keinem dieser Gemaͤcher/ so wir besehen/ sich auffhaͤlt. Ja/ gedachte Kleon hinter dem Mantel/ bleibe du nur in deiner Gewißheit; Sie aber fing an; so schwoͤre ich bey allẽ Goͤt- tern/ daß Kleon auff den uͤbrigen Zimmern viel weniger zu finden/ oder gegenwaͤrtig ist; ging auch mit ihm immer fort das ganze Schloß zu durchsuchen/ und als er sich nirgend sehen ließ/ baht Nabarzanes ganz instaͤndig/ sie moͤchte doch dem Fuͤrsten zugefallen/ diesen Diener abschaffen; er haͤtte glaubwirdige Nachrichtung/ daß er auf dem Schlosse verbor- gen Vierdes Buch. gen gehalten wuͤrde/ und da sie ihm nicht gehorsamete/ wolte ers dem Fuͤrsten klagen/ und ihn zu Huͤlffe zihen. Die Frau wahr in ihrem Gewissen uͤberzeuget/ durffte demnach ihre gewoͤhnliche Keiferey nicht vor die Hand nehmen/ sondern kehrete sich zum Weinen und bezeugete mit vielen Traͤhnen ihre Unschuld; endlich fiel sie ihm umb den Halß/ und mit heftigen ungewoͤhnlichen kuͤssen baht sie/ er moͤchte den falschen Verdacht aus dem Sinne schlagen/ sie haͤtte ihren Kleon sider das leztemahl nicht gesehen/ welches zu bejahen sie alle Fluͤche ausließ; weil er aber auff seiner Meinung fest stehen blieb/ fing sie endlich an: Nun so hoͤre mich betruͤbetes Weib/ o du aͤdle Kleons-Seele/ an was Ende du auch bist/ und raͤche deine und meine Unschuld an diesem Hartnaͤckigten/ der weder durch Bitte noch Traͤhnen noch Fluͤche zu bewaͤgen ist. Ging hiemit von ihm/ und ließ sich etlicher Draͤu- ungen vernehmen/ daß er weiter anzuhalten abgeschrecket ward. Es fiel ihr aber schwer/ ihrem Kleon Speise und Trank unvermerket zuzubringen/ welches erst umb Nachmittage geschahe/ da Nabarzanes seine Ruhestunden hielt/ und legte sie mit ihm an/ wessen er sich umb Mitternacht verhalten solte. Bey dem Abendmahl taht sie ihrem Gemahl sehr guͤt- lich/ erzeigete sich traurig/ und ging zeitig mit ihm an die Ruhe. Umb Mitternacht gingen alle Wachskerzen/ welche im Gemache zu brennen pflegeten/ von sich selber aus/ dann sie wahren durchboret und mit Wasser angefuͤllet; Worauff Kleon in einem weissen Kittel gar leise in die Kammer trat/ und dariñen auff und nider ging/ welches die Frau ersehend/ sich furchtsam erzeigete/ uñ ihren Gemahl auffweckete/ vorgebend/ ihr kaͤhme ein erschrek- liches Grausen an/ sahe damit auff/ und ward Kleons gewahr/ deßwegen sie ein duͤmpfi- ges Geschrey ergehen ließ/ und endlich fragete/ wer in der Kammer umbginge; sie bekam von einer traurigen Stimme diese Antwort; Geliebte Frau/ es ist Kleons/ eures getraͤuen Dieners schwebender Geist/ und kan nicht zur Ruhe kommen/ als lange meine Knochen unverscharret bleiben; seid demnach gebehten/ und helffet mir; mein Gerippe wird man im Pusche am Wege zur rechten Hand finden/ woselbst die durchfliessende Bach einen dop- pelten Lauff haͤlt. So bald sie dieses hoͤrete/ sprang sie aus dem Bette/ und lieff hin/ ihn zu umbfahen; aber er weich ihr immer aus/ vorgebend/ verstorbene Seelen koͤnten von den lebendigen nicht begriffen noch gekuͤsset werden. So bald er nun durch der Frauen Nach- dringen biß ans Bette kam/ kehrete er sich umb und sagete zu Nabarzanes; du Gottloser Mensch/ der du deines frommes Gemahls unwirdig bist; wodurch habe ich dich jemahls beleidiget/ daß du mich diesen Tag so verunruhet/ und aus meinem Gemache durch alle Zimmer getrieben hast/ in welchem ich bißher mich in allerstille auffgehalten/ und daselbst nach meinem Tode von deinem Gemahl taͤglich beklaget bin? Der erschrockene Tropff hatte den Kopff unter dem Bette verhuͤllet/ und lieff ihm der Angstschweiß bey den Ohren herunter/ ja alle seine Glieder zitterten ihm/ daß er kein Wort reden kunte; gab doch end- lich seinem Gemahl zuverstehen/ sie moͤchte eine Bitte vor ihn einlegen/ damit die Seele ihn nicht beleidigte; weil aber solches der Abrede nicht gemaͤß wahr/ achtete dessen Kleon nicht/ sondern zog ihm das Bette vom Leibe/ und mit einem Ochsenstecken zerschmirete er ihm Arm und Beine/ ja sein ganzes Gerippe dermassen/ daß er wie ein Wurm sich kruͤm- mete; endlich fassete er ihn bey der Kehle und sagte: Du Gottloser Schelm/ jezt wil ich dich erwuͤrgen/ nachdem du mich heut in meiner Ruhe gestoͤret/ und so unbarmherzig umb- her Vierdes Buch. her getrieben hast. Der arme Mensch gedachte/ er muͤste nun gewiß sterben/ baht demnach sein Gemahl durch alle Goͤtter/ sie moͤchte ihr seine Rettung lassen angelegen seyn; welche endlich zu Kleons Fuͤssen niderfiel/ und den verstelleten Geist mit grossem Geheule baht/ ihres Mannes zu schonen/ sie wolte ihm zu ehren das Gemach weihen/ und als lange sie lebete/ seine Gedaͤchtnis darauff begehen. Nun wolan/ geliebte Frau/ antwortete Kleon/ bloß umb euret willen schone ich seyn/ sonst muͤste er ohn alle Gnade und Barmherzigkeit sterben; gab ihm noch etliche starke streiche uͤber die Lenden/ und machte sich zur Tuͤhr hin- aus an seinen Ort/ da die Frau rieff; hilff lieber Gott/ da fleuget die klare Seele als ein blitzender Strahl zum Fenster hinaus; stund hernach/ uñ stellete sich/ ob koͤnte sie die Tuͤhr nicht oͤffnen/ biß ihr endlich geriet/ und sie die zu naͤhst schlaffende Maͤgde ermunterte/ die ein Licht herzu bringen musten/ da sie Nabarzanes in tieffer Ohmacht fand/ den sie wieder erquickete/ uñ sich gar leidig stellete/ dauchte ihr auch/ es waͤhre schier zugrob gemacht/ weil er fast keinẽ weissen Flecken an seinen Gliedmassen hatte. Nachdem er wieder zu ihm sel- ber kam/ fragete er/ ob der Geist noch verhanden waͤhre/ uñ sagte nachgehends: Nun leug- ne wer da wil/ daß keine Geister seyn/ ich armer Mann habe es leider gar zu schmerzlich empfunden. Ach Gott/ antwortete sie/ wie seid ihr doch auff den Unraht kommen/ daß ihr der frommen Seele gestriges Tages so grosse Beschimpfung angelegt habet? Lasset euch dieses/ bitte ich/ eine Warnung seyn/ und verhuͤtet hinfuͤro dergleichen Unfall/ dann mit Geistern laͤsset sichs trauen nicht schertzen; bedenket auch/ daß euch bloß durch meine vor- bitte das Leben erhalten sey/ welches ihr sonst ohn zweiffel haͤttet einbuͤssen muͤssen. Des Morgens richtete sie eine trefliche Salbe zu/ und schmierete ihn damit zum oftern/ daß er des vierten Tages keine sonderliche Schmerzen mehr empfand. Kleon lebete diese Zeit uͤ- ber sicher/ und fuͤrchtete sich doch/ es wuͤrde Gobares nicht auffhoͤren ihm nachzustellen/ deßwegẽ er abermahl umb kurze erlassung anhielt/ welches sie ihm rund abschlug/ es waͤh- re ihr unmoͤglich/ sein zu entrahten/ solte sich aber versichern/ daß sie ihn vor Gobares wol schuͤtzen koͤnte. Nun stellete er sich zwar/ als waͤhre er zu frieden/ und nam ihm doch vor/ erster Gelegenheit bey Nachtzeit heimlich davon zu lauffen. Des sechsten Morgens nach der Pruͤgelung/ da Nabarzanes zum erstenmahle wieder auffgestanden wahr/ und Stati- ra sich bey Kleon in ihrem Kleider Gemache befand/ sahe sie ohngefehr eine Schaar von 200 Reutern auff ihr Schloß zueilen/ und erkennete aus ihrer Kleider Farbe/ daß sie Go- bares zustunden/ daher sie nicht ohn bestuͤrzung zu Kleon sagete: Gobares hat wieder euch ein Schelmstuͤk im Siñe/ dort kommen seine Reuter her; so haltet euch nun im Kleider La- den verborgen/ und lasset vor daß uͤbrige mich sorgen; ging darauff nach Nabarzanes Ge- mache/ und stellete sich/ als haͤtte sie deꝛ Reuter keine acht gehabt/ welche schon anklopfeten/ und in des Fuͤrsten Nahmen begehreten eingelassen zu werden. So bald sie auff dem in- nersten Platze erschienen/ und Nabarzanes neben ihr zu ihnen ging/ meldete ihr Fuͤhrer des Fuͤrsten Gruß an/ und daß derselbe außgekundschaffet haͤtte/ daß Kleon von etwa et- ner Magd im Schlosse heimlich auffgehalten wuͤrde; nun waͤhre derselbe bey dem Fuͤrsten angeklaget/ daß er eines aͤdlen Ritters Weib genohtzuͤchtiget/ und sie nachgehends samt den Ritter entleibet haͤtte/ welche Bosheit billich muͤste abgestraffet werden. Nabarzanes sahe sein Gemahl an/ und sagte: Er wolte ja nicht hoffen/ daß der Bube neulich in Geistes K k k k k Gestalt Vierdes Buch. Gestalt selbst erschienen waͤhre/ wolte ihn sonst also zu richten lassen/ daß ihn forhin deß- gleichen nicht mehr geluͤsten wuͤrde. Diese stellete sich sehr fremde/ und antwortete den Ab- gesanten: Mich wundert nit/ daß man meinem Gn. Fuͤrsten Kleons Anwesenheit hieselbst hat antragen duͤrffen/ nachdem etliche sich unterstanden/ uns selbsten dieses einzubilden; es ist aber ein Zeichen grosses mistrauens/ daß ihre Fuͤrstl. Gn. eine solche Menge Reuter hersendet/ und stehet fast schimpflich/ umb eines Todten Menschen Willen so viel Pferde zu satteln; jedoch moͤget ihr euch wol versichern/ daß ihr Kleon so wenig hier als zu Susa antreffen werdet; und wer solches nicht glaͤuben wil/ der schaue hinaus vor das Schloß/ woselbst ich vor dreien Tagen seine Gebeine einscharren lassen/ wie sein schwebender Geist es selbst begehret/ und den Ort angezeiget hat/ da sein von den wilden Tihren uͤbergelasse- nes anzutreffen waͤhre; moͤget demnach wol wieder hin zu eurem Fuͤrsten reiten/ und ihm andeuten/ daß er auffhoͤre die Todten alhier in dieser Welt zusuchen/ es duͤrffte ihm sonst nicht viel anders/ als meinem Nabarzanes ergehen; wil er aber sein uͤbriges ja haben/ so grabet es aus/ und fuͤhret es mit euch hin; ob er sonst des beschuldigten Mordes und an- derer aufflage schuldig sey oder nicht/ habe ich nicht zubeantworten/ wiewol ich ihn viel ei- nes redlichern Gemuͤhtes erkennet habe. Der Abgesandte wolte sich mit diesen Worten nicht abspeisen lassen/ sondern gab vor/ er haͤtte von seinem Gn. Fuͤrsten außdruͤklichẽ Be- sehl/ das gantze Schloß durch und durch zusuchen/ umb zuvernehmen/ an was Ende die Magd den boßhafften Menschen verborgen hielte/ und wuͤrde man ihm verzeihen/ wann er hierin untertaͤhnig gehorsamete; stieg damit vom Pferde/ und foderte die Schluͤssel von Nabarzanes zu allen Gemaͤchern/ vorwendend/ es solte ihm nicht daß allergeringste entfremdet werden. Diese Anmuhtung wahr der Frauen sehr zuwieder/ und gab zur Ant- wort: Du nicht werder Tropff bist noch lange der Mann nicht/ den ich meine Gemaͤcher werde durchschnauben lassen; und was zeihet sich dein Fuͤrst? meinet er/ daß ich meinen Maͤgden meine verschlossene Gemaͤcher eingebe/ ihre unzüchtige Buhlen darauff zu ver- sperren? Da gehe hin/ und suche ihn in der Maͤgde Kammer/ als lange dichs gelüstet/ dann auff meine Zimmer soltu ohn meine Verguͤnstigung keinen Fuß setzen/ als lange ich den Odem zihen kan. Nabarzanes hielt bey seinem Gemahl fleissig an/ sie moͤchte/ Verdacht zu meiden/ sich des Fürsten begehren gefallen lassen. Wie/ sagte sie/ haltet dañ ihr und der Fuͤrst mich umb eines schlimmen Knechtes willen in Verdacht? Trotz sey einem oder andern ge- bohten/ der mir solches wahr machet. So muß es nicht verstanden werden/ antwoꝛtete Na- barzanes/ nur/ es moͤchte der Fuͤrst waͤhnen/ ihr naͤhmet euch seiner aus Barmhertzigkeit an. Er gedenke endlich/ was er wil/ sagete sie/ so lasse ich doch nicht einen jeden schlimmen Troß Buben besehen/ wie viel oder wenig ich auff meinen Gemaͤchern verschliesse. Hier- auff gab der Abgesandte zur Antwort: Wann ja Eure Gn. dieses erste nicht eingehen wil/ so muß ihr/ krafft Fürstlichẽ Befehls nicht zuwider seyn/ dz ich alle ihre Gemaͤcheꝛ/ Bodem/ und Keller vier Tage lang mit Schildwachen auswendig besetze/ und nur die wenigen/ de- ren Ihre Gn. selbst taͤglich gebrauchet/ durchschaue; befahl also seinen Reutern abzusteigẽ/ und je zween und zween vor jeder Tühr mit entbloͤssetem Gewehr sich zustellen; welches sie dann endlich zugeben muste/ da unterdessen ihre Esse Stube/ Schlaff Kammer und Klei- der Gemach wol durchsuchet wurden/ und nachgehends unbesezt blieben. Kleon stund abeꝛ- mahl Vierdes Buch. mahl hinter dem Mantel verborgen/ uñ betrachtete seine Gefahr nicht ohn schrecken/ gleich da Statira mit ertichteten Thraͤhnen sagete: So erbarme es die Goͤtter/ daß ich meine Kleider und Schmuk von andern besehen lassen/ und dieses Gemach in Verdacht gezogen werden muß. Der abgesanter antwortete: Eure Gn. beschliessen den Kleider Kasten nach belieben/ ich begehre kein Laͤplein darin anzurühren. Warumb solte ich meine Kleider ver- schliessen? antwortete sie/ die sind bißher offenbahr geblieben/ und bin noch nicht willens/ sie umb deinet willen den Maͤusen und Motten zur Speise einzuschliessen; Jedoch/ weil ich dieses Gemach habe muͤssen durchsuchen lassen/ magst du die übrigen alle mit einander be- sichtigen/ und wol gar das oberste zu unterst kehren/ damit dein Fuͤrst/ wann du nicht finden wirst/ was du suchest/ sich ins Herz schaͤme/ daß er ein unschuldiges Weib der gestalt beleidi- get hat/ welches der ganzen erbaren Welt zuklagen/ ich unvergessen seyn/ und ihm selbst diese Schmach nimmermehr verzeihen wil. Also gingen sie auff diese Vergũnstigung weiter/ und halff Nabarzanes fleissig mit umsuchen/ da Statira sie endlich auffzohe/ und wo etwa ein fauler Winkel wahr/ sie dahin bringen ließ/ daß sie endlich bey nahe in ein Scheißhaus gefallen waͤhren. Als man nun den vermeynten Moͤrder nirgends fand/ wurden dannoch alle Zimmer/ (die Esse Stube/ Schlaffkammer und Kleider Gemach ausgenommen) mit Wachten auswendig besetzet/ da Statira als aus Ungeduld sich in ihrem Kleider Gema- che beschloß/ und mit ihrem Kleon uͤberlegete/ wie mans forthin am sichersten anschluͤge/ er aber ganz instaͤndig und mit Traͤhnen baht/ ihn auff kurze Zeit zubeurlauben/ damit er sein Leben retten moͤchte. Sie sahe/ daß sie aus der Noht eine Tugend machen muͤste/ und versprach ihm dieses einzuwilligen/ dafern er seine Zusage zuhalten eingedenk seyn/ und sich wieder einstellen wolte/ welches er gar freygebig verhieß. Bey wehrendem Abendessen sag- te sie in des Abgesanten Gegenwart zu ihrem Gemahl: Wann wir unsers Fuͤrsten Erzfein- de waͤhren/ koͤnte er uns schimpflicher nicht halten/ noch hoͤher beleidigen/ und dafern diese Hüter nicht abgeschaffet werden/ wil ichs zu seiner Zeit zu gedenken wissen; so habe ich nun bey mir beschlossen/ ein Schreiben an den Fürsten zuverfertigen/ und mich dieser schaͤndli- chen Schmach zubeklagen/ zweifele nicht/ er werde in sich gehen/ und das Unwesen auffhe- ben/ und sol der Bohte noch diese Nacht fortgehen; Ging auch alsbald nach ihrem Klei- der Gemach/ woselbst sie einen Brief/ nicht an den Fuͤrsten/ wie sie vorgab/ sondern an ihre Wase verfertigte/ welche Ostwerz nach Persen hin ihre Herligkeit hatte/ und begehrete von ihr/ Zeigern dieses/ einen Griechischen aͤdlen Ritter ihr befohlen seyn zulassen/ welcher wi- der des Fürstẽ unbilliche Verfolgung sich in ihren Schutz begeben haͤtte. Nachgehends klaͤ- bete sie Kleon einen grossen grausprenglichten Bart an/ und nach guter Unterrichtung/ wessen er sich verhalten solte/ ließ sie ihm ein trefliches Pferd satteln/ schenkete ihm 600 Kꝛo- nen Zehrgeld/ und stellete ihn wieder hinter den Mantel. Bald ließ sie acht Knechte auff das Gemach fodern/ unter dem Schein/ einen zu dieser Botschafft daraus zuwaͤhlen/ schik- te sie doch alle nacheinander wieder hinunter/ welches die hin und wieder stehende Schild- wachten wegen der Finsterniß nicht eigentlich wahrnehmen kunten; nach deren Abtrit Kleon Stiefel und Sporn und ein festes Panzer anlegte/ ward auch von Statiren selbst hinaus geleitet zu zween Fuͤrstlichen Reutern/ welche mit ihm fortgehen/ und sich stuͤndlich bey Mondenschein auffmachen solten/ so daß sie gegen den Mittag die neun Meilen endi- K k k k k ij gen Vierdes Buch. gen koͤnten. Kleon ging zuvor nach dem Stalle/ nam seine daselbst vergrabene Kleinot ne- ben einer Sturmhaube/ Schwert und Schild zu sich/ und machte sich mit seiner Gesell- schafft froͤlich davon/ dem Himmel hoͤchlich dankend/ daß er dieser beschwerlichen und ge- zwungenen Unkeuscheit entrunnen wahr/ und nunmehr die ganze Welt wiederumb offen hatte. Er ritte schnelle foꝛt/ und fragete nach den Landstrassen gar fleissig/ weil er seinem vor- geben nach/ erstes Tages an die Persischen Grenzen solte verschicket werden. Als sie nun an einen Scheideweg kahmen/ von welchem ihm seine Gefaͤrten sageten/ daß er nach Per- sen ginge/ zeigete er ihnen an/ dieser waͤhre ihm zureiten von seiner Gn. Frauen befohlen/ uñ koͤnten sie nach belieben entweder nach Nabarzanes Schlosse umkehren/ oder gen Susa sich verfuͤgen/ ihrem Fuͤrsten anzuzeigen/ der Vogel waͤhre nicht mehr im Bauer/ sondern durch ein enges Ritzchen davon geflogen. Diese hingegen lacheten seines vorgebens/ es haͤt- te die Meynung nicht/ sie haͤtten der Frauen befehl selbst angehoͤret/ daß er nach Susa mit ihnen solte/ deßwegen muͤste er sich nicht von ihnen trennen. Er aber reiß den angeklebeten Bart hinweg/ daß der eine/ der ihn vor mehr gesehen hatte/ ihn alsbald kennete/ welcher zu seinem Gesellen sagete: Hui Bruder/ eben dieser ist der Verraͤhter Kleon/ welchen zufahen wir ausgeschicket sind/ deswegen muͤssen wir ihn greiffen oder sterben. Was/ bin ich ein Verraͤhter? sagte er; setzete damit ernstlich unter sie/ und erlegete den einen alsbald; der ander/ ob er gleich gute Gegenwehre taht/ muste endlich auch mit dem Leben bezahlen. Sta- tira erfuhr gleich diese Nacht/ es haͤtte Orsillos den verstelleten Kleon an der Rede erkeñet/ uñ solches einem andern Knechte vertrauet/ daher sie einem ihrer getraͤuesten Dienern be- fahl/ ihn unter dem Schein/ daß er Holtz tragen solte/ alsbald in den Wald mit zunehmen/ zuerschlagen/ das Haͤupt ihm abzuschneiden/ und das uͤbrige den wilden Tihren zulassen. Dieser wolte solchem Befehl nachkommen/ ging mit ihm fort/ und trug eine schwere Holz- Axt auff der Schulter. Orsillos empfand ein starkes grausen in seinem Herzen/ nam eine kurze Erklaͤrung/ vorige Freyheit wieder zusuchen/ stuͤrtzete seinen Gefaͤrten unversehens zu bodem/ erschlug ihn hernach mit der Axt/ machte sich auch mit derselben von der groͤssesten Last seiner Bein Ketten loß/ schleppete den Ermordeten ins Gestraͤuch/ und lieff gegen Mit- tag des naͤhesten Weges nach dem Persischen Meer zu/ da er in einem Flecken sich bey ei- nem Schmide/ den er in der Jugend gekennet hatte/ angab/ und das uͤbrige von der Ketten abfeilen ließ/ und weil er keine Lebensmittel hatte/ nehrete er sich des raubens und stehlens eine zeitlang. Kleon/ so bald er seine Geleitsleute vom Brod getahn hatte/ jagete drey Mei- len in den Fruͤhstunden fort/ biß er in einem Dorffe anlangete/ woselbst er nach allem Wun- sche einen Kauffmann antraff/ der viel Reit Harnische auff unterschiedlichen Wagen nach Susa zuverhandeln fuͤhrete/ kauffte ihm der festesten einen ab/ und nach vierstuͤndiger Ru- he nam er einen Bauren zu sich/ welcher ihn den sichersten Weg nach Fr. Statiren Wase fuͤhren muste/ kehrete bey ihr ein/ und nach angemeldetem Grusse von ihrer Wasen/ uͤber- reichete er das Schreiben mit guter Hoͤfligkeit. Diese wahr eine gar alte ansehnliche Frau/ Nahmens Artystona/ von grossen Baarschafften/ hatte Statiren in kindlichen Jahrẽ auf- erzogen/ und in der Jugend gleiches Handwerk der Unkeuscheit mit Fuͤrst Gobares Vater getrieben. Sie hatte aber in Jahresfrist keine Zeitung von ihrer Wasen gehabt/ daher ihr das Schreiben sehr angenehm wahr/ und sie aus demselben ihre Liebe zu Kleon leicht spuͤ- rete/ Vierdes Buch. rete/ auch die ursach seiner Verfolguung abnam; Und weil Kleon bewust wahr/ daß in dem Briefe an Fr. Artystonen begehret ward/ ihm nach seiner Anfoderung Gelder vorzustret- ken/ welche zu allem Danke solten erlegt werden/ wolte er sich der gelegenheit gebrauchen/ und foderte 30000 Kronen. Der Frauen gedauchte es zwar viel seyn/ doch wegerte sie sich dessen nicht/ sondern auff einen kleinen zuruͤk gegebenen Schein zaͤhlete sie ihm solche aus/ welche er nachgehends von Persepolis nebest einem koͤstlichen Kleinot wieder uͤbermache- te; Sie gab ihm auch auff begehren drey reitende Knechte auff vier Wochen zu/ und ließ ihn des dritten Tages fortzihen. Als er in der ersten Persischen Stad anlangete/ erfuhr er die Kriegs Unruhe/ und daß er ohn starke Geselschafft nicht durchkommen/ noch Parthen erreichen koͤnte; blieb deswegen wenig Tage stille liegen/ umb zuvernehmen/ was sein be- stes seyn wuͤrde/ nachdem sein unbewaͤglicher Vorsatz wahr/ Herkules oder Ladisla zusuchẽ/ ob er gleich druͤber sterben solte. Als die nach Susa abgefertigte uͤber bestimmete Zeit ausse blieben/ machte Statira ihr leicht die Rechnung/ daß an Kleons Seiten es wol abgelauf- fen waͤhre/ taht aber nicht desgleichen/ sondern wahr auff Fuͤrst Gobares sehr ungehalten/ daß er ihr die Voͤlker so lange auff dem Halse liesse/ begehrete endlich/ daß noch etliche hin- ritten/ und sich bescheids erhohlen solten. Diese wurden auff dem Wege berichtet/ man haͤt- te zween erschlagene auff freyem Felde gefunden/ und in das naͤheste Dorff getragen; wuꝛ- den von diesen besehen/ und alsbald erkennet/ daher ihrer drey den Weg nach Susa verfol- geten/ der vierde ging wieder zuruͤk/ und brachte die Zeitung Nabarzanes uͤber/ da Stati- ra fragte/ ob sich dann ihr mitgeschikter Knecht nicht lebendig oder tod fuͤnde; wovon er nicht zusagen wuste. Gobares aber/ als ihm diese Zeitung zukam/ erriet den ganzen Han- del/ und wahr froh/ daß er dieses Mitbuhlers auff solche weise loß worden wahr/ der sich a- ber nachgehends an ihm haͤrtiglich raͤchete. Herkules und Ladisla brachen des naͤhesten Tages nach Tyriotes hinreise gen Cha- ras/ von Persepolis auff/ und fuͤhreten 16000 tapffere Reuter mit sich/ wovon Pharna- bazus 5000 Ladisla gleich so viel/ und Herkules 6000 nahmen/ da dann dieser allen seinen sechstausenden auff ihre Pferde hatte Hals- und Hinterdecken von leichtgestopffeter und fest durchnaͤheter Linnewand an stat der Pferde-Harnische machen lassen/ durch welche kein Pfeil schiessen noch fallen kunte. So bald sie die Persische Grenze Stad gegen Par- then zu erreicheten/ hielten sie sich daselbst in den dritten Tag gar stille/ und erwarteten ih- res Gallus mit seiner Geselschafft/ welche auff jeztgemeldete zeit bey ihnen nebest Tyrio- tes anlangeten/ und nicht zu geringer Rachgier bewaͤget wurden/ als ihnen des Koͤniges schimpfliche Antwort mündlich vorgetragen ward/ wiewol Herkules aus der Fraͤulein Schreibengrossen Trost empfing/ weil er sahe/ das sie bißdahin vor aller Ansprache sicher seyn wuͤrde/ da sonst eine redliche Ader an Artabanus uͤbrig waͤhre. Tyriotes hatte sich fleissig erkundiget/ an was Ort des Feindes Grenz Heer sich niedergelassen hatte/ uñ brach- te den unsern die Zeitung daß sie 24000 stark eine ganze Tagereise ins Land enge bey ein- ander laͤgen/ in willens einen hefftigen Einfall in Persen zu wagen/ weil man ihnen alle Sicherheit gebracht/ daß keine seindliche Voͤlker sich in der naͤhe spüren liessen. Worauff Herkules zu seinen beyden Gesellen sagete: Wolan/ weil Artabanus so gerne wissen wil/ was hinter unserm Absags Brieffe stecke/ und er uͤberdaß uns vor Knaben uñ seine Knech- K k k k k iij te schilt/ Vierdes Buch. te schilt/ muͤssen wir ihm ein Knaben- oder Kinderspiel auffmachen und eine Knechtische Auffwartung sehen lassen/ worüber er sich ein wenig kitzeln moͤge; weil er dann der Fraͤu- lein an den Koͤnig gegebene Versicherung noch nicht gelesen hatte/ zohe er dieselbe wieder hervor/ und fand diesen spitzigen Inhalt: Herkuliska/ gebohrnes Koͤnigliches Fraͤulein aus Boͤhmen/ gelobet hiemit und Krafft dieses/ dem Allergroßmaͤchtigsten Beherscher der Morgenlaͤnder/ Koͤnige Artabanus/ nach verlauff der annoch bevorstehenden fest versprochenen Wochen/ ohn einige Einrede und Wiederspenstigkeit/ in die Koͤnigliche gluͤkselige Heyraht einzuwilligen/ dafern inwen- dig solcher Zeit ihre Groß Koͤnigl. Hocheit weder durch sich selbst/ noch durch andere sie keinerley Weise zum Beylager oder anderen liebes Sachen anfodern wird/ auff was masse und Weise solches immermehr geschehen koͤnte; im wiedrigen wird und muß sie in Mangel anderer Mittel/ sich zum wenigsten durch den Tod von aller Gewaltsamkeit zu befreien/ einen sicheren Weg finden. Herku- lisken eigene Hand. Nach verlesung ließ er geschwinde zu Pferde blasen/ und nahmen den geradesten Weg nach Parthen/ blieben die Nacht eine halbe Meile von den Grenzen im Felde liegen/ fut- terten ihre Pferde wol/ und eine Stunde vor der Sonnen Auffgang gingen sie in drey Hauffen als eine straͤnge Fluht in Parthen hinein/ da alles abgebrennet/ erschlagen und gefangen/ auch trefliche Beute gemacht ward; die schoͤnesten Doͤrffer und Flecken wur- den in die Asche gelegt/ und weil sie vor Uberfall sicher wahren/ streiffeten sie hin und wie- der auff vier Meileweges in die Breite und Laͤnge/ nur einen wolgelegenen Flecken erhiel- ten sie/ legeten sich dahinein/ und sendeten Kundschafft aus/ des Feindes Ankunfft uñ Voꝛ- haben zuerforschen. Der Parthische Feld Herr Spitamenes hatte auff Vologeses getrieb den Koͤniglichen Befehl erhalten/ daß er vorsichtig spielen/ und gleichwol/ wo moͤglich/ durch Feur und Schwert dem Persen schaden zu fuͤgen solte/ gleich als das fliegende Ge- ruͤcht ihm die Zeitung brachte/ die Persen waͤhren eingefallen/ und haͤtten schlimmer ge- hauset/ als nie kein außlaͤndischer Feind; worüber der freimuhtige Spitamenes auff sich selbst unwillig ward/ daß er den andern nicht vorkommen wahr/ samlete sein Heer in aller Eile/ uñ ging in guter Vorsichtigkeit fort/ nach dem Flecken welchen die unsern ihnen zum Rükhalt genommen hatten/ und ihm solches schon verkundschaffet wahr/ und ob gleich alle fluͤchtige ihm anbrachten/ daß die Persen uͤber 30000 stark waͤhren/ scheuhete er sich doch nicht/ dieselben mit einer gesezten Schlachtordnung im freien Felde anzugreiffen/ dann er verließ sich auff seine wolgeuͤbete Mannschaft. Herkules bekam die Zeitung we- gen seines anzuges fruͤh genug/ machte alles zur Schlacht fertig/ und redete Pharnaba- zus ein tapferes Herz ein/ welcher nichts als die Wenigkeit ihrer Voͤlker beklagete. Sie setzeten sich in drey Hauffen/ Ladisla hatte den Rechtẽ/ Pharnabazus nebest Tyriotes den linken Flügel/ jeder 5000 stark/ und hielt er mit seinen 6000 in der Mitte/ welche sich auff ihre durchnaͤhete Leinen-Panzer-Decken nicht wenig verliessen. So bald beyde feindliche Heer einander ins Gesicht bekahmen/ wunderte sich Spitamenes über der unsern gerin- gen Anzahl/ und fuͤrchtete sich vor einen Auffsaz oder hinterhalt/ bekam aber aus dem Flec- ken die Nachricht/ daß keine feindliche Voͤlker mehr verhanden waͤhren/ auch daß dieser Einfall nicht im Nahmen des Persen/ sondern zweer fremder Fuͤrsten geschehen/ welche ja der Koͤniglichen Braut zu Charas Bruder und Oheim seyn solten. Dieser verwundeꝛ- te sich dessen uͤberaus hoch/ und fragete/ ob dann ihre Voͤlker nicht Persen waͤhren; wor- auff Vierdes Buch. auff er zur Antwort bekam/ sie redeten zwar alle Persisch/ und gaͤben sich doch vor Syrer aus/ von jenseit Damaskus/ woselbst sie von ihren beyden Feld Herrn umb baar Geld ge- worben waͤhren. Daß muß ich billich glaͤuben/ sagte er/ demnach ich wol versichert bin/ dz die Persen in so geringer Anzahl mir nicht stehen wuͤrden. Ehe er nun die Schlacht an- trat/ erinnerte er mit wenigen seine Parther ihrer unüberwindlichen Kraft/ und daß sie das leichte Gesindle welches gegen sie hielte nicht fuͤrchten soltẽ/ als welche weder zu Feld- Schlachten angewiesen/ noch sich selbst zuschützen geherzt waͤhren/ sondern sich auff die Roͤmer verliessen/ denen sie sich daher knechtischer Weise unterworffen haͤtten. Herkules wahr auch nicht faul die seinen zu muhtigen/ sie solten sich nicht daran kehren/ dz der Feind irgendwa 4/ oder 5000 Koͤpffe mehr als sie ins Feld stellete/ sondern ihr Gewehr redlich gebrauchen/ alsdañ solte sichs bald außfuͤndig machen/ was wahre Tugend/ uñ was leich- ter Frevel waͤhre. Pharnabazus taht mit den Pfeilen den ersten Angriff/ ward aber bald zuruͤk getrieben/ weil der Feind eins so stark gegen ihn anging. Herkules sahe ihn weichen/ und staͤrkete ihn unter Tyriotes Anfuͤhrung mit 1500 frischen Reutern/ welche den Anfall gar gluͤklich verrichteten uñ in die 3000 von den Feinden teils toͤdteten/ teils hart verwun- deten; wodurch Pharnabazus erfrischet/ tapffer wieder ansetzete/ und den Feind derge- stalt auff die Weichseite trieb/ daß sie ihre Pfeile ruͤklings zuschissen (wie sonst ihre Art uñ Gebrauch wahr) vergassen; doch weil ihnen 2000 geruhete zum entsaz kahmen/ welche ihnen ihre Kleinmuͤhtigkeit heftig verwiesen/ sasseten sie abermahl stand/ daß die unsern ihnen raum geben musten/ da Tyriotes mit seinem Entsaz/ welche alle gepanzerte Pferde hatten/ sich voran setzete/ und eine grosse Niederlage von Pharnabazus Leuten abwendete. Ladisla hatte besser Gluͤk und unvorsichtigere Feinde/ dann als er von 8000 angegriffen ward/ setzete er dermassen unter sie/ daß in kurzer Zeit die helffte gefellet ward/ und kam ihm sonderlich zu statten/ daß er ihnen so fruͤhzeitig mit dem Schwert auff der Hauben wahr/ und sie die Pfeile nicht recht gebrauchen kunten/ so hatte sich auch sein Feind zu kuͤhn ge- waget/ und von den andern sich zu weit abgezogen/ daher sie endlich umbgeben und meh- renteils erschlagen wurden. Herkules sahe dz Pharnabazus sich vor seinem Feinde kaum mehr schuͤtzen kunte/ deßwegen er ihm noch 500 frische Voͤlker zuschickete/ die mit Tyriotes sich zusammen setzeten/ und auff ihre Pferde-Panzer sich verlassend dem Feind unter die Pfeile ritten/ damit sie mit dem Schwert handeln koͤnten/ welches dann gluͤklich anging/ und setzete ihnen Pharnabazus dergestalt nach/ daß er gnug zuverstehen gab/ er wolte Blut nehmen oder geben/ daher an diesem Ort es hart zuging/ und Tyriotes sich so tapffer be- zeigete/ daß ihm Pharnabazus nachgehends/ das Zeugnis gab/ er waͤhre ein Schuz seines ganzen Fluͤgels gewesen. Spitamenes/ der noch 6000 außerlesene Reuter umb sich hatte/ entsetzete sich sehr/ daß seine Leute dergestalt ins Graß bissen/ haͤtte die gegen Ladisla strit- ten/ gerne entsetzet/ sahe aber Herkules mit seinen 4000 uͤbrigen sich auch zum Angriff be- reiten/ dessen Pferd (dann er ritte seinen aͤdlen Blaͤnken) fast mit gewalt unter die Feinde wolte/ weil er dann sahe daß an allen Seiten es zimlich wol stund/ brach er gegen Spita- menes loß der ihm eine grosse Menge Pfeile von ferne entgegen schickete/ welche ihm aber sehr geringen schaden zufuͤgeten/ da hingegen Herkules Hauffe ihm im ersten Angriff an die 2000 erschoß und sonst zum fechten unduͤchtig machete; nach schiessens endigung mu- ste Vierdes Buch. ste Gallus mit den 1000 Speer Reutern/ die zuhinterst hielten/ sich hervormachen/ welche gerade auff ihre Feinde angingen/ und deren in die 800 felleten/ hernach griffen sie zu den Schwertern/ und liessen die Parther empfinden/ daß ihre Arme nicht wichtloß wahren. Herkules trieb wunder mit seinem Schwert/ daß jeder der ihn sahe/ vor ihm außwich/ weil seyn Pferd sich bald bekant machete; es begehrete sein ein grosser starcker Ritter abson- derlich/ dem er solches nicht versagete/ und ihn nach wenig gefuͤhreten Streichen zur Er- den legete/ auch bald darauff den andern/ welcher diesen zu raͤchen ihm vornam. Ladisla hatte an seinem Orte das Feld schier erstritten/ und hielt die uͤbrigen von dem Feinde/ an der Zahl 1900 garenge ein/ aber an einer Seite brachen sie durch und vereinigten sich mit Spitamenes/ welcher ihre geringe Anzahl sehend/ an dem Siege schon begunte zu zwei- feln/ auch deßwegen seine beruͤmte Vorsichtigkeit in eine Wuht verwandelte/ da er auff Herkules Voͤlker dergestalt ansetzete/ daß sie hinter sich zu weichen gezwungen wurden. Ladisla sahe dieses/ hatte zwar in willen/ Pharnabazus zu entsetzen/ aber Herkules Gefahꝛ lag ihm naͤher an/ so daß durch seine Zukunft die Parther dieses Orts naͤhern kauff gaben/ aber an Pharnabazus Seiten fingen sie an Meisterzuspielen/ musten aber umb ihres Feld- Herrn Gefahr willen/ sich auff denselben hinzihen/ dessen die unsern wolzufrieden wahren/ und gleichergestalt sich in ein Heer zusammen setzeten/ auch mit verwunderung sahen/ daß sie nunmehr den Feind an der Menge umb ein grosses uͤbertraffen. Spitamenes taht eine kurze Vermahnung an seine kleinmuͤhtige Leute/ sie moͤchten ihrer Ehr und Nahmens eingedenke seyn/ und den unabloͤschlichen Schimpf solcher unruͤhmlichen Niederlage nit auff sich laden; er wuͤste daß er Parther bey sich haͤtte/ nehmlich solche Kriegsleute/ die vor ihres Koͤniges Ehre biß zu dem lezten Athem zu fechten bereit und willig waͤhren. Wo- durch er sie auch ermunterte/ daß sie sich erklaͤreten/ noch einen solchen Fall zu wagen/ der ihnen ruͤhmlich seyn wuͤrde. Ihr Einbruch mit geschlossener Ordnung wahr sehr heftig/ welchen Ladisla und Tyriotes auffhielten/ Pharnabazus aber mit 3000 Mann von der Rechten her/ und Herkules mit 2000 von der Linken in sie setzeten/ daß ihre Ordnung ge- trennet ward/ so daß ihrer viel sich nach der Flucht umbsahen/ denen ihr Feld Herr zurief/ wohin sie gedaͤchten; ob sie vermeineten ihrem Koͤnige wilkommen zu seyn/ wann sie als verzagete Memmen ohn Wunden davon renneten. Wodurch er sie in etwas zum stande brachte/ sich enge zusammen zogen/ und noch einen verzweifelten Saz wageten/ aber/ weil die unsern in gar zu fester Ordnung hielten/ nicht durchbrechen kunten/ wiewol es hieselbst abermahl sehr uͤber Pharnabazus Voͤlker ging. Ladisla sahe ihn Noht leiden/ ermunterte die seinen mit freudigen Worten/ und griff von neuen ernstlich an/ daß Pharnabazus Luft bekam/ und seinen Schaden gedoppelt ersetzete. So gluͤckete es Ladisla/ dz er den Feld Herꝛn Spitamenes selbst antraff/ und mit ihm einen absonderlichen Kampff hielt/ der sich eine gute Zeit redlich wehrete/ biß ihm Schild und Helm ganz zerschlagen wahr/ da Ladisla zu ihm sagete: Ritter stuͤrzet euch nicht muhtwillig in den Tod/ nachdem ihr euren Ehren ge- nug getahn/ ich wil euch Gnade erzeigen/ da ihrs begehret. Dieser sahe wol/ daß er auff andere Weise dem Tode nicht entgehen wuͤrde/ weil der groͤste Teil seiner Voͤlker umb ihn her erschlagen wahr/ nam deßwegen die angebohtene Gnade an/ uñ ward von 12 Reu- tern ins Lager gefuͤhret und fleissig verbunden. Herkules sahe daß die uͤbrigen der Feinde sich Vierdes Buch. sich nach der Flucht umbsahen/ nam 3000 Reuter zu sich/ und hieb nach der rechten Sei- ten umb sie hin/ da er ihnen den Abzug verlegte/ dz sie allenthalben umbgeben/ wie das Vieh nidergeschlagen wurden/ biß die uͤbrigen/ an der Zahl 3000/ das Gewehr von sich worf- fen und umb Gnade rieffen/ die ihnen nicht versaget ward. Nach erhaltenem Siege stie- gen Herkules uñ Ladisla von ihren Pferden/ danketen Gott herzlich vor die Uberwindung/ und bahten ihn umb ferner Gluͤk und Segen/ das ihr Vorhaben bald moͤchte ins Werk gerichtet werden. Hernach zaͤhleten sie ihre Voͤlker/ und funden/ daß Pharnabazus 2100 Ladisla 800 und Herkules 700 eingebuͤsset hatten/ ingesamt 3600 Mann/ da hingegen von den Feinden 21000 auff der Wahlstatlagen; doch funden sich unter den unsern 1900 haꝛt verwundet/ von denen 400 das Leben zusetzeten/ und die uͤbrigen wol geheilet wurden. Die Gefangenen wurden von 300 Mann im Lager verwahret/ die übrigen gingen 10000 stark desselben Tages noch drey Meile in Feindes Land/ sengeten/ wuͤrgeten und verderbeten al- les/ was ihnen vorkam/ und machten ein solches Schrecken in den umliegenden Orten/ daß die Inwohner mit Weib und Kind auffbrachen/ und eine Tager eise ins Land hinein fluͤch- teten. Die unsern aber nach erlangeter grosser Beute/ welche sie auf Wagen und Last Tih- ren fortschleppeten/ kehreten wieder umb/ kahmen des Morgens auff der Wahlstat an/ und hielten Pluͤnderung/ liessen ihre Todten ehrlich begraben/ und was in des Feindes Lager gefunden ward/ nam Herkules alles zu sich/ daß es Artaxerxes geliefert wuͤrde. 200 Reu- ter von den unsern musten nach gehaltener Schlacht umher reiten/ und die ledigen Pferde zusammen treiben/ deren sie 20000 einbrachten. Sie verguͤnstigten Spitamenes/ daß er mit ihnen die Wahlstat besahe/ wobey ihm die Augen uͤbergingen; insonderheit verwun- derte er sich der trefflichen Mann- und Erfahrenheit unserer Helden in solcher ihrer Ju- gend/ die mit Pharnabazus sich schon verglichen hatten/ alle Gefangene samt ihren Feld- Obristen ohn Entgelt loßzulassen/ und redete Herkules denselben also an: Mein Herr/ ich moͤchte wuͤnschen/ daß mir nicht ursach gegeben waͤhre zu dem ergangenen grossen Blut- vergiessen/ und was sonsten dabey vorgangen ist; weil aber dieser mein lieber Geselle und ich durch grosse angelegte Beschimpffung darzu sind gezwungen worden/ haben wir einen sol- chen fall wagen muͤssen; auff euer Haͤupt haben wir nichts zusprechen/ ihr habt vor euren Herrn redlich gestritten/ wie ein jeder Diener schuldig ist/ daher schenken wir euch Leben uñ Freyheit/ zuzihen/ wohin euchs geluͤstet/ mit allen euren annoch lebendigen Leuten/ doch/ da ihr uns bey ritterlichen Ehren angeloben werdet/ daß ihr ungeseumet nach Charas reiten/ und eurem Koͤnige den Verlauff der gestrigen Schlacht ohn Zusatz und Abzug/ als viel euch bewust ist/ anzeigen/ auch daneben vermelden wollet; Mein Bruder Koͤnig Ladisla uñ ich Groß Fuͤrst Herkules/ die er vor seine Knaben und Knechteschilt/ haben ihm zum ersten Anfange dieses Kinderspiel und Knechtische Auffwartung sehen lassen/ deren in kurzem mehr folgen moͤchten; hat er nun nach seinem auffgeblasenen Stolze/ Ruhten binden las- sen/ uns zu zuͤchtigen/ wollen wir ihm unverzagte Herzen und rege Faͤuste entgegen setzen/ da unser Feur sengen und brennen/ und unser Schwert schneiden sol/ als lange er uns den Nahmen seiner Knaben und Knechte geben wird. Spitamenes erfreuete sich der unverse- henen Gnade/ und versprach in aller Gegenwart/ das anbefohlene getraͤulich zuverrichten/ setzete sich neben andern wenigen zu Pferde/ und musten die uͤbrigen fast gar nacket und ohn L l l l l Gewehr/ Vierdes Buch. Gewehr/ blosses Haͤupts und Barfuß hinter ihm ohn alle Ordnung herlauffen. Die un- sern brachen auch auf nach Persepolis/ trieben 22000 Reuter Pferde mit Sattel uñ Zeug; 28000 Wagen Pferde; 18000 Ochsen und Kühe/ 600 Maul Esel/ 300 Kameel Tihre/ 15000 junge Manschafft von Parthischen Einwohnern/ 12000 junge Weiber und Jung- sern; auch 6000 Knaben und Maͤgdlein vor sich her/ und wahr alles Viehe mit dem er- beuteten Raube beleget. Gleich desselben Tages/ da diese Schlacht gehalten ward/ geriet Fraͤulein Herkuliska in die allergroͤsseste Gefahr ihrer Ehren/ da sie ihr dessen am wenigsten vermuhten wahr. Koͤnig Artabanus unehelicher Soͤhne einer/ nahmens Gotarzes/ ein frischer Juͤngling von 18 Jahren/ hatte bey Valikules Kampffe mit Mithrenes/ der Fraͤulein Schoͤnheit auf dem Obergange wahr genommen/ und in dieselbe sich so hefftig verliebet/ daß ihm unmoͤg- lich wahr/ die Flammen laͤnger zuerdulden/ gedachte deswegen auf alle Gelegenheit/ ihr sei- ne Liebe zuentdecken/ und derselben entweder zugeniessen/ oder froͤlich druͤber zusterben. Er stund mit der Fraͤulein Leib Jungfer/ Statipna in guter Kundschafft/ durch deren Vor- schub er ihren Willen hoffete zuerlangen/ dafern er nur derselben ein Schreiben beybringẽ koͤnte/ welches er durch einen Verschnittenen endlich erhielt/ als derselbe auff ihr Schloß verschicket ward/ die Hofmeisterin nach dem Koͤnige zuhohlen. Diese Leib Dienerin/ da sie das Schreiben empfing/ meynete nicht anders/ es wuͤrde der junge Herr umb etwas ansu- chen/ welches ihm vor dem schon nicht gewegert wahr/ ging an einen einsamen Ort/ und lase folgende Worte: Die hohe Zuversicht auff eure Traͤue/ vielgeliebte Statipna/ hat mich kuͤhn gemacht/ ihr ein solches zuoffenbahren/ wodurch ich ihr Macht uͤber mein Leben und Tod zustelle/ in- dem ich mit meiner Feder ausbeichte/ mit was unauffloͤßlichen Stricken der ausbuͤndigsten Schoͤn- heit (welche ihr taͤglich vor Augen zusehen gewirdiget seyd) ich gefesselt bin/ so daß ich entweder ster- ben/ oder deren Hulde geniessen muß. O getraͤuer Buhle/ nehmet euch meiner Wolfahrt an/ und goͤn- net nicht/ daß euer Freund Gotarzes ohn Huͤlffe vergehen muß/ helffet nur/ daß ich deren Herz erstrei- ten moͤge/ welche ihr das meine zu eigen gemacht hat/ damit ich neue ursach finde/ euch gluͤkselig zuma- chen/ und mehr als einige eures Standes in dieser Welt. Vor dißmahl ist mein gesinnen nur dieses/ daß ihr eingeschlossenen Brief der unvergleichlichen Boͤhmischen Fraͤulein einhaͤndiget/ und euch aller Sachen unwissend stellet/ mich derselben als ohngefehr ruͤhmet/ und auff ihre Reden und Geberden fleissige acht gebet/ welche ihr mir wieder hinterbringen werdet/ und ich daraus nach sinnen moͤge/ wes- sen ich bey dieser Weltschoͤnsten zuhoffen oder zufuͤrchten habe. Dieses suchet und bittet der hoͤchstveꝛ- liebete/ euer Freund Gotarzes. O weh mir elenden/ sagte sie nach Verlesung/ was vor eine unertraͤgliche Last wird mir auffgebürdet! O Fuͤrst Gotarzes/ welches Ungluͤk hat diese Gedanken in euch erwec- ket/ die euren/ und auch wol meinen gewissen Tod verursachen werden? zwar ich erkenne mich euch verbunden/ aber das begehrete ist zu schwer/ und mit meinem unvermeidlichen Verderben verknuͤpffet. Doch gedachte sie der Sache diesen ganzen Tag fleissig nach/ und wahr nicht willens/ der Fraͤulein den Brief einzureichen/ weil sie sich befuͤrchtete/ er moͤch- te dem Koͤnige Artabanus von ihr zugeschicket werdẽ. Frl. Herkuliska nam ihrer Schwer- muͤtigkeit bald wahr/ und sahe/ daß sie ihren Rok fleissig zusammen wickelte/ und unter die andern Kleider versteckete/ da sie sich schlaffen legte/ deswegen sie gleich argwohnete/ es muͤ- ste etwas heimliches darinnen verborgen seyn; stund derhalben/ da jene im tieffestẽ Schlaf- fe lag/ Vierdes Buch. se lag/ von ihrem Bette auff/ nam den Rok in aller stille mit sich in die Stube/ und weil sie ihr Liecht daselbst hatte brennen lassen/ fand sie beyde Schreiben/ da sie nach Verlesung des vor erwaͤhneten heftig erschrak/ und sich entschloß/ das andere auch zuerbrechen/ und dessen Inhalt zusehen/ welches also lautete: O Sonne dieser irdischen Welt! O du reinester Glanz aller Vollkommenheiten! Was vor Un- gluͤk verschleusset ein so unsaͤgliches Gut in dem Gefaͤngniß der neidischen Mißgunst? Welcher Fre- vel entzeuhet der ganzen Welt die so hoch begehreten Strahlen der Erquickung? Unvergleichliches Fraͤulein/ Schmuk dieses Erdbodems; Verzeihet/ bitte ich/ eurem demuͤhtigst-ergebenstem Knechte/ der Euer Durchl. sich mit Leib und Seel zueigen liefert/ nebest vollkommenster Gewalt uͤber sein Le- ben und Tod/ und seine alleruntertaͤhnigste Dienste darleget/ eure Vortrefligkeit aus den verschlossenẽ Mauren loßzumachen/ damit er nicht zugleich mit ihr sterben und untergehen moͤge. Verflucht sey das Alter/ welches der Jugend nachhaͤnget/ und darzu weder geschikt noch duͤchtig ist. Aber O du un- wirdiger Gotarzes/ laß ab solches zuhoffen/ was uͤber dein Vermoͤgen schwebet/ und erkenne deine Ge- ringfuͤgigkeit/ welche nicht zulaͤsset/ daß du deine aͤdle Gedanken derselben oͤffentlich darlegest/ welche den Himmel selbst und aller Sternen Klarheit trotzet. Doch du hast die Kuͤhnheit ergriffen/ deine Beichte zutuhn/ des wegen bekenne dieser allervollkommensten Schoͤnheit/ daß du ohn Bedingung ihr Ergebener seyst/ und dich selig schaͤtzen wirst/ wann deren allerhellesten Aeugelein dein Schreiben an- zusehen wirdigen/ und auch nur den aͤussersten Strahl ihrer Gunst und Gnade auff dich abschiessen wollen; Kanstu aber ein solches wegen deiner Unwirdigkeit nicht erlangen/ ey so stirb doch in diesen ho- hen Gedanken/ weil du lieber tod seyn/ als ohn dieser voll-schoͤnen Gunst leben wilt/ gegen welche/ alle uͤbrige/ auch deines leiblichen Herrn Vaters Gnade/ viel geringer/ als der Kieselstein gegen den Demant zuschaͤtzen ist. So erwarte nun der Antwort in bestaͤndiger Hoffnung/ versichere deine Be- herscherin/ daß du bereit seyst/ und Mittel habest/ den alten unbendigen Liebhaber zustuͤrzen/ und dich an seine Stelle zusetzen; Schließlich/ daß du im Tode und Leben verbleibest der Allervollkommensten Koͤniglichen Fraͤulein Herkulisken ganz ergebener Knecht und Leibeigener Gotarzes. Nach Verlesung dessen ward sie in ihrem Gemuͤht ganz verwirret/ machte den Brief fein wieder zu/ legte alles anseinen Ort/ und blieb voller Gedanken/ wie sie dieses Ungluͤk von sich ablehnen koͤnte. Des folgenden Morgens nam sie gelegenheit von ihrer Leibdiene- rin etwas heraus zulocken/ und fragete sie/ wie viel Soͤhne Koͤnig Artabanus noch am Le- ben haͤtte/ und warumb sie am Koͤniglichen Hofe sich nicht auffhielten. Worauff diese zur Antwort gab: Sie kennete seine Soͤhne nicht alle/ nur eines haͤtte sie zimliche Kundschaft/ welcher ohn Zweifel allen andern an Hoͤfligkeit und aͤdlem Gemüht weit vorginge/ daher ihn der Koͤnig sehr liebete/ und bey sich am Hofe gerne duldete/ wuͤrde/ wie man davor hiel- te/ das Reich nach des Vaters Tod erben/ und in der Herschafft nachfolgen. Es ist mir sehr lieb/ antwortete Herkuliska/ daß mein Koͤnig einen so wolgerahtenen Sohn hat/ dem ich auff Begebenheit billich alle zugelassene Freundschafft erzeige/ damit nach meines Koͤ- niges Ableben ich bey ihm in guten Gnaden seyn/ und nicht gar verstossen werden moͤge. Statipna wolte hierauff loßbrechen/ und ihr den Brief einhaͤndigen/ aber die Hofmeisterin verstoͤrete ihr diesen Handel/ in dem sie ins Gemach trat/ und ihr anzeigete/ daß sie zu dem Koͤnige gefodert wuͤrde. Meine Leibdienerin zu dem Koͤnige? fragete Herkuliska/ dessen bin ich ja ungewohnet/ und muß solches ohn zweifel etwas wichtiges auff sich haben; ließ sie doch willig hingehen/ ungeachtet sie den Anschlag richtig erriet/ daß Gotarzes solches un- ter des Koͤniges Nahmen spielen wuͤrde/ welcher dann ihrer in eines Buͤrgers Hause waꝛ- tete/ schenkete ihr ein gutes Kleinot/ und fragete sie/ ob sie sich seiner Wolfahrt nicht haͤtte L l l l l ij lassen Vierdes Buch. lassen angelegen seyn. Diese versuchete anfangs ihm die neue Liebe aus dem Sinne zu schwatzen/ hielt ihm vor/ was Gefahr darauff stuͤnde/ dafern der Koͤnig dessen nur einigen Argwohn fassen solte/ und erboht sich/ in allen andern faͤllen ihm auffzudienen; Er aber nam solches nicht zu herzen/ sondern wolte wissen/ ob dem Fraͤulein der Brief uͤbergeben waͤhre/ und wessen sie sich erklaͤret haͤtte; es waͤhre ihm allerdinge unmoͤglich/ seinen Vorsatz zubre- chen/ davon ihn nichts als der Tod abwendig machen koͤnte. Nun wolan/ sagte sie/ so wird Eure Durchl. dereins gnaͤdigst erkennen/ in was Gefahr ich mich ihret halben stecke/ weil meine Traͤue gegen dieselbe viel groͤsser ist/ als daß ich sie in ihrem Liebesleiden solte ver- schmachten lassen; und ob ich gleich aus hochwichtigen Ursachen den Brief hinterhalten/ so habe ich doch dem Fraͤulein schon so viel vorgetragen/ und Eure Durchl. geruͤhmet/ daß von vollkommener Niessung alles dessen/ was euer Herzwuͤnschet/ nichts als bloß eure ab- wesenheit euch abhaͤlt/ welches Eure Durchl. mir wol sicher trauen mag/ deswegen suche mein Fürst nur gelegenheit/ sich ehist einzustellen/ so daß kein Mensch von dem Frauenzim- mer/ ohn allein ich/ dessen inne werde/ und lasse mich das uͤbrige machen. Wem wahr lieber als diesem Lustbegierigen/ der schon ausrechnen durffte/ wie freundlich eꝛ wuͤrde empfangen werden/ offenbahrete ihr daher/ er haͤtte den Obristen der Schlosses-Besatzung mit 500 Kronen und maͤchtigen Verheissungen schon dahin beredet/ daß er ihn unter den Kaͤm̃er- lingen verstecken wolte/ als dem er eingebildet/ es waͤhre eine Jungfer unter der Fraͤulein Gespielen/ mit welcher er in Liebe stuͤnde. Also nam nun Statipna von Gotarzes abscheid/ und verfuͤgete sich wieder nach dem Fraͤulein/ die allein und in tieffen Gedanken saß/ auch nicht wuste/ wessen sie sich verhalten solte/ dasern ihr der Brief geliefert/ und Gotarzes Be- gehren zuwissen getahn wuͤrde. Sie hatte ohn das schon erfahren/ daß dieser junge Herr nicht allein dem Koͤnige/ sondern allen Untertahnen lieb und angenehm wahr; solte sie nun dem Koͤnige sein anmuhten verschweigen/ und er dessen von andern berichtet wuͤrde/ haͤtte sie sich schon einer Buhlerey bey ihm verdaͤchtig gemachet; wuͤrde sie es aber anzeigen/ so kaͤme nicht allein Gotarzes in Lebensgefahr/ und sie bey den Untertahnen in schweren Haß/ sondern der Koͤnig wuͤrde uͤberdas noch verursachet werden/ die ohndas starke Verwa- chung umb so viel eiferiger zuversehen/ also daß ihrem Valikules dereins aller Zugang moͤchte versperret werden/ welches die einige ursach ihres Todes seyn wuͤrde. Gkeich da sie in dieser Betrachtung wahr/ trat Statipna zu ihr/ und meldete ihr mit lustigen Geberden an/ es haͤtte nicht der Koͤnig/ sondern der treffliche Fuͤrst Gotarzes unter dessen Nahmen sie abgefodert/ ihr die hohe inbruͤnstige Liebe/ so er gegen Ihre Durchl. truͤge/ in hoͤchster ge- heim anvertrauet/ und diesen Brief zugestellet/ ihrer Gn. denselben/ naͤhest Anmeldung sei- nes untertaͤhnigsten Gehorsams/ einzuhaͤndigen/ und genehme Antwort darauff zubitten. Was sagestu? antwortete Herkuliska/ traͤget der Koͤnigl. junge Fuͤrst einige Liebe zu mir? wie kan ihm solche gegoͤnnet oder zugelassen werden/ weil sein Herr Vater ihm dieselbe al- lein wil vorbehalten haben? bey Leib und Leben/ sage mir hievon ja nicht mehr/ und erinnere ihn seiner kindlichen Pflicht/ womit er dem Koͤnige seinem Herr Vater verbunden ist; stel- le ihm auch das Schreiben unerbrochen wieder zu/ nebest dem Vermelden/ daß ich ihn sehr bitten und ermahnen lasse/ solcher Gedanken muͤssig zugehen/ und dessen ja nichts an mich ubegehren/ wodurch sein Herr Vater koͤnte beleidiget werden/ weil solches ihn und mich zugleich Vierdes Buch. zugleich in den unvermeidlichen Tod stuͤrzen wuͤrde; im uͤbrigen wolle ich ihm alle Gewo- genheit und Freundschafft bezeigen/ so viel Zeit und gelegenheit goͤnnen kan. Diese hielt solchen Abschlag nicht vor ernstlich/ und baht nochmahls/ zum wenigsten den Brief zule- sen; Sie aber sagte: Es stuͤnde ihr nicht zu/ auff dem verwahreten Schlosse Briefe anzu- nehmen/ insonderheit/ die ohn und hinter des Koͤniges Vorwissen geschrieben wuͤrden/ daꝛ- zu verdaͤchtiges Inhalts waͤhren; wolte diesem nach ihres ferneren anstraͤngens nicht ge- waͤrtig seyn/ und ihr gebohten haben/ denselben Gotarzes wieder einzuhaͤndigen/ daß ihn ja kein Mensch zusehen bekaͤhme/ da sonst der Inhalt mit ihrem muͤndlichen vorbringen eineꝛ- ley waͤhre/ wie sie nicht anders gedenken koͤnte. Hiedurch ward sie von weiterer Anhaltung abgeschrecket/ ohn daß sie immerhin von dem hochverliebeten Gotarzes ihre Reden fuͤhre- te/ biß Herkuliska endlich ungeduldig druͤber ward/ und ihr geboht/ das Faß zuzuschlagen/ und dessen nicht mehr zugedenken; Noch durffte dieses verblendete Mensch es vor eine aͤusserliche Verstellung auslegen/ die nicht von herzen ginge/ daher sie nach genommener Abrede den jungen Herrn umb Mitternacht in aller stille auff die Stuben ließ/ hieß ihn da- selbst sich entkleiden/ und sich an der Fraͤulein Seite legen/ mit der Erinnerung/ ob sie gleich anfangs sich straͤuben und wegerlich erzeigen wuͤrde/ solte er solches nicht achten/ sondern es der gewoͤhnlichen Scham zuschreiben; den herzhafften und kuͤhnen stuͤnde das gute Gluͤk bey/ dessen kein verzageter zugeniessen haͤtte. Dieser ohndas in seinen Begierden gar verblendet/ nam ihm festiglich vor/ ohn seines Willens Ersaͤttigung nicht zuscheiden/ und legte sich so sanffte an ihre Seite/ daß sie dessen nicht inne ward/ weil sie uͤber ihre Gewohn- heit fest eingeschlaffen wahr. Als er nun durch Reizungen ganz uͤbernommen/ sich wei- ter nicht maͤssigen kunte/ fing er an sie zukuͤssen/ wovon sie alsbald erwachete/ und einen Menschen neben sich empfindend/ eilend aus dem Bette sprang/ nicht anders gedenkend/ es würde Artabanus selber seyn/ der sich unterstehen wolte/ ihr auff diese Weise beyzu- kommen. Es wahr ihr aber das groͤsseste Ungluͤk/ daß das Liecht auff der Stuben/ dahin sie lieff/ außgeloͤschet wahr/ und so finster daß man keine Hand vor Augen sehen kunte; weil sie nun gleichwol den Oꝛt wuste/ da ihꝛe Kleideꝛ lagen/ machte sie sich dahin/ nam ihr Bꝛod- messer zur Hand/ und ging wie der in die Kammer nach ihrem Bette/ sprechend: Was voꝛ ein Fremder findrt sich hier an/ da er nichts zu suchen hat? Er aber trat zu ihr ein/ uͤberfiel sie mit hefftiger Liebeswuht/ und begunte mit ihr zu ringen/ sie auff das Lager zuwerffen/ deßwegen sie ihm das Messerchen ins Herz druͤckete/ daß er mit diesem Worte: O ich sterbe! dahin fiel/ und keinen Finger mehr ruͤhrete. Bald darauff schlug sie Feur/ zuͤndete ein Licht an/ und rieff ihrer Dienerin/ welche vor grosser Herzensangst kein wort reden kunte/ und sich uͤberdaß als hart eingeschlaffen stellete; fuhr endlich als aus tieffen Schlaffe auff/ und fragete/ was ihre Gn. begehreten. O du leichtfertiger Balg/ sagte sie/ was vor ein Mañes- bilde hastu mir zugefuͤhret/ mich um meine Ehr zubringen? welcher den Lohn seiner Boß- heit schon empfangen hat. Diese wolte von nichts wissen/ entschuldigte sich/ und lieff hin/ den Erstochenen zubesehen/ da sie rieff: O ihr Goͤtter Fuͤrst Gotarzes liegt alhier. Er sey wer er wolle/ antwortete Herkuliska/ ich habe keinen Fuͤrsten/ sondern einen frechen Buben und Gewalttaͤhter erstochen/ vor dem ich meine Ehre zubeschuͤtzen gezwungen wahr/ zwei- fele nicht/ du und kein ander Mensch habest ihn herzugefuͤhret/ dessen du schwere Straffe L l l l l iij auß- Vierdes Buch. außstehen solt. Diese warff sich weit/ es moͤchte ihre Gn. solche ungleiche Gedanken doch von ihr nicht schoͤpffen/ es waͤhre ihr von seiner Gegenwart nicht dz allergeringste bewust/ würde auch solches nimmermehr verschwiegen/ viel weniger eingewilliget haben/ welches das Fraͤulein geduldig anhoͤrete/ und sich stellete/ als glaͤubete sie ihren Worten; doch trat sie zu ihr/ nam ihr beyde Schreiben aus dem Schiebsak/ und befahl/ daß sie die Hoffmei- sterin herzu hohlen/ den Unfal verschweigen/ uñ vorgeben solte/ ihr waͤhre eine geringe Oh- macht zugestossen; welche sich bald einstellete/ da inzwischen Herkuliska das Messer aus der Wunde zog/ und das Loͤchlein mit Baumwolle zustopffete/ daß kein tropffen Blut her- aus lieff. Die Hofmeisterin fand sie beim Lichte stehen in bleicher Gestalt/ sie aber nam als- bald einen Strik/ band damit Statipnen Haͤnde fest zusammen/ und sagte zu der Hofmei- sterin; Sehet meine Freundin/ hier binde ich eine Gottlose Verraͤhterin/ welche mich bey nahe umb meine Ehre gebracht/ uñ das künftige Koͤnigliche Ehe Bette besudelt haͤtte. Die Hofmeisterin erschark dessen/ und erzaͤhlete ihr das Fraͤulein alles was sich zugetꝛagen hat- te/ ohn daß sie den entleibeten nicht nahmhaft machete; Bedrauete hernach die Dienerin mit der Folter/ daß sie alles bekennen muste. So bald der Nahme Gotarzes geneñet ward/ wuste die Hoffmeisterin vor Angst nicht zu bleiben; aber das Fraͤulein troͤstete sie/ man muͤ- ste ein Herzergreiffen/ da man unschuldig waͤhre; sie selbst haͤtte nicht gewust/ von wem sie so unzimlich angefallen waͤhre/ und wann sie es gleich gewust haͤtte/ wolte sie doch ihrer eh- ren Rettung unvergessen gewesen seyn. Sie befragte die Verraͤhterin weiters/ durch wes- sen Vorschub Gotarzes auff das Schloß kommen waͤhre/ und als sie Nachricht genug hatte/ setzete sie diesen Brieff auff an den Koͤnig: Allergnaͤdigster Koͤnig/ hoͤchstgeliebeter Herꝛ; das boßhafte Gluͤk wil nicht auffhoͤren/ meiner Ehren schaͤndliche F allen zu stellen/ so daß/ wann die guͤtigen Goͤtter/ bevorab d ie Goͤttin Vesta mir nicht augenscheinlichen Beystand geleistet/ ich diese Nacht meiner Keuscheit-Ehre waͤhre entsetzet worden/ uñ zwar von einem solchẽ/ welchen euer Koͤnig- liche Hocheit ich nicht nennen darff/ als der vor allen andern sich solches Bubenstuͤks haͤtte sollen ent- halten. Ich gestehe/ daß meine Schuz Goͤttin Vesta mir mein Brodmesserchen in die Hand gelieffert/ gleich da der Gewalttaͤhter mich noͤhtigen wollen/ und ich nicht anders/ als auff diese Weise mich loß- wirken koͤnnen/ daß ich ihm das Herz im Leibe abgestochen/ und hiedurch eurer Hocheit rein und un- beflekt vorbehalten bin. Ob nun gleich der Taͤhter eurer Hocheit lieb und angenehm seyn mag/ zwei- fole ich dannoch nicht/ die Schandtaht werde derselben hoͤchlich mißhagen/ und daher/ wegen verteidi- gung meiner Keuscheit auff ihre gehorsame ganz ergebene Magd Herkuliska keinen Unwillen werffen/ sondern als ein gerechtester Koͤnig sprechen und ergehen lassen was recht ist. Beygefuͤgete Schreibẽ/ eines an meine Dienerin die Verraͤhterin/ das ander an mich/ so noch ungeoͤffnet/ werden den Taͤhter und sein verwaͤgenes Vorhaben an den Tag legen; und wer sonst Raht und Vorschub zu dessen Frech- heit gegeben/ kan meine Hoffmeisterin anmelden/ welcher ihre Koͤnigl. Hocheit/ als mir selbst vollen Glauben zustellen/ und stets gnaͤdigster Koͤnig und Herr verbleiben wolle/ mir/ ihrer Hocheit un- tertaͤhnigst-gehorsamsten Dienerin Herkulisken. Bey fruͤher Tageszeit muste die Hofmeisterin dem Koͤnige diesen Brieff samt denn Beylagen bringen/ die fast lieber in den Tod gangen waͤhre; der Koͤnig wahr noch nicht auffgestanden/ daher sie desto besser sich besiñen kunte/ wie sie es dem Koͤnige aufs glimpf- lichste vortragen wolte/ da sie/ so bald sie vorgelassen ward/ ihn also anredete: Allergnaͤdig- ster Herr und Koͤnig; eure Koͤnigl. Hocheit wird von ihrem Fraͤulein demuͤhtigst gegruͤs- set und gebehten/ wegen neuer Zeitung/ welche in diesem Schreiben zu offenbahren sie ge- zwun- Vierdes Buch. zwungen wird/ sich nicht zuentsetzen/ und bleibet sie eurer Hocheit zu allen zeiten biß an ihr Gelũbde allergehorsamste Magd. Was bringet uns diese ungewoͤhnliche Erinnerung? antwortete der Koͤnig; wir wollen ja nicht hoffen/ daß etwa verwaͤgene Ehren-Raͤuber sich auff unser Fraͤulein Schlosse duͤrffen finden lassen/ welche solches trauen mit dem Hal- se bezahlen muͤsten/ wans gleich mein liebster Sohn waͤhre. Ihre Koͤnigl. Hocheit/ sagte sie/ wird aus dem Schreiben volkommenen Bericht allergnaͤdigst ersehen. Er brach das- selbe mit sonderbahrem Eifer/ und nach fleissiger durchlesung und außgestuͤrzeten seufzen sagte er: Nun mein Schaz; wir sind deiner Liebe und Traͤue gnug versichert; aber/ sagte er zu der Hofmeisterin/ ist nicht mein Gotarzes selbst/ der boßhafte Schelm gewesen? und wo sind die im Schreiben erwaͤhnete Beylagen. Ach ihre Hocheit/ antwortete sie/ ich zwei- fele nicht/ die Liebe habe ihn zu solcher unbesoñenheit gebracht/ und kan das Durchl. Fraͤu- lein sich uͤber den klaͤglichen Fall nicht zu frieden geben/ hat mich auch mit hochteuren Worten versichert/ daß sie nicht ehe gewust/ wer ihrer Ehren nachsteller gewesen/ biß sie es von ihrer Leibdienerin gehoͤret/ worauff sie sich aus Unmuht ohn zweifel entleibet haͤtte/ waͤhre es von mir nicht verhindert worden. Die Beylagen betreffend/ hat man davon nichts im geringsten gewust/ biß man sie ohngefehr bey der Verraͤhterin gefunden. Als deꝛ Koͤnig den verschlossenẽ gar durch gelesen hatte/ fing er aus heftigem Zorn an: O du gott- loser Schelm/ nimmermehr bistu von mir gezeuget/ sonst würdestu solcher dreyfachen Un- taht dich nicht schuldig gemacht haben/ wodurch du verdienet/ daß wir dich/ andern zum Beyspiel/ lebendig schinden und vierteln liessen/ wann du nicht schon deine Straffe/ wie wol viel zugelinde/ empfangen haͤttest. Sagte hernach zu der Hofmeisterin; meldet unserm getraͤuen Fraͤulein und liebsten Schatze an/ daß sie im wenigsten nicht/ dieser Taht wegen sich bekuͤmmere/ sondern daß wir sie deßwegen ruͤhmen/ und alle Gnade ihr wieder fahren lassen wollen. Die Hosmeisterin bedankete sich im Nahmen der Fraͤulein/ und zeigete der- selben gutdünken an/ daß umb anderer Leute willen dieser Unfall des jungen Fürsten in hoͤchster geheim gehalten/ und die Mitschuldigen/ als Statipna/ und Bardanes ihrer Besatzung Oberster/ aller Ursache ungemeldet/ am Leben moͤchten gestraffet werden; wel- ches nach kurzem bedenken der Koͤnig vor gut hielt/ ließ alsbald den Obristen in Stücken zerhauen/ die Dienerin in einen Sak stecken und in der Fraͤulein Schloß Graben ertraͤn- ten/ das Fraͤulein aber durch die Hofmeisterin troͤsten/ und sie vermahnen/ daß auff ihrem keuschen Sinne sie standfest verbleiben moͤchte/ welches ihr mit hoͤchsten Gnaden solte vergolten werden. Als Herkules und Ladisla mit ihrem Heer und der grossen Beute der Stad Perse- polis naheten/ liessen sie ihre Anwesenheit Artaxerxes wissen/ daher er voller freuden ihnen mtgegen ritte/ und nach Pharnabazus umbstaͤndlicher Erzaͤhlung/ es schier vor unglaͤub- lich hielt; ruͤhmete unsere Helden offentlich vor dem ganzen Heer/ sprach ihnen die ganze Beute des Lagers zu/ und sendete an alle Bundsgenossen außfuͤhrlichen Bericht/ woduꝛch bey denselben nicht allein eine unsaͤgliche Freude/ sondern zugleich auch eine Verachtung des Feindes erwecket ward/ dessen Krafft und Mannheit sie bißher vor unuͤberwindlich geschaͤtzet hatten. Zu Charas sprengete dz Geschrey gar zeitig aus/ was gestalt die Persen einen Feind- lichen Vierdes Buch. lichen Einfall ins Land gethan/ und alles auff sieben Meile Weges verwuͤstet/ verbrennet/ geraubet und erwuͤrget haͤtten/ und weil das Koͤnigliche Heer unter Spitamenes deßwe- ges hin sein Lager gehabt/ wolte man nicht zweiffeln/ sie muͤsten alle erschlagen/ und kein ei- niger davon entruñen seyn/ welches doch niemand vor den Koͤnig bringen wolte/ biß Fürst Vologeses zu Charas anlangete/ (welcher verreiset gewesen) und ihm zuverstehen gab/ er fuͤrchtete sehr/ Spitamenes wuͤrde den Feinden in die Haͤnde gefallen seyn. Des folgen- den Tages gelangete derselbe mit zwanzig seiner uͤberbliebenen Befehlichshaber an vor dem Stad Tohr/ und durch zeigung seiner verbundenen Wunden und traurigen Geberden gab er den erlittenen Schaden gnug zuverstehen. Ob er sich nun gleich vor des Koͤniges schwerer Ungnade fuͤrchtete/ nam er ihm doch vor/ die anbefohlene Werbung traͤulich/ wie wol auffs glimpflichste zu verrichten/ ließ sich bey dem Koͤnige demuͤhtigst angeben/ welcheꝛ seiner Gegenwart sich verwunderte/ und ihm daher nichts gutes traͤumen ließ/ gab ihm doch Freiheit vorzutreten/ und ward also von ihm angeredet: Allergroßmaͤchtigster/ un- uͤberwindlichster Koͤnig/ nachdem ihre Koͤnigl. Hocheit mir ein fliegendes Heer allergnaͤ- digst anvertrauet hat/ mit Befehl/ damit die Grenzen vor vermuhtlichem Einfal des ab- truͤnnigen Persen zu verwahren/ und da es die Gelegenheit geben wuͤrde/ der Straffe wieder die Auffruͤhrer den Anfang zu machen/ oder/ da einige feindliche Voͤlker/ denen ich vermeinete gewachsen zu seyn/ antreffen wuͤrde/ sie anzugreiffen/ habe ich mich in unter- taͤhnigstem Gehoꝛsam fertig gemacht/ und gleich da ich willens wahꝛ auffzubrechen uñ den Feind zu suchen/ von ihrer Hocheit den Befehl bekommen mich der Vorsichtigkeit zuge- brauchen/ welche Warnung ich nicht verachtet/ und bald darauff Kundschaft eingezogen/ daß ein fremder Feind in unsern Grenzen durch Schwert und Brand bereit alles verder- bete/ daher ich ungeseumet mit guter Ordnung und Vorsichtigkeit ihm begegnet/ uñ weil er an Mannschaft den drittenteil geringer als ich wahr/ mit voller Schlachtordnung auf ihn gedrungen und das Spiel gewaget/ da ich gestehen muß/ dz ich die Blume ihrer Rit- terschaft angetroffen/ massen sie alle mit Harnisch/ Schwertern und Pfeilen/ auch mit rit- ter Speeren geruͤstet/ sich dermassen vortelhafftig gebraucheten/ dz sie die unsern wie Muͤc- ken niderlegeten/ ungeachtet sie weder des Orts/ noch Windes noch Sonnen/ nicht den allergeringsten Vortel hatten; ja ihre Schwerter hoͤreten nicht auff zuschneiden/ biß mei- ner Leute 21000 erschlagen/ ich im absonderlichen Streite erleget/ und die wenigen uͤbrigẽ von den meinen/ ihre Waffen niderzulegen gezwungen wurden; ob ich nun alles daß red- lich versehen/ was beydes einem Heerfuͤhrer und Kriegsmann zustehet/ werden Freunde und Feinde zeugnis geben koͤnnen/ auff welchen fall/ da mir keine Schuld/ wie ich weiß/ zu- gemaͤssen werden kan/ von Euer Koͤnigl. Hocheit ich untertaͤhnigst bitte/ des Gluͤckes un- fall mir nicht zuzuschreiben. Der Koͤnig ward des Vorbringens sehr zornig/ schalt und schmaͤhete ihn auffs aͤusserste/ neben Bedraͤuung/ er wolte ihn andern zum Beyspiel schon zufinden wissen; Welches Spitamenes also beantwortete: Wann ich Gluͤckesfaͤlle ver- antworten sol/ bin ich willig/ Euer Hocheit straffen uͤber mich zunehmen/ ungeachtet ich mich auff mein Gewissen und aller annoch lebendigen Zeugniß beruffe/ daß ich nichts un- terlassen/ was einem redlichen Feld Herrn zustehet/ als lange ich mein Schwert zuführen bestand gewesen bin; wo der Streit am hefftigsten wahr/ habe ich mich finden lassen/ den schwachen Vierdes Buch. schwachen habe ich zu rechter Zeit Entsatz zugeschicket/ die verzagten auffgemuntert/ die zu- ruͤk weichenden der Parthischen Herzhafftigkeit erinnert/ die Fluchtbegierigen selbst wie- der angetrieben/ und mich nicht gewegert/ mit Koͤnig Ladisla einen absonderlichen herben Kampff zuhalten/ dessen Kraͤffte und Erfahrenheit/ bekenne ich/ mir uͤberlegen gewesen/ uñ den meisten Teil meines Bluts aus meinen Wunden gezapfet. Artabanus besan sich hieꝛ- auff/ und fragete/ wie stark der Feind dann eigentlich/ und was vor Art Voͤlker sie gewesen? Er antwortete: Es fuͤhrete der Feind 16000 Mann auff mich an/ in dreyen Hauffen/ muß gestehen/ daß ihre zween vornehmste Feld Herren/ Groß Fuͤrst Herkules aus Teutschland/ und Koͤnig Ladisla aus Boͤhmen/ mir allerdinge unuͤberwindlich vorkommen seyn/ als viel Leibes Geschikligkeit und Krafft nebest Kriegs-Erfahrenheit betrifft; ja allergnaͤdigster Koͤnig/ wann die Goͤtter in menschlicher gestalt erscheinen wolten/ wuͤrden sie ihren Muht/ Art und Leib annehmen; Da wahr kein Schild noch Helm vor ihrem Schwerte sicher/ ihre Augen fünkelten ihnen im Kopffe wie gluͤende Kohlen/ und taht Herkules Pferd mit beissen und schlagen ja so grossen Schaden/ als sein Reuter mit hauen und stechen. Wie grimmig sie aber im treffen wahren/ so hohe Gnade erzeigeten sie den uͤbeꝛwundenen/ indem sie mich und die meinen verbinden/ speisen und traͤnken liessen. Ihre Voͤlker gaben sich zwar vor Roͤmische Untertahnen aus Syrien an/ aber ich habe gewisse Nachricht erhalten/ daß sie alle mit einander Artaxerxes Voͤlker und gebohrne Persen sind/ von obgedachten ihren beyden Feld Herren dergestalt abgerichtet/ daß sie vor die besten Kriegs Knechte billich zu halten. Mich und meine uͤberbliebene betreffend/ haben sie ohn einiges Entgelt frey gespro- chen/ nur daß ich verheissen muste/ Euer Hocheit ihre Werbung zuhinterbringen. Gleich dazumahl kam Vologeses darzu/ sahe Spitamenes bleich und verbunden stehen/ und erken- nete daher/ daß das Geschrey nicht erlogen wahr; Spitamenes freuete sich seiner Ankunft sehr/ weil er ihm sehr gewogen/ und von der Mutter seiten her verwand war; Und muste er seine schon getahne Erzaͤhlung wiederhohlen; Worauff ihn Vologeses fragete/ wie doch die beyden sremden Fuͤrsten gestalt waͤhren; als er nun vernam/ daß sie beyde so schoͤn und zart wahren/ sagte er: So habe ich mir falsche Gedanken eingebildet/ welche ich schier mit einem aͤide bekraͤfftigen duͤrffen. Was entbieten uns aber die beyden Landlaͤuffer? fragete der Koͤnig. Der juͤngste/ antwortete er/ von diesen beyden/ nahmens Herkules/ deꝛ noch kein Haar umbs Maul hat/ uud solcher Schoͤnheit ist/ daß er alle Weibsbilder dieser Welt/ mei- nem beduͤnken nach/ uͤbertrifft/ gab mir diesen Befehl. Deutet eurem Koͤnige an/ mein Bruder Koͤnig Ladisla und ich/ die er vor seine Knaben und Knechte ausruffet/ haben ihm dieses erste Kinderspiel und Knechtische Auffwartung sehen lassen/ worauff bald mehr fol- gen sollen; hat dann euer Koͤnig lassen Ruhten uͤber uns binden/ wollen wir ihm unverzag- te Herzen und Faͤuste entgegen setzen. Dieser Rede ergrimmete Artabanus/ und fuhr her- aus: Haben die ohmaͤchtige Bettel Fuͤrsten uns noch weiters draͤuen duͤrffen? Wolan/ es sol ihnen wiederfahren/ was sie verdienen; Hieß darauff Spitamenes abtreten/ und be- gehrete von Vologeses ihm seine Meynung zusagen; Welcher also anfing: Allergnaͤdig- ster Koͤnig/ ich erinnere Eure Hocheit/ daß mirs schon im Anfange nicht gefallen/ daß man diese fremden nicht eins einer schrifftlichen Antwort auff ihr begehren/ wirdigen wollen/ welches uns schon so tapffere Kriegsleute gekostet hat; man sol seinen Feind/ den man ge- M m m m m denket Vierdes Buch. denket zu daͤmpffen/ nit verachten/ wie schlecht und geringe er auch scheinẽ mag/ dañ zuzeitẽ straffen die grossen Goͤtter durch veraͤchtliche Mittel/ wie ich dessen viel Begebnissen ein- führen koͤnte/ kan aber an Alexander dem Mazedonischen Koͤnige gnung seyn/ welchen die zornigen Goͤtter mit einer Handvoll Volks uͤber das Meer schicketen/ daß er ganz Asia uñ Afrika mit seiner Geissel zũchtigen muste; und wer weiß/ was die Goͤtter mit diesen beyden jungen Fuͤrsten im Sinne haben/ deren Tapfferkeit und Verstand von Spitamenes (wel- cher trauen kein Kind ist) so hoch geruͤhmet wird. Der Koͤnig kunte vor Ungeduld ihm nicht laͤnger zuhoͤren/ und sagete: Mein Vologeses/ ist euch heut etwa ein Hase quehr uͤber den Weg gelauffen/ daß ihr euch eines Ungluͤks befuͤrchtet. Kein Hase/ allergnaͤdigster Koͤ- nig/ antwortete er/ sondern die vielfaͤltigen Ungluͤk Zeichen/ die von allenthalben her ange- meldet werden/ heissen mich bedachtsam spielen/ damit man nicht in ein Feuꝛ lauffe/ welches man wol meiden kan. Ey was Feur/ was Feur/ sagte er/ haben die beyden fremden Lecker- Buben uns diesen Schimpff erwiesen (dann vor Schaden koͤnnen wirs nicht rechnen/ dz unsere faule nichtswerte Kriegsleute erschlagen sind)/ so wollen wir uns bemuͤhen/ daß die- se Knaben nach Verdienst gestrichen werden; aber wie dünket euch umb Spitamenes/ daß ers so schlimlich versehen hat? Ich kan davon nicht urteilen/ antwortete er/ ehe und bevor ich seiner Leute Aussage haben werde/ muß ihm sonst das Zeugniß geben/ daß er bißher alle- mahl in Kriegsgeschaͤfften vorsichtig/ tapffer und gluͤklich gewesen. Der Koͤnig ließ densel- ben wieder vor sich fodern/ unterdessen Vologeses ihn vermahnete/ es würde noͤhtig seyn/ daß ihm dieser Verlust vergeben würde/ damit andere Feld Herren nicht furchtsam gema- chet werden moͤchten. Madates/ ein verwaͤgener/ und in seinem Vornehmen gluͤklicher Mann/ dem Koͤnige von mütterlicher seiten her nahe verwand/ trat mit Spitamenes zu- gleich hinein/ welchen der Koͤnig also anredete: Auf mein Madates/ und sihe zu/ daß du des ungluͤklichen Spitamenes Wunde verbindest/ welche ihm die Kinder aus Teutschland ge- schlagen haben; nim unserer besten Parthischen Reuter 40000 zu dir/ damit gehe an die Persischen Grenzen/ senge und brenne was du kanst/ und schlage nider was Persisch ist uñ heisset. Vologeses baht den Koͤnig sehr/ er moͤchte nichts aus Zorn und Eifer vornehmen/ damit nichts versehen würde/ das man hernach zu spaͤt beklagen müste. Aber Madates be- dankete sich des gegebenen Befehls/ mit dem versprechen/ er wolte seinen Freund Spita- menes dergestalt an den ohmaͤchtigen Persen und ihren Führern raͤchen/ daß der Koͤnig seine Lust dran sehen solte. Spitamenes sagte zu ihm: So sehet euch wol vor Herr Mada- tes/ und versahret mit gutem Bedacht/ dann ich kan nicht unterlassen/ krafft meineꝛ Pflicht und aͤide/ damit ich meinem Herrn und Koͤnige verbunden bin/ euch anzusagen/ daß keine Kinder/ sondern tapffere Maͤnner euer warten werden. Ich moͤchte auch nicht gerne mit Kindern zufechten haben/ antwortete er/ aber wie dicke Harnische es gleich seyn moͤgen/ in welchen sich die Persen verstecken/ wolte ich mich vermaͤssen/ ihnen dieselbe ohn Schwert mit Knütteln dergestalt zutreffen/ daß sie drinnen ersticken solten. Die gũtigen Goͤtter/ ant- wortete Spitamenes/ wollen euch hierzu ihren Segen verleihen/ daß jederman hernaͤhst sprechẽ moͤge/ niemand als Spitamenes habe sich schlimmer wider die beyden Fremdlinge bezeiget; aber ich fuͤrchte sehr/ ihr werdet mit diesem Vorsatze wenig gutes schaffen. Ma- dates taht/ als hoͤrete ers nicht/ und versprach dem Koͤnige/ heut uͤber drey Tage mit der ge- nenne- Vierdes Buch. nenneten Menge vor dem Schlosse zuerscheinen/ wahr sehr geflissen/ eine gute Ritterschaft zusamlen/ und ihnen tapffere und versuchte Kriegs Obristen vorzustellen/ brachte auch auff geheiß 20 Parthische Ritter vor den Koͤnig/ welcher ihnen den Vorschlag taht/ ob sie so geherzt waͤhren/ sich zubemuͤhen/ daß sie des Feindes beyde Führer/ Ladisla und Herkules/ die sich durch Waffen schon wuͤrden kund geben/ lebendig griffen/ und ihm auffs Schloß lieferten/ daß sie vor ihm daselbst als Knaben gestrichen würden/ solte jeder 3000 Kronen/ und der ihrer einen greiffen wuͤrde 12000 Kronen aus Koͤniglicher Schatzkammer em- pfangen. Diese nahmen solches willig auff sich/ machten einen Bund/ in der Schlacht nit von einander zuweichen/ sondern einmuͤhtig auff benante einzustuͤrmen. Worauff der Koͤ- nig abermahl/ und in des Kriegs Volks Gegenwart seinem Madates vollkommenen Ge- walt erteilete/ den Feind/ wo er ihn antreffen würde/ anzugreiffen/ und niemand/ als die bey- den fremden lebendig zulassen: Vologeses zwar suchete Madates zur Vorsichtigkeit zube- reden/ als er aber sahe/ daß alles vergebens wahr/ sagte er zu ihm: Mein Freund/ gedenket nicht ehe an mich/ als wann euch deucht/ daß ich wol gerahten habe. Nicht also/ Gn. Fuͤrst/ antwortete er/ ich wil stets an eure Gn. gedenken/ auch deren Raht nicht verachten/ aber mir doch nicht einbilden lassen/ daß dieser Feind zufuͤrchten sey. Es ist gnug/ sagte Vologe- ses/ aber ihr redlichen Parther/ sagte er zu dem ganzen Heer/ haltet euch tapffer/ und stuͤrzet euch nicht ohn Noht in Gefahr und Ungluͤk/ ich wil einem jeden/ so viel eurer als Obsieger wieder kommen/ 10 Kronen schenken. Diese nahmen solches mit Dank an/ und erklaͤreten sich/ zusiegen oder zu sterben; Worauff sie mit zimlichen Tagereisen fortgingen. Unsere Helden feyreten unterdessen auch nicht/ trilleten und uͤbeten das ganze Heer taͤglich/ inson- derheit/ wie man gegen die Parther mit gutem Vortel streiten muͤste/ deren Art sie in dieser Schlacht eigentlich in acht genommen hatten/ und vermuhtete sich Artaxerxes so schleu- niger Feinde nicht/ sondern gab vor/ Artabanus wuͤrde es nicht mehr mit einem kleinen fliegenden Heer versuchen/ sondern mit der ganzen Macht auffbrechen/ wiewol Herkules ihm das Wiederspiel hielt/ und sich der schnellen Wiederkunfft eines absonderlichen Heeꝛs befahrete/ daher er den Raht gab/ es moͤchte zwar Artaxerxes das ganze Heer in die naͤhe beyeinander legen/ daß sie in 24 Stunden koͤnten zusammen gebracht werden/ aber doch des Feindes vornehmen fleissig erkunden/ und ein tapfferes Heer an die Grenzesenden; Er vor sein Haͤupt wolte sich hiemit erbohten haben/ mit einer Macht von 26000 Reutern fortzugehen/ und da es das Gluͤk fuͤgen wolte/ einen behutsamen Einfall damit zuwagen/ je- doch zuvor alle moͤgliche Kundschafft einzuziehen/ wie der Feind sich bezeigete/ demnach er nimmer glaͤuben koͤnte/ daß sie auff geschehenen schweren Einfall ihre Grenzen zum besten geben/ und unbesetzet lassen solten. Diesen Vortrag ließ Artaxerxes ihm belieben/ bedankete sich wegen des erbietens/ und ward alles zwar nach Herkules begehren ins werk gerichtet/ wiewol nit mit solcher eile/ als die Noht es erfoderte/ massen als Herkules und Ladisla mit diesem Heer auffbrachen/ kam Zeitung ein/ der Feind druͤnge mit grosser Macht herein/ und duͤrffte in wenig Tagen die Persischen Grenzen erreichen/ oder nunmehr wol schon eꝛ- reichet haben. Dieses machete/ daß sie in grosser Eile fortgingen/ und des folgenden Tages Bericht einnahmen/ der Feind haͤtte durch Verraht und List eine Grenze Stad eingenom- men/ und hausete daherumb dergestalt/ daß man nichts als bey Tage Rauch/ bey Nachte M m m m m ij Feur Vierdes Buch. Feur saͤhe. Herkules bekümmerte sich fast/ daß durch Seumniß dem Feinde dieser Einfall gegoͤnnet wahr/ schickete Tyriotes uñ Gallus mit 3000 leichten Pferden aus/ frisch durch- zuhauen/ ob sie eigentlich erfahren koͤnten/ wie stark der Feind/ und wer ihr Feldherr waͤh- re. Diese stiessen bald des andern Tages auf eine Feindes Schaar 800 stark/ welche sie um- ringeten/ 600 nidermacheten/ und die uͤbrigen gefangen nahmen/ da hingegen sie nur 30 Mann einbuͤsseten/ weil der Feind sich mit der Beute zuschwer beladen hatte/ und das Ge- wehr nicht gebrauchen kunte. Die Gefangenen verhoͤrete man stuͤndlich/ welche alles an- zeigeten/ daheꝛ Gallus ungeseumet mit sechs Reutern und vier Gefangenen Tag uñ Nacht zuruͤcke ging/ und seinem Herrn die Zeitung einbrachte. Herkules befragete diese Gefange- ne selbst/ und nach eigentlicher Bekaͤntniß brach er mit den Voͤlkern auff/ sie guter Beute versichernd/ da sie nur einen kleinen redlichen Saz mit ihm wagen/ und dem Feinde den Raub abnehmen duͤrfften; welche sich alle verbunden/ nicht anders/ als Uberwinder/ die Wahlstat zuverlassen. Madates wuͤtete inzwischen gar graͤulich/ ließ alles/ was er antraff/ verwuͤsten und erschlagen/ und meynete nicht/ daß die Persen ihm das Haͤupt wuͤrden bie- ten duͤrffen/ dann er wahr ein beschriehener guter Feld Obrister/ der mannichen trefflichen Sieg von den Reichs Feinden erstritten hatte. Als Herkules bey Tyriotes ankam/ und die ganze Menge der Gefangenen mit freundlichen Worten verhoͤrete/ auch ihnen Speise uñ Trank zureichen befahl/ und die Kleider ihnen wieder zugeben/ welche man ihnen abgezogen hatte/ trat derselben einer hin zu Tyriotes/ und sagete in geheim zu ihm: Michjammert von Herzen/ daß dieser freundliche Held/ so Henker-maͤssig sol geschaͤndet werden/ wie mans uͤber ihn beschlossen hat/ welches abzuwenden/ machet mir Gelegenheit/ daß mit diesem Herrn ohn meiner Mitgefangenen Wissenschafft ich reden moͤge. Tyriotes ver- schliefseines Herrn Wolfahrt nicht/ zeigete solches an/ und führete diesen Gefangenen in ein absonderliches Zelt/ welcher zu Herkules und Ladisla also redete: Treffliche Helden/ Gnn. Herren/ ob ich gleich meinem Koͤnige mit aͤidespflichten verbunden bin/ kan ich doch nicht unterlassen/ wegen ihrer/ uns Gefangenen erzeigeter Guttaht/ sie zuwarnen/ daß mein Koͤnig 20 handfeste Ritter mit grossen Verheissungen bestellet hat/ euch in kuͤnftiger Feld- schlacht lebendig zugreiffen/ und moͤchten die Ruhten wol schon gebunden seyn/ damit auff diesen fall ihr vor des Koͤniges Augen schaͤndlich sollet gestrichen werden. Herkules erblei- chete vor diesem Schelmstuͤcke/ und sagete: Guter Freund/ woher ist dir solches bewust? Ich bin dessen/ antwortete er/ von meines Vaters Bruder Sohn/ einem Koͤniglichen Tra- banten hoͤchstvertraulich berichtet/ als welcher den Befehl selbst angehoͤret hat; so wollen nun Eure Gnn. mich nicht melden/ und sich wol vorsehen/ dann obgedachte Ritter werden sich nicht trennen/ sondern euch hin und wieder suchen/ und koͤñen bey ihꝛen schwaꝛzen Feld- zeichen leicht zuerkeñen seyn; so ist auch im ganzen Heer ausgeruffen/ daß/ wohin diese Rit- ter sich wenden/ man ihnen Raum geben/ und sie durchlassen solle. Ladisla meynete vor Zoꝛn und Eifer zubersten/ und sagete zu dem Gefangenen: Dasern sichs also verhalten wird/ wie du berichtest/ soltu mit der Freyheit und andern ansehnlichen Verehrungen begabet wer- den. Ich bin wol zufrieden/ antwortete er/ daß neben meinen Mitgefangenen ich biß nach gehaltener Schlacht verstricket bleibe/ da sich meiner anzeige nach/ alles ausfuͤndig machen wird. Ladisla/ nach des Gefangenen Abtrit/ schwur seinem Herkules/ wo er sonst lebete/ wol- te er Vierdes Buch. te er den verraͤhterischen Koͤnig zum absonderlichen Kampff ausfodern. Sie liessen aber Tyriotes mit 1000 Reutern vorangehen/ und folgeten behutsam nach/ biß sie den Rauch hin und wieder auffgehen sahen/ weil der Feind nicht allein die Doͤrffer/ sondern alle frucht- bahren Baͤume niderwarff/ und mit Feur verzehrete. Tyriotes traff abermal einen Fein- des Hauffen an 1500 stark/ mit welchen ers wagete/ 600 erschlug/ weil sie wegen des vielen Plunders sich nicht recht wehren kunten/ und die uͤbrigen auff die Flucht brachte/ da er nur zehn Mann einbüssete. Gallus ging einen andern Weg mit 2000 Reutern/ und be- gegnete ihm ein Parthischer Obrister mit gleicher Anzahl/ welche ebener gestalt wegen der vielen Beute sich auff ihren Pferden nicht behelffen kunten/ daher sie bald im Anfange 400 Mann verlohren/ biß die uͤbrigen den Raub von sich warffen/ und sich ihrer Haut recht- schaffen wehreten/ doch weil sie uͤbermannet/ und guten teils verwundet waren/ setzeten sie noch 300 zu/ zogen sich zurük/ und fuͤhreten drey gefangene Persen mit sich fort. Die beyde fluͤchtige Schaaren langeten zu einer Zeit bey Madates an/ welcher die Gefangenen scharf fragete/ und allen Bericht von des Persischen Heers beschaffenheit einnam/ auch daß Her- kules und Ladisla neben Pharnabazus die Feld Obristen waͤhren. Er ward dessen sehr froh/ samlete das Heer schleunig zusammen/ daß ja der Feind/ wann er seine grosse Macht ver- nehmen wuͤrde/ ihm nicht entginge/ oder sich staͤrkete/ wiewol er meynete/ es wuͤrde ihm schlechte Ehre geben/ einen so geringen Hauffen zuuͤberwinden/ weiler nie eine Schlacht gehalten/ in welcher sein Feind ihn nicht mit der Menge übertroffen haͤtte. Als seine Voͤl- ker beysammen wahren/ redete er sie also an: Frisch auff/ meine Spießgesellen/ lasset uns acht geben/ daß wir den Feind vor der Flucht ertappen/ und er sich nicht ins Gehoͤlz veꝛkrie- che/ da uns schwer fallen wuͤrde/ ihm beyzukommen. Nachgehends foderte er die 20 Ritter vor sich/ erinnerte sie ihres versprechens/ und sagte ihnen allen Beystand zu. Herkules hat- te Zeitung von seinem Auffbruche/ wie er dann so unvorsichtig fortging/ daß er von den unsern nichts erfuhr/ biß er auff ein halb Meilichen nahe/ bey ihnen wahr/ ja wann der Peꝛ- sische Vortrab sich ihnen nicht gezeiget haͤtte/ wuͤrden sie den unsern unvermuhtlich auff- gestossen seyn. Herkules erkennete hieraus/ was vor einen verwaͤgenen Feind er vor sich hatte/ baht Ladisla/ er moͤchte nichts aus Eifer vornehmen/ gab einem Persischen Herrn/ Nahmens Abulites den ersten Angriff mit 5000 Reutern zutuhn/ der sich doch furchtsam stellen/ und nach kurzem Gesechte zuruͤk weichen solte; Pharnabazus aber muste mit 5000 einen umschweiff nehmen/ und sich verborgen hinter einem Huͤgel halten/ biß er den Feind wuͤrde sehen hinter sich weichen/ dann wuͤrde er feinem Verstande nach schon wissen/ von hinten zu in sie zugehen/ und die Flucht zuhemmen. Ladisla hatte das Heer zufuͤhren/ eine Manschafft 10000 stark/ auff welchen Abulites sich zihen solte/ und behielt Herkules 6000 vor sich/ aber alle mit Speeren und durchneheten Panzern. So bald Madates der unfern inne ward/ und ihre kleine Geschwader sahe/ machte er seine Ordnung folgender gestalt: Seinem Obristen Verweser Bessus/ einem hochmuͤhtigen Ritter/ gab er mit 9000 Reu- ter Schuͤtzen den Angriff; sein Feldmarschalk Bazaentes solte den Hauffen 18000 stark/ fuͤhren/ und behielt er selbst 11000 bey sich/ womit er den nohtleidenden auff den unverhoff- ten fall Entsatz geben wolte. Bessus setzete mit starkem Geschrey und hefftigem schiessen auff Abulites an/ der mit gleichem Gewehr ihm begegnete/ fuhr nach Herkules Ver- M m m m m iij mah- Vierdes Buch. mahnung vorsichtig/ und ließ anfangs der Feinde Pfeile mit den sonderlich darzu be- reiteten breiten Schilden aufffangen/ daß der seinen fast keiner verwundet ward/ und der mehrerteil ihre Pferde mit den durchnaͤheten Panzern verwahret hatten/ hingegen wir- keten seine Pfeile dergestalt/ daß der Feinde in die 3000 erschossen/ und 2000 hart verwun- dete auß der Schlacht zu weichen gezwungẽ wurden. Madatesentsetzete sich des Unfals/ ließ von Bazaentes Hauffen 3000 zu Bessus gehen/ mit welcher Verstaͤrkung er wuͤtig mit entbloͤsseten Schwertern in Abulites Ordnung fiel/ der sich nach genom̃ener Abrede furchtsam hielt/ und doch in guter Vorsichtigkeit zuruͤcke weich. Ladisla sahe/ daß Bessus seinen Anfall ohn geschlossene Glieder fortsetzete/ deßwegen er Gallus mit 1500 hinein bre- chen ließ/ der in kurzer frift 3000 Feinde nidermachete/ und bekam Abulites Befehl von Herkules/ sich zu wenden/ und sein aͤusserstes zugebrauchen/ welcher dann seine Tapfferkeit sehen zu lassen/ dergestalt anfiel/ daß dieser Feindes Hauffe in grosse Noht geriet. Madates sahe daß die seinen bloß durch nachlaͤssige Unordnung sich in diese Gefahr gestuͤrzet hattẽ/ mahnete deßwegen Bazaentes auff/ Bessus nach aͤusserstem vermoͤgen zuentsetzen/ welcheꝛ dann willens wahr/ mit seiner ganzen Macht sich dahin zu wenden/ sahe aber/ daß Ladisla sich gegen ihn stellete/ daher er jenem nur 5000 zum entsatze schickete/ welche Madates mit 2000 vermehrete. Ladisla aber setzete seinen Vorsaz auff Bazaentestapffer fort/ grieff sehꝛ eiferig mit dem Schwerte an/ und befand uͤber verhoffen harten Wiederstand/ dz anfangs zu beyden Seiten viel Blut vergossen ward/ biß Ladisla den Fuͤhrer antraff und im dritten Hiebe ihm den Kopff herunter schlug/ worauff sich die Feinde etwas zuruͤcke zogen/ wur- den doch von des erschlagenen Bruder/ Obristen Feldwachtmeister Meher dates wieder in Ordnung gebracht und angefuͤhret. Bessus hatte auch schon seinen Geist auffgegeben/ und solches von der Hand eines gemeinen Reuters/ welcher wegen dieser Taht hernach zum Ritmeister gemacht ward. Bessus Hauffe ward fast ohn Gegenwehr nidergeschla- gen/ weil ihre Ordnung getrennet wahr/ und schaffete der Entsaz wenig/ so daß Madates selbst mit seiner Mannschaft hinan muste/ welcher auch mit seiner Ankunft beydes Abuli- tes und Gallus zuruͤk prallete und Bessus überbliebene errettete. Inzwischen sahe Herku- les die 20 bestelleten Ritter in blanker Rüstung mit schwarzen Feld Binden hin und wie- der reiten/ und in Ladisla Voͤlker einbrechen/ hatten auch das Gluͤk/ daß sie ihn selbst antraf- fen/ und einmuͤhtig zu ihm loßstuͤrmeten; die so naͤhst umb ihn wahren/ tahten alle moͤgli- che Gegenwehr/ und feirete Ladisla selber nicht/ weil er bald merkete/ was vor Raubvoͤgel ihn angriffen/ jedoch wuͤrde ihm unmoͤglich gefallen seyn/ sich ihrer zu entbrechen/ wann nicht Herkules ihn haͤtte entsetzen lassen/ als welcher Tyriotes also anredete: Sehet da mein Freund/ nun ist es Zeit/ daß ihr eurem Herꝛn die versprochene Traͤue leistet/ und un- serer Abrede nach euch gemaͤß bezeiget. Dieser brach mit seinen zugeordneten 50 Rittern freudig auff/ und setzete dergestalt an/ daß jene 20 von Ladisla ablassen/ und sich gegen diese kehren musten/ welches Ladisla ersehend/ ihnen noch 100 Reuter zuordnete/ er aber ging mit dem gesamten Hauffen dergestalt in den Feind/ daß derselbe hinter sich zu weichen ge- noͤhtiget ward/ und inzwischen jene 20 Ritter allemiteinander lebendig gegriffen/ und fest gebunden ins Lager gefuͤhret wurden. Herkules bekam diese froͤliche Zeittung/ griff Ma- dates mit ganzer Macht an/ und brachte damit Abulites wieder zum Stande. Ladisla wuͤ- tete Vierdes Buch. tete an seinem Orte wie ein grimmiger Loͤue/ biß die Feinde nach der Rechten außwichen/ und mit ihrem Feld Obristen/ der noch starke Gegenwehr taht/ sich zuvereinigen suchten; Herkules aber hatte Pharnabazus schon zu entbohten/ von hintenzu einzubrechen/ uͤber dessen Ankunft die Feinde in grosses schrecken gerieten/ weil sie biß daher seiner nicht wahr genommen hatten/ doch erhohlete sich Madates/ schickete ihm 3000 entgegen/ und bemü- hete sich aͤusserst/ Herkules geruheten Hauffen zu hinterereiben/ welche mit ihren Speeren grossen Schaden getahn/ und etliche tausend Sattelloß gemacht hatten/ nunmehr aber unter ihres Haͤupts auführung das Schwert rechtschaffen gebraucheten/ daher Madates fast in eine Raserey geriet/ auff Herkules selbst ansetzete/ und den Kampf verwaͤgen gnug mit ihm auffnam/ aber es waͤhrete nicht lange da ward er nach zimlicher Verwundung ge- fangen genommen/ und nach dem Lager geschicket. Pharnabazus hatte mit Schmerzen geharret/ seinen Muht an den Feinden zu kuͤhlen/ überfiel auch die ihm entgegen geschicke- te dergestalt daß sie zu weichen gedrungen wurden/ gleich da Herkules und Ladisla von bey- den Seiten ansetzeten/ uñ ein solches schrecken in die Feinde brachten/ daß sie schon begun- ten umb Gnade zu ruffen; aber Pharnabazus setzete von hinten immer hinein/ so verstop- seten auch alle Persen ihre Ohren/ und schlugen ohn Barmherzigkeit alles Tod/ was in Waffen wahr/ weil sie wegen der erbaͤrmlichen Landes verwuͤstung gar zu hart erzürnet wahren/ daher dieses grosse Heer so gar auffgerieben ward/ dz auch nicht ein einziger Boh- te davon kam/ der diese Zeitung haͤtte nachsagen moͤgen. Des Feindes Lager wahr von dem Troß und anderen Mitlaͤuffern besetzet/ welche dem Raube nachstelleten/ und muste Abulites mit 2000 Reutern dahin gehen/ uñ verwehren/ daß kein einziger davon entlieffe; zwar es hatten sich in die 300 auff Wagenpferde gesetzet/ in Meinung/ davon zukommen/ aber sie wurden alle eingehohlet und nidergemacht/ die im Lager gefangen genommen/ uñ darauff die algemeine Plunderung auff der Wahlstat gehalten/ was aber im Lager gefun- den ward/ von Wagen/ Pferden/ Gelde/ und überaus grossem Raube/ welchen sie zusam- men geschleppet hatten/ ward alles verwahret/ daß es Artaxerxes geliefert wuͤrde. Nach erhaltenem Siege/ danketen Herkules und Ladisla ihrem Gott vor seinen gnaͤdigen Schuz/ hernach ließ Ladisla sich verbinden/ weil er etliche Wunden in der Schlacht/ insonderheit von den 20 Rittern empfangẽ hatte/ und muste ein jeder Obrister seine erschlagene anmel- den: Abulites missete 1600/ Gallus 300/ Ladisla 1500/ Pharnabazus 260/ und Herkules 300 Mann/ uͤberal auff diesem ganzen Zuge 4000 Reuter/ dahingegen das Parthische Heer 40000 stark auffgerieben wahr. Herkules ließ Madates samt den 20 Rittern vor sich fodern/ und redete sie mit zornigem Gefichte also an: Saget mir Madates/ und ihr alle miteinander/ was vor unredlichen Wiederdrieß oder unbillichen Schimpfhaben Koͤnig Ladisla und ich Groß Fuͤrst Herkules euch jemahls bewiesen/ daß ihr hindangesetzet unsers standes Hocheit/ euch unterstehen duͤrffet/ uns als Schuelknabẽ/ zugreiffen/ uñ der Zucht- Ruhten zu uͤbergeben? Ich meine ja/ wir haben vordißmahl/ und schon zuvor eine gute be- wehrung abgeleget/ daß wir der Ruhten entwachsen sind/ und ihr düꝛffet euch noch anmas- sen/ wil nicht sagen/ Fuͤrsten/ sondern Ritter und Feld Obristen nach der Staͤupruhte hin- zufuͤhren? Diese wunderten sich/ woher den unsern solches kund waͤhre/ weil es von ihnen in hoͤchsteꝛ geheim war gehalten worden/ und durfte ihrer keiner Antwort drauff geben/ daher Vierdes Buch. daher Ladisla zu ihnen sagete: So wirdiget ihr uͤberdaß uns noch keiner Antwort? Mada- tes bistu ein redlicher Ritter/ so melde Ursachen an/ oder ich werde dich als einen Verraͤh- ter dem Diebshenker uͤbergeben. Dieser war wegen der empfangenẽ Wunde etwas mat/ und antwortete mit schwacher Stimme: Ich bin ein Diener meines grossen Koͤniges/ von dessen Anordnung ich keine Rechenschaft zu geben habe/ und ob ich mich unterstandẽ haͤtte/ meines Koͤniges abgesagte Feinde zu fahen/ würde mir solches kein redlicher Ritteꝛ verdenken; von Ruhten aber weiß ich nichts/ habe es vielweniger angestellet/ und moͤgen solches verantworten/ die dessen mit fuge und Warheit koͤnnen beschuldiget werden/ wie- wol ich nimmermehr traue/ daß ein einziger von diesen gefangenen Rittern Wissenschaft davon habe. Es müste mir lieb seyn/ sagte Herkules wann ihr Madates/ euch dieser Be- schuldigung entbrechen koͤntet/ dann so wuͤrde ich Ursach haben/ euch Gnade als einem guten Ritter zuerzeigen; aber daß ihr zugleich diese eure Mitgefangenen entschuldiget/ se- tzet euch in grossen Verdacht/ massen dieser ihr schelmisches Vornehmen uns viel zu wol bewust ist/ und sol eine Folter bald aus ihnen bringen/ was sie guͤtlich zubekennen sich we- gern wollen; jedoch wil ich euch hoͤren lassen/ was ich von euch schon vorgewiß weiß; saget mir/ welche unteꝛ euch sind die beyden/ so die groͤste Hoffnung gehabt/ über die versproche- ne 3000 Kronen/ noch die 24000 zuverdienen/ und uns lebendig zu greiffen? Diese sahen daß der Anschlag verrahten wahr/ gaben vor/ sie waͤhren ihres Koͤniges Diener/ dessen Befehl sie gehorsamen muͤsten. O ihr unredliche Schelmen/ sagte Ladisla/ seid ihr dann solche Diener/ daß ungeachtet eures Ritterstandes ihr zu dergleichen unverantwortlichen Bubenstuͤcken euch gebrauchen lasset? saget mir aber/ ob Madates hieran so gar unschul- dig sey. Die Gefangenen hoffeten/ man wuͤrde gelinder mit ihnen verfahren/ wann sie die Warheit bekeñeten/ oder sonst Madates Mit-Schuld kund wuͤrde/ bahten doch sehr/ man moͤchte nicht in sie dringen/ wieder ihren Feld Herrn zu zeugen/ es wuͤrde derselbe wol an- zeigen/ wie es stuͤnde. Ja/ sagte Herkules/ wir erwarten/ was er vorbringen werde/ nach- dem uns ohn daß alles gnug bewust ist. Dieser fing an/ ob er gleich nicht ersiñen koͤnte/ wo- her ihnen diese Heimligkeit kund getahn waͤhre/ wolte er doch gerade zu beichten/ daß sichs also verhielte/ er auch Wissenschaft darumb gehabt/ und seines Koͤniges Befehl gnug be- weisenkoͤnte/ der ihn als einen Diener schon entschuldigen wuͤrde/ als einen zum Gehor- sam verbundenen. Wolan/ sagte Ladisla/ wer sich dann unterfaͤhet/ seines Hern Schelm- stuͤcken zuverrichten/ der sol und muß auch billig davor leiden; sprach ihnen hiemit die Ur- tel/ daß sie alle miteinander von dem Buͤttel umb die Lenden biß auffs Blut solten gestrie- chen werden; Woruͤber Madates sich entsetzete/ und begehren durfte/ daß man mit ihm als mit einem gefangenen Feld Herrn/ umbgehen solte. Aber Pharnabazus gab ihm zur Antwort: O du Schandflek aller morgenlaͤndischen Ritterschaft/ wer hat dich gelehret/ mit Koͤnigen und Groß Fuͤrsten dergestalt umbzugehen? ja wer hat dir Leben oder Frey- heit versprochen/ demnach du streitend gefangen bist? Also ward Tyriotes bestellet/ etliche Steckenknechte herzufodern/ welche alsbald die Rache volstrecketen/ ob gleich Madates und sie alle miteinander viel lieber das Leben eingebuͤsset haͤtten. Herkules/ so bald alle An- wesende Abtrit genommen/ redet mit Ladisla und Pharnabazus/ es waͤhre nunmehr hohe Zeit/ daß er sich nach Charas verfuͤgete/ das Fraͤulein loßzumachen/ weil nicht so gar viel Wochen Vierdes Buch. Wochen von dem versprochenen Beylager mehr uͤbrig waͤhren/ bestellete/ daß die Gefan- genen drey Tage angehalten wuͤrden/ und verließ mit ihnen/ daß inwendig drey Wochen er mit Gottes Huͤlffe wieder bey ihnen seyn/ oder seinen Zustand ihnen uͤberschreiben wolte. Ladisla haͤtte sich ungerne von ihm trennen lassen/ doch weil er merkete/ daß Herku- les ihn mitzunehmen nicht willens wahr/ und überdaß seine Wunden zu schlim wahren/ Tag und Nacht auff schnellen Pferden zu reiten/ gab er sich zufrieden. Herkules nam sei- nen Gallus und zween Persische/ der Parthischen Sprache wolerfahrne aͤdelknaben zu sich/ gab ihnen schnelle Laͤuffer/ und nach eingenommener Mahlzeit begab er sich noch des- selben Tages in Gottes Nahmen mit ihnen auff den Weg/ da er an vielen Orten gegen seine Wiederkunft auff den Herbergen frische Pferde auff sechs Menschen bestellete/ und allenthalben Geld genug auff die Hand gabe/ unter diesem einwenden/ daß er in Koͤnigl. Diensten ritte/ da gleichwol alles in Gallus/ als des aͤltesten/ uñ vermeineten Herrn Nah- men geschahe. Ladisla aber und Pharnabazus führeten das Sieghafte Heer mit der uͤber- aus grossen Beute wieder nach Persepolis/ nahmen alle im Lager Gefangene vor Leibeige- ue mit sich/ und musten Madates samt den 20 Rittern in etlichen uͤberbliebenen Reuter Huͤtten von 50 Reutern biß an den dritten Tag verwahret werden/ da man ihm hernach ein schindicht Pferd zu reiten gab/ und seine 20 gefaͤrten zu Fusse neben ihm daher lieffen. Ohngefehr fuͤnff Tage vor dieser Zeit kam Leches zu Korinth an/ woselbst er anlen- den muste/ weil sein Schiff an einer Klippen schaden genom̄en hatte. Markus ritte gleich dazumahl am gestade daselbst mit seiner Euphrosynen zur Lust umbher/ sah en ihn aus dem Schiffe steigen/ und wurden durch seine Ankunft teils erfreuet/ teils furchtsam gemacht/ weil sie weder Ladisla noch Fabius bey ihm sahen/ ritten eilig zu ihm/ uñ nach freundlichem umbsahen frageten sie/ wo er seine Gnn. Herren gelassen haͤtte. Weit von hinnen/ antwor- tete er/ doch in hohen Ehren und gutem Wolstande; habe aber wenig Zeit mich alhie auf- zuhalten/ nachdem auff meiner Eile viel haftet. Also ließ er die Guͤter aus dem schadhaff- ten Schiffe in ein anderes bringen/ inzwischen sich Markus mit seiner liebesten beredete/ in Geselschaft mit nach Padua zu fahren/ hohlete auch alsbald seine Rustung/ Kleider uñ eine zimliche Baarschafft samt vielen Kleinoten aus der Stad/ und segelten froͤlich dahin mit erwuͤnschtem Winde/ da ihnen Leches allen Verlauff erzaͤhlete. Markus und Euphro- syne erlustigten sich sehr an solchen geschichten/ und vertrieben die Zeit mit mannicherley Gespraͤch/ biß sie in kurzer frist in dem naͤhesten Hafen hinter Padua anlangeten/ die Guͤ- ter auff Wagen packeten/ und bey Nachtzeit nach Padua ritten/ daß sie fruͤh Morgens bey eroͤffnung der Tohre ihren Einzug hielten. Neda als Obristwachtmeister besetzete gleich die Posten/ und ward Leches seines lieben Freundes unter dem Tohr gewahr/ von dem er doch nicht wied er erkennet wurde/ weil er alsbald sein Angesicht mit dem Mantel verhuͤlle- te/ und hinter Markus als ein Diener her ritte/ welcher von Neda gerechtfertiget ward/ woher er kaͤhme/ was vor Sachen er auff den Wagen fuͤhrete/ und wo sie abzulegen ge- daͤchten; bekam aber zur Antwort: Er waͤhre des Obristen Klodius guter Frennd/ und kaͤhme von Korinth/ ihn zubesuchen; die Wagen haͤtten freie Guͤter geladen/ welche dem Stathalter solten geliefert werden. Bald gedachte Neda er wuͤrde der Markus seyn/ von dem er so oft hatte reden hoͤren/ und sagete: Es wird mein Herr/ dafern ich nicht irre/ die- N n n n n ses Vierdes Buch. ses Orts nicht allein bey meinem Obristen/ sondern auch bey hoͤhern Leuten sehr wilkom- men seyn. Leches wunderte sich hoͤchlich/ wie Neda sich in Roͤmische Dienste begeben haͤtte/ dann Markus hatte ihm von seiner Anwesenheit nichts gemeldet/ wiewol ihm alles zuge- schrieben wahr; gedachte endlich/ er wuͤrde von der Koͤnigin hergeschicket seyn/ Fr. So- phien auffzuwarten; wolte sich demnach vor ihm nicht laͤnger verbergen/ sondern sagte zu ihm: Wie dann/ mein Bruder/ werde ich dann an diesem Orte so gar unangenehm seyn? Neda sahe ihn an und erstarrete/ bald aber fiel er ihn umb den Leib/ sprechend: O mein wer- ther Freund und Bruder/ wie angenehm ist mir deine liebe/ wiewol unvermuhtliche Ge- genwart/ da es sonst unserm Koͤnige und Fraͤulein noch wol ergehet. Da ich von ihnen ge- schieden bin/ antwortete er/ habe ich sie gelassen/ da ihnen nicht gar uͤbel wahr/ wovon her- nach wird zureden seyn; biß aber gebehten/ und melde uns so bald nicht/ dann wir wollen/ umb einen kleinen Auffzug zumachen/ uns nicht so bald zuerkennen geben. Eben das sol mir lieb mit seyn/ antwortete er/ kehrete auch in aller stille mit ihm in die Herberge/ in wel- cher er vor diesem von Libussen wegen seiner Brelen so artig auffgezogen wahr/ und fiel ihm geschwinde ein/ er wolte ihr diesen Morgen alles gedoppelt wieder einbringen; ging ohn fernern Verzug nach ihrem Gemache/ und fand sie mit seiner Liebsten in einem Bette liegen und ein freundliches Gespraͤch halten/ welches eben von Leches wahr/ da Libussa je- ner klagete/ sie haͤtte einen gefaͤhrlichen Traum von ihm gehabt/ wolte nicht hoffen/ daß ihm in der fremde ein sonderlicher Unfall zugestossen waͤhre. Neda lauschete an der Tuͤhr/ und vernam ihre Reden/ welche zu seinem Vorhaben nicht undienlich wahren/ ließ sichs doch nicht merken/ sondern klopffete leise an die Tuͤhr/ welche von einer Dienerin bald geoͤffnet ward/ weil sie meynete/ es waͤhre irgend eine des Frauenzimmers; nachdem sie aber Neda sahe/ wolte sie die Kammer wieder versperren; aber er wahr zu behende darzwischen/ trat hinein/ und nach volbrachtem Grusse baht er seines unzeitigen besuchens Verzeihung. Libussa/ so vorne an schlieff/ fragete/ was die ursach seiner Ankunfft und traurigen Gesich- tes waͤhre? Worauf er zur Antwort gab: Er waͤhre zugleich froh und betruͤbt; froh wegen guter Zeitung von Koͤnig Ladisla und dem Fraͤulein; betruͤbt wegen einer Neben Zeitung/ mit welcher er sie ungerne betruͤbete. O ihr Goͤtter/ sagte sie hierauff; gewißlich ist mein Leches tod! Nein nein/ antwortete er/ nicht so schlim/ er lebet noch/ aber es ist etwas wun- derlich umb ihn beschaffen. Libussa wahr sehr bekümmert/ wuste nicht/ was sie aus so tun- keler Rede schliessen solte/ und baht/ er moͤchte ihr die Angst benehmen/ oder nur klar aus- beichten/ damit sie erfuͤhre/ was das grausame Gluͤk mit ihr im Sinne haͤtte. Ach/ sagte er/ weil es euch ja muß gesaget werden/ ist mirs leid/ daß ich der ungenehme Brieftraͤger seyn sol. Aus dieser Rede schloß sie vor gewiß/ er wuͤrde schon tod seyn/ daher belief ihr das Herz/ daß alle ihre Geister stehen blieben/ und ihr das Gesicht samt der Sprache verging. Jungfer Brela solches ersehend/ machete sich bald auff/ und trieb sie der Schrecken und die Angst so sehr/ daß sie ihrer Bloͤsse vergessend/ sich im Bette auffrichtete/ und Libussen mit Neda Hülffe so lange ruͤttelte/ biß sie zu ihr selber kam. Es wahr ihm zwar diese Oh- macht leid/ und fand doch eine Vergnuͤgung wegen ehmahl erlittener Angst/ troͤstete sie nit desto minder auffs beste/ nebest getahner Versicherung/ Leches waͤhre annoch frisch und gesund/ aber hart gesangen/ nicht umb Mord oder Ubeltaht/ sondern bloß umb Liebe willen. Wie Vierdes Buch. Wie dann? sagte sie/ hat er sich etwa in ungebuͤhrlicher Liebe vergangẽ/ so wird meine Hul- de bald auffgeruffen seyn. Nein geliebte Wase/ antwortete er/ ihr verstehet mich unrecht; Er ist von einer vornehmen adelichen Witwen in Bestreitung ihrer Feinde gebraucht worden/ da er sich dermassen tapffer gehalten/ daß er mit froͤlichem Siege bey ihr auff ih- rem Schlosse angelanget/ und sie nicht allein ihm treffliche Verehrungen getahn/ sondern mit diesen Worten angeredet: Manhasster Ritter/ eure Bedienungen sind so groß/ daß ich fast nicht weiß/ auff was gestalt ich dieselben vergelten koͤnne/ habe mich demnach erklaͤ- ret/ euch zum Herrn aller meiner Guͤter zumachen/ und vor meinen Eheliebesten zuerkie- sen/ nicht zweifelnd/ ihr werdet solches erbieten von mir annehmen/ und hinfuͤhro euch nicht anders als ein Ehegatte gegen mich verhalten. Das muß ein kuͤhnes Weib seyn/ sagte Bꝛe- la/ die mit solcher Frecheit sich einem Ritter darbeut. Er fuhr fort in seiner Rede: Leches haͤtte mit aller Hoͤfligkeit solches ablehnen wollen/ als schaͤtzete er sich so hoher Gunst un- wirdig/ auch allerhand Ausfluͤchte gesucht/ biß endlich die Frau es vor eine Verhoͤhnung ausgedeutet/ und zu ihm gesagt: Ritter/ nachdem ihr nicht allein meine Feinde uͤberwun- den/ sondern uͤberdas mich selbst euch untertahn gemacht/ sollet ihr keine Unwirdigkeit vor- schuͤtzen/ in Betrachtung/ ich euch wirdig davor erkenne/ es waͤhre dann/ daß ihr es zu mei- ner Verachtung taͤhtet. Als nun Leches sich hierauff nach ihrem Willen nicht haͤtte wollen vernehmen lassen/ sondern vorgewand/ er muͤste seiner Eltern bewilligung zuvor einhohlẽ/ als unter deren Gewalt er waͤhre; haͤtte die Frau ihn in ein wolgeziertes Gemach versper- ren lassen/ da ihm mit koͤstlicher Speise und Trank auffgewartet wuͤrde/ biß er in die Hey- raht einwilligte/ oder sein leztes entschuldigen darlegete/ daß er mit einer Adelichen Jung- fer schon ehelich versprochen/ nicht mehr sein eigen waͤhre/ sondern lieber sterben/ als diese gegebene Traͤue brechen wolte; dann sie koͤnte ihm solches nicht zutrauen/ es waͤhre dann/ daß seine Liebste selbst kaͤhme/ und sich ihr zeigete/ alsdann wolte sie nicht allein ihn gerne er- lassen/ sondern diese seine gewuͤnschete Heyraht zubefodern/ das Beylager praͤchtig aus- richten/ und auff ihren toͤdlichen Hintrit ihn zum Erben aller ihrer Guͤter einsetzen. Ach/ sagte Libussa/ hat euch Leches solches dann geschrieben? Nein antwortete er/ nicht mir/ son- dern Herrn Markus zu Korinth/ und nach Erzaͤhlung alles Verlauffs den Brieff mit die- sen Worten geschlossen: Weil ich dann meiner herzgeliebeten Jungfer Libussen diese be- schwerliche Reise nicht anmuhten kan noch mag/ wollet ihr dieselbe versichern/ daß zu Be- zeugung meiner aufrichtigen Traͤue ich in diesem Gefaͤngniß mein Leben zuenden entschlos- sen bin/ spreche sie der mir beschehenen Zusage ledig und loß/ und wuͤnsche/ Gott wolle ihr in kuͤnfftiger ihrer Liebe bessern Fortgang verleihen/ als mir leider wiederfahren ist. Sehet geliebte Wase/ solche Beschaffenheit hat es umb euren Leches/ dessen Leben und Tod/ mei- nes ermessens nunmehr allein in euren Haͤnden stehet. Libussa ließ die Traͤhnen haͤuffig fal- len/ und beklagete sehr/ daß ihr Leches in diese Wiederwertigkeit gerahten waͤhre/ fragete endlich/ in was Landschafft es dann waͤhre. Das Land/ sagte er/ wird Oenotria geheissen/ lieget nicht weit von einem Meer/ und wolte ich euch gerne dahin begleiten/ dafern ihr ihm die Barmherzigkeit erzeigen/ und zur Vergeltung seiner Traͤue des Weges Ungelegen- heit uͤber euch nehmen woltet. Ja Vetter/ sagte sie/ wollet ihr mit mir reisen/ wann meine Wase es zugeben kan/ wil ich mich noch diesen Tag fertig machen. Brela betrachtete/ daß N n n n n ij ihre Vierdes Buch. ihre angelobete Trauerzeit nunmehr zum Ende gelauffen/ und schon zimliche Zurüstung auff das Beylager gemacht waͤhre/ daher sie lieber die Reise in etwas auffgeschoben haͤtte/ durffte doch Scham halber nicht dawider reden/ sondern gab vor/ es waͤhre ihr lieb/ daß er ihrem Vetter zudienen/ sich so willig anerboͤhte/ baht demnach/ er moͤchte unbeschwert einẽ geringen Abtrit nehmen/ biß sie sich bekleidet haͤtten. Sehr gerne/ antwortete er/ aber ihr wollet ja nicht seumen/ dann ich sage euch in hoͤchstem Vertrauen/ daß Herr Markus mit seiner Euphrosynen diesen Morgen alhie heimlich angelanget/ und sich nicht anmelden wollen/ biß sie Herrn Klodius und Fr. Agathen ohngefehr werden gesprochen haben. Ey/ sagte Brela/ die gute Frau hat mir grosse Freundschafft erwiesen/ und ist mir lieb/ daß ich sie sprechen sol. Libussa ließ Agathen zu sich bitten/ mit ihr hinzugen/ und solte inzwischen Brela sich nach Fr. Sophien machen/ ihr Leches Unfall und Libussen noͤhtige Reise anzu- melden. Agatha wahr schon von Neda unterrichtet/ wie sie sich gegen sie verhalten solte/ und ging er mit Klodius hin nach der Herberge/ da das wilkommen heissen zimlich anhielt. Libussa folgete bald hernach mit Agathen/ und sahe ihren Leches/ so bald sie ins Gemach trat/ bey Neda hinter dem Tische sitzen/ woruͤber sie gar erstarrete/ Neda aber geschwinde zu ihr sagete: Verzeihet mir Wase/ daß ich die Angst/ mir vor diesem auff eben diesen Zim- mer angetahn/ mit jetziger unvermuhtlichen Freude ersetzen wollen. Der Posse haͤtte ihr schier zu herbe gedaucht/ doch weil sie durch ihres Liebsten gegenwart der vorigen Ohmacht gnug ergetzet ward/ sagte sie zu Neda: Versichert Vetter/ ich schenke euch diesen Saznit/ es koste wz es wolle Leches ließ sie nit weiter reden/ trat hinzu/ uñ meldete ihr Ladisla/ Herkules/ Valisken und Gallus Gruß an; Sie wolte ihm anfangs nicht danken/ viel weniger ihn wilkom̃en heissen/ meynete/ er haͤtte diese Aufftreiberey mit Neda angelegt/ welcher solches merkend/ zu ihr sagte: Wase/ tuht eurem Ritter keinen Schimpf/ er hat des ergangenen nit die allergeringste Wissenschaft. So seyd mir wilkom̃en Ritter Leches/ sagte sie/ uñ helffet mit drauff bedacht seyn/ wie ich mich ehist an diesem raͤche/ der mich heut diesen Morgẽ in Oh- macht und Traͤhnẽ baden gemacht/ nur daß er seine Kurzweil daran haben/ und durch mei- ner Seelen Angst sich erfreuen moͤchte. Geliebte Wase/ antwortete Neda/ habt ihr meine Reden ungleich verstanden/ davor kan ich nicht buͤssen/ wann ich aber dartuhe/ und mein Bruder Leches selbst gestehet/ daß ich die Warheit geredet/ wollet ihr mir alsdañ auch ver- zeihen? Wie nun? sagte sie/ wollet ihr mich darzu noch mit sehenden Augen blind/ und mit hoͤrenden Ohren taub machen? Leches verstund ihr Gezaͤnke nicht/ biß sie drey absonders traten/ und Neda zu ihm sagete: Geliebter Bruder/ ich habe heut deiner vertraueten ange- meldet/ wie in so grossem liebes Leiden du steckest/ aus welchem niemandd als sie allein dich loß machen koͤnne/ welches ich unter verbluͤmeter Rede vorgetragen/ deren sie sonsten sich gar artig zugebrauchen weiß/ und hat sich doch heut so wenig drein schicken koͤnnen/ daß ich mich ihrer Einfalt verwundern muͤssen; nun bedenket/ geliebte Wase/ was ihr noch heut zu leisten mir versprochen/ und werdet nicht ruͤkfaͤllig. Libussa kunte nunmehr nachsinnen/ daß er unter der Witwen die liebes Angst und das Verlangen haͤtte andeuten wollen/ welches ihren Leches biß auff ihre Rettung gefangen hielte/ weil es aber nicht nach den be- schrankten Satzungen der Gleichnisreden von ihm vorgebracht wahr/ sagte sie zu ihm: Vetter Neda/ man muß die Verbluͤmung nicht mit gar zu fremden Farben anstreichen/ sonst Vierdes Buch. sonst muß mans vielmehr vor ein ungereimtes Geticht als kurzweilige Erfindung außle- gen; meine Zusage betreffend/ ist selbe so beschaffen/ daß ich sie gar wol halten kan/ gestalt- sam ich auff heut nichts als den Anfang versprochen habe. Sehr wol geredet/ sagte er/ uñ sey heut der Anfang/ uͤber achtzig Jahr aber das Ende. Libussa antwortete: Ich habe jezt noͤhtigere Sachen zu handeln/ als mit euch zu zanken/ aber ich binde euch bey Verlust mei- ner Freundschaft ein/ daß ihr den heutigen Verlauff niemand ohn Leches wissen lasset. Gleich hiemit fiel ihr ein/ daß Brela hingangen wahr/ es Fr. Sophien als eine Warheit anzutragen/ sendete deßwegen Fr. Agathen Leibdienerin zu ihr/ und ließ ihr sagen was Ne- da ihr heut vorgebracht/ waͤhre ein lauteres Getichte. Jene aber hatte es dem ganzen ho- hen Frauenzimmer schon kund getahn/ und entstund daruͤber ein zimliches Gelaͤchter. Li- bussa trat endlich hin zu Markus und dessen Eheliebsten/ hieß sie wilkommen/ uñ endschul- digte sich/ wegen des langen verweilens/ woran Neda die Schuld truͤge. Es wahr aber ihr Gespraͤch kurz/ dañ Neda schaffete bald/ daß Leches wieder mit ihr allein zu reden kam; derselbe wuste nun das Gaben und Geschenke wie ein luftiger Wind die Liebe auffblasen/ lieferte ihr demnach einen koͤstlichen Ring/ den er zu Ekbatana/ hatte machen lassen/ welchẽ sie mit erbietung aller moͤglichen Vergeltung zu sich nam; er aber ihr zur Antwort gab: Was erbeut sich meine Freundin zur Vergeltung eines so schlechten Dinges? ich bitte sie wolle vielmehr mein Herz betrachten/ und dasselbe in Ruhe zusetzen ihr lassen angelegen seyn/ sich auch versichern/ daß kein Tag eurer lieblichen Betrachtung mich berauben koͤn- nen/ welche doch mit steter Unruhe vermischet gewesen/ und noch wol verbleiben wird/ da- fern sie mich zum andernmahle ohn gehaltenem Beylager wuͤrde zihen lassen/ welches zu verbitten/ ich mich aller guten Freunde Beystand gebrauchen wil. Sie wahr seiner auff- richtigen Liebe gnug versichert/ auch nicht abgeneiget die Hochzeit zu volstrecken/ nur baht sie ihn/ sich wenige Tage zugedulden/ ihr Vetter Neda wuͤrde des fuͤnfften Tages nach die- sem mit Brelen fortfahren/ da sie/ wann es ihm ja also gefiele/ ein gleiches tuhn koͤnten/ und solche Eile mit seiner hochnoͤhtigen Reise entschuldigen. Ich bedanke mich vor diese Ein- willigung/ sagte Leches/ wolte mich auch gerne biß dahin gedulden/ dafern meine Reise nit so eilig waͤhre/ dann ich muß Morgen zeitig fruͤh weiter fort nach Prag/ und alsbald wie- der nach Persenland/ so daß unter Jahrsfrist ich schwerlich alhie wieder anlangen werde. Daß sind mir leidige Zeitungen/ antwortete sie/ deren ich mich nicht vermuhten wahr/ uñ daher auff euer begehren mich umb so viel weniger zuerklaͤren weiß/ wollet demnach mit meinem guten Willen friedlich seyn/ biß das Gluͤk uns Zeit goͤnnen wird/ unseren Willen zu vergnuͤgen/ alsdann sol euch das versprochene von mir unbruͤchig gehalten werden/ wann ich gleich noch manniches Jahr eurer Wiederkunft erwarten muͤste; weil aber von der Liebe zu reden hie keine Gelegenheit ist/ wollet ihr mir verzeihen/ daß ich einen kurzen Abtrit nehme/ umb Fr. Sophien und dem Stathalter eure Ankunft anzumelden. Ging hiemit eilend hin/ fand das Frauenzimmer noch beyeinander/ und ward von ihnen mit ei- nem Gelaͤchter empfangen. Sie aber kehrete sich daran gar nichts/ sondern sagte zu Frau Sophien: Gn. Frau/ ich fodere von eurer Gn. ein gutes Bohtenlohn vor die froͤliche Zeitung so ich bringe. Was vor Zeitung geliebte Freundin/ antwortete sie/ hat sichs etwa mit meines Bruders Soͤhnlein diese Nacht gebessert? Die Krankheit ist nicht zum Tode/ N n n n n iij sagte Vierdes Buch. sagte sie/ sondern ich bringe gute Zeitung von eurem Herzen-Schatze Ladisia/ der ist Gott Lob frisch und gesund. Woher komt euch so angenehme Zeittung? fragete sie: Aus dem weit abgelegenen Persenlande/ antwortete Libussa/ und ist der Bohte glaubwirdig gnug/ dann Ritter Leches ist diesen Morgen selbst ankommen/ unserer Helden zustandes uns zu- berichten/ weiß doch nicht/ ob er Gelder bringe oder ablangen wolle. Lasset immer ablan- gen/ sagte sie/ wann die unsern nur frisch und gesund sind; wir werden aber hingehen und meinem H. Vater diese Freude mitteilen. Libussa sagete/ ich habe euer Gn. noch nicht al- les kund getahn/ Herr Markus und Fr. Euphrosyne sind mit ihm kommen/ die eine schoͤne verstaͤndige Frau ist/ und sich wol zuschicken weiß/ auch in Kleidern sich gar zierlich haͤlt. Ey so muͤssen wir uns auch ein wenig auffputzen/ sagte sie/ wollet demnach meinem Herr Vater ihre Ankunft ansagen. Aber Leches und Markus erwarteten dessen nicht/ sondern gingen unangemeldet mit Klodius und Neda nach der Burg/ da sie von ihm wol empfan- gen wurden. Nach verlauff einer halben Stunde kam Fr. Euphrosyne mit Fr. Agathen auch herzu/ und ward von dem Frauenzimmer nach geschehenem freundlichen wilkom̄en auff den Saal gefuͤhret/ da inzwischen die Wagen auff dem grossen Vorhofe die treflichẽ Schaͤtze abluden/ die von den Dienern auff besondere Gemaͤcher getragen wurden. Sie verwunderten sich alle/ was in so vielen Truhen und Laden seyn moͤchte/ biß Leches also an- fing: Es haben meine gnaͤdigste Herren/ Koͤnig Ladisla und Groß Fuͤrst Herkules/ auch meingnaͤdigstes Fraͤulein Valiska mir gnaͤdigst anbefohlen/ allen und jeden gebuͤhrlichen Gruß zuvermelden/ und beygelegte Brieffe zu uͤbergeben. Reichete hiemit dem Stathal- ter zween/ einen von Ladisla/ den andern von Herkules; der sie ohn verweilen brach und froͤlich durch lase. Ladisla Schreiben wahr dieses: Mein Herr Vater; ich hoffe zu dem Al- maͤchtigen Gott/ eure Gn. neben meiner herzgeliebeten Fr. Mutter werde annoch in guter Gesund- heit leben; uns dieses Orts/ hat unser Gott durch manniche Gefahr selbst geleitet/ und endlich meine Frl. Schwester uns auff ihrem kostbahren Schlosse schen lassen/ geleben der guten Hoffnung/ sie in kurzen aus des schnoͤden Wuͤterichs/ Koͤniges Artabanus Haͤnden loßzureissen/ und ihm d ie Kron dergestalt zu schuͤtteln/ daß dem Roͤmischen Reiche er forthin wenig schaden sol. Daß mein geliebter Bruder Fabius nicht geschrieben/ ist die Ursach/ daß er mit einer starken Geschwade von hinnen nach Persepolis gangen ist/ auff unsere Ankunft gute anstalt zu machen/ duͤrfftẽ vielleicht den Parther ehist mit Feur und Schwert angreiffen/ wovon Zeiger Leches/ anjetzo bestalter Persischer Obrister zu Roß und Fuß gute nachricht geben wird. Womit ich schliesse/ uñ nebest empfelung dem starken schutze Got- tes verbleibe/ weil ich lebe/ meines Herrn Vaters bereitwilligster Sohn Ladisla. Geschrieben zu Cha- ras in der Parthischen Koͤniglichen Haͤuptstad am 28 Tage des Jenner Monats/ im Jahr nach er- bauung der Stad Rom 1177 im ersten Jahr nach dem 251 Olympischen Spiele. Herkules Schreiben lautete also: Hochansehnlicher Herr Stathalter/ als Vater zu ehren/ wegen schuldiger Auffwartung/ habe ich nicht unterlassen sollen/ mein geringes Schreiben an ihre Lie- be abgehen zu lassen/ hoffe dero guten Wolstand zuerfahren/ wie dann unsern hiemit zu wissen tuhe. Meine in ehren vertrauete Fraͤulein Valiska/ welche in ihrer starken Verwahrung viermahl zubesu- chen ich die grosse Ehre gehabt/ entbeut euer Liebe freundlichen Gruß/ und ob gleich der grosse Par- ther Koͤnig Artabanus sie ihm als ein schier kuͤnftiges Gemahl uñ Koͤnigin auffhalten laͤsset/ getraue ich doch durch meines Gottes Huͤlffe/ sie in weniger Zeit meinen hochgeliebten Freunden zu Padua als mein Gemahl darzustellen. Inzwischen sey eure Liebe nebest allen den ihren Goͤttlicher Obacht getraͤulichst empfohlen von euer Liebe bereitwilligstem Herkules. Geschrieben in der Parthischen Haͤuptstad Charas/ 760 Meile von Rom belegen. Nach Vierdes Buch. Nach verlesung lachete der Stathalter froͤlich/ und sagete: O du wahrhaftiger und keuscher Liebhaber; ich muchte wol gedenken/ das dein Herz und Seele durch dieser vor- treflichsten Fraͤulein Entführung nicht umbsonst so hart getroffen ward/ da du auff dieser Stelle durch solche Zeitung zur Erden nidergeschlagen wurdest. Wie so mein Herr Va- ter? sragete Fr. Sophia/ gestehet dann Herr Herkules nunmehr/ daß er verliebet? ja nit allein verliebet/ sagete er/ sondern auch verlobet. Wolte ihr damit den Brieff zu lesen rei- chen; aber Leches hatte schon drey andere Schreiben in der Hand/ welche er ihr im Nah- men ihres Gemahls/ Fraͤulein Valisken/ und Groß Fürst Herkules darbot/ und von ihr lachend erbrochen und verlesen wurden. Ladisla Schreiben an sein Gemahl: Herzgeliebeter Schaz: Wie heftig meiner Seele verlanget/ mich selbst bey ihr einzustellen/ wil die Zeit es doch nicht zugeben/ und muß bißdaher meine Schuldigkeit durch Schreiben und Bohten ablegen; mein wolergehen kan Leches außfuͤhrlich berich- ten/ und was mir vor Abenteur zugestossen sind. Herkules wird mit Gottes Huͤlffe seine nunmehr ge- standene Liebe gluͤklich erhalten/ dessen er schon einen guten Anfang gemacht/ duͤrfte auch leicht gesche- hen/ daß wir mehr Schaͤtze in diesen Laͤndern/ als in der Raͤuber Hoͤhle erstritten/ deren uns bereit wie- der unsern Willen viel angebohten werden. Ich hoffe/ Gott werde uns bald wiederumb zusammen bringen; inzwischen versichert euch/ daß kein Tag hingehet/ welcher nicht das Verlangen/ meinen al- lerwerdesten Schaz zu sehen/ in mir vermehren solte/ muß doch bißdahin mich gedulden/ und der lie- ben Zeit erwarten/ da sein herzgeliebtes Gemahl froͤlich wieder sehen und umbfangen wird/ deren ewig-ergebener Ladisla. Die liebes Traͤhnen flossen Fr. Sophien unter dem lesen aus den Augen/ und nach endigung sagte sie: Ich wil des guten Gluͤckes in geduld erwarten/ welches unsere ver- stoͤrete Freude wieder ergaͤnzen wird. Lase darauff Herkules folgenden Brieff. Hochgebohrne Fr. Schwester; mir zweiffelt/ ob ich mit meinem Schreiben angenehm seyn wer- de/ der ich mit Schuld daran trage/ daß eure Liebe von ihrem Herz vertraueten so lange mus geschie- den seyn/ wiewol dessen Nachfolge mir hoͤchlich mißfallen/ und ich wuͤnschen moͤchte/ daß er nebest ih- rem Herrn Bruder K. Fabius sich der Reise enthalten haͤtte; weil aber eines Menschen Wille der Versehung Gottes nicht wiederstreben noch entgegen murren sol/ wird meine Fr. Schwester ihre Sorge maͤssigen/ und in Hoffnung/ uns schier wiederzusprechen/ aller Traurigkeit urlaub geben. Mei- ne Frl. Wase/ Frl. Valiska ist unter andern Ursachen auch deßwegen ihrem verwacheten Schlosse feind/ daß sie der Kundschaft ihrer Fr. Schwester so lange entbehren muß. Sie wird von Koͤnig Arta- banus als Braut geliebet/ aber so lange ich lebe/ duͤrfte ihm das Beylager gewegert werden/ wann Gott nicht zuwieder ist/ dessen gnaͤdige Huͤlffe ich in kurzerzeit meiner Fr. Schwester muͤndlich zuer- zaͤhlen hoffe; Inmitt elst befehle dieselbe ich dem alwaltigen Gott/ bitte auch meine Frl. Schwester/ Frl. Sibyllen/ im gleichen Fr. Ursulen und Frl. Helenen meinetwegen Dienst- und ehrengebuͤhrlich zu gruͤssen/ verbleibend/ weil ich lebe/ meiner Fr. Schwester dienst-ergebener Knecht Herkul es. Der inniglich verliebete Herkules/ sagte sie zu den Anwesenden/ wil mir zwar nicht offentlich beichten/ und kan sich doch im Schreiben nicht so wol verstellen als vor diesem gegenwaͤrtig. Ja/ antwortete ihr Vater/ vielleicht ist er versichert/ daß die Augen/ so ihn auff diesem Saal so inniglich pflegeten anzuschauen/ und er selbe nicht in betruͤbnis setzen wolte/ dieses sein Schreiben nicht werden zu sehen bekommen; uͤber welcher Rede Fr. Sophia mit lachendem Munde ihre Wase Fraͤulein Sibyllen starre ansahe/ die ohn daß den Stich auff sich zohe/ und daher im ganzen Angesicht erroͤhtete; Sie verbarg sich aber hinter einem starken Niesen/ welches ihr zu allem gluͤk ankam/ worauff ein zimlicher Husten folge- Vierdes Buch. folgete/ so daß die Anwesende von diesem Gespraͤch abgezogen wurden/ und Fr. Sophia unverstoͤret den dritten Brieff/ also lautend/ lesen kunte. Die gefangene Valiska/ entbeut der Durch leuchtigsten Koͤnigin in Boͤhmen/ ihrer herzgelie- beten Fr. Schwester freundlichen Gruß/ und klaget/ daß sie nicht gnugsame Busse erdenken kan/ die unbilligkeit der Trennung ihrer Fr. Schwester von ihrem Gemahl/ deren sie Ursach ist/ abzutragen. Versichere meine Fr. Schwester sich kuͤhnlich/ daß mir das Leiden auch in etwas bekant ist/ welches die ferne Abwesenheit eines allerliebsten Schatzes in verliebeter Seele erwecket/ und ich umb so desto- mehr zur harten straffe mich selbst verurteile/ daher ich deren mich zu entbrechen nicht willens bin/ bit- te nur freundlich/ die Volstreckung auffzuschieben/ biß mein Gott und Schoͤpffer durch seine almaͤch- tige Gnade mich vor euer Liebe Gericht stellen wird/ wil alsdann/ was mein vertraueter Oheim/ Groß Fuͤrst Herkules/ und meine von Angesicht mir annoch unbekante Schwester Frl. Lukretie Pom- pejin/ als meine getraͤue Vorsprachen nicht werden abbitten koͤnnen/ gerne und geduldig uͤber mich nehmen/ wann nur eure Liebe die wolbefugete Rache bißdahin außzusetzen kan beredet werden; in- zwischen befehle eure Liebe ich der gewaltigen Obhuet Gottes zu aller ge d eiligkeit getraͤulichst/ und wie ich bin/ also verbleibe ich Zeit meines Lebens meiner herzgeliebeten Fr. Schwester ganz ergebene Dienerin Valiska/ jezo genennet Herkuliska. Gegeben auff meinem Koͤniglichen Schlosse/ vielmehr Zwaͤnger zu Charas. Frau Sophia betrachtete nach verlesung die zierlichen Buchstaben und artigen kunst Züge/ die kein Schreibmeister haͤtte nacharten koͤnnen/ fing endlich mit einer verwunde- rung an: O welch eine aͤdle Seele muß in dem Herzen dieser unvergleichlichen Fraͤulein wohnen/ daß in so überaus grossen Gefahr sie sich annoch ergetzen/ und dem Ungluͤk selbst troz bieten kan. Ja/ antwortete Leches/ mein gnaͤdigstes Fraͤulein hat durch ihren unüber- windlichen Muht es dahin gebracht/ daß Artabanus selbst sie fürchten muß/ und habe ich mit Augen angesehen/ daß in seiner Gegenwart sie einen vornehmen Parthischen Fürsten/ des Koͤniges naͤhesten Anverwanten erschossen/ umb daß er Herrn Herkules verraͤhteri- scher weise uͤber fiel/ und schier ermordet haͤtte. Daß sind gefaͤhrliche Zeitungen/ sagte Fr. Sophia; bitte aber/ uns die Freundschaft zuerzeigen/ und was mit unsern geliebten sich zu- getragen/ umbstaͤndlich zuerzaͤhlen/ welches ich noch vor Morgen sruͤh verschulden wil/ und ich darzu gute Gelegenheit habe. Libussa stund nicht weit davon/ merkete bald/ worauf sie zielete/ ließ sich doch nichts merken/ sondern hoͤrete fleissig zu/ weil Leches schon in voller Erzaͤhlung war/ da er alles anzeigete/ was mit ihnen so wol auff der Reise/ als zu Ekbatana und Charas sich zugetragen/ ohn Fabius Verlust und was ihr Christentuhm betraff; Und als er in zwo Stunden seine Rede geendiget hatte/ uͤbergab er Fr. Sophien die von Frl. Valisken ihr zugeschickete Kleinot in einem von Perlen-Mutter zusammen gesetzeten Laͤ- dichen/ welche sie uͤberaus kostbar befand; nachgehends reichete er Fr. Ursulen/ Frl. Si- byllen und Frl. Helenen/ (die herzugefodert war) absonderliche Paͤklein Kleinot in Her- kules Nahmen; Jungfer Brelen aber eine zimliche Lade mit 100000 Kronen angefuͤllet/ wahren die Gelder/ welche dem Fraͤulein zu Tyrus/ und Herkules in Kreta vorgeschossen wahren/ uñ wurden mit koͤstlichen Kleinoten hoch verzinset. Und ob gleich Brela vorwen- dete/ der groͤste Teil kaͤhme ihrer Wasen Libussen zu/ kehrete sich doch Leches daran nicht/ sondern zeigete an/ wie er schuldig waͤhre seines Gn. Herrn Befehl außzurichten. Wei- ters foderte er Fr. Euphrosynen vor sich/ haͤndigte ihr 60000 Kronen baar ein/ nebest vie- len schoͤnen Kleinoten/ und sagte: Fuͤrst Herkules wuͤste sich ihres ihm erzeigeten guten Willens Vierdes Buch. Willens wol zuerinnern/ wolte als ein dankbarer Schuldman das vorgestreckte vor diß- mahl ablegen/ und die gebuͤhrliche Dankbarkeit auff seine Ankunft auffschieben. Fr. Eu- phrosyne haͤtte sich dessen nicht versehen/ wegerte sich auch/ es anzunehmen; aber Markus/ dem Herkules Sinn bekant wahr/ sagete/ es waͤhre ein solches vergeblich/ uñ seinem gnaͤ- bigsten Herrn Herkules nichts unangenehmers/ als die Wegerung seiner angebotenen Gnade. Zulezt ließ Leches drey ansehnliche schoͤne Laden von treflicher Arbeit aus dem reinesten Hebenholz/ die er zu Tyrus gekauft hatte herzutragen/ und sagte zu Libussen; sehet hie meine in ehren vertrauete Freundin; unser allerseits gnaͤdigstes Fraͤulein hat mich mit leerer Hand nicht wollen lassen zu euch kommen/ sondern diesen Schaz/ benantlich drey Tonnen Goldes/ neben beygefuͤgeten Kleinoten mir zu gestellet/ euch dieselben als einen Beutpfennig ihret wegen mitzubringen/ werdet hieraus ihrer Gn. Gewogenheit erkeñen/ und alles zu eurem besten gebrauchen. Die Jungfer entsetzete sich vor solcher Freigebig- keit/ und fing mit traͤhnenden Augen an: O mein gnaͤdigstes Fraͤulein/ die ich in meiner Seele unverrukt trage/ womit hat euer Gn. unwirdigste Dienerin diese mehr als Koͤnigl. Geschenke verdienen koͤnnen? nun/ ich werde die Gedaͤchtnis dieser Gnade aus meinem Herzen nimmermehr kommen lassen. Wie? sagte Fr. Sophia/ seid ihr dann eurem Rit- ter vor gehabte Muͤhe und getraͤue Einlieferung nicht auch dankbar? gewißlich Ritter Leches/ ich werde nicht ruhen/ biß ihr mir Volmacht gebet/ den Tag eurer Heyraht zube- stimmen. Ich verbleibe meiner gnaͤdigsten Frau und Koͤnigin untertaͤhnigst-gehorsam- ster Diener/ antwortete er/ aber wann der heutige Tag es nicht seyn sol/ weiß ich selber nit/ welcher dazu kan bestimmet werden/ nachdem ich Morgen in aller fruͤhe auffbrechen/ und meine Werbung zu Prage verrichten mus. Libussa sahe/ daß das Spiel angefiedert ward/ und sagete: Keines weges/ Ritter Leches/ daß es heut geschehe/ dann ich habe verredet/ den einen Tag Hochzeit zu machen/ und den andern/ meinen Ehejunkern von mir zihen zu las- sen. Fr. Sophia hielt dieses vor ihren Ernst/ und zweiffelte/ ob sie aͤusserst in sie dringen duͤrfte; Aber Leches zog ein Schreiben hervor/ uñ sagete zu Libussen; sehet meine vertraue- te/ dz beste haͤtte ich schier unterlassen/ ihr zu liefern/ nehmlich dieses/ von unserm Gn. Frl. an euch geschrieben/ welches ihre Gn. mir zugeschikt/ gleich da ich abzihen wollen. Sie erkennete alsbald die Hand/ dann die Auffschrift wahr Teutsch/ und lautete also: Meiner lieben getraͤuen Kammer Jungfer/ Libussen/ dieses zu eigenen Haͤnden: Sie nahm den Brieff mit freuden an/ kuͤssete ihn/ und bald nach erbrechung lase sie diese Teutsche Worte: Herz liebes Kind/ ich verhalte dir als meiner allerheimlichst-Vertraueten nicht/ was gestalt mit meinem hoͤchst- und einig-geliebeten Herkules ich in meinem stark bewachetem Schlosse zu vier unterschiedlichenmahlen mich durch laͤngst begehrtes Liebes Gespraͤch ergetzet/ auch der Hoffnung zu dem einigen wahren Gott/ den ich nunmehr/ ihm allein sey Dank/ kenne/ gelebe/ es werde durch des- sen Gnade und Schickung mich mein Junigst-geliebeter schier frey und ledig machen/ worauff ich Tag und Nacht warte. O mein liebes Kind/ wie noͤhtig waͤhre mir eine Zeit her deine Geselschaft und Trost gewesen/ und wundere mich sehr/ wie ich mein Leben erhalten/ und vor Unmuht mich nicht selbst er- wuͤrget habe. Ich lebe anjezt in zimlicher Zufriedenheit/ aber weil meine Seele/ der teure Herkules gleich heut davon zihen wird/ und ich in Viertel Jahres-frist ihn kaum werde wieder zusehen bekom- men/ wird mein Kummer wieder angehen; jedoch habe ich gnug/ wann die Hoffnung mich erhaͤlt/ biß ich im freyen Felde auff schnellen Pferdẽ mich mit meinem Erloͤser befinden werde; alsdann wird Traurigkeit verschwinden/ und alles Ungluͤk vergessen seyn. Inzwischen lebe gesund biß uns Gott zu- O o o o o sam- Vierdes Buch. sammen fuͤget/ und bey Verlust aller meiner Hulde und Liebe/ gib alsbald meiner hoͤchstgeliebeten Fr. Schwester Fr. Sophien untergezeichnete Lateinsche Worte zuverlesen/ und halte zugleich bitlich an/ daß sie deren Inhalt zur schleunigsten Erfüllung gnaͤdig befodern wolle. Deine gnaͤdigst-gewogene Frl. Valiska. Sie gedachte/ was doch immermehr die unter gezeichneten Lateinischen Worte in sich begreiffen moͤchten/ und fand diesen Inhalt: Straks nach Verlesung dieses Briefes mache dich fertig/ mit deinem Leches noch desselben Tages Hochzeit zuhalten/ damit an seiner noͤhtigen Rei- se er nicht gehindert werde; und ob Leches zubloͤde seyn wuͤrde/ es zusuchen/ so bitte ich krafft dieses/ dz meiner Fr. Schwester ihre Liebe solches ins Werk richten wolle. Du aber huͤte dich vor Ungehorsam. Nach Verlesung dieses verenderte sie ihre Farbe/ und sagete uͤberlaut: O mein un- gnaͤdiges Fraͤulein/ was vor eine unertraͤgliche Last buͤrdet Eure Gn. mir auff. Fr. So- phia fragete sie/ was vor unangenehmes sie in diesem Briefe fuͤnde. Sie aber baht/ einen Abtrit mit ihr zunehmen/ und fing an: Gn. Frau/ wann mein Gn. Fraͤulein mich hiesse in den Tod gehen/ muͤste ich mich dessen nicht wegern; nun aber gebeut sie mir bey Verlust ih- rer Hulde/ welches die haͤrteste Straffe ist/ die mir kan gedraͤuet werden/ daß nicht allein Eurer Gn. ich diese Lateinische Worte lesen lassen/ sondern auch umb Befoderung zu de- ren Erfuͤllung bey derselben bitlich anhalten sol/ welches ich auch hiemit untertaͤhnig wil verrichtet haben/ nur daß Ihre Gn. es bey sich behalten moͤge. Fr. Sophia lase die Wor- te/ lachete daruͤber/ daß sie schuͤtterte/ fassete sie bey der Hand/ und sagte: Kommet meine liebe Freundin/ ich ersehe hieraus/ wie hohe Gewogenheit diese Durchl. Fraͤulein zu euch traͤget/ und wil ich der Sache schon ihre richtige masse geben; ging wieder mit ihr hin nach der Geselschafft/ und sagete: Was euch in diesem Briefe so selzam vorkomt/ wollen wir vor dißmahl aussetzen; Ich aber bestimme euch/ Ritter Leches und Jungfer Libussa/ die- sen Tag zu eurer Hochzeit/ und wer mir darzwischen redet oder handelt/ sol sich aller mei- ner Freundschafft und Hulde begeben. Die gute Braut sahe vor sich nider/ durffte weder ja noch nein sagen/ biß endlich Brela ihr zuredete/ sie moͤchte sich in keine Ungelegenheit stürzen. Sehr wol/ antwortete sie/ da komt ihr mir eben recht; fing darauff an zu Fr. So- phien: Gnaͤdigste Frau/ wann ja Eure Gn. mir den so lieben und angenehmen Jungfern Stand laͤnger nicht goͤnnen kan noch wil/ erkenne ich mich zum Gehorsam schuldig/ allein bitte ich untertaͤhnigst/ und bey der Erinnerung dero Liebe zu meinem gnaͤdigsten Fraͤulein/ Eure Gn. wollen meinem lieben Vetter Neda zum besten/ ebenmaͤssigen Befehl gnaͤdigst erteilen/ daß meine Wase Brela zugleich mit mir fortfahre/ nachdem ihre versprochene Trauerzeit heut diesen Tag geendiget ist. Brela wolte viel einsperrens machen/ aber nach- dem Agatha und Klodius des guten Neda Wort redeten/ hub Fr. Sophia an: Das waͤ- re trauen eine schlechte Freundschafft/ wann Jungfer Brela/ in anfehung meiner Liebe zu Frl. Valisken/ mich wolte lassen eine Fehlbitte tuhn; lieber erkennet eures Neda Wil- fertigkeit euch ganzer 20 Wochen erzeiget/ und hoͤret auff/ ihn auff leere Baͤume hinzuwei- sen/ auch/ da ihr euer Gn. Frl. Valiska uñ mich liebet/ so gehet stuͤndlich hin/ leget die Trau- erkleider ab/ und schlaget den verstorbenen aus dem Sinne/ sonsten erzeiget ihr mir ein lau- teres Mißfallen. Brela sahe/ daß es anders nicht seyn wolte/ bedankete sich der hohen gna- de/ und sagete zu Libussen: Jezt goͤnne ich euch von herzen/ was euch heut fruͤh begegnet ist/ auch/ wanns gleich mehr gewesen waͤhre/ dann ihr seyd freilich aus deren Zahl/ die nicht eꝛ- sauffen Vierdes Buch. sauffen wollen/ sie zihen dann noch einen mit sich auff den Grund. Gebet euch zufrieden/ antwortete Libussa/ es gilt ja hie noch nicht ertrinkens; wodurch sie so ein hefftiges Gelaͤch- ter bey den Anwesenden zurichtete/ daß sie wuͤnschete/ geschwiegen zuhaben. Hiemit wahr nun der Kauff geschlossen/ und nach kurzgehaltener Mahlzeit wurden unsere Braͤute aufs beste ausgezieret/ wobey Fr. Ursula sich ungerne fand/ weil sie ihre Traurigkeit wegen des Nichtschreibens ihres Liebsten Fabius/ nicht aus dem Sinne schlagen kunte. Leches hatte inzwischen die uͤbergebrachten Schaͤtze in drey Teile von ander gesetzet/ der erste und groͤste wahr Frl. Valisken/ und erstreckete sich auff die 70 Tonnen Goldes an Kleinoten und ge- muͤnzetem Golde. Der ander Teil wahren Herkules und Ladislaen Schaͤtze/ welche nebest den vorigen Fr. Sophia zu ihrer Verwahrung nam. Der dritte und kleineste solte nach Prage uͤberbracht und der Koͤnigin uͤberliefert werden. Nach dieser Verrichtung ordne- te es der Stathalter/ daß die Verliebeten nach Roͤmischen Gebrauch zusammen gegeben wuͤrden/ welches Leches merkend/ weil es wider sein Gewissen und Christentuhm lief/ nicht einwilligen wolte/ deswegen er Fr. Sophien an einen absonderlichen Ort baht/ und sie al- so anredete: Gnaͤdigste Frau und Koͤnigin; ich fuͤrchte/ Ihre Gn. und der Herr Stat- halter werden meine Vereheligung mit heydnischen Gebraͤuchen und gewoͤhnlichen Opf- fern einzusegnen vorhabens seyn/ welches ich untertaͤhnigst verbitte/ weil es wider mein Gewissen streitet/ im uͤbrigen bin ich ohn Ausrede untertaͤhnigst gehorsam biß an den Tod. Sie antwortete ihm mit freundlicher Rede: Verschonet mein/ Ritter Leches/ mit dem Koͤ- niges-Nahmen/ biß ich die Herschung antreten werde; sonst ist nicht ohne/ daß hierzu/ dessen ihr gedenket/ Anstellung gemacht wird; ich wil aber nicht Anlaß geben/ daß durch mich einiges Menschen/ viel weniger euer Gewissen sol verunruhet werden; Doch saget mir/ da ichs wissen darff/ seyd ihr etwa ein Christ worden? Leches gab unerschrocken zur Antwort: Gn. Frau; nachdem mein Erloͤser JEsus Christ bey Straffe der ewigen Ver- damniß gebohten hat/ ihn vor den Menschen nicht zuverleugnen/ und Ihre Gn. von mir solches zuwissen begehren/ so bekenne ich gerne/ daß ich ein Chꝛist bin/ und daß ich nie in mei- nem Gewissen recht zufrieden gewesen/ ehe uñ bevor ich diesen allein seligmachenden Glau- ben gelernet und angenommen habe. Wo dann ist solches geschehen? fragete sie. Er ant- wortete/ in der Medischen Haupt Stad zu Ekbatana/ woselbst ich durch sonderbahre schic- kung Gottes bekehret bin. Erzaͤhlete hiebey kuͤrzlich/ was sich daselbst mit dem Gotteslaͤ- sterlichen Juden zugetragen hatte. Sie/ nach ihrem Verstande/ kunte daher leicht schlies- sen/ ihr Ladisla wuͤrde eben diesen Glauben angenommen habẽ/ welches eigentlich zuerfah- ren/ sie zu Leches sagete: Ihr wisset/ in was vor Hulde ich bey meinem und eurem Koͤnige bin; so wil ich nun eine Frage/ die ihr wol auffloͤsen koͤñet/ in groͤsteꝛ Vertrauligkeit an euch legen/ euch bey meinen Ehren versichernd/ daß euch solches durchaus nicht zu schaden oder Gefahr gereichen sol/ werdet ihr mich aber hinter gehen/ wuͤste ich solches nit zu verschmer- zen. Leches entsetzete sich der starken Bedingung/ erboht sich bey ritterlichen Ehren/ alles zu sagen/ was er gefraget wuͤrde/ dafern es nicht Sachen betꝛaͤffen/ die von seinem Koͤnige ihm ausdrüklich verbohten waͤhren zumelden/ und er an hohen aͤidesstat angelobet/ sie keinem Menschen/ wer der auch waͤhre/ zuoffenbahren/ da er dann schon wüste/ daß Ihre Gn. an seiner Verraͤhterey und Meinaͤid keinen gefallen tragen wuͤrde. Ihr seyd mir zu schlauh/ O o o o o ij sagte Vierdes Buch. sagte sie/ und stelle euch frey/ zuantworten oder nicht; moͤchte aber herzlich gerne/ und ohn eure Gefahr berichtet seyn/ ob mein Koͤnig Ladisla auch ein Christ worden waͤhre. Leches wuste die unvermutliche Frage nicht auff stehendem Fusse zubeantworten; Zwar Herku- les hatte ihm gebohten/ sein Christentuhm/ so viel moͤglich/ zu Padua in geheim zuhalten/ aber nicht zuverleugnen; von Ladisla aber dessen ichtwas zumelden/ hatte er weder Geboht noch Verboht/ sagte deswegen nach kurzem bedenken zu ihr: Weil Ihre Gn. mich vor al- ler Gefahr versichern/ kan derselben ich die Warheit nicht verbergen/ daß nehmlich Groß- Fuͤrst Herkules/ der vor Jahren schon ein Christ ist/ meinen Koͤnig hart angelegen/ ihm den Glauben beyzubringen/ aber ohn allen Verfang/ biß mein Koͤnig nach gehaltenem Stechẽ zu Ekbatana/ davon ich zuvor gemeldet/ sich freywillig erbohten hat/ den Christlichen Glau- ben anzunehmen/ und daß Eure Gn. mir trauen moͤge/ habe ich selbst angehoͤret/ wie Her- kules dem Bifchoff zu Ekbatana alles erzaͤhlete. Fr. Sophia geboht ihm/ hievon keinem Menschen ichtwas zusagen; doch/ sagte sie/ habt ihr wol getahn/ daß ihr mirs nicht verhal- tet/ dann ich bin willens/ eben so wol eine Christin zuwerden/ und mit meinem Gemahl ei- nen Gott zuverehren/ weil ohn das meine Fr. Mutter von Jugend auff eine Christin ist. Ach du gütiger Gott! sagte Leches/ nun werde ich erst einen gewogenen Koͤnig haben/ wañ er vernehmen wird/ daß Eure Gn. durch meine Vermittelung sich zum Christentuhm be- quemet/ massen in alle seinem Gebeht zu Gott er dieses mit einschleusset/ daß derselbe euer Herz zu seiner Erkaͤntniß erleuchten wolle. Diese Erleuchtung ist Gott Lob geschehen/ ant- wortete sie/ und wird meine Fr. Mutter mich in diesem neuen Glauben zu unterweisen/ ihr schon lassen angelegen seyn. Ich wil aber gleich hin zu meinem Herr Vater gehen/ damit die heydnischen Mißbraͤuche bey euer Vertrauung unterlassen werden. Und dieses erhielt sie leicht bey demselben/ welcher alsbald muhtmassete/ er muͤste das Christentuhm auff die- ser Reise angenommen haben/ weil er sich zuvor heydnisch gnug erzeiget hatte. So bald diesen beyden Braͤutigamen ihre Braͤute an die Hand gestelletwurden/ hielt der Stathal- ter diese Rede an die anwefenden Gaͤste: Hochwerte Herren/ Frauen und Fraͤulein/ viel- geliebte Freunde und Anverwanten; nachdem durch des Himmels Versehung der aͤdle Mannfeste Ritter Herr Leches/ bestalter Medischer Obrister zu Roß und Fuß/ von meinem vielgeliebten Herrn Schwieger Sohn heut fruͤh unvermuhtlich alhie ankom̃en/ und auffs schleunigste seine Reise weiter fortsetzen muß/ hat uns gut gedaͤucht/ ihm seine versprochene Braut/ die aͤdle Tugendreiche Jungfer Libussen ehelich beyzulegen/ und zugleich des auch aͤdlen Mannfesten Ritters Herrn Neda/ mit der aͤdlen Tugendreichen Jungfer Brelen cheliche Vertrauung mit anzustellen. Weil dann die grosse Eile nicht zugeben wil/ dz man Roͤmische Braͤuche dabey vorgenommen haͤtte/ solche auch vielleicht einem und andern aus erheblichen ursachen moͤchten zuwider seyn/ als wird niemand an deren Unterlassung sich aͤrgern/ und nicht destoweniger den neuangehenden Eheleuten den himlischen Segen und alle gedeiliche Wolfahrt wuͤnschen/ auch mit ihnen der Zeit gelegenheit nach/ sich die- sen Tag und Abend lustig und froͤlich erzeigen; Bald nahmen der Stathalter und Mar- kus Jungfer Libussen/ Herr Kornelius aber und Klodius Jungfer Brelen/ und fuͤhreten sie ihren Braͤutigamen zu/ mit denen sie durch gegebene koͤstliche Ringe und handgeschlos- sener Traͤue sich vermaͤhleten. Nach gehaltener Mahlzeit ward ein zierlicher Tanz gefuͤh- ret/ und allerhand ehrliebende Kurzweil getrieben. Libussa Vierdes Buch. Libussa verfügete sich inzwischen hin zu Fr. Sophien/ und gab ihr zuverstehen/ wie sie gesonnen waͤhre/ ihre heutige ausgestandene Angst noch diesen Abend an Ritter Neda zu raͤchen/ hoffete/ ihre Gn. wuͤrden ihr solches nicht verargen. Fr. Sophia antwortete: Das kan mich nicht irren/ dann ihr seyd vor euch selbst des Verstandes/ daß ihr wisset/ wo ihr zukehren sollet. Diese ging hin/ ließ ein Gemach/ dem ihren allernaͤhest hübsch auszieren/ uñ ein schoͤnes Bette zurichten/ foderte hernach den Koch zu sich/ dem sie/ nach Verehrung vieꝛ Kronen/ befahl/ er solte der Kuͤchen Magd/ der Moͤrin so viel Wein reichen lassen/ daß sie blindvoll wuͤrde/ und man sie ohn ihr wissen tragen und heben koͤnte; machte nach dieser Verrichtung sich wieder nach den Gaͤsten/ und suchte Gelegenheit/ mit Neda freundlich zureden/ zu dem sie sagete: Geliebeter Vetter/ ihr habt mir noch nicht gedanket vor die Be- foderung eures heutigen Beylagers; Zwar meine Wase hat deswegen heut schon einen starken Saz mit mir gehalten/ darin sie ihren Unwillen gnugzuverstehen gab/ was ihr mir aber vor Belohnung ausfolgen lassen werdet/ muß ich erwarten. O meine herzgeliebete Wase antwortete er/ ich erkenne ihre gute Gewogenheit sehr wol/ und ist mir leid/ daß ich sie heut fruͤh dergestalt beleidiget habe; jedoch/ wann die Schuld ohne Straffe nicht kan ab- getragen werden/ wil derselben ich mich gerne unterwerffen/ doch auch daneben mich vor- sehen/ daß ich nicht blindlings ins Feur oder Wasser lauffe. Diese Straffe/ sagte sie/ wil ich mir vorbehalten haben/ und weil ihr so vorsichtig spielen wollet/ werde ich damit nicht eilẽ. Ich bitte aber/ ihr wollet noch diese Nacht mich bey eurer Liebsten schlaffen lassen/ alsdann sol sie euch morgen unversaget seyn. Dieser Vortrag wahr dem guten Neda nicht eben/ baht sehr fleissig/ sich dessen zubegeben/ insonderheit/ weil er nicht glaͤuben koͤnte/ daß Leches damit wuͤrde friedlich feyn. Ich zweifele selbst an seiner Einwilligung/ sagte sie/ meynete auch/ euch vorerst zugewinnen/ und hernach mit Leches desto leichter zuhandeln/ dafern er aber nicht solte zubereden seyn/ wolte ich ungerne/ daß eure Liebste diese Nacht allein schlaf- fen/ und mich morgen beschimpffen solte/ mit welchen Gedanken sie doch schwanger gehet/ und bey mir schon fleissig angehalten hat/ ihr hierin behülflich zuseyn. O wie hefftig bemũ- hete sich Neda/ ihr solches abzubitten/ daß er nicht wuste wie grosse Zusage der Dankbarkeit er ihr tuhn wolte/ biß sie ihm endlich versprach/ alle Moͤgligkeit anzuwenden; aber/ sagte sie/ ihr muͤsset acht haben/ wann ich euch winke/ daß ihr alsdann bereit seyd/ alsbald mit miꝛ zugehen/ und muß ich mich zuvor an eure Liebste machen/ sie zubetriegen/ da ich diesen Vor- schlag habe: Ich wil ihr einbilden/ ob haͤtte ich Leches und euren Willen schon erhalten/ weil ich mich aber befahre/ ihr moͤchtet ruͤkfaͤllig werden/ sol sie mir gerne folgen/ und fruͤh- zeitig zu Bette gehen/ dann wil ich euch nachfuͤhren/ und moͤget ihr sehen/ wie ihr sie auffs beste beguͤtiget. Neda wahr wol vergnuͤget/ und hatte hiemit der Anschlag auff dieser seite seine gute Richtigkeit. An der andern bedurffte es weniger Muͤhe; dañ als sie sich zu Bre- len verfuͤgete/ sagte sie: Geliebete Schwesteꝛ/ verzeihet mir meinen heut begangenẽ Irtuhm/ indem ich gewaͤhnet/ als waͤhre euer aͤidliches Versprechen heut schon zum Ende/ da doch nach fleissiger Betrachtung ich befinde/ daß noch diese einzige Nacht dran fehlet/ aber was schadet eine Nacht? Ich habe nur zu dem ende es euch sagen wollen/ dz ihr nicht schier heut oder morgen es mir als einen vorsezlichen Betrug zuleget. Brela erschrak der Rede/ und gab zur Antwort: Es hat mich selber mißdaͤucht/ und würde zeit meines Lebens einen na- O o o o o iij genden Vierdes Buch. genden Gewissens Wurm gefuͤhlet haben/ da ich also wieder aͤid gesuͤndiget haͤtte; Wird also Ritter Neda krafft seiner mit eigenem Blute geschriebener Versicherung sich meiner diese Nacht entaͤussern. Ich weiß nicht/ sagete Libussa/ ob die Handschrifft ihn laͤnger bin- de/ massen ihr solche durch heutige Einwilligung selbst auffgeruffen habet. Jedoch/ ist es euer ernstlicher Wille/ wil ich wol Raht schaffen/ daß ihr diese Nacht sein ohne werdet/ a- ber ihr sollet mir aͤidlich versprechen/ daß ihr mir goͤnnen wollet/ morgen zeitig früh/ eine halbe Stunde vor Tages ihn euch zuzufuͤhren/ dann um diese Zeit wahr es/ da ihr euer Ge- lübde leistetet. Brela hielt an/ sie moͤchte es biß folgenden Abends auffschieben/ aber sie wol- te nicht; dañ/ sagte sie/ sol ich morgen als eine Ehfrau mich mit der Haube deckẽ lassen/ und ihr wuͤrdet alsdañ noch mit eurem Kꝛanzeprangen/ wuͤꝛde ich gedoppeltẽ Spot uñ schimpf zu Lohne tragen; versprechet mir demnach/ wz ich begehre/ oder unsere Gn. Frau sol ihn in der Warheit euch selber zufuͤhrẽ. Wer war in groͤsser Angst/ als die from̃e Brela; doch weil sie sahe/ daß sie aus zweyen uͤbeln dz geringste waͤhlen muste/ willigte sie in die Bedingung/ uñ versprach solches ohn arge List zu haltẽ. Nu/ sagte Libussa/ so machet euch uͤber ein wenig mit euer Leibdienerin auf euer gewoͤhnliches Gemach/ und wañ ihr mich morgen fruͤh hoͤ- ret anklopfen/ so tuht mir auff/ alsdañ wollen wir mit einander nach dem darzu bereiteten Gemache gehen/ welches/ wie ihr wisset/ gleich gegen über ist/ da wil ich ihn euch auff er- nennete Zeit zu fuͤhren. Brela wahr/ ihr Gewissen zu retten/ wol zu frieden/ und erwartete der gelegenen Zeit/ einen Abwich zu nehmen. Weil dieser Posse geschmiedet ward/ hatte Fr. Sophia sich zu ihrer Muttet gesetzet/ und ihr vertraulich offenbahret/ daß ihr Ladisla den Christlichen Glauben angenommen/ und Herkules schon vor laͤngst ein Christ waͤhre/ deßwegen sie sich entschlossen/ einen Gott mit ihrem Gemahl zuverehren/ und nach diesem die heidnische Abgoͤtterey fahren zu lassen/ baͤhte/ sie wolte ihr unterricht mitteilen/ wessen sie in ihrem Christentuhm sich verhalten müste. Fr. Pompeja erfreuete sich hieruͤber von ganzem Herzen/ und sagte: Ey nun wil ich gerne und willig sterben/ nachdem ich meiner lieben Kinder auffs minste eins in der ewigen kuͤnftigen Freude wissen sol; Herkules Chri- stentuhm/ ist mir bald anfangs von ihm selbst bey eroberung der Raͤuber Hoͤhle zuwissen getahn/ welcher mir auch verheissen hat/ mit aller moͤgligkeit sich dahin zubearbeiten/ daß er Ladisla gewinnen moͤchte/ und zweifele ich nicht/ mein Gebeht/ welches ich vor dich zu Gott geschicket/ sey erhoͤret/ und hiedurch des Heiligen Geistes Wirkung dir erbehten woꝛ- den; Morgen geliebts Gott aber wil ich den Christichen Lehrer zu mir fodern/ welcher in den noͤhtigen Glaubens Stücken dich gnugsam unterweisen sol/ nur hilff mir Gott bit- ten/ daß er auch deines lieben Vaters Herz und Willen erleuchten/ und die Begierde sei- ner Erkaͤntnis in ihm anzuͤnden wolle/ dein Gemahl und Herkules werden schon bemuͤ- het seyn/ daß dein lieber Bruder bekehret werde. Fr. Sophia haͤtte gerne etwas unterricht dieser neuen Lehre von ihrer Mutter angenommen/ ward aber von einem jungen Padua- nischen Ritter zum Tanze geführet/ gleich da Brela ohn Urlaub hinweg ging/ und ihre Die- nerin mit ihr gehen hieß/ vorgebend/ sie befuͤnde sich nicht wol auff. Libussa folgete ihr bald nach/ ließ dem Koche ruffen/ und fragete/ ob ihrem Befehl gelebet waͤhre/ und als sie ver- nam daß die Moͤrin sich sternvol gesoffen haͤtte/ und in einem Winkel laͤge/ ließ sie dieselbe auff die wolbereitete Kam̄er tragen/ ganz nacket außzihen/ ihre Lumpen wegschaffen/ und sie Vierdes Buch. sie in das zierliche Bette wolzugedecket legen; ging bald wieder nach der Wirtschaft/ wo- selbst Neda ihrer mit schmerzen wartete/ und setzete sich ein Viertelstündichen nieder/ her- nach foderte sie ihn durch Winken zu sich/ und sagete: Geliebter Oheim/ ihr werdet eilen muͤssen/ ehe euch die Tuͤhr versperret wird/ dañ sie ist herzlich müde/ weil sie die vergange- ne Nacht wenig gefchlaffen; sie hat aber ihre Leibdienerin schon an mich abgeschicket/ daß ich mich bald bey ihr einstellen solle; so folget mir nun/ ich habe ein kleines Licht bey ihr ste- hen lassen/ daß ihr euch sanft entkleiden/ und in aller stille zu ihr gehen koͤnnet/ dafern sie schon wird eingeschlaffen seyn. Ja meine herzen Wase/ antwortete er/ fuͤhret mich nur im stillen finstern hin/ ich wil gerne folgen/ und euer Lehre mich gemaͤß verhalten; gingen also biß an die Tuͤhr des Gemaches/ welche Libussa sanfte aufftaht/ und zu ihm sagete: Gehet fein stille hinein/ und wecket sie nicht zu fruͤh/ ich habe meinem Versprechen ein Genuͤgen getahn/ aber damit sie euch nicht entwische/ wil ich das Hangschloß vor die Tuͤhr legen/ und so wahr ich redlich bin/ nit ehe als eine halbe Stunde vor Tage euch zu wecken kom̃en/ ists euch dañ noch zuzeitig/ kan ich wieder hinweggehen/ nachdem ich das aͤusserste Schloß werde bey seit getahn haben. Neda gab ihr zu guter Nacht einen freundlichen Kuß/ wuͤn- schete ihr sanftes Wolergehen/ und schlich in aller stille zur Kammer hinein/ legte die Klei- der ab/ und machte sich in das vermeinete Bette/ welches er so lang gewuͤnschet hatte. Li- bussa machete die Tuͤhr außwendig feste zu/ und lauschete/ wie es doch endlich ablauffen wuͤrde; das Licht stund im Gemache auff der Erden/ hinter dem Brandeisen unter dem Schornstein/ so daß der Schein auff das Bette nicht fallen kunte/ noch er sehen/ was vor einen Beyschlaͤffer er bey sich haͤtte/ welche/ so bald er sich gelegt/ dergestalt zu schnarchen anfing/ und die unsaubern Winde von sich bließ/ daß ihm ein grausen uͤberging/ und nicht glauben kunte/ daß seine Liebste solcher gestalt sich geberden solte; bald fiel ihm ein/ Libussa wuͤrde ihm die Vergeltung schon beygebracht/ und ihm etwa einen trunkenen Hunde Bu- ben beygeleget haben/ stund auff/ und nam das Licht zur Hand/ umb seinen Beyschlaͤffer zu- besehen/ da er/ in dem er die Decke auffhub/ einen kohlschwarzen Leib sahe/ uñ nicht anders wehnete/ es waͤhre irgend ein Gespenst/ biß ihm einfiel/ daß er eine Moͤrin in der Kuͤche ge- sehen haͤtte. In dem er sie nun also entbloͤssete/ kam der Wein wieder von ihr/ den sie mit zu grossem überflusse zu sich genommen hatte/ daß er sich des bittern Lachens nicht enthalten kunte/ und mit heller Stimme sagete: Nun mag meine Wase sich ruͤhmen/ daß sie mich redlich bezahlet habe wans nur nicht so gar zur unzeit geschehen waͤre; aber o Wase Wa- se/ wie handelt ihr bey meiner Liebsten ging hiemit zur Tuͤhr/ in meinung sie aufzumachẽ/ befand aber/ daß es unmoͤglich wahr/ daher er sich in die Geduld gab/ nam ein Bankpol- ster und legte sich darauff/ in Hoffnung etliche Stunden zu ruhen/ welches ihm doch das abscheuhliche schnarchen der Moͤrin nicht zulassen wolte. Libussa hatte stets an der Tuͤhr unvermerket zugehorchet/ welches ihr so grosse Vergnugung brachte/ dz sie nicht ein gros- fes darumb genommen haͤtte/ ging endlich wieder nach der Geselschaft/ die schon zimlich geringer worden wahr/ und hatte muͤhe sich des Lachens zu enthalten/ daher Fr. Sophia muhtmassete/ sie wuͤrde Neda schon eins beygebracht haben/ und fragete/ woruͤber sie sich dergestalt beluͤstigte. Sie aber kunte vor Lachen es nicht erzaͤhlen/ brachte endlich so viel heraus/ daß Sophia und Sibylla vernahmen/ sie haͤtte Ritter Neda die ganz trunkene Moͤrin Vierdes Buch. Moͤrin als seine Braut beygelegt/ und das Gemach verschlossen/ daß er die Nacht bey ihr außhalten solte; meldete daneben/ was gestalt eꝛ sich gegen ihr verhalten/ uñ auff der Bank sein Nachtlager genommen; taht nachgehends hinzu/ durch was List sie ihn gefangen/ uñ Brelen auff ihre Kammer verbannet haͤtte. Fr. Agatha hatte alles mit angehoͤret/ und baht sehr/ sie moͤchte so unguͤtlich mit ihm nicht handeln/ sondern die verliebeten zusam̃en lassen; nachdem sie aber ingesamt die Ursach vernahmen/ liessen sie es hingehen/ und wur- den von Libussen erinnert/ keinem Menschen davon zu sagen/ er moͤchte scherzweise damit auffgezogen werden/ und duͤrfte daher Mord und Todschlag entstehen. Weil dañ die Gaͤ- ste sich alle verlohren hatten/ ging ein jeder an seine Ruhe/ da Libussa ihrem Leches von Fr. Agathen und Euphrosynen zugefuͤhret ward. Kurz vor der Sonnen Auffgang fingen die- se verliebeten ihr Gespraͤch mit einander an/ und beklagete sich Leches hoͤchlich/ daß er sei- ne Eheliebste so schleunig verlassen/ und gleich diesen Morgen von ihr scheiden solte; sie aber troͤstete ihn mit seines Koͤniges Unfall/ und daß er ihrer Liebe desto mehrer versiche- rung haͤtte/ erboht sie sich/ mit ihm nach Prage zu zihen/ und Neda samt Brelen zu uͤber- reden/ daß sie ihnen Geselschaft leisteten. Hierauff fing sie an so inniglich zu Lachen/ daß Le- ches wunderliche Gedanken bekam/ biß sie ihm kuͤrzlich allen Verlauff mit Neda erzaͤhle- te/ und auff sein fleissiges anhalten in ihrem Nacht Mantel nach der versperreten Kam̄er ging/ da nach leisem anklopfen sie zu Neda sagete: Lieber Vetter/ werdet ihr nicht schier von eurer Liebesten auffstehen? die Sonne draͤuet uns schon den Tag/ nachdem des Hah- nen Geschrey den Monden hinweg gejaget hat. Dieser hatte nie keine wiedrigere Nacht gehabt/ ward ihrer ankunft froh und sagete: Als viel ich hoͤre/ muß ich zumeinem Schadẽ auch den Spot noch haben; nun nun/ geduld geduld/ ich hoffe Denkzeit komme dereins wieder. Awe antwortete sie/ wollet ihr noch trotzen und draͤuen? auff solche Weise kom̄et ihr in Warheit nicht loß/ vielweniger zu eurer Liebesten/ sondern/ dafern ihr nicht ohn eini- gen auffschueb mir die gestrige gar zu hohe Beleidigung abbitten/ vor diese geringe Züch- tigung mir danken/ und bey ritterlichen Ehren versprechen werdet/ es nimmermehr/ we- der durch euch selbst noch durch andere/ einiger Weise zuraͤchen/ und also die Uhr Fehde wirklich abstattet/ wil ich Fr. Sophien mit dem ganzen Frauenzimmer/ auch eure Liebste selbst herzu fuͤhren/ daß sie eure hintige Beyschlaͤfferin sehen/ und euch darzu Gluͤk wuͤn- schen sollen. Nu erfahre ich erst recht/ antwortete er/ daß ein Gefangener Mann ein armeꝛ Mann sey/ leistete also die Abbitte/ und alles was von ihm gefodert ward; worauff sie die Kammer oͤffnete/ und ihn ein wenig warten hieß/ biß sie Brelen nach der Brautkammer geführet haͤtte/ die sich anfangs zwar wegerte/ weil der Tag sonahe wahr/ auff getahne er- innerung aber ihrer geleisteten Zusage/ sich darein gab/ und mit ihr ging. Bald darauff hohlete sie Neda auch herzu/ der von seiner Liebsten zuͤchtig empfangen/ und der unruhigẽ Nacht ergetzet ward. Drey Stunden nach der Sonnen Auffgang besuchte Libussa diese verliebeten/ und taht ihnen zu wissen/ daß ihr Leches sich schon zu seiner Reise fertig mache- te/ und weil sie ihm einen Gefaͤrten nach Prage zugeben versprochen/ hoffete sie/ sie wuͤrdẽ in Geselschaft mit zihen/ und ihre Koͤnigin besuchen. O ja/ sagte Brela/ mich verlanget von herzen/ mein Vaterland zusehen/ und meine hochgeliebte Schwieger Eltern zu gruͤssen/ wann nur mein liebster wegen seiner Kriegsbedienung hieselbst auff eine Zeit koͤnte erlas- sen Vierdes Buch. sen werden. So fest habe ich mich nicht verbunden/ antwortete er/ zweifele auch nicht mei- ne Wase koͤñe bey Fr. Sophien es leicht erhalten/ daß sie mir bey dem Stathalter Urlaub erlange. Also ging Libussa als bald nach dem Frauenzimmer/ und wahr Fr. Sophien orste Frage/ ob sie sich des guten Neda nicht erbarmet/ und seiner liebesten ihn zugefuͤhret haͤt- te; da sie alles umbstaͤndlich erzaͤhlete/ und hernach sagete: Gn. Frau/ ich habe bey ihrer Gn. mich guten rahts zuerhohlen/ wegen einer anmuhtung/ die mein liebster heut diesen Morgen an mich geleget hat; O die anmuhtung/ antwortete sie/ duͤrfte ich leicht errahten; gilt/ euer Leches haͤtte euch gerne auff der Reise zum Gefaͤrten/ damit er zu Nacht nicht al- lein schlaffen duͤrffe. Libussa ward hieruͤber schamroht/ wunderte sich ihres tieffen nach- sinnens/ und gestund/ daß es recht und eigentlich getroffen waͤhre. Worauff Fr. Sophia zur Antwort gab; Ihr seid mir warlich zuvor kommen/ sonst hatte ich mich schon beꝛahten/ euch solches als ein ernstliches Geboht aufzulegen. OGn. Frau/ sagte sie/ so werde an eueꝛ Gn. ich keinen vorsprach haben/ ungeachtet ich die feste Hoffnung mir gemacht hatte/ die- selbe solte mich dieser Reise benehmen. O Schwester Schwester/ sagte Fr. Agatha/ ist dieses euer ernst/ so falle mir ein Ohr ab. Wol wol/ antwortete Fr. Sophia/ wieder euren Willen sollet ihr zu dieser Reise nicht gezwungen werden/ und bin bey Ritter Leches noch wol so viel maͤchtig/ daß er mir solches begehren nicht abschlagen wird. Libussa wolte sich nicht verrahten/ hielt dieses vor genehm und ging hin/ ihrem Leches das leinen Geraͤhte auff den Weg einzupacken. Unterdessen ließ Fr. Sophia ihn zu sich fodern/ und redete mit ihm was ihret wegen zu Prag solte bestellet werden/ biß Libussa wieder kam/ da Fr. Sophia zu ihm sagete: Wie koͤmt es/ Ritter Leches/ daß eure liebste mir hinte diese Nacht so unge- horsam worden ist/ da ich zuvor ihren Willen dem meinen nie entgegen gemerket? jetzo a- ber habe ich diese Bitte an sie gelegt/ daß sie euch Geselschaft auff der Reise leisten solte/ wel- ches ich doch bey ihr nicht erhalten kan/ sondern sie lieget mich hart an/ bey euch zuverbit- ten/ daß ihr sie des anmuhtens erlassen moͤchtet. Er hielt ein solches vor scherz/ weil sie sich ihm hierzu selbst erbohten hatte/ nachdem sie es aber nicht beantwortete/ fiel ihm ihr lachen ein/ welches sie gleich auff solches versprechen getahn/ sahe auch daß sie abermahl heimlich lachete; woruͤber er nicht zu antworten wuste/ endlich die reine Warheit zu be- kennen vornam/ und seine Liebste hiedurch gar schamroht machete/ daß Fr. Agatha anfing; warlich geliebete Schwester/ diese Straffe wird euch von Gott zugeschicket/ vor die eurem Oheim angelegte Unbilligkeit. Das ist gar ein Schwesterlicher Trost/ antwortete sie/ wel- chen mein aͤrgster Feind mir auch mitteilen wuͤrde; habe ich aber meiner Gn. Frauen an- fangs die Warheit aus Schahm nicht bekennen duͤrffen/ wil ich nun desto freier beichten/ daß ich auch Neda und Brelen gebehten/ uns Geselschaft zu leisten/ dero behueff ich mei- nem Oheim Urlaub zu bitten/ auff mich genommen habe. Ja wer duͤrffte euch dieses glaͤu- ben sagte Fr. Sophia/ nach dem ihr schon auff einem vahlen Pferde ergriffen seid. O wehe mir armen/ antwortete sie/ habe ich wegen eines Scherzwortes dann allen Glauben verlohren/ so mag Brela ihre Bitte selbst vortragen; aber ich bitte sagte sie zu Leches/ ge- bet mir doch Zeugnis/ weil ihre Gn. euch so viel trauet. Nicht allein Zeugnis/ antwortete er/ sondern ich bin kommen/ deßwegen eine Bitte untertaͤhnigst einzulegen. Ja euch/ sag- te Fr. Sophia/ und nicht eurer liebsten zugefallen/ sol Neda mitreisen/ wie es dann/ in ernst P p p p p zu Vierdes Buch. zu reden/ billig ist/ daß er seines Ampts dereins bey seiner Gnaͤdigsten Koͤnigin rechenschast ablege. Also ließ sie Neda zu ihr ruffen/ und erteilete ihm/ in ihrem uñ ihrer Eltern Nah- men Befehl/ was er zu Prag verrichten solte; und als sie solches geendiget hatte/ fiel ihr Libussen Posse ein/ daß sie sich lachens nicht enthalten kunte; er aber die Ursach merkend/ sagte zu ihr: Ihre Gn. lachen ohn zweiffel meines Ungluͤks; damit ging das algemeine Gelaͤchter erst an/ welches Libussa durch ihre wunderliche Auffzuͤge stets haͤuffete; Fr. So- phia aber sagete zu ihm: Verzeihet mir Neda/ daß ich eure hintige Gedanken gerne wis- sen moͤchte. Die wahren sehr wunderlich und mannigsalt/ antwortete er; doch/ haͤtte ich das versperrete Gemach oͤffnen koͤnnen/ wahr mein ganzes vornehmen/ ich wolte das heß- liche Geschoͤpff ins Bette Tuch eingewickelt/ sie vor allen anwesenden Gaͤsten mitten im Saal nidergelegt/ und mit meiner Wasen umb sie her getanzet haben. Dem hatte eure Wase vorgebauet/ antwortete sie/ hoffe doch/ sie werde Bescheidenheit gebrauchet/ und euch Zeit gegoͤnnet haben nach solchem Schrecken des heßlichen Wunder Tiehrs/ an eu- rer Liebsten Schoͤnheit euch wieder zuerhohlen. Ich bin mit allem wol zufrieden/ sagte er/ nachdem der heßliche Wuhl nicht erwachet/ noch meiner inne worden ist/ mag auch wol seyn/ daß er noch in schnarchender und stinkender Ruhe lieget/ welcher Beschluß ein neues Gelaͤchter erweckete. Klodius und Markus hatten gleich diesen Morgen sich beredet/ wie sie ihren liebsten Herren ein dankbares Gemuͤht erzeigen moͤchten/ funden auch ihre Ehe- liebsten darzu ganz willig/ daher sie Leches und Neda in den innersten Plaz fodern liessen/ und sie verstaͤndigten/ welcher gestalt sie auff ihre Wiederkunfft von Prage/ willens waͤh- ren/ mit in Persen zureisen/ und ihren Herren 1000 Roͤmische wolverfuchte Reuter auff eigenen Kosten zuzufuͤhren/ da ihre Eheliebsten ihnen auff der ganzen Reise Geselschafft leisten/ und sich Fraͤulein Valisken zu dienste und untertaͤhnigster Auffwartung darstellen wolten. Solches werden unsere gnaͤdigste Herren mit gebuͤhrlicher Vergeltung erkeñen/ antwortete Leches/ und habe ich ohn das von ihnen Befehl/ etliche Voͤlker hieselbst zuwer- ben/ da Fr. Sophia (wie ich mit ihr abgeredet) die Anreits Gelder alsbald auszahlẽ wird. So werde ich so liebe Freunde ohn mich nicht zihen lassen/ sagte Neda/ sondern von Prag ab/ mich nach Teutschland erheben/ und so viel in der Eile geschehen kan/ eine versuchte Reuterey samlen/ damit wir ein gestaltes Heer mitbringen/ und unserer Herren Hocheit daraus von den fremden in etwas erkennet werde. Mir ist sehr liebe/ sagte Leches/ daß ich gelegene Freyheit bekomme/ ausser den Befehl (welcher sich nur auff 4000 Reuter zum hoͤchsten erstrecket) zuschreiten/ und diese Voͤlker mit Boͤhmischer guter Anzahl zustaͤrckẽ. Der Stathalter hatte schon sechs Werber bestellet/ denen Fr. Sophia auff 6000 wol versuchte Reuter drey Tonnen Goldes auszaͤhlete/ und weil sie Klodius und Markus vor- nehmen von Leches verstund/ boht sie ihnen zu dessen behueff eine Tonne Goldes; welches sie aber nebest ihren Ehe Liebesten bestaͤndig ausschlugen/ vorwendend/ sie wolten ihre eige- ne Leute/ zu ihrer Herren Dienst in Persien fuͤhren. So wolte auch Neda keinen Heller von ihr empfangen/ weil ihm Ladisla und Herkules Danlourkeit gnug bekant wahr/ und daß sie ihm alles reichlich erstatten wuͤrden. Aber Lechen empfing sechs Tonnen Goldes von ihr/ gingen ingesamt zum Fruͤhstuͤcke/ und setzeten die beyde junge Ehemaͤnner mit ih- ren Liebsten (denen Fr. Saphia 50 Reuter zur Begleitung gab) ihre Reise auffs schleu- nigste Vierdes Buch. nigste fort/ ruheten auch des Nachts wenig Stunden/ biß sie drey Meile an Prag kahmẽ/ woselbst Leches Vater der alte Pribisla seine freye Herschafft hatte. Hier muste Neda et- was voran reiten/ und vernehmen/ ob er daheim und in guter Gesundheit waͤhre; den er in seinem Lustgarten fand/ gleich da er eine Irrebahn von Buchsbaum legen ließ/ und den Abriß selber machete/ wie er vor dem in der Jugend in Italien gesehen hatte. Als er nun seinen Oheim Neda zu ihm hinein treten sahe/ wahr ihm dessen Ankunfft sehr lieb/ und fra- gete/ was gutes neues er von ihrem Koͤnige und dem verlohrnen Fraͤulein braͤchte; da nach kurzem Bericht ihres wolergehens ihm die Augen vor Freuden uͤbergingen/ und sagte: Nun so hoffe ich noch/ da ich lebe/ auch meinen Sohn dereins wiederumb zusehen. Neda sahe ihn in schwarzen Trauerkleidern/ und vernam/ daß vor 15 Wochen ihn seine einzige Tochter durch den Tod geraubet waͤhre; wolte ihn aber wieder erfreuen/ und sagte: Mein Herr Vetter/ haben euch die Goͤtter an dieser Seiten bekuͤmmert/ wil ich euch durch froͤli- che Zeitung von eurem Sohn wieder erfreuen/ und sage euch vor gewiß/ daß derselbe des Medischen Groß Fuͤrsten bestalter Obrister ist zu Roß und Fuß/ und zur Feld Herrschafft uͤber ein fliegendes Heer Anwartung hat; Durch seine Tapfferkeit hat er schon viel tau- send Kronen erworben/ und hat unser Gn. Fraͤulein ihm ihre allerliebste Kammer Jung- fer Libussen zur Ehe versprochen/ auch ihm schon drey Tonnen Schatz an Baarschafft/ uñ eine Tonne Goldes an Kleinoten zu ihrer Brautgabe zugestellet/ unter der gnaͤdigsten Hoffnung/ er werde ihm solche seines Sohns Ehe wol gefallen lassen. Der Alte entsetzete sich vor dem grossen Brautschatze/ und sagte: Mein gnaͤdigstes Fraͤulein wil schon in der Wildfremde leisten/ was sie mir zu Prag verheissen hat/ und mag mein Sohn sich solcher Heyraht wol vor gluͤkseligschaͤtzen/ die mir nicht kan unangenehm seyn. Wol dann/ mein geliebter Herr Vetter/ antwortete Neda/ so muß ich euch die reine Warheitsagen: Es ist also ergangen/ wie ich gemeldet/ und hat unser Koͤnig und das Fraͤulein euren Sohn her- aus geschikt/ welcher neulich zu Padua Beylager/ wie ich auch/ gehalten/ und mit seiner Liebsten haussen vor dem Tohr auff seines Vaters Befehl wartet. Der Alte ward hiedurch hoͤchlich erfreuet/ und sagete: Warumb bringet er mir dañ nicht selbst die erste Botschaft? Weil er annoch zweifelt/ antwortete er/ ob euch seine Heyraht angenehm sey. Was zwei- feln/ was angenehm/ sagte der Alte/ die Braut ist von gutem Adel und trefflicher Tugend/ und was solte er seiner hoͤchstgebietenden Fraͤulein Willen nicht gehorsamet haben? Ich danke den Goͤttern vor diese angenehme Tochter/ und habe ursach/ uͤber der verstorbenen mich desto ehe zutroͤsten. Legte hiemit neben seinem Gemahl die Trauer Kleider ab/ und em- pfing die ankommenden sehr froͤlich/ welche aber wegen Eilfertigkeit nur ein Stuͤndichen sich bey einer kurzen Mahlzeit auffhielten/ und nebest Pribisla auff geruheten Pferden und Gutschen sich nach Prag erhoben. Eben dazumahl saß die Koͤnigin in ihrem Zimmer/ uñ beweinete ihrer Kinder Verlust und Elende in der fremde/ dessen Schuld sie fast alles auff Herkules legete/ den sie doch nicht weniger als ihren Sohn liebete. Pribilla wahr bey ihr in grossen Gnaden/ ging ungemeldet in seinen Feyerkleidern und guͤldener Kette umb den Hals/ zu ihr ins Gemach/ daß sie nicht anders gedachte/ er waͤhre Alters und Grams hal- ben kindisch worden/ rief ihn zu sich/ und sagete: Wie nun/ mein Pribisla/ wie sehe ich euch in so ungewoͤhnlichen Kleidern? betrauret ihr eure Tochter solcher gestalt? Gnaͤdigste Koͤ- P p p p p ij nigin/ Vierdes Buch. nigin/ antwortete er/ meiner Tochter Trauer halte ich daheime/ aber oͤffentlich erfreue ich mich wegen meines gnaͤdigsten Koͤnigs und Koͤniglichen Fraͤulein gutem Wolergehen. Ja/ sagte sie/ ihr habt etwa hinte einen guten Traum gehabt. Freilich einen guten Traum/ sagte er; dann mich dauchte gar eigen/ mein Sohn Leches waͤhre von meinen Gn. Koͤnige und Fraͤulein abgesand/ Eurer Hocheit deren gutes Wolergehen anzumelden/ haͤtte auch seine Eheliebste Libussen mit sich gebracht/ mir dieselbe an stat meiner verstorbenen Toch- ter zuliefern/ da Ritter Neda und seine Eheliebste Brela ihn begleiteten; wie solte ich dann nicht ursach haben/ die Trauerkleider abzulegen/ und mich auffs beste auszuputzen? daß a- ber ihre Hocheit ich nicht laͤnger in der Verwunderung auffhalte/ mag dieselbe fich wol versichern/ daß allerdinge/ wie ich jezt gemeldet/ mein lieber Sohn heut fruͤh zu mir kom̃en ist/ und erwartet mit seiner Gesellschafft haussen vorm Schlosse/ wann ihre Hocheit gnaͤ- digst belieben wird/ ihn vorzufodern. Der guten Zeitung muͤsset ihr geniessen/ sagte die Koͤ- nigin/ dann eure Kleider machen mich schon glaͤuben/ daß meinen herzlieben Kindern es annoch wolergehe. Befahl hiemit einem Trabanten/ die ankommenden herauff zuführen/ da Leches durch viel Bediente die uͤbergeschikten Kleinot und koͤstliche Sachen vor sich hertragen ließ/ und zu der Koͤnigin Fuͤssen nidersetzete; hernach sich auff die Knie nider- lassend/ den Gruß von Ladisla/ Frl. Valisken und Herkules/ auch von Artabanus und Phraortes anmeldete/ nachgehends den groͤsten Teil der Kleinoten im Nahmen des Paꝛ- ther Koͤniges uͤberlieferte. Die Koͤnigin nebest allen anwesenden verwunderten sich des trefflichen Glanzes/ dieser in so grosser Menge eingebrachten koͤstlichen Sachen/ noch viel- mehr aber/ daß sie von unbekanten Koͤnigen und Fuͤrsten geschicket wurden/ daher die Koͤ- nigin sagte: Wie herzlich mich meiner lieben Kinder Wolergehen erfreuet/ so voll Wun- ders bin ich wegen der grossen Menge dieser Kostbarkeiten/ und kan nicht aussinnen/ aus was Ursachen mir aus den fernen Landen die gar zu grosse Schenkungen gesendet werdẽ. Gnaͤdigste Koͤnigin/ antwortete Leches; Koͤniges Artabanus meynung wird aus diesem Schreiben/ von ihm mit eigener Hand unterzeichnet/ gnugsam erhellen. Sie erbrach es alsbald/ und weil Frl. Valiska es in Teutscher Sprache auffgesetzet/ oder vielmehr ver- dolmetschet hatte/ lase sie folgende Worte: Der grosse Koͤnig Artabanus/ Beherscher der Morgenlaͤnder/ entbeut der Großmaͤchtigsten Koͤnigin in Boͤhmen/ Gruß und Liebe/ und zeiget an/ daß/ nachdem das vortreflichste F raͤulein der Welt/ Frl Herkuliska/ Euer Liebe Tochter/ durch sonder- bahre Versehung der himlischen Goͤtter uns zugefuͤhret worden/ haben wir unsere Koͤnigliche Hulde derselben zugeleget/ und sie vor unser kuͤnfftiges Koͤnigliches Gemahl angenommen/ sind auch ent- schlossen/ unser Hochzeit-Fest/ nach Verstiessung der noch uͤbrigen Monaten/ womit sie der Goͤttin Ve- sta von Jugend auff verbunden ist/ hochfeyrlich zuhalten/ der Hoffnung gelebend/ Eure Liebe ihr solche Heyrabt nicht allein wolgefallen lassen/ sondern/ dafern dieselbe von den Reichsgeschaͤfften sich abmuͤssigen kan/ dem Beylager beywohnen werde/ und sol deren Ankunfft uns sehr angenehm seyn; Weil auch die Liebe zu dem Fraͤulein uns so hefftig eingenommen/ daß wir den Ausgang des Jahrs nicht werden abwarten koͤnnen/ werden hiebey gewisse Gelder an ihre Geistligkeit uͤbergeschicket/ sie von solchem Geluͤbde frey zusprechen/ und wird Eure Liebe die dabey gefuͤgeten Kleinot/ als ein Zei- chen unserer Gutwilligkeit von uns anzunehmen/ sich nicht wegern/ auch im uͤbrigen Zeigern unserm Diener Valikules allen Glauben zustellen. Im uͤbrigen verbleiben wir Ihrer Liebe Schuͤtzer und voll- kommener Freund Artabanus. Die Koͤnigin wuste sich zwar in das Schreiben nicht zurichten/ jedoch sahe sie daraus/ daß Vierdes Buch. daß ihre Tochter dem fremden Koͤnige solte vermaͤhlet werden/ daher sie nach weit gehoh- letem Seuffzen sagete: So sey es dem Himmel geklaget/ daß mein allerliebstes Kind in der Wildfremde ihr Leben zubringen sol/ und ich sie wol nimmermehr wieder sehen werde. Das wende Gott ab/ antwortete Leches/ Ihre Hocheit werden ihre Frl. Tochter auff die- sem Schlosse noch offt und viel sehen/ dann diese vermeynete Heyraht wird GOtt gnaͤdig abwenden/ wie dieses Schreiben/ von meinem Gn. Fraͤulein selbst auffgesezt/ ohn zweifel mit sich fuͤhren wird. Die Koͤnigin nam den Brief mit grosser Begierde an/ und fragete/ warumb dann ihre Frl. Tochter/ Herkulisla genennet wuͤrde/ und wer der Valikules waͤh- re. Weil aber Leches sich auff des Briefes Erklaͤrung beries/ lase sie denselbẽ/ also lautend: Herzallerliebste Fr. Mutter; ich eure muhtwillige Tochter bitte ganz demuͤhtig umb Verzei- hung/ daß derselben durch mein hinreisen nach Padua/ so grosse Angst und Traurigkeit verursachet/ welches doch ohn zweifel aus Gottes des Allmaͤchtigen Schickung also hat ergehen muͤssen. Meinen bißher gefuͤhreten Zustand wird Zeiger dieses Leches/ ausfuͤhrlich berichten koͤnnen. Aber du meine kuͤhne Feder/ berchte meiner herzallerliebsten Fr. Mutter und Koͤnigin meine kindliche Kuͤhnheit/ o- der vielmehr herzliche Liebe gegen meinen wirdigsten Oheim/ den unvergleichlichen Herkules/ dessen Hulde mich nunmehr fast vor drey Jahren gezwungen/ ihm auff sein straͤuges unablaͤßliches anhal- ten/ eheliche Liebe und Pflicht zuversprechen/ welche/ in ansehung seiner Traͤue mich zuretten angewen- det/ ihm ob Gott wil/ erster Zeit in keuscher Verehligung wirklich wird geliefert werden/ und da mei- ne Fr. Mutter hierin/ nach meinem hoffen/ gnaͤdigst gehehlen wird/ sol dieselbe zeit ihres und meines Lebens an mir haben/ wie ich bißher gewesen bin/ ihre gehorsamste Tochter Valiska/ jetzo Herkuliska genennet. Alle anwesende fahen aus der Koͤnigin Angesichte/ welches sich im lesen etliche mal ver- enderte/ daß etwas sonderliches im Schreiben muste enthalten seyn/ sie sagte aber kein Wort/ sondern stund auff von ihrem Stuel/ ging in ein Neben Gemach/ und hieß Leches folgẽ/ zu dem sie hernach sagete: Bekennet mir die Warheit/ hat Herkules meine Valisken schon in seiner Gewalt? Nein/ gnaͤdigste Koͤnigin/ antwortete er/ aber er wird sie mit Gottes Huͤlffe bald bekommen. Ist er aber/ fragte sie weiter/ nicht bey ihr gewesen? Ja/ sagte er/ zu unterschiedlichen mahlen/ und zwar das lezte mahl fast einen ganzen Tag/ doch in fremder angestrichener Farbe/ und zweifele nicht/ die Heyraht zwischen ihnen sey voͤllig geschlossen/ dessen dann mein gnaͤdigster Koͤnig Ladisla sich mehr als keines dinges in der Welt erfreu- et/ und wird ihre Hocheit dessen ohn zweifel aus meines Koͤniges und Groß Fuͤrst Herku- les Schreiben vollkommen berichtet werden/ welche ich hiemit gebuͤhrlich uͤbergebe. Die Koͤnigin nam alsbald ein froͤliches Augesicht an/ setzete sich wie der an ihre Stelle/ und laso vorerst Herkules Brief/ wie folget: Gnaͤdigste Fr. Mutter und Koͤnigin; Eurer Koͤnigl. Hocheit ich untergebener Sohn/ klage vor ihrem muͤtterlichen Herzen meiner Jugend Verwaͤgenheit an/ in dem ich meinen in dieser Welt herz- allerliebsten Schaz/ das unvergleichliche Fraͤulein Valiska umb eheliche Liebe/ hinter ihrer und mei- ner Eltern Wissen ansprechen duͤrffen/ da wir noch Kinder/ und ohn alle arge Gedanken/ unsere Herzen dermassen verknuͤpffet haben/ daß sider dem weder Gefahr noch Gewalt sie trennen moͤgen. Zwar wie groͤblich ich wider kindliche Gehorsam gehandelt/ gestehe ich gerne; Demnach aber eine lautere Unmoͤg- ligkeit ist/ unsere Gemuͤhter zu scheiden/ welche ihren eigenen Leib verlassend/ sich in des andern einge- senket haben; als geleben wir beyde der troͤstlichen Zuversicht/ ihr muͤtterliches Herz werde uns nicht ungnaͤdiger/ als die goͤttliche Versehung seyn/ welche dann gewolt/ daß/ ehe unsere Liebe gebrochen wuͤrde/ wir mitten auff dem festverwahreten Koͤniglichen Schlosse unsere Ehe mit den teuresten Ver- P p p p p iij heissun- Vierdes Buch. heissungen buͤndig machen muͤssen; Wil demnach Eurer Hocheit hoͤchstgewuͤnschtes Angesicht nicht sehen/ es geschehe dann in Gegenwart der teuresten Fraͤulein Valiska/ wo sonst Gott uns noch eine kur- ze Zeit das Leben fristen wird/ und verbleibe ich/ weil ich lebe/ meiner gnaͤdigsten Frau Mutter gehor- samst-untergebenster Sohn Herkules/ jetzo Valikules genennet. Die Freuden-Traͤhnen fielen unter dem lesen der Koͤnigin aus den Augen/ kuͤssete den Brief/ und sagte: O mein allerliebster Sohn Herkules/ ist mein hoͤchster Wunsch ohn mein Wissenschon erfüllet/ so wil ich nunmehr gerne sterben/ und doch erst Liebe zu leben bekom- men/ damit ich deine Frucht sehen moͤge. Endlich lase sie auch Ladisla Brief/ welcher nichts als Vergnuͤgung uͤber seines Herkules kuͤnftige Heyraht zuschreiben wuste. In dem sie nu mit Verlesung desselben bemuͤhet war/ hoͤreten sie auf dem Schlosse/ daß auf allẽ Gassen deꝛ Stad Alarm geblasen uñ geruffen/ auch jeder zum Gewehr auffgemahnet ward/ dessen sie nit wenig erschrakẽ/ uñ bald Zeitung bekamen/ es haͤttẽ sich etliche 1000 geharnischte Reu- ter im Felde blicken lassen/ dz man nit wissen koͤnte/ obs Feind oder Freund waͤre. Die Koͤ- nigin war in solchen faͤllen sehr geherzt/ ließ alsbald 10 Reuter ausreitẽ/ uñ Kundschaft ein- holẽ/ welche alle gefangen genom̄en/ uñ nit wieder gesehen wurdẽ/ daher man ursach nam/ sie vor Feinde zu halten/ uñ begaben sich alle Mañschafft der Stad ins Gewehr/ besetzeten Wall uñ Mauren aufs beste/ uñ trugẽ Pfeile/ Steine uñ allerhand Ruͤstung auf die Mau- ren/ damit man den Feind abzuweisen bedacht wahr. Hingegen zogen die unbekantẽ Reu- ter den geradesten Weg auff die Stad zu/ nicht anders/ als stuͤnden ihnẽ Tohr und Tuͤhrẽ offen/ ungeachtet man ihnen zurieff stille zu halten/ biß man endlich loßdrückete und die Pfeile ihnen in zimlicher Menge entgegen schickete/ daß ihrer etliche beschaͤdiget/ und hin- ter sich zuweichen gezwungen wurden; worauff einer aus dem Hauffen hervor ritte/ und mit einem lachen fragete: Ob sie Freunde und Bundgenossen mit seindlichem Geschoß abzutreiben befuget waͤhren; Groß Fuͤrst Henrich aus Teutschland waͤhre mit seinem Ge- mahl und Fraͤulein Tochter gegenwaͤrtig/ und begehrete bey seiner Fr. Schwester der Koͤ- nigin angemeldet zu werden. Aber der Obriste der Besatzung gab ihm zur Antwort/ der Groß Fuͤrst aus Teutschland waͤhre keine Blume die man von ferne riechen koͤnte/ so haͤt- te man die außgeschikten Reuter aufgehalten/ und dadurch Argwohn genug zu andern ge- danken gegeben; dafern man aber den Großmaͤchtigsten Groß Fuͤrsten sehen wuͤrde/ solte dessen Hocheit alles offen stehen. Dem Groß Fuͤrsten gefiel solche Antwort wol/ ritte naͤ- her hinzu/ und ließ sein Angesicht sehen/ welches alsbald von unterschiedlichen erkennet ward; worauff im Augenblik ein Freudengeschrey auff der Maur/ und bald hernach in der ganzen Stad sich erhub; Der Groß Fuͤrst aus Teutschland lebe! Die Koͤnigin wuste/ daß er ihr gedraͤuet hatte/ bald unvorsehens ihr einen blinden Lermen zu machen/ umb zu ver- nehmen/ wie vor Unfall zu schuͤtzen sie sich gefasset und bereit hielte/ zweifelte demnach an seiner gegenwart nicht/ und sendete ihm den alten Pribisla entgegen/ welchen der Fürst von ferne erkennete/ und ihm nach seiner angebohrnen Freundligkeit entgegen ritte/ spre- chend: Lieber Alter/ eure Gesundheit ist mir angenehm/ doch haͤtte ich gemeinet/ man muͤ- ste euch nicht mehr unter den Lebendigen/ geschweige unter jungen Hofeleuten suchen. Pribisla neigete sich tieff auff dem Pferde/ und wahr willens abzusteigen/ welches ihm a- ber der Groß Fuͤrst nicht goͤnnen wolte/ sondern sagete: Sitzet mein lieber Alter; wie ge- hets Vierdes Buch. hets meiner Fr. Schwester? fůrchtet sie sich auch vor feindlichen uͤberfal? Meine gnaͤdig- ste Koͤnigin/ antwortete er/ ist/ dank den Goͤttern noch frisch und gesund/ lebet auch ferne von aller Furcht/ als lange eure Hocheit im Leben und gutem Wolstande sich befindet/ und haͤtte dieselbe zu gewuͤnscheter Zeit nicht kommen moͤgen/ da sie gleich diese Stund von unserm Gnn. Koͤnige und Fraͤulein/ wie auch von dem unvergleichlichen und biß an der Sonnen Auffgang hochbenahmeten Helde Herkules/ euer Hocheit Sohne sehr angeneh- me Zeitung und Schreiben bekommen hat. Groß Fuͤrst Henrich seufzete uͤber dieser Re- de und sagete: O du lieber und werter Sohn/ wie unselig bin ich/ daß durch verleugnung unser Schuz Goͤtter du dich deiner Eltern und Vaterlandes/ oder vielmehr uns deiner be- raubet hast! wie schwer ist mirs/ dich zu hassen/ und doch unzulaͤssig/ dich zu lieben/ als lan- ge du den neuen Aberglauben nicht wirst abgeleget haben; sagte nachgehends zu Pribisla; es ist mir sehr lieb/ daß mein Oheim und Wase annoch in gutem Wolstande leben/ und fuͤrchtete ich mich schon/ nur Unlust durch meiner Schwester Traͤhnen einzunehmen. Ließ darauff sein Gemahl und Fraͤulein in einer Gutsche allernaͤhest hinter ihm her zum Stad Tohr ein fahren/ da sie auff dem Schlosse von der Koͤnigin sehr freundlich emp- fangen/ nachgehends auff das Gemach gefuͤhret wurden/ woselbst die treflichen Kleinot in grosser Menge annoch unbedecket stunden/ an welchen Frl. Klara ihre Augen sehr be- lüstigte/ daß sie fragens sich nicht enthalten kunte/ von wannen doch folche scheinbare Sa- chen kaͤhmen; welches die Koͤnigin alles erzaͤhlete/ und ihren Bruder umb Raht fragete/ wessen sie sich gegen den Parther Koͤnig erklaͤren solte; er aber zur Antwort gab; es waͤh- re eine wichtige Sache/ und saͤhe er nicht was man anders/ als freundliche Einwilligung vornehmen koͤnte/ nachdem unmoͤglich seyn wuͤrde/ dem maͤchtigsten Koͤnige der Welt das Fraͤulein mit Gewalt zu nehmen. So wolte aber ich viel lieber sterben/ sagte die Koͤ- nigin/ als diesem hochmuͤhtigen Wuͤterich eine Tochter geben/ die ihm vielleicht als eine Leibeigene dienen muͤste/ wann das erste Feur/ welches am heftigsten zu brennen pfleget/ würde gedaͤmpfet seyn/ und zweifele nicht/ meine herzlieben Soͤhne Herkules und Ladisla/ werden nicht ruhen biß sie mein geliebtes Kind in Freyheit gesetzet haben; Und weiß mein Bruder noch nicht/ weß ich gesinnet bin? Ich habe von 14 Jahren her meinem Sohn Herkules dieses mein Kind zugedacht/ weil sie einer dem andern von Angesicht/ Gemüht und vielen Eigenschaften sehr gleich sind/ und da mir dieses fehlen solte/ muͤste sie der Goͤt- tin Vesta biß an ihr Ende verlobet werden. Ach/ fagte/ die Groß Fuͤrstin/ wañ ich den Tag dieser Heyraht erleben solte/ wolte ich nachgehends mit froͤlichem Herzen sterben. Der Groß Fuͤrst redet ihr ein; Schweiget schweiget/ mein geliebtes Gemahl/ er hat unsere Goͤt- ter verlaͤugnet/ daher kan ihm dieses nicht zugelassen werden/ dann weil er dieser Ursachen halben ein Fuͤrst ohn Land/ und aus seinem Erbreiche muß verbannet seyn/ wird er sein Le- ben im Ritterstande enden muͤssen/ was solte dann meiner Frl. Wasen mit solchem Ge- mahl gedienet seyn? Die Koͤnigin lachete seiner Ernsthaftigkeit/ und sagete: Geliebter Bruder/ der Goͤtter Vorsaz und versehung werden weder du noch ich zubrechen bestand seyn; wann nun unserm Sohn Herkules/ ach dem frommen tapfferen und Tugenderge- benen Herkules meine Tochter außersehen ist/ wer wil sie ihm nehmen? hat er dañ gleich Teutschland nicht (wiewol sonder zweiffel ihm solches dereins/ da er lebet/ werden muß) ey so Vierdes Buch. ey so kan der Koͤnig in Boͤhmen/ der ihn uͤber sich selbst liebet/ noch wol schichtung mit ihm halten/ oder ihm ein Koͤnigreich gewiñen helffen. O herzgeliebte Fr. Schwester/ antwor- tete die Groß Fuͤrstin/ wie hoch bin ich euer Liebe verbunden/ nach dem ihr euch meines Fleisch- und Blutes so hoch annehmet. Es ist mein Fleisch und Blut auch/ sagte die Koͤ- nigin/ welches ich so hoch zuerheben/ und dem allerbesten Fuͤrsten der Welt (niemand sei- nen Ruhm benommen) zu liefern bedacht bin; und weil mein Herr Bruder eine so woͤlfi- sche Grausamkeit wieder einen so gewuͤnschten Sohn gefasset hat/ den alle Welt/ ja der Kaͤyser zu Rom selbst/ ehret und liebet/ wollen wir ohn sein Zutuhn diese Heyraht unserer lieben Kinder volzihen. Kraͤnke mir meine Seele nicht mit solchen Aufflagen/ antwortete der Groß Fuͤrst/ die Goͤtter wissen daß ich meines Sohns Unfall mit meinem Blute abzu- wenden mich nicht wegern wolte/ wans moͤglich waͤhre/ aber daß ich mein Kind lieber als meine Goͤtter haben solte/ muͤste ich billich in ihre Ungnade fallen/ so behalte nun das tref- liche Fraͤulein einem maͤchtigen Koͤnige oder Fuͤrsten vor/ mit dem sie Land und Leute zu- beherschen habe/ wie sie scheinet darzu gebahren seyn/ dann Boͤhmen wird sich schwerlich trennen; Teutschland ist ihm entzogen/ weil er unsere Goͤtter nicht wieder annehmen wil/ und wird sich kein fremder angeben/ der ihm Land und Leute abtrit. Unter diesen Reden hatte die Koͤnigin der Groß Fuͤrstin ihres Sohns Herkules Brieff zu lesen geben/ die uͤ- ber dessen Inhalt unsaͤglich erfreuet ward/ daß sie sagte: O du mein gewuͤnschter Sohn/ du Spiegel aller Tugend und Froͤmmigkeit; wann wirstu dich und dein wirdiges Gemahl mich wiederumb sehen lassen? Waß? sagte der Groß Fuͤrst/ hat er sie schon geheyrahtet/ und ist naͤhrlich 21 Jahr alt? in solcher Jugend haͤtte ich mich gescheuet ein Weibesbild dieser gestalt anzusehen; nam den Brieff auch zur Hand/ und nach verlesung sagte er: Un- sere Kinder wollen mit ihren Kindern zeitiger spielen/ als wir getahn haben; kan es dann moͤglich seyn/ daß er seine Goͤtter wieder annimt/ sol ihm sein Erbrecht an meinem Reiche unbenommen bleiben; im wiedrigen/ ist mir noch leid/ daß meine Wase mit einem Christẽ/ und mit einem Fuͤrsten ohn-Land sol verheyrahtet werden. Mein Herr Bruder/ sagte die Koͤnigin/ warumbschilt- und schaͤndestu die Christen/ weistu doch so wenig als ich/ was ihr Glaube ist. Leches trat gleich herzu/ hatte die herlichen Kleinot/ die Herkules seiner Frl. Schwester uͤbergemacht/ in zarte Seidene Tuͤcher verhuͤllet/ und Libussen und Bre- ten zugestellet/ trat vor ihnen her/ und reichete anfangs dem Groß Fuͤrsten und seinem Ge- mahl ihre absonderliche Schreiben von ihrem Sohn Herkules; hernach kehrete er sich zu dem Fraͤulein/ ließ die Kleinot vor ihre Füsse legen und sagete: Durchleuchtigstes Fraͤu- lein/ mein gnaͤdigster Fuͤrst und Herr/ der tapferste Held auff Erden/ Herr Herkules/ ent- beut euer Durchl. bruͤderlichen Gruß/ und sendet derselben diesen Beutpfennig/ mit Bit- te/ selben anzunehmen/ und mit Schwesterlicher Gewogenheit und Traͤue ihm allemahl zugetahn zuverbleiben. Sie bedankete sich sehr/ hub die Kleinot/ so auff 80000 Kronen in Persen geschaͤtzet wahren/ mit grosser Begier/ nacheinander auff/ zeigete sie ihrer Fr. Mut- ter und wuͤnschete/ daß sie ihren herzgeliebten Herrn Bruder bald sehen moͤchte; die gros- sen Verehrungen koͤnte sie nicht anders als mit Schwesterlicher getraͤuer Liebe erstatten/ woran sie Zeit ihres Lebens nichts wolte erwinden lassen. Der Groß Fürst brach seines Sohns Schreiben/ und sagete: Weil mirs ausserhalb meines Reichs zukomt/ werde ichs ohn Vierdes Buch. ohn meiner Goͤtter Zorn lesen koͤnnen/ und fand folgenden Inhalt. Großmaͤchtigster Groß- Fuͤrst und Herr/ gnaͤdigster Vater; dafern wegen meines einigen wahren Gottes/ ich euch von denn verteufelten luͤgenhaften Krodenpfaffen nicht gar zu verhasset gemacht bin/ Bitte ich in Kindlicher Demuht/ diese weinige Zeilen mit Vaͤterlichem Herzen zu lesen; Mein Gott/ dem ich biß an mein Ende dienen wil/ hat mir das Durchleuchtigste Fraͤulein Valiska zum kuͤnftigen Gemahl bescheret/ mit der ich mich in aller Gottesfurcht ehelich versprochen/ nach dem der grundguͤtige Gott ihr Herz in erkaͤntnis meines Heilandes Christus erleuchtet/ woruͤber sie mit mir froͤlicher ist/ als uͤber alle irdi- sche Wolluͤste dieser nichtigen Welt. So gebet nun bitte ich/ euren Vaͤterlichen Willen hierzu/ erlas- set euren Sohn alles falschen Argwohns/ und seid versichert/ daß er weder Tag noch Nacht vergessen wird/ euch der Barmherzigkeit seines einigen wahren Gottes inbruͤnstig zu befehlen/ verbleibet auch/ weil er lebet/ euer biß an Gott gehorsamster Sohn Herkules. Die Groß Fuͤrstin sahe ihr Schreiben auch durch/ welches also lautete: Gnaͤdigste/ herzallerliebste Frau Mutter/ meinen Zustand uñ geschlossene Heyraht wird ohn zweifel meine gleich- geliebte gnaͤdigste Fr. Mutter/ Koͤnigin Hedewig uͤberschreiben/ und mein Herr Vater anmelden/ Bitte sehr/ bey dessen Hocheit mich zuentschul d igen/ daß ohn dessen eingehohleten Raht und Willen ich diese Verloͤbnis vorgenommen/ welches von mir nicht aus verachtung/ sondern unmoͤgligkeit un- terlassen ist. Mein Gott wird mich dereins meiner herzlieben Eltern versoͤhnetes Angesicht sehen las- sen/ daß an deren hoͤchstgewuͤnscheten Gegenwart ich meine Seele ergetzen moͤge; bemuͤhet euch aber/ bitte ich Kindlich/ meinen Herr Vater zu beguͤtigen/ damit er die schaͤndlichen Verleumdungen/ durch welche ich von den verlogenen Pfaffen bey ihm angegossen bin/ fallen lassen/ und sein Fleisch uñ Blut/ welches fremden nicht unangenehm ist/ zu hassen und zu verbannen auffhoͤren moͤge/ als vor welchen zu sterben ich mich keinmahl wegern wil. Nun mein Gott wird der Unschuld beysteuren/ und den unbillig-vertriebenen wieder einzuhohlen wissen, wiewol ich meinem Bruder Baldrich mein Erb- recht in der guͤte abzutreten (sintemahl mir der Odem nach der Herschaft gar nicht stinket) nicht un- geneiget waͤhre/ da es von mir gebuͤhrlich und ohn verletzung meiner Ehren begehret wuͤrde/ dessen Gemuͤht gegen mich zuerfahren/ ich grosses Verlangen trage/ welchen nebest euch und meiner herz- lieben Frl. Schwester ich der kraͤftigen Obhuet meines allein wahren Gottes empfele/ als euer ge- horsamster Sohn Herkules. Der Groß Fuͤrst betruͤbete sich sehr uͤber sein Schꝛeiben/ welches die Koͤnigin eigent- lich wahrnahm/ und zu ihm sagete: Gewißlich findet mein Herr Bruder unangenehme Sachen in seinem Brieffe. Was solte ich nicht finden/ antwortete er: Die steiffe Hart- naͤckigkeit in dem neuen Glauben laͤsset sich je laͤnger je staͤrker sehen/ und duͤrfte er sich wol gar unterstehen/ das Fraͤulein auff seinen neuen Gott hinzufuͤhren. Daß wird ihm kein Mensch wehren koͤnnen/ antwortete die Koͤnigin/ dann wie ich meinen Koͤnig heyrahtete/ muste ich mich dem Boͤmischen Gottesdienst gemaͤß verhalten; Aber es ist Zeit/ sagte sie/ daß wir das Abendmahl eiñehmen/ hernach sol Leches erzaͤhlen/ was ihm von unsern Kin- dern wissend ist. Frl. Klara machte unter diesem Gespraͤch gute Kundschafft mit Libus- sen/ erkundigte sich/ was vor Geschlechtes und Tugend Koͤnigs Ladisla Gemahl waͤhre/ uñ trug so grosse Beliebung zu ihr/ daß sie unter der Mahlzeit bey ihr sitzen muste; weil sie auch merkete/ daß sie mit kuͤnstlichem Perlensticken umbzugehen wuste/ baht sie dieselbe/ ihr ein Armband von ihren Haaren mit durchgesetzeten Perlen zumachen/ welches noch desselben Abends geschahe. Leches aber erzaͤhlete allen Verlauff/ was mit seinen Gnn. Herren und dem Fraͤulein sich zugetragen hatte/ so wol zu Padua als in den Morgenlaͤndern/ woruͤber der Groß Fuͤrst sich nicht wenig erfreuete/ und aus vaͤterlicher Inbrunst anfing: O du Q q q q q mein Vierdes Buch. mein wirdiger Sohn/ du Zierde aller loͤblichen Teutschen Ritterschafft; wolte Gott/ du haͤttest Rom nie gesehen/ noch ichtwas von dem Christlichen Aberglauben gehoͤret/ als dañ wuͤrdestu dein/ ja dein Teutschland biß an die Wolken erheben. Leches wahr in seinem Christentuhm sehr eiferig (wie er auch deswegen in seinem hohen Alter von den heydni- schen Pfaffen erschlagen ward/ und zugleich mit seiner Libussen die Krone der Maͤrterer davon trug) kunte demnach solche Reden unbeantwortet nicht lassen/ obs ihm gleich haͤtte das Leben kosten sollen/ und sagete: Gnaͤdigster Groß Fuͤrst/ Eure Hocheit/ bitte ich/ wollen das Christentuhm nicht vor einen Aberglauben schelten/ nachdem kein Mensch/ ohn durch diese Lehre/ die Seligkeit erlangen kan; Zwar ich bin auch von meinem lieben Vater ge- genwaͤrtig/ im Boͤhmischen heydnischen Unglauben aufferzogen und unterrichtet/ aber durch Gottes Gnade/ und Huͤlffe meines Gn. Fuͤrsten Herrn Herkules/ habe ich so viel gefasset/ daß ich mich vor Teufel/ Tod/ Helle und allen heydnischen Goͤtzen/ wie sie auch Na- men haben moͤgen/ im geringsten nicht mehr fuͤrchte/ und wann ich tausend Koͤpffe haͤtte/ muͤsten sie alle springen/ ehe ich die einmahl erkante Warheit verlaͤugnen/ oder den vorigen Gottesdienst wieder annehmen wolte. Eure Hocheit verzeihen mir/ bitte ich untertaͤhnigst/ diese Kühnheit/ daß ich sie und alle anwesende versichere/ dafern sie meinen Gn. Herrn/ Groß Fuͤrst Herkules in seiner Andacht solten sehen/ und als einen ausbuͤndig-gelehrten Christen reden hoͤren/ wuͤrden sie gewiß gewiß den Kroden Teuffel und andere ihre ertich- te Goͤtzen vor ein kindisches Menschen-geticht halten. Der Groß Fuͤrst haͤtte schier eine Ungnade auff ihn geworffen/ doch besan er sich/ und antwortete mit scharffer Rede: Ritter/ die Jugend hat die Unart insgemein/ daß sie das neue erhebet/ und das alte mit Fuͤssen trit/ daher wundert mich nicht/ daß ihr eurem Alter nach/ der Neuerung ergeben seyd; Weil euch aber eure Kappe biß auffs aͤusserste gefaͤllet/ moͤget ihr sie immerhin tragen/ nur dz ihr in meiner Gegenwart euch maͤssiget/ meine Goͤtter zuverkleinern. Leches erkennete/ daß er uͤber die Schnuhr gehauen hatte/ und baht untertaͤhnigst umb Verzeihung/ nicht daß er der Goͤtzen halben solches redete/ sondern des Groß Fuͤrsten Ungnade von sich abwendete. Als er nun von ihm aller Verzeihung versichert wahr/ kehrete er sich zu der Koͤnigin/ und sagte; wie er von seinem Koͤnige befehl haͤtte/ 6000 wolversuchte Boͤhmische Reuter zu werben/ so waͤhre der Stathalter zu Padua schon in voller Arbeit/ 7000 Roͤmische Reu- ter zubestellen/ baͤhte/ Ihre Hocheit moͤchte gnaͤdigst einwilligen. Diese nun lobete solches Vorhaben/ damit/ sagte sie/ unsere Kinder in der wilden fremde auff allen fall getraͤue Leute umb sich haben moͤgen. Hier sahe Neda/ daß zeit seyn wuͤrde/ sein begehren vorzutragẽ/ fing demnach also an: Großmaͤchtigster Groß Fürst/ Gnaͤdigster Herr/ es wuͤrde dem unver- gleichlichẽ Helde/ Eurer Groß Fuͤrstl. Hocheit Herrn Sohne einesonderliche Freude seyn/ dafern er etliche seiner angebohrnen Untertahnen bey sich haben/ und den Morgenlaͤndi- schen Fuͤrsten taͤhtlich zeigen koͤnte/ durch was unuͤberwindliche Faͤuste Teutsche Freyheit bißher wider die Roͤmische Macht beschuͤtzet und erhalten worden. Wann bey Ihrer Hocheit ich nun erlangen koͤnte/ daß vor baare Gelder ich eine Anzahl wolgeuͤbete Reuter in ihrem Reich werben duͤrffte/ wolte ich ihnen die Anreitsgelder vergnuͤgen. Meine Voͤl- ker/ antwortete der Groß Fürst/ dienen mir zwar und meinen Kindern umsonst/ aber wann sie ihr Blut vor andere wagen/ wollen sie dessen trauen ergetzet seyn; Saget mir aber/ was geden- Vierdes Buch. gedenket ihr auff ein Pferd zu geben? Meines gnaͤdigsten Groß Fuͤrsten Herkules Ehr uñ Ansehen zuerhalten/ sagte Neda/ gebe ich auff jeden versuchten Reuter 50 Kronen baar; und von heut an gerechnet/ verspreche ich ihnen doppelten Sold/ sagte Leches. So muͤsset ihr viel Kronen bey euch fuͤhren/ sagte der Groß Fuͤrst zu Neda/ oder ihr werdet meiner Leu- te nicht viel begehren. An guten Kronen fehlet mirs nicht/ antwortete er/ wann nur 6000 gewünschete Reuter diese Stunde hie waͤhren/ die Gelder zuempfangen; und versichere sich Eure Hocheit/ daß ihr Herr Sohn so viel Baarschafften zu Padua in Kasten stehen hat/ damit er ein verfassetes Kriegs Heer von 50000 zu Roß und 150000 zu Fusse ein gan- zes Jahr im Felde halten und besolden kan/ welches ihm der Roͤmische Kaͤyser selbst kaum nachtuhn solte. Der Groß Fuͤrst bekam hieraus allerhand Gedanken/ was solches Geld wirken koͤnte/ wann sein Sohn dereins sein Erb Reich mit dem Schwerte zugewiñen sich unternehmen solte; doch setzete er dieses bald beyseit/ und sagte zu Neda: Weil mein Sohn Herkules nach Ehren strebet/ und Teutsches Lob weit auszubreiten bemuͤhet ist/ wil ich ihm vor dißmahl einen Reuterdienst tuhn/ und ihm 6000 auserlesene Reuter meiner Leib- Schaar ohn Entgelt hergeben/ die bißher in mannichem Scharmuͤtzel wider die Roͤmer und andere Feinde sich haben finden lassen/ dieselben wil ich besolden/ so lange sie meinem Sohn zu dienste streiten/ wo sie aber einem andern zum besten gebraucht werden/ sollen sie von demselben doppelten Sold haben. Nun hatte der Groß Fuͤrst 8000 Reuter mit sich hergefuͤhret/ aus welchen er des folgenden Morgens die versuchtesten 6000 nam/ die ihm schwoͤren musten/ seinem Sohn Herkules/ dem sie solten zugefuͤhret werden/ in allem ge- horsam zuseyn/ und wider alle seine Feinde/ so nicht Teutsche oder deren Bundgenossen waͤ- ren/ sich gebrauchen zulassen; uͤbergab sie hernach Leches und Neda/ und sagte: Da habt ihr die begehrte Anzahl Reuter/ welche/ da sie sich scheuhen solten/ auff 20000 Feinde zu gehen/ ich sie aller ritterlichen Ehren unwirdig halten wolte. Diese bedanketen sich wegen Herkules untertaͤhnigst/ gaben/ ungeachtet des Groß Fuͤrsten Verbots/ einem jeden durch die Bank 20 Kronen/ dessen die hinterbliebene 2000 mit geniessen/ und gleich so viel nehmẽ musten. Worauff der Groß Fuͤrst sagete: Seyd ihr auch zu freygebig von eures Herren Geldern. Nein/ gnaͤdigster Herr/ antwortete Leches/ von diesen Kosten komt unsern Gn. Herren nichts zu/ sondern Neda gibts alles von seinem eigenen; und weil ich vielmehr Gel- der bey mir fuͤhre/ als ich zu der Voͤlker Unterhalt bedarff/ bitte ich untertaͤhnigst/ daß mir erlaubet sey/ dem Groß Fuͤrstlichen Fraͤulein im Nahmen ihres Herrn Bruders Herku- les/ eine Tonne Goldes auff meine Verantwortung zum Beutpfennige einzuliefern. Der Groß Fuͤrst lachete des/ und sagete: Was Bruͤder und Schwester einander schenken/ ste- het ihnen frey; muste also das Fraͤulein solche Baarschafft zu sich nehmẽ. Ritter Prinsla/ Herr Stanisla Sohn/ der etliche Jahr her in Schweden und Liefland durch manniche loͤbliche Taht ein gutes Lob erworben/ hatte Leches/ mit dem er in bruͤderlicher Freundschaft stund/ seine Ankunfft erfahren/ und erboht sich/ 30 Pferde auff seine Kosten auszuruͤsten/ uñ seinem Koͤnige zuzuzihen. Leches erfreuete sich dessen hoͤchlich/ und baht ihn/ sich nach guteꝛ Ritterschafft umzutuhn/ damit er deren 6000 in geschwindester Eile zusammen braͤchte/ zaͤhlete ihm 200000 Kronen aus/ und bestellete ihn zum Feld Obristen Wachtmeister über alle diese Boͤhmische Voͤlker. Dieser schickete alsbald 40 Werber aus/ daß ein jeder 150 Q q q q q ij Reu- Vierdes Buch. Reuter/ die alle schon gedienet haͤtten/ oder zum wenigsten mit Gewehr zu Roß wol umzu- gehen wuͤsten/ inwendig drey Tagen wol beritten/ herbey schaffen solte. Herr Krokus ne- benstseiner Frauen und Tochter wurden auch nach Hofe gefodert/ unwissend/ dz ihr Sohn Neda ankommen wahr/ über dessen und seiner Eheliebsten Gegenwart sie hoͤchlich erfreuet wurden; insonderheit machten Brela und Therba vertrauliche Schwesterschafft/ und wurden alle vorige Mißverstaͤnde gaͤnzlich vergraben. Prinsla hatte vor wenig Tagen sich in Therben sehr verliebet/ gedachte/ jezt waͤhre Zeit/ durch seine Wase Libussen es fortzuset- zen/ offenbahrete ihr seine Liebe/ und baht umb Befoderung. Diese gab Brelen und Neda solches zu verstehen/ die solche gewuͤnschete Schwaͤgerschafft nicht ausschlagen wolten/ redete es mit der Jungfer und ihren Eltern/ und funden sie an allen Seiten darzu willig/ ward also des andern Tages ihre Hochzeit von der Koͤnigin auff dem Schlosse angestellet und frey gehalten. Brela ließ auch in der Koͤnigin Nahmen ihre Vormuͤnder zur Rech- nung fodern/ deren einer/ welcher aller ihrer Guͤter Auffkuͤnfte gehoben/ und unnuͤzlich veꝛ- schwendet hatte/ sich vor harter Straffe fuͤrchtend/ ihm selbst mit einem Stricke das Leben nahm/ woruͤber Brela sehr unmuhtig ward/ auch zur Bezeugung ihres guten willens ge- gen die Witwe und sechs nachgelassene Kinder/ sie nicht allein aller Anfoderung frey und ledigsprach/ sondern der Witwen 8000 Kronen schenkete/ und zwo Toͤchter/ eine von 15/ die andere von 12 Jahren vor ihre Leib Jungfern/ Neda aber zween Soͤhne/ einen 17/ den andern 10 Jahr alt/ vor seine Auffwarter zu sich nam/ dessen sie im ganzen Koͤnigr eiche ei- nen trefflichen Nahmen und hohes Lob bekahmen; Die uͤbrigen beyden Vormuͤnder mu- sten von der Koͤnigin und dem Reichs Kanzler Herr Bretisla einen scharffen Verweiß annehmen/ daß sie dem dritten allen Willen/ mit fremden Guͤtern zuschalten verstattet/ und ihrem Ampte so unfleissig vor gestanden waͤhren/ woruͤbeꝛ sie in 4000 Kronen Straffe veꝛ- dammetwurden/ welches aber Brela selbst loß baht/ und sie zu weiterer Vormundschafft uͤber ihre Güter bestellete/ da sie alle Traͤue und Fleiß erwiesen. Des vierden Tages nach Leches Ankunfft waren 6000 Boͤhmen bey einander/ unter denen 1200 aͤdle und 300 Rit- ter sich stelleten; auch 300 junge Boͤhmische vom Adel/ alle unter 19/ und uͤber 14 Jahren/ wurden von ihren Eltern mit geschikt/ ihrem Koͤnige in der sremde auffzuwarten. Frl. Klara hielt bey Libussen an/ mit ihr in Teutschland zuzihen/ und biß auf ihres Liebsten Wie- derkunfft ihr Geselschafft zuleisten; auch wolte die Koͤnigin Brelen bey sich behalten; nach- dem aber diese sich entschuldigte/ ihrer Gn. Fraͤulein nachzihen zuwollen/ trug Libussa e- ben dasselbe vor/ und sagte zu dem Fraͤulein in aller andern Gegenwart: Ob gleich Eurer Gn. ich eine zeitlang auffwarten wolte/ wuͤrde ich doch von ihrem Gn. Herr Va- ter nicht koͤnnen geduldet werden/ dann ich bin eine Christin/ und muͤste mich befuͤrchten/ daß eure gottlose verlogene Kroden-Pfaffen mich wol gar erwũrgeten. Woruͤber der Groß Fuͤrst mit einem lachen den Kopffschuͤttelte; wodurch aber sie erkuͤhnet/ zu ihm sag- te: Durchl. Groß Fuͤrst/ ich weiß sehr wol/ daß alle Teutsche Pfaffen/ uns Christen vor un- zũchtige schandergebene Menschen ausruffen/ aber ich rede alhie kuͤhnlich aus/ und sage/ daß wer mein gnaͤdigstes Fraͤulein und mich vor eine solche haͤlt und schilt/ ich denselben vor einen Schelm und Ehren Dieb halte/ biß er uns solches uͤberweiset/ und wann Eure Hocheit solchen buͤbischen und diebischen Verleumdungen Glauben zumisset/ handelt sie sehr Vierdes Buch. sehr unvorsichtig. Leches winkete ihr/ sich zumaͤssigen/ deswegen sie damit abbrach/ und der Groß Fuͤrst mit wenigem sagte/ er wuͤste wol/ wie weit er glaͤuben oder nicht glaͤuben solte. An diesem Tage empfing Leches von der Koͤnigin/ Groß Fuͤrstin uñ dem Fraͤulein Schrei- ben/ an Herkules/ Ladisla und Valiska/ und brachen des folgenden Tages/ welcher der fuͤnf- te nach feiner Ankunfft wahr/ ingesamt sehr fruͤh auff/ da Therba in ihrer Geselschafft mit fort ging/ eileten auch nach aller Moͤgligkeit nach Padua zu. Auff den Roͤmischen Gren- zen wolte man sie nicht durchlassen/ sondern etliche tausend zu Roß und Fuß verlegeten ih- nen den Weg/ biß Neda seine Roͤmische Bestallung/ und des Stathalters freyen Reise- Brieff aufflegete/ worauff sie fortgelassen/ und von 1000 Reutern nach Padua begleitet wurden. Ihre Ankunfft vor diese Stad erweckete nicht geringen Aufflauff/ aber Leches uñ Neda stilleten es bald/ da sie hinein ritten/ und die Voͤlker anmeldeten. Der Stathalter samt Klodius und Markus zogen hinaus/ sie zubesehen/ die von Prinsla und dem Teutschẽ Herrn Wedekind in eine zierliche Feld-Ordnung gestellet wahren. 2000 Teutschen fuͤh- reten grosse Schlacht Schwerter/ vor welchen die Italiaͤner sich entsetzeten/ meyneten nit/ daß sie von Menschen Armen koͤnten gefuͤhret werden; aber der angestellete ertichtete Feld- streit zeigete ihnen den ringfertigen Gebrauch deren/ die damit bewehret wahren. Leches baht den Stathalter/ daß ihnen ein Lager haussen vorm Tohr moͤchte gegoͤnnet werden/ musten aber auff dessen Geheiß alle in der Stad verleget/ und als Bundgenossen gehalten werden/ da sie sich so fried- und genuͤglich bezeigeten/ daß die Inwohner ihnen Zeugnis ga- ben/ sie waͤhren nicht minder sitsam als streitbar. Frau Sophia wahr ihrer Ankunfft sehr froh/ ließ die 300 aͤdelknaben in Roth Scharlaken mit guͤldenen Borten verbremet/ kleidẽ/ und gab dem Heer schoͤne Reuter Fahnen; Den Teutschen 30 Schneeweisse/ in denen zu oberst der Nahme HERCVLES, und allernaͤhest darunter VALISCA, mit guͤldenen Lateini- schen Buchstaben/ in der mitte aber zween guͤldene Loͤuen gegen einander auffrecht stundẽ/ welche mit ihren rechten Tatzen dieses gekroͤnete Feur-roht-gemahlete Zeichen hiel- ten/ unter dem zu Teutsch diese guͤldene Buchstaben geschrieben wahren: Sieg oder Tod. Der Boͤhmen 30 Blutrohte Fahnen hatten oben den Nahmen LADISLA, und gleich dar- unter SOPHIA, in der mitte einen guͤldenen Loͤuen und Adler/ die oberwaͤhntes gekroͤnetes Zeichen hielten/ mit dieser Boͤhmischen Unterschrifft: Ehre oder nichts. Die 6000 Roͤmi- sche Reuter wahren auch schon beyeinander/ denen ein tapfferer Roͤmischer Herr/ Nah- mens Kajus Autronius vorgestellet wahr/ hatten 30 Himmelblaue Faͤhnlein/ in welchen zu oberst geschrieben stund: Sub HAC VMBRA Securitas . Das ist/ Unter diesem Schatten ists sicher; in der mitte aber der grosse gekroͤnete Buchstabe R / und uͤber demsolben ein guͤldener Adler mit außgebreiteten Fluͤgeln/ zu unterst in den Fahnen/ Vittute, Non Dolo . Das ist; Durch Tugend nicht durch Betrug. Klodius uñ Markus hatten jedweder 500 tref- liche Reuter/ und jeder nur ein Fahne/ einerley Gestalt/ nur daß die eine gruͤn/ die ander Pomeranzengelb wahr/ oben in denselben stunden diese Worte: Gratitudinis Symbolum . Das ist/ Ein Zeichen der Dankbarkeit; in der mitte diese gekroͤnete Buchstaben HL, so daß auf einer Seite das H, auff der andern Seite das L fornen an stund; vor jedem Buchstaben saß ein geharnischter Ritter auff den Knien/ mit entbloͤssetem Schwerte/ und zu unterst diese Worte geschrieben: Pro Dominis Cuncta . Das ist: Alles sol vor unsere Herren gewaget Q q q q q iij seyn. Vierdes Buch. seyn. Dieses Heer/ stark 19 tausend Reuter/ kam des Morgens vor Padua an/ und lagen die folgenden beyden Tage daselbst stille. Des Tages vor ihrem Auffbruch empfingen Le- ches uñ seine Gesellen/ wie auch deren Eheliebsten von dem Stathalter und Fr. Sophien/ Brieffe und Befehl/ was bey unsern Heldensolte bestellet werden/ und schenkete der Stat- halter Leches eine grosse guͤldene Kette mit des Kaͤysers Brustbilde/ als einem Fuͤrstlichen Abgesanten/ da Fr. Sophia zu demselben sagete: Ich darff mein liebes Soͤhnlein/ welches erst drey Monat alt ist/ weder verlassen/ noch auff dem ungestümen Meere wagen/ sonst dürfte ich in Geselschafft mit reisen; was ich aber eurer Liebsten schon anbefohlen/ wil ich euch auch fest eingebunden haben/ daß ihr eurem Koͤnige und Groß Fuͤrsten/ meinem Ge- mahl und Bruder saget/ ich lasse sie getraͤulich warnen/ daß sie nicht/ ihrer Art nach/ sich in den groͤsten Gefaͤhrligkeiten ohn Noht zu tieff wagen/ und nach der Fraͤulein erloͤsung sich durch anderer Leute Freundschaft nicht auffhalten lassen; ich nebest meiner Fr. Mut- ter und allen Christen zu Padua wollen vor sie zu Gott im Himmel fleissig behten/ welcher auch unsere Seufzer erhoͤren wird; goͤnnet uns dann der barmherzige JEsus/ daß wir froͤlich wieder zusammen kommen sollen/ werde ich schon darauff bedacht seyn/ euch eine sonderliche Belohnung bey meinem Gemahl zuerwerben; vor dißmahl bin ich nur auff deꝛ Voͤlker Unterhalt bedacht/ dero behueff ihr acht Tonnen Goldes zuempfangen habet/ und sind die Schiffe mit Speise/ Trank/ und Futterung uͤberfluͤssig versehen. Hernach ließ sie etliche fuder Wein hinauß vor das Tohr auff den Plaz fuͤhren/ woselbst Fulvius von La- disla erleget wahr/ da die Teutschen und Boͤhmen sich in zwo Hauffen lagerten/ und mit grossen Humpen dergestalt auffeinander stuͤrmeten/ ob wolten sie einander zu Tode sauf- fen/ doch wurden die Teutschen endlich der andern Meister und erstritten den Sauffpreiß. Da haͤtte man nun bey diesem Gelage ein Gesinge hoͤren sollen von ihren alten Helden/ welches so wuͤste und verwirret durch einander ging auch so gar ohn Liebligkeit/ daß es al- len Zusehern ein Grausen verursachete/ und ins gemein wuͤnscheten/ der Himmel moͤchte sie vor der Teutschen Feindschaft behuͤten. Unterschiedliche Teutschen wurden uͤber dem Trunk uneins/ meineten/ ihnen waͤhre nicht gebuͤhrlich bescheid getahn/ sonderlich beim Gesundheit-Trinken; nicht/ daß nicht alles rein außgesoffen waͤhre/ dann dieses haͤtten sie vor einen unabloͤschlichen Schimpff gerechnet/ welcher ihnen in allen ehrlichen Gelagen verweißlich auffgeruͤcket werden muͤssen; sondern nur/ daß dieser oder jener Gebrauch aus unacht unterlassen/ oder das weite Gefaͤß nicht auff einmahl und in einem Athem außgelee- ret/ oder etwas neben hin getruͤpfet waͤhre; hieruͤber zanketen sie sich an fangs/ folgete dañ ein Scheltwort/ zog der ander die Faust/ und schlug jenen uͤbers Maul daß die rohte Sup- pe folgete; dieser verblutete sich zuvor/ und nach dem er sich gewaschen hatte/ foderte er je- nen aus/ und zerschlugen sich mit Faͤusten drey unterschiedliche gaͤnge/ daß ihnen die Au- gen im Kopffe zuschwollen/ meineten dann/ sie haͤtten ihren Ehren gnug getahn/ und ver- trugen sich mit einem Handschlage/ so daß ihres Streites weder von ihnen selbsten noch von einigen andern gedacht ward. Ein einfaͤltiger/ doch handfester teutscher Ritter/ da ihm der Wein zu Haͤupte stieg/ ließ ihm ein Glaß von zwey Massen einschenken/ fassete es in den Arm und ging der Schau Bühne zu/ auff welcher der Stathalter mit den Padua- nischen Rahts Herren und vornehmen Frauenzimmer saß/ kniete vor dem Stathalter ni- der Vierdes Buch. der/ und brachte ihm seines Groß Fürsten Herrn Henrichs Gesundheit auff einen Trunk; die ganze Geselschaft lachete uͤber laut/ meineten/ es waͤhre unmoͤglich/ daß ers enden wür- de/ aber er huͤtete sich fleissig/ daß kein Troͤpflein neben hin lauffen muste/ hielt sein verspre- chen ehe mans inne ward/ kehrete das Glaß umb/ und ging hin/ es wieder einschenken zu lassen. Der Stathalter fragete Leches/ wie er dieser unmoͤglichen Anmuhtung abkommen solte; der ihm zur Antwort gab/ dafern es nicht in guͤte geschaͤhe/ wuͤrde dieser es vor ja so grosse Schmach außruffen/ ob waͤhre sein Groß Fürst an seinen hoͤchsten Ehren geschaͤn- det: woruͤber gar ein Auffstand sich erheben duͤrffte; moͤchte demnach der Stathalter das Glaß annehmen/ und ihn als seinen Dolmetscher reden lassen. Jener kam mit der streich- vollen Humpe daher getreten/ daß er ja kein Troͤpflein verschütten moͤchte/ und uͤberreiche- te es sprechend: Sein Groß Fuͤrst waͤhre ein so redlicher frommer Herr/ dessen Gesund- heit zu trinken sich kein rechtschaffener Kerl wegern wuͤrde. Der Stathalter empfing es willig/ da Leches zu diesem sagete: Ritter/ ich werde nicht unterlassen/ eure Traͤue zu ruͤh- men; weil aber der H. Stathalter erst neulich des Fiebers wieder genesen/ und ihm un- moͤglich ist/ bescheid zu tuhn/ werdet ihr ihm gerne zu lassen/ daß er etlichen des Fꝛauenzim- mers daraus schenke. Dieser gab vor/ er haͤtte redlich außgetrunken/ doch naͤhme er die Entschuldigung an/ und erlaͤubete ihm/ dreyen Jungfern zu schenken/ inmittelst wolte er hingehen/ und eine andere Gesundheit anfangen. Der Stathalter nam diese Gelegenheit in acht/ reichete seinen Dienern das Glaß hin außzutrinken/ und als der Teutsche wie der umbkehrete/ setzete er das leere Glaß an den Mund/ daß jener meinete/ er haͤtte den groͤsten Teil allein zu sich genommen/ wahr wol zu frieden/ und fing alsbald Koͤniges Ladisla und dessen Gemahls Gesundheit an/ die er Leches brachte/ und ihm so genaue zu sahe/ daß er in einem Trunke muste bescheid tuhn. Der Teutsche hatte noch das dritte Glaß neben sich ge- stellet/ daraus trunk er Groß Fuͤrst Herkules Gesundheit Neda zu/ der ihn auch befriedigte. Das Frauenzimmer waͤhnete/ der Teutsche wuͤrde des vielen Weins bersten/ welcher aber in sich selbst singend davon ging/ und sich gegen eine Hecke stellend/ sein Wasser ungescheu- het ließ/ nach dessen verrichtung er zu seiner Geselschaft sagete: Wann ichs nicht getahn haͤtte/ waͤhre euer wol keiner der Bescheidenheit gewesen/ daß er jenen vornehmen Herren einen Trunk gebohten haͤtte; uͤber welcher Einfalt alle Zuseher zum Gelaͤchter gereizet wurden. Die trunken Bolten/ nach dem weder Haͤnde noch Füsse mehr gehorchen wolten/ blieben unter dem freien Himmel biß an die Morgenzeit liegen/ gingen hernach hin/ und bahten von ihren Wirten das Morgenbrod/ weil sie bald auffsitzen und fortzihen muͤsten; welches ihnen willig gereichet ward/ dann der Raht daselbst bezahlete alles/ und ordneten an/ daß jeder Wirt seinem Reuter drey Kronen auff die Reise schenken muste; wovor Le- ches und Neda sich hoch bedanketen/ nicht zweifelnd/ ihre Gnn. Herren/ wuͤrden es hin- wieder zuverschulden wissen; nahmen damit Abscheid/ und schieden froͤlich davon nach dem Meer hinzu/ da eine grosse Menge Schiffe ihrer wartete. Fr. Sophia/ Ursula und Sibylla gaben dem reisen den Frauenzimmer das Geleit biß ans Meer/ da Ursula Eu- phrosynen ein Schreiben an ihren lieben Fabius zustellete/ in welchem sie ihm sein Nicht- schreiben hoͤchlich verwieß/ und daneben zu wissen taht/ er wuͤrde auff gluͤkliche Ankunfft sein liebes Soͤhnlein den jungen Fabius finden. Im außzihen hatten Klodius und Mar- kus Vierdes Buch. kus mit ihren Voͤlkern den Vorzug/ ihnen folgeten die Teutschen unter Leches/ der sonst Groß Feld Herrwahr; nach ihm ritten die Boͤhmen unter Prinsla/ und hatte Neda als ein Roͤmischer bestalter mit den 6000 Italiaͤnern den Nachzug. Des Abends kahmen sie bey den Schiffen an/ blieben die Nacht über liegen/ und nach dem Fr. Sophia des Mor- gens sehr fruͤh von ihnen Abschied genommen hatte/ huben sie die Anker auff und segelten mit gewuͤnschetem Winde davon; da die Roͤmischen als des Meers erfahrene voran gin- gen/ in der mitte die Teutschen/ und die Boͤhmen hinten zu lezt blieben. Das Wetter fuge- te ihnen sehr wol/ und gingen ohn hindernis Kreta vorbey/ biß sie fuͤnff maͤchtige Raub- Schiffe sahen/ welche sich an drey Italiaͤnische/ die das Meer durchsucheten/ gehenket hatten/ und sie hart bestritten/ aber die teutschen Schlacht Schwerter gingen mit vier Schiffen auff sie/ matzeten alles nider und funden bey diesen Skythen/ (die aus dem Eu- xinischen Meer bey Bisanz/ jezt Konstantinopel genennet/ in das Egeische gelauffen/ und viel Kauffmans Schiffe beraubet) eine trefliche Beute an Geld und Waaren/ uͤber 21 Ton- nen Goldes gerechnet/ welche folgender Gestalt außgeteilet ward. Die fuͤnff aͤdle Frauen bekahmen jede 80000 Kronen; jeder Ritmeister/ deren 94 waren/ 4000 Kronen; gleich so viel Unter Rittmeister und Faͤhndriche/ jeder 1500 Kronen; die Unter Kriegs-beamten jeder 250 Kronen/ und endlich jeder gemeiner Reuter 50 Kronen. Herr Wedekind/ Au- tronius und sieben andere/ teils Teutsche/ teils Boͤhmen/ bekahmen jeder 12000 Kronen; und ward das uͤbrige/ 71500 Kronen unter die Schiffleute geteilet/ welche hiedurch zur Arbeit willig gemacht wurden/ daß sie in kurzer Zeit zu Tyrus anlaͤndeten/ da sie nach auff- gelegtem Kaͤyserlichen Schein (welchen Herr Fabius zeitig genug zu Rom loßgewirket hatte) außstiegen/ den naͤhesten Weg durch Syrien auff Damaskus nach dem Eufrat nah- men/ und ihnen allenthalben frey Futter und Mahl geschaffet ward. Wir kehren uns wieder hin nach den Parthischen Grenzen/ umb unsern Herkules nach Charas zu begleiten/ welcher mit seiner geringen Geselschafft sehr fort eilete/ uñ Gott ohn unterlaß fleissig anrieff/ weil er wol erkennete/ daß ohn dessen sonderlichen Beystand ihm sein Vorhaben unmoͤglich fallen wuͤrde. Timokles wahr seiner Ankunfft sehr froh/ und berichtete ihn/ was massen er von dem Fraͤulein Befehl bekommen/ inwendig sechs Tagen nach Persepolis zu reiten/ dafern er nicht wuͤrde ankommen seyn/ weil Artabanus trefliche Bereitschaft auff das Beylager machen liesse/ welches etwa noch neun Wochen außstuͤnde. Herkules foderte alsbald ein Schreibezeug/ und verfertigte diesen Bꝛieff an sein Gemahl. Herzgeliebter Seelen-Schaz; nach dem wir vor wenig Tagen des Koͤniges Heer gaͤnzlich auf- gerieben/ welches alhier noch nicht ruchtbar ist/ bin ich nach gehaltener Schlacht stuͤndlich auffgebro- chen/ meinen Vorsaz/ eure Erloͤsung betreffend/ ins Werk zurichten/ wozu der Almaͤchtige Gluͤk und gewuͤnscheten Fortgang verleihen wolle. Es wird aber noͤhtig seyn/ daß eure Liebe sich alsbald auff etliche Baarschaften schicke/ umb selbe unter ihrem ganzen Frauenzimmer außzuteilen/ und zu ver- schaffen/ daß eure Hoffmeisterin etlichen Kraͤmerinnen einen freien Zutrit auff euer Schloß mache/ mit welchen ich geliebts Gott Morgen bey euch seyn/ und euch mit verstelletem Angesicht in gestalt uñ Kleidung (welche ich schaffen werde) einer Kraͤmerin da von zu fuͤhren mich bemuͤhen wil/ da inzwischẽ euer Frauenzimmer mit den Kraͤmerinnen ihre Kauffmauschaft etliche Stunden treiben muͤssen/ da- mit unsere Flucht nicht so zeitig ruchtbar werde. Geich jezo gehe ich hin nach dem Koͤnige/ ihm anzu- melden/ Vierdes Buch. melden/ was gestalt ich auff meiner Reise nach Prag/ in Mesopotamien von Phraortes Leuten berau- bet/ alle Sachen und Brieffe verlohren habe. Gott mit uns zu allem Gluͤcke/ woran wir nicht zwei- feln wollen/ dann Gott ist mituns. Als er diesen Brieff zusammen gelegt/ und in den hohlen Pfeil verschlossen hatte/ sagte er zu Timokles; schiesset dem Fraͤulein diesen Pfeil zu/ und tuht ihr meine Ankunft durch das ehemahlige Zeichen zuwissen. Dieser wahr geschwinde fertig/ ging hin uñ fand das Fraͤulein am Fenster stehen/ da sie ihr Gebeht zu Gott richtete/ und ihn von Herzen an- rieff/ daß er sich uͤber sie gnaͤdig erbarmen/ uñ ihren Gemahl zu rechter Zeit hersenden wol- te damit sie nicht durch Gewaltaͤhtigkeit/ ihrer Ehren beraubet/ und dem Gottlosen Koͤni- ge in Ehebruch zuteile wuͤrde. Dieses Gebeht hatte sie kaum geendet/ da sahe sie Timokler das weisse Tuch umb den Kopff schwingen/ und den Bogen im Arme halten/ welcher bald spannete/ den Pfeil hinauff schoß/ und alsbald wieder davon ging. Ach du allergnaͤdigster Gott/ sagete sie/ nun ist es helffens zeit! fiel nider auff ihr Angesicht/ und behtete mit haͤuf- figen Traͤhnen das Vater Unser und etliche Beht Psalmen Davids/ richtete sich hernach in fester Hoffnung zu Gott wieder auff/ und hohlete den Pfeil/ der ungezweifelten Zuver- sicht/ er wuͤrde der lezte seyn. Nach Verlesung des Anschlages/ welcher ihr wol gefiel/ fo- derte sie ihre Hofmeisterin vor sich/ und nach freundlicher Empfahung sagte sie zu ihr: Allerliebste Freundin/ ich muͤste wol undankbar gescholten werden/ wann die mir von euch erzeigete vielfaͤltige Freundschafft ich nicht erkennen wuͤrde/ durch welche ihr nicht allein mich in meinen Truͤbseligkeiten getroͤstet/ sondern auch nach aͤusserstem Vermoͤgen euch bey dem Koͤnige bemuͤhet/ ihn von dem zu fruͤhzeitigen Beylager abzuhalten/ welches nun- mehr in kurzer Zeit gluͤklich und mit meinem guten Willen vor sich gehẽ wird/ da ich euch dann zu meiner obersten Kammer Frauen beftellen/ und eurem Sohn die bewuste freye Herschafft bey dem Koͤnige loßwirken wil. Nachdem ihr aber wisset/ daß ich auch gegen mein anwesendes Frauenzimmer gute Neigung trage/ und willens bin/ ihnen samt und sonders eine behaͤgliche Gnade zuerzeigen/ moͤchte ich zuvor einer jeden Sinn und Willẽ gerne pruͤfen; worzu ich dann drey unterschiedliche Mittel ausgesinnet habe; Das erste ist Kauffmanschafft/ das andere der Trunk/ das dritte und lezte einer jeden selbst eigener Wunsch. Morgen früh aber wil ich mit dem ersten den Anfang folgender gestalt machen; Ihr sollet mir dieses Kleinot um baare Gelderverkaͤuffen/ die wil ich unter mein Frauen- zimmer verteilen; Hernach werdet ihr euch bemuͤhen/ etlichen fremden Kraͤmerinnen mit selzamen Wahren nachzufragen/ die sollet ihr morgen zeitig fruͤh herauff fuͤhren/ daß mei- ne Leute in eurer Gegenwart mit ihnen kauffichlagen/ da ihr dann einer jeden tuhn und lassen/ genaues dingen/ und unterschiedliche Lust zu dieser oder jener Waare/ so viel moͤg- lich ist/ fleissig anmerken/ und mir davon bericht tuhn muͤsset/ doch also/ daß ihr durchaus keiner einredet/ sondern einer jeden freyen Willen zu handeln lasset; und ob euch dieses mein beginnen gleich anjezt fremde und kindisch vorkommen moͤchte/ sollet ihr doch zu sei- ner Zeit von mir gnug berichtet werden/ zu was Ende es von mir also angestellet sey. Gn. Fraͤulein/ antwortete die Hofmeisterin/ Euer Gn. hohe Vernunfft weiß solche verborge- ne Sachen zuerdenken/ die ich und meines gleichen nicht begreiffen moͤgen/ wiewol ohn zweifel Eure Gn. aus dieser Handlung viel Eigenschafften der Gedanken und des Wil- R r r r r lens Vierdes Buch. lens unsers Frauenzimmers erkuͤndigen wird; und daͤucht mich schon/ ich sehe mit Lust an/ wie eine jede bald dieses bald jenes angreiffet/ und sich selbst nicht erklaͤren kan/ was sie kauf- fen sol oder nicht. Darzwischen sollet ihr kein Wortreden/ sagte das Fraͤulein/ ob sie gleich biß an den spaͤten Abend waͤhlen oder dingen wuͤrden. Die Hofmeisterin versprach allen Gehorsam/ ließ durch ihre Magd das Kleinot umb 2000 Kronen verkauffen/ und stellete dem Fraͤulein das Geld zu/ die solches in 15 gleiche Teile legete/ und durch die Hofmeisterin unter dem Frauenzimmer austeilen ließ/ vorwendend/ daß sie davor morgen ein Jahr- markt kaͤuffen solten/ da die Kraͤmerinnen sich schon finden wuͤrden. Inzwischen ging Va- likules nach des Koͤniges Schlosse/ und gab mit traurigen Geberden sich bey dem Hofmei- ster Herr Bagophanes an/ wie es ihm leider gar ungluͤklich auff der Reise ergangen waͤh- re/ in dem seine eigene/ ihm von Phraortes zugegebene Reuter/ zu Schelmen worden/ seine beladene Maul Esel gepluͤndert/ seine 20 Parthische aͤdle Gefaͤrten ermordet/ und ihn glei- chergestalt erschlagen wollen/ waͤhre ihnen aber durch seines Pferdes Geradigkeit entrun- nen/ und baͤhte demühtig/ Ihre Gn. moͤchten ihm bey Koͤnigl. Hocheit Gnade und Ver- gebung erwerben; es waͤhre von ihm nichts verwahrloset/ sondern die Bosheit seiner un- getraͤuen Gleitsmaͤnner haͤtte er nicht hintertreiben koͤnnen. Bagophanes troͤstete ihn/ sein Koͤnig waͤhre so grausam nicht/ daß er dergleichen faͤlle nicht erkennen solte/ ging straks hin zu demselben/ und sagte zu ihm: Allergnaͤdigster Koͤnig/ es ist einer Ihrer Koͤnigl. Hocheit Diener im Vorhofe/ der in Ungluͤk gerahten/ und seine anbefohlene Verschickung wegen boßhafften uͤberfalles nicht hat verrichten koͤnnen/ bittet untertaͤhnigst umb Gnade und Le- bensfristung. Der Koͤnig erschrak dessen/ und fragete: Hat etwa Madates durch Ver- warlosung die herlichen Voͤlker auff die Fleischbank geführet? Er ist vor weniger Zeit uns im Schlaffe vorkommen/ als steckete er gar im Blute biß an die Ohren. Davor be- huͤten uns die Goͤtter/ antwortete Bagophanes/ dieses Blut wird kein Parthisches son- dern lauter Persisches bedeuten; Es ist aber der Teutsche Valikules/ unser Gn. Fraͤulein Herkulisken Diener/ welcher zwischen dem Eufrat und der Tiger beraubet ist. So moͤgen die Raͤuber sich der Beute wol freuen/ sagte Artabanus/ dann sie haben uͤber 15 Tonnen Goldes wert von ihm bekommen; laß ihn aber hervor treten/ daß wir nach gestalten Sa- chen mit ihm verfahren moͤgen. Dieser rief ihm herzu/ und sagete: Juͤngling/ bekenne nur recht zu/ wie es ergangen ist/ so hastu keine Gefahr. Valikules trat ehrerbietig hinein/ taht einen Fußfall in sonderlicher Demuht und sagete: Allergnaͤdigster und Gerechtester Koͤ- nig; wann ein Diener seines Herrn Befehl durch Verseumniß/ Unachtsamkeit oder Un- traͤue uͤbertrit/ und dessen Schaden verursachet/ muß er billich ohn Gnade deswegen ge- straffet werden; ob er aber Barmherzigkeit verdiene/ wann er durch Unfall/ wie mir leider begegnet ist/ den Zweg seiner Traͤue nicht erreichen kan/ wil Eure Koͤnigl. Hocheit ohn al- le Bedingung ich gerne zum Richter leiden. Groß Fürst Phraortes hat nach gnaͤdigstem Koͤnigl. Befehl mir und meinen Gesellen 50 Reuter zugeordnet/ welche/ so bald sie zwischẽ dem Tiger und Eufrat Flusse sich befunden/ haben sie mir alle Briefe/ samt den Kleinoten und Geldern abgenommen/ meine Gefaͤrten ermordet/ und mich in der Flucht verfolget/ deren ich drey nidergemacht/ und dadurch Lufft bekommen/ meines schnellen Pferdes mich zugebrauchen/ dem ich auch mein Leben vor dasmahl zudanken habe; so bald es mich uͤber den Vierdes Buch. den Tigerfluß zurük getragen/ ist es unter mir nidergefallen/ daher ich manniche Gefahr unter den wilden Tihren und Raͤubern uͤber standen/ denen ich zu unterschiedlichen mahlen wunderlich entgangen/ auch einen zimlichẽ Weg mich durch das Land hindurch gebettelt/ da mich unterschiedliche Persische Werber angepacket/ denen ich entrunnen/ und ein gutes Pferd mit davon gebracht habe. Diesem nach bitte Ihre Koͤnigl. Hocheit ich untertaͤh- nigst/ mich alles ungleichen Verdachts allergnaͤdigst zuerlassen/ und mir Barmherzigkeit zuerteilen. Zwar es ist ein grosser Schade und Verlust/ welchen ich erlitten habe/ solte ich aber dermahleins wirdig geachtet werden/ wider Ihrer Koͤnigl. Hocheit Feinde im Krie- ge gebraucht zuwerden/ wil ich nicht ruhen/ biß ich solchen Verlust wieder eingebracht ha- be. Bey uns bistu wol entschuldiget/ sagte der Koͤnig/ aber wie wirstu deinem gebietenden Fraͤulein wilkommen seyn? Eben dieses ist zwar meine hoͤchste Furcht/ antwortete er/ ge- troͤstete mich aber/ daß wann das hoͤchst-geweihete Haͤupt Gnade erzeiget/ die Neben- glieder sich auch pflegen finden zulassen/ und hoffe/ meiner Gn. Fraͤulein Hofmeisterin werde auff meine Bitte mir Gnade erwerben/ nachdem sie meines unfalls wird verstaͤndi- get seyn; doch gehe es mir nach des Himmels Verordnung/ so wil ich dannoch lieber in meiner Unschuld sterben/ als daß ich haͤtte ausreissen/ mich bey den Feinden Ihrer Hocheit in Dienste einlassen/ und vor einen verlauffenen Schelmen mich ausruffen lassen sollen. Als er dieses geredet/ und der Koͤnig/ die Hofmeisterin herzuhohlen/ Befehl erteilet hatte/ zeigete ein aͤdelknabe an/ es waͤhre ein Schreiben bey Koͤniglicher Botschafft einkommen/ welches an Ihre Hocheit hielte/ reichete es zugleich uͤber/ und lase Artabanus folgenden Inhalt: Koͤnig Ladisla aus Boͤhmen/ nachdem er von Artabanus Koͤnige der Parthen/ an seiner Koͤniglichen Wirde und ritterlichen Ehren/ durch unterschiedliche Schmach/ die ihm Artabanus nit unbewust sind/ hoͤchlich verletzet ist/ gestehet hiemit/ und krafft dieses/ daß gedachter Artabanus dar- an nicht als ein Koͤnig/ sondern boßhaffter Schmaͤh Vogel gehandelt/ welches er wider ihn in einem absonderlichen Kampffe/ Mann an Mann/ behaupten wil; fodert hiemit denselben aus/ an den Per- sischen Grenzen zuerscheinen/ oder da er sich dessen wegert/ sol er als ein verzagter nicht-werter aus- geruffen werden/ von seinem geschwornen Feinde Ladisla. Artabanus erzuͤrnete sich hieruͤber der gestalt/ daß er den Briefetraͤger mit eigener Faust niderhieb/ stellete sich nicht anders als ein Wahnwitziger/ und zuriß den Brief mit Haͤnden und Zaͤhnen in kleine Stũckẽ/ da er bey aller seineꝛ Macht schwuhꝛ/ nicht zuruhen/ biß er die- sen undankbahren unwerten Buben zur gebührlichen Straffe gezogen haͤtte; doch kunte kein Mensch erfahren/ von wem das Schꝛeiben kaͤhme/ oder was dessen Inhalt waͤhre/ son- dern nachdem er ausgeraset hatte/ fragete er Valikules/ ob er in der Ruͤkreise bey Phraor- tes gewesen waͤhre; O nein/ antwortete er/ es waͤhre mir zu ferne dahin/ und nicht zurah- ten gewesen/ massen ich nicht weiß/ wessen Eure Hocheit sich zu ihm zuversehen hat/ weil sich heimliche Abgesanten von dem abtruͤnnigen Persen bey ihm finden liessen/ mit denen man/ wie ich ohngefehr hoͤrete/ gnug gefaͤhrliche Sachen handelte/ daß Eure Hocheit ihm im grunde nicht zutrauen hat; Zwar er stellete sich gegen mich zimlich/ aber/ dafern er/ wie man ausgeben wil/ ein Glied der abtruͤnnigen Verbündniß seyn solte/ duͤrffte ich schier nicht zweifeln/ er haͤtte seinen Reutern selbst befohlen/ das Bubenstuͤk zubegehen. Eben das sind auch unsere Gedanken/ antwortete der Koͤnig/ daher wir gelegenheit finden werden/ uns R r r r r ij an Vierdes Buch. an diesem traͤulosen Buben zuraͤchen/ dem wir alle Koͤnigliche milde Gnade erzeiget; Weil du aber so grosse Zuversicht auff die Hofmeisterin setzest/ welche dorther koͤmt/ kanstu dich bey ihr melden. Er verrichtete solches auffs beste/ rũhmete ihre Weißheit/ durch welche sie bey seinem Gn. Fraͤulein in so hohem anschen waͤhre/ klagete ihr sein Ungluͤk mit wehmuͤ- tigen Worten/ und baht/ daß sie sein Vorsprach seyn/ und der Fraͤulein Gnade ihm erwer- ben wolte; Worauff er ihr allen Verlauff erzaͤhlen muste/ und sie ihn hieß getrost und gu- tes muhts seyn/ sie wolte es schon wissen recht zukarten/ und muͤste er ihren ersten Eifer vor- bey gehen lassen/ und ihr nicht so bald vor die Augen kommen. Artabanus foderte sie nach- gehends absonderlich vor sich/ und fragete nach der Fraͤulein Wolergehen/ da sie dann de- ren hohe Liebe gegen den Koͤnig nicht gnug zuruͤhmen wuste/ gab vor/ sie zuͤrnete nicht we- nig auff ihre Fr. Mutter/ welche sie aus Unbedachtsamkeit der Goͤttin Vesten verlobet/ uñ sie hiedurch von dem hochgewuͤnscheten Beylager so lange waͤhre aufgehaltẽ woꝛden/ zaͤh- lete alle Tage der uͤbrigen Wochen/ und begehrete nichts liebers als deren Erfuͤllung; auff ihren dumkuͤhnen Bruder und Oheim aber waͤhre sie noch dergestalt erbittert/ daß der ge- fassete Haß unversoͤhnlich schiene. Wir erfreuen uns des guten Willens/ antwortete er/ werden es auch zuvergelten unvergessen seyn; aber kommet doch ihrem Diener Valikules bey ihr mit einem guten Worte zu huͤlffe/ nach dem der arme Tropff an solchem Unfall al- lerdinge unschuldig ist/ dann sonst wuͤrde er sich nicht wiedeꝛ eingestellet haben/ und veꝛmel- det ihr unsere Gnade und Gewogenheit. Als sie nun wieder von dem Koͤnige ging/ folgete ihr Valikules nach/ fragete nach der Fraͤulein Wolergehen/ und baht/ nach erhaltener Gnade ihm auff morgen fruͤh einen Zutrit zu ihr zumachen/ damit er sich selbst bey ihr ent- schuldigen koͤnte. Ja/ sagte sie/ dafern Ihrer Gn. es von mir nur kan eingeprediget werdẽ/ daß sie euch ihr Angesicht sehen lasse. Solte Ihre Gn. sich dessen so hartweigern/ antwor- tete er/ so zeiget ihr an/ ich habe etwas von ihrem Bruder und Oheim auff der Ruͤkreise er- fahren/ welches ich zu vor Ihrer Gn. offenbahren müsse/ ehe es dem Koͤnige gemeldet wer- de. Dieses dürffte euch helffen/ sagte sie/ jezt aber habe ich nicht laͤnger Zeit mit euch zuredẽ/ weil ich fremde Kraͤmerinnen auszuhoͤren von ihrer Gn. befehlichet bin. Er verwunderte sich/ dz schon so gute Anordnung gemacht wahr/ ließ sich doch nichts merken/ dann er seine beyden aͤdelknaben schon verkleidet/ und mit ihren Kramlaͤdichen auff die Schloßgasse ge- stellet/ welche die Hofmeisterin erfehend/ alsbald fragete/ was vor Waaren sie feil truͤgen. Die eine/ so uͤberaus geschwaͤtzig und verschlagen wahr/ antwortete: Sie haͤtten allerhand fremde kostbahre Sachen erst vor wenig Stunden aus Indien gebracht/ desgleichen die- ser ends wenig/ oder wol gar nicht zufinden waͤhren/ båhten sehr/ Ihre Gn. moͤchte ihnen gute Kundschafft zur Handelung geben/ welches sie mit einer moͤglichen Verehrung ver- gelten wolten. Mich bewaͤget eure Verehrung nicht/ antwortete sie/ aber stellet euch mor- gen fruͤh zeitig vor jenem zierlichen Schlosse ein/ daselbst wil ich eurer wahr nehmen/ und euch guten Verdienst schaffen. Ihr aber/ sagte sie zu Valikules/ lasset euch bey ihnen findẽ/ so kan ich euch wissen lassen/ wessen mein Gn. Frl. gegen euch gefiñet sey; ging damit nach dem Schlosse/ uñ Herkules mit den Kraͤmeriñen nach seiner Herberge/ denen er annoch nit eigentlich vertrauet hatte/ wozu er sie gebrauchen wolte/ biß des folgendẽ Morgens nam er sie in Gallus uñ Timokles gegenwart vor sich/ uñ redete sie folgẽder gestalt an: Wolauf ihr aͤdle Vierdes Buch. aͤdle geherzte Juͤnglinge/ heut diesen Morgẽ sollet ihr euch bey eurem Groß Fürstẽ Artaxer- xes/ wil nit sagen bey mir/ dergestalt beliebet machen/ dz eure Glükfeligkeit aller an dern eu- res gleichen weit uͤbertreffen sol; dann die allertreftichsten Herrschafften in ganz Persen/ Meden und Assyrien sollen zu eurer freien Wahl stehen/ welches ich euch bey meinen Gꝛoß- Fuͤrstlichen Ehren verspreche. So hoͤret nun/ was vor geringe Dienste ich von euch fode- re; Jezt sollet ihr die Kraͤmer Kleider wieder anlegen/ mit euren bewusten Waaren euch vor das bezeichnete Schloß verfügen/ und auf einem absonderlichen Gemache dem Fꝛauẽ- zimmer alles feil bieten; diese nun muͤsset ihr mit kurzweiligen Reden und kauffdingungẽ/ auch abwechselung der gezeigeten waaren etliche Stunden lang auffzuhalten wissen/ nach deren verlauff/ ob ihr gleich weder Waaren noch Gelder mit bekaͤhmet/ sollet ihr die Kra- mer Kleidunghie in der Herberge ablegen/ und mir des bezeichneten Weges nachrennen. Die Juͤnglinge bedanketẽ sich des hohen Versprechens/ wolten schon wissen den Sachen recht zu tuhn/ und alles nach Wunsch zu verrichten. Also muste der eine zwey Kleider uͤbeꝛ- einander anzihen/ daß das Fraͤulein koͤnte bekleidet werden/ und hielten Gallus und Timo- kles sich zum schleunigsten Auffbruch fertig/ nachdem sie den Wirt zu Dank vergnuͤget hatten. Des vorigen Abends hatte die Hoffmeisterin ihrer Meinung nach trefliche Muͤhe/ ehe und bevor sie dem beraubeten Valikules voͤllige Gnade bey dem Fraͤulein erweckẽ kun- te/ dann wie sie dessen Bitte und flehliches Ansuchen bester massen anbrachte/ seine Un- schuld beschrieb/ und daß nicht allein der Koͤnig ihm gaͤnzlich verzihen/ sondern auch gnaͤ- digst begehret/ eine Vorbitte bey ihrer Gn. seinetwegen einzulegen/ antwortete sie: O mein gnaͤdigster Koͤnig und ihr/ geliebte Freundin/ feid gar zu gnaͤdig; folte man einem solchen unvorsichtigen Menschen so bald verzeihung zusagen? Nein so schlecht muß er mir nicht entwischẽ; wer weiß/ ob er auch unschuldig ist? ja wer weiß ob es nicht eine angelegte Kaꝛ- te seyn moͤchte? Ich wil schon wissen/ durch allerhand tieffe Nachfragen ihn auff die Be- wehrung zustellen/ befinde ich ihn dann in seiner Verantwortung wanken/ als dann troͤste ihn Gott; mit dieser Hand wil ich ihm seinen verdienten Lohn geben; trauen 15 Tonnen Goldes lassen sich so leicht nicht verschmerzen/ daß man nicht eins Kundschaft abgehen lassen solte. Ach mein gnaͤdigstes Fraͤulein/ fagte die Hoffmeisterin/ eure Gn. wollen sich nicht ohn Ursach eifern/ noch uͤber ihren getraͤuen Diener einen unverdieneten Zorn fassen; betrachtet/ bitte ich/ daß er so from gewesen/ und sich wieder eingestellet hat/ steckete er in Schuld/ wuͤrde er entweder gar mit andern davon gelauffen feyn/ oder zum wenigsten bey euer Gn. unfreundlichem Bruder Schuz gesuchet haben; wolle demnach eure Gn. sich gefallen lassen/ ihn Morgen fruͤh zu hoͤren/ und auff befindung feiner Unschuld (woran ich nicht zweifele) ihm Gnade erzeigen; und O wie glükselig wuͤrde ich mich schaͤtzen/ wañ ich vernehmen solte/ daß nicht allein des Koͤniges/ sondern auch meine unwir dige Vorbitte stat und raum gefunden haͤtte. Valiska saß ein wenig als in Gedanken/ und gab hernach zur Antwort: Valikules Valikules/ du hast einen guten Engel angebehtet/ der dir gerah- ten hat/ diese kraͤftige Vorbitterin anzusuchen; dann versichert euch/ meine geliebte Freun- din/ dz ich mehr euer Ansehen/ als meines Dieners Schuld oder Unschuld bey mir gelten lasse/ massen vor eure Wolfahrt so viel Geld in die Schanze zuschlagen/ ich mich nicht lan- ge bedenken wuͤrde; so sey er demnach schuldig oder unschuldig/ ihm muß euret/ ja bloß al- R r r r r iij lein Vierdes Buch. lein euret wegen verzihen seyn/ wiewol michs erfreuet/ daß beydes ihr und mein Koͤnig ihn vor unschuldig haltet/ und ihr vor einen schuldigen zu bitten euch nicht bewaͤgen lasset; al- so werde ich ihn zu hoͤren mich ferners nicht wegern/ abeꝛ solches muß morgen in aller fruͤ- he geschehen/ gestaltsam ich heut ohngefehr in meinem Jahrbuche gefunden/ daß Morgen der unselige Tag ist/ an dem mein geliebter Herr und Vater Todes verblichen/ welchen ich jaͤhrlich mit fasten und behten in aller Einsamkeit zu begehen pflege/ auch Morgen also begehen wil; solte er nun vor sieben Uhr sich nicht einstellen/ alsdann koͤmt er umbsonst/ und erinnere ich euch bey meiner Hulde und Freundschaft/ daß kein Mensch/ wer der auch seyn mag/ den ganzen Tag uͤber biß an den Abend mich in meiner Andacht stoͤre/ biß ich euch selber zu mir ruffen werde. Die gekauften Waaren koͤnnen mir des folgenden Tages noch zeitig gnug gezeiget werden/ nur daß ich sie bey den Kraͤmerinnen/ ehe sie gekauft werden/ sehen moͤge. Wer wahr froher als die Hoffmeisterin/ die sich hieruͤber dermassen auffbließ/ daß sie meinete/ sie wuͤrde dereins mit ihr in gleicher Herrschaft sitzen/ daß sie auch bey den andern dreyen Frauen/ die mit im Frauenzimmer wahren/ aber selten zu dem Fraͤulein ge- fodert wurden/ sich desselben Abends noch einiger gewalt und botmaͤssigkeit anmassen durf- te/ in dem sie ihnen gnug trotzig befahl/ was sie tuhn und lassen solten; deren eine aber ihr mit Sanftmuht antwortete; Sie moͤchte sich der hohen Gnade/ welche sie bey dem Fraͤu- lein erlanget/ nicht uͤberheben/ viel weniger mißbrauchen/ es koͤnte leicht geschehen/ daß auf hohes steigen ein tieffer Fall erfolgete. Die Nacht uͤber ruhete das liebe Herz gar wenig/ massen ihr/ so bald sie ein wenig eingeschlummert wahr/ nicht anders gedauchte/ als waͤhꝛe sie in voller Flucht begriffen/ da eine grosse menge Reuter sie verfolgeten; solches kam ihr zu dreyen unterschiedenen mahlen vor/ da sie allezeit sich in herzlicher Andacht zu Gott keh- rete/ und umb gluͤklichen Fortgang baht/ stund offters aus dem Bette auff/ legte sich auff die blosse Erde/ und taht ihr Gebeht mit solcher Andacht/ daß sie morgens die Traͤhnenzei- chen auff der Erden sahe. O mein gnaͤdiger Gott und Heyland/ also behtete sie/ erbarme dich deines armen Geschoͤpffes/ sihe an mein Vertrauen/ welches ich auff deine gnaͤdige Huͤlffe gegruͤndet/ uñ errette mich aus der Hand dieses gottlosen Artabanus/ wie du den unschuldigen David aus Sauls Haͤnden gerissen hast/ zeug mich mit dem keuschen Joseph aus dem Gefaͤngnis/ und mit der Tugend- liebenden Susannen erledige mich aus ehebrecherischen Haͤnden; gib nicht zu Herr/ daß ich in schan- den verderbe/ straffe mich nicht in deinem Zorn und zuͤchtige mich nicht in deinem Grim/ dann Herr ich hoffe auff dich/ darumb werde ich nicht fallen/ ich harre des Herren/ darumb wird er sich zu mir nei- gen. O Herr Gott hoͤre das Gebeht und die heissen Seuffzer deiner elenden Magd/ und verbirge dich nicht vor meinem flehen/ gib mir Fluͤgel/ die mich aus diesem gefaͤhrlichen Gefaͤngnis fuͤhren/ zeige mir den Weg den ich wandeln sol/ und geleite mich mit deinen Augen/ so wil ich vor deine Gnade dir meiner Lippen Opffer mit herzlicher Danksagung darlegen/ und deine unaußsprechliche Guͤte hin und wieder bekant machen Amen. Nun Herr deine Guͤte sey uͤber uns/ wie wir auff dich hoffen Amen. So bald sie die ersten Zeichen des Tages hervor blicken sahe/ machte sie sich aus ih- rem Lager/ schlug Feur/ und bey einem Lichte setzete sie dieses Zettel auff: Geliebte Hoffmei- sterin/ werte Freundin/ demnach der langgewuͤnschte Tag meiner Erloͤsung kommen/ und ich heimlich davon geschieden bin/ wil ich euch traͤulich rahten/ ihr machet euch mit eurem Sohne bey zeiten aus dem Staube/ und meldet ja meine Flucht niemand an/ da ihr deren am ersten inne werdet/ es duͤrffte euch sonst das Leben kosten/ weil ihr euch von mir habt hintergehen lassen. Auff was Weise ich davon kommen bin/ ist unnoͤhtig euch anzudeuten/ werdet ihr euch aber bey mir angeben/ wo ich seyn werde/ sollet ihr von mir unbeschenket nicht bleiben. Nach- Vierdes Buch. Nachgehends weckete sie ihre Leibdienerin/ daß sie ins gemeine Frauenzimmer Ge- mach/ ihrem gebrauche nach/ ginge/ und sie raum haͤtte ihr Gebeht und Andacht zu ver- richten; blieb darauff eine Stunde in ihrem herzlichen Gebeht/ und legte keine Kleider/ ohn den Schlaff Rok an/ damit sie mit dem Kramer Kleide desto schleuniger fertig werden koͤnte; und als sie ihr Herz voͤllig geschikt hatte/ das aͤusserste zu wagen/ auch/ da es mißlin- gen solte/ den Tod mit froͤlichem Herzen auszustehen/ rieff sie der Hoffmeisterin/ und fra- gete/ ob Valikules sich einstellen wuͤrde. O ja gnaͤdigstes Fraͤulein antwortete sie/ nach dem ich schon gestern Abend ihm nebest den beyden Kraͤmerinnen einen freien Zutrit bey dem Koͤnige erhalten/ wartet er in deren Geselschaft haussen schon eine Stundelang auff/ ob euer Gn. gelieben moͤchte/ ihn vorzufodern. Das Fraͤulein empfand nicht eine geringe Furcht im Herzen/ fragete/ ob das Frauenzimmer die Kauffhandelung gerne angenom- men haͤtten/ und als sie vernam/ daß ihnen selbst darnach verlangete/ hieß sie Valikules ne- best den Kraͤmerinnen herzu fuͤhren. Dieser hatte Zeit seines Lebens nie einen so furchtsa- men Gang verrichtet; zwar seine Augen sahen das Schloß/ sein Herz aber Gott im Him- mel an/ daß er ihm moͤchte gnaͤdig und behülflich seyn/ auffdaß er sein aller liebstes Gemahl nicht in den Tod stürzete/ an stat er vorhabens waͤhre sie zuerloͤsen. Er haͤtte aber keine ver- schlagenere Buben als diese beyden zu seinem Vorhaben waͤhlen koͤnnen/ welche noch ein kleines einfaͤltiges Maͤgdlein auß der Herberge mit sich genommen hatten. Als sie inge- samt auff den Voͤrder Saal kahmen/ zeigete die Hoffmeisterin dem Fraͤulein ihre Gegen- wart an; welche zur Antwort gab/ sie wolte Valikules vor hoͤren/ und hernach die Waa- ren besichtigen. Derselbe trat nun auff Befehl zitternd ins Gemach/ taht ihr einen Fuß- fal/ und sagte: Durchl. Fraͤulein/ euer Durchl. unglükseliger Knecht Valikules/ hat leideꝛ wegen seiner ungetraͤuen Gefaͤrten/ den aufferlegten Befehl nicht verrichten moͤgen/ wie er wol gewuͤnschet/ uñ sich aͤusseꝛst bemuͤhet hat/ hoffet demnach/ bey deꝛselben in ansehung seiner Unschuld/ Gnade zuerhalten/ und wil doch auff wiedrigen Fall lieber in Unschuld sterben/ als unter dem Nahmen eines ungetraͤuen Verraͤhters davon streichen. Schoͤner Herr/ antwortete sie/ du weist dein Wort wol zu machen/ daß du keines Vorsprachs be- darfst/ aber danke dieser meiner geliebten Hoffmeisterin/ daß ich weitere Nachfrage unter- lasse/ und bloß umb ihret willen dein verschone; so stehe nun auff/ nach dem ich heut mit wichtigen Geschaͤften beladen bin/ und nicht Zeit habe/ dich lange zu hoͤren. Valikules bedankete sich der erteileten Gnade/ bezeugete seine Unschuld/ und erboht sich zu fernerem Gehorsam; wendete sich hernach zu der Hoffmeisterin/ kuͤssete ihr die Haͤnde/ und bedan- kete sich sehr wegen getahner kraͤftiger Vorbitte/ welches er nimmermehr aus seinem Ge- daͤchtnis kommen lassen wolte. Er stellete sich/ als wolte er davon gehen/ aber das Fraͤu- lein hieß ihn etwas warten/ und befahl der Hoffmeister in/ daß die Kraͤmerinnen herein ge- suͤhret wuͤrden. Diesem ward alsbald folge geleistet/ da nach wuͤnschung eines gutẽ Mor- gens die eine anfing ihre Waaren hoch zu loben/ und sagete: Schoͤne Jungfer wollet ihr mir den Kram abkauffen? ey lieber kaͤuffet/ ich wil mich wol handeln lassen; mein Zehr- geld habe ich auff der weiten Reise alles vertahn/ daher muß ich etwas wieder loͤsen/ dz ich aus der Herberge kommen kan; der leidige Krieg sperret den Handel gar/ daß wir armen Kraͤmer gar daruͤber an den Bettelstab gerahten/ und noch wol gar aus der Welt lauffen muͤssen. Vierdes Buch. muͤssen. Ey lieber/ schoͤne Jungfer/ kaͤuffet mir den Kram ab/ ich habe gute frische Waa- ren/ die wil ich sehr wolfeil geben/ daß ihr mir nach diesem mehr abkaͤuffen moͤget. Das Fraͤulein/ ungeachtet sie mit viel wichtigern Gedanken umbging/ kunte das Lachen doch nicht lassen/ und sagte zu der Hoffmeisterin/ lasset die eine ein wenig bey mir/ uñ nehmet die andere mit euch/ ich wil sie euch bald nach schicken; aber/ wie gesagt/ daß mich kein Mensch vor Abends in meiner Andacht stoͤre. Damit wahr nun diese Auffseherin abgeschaffet/ die Kraͤmerin zog das ober Kleid geschwinde ab/ reichete es dem Fraͤulein/ und sagete: Da Jungfer/ brauchet es gesund und stark; und weil sie eine Kramerlade in die andere gesetzet hatte/ gab sie die ledige von sich/ und ging mit der gefuͤlleten nach dem Frauenzimmer/ da sie zu ihrer Gesellin sagte: Schwester/ wie gehet dirs bey diesen schoͤnen Jungfern? jene saursichtige hatte entwe der nicht außgeschlaffen/ oder ihr Bråutigam wahr ihr hinte nit nahe gnug gewesen; ich habe kein gut Wort bey ihr er halten/ viel weniger einen Heller ge- loͤset; weil ich nun fuͤrchtete du moͤchtest mir die besten Fische hinweg angeln/ habe ich fol- gen wollen. Herkules da er sich mit seinem Gemahl allein besand/ fiel mit ihr auf die Knie/ und rieffen Gottes Barmherzigkeit in bruͤnstig an/ daß er ihnen helffen/ und gnaͤdiglich verhuͤten wolte/ damit ihretwegen kein unschuldig Blut vergossen wuͤrde; nachgehends sagte er zu ihr: Stehet auff mein Schaz/ unsers bleibens ist hie nicht laͤnger/ und schaͤmet euch nicht/ dieses unwirdige Kleid anzulegen/ und euren Ruͤcken mit dieser Kramer-lade zu beschweren. Er striech ihr alsbald das Haar/ Angesicht/ Halß und Haͤnde an/ und als alles am Fenster in der Sonne trocken worden/ und sie gnug gefaͤrbet wahr/ dz sie vor dem Spiegel sich selbst nicht kennete/ zohe er ihr das Kramer Kleid an den Leib/ grobe besudelte Struͤmpffe an die Beine/ heßliche Schuch an die Fuͤsse/ stuͤrzete ihr eine gemeine Weiber- Muͤtze auff/ gleich wie die beyden Kraͤmerinnen trugen/ und band ihr das Laͤdichen auf den Ruͤcken/ welches sie mit den aller koͤstlichsten Kleinoten gefuͤllet hatte/ so viel sie mit gemach tragen kunte. Als sie allerdinge fertig wahr/ fing sie an: O du barmherziger Herr JEfus Christ/ geleite uns mit deinen heiligen Engeln/ daß wir in dieser Verstellung nicht ergrif- fen werden/ sondern unerkennet hindurch kom̃en moͤgen. Wozu er ein andaͤchtiges Amen sprach: Offnete die Tuͤhr des Gemaches in aller stille/ und schauete sich umb ob irgend ein Auffmerker vorhanden waͤhre/ und als alles sicher wahr/ winkete er ihr/ da sie mit verwir- retem Gemuͤhte/ doch voller Andacht/ nicht anders als im halben Schwindel ihm auf dem Fusse nachtrat. Sie wuste sich Kraͤmerisch gnug zu stellen/ ging durch alle drey Wachten ungehindert fort/ nur daß sie in der aͤussersten befraget ward/ was sie feil truͤge. Aber sie antwortete ihnen kein Wort/ sondern Herkules sagte/ weil sie von dem Koͤnige mit grossen Kostbarkeiten zu dem Fraͤulein geschikt waͤhre/ wuͤrde man sie ungerechtfertiget lassen; worauff sie alle erstummeten/ und nicht in geringe Furcht gerieten. Sie eilete inzwischen auff der Gasse/ ob haͤtte ihr der Kopf gebrennet/ daß Herkules ihr kaum folgen kunte/ und weil sie ihren Timokles vor der Herberge stehen sahe/ ging sie dahin ein/ und sagete zu ihm: Gott lob ich bin eine gluͤkselige Kraͤmerin worden; Er haͤtte sie nicht gekennet/ aber die Sprache verstund er alsbald/ nam ihr deßwegen die Buͤrde ab/ und kam Herkules darzu/ welcher befahl alle Sachen in einen Wetscher zu tuhn/ und fest hinten auffs Pferd zu hef- ten/ ging mit ihr auff sein Gemach/ herzete und kuͤssete sie daselbst/ und sagete: Bißhieher hat Vierdes Buch. hat uns der HErr/ uñ schon mehr als halb geholffen; reiß ihr die Kleider vom Leibe/ legte ihr ein Manneskleid von gutem Leder/ und einen festen Panzer an/ ein Schwert an die Seite/ Stiefeln und Sporn an die Beine/ und einen grauen Medischen Reit Rok umb den Leib. Darauff genossen sie etliche kraͤfftige eingemachte Sachen/ auch etwas Brod und Fleisch/ tahten einen guten Trunk gewaͤsserten Wein/ und setzeten sich in Gottes Nahmen zu Pferde/ ritten algemach durch die Stad/ und so bald sie im freien Felde sich befunden/ gaben sie ihren Pferden die Sporen/ und jageten den ganzen Tag dermassen fort/ daß sie nicht ruheten/ ohn daß sie zweimahl frische Pferde nahmen/ und weder an Speise noch Trank gedachten. Valiska rennete stets neben ihrem Herkules daher/ und tahten nichts/ als daß sie Gott mit traͤnenden Augen danketen/ und umb fernere Huͤlffe anrieffen; in son- derheit stimmeten sie den 34 Psalm Davids an/ welchen Herkules in teutsche Reimen ge- sezt/ und vor seinem ersten Abzuge von Charas ihr denselben zugestellet hatte/ daß sie ihn bey- de außwendig fingen kunten/ welcher also lautete: 1 I ch wil forthin des HErren Preiß Erheben was ich kan und weiß/ Und seinen Ruhm im Munde fuͤhren/ Den meine Seel ist freuden vol Die sich des HErren ruͤhmen sol/ Wie ihr rechts wegen wil gebuͤhren. 2 Auff daß es der Elenden Schaar/ Die sonst in grossem truͤbsal wahr/ Mag hoͤren/ und sich hoch erfreuen; So preiset nun den Herrn mit mir/ Last miteinan der fuͤr und fuͤr Uns seines Nahmens Lob verneuen. 3 Als ich in meiner grossen Noht Demuͤhtig suchte meinen Gott/ Wahr er mit Antwort mir nicht ferne; Die grosse Furcht nam er mir ab/ Als ich zu ihm mich hin begab/ Und wahr mein Gott und Retter gerne. 4 Die nur auff ihn hinsehen frey/ Und rennen hin zu ihm ohn scheuh/ Der Angesicht wird nicht zu schanden. Wie dieser Schwacher ihn an rieff/ Da ihn die harte Noht begriff/ Wahr Gott zu helffen bald verhanden. 5 Es lagert Gottes Engel sich/ Umb die ihn fuͤrchten aͤngstiglich/ Und rettet sie aus allem Grauen. Komt/ schmekt und sehet/ wie getraͤu Und freundlich unser Gott doch sey/ Wol denen die fest auff ihn trauen. 6 Den HErren fuͤrchtet allezeit Ihr/ die ihr Gottes Kinder seid/ Last euch vom Gottes Dienst nicht treiben; Dann die ihn fuͤrchten/ leben wol Kein gutes ihnen mangeln sol; Sie werden wol ohn Kummer bleiben. 7 Die jungen Loͤuen/ ob sie sind Vor Wuͤten gleich als tol und blind/ Die muͤssen doch im Hunger darben; Die aber Gott zu suchen gehn/ Hat man nie Mangel lewen sehn/ Sie ernten lauter volle Garben. 8 Ihr lieben Kinder hoͤrt mir zu/ Ich wil euch fuͤhren hin zur Ruh/ Und wahre Furcht des HErren lehren. Wer ist/ der gute Zeit begehrt/ Die weder Angst noch gram verzehrt? Der wolle dieses fleissig hoͤren. 9 Halt deine Zunge wol im Zaum/ Und gib den Lippen keinen Raum/ Betrug und Luͤgen anzusagen; Laß boͤses ferne von dir seyn/ Und gehe gern den Frieden ein/ Den sey bemuͤhet zu erjagen. 10 Des HErren Augen sehen drauff/ Ob die Gerechten seyn wol auff; Ihr Schreien klingt vor seinen Ohren, Sein Antliz aber ist gekehrt Hin uͤber den der gottloß faͤhrt/ Das sein Gedaͤchtnis sey verlohren. 11 So bald er das Geschrey vernimt/ Daß vom Gerechten zu ihm koͤmt/ Hat Er sein Ohr schon hingestrecket/ Er muß aus aller seiner Noht/ S s s s s (Und Vierdes Buch. (Und haͤtt’ ihn schon der bleiche Tod) Zur Freude wieder seyn erwecket. 12 Gott nahet sich zu denen hin/ Die buͤssend brechen ihren Sinn/ Zuschlagner Geist ist seyn gefallen; Und ob der Fromme leydet viel/ Ist solchem doch gesezt ein Ziel/ Dann Gott hilfft ihm aus diesen allen. 13 Es wird ihm sein Gebein bewahrt/ Und waͤhr es gleich noch eins so zart/ So muß doch dessen keines brechen; Das Ungluͤk wuͤrgt der boͤsen Muht/ Und wer den Frommen arges tuht/ An dem wird Gott sich heftig raͤchen. 14 Die Seele seiner Knechte macht Der HErr loß von der Hellen acht/ Er kan ihr Leyden nicht erdulden/ Und die sich wenden zu ihm her/ Verderben nun und nimmermehr/ Sie bleiben frey von allen Schulden ꝛc. Unsere beyde Kraͤmerinnen hatten unterdessen ihr abenteurliches Affenspiel mit dem Frauenzimmer/ lobeten anfangs ihre Waaren wolfeil/ und wann nicht desto weniger jene gar geringe bohten/ sagten diese/ sie haͤtten sich verrechnet/ und muͤste ein halb mahl mehr gelten/ als sie es ausgebohten haͤtten/ weil sie in die Land Muͤnze sich nicht zuschicken wuͤstẽ; wann dann jene gar zu liederlich bohten/ stelleten sich diese/ als haͤtte man ihnen gar in die Ehre gegriffen/ legetens wieder zusammen als im Zorn/ und breiteten es doch bald wieder aus/ sprechend: bedenket euch doch der Suͤnden/ daß ihr uns vor so herliche Waaren ein so geringes Geld wegert; ja wann wirs hernaͤhst nur wieder umb diesen Preiß einkaͤuf- fen koͤnten/ wolten wir uns glüklich schaͤtzen; Die Noht treibet unß vor dißmahl/ fonst waͤh- ren uns diese Waaren umb so liederlich Geld nicht feile; Ja ich glaͤube/ sagte die eine/ wañ wir euch unsere Guͤterchen umsonst anboͤhten/ naͤhmet ihr sie nicht/ wo wir euch nicht Geld zugeben würden; O ihr Jungfern/ seyd doch nicht so karg/ als die vier Frauen/ ihr werdet sonst euer lebelang nicht zu heyrahten kommen. Das Frauenzimmer zulachete sich des Ge- waͤsches wol/ endlich nach langem Gezaͤnke/ wurden sie des Kauffs eins/ und gaben ihnen alle Waaren umb 1500 Kronen/ nahmen nach Verlauff vier Stunden abscheid/ mit vor- wenden/ sie wolten mehr Sachen herzu hohlen/ und inzwischen das kleine Maͤgdlein bey ihnen lassen/ dem sie bey der Mahlzeit ein stuͤk essen geben moͤchten. So bald sie aber in ih- rer Herberge sich befunden/ legten sie ihre Kleider an/ und nach eingekaufften Speisen/ so viel sie fuͤglich bey sich fuͤhren kunten/ als dessen sie befehl hatten/ jageten sie mit ihrẽ schnel- len Pferden den bekanten Weg ungeseumet fort/ und erfreueten sich nicht wenig der geloͤ- seten Gelder. Als die spaͤte Nacht einfiel/ und Herkules zehn Meile fort gerennet wahr/ hatte er keine Stad noch Flecken in dernaͤhe/ sondern muste zur rechten Seiten ab aus dem Wege reiten/ da er ein geringes Doͤrflein ligen sahe/ in welches sie einkehreten/ und von ih- ren mitgefuͤhreten Speisen mit aller Lust assen/ auch mit einem Wasser Trunk gerne vor- lieb nahmen; Nachgehends ließ Herkules eine Straͤu vor sich und das Fraͤulein in einer verfallenen Kammer machen/ aber viel sanffter dauchte ihr diese Ruhe in den Armen ih- res Herkules/ als auff dem bißher gehabten Koͤniglichen Lager. Dem Frauenzimmer auff Valisken Schlosse wehrete die Zeit lange/ als die Kraͤmerin in die vierde Stunde nach ihrem Abscheide nicht wieder kahmen/ meyneten endlich/ sie wuͤrden frische Kaͤuffer angetroffen haben/ und liessen das Maͤgdlein auch lauffen/ welches seine Wohnung wol zufinden wuste. So mißdaͤuchte auch der Hofmeisterin die Zeit/ daß sie von dem Fraͤulein nicht gefodert ward/ dann der Abend wahr schon eingebrochen/ da sie doch noch die aller- gerin- Vierdes Buch geringste Speise nicht genossen hatte; also ging sie leise nach ihrem Gemache/ und horche- te an der Tuͤhr/ ob sie etwas vernehmen moͤchte; klopffete endlich leise/ und immer haͤrter an/ vernam aber durch aus nichts/ und befahrete sich daher/ es moͤchte ihr etwa eine Oh- macht wegen des langen fastens zugestossen seyn/ wo sie nicht aus Muͤdigkeit eingeschlaf- fen waͤhre; nahm endlich ihren Haͤupt Schluͤssel/ und oͤffnete die Tuͤhr/ uñ als sie niemand in der Stuben sahe/ wolte sie die inner Kammer oͤffnen/ ward aber des angeklebeten Zettels an derselben Tuͤhr gewahr/ welches sie lase/ und die Einbildung fassete/ das Fraͤulein wolte sie pruͤfen/ wie heut das uͤbrige Frauenzimmer/ wiewol ihr das Herz schon zuzittern anfing, weil sie dann auch in der Schlafkammer niemand fand/ schlug sie ihre Haͤnde zusammen/ und sagte: O weh O weh mir armen und elenden/ nun muß ich doch samt meinem einigen Sohn eines grausamen abscheulichen Todes sterben/ dafern wir uns nicht durch die flucht erretten; fassete in der Noht ein Herz/ ging in das gemeine Zimmer/ und meldete der Fraͤu- lein Leibdienerin an/ weil Ihre Gn. etwas unpaß waͤre/ muͤste sie bey derselben diese Nacht bleiben/ und solte sie derweil sich nach ihrem Lager verfuͤgen; welches zwar dem Frauen- zimmer ungewohnt vorkam/ aber doch keine weitere Gedanken ihnen daruͤber macheten. Weil ihr dann allemahl frey stund/ vom Schlosse zugehen/ nam sie ihre besten Kleinot zu sich/ ging zu ihrem Sohn in seine Herberge/ und sagte zu ihm: O du mein liebes Kind/ nun hilff/ daß wir beyde unser Leben retten/ sonst muͤssen wir ohn alle Gnade sterben; Ach ach/ unser Koͤnigliches Fraͤulein ist heut heimlich ausgerissen/ welche mir zuhuͤten anvertrauet wahr; so sattele nun alsbald deine beyden Pferde/ nim deine besten Sachen zu dir/ und gib mir ein Mañes Kleid/ so wollen wlr noch diesen Abend uns nach Hirkanien zu deines Va- ters Bruder auff den Weg machen/ ob wir verhoffentlich durchkommen/ und unsere See- le erretten moͤchten. Der Juͤngling erschrak der Zeitung/ und stund wie ein Trunkener; aber als die Mutter ihn der Gefahr erinnerte/ machte ers nach ihrem Willen/ setzeten sich auff/ und ritten mit einander zur Stad hinaus/ gleich da man die Tohre schliessen wolte/ dann weil man ihn als einen Koͤniglichen Ausreiter kennete/ ließ man ihn mit seinem Ge- faͤrten unbefraget frey zihen; die Wege wahren ihm sehr wol bekant/ so gab der volle Mon- de ihnen Schein genug/ daß sie die ganze Nacht reiten kunten/ und solcher gestalt sich dem Tode entrissen. Des folgenden Morgens/ eine Stunde vor der Sonnen Aufgang/ wer- kete das Fraͤulein ihren Herkules sitsam auf/ und sagte: Hoͤchster Schatz/ wir werden der- eins bessere Zeit zur Ruhe haben/ vor dißmahl aber wird das sicherste seyn/ daß wir uns in die Kleider bringen/ und unsern Weg verfolgen. Herkules fuhr aus tieffem Schlaffe auff/ umfing sie freundlich/ und gab zur Antwort: Ich weiß nicht/ wie mir Gott in dieser grossen Gefahr so sanffte Ruhe verleihet/ es waͤhre dann/ daß die groͤste Last meiner Sorgen mir vom Herzen gefallen ist/ nachdem ich meinen allerwerdesten Schatz aus dem Koͤniglichen Schlosse in ein elendes Bauren Hüttlein gefuͤhret/ weswegen sie mir nicht unbillich auff- setzig ist. Ja/ antwortete sie/ vielmehr hat meine innigliche Wollust ursach gnug mich zu hassen/ nachdem ich heßliche schwarze Kraͤmerin ihn der schoͤnsten Fraͤulein Lukrezien odeꝛ Sibyllen beraube. In diesem verliebeten Gespraͤch verhar reten sie ein halb Stuͤndichen legten hernach ihre Kleider an/ und fertigten sich zur Reise. Als sie gleich auffsitzen wolten/ hoͤreten sie ein hartes Geklopffe an der Haus Tuͤhr/ da Timokles fragete/ wer da waͤhre. S s s s s ij Bald Vierdes Buch. Bald mache auff/ antwortete einer haussen/ oder wir wollen dich in stuͤcken zerhauen. Nun helffe uns der allmaͤchtige Gott/ sagte Herkules/ wir sind ohn zweifel ausgekundschaffet; lief zur Tühr/ und baht/ sie moͤchten Gemach tuhn/ wann sie herein wolten/ er koͤnte die versper- rete Tuͤhr so bald nicht oͤfnen; hieß Gallus durch ein Loch sehen/ wie viel haussen waͤhren/ und trug er inzwischen neben Timokles Holz/ Stuͤel und Baͤnke zu/ damit sie sich inwen- dig verbolwerketen/ biß Gallus Zeitung brachte/ es waͤhren auffs hoͤchste sechs oder sieben zu fusse mit kurzen Schwertern. Ey so habẽ wir keine Noht/ antwortete er/ setzete den Helm auff/ fassete Schild und Schwert/ und fragete mit ernstlicher Stimme/ was ihr begehren waͤhre. Wiltu es wissen? antwortete einer; Es sind nechten Abend etliche Pferde herein gefuͤhret/ die stehen uns zu. Du wirst dich sehr irren/ wiederantwortete Herkules/ in dieser Huͤtten ist nicht das geringste/ wozu du Ansprache haft. Diese draͤueten darauff allen den unsern den Tod/ und fingen an der Tuͤhr zubrechen; aber Herkules ging in aller stille zur Hinter Tuͤhr hinaus/ und hieß Gallus mit dem Schwert folgen/ neben welchem das Fraͤu- lein sich hinaus drengete/ uͤber fiel auch mit Herkules zugleich diese Raͤuber unversehens/ daß deren fuͤnffe fast im Augenblik gestrekt lagen/ und die zween uͤbrige umb Lebensfristung bahten/ legten auch das Gewehr nider/ und zitterten wie ein Espenlaub. Bekennet mir/ sa- gete Herkules/ wo ihr sonst Gnade hoffet/ ob eure Geselschafft in der naͤhe groͤsser sey. Ja/ antworteten sie/ gar zu hinterst im Dorffe halten sich zehne im Wirtshause auff/ welche uns/ eure Pferde zurauben/ abgeschicket haben. So müsset ihr auch unsere Verraͤhter nit seyn/ sagte das Fraͤulein/ und legete sie in zween Streichen zur Erden/ dessen nicht allein Gallus/ sondern Herkules selbst sich verwunderte/ und zu ihr sagete: Geliebtes Herz/ ihr habt recht geurteilet/ und ist besser/ sie sterben umb ihre Bosheit/ als daß wir durch sie in groͤssere Gefahr gerahten; stiegen hiemit zu Pferde/ welche diese Nacht wol gefuttert wah- ren/ und ritten in aller Eile nach dem Heerwege/ den sie gestern Abend verlassen hatten. Als sie auff demselben wieder anlangeten/ sahen sie zween Reuter vor ihnen her reiten/ setzeten ihnen nach/ und funden/ daß es ihre beyde Kraͤmerinnen wahren/ woruͤber sie sich hoͤchlich erfreueten/ hiessen sie wilkommen seyn/ und frageten/ wie es ihnen ergangen waͤhre. Gnaͤ- digster Groß Fuͤrst/ antwortete Ochus der lustigste/ haͤtten wir mehr Waaren gehabt/ so haͤtten wir mehr Gelder geloͤset/ muͤssen uns vor dißmahl mit 1500 Kronen genuͤgen lassen/ die uns zur Beute worden sind; aber hat Eure Durchl. nicht das Koͤnigl. Frl. in ihrer Geselschafft/ daß bey dero Durchl. ich meiner begangenen Grobheit untertaͤhnigste Ver- zeihung bitte. Mein Fraͤulein/ antwortete Herkules/ ist zum Reuter worden/ welche aber bey Leib und Leben keiner melden sol/ biß ichs ausdruͤklich heissen werde. Der Juͤngling merkete wer es wahr/ sprang vom Pferde/ kuͤssete ihr den Stiefel/ und baht untertaͤhnigst/ der unbehoͤfelten Kraͤmerin aller gnaͤdigst zuverzeihen/ als welche bißher bey Fürst- und Koͤ- niginnen niemahls keine Waaren verkaͤufft haͤtte. So habt ihr auch von mir sehr wenig Geld geloͤfet/ antwortete sie/ und mir dannoch alle eure Waaren feil gebohten/ ist demnach euer Verzeihungs-bitten ein lauter uͤberfluß/ uñ werde ich schon wissen/ wie ich eure Waa- ren zubezahlen schuldig bin/ dürffet mir aber kuͤhnlich alle beyde trauen/ daß ihr durch diese kurze Kraͤmerey euch ein groͤsser Gluͤk eingekaufft habt/ als ihr noch zur Zeit nicht wisset/ dann ohn andere Vergeltung/ die euch veꝛsprochen ist/ wil ich einem jeden eine Toñe Schaz baar/ Vierdes Buch. baar/ und 25000 Kronen an Kleinoten verehren; setzet euch aber risch zu Pferde/ dann un- sere Wolfahrt bestehet auff der Eile. Diese bedanketen sich der grossen Verheissungen/ rit- ten frisch fort/ uñ gelangeten umb den Mittag in einem Flecken an/ da sie abermal wolgeru- hete Pferde bekahmen/ assen von ihren Speisen/ tahten einen Trunk darzu/ und kahmen ge- gen Abend in ein Staͤdlein/ 22 Meilen von Charas/ da sie die andere Nacht in guter Si- cherheit ruheten/ und Gallus sich vor den Herrn und einen Koͤniglichen Gesanten hal- ten muste. Dieser Tag aber wahr zu Charas wol ein Tag aller Unruhe und herzkraͤnkenden Lei- des/ dann gegen den Mittag kurz vor der Mahlzeit/ sante der Koͤnig einen Kaͤmmerling nach der Fraͤulein Schlosse/ die Hofmeister in herzuhohlen/ weil ihn verlangete zuerfahren/ was vor Valikules fie erhalten haͤtte; Er wahr diese Nacht durch unterschiedliche Traͤu- me erschrecket/ dann erstlich kam ihm vor/ es haͤtte Valikules sich allernaͤhest bey ihn an den Tisch gesetzet/ und ihm die besten Speisen vorm Maule weg gefressen; bald darauff sahe er im Traum einen grossen starken Loͤuen mit einem Schafs Felle bekleidet/ welcher ihm den allerschoͤnsten Vogel unter allen/ aus dem Bauer hinweg risse; und drittens dauchte ihn/ es schoͤsse Valikules einen grossen Balken mitten durch sein Koͤnigliches Zimmer/ daß es gar uͤbern Hauffen fiel/ daß er auch im schrecken aufffuhr/ und noch voller Schlaffes seinẽ Traum selbst uͤberlaut also ausdeutete: Valikules/ Valikules/ du duͤrfftest uns noch schlim- me Haͤndel machen/ welchem wir beyzeiten vorbauen muͤssen. Er haͤtte denselben auch fruͤ- zeitig vor sich fodern lassen/ wann er nicht diesen Morgen durch Ankunfft Vologeses und anderer Grossen daran waͤhre verhindert worden/ mit denen er die ganze Zeit zubrachte. Als sein Abgeschicketer auff Valisken Schlosse anlangete/ fragete er nach der Hofmeiste- rin/ und bekam zur Antwort/ man haͤtte sie sider gestern Abend nicht vernommen/ waͤre die- se Nacht der Fraͤulein Schlafgeselle gewesen/ und meldete sich noch nicht/ welches sie groß wunder naͤhme. Mit dieser Antwort/ sagte der Diener/ werde Ihrer Hocheit ich nit duͤrf- fen unter die Augen treten/ und muß ihr des Koͤniges begehren angezeiget/ mir auch richti- ger Bescheid erteilet werden. Wir leistetẽ solches gerne/ antwortete die vornehmste Frau/ muͤssen uns aber mehr vor der Hofmeisterin/ als vor dem Fraͤulein selbst fuͤrchten/ massen sie wegen erworbener Gnade so hochmuͤhtig worden/ daß es unertraͤglich fallen dürffte/ da es noch lange wehren solte. Endlich erbot sie sich/ hinzugehen/ und ihr zuruffen; horchete an- fangs/ und bald darauff klopffete sie leise an der Fraͤulein Gemach/ welches sie/ weil ihr nit geantwortet ward/ zum dritten mahle wiederhohlete/ endlich mit klarer Stimme rief: Fr. Hofmeisterin/ Ihre Koͤnigl. Hocheit begehren eurer; Nachdem sich aber kein Mensch hoͤ- ren ließ/ ging sie wieder auffs gemeine Zimmer/ und sagete: Ich weiß trauen nicht/ was ich immermehr gedenken sol; ich klopffe/ ich ruffe/ und vernehme nichts. So muß ich verfu- chen/ sagte der Kaͤmmerling/ ob ich die schlaͤfferige Frau nicht ermuntern koͤnne. Ach ach/ antwortete die Leibdienerin/ diß gehet nimmermehr recht zu/ mein Gn. Fraͤulein hat so fe- sten Schlaf nicht. Der Diener entsetzete sich hieruͤber/ klopffete doch dreymalsehr hart an/ und als sich niemand meldete/ sagete er: O ich gluͤkseliger/ daß ich der widrigen Zeitung ei- gentlicher Brieftraͤger nicht seyn darff/ und seyd ihr klug/ sagte er zu dem Frauenzimmer/ so sendet etliche eures Mittels mit mir nach dem Koͤnige/ damit ihr euch alles Argwohns S s s s s iij ent- Vierdes Buch. entbrechet. Ey/ antwortete eine Jungfer/ nahmens Kleofis/ solte hie Entschuldigung von noͤhten seyn/ werde ich gewißlich nicht dahinten bleiben. Hierauff wolten sie alle mit fort/ wie auch unverzuͤglich geschahe/ befahlen doch der Wache/ inzwischen fleissige Auffsicht zu haben/ daß niemand von oder auff das Schloß gelassen wuͤrde/ wer der auch seyn moͤchte. Der Koͤnig saß in seinem Gemache/ und dauchte ihn/ sein Diener bliebe über Gewohnheit lange aus/ da ihm doch zueilen befohlen wahr; auch fielen ihm seine Traͤume wieder ein/ deswegen er geboht/ daß man Valikules ruffen solte/ und begunte schon auff den abgeschik- ten Kaͤmmerling zumurꝛen/ mit befehl/ daß man ihm entgegen lauffen solte/ kam aber gleich mit dem Frauenzimmer daher gezogẽ/ welches der Koͤnig durch ein Guk Fenster ersehend/ uͤberlaut sagete: Die Karte ist falsch/ und muß sich ein neuer Unfall zugetragen haben/ wo nicht unser Fraͤulein wol gar tod ist. Er ließ das Frauenzimmer ohn Verzug vor sich tre- ten/ und sagete zu ihnen: Aus was ursachen duͤrffet ihr so verwaͤgen seyn/ und ohn Erlaub- niß von eurem Schlosse gehen? Diese fielen alle vor dem Koͤnige nider/ uñ hub die ansehn- lichste Frau/ nahmens Artakama/ also an: Allergnaͤdigster Koͤnig/ es treibet uns warlich weder Lust noch Ungehorsam/ diesen beschwerlichen Gang zutuhn/ sondern/ nach dem die Hofmeisterin gestern Abend vorgegeben/ das Koͤnigl. Fraͤulein begehre ihres Beyschlaf- fes/ ist sie von uns hinweg gangen/ und biß diese Stunde nicht wieder kommen; Weil wir dann auff Ihrer Koͤniglichen Hocheit gnaͤdigsten Befehl die Hofmeister in hersenden wollen/ und an der Fraͤulein Gemach viel klopffens und ruffens gemacht/ aber keines einigen Menschen Gegenwart verspuͤren koͤnnen/ stellen wir ingesamt uns ein/ solches untertaͤhnigst anzudeuten/ damit auff unverhoffeten Ungluͤksfall/ welchen die Goͤtter gnaͤdig abwenden werden/ wir ausser Verdacht bleiben moͤchten/ wie wir dann allerdin- ge unschuldig sind. Der Koͤnig erzitterte vor Angst uͤber diesem Vorbringen/ und sagte zu seinem Hofmeister Bagophanes: Bald und geschwinde gehe hin/ und vernim/ wie die Sachen stehen/ dann das Herz traͤget uns ein schweres Ungluͤk zu/ wollen nicht hoffen/ daß sich noch einer unser Soͤhne habe dürfen geluͤsten lassen/ uns im Grase zu huͤten/ und unsers hoͤchst wertesten Schatzes mutwillig zubegehren. Dieser waͤhre lieber in den Tod gangen/ dann ihm schwanete nichts gutes/ insonderheit/ weil Valikules sich nirgends fand/ dem er doch im nahmen des Koͤniges Befehl erteilet hatte/ alle Vor- und Nachmit- tage sich im innersten Platze des Schlosses sehen zu lassen/ welchen er auch allemahl in sei- nem Herzen hoͤher als einen schlechten aͤdlen Ritter gehalten hatte. Auff empfangenen Befehl baht er den Koͤnig mit wehmuͤhtiger Rede/ ihre Hocheit moͤchten sich allergnaͤdigst belieben lassen/ etliche des Frauenzimmers ihm zuzuordnen/ ob vielleicht deren Huͤlffe uñ Beystandes er solte benoͤhtiget seyn; wie leicht haͤtte es geschehen moͤgen/ daß einer oder andern/ ja wol beyden eine Ohmacht zugestossen waͤhre/ wo nicht wol gar ein groͤsser Un- gluͤk. Und wie koͤmt es/ sagte er/ daß der schlauhe kühne Valikules sich weder gestern noch heut hat sehen lassen? Lieget auch unter dieser Schaffsdecke ein grimmiger Loͤue verbor- gen/ welcher durch Gelegenheit verfuͤhret sich der Fraͤulein unvergleichlicher Schoͤnheit etwa haͤtte duͤrffen gelüsten lassen/ woruͤber/ angesehen ihre Tugend/ ein Unfall haͤtte koͤn- nen entstanden seyn? O schweige schweige/ antwortete der Koͤnig/ du reissest uns mit sol- cher wiedrigen Wickerey das Herz aus dem Leibe/ und dafern du ein Traumdeuter bist/ hat Vierdes Buch. hat der leichtfertige Bube uns das Fraͤulein ohn zweifel entfuͤhret. So gehe nun hin/ uñ nim zu dir/ welche du wilt/ damit wir hinter die Warheit kommen. Bagophanes stellete sich willig/ und baht um Gnade/ dafern er/ welches er nicht hoffen wolte/ wiedrige Zeitung bringen solte. Mitlerweile daß dieser mit dreyen Jungfern und zween Kaͤm̃erlingen hin- ging/ fragete Artabanus das uͤbrige Frauenzimmer/ ob ihrer keine den Valikules gestern und heut gesehen haͤtte. Sie beteureten alle/ dz sider seiner Hinreise nach Prage/ sie nichts von ihm gehoͤret oder gesehen haͤtten/ welches dem Koͤnige noch mehr verwunderns ma- chete. Endlich sagete Fr. Artakama: Allergnaͤdigster Koͤnig; es hat die Hoffmeisterin mit uns ingesamt gestriges Tages ein recht Kinderspiel gehalten/ dessen wir uns zum teil ge- schaͤmet; sie teilete 2000 Kronen unter uns aus/ und fuͤhrete zwo fremde Kraͤmerinnen zu uns/ von denen wir in ihrem beywesen allerhand seltzame fremde Waaren kauffen mu- sten/ welche ihre Hocheit auff unsern Gemaͤchern finden werden; und ob diese Kraͤme- rinnen zwar mit dem bescheide von uns gingen/ daß sie wiederkommen/ und mehr Waa- ren bringen wolten/ haben sie uns doch den ganzen Nachmittag vergeblich warten lassen. O ihr Goͤtter/ antwortete der Koͤnig/ erhaltet uns in dieser Angst! O die Kraͤmerinnen die Kraͤmerinnen haben uns das Fraͤulen/ das wunderschoͤne Fraͤulein/ die volkommene Zierde der irdischen Welt/ den unvergleichlichen Schaz des ganzen Erdbodems aus dem Schlosse/ wie wir fuͤrchten/ aber nicht aus unserm Herzen hinweg gekauft; diese sind der Schaffpelz des boßhaften Loͤuen Valikules/ des abgefeimeten Buben. Daß kan nicht seyn/ sagete die Frau/ dann die Kraͤmerinnen schieden von uns umb den Mittag/ aber die Hoff- meisterin berichtete uns Abends umb halb sieben/ daß sie bey dem Fraͤulein schlaffen solte. Ja wer weiß/ antwortete er/ was unter diesem ertichteten Beyschlaffen mag verborgen schlaffen/ welches die Abgeschicketen uns gar zu früh hinterbringen werden. Er Weissa- gete nicht falsch/ dann als diese auff der Fraͤulen Schlosse anlangeten/ und zu unterschied- lichen mahlen an ihr Gemach mit grossem ungestuͤm klopffeten/ aber doch weder Stimme noch einige Bewaͤgung vernahmen/ liessen sie durch einen Schloͤsser die Kammertuͤhr auffmachen/ da sie in das ledige Nest sahen; sie sperreten die Kammertuͤhr auff/ und suche- ten hinter/ unter und ober den Betlagern/ und wo sich irgend eine Mauß haͤtte verstecken moͤgen; aber da wahr niemand; ihrer etliche lieffen oben auff den Schloßgang/ woselbst das Fraͤulein sich offt zuergetzen pflegete; andere durchsucheten alle Gemaͤcher in der naͤ- he/ aber alles vergebens. Jungfer Kleofis/ die schoͤnste unter allen/ welche das Fraͤulein ihrer Tugend und Froͤmmigkeit halben sehr liebete/ blieb mit Bagophanes auff dem Ge- mache/ und beklagete das grosse Unglük/ so hieraus entstehen wuͤrde/ wunderte sich daneben sehr/ was gestalt das Fraͤulein haͤtte moͤgen davon kommen; und in dem sie ohngefehr vor sich nider sahe/ ward sie des Zettels auff der Erden gewahr/ welches das Fraͤulein ihrer Hoffmeisterin zur Warnung hinterlassen hatte/ hub es auff/ und nach verlesung fagte sie zu Bagophanes: O wir elenden/ was forschen wir dem Fraͤulein lange nach? auff diesem Blade ist ihre Flucht deutlich außgelegt. Ernam es in gute Verwahrung/ und sagete: Dieses sol dem unschuldigen Frauenzimmer verhoffentlich zu statten kommen/ aber die Hoffmeisterin duͤrffte dadurch zu gleich mit entschuldiget werden/ wo es sonst nicht ein verdecketes Spiegel fechten ist. Gleich sahe er noch einen zusammen gefalzeten Brieff/ welchen Vierdes Buch. welchen die Hoffmeisterin vor ihrem Abscheide geschrieben/ auff dem Neben Tische lie- gen/ der also lautete: Allergnaͤdigster Koͤnig/ was vor ein herbes Ungluͤk mein gnaͤdigstes Fraͤulein von diesem Schlosse gebracht/ ist mir unmoͤglich zuersinnen/ es sey dann daß der boßhafte verfluchte Valikules zugleich eure Hocheit und mich hintergangen/ und den Raub hinweg gefuͤhret hat/ welches eigentlich zuerforschen/ mir die Furcht eures unertraͤglichen Zorns nicht zulassen wil; ich bezeuge aber bey eu- rer Hocheit allerheiligstem Haͤupte/ daß weder ich noch mein Sohn hierumb einige Wissenschaft ge- tragen/ vielweniger Raht oder Taht darzu verlihen/ sondern um keiner Gefahr oder Freundschafft willen haͤtte ich unterlassen/ es ihrer Hocheit anzuzeigen. Das ich aber durch der Fraͤulein Schreibẽ gewarnet/ die Flucht zur Hand nehme/ ist bloß darumb/ daß nicht etwa durch des mir auffsaͤtzigen Frauenzimmers Verleumdung bey ihrer Hocheit ich in ungleichen Verdacht gerahten/ und in mei- ner hoͤchsten Unschuld untergedrukt werden moͤge; zweiffele nicht/ die Kraͤmerey sey zu dem Ende an- gestellet/ mir und andern die Augen zu blenden/ welches alles die Zeit oͤffnen wird; daß auch der ertich- tete Valikules vor diesem seinen Weg nicht nach Boͤhmen sondern nach der Fraͤulein Bruder ange- stellet/ habe ich nunmehr starke Mutmassungen. Ihre Hocheit bitte ich durch alle Goͤtter/ sie wollen meiner Flucht mich nicht verdenken/ welche mein unschuldiges Blut zuretten auff mich genommen habe/ bin und verbleibe sonst ihrer Hocheit untertaͤhnigste getraͤueste Magd Sysigambis das aller ungluͤkseligste Weib auff dem ganzen Erdbodem. Wie ein boßhaftes Weib/ sagte er nach verlesung/ muß die Hoffmeisterin seyn/ daß sie ihren Koͤnig noch darzu spotten und aͤffen darff. Aber hie muß man laͤnger nicht seumẽ/ ob die fluͤchtigen vielleicht noch koͤnten erhaschet werden; lieff also aus ganzen kraͤften vor den andern her/ daß ihm der Odem stehen blieb; und wie er in des Koͤniges Gemach trat/ und denselben so traurig sahe/ fiel er zu seinen Fuͤssen in Ohmacht als ein Todter Mensch nider. Dem Koͤnige begegnete ein gleichmaͤssiges/ wurden aber von den Anwesenden wie- der erquicket/ und sagte Artabanus zu dem Hoffmeister; Sage uns du getraͤuer Diener/ ist unsere Lust und Wonne gar Tod/ oder lebendig verschwunden? Allergnaͤdigster Koͤnig/ antwortete er mit schwacher Stimme; wir haben der Fraͤulein Gemach/ und andere mehr fleissig durchsuchet/ aber keine als diese gedoppelte schriftliche Nachricht antreffen koͤñen; reichete hiemit dem Koͤnige beyde Schreiben hin/ da inzwischen das anwesende Frauen- zimmer ein so klaͤgliches Geschrey uñ Heulen anfing/ daß man sie mit Gewalt hinaus trei- ben muste/ welches auch zu ihres Lebens Rettung dienete; gestaltsam der Koͤnig vor erst nicht anders als ein grausamer Loͤuerasete/ rieff und schriehe; fahet den boßhaften Raͤu- ber/ und haltet ihn feste/ daß er euch nicht entweiche/ haltet ihn/ daß wir durch gebührliche Rache den Meinaͤid vergelten/ welchen er uns erwiesen hat. Wo seid ihr meine Henker/ wo seid ihr? so recht! foltert und daͤhnet ihn die laͤnge und quere/ und was vor Pein ihr immermehr erdenken moͤget/ lasset getrost uͤber ihn ergehen. Wo ist unser Saͤbel/ wo ist er? Aber durch unsere eigene Faust ertoͤdtet zu werden/ waͤhre ihm viel zu grosse Ehre; er muß etliche Jahr ohn auffhoͤren gequelet werden/ damit er lange uñ ohn auffhoͤren sterbe. Hierauff fing er an zu zittern und brüllen/ daß jederman waͤhnete/ er würde vor Zorn ver- gehen/ und durfte ihm doch kein Mensch zureden/ weil sie alle sich des Todes vermuhten wahren. Endlich verwandelte sich das viehische Rasen in ein wehmuͤhtiges Klagen/ da er zu ruffen anfing: O mein Fraͤulein/ unsers herzen Krone/ unserer Gedankẽ einige Wol- lust/ unserer Begierden hoͤchstvolkommene Vergnuͤgung! O wo bistu wo bistu? hat ein so Vierdes Buch. so aͤdler unerschrockener Geist von geschworner Traͤue koͤnnen kuͤkfaͤllig werden/ uñ durch den nicht werten Valikules sich zur Flucht bereden lassen? Aber O du falscher Valikules/ was vor Ungnade oder Wiederwillen haben wir dir erzeiget/ daß du uns nach dem inner- sten unser Seelen greiffest/ und uns den lebendigen Teil unsers Herzen raubest? Bago- phanes erkühnete sich und sagete: Allergnaͤdigster Koͤnig/ eure Hocheit wollen die Klage und den Eifer maͤssigen/ und vielmehr darauff bedacht seyn/ ob man das Fraͤulein in der Flucht ergreiffen koͤnte. Geschwinde/ antwortete er/ daß alle Reuter dieser grossen Stad versamlet werden/ ja daß alle unsere Untertahnen/ Persenland als eine Fluht von fornen und hinten uͤberschwemmen/ damit unser Fraͤulein wiederbracht werde. Die Koͤnigli- chen Trommeter fielen teils auff ungesattelte/ teils auff ungezaͤumete Pferde/ und bliesen erschroͤklich Lermen durch alle Gassen/ so weit die Pferde lauffen kunten; etliche renneten ihre Pferde gar uͤbern hauffen/ nahmen aus den Haͤusern andere/ uñ hoͤreten etliche Stun- denlang nicht auff zu blasen. Die ganze Stad ward hier uͤber erschrecket/ daß alles was Waffen fuͤhren kunte/ solche ergriff/ und dem Schlosse zueilete/ daher die naͤhesten Gassen dermassen mit Menschen angefuͤllet wurden/ daß kein Reuter hindurch kommen kunte/ und entstund durch diese Zudraͤngung ein solches Jammern und Wehklagen/ daß der Schal biß gen Himmel fuhr/ weil in die 4000 Menschen erdrucket wurden/ und endlich die so zu Fusse wahren/ sich in die naͤhesten Haͤuser zogen/ wodurch den Reutern etlicher massen Luft gegeben ward. Inmittelst ließ doch das grausame Geschrey nicht nach/ da ei- ner rieff; der Koͤnig waͤhre erschlagen; ein ander/ die Feinde haͤtten sich der Stad bemaͤch- tiget; und wuste keiner was er glaͤuben solte/ biß endlich Bagophanes es dem Koͤnige zu- wissen taht/ und ihn erinnerte/ er moͤchte mit seinem Koͤniglichen Stabesich dem Volke auff der Zinnen zeigen/ sonst waͤhre unmoͤglich/ den Aufflauff zustillen/ und etwas bestaͤn- diges vorzunehmen. Der Koͤnig folgete diesem Raht/ uñ winkete/ daß jederman stille seyn solte; da Bagophanes uͤber laut also rieff; Des grossen Koͤniges Artabanus ernstlicher Befehl ist/ daß alles Fuß Volk sich stündlich hinweg/ und an ihre Arbeit mache/ die Reute- rey aber mit ihrem besten Gewehr erscheine. Da gab sich nun jederman zu frieden/ und zo- gen hinter sich in die Haͤuser/ deren eines auff allen Boden und Gemaͤchern so gar über- haͤuffet ward/ das es einfiel/ und uͤber 5000 Menschen teils erschlug/ teils an allen Glied- massen beschaͤdigte/ daß nicht 100 davon das Leben behielten. Noch kunten die Reuter kei- nen freien Zurit haben/ welches das Nachdrücken aus den abgelegenen Gassen verursa- chete/ biß gewisse Leute verordnet wurden/ die hin und wieder außrieffen/ dz das Fuß Volk zuruͤk weichen/ und den Reutern Luft geben solte. Als sich nun auff diese Weise die Reute- rey haͤuffig mehrete/ und ihrer 16000 gezaͤhlet wurden/ gab der Koͤnig seinem Hoffmei- ster Befehl/ er solte als gevolmaͤchtigter Feld Obrister ihm die Voͤlker lassen anbefohlen seyn/ sie auff allen Wegen Persenwerz verteilen/ und ihnen eine gewisse Grenze Stad zur Versamlung ernennen; Wirstu nun/ sagte er/ unser Fraͤulein uns wieder lieffern/ es ge- schehe gleich ohn oder mit der Voͤlker Verlust/ sol dir groͤssere Belohnung als nie keinem Menschen vor dir/ wie derfahren; massen du der naͤheste nach uns seyn/ und ganz Persen- land erblich besitzen solt. Ihrer Koͤnigl. Hocheit gelebe ich gehorsamst/ antwortete er; wie aber/ wann das Fraͤulein sich beschweren solte/ mit mir umbzukehren/ und vor der Straffe T t t t t sich Vierdes Buch. sich befuͤrchtend/ die Gegenwehr zur Hand nehmen/ oder wol gar ihr selbst den Tod antuhn wuͤrde? Sie wird ja nicht ein ganzes Heer mit ihren Pfeilen auffreiben/ sagte der Koͤnig; laß aber seyn/ daß sie einen oder etliche erscheust/ welches in betrachtung so grosser Beute ein schlechter Verlust ist. Sich selber zuentleiben/ ist gar zu herbe/ und kan solches durch mannicherley Mittel abgewendet werden; Deꝛ Erlassung unser Straffe aber wollen wir sie leicht versichern; nam das Schreibe Zeug/ und setzete folgenden Brief auff: Hoͤchstgeltebtes aller schoͤnstes Fraͤulein; Wir koͤnnen uns nicht gnug verwundern/ wie der Erz Zauberer Valikules Eurer Liebe Herz/ Sinn und Gedanken durch seine Baktrianische Kunst und teuflische Zauberey so gar beschleichen/ und zur heimlichen Flucht verfuͤhren koͤnnen. Nach dem wir aber vernuͤnfftig betrachten/ daß menschliche Schwacheit zu geringe ist/ dergleichen Verzaͤuberungen sich zuwidersetzen/ weil die Erfahrung bezeuget/ daß Menschen Witz hiedurch offt geblendet wird/ daß wann man meynet/ sich in der Liebsten Schos zulegen/ man sich wol gar ins Wasser oder Feur stuͤr- zet; so rechnen wir demnach solche Flucht Eurer Liebe keines weges zu/ wollen ihr auch deswegen nit die allergeringste Ungnade zulegen/ sondern ersuchen dieselbe freundlichst/ sich mit unserm getraͤuen Hofmeister Bagophanes vorderlichst wieder ein zustellen/ und nach verflossenen bestimten Wochen uns die wirkliche Liebe wiederfahren zulassen; ja umb destomehr zueilen/ damit die Groß Koͤnigliche Parthische Kron Eurer Liebe ehist auffgesetzet werden/ und sie die ungemaͤssigte Herrschafft in gleicher Hocheit mit uns fuͤhren moͤge/ wie solches hoffet/ wuͤnschet und begehret Euer Liebe ganz ergebener Koͤnig/ Freund und Braͤutigam Artabanus. Dieses Schreiben gefiel dem Hofmeister sehr wol/ und baht den Koͤnig/ ihm Jung- fer Kleofis mitzugeben/ deren Dienste er sich auff mannicherley weise bey dem Fraͤulein wuͤrde gebrauchen koͤnnen/ als auff welche dieselbe allemahl vor andern aus/ viel gehalten haͤtte; Dieses zwar brachte er zum schein vor/ aber sein Herzging mit den Gedanken umb/ sie zuheyrahten/ weil er sich gegen sie hefftig verliebet befand; Es ward ihm solches gerne zugelassen/ und machete er sich mit seinem Heer/ welches in Zerteilung/ achtzehn Wege auf Persen vornam/ stuͤndlich auff/ da ihm des folgenden Tages sechs Meile von Charas der elende Parthische Feld Oberste Madates auffstieß/ welcher auff einem schaͤbichten Gaule ritte; seine 20 Ritter/ die mit ihm gestrichen wahren/ lieffen in armseliger Kleidung neben ihn daher/ nicht anders/ als wie ein hauffen Henkers Buben den Scharff Richter zubeglei- ten pflegen. Dieser sahe einen grossen Zeug gegen sich daher rennen/ nahm endlich Bago- phanes Kundschafft ein/ der ihn sonst an Macht und Ehre sehr ungleich wahr/ und fiel/ in betrachtung seiner jetzigen Schande/ vom Pferde in Ohmacht. Bagophanes entsetzete sich daruͤber/ ließ ihn auffheben/ und boht ihm ein treffliches Hand Pferd/ welches anzunehmen er sich wegerte/ und zu ihm sagete: Nein nein/ mein Bagophanes/ der unselige Madates ist viel zu hoch geschaͤndet/ daß er ein Ritterliches Pferd beschreiten solte/ es waͤhre dann/ daß der grosse Koͤnig ihn zuvor wieder ehr- und ritterlich machen wolte. Nam ihn darauff be- sonders/ und gab ihm allen Verlauff in der kürze zuverstehen/ da er mit diesen Worten be- schloß: Er wolte allen redlichen Kriegs Beamten seinen Unfall vorstellen/ daß sie derglei- chen Verrichtungen/ andere zubeschimpffen/ nicht solten auff sich nehmen; jezt zihe ich hin/ sagte er/ meinem Koͤnige mich darzustellen/ und wil lieber von ihm die Urtel des Todes er- warten/ als eine Stunde in diesem Stande laͤnger leben. Euer Gn. unfall ist mir sehr leid/ antwortete Bagophanes/ und nimt mich wunder/ daß man zu Charas dieser schweren und uner- Vierdes Buch. unerhoͤrten Niderlage so gar keine Zeitung gehabt/ ist auch schier unglaͤublich/ daß kein ein- ziger/ der es nachsagen koͤnnen/ solte davon kommen seyn. Aber woselbst halten sich anjezt die beyden Teutschen Fuͤrsten auff/ deren Ihre Gn. meldung getahn? Das ganze feindliche Heer/ gab er zur Antwort/ hat sich nach Persepolis zuruͤk gezogen/ und staͤrken sich maͤch- tig/ haben auch des Tages nach meiner Niderlage ein fliegendes Heer 14000 stark aus Medenbekommen/ welches der junge Fürst Arbianes selbst fuͤhret. So wird unserm Koͤ- nige/ sagte Bagophanes/ die Skytische Huͤlffe noͤhtig seyn/ deren zugebrauchen er annoch im zweifel stehet/ ungeachtet sie sich uns gutwillig anerbohten haben Wolle demnach Eu- re Gn. eilen/ unserm Koͤnige der Sachen Zustand zuhinterbringen; mich betreffend/ durch- suche ich alle Heerstrassen/ das Koͤnigliche Fraͤulein auszuspuͤren/ welche vorgestern heim- lich entfuͤhret ist. Das hat kein ander Mensch getahn/ sagte Madates/ als der unvergleich- liche Herkules/ dann bald nach der Schlacht hat er sich verlohren/ daß niemand/ ohn seine vertrauetesten umb ihn einige Wissenschafft haben; Dafern auch dieser Held und sein Ge- selle/ der Fraͤulein Bruder/ nicht gewesen waͤhren/ wolten wir die Feinde wie Brod gefres- sen haben. Nahmen hier auff Abscheid/ und ritten ein jeder seines Weges. Unser Herkules mit seinem liebsten Gemahl/ hatte/ wie gesagt/ die andere Nacht ihreꝛ Reise in obgedachtem Staͤdlein gute Ruhe und herzliche Vergnuͤgung; bekahmen des folgenden Morgens daselbst frische Pferde/ und weil Ritterliche Harnische zubekommen wahren/ ruͤsteten sich Herkules/ das Fraͤulein und Gallus voͤllig; kaufften auch fuͤnff gute Bogen und so viel Koͤcher mit Pfeilen/ daß sie einen zimlichen Anlauff auffzuhalten und abzutreiben bestand wahren/ welches ihnen dann sehr wol zustatten kam/ massen an diesem dritten Tage ihrer Reise sie einen unsichern Weg antraffen/ da die verderbete abgebrante Parthische Bauren hin und wieder sucheten/ die reisenden zuuͤberfallen/ und Lebensmittel zuerbeuten; insonderheit stiessen um den Mittag bey 30 Bauren auf sie/ hatten teils Spies- se und Schwerter von der Wahlstat geraubet/ teils aber mit Axten/ Sensen und Mistga- beln sich versehen. Herkules gruͤssete sie mit auffgeschlagenem Helme/ und fragete/ ob nicht eine Parthische Schaar von ungesehr 200 Reutern dieses Weges gezogen waͤhre/ bekam aber eine Antwort/ die ihn gar zu unfreundlich dauchte/ weil der Bauren Fuͤhrer ihm be- fahl er solte absitzen/ auch zugleich nach seines Pferdes Zuͤgel greiff/ welches Valiska erse- hend/ ihr Schwert zuͤckete/ und ohn Wortsprechen ihm die freche Hand vor die Fuͤsse lege- te. Da haͤtte man ein Gedraͤnge und fluchen sehen und hoͤren sollen; woran sich aber die unsern wenig kehreten/ sondern Herkules und Gallus zogen mit von Leder/ Timokles aber und die beyden Juͤnglinge brauchten ihre Pfeile/ daß in weniger frist der mehrer teil Bau- ren erschossen und nidergehauen wurden/ und die uͤbrigen meist verwundet/ zur seiten aus- rissen/ welche zuverfolgen Herkules vor unnoͤhtig hielt/ hieb sein Pferd an/ und ermahnete die seinen/ frisch fortzurennen/ als viel es die Pferde ertragen moͤchten/ dann er zweifelte nicht/ Artabanus wuͤrde in hoͤchster Eile ihm der Verfolger gnug nachschicken/ welche nit seumen wuͤrden/ Tag und Nacht zu jagen. Sie gerieten gleichwol noch etlichen kleinen Hauffen unter die Haͤnde/ deren sie doch mehr mit draͤuen als Schwertschlaͤgen abkahmẽ/ und langeten kurz vor Abends bey einem feinen Staͤdlein an/ da ihnen gute Herberge zu- gewiesen ward/ und sie bald anfangs erfuhren/ daß der geschlagene Feld Oberste Madates T t t t t ij vor Vierdes Buch. vor wenig Tagen mit geringer unansehnlicher Manschaft daselbst gewesen/ und seinẽ Weg nach Charas fortgesetzet haͤtte. So ist mir leid/ sagte Herkules darauff/ daß ich nicht zeiti- ger hieselbst ankommen bin/ und nimt mich wunder/ daß er mir nicht auffgestossen ist/ dann ich bin von meinem grossen Koͤnige ausdruͤklich abgefaͤrtiget/ ihn bey dem Persen Artaxer- res loszumachen; jedoch/ weil ich andere Geschaͤfte mehr bey demselben zuverrichten habe/ muß ich gleichwol fort/ und mich hindurch wagen. Es wird euch aber schwer fallen/ durch- zukommen/ antwortete der Wirt/ nicht allein wegen Unsicherheit der wilden Tihre/ ver- lauffenen Hunde/ und mutwilligen Raͤuber/ sondern auch/ weil alles der ends abgebrant/ und weder vor Vieh noch Menschen ichtwas auf zwo Tagereisen zubekommen ist; jedoch/ weil ihr alle wol beritten seyd/ koͤnnet ihr Futter und Mahl hinter euch auffnehmen; wie- wol vor die Pferde etwas hieselbst zuerhalten Muͤhe geben wird. Herkules antwortete ihm: Mein Freund/ schaffet ihr uns Notturfft/ unfer Koͤnig hat Mittel gnug/ es zubezah- len/ obs gleich teur fålt; und wann ich gleich alles mein Geld auff der Reise vertaͤhte/ muͤ- ste der Perse mir als einem Gesanten wol etwas vorstrecken. So schaffet uns nur einen guten getraͤuen Menschen/ der uns durch sichere Nebenwege fortbringe/ und lasset mich vor die Bezahlung sorgen. Der Wirt wahr ein geitziger Mensch/ und dauchte ihn keine Gefahr zu groß/ da Geld zuverdienen wahr; also wolte er nun auch vor dißmahl der Be- lohnung etwas mehr versichert seyn/ und antwortete ihm: Die heimlichen Wege nach den Persischen Grenzen waͤhren dieses Orts niemand so wol bekant als ihm/ und wann sie ihm der Muͤhe zu diesen gefaͤhrlichen Zeiten ergetzen wolten/ koͤnte er sie führen/ daß sie stets von der Landstrassen biß in Persen bleiben/ und nicht desto weniger eine gute Abend-Herberge