Theorie von der Generation. in zwo Abhandlungen erklaͤrt und bewiesen von Caspar Friedrich Wolff, der Arzneygelahrtheit Doktor. Berlin , gedruckt bey Friedrich Wilhelm Birnstiel. 1764 . Vorrede. J ch habe diese Schrift anfaͤng- lich nicht in der Absicht ver- fertiget, um sie drucken zu las- sen. Einige meiner guten Freunde, worun- ter der seel. Herr Dokt. Gustav Mat- thias Ludolf, dessen Andenken mir immer schaͤtzbar bleiben wird, der vornehmste war, verlangten von mir, daß ich Jhnen einen Auszug aus meiner Jnauguraldissertation, die eine Theorie der Generation enthielt, ma- chen sollte. Dieser Auszug sollte nur die allgemeine Entstehungsart der Theile eines organischen Koͤrpers in sich fassen; in die be- sondere Umstaͤnde und Ursachen, die zur For- mation dieses oder jenen Theiles besonders )( 2 erfor- Vorrede. erfordert werden, sollte ich mich nicht einlas- sen. Jch sollte erklaͤren, wie sowohl bey Pflanzen, als auch bey Thieren, Gefaͤße entstehen; warum diese ein Herz haben, und jene nicht; wie ferner uͤberhaupt solche Thei- le bey beyden entstehen, die aus andern klei- nern Theilen zusammengesetzt sind, und zu- sammengenommen unmittelbar den ganzen Koͤrper ausmachen, wie bey den Pflanzen die Blaͤtter, der Kelch, die Saamenkapsel; bey den Thieren die Fuͤße, die Fluͤgel, die Nieren u. s. w. sind. Was aber erfordert wird, wenn an diesem Orte Blaͤtter, nicht ein Kelch, an einem andern ein Kelch und keine einfache Blaͤtter, und wieder an einem an- dern ein Saamenbehaͤltniß und kein Kelch herfuͤrgebracht wird, darum sollte ich mich nicht bekuͤmmern; im Gegentheil aber sollte ich nunmehro auch diese allgemeine Grund- saͤtze der Theorie von der Generation deutli- cher erklaͤren, alles weitlaͤuftiger aus einan- der setzen, und mich uͤberhaupt dabey einer Schreibart bedienen, die weniger methodisch und kurz, aber um eben so viel leichter und angenehmer ist. Besonders sollte ich um- staͤndlicher erklaͤren, was es mit der Con- ception Vorrede. ception fuͤr eine Bewandniß hat. Jch habe dieses alles gethan, und mein Manuscript verrichtete das, wozu es bestimmt war. Nunmehro aber haben sich die Um- staͤnde geaͤndert. Mein Freund lebt nicht mehr; hingegen habe ich von Ew. Hoch- wohlgebohren dem wuͤrklichen Leib- Medico Sr. Koͤniglichen Majestaͤt auch General-Stabs-Medico der Koͤnigli- chen Armeen, Herrn Geheimen Rath Cothenius, Dessen bey vielen Gelegen- heiten mir bezeigtes guͤtiges Wohlwollen hier oͤffentlich mit Dank zu erkennen, ich fuͤr meine Pflicht erachte, die Erlaubniß er- halten, hier die Physiologie und andere Col- legia zu lesen, so wie dieses schon ehedem bey dem Lazareth in Breslau eine von Ew. Hochwohlgebohren mir aufgetrage- ne Funktion gewesen ist. Es liegt mir jetzo eben so viel daran, meinen Zuhoͤrern einen vollstaͤndigen Begriff von dem Gene- rationsgeschaͤfte zu machen, als mir da- mals daran gelegen war, meinen Freun- den meine Entdeckung in dieser Sache um- staͤndlich zu erklaͤren. Das ist die Ursache, )( 3 warum Vorrede. warum ich mich entschlossen habe, mein al- tes Manuscript wieder hervor zu suchen und es drucken zu lassen. Allein es ist noch eine andere Ursache, die mich eben so sehr, als die vorige dazu bewogen hat. Herr Bonnet hat in sei- nen Betrachtungen uͤber die organischen Koͤrper sich angelegen seyn lassen, das be- kannte System des Malpigh von der Evolution zu vertheidigen. Er hat accu- rat diejenige Beweise, die sich aus meinen Beobachtungen zum Vortheil der Epigene- sis hernehmen lassen, mit grossem Eifer be- stritten; aber ich habe noch andere Gruͤn- de, wodurch ich gewiß versichert bin, daß Epigenesis uͤberhaupt bey ihm eigentlich so viel als meine Theorie insbesondere und vornehmlich bedeutet. Seine Schreibart ist uͤbrigens so beschaffen, daß man daraus urtheilen sollte, er habe die Evolution ausser allen Zweifel gesetzt; das Wort demonstriren ist sein gewoͤhnlicher Terminus. Da aber seine angefuͤhrte Gruͤnde das Wesentliche der Sache nicht beruͤhren, und nur denenjenigen, die sich in die Vorrede. die hieher gehoͤrige Untersuchungen und Ex- perimente nicht besonders eingelassen haben, wahrscheinlich vorkommen koͤnnen; so habe ich geglaubt, es sey accurat meine Sache, dieses zu zeigen. Jch hatte in meinem Manuscript die Jdee von einer Theorie der Generation entwickelt, und eine Histo- rie von den vornehmsten Meynungen uͤber dieselbe beygefuͤgt, um diese mit jener zu vergleichen. Zu diesen habe ich also die Widerlegung der Einwuͤrfe des Herrn Bonnet hinzugesetzt, und daraus ist die vorlaͤufige Abhandlung entstanden. Der Herr Baron von Haller, den ich fuͤr denjenigen erkenne, der am besten die Untersuchungen in diesem Theile der Physick zu beurtheilen im Stande ist, des- sen Ausspruͤche auch uͤberhaupt in allen dem- jenigen, was die Natur des thierischen Koͤr- pers betrift, allezeit bey mir ein großes Ge- wicht haben werden, dieser große Ge- lehrte hatte mir die Ehre erzeigt, nicht nur in Briefen, sondern auch oͤffentlich in den Goͤttingischen gelehrten Anzeigen seine Ge- danken uͤber meine Theorie zu eroͤffnen, )( 4 und Vorrede. und mir einige Zweifel wider dieselbe vorzu- stellen: ich habe mich also auch zugleich be- muͤhet, diese Zweifel aufzuloͤsen, und zu dem Ende habe ich auch zu der vorlaͤufigen Ab- handlung die Recension hinten beydrucken lassen. Uebrigens habe ich in der Theorie selbst, die in der zwoten Abhandlung enthalten ist, nicht nur den ehemaligen Auszug, wie er Anfangs war, mehr erweitert, und dabey dennoch aber allenthalben auf die Deutlich- keit und Leichtigkeit des Vortrages gesehn, sondern auch verschiedene Sachen hin und wieder hinzugesetzt, die in meiner Disserta- tion nicht befindlich sind. Jn- Jnhalt . Erste Abhandlung. 1. Abschnitt. Begriff einer Theorie von der Generation. 1 Jn den bisher bekannten Schriften von der Gene- ration ist keine Theorie von derselben ent- halten. 2 Erklaͤrung des Wortes Generation. 7 Beschaffenheit einer Theorie von derselben. 7 Unterscheid dieser Theorie von der Physiologie. 11 2. Abschnitt. Historie der verschiedenen Hypothesen von der Generation. Erste Klasse. Hypothesen der Alten. 14 Zweyte Klasse. Schriften von der Vegetation der Pflanzen. 17 Drit- Dritte Klasse. Beobachtungen bey vierfuͤßigen Thie- ren. 25 Vierte Klasse. Beobachtungen an den Eyern. 26 Fuͤnfte Klasse. Hypothesen der Praͤdelineation. 27 Needham und Buͤffon. 28 Des Herrn Baron von Hallers Beobachtungen 33 Bonnet. 34 3. Abschnitt. Beweiß der Epigenesis. 35 1) Unwahrscheinlichkeit der Hypothesen von der Praͤdelineation 39 Man findet nichts in der Natur was einer Evolution aͤhnlich waͤre 40 Die bey den Pflanzen und Jnsekten wahrgenommene Einwickelung der juͤngern in den aͤlteren Theilen ist keine solche Evolution, wie sie in den Hypothesen angenommen wird 46 Vergleichung der Hypothesen von der Praͤdelineation mit der vorher bestimmten Harmonie und dem Jdealismus 59 Ein zweyter Grund der Unwahrscheinlichkeit der Praͤ- delineation 72 2) Aufloͤsung der Schwierigkeiten die wider die Theorie des Verfassers gemacht sind 74 Der Satz, was ich nicht sehe, ist nicht da, ist keine Stuͤtze dieser Theorie, wie solches vorgege- ben wird 76 Er hat auch gar keinen Einfluß in dieselbe und die Theorie gruͤndet sich auf lauter reine Beo- bachtungen 80 Die Die Art, wie sich der Herr von Haller die allmaͤh- lige Erscheinungen der Gefaͤße auf der area umbilicali vorstellt, stimmt mit den Beo- bachtungen nicht uͤberein 91 3) Widerlegung der Einwuͤrfe des Hrn Bonnet 97 Wenn ein Theil des Embryo da ist, so ist weder die Kleinheit noch die Durchsichtigkeit desselben wie Herr Bonnet glaubt, so beschaffen, daß er deswegen unsichtbar wuͤrde; und noch weniger kann die Ruhe dieses zu wege bringen 99 Allein diese Wahrheit wird beym Beweise der Epi- genesis dennoch nicht zum Grunde gelegt 101 Aus der Fortsetzung der Gedaͤrme des Embryo in die Haut des Gelben vom Ey folgt gar nicht daß beyde immer zugleich haben eristiren muͤssen 102 Weitere Erklaͤrung wie es sich mit dieser Continuation und besonders mit den Gefaͤßen in diesen Theilen verhaͤlt 109 Beschaffenheit der Gefaͤße in dem Mesenterio des Frosches und uͤberhaupt in dem Erwach- senen 121 Noch ein anderer Beweis der Epigenesis, der von der Fluͤßigkeit der ersten Theile hergenom- men ist 130 Zweyte Zweyte Abhandlung. Theorie von der Generation . 1. Kap . Von den verschiedenen Arten der Theile in den organischen Koͤrpern die eine verschiedene Entstehungsart erfordern §. 1-14. 2. Kap . Von der Entstehungsart der Gefaͤße und des zellenfoͤrmigen Gewebes in den Pflanzen. 1) Wahre Beschaffenheit dieser Theile §. 15. 16. 2) Hieraus wird geschloßen wie es sich mit ihrer Entstehungsart verhalten muͤße §. 17. 3) Daß es sich mit derselben aber auch wuͤrklich so verhalte, wird unmittelbar durch Observationen a posteriori bewiesen §. 18-21. 4) Voll- 4) Vollstaͤndige Erklaͤrung durch was fuͤr wuͤrkende Ursachen und auf was fuͤr Art das zellenfoͤrmige Gewebe und die Gefaͤße herfuͤrgebracht werden §. 22-27. 5) Allgemeines Gesetz bey der Formation der natuͤr- lichen organischen Koͤrper §. 28. 6) Wie die organische Struktur und die vegetabili- sche Verrichtungen von einander dependiren §. 29. 3. Kap . Von der Entstehungsart der Gefaͤße und des zellenfoͤrmigen Gewebes in den Thieren. 1) Wahre Beschaffenheit der Gefaͤße der Thiere §. 30. 31. 2) Erklaͤrung ihrer Entstehungsart durch Observa- tionen bewiesen §. 32-34. 3) Wie die Haͤute bey den Gefaͤßen der Thiere nach und nach entstehen. Des Hrn. von Hallers Zwei- fel hierbey werden zugleich gehoben §. 35-38. 4) Warum die Gefaͤße der Thiere ramificirt sind, die Gefaͤße der Pflanzen aber nicht §. 39-42. 5) Warum bey den Thieren ein Herz entsteht, bey den Pflanzen aber nicht §. 43-45. 4. Kap. 4. Kap . Von der Entstehungsart der vor sich bestehen- den und der aus andern zusammengesetzten Theile in den Pflanzen. 1) Erklaͤrung der ganzen Entsiehungsart aller die- ser Theile uͤberhaupt §. 46-51. 2) Besondere Formation verschiedener Theile die zu dieser Gattung gehoͤren, vornehmlich der Blaͤtter die zugleich wider Hr. Bonnet einen augenschein- lichen Beweis von der Epigenesis geben §. 52-58. 2) Zwote Art der Organisation der Theile, wodurch das allgemeine Gesetz von der Formation weiter bestimmt wird §. 59. 5. Kap . Von der Entstehungsart eben derselben Theile in den Thieren. 1) Erklaͤrung der Entstehungsart dieser Theile §. 61. 62. 2) Beweis durch die Beobachtung der Fluͤgel, der Fuͤße und der Nieren. Analogie mit den Pflan- zen §. 63-66. 3) Vor- 3) Vorstellung der ganzen Formation eines Thieres, wie sie nach und nach geschiehet §. 67-74. 6. Kap . Von der Conception. 1) Entwicklung des Begriffs der Conception und Zusammenhang derselben mit den uͤbrigen Funkti- onen, die zusammen die Generation ausmachen §. 75. 76. 2) Was es mit der Vegetation einer einfachen Pflan- ze fuͤr eine Beschaffenheit habe: wie sie durch Herfuͤrbringung der Fruktification endlich voͤllig geendigt wird, und was hiervon die Ursache sey §. 77-83. 3) Dieses alles wird, da es der Grund von dem ganzen Conceptions-Geschaͤfte ist, durch mehrere Erfahrungen weitlaͤuftig bestaͤtiget §. 84-88. 4) Hieraus wird die ganze Conception erklaͤrt und bewiesen §. 89-94. 5) Conception bey den Thieren §. 95-98. Anhang. Anhang. Wiederholte Versuche. Beschaffenheit der ersten Anlage zu den Fluͤgeln und Fuͤßen, imgleichen der Brust und des Unterlei- bes pag. 257. Beschaffenheit der ersten Gefaͤße in der Area 260 Von der Bewegung des Herzens 264 Von der Continuation der Haͤute des Eyes in den Embryo 272. Vor- Vorlaͤufige Abhandlung von der Theorie der Generation uͤberhaupt, und von den verschiedenen Hypothesen die man bishero um sie zu erklaͤren angenommen hat. J ch muß mich also wohl endlich ent- schließen, diese sehr unangeneh- me Arbeit uͤber mich zu nehmen, wenn ich Friede und Ruhe vor Jhnen, mein lieber Freund, haben will. Jch will es thun, wie ich es schon oft versprochen habe, und zwar jetzo gleich; nur erlauben Sie mir zu- A vor Begriff einer Theorie vor noch, Jhnen zu sagen, daß nichts in der Welt verdrießlicher sey, als eine Sache, die man ein- mahl in ihrem ganzen Umfange, und nach allen ihren Kleinigkeiten durchgedacht hat, hernach von neuen wieder vorzunehmen, und sie nach eben den- selben Kleinigkeiten, bloß einer andern Ordnung, oder einer andern Schreibart wegen, noch einmahl wieder durch zu arbeiten, und daß nichts in der Welt unertraͤglicher sey, als ein Freund der dem andern so lange martert, bis er sich endlich frey- willig entweder, oder nicht freywillig, dennoch aber wuͤrklich entschließt, dieses aͤngstliche Ge- schaͤfte geduldig anzufangen. 1. Abschnitt. Begriff einer Theorie von der Generation . Jn den bis- her bekaun- ten Schriften von der Gene- ration ist kei- ne Theorie derselben ent- halten. J ch glaube, daß ich mich nicht sehr irre, wenn ich sage, daß ungeach- tet der vielen Schriften, die in den aͤl- tern so wohl, als in den neuern Zeiten uͤber die Generation herausgegeben sind, deñoch bishero noch niemand eine wuͤrk- liche Lehre von der Generation, die uͤbrigens auch falsch seyn moͤchte, gegeben, oder, die Generation wuͤrklich weder wahr noch falsch erklaͤrt habe. Es wird Jhnen scheinen als wenn hierinn etwas wi- dersprechendes waͤre; deswegen will ich mich deut- licher erklaͤren. Setzen von der Generation. Setzen Sie daß Jhnen jemand eine Historie zum Exempel, von der Generation gibt, und daß er Jhnen diese Historie fuͤr eine Erklaͤrung dersel- ben aufdringen wollte, so wuͤrden sie sagen, er ha- be Jhnen diese Erscheinung zwar erzehlt, aber nicht erklaͤrt, er habe Jhnen dieselbe nicht nur nicht wahr, sondern auch nicht einmahl falsch, und mit einem Worte, er habe sie gar nicht erklaͤrt. Sie sehen also hieraus schon, daß zwischen falsch erklaͤ- ren, und nicht erklaͤren ein Unterschied sey, und daß es gar wohl moͤglich sey, von einer Sache zu reden, ohne sie doch weder wahr noch falsch zu erklaͤren. Wie ist es aber moͤglich, werden Sie sagen, daß man sich so sehr verkennen, daß man eine Historie fuͤr eine Erklaͤrung ansehen sollte? Dieses ist geschehen, wie Sie in der Folge sehen werden; allein es ist ja auch eben nicht noͤthig, daß das, was man sagt, eine Historie sey, um keine Erklaͤ- rung der Generation zu seyn. Wie vielerley Sa- chen wolte ich Jhnen in der Welt nicht sagen, oh- ne Jhnen doch weder die Geschichte der Genera- tion erzehlt, noch die Generation erklaͤrt zu haben. Wie also, wenn unsere Verfasser, indem sie die Er- zeugung zu erklaͤren glaubten, indessen von einer ganz andern Sache gehandelt haͤtten? Aber auch dieses wird Jhnen unglaublich vorkommen, und auch hiervon werden sie dennoch in der Folge ver- schiedene Exempel sehen. Endlich aber ist es auch moͤglich, daß das, was man sagt, ziemlich genau das Ansehen einer A 2 Erklaͤ- Begriff einer Theorie Erklaͤrung haben koͤnne, da man doch in der That weder diese noch irgend eine andere Sache, weder historisch erzehlt, noch erklaͤrt, und kurz, da man in der That eigentlich gar nichts gesagt hat. Wenn man als eine besondere Erscheinung die Anziehung des Magneten durch eine anziehende Kraft, die man ihm zueignete, erklaͤren wolte, so wuͤrde die- ses das Ansehen einer Erklaͤrung haben, und doch keine seyn, indem sie eben das, was erklaͤrt wer- den soll, zum voraus setzt, und also nicht erklaͤrt. Eben so verhaͤlt es sich mit den Erklaͤrungen der Alten aus den so genannten verborgenen Ursachen ( qualitatibus occultis ). Und dieses ist die dritte Art sich zu betruͤgen, sich einzubilden, daß man die Generation erklaͤrt oder eine Lehre von der derselben gegeben habe, da man sie doch in der That gar nicht erklaͤrt hat. Wenn ich uͤberdem nun noch dieses hinzu setze, welches die Erfahrung alle Tage bestaͤtiget, daß es eben kein so seltenes Phaͤnomen sey, wenn ein Gelehrter sich vornimmt etwas abzuhandeln, ohne solches vorher genau zu bestimmen, und also ohne zu wissen, was er eigentlich abhandeln will, wenn er dem ungeachtet wuͤrklich ein Buch von einer anstaͤndigen Groͤße ausarbeitet, und noch nicht weiß, was in seinem Buche eigentlich enthal- ten ist, und dieses auch in seinem Leben niemahls erfaͤhrt, wenn das alles sage ich, in der Republick der Gelehrten eben keine so seltene Erscheinung ist, so wird es Jhnen nun so wunderbar und wider- sprechend nicht mehr vorkommen, wenn ich sage daß von der Generation. daß ungeachtet der großen Menge Buͤcher, die von der Generation handeln sollen, sie doch kaum ein einziges finden werden, in welchem die Genera- tion entweder wahr oder auch nur falsch erklaͤrt sey. Ehe ich aber weiter gehe, und aus dem Be- griff der Lehre von der Generation zeige, daß al- les das, was davon geschrieben ist, keine Lehre von der Generation genennt werden koͤnne, so will ich eine kleine Anmerckung machen, die sehr noͤthig seyn wird. Noch vor einem Jahre glaubte ich, daß wuͤrcklich niemand die Generation weder wahr noch falsch erklaͤrt habe. Jch haͤtte in dieses Vor- urtheil nicht verfallen sollen, denn das Buch, worinn die Generation nothwendig erklaͤrt, obwohl falsch erklaͤrt seyn muste, war mir dem Nahmen nach, und der Verfasser desselben war mir seinen Eigenschaften nach sehr wohl bekannt. Jetzo also sage ich, es hat niemand einen einzigen, aber auch nur diesen einzigen, ausgenommen, die Ge- neration, auch nicht einmahl falsch erklaͤrt. Jch habe im Vorhergehenden zu einem Exempel einer nur scheinbaren Erklaͤrung die anziehende Kraft, in sofern sie zur Erklaͤrung der Wuͤrkung des Magneten angewendet wuͤrde, und die verborge- ne Ursachen derer Alten angefuͤhrt, und ich setze jetzo hinzu, daß diese scheinbare Erklaͤrungen bey denen Alten so gewoͤhnlich waren, daß man sie bey nahe uͤberhaupt ihre Art zu philosophiren nennen koͤnnte. Cartesius, dieser große Mann, der uns fast kein wahres Wort gesagt hat, und der dem ungeachtet bis zum bewundern groß ist, ent- A 3 deckte Begriff einer Theorie deckte zuerst die Falle, worinn sich vor ihm alle Philosophen gefangen hatten. Er sagte, wo ich mich nicht sehr irre, so sind ja wohl diese Erklaͤ- rungen keine Erklaͤrungen, er zeigte wie eine Erklaͤrung aussehen muͤste, und lehrte wie man philosophiren muͤste, wenn man es wuͤrklich thun, und nicht nur den Schein, als ob man es gethan haͤtte, haben wollte. Und hierin bestun- den des des Cartes vornehmste Verdienste. War es also wohl Wunder, wenn dieser zu philosophische Geist die anziehende Kraft gar nicht einmahl lei- den konnte? Allein war ich eben deswegen nicht blind, wenn mir bey meiner Generation, die noch niemand erklaͤrt haben sollte, das Buch de Ho- mine \& formato fœtu nicht einfiel? Jch hatte es nicht, und ich dachte, des Cartes, der noch kei- ne physische Wahrheit entdeckt hat, wird auch die Ursachen der organischen Koͤrper nicht entdecken, vornehmlich da er keine Vergroͤßerungsglaͤfer hat, da er keine Versuche liebt, da er sich um unsere Welt gar nicht bekuͤmmert. Das war alles rich- tig, und sehr richtig; allein daß Cartesius die Sache auch nicht falsch wenigstens erklaͤrt haben sollte, dieses haͤtte ich von ihm nicht dencken sollen. Jch bekam nachhero das Buch de homine \& for- mato fœtu, und lase es der Historie wegen; ich sahe also daß Cartesius sehr accurat, ob wohl so falsch als moͤglich, erklaͤrt hatte. Jndessen ist Cartesius wuͤrcklich der ein- zige der erklaͤrt und zwar falsch erklaͤrt hat. Die andern alle haben gar nicht erklaͤrt und dieses von der Generation. dieses werden sie aus der nun folgenden Erklaͤ- rung der Lehre von der Generation und der als- dann mit derselben verglichenen Historie dieser Lehre bald einsehen. Ein jeder versteht unter dem Worte Erklärung des Wortes Gener a- tion. Be- schaffenheit einer Theo- rie von der- selben. Generation die Art, wie ein organi- scher Koͤrper (eine Pflanze, ein Thier) nach allen seinen Theilen, durch Huͤl- fe anderer organischen Koͤrper, von derselben Art, hervorgebracht wird. Diese Erklaͤrung habe ich in der Dissertation von dem Worte Generation gegeben ( Expos. Instit. §. 1.) Wer also die Generation erklaͤren will, der wird den organischen Koͤrper und dessen Teile, woraus er besteht, zum Vorwurf nehmen, und hieruͤber philosophiren muͤssen; er wird zei- gen muͤssen, wie diese Theile entstanden sind, und wie sie in der Verbindung, in welcher sie mitein- ander stehen, entstanden sind. Jch sage dieses ist der Begriff, den ich und den ein jeder von einer Lehre von der Generation hat. Man mag diesen Begriff nun deutlich ha- ben und ihn auszudruͤcken im Stande seyn, oder man mag ihn undeutlich denken; so wird doch niemand unter denen Worten Erklaͤrung der Ge- neration, Lehre von der Generation, Theorie der Generation, etwas anders, als das, was ich be- stimmt habe, verstehen. Jch sage man wird den organischen Koͤrper der Pflanze oder des Thieres zum Vorwurf neh- men und hieruͤber philosophiren muͤssen. Jch glau- A 4 be- Begriff einer Theorie be, daß ich mich nicht besser ausdruͤcken kann. Was uͤber eine Sache philosophiren oder sie phi- losophisch erkennen heist, das wißen Sie. Nicht philosophisch erkennen, und doch aber erkennen, heist ihre Eigenschaften aus der Erfahrung wis- sen, dabey aber unbekuͤmmert seyn, warum sie diese Eigenschaften und keine andere habe, und warum die Sache so vielmehr als anders beschaf- fen sey. Man nennt es eine Sache bloß historisch erkennen. Wer also zum Exempel bloß aus der Erfahrung weiß, auf was fuͤr Art der organische Koͤrper des Menschen aus seinen verschiedenen Theilen zusammengesetzt ist und aus was fuͤr Theilen er auf diese Art zusammen gesetzt ist, der kennt den organischen Koͤrper des Menschen historisch. Sie sehen dieses ist accurat die Anatomie, und diese ist al- so nichts anders, als eine historische Kenntniß oder eine Historie des menschlichen organischen Koͤrpers. Wer aber eine Sache nicht aus der Ersah- rung unmittelbar, sondern aus ihren Gruͤnden und Ursachen erkennt, wer also durch diese, nicht durch die Erfahrung, gezwungen wird, zu sagen, die Sache muß so, und sie kann nicht anders seyn, sie muß sich nothwendig so verhalten, sie muß die- se Eigenschaften haben und andre kann sie nicht haben, der sieht die Sache nicht nur historisch sondern wuͤrklich philosophisch ein, und er hat ei- ne philosophische Kenntniß von ihr. Wenn nun also jemand aus denjenigen Kraͤf- ten der Natur, durch welche die organischen Koͤr- per formirt werden, und aus der Beschaffenheit die- von der Generation. dieser Kraͤfte, imgleichen aus den Eigenschaften derjenigen Substanz, aus welcher die Koͤrper for- mir werden sollen, einsieht, daß zum Exempel ein Koͤrper, der aus dieser Substanz formirt wer- den soll, zwar Gefaͤße bekommen werde, allein diese Gefaͤße werden nicht ramificirt seyn, so daß aus ei- nem viele andere entspringen sollten, sondern es werden so viel Staͤmme und besondere Urspuͤnge derselben seyn, als Gefaͤße vorhanden sind, daß im Gegentheil alle diese Gefaͤße bey ihrem Anfange so weit als bey ihren Enden seyn, und alle parallel ne- ben einander liegen werden, daß sie ferner nothwen- dig so neben einander gelegt seyn werden, daß da- durch ein Cylinder oder ein Kegel mit einer der Strucktur nach in wenigem nur unterschiedenen Axe und in der Spitze des Kegels ein Vegeta- tionspunkt formirt werden muͤsse, und kurz daß dieser ganze organische Koͤrper, nichts anders als eine Pflanze werden koͤnne, (denn diese angegebe- ne Bestimmungen druͤcken schon das wesentliche der Pflanze, wodurch alle uͤbrige Eigenschaften derselben determinirt werden, aus), wer dieses al- les, sage ich, aus der Beschaffenheit der Kraͤfte, durch welche der organische Koͤrper formirt wer- den soll, und aus den Eigenschaften der Substanz aus welcher er formirt werden soll, einsieht, der hat eine philosophische Erkenntniß von diesem or- ganischen Koͤrper. Eben so ferner, wenn jemand aus der Beschaffenheit eben dieser Kraͤfte, wo- durch die organischen Koͤrper formirt werden, und aus den Eigenschaften einer andern Substanz, aus A 5 wel- Begriff einer Theorie welcher nun wiederum ein solcher Koͤrper formirt werden soll, einsieht, daß dieser Koͤrper ebenfalls zwar Gefaͤße bekommen werde, daß aber diese Ge- faͤße ramificirt werden seyn muͤssen, daß immer mehrere kleinere aus wenigern groͤßeren und alle endlich aus einem gemeinschaftlichen werden ent- springen muͤssen, daß eben dieses gemeinschaftli- Gefaͤße ein Herz seyn werde, weil die Figur des Herzens, welches bey den Jnseckten ein bloßer et- was weiter Canal ist, nichts zum Wesen des Her- zens beytraͤgt; daß aus diesen Bestimmungen fer- ner alle uͤbrige Eigenschaften, wodurch sich der thie- rische organische Koͤrper von dem organischen Koͤr- per der Pflanze in Ansehung seiner Zusammense- tzung unterscheidet, nothwendig werden erfolgen muͤssen, wenn also sage ich auf diese Art jemand den Bau dieses organischen Koͤrpers aus der Be- schaffenheit der ihn formirenden Kraͤften | und den Eigenschaften der Substanz, woraus er formirt wird und also aus seinen Ursachen einsieht; so hat derselbe eine philosophische Erkenntniß von ihm die von der bloß historischen sehr verschieden ist. Hieraus aber sehen Sie zu gleicher Zeit auch, daß eine solche phylosophische Erkenntniß von ei- nem organischen Koͤrper accurat unsere Theorie der Generation seyn werde, eben so wie ich kurz vorher gesagt habe, daß die historische Kenntniß desselben nichts anders als die Anatomie sey. Da man ferner die philosophische Erkenntniß eines Dinges eine Wissenschaft deselben nennt; so von der Generation. so ist es einerley, ob ich sage, die Lehre von der Generation sey eine philosophische Kenntniß des organischen Koͤrpers, oder sie sey eine Wissenschaft desselben. Eben so koͤnnen Sie dieses noch auf verschiedene andere Art ausdruͤcken, und Sie sa- gen immer dasselbe wieder. Sie koͤnnen z. E. sa- gen wer die Lehre von der Generation weiß, der muß den zureichenden Grund von den Theilen und der Zusammensetzung des organischen Koͤrpers wis- sen; er muß den organischen Koͤrper aus seinen Ur- sachen erkennen; er muß eine philosophische Er- kenntniß von ihm haben; er muß eine Wissen- schaft von dem organischen Koͤrper haben, und weil die Anatomie eine historische Kenntniß des or- ganischen Koͤrpers ist; so sagen Sie wiederum eben das vorige, wenn Sie sich so ausdruͤcken: Die Lehre von der Generation verhaͤlt sich zu der Anatomie, wie sich die Psylologia rationalis zur empyrica verhaͤlt. Die Lehre von der Generation ist Unterscheid dieser Theo- rie von der Physiologie. auch von der Physiologie unterschieden. Diese, wenn Sie sie uͤberhaupt neh- men wollen, ist eine Wissenschaft von de- nenjenigen Verrichtungen des organischen Koͤr- pers, welche ihren zureichenden Grund in dem Wesen und der Natur des organischen Koͤrpers selbst haben. Alle Veraͤnderungen also, die in dem organischen Koͤrper vorgehen, deren Ursachen aber nicht nur in dem Koͤrper befindlich sind, son- dern die auch wesentliche Stuͤcke desselben ausma- chen, gehoͤren zur Physiologie und muͤssen in der- sel- Begriff einer Theorie selben erklaͤrt werden. Da hingegen diejenigen Veraͤnderungen die ihren Grund außer dem Koͤr- per oder in Dingen wenigstens die nicht zum Koͤr- per gehoͤren, kurz die ihren Grnnd nicht in der Natur und dem Wesen des Koͤrpers haben, zur Pathologie hingerechnet werden. Da man auch Funktionen diejenige Veraͤnderungen eines orga- nischen Koͤrpers nennt, die ihren hinreichenden Grund in der Natur und dem Wesen desselben ha- ben, so koͤnnen Sie sich kuͤrzer ausdruͤcken, in- dem Sie sagen, die Physiologie ist eine Wissenschaft von den Funktionen des organischen Koͤrpers. Nunmehr vergleichen Sie diesen Begriff der Physiologie, welcher richtig ist, mit dem Begriff meiner Theorie und sehen Sie ob diese beyden Be- griffe einerley sind. Jst denn die Wissenschaft von den Funktionen eines organisirten Koͤrpers und die Wissenschaft eben dieses Koͤrpers selbst, oder der Zusammensetzung und der Strucktur seiner Theile le ein und eben dasselbe Ding? Diese beyde Wissen- schaften sind nicht nur sehr von einander unterschie- den, sondern sie haben auch gar nichts aͤhnliches mit einander. Die Verhaͤltnisse zwischen der Ana- tomie, der Lehre von der Generation, und der Physiologie werden ungefehr diese seyn. Jn der Anatomie lernen wir aus der Erfahrung die Zu- sammensetzung und die Strucktur eines organischen Koͤrpers. Wir koͤnnen aber diese Zusammensetzung und Strucktur nicht erklaͤren, wir wissen nur, daß sie so ist, und weiter wissen wir nichts. Nun kommt von der Generation. kommt auf der einen Seite der Anatomie die Leh- re von der Generation, darinn wird das, was wir aus der Anatomie historisch wusten, aus Gruͤn- den erklaͤrt. Auf der andern Seite der Anatomie befindet sich die Physiologie, worinn die Wirkun- gen, die der organische Koͤrper hervorzubringen faͤhig ist, erklaͤrt werden. Die Physiologie ver- haͤlt sich zur Anatomie accurat, wie ein Coralla- rium zu seinem Theorema, aus dem es hergeleitet wird; meine Theorie verhaͤlt sich zur Anatomie, wie die Demonstration dieses Theorema zu eben demselben. Sie werden nunmehr wissen, wie einer der die Generation erklaͤren will, es anfangen muͤsse, wovon er reden, und wie er reden muͤsse. Wer nicht von der Strucktur der Theile und der Zusammensetzung des Koͤrpers spricht, wer davon nicht die Ursachen angibt, und zeigt wie durch diese Ursachen die Theile und die Zusammen- setzung determinirt werden, der erklaͤrt auch die Generation nicht. Das was er sagt, kann uͤbri- gens schoͤn seyn; es kann sehr wahr und auch sehr gelehrt seyn, nur eine Erklaͤrung von der Genera- tion wird es nicht seyn, immer eben so wenig, als Sie eine Historie von Frankreich eine Theorie der Generation nennen koͤnnen. Nun untersuchen Sie alle Schriften die unter dem Titel einer Abhandlung von der Generation seit des Aristoteles Zeiten bekannt geworden sind; ich Historie der verschiedenen ich sage in allen diesen Schriften wird nicht ein Wort von der Entstehungsart auch nur des gering- sten Theiles zu finden seyn. Das ist es also was ich gleich im Anfange behauptet habe. Man hat bishero von einer Theorie der Generation nichts gewust, und man hat keinen Begriff von dieser Wissenschaft gehabt. 2. Abschnitt. Historie der verschiedenen Hypo- thesen von der Generation. Jch will nunmehro gantz kurz die Historie der Lehre von der Generation noch durchgehn, und bey einer jeden Hypothese Jhnen zeigen, warum sie unmoͤglich eine Erklaͤrung genennt werden koͤn- ne. Um Jhnen einen ganz kurzen Begriff von diesem Stuͤck der gelehrten Historie beyzubringen, so theile ich alles was von dieser Sache geschrieben ist in 5 Classen ein. Erste Classe, was die Al- ten gethan haben. Die erste Classe begreift alles dasjenige in sich, was von den Alten bis auf die Zeiten des Harvaͤus geschrieben ist. Jn allen diesen Schriften sinden Sie immer ein und eben dasselbe, und dieses besteht vornehmlich in folgenden Punk- ten. 1.) Der maͤnnliche Saame wird aus allen Theilen des ganzen Koͤrpers von dem Nahrungs- saft, der fuͤr jeden dieser Theile insbesondere be- stimmt war, und der in einer uͤberfluͤßigen Men- ge in denselben sich angesammlet hatte, hergenom- men Hypothesen von der Generation. men, er wird aus allen diesen Theilen, als ein ihnen uͤberfluͤßiger Nahrungssaft wieder zuruͤck- gefuͤhrt, ohne Unterscheid, aus welchen Theilen er gekommen ist, in eine Masse vermischt, und in den Saamenblaͤschen zum kuͤnftigen Gebrauch niedergelegt. Das ist die schoͤnste Hypothese, die jemahls der menschliche Verstand erdacht hat, die nicht nur mit der Art, wie sich die Alten die For- mation der Thiere vorstellten, nemlich durch die so genannte Aneinandersetzung der Theile ( forma- tio per adpositionem particularum ) vollkommen und sehr schoͤn uͤbereinstimmt, sondern die man sich auch, wenn diese Art der formation richtig waͤre, auf keine andere Art vorstellen koͤnnte, die ein Philosoph nicht ohne Vergnuͤgen lesen kann, wenn er gleich weiß daß sie falsch ist. 2.) Die- ser Saamen ist die wuͤrkende Ursache, von wel- cher alle Bewegung bey der Formation des Koͤr- pers herkommt, und eben derselbe ist auch, nach- dem er mit dem weiblichen Saamen im Utero vermischt ist, die Materie, aus welcher der Koͤrper formirt wird. 3.) Der Grund, warum die Thei- le in dieser vielmehr als in einer andern Ordnung zusammen gesetzt werden, also der Grund der Strucktur und der Zusammensetzung der Theile (dieses, bemercken Sie es sich, waͤre die Sache die wir erwarten) liegt in der Seele, die von der Seele des Vaters getrennt, in dem Saamen eingewickelt ( in semine tanquam vehiculo ) zugleich mit dem- selben in den zu formirenden Koͤrper uͤbergeht. Das ist es alles, was die Alten von der Genera- tion Historie der verschiedenen tion gesagt haben; Sie finden es am deutlichsten im Sennert vorgetragen, und zwar in seinen In- stitutionibus medicinæ pag. 80 und 81. und wie- derum pag. 87 und 88. Sie werden, wenn sie diesen Mann, der das Beste und Auserlesenste aus den Alten zusammen getragen hat, in den ange- zeigten Orten nachlesen, sehen, daß ich nicht ein Wort zugesetzt und nichts von der Hauptsache weg- gelassen habe. Aber finden sie nun wohl in allen dem, was die Alten gesagt haben, die geringste Erklaͤrung auch nur des allergeringsten Theiles? Jn dem 1sten Punkte wird gesagt wie der maͤnn- liche Saamen abgesondert wird; von der Forma- tion wird gar nicht gesprochen. Jm 2ten Punkt, wird gesagt, wo die Kraft herkomme, wodurch der Koͤrper formirt wird, und welches die Materie sey, aus welcher er formirt wird. Von der For- mation selbst wird wiederum nichts gesagt. Jm 3ten Punkt wird zwar gesagt, daß der Grund warum der Koͤrper so und nicht anders formirt wird, in der Seele liege, aber er wird, gesetzt daß dieses wahr waͤre, deswegen nicht angegeben, und es werden nicht aus ihm die Theile und ihre Zusammensetzung erklaͤrt. Wenn auch die Alten zum Voraus gesetzt haben, die Formation geschehe durch die Aneinandersetzung der Theile ( per ap- positionem ) so ist dieses keine Erklaͤrung unserer organischen Koͤrper. Jch will wissen, warum durch diese Aneinandersetzung der Theile keine Kugel, keine bloße simpele solide Kugel, sondern solche organische Koͤrper, wie wir haben, formirt wer- Hypothesen von der Generation. werden; das will ich wissen. Jndessen haben doch die Alten in Ansehung der Erklaͤrungen kein quid pro quo gemacht. Sie haben sich lieber von Erklaͤrungen gar nichts einfallen lassen. Die zwote Classe enthaͤlt eine Zwote Clas- se. Schriften von der Vege- tation der Pflanzeh. ganz besondere Art von Gelehrten, die sich hauptsaͤchlich an den Pflanzen gehalten haben, und Sie sollen vor- nehmlich bey ihnen lernen, wie man erklaͤrt zu haben scheinen kann, ohne doch erklaͤrt zu haben. Sie betiteln ihre Theorien, die aber nur Theorien zu seyn scheinen, eben deswegen weil sie die Sachen zu erklaͤren ebenfalls nur das Ansehen haben, Abhandlungen von der Ve- getation. Sie sehen leicht, wenn sie die Vege- tation wuͤrklich erklaͤrt haͤtten, daß sie alsdann wenigstens den Theil der Lehre von der Genera- tion geliefert haben wuͤrden, der von der Forma- tion dererjenigen Theile handelt, die zusammen- genommen unmittelbar das Ganze ausmachen. Allein wenn Sie diese Abhandlungen lesen, so werden Jhre Begriffe allmaͤhlig, verwirrt; Sie vergessen dabey, was Sie eigentlich su- chen wollten. Sie lesen auf diese Art die Abhand- lung zu Ende, und nachhero wissen Sie zwar eigentlich nicht, wie es mit der Vegetation zugeht, und Sie sind bey sich uͤberzeugt, daß Sie es nicht wissen, allein Sie sollten doch schwehren, daß Sie die Erklaͤrung derselben gelesen haͤtten. Hoͤ- ren Sie nur zu, ich will Jhnen dieses Geheimniß, B wel- Historie der verschiedenen welches den Verfassern selbst ein Geheimniß ist, erklaͤren; zuvor will ich Jhnen die fuͤrnehmste Verfasser nennen. Honoratus Fabri hat schon nach dieser Methode uͤber die Pflanzen philoso- phirt, ich glaube aber nicht, daß er der Erste gewesen sey. Es ist uͤbrigens eben derselbe groß- muͤthige Jesuite, welcher sagt, er habe den Um- lauf des Blutes nicht von Harway gelernt; er habe ihn lange zuvor seinen Zuhoͤrern vorgetra- gen, er halte ihn aber nicht fuͤr eine Sache von so großer Wichtigkeit, daß er ihrentwegen einen Proceß anfangen sollte. Solten Sie so vernuͤnf- tige und wahre Gedancken wohl zu einer Zeit er- warten, da ein Vorurtheil von der Groͤße und Wichtigkeit dieser Erfindung bey nahe die ganze Welt eingenommen hatte? ein Vorurtheil, wel- ches sich auch jetzo noch erhaͤlt? Nach ihm hat besonders Greew in seiner Anatomia plantarum, dieselbe Sache noch weiter getrieben, und nachhe- ro haben alle diejenigen, die entweder von der Vegetation, oder eine Art von Physiologie, oder auch Anatomie der Pflanzen haben schreiben wol- len, worunter besonders Du Hamel Physic des arbres zu rechnen ist, eben dieselben Sachen wie- der nachgesagt. Einer von den neuesten ist Hill, der seine Schrift so gar einen Versuch einer Lehre von der Erzeugung nennt. Linnaͤus selbst hat sich in dieses Nez mit herein ziehen lassen. Die allergewoͤhnlichste Art, die Formation der Theile bey den Pflanzen zu erklaͤren, und wel- che Sie daher auch beym Greew, Du Hamel, Hill und Hypothesen von der Generation. und allen andern am haͤusigsten antreffen, ist die- se, daß sie schlechtweg die Struktur der Theile ana- tomisch und also historisch beschreiben, und ohne weitere Umstaͤnde alsdann diese Beschreibung fuͤr eine physische Erklaͤrung ausgeben. Sie werden sagen, wo steckt denn hier die Kunst, oder das wahrscheinliche Ansehen einer wahren Erklaͤrung. Freylich, wenn ich Jhnen vorher sage, was zu einer Erklaͤrung erfordert wird, und alsdann ohne Umschweife bestimme, was der Verfasser gethan hat, so sehen Sie wohl, daß er nicht erklaͤrt hat; allein Sie muͤssen sich an seine Stelle setzen, Sie muͤssen vors erste zum Voraus setzen, daß Sie keinen recht deutlichen Begriff von einer Er- klaͤrung haben, daß Sie uͤber diesen, als uͤber ei- ne Kleinigkeit, welche einem jeden so schon hin- laͤnglich klar seyn muͤsse, weggehn. Alsdann muͤssen Sie den Verfasser Schritt fuͤr Schritt fol- gen. Dieser steht also, und Sie eben so wohl, daß die Pflanzen, in dem sie wachsen, sich gleich- sam aus einem Punkt in ihre verschiedene Theile, Stamm, Aeste, Zweige, Blaͤtter, allmaͤhlig ausdehnen. Auf diese Art entstehen also die Pflanzen; und