Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften, Zur Verbesserung des Urtheiles und des Witzes in den Wercken der Wohlredenheit und der Poesie. Neuntes Stuͤck. Zuͤrich , Bey Conrad Orell und Comp. 1743 . Von dem Zustande der deutschen Poesie bey Ankunft Martin Opitzens. J Ch habe die deutsche Poesie des sechszehn- den Jahrhunderts in ihrem schoͤnsten Lichte vorgestellet, so wie selbige in Sebastian Brands und Johann Fischarts Gedichten ausge- sehen hat, wann man die Augen von den zusammen- geschraͤnckten Woͤrtern, und dem holperichten Sylbenmasse abwendet. Diese beyde sind in dem innerlichen Wesen der Poesie von niemandem ih- res Welt-Alters uͤbertroffen worden; ich rede von denen, welche sich durch eigene Schrifften einen Nahmen gemachet haben, der Reinicke Fuchs, der Froschmaͤuseler, der Muͤcken- und Ameissen- Krieg kommen hier in keine Rechnung, weil sie blosse Uebersetzungen sind; und was das aͤusserli- che anlanget, so haben die Verfasser dieser letztern Gedichte in der harten Sprache, und dem holperig- ten Tonmasse vor jenen nichts, oder ein sehr we- niges zum voraus. Gegen dem Ausgange des sechszehnden Jahrhunderts, und beym Anfange des naͤchst darauf folgenden waren zu Straßburg und Heydelberg, wo Opitz seiner Muse die Erstlinge geopfert hatte, Paul Melissus, Peter Denaisius und Rudolf Wekerlein als geschickte Poeten be- kannt, von welchen man damahls glaubete, daß sie der deutschen Poesie eine bessere Gestalt gege- ben haͤtten, als sie in den Gedichten ihrer Vorfah- ren gehabt hatte. Von dem erstern sind 1572. die fuͤnfzig erstern Psalmen Davids ausgegangen, A 2 in Von dem Zustande der Poesie in welchen er Lobwassers Uebersetzung, die ihm zu waͤsserig und zu hart vorgekommen, zu uͤbertreffen gesucht, aber nach Opitzens Urtheil desselben Feh- ler nicht vermeiden koͤnnen. Man kan von seinem poetischen Vermoͤgen aus folgenden Liedern ur- theilen, die ihn zum Verfasser haben. M Orgens eh s’Tages Schein anbricht Mit Purpurfarbem hellem Licht, So glaͤntzt herfuͤr deins Mundes Roͤth, Wie vor der Sonn die Morgenroͤth Mit rosinfarben Wangen Huͤbsch, lustig, klar, aufgangen. Ein schoͤn karfuncklet huͤbsch Gestirn Dein’ Aeuglein sind an deiner Stirn; Dein guͤldnes Haupt ist wohl formirt, Wie s’Himmels Runde schoͤn geziert. Von deiner Aeuglein glitzen Feurflammen rausher spritzen. Recht wie die Straln und schnelle Pfeil Dieselben schiessen her in Eil, Han mir versehrt mein junges Hertz, Doch lindert sich der bruͤnstig Schmertz’, Wann ich dein Antlitz schaue, Holdseligste Jungfraue. Gruͤnest und bluͤhest aller Ding, Gleichwie ein Lorbaum im Fruͤhling, Wie eine Tanne waͤchßt gerad Dein werther Leib in gleicher Wad: Dein’ Arme beyd sind eben Wie zwo neuer Weinreben. Ach daß, was anruͤhrn deine Haͤnd, Jn rothe Roͤslein sey gewendt, Und bey Ankunft Martin Opitzens. Und weisse Lilglein wachsen fein, Wo deine Fuͤß hingangen seyn: Von deins Munds Athem suͤsse Braun Violbluͤt entsprisse. Ruhm, Preiß, Ehr und Lob ich dir gib, Fuͤr andern alln, hertzliebstes Lieb, Dein Tugend leucht an allem End, Wie der Vollmond am Firmament; Bist aller Jungfraun Zierde, Meins Hertzens innre Girde. Edler ich schaͤtz dein Gunst und Hold, Dann Silber und das beste Gold; Dein Freundlichkeit und schoͤn Geberd Jst mehr dann alle Perlen werth: Es gilt dein Zucht viel reine Mehr dann all edle Steine. Treuhertzig seyn ohn arge List, Der rechten Lieb Wahrzeichen ist: Wann gleicher Maß nicht liebest mich, Laß zu, daß ich nur liebe dich. Mein Hertz geb dir zu eigen, Dein Hertz zu mir thu neigen. All Augenblick dein eindenck bin Jn meim Gemuͤth und in meim Sinn. Des Tags bist mir ein helle Sonn, Des Nachts ein klarscheinender Mon: Thust (liebstes M.) mir geben Von deinem Glantz mein Leben. R Oth Roͤslein wolt ich brechen Zum huͤbschen Kraͤntzelein: Mich Doͤrner thaten stechen Hart in die Finger mein. A 3 Noch Von dem Zustande der Poesie Noch wolt ich nit lan ab; Jch gunt mich weiter stecken Jn Stauden und in Hecken: Darinn mirs Wunden gab. 2. O Doͤrner krumm und zacket, Wie habt ihr mich zerschrunt? Wer unter euch kommt nacket, Der ist gar bald verwundt. Sonst zwar koͤnt ihr nichts mehr: Jhr keiner Haut thut schonen, Noch niedlicher Personen, Wanns gleich ein Goͤttin waͤr. 3. Sie hats wol selbs erfahren, Die schoͤne Venus zart, Als sie stuhnd in Gefahren, Und so zerritzet ward. Daher die Roͤslein weiß Von Bluttrieffenden Nerben Begunten sich zu ferben: Den man verjeht den Preiß. 4. Jch thu ein Rose loben, Ein Rose Tugend voll. Wolt mich mit ihr verloben, Wanns ihr gefiele wol. Jhrs gleichen findt man nicht Jn Schwaben und in Francken: Mich Schwachen und sehr Krancken Sie Tag und Nacht anficht. 5. Nach ihr steht mein Verlangen, Mein sehnlich Hertzegird: Am Creutz laͤßt sie mich hangen, Meins Lebens nimmer wird. Zwar bald ich todt muß seyn. Je weiter sie mich meidet, Je laͤnger mein Hertz leidet. Jst das nit schwere Pein? 6. Ach bey Ankunft Martin Opitzens. Ach liebster Schatz auf Erden, Warum mich quaͤlest so? Zu Theil laß dich mir werden, Und mach mich endlich fro. Dein will ich eigen seyn. Jn Lieb und Treu mich binde, Mit deiner Hand mir winde Ein Rosenkraͤntzelein. Von Peter Denaisius, einem Doctor der Rech- ten von Straßburg, haben einige vorgegeben, daß Opitz die Jdee eines reinen deutschen Verses von ihm empfangen habe. Dieser hat folgendes Hoch- zeit-Lied auf Doctor Lingelsheimer verfertiget: G Luͤckselig muß man preisen, Die gleiche Lieb und Treu Einander thun erweisen, Stetigs und ohne Reu. Jn Noth und schweren Zeiten Troͤst eins des andern Leid, Jn Lieb und Froͤlichkeiten Mehrt eins des andern Freud. Jst keinem angelegen Was wohl und weh ihm thut, Des andern Gluͤck dargegen Nimmt und gibt ihm den Muth. Das suͤß ihn ist gemeine, Das bitter jedes wolt Haben fuͤr sich alleine, Wanns druͤber sterben solt. Alcestis uns kan geben Dessen ein Richtigkeit, Die fuͤrs Admeti Leben Ward in den Tod bereit, Die toͤdlich Wund ihrs Hertzen Arria gar nicht acht, A 4 Des Von dem Zustande der Poesie Des Stichs sie fuͤhlt den Schmertzen, Der Paͤtum um hat bracht. Wie sich zusammen reimen, Neglein und Roßmarein, Weinreben zu Ruͤstbaͤumen, Koͤstliche Wuͤrtz in Wein, So schicken sich zusammen Ein Mann und ehlich Weib, Die werden in Gotts Nahmen Ein Sinn, ein Seel, ein Leib. Wie Rosen an den Hecken, Frisch Weiden am Gestad, Wie Trauben an den Stoͤcken, Wie Zimmet und Muscat, Also thut sich vergleichen Der werthe Lingelsheim, Und die nit hat ihrs gleichen Agnes die Jungfrau rein. Agnes die schoͤn und zarte Aus loͤblichem Geschlecht Erbohren, und von Arte Zun Tugenden gerecht. Fromm, zuͤchtig, keusch und guͤtig, Verstaͤndig, klug, bedacht, Still, freundlich und anmuͤthig, Ohn allen Stoltz und Pracht. Unnoth hie viel zu loben Diß auserlesen Paar, Jhr Ruhm und Preiß erhoben Bleibt ohn das immerdar. Hochzeiter und Vertraute Jst keins am andern gfaͤhrt, Der Braͤutgam ist der Braute, Die Braut des Braͤutgams werth. Gott woll ihn beyden geben Jn Fried und Einigkeit Mit Gsundheit langes Leben, Daß kuͤnfftig auch zur Zeit, Wann bey Ankunft Martin Opitzens. Wann sie werden veralten, Jhr Lieb verjuͤnge doch, Wann sie werden verkalten, Jhr Lieb, als vor, brenn noch. Doch laßt euch nicht gefehren, Ob wohl biß in das Grab Die Lieb sich kan vermehren, So nimmt doch s’uͤbrig ab, Das uͤbrig, das ihr beyde Schaͤtzt fuͤr das Principal, Fuͤr Wasser, und fuͤr Weide, Fuͤr Lufft, fuͤr alls zumahl. Die Roͤslein muß man brechen Dieweil der Fruͤhling waͤhrt, Wer rennen will und stechen, Muß noch wohl seyn zu Pferdt. Thut euch der Zeit gebrauchen, Eh s’Alter kommt herbey, Eh dann ihr doͤrfft der Lauchen, Der Raut, und Saturey. Secht an, und mercket eben Die Voͤglein ohne Ruh, Wie sie ihr kurtzes Leben Mit Lieben bringen zu, Die holdselige Dauben Mit ihren Schnebelein Stets an einander klauben, Streichlend die Fluͤgelein. Thut Mund mit Mund beschliessen Wie Muscheln an der Bach, Mit Armen und mit Fuͤssen Thuts gruͤnem Ebheu nach, Laßt Bettstatt wacker krachen, Kein Music besser laut, Und wers wolt anders machen, Der bleib nur ohne Braut. A 5 Ru- Von dem Zustande der Poesie Rudolf Weckerlein wird von Philandern von Sittewald mit vielem Lobe angezogen. Von ihm ist das Cartel des ehrwerbenden deutschen jun- gen Adels: W Jr kommen nicht hieher, uns selbsten viel zu ruͤhmen, Oder durch fremde Sprach die Wahrheit zu verbluͤmen, Als ob wir kaͤmen jetzt aus einem End der Welt, Oder wieder-belebt vom Elisischen Feld. Nein. Teufel sind wir nicht, noch Riesen, noch Halb-Goͤtter, Noch Helden, noch Wildleut, noch unsers Lands Verspoͤtter, Das teutsche Reich bekannt ist unser Vaterland, Teutsch sind wir von Geburt, von Stamme, Hertz und Hand. Was dient es, fremden Preiß und Nahmen zu entlehnen, Teutschland bedarff sich nicht mit Auslaͤndern beschoͤnen, Wie dann die Welt wohl weiß, daß es zu aller Zeit Treffliche Leut genug hatte zum Fried und Streit. Darum, ob wir wohl jung, nicht sonders viel erfahren, Begehren wir doch nicht unsere Faͤust zu spahren, Sondern erscheinen nur in unsrer teutschen Tracht, Mit teutsch-redlichem Muth, um unser erste Macht An diesen Rittern hier (die so hoch triumphieren) Jhrer Begierd gemaͤß, gewaffnet zu probieren, Verhoffend zweifelsfrey, daß diese erste Prob, Vollendend ihren Ruhm, anfangen soll das Lob, So man von nun an wird durch die Streich unsrer Wehren Unter dem Firmament taͤglich erschallen hoͤren. Das Sylbenmaß in diesen Gedichten ist gantz nach der Frantzoͤsischen Manier. Man muß darinnen keine Abwechslung der hohen und der tiefen Syl- ben suchen, sondern mit der richtigen Anzahl der Sylben, dem Abschnitte und dem Reime vorlieb nehmen. Auf mehrers haben die Verfasser nicht gesehen. Sie hatten nichts weniger in Gedan- ken, als uns ein Tonmaß von eitel Jamben zu ge- ben. Jhre Meinung war ohne Zweifel, daß der Leser bey Ankunft Martin Opitzens. Leser im Aussprechen jeder Sylben ihren eignen Klang lassen sollte, dadurch der Vers nicht allein Jamben, sondern daneben auch Trocheen, und Dac- tyle bekoͤmmt. Nach dem Urtheile Frantzoͤsischer Ohren vermieden sie hiermit den Eckel, der von der Monotonie bestaͤndig gleichtoͤnender Fuͤsse ent- steht. Folgende vier Oden sind auch von Weker- leins Muse; Sie haben nicht allein in dem Syl- benmasse, sondern auch in den Gedancken etwas besonderes und lebhaftes. Von des Todes Gewißheit, und der Tugend Unsterblichkeit. M An findet nichts vollkommen in der Welt, Wir Menschen sind mit Sorgen, Pein und Plagen All Ort und Zeit, in Staͤdten, auf dem Feld, Vom Himmel, Lufft, Meer, und uns selbst geschlagen: Ja auch der Goͤtter Macht Hat ihr Wohnung vollkommen Und selig nicht gemacht. Wer hat nicht wahrgenommen, Wie Sonn und Mond gemein Verfinstern ihren Schein? Und wie des Himmels Zeichen Offt mangelhafft verbleichen? Mit wie viel Angst, Gefahren, Muͤh und Noth Sind ohn Ablaß wir Menschen umgegeben? Diese mit List man uͤbergibt dem Tod, Jener hertzhafft verkrieget selbst sein Leben. Dieser aus viel Verdruß Und Trauren will verderben, Jener erbaͤrmlich muß Jn der Gefaͤngniß sterben. Etlich duͤrstig nach Gut Fliehen vor der Armuth, Und ihren Geitz versincken, Wann sie im Meer ertrincken. Diese Von dem Zustande der Poesie Diese mit Wasser, Gifft, Schwerdt oder Strick Selbst uͤber sich ein schrecklich Urtheil sprechen, Und rettend sich von zu schwerem Ungluͤck Zweiffeln sie nicht sich wider sich zu raͤchen. Jene kommen mit Zwang Jn dieses Lebens Leiden, Finden gleich den Ausgang, Und andre Muͤh vermeiden, Oder sich in ihr Grab, Eh sie einige Gab Des Tags selig geniessen, Jn Mutter-Leib beschliessen. Der Tod gewiß klopffet mit einem Bein An grosser Herrn Wolcken-tragende Schloͤsser, Und armer Leut liegende Huͤttelein, Und ist fuͤr beyd weder boͤser noch besser. Den Leib ein Tod allein Mit unheilbaren Plagen, Unentfliehlicher Pein, Und undienstlichen Klagen, Aengstiget Tag und Nacht, Und die Seel wird gebracht Vor Minos, der kein Flehen Mehr pfleget anzusehen. Der Weg ist breit in das finstere Hauß, Offen die Thuͤr, daß man hinein stets gehet, Aber wiedrum zu entrinnen daraus, Hierauf das Werck, hierauf die Muͤh bestehet. Der Tugend Weg ist schmahl, Mit Dornen wohl verschlossen, Gering ist die Anzahl, Deren die unverdrossen Und durch der Goͤtter Gunst, Und der Tugend Einbrunst, Von dem Poͤffel entzogen Zu dem Gestirn geflogen. Der, deß Hertz mit Tugend gewaffnet ist, Gleich wie, Potzheim, dein edles Hertz zu sehen, Der kan des Gluͤcks Zorn, Wanckelmuth, und List Vest, wie ein Fels, unzaghafft widerstehen: Er ist allzeit forchtloß, Vor dem Strahl unverblichen, Weiß- bey Ankunft Martin Opitzens. Weißheit macht sein Hertz groß, Stets siegreich, unvergliechen, Er, der fuͤr seinen Lohn Sucht der Seligkeit Cron, Und sich selbst uͤberlebet. Ueber den fruͤhen Tod einer Fraͤulein. D Ein Leben, dessen End uns plaget, War wie ein Tag schoͤn und nicht lang, Ein Stern vor des Morgens Aufgang, Die Roͤthin waͤhrend weil es taget, Ein Seufftz aus einer edlen Brust, Ein Klag aus Lieb, nicht aus Unlust, Ein Nebel, den die Sonn verjaget. Ein Staub der mit dem Wind entstehet, Ein Thau in des Sommers Anbruch, Ein Lufft mit lieblichem Geruch, Ein Schnee der Fruͤhlings-Zeit abgehet, Ein Blum die frisch und welck zugleich, Ein Regenbog von Farben reich, Ein Zweig welchen der Wind umwehet. Ein Schaur in Sommer-Zeit vergossen, Ein Eiß an heissem Sonnenschein, Ein Glaß also bruͤchig als rein, Ein Wasser uͤber Nacht verflossen, Ein Blitz zumahl geschwind und hell, Ein Strahl schiessend herab gar schnell, Ein Gelaͤchter mit Leid beschlossen. Ein Stimm die lieblich dahin faͤhret, Ein Widerhall der Stimm in Eil, Ein Zeitvertreiben mit Kurtzweil, Ein Traum der mit dem Schlaff aufhoͤret, Ein Flug des Vogels mit Begier, Ein Schatt, wann die Sonn sticht herfuͤr, Ein Rauch welchen der Wind zerstoͤret. Also Von dem Zustande der Poesie Also dein Leben (schnell verflogen) Hat sich nicht anderst dann ein Tag, Stern, Morgenroͤth, Seufftz, Nebel, Klag, Staub, Thau, Lufft, Schnee, Blum, Regenbogen, Zweig, Schaur, Eiß, Glaß, Blitz, Wasserfall, Strahl, Gelaͤchter, Stimm, Widerhall, Zeit, Traum, Flug, Schatt und Rauch verzogen. Auf den neuen Garten. K Anst du wohl gluͤckseliger seyn, O du stets gesegneter Garten? Du darffest auf den Sonnenschein Nicht wie sonst ander Gaͤrten warten. Dann deiner eignen Sonnen Glantz Kan all deine Gewaͤchs erlaben, Und deine Gaͤng, Stoͤck, und Baͤum gantz Mit bequemer Jahrs-Zeit begaben. Der Fruͤhling ihres Angesichts Kan dich mit Gilgen, Rosen, zieren, Daß dir an Blumen mangle nichts, Wann alle Gaͤrten schon gefrieren. So wird dein Grund mit gruͤnem Lust, Wo sie nur ihren Fuß hinsetzet, Wie deine Zweig und Aest mit Blust Und Frucht durch ihre Hand ergetzet. Und sie in dir macht, daß ab dir Sich Himmel und Erden erquicken, Und daß du, aller Gaͤrten Zier, Sie all mit Blumen kanst erquicken. Ja wann sie, (aller Blumen Ruhm,) Jn dir deine Gewaͤchs betrachtet, Werden kaum gegen solcher Blum Deine Blumen wie Graß geachtet. Das bey Ankunft Martin Opitzens. Das Braut-Lied. A Ls Filander mit grossem Lust Die lang-begehrte edle Blust Seiner standhafften Lieb errungen: Hat ein Hauff Liebelein gar laut Dem Braͤutigam und seiner Braut Zu Ehren dieses Lied gesungen. O daß ihr moͤget allezeit Einig, in keinem andern Streit, Dann nur in Liebes-Streite, leben, Darinnen eines jeden Hertz Dem andern moͤg Wollust und Schertz Fuͤr Schertz und Wollust wieder geben. Durch Kuͤß von suͤssem Nectar feucht Das Hertz und Seel von Freuden leicht Solt ihr euch nehmen und mittheilen: Jhr solt durch tiefwundende Kuͤß, Jhr solt durch suͤßheilende Biß, Verwunden euch und wieder heilen. Des einen Mund, soll mit Wollust Des andern Hertz auf seiner Brust Zu nehmen, ihm die Brust aufspalten. Des andern Hertz soll mit dem Mund Durch suͤsse Kuͤß verwundend wund Der andern Brust sich nicht enthalten. Mit euern Armen starck und zart, Mit euern Gliedern sanfft und hart Solt ihr einander froh umfassen: Und solt einander auch fuͤrhin Nicht mehr, dann mit suͤsserm Gewinn Wieder umzufassen, verlassen. Deinen ererbten Heldenmuth Nicht dein ererbtes Helden-Blut Solt du, junger Held, jetzund spahren. Lieb, Von dem Zustande der Poesie Lieb, lieber Schertz, lieblicher Glimpff, Liebkosen, Kuͤtz, kuͤtzlender Schimpff Werden sie dir machen willfahren. Wann aber ein solchs nicht genug, Solt du Kuͤhner mit gutem Fug Dein freundliche Feindin anfallen: Und laß dir ihre Scham und Zucht, Jhr Klagen, Flehen und Ausflucht Gefallen wohl und doch mißfallen. Die Muͤh nimmt durch den Schweisse zu, Die Ruh ist suͤsser nach Unruh, Und suͤsser die Kuͤß, so genetzet: Also wird dein leidige Freud, Also wird ihr freudiges Leid, Durch beyder Leid und Freud ergoͤtzet. Ach wie forchtsam scheinet sie doch? Ach wie zittert sie ab dem Joch? Darunter deine Arm sie binden: Nun kan dein Mund (duͤrstig) zumahl Von Seufftzen und Zehren ein Mahl Auf ihrem Mund und Augen finden. Koͤstliches Mahl! Goͤttliche Speiß! Himmlisches Getraͤncke! mit Fleiß Jn so reiche Gefaͤß gegossen! Gefaͤß so schoͤn, daß auch kein Gott Aus schoͤnern in der hoͤchsten Noth Der Nahrung noch Artzney genossen. Damit nun ihrer Suͤssigkeit, Und anreitzender Lieblichkeit, Du und auch sie moͤgest geniessen, So laß dich kein Bitt um Anstand, Kein Widerstehen ihrer Hand Fangen, verhindern, noch verdriessen. Geh fang nur muthig an die Schlacht, Gebrauch doch nicht zu grosse Macht, Sie nicht zu sehr gleich zu erschrecken, Son- bey Ankunft Martin Opitzens. Sondern gebrauch Weil, List, Betrug, Falsche Flucht, Angriff, und Aufzug, Damit die Vestung zu entdecken. Wann dann mit zitterender Stimm, Wann dann mit gleißnerischem Grimm Sie dich wird arg, frech und boͤß nennen; Hoͤr doch nicht auf mit vollem Lust Jhre Stirn, Mund, Hals, Wangen, Brust, Mit tausent Kuͤssen anzurennen. Sie mag lang sagen, es ist gnug, Es ist gnug, seyd ein wenig klug, Und dir mit beyden Haͤnden wehren, Damit sie doch nicht unten lig, Haͤng du gleichwohl stets nach dem Sieg, Durch welchen sich die Lieb muß mehren. Also in diesem heissen Streit Begierig nach der suͤssen Beut Kanst du den Sturm wiedrum erneuen, Und laß von ihrer Brust und Schoß Weiß, rund, steiff, glatt, und mangelloß, Dein geile Haͤnde nichts abscheuen. Wann du so nah nun bey dem Platz, Solt du Kuß auf Kuß, Schmatz auf Schmatz, Schmuck auf Schmuck, Lieb auf Lieb loß schiessen, Alsdann solt du dein Blut, den Lohn Der Lieb nemlich die