haben/ auch des andern Tages der Persen Grenze Stad erreichensolten. Ich muß hoͤren/ sagete Herkules/ was ihr fodern werdet/ darauff habe ich hernach zuhandeln; doch solcher gestalt/ daß ihr mich mit aller meiner Geselschafft und Pferden von dieser Stunde an/ biß an die Persische Grenze Stad nottuͤrfftig/ und so viel moͤglich/ nach meinem Adelichen Stande unterhaltet. Der Wirt uͤberlegete alles auffs genaueste/ und sagte: Wann er nit zu viel dingens machen würde/ wolte ers mit einem Wort anzeigen/ da er dann vor alles in allem gerechnet/ 80 Kronen foderte. Worauff Herkules antwortete: Meynet ihr/ mein Freund/ daß ihr mit Kraͤmern und Kaufleuten zuhandeln habt? Ich bin schuldig/ euch eu- re Kosten samt der Muͤhe zubezahlen; drumb wil ich euch eine andere Rechnung machen: Sehet/ da habt ihr vorerst vor euren gutẽ Willen einen Ring zuꝛ Verehrung/ welcher euch 100 Kronen gelten kan; vor Kosten und Muͤhe aber wil ich euch 160 Kronen baar erlegen/ die halbscheid gleich jetzo; und das uͤbrige in der Persischen Grenze Stad. Der Wirt/ nach Art der Geitzigen/ trauete anfangs nicht/ weil ihm dergleichen Handelsleute noch niemahls vorkommen wahren; ging hin/ und ließ den Ring von einem Gold Schmiede besehen/ der ihm 80 Kronen davor boht/ daß er also nicht mehr zweifelte/ und seinen Gaͤsten aufftrug/ was ihm in der Eile zubekommen moͤglich wahr; erzaͤhlete auch/ daß Madates mit den seinen so traurig und betrübt gewesen/ daß ihnen weder essen noch trinken schmec- ken wollen. Ja ich hoͤre/ antwortete Valiska/ es habe ihm in Persen noch uͤbeler geschmec- ket; dessen Herkules von Herzen lachete. Nach gehaltener Abendmahlzeit ward Herkules mit seinem Gemahl/ die er vor einen jungen aͤdelmann ausgab/ auff eine absonderliche Kammer Vierdes Buch. Kammer gefuͤhret/ und ermahnete sie der Wirt/ biß an die Zeit des Fruͤhstuͤckes sansste zu ruhen; welchem sie stat gaben/ und in Christehelicher Liebe sich zusammen hielten. Als der Tag durch die Fenster herein brach/ und sie ihr Gebeht in herzlicher Andacht gesprochen hatten/ sagete Valiska zu ihrem Herkules: Was hindert uns/ mein Schatz/ daß wir unsere angebohrne Gestalt uns nicht goͤnnen? Ich bin meinen heßlichen Haͤnden so gram/ dz ich sie fast nicht ansehen/ vielweniger euch damit berühren mag. Hierzu wollen wir bald rahtẽ/ antwortete er; dann so wir das Haar nicht endern/ koͤñen Angesicht und Haͤnde mit leich- ter Muͤhe wieder gefaͤrbet werden; Alfo rieb er ihnen beyden solche Farbe ab/ woruͤber sich das Fraͤulein hoͤchlich erlustigte; dann ihr Herz wahr diesem Fuͤrsten dermassen ergeben/ daß sie es mit aͤusserlichen Geberden nicht gnug anzeigen kunte; und wann sie meynete/ et- wa eine freundliche Rede erfunden zuhaben/ blieb ihr die Zunge bestehen/ und verrichtete mit seuffzen/ was das Herz nicht laͤnger in sich behalten kunte. Ach/ sagete sie dißmahl/ gib du barmherziger Gott/ daß ich diesen meinen auserwaͤhlten Schaz vor meinem Tode ja nimmermehr verlieren moͤge/ und verzeihet mir/ mein Seelichen/ daß mein Mund viel zu stamlend ist/ die inbruͤnstige Liebe auszusprechen/ welche zu meinem Groß Fuͤrsten und Ge- mahl ich in keuscher Ergebenheit trage; es gehet mir als den Trunkenen/ die durch krafft des Weins kuͤhn gnug gemacht/ und doch an den Gliedern gelaͤhmet werden/ sich der Waf- fen zugebrauchen. Also befihlet meine Seele der Zungen/ meine Neigungen loßzubrechen/ aber die taumlichte Liebe bindet sie wieder/ daß die Gedanken in Seuffzer sich verendern/ und die Worte zwischen den Lippen brechen muͤssen. Die heydnischẽ Tichter/ mein Schaz/ mahlẽ die Liebe blind; verstossene Liebhaber schelten sie vor taub; ich aber klage ihre Stum- heit an; Lieber goͤnnet mir/ mein Seelchen/ daß ich sie alle entschuldige. Die Tichter/ nach ihrer naͤrrischen Unbedachtsamkeit/ haben unbedachtsame Liebe/ welche ich eine Narren- Liebe nenne/ verstehen wollen/ und sind/ in betrachtung deren/ unbetrogen; Dann wer lie- bet/ ehe er des geliebeten Erkaͤntniß hat/ ist freylich am Verstande blind. Die verworffene Liebhaber reden von der geliebeten Ungewogenheit/ als welche ihnẽ die Ohren verweigeꝛn. Wie viel besser nun ist meine Meynung gegruͤndet/ als welche der wahren Liebe Volkom- menheit zuentwerffen bemuͤhet ist/ welche weit uͤber Worte sich erhebet/ uñ kein Mittel/ sich voͤllig ans Licht zustellen/ finden kan/ wiewol sie sich/ sehen zulassen/ alle Krafft und Vermoͤ- gen anzuwenden nicht unterlaͤsset. Versichert euch aber/ allerliebstes Herz/ daß mir gleich- sam ein Vorbaͤndichen der Zungen/ durch die Wiederstellung eurer warhafften Gestalt/ geloͤset und zerschnitten ist/ nach dem mir anjetzo vergoͤnnet wiꝛd/ mich an dem geliebten An- gesichte meines Herkules zuerlustigen/ welches ich in langer Zeit/ in freyer Sicherheit nit gesehen/ und vergnuͤget mich nicht wenig/ daß die heßliche Kraͤmerin der verliebeten Va- lisken ein Stuͤndichen Raum bey ihrem einig geliebeten goͤnnet. Unter diesen Reden kun- te Herkules kein Auge von ihr abwenden/ und ward durch ihre anmuhtigsten Blicke der- gestalt aus sich selbst gesezt/ dz ihm fast alle Krafft entging/ dann wie er allemahl sich unwir- dig geschaͤtzet/ ein solches Welt Kleinot zubesitzen/ an dem auch der allergrim̃este Menschen- Hasser und spizfindigste Kluͤgling nicht den geringsten Fehler oder Flecken/ so wenig an der Seele als am Leibe zu finden wuste; also kunte er kaum glaͤuben/ daß die freie Niessung eines so volkommenen Gutes ihm so leicht gegoͤnnet waͤhre. Er schwieg eine Zeitlang auf T t t t t iij ihre Vierdes Buch. ihre geendigte Reden stille/ weil er nicht wuste/ mit was Worten er seine Vergnuͤgung entwerffen solte/ biß endlich des Herzen Brun loßbrach/ und mit einem tieffgehohleten Seufzer also anfing: O mein teurestes Seelichen/ ihr voͤllige Vergnuͤgung meiner Sin- nen/ die sich doch nimmermehr vergnuͤgen koͤnnen; wodurch hat euer unwirdiger Knecht verdienet/ von euer unvergleichlichen Volkommenheit so hoch geliebet zu werden/ deren mein schwaches Vermoͤgen und unvermoͤgene Kraftlosigkeit im geringsten nicht gleichẽ/ viel weniger die Vergeltung ergreiffen kan? Zwar die Verwaͤgenheit hat mich kühn ge- macht zu hoffen/ und das hoffen zubegehren/ und das begehren zu lieben; kuͤhn sage ich/ aber nicht wirdig; deßwegen auch die wenigen in mir uͤberbliebene Funken meines Wit- zes/ die unter dem Begehren noch nicht allerdinge Tod/ wiewol leztzuͤgig wahren/ mich al- lemahl erinnerten/ in mich zu gehen/ und nicht uͤber mein Vermoͤgen zu denken; mein Fre- vel aber reizete stark gegen/ und raunete mir ins Ohr/ nicht gar zu witzig zu seyn/ sondern es auff Gottes Huͤlffe zu wagen/ nach dem mannicher durch Gluͤksfall eine Beute uͤberkaͤh- me/ die durch nachdenklichen Verstand nimmermehr koͤnte erlanget werden. Dieses/ ge- stehe ich/ hat meine Hofnung geluͤftet/ die sonst im ersten Grase haͤtte muͤssen ersticken. A- ber O ihr mein Stralen-blankes Kleinot! wie hoch schwinget sich noch mein Gluͤk uͤber hoffen/ in dem ich nicht allein mit satter Ergezligkeit geniesse/ sondern auch mit ergetzendeꝛ Wollust genossen werde. Belüstiget sich auch ein Schaz mit dem Besitzer/ und nicht nur der Besitzer mit dem Schatze? Noch muß ich in hoͤchster Beluͤstigung wirklich empfinden/ daß mein Schaz sich erfreuet/ in dem ich durch ihn erfreuet weꝛde. O so bleibet nun in sol- cher Gewogenheit/ ihr meine Lustquillende Seele/ sagte er mit einem herzlichen Umbfan- gen/ und was an meiner Unwirdigkeit und Tugend-Armut abgehet/ wie dann sehr viel ab- gehet/ daß erstattet/ bitte ich/ mit der Fuͤlle eures uͤberflusses/ welcher tausend Koͤnigliche Fraͤulein voͤllig haͤtte auszieren koͤnnen/ und doch in dieser einigen Seele als in einem Horn der Fülle/ ja als in einem unergruͤndlichen Meer zusammen geflossen/ mich mehr veꝛ- wundern als glaͤuben machet. Daß ich aber auch die Liebes-betrachtung von meinem Schatze eingefuͤhret/ mit wenigem beruͤhre/ halte ich/ man koͤnne der Tichter Mahlerey/ wann sie die Liebe blind bilden/ in etwas entschuͤldigen/ wo nicht gar auff eine gute Deu- tung zihen; dann freilich ist die wahre Liebe blind; aber wie und wann? Sie sihet offt das tadelhafte an dem geliebetẽ nicht/ ob gleich dessen viel an ihm erscheinet/ sondern aus gros- ser Zuneigung nimt sie das Unweꝛte unter den Mantel der Bescheidenheit/ weil der Ge- liebte/ dem solches anklebet/ ihr viel zu angenehm ist; und was sol ich von ihrer Taubheit sagen? kan sie auch geduldig anhoͤren/ wann das geliebete gelaͤstert und geschaͤndet wird? O nein O nein! haͤtte sie alsdann gleich tausendmahl tausend Ohren/ muͤsten sie alle davoꝛ verstopfet seyn/ insonderheit/ wann Rache keine stat findet. Aber euer drittes/ mein Seeli- chen/ lasse ich gerne gelten/ dann sonst müste ich mich selbst der Liebe entnehmen/ die in mei- nem Herzen zwar ohn Ruhe bruͤtet/ aber keine einige Zucht aus der Schalen recht außhec- ken kan. Valiska kennete sein Herz wol/ und wie ferne er von aller Schmeicheley wahr: nur eins taht ihr wehe/ daß Herkules/ welchen an Gottesfurcht/ Tugend und guter Ge- stalt kein Mannesbilde uͤbertraff/ sich ihren Unwerten nennete/ daher sie zu dieser Gegen- antwort genoͤhtiget ward: Warumb schneidet ihr meiner Seele so unheilsame Wunden? O ihr Vierdes Buch. O ihr mein wirdigster Schaz; und stuͤrzet mich in die tieffe der Bekuͤmmernis/ da ich meine den sturmlosen Trost-Hafen schon ergriffen zu haben? Meynet etwa der pruͤfende Herkules/ Valiska kenne sich selber nicht? oder gedenket er/ Koͤnigs Artabanus Liebe ha- be sie verwaͤgen gemacht? oder/ welches ehe geschehen moͤgẽ/ der Name Herkuliska? Das unergruͤndliche Tugend-Meer meines/ ja Gott Lob/ meines teuren Herkules ist mir nicht so gar unbekant/ auff welchem schon in fruͤher Jugend tausend Last Schiffe des unsterbli- chen Ehrenpreises mit vollem Segel daher prangeten; und wie hoch ist dessen die Kindi- sche Valiska vergnuͤget/ daß sie die seine heisset und ist! Meine halbtrockene Bach ist selig gnug/ daß sie hieselbst den freien Einflus hat/ da sie Wassers gnug findet/ wie viel ihr sonst aus dürre ihres mangels gebricht. Ey wie mag dann mein wirdigster seine Volkommen- heit beschneidẽ/ uñ durch solches ihm selbst angelegtes Unrecht dieselbe zugleich mit scham- roht machen/ die sich einzig darumb vor gluͤkfelig schaͤtzet/ daß ihr Gebrechen durch dessen Anschein ersetzet wird/ welchen die Versehung uns als einen Spiegel vorstellet/ umb zu erkennen/ die Wunder des Schoͤpffers in nicht ersinlicher Ungleicheit uns Menschen mit- geteilet/ doch also/ daß in diesem dasselbe hervorstrahlet/ was man in andern kaum funkeln sihet. Hoͤret deßwegen auff/ mein Seelen-Schaz/ die eure/ mit unverantwortlicher Ver- achtung eurer/ und unbesindlichem Lobe ihrer/ fort mehr zubeleidigen/ und versichert euch/ daß wann Valiska nicht wuͤste/ vor welchen sie Herkules muͤste ehren/ sie denselben sich so leicht nicht wuͤrde ergeben haben. O Liebe Liebe! antwortete er; ich duͤrste schier schwoͤren/ du waͤhrest nicht allein blind/ taub/ und stum/ sondern auch erkaͤn tnisloß! Ruhmwirdigste Herzens Krone/ in was vor ein Muster duͤrffet ihr mich entwerffen? ja wol ein volkom- mener; ja wol ein spieglender/ der aus Schwacheit und bloͤder Vernunft fast nicht glaͤu- ben darf/ was er gegenwaͤrtig umarmet; jedoch/ Tugend schimmernde Seele/ wann in euren Augen ich etwas bin uñ gelte/ ist alles was ich suche/ ist alles was ich wuͤnsche/ so weit Sterbligkeit und Weltruhm gehet; kein Mensch aber wird mich so verwaͤgen machen/ die Einbildung zu fassen/ ich wolte mit der allein uͤbertreffenden Valiska bey außteilung des erworbenen Preises zu gleicher hebung gehen; dann was sind meine Tahten gegen die ihre? ich habe etwa mit einem Raͤuber/ vielleicht auch mit einem Ritter gekaͤmpfet/ uñ in beschuͤtzung meiner/ mehr Vorsichtigkeit gebrauchet als jener; was gibt oder gilt aber daß? ein Fraͤulein/ deren blosses Anschauen auch wieder ihren willẽ/ allen Maͤñern Brunst erwecket/ hat ihre Ehre unter den wildesten Raͤubern Heldsiegig durchgebracht/ mit ihrem unbestuͤrmlichen Muht den grausamesten Wuͤterich gezaͤhmet/ den allerfrevelhaf- testen bestuͤrmer der Keuscheit abgetrieben/ und ihn unter die siegreichen Fuͤsse ihrer un- uͤberwindlichen Oberschaft (so mag ichs mit gutem Recht nennen) als einen Leibeigenen Sklaven getreten. Da haben wir den Spiegel/ dessen Klarheit die spaͤten Nachkommen anbehten/ und alle Tugendliebende mit zweifel streuender Verwunderung ansehen wer- den. Was beraubet ihr euch dann/ O wahre Volkommenheit/ eures Lobes? was zihet ihr eurem hochverdienten Ruhme denselben vor/ der jenem ruhenden Wuͤterich zun Fuͤssen gelegen ist? welchen aber euer einiger Wink in seiner heftigsten Raserey nidergeworffen/ und geduldiger als ein Lamb gemacht hat. Ja mein Freund/ ja meine Lust/ sagte sie hier- auff; ich merke wol daß die geraubete Valiska doch mit Gewalt uͤber den Raͤuber-zwingeꝛ/ und Vierdes Buch. und die Gefangene uͤbeꝛ ihren Erloͤser sich sol erheben lassen/ welches sie etlicher massen mit geduldigen Ohren anhoͤren moͤchte/ wann sichs in den Schranken der Maͤssigkeit hielte/ oder auffs wenigste sie ihrem Retter nicht vorgezogen wuͤrde/ welchen sie weniger als sich selbst verachtet wissen kan; werden wir aber der angestrichenen Tocken ihr innerliches be- schauen/ dann wird sichs bald finden/ daß in der Taht mir dessen nichts beyzumaͤssen ist/ durch welches ich vortreflich zu seyn getichtet werde; gestaltsam des grausamen Loͤuen Wuht nicht durch mich gebrochen ist; O nein O nein! sondern Gottes kraͤftige Hand hat denselben ohn mein Zutuhn nidergeschlagen und gefellet/ sonst waͤhre ich gegen ihn nicht anders als ein Taͤublein gegen den Adler zu rechnen gewesen; Aber mein Licht/ last es seyn/ daß ich mich gestraͤubet; Herkules/ Herkules hat solches in mir gewirket; ja Herkules/ auf den nach Gott alle meine Kraft sich gruͤndet/ alle meine Freude ruhet/ so daß/ wann eꝛ nicht gebohren waͤhre/ ich ohn vergnuͤgung haͤtte bleiben muͤssen/ oder ja nicht erfahren koͤnnen/ was vergnuͤgung ist und heisset; dann was in dieser Vergaͤngligkeit nicht Herkules ist/ dz sehen meine Augen gar nicht an/ oder nur/ als waͤhre es nichts und nichtig. Herkules Tu- gend hat mich munter gemacht wo ich munter bin; Herkules Seele hat meiner Geister Schlaff vertrieben/ wann sie wachen; ja Herkules hat durch seine Liebe zu mir/ die Kuͤhn- heit in mir auffgetrieben/ daß ich Hoffnung gefasset/ ein mehres in der Welt/ als was man Gemein heisset/ zu werden. Ich eriñere mich meiner stokfinstern Gedanken noch wol/ wel- che/ ehe und bevor sie von Herkules Strahlen erleuchtet wurden/ sich nicht wusten von der Erden zuerheben/ die aber nunmehr mit zuschweben sich bemuͤhen/ weil Herkules Geister sie nach sich in die hoͤhe zihen; und wann ich meine himlische Glükseligkeit hinzu kneten wolte/ wem habe ichs dann naͤhst Gott anders zu danken/ als meinem Herkules/ welcher durch meines Heylandes schickung aus mir stokblinden eine sehende/ aus mir Goͤtzendie- nerin ein Christliches Fraͤulein/ aus mir verdamten ein gnaden Gefaͤß gemacht hat. Ey so hoͤret demnach auff/ mein Schaz/ das Werk uͤber den Meister/ und den Juͤnger uͤber den Lehrer zuerheben/ und sehet ihr ichtwas lobwirdiges an eurer Valisken/ so bedenket alle- mahl/ daß es von eurer Volkommenheit ihr mitgeteilet sey/ die sich auch mit Leib und Seel euch zu eigen uͤbergiebet/ dz des lobwirdigen/ so sie etwa an ihr haben moͤchte/ ihr euch ohn alle Einrede und Wegerung gebrauchen/ das unwirdige aber und unvolkommene/ dessen gar viel ist/ freundlich und mitleidig uͤbersehen moͤget. Mir zweifelt nicht/ unsere durchhin verliebete/ haͤtten den ganzen Tag in solchem Gespraͤch zuverharren/ sich nicht unwillig befunden/ wie dann Herkules schon mit einer Antwort sich gefasset hielt/ aber die nohtwen- dige Eilfertigkeit nebest Gallus Erinnerung/ hub sie aus dem Bette/ da Herkules sagete: Als viel ich merke/ mein Schaz/ werde ich euch diesen Saz muͤssen schuldig bleiben; wie- derhohleten ihr Morgengebeht/ und rieffen Gott umb ferneren Schuz herzlich an. Nach angelegeter Kleidung bestriechen sie Angesicht und Haͤnde wiederumb/ nahmen das Früh- stuͤk ein/ und schenketen der Wirtin 20 Kronen Schlaffgeld/ nebest bitte/ sie moͤchte ihren Eheman erinnern/ daß er sie des sichersten Weges zugeleiten nicht unterliesse; zaͤhleten demselben die helffte des versprochenen Geldes/ und vergewisserten ihn des uͤbrigen mit einem Handschlage. So wolte er nun gleichwol sehen lassen/ daß er in der dankbarkeit Schnele auch erzogen waͤhre/ belud zween Maul Esel mit den besten Speisen und etlichen Schlaͤu- Vierdes Buch. Schlaͤuchen des besten Weins/ auch mit Pferde Futter/ und ritte mit ihnen einenschma- len gebahneten Steg/ welcher weit von der Landstrassen/ und doch viel richtiger zulief/ da Valiska manniche kurzweilige Unterredung mit ihm hielt/ und ihm allemahl widersprach/ er wuͤrde in der benenneten Zeit ihnen die Persischen Grenzen nicht zeigen koͤnnen/ daß sie gar eine Wette von 50 Kronen daruͤber anstellete; welche zugewinnen er so geflissen war/ daß er sie bey guter Tageszeit in die Herberge brachte/ welches ein wolgebaueter Jaͤger- Stall wahr/ mit Haͤu angefuͤllet. Sie hielten hieselbst das Abendmahl/ und brachen eine Stunde vor der Sonnen Auffgang wieder auff/ sich hoͤchlich freuend/ daß dieser der lezte Tag ihrer furchtsamen Flucht seyn solte. An demselben erweckete Madates durch seine unvermuhtliche Ankunfft zu Charas grossen Aufflauff und Schrecken; dann er wolte durchaus weder Pferd noch Kleidung verendern/ sondern ritte in so elender gestalt vor das Koͤnigliche Schloß/ und ließ bey dem Koͤnige sich anmelden; der unglükselige Madates hielte draussen/ und erwartete Ihrer Koͤnigl. Hocheit schleunige Urtel wegen verlohrner Schlacht. Artabanus erfchrak der Zeitung hefftig/ saß gleich und gedachte an der Fraͤulein Verlust/ und auf was weife sie im- mermehr bey hellem Tage haͤtte koͤnnen von dem wolverwahreten Schlosse kommen/ da alle Wachten so wol bestellet gewesen/ und kein Mensch sie gesehen haͤtte; welcher Zweifel ihm doch vor Bagophanes Wiederkunfft bensmmen ward/ da man ihm anzeigete/ Vali- kules waͤhre mit einer einzelnen Kraͤmerin fruͤh morgens von dem Schlosse gangen/ wel- che zwar von Leibe wol gewachsen/ aber unter dem Gesiehte Sonnen-braͤndig gewesen/ und waͤhren die anderen beyde Kraͤmerinnen erstetliche Stunden hernach gefolget. Woraus er ungezweifelt schloß/ er wuͤrde ihr durch Zauberkunft das Gesicht verstellet haben; bekla- gete auch hefftig/ daß auff diese weise Bagophanes alle seine Muͤhe/ sie auszuspuͤren/ ver- geblich anwenden duͤrffte; doch troͤstete er sich/ wann nur Valikules zuerhaschen waͤhre/ muͤste er durch die Folter gezwungen/ sie wol melden. Von dieser Betrachtung wendete ihn Madates Ankunfft ab/ trug verlangen/ seines Unfalls eigentlichen Bericht einzuneh- men/ und sagete zu dem Zeitungsbringer: Wil dann das rasende Glük uns auff allen seitẽ ansprengen? Laß ihn hervor treten/ daß wir nach befindung mit ihm handeln koͤnnen. Der Diener kam bald wieder/ und brachte zur Antwort; Madates schaͤtzete sich unwirdig/ vor seines Koͤniges Angesichte zuerscheinen/ weil er von den Feinden seiner Ehren entsetzet/ uñ durch Henkers Hand mit Ruhten biß auffs Blut gestrichen waͤhre; Wann nun Ihre Koͤnigl. Hocheit ihn dieses Schandflecken allergnaͤdigst benehmen/ und in vorigen Ehren- stand setzen wuͤrde/ alsdann wolte er gehorsamst hervor treten/ oder im widrigen fall ihm selbst durch eigene Faust sein Leben abkuͤrzen/ welches er bloß aus Hoffnung/ noch ehrlich zusterben behalten haͤtte. Der Koͤnig sprang als ein Rasender/ uñ sagete: Was? beschimpf- fet und schaͤndet man uns also an unserm Feld Herrn uñ Blutverwanten? das muß schweꝛ und hart gerochen werden; rief alsbald einem seiner Hoͤflinge/ daß er Madates ein gesat- teltes Ritter Pferd/ und Fürstliche Kleider bringen solte/ nebest Anmeldung/ der ihm be- wiesene Schimpff solte hiemit ewig abgetahn und auffgehoben seyn. In dieser neuen Ge- stalt ging er nun hinauff/ taht einen demuͤhtigen Fußfall/ und sagete mit jaͤmmerlichen Ge- berden: Allergroßmaͤchtigster Unuͤberwindlichster Koͤnig; Euer Hocheit und Gnade V u u u u danke Vierdes Buch. danke ich aus innerstem grunde meines Herzen alleruntertaͤhnigst/ dz dieselbe den Schand- flek/ mir als einem gefangenen Koͤniglichen Feld Obristen angelegt/ aller gnaͤdigst abwischẽ wollen/ wil nun desto lieber und williger sterben/ weil ich den Tod wol veꝛdienet habe/ indem ich zu wenig gewesen bin/ der Feinde Macht zuhintertreiben/ wie mir ernstlich aufferlegt wahr; so wuͤrde uber das schimpflich stehen/ wann man sagen solte: Madates ganzes Kꝛie- ges Heer/ 40000 Koͤpffe/ sind vor ihres Koͤniges Ehre und Wolfahrt ritterlich gestorben/ und hat er nur mit 20 ausgestrichenen Rittern sein Leben erhalten. O wie angenehm solte mir der Tod von Feindes Hand gewesen seyn/ weil ich/ ohn Ruhm zumelden/ so lange rit- terlich gefochtẽ/ als ich lebendigen Beystand um mich gehabt/ dafern mich nur dz Schweꝛt haͤtte erschlagen wollen; aber ich wahr mit meinen 20 Rittern verrahten/ denen/ die beydẽ Teutschen zufahen/ und der Ruhte zuliefern/ anbefohlen wahr/ daher muste ich nach ver- lohrner Schlacht nebest ihnen leiden/ was man jenen zugemaͤssen hatte/ und halff weder bitten noch bedingliches widersprechen/ noch Todesbegierde/ sondern die Haͤnde band man uns/ daß wir nicht selbst uns durch eigene Entleibung der Schande entreissen solten. So bitte ihre Koͤnigl. Hocheit ich nun untertaͤhnigst/ mir nach wiedererlangeter Ehre/ die To- des Urtel ohn Barmher zigkeit zusprechen/ welche ich mit froͤlichem Herzen anhoͤren wil/ auff daß nach diesem nicht jemand mich vorschuͤtzen/ und sprechen moͤge: Madates habe es vor ihm wol ja so grob/ und groͤber versehen/ und sey doch begnadet worden; welches mir unertraͤglicher als der Tod selbst seyn würde/ nach dem ich vor diesem so mannichen Sieg erhalten/ und vor dißmahl weder Spitamenes Beyspiel und Warnung noch Fuͤrst Vo- logeses Raht mir habe wollen lassen zu herzen gehen. Artabanus antwortete: Es ist eine sehr harte Niderlage/ wie wir vernehmen/ welches ohn allen zweifel bloß nur aus Unvor- sichtigkeit verspielet ist. Ja sie ist verspielet/ sagte Madates/ aber nicht durch meine Unvor- sichtigkeit; Ich habe in Feindes Grenzen etliche Tage mit Schwert und Feur alles ver- heeret/ uͤber 40 Doͤrffer/ zwey Staͤdlein/ 100000 fruchtbare Baͤume verbrand/ 8000 Menschen erschlagen/ 14000 (so aber wieder erlediget) gefangen/ und mit dem Feinde im freyen Felde/ ohn Einraͤumung einiges Vortels/ offene Schlacht gehalten/ aber der bey- den fremden Helden Macht nicht brechen koͤnnen/ deren Schwertern und Art zustreiten ich nichts in dieser Welt zuvergleichen weiß. Diese/ diese einzelne Rïtter wahren die See- le ihres Heers/ und das Verderben meiner Voͤlker; Sie brachen durch/ wie der Bliz; der eine hat meinen getraͤuen Bazaentes im dritten Hiebe gefaͤllet/ der ander mich nach harter Verwundung gefaͤnglich annehmen lassen; und wie embsig sie fochten/ hatten sie doch al- lemahl ein Auge im Nacken/ welches allenthalben ordente/ daß sie ohn verseumen Entsatz schicketen/ wo es noͤhtig wahr. Sind sie Menschen/ allergnaͤdigster Koͤnig/ so sind sie die vollkommensten/ deren Beystand und Huͤlffe ich hoͤher/ als 100000 uͤberschuß halten wol- te; Als lange sie aber dem Feinde zugetahn bleiben/ muß unser Krieg viel anders geführet werden/ oder alle Voͤlker gehen verlohren. Der Koͤnig hieß ihn aufstehen/ und sagte: Durch diesen Verlust ist noch weder gewonnen noch verspielet/ und werden wir schon Mittel fin- den/ diesen wuͤtigen Juͤnglingen beyzukommen/ wann unser Fraͤulein erst wird wieder er- obert seyn/ die von dem verwaͤgenen Valikules/ dem wir sein Leben gerettet und hoch bega- bet/ raͤuberischer weise entfuͤhret ist. O gnaͤdigster Koͤnig/ antwortete er; ich halte gaͤnzlich/ der Vierdes Buch. der sieghaffte Herkules/ welchen ich noch uͤber Ladisla schaͤtze/ habe dieses selbst verrichtet/ und gebe Gott/ daß wir nicht erfahren/ daß er der Valikules selber/ oder doch in dessen Ge- selschafft gewesen sey/ aus dessen Haͤnden das Fraͤulein zureissen/ ist Bagophanes viel zu wenig/ wann er gleich 20 Mann auff einen gegen ihn fuͤhrete. Vologeses und Pakorus/ welche etliche Tage in den Reichsgeschaͤfften/ den Krieg betreffend/ verreiset gewesen/ kah- men zwo Stunden hernach bey dem Koͤnige an/ vernahmen den Verlust mit Schmerzen/ und ermahneten ihn/ (weil sie das Ungluͤk vor Augen sahen) sich der Reichsnotturfft an- zunehmen; Sie hatten des Tages nach Madates Abzuge mit dem Koͤnige ein ernstliches Gespraͤch gehalten/ und ihn gebehten/ den Vorsaz/ der Fremden Ruhten-zuͤchtigung be- treffend/ zuendern/ und solches durch einen schnellen Nachreiter Madates wissen zulassen; aber es wahr alles umsonst; dann Artabanus lachete ihrer unzeitigen Vorsorge/ und fra- gete/ ob sie sich dann vor zween einzigen Juͤnglingen fuͤrchteten/ von denen man nicht eins wuͤste/ ob sie auch einen einzigen Diener umb sich haͤtten/ der ihnen zustuͤnde. Worauff Pa- korus dieses mahl antwortete: Allergnaͤdigster Koͤnig; daß wir diese beyden Fremdlinge nicht als zween einzelne Juͤnglinge oder Ritter/ sondern als trefliche Helden und Kriegs- verstaͤndige halten muͤssen/ solches haben sie mehr erwiesen als uns allen lieb ist/ indem sie in zwo Feldschlachten schon uͤber 60000 der allerversuchtesten und besten Voͤlker uns ab- geschlagen/ und zwar solches mit geringer Mannschafft und noch geringerem Veꝛlust/ daß an ihrer tapfferen Kriegserfahrenheit zuzweifeln wir keine Ursach haben. Betrachte ich dabey/ wie sie das Fraͤule in von dem verwahreten Schlosse bey hellem Tage haben koͤnnen herunter bringen (dann daß sie darunter stecken/ zweifele ich nicht)/ so muß ich mich uͤber ihren Verstand und kluge gluͤkliche Anschlaͤge zum allerhoͤchsten verwundern/ und daraus schliessen/ daß wir uns ungleich mehr vor ihnen als vor des Persen ganzer Macht zufuͤrch- ten/ oder zum wenigsten vorzusehen haben; wendete sich hernach zu Madates/ und sagte zu ihm: Euer Unfall ist mir leid/ aber noch mehr der ritterlichen Voͤlker ihr Verderben/ mit deren Hülffe ich mir getrauet haͤtte/ mehr als 100000 Persen auffzureiben; Aber gesche- hene Dinge sind nicht zuendern/ wiewol euch dannoch haͤtte wollen gebuͤhren/ unsers all- gemeinen Feldmarschalks Fuͤrst Vologeses Vermahnung nicht so liederlich zuschaͤtzen/ sondern an des ritterlichen Spitamenes Unfall ein Beyspiel zunehmen; Habet ihr nun von dem eingebildeten Sieges-pracht-wagen nichts als die Ruhten bekommen/ die ihr ei- nem andern hattet gebunden/ moͤget ihrs eurer Vermaͤssenheit danken. Dieses sagte Pa- korus/ weil er in Erfahrung gebracht/ dz er sich geruͤhmet hatte/ er wolte seinen Siegpran- genden Einzug zu Charas also halten/ daß nur Persische Herren Standes den Wagen fortzihen/ und die beyden fremden ihm die Ruhten vortragen solten. Nach dieser verweiß- lichen Rede kehrete er sich wieder gegen den Koͤnig/ und sagte: Wir sehen und empfinden/ daß die Ungluͤkszeichen/ davon im ganzen Reiche ein halb Jahr und laͤnger viel geredet ist/ schon angefangen zuwirken/ und erinnere ich mich jenes Sternsehers Warnung/ daß Eu- re Koͤnigl. Hocheit von denen den allergroͤsten Schaden einnehmen würde/ welche sie be- dacht waͤhre/ am hoͤchsten zubeschimpffen; gebe der Him̃el/ dz der schon erlittene nit nur ein Anfang eines viel groͤsseren sey. Ich zwar kan das mit gegenwertigem Herrn Madates uñ seinen zwanzig Rittern ergangene/ nicht anders als eine goͤttliche Schickung rechnen/ die V u u u u ij uns Vierdes Buch. uns warnen wil/ daß wir nach diesem unsern Hochmuht maͤssigen/ einen kleinen Feind nit verachten/ und von unverantwortlichen Beschimpfungen abstehen; und wo wir diese Leh- re annehmen/ wird uns noch wol zurahten seyn; wo nicht/ so stelle ich mir vor Augen/ daß wol ehe ein Alexander mit geringer Macht den groͤsten Koͤnig aus seinem Reiche getrie- ben hat. Der Koͤnig hatte keine gewaltigere noch verstaͤndigere Fuͤrsten in seinem ganzen Reich als diese beyden/ Vologeses und Pakorus/ mit denen er sich nit uͤberwerffen durfte/ doch verachtete er alle Vermahnungen/ und befahl/ daß alle Macht des Reichs zusammen getrieben wuͤrde/ damit der Schimpff an den fremden ohmaͤchtigen Fuͤrstlein zeitig koͤn- te gerochen werden; Madates aber und den 20 Rittern nahm er alle angelegte Schande ab/ ermahnete sie zur Rache/ und gab ihnen die versprochenen Gelder/ als ob der Anschlag ihnen gelungen waͤhre. Hernach fragete Vologeses den Koͤnig/ warumb er doch seinem Hofmeister Bagophanes ein Heer anvertranet haͤtte/ welcher zwar vor 20 Jahren ein Obrister uͤber eine dreytausichte Schaar zu fusse/ gewesen/ aber das Ampt eines Feld O- bristen gar nicht verstuͤnde. Ja ich gedenke auch/ sagte Pakorus/ wie wol geputzet und ge- striegelt die fremden ihn uns werden zurük senden/ wofern nur Ungluͤk ihn an dieselben fuͤhret. Nun legete gleichwol derselbe allen fleiß an/ dem Fraͤulein auff die Spuhr zu kommen/ brachte auch in Erfahrung/ daß vier Rittersleute die erste Nacht im obgedach- ten Doͤrflein mit sehr schnelllauffenden Pferden ankommen/ und daselbst geruhet/ fruͤh morgens auch bald wieder fortgangen waͤhren/ woraus er gnug muhtmassete/ wo diese es gewesen/ ihm unmoͤglich fallen wuͤrde/ sie einzuhohlen/ weil der Vorsprung gar zu groß wahr; ließ nicht desto weniger 60 wolberittene voraus hauen/ weil die Menge bey den en- gen Durchzuͤgen schr auffgehalten ward. Die unsern aber hatte Gott schon in Sicherheit gesetzet/ dann nachdem sie aus dem Jaͤgerhause auffgebrochen waren/ eileten sie frisch fort/ was ihre Pferde ertragen kunten/ hielten des Mittages unter einem schattigten Baume eine kurze Mahlzeit/ er quicketen ihre Pferde/ und liessen sie frisch wieder fortgehen/ da um drey uhr nach mittage ihnen etliche hohe Baͤume von ferne erschienen/ und ihr Fuͤhrer sa- gete: Sehet da/ meine Herren/ jene Baͤume vor uns/ stehen schon auff Persischem Grund und Bodem. Ey so halte ich die Wette mit euch/ sagte Herkules/ als die mein Gefelle ohn zweifel verspielet hat. Habe ich dann verspielet/ fagte Valiska/ so habe ich nie keine Wet- te lieber gewonnen/ als ich diese verspielet habe; kehrete sich hin zu dem einen aͤdelknaben/ und sagte zu ihm: Mein Ochus/ zaͤhlet unserm Wirte von euren wolgeloͤseten Geldern 50 Kronen aus/ ich wil ohn anmahnen euch davor 1000 wieder geben. Der Wiꝛt empfing die Gelder mit Lust/ und nach geschehener Danksagung steckete er sie in den Futter Sak/ da Herkules zu ihm sagete: Guter Freund/ wann mein Weg mich wieder auff eure Heymat zutraͤget/ werde ich kuͤhnlich bey euch einkehren. Solches wolte ich vor eine sonderli- che Gunst auffnehmen/ antwortete er/ und nach vermoͤgen willig auffwarten. Sie ritten ohn auffhoͤren fort/ biß sie zu Abends vor ein wolbeseztes Persisches Staͤdlein anlangeten/ in welches man sie nicht einlassen wolte/ weil die Tohre schon versperret wahren; nach dem aber Herkules der Schildwache zurief/ einen Befehlichshaber heꝛzufodern/ und derselbe ankam/ befahl er ihm/ dem Obersten der Festung anzudeuten/ des Teutschen Groß Fuͤrsten Herkules Bedienter hielte mit seiner Geselschafft haussen/ und begehrete eingelassen zu werden. Vierdes Buch. werden. Dieser wolte nicht so leicht glaͤuben/ ging selbst auff die Maur/ und rief/ ober schrifftliches Zeugniß auffzulegen haͤtte/ solten ihm die Tohre willig geoͤffnet werden. Bald wurden ihm zween Frey Briefe/ einer von Artaxerxes/ der ander von Herkules selbst ge- schrieben/ eingereichet/ nach deren Verlesung sie nicht allein willig eingelassen/ sondern in die beste Herberge eingelegt wurden/ da ihnen der Oberste treffliche Speisen zuschickete/ weil sie sich wegertẽ/ mit ihm zuessen. Herkules begab sich vor der Mahlzeit mit seinem Ge- mahl auff ein absonderliches Gemach/ und verrichteten in herzlicher Andacht ihre Dank- sagung zu Gott/ ein Stunde lang kniend/ mit auffgehobenen Haͤnden. O du grosser Wun- der-Gott/ sagete Valiska unter andern; wir sind ja viel zugeringe aller Barmherzigkeit und Guͤ- te/ die du uns armen Suͤndern tuhst/ und wir vielmehr deinen Zorn als Huͤlffe verdienet haben; je- doch/ damit dein heiliger Nahme geehret werde/ so laß nicht abe/ uns weiter zuschuͤtzen/ und bringe uns unter der Begleitung deiner Heil. Engel/ in unser Vaterland. Insonderheit behteten sie den III/ XX/ XXIII/ XXVII/ XXX/ XXXIV/ XL/ XLVI und XCI Psalm Davids/ und hielten dar- auff in froͤlicher Gottes furcht das Abendmahl/ da ihr Fuͤhrer mit ihnen zu Tische sitzen muste/ dem Valiska die uͤbrigen Gelder zustellete/ und noch 50 Kronen zur Verehrung. Dieser sahe nunmehr/ daß sie nicht Parthische/ sondern Persische Leute wahren/ welches ihn doch nicht irrete/ nach dem er vor aller Gefahr gnug sicher wahr. Weil auch in Herku- les/ von Artaxerxes ihm gegebenen Freybriefe ausdruͤklich gesetzet wahr/ daß man ihn in allen Persischen Besatzungen nach Willen solte schalten und walten lassen/ als ob er Arta- xerxes selbst zugegen waͤhre/ legte Bubazes/ Obrister des Orts/ bey sich uͤber/ was vor ein grosser Herr dieser seyn moͤchte/ da Herkules zu ihm schikte/ mit begehren/ biß an dẽ Mark- plaz auf ein Wort zu ihm zukom̃en; woselbst er ihm anzeigete/ er haͤtte dem Parther Koͤnige Artabanus einẽ schlim̃en Possen gerissen/ dz er ihn unverfolget nit lassen wuͤrde/ waͤre aber entschlossen/ dessen an diesem Orte zuerwarten/ uñ baht/ es moͤchte der Oberste etliche Leute außschickẽ/ daß man in aller stille in zwo oder drey folgen den Nachten so viel Reuterey als moͤglich seyn wuͤrde/ und das Staͤdlein einnehmen koͤnte/ herein braͤchte/ welches zu ihrer beyder Ehr und Ruhm außschlagen solte. Bubazes eꝛboht sich/ auf seine Verantwortung zugehorsamen/ und taht gute anordnung. Unterdessen redete Valiska mit ihrem Wirt/ daß Morgen zeitig sruͤh ein Kauffman mit guͤlden em und Seidem Gewande/ auch etliche Schneider herzugefodert wuͤrden/ legte sich nachgehends mit ihrem Herkules zu Ruhe/ und wahren des Morgens fruͤhe wieder auff/ da sie vor etliche tausend Kronen koͤstliche Waaren zu Kleidern außnahmen/ die in zween Tagen solten verfertiget werden. Dem alten Wirte ward sein Pferd und seine Esel mit guten Speisen wieder beladen/ zu dem Herkules beim abschiede sagte: Mein Freund/ ich moͤchte euch gerne einen guten Ver- dienst goͤnnen/ nach dem ich sehe/ wie ihr die Gelder so wol leiden koͤnnet; deßwegen lasse ich euch wissen/ daß ich eurem Koͤnige Artabanus einen Reuterdienst erzeiget/ welchen er mir ohnzweiffel durch nachschickung etlicher Voͤlker vergelten wil; wuͤrdet ihr nun diese antreffen/ so saget nur/ ob sie einen/ Nahmens Valikules suchen/ koͤñet ihr ihnen denselbẽ nachweisen/ dessen sie euch mit grossen schenkungen lohnen werden/ und da sie solches un- terlassen solten/ wil ichs an ihrer stat leisten/ wañ ihr werdet mit uͤberkommen. Mein Herꝛ/ antwortete er/ sich vor einen Auffsaz befürchtend/ was unter Koͤnigen und grossen Herren V u u u u iij vorge- Vierdes Buch. vorgehet/ bekuͤm̃ert mich wenig/ je doch wañ euch etliche guter meinung nach folgen wuͤr- den/ und ich sie antraͤffe/ wil ich mit uͤberzukommen unvergessen seyn. Ging hiemit nach seiner Heimat zu/ und gelangete des vierden Tages/ nach dem er von Haufe außgezogen wahr/ wieder daselbst an/ fand auch uͤber vermuhten das Staͤdlein mit Reutern erfuͤllet/ dann dieses wahr eben der Ort/ wohin Bagophanes seine Voͤlker bescheiden hatte. Er selbst wahr vor drey Stunden daselbst angelanget/ und erwartete seiner annoch hinter- stelligen Mannschaft. So bald der Wirt in sein Hauß trat/ vernam er/ daß es Koͤnigliche Voͤlker wahren/ die etliche flüchtige verfolgeten/ ließ sich bey Bagophanes angeben/ und sagte zu ihm; Gnaͤdiger Herr/ ich werde glaubwir dig berichtet/ daß unser Koͤnig einem außgerissenen Diener nachfragen laͤsset; wann nun derselbe Valikules genennet wuͤrde/ koͤnte ich nicht alle in gute Nachricht von ihm geben/ sondern umb gebuͤhrlichen Lohn eure Gn. hin zu dem Orte fuͤhren/ da er mit seiner Geselschaft sich auffs minste noch drey Ta- ge auffhalten wird. Bagophanes sprang vor freuden auff/ zog eine Handvol Kronen her- vor/ und sagte: Guter Freund/ nehmet dieses zum Bohten Brod vorerst an/ und leistet mir gebuͤhrliche Traͤue/ die euch mit grossen Geschenken sol vergolten werden; aber lieber/ wo meinet ihr/ daß er anzutreffen sey? Er ist vor vier Tagen/ sagte er/ bey mir selb sechse zur Herberge gelegen/ gab sich vor einen Koͤniglichen Gesanten aus/ der den Feld Herrn Madates zu loͤfen abgeschikt waͤhre/ uñ muste ich ihn des sichersten Weges nach einer Peꝛ- sischen Grenze Stad fuͤhren/ da ich aus seinem beginnen wol vernam/ daß er des abtruͤn- nigen Persen Bedieneter ist. Bagophanes kunte ihm laͤnger nicht zuhoͤren/ fragete/ ob er nicht eine schoͤne Jungfer mit sich gefuͤhret haͤtte. Jener antwortete: Es waͤhre ein sehr zartes Mensch/ doch in Mannes Kleidern und Waffen bey ihm/ die er vor ein Weibsbild hielte/ dan wie schmal sie gleich sonst von Leibe und Gliedern/ waͤhre sie doch ungleich bes- ser gebrüstet/ als Juͤnglinge zu seyn pflegeten; ihr Angesicht/ Halß und Haͤnde/ sagte er/ sa- hen braͤunlich/ als von der Sonnen gebrant/ und schien doch einer angestrichenen Farbe viel aͤhnlicher/ welches ich abnahm/ als sie einsmahls den Arm zimlich weit außstreckete/ und an demselben eine dermassen weißlichte Klarheit erschien/ als nie keinem Menschen mag zu Gesichte kommen seyn. Ihr bringet mir die angenehmste Zeitung von der Welt/ sagte Bagophanes/ und tuht mir leid/ daß ich meine Voͤlker nicht beysammen habe; doch weil des folgenden Morgens er nur 2000 missete/ und 16000 bey sich hatte/ brach er mit denen auff/ ritte den ganzen Tag und die folgende Nacht ohn auffhoͤren/ biß er die Persi- schen Grenzen erreichete/ daselbst/ bey gutem angetroffenen Futter den Tag uͤber ruhete/ und bey lichtem Mondenschein nach mitternacht auffbrach/ erreichete die Persische Stad vor der Sonnen Auffgang/ und legte sich hinter einen langgestrekten Huͤgel/ welcher mit dickem Gestraͤuche bewachsen wahr/ daß man in der Stad seine Voͤlker nicht sehen kunte. Nach Auffgang der Sonnen/ schickete er einen Trommeter hinein/ und begehrete vor sich als ein Koͤniglicher Gesanter Freyheit/ hinein zu kommen/ umb etwas bey dem Obristen zu werben. Dieses ward Herkules als bald zu wissen getahn/ welcher begehrete/ daß der Trometer eingelassen/ und die Wache gar schwach und unansehnlich bestellet/ inson der- heit die Reuterey heimlich gehalten wuͤrde. Auch ließ man einen veꝛschlagenen Kriegs- knecht in Bauren-Kleidern heimlich außlauffen/ umb zuvernehmen/ was vor Voͤlker etwa in der Vierdes Buch. in der naͤhe moͤchten verhanden seyn/ welcher alles in Augenschein nam/ uñ guten Bericht einbrachte. Der Trometer ward mit guter Antwort abgefertiget/ und stellete sich Bago- phanes selb zehne ein/ seine Werbung abzulegen/ der von seinem Trometer schon berichtet wahr/ wie schlecht die Besatzung waͤhre/ welches er auch mit sonderlicher Lust also befand/ nach Bubazes Hauß ritte/ und ihn also anredete: Mannhafter Obrister; mein Groß- maͤchtigster Koͤnig Artabanus hat mich in aller Eile bißhieher abgefertiget/ eineꝛ ihm duꝛch List entfuͤhrten Fraͤulein diß Schreiben einzureichen/ und weil ich als gewiß berichtet bin/ daß dieselbe sich an diesem Orte auffhalte/ bitte ich freundlich/ mir solches zuverguͤnstigen/ und daß zugleich bey derselben ich meine kurze Werbung ablegen moͤge. Das ist ein ver- waͤgenes Anmuhten/ antwortete Bubazes/ in Feindes Stad denen nachzufragen/ die sich vielleicht in Persischen Schuz moͤchten begeben haben. Ist aber das Fraͤulein/ von welcheꝛ mir nichts bewust/ wie der ihren Willen entfuͤhret? wie ich nicht anders weiß/ sagte Ba- gophanes. Wie dann/ und auff was Weise? fragete Bubazes weiter; und kan dieser eu- er Koͤnig nicht ein Fraͤulein in seiner Festung schuͤtzen/ wie wil er dan so weitlaͤuftige Land- schaften im Zaum und Gehorsam halten/ die er ehmahls unterdruͤcket hat? Ich bin nicht befehlichet/ sagte er/ hieruͤber einigen Zankstreit mit jemande zu halten/ aber das Fraͤulein betreffend/ haͤlt man davor/ daß sie durch Zaͤuberkuͤnste hinweg gefuͤhret sey. Durch Zaͤu- berkuͤnste? sagte Bubazes mit einem Gelaͤchter; da gleich Valikules zur Tuͤhr hinein trat/ stellete sich/ als waͤhre ihm des Hoffmeisters Ankunft allerdinge unbewust/ und verwun- derte sich uͤber seiner Gegenwart/ gruͤssete und empfing ihn gar hoͤflich/ mit erbieten/ ihm alle moͤgliche Dienste zuerweisen/ weil er ihm neulich bey seinem Koͤnige Gnade und ver- zeihung erworben/ wovor er sich ihm schuldig erkennete. Der Auffzug schmerzete diesen sehr/ hielt sich ernstlich/ wolte ihn nicht ansehen/ und sagete: Nach dem ich in Feindes Ge- biet mich befinde/ muß ich billich nach dessen Willen mich verhalten/ bin aber bißher ge- wohnet/ meinem Herrn auffrichtig uñ traͤulich zu dienen/ auch dessen Schimpf uñ Scha- den zuverhuͤten. So seid ihr auch ein redlicher Diener/ antwortete Valikules/ und wer an- ders dienet/ der verdienet/ daß ihn alle Welt hasse; aber wie befindet sich mein Herr so un- vermuhtlich an diesem Orte/ da ich ihn doch neulicher Zeit weit von hinnen zu Charas ge- sprochen? Mein Herr/ antwortete ihm Bubazes/ es sol dem Parther Koͤnige ein Fraͤu- lein entfuͤhret seyn/ die er gerne sprechen wolte/ weil er der Meinung ist/ sie halte sich dieses Orts auff; und nimt mich wunder/ daß dieser Koͤnig nicht eine einige aus seinem Frauen- zimmer missen wil/ deren er/ gemeiner sage nach/ ganze Haͤuser und Schloͤsser vol hat. Der Spot taht Bagophanes weh/ und wahr ihm leid/ daß er nicht alsbald die Gewalt gebrau- chet hatte/ durffte doch nicht unguͤtlich antworten/ sondern baht/ ihn mit Schimpfworten wieder seinen Koͤnig nicht zubelasten/ dessen Tuhn und lassen zuverantworten er nicht auß- geschikt waͤhre; so haͤtte sein Koͤnig als der allergroͤste Welt Herr bißher niemand rechen- schaft geben duͤrffen/ moͤchte demnach auff sein Ansuchen gerne Antwort hoͤren. Ich achte eures Gewaͤsches wenig/ sagte Bubazes/ so weiß ich auch von keiner fremden Fraͤulein/ die sich alhie auffhalte/ koͤnnet also weiter zihen/ und Nachforschung tuhn. Doch mein Herr/ antwortete er/ sie ist ohn zweiffel nicht weit von hinnen/ dann gegenwaͤrtiger Valikules/ hat sie entfuͤhret. Ich? Bagophanes/ sagte er; woher wisset ihr daß? zwar ich gestehe/ dz ich Vierdes Buch. ich eine Kraͤmerin mit mir von meiner gebietenden Fraͤulein Schlosse gefuͤhret; ist aber hochgedachtes Fraͤulein zugleich mit entsprungẽ/ werdet ihr dieselbe nicht bey Valikules/ sondern bey dem Groß Fuͤrsten der Teutschen/ Herrn Herkules antreffen. Doch solte eu- rer Meinung nach/ ich dieselbe entfuͤhret haben/ wie haltet ihr mich dann so veraͤchtlich/ daß ihr bey diesem Herrn suchet/ welches doch nicht in seiner/ sondern in meiner macht ste- hen wuͤrde? Zwar dieser Herr kan euch wol freien Zu- und Abzug verstatten/ aber das uͤ- brige/ wie gesagt/ müste bey mir gesucht werden. Dieser hoffete/ es wuͤrde Bubazes solche ihm nachteilige Rede verantworten/ weil es aber nicht erfolgete/ sagete er: Es gilt mir endlich gleich/ von wem ichs erhalte/ wann ich meines Ansuchens nur gewehret werde. Wolan/ sagte Herkules/ ihr habt mir neulich einen freien Zutrit zu Artabanus gemacht/ darumb wil ich euch wiederumb dienen/ und mich bemuͤhen/ ob Groß Fürst Herkules euch das Fraͤulein wolle sehen lassen. Ging hie mit nach seiner Herberge/ stellete sich neben Va- lisken in seiner wahrhafften Gestalt/ und legeten ihre neugemachten Kleider an/ die eines Zeuges wahren/ als ein Himmelblaues Seiden Tuch/ mit schoͤnen silbern Blumwerk. Sie hatten zween verguͤldete Stüle mit guͤldenem Stuͤk behaͤnget/ hinter ihnen stunden Gallus und Timokles in voller schimmern der Ruͤstung mit blossen Schwertern/ und zu beyden Seiten die Persischen aͤdelknaben Ochus und Darius/ in guͤldenem Stuͤk geklei- det. Herkules ließ sein Goldgelbes Haar uͤber die Schuldern hangen; das Fraͤulein aber hatte ihres in Gestalt einer Kronen auffgebunden/ und hielten jedweder einen schneweis- sen Helffenbeinen Stab mit Golde beschlagen/ in der Hand. Valiska sendete Darius in ihrem Nahmen nach Bubazes/ mit bitte sie zubesuchen/ und den Koͤniglichen Gesanten mit sich herzufuͤhren. Nun hatte dieser Obrister noch von ihr keine Wissenschaft/ viel we- niger/ daß Valikules der Groß Fuͤrst Herkules waͤhre/ wie wol er aus den gefühteten Re- den argwohnete/ er würde sich in der Stad heimlich auffhalten/ biß Darius ihn dessen an- jezt verstaͤndigte/ und er grosse Begierde bekam/ diesem treflichen Fürsten auffzuwarten/ daher er zu Bagophanes sagete: Herr Gesanter/ wann es euch beliebet/ ist das gesuchte Fraͤulein jezt muͤssig/ euch zu hoͤren; ging auch alsbald mit ihm hin. Als sie nun auff das Gemach traten/ und Bubazes diese zwo herliche Fuͤrstenbilder sahe/ setzete er sich vor ihnẽ auff die Knie/ und baht untertaͤhnigst umb verzeihung/ seineꝛ aus unwissenheit begange- nen unhoͤfligkeiten/ weil ihrer Durchll. Anwesenheit ihm allerdinge verborgen gewe- sen; Herkules aber antwortete ihm: Mein lieber Freund/ tuht uns keine Beschimpfung durch euer niderknien; ich erkenne euch an diesem Ort vor den/ welcher an stat des Groß- maͤchtigsten Groß Fuͤrsten Artaxerxes diese Besatzung versihet. Bagophanes hatte das Fraͤulein in der naͤhe nie gesehen/ und befand ihre Schoͤnheit so beschaffen/ daß sie der Nachfrage wirdig waͤhre. Sie hatte ein koͤstliches Kleinot mit Artabanus Brustbilde am Halse/ welches ihr zwischen den erhabenen Bruͤsten herunter hing; ihre Kehle war bloß/ wie auch der rechte Arm/ biß an den Ellebogen/ welchen Herkules mit seiner Linken umb- sassete/ und machte ihre ernsthaffte verhaltung den Gesanten so bestuͤrzet/ daß alle vorbe- dachte Rede ihm entfiel/ insonderheit/ da er den treflichen Fuͤrsten neben ihr sitzen sahe; end- lich trat er hin vor das Fraͤulein/ setzete sich nieder auff ein Knie/ und fing also an: Unver- gleichliches Fraͤulein/ es hat mein allergnaͤdigster Koͤnig. Er wolte in seiner Rede fortfah- ren/ Vierdes Buch. ren/ aber das Fraͤulein sahe ihn zornig an/ und sagte: Was seid ihr vor ein blinder Gesan- ter? sehet ihr diesen vortreflichen Fuͤrsten nicht/ oder aber haltet ihr ihn einiges Grusses unwirdig? so packet euch bald von hinnen/ oder ich werde euch Fuͤsse machen; mein aller- gnaͤdigster Koͤnig Artabanus wird euch trauen nicht befohlen habẽ/ dieselben zubeschimp- fen/ so mir lieb und angenehm sind/ dann so lange seiner Koͤnigl. Hocheit ich Kundschafft gehabt/ habe ich nie gemerket/ dz er seine Diener zur unhoͤfligkeit angehalten haͤtte. Bago- phanes antwortete: Durchlenchtigstes Fraͤulein/ nachdem ich eines grossen Koͤniges Ge- fanter bin/ wil mir nicht gebuͤhren/ mich vor anderen zu demuͤhtigen/ als denen zuleisten ichs befehlichet bin; so kenne ich auch diesen Fuͤrsten nicht/ und habe ihn weder gesehen noch ichtwas von ihm gehoͤret. Herkules fing hierauff an: Hoͤchstgeliebte Frl. Wase und Schwester/ eure Liebe wollen sich hieran nit irren; Bagophanes hat nicht so gar unrecht geredet/ auch mich nie als Groß Fuͤrst Herkules/ aber wol als den verstelleten Valikules gekennet. Dieser hoͤrete eigentlich daß es Valikules Stimme wahr; so fiel ihm auch Ma- dates Rede ein/ wunderte sich sehr/ und sagte: Durchleuchtiger Fuͤrst/ dafern ihre Gn. der ehmahlige Valikules ist/ bitte ich/ mir zu verzeihen; vor meine Wenigkeit habe ich ohn schmeicheley ihre Gn. in meinem Herzen alle mahl hoͤher geachtet/ als sie sich an gegeben/ waͤhre auch bereit gewesen/ derselben nach aͤusserstem vermoͤgen alle Liebes und Freund- schaftdienste zu erweisen/ dessen ich die Goͤtter zu Zeugen ruffe; doch wird mir niemand verdenken/ daß wegen des grossen unterscheids/ welcher an euer Gn. und des Valikules Angesicht erscheinet/ ich in zweiffelhafter Verwunderung stehe. Solcher zweifel/ antwor- tete Herkules/ kan euch in keinen ungleichen Verdacht bringen/ moͤget auch wol versichert seyn/ daß ich noch diese Stunde erboͤtig bin/ euch allen moͤglichen Willen zuerzeigen; aber woher sol meine Frl. Wase versichert seyn/ daß Koͤnig Artabanus euch ihretwegen abge- fertiget/ gestaltsam ihr dessen noch den allergeringsten Beweißtuhm nicht gefuͤhret habet. Durchleuchtiger Fůrst/ antwortete er/ ich habe zwar von meinem Koͤnige ein Schreiben an das Durchl. Fraͤulein/ weiß aber nicht/ ob ichs werde uͤbergeben duͤrffen/ weil ich leicht ermaͤssen kan/ daß des Valikules nicht zum besten darinnen mag gedacht werden. Daß hin dert mich nicht/ sagte Herkules; Ich habe schon unter meinem wahren Groß Fuͤrstli- chen Nahmen von Artabanus schimpffs gnug einnehmen muͤssen/ warumb solte mirs dann in Knechtes gestalt nicht begegnen? Uberdas seid ihr ein Diener/ und habt eures Koͤniges Schreiben nicht zubeantworten. Hierauff reichte or dem Fraͤulein das Schrei- ben/ und baht untertaͤhnigst umb genehme Antwort; welches sie mit ehrerbietung annam/ fleissig durchlase/ und mit einem sanften Lachen zu Herkules sagete: Durchl. Herr Oheim und Bruder/ mein gnaͤdigster Koͤnig erzeiget in diesem Schreiben/ als viel mich betrifft/ Koͤnigliche Wirdigkeit/ finde auch keine sonderliche Schmachreden auff Valikules/ ohn daß er ihm die Baktrianische Zaͤuberkunst zuleget/ worin er aber weit irret/ massen mich ja der Wind nicht vom Schlosse gewehet/ sondern bin mit gutem vorbedacht mitten durch die Wachten/ mit vermahletem Angesicht/ in Kraͤmerkleidung davon gangen. Durchl. Frl. Wase/ sagte Herkules; ob Artabanus mich vor einen Zauberer halte/ mag er wissen/ aber alsdann müste er mir nicht eine Kinderruhte binden/ sondern ein Feur anzuͤnden lassen/ mich zuverbrennen/ welches ich dann viel lieber als die Knabenzuͤchtigung erleiden X x x x x wuͤr- Vierdes Buch. wuͤrde; doch sind seine ausgeschikte Zuchtmeister noch nicht recht gelehret/ die Ruhte zu fuͤhren/ deswegen man ihnen solche hat muͤssen zu kosten geben. Warnet aber euren Koͤnig/ Herr Bagophanes/ daß er des dinges nicht mehr vornehme/ dafern er nicht wil/ daß allen seinen Rittern und Feld Obristen/ deren mein Bruder Koͤnig Ladisla und ich habhaft wer- den/ ein gleichmaͤssiges widerfahren sol. Zwar ich habe Artabanus biß dahin vor einen Koͤ- nig gehalten/ aber nunmehr duͤrffte ich schier auff die Gedanken gerahten/ er waͤhre ein Schulmeister. Jedoch/ daß ich den Gesanten nicht zu lange auffhalte/ so wird meine Frl. Schwester ihm eine Antwort nach ihrem freyen Willen erteilen/ welche ich stets gut heis- sen wil. Ja mein Freund Bagophanes/ sagte sie hierauff; meines gnaͤdigsten Koͤniges Schreiben habe ich mit gebuͤhrlicher Ehrerbietung verlesen/ nicht anders/ als ob ich añoch auff seinem Schlosse gefangen waͤhre; daß ich aber so furchtsame ertichtete Antwort/ als damahls/ von mir geben solte/ bin ich nicht willens; deswegen hoͤret meine Erklaͤrung: Vorerst hat mein Koͤnig mit diesem Schreiben mich aller vorigen Zusage ganz loßgespro- chen/ wie ich solches mit seiner eigenen Hand auffzulegen habe. Zohe hiemit Artabanus Versicherungs-Schreiben hervor/ dessen in diesem Vierden Buche am 805 Blade mel- dung geschehen/ gabs Bagophanes zulesen/ und sagte weiter: Ob ich nun dieses gleich nit anfehen wolte/ wie ichs auch nunmehr nicht ansehe/ so muß abeꝛ doch mein und eueꝛ Koͤnig durchaus wissen/ daß ich keines geringen Standes noch von solchen Eltern entsprossen bin/ denen in Ansehung Koͤnig Artabanus ich Gehorsam versagen solte/ sondern muß durch- aus zu meiner Fr. Mutter reisen/ und deren Bewilligung einhohlen/ als dann wird Euer Koͤnig unbeschweret seyn/ entweder selbst oder durch wirdige Gesanten umb mich zuwer- ben/ und zuvernehmen/ ob meine Fr. Mutter/ und andere Koͤnigl. und Hoch Fuͤrstl. An- verwanten einwilligen koͤnnen/ und vielleicht nicht schon einem andern mich versprochen haben/ welches ich eigentlich nicht wissen kan. Dieses alles/ mein Freund Bagophanes/ re- de ich trauen nicht als eine verzauberte/ sondern aus wolbedachtem Muht/ so daß mein Koͤ- nig die Einbildung der Baktrianischen Kunst wol mag fahrẽ lassen; welches seiner Hocheit zu hinterbringen/ ihr unbeschweret seyn/ und nebest freundlicher Begruͤssung ihn aller mei- ner moͤglichen Ehrendienste versichern wollet; andere Antwort sol auch der Tod selbst aus mir nicht bringen/ es waͤhre dann/ daß euer Koͤnig mich dereins/ weil ich noch unverhey- rahtet/ mit dem Schwert gewuͤnne/ dann solches erkennet auch meine Fr. Mutter zum O- ber Herrn. Diese lezten Worte machten Bagophanes muhtig/ bildete ihm auch ein/ er haͤt- te diese Bedingung schon so gut als erfuͤllet/ und antwortete also: Durchl. Fraͤulein/ nach- demmahl Euer Durchl. nicht gefaͤllet/ mir andere Erklaͤrung mitzuteilen/ ungeachtet mein aller gnaͤdigster Koͤnig ein bessers gehoffet haͤtte/ muß ich mit dieser zufrieden seyn/ zweifele nicht/ mein unuͤberwindlichster Koͤnig werde eine oder andeꝛe Bedingung einzugehen/ sich schleunig erklaͤrẽ/ massen Eure Durchl. ich wol versichern kan/ dz von deren Liebe abzulassẽ/ seiner Hocheit unmoͤglicher ist/ als sich selbst zuhassen. Des Großmaͤchtigsten Koͤniges gu- te Zuneigung gegen mich/ habe ich wol gespüret/ sagte sie/ werde ihm auch nicht zuwider seyn/ wann er obbenahmete Bedingung auff sich nimt; aber als eine von Raͤubern gefan- gene/ und hernach verschenkete Leibeigene/ goͤnne ich mich keinem Menschen nimmermehꝛ. Hiemit nam Bagophanes Abscheid/ und rief Herkules ihm nach: Lieber warnet euren Koͤnig/ Vierdes Buch. Koͤnig/ daß/ wo es ihm umb meine Frl. Wase im Ernst zutuhn ist/ er die vorgemeldete Be- dingungen nicht auff die lange Bank schiebe/ es duͤrffte ihm sonst ein ander in den Schnit fallen/ gestaltsam meine Frl. Wase der Schoͤnheit und des Alters ist/ daß sich wol in kur- zem ein Freyer finden dürffte/ da es dann zu heissen pfleget/ der erste fuͤhret die Braut vom Tanze. Das ist eine wolgemeynete Erinnerung/ antwortete er/ deren ich mit allem Fleiß werde eingedenke seyn; machte sich eilends zu seinen Voͤlkern/ und redete sie also an: Nun frisch auff/ ihr meine lieben Soͤhne und Bruͤder; jezt hat das guͤnstige Glük uns den Weg geoͤffnet/ nicht allein den unserm Koͤnige angelegten Schimpff zuraͤchen/ sondern dessen hoͤchste Gnade zuerlangen/ mehr als wir selbst wuͤnschen moͤgen; sehet da/ das elende Staͤd- chen/ mit einer schwachen Maur und untieffen schmalen Wasser Graben umgeben; in diesem befindet sich unsers Koͤniges entfuͤhrtes Fraͤulein wider ihren Willen; dann nach- dem die ihr angelegte Verzauberung ihre Wirkung geendet/ und sie wieder zu vorigem Verstande kommen/ suchet und wuͤnschet sie nichts mehr/ als durch uns gerettet zuwerden; Ich weiß/ daß sie alle Augenblicke zaͤhlet/ und horchet/ ob nicht das Sturmgeschrey ange- he/ die Tohre gebrochen/ die Mauren erstiegen/ und sie aus des boßhafften Raͤubers Haͤn- dẽ entrissen werde. So fasset nun ein Herz/ uñ wagets auf gut Parthisch: Unsere Schwer- ter sollen in einer Stunde wieder erstreitẽ/ was unserm Koͤnige lieber als sein halbes Reich ist/ und werden wir nichts so sehr beklagen/ als daß diese unschazbahre Beute uns so wenig Mühe/ Arbeit und Blut gekostet hat; Das Staͤdchen ist mit schlechter Besatzung verse- hen/ welche wir als einen Mann auffreiben wollen. Hierauff ordente er 300 Reuter/ die des ganzen Heers Pferde hüten solten/ die uͤbrigen alle begaben sich zu fusse/ hieben jedwe- der einen grossen Strauch aus dem dicken Gepuͤsche abe/ legtens auff die Schulter/ und lieffen damit der Stad ganz rasicht zu. Herkules ließ alle oͤrter durch Buͤꝛger und Kriegs- knechte durch einander vermischet/ aufs beste besetzen/ deren Anzahl in 3500 Mann bestund/ die Reuterey aber samlete er in allen Gassen 6000 stark/ und machte ihnen gute Hoffnung zur Beute/ redete endlich Bubazes also an: Es ist ohn Noht/ mein Freund/ daß ich euch zur Manheit auffmahne/ an welcher/ angesehen euer Groß Fuͤrst euch diesen Platz anver- trauet/ ich im geringsten nicht zweifeln sol; daß wir aber unserer Sachen einig seyn/ und ei- ner dem andern die hülffliche Hand bieten koͤnne/ ist dieses mein Vorschlag/ welcher uns ohn zweifel den herlichen Sieg gebehren sol; stellet euch verzaget/ und lasset den Feind na- he gnug kommen/ verberget auch die Manschafft als best ihr koͤnnet/ biß ihr sehen werdet/ den Feind guten teils uͤber den Graben gelauffen seyn/ dann gebet mir ein Zeichen; und wann ich mit ihnen in voller Arbeit seyn werde/ so muͤssen Pfeile und Steine auf den Mau- ren nicht feyren/ welche an 1500 Mann Schutz gnug haben/ die uͤbrigen 2000 behaltet bey euch zum Ausfall/ an was Ort ichs begehren werde; als dann wollen wir diese verwaͤgene dergestalt daͤmpffen/ daß ihnen der Kitzel bald vergehen sol. Hierauff teilete er die Reute- rey in zween gleiche Hauffen/ deren einen er Gallus untergab/ mit befehl/ wessen er sich veꝛ- halten solte. Bubazes wahr kaum auff die Zinnen gestiegen/ da er den Feind schon sahe an- kommen/ nicht anders als ob der Wald zugleich mit ihnen fortgangen waͤhre/ uñ gedauch- te ihn die Zahl wegen der Straͤucher viel groͤsser als sie wahr. Als Herkules seine Waffen anlegete/ hielt das Fraͤulein instaͤndig umb Verguͤnstigung bey ihm an/ daß sie mit ausfal- X x x x x ij len Vierdes Buch. len moͤchte/ welches ihr aber Herkules mit diesen Worten abschlug: Mein teures Herz/ ich bitte durch Gott/ von diesem Vorhaben abzustehen/ und durch eure Gefahr nicht zuverur- sachen/ daß ich mehr auff Beschützung eurer/ als Abtreibung der Feinde muͤste bedacht seyn; bedenket/ wie einen betruͤbten Herkules eure Verwundung machen wuͤrde/ durch welche eure Schoͤnheit auch nur im geringsten solte verletzet werden; einmahl ist gewiß/ dz Gott keinen gefallen daran traͤget/ wann man sich in unnoͤhtige gefahr begiebt; Lasset euch demnach/ bitte ich/ diese meine Abmahnung zu Herzen gehen/ und machet mich in diesem Stuͤcke gluͤkselig. Valiska umfing ihn auff solche Rede gar freundlich/ und nach gegebe- nem Kusse sagte sie: Ich bitte von ganzer Seele/ mein hoͤchstwerdester Schatz wolle mir diesen unbedachtsamen Frevel verzeihen/ und es meiner unbesonnenen Jugend/ nicht der Widerspenstigkeit zuschreiben; nach diesem werde ich behutsamer seyn/ und nicht bitten/ e- he ich bedacht habe. Ich wil dieses/ geliebts Gott/ auff meine gluͤkliche Wiederkunfft be- antworten/ sagete Herkules/ jezt werde ich hinmuͤssen/ und vernehmen/ wie geschikt der furchtsame Bagophanes sey/ mir diesen Schaz zunehmen/ den mein Gott so weit schon in Sicherheit gebracht hat. Nun hatte gleichwol derselbe unter seinen Voͤlkern gute Anord- nung gemacht/ dann es wahren verstaͤndige Haͤuptleute unter ihnen/ welche die Knechte anfuͤhreten/ daß sie den Graben mit ihrem Reisig und darauff geschuͤttetem Sande und Steinen an fuͤnff Orten ausfuͤlleten/ und frisch hinuͤber lieffen/ sich des Stad Tohrs zube- maͤchtigen. Es geschahe ihnen an ihrer Arbeit keine Hindeꝛung/ sondern zum scheine schoß man etliche unschaͤdliche Pfeile heraus/ und wahr in der Stad verordnet/ daß etliche Wei- ber und Kinder hinter der Maur ein klaͤgliches Geheule anfahen musten/ als ob die Stad schon erstiegen waͤhre; welches der Feind hoͤrend/ kaum abwarten kunte/ daß der Weg ü- ber den Graben fertig wahr. Jedoch sahe sich Bagophanes nach art der furchtsamen wol vor/ ließ 4000 den Sturm antreten/ und stellete ihnen 3000 zum Entsatz/ dafern sie abge- trieben wuͤrden; die uͤbrigen 9000 behielt er aus begebenden fall bey sich in guteꝛ Ordnung/ doch (welches ihm den groͤsten Schaden taht) alle zu fusse/ weil er ihm nicht kunte traͤumẽ lassen/ daß Reuterey in der Stad waͤhre. Der erste. Hauffe bemuͤhete sich sehr/ das Tohn zuer halten/ aber wann sie zu nahe traten/ wurden sie mit den herunter gewalzeten Steinen dergestalt empfangen/ daß sie in den ewigen Schlaff gerieten; so mangelte es ihnen an Feur und noͤhtigem Sturmzeug/ hatten weder Hacken noch Axten bey sich/ nur daß sie mit grossen Baͤumen wider das Tohr lieffen/ biß es endlich begunte baufaͤllig zu werden. Auch wahren noch etliche tausend mit ihrem Gestraͤuch uͤbrig/ welche solches an die Maur lege- ten/ und mit Erde uͤber schuͤtteten/ dz in kurzer Zeit sie diesen Zutrit fast der Mauren gleich erhoͤheten. Herkules dauchte nunmehr Zeit seyn/ den Ernst zugebrauchen/ und ließ einen frischen Persischen Obristen/ namens Orobates mit 1000 Pferden von Suden her aus- fallen/ welcher die zum Entsatz verordnete 3000 antraff/ mit denen er sich rechtschaffen ab- wetzete/ und sie von dem Graben gegen sich zog/ weil sie aber ganz verwaͤgen zu ihm ein- drungen/ und mit Pfeilen ihm drange gnug tahten/ schikte ihm Gallus 500 Reuter zum Entsatz/ vor deren Ankunfft die Feinde nicht wenig erschraken. Inzwischen gingen Stei- ne und Pfeile von der Maur gewaltig auff den Feind loß/ daß sie weder zum Tohr noch zur Maur nahen durfften/ sondern zurükuͤber den Graben drungen/ da ihrer 300 ersoffen. Her- Vierdes Buch. Herkules nam auff solchen gluͤklichen Anfang mit Bubazes Abrede/ wie ers halten solte/ ging von Norden mit allen seinen 3000 Pferden auff Bagophanes an/ welcher nunmehr/ aber zuspaͤt beklagete/ daß er die Pferde hatte zuruͤcke gelassen/ ging deswegen mit seinen Voͤlkern hinter sich/ ob er einen Teil der seinen beritten machen koͤnte/ aber Herkules ließ ihn den Weg mit 800 Pferden ablauffen/ und drang mit den uͤbrigen hefftig auf den Feind hinein. Weil auch Orobates begunte getrieben zuwerden/ entsetzete ihn Gallus mit seinen 1500 Pferden/ welche in zimlicher Ausbreitung auff den Feind traffen/ und auch an die- sem Orte alles wieder gut macheten. Endlich fiel auch Bubazes mit 1500 Schuͤtzen zu fus- se aus/ welche von fornen zu dergestalt mit ihren Pfeilen traffen/ daß es gewaltig uͤber die Parthen ging/ doch weil Herkules eine schaͤdliche Vermischung der Voͤlker besorgete/ ließ er alle Reuter hinter sich weichen/ foderte die uͤbrigen zu fusse/ biß auff 200 nahe/ alle aus der Stad/ machte eine neue ansehnliche Schlachtordnung/ da er mit seinen Reutern zur Rechten/ Gallus aber zur Linken/ und Bubazes mit den Fußknechten in der Mitte hielt. Bagophanes wahr mit den seinen zwischen der Stad und den Persen eingeschlossen/ und zwar in solcher Enge/ daß er kaum Platz hatte/ seine Leute zuordnen/ da die verstaͤndigen Obristen und Hauptleute/ ihm schon verweißlich vorhielten/ daß er sie nicht allein ihrer Pferde beraubet/ sondern nicht eins nachgeforschet haͤtte/ wie stark die Feinde waͤren. Doch samlete ein jeder Obrister ein Haͤuflein um sich/ so gut er kunte; Die unserigen gingen gar eiferig auff sie loß/ und traff Herkules auff Bagophanes/ der 800 umb sich hatte/ welche nach kurzem Gefechte zustreuet wurden/ und Herkules zu ihrem Heerfuͤhrer sagete: Erge- bet euch meiner Gnade/ Bagophanes/ so wil ich euch der vorigen Kundschafft geniessen lassen. Dieser nam solches willig an/ warff sein Gewehr von sich/ und ließ sich gefangen hinfuͤhren/ welches seine Voͤlker ersehend/ auch umb Gnade rieffen/ und das Gewehr von sich legten. Es hatte dieses Treffen kaum eine Stunde gewehret/ da wahr der Sieg voͤllig erhalten/ und ließ Herkules vom Streit abblasen/ ward auch fast im Augenblik das Blut- vergiessen gestillet/ und muste Gallus mit 800 Mann hinreiten/ des Feindes Pferde in Hut zunehmen/ biß er folgen wuͤrde. An Feindes seiten wahren 4000 erschlagen/ und 12000 gefangen/ dann die Pferde Huͤhter ergaben sich Gallus gleich bey seiner Ankunfft. Herku- les ging auch mit 500 Reutern dahin/ und ließ zum Gepüsch hinein ruffen/ daß wo etliche sich drinnen verstecket haͤtten/ solten sie alsbald hervor kommen/ oder eines schaͤndlichẽ To- des sterben; aber nur etliche Troßbuben funden sich an. Jungfer Kleofis/ und Herkules neulicher Parthischer Wirt/ nach dem sie der ihren Niderlage gemerket/ hatten sich aus Angst in eine Hecke verkrochen/ und befrageten sich/ wie sie es halten wolten; da der Wirt sagete: Ich wil mich meinen ehmahligen Gaͤsten ergeben/ von denen ich alle Gnade ver- hoffe; Und ich/ sagte Kleofis/ wil lieber in meiner gnaͤdigsten Fraͤulein Dienste wieder ein- treten/ als den wilden Tihren hieselbst zur Speise dienen; machten sich auch eilig hervor/ und liessen sich gefangen nehmen/ welche alsbald Herkules zugefuͤhret/ und von ihm gnaͤ- dig angenommen wurden. Die Feindes-Pferde wurden alle nach der Stad getrieben/ da sie als eine freye Beute solten ausgeteilet werden; welches bald geschahe/ da jedem Reuter und Fußknecht/ auch jedem Buͤrger ein Pferd mit allem Zubehoͤr gegeben ward/ nach dem die Befehlichs haber zuvor 6000 der besten ausgelesen hatten/ von welchen Herkules 800/ X x x x x iij Buba- Vierdes Buch. Bubazes 200/ und Gallus 200 wider ihren Willen nehmen musten. Es hatte an unser Seite wenig Blut gekostet; Herkules missete 60 Mann/ Gallus 120/ und Bubazes 125. Die ganze Menge der Gefangenen (welche alle ansehnliche starke Maͤñer/ und der Kern deꝛ Parthischen Reuterey warẽ) wurden von 1500 Fußknechten uñ 2000 Reutern bewachet/ dz man haͤtte sagen moͤgen/ die Maͤñer in grosser Anzahl waͤren von wenig Kindern gefan- gen/ welches auch den Parthẽ so wehe taht/ dz etliche Befehlichshaber unter ihnẽ sich selbst entleibetẽ; Insgemein aber rieffẽ sie/ es muͤste Bagophanes verflucht seyn/ dz er sich unteꝛ- wundẽ haͤtte/ etwas zuleisten/ dazu er allerdinge ungeschikt waͤre; Herkules selbst trug mit- leiden mit ihnẽ/ ritte zu ihnen hin/ uñ redete sie also an: Ihr redliche Soldaten/ dz besser sey/ ein Loͤue zum Führer/ und Hasen zu Kriegsknechten/ als ein Hase zum Fuͤhrer uñ Loͤuen zu Kriegsknechten/ solches habt ihr heut mit eurem schaden erfahren müssen; ich vor mein Haͤupt zweifele nit/ dz viel unter euch gefunden weꝛden/ welche düchtiger gewest waͤhren zu befehlen/ als euer Feld Herr zugehorsamen/ aber ihr muͤsset mit dem Gluͤckesfalle zu frie- den seyn/ und danket Gott/ daß ihr nicht meinem Bruder und Oheim Koͤnige Ladisla/ son- dern mir in die Haͤnde gefallen seid/ als der ich willens bin/ dergestalt mit euch zu handeln/ daß ihr mein gutes Herz und mitleiden in der Taht spuͤren sollet. Die Gefangenetahten alle einen Fußfal/ aber keiner unter ihnen wolte ein Wort reden/ aus Furcht/ sie moͤchten bey ihrem Koͤnige als meinaͤidige angetragen werden/ und ließ ihnen Herkules Brod und Wasser zur Labung mitteilen; er erfuhr aber ohngefehr/ daß noch 2000 Parthische Reuter zuruͤk waͤhren/ denen er einen geherzeten Persischen Obristen nahmens Bahysthe- nes mit 3500 Pferden entgegen gehen ließ/ welche sie nach verlauff drey Stunden antraf- fen/ und als ermuͤdete leicht uͤber waͤltigten/ so daß sie deren 600 erschlugen/ und 1400 mit sich gefangen fuͤhreten/ jedoch auch 240 einbuͤsseten. Herkules ritte mit Bagophanes uñ Bubazes nach seiner Herberge/ da Gallus die Gefangene Jungfer an ihrem Zelter nach- fuͤhren muste/ hinter welcher der gefangene Wirt ritte; unterweges sagete Herkules zu Bagophanes: Mein/ wie habt ihr euch koͤnnen bereden/ eine Feldherrschaft uͤber euch zu- nehmen/ worzu ihr meines erachtens nicht wol unterrichtet seid; es wuste ja euer Koͤnig/ daß Valikules sich seiner Haut zimlich erwehren kan; doch was meinet ihr? wann Arta- banus mich oder die meinen dereins in seine Gewalt bekommen solte; wuͤrde er mir auch die Gnade wiederfahren lassen/ die ich euch und meinen Gefangenen erzeige? Diesem gu- ten Herrn lag annoch seine Hoffmeister schaft im Sinne/ und antwortete mit wenigen; Das Gluͤk waͤhre Kugelrund/ und sein Koͤnig der maͤchtigste Herr der Welt/ nicht anders als ein gaͤher Berg zu schaͤtzen/ in desser Tahle eine Werfkugel zwar etliche Halme einknit- ken// aber den Berg nicht hinauff rollen/ viel weniger denselben umbwerffen koͤnte; doch wie dem allen/ so wuͤste sein Koͤnig auch Gnade zuerzeigen/ wie ers selbst in der Taht erfah- ren haͤtte; und weil dessen Hocheit ihm die Feldhauptmanschaft auffgetragen/ haͤtte er ge- horsamen muͤssen. Herkules wolte ihm diesen groben Streich zu gute halten/ und antwor- tete; Ja/ ich als Valikules weis etwas von eures Koͤniges Gnade/ aber nicht als Fuͤrst Herkules/ sondern hier erkeñe ich ihn nicht anders als einen graͤulichen Wüterich/ daher ich mich bemuͤhen werde/ ob seiner unbilligen Gewalt die Seulen nicht in etwas koͤnnen erschuͤttert werden. Meinet ihr aber/ Artabanus sitze uͤber Gluͤckesfal? Ey das Wiedrige habt Vierdes Buch. habt ihr ja schon erfahren/ in dem ich Einsamer ihm seinen allerliebsten Schaz/ dessen er unwirdig wahr/ entfuͤhret habe. Unwirdig? sagete Bagophanes/ der allermaͤchtigste Be- herscher dieser grossen Morgenlaͤnder? ey lieber/ man verschone doch der hoͤchsten Koͤnig- lichen Wiꝛde/ damit nicht dereins gar zu schwere Busse darauff erfolgen muͤsse. Herkules haͤtte der Troz schier verdrossen/ und sagete: So duͤrffet ihr mir noch wol draͤuen? oder meinet ihr/ der elende Valikules reite neben euch daher? koͤnnet ihr meine Gnade nicht er- tragen/ so trauet mir/ ich habe auch gelernet/ scharf und ungnaͤdig zu seyn. Ob nun gleich euer Koͤnig ein grosser Wuͤterich ist/ daß fichtet mich wenig an/ ich werde aber die Muͤhe nehmen/ ihn seiner gedraͤueten Ruhten gereuen zu machen; und versichert euch/ daß wann ihr in meines Bruders/ Koͤniges Ladisla Gewalt waͤhret/ muͤstet ihr die Ruhten ja so wol als Madates/ schmecken/ und fehlet gar wenig/ ich duͤrfte euch ihm zu schicken. Dieser be- griff sich hiedurch/ baht umb vergebung und Gnade/ und erboht sich zu untertaͤhnigem Ge- horsam. Die Zeittung des Sieges durffte man dem Fraͤulein nicht bringen/ dañ sie hatte auff der staͤrkesten Zinnen alles selbst angesehen/ wahr auch schon vor der Schlacht von Bubazes angeordnet/ daß der Groß Fuͤrstliche Hoff geoͤffnet/ und Herkules eingeraͤumet wuͤrde; dahin sich das Fraͤulein bald nach erhaltener Schlacht begab/ und auff einem her- lichen Gemache ihren Herkules in Bagophanes Gegenwart mit einem lieblichen umbfa- hen und anmuhtigem Kusse empfing/ zu ihm sagend: Durchl. Herr Oheim und Bruder/ wegen gluͤklicher überwindung eurer unversehenen Feinde/ wuͤnsche euer Liebe ich Gluͤk/ und bitte Gott von Herzen/ Er wolle euren Waffen wieder allen unfern Feinden/ staͤrke uñ Sieg geben/ daß sie nach erlangetem Preiß und Ehre euch gesund uñ frisch wieder in eueꝛ Groß Fuͤrstentuhm geleiten. Aber mein Bagophanes/ ich trage dannoch Mitleiden mit eurem Unfall/ worin euch die lautere Unvernunft gestuͤrzet hat/ in dem ihr die von mir ge- sezte Bedingung/ mich mit dem Schwerte zugewinnen/ zur ungluͤklichen Stunde vorge- nommen habet/ da ihr etliche tausend Seelen druͤber auffgeopffert/ und aus einem freien Herren zum gefangenen Knechte worden seid. Ich wil aber den Durchl. Groß Fuͤrsten euretwegen bitlich anlangen/ daß ihr mein Gefangener seyn moͤget/ da ich dann in der Taht erzeigen wil/ wie gewogen ich eurem Koͤnige und allen seinen Leuten bin. Nicht allein Ba- gophanes/ sagete Herkules/ sondern 1000 Gefangene sollen euer Liebe geschenket seyn/ doch habe ich noch ein an der par Gefangener im Pusche erhaschet/ welches ich einliefern wer- de; hieß darauff Gallus/ die Jungfer und den Wirt herein zufuͤhren. So bald Valiska ihre geliebete Kleofis erblickete/ trat sie ihr freundlich entgegen/ umbfing sie/ da sie nieder- knien wolte/ und sagete: O meine liebe und angenehme Freundin/ was vor gutes Gluͤk hat euch hieher gefuͤhret? kommet ihr vielleicht auch/ mich wieder zuhohlen? gewißlich habe ich umb verzeihung zu bitten/ daß ich mein geliebtes Frauenzimmer/ welches miꝛ biß- daher Geselschaft geleistet/ unbegruͤsset verlassen; sie werden mich aber nach ihrer Gewo- genheit entschuldigen/ inbetrachtung/ daß die anzeigung meines Abzuges mein Vorhaben gar zu Wasser haͤtte machen dürffen. Aber lieber saget mir/ ist auch einiges unschuldiges Blut/ meiner Flucht wegen vergossen? und wie gehets doch meiner Sysigambis/ die aus- ser zweiffel bey andern in grossem Verdacht stehet; aber ich schwoͤre bey dem wahren Gott daß vor meinem Abzuge sie eben so wenig von meiner Flucht/ als der Koͤnig selbst gewust hat. Vierdes Buch. hat. Kleofis wolte niderknien/ und umb Gnade und