folglich ist hierbey weiter nichts zu erklaͤren uͤbrig, als den ersten Ursprung der Theile zu entdecken, oder gleichsam das Nest zu entdecken, aus welchem die verschiedene Theile entspringen. Dieses alles aber, bemercken Sie es sich wohl, sagen unsere Naturforscher nicht mit ausdruͤckli- chen Worten, aber es befindet sich dunkel in ihrer Seele, und es ist der Grund der Methode ihrer B 2 gleich Historie der verschiedenen gleich folgenden Erklaͤrung. Sie setzen es also zum Voraus, und sie koͤnnen es ohne Schaden, und ohne unverstaͤndlich zu werden thun, weil ein jeder Leser in demselben Zustande sich befindet, und eben dasselbe dunkel bey sich denket. Um also nun die- ses noch unbekannte Nest Jhnen zu entdecken, so nehmen sie ganz natuͤrlicher Weise ihr anatomi- sches Jnstrument zur Hand, zergliedern die Pflan- ze, und sehen zu, wo die Fasern, die den Theil, dessen Urfprung sie erklaͤren wollen, ausmachen, entstehen. Sie sagen alsdann, dieser Theil ent- springt aus dem Mark der Pflanze, jener aber nimmt seinen Ursprung zwischen den holzigen Fa- sern, und den Fasern der Haut u. s. w. Theils um Jhnen dieses noch deutlicher zu machen, theils um zu beweisen, daß das, was ich sage, wahr sey, wiewohl dieses Leztere nicht noͤthig waͤre, weil der ganze Greew, der ganze Du Hamel und Hill von Exempeln davon voll sind, will ich ein Exempel aus dem Greew anfuͤhren. Seite 114 in der kleinern Ausgabe, ist die Rede vom Ursprung der Knospen und der Zweige. Was er hievon sagt, und wie er hieruͤber philosophirt da- von will ich Jhnen seine eigne Worte anfuͤhren. Diese sind folgende: “Si on examine donc l’ origi- „ne des branches \& des bourgeons, on decou- „vre sans peine, qu’ils ne sortent pas de la sur face „des tiges, mais que les parties inferieures con- „tribuent a les former. Bald darauf faͤhrt er fort: „Ainsi il y a beaucoup d’apparance, que la plûs „part des bourgeons tirent leur origine de plusi- eurs Hypothesen von der Generation. „eurs fibres du corps ligneux, qui s’ inserent, \& „qui se melent avec la mouelle, comme on le peut „voir, lorsqu’on fait la dissection d’ une tige.” Was haben Sie wider diese Erklaͤrung einzuwen- den? Zeigt er Jhnen nicht den Ursprung der Thei- le, den Sie wissen wollten? Aber thut er auch wohl das Geringste mehr, als was ein Anatomi- cus thut, wenn er sagt, die arteria cœliaca ent- steht dicht unter dem diaphragma aus der aorta; die vasa spermatica entstehen mehrentheils aus den vasis renalibus? Es ist keine Entschuldigung, wenn Sie sagen, Greew hat sein Buch Anato- mie der Pflanzen betitelt; Hill hat das Seinige, eine Lehre der Erzeugung genennt, und ist eben so verfahren, und Greew hat an den angezeig- ten Orten eben so wohl wie Hill, eben so wohl wie alle andere, die Vegetation erklaͤren wollen. Wo steckt denn nun also in den dunkelen Begrif- fen, die ich oben angefuͤhrt habe, und worin der Grund dieser falschen Methode die Vegetation zu erklaͤren, verborgen liegt, der Jrrthum? Jch ha- be Jhnen, mein lieber Freund, schon so viel dun- kele Begriffe meiner Vorgaͤnger entwickelt, daß ich dieser Arbeit bey nahe bis zum Eckel uͤberdruͤßig bin. Jch habe mich schon an verschiedenen Orten in meiner Dissertation in dieses Geschaͤfte einge- lassen, und wenig Dank davon gehabt, und es ist auch eigentlich nicht mein Amt, das Chaos eines jeden auseinander zu wickeln. Versuchen Sie al- so hierbey einmahl selbst ihre Kraͤfte. Gelingt es, so haben Sie eine kleine Uebung in einer Sache, B 3 wor- Historie der verschiedenen worin billig ein jeder Gelehrter eine Fertigkeit ha- ben sollte; wo nicht, so will ich Jhnen hernach dennoch die Sache vollstaͤndig erklaͤren. Eine andere Art, ein quid pro quo zu ma- chen, ist, wenn man den Endzweck eines Din- ges mit der physischen Ursache vermischt. Sie fragen nach der Ursache, warum dieses oder jenes, in dem menschlichen Koͤrper zum Exempel, sich so und nicht anders verhaͤlt, und man sagt Jhnen, es sey darum so, damit dieses oder jenes dadurch bewerkstelliget werden koͤnne, oder auch es sey aus dem Grunde so, weil dieses dadurch hat sollen be- werkstelliget werden. Das nennt man alsdenn Erklaͤrungen, und man weiß von keinen andern Erklaͤrungen weiter. Jn allen anatomischen, phy- siologischen, medicinischen Buͤchern finden Sie von der Struktur und Zusammensetzung des menschlichen Koͤrpers keine andere als solche Erklaͤ- rungen und man denkt an keine andere Art der- selben. Eben deswegen sage ich, man hat von ei- ner Anatomia rationali, oder einer Lehre der Ge- neration noch keinen Begriff gehabt. Sollte wohl die Zweydeutigkeit in den Ausdruͤcken zu diesem Jrrthum Anlaß gegeben haben? Das waͤre doch in der That laͤcherlich. Wir muͤssen es einmahl, wenn wir, wie gewoͤhnlich, nichts zu thun ha- ben, untersuchen. Diese Art also von Erklaͤrun- gen finden Sie nun auch haͤufig bey den Vegeta- tions-Seribenten. Die Hypothesen von der Generation. Die allerlustigste Art zu erklaͤren aber ist die, da man, um eine Sache zu erklaͤren, eben diesel- be Sache wieder sagt, und sie nur mit andern Worten ausdruͤckt. Hievon muß ich Jhnen wie- der ein Exempel, und zwar aus dem Greew an- fuͤhren; denn Sie werden mir alsdenn desto eher glauben, daß seine Nachfolger es nicht besser ge- macht haben. Greew will, Seite 123 erklaͤren, warum bey einigen Pflanzen die Blaͤtter laͤnglicht werden und warum andere hingegen runde Blaͤtter bekommen. Das ist so leicht nicht; es haͤngt mit den mehresten wesentlichen Kennzeichen der Pflanze zusammen, und man muß daher die er- sten Gruͤnde der ganzen Pflanze einsehn, wenn man von der Figur der Blaͤtter Rechenschaft ge- ben will. Mir ist es deswegen schwer geworden. Greew aber wird bald fertig. Hoͤren Sie, wie er die Sache anfaͤngt. Er sagt, wenn die Haupt- Rippe des Blattes viel laͤnger ist, als die Seiten- Rippen, so wird das Blatt laͤnglicht. Rund aber wird das Blatt, wenn die Seiten-Rippen zusam- men so lang sind wie die Haupt-Rippe. Da ha- ben wirs! Was ist denn aber ein laͤnglichtes Blatt? Das ist ein Blatt, dessen Laͤnge die Brei- te uͤbertrift; und was ist ein Rundes? ein Blatt dessen Breite der Laͤnge gleich ist. Ob Sie aber sagen Laͤnge des Blattes, oder die Haupt-Rippe desselben, die allemahl das Maasstab der Laͤnge ist; und ob Sie die Breite des Blattes oder die Seiten-Rippen, die eben die Brei- te ausmachen, nennen, das ist einerley. Folg- lich Historie der verschiedenen lich Herr Greew sagen Sie durch ihre Erklaͤ- rung eben so viel, als wenn sie gesagt haͤtten, eine Pflanze bekommt runde Blaͤtter, wenn sie runde Blaͤtter bekommt, und laͤnglichte Blaͤtter aber bekommt sie, wenn sie laͤnglichte bekommt. Auf eben dieselbe Art erklaͤrt er die Flaͤche der Blaͤtter, die ausgezackte oder glatte Raͤnder der- selben. Voͤllig auf eben dieselbe Art; ich will mich also dabey nicht aufhalten. Jch habe mir die Muͤhe gegeben und alle dergleichen scheinbare Er- klaͤrungen die im ganzen Greew vorkommen, zu untersuchen. Sie koͤnnen alle zu eine der angege- benen Arten reducirt werden. Eben so habe ich es mit dem Hill, dem Honoratus Fabri und einigen andern gemacht. Vom Du Hamel habe ich nur die Recension in den Commentariis Lip- siensibus gelesen, und daraus hinlaͤnglich gesehen, daß er in demselben Jrrthum gerathen ist; Er hat sehr viel schoͤne Sachen geschrieben, und sein kost- bares Werk verdient große Achtung; nur die Vegetation zu erklaͤren haͤtte er sich nicht einlassen sollen. Jn Hills Versuch aber ist nicht ein klu- ger Gedanke zu finden. Einige haben auch geglaubt, das Geheimniß der Generation bey den Pflanzen gluͤcklich erwischt zu haben, wenn sie durch Vergroͤßerungsglaͤser in dem Stylo des Pistills Wege wahrgenommen haben, wodurch der Blumenstaub zum Germen kommen koͤnnte. Das ist bey den Pflanzen eben das, was bey den Thieren der Beyschlaff ist. Wenn aber Hypothesen von der Generation. aber jemand die gluͤckliche Entdeckung gemacht haͤtte, daß beym Beyschlaff der maͤnnliche Saa- men in die Geburthsglieder des Frauenzimmers uͤbergehe, daß in denselben eine Scheide befind- lich sey, wodurch er ungehindert zu die innere Theile kommen koͤnne; werden Sie denn sagen, daß der die Theorie der Generation der Thiere ent- deckt habe? Wie der Beyschlaf zu verrichten sey, das mag er wohl verstehn, aber nicht die Lehre von der Generation. Viele Abhandlungen fuͤhren auch den Titel von der Vegetation und Sie finden in ihnen nichts als Physiologie. Wie der Nahrungssaft in die Wurzeln eindringe, wie er in den Gefaͤßen in die Hoͤhe steige, wie er zubereitet werde und dergleichen Sachen. Von der Formation der Theile aber finden Sie kein Wort. Die dritte Classe enthaͤlt die Beo- Dritte Clas- se, Beobach- tungen der Zergliederer. bachtungen, die von guten Anatomi- sten seit Harveys Zeiten bis jetzo her an Menschen oder vierfuͤßigen Thie- ren sind gemacht worden. Dahin gehoͤren die in den Eyerstoͤcken und in den Trompeten gefunde- ne Embryonen, woraus wir gelernt haben, daß der Ort, wo die Conception geschiehet, die Eyer- stoͤcke sind. Ferner die Beobachtungen, daß gleich nach der Conception die Eyerstoͤcke aufschwellen, und die Trompeten dieselben umfassen, daß das Ey aus dem Eyerstock durch diese durch und in B 5 den Historie der verschiedenen den Uterum uͤbergeht, daß alsdann der Uterus selbst aufschwellt, und das Ey an demselben an- waͤchst. So schoͤn wie es ist, alle diese Sachen zu wissen, so wichtig diese Entdeckungen auch sind, so sehen Sie doch leicht, daß sie alle zur Forma- tion des Koͤrpers nichts beytragen, daß man aus allen diesen schoͤnen Beobachtungen den organi- schen Koͤrper nicht erklaͤren kann. Sie zeigen uns zwar den Ort, wo die Formation geschiehet, aber nicht die Art, wie sie geschiehet. Sie enthalten die Umstaͤnde, die die Generation begleiten, aber nicht diese selbst. Wir haben indessen die Ent- deckung dieser wichtigen Sachen dem Harwey, Malpighius, Regnerus de Graaf, dem Herren von Haller und auch zum Theil dem Val- lisneri zu danken. Vierte Clas- se, Beobach- tungen an den Eyern. Zur vierten Classe rechne ich die Beobachtungen an gebruͤteten Eyern, in so fern man das, was man gese- hen hat, so wie es gesehen ist, genom- men hat, so koͤnnen diese Beobachtungen dem Werthe nach mit denen in der dritten Classe gleich- geschaͤtzt werden; allein von einer Erklaͤrung ist alles das, was man dabey gesagt hat, sehr unter- schieden. Man hat eben die Dinge historisch er- zaͤhlt, die man aus ihren Ursachen erklaͤren sollte. Man hat zum Exempel gesehn, daß Fluͤgel, da- von man zu einer Zeit noch nichts entdeckt hatte, zu einer andern Zeit nunmehro entstanden waren; allein die Art, wie sie entstanden waren, und die Ursa- Hypothesen von der Generation. Ursachen wodurch sie entstanden waren, blieben verborgen. Die fuͤnfte Classe begreift die Die fünfte Classe, Hypo- thesen der Prädelinea- tion. beyde in den neuern Zeiten erfundene Hypothesen der Praͤdelineation in sich, davon die eine, welche das System der Entwicklung ( Systema evolutio- nis ) genennt wird, den Malpighius oder Ma- lebranche, die andere hingegen, welches man Systema præformationis nur zu nennen pflegt, und welches die Saamen-Thiere, fuͤr die ersten Anfaͤnge der Thiere haͤlt, den Hartsoͤcker oder den Leuwenhoͤck zum Erfinder hat. Der wahre Erfinder verliert nicht viel, wenn man ihn gleich nicht erkennt. Jch habe schon in meiner Disser- tation ( Exp. Jnst. §. 3.) von diesen beyden Hypothesen gesagt, daß man dadurch nicht nur die Generation nicht erklaͤrte, sondern daß man vielmehr durch sie behaupte, es finde kei- ne Formation der organischen Koͤrper in der Na- tur statt. Dieses ist sehr klar und einfach. Herr Bonnet, hat es auch schon in seinem 1762. her- ausgegebenem Werke, davon ich in der Folge noch weitlaͤuftiger reden werde, angenommen, deswegen finde ich nicht fuͤr noͤthig mich hierbey aufzuhalten. Jndessen habe ich doch diese Wahr- heit, so einfach sie auch ist, in keinem Buche das vor 1759, da ich meine Dissertation heraus- gegeben habe, gedruckt waͤre, angetroffen. Man hat vielmehr geglaubt, man erklaͤre durch diese Hypo- Historie der verschiedenen Hypothesen wuͤrklich die Generation, und also se- hen Sie auch wiederum aus diesem Exempel, wie leicht es sey, etwas fuͤr eine Erklaͤrung zu halten, was keine ist. Dieses ist das Vornehmste und das Beste was von der Generation seit Aristotelis Zeiten ist gesagt worden. Es sind ausserdem noch einige besondere Hypothesen ausgearbeitet worden, die aber meines Wissens ausser ihren Verfassern nie- mand angenommen hat. Zu diesen gehoͤrt auch das, was Buffon und Needham geschrieben haben. Jch kann mich nicht in eine Zergliederung ihrer Schriften einlassen, weil ich zu weitlaͤuftig werden wuͤrde. Wenn Sie sie aber selbst lesen wollen, so werden Sie finden, daß sie eben so wenig, wie andere, auch den geringsten organi- schen Theil eines Thieres oder einer Pflanze nicht erklaͤrt haben. Needham. Vom Needham will ich nur die- ses einzige bey dieser Gelegenheit erin- nern, daß auch seine Absicht nicht einmahl gewe- sen seyn kann, die Generation zu erklaͤren. Er hat vielmehr, wenn ich aus dem, was er geleistet hat, seinen Endzweck beurtheilen soll, nur erwei- sen wollen, daß nicht, wie es vor ihm durchgaͤn- gig angenommen war, alle organische Koͤrper aus einem Ey entstuͤnden, sondern daß vielmehr in der Natur eine Kraft sey, wodurch auch ohne Eltern, ohne vorhergegangene Vereinigung zweyer Ge- schlech- Hypothesen von der Generation. schlechter, wenigstens mikroscopische Thierchen, wie er sie nennt, hervorgebracht werden koͤnnten, und wuͤrcklich hervorgebracht wuͤrden. Dieses hat er besonders durch seine Jnfusionen zu erwei- sen gesucht, und dieses ist es auch, was er eigent- lich sagen will, wenn er so oft in seinem Buche den allgemeinen Schluß macht, worauf alle seine Beobachtungen abzielen: il y a donc dans la Na- ture une forçe productrice. Um das, was Needham gethan hat, noch fester zu setzen, so erinnern Sie sich, daß Aristo- teles und alle seine Nachfolger behaupteten, daß aus der Faͤulniß Thiere von einer geringern Gat- tung, Jnsekten und Wuͤrmer erzeugt werden koͤnn- ten. Das ging bis ins vergangne Jahrhundert. Darauf schrieb Franciscus Redi Experimenta circa generationem insectorum. Hierin bewieß er, daß die Exempel, welche die Alten von einer solchen generatione æquivoca, wie sie sie nennten, angefuͤhrt hatten, alle falsch seyn; daß alle diese Jnseckten aus Eyern entstuͤnden, die vorher durch andere Jnseckten, an dem Ort wo man geglaubt hatte, daß sie aus der Faͤulniß entstanden waͤren, hingeleget seyn. Durch diese Versuche bekehrte Redi die ganze gelehrte Welt, und kein Mensch wollte mehr an die Fabel von der Erzeugung aus der Faͤulniß glauben, sondern man nahm viel- mehr als einen Grundsatz, den Sie auch in Lin- naͤi philosophia botanica ausgefuͤhrt finden, an: omne vivum ex ovo! Nun kam Needham und sagte, Historie der verschiedenen sagte, zwar nicht eben Jnseckten, aber doch klei- nere wenigstens und unvollkommnere mikroscopi- sche Thierchen werden, nicht zwar aus der Faͤul- niß, aber doch ohne Eltern, ohne Ey in meinen Jnsusionen erzeugt. Der Satz omne vivum ex ovo ist falsch, und dieser hingegen, datur vis pro- ductrix, ist wahr. Sie sehen, daß Needham accurat ein Antagonist vom Redi ist; das er die alte verstoßne Wahrheit des Aristoteles, nur et- was genauer bestimmt, wieder errettet hat. Al- lein Sie sehen auch, daß Needhams Schrift von einer Lehre von der Generation sehr verschie- den ist. Jn dieser soll man die Generation und zwar die gewoͤhnliche Generation der vollkomm- nen Thiere, wozu die Vereinigung beyder Ge- schlechter erfordert wird, erklaͤren. Needham hat nichts erklaͤrt, er hat nur bewiesen, daß eine Erzeugung und zwar mikroscopischer Thierchen ohne Ey, ohne Eltern, die ich in meiner Disser- tation, um sie von der gewoͤhnlichen Erzeugung zu unterscheiden, die Entstehung ( ortum ) ge- nennt habe, in der Natur statt finde. Wie diese Entstehung bewerkstelliget werde, daran ist nichts gelegen. Genug daß sie geschiehet. Bey der wahren Erzeugung hingegen hat man nichts zu beweisen. Es zweifelt kein Mensch, daß sie nicht statt finden solle, aber erklaͤren soll man, wie es damit zugeht. Sie sehen wohl, Needhams Lehre ist von der Lehre der Generation auf allen Seiten verschieden. Nicht nur in An- sehung der Sache, wovon er handelt, sondern auch Hypothesen von der Generation. auch in Ansehung desjenigen, was er von die- ser Sache sagt. Es ist daher ein Mißverstaͤndniß gewesen, wenn wir die Worte in der Recension meiner Theo- rie die sich in den Goͤttingischen gelehrten Anzeigen im Jahr 1760 143. Stuͤck befindet, „ indem der „Verfasser, wenn kein Fehler in seinen „Schluͤßen ist, die Needhamische Meynung „fast erweiset, so ausgelegt haben, als wenn ich wenigstens mit Needham einerley Sachen ge- schrieben haben muͤste. Der große Gelehrte, wel- cher diese Recension gemacht hat, der Hr. Baron von Haller, hat die Gefaͤlligkeit gehabt, in einem Briefe, den ich nachhero von Jhm bekommen habe, mir seine Meynung deutlicher zu erklaͤren. Er sagt, wenn das richtig ist, was ich geschrie- ben habe, so verschieden es auch von dem, was Needham gethan hat, seyn mag, so kann man doch Needhams Saͤtze aus den meinigen herlei- ten, und sie folglich durch meine Saͤtze als durch neue Gruͤnde beweisen. Hierwider kann ich auf eine billige Art nichts einwenden. Denn es ist wahr. Und in der That halten auch die angefuͤhr- te Worte weiter nichts in sich, als daß durch mei- ne Theorie, wenn sie richtig ist, auch die Need- hamische Meynung zugleich eine große Wahr- scheinlichkeit bekommt. Jch halte auch die meh- reste Erinnerungen in dieser Recension fuͤr billig; Zum Exempel, daß ich mit mehrern Erfahrungen noch meine Saͤtze haͤtte bestaͤrken sollen. Jmglei- chen Historie der verschiedenen chen daß ich mit einem mahl ein wenig zuviel ge- wagt habe. Denn wenn man in physischen Ent- deckungen recht sicher gehen will, so muß man die Natur einer Sache nicht von einer, sondern von so vielen Seiten, als moͤglich ist, kennen, und alsdann, wenn sich die Sache auf allen Seiten und in allen Umstaͤnden immer auf dieselbe Art uns vorstellt, koͤnnen wir versichert seyn, daß sie sich so, wie wir glauben, verhaͤlt. Jch habe eine dergleichen Furchtsamkeit auch in der Vorrede meiner Disputation schon einigermassen blicken lassen. Jndessen kann ich wohl eben nicht sagen, daß ich bisher viel Uebereilungen entdeckt haͤtte; sondern die neue Erfahrungen, welche ich mir waͤhrend der Zeit, von verschiedenen Dingen an- geschaft habe, stimmen nicht nur mit meinen Grundsaͤtzen uͤberein, sondern sie scheinen sie auch sehr zu bestaͤrken. Dieses thut aber der vorigen Wahrheit nichts, und die Erinnerung bleibt im- mer sehr wahr und nuͤtzlich. Und auf diese Art erkenne ich aus den mehresten Anmerkungen die- ser Recension die große Einsicht ihres Verfassers. Nur einige wenige Punkte kommen darinn vor, und zwar eben die, welche Herr Bonnet in seiner neuen Schrift mit großem Fleiß weiter zu treiben scheint, die ich, dafern ich nicht wider mein Ge- wissen reden soll, nicht zugeben kann. Hiervon will ich also in der Folge Jhnen meine Gedan- cken sagen. Sie Hypothesen von der Generation. Sie wissen, daß der Herr von Des Herrn Baron von Haller Beo- bachtungen. Haller in seiner kleinen Physiologie sehr viel Zuneigung zur wahren For- mation der organischen Koͤrper, die wuͤrklich durch die Kraͤfte der Natur bewerkstel- liget wuͤrde, bezeigt hat. Jndessen, nachdem Buffon und Needham eine Zeitlang die Gelehr- ten beschaͤftigt hatten, so gab er 1758. Beobach- tungen uͤber die Formation des Herzens in den Huͤnereyern heraus. Hierin behauptete er zwar nicht als voͤllig gewiß die Hypothese des Mal- pighii, allein er sagte, daß die Beobachtungen mehr vor als wider diese Hypothese waͤren, und er wollte die Gruͤnde der Beurtheilung seiner Leser vorstellen. Dieses vortreffliche Werk enthaͤlt so wichtige, so accurate und vollstaͤndige Beobach- tungen von allen denen Veraͤnderungen, die mit dem Embryo im Ey waͤhrend seiner ganzen For- mation allmaͤhlig vorgehen, daß man nicht nur bishero keine so vollkommne Beschreibung dieser Historie der Formation gehabt hat, sondern daß man auch niemahl eine vollkommnere wird erwar- ten koͤnnen. Der Mangel der Kupfer wird zwar denenjenigen, die diese Versuche nicht gemacht haben, die Beschreibungen etwas schwer machen, allein denenjenigen, die darin geuͤbt sind, koͤnnen diese nicht anders als hinlaͤnglich deutlich seyn. Diese war also die letzte Schrift, welche von der Generation herausgekommen war, da ich ein Jahr darnach meine Dissertation drucken ließ, und C jetzo Historie der verschiedenen ꝛc. jetzo endlich ist als das allerneueste, was wir von Bonnet . der Generation haben, des Herren Bonnets Schrift, die den Titel fuͤhrt, Considerations sur les corps organisées, heraus- gekommen, worinn wiederum, und zwar aus eben denselben Gruͤnden des Herren von Hallers, des Malpighs Hypothese behauptet, und in ihrem ganzen Umfange vorgetragen wird. Dieses waͤre also ein kleiner Abriß einer Historie der Lehre von der Generation, woraus Sie vors er- ste so viel werden gesehen haben, daß in allen diesen Schriften, des einzigen Cartesii Tractat, der aber nach aller Menschen Gestaͤndniß nur eine bloße Chimaͤre in sich enthaͤlt, ausgenommen, kei- ne Erklaͤrung der Generation vorkoͤmmt. Ob ich aber in meiner Dissertation, oder auch in der fol- genden Abhandlung, die organischen Theile und ihre Zusammensetzung in den Thieren und Pflanzen wuͤrklich erklaͤrt habe, oder ob ich eben so, wie die andern, nur einen kuͤnstlichen Dunst gemacht ha- be, der das Ansehen einer Erklaͤrung hat, beym Lichte besehen, aber nichts weniger als Erklaͤrung ist, das will ich nun, nachdem ich Jhnen in dem obigen den Begriff einer Erklaͤrung auseinander gesezt habe, Jhnen und andern, die da wissen, was man unter Erklaͤrung zu verstehn hat, zu beurthei- len uͤberlassen. Nunmehro bleibt mir noch eine andere kleine Arbeit uͤbrig. Be- 3. Abschnitt. Beweiß der Epigenesis. J ch habe mich allezeit sehr in Acht genommen, wider das, was ein anderer geschrieben hat, zu disputiren. Nicht deswegen, weil ich solches etwan fuͤr unbillig gehalten haͤtte; es hat ein jeder die Freyheit, das, was er in den Wissenschaften fuͤr wahr haͤlt, oͤffentlich fuͤr wahr zu erkennen, und folglich muß er auch das Recht haben, das- jenige, was ihm wider die Wahrheit zu streiten scheint, zu widerlegen. Allein ich habe geglaubt, daß es sehr wohl moͤglich sey, eine Warheit aufs Beste zu vertheidigen ohne eines andern seine Saͤtze, die wider diese Wahrheit streiten, foͤrm- lich anzugreifen. Denn, da ein Satz, wenn er einmahl wahr ist, unmoͤglich auch falsch seyn kann; so habe ich ja weiter nichts noͤthig, als diesen Satz so zu beweisen, daß niemand an dessen Wahrheit mehr zweifelt, und die Gruͤnde, welche wider die- sen Satz angefuͤhrt werden, fallen alsdann eben dadurch von selbsten schon weg. Da nun also auf diese Art alle Dispuͤten unangenehm sind, was treibt mich denn dazu, mich in eine unangenehme Sache einzulassen? Da ich also meine Dissertation schrieb, so setzte ich mir dieses als eine Regel vor, daß ich in derselben wider niemanden disputiren wollte. Daher werden Sie zwar allenthalben von demjenigen, was ich fuͤr wahr halte, Beweise finden. Nirgend aber werden Sie foͤrmliche Wi- C 2 derle- Beweiß der Epigenesis. derlegungen antreffen. Eben daher finden Sie im dritten Theil die Meynungen anderer Natur- forscher zwar angefuͤhrt, auseinander gesetzt, mir den meinigen verglichen, aber nicht widerlegt. Nach eben der Regel habe ich in dieser Abhand- lung bisher die vornehmste Hypothesen von der Generation erzehlt, genau untersucht, und was etwan dadurch zum Vortheil der Wissenschaften gethan sey, bestimmt, aber von Widerlegungen kein Wort mit einfliessen lassen. Aus eben diesem Grunde habe ich mich in meiner Dissertation an- gestellt, als wenn mir von keinen andern Hypo- thesen, die ich etwan, dafern ich die meinige auf einem sichern Grunde bauen wollte, erst widerle- gen muͤßte, etwas bekannt waͤre, ob wohl solches sonst gewoͤhnlich zu geschehen pflegt. Jch habe gethan, als wenn ich nicht wuͤßte, daß gelehrte Maͤnner waͤren, die, in sofern in meiner Theorie zum voraus gesetzt wird, daß die organischen Koͤr- per wuͤrklich durch natuͤrliche Kraͤfte gebildet wer- den, davon das Gegentheil behauptet haͤten. Jch habe vielmehr eine solche Stellung angenommen, gleichsam als haͤtte erstlich noch niemand von die- ser Sache geschrieben, zweytens als saͤhe man taͤg- lich, daß neue organische Koͤrper entstehen, die vorhin nicht da waren; als sey also an dieser Wahrheit, daß sie wuͤrklich formirt werden, gar kein Zweifel, und waͤre folglich kein anderes Pro- blem bey den Gelehrten aufzuloͤsen uͤbrig als die- ses: Wie aber und auf was fuͤr Art und durch welche Ursachen werden diese Koͤrper formirt? Als- Beweiß der Epigenesis. Alsdann aber, habe ich geglaubt, wenn ich wuͤr- de gezeigt haben, wie die organische Koͤrper for- mirt werden, und bewiesen, daß sie auf diese und auf keine andere Art formirt werden, alsdann, sa- ge ich, habe ich geglaubt, daß von selbsten klar seyn wuͤrde, daß sie auch wuͤrcklich formirt seyn muͤsten, daß dieser Zweifel, ob solches auch wuͤrck- lich geschehe, eben dadurch von selbst wegfallen wuͤrde, und daß auf diese Art, ob ich gleich jenen Satz, wodurch man, wie man es nennt, die Epigenesin behauptet, nicht unmittelbahr bewie- sen haͤtte, so daß mir dieser Beweiß ein besonde- rer Endzweck gewesen waͤre, es doch eben so gut sey, als wenn ich solches gethan haͤtte. Daß die- ses mein Plan gewesen sey, sehen Sie an der gan- zen Ausfuͤhrung meiner Dissertation. Nachdem ich mit wenigen Worten fest gesetzt habe, daß den lebenden Koͤrpern eine gewisse Kraft eigen sey, wodurch die Nahrungssaͤfte durch ihre Theile di- stribuirt werden, welches ich allenfalls ohne Scha- den hatte weglassen koͤnnen; so entdecke ich sogleich durch Beobachtungen die wahre Beschaffenheit der Gefaͤße in den Pflanzen, und daraus schließe ich, wie sie nothwendig haben formirt werden muͤs- sen. Und eben so verfahre ich bey der Formation der uͤbrigen Theile. Jch sage also, Sie sehen aus der ganzen Ausfuͤhrung meiner Dissertation, daß der Endzweck derselben eigentlich nicht die Vertheidigung der Epigenesis gewesen sey. So sehr die Maxime, daß man, so viel als moͤglich ist, alle Dispuͤten vermeiden muͤsse, den C 3 Regeln Beweiß der Epigenesis. Regeln der Vernunft und der Billigkeit, wie ich glaube, gemaͤß ist, so sehen Sie doch leicht, daß sie in dem Fall, wo in einer Theorie Schwuͤrigkei- ten gezeigt werden, die man aufgeloͤset haben will, schlecht angebracht seyn wuͤrde. Man sagt mir zum Exempel, wenn das, was ich behaupte, wahr ist, so wird ja dieses oder jenes daraus folgen, welches doch unmoͤglich seyn kann; oder man sagt mir, sie schließen aus dieser Beobachtung diesen Satz, allein das folgt nicht. Hier kann ich nicht antworten, ich will nicht disputiren. Es ist hier die Rede nicht mehr vom Disputiren. Wenn ich zeige, daß ich entweder diesen Satz aus jener Beobachtung wuͤrklich nicht schliesse, auch ihn zu meiner Theorie, wenn ich ihn geschlossen haͤtte, nicht wuͤrde noͤthig gehabt haben, daß dieser Schluß mir also aus einer Uebereilung nur sey zugeschrie- ben worden, oder wenn ich zeige, wie der Satz aus der Beobachtung folgt und mit derselben zu- sammenhengt; so heist das nicht mehr disputiren. Es heist in einem gewissen Punkt sich naͤher erklaͤ- ren, sich deutlicher und vollstaͤndiger erklaͤren. Da nun in der Recension, die der Herr Ba- ron von Haller uͤber meine Dissertation zu ma- chen mir die Ehre erzeigt hat, dergleichen Schwie- rigkeiten gezeigt und vorgestellt werden, wie man solches allemahl von einem so großen Mann, der keine bloße historische Erzaͤhlung, sondern eine Beurtheilung der Sache liefern soll, mit Grunde auch fordern kann; da auch eben diese Schwierig- keiten Beweiß der Epigenesis. keiten ferner in des Herren Bonnets Betrachtun- gen uͤber die organischen Koͤrper weiter vorgetra- gen und mehr auseinander gesetzt werden, ob gleich meine Schrifft nicht genennt wird; so ist es also in diesem Fall keine Bescheidenheit mehr, hierauf nicht zu antworten. Nein, es ist meine Schul- digkeit, mich in diesem Punkt naͤher zu erklaͤren. 1) Unwahrscheinligkeit der Hypo- thesen von der Praͤdelineation. E he ich aber diese Schwierigkeiten selbst aufloͤse, so will ich Jhnen vorher erklaͤren, was ich von dem System der Evolution fuͤr eine Jdee ha- be, wenn solches, ohne noch an diejenige Versu- che und Beobachtungen zu denken, welche die Ge- neration naͤher angehen, und aus denen eigentlich nur eine Theorie hergeleitet werden kann, bloß an und vor sich betrachtet wird. Und ich kann dieses jetzo um so vielmehr thun, da ich mich noch nie- mahls, und bey keiner Gelegenheit in Ansehung der Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlichkeit dieser Hypothesen herausgelassen habe. Jch muß gestehn, daß beyde Meynungen, so wohl die von der Evolution, als auch die andere von den Saamenthierchen, mir immer, und auch ehe ich noch glaubte, daß ich jemahls zu Beobachtun- gen kommen wuͤrde, die mich in den Stand setz- ten, eine Theorie der Generation auszuarbeiten, schon unwahrscheinlich vorgekommen sind. Jch C 4 kann Unwahrscheinlichkeit der Hypothes. kann so gar nicht laͤugnen, daß eben dieses eine von den fuͤrnehmsten Ursachen zugleich mit gewe- sen ist, warum ich mich mit der Widerlegung die- ser Hypothesen niemahls habe aufhalten wollen; und ich wuͤrde vielleicht noch so denken, wenn der Herr von Haller nicht zu erkennen gegeben haͤt- te, daß er bey dem System der Evolution viel Wahrscheinlichkeit finde, und wenn Hr. Bonnet nicht eben dieses fast fuͤr gewiß hielte. Hiedurch bekoͤmmt die Sache in meinen Augen ein ganz anderes Ansehen, und ich denke nicht mehr, daß es sich der Muͤhe nicht belohne, des Malpighs System zu widerlegen. Man findet nichts in der Nat ur wel- ches einer Evolution ähnlich wäre. Die Ursache aber, warum mir diese beyde Hypothesen, auch ohne noch auf die eigentlich zur Sache gehoͤ- rige Observarionen zu sehen, an sich schon sehr unwahrscheinlich vorgekom- men sind, ist fuͤrnehmlich diese, weil man in der ganzen Natur, auch kein einziges Phaͤ- nomen antrift, welches mit einer solchen Evolution, wie in diesen Hypothesen angenommen wird, nur die geringste Aehnlichkeit haͤtte, wie ich solches gleich deutlicher erklaͤren werde. Nun wissen Sie aber, wie man in physischen Erklaͤrungen verfahren muͤs- se. Man muß, wenn man nicht unmittelbar durch Beobachtungen und Versuche hinter eine Sache kommen kann, nicht, wie Cartesius und Ham- berger gethan haben, eine Moͤglichkeit, wie sich et wan allenfalls eine Sache verhalten koͤnnte, aus der von der Praͤdelineation. der Luft erdenken; sondern man muß, wie es der Herr von Haller und andere gute Naturforscher immer gemacht haben, sich nach einem andern aͤhn- lichen Fall in der Natur umsehn, wo der Wahr- heit leichter beyzukommen ist; hieraus muß man so lange, bis man Beobachtungen bekoͤmmt, die die Sache demonstriren, wahrscheinlicher Weise schließen, daß es sich mit jener unbekannten Sa- che, unfehlbahr eben so verhalten werde. Je mehr man aͤhnliche Faͤlle entdeckt, worin die Natur auf eben dieselbe Art verfaͤhrt, einen desto hoͤhern Grad der Wahrscheinlichkeit bekoͤmmt die Hypothese, und wenn man endlich eine ganze Menge dergleichen aͤhnlicher und zwar wuͤrklich aͤhnlicher Faͤlle auf- weisen kann, so sagt man alsdann, es ist der Natur gewoͤhnlich, so zu handeln, oder wenn es sehr weit geht, so sage man wohl gar es ist ein Gesetz der Natur, nach welchem sie so handeln muß, und die Hypothese wird eine physische Wahr- heit. Wenn aber hingegen man keinen einzigen Fall in der Natur entdecken kann, wo sie so ver- fuͤhre, wie in einer Hypothese angenommen wird; wenn diese nichts weiter vor sich hat, als eine blos- se Moͤglichkeit, als bloß dieses, daß sie keinen Wi- derspruch enthaͤlt; alsdann ist einem Naturfor- scher eine solche Hypothese ein veraͤchtliches und unertraͤgliches Ding, und das kommt daher; sie harmonirt gar nicht mit dem Begriff, welchen er von der gegenwaͤrtigen Natur durch Erfahrungen bekommen hat. Er sagt alsdann, ich finde gar nicht den allergeringsten Grund, warum ich diese C 5 Chi- Unwahrscheinlichkeit der Hypothes. Chimaͤre, denn eine bloße Chimaͤre ist es doch nur, fuͤr wahr halten sollte. Lassen Sie mich zu frie- den, es soll mir nicht so schwer werden, fuͤr unwis- send gehalten zu werden, als Jhre Hypothese zu behaupten. Koͤnnen Sie mir es nun wohl ver- denken, wenn ich, auch ehe ich das Geringste von der wahren Theorie der Generation gewust habe, doch diese beyde Hypothesen wenigstens niemahls habe ausstehen koͤnnen? Jch habe immer eben so gedacht, wenigstens habe ich diese Gedanken un- deutlich gehabt, die ich Jhnen jetzo entwickele. Sie sehen aber hieraus schon, daß ich nicht der- jenigen Schwierigkeiten wegen dem System der Evolution abgeneigt gewesen bin, die man dem- selben gewoͤhnlich macht, und die von der sehr großen Kleinheit der organischen Koͤrper, die in einer unendlichen Menge in dem ersten Ey gesteckt haben sollen, hergenommen sind. Diese wuͤrden mich vielleicht weniger gedruͤckt haben, und es gel- ten bey mir die Saamenthierchen, die jener Schwierigkeit nicht unterworfen sind, dennoch nicht mehr als die Evolution. Nunmehro will ich Jhnen aber die obige Wahrheit deutlicher erklaͤren. Jch sage, man findet in der ganzen Natur kein einziges Phaͤno- men, welches mit einer solchen Evolution, wie in den beyden Hypothesen angenommen wird, auch nur einige Aehnlichkeit haͤtte. Jch will Jhnen jetzo den Begriff der Evolution, und zwar so, wie er nicht nur beyden Hypothesen gemein ist, son- dern von der Praͤdelineation. dern wie er auch auf andere Erscheinungen in der Natur, die nicht eben Producktions organischer Koͤrper sind, angewendet werden kann, bestim- men. Sie sehen leicht, daß ich den Begriff et- was allgemeiner und weiter machen werde, als er in der Hypothese der Evolution angenommen wird, allein dadurch verlieren die Vertheidiger der Hypothese nichts, sondern sie gewinnen, und ich verliere; denn wenn auch das, was beyden Hypothesen gemein ist, und was ich von dem System der Evolution nur abstrahirt habe, nicht einmahl in der Natur angetroffen wird, wie viel- weniger wird das uͤbrige, was einer jeden noch besonders eigen ist, mit dem Vorigen zugleich an- getroffen werden. Jch erinnere dieses vielleicht ohne Ursache, und es ist leicht, die Billigkeit meines Verfahrens einzusehn. Evolution also heist im generellern Verstande ein Phaͤnomen, welches in der Natur entsteht, eine Zeitlang dau- ert und wieder aufhoͤrt, welches aber nicht durch natuͤrliche Ursachen producirt, sondern vielmehr unmittelbahr von Gott, und zwar zur Zeit der Schoͤpfung schon erschaffen, die Zeit uͤber, ehe es zum Vorschein gekommen, unsichtbahr gewe- sen, alsdann aber, da es erschienen ist, eigentlich nur, auf was fuͤr Art es uͤbrigens auch geschehe, sichtbahr geworden ist. Also kuͤrtzer, ein Phaͤno- men, welches seinem Wesen und Eigenschaften nach immer existirt hat, nur nicht sichtbar gewe- sen ist, endlich aber, auf welche Art es wolle, un- ter der Maske, als wenn es erst entstuͤnde, sichtbar wird Unwahrscheinlichkeit der Hypothes. wird. Die Art, wie es eine Zeitlang unsichtbar gewesen, hernach sichtbar geworden sey, mag seyn welche sie wolle. Es mag vorher zu klein, es mag durchsichtig gewesen, hernach aber in ein groͤßeres Volumen ausgedehnt, oder undurchsich- tig geworden seyn, oder es mag noch auf eine andere Art geschehen seyn, das ist mir alles einer- ley; und Sie haben die Freyheit zu wehlen, zu erfinden, wie Sie wollen. Nun sage ich, ein dergleichen Ding, ein solches evolvirtes Phaͤno- men, oder eine solche Evolution finden Sie in der ganzen Natur nicht. Mischen Sie mir nur nicht gleich alles durcheinander. Sie werden sagen; Wie? Pflanzen? Jnseckten? Das sind eben die Dinge, bey denen ich die Evolution laͤugne; aber haben Sie drey Augenblicke Gedult; ich werde da- hin kommen. Wir wollen vors erste die organi- sche Koͤrper, die eben der Gegenstand unserer Dispuͤte sind, nur so lange uͤber Seite setzen, und die uͤbrige Erscheinungen der Natur, die uͤbrige ganze Natur nur mit einem Blick durchgehn. Was sind da nicht noch fuͤr Erscheinungen? fuͤr Dinge, die die Natur hervorbringt, und deren Art, wie sie hervorgebracht werden, wir schon wissen, und zwar so, daß wir alle darin einstim- mig sind. Gehen Sie also diese Dinge durch, und sehen Sie, ob Sie eine Evolution, oder et- was aͤhnliches unter ihnen antreffen werden. Sie finden also zum Exempel in der Luft Wolken, wel- che entstehn und wieder aufhoͤren. Aber schienen sie nur zu entstehen? und wurden sie eigentlich nur von der Praͤdelineation. nur evolvirt? Nein, wir wissen, daß sie durch natuͤrliche Ursachen und zwar durch die Waͤrme producirt werden, und wie sie producirt werden. Die Materie zu den Wolken war da, aber Wol- ken wurden erst producirt. Der Regenbogen ent- steht und vergeht wieder. Aber hat er immer exi- stirt? Nein wir wissen, daß er weiter nichts ist, als eine Reihe fallender Regentropfen, die die Sonnenstrahlen zuruͤckwerfen, und die nicht im- mer, als fallende, und Sonnenstrahlen zuruͤck- werfende Regentropfen existirt haben. Jch wuͤr- de laͤcherlich werden, wenn ich mit diesen Erklaͤ- rungen weiter durch Schnee, Hagel, Regen, u. s. f. durchgehen wollte. Aber erinnern Sie sich auch an die durch Mischungen producirte Sub- stanzen, die in der Natur erzeugt werden, und deren Entstehungsart wir wissen. Schwefel, Salze, Metalle. Hat der Schwefel seinem We- sen und Eigenschaften nach, folglich als Schwefel schon immer existirt? Er wird producirt, indem Vitriolsaͤure mit einem brennbaren Wesen verbun- den wird. Alle Dinge woraus unsere Erdkugel nicht nur, sondern die Welt zusammengesetzt ist, und die wir kennen, sind entweder offenbar un- bestaͤndig, und muͤssen als Veraͤnderungen des Weltgebaͤudes angesehn werden, oder sie scheinen bestaͤndig, und koͤnnen also in so fern als wesent- liche Stuͤcke dieses Weltgebaͤudes betrachtet wer- den. Zu den erstern gehoͤren die schon angefuͤhrte Exempel. Die Gebuͤrge hingegen, die Fluͤsse, Laͤnder, das Meer, die innere