Myrten-Kron Zu’rlangen, hertzhafftig vergiessen. Mehr dann Stern in der klaren Nacht, Mehr dann Blumen, des Fruͤhlings Pracht, Mehr denn Bienen auf Hybla fliegen, Sollen gantz tieffgruͤndende Kuͤß, Sollen suͤß empfindende Biß Jhr vergebliche Forcht betriegen. Aechtzen mit geilschimpfender Schmach Und Laͤchlen mit schertzender Sprach, Und Possen sollen da nicht fehlen: [Crit. Sam̃l. IX. St.] B Seuff- Von dem Zustande der Poesie Seuftzen, Schmaͤtz, Bitten, Klag und Lob, Schimpff, Ernst, und Schertz, zuͤchtig und grob, Du mit einander solt vermaͤhlen. Also durch der Lieb rechte Kunst Wird sie ihr artige Ungunst Artiger nach und nach verkehren, Und endlich frey von Forcht und Zorn Mit Gilgen, Rosen, ohne Dorn, Dein Leib durch ihren Leibe ehren. Dazumahl auf ein neue Art Must du mit kuͤssen lang und hart Jhre Seel aus ihr in dich ziehen: Und sie wird auch auf gleiche Weiß Sich und dich mit lieblichem Fleiß Zu saͤttigen, sich sehr bemuͤhen. Dazumahl frecher dann zuvor Erheb du das Panier empor, Und fange weiter an zu streiten: Ueb aller suͤssen Schalckheit Stuͤck, Ueb aller suͤssen Boßheit Tuͤck, Und greiff sie an auf allen Seiten. Gebrauch List auf List, Schmach auf Schmach, Biß sie froh ist, daß sie zu schwach, Und zu verlieren scharmuͤtzieret, Gebrauch Kunst, Staͤrck, Betrug und Macht, Zwing sie zu einer freyen Schlacht, Da ihr beyd sieget und verlieret. Also euer stets frischer Muth Soll dieses suͤssen Kampfs ohn Blut Euch wieder und wieder gewaͤhren, Und, so offt Phoͤbe ihren Glantz Macht neunmahl halb und neunmahl gantz, Euer Geschlecht durch euch vermehren. So bey Ankunft Martin Opitzens. So fand Opitz die beste Poesie bey den Deut- schen in kleinen einzeln Stuͤcken beschaffen, als er in die poetische Welt ankam. Er war damit sehr uͤbel zufrieden, die geradebrechte Sprache, das Sylbenmaß, die gedrungene Reimen, die seltsame Art zu reden, mißfielen ihm in der Seele. Und in dem Jnhalt fand er auch den Geist und Ge- schmack nicht, welcher vielmehr, als Tonmaß und Reimen ein Gedicht poetisch machet. Nach sei- „nem Urtheil hatten die Deutschen undanckbar „gegen ihrem Lande, undanckbar gegen ihrer al- „ten Sprache, ihr noch zur Zeit die Ehre nicht „angethan, daß die angenehme Poesie auch durch „sie haͤtte reden moͤgen. Er scheuet sich nicht zu „sagen, waͤren ihm nicht etliche wenige Buͤcher „vor vielen hundert Jahren in deutschen Reimen „geschrieben, zu Handen kommen, doͤrfte er zwei- „feln, ob jemahls dergleichen bey ihnen uͤblich „gewesen. Dann, sagt er, was insgemein von „jetzigen Versen herumgetragen wird, weiß ich „wahrlich nicht, ob es mehr unserer Sprache zu „Ehren, als Schanden angezogen werden koͤnne. Durch diese alten Buͤcher, in welchen er die Poe- sie zuerst in der deutschen Sprache reden gehoͤret, versteht er keine andern, als die wenigen, die aus dem Schwaͤbischen Welt-Alter uͤbrig geblieben. Er gedencket derselben in seinem Aristarch mit aus- druͤcklichen Worten: Supersunt etiamnum, sagt er, non pauca, quæ Melchior Goldastus, vir in commodum ac gloriam Germaniæ natus, eruit an- te aliquot annos è situ \& publicavit. An demsel- ben Orte hat er auch etliche Zeilen aus dem Mar- B 2 ner Von dem Zustande der Poesie ner zu einer Probe angefuͤhrt, was die deutsche Sprache in der Poesie vermoͤgte. Er urtheilet davon, ejus esse amœnitatis, ut nos pœnitere ser- monis nostri non debeat, er beweinet aber zugleich, tam felicem poetandi Spiritum plane interceptum fuisse. Er erwaͤhnet dieser und einiger andern Schrifften von diesem Alter auch mit vielem Lobe in seiner Prosodie. „Ueber dies, sagt er, sind „eines ungenannten Freyherrns von Wengen, „Juncker Winsbeckens, Reimars von Zweter, „der ein Pfaͤltzischer von Adel, und bey Kaͤiser „Friedrichen dem Ersten, und Heinrichen dem „Sechsten aufgewartet hat, Marners, auch „eines Edelmanns, Meister Sigeherrens, und „anderer Sachen noch vorhanden, die manchen „stattlichen lateinischen Poeten an Erfindung und „Zier der Rede beschaͤmen.„ Und nach diesen Worten setzet er aus Walter von der Vogelweide, Kaiser Philippsen geheimen Rath, einen Ort, von dem er sagt: „Es werde daraus leichtlich zu se- „hen seyn, wie hoch sich selbige vornehme Maͤn- „ner, ungeachtet ihrer adelichen Ankunft und „Standes, der Poeterey angemasset.„ Opitz fand vornehmlich zwo Ursachen, welche die Deutschen gehindert, daß sie die Poesie in ih- rer Sprache zu treiben, so schaͤndlich verabsaͤumet hatten. Erstlich die Vorurtheile, von welchen sie eingenommen waren, daß die Poesie eine eitele, unnoͤthige und vergebliche Wissenschaft sey, welche uͤber dies mit mythologischen Grillen, heydnischem Goͤttertand, verliebten Ausschweissungen angefuͤl- let waͤre. Hernach die Beschuldigungen, daß das bey Ankunft Martin Opitzens. das Deutsche dermassen grob und hart waͤre, daß es nicht fuͤglich in die gebundene Art zu schreiben gebracht werden koͤnnte. Er meinte aber auch, daß diese Vorurtheile und Beschuldigungen zu zernich- ten nichts weiters, als ein Mann vonnoͤthen waͤre, der sich der Poesie in unserer Muttersprache mit einem rechten Fleiß und Eifer anmassete; Und er fassete den großmuͤthigen Vorsatz, daß er selber ihr diesen Dienst thun wollte. Er gab sich in seinen Vorreden, in seinem Aristarch, in seiner Prosodie alle Muͤhe, die Vorzuͤge der Poesie, ihre Schaͤtzbar- keit, ihren Nutzen zu erweisen, ferner die Tuͤchtig- keit der deutschen Sprache allen Zierrathen der Poesie, insbesondere denen, die von dem Wohl- klange und der Harmonie entstehen, Statt und Platz zu geben. Aber er zeigete dieses zu einer nachdruͤcklichern Ueberzeugung durch seine eigenen Exempel, in welchen er die Jdee, die er sich in sei- nem Gemuͤthe, von einer recht-beschaffenen Poe- sie, und einem reinen Jambischen Verse, entworf- fen hatte, durch das Werck vor Augen legete. Jn diesem letztern Stuͤcke hatte ein deutscher Edel- mann, Nahmens Ernst Schwabe von der Heide, denselben Einfall gehabt, und um dieselbe Zeit angefangen, die Vers-Arten von eitel Jamben einzufuͤhren, ohne daß Opitz einige Gemeinschaft mit ihm gehabt, oder davon gewußt habe; Aber er brachte es darinnen bey weitem nicht zu der Voll- kommenheit, zu welcher Opitz nochmahls gestie- gen, nachdem er seine Jdee davon durch die Be- kanntschafft mit Daniel Heinsius, und durch Le- sung der Niederlaͤndischen Gedichte desselben aus- gebessert hatte. B 3 Die Von dem Zustande der Poesie Die erste Sammlung Opitzischer Gedichte kam 1624. zu Straßburg durch Besorgung Doctor Zinkgraͤfen in 4 to. zum Vorschein, nachdem einige davon seit 1618. einzel im Drucke erschienen wa- ren. Opitz hatte seine Einwilligung darein gege- ben; und sie mit einer eigenen Vorrede an den Le- ser begleitet, welche ich hier deßwegen ausschrei- ben will, weil das Buch sich beynahe aus den Bi- bliothecken verlohren hat, und die Vorrede selbst zu Bekraͤftigung verschiedener Sachen dienet, die ich oben angezogen habe. W Ann ich mir, guͤnstiger Leser, gegenwaͤr- tiger Zeit Gelegenheit, was die freyen Kuͤnste belanget, fuͤr Augen stelle, muß ich mich hefftig verwundern, daß, da sonst wir Deutschen keiner Nation an Kunst und Ge- schicklichkeit bevor geben, doch biß jetzund nie- mand unter uns gefunden worden, so der Poesie in unserer Mutter-Sprache sich mit ei- nem rechten Fleiß und Eifer angemasset. Die Jtaliaͤner haben erstlich die Lateinische Sprach zu unserer Voreltern Zeiten wieder auf die Beine gebracht, und doch darneben ihrer ei- genen nicht vergessen. Der sinnreiche Petrar- cha hat mehr Lob durch sein Toscanisch erja- get, als durch alles das, was er sonsten je- mahls geschrieben. Sannazarius, welcher der Poeten Adler Virgilio ziemlich nahe gegraset, hat mit seiner trefflichen Arcadia allen seinen Landsleuten die Augen aufgethan, und allen Roͤ- mern bey Ankunft Martin Opitzens. mern Trotz gebotten. Jn Franckreich hat der beruͤhmte Ronsardt durch seine Poesie die Ge- muͤther wie fast verzaubert, und ist von sei- nem Koͤnig mit reichen Einkommen begabet worden. Barthasius hat durch sein schoͤnes und schweres Werck solch Lob eingelegt, als waͤre er der vornehmste Griechische oder La- teinische Poet gewesen. Des Edlen Herrn Sidney Areadia macht die Engellaͤnder fast stoltz mit ihrer Sprach. Wie hoch der Nie- derlaͤndische Apollo, Daniel Heinsius, gestiegen sey, kan ich mit meinen niedrigen Sinnen nicht ergruͤnden, und will hier in Erwaͤhnung seiner meine Feder zuruck halten, daß ich sein werthes Lob und Ehre, die er durch seine uͤbernatuͤrliche Geschicklichkeit verdienet, mit meiner Zungen Unmuͤndigkeit nicht verkleinere. So koͤnnen der Amsterdamer Achilles und Polyxena, Theseus und Ariadne, Granida Gerhard von Velsen, Roderich und Alfon- sus, Griane, Spanischer Brabander, Lu- cella, stummer Ritter, Jthys, Polyxena, Jsabella, und andere fast dem Seneca, und Terentio dem hoͤflichsten unter allen Lateini- schen Scribenten, an die Seite gesetzt wer- den. Wir Deutschen allein undanckbar ge- gen unserm Lande, undanckbar gegen unserer alten Sprache, haben ihr noch zur Zeit die Ehre nicht angethan, daß die angenehme Poe- B 4 sie Von dem Zustande drr Poesie sie auch durch sie haͤtte reden moͤgen. Und waͤren nicht etliche wenige Buͤcher vor vielen hundert Jahren in teutschen Reimen geschrie- ben, mir zu Handen kommen, doͤrffte ich zweiffeln, ob jemahls dergleichen bey uns uͤb- lich gewesen. Dann was insgemein von jezi- gen Versen herum getragen wird, weiß ich wahrlich nicht, ob es mehr unserer Sprache zu Ehren, als Schanden angezogen werden koͤnne. Wiewohl ich keines Wegs in Abre- de bin, daß viele stattliche Jngenia seyn moͤ- gen, die unserer Mutter-Sprache auch dieß- falls wohl maͤchtig, und sie nach Wuͤrden zu tractiren wuͤßten. Warum aber solches biß anhero zuruck gestellet, kan ich eigentlich bey mir nicht ermessen. Dann daß ich es der Poe- sie selber, als einer unnoͤthigen und vergebli- chen Wissenschafft zuschreiben solte, glaube ich nimmermehr, daß einiger verstaͤndiger diesem unbesonnenen Urtheil Beyfall geben koͤnne. Diese fuͤrtreffliche Art zu schreiben ist vor Al- ters so hoch geschaͤtzt worden, daß auch der Weltweiseste Mensch, Socrates, an seinem Ende sie fuͤr die Hand zu nehmen sich unter- standen, und vermeynt, er koͤnne die Un- sterblichkeit der Seelen eher nicht empfinden, dann wann er durch die Poeterey, als naͤchste Stafel zu derselben, dahin gelangte. Und daß ich nicht beruͤhre, was Plato dießfalls wei- bey Ankunft Martin Opitzens. weiter erzehlet, so mit Verwunderung zu le- sen, wissen alle Gelehrte, wie von Anfang her auf eben diese Kunst so viel gehalten worden, daß man die Poeten eine heimliche Zusammen- kunfft und Verbuͤndnuß mit den Goͤttern zu haben geargwohnet, und ihre Schrifften als Orackel und Propheceyungen gehalten hat. Jtem, daß Homerus der Brunnen-Quell und Ursprung aller Weißheit zu seyn geschaͤtzet wor- den. Daß der grosse Alexander, deßgleichen die Sonne nicht beschienen, eben dieses Ho- meri Gedichte allezeit unter sein Hauptkuͤssen gelegt, und auf so einem edlen Schatz wohl zu ruhen vermeinet. Daß vorgegeben wor- den, Orpheus, weil er durch dieses Mittel die noch unbezwungene und verwildete Hertzen zu guten Sitten und der Tugend angewiesen, habe die unbaͤndigen Thiere samt Bergen, Wuͤsten und Waͤldern mit seinem Gesang be- weget. Und was sonsten hin und wieder bey den Griechen zu finden. Bey den Roͤmern auch ist Virgilius in solch Ansehen kommen, daß, wie Quintilianus, oder wer er ist, mel- det, als man etliche seiner Verse offentlich ver- lesen, das gantze Volck aus sonderlicher Wuͤr- digung aufgestanden, und daß ihm, wann er gegenwaͤrtig gewesen, solche Ehr als Kaͤyser Augusto selbst widerfahren sey. Daß ich des weisen Moysis Lobgesanges, der Psalmen, des B 5 hohen Von dem Zustande der Poesie hohen Lieds Salomonis, und anderer Oerter in Heil. Schrifft geschweige, welche nicht weni- ger poetisch, und mit solcher Zierlichkeit ge- schrieben sind, daß sie so weit uͤber alle welt- liche Gedichte steigen, so weit die himmlischen Dinge alle irrdische Eitelkeit uͤbertreffen. Daß der Heil. Geist auch zwar die Lehre der Hey- den verworffen hat, aber nicht die Worte, wie St. Ambrosius klaͤrlich erweiset, und in der alten Uebersetzung der Bibel noch zu sehen; da denn Gigantes, Valles Titanum, Sire- nes, filiæ Sirenum, Cocytus, πνεῦμα πῦ- θωνος, und dergleichen, so von den Poeten ent- lehnet, noch zu finden seyn. Ja daß offter- mahls, wie Plutarchus gar recht berichtet, durch Vulcanus, Bacchus, Venus und andere Nahmen, nichts als das Feuer, der Wein, die Liebe, und ihre Tugend oder Laster zu er- kennen gegeben wird. So habe ich der Goͤt- ter hierinnen so zum besten gedacht, daß ich mir fuͤr meine Person solch Lob nicht begehre: Wie sie dann auch offte verhoͤnet werden von ihren eigenen Scribenten. Welches Euripi- des vor allen meisterlich gelernet, bey welchem das schoͤne berauschte Buͤbichen Cyclops un- ter andern vom Bacchus sagt: Θεὸς δ᾽ἐν ἀσκῶ πῶς γέγηϑ᾽ ὄικους ἔχων Was fuͤr ein Gott mag der wohl seyn/ So wohnet in der Flasche Wein? Dar- bey Ankunft Martin Opitzens. Daraus man wohl sehen kan, wie gut sie es mit ihren Goͤttern gemeinet. Letztlich ach- te ich auch nicht, daß bey uns einiger Mensch mehr gefunden wird, der nicht siehet die grosse Blindheit, darinnen die armen Heyden ge- steckt sind, daß sie auch ihre Suͤnden angebet- tet, ihre Laster fuͤr Goͤtter gehalten, Thiere und Bestien in Himmel gesetzt, zu welchen un- ter andern auch Sileni Esel, wie Aratus mel- det, soll gelanget seyn. Wiewohl dasselbe nicht sonderlich zu beklagen, weil ihr noch ein ziemlich Theil auf der Erden blieben. Wel- ches ich allein vor diejenigen setze, die mit der Venus lieber umgehen, und sie so lieben als lo- ben; und vor die so ohne Wissenschafft ih- rem Urtheil folgen, wie sie dann auch urthei- len nach ihrem Verstande. Jst demnach die- se ausbuͤndige Disciplin aus ihrer eigenen Schuld von uns nicht hindan gesetzt worden. So kan man auch keineswegs zugeben, es sey unser Teutsches dermassen grob und hart, daß es in diese gebundene Art zu schreiben nicht koͤnne fuͤglich gebracht werden: weil noch biß auf diese Stund im Helden-Buch und sonsten dergleichen Gedichte und Reimen zu finden sind, die auch viel andere Sprachen beschaͤmen sol- ten. Jhm sey aber doch wie ihm wolle, bin ich die Bahn zu brechen, und durch diesen Anfang unserer Sprache Gluͤckseligkeit zu er- wei- Von dem Zustande der Poesie weisen bedacht gewesen. Solches auch desto scheinbarer zu machen, hab ich einen ziemli- chen Theil dieses Buͤchleins aus fremden Sprachen uͤbersetzen wollen; daß man aus Gegenhaltung derselben die Reinigkeit und Zier der unseren besser erkennen moͤchte. Wie- wohl ich mich gar nicht gebunden; angesehen sonderlich der alten Lateiner Exempel, die mit dem Griechischen Wesen auch nicht anderst umgegangen. Warum mir aber mehr von Liebes-Sachen, als andern wichtigern Mate- rien anzuheben gefallen, achte ich nicht, daß ich weitlaͤuffig erzehlen doͤrffe, weil sonderlich der Anfang jedwedern Dings von Freundlich- keit und Liebe (welcher ein jeglicher durch verborgene Gewalt der Natur, derer groͤsseste Unterhalt sie ist, verbunden) muß gemacht werden: Will nichts sagen, daß nicht allein die Exempel der edelsten Poeten von allen Zei- ten her fuͤr Augen seyn: sondern daß auch ge- meiniglich die Unterrichtung von Weißheit, Zucht und Hoͤflichkeit unter dem betrieglichen Bilde der Liebe verdeckt lieget: daß also der Jugend die Lehre der Tugenden durch diese verbluͤmte Weise eingepflantzet wird, und sie fast unwissend darzu gelanget. So hoffe ich auch nicht, daß, die sonsten von Geschicklich- keit der Poeten viel halten, sie um dieser ihrer alten Freyheit willen verwerffen werden. Jst auch bey Ankunft Martin Opitzens. auch Plato, der unter andern in seinen schoͤ- nen Versen ihm wuͤnschet der Himmel zu wer- den, daß er Asterien genugsam beschauen koͤn- te, nicht zu verdammen: Jst Cicero, der in seinem Tusculano von Liebes-Sachen soll ge- schrieben haben: Jst Plinius, der seine Carmi- na (die er nichts weniger als ernsthafft zu seyn bekennet) selber commentiret: Jst Apulejus, dessen ausbuͤndige Buhler-Verse noch vorhan- den, samt so grossen Helden, hohen Seelen, weisen und fuͤrnehmen Leuten nicht zu verstos- sen, wie viel mehr ich, der ich angesehen mei- ne bluͤhende Jugend, die keusche Venus mit den gelehrten Musis zugleich verehret habe? Wo aber noch diese Entschuldigung nicht gel- ten mag; hoffe ich kuͤnfftig wohl zu erweisen, wie sehr die irren, so aus dem Anfange von kuͤnfftigem zu urtheilen sich unterstehen. Un- besonnene Urtheile habe ich jederzeit mehr zu verachten als zu achten pflegen: und ist niemand unweiser, als der auf eines jeglichen Gutspre- chen siehet, und wer er sey, von andern er- fahren will. Es werden vielleicht auch hier nicht wenig Sachen gefunden werden, so dem andern an der Guͤte der Worte und Erfin- dung nicht gleichen, weil sie zum Theil vor die- ser Zeit geschrieben worden. Hoffe aber, sie sollen doch nicht von allen verworffen werden. Es sind viel Fruͤchte, von denen man zwar nicht Von dem Zustande der Poesie nicht leben kan, dennoch aber werden sie oh- ne Lust und sondere Ergetzlichkeit nicht angese- hen. Daß ich der Ungleichheit der Meinun- gen nicht gedencke, daß diesem jenes, jenem dieses gefaͤllt, und einer Rosen, der andere Doͤrner lieset. Jst mein Fuͤrnehmen gera- then, hoffe ich nicht, daß mich jemand tadeln werde: wo nicht, so bin ich dennoch zu ent- schuldigen, weil ich unserer Sprache Wuͤrde und Lob wieder aufzubauen mich unterfangen. Martin Opitz. Die vornehmsten Gedichte in dieser Samm- lung sind Dan. Heinsii Lobgesang Jesu Christi; desselben Lobgesang des Bacchus; die Lust des Feldbaues; Zlatna; an die deutsche Nation; an die Jungfrauen in Deutschland; Fruͤhlings Klag- Gedichte; der gekreutzigte Cupido; ꝛc. Auch sein Aristarch ist dazu gedruckt worden. Unter den kleinern Stuͤcken ist eine ziemliche Anzahl solcher, die Opitz nachgehends weggeworffen hat, so daß sie in keiner von den folgenden Auflagen mehr er- scheinen. Diese Sammlung hat der Herausgeber mit einem Anhange ausgesuchter Gedichte anderer deut- schen Poeten verstaͤrcket, und ich habe diejenigen, die ich oben von Melissus, Denaisius, und We- kerlein mitgetheilet habe, eben daselbst gefunden. Zinkgraͤfe sagt in einer kleinen Vorrede zu diesem An- bey Ankunft Martin Opitzens. Anhange, „er habe ihn, wie die freygebigen „Verkaͤuffer, als eine Zugabe mitgegeben, zu „einem Muster und Vorbilde, wornach man sich „in der deutschen Poeterey hinfuͤr etlicher massen „zu reglieren habe.