Schuz bitten/ aber das Fraͤulein weh- rete ihr solches/ und sagete: Ich gebe euch/ liebe Freundin/ eben so hohe Versicherung/ als ich selbst habe; fassete sie bey der Hand/ und fuͤhrete sie in ein Nebengemach/ daselbst zu ihr sagend; Herzen Freundin/ lieber saget mir/ wie gefaͤlt euch mein Oheim/ Groß Fuͤrst Her- kules? Ach mein gnaͤdigstes Fraͤulein/ antwortete sie/ ich glaͤube nimmermehr/ daß seines und eures gleichen in aller Welt lebe/ wolte ihn auch lieber vor einen Engel als Menschen ehren. O nein/ sagte das Fraͤulein/ er ist freilich ein Mensch; aber woltet ihr mir auch rah- ten/ daß ich ihn umb Artabanus vertauschen solte? sehet/ dieser unvergleichliche Held ist schon drey Jahr mein verlobter Braͤutigam; ja er ist eben der euch bekante Valikules/ der mit einer angestrichenen Farbe sich unkentlich machen kan; und was meinet ihr/ wie meinem Herzen muß zu muhte gewesen seyn/ da ich ihm entrissen/ mich dem ungestalten und unflaͤtigen Artabanus goͤnnen solte? Gnaͤdigstes Fraͤulein/ antwortete Kleofis; eure Durchl. behalten ja was sie haben/ und gehen nimmermehr solchen ungleichen Tausch ein; zwar der Koͤnig hat mich bloß zu dem Ende hergesant/ daß eurer Gn. ich nicht allein auff dem Ruͤkwege untertaͤhnigst auffwarten/ sondern dieselbe auch bereden solte/ wieder mit umbzukehren/ wovon ich aber kein Wort zuverlieren willens bin/ moͤchte nur von Her- zen wuͤnschen/ daß eure Durchl. sich meiner gnaͤdigst erbarmen/ und in ihre Dienste vor ihre Leibmagd mich auffnehmen wolte/ damit ich dem unzuͤchtigen Koͤnige mich nicht wie- der stellen duͤrffe/ vor dem ich/ dem Himmel sey Dank/ meine Keuscheit bißher erhalten habe. Meinet ihr/ sagte Valiska/ daß ich euch lassen werde/ nachdem ihr mit dem Schwer- te gewonnen/ und ohn daß mir die Liebste meines ganzen Frauenzimmers seid? Ich wil euch nach Wirdigkeit versorgen/ und koͤstlich verheyrahten; ob euch dann gleich euer Vaͤ- terliches Erbe in Parthen zu ruͤcke bleiben solte/ wird sich der Brautschaz doch wol findẽ. Nach dem uns aber Obrister Bubazes zur Mahlzeit gebehten/ und es schon zimlich spaͤt ist/ wollen wir uns nicht laͤnger auffhalten. Gallus trat gleich zu ihnen hinein/ mit vermel- den/ der Groß Fuͤrst waͤhre mit Bagophanes schon hingeritten/ und wartete die Gutsche im Vorhofe ihrer Ankunft. Also fuhr sie mit ihrer Kleofis hin/ und wurden von Buba- zes hoͤflich empfangen. Beydem Essen ging mannicherley Gespraͤch vor/ da unter andern sie auff der Fraͤulein Flucht zu reden kahmen/ und sie alles erzaͤhlete/ was gestalt sie ihre Hoffmeisterin hintergangen/ und mit der Kraͤmerey ihr die Blendung gemacht/ daß sie Freiheit bekommen/ in angestrichener Farbe davon zuscheiden. Worauff Bagophanes anzeigete/ wie man die Hoffmeisterin in schwerem Verdacht haͤtte/ ungeachtet sie sich mit einem Schreiben vor ihrem Abscheide hoͤchlich entschuldiget; haͤtte auch ohn alle Gnade eines schmaͤhlichen Todes sterben muͤssen/ da sie sich durch die Flucht nicht gerettet haͤtte. Valiska freuete sich sehr/ daß sie davon kommen wahr/ und muste Kleofis alles nach der Ordnung erzaͤhlen/ wie es anfangs mit ihrer Kraͤmerey/ hernach mit der Fraͤulein Nach- suchung/ und mit Artabanus Kummer ergangen; welches Bagophanes mit grossem Verdrus anhoͤrete/ und ihr durch Winken zuverstehen gab/ sich in erzaͤhlung des lezten Stuͤckes zu maͤssigen; welches sie aber nicht merken wolte. Valiska fragete sie/ ob sie auch die beyden Kraͤmerinnen noch kennen wolte/ wañ sie zugegen waͤhren; Und als sie solches bejahete/ sagte sie weiter; Ey so schauet mir diese beyden Auffwarter etwas genauer an; ja Vierdes Buch. ja bey meiner Traͤue/ antwortete sie/ eben diese sind es/ und hatte diese/ auff Ochus zeigend/ sehr grosse Bruͤste/ wie eine Saͤugemutter. Dieser antwortete; ja hoch aͤdle Jungfer/ sel- bige meine Bruͤste haͤtte ich gerne behalten/ aber weil sie mit kraͤfftigem Laabwasser ange- fuͤllet wahren/ schnitte mein Wirt zu Charas sie mir gar abe/ einwendend/ es muͤste sein Koͤ- nig in seiner Ohmacht dadurch erquicket werden. Euer aͤdlen Tugend aber gebe ich den Ruhm/ daß sie am frischesten gekaufft/ und mir das meiste Geld gegoͤnnet hat/ welches ich auch schon an andere Waaren gelegt/ nehmlich an lanter Bodem lose Koͤrbe und Bril- len/ mit welchen ich ehist nach Charas reisen/ und sie Koͤnig Artabanus feil bieten wil. Die- ser Spott schnitte Bagophanes durch die Seele/ insonderheit/ als er Herkules und Kleo- fis daruͤber lachen sahe/ und Valiska es nur mit einem leichten Schimpff beantwortete. Deswegen er/ seinen Koͤnig zuvertreten/ zu Ochus sagete: Als ich ein Auffwarter wahr/ muste ich hoͤflicher von grossen Koͤnigen reden. Und als ich ein Feld Herr wahr/ antworte- te dieser/ muste ich meinen Reutern die Pferde nicht selbst nehmen/ sondern warten/ biß sie von den Feinden herunter geschlagen wuͤrden. Alle anwesende fingen an hefftig zulachen/ ohn Herkules maͤssigte sich/ und sagte zu Bagophanes: Verzeihet mir/ daß ich diesem mei- nen sehr lieben Diener nicht einrede/ weil er durch seine Traͤue mich ihm zu hoch verbun- den hat; Aber Ochus/ der hinter Herkules stund/ kuͤssete denselben den Ermel in tieffer un- tertaͤhnigkeit/ und sagete: Durchl. Groß Fuͤrst/ gnaͤdigster Herr; ich bin allerdinge unfaͤ- hig/ solcher hohen Gnade/ vor welche ohn fehlen Euer Durchl. ich Leib und Leben schul- dig bin; Gebt euch zufrieden/ mein Ochus/ antwortete Herkules/ was euch von mir ver- sprochen ist/ sol euch redlich gehalten werden. Unter dieser Beredung erhohlete sich Ba- gophanes/ daß er alles unbeantwortet gehen ließ/ fing auch an/ aus vielen Merkzeichen abzunehmen/ daß viel eine vertraulichere Freundschaft zwischen Herkules und dem Fraͤu- lein war/ als die aus Verwandniß herruͤhret/ daher sahe er nicht/ wie seinem Koͤnige wuͤr- de zuhelffen seyn/ welcher vor Liebeswuht nicht zubleiben wuste; doch ließ er sich des zwei- fels nicht merken/ sondern als die Gelegenheit es gab/ baht er das Fraͤulein/ ihm die Gna- de zuerzeigen/ daß er nach seinem Koͤnige zihen/ und ihm allen Verlauff hinterbringen koͤn- te/ wobey er noch die Frage hinan henkete/ ob Ihrer Gn. nicht beliebete/ an seinen Koͤnig eine schrifftliche Erklaͤrung auffzusetzen; Welches sie ihm hoͤflich abschlug/ mit vorwen- den/ einem Fraͤulein müste zur Leichtsinnigkeit ausgelegt werden/ die in Heyrahtsachen die Feder gebrauchete/ ehe und bevor sie durch ihre Eltern oder Anverwanten einem Braͤuti- gam zugesagt waͤhre; seine Erlassung betreffend/ solte er gar keinen Zweifel haben. Er bedankete sich wegen dieser Gnade/ und hielt noch weiter an um einen schriftlichẽ Schein/ damit er bezeugen koͤnte/ Ihre Gn. gesprochen zuhaben. Sie wuste nicht/ wie sie ihm die- ses abschlagen solte/ endlich sagete sie: Eurem Koͤnige zuschreiben/ koͤnte ich mich noch endlich finden lassen; nachdem ich ihm aber niemahls als bey Frauenzimmer Briefe zu- geschicket/ bin ich gar nicht willens/ solche Gewohnheit zu endern. So koͤnte es/ sagte er/ bey Jungfer Kleofis sehr wol geschehen; Aber sie antwortete ihm: Meynet ihr dann/ daß ich diese meine liebwerte Jungfer von mir lassen werde? Nein/ nein/ mein Freund/ haͤtte ich mein ganzes Frauenzimmer bey mir/ wolte ich sie nicht allein der Furcht kuͤnfftiger Schande benehmen/ sondern sie durch adeliche Aussteur zu Ehren bringen/ dañ ich weiß/ Y y y y y daß Vierdes Buch. daß sie an ihrer Jungfrauschafft unverletzet sind. Bagophanes meynete/ es wuͤrde Kleo- fis solches erbieten nicht annehmen; als er aber hoͤrete/ wie hoͤchlich sie vor diese Gnade sich bedankete/ und ihre jetzige Gefaͤngniß vor ihr hoͤchstes Gluͤk rechnete/ waͤhre ihn fast vor leide geschwunden/ dann er hatte sich in sie hefftig verliebet/ und wahr willens/ weil er ein Witwer wahr/ sie zuheyrahten; hatte auch auff dieser Reise schon haͤuffige Ansuchung bey ihr getahn/ aber keine genehme Antwort erlangen/ noch sie zu seiner Liebe bewaͤgen moͤgen; nur hoffete er/ sie von dem Koͤnige zuerbitten/ wo nicht alsbald/ aufs wenigste/ wañ sie dem- selben eine zeitlang wuͤrde beygewohnet haben. Aber sie wahr einem andern in reiner Jungfrauschafft versehen; dann Bubazes bekam so inbruͤnstige Liebe uͤber der Mahlzeit zu ihr (wie sie dann der schoͤnsten adelichen Jungfern aus ganz Parthen eine/ und ohnge- fehr von 17 Jahren wahr) daß er kein Auge von ihr abwenden kunte/ dessen Valiska bald wahr nam/ und ihr nicht übel gefiel/ auch bald nach der Mahlzeit sie also anredete: Liebe Freundin/ dafern ich nicht irre/ hat Bubazes euch schon in sein Herz eingeschlossen/ als der noch unverheyrahtet/ und ein tapfferer Persischer Obrister von gutem Adel ist; da ich nun wissen solte/ daß er euch gefiele/ wolte ich dieser Heyraht schon rahtschaffen. Kleofis erroͤh- tete von Scham/ und antwortete: Sie koͤnte nicht glaͤuben/ daß so ein vornehmer Obrister nach einer Gefangenen sich umsehen/ geschweige/ einige Liebe auff sie werffen solte; doch wann es ihr so gut werden koͤnte/ haͤtte sie es bloß ihrer Gn. zudanken. Lasset mich nur ma- chen/ antwortete sie/ und soltet ihr einige Ansprach von ihm haben/ so weiset ihn an mich/ ich wil es schon zukarten wissen/ daß es recht wird. Nach abgetragenen Speisen ward ein Tanz gehalten/ da das vornehmste adeliche Frauenzimmer der Stad/ und die sonst hinein gefloͤhet/ anwesend wahren. Herkules aber ritte mit Bagophanes und Bubazes hinaus zu den Gefangenen/ welche sich in 12 gleiche Schaaren setzen/ und mit Wuͤrffeln spielen mu- sten/ welche Schaar dem Fraͤulein zufallen wuͤrde/ und wahren die leztgefangene noch nit angelanget. Nach geendigtem spielen redete Herkules sie also an: Die/ welche die meisten Augen geworffen/ sind dem Durchl. Koͤnigl. Fraͤulein von mir geschenket/ welche nebest ihrem Feld Herrn Bagophanes frey nach Hause zihen moͤgen/ und ob gleich die andern mit mir biß nach Persepolis reisen muͤssen/ sollen sie doch in der Taht ersahren/ daß auch daselbst meine Gnade noch guͤltig sey. Die freygegebene bedanketẽ sich mit einem Fußfalle/ zeigeten aber an/ sie wolten lieber allein/ als mit ihrem gewesenen unverstaͤndigen Feldherꝛn fortzihen/ damit sie nicht aus Eifer und Rachgier sich an ihn vergrieffen; womit Herkules friedlich wahr/ aber Bagophanes in sich selber grießgramete. Es musten jedoch diese frey- gegebene mit ihrem Auffbruch biß des folgenden Morgens verziehen/ und ritte Herkules mit seiner Geselschafft wieder nach der Gaͤsterey/ woselbst der Tanz noch anhielt/ und Va- liska zu ihrem Herkules sagete: Mein Schatz/ wie lange wird es nun wol seyn/ als wir den lezten Tanz mit einander auff dem Prager Schlosse hielten/ und die Füsse mir ihr gebuͤhr- liches Amt schier versaget haͤtten/ weil mein kindlich es Herz gar zu straͤnge belauffen war? Mein Seelichen/ antwortete er/ ich habe sider dem keinen Tanz gefuͤhret/ daß dieser unser lezter mir nicht zu Sinne gestiegen waͤhre. Ich wolte aber hoffen/ sagte sie/ es besser zuma- chen/ da mir das Gluͤk meinen Liebsten zum Tanze braͤchte. Darzu bedürffen wir keines sonderlichen Gluͤckes/ antwortete er; nam sie bey der Hand/ und fing in Stiefel uñ Spoꝛn den Vierdes Buch. den zierlichsten Tanz mit ihr an/ daß die anwesende bekenneten/ in allen Morgenlaͤndern waͤre desgleichen nie gesehen. Aber O wie verriet sich hieselbst ihre vertrauliche Liebe; wañ Herkules im begegnen ihr die Haͤnde küssete/ und sie ihm hinwieder nicht geringere Zeichẽ der Dankbarkeit sehen ließ. Nach dieses Endigung bestellete Valiska einen neuen/ nam ih- re Kleofis auff/ und fuͤhrete sie Bubazes mit diesen Worten zu: Herr Obrister/ ich werde euch diese meine Jungfer zum Tanze liefern/ deren Tugend und Froͤmmigkeit neben an- gebohrnem Adel noch wol eines aͤdlen Taͤnzers werd ist. Der verliebete Mensch hatte nichts mehr gewuͤnschet/ als durch Tanzes-gelegenheit mit ihr zusprachen/ welches er diß- mahl nicht verabseumen wolte/ sondern nach geendigtem Tanze zu ihr sagete: Hochaͤdle Jungfer/ wann das Glük mich dereins so hoch beseligen wolte/ daß von ihrer Vortrefflig- keit ich vor ihren Ritter und Diener koͤnte auffgenommen werden/ wuͤrde ich den heu- rigen Tag/ als den ersten ihrer gewuͤnscheten Kundschafft/ den Anfang meines wolerge- hens setzen/ nicht daß aus Verwaͤgenheit ich mich dieses Gluͤks wirdig schaͤtze/ sondern bloß ihrer guten Gunst muͤste ichs zulegen/ dafern dieses mein hochbegieriges ansuchen stat und raum finden wuͤrde. Kleosis antwortete ihm: Gestraͤnger Herr Obrister/ ich eine arme gefangene/ und verlassenes Waͤyselein/ bin nicht faͤhig/ von einem solchen Ritter dergleichẽ Reden anzuhoͤren/ in Betrachtung/ daß wenig gefunden werden/ die anderer Leute Ungluͤk in so traurigen faͤllen zubeherzigen pflegen; nicht/ daß meinen Herrn ich unter diese eben mit zaͤhlen wolte/ sondern meines Unfalls mich erinnernd/ muß ich mich standhafftig darzu be- reiten/ wann der gemeine Weltbrauch mich auch treffen solte; Wann aber einiges Mit- leiden uͤber mein Elend bey dem Herrn Obristen sich merken laͤsset/ muß ich dessen mich bil- lich hoch bedanken/ demühtig bittend/ in ehrliebender Gewogenheit fortzufahren; sonst zweifele ich nicht/ mein Herr rede mit mir/ als mit einer Hochaͤdlen Jungfer des Groß- Fuͤrstl. Persischen Frauenzimmers/ deren Stelle mit gebuͤhrlicher Antwort/ weil sie mir unbekant ist/ ich nicht vertreten kan. Hochaͤdle Jungfer/ wiederantwortete er; ich bitte dienstlich/ mich solches Verdachts freundlichst zueꝛlassen/ als ob mein Mund an einem Or- te redete/ uñ das Herz am andern liebete; sondern eure Hochaͤdle Tugend/ welche der See- len praͤchtigste Schoͤnheit ist/ hat meine Leibes-Augen kuͤhn gemacht/ den treflichen Glanz der ihren zubetrachten/ wodurch mein Herz dermassen eingenommen/ und zu ihrem Dien- ste gezwungen ist/ daß/ da deren Gegenneigung zuerhalten ich fehlen werde/ ich mich billich vor den ungluͤkseligsten Menschẽ halten muß. Wolle demnach meine hochgeehrte Freun- din meine Worte nicht auff den dritten zihen/ sondern sich teur versichern/ daß einzig sie al- lein ist/ deren mich als eigen zuergeben/ ich hoͤchst wuͤnsche/ wann nur meine Unwirdigkeit mir den Weg zu ihrer Gewogenheit nicht vorlegen moͤchte/ als anderen vollkommene Tu- gend ich nicht reichen kan. Ach mein Herr/ antwortete sie/ ich weiß gar keine Vollkommen- heit an mir/ als des Ungluͤks; hat nun dasselbe meines Herrn mitleiden erwecket/ erken- ne ichs billich mit dankschuldigem Herzen; ein mehres zumelden/ wil Jungfraͤuliche Zucht und Bloͤdigkeit nicht zulassen; so bin ich auch meiner selbst nicht maͤchtig/ sondern unter meiner Durchl. Fraͤulein Gewalt/ als die mir voͤllig zubefehlen hat; was nun dieselbe mit mir schaffet/ muß mir billich angenehm seyn. Bubazes fassete hieraus gute Hoffnung/ wol- te doch des gewissern spielen/ und fragete/ ob ihm dann koͤnte erlaͤubet seyn/ bey dem Fraͤu- Y y y y y ij lein Vierdes Buch. lein Ansuchung zutuhn/ und sie ihm bey derselben nicht zuwider seyn wolte; welches sie nit zubeantworten wuste/ erklaͤrete sich endlich also: Es muͤste mir billich zur grossen Unhoͤf- ligkeit ausgelegt werden/ wann dem Herrn Obristen mit dem Durchl. Fraͤulein nach be- lieben zureden/ ich Einsperrung machen wolte/ nachdemmal eꝛ dieses orts aus Groß Fuͤrstl. Persischer Gewalt zuordnen und zuschaffen hat. Bagophanes saß nicht weit von ihnen/ kunte auch etliche Worte/ aber doch ihrer Rede Inhalt und Meynung nit verstehen/ doch sahe er aus ihren Geberden und der Jungfer Verenderung/ daß Bubazes umb Liebe ansu- chung taht/ welches ihm sein Herz im Leibe bluten machete; Dann weil dieser ein junger frischeꝛ Ritter/ er aber schon über 54 Jahr war/ machte er ihm bald die Rechnung/ er wuͤꝛde zum Korbtraͤger gedeyen. Das Fraͤulein gab insonderheit acht auff sie/ wuste doch wol/ dz der Schluß durch sie muste gemacht werden/ daher sagete sie zu ihrem Herkules. Gilt mein Schatz/ wo ich nicht noch heut meine Kleofis verheyrahten werde. Sie wolte mehr sagen/ aber Bubazes Leibknabe trat zu ihr/ vorbringend/ Ihre Durchl. wuͤrde von seinem Obri- sten untertaͤhnigst auff ein kurzes Gespraͤch in das Neben Gemach erbehten; dem sie auff dem Fusse nachfolgete/ woselbst er nach gebehtener Verzeihung diese Worte hervor suche- te: Durchl. Fraͤulein; wann Liebe und Scham zugleich an einem Joche zihen koͤnten/ wuͤrde ich nimmermehr die Kuͤnheit nehmen/ Eurer Durchl. untertaͤhnigst anzuzeigen/ was massen meine Geister sich dergestalt in die aͤdle Jungfer Kleofis eingesenket haben/ dz mir unmoͤglich ist/ diese Flammen laͤnger zuverbergen; Ich sehe aber auff Ehre/ die sich in ehelicher Tråue gruͤndet/ dafern durch Eurer Durchl. gnaͤdigste Befoderung mirs so gut werden koͤnte/ wovor derselben zeit meines Lebens biß in den Tod mich verpflichtet zu seyn erkennen muͤste. Herr Bubazes/ antwortete sie; da euch Gott eine zuͤchtige und fromme/ mag auch wol sagen/ eine schoͤne aͤdle Jungfer versehen hat/ wuͤrde sie euch an dieser redlich gehalten werden; Ihres gleichen habe ich in meinem ganzen Frauenzimmer nicht gehabt/ und muß sie Gott ja sonderlich zu eurem und ihrem Gluͤk hieher gesand haben. Da euch nun eheliche Liebe zu dieser Anwerbung treibet/ wie ich gar nicht zweifeln wil/ dann sol sie euch unversaget seyn/ und wird sie verhoffentlich auff mein Begehren sich nicht wegern/ einem solchen Obristen ihr Herz zuergeben; Drumb so stellet es nur in meine Hand/ ich wil es schon einrichten/ daß ihr beyderseits in kurzem vergnüget werdet; nur seyd vor dißmahl unbeschweret/ einen kurzen Abtrit zunehmen/ und die Jungfer zu mir herfodern zulassen. Bubazes/ nach hoher Danksagung/ ging wolgefinnet hin/ setzete sich zu feiner Liebesten/ und wolte ihr der Fraͤulein begehren selbst anmelden/ baht anfangs/ seine auffrichtige Liebe zu erkennen/ und der Fraͤulein Willen nicht zuwiderstreben/ nachdem dieselbe ihm voͤllige Zu- sage/ biß an ihre Bewilligung getahn haͤtte; Worauff sie antwortete: Mein Herꝛ/ weil aus seinen Reden und beginnen ich satsam spuͤre/ daß seine Liebesansuchung auf Ehre gebauet ist/ wil ich sein getraͤues Herz auf solche weise gerne und willig annehmen/ und ihm verspre- chen/ daß alle meine Gedanken einig nach seinem Willen sollen gerichtet seyn; jedoch/ wañ er mich zuvor durchredliche Zusage versichern wird/ daß meine jetzige Armut/ und daß ich in des unkeuschen Koͤniges Frauenzimmer auffgenommen bin/ er mir nimmermehr auff- ruͤcken wil/ nach dem ich aͤidlich beteuren kan/ daß an meiner Keuscheit Ehr ich allerdinge unverlezt blieben/ massen ich desselben Tages nach Charas gehohlet worden/ da mein Gn. Fraͤu- Vierdes Buch. Fraͤulein daselbst angelanget ist/ und ich alsbald auff ihrem Zimmer auffwarten/ und stets verharren muͤssen. Bubazes versprach solches getraͤulich/ und meldete ihr darauff an/ daß das Fraͤulein sie absonderlich zusprechen begehrete/ sahe auch/ daß Bagophanes gleich auf- stund/ und ungefodert zu dem Fraͤulein in das Neben Gemach ging; dessen Kleofis lachete/ und zu Bubazes sagete: Gilt mein Herr/ unser Hofmeister wird unsers vorhabens durch aͤusserliche Zeichen inne worden seyn/ und sich unterstehen/ Einsperrung zumachen/ nach- dem ich mich wol erinnere/ wie uͤberlaͤstig er mir die ganze Reise uͤber/ mit seinem ungeneh- men ansuchen gewesen ist; aber ich bitte sehꝛ/ mein Herr wolle sich dadurch nicht bewaͤgen lassen/ umb allerhand Unruhe zuvermeiden; ich wil mit zutuhn meiner Gn. Fraͤulein ihn schon wissen abzuspeisen/ dafern er dessen ichtwas sich wird verlauten lassen. Ich habe nicht riechen koͤnnen/ antwortete er/ warumb dieser Haberstolz mich etliche mahl so unwuͤrsch angesehen/ weil ich in den Gedanken stund/ er wuͤrde seinen Anteil schon haben; nachdem nun meine hochwerte Jungfer mich aller Furcht selber benehmen wil (welches ich aͤusserst zuerkennen schuldig) gebe ich mich gerne zufrieden/ koͤnte auch nicht schaden/ ob ihm gleich eine zimliche Nase angedrehet wuͤrde/ damit er gewitziget/ sich zu seines gleichen halten ler- ne. Also ward dieses Ungluͤklich-verliebeten gespottet; welcher/ so bald er zu dem Fraͤulein kam/ nicht ohne ihre Verwirrung sich vor ihr auf die Knie legete/ und also anfing: Durchl. Fraͤulein/ ob wol mein Koͤnig das selige Gluͤk nit haben mag/ durch ihre unvergleichliche Schoͤnheit in der Liebe vergnuͤget zuwerden/ und ich deswegen nicht allein vergebliche An- suchung getahn/ sondern so manniche geherzte Seele umsonst aufgeopffert/ so getroͤste mich dannoch untertaͤhnigst/ Ihre Durchl. angesehen der mir schon erteileten hochmilden Gna- de/ werde mein Verderben abzukehren/ und ohn ihren Schaden oder Nachteil mir zu mei- nem besten gnaͤdigste Befoderung zutuhn/ sich nicht wegern/ wovor zeit meines Lebens der- selben mich aͤusserst verbinde. Ich lebe eure Freundin/ antwortete sie/ deswegen stehet auf/ uñ lasset mich wissen/ worin ich euch dienen kan; dann sollet ihr erfahren/ dz ich geneigt bin/ eure wolfahrt fortzusetzẽ. Nun dañ/ sagte er/ so habe ich meinẽ wunsch schon erhaltẽ/ welcher hierin bestehet/ dz Eure Durchl. meine in Ehrẽ hoͤchstgeliebte Jungfer Kleofis nit aufhalte/ sonďn gnaͤdigst mit mir zihen lasse/ weil derselbẽ ich mein Herz zu ehelicher Traͤue ergebẽ uñ eigen gemacht habe. Das Fꝛaͤulein haͤtte ihr versprechen gerne zuruͤk gezogẽ/ oder aufs we- nigste bedinget/ begriff sich doch bald/ uñ gab ihm zur Antwort: Stehet es also um euch uñ meine Kleofis/ muͤste mirs trauen leid seyn/ das ich ihr dieses Gluͤk hindern solte/ dann ich habe in Warheit nicht daß geringste von eurer verborgenen Liebe gewust/ und nimt mich wunder/ daß sie mir solches so gar verschweiget; damit ich nun bey euch nicht in Verdacht gerahte/ als wolte ich einsperrung machen/ wil ich sie alsbald zu mir fodern lassen/ und in euer Gegenwart mit ihr reden. Dieser hielt seine Heyraht nunmehr vor geschlossen/ wahr auch schon bedacht/ wie artig er den Bubazes auffzihen/ und seine eingebildete Liebe ver- hoͤhnen wolte; ging hin/ und foderte die Jungfer mit diesen Worten von seiner Seite auf: Hochaͤdle vertrauete Freundin/ das Durchl. Fraͤulein begehret sie zu sprechen/ und unsere Gluͤkseligkeit zu volzihen/ wie schiele Augen es gleich geben moͤchte. Unsere Gluͤkseligkeit? antwortete sie mit einem zuͤchtigen Lachẽ; ja ich wil gerne hingehen/ uñ meiner Gn. Fraͤu- lein Befehlvernehmen; aber es ist gar zu viel/ daß mein Herr die Muͤhe/ mich zu fodern/ Y y y y y iij auff Vierdes Buch. auff sich nimt/ welches mir von einem Diener haͤtte koͤnnen angedeutet werden; sagete hernach zu Bubazes: Mein Herr Obrister verzeihe mir/ daß ich kurzen Abtrit zu nehmen be fehlichet werde/ und ging mit Bagophanes nicht ohn Gemuͤhts-verwirrung hin. So bald sie ins Gemachtrat/ sagte das Fraͤule in zu ihr: Meine Freundin/ warumb habe ich nicht wissen duͤrffen/ das euer Gluͤk euch so nahe ist/ und ihr mit Herr Bagophanes in ehe- licher versprechung stehet/ welche zuverhindern oder auffzuheben/ ich keines Weges ge- meinet bin. Gnaͤdigstes Fraͤulein/ antwortete sie/ eure Durchl. werden gnaͤdigstes belie- ben tragen/ Herren Bagophanes und mich ein wenig schamroht zu machen/ sonst wuͤste ich mich durchaus nicht zu entsinnen/ daß ich mit demselben mich weiter solte eingelassen haben/ als mit dem Roͤmischen Kaͤyser/ den ich niemahls gesehen; zwar ich gestehe gerne/ daß Herr Bagophanes auff der Reise zur kurzweil sich eines und anders verlauten lassen/ und mir zuerkennen geben/ wie artig er ehmahls mit dem Frauenzimmer schwaͤtzen koͤñen/ welche er auffs Eiß leiten wollen/ welches in ansehung seines Standes ich ihm gerne über- sehen habe/ auch meistenteils unbeantwortet vorbey streichen lassen/ weil mirs umb seine stellung nicht zu tuhn wahr/ und ich seinen Scherz wol verstehen kunte; daß ich aber dem- selben einige Zusage getahn/ oder nur ein Zeichen der Einwilligung/ da es sein Ernst moͤch- te gewesen seyn/ sehen lassen/ wird mir in alle Ewigkeit kein Mensch uͤberbringen; bitte demnach untertaͤhnigst/ eure Durchl. wolle nicht auff mich zuͤrnen/ noch einige Ungewo- genheit mir zulegen/ daß Jungfraͤuliche Scham mich abgehalten/ ihrer Durchl. dessen ichtwas zuvermelden/ und wundert mich hoͤchlich/ wie mein Gn. Fraͤulein dessen inne worden ist. So hoͤre ich wol/ sagte Valiska zu Bagophanes/ ihr habt euch zwar einẽ Zweg vorgestekt/ auch darnach geschossen/ aber ihn beyweitem noch nicht erreicht. Dieser kehrete sich zu Kleofis mit diesen bewaͤglichen Worten; Ach meine hochwerte Freundin/ wie kan ein so steinern Herz in dieser zarten Brust Herberge haben? das mein mbruͤnstiges viel- faͤltiges Ansuchen noch vor eine scherzhafte Verstellung muß außgedeutet werden; erin- nert sich meine herzgeliebete nicht/ mit was teurer Verschwoͤrung ich ihr verheissen/ sie zuꝛ gebietenden Frauen uͤber alle meine Guͤter/ ja uͤber mich selbst zu machen? auch sie nicht zu berühren/ biß unsere Ehe von Koͤnigl. Hocheit selbst gewilliget uñ gut geheissen sey? neh- met bitte ich/ mein ergebenes Herz willig auff/ und beseliget mich mit genehmer Antwort/ sonst werde ich vor meiner Ankunft zu Charas in meinen Begierden verschmachten. Herꝛ Hoffmeister/ antwortete sie/ daß ihr mir wol gewogen seid/ weiß ich euch grossen Dank; eu- er uͤbriges Begehren/ wie ihr wisset/ und ich auff der Reise euch bestendig außgesagt/ ist mir gar nicht annehmlich/ dessen Ursach ich nun mehr zu melden Freyheit habe/ als nehm- lich/ daß ich nicht gesinnet bin/ mich von meinem Gn. Fraͤulein scheiden zu lassen/ sondern derselben gehorsamst auffzuwarten; so habe ich uͤber das ein Geluͤbde getahn/ mit meinem Willen mich nimmermehr an einen Witwer zubefreien/ der aus voriger Ehe Kinder ge- zeuget/ weil dieselben ihren Stiefmuͤttern selten gewogen sind/ und zu vielfaͤltigen Unwil- len Ursach geben; und wann dieses gleich nicht waͤhre/ wisset ihr ja nicht/ ob euer Koͤnig mich euch goͤnnen wolte; muͤsset also dessen bewilligung vor erst suchen/ und hernach umb mich werben; doch koͤnte der Koͤnig so lange bedenkzeit nehmen/ dz ich alt und heßlich druͤ- ber wuͤrde/ und ihr alsdann mein nicht begehretet/ so waͤhre ich armes Kind am aͤrgesten dran. Vierdes Buch. dran. Mein allerschoͤnstes Liebchen/ antwortete er; unser allerseits Gn. Fraͤulein/ wird eures Dienstes euch gnaͤdigerlassen/ woran mir nicht zweifelt; meine Kinder sollen ihr nicht eins ins Gesicht kommen/ sondern von ihrer Mutter Schwester erzogen werden/ uñ wil ich meines allergnaͤdigsten Koͤniges Willen gar leicht erhalten/ wolte auch unsere ver- maͤhlung biß dahin gerne auffschieben/ wann ich nicht zubefahren haͤtte/ es moͤchten mir in zwischen andere einen Stein in den Weg werffen/ und diesen werten Schaz hinreissen/ massen ich schon heut erfahren/ daß mehr Leute sind die Augen haben/ und ungefaͤlscheter Schoͤnheit Urteiler sind. So hoͤre ich wol/ antwortete sie/ ihr eifert schon wieder mich/ und mißgoͤnnet mir/ mit andern zu reden; ey daß wird noch lange nicht mich zu euer Liebe bringen; aber schlaget diese Furcht aus dem Herzen; Kleofis ist so geringer Schoͤnheit/ daß wer sie bey Tage sihet/ ihrer zur Liebe nicht begehren wird; jedoch/ dafern Gluͤk oder Ungluͤk mich euch versehen haͤtte/ als dann koͤnte solches niemand hindern/ dann wer wol- te des Himmels Schluß brechen? Ob gleich weder ihr noch ich einigen verfang absehen koͤnnen. Aber die Goͤtter behüten mich ja/ daß leibliche Kinder meinetwegen ihres Vaters Gegenwart nicht beraubet werden; Und Herr Hoffmeister/ was sol ich mir aus diesem eurem Erbieten gutes veꝛsprechen? muß ich nicht fuͤrchten/ daß nach meinem Tode/ der in wenig Jahren sich zutragen koͤnte/ meine Kinder auch müsten verstossen seyn/ und ihrer kuͤnftigen Stieffmutter weichen? So lasset nun ab/ bitte ich/ mein zubegehren; habet ihr etwa von meinem Gn. Fraͤulein gute vertroͤstung erhalten/ so bin ich auch schon von ihrer Durchl. versichert/ daß sie wieder meinen Willen/ als lange ich gehorsam/ und untertaͤh- nigst- getraͤu verbleibe/ mich aus ihren Diensten nicht verstossen wird. Bagophanes wol- te seine Liebe nicht alle in mit freundlichen Worten/ sondern auch mit buhlerischen Hand- geberden seben lassen/ streckete/ in dem er antworten wolte/ die Hand auß/ sie bey dem Kin- ne zuergreiffen/ ward aber heßlich abgewiesen/ in dem Kleofis zu ihm sagete: Wie stellet ihr euch so unverschaͤmt/ Bagophanes? scheuhet ihr euch nicht vor meiner Gn. Fraͤulein Gegenwart/ muß bey euch trauen sehr wenig hoͤflicher Zucht uͤbrig seyn/ und findet sich an euch der Spruch/ das Alter nicht zur Tohrheit hilft; darumb moͤget ihr wol eures Weges zihen/ und euch versichern/ daß ich mich lieber einem Loͤuen als euch ergeben werde. Bago- phanes erschrak der Rede/ und fragete/ ob sie ihn dann ohn alle Barmherzigkeit toͤdten wolte. Ich werde/ sagte sie/ nicht Hand an euch legen; wann ihr aber nicht leben wollet/ ste- het euch frey/ nach belieben zu handeln; jedoch danket den Goͤttern/ daß ihr das Leben als eine Beute davon traget/ welches ihr durch vielfaͤltige Schmachreden wieder Groß Fuͤrst Herkules/ wie alle Gefangene bezeuͤgen koͤnnen/ zehnfach verwirket; zugeschweigen/ dz ihr meiner Gn. Fraͤulein selbst nicht geschonet habt; aber was haͤlt eure Durchl. (sagte sie zu dem Fraͤulein) sich bey diesem unbescheidenen so lange auff? geliebet derselben wieder nach der Geselschaft zu gehen/ wil ich untertaͤhnigst folgen. Gehet ihr hin/ antwortete Valiska/ demnach ich schon sehe/ daß aus dieser Heyraht nichts werden wird; ich wil bald bey euch seyn. Nach ihrem Hintrit sagte sie zu Bagophanes; also sehet ihr nun mein Freund/ daß euer Ansuchen nicht haften wil/ ungeachtet ich euch gerne bedienet waͤhre; deßwegen loͤ- schet/ bitte ich/ dieses vergebliche Feur/ und waͤhlet euch eine andere/ die mehr Zuneigung zu euch fassen kan; dann was waͤhre euch mit diesem Ungluͤk gedienet/ daß ihr eurer Fein- din Vierdes Buch. din an der Seite schlaffen woltet? euer Koͤnig traͤget so hohe Gnade zu euch/ daß ohn zwei- sel ihr bey demselben eine schoͤnere und freundlichere aus seinem Frauenzimmer leicht er- halten moͤget/ in welchem Garten dieser zierlichen Blumen mehr aufgewachsen sind. Wol- te Gott/ antwortete er/ ich haͤtte vor einer halben Stunde mich so wol begreiffen koͤnnen/ als anjezt/ nicht ein Woͤrtlein solte dieser hartnaͤckigten zu gefallen verlohren seyn. Aber O wie wiꝛd die Unweise sich dereins hinter den Ohren kratzen/ daß sie den ohn Ruhm zu mel- den/ ansehnlichen Bagophanes so liederlich uͤber den Toͤlpel geworffen hat. Bißher hatte Bubazes in einem kleinen Nebenkaͤmmerlein alles angehoͤret/ und gefiel ihm seiner liebsten Erklaͤrung dermassen/ daß er ein volles Genuͤgen daran hatte; Als er nun vernam/ daß er dieses Mitbuhlers bereit loß worden wahr/ verfuͤgete er sich wieder nach der Geselschaft/ da er seine Kleofis bey Herkules sitzen fand/ dem sie erzaͤhlen muste/ was sie von seiner Kraͤ- merin gutes gekauft haͤtte. Als Herkules ihn kom̃en sahe/ rieff er ihn zu sich/ er wolte ihm Raum bey dieser Jungfer machen/ wo ihm sonst damit gedienet waͤhre; welches er mit untertaͤhnigster Danksagung annam/ uñ dabey anzeigete/ ihre Durchl. sein Gn. Fraͤulein haͤtte ihm diese Jungfer zur Ehe versprochen/ baͤhte/ seine Durchl. moͤchte gnaͤdigst ein- willigen/ und sein Beylager befodern. Kleofis fiel ihm in die Rede/ sagend; Herr Obristeꝛ/ er lasse mich zuvor auch drum wissen/ und eile nicht zugeschwinde/ daß ich des heutigen Schreckens zuvor vergessen moͤge. Geliebte Freundin/ sagte Herkules/ darumb daß ihr dieser Schrecken nicht im Schlaffe wieder vorkomme/ und groͤssere unruhe mache/ wird sie gewißlich hinte nicht allein schlaffen muͤssen. Ich bedanke mich der gnaͤdigsten Vorsor- ge/ antwortete sie/ und hoffe diese Nacht schon eine Beyschlaͤfferin zuerbitten. Dieser Muͤ- he bedarff es nicht/ sagte Herkules/ nach dem Obrister Bubazes seine Dienste willig an- beut. Also hatte nun Bagophanes sich seiner Anwerbung begeben/ und das Fraͤulein er- sucht/ ihn unter sicherer Persischer Begleitung alsbald fortgehen zu lassen/ und die Gefan- genen auffzuhalten/ biß er einen guten Vorsprung ihnen würde abgewonnen haben/ damit sie ihn nicht gar erwuͤrgeten. Sie versprach ihm solches nach seinem begehren/ und ging wieder mit ihm nach der Geselschaft/ da er mit mehr kaltem Herzen wieder kam/ als er mit erhitzetem weg gangen wahr; wolte auch weder Kleofis noch Bubazes ansehen/ sondern erwartete schleunigste Abfertigung/ die ihm von dem Fraͤulein verheissen wahr/ welche zu Herkules also anfing: Durchl. Groß Fuͤrst und Oheim; demnach dem Herrn Hoffmei- ster nach seinem Koͤnige sehr verlanget/ er auch mit einer sicheren Begleitung gerne fort- gehen wolte/ bittet er umb gnaͤdigste Abfertigung/ und etwa 20 Reuter zu seinem Schuz biß uͤber die Persischen Grenzen/ welches auff euer Liebe Bewilligung ich ihm zugesagt/ uñ leicht zuer halten gedenke/ weil er mir ohndz als mein Gefangener uͤbergeben ist. Was eure Liebe hierin ordnet/ antwortete er/ sol mir wolgefallen; aber sider ihrem Abwesen habe ich Obristen Bubazes diese Jungfer ehelich versprochen/ und daß sie ihm noch hinte sol beygelegt werden/ zweifele nicht/ eure Liebe werde es nicht tadeln. Kleofis entsetzete sich daꝛ- über/ und gab zur Antwort; Durchl. Groß Fuͤrst/ ich bitte untertaͤhnigst/ diese Scherzrede zu wiederruffen/ welche der Herr Hoffmeister wol im Ernst auffnehmen/ und bey dem Koͤ- nige vor Warheit angeben duͤrffte. Uberdaß ist mein flehentliches Ansuchen/ bey dem H. Hoffmeister zu werben/ daß in ansehung der ihm erteileten Gnade/ er bey seinem Koͤnige erhal- Vierdes Buch. erhalten wolle/ daß meine vaͤterliche Verlassenschaft mir allergnaͤdigst abgefolget werde. Wird Koͤnig Artabanus so hoͤflich/ und Bagophanes so dankbar seyn/ antwortete Her- kules/ wil ich/ an beyden zu ruͤhmen wissen; wo nit; so verspreche ich hiemit meiner Fꝛeun- din vor dieser ehrlichen Geselschaft/ daß ich Gelegenheit suchen wil/ so viel Guͤter aus Parthischem Gebiet ablangen zu lassen/ daß sie wol und gedoppelt sol befriediget werden. Bagophanes taht als hoͤrete er weder eins noch anders/ nam kurzen Abscheid ohn son der- liche Ehrerbietung/ und wolte fortgehen/ da Herkules zu ihm sagete: Hoͤret Bagophanes/ euch sey vor dißmahl alles verzihẽ/ nur hütet euch/ daß ihr hernaͤhst nicht wieder unter mei- ne Haͤnde gerahtet/ es duͤrffte sonst geschehen/ daß ich das Alte mit dem Neuen hervorsu- chete. Valiska winkete ihm/ ohn Antwort fortzugehen/ und sagte zu Herkules: Wie da mein Oheim; koͤnnen eure Liebe sich an eines Esels Grobheit irren? er hats bey seinem Wuͤterich nicht besser gelernet/ darumb koͤñen wir es nicht hoͤher von ihm fodern. Betref- fend aber meiner Jungfer Beylager/ muß freilich dasselbe nicht laͤnger auffgeschoben wer- den/ sondern man sol das Eisen schmieden weil es heiß ist/ es moͤchte ihr sonst zum an dern- mahle ungleich gehen/ massen sie schon jezt von Bagophanes einen redlichen Korb erhal- ten hat; erzaͤhlete hiemit allen Verlauff/ und sagte zum Beschluß: Da sehet ihr nun/ mei- ne Freundin/ wie gefaͤhrlich es sey/ wann man sich zu hart wegert; zwar ich habe so unglei- che Gedanken von Herrn Bubazes nicht/ aber bey Bagophanes waͤhre ich mirs auch nit vermuhten gewesen/ und seid ihr gleichwol im gewissesten/ wann ihr geschlossen habt. Die gute Jungfer sahe/ daß es am Beystande mangelte/ gab fich in ihrer Gn. Fraͤulein Wil- len/ und wolte doch hoffen/ sagete sie/ ihren Liebsten dahin zu bereden/ daß er das Beylager noch etliche Monat auffschoͤbe. Da gebe ich euch uͤber zusammen/ sagete Valiska/ und mag ein jeder sein bestes pruͤfen; aber Herr Bubazes/ damit eure Liebste nicht gar mit leerer Hand zu euch komme/ wird sie euch diesen Abend 10000 Kronen wert Kleinot auff euer Bette legen/ und sollen die gebuͤhrlichen Ehren-Kleider sich gegen die Hochzeit auch schon finden. Also ward diese Heyraht volzogen/ und die Jungfer ihrem Liebesten desselben A- bends zugefuͤhret. Des folgenden Morgens brach Herkules mit den seinen auff nach Per- sepolis/ und muste Bubazes mit seiner Kleofis ihnen Geselschaft leisten/ an dessen Stelle Obrister Bahysthenes zum Befehlichshaber des Staͤdleins eingesetzet ward. Die 1000 befreiete Gefangene musten erst des Abends nach Parthen gehen/ die uͤbrigen alle/ an der Zahl 12400 musten mit nach Persepolis/ und wurden von 3000 Reuiern begleitet/ da sie dann in guter Sicherheit und moͤglicher Eile fortgingen. Ladisla lebete diese Zeit uͤber wegen seines lieben Herkules in grosser Furcht/ und weil er so gar keine Zeitung von ihm hatte/ dauchte ihn die Zeit sehr lange/ ungeachtet der guten Geselschaft/ die er an Artaxerxes/ Arbianes uñ Pharnabazus hatte; bald fürchtete er sich/ es moͤchte Herkules erkennet werden; bald gedachte er/ die gar zuheftige Liebe wuͤrde ihn verblenden/ daß er sein Vorhaben nicht kluͤglich gnug anfinge/ und gereuete ihn sehr/ daß er den Außfoderungs-Brieff an Artabanus nicht etwas hinterhalten hatte; und ob er gleich an seinen Wunden bald genaß/ wahr er doch immerzu schwermuͤtig; dessen Arta- xerxes wol wahr nam/ und allerhand Mittel suchete/ ihn zuergetzen/ aber alles vergebens; Ursach/ er hatte seine Seele nicht bey sich/ sondern sie Herkules nachgeschicket/ daher er Z z z z z auff Vierdes Buch. auff Artaxerxes Nachfrage/ was er vor ein traur-bringendes Anliegen haͤtte/ einsmahls also antwortete: Eure Liebe wolle sich meiner schwermühtigen Gedanken nicht wundern/ welche nirgend als von der Abwesenheit meines geliebten Herkules herrühren; dann er/ ja einig er/ ist die Seele meines Leibes/ und die Froͤligkeit meiner Seele; daß mir demnach unmoͤglich ist/ ohn ihn vergnuͤget zuseyn/ so wenig der Leib ohne Seele leben kan; dessen a- ber eure Liebe sich nicht verwundern/ noch es vor eine toͤrichte Einbildung halten wolle/ an- gesehen von dem ersten Tage unser Kundschafft her/ ich meine Eltern/ Schwester und Va- terland verlassen/ uñ an ihn mich gehalten habe. Ich muß gestehen/ antwortete Artaxerxes/ dz mir vertraulichere Freunde/ als sie/ niemahls vorkommen/ die doch nicht minder in der Taht sich zuehren als zu lieben bemuͤhet sind; und moͤchte ich gerne wissen/ ob sie dann von Kindesbeinen auff ihre Freundschafft gefuͤhret/ oder doch ohngefehr an einander gerahten sind. Dieses/ sagte Ladisla/ wird kein Mensch besser/ als ich selbst/ Euer Liebe erzaͤhlen koͤñen/ wann dieselbe es anzuhoͤren/ Beliebung traͤget; wobey ich mich doch bedinge/ daß dieselbe ja nicht solche Worte von mir erwarte/ welche die voͤllige Brunst meiner Zuneigungen gegen meinen Herkules recht ausdruͤcken solten. Ich wahr im Eilfften Jahr meines Al- ters/ als mein Herr Vater hoͤchstseel. Andenkens/ den Groß Fuͤrsten in Teutschland/ mei- ner Fr. Mutter Bruder besuchete/ und mich als einen einigen lieben Sohn mit sich nam; Als wir bey ihm anlangeten/ ließ er seinen groͤsseren Sohn/ meinen lieben Herkules/ aus der Schuele fodern/ welcher damahls sieben Jahr und drey Monat (so eigen weiß ichs) alt wahr. Er kam frisch daher gelauffen/ die Aeugelein blinzeten ihm wie helle Strahlen/ und die Goldgelben Haarlocken von sich selbst gekraͤuset/ flogen ihm uͤber den Achseln/ als haͤtte der Wind sein sonderliches Liebespiel mit ihnen getrieben; sein Antliz wahr als eines geschnizten Engelchen/ und des ganzen Leibes Geschikligkeit nach allem Wunsch. Seine Fr. Mutter hatte ihn in Pfirsichbluͤte Taffet gar duͤnne gekleidet/ weil es heisser Sommer wahr/ daher man die Artigkeitseiner zarten Glieder eigentlich erkennen kunte. Wir sahen durchs Fenster ihn auff dem innersten Schloßplatze daher springen/ und lief ihm ein gros- ser Jagt Hund zur Seiten/ und sein Leibknabe hinten her. Wie er ins Gemach trat/ zog er sein schwarzes Huͤtchẽ mit der weissen Feder sehr hoͤflich abe/ mit geschiklicher Verschren- kung des Leibes/ daß seine Ehrerbietigkeit wol zuspuͤren wahr/ trat gegen seinen Herr Va- ter/ und fragte mit lieblichen Geberden/ wer der ansehnliche fremde Fürst waͤre. Der Groß- Fuͤrst lachete anfangs/ ohn zweifel vor Freuden/ und antwortete ihm: Ich sehe wol/ du wilt zuvor die Leute kennen/ ehe du sie gebuͤhrlich empfaͤhest; es ist dein Herr Vetter/ der Groß- maͤchtigste Koͤnig aus Boͤhmen/ und dieser der junge Boͤhmische Herr. So bald er die- ses hoͤrete/ setzete er sich vor meinem Herr Vater auff die Knie/ und kuͤssete ihm die Haͤnde/ stund bald wieder auff/ und sagte mit eben so unerschrockenem als freundlichem Angesicht (ja mich deucht/ daß ich die suͤsse Stimme noch in meinẽ Ohren schallen hoͤre) Großmaͤch- tigster Unuͤberwindlicher Koͤnig/ gnaͤdigster Herr Vetter; Eure Koͤnigl. Hocheit muß bey uns sehr wilkommen seyn/ als dessen Angesicht zusehen/ ich mir etliche Zeit gewuͤnschet/ dann von Ihrer Hocheit hoffe ich dereins den Ritter-Orden zuempfahen/ wann ich des- sen werde faͤhig seyn koͤnnen. Mein Herr Vater sahe ihn mit Verwunderung an/ und ant- wortete ihm: Herzgeliebetes Soͤhnichen/ ich erfreue mich deiner vernuͤnfftigen Herzhaff- tigkeit Vierdes Buch. tigkeit und zierlichen Sitten/ und dafern die Goͤtter biß dahin mich fristen/ werde ich nie kei- nem das Schwert mit freudigerm Herzen angeguͤrtet haben. Unter dieser Rede sahe ich ihn/ und er mich/ inbrünstig an/ biß mein Herr Vater gegen ihn weiter also fortfuhr. Sihe da mein Soͤhnichen Herkules/ hier habe ich dir meinen Sohn Ladisla zugefuͤhret/ Freund- schafft mit ihm zumachen/ hoffe/ er werde auch nit gar aus der Art seiner Vorfahren schla- gen. Darauff trat er zu mir/ umsing mich/ und sagete: Herzlieber Oheim und Bruder/ es erfreuet mich sehr/ dz ich euch als meinen getraͤuen Gesellen bey mir haben sol/ moͤchte wuͤn- schen/ daß bey eurem Herr Vater meinem gnaͤdigsten Koͤnige ich erhalten koͤnte/ daß wir biß an unser rittermaͤssiges Alter mit einander den Buͤchern fleissig obliegen/ uñ im schies- sen und andern zulaͤssigen Spielen uns uͤben solten/ dafern euch meine Geselschafft als ei- nes jüngeren nicht zuwider waͤhre. Ich muß bekennen/ daß durch seine Schoͤnheit ich als- bald mich dergestalt gegen ihn verliebet befand/ daß ich nicht wuste/ was ich ihm zur Ant- wort gab; aber das weiß ich wol/ daß unsern Eltern/ insonderheit seineꝛ Fr. Mutter die Au- gen voll Traͤhnen stunden/ da sie ansahen/ wie wir einer von dem andern kein Auge abwen- den kunten/ und das umfahen zum fuͤnfften mahl wiederhohleten/ biß ein Teutscher Pfaffe darzu kam/ welcher uns beydẽ ersehend/ sagete: O diese junge Herren/ Durchl. Großfuͤrst/ werden gar zu fruͤh zusammen gebracht/ doch hats nach des Gestirns anzeige nicht wol an- ders seyn koͤnnen; und zwar sie sind nun beysammen/ aber Farbe wird es kosten/ wer diese verknuͤpffete und verwickelte Herzen scheiden sol. Und warumb solten sie geschieden wer- den/ sagte mein Herr Vater/ nachdem sie inkünfftig/ da sie leben sollen/ ihre Reiche nit besser als durch Einigkeit schuͤtzen koͤnnen? Der Pfaffe wolte hierauff nicht Antwort geben/ so achtete es auch keiner groß/ dann alle anwesende gaben acht auff uns beyde/ wie wir uns einander von oben an biß unten aus beschaueten/ biß Herkules von seinem Herr Vater ur- laub baht/ daß wir hingehen/ und uns im schiessen uͤben moͤchten; da wir alsbald unsere kindische Erfahrung sehen liessen/ doch also/ daß keiner den andern beschimpffen/ oder ihm etwas zuvor tuhn wolte; wiewol/ die Warheit zugestehen/ er mir schon überlegen war/ des- sen ich mich nicht wenig schaͤmete. Als die Zeit wahr/ schlaffen zugehen/ fragete ich meinen Herkules/ ob wir unsere Ruhstaͤte auch weit von ein ander haben wuͤrden/ gab ihm auch zu vernehmen/ dafern es ihm nicht zu wider/ moͤchte ich gerne bey ihm schlaffen; welches eine Zohf Jungfer hoͤrend/ der Groß Fuͤrstin es anmeldete/ die uns beyde zu sich foderte/ und mit Leutseligkeit sagete: Weil wir des Tages uͤber so gute Bruͤderschafft gemacht haͤtten/ soltẽ wir die Nacht auch bey einander ruhen; welches mir eine angenehme Zeitung wahr/ da- vor ich mich untertaͤhnigst bedankete. Die acht Tage wir nun dazumahl beyeinander wahren/ daͤuchten uns nicht so viel Stunden lang seyn/ und hatte ich meinem Herkules mich dermassen ergeben/ daß wie mein Herr Vater/ da er auffsitzen wolte/ zu mir sagete/ es wuͤrde schier Zeit seyn/ Prage wieder zusuchen/ mir die Angst Traͤhnen aus den Augen heꝛ- vor drungen; Zwar mein Herkules hielt mit mir bey meinem Herr Vater fleissig an/ mich eine zeitlang bey ihm zulassen/ wie die Groß Fuͤrstin imgleichen/ nach dem sie unsere innig- liche Traurigkeit sahe; aber mein Herr Vater gab ihr zur Antwort: Fr. Schwester/ ich habe meinen Sohn auch lieb/ und sehe ihn gerne vor mir/ ungeachtet ich wol weiß/ daß er alhie so wol/ als bey mir zu Hause waͤhre. Zu Herkules aber sagte er: Geliebter Sohn/ jezt Z z z z z ij muß Vierdes Buch. muß mein Sohn Ladisla wieder mit mir zihen/ wann wir aber wieder kommen/ wollen wir ein ganzes Jahr hieselbst verharren. Ja wie bald geschihet solches/ aller gnaͤdigster Koͤnig? antwortet er; so ist mir auch das ganze Jahr zu verdaͤchtig/ nachdem Ihre Hocheit diß mal so schleunig hinweg eilet/ noch ehe mit meinem herzlieben Bruder Ladisla ich rechte Kund- schafft treffen moͤgen. Aber da halff alles nichts; ich muste auff die Gutsche mich setzen/ so bald ich einen kurzen Abscheid von Herkules mit so verwirretem Gemüht genommen hat- te/ daß ich vergaß ihn zuumfangen; wie dann nicht geringere Verenderung ich an ihm gleichfals spürete. Auff der Reise taht ich nichts als seuffzen/ ungeachtet mein Herr Vater mich hart straffete/ so kunte er mich doch darzu nicht bewågen/ daß ich ihm gehorchet/ und einen freyen Sinn angenommen haͤtte; ja weder essen noch trinken wolte mir schmaͤcken/ schlieff auch des Nachtes sehr wenig/ da ich im Schlaffe nur stets meinen Herkules rief/ daher ich/ wie wir zu Prag anlangeten/ schon so schwach und bleich wahr/ daß meine Frau Mutter sich daruͤber entsetzete/ und nach meinem Gebrechen fragete/ welches aber so wenig ich/ als mein Herr Vater ihr sagen wolte. Nun hatte ich mir gaͤnzlich vorgenommen zu sterben/ weil mir unmoͤglich wahr/ mein hefftiges Verlangen nach Herkules zuertragen/ ward auch in wenig Tagen so matt/ daß ich nicht gehen kunte/ sondern stets zu Bette ligen muste. Meine Waͤrterin hatte/ wann ich eingeschlummert wahr/ gehorchet/ daß ich unter den seuffzen den Nahmen Herkules offt genennet/ zeigete es meiner Fr. Mutter an/ und sa- gete: Dafern mir nicht beyzeiten Raht geschaffet wuͤrde/ koͤnte ichs nicht lange treiben. Also ward der Arzt zu mir gefuͤhret/ dessen Gegenwart mir nicht angenehm wahr/ inson- derheit/ da er nach Begreiffung der Schlag Adern und Herzklopffens auch mein Wasser besahe/ mich fast eine Stunde lang betrachtete/ und endlich zu meiner Fr. Mutter sagete; es waͤhre keine Krankheit/ die durch Kraͤuter oder andere leibliche Arzney koͤnte vertrieben werden/ sintemahl alles uͤbel des zarten Leibes einig und allein von der Unruhe des Gemuͤ- tes verursachet wuͤrde; muͤste demnach ohn zweisel in kurzer Zeit vergehen/ dafern mir nit Hoffnung zur Erlangung meines inniglichen begehrens gemacht wuͤrde. Darauff kam gegen Abend mein Herr Vater zu mir/ fragend/ ob ich nicht schier wieder gesund werden wolte/ inwendig neun Tagen muͤste er nohtwendiger Geschaͤffte halber nach dem Groß- Fuͤrsten reisen/ wohin er mich mitnehmen wolte. Dieses wahr meine rechte Arzney; ich fo- derte Speise und Trank/ und ging des vierden Tages/ als fehlete mir nichts/ ohn daß die Mattigkeit mir in den Knochen lag. Als der neunde Tag herbey kam/ und ich keine Zube- reitung zur Reise sahe/ erkundigte ich mich bey den Trabanten uñ Gutscher/ wie bald mein Herr Vater nach Teutschland wuͤrde; bekam aber zur Antwort: man waͤhre kaum wie- der zu Hause angelanget; ob ich meynete/ dz man alle Wochen um einander nach Teutsch- land reisen wuͤrde? dessen bey meiner Frau Mutter ich mich beschwerete/ vorwendend/ die Knechte und Diener hielten mich so geringe/ daß sie mich keiner warhafften Antwort wir- digten/ welches ihnen zu seiner Zeitsolte eingebracht werden; Worauff sie zur Antwort gab: den Dienern waͤhre solches unbewust/ und uͤbeꝛdas die Reise wegen anderer Geschaͤf- te auffgeschoben/ muͤste demnach mich gedulden/ biß es meinem Herꝛ Vater wuͤrde gelegen seyn. Je warumb nicht? antwortete ich; und warumb solte mein Herr Vater meinet we- gen früher oder spaͤter reisen? Aber damit ging die erste abgelegte Traurigkeit von neuen wieder Vierdes Buch. wieder an; alle Lust zur Speise verschwand mir; schlaffen kunte ich nicht/ und wahr doch einem schlaͤfferigen Tag und Nacht aͤhnlich; kurz davon zureden; des sechsten Tages fiel ich in ein hitziges Fieber/ daß die Aerzte an mir verzageten/ und meine Fr. Mutter mich mit traͤhnenden Augen fragete/ warumb ich durch Traurigkeit mich selbst toͤdten wolte/ und ob ich meiner Eltern so gar uͤberdruͤssig waͤhre? Davor behuͤten mich die Goͤtter/ antwortete ich; und wie kan ich der Krankheit oder dem Tode wehren? Aber O mein Hẽrkules/ mein Bruͤderchen/ moͤchte ich dich nur noch ein mahl vor meinem Tode sehen! doch ich bin ge- wiß/ meine Seele wird nirgends als bey dir seyn/ so bald sie nur den Leib erst wird verlassen haben. Auff solche Rede fiel sie ohmaͤchtig auff mein Bette/ und nachdem sie sich wieder erhohlet/ ging sie hin zu meinem H. Vater/ welchen sie mit vielem weinen und bitten bewo- gen hatte/ mich/ so bald ich gesund seyn wuͤrde/ in Teutschland zusenden/ brachte mir auch die hocherfreuliche Zeitung/ die Reise solte nicht laͤnger als biß auff meine Gesundheit ver- schoben werden. Aber der Glaube wahr mir benommen/ und antwortete ich: Herzaller- liebste Fr. Mutter/ fpeiset mich nur nicht mehr mit falscher Hoffnung; ich befinde mich nunmehr so weit abgemattet/ daß meine Seele meinem Willen bald gnuͤge tuhn wird; ist dann/ daß ihr mich liebet/ so nehmet meinen/ ach ja/ meinen allerliebsten Herkules vor euren Sohn und kuͤnfftigen Erben dieses Koͤnigreichs an/ alsdann wird er meine Seele wieder mit sich herfuͤhren/ und als lange er lebet/ koͤnnet ihr keinen bessern und wirdigern Sohn finden noch wuͤnschen; daß ihr mich aber von ihm getrennet habt/ ist die einige ursach mei- nes herzu nahenden Todes. Mein Herzen-Kind/ antwoꝛtete sie mit heissen Traͤhnen/ schla- ge solche Todesgedanken aus dem Sinne/ dann ich beteure es bey mütterlicher Traͤue/ daß so bald du wirst gesund seyn/ ich selbst dich nach deinem Herkules bringen wil. Es waͤhre alles gut/ sagte ich/ aber es ist meines erachtens schon zu lange geharret. Wie ich dann in Warheit kaum so viel Kraͤfte/ diese Worte auszusprechen/ bey mir befand/ und mich etwas erhohlen muste/ da inzwischen meine Fr. Mutter sich uͤbel hielt/ und ich endlich baht/ mich krank hinfuͤhren zulassen/ ob vielleicht meines Herkules kraͤfftige Augelein mich wieder ge- sund machen wuͤrden. Der Arzt kam gleich darzu/ hoͤrete diese Worte/ und sagte: Ja Ih- re Hocheit versichern sich/ daß das Herrlein das beste Mittel vorschlaͤget/ dann auff andeꝛe weise wird er in Warheit nicht genesen/ als lange sein Gemuͤht den steiff-eingebildeten be- gierden nachhaͤnget. Dieses schaffete so viel/ daß mir alsbald eine Saͤnffte bereitet ward/ und meine Fr. Mutter mich nach meinem Herkules brachte/ da ich zwar auff der Reise nicht staͤrker/ aber auch nicht schwaͤcher ward; empfand dannoch eine sonderliche Erquic- kung/ wann meine Fr. Mutter mich umb Herkules Sitten und Gestalt (den sie in fuͤnff Jahren nicht gesehen) befragete; da ich alle Kraͤffte zusammen ruffte/ ihr nach kindischem Vermoͤgen solches zubeantworten. Unsere Ankunfft wahr dem Groß Fuͤrten f fremde/ und doch sehr angenehm/ und ward mein Herkules alsbald zu mir vor die Saͤnffte gefo- dert/ welcher/ da ihm meine Schwacheit zu wissen getahn ward/ mit weinenden Angen zu mir gelauffen kam/ herzete und kuͤssete mich inniglich/ und sagte: O mein allerliebstes Bruͤ- derchen/ wiltu dann deinen Herkules durch deinen Tod des Lebens zugleich mit berauben? lieber erhohle dich/ und mache meine Hoffnung nicht zu Wasser/ welche mich bißher festig- lich versicherthat/ wir wolten dereins durch Zusammensetzung unser Waffen/ Ehr und Z z z z z iij Ruhm Vierdes Buch. Ruhmerwerben/ und du woltest uns beyde in diesen Jahren schon sterben machen? Ach du mein allerliebstes Seelichen/ antwortete ich/ warumb klagestu mich solcher Grausam- keit an/ da ich ja nichts mehr suchen wolte/ als vor dich zusterben/ weil mir ein suͤsser und angenehmer Tod nicht begegnen moͤchte. Unsere Muͤttere hoͤreten diesen Reden zu/ und weineten so uͤberlaut/ daß der Groß Fuͤrst herzu lief/ und nicht anders waͤhnete/ ich wuͤrde schon verschieden seyn; als sie ihm aber unser beyder beginnen zeigeten (dann bald kuͤssetẽ/ bald troͤsteten/ bald drücketen wir uns) wendete er sich mit halbnassen Augen umb/ und kunte vor Mitleiden nicht mehr zusehen. Endlich sagete die Groß Fuͤrstin zu mir: Herz- lieber Sohn Ladisla/ biß du unbetruͤbet/ du solt forthin bey deinem Herkules bleiben/ das verspreche ich dir ohn alle Falscheit. Auff welche Rede mich nicht anders gedauchte/ als krauete mir die Haut auff dem Haͤupte/ und zoͤge sichs über meinen ganzen Leib/ als ein naßfroͤstiges Tuch/ welches mir zwischen Haut und Fleisch ein angenehmes kitzein- des schauren verursachete/ daher mir eine Kühlung in allen meinen Gliedern und Blut- Adern erwecket ward/ und antwortete ich der Groß Fuͤrstin; Gn. Fr. Mutter/ wolte Gott/ mein H. Vater moͤchte in ihr gnaͤdiges Erbieten einwilligen/ als dann wuͤrde ich ohn zwei- fel bald genesen. Liebes Kind/ sagte meine Fr. Mutter; davor wil ich dir Buͤrge werden/ und hast hieran im geringsten nicht zuzweiffeln. Herkules hatte bißdaher mein er Fr. Mut- ter nicht wahr genommen/ auch sie zuvor niemahls gekennet/ setzete sich deßwegen alsbald vor ihr nider auff die Knie/ kuͤssete ihr die Haͤnde/ und wolte seine Entschuldigung tuhn; aber meine Fr. Mutter hub ihn auff/ und kuͤssete ihn wol zehnmahl aneinander; Ach mein allerliebstes Engelchen/ sagte sie/ deucht mich doch nicht anders/ ich sehe meiner kleinẽ Va- lisken Ebenbild vor mir; mein trauten Schaz/ ich wundere mich nicht groß/ daß mein La- disla sich dermassen in dich verliebet hat/ angesehen/ mirs fast nicht viel anders gehen duͤrf- te. Großmaͤchtigste Fr. Koͤnigin und Mutter/ autwortete er; ich bitte demuͤhtigst umb verzeihung der von mir begangenen Grobheit/ daß ihrer Hocheit ich nicht bald anfangs die Haͤnde gekuͤsset/ wovon mich nichts/ als vor erst die Unwissenheit/ dann auch meines herzlieben Bruders Ladisla Schwacheit abgehalten hat. Mein allerliebstes Soͤhnichen/ sagte sie/ nicht bitte dessen einige Verzeihung/ nur laß dir angelegen seyn/ daß dein Bruder Ladisla bald wieder gesund werden moͤge/ damit wir ihn nicht gar verlierẽ. Sie ging auch mit ihm an meine Saͤnfte/ und fragete/ wie ich mich befuͤnde; ich sagete/ sehr wol/ wann ich nur ein wenig schlaffen moͤchte. Gleich kam ein Teutscher Pfaffe darzu/ welcher des Groß Fürsten Leib Arzt wahr/ und meine Schlag Adern begrieff/ auch nach meinen gefuͤh- reten bezeigungen fragete; sagte hernach zu dem Groß Fuͤrsten; Gn. Herr/ hier bedarffs meiner Kunst gar nicht/ unser junges Herrlein ist bey diesem Kranken der allerbewehrteste Arzt/ und werden wir in wenig Tagen besserung sehen/ dañ es hat sich die Krankheit schon gebrochen/ und bestehet in heilsamer Wandelung; riet auch daß mir Ruhe gegoͤnnet wuͤr- de/ daher ward ich auff ein schlaff Gemach gebracht/ weil es ohndaß schon Abend wahr/ und ich die ganze Nacht sehr wol ruhete/ bekam folgends guten Lust zur Speise/ und nam an Kraͤften schleunig zu/ daß am sechsten Tage nach meiner Ankunft ich mich in die Klei- der machete/ wiewol mir die Schwacheit wol vier Wochen anlag/ und ich in solcher Zeit in die Luft nicht gehen/ noch meinen Leib stark bewaͤgen durfte. Drey Tage vor meiner An- kunfft Vierdes Buch. kunft hatte Herkules ohn vorwissen seiner Eltern ein Schreiben an meinen H. Vater/ durch hülffe eines Stalknechtes abgeschicket/ und in demselben instendig begehret/ mich wieder zu ihm kommen zu lassen/ damit wir fleissig miteinander in der Jugend die Spra- chen lernen/ und in kindlichen Waffen uns uͤben moͤchten/ und wir nachgehends zur Rit- terschaft desto fertiger uñ geschikter waͤhren/ welches ihm dañ mein H. Vater mit freund- licher Antwort bey eigenem Bohten einwilligte/ noch ehe ich wieder außgehen durfte/ er mir auch solches bald zeigete/ und sich mit mir froͤlich stellete/ weil wir nunmehr schriftli- che Versicherung/ die kein Koͤnig braͤche (wie er aus kindlicher Einfalt pochete) in Faͤu- sten haͤtten. Aber mein Herr Bruder/ sagte hieselbst Ladisla zu Artaxerxes; was gedenket doch wol eure Liebe/ daß dieselbe ich durch Erzaͤhlung solcher kindischen Possen so gar be- schwerlich bin. Durchaus nicht beschwerlich/ mein Herr Bruder/ antwortete er/ sondern ich beteure bey meinen Ehren/ daß ich nie angenehmere Erzaͤhlung mit meinen Ohren an- gehoͤret/ und bitte sehr/ eure Liebe wolle die Muͤhe nehmen/ das uͤbrige vollend mit allen umbstaͤnden hinzuzutuhn. Ist solches euer Liebe behaͤglich/ sagte er/ wil ich gerne fortfahrẽ/ wie daß meine Fr. Mutter/ nachdem ich die voͤllige Gesundheit erlanget/ sich zur Heimrei- se wieder fertig machete/ und mich fragete/ ob ich nun meinen Willen vergnuͤget haͤtte/ uñ wieder mit nach Prage wolte; welches mir nicht anders/ als ein Donnerschlag im Her- zen wahr/ so daß ich Muht und Farbeverlohr/ welches doch nicht lange wehrete/ weil ich den Scherz daher abnam/ daß sie alsbald Herkules Lehrmeister/ einen gefangenen Roͤmer/ zwar jung/ aber sehr geschikt/ vor sich foderte/ und ihm 100 Kronen schenkete/ mich neben Herkules in Lateinischer und Griechscher Sprache fleissig zu unterweisen/ versprach ihm dabey jaͤhrlichen Sold 400 Kronen/ und/ welches ihm das liebeste wahr/ kuͤnftige Befo- derung seiner ehmaligen Freyheit. Da wurden wir nun sehr wol angefuͤhret/ weil wir ein- ander mit reizungen zum Fleiß auffmunterten/ und pflag mein Herkules schon dazumahl dieses vor sein Sprichwort zugebrauchen: Disce puer, juvenis quod agas, namque ante senectam Dura tibi nunquam concedunt fata quietem. Lern in der Kindheit/ was du Juͤngling must versehen/ Dann vor dem Alter laͤst Gott keinen muͤssig gehen. Daher er dann zum offtern mich vermahnete/ wir wolten fleissig seyn/ damit wir bey- zeiten die Buͤcher hinlegen/ und die Waffen zur Hand nehmen koͤnten. In was Einigkeit nun wir unsere kindlichen Jahre zubrachten/ waͤhre weitlaͤuftig zuerzaͤhlen/ dabey ich doch unvergessen lasse/ daß ich zuzeiten mit ihm eiferte/ wann ohn mein vorwissen er sich in Ge- fahr wagete/ und den grimmigen Woͤlffen nachstellete. Setzete ich ihn dann darüber zu- rede/ warumb er mich dahinten gelassen/ und ob er meinete/ daß ich so viel Herzens nicht haͤtte/ ein gleiches mit ihm zu wagen/ gab er mir zur Antwort: Ja mein lieber Bruder/ meinestu/ ich koͤnte uͤber mein Herz bringen/ dich in solcher Gefahr zu sehen? mich betref- fend/ setzete er wol hinzu/ bin ich daher versichert/ weil alle Sternseher und Zeichendeuter mir ein langes Leben zulegen/ in welchem ich/ sonderlich in der Jugend/ viel Mühe und Ar- beit auf ehen solle/ daher besuͤrchte ich mich nicht/ daß mich die Woͤlffe zu reissen werden. Artaxerxes kunte sich nicht enthalten zu fragen/ ob dann in der ersten Jugend er schon so graͤuliche Tihre haͤtte bestehen duͤrffen. Ja/ sagte Ladisla/ solte euer Liebe ich solches alles berich- Vierdes Buch. berichten/ muͤste ich lange Zeit haben; ehe und bevor ich ihn jemahls gesehen/ hatte er schon einen ungeheuren grossen Wolff belauret/ und ihn schlaffend mit seinem Kinderdegen/ den er ihm in den Rachen gestossen/ umbracht. O wie offt wuͤnschete er/ da er kaum von 13 Jahren wahr/ daß es Loͤuen und Baͤhren in Teutschland geben moͤchte/ auff daß er sie nicht alle in kennen lernete/ sondern sich auch an ihnen versuchen koͤnte. Er wahr so gluͤkselig in alle seinem Vornehmen/ daß ihm nichts mißlung; und die Warheit zu sagen/ uͤberlegete er zuvor alles sehr vernuͤnfftig/ und verrichtete hernach was beschlossen wahr/ mit sonder- licher Eilfertigkeit/ pflegete auch zu sagen: Wol bedacht und furchtsam verrichtet/ ist schelt wir- diger/ als eine unbesonnene frische Taht; dann dieses geraͤht offters/ jenes nimmermehr. Neben die- ser seiner Herzhaftigkeit aber wahr er so Gottfuͤrchtig und tugendhaft/ daß er weder flu- chen noch Spotreden von Goͤttern hoͤren wolte. Keine Uppig-noch Leichtfertigkeit habe ich Zeit meines Lebens an ihm gespuͤret/ halte auch/ daß wann meine Frl. Schwester nicht in der Welt waͤhre/ wuͤrde er sich von aller Weiber-Liebe abgehalten haben. Der Unzucht ist er spinne feind/ daß er auch mit denen/ die deßwegen beruͤchtiget/ nie umbgehen/ noch ge- meinschaft haben wollen. Als er von 15 Jahren/ und schon zimlicher Leibesstaͤrke wahr/ dz man ihn vor achzehn jaͤhrig haͤtte halten moͤgen/ ritte ich mit ihm durch einen lustigen Wald/ in welchen wir den Fuͤchsen und Hasen auffzulauren pflegeten; da wir nun den ver- borgensten Wegen nachjageten/ und von ferne einer zwangleidenden Dirnen Geschrey hoͤreten/ jedoch nicht eigentlich wusten/ was Gewalt ihr angelegt wuͤrde/ uͤbergaben wir unsere Pferde den mitlauffenden Leibdienern/ folgeten der Stimme zu Fusse durch Puͤ- sche und Hecken nach/ biß wir eines vornehmen wolbekanten teutschen Herꝛn gewahr wur- den/ der mit einem jungen wolgestalten/ doch armselig bekleideten Bauren Maͤgdlein be- muͤhet wahr/ sie zu seinem unkeuschen Willen zu uͤberwaͤltigen/ dem sie zwar nach aͤusser- stem Vermoͤgen wiederstund/ aber gleich an dem wahr/ daß sie haͤtte erliegen muͤssen/ weil der Gewalttaͤhter seinen beyden reisigen Knechten hinzu geruffen/ und sie aller Kleider hatte berauben lassen. Herkules bekam sie ehe ins Gesicht als ich/ sprang mit entbloͤssetem Degen hinzu/ und fragete den Vergewaltiger/ ob ihm gebuͤhrete dergleichen Boßheit zu veruͤben. Seine Knechte/ die uns beyde kenneten/ flohen davon/ ihr Herr aber fing mit ei- ner leichtsinnigen Entschuldigung an/ es waͤhre seines Untertahnen/ und eines Bauren Tochter/ moͤchte demnach ihre Fuͤrstl. Gn. sich daran nicht aͤrgern. Herkules kunte ihm solchen Frevel nicht zu gute halten/ und sagete: O ihr verwaͤgener Ritter/ habt ihr so ge- schworen/ Jungfraͤuliche und alle Weibliche Ehre nach vermoͤgen zu schuͤtzen? sahe ihn mit feurigen Augen an/ und ging mit dem Schwerte auff ihn loß. Dieser zuͤckete seyn Ge- wehr/ sich zu schuͤtzen/ und baht/ ihre Gn. moͤchten einhalten/ und ihm nicht Ursach geben/ einige Nohtwehre zu tuhn/ dessen er gerne geuͤbriget seyn wolte; wodurch Herkules noch mehr erbittert/ ihm sein bestes zu pruͤfen befahl/ und nam einen rechtmaͤssigen Kampff mit ihm an; dessen ich mich nicht wenig entsetzete/ mich auch bemühete/ ihn davon abzuhalten; aber ehe ich michs veꝛsahe/ hatte er seinem Gegeneꝛ schon eine Wunde in den rechten Elen- bogen geschlagen/ daß er das Schwert fallen ließ/ und in Ohmacht nidersank/ da er ihm vollend den Kopf herunter schlug/ und selben dem Maͤgdlein/ welches nacket auff der Er- den saß/ ein haͤndigte/ warf ihr hernach des erschlagenen Reitrok uͤber/ und hieß sie mit dem Kopfe Vierdes Buch. Kopfe nachfolgen; jedoch hatte Herkules auch einen Schramhieb uͤber den rechten Arm bekommen/ woraus gar wenig Blut floß/ welches er mit dem Finger abwischete/ und in die hoͤhe mit diesen Worten gen Himmel warf; Ihr Goͤtter schützet mein Blut/ so lange ich das Unkeusche zuvergiessen geneigt bin; solte ich aber zu gleicher Untugend mich verleiten lassen/ alsdann zuschmettert mit eurem Donner alles was an mir ist. Wir eileten wieder nach unsern Pferden/ setzeten uns auff/ uñ lieffen das Maͤgdlein mit dem Haͤupte/ welches sie offenbahr tragen muste/ allernaͤhest hinter uns her folgen. Alle die uns begegneten ken- neten dasselbe/ und entsetzeten sich/ und da wir vor dem Groß Fuͤrstlichen Schlosse an- langeten/ da der Groß Fuͤrst mit seinem Gemahl und vornehmsten Hofleuten sich im gruͤ- nen erlustigte/ stieg Herkules vom Pferde/ hieß das Maͤgdlein folgen/ trat vor seinen H. Vater/ und redete ihn also an: Gnaͤdigster Herr und Vater/ wann die maͤchtigen Goͤtter Land und Leute straffen/ geschihet solches wegen der Inwohner Boßheit und Untahten/ welche von der Erde schreihen und des Himmels Ungnade uͤber schuldige und unschuldi- ge zu gleich erwecken; solches Verderben aber abzuwenden/ laͤsset die Obrigkeit ihr billich angelegen seyn. Nun ist leider der verfluchte Wahn bey etlichẽ eingerissen/ die sich ihres a- delichen Gebluͤts durch stolzen Pracht ihrer Schild uñ Helme beruͤhmen/ daß sie meinen es stehe ihnen frey/ der armen ihnen untergebenen Bauren Toͤchter nach Willen zumiß- brauchen/ welches doch eine so unverantwortliche Schande ist/ die allein gnug waͤhre/ sie aller ihrer Freyheiten und begnadigungen zu berauben; dann eben hiedurch reizen sie der teuschen Goͤtter und des reinen unbeflekten Himmels Zorn wieder uns. Sehet mein H. Vater/ einen solchen Schandbuben habe ich ohngefehr in einem Lustwalde angetroffen/ welcher diese unschuldige Tochter gewaltsam zu schaͤnden/ mit zween starken Knechten in bemuͤhung wahr/ und nur bloß der Goͤtter Barmherzigkeit ihre Ehre bewahret hat; den- selben habe ich aus rechtmaͤssigem Eifer zu Rede gestellet/ und da er nur seine wolzugelas- sene Macht vorschuͤtzete/ ihm im gleichen Kampfe vor freier Faust den Lohn seiner Boß- heit durch der Goͤtter Huͤlffe erteilet/ nicht zweifelnd/ mein gnaͤdiger Herr und Vater wer- de solches an mir nicht straffen/ sondern mit vaͤterlicher Huld uñ Gnade gewogen bleiben; fassete hiemit das abgehauene Haͤupt/ warfes vor des Groß Fuͤrsten Fuͤsse/ und sagete: So muͤsse es allen denen ergehen/ die durch unzuͤchtigen Muhtwillen ihren viehischen Begier- den folge zu leisten/ ungescheuhet sind. Alle Anwesende/ auch der Groß Fuͤrst selber/ entset- zeten sich vor seinen feurigen Augen/ erkenneten auch/ das es des berümten Ritters Inge- vons Haͤupt wahr/ daher sie es groß Wunder nam/ daß der junge Herr einen Kampf wie- der ihn annehmen/ vielmehr aber/ ihn uͤber winden koͤnnen. Sein Herr Vater sahe ihn zu gleich mit freudigen und betruͤbeten Augen an/ und fragete nach/ ob der Entleibete/ nach dem er von Herkules zu Rede gestellet/ sich ihm wiedersetzet/ und zum Kampfe anlaß gege- ben haͤtte; welches ich zu beantworten scheuh trug/ und meinen Herkules reden ließ; wel- cher geradezu bekennete/ und von mir Zeugnis begehrete. Worauff sein H. Vater zu ihm sagete: Lieber Sohn/ daß du an der Unkeuscheit Abscheuh traͤgest/ stehet dir ruͤhmlich an/ aber der hoͤchsten Obrigkeit/ und des Landes Gesetze zu uͤberschreiten/ ist so wenig dir als einem andern zugelassen. Nun weistu wol/ daß in allen meinen Laͤndern und Herrschaften alles Faustrecht und Außfoderung bey Straffe des Henkens ernstlich und ohn alle Bedin- A a a a a a gung Vierdes Buch. gung verbohten ist; wie hastu dich dann erkuͤhnen duͤrffen/ diesen Ritter außzufodern/ da er nach Urtel und Recht haͤtte koͤnnen gestraffet werden? Sihestu nicht daß du eben hie- durch dein Leben verwirket/ und dich zum Ubeltaͤhter gemacht hast? Seine Fr. Mutter hoͤ- rete dieses/ und erstarrete vor schrecken/ wie es mir dann nicht viel anders erging; aber mein Herkules fing mit unerschrockener Herzhaftigkeit und uͤberlauter Stimme also an: Ihr Goͤtter/ die ihr aller Unzucht von Herzen feind und zuwieder seid/ lasset euch/ bitte ich/ das Opffer angenehm seyn/ welches ich euch geschlachtet habe/ umb euren Zorn zu stillen/ nicht daß ich einige Rachgier oder Hochmuht ergehen lassen/ fondern die Schande vergel- ten moͤchte/ die ohn zweifel wegen Vorbitte anderer seines gleichen/ nicht gebuͤhrlich ge- straffet waͤhre/ wie ich dessen unterschiedliche Begebnissen leider einfuͤhren kan. Ihr aber Gn. Herr und Vater/ findet ihr an eurem Sohn einen muhtwilligen Ubertreter euer loͤblichen Satzungen/ wolan/ so stehe ich alhier/ verfahret mit mir nach Recht/ damit ihr hernaͤhst nicht hoͤren duͤrffet/ ihr haͤttet nach Gunst oder Ansehen gerichtet; ja lasset nur mein Genik durch den Strang brechen/ weil ich ohndz nicht Lust habe in solcher Landschaft zu leben/ oder selbe dereins zu beherschen/ da deꝛ muhtwillige Adel (ich rede nicht von from- men) an den Untertahnen sich zu versuͤndigen/ ihm sichere Freiheit einbilden darff. Ich meinete gaͤnzlich/ das Herz wuͤrde mir im Leibe vor unmuht bersten/ wolte doch nicht re- den/ sondern des Groß Fuͤrsten Antwort zuvor hoͤren; welcher also anfing: Ich werde voꝛ mich selbst die Urtel zu sprechen/ mich wegen vaͤterliches Verdachts entbrechen/ und den gesamten Landstaͤnden alles in die Haͤnde geben; inzwischen soltu als ein Ungehorsamer und Ubertreter der Landes Satzungen gefaͤnglich genommen werden; befahl hiemit seinẽ Trabanten/ ihn in die Gefaͤngnis zu legen. Herkules aber sagte: Nein mein H. Vater/ ich bin als ein Sohn schuldig/ euch ohn Gewaltsamkeit zu gehorsamen/ uñ von mir selbst nach dem Gefaͤngnis zu gehen. Hier kunte ich nun mich laͤnger nit einhaltẽ/ zog mein Schwert aus/ fetzete es an mein Herz/ und sagete zu Herkules; Bruder/ dafern dein Fuß einiges Ge- faͤngnis betreten wird/ wil ich mich alsbald selbst niderstossen; hernach redete ich also den Groß Fuͤrsten an; Was eure Hocheit willens ist mit ihrem Sohn anzufahen/ deßgleichen Teutschland nie gezeuget hat/ nehme sie nur bald vor/ und doch also/ das im Leben und To- de ich ihm Geselschaft leiste; mein Herkules hat nichts wieder Recht oder Billigkeit ge- handelt/ und dafern er den verwaͤgenen Schelm nicht angegriffen/ wolte ichs getahn ha- ben; kan nun ein Mensch durch eine Taht zugleich die Goͤtter dem ganzen Lande versoͤh- nen/ und der Gesetze Straffe zum schmaͤhlichen Tode über sich laden/ solches lasse eure Hocheit ich verantworten; gelobe aber hiemit den Goͤttern/ daß da eure Hocheit meines Lebens wieder meinen Willen schonen/ und meinen Bruder als einen schaͤndlichen Dieb henken lassen wuͤrde/ ich seinen Tod an allen seinen Richtern und Verurteilern dereins so grausam raͤchen wil/ daß allen/ die es hoͤren werden/ die Haare davor zu Berge stehen sol- len. Hiemit fassete ich Herkules beim Arme/ welcher willens wahr/ nach dem Gefaͤngnis zu gehen/ und sagete zu ihm: Herzlieber Bruder/ dafern du dich wegerst hier zu bleiben/ biß dein H. Vater dich der Gefaͤngnis entnimmet/ wil ich dich und mich niderstossen; du hast dich in deinem ganzen Leben aller Tugend befliessen/ die keiner Bande oder Gefaͤng- nis werd ist. Herkules entsetzete sich hieruͤber/ fiel mir zun Fuͤssen/ und baht durch alle Goͤt- ter/ Vierdes Buch. ter/ ich moͤchte ihn vom gebuͤhrlichen Gehoꝛsam nicht abhalten; ich aber kehrete mich wie- der zu dem Groß Fürsten/ und sagete: Ist ihre Hocheit annoch willens/ ihren allertreflich- sten Sohn vor seiner inkuͤnfftig eigenen Untertahnen Gericht zustellen/ so benehmen sie ihn nur der schmaͤhlichen Gefaͤngniß/ und lassen ihn auff seinem eigenen Gemache bewa- chen/ damit sie mich nicht zwingen/ ihre Grausamkeit anzuklagen. Die Groß Fuͤrstin taht mit dem saͤmtlichen Frauenzimmer/ unter denen des erschlagenen Eheweib selber wahr/ einen Fußfall/ und hieltenklaͤglich an/ meinem lezten ansuchen stat zugeben; aber er stellete sich/ als hoͤrete ers nicht/ und fragete mich/ wer mich so kuͤhn gemacht haͤtte/ in seiner Ge- genwart das Gewehr zubloͤssen; gab auch den Trabanten einen Wink/ mich gefaͤnglich anzunehmen. Ich dieses merkend/ taht einen Sprung nach meinem Pferde/ setzete mich drauff/ und wahr willens auszureissen/ nicht eben/ meine Beschimpffung abzuwenden/ sondern mich nach Hülffe/ meinen Herkules zuretten/ umzutuhn. Der Trabanten einer folgete mir auff Herkules Pferde nach/ mich zugreiffen/ welchen ich aber mit einem Hiebe des Lebens beraubete/ und zwar/ zu meinem Gluͤcke/ hinter einer Hecke/ daß niemand dessen so zeitig wahr nam; rante also ohn Hinderniß fort nach einem grossen Dorffe/ klagete den Bauren/ welcher gestalt der Groß Fürst seinen Sohn und kuͤnfftigen Erben wolte henken lassen/ daß er die Schaͤndung einer Bauren Tochter an einem mutwilligen vom Adel mit dem Tode gestraffet/ und baht sie/ des jungen Fuͤrsten sich anzunehmen/ und gegen den A- del ihm Schuz zuhalten/ mit dem versprechen/ ich wolte an ihrer seite stehen/ und bey ihnẽ leben und sterben. Diese wahren gleich willig/ sendeten schnelle Pferde nach allen umlie- genden Doͤrffern/ und brachten in dieser Nacht 8000 wolgeruͤstete Bauren zusammen/ mit der Verheissung/ es solten inwendig 24 Stundẽ ihrer 40000 beyeinander seyn. Die vornehmsten fielen mir zu fusse/ und bahten/ daß ich in meinem Vorsaz bestaͤndig verblei- ben wolte/ alsdann wolten sie nicht leben/ oder den jungen Fuͤrsten wegen solcher loͤblichẽ Taht in Freyheit setzen. Ich schwuhr ihnen meine Traͤue/ hieß sie mir folgen/ und mehr be- wehrte Voͤlker beysammen treiben/ ging dieselbe Nacht mit diesen meinen muhtigen Leuten fort/ und belagerte das Groß Fuͤrstliche Schloß noch vor der Sonnen Auffgang. Der Groß Fuͤrst hatte sich inzwischen von seinem Gemahl beguͤtigen lassen/ daß Herkules mit dreyen vom Adel (die ihm weder boͤses noch gutes zugeredet hatten) nach seinem Ge- mach gangen wahr/ das Recht daselbst abzuwarten/ und wahren sie allesamt der Meynung gewesen/ ich wuͤrde nach Boͤhmen geflohen seyn/ von dannen Huͤlffe zuhohlen. Fruͤh Morgens wahr dem Groß Fuͤrsten auff seinem Lager zu wissen getahn/ das Schloß waͤhre von Gewapneten ganz umringet/ deswegen er alsbald heraus schickete/ umb zufragen/ wz vor Leute solches ihnen haͤtten unternehmen duͤrffen. Ich hielt den Gesanten ein wenig auff/ daß er ansehen solte/ wie eben dazumal mein Lager mit 6000 Mann verstaͤrket ward/ welche sich nicht anders als grimmige Loͤuen erzeigeten; doch nach verlauff einer halben Stunde ließ ich ihn mit dieser Antwort zuruͤcke gehen: Der Koͤnigliche Erbe aus Boͤh- men/ wolte sein Haͤupt nicht sanffte legen/ biß er seinen unschuldigen Bruder Herkules von der ungerechten Schmach erloͤset haͤtte; Er bedingete sich auch/ wegen des ihm-selbst angetahnen Schimpffs/ und bliebe im uͤbrigen Ihrer Hocheit auffwaͤrtigster Knecht/ nuꝛ daß er fuͤrchtete/ dafern ihre Hocheit sich nicht bald eines andern bedaͤchte/ dũrffte die gan- A a a a a a ij zu Teutsche Vierdes Buch. ze Teutsche Baurschafft schwuͤrig werden/ und den ganzen Adel ausrotten. Meine Voͤl- ker fingen inzwischen ein wuͤstes Geschrey an/ ob man die jungen Fuͤrsten als Diebe henken wolte/ die der armen Untertahnen sich annaͤhmen/ und an des Adels Grausamkeit mißfal- len truͤgen. Welches da es dem Groß Fuͤrsten hinterbracht worden/ hat kein Mensch an ihm merken koͤnnen/ obs ihm lieb oder leid waͤhre. Meine Voͤlker aber mehreten sich des Tages dergestalt/ daß gegen der Sonnen Untergang ich 36000 zaͤhlen ließ/ hatten auch in die 80 von Adel gefangen mit sich gebracht/ denẽ sie schon begunten schweres uͤbel zudraͤuẽ/ liessen sich aber doch von mir einreden/ und hielten sie hoͤflich gnug. Die im Schlosse kun- ten sich nicht erklaͤren/ was sie tuhn oder lassen solten; Zwar die Besatzung drinnen wahr stark genug/ einen zimlichen Anlauff abzuschlagen/ aber solcher Menge/ die sich zu mir sam- lete/ zuwiderstehen/ wahr ihnen unmoͤglich. Der Groß Fuͤrst hatte gegen den im Schlosse anwesenden Adel sich vernehmen lassen/ er zoͤge sichs vor eine grosse Beschimpffung an/ dz ich ihm seine Untertahnen auffgewiegelt/ und ihn damit belagert haͤtte/ schickete auch drey ansehnliche Herren umb den Mittag an meine Leute/ und ließ ihnen andeuten/ dafern sie mich dem Groß Fürsten liefern/ umb Gnade ihres Irtuhms bitten/ straks angesichts abzi- hen/ und die Waffen niderlegen wuͤrden/ solte ihnen alles verzihen seyn; im widrigen mü- sten sie andern zum abscheuhlichen Beyspiel wegen dieser unverantwortlichen Auffruhr gestraffet werden. Diese Gesanten ließ ich alsbald gefangen nehmen/ und nahe vorm Schloß Tohr drey Galgen auffrichten/ stellete darauff meinen Leuten frey/ sich zubereden/ was sie ihrem Groß Fuͤrsten zur Antwort geben wolten; Da sie einhellig schriehen: Der tapffere junge Fuͤrst Herkules muͤste auff freyen Fuß gestellet/ und aller Beschimpffung entnommen seyn/ oder sie wolten den ganzen Adel ausrotten/ und die/ so des jungen Fuͤrsten Taht nicht billichten/ den Goͤttern als ein angenehmes Opffer abschlachten. Ich erinnerte sie in meiner Gefangenen gegenwart/ der Bescheidenheit; man solte bey dem Groß Fuͤr- sten bitlich ansuchen/ daß ohn einig angestelletes Gericht/ der junge Fuͤrst seiner Hafft er- lassen/ und seine Taht vor loͤblich und rechtmaͤssig gesprochen wuͤrde/ vorerst. Zum andern/ daß ich Ladisla/ von dem Groß Fuͤrsten wegen dieses beginnens weder gehasset noch ver- folget; dann vors dritte/ dem uͤbermuͤhtigen Adel die freye Macht zusuͤndigen benommen wuͤrde/ so daß man ihnen Gesetze aus Groß Fürstlicher Macht vorschriebe/ keinen ihrer Untertahnen ohn Urtel und Recht zustraffen/ vielweniger/ ihre Kinder zuschaͤnden/ sondeꝛn wer hinfuͤro sich unterstuͤnde/ des ertoͤdteten Ingevons Schande zubegehen/ derselbe von dem Groß Fuͤrsten an Leib und Leben gestrafft werden solte. Schließlich bliebe das Land- Gesetze wegen der Ausfoderung in seinem Werd/ jedoch unter dieser Bedingung/ daß wer einen wegen uͤberzeugeten Nohtzwanges zum Kampffe ausfoderte/ nicht allein ungestrafft bleiben/ sondern als ein Freund der Goͤtter geehret werden solte. Diesen meinẽ Vorschlag liessen sich alle meine Leute gefallen/ und machete ich einen Ausschuß von zehn Mann/ denen ich durch einen vom Adel bey dem Groß Fuͤrsten sicher Geleit suchete/ aber vor folgenden Morgen keine Antwort bekam/ da ich schon 48000 Mann stark wahr/ welche zutrotzen be- gunten/ wofern ihr Groß Fürst durch des Adels getrieb sich einnehmen liesse/ und seinen Untertahnen Schutz und Recht versagete/ muͤste man Hand an solche Verfuͤhrer und ih- res gleichen legen; weil aber mein Abgesanter wieder kam/ sich anfangs zwar in des Groß- Fuͤrsten Vierdes Buch. Fuͤrsten Nahmen beklagete/ und doch das Geleit nach allem begehren mit sich brachte/ un- terrichtete ich meine zehn Maͤnner/ wie sie sich untertaͤhnigst verhalten/ die zugelegte Auff- ruhr ablehnen/ sich zu allem Gehorsam erbieten/ und die begehrte vier Stuͤcke bitlich suchen solten; wie sie dann solches wol und gebuͤhrlich verrichteten/ und durch solche Demut den Groß Fuͤrsten gar gewonnen/ wiewol er sich gegen sie mit keinem Worte erklaͤrete/ sondern sie frey abzihen/ und durch einen vom Adel ihnen andeuten ließ/ er wolte/ in Betrachtung seiner vaͤterlichen Hulde gegen seine Untertahnen/ die bitlich gesuchten Stuͤcke gnaͤdigst in Bedacht zihen; inzwischen geboͤhte er allen versamleten bey Leib- und Lebensstraffe/ an kei- nem vom Adel/ auch nicht an des entleibeten Ingevons naͤhesten Blutsverwanten sich zu vergreiffen. Die Groß Fuͤrstin hatte sich heimlich zu meinen Abgesanten gemacht/ und be- fohlen/ ihrem herzlieben Sohn Ladisla zusagen/ daß er ohn gegebene rechtmaͤssige Ursach sich aller Taͤhtligkeit enthielte/ und in feinem Vorhaben getrost und herzhafft fortfuͤhre/ sol- ches wuͤrde den armen Baursleuten sehr heilsam und ersprießlich seyn. Mein Herkules aber/ da er meines tuhns berichtet worden/ hatte vor Angst kein Wort reden koͤnnen/ und an seinen H. Vater begehret/ ihn gnaͤdig und vaͤterlich zuhoͤren/ welches ihm doch gaͤnzlich abgeschlagen wahr/ wiewol seine Fr. Mutter ihm vertraulich bey einer Magd zuentbohtẽ/ er solte unbekuͤmmert seyn/ Ladisla haͤtte nichts ohn ihren Befehl und Anordnung getahn; Worauff er dann zu frieden seyn muͤssen/ insonderheit/ weil meine Voͤlker sich aller dinge ruhig verhielten/ und des Groß Fuͤrsten Erklaͤrung erwarteten/ sich aber gegen meine drey Gefangene und die andern aͤdlen ausdruͤklich vernehmen liessen/ dafern der Groß Fuͤrst durch boͤse Rahtgeber verleitet wuͤrde/ wolten sie den ganzen Adel lebendig spiessen/ ihre Guͤter rauben/ und damit uͤber Rein unter der Roͤmer Herschaft sich begeben. Der Groß- Fuͤrst ging mit dem bey sich haben den Adel fleissig zu rahte/ und hielt ihnen vor/ ob zwar der Auffstand durch Ladisla erwecket/ unverantwortlich/ und straffbar waͤhre/ saͤhe er doch/ daß in Betrachtung seiner mehr als bruͤderlichen Liebe gegen Herkules/ er nichts unbesonne- nes/ aus kindischer Unwissenheit/ sondern das vorgenommen haͤtte/ welches Freunde und Feinde loben muͤsten; daß er aber sich gegen seinen Sohn so hart und unfreundlich erzei- get/ haͤtte er wegen des Adels tuhn muͤssen/ damit sie nicht etwa einen Auffstand im Reiche verursacheten/ oder ihn beschuldigten/ daß er seinen Kindern nachgaͤbe/ die Reichs Satzun- gen zuuͤbertreten; Sie solten bedenken/ ob eine loͤblichere Taht in aller Welt von einem ge- uͤbeten Rïtter haͤtte moͤgen verrichtet werden/ als sein annoch so junger Sohn Herkules durch kühne Ausfoderung auff der Goͤtter Schuz sich verlassend/ begangen/ und glüklich vollendet/ wovor ihm billicher eine Ehren Kron als die schimpfliche Gefaͤngniß gebuͤhret haͤtte/ und waͤhre keiner vom Adel der Auffrichtigkeit gewesen/ einige Vorbitte vor densel- ben einzulegen/ welches doch des erschlagenẽ Wittib gutwillig uñ ungeheissen getahn. Nun waͤhre ihm von herzen lieb/ daß sie ihm Zeugniß geben muͤsten/ wie unschuldig er an Ladisla vorhaben waͤhre/ auch bloß auf ihr gutheissen unterlassen haͤtte/ ihn in deꝛ flucht zuverfolgẽ/ wovon er doch weiters nicht reden wolte; nur solten sie reiflich erwaͤgen/ und ihr Gutduͤn- ken uͤber die vorgetragene Stuͤcke ohn alle scheuh anzeigen; er vor sein Haͤupt haͤtte den Muhtwillen etlicher vom Adel in seinem Herzen zwar hoͤchlich bißher beklaget/ aber zur abschaffung des Unwesens nicht greiffen dürffen/ weil die groͤste Boßheit von den an sehn- A a a a a a iij lichsten Vierdes Buch. ligsten Seulen des Vaterlandes/ oder doch von ihren Kindern begangen waͤhre; diesem haͤtten die Goͤtter laͤnger nicht zusehen wollen/ und es durch seinen frommen tugendlieben- den Sohn also geschicket/ daß durch die Untertahnen des Adels Frecheit beschnitten wer- den müste; waͤhre es nicht zuerbarmen/ daß wann etwa ein Unaͤdelgebohrn er durch Liebe zu einer aͤdelgebohrnen Jungfer/ nicht allein mit ihrem guten Willen/ sondern wol heffti- ger Anreizung sich hielte und sie ehelichte/ derselben Anverwanten einen solchen Schwa- ger durchaus Tod haben wolten? hingegen/ wann ein aͤdelgebohrner/ eines Buͤrgers odeꝛ Bauren Tochter schaͤndete/ und wol gar nohtzwaͤngete/ solcher boßhafte Frevel allerdin- ge ungestraffet hingehen solte? Sie moͤchten dieses betrachten/ und es miteinander uͤber- legen/ damit den vergrelleten Untertahnen koͤnte geantwortet werden/ welches vor sein Haͤupt zu tuhn/ ob er gleich aus Groß Fuͤrstlicher Macht wel befuget waͤhre/ er dessen doch bedenken truͤge/ damit man sich uͤber ihn hernaͤhst nicht zubeschweren haͤtte. Der anwe- sende Adel hoͤrete solches mit grosser bestuͤrzung an/ dañ ihr Gewissen uͤberzeugete sie gros- senteils/ daß sie mit ihren Untertahnen mehr gewaltsam als gütig umbgingen/ und taht ihnen weh/ daß die Bauren ihnen Recht vorschreiben/ und ihrer Macht gewisse Schran- ken flechten solten/ beschwereten sich dessen auch zum hoͤchsten/ nebest anzeige/ daß der Boͤ- mische junge Fuͤrst des Teutschen freien Adels Freiheiten zuschwaͤchen bemühet waͤhre. Der Groß Fuͤrst fragete sie/ was von ihnen in den begehreten Stuͤcken dann so hoͤchlich ge- tadelt wuͤrde/ solches solten sie anzeigen/ und seiner gnaͤdigsten Erklaͤrung versichert seyn; worauff sie aber kein Woͤrtlein zu antworten wusten/ ohn dz ihrer wolhergebrachten Frei- heit und adelichen Ansehen grosser eingriff geschehen wuͤrde/ wann ihnen der Bauren An- muhten solte auffgedrungen werden. Der Groß Fuͤrst eiferte sich daruͤber nicht unbillich/ und brach endlich also loß; Was bildet ihr euch dañ wol ein/ als ob euer Frevel durchaus nicht gezaͤhmet seyn muͤste/ und ihr unter dem Deckel der adelichen Freiheit allen Muht- willen verüben duͤrftet? Ich habe lange gnug mit euer etlichen durch die Finger gesehen/ dann alle beschuldige ich keines weges/ sondern nur die Verbrechere/ welche mir nicht so gar unbekant sind; aber hernaͤhst wil ich durchaus dergleichẽ unverantwortliche Frecheit nicht mehr dulden/ ich moͤchte sonst (wie mein lieber Sohn Herkules recht saget) mit allen meinen Untertahnen in der Goͤtter Ungnade und Straffe fallen. Hieß sie hierauff weg ge- hen/ und daß seine Soͤhne Herkules und Baldrich/ wie auch sein Gemahl uñ junges Fraͤu- lein/ dazumahl im achten Jahr ihres alters/ herzu gefodert wuͤrden. Herkules wahr der lezte gewesen/ und hatte mit nidergeschlagenen Augen und bloͤdem Angesicht wegen mei- ner Auffruhr sich eingestellet/ auch alsbald einen Fußfal getahn/ in Meinung/ mir Gnade zuerbitten; Aber sein Herr Vater hatte ihm alsbald ernstlich gebohten/ auffzustehen/ und ihn nachgehends also angeredet: Du mein lieber Sohn/ und hoͤchste Vergnuͤgung meines Herzen; welche Worte seine Fr. Mutter hoͤrend/ vor freuden in Ohmacht nidergefallen wahr/ weil sie aus seinem vorigen ertichteten Zorn sich einer harten Urtel befuͤrchtet hatte; und als sie wieder durch ihren Herkules und Baldrich erquicket worden/ hat sie folgende ihres Gemahls Reden mit sonderlicher Wollust angehoͤret: ich danke den Goͤttern/ daß durch deine preißwirdige Taht sie meinen Groß Fuͤrstlichen Stuel/ wie ich lange Zeit ver- geblich gewuͤnschet/ dereins befestiget/ und wieder etlicher des Adels Frecheit/ welche ohn verder- Vierdes Buch. verderbung meines Reichs ich nicht zwingen kunte/ nunmehr unbewaͤglich/ dir mit zum besten/ gegruͤndet haben. So gedenke nun nicht/ mein Sohn/ daß mein bißher ertichteter Zorn/ dir und deiner erworbenen Ehre/ ichtwas zuwieder gesucht/ sondern umb des Adels willen/ hat es/ ohnzweifel aus stifftung der Goͤtter/ geschehen muͤssen/ welchen ich durch gluͤkliches vornehmen deines getraͤuen Bruders nicht mehr zu fuͤrchten habe/ und schon Mittel finden wil/ daß ihre Freiheit zu suͤndigen/ auffgehaben werde; hoͤre demnach auff/ dich als einen Ubeltaͤhter zu schaͤtzen/ und bitte durchaus keine Verzeihung/ die vielmehr ich dafern ich dein Vater nicht waͤhre/ bey dir suchen muͤste; biß mir aber in diesem Stuͤk gehorsam/ und reite mit deinem Bruder Baldrich hinaus zu Ladisla/ welchen du wirst zu- bereden wissen/ daß er sich hieselbst bey mir auff Gnade und Ungnade einstelle/ jedoch/ daß du bey verlust meiner Hulde ihm meines guten Willens keine meldung tuhst/ sondern viel- mehr begehrest/ daß die drey Gefangene von Adel/ denen er zweifels ohn/ die drey Galgen hat auffrichten lassen/ zugleich mit ihm kom̃en/ wie auch andere aͤdle mehr (da es bey dem Volke zuerhalten) welche sie gefangen haben. Herkules/ ungeachtet mannicher aus solcheꝛ Anmuhtung nichts gutes geurteilet haͤtte/ wahr hierzu willig/ und sahe ich ihn nebest sei- nen Bruder Baldrich dorther reiten/ denen ich zu Fusse entgegen lieff/ meines Herkules Pferd beym Zuͤgel fassete/ und ihn nach meinen Voͤlkern hinleiten wolte; Er aber warff sich herunter/ und sagte zu mir; Du weist Bruder/ daß ich dich herzlich/ wie meine eigene Seele liebe; so laß mich nun deine rechtschaffene Neigung hinwieder sehen/ und reite mit mir hin zu meinem H. Vater; wirstu dich dessen wegern/ so sol dir hiemit meine Freund- schaft auffgekuͤndiget/ und dagegen alle feindselige Rache angemeldet seyn. O Bruder Bruder/ antwortete ich/ hastu dann so grosse Lust zu sterben/ da du mit leichter Muͤhe leben koͤntest? oder meinestu/ daß ich diese Voͤlker meinetwegen/ und nicht vielmehr/ dich zu ret- ten/ so gluͤklich gesamlet habe? ich wolte weiter reden/ aber mein Hauffe ward Herkules Ankunft inne/ deßwegen sie herzuranten/ und mit einem grossen Freudengeschrey ihn vor des Vaterlandes Zier/ der Boßheit Raͤcher/ und der Unterdruͤkten Schuͤtzer außrieffen/ erbohten sich/ Leib uñ Leben vor ihn gutwillig auffzusetzen/ weil er ein armes Baurẽ Maͤgd- lein zu retten/ sich nicht zu hoch geschaͤtzet haͤtte/ bahten endlich/ daß er sich ihrer weiter an- nehmen/ und bey seinem Herr Vater verhandeln moͤchte/ daß dem Adel die uͤbermachte Gewalt zur ungebuͤhr/ gemaͤssiget wuͤrde. Herkules wolte ihm zwar die Leute nicht unge- wogen machen/ redete aber doch nicht sonderlich freundlich mit ihnen/ sondern sagte: Er bedankete sich ihres guten Willens/ koͤnte gleichwol nicht loben/ wann die Waffen von ih- nen wider seinen Herr Vater solten ergriffen seyn/ und wolte er lieber sterben/ als auff sol- che weise beym Leben erhalten werden. Ein alter Mann gab ihm darauf zur Antwort: Sie haͤtten sich nicht so weit vergessen/ daß sie ihrer lieben und hoͤchsten Obrigkeit sich widerset- zen wolten; nur waͤhre ihr steiffer Vorsaz/ ihren kuͤnfftigen Groß Fuͤrsten aus des Adels Haͤnden zureissen/ damit derselbe nicht Schimpff erlitte/ welcher das Land den Goͤttern zuversoͤhnen sein eigen Blut nicht sparete. Herkules machte hierauff ein freundlicher An- gesicht/ und sagte: Er haͤtte vor dißmahl keine Freyheit von seinem H. Vater/ mit ihnen sich in Gespraͤch zubegeben; kehrete sich wie der zu mir/ und fragete/ ob ich der geschwor- nen Traͤue eingedenke seyn/ und mit ihm reiten wolte. Ja mein Bruder/ antwortete ich/ nach- Vierdes Buch. nach dem du viel zu großmuͤhtig bist/ einigem Menschen vor dein Leben zudanken/ so wil ich mit dir reiten/ und meines Verbrechens wegen ja so willig sterben/ dein Leben zuerretten/ als ich sonst mit dir zuleben wünsche. Sage mir weder von leben noch sterben/ antwortete er/ sondern laß uns ohn Verzug meines H. Vaters Willen vollbringen/ und das uͤbrige der himlischen Versehung befehlen/ so daß die drey Gesanten/ und der ganze anwesende Adel ohn verweilen/ mit uns fortzugehen/ frey gelassen werden. Meine Voͤlker wolten in meinen Abzug durchaus nicht gehehlen/ erinnerten mich unsers geschlossenen Bundes/ und daß ich mich nit in Unheil stuͤrzete. Aber mein Herkules versicherte sie/ sie wuͤrden ihres Groß- Fürsten Gnade nicht besser/ als durch Einwilligung erlangen. Ich selbst/ wie zweifelhaftig ich auch wahr/ redete ihnen zu/ es haͤtte die Meynung nicht/ daß ich sie verlassen/ sondern ihr Wort reden wolte/ und da sie inwendig sechs Stunden mich nicht schen wuͤrden/ soltẽ sie nach gefallen an der aͤdlen ihren Guͤtern und Leben handeln/ nur/ daß alle schon gefan- gene aͤdle mir mit gegeben würden/ damit die andern desto leichter zur Billigkeit gebracht wuͤrden. Worauff sie dann alles einwilligten/ ich auch zimlichen Trostschoͤpffete/ nit zwei- felnd/ mein Herkules wuͤrde mir schon einen Wink geben/ dafern mir Unfall bereitet waͤh- re. So bald wir auff dem Schlosse uns befunden/ wurden alle meine Gefangene vor den Groß Fuͤrsten gefodeꝛt/ welche er im beyseyn der andern fragete/ wie es ihnen ergangen; wie die Bauren sich gegen sie und ihre Guͤter bezeigeten/ und was vor Raht sie gaͤben/ nachdem er mich als den Anfuͤhrer in seiner Gewalt haͤtte. Worauff die drey Gesanten geantwor- tet hatten: Sie koͤnten nicht absehen/ was gestalt der allgemeine Bauren Auffstand koͤnte gestillet/ und der Adel gerettet werden/ wo man ihre gesuchte Stuͤcke nicht einwilligte; der Eifer bey den Bauren wider den Adel waͤhre zu hefftig/ haͤtten ihnen auch so abscheuh- liche Tahten erzaͤhlet/ die fast unmoͤglich waͤhren zuglaͤuben; biß daher enthielten sie sich aller Taͤhtligkeit/ und solches auff eiferigen Befehl des Boͤhmischen jungen Fuͤrsten/ dem sie sich zu Rettung ihres hochgewogenen jungen Groß Fuͤrsten mit Leib und Gut zu allem Gehorsam verpflichtet; Speise und Trank liessen sie aus ihren Doͤrffern ihnen zu- führen/ und was ihnen die von Adel freywillig (also muͤste mans ja heissen) schenketen/ da- vor danketen sie; und koͤnten sie ungemeldet nicht lassen/ daß der Boͤhmische Fuͤrst ihres gnaͤdigsten herschenden Groß Fuͤrsten Wortdergestalt bey den Bauren geredet/ daß es nit zuverbessern stuͤnde; wuͤrde endlich sehr noͤhtig seyn/ daß derselbe bald wie der zu ihnen ge- lassen wuͤrde/ damit nit etliche verwaͤgene sich einer Gewaltsamkeit wider den Adel unter- fingen/ wozu ihrer sehr viel nicht ungeneigt waͤhren. Nach solchem vorbringen musten sie alle einen Abtrit nehmen/ ich aber und Herkules zu ihm kommen/ da er/ so bald ich ins Ge- mach trat/ mir freundlich entgegen ging/ und nach vaͤterlicher Umfahung sagte: Gesegnet sey die Stunde/ mein lieber Sohn und Oheim/ da euer Herr Vater euch mir zugeschicket hat; Euer Vornehmen haben sonder allem zweifel die gütigen Goͤtter euch eingeblasen/ dessen gluͤklichen Verfolg ich nicht besser wuͤnschen moͤgen; Versichert euch demnach/ daß wie ich meinem Herkules niemahls einige Ungewogenheit zugelegt/ und mir seine loͤbliche Taht sehr wol gefallen/ also ist mein Gemuͤt gegen euch nicht anders gesinnet gewesen. So verzeihet mir nun/ was ich bißher getahn/ und ihr dessen wichtige Ursachen wol erfahren werdet/ und gehet hin/ euch mit eurem Herkules zuergetzen/ biß ich euch werde ruffen lassen. Da Vierdes Buch. Da musten nun alle meine Gefangene wieder vortreten/ mit denen er sich absonderlich be- redete/ und nach verlauff einer Stunde/ ausserhalb des Schlosses im freyen Felde eine Schau Buͤhne auffrichten ließ/ worauff er mit mir und Herkules trat/ die gefangene vom Adel aber darunten stehen musten/ uñ der Groß Fuͤrst also zu dem Volke redete: Ihr from- me und redliche Teutschen; es erscheinet aus eurem jetzigen Vornehmen Sonnenklar/ daß ihr gleichwol euer jungen Herschafft euch anzunehmen willens seyd/ wann ihnen etwa Ge- walt oder andere Widerwertigkeit zustossen solte. Ob nun zwar ich an meinen Soͤhnen/ Ladisla und Herkules ihr Verbrechen zustraffen wol befuget waͤhre/ so habe ich doch in An- sehung eurer kraͤfftigen Vorbitte sie nicht allein zu Gnaden wieder angenommen/ und al- les verzihen/ sondern auch eurem uͤbrigen untertaͤhnigsten rechtmaͤssigen ansuchen stat ge- geben/ tuhe auch solches hiemit und krafft dieses/ also und dergestalt/ daß der von etlichen des Adels bißher veruͤbeter Muhtwille gaͤnzlich abgeschaffet/ und euch samt und sonders Fuͤrstlich Schuz gehalten werden sol. Im uͤbrigen ist der von meinem Sohn Herkules rechtmaͤssiger weise erschlagene von mir dahin verdammet/ daß sein Nahme an dieser von euch auffgerichteten Galgen einem sol angeschlagen/ sein Haͤupt daselbst hinauf gestekt/ uñ sein Leichnam darunter begraben werden. Hingegen sollet ihr samt und sonders gehalten seyn/ euren adelichen Oberherren allen schuldigen Gehorsam und Dienste zuleisten/ auch nicht ohn ursach euch uͤber sie beschweren/ sondern sie halten/ wovor sie euch gesetzet sind. Eurejetzige genommene Waffen sollen keines weges gestraffet noch geunbillichet werden; aber dafern ihr oder jemand anders sich nach diesem ein gleiches (es geschaͤhe dann zur Rettung eurer Obrigkeit und deren angehoͤrigen mit meiner guten Bewilligung) wuͤrde geluͤsten lassen/ sol es ungestraffet nicht bleiben. Vor dißmahl verfuͤge sich ein jeder nach Hause/ und bleibe seinem Groß Fuͤrsten und dessen Erben getraͤu und ergeben; Die Be- willigung eures geschehenen bitlichen ansuchens/ sol in allen Stuͤcken folgen/ erstes Tages schrifftlich auffgesetzet/ und in meinem Reiche oͤffentlich/ als ein ewig bestaͤndiges Gesetz ausgeruffen werden. Hierüber erhuhb sich unsaͤgliche Freude bey allem Volk; Sie rieffen ihrem Groß Fuͤrsten und der jungen Herschafft Gluͤk/ langes Leben und alle Wolfahrt zu/ und erbohten sich/ vor dieselbe alles willig auffzusetzen. Auch so bald wir wieder nach dem Schlosse umkehreten/ gingen sie von einander/ ein jeder an seinen Ort. Bald darauff ließ der Groß Fuͤrst den Adel zusammen fodern/ hielt ihnen das begehren des gemeinen Man- nes vor/ welches sie nohtwendig billichen musten/ und geboht ihnen/ sich gegen die Unter- tahnen anders zubezeigen/ als vorhin von etlichen geschehen waͤhre; welches sie aus furcht der Straffe willig annahmen/ und allen willigen Gehorsam versprachen/ wiewol sehr viel unter ihnen wahren/ denen solches überaus wol gefiel/ als welche an der andern ihrem Fre- vel grossen Mißgefallen hatten. Mein Herkules aber wuste sich dergestalt gegen den Adel freundlich zubezeigen/ daß er aller Herzen gewan/ und sie ihn ja so inniglich liebeten/ als der gemeine Mann selbst. Nach dieser Zeit gab der Groß Fürst seinem Sohn eine zimliche Anzahl Knechte/ und ordnete ihm die erfahrnesten Haͤuptleute und Ritter zu/ von welchen er des Kriegs unterrichtet/ und in allen Ritterspielen geuͤbet ward/ worzu er dann sonderli- che Beliebung trug/ auch im Reiten und Stechen etliche vortelhafte Stuͤcke selbst erfand/ durch deren Anwendung er mannichen Sieg erhalten hat. So schikte mein H. Vater mit B b b b b b auch Vierdes Buch. auch meine Leute/ weil ich noch nicht gesinnet wahr/ Prage zusehen/ wiewol meine Eltern uns alle halbe Jahr besucheten/ biß mein Herkules sein/ auf zween Monat nahe/ 17des Jahꝛ hinter sich gelegt hatte/ und Koͤnig Amund in Schweden/ seiner Fr. Mutter Herr Bru- der/ von dem Groß Fuͤrsten umb etliche tausend Mann zum Beystande/ wider seine unge- traͤue Nachbarn die Reussen anhielt/ da wir beyde Lust bekahmen/ diesen ersten Kriegszug vorzunehmen/ und mit einem Heer von 12000 Mann uͤber die Ost See nach Schweden schiffeten/ woselbst wir wol empfangen wurden/ und den Reussen mit unser geringen Man- schafft nicht wenig abbruch tahten/ da insonderheit mein Herkules in einem absonderlichen Kampffe wider einen wolgeuͤbeten Daͤnischen Fechter grosse Ehr einlegete/ als welchen er vor freyer Faust erschlug/ uñ dadurch dem Feinde eine statliche Festung abgewan. Nach dieses Kriegs Endigung/ der nach des Schweden Wunsch durch guͤtlichen Vergleich beygeleget ward/ besahen wir Daͤnnemark und Reussen/ und unterliessen nichts/ was zu ritterlicher uͤbung/ in Stechen/ Fechten/ Reiten/ Ringelrennen/ Schiessen/ Werffen/ Lauf- fen/ Ringen/ Stuͤrmen/ und dergleichen erfodert ward; endlich/ nachdem wir zwey Jahr in diesen mitternaͤchtigen Laͤndern zugebracht hatten/ erhielt ich bey meinem Herkules/ mit mir nach Boͤhmen zureisen/ weil die Land Staͤnde mich nicht laͤnger ausserhalb Reichs las- sen wolten/ in betrachtung ich der einige Erbe waͤhre. Er wolte in dieser seiner Erzaͤhlung fortfahren/ aber es trat ein aͤdelknabe ins Gemach/ und berichtete/ der Fuͤrst von Susa waͤ- re mit seinem Kriegs Heer 16000 zu Fusse und 24000 zu Rosse ankommen/ und hielte er schon vor dem Schloß Tohr. Er haͤtte mir nie zu ungelegener Zeit kommen moͤgen/ sagte Artaxerxes/ weil er mich in Anhoͤrung der anmuhtigsten Begebnissen stoͤret. Ich weiß nit/ antwortete Ladisla/ daß Eure Liebe durch meine unliebliche Erzaͤhlung solte koͤnnen erlusti- get werden/ aber das weiß ich wol/ daß dieser Fuͤrst von Susa einen frechen Unwillen auff mich und meinen Herkules ohn alle gegebene ursach geworffen/ so daß ich fuͤrchte/ wo er nicht nachlaͤsset/ er mich so lange treten wird/ biß ichs mit ihm auff die Faust zuwagen wi- der meinen Willen gezwungen werde; moͤchte demnach von herzen wuͤnschen/ daß er sich eines andern bedaͤchte/ als dann solte das alte ab und vergessen seyn. Eure Liebe machen sich dieses Fürsten halben keine Gedanken/ antwortete er/ ich wil schon wissen/ ihm diese Stun- de gebührlich zuzureden; solte er dann auff seinem Troz verharren/ so stehe er auch seine ge- fahr; sonst ist er eine feige Maͤmme/ weiß zwar das Maul zimlich zugebrauchen/ und mit dem Frauenzimmer zuscherzen/ aber die Waffen haben vor ihm gute Ruhe/ und ist mir mit seinen Voͤlkern mehr als mit ihm selbst gedienet/ deren er mehr/ als sein Anteil bringet/ aus lauterm Stolz zusammen getrieben hat. Pharnabazus ward abgefchicket/ ihn auff das Schloß zufuͤhren/ welche Ehre er lieber einem andern gegoͤnnet haͤtte. Als nun dieser ihn empfangen wolte/ und jener aus seiner Gutsche stieg/ trat er fehl/ und fiel zu Pharnabazus Fuͤssen nider/ welches von den anwesenden unterschiedlich ausgedeutet waꝛd/ insonderheit/ weil er im Koht sich heßlich zurichtete/ da Pharnabazus lachens sich naͤhrlich enthalten kunte. Er schaͤmete sich sehr/ ließ von seinen Dienern sich geschwinde abwischen/ haͤngete einen renlichen Reit Rok umb sich/ und ging biß in den mittelsten Plaz/ da ihn Artaxerxes mit diesen Worten empfing: Durchl. Oheim/ Eure Liebe ist mir als ein vornehmes Glied unser Verbuͤndniß wilkommen/ und bitte dieselbe auffs fleissigste/ sie wolle den trefflichen Helden/ Vierdes Buch. Helden/ Koͤnig Ladisla und Groß Fuͤrst Herkules allen guten Willen erzeigen/ wie durch ihre herlichen Siege und Anwendung ihres Bluts sie umb uns wol verdienet haben; sol- te aber diese meine wolgemeynete Warnung nicht stat finden/ wird gewißlich Eure Liebe sich in unnoͤhtige Gefahr setzen/ welches mir sehr leid seyn würde/ und ich doch nicht abzu- wenden wuͤste/ angesehen/ unser ganzes Heer so unglaͤubliche Zuneigung gegen diese Für- sten traͤget/ daß sie alle willig sind/ vor ihre Wolfahrt zusterben. Gobares hatte seiner Spiz- findigkeit nach schon ausgesinnet/ wie er unsern Helden einen heimlichen Schimpf antuhn wolte/ ungeachtet er ihres trefflichen verhaltens gnug berichtet wahr; diese Warnung a- ber schreckete ihn ab/ daß er sich eines andern bedachte/ gelobete auch/ dafern ihm nicht au- genscheinliche ursach gegeben würde/ Ehren halben anders zutuhn/ wolte er aͤusserliche Freundschafft mit ihnen zuhalten sich nicht wegern/ ob gleich sein Herz nimmermehr eini- ge Vertrauligkeit auff sie setzen koͤnte. Solches zuunterlassen/ sagte Artaxerxes/ stehet zu sei- nem belieben/ wann er ihnen nur nicht mit spitzigen Reden/ oder widrigen Geberden so na- he trit; dann sie sind in Warheit vernuͤnfftige Fuͤrsten/ denen man keinen Dunst vor die Augen machen kan. Sie gingen nach dem Gemache/ woselbst Ladisla mit Arbianes Un- terredung hielt/ und ihn umb einen Reuterdienst baht/ ihm etliche seiner Voͤlker herzulei- hen/ mit denen er seinem Herkules entgegen reiten wolte. Meine Voͤlker/ antwortete er/ sind zu Ihrer Durchl. Gehorsam/ wie imgleichen ich selbst/ mit allem/ was ich bin und vermag/ daß dieselbe also meiner Leute/ als ihrer selbst eigenen zugebrauchen haben/ mit angehaͤngteꝛ Bitte/ mir den Mit Rit freundlich zugoͤnnen. Was koͤnte mir angenehmers seyn/ sagte La- disla/ als euer Liebe Geselschafft? Ist demnach nichts uͤbrig/ als daß wir uns zur Reise fer- tig machen/ und etwa 4000 Mann mit uns nehmen. Gleich trat Gobares ins Gemach/ gruͤssete Ladisla freundlich/ und wuͤnschete ihm wegen der in beyden Schlachten erlangetẽ Ehr/ Gluͤk; taht auch sonst etliche Wortgepraͤnge hinzu/ wodurch er seinen Stolz zimlich blicken ließ; da ihm von Ladisla geantwortet ward: Er bedankete sich freundlich/ vor be- schehene Gluͤkwuͤnschung/ hiesse ihn mit seinen treflichen Voͤlkern wilkommen seyn/ und haͤttẽ seine geringe Tahten keine sonderliche Ehꝛe verdienet/ wiewol sein Wille nichts such- te/ als der Hoch Fuͤrstlichen Verbuͤndniß angenehme Dienste zubezeigen. Hernach offen- bahrete er Artaxerxes seine vorgesezte Reise/ und ließ alles zum frühen Auffbruch kuͤnfftigẽ Morgens ruͤsten. Als sie nun des Abends mit einander zu Tische sassen/ entstund schnel- le gleich uͤber dem Schlosse ein starkes Wetter/ mit hefftigem Blitze/ taht aber nur einen/ wiewol sehr harten Schlag in das Groß Fuͤrstliche Gemach/ so das Speise und Trank auf dem Tische verschuͤttet/ und Gobares am linken Arme/ doch nur ein wenig geruͤhret ward; aber die Kleider fingen ihm auff dem Leibe an zubrennen/ und umzog ihn der Dampff vom Schlage/ so gar/ daß er drinnen haͤtte ersticken müssen/ wo nicht Ladisla ihm beym Leibe er- griffen/ und mit sich hinaus geschleppet haͤtte; uͤber welchen Freundschafft-Dienst er sich so gar nicht bedankete/ daß er auch gegen Artaxerxes sich beschweren durffte/ er waͤhre von ihm gar unhoͤflich angetastet/ uñ als ein Maͤel Sak fortgeschleppet. Der ihm aber hart zu- redete: ob er nicht erkeñen koͤnte/ daß er in Lebens gefahr gewesen/ uñ zweifels ohn umkom̃en muͤssen/ wann auff solche weise er nicht gerettet waͤhre; moͤchte demnach den gar zu hohen Muht brechen/ und den heutigen gedoppelten Unfall nicht ohnbetrachtet hingehen lassen; B b b b b b ij vielleicht Vierdes Buch. vielleicht witzigten ihn die Goͤtter/ nicht uͤber sein Vermoͤgen zugedenken/ er moͤchte sonst/ ehe man sichs versaͤhe/ an stat des Fluges gen Himmel/ in einen Pfuͤtzenfall gerahten. Er haͤtte ihn weiter angegriffen/ sahe aber/ daß er in Ohmacht fiel/ und ließ ihn auffs beste/ labẽ/ und mit allerhand koͤstlichen Arzneyen verschen. Ladisla brach des folgen den Morgens auf nach den Parthischen Grenzen/ in Meynung/ ohn einen Streif in Feindes Land nicht um- zukehren; aber Herkules begegnete ihm noch desselben Abends/ fuͤnff Meile von Persepo- lis bey einem Staͤdlein; doch kenneten sie einander wegen der verschlossenen Helme nicht/ biß sie nahe zu sammen stiessen/ und aus der Rede Kundschafft nahmen/ warffen darauff die Helme von sich/ und empfingen sich auf den Pferdẽ mit herzbruͤderlicher Vergnuͤgung/ da Ladisla sagete: Ich erfreue mich von ganzer Seele/ mein Bruder/ daß ich dich frisch uñ gesund wieder sehe; aber berichte mich doch/ ob meine Frl. Schwester gluͤklich erloͤset sey. Valiska wahr in der Gutsche ihres Bruders inne worden/ sprang in ihren koͤstlichen Klei- dern behende heraus/ und lief ihm in hoher Neigung entgegen; welches er ersehend/ vom Pferde stieg/ und mit offenen Armen ihr begegnete/ umfingen einander mit solcher In- brunst/ daß ihnen der groͤste Teil ihrer Krafft entging/ sie auch einander kein Wort zuspre- chen kunten/ sondern durch kuͤssen und herzen ihre Gewogenheit anzeigeten/ biß sie endlich zu ihm sagete: O mein herzaller liebster Herr Bruder/ warumb hat er sich doch meinetwe- gen von seinem allerliebsten Gemahl in diese abgelegene weite entzogen/ die sich billich uͤber mich beschweren muß; Gott weiß/ wie herzlich michs tauret/ daß dieser grossen Mühe und Gefahr ich habe muͤssen ursach seyn/ getraue doch meinem Gott/ er werde uns die unsern schier wiederumb sehen lassen. Hiermit umfing sie ihn aber mal/ mit Erzeigung aller schwe- sterlichen Freundligkeit und Liebe. Ladisla verwunderte sich ihrer/ daß sie so maͤnlich und vollkommen worden/ ungeachtet sie nur 16 Jahr und 12 Wochen alt/ aber wol von 18 Jah- ren anzusehen wahr; so liebete er sie nicht allein als seine einige Schwester/ sondern/ wel- ches er hoͤher achtete/ als seines Herkules wirdig geschaͤtzete und versprochene Braut/ und gab ihr zur Antwort: Herzgeliebete Frl. Schwester/ dem allmaͤchtigen Gott sey Preiß uñ Dank vor ihre gnaͤdige Erloͤsung/ der uns auch weiter geleiten und schuͤtzen wird. Was beklaget sie aber meine Nachfolge/ da doch alle ungelegenheit ihr meinet und meiner Liebstẽ wegen zugestossen ist/ und ich daher umb so viel mehr mich schuldig weiß/ ihrer Rettung nachzudenken/ wiewol darzu ich weniger als nichts verrichten koͤnnen. Sie w o lte ihm die- ses beantworten/ aber Arbianes/ welcher bißher mit Herkules gesprachet hatte/ setzete sich vor ihr auff ein Knie/ und nach geleistetem Handkusse fing er also an: Durchl. Fraͤulein; Eure Durchl. bittet ein unhoͤflicher Knecht demuͤhtigst umb Vergebung ehmalen began- genen Frevels/ welchen die blosse/ oder vielmehr verdeckete Unwissenheit in ihm verursa- chet/ erbeut sich nach aͤusserstem Vermoͤgen zum gehorsamsten Abtrage/ unter willigster Auffwartung/ mit alle dem/ was seine wenige Schwacheit kan und vermag. Das Fråu- lein bemuͤhete sich/ ihn auffzurichten/ und gab zur Antwort: Durchleuchtiger Fuͤrst/ ich ha- be dieses Schimpffs mich billich zubeklagen/ und werde Abtrag fodern/ daß Eure Liebe un- fere fest beschworne brüderliche Freundschafft/ so bald aus der acht gesetzet/ und mich nicht anders/ als eine wildfremde/ wil nicht sagen/ aufgeblasene und vermaͤssene empfaͤhet/ welche zugeben koͤnte/ daß so ein trefflicher Fuͤrst zu ihren Fuͤssen laͤge; sonst erfreue ich mich Euer Liebe Vierdes Buch. Liebe guten wolergehens von herzen/ und erkenne mich schuldig/ der/ zeit meines vermum- meten elenden Standes/ mir uͤberfluͤssig erzeigeten hohen Zuneigungen/ als lange ich lebẽ werde/ eingedenke zuseyn/ und mich der Erstattung zubemuͤhen. Arbianes wuste vor freu- den nicht zuantworten/ dann die uͤber maͤssige Schoͤnheit/ die er vor Augen sahe/ benahm ihm die Rede; welches sie merkend/ nach seiner Eltern/ auch Herrn Mazeus und der sei- nen Zustand fragete; Worauff er anzeigete/ er haͤtte von denen Befehl/ Ihrer Durchl. Rettung bey schleunigster Botschafft anzumelden/ wuͤrden alsdann ingesamt bald uͤber- kommen/ und wegen beschehener schlechten Auffwartung sich entschuldigen. Herkules sahe/ daß die Dunkelheit einbrach/ ließ die Voͤlker/ weil daselbst viel Graß vor die Pferde wahr/ sich ins offene Feld lagern/ und die Gefangenen zwischen sich nehmen/ auch aus dem naͤhstbelegenen Staͤdlein essen und trinken vor liederliche Bezahlung ihnen zufuͤhren; Er aber mit Ladisla/ Arbianes/ dem Fraͤulein und Kleofls/ kehreten daselbst ein/ und zogen Gallus/ Timokles/ und die beyde Persische Juͤnglinge als Auffwarter mit ihnen/ woselbst Herkules seinem Ladisla vertraulich offenbahrete/ daß am Tage seines mit Mithrenes ge- haltenen Kampffes/ er mit seinem Schatze die Ehe richtig gemacht/ welches er bißher nit melden moͤgen/ nach dem er von dem Fraͤulein erbehten worden/ es so viel moͤglich/ in ge- heim zuhalten. Nun GOtt Lob/ antwortete Ladisla/ so ist die Heyraht vollzogen/ die ich bey mir selbst gemacht/ ehe und bevor ihr einander gesehen; zweifele auch nicht/ meine Frau Mutter werde hieruͤber sich hoͤchlich erfreuen/ angesehen der muͤtterlichen Nei- gung/ damit sie dir zugetahn ist. Sie macheten aber nach gehaltener Mahlzeit ein ge- meines Lager/ da Ladisla zwischen Valisken und Herkules/ und Arbianes diesem an der Seite schlaffen muste. Des folgenden Tages brachen sie gar früh auff/ liessen die Voͤlker samt den Gefangenen ihnen folgen/ und ritten mit 40 Pferden schnelle fort/ daß sie noch vor Essenszeit vor Persepolis anlangeten/ und Arbianes vor aus hieb/ dem Groß Fuͤrsten ihre Ankunfft zuvermelden/ welcher neben Pharnabazus ihnen hinaus vors Tohr entge- gen ritte/ sahe das Fraͤulein aus der Gutsche steigen/ ging ihr entgegen und wilkommete sie mit hoͤchster Verwunderung ihrer Schoͤnheit und Ansehens. Vortrefliches Fraͤulein/ sagte er/ ich erfreue mich ihrer gluͤklichen Erloͤsung/ hoffe es sol Artabanus die ihrer Liebe zugefuͤgete Schmach der Gefaͤngnis mit seinem Leben dereins buͤssen/ weil ein wenigers ich von ihm nicht fodern kan. Valiska bedankete sich der Gewogenheit sehr/ und baht umb verzeihung/ daß sie seinen Obristen Bubazes mit auffgesprochen/ alsdem sie ihre Jungfer verheirahtet/ deren sie nicht wol entbehren koͤnte/ und sie doch von ihrem Liebsten nicht haͤt- te trennen moͤgen/ hoffete/ seine Durchl. wuͤrde dieses nicht ungleich empfinden/ und ihm etwa in der naͤhe Dienste geben/ wie seine Mannheit verdienete/ die er in abtreib- und erle- gung der Feinde ritterlich haͤtte sehen lassen. Er hat euer Liebe billich gehorsamen sollen/ antwortete Artaxerxes/ und werde ich ihn von nunan zum Obersten dieser Stad Besat- zung bestellen/ damit neben seiner Liebesten er seiner hoͤchstgebietenden Fraͤulein untertaͤh- nigste Aufwattung leisten koͤnne; vernehme sonsten gerne/ dz er dem Feinde sich uneꝛschroc- ken gezeiget hat/ wiewol von diesem Verlauff mir noch nichts vorkommen ist. Herkules erzaͤhlete ihm kuͤrzlich wie es mit der Fraͤulein Erloͤsung/ und Bagophanes Verfolgung abgelauffen wahr/ daß auch das Fraͤulein 1000 Gefangenen die Freiheit geschenket/ und B b b b b b iij die Vierdes Buch. die uͤbrigen sich bald stellen wuͤrden. Sie warteten auch daselbst im Felde biß in die dritte Stunde/ da die Gefangene ankahmen/ welche Herkules dem Groß Fuͤrsten einliefferte/ nebest anzeige/ daß er ihnen versprochen haͤtte/ bey ihm Gnade zuerwerben; Aber er wolte sie keines weges añehmen/ sondern schenkete sie dem Fraͤulein/ nach belieben damit zu schal- ten; welche zur Antwort gab/ sie verstuͤnde leicht/ daß seiner Durchl. mit dem unnuͤtzen Gesinde nicht gedienet waͤhre/ und demnach ihr die Ehre goͤnnete/ sie frey zu geben; wolte also/ da ihrer Durchl. es nicht zu wieder/ sie mehrenteils ihrem Koͤnige Artabanus wieder zu schicken/ und von den leztgefangenen 600 vor Leibeigene behalten/ welche ihrem Herrn Bruder und Herrn Oheim bey ihren Leib- und Hand Pferden dieneten; Diese Zahl ward von den geradesten und jüngsten außgesucht/ in die Stad gefuͤhret/ und mit Knechtischen Ketten belegt/ hatten doch einen gelinden Dienst/ und hielten sich biß auff sehr wenige ge- traͤu und fleissig. Die uͤbrigen redete Valiska also an: Sehet diesen Großmaͤchtigsten Groß Fuͤrsten des uhralten Persischen Reichs/ ihr Gefangene/ und danket seiner Hocheit gebuͤhrlich/ daß er meiner Wenigkeit euch geschenket/ und wieder frey zu lassen gnaͤdigst beliebet hat. Teilet euch aber also bald/ und lasset alle Obristen/ Ritmeister/ und aͤdle Ritter absonderlich treten. Dieses geschahe alsbald/ und wahren derer 14 Obristen/ 40 Ritmei- ster und 36 aͤdle Ritter/ 90 an der Zahl/ zudenen sie sagete: Waͤhlet einen aus eurem mit- tel/ daß er mit dem Hauffen/ welchen ich ihm zuordnen wil/ fortgehe/ und dem Koͤnige Ar- tabanus anmelde/ es habe Groß Fuͤrst Herkules aus Teutschland euch seine Kriegsbeam- ten und Ritter bißdahin gefangen behalten/ daß meiner Freundin Kleofis vaͤterliches Er- be umb zwo Tonnen Schaz (dann so hoch wahr es angeschlagen) verkauft/ und das Geld in Persepolis ihr gelieffert werde/ alsdann wil ich euch allen die Freiheit auch zustellen; solte aber euer Koͤnig sich dessen wegern/ muͤsset ihr alle neunzig/ Zeit eures Lebens Leibei- gene seyn und bleiben. Diese erbohtẽ sich/ so viel Gelder vor sich selbst überzuschicken; aber sie antwortete ihnen; ihr hoͤret/ was euch gesagt ist/ der Koͤnig selbst muß es von der Erb- schaft senden/ oder ihr bleibt Leibeigene; rieff darauff zwanzig gemeinen Gefangenen/ gab ihnen/ und dem abgeschikten Ritmeister gute Reitpferde mit allem zubehoͤr/ welche Timo- kles von der Beute bekommen hatte/ und hieß sie schnelle fortreiten/ dem Koͤnige solches anzumelden/ und daß man inwendig vier Wochen die Gelder haben/ oder die Buͤrgen Leibeigen machẽ wolte. Ihr muͤsset aber/ sagte sie/ diese 21 Pferde so gut wieder herschaffẽ als ihr sie empfanget/ oder meinem Timokles vor jedes durch die Bank 200 Kronen schic- ken. Diese gingen alsbald fort/ den Befehl außzurichten. Als diese weg wahren/ sagete sie zu dem grossen Hauffen der Gefangenen; folget ihr nun euren Vorreitern/ und zeiget eu- rem Koͤnige an/ daß ihr den Großmaͤchtigsten Artaxerxes nebest meinem H. Bruder Koͤ- nig Ladisla gesehen/ und meines Herrn Oheims Groß Fuͤrst Herkules siegreiches Schweꝛt empfunden habet; auch daß ich ihn bitlich vor mich allein ersuchen lasse/ nicht allein mit hoͤchstgedachtem Beherscher des Persischen Reichs einen guten Vergleich und Nach- barliche Freundschaft auffzurichtẽ/ sondern auch die meinen/ wegen zugefügetẽ Schimpfs zuvergnuͤgen. Ja/ taht Ladisla hinzu/ sprechet; ich lasse nach wirdiger Begruͤssung ihn fra- gen/ ob er auff mein neulich eingeschiktes Schreiben sich nicht schier erklaͤꝛen werde/ damit ich wissen moͤge/ an was Ort und Ende ich seines Speers und Saͤbels wahrnehmen sol- le. Vierdes Buch. le. Herkules verstund hieraus/ was vor einen Brieff Artabanus in seiner Gegenwart so grimmig zurissen/ und erzaͤhlete es vor allen Anwesenden oͤffentlich; dessen Artaxerxes wol lachete/ und zu Ladisla sagete/ daß es die Gefangenen hoͤreten: Mein Herr Bruder haͤtte meines ermaͤssens dem unzuͤchtigen Wüterich nicht einen Absags Brieff/ sondern ein stol- zes Maͤgdlein zuschicken muͤssen/ die er mit den Zaͤhnen so leicht nicht wuͤrde zurissen ha- ben; demnach wir aber Gelegenheit finden werden/ ihn zum Treffen zubringen/ wollen wirs bißdahin auffschieben/ und nach Zeits-gelegenheit ein wenig Speise zu uns nehmen/ weil auff solche Gaͤste ich mich heut nicht geschicket habe. Die Gefangene danketen vor ih- re Freiheit mit einem demuͤhtigen Fußfalle/ und wurden mit noͤhtigen Speisen versehen/ auch von 3000 Reutern biß an die Parthischen Grenzen begleitet. So bald die unsern dz Schloß erreichet hatten/ gingen die Fuͤrsten ingesamt nach Gobares Gemache/ und be- sucheten ihn ehrenhalber/ welcher wegen des Schreckens uñ Schlages sich unpaß befand; doch ging das Fraͤulein nicht mit/ sondern ließ von Kleofis sich auff einem absonderlichen Zimmer einwenig zieren/ da sie nach gehaltener Mahlzeit aller hand unterredung pflogen/ insonderheit das Fraͤulein mit Arbianes und Pharnabazus. Gobares wahr fast zornig/ daß das Fraͤulein ihn zubesuchen nicht wirdigte/ doch weil er ein sonderlicher Liebhaber des schoͤnen Frauenzimmers wahr/ haͤtte er gerne wissen moͤgen/ ob dann etwas sonderli- ches an ihr/ daß der Muͤhe/ ihretwegen so viel zuwagen/ wert waͤhre; foderte deßwegen seinen Schmarotzer und Kupler Bagoas zu sich/ er solte dem Groß Fürsten bey Tische auf- warten/ und das fremde Fraͤulein eigentlich betrachten/ daß er sie ihm auffs genaueste be- schreiben koͤnte/ da sie dessen wirdig waͤhre. Dieser hielt sich dem Befehl gemaͤß/ kam nach verlauff einer Stunde wieder/ und taht folgenden Bericht: Großmaͤchtigster Fuͤrst/ aller- gnaͤdigster Groß Herr; Als ich in den Saal trat/ woselbst die stolzen Fremdlinge mit Ar- taxerxes (welcher euer Hocheit billich die Oberstelle/ als dem beruͤmtesten Helde der Welt abtreten folte) Mahlzeit hielten/ und weiß nicht was vor ein ungeschiktes Geplauder fuͤh- reten/ ward ich eines treflich schoͤnen Bildes gewahr/ deßgleichen in euer Hocheit ganzem Zimmer nie ist gesehen worden. O mein Bagoas/ fiel ihm Gobares in die Rede/ hilff ja bald nachsinnen/ daß ich ihrer geniessen moͤge. Dieser geniessen? antwortete er; nicht ein meid/ sondern ihre Hocheit werden mir Koͤniglich versprechen/ daß ich Freyheit haben sol- le/ mich an ihrer schoͤne zuergetzen. Bistu Narr unwitzig? sagte Gobares/ was woltestu nach der Speise schnappen/ die nur unsers gleichen vorbehalten wird? verzeihet mir/ al- lergnaͤdigster Herr/ sagte Bagoas/ ich rede nur von der Fraͤulein Dienerin/ die so voͤllig schoͤn und zierlich ist daß ihres gleichen ganz Susa nicht kennet. Aber O das unvergleich- liche Fraͤulein! ihr Goͤtter/ und nicht mein geringster Gott/ Gobares/ straffet mich euren Diener nicht/ daß ich mich erkuͤhne/ eine volkommenheit zubeschreiben/ die den Himmel selbst uͤbertrift/ und von keinen andern Eltern/ als von der Sonnen uñ dem Morgenstern kan gezeuget seyn. Die Griechen haben viel von ihrer Helena geschrieben/ aber dieses Fraͤu- lein/ dieses goͤttliche Fråulein/ ist eine vielhundertausendmal volkommenere Helena/ umb deretwillen nicht nur Artabanus sein Reich/ sondern Jupiter selbst seinen himlischen Siz verlassen/ und mit diesem Wunder-Bildichen sich in einen engen Winkel verstecken solte/ damit nicht jemand ihm diese uͤbervolkommene Glükseligkeit mißgoͤnnen/ und neben ihm der Vierdes Buch. der allersuͤssesten Niessung begehren moͤchte. O du mein ungelehrter Pinsel/ woher wiltu doch Farben nehmen/ diese Him̃elszierde/ dieses Wunder-schoͤn/ auch nur nach den groͤ- besten Zuͤgen zuentwerffen? Alle Leibes und Seelen volkommenheiten/ ja der Kern aller vortrefligkeit und Zierde/ samt einer demühtigen Hoͤfligkeit/ und hoͤchstwolgestalten De- muht/ die kein staͤublein der Koͤniglichen Hocheit verschenket/ finden sich bey diesem Fraͤu- lein/ O wunder! dermassen uͤberfluͤssig in unnachdenklicher voͤlle/ daß ich mit einem Kin- derloͤffel das Persische Meer außzuschoͤpffen mir ehe getraue/ als zubeschreiben/ was mei- ne Augen an diesem Lust Himmel gesehen. Tausendmahltausend Fraͤulein koͤnten mit ih- rer Schoͤnheit zu aller gnüge außgezieret werden/ und behielte sie dannoch einen solchen Vorsprung/ der bey tunkeler Nacht/ ja mit beschlossenen Augen moͤchte erkennet/ und von dem allerwirdigsten Koͤnige biß auffs sterben wirdigst geliebet und heftigst begehret wer- dẽ. O schweige Bagoas/ schweige/ sagte Gobares; dieser Reden bin ich ja an dir nit gewoh- net. Vielzuwenig/ allergnaͤdigster Herr/ viel zu einfaͤltig/ viel zu schlecht sind meine Wor- te/ sagte er; meine Augen wolten anfangs nicht trauen/ was ihnen vorstund; meine Ver- nunft uͤberlieff von verwundern/ als ich dieses himlische Meisterstük erblickete; ja in so tieffes Mißtrauen geriet ich dazumahl/ daß ich meinete/ die Volkom̃enheit selbst/ oder doch ihr Abdruk waͤhre mir in etwa einer Verzückung erschienen; ich begunte schon zu wanken als ein Trunkener/ und wolte Weirauch und Kohlen fodern/ eurer Hocheit Schuz- und Liebes-Goͤttin zu opffern/ als die den wirdigsten Ort bey dem Tische bekleidete/ uñ vielleicht von niemand anders/ als nur von mir gesehen wuͤrde; aber ich besan mich/ da sie die un- vergleichlichsten Lippen/ (vor denen die Rubinen und Korallen erbleichen) in hoͤchster Zieꝛ- ligkeit von einander taht/ und die gleichriegigen Helffenbeinen Zaͤhnlein sehen ließ/ zwischẽ denen eine dermassen anmuhtige wol klingende Stimme hervorbrach/ daß mich gedauch- te/ Schuͤsseln und Glaͤser wuͤrden einen Freudentanz auff dem Tische anfahen/ gestaltsam meine Vernunft sich alsbald in der Urtel verstoͤret befand/ ob meine Ohren vom hoͤren/ oder die Augen vom anschauen mehr beluͤstigung empfingen. Zwar ich habe ihr Ange sicht mit den Gedanken eine grosse Stunde/ die mir kein Augenblik dauchte/ tiefsinnigst uͤber- lauffen/ aber unmoͤglich wahr mirs/ ichtwas davon recht zu fassen; dann/ betrachtete ich ihre himlische Stirn/ so zogen mch ihre beyde Sonnen (die Augen meyne ich) davon ab/ sie zu beschauen; aber die Augenlieder/ O der schoͤnsten Vorhaͤnge! machten mich dann in sich alsbald auff ein neues verliebet; wo zwischen die uͤber allen Wunsch wolgestalte Nase sich legete/ und zu ihrer nachdenkung mich einlude. Aber O ihr Waͤngelein/ wer hat je- mahls eine solche Vermischung des allerlebhaftesten rohtweisses gesehen? Der nicht min- der süsse als schoͤne Mund uͤberwieget weit meine Reden/ weil er in dieser Welt keinen gleichen hat. Das Kiñ mit einem kurzen Rizlein durchzogen/ gibt den uͤbrigen Stuͤcken nicht daß allergeringste bevor; und daß ich der guͤldenen Haare nicht vergesse/ die auff bey- den Seiten uͤber den Schuldern von sich selbst gekraͤuselt/ herab hingen/ halte ich deren jedes vor eine gnug starke Kette/ aller anschauenden Herzen im Nuh dermassen zu fesseln/ daß sie nichts anders wuͤnschen/ als in den Diensten dieser vol- schoͤnen zusterben. Kurz uñ mit einem Worte zusagen; dieses/ ja einig dieses Fraͤulein ist es/ die euer Koͤnigl. Hoch- heit Liebe und Hulde ich wirdig achte. Gobares hoͤrete zu als ein Verzuͤcketer/ und sinnete unter Vierdes Buch. unter dieser Erzaͤhlung schon nach/ wie er dieses anmuhtige Taͤubelein beruͤcken/ und mit seinem Garn zu sich reissen moͤchte/ die er doch weder gefehen/ noch geprüfet/ ob sie von den Zahmen waͤhre/ die jedermans Freunde sind. Es machte ihn auch diese Begierde so mun- ter/ daß des dritten Tages nach ihrer Ankunft/ an welchem das Freudenfest ihrer Erloͤ- sung und Bubazes Hochzeit solte gehalten werden/ er sich aus seinem Lager erhub/ und mit praͤchtiger Kleidung sich belegete. Valiska hatte sich auch Koͤniglich gezieret/ und zu- gleich ihre Kleofis mit vielen Kleinoten behaͤnget. Nun wolte er aber dem Fraͤulein eine Ehre tuhn/ und seines ersten Außganges sie auff ihrem Gemache besuchen/ schickete auch einen wolgepuzten aͤdelknabẽ zu ihr/ mit vermeldung/ da ihrer Durchl. es nicht zu wieder/ wolte sein Fuͤrst deroselben in ihrem Gemache gerne auffwarten/ und wegen gesunder an- kunft ihr Gluͤk wünschen; welches ihm dañ mit hoher Danksagung verwilliget ward. Es kam aber gleich darauff Herkules zu ihr gangen/ und foderte sie auff Ladisla Gemach/ etli- che nohtwendigkeiten abzureden/ da inzwischen Gobares sich einstellete/ und Kleofis allein ersehend/ sie vor das Fraͤulein hielt/ auch alsbald in heisser Glut gegen sie entzuͤndet/ sich auff die Knie niederlegete/ und ihr die Hand kuͤssend anfing: Durchl. Fraͤulein. Diese er- kennete seinẽ Irtuhm/ trat zuruͤck/ uñ sagete mit grosser Schamhaftigkeit; Durchl. Fuͤrst/ gnaͤdiger Herr; ich bitte untertaͤhnig umb vergebung/ ihrer Durchl. anzudeuten/ daß die- selbe an mir unwirdige sich irren/ weil ich ja nicht das Durchl. Fraͤulein/ sondern nur de- ro Dienerin bin. Gobares zuͤrnete auff sich selbst/ daß er vor einer aͤdel Jungfer sich gede- muͤhtiget hatte/ stund bald auff/ und inbetrachtung ihrer Schoͤnheit/ sagte er; Schoͤnste Jungfer/ mein Irtuhm kan zu nichts schaͤdlich seyn/ massen eure Volkom̃enheit wol ver- dienet/ daß sie von Fuͤrsten geehret und geliebet werde; wie ich mich dann gegen sie zu aller Freundschaft anerbiete. Nun hatte Herkules Leibknabe diesen Fuͤrsten in der Fraͤulein Ge- mach treten sehen/ und deutete es seinem Herrn in der Fraͤulein Gegenwart an/ die aber ihren Bruder und Liebsten baht/ mit ihr zugehen/ weil sie bey fremden nicht gerne allein waͤhre; haͤtte ohndaß ein schlechtes Herz zu ihm/ wegen der Ungewogenheit/ die er ihnen ehmahls erzeiget. Als nun Gobares sie herein treten sahe/ gedauchte ihn nicht anders/ er saͤhe eine Himmels Koͤnigin; dann wie freundlich sie sonst wahr/ nahm sie sich doch vor- sezlich einer sonderlichen Ernsthaftigkeit angegen ihn/ in dem sie nach beschehener Nei- gung zu ihm sagete; Durchl. Fuͤrst/ die Ehre ist zu groß und unverschuldet/ daß seine Liebe auff einem einsamen Zim̃er mich besuchen wollen; erfreue mich dannoch ihrer Liebe wie- der erlangeter Gesundheit/ und bitte/ dieselbe mit meinem Herrn Bruder und Oheim nach dem Hochzeit Saal gehen wolle/ wohin ich mit dieser Braut bald folgen wil. Goba- res stellete sich uͤberaus hoͤflich/ kuͤssete ihre zarte Hand kniend/ uñ redete sie also an: Durch- leuchtigstes unvergleichliches Fraͤulein/ es hat die Schuldigkeit mich auffgemahnet/ ihrer Durchl. gehorsamst auffzuwarten/ als deren gluͤkliche Erloͤsung und wieder erlangete Freiheit mich zum hoͤchsten erfreuet hat/ so bald ich inne worden bin/ daß der unflaͤhtige Wuͤterich Artabanus in seinem unverantwortlichen Vorhabẽ verstoͤret/ uñ euer Durchl. Ehre gerettet ist/ gelobe auch euer vortefligkeit hiemit aͤidlich an/ daß ich meines Fürsten- tuhms aͤusserste Macht anwenden wil/ damit die Unbilligkeit gerochen werde/ welche euer Durchl. durch gefaͤngliche auffhaltung schimpflich angeleget ist. Valiska noͤhtigte ihn auffzustehen/ bedingete sich der gar zu grossen Ehre/ und nach beschehener Danksagung C c c c c c wegen Vierdes Buch. wegen des hohen Erbietens/ ruͤhmete sie seine Fuͤrstliche Tapferkeit/ daß sie hiedurch ver- bunden wuͤrde/ seine Tugend groß zuachten. Herkules gefiel nicht uͤbel/ dz dieser unfreund- liche einen bessern Willen gefasset hatte/ welches er auch bey ihrer ersten Besuchung sich merken lassen/ und weil er das Fraͤulein nach dem Saal zubegleiten sich selbst anerboht/ kunte sie ihm solches nicht wegern; da er von Begierden und unkeuschen Reizungen sich dermassen angefuͤllet spuͤren ließ/ daß er die Flammen so wol nicht unterdruͤcken kunte/ daß Ladisla/ der seiner Unzucht von Artaxerxes berichtet wahr/ es nicht solte gemerket haben/ und daß er mit weit andern Gedanken umbginge/ als die Worte lauteten; dessen er doch gegen Herkules/ Ungelegenheit zuverhuͤten/ sich mit keinem Worte vermerken ließ/ inson- derheit/ weil ihm beydes seiner Fraͤulein Schwester Zucht/ und Gobares Furchtsamkeit gnug bekant wahr. Die vornehmsten Obristen des Persischen Heeres wahren zur Hoch- zeit geladen/ die zwar Bubazes wegen seiner Heyraht gluͤkselig preiseten/ aber an Valisken sich dermassen vergaffeten/ daß ihre einhellige Urtel wahr/ es koͤnte ein volkommener Gluͤk als die wirkliche Niessung ihrer Schoͤnheit/ nicht erdacht werden. Bey der Mahlzeit saß Gobares dem Fraͤulein allernaͤhest/ dessen er auff Artaxerxes schlechte noͤhtigung sich nit wegerte/ und sattelte ihn die Hoffnung dermassen/ daß er an nichts gedachte/ als wie er Ge- legenheit finden moͤchte/ ihr seine Liebe verstehen zugeben/ dann er wahr noch unberichtet/ daß Herkules sich mit ihr versprochen haͤtte. Das adeliche Persische Frauenzimmer hatte sich in zimlicher anzahl eingestellet/ die nach auffgehobenen Speisen einen zierlichen Tanz nach Landes Art unter sich hielten/ biß Ladisla seine Frl. Schwester auch zum Tanze fuͤhre- te/ und sie ehrenhalber Gobares brachte/ welcher sich dessen hoch bedankete/ und gleich mit den Gedanken umbging/ Gelegenheit zu haben/ wie er sein Gemahl umbringen/ und her- nach das Fraͤulein ehelichen koͤnte. Im Tanze wendete er alle Zierligkeit an/ worin er besser als in Waffen geuͤbet wahr/ und nach dessen Endigung redete er sie also an: Unvergleich- liches Fraͤulein/ Himlisches Bilde; wie inbruͤnstig suchet meine flammenhitzige Seele/ die Begierden anzuzeigen/ welche mich treiben/ die Volkommenheit anzubehten/ so ihrer vortrefligkeit beywohnet. O du gluͤkseliges Feur/ daß von den Stroͤmen dieses suͤssen er- quikwassers sol geloͤschet werden! O ihr hoch begnadete Augen/ die ihr dereins verguͤnsti- gung haben sollet/ die unaussprechliche Schoͤnheit dieses goͤttlichen Leibes anzuschauen. So bitte und flehe nun/ du durch uñ durch verliebeter Gobares/ dz deine begierige Knecht- schaft in deren Diensten moͤge auffgenom̃en werden/ die von deiner Seele uͤber den Him- mel selbst geschaͤtzet wird. Das Fraͤulein hoͤrete diese reden mit solchem Unwillen an/ daß ihr das Herz im Leibe erzitterte/ wahr anfangs bedacht/ ohn Antwort von ihm zugehen/ a- berumb auffsehens willen/ und daß ihm sein falscher Wahn gaͤnzlich moͤchte benommen werdẽ/ gab sie ihm mit ernstlichen Geberden diese Antwort: Gnug/ Fürst von Susa/ gnug/ wo es nicht gar zuviel ist; und wes zeihet ihr euch gegen ein Koͤnigliches Fraͤulein/ die ihre Ehre tausendmahl lieber als ihr Leben hat? Ich kan beteuren/ daß der grosse Artabanus selbst der Verwaͤgenheit nicht gewesen ist/ mit dergleichen Anmuhtungen mich anzu- sprengen/ da er doch ohn ein eheliches Gemahl lebet; und Fuͤrst Gobares/ der geheyrahtet hat/ solte ungebuͤhrliche Liebe bey mir suchen duͤrffen? meinet ihr etwa/ ich werde euch dem groͤssesten Koͤnige vorzihen/ und euch in Unzucht folgen lassen/ was jener in Koͤniglicher Heyraht nicht erhalten moͤgen? lasset euch ja in Ewigkeit solcher Reden nicht mehr ver- lauten/ Vierdes Buch. lauten/ daß ich nicht verursachet werde/ mich dessen zubeschweren. O nein; Valiska ist keine himlische/ viel weniger goͤttliche/ aber auch ja so wenig eine leichtsinnige/ die auff un- zuͤchtiges Feur ihr Loͤschewasser schuͤtten/ oder unbendigen Augen mehr als den Weg neben hin goͤnnen solte. Bedenket hernaͤhst meine Hocheit/ und entschlaget euch der Gedanken/ ichtwas unkeusches bey mir zuerhalten/ so wil ich diesen euren Frevel unter die Fuͤsse der Vergessenheit treten/ und eures Ungluͤks keine Ursach seyn; im wiedrigen sol diese meine Hand durch rechtmaͤssigen Kampff sich an euch raͤchen. Hierauff wolte sie seine Antwort nicht erwarten/ sondern nach hoͤflicher Neigung (umb der Anwesen den willen) trat sie zu Kleofis/ hielt einen Tanz mit ihr/ und fuͤhrete sie Artaxerxes zu/ der nach dessen Endigung ihr ein Adelgut nahe bey der Stad gelegen/ zur Außsteuer schenkete. Es hatte sich Gobares an seinen alten Plaz wieder gesetzet/ und muste Valiska/ Argwohn zu meiden/ sich zu ihm verfuͤgen. Er wahr aber der unvermuhtlichen Antwort so bestuͤrzet/ daß er meinete/ zu veꝛ- zweifeln/ weil der stolze Nar ihm nicht einbilden koͤnnen/ das sein Anmuhten ihm solte ver- sagt werden. Gleich wie aber einem Fieberkranken durch wegerung des Trunks der Durst und die Sauffbegierde nur gemehret wird/ also nahmen die Begierde der abgeschlagenen Niessung bey diesem Unzuͤchtigen heftiger zu/ ward auch in etwas wieder auffgerichtet/ wie er sahe/ daß sich das Fraͤulein zu ihm setzete/ und keinen Wiederwillen merken ließ/ fing demnach viel ein ander Gespraͤch mit ihr an/ und beklagete das Leid ihrer Fr. Mutter/ in welches sie durch ihre gewaltsame Entfuͤhrung gestuͤrzet waͤhre. Aber so bloͤdes Gehirns wahr sie nicht/ daß sie dieser Stellung nicht solte wahrgenommen haben; wahr doch wol zu frieden/ daß er seyn selbst acht hatte/ und beantwortete es mit guter Freundligkeit. Des- selben Tages waͤhlete sie zwo zierliche aͤdle Jungfern/ Andia und Amestris/ die ihr stete Ge- selschaft leisten solten/ nam auch eine Leibdienerin an/ nahmens Apame/ die aͤusserlich sich from zu stellen wuste/ aber im Herzen voller Leichtfertigkeit wahr. Diese Nacht volfuͤhrete Gobares mit Seufzen und Liebesgedanken/ dessen Ursachen sein Bagoas zuerfragen sich erkuͤhnete/ und von ihm vernam/ wie abschlaͤgige und zwar schimpfliche Antwort ihm das Fraͤulein auff sein Ansuchen erteilet/ so daß er zu sterben sich erwogen haͤtte/ weil ohn sie zu leben ihm unmoͤglich waͤhre. Dieser aber troͤstete ihn mit frischen Reden/ man muͤste in der gleichen Sachen sich nicht uͤbereilen; gut Ding wolte weile haben/ und waͤhre ihre Hocheit tra zum Kuͤnstler verdorben/ wann sie an einer treflichen Arbeit so bald erliegẽ wolte/ da jene offt etliche Wochen nur mit den groͤbesten Feilen zubringen muͤsten/ wann sie etwas sonderliches vorhaͤtten. Was man mit leichteꝛ Muͤhe eꝛlangete/ gaͤbe kurze Wol- lust/ uñ braͤchte die erlittene Gefahr nach erhaltenem Gute eine sonderliche Vergnuͤgung/ wañ wir daran gedaͤchten; Eure Hocheit betrachten sagte er/ was Artabanus vor Schmer- zen wegen des gaͤnzlichen Verlustes dieser Volkommenheit erdulden muß/ und sie wolte auff der ersten Stuhffe verzagen/ da sie nach diesem allerschoͤnsten Gewaͤchse steigen? nicht also/ mein Koͤnig; sie wil ohnzweiffel die Bewehrung eurer Bestaͤndigkeit zuvor haben/ ehe sie sich vertraulich heraus laͤsset; aber ob sie gleich durchaus nicht wolte/ muͤste man deßwegen dann an gutem Verfolg alsbald verzweifeln? Sie lasse nur mich machen/ und verheisse mir die Kleofis/ die mein Herz besessen hat/ so wil ich schon mittel finden/ auch wi- der ihren Willen Euer Hocheit sie zuliefern/ da wir sie in aller stille nach Susa bringen/ uñ euer Herz nach allem Wunsch vergnuͤgen wollen. Gobares wuste/ daß er zu solchen Sa- C c c c c c ij chen Vierdes Buch. chen sehr argliftig und verschlagen wahr/ versprach ihm daher die Kleofis zum Weibe/ und daß er ihm eine freye Herschafft in seinem Fuͤrstentuhm erblich schenken wolte. Hierauff machte Bagoas sich des folgenden Tages an Apame der Fraͤulein Magd/ gab grosse Liebe vor/ und durch Schenkung erhielt er bey ihr seines unzuͤchtigen Muhtwillens Vergnuͤ- gung/ wodurch er sie nachgehends zu seinem begehren ihm verbunden machete. Fabius/ der den Nahmen Kleon abgelegt/ und sich Brokubelius nennete/ wolte in der Persischen Grenze Stadt die Zeit nicht vergeblich zubringen/ sondern weil er vernam/ daß alle Ritter/ so durch Persen reiseten/ auffgehalten und in Dienste genommen/ oder auf dessen Wegerung vor Feinde und Verraͤhter gehalten wuͤrdẽ/ machte sich Sudwerz nach dem Koͤnigreich Armuzia/ jezt Ormus geneñet/ und am Persischen Meer gelegen/ woselbst er 1000 wolversuchte Reuter annam/ mit denen er sich des Weges/ den er kommen wahr/ auff die Fahrt begab/ in Meynung/ einen weiten Umschweiff durch Assyrien und Meden zunehmen/ und von dannen nach Parthen sicher zugehen/ weil er gaͤnzlich meynete/ Ladisla wuͤrde bey Artabanus Dienste genommen/ und vielleicht seinen Herkules daselbst ange- troffen haben. In den Persischen Grenzen geriet er mit einem grossen Indier in Strei- tigkeit/ den er zufusse bestund/ und in offenem Kampffe erlegete/ wo durch er bey seinen Leu- ten ein grosses Ansehen bekam. Sein leibeigener Orsillos wahr ihm in Armuzia wunder- lich wieder in die Haͤnde gerahten/ dann dieser hatte durch rauben und stehlen so viel ge- samlet/ daß er ein gutes Pferd und noͤhtige Ruͤstung eingekaufft/ in willens/ Bestallung zu nehmen; und weil er hoͤrete/ daß Obrister Brokubelius frische Anreitsgelder gab/ machte er sich hin zu ihm/ solche zuempfangen; aber O wie entsetzete er sich/ da er sein Angesicht sa- he/ auch Fabius/ der ihn alsbald kennete/ ihn also anfuhr; Woher fuͤhret dich das rachgie- rige Ungluͤk zu deiner gebuͤhrlichen Straffe? und wer hat dich meinen leibeigenen in die- sen Reuter Harnisch verstecket? Dieser fiel demuͤhtig vor ihm nider/ und baht sehr/ ihn frey zulassen/ nach dem er seiner Bosheit wegen gnugsame Straffe ausgestandẽn haͤtte/ beken- nete auch alles/ wie er sein Leben errettet/ und davon gelauffen waͤhre; aber die Gedaͤchtniß des ausgestandenen Schimpffs lag Fabius viel zu hart im Sinne/ daher er ihm den Har- nisch abzihen/ und mit Knuͤtteln hefftig abschlagen ließ/ hielt ihm seine Unbarmherzigkeit vor/ und ließ ihm schwere Ketten/ daß er nicht entlauffen solte/ anlegen; also muste er sich auffs neue rechtschaffen leiden/ und als ein Gefangener neben seiner wolgetatzeten Ritter- schafft daher lauffen. Zu Charas gingen diese Zeit die Sachen wunderlich durcheinander; dann Koͤnig Artabanus/ wie bemuͤhet er gleich wahr/ seine Voͤlker schleunigst zusamlen/ wolte doch eine so grosse Machtsich nicht aus dem Sacke schuͤtten/ noch die noͤhtige Ausruͤstung und Un- terhaltung mit Worten sich schaffen lassen; uͤberdas wahr sein Gemuͤht wegen der Fraͤu- lein Flucht dermassen erschlagen/ daß er dem Kriegswesen nicht gebührlich obliegen kunte/ und hatte noch Hoffnung/ sein Bagophanes wuͤrde etwas statliches ausrichten. Als aber derselbe so gar einsam (massen er aus der Parthischen Grenze Stad nur vier Kriegsknech- te zur Begleitung mit sich genommen) wiederkam/ und ihm angezeiget ward/ daß er vor dem Schloß Tohr gar einsam/ umb vorgelassen zuwerden/ anhielte/ waͤhre er schier von Sinnen kommen. Doch ließ er ihn vorfodern/ und so bald er ihn sahe/ rief er ihm zu: Wie ist dirs ergangen/ Bagophanes/ hastu des Spitamenes und Madates Gluͤk gehabt? Er taht Vierdes Buch taht alsbald einen Fußfall/ und fing also an: Allergnaͤdigster Koͤnig; ich habe allen moͤgli- chen fleiß angewand/ dem Fraͤulein auff die Spuhr zukom̃en/ habe auch die Grenze Stad/ in welcher sie sich auffhielt/ ausgekundschaffet/ meine Voͤlker heimlich verstekt/ und mich dahin begeben/ sie gesprochen/ das Schreiben ihr geliefert/ und zur Antwort bekommen; Sie koͤnte sich nicht als eine geraubete und gefangene verheyrahten/ sondern dafern der grosse Koͤnig entwedervon ihrer Fr. Mutter Einwilligung erlangete/ oder sie mit dem Schwerte gewuͤnne/ waͤhre sie darzu bereit und willig. Was solte ich nun getahn haben/ allergnaͤdigster Koͤnig? Das Staͤdlein wahr mit schmalen Graben und geringen Mau- ren umgeben/ ich merkete dariñen wenig Voͤlker zur Besatzung; hingegen hatte ich 16000 Mann bey mir; aber auch bey ihr wahr der tapffere Teutsche Herkules; was solte ich ge- tahn haben/ allergerechtester/ allerweisester Koͤnig? Nun merken wir erst/ sagte Artabanus/ daß wir an dir einen Narren ausgeschicket haben; fragestu noch/ was du haͤttest tuhn sol- len? Du haͤttest sollen das schwache Staͤdlein anlauffen/ stürmen/ unser Fraͤulein retten/ den Buben Herkules erwuͤrgen/ und alle Inwohner samt der Besatzung nidermachen; und haͤttestu nur so viel Herzens gehabt/ wuͤrden wirs unvergolten nicht lassen/ obs gleich mißlungen waͤhre. Allergnaͤdigster Koͤnig/ antwortete er; ich habe es gleich also zumachen vorgehabt/ ich habe die Stad mit den meinen angelauffen und gestuͤrmet/ unter der Mey- nung/ weil sich keine Voͤlker/ ausser geringeꝛ Besatzung dariñen vernehmẽ liessen/ bald Mei- ster zuwerden; aber/ ehe ich michs versahe/ und ich das eine Tohr samt der Maur schier in meiner Gewalt hatte/ da fielen von bey den seiten bey die 10000 der wolversuchtesten Reu- ter unter Herkules Anfuͤhrung auff mich an; bald drungen etliche tausend Schuͤtzen zu fusse mit heraus/ daß meine Leute/ die sich zum Sturm enge beyein ander hielten/ kein Feld gewinnen/ noch in eine rechtmaͤssige Schlacht Ordnung sich stellen kunten/ daher miꝛ in die 4000/ wiewol nicht ohn der Feinde Blut/ nidergemacht/ die übrigen in der enge gefangen genommen wurden; welche aber von Herkules gute Vertroͤstung zur Freylassung bekah- men. Ich bin nach gehends von Herkules gewirdiget/ bey seinem Tische Speise zunehmẽ/ und habe von dem Fraͤulein in absonderlichem Gespraͤche gnug verstanden/ daß/ nachdem sie von der Bezauberung befreyet/ sie nichts lieber wuͤnschet/ als durchs Schwert erstritten zuwerden. Eins ist noch von meiner Erzaͤhlung uͤbrig/ welches ohn zweifel eurer Koͤnigl. Hocheit eben so grosses verwundern bringen wird/ als mir; daß nehmlich der Schwarz- kuͤnstler Valikules das Angesicht der Fraͤulein bey der Wegfuͤhrung verstellet/ wie er sich selbstverstellen kan/ massen sein Angesicht/ welches er uns alhier hat sehen lassen/ nicht sein eigentliches/ sondern ein angenommenes ist/ sonst wann er in seiner wahren Gestalt sich se- hen laͤsset/ ist er der schoͤnste Juͤngling/ mit gelbem Haar und zartem Angesicht/ und eben der Teutsche Groß Fuͤrst Herkules/ dessen Waffen nicht ohn ursach so hoch geruͤhmet weꝛ- den. Weil ich nun in diesem Zuge eben dasselbe vorgenommen habe/ welches Ihrer Koͤ- nigl. Hocheit eigener Wille gewesen ist/ hoffe ich gaͤnzlich/ dieselbe werde nach ihrer bey- wohnen den Gerechtigkeit/ wegen meines unfalls allergnaͤdigstes Mitleiden tragen/ und sich versichern/ daß ich leben und sterben/ ja auch nach meinem Tode bleiben wil/ Ihrer Koͤnigl. Hocheit allergetraͤuester Diener/ uñ gehorsamster Knecht/ ohn alle Ausrede. Der Koͤnig gab sich in allem zufrieden/ aber als er vernam/ daß er von Valikules so schlim- uñ veraͤchtlich hintergangen wahr/ waͤhre er schier von Sinnen kommen/ draͤuete ihm auch C c c c c c iij die Vierdes Buch. die abscheuhlichste Pein und Straffe/ welche er erdenken koͤnte/ und daß alle Verraͤhter an ihm sich spiegeln solten. Hernach bedachte er sich ein wenig/ und sagte bald darauff: Nun dann/ weil ja unsere Groß Koͤnigl. Braut mit dem Schwerte sol und wil gewoñen seyn/ wolan/ so muß es auch geschehen/ und wollen wir selbst mit einem unuͤberwindlichen Heer von 500000 streit bahren Kriegsleuten zu Felde gehen; aber mein Bagophanes/ duͤrffte auch der freche Bube mit dem gezwungenen und bezauberten Fraͤulein nacher Teutschland sich erheben/ ehe wir Persen erreicheten. Davor wil ich hafften/ daß es nicht geschehen werde/ antwortete er; dann der weißmaͤulichte Herkules darf noch wol draͤuen/ diese Laͤnder nicht zuverlassen/ biß Artabanus (so veraͤchtlich redete er) wegen der angebo- tenen Ruhten ihm Abtrag gemacht habe; Weil ich nun ein solches unbeantwortet nicht lassen/ noch die Koͤnigl. Beschimpffung anhoͤren kunte/ haͤtte mirs umb ein Haar das Le- ben gekostet. Ey/ sagte der Koͤnig/ Abtrag sol er haben/ aber dermassen ungnaͤdig/ daß ihm die Haut davor schauren sol. Ihm aber erteilete der Koͤnig voͤllige erlassung/ da unter an- dern er dem Koͤnige der Sysigamben Unschuld/ und wie sie von Valikules und dem be- zauberten Fraͤulein hintergangen waͤhre/ erzaͤhlete. Der Koͤnig fragete ihn/ wo er dann die zierliche Kleofis gelassen/ welche er ihm vor gehabte Muͤhe zum Gemahl zugedacht haͤt- te. Sie ist als eine gefangene auffgehalten/ antwortete er/ hat sich bald darauff mit einem Persischen Obristen leichtfertig gnug verheyrahtet/ und alle Parthische Traͤue abgeleget/ da Herkules noch wol an mich begehren durffte/ bey dem Koͤnige abzufodern/ daß ihr vaͤ- terliches Erbe ihr ausgefolget würde/ wo sonst im widrigen falle er nicht ein fuͤnffdoppel- tes aus Parthen ablangen solte. Laß lauffen/ laß Kleofis lauffen/ antwortete der Koͤnig/ Kleofis gibt oder nimt uns nichts/ deren Verlassenschafft dir krafft dieses erblich sol ge- schenket seyn/ solt auch die frcye Wahl unter unserm ganzen annoch unausgezeichneten Frauenzimmer zu deiner Verheyrahtung haben; dessen er sich untertaͤhnigst bedankete/ sahe auch mehr auff Schoͤnheit als auff Zucht/ und waͤhlete eine Armenische/ die zwar an Leibes Zierligkeit vortrefflich/ aber aus einem gemeinen Frauen Hause genommen/ und we- gen ihrer Schoͤnheit dem Koͤnige geschenket wahr. Des folgenden Tages stelleten Volo- geses und Pakorus nebst andern vornehmen Kriegshelden sich bey dem Koͤnige ein/ ver- nahmen Bagophanes obgedachtes Vorbringen/ und wolten nicht viel dawider reden/ weil der Koͤnig ihn selbst entschuldigte. Die ersten tausend von dem Fraͤulein freigegebe- ne kahmen des dritten