Strucktur des Erd- bodens, Unwahrscheinlichkeit der Hypothes. bodens, koͤnnen Sie, wie Sie wollen, entweder zur ersten oder zweyten Classe rechnen. Sollen es nach Woodwart und andern, Veraͤnderun- gen seyn, so sind es eben so wenig wie die vorigen Erscheinungen Entwickelungen. Sind es we- sentliche Stuͤcke der Welt, die noch von der Schoͤpfung herruͤhren, so sind sie immer sichtbar, niemahl unsichtbar gewesen, folglich keine Entwi- ckelungen. Jch will nicht weiter gehn. Jch habe nur Wege zur Untersuchung gezeigt. Jhnen aber uͤberlasse ich es, eine vollstaͤndige Untersu- chung anzustellen, und mir nur ein einziges Exem- pel einer wahren Entwickelung, oder etwas, das ihr aͤhnlich waͤre, ausfindig zu machen. Die bey den Pflanzen und Jnseckten wahrgenom- mene Ein- wickelung der jüngern in den ältern Theilen ist kei- ne solche Evo- lution, wie sie in der Hypo- these ange- nommen wird. Nun sind wohl drey Augen- blicke vorbey, und ich will ihre Pflan- zen und Jnseckten anhoͤren. Sie sa- gen, man sieht ja eine Entwickelung bey den Pflanzen wenigstens, an ih- ren Knospen ( Gemmis ) und bey den Jnseckten an der Verwandlung. Daß dieses eine wahre Entwickelung, so wie ich sie definirt habe, sey, die an- statt der Producktion seyn soll, die also die Producktion ausschließt, und nicht vor sich vorhergehen laͤßt, die- ses eben ist es, was ich laͤugne, was Sie durch Aufzeigung anderer Entwickelungen, die man offenbahr fuͤr wahre Entwickelungen er- kennt, wahrscheinlich machen sollen, und welches ich von der Praͤdelineation. ich hingegen, indem ich zeige, daß sonst in allen andern dergleichen Faͤllen offenbar keine Entwicke- lungen statt finden, unwahrscheinlich mache. Jch sage also, es gibt allerdings eine Art von Ent- wickelung in der Natur, die vornehmlich bey den Pflanzen statt findet, in deren Knospen, oder Saamen, denn diese sind nichts anders als Knos- pen, die juͤngere Blaͤtter immer in den aͤltern ein- gewickelt sind, und allmaͤhlig, indem sie wachsen, durch Verlaͤngerung ihres Stiels aus denselben herfuͤrgestoßen werden; die ferner auch bey den Jnseckten an ihrer Verwandlung sich zeigt. Al- lein diese Evolution, so gewiß wir an ihr sehen, daß juͤngere und spaͤter producirte Theile in aͤlteren und fruͤher producirten eine Zeitlang eingewickelt liegen, bis sie die Haͤrte und Festigkeit der Er- wachsenen bekommen, so beweiset sie doch nicht, daß diese, so fruͤhe auch als Sie wollen, in den aͤlteren befindlich gewesene juͤngere Theile, niemahls producirt, sondern von je her schon darin gewe- sen waͤren, folglich ist diese Evolution von jener vermeinten Evolution wie sie die Vertheidiger der Hypothesen annehmen, und wie ich sie definirt habe, die nehmlich statt der Generation dienen, und alle wahre Producktion ausschließen soll, him- melweit unterschieden; und sie kann also als kein Exempel unserer Evolution, womit wir es zu thun haben, angefuͤhrt werden. Man wuͤrde, wenn man es thun, und diese Evolution analogisch da- durch wahrscheinlich machen wollte, dabey eben dasjenige zum Voraus setzen, was man beweisen wollte. Jch Unwahrscheinlichkeit der Hypothes. Jch will mich noch einige Augenblicke bey dieser mir von Jhnen angefuͤhrten Entwickelung, die ich die existirende Entwickelung indessen nen- nen will, aufhalten, um Jhnen noch deutlicher zu zeigen, daß dieselbe, von der Entwickelung der Hypothese, wie ich diese nennen will, sehr unterschieden sey, und dadurch folglich klar zu ma- chen, daß die Hypothese eigentlich wuͤrklich voͤllig aus der Luft genommen sey. Jch sage also, Sie koͤnnen nicht nur gar nicht beweisen, daß diese Entwickelungen, die Sie mir als Exempel solcher Entwicklungen, wie Sie in der Hypothese anneh- men, anfuͤhren wollen, dergleichen waͤren, wie Sie doch, wenn Sie sie als dergleichen Exempel anfuͤhren wollten, allerdings thun muͤsten; son- dern es ist auch offenbar, daß es ganz andere Dinge sind, die die Natur dabey zur Absicht hat, und die mit der Entwickelung der Hypothese gar nichts zu thun haben. Man sieht, sage ich, den Endzweck der Natur, und dasjenige, was sie da- durch bewerkstelliget, gar zu deutlich, als daß man auf die Gedancken gerathen koͤnnte; sie muͤs- se die aͤltere Theile zuruͤckschieben, und die juͤngere allmaͤhlig hervorziehn, weil sie eben auf diese Art erzeugt werden sollen. Sollten die ganz jungen und erst producirten Theile, die so zart und so weich sind, daß sie einem vollkommen fluͤßigen Wesen sehr nahe kommen, so gleich frey zu liegen kom- men, daß sie der Luft, und allen aͤusserlichen Ur- sachen ausgesetzt waͤren; so wuͤrde ein Regen, ein Thau, eine kalte Luft, der Wind, ein warmer Son- von der Praͤdelineation. Sonnenschein, ein jedes Jnseckt, der Staub so gar und eine jede Kleinigkeit der Natur, im Stan- de seyn, die jungen Theile in ihrem ersten Anfan- ge zu zerstoͤhren, und es wuͤrde niemahls eine Pflanze zur Vollkommenheit gebracht werden. Daher musten sie also, so lange, bis sie selbst die gehoͤrige Festigkeit bekaͤmen, nothwendig in de- nen Theilen der Pflanze, oder des Jnseckts, die fruͤher producirt, und also aͤlter und fester waren, eingewickelt liegen, und innerhalb dieser Theile also musten sie nothwendig formirt werden. Daher kommt es, daß, je zaͤrtlicher die Thei- le einer Pflanze sind, und je weniger diese sonst noch Mittel hat, ihre junge Theile zu beschuͤtzen, als wozu bey einigen noch der klebrigte harzigte Saft, bey andern ( tomentosis ) das wolligte We- sen, womit die Knospen uͤberzogen und durchwebt sind, hingehoͤren, daß, sage ich, um desto viel- facher alsdann ihre jungen Theile eingewickelt seyn muͤssen, oder welches eben dasselbe ist, daß um desto fruͤher in den aͤlteren Theilen die juͤngere als- dann auch producirt werden muͤssen. Daher fin- den Sie auch bey allen Liliengewaͤchsen, weil sie kein Harz und keine Wolle und uͤberdem eine zarte Substanz haben, und folglich auch bey der Hya- cinte, daß sie fruͤher, als andere Pflanzen, ihre jungen Theile produciren, und daß man folglich in einer Hyacinte oder in einen andern Liliengewaͤch- se schon Theile nothwendig entdecken muß, die erst lange hernach, und nach vielen andern hervorge- D scho- Unwahrscheinlichkeit der Hypothes. schobenen Theilen erst, als erwachsene, zum Vor- schein kommen, woruͤber Herr Bonnet pag. 103 sich so wundert. Jch sehe im Vorbeygehen, daß er wuͤrklich jene existirende Evolution mit der in der Hypothese angenommenen voͤllig vermischt, und fuͤr einerley haͤlt. Er sagt an eben dem Ort p. 103. „Il y a plûs, on observe, pour ainsi dire, a l’ „œil, cet enveloppement. On decouvre dans „un Oignon d’Hyacinte jusqu’ a quatrieme Ge- „neration‟. Es ist also wohl noͤthig, wie ich merke, daß ich diese Sache ein wenig ausein- ander setze. Bey denen filicibus, welche in ihrem Bau von den Pflanzen im eigentlichen Verstande sehr unterschieden sind, indem die ganze Pflanze eigent- lich nur ein einziges zusammengesetztes Blatt ist, kann die Einwickelung der jungen Theile durch ordentliche Knospen oder Augen, dieser besondern Strucktur wegen, nicht bewerkstelliget werden. Sie bekommen also auch keine Knospen, wie an- dere Pflanzen haben. Jst nun der Endzweck bey den gemmis etwas anderes, als die bloße Ver- wahrung der jungen Theile gewesen, so wird sich dieses hier vielleicht offenbaren. Es wird der- selbe Endzweck durch andere Mittel erreicht, und dieselbe Sache auf eine andere Art bewerkstelliget werden. Und also werden wir auf diese Art hin- ter die wahre Absicht der Natur kommen koͤnnen. Jst aber, wie ich sage, die bloße Verwahrung der jungen zarten Theile der Endzweck bey den Knos- pen von der Praͤdelineation. pen gewesen; so muß sich bey diesen neuen Anstal- ten, die die Natur bey den filicibus macht, wie- derum nichts anders als eine bloße Verwahrung der jungen Theile sehen lassen. Nun finden Sie aber an statt der Knospen hier weiter nichts, als eine Art von Aufrollung des ganzen Blattes in ei- ne oder etliche Kugeln, wodurch die juͤngere Thei- le im Mittelpunkt, die aͤlteren aber an der aͤuße- ren Flaͤche herum zu liegen kommen, und Sie se- hen also, daß auch hier wiederum sich nichts an- ders als eine sorgfaͤltige Verwahrung der jungen zarten Theile wahrnehmen laͤst. Wie koͤnnen Sie denn also auf die Gedanken gerathen, als wenn diese Entwickelung der juͤngern Theile in den aͤl- tern darum in den Pflanzen oder Jnseckten sich so zeigte, weil von je her dieselben darin eingewickelt gelegen haͤtten. Bisher habe ich gesagt, Sie koͤnnen mir in der ganzen Natur kein einziges Exempel einer Er- scheinung aufweisen, die durch eine Evolution zum Vorschein gebracht wuͤrde, sondern alle Erschei- nungen, die in der Welt statt finden, werden durch physische Ursachen im genauesten und voll- staͤndigsten Verstande producirt oder herfuͤrge- bracht. Sie haben darauf von Pflanzen und Jnseckten und Verwandlung geredet. Und ich habe geantwortet, daß diese Einwickelung, die bey den Pflanzen so wohl, als bey den Jnseckten aller- dings statt findet, himmelweit von einer solchen Entwickelung, wie sie in der Hypothese angenom- D 2 men Unwahrscheinlichkeit der Hypothes. men wird, unterschieden sey. Sie haben denn also aus dieser existirenden Entwickelung jene Ent- wickelung der Hypothese wenigstens schliessen wol- len; aber ich habe Jhnen gewiesen, daß Sie nicht den allergeringsten Grund zu diesem Schluß, oder zu dieser Vermuthung vielmehr haben. Wenn ich Jhnen nun aber auf irgend eine Art, an statt ganz klar zu zeigen, aber auch nur bloß dieses zu zeigen, daß der Endzweck, der durch die Einwickelung bey den Pflanzen und Jn- seckten erhalten wird, die Verwahrung der jungen Theile sey, wenn ich, sage ich, an statt dem, nun auch auf irgend eine Art zeigen koͤnnte, daß eben diese Verwahrung der jungen Theile der einzige Endzweck sey, der durch die ganze Einwickelung erhalten wird, das heist also eben so viel, als daß auch sonst gar nichts anderes dadurch erhalten wuͤrde. Wuͤrde alsdann daraus noch dieses nur folgen, daß Sie kein Exempel einer Evolution aufweisen koͤnnten? und daß folglich die Hypothe- se unwahrscheinlich waͤre? Nein, wenn es wahr ist, daß diese Einwickelung, die bey den Pflanzen statt findet, nichts weiter hinter sich hat, als ein- zig und allein die Verwahrung der jungen Theile, so folgt offenbar daraus, daß sie auch nicht die Evolution der Hypothese hinter sich habe. Wenn sie aus keinem andern Grunde geschiehet, als zur Erhaltung der jungen Theile zu dienen, so wird sie auch nicht aus dem Grunde instituirt, damit sie statt der Producktion dienen soll. Das heist also von der Praͤdelineation. also nicht mehr, die Hypothese ist unwahr- scheinlich, sondern es heist, sie ist falsch. Das will ich Jhnen nun also jetzo zeigen, nicht in der Absicht, als wenn ich hierauf bloß die Wahrheit bauen wollte, diese muß auf mehr unmittelbahre und mehr in die Augen fallende Gruͤnde, auf Beobachtungen, die von der Sa- che selbst hergenommen sind, nicht auf eine Reihe von Schluͤßen gebauet werden. Jch will diesen Beweis nur im Vorbeygehen mit anfuͤhren. Die vierfuͤßigen Thiere und Voͤgel geben ihn uns. Diese sind alle, so lange sie noch Embryonen sind, entweder in einem Ey, und also nicht nur in einer Schale sondern auch in einem dicken und weichen Wesen, oder aber in Haͤuten und mit diesen im Utero enthalten, und folglich fuͤr aͤußerliche Be- schaͤdigungen sicher. Wenn nun also, wie ich sage, die Natur bey der Einwickelung der juͤngern Theile keine andere Absicht hat, als die Erhaltung derselben, so wird bey den Thieren diese Einwicke- lung der juͤngern in aͤltere Theile nicht noͤthig seyn, und da die Natur nichts umsonst thut, so muß sie bey denselben nicht statt finden. Sie findet aber auch in der That nicht nur nicht statt, sondern sie findet auch so sehr nicht statt, daß, gleichsam als wenn die Natur gegen meinen Antagonisten sich recht eigensinnig bezeigen wollte, vielmehr das Gegentheil geschiehet; denn das Herz wird, an statt daß es innerhalb der aͤltern Theile herfuͤrge- bracht und organisirt werden sollte, außer dem D 3 Leibe Unwahrscheinlichkeit der Hypothes. Leibe des Embryo producirt, außer demselben all- maͤhlich organisirt, und vollkommner gemacht, und, wenn es bey nahe seine vollkommne Strucktur erhalten hat, an statt, daß solches nun, wie bey den Pflanzen geschiehet, zwischen den aͤlteren Thei- len herfuͤrgestoßen werden sollte, so bleibt es auch nicht einmahl wo es ist, sondern es wird im Ge- gentheil nun eben erst in die Brust hineingezogen, die Brust wird verschloßen, und das Herz kommt in Ewigkeit nicht wieder zum Vorschein. Eben so verhaͤlt es sich auch mit den Eingeweiden des Unterleides. Bey ihrem ersten Ursprunge liegen sie frey; in den Erwachsenen aber werden sie ein- geschloßen. Wenn aber, wie die Vertheidiger der Evolution sagen muͤssen, die Erhaltung der jun- gen Theile nicht der einzige Endzweck ist, welche die Natur bey der Einwickelung hat, woher koͤm̃t es denn, daß eben nur alsdenn, wenn fuͤr aͤußer- lichen Beschaͤdigungen keine Furcht noͤthig ist, und sonst aber niemahls, alle Einwickelungen wegfal- len? Jch sage also noch einmahl, da die Natur immer einwickelt, wenn Beschaͤdigungen zu besor- gen sind, und niemahls einwickelt, wo keine zu besorgen sind; so sehen Sie ja wohl, daß sie mit ihren Einwickelungen auf nichts anders sieht, als nur die Beschaͤdigungen zu verhuͤten, und daß sie folglich, so lange sie nur noch einwickelt, an keine Producktion einmahl gedenkt. Was antworten Sie mir hierauf? Jch will nicht hoffen, daß Sie mich mit der Unsichtbar- keit, von der Praͤdelineation. keit, dieser gluͤcklichen Ausflucht, wenn man in den lezten Zuͤgen liegt, zu Leibe gehn werden. Sie muͤssen es so drehen. Sie sagen, die Theile sind bey den vierfuͤßigen Thieren und Voͤgeln auch zusammen gewickelt, so wie die Fluͤgel des Papi- lions in der Puppe gleichsam in Falten gelegt sind. Aber ihrer Durchsichtigkeit wegen sieht man diese Zusammenwickelung nicht, sondern es sieht accurat so aus, als wenn die Theile glatt ausge- dehnt laͤgen; und obgleich diese Theile aus Kuͤgel- chen bestehn, die man gut von einander unterschei- det, und die also, wenn Falten in dem Theil seyn sollten, nothwendig an einigen Stellen doppelt liegen, und also undurchsichtigere Streifen wenig- stens verursachen muͤsten, so sieht man dennoch dieses alles nicht. Jch will fuͤr diese Unsichtbar- keit alle Hochachtung haben, und sie nicht laͤugnen. Jch bin nicht so unbescheiden, daß ich hartnaͤckig auf eine Sache dringen sollte, die nicht recht ge- faͤllt, und es fehlt auf der andern Seite der Wahr- heit niemahls an einer Menge Zeichen, wodurch sie sich zu erkennen gibt. Was also unsern gegen- waͤrtigen Fall betrift, so sage ich, ob man gleich keine Falten in den jungen Theilen der Thiere ent- deckt; so koͤnnten sie doch wohl vielleicht zusam- mengewickelt seyn. Jch sage noch mehr, ob gleich diese Zusammenwickelung der Theile, wie bey dem Fluͤgel des Papilions auch bey den Blaͤttern der Pflanzen statt findet, und diese Zusammenfaltung, hier mit bloßen Augen, von allen, die jemahls Pflanzen gesehn haben, beobachtet wird, ob schon D 4 die Unwahrscheinlichkeit der Hypothes. die Theile der Pflanzen bey ihrem ersten Anfange eben so durchsichtig und durchsichtiger noch sind, wie die Theile der Thiere; und ob man folglich gleich mit Grunde fragen koͤnnte, warum soll denn nur bey den Thieren die Zusammenfaltung nicht beobachtet werden, wenn sie eben so gut wie bey den Pflanzen statt finden soll, da sie doch hier ohne Vergroͤßerungsglas in einer Entfernung von 15 bis 20 Schritten noch sehr deutlich gesehen werden kann; obgleich, sage ich, dieses alles ist, so gebe ich doch zu, daß vielleicht wohl die jungen Theile bey den Thieren auch zusammengewickelt seyn koͤnnten. Allein von dieser Zusammenwicke- lung ist die Rede nicht. Jch habe sie mit Fleiß immer Zusammenwickelung genennt, um sie von jener Einwickelung der juͤngern in den aͤltern Thei- len zu unterscheiden. Bey den Pflanzen werden die juͤngere Theile in den aͤltern eingewickelt, um sie fuͤr aͤußerliche Beschaͤdigung zu bewahren; es werden auch außerdem die juͤngere Theile in sich zusammengefaltet; allein hiervon habe ich kein Wort gesprochen. Also mein lieber L . . was ist nun zu thun? Sie muͤssen sagen — auch die- se Einwickelung — bey den Thieren ist unsicht- bar! Doch nein, das geht nicht. Diese Ein- wickelung sieht man nicht nur bey den Thieren nicht, so wie man die Zusammenwickelung nicht sahe, sondern man sieht auch, daß die Einwicke- lung nicht ist; man sieht das Herz vor und außer- halb der Brust in der es eingewickelt seyn muͤste, frey, und bloß mit seinem Pericardio umgeben lie- gen. von der Praͤdelineation. gen. Man sieht es, so bald man es sieht immer außerhalb der uͤbrigen Theile die schon da sind lie- gen, da man die Blaͤtter der Pflanzen hingegen, so bald man sie sieht, und so lange man sie sieht, immer auch in andern eingewickelt sieht, bis sie endlich voͤllig gruͤn, steif, hart, alt, und erwach- sen sind, wo sie sich endlich voͤllig von der zusam- mengewickelten Knospe zuruͤck biegen, ausdehnen und frey herabhengen. Hier ist also die Frage nicht mehr, ob das, was man nicht sieht, auch nicht dasey? sondern ob das, was man sieht, da sey? und dieses koͤnnen Sie, ohne ein Jdealist zu werden, nicht mehr laͤugnen. So weit aber muͤssen wir in physicalischen Dispuͤten nicht gehn. Diesen Beweis im Vorbeygehen also, wol- len wir nun wie ich Jhnen versprochen habe, weg- lassen, und es noch bey dem alten, daß man kein Exempel in der Natur von einer Evolution antrift, und daß folglich die Hypothesen, und beyde Hypothesen zwar an sich betrachtet, unwahrschein- lich sind, bewenden lassen, damit ich desto besser und ungehindert, Jhnen meine Jdee, die ich von diesen Hypothesen in Ansehung ihrer Wahrschein- lichkeit oder Unwahrscheinlichkeit habe, ferner vollstaͤndig erklaͤren kann. So sehr indessen diese bey den Pflanzen und Jnseckten sich wuͤrklich ereignende Einwickelungen der juͤngern Theile von denen in der Hypothese an- genommenen Einwickelungen, die alle wahre For- D 5 mation Unwahrscheinligkeit der Hypothes. mation ausschließen, verschieden sind; so wenig man auch den allergeringsten Grund nur hat, aus jenen existirenden Evolutionen die Hypothese zu schliessen; so klar es vielmehr ist, daß die Natur bey jenen Einwickelungen einzig und allein die Er- haltung der jungen Theile zur Absicht hat, und an nichts weniger, als daran denkt, organische Koͤr- per aus dem Zustande der unendlichen Kleinheit und der Unsichtbarkeit, in den Stand der Sicht- barkeit hervor zu ziehen: so sind doch dem unge- achtet jene wahrgenommene Einwickelungen dem Erfinder der Grund zu seiner Hypothese gewesen; denn so wie Cartesius dachte, dachte Mal- pighius nicht. Er muste, wenn er etwas an- nehmen sollte, wie es der Vernunft auch gemaͤß ist, in der Natur wenigstens einigen Grund da- zu finden, gesetzt auch, daß es nur ein Schein- grund gewesen waͤre. Er vermischte die gewoͤhn- liche Einwickelung bey den Pflanzen mit seinen Jdeen, die himmelweit davon unterschieden wa- ren. Allein aus eben diesen Ursachen ist es eine große Frage, ob nicht Malpigh, wenn man ihm so deutlich, wie ich glaube gethan zu haben, den Unterscheid zwischen dem, was er wuͤrklich beobachtet hatte, und dem, was er durch die Ein- bildungskraft hinzusetzte, gezeigt haͤtte; wenn man ihm auch ferner gezeigt haͤtte, wie sehr auch das, was die Natur bey ihren Einwickelungen allein nur zur Absicht hat, von |dem, was er be- hauptete, unterschieden sey; es ist, sage ich, eben deswegen, weil er nicht dazu aufgelegt war, et- was von der Praͤdelineation. was schlechterdings aus der Luft herzunehmen, ei- ne große Frage, ob er nicht bald seine Gedanken wuͤrde geaͤndert haben. Wenn ich beyde Hypothesen, Vergleichung der Hypothe- sen der Präde- lineation mit der vorherbe- stimmten Har- monie und dem Jdealis- mus. denn eine ist dem Wesen nach, so wie die andere, und sie sind nur durch zu- faͤllige Umstaͤnde von einander unter- schieden, mit einer andern bekannten Hypothese, in Absicht auf die Gruͤn- de, die man hat, sie anzunehmen, oder nicht anzunehmen, vergleichen sollte; womit wuͤrde ich sie wohl vergleichen? Jch glaube, ich werde durch dieses Mittel im Stande seyn, Jhnen meine Jdee, die ich von der Hypo- these habe, noch besser auszudruͤcken. Wenn Sie aber den Werth dieser Hypothese beurtheilen wol- len, so muͤssen Sie wohl auf einen Umstand ach- tung geben, der derselben ein ganz verschiedenes Ansehen geben kann, und diesen will ich also, ehe ich die Vergleichungen anstelle, erklaͤren. Wenn man die Generation ungekuͤnstelt, und wie sie uns zu erst in die Augen faͤllt, ansieht, so glaubt man, es werden die organische Koͤrper wuͤrklich produ- cirt, und man laͤst es sich nicht einfallen, daran zu zweifeln; das heist, man behauptet die Epige- nesin, und Sie sehen wohl, man behauptet sie, ohne einmahl zu wissen, daß man etwas behaup- tet. Vertheidigen aber wuͤrde man dieselbe, wenn man nicht mit dem, was uns bey der Na- tur zuerst in die Augen faͤllt, zufrieden seyn woll- te; Unwahrscheinlichkeit der Hypothes. te; wenn man die Sache genauer untersuchte, wenn man die Zweifel, die einem wider den Satz, daß die Koͤrper formirt wuͤrden, einfallen koͤnn- ten, aufloͤsete, und Gruͤnde anfuͤhrete, woraus man schließen koͤnnte, daß die Koͤrper nicht nur dem Ansehen nach formirt zu werden schienen, son- dern daß dieses auch wahr sey, daß die Koͤrper auch wuͤrklich formiret wuͤrden. Endlich ist, die Epigenesin erklaͤren, wieder etwas anderes. Wenn es wahr ist, daß die Koͤrper formirt wer- den, so muß dieses durch gewisse Ursachen und auf eine gewisse Art geschehen. Diese Ursachen ange- ben, diese gewisse Art vorstellen, das heist erklaͤ- ren. Sie sehen hieraus klar, was die Alten ge- than haben, was ich in dieser vorlaͤufigen Abhand- lung thue, und was ich in meiner Dissertation gethan habe und in der folgenden Theorie wieder thun werde. Hippocrates, Aristoteles, alle Alten ha- ben die Epigenesis behauptet, aber sie haben sie nicht vertheidiget. Hierzu wird erfordert, daß man wissen muß, es koͤnne die Wahrheit, daß Koͤrper formirt werden, in Zweifel gezogen wer- den. Das konnten sie aber nicht wissen; sie konn- ten nicht wissen, daß jemahls Menschen in der Welt kommen wuͤrden, die diese Wahrheit laͤug- nen sollten; daher dachten sie auch nicht daran, sie zu vertheidigen. Sie haben sie also behauptet, ohne einmahl zu wissen, daß sie etwas besonderes dadurch behaupteten. Erklaͤrt haben sie die Wahr- heit von der Praͤdelineation. heit eben so wenig, das habe ich in dem Vorigen schon gezeigt. Jn meiner Dissertation habe ich die Epigenesin ebenfalls statuirt, und eben so we- nig wie jene unmittelbar vertheidiget. Jch wußte zwar, daß es Gelehrten gaͤbe, die an dieser Wahr- heit zweifelten, allein ich stellte mich doch so an, als wenn ich dieses nicht wuͤßte. Auch das habe ich Jhnen in dem obigen schon weitlaͤuftiger ge- zeigt. Allein erklaͤrt habe ich in meiner Disserta- tion die Epigenesin, wie sie solches an eben dem Orte weiter ausgefuͤhrt gelesen haben. Jn dieser vorlaͤufigen Abhandlung endlich habe ich eigent- lich die Absicht, diese Wahrheit zu vertheidigen. Denn eben dadurch, daß ich die Hypothesen der Praͤdelineation widerlege, vertheidige ich zugleich den Satz, daß die Koͤrper bey der Generation formirt werden. Jene Hypothesen sind von die- sem Satze gerade das Gegentheil. Die Hypothe- sen sagen die Koͤrper werden nicht formirt, die Epigenesis sagt, sie werden formirt; wenn ich al- so sage die Hypothesen sind falsch; so sage ich eben damit zugleich, die Epigenesis ist wahr. Nun- mehro kann ich Jhnen den Umstand sagen, der in die Beurtheilung der Gruͤnde, die man haben kann, jene Hypothesen entweder anzunehmen, oder zu verwerfen, einen großen Einfluß hat. Er betrift die Erklaͤrung der Epigenesis; ich sage, wenn man irgend ein Mittel sieht, die Formation der organischen Koͤrper, also die Epigenesin, zu erklaͤren; wenn man irgendwo Kraͤfte in der Na- tur entdeckt, und irgend eine moͤgliche Art ein- sieht, Unwahrscheinlichkeit der Hypothes. sieht, wie durch jene Kraͤfte die organische Koͤrper herfuͤrgebracht werden koͤnnten; so werden alsdann die Hypothesen ein ganz anderes Ansehen haben, und man wird ganz anders von ihnen urtheilen muͤssen, als wenn man gar nicht einsieht, wie es moͤglich sey, daß durch irgend eine natuͤrliche Ur- sache, welche es auch sey, so organische, so kuͤnst- liche organische Koͤrper hervorgebracht werden koͤnnten. Dieses ist also der Umstand, worauf bey der Beurtheilung der Hypothesen vieles an- kommt. Nunmehro aber sage ich weiter: Zu den Zei- ten des Malpigh hatte man des Cartesii Tracktat, der aber eine zu offenbare Chimaͤre war, und also dem Malpigh nicht hinlaͤnglich seyn konnte, ausgenommen, keine andere Erklaͤrung der Gene- ration. Man sahe also zu denen Zeiten noch kein Mittel ein, wie durch natuͤrliche Ursachen die or- ganische Koͤrper formirt werden koͤnnten. Folg- lich waren zu der Zeit die Hypothesen der Praͤde- lineation auch aus diesem Gesichtspunkt zugleich mit zu betrachten. Wenn ich aber nun ferner sage, daß ich mich schmeichle, in meiner Disser- tation wuͤrklich die Ursachen, wodurch diese kuͤnst- liche organische Koͤrper formirt werden, und die Art, wie sie formirt werden, und zwar die wahre Ursachen davon, und die wahre Art entdeckt zu haben; so hoffe ich, daß ich damit vors erste we- nigstens nichts unerwartetes sage; denn allerdings wenn ich es fuͤr Erdichtung und nicht fuͤr Wahr- heit von der Praͤdelineation. heit hielte, so haͤtte ich eine Schartaͤcke, die sie waͤre, nicht drucken lassen. Daß ich mich aber in dieser Schmeicheley auch nicht betriege, das ist der Punkt, deswegen ich mich auf meine Bewei- se berufe, die noch niemand angeruͤhrt hat, denn was die Schwuͤrigkeiten, die der Herr Baron von Haller gemacht hat, anbetrift, so werden Sie in der Folge bald sehen, daß sie theils meine Beweise uͤber die Erklaͤrung der Art der Forma- tion gar nicht beruͤhren, sondern eigentlich nur wider den Satz der Epigenesis, daß organische Koͤrper wuͤrklich formirt werden, gehen, uͤberdem aber auch diese Wahrheit, die Epigenesin selbst meyne ich, nicht umstoßen, sondern nur einen Satz laͤugnen, den ich weder zum Beweise, daß die Koͤrper auf die Art, wie ich es angeben habe, formirt werden, noͤthig habe, noch noͤthig wuͤrde gehabt haben, wenn ich eigentlich nur bloß die Epigenesin haͤtte behaupten wollen. Jch muß noch mehr sagen. Wenn ich frey und ohne Um- staͤnde reden darf, so habe ich meine Erklaͤrungen nicht nur bewiesen, sondern ich habe sie auf eine andere und staͤrkere Art bewiesen, als gewoͤhnlich physische Wahrheiten bewiesen zu werden pflegen, und im 255ten §. Schol. 2. habe ich den Unter- scheid zwischen meinen Beweisen und den gewoͤhn- lichen gezeigt. Wenn ich |nun auf diese Art fest- setzen kann, daß ich die Art gezeigt habe, wie or- ganische Koͤrper nicht nur formirt werden koͤnnen, sondern auch wuͤrklich formirt werden, so sehen Sie wohl, daß die Hypothesen alsdenn, und also Unwahrscheinlichkeit der Hypothes. also jetzo, wieder ein ganz anderes Ansehen be- kommen muͤssen. Jn dem ersten Fall, wenn man annimmt, daß man keine Art einsehe, wie durch natuͤrliche Ursachen organische Koͤrper formirt werden koͤnn- ten, wie auch Herr Bonnet an einem Orte in sei- nem Buche solches behauptet, so hat man einigen Grund, die Hypothese anzunehmen, gesezt auch, daß dieselbe durch keinen aͤhnlichen Fall in der Natur ertraͤglicher oder annehmlicher gemacht wer- den koͤnnte, wenn sie nur keinen Widerspruch ent- haͤlt, und an sich moͤglich ist. Jch sage aber nur einigen Grund hat man dazu, und mehr Grund, als wenn man die Moͤglichkeit sieht, wie orga- nische Koͤrper formirt werden koͤnnen. Aber ein hinlaͤnglicher Grund ist dieses dem ohngeachtet ei- nem wahren Naturforscher dennoch nicht, denn er wird immer noch mehr Geschmack an dem auf- richtigen Bekenntniß, welches ihm noch uͤbrig bleibt, finden: ich weiß nicht wie es zugeht. Ei- nigen Grund dazu aber wuͤrde man auf diese Art daher nehmen, indem man sagte; ich begreife nicht, wie durch irgend eine derer Ursachen in der Natur, die wir kennen, welche wir auch dazu annehmen wollten, solche organische Koͤrper, wie diese sind, die wir vor uns haben, herfuͤr gebracht werden koͤnnten; folglich muß ich schließen, sie werden nicht herfuͤr gebracht. Jch weiß es wohl, daß Sie sagen werden, das must du nicht schlies- sen, denn wenn du diese Ursachen gleich nicht ken- von der Praͤdelineation. kennest, so folgt nicht — u. s. w. Das ist auch richtig, allein hiervon ist die Rede nicht, und ich rede deswegen auch nur von einigem Grunde. Dieses heist alsdann: Halb aus Noth gezwun- gen seyn, eine obwohl unwahrscheinliche Hy- pothese anzunehmen. Wenn man aber im Ge- gentheil, so wie ich im zweyten Fall festgesezt ha- be, einsieht, wie allerdings wohl durch natuͤrliche Kraͤfte dergleichen organische Koͤrper, wie wir vor uns sehen, erzeugt werden koͤnnen; es sey, daß die Art, wie es geschehe, bekannt gemacht sey; es sey, daß man sich selbst eine Art der Moͤg- lichkeit habe vorstellen koͤnnen; es sey kurzum wie es wolle; genug, wenn man nicht mehr sa- gen kann, daß durch die Kraͤfte der Natur die organische Koͤrper nicht moͤglich seyn; wenn die- ses ist, sage ich, und man behauptet noch die Hy- pothesen; so sehen Sie wohl, da diese Hypothesen durch keine Analogie nur leidlich gemacht werden koͤnnen, daß das alsdann nicht mehr heisse: halb aus Noth gezwungen seyn, eine unwahr- scheinliche Hypothese anzunehmen; sondern es heist: aus Eigensinn etwas unwahrschein- liches behaupten, damit man Gelegenheit habe anders zu denken, als andere; das heist es alsdann; und Sie werden diese Wahrheit durch die Beyspiele, welche ich geben werde, noch deutlicher einsehen. Hieraus folgt aber nicht, daß, wenn eine wahre Theorie von der Genera- tion bekannt ist, man, nachdem man sie gelesen hat, nothwendig entweder die Hypothesen der E Praͤde- Unwahrscheinlichkeit der Hypothes. Praͤdelineation nicht mehr behaupten, oder aber zu dieser zwoten Classe von Gelehrten gehoͤren muͤs- se. Bey Leibe nicht! Man darf diese Theorie nur nicht verstanden haben, so ist es immer schon genug, zur ersten Classe noch gerechnet zu werden. Jn dem ersten Fall, wenn man keine Theo- rie der Generation hat, so kommen mir die Hy- pothesen der Praͤdelineation bey nahe vor wie die Hypothese der vorher bestimmten Harmonie zwi- schen der Seele und dem Koͤrper. Diese ist eben- falls ein System, woran niemand sonst gedacht hat, im hoͤchsten Grad kuͤnstlich und im hoͤchsten Grad unnatuͤrlich. Die unuͤbersteigliche Schwie- rigkeiten, welche entstunden, da man die Wuͤr- kungen des einen in dem andern verstaͤndlich erklaͤ- wollte, und dieses doch ohne die Seele materiell zu machen, haben die Philosophen so lange ge- martert, bis sie auf die gluͤckliche und scharfsinni- ge Erfindung geriethen, diese Wuͤrkungen ohne die Erfahrung zu beleidigen, schlechtweg zu laͤugnen. Man hatte geglaubt, die Erfahrung lehrte unmit- telbar den physischen Zusammenhang zwischen der Seele und dem Koͤrper. Sie uͤberlegten die Sa- che recht, und sahen, daß das nicht wahr sey; das war genug, die Wuͤrkungen nun auch zu laͤug- nen. Und nun waren sie fuͤr den Theologen auf der einen, und den Materialisten auf der andern Seite sicher. Hierin aber hat die Harmonie ei- nen Vorzug, daß ihre Vertheidiger auch nicht einmahl zu dem Bekenntniß, ich weiß nicht wie die von der Praͤdelineation. die Wuͤrkungen zugehn, ihre Zuflucht nehmen konnten. Das brauchen wir auch nicht, sagt der Materialist, wenn Sie die Wuͤrkungen nur zu- geben, sie moͤgen geschehen, wie sie wollen, so muß die Seele schon materiell seyn. Folglich wa- ren sie mehr gezwungen als die Vertheidiger der Hypothesen der Praͤdelineation seyn wuͤrden, und muͤssen deswegen um desto eher entschuldiget werden. Wenn mir aber einer, dem ich auch nur ge- zeigt haͤtte, wie durch natuͤrliche Kraͤfte wohl orga- nische Koͤrper formirt werden koͤnnten, bemerken Sie wohl, ich sage nicht, dem ich bewiesen haͤtte, daß auf diese oder jene Art die Koͤrper formirt wer- den, sondern nur, deren ich gezeigt haͤtte, wie sie allenfalls formirt werden koͤnnten, wenn der nur mir darauf antwortete; Ja, so koͤnnten sie allen- falls formirt werden, aber das beweiset nicht, daß sie so, oder sonst auf eine andere Art formirt wer- den; ich glaube also nicht daß sie formirt werden; so wuͤrde mir dieser, ungeachtet er recht haͤtte, den- noch schon bey nahe so vorkommen, wie ein Egoi- ste, dem ich es an der Miene ansehen koͤnnte, daß er mir mein Daseyn nur darum laͤugnete, um mir zu zeigen wie kuͤnstlich er sey. Sie wissen, der Egoiste sagt: Jch existire! aber Du? existirest nicht! Demonstrire mir einmahl, daß du existi- rest! Wenn Sie ihm, wie Molliere es mit sei- nem Jdealisten machte, eine Ohrfeige geben, so beweiset das nichts. Diese Ohrfeige ist eine Ver- E 2 aͤnde- Unwahrscheinlichkeit der Hypothes. aͤnderung, die in seiner Seele vorgeht, und die ih- ren Grund in vorhergehenden Veraͤnderungen, nicht aber in Jhnen hat. Was wollen Sie also machen? Jn eben diesem Zustande wuͤrde ich seyn, wenn ich in meinen Beweisen nothwendig auf dem Satze, was ich nicht sehe, ist nicht da, als auf einem Grundsatze, zuruͤck gehn muͤste. Demon- striren Sie mir einmahl, daß etwas, Sie moͤgen es sehn oder nicht sehn, oder auf irgend eine an- dere Art, wie sie immer wollen, nicht empfinden, deswegen nicht da sey! demonstriren Sie mir das einmahl! Wenn Sie Salomons Weisheit haͤtten, so sind Sie es nicht im Stande. Jch aber will Jhnen wohl demonstriren, daß eine solche Demonstration unmoͤglich sey. Jst das Ding, davon Sie beweisen sollen, daß es nicht da sey, wuͤrklich da; so werden Sie gewiß nicht demonstriren koͤnnen, daß es nicht da sey. Jst es aber nicht da, so kann es vors erste auf kei- ne Art empfunden werden; also koͤnnen Sie auch durch unmittelbahre Erfahrungen nichts von ihm entdecken, und nichts von ihm beweisen. Es kan sich aber auch durch Wuͤrkungen nicht offenba- ren; folglich bekommen Sie gar keine Gruͤnde, woraus Sie etwas von ihm schließen koͤnnten. Da Sie aber wenn Sie etwas schließen sollen Gruͤnde haben muͤssen, woraus Sie es schließen, und aus nichts nichts schließen koͤnnen; so koͤn- nen Sie auch unmoͤglich von einem Dinge, das nicht von der Praͤdelineation. nicht da ist, durch Schluͤße beweisen, daß es nicht da sey. Und folglich, es mag da seyn oder nicht da seyn, so koͤnnen Sie uͤberhaupt niemahls beweisen, daß etwas nicht da sey. Daher haben schon die Scholastiker die so bekannte und sehr ver- nuͤnftige Regel gemacht affirmanti incumbit pro- batio! und ich auf meiner Seite werde mich so ausdruͤcken: ich habe keinen Grund, warum ich von einem Dinge, von dem ich nichts hoͤre oder sehe, behaupten sollte, daß es da sey; also behaup- te ich dieses auch nicht. Jndessen aber kann ich doch auch nicht demonstriren, daß es nicht da sey. Uebrigens muß ich erinnern, daß eine De- monstration der Abwesenheit eines Dinges nur so lange unmoͤglich sey, als von einem Dinge oder auch von einem Koͤrper uͤberhaupt gesprochen wird, folglich so lange ich den Satz, was ich nicht se- he, ist nicht da, als einen allgemeinen Satz ansehe; wie solches gut waͤre, wenn man ihn in mein System einschieben koͤnnte. Allein die De- monstration hoͤrt auf, unmoͤglich zu seyn, so bald das Ding, davon die Rede ist, bestimmt und zu eine gewisse Art von Koͤrpern reducirt wird. Als- dann sind diese Determinationen wesentlich mit gewissen Erscheinungen verknuͤpft, die mir, wenn sie nicht statt finden, einen Grund abgeben, zu schließen, daß ein solches Ding unmoͤglich da seyn koͤnne, und folglich auch nicht da sey. Auf diese Art kann ich zum Exempel sehr leicht beweisen, daß in meinem Geldbeutel kein Friederichs d’or E 3 sey; Unwahrscheinlichkeit der Hypothes. sey; daß Doris jetzo nicht in meiner Stuͤbe sey. Sie sehen leicht, alle diese bestimmte Dinge sind mit gewissen Erscheinungen verbunden, die ihrer Natur nach nicht verborgen bleiben koͤnnen. Den Friederichs d’or muͤste man im Geldbeutel sehn und fuͤhlen koͤnnen, wenn er darin waͤre; und wenn Doris hier waͤre, so wuͤrden wieder andere Erscheinungen statt finden. Daher habe ich auch allerdings, wie Sie in der Folge sehn werden, in meiner Dissertation beweisen koͤnnen, daß Theile des Embryo zu der Zeit, da man sie nicht sieht, nicht da seyn koͤnnen; das Phaͤnomen, womit die Theile als Theile des Embryo verbunden sind, sind Kuͤgelchen, woraus sie bestehn, und die so groß sind, daß sie durch ein maͤßiges Mikroscop alle- mahl gesehn werden koͤnnen; das gehoͤrt zur Na- tur der Theile des Embryo; daraus kann ich also schließen, daß eben demselben Mikroscop noch weniger die Theile, die aus jenen Kuͤgelchen zu- sammen gesetzt seyn sollen, verborgen bleiben koͤn- nen. Wenn ich aber weiter keinen Grund haͤtte, als schlechtweg den, daß ich die Theile nicht sehe, und folglich auf den allgemeinen Satz, was ich nicht sehe, ist nicht da, zuruͤck gehn muͤßte, wie man es wohl gern haben moͤchte, so wuͤrde ich die- sen hernach unmoͤglich demonstriren koͤnnen. Sie sehen also wohl, daß es mir, wenn ich auf diesen Grundsatz zuruͤck zu gehn genoͤthiget waͤ- re, oder auch einem, der wider die Hypothesen der Praͤdelineation nichts weiter thun, als nur zei- von der Praͤdelineation. zeigen koͤnnte, daß die Hypothesen ja gar zu un- wahrscheinlich, und hingegen es ja hier der Natur eben so wohl, als in andern Faͤllen moͤglich sey, durch ihre uns bekannte Kraͤfte wuͤrklich zu pro- duciren, und nicht nur produciren zu scheinen, eben so gehen wuͤrde, wie es einem Philosophen geht, der es mit einem Egoisten zu thun hat. Jch kann aber zum Gluͤck vors erste nicht nur eine Art zeigen, wie organische Koͤrper entstehen koͤnn- ten, sondern ich kann beweisen, daß sie auf die Art, wie ich es angebe, wuͤrklich entstehn, das ist, wie ich schon erinnert habe, in meiner Dis- sertation geschehen, und wird in der folgenden Theorie wieder geschehn; und vors andere habe ich auch in diesen Beweisen nicht noͤthig, auf je- nen Grundsatz zuruͤck zu gehn, daß das, was ich auf keine Art empfinde, deswegen auch nicht da sey, dieses werde ich bald in der Folge dieser Ab- handlung selbst noch zeigen, so billig ich sonst auch immer diesen Grundsatz zum Voraus setzen koͤnn- te. Folglich muß mir auch ein Naturforscher, der so subtil und so scharf wider mich verfaͤhrt, wie ein Egoiste in der Philosophie, keine Schwierig- keiten im Wege legen koͤnnen. Aber nunmehro sehen Sie auch hieraus, wie hoch es mit den Hypothesen der Praͤdelineation getrieben ist. Vors erste unwahrscheinlich im hoͤchsten Grade; denn Sie finden in der ganzen Natur kein einziges Beyspiel von einem solchen Dinge, wie Sie in der Hypothese annehmen. E 4 Vors Unwahrscheinlichkeit der Hypothes. Vors andere nicht der geringste Grund, wodurch wir genoͤthiget wuͤrden, diese so unwahrscheinliche Hypothese anzunehmen. Zum dritten endlich da- durch, daß ich, wie ich versprochen habe, die wi- der meine Theorie gemachte Schwierigkeiten auf- loͤse, und folglich den Beweis nicht nur vor mei- ne Theorie, sondern eben dadurch zugleich auch mit vor die Epigenesis wieder herstelle, so weit uͤber dem allen noch besonders widerlegt, daß auch keine Egoistische Ausfluͤchte mehr uͤbrig bleiben. Wenn Sie also die zween ersten Punkte von der Unwahrscheinlichkeit der Hypothese, und von dem Mangel eines hinlaͤnglichen Grundes zu die- ser unwahrscheinlichen Hypothese zuruͤck zu gehn, zusammen nehmen, so haben Sie den Gesichts- punkt, aus dem ich diese Hypothesen vor dem betrachtete. Wenn Sie den dritten Punkt noch hinzuthun, so werden Sie dieselbe so sehen, wie ich sie jetzo sehe. Ein zweyter Grund der Unwahr - scheinlichkeit der Prädeli- neation. Jch hatte noch mehr Gruͤnde wi- der diese Hypothesen, die mir aber theils wieder entfallen sind, theils auch zu weitlaͤuftig seyn wuͤrden, als daß ich sie anfuͤhren koͤnnte. Einer faͤllt mir noch ein, den ich ziemlich kurtz werde vorstellen koͤnnen. Sie werden sich noch erinnern, daß eine Evolution ein Phaͤnomen war, welches seinem Wesen nach gleich bey der Schoͤ- pfnng von Gott erschaffen, aber in einem unsicht- baren von der Praͤdelineation. baren Zustande erschaffen wurde, eine Zeitlang unsichtbar blieb, und alsdann sichtbar wurde. Sie sehen bald, ein entwickeltes Phaͤnomen ist ein Wunderwerk, welches von den gemeinen Wunderwerken nur darin unterschieden ist, daß es erstlich zur Zeit der Schoͤpfung schon von Gott producirt ist, zweytens daß es eine Zeitlang, ehe es zum Vorschein gekommen, unsichtbar geblie- ben ist. Alle organische Koͤrper sind also wahre Arten von Wunderwerken. Allein wie sehr aͤn- dert sich nicht dadurch der Begriff, den wir von der gegenwaͤrtigen Natur haben, und wie viel verliert er nicht von seiner Schoͤnheit! Bishero war sie eine lebendige Natur, die durch ihre eige- ne Kraͤfte unendliche Veraͤnderungen herfuͤrbracht. Jetzo ist sie ein Werk, welches nur Veraͤnderun- gen herfuͤr zu bringen scheint, in der That aber und dem Wesen nach unveraͤndert so liegen bleibt, wie es gebauet war, außer, daß es allmaͤhlig im- mer mehr und mehr abgenutzt wird. Zuvor war sie eine Natur, die sich selbst destruirte, und sich selbst von neuen wieder schuff, um dadurch unend- liche Veraͤnderungen herfuͤrzubringen, und sich immer wieder auf einer neuen Seite zu zeigen. Jetzo ist sie eine leblose Maße, von der ein Stuͤcke nach dem andern herunter faͤllt, so lange bis der Kram ein Ende hat. Eine solche elende Natur kann ich nicht ausstehn, und die Saamenthier- chen, in ihrer Hypothese betrachtet, sind nicht ein Werk des unendlichen Philosophen, sonder sie sind das Werk eines Leuwenhoͤcks, eines Glas- schleifers. E 5 2) Auf- Aufloͤsung der Schwierigkeiten. 