„ Alleine sie sind viel be- quemer, den Vorzug der Opitzischen Gedichte, auch in dessen allerersten Versuche, durch den gros- sen Unterscheid, der sich zwischen seinen und die- sen Gedichten befindet, vor Augen zu legen. Jch verstehe dieses nicht alleine von denen Stuͤcken, die von den eben erwaͤhnten aͤltern Scribenten ver- fertiget worden, sondern auch von den uͤbrigen, die solche Maͤnner zu Verfassern haben, welche Opi- zens Muster naͤher vor Augen hatten, und seine neue Manier poetisch zu schreiben, und den Ton der Sylben in Acht zu nehmen, aus seinem eige- nen Mund vernehmen koͤnnen, Maͤnner, deren Nahmen der Nachwelt durch Opitzens Gedichte bekannter geworden sind, als durch ihre eigenen. Ohne Zweifel mache ich den Leser mit diesen Wor- ten begierig, etwas von diesen Gedichten zu sehen, damit sie diese beruͤhmte Freunde Opitzens auch aus den Wercken ihres Geistes kennen lernen. Heinrich Alb. Hamilton, ein Daͤhne, dem Opitz seinen Lobgesang Jesu Christi zugeschrieben, hat folgendes Gedichte auf die Nase seiner Lieb- sten verfertiget: A Ch daß ich moͤchte seyn die schoͤnste Blum der Erden Voll koͤstliches Geruchs, ach daß ich koͤnte werden Der Weide gaͤntzlich gleich, die Flora aus ihr Schooß, Da Jo war in Noth, nach Jovis Will ausgoß! Ach daß ich jetzund haͤtt der Blaͤtter Art und Tugend, Damit Cupido selbst in seiner Mutter Jugend Den Von dem Zustande der Poesie Den Polster hat gefuͤllt, darauf die erste Nacht An ihre Seiten zart Adonis ward gebracht! Wie wolt ich mich in Eil so lieblich riechend geben, Und rund um den Altar mit suͤsser Kraft umschweben, Um den Altar, der ziert ihrs Antlitz Tempel klar Mehr als die andere, doch kundbar Schoͤnheit, Schar. Vielleicht wuͤrd mich dann auch Fortun so guͤnstig fuͤhren, Daß ich koͤnt ungefehr den Purpur-Bogen ruͤhren, Welchen Cupido laͤngst fuͤr seinen hat begehrt, Wofehrn nicht Daphnes Reu und Phoͤbi Treu gewehrt. Ach wie bin ich umsonst! Jezt alles thut erkalten, Des Winters Boreas kein Bluͤmlein kan erhalten, Keiner Viol Geruch und keiner Nasen schon Mein Wunsch erfuͤllen mag, dann ach ich muß darvon. Wer Caspar Kirchnern nicht kennt, muͤßte Opitzen nicht kennen, der seiner an so vielen Oertern gedencket, und doch nirgend mit einem feinern Lo- be, als in dem Gedichte, das er auf seine Ver- maͤhlung aufgesetzet, wo er folgende Zeilen von ihm geschrieben: Wo ist nun die Natur, wo sind die grossen Sinnen, Mit derer Hoheit ihr zuvor erschoͤpffen koͤnnen Den Grund der Wissenschaft? Wo ist der Weisheit Zier, Mit der ihr, hoher Geist, giengt vielen andern fuͤr? Wo ist der Circkel dann, mit welchem ihr der Sternen, Und Himmels Eigenschafft gepfleget zu erlernen? Von diesem ist nun folgendes Gedichte: A Ls Jupiter die Welt hat gaͤntzlich ausgemachet, Und auf dem Erden-Kreiß schon alles gruͤnt und lachet, Wand er sich dreymal um, und schauet hin und her, Ob in dem grossen Hauß irgend ein Mangel waͤr. Es fehlet noch ein Ding: Er ließ ein Thier furkommen, Das nun fast uͤberall die Welt hat eingenommen, Ein artiges Gespenst, darnach ein jeder rennt, Welches in unserm Land ein Jungfrau wird genennt. Ein bey Ankunft Martin Opitzens. Ein Thier das um den Mund, vornemlich in der Zungen Traͤgt ein verborgen Gifft, damit es Alt und Jungen Anstecket und verblendt, und mit eim suͤssen Schmertz Kommt ungewarnter Sach gekrochen in das Hertz. Das uns je mehr nachzieht, je mehr wir von ihm fliehen, Und je mehr von uns flieht, je mehr wir ihm nachziehen. Ein freundliche Feindin, ein feindliche Freundin, Die ohne Zauberey verzaubert unsern Sinn. O wunderlich Gespenst, das uns ohn Feur entzuͤndet, Und ohne Strick und Band Gemuͤth und Seele bindet, Welches Band nicht zerreißt, und zuͤgen tausend dran, Welch Feuer Mayn und Rhein nimmer verleschen kan. Herr Braͤutigam ihr koͤnnt mir solches helffen zeugen, Den ein so kleines Feur so bald hat koͤnnen beugen, Ein bittersuͤsses Thier hat euch niedergefaͤllt, Und euch in leidig Freud, in freudig Leid gestellt. Jungfrau Anna die schoß die hellglaͤntzende Stralen Von ihrer Augen Sonn, uͤber des Sandes Thalen, Ueber des Tragheims Berg, uͤber des Bobers Fluß, Das Liebes-Fieber euch von diesem Schein anstieß. Der Brand kam in das Hertz, all eur Gedancken schwommen Mitten in diesem Feur, ihr wußt nicht zu bekommen Zu euer Kranckheit Hilff, noch Trost zu euer Pein, Weil alles beydes war zu tieff gewurtzelt ein. Wolan Herr Braͤutigam, wolt ihr werden curiret, So schickt nach der die euch in diß Elend gefuͤhret, Euer Kranckheit ich gleich Achillis Wunden acht, Die niemand heilen konnt, als der sie hat gemacht. Und ihr o Jungfrau Braut, wendet das grosse Klagen, Kuͤhlt was ihr habt gebrennt, heilt was ihr habt geschlagen; Wo ihr nicht selber seyd des Krancken Doctorin, So faͤhret er dahin ohn Huͤlff und Medicin. Die schoͤne Nacht kommt an, der Mond sitzt auf den Wagen, Und thut mit vollem Lauff des Himmels Feld durchjagen, Die guͤldnen Lichter hat der Himmel aufgesteckt, Weil sich die Sonn schon laͤngst zu Bette hat gelegt. Wolan es ist nun Zeit, daß ihr eur Kranckheit stillet, Und mit Freuden den Lauff der Ewigkeit erfuͤllet, Und schwitzt das Fieber aus, und lindert eure Pein, Die auf kein ander Weiß kan recht vertrieben seyn. [Crit. Sam̃l. IX. St.] C Von dem Zustande der Poesie Nun ihr Jungfrauen all, ihr muͤßt uns Platz verleihen, Weicht die ihr fuͤhrt die Braut, sie muß ein andern Reyen, Nun troͤst sie noch zuletzt, gebt ihr den letzten Kuß, Das ander das ihr laßt, der Braͤutigam thun muß. Nun geht hin Jungfrau Braut, ich will euch Buͤrgen geben, Daß ihr in diesem Streit behalten solt das Leben. Nun fuͤrcht euch nicht so sehr, es hat hie keine Noth, Es ist nur Schimpf und Scherz, der Streit gilt nicht zum Tod. Nun geht hin Jungfrau Braut, legt diesen Namen nieder, Geht nun ein Jungfrau hin, und kommt ein Mutter wieder. Geht doch, geht Jungfrau Braut, und laßt das Sorgen seyn, Jch hoffe, daß gewiß morgen soll besser seyn. Seht Venus selber kommt mit ihrem Volck gegangen, Die fliegen hin und her, und tragen groß Verlangen, Ein jeder wuͤnschet ihm, daß er die Ehre haͤtt, Daß er die neue Braut moͤcht fuͤhren erst zu Bett. Der erste fuͤhrt sie fort, der ander thut sehr traben, Und macht ins Bett ein Grab, darinn er will begraben Die Jungfrauschafft, die nun sehr traurig sich beweist, Und soll in kurtzer Zeit aufgeben ihren Geist. Der dritte traͤgt die Kertz, der vierte will auffangen Die Thraͤnen, die die Braut laͤßt rinnen von den Wangen. Der fuͤnfte loͤset ihr den Leibes-Guͤrtel auf, Weil nun die Jungfrauschafft vollbracht hat ihren Lauff. Die schoͤne Venus selbst lacht uͤber diesen Dingen, Und wuͤnschet ihr viel Gluͤck, und heißt ihr Kinder singen: Komm Hymen, Hymen komm. Sie fuͤhret selbst die Braut, Gibt ihr den letzten Kuß, und singet uͤberlaut: Nun geht, ihr Kinder, geht, und schmeckt die suͤsse Gaben, Die Venus und ihr Sohn euch eingeschencket haben; Geht hin, ihr Kinder geht, und euch holdselig paart, Mit lieblichem Gekuͤß nach einer Dauben Art. Geht hin, ihr zwey, und kommt wiedrum mit euer dreyen, Geht mit einander an den schoͤnen Liebe-Reyen, Und bringt herfuͤr ein Thier, das durch der Goͤtter Gunst Voll sey der Mutter Treu, voll sey des Vaters Kunst. Fol- bey Ankunft Martin Opitzens. Folgendes von Balth. Venator kan sich durch seinen scharffsinnigen Jnnhalt fuͤr sich selbst em- pfehlen, ohne daß wir es durch des Verfassers Freundschaft mit Opitzen schuͤtzen doͤrffen: L Aß Buͤndniß Buͤndniß seyn, die grossen Herrn behagen, Da Land und Land wird eins, sich friedlich zu betragen, Und da man Gut und Blut zusammen setzen will, Wo etwann einer kaͤm, dem Fehd und Krieg gefiel. Es ist ein zweifflich Ding, auf Buͤndniß sich verlassen, Dieselbe brechen offt, gantz unverhoffter massen, Wen findst du der da haͤlt, was er dir hat geschworn? Du suchst ihn dann bey den, die vor uns warn geborn. Bißweilen trennt die Furcht, was einmal ist verglichen, Bißweilen macht das Geld durch Buͤndniß einen Strichen, Bißweilen Ungluͤck auch dieselbe schneidt entzwey; So bald Gefahr sich regt, sind Buͤndniß wie ein Ey. Das ist ein fester Bund, da sich die Lieb gesellet, Da sich die Liebe selbst fuͤr einen Zeugen stellet, Da Lieb ist selbst der Eid, das Pittschafft und die Hand, Der Unterhaͤndler selbst, der Both und Abgesandt. Jn diesem Fall hat nichts das boͤse Gluͤck zu hoffen, Hie hat das Gluͤck gar offt die Hoͤrner abgeloffen, Je mehr dasselbig wuͤth, je staͤrcker wird die Treu, Durch ungerade Tag wird nur die Liebe neu: Gleich wie die rauhe Kaͤlt, so durch und durch thut schneiden, Mag zwey in einem Bett durch sein Gewalt nicht scheiden; Je mehr die Winters-Zeit die zarte Leiber druckt, Je mehr und mehr alsdann die Lieb zur Liebe ruckt. Ein Jungfrau saß allein, und sang von Liebs-Gedancken, Sie sprach: Von dir, mein Hertz, begehr ich nicht zu wancken, Und muß ich mit dir gehn, durch Feuer, Schnee und Kaͤlt, Und durch das wilde Meer, wie zornig es sich stellt. Jch dacht in meinem Sinn, ob es solt moͤglich scheinen: Jch fragt die Braut darum, sie that es nicht verneinen, Sie sprach, die Kaͤlt ist warm, sie sprach, die Hitz ist kuͤhl, Wann ich die Liebe nur in meinem Hertzen fuͤhl. Jch fragt den Braͤutigam, er solt sein Meynung sagen, Er antwort mir geschwind, ich solt mich selber fragen? C 2 Jch Von dem Zustande der Poesie Jch schwieg und gieng davon, dacht unterwegs bey mir, Wie nun, Herr Braͤutigam, wer sagt die Sachen dir? Wir erkennen in diesem Gedichte den Geist des geschickten Mannes, auf welchen Opitz sich in fol- genden Zeilen beruffen hat: Lobt er und Erato mein neues Saitenspiel, Der gantze Helicon mag bleiben wie er will. Die meisten Gedichte in dieser Sammlung sind von Zinckgraͤfen selbst, dem Mann, von welchem Opitz gesagt: Und da das Vaterland Verfolgung leiden muß, Bringst du es wiederum durch Schreiben auf den Fuß. Das beste darunter wird wohl die Vermah- nung zur Dapferkeit seyn, die er nach Art der Elegien des Tyrtaͤus gestellt hat: K Ein Tod ist loͤblicher, kein Tod wird mehr geehret, Als der, durch den das Heil des Vaterlands sich nehret, Den einer willkomm heißt, dem er entgegen lacht, Jhn in die Arme nimmt, und doch zugleich veracht. Ein solcher stehet steiff mit unverwendten Fuͤssen, Er weichet niemand nicht, sein Feinde weichen muͤssen, Ein solcher Mann der ist der Stadt gemeines Gut, Der Widersaͤcher Grauß, des Lands wehrhaffte Hut: Er kan der Schlachten Fluth bezwingen nach seim Willen, Mit seiner Gegenwart des Feindes Trotzen stillen, Sein unverzagtes Hertz ist seinem Vaterland Ein unerstiegne Burg, des Volckes rechte Hand. Mit seines Leibes Maur sperrt er den wilden Feinden Gleich vornen an der Spitz den Zugang zu den Freunden; Verschertzt die Freyheit nicht um einen Hut voll Fleisch, Um eine Hand voll Blut, um einen Mund voll Geist; Begehrt des Lebens nicht auf niedrige Gedinge, Haͤlt unbarmhertziger Leut Gnade fuͤr geringe, Sucht bey Ankunft Martin Opitzens. Sucht seiner Feind Freundschafft mit seinem Schaden nicht, Sein hohe Seel steht nur auf Gottes Gnad gericht. Es geh ihm, wie es woll, er ist geruͤst zu leiden Das gut und boͤse Gluͤck; und weil er nicht kan meiden, Das er doch endlich muß, das er nur einmahl kan, Sucht er recht wuͤrdiglich sein Tod zu legen an; Frischt an die Seinigen mit Worten und mit Wercken, Thut ihrer Tugend Schaͤrff mit Feuerblicken staͤrcken, Und lehret sie, es sey viel besser einer sterb, Als daß das gantze Volck und Vaterland verderb; St rbt ungerochen nicht, weiß daß er wird zur Erden Tod auf seim todten Feind ligend gefunden werden: Besorgt nicht daß der Feind starck, er hingegen schwach, Verlaͤßt sich auf die Staͤrck seiner gerechten Sach. Die gute Sach ihn troͤst, solt auch der Feind obsiegen, So werd die Wahrheit doch mit nichten unten liegen, Sein Unschuld selber sich zu einem Buͤrgen stellt, Daß sie doch endlich noch behalten werd das Feld. Wann er die Winde nun siht mit den Faͤhnlein spielen, Da thun erst Zorn und Lust all Adern in ihm fuͤhlen, Jndem er sicher ist, daß der in seiner Macht Des Feindes Leben hat, der seines selbst nicht acht. Acht fuͤr die beste Kunst, wann er nicht frey kan leben, Daß er doch sterbe frey: thut immer vorwarts streben, Sein ungesaͤumte Faust macht beyder Seiten Platz, Biß sie errungen hab den vorgesetzten Schatz, Gestraffet den Unbill durch zugelaßne Rache, Dringt durch, auf daß sie sich unuͤberwindlich mache, Und durch ein schoͤnen Sieg, oder ein schoͤnen Tod, Sich hab versicheret vor allem Feindes Spott. Wie ihr die Sonn, wann sie am allertieffsten stehet Zum Untergang geneigt, am allergroͤsten sehet: So auch erzeiget sich in seinem letzten Streit Sein unerschrocken Hertz mit doppler Herrlichkeit: Vergisset seiner selbst in seinem Geist entzuͤcket, Des Himmels Vorgeschmack des Lebens Lust verdruͤcket, Erfuͤllt mit Ewigkeit, mit lauter Freud entzuͤndt, Durch seinen Tod die Furth zum rechten Leben findt. Es folgt das gantze Volck, das auf ihn thaͤte bauen, Der Leichen traurig nach, der Leichen von Jungfrauen (Den er ihr Ehr bewahrt, die er vor Schand behuͤt) Mit Kronen aufgeziert, mit Blumen uͤberschuͤtt. C 3 Jhn Von dem Zustande der Poesie Jhn klaget Jung und Alt, das Lande thut beweinen Zwar ihne nicht so sehr, als selbst sich und die Seinen, Die dieser Saͤul entsetzt, die diesen Arm verlohrn, So ihn’n zur Aufenthalt und Rettung war geborn. Sein Kinder und Geschlecht seintwegen hochgepriesen Geliebt von jedermann, und jedermann gewiesen Sein Grab, das Dapferkeit fuͤrtrefflich zugericht, Erleuchtet durch der Ehr unausloͤschliches Liecht. Sein Ruhm fuͤllt alle Land: liegt schon sein Leib vergraben Bleibt doch sein edler Nam an Himmel hoch erhaben, Erhaben an den Thron der wahren Herrlichkeit, Umgeben mit dem Glantz unsterblicher Klarheit. Ein solchen huͤbschen Tod beschert Gott nur den Frommen: Wer knechtisch ist gesinnt, muß unter Herren kommen, Die ihn mit einem Zaum nach ihrem Willen fuͤhrn, Weil er der Freyheit muͤd sich selbst nicht mag regiern. Seht den verdienten Lohn der Weichling und Verraͤther, Die setzen aus dem Gleiß der Redlichkeit der Vaͤter, Die das unschuldige Blut der Nachkommenheit Versclaven in das Joch der fremden Dienstbarkeit. Es ist zulang gewart, sie werdens nicht entkommen, Es ist zu spath gewehrt, wanns Hertz schon ist genommen; Wann Wollust, Geitz, Haß, Forcht hat diese Vestung ein, All andre Vestungen gewiß vergeblich seyn. O weh des Hertzenleids! o weh des schweren Leiden! Wo von dem Weib der Mann, vom Mann das Weib gescheiden, Wo von den Elteren die zarte Kinderlein, Ein Freund vom anderen verjagt, getrennt muß seyn: Wo fremd Unkeuschheit man muß ihren wuͤsten Willen An seinen Toͤchteren und Weibern sehn erfuͤllen, Darff druͤber seufftzen nicht, darff weder sehn noch hoͤrn, Muß vor Trostlosigkeit sich in sich selbst verzehrn; Darff sich in seinem Creutz mit weinen nicht ergetzen, Darff mit der Freyheit sich mit keinem Thraͤnen letzen, Wann von ihm weichen will der ungeschaͤtzte Schatz: Muß leiden, daß ihn reit auch der geringste Fratz; Und mit dem Rucken dann das seinig noch ansehen, Und also leer und bloß an Bettelstabe gehen, Verlassen Haus und Hof zusamt dem Vaterland, Ziehen, da niemand ihm, er niemand ist bekannt: Mit seinen Eltern grau, mit seiner lieben Frauen, Und unerzogner Zucht das bitter Elend bauen, Bey bey Ankunft Martin Opitzens. Bey jedermaͤnniglich verschmaͤhet und verhaßt, Und, wo er kommet hin, ein unwillkommer Gast. Seins Stammens Achtbarkeit man draussen wenig achtet, Vor Unmuth all Anmuth der Schoͤnheit ihm verschmachtet, Niemand sich sein annimmt, und meynet jedermann, Gott nehme sich auch selbst keines vertriebnen an. Mit einem Wort, das recht Feg-Opfer dieser Erden, Der Auswuͤrffling der Welt er mag genennet werden, Ein Stiefkind aller Freud, sein Leben voller Hohn; Ein recht Tragoͤdia gespielt durch ein Person. Es scheuet keiner sich ihm Leide zuzufuͤgen, Jhm zu verweisen sein Unfall, ihn zu betriegen, Wer ligt der ligt, vor ihm laufft maͤnniglich vorbey, Denckt nicht, wie nah viell icht sein eigen Ungluͤck sey. O w h und aber weh, wann noch die Fuͤll des Kummers Den harten Stand beschleußt, der Hunger alles Hungers, Wo man des Trosts beraubt, des wahren Seelen-Brot; Ein solches Volck das ist gleich als lebendig tod. Drum gehet dapfer an, ihr meine Kriegsgenossen, Schlagt ritterlich darein; eur Leben unverdrossen Vors Vaterland aufsetzt, von dem ihr solches auch Zuvor empfangen habt, das ist der Tugend Brauch. Eur Hertz und Augen last mit Eiferflammen brennen, Keiner vom andern sich menschlich Gewalt laß trennen, Keiner den anderen durch Kleinmuth ja erschreck, Noch durch sein Flucht im Heer ein Unordnung erweck. Kan er nicht fechten mehr, er doch mit seiner Stimme, Kan er nicht ruffen mehr, mit seiner Augen Grimme Den Feinden Abbruch thu, in seinem Heldenmuth Nur wuͤnschend, daß er theur verkauffen moͤg sein Blut. Ein jeder sey bedacht, wie er das Lob erwerbe, Daß er in maͤnnlicher Postur und Stellung sterbe, An seinem Ort besteh fest mit den Fuͤssen sein, Und beiß die Zaͤhn zusamm und beyde Lefftzen ein: Daß seine Wunden sich lobwirdig all befinden Davornen auf der Brust, und keine nicht dahinden, Daß ihn der Tode selbst auch in dem Tode zier, Und man in seim Gesicht sein Ernst noch lebend spuͤr. So muß wer Tyranney geuͤbriget will leben, Er seines Lebens sich freywillig vor begeben, C 4 Wer Von dem Zustande der Poesie Wer nur des Tods begehrt, wer nur frisch geht anhin, Der hat den Sieg, und dann das Leben zu Gewinn. Tyrtaͤus hat etliche Gedichte verfertiget, wor- innen er der Dapferkeit ein ungemeines Lob bey- legete; er erhob die Liebe des Vaterlandes, und die Unerschrockenheit derer wackern Kriegesmaͤn- ner, welche in dem Gefechte das Schrecken und den Tod durch alle Glieder und Reihen mit sich fuͤhreten, bis in den Himmel. Er ermunterte diejenigen, welche den Muth verlohren hatten, auf ein neues, und belebete sie mit neuer Hoff- nung, wann sie in etlichen Schlachten das Hertz sowohl als das Feld verlohren hatten. Er stellete in seinen Gedichten die Vortheile vor, welche ein Krieges Mann dem Vaterlande mittheilet, wann er mit Verachtung aller Gefahr und des Todes selbst vornen an dem Heere dapfer streitet. „Ein „solcher, sagt Tyrtaͤus in einem Gedicht, bele- „bet alle, die um ihn herum sechten, mit einer „großmuͤthigen Kuͤhnheit, und man sieht gantze „Regimenter vor ihm fliehen: Faͤllt er unter den „Streichen des Feindes, was vor Ruhm em- „pfaͤngt nicht daher sein Vaterland, seine Mit- „buͤrger, und seine Verwandten? Alte und Jun- „ge beweinen ihn; Jedermann ist in der Trauer, „sein Grab bleibt auf ewig beruͤhmt, und der „Nachklang seiner großmuͤthigen Thaten koͤmmt „auf die spaͤthesten Nachkommen. Die helden- „muͤthigen Thaten werden nicht in den Staub „begraben, und der Tod selbst wird diesen uner- „schrockenen Kriegern zu einem Gewaͤhrmann „der bey Ankunft Martin Opitzens. „der Unsterblichkeit. Wenn er ungeachtet der Ge- „fahr, die das Leben der Kriegenden bestaͤndig „begleitet, das Gluͤck hat, seinen Sieg zu uͤberleben, „so ist niemand, der ihn nicht verehre, und er „stirbt erst nach einem Leben, worinnen er An- „nehmlichkeit und Anmuth vollauff genossen hat.