Tages auch an/ liessen sich vorerst bey Vologeses melden/ und kla- geten uͤber Bagophanes vielfaͤltiges grobes versehen/ nebest anzeigung/ daß sie von dem ganzen gefangenen Heer Vollmacht und Befehl haͤtten/ ihn deswegen bey dem Koͤnige anzuklagen/ aber er widerriet ihnen solches getraͤulich/ weil sie nicht allein bey dem Koͤnige kein Gehoͤr haben wuͤrden/ sondern Bagophanes aus Koͤniglichem Befehl also gehan- delt/ und nichts aus Betrug oder Verraͤhterey vorgenommen haͤtte. Der abgeschikte Obriste mit seinen 20 Reutern kam auch bald hernach/ und gab Pakorus der Fraͤulein Vortrag wegen Kleofis vaͤterlichen Erbes zuvernehmen/ welcher nebst Vologeses es dem Koͤnige vortrug/ und zur Antwort bekam: Er haͤtte solches alles schon seinem getraͤuen Hofmeister geschenket. Sollen dann die 90 Befehlichshaber im stiche bleiben? fragete Pakorus/ so werden hernaͤhst Eure Koͤnigl. Hocheit deren wenig bekommen/ wofern man diese mit einem so gerignen Loͤsegelde freizumachen unterlassen wird. Und als der Koͤnig darauff Vierdes Buch. darauff zuantworten verzog/ sagete Vologeses zu Pakorus; komt mein Freund/ wir wollen uns in den naͤhesten Graben stuͤrzen/ umb der Quaal und des Jammers abzukom- men; dann Artaxerxes der Abtruͤnnige hat dieses Mittel erdacht/ unserm Koͤnige alle Kriegsverstaͤndige abspenstig zu machen; gehet ihm solches an/ so ist Charas sein eigen/ ehe ein viertel Jahr zum Ende laͤuft/ welches Elend ich nicht begehre zuerleben. Der Koͤ- nig bedachte sich darauff/ kauffte Bagophanes solches geschenke wieder abe/ und gab diesen beyden Freyheit/ damit/ ohn seine Verkleinerung/ nach belieben zuschalten/ welche nicht al- lein alles getraͤulich an Kleofis uͤbermachten/ sondern bewaͤgeten auch der Gefangenen Obristen und Ritmeistere Gemahlen und Verwanten/ daß sie eine Tonne Schaz/ Kleofis zur Verehrung/ dabey legeten; welche Hoͤfligkeit Herkules bey der Lieferung so wol gefiel/ daß alle diese 90 Gefangene mit Pferden und Rustung versehen/ und zurük geschicket wur- den/ weil auch Timokles ein Gedoppeltes vor seine Pferde bekom̃en hatte. Vordißmahl aber hielt der Koͤnig mit vorgedachten Herren als vornehmsten Reichs Seulen wegen des Kriegs/ Unterredung/ und daß in sechs Wochen alles zum grossen Feldzuge solte fer- tig seyn. Zwo Wochen nach Bagophanes Wiederkunft/ ward von dem Koͤnige und den Vornehmsten Reichs Fuͤrsten (die sich nunmehr des Werks ernstlich annahmen) vor gut angesehen/ daß Fürst Vologeses selbst noch einmahl mit einem kleinen Heer von 36000 wolgeuͤbeten Reutern an die Persischen Grenzen ginge/ sich der Kriegsart der beyden Fremden eigentlich zuerkunden/ und eine Schlacht/ wann er Vortel sehen wuͤrde/ mit ih- nen zuwagen/ auffdaß/ wo moͤglig/ der empfangene dreyfache Schimpff außgeloͤschet/ und den Voͤlckern ein Muht gemacht wuͤrde. Der Koͤnig gab ihm Befehl/ die Persische Gren- ze Stad/ da Bagophanes Abbruch gelitten/ der Erden gleich zumachen/ alle Gewapneten niderzuhauen/ und die Wehrlosen gefangen zu nehmen. Worauff Fuͤrst Vologeses zur Antwort gab; Wañ man wolte Staͤdte belagern und stuͤrmen/ muͤste man darzu Fußvoͤl- ker uñ ander gebuͤhrlich Zeug gebrauchen; er waͤhre nit willens sich Bagophanes gleich zuverhalten/ sondern dem Feinde im Felde entgegen zuzihen/ und allen moͤglichen Fleiß an- zuwenden/ ob die zornigen Goͤtter sich wieder gnaͤdig erzeigen/ und ihm einen ehrlichen Sieg goͤnnen wolten; wo nicht/ muͤste er auch zufriede seyn/ und dem Himmel seinen Wil- len lassen; inzwischen wuͤrde der Koͤnig die Streitwagen/ Elefanten und Voͤlker durch die bestelleten Obristen taͤglich lassen üben und zum Treffen gewaͤhnen. Spitamenes uñ Ma- dates wahren zugegen und zeigeten ihm getraͤulich an/ was vor eine Art in Schlachten sie von unsern Helden angemerket hatten/ wiederrihten auch diesen Zug/ welchen Volo- geses gerne von sich abgewaͤlzet haͤtte/ weil er sich außdruͤklich vernehmen ließ/ der Sinn truͤge ihm zu/ daß er ohn Schlappe nicht wiederkehren wuͤrde; Aber des Koͤniges Wille muste vor sich gehen/ bloß nur/ daß unsere Helden von ihrer Heimreise abgehalten wuͤrden/ dessen er sich doch nicht durfte merken lassen/ wiewol er allemahl die hohen Haͤupter erin- nerte/ sie wuͤrden den ihm von dem Buben Valikulesangelegten unabloͤschlichẽ Schimpf nicht ungerochen lassen. Artaxerxes Kundschaffer zu Charas schrieben ihm Vologeses Auffbruch zeitig uͤber/ daher die Unsere schlossen/ dem Feinde an den Grenzen vorzubeugẽ/ und wo moͤglich/ auff Parthischem Grund und Bodem zubegegnen. Der Persen Groß- Fuͤrst fragete Gobares aus Hoͤfligkeit/ was vor Feld Herren gegen den Reichs beschriehe- nen Vologeses wuͤrden zuwaͤhlen seyn; welcher antwortete: Weil die tapffere Helden/ Koͤnig Vierdes Buch. Koͤnig Ladisla/ und Groß Fuͤrst Herkules dem Feinde schon einen Schrecken eingejagt/ win den sie ohnzweifel die geschiktesten darzu seyn/ und koͤnten Fuͤrst Arbianes und Herr Pharnabazus hieselbst zugleich mit Ehre gewinnen/ waͤhre vor sich willens/ ihnen von sei- nem Heer eine anzahl Voͤlker zuzugeben. Artaxerxes gefiel dieses wol/ und wurden die un- sern vermocht/ diesen Zug auch noch auff sich zunehmen/ schlossen alsbald/ daß sie des fol- genden Tages auffbrechen/ und mit 30000 zu Rosse dem Feinde hoffeten gewachsen zu seyn. Sie teileten ihr Heer in drey Hauffen; den ersten/ welches lauter Meden/ 8000 stark/ fuͤhrete Pharnabazus; den andern/ 12000/ halb Persen und halb Sufianer/ nam Ladisla; den dritten/ 10000/ als 7000 Persen mit durchnaͤheten Pferde Panzern (womit Ladislaen Persen auch versehen wahren)/ und 3000 Susianer/ behielt Herkules bey sich. Artaxerxes foderte Bubazes/ Tyriotes und Gallus vor sich/ gab ihnen uͤber die vorigen/ 1000 wolge- wapnete Persische Reuter zu/ und taht ihnen grosse Verheissungen/ wo sie in fuͤhrung des Vortrabs vorsichtig und tapffer sich verhalten wuͤrden/ zaͤhlete auch diesem ganzen Heer drey Monat Sold aus. Nach ihrem Auffbruch schrieb er an alle Bundsverwanten/ mit den annoch ungelieferten Voͤlkern zu eilen/ weil der Feind in wenig Wochen mit ganzer Macht ihm auff den Leib fallen wuͤrde; befahl Gobares die Oberauffsicht uͤber die Stad und Schloß Persepolis/ und ritte Tag und Nacht umbher/ seine hin und wieder verlegete Voͤlker zubesichtigen/ und sie fertig zuhalten. Fuͤrst Vologeses fuͤhrete sein Heer gar vor- sichtig nicht willens/ aus unbedacht samkeit zuverspielen; er hatte aus allen umstaͤnden ge- merket/ daß die Parthische Wuht gegen die Teutsche Streit-art nicht hafften wolte/ wahr auch des Vorhabens/ der unsern auff Parthischem Grunde an einem vortelhaften Orte zuerwarten/ und ordente einen Unverzagten Obristen/ nahmens Phraates/ den Voꝛtrab/ 1200 stark zu fuͤhren/ und gute Kundschaft einzuzihen. Die unsern hingegen/ als sie in Per- sen nichts von dem Feinde vernahmen/ gingen uͤber die Parthischen Grenzen eine halbe Tagereise/ da Bubazes etliche/ so sich vor Hirten außgaben/ und verkleidete Kundschaffer wahren/ aufffing/ und sie Herkules zuschickete; er aber ging mit den seinen ein wenig zu kuͤhn fort/ und traf/ ehe er sichs versahe/ auff Phraortes Hauffen/ schickete sich doch uner- schrocken zum Streit/ und hielt des Feindes ernstlichen Angriff ritterlich aus/ da es dann zu beiden Seiten scharff zuging/ biß unser Hauffe etwas nachließ/ und sich nach der Flucht umbsahe/ so daß/ wann Tyriotes Tapfferkeit es nicht getahn/ ihres Gebeins nicht davon kommen waͤhre; dann er verteilete seine Voͤlker/ sendete Bubazes/ der die groͤste Noht lit- te/ entsaz/ und ließ ihn ermahnen/ Stand zuhalten/ der Feind wuͤrde bald nachlassen/ wann nur noch ein redlicher Saz gewaget wuͤrde. Hiedurch hielt er die seinen von der Flucht abe/ setzete sich mit Gallus zusammen/ der den seinen noch zimlich gewachsen wahr/ und wuͤtete wie ein Loͤue. Gallus geriet unversehens an Phraates/ uñ wurden beyderseits hart verwundet/ daß sie sich aus der Schlacht musten fuͤhren lassen; worauff die Parther den Muht zimlich sinken liessen/ doch in guter Ordnung zuruͤk zogen/ nach dem sie 600 einge- buͤsset/ 50 von ihnen gefangen/ und der mehrerteil von den uͤbrigen verwundet wahr. Die unsern durften aus Furcht eines Hinterhalts ihnen nicht nachsetzen/ hatten auch keine Seide dabey gesponnen/ sondern 400 wahren Tod/ 20 gefangen/ uñ 200 nebest ihren drey- en Fuͤhrern hart verwundet. Als sie bey Herkules mit blutigen Koͤpfen ankahmen/ ward ihre Tapfferkeit geruͤhmet/ und die Gefangenen befraget/ worauff Herkules mit guter vor- sichtig- Vierdes Buch. sichtigkeit fortzog/ uñ zu Pharnabazus sagete: Habe ich an Artabanus Hofe einige Kriegs- verstaͤndige/ aber auch redliche auffrichtige Herren gekennet/ so sind es Fuͤrst Vologeses und Fuͤrst Pakorus/ daher wir dem Feinde mit gutem bedacht entgegen gehen/ und nichts ohn Raht und Uberlegung anfahen muͤssen. So brachten die Parthische abgewichene/ ihre Gefangenen auch ein/ welche alles anzeigetẽ/ wie es mit dem Persischen Heer beschaf- fen wahr/ und wunderte sich Vologeses nicht wenig/ daß so unbenahmete in geringerer Anzahl den geuͤbeten Phraates aus dem Felde geschlagen hatten. Ob er nun gleich wuste/ das er den unsern an Mannschaft uͤberlegen wahr/ wolte er doch darauff nicht trotzen/ son- dern suchete/ wie er einen Vortel gewinnen/ und seinem Feind ohn sonderlichen Verlust Abbruch tuhn moͤchte; legete sich deßwegen an einen Ort/ da er vor Menschen und Vieh notturfft hatte/ ließ sein Lager von fornenzu wol verschanzen/ und schickete unterschiedliche Kundschaffer aus/ deren etliche ergriffen und gehenkt wurden/ etliche kahmen durch und verkuͤndigten der unsern Ankunft. Nicht weniger hatte auch Herkules gewisse Zeitung/ was Gestalt der Feind sich gelagert/ und nach der Linken zu/ sich umb mehrer Sicherheit willen an einen breiten Huͤgel mit dorn Hecken bewachsen/ nach der Rechten an einen Fluß gelegt haͤtte/ welcher wegen seiner hohen Ufer nicht zu reiten waͤhre; worauff Ladisla ant- wortete: Dafern er die Schlacht zu wagen gedenkt/ wird er aus dem Schlupfloche wol hervor brechen muͤssen. Herkules aber befuͤrchtete sich/ er wuͤrde willens seyn/ den Streit in die Harre zuspielen/ biß ihm eine groͤssere Macht zukaͤhme/ oder Artabanus wol gar mit dem Haͤupt Heer folgete/ nam deßwegẽ vor/ allen moͤglichen fleiß anzuwendẽ/ dz er ihn zur Schlacht reizẽ moͤchte/ daher er ihm bey seinem Leib Trometer folgendẽ Brief zuschickete. Herkules/ gebohrner Groß Fuͤrst aus Teutschland/ entbeut dem hochberuͤhmten Fuͤrsten/ und Parthischen Obristen Feldmarschalk/ Fuͤrst Vologeses seinen Gruß und alles liebes/ schaͤtzet sich gluͤk- selig einen solchen Gegenstreiter angetroffen zuhaben/ der des Kriegs verstaͤndig/ auffrichtigen Her- zens/ und ritterlichen Ehren den Ruhten- Schimpf anzulegen nicht willens ist; weil er auch seine Mannschaft zu dem Ende hergefuͤhret/ mit dem großberuͤhmten Feld Herrn einen Versuch zutuhn/ und von dessen Erfahrenhelt etwas zu lernen/ hoffet er die Ehre zu haben/ ihn im freien Felde zu schẽ/ und seine kraͤftigen Schwertstreiche mit dem Schilde/ oder da es so fallen solte/ mit dem Leibe auffzu- fangen/ versichert denselben hinwieder aller absonderlichen Freundschaft und Dienste/ so dem Haͤupt- wesen unschaͤdlich/ und seinen Groß Fuͤrstlichen Ehren unnachteilig sind/ verbleibend desselben bereit- willigster Freund und Diener Herkules. Vologeses ließ den Gesanten wolhalten/ uñ nach verlesung fertigte er ihn wolbezechet/ und mit einer güldenen Kette begabet wieder ab/ da sein Leib Trometer mit reiten/ uñ Her- kules folgende Antwort zustellen muste: Vologeses/ bestalter Marschalk des grossen Koͤniges Artabanus/ wiedersetzet den uͤberge- brachten Gruß mit gleichem/ und fuͤget dem hoch beruͤhmten Helde/ Groß Fuͤrsten Herkules dienstlich zu wissen/ daß/ so bald seiner Reuter Saͤbel gnug werden gewetzet seyn/ er zum begehrten Versuch sich willig einstellen/ und der hoͤflichen Außfoderung stat geben wolle/ da er dann des Sieges (wo ihm die Goͤtter es goͤnnen) sich hoch ruͤhmen/ und da er unterliegen sol/ einem solchen treflichen Feld Herꝛn die Uberwindung nicht mißgoͤnnen wird; da auch ohn verletzung seiner ehren hochgedachtem Groß- Fuͤrsten einige Dienste von ihm koͤnten erzeiget werden/ verbindet er sich hterzu/ als dessen Durchl. bereitwilliger Freund und Diener. Vologeses. Herkules/ als er das Schreiben gelesen hatte/ sagte zu Ladisla/ und etlichen andern: Gewißlich solte Artabanus sich gluͤkselig schaͤtzen/ wann er dieser bescheidenen Leute viel D d d d d d haͤtte Vierdes Buch. haͤtte; und wiewol ich das mir zugelegte Lob vor einen hoͤflichen Scherz halte/ wil ich ihn dessen doch geniessen lassen/ wo ich sonst kan. Ließ darauff den Trompeter gleicher gestalt vollsauffen/ schenkete ihm eine guͤldene Kette und 500 Kronen/ und schikte Vologeses bey ihm einen wolschneidenden Saͤbel/ dabey er ihm muͤndlich sagen ließ; solcher art waͤhren seiner Leute Schwerter vor seinem Auszuge gewetzet/ und haͤtte nicht gemeynet/ daß die hochbeschriehenen Parthischen Streiter solches biß auff die lezte Stunde spareten/ da man auff sie vergebens warten/ und die guͤldene Zeit in Muͤssiggang verzehren muͤste. Auswel- cher Antwort dann Vologeses unsers Herkules unüberwindlichen Muht und treffliche Geschwindigkeit leicht abnam/ und dadurch desto mehr zur Aufsicht angereizet ward. Des dritten Tages stellete Herkules seine Voͤlker in das Feld/ den Feinden recht unter Augen/ ließ auch einen Persischen Obristen mit 1000 Pferden biß an Feindes Lager gehen/ welche aber mit Pfeilen abgetrieben/ uñ ihrer wol 150 beschaͤdiget wurden; daraus Herkules ei- gentlich spürete/ daß der Feind nicht gesinnet waͤhre/ so bald Schlacht zuliefern. Hielt deß- wegen engen Kriegs Raht/ ließ den Fluß bey Nachtzeit zwo Meile auffwarz besichtigen/ uñ funden einen Ort/ dem mit Schauffeln und Hacken zum durchreiten leicht kunte geholffen werden. Des folgenden Tages stellete er seine Schlacht Ordnung abermahl wie vorhin/ ließ auch die Reuter biß ans Lager hauẽ/ welche mit Geschoß abgetrieben wurden/ deswe- gen er sein Lager abbrechen ließ/ und vor seinem Abzuge folgendes Schreiben an Vologe- ses sendete: Nachdem ich die vergebliche Hoffnung gefasset/ den bißher so unverzageten Feld Herrn Fuͤrst Vologeses im Felde zusehen/ werde ich die Hoͤfligkeit gebrauchen/ und ihm weitern Raum zu geben/ hinter mich ruͤcken/ ob ihm daselbst belieben moͤchte/ mir seinen so lange gewetzeten Saͤbel dereins bloß sehen und empfinden zumachen; bin nicht desto minder seiner Liebe bereitwilliger Freund und Diener Herkules/ sonst sein verschuldeter ehmaliger Valikules. Brach alsbald nach dessen absendung auff/ und setzete fleissige Schildwachen aus/ auff des Feindes vornehmen acht zugeben/ und ihm solches zu hinterbringen. Noch wolte aber der Parther sich nicht dran kehren/ und blieb in seinem Lager unverrucket liegen; dann von hinten zu hielt er sich ganz sicher/ und ward ihm alle Notturfft uͤberfluͤssig zugefuͤhret. Als der Abend herzu nahete/ teilete Herkules sein Heer in vier Hauffen; den ersten gab er La- disla/ 4000 Susianer/ und gleich so viel Persen/ damit er den ersten Angriff tuhn solte; den andern Arbianes/ 6000 Meden/ Ladisla zum Entsatz; den drittẽ Pharnabazus/ 5000 Su- sianer und 3000 Meden; den vierden und lezten 8000 Persen/ behielt er vor sich selbst. Nach gemachter Teilung musten Ladisla und Arbianes nach des Feindes linke seite hinter dem Huͤgel die Nacht ihren Weg in aller stille fortsetzen; Herkules aber und Pharnaba- zus gingen auff den rechten Fluͤgel uͤber das Wasser/ und weil sie den fernesten Weg hat- ten/ verliessen sie es mit Ladisla/ er solte hinter dem Berge halten/ und sich nicht sehen lassen/ biß er hoͤrete Pharnabazus den Angriff tuhn/ alsdann solte er mit den seinen frisch ansetzẽ. Diesem ward redliche folge geleistet/ gluͤckete ihnen auch/ daß sie zu beyden Seiten bey dem Feinde in aller stille herkahmen; dann weil diese die unsern hatten auffbrechen/ und den ge- radesten Weg zuruͤcke nehmen sehen/ wurden keine ferne Wachten ausgestellet. Ladisla hatte zwar den kuͤrzesten/ aber den schlimmesten Weg/ daher er fast zu einer Zeit mit Herku- les an den bestimmeten Ort anlangete. Eine Stunde vor Morgens aber schickete Volo- geses Vierdes Buch. geses 1000 Reuter aus/ etliche tausend Bauren zusammen zutreiben/ die sein Lager von foꝛ- ne her noch immermehr verschanzen solten. Diese stiessen auff Pharnabazus Hauffen/ der sie anfangs/ weil es in der Demmerung wahr/ vor Herkules Leute hielt/ und ihnen freyen Anzug goͤnnete; Ihrem Fuͤhrer aber mißdauchte es/ ungeachtet alle seine Reuter in glei- chem Wahn mit Pharnabazus wahren/ und daher sich bald verrieten/ auch darauff mit aller Macht angegriffen/ und biß auff 300 erschlagen wurden; Welche uͤbrige zuruͤk gingẽ/ und Vologeses die Zeitung ihrer Niderlage brachten/ welcher zur Antwort gab: Jezt er- kenne ich meines Koͤniges widriges Glük; ließ auch stuͤndlich zu Pferde blasen/ und 8000 Mann sich ins Feld setzen/ damit er in seinem Lager/ welches von hinten zu ganz offen war/ nicht angegriffen wuͤrde. Doch ließ er seinen Muht nicht sinken/ sondern weil er vernam/ daß der feindliche Hauffe auffs hoͤchste 8000 stark waͤhren/ hoffete er/ es wuͤrde nur eine streiffende Rotteseyn. Herkules hielt nicht weit von Pharnabazus/ sahe und hoͤrete alles/ und befragete die Gefangenen wegen Zustandes ihres Lagers/ und da er solches von hinten zu unvergraben seyn vernam/ hieß er Pharnabazus frisch darauff gehen; Welcher sich als- bald ins offene Feld zog/ und des Feindes Reuterey halten sahe/ auff welche er seine 5000 Susianer ansetzen hieß/ deren Fuͤhrer aber/ nahmens Artuasdes sich dessen wegerte/ vorge- bend/ er håtte von seinem Gn. Fuͤrsten Gobares befehl/ sich im ersten Anfall nicht gebrau- chen zulassen. Pharnabazus muste wegen des Feindes Gegenwart durch die Finger sehẽ/ ließ 2000 Meden gar behuhtsam den Streit anfahen/ und taht Herkules des Susianers Ungehorsam zuwissen/ der sich einer heimlichen durch Gobares gestiffteten Verraͤhterey besorgend/ eine kurze Erklaͤrung fassete/ und mit eigener Faust (da er die Susianer mit den seinen umgeben hatte) diesen Widerspenstigen erstach/ die uͤbrigen fragend/ ob sie fechten o- der sterben wolten. Diese sahen sich uͤbermannet und umringet/ gelobeten allen Gehorsam/ und wurden durch alle Glieder der Persen verstecket/ daß also diese gefaͤhrliche Auffruhr im Augenblik gestillet wahr. Herkules sahe die 2000 Meden/ als uͤbermannet/ weichen/ uñ schickete ihnen 4000 zum Entsaz/ kunte doch den Feind auff die Weichseite nicht bringen. Ladisla hatte durch seinen ausgeschikten Reuter/ Pharnabazus Anfall in Erfahrung ge- bracht/ ermahnete demnach die seinen/ geherzt zuseyn/ damit sie nach erstrittenem Siege die reiche Beute erlangen moͤchten; da seine Persen sich frisch genug/ aber die Susianer sich traͤge und ungehorsam erzeigeten/ auch ihr Obrister Mithrazenes sich ausdruͤklich verneh- men ließ/ die aͤdlen Susianer waͤhren ungewohnet/ sich von fremden befehlen zulassen/ und weil er im geheimen Kriegs Raht waͤhre vorbey gangen/ wolte er streiten/ wanns ihm ge- liebete. Da schlage Ungluͤk zu/ antwortete Ladisla/ macht Gobares uns solche schlimme Possen/ so ist besser/ ihr meine getraͤue und liebe Persen/ daß wir diesen innerlichen Feind erst daͤmpffen; griff darauff die Susianer mit seinen Persen an/ und foderte Arbianes zum Beystande. Mithrazenes wahr nicht faul/ reizete die seinen an/ ihres Fuͤrsten Befehl zuer- fuͤllen/ und uͤberfiel Ladisla mit sechs Gehuͤlffen ganz grimmig/ der sich aber ritterlich weh- rete/ weil er von den seinen unverlassen blieb/ und in wenig Streichen den ungetꝛaͤuen Ver- raͤhter betaͤubete/ daß er vom Pferde stuͤrzete/ und von dreyen Persen gefangen angenom- men ward. Arbianes/ so bald er diese Auffruhr vernam/ ging mit allen seinen Voͤlkern loß/ und kam zu rechter Zeit/ gleich da die Persen zuweichen gezwungen wurden/ fiel mit gros- sem wuͤten in die Susianer/ und erschlugen ihrer in kurzer Zeit 1500; die uͤbrigen bahten D d d d d d ij umb Vierdes Buch. umb Gnade/ wurden auch auffgenommen/ und dermassen untergestekt/ daß ihrer nit zween bey einander blieben; doch hatte Ladisla von seinen Leuten auch 200 eingebuͤsset/ ließ den Verraͤhter Mithrazenes hart gebunden verwahren/ und ging mit 3000 ins Feld/ sich dem Feinde zuzeigen/ welcher seiner bißher noch nicht wahr genommẽ hatte/ zu der unsern gros- sem Gluͤk; dann waͤhren sie der Auffruhr berichtet gewesen/ wuͤrde der Sieg ungezweifelt in ihre Haͤnde gefallen seyn. Herkules wunderte sich/ daß Ladisla so lange verzog/ dessen Hülffe er hoch benoͤhtiget wahr/ weil Pharnabazus/ der mit 6000 dem Feinde noch Wie- derstand hielt/ hart gedraͤnget ward; dann Vologeses hatte den seinen noch 3000 geruhete zugeschicket/ wodurch Herkules verursachet ward/ ein gleiches bey Pharnabazus zuleisten; weil er aber Ladisla mit solcher Manschafft herzu eilen sahe/ fassete er gute Hoffnung zum gluͤklichen Verfolg; wie dieser dann durch seine Ankunfft die Parther alsbald hinter sieh weichen machete/ massen der Eifer wider Mithrazenes gefasset/ noch hefftig bey ihm bran- te/ daß dessen Wirkung die Feinde wol empfunden/ welche er als eine Fluht uͤberfiel/ und Pharnabazus Lufft machete/ der schon etliche/ wiewol geringe Wunden empfangen hatte. Vologeses brachte in Erfahrung/ daß der lezte Entsaz hinter dem Huͤgel hervor gebrochen waͤhre/ und er nicht mehr zweifelte/ des Feindes ganze Heer wuͤrde sich der Nacht gebrau- chet haben/ und von beyden seiten heruͤber gangen seyn/ deswegen er einen frischen hauffen 8000 stark gegen ihn angehen ließ; aber Ladisla weich behutsam hinter sich/ den Feind ins Feld zulocken/ ließ auch Arbianes mit 7000 zu sich fodern/ der nach allem Wunsch ankam/ und neben Ladisla dem Feinde sehr gedrange taht; dann die Parther wahren zu welt gan- gen/ daher sie fast gar umringet/ und in grosser Menge nidergeschlagen wurden/ daß ihrer 5000 gestrecket lagen/ ehe ihnen Entsaz zukam. Vologeses wahr des versehens unwillig/ ließ ihnen doch 6000 zu huͤlffe gehen/ mit Befehl/ bald auff geschehenen Entsaz umzukehrẽ. Es sahe aber Herkules mit Freuden/ daß Pharnabazus Voͤlker sich so tapffer hielten/ und ihre Feinde weidlich umtrieben/ daß sie endlich zuweichen gedrungen wurden/ und Volo- geses auffs neue sie mit 2000 geruheten verstaͤrken muste; So widersetzete sich auch Ladis- la dem einbrechenden Entsaz/ und ließ Arbianes die umringeten und algematteten warm gnug halten/ empfand aber anfangs harten Wiederstand/ weil seine Leute schon viel unge- mach ausgestandẽ/ und sich abgearbeitet hatten; nachdem aber seine uͤbrige geruhete 1500 stark ihn entsetzeten/ ermunterten sie sich/ daß der Streit eine gute weile in gleicher Wage hing; aber an Pharnabazus seite fingen die Parther an Meister zuspielen/ welches Gluͤk Vologeses nicht bedacht wahr aus den Haͤnden zulassen; und weiler meynete/ Herkules haͤtte hieselbst bißher gefochten/ und sich ermuͤdet/ drang er mit seinen übrigen/ 7000 stark/ wie ein Wetter loß/ und fiel so erschreklich uͤber Pharnabazus Hauffen/ daß dieser sein Le- ben durch Ritterliche Gegenwehr zuverkauffen/ und den Plaz tod zuerhalten ihm gaͤnzlich vornam. Hieselbst wolte nun Herkules seinen Freund nicht im stiche lassen/ brach auch mit seiner Mannschafft 7000 stark loß/ und machete ihm durch seine Ankunfft Luft/ daß er hart verwundet/ einen Abtrit nam/ nach dem er 7000 erschlagen/ und 4000 eingebuͤsset hatte. Herkules hatte in diesen Morgenlaͤndern so grossen Eifer in keiner Schlacht spuͤren lassen/ dann alles/ was er traff/ muste zu grunde gehen/ und machte sein Blaͤnke sich so bekant/ daß jederman/ Freund und Feind den Reuter dabey erkennete; seine Voͤlker wurden durch ih- res Feld Herrn Tahten auffgemuntert/ ihm nachzufolgen/ daher ein grausames Blutstuͤr- zen Vierdes Buch. zen sich erhuhb/ angesehen die Parther/ welche Vologeses anführete/ sehr streitbar wahren; Doch verwunderte sich der Parthische Feld Herr uͤber Herkules Kriegs-Erfahrenheit/ die Voͤlker zuschwingen/ die Glieder zustaͤrken/ den Bedraͤngeten Huͤlffe zuschicken/ und dz er dabey nebest seinem Pferde solche Tahten verrichtete. Arbianes/ ob er gleich hart ver- wundet/ erlegete doch seine Feinde am ersten/ daß ihm etwa 1500 entrunnen/ ging darauff Ladisla zuhelffen/ der uͤberaus harten Widerstand hatte/ und jagete durch seine Ankunft den Feinden nicht geringen Schrecken ein. Artabastes/ der diesen Parthischen Hauffen fuͤhre- te/ als er die geschlagen sahe/ denen zuhelffen er ausgeschicket wahr/ wolte übeꝛ Befehl nicht schreiten/ deswegen er sich allgemach zuruͤcke zog/ und mit Vologeses zusammen setzete/ daß ihr gesamter Hauffe in 16500 Mañ bestund. Ladisla ließ solches geschehen/ weil er hieduꝛch gelegenheit bekam/ sich mit seinem Herkules zuvereinigen/ welchen er mit Freuden annoch unverlezt befand/ und sie eine neue Ordnung zur gemeinen Schlacht stelleten/ weil die Fein- de des gleichen tahten/ und beyderseits etliche geringe Hauffen inzwischen fechten liessen; Ihre annoch übrige Manschaft zur Schlacht geschikt/ war uͤber vermuhten 16000 Mañ/ nebest 4000 verwundeten/ daher sie am Siege fast nicht mehr zweifelten. Herkules ver- mahnete die seinen kuͤrzlich zur Tapfferkeit/ sonderlich die Susianer/ worauff ihr Verbre- chen ihnen allerdinge solte erlassen seyn; da sie sich dann sehr wol erklaͤreten. Vologeses entsetzete sich uͤber seinen grossen Verlust/ ließ sichs doch bey den seinen nicht merken/ und wolte das Heer zur Tapfferkeit anmahnen; aber Herkules war ihm zu zeitig auff dem Da- che/ und setzeten beyderseits also drauff/ als welche entweder siegen oder sterben wolten; da- her dieser Anfall so hefftig und blutig wahr/ daß die ersten wie Mücken von den Pferden sto- ben/ und die folgenden immer vor sich hin wuͤrgeten. Herkules und Ladisla wolten sich nit trennen/ und trieben solch Wunder/ daß die Feinde sich davor entsetzeten. Sie hatten 5000 der allerstreitbaresten Persen und Meden umb sich gesamlet/ die nebest ihnen alle Moͤglig- keit anwendeten/ den Feind auff die Flucht zubringen; anfangs kostete es an beyden Seiten fast gleiche viel Blut/ aber mit der Zeit liessen die Parther abe/ da der unsern Kraft zunam; wiewol Vologeses immer vor sich weg wuͤtete/ und den Sieg ohn des Himmels Dank er- streiten wolte/ daß endlich Herkules auff ihn traff/ da er gleich einen Persischen Ritter/ dem er sonderlich geneigt war/ niderschlug/ deswegen er auf ihn mit diesen Worten setzete: Feld- marschalk/ wir werden/ unsern Ehren gnug zutuhn/ uns versuchẽ muͤssen; uͤberfiel ihn auch so hefftig/ daß er die Hiebe nur auszunehmen gezwungen ward. Seine Leute/ so umb ihn hielten/ wolten diesen Streit sperren/ aber Ladisla mit den seinen trieb sie abe/ daß Herkules Raum gewan/ mit ihm nach belieben zuverfahren/ wie wol sich dieser durch Verzweifelung endlich ermannete/ und unserm Herkules fuͤhlen ließ/ daß er nicht so gar unwichtige Arme hatte; es wolte aber in die laͤnge nicht helffen/ sondern nach dem er unterschiedliche Wun- den empfangen/ uñ die meisten Kraͤfte verlohrẽ hatte/ sagte Herkules zu ihm: Mein Freund/ ich bin euch verbunden wegen eurer Redligkeit/ darumb/ wo ihr ruhen koͤnnet/ wil ich mich ferner an euch nicht vergreiffen; ihr empfindet eure Wunden/ und daß eure Leute sich schon nach der Flucht umsehen/ daher nehmet eurer selbst wahr/ weil ich euch weder tod noch ge- fangen wissen moͤchte; ließ auch alsbald von ihm abe/ und wendete sich mit Ladisla und sei- ner besten Manschafft nach der Linken/ woselbst Arbianes Hauffe zimlich hart gedraͤnget ward; aber auff ihre Ankunfft wendete sich das Spiel gar zeitig. Vologeses kunte Herku- D d d d d d iij les Vierdes Buch. les Tugend und Froͤmmigkeit in seinem herzen nicht gnug ruͤhmen/ sahe/ dz seine Ordnung getrennet wahr/ nam 4000 Reuter zu sich/ und wagete mit ihnen einen geringen Anfall/ ward aber von Ladisla mit 6000 stark angriffen/ und nach kurzem Gefecht in die Flucht ge- trieben; Der Obsieger wolte jenen nachhaͤngen/ aber Herkules foderte ihn ab/ und sagete: Lieber laß ihn reiten/ daß er mit dieser geringen Manschafft etwas Ehre erhalte/ und seinem Koͤnige von uns Zeitung bringe; welches er dann gerne geschehen ließ/ aber den uͤbrigen den Weg zur Flucht abschnitte/ deren 4000 gefangen wurden/ uñ grossen teils Befehlichs- haber/ als 18 Obristen/ 60 Ritmeistere/ 65 Unter Ritmeistere/ 58 Faͤhndriche/ 400 Unter Be- fehlichs haber/ und 3409 gemeine Reuter; die übrigen 28000 wahren drauff gangen; wie- wol der Sieg an unser seite auch Blut gekostet hatte; dann 15000 wahren erschlagen/ und 3000 verwundet/ deren inwendig drey Tagen 1800 sturben; und war fast kein Besehlichs- haber/ der nicht seine Wunden zuzeigen gehabt. Herkules wahr ein wenig an der linken Hand und am rechten Beine von Vologeses versehret. Ladisla hatte drey zimliche Wun- den/ wiewol ohn gefahr. Pharnabazus wahr hin und wieder zuhacket/ daß man 15 Wun- den/ groß und klein an ihm zaͤhlete; Arbianes wahr am rechten Arme zweymahl/ und am Halse/ auch in der linken Hufft verwundet; Bubazes/ Tyriotes und Gallus wahren schon von dem Vortrabe also zugerichtet/ daß sie der Schlacht nicht beywohnen kunten. Aller- meist aber wahr es uͤber die traͤulosen Susianer gangen/ deren kaum 1800 übrig wahren. Der boshafte Mithrazenes ward mit schweren Ketten herzu gefuͤhret/ uñ mit harter Pein bedraͤuet/ da er nicht gerade zu bekennen wuͤrde; sagte darauff freiwillig aus/ er und sechs seiner Spießgesellen haͤtten von ihrem Fuͤrsten unter grossen Verheissungen den ausdrũk- lichen Befehl/ Herkules und Ladisla entweder mit fuge niderzumachen/ oder sonst/ durch was Mittel sie koͤntẽ/ zuverhelffen/ dz sie in Feindes Haͤnde gerieten/ ob gleich die Schlacht hiedurch solte verlohren gehen; rief auch von den añoch übrigen Susianern zween zu Zeu- gen/ die alles bejaheten. Nun wolan/ sagete Ladisla zu Herkules auf Teutsch; ist das unser Lohn der Traͤue und Auffrichtigkeit/ werden wir uns witzigen lassen/ bald davon zueilen/ wiewol ich niemand als den Verraͤhter Gobares beschuldige. Herkules stimmete mit ein/ liessen die erschlagenen pluͤndern/ bey denen sie sehr viel Goldes funden/ wie auch bey den Gefangenen/ daß keiner unter 300 Kronen/ und etliche uͤber 3000 an Baarschafft/ Ringen und Kleinoten bekahmen. Was im Lager wahr/ nahmen Herkules und Ladisla zu sich/ auf 15 Tonnen Goldes am Wert; bekahmen uͤber 40000 reisige und Wagepferde/ von denen jeder Reuter durch die Bank eines bekam/ die uͤbrigen dem Groß Fuͤrsten Artaxerxes ne- best der Lager Beute vorbehalten wurden; Sie eileten sehr/ Persepolis zuerreichen/ nicht allein/ weil sie in der Furcht stunden/ Vologeses moͤchte sich in der Eile staͤrken/ und ihre schwachen Voͤlker uͤberfallen/ sondern auch/ weil Herkules eine sonderliche Schwermuͤtig- keit bey sich befand/ welches er Ladisla zuvernehmen gab. Leches und Neda mit ihrem dreyfachen Heer/ hatten ihre Reise nunmehr fast zum Ende gebracht/ so daß sie schon das Land Susiana hinter sich gelegt/ und die Persischen Grenzen erreichet hatten/ zogen immer frisch fort/ biß sie sieben Meile an Persepolis kah- men/ und sich freueten/ daß sie ihre Herren schier sehen wuͤrden; das Frauenzim̃er befand sich wegen der langen Reise nicht zum besten auff/ insonderheit Therba/ die auff dem Meer in ein Fieber gefallen wahr/ welches noch etwas anhielt/ und sie sich in einer Saͤnfte tragen ließ. Vierdes Buch. ließ. Des folgenden Morgens brachen sie fruͤhe auff/ wo moͤglich/ die Groß Fuͤrstl. Stad zuerreichen/ und muste Markus mit 1500 Boͤhmen neben einen Wegweiser und Dolmet- scher den Vortrab halten/ da inzwischen das Heer folgete. Dieser wahr ohngefehr andert- halb Meilen fort geritten/ da sahe er einen ansehnlichen Reuter Hauffen von 1000 Pfer- den von der rechten Hand Sudwertz auf sich zu reiten/ gegen welche er alsbald sich in Ord- nung stellete/ und durch seinen Wegweiseꝛ fragen ließ/ wessen er sich zu ihnen versehen sol- te. Diese hatten auff allen Fall sich auch zum Schimpf und Ernst fertig gemacht/ kunten leicht gedenken/ daß sie in Persischen Diensten waͤhren/ und sie ihren Weg ungehindert nit wuͤrden zihen koͤnnen/ gaben demnach zur Antwort: Ihretwegen haͤtte sich kein Mensch zubefahren/ ob er gleich einzeln zoͤge/ weil sie nicht Raubens halben/ sondern Ehre zuerwer- ben sich außgeruͤstet haͤtten; welche Antwort Markus veraͤchtlich vorkam/ und eigentli- cheren Bericht begehrete/ ob sie Freund oder Feind waͤhren/ in sonderheit/ unter was Fuͤh- rer sie rittẽ. Nun haͤtte Fabius sich des Bescheides gerne gewegert/ nach dem er den Weg nach Charas vorhatte/ weil er aber einen gewaltigen Staub von Westen her merkete/ uñ leichtlich schliessen kunte/ es muͤste ein grosses Heer verhanden sein/ gedachte er sich zuer- klaͤren; er samt den seinen waͤhren des Groß Fuͤrsten in Persen Freunde und Diener; wor auff Markus seinen Helm abzog/ hinzu ihm ritte/ und alsbald von ihm erkennet ward/ da- her er ihm freudig entgegen rennete/ und zu ihm sagete: O mein werder Freund uñ Lands- man/ was vor Gluͤk fuͤget uns in dieser Fremde zusammen? Markus sprang ab/ kuͤssete ihm die Hand/ und zeigete an/ wie gluͤkselig er sich schaͤtzete/ ihn angetroffen zu haben; meldete ihm auch seiner Eltern/ Gemahl und Schwester Gruß an/ und daß sie noch alle wol lebe- ten. Wie? antwortete Fabius/ wissen dann die meinen/ daß ich noch lebe? Und von wan- nen kommet ihr? von Herrn Ladisla/ oder von Padua? daß ich von Padua kom̃e/ antwor- tete er/ wird meinem Hertn ohnzweifel bewust seyn. O mein Freund/ sagte Fabius/ als viel ich aus eurer beftemdung vernehme/ wird den meinigen und euch selbst mein überstande- nes unaußsprechliches Ungluͤk unwissend seyn. Aber was komt dort vor ein ansehnliches Kriegs Volk hinter euch her? Hat mein Herr/ antwortete Markus/ einiges Ungluͤk erlit- ten/ ist mir sehr leid/ und freue mich/ dz Gott solches weggenom̃en hat; jenes Kriegs Heer/ dessen ich ein Mitglied bin/ koͤmt meinen gnaͤdigen Herren ingesamt zu/ unter denen mein Herr 6000 Roͤmische untadeliche Reuter von seinem Herr Vater zuempfangen hat/ und zihen wir gleich auff Persepolis zu/ wohin wir von unsern gnaͤdigsten Herren bescheiden sind. O der gluͤkseligen Stunde/ sagte Fabius/ die mich zu euch hergefuͤhret hat/ da ich son- sten/ in Meynung meine Freunde zu finden/ dem Verderben in die Haͤnde gefallen waͤhre. Aber sehet dort gleich von Osten her den dicken Staub/ es wird gewißlich ein Heer auff uns stossen/ die euer Ankunft Bericht eingezogen/ und euch vor Feinde halten. Leches sahe Fabius von ferne daher reiten/ sprang vor freuden aus dem Sattel/ lieff zu ihm/ und sagte mit fliessenden Augen: O mein hochwerter Herr/ wo hat er sich doch so lange auffgehaltẽ? oder komt er etwa von meinen gnaͤdigsten Herren her? Mein werter Freund/ antwortete er; ist ihm dann auch mein Verlust unbekant/ müste groß Wunder seyn/ daß sie mich nit eins solten gemisset haben. Mehr als zu aͤngstig gemisset/ antwortete er; aber ich komme von Padua und Prag/ dahin meine gnaͤdigste Herren mich von Charas außgeschicket ha- ben/ und von meines Herrn weiteren ergehen mir nichts bewust ist. Meine Abenteur sind wunder- Vierdes Buch. wunderlich/ und nicht ohn Mitleiden anzuhoͤren antwortete er/ wovon wir nach diesem reden wollen. Vordißmahl aber die Ursach jenes Staubes uͤberlegen/ welcher ohnzwei- fel ein starkes Heer zeigen wird/ so uns rechtfertigen moͤchte. Also wurden die Voͤlker in Ordnung gestellet/ und Fabius wieder seinen Willen zum Volmaͤchtigen Feld Herrn ge- setzet; Leches mit den Teutschen hielt den Rechten; Neda und Priesla mit den Boͤhmen den linken Flügel; er aber samt Klodius und Markus mit 7000 Roͤmern uñ seinen 1000 geworbenen stunden in der mitte/ hielten auch nicht lange/ da sahen sie ein grosses Volk zu Roß und Fuß durcheinander Schaarsweise als Fluͤchtige daher zihen/ ob wuͤrden sie ge- jaget. So bald sie der unsern gewahr wurden/ stutzeten sie/ und gaben sich in Ordnung/ so daß jeder Reuter-Fluͤgel 7500 Koͤpffe/ und das Fuß Volk in der mitte 16000 Mann stark wahr/ schicketen auch alsbald etliche aus/ die Menge der unsern zu uͤberschlagen/ und da- neben zuvernehmẽ/ wessen sie willens waͤhren. Diese kahmen mit gnug trotzigem Muhte/ und begehreten kurzumb zu wissen/ was Volk sie waͤhꝛen/ und wohin sie gedaͤchten. Fabius antwortete; Sie wuͤrden solches anzuzeigen sich nicht wegern/ so bald sie wuͤsten/ welcher Fürst oder grosser Herr es von ihnen foderte; und weil diese solches ohn Befehl nicht mel- den wolten/ hinterbrachten sie diese Antwort. Als Gobares vernam/ daß er diesen an der Zahl überlegen wahr/ ergriff er seinen gewoͤhnlichen Hochmuht/ und ließ ihnen andeuten; ob er gleich nicht schuldig waͤhre/ als ein grosser Reichs Fuͤrst sich so weit zu demuͤhtigen/ wolte er dannoch seinen Hoch Fuͤrstlichen Stand und Nahmen/ als ein Beherscher des Reichs Susiana nicht vertuschen. Wie? fragete Fabius mit grimmigem Gesichte/ ist er etwa Fürst Gobares? Ja antwortete dieser/ daß ist sein Hoch Fuͤrstlicher Nahme. Hierauf entbrante er mit grimmigem Zorn/ und sagte zu Leches und den andern Haͤuptern: O ihr meine liebe werte Herren und Freunde/ eben dieser Verraͤhter hat mich heimlich und oͤf- fentlich wollen ermorden lassen/ und zwar ohn alle Uꝛsach; bitte deßwegen von Herzen/ ver- lasset mich nicht/ daß ich mich raͤche/ und mein Schart außwetze. Sie erbohten sich/ er sol- te nach belieben handeln/ sie wolten Leben und Blut bey ihm auffsetzen. Worauff er dem Abgesanten zur Antwort gab; Reitet hin/ und saget eurem Fürsten dem Bluthunde/ es fin- de sich hieselbst ein redlicher Ritter/ an dem habe er ehmahls verraͤhterlich gehandelt/ weꝛ- de deßwegen von demselben zum absonderlichen Kampffe auff Leib und Leben außgefodert/ dessen er sich nicht entbrechen kan/ wo er nicht vor einen oͤffentlichen Schelm und Meu- chelmoͤrder wil außgeruffen seyn. Der Abgesante erschrak dieser Rede/ einwendend/ er wuͤrde solches seinem Fuͤrsten durch seine eigene Leute melden lassen/ und der Antwort ge- waͤrtig seyn. Leches erboht sich diese Werbung abzulegen/ nam 20 Teutschen mit grossen Schlacht Schwertern zu sich/ und soderte den Fuͤrsten zum Gespraͤch/ dem er eben diesel- ben Worte mit unerschrockener Stimme vortrug; welcher des Schimpfs zu bersten mei- nete und zur Antwort gab; Du unverschaͤmter Bube/ sage dem ehrenruͤrigen Schelmẽ/ er sey viel zuwenig/ Fuͤrsten außzufodern und zu schelten. Du Schelm leugst beyderley/ anwortete Leches; dieser und ich sind redlich/ aber du stirbest wol ein Schelm. Da solte man nun ein gemurre unter Gobares Voͤlkern gehoͤret haben/ da bald der eine rieff; der Fuͤrst müste seinen ehrlichen Nahmen durch sich selbst oder durch einen andern raͤchen; ein ander; was solte ein Fuͤrst einem unbekanten Ritter sich zum Kampfe darstellen? Go- bares wahr sehr listig/ und begehrete an seine Voͤlker/ den Schluß alsbald zu machen/ ob er selbst Vierdes Buch. selbst fechten/ oder die Schlachtwagen solte/ waͤhre er zu beyden bereit; entschuldigte sich hernach/ es wuͤrde ihm faͤlschlich angetichtet/ daß er jemahls einigen Ritter solte beleidi- get habẽ/ als welche er vor der Welt Zierde hielte. Alsbald ward einhellig geschlossen/ man solte an des Fuͤrsten stat einen Ritter ordnen/ der diesem verleumder den Lohn seiner Boß- heit gaͤbe/ und da andere mehr sichs annehmen wuͤrden/ wolte man eine Schlacht gerne eingehẽ. Hierauff gab sich ein ansehnlicheꝛ Ritmeisteꝛ hervor/ uñ fragete/ was des Kaͤmp- fers Belohnung seyn wuͤrde/ und als Gobares antwortete; nicht geringer als eine freie Herrschaft erblich; fassete dieser sein Speer zur Hand/ tum̃elte sein Pferd/ und gab durch Winken seine Außfoderung zuverstehen. Fabius ließ forschen/ ob Gobares sich selbst stelle- te/ und als Leches ein wiedriges vernam/ wolte er nicht/ daß ihr erwaͤhleter Feld Herr ei- nem andern stehen solte/ sondern rieff auff Teutsch; ihr Brüder; wer wil 1000 Kronen verdienen/ und jenen stolzen Tropff nidermachen? Daß wil ich tuhn/ sagte ein Teutscher Ritmeister/ nahmens Herman; nam sein Schlacht Schwert zur Faust/ uñ setzete ohn wei- tere nachfrage auff jenen zu/ welcher ihn daher kommen sahe/ das Speer einlegete/ und auf diesen grimmig zurennete; der sich aber im Sattel drehete/ daß er neben hin stieß/ und ihn dagegen im voruͤberrennen mitten im Leibe halb abhieb/ daß ihm das Eingeweide aus dem Bauche floß/ und im Augenblik Tod nider stuͤrzete. Der Sieger aber verfolgete des er- schlagenen Pferd/ welches nach des Feindes Heer umbkehrete/ fassete es beim Zuͤgel/ und brachte es ritterlich davon/ ungeachtet etliche hundert Pfeile auff ihn loßgeschossen wur- den/ wie wol ohn alle beschaͤdigung. Gobares erschrak des Unfals/ vermahnete doch seine Leute ritterlich zufechten/ und solte in einer halben Stunde/ wie er ruͤhmen durffte/ diese Handvol Raͤuber gaͤnzlich auff gerieben seyn. Fabius wahr auch nicht willens/ seinẽ groͤ- sten Feind abzihen zu lassen/ machete aber auff Leches Raht die Schlachtordnung also/ dz die Teutschen mit 1000 Boͤhmen verstaͤrket/ abstiegen/ und unter Leches und Prinsla sich zu Fusse gegen des Feindes Fuß Volk stelleten. Neda uñ Markus nahmen den linken Fluͤ- gel/ 5000 Boͤhmen und 1000 Roͤmische; Fabius und Klodius den Rechten/ 6000 Roͤ- mer und Fabius selbst geworbene. Die Teutschen uñ Boͤhmen fingẽ anfangs ein erschrek- liches Geschrey an/ zogen in der Reuter begleitung Fuß vor Fuß fort/ und uͤberfielen mit ihren Schlacht Schwertern den Feind dergestalt/ daß sie deren alsbald 1500 nider hieben/ und keinen einzigen Mann verlohren; dañ hinten in des Feindes Herr kam ein Geschrey/ wie daß von Persepolis her noch ein grosses Kriegs Volk auff sie anzoͤge/ welches die Ur- sach wahr/ daß sie alsbald ihre Ordnung zu Fusse und Pferde trennen liessen/ da Fabius auff Gobares traff/ ihn mit grim̃igen wuͤten uͤberfiel/ und nach wenigen Streichen ihn in die Schulder verwundete/ dz er vor Schmerzen das Schwert fallen ließ. Die seinen haͤt- ten ihn gerne gerettet/ aber fuͤnff Roͤmer packeten ihn auff Befehl an/ bunden ihn mit Rie- men/ weil sie merketen/ daß er sich selbst entleiben wolte/ und führeten ihn nach dem Lager. Seinen Voͤlkern wahr der Muht so gar entfallen/ daß sie keine Gegenwehr tahten/ meine- ten/ sie waͤhren allenthalben umbringet/ und bahten umb Gnade/ welche ihnen dergestalt wiederfuhꝛ/ daß das Fuß Volk/ von denen 3000 nidergehauen wahren/ ihr Gewehr nideꝛ- legen/ und die Reuterey absitzen muste/ und wahr zu verwundern/ daß von den unsern kein einziger Tod/ nur 86 verwundet wahren. Die unsern nahmen der Feinde Pferde zur gu- ten Beute/ auch ihre Kleider und Baarschaften/ dz die Susianer allemiteinander fast gar E e e e e e nacket Vierdes Buch. nacket stunden/ und vor Scham nicht zu bleiben wusten/ nach dem sie sahen/ daß wegen des andern Heeres nur ein vergeblicher Schrecken gewesen wahr. Fabius ersahe hinter ei- nem Huͤgel etliche hundert Reuter halten/ wohin er mit Leches uñ Klodius/ in begleitung 600 Roͤmer sich begab/ da jene/ so bald sie ihn kommen sahen/ in hoͤchster Eile davon ran- ten/ und vier Saͤnffen neben einer Gutsche stehen liessen. Fabius trug Verlangen/ zuer- fahren/ was hierin verwahret würde/ ritte hin nach der voͤrdersten und ansehnlichsten/ hub den Vorhang auff/ und ward mit hoͤchster bestuͤrzung eines uͤberaus schoͤnen und zarten Weibsbildes darinnen gewahr/ welche auff dem Ruͤcken ganz außgestrecket lag; sie hatte nichts an ihrem ganzen Leibe/ als ein zartes Hemde/ welches doch den Augen nicht alle er- kaͤntnis der Gliedmassen entzog/ absonderlich/ weil der Busem ihr offen stundihre/ Haͤnde und Fuͤsse aber mit rohten seidenen Stricken angefesselt wahren/ hatte auch einen Knebel im Munde/ dz sie weder reden noch einen Laut von sich geben kunte. Anfangs meinete Fa- bius sie waͤhre Tod/ weil alle lebhafte Farbe aus ihrem Angesicht hinweg gewichen/ uñ die Augen starre gen Him̃el gekehret wahren. Als sie nun diesen schoͤnen unbekantẽ Mañ sa- he/ und ihm mit winseln und Haͤuptwinken ihres Lebens gnugsame anzeige gab/ da ihr zu- gleich eine grosse Quelle Traͤhnen aus den liebreichen Augelein hervordrungẽ/ ward er von Mitleiden so hart ein genom̃en/ daß er anfangs kein Wort sprechẽ/ noch sich was zu tuhn waͤhre/ besiñen kunte/ nam doch bald seinen zerhauenen Reit Rok/ und warf ihr denselben uͤ- ber den Leib/ sprang vom Pferde/ fassete den Dolch/ und schnitte ihr damit die Haͤnde und den Knebel loß; worauff sie zu ihm sagete: Mein ehrlicher Ritter/ wer ihr auch seid/ ich er- kenne mich euch mit alle meinem vermoͤgen schuldig/ dafern ihr mich vor Unehr schuͤtzet/ welche bißher goͤtliche Barmherzigkeit gnaͤdig von mir abgekehret hat; solte euch aber sol- ches zu leisten unmoͤglich seyn/ so schneidet meinen Lebensfadem so kuͤhnlich ab/ wie ihr an- jezt den Strik an meinen Haͤndẽ zubꝛochen habet. Trefliches Fꝛaͤulein/ antwortete Fabius/ welches Tigertihr ist so grausam/ das ein folches himlisches Bilde fo unbarmherzig hat binden und beschimpfen moͤgen? Ach der unmenschliche Gobares/ sagte sie/ der Feind alleꝛ Ehr und Tugend hat mich in diesen elenden Stand gesetzet. Aber faget mir/ mein Herr/ bitte ich/ hat die mir in den Ohren sausende Schlacht mich von diesem boßhaften Menschẽ errettet? Ja hoͤchstgepreisetes Fraͤulein/ sagte er/ der schelmichte Gobares sol forthin sich keines Bubenstuͤckes mehr geluͤsten lassen. Nun mein Herr/ antwortete sie/ so versichert euch bey meinen ehren/ die mir Gott unverlezt behalten hat/ daß ich euch diese geschehene Rettung dergestalt vergelten werde/ dz meine Dankbarkeit/ so weit sie reichen mag/ sol ge- spuͤret werden/ und habt ihr euch uͤber das zween unsterbliche Freunde/ einen Koͤnig/ nah- mens Ladisla/ und einen Groß Fuͤrsten nahmens Herkules/ erworben. O ihr Goͤtter/ Oihꝛ Goͤtter! fing er hierauff an/ fassete ihre Haͤnde/ und kuͤssete sie so inniglich/ daß sie mit seinẽ bewaͤgungs-Traͤhnen befeuchtet wurden/ und sie nicht anders meinete/ er würde durch ihꝛ Ansehen zu unzimlicher Lust gereizet/ ihrer Ehren abbruch tuhn/ daher sie zu ihm sagete: Mañhafter Ritter/ ich bitte euch durch die Barmherzigkeit Gottes/ leget mir keine Gewalt zur Unehr/ oder einige Verlez- und beschimpfung meiner Keuscheit an. Sie wolte mehr reden/ aber Fabius mit entbloͤssetem Haͤupte und fliessendẽ Traͤhnen fiel ihr also ein: Durch- leuchtigstes unvergleichliches Fraͤulein/ wahres Ebenbilde aller keuschen Tugend; ich bit- te durch Gott/ ihre Durchl. wolle von ihrem untertaͤhnigst- gehorsamsten Diener nicht so widri Vierdes Buch. widrige Gedanken schoͤpfen/ der nichts mehr wuͤnschet und begehret/ als vor dero Ehr und Leben sein Blut und Herz auffzuopfern; nur bitte ich untertaͤhnigst umb gnaͤdigste Verzei- hung/ daß durch mein unbesonnenes vornehmen ich derselben zu solchem Argwohn ursach gegeben habe; Ich nach meinem wenigen Vermoͤgen und unwankelbaren Willen bin uñ verbleibe ihrer Durchl. ergebenster Knecht K. Fabius von Padua. O mein barmherzi- ger Gott/ sagte sie mit einem lieblichen lachen; hastu mir den so lang gewuͤnscheten Freund und hochwerten Schwager und Bruder in meinen hoͤchsten Noͤhten und unaussprechli- chem Elende zufuͤhren wollen/ daß er seinen allerbesten Freunden Ladisla und Herkules ih- re Schwester und Wase erretten muͤssen? O mein Herr und Bruder/ sagte sie weiter/ goͤn- net mir/ daß ich zum Zeichen der Dankbarkeit und Freude uͤber euer Liebe Gesundheit/ die- selbe Schwesterlich umfahen moͤge; wickelte hiemit den Reit Rok umb ihren Leib/ und um- fing ihm den Halß mit beyden Armen/ da sie ihm zugleich einen zuͤchtigen Kuß boht. Er hingegen meynete/ ihm koͤnte groͤssere Herligkeit nicht zustehen/ als daß er eine solche Taht verrichten helffen/ die seinen Freunden Ladisla und Herkules koͤnte annehmlich seyn/ demuͤ- tigte sich sehr gegen sie/ und sagete: Nachdem er das Glük gehabt/ Ihrer Durchl. einige Dienste zubezeigen/ wolte er sein bißher erlittenes Ungluͤk gerne vergessen; beklagete dane- ben/ dz er nicht straks angesichts/ ehe er die Saͤnffte geoͤffnet/ sein Kleid ihr uͤbergeworffen haͤtte/ welches er nicht unterlassen wollen/ dafern er ihrer Durchl. gegenwart einigen wink gehabt/ und stellete endlich ihrem Willen anheim/ mit was Straffe der gefangene Erz Raͤu- ber Gobares solte beleget werden. Sie erroͤhtete uͤber der Gedaͤchtniß ihres Leibes Bloͤsse/ mit anzeige/ wie eine grosse Pein es ihrer Seele waͤhre/ daß der unverschaͤmte Bube sie in solcher Gestalt haͤtte fahen/ binden und fortschleppen lassen/ an dem sie sich zuraͤchen gaͤnz- lich entschlossen waͤhre/ nach dem sie hoͤrete/ daß er gefangen waͤre. Leches und Klodius fun- den die andere drey Saͤnfften auch mit dreyen der Landes art nach schoͤnen Weibsbildern in gleicher bloͤsse/ beladen/ und wahren/ Kleofis/ Andia und Amestris/ griffen alsbald zu ihrẽ Brod Messern/ und schnitten ihnen die Knebel aus dem Munde/ auch Haͤnde und Füsse loß/ daß sie sich zusammen zihen/ und in etwas verhuͤllen kunten. Endlich ward Leches ge- wahr/ daß ein Mann und Weib in der Gutsche sassen/ und sehr bluteten/ dañ jedes hatte ein Messer in der Brust stecken; dessen er erschrak/ und sie gutes muhts seyn hieß; das Weib ihm aber antwortete; Wann wir gutes muhts seyn solten/ muͤstet ihr nicht kommen seyn; Worauff er sagete: Harret/ seyd ihr da zubrochen/ muß man euer um so viel fleissiger war- ten; zohe ihnen die Messer/ welche sie aus Verzweifelung selbst/ und doch nicht tief genug hinein gestossen/ aus den Wunden/ uñ band sie mit den Riemen feste/ die er von der Gutsche loͤsete. Als solches geschehen/ rief ihnen Fabius/ und sagte: Kom̃et her meine Freunde/ und gruͤsset das vortrefflichste Fraͤulein der Welt in ihrer aͤussersten Beschimpffung/ die nim- mermehr kan gebuͤsset werden. Mein Herr Bruder/ antwortete das Fraͤulein/ wolle mit solchen unverdieneten Ehren-Nahmen mich doch nicht weiter schamroht machen/ nach- dem ich schon vorhin die Augen nit kühnlich auffschlagen darff. Leches trat hinzu/ gedach- te alsbald/ ob nicht das Koͤnigl. Fraͤulein zugegen seyn wuͤrde/ welches ihm die Vernunfft und Augen blendete/ daß er sie nicht erkennen kunte; sie aber ihn erblickend/ alsbald zu ihm sagete: So so mein getraͤuer Leches/ jezt habt ihr euer dienstwilliges Herz mir so klaͤrlich zu erkennen gegeben/ dz ich zeit nachzudenken sodern muß/ wie ichs gebuͤhrlich ersetze. Er kun- E e e e e e ij te aber Vierdes Buch. te aber vor Bestuͤrzung und Freude kein Wort sprechen/ sondern nach unterschiedlichen tiefgehohleten Seuffzen/ fiel er vor ihr nider in die Knie/ fassete ihre Hand/ uñ kuͤssete sie ohn unter laß/ biß er sich erhohlete/ von der Erden auffstund/ und also anfing: Allergnaͤdigstes Fraͤulein/ wie kan ich der grundlosen Guͤte unsers Heylandes gnug danken/ welcher nach seiner Goͤttlichen Versehung mich so gluͤklich gefuͤhret hat/ daß dem Verraͤhter ich auf die- ser Reise antreffen/ und durch Euer Durchl. Kriegs Heer/ welches den Nahmen Valiska zum Feldgeschrey gehabt/ er zur gebuͤhrlichen Straffe durch Herr Fabius/ welcher gleich unvermuhtlich zu uns gestossen angehalten worden; meine geringfügige Dienste/ mit wel- chen Euer Durchl. ich ja als ein angebohrner Untertahn aus Pflicht verbunden bin/ koͤn- nen von derselben durch aus keine Belohnung verdienen/ und wann sie es ja verdieneten/ waͤhren sie viel tausendfach schon vergolten. Wir wollen uns hieruͤber vor dißmahl nicht zanken/ antwortete sie/ helffet vielmehr/ daß meines Frauenzimmers eine in etwas gekleidet werde/ damit sie zu mir kom̃e/ und die Fuͤsse loßknuͤpfe. Ganz willig und gerne/ sagte er/ warf seine Ruͤstung hinweg/ sprang auffs Pferd/ und rante spornstreichs nach dem Lager/ da er die Gutsche/ auff welcher Libussa samt Brelen/ Euphrosynen und Agathen beyeinander fas- sen/ und wegen des erhaltenen Sieges sich hoch freueten/ aufs allerschnelleste ihm folgen hieß/ auch Neda und Markus einen Wink gab mitzureiten. Unter dessen hatte Klodius sich vor dem Fraͤulein nider gelegt/ mit gar untertaͤhnigen Worten ihre Wiederwertigkeit be- klaget/ und sehr gebehten/ ihre Durchl. wolte den unwerdesten Klodius/ welcher dem Koͤni- ge Ladisla und Groß Fürsten Herkules eine zeitlang auffzuwarten/ das hohe Gluͤk gehabt/ unter die Zahl ihrer geringsten/ wiewol allergetraͤuesten Knechte auffnehmen. Mein lieber Freund Klodius/ antwortete sie/ meynet ihr/ daß mein Oheim und Bruder mir eure redli- che Traͤue und aufrichtige Dienste ungemeldet gelassen? euer bereitwilliges Herz gegen dieselben/ zeiget ihr ja überfluͤssig an/ indem ihr euer Vaterland und Guͤter verlassend/ ihnẽ biß hieher zu Wasser und Lande gefolget seyd/ welches sie schon werden zuvergelten wissen/ und ich mich zugleich mit ihnen bemuͤhen wil/ euch der Muͤhe zuergetzen; aber lieber saget mir/ wie gehet es meines Herrn Bruders Gemahl Koͤnigin Sophien/ meiner hoͤchstgelie- beten Fr. Schwester? Sehr wol/ Gott Lob/ antwortete er/ welches vielleicht angenehmert Bohten mit schrifftlichen Zeugnissen werden auffzulegen haben. Indem kam die Gutsche daher gerennet/ welche Leches oͤffnete/ und zu dem Frauenzimmer sagete: Heraus/ und loͤ- set einer gefangenen die mit hoͤchstem Unrecht gebundene Fuͤsse/ welche zuberuͤhren kein Mannesbilde unter uns wirdig ist. Libussa saß im Aushange/ sprang geschwinde hervor/ und eilete nach der Fraͤulein Saͤnffte/ erkennete alsbald ihr Angesicht/ und fiel vor unmaͤs- siger Freude als eine Leiche auf Klodius/ welcher ihr zur seite stund. Brela ersahe solches/ wuste nicht/ was vor schnelle Ohmacht sie niderwarff/ kuckete in die Saͤnffte/ und indem sie das Fraͤulein erblickete/ stuͤrzete sie gleich neben Libussen nider; dessen Valiska sich entsetze- te/ und die umstehende baht/ ihnen Erquickung mitzuteilen; welches Agatha mit fleiß ver- richtete; Euphrosyne aber/ von Fabius vernehmend/ daß sie das Fraͤulein waͤhre/ fassete mit sonderbahrer Liebligkeit ihre Haͤnde/ kuͤssete und druͤckete sie/ und fing also an: O du gluͤkse- lige Euphrosyne/ die du wirdig bist/ dieser aller trefflichsten Fraͤulein auffzuwarten/ nach de- ren Kundschafft man so lange Zeit vergeblich hat seuffzen muͤssen. Aber O du graͤulicher Bluthund/ Wũterich und Erzboͤsewicht/ welche Loͤuin hat dich geworffen/ welches Tiger- tihr Vierdes Buch. tihr hat dich gesaͤuget und aufferzogen/ daß du diese Soñe der Vollkommenheit hast fesseln und binden koͤnnen? Verzeihet/ bitte ich/ Durchleuchtiges uñ unvergleichliches Fraͤulein/ mir/ euer Durchl. untertaͤhnigst-ergebener Magd Euphrosynen/ daß dieselbe ohn Ihrer Durchl. Befehl sich zur Bedien- und Auffwartung antråget/ ehe sie vor düchtig erklaͤret ist/ und lasset gnaͤdigst wissen/ womit Euer Durchl. sie etwa moͤchte dienen koͤnnen. A- ber O ich unbesoñene/ sagte sie; lief hin nach der Gutsche/ in welcher ihre Kleider Lade stund/ daraus nam sie einen Himmelblauen Unter Rok mit Silber durch und durch gesticket/ uñ ein Oberkleid aus einem hellscheinen den Silber Stuͤcke gemacht; auch gestickete Schuch und Seidene Struͤmpffe/ und trug ihr solches alles zu/ da inzwischen die anwesende Man- nesbilder einen Abtrit nahmen/ und Euphrosyne nach gebehtener Verzeihung den Reit- Rok hinweg warff/ und ihrer vollkommenen Leibes Schoͤnheit sich nit gnug verwundern kunte/ da dz Fraͤulein also zu ihr anfing: Allerliebste Freundin/ mein Oheim Herkules hat eure Tugend und Freundligkeit mir nicht vergeblich geruͤhmet; aber was hat euch meine geliebte doch immer und ewig bewogen/ diese beschwerliche Reise zutuhn/ vor welcher sich auch die herzhaftesten Maͤnner entsetzen. Durchl. Fraͤulein/ antwortete sie: Diese Frage wil ich hernach weitleuftig beantworten; welches sie in Gedanken redete/ dañ sie hatte sich an ihrer Schoͤnheit gar vergaffet/ und des Strickes an ihren Fuͤssen nicht wahr genom̃en/ daß Valiska endlich zu ihr sagete: Herzgeliebete Freundin/ leihet mir ein Messer/ daß ich meine Fuͤsse frey mache/ welche fieder hinte umb zwolff Uhr also gebunden sind. O du blin- de Euphrosyne/ fing sie zu ihr selber an/ wo hastu deine Augen und Gedanken? zog hiemit ihr kleines Messerlein hervor/ und saͤgete damit/ biß sie endlich gewan; küssete hernach die Fuͤsse/ und sagete: O Durchleuchtigster Groß Fuͤrst Herkules/ was vor ein Meister-Bilde hat der Him̃el euch vorbehalten? und wañ dieses Fꝛaͤulein ungebohren waͤhre/ wuͤr de keine andere dieser Welt euer Liebe wirdig seyn. Valiska trug grosse beliebung an ihrem Liebko- sen/ weil sie sahe/ dz es ohn falsch von Herzen ging/ und antwortete ihr: Allerliebste Freun- din/ ihr er hebt mich weit uͤber meine guͤltigkeit/ dann ich selbst schaͤtze mich dteses Fuͤrsten/ ach dieses teuren Fuͤrsten/ noch lange nicht wert. So tuhe ichs aber/ gnaͤdigstes Fraͤulein/ sagte sie/ uñ alle Menschen/ welche eure Durchl. keñen/ werden solches tuhn; dañ ob gleich Groß Fuͤrst Herkules ohn seines gleichen/ so viel Mañesbilder betrift/ lebet/ so hat er doch/ Gott Lob/ eine gleiche unter den Fraͤulein/ welches dem ganzen weiblichen Geschlechte ein unsterblicher Ruhm seyn und ewig bleiben muß. Als nun Valiska ihꝛ die Kleider wolte an- legen lassen/ hatte Agatha durch viel bemuͤhung und zutuhn etlicher ihrer Maͤgde/ Libussen und Brelen wieder zu sich selber gebracht/ welche sich erhoben/ und über das Fraͤulein her- fielen/ ob haͤtten sie dieselbe erdruͤcken wollen/ welches/ angesehen ihrer getraͤuen Liebe/ sie ihnen durchaus nicht vor uͤbel hielt; nur erinnerte sie dieselben/ sich in der Heftigkeit ihreꝛ Freude zu maͤssigen. Wie? sagte sie zu ihnen; kom̃et ihr deßwegen zu mir/ mich mit eurer Ohmacht zubetruͤben/ und mit euren Traͤhnen zuersticken/ da ich meinete/ an euch als mei- nen vertrautesten Freundiñen/ und eine Zeitlang mitgefangenen/ nun aber miterloͤseten mich froͤlich zuergetzen? Zwar wañ der barmherzige Gott euch und das Heer nicht zu so gluͤklicher Stunde haͤtte hergeführet/ wuͤrdet ihr Ursach zu euren Traͤhnen gefunden habẽ/ nehmlich entweder meinen todten Leichnam/ oder mich als eine geschaͤndete/ oder wol bey- des zubeweinen; aber gleich wie der Menschen Dieb mit solchem Vorsaz umbging/ hat E e e e e e iij ihn Vierdes Buch. ihn Gott durch eure Zukunfft daran verhindert; des freuet euch mit mir/ und lasset alle Traurigkeit fahren. Hierauff erhohleten sie sich endlich/ da jede von ihnen der Fraͤulein eine Hand fassete/ und Li- bussa aͤlso anfing: O mein gnaͤdigstes und uͤber Seel geliebetes Fraͤulein; muß ich dann ihre Durchl. in einem elendern Stande antreffen/ als ich sie leztmahl verlassen habe? solches sey dem gerechten Gott geklaget; Aber O du Grund Schelm/ was vor Straffen wlrd der allergrausamste Henker er siñen koͤn- nen/ damit dir nach Verdienst gelohnet werde? Gib dich mit mir zufriedẽ/ liebes Kind/ sagte das Fraͤu- lein/ ich bin zwar heut in dem allerelendesten Stande meines ganzen Lebens gewesen/ so daß mein Ochsen- und Hunde-Streit/ mein Pragischer Moldau- Sprnng / und Italiaͤnische Gefaͤngnis hierge- gen fast nichts zuachten; aber Gott Lob/ Gott Lob/ ohn einige wirkliche Verletzung meiner Ehren; daher wollen wirs als ungeschehen/ oder doch als uͤberwunden halten/ auff dz unsere gebuͤhrliche Freu- de nicht gestoͤret werde; richtete sich damit auff/ und ließ sich von ihnen beyden nach begehren kuͤssen und umfahen. Weil sie aber sahe/ daß kein Auffhoͤren da wahr/ sagte sie endlich: Sol ich dañ den gan- zen Tag alhie vor euch nacket liegen? Hastu vergessen/ Libussa/ wie bald du mich/ wann ich auffstund/ zubekleiden pflegtest? Ja ja/ mein Herzallerliebstes Fraͤulein/ antwortete sie/ ich bin nun vergnuͤget/ daß Eure Gn. ich wiederhabe; goͤnnet mir aber doch das zubesehen/ wornach meine Seele so grosses verlangen getragen hat. Euphrosyne nam den Unter Rok/ und legte ihr denselben an; Brela suchte die Strümpffe und Schuch hervor/ und bekleidete ihr die Beine; Libussa ergreiff das Oberkleid/ und zo- he ihr solches an/ und indem sie ihr den Busem verschnuͤrete/ raunete sie ihr sanffte ins Ohr: Ach daß Herkules dieses an meiner Stelle verrichten solte; sie aber gab ihr zur Wieder Antwort: Wann du ihm solches als zum ersten mahl wuͤnschest/ bistu zu spaͤt kommen; zum lezten mahle aber wuͤrde es viel zu fruͤh seyn. Ey Gott Lob/ sagte Libussa uͤberlaut/ so wollen wir der jetzigen Widerwertigkeit vergessen; fassete das Fraͤulein unter die Arme/ und zohe sie aus der Saͤnffte hervor/ da der ankom̃en- den Freude erst recht loß ging; in sonderheit bey Libussen und Brelen/ als sie diese in so treflicher Vol- kommenheit vor sich stehen sahen/ und vor Wollust nicht wusten/ was sie anfahen solten. Agatha trat auch herbey/ und ergab sich dem Fraͤulein zu Dienste; und weil sie und Euphrosyne gleich neben ein- ander stunden/ redete sie alle beyde also an: Ihr meine grundgeliebete Freundinnen; wie hoch ich euch verbunden bin/ weiß ich sehr wol; aber wie ich mich loswirken moͤge/ sehe ich nicht/ es waͤhre dann/ dz ihr meinen beharlichen Freundes-Willen/ und die moͤgliche Erstattung vor guͤltig erkennen wollet; Ihr Fr. Agatha habt mir meinen einigen herzallerliebsten Bruder vom Tode erloͤset/ und euch daruͤ- ber in solche Gefahr gesetzet/ die euch bey nahe zu staub und Asche verbrennet haͤtte; was haͤtte eine getraͤue Freundin mehr tuhn koͤnnen? Ihr Fr. Euphrosyne habt meinem hoͤchstgeliebeten Oheim/ Schaz/ und versprochenen Braͤutigamb die Haͤnde loßgebunden/ und dadurch ihn von dem Henker- Schwert frey gemacht; woruͤber ihr schier selbst von eurem ungetraͤuen Ehegatten entleibet waͤhret; was haͤtte eine Schwester heilsamers verrichten koͤnnen? Vor solche Woltahten sage ich euch von her- zen dank/ und werde zeit meines Lebens mich bemuͤhen/ es mehr in der Taht/ als praͤchtigen Worten erscheinen zulassen/ wie hoch ich diese eure Woltahten schaͤtze. Durchl. Fraͤulein/ antwortete Euphro- syne/ haben wir beyde einen aufrichtigen Willen gehabt/ den beyden froͤm̃esten und redlichsten Fuͤrsten der Welt untertaͤhnigste Dienste zuleistẽ/ so ist doch derselbe so unkraͤftig gewesen/ dz ausser seufzen uñ wuͤnschen er nichts hat verꝛichten moͤgen; hingegẽ sind wir alle beyde von hoͤchstgedachten teuꝛẽ Fuͤrstẽ vom Tode uñ Verderbẽ gerettet/ uñ in gutẽ Wolstand gesetzet; wir sind durch sie zu grossem Reichtuhm uñ aͤdlen from̃en Ehegatten gebracht/ dz uns allerdinge unmoͤglich ist/ solche Woltaht recht zuerkeñen/ geschweige zuvergelten; und nun wil eure Durchl. gnaͤdigstes Fraͤulein/ uns mit neuem ganz unver- dienten erbieten/ dessen wir allerdinge unfaͤhig sind/ in unsern dankschuldigen Gedanken irre machen; koͤñen wir vor Dienerinnen angenom̃en und gewirdiget werden/ so haben wir den hoͤchsten Zweg un- ser gewuͤnschten Gluͤkseligkeit erreichet/ ein mehres/ wie wirs nicht fassen koͤnnen/ also vermoͤgen wir auch nicht/ es zuertragen; bitten umb beharliche Gnade/ uñ verbleiben untertaͤhnigst gehorsam. Das Fraͤulein wolte solches beantworten/ aber Kleofis/ der die Zeit in der Saͤnfte zu lange wehren wolte/ steckete den Kopff hervor/ und rieff mit lieblicher Stim̃e; Gnaͤdigstes Fraͤulein/ wir euer Durchl. un- tertaͤh- Vierdes Buch. tertaͤhnigste Dieneriñen/ erfreuen uns derselben gluͤklichen Erreitung von Herzẽ/ demuͤhtigst bittend/ uns bey dem anwesen den fremden Frauenzim̃er etwa ein geringes Kleid loßzumachen/ damit wir uns ein wenig bedecken moͤgen. O ja/ sagte Valiska; und muste Libussa alsbald mit der Gutsche nach dem Lager rennen/ unter welcher Zeit Neda raum bekam/ bey dem Fraͤulein sich zumelden/ welchen sie also empfing: Ich weis nicht/ mein Freund/ ob ich euch mit kuͤhnen Augen ansehen darff/ in betrachtung/ der euch von mir angefuͤgeten Unbilligkeit/ daß ich eure liebste Brelen genoͤhtiget/ sich einem andern zuergeben/ wiewol bald nach threm abscheide mich solches sehr gereuet hat/ uñ gefaͤlt mir uͤberaus wol/ daß ihrs so habt koͤnnen uͤber euch hingehen lassen/ und nicht destoweniger/ wie ich merke/ der Brelen Freund seyn; ich kan nicht mehr/ als mich erbieten/ es nach moͤgligkeit in andere Wege zuersetzẽ. Bre- la solches hoͤrend/ fing an zu schmuzern; er aber gab zur Antwort; Durchl. Fraͤulein/ daß dieselbe mei- ne versprochene Brelen jensmahl an den Meer Raͤuber Alexander verlobet/ bedanke ich mich unter- taͤhnigst/ als wodurch dieselbe mir wieder eingeliefert ist/ massen dieser Reise-Braͤutigam nicht al- lein mein Brelichen ohn alle anfechtung ihrer Zucht/ nach Padua wol uͤbergebracht/ sondern auch in der Stunde meiner Ankunft daselbst/ mir dieselbe ohn einige Wiederrede/ mit allen seinen Guͤtern uͤ- bergelassen. O daß mus wol ein redlicher from̃er Alexander seyn/ sagte Valiska. Ja/ antwortete er/ ich habe ihn nicht anders als from gekant. Brela kunte solchen Spot nicht wol leiden/ uñ sagte zu ihm; habt ihr eure Zusage jenseit des Meers getahn/ schon vergessen? erzaͤhlete auch dem Fraͤulein/ was ge- stalt Alexander des Tages vor dem angesetzten Beylager umbkom̃en waͤhre. Libussa kam mit den Klei- dern wieder an/ lieferte sie dem entbloͤsseten Frauenzim̃er/ uñ meldete dem Fraͤulein vieltausend gruͤs- se an von Prag und Padua/ lockete sie auch von der Geselschaft abe/ umb mit ihr allein zu reden/ da sie ihr nit allein zuvernehmen gab/ wie herzlich ihre Fr. Mutter sich uͤber ihre kuͤnftige Heyraht mit Her- kules erfreuete/ sondern auch/ was gestalt der junge Frankische Groß Fuͤrst aber eins um ihre Heyraht geworben/ und bey der Gesandschaft selbst als ein Schreiber gewest/ haͤtte anfangs ihre Entfuͤhrung vor ein Geticht gehalten/ nachgehends seine Ohmacht daruͤber sehen lassen/ und waͤhre zu Prag die Zei- tung erschollen/ daß er vor grosser Liebe in eine Unsinnigkeit gerahten/ und unter Ketten und Banden in einem verschlossenen Gewoͤlbe muͤste gehalten werden/ gaͤbe vor/ er waͤhre Groß Fuͤrst Herkules/ und muͤste den Franken Markomir erwuͤrgen/ darumb daß er ihm nach seinem Gemahl stuͤnde/ ihm dassel- be abzuspenstigen. Sie hoͤrete solches mit entsetzen/ und sagte; Es ist mir dieses jungen Fuͤrsten Unfal herzlich leid/ weil ichs aber nicht zuendern/ vielweniger ihn zuvergnuͤgen weiß/ mus man solches dem lieben Gott heim stellen/ welchen ich inbruͤnstig anruffen wil/ daß er ihm seine Vernunft wieder heilen/ und die vergeblichen liebes Flam̃en in seiner Seele außloͤschen wolle. Ich kan mich aber mit dieser Zei- tung vordismahl nicht aͤngsten/ weil ich nicht weiß/ ob mein voriges Elend oder die jetzige Freude groͤs- ser ist/ nachdem ich nicht allein der meinen Gesundheit und Wolergehen nach geschehener Erloͤsung er- fahren/ sondern meinen H. Schwager und Bruder H. Fabius angetroffen/ und dich meine allerge- traͤueste alte Troͤsterin wieder bey mir habe; zweifele auch nicht/ du werdest mit deinem Leches schon beygeleget seyn; Ist daß fragens wert/ Gn. Fraͤulein/ antwortete sie/; ich habe wol gewust/ und bin ich niemahls auff eure Gn. zorniger gewesen/ als das sie mich vor meiner Gn. Koͤnigin so beschaͤmet/ daß ich umb das schleunige Beylager selbst habe anhalten muͤssen. Hastu mir aber gehorsamet/ fragete Valiska. Was solte ich nicht gehorsamet haben/ sagte sie/ lieber haͤtte ich ihn selbst darzu gebehten/ ehe euer Gn. Hulde ich mich verlustig machen wollen/ wiewol ich mich deßwegen von meinen Gespie- len auff dieser Reise rechtschaffen habe leiden muͤssen; doch/ die Warheit zu sagen/ wahr mirs eben so hart nicht zu wieder/ als ich michs aͤusserlich annam. Valiska lachete ihrer lezten Worte und sagete: So wirstu nun erkennen/ daß ichs gut mit dir gemeinet habe; wie anders? antwortete sie/ wann nur meiner ehemahligen Freiheit nach/ ich fragen duͤrfte/ wovor eure Gn. ich nunmehr halten solte/ und zwar in vertrauen. Sie wolte mit ihr scherzen/ und wieder antwortete; Bistu so lange mit mir umb- gangen/ und weist noch nicht/ wovor du mich halten solt? weistu nicht/ daß ich Baliska bin? ja weistn nicht daß ich das Koͤnigliche Fraͤulein aus Boͤhmen bin? endlich/ weistu nicht/ daß ich der geraubete Herkulistus bin? ich halte/ du werdest dein Gedaͤchtnis zu Padua vertauschet/ oder es deinem Leches samt Vierdes Buch. samt deinem Brautschatze geschenket haben. Diese machete ihr wegen des lezten Worts Gedanken/ und sagete: Ich bitte umb gn. verzeihung/ daß euer Durchl. vor den uͤbermaͤssigen uͤbergeschikten Brantschaz ich annoch nicht gedanket habe. Davor wil ich keinen Dank haben/ antwortete sie/ ist dir auch nicht als ein Brautschaz zugeschikt/ massen denselben ich dir erst in Boͤhmen oder Teutschland ge- ben wil. Aber weistu nun wieder/ wovor du mich halten solt? wie solte ichs wissen? antwortete sie/ ha- be ich euer Gn. hieselbst gehuͤtet als zu Prag? Du loser Sak/ sagte Valiska/ habe ich mich dañ zu Prag also bezeiget/ daß ich einer Huͤterin bedurft haͤtte? Darauf wil ich nicht antworten/ sagte Libussa/ eure Gn sagen mir dann zuvor in vertrauen/ wovor ich als die verschwiegene geheime Libussa dieselbe halten sol. Ich muß dir wol beichten/ antwortete sie/ wil ich sonst friede und deine Gnade haben; aber wie wuͤrde dirs gefallen/ wann ich dir anvertrauete/ daß ich schon in geheim von 20 Wochen her/ mei- nes allerliebsten Herkules Gemahl bin? Ich bin vergnuͤget/ sagte jene: Aber eriñert sie sich auch gnaͤ- digst/ was in ihrem grossen truͤbsal wegen Herkules Verlustes und Abwesenheit ich ihr stets einbilde- te? O ja mein herzliebes Kind/ O ja/ sagte sie/ ich erluͤstige mich an meinem Herkules nie keinmahl/ daß ich deines Trostes nicht gedenken solte/ habe auch in der Taht erfahren/ daß keine liebes vergnuͤ- gung suͤsser und erquiklicher sein kan/ als die mit Angst und Gefahr erlanget wird; aber mein Herzen Kind/ moͤchtestu nun erst meinen Herkules sehen/ wie seine Trefligkeit inwendig drey Jahren zugenom- men hat! Wie nun mein Fraͤulein/ antwortete sie/ hat dann eure Gn. ihrem Herkules auch die Ge- daͤchtnis samt dem Brautschatze geschenket? Ich bin ja bey ihm gewesen/ da er mich aus Raͤuber Haͤn- den erloͤset. O ich unbedachtsame/ sagte Valiska weiß ich doch selber nicht/ was ich vor freuden rede; doch hoͤre; wirstu auch deinen Schaz den damahligen Raͤuber Gallus ohn Scham ansehen koͤnnen/ daß du ihm so ungetraͤu gewesen/ uñ Leches angenom̃en hast? dann ich versichere dich/ daß dieser mei- nes Herkules und mein liebester Diener ist. So mus ich ihn wol vor meinen Augen leiden/ antwor- tete sie/ und hat mir Brela solches schon angezeiget/ daß Fuͤrst Herkules ihn fast als sein ander Herz halte. Nicht vielanders/ sagte das Fraͤulein/ und waͤhre Leches nicht in der Besitzung/ muͤstestu ihm dein versprechen wol halten. Libussa lachete/ und kam wieder auff die alten Geschichte/ da sie unter an- dern fragete: Ach mein wunderschoͤnstes Fraͤulein/ wil sie mir dann nunmehr meine oftgetahne Frage beantworten/ was ihre Gedanken wahren/ da ich ihr des allerschoͤnsten Herkules zarte Arme/ wie er schlieff/ zum erstenmahl zeigete? Das Fraͤulein gab ihr einen liebes Backenstreich/ antwortend; must du noch mit deinen alten Schmeicheinahmen umb dich werffen? Diese kuͤssete ihr die Hand/ und sage- te: O des lieben und sanften Schlages/ daß ich den nun wieder auffs neue bekommen habe; aber beken- net mir mein Fraͤulein/ bekennet wornach ich frage. Eja doch/ antwortete sie/ ich weiß doch wol/ daß du mein innerstes Herz allemahl sehen und wissen wilt/ und fragest nach einem Wege/ der dir schon gnug bekant ist/ wie nehmlich meine dazumahl kindische Seele/ mit freuden angefuͤllet ward/ durch eine Liebe/ welche sider dem ohn auffhoͤren gewachsen/ und noch diese Stunde zuwachsen nicht auffhoͤ- ret. Aber wir muͤssen nicht zu lange unser Gewaͤsche treiben/ weil die uͤbrigen mirs verargen koͤnten. Markus hatte bißher seine Schuldigkeit bey ihr noch nicht abgelegt/ welcher anjezt zu ihr trat/ und sehr wol empfangen ward. Endlich fassete sie Herrn Fabius bey der Linken/ und Libussen bey der rech- ten Hand/ noͤhtigte sie mit sich auff die Gutsche/ und fuhr mit ihnen nach dem Kriegs- Heer/ dem ihre Anwesenheit schon zu wissen getahn wahr/ daher sie von ihnen mit einem grossen Freuden- Geschrey empfangen ward. Ende des Vierden Buchs/ und des Ersten Teils Des Christlichen Teutschen Herkules.