2) Aufloͤsung der Schwierigkeiten, die wider die Theorie des Verfas- sers gemacht sind. J ch will nunmehro die mir gemachte Schwie- rigkeiten aufloͤsen. Jn meiner Recension, die mir der Herr Baron von Haller die Ehre er- zeigt hat, von meiner Schrift zu machen, ist ei- gentlich keine weiter mehr aufzuloͤsen uͤbrig, als diese, die ich allerdings einen sehr wichtigen Ein- wurf nennen kann, daß ich nemlich mein System auf einem Grundsatz gebanet habe, welcher falsch ist, auf diesem Grundsatz, was man nicht sieht, ist auch nicht da. Denn in den uͤbrigen Erinnerungen sind wir schon vollkommen einig. Was die Vergleichung meiner Theorie mit der Needhamischen betrift, davon habe ich oben ge- sprochen und den Unterscheid gezeigt. Daß zur Bestaͤrkung einer Theorie auch außer denenjenigen Versuchen und Beobachtungen, die zu ihrem Be- weise hinlaͤnglich sind, noch besondere Erfahrun- gen erfordert werden, wodurch man eben dieselbe Sache auf verschiedenen Seiten kennen lernt, das habe ich zugestanden, und den Grund davon eben- falls in dem obigen selbst angezeigt. Jch habe auch dem Herrn von Haller in einem Briefe die Ursachen erklaͤrt, warum ich in meiner Schrift so kurz habe verfahren muͤssen, und ich will mich be- die wider die Theorie des Verf. ꝛc. befleißigen, theils in der hier folgenden Theorie, theils bey andern Gelegenheiten mehrere Erfah- rung beyzubringen, und die beygebrachte weiter auszufuͤhren, theils auch mich auf des Herren von Hallers Erfahrungen selbst zu berufen, als welches mir nicht nur frey stehen muß, sondern wodurch ich auch die vollkommenste Zeugnisse der Wahrheit und meiner Theorie werde geben koͤn- nen; insonderheit da mir der Herr von Haller gleich in seinem ersten Briefe die Ehre erzeigt hat zu sagen, daß unsere Beobachtungen vollkommen mit einander uͤbereinstimmen. Was die Erklaͤ- rung des Herzens, und der Schlagadern betrift, so sind wir ebenfalls darin einig, nachdem ich mich in einem Briefe deutlicher erklaͤrt habe. Der Feh- ler lag wieder an meinen zusammengezogenen Aus- druͤcken, wodurch ich ost mit drey Worten eine Erklaͤrung gegeben habe, die also leicht uͤbersehn werden kann. Jch werde das Herz und die Schlag- adern, und warum die Pflanzen kein Herz haben, in der folgenden Theorie deutlicher erklaͤren. Die Reizbarkeit hingegen habe ich nicht erklaͤrt, und habe sie auch nicht erklaͤren koͤnnen; denn ihre Ursachen waren mir unbekannt. Es bleibt also in der Recension nichts weiter uͤbrig, als dieser Einwurf, daß ich mein System auf einem fal- schen Grundsatz gebauet habe. Der Herr von Haller druͤckt sich dieserwe- gen so aus. „ Bey der Erzeugung der Thie- re muß man wohl auf einen Grundsatz mer- ken, Aufloͤsung der Schwierigkeiten, ken, der gleich am Anfange steht, und nach welchem dasjenige nicht da ist, was man nicht sieht ‟. Jn der Folge laͤugnet er diesen Satz, und beweiset durch das Exempel der Ge- kroͤßadern in den Froͤschen, daß oft Theile ihrer Durchsichtigkeit wegen unsichtbar seyn koͤnnten, und dennoch wuͤrklich vorhanden seyn muͤsten; Er setzt hinzu, daß man auch nicht allemahl im Stan- de sey, die Durchsichtigkeit, durch Weingeist zu heben, und daß man folglich nicht schließen koͤn- ne, was nicht gesehn wird, sey nicht da. Jch muß also zeigen, daß dieser Satz, was man nicht sieht, ist nicht da, keine Stuͤtze meines Systems sey; daß ich alle meine Wahrheiten, ohne diesen Satz zu beruͤhren, beweisen koͤnne, und daß es auch wuͤrklich meine Absicht nicht gewesen sey, ihn dazu zu gebrauchen. Jn wie fern dieser Satz wahr oder falsch sey, das ist hernach eine andere Frage, die mir nichts angeht. Jst er falsch, so ist es genug, daß ich ihm nicht brauche. Jst er in eigentlichen Absichten, die zu unserm Zweck gehoͤren, wahr, so geht mir auch das nichts an, weil er in mein System keinen Einfluß hat, nur daß ich um desto weniger Ursache habe mich fuͤr ihn zu fuͤrchten. Der Satz, was ich nicht sehe, ist nicht da, ist kein Grundsatz die- ser Theorie. Man muß, wenn von einem Grundsatz eines Systems die Rede ist, dreyerley verschiedene Dinge wohl von einander unterscheiden. Man kann in einem System sich eines Satzes vors die wider die Theorie des Verf. ꝛc. vors erste als eines Axioms bedienen; wenn man dieses thut, so setzt man dessen Wahrheit als aus- gemacht zum Voraus, und beweiset ihn nicht; man kann sich zweytens desselben zwar als eines Grundsatzes ( principii ) bedienen, allein man sieht ihn nicht als ein Axiom, sondern nur als ein Theorem an; alsdann beweiset man ihn zuvor, ehe man sich dessen zu Beweisen anderer Wahrhei- ten bedient. Zum dritten endlich kann man von einem Satze etwan in einem Scholio wohl reden, man kan verschiedenes davon in die Laͤnge und in die Breite sagen, und sich auf alle Art mit ihm herumwerfen, ihn behaupten, laͤngnen, verthei- digen, widerlegen, genauer bestimmen u. s. w. ohne ihn doch dem allen ungeachtet, auf irgend eine Art in dem System als einen Grundsatz zu brauchen, weder so, daß man ihn als ein Axiom betrachtete, und ihn als ausgemacht zum Voraus setzte, noch so, daß man ihn als ein bloßes Theo- rem zuvor bewiese. Jch sage ich habe von dem Satze, was ich nicht auf irgend eine Art beobachten kann, muß ich auch nicht an- nehmen, denn auf dieses Ungefehr werden meine eigentliche Ausdruͤcke hinauslaufen, in dem Scho- lio des 166 §. in diesem Scholio, welches zu meiner ganzen Dispuͤte Anlaß gegeben hat, zwar vieles geredet, aber ich habe mich desselben nicht als eines Grundsatzes, weder als ein Axioma, noch als Theorema betrachtet, in meinem Sy- stem bedienet. Wenn Aufloͤsung der Schwierigkeiten, Wenn ich diesen Satz als ein Axiom ge- braucht haͤtte, und nichts wider die Gruͤnde des Herren von Hallers einzuwenden wuͤste, so waͤ- re mein System eine Chimaͤre. Haͤtte ich ihn hingegen als ein Theorem gebraucht, so wuͤrde es darauf ankommen, ob der Hr. von Haller wuͤrk- lich meine Beweise vor diesem Satz, zum Exem- pel den von der allemahl statt findenden Sichtbar- keit der Kuͤgelchen, woraus alle Theile des Em- bryo ohne Ausnahme zusammen gesetzt sind (man sehe hievon zum Exempel in der Dissertation das Herz in der 9ten Figur bey c ) umgestoßen haͤtte, welches nicht geschehen ist, und ob ich nicht fer- ner noch durch andere Beweise ihn bekraͤftigen koͤnnte. Wenn ich aber diesen Satz gar nicht als einen Grundsatz gebraucht, sondern nur beylaͤufig von ihm in dem angezeigten Scholio gesprochen habe, so liegt auch gar nichts daran, er mag so wahr oder so falsch seyn als er wolle. Daß ich diesen Satz vors erste nicht als Axiom gebraucht habe, dieses erhellet schon dar- aus, weil ich, indem ich auch nur davon zu spre- chen Gelegenheit nahm, die Beweisgruͤnde schon beygefuͤgt habe, wie der Herr von Haller selbst, seiner gewoͤhnlichen Aufrichtigkeit nach, einige derselben auch in der Recension mit angefuͤhrt hat. Also vor der Chimaͤre waͤre ich vors erste schon sicher. Bey der Frage ob ich mich des Satzes als eines noch zu beweisenden Grundsatzes bedienet habe, die wider die Theorie des Verf. ꝛc. habe, fraͤgt sich eigentlich wiederum zweyerley. Erstlich ob ich die Absicht gehabt habe, die fol- gende Wahrheiten des Systems auf ihn zu bauen, und folglich ihn mit Fleiß als einen Grundsatz an- zunehmen. Zweytens, wenn ich auch nicht die- se Absicht gehabt habe, ob er nicht dennoch wider meine Einsicht und Willen einen Einfluß in mein System hat. Daß ich wenigstens die Absicht nicht gehabt habe, ihn als einen Grundsatz zu brauchen, ist daraus klar, weil ich ihn nicht in einem beson- dern mit seiner Nummer bezeichneten Paragra- phen, den ich, wenn ich etwas damit beweisen wollte, citiren koͤnnte, vorgetragen, sondern nur in einem Scholio beylaͤufig von ihm gesprochen habe; da ich doch diejenigen Saͤtze, auf denen etwas ankoͤmmt, und die ich zu Beweisen der folgenden Wahrheiten brauche, allemahl in beson- dern Paragraphen vorgetragen habe. Es ist mir also nunmehro nur bloß noch uͤbrig, zu zeigen, daß der Satz keinen Einfluß in mein System hat, und das werde ich bewerkstelligen, wenn ich zeige, auf welchen Gruͤnden meine behauptete Wahrhei- ten eigentlich beruhen, und daß diese Gruͤnde ganz andere Gruͤnde sind, als der Satz, alles was ich nicht sehe, ist nicht da; wenn ich zeige, daß wo ich behaupte, daß gewisse Theile noch nicht existiren, ich solches nicht deswegen behaup- te, weil ich sie nicht sehe, sondern daß ich alle- mahl ganz andere Ursachen dazu habe. Jch Aufloͤsung der Schwierigkeiten, Er hat auch keinen Einfluß in dieselbe, und die Theo- rie gründet sich auf lauter reine Beo- bachtungen. Jch behaupte also gleich im An- fange im 166 und 167. §., daß in de- nen hier beschriebenen Embryonen und ihren areis noch keine Gefaͤße seyn, theils um hieraus zu schließen, daß die Nahr n ngssaͤfte auf eine beson- dere Art, und durch eine besondere Kraft, durch diese Theile getrieben werden, be- sonders aber auf diesem Grunde hernach die gan- ze Theor i e der Formation der Gefaͤße zu bauen. Hierwider nun eben wendet der Herr von Haller besonders ein, es sey nicht zu schließen, weil man in diesen Theilen keine Gefaͤße auch auf irgend eine Art entdecke, so seyn keine darinn. „ Die Erscheinung, daß nemlich in der sogenann- ten area umbilicali im Huͤnchen Wege ge- zeichnet seyn, die nach und nach vollkom- men und zu Gefaͤßen werden ‟ das sind seine eigene Worte „ sey richtig, nur bleibe der Zweifel uͤbrig, ob die durchsichtigen Wege zwischen dem koͤrnigten Wesen auch wuͤrk- lich aus bloßen Wegen ohne Haͤute beste- hen, und dieses sey so leicht nicht auszuma- chen ‟. Wir wollen also sehn, wie ich mich aus dieser Schwierigkeit herausziehe, und ob ich theils um zu beweisen, daß in der area keine Gefaͤße seyn, theils um meine Erklaͤrung von der Forma- tion der Gefaͤße zu rechtfertigen, noͤthig habe, mich darauf zu berufen, daß ich die Gefaͤße auf keine Art sehe, oder durch irgend ein Mittel ent- decken kann. Jch die wider die Theorie des Verf. ꝛc. Jch berufe mich also, um meine Beweise anzustellen, auf die Beobachtungen, welche ich im 178 und 179, besonders aber im 178 §. wel- chen ich auch in dem oben citirten Scholio ange- fuͤhrt habe, vorgetragen, in der 4ten, 7ten, 8ten und 10ten besonders in der 4ten Figur aber ge- zeichnet habe. Diese Beobachtungen enthalten die Stuͤtzen, auf welchen ich so wohl meine Theo- rie von der Formation der Gefaͤße, als auch die- se Wahrheit gegruͤndet habe, daß zu denen Zei- ten, wenn der Embryo noch so wie hier beschaf- fen ist, noch keine Gefaͤße in der area seyn. Das in der 4ten Figur gezeichnete Stuͤck der area lehrt uns die Formation der Gefaͤße so offenbar, daß man sie gleichsam mit Augen sieht. Diese will ich also zuvor aus dieser Beobachtung zeigen, und alsdann auch daraus wieder beweisen, daß eben jetzo in dieser area noch keine Gefaͤße da seyn. Man sieht also in dieser Figur, die ich so accurat und mit so großem Fleiß nach der Natur gezeichnet habe, daß auch fast kein Punckt ist, den ich nicht in meinem Original gesehen haͤtte, daß die koͤr- nigte Materie, die vorhin, wie in fig. 1. eben gleich und aneinander hangend gewesen ist, nun- mehro in große, der Figur nach unbestimmte, und hin und wider noch zusammenhangende Stuͤcke, a. a. zerfallen sey. Dieses sieht man, und es ist also daran kein Zweifel. Man sieht aber ferner, daß diese Trennung der koͤrnigten Materie der area, von dem mehr und mehr eindringen- den fluͤßigen Wesen, welches man in den ent- F stan- Aufloͤsung der Schwierigkeiten, standenen Zwischenraͤumen b. b. wahrnimmt, her- ruͤhre; denn eben dieses fluͤßige Wesen, mit der subtileren koͤrnigten Materie b. b. ist es, welches die verschiedene dichtere Stuͤcke der groͤbern koͤr- nigten Materie trennt, und von einander abge- sondert haͤlt. Also auch dieses sieht man noch bishe- ro; und es kann folglich auch daran nicht gezwei- felt werden. Man nennt eine dergleichen Tren- nung einer festern Materie, die durch ein fluͤßi- ges Wesen geschiehet, eine Aufloͤsung. Man sieht es also mit Augen, daß die koͤrnigte Mate- rie der area, welche vorhin wie fig. 1. ganz, eben, zusammenhengend war, durch ein nach und nach eindringendes fluͤßiges Wesen, in ungleich große unfoͤrmliche Stuͤcke aufgeloͤset werde, die hernach ferner, wie man solches auf eben die Art in den folgenden Beobachtungen, laͤnger gebruͤteter Eyer sieht, allmaͤhlig durch das weitere Eindringen der fluͤßigen Materie in kleinere Stuͤcke getheilt und aufgeloͤset werden. Dieses alles also sieht man. Etwas aͤhnliches hiervon bemercket man an der Art der Aufloͤsung der Salze und fast aller andern Materien, die ebenfalls bey weniger Feuch- tigkeit zuerst in groͤßere Stuͤcke zerfallen, welche aber hernach bey mehr zudringender Feuchtigkeit weiter aufgeloͤset werden. Nur diesen Unterscheid findet man hier, daß die von einander getheilte Stuͤcke noch immer an einigen Orten hin und wieder staͤrker oder schwaͤcher, durch mehr oder weniger feinere koͤrnigte Materie zusammen hen- gen, wie sie denn alle, wo nicht unmittelbar un- ter die wider die Theorie des Verf. ꝛc. ter einander, wenigstens vermittelst der Membran des Gelben vom Ey, an welcher sie alle fest sitzen, und der darunter gelegenen Substanz des Gelben, mit der sie ebenfalls zusammenhengen, continui- ren. Diese nun aber auf solche Art durch die Auf- loͤsung in ungleiche Stuͤcke, die auch an vielen Orten noch unmittelbar untereinander zusammen- hengen, folglich noch nicht vollkommen, so wie sie sich in der Folge befindet, getheilte nnd gleichsam zerrissene area ist eben der Ort, wo in der Folge die netzfoͤrmige Nabelgefaͤße ausgebreitet erschei- nen, wie sie in der 8ten und 10ten Figur durch das Mikroscop vorgestellt werden; und die Folge der Beobachtungen an immer mehr und mehr ge- bruͤteten Eyern lehrt, wie solches auch schon hin- laͤnglich aus der Vergleichung der vierten, achten und zehnten Figur zu erkennen ist, daß die Zwi- schenraume b in allen diesen Figuren zu Gefaͤßen, die Jnseln aber, oder voneinander getheilten Stuͤ- cke der koͤrnigten Materie allmaͤhlig zu Zwischen- raͤumen der Gefaͤße werden. Bey allen diesem kann so wenig ein Jrrthum vorfallen, wie bey irgend einer Wahrheit in der Welt. Es sind alles unmittelbare Beobachtungen; und man sieht, wenn man viel Eyer um diese Zeit der Jneubation auf- schlaͤgt, an den allmaͤhligen und kaum merklichen Veraͤnderungen der area, wodurch sie aus dem Zustande, wie sie in der vierten Figur ist, allmaͤh- lig in den Zustand, worin sich die in der 8ten und 10ten Figur befindet, uͤbergeht, daß die noch hin und wieder zusammenhengende Stuͤcke a. a. F 2 der Aufloͤsung der Schwierigkeiten, der vierten Figur noch eben dieselben sind, die sich wieder als voͤllig nunmehr getrennte und mehr ge- theilte kleinere Jnseln in der 8ten und 10ten Fi- gur bey a. zeigen, und daß hingegen die Zwischen- raͤume b. in der vierten Figur eben dieselbe Zwi- schenraͤume sind, die sich wiederum bey b. in der achten und zehnten Figur, nur wegen der staͤr- kern Theilung der Jnseln, kleiner, in groͤßerer Menge, und mehr geordnet zeigen. Daß aber dieses nun schon die wuͤrklichen Anfaͤnge der Ge- faͤße sind, das ist daraus klar genug, weil man in diesen Zwischenraͤumen, wie ich solches auch in der 10ten Figur vorgestellt, und in deren Er- klaͤrung angezeigt habe, die Blutkuͤgelchen schon haͤufig springen sieht. Eben so kann man auch den allmaͤhligen Uebergang der area in der ersten Figur, in die aream der vierten Figur durch fleis- sige Beobachtungen wahrnehmen. An dieser Formation der Gefaͤße ist nun also vors erste nicht zu zweifeln. Nunmehro aber frage ich, was hat diese durch die Aufloͤsung gleichsam zerrißene area in der vierten Figur fuͤr Aehnlichkeit mit den schoͤnen, ordentlichen, netzfoͤrmigen Nebelgefaͤßen, die in den letzten Tagen der Jncubation in der area aus- gebreitet sind? und ich frage, ob man diese durch die Aufloͤsung der koͤrnigten Materie, woraus die area besteht, geschehene Zerreissung derselben, Ge- faͤße nennen koͤnne? Da wir die Formation der Gefaͤße wissen, so will ich einmahl bestimmen, was die wider die Theorie des Verf. ꝛc. was noch an dieser area fehlt, und was noch alles erfordert wird, ehe vollkommne Gefaͤße darinn entstehen. Vors erste also muͤssen die groͤßere Stuͤcke dieser area, dergleichen man in der Figur verschiedene sieht, die noch wie eine Reihe Gebuͤr- ge mit einander zusammenhengen, in kleinere Stuͤckchen getheilt werden; das demonstrirt die 9te Figur, deren area in viel kleinere Jnseln ge- theilt ist, und daher vielmehr Zwischenraͤume der- selben enthaͤlt. Das heist aber schon nichts an- ders, als es muͤssen noch viel neue Gefaͤße, zu zu denen noch gar keine Anlage gemacht ist, ent- stehen. Wenn aber diese fernere Aufloͤsung ge- schehn ist, so sind alsdann auch die bloßen Wege nur zu diesen neuen Gefaͤßen noch lange nicht fer- tig. (Machen Sie mir hier keine Einwendung von durchsichtigen Haͤuten; ich rede hievon noch kein Wort. Der Kanal aber gehoͤrt auch zu den Gefaͤßen, und wenn der nicht da ist, wenn im Gegentheil die Maße solide ist, so sind keine Ge- faͤße da.) Alsdann verhalten sich die dadurch ent- standene Zwischenraͤume so wie die, welche sie schon in der Figur sehen; nemlich die alsdann kleinere Stuͤcke, welche aus der groͤbern koͤrnig- ten Materie bestehen, hengen alsdann noch ver- mittelst der feinern Materie zusammen, so wie sie jetzo die groͤßere Stuͤcke in der Figur dadurch zu- sammenhengen sehen. Die Aufloͤsung der groͤße- ren Stuͤcke geschiehet also nicht so, als wenn sie gerade durchschnitten wuͤrden, sondern es wird ein Theil der groͤbern Materie, woraus die Stuͤcke F 3 be- Aufloͤsung der Schwierigkeiten, bestehen, zugleich mit aufgeloͤset, und zwar nicht sogleich in unsichtbare Theilchen, die mit dem fluͤßigen Wesen sogleich mit weggenommen wuͤr- den, sondern erst in eine feinere ebenfalls noch koͤrnichte Materie, wodurch die getheilte Stuͤcke noch ferner aneinander hengen bleiben, und die al- so noch weiter aufgeloͤset werden muß. Jndem also endlich diese feinere Materie voͤllig aufgeloͤset wird, so werden alsdann erst alle die Stuͤcke, wel- che noch zusammenhingen, voͤllig von einander ge- trennt, und in Jnseln verwandelt, und die feine- re Materie selbst wird zugleich mit aus dem Wege geraͤumt. Alsdann also befindet sich erst die area in dem Zustand, wie die ist, die man in der 8ten und 10ten Figur sieht. Sie begreifen aber leicht, daß diese Gefaͤße, wie sie nunmehro sind, und wie sie in der 8ten und 10ten Figur erscheinen, noch lange nicht vollkommne Gefaͤße sind. Eben so deutlich, wie Sie die aream bishero sich haben theilen, und Wege formiren sehen, eben so deut- lich zeigen die folgende Beobachtungen die Bil- dung der Haͤute dieser Wege, wodurch sie endlich Gefaͤße werden. Jch kann mich aber hierbey jetzo unmoͤglich noch aufhalten. Jch werde aber eine Figur von einer solchen Beobachtung in einer an- dern Abhandlung von den Haͤuten der Gefaͤße mit naͤchsten geben, woraus auch diese Sache klar werden wird. Jetzo will ich nur so viel davon sagen. Daß niemahls diese Haͤute als solche durch- sichtige Membranen, dergleichen die Membran des Gelben vom Ey, die Membran des amnii, der- glei- die wider die Theorie des Verf. ꝛc. gleichen das Peritonaͤum und die Pleura ist, zum Vorschein kommen; Man sieht aber, daß allmaͤh- lig eben solche Kuͤgelchen, als die sind, woraus die Jnseln in der 10ten Figur bestehn, sich an den Seiten der Wege ansetzen, daß hingegen die, wor- aus die Jnseln bestehn, in kleinere und durchsich- tige Kuͤgelchen sich aufloͤsen, so daß alsdann diese neue Haͤute aus dicht zusammengepreßten, und sehr undurchsichtigen Kuͤgelchen bestehn, und wie ein dickes koͤrnigtes Leder aussehen. Das sind die Haͤute der Gefaͤße in der area! keine der pleu- ra aͤhnliche durchsichtige Haͤute niemahls! Dieses alles also wird, ehe die area der vier- ten Figur wahre Gefaͤße bekommt, noch erfor- dert; alle diese Veraͤnderungen muͤssen noch in ihr vorgehen; fernere Zertheilung der groͤßern Jnseln ( a. a. ); voͤllige Trennung derselben von ein- ander, wo sie noch zusammen hengen; fernere Aufloͤsung der koͤrnigten Materie b. b. und voͤllige Wegraͤumung derselben, damit die Saͤfte frey hindurch fliessen koͤnnen; Endlich Haͤute um diese formirte Wege. Kann ich also wohl sagen, daß in dem Zustande, worin sich die area fig. 4 befin- det, schon Gefaͤße in ihr enthalten waͤren? Muß ich nicht vielmehr sagen, daß sie nicht nur eben erst in der Bildung noch begriffen sind, sondern auch, daß nur die allererste Anlage zur Bildung der Ge- faͤße erst angefangen ist? und daß folglich wahre Gefaͤße noch nicht da sind? Allein schließe ich denn nun entweder bey der vorher erklaͤrten Formation F 4 der Aufloͤsung der Schwierigkeiten, der Gefaͤße, oder indem ich zu andern Absichten behaupte, daß in der area der vierten Figur noch keine Gefaͤße sind, solches daraus, weil ich sie nicht sehe, und gehe ich denn in diesen Schluͤßen auf den Grundsatz zuruͤck, was ich nicht sehe, ist nicht da? Schließe ich nicht vielmehr diese Wahrheiten aus dem, was ich wuͤrklich sehe, aus dem, weil ich sehe, daß die Gefaͤße noch lange nicht fertig, daß sie kaum erst angefangen und eigentlich noch gar keine Gefaͤße sind? Diese Beobachtungen also sind meine Gruͤnde, worauf ich die im 766 und folgenden §phen behauptete Saͤtze, und die Formation der Gefaͤße gebauet habe, wie man sich allemahl auf Erfahrungen ver- lassen kann; Deswegen habe ich auch im Scholio den 178 und folgenden §§. citirt, wo diese ganze Formation der Gefaͤße ordentlich und deutlich be- schrieben wird, und ausdruͤcklich am Ende des Scholii gesagt: tandem, quando incipiant vasa existere, \& quomodo ineipiant (§. 178. seqq.) ad oculum demonstrabo. Allein daß ich freylich diese Beobachtungen zu allererst haͤtte anfuͤhren, und alsdann die in dem 166ten und folgenden §. vorgetragene Wahrhei- ten einzig und allein darauf haͤtte bauen sollen, oh- ne aller der uͤbrigen in diesem Scholio beygebrach- ten Beweise einmahl zu gedenken, daß ich also in der systematischen Ordnung einen Fehler begangen habe: dieses will ich Jhnen gern zugeben. Aber dabey leidet die Wahrheit meiner Theorie nichts! Jch die wider die Theorie des Verf. ꝛc. Jch wolte gern eine aͤhnliche Ordnung hier beobach- ten, wie ich mich bey den Pflanzen bedient hatte. Jch wolte zuerst die wesentliche Kraft bey den Thieren fest setzen, und alsdann die Formation der Gefaͤße erklaͤren. Allein dieses haͤtte auch gesche- hen koͤnnen; nur haͤtte ich die Beobachtungen des 178 §. seq. zuerst anfuͤhren sollen, nicht um eine vollstaͤndige Theorie der Formation der Gefaͤße so- gleich darauf zu bauen, sondern nur vors erste dieses daraus herzuleiten, daß zu dieser Zeit, und nicht eher, es geschehe uͤbrigens auf welche Art es wolle, die Gefaͤße formirt werden. Jch sahe auch wohl, daß ich dieser Beobachtungen wuͤrde noͤthig haben; deswegen habe ich mich auch im Scholio wenigstens darauf berufen. Allein ich glaubte nicht, daß man auf das unwahrschein- liche Huͤlfsmittel zuruͤckgehen wuͤrde, daß ja wohl vielleicht Theile da seyn koͤnnten, ob sie gleich auf keine Art zu entdecken waͤren. Denn ob ich gleich nun gezeigt habe, daß ich zu meiner Theorie den Satz, was ich nicht sehe, ist nicht da, nicht noͤ- thig habe, so gebe ich deswegen doch noch lange nicht zu, daß mir die Theile des Embryo unge- achtet aller angewendeten Sorgfalt, wenn sie wuͤrk- lich da sind, verborgen bleiben koͤnnten. Jch will nicht alle Ursachen dazu, die ich in dem Scholio angefuͤhrt habe, hier wiederholen, ob sie gleich nicht widerlegt sind. Jch will nur diesen einzi- gen Grund anfuͤhren; welcher Beobachter kann mir sagen, daß er zum Exempel das Herz durch ein Mikroscop, welches nur so viel vergroͤßert, als F 5 das, Aufloͤsung der Schwierigkeiten, das, wodurch ich den Embryo mit dem Herzen in der 5ten Figur gezeichnet habe, und das ist nur ein schwaches Mikroscop, jemahls so klein ge- sehen habe, als ein Sandkorn? Man wuͤrde als- dann dieses Herz, wenn es jemahls so klein exi- stirte, mit einem weit staͤrkeren Vergroͤßerungs- glase etwan so groß wie das in der 5ten Figur zu sehn bekommen. Allein das geschiehet niemahls. Das Herz ist entweder gar nicht zu sehn, oder es ist so groß wie in dieser Figur. Dieses beweiset, die Beobachter moͤgen die Staͤrke ihrer Vergroͤs- serungsglaͤser bestimmt haben oder nicht, die Figur unter welcher sich das Herz zeigt, und die uͤbrige Vollkommenheit des Embryo. Aus dieser Figur schließe ich, daß ein kleiner Herz als mein ziem- lich großes ist, welches ich in der 5ten Figur ge- zeichnet habe, noch niemand gesehen hat. Was auch die Durchsichtigkeit betrift, so gibt es keine wuͤrkliche wie Wasser oder Crystall durchsichtige Theile einmahl in dem Embryo, außer die Haut des Gelben, die Haut des Amnii, und in Erwach- senen das Peritonaͤum und die Pleura. Diese Theile aber sind von den organischen Theilen, wor- aus das Thier zusammengesetzt ist, sehr unterschie- den, und man muß nicht von dem einen auf das andere schließen. Sie bestehen nicht aus Kuͤgel- chen, wie alle uͤbrige Theile; sie haben keine Ge- faͤße und keine Nerven, und sie bleiben, welches wohl zu merken ist, zu allen Zeiten gleich durch- sichtig. Diese also, welche unsern Augen auch nicht zwar entwischt sind, koͤnnten doch aber wohl bis- die wider die Theorie des Verf. ꝛc. bisweilen oder haͤtten wenigstens vielleicht koͤnnen entwischt seyn, das will ich allenfalls zugeben. Aber das Herz, die Gefaͤße und ihre Haͤute, wenn sie da sind, die Fluͤgel und die Fuͤße, diese Thei- le, die alle aus Kuͤgelchen bestehn, die eigentlich nur weiß und etwas zwar wie alle Koͤrper wenn sie klein und duͤnne sind, keinesweges aber voͤllig wie Wasser oder Crystall durchsichtig sind, daß diese Theile ihrer Kleinigkeit oder ihrer Durchsich- tigkeit wegen vielleicht wohl unsichtbar bleiben koͤnnten, das scheint mir, wenn ich sagen soll wie ich es denke, eine egoistische Ausflucht zu seyn. Aber deswegen bauet der Herr von Haller auch nicht, wie Herr Bonnet thut, hierauf die Hy- pothese der Evolution als etwas voͤllig gewisses. Er sagt nur, wenn ich im Gegentheil meine Theo- rie ganz vollkommen gewiß und ausgemacht, wuͤrk- lich demonstrirt haben wollte, so bleibe mir dieser Zweifel auch aufzuloͤsen noch uͤbrig, und dieser sey so leicht nicht auszumachen. Jch denke indes- sen durch die genauere bisherige Untersuchungen die Sache vollkommen ins Licht gesetzt zu haben. Jch will, um von diesen Zwei- Die Art wie sich der Hr. v. Haller die all- mählige Er- scheinungen der Gefäße auf der area umbilicali vorstellt , feln auf keiner Seite etwas uͤbrig zu lassen, die Sache noch auf eine an- dere Art vornehmen. Der Hr. von Haller stellt sich die Formation der Gefaͤße in der area auf diese Art vor. Jn der area Figura 1. sollen die Ge- faͤße schon zwischen dem koͤrnigten Wesen Aufloͤsung der Schwierigkeiten, stimmt mit den Beobach- tungen nicht überein. Wesen vorhanden seyn; sie sollen aber dergestalt zusammen gefallen oder von beyden Seiten zusammengedruͤckt und voͤllig leer seyn, daß man ihre Hoͤlen nicht unterscheiden koͤnne. Was aber ihre Haͤute anbetreffe, so sollen eben diese ihrer Durchsichtig- keit wegen unsichtbar seyn. Das erstere ginge noch an; wenigstens sehe ich keine Unmoͤglichkeit darinn; aber das zweyte widerspricht der Beobach- tung, die ich von den Haͤuten im vorhergehen- den angezeigt habe, und die ich weitlaͤuftiger in einer besondern Abhandlung ausfuͤhren will. Wir wissen, daß diese Haͤute erst sehr spaͤt, lange nach- dem die area schon in dem Zustande der 8ten und 10ten Figur gewesen ist, lange nachdem schon Blutkuͤgelchen durch die formirte Wege gelauffen sind, gebildet werden; wir sehen alsdann, auf was fuͤr Art dieses geschehe; wir sehen, daß Kuͤ- gelchen allmaͤhlig sich an den Seiten der Wege an- setzen, und daß daraus Haͤute formirt werden, die alsdann schon gleich bey ihrem ersten Anfange wie ein dickes undurchsichtiges koͤrnigtes Leder ausse- hen. Folglich koͤnnen diese Haͤute nicht jetzo schon in| diesem Zustande der area, wie sie in der ersten Figur ist, vorhanden seyn. Der Hr. von Hal- ler muß aber behaupten, daß auch diese Haͤute schon jetzo in dieser area vorhanden seyn; denn sonst hat er schon verlohren; die Haͤute werden formirt, die Epigenesis ist klar. Das waͤre also ein Widerspruch den die Natur hier einmahl der Vorstellung des Herrn von Hallers macht. Wir wollen die wider die Theorie des Verf. ꝛc. wollen sehn was fuͤr dergleichen Widerspruͤchen die- se Vorstellung noch weiter ausgesetzt ist. Diese zusammengefallene Gefaͤße sollen in der Folge durch den Antrieb des Blutes, der vom Herzen herruͤhrt, erweitert und ausgedehnt wer- den, und auf diese Art sollen die Gefaͤße nun zu- erst erscheinen. Diese Jdee ist schoͤn; aber die Beobachtungen widersprechen ihr. Jch habe im vorigen angefuͤhrt, daß die groͤßere Stuͤcken ( a. a. ) in der area der 4ten Figur noch von einander ge- theilt und zwischen ihnen also noch Gefaͤße for- mirt werden muͤssen. Wenn nun nach dem Be- griffe des Herren von Hallers diese groͤßere Stuͤcke eigentlich wuͤrklich schon getheilt sind, und wuͤrklich schon Gefaͤße, nur zusammengefallene und daher unsichtbare Gefaͤße, die mitten durch sie durchgehen, und zu ihrer voͤlligen Erscheinung nur den Antrieb des Blutes erwarten, in sich ent- halten; so muͤssen diese Gefaͤße, so bald die Thei- lung der groͤßern Stuͤcke ( a. a. ) geschiehet, vors erste sogleich auch als voͤllig offne Wege erscheinen; vors andere muß zugleich auch das durch sie durch- laufende Blut, als welches eben die Ursache ihrer Eroͤffnung seyn soll, zum Vorschein kommen. Allein das Ding verhaͤlt sich hier ganz anders. Beydes geschiehet nicht. Jch will, um nicht An- laß zu neuen Einwendungen zu geben, nichts da- von sagen, daß man zu dieser Zeit in dieser area noch kein Blut sieht, dessen Sichtbarkeit auch der Herr von Haller nicht laͤugnet; daß man gar kei- ne Aufloͤsung der Schwierigkeiten, ne durchgehende Saͤfte sieht, daß man das Herz auch lange nachhero noch stille liegen, im hoͤch- sten Grad stille liegen, folglich sich nicht bewegen sieht; von dem allen, sage ich, will ich kein Wort reden; denn man koͤnnte, ich weis nicht, von was fuͤr durchsichtigen Dingen hier wiederum eine Einwendung machen; wodurch der Beweis zwar nicht entwichen, aber neue Knoten auseinander zu wickeln wieder vorgeworfen wuͤrden, und wor- uͤber man die andern Beweise, wobey alle der- gleichen Ausfluͤchte glatt abgeschnitten sind, ver- gessen zu haben scheinen koͤnnte. Jch halte mich also an dem andern Punkt, und sage, die auf diese Art entstandene Wege muͤsten wenigstens so gleich offne Wege seyn. Allein sie sehen in der vierten Figur das Gegentheil. Wenn ein großes Stuͤck in zwey kleinere getheilt wird, so geschie- het dieses nicht so, als wenn sie mit einem Messer von einander geschnitten waͤren, sondern es wird ein Theil der groͤbern koͤrnigten Materie, woraus das große Stuͤck bestund, zugleich mit aufgeloͤset, und zwar nicht in kleine unsichtbare Theilchen, die mit den durchdringenden Saͤften mit weggenom- men wuͤrden, sondern nur vors erste in eine fei- nere koͤrnigte Materie, und die zwar an eben dem Orte noch sitzen bleibt, und wodurch die kleinere getheilte Stuͤcke noch ferner zusammenhengen blei- ben. Dieses alles habe ich deswegen mit Fleiß schon in dem vorigen so genau mit vorgetragen. Sie sehen also in der ganzen Beobachtung der vierten Figur wohl augenscheinliche Beweise von einer die wider die Theorie des Verf. ꝛc. einer allmaͤhlichen Aufloͤsung einer groͤbern Ma- terie in eine seinere, wodurch, indem diese Aufloͤ- sung fortgesetzt wird, zugleich große Stuͤcke der koͤrnigten Materie getrennt und in viele kleinere zertheilt werden; aber Sie sehen nicht die gering- ste Spuhr, sondern vielmehr das Gegentheil, von einer durch das Eindringen des vom Herzen ge- triebenen Blutes verrichteten Erweiterung und Ausdehnung solcher Gefaͤße, die schon da, und nur zusammen gefallen gewesen waͤren. Und das ist also der zweyte Widerspruch den die Natur der Jdee des Herrn von Hallers macht. Wenn Sie nur die Observation in der vier- ten Figur bloß ansehen, so muß Jhnen diese Jdee den Augenblick unmoͤglich scheinen! der Herr von Haller wird diesen Zustand der area gewiß oͤfter gesehen haben, denn es kann der Aufmerksamkeit dieses großen Naturforschers so leicht nichts ent- wischen; allein er wird ihn vermuthlich nicht fuͤr die erste Anlage zu den Gefaͤßen gehalten haben; daher spricht er, wenn er von dem ersten Anfange und von der ersten Erscheinung der Gefaͤße redet, immer schon von kurzen Linien, von rothen Punk- ten und Spitzchen, die sich in der area zeigen, und hernach in der Folge von gezeichneten Wegen, so wie wenn sie mit einer Nadel eingegraben waͤren. Jn der 21 Observation (nach 31½ Stunden T. ), worin er zuerst von dem Anfange der Gefaͤße re- det, sagt Er: A ces anneaux succedoit l’aire grumelée jaune blanchatre; on y distinguoit des lignes Aufloͤsung der Schwierigkeiten, lignes fort courtes, qui font le commencement des vaisseaux du reseau embilical. Jn der 24sten Observation nach 36 Stunden R. sagt er: Une ebauche de la figure veineuse succede a cette aire ce sont deux arc de cercle, \& deux segmens remplis de points plus rouge que jaune. C’est le commencement du reseau ombilical. Das ist aber ganz accurat meine Beobachtung in der 1sten Figur, wie sie den bloßen Augen sich zeigt, und die ich in der 8ten Figur durch das Vergroͤße- rungsglaß vorgestellt habe. Allein das ist lange nicht der erste Anfang der Gefaͤße. Jch habe sie in der Observation der vierten Figur viel fruͤher entdeckt und da also ihre wahre erste Anlage ge- sehn. Diese in der 7ten Figur vorgestellte Beo- bachtung aber, worinn der Herr von Haller zu- erst die Gefaͤße erkennt hat, ist eben diejenige, die sich auch mit seiner Jdee unter allen am besten vertraͤgt. Man sieht in diesen Abschnitten der Scheibe mehr roth als gelbe Punkte, Stiche, kurze Linien. Das koͤnnen Stellen der Gefaͤße seyn, wo das Blut stockt, und die Gefaͤße aus- dehnt, da indessen die uͤbrigen Theile der Gefaͤße noch zusammen gezogen sind. Sieht man aber auch nur eben dasselbe Objeckt mit dem Vergroͤsse- rungsglase an; wie ich es in der 8ten Figur ge- genau vorgestellt habe. so faͤllt schon alle Wahr- scheinlichkeit weg. Man sieht keine zusammenge- zogene, und an einigen Stellen aufgetriebene Ge- faͤße mehr; man sieht feste, steife unbewegliche Jnseln, die durch ihre Zusammenziehung oder Erwei- die wider die Theorie des Verf. ꝛc. Erweiterung die zwischen ihnen enthaltene Rin- nen auf keine Art weiter oder enger machen koͤn- nen, und man sieht Rinnen, die, es mag Blut in ihnen enthalten seyn oder nicht, zugleich zum sichern Beweise, daß sie keine Haͤute haben, im- mer gleich weit bleiben. Jst es moͤglich, daß auch nur hierwider etwas