„ Man kan aus dieser Probe von der Natur der Gedichte des Tyrtaͤus urtheilen. Alle die kleinen Stuͤcke, die davon uͤbrig geblieben, sind diesem gleich, und es ist offenbar, daß Zinckgraͤfe sie vor Augen gehabt hat. C 5 Mar- Martin Opitzens Martin Opitzens Verworffene Gedichte. O Pitz war mit der Straßburgischen Auflage seiner Gedichte, die von Zinckgraͤfen be- sorget worden, ziemlich uͤbel zufrieden, ungeachtet er seine Einwilligung darein gegeben, und eine eigene Vorrede darzu geschrieben hatte. Eine Ursache dessen mag die Unvollkommenheit derselben gewesen seyn, welche er mit zunehmendem Erkaͤnntniß seiner unwirdig gehalten; eine andere die ziemlich grosse Freyheit, womit er in einigen Stuͤcken von Liebes-Sachen geredet hat. Von der erstern berichtet er uns selbst in dem fuͤnften Capitel seiner Prosodie mit diesen Worten: Mei- ner deutschen Poematum halber, die unlaͤngst zu Straßburg ausgegangen, und zum Theil vor et- lichen Jahren von mir selber, zum Theil in mei- nem Abwesen von andern ungeordnet und unuͤber- sehen zusammen gelesen worden, bitte ich alle die, denen sie zu Gesichte kommen sind, sie wollen die vielfaͤltigen Maͤngel und Jrrungen, so darinnen sich befinden, beydes meiner Jugend, (angesehen daß viel darunter ist, welches ich, da ich noch fast ein Knabe gewesen, geschrieben habe) und dann denen zurechnen, die aus keiner boͤsen Meinung meinen guten Nahmen dadurch zu erweitern be- dacht gewesen seyn. Jch verheisse hiermit ehestens alle dasjenige, was ich von dergleichen Sachen bey Verworffene Gedichte. bey Handen habe, in gewisse Buͤcher abzutheilen, und zu Rettung meines Geruͤchtes, welches wegen voriger uͤbereilten Edition sich mercklich verletzt be- findet, durch oͤffentlichen Druck jedermann gemei- ne zu machen. Die andere Ursache, nemlich den Buhlerischen Jn- halt wird man hauptsaͤchlich in denen Stuͤcken wahr- nehmen, welche er in den folgenden Auflagen lieber ausgeschlossen, als ausgebessert hat. Er hatte zwar die Licentz derselben schon bey der ersten Ausgabe er- kannt, und dafuͤr eine geschickte Apologie in der Vor- rede (an dem Ende derselben) geschrieben, womit er die Sache gut zu machen verhoffet. Allein diese Schutzrede mag nachgehends ihm oder den ernstlichern Lesern nicht zulaͤnglich geschie- nen haben; Das ist gewiß, daß er nicht wenige Stuͤcke von diesem verliebten Jnnhalt ausgestri- chen, und in allen folgenden Auflagen zuruckbe- halten hat. Jch habe mich diese beyden Ursachen nicht ab- halten lassen, die weggeworffenen Stuͤcke nach ei- ner Zeit von 120 Jahren wieder hervorzusuchen, worzu ich mich durch folgende Betrachtungen ge- nugsam berechtiget gehalten habe. Erstlich halte ich davor, es sey des Verfassers Geschmack, Rei- nigkeit und Zaͤrtlichkeit, sowohl was die Licentz der Verse, als der Gedancken anlangt, durch diese Ausmusterung, die er, so viel an ihm gestanden war, bewerckstelliget hat, genugsam in Sicher- heit gestellt, und vor allem Tadel verwahrt worden. Durch Martin Opitzens Durch gegenwaͤrtigen Druck kommen sie auch nur in weniger und meistens nur solcher Leute Haͤn- de, bey welchen Opitzens Verdienste ausser al- lem Streit sind. Daneben sind sie hier ziemlich versteckt, und fallen unter einer solchen Menge verschiedener poetischer und critischer Schrifften nicht so starck ins Auge. Jn der neuen Auflage von Opitzens poetischen Wercken, die in unsrer Stadt vorgenommen worden, haͤtten diese jugend- liche Versuche desselben neben seinen reiffern und staͤrckern Gedichten eine desto schlechtere Figur gemacht. Man hat sie mit denselben nicht ver- mengen, und doch auch nicht Ursache geben wol- len zu klagen, daß man etwas von Opitzen hinter- halten habe. Dieses haͤtten uns Leute nicht ver- zeihen koͤnnen, welche fuͤr Opitz eine so aberglaͤu- bige Hochachtung haben, wie einige Catholicken fuͤr ihre Heiligen, so daß sie auch seinen Hut, seine Feder, seinen Schreibzeug mit Gold erkauffen wuͤrden. Was den buhlerischen Jnnhalt derselben an- langt, so hoffe ich, man werde ihn nur verliebt, aber nicht zugleich schluͤpferig oder unzuͤchtig finden. Diejenigen, denen man vorgegeben, daß sein staͤrckster Affect die Liebe zur Wollust gewesen, werden darin- nen nichts finden, das diesen boͤsen Verdacht recht- fertige, man wolle dann alle Poeten, die in dem Affecte der aͤussersten Liebe geschrieben haben, der Wolluͤstigkeit bezuͤchtigen. Endlich duͤncket es mich fuͤr den Poeten ein besonderer Ruhm, daß er den Muth gehabt, bes- sere Gedancken zu verwerffen, als viel andere die ihn Verworffene Gedichte. ihn verachtet, geschrieben haben; und fuͤr den Le- ser eine angenehme und nuͤtzliche Bemuͤhung, die er- sten Grade seines Zunehmens in der poetischen Kunst zu beobachten, und den absonderlichen Fehlern nachzudencken, welche ihn in jeglichem Stuͤcke be- wogen haben moͤgen, dasselbe zu verwerffen. Martin Opitzens Elegie aus Dan. Heinsii Monobiblo. Jhr aber wisset nichts als nur auf Gut zu sinnen, Und zieht bald uͤber Feld, bald durch das wilde Meer, Ja wohin auch die Sonn hat niemals reichen koͤnnen, Da bringet ihr das Gold, den schoͤnen Koth, anher. Und ich bedarff diß nicht, was ihr an allen Enden Zu Land und Wasser sucht, das hab ich schon bey mir; Mein Gut ist, daß ich sterb in meiner Liebsten Haͤnden, Die Strasse wandel ich gar sicher fuͤr und fuͤr. Dann jetzund wird mein Geist von ihrem Geist empfangen, Wann er das schoͤne Thor des Mundes kommt hinein, Jetzund ergeh ich mich bey den liebreichen Wangen, Da Venus und ihr Sohn persoͤnlich wohnhaft seyn. Bald hat sie mir, ich ihr, den zarten Hals umgeben, Und schau, wie die Natur so trefflich sie geziert, Bald in den Aeugelein enthalt ich mir das Leben, Dahin werd ich zugleich mit Sinn und Muth gefuͤhrt. Wie Martin Opitzens Wie der so unverschuldt sein Vaterland verlassen, Muß suchen einen Weg der ihm gantz unbekandt, Geht uͤber Berg und Thal durch angenehme Strassen, Nichts achtend, als allein sein liebes Vaterland: Wann er dann ungefehr erblicket einen Bronnen, Der sonst verborgen ist in mitten in dem Wald, Befreyet vor der Hitz und Ungedult der Sonnen, Da nichts als nur das Wild hat seinen Aufenthalt, So ist er wolgemuth, vergisset aller Dinge, Erforschet nur den Quell des Bruͤnneleins mit Fleiß, Und wuͤnscht, daß ihn alldar der sanffte Schlaf umringe, Weil er vor grosser Lust sich selber auch nicht weiß. Nicht weniger auch mich, weil ich so sehr geirret Durch Freud und hoͤchste Lust der suͤssen Liebes-Pein, Weil mein Gemuͤthe sich in Wollust gantz verwirret, Wird nichts nicht machen loß, als nur der Tod allein. Auf Herrn Matthei Ruttarti, und Jgfr. Anna Namßlerin Hochzeit. Jhr vielgeliebtes Paar, die ihr die enge Strassen Der alten Ewigkeit solt gehen, und verlassen Dasjenige so euch nicht wiederkommen kan, Und eurer Jungfrauschaft den letzten Tod thut an; Jhr vielgeliebtes Paar, ihr heute noch Jungfrauen; Die ihr euch nach euch selbst werdt morgen fruͤh umschauen; Die Verworffene Gedichte. Die ihr einander solt dasselbe stellen ein, Davon ein jeglichs doch behalten wird das sein. Jhr vielgeliebtes Paar, bitt wollet mir verzeihen, Daß ich (wie gern ich will und soll) nicht kan einweihen Euer unmuͤssig Fest mit Roͤmischem Gedicht. Apollo zoͤrnt mit mir, will mich mehr kennen nicht. Entschuldiget mich euch: Jch schweere bey der Schoͤnen, Der Schoͤnen, von der ich mein Leben muß entlehnen, Die mich fuͤhrt im Triumph, die mir nimmt meinen Geist, Und ihn, wenns ihr geliebt, auch wiederkommen heißt; Jch schweere bey dem Licht das sie laͤßt freundlich blicken Von ihrer Augen Sonn, und mich mir selbst entzuͤcken, Daß Venus zu mir kam (es ist noch nicht ein Jahr) Am schoͤnen Wasserberg mit ihrer gantzen Schaar. Sie bat, ich wolt ihr Kind lassen bey mir einkehren, Und es die deutsche Sprach, so gut ichs wißte, lehren. Jch gab ihr guten Trost, sie gab mir ihren Sohn: Sie hofft auf meinen Fleiß, ich hofft auf treuen Lohn. So kommt zwar unverhofft der Knab in Eil geflogen, Alsbald er aber nur bey mir ist eingezogen, Legt er die Fluͤgel ab, kein Essen nicht begehrt, Thut wie er waͤr zu Hauß, macht Feuer auf den Herd. Jch muß gedultiglich des Gastes nur gewohnen: Wiewol er seinen Wirth thut ziemlich schlecht belohnen: Das Martin Opitzens Das Hertze zuͤndt er an, die Augen macht er blind: Man findt nicht die man sucht, man sucht nicht die man findt, Jst das der Danck? Jch ließ an mir nichts nicht erwinden, Jn kurtzer Zeit konnt er sich in die Sprache finden, Letztlich vor meine Muͤh er sich selbst in mich drang, Und nahm mir mein Gemuͤth und Sinn. Jst das der Dank? O Pein, o suͤsse Pein, o Leiden ohne Freuden, O Feuer ohne Brand, o Freuden ohne Leiden! Das liebliche Gespenst, so man allhier zu Land Jungfrau zu taͤuffen pflegt, ward mir durch ihn bekannt. Wie offt hab ich gewuͤnscht, daß mich der Sonnen Wagen, Um das glaͤserne Feld des Himmels moͤchte tragen: Wie wuͤrd ich halten offt auch mitten in der Flucht, Daß ich den schoͤnen Glantz an ihr beschauen mocht. Wie offt hab ich gewuͤnscht, daß ich doch werden solte Ein Bien, ein kleine Bien, und lesen wenn ich wolte Aus ihrem rothen Mund den honigsuͤssen Thau, Deßgleichen man nicht findt in der Welt grossen Au. So wuͤrd mein Seel in ihr, ihr Seel in meine kommen, So wuͤrde mir mein Schmertz durch ihren Schertz benom̃en, So wuͤrde mir die Pfort des Lebens aufgemacht, So waͤr mir die Nacht Tag, so waͤr mir der Tag Nacht. So wuͤrd ich freudiglich mit lebendem Tod sterben, So wuͤrd ich in der Welt den Himmel noch ererben: Der Tod, den ich mir wuͤnsch, der Himmel den ich mein, Jst in der Liebsten Schoß gar sanffte schlaffen ein: Das Verworffene Gedichte. Das ist der Tod, den ich will lieber als das Leben, Das ist des Himmels Schloß, darinnen ich will schweben, Darein Cupido selbst wird tragen meinen Geist, Das ist der Goͤtter Land, da ihr Tranck innen fleußt. Das ist der reiche Grund, drein Jupiter gesencket Des Goldes Regenbach, dabey die Venus traͤncket Die zarten Daͤubelein, darinn der Nymphen Chor Sich badet, ja das ist der Lust und Freuden Thor. Diß alles sollet ihr, Herr Braͤutigam, erlangen, Diß alles werdet ihr euch muͤssen unterfangen Hertzliebe Jungfrau Braut, in eurer Armen Band Werdet ihr nehmen ein der wahren Liebe Pfand, Den Zoll, den theuren Zoll, den man muß Venus geben, So fern man trachten will dem Tode nach dem Leben. Geht, geht, Herr Braͤutigam, geht Jungfrau Braut, geht an: Heut Jungfrau, morgen Weib: heut Braͤutgam, morgen Mañ. Hochzeit-Gedichte. N achdem die Welt gegruͤndt, und ihr Termin gesteckt, Nachdem die schoͤne Luft rundum sich ausgestreckt, Und auch die wilde See, die nah und weit zu kommen Pflegt nach des Monats Lauf, ihr Oerter eingenommen, Sah Jupiter hinab, und spuͤrete niemand, Der diß gewaltig Hauß braͤcht unter seine Hand. Drum von seins Vaters des Saturnus Leib er hiebe Das Theil so schaͤndlich ist, doch noͤthig in der Liebe, [Crit. Sam̃l. IX. St.] D Und Martin Opitzens Und warff es in das Meer, daraus ein Schaum herkam, Davon das geile Weib, die Venus, Ursprung nam, Das geile Weib, das Weib, das aller Goͤtter Sinnen, Mit ihrem blinden Kind hat listig rauben koͤnnen. Sie haben gantz und gar gebracht in kurtzer Zeit Das menschliche Geschlecht in ihre Dienstbarkeit. Sie thaͤten uͤber dieß ein aͤrger Wesen fuͤhren, Beweisen ihre Macht auch an den stummen Thieren, So daß nun uͤberall durchaus nichts leben kan, Es muß ihr und dem Kind allzeit seyn unterthan, Das Kind, das lose Kind, das mit dem Pfeil und Bogen, So sehr viel hundert Jahr ist durch die Lufft geflogen, Und hat sein grosses Reich gewaltig starck vermehrt, Ja auch die Mutter selbst ohn alle Scheu versehrt. Das Joch mußt ihr doch auch noch angeworffen werden, Von ihrem eignen Sohn, der Herr ist dieser Erden, Und Printz der weiten Welt, der haͤlt die Luft vor sein, Die zierlich ist gewirckt mit lichten Sternelein, Die mit der Strahlen Glantz gehn auf der weissen Strassen, Und in der holen Kaut Lufft, Erd und See umfassen. Nun laßt uns doch besehn, wohin der schoͤne Sohn, Der grosse kleine Gott gebauet seinen Thron. Er hat ihm auserwehlt der Augen Thron zu eigen, Die uns sein Koͤnigreich, als klare Spiegel, zeigen. Der Augenapfel ist die Kugel dieser Welt, Das Wasser aber, das der Apfel in sich haͤlt, Das Verworffene Gedichte. Das sind die milden Quell, so aus den Bergen schiessen, Und durch das gruͤne Thal mit sanftem rauschen fliessen. Der Circkelrunde Krantz, der um den Apfel geht, Das ist die wilde See, die nach der Erden steht: Der Augen weisser Platz, so sich umher ergeusset, Das ist die klare Lufft, die Erd und See beschleusset. Es ist ein Wunderding, daß das viert Element Auch in den Augen nicht von andern ist getrennt, Das Feuer, so durchs Meer gantz hell und lieblich blicket, Und mit dem schoͤnen Schein uns Muth und Sinn entzuͤket; Das Feuer, so den Weg ihm durch die Augen nimmt, Und unvermerckter Sach in unser Hertze koͤmmt: Da ruht es ohne Ruh, da hebt es an zu brennen, Daß wir der Liebe Krafft, und uns in uns nicht kennen. Was Wunder ist es dann, daß er mit seinem Band, Die Welt bezwungen hat durch seine schwache Hand, Der tausend Welten hat, die Augen, da er zeugen, Und klaͤrlich darthun kan, wie er uns koͤnne beugen? Diß ists, das euch bezwang, diß ists, Herr Braͤutigam, Diß ist die neue Welt so euer Hertz einnahm. War euch auch wol zu Muth, gabt ihr euch auch verlohren, Als die vier Element zugleiche sich verschworen, Zu liefern eine Schlacht, die in der Augen Welt Sich alle laͤgerten, und gaben sich zu Feld? Jhr habt euch wahrlich wol die Rechnung machen koͤnnen, Daß vier so starcke Feind euch wuͤrden angewinnen. D 2 Jhr Martin Opitzens Jhr thut auch was ihr wollt, ihr brauchet alle Kunst, Jch halte nur darfuͤr die Arbeit sey umsonst. Bey dreyen waͤre Rath, dem vierten zu entfliehen, Dem Feuer, weiß ich nicht, ob man sich darff bemuͤhen. Was laufft ihr viel und sucht? die Hilff ist bey der Hand; Wer hie genesen will, der muß doch zu dem Brand, So erstlich ihn entzuͤndt: diß seyn Achilles Wunden, Die niemand heilt, als der, von dem man sie empfunden. Was gibet man denn an? das Bitten ist das best, Es ist ein Hertz von Stein, so sich nicht biegen laͤßt. Nicht laͤngst hab ich gehoͤrt von einer Feldgoͤttinnen, Wie ihr, Herr Braͤutigam, habt pflegen zu beginnen Ein sehnlich Klagelied, daß Wald, Feld, Berg und Thal Es haben wiederholt mit klaͤglichem Nachschall. Die Nymfen haben es mit Wehmuth auch vernommen, Und mein Asterie hats lassen mir zukommen: All mein Leiden, Lieb und Schmertze Hat mein Hertze Gantz umringt mit Traurigkeit. Als ein forchtsam Hirsch muß eilen Fuͤr den Pfeilen, Flieg und renn ich jederzeit. Jch vollfuͤhre meine Klage Nacht und Tage, Denckend an der Liebe Quall, Stets Verworffene Gedichte. Stets die Thraͤnen mich begiessen, Die da fliessen, Als zwey Baͤche von Crystall. Wollt ihr demnach, Jungfrau, geben Meinem Leben Hilff und Trost in diesem Leid, So erbarmt euch doch bey Zeiten, Thut bereiten Nach dem Trauren Lust und Freud. Eh daß sich bey mir beginnen Alle Sinnen Zu verliehrn, und aller Muth. Rettet mich von dem Elende, Eh das Ende Selbst bey mir das beste thut. Ach Printzeßin, ach Jungfraue, Euch ich traue, Jhr seyd meine Medicin Vor das weinen, vor das klagen, Laßt mich sagen, Daß ich euer Diener bin. Wie solte sie ihm thun? ihr werdet doch gewaͤhrt, Kein Mannes-Tropfen faͤllt vergebens zu der Erd, Und was ist besser Rath, eins hat gebrannt das ander, Als daß ihr nun zugleich geneset mit einander? D 3 Geht Martin Opitzens Geht an, ihr liebes Paar, was tretet ihr beyseit? Es ist jetzund gleich recht, jetzt ist die beste Zeit, Daß ihr die Hitze lescht. Was wollt ihr viel verziehen? Was wollt ihr selber das, so ihr gewuͤnschet, fliehen? Was ist es, Jungfrau Braut, wollt ihr zuruͤcke gehn? Es hilfft gewiß euch nicht, ihr muͤsset doch gestehn, Es ist nun fort mehr alt, daß man nicht kan vertreiben Zugleich der Liebe Brunst, und dannoch Jungfrau bleiben. Der Braͤutigam der kommt, er gehet auf euch zu, Jungfrau, es ist das best, ihr gebet euch zu Ruh. Es ist der naͤchste Rath, daß man ein Hertze fasse, Und was man nicht vermag zu halten, willig lasse. Trett ab, ihr Jungfraͤulein, die Braut hat jetzt nicht Zeit, Laßt sie zu Bette gehn, hoͤrt auf von eurem Streit, Zu einem andern Streit muß sie sich jetzund kehren. O daß wir allesamt in solchem Streiten waͤren! Ein Gebet, daß Gott die Spanier wiede- rum vom Rheinstrom wolle treiben, 1620. S chlag doch, du starcker Held, die scheußlichen Maranen, So leyder! ihre Zelt und Blutgefaͤrbten Fahnen Auch jetzt in Deutschland bracht, an unsern schoͤnen Rhein, Der Waffen tragen muß, vor seinen guten Wein. Es ist genug gespielt mit eisernen Ballonen, Du grosser Capitain, hoͤr auf, fang an zu schonen, Es Verworffene Gedichte. Es ist genug, genug, die Goͤtter sind verheert Durch die, so sie gemacht, Stadt, Dorff, und Feld verkehrt. Laß die, durch deren Grimm die Stroͤme kaum geflossen Von Leichen zugestopfft, nicht ausgehn ungenossen, Und mache kund, daß der, der dir zugegen strebt, Stuͤrtzt, oder bleibt er ja, ihm selbst zur Straffe lebt. Sonnete. Aus dem Lateinischen Adeodati Sebaͤ. H eint als der Monde war in seinen Kreiß gezogen, Und mich der suͤsse Schlaf umfangen durch die Nacht, Ward mir mein Augentrost im Traume fuͤrgebracht, Als laͤge sie bey mir an meine Brust gebogen, Jhr Hertze war in mich, mein Hertz in sie geflogen; Fand aber gaͤntzlich nichts, wie ich des Morgens wacht, Und hielt die Lacken in den Armen, drum ich lacht, Als ich recht innen ward, daß ich so sehr betrogen. Verraͤther, loser Traum, warum denn fleuchst du bald? Laß mich doch laͤnger sehn die liebliche Gestalt, Laß sich doch mehr bey mir diß schoͤne Vorbild saͤumen. Betrieger, krieg ich nichts als Hohn und Spott von ihr, Und ihrer Schoͤnheit Ros’, ach bitt ich, laß doch mir Drey tausend Jahr so suͤß, ohn alles Wachen, traͤumen. D ie Liebe kraͤnckt mein Hertz, der Krieg das Vaterland, Der Krieg mit Haß und Zorn, die Liebe mit dem Bogen; D 4 Die Martin Opitzens Die Liebe saugt mich aus, der Krieg hat ausgesogen Uns und die Nachbarschaft mit Anstoß allerhand; Die Liebe steckt mich an, der Krieg steckt Staͤdt in Brand; Die Lieb ist listiglich in mein Gemuͤth geflogen, Mars hat durch falschen Schein das Vaterland betrogen; Die Lieb ist blind, im Krieg ist ofte nicht Verstand. Es ist ungluͤcklich Volck die solche Herren ehren, Die Liebe lohnt mit Leyd, der Krieg mit viel verheeren, Es pfleget beyderseits nicht koͤstlich zuzugehn, Begeb ich mich ins Feld, Durst, Hunger mich begleitet, Folg ich der Liebe nach, die Liebste mich bestreitet, Es ist der beste Rath, ich lasse beydes stehn. Als ihm seine Asterie geschrieben. W er sollte dieses wol in sein Gemuͤthe bringen, Daß unter weiß und schwartz verborgen solche Freud? Daß nur ein einig Brieff nem alle Traurigkeit? Kan auch der Augenlust so weit ins Hertze dringen? Jch weiß die Sinne fast nicht hoͤher mehr zu schwingen, Und habe wol mit Fleiß gelesen jederzeit, Was von der Liebe nur gefunden weit und breit, Es hat mich aber nichts vermocht so sehr zu zwingen; Der Griech Anacreon, der Sappho schoͤn Gedicht, Und auch Ovidius sind ihm zu gleichen nicht, Der kuͤnstlich Amadis ist nie so hoch gegangen. Gluͤck- Verworffene Gedichte. Gluͤckselig ist die Hand, die diesen Brief gemacht, Gluͤckselig ich die Dint und auch die Feder acht, Und mehr gluͤckselig mich, der ich ihn hab empfangen. Bedeutung der Farben. W eiß, ist gantz keusche Reinigkeit, Leibfarbe, Weh und Schmertzen leiden, Meergruͤne, von einander scheiden, Schwartz, ist Betruͤbniß, Angst, und Leid, Roth, innigliche Liebes-Brunst, Und Himmelblau, sehr hohe Sinnen, Bleich Leichfarb, argen Wahn gewinnen, Gelb, End und Ausgang aller Gunst, Haarfarbe, deutet auf Geduld, Bleich Aschenfarben, heimlich Huld, Braun, aller Liebe gantz vergessen, Gruͤn, Hoffnung; Und weil jetzund ich Gebrauche dieser Farbe mich, Jst wol mein Zustand zu ermessen. Oden und Lieder. Auf Leid kommt Freud. S ey wolgemuth, laß trauren seyn, Auf Regen folget Sonnenschein, Es gibet endlich doch das Gluͤck Nach toben einen guten Blick. D 5 Vor Martin Opitzens Vor hat der r a uhe Winter sich An uns erzeiget grimmiglich, Der gantzen Welt Revier gar tief Jn einem harten Traume schlief. Weil aber jetzt der Sonnen Licht Mit vollem Glantz herausser bricht, Und an dem Himmel hoͤher steigt, Auch alles froͤlich sich erzeigt, Das frostig Eyß muß gantz vergehn, Der Schnee kan gar nicht mehr bestehn, Favonius der zarte Wind, Sich wieder auf die Felder findt, Die Saate gehet auf mit Macht, Das Grase gruͤnt in vollem Pracht, Die Baͤume schlagen wieder aus, Die Blumen machen sich heraus, Das Vieh in Feldern inniglich, Das Wild in Buͤschen freuet sich, Der Voͤgel Schaar sich froͤlich schwingt, Und lieblich in den Luͤften singt; So stelle du auch trauren ein, Mein Hertz, und laß dein Zagen seyn, Vertraue Gott, und glaube fest Daß er die Seinen nicht verlaͤßt. Ulysses auch, der freye Held, Nachdem er zehn Jahr in dem Feld Vor Verworffene Gedichte. Vor Troja seine Macht versucht, Zog noch zehn Jahr um in der Flucht. Durch Widerwaͤrtigkeit im Meer, Ward er geworffen hin und her, Noch blieb er standhafft allezeit, Jn Noth und Tod, in Lieb und Leid. Die Circe mit der Zauber-Kunst, Bracht ihn niemals zu ihrer Gunst, Auch der Syrenen suͤsser Mund Und Harffen ihn nicht halten kunt. Er warff doch endlich von sich noch Des rauhen Lebens schweres Joch, Penelopen er wieder fand, Und Jthacen sein Vaterland; So biß du auch getrost, mein Hertz, Und uͤbersteh des Gluͤckes Schertz, Trau Gott, sey nur auf ihn bedacht, Die Hoffnung nicht zu schanden macht. Auf der Edlen Jungfrauen Anna Maria Gaislerinne Hochzeit. Gaislerinne Die Buchstaben versetzt: Ein rein Glas: F reylich, freylich ist ein Glas, Edle Jungfrau, alles das, Was Martin Opitzens Was in eurer besten Zier, Als die Sonne, leuchtet fuͤr. Schaut, wie schoͤn die Sternen all Leuchten aus des Himmels Saal, Wie der Mond sein bleiches Haar Ausgebreitet gantz und gar, Wie die grosse weite Welt Schlaͤfrig in die Bette faͤllt, Wie die Wasser stehen still, Wie sich nichts bewegen will. Eh der Voͤgel Lobgesang Wiedertoͤnt mit hellem Klang, Eh der lichte Venus-Stern Sich laͤßt sehen weit und fern, Eh die schoͤne Morgenroͤth Aus dem suͤssen Schlaf aufsteht, Und entdecket ihren Schein, Wird das Glas zubroͤchen seyn. Chansonnette. M it Liebes-Brunst behafftet seyn, Jst wahrlich eine schwere Pein, Es ist kein Schmertz auf dieser Erd, Der recht mit ihm verglichen werd: Drum Verworffene Gedichte. Drum will ich mich Gantz emsiglich Von dem Ley’en Allzeit scheiden, Und die suͤsse Gifft vermeiden. Auf daß nun nicht die schnoͤde Brunst Mich lasse zu ihr tragen Gunst, Soll Venus mich nicht treffen an Auf irgend einer Liebes-Bahn. Der Tugend Weg Jst ein schoͤn Steg, Darauf eben Jch will schweben, Und ihr gantz verpflichtet leben. Recht und gar wol auch Pallas blieb Allzeit befreyet von der Lieb, Sie gab dem Feuer niemals Raum, Und hielte sich in stetem Zaum. Auf gruͤner Heyd Sie allezeit Mit dem Hetzen Sich thaͤt letzen, Und frey aller Sorg ergetzen. Jch will ins kuͤnfftig fleissig auch Nachfolgen dieser Goͤttin Brauch, Denn Venus ist die groͤste Last, Cupido ist ein schaͤdlich Gast. Wen e r einmahl Nur bringt zu Fall, Muß verderben, Oft auch sterben, Und fuͤr Freuden Schmertz ererben, Also belohnt er alle doch, Die sich ergeben seinem Joch, Und Martin Opitzens Und diß bedenck ich offt und viel, Es mag lieb haben wer da will, Jch bleibe mein. Allzeit allein, Offt nach schertzen. Kommen Schmertzen, Wohl dem der das thut behertzen. Die Jagd des Cupido. J n der schoͤnesten der Zeiten, Wann verjuͤngt wird alle Welt, Wann die Flora Blumen spreiten Thut, durch Wiesen, Wald und Feld, Kam der Venus Sohn gegangen, Eh sich Lucifer eraͤugt, Eh Aurora ihre Wangen Und goldgelbes Haare zeigt. Venus lag ohn Sorg und Zagen Gantz des sanften Schlafes voll, Mutter, sagt er, ich geh jagen, Unterdeß gehabt euch wohl. Da erwachte die Goͤttinne, Sprach: Cupido liebes Kind, Weil du dieses hast im Sinne, Sey es gerne dir verguͤnt, Und ich wuͤnsche daß dein Bogen Richtig schiesse fuͤr und fuͤr. Wann Verworffene Gedichte. Wann du dann diß Werck vollzogen, Komm auch wieder her zu mir. Diß derhalben zu vollfuͤhren, War er bald zur Jagd bereit, Nicht zur Jagd nach wilden Thieren, Wie Adonis vor der Zeit, Sondern daß er moͤchte zwingen, Diese grosse weite Welt, Und in seine Netze bringen, Was der Himmel in sich haͤlt. Als der Zephyrus vernommen, Was das Kind gesonnen waͤr, Jst er mit der Aura kommen, Zu verkuͤnden diese Maͤhr. Doch thaͤt er sich ploͤtzlich naͤhen, Eh man fuͤr ihm fliehen kunnt: Eh man seiner sich versehen, Hatt er schon sehr viel verwundt. Also wird sehr offt betrogen Die gelehrte Nachtigall, Eh sie kaum hinzu geflogen, Jst sie kommen schon zu Fall, Jupiter, der Donnerkeile Nur fuͤr Spiel und Schertze haͤlt, Ward Martin Opitzens Ward durch dieses Kindes Pfeile Jn der Buhler Zahl gestellt. Phoͤbus hatte Kunst und Witzen, Plutus war an Golde reich, Es konnt ihnen doch nicht nuͤtzen, Es war Amor alles gleich. Mars der sonst sich auszuruͤsten Und zu streiten war bedacht, Sauget an der Venus Bruͤsten, Und vergaß der Krieges-Macht. Bacchus wußte nichts von Trauben, Gantz entzuͤndt in suͤsser Pein, Mußte Liebes-Speise klauben, Thraͤnen giessen vor den Wein. Eolus ließ Nord und Osten, Pan ließ Schaf und Hirten stehn. Goͤtter und Goͤttinnen mußten Nach des Kindes Willen gehn. Alle Menschen wurden innen, Wie Cupido sehr geschwind, Wie er ihren Muth und Sinnen Mit dem Pfeil regieren kuͤnt. Alles wurde gantz verheeret, Alles war mit Leyd erfuͤllt, Biß Verworffene Gedichte. Biß sich hat der Tag gekehret, Und die Sonn ihr Haupt verhuͤllt, Da flog Amor heim zur Stunden, Zeigte seiner Mutter an, Wie er alles uͤberwunden, Wie ihm alles unterthan. Bald hat sie ihn angenommen, Und am Nectar voll gemacht, Biß der suͤsse Schlaff ist kommen, Und ihn hat zu Ruh gebracht. Das Fieber-Liedlein. N aͤchst als zugleiche lagen Zwey Lieb in Fiebers Schmertz, Sprach er: ich bin zu tragen Fuͤr dich bereit, mein Hertz, Fuͤr dich bin ich bereit zu leiden, Und soll sich meine Seele scheiden. Er lag in heisser Flammen, Die Sprache ließ schon nach, Die Hitze kam zusammen, Der Puls schlug sehr gemach; Empfund doch mitten in dem Leiden, Weil er bey ihr war, Lust und Freuden. [Cr i t. Sam̃l. IX. St.] E Sie Martin Opitzens Sie schlug die Augen nieder, Als er fiel in den Tod; Er wandte hin und wieder Sein Haupt in letzter Noth, Sein Hertz ward matt, die Adern sprungen, Der Geist ward auszufahrn gezwungen. Sie sprach: mein Lieb, mein Leben, Jch schwimme, wegen dein: Und ich, er sagt, muß geben Fuͤr dich mein Seelelein. So ist er in der Schoß gestorben, Die er so treulich hatt erworben. An seine Buhlschaft. Auf die Weise: Angelica die Edle. A Sterie du Edle Schaͤferin Werd ich dich sehen schier? Jn deiner Huld ich gantz verschlossen bin, Und lebe weit von dir. Nur bey den wilden Thieren, Und in dem wuͤsten Wald, Muß ich mein Leben fuͤhren, Das ist mein Ausenthalt. Kein schoͤner Baum, kein zartes Bluͤmelein, Kein Ort mich troͤsten mag, Kein Verworffene Gedichte. Kein kalter Brunn mit springender Fontein, Erleschet meine Plag, Mein Augen auch wie Brunnen Sind gantz von Thraͤnen naß, Auch fast gar ausgerunnen Durch Weinen ohne Maaß. Kein Rath noch Huͤlff ohn dich mein Hertz erfreut, Kein edler Lauten-Klang, Kein gruͤner Platz erquicket mich in Leyd, Kein lieblicher Gesang, Voll Zittern, Furcht und Zagen Jst mir die gantze Welt, Nur trauren, seufftzen, Klagen Alleine mir gefaͤllt. Ach komm, ach komm du sehr gewuͤnschter Tag, Jhr Stunden eilet fort, Daß ich doch bald mit Freuden kommen mag Zu meines Lebens Hort! Laß Eolus die Winde Mich fuͤhren von dem Land, Neptunus gieb geschwinde Mich in der Liebsten Hand! Gehabt euch wol ihr Nymphen in der Heyd! O Pan ich muß von dir! Gehabt euch wohl, mein Schiff ist schon bereit, Das mich von hinnen fuͤhr, E 2 Ad ie Martin Opitzens Adie ich will verlassen Der Weisheit Lob und Ehr, Minerva mag mich hassen, Mein Augentrost ist mehr. Von der Cynthia Thraͤnen. A Ch Cupido, leidest du Daß die Zehren immerzu Dieser klahren Augen Glantz Waͤssern, und verschwemmen gantz! So der Thraͤnen weite Flut Ausloͤscht ihres Feuers Glut, Sage wo man kuͤnfftig kan Deine Fackel zuͤnden an? Ueberschriften. Epigramma an die Naturkuͤndiger. W Ann nicht das Kuͤssen was zum schmacken helffen kunnt, Ey warum kuͤssen wir dann immer auf den Mund? An ihren gantzen Leib. M Ein Lieb, hat dein Gesicht so weit mich koͤnnen bringen, Wie sollte denn wol nicht dein gantzer Leib mich zwingen? Uber seiner Buhlschafft Bildniß. J E schoͤner dieses Bild fuͤr allen anzuschauen, Je schoͤner ist mein Lieb fuͤr anderen Jungfrauen. Aus Verworffene Gedichte. Aus dem Hollaͤndischen. D Jeweil man muß, zu kriegen himmlisch Gut, Die Suͤnde beichten und beklagen, Und zu entfliehn der Hoͤllen heisse Glut Jn seinem Hertzen Reue tragen, So bitt ich doch, o meines Lebens Schein, Gebt mir mein Hertz, das ich verließ bey euch, Wollt aber ihrs behalten ja allein, So beichtet mein und eure Suͤnd zugleich. Auf einen Kuß. A Ch schicke mir doch zu, ein Kuͤssichen, mein Leben, Fuͤrchtst du, daß auf dem Weg es jemand moͤcht aufheben? Ey druck auf meinen Mund dein zartes Muͤndelein, So wird es vor Gefahr der Diebe sicher seyn. Gottfriede von Kuͤnrath Die Buchstaben versetzt: Kein Freund treu, ohn Gott: J St dir das blinde Gluͤck geneiget und gewogen, Will jeder bey dir seyn an Freundschaft vorgezogen; Verschlaͤget dich der Wind ins weite Meer der Noth, So steht es wuͤst, und dann ist kein Freund treu, ohn Gott. E 3 Fleuch Martin Opitzens F Leuch wo dir hingeliebt, wohin du nur kanst kommen, Fleuch mein Gemuͤthe, fleuch Luft, Feuer, Wasser, Erd, Du magst doch nicht entgehn, dein Vorsatz wird verkehrt, Weil dich mein Lieb in sich schon gaͤntzlich eingenommen. A Ls dich, o werthe Kron, der Hirte Paris sach, Erschrack er, und fieng an: O Venus halt gemach, Gib mir den Apfel her, dir ist zuviel geschehen, Die schoͤne Nymf hab ich vorhin noch nie gesehen. Auf die Stadt Breßlau. A Ls Themis aus der Welt zu ziehn ihr vorgenommen, Soll unterweges sie auch seyn nach Breßlau kommen, Und weil sie hat vermeynt, sie sey nun allbereit Jm Himmel, ist sie da noch biß auf diese Zeit. Epigramma Ovveni. An die so sich schmincken. D Je ihr mit Farb anstreicht euch eure Zierlichkeit, Bekennet recht, daß ihr nur Staub und Asche seyd. An den Schlaf. J Ch wach allhie mit sehnlichem Verlangen, Du sanfter Schlaf hast gantz mein Lieb umfangen, Er- Verworffene Gedichte. Erblickt sie dich mit einem Aeugelein, So wirst du bald von ihr vertrieben seyn. An die Cynthia. D U gabest mir zwey Kuͤß, ich gab dir wieder zwey, Jezt zoͤrnest du mit mir, und schlaͤgst die Augen nieder, Weil ich nun hoͤr, daß es dir zu entgegen sey, Geb ich dir deine zwey, gieb du mir meine wieder. Von der Asterie Ringe. W Je dieser Ring von Gold geschmiedet ist zusammen, Wie dieser edle Stein scheint gleich den Feuerflammen, So ist auch dein Gemuͤth so hart als Gold und Stein, Und dein Gesichte scheint ein helle Fackel seyn. An den Abendstern. A Ch jetzund wollt ich gleich zu meiner Buhlschaft gehen, Nun weicht die Sonne weg, und du wilt auch entstehen, Du schoͤner Abendstern, die spaͤthe Nacht bricht an, So daß ich heute nicht zu ihr gelangen kan. Antwort des Abendsterns. J Ch sonsten Hesperus, hab jetzund mich gewendet, Und werde Lucifer, ich bin vorher gesendet, Sey nicht bestuͤrtzt, daß ich den alten Lauf verkehr, Weil deine Sonne kommt, so geh ich fuͤr ihr her. E 4 Die Martin Opitzens Die Augen der Asterie. A Ls Asteris bey Nacht den Himmel angesehen, Hat sie der Sternen Zahl vermehrt durch ihren Schein, Vermagst du das, mein Lieb, wie mag es dann geschehen, Daß mein Gesicht vergeht von deinen Aeugelein? Grabschrift eines Kaufmanns. J Ch machte Rechnung wohl, es koͤnte mir nicht fehlen, Jch wolte richtig Geld fuͤr mein Credit auszehlen, Des Todes ich vergaß, der dann ohn all Geduld Mich bald verarrestirt allein um seine Schuld. Eines Ertrunckenen. H Jer hat der Tod gefuͤhrt vor seinen Urtheltisch Den, welcher in der Flut ist jaͤmmerlich versuncken, Und hat ohn allen Durst zu tode sich getruncken, Die Ursach, halt ich, sey, er schwamm, und war kein Fisch. Eines Kochs. W Je wird die Welt doch uͤberall verkehret, Hie hat ein Koch im Grabe seine Ruh, Der mancherley von Speisen richtet zu, Jezt haben ihn die Wuͤrme roh verzehret. Eines Blasebalckmachers. O Lieber Mensch, dein Leben ja betrachte, Hier liget, der die Blasebaͤlge machte, Jezt Verworffene Gedichte. Jezt aber nun zulezt es doch sich findt, Dem Meister, schau, gebrist noch selber Wind. Eines Jaͤgers. J N dieser holen Klufft gesuchet hat sein Laͤger, Ein grausamer Tyrann und Feind der wilden Thier, Jezt hat er wiederum auch seinen Lohn darfuͤr. Der Tod der war sein Hund, die Kranckheit war sein Jaͤger, So ist der Jaͤger nun, wie kuͤhn er sey und starck, Gejaget durch den Tod hier unter diesen Sarck. Eines Schmiedes. J Hr Freunde, glaubet allzumahl, Koͤnt Eisen, Feuer, Flamm, und Stahl Des grimmen Todes Macht obsiegen, Jch wollte wohl jezt hier nicht liegen. Eines Boten. E Jn Post-Bot hat allhier ihm seine Ruh genommen, Weil er dem Tode nicht vermochte zu entkommen. Eines andern. W Je ist alles so voll Jammer, Dieser starb gar unversehn, Und auch wie es ist geschehn, War der Doctor in der Kammer. Eines andern. D Er Tod vollbracht hat seine Lust, Es hat den Geist hier aufgegeben, E 5 Der Mart. Opitz. Verworff. Gedichte. Der, so darum absterben must, Daß er nicht laͤnger konnte leben. W As lieb ich doch so sehr die Heiden und die Wuͤsten? Was laß ich mich nach den Waldgoͤttinnen geluͤsten? Mein Lieb die uͤbertrift doch aller Waͤlder Zier, Diana weichet auch an Schoͤnheit selber ihr. Was laß ich mir so sehr die Bluͤmelein gefallen? Mein Lieb hat doch allein die Blum der Blumen allen, Deßgleichen nie zuvor ist kommen an den Tag, O wie gluͤckselig ist der, so sie brechen mag? D Je keusche Lieb ist dieses Lebens Sonne, So unser Hertz erquickt mit Freud und Wonne; Der rothe Mund ist ihr Altar; der Kuß, Das Opfer, so man ihr verehren muß. Elisabethe geborene Kunradinne. Du bist Helena, gar eben eine Krone. W Er will bekennen nicht, Jungfrau, daß in dir wohne Der Tugend Ebenbild, der Spiegel aller Zier, Die Goͤttin Venus selbst an Sitten weichet dir, Ja du bist Helena, gar eben eine Krone. Genaue Pruͤffung Der Gottschedischen Uebersetzung Horazens Von der Dichtkunst. Vorrede. E S ist zwar eine eckelhafte und verdruͤß- liche Arbeit, in einer uͤbersezten Kunst- schrift, die nichts anders ist, als ein Gemische von Fehlern, alle verkehrten Ausdruͤckungen, und regellosen Abweichungen sowohl in den Be- griffen als derselben Verbindung genau aufzu- zeichnen, und so deutlich aus einander zu setzen, daß man zugleich die Ordnung und die Schoͤn- heiten der Grundschrift empfindlich macht: Aber wenn ein geschickter Mann sich diese Muͤ- he nimmt, so ist es von vortrefflichem Nuzen; zwar nicht fuͤr den, der gepruͤffet wird, als der zu dergleichen Empfindung kein Naturell hat, sondern fuͤr diejenigen unbefestigten Koͤpfe, die durch das pralerische Geschwaͤze des Ueberse- zers von den gesunden und natuͤrlichen Begrif- fen des Originals auf hundert Jrrwege abge- fuͤhrt worden. Jn dieser Betrachtung verdienet der Verfasser folgender Pruͤffung des Gottsche- dischen Horazens allen Danck, daß er seine Ge- duld, die zu Aufraͤumung dieses Chaotischen Schuttes noͤthig war, bis auf ein Hundert Verse unterhalten hat. Er hat mir bekennet, daß ihm dieses nicht moͤglich gewesen waͤre, wenn er seinen arbeitsamen Fleiß nicht bald mit der Jronie, bald mit einer andern Figur belebet und aufge- muntert haͤtte: dennoch sey seine Geduld mit diesen hundert Versen voͤllig zu Ende gegangen, und er zweifle, ob er sobald wieder eine gnug- same Dose neuer Geduld werde sammeln koͤn- nen, nen, als er noͤthig haͤtte die Pruͤffung des zweyten Hunderts des Gottschedis. Horazens vorzunehmen, oder wie er wohl ehe in Gedancken gehabt, desselben Dichtkunst fuͤr die Deutschen in die Elemente, woraus ihre Substantz bestehet, aufzuloͤsen. Jndessen wird man in gegenwaͤrtiger Pruͤffung den Verdacht bekraͤftiget sehen, der in den neuen Vorreden zum deutschen Longinus erwecket wor- den, daß Hr. Gottsched aus Uebersezungen uͤber- seze, und insbesondere das Latein nicht verstehe; Er kennet wahrhaftig den Horaz nebst den andern grossen Maͤnnern, die er vor die Vaͤter seiner Kin- der ausgiebt, nur von weitem uud obenhin. Man darff nur den Vorbericht, womit er seine Ue- bersetzung einfuͤhret und anbefiehlt, einsehen, so wird man solche haͤmische und widersinnige Urtheile von dem Werthe dieser Horazischen Grundschrift an- treffen, dergleichen in keinem andern als des Ueber- setzers Kopf Platz haben koͤnnen, in welchem die Be- griffe von Unordnung und Schoͤnheit sich gar wohl mit einander vertragen. Es war nur seine List, daß er Horazens Dichtkunst vorne an seiner eig- nen gedruckt hat, der Leser sollte sich daher eine ge- naue Bekanntschaft zwischen ihnen beyden einbilden, und die Guͤtigkeit haben, daraus zu schliessen, daß die Gottschedische Dichtkunst mit der Horazischen auf einerley Natur, einerley Geschmack und Grund- saͤtze aufgefuͤhret waͤre. Nun mag zwar vordessen ein halbes Dutzend leichtglaͤubiger Magister sich ha- ben verfuͤhren lassen, Hrn. Gottschedens verwirrtes Mischmasch und seichtes Geschwaͤtze vor Horaz in fliessendes Deutsch uͤbersezt anzunehmen, aber kuͤnftig hat es keine Gefahr mehr, daß jemand den Horaz oder sonst einen guten Scribenten mit dergleichen leichtsinnigem Wahn beschimpfen werde, nachdem die Lehrschriften des Hr. Professors der Dichtkunst so wacker ausgeklopfet worden, daß sie izo durch und durch gesehen werden koͤnnen. Pruͤffung der Uebers etzung von Horazens Dichtkunst. F uͤrwahr ein artig Bild! V. 1. Fuͤrwahr ein artig Bild) Laß mir das eine treffliche Uebersetzung seyn, wenn die erste Zeile schon einer Entschuldigung bedarff! Hr. Gott- sched hat selbst vor noͤthig erachtet, diesen Zusatz von sei- ner Erfindung in folgender Anmerckung zu entschuldigen: „Diese Worte hat der Grundtext nicht. Horaz faͤngt „gleich an, sein Gleichniß von einem seltsamen Gemaͤhl- „de vorzutragen. Allein da sichs im Deutschen nicht in „einen eintzigen Satz bringen ließ, und also zertrennet „werden mußte; so macht dieser Anfang den Leser auf- „mercksam, und sagt ihm kurtz, was er zu gewarten habe.