eingewendet werden koͤnnte? Meine Formation der Gefaͤße habe ich also gerettet. Jch muß nun auch zeigen, daß meine Theorie von der Vegetation des Embryo eben so wenig auf den angeblichen Grundsatz von der Un- sichtbarkeit beruhet. Hierin habe ich es eigentlich nur mit Herren Bonnet zu thun. 3) Widerlegung der Einwuͤrfe des Herrn Bonnet. E r sagt im ersten Theil pag. 101. im 125. §. wo er eigentlich die Epigenesin, in so fern sie aus den Beobachtungen an ausgebruͤteten Eyern bewiesen wird, zu widerlegen sucht: On veut juger du tems, ou les parties d’un corps organisé ont commencé d’exister par celui, ou elles ont commencés de devenir sensibles. Das heist eigentlich so viel, als, man setzt zum Voraus, daß die Theile eines organischen Koͤr- pers nicht eher existiren, als bis man sie wahr- nimmt; Jch muß also zeigen, daß ich um die Epigenesin zu beweisen, solches nicht noͤthig ha- G be. Widerlegung der Einwuͤrfe be. Alsdann setzt er hinzu, On ne considere point, que le repos, la petitisse \& la transpa- rence de quelqu’unes de ces parties, peuvent nous les rendre invisibles, quoiqu’ elles existent réellement. Dieses alles sagt er dem Herrn von Haller nach der im zweyten Theil pag. 177. sich so ausgedruckt hat: Après ces observations on doit être en garde contre l’envie de prononcer, que telle \& telle partie d’un animal est nouvellement nee, \& qu’elle n’a pas existé auparavant. Als- dann setzt der Herr von Haller hinzu: Elle peut avoir été trop petite elle peut n’avoir ete, que transparente, le mouvement \& le repos appa- rent des parties du corps animal dépend encore de l’accroissement \& de l’opacité de ces parties. Sie sehen wohl, das ist von Wort zu Wort eben dasselbe, oder es hat es doch wenigstens seyn sol- len; denn eigentlich hat er in dem letzten Punkte den Herrn von Haller nicht recht verstanden. Dieser sagt, die scheinbare Ruhe und Bewegung hengt ebenfalls von der gehoͤrigen Groͤße und Un- durchsichtigkeit ab; und er meynt damit, wenn ein Theil zu klein oder zu durchsichtig ist, so kann man auch seine Bewegung nicht gewahr werden; und das ist auch richtig; denn wenn ich einen Theil seiner Durchsichtigkeit oder Kleinheit wegen einmahl nicht sehen kann, so kann ich ihn auch nicht sehen, er mag sich bewegen, so viel er will; daher fuͤhrt auch der Herr von Haller das Bey- spiel vom Winde an, den ich nicht sehn kann, weil diese bewegte Luft zu durchsichtig ist. Aber Herr Bon- des Herrn Bonnet. Bonnet, der dieses nicht recht verstanden hat, widerspricht dem Herrn von Haller. Er sagt die Ruhe macht die Theile unsichtbar, und der Theil wuͤrde folglich, wenn er sich bewegte, da- durch sichtbar werden. Aber das ist es eben, was der Herr von Haller nicht haben will. Wir sehn eine Zeitlang nicht das Herz sich bewegen, und das ist nicht gut; deswegen sagt er, eben die Ursachen, die uns das Herz verbergen, machen auch, daß wir es nicht sehen koͤnnen, ob es sich gleich bewegt. Allein das geht uns eigentlich nicht viel an; es ist ein kleiner Mangel der Einsicht, den wir Herren Bonnet gern vergeben wollen, ob er gleich mit einer sehr veraͤchtlichen Mine nur kurz vorher noch gesagt hat, mais la foiblesse de cette objection se fait aisement sentir. Sie sehen leicht, daß wenn ich wider den ersten Satz des Herrn Bonnets beweise, daß ich bey der Vertheidigung der Epigenesis nicht aus dem Anfang der Sichtbarkeit der Theile den An- fang des Daseyns derselben schließe, ich alsdann den zweyten Satz zu widerlegen nicht noͤthig habe, und daß ich hingegen, wenn ich diesen widerlege das erstere nicht beweisen duͤrfe. Jch will aber dieses beweisen und jenes widerlegen; und mit der Widerlegung den Anfang machen. Drey Stuͤcke sollen uns die Thei- Wenn ein Theil des Ein- bryo da ist, so ist weder die le den Augen entziehen; die Ruhe, die Kleinheit und die Durchsichtigkeit. G 2 Was Widerlegung der Einwuͤrfe Kleinheit noch die Durchsichtig- keit desselben wie Hr. Bon- net glaubt, so beschaffen, daß er deswe- gen unsicht- bar würde; und noch we- niger kann die Ruhe die- ses zu wege bringen. Was die leztere betrift; so habe ich schon gesagt, daß außer dem Perito- naͤo und der Pleura, woran uns aber bey diesen Versuchen niemahls etwas gelegen ist, kein Theil, der zum Koͤr- per des Embryo gehoͤrt, wie die Luft, die dadurch unsichtbar werden kann, durchsichtig sey. Wenn sich Herr Bonnet zum Exempel einmahl das Herz im Ey wird zeigen lassen zu wel- cher Zeit er wolle; so wird er sehn, daß es immer weiß und opack genug, nie- mahls nur wie Krystall durchsichtig sey. Was die Kleinheit anbetrift, so habe ich in meiner Dissertation in dem bekannten Scholio schon gesagt, daß alle Theile des Embryo aus Kuͤ- gelchen bestehn, die immer durch maͤßige Ver- groͤßerungsglaͤser gesehn werden koͤnnen; kann aber Herr Bonnet begreifen, wie ein Theil, der aus hundert oder mehr solcher Kuͤgelchen besteht, eben denselben Vergroͤßerungsglaͤsern seiner Kleinheit wegen unsichtbar bleiben kann. Jch weis wohl daß der Herr von Haller diesen Beweis in der Recension angefuͤhrt hat; aber er hat ihn nicht widerlegt. Was endlich die Ruhe betrift, wobey Herr Bonnet dem Herrn von Haller widerspricht, und ich hingegen ihn vertheidigen werde, so muß man wohl unterscheiden zwischen gewahr werden und sehen. Ein kleines Ding kan unter einer großen Menge anderer kleinen Dinge wohl unse- rer Aufmerksamkeit entgehen, da es uns hingegen in des Herrn Bonnet. in die Augen faͤllt, so bald es sich bewegt, aber sehen muͤssen wir es dem ohngeachtet koͤnnen, und unsichtbar kann es uns niemahls werden, es mag so stille liegen als es will, so bald wir es nur in seiner Bewegung sehen koͤnnen. Allein das Un- terscheiden ist eben Herren Bonnets Sache nicht. Also waͤre mir die Epigenesis zu Allein diese Wahrheit wird beym Beweise der Epigenesis dennoch nicht zum Grunde gelegt. beweisen noch uͤbrig, und zwar ohne dabey anzunehmen, daß die Theile alsdann erst entstehen, wenn sie zum Vorschein kommen. Meine Beobach- tungen dazu sind die 5te 11te und 12te Figur. Jn der 5ten Figur sehen Sie eine aus einem fast fluͤßigen Wesen bestehende Kante, die den ganzen Embryo um- gibt, unten breiter ist, und nach oben spitz zugeht. Die folgende Beobachtungen lehren, daß diese Kante allmaͤhlig von unten nach oben zu sich in die Hoͤhe zieht, bis sie allenthalben gleich breit wird. Alsdann faͤngt sie an auf beyden Seiten aus der Mitte sich weg und nach oben und unten an ei- nen Ort hinzuziehen, und daselbst Huͤgel zu for- miren, wie die 12te und 11te Figur zeigen. Al- les dieses sind reine Beobachtungen; Es sind aber auch reine Beobachtungen, welche in der Folge lehren, daß diese Huͤgel in die Fluͤgel und Fuͤße uͤbergehn, und daß also auch die erste fluͤßige Kante der 5ten Figur schon eine Anlage zu densel- ben war. Nun ist aber diese fluͤßige Kante kei- ne Fluͤgel und Fuͤße noch nicht, also muͤssen diese G 3 ja Widerlegung der Einwuͤrfe ja nothwendig aus ihr noch erst formirt werden. Das ist der ganze Beweiß. Wie kann denn nun aber der Mann sagen, On veut juger du témps, ou les parties ont commencé d’ exister, par celui, ou elles ont commence de devenir sensibles. Die Kante mag so fruͤh und so lange vorher schon exi- stirt haben, wie sie will; Genug daß sie jetzo nur auch da ist, und eine Kante, aber keine Fluͤgel und Fuͤße ist, und daß diese also erst muͤssen aus ihr formirt werden. Aus der Fort- setzung der Ge- därme des Embryo in die Haut des gel- ben vom Ey folgt gar nicht, daß beyde im- mer zugleich haben existi- ren müßen. Das ist das Vornehmste, was Herr Bonnet wider die Epigenesin geschrieben hat. Er traͤgt aber uͤber- dem noch p. 125 einen Beweisgrund wider dieselbe vor, der wieder den Herren von Haller zugehoͤrt, und wo- bey er Jhn auch citirt. Sie muͤssen uͤberhaupt bemerken, daß alles, was Herr Bonnet geschrieben hat, meh- rentheils aus dem Herren von Haller genommen ist. Etwas weniges hat er hin und wieder auch von andern Verfassern mit unterge- mengt. Eigenes aber hat er gar nicht. Der Hr. von Haller sagt, die Haut des gelben vom Ey ist eine genaue Fortsetzuug der Gedaͤrme des Embryo, und daraus schließt er, daß das eine ohne dem andern niemahls habe existiren koͤnnen, und daß folglich, da das Gelbe vom Ey schon vor dem Beyschlaff im Eyerstock gewesen sey, auch die Ge- daͤrme und der Embryo darinn gewesen seyn muͤs- sen. des Herrn Bonnet. sen. Das ist ein sehr artiger Gedanke, den ich aber widerlegen werde, und den Herr Bonnet wiederum nach seiner gewoͤhlichen Art auf verschie- dene Weise verdirbt. Vors erste schreibt er so wohl im 141ten als auch im 148ten §. die Beo- bachtungen, daß die Haut des Gelben eine Con- tinuation der Gedaͤrme sey, dem Herren von Haller zu; in dem leztern §. sagt er; Voila des faits, que nous devons aux soins \&c. Das verlangt aber der Herr von Haller gar nicht. Dieser große Naturforscher hat zu viel Geheimnisse der Natur entdeckt, als daß er noͤthig haͤtte, um sei- nen Ruhm zu vermehren, dem Malpigh eine kleine Erfindung wegzunehmen, die uns selber Malpigh so hoch eben nicht angeschrieben hatte. Man sieht schon bloß aus der 52ten 57ten und 61 Figur des Malpigh in seinen wiederholten Observationen in der Londener Ausgabe, daß die Sache ihm bekannt gewesen sey. Er sagt aber auch ausdruͤcklich, zum Exempel in der Erklaͤrung der 61. Figur pag. 11. In aperto pullo vitellus E, hujus magnitudinis, intestinis F brevi ductu Gcontinuabatur. Und eben daraus, weil Mal- pigh die Sache mit so wenigen Worten vortraͤgt, sieht man, daß er sie fuͤr so was großes nicht ge- halten habe. Der Gedanke aber, hieraus die Evolution zu beweisen, dieser gehoͤrt, so viel ich weis, dem Herrn von Haller zu. Sie wissen aus meiner Theorie, daß die Ve- getation des Embryo auf Art der Absonderungen G 4 der Widerlegung der Einwuͤrfe der Saͤfte, die nachher solide, und, wie ich sol- ches weiter erklaͤrt habe, organisch werden, ge- schehe. Der Ruͤckgrad ist der erste Theil, welcher auf diese Art aus dem Ey abgesondert wird; so wie das Ey selbst, ( vitellus ) von dem Eyerstock inner- halb seiner Substanz abgesondert wurde. Auf eben diese Art faͤhrt der Ruͤckgrad sort, auf bey- den Seiten die Substanz abzusondern, woraus durch ihre innere Organisation, die ich eben so deutlich erklaͤrt habe, in der Folge die Fluͤgel und Fuͤße werden. Alle diese von ihrem naͤchstvorher- gehenden abgesonderte Theile, bleiben, wenn kei- ne besondere Ursache, die sie trennt, hinzukommt, an denselben fest sitzen, und sehen hernach als eine bloße Fortsetzung von ihnen aus. Alle Theile be- kommen ihre Haͤute erst nachdem sie selbst schon formirt sind. Bey den Gefaͤßen habe ich es Jh- nen schon gezeigt; bey der Epiderniis so wohl der Pflanzen als Thiere ist es an sich schon bekannt; durch diese Haͤute bekommen die absondernde mit den von ihnen abgesonderten Theilen noch mehr das aͤußerliche Ansehen, als wenn sie ein einziger Theil, und der eine eine unmittelbare Fortsetzung des andern waͤre, nur an ihrer inneren Strucktur kann man bisweilen, nicht aber allemahl den Un- terscheid wahrnehmen. Kann man denn nun aber schließen, daß wenn die aͤußerste Haut, die, wie der Herr von Haller, im 2ten Theil 187. sagt, in den letzten Tagen nur das Gelbe vom Ey um- gibt, in die Haut des Embryo, die gewoͤhnliche aͤußere Haut des Gelben in die aͤußere Haut der Ge- des Herrn Bonnet. Gedaͤrme und in das Peritonaͤum, und die inner- ste Haut desselben in die zottigte Haut ( villosam ) der Gedaͤrme; daß also uͤberhaupt und kurz das Gelbe des Eyes in den Embryo continuirt; kann man, sage ich, daraus schließen, daß beyde Stuͤcke, das Ey und der Embryo deswegen nothwendig zu- gleich, es sey zu welcher Zeit es wolle, vor oder nach dem Beyschlaf oder bey der Schoͤpfung, zu existiren haben anfangen muͤssen? Wuͤrde ich nicht auch schließen muͤssen, wenn ich behaupte, daß die Fluͤgel und Fuͤße aus dem vorhergehenden Ruͤck- grad abgesondert werden, so daß sie nachhero, be- sonders wenn sie in der Folge beyde ihre aͤußerliche gemeinschaftliche Haut bekommen haben, wenig- stens dem aͤußern Ansehen nach als ein einziger fortgesetzter Theil aussehn, daß auch die Fluͤgel und Fuͤße mit dem Ruͤckgrad zugleich zu existiren haben anfangen muͤssen, und daß das eine ohne dem andern nicht habe bestehen koͤnnen? Allein folgt dieses? Kann nicht ganz natuͤrlicher Weise der Ruͤckgrad eher existirt haben? und kann dieser nicht, nachdem er eine Zeitlang allein existirt hat, eine fluͤßige Substanz seitwaͤrts abgesondert haben, die, indem sie solide wird und in Fluͤgel uͤbergeht, auch uͤberdem in der Folge noch erst durch ein Aus- schwitzen mit dem Ruͤckgrad zugleich eine gemein- schaftliche Haut bekommt; vollkommen, ich will nicht sagen nur aͤußerlich, sondern vollkommen das Ansehen haben koͤnnte, als wenn sie mit dem Ruͤckgrad ein einziger continuirter Theil waͤre? Jch sehe gar nicht den Zusammenhang zwischen G 5 die- Widerlegung der Einwuͤrfe diesen Saͤtzen; Ein Theil eines Dinges conti- nuirt gerade fort in den andern Theil desselben Dinges; daher hat der eine Theil desselben nie- mahls ohne dem andern Theil existiren koͤnnen, sondern das ganze Ding hat in instanti producirt werden muͤßen. Der Herr von Haller hat nicht so geschlossen, sondern nur Herr Bonnet, wie ich Jhnen in der Folge zeigen werde. Wie viel Dinge sehen Sie in der Welt, die aus einem con- tinuirten Stuͤcke bestehen, und dennoch allmaͤh- lich producirt werden. Sehen Sie nur die Eis- zapfen an den Daͤchern an. Eine aus dem ge- schmolznen Schnee entstandene Wassertropfe lauft an dem Eiszapfen der Laͤnge nach herunter, an seiner Spitze bleibt sie hangen, gefriert und ver- laͤngert den Eiszapfen; auf diese Art entsteht und waͤchst dieser nach und nach, und wenn er fertig ist, so ist er ein einziges continuirtes Stuͤck. Wer ist wohl im Stande, sich einzubilden, daß eine Mauer mit einem mahl hervorgebracht sey? Ein Stein wird nach dem andern hinzugesetzt, und wenn auf diese Art die ganze Mauer so hoch, wie sie seyn soll, in die Hoͤhe gezogen ist, alsdann wird sie mit einer gemeinschaftlichen Haut uͤberzo- gen, und sieht wie ein einziges continuirtes Stuͤck aus. Diese Entstehungsart der Mauer aber haͤlt Herr Bonnet fuͤr unmoͤglich; er sagt, wenn ein Theil eines Dinges eine Continuation des andern Theils dieses Dinges ist, so hat der eine Theil niemahls ohne dem andern Theil existirt. S’il est demontré sagt er pag. 135. que le Jaune est une con- des Herrn Bonnet. continuation des intestinis du poulet, il l’est, que le poulet a existé dans l’ oeuf avant la féconda- tion. Sie muͤssen mir hier keinen unverstaͤndi- gen Einwurf machen, und sagen, man koͤnne von einem natuͤrlichen organischen Koͤrper, nicht auf eine Mauer schließen. Hier ist gar nicht die Frage, ob der Koͤrper organisch sey oder nicht or- ganisch. Es ist von der Continuation die Rede, und es fraͤgt sich, ob aus derselben, wenn Theile nemlich eines Koͤrpers in eins fortgehen, auf die Entstehung desselben, oder auf die Unmoͤglichkeit, daß ein Theil nach dem andern enstanden sey, ge- schlossen werden koͤnne. Der Koͤrper mag also uͤbrigens organisch seyn oder nicht, das thut nichts zur Sache, und es muß, wenn die Continuation einmahl an sich die nach und nach geschehene Pro- ducktion nicht unmoͤglich macht, diese Producktion durch dieselbe so wenig an dem einen als an dem andern Koͤrper unmoͤglich gemacht werden. Setzen Sie, das ein organischer Koͤrper aus so vielen verschiedenen Theilen, als Sie wollen, auf so wunderbare Art, wie Sie wollen, zusammen- gesetzt sey, und setzen Sie, daß alle diese Theile, so wie das Gelbe des Eyes in die Gedaͤrme, auch in sich ineinander continuiren. Was wird denn hindern, daß nun weniger entweder, wie solches bey der Formation der Thiere und Pflanzen statt findet, immer der eine Theil aus dem andern nach und nach excernirt werde, oder wie solches bey der Producktion anderer Dinge statt findet, durch ei- ne immer nach und nach geschehene Aneinander- setzung Widerlegung der Einwuͤrfe setzung ganz kleinere Theilchen, ein organischer Theil nach dem andern auf diese Art in dem orga- nischen Koͤrper allmaͤhlich producirt werde, was wird, sage ich, hindern, daß dieses nun weniger geschehe, als wenn der Koͤrper, der auf diese Art nach und nach producirt werden soll, eine gerade Linie waͤre? Sie werden hieraus, hoffe ich, sehen, daß das, was Sie sagten, so wenig ein Einwurf sey, als wenn Sie gesagt haͤtten, man kann aus der Entstehungsart eines gruͤnen Koͤrpers nicht auf die Enstehungsart eines rothen schließen. Jch will Jhnen jetzo zeigen daß der Herr von Haller nicht so wie Herr Bonnet von dieser Continuation des Gelben in die Gedaͤrme des Em- bryo geschloßen hat. Sie muͤssen nur auf seine Ausdruͤcke sehn, bey welchen ein jedes Wort seine Bedeutung hat. Er sagt p. 186. Il me paroit presque demontrable, que l’embrion se trouve dans l’œuf. Die Woͤrter paroit und presque muß man freylich nicht weglassen wenn man die Gedanken des Herren von Hallers in dieser Sa- che beurtheilen will. Aber dem Herren Bonnet kommt es auf ein paar solche Woͤrter nicht an. Wiederum ein Beweis, daß Herr Bonnet dem Herren von Haller, wo er ihm nicht widerspre- chen will, niemahls nachsagen muͤsse, ohne sich zu- gleich seiner eigenen Worte zu bedienen. Sie werden vielleicht begierig seyn zu wißen, wie sich Herr Bonnet doch wohl muͤße angestellt haben, des Herrn Bonnet. haben, da er aus der Continuation zweyer Thei- le in einander die Unmoͤglichkeit ohne einander je- mahls existirt zu haben, geschloßen hat. S’il est demonstré sagt er an dem einen Orte, il est aussi demonstré. An dem andern Ort aber pag. 125 setzt er Saͤtze bald mit den Koͤpfen bald mit den Fuͤßen zusammen. Der Satz pag. 126. Das Gelbe ist ein we- sentlicher Theil des Embryo soll der Verbindungs- satz zwischen der Beobachtung und seinem Schluß- satz seyn. Sie sehen wohl, daß wenn gleich das Gelbe ein wesentlicher Theil des Embryo waͤre, so wie ein jeder Theil der Mauer, den sie sich in dersel- ben concipiren, ein wesentlicher Theil dieser Mauer ist, so wie die |Fluͤgel, die Fuͤße wesentliche Theile des Embryo in dem Verstande waͤren; so versteht es sich immer von selbsten, daß das Gelbe sowohl ohne dem Embryo als der Embryo ohne Fluͤgel und der eine Theil der Mauer ohne dem andern hat existiren koͤnnen. Jch habe in dem vorigen Absa- Erklärung wie es sich mit dieser Conti- nuation, uud besonders mit den Gefäßen in diesen Thei- len verhält. tze erklaͤrt, wie wuͤrklich in dem Thiere die Theile, ob sie gleich in einander continuirende Haͤute haben, denn das ist gar nicht eine Sache, die ir- gend einer Entstehungsart zuwider seyn koͤnnte, nach und nach formirt werden. Das haͤtte ich eigentlich nicht noͤthig gehabt; es waͤre genug gewesen, wenn ich nur gezeigt haͤtte, wie sie nach und nach, auf was fuͤr Art Widerlegung der Einwuͤrfe Art es auch sey, haͤtten entstehen koͤnnen. Jch will zum Ueberfluß nun noch auch erklaͤren, was es mit den Gefaͤßen, die aus dem Embryo in die Haut des gelben continuiren, fuͤr eine Bewand- niß habe, und dieses darum, weil der Herr von Haller selbst dieser Gefaͤße Erwaͤhnung thut. ( Second. Mem. p. 188.) Sie wissen aus meiner Theorie, daß nachdem die erste Anlage des Em- bryo aus dem Ey abgesondert ist, er ferner noch aus demselben, und zwar so nutrirt werde, daß, indem die Substanz des Gelben aufgeloͤset wird, die ei- gentliche daraus entstandene Nahrungssaͤfte unter der Haut des Gelben weggehen, durch die Mate- rie, die unter eben dieser Haut gelegen ist, durch- dringen, sich selbst Wege machen und auf diese Art bis zum Embryo kommen, und in dessen Theile, wo sie zuerst aufgenommen werden, weiter fortge- hen, bis sie an den Ort kommen, wo das Herz formirt wird. Sie wissen ferner, daß eben auf diese Art durch die, durch die Theile hindurchdrin- gende Saͤfte in denselben die Gefaͤße formirt wer- den. Es ist ja also wohl nothwendig, daß die Gefaͤße des Gelben und die Gefaͤße des Embryo ein und eben dieselbe continuirte Gefaͤße seyn muͤs- sen, weil sie durch eben dieselbe Saͤfte die aus dem Gelben in dem Embryo uͤbergehen, die erst durch das Gelbe des Eyes, hernach ferner fort durch die Theile des Embryo bis zum Herzen, oder den Theil, der das Herze werden soll, penetriren, for- mirt werden. Der des Herrn Bonnet. Der Herr von Haller aber irrt darin, daß er diese Gefaͤße in dem Gelben fuͤr die eigentliche Gefaͤße des Eyes haͤlt, wodurch die Substanz desselben ehemals abgesondert sey, und ferner fort noch nutrirt wuͤrde; und die folglich immer schon in dem Gelben existirt haben muͤßen. Sie sind aber die Gefaͤße des Embryo, die sich nur in der Substanz des Gelben ausbreiten, so wie die Wur- zeln der Pflanzen in der Erde, und die erst for- mirt werden, wenn der Embryo formirt wird, wie ich diese Formation bewiesen und erklart habe. Das Ey ist aber aus andern Gefaͤßen, die aus dem Eyerstock kamen, so wie die Saamen der Pflanze aus der alten Pflanze abgesondert, und bis so lan- ge, als es noch hat wachsen sollen, nutrirt wor- den. Alsdann ist das Ey von dem Eyerstock, wie die Pflanzensaamen von der alten Pflanze und von ihrer Saamencapsel, separirt worden; es hat bey der gehoͤrigen Waͤrme der Jncubation durch Huͤlfe der wesentlichen Kraft, die sich uns durch so viel Spuhren kennbar macht, zu vegetiren an- gefangen. Der Embryo ist ferner vom Ey, so wie ehedem das Ey vom Eyerstock ercerniret wor- den, und dieser hat alsdenn angefangen, Wur- tzeln zu fassen. Der Embryo ist also ein neuer entstandener Theil des Eyes, oder accurater die Sache auszudruͤcken ein Ramus des Eyes, nicht umgekehrt, wie sich der Herr von Haller es vor- gestellt hat. Dieses alles aber sind nicht Saͤtze die angenommen werden, um den Einwuͤrfen des Hrn. von Hallers auszuweichen. Es sind Wahr- hei- Widerlegung der Einwuͤrfe. heiten, die ich lange schon in der Dissertation be- wiesen und weitlaͤuftiger erklaͤrt habe. Gleich in der Folge p. 189. sagt der Herr von Haller, es wuͤrde sehr unphilosophisch seyn, zu sagen, daß die Arterie des Gelben, die ehe- dem von einer Arterie der Mutter entstanden sey, sich von derselben losgerißen und in einen Ast der Gekroͤßader des Embryo eingepfropft habe. So denke ich in Ansehung der Einpfropfung auch, und ich setze noch hinzu, daß sie eine Erklaͤrung desje- nigen seyn wuͤrde, der in die Enge getrieben waͤre, und nur aus Angst eine Ausflucht suchte, wie die- se auch uͤbrigens beschaffen seyn moͤchte. Allein, wenn ich sage, daß das Gelbe von der Arterie des Eyerstockes, durch welche die Substanz desselben ehedem abgesondert, und bis zur Trennung des Eyes vom Eyerstock auch nutrirt worden ist, sich allerdings zwar abgeloͤset habe; denn das lehrt die Erfahrung selbst; daß aber nachhero nicht etwa ein im Gelben uͤbrig gebliebner Ast sich in einen Ast des Embryo eingepfropfet habe, sondern daß vielmehr das Gelbe entweder keine Gefaͤße in sei- ner Substanz uͤbrig behaͤlt, oder daß diese, da kein Saft mehr durch sie dringt, zusammenwach- sen, und verschwinden; daß im Gegentheil ein neuer Embryo entsteht; daß mit ihm neue Gefaͤs- se entstehn, und sich im Gelben ausbreiten, daß diese Gefaͤße aber keinesweges als Gefaͤße des Gel- ben sondern als Gefaͤße des Embryo angesehen werden muͤssen; daß deswegen das Gelbe nunmeh- ro des Herrn Bonnet. ro nicht als ein Theil, der noch nutrirt werden und wachsen soll, sondern als ein Theil anzuse- hen ist, der zum Wachsthum eines andern ange- wendet und dadurch allmaͤhlig verzehret wird; wenn ich so sage, so glaube ich nicht unphiloso- phisch, sondern den Begriffen, die ein guter Na- turforscher, und folglich auch der Herr von Hal- ler durch die Erfahrung erlangt hat, sehr gemaͤß zu reden. Wenn der Saamen der Pflanzen, zum Exempel einer Bohne, dem Gelben, die Saa- menkapsel dem Eyerstock, und das Herz im Saa- men ( corculum Linnæi ) dem Embryo aͤhnlich ist, als woran niemand zweifeln wird, so ist hierbey alles, was ich vom Ey gesagt habe, ganz klar, Jm Anfange haͤngt der Saamen durch einen klei- nen kurzen und dicken Stiel an der Saamenkap- sel. Jn diesem Stiele befinden sich die Gefaͤße, wodurch der Saamen ehedem bey seiner Formation abgesondert, und bis zu seiner gehoͤrigen Groͤße ernaͤhrt worden ist; eben so verhaͤlt es sich noth- wendig mit dem Ey und dem Eyerstock. Alsdann faͤllt der Saame von der Kapsel herunter, und zwar so, daß der Stiel an der Kapsel sitzen bleibt; denn der Saame darf nunmehro nicht weiter wach- sen, sondern er soll im Gegentheil aufgeloͤset wer- den, und der jungen Pflanze zur Nahrung dienen. Eben so sehen wir das Ey aus dem Eyerstock kom- men, ohne Stiel, ohne herabhaͤngende Gefaͤße, die zerrißen waͤren, die eingepfropfet werden duͤrf- ten. Die junge Pflanze faͤngt nunmehro, so bald der Saame in die Erde kommt, oder auch schon H fruͤ- Widerlegung der Einwuͤrfe fruͤher an, Gefaͤße zu bekommen, die sich in die Substanz des Saamens ausbreiten und wodurch die aufgeloͤsete Substanz des Saamens zur Nah- rung in die junge Pflanze gezogen wird; sie ent- stehen auf beyden Seiten zwischen der jungen Wur- zel ( rostellun ) und dem Stamme ( plumula ) und verbreiten sich in die Seitentheile ( lobos seminales ) des Saamens. Das sind nun eigentlich unsere Nabelgefaͤße, die sich im Gelben des Eyes ver- breiten. Sind dieses aber nun wohl dieselbe Ge- faͤße, wodurch in der alten Pflanze der Saame er- naͤhrt wurde? Keinesweges! wir haben diese ja in dem kleinen Stiel des Saamens gesehn, und gesehn, daß der Saame sich von ihnen abloͤset; daß jene hingegen ganz neue Gefaͤße und zwar Gefaͤße des Embryo sind, wodurch der Saame nicht nutrirt sondern verzehrt wird. Eben also verhaͤlt es sich auch mit den Gesaͤßen, die sich bey der Jncubation im Gelben verbreiten; sie sind ganz neue formirte Gefaͤße des Embryo, wodurch die Substanz des Gelben verzehrt wird, und die mit den alten eigentlichen Gefaͤßen des Gelben kei- ne Gemeinschaft haben, und niemahls bekommen. Diese bleiben am Eyerstock sitzen; und ich sehe al- so gar nicht, wo die Einpfropfung herkommen sollte, oder wozu sie noͤthig waͤre, eben so wenig, als ich sehe, wie sie moͤglich waͤre. Die Pflanze uͤbrigens faͤngt, wenn der Saame groͤstentheils ver- zehrt ist, auch endlich an Wurzeln in der Erde zu verbreiten, und hieraus in der Folge ihre Nah- rung zu ziehen. Diese Wurzeln sind wiederum den des Herrn Bonnet. den vorigen Gefaͤßen, die sich aus dem Embryo im Saamen verbreitet hatten, aͤhnlich, und die Erde verhaͤlt sich nunmehro zur Pflanze, wie sich vorhin der Saame zu derselben verhielt, und wie sich das Gelbe zum Embryo verhaͤlt. Allein so klar dieses alles auch schon ist; so kann ich doch noch weiter gehn. Jch habe gesagt, daß diese Begriffe von der Beschaffenheit der Ge- faͤße im Gelben des Eyes den Begriffen eines gu- ten Naturforschers, (und folglich auch des Herren von Hallers, ) die er durch die Erfahrung erlanget hat, sehr gemaͤß seyn; ich setze noch hinzu, daß sich der Herr von Haller die Sache unmoͤglich an- ders, daß Er sie sich unnmoͤglich so vorstellen koͤn- ne, als wenn die eigentliche Gefaͤße des Gelben, wodurch es nutrirt worden und gewachsen ist, aus den Gefaͤßen des Embryo entsprungen, oder eben dieselben, die wir bey der Jncubation aus dem Embryo entstehen sehen, seyn koͤnnten. Dieses will ich jetzo noch zeigen. Wir wollen also setzen, es soll eine Evolution statt finden, so wird das Ey im Eyerstock, und der Embryo im Ey enthalten gewesen seyn. Der Embryo wird also als ein Theil des Eyes anzusehen seyn, so wie das Ey ein Theil des Eyerstockes ist; nicht aber umgekehrt, daß das Ey ein Theil des Embryo waͤre, so wenig wie der Eyerstock ein Theil des Eyes ist; denn der Embryo ist im Gelben des Eyes und innerhalb seiner Membran enthalten, eben so wohl, wie das Ey innerhalb der Membran des Eyerstockes ent- H 2 halten Widerlegung der Einwuͤrfe halten ist. Eben so ist ein jeder glomer ein Theil der Glandula conglomerata, und ein jeder kleine- rer Lobus pulmonis ein Theil dieser Lunge. Nun- mehro sehe man, wie es sich uͤberhaupt allemahl in dem ganzen thierischen Koͤrper mit der Distri- bution der Gefaͤße verhaͤlt; ob die Gefaͤße des des Ganzen als Aeste aus den Gefaͤßen ihrer Thei- le entspringen, oder ob vielmehr umgekehrt die Ge- faͤße der Theile aus den Gefaͤßen des Ganzen als Aeste entstehn. Bey den Lungen haben wir zu- erst einen gemeinschaftlichen Stamm. Dieser ist das Gefaͤß des ganzen Eingeweydes, welches aus zweyen Lungen zusammengesetzt ist, alsdann haben wir eine rechte und eine linke Lungenpulsader, die Rechte ist das Gefaͤße der rechten, die Linke der linken Lunge. Entsteht nun aber der Stamm der Lungenpulsader, als das Gefaͤß des ganzen Ein- geweydes, aus einem der Gefaͤße der beyden Lun- gen, dem rechten oder dem linken? oder entstehen diese Gefaͤße aus dem gemeinschaftlichen Gefaͤße des ganzen Eingeweydes? Eben so geht es in der Folge der Theilung der Lungen weiter fort. Eine jede Lunge ist in ihre Lobos eingetheilt, und wie eine jede Lunge ihr eigenes Gefaͤße hatte, so hat nun wiederum ein jeder Lobus sein eigenes Gefaͤß, aber das Gefaͤß des Lobi entsteht als ein Ast aus dem Gesaͤße der Lunge; nicht umgekehrt. Eben so verhaͤlt sich die Sache bey den glandulis conglo- meratis; eben so verhaͤlt sie sich bey den Gefaͤßen des Armes und der Finger, die Theile des Armes sind. Also; das ist ein Gesetz beym thierischen Koͤr- des Herrn Bonnet. Koͤrper und auch bey den Pflanzen (man sehe hier- von meine Dissertation, wo ich diese Sache aus ihren Gruͤnden vorgetragen habe §. 237.): Die Gefaͤße des Theiles entstehen allemahl aus den Gefaͤßen des Gantzen; niemahls umgekehrt. Man wird auch leicht einse- hen, daß eine unumgaͤngliche Nothwendigkeit dieses so mit sich bringt. Da nun also der Em- bryo ein Theil des Gelben ist, der innerhalb der aͤußern Membran des Gelben, so wie das Ey im Eyerstocke, so wie der Lobus pulmonis in der Lun- ge, und wie ein Glomer in der Glandula conglo- merata, eingeschloßen liegt; und da ferner das Ey ein Theil des Eyerstocks ist; so muͤssen die ei- gentlichen Gefaͤße des Eyes, wodurch es nu- trirt wird, aus den Gefaͤßen des Eyersto- ckes, und sie koͤnnen keinesweges aus den Gefaͤßen des Embryo entspringen. Sollte also der Herr von Haller, der die allgemeine Re- geln der Einrichtung des thierischen Koͤrpers so wohl kennt, nicht eben so denken? Jch bin ver- sichert, daß Er, wenn ich Jhn nur an diese Gruͤnde, die ich vorgetragen habe, und die Jhm alle sehr wohl bekannt sind, erinnern koͤnnte, mir bald voll- kommen Recht geben, und das Argument von der Continuation wieder fahren lassen wuͤrde. Vom Herren Bonnet kann ich eben dasselbe nicht hof- fen. Er scheint mir, wie viele, die sich fuͤr Phy- siologen halten, von einer solchen Kenntniß der Natur der Thiere sehr entfernt zu seyn. H 3 Der Widerlegung der Einwuͤrfe Der Herr von Haller sagt ferner p. 188. 189. die Saͤfte, welche durch diese Gefaͤße gehen, muͤssen die Ursache ihrer Bewegung in Herzen des Embryo erkennen; aber auch das, obgleich diese Gefaͤße mit dem Embryo waͤhrend der Jncu- bation erst entstehen und folglich alsdann auch erst Saͤfte durchlassen ist nicht nothwendig. Jch will nicht vom Herzen reden, wo es noch gar nicht entdeckt wird, ohngeachtet aus dem obigen schon genugsam bekannt seyn muß, daß es alsdann auch noch nicht existirt, und die Durchsichtigkeit nur eine Sache ist zu der man seine Zuflucht zu nehmen gezwungen ist; ich fuͤhre nur die Beobachtung an, da man das Herz sehr deutlich sieht, aber auch sehr deutlich still liegen sieht. Also zu dieser Zeit, vorher, da es unsicht- bar war, mag es geschlagen haben, wodurch wer- den die Saͤfte bewegt? Mir konnte dieses keine Schwierigkeit seyn, sondern es war mir vielmehr eine angenehme Bestaͤrkung einer Wahrheit, die ich lange vorher aus andern Gruͤnden eingesehen hatte. Es ist die wesentliche Kraft, die bey den Thieren eben sowohl wie bey den Pflanzen statt fin- det; wie hundert andere Beobachtungen solches lehren. Man lese davon meine Dissertation nach. Es ist noch eine besondere Beobachtung, die mir eben einfaͤllt, die alles dieses noch mehr be- staͤtigen wird, und die der Herr Baron von Hal- ler gewiß auch oft wird gesehen haben. Man kan nicht alles aufschreiben was man sieht. Man sieht oft so viel merkwuͤrdige Dinge auf einmahl, daß des Herrn Bonnet. daß man, indem man das eine beschreibt, das andere daruͤber vergißt. Man sieht fast zu allen Zeiten die letzten Gefaͤße in der area vollkommner, als die im Embryo, wodurch sie in das Herz des- selben continuiren, und dieses aber um so viel- mehr, je fruͤher man die area nimmt. Zu der Zeit, wenn die area wie meine 7te Figur ist, wor- in der Herr von Haller Punkte beschreibt, die zwar gelb sind, aber stark ins rothe fallen, und worin das Herz noch nicht schlaͤgt, sieht man al- so diese Aeste von Gefaͤßen, und man sieht die Staͤmme nicht, wodurch sie weiter continuiren. Warum sieht man denn aber jene nur und diese nicht? Die doch wegen ihrer Groͤße deutlicher seyn muͤssen. Beobachtet man aber eine area noch fruͤher, wie die in der 4ten Figur; so sieht man ganz offenbar in der area eine Anlage zu Ge- faͤßen, und man sieht noch gar keine naͤher am Embryo und im Embryo, wodurch sie zum Her- zen continuiren koͤnnten; man sieht auch kein Herz. Es ist also ganz gewiß, daß gewisse Aeste von Gefaͤßen in der area fruͤher producirt werden als ihre Staͤmme, und fruͤher noch als das Herz. Nachhero aber geht es nicht weiter nach dieser Re- gel |fort, sondern die Aufloͤsung frißt gleichsam in der Substanz des Gelben immer weiter um sich, die durch diese Aufloͤsung entstandene Nahrungs- saͤfte werden von den bereits formirten Gefaͤßen absorbirt, und die neue Gefaͤße folglich, die durch die, in die Alten eindringende Nahrungssaͤfte fer- ner in der Substanz des Gelben formirt werden, H 4 muͤs Widerlegung der Einwuͤrfe muͤssen nothwendig in diese sich inseriren, wie ich solches weitlaͤuftiger in der Theorie ausgefuͤhrt habe. Aber die Ordnung in Ansehung der For- mation der Gefaͤße ist doch eine Wahrheit, auf die ich, wie ich glaube bisher noch nicht gefallen gewesen bin. Wie wunderbar und wie paradox scheint nicht alles, was wir bey diesen Versuchen in der Natur sehen. Huͤten Sie sich, daß Sie nicht das, was Sie sehen, wenn es mit Jhren Hypothesen nicht uͤbereinstimmt, so lange drehen und wenden, bis es einigermaßen ihrer Hypothe- se aͤhnlich wird. So hat es der Hr. von Haller dieses mahl und vielleicht zum ersten mahl in sei- nem Leben gemacht. Was er nicht sieht, und auf keine Art entdecken kann, muß dennoch da seyn. Das Herz, welches er stille liegen sieht, soll dennoch sich bewegen. Ein fluͤßiges Wesen, welches Herr Bonnet fuͤr Angst solide genennt hat, welches aber der Herr von Haller einmahl fuͤr allemahl fluͤßig sieht, soll dennoch aber we- nigstens organisch seyn. Warum soll ich nicht alle diese Dinge, da ich sie sehe glauben? Was liegt mir daran, wenn die ganze mechanische Me- dicin ein Chimaͤre wird? Jch habe diese Wahrheit in meiner Dissertation frey ausgesprochen, und andere Erfahrungen werden mich auch ferner so weit bringen, daß ich die wahre Ursachen der Verrichtungen des thierischen Koͤrpers, und das Wesen desselben, entdecken werde. Beschaffen- heit der Ge- Der Herr von Haller beruft sich in der Recension auf die Gekroͤß- adern des Herrn Bonnet. adern der Froͤsche, welche durchsich- fäße in dem Mesenterio des Frosches und über- haupt in dem Erwachsenen. tig sind, und so, sagt er, koͤnnen die Adern in der area auch beschaffen seyn. Die Gekroͤßadern des Frosches aber haben aus andern Beyspielen ge- wiß ihre Haͤute, ob man sie gleich nicht sieht; also koͤnnen sie die Adern in der area auch haben. Dieses ist die Sache, die ich noch beantworten muß. Ueberhaupt haben alle dieje- nige Gefaͤße, die man schon durch das Vergroͤße- rungsglaß sehen muß, wenn man sie entdecken will, keine Haͤute mehr; man mag einen Theil nehmen welchen man will, so gilt dieses uͤberhaupt von seinen Gefaͤßen; eben so wenig also haben auch die kleinere Gefaͤße, die man im Gekroͤse des Frosches durch Huͤlfe der Froschmaschine fieht, ihre eigene Haͤute, die von der Substanz des Ge- kroͤses selbst verschieden waͤren. Das Gekroͤse be- steht aus seinen zwey Blaͤttern, die durch ein fei- nes zellenfoͤrmiges Gewebe mit einander verbun- den sind. Dieses ganze Gekroͤse ist zwar durch- sichtig, aber nicht so durchsichtig, daß es deswe- gen unsichtbar werden sollte, denn wenn ein Loch in dasselbe gerißen ist, und man sieht es wie ge- woͤhnlich durch das Mikroscop, um die Bewe- gung des Blutes zu sehn, so unterscheidet man dieses Loch in dem Mesenterio nur gar zu deut- lich; also, so durchsichtig wie die Luft, die da- her unsichtbar wird, ist das Mesenterium nicht. Aber noch mehr; die Adern, in welchen man nur eine einfache Reihe von weißen Blutkuͤgelchen H 5 lauf- Widerlegung der Einwuͤrfe lauffen sieht, wenn sie von diesen entleert sind, sind alsdann um ein merkliches durchsichtiger, als die uͤbrigen Stellen im Gekroͤse sind, wo sich kei- ne Gefaͤße befinden. Da nun diese uͤbrige Stel- len aus den 2 Blaͤttern und des dazwischen gele- genen zellenfoͤrmigen Gewebes bestehen, und die beyden Blaͤtter uͤber das kleine Gefaͤße continui- ren; das zellenfoͤrmige Gewebe aber zwischen den- selben, nicht durch den Ort continuirt, wo sich das Gefaͤße befindet; denn eben den Raum, den das zellenfoͤrmige Gewebe zwischen den Blaͤttern an diesem Orte einnehmen sollte, nimmt die Hoͤle des Gefaͤßes ein; so muß also die groͤßere Durch- sichtigkeit des Gefaͤßes von der Abwesenheit des zellenfoͤrmigen Gewebes, und die groͤßere Un- durchsichtigkeit der uͤbrigen Stellen im Gekroͤse von dem zwischen den Blaͤttern befindlichen zellen- foͤrmigen Gewebe herruͤhren; und folglich muß eben dieses Gewebe einigen Grad der Un- durchsichtigkeit verursachen koͤnnen, der sich empfinden laͤst. Das sind bishero, denke ich, richtige Schluͤs- se. Nunmehro wissen wir aus den anatomischen Entdeckungen des Herrn von Hallers, und es ist jetzo schon lange bekannt, daß die Haͤute der Gefaͤße (nur bey den großen Gefaͤßen die fleischig- te ausgenommen, die aber bey den kleinern nicht statt findet), weiter nichts sind, als ein zellenfoͤr- miges Gewebe, welches sich aber von dem ge- woͤhnlichen Zellengewebe, worin das Gefaͤß alle- mahl des Herrn Bonnet. mahl eingewickelt liegt, und welches als die