„ Er haͤlt dieses eingeflickte Hemistichium um so viel unstraͤfli- cher, weil sich das Horazische Gemaͤhlde doch in der Ue- bersetzung nicht wohl in einen eintzigen Satz haͤtte zwin- gen lassen, und also zertrennt werden muͤssen. Das ist, er moͤchte gerne die Freyheit seiner Ausschweiffungen mit dem ungezwungenen Wesen der deutschen Sprache bemaͤn- teln. Gesetzt aber, es waͤre mehr der Natur der deutschen Sprache, als dem Unvermoͤgen des Uebersetzers zuzu- schreiben, daß das Horatzianische Gleichniß-Bild in dem Verfolge in verschiedene Absaͤtze zertrennt worden; was giebt ihm dieses fuͤr Freyheit ohne Noth noch weiter aus- zuschweifen, und dem Gemaͤhlde neue Lappen anzuflicken? Haͤtte ihn diese nothwendige Abweichung von der Grund- schrift, die in der verschiedenen Art beyder Sprachen ge- gruͤndet war, nicht desto behutsamer machen sollen? Al- lein Hr. Gottsched begnuͤget sich mit dieser kahlen Ent- schuldigung nicht, sondern behauptet, daß dieser Zusatz, den er der Horatzischen Vorstellung geliehen, die verbor- gene Kraft habe, die Leser recht aufmercksam zu machen, Es steht ein Menschenkopf Auf Pruͤffung der Uebersetzung weil er sie nicht lange im Zweifel lasse, was sie zu gewar- ten haben. Es ist nemlich ein geheimer Kunstgriff dieses Lehrers und seiner Schuͤler, daß sie aus einem billigen Miß- trauen in die Kraft ihrer Vorstellungen, und aus Mitlei- den fuͤr die bloͤde Einsicht ihrer Leser gemeiniglich vorher ankuͤndigen, was man zu gewarten habe, und was ihre folgenden Vorstellungen fuͤr einen Eindruck machen sollen. Auf solche Weise bekoͤmmt jeder Redesatz seine eigene Pro- position. Sie werden ihre Erzehlungen insgemein mit die- sen und dergleichen Formeln anheben: Jch will euch nun eine recht seltsame und abentheurliche Geschichte erzehlen! Sehet da ein wunderbares und laͤcherliches Bild! Ecou- tez un bon mot! Sie sagen euch allezeit vorher, was sie sagen wollen: welches unfehlbar die Wuͤrckung haben muß, daß es die Aufmercksamkeit reitzet, zumahl bey so dummen Lesern, die etwas dannzumahl noch kaum recht fassen koͤn- nen, wenn man es ihnen gleich zweymahl gesagt hat. V. 1. Es steht ein Menschenkopf) Horatz stellet euch einen Mahler vor, der vor euern Augen ein abentheurliches Bild von Stuͤcke zu Stuͤcke ver- fertiget: Jhr sehet, wie er bey dem Kopf eines Menschen anfaͤngt, demselben einen Pferdehals untersetzt, diesen an- statt der Maͤhne mit bunten Federn ausschmuͤcket; her- nach die Glieder von verschiedenen Thieren in einen Leib zusammen verbindet, und endlich da er bey einem schoͤ- nen Weiberangesicht das Gemaͤhlde angeleget hatte, es mit einem Fischschwantze beschliesset. Hr. Gottsched hingegen stellet euch dieses abentheurliche Bild als wircklich fertig vor Augen, und damit ihr in Betrachtung desselben nicht irre werdet, so bemuͤhet er sich euch ein Stuͤck nach dem andern gleichsam mit dem Finger vorzuweisen; dahin die- nen die eingeschalteten Flick-Formeln: Es steht ‒ ‒ den Kropf bedeckt ‒ ‒ hernach erblickt man ‒ ‒ von oben zeigt ‒ ‒ von unten wirds. Wodurch er die Zuschauer dieses Gemaͤhldes zwingen kan, daß sie eben dasjenige se- hen muͤssen, was sie wircklich sehen. Da hingegen Ho- ratz durch das jungere si velit, so unbarmherzig ist, daß er auch den blossen Vorsatz eines solchen Mahlers schon als laͤcherlich verurtheilt. Auf von Horazens Dichtkunst. Auf eines Pferdes Hals. Den dicken Vogelkropf V. 2. Den dicken Vogelkropf) Dieses ist wiederum ein Gottschedischer Zusatz, der sei- nen zureichenden Grund darinne hat, weil ihm Horazens Bild noch nicht abentheurlich genug vorkam. Bedeckt ein bunter Schmuck von farbigtem Gefieder: V. 3. Ein bunter Schmuck von farbigtem Gefieder) Dieser vollstaͤndige poetische Ausdruck verdunckelt das einfaͤltige Horatzische varias plumas ungemein: Man muß es nicht dahin mißdeuten, als ob es einen bunten Schmuck aus lauter weissem oder aus gleichfarbigtem Ge- fieder geben koͤnnte: Das farbigt hier ist ein poetisches Beywort, welches dienet den poetischen Begriff und zu- gleich das Sylbenmaß des Verses recht vollstaͤndig zu machen. Hernach erblicket man verschiedner Thiere Glieder. Von oben zeigt ein Weib ihr schoͤnes Angesicht. 5. Von unten wirds ein Fisch. V. 6. Von unten wirds ein Fisch) Dieses haͤtte Hr. Gottsched durch ein Kupfer erklaͤren sollen. Jhr Freunde, lacht doch nicht! Wir wollen mit Geduld des Malers Thorheit schonen. V. 6. 7. ... Jhr Freunde, lacht doch nicht, Wir wollen mit Geduld des Malers Thorheit schonen.) Dieses gibt Horaz nur schlechtweg: Spectatum admissi risum teneatis amici! Hr. Gottsched hingegen hat neben der kernhaften Ueberse- zung annoch vor noͤthig erachtet, diese Stelle mit einer Anmerckung zu beleuchten, wo er euch ein Geheimniß aus Jndes- [Crit. Sam̃l. IX. St.] F. Pruͤffung der Uebersetzung Jndessen glaubet mir, V. 8. 9. Jndessen glaubet mir) Hr. Gottsched bezeuget in dem Vorbericht zu dieser Horatzischen Dichtkunst, er habe bey seiner Uebersetzung die Regel stets vor Augen gehabt: Ein Uebersetzer muͤsse kein Paraphrast oder Ausleger werden. Eine uͤberzeugen- de Probe davon kan uns gegenwaͤrtige Stelle an die Hand geben, wo er das Horazische Credite mit vollem Nachdruck also uͤbersetzet: Jndessen glaubet mir .... Dafern mein Wort was gilt. .... Denn dieses ist insgemein die wahre Ursache des Unglau- bens, daß man nicht gleich eines jeden Wort bey sich was ihr trefflichen Pisonen, Dafern der Antiquitaͤt entdecket, welches niemand als seinen Schuͤ- lern unbekannt seyn mag: „Nemlich, daß die Alten ihre „neuverfertigten Stuͤcke zur oͤffentlichen Schau ausgestel- „let haben, um die Urtheile der vorbeygehenden daruͤber „zu vernehmen.„ Wobey er, seine unerhoͤrte Anmer- kung glaubwuͤrdig zu machen, sich auf die Historie vom Apelles und dem Schuster beruffet. Es ist nur Schade, daß sich diese geheime Anmerckung aus dem entferntesten Alterthum mehr auf seine eigene Uebersetzung, als auf Ho- ratzens Grundtext gruͤndet: Denn ich wollte wetten doͤrf- fen, daß Hr. Gottsched der erste waͤre, dem bey Anlaß dieses lateinischen Verses Spectatum admissi \&c. Apelles und der Schuster in den Sinn gekommen. Doch ich ver- stehe erst recht, was die Worte in dem Vorbericht zu die- ser deutschen Uebersetzung sagen wollen: Daß ihm unter anderm auch die von Horaz angebrachten Alterthuͤmer die Arbeit der Uebersezung recht sauer gemacht. Denn es kan ohne recht saures Nachdencken nicht zuge- hen, aus dem Horazischen Spectatum admissi Amici den Griechischen Schuster heraus zu bringen, oder zu beweisen, daß die alten Maler ihre Gemaͤhlde zur oͤffentlichen Schau ausgestellt haben. Sonst ist die deutsche Uebersetzung: Wir wollen mit Geduld des .. Thorheit schonen. eine neue Probe von dieses Kunstrichters critischer Gefaͤllig- keit und Geduld auch mit dem aͤrmsten Stuͤmper. von Horazens Dichtkunst. Dafern mein Wort was gilt, daß eine tolle Schrift, V. 9. Daß eine tolle Schrift) Hr. Gottsched ist in der Anwendung der geschicktesten Beywoͤrter gar nicht karg: und er weiß dadurch allemahl dem Beduͤrffniß seiner Leser geschickt vorzukommen. Beym Horatz muß man erst aus der Beschreibung, die er von einer solchen Schrift machet, schliessen, daß sie eine tolle Schrift sey. Der Hr. Uebersetzer aber ist so guthertzig, daß er uns davon zum voraus berichtet, und uns die Muͤ- he uͤberhebet, dergleichen Schluͤsse durch eigenes Nachden- ken heraus zu bringen. Wobey ich nicht unerinnert lassen kan, daß durch die beygefuͤgte Anmerckung uͤber das Wort Schrift, die Zweydeutigkeit, die in dem lateinischen Aus- druck stecket, wo das Wort Liber gebraucht wird, aus der Antiquitaͤt vollkommen erlaͤutert wird. Wo weder Haupt noch Schwanz geschickt zusam̃en trifft, 10. V. 10. Wo weder Haupt noch Schwanz geschickt zusammen trifft.) Horaz redet de fictis vanis speciebus, d. i. von sol- chen erdichteten Bildern und poetischen Gemaͤlden, die kei- ne Wahrscheinlichkeit haben, und daher gantz abentheur- lich aussehen, ut nec caput nec pes uni reddatur formæ, wo die Glieder eines solchen Bildes aus gantz verschiede- nen Stuͤcken, von einer regellosen Fantasie ohne Absicht, und nicht etwann nach einem gewissen Urbild oder Muster, sondern gantz willkuͤhrlich in einen Leib zusammen ver- bunden werden. Horatz siehet damit zuruͤck auf das Desinit in piscem mulier formosa superne. Aber unser Uebersetzer ist weit kuͤhner, er schreibet nach seiner ungebundenen poetischen Freyheit so gar der Schrift selbst ein Haupt und einen Schwanz zu. Und weil er Und gelten laͤßt. Sonst ist die Verbindung dieses Satzes mit dem vorhergehenden durch das Zeitwort Jndessen nicht aus der Acht zu lassen. F 2 Pruͤffung der Uebersetzung Und nicht mehr Ordnung herrscht V. 11. Und nicht mehr Ordnung herrscht) Horaz sagt: Einem so abentheurlichen Gemaͤhlde, als er oben eingefuͤhret, sey eine Schrift vollkommen aͤhnlich, in welcher solche unwahrscheinliche Bilder erdichtet wer- den, dergleichen die verwirrte Phantasie eines Krancken in dem Schlafe aushecket, wo weder Haupt noch Fuß nach einer gleichen Zeichnung gestaltet, oder nach Einer Absicht zusammen geordnet worden. , als wenn ein Kranker traͤu- (met, Sich unvergleichlich wohl zu solchem Bilde reimet. Jch weiß wol was man glaubt. Man spricht und bleibt dabey: V. 13. Jch weiß wol, was man glaubt. Man spricht ꝛc. Dieses ist wiederum ein Zusatz von Gottschedischer Er- Ein sich von den groͤsten Bewunderern des Horazen uͤberre- den lassen, daß diese poetische Dichtkunst ohne alle Ord- nung geschrieben sey, so hatte er desto weniger Ursache sich Bedencken zu machen, in seiner Uebersetzung die Ho- razischen Saͤtze nach Belieben, und wie es die Nothdurft der so heilig beobachteten Sprachrichtigkeit und Reinig- keit im Sylbenmasse und in den Reimen jedesmahl erfoderte, zu vermischen und zu verwerffen, damit auch in diesem Kunstgriffe der unordentlichen Vermischung sei- ne Uebersetzung einen Vorzug uͤber die Grundschrift erlan- gen moͤchte. Und es wird nicht fehlen, die groͤsten Be- wunderer der Gottschedischen Poesie werden ihm das Ge- genrecht wiederfahren lassen, und ihm einmuͤthig das Lob zugestehen, daß seine Uebersetzung ohne alle Ordnung geschrieben sey, er habe sich an keinen Zwang einer philosophischen oder vernuͤnftigen Einrichtung binden wollen, sondern als ein Poet nach Veranlassung sei- ner Einfaͤlle bald dieses bald jenes wider den Sinn sei- ner Grundschrift versetzet und vermischet: Doch alles, was er sage, sey hoͤchst vernuͤnftig, auch die Unordnung und Vermischung selbst nicht ausgenommen. von Horazens Dichtkunst. Ein Maler und Poet folgt seiner Phantasey: Er kan sich seiner Kunst nach eigner Lust bedienen, 15. Und sich durch Geist und Witz, was ihm beliebt, erkuͤhnen. V. 14. 15. 16. Das bekannte: ...... Pictoribus atque Poetis Quidlibet audendi semper fuit æqua potestas. Giebt Hr. Gottsched mit diesen Versen: Ein Maler und Poet folgt seiner Phantasey; Er kan sich seiner Kunst nach eigner Lust bedienen, Und sich durch Geist und Wiz, was ihm beliebt, erkuͤhnẽ. Der lateinische Poet sagt in fremdem Nahmen nach einem damahls herrschenden Vorurtheile: Es sey doch jederzeit den Poeten, sowohl als den Mahlern, erlaubt gewesen, die gemeine Ordnung der Dinge zu verlassen, und durch kuͤh- Ganz findung, davon in dem Grundtexte nicht ein Wort stehet; der aber vortrefflich dienet den folgenden Einwurff, den Horaz nur plattweg ohne eine Vorrede beysetzet, geschickt einzufuͤhren. Vielleicht muß dahin gedeutet werden, was an dem Ende der beygefuͤgten Anmerckung mit diesen Wor- ten ausgedruͤcket wird: Dieß sind nicht Horatii (oder wie in der neuesten verbesserten Auflage gelesen wird: Hora- zens) sondern eines Stuͤmpers Worte. Hr. Gott- sched weiß, was die Leute glauben, und er hat dabey die Gutheit, daß er eben kein Geheimniß daraus machen will. Jch bitte aber, man wolle diesen Vers nicht so fast in Absicht auf die Gedancken, als auf den Wohlklang, und die ungezwungene Fluͤssigkeit betrachten; so wird man mir gestehen muͤssen, daß er einer von denen ist, die man bey aller ihrer Unvernunft und Niedertraͤchtigkeit der Gedancken fuͤr schoͤn halten muß, und man wird daraus erkennen, wie beflissen Hr. Gottsched gewesen, sich vor dem Eckel der zaͤrtlichsten deutschen Ohren zu huͤten. Man sehe den Vorbericht nach. F 3 Pruͤffung der Uebersetzung Ganz recht, ich geb es zu, und mach es selber so. Allein man mische nie das Feuer in das Stroh. V. 18. Allein man mische nie das Feuer in das Stroh.) Beym Horaz heißt es: Sed non ut placidis coëant im- mitia. d. i. Man soll nicht zahmes und wildes, hiemit Kein ne und wunderbare Erdichtungen die Leser zu uͤberraschen. Hr. Gottsched hergegen fuͤhret einen Stuͤmper redend ein, dem giebt er folgenden Ausspruch in den Mund: „Ein Mahler und ein Poet folge seinem eigenen Kopf, er mahle oder dichte, wenn ihn die Lust ankoͤmmt; und erkuͤhne sich auf eine geist- und sinnreiche Art hervor zu bringen, was ihm nur immer beliebt;„ Allein der Gottschedische Stuͤm- per muß seinen Horatz nicht recht gefasset haben, der in seinem lateinischen Text durch die potest o rem quidlibet au- dendi, die Kuͤhnheit in der Dichtung oder das Ungemeine und Wunderbare verstehet. Doch wer wollte solches einem Stuͤmper nicht zu gute halten: zumahlen da Hr. Gottsched in seinem Vorbericht rund bekennet: Es ist nicht eines jeden Werck, sich mit dem Latein der alten Poeten so bek mit zu machen, daß er seinen Horaz ohne Muͤhe verstehen, geschweige dann mit Lust lesen koͤnnt. Jch kan mich nicht entbrechen, hier des Hrn. von Eckards Uebersetzung dieser Stelle annoch beyzufuͤgen; und mit Hrn. Gottsched in dem Vorberichte auszuruffen: Welcher es nun besser oder schlechter getroffen habe, mag der geneigte Leser selbst beurtheilen: Doch soll man wissen, daß die genaue Kenntniß der Eckardischen Ue- bersetzung den Hrn. Gottsched vornemlich vermoͤgen hat, ei- ne neue zu wagen. Beym Eckard heißt es: Ein Maler und Poet kan zwar nach altem Brauch Erdichten was er will. Wir wissens, geben auch Dieselbe Freyheit uns, und goͤnnen sie den andern, Doch muß nicht ganz und gar sie aus den Schrancken wandern. Der groͤste Fehler dieser Uebersetzung in Vergleichung mit der Gottschedischen mag wohl die allzu grosse Deutlichkeit seyn. von Horazens Dichtkunst. Kein Tiger zeug ein Lamm, kein Adler hecke Schlangen. V. 19. Kein Tiger zeug ein Lamm, kein Adler hecke Schlangen.) Dieser Gottschedische Imperativus hat seine Beziehung nicht auf die Natur, sondern auf die Schrift eines Poe- ten: Denn Gottsched will nicht den Thieren, sondern den Poeten Maßregeln fuͤrschreiben. Jn der nachlezten Aus- gabe lieset man zeugt, heckt. Aber seit einigen Jahren ist dem Uebersetzer der Imperativus gelaͤuffiger worden. Jn dem Grundtext wird diese Verbindung widerwaͤrtiger Thiere durch das geminentur gar deutlich dem Poeten zu- geschrieben. Doch nicht Dinge von widerwaͤrtiger Natur mit einander verbin- den, und also bey dem Wunderbaren in der Dichtung die Wahrscheinlichkeit nicht gaͤntzlich aus den Augen setzen: Und diesen allgemeinen Lehrsatz erlaͤutert er hernach mit zwey Beyspielen: ......... Non ut Serpentes avibus geminentur, tigribus agni. Weil nemlich in der Natur, und darum auch in wahr- scheinlichen Fabeln, ein Tiger und ein Lamm, eine Schlange und die Voͤgel, sich nicht wohl mit einander ver- tragen, und niemals in Freundschaft mit einander leben. Der deutsche Uebersetzer hergegen verwandelt den Lehrsatz in ei n ganz absonderliches Exempel, von unbeseelten Dingen, die ob sie gleich gantz widerwaͤrtiger Natur sind, gleich- wohl taͤglich zusammen vermischt werden. Das Feuer wird in das Stroh gemischet, wenn man das Stroh an- zuͤndet: Will nun Hr. Gottsched verbieten, daß man kein Stroh mehr anzuͤnde, oder den Dichter einer Kuͤhnheit bezuͤchtigen, der erzehlet, man habe Stroh angezuͤndet, welches ja auf keine andere Weise moͤglich ist, als daß man Feuer in das Stroh mische. F 4 Pruͤffung der Uebersetzung Doch m a nches Dichters Schrift wird praͤchtig angefangẽ, 20. V. 20. Doch manches Dichters Schrift wird praͤchtig angefangen.) Der lateinische Poet koͤmmt hier auf die stolze Vermes- senheit derjenigen Dichter seiner Zeit, die in ihren Ge- dichten nicht nach einem Plan, oder nach Absichten gear- beitet, sondern sich eingebildet, es sey in der Poesie alles willkuͤrlich, das vornemste komme darauf an, daß man etwas wagen doͤrffe, und ein wenig prahlen und groß thun koͤnne, das sind die Incœpta gravia \& magna professa: Od man nun was dergleichen aus der Uebersetzung errathen koͤnne, das will ich dem Urtheil des Lesers uͤberlassen. Man schmuͤckt sie hin und her mit Edelsteinen aus, Beschreibt Dianens Haͤyn, Altar und Goͤtterhaus, Entwirft mit grosser Kunst des Rheinstroms Wasserwogen, V. 23. Entwirft mit grosser Kunst des Rheinstroms Wasserwogen.) Das heißt in dem Lateinischen gantz einfaͤltig Aut flumen Rhenum. Aber den vorhergehenden Vers, Et properantis aquæ per amœnos ambitus agros, in welchem der Poet die kuͤnstliche Beschreibung einer Ba- che ausfuͤhrlich nachahmet, hat unser deutsche Uebersetzer gaͤntzlich weggelassen, doch so geschickt, daß es niemand leicht mercken kan, der nur die deutsche Uebersetzung lieset. Und malt der Farben Glanz im bunten Regenbogen. Das alles ist schon gut; nur hier gehoͤrts nicht her. 25. V. 25. Das alles ist schon gut; nur hier gehoͤrts nicht her.) Es ist freylich an dem, daß Horaz die poetischen Schil- dereyen fuͤr sich selbst betrachtet hier nicht tadelt; sondern Dort von Horazens Dichtkunst. Dort stuͤrzt ein wilder Sturm den Schiffer in das Meer: V. 26 ‒ ‒ 30. Dort stuͤrzt ein wilder Sturm den ꝛc.) Wenn ich nicht irre, so will Horaz ferner zeigen, daß die Kunst der poetischen Schildereyen, sonderlich in patheti- schen Stuͤcken, wo man den Affect erregen soll, den Poe- ten leicht zu Ausschweiffungen verleiten koͤnne, wenn sie nicht sehr behutsam und mit vielem Verstand gebraucht wer- den: Als wenn z. E. einer um Geld gedungen waͤre, die er- littene Noth eines Menschen in einem Schiffbruch so beweg- lich vorzustellen, daß sie bey jedermann Mitleiden erwecken sollte; Dieser aber wuͤrde seine gantze Kunst in Beschrei- bung angenehmer Gegenstaͤnde, als etwann eines Cypres- senwalds, bey dem der Nothleidende endlich ans Land ge- stiegen, erschoͤpfen, anstatt daß er alle die besondere die Ge- fahr des Schiffbruchs vergroͤssernden Umstaͤnde gantz lebhaft und beweglich ausdruͤcken sollte. Es ist beynahe eben das, was Persius in seiner I. Satyre v. 88. angemercket hat: Men’ moveat? quippe, \& cantet si naufragus, assem Protulerim. Cantas, cum fracta te in trabe pictum Ex humero portas? Gesetzt, du koͤnntest nun Cypressenwaͤlder schildern, V. 27. Gesezt, du koͤnntest nun Cypressenwaͤlder ꝛc.) Es mag freylich wohl seyn, daß Horaz durch die Cypres- sen hier insgemein etwas habe andeuten wollen, das eben Was hilft dir diese Kunst? da sich in deinen Bildern Der nur daß sie uͤbel angebracht, und nicht am rechten Orte stehen: Sed nunc non erat his locus: Angesehen er in dieser Dichtkunst selbst nicht nur die Aehnlichkeit zwischen der Mahlerkunst und Poesie vietfaͤltig treibet; sondern sich auch als einen geschickten Mahler wircklich erwiesen hat. Wie ferne im uͤbrigen die poetische Schilderkunst zu dem Wesen der Poesie mitgehoͤre, das hat Horaz hier eben so we- nig entscheiden wollen, als der deutsche Uebersetzer geschickt gewesen, solches zu eroͤrtern. Leset seine Anmerckung nach. F 5 Pruͤffung der Uebersetzung Der Schiffbruch zeigen soll V. 28. 29. Da sich in deinen Bildern der Schiff bruch ꝛc. Horaz fodert weit mehr durch das Si fractis navibus exspes enatat: Da er eben durch das einzige Beywort exspes alle die Gefahr vergroͤssernden Umstaͤnde in eins zu- sammen fasset; und will, daß der poetische Mahler durch seine bewegliche Vorstellung der Gefahr, dem Leser alle Vermuthung einer moͤglichen Rettung abschneide. Der Hr. von Eckard hat dieses weit gluͤcklicher und geschickter ausgebildet, wenn er sagt: ..... Gesezt, du schilderst gut Cypressenwaͤlder ab. Wie aber, armes Blut, Wird es dir dann ergehn, wenn du des Meeres Rasen, Ein ganz zerscheitert Schiff, der tollen Winde blasen, Und wie den Schiffer kaum ein Bret noch bringt empor, Geschicklich mahlen sollst? , den jener fuͤr sein Geld, Nach uͤberstandner Noth, mit Fleiß bey dir bestellt. 30. V. 29. 30. Den jener fuͤr sein Geld, nach uͤberstand- ner Noth, mit Fleiß bey dir bestellt.) Beym Horaz heißt es einfaͤltig: Aere dato qui pingitur. Hergegen hat der deutsche Uebersetzer hier abermahl gewie- sen, wie man ohne eine paraphrastische Kaltsinnigkeit, den- noch ohne Noth plauderhaft seyn koͤnne. Gewiß ist, daß Dein nicht die nothwendigste Verbindung mit der folgenden Be- schreibung eines Schiffbruchs haͤtte: Doch laͤßt sichs nicht wohl begreiffen, daß sie gar keine Beziehung auf den Schiff- bruch haben sollten, oder daß die getroffene Wahl unter so vielen andern Dingen, die eben so wenig mit einem Schiff- bruch in Verbindung stehen, auf die Cypressen ohne eini- gen Grund sollte gefallen seyn. Hier haͤtte demnach der deutsche Uebersetzer wenigstens in einer beygefuͤgten Anmer- kung die Gruͤnde dieser Wahl aus dem Alterthum erklaͤ- ren sollen: Nunc erat his locus. Allein wo ihn sein Bond, und die deutsche Acerra verlaͤßt, da waget er es nicht bald uns geheime Nachrichten aus der Antiquitaͤt mitzutheilen. von Horazens Dichtkunst. Dein stolzer Anfang pralt von seltnen Wundersachen, V. 31. 32. Dein stolzer Anfang pralt ꝛc.) Jch muß fast glauben, daß Hr. Gottsched befuͤrchtet habe, die figuͤrliche Vorstellung seines lateinischen Dichters moͤgte fur seine deutschen Leser zu unergruͤndlich seyn: Und daß er folglich aus blosser Guthertzigkeit das emblematische Bild in seine Elemente aufgeloͤßt, und darinnen von Hrn. Eckart, dem er doch oͤfters, als Horazen folget, abgewi- chen sey. Wie reizt uns denn hernach der magre Schluß zum Lachen? Kurz, alles was du schreibst muß schlecht und einsach seyn. V. 33. Kurz, alles was du schreibst, muß schlecht und einfach seyn.) Dieß ist der Schluß, womit Horaz, als mit einer Haupt- Regel seine bisherige critische Vorstellung beschließt: Denique sit quidvis, simplex duntaxat \& unum. Simplex, d. i. unvermengt, nicht aus vielen ungleichen Stuͤcken zusammengeflickt: et unum, d. i. nach einem Plan und nach einer Haupt-Absicht ausgefuͤhrt. Denn ob- gleich ein jedes Gedicht aus verschiedenen besondern Stuͤcken bestehet, so muß dennoch je eines in dem andern, alle zu- sammen aber in der Haupt-Absicht gegruͤndet seyn, damit sie nur ein gantzes ausmachen. Es ist mithin eine rechte Lust zu sehen, wie Hr. Gottsched diese Horazische Grund- Regel in einer beygefuͤgten Anmerckung bald auf den Wohl- stand in der Kleidung, bald auf die Fabel in einem Helden- gedichte, oder Schauspiele zuzueignen gewußt hat: Unge- achtet Horaz hier mehr auf die Wahl und die geschickte Zu- Doch, Piso, truͤgt uns oft des Guten falscher Schein. Die der verungluͤckte Schiffer, wenn er die Gefahr nicht uͤberstanden haͤtte, sondern in dem Schifbruch zu Grund gegangen waͤre, kein Gedicht mehr zu verarbeiten wuͤrde be- stellt haben. Pruͤffung der Uebersetzung Die Kuͤrze macht mich schwer V. 35. Die Kuͤrze macht mich schwer.) Hier hat Hr. Gottsched Horazens Sinn nicht so fast durch die Uebersetzung erklaͤren, als vielmehr mit einem Exempel erlaͤutern wollen: Es ist auch in der That diese Uebersetzung ziemlich dunckel und zweydeutig: Denn man moͤgte sie leicht dahin mißdeuten, als ob Hr. Gottsched von einer gar kur- zen Statur, und fast zwergemaͤßig, dabey aber corpulent und volleibig waͤre: wenigstens koͤnnten diejenigen spitzfuͤndi- gen deutschen Leser, welche das bekannte Spruͤchlein: Me- caͤnaten haben allzeit ihre Maronen gefunden, von welschen Castanien verstanden haben, nach ihrer Hermeneu- tick dieses Hemistichium nicht wohl anders aufnehmen. Es . Man will natuͤrlich singen, 35. Und sammenordnung und Einrichtung der Materie nach einer ge- wissen Zeichnung und Absicht uͤberhaupt, als auf die be- sondere Form eines Gedichtes sein Absehen gerichtet hat. Dabey aber ist gantz unerhoͤrt, daß diese horazische Regel einen Grund an die Hand geben sollte, des Ovidius Buͤ- cher von den Verwandlungen, als allzu bunt und kauder- welsch durch einander gemischt, zu verwerffen, darum weil darinne wohl etliche hundert Fabeln stehen: Gerade als ob des Aesopus oder Phaͤders Fabeln darum nichts taugten, weil diese sinnreichen Dichter mehr als eine gedich- tet haben: Da doch eine jede Fabel fuͤr sich selbst ein Ganzes ist, obgleich derselben etliche hundert in einem Buche bey- sammen stehen. Was aber das in der neuen Auflage hin- ten angeflickte haͤmische Urtheil von Miltons Paradies be- langet, welches beynahe das einzige ist, so dem Verfasser in der gantzen Critischen Dichtkunst als eigen zugehoͤret, so ist dasselbe eine Wirckung von einem gewissen Morbo chronico, der ihn erst seit An. 1740. uͤberfallen hat, und ihm unter- weilen das Gehirn so uͤbel zerruͤttet, daß er meynt, er sehe geistlich und weltlich, Christlich und Heidnisch, alt und neu, sehr seltsam durch einander lauffen, ja gar Himmel, Erden und Hoͤlle gantz unter einander vermischt. Auch die- sen Vers hat Hr. von Eckard nicht uͤbel getroffen: Eins wehle, wenn du schreibst, auf eins muß alles gehn. von Horazens Dichtkunst. Und leyret lahm und matt. Der strebt nach grossen Dingen, Und ist darum sehr wohl gethan gewesen, daß Hr. Gottsched in der zweyten Auflage seines Versuches einer Critischen Dicht- kunst fuͤr die Deutschen den Lateinischen Text des Horatius gleich gegenuͤber beydruͤcken lassen, damit diejenigen Leser, denen das Latein noch eben so gelaͤuffig ist als ihm, seine Uebersetzung daraus verstehen lernen. Er muß auch selbst gefuͤrchtet haben, es moͤgte dieser zweydeutige Ausdruck sei- nem majestaͤtischen Ansehen in der Einbildung vieler Leute nachtheilig seyn, er hat deßwegen in der dritten Herausgabe diesen Vers gantz umgegossen! Streb ich der Kuͤrze nach; mein Vers wird dunckel klingen. V. 36. Wer leichte Sachen liebt, wird niedertraͤchtig singen.) Also heißt es in der letzten Auflage. Allein das Horazi- sche Lenia oder Lævia geht nicht auf die Sachen, sondern auf die Rede oder den Ausdruck, und bezeichnet eine an- genehme leichtfliessende Schreibart, die durch nichts rauhes und harttoͤnendes unterbrochen wird: Nervi deficiunt ani- mique, will nicht sagen niedertraͤchtig; sondern matt, seicht, ohne Nachdruck und Leben. Es ist daher diese verbesserte Uebersetzung minder ertraͤglich, als die erstere: Man will natuͤrlich singen und leyret lahm und matt. So ungluͤcklich aber Hr. Gottsched gewesen ist, Horazens Sinn in seiner Uebersetzung zu treffen: So gluͤcklich ist er hingegen, diese Horazische Anmerckung durch sein Exempel zu bekraͤftigen: Er macht sich allerorten, insonderheit auch in dem Vorberichte zu dieser Dichtkunst die groͤste Ehre davon, daß er in die Zunst der Sectantium lenia und levia mitgehoͤre, und fast alle seine Reimen, die er doch den angehenden deutschen Poeten als Muster von seinen Regeln anpreiset, zeugen genugsam, quod nerv deficiant animique. Persius hat von diesem Gottschedischen Ge- schmack geprophezeyet: Quis populi sermo est? quis enim? nisi carmina molli Nunc demum numero fluere, ut per læve severos Effundat junctura ungues. Pruͤffung der Uebersetzung Und blaͤht sich schwuͤlstig auf. Wenn jener furchtsam schreibt Geschieht es, daß er gar am Staube kleben bleibt. V. 37. 38. Wenn jener furchtsam schreibt, geschieht es, daß er gar am Staube kleben bleibt) Hr. Gottsched mahnet mich hier an die plauderhaften Troͤ- delweiber, die ihre Erzehlungen mit der so beliebten Formel: Was geschieht! verknuͤpfen. Diese Formel so geschieht es daß dienet aber vornemlich den Vers leichtfliessend zu machen, und den Eckel der zarten deutschen Ohren zu ver- huͤten: Man lasse diese Formel weg, so wird ein jeder der Oh- ren hat, bald verspuͤren, wie holpericht der Vers klinget. Eckart, dessen Uebersetzung doch die Gottschedische veran- lasset hat, giebt dieses viel nachdruͤcklicher: Traut man sich gar nichts zu, so kriecht man auf der Erden. Man wuͤrde fast glauben, daß diese beyden Uebersetzer beym Horaz gelesen haͤtten: Serpit humi cautus nimium, timidusque procellæ. Allein da Gottsched in seinen beyden Editionen liest tutus nimium, so muß ich es einer straͤfflichen Nachlaͤßigkeit zu- schreiben, daß er seinen deutschen und verkleideten Horaz so sehr stuͤmmlet: Er wird ja nicht glauben, daß tutus nimium eben dasselbe sey, was timidus. Horaz will hier- mit anzeigen, daß eine kriechende und niedertraͤchtige Schreibart sowohl von einem allzugrossen Vertrauen auf sich selbst, und daher entstehender Nachlaͤßigkeit, als von einem allzugrossen Mißtrauen und verzagter Furchtsamkeit, da man gar nichts wagen darf, entstehen koͤnne. Wer sich bemuͤht, ein Ding sehr vielfach vor zustellen, V. 39. Wer sich bemuͤht, ein Ding sehr vielfach vorzu- stellen.) Rem prodigialiter variare, heißt nicht bloß, etwas vielfach vorstellen: Sondern es gehet auf das Ungemei- ne und Wunderbare; da man eine und eben dieselbe Sa- Malt leicht den Stoͤhr ins Holz, den Eber in die Wellen. 40. So von Horazens Dichtkunst. So leicht ist es geschehn, auch wenn man sich bemuͤht Von Fehlern frey zu seyn, daß sich der Kiel versieht. V. 41. So leicht (bald) ist es geschehn, auch wenn man sich bemuͤht, Von Fehlern frey zu seyn, daß sich der Kiel versieht.) Es braucht in der That eine feine Kunst und grosse Geschicklichkeit, wenn man kurtz ohne Dunckelheit, fliessend ohne Mattigkeit, erhaben ohne Schwulst, behutsam ohne Niedertraͤchtigkeit, und ungemein ohne Verletzung der Wahrscheinlichkeit schreiben will: Warum? Diese Fehler graͤnzen mit den Tugenden gar nahe zusammen, und eine angsthafte Behutsamkeit selbige zu vermeiden, wenn sie nicht durch die Kunst geleitet wird, stuͤrzet uns nicht selten mit- ten darein: Das ist Horazens Meinung mit dem Verse: In vitium ducit culpæ fuga, si caret arte. Hr. Gottsched hat das si caret arte als uͤberfluͤssig gaͤntz- lich weggelassen, und den Horaz nur dahin erklaͤrt, als ob er sagen wollte: Daß ein Poet, aller Behutsamkeit unge- achtet, gleichwohl nicht ohne Fehler seyn koͤnne. Aber dieses heißt vielmehr einem andern seine Meinung andich- ten, als eines andern Meinung durch eine treue Ueberse- zung erklaͤren. Man laͤßt ein Fechterspiel aus dichtem Erzte giessen; V. 43. Man laͤßt ein Fechterspiel aus dichtem Erzte giessen.) Jch kan gar nicht errathen, was Hr. Gottsched gesehen haben muß, als er diesen und die vier folgenden Reimen Da che immer in einem fremden und seltsamern Licht vorstel- len moͤchte, massen das Kindische und Frostige, wie Longin schon angemercket hat, eben aus einer Begierde allzeit etwas neues und ungemeines zu sagen entspringt. Der Hr. von Eckard hat dieses wiederum nicht uͤbel getroffen: Wer stets entzuͤcken will, und viel auf Wunder haͤlt, Stellt leicht den Stoͤhr ins Holz, den Ochsen in den Belt. Pruͤffung der Uebersetzung Da hat der Stuͤmper nun die Naͤgel an den Fuͤssen V. 44. Die Naͤgel an den Fuͤssen.) Wollte jemand fragen, ob denn ungues nur die Naͤgel an den Fuͤssen, und nicht eben so wohl die an den Haͤn- den bezeichne? So kan ich nur so viel sagen, daß die Fuͤsse hier ihren zureichenden Grund in dem Reinwort giessen haben. Und hingeschmieret hat: Es muß einer gar kein Latein verstehen, wenn er nicht mercken kan, daß Horaz von einem Giesser redet, der circa Ludum Aemilium gewohnet hat, dem er zwar das Lob beyleget, daß er die Naͤgel und die weichen Haare an einem Bild gar kuͤnstlich und natuͤrlich ausdruͤ- ken koͤnne, dabey aber nicht im Stande sey, ein ganzes Bild in seiner rechten Symmetrie aufzustellen. Sein Bond haͤtte ihn dieses lehren, und Hr. von Eckard haͤtte ihn vor einem solchen Schnitzer, der kaum einem Schuͤler zu ver- zeihen ist, verwahren koͤnnen. Dieser giebt den Vers: Aemilium circa ludum Faber imus, oder unus \&c. Seht an der Rennebahn den guten Giesser an, Der Naͤgel und das Haar gar kuͤnstlich bilden kan. Aber Gottsched wollte kurzum einen Stuͤmper haben, und muß das Lateinische so verstanden haben, als ob es stuͤhn- de: Faber, qui circa ludum ab Aemilio datum ære ex- primendum occupatur. Es ist darum auch das Bekaͤnnt- niß, welches er wegen dieses Fehlers in der Vorrede zu der zweyten Auflage ableget, desto merckwirdiger, weil er daselbst die Offenbarung dieses Schnitzers einem werthen Freunde und grossen Kenner des Alterthums verdan- ket, auch dabey erinnert, daß es heissen sollte: Beym Fechterplaz Aemils laͤßt man sich Bilder giessen. Und doch ungeachtet dieses Bekaͤnntnisses, welches in der neuen Auflage gantz feyrlich wiederholet worden, hat man in der Uebersetzung den alten Schnitzer wieder stehen las- sen; woraus man gantz sicher schliessen kan, wie viel Sorg- falt auf die Ausbesserung dieser Uebersetzung von Zeit zu Zeit verwendet worden. von Horazens Dichtkunst. Und jedes Haar des Haupts sehr kuͤnstlich ausgedruͤckt; 45. V. 45. Und jedes Haar des Haupts sehr kuͤnstlich aus- gedruͤckt) Hr. Gottsched hat hier seine Uebersetzung so einrichten muͤs- sen, damit er Anlaß haͤtte die lustige Anmerckung, die an dem Rande steht, beyzufuͤgen: Denn was Horazen belan- get, so tadelt er die kuͤnstliche Ausdruͤckung der Naͤgel und der Haare nicht als nichtswuͤrdige Kleinigkeiten; sondern er will nur so viel sagen, daß die Kunst eines solchen Gies- sers noch sehr unvollkommen sey. So ist auch der lateini- sche Ausdruck \& molles imitabitur ære capillos gantz poetisch, und fuͤr den Giesser sehr ruͤhmlich: Da insbeson- dere das Beywort Molles von grosser Deutlichkeit ist, und anzeiget, daß der Giesser die Haare so kuͤnstlich in hartem Erzt auszudruͤcken wisse, daß man sich fast verreden sollte, die Haare waͤren natuͤrlich und weich. Die Bildung uͤberhaupt ist plump und ungeschickt, Weil Ordnung und Gestalt und Stellung gar nichts taugen. V. 46. 47. Die Bildung uͤberhaupt ist plump und ungeschickt. ꝛc.) Jn der neuesten Auflage heißt es: Die ganze Bildung nur ꝛc. Von welcher Aenderung man zweifelsfrey den Grund in den verwehnten Ohren des Uebersetzers suchen muß: Gestalt Summa operis noch eher die Bildung, den rohen Plan, und die Form des Wercks uͤberhaupt bezeichnet, als das gantze wircklich ausgearbeitete Werck: nam pone- re totum opus nesciet. Gottsched, wann er diese Worte also uͤbersetzet: Weil Ordnung und Gestalt und Stellung gar nichts taugen, erkuͤhnet sich demnach von einem Wercke zu urtheilen, das nie- mahls zur Welt gekommen ist. Viel lieber wuͤnsch ich mir, bey schwarzem Haar und Augen, Ein scheußlich Angesicht und krummes Nasenbein, Als [Crit. Sam̃l. IX. St.] G Pruͤffung der Uebersetzung Als daß ein Vers von mir, wie dieses Bild soll seyn. 50 V. 50. Als daß ein Vers von mir, wie dieses Bild soll seyn.) Wenn diese Stelle einen Verstand haben soll, so muß man hier durch einen Vers ein gantzes Gedicht verstehen: Wer siehet aber nicht, daß diese Figur hier gantz ungeschickt angebracht worden? Sonst gehet die Vergleichung Hunc ego me, si quid componere curem, non esse velim, nicht auf das Bild, quod totum nunquam positum est; sondern auf den Fabrum selbst: Horaz sagt; Wenn er je ein poeti- sches Werck auszufuͤhren gedaͤchte, so moͤchte er in der Kunst diesem Giesser nicht aͤhnlich seyn; eben so wenig als einem Bilde, das neben schoͤnen schwarzen Haaren und Augen eine scheußliche und ungestalte Nase hat, die das gantze Angesicht verstellet. Jhr Dichter, wagt doch nichts, als was ihr wohl versteht, V. 51. Jhr Dichter, wagt doch nichts, als was ihr wohl versteht.) Es ist eben das, was Hr. von Eckard schon zuvor noch kuͤrzer gegeben hat: Schreibt nur was ihr versteht und das Geschick euch goͤnnt. Es ist aber diese Art des Ausdrucks zu unbestimmt. Ho- raz sagt viel einfaͤltiger: Jhr Dichter, wehlet euch eine Ma- terie, die ihr geschickt auszufuͤhren vermoͤget: damit es euch nemlich nicht gehe, wie dem oben eingefuͤhrten Giesser. Versuchts, wie weit die Kraft von euren Schultern geht, Und uͤberlegt es wohl: So wird nach klugem Waͤhlen, Den Schriften weder Kunst, noch Licht, noch Ordnung fehlen. V. 53. 54. So wird nach klugem Waͤhlen, den Schrif- ten weder Kunst, noch Licht, noch Ordnung fehlen.) Die Uebersetzung haͤnget hier gar uͤbel zusammen; es ist in dem vorhergehenden gar kein Wort von einer Wahl geredet Mich von Horazens Dichtkunst. Mich duͤnkt, daß sich allda der Ordnung Schoͤnheit zeigt, 55. Wenn worden, darauf sich hier der Nachsatz beziehen koͤnnte: Gottsched hat nur gewarnet, die Dichter sollten nicht alles unterfangen, sondern ihre Kraͤfte zuerst pruͤffen, und die Sache reiflich uͤberlegen. Nun will sich die Folge: So wird nach klugem Wehlen: ꝛc. mit dem Vordersatz gar nicht reimen. Daneben schreibt er den Vortheil, der aus einer guten Wahl natuͤrlicher Weise herfliessen soll, nicht dem Poeten, wie Horaz, sondern der Schrift selbst zu, die doch in diesem Fall noch als ungebohren betrachtet werden muß: Und endlich zertrennet er den doppelten Vortheil, den Horaz anfuͤhret in drey Absaͤtze. Horaz redet nur de facun- dia, welches unstreitig auf die Worte und einen geschickten Ausdruck gehet; und de ordine lucido, d. i. von einer sol- chen Verfassung der Materie, wodurch dieselbe in ihr rechtes Licht gesetzt wird. Der Hr. von Eckard, den er doch ziem- lich veraͤchtlich tractirt, und weit uͤbertroffen zu haben glaͤubet, hat diese Fehler groͤstentheils gluͤcklich vermieden, und den Verstand nicht uͤbel ausgedruͤckt: Habt ihr denn recht gewaͤhlt, so doͤrft ihr euch nicht quaͤlen, Euch wird an Worten nicht, noch auch an Ordnung fehlen. Es ist auch die Verwirrung, die Gottsched in seine Ueber- setzung gebracht hat, um so viel ungeschickter, weil sie uns die Eintheilung und Verknuͤpfung der folgenden Saͤtze des Horazen, die sich auf diesen doppelten Vortheil gruͤndet, gaͤntzlich aus den Augen ruͤcket; Massen er erstlich von dem Nutzen einer guten Ordnung, und dann von dem, was bey dem Ausdruck und dem Gebrauch der Woͤrter fuͤr Behutsam- keit zu beobachten sey, unterschiedlich handelt. Jch bin allzeit angestanden, ob das rem potenter legere in dem Sinn, wie es gemeiniglich genommen wird, mit dem latei- nischen Gebrauch uͤbereinstimme: Denn man sagt wohl pru- denter eligere; aber potenter ist ganz ungewoͤhnlich: Jch bin darum auf die Gedancken und die Vermuthung gefallen, res potenter lecta bezeichne hier, was man wohl gelesen und fleißig studiert hat. G 2 Pruͤffung der Uebersetzung Wenn man das Wichtigste von vorne zwar verschweigt, Doch raͤthselhaft entdeckt V. 56. Wenn man das wichtigste von vorne zwar ver- schweigt, doch raͤthselhaft entdeckt) Es ist so ferne, daß man aus diesem Stuͤcke der so ge- nannten deutschen Uebersetzung sollte errathen koͤnnen, wel- che Lateinische Verse dadurch sollten erklaͤrt worden seyn; daß man nicht einmahl wissen kan, was der Uebersetzer habe sagen wollen. Es laͤßt in der That nicht bloß raͤthselhaft, sondern gantz wiedersinnig, dasjenige was man ver- schweigt raͤthselhaft entdecken. Jn der beygefuͤgten An- merckung, wo er ohne Grund diese Horazische Stelle auf das Epische Gedichte und die Tragoͤdie insbesondere ziehen will, (da doch offenbar ist, daß Horaz von der Ordnung uͤberhaupt redet) stoͤßt er seine Uebersetzung wieder voͤllig uͤber einen Hauffen, wenn er anmercket, daß man in ei- nem Epischen und theatralischen Stuͤcke gleich von vorne, obgleich nur dunckel melden muͤsse, wovon es handle; da inzwischen die voͤllige Aufloͤsung der ganzen Verwirrung ganz aufs letzte bleiben muͤsse. Es waͤre denn Sache, daß etwas verschweigen, und es wiewohl nicht ausfuͤhrlich melden gleichguͤltige Redens- arten waͤren. Zwar kan man endlich noch aus der abson- derlichen Zueignung dieser Stelle auf das Epische und Thea- tralische Gedichte wohl mercken, wohin Hr. Gottsched mit seinem raͤthselhaften Ausdruck zielet; er will nemlich eben das zu verstehen geben, was Horaz unten von Homers Gedichte allen Epischen Dichtern zum Beyspiel angemercket hat: Nec gemino bellum Trojanum orditur ab ovo: Semper ad eventum festinat, \& in medias res. Non secus ac notas, auditorem rapit: \& quæ Desperat tractata nitescere posse, relinquit. Allein so gehts, wo man sich einmahl dergleichen seltsame Traͤume in den Kopf gesetzet hat, als wir von Hr. Gottsched angemercket haben, da er nemlich in dem Vorbericht zu die- ; und klug im Unterscheiden Die schoͤnsten Sachen wehlt, die schlechten weis zu meiden. Jn von Horazens Dichtkunst. Jn neuer Woͤrter Bau V. 59. Jn neuer Woͤrter Bau) Jch bitte hier nur anzumercken, wie die Metapher, deren sich der Lateinische Poet bedienet, ohne Vergleichung geschick- ter ist, als der Gottschedianische Woͤrter-Bau: Er ver- gleicht die Woͤrter mit dem Saamen, der ausgestreuet wird, und will, daß die neuen Woͤrter in einer Schrift nur duͤnne und mit Behutsamkeit gesaͤet seyn sollen. Sonst ist diese gan- ze Stelle bis auf den 67. Vers in dem II ten Theile der Criti- schen Dichtkunst Hrn. Prof. Breitingers auf dem 213. Blat u. f. in ein helles Licht gesetzt worden. , sey kein Poet zu kuͤhn; Das aͤltste laͤßt sich oft auf neue Sachen ziehn, 60. Nur muß die Redensart des Schreibers Sinn erklaͤren. V. 61. Nur muß die Redensart des Schreibers Sinn erklaͤren) Dieses ist eine so seltsame und unerhoͤrte Regel, an die Ho- raz wohl nicht gedacht haben mag, und deren Erfindung wir lediglich der philosophischen Einsicht Hrn. Prof. Gottscheds, als eines oͤffentlichen Lehrers der Welt-Weißheit und Dicht- kunst zu dancken haben. Doch ser Uebersetzung gantz keck vorgiebt: Die groͤsten Bewun- derer Horazens gestehen, daß dieses Werckgen ohne alle Ordnung geschrieben sey. Es ist freylich an dem, daß die Lateinischen Verse nicht ohne alle Schwierigkeit sind, und daß es unter den Criticis noch nicht ausgemachet, wie man diese Verse eigentlich eintheilen und absetzen soll: Doch ist so viel gewiß, daß Horaz hier nichts anders lehren will, als, man muͤsse eben nicht alles sagen, was man sagen koͤnnte, sondern allemahl nur so viel, als sich zu unserm Vorhaben schicket, und das mehrere auf eine andere Gelegenheit ver- sparen: welches der Hr. von Eckard wiederum nicht uͤbel ge- troffen: Sag was du sagen must: doch halt auch viele Stuͤcke Die du wol sagen kanst, vors erste noch zuruͤcke. G 3 Pruͤffung der Uebersetzung Doch sollten Kunst und Fleiß ein neues Ding gewaͤhren, V. 62. Doch sollten Kunst und Fleiß ein neues Ding gewaͤhren.) Jn dieser Uebersetzung kan ich wiederum nichts von dem philosophisch-poetischen Ausdruck des lateinischen Dichters ge- wahr werden: ..... Si forte necesse est, Indiciis monstrare recentibus abdita rerum. Er betrachtet die Worte als Zeichen der Gedancken und Sa- chen; und achtet gar nicht vor noͤthig hier zu lehren, wie neue Sachen koͤnnen entdeckt werden. So stellt mans ungescheut durch einen Ausdruck dar, Der unsern Vaͤtern noch was unerhoͤrtes war. Wer dieß bescheiden thut, dem kan mans nicht verwehren. 65. Zuweilen kan man auch der Woͤrter nicht entbehren, Die Griechenland uns leiht. V. 67. Die Griechenland uns leiht) Wie unbestimmt und kahl ist dieses gegen dem lateinischen: Si græco fonte cadant parce detorta. Was Plautus und Caͤcil Vorzeiten Macht gehabt, das kan ja auch Virgil. Hat Ennius uns nicht manch neues Wort gelehret? Hat Cato das Latein nicht ebenfalls vermehret, 70. Und manche Redensart zu Rom in Schwang gebracht? Wie koͤmmts denn, daß man itzt ein solches Wesen macht, Wenn ichs zuweilen thu? Wer hat mich hier zu schelten? Ein neuer Ausdruck muß gleich neuen Thalern gelten. V. 74. Ein neuer Ausdruck muß gleich neuen Thalern gelten.) So von Horazens Dichtkunst. So wie es alle Jahr belaubten Waͤldern geht; 75. Das welcke Laub faͤllt ab, das neue Blatt entsteht: So gehts den Sprachen auch. Ein altes Wort verschwindet, Jndem sich unvermerckt ein neuer Ausdruck findet. V. 77. 78. Ein altes Wort verschwindet, indem sich unvermerckt ein neuer Ausdruck findet.) Man darff nur das Lateinische zu Rath ziehen, so wird man bald sehen, daß dieses eine elende Translatio puerilis sey: Ho- raz sagt auf eine recht poetische Art: … Ita verborum vetus interit ætas, Et juvenum ritu florent modo nata, vigentque. Jn diesem gantzen Stuͤcke von dem 75. bis auf den 100. Vers hat sich Horaz als einen geschickten poetischen Mahler erwie- sen, und den Satz von der Unbestaͤndigkeit und leichten Ver- aͤnderung der Sprachen und Woͤrter mit praͤchtigen Bildern in Absicht auf den Unbestand aller menschlichen Dinge aus- geschmuͤckt. Dieses poetische Stuͤck hat er mit der Verglei- chung von dem Laube der Baͤume, welches alle Jahre abfaͤllt, eingefuͤhrt; und in dem Nachsaze dieser Vergleichung den Le- ser durch die kraͤftigsten Ausdruͤckungen zu der folgenden poe- tischen Erweiterung vorbereitet. Allein dieses sind lauter un- erkannte Schoͤnheiten fuͤr unsern Ueberfetzer, angesehen er dieses gantze Stuͤck so matt und nachlaͤßig uͤbersetzet hat, daß es zu erbarmen ist: welches um so viel straͤfflicher ist, da sein Dem Tode sind nicht nur wir Menschen unterthan, Sein Arm greift alles das, was menschlich heisset, an. 80. Hier laͤßt ein Julius den neuen Hafen bauen, Dem sich bey Sturm und Fluth die Flotten anvertrauen, Ein Der Hr. von Eckard hat dieses noch deutlicher gegeben: .... Die Reden sind wie Geld, Da neues altem gleich, wenns nur die Probe haͤlt. G 4 Pruͤffung der Uebersetzung Ein koͤnigliches Werck! Was kan Augustus thun? Er trocknet Seen aus, und kann nicht eher ruhn, V. 84. Er trocknet Seen aus, und kan nicht eher ruhn ꝛc.) Das Wunderbare, welches in dem Lateinischen herrschet, ist hier gaͤntzlich verwahrloset. .. Sterilisve palus prius aptaque remis Vicinas urbes alit, et grave sentit aratrum. Als bis wir, wo der Wind die Flaggen pflegt zu wehen, 85. Ein fruchtbar Ackerland und fette Wiesen sehen. Noch mehr, er aͤndert gar der Tyber alten Lauf, Und schraͤnckt die Fluthen ein. V. 87. Noch mehr, er aͤndert gar der Tyber alten Lauf, und schraͤnckt die Fluthen ein. Das cursum frugibus iniquum ist gaͤntzlich ausgelassen, und das Doctus iter melius gantz geschwaͤcht. Das letzte giebt der Hr. von Eckard: Heißt ihn in Schrancken gehn. Das allzumal hoͤrt auf; Der groͤßten Wercke Pracht muß endlich untergehen: Wie koͤnnten denn der Zeit die Sprachen widerstehen? 90. V. 90. Wie koͤnnten denn der Zeit die Sprachen wider- stehen? Auch diese Stelle hat der Hr. von Eckard nicht ungluͤcklich uͤbersetzt: So Vorgaͤnger, der Hr. von Eckard, einige Stellen mit einer poetischen Munterkeit recht lebhaft ausgedruͤcket hat: als z. E. So gehts den Woͤrtern auch; bald siehet man sie stehn Jn ihrem Jugend Flor, bald abgelebt zerfallen. Der Tod behaͤlt sein Recht an uns so wohl als allen, Was immer unser heißt. .... von Horazens Dichtkunst. So manch verlegnes Wort, das laͤngst vergessen war, Koͤmmt wieder an das Licht, und stellt sich schoͤner dar, Und was man itzo braucht, das wird man einst vergessen; Kurz, Sprachen muͤssen sich nach der Gewohnheit messen. V. 99. Kurz, Sprachen muͤssen sich nach der Gewohn- heit messen.) Neben dem, daß der deutsche Ausdruck ziemlich undeut- lich ist, so ist auch dieser Vers mit eben dem Fehler behaf- tet, daß er den Nachdruck der Grundschrift gaͤntzlich verwahr- loset. Jch darf mich nicht scheuen, des Hrn. von Eckards Verse auch hier den Gottschedischen an die Seite zu setzen: .... Man wird nach unsern Tagen Viel wiederkommen und auch viel verfallen sehn, Die izt bey jedermann in vollen Ehren stehn; Wenn dem gemeinen Brauch, der hier Geseze giebet, Und Oberherrscher ist, es dermahleinst beliebet. Gehts nun den Thaten so, was wollen Worte klagen, Daß man sie uͤberlebt? ..... Nachricht von einigen Nachrichten von einigen neuen Schrifften. F Olgende Schrifften, von denen mir zwar mei- stens nur die Titel mitgetheilet worden, schei- nen mir von einer Natur zu seyn, die mit den Ab- sichten gegenwaͤrtiger Sammlung allerdings uͤber- einstimmt. Jch will sie dem Leser in der Hoff- nung ankuͤndigen, daß die Verfasser mir selbige anvertrauen und vergoͤnnen werden, sie kuͤnfftig nach und nach in dieser Monatschrift an das Licht zu stellen. Der Antichrist des Witzes, oder die Geschich- te von der geistlichen Hierarchie in Dingen, die Geist und Witz anbelangen. Jn diesem Wercke werden die Mittel und Staats-Regeln erzehlet, durch welche die herrschenden Poeten sich uͤber den Verstand und das Urtheil erhoben, durch was vor Anstalten und Verfassungen sie sich bey der Herr- schafft erhalten, und wie dapfer sie den Nachstel- lungen und Ueberfaͤllen ihrer Gegner widerstan- den haben. Von der Geburt, dem Wachsthum und dem A ter der Grillen, oder physicalische Beschrei- bung, wie die Grillen erstlich gleich dem Frosch- le che mit einem halben Leben in dem Kopfe des Dichters als Embryones liegen; wie man sie gleich nach ihrer Geburt schreyen lehret; wie sie her- nach, wenn sie halb ausgewachsen sind, in den Rei- neuen Schrifften. Reimen zu paaren in Ordnung gestellet werden, und auf poetischen Fuͤssen dem Boden nach krie- chen lernen; endlich wie sie nach einem dreytaͤgi- gen Leben durch ihre eigene Bloͤdigkeit einfallen, und Angesichts verschwinden. Die neueste Art der Complimente mit nach- druͤcklichen Exempeln aus den Schrifften Gottsch. Schwab. Schwartzens, und anderer hoͤflicher Leu- te belebet. Von dem Regimente des Storchen uͤber die Froͤsche. Dieses Werck ist voll politischer Grund- regeln, die in einer historischen Form vorgetra- gen werden. Es wird umstaͤndlich erzehlt, wie der Storch auf den vortrefflichen Einfall gekommen, bey dem Volck der Froͤsche gantz willkuͤhrliche Gesetze einzufuͤhren, welche keinen Grund in dem Wohlseyn, oder der Beduͤrfniß derselben haben, sondern eine blosse Erfindung des Gehirns und des Eigensinns sind: und was vor grosser Nutzen daher fuͤr die Person des Regenten entstanden, wie er dadurch in den Stand gekommen, der Un- terdruckung einen Titel zu geben; der Tugend des Gehorsams Gelegenheit gegeben, in ihrem schoͤn- sten Lichte zu erscheinen, und neue Rechte erlan- get, seine Tafel-Guͤter zu vermehren ꝛc. Untersuchung eines Gewissensfalles, wie eine geschickte Freundin sich zu verhalten haͤtte, falls sie die Unordnung und das Elend in den Schriff- ten ihres Freundes, theils durch die Kraft ihres eigenen Verstandes, theils aus den Straff- und Lehrschriften seiner Gegner erkennete; ob sie die Par- Nachricht von einigen Partey der Wahrheit oder der Freundschafft er- greiffen sollte. Die elenden Poeten Deutschlands auf einem Gastgebothe mit Apollo, dem Momus, und dem Silenus. Beweis, daß eine artige Luͤgen erlaubt sey, wann der Ruhm und das Ansehen eines herrschen- den Dichters damit gerettet werden kan; daß man im uͤbrigen alle Falschheit vermeiden, und Treue und Glauben halten muͤsse. Vollstaͤndiges Verzeichniß der Spottnamen und Scheltworte, welche den schweitzerischen Kunstrichtern von denjenigen angehaͤnget worden, welche sie beflissen gewesen waren, verstaͤndiger zu machen. Kurze Liste derjenigen deutschen Poeten, wel- che nicht um das Brod, noch aus Schuldigkeit, sondern krafft ihres Naturells und um die Ehre geschrieben haben. Beweis, daß es keine Schande sey, die deut- sche Sprache nicht zu verstehen. Es wird aus dem Hauptgrunde bewiesen, weil so viele Ertzvaͤter, Propheten, Weltweise, Heilige und Helden sie nicht verstanden haben. Untersuchung, wie viel ein Beweis, der in der schweitzerischen Mundart abgefasset ist, dadurch von seiner Buͤndigkeit verliehre. VIN- neuen Schrifften. VINDICIÆ HALLERIANÆ, oder Rettung der Sprache Hr. Hallers, die von gewissen Sprachrich- tern der Haͤrtigkeit, der Zweydeutigkeit, und der Dunckelheit angeklaget worden. Die Muͤtze, eine Erzehlung aus dem Lande der Feyen. Die Nymfe Nefeline hatte den Koͤ- nig Laurin mit einer Muͤtze beschenckt, so die Tu- gend hatte, daß ein jeder, der sich damit den Kopf warm machete, in eine hertzliche Zufriedenheit mit allen seinen Einfaͤllen verzuͤcket ward. Eine ande- re Nymfe, Nahmens Gustosa, nahm ihm diese be- truͤgliche Kappe, und gab ihm fuͤr dieselbe eine ande- re, die von der Kraft war, daß sie den Kopf von abgeschmackten Einfaͤllen und falschen Gedancken reinigte. Dem Koͤnig Laurin schmeckete izo keine Zeile mehr von seinen vorigen Geburten, er war mit seinen besten Gedancken niemahls zufrieden, er arbeitete langsam, und strich mehr Verse wieder aus, als er behielt. Jndessen hatte die neue Muͤtze nur den Geschmack geheilet, das Hertz war verderbt geblieben. Er bedaurete den Verlust sei- nes Jrrthums, und verlangete nach seiner vori- gen Gluͤckseligkeit. Gustosa fand sich dadurch be- leidiget, und warff ihm seine alte Muͤtze wieder zu.