Sub- stanz des ganzen Theiles anzusehen ist, durch sei- ne Dichtigkeit ( densitas ) unterscheidet. Der Hr. von Haller nennt es cellulosa stipata (conden- sata); die Gewoͤhnliche wuͤrde cellulosa rarior ge- nennt werden. Jn unserem Falle ist also das Zellengewebe, wodurch die beyde Blaͤtter des Ge- kroͤses mit einander verbunden werden, eine sol- che cellulosa rarior; sie macht mit den beyden Blaͤttern zusammen genommen die Substanz des Gekroͤses aus, in welcher sich die Gefaͤße ausbrei- ten. Sollen nun diese Gefaͤße Haͤute haben, so muß außer diesem gewoͤhnlichen Zellengewebe, welches zur Substanz des Gekroͤses gehoͤrt, zu- naͤchst um der Hoͤle des Gefaͤßes herum, sich noch ein dichters Zellengewebe befinden, welches sich durch eben diese Dichtigkeit von dem gewoͤhnlichen unterscheidet, und wovon man alsdann eben die- ses Unterschiedes wegen sagt, und mit Recht sa- gen kann, es mache eine besondere Haut des Ge- faͤßes aus, die von der Substanz des Gekroͤses unterschieden ist. Jch rede jetzo noch nicht von Erscheinungen, noch nicht von dem, was zu se- hen, oder nicht zu sehn ist, sondern bloß von der Sache, wie sie sich an und vor sich selbst verhal- ten muß. Man muß mir also auch jetzo noch nicht einwenden, dieses dichtere Zellengewebe koͤnne dennoch wohl sehr subtil, sehr durchsichtig und also unsichtbar seyn; davon will ich gleich in der Folge reden. Jch sage also, so verhaͤlt die Sache mit den Gefaͤßen an und vor sich, und die- ses Widerlegung der Einwuͤrfe ses ist ihre wahre Beschaffenheit, man mag es sehn koͤnnen oder nicht; Zunaͤchst um der Hoͤle des Gefaͤßes herum muß sich, wenn dieses eine Haut hat, ein Zellengewebe befinden, welches sich durch seine Dichtigkeit von dem uͤbrigen Zel- lengewebe, das zum Gekroͤse gehoͤrt, unterschei- det, man mag dieses dichtere Zellengewebe sehn koͤnnen oder nicht; denn findet solches auch in der That nicht statt, so hat man keinen Grund, war- um man sagen sollte, ein Theil dieses Zellenge- webes, welcher nahe an der Hoͤle des Gefaͤßes liegt, oder ein Theil der Blaͤtter des Gekroͤses, soll als eine Haut des Gefaͤßes betrachtet werden, und das uͤbrige soll zum Gekroͤse gehoͤren. Jch sage also noch einmahl, so verhaͤlt sich die Sache noth- wendig in sich selbst; nunmehro wollen wir von den Erscheinungen reden, die daraus folgen. Das Zellengewebe, welches die Haut des Gefaͤßes aus- macht, ist dichter als das gewoͤhnliche Zellenge- webe des Gekroͤses; es ist ein dichterer, und dieses ein duͤnnerer Koͤrper, ( corpus rarius ). Es kann also wohl nicht fehlen, da alle dichtere Koͤrper, wel- che mehr Materie haben, undurchsichtiger, alle duͤnnere aber durchsichtiger sind; so muß, so durch- sichtig auch beyde uͤbrigens immer seyn moͤgen, doch wenigstens das Gewebe, welches die Haut des Gefaͤßes ausmacht, einen hoͤhern Grad der Undurchsichtigkeit haben, als das uͤbrige Gewebe des Gekroͤses. Waͤre dieses nun durchsichtig ge- nug, daß es unsichtbar bleiben koͤnnte; so waͤre es auch moͤglich, daß das Zellengewebe des Ge- faͤßes, des Herrn Bonnet. faͤßes, ob es gleich undurchsichtiger als das uͤbrige ist, doch noch nicht denjenigen Grad der Undurch- sichtigkeit haͤtte, der erfordert wird, damit man es deutlich sehn, und von dem uͤbrigen unterschei- den koͤnnte. Da aber das Gewebe des Gekroͤses schon einen so merklichen Grad der Undurchsich- tigkeit hat, daß es sich sehr wohl von denen Orten, wo sich kein solches Gewebe befindet, unterschei- den laͤßet; wie ich dieses im vorhergehenden Ab- satze gezeigt habe; so muß auch die Undurchsich- tigkeit des Gewebes, welches die Haut des Ge- faͤßes ausmacht, nothwendig noch vielmehr hin- laͤnglich dazu seyn, daß man diese Haut sehn und unterscheiden koͤnne; und sie muß also noth- wendig sichtbar seyn. Allein wir koͤnnen die Erscheinung, welche hieraus folgt, leicht noch genauer bestimmen. Hat die Haut des Gefaͤßes einen hoͤhern Grad der Undurchsichtigkeit, so muß in der Beobach- tung mit der Froschmachine, da man das Gekroͤ- se gegen das Licht sieht, auf beyden Seiten des Gefaͤßes ein dunkelerer oder undurchsichtigerer Streifen zum Vorschein kommen, und eben hier- durch muß sich die undurchsichtigere Haut des Gefaͤßes entdecken, wie sich ein jeder aus der Art, wie man das Gefaͤße beobachtet, leicht vorstellen kann. Und auf diese Art erscheinen auch die gros- sen Gefaͤße im Gekroͤse, bey denen ich ihre Haͤute zugebe. Jn der Mitte des Gefaͤßes erscheint der rothe Cylinder von Blut; alsdenn folget eine dun- keler Widerlegung der Einwuͤrfe. keler undurchsichtigerer Streifen; dieser ist die Haut des Gefaͤßes, das dichtere Zellengewebe; nur muß man sich hierbey vorsehn, daß man das Objeckt gerade gegen das staͤrkste Licht haͤlt, sonst entsteht auf der einen Seite ein Schatten, den man entweder fuͤr eine Haut halten koͤnnte, oder der doch der wahren Haut, wenn man den Schat- ten fuͤr das natuͤrliche Gekroͤse haͤlt, das Ansehn gibt, als wenn sie durchsichtiger waͤre, wie diese, weil sie, gegen den Schatten betrachtet, heller ist. Dieser Streifen ist uͤbrigens noch ziemlich schwach, aber er laͤßt sich sehr wohl beobachten; alsdann endlich folgt auf beyden Seiten das bloße Gekroͤse, welches wiederum heller als der vorhergehende Streifen ist, ich kann das gewoͤhnliche Zellenge- webe darinn an seinen besondern Zeichen sehr wohl erkennen. Allein so verhaͤlt sich die Sache bey den klei- nern Gefaͤßen, die entweder eine einfache Reihe von weißen oder gelblichen, oder die auch mehre- re und rothe Blutkugeln zugleich fuͤhren, nicht. Wenn roth Blut in dem Gefaͤße ist, so folgt auf den rothen Cylinder unmittelbar das durchsichtige Gekroͤse; nicht der geringste Unterscheid, zwischen der Substanz, die unmittelbar den rothen Cylin- der beruͤhrt, und der uͤbrigen continuirten Sub- stanz des Gekroͤses findet statt. Jst das Gefaͤße von Blutkugeln leer, so erscheint es, wie ich schon erinnert habe, unter der Gestalt eines durchsichti- gen Streifen, und unmittelbar auf diesem folget als- des Herrn Bonnet. alsdann zu beyden Seiten das weniger durchsich- tige bloße Gekroͤse oder die Substanz desselben; und hierin laͤsset sich nicht das allergeringste Ver- schiedene weiter entdecken. Jch habe mich zu die- sen wiederholten Versuchen der Froschmachine und der Vergroͤßerungsglaͤser des verstorbenen Herren Docktor Lieberkuͤhns bedienet, der der Erfinder dieser bey der Lehre von der Bewegung des Blutes so nuͤtzlichen Maschine ist, und man weis, daß seine Jnstrumente von dieser Art, die er sich zu seinem Gebrauche verfertigen ließ, gewiß gut wa- ren. Jch habe aber, wie ich sage, aller ange- wendeten Muͤhe ungeachtet, diese Zeichen von den Haͤuten der Gefaͤße, von welchen ich bewiesen habe, daß sie sich nothwendig offenbaren muͤssen, wenn sie da sind, nicht entdecken koͤnnen. Jch sehe die Hoͤle des Gefaͤßes; ich unterscheide sie von dem darin enthaltenen Blute, ich sehe auch die gewoͤhnliche Substanz des Gekroͤses, und un- terscheide sie von jener Hoͤle; aber Haͤute um die Hoͤle, die von der Substanz des Gekroͤses verschie- den waͤren, habe ich nicht gesehn. Also, kurz und gut, die ganze Historie von der Unsichtbar- keit ist nur eine Chimaͤre. Sie kann Verwir- rung stiften, aber wenn wir auf ihr etwas bauen, so betruͤgt sie uns allemahl. Jch sage also, die klein- sten Gefaͤße im Gekroͤse sind bloße Hoͤlen, die oben und unten (wenn ich nemlich das Gekroͤse horizontal lege) durch nichts als die beyde Blaͤt- ter des Gekroͤses, seitwaͤrts aber durch das Zel- lengewebe, wodurch beyde Blaͤtter verbunden wer- Widerlegung der Einwuͤrfe werden, terminirt sind. Jn andern Theilen sind dergleichen Hoͤlen rings herum durch dasjenige Zellengewebe terminirt, welches die Substanz des Theiles ausmacht. Jch habe in einem Utero gravido ein Ge- faͤß, welches so stark wie eine Stecknadel war, mit der groͤßesten Sorgfalt untersucht. Hierbey sind wir keinen optischen Jrrthuͤmern ausgesetzt, vor welchen man sich bey der Froschmachine in acht nehmen muß; man kann hierbey sein Objekt mit und ohne Spiegel untersuchen, und die Beobach- tungen sind also besser und sicherer als die beym Frosche. Wenn aber die kleinere Gefaͤße (ich will je- tzo nur von den kleineren reden, die nicht dicker sind, wie eine Stecknadel,) wenn diese kleinere Gefaͤße mein lieber L .. Haͤute haben, so weiß ich nicht mehr in der Welt, was wahr oder was nicht wahr ist. Jch kenne ja die Substanz des Uteri gravidi, diese braͤunliche und etwas ins roͤthliche fallende, weiche, nachgebende Substanz, die, so lange man sie mit bloßen Augen betrachtet, den Muskelfibern sehr aͤhnlich ist, unter dem Mikroscop aber keine Fibrillen, wie die Muskelfieber, wenn sie unter dasselbe gebracht wird, zeigt, sondern alsdann noch gelbbraͤunlich aussieht, nur wenig durchsichtig ist, und dabey aus Kuͤgelchen ob wohl wenig accura- ten Kuͤgelchen besteht, welche beynahe in einander fließen; diese Substanz sage ich kenne ich, nach- dem ich sie einmal recht nach allen ihren Merkmah- len und Charakteren untersucht habe, nunmehro so des Herrn Bonnet. so gut, als ich Sie kenne mein Freund; und ich weis auch, wie die innere glatte Membran der Ge- faͤße, imgleichen wie die aͤußere dicke Haut dersel- ben unter dem Mikroscop aussieht. Wenn ich nun also einen kleinen Theil aus der Substanz des Uteri, worin sich mein Gefaͤß befindet, heraus- schneide, ihn unter dem Mikroscop bringe, der Laͤnge nach zerschneide, und die innere Flaͤche mei- nes Gefaͤßes untersuche; alsdann aber finde, daß die Substanz, die diese innere Flaͤche ausmacht, nach allen Kennzeichen und Eigenschaften eben die- selbe bloße reine Substanz ist, die ich als die Sub- stanz des Uteri beschrieben habe; so kann ich ja noth- wendig am Ende nichts anders, als ich muß den Ausspruch thun; die Substanz des Uteri selbst terminirt rings herum die Hoͤle des Gefaͤßes; die- se Hoͤle hat um sich keine andere besondere Substanz, wodurch sie eingeschloßen ist, die von der Substanz des Uteri verschieden waͤre; Sie hat also keine ei- gene Haut, und das ganze Gefaͤß ist weiter nichts als eine bloße Hoͤle. Mir selbst ist uͤbrigens dieser Begriff von den Gefaͤßen anfaͤnglich, nachdem ich ihn mir aus vie- lerley Erfahrungen herausgebracht hatte, paradox vorgekommen. Man stellt sich gemeiniglich die Gefaͤße als Roͤhren vor, die vor sich ohne der Substanz des Theiles, darin sie befindlich sind, besonders bestehn, und die nur von dem Zellenge- webe umgeben sind, und in demselben eingewickelt liegen. Das sind sie aber eigentlich nicht; sie sind, J auch Widerlegung der Einwuͤrfe auch selbst die Aorta nicht ausgenommen, eigent- lich nur Hoͤlen; allein die Substanz in welcher die- se Hoͤlen so, wie wenn sie darinn ausgegraben waͤ- ren, sich befinden, wird, je naͤher sie der Hoͤle kommt, allmaͤhlig immer dichter und fester; und dieser dichtre Theil der Substanz wird alsdann von den Zergliederern als zum Gefaͤße gehoͤrig ange- sehen, und die Haut desselben genennt. So ver- haͤlt sich die Sache bey den groͤßeren Gefaͤßen, bey den kleinern aber findet auch dieser Unterscheid in der Substanz nicht einmahl statt. Die Art der Praͤparation hat uͤbrigens zu dem irrigen Begriffe Anlaß gegeben. Man schneidet einen Theil der Substanz von den ausgespritzten Gefaͤßen weg, und einen Theil laͤßt man um dem Wachse sitzen; diesen nennt man die Haut des Gefaͤßes, und sieht das ganze Gefaͤße nunmehro als einen holen Cy- linder an, der in der Substanz des Theiles gesteckt haͤtte, gleichsam als wenn man ihn herausgezogen haͤtte; man denkt aber nicht daran, daß man die- sen Cylinder durch die Kunst gemacht hat. Die innere Membran und die fleischigte Haut hindern auch nicht, daß mein Begriff nicht dennoch rich- tig seyn sollte; allein ich muß die Ausfuͤhrung die- ser Sache bis an einem andern Orte verspahren. Noch ein ander Beweis der Epigenesis, der von der Flüßigkeit der ersten Theile Jch glaube bishero die Zweifel des Herrn Baron von Hallers geho- ben, und die etwas stolze Einwuͤrfe des Hrn. Bonnets beantwortet zu haben: Jch will nunmehro noch einen kurzen Be- des Herrn Bonnet. Beweis der Epigenesis hinzusetzen. hergenom- men ist. Es ist eine bekannte Beobachtung, daß die ersten Anfaͤnge der Theile bey den Thieren so wohl als auch bey Pflanzen fluͤßig sind. Mal- pigh und Harwaͤus haben es schon bemerkt. Boerhave hat es in seiner Physiologie allenthal- ben eingefuͤhrt, der Herr von Haller hat es in seinen neuen Beobachtungen bestaͤtiget, und ich habe es eben so befunden; nur Herr Bonnet, der keine Versuche hieruͤber selber angestellt hat, laͤug- net es. Allein daran liegt nicht viel; das Zeug- niß eines Malpighs und Hallers, besonders da sie selber Vertheidiger der Evolution sind, gilt mehr, und die Sache ist zu klar und zu gewiß, als daß das Laͤugnen des Herren Bonnets in einige Betrachtung gezogen werden koͤnnte. Das Ge- hirn ist beym Embryo so fluͤßig wie Wasser. Jn der Folge bekommt es eine etwas dickere Consi- stenz, allein es bleibt noch lange so, daß es als ein fluͤßiger Koͤrper angesehen werden muß, und nicht unter die festen Theile gerechnet werden kann, so wenig wie der Schleim ein solider Koͤrper genennt werden kann, ob er gleich einigen Grad der Zaͤ- higkeit hat. Die Theile der Pflanzen sind in ihren erstern Anfaͤngen zwar nicht so duͤnne wie Wasser, allein daß sie wahre Saͤfte und keine feste Theile sind, bezeigt dieser einzige Charakter, daß sie sich wie duͤnne harzigte oder gummigte Substanzen in Faden auseinander ziehen lassen. Hiedurch unter- scheiden sich die Saͤfte unsers Koͤrpers und der Pflanzen von den wahren festen Theilen desselben. J 2 Jene Widerlegung der Einwuͤrfe Jene moͤgen dicke werden, so viel sie wollen, so werden sie dennoch dadurch zu keine feste Theile ei- nes organischen Koͤrpers werden; wenn Saͤfte aber in feste Theile uͤbergehen sollen, so wird dazu etwas mehreres erfordert, und sie muͤssen ihre gan- ze Natur aͤndern. Nemlich alle feste Theile bey den Thieren so wohl als bey den Pflanzen haben diese Eigenschaft, daß wenn ihr Zusammenhang einmahl getrennt ist, sie alsdenn nicht mehr mit einander zusammen kle- ben koͤnnen, deswegen koͤnnen sie, wenn sie hart sind zerbrochen, wenn sie aber elastisch oder zaͤhe sind, zerrißen werden. Bey den Saͤften hinge- gen, und bey allen fluͤßigen Koͤrpern, findet die- ses nicht statt; wenn ihre Theile von einander ge- trennt werden, und sich wiederum einander beruͤh- ren, so hengen sie wiederum so gut wie vorhin zu- sammen. Man sieht hieraus bald, worin der Un- terscheid zwischen einem fluͤßigen und festen Koͤr- per besteht. Jn jenem zieht ein jeder Theil einen jeden andern mit einer gleich starken Krafft an; daher moͤgen sie alle untereinander bewegt werden, so viel sie wollen, ihr Zusammenhang bleibt im- mer eben derselbe. Jn diesem sind nur gewisse be- stimmte Theile die sich mit einer bestimmten Kraft einander anziehen, da sie sich hingegen mit andern Theilen gar nicht anziehen, daher wenn diese be- stimmte Zusammensetzung einmahl gestoͤhrt ist, so hoͤrt auch der ganze Zusammenhang auf, weil, wenn man die getrennte Stuͤcke wiederum zusam- men- des Herrn Bonnet. menfuͤgen wollte, man nicht diejenige kleineste Thei- le wiederum zusammen bringen wuͤrde, die sich vorhin unmittelbar einander beruͤhrt haben. Die- ses ist der wesentliche Unterscheid zwischen dem fluͤs- sigen und festen Koͤrper, und ich habe ihn deswe- gen auseinander gesetzt, weil, so viel ich weis, noch niemand diesen Begriff entwickelt oder uͤber- haupt einen wesentlichen Unterscheid zwischen ei- nem fluͤßigen und festen Koͤrper angegeben hat. Die Definition des Gravesande, die er von einem fluͤßigen und festen Koͤrper gibt und die auch von den uͤbrigen angenommen zu werden pfleget ist falsch. Nach derselben wuͤrden diese Koͤrper nur dem Grade nach unterschieden seyn; ein fluͤßiger Koͤrper wuͤrde weiter nichts als ein weniger fester Koͤrper seyn; allein ich habe gezeigt, daß ein ganz anderer Unterscheid zwischen ihnen statt findet. Aus diesem Begriffe werden Sie nunmehro leicht einsehen, daß es eine wahre Unmoͤglichkeit sey, daß ein fluͤßiger Koͤrper zugleich organisch seyn koͤnne. Wie ein fluͤßiger Koͤrper derjenige ist, dessen Theile ohne Unterscheid alle mit einer glei- chen Kraft sich anziehen und bey dem also keine bestimmte Zusammensetzung statt findet, so ist im Gegentheil ein organischer derjenige, dessen Theile auf eine bestimmte Art zusammengesetzt sind, und nur auf diese Art sich anziehen, so nemlich, daß ein jeder Theil mit seinen gewißen Theilen und mit keinen andern zusammenhaͤngt. Trennen Sie die- sen Zusammenhang, oder stoͤhren sie diese Ord- J 3 nung, Widerlegung der Einwuͤrfe nung, wie die Theile untereinander zusammenge- setzt sind, so daß ein jeder Theil zugleich mit einem andern, als er vorhin zusammengesetzt war, zu- sammen kommt, so haͤngen alle diese Theile nicht wieder zusammen; da sie beym fluͤßigen Koͤrper eben so gut wieder zusammhaͤngen als vorhin. Und hierin besteht das Wesen eines organischen Koͤrpers. Soll dieser also fluͤßig seyn so ist er zu- gleich nicht organisch. Dieser Beweis aber beruhet nicht, wie man wohl dergleichen Beweise zu machen pflegt, auf eine willkuͤhrliche Definition. Herr Bonnet mag meine Definition von einem fluͤßigen Koͤrper laͤug- nen; er mag die ersten Anfaͤnge der Koͤrper solide, oder auch hart nennen, und alsdann unter solide oder hart dieses oder jenes verstehen; so halte ich mich bloß an der Erfahrung; diese lehrt, daß je- ne Anfaͤnge sich, wie klebrigte Saͤfte thun, in Faden ziehen lassen. Hieraus schließe ich, und man koͤnnte dieses geometrisch daraus beweisen, wie ein jeder, der in der Physick nicht fremde ist, ohne mein Erinnern leicht einsieht, daß ein jeder Theil dieser Anfaͤnge von demjenigen, mit welchen er bishero zusammengesetzt war, sich trennen, und mit jedem anderen, der zuerst an ihm gebracht wird, sich eben so gut wiederum zusammensetzen laͤst, und mit demselben eben so gut wiederum zusammen- haͤngt, als er mit dem vorigen Theil zusammenhing. Das heist nun aber schon nicht mehr organisch seyn. Jch des Herrn Bonnet. Jch habe hauptsaͤchlich diesen Beweis darum angefuͤhrt, weil er dem Einwurfe von der Unsicht- barkeit nicht ausgesezt ist. Herr Bonnet glaub- te, daß es nicht moͤglich sey, zu beweisen daß ein Ding nicht da sey, und es muͤsse ihm nothwendig allemal die Ausflucht uͤbrig bleiben, es koͤnne un- sichtbar seyn. Der Herr von Haller sagt auch in der Recension: Es bleibe bey der Area der Zweifel uͤbrig, ob die durchsichtige Wege nicht dennoch ihre Haͤute haben, ob man sie gleich nicht sehen koͤnne, und dies sey so leicht nicht aus- zumachen. J 4 Goͤt- Goͤttingische Anzeigen 143 Stuͤck 1760. Halle. W ir haben seit langer Zeit kein so wichtiges Werk gele- sen, als des Hrn. Caspar Friedrich Wolfs, eines Berliners, den 24 Novemb. 1759. zu Halle ver- theidigte Probschrift, die den Titel fuͤhrt Theoria Ge- nerationis, und eigentlich eine Vertheidigung der Epige- neseos ist. Diese Probschrift macht auch ein ganzes 146 Qvart s. starkes Buch aus, und ob man wohl wuͤnschen wird, einige Saͤtze des Hrn. Verfassers mit laͤngern und mehrerern Erfahrungen bestaͤrkt zu sehen, auch andere furchtsame Physiologen lieber uͤber das bekannte einen klei- nen Schritt vorwaͤrts thun, als einen Sprnng wagen, so verdient dennoch des Hrn. Wolfens Arbeit, die groͤßte Aufmerksamkeit, indem er, wann kein Fehler in seinen Schluͤßen ist, die Needhamsche Meynung fast erweiset, und an statt aller andern, das neue Gewaͤchse oder Thier| bil- dende Kraͤfte bloß eine gewisse Bewegung zum einzigen Werkzeuge macht, die bey ihm Vis essentialis heist, und die er nicht weiter bestimmt, von der Seele aber allerdings trennet. Er faͤngt bey den Kraͤutern, als den einfachen Geschoͤpfen an. Jm Anfange, sagt er, ist in dem Blatte nichts als eine Menge Blaͤschens und in der noch jungen Wurzel entweder eben der Bau, oder auch gar nur ein durchsichtiges Wesen zu erkennen, ohne daß man dabey ein Gefaͤße erblicke. Dieser Satz ist dem Hrn. W. sehr an- gelegen, indem er hauptsaͤchlich zu beweisen trachtet, die Gefaͤße seyn in diesem Zustande der Pflanze nicht zu klein oder zu durchsichtig, sondern gar nicht vorhanden gewe- sen. Deswegen fuͤhrt er auch die Erfahrung an, daß man in einem jungen Blatte mit einer Nadel die Gestalt der Blaͤschen veraͤndern, ein ganzes Blaͤschen von einer Stelle zur andern schieben, zwey Blaͤschen zusammen in eines druͤcken, und hernach wieder trennen; endlich aber ausleeren koͤnne, daß sie zusammen fallen. Man kann fer- Goͤttingische Anz. 143 St. 1760. ferner nach Belieben, bloß durch eine Bewegung der Tropfen neue Gefaͤße machen, ihnen eine andere Richtung geben, den Raum zwischen zweyen andern durch einen Tropfen den man aus ihnen druͤckt, zu einem Gefaͤße bil- den und zwey in eines zusammen vereinigen. Hieraus schließt Hr. Wolf, der zarte Bau der Gewaͤchse habe keine Gefaͤße, sondern laurer Blaͤschen, und die Gefaͤße seyn im Anfange bloße Wege, ohne Haͤute, die in dem erwachsenen Kraute einen festen Ueberzug und so genannte Haͤute annehmen. Der Anwachs der Blaͤtter geschieht durch neue Blaͤschen, die sich zwischen die alten schieben, und die Gefaͤße entstehen, indem ein Theil der festwerden- den Saͤfte zu einer Blatter zwischen den Blaͤschen, und zu einem Wege ( meatus ) zwischen den Gefaͤßen wird. Aus eben dem verdickten Saft, der sich in die Gefaͤße und Blaͤschen inwendig anhaͤngt, werden beyde Theile immer vollkommner; urspruͤnglich aber ist der Stoff des Gewaͤchses ein bloßes Gemische, in welchem allgemach Blaͤschen und Gefaͤße entstehen. Beyde sind die Folge und nicht die Ursache der Bewegung des Saftes. Aus beyden Klassen, deren Geburt Hr. W. in mehrerm be- stimmt, besteht die ganze Pflanze. Hr. W. befolgt hier- naͤchst das Wachsthum ( vegetatio ) im weißen Kopfkoh- le, und findet den Ursprung desselben in einer gewoͤlbten Spitze, die aus dem Keime heraustritt. Diese Spitze bildet sich nach und nach in Blaͤtter, die gleichfalls durch gewisse Staffeln vollkommen werden, und es entstehn zum ferneren Anwachs neue Spitzen. Alles dieses ist ein Saft, der aus dem Ende der Pflanze austritt und nach und nach dicker und fester wird. Die junge Wurzel, denn Hr. W. verfolgt die ganze Oeconomie der Pflanzen, erwaͤchset aus Saͤften, die von außen durch die Rinde dringen, und in das adrigte hoͤlzerne Wesen sich einen Zugang machen und also nach des Hrn. Wolfs Ausdrucke zuruͤckfuͤhrende Adern ohne Schlagadern zuwege bringen. Wir koͤnnen ihm durch die uͤbrigen Theile nicht nachfolgen, und bemer- ken nur, daß er die Befruchtung auf sexualisch annimmt J 5 ihr Goͤttingische Anz. 143 St. 1760. ihr Hauptwesen aber darinn setzt, daß der maͤnnliche Staub im hoͤchsten Grad nahrhaft sey. Bey diesem ganzen Ge- schaͤfte hat er keine andere Grundkraͤfte vonnoͤthen, als die Bewegung ( vis essentialis ) und das Dichtwerden des Saftes. Bey der Erzeugung der Thiere muß man wohl auf einen Grundsatz merken, der gleich am Anfange steht, und nach welchem dasjenige nicht da ist, was man nicht sieht. Der Grund hiezu ist beym Hrn. Wolf, daß al- les im Thiere aus Kuͤgelchen bestehe, diese aber sichtbar seyn folglich keine Theile angenommen werden koͤnnen, die unsichtbar, und doch vorhanden seyn. Wer aber sich mit den Vergroͤßerungsglaͤsern viel geuͤbt hat, wird sich, zu- mahl aus den Gekroͤsadern der Froͤsche belehrt haben, daß allerdings die starke Farbe die Theile sichtbar, und die Durchsichtigkeit unsichtbar macht, und in erwachsenen Thie- ren, deren Adern gewiß ihre in andern Beyspielen sichtba- re Haͤute haben, gar oft die Blutkuͤgelchen sichtbar sind, ohne daß man dabey die Haͤute der Adern erkennen koͤnne, und ohne daß man diese Durchsichtigkeit allemahl mit ei- ner Saͤure, oder mit dem Weingeiste zu uͤberwinden im Stande sey. Diese Anmerkung ist hier um desto wichti- ger, weil Hr. W. mit großem Rechte, und mit dem Zeugnisse anderer Beobachter der Natur, zu beweisen glaubt, in der so genannten Area umbilicali seyn im Huͤnchen Wege gezeichnet, die nach und nach vollkommen und zu Gefaͤßen werden. Die Erscheenung ist richtig, nur bleibt der Zweifel uͤbrig, ob die durchsichtigen Wege zwischen dem koͤrnigten Wesen auch wuͤrklich aus bloßen Wegen ohne Haͤute bestehen, und dieses ist so leicht nicht auszumachen. Hr. W. verfolgt hiernaͤchst zum Theil das Wachsthum des Huͤnchens im Eye. Er faͤngt bey den Hoͤfen an, deren weißer Stoff an der Haut des Gelben anhaͤngt, und von diesem Gelben unterschieden ist. Diese Materie wird nach und nach gelber und endlich roth, sie zertheilt sich in Jnseln, und dazwischen offen gelaßne We- ge, die kurz darauf zu Gefaͤßen werden. Dieser weiße Stoff muß aus dem Gelben durch eine Aufloͤsung entstan- den, Goͤttingische Anz. 143 St. 1760. den, und folglich das Gelbe die wahre Materie zur Nahrung seyn. Die Kraft, die sie dahin befoͤrdert, ist die oben schon in den Gewaͤchsen genennte Vis essentialis. Mechanisch brechen ferner alle diese neu entstandene Adern zusammen, vereinigen sich, und werden zum Herzen (ob wohl dieses eben nicht in der Mitte liegt). Alsdann aber, und wenn das Blut in den Wegen roth und kuglicht wird, entsteht die Reizbarkeit, wodurch sich das neue Thier vom Gewaͤchse unterscheidet. Die Schlagadern, wenn wir Hrn. W. recht verstehn, werden aus dem Abscheiden des uͤberfluͤßigen Safts, eine schwere Aufgabe, indem man so wohl die Ursache, warum sich in den Gewaͤchsen kein Herz bildet §. 194. cit, 215. \& 216. , als warum bey denselben niemahls Schlag- adern gebauet werden §. 215. und endlich warum keine Reiz- barkeit entstehet, nicht erklaͤrt findet. Nur fuͤhrt unser geschickter Verfasser aus der Erfahrung an, daß sich am neuen Thiere Schlagadern zeigen, wo vorher keine waren, die aus einer unorganischen Materie entstehen. Er glaubt auch auf eine fast aͤhnliche Weise bilden sich auch in den Er- wachsenen neue Schlagadern, wiewohl haͤufiger vor dem 20sten Jahre. Alle diese Schlagadern, faͤhrt er fort, muͤssen aus einem Herzen entspringen, weil nur ein Flecken im Gelben erwaͤchst. Er glaubt auch es sey mechanisch nothwendig, daß uͤberall, wo eine Schlagader ist, auch eine zuruͤckfuͤhrende hervorgebracht werde, und die Val- veln in den letztern seyen eine Nachahmung der Zellen der Gewaͤchse. Er findet den Charackter des Thieres im Her- zen, und haͤlt diejenigen Thiere fast nur fuͤr Gewaͤchse, bey denen man kein Herz findet. Wie sich die Eingewei- de aus einer unorganischen Materie, und nachwaͤrts aus dem fadigten Gewebe bilden, gibt er die Niere zum Exem- pel, und glaubt so gar der adrigte Bau derselben sey zum Abscheiden des Harns nicht nothwendig, da sich ja der Harn schon zu einer Zeit abgeschieden habe, da an der Nie- Goͤttingische Anz. 143 St. 1760. Nieren statt ein bloßes fadigtes Gewebe da gewesen sey. Neben der wesentlichen Kraft sind noch andere Nebenur- sachen zur Bewegung der Saͤfte, hierzu gehoͤrt das Herz, das sich zwar in den Huͤnchen mit seinem Klopfen anstellt, als wenn es alles allein verrichten wollte, da es doch noch keine Bewegung gehabt hat, dieweil das Thier schon im starken Wachsthum war, und da sein Klopfen, nach des Hrn. W. Erfahrungen erst anfaͤngt, wann es rothes Blut durchlaͤßt. Auch ist die ganze mechanische Arzney- wissenschaft, in so weit sie die Bewegungen des Leibes aus seinem Bau erklaͤren will, eine bloße Chimaͤre. End- lich erklaͤrt Hr. W. aus seinen Grundsaͤtzen, wie eine Mißgeburt, oder ein doppeltes Kind mit einem einzigen Herzen entstehen koͤnnen, und haͤlt hierin seine Lehre fuͤr die nemliche mit der Hallerischen. Dieses ist ein kurzer Entwurf dieser wichtigen Abhandlung. Zwo- Zwote Abhandlung Theorie von der Generation. 1. Kap. Von der Eintheilung des organischen Koͤrpers in gewisse Arten von Theile, die eine verschie- dene Entstehungsart erfordern. §. 1. L assen Sie sich die Zeit bey dieser trock- nen Eintheilung der Theile eines or- ganischen Koͤrpers in gewisse Klassen nicht lang werden. Diese Eintheilung ist hoͤchst nothwendig: Sie wuͤrden ohne derselben nicht wis- sen, warum ich eben die Entstehungsart der Gefaͤße bey den Pflanzen, oder des Herzens bey den Thieren, oder wol gar solcher Theile, die Sie niemals haben neñen hoͤren, zu erklaͤren suchte, und warum ich nicht eben sowol von der Entstehungsart der Blume, einer Leber, eines Knochens u. s. w. rede. Diese Ein- 1. Kap. Von der Eintheilung Eintheilung gehoͤret zur vernuͤnftigen Einrichtung unsers Jnstituti; sie wird verhindern, daß wir nicht so, wie jene Philosophen,, ( pag. 4.) indem wir glauben die Generation zu erklaͤren, unver- merkt zu Anatomisten werden, oder uͤber den Bey- schlaf philosophiren, oder sonst irgend eine andere Sache, nur nicht die Generation, abhandeln. Sie wird uns den kuͤrzesten und leichtesten Weg zu unserem Endzweck zeigen; und Sie werden uͤberdem dadurch in den Stand gesetzt werden, die ganze Theorie desto deutlicher zu uͤbersehn. §. 2. Wir sollen die Art und Weise zeigen wie die verschiedene Theile eines organischen Koͤrpers ge- bildet werden, ( pag. 7.) oder kuͤrzer, wir sollen ihre Entstehungsart erklaͤren. Da aber diese Theile bey den Pflanzen sowohl, als bey den Thie- ren, besonders bey diesen letztern, so sehr verschie- den sind; so sehen Sie leicht, daß sie unmoͤglich alle auf einerley Art gebildet werden koͤnnen. Wir muͤssen also wissen, wie vielerley Arten von Thei- len es gibt, die von einander verschieden, und zwar aber so verschieden sind, daß sie deswegen eine eigene Entstehungsart erfordern, oder daß ihre Ver- schiedenheit einen Einfluß in die Art ihrer Forma- tion hat. Es ist also nicht genug, Klassen zu ma- chen, sondern diese muͤssen auch wesentlich seyn; diejenige Theile, welche in eine Klasse gebracht wer- den, muͤssen auch einerley Entstehungsart erfor- dern, und es muͤssen keine Theile in verschiedene Klas- des organischen Koͤrpers ꝛc. Klassen kommen, als diejenigen, von denen man voraus sieht, daß sie auf eine andere Art werden producirt werden. §. 3. Es ist nemlich bekannt, daß man aus ver- schiedenen Dingen verschiedene Gattungen und Ar- ten machen kann, nachdem man verschiedene Ei- genschaften von ihnen zum Grunde der Einthei- lung legt. Auf diese Art sind die verschiedene Sy- steme in der Botanick entstanden. Jn der Ana- tomie und Physiologie beurtheilt man die Theile nach ihren Verrichtungen und nach dem Endzweck, wozu sie bestimmt sind; daher ist eine Leber z. E. ein ganz anderes Ding als eine Niere, weil in je- ner Galle in dieser aber Urin abgesondert wird, und weil jene zur Digestion unentbehrlich erfordert wird, diese aber nichts dazu beytraͤgt. Da aber diese Verrichtungen ganz und gar nicht von der innern Strucktur, wie man glaubt, und noch weniger von ihrer Figur, sondern von andern Umstaͤnden dependiren, die in die Formation der Theile kei- nen Einfluß haben; so daß z. E. in einer Glan- dula conglomerata Milch, in der andern Spei- chel abgesondert werden kann, obgleich die Struck- tur dieser Glandeln voͤllig einerley ist; so ist hier- aus klar, daß jene Eintheilung, die wir hier noͤ- thig haben, von der anatomischen Eintheilung ganz verschieden seyn wird. Sie muͤssen sich daher nicht wundern, wenn Sie hier von ganz andern Arten der Theile reden hoͤren, als Sie bishero gehoͤrt haben. Wir muͤssen hier den Koͤrper in einer andern Ab- sicht 1. Kap. Von der Eintheilung sicht betrachten, als wir ihn in der Anatomie und Physiologie zu betrachten gewohnt sind. §. 4. Jndessen aber, so richtig auch dieses alles ist, so nothwendig diese Eintheilung auch ist; so sehen Sie doch leicht, daß sie niemand machen kann, als derjenige, dem die Theorie der Generation, wenigstens einigermaßen schon bekannt ist, und daß sie folglich zu der Erfindung selbst nicht verhel- fen kann; weil nemlich dabey zum voraus gesetzt wird, daß man wissen muß, welche Theile auf ei- nerley Art, und welche auf verschiedene Art for- mirt werden. Daher habe ich sie freylich nicht eher gemacht, als bis mir die Entstehungsart der meh- resten Theile schon bekannt war. Sie sehen auch zugleich, warum ich Jhnen noch nicht Rechenschaft von meiner Eintheilung geben kann, warum ich Jhnen noch nicht beweisen kann, daß alle diejeni- ge Theile, die ich unter einer Klasse bringe, einer- ley Entstehungsart haben werden, und daß es nicht mehrere ihrer Entstehungsart nach verschie- dene Arten der Theile gebe, als die, welche ich an- gebe; Sie muͤssen dieses alles vor jetzo noch als wahr annehmen, bis Sie in der Folge sehn, daß es sich wuͤrklich so verhaͤlt, und daß folglich die Eintheilung richtig ist. §. 5. Jch sage also, es gibt in den Thieren so wohl als in den Pflanzen nicht mehr als drey Hauptgat- tungen von Theilen, die ihrer Entstehungsart nach vollkommen von einander unterschieden sind. §. 6. des organischen Koͤrpers ꝛc. §. 6. Die erste Art derselben sind diejenigen, die nicht weiter aus andern Theilen bestehen, sondern die die letzten und einfachen sind, und aus denen im Gegentheil alle uͤbrige Theile zusammen gesetzt werden. Es sind in den Pflanzen die Gefaͤsse und Blaͤßchens. Rinde, Holz, Wurzel, Stamm, Aeste, Blaͤtter, Blumen, Fruͤchte, Saamen, kurz alle Theile der Pflanzen sind entweder aus Gefaͤs- sen, oder aus Blaͤßchen, oder aus beyden zusam- men gesetzt. Jn den Thieren sind es wieder die Gefaͤße und das Zellen-Gewebe. Die Blaͤßchen in den Pflanzen sind nichts anders, als ein Zellen- Gewebe; nur sind an einigen wenigen Orten die Zellen verschlossen, an statt daß diese bey den Thie- ren allenthalben mit einander communiciren. Die Nerven und Muskeln ausgenommen, (das Ge- hirn rechne ich mit zu den Nerven,) bestehen alle Theile der Thiere wiederum aus Gefaͤssen, die ver- mittelst des Zellengewebes mit einander verbunden sind, oder aus einem Zellengewebe allein. Alle Eingeweide, die Knochen, die Haut, gehoͤren zur ersten Classe, die Epidermis, die Haare und Naͤgel zur zweiten. §. 7. Die andere Gattung von Theilen sind dieje- nigen, die nun aus Gefaͤssen und dem Zellengewe- be zwar zusammen gesetzt sind, allein die dem ohn- erachtet doch noch nicht vor sich selbst bestehen; sondern ebenfalls noch wieder Theile von andern Theilen sind, die sie durch ihre Zusammensetzung K aus- 1. Kap. Von der Eintheilung ausmachen. Die Nerven in den Blaͤttern der Pflanzen, die Fibern in den Stengeln, in dem Stamm, in der Wurzel, die so genannte Suturen in den Saamenkapseln, die Epidermis, die Rinde, das Mark gehoͤren hieher. Diese aber sind keine ein- fache Theile, sondern sie bestehen aus zusammen ge- setzten Gefaͤssen oder Blaͤßchen, sie sind aber zu- gleich Theile der Wurzel, des Stengels, der Blaͤt- ter. Jn den Thieren die Muskeln, die Knochen, die Nerven, die nebst dem Zellengewebe und den darin eingewickelten grossen Gefaͤssen von der all- gemeinen Haut umgeben werden, und mit diesen zusammen einen Arm, einen Fuß, einen Finger ausmachen. §. 8. Die dritte Gattung sind solche, die entweder aus diesen, oder unmittelbar aus den Theilen der ersten Gattung znsammen gesetzt sind, und die nun nicht weiter Theile anderer Theile sind, sondern vor sich selbst bestehn, und unmittelbare Theile des Ganzen sind. Die Wurzel in den Pflanzen und ihre Zweige, der Stamm, die Aeste, die Blaͤtter, der Kelch, die Corolla, die Stamina, das Pistill, die Saamen. Jn den Thieren alle Viscera und die Extremitaͤten. §. 9. Jch habe vorhin gesagt, es lasse sich a priori nicht einsehen, daß z. E. alle vor sich bestehende Theile, auf einerley Art formirt werden muͤssen, und daß die Gefaͤße hingegen eine ganz andere Ent- des organischen Koͤrpers ꝛc. Entstehungsart haben werden. Es laͤßt sich die- ses einigermassen aus der Art der Zusammense- tzung muthmassen; und Sie werden daher bey ei- ner genauern Untersuchung auch finden, daß die- jenige Theile, die ich unter einer Klasse gebracht habe, sehr wenig in ihrer Zusammensetzung unter- schieden sind, und diejenigen hingegen, die in ver- schiedenen Klassen stehn, gar nichts aͤhnliches mit einander haben. Besonders aber gilt dieses von der ersten und letzteren Klasse. Die zweite ist von der letztern nicht so sehr unterschieden; die Art aber, wie sie gebildet werden, ist ebenfalls auch nicht so sehr von der Entstehungsart derselben un- terschieden. §. 10. Jn der ersten Klasse haben Sie also Gefaͤße und Blaͤschen bey den Pflanzen; diese sind nur bloß ihrer Figur nach unterschieden; beyde sind Aushoͤlungen in dem Theile, worin sie sich befin- den; jene sind runde oder eckigte, diese aber sind laͤngliche Hoͤlen. Ja es findet ein Uebergang aus dem einen in den andern statt; es giebt Blaͤschen, dle sich in die Laͤnge erstrecken, die aber durch Zwi- schenwaͤnde, wo sie mit ihren Enden zusammen stossen, von einander abgesondert werden, und Sie wissen oft nicht, ob sie solche Blaͤschen laͤnglichte Blaͤschen, oder aber Gefaͤße nennen sollen, die durch Valveln gleichsam in Glieder getheilt sind. Sie werden sich also nicht wundern, wenn der- gleichen Theile auf eine aͤhnliche Art formiret werden. K 2 §. 11. 1. Kap. Von der Eintheilung §. 11. Zur dritten Klasse gehoͤren bey den Pflanzen die Blaͤtter, der Kelch, die Samenkapsel, die Sa- men. Diese haben mit den Blaͤßchen oder Ge- faͤssen gar keine Aehnlichkeit mehr, unter sich aber sind sie kaum von einander unterschieden. Der Kelch ist nichts anders als eine Anzahl modificir- ter Blaͤtter. Jn einigen Pflanzen, z. E. in den Sonnenblumen, in den Disteln, in den Umbelli- feris, erhellet dieses sehr deutlich. Die Samen- kapsel und selbst die Samen ( lobi seminales ) sind wiederum nichts anders als solche veraͤnderte Blaͤt- ter. Man sieht dieses, wenn die reife Samen- kapseln aufspringen und sich in Blaͤtter, aus denen sie zusammen gesetzt sind, theilen, wie bey den Schotengewaͤchsen, und wenn die Lobi seminales so gar in ordentliche Blaͤtter ( solia seminalia ) uͤbergehen. §. 12. Bey den Thieren scheinet die Aehnlichkeit et- was schwerer zu seyn, aber sie ist es deswegen nicht. Nur muß man in Ansehung der Gefaͤße zwischen den groͤßeren und den kleinsten einen Unterschied machen, der auch in die Entstehungsart einen Ein- fluß hat, der sich aber hier noch nicht erklaͤren laͤßt. Die kleinsten sind den Gefaͤßen der Pflan- zen aͤhnlich, und sie sind daher auch von der Cel- lulosa nicht sehr unterschieden; mit den groͤßern aber hat es eine andere Bewandniß. Die Einge- weide, welche zur dritten Klasse gerechnet werden, sind in ihrer Struktur wenig von einander unter- schie- des organischen Koͤrpers ꝛc. schieden; sie bestehen alle aus Gefaͤßen und einem Zellengewebe. Das Herz aber muß nicht zu die- sen Eingeweiden, sondern zu den groͤßern Gefaͤßen gerechnet werden; man sieht es auch im Embryo daher unter der Gestalt eines einfachen gekruͤmten Canales. Eben so ferner wie die groͤßere Gefaͤße nicht reine einfache Theile sind, so ist auch der ganze Canal der Gedaͤrme nicht voͤllig zur dritten Klasse zu rechnen, sondern er ist ein Mittelding zwischen Gefaͤßen und den Theilen dieser dritten Klasse. Endlich muͤssen die Muskeln und Ner- ven noch ganz ausgenommen und zu den Nerven das Gehirne mit gerechnet werden. Sie gehoͤ- ren zu keiner der angefuͤhrten Klassen, allein diese Klassen begreifen auch nur die vegetabilische Theile in sich, die Muskeln und Nerven aber sind eben diejenige Theile, wodurch organische Koͤrper Thie- re werden, und die allerdings ihre ganz eigene Ent- stehungsart haben, von welcher ich noch nicht viel habe entdecken koͤnnen. Das wenige, was ich davon weis, ist noch hypothetisch und durch zu wenig Erfahrungen noch bestaͤrket, als daß ich mir getrauen sollte, es fuͤr eine Wahrheit auszuge- ben; ich habe deswegen auch noch kein Wort da- von gesagt oder geschrieben. §. 13. Alle uͤbrige Theile des thierischen Koͤrpers aber koͤnnen sicher zu einer dieser Klassen gerechnet werden, und diejenigen, welche unter einer Klasse kommen, sind wenig oder gar nicht in ihrer Zu- K 3 sam- 2. Kap. Von der Entstehungsart sammensetzung unterschieden, und sie haben daher auch einerley Entstehungsart. §. 14. Nunmehro wissen Sie also, warum ich von der Entstehungsart der einfachen, der zusammen- gesetzten und der vor sich bestehenden Theile han- deln werde. Die Conception aber ist noch ein von der Generation verschiedenes Ding, welches also besonders noch erklaͤret werden muß, wie ich bey der Erklaͤrung derselben solches deutlicher zei- gen werde. 2. Kap. Von der Entstehungsart der Gefaͤße und des zellenfoͤrmigen Gewebes in den Pflanzen. §. 15. Beschaffen- heit der Ge- fässe M an stellt sich insgemein die Ge- faͤße der Pflanzen als Roͤh- ren oder ordentliche Canaͤle vor, die ihre eigene, von den Haͤuten anderer Gefaͤße und von der Substanz des Theils, in welchem sie sich befinden, unterschiedene Haͤute haben. Allein man schneide den Stengel einer Pflanze oder einer Wurzel, die beyde aus lauter parallel neben einander gelegten Ge- der Gefaͤße ꝛc. Gefaͤßen bestehen, quer durch; von dem einen Ende schneide man eine duͤnne Scheibe ab und lege sie unter dem Vergroͤsserungsglase, so wird man an statt von einander unterschiedener Ringe, die die Enden der Gefaͤße vorstellen sollten, deren dreyeckigte Zwischenraͤume entweder leer, oder mit einer von den Ringen unterschiedenen Substanz angefuͤllt waͤren, ein bloßes Netz finden. Ein jeder Faden dieses Netzes wird zweien an einan- der angraͤnzenden Loͤchern gemein seyn. Kurz, wenn Sie die Substanz, woraus die Faͤden beste- hen, als die Substanz des Theils ansehen, in dem sich die Gefaͤße befinden, des Stengels nemlich oder der Wurzel, wie solche allerdings auch ange- sehen werden muß, so bleibt vor den Gefaͤßen wei- ter nichts uͤbrig als bloße Loͤcher. So wie in ei- nem Siebe, oder in einem Durchschlage, die Loͤ- cher nicht Ringe genennt werden koͤnnen, die ne- ben einander in einem Behaͤltniß eingesetzt waͤren; so eben sind die Loͤcher in dieser abgeschnittenen Scheibe des Stengels bloße Loͤcher, und haben nichts, was von der Substanz des Stengels selbst verschieden waͤre. Hieraus sieht man aber, daß der Begriff von den Gefaͤßen der Pflanzen nur eingebildet ist, und daß diese Gefaͤße im Gegen- theil nichts anders sind, als bloße Hoͤlen, die in der Substanz des Stengels ausgegraben sind, und die nichts weniger als eigene Haͤute haben. §. 16. Die so genanten Blaͤschen der und der Bläs- chen. Pflanzen verhalten sich wiederum K 4 eben 2. Kap. Von der Entstehungsart eben so wie die Gefaͤße. Sie sind nichts weniger als von einander verschiedene Blaͤs- chen. Der ganze Theil, worin sie sich befinden, besteht aus einem zellenfoͤrmigen Gewebe, so wie die Cellulosa in den Thieren ist, und die Blaͤschen selbst sind bloße Loͤcher. Der Unterschied zwi- schen den Gefaͤßen und den Blaͤschen ist kein an- derer, als daß jene laͤnglichte, diese aber runde oder eckigte Hoͤlen sind. Auf was fuͤr Art Sie uͤbrigens auch immer die Gefaͤße oder Blaͤschens untersuchen moͤgen, so werden Sie allezeit finden, daß sie sich so, wie ich sie beschrieben habe, und nicht anders ver- halten. §. 17. Entstehungs- art, wie sie möglich ist. Es giebt Theile in den Pflanzen, zum Exempel die Samen ( lobi se- minales ), die aus lauter Blaͤschen, und andere, z. E. ein Ast einer Wur- zel, der Stiel eines Blats, die aus lauter Gefaͤs- sen bestehn. Wenn ich nun im Vorhergehenden gesagt habe, daß solche Theile, wie Saamen, Wur- zel, Stengel, die besondere vor sich bestehende Theile sind, auf eine andere Art hervor gebracht werden sollen, als die Gefaͤße und das Zellenge- webe; so werden sie sich dieses schwer vorstellen koͤnnen. Sie werden sagen, ein Ast zum Exem- pel von einer Wurzel soll aus nichts als lauter Ge- faͤßen bestehn, und er soll doch auf eine andere Art producirt werden, als diese Gefaͤße. Wenn der Ast producirt wird, es mag geschehen auf was fuͤr Art der Gefaͤße ꝛc. Art es immer wolle, so muͤssen ja zu gleicher Zeit auch die Gefaͤße producirt werden, aus denen er einzig und allein bestehen soll. Denn wenn kei- ne Gefaͤße da sind, so ist kein Ast da, und die Entstehung der Gefaͤße und die Entstehung des Astes sind eine und eben dieselbe Sache. Auf solche Art wuͤrde es sich verhalten, wenn die Ge- faͤße ordentliche Roͤhren waͤren, und der Ast be- stuͤnde aus nichts, als aus diesen Roͤhren. Allein erinnern Sie sich nun wieder an meinem Begrif- fe von den Gefaͤßen, die nichts anders als bloße Hoͤlen sind; so werden Sie sich die Moͤglichkeit dieser Sache ganz leicht vorstellen koͤnnen. Der Ast koͤnte zuerst ohne Hoͤlen solide producirt seyn, und hernach koͤnten diese Hoͤlen in ihm ausge- bohrt werden. §. 18. Was werden Sie aber sagen, Wie sie würk- lich sich ver- hält. wenn ich Jhnen zeige, daß sich dieses wuͤrklich so verhalte, daß der Ast und seine Gefaͤße wuͤrklich auf diese und auf keine andere Art hervorgebracht werden? Sie werden sagen: Wie schoͤn stimmen die Vernunft und die Erfahrung mit einander uͤberein, wenn man nur im Stande ist, alle Verwirrung, die mehrentheils aus unbestimmten Begriffen und zweydeutigen Woͤrtern entsteht, zu vermeiden! Man koͤnnte allerdings auf der einen Seite ein Gebaͤude aus lauter Schluͤßen und auf der andern Seite ein an- deres aus lauter Erfahrungen aufbauen, ohne bey Verfertigung des einen an die Materialien des K 5 an- 2. Kap. Von der Entstehungsart andern einmal zu denken; und diese beyden Ge- baͤude muͤsten, wenn sie nunmehro, nachdem sie voͤllig fertig sind, mit einander verglichen wuͤrden, nicht um ein Haar von einander verschieden seyn. Allein der einzige Endzweck ist, die Wahrheit zu wissen, und man bedient sich daher billig aller moͤg- lichen Huͤlfsmittel, um dahinter zu kommen. §. 19. Beobach- tung der Bläschen. Der Saamen von der Bohne und auch die Saamenkapsel dieser Pflanze schicken sich zu unserm Ver- suche am besten. Beyde bestehen in ihrem vollkommenen Alter aus Blaͤschen, wenn man sie aber zu einer Zeit, da die Blume noch nicht zum Vorschein gekommen ist, unter dem Vergroͤßerungsglase herfuͤr sucht, so zeigen sie sich in Gestalt kleiner runder Wassertropfen, halb fluͤßig, und durchsichtig wie der schoͤnste Crystall. Nicht die geringste Spur von Blaͤschen ist auf irgend eine Art in ihnen anzutreffen, sondern sie bestehen aus einer allenthalben gleichfoͤrmigen in eines fortgehenden Substanz. Wenn diese klei- ne Kugeln allmaͤhlig groͤßer werden, so faͤngt zu- gleich ihre Consistenz an solide zu werden, und zu gleicher Zeit fangen auch an, sich kleine Puncte zu zeigen, die nichts anders sind, als kleine Hoͤ- len, in welchen so wie in den erwachsenen Blaͤs- chen allezeit, und auch in den Gefaͤßen, ein voͤllig fluͤßiges Wasser enthalten ist. Allmaͤhlig werden diese kleine Hoͤlen groͤßer, und vermehren sich zu- gleich der Gefaͤße ꝛc. gleich der Menge nach, bis endlich auf diese Art der ganze Koͤrper der jungen Saamenkapsel oder des Saamens selbst in eine zellenfoͤrmige Sub- stanz verwandelt wird. §. 20. Auf gleiche Art verhaͤlt es sich und der Ge- fäße. mit den Gefaͤßen. Ein Ast ( ramus ) einer Wurzel zeigt dieses am deutlichsten. Er er- scheint in seinem ersten Anfange als eine kleine Er- habenheit an dem Stamme der Wurzel, aus wel- chem der Ast herfuͤrbrechen soll, und zwar unter der aͤußern Haut dieses Stammes. Man entdeckt in diesem kleinen Huͤgel gleichfalls nicht die gering- ste Spuhr von einem Gefaͤße; nach und nach aber zeigen sich Linien, die endlich in solche Gefaͤße, wie ich sie beschrieben habe, uͤbergehen. §. 21. Jch werde noch wenig sagen duͤr- Was sich hieraus sicher schließen läst. fen, so wird Jhnen nunmehro die gan- ze Entstehungsart der Gefaͤße von selb- sten einfallen. So viel ist jetzo schon ausgemacht; wenn die Gefaͤße weiter nichts sind als bloße Hoͤ- len, und der Theil, in welchem sich diese Hoͤlen, wenn er erwachsen ist, befinden sollen, kurz nach seiner Entstehung noch durchgaͤngig solide und oh- ne Hoͤlen ist; so kann es wohl unmoͤglich anders seyn, es muͤssen diese Hoͤlen in ihm auf irgend ei- ne Art, durch irgend eine Kraft, vermittelst irgend eines Jnstruments ausgegraben werden. Nur fraͤgt es sich also noch, auf was fuͤr eine Art, durch was 2. Kap. Von der Entstehungsart was fuͤr eine Kraft, mit was fuͤr einem Werkzeu- ge geschiehet solches? §. 22. Völlige Erklä- rung der Ent- stehungsart der Gefäße. Jch will machen, daß mein Leser dieses alles und mithin die ganze Ent- stehungsart der Gefaͤße und der Zellen selbst erfinden soll. Jch will Jhn nur an einige Dinge erinnern, die ihm auch sonst, wenn ich ihm Zeit genug gelassen haͤtte, von selbst wuͤrden eingefallen seyn. Der Theil, durch des- sen Exempel sich die Erinnerungen am besten er- klaͤren lassen, ist wieder der Saamen der Bohne. Dieser ist durch einen kleinen Stengel an der Saa- menkapsel befestiget. Der Saamen, wenn er er- wachsen ist, besteht aus lauter Blaͤschen, der Stengel aber aus lauter Gefaͤßen. Nun stellen Sie sich beyde in ihrem allerersten Zustande vor, wo der Saamen in Gestalt eines Kuͤgelchens noch ohne Zellen, und der kleine Stengel ohne Gefaͤße, beyde durchgaͤngig solide und dabey sehr zart und weich zum Vorschein kommen. Der Saame waͤchst in diesem Zustande staͤrker, als wenn er aͤlter ist. Die Nahrungssaͤfte muͤssen also aus der Saamen- kapsel durch den Stengel in den Saamen getrie- ben werden, und sich darin anlegen. Nun hat aber der Stengel keine Hoͤlen, durch welche der Saft frey durchgehen koͤnnte, sondern er besteht aus einer durchgaͤngig soliden, ob gleich sehr zar- ten und weichen Substanz. Der Saft muß also nothwendig eine Kraft besitzen, vermittelst welcher derselbe, obgleich in den allersubtilsten Tropfen, durch der Gefaͤße ꝛc. durch diese Substanz des Stengels durchdringt, und sich also auf diese Art selbst Wege macht, die vorhin nicht da waren, und die den Tropfen pro- portionirt sind. Wege aber, die vorhin nicht da wa- ren! Und hierbey faͤllt es Jhnen wieder ein, daß die Gefaͤße nichts anders sind, als bloße laͤnglich- te Hoͤhlen, als eben solche Wege, die vorhin nicht da waren! Darf ich nun noch wohl erklaͤren wie die Gefaͤße entstehen? §. 23. Mit den Zellen in dem Saamen und der Bläs- chen. hat es eben dieselbe Bewandniß. Von dem zugefuͤhrten Nahrungssafte geht etwas sogleich in die vegetabilische Substanz uͤber. Einiger Theil aber davon wird als Nahrungssaft in eignen Be- haͤltnißen aufgehoben. (denn dieses ist das Gesetz aller lebendigen Geschoͤpfe, daß sie mehr zu sich nehmen, als sie zur Ersetzung des Verlohrnen in ihrem Koͤrper noͤthig haben. Dadurch wer- den sie in den Stand gesetzt, sich nachhero, ohne von außen Nahrungsmittel zu sich zu nehmen, eine lange Zeit zu erhalten. Bey den Thieren sammlet sich aus diesem Grunde das Fett an, welches zur Zeit der Nothwendigkeit aus allen und den kleinsten Zellen sehr geschickt wieder herfuͤrgesucht wird. Die Pflanzen verwahren ih- ren uͤberfluͤßigen Saft ebenfalls in ihren Zellen.) Nun sind aber in dem ersten Anfange des jungen Saamen noch keine Zellen da; der Saft also, wird sich, indem er sich in kleinen Tropfen ansammelt, durch die Ausdehnung der zarten Substanz des jun- gen 2. Kap. Von der Entstehungsart gen Saamens selbst dergleichen kleine runde Hoͤlen formiren, die zuerst in Gestalt der Punkte zum Vorschein kommen, und nach und nach so wohl an Groͤße als der Zahl nach zu nehmen. Wie also die Gefaͤße in einem Theil, der noch keine hat, durch das Eindringen und den Durchgang der Saͤfte durch diesen Theil formirt werden, so wer- den die Zellen und die Blaͤschen hingegen durch das Ruhen und die allmaͤhlige Anhaͤufung dieser Saͤfte in einem Theil zuwege gebracht. §. 24. fernere Erläu- terung der Sache. Jch werde nun nur noch einige Anmerkungen hinzusetzen. Die erste ist diese: Der Saamen ist im ersten Anfange klein; daher werden die zu dieser Zeit durch den Stengel durchdringende Tropfen des Safts sehr subtil, und ihrer Anzahl nach ebenfalls nur sehr geringe seyn duͤrfen; und aus dieser Ursa- che sind die ersten Gefaͤße sehr klein und der An- zahl nach wenig. Nach und nach aber, wenn der Saame waͤchst, werden groͤßere Tropfen durchzu- dringen suchen, und die Gefaͤße erweitern; und zu gleicher Zeit werden an denen Orten, wo noch keine sind, neue formirt werden. Eben dieses gilt auch von den Zellen in dem Saamen. §. 25. Warum die Wurzel, Aeste und Stengel aus Gefäßen, die Blätter, Die andere Anmerkung ist diese: Wie sich der Saamen zu seinem klei- nen Stengel verhaͤlt, so verhaͤlt sich die Saamenkapsel gegen ihren Stengel ( pe- der Gefaͤße ꝛc. ( pedunculo ), und so verhaͤlt sich das Blumen und Früchte aber aus Bläschen bestehen. Blatt gegen seinem Stiel, ( petiolo ) und so verhalten sich in einem Baume viele Blaͤtter zusammen genommen gegen ihren gemeinschaftlichen Zweige, an dem sie vermittelst ihrer Stiele fest sitzen, und so endlich verhalten sich auch alle Blaͤtter, Blumen, Fruͤch- te, als die letzten Theile des ganzen Baums, bis wohin der Saft steigen kann, und wo er endlich ruhen muß, gegen den Aesten, dem Stamme und der Wurzel des Baumes. Denn in der That be- stehen die Saamenkapsel, die Blaͤtter, die Blu- men, die Fruͤchte, und alle letzte Theile einer Pflan- ze, wo der Saft, wenn er bis dahin gekommen ist, ruhen muß, und nicht weiter kommen kann, aus Blaͤschen, und sie haben noch dazu alle die- ses Merkmahl, daß sie in eine Flaͤche ausgedehnt sind, oder die Figur eines rundlichen Koͤrpers ha- ben. Hingegen bestehen die Wurzel, der Stamm, die Aeste, und alle Theile, durch welche der Saft nur durchgehen muß, um nach andere hinzukom- men, aus Gefaͤßen; und sie haben alle eine laͤng- lichte Figur. Durch diese kurze Erzehlung habe ich Jhnen nicht nur einen generellen anatomischen Begriff von der Strucktur der ganzen Pflanze uͤberhaupt gegeben, sondern Sie verstehen auch nunmehro hieraus erstlich die Entstehungsart aller Gefaͤße und Blaͤschen; und zum zweyten sehen sie die Ursachen, warum alle Aeste und Stengel aus Gefaͤßen, alle Blaͤtter und letzte Enden der Pflanzen aber aus Blaͤschen bestehen. Denn da die 2. Kap. Von der Entstehungsart die Saͤfte durch die Wurzel, Aeste und Stengel durch gehen muͤssen; so muͤssen in diesen Theilen nothwendig Gefaͤße erzeugt werden. Da eben die- selben aber in den letzten Enden endlich ruhen muͤs- sen, so muͤssen in diesen Theilen nothwendig Blaͤß- chen entstehen. §. 26. Die dritte Anmerkung betrift die Kraft von der die Bewegung der Säfte de- pendirt. Kraft, vermittelst welcher der Saft durch die Pflanze getrieben wird. Jch habe mich auch in meiner Dissertation noch nicht weiter um dieselbe bekuͤmmert, als daß ich sie fuͤr eine den vegetabilischen Koͤrpern eigene und wesentliche Kraft erklaͤrt habe. Es ist auch genug, wir wissen, daß sie da ist, und wir kennen sie ihrer Wuͤrkung nach, als welche einzig und al- lein nur erfordert wird, um die Entstehung der Theile daraus zu erklaͤren. An dem Nahmen, wo- mit wir sie benennen, liegt noch weniger; nur die- ses muß ich erinnern, daß sie diejenige Kraft ist, durch welche in den vegetabilischen Koͤrpern alles dasjenige ausgerichtet wird, weswegen wir ihnen ein Leben zuschreiben; und aus diesem Grunde habe ich sie die wesentliche Kraft dieser Koͤrper ge- nennt; weil nemlich eine Pflanze aufhoͤren wuͤrde, eine Pflanze zu seyn, wenn ihr diese Kraft genom- men wuͤrde. Jn den Thieren findet sie eben so wohl statt wie in den Pflanzen, und alles dasjeni- ge, was die Thiere mit den Pflanzen gemein ha- ben, haͤngt lediglich von dieser Kraft ab. §. 27. der Gefaͤße ꝛc. §. 27. Von der bishero erklaͤrten Ent- Anmerkung. stehungsart der Gefaͤße und der Blaͤschen in den Pflanzen habe ich in meiner Dissertation §. 21. 22. und §. 23. Beweise gegeben. Es sind ferner da- selbst die vornehmste Eigenschaften der Gefaͤße, und endlich auch ihre verschiedene Strucktur in ei- nigen verschiedenen Pflanzen aus ihren Gruͤnden er- klaͤrt worden §. 35. seq. 41. Da jetzo meine Absicht nur ist, einen generellen und kurzen Begriff von dem ganzen Lehrgebaͤude der Generation zu geben, so ist es mir lieb, daß alle diese Dinge mit den bisher Vorgetragenen nicht so zusammenhaͤngen, daß diese ohne jenen nicht sollten koͤnnen verstan- den werden, und daß ich also nicht noͤthig habe, diese Abhandlung durch jene Erklaͤrungen weitlaͤu- fig zu machen. §. 28. Aber einige Schluͤße, die sich Allgemeines Gesetz bey der Formation der organi- schen Körper. aus der bisher vorgetragen Theorie von der Entstehungsart der Gefaͤße schon ziehen lassen, muß ich noch und zwar jetzo gleich hinzusetzen, weil Jh- nen der ganze Begriff dieser Sache noch in fri- schem Andenken ist. So wie sichs mit der For- mation der Gefaͤße und der Blaͤschen bey dem Saamen der Pflanze verhaͤlt, so verhaͤlt es sich mit der Formation der Gefaͤße und der Blaͤschen aller uͤbrigen Theile der Pflanze; ich habe bey ih- nen dieselbe Beobachtungen angestellt, und bey al- L len, 2. Kap. Von der Entstehungsart len, wie zu vermuthen ist, einerley gefunden; aber eben so verhaͤlt es sich auch, wie Sie im folgenden Kapitel sehen werden, mit der Formation der Ge- faͤße und der Zellen bey den Thieren. Also nun hurtig, weil wir bey der Sache sind, weiter ge- schlossen, was sich schließen laͤft! Diese Gefaͤße und Blaͤschen oder Zellen machen die innere Struk- tur eines Theiles; sie machen den Theil organisch, und ohne ihnen wuͤrde der Theil auf hoͤren orga- nisch zu seyn. Nehmen Sie der Leber oder der Niere alle Gefaͤße weg, so bleibt weiter nichts, als ein Klumpen Materie uͤbrig, die zwar die Ei- genschaften der thierischen Substanz haben kann, in der sie aber so wenig Organisation oder Struk- tur noch antreffen, als in einem Klumpen Wachs. Eben dieselbe Bewandniß hat es mit den Blaͤt- tern der Pflanzen, den Aesten der Wurzel ꝛc. Nun aber werden diese Gefaͤße und Blaͤschen erst in ei- nem Theile formirt, nachdem der Theil schon pro- ducirt war, und die Production des Theils ist von der Formation seiner Gefaͤße, woraus er, wenn er erwachsen ist, bestehen soll, verschieden. Folglich wird ein jeder organischer Theil zuerst producirt, und alsdann organisirt, und diese Organisation ei- nes Theiles ist eine von der Produktion desselben unterschiedene Wuͤrkung der Natur. Wie die Produktion geschiehet, das werden Sie im vier- ten Kapitel sehen; vor jetzo ist es genug, wenn wir wissen, daß ein Theil, ehe die Formation der Gefaͤße in ihm vorgeht, allemal unter der Figur einer Tropfe entweder, oder eines Randes, oder eines der Gefaͤße ꝛc. eines kleinen Huͤgels schon da ist. Da nun die- ses bey allen Theilen der Thiere und Pflanzen statt findet; so koͤnnen wir ein allgemeines Gesetz von der Formation der natuͤrlichen organischen Koͤr- per daraus machen. „Ein jeder organischer Koͤr- „per, oder Theil eines organischen Koͤrpers, wird „erst ohne organische Struktur producirt, und „alsdann wird er organisch gemacht;‟ Diese Organisation nemlich ist alsdann die Formation der Gefaͤße oder der Zellen und Blaͤschen. §. 29. Noch eine solche Anmerkung! Wie die or- ganische Struktur und die vegetabili- sche Verrich- tungen von einander de- pendiren. Alsdann wollen wir weiter gehn. Die Saͤfte dringen durch die junge Theile, wenn sie noch unorganisch sind, wenn sie noch keine Gefaͤße ha- ben; sie machen sich selber Wege (§. 22. 23.) und sie vertheilen sich zwar so gleichmaͤßig durch den jungen Theil, wie es die Nutrition desselben erfordert; die Oerter dieses Theils, die gleich stark wachsen, muͤssen nothwendig einerley Menge der Saͤfte bekommen, und diejenigen Oerter, bey welchen wir sehen, daß sie geschwinder und staͤrker sich ausdehnen, muͤs- sen nothwendig eine groͤßere Menge der Saͤfte be- kommen. Diese determinirte Distribution, diese so genau bestimmte Vertheilung der Saͤfte koͤn- nen wir keiner andern Ursache als jener wesentli- chen Kraft der Pflanzen zuschreiben, und hierdurch werden nun endlich, wie Sie in den citirten §. §. L 2 gesehn 2 Kap. Von der Entstehungsart gesehn haben, die Gefaͤße formirt. Aber wie we- nig stimmt dieses mit unsern gewoͤhnlichen Be- griffen von der Bewegung und Distribution der Saͤfte uͤberein, wenn wir uns vorstellen, daß diese einzig und allein von der einmahl so und nicht an- ders eingerichteten Vertheilung der Gefaͤße, von dieser einmahl, es sey auf welche Art es wolle, ge- bauten und festgesetzten hydraulischen Maschine dependiren soll! Umgekehrt mein lieber Freund! Diese hydraulische Maschine, diese bestimmte Ver- theilung und Ramification der Gefaͤße dependirt einzig und allein von der Vertheilung der Saͤfte, und diese hat eine ganz andere Ursache zum Grun- de! Wenn wir aber so denken, so kan dieses der mechanischen Philosophie nicht wohl gefallen; al- lein desto besser gefaͤllt es der Wahrheit, und jene muß es uns alsdann nicht uͤbel nehmen, wenn wir so denken! 3. Kap. Von der Entstehungsart der Gefaͤße und des zellenfoͤrmigen Gewebes in den Thieren. §. 30. M it der Entstehungsart der Gefaͤße in den Thieren werde ich nunmehro leichter fer- tig werden. Jch habe nicht mehr noͤthig, neue Begriffe umstaͤndlich zu erklaͤren; sondern ich der Gefaͤße ꝛc. ich darf nur zeigen, daß sich hier alles eben so verhalte wie bey den Pflanzen. Die kleinen Gefaͤße der Thiere Beschaffen- heit der Ge- fäße. sind in der That eben so wohl, wie die Gefaͤße der Pflanzen, bloße Hoͤlen, keinesweges aber mit eignen besondern Haͤuten versehene Roͤhren. Jch kan dieses auf keine an- dere Art beweisen, als daß ich mich auf die Er- fahrung berufe; man untersuche diese kleinen Ge- saͤße, wie man wolle, so wird man niemals eine eigne Haut an ihnen finden. Die großen Gefaͤße sind, eigentlich zu reden, eben so wenig wahre Roͤhren, wie die kleineren, nur muß man bey ihnen dieses besondere bemer- ken: die Substanz, in welcher diese Hoͤlen ausge- graben sind, ist nahe an der Hoͤle selbst am dich- testen und am haͤrtesten; je weiter sie von dersel- ben rings herum abweicht, um desto loser und weicher wird sie. Es verhaͤlt sich mit ihr, wie mit der aͤußern Haut und dem darunter liegenden Zellengewebe; jene ist nichts weiter als eben die- ses Zellengewebe selbst, welches, je naͤher es der aͤußern Flaͤche unsers Koͤrpers kommt, um desto fester und dichter wird, bis auf die aͤußerste Flaͤ- che selbst, welche naͤchst unter der Epidermis liegt, und welche am allerdichtesten ist. Man wird daher auf keine Weise die aͤußere Haut einen von dem darunter liegenden Zellengewebe verschiede- nen Theil nennen koͤnnen. Eben so verhaͤlt es sich mit den Gefaͤßen und dem sie umgebenden L 3 Zellen- 3. Kap. Von der Entstehungsart Zellengewebe. Man wuͤrde nicht sagen koͤnnen, wo die Haut des Gefaͤßes aufhoͤrte, und das Zel- lengewebe anfinge, eben so wenig wie sich diese Graͤnze bey der aͤußern Haut bestimmen ließe. §. 31. Man wird fragen, was ich mit den fleischig- ten Haͤuten der großen Gefaͤße anfangen wolle. Jch sage, es ist nichts seltenes, daß in einem in eines fortgehenden Zellengewebe Muskel-Fasern ausgespannt sind; dergleichen finden sich bey den Thieren in dem Zellengewebe, welches in die aͤußere Haut uͤbergeht, dergleichen ist der subcu- taneus colli, der quadratus menti. Es ist aber nicht mit meinem Willen geschehen, daß die Zer- gliederer diese Muskelfasern Haͤute der Gefaͤße genennt haben. Jch will mich aber nicht laͤnger mit Aufloͤ- sung mehrerer Einwuͤrfe aufhalten. Es ist zu unserm Endzwecke hinlaͤnglich, daß die kleinern Gefaͤße bloße Hoͤlen sind, und daß auch die gros- sen einmal klein, und folglich alle Gefaͤße in ih- rem ersten Anfange weiter nichts als bloße Hoͤ- len gewesen sind. Denn wenn sich dieses so ver- haͤlt, so sind die Gefaͤße als Hoͤlen entstanden, und ich habe weiter nichts zu thun, als daß ich zeige, wie dergleichen Hoͤlen haben entstehen koͤnnen. §. 32. Entstehungs- art der Ge- fäße. Dieses laͤßt sich noch besser als bey den Pflanzen bewerkstelligen. Es schickt sich aber auch kein Theil da- zu der Gefaͤße ꝛc. zu so gut, als die aͤußere Flaͤche des Gelben im Ey. Dieses ist bey den Huͤhnern eben das, was bey den vierfuͤßigen Thieren der Kuchen ist. Es entstehen daher in demselben um so viel mehr Ge- faͤße, die sich uͤber dessen aͤußere Flaͤche ausbrei- ten, je staͤrker das junge Huͤhnchen anwaͤchst. Auf dieser aͤußern Flaͤche also laͤßt sich die Entste- hung der Gefaͤße sehr deutlich wahrnehmen. §. 33. Diese Flaͤche ist im Anfange Beobach- tung, wodurch sie bewiesen wird. aus lauter kleinen Kuͤgelchen zusam- men gesetzt, und man bemerkt an ihr nicht den geringsten Strich oder Li- nie, welche einem Gefaͤße aͤhnlich saͤhe. Nach und nach aber faͤngt sie an an verschiedenen Orten zu bersten und Rinnen zu bekommen, und die Stuͤckchen, in welche sie zerspringt, stellen eben so viel kleine Jnseln vor. Die Rinnen sind die wahre erste Anfaͤnge der Gefaͤße, und die kleine Jnseln sind die Zwischenraͤume derselben; denn im Anfange ist in jenen zwar nur eine subtilere fluͤßigere und bewegliche Materie enthalten; da- hingegen die Jnseln aus groͤßern Kugeln bestehen, und dabey dicht und fest sind; allmaͤhlig aber faͤngt in eben diesen Rinnen das Blut selbst an, sich zu zeigen; sie continuiren alsdann offenbar mit den Gefaͤßen des jungen Huͤhnchens, und vermittelst diesen mit dem Herzen desselben. Jch habe keine Vorstellung in der Natur schoͤner gesehn, als diese. Aus diesem Versuche also ist klar, daß die L 4 Gefaͤße 3. Kap. Von der Entstehungsart Gefaͤße in den Thieren auf eben dieselbe Art, wie in den Pflanzen entstehen. Der Theil, worin sie entstehen sollen, ist zuerst da, ohne Gefaͤße; her- nach werden diese durch die Kraft, mit welcher der Nahrungssaft und das Blut durch die Theile ge- trieben werden, in dessen Substanz ausgegraben. §. 34. Kraft wo- durch die Säf- te bewegt wer- den. Man koͤnnte diese Kraft in den Thieren dem Herzen zuschreiben, wie man insgemein alle Bewegungen der Saͤfte demselben zuzuschreiben pflegt. Meine Theorie von der Erzeugung wuͤrde auch nichts darunter leiden, weil ich mich in die Erklaͤ- rung dieser Kraͤfte bey den Thieren sowohl als bey den Pflanzen noch nicht eingelassen habe, und auch nicht einzulassen noͤthig habe; allein die Wahr- heit wuͤrde darunter leiden, und mein Urtheil von dieser Sache muß fuͤr desto unpartheyischer gehal- ten werden, je weniger die eine oder die andere Meinung meinen Saͤtzen befoͤrderlich oder hinder- lich seyn koͤnnte. Die Oberflaͤche des Gelben im Ey zertheilt sich in Jnseln, der Nahrungssaft fließt durch die gemachte Rinnen, und das Blut faͤngt schon an sich in denselben zu zeigen, alles zu einer Zeit, da an dem Herzen noch nicht die geringste Bewegung zu merken ist. Ja da schon lange vor- her zu einer Zeit, da das Herz selbst noch nicht exi- stirt, der erste Anfang des Huͤnchens ernaͤhrt, und folglich der Nahrungssaft aus dem Gelben vom Ey zu ihm hingefuͤhrt werden muß; so siehet man wohl, der Gefaͤße ꝛc. wohl, daß diese Bewegung der Saͤfte, wodurch die Gefaͤße formirt werden, unmoͤglich dem Her- zen zugeschrieben werden kann. Vielmehr ist klar, daß hier eine Kraft statt finde, die der Wuͤrkung nach von jener Kraft in den Pflanzen gar nicht un- terschieden ist, und die ich daher auch mit demsel- ben Nahmen der wesentlichen Kraft in meiner Dis- sertation benennt habe. §. 35. Jn Ansehung der Haͤute der groͤs- Wie die Häute der Gefäße entstehen. seren Gefaͤße habe ich folgende Beo- bachtung gemacht. Eine merkliche Zeit nachhero, nachdem das Blut schon frey und schnell durch die vorher schon formirte Wege und Hoͤlen gefloßen ist, alsdann erst und nicht eher fangen die Haͤute an formirt zu werden, und das geschiehet auf diese Art; Anstatt daß bishero ein jeder Zwischenraum zwischen zwey z. E. parallel gelegenen Gefaͤßen durchgaͤngig gleich dichte gewe- sen ist, und einen gleichen Grad der Undurchsich- tigkeit gehabt hat; so fangen diese Zwischenraͤume der Gefaͤße nunmehro an, in der Mitte, als dem- jenigen Ort, wo sie von beyden Gefaͤßen gleich weit, und von beyden am weitesten entfernt| sind, ein wenig durchsichtiger, nahe aber bey den Hoͤlen zugleich ein wenig undurchsichtiger und dichter zu werden. Diese Veraͤnderung nimmt allmaͤhlig zu, so, daß die Verschiedenheit der Dichtigkeit der Substanz, die den Zwischenraum der Gefaͤße aus- macht, an diesen Oertern allmaͤhlig immer merkli- L 5 cher 3. Kap. Von der Entstehungsart cher wird, und immer mehr in die Augen faͤllt; alsdann ist diese Substanz um desto dichter, je naͤ- her sie der Hoͤle kommt, und um desto loser und durchsichtiger, je weiter sie von der Hoͤle entfernt ist; und dieses ist nach dem Begriffe, den ich §. 30. von den Haͤuten der Gefaͤße gegeben habe, nunmehro schon die Haut des Gefaͤßes selbst; der- jenige Theil nemlich der Substanz, die den Zwi- schenraum ausmacht, welcher am dichtesten ist, wird nach der in der Anatomie eingefuͤhrten Ge- wohnheit die Haut des Gefaͤßes genennt. Der Herr von Haller pflegt ein zellenfoͤrmiges Gewe- be, welches dichter und fester ist, als das Gewoͤhn- liche, cellulosa stipata zu nennen; die aͤußere Haut ist also ein solches dichteres zellenfoͤrmiges Gewebe, und die sogenannte Haͤute der Gefaͤße sind ebenfalls nichts anders als ein Dichterwerden dieser Sub- stanz, oder es besteht darin, daß diese Substanz mehr bey den Hoͤlen allmaͤhlig dichter wird. §. 36. Das Verhält- niß der Häute zu den Oeff- nungen bey den Arterien läst sich hier- aus erklären. Je weiter dieses allmaͤhlige Dich- terwerden der Substanz naͤhe bey den Hoͤlen von statten geht, um destomehr breitet sich der helle und durchsichtige Flecken, der sich mitten in dem Zwi- schenraum zwischen zwey Gefaͤßen be- findet, aus, und die dichtere Substanz bey den Hoͤlen wird folglich um desto schmaͤler; so daß end- lich der dichtere Theil des Zwischenraumes durch- sichtig wird, und der kleinste Theil desselben nahe an der Gefaͤße ꝛc. an den Hoͤlen nur undurchsichtig uͤbrig bleibt; al- lein je schmaͤhler dieser undurchsichtige Theil wird, um destomehr nimmt er zugleich in dem Grade seiner Dichtigkeit und Undurchsichtigkeit zu; und hierdurch erhaͤlt endlich der dichtere Theil der Sub- stanz, der nahe bey den Hoͤlen sich befindet, eini- germaaßen das Ansehen, als wenn er zum Ge- faͤße gehoͤrte, und eine Haut desselben ausmachte. Hieraus versteht man nunmehro, wie es zugeht, daß die Arterien, je aͤlter und groͤßer sie werden, nach Verhaͤltniß ihrer Oeffnungen ( Luminum ) immer duͤnnere, zugleich aber auch dichtere und festere Haͤute bekommen. Wenn in des Herren von Hallers Elementis Physiologiæ nach Win- tringhams Versuchen den kleinern Aesten eine groͤßere Staͤrke ( robur ) zugeschrieben wird; so hat Wintringham hierbey einen Jrrthum began- gen. Er vermischt die Zaͤhigkeit ( Tenacitas ) der Haͤute mit der Staͤrke; diese ist die Kraft wo- mit sie der Ausdehnung widerstehn, jene ist das Vermoͤgen vermittelst welchem sie durch ihr Nach- geben dem Zerreißen widerstehn; wenn daher die kleinere Aeste, und wenn auch so gar die Venen daher eine groͤßere angewendete Kraft leiden, ehe sie zerreißen, so folgt daraus wohl, daß sie zaͤher sind und nachgeben, nicht aber, wie Wintring- ham sagt, daß sie eine groͤßere Staͤrke haben. Durch dergleichen unbestimmte Begriffe werden lauter verdrießliche Verwirrungen und Jrrthuͤmer in die Wissenschaften eingefuͤhrt, die hernach zu mehreren Jrrthuͤmern oder Schwierigkeiten wenig- stens 3. Kap. Von der Entstehungsart stens Anlaß geben. Eben so ist es wiederum falsch, wenn Wintringham den kleineren Aesten duͤn- nere Haͤute zuschreibt. Loser und weicher sind ih- re Haͤute wohl, aber nicht duͤnner nach dem Ver- haͤltniß der Oeffnung. Er wird, besonders wenn er seine Versuche an injicirten Gefaͤßen gemacht hat, so viel weggeschnitten haben, als ihm billig geschienen, und was ihm billig geschienen hat, ist vielleicht nicht billig gewesen. §. 37. Wenn ehr die Häute der Gefäße ent- stehn und wie man die Zeit mit Gewiß- heit sagen kann. Man sieht aus dieser Beobach- tung (§. 35.), wenn ehr die Haͤute der Gefaͤße zu existiren anfangen. Weit gefehlt, daß sie alsdann schon da seyn sollten, wenn man durch das Vergroͤßrungsglaß noch keine Spuhr von Gefaͤßen wahrnimmt, wie z. E. in der Observation, die ich in der vorigen Ab- handlung aus meiner Dissertation citirt habe ( fig. 1.) oder auch alsdann, wenn man den An- fang zur Formation der Gefaͤße in der area zwar schon erkennt, die Wege aber noch nicht vollkom- men sind wie fig. 4.; so sind sie alsdann noch nicht einmahl da, wenn diese Wege ganz voll- kommen sind, wenn das Blut durch sie bewegt wird, und wenn man sie mit bloßen Augen sieht, wie in der area fig. 7. b. die in der 8ten und 10ten fig. unter dem Mikroseop vorgestellt ist; denn man sieht in diesen Figuren, daß die Zwischenraͤume der Gefaͤße noch durchgaͤngig gleich dichte sind, und der Gefaͤße ꝛc. und allenthalben einen gleichen Grad der Undurch- sichtigkeit haben, zur Entstehung der Gefaͤße aber wird erfordert, daß die Substanz in den Zwi- schenraͤumen ihre Dichtigkeit veraͤndern muß (§. 35.). Allein woraus haben Sie jetzo ge- schloßen, daß die Gefaͤße im Anfange noch keine Haͤute haben? daraus, weil Sie dieselben im Anfange nicht sehen? Keinesweges, sondern daraus, weil Sie dieselben einige Tage nachhero erst haben allmaͤhlig werden sehn, und die Art und Weise gesehn haben, wie sie geworden sind. §. 38 Die Art, wie diese Veraͤnde- Was es mit dem Dicht- werden der Substanz für eine Bewand- niß hat. rung in Ansehung der Dichtigkeit mit der Substanz in den Zwischenraͤumen der Gefaͤße zuwege gebracht wird, will ich nicht weiter erklaͤren, sondern sie nur auf andere Erscheinungen zuruͤck- bringen. Die Entstehungsart der Fluͤgel und Fuͤße, wie Sie im folgenden Kapittel sehn wer- den, hat dieses mit dem gegenwaͤrtigen Phaͤno- meno gemein, daß sich im Anfange in der Mitte des Ruͤckgrads auf beyden Seiten die Substanz, woraus die Fluͤgel und Fuͤße formirt werden sollen, eben so haͤufig anlegt als an denen Orten, wo die- se Theile eigentlich entstehen sollen, in der Folge aber allmaͤhlig sich wiederum wegzieht und end- lich gar verschwindet, da indessen diese Substanz an denen ihr eigentlich bestimmten Orten um so viel staͤrker anwaͤchst und dichter wird. Mehrere aͤhn- 3. Kap. Von der Entstehungsart aͤhnliche Exempel finden sie in meiner Dissertation (§. 228. Schol. ) wo ich auch die Ursachen die- ser Erscheinungen zu entdecken gesucht habe. §. 39. Die Ramifi- cation der Ge- fäße ist an sich nothwendig. Allein warum sind die Gefaͤße bey den Thieren ramificirt, warum entstehen immer ihrer Viele aus einem gemeinschaftlichen Stamme nnd alle endlich aus einer allgemeinen Quelle, dem Her- zen, da es doch bey den Pflanzen nicht so war? Wenn Sie so fragen, so ist die Antwort nicht eben schwer, wenn Sie aber fragen, warum ha- ben die Gefaͤße der Pflanzen keine Ramification; so werde ich mehr Schwierigkeit finden, Jhnen meine Begriffe zu entwickeln. Jch sage also so- gleich, die Ramification ist, wenn uͤberhaupt Ge- faͤße formirt werden sollen, an sich nothwendig, und Gefaͤße, wenn sie formirt werden, werden allemahl ramificirt werden, dafern nicht eine be- sondere Ursache hinzukommt, die solches verhin- dert. Dieses will ich Jhnen zuvor erklaͤren; her- nach werde ich die Ursache zu entwickeln suchen, warum sie in den Pflanzen nicht statt findet. Es sey also ein junger nicht lange erst entstandener Theil; in ihm seyn eine gewisse Anzahl kuͤrzlich erst entstandener Gefaͤße, Hoͤlen also, oder bloße We- ge, die noch keine Haͤute haben, und die Zwi- schenraͤume zwischen diesen Gefaͤßen, oder die Substanz, die diese Zwischenraͤume ausmacht, verhalte sich noch so, daß sie ohne alle Gefaͤße ist, daß der Gefaͤße ꝛc. daß ihre Nutrition durch das gleichmaͤßige Ein- dringen der Saͤfte geschiehet, wie wir schon ge- sehn haben, daß ein solches Eindringen in eine Substanz ohne Gefaͤße statt finden kann (§. 29. 26. 34.); so werden also diese Saͤfte durch die Seitenwaͤnde der Hoͤlen, die schon der Anfang der Substanz der Zwischenraͤume sind, so durch- sehwitzen, oder durchdringen, wie sie durch den uͤbrigen Theil der Substanz weiter penetriren, und dieses Durchdringen durch die Waͤnde der Hoͤlen, wie ich es nenne, ist eigentlich selbst schon nichts anders, als eben das Eindringen in die Sub- stanz der Zwischenraͤume; ich sage aber die Saͤfte wuͤssen aus den Hoͤlen kommen, denn es gibtkei- nen andern Weg von der Quelle der Saͤfte zu die- ser Substanz, als der, welcher vermittelst der schon producirten Hoͤlen statt findet. Nunmehro setzen Sie also, die Substanz der Zwischenraͤume soll wachsen, sie soll, damit der ganze Theil groͤs- ser wird, auch ihrerseits groͤßer werden; so wer- den nunmehro mehr Saͤfte zu ihrer Nutrition er- fordert werden, und in sie eindringen muͤssen; folglich werden die Hoͤlen in einer bestimmten Zeit so viel mehr Saͤfte hindurch lassen muͤssen, als die Substanz des Zwischenraumes groͤßer geworden ist; die Hoͤlen werden also in ihrem Umfange um so viel erweitert, oder von den haͤufiger durchdrin- genden Saͤften ausgedehnt werden. Aber nun- mehro muͤssen auch ferner in den groͤßergeworde- nen Zwischenraume neue Gefaͤße formirt werden, oder setzen sie hypothetisch sie sollen formirt wer- den; 3. Kap. Von der Entstehungsart den; so geschiehet dieses nach dem Begriffe von der Formation der Gefaͤße (§. 33.) durch die in sie eindringende und haͤufiger eindringende Saͤfte; diese Saͤfte aber kommen aus den vorigen Hoͤlen, die nun schon groͤßer geworden sind, folglich muͤs- sen die neue entstehende Hoͤlen, Aeste ( rami ) von den Vorigen werden. Auf diese Art wird es sich mit einem jeden neuen formirten Gefaͤße verhal- ten; indem es formirt wird, wird es immer als ein Ramus von einem vorhergehenden, welches zugleich groͤßer wird, formirt werden, und alle Gefaͤße werden also als ein einziges auf diese Art zusammenhengendes System erzeugt werden. §. 40. Die Ursache, die sie in den Pflanzen ver- hindert, liegt in der Sub- stanz dersel- ben. Nun aber warum geschiehet dieses nicht auch bey den Pflanzen? Jch sage kurz, die Materie, woraus Pflanzen erzeugt werden, diese Pflan- zensubstanz, die von der thierischen Substanz sehr verschieden ist, ist die Ursache, die solches verhindert. Die Erfahrung lehrt es, daß ein Theil, so wohl bey Thieren als Pflanzen, nachdem er producirt ist, weiter nutrirt wird, und also die Nahrungssaͤfte in seine Substanz aufnimmt; hoͤrt dieses auf zu geschehn, so trocknet der Theil zusammen, und stirbt ab, wie wir an den Blaͤttern der Baͤume im Herbst sehen; geschiehet es in einem gewissen Grade, so bleibt der Theil wie er ist; dieses findet bey frischen Blaͤttern der Pflanze, wenn sie er- wach- der Gefaͤße ꝛc. wachsen sind, statt; geschiehet es in einem weit hoͤhern Grade, so nimmt der Theil in seiner Groͤße zu, wie wir an allen jungen Theilen der Pflanzen und Thiere sehen. Die Erfahrung lehrt ferner, daß dieses Aufnehmen der Saͤfte um so viel staͤr- ker geschiehet, je juͤnger der Theil ist, und daß es allmaͤhlig abnimmt, je aͤlter er wird. Jn der Physiologie ist dieses mehr als zu bekannt, und auch im gemeinen Leben. Allein das Merkmal, woran wir dieses allmaͤhlig abnehmende Eindrin- gen der Saͤfte in einem Theile, je aͤlter dieser wird, erkennen, ist nicht nur das geringere Wachsthum des Theiles, indem ein Theil immer weniger in seiner Groͤße zunimmt je aͤlter er wird; sondern wir erkennen eben dieses auch daran, daß er, je aͤlter er wird, immer solider und haͤrter wird. Jm Anfange ist er halb fluͤßig, wie Sie im folgenden Kapitel sehn werden, hernach wird er zaͤhe, als- dann wird er ordentlich solide, endlich wird er steif und zerbrechlich. Hier sind also drey Dinge mit einander verbunden, das allmaͤhlig abnehmende Eindringen der Saͤfte in den Theil, der dadurch nutrirt wird, das abnehmende Wachsthum die- ses Theils, und das Hartwerden (die Solidescenz) eben desselben. Es fraͤgt sich, wie sind diese mit einander verbunden, welches ist die Ursache und welche sind die Wuͤrkungen, oder dependiren alle drey Erscheinungen von einer vierten Ursache? Jn meiner Dissertation §. 26. habe ich das Hartwerden fuͤr die Ursache, und das aufhoͤrende Eindringen der Saͤfte fuͤr eine Folge davon, das M aufhoͤ- 3. Kap. Von der Entstehungsart aufhoͤrende Wachsthum aber wiederum fuͤr eine Folge von diesem gehalten. Jch habe das Hart- werden als eine Eigenschaft der Pflanzenmaterie angesehen, und sie fuͤr eine Wuͤrkung von dem Ausduͤnsten gehalten, allein ich denke jetzo anders von dieser Sache. Das Ausduͤnsten hat keinen Einfluß hierin. Es mag sich aber verhalten wie es will; so ist wenigstens die Observation richtig, und wir koͤnnen sie als ein Gesetz ansehen. §. 41. Die Sub- stanz der Pflanzen wird zu zeitig hart, und zur Nu- trition un- tüchtig. Die zwote Observation ist diese: Bey den Pflanzen gehen diese drey Veraͤnderungen viel schleuniger vor sich, als bey den Thieren. Jn Zeit von einem Jahre werden alle Theile einer Pflanze holzartig, und die wei- che Theile, die man an einem Baume sieht, sind Produkte desselben Jahres. Ein Blatt wird in etlichen Wochen, oder in einem Mona- the, zur Vollkommenheit gebracht, und alsdann sind nicht nur schon Holzfasern darin, sondern es waͤchset auch gar nicht weiter; es bleibt wie es ist, und es dringen also nicht mehrere Nahrungssaͤfte hinein, als erfordert werden, dasjenige zu ersetzen, was durch die Ausduͤnstung weggeht. Bey den Menschen wird hierzu eine Zeit von 30 Jahren erfordert, und ein Fetus ist zu der Zeit, wenn ein Blatt schon sein vollkommnes Wachsthum er- reicht hat, noch eine Gallerte, so wie er bey sei- nem ersten Ursprunge gewesen ist. Wenn ein Blatt der Gefaͤße ꝛc. Blatt ein halbes Jahr alt ist, so dringen alsdann in ihm gar keine Saͤfte mehr ein; das Blatt trock- net zusammen, stirbt, und faͤllt ab. Zu diesem Zustande kommt ein Thier niemals; der Mensch wird im 80sten 90sten Jahre wohl kleiner, allein er verliert die Kraft, Saͤfte aufzunehmen, nie- mals ganz und gar; und, welches wohl zu bemer- ken, eben so, wie es dem Blatte geht, wuͤrde es sich mit der ganzen Pflanze verhalten, wenn nicht bestaͤndig neue junge Theile wieder in ihr herfuͤr gebracht wuͤrden; der Stamm eines Baumes be- kommt alle Jahr neue Gefaͤße, der Baum neue Blaͤtter, Bluͤte und Fruͤchte, und man muß ei- gentlich sagen, daß in einer so genannten peren- nirenden Pflanze alle Jahr wiederum eine andere Pflanze vegetirt. Am allerdeutlichsten sieht man diese Sache bey den Gefaͤßen, die, weil sie nicht aus andern Theilen zusammen gesetzt sind, uns nicht dadurch betruͤgen koͤnnen, daß an statt der vorigen Theile, woraus das Gefaͤß bestuͤnde, mit der Zeit andere, und zwar mehrere derselben, zum Vorschein kaͤmen. Die Gefaͤße werden also bey den Pflanzen niemals so groß, daß sie nur mit bloßen Augen gesehen werden koͤnnten. Bey den Thieren hingegen werden dieselben zur Dicke eines Daumes und weiter ausgedehnet. §. 42. Und hieraus wird sich unser Pro- Vollstaͤndi- ge Erklaͤrung, warum die blema aufloͤsen lassen. Eben diese Gefaͤße, die sich nur zu eine so geringe M 2 Weite 3. Kap. Von der Entstehungsart Gefaͤße der Pflanzen nicht rami- ficirt sind. Weite ausdehnen lassen, alsdann aber nicht weiter nutrirt werden, und nicht groͤßer wachsen koͤnnen, koͤnnen eben deswegen auch nicht ramificirt werden. Es sey ein Blatt, worinn sich noch kei- ne Gefaͤße befinden; im Stiele desselben aber sind die Gefaͤße, die dem Blatte die Nahrungssaͤfte geben, welche sich durch seine Substanz gleich- maͤßig ausbreiten, in einer gewißen Anzahl. Nunmehro soll das Blatt wachsen, und folglich mehrere Saͤfte noͤthig haben; es wuͤrden also, wenn die Substanz des Blattes und des Stieles eine thierische Substanz waͤre, in dem Blatte neue Gefaͤße entstehen, deren Weite oder Oeffnung zu- sammen genommen, weiter waͤren, als vorhin die Oeffnung der Gefaͤße im Stiele gewesen sind, weil jetzo mehr Saͤfte in die Substanz des Blat- tes gefuͤhrt werden sollen; sie wuͤrden ferner alle aus den alten Gefaͤßen des Stieles entstehn; al- lein diese wuͤrden deswegen nun auch um so viel weiter geworden seyn, so viel das Blatt mehr Saͤf- te haben muß. Da aber diese alte Gefaͤße des Stiels nicht erweitert werden koͤnnen, und das Blatt doch mehr Saͤfte erfordert, so muͤssen noth- wendig zwischen den alten Gefaͤßen des Stieles neue Gefaͤße entstehen, die denjenigen Theil der Saͤfte hinzu setzen, der im Blatte noch erfordert wird; und folglich werden also von denen Gefaͤs- sen, die im Blatte formirt werden sollen, so viele aus den alten Gefaͤßen des Stieles entstehen, als alte Gefaͤße im Stiele vorhanden gewesen sind, die der Gefaͤße ꝛc. die uͤbrigen werden aus denen eben so viel neu im Stiel producirten Gefaͤßen ihren Ursprung neh- men. Das heißt aber nur die Gefaͤße des Stiels werden als eben so viel, und nicht mehrere Ge- faͤße, durch das Blatt continuiren, nicht aber sich in mehrere Gefaͤße ausbreiten. Sie sehen leicht, wenn ich alles kurz zusammen ziehe, so laͤuft die ganze Sache hierauf zuruͤck. Wenn ein Gefaͤß formirt, und zwar so formirt werden soll, daß es als ein Ast aus einem aͤlteren entstehe: so muß dis aͤltere diejenige Saͤfte geben, die im Anfange zur Formation des neuen Gefaͤßes erfordert wer- den, in der Folge aber fortfahren, durch eben das- selbe durchzuziehen. Hierzu wird nothwendig er- fordert, daß das aͤltere Gefaͤß in seinem Umfange oder in der Weite seiner Hoͤle so viel zunehme, daß es zu einer gewißen Zeit um so viel mehr Saͤf- te durch sich hindurch lasse, als es vorhin hat durchlassen koͤnnen, so viel das neue Gefaͤß erfor- dert; kann dieses aber nicht geschehen; laͤßt sich das aͤltere Gefaͤß nicht erweitern, und kann es nicht im Stande gesetzt werden, diejenige mehre- re Saͤfte zu fuͤhren, die zur Formation des neuen erfordert werden; so wird dieses, wenn es den- noch entstehen soll, seine Saͤfte, wodurch es for- mirt wird, nicht aus dem aͤlteren Gefaͤße, son- dern unmittelbar aus derselben Quelle herholen, aus welcher das alte Gefaͤß die seinige schoͤpfet, und auf diese Art wird also ein Gefaͤß entste- hen, welches nicht ein Ast des vorigen, sondern ein ganz verschiedenes, dem vorigen parallel gele- M 2 genes 3. Kap. Von der Entstehungsart genes Gefaͤß ist; und so verhaͤlt sich die Sache in den Pflanzen. §. 43. Warum die Thiere ein Herz haben, die Pflanzen aber nicht. Definition des Herzens. Allein hierin liegt nunmehro auch ferner der Grund dieses wichtigen Un- terschiedes zwischen den Pflanzen und den Thieren, daß diese ein Herz jene aber keines haben. Sie werden die Ursache aus dem vorigen bald einse- hen, wenn ich Jhnen nur erst einen Begriff von einem Herzen gemacht habe. Die Figur traͤgt nichts zum Wesen des Herzens bey, das sehen Sie wohl; diese mag kegelfoͤrmig, rund, oder walzenfoͤrmig seyn, wie wir wuͤrklich diese verschiedene Figuren bey verschiedenen Thieren se- hen, es kann immer ein Herz seyn. Die Farbe thut noch weniger; kurz, es kommt darauf an: es muß ein Gefaͤß seyn, aus welchem alle Arterien des Koͤrpers entspringen, und in welches alle Venen desselben zusammen fließen; es muß also der allge- meine Stamm aller Gefaͤße des Koͤrpers seyn. Wenn ein solches Gefaͤß in einem organischen Koͤr- pers existirt, so hat derselbe ein Herz; widrigen- falls hat er keines. Dieses ist aber nicht nur philoso- phisch, sondern auch physisch betrachtet, wahr. Das Herz der Jnseckten ist nicht wie bey vierfuͤßi- gen Thieren und Voͤgeln kegelfoͤrmig, und mit zwo Kammern versehen, sondern es ist ein einfacher Kanal, und selbst das Herz im Embryo der Voͤ- gel und vierfuͤßigen ist ein bloßer einfacher ge- kruͤmmter Kanal. §. 44. der Gefaͤße ꝛc. §. 44. Nunmehro werden Sie die Ur- Erklaͤrung der Ursache. sache bald einsehen, warum die Thiere nothwendig ein Herz bekommen muͤs- sen, und die Pflanzen hingegen keines bekommen koͤnnen. Wenn in Thieren Gefaͤße formirt wer- den sollen, so muͤssen sie nothwendig als Aeste an- derer vorhergehenden Gefaͤße formirt werden; die nemlich die zur Formation der neuen Gefaͤße noͤ- thige Saͤfte hergeben, wie wir §. 39. gesehn ha- ben, und anders koͤnnen sie nicht formirt werden. Das ist nun schon genung. Setzen Sie, daß ei- ne Anzahl von Gefaͤßen in einem Theile z. E. im Gekroͤse formirt wird, so werden diese alle Aeste eines Stammes seyn; allein, werden Sie sagen, in andern Theilen, z. E. in den Nieren entstehen ebenfalls dergleichen Gefaͤße, die nunmehro wieder ihre besondere Staͤmme haben. Das ist richtig; allein diese Staͤmme sind wieder Gefaͤße, sie muͤssen wieder formirt werden, und dieses kann wiederum nicht anders geschehen, als daß sie als Aeste eines vorhergehenden Gefaͤßes formirt wer- den. Sie sehen wohl, dieses geht bestaͤndig so fort, und wenn wir zuletzt noch zwey Gefaͤße uͤbrig be- halten, so sind diese wiederum aus einem andern als Aeste entstanden; Zuletzt muͤssen wir also noth- wendig auf einem einzigen Gefaͤße kommen, und dieses ist also nach dem Begriffe im vorhergehen- den §. ein Herz. §. 45. Hieran ist also kein Zweifel. Fernere Er- klärung der- selben. Aber, werden Sie sagen, dieses Herz, M 4 die- 3. Kap. Von der Entstehungsart dieses erste Gefaͤß muß auch formirt wer- den, und wenn die Wahrheit, daß Gefaͤße in Thieren, wenn sie formirt werden, nothwendig als Aeste anderer Gefaͤße formirt werden muͤssen, allgemein richtig ist; so muß dieses auch vom Her- zen gelten. Wo werden wir also einmahl ein En- de finden, und wo ist dieses Gefaͤß, welches aͤl- ter ist als das Herz, und von welchem das Herz als ein Ast anzusehen ist? Eigentlich muͤste ich Jh- nen hierauf antworten, darum haben Sie sich nichts zu bekuͤmmern; genug, daß in den Thieren ein Gefaͤß nothwendig ein Herz werden muß, daß ein Gefaͤß in ihnen entstehen muß, welches den we- sentlichen Eigenschaften nach ein Herz ist. Ob dieses Gefaͤß nun nach Art der uͤbrigen ebenfalls wiederum so formirt wird, daß es zugleich aus ei- nem andern hergeleitet wird, oder ob es in diesem Stuͤcke bey seiner Formation etwas besonderes hat, oder ob es endlich auf eine ganz andere Art formirt wird, das ist wiederum eine andere Frage, die von jener, warum die Thiere ein Herz haben, ver- schieden ist. Jn der That aber werden auch, um diese Historie vollkommen zu verstehn, Sachen erfordert, die erst in der Folge abgehandelt werden koͤnnen. Jndessen will ich die Sache erklaͤren, wie sie sich verhaͤlt; Sie moͤgen so viel davon ver- stehn als Sie wollen. Das Herz entsteht also auf dieselbe Art, wie die uͤbrige Gefaͤße, es hat auch bey seiner Formation in keinem Stuͤcke |etwas be- sonders; nur geht, nachdem die erste Anlage zu diesem Gefaͤße gemacht ist, eine Veraͤnderung mit ihm der Gefaͤße ꝛc. ihm vor, die mit den uͤbrigen nicht vorgeht. Das Herz entsteht also ebenfalls durch das Durchdrin- gen der Saͤfte durch eine Substanz, die vorhin schon da war, und die bis dahin noch keine Hoͤle gehabt hat; (diese Substanz ist das zellenfoͤrmige Gewebe, das in der Folge die Haut des Herzens macht und welches ein Theil der Substanz des Ruͤckgrades ist.) Es entsteht auch ferner als ein Ast eines andern Gefaͤßes, und dieses Gefaͤß gehoͤrt zum Koͤrper der Mutter des Embryo, nicht zum Embryo selbst. Allein so bald nunmehro nach ge- schehener Producktion des Herzens weiter mehrere Gefaͤße producirt zu werden anfangen (die Caro- tides, subclaviæ ) die als Aeste folglich aus dem Herzen oder dessen Verlaͤngerung (dem Bulbo aortæ ) entstehen; so geht nunmehro mit dem Herzen eine Veraͤnderung vor; es faͤngt an, seine Saͤfte, die es bishero aus dem alten Gefaͤße der Mutter ge- nommen hatte, nunmehro aus der Substanz des Eyes an sich zu ziehen. Hieraus entstehen die er- sten Staͤmme der Venen; zugleich aber loͤset sich eben dadurch die Substanz, in welcher die Hoͤle des Herzens formirt worden ist, von dem Theile der Mutter, worinsich das alte Gefaͤß, der Stamm des Herzens, befindet, und folglich auch das Herz von diesem Gefaͤße ab; denn es wird zu einer sol- chen Abloͤsung eines Theiles von einem andern wei- ter nichts erfordert, als daß die Saͤfte, die aus dem einen Theil in dem andern uͤbergehen, abge- schnitten und dem Theile, welcher abgeloͤset werden soll, neue Quellen von Saͤften angewiesen werden. M 5 Tau- 3. Kap. Von der Entstehungsart Tausend Exempel von dergleichen Abloͤsungen fin- den bey den Pflanzen und bey den Thieren statt; die merkwuͤrdigsten habe ich in der Dissertation in der Anmerkung zum 228. §. angefuͤhrt und die Wichtigkeit dieser Veraͤnderungen in Ansehung ihrer Folgen, die sie haben, zugleich gezeigt. Al- so anstatt, daß das Herz bishero eine Verlaͤnge- rung oder ein Ast des Gefaͤßes der Mutter gewe- sen ist, so hoͤrt es nun auf, einer zu seyn, und an- statt, daß es bis hieher seine Saͤfte aus diesem Ge- faͤße genommen hatte, so nimmt es dieselben jetzo aus denen Venen, die so, wie die Arterien auf der einen Seite, immer zu gleicher Zeit mit ihnen formirt werden, und wird dadurch, was sonst kein Gefaͤß wird, eine einzige und unabhaͤngige Quel- le aller Arterien, und der Zusammenfluß aller Venen. 4. Kap . Von der Entstehungsart der vor sich selbst bestehenden, und der aus andern zusammengesetzten Theilen. §. 46. Was erfor- dert wird um die Entste- hungsart die- ser Theile zu entdecken. W eil die Entstehungsart der bey- den letztern Gattungen von Theilen, der vor sich selbst bestehen- den und derjenigen, die zwar wie je- ne aus andern zusammengesetzt, dabey aber zugleich noch Theile anderer Thei- le der vor sich selbst bestehenden, ꝛc. le sind, nicht sehr verschieden ist; so will ich in diesem Abschnitt von beyden zugleich handeln. Nachdem ich die zwo verschiedene, zur voll- kommnen Formation eines solchen Theils erfor- derte Wuͤrkungen der Natur, (da nemlich zuerst der Theil selbst, aber ohne einige innere organi- sche Strucktur hervorgebracht, und hernach erst in ihm die Gefaͤße formirt werden) von einander unterschieden, und diese letztere Wuͤrkung in den beyden vorhergehenden Kapiteln schon erklaͤrt ha- be; so wird uns die nun noch uͤbrige Hervorbrin- gung des unorganischen Theils selbst zu erklaͤren wenig Schwierigkeiten verursachen koͤnnen. Die Kunst besteht nur einzig und allein darinn, daß man die beyden ganz verschiedene und auch zu verschiedenen Zeiten ausgefuͤhrte Wuͤrkungen wohl von einander unterscheidet, und eine jede beson- ders zu erklaͤren vornimmt. Es wird alsdann nichts weiter erfordert, als daß wir uns einzig und allein bey der Erfahrung halten, daß wir das glauben, was wir sehn, und es fuͤr dasjenige halten was es ist, nicht aber aus Vorurtheilen etwas erdichten was nicht da ist, und was wir auf keine Weise wahrnehmen, oder durch irgend eine Kunst entdecken koͤnnen. §. 47. Der Saamen der Bohne und Beobachtung die dazu füh- ret. die Saamenkapsel dieser Pflanze sind solche Theile, die vor sich selbst be- stehen, und zugleich diejenigen, wo- bey 4. Kap. Von der Eintstehungsart bey sich die Entstehungsart derselben am deutlich- sten sehen laͤst. Jch habe mich eben dieser Theile schon in dem vorhergehenden zur Erklaͤrung der Gefaͤße und der Blaͤschen bedient, und daher die ganze Beobachtung schon eben daselbst beschrie- ben. Jch wiederhole also aus derselben jetzo nur dieses, daß die Saamenkapsel sowohl als der Saa- men in ihren ersten Anfaͤngen sich unter der Ge- stalt kleiner runder Tropfen zeigen, die aus einer halbfluͤßigen klebrichten und durchsichtigen Ma- terie bestehen, welche sich wie alle klebrichte halb- fluͤßige Materien thun, in ordentliche Faden auseinander ziehen lassen. Kein einziger voll- kommner organischer Theil einer Pflanze hat diese Eigenschaft; man nehme welchen man wolle, so wird sich ein jeder zerbrechen oder zerdruͤcken las- sen, und wird elastisch seyn. Dieses Auseinan- derziehen aber ist die Eigenschaft der vegetabili- schen und animalischen Saͤfte, die noch nicht in einen vollkommnen organischen Theil uͤbergegan- gen sind. Nun sage ich also, man soll diese aus einem etwas zaͤhen und klebrichten Safte be- stehende Tropfen auch fuͤr weiter nichts als fuͤr sol- che Tropfen halten; so wird wegen der Entste- hungsart dieser Theile kein Zweifel mehr uͤbrig seyn. §. 48. Erklärung der Entste- hungsart die- ser Theile Es ist bey den Pflanzen so wohl als bey den Thieren etwas sehr gemei- nes, daß Saͤfte, die in den Gefaͤs- sen, oder in den Zellen derselben ent- hal- der vor sich selbst bestehenden, ꝛc. halten gewesen sind, nunmehro aus durch eine Ex- cretion. demselben, oder so gar aus dem Koͤr- per der Pflanze oder des Thieres herausgetrieben werden. Jch will bey den Thieren nur die Milch und das semen virile und bey den Pflanzen wie- derum den Blumenstaub und die klebrigte Mate- rie, mit welcher bey einigen Pflanzen die jungen Blaͤtter in dem Auge uͤberzogen zu seyn pflegen, zum Exempel anfuͤhren. Man nennt diese Wuͤrkungen der Natur in den Pflanzen und Thieren Absonderungen, Excre- tionen. Jch |sage also, dieser etwas zaͤhe Saft, woraus jene kleine Tropfen, als die ersten Anfaͤn- ge des Saamens und der Saamenkapsel, beste- hen, ist ebenfalls weiter nichts, als ein solcher Saft, der vorher in den Gefaͤßen der Pflanze und in den Blaͤschen oder in der Substanz, (wie diese uͤbrigens auch organisirt, oder gar nicht organi- sirt gewesen seyn mag,) desjenigen Theils, an welchem der Tropfen fest hengt, enthalten gewe- sen, und hernach durch eine Art der Absonderung oder Excretion aus ihn herausgetrieben wor- den ist. Daß er ein wahrer Saft sey, lehrt die Er- fahrung, und daß er in der Pflanze vorher ent- halten gewesen, und unmittelbar aus dem Theil, woran der Tropfen festhaͤngt, herausgetrieben worden sey, daran wird niemand zweifeln. Jch sehe also nicht ein, warum es noͤthig waͤre, diese Ent- 4. Kap. Von der Entstehungsart Entstehungsart der vor sich selbst bestehenden Theile noch auf eine andere Art weiter zu beweisen. §. 49. Einige be- sondere Fälle bey dieser Ent- stehungsart, wovon ver- schiedene Fi- guren der for- mirten Theile dependiren. Es ist aber nicht nothwendig, daß der ausgetriebene Saft allemahl zuerst in der Gestalt eines Tropfens erscheine. Dieses wird geschehen, wenn der Absonderungsort ein Punkt ist. Er wird aber unter der Gestalt eines Huͤgels, oder einer halben Ku- gel, zum Vorschein kommen, wenn der Absonderungsort eine groͤßere runde Flaͤche einnimmt, und er wird in der Gestalt einer Linie erscheinen, wenn dieser Ort ein scharfer Rand ist. Jn dem ersteren Falle wird daraus ein solider Ku- gel- oder Kegelfoͤrmiger Koͤrper entstehen; und dieses findet bey den Saamen und Saamenbehaͤlt- nissen statt; in dem andern Falle pflegt sich dieser Huͤgel stark in die Laͤnge auszudehnen, und es entsteht ein cylindrischer Koͤrper daraus; dieses findet bey den Aesten der Wurzel statt. Jn dem 3ten Falle muß nothwendig aus der Erhebung dieser Linie ein flacher duͤnner Koͤrper entstehen. Bey den Blaͤttern sind diese Erscheinungen haͤufig. §. 50. Was ferner mit dem neu- en auf diese Art formirten Wenn nun der Saft, entweder in der Gestalt eines kleinen Huͤgels, oder eines Tropfens, oder eines klei- nen Randes, aus einem Theile her- aus- der vor sich selbst bestehenden, ꝛc. ausgetrieben ist; so gehen alsdann Theile vor- geht. dreyerley Veraͤnderungen zugleich mit ihm vor. Vors erste da der Theil, aus welchem der Saft herausgetrieben ist, und zwar an dem- selben Orte, wo er herausgetrieben ist, und in der Gestalt eines Tropfens, oder Randes, oder Huͤ- gels anhaͤngt, nach so wohl, wie vor, fortfahren wird, eben dergleichen Saft noch bestaͤndig aus- zutreiben; so wird durch diesen neu hinzukommen- den und in sie einzudringenden Saft, der Huͤgel, der Rand, die kleine Kugel zu nehmen, sich aus- dehnen, und groͤßer werden. Zugleich aber wird Zweytens der zu allererst ausgetriebene Saft, wel- cher nun der aͤlteste ist, eben durch diese Dauer, oder durch die Laͤnge der Zeit, nach und nach im- mer zaͤher, fester und solider werden. Zum Drit- ten endlich wird auch zu gleicher Zeit eben wieder durch den neu hinzukommenden Saft, der nun schon etwas fest gewordene und in einen Cylinder oder Kegel oder Flaͤche ausgedehnte junge Theil nach seinen inneren Theilen organisirt; indem nemlich durch diesen bestaͤndig zufließenden neuen Saft, auf die in den vorigen Kapiteln beschrie- bene Art, Blaͤschen oder Gefaͤße in ihm formirt werden. Auf diese Art also wird der Theil, wel- cher zuerst nur ein bloßer Saft war, nachhero ein zwar etwas fester, aber doch noch unorganischer Theil wurde, endlich in einen vollkommenen or- ganischen Theil verwandelt, und welches wohl zu merken ist, durch die einzige Wuͤrkung, wodurch die Gefaͤße oder die Blaͤschen formirt werden, werden zu- 4. Kap. Von der Entstehungsart zugleich zwo Absichten erreicht, die erste nemlich, da die Gefaͤße oder die Blaͤschen selbst hervorge- bracht werden, und die zwote, da eben dadurch zugleich der Theil, welcher vorher unorganisch war, organisirt, oder in einen organischen Koͤrper verwandelt wird. §. 51. Entstehungs- art der bloß zusammenge- setzten Theile durch eine De- position. Die Entstehungsart der zwoten Gattung der Theile, die nemlich aus andern zusammengesetzt sind, zugleich aber Theile von andern Theilen sind, ist von der bisher erklaͤrten in weiter nichts unterschieden, als daß der Saft, anstatt daß er bey jenen aus seinem Absonderungs- theil herausgetrieben wurde, hier vielmehr inner- halb desselben an einem bestimmten Orte niederge- legt wird, sich daselbst je mehr und mehr ansammelt, die Substanz des Theils, worin er angelegt wird, von einander treibt, und sich auf solche Art innerhalb desselben Platz macht; und alsdann zugleich, wie die vor sich bestehende Theile, entweder Gefaͤße oder Blaͤschen bekommt. §. 52. Besondare Formation verschiedener vor sich beste- henden Theile. Dieses ist das allgemeine, was bey der Formation aller vor sich beste- henden und zusammen gesetzten Theile vorgeht. Diese sind nun aber auch bey den Pflanzen schon sehr verschie- den. Es giebt also z. E. von vor sich bestehenden Theilen Aeste einer Wurzel, es giebt Blaͤtter, es giebt der vor sich selbst bestehenden ꝛc. giebt Fruͤchte. Darin kommt also die Formation dieser Theile uͤberein, daß sie alle durch die Excre- tion, die Deposition, und durch die Organisation, die in der Formation der Gefaͤße besteht, formirt werden; es muͤssen aber nothwendig außer dem bey einem jeden dieser drey Theile noch besondere Umstaͤnde statt finden, wodurch ein Blatt, z. Ex. ein Blatt, und nicht ein Ast einer Wurzel, wird. Etwas weniges will ich von diesen besondern Um- staͤnden noch anfuͤhren. §. 53. Mit den Wurzeln hat es keine Der Wur- zel. Schwierigkeit. Ein jeder Ast einer Wurzel entsteht durch die Excretion aus einem Vorhergehenden. Man findet nem- lich, wenn ein Ast aus einem vorhergehenden ent- stehen soll, an diesem unter seiner aͤußern Haut ei- nen kleinen Huͤgel, dieser dehnt die aͤußere Haut so lange aus, bis sie endlich berstet, alsdann bricht er, indem er sich allmaͤhlich mehr in die Laͤnge und in die Forme eines Kegels ausdehnt, durch die gemachte Spalte durch. Er bekommt nach und nach seine Gefaͤße, und wird auf diese Art ein neuer Ast der Wurzel. §. 54. Zu den Blaͤttern wird mehr er- Der Blätter; Beschaffen- heit eines Blatts und fordert, denn sie sind mehr aus ver- schiedenen Theilen zusammen gesetzt; sie bestehen aus ihrem Stiele, aus der N Haupt- 4. Kap. Von der Entstehungsart einer einfa- chen Pflanze. Hauptrippe, die der verlaͤngerte Stiel ist, und aus ihren breiten Seitenthei- len, die die Fluͤgel des Blatts pflegen genennt zu werden, und die wiederum aus den Seitenrippen und ihren Zwischenraͤumen zusammen gesetzt sind. Jch muß, ehe ich die Formation der Blaͤtter erklaͤ- ren kann, etwas von der Beschaffenheit einer voll- staͤndigen Pflanze sagen, was nemlich zu einer vollstaͤndigen Pflanze erfordert wird. Eine jede Pflanze, die außer ihrem Hauptstamme noch Zwei- ge hat, die seitwaͤrts aus jenem herfuͤr schießen, sehe ich schon als eine zusammen gesetzte Pflanze an. Zu einer einfachen Pflanze wird weiter nichts erfordert, als ein einfacher Stamm ( caulis ), der seitwaͤrts bloß mit seinen Blaͤttern versehen ist, oben aber in der Spitze seine Fruktifikation, und unten endlich seine Wurzel hat. Also ist ein jeder Zweig einer zusammengesetzten Pflanze eine beson- dere Pflanze; denn an statt der Wurzel hat er we- nigstens Fibern, die in dem vorhergehenden Stamme, aus welchem er entsprossen ist, sich ver- laͤngern. §. 55. Warum Blätter nicht anders, als mit einer zu- gleich produ- cirten voll- ständigen Pflanze her. Runmehro sage ich, ein Blatt kann nicht anders entstehn, als es muß zugleich eine vollstaͤndige einfa- che Pflanze entstehn. Denn ein Blatt ist nur eine Folge von dem er- sten Anfange einer einfachen Pflanze; folglich, wenn dasselbe entstehen soll, so der vor sich selbst bestehenden ꝛc. so muß nothwendig auch alsdann ein für gebracht werden kön- nen. Stamm, es muͤssen mehrere Blaͤtter, und sogar am Ende auch eine Frukti- fication entstehen. Wenn dahero im Fruͤhjahr an den Baͤumen neue Blaͤtter ausschlagen, so ge- schiehet dieses allemal auf keine andere Art, als daß nebst einem Blatte zugleich auch mehrere, und nebst diesen auch zugleich ein Stamm, an welchen alle Blaͤtter befestigt sind, und endlich nebst dem Stamme auch oben in der Spitze desselben eine Fruktification, folglich also eine vollstaͤndige ein- fache Pflanze herfuͤrgebracht wird. Dieses ge- schiehet nemlich allemal an denenjenigen Orten ei- nes Zweiges, wo im vorigen Jahre die Blaͤtter gesessen haben, und der im vorigen Jahre mit sei- nen Blaͤttern eine einfache Pflanze gewesen ist, der aber nunmehro dadurch, daß an statt der im vori- gen Jahre abgefallenen Blaͤtter einfache Pflanzen herfuͤr kommen, eine zusammengesetzte wird. Eine solche einfache Pflanze erscheint bey ihrem Anfan- fange unter der Gestalt eines Auges oder Knospe ( gemma ), die von der Pflanze selbst bloß darin noch unterschieden ist, daß ihr Stamm noch sehr kurz, gleichsam zusammen gezogen, und folglich die Blaͤtter auf solche Art in einander geschoben sind, daß immer die obere von den unteren ein- geschloßen und umgeben werden. Sie sehen also aus dieser Beschaffenheit, warum niemals ein Blatt alleine entstehen kann; es ist der Ef- fekt, nemlich eine excernirte Substanz, von ei- nem Stamme; dieser Stamm aber ist zugleich N 2 eine 4. Kap. Von der Entstehungsart eine Ursache mehrerer Blaͤtter und einer Fruk- tification. §. 56. Entstehungs- art des Blat- tes. Formation der Haupt- rippe, die ein Beweis der Epigenesis ist. Nunmehro kann ich Jhnen mei- ne Observationen sagen, woraus Sie die Art der Formation eines Blattes verstehn werden. An denen Orten, wo die Blaͤtter an einem Zweige fest sitzen, zwischen dem Stiele des Blat- tes und dem Stamme dieses Zweiges, wird ein Saft excernirt, der unter der Gestalt eines durchsichtigen kleinen Huͤgels zum Vorschein kommt. Dieser ist der Anfang des Stammes der neuen einfachen Pflanze, oder des neuen Zweiges, welcher producirt werden soll. Bishero ist also die Formation eines solchen Zweiges von der Formation eines Astes der Wurzel noch nicht unterschieden. Nunmehro aber, an statt daß dieser Huͤgel, wie bey den Wur- zeln, sich erheben, und in die Figur eines cylin- drischen Koͤrpers schlechtweg sich ausdehnen solte, so thut er dieses nicht, sondern er bleibt noch klein und kurz, und excernirt um seinen Gipfel herum neue kleinere Huͤgel. Diese sind die Anfaͤnge der Blaͤtter und zwar nur erst der Haubrippe dersel- ben, die eine Verlaͤngerung des Stieles ist. Die- se Erscheinung ist sehr schoͤn, sie ist wieder, wenn man von Vorurtheilen, nach welchen man wohl oͤfter die Beobachtungen aͤngstlich zu drehen und gleichsam zu verzerren sucht, frey ist, ein offenbah- rer und sehr einfacher und ungekuͤnstelter Beweis von der vor sich selbst bestehenden ꝛc. von der allmaͤhligen Formation der Theile, der einem keinen Gedanken von der Evolution einmal einfallen laͤßt. Diese kleine Huͤgel sind, nachdem sie schon etwas aͤlter oder juͤnger noch sind, mehr oder weniger erhoben. Zu einer gewissen Zeit sind sie bey einigen Pflanzen kegelfoͤrmig, bey an- dern mehr abgeplattet oder zusammen gedruͤckt. Die vollkommen kegelfoͤrmigen sind zur Observa- tion die schoͤnsten; sie sind groß genug, daß sie durch ein maͤßiges Vergroͤßerungsglas vollkom- men deutlich gesehn und auf allen Seiten betrach- tet werden koͤnnen; man kann sie dahero auch sehr gut ohne Spiegel und undurchsichtig betrachten. Man sieht aber alsdann mit aller angewandten Muͤhe weiter nichts an ihm, als einen bloßen klei- nen Kegel, der rings herum mit seiner glatten und allenthalben gleichen Flaͤche, oben aber durch sei- nen Gipfel, terminirt ist. Nun weis man aus der Folge der Observationen gewiß, daß dieser Kegel noch weiter nichts, als der Embryo der Hauptrippe des Blattes ist, und niemals einen Theil der Fluͤgel des Blattes vorstellt, oder zu ei- nem Theil dieser Fluͤgel wird, indem dieselben bald darauf besonders formirt werden, und alsdann zu- erst unter der Gestalt einer Kante an diesem Ke- gel zu beyden Seiten zum Vorschein kommen; folglich sieht man bey dieser Erscheinung offenbar, daß ein Theil nach dem andern formirt wird; daß zu der Zeit, wenn diese Erscheinung statt findet, da man diesen kleinen Kegel groß genug, deutlich genug, und auch ohne Spiegel oder gegenscheinen- N 3 des 4. Kap. Von der Entstehungsart des Licht undurchsichtig betrachten kann, nur noch die bloße Hauptrippe, aber noch keine Fluͤgel des Blattes existiren. Wenn man aber sagen will, diese Kante, als der Anfang der Fluͤgel des Blattes, kann ungeachtet der Groͤße, worin man den Kegel betrachten kann, ungeachtet aller Deut- lichkeit, womit man die Flaͤche des Kegels rings herum glatt und allenthalben gleich siehet, dennoch wohl zu der Zeit, wo man sie nicht sieht, unsicht- bar da seyn, weil man nicht schließen kann, daß das, was man nicht sieht, deswegen nicht da sey; so ist dieses freylich eine Sache, wobey man ge- meiniglich viel zu denken pflegt, was man nicht sagt, und worauf auch derjenige, der Vergnuͤgen am Disputiren findet, nicht eben Lust zu antwor- ten hat. Jch habe indessen aber in der vorherge- henden Abhandlung diese Ausflucht des Herrn Bonnets destruiret. §. 57. Formation der Flügel des Blattes. Entstehung der Seiten- rippen. Wenn auf diese Art dieser kleine Kegel, als der Anfang der Hauptrip- pe, formirt ist, so faͤngt er nunmehro an auf beyden Seiten eine neue Sub- stanz zu excerniren, die zuerst unter der Gestalt einer schmalen, durchsich- tigen, sehr duͤnnen, und sehr von dem dicken Kegel unterschiedenen Kante zum Vorschein kommt; die- se Kante ist der Anfang der Fluͤgel des Blatts. Sie wird allmaͤhlig immer breiter; im Anfange ist sie allenthalben gleich duͤnne und durchsichtig. Allmaͤh- der vor sich selbst bestehenden ꝛc. Allmaͤhlig aber bekoͤmmt sie durchsichtigere und undurchsichtigere Querstreifen, die von dem Ke- gel, (der sich nunmehro schon fuͤr die Haupttrippe erkennen laͤst, da ihn kurz vorher noch kein Mensch davor wuͤrde gehalten oder uͤberhaupt erkennt ha- ben) anfangen, und nach den Rand der Kante auslaufen. Die undurchsichtigere Streifen sind die Anfaͤnge der Seitenrippen, die durchsichtigen aber ihre Zwischenraͤume, wodurch sie von ein- ander unterschieden sind. Sie verstehen leicht, diese Veraͤnderung in der Kante ist durch die De- position einer neuen Substanz innerhalb der alten Substanz, woraus anfaͤnglich die Kante bestund, zu- wege gebracht worden. Sie koͤnnten sich aber hier- inn irren, wie ich mich selbst im Anfange geirrt habe, daß Sie glaubten, daß die undurchsichtige Strei- fen, als die gewisse Anfaͤnge der Seitenrippen, die neue deponirte, die durchsichtigen aber, als die Zwischenraͤume, die ehemalige alte Substanz der Kante seyen. Es verhaͤlt sich umgekehrt; die durchsichtige Zwischenraͤume sind neu deponirt, und die undurchsichtigere Anfaͤnge der Rippen sind die ehemalige alte Substanz der Kante. Sie koͤnnen dieses hieraus schließen. Vors erste ist eine juͤn- gere und spaͤter deponirte, oder excernirte Substanz allemahl durchsichtiger; die aͤltere hingegen un- durchsichtiger. Ferner der juͤngere Theil ist alle- mahl derjenige, in welchem die Vegetation oder die Formation neuer zusammengesetzter Theile fort- faͤhrt; in dem aͤlteren hoͤrt sie auf; da nun in den Zwischenraͤumen noch neue Rippen formirt, in N 4 den 4. Kap. Von der Entstehungsart den Seitenrippen aber keine neue Theile weiter her- fuͤrgebracht werden, als die Gefaͤße unmittelbar so gleich; so koͤnnen Sie schon hieraus ohne Ob- servation wissen, daß die Zwischenraͤume der Sei- tenrippen von diesen, nicht diese von der Substanz der Zwischenraͤume deponirt seyn muͤssen. Der folgende §. bestaͤtiget dieses noch mehr; ich suche es aber darum so gewiß zu machen, weil die Ord- nung, in welcher die verschiedene Theile formirt werden, und die Art, wie der eine durch den an- dern producirt wird, eben die Sache ist, die die Theorie der Generation ausmacht. §. 58. Entstehung der folgenden kleineren Rip- pen in den Flügeln des Blattes. Also war die Substanz, die an- faͤnglich unter der Gestalt der Kante aus dem Kegel excernirt wurde, eben die nemliche, die in der Folge die Sei- tenrippen ausmachte, die durch eine neue Substanz unterbrochen, und in Querstreifen getheilt wurde; und auf diese Art entstunden also die Seitenrippen, und zugleich die Zwischenraͤume. Um nun desto eher mit der For- mation der uͤbrigen Rippen, die in diesen Zwi- schenraͤumen ferner noch producirt werden sollen, fertig zu werden, so vergleichen Sie nunmehro ei- ne jede Seitenrippe mit dem vorigen Kegel des 56. §. und die duͤnnere durchsichtige Zwischenraͤume mit der Kante um denselben; so finden Sie eine vollkommne Analogie zwischen dem Kegel mit sei- nem Rande auf beyden Seiten, und einer Sei- ten- der vor sich selbst bestehenden ꝛc. tenrippe mit ihren Zwischenraͤumen auf beyden Seiten; folglich haben Sie hier wiederum die nem- liche Umstaͤnde, und eben so, wie vorhin in der Kante die Seitenrippen formirt worden sind, so werden jetzo in den Zwischenraͤumen die kleinere Rippen auch weiter herfuͤrgebracht werden. Sie sehen| auch nun hieraus die Folge in Ansehung der Produktion der Zwischenraͤume und der Seiten- rippen, die ich im vorigen §. versprochen habe. Wenn ein Zwischenraum der Kante, die Seiten- rippe aber dem Kegel aͤhnlich ist, so muß sich auch ihre Production auf eine aͤhnliche Art verhalten. Nun ist aber gewiß die Kante von dem Kegel, und nicht umgekehrt der Kegel von der Kante, excer- nirt worden; folglich wird auch die durchsichtige Substanz der Zwischenraͤume von der undurchsich- tigeren, die die Seitenrippen ausmacht, und nicht umgekehrt, deponirt worden seyn. §. 59. Sie sehen zugleich in dieser For- Die zwote Art der Organisa- tion eines Theiles. mation der Rippen in den Fluͤgeln des Blattes die zwote Art der Organisa- tion eines Theiles. Jch habe im 28. §. ein allgemeines Gesetz von der Formation der organischen Koͤrper uͤberhaupt gemacht, welches darin besteht, daß alle dergleichen Koͤrper, oder ihre Theile, zuerst unorganisch producirt, und als- dann durch eine besondere, von der Producktion unterschiedene Wuͤrkung der Natur organisirt wer- den. Die Art der Organisation, welche ich dabey N 5 an- 4. Kap. Von der Entstehungsart anfuͤhrte, war die Formation der Gefaͤße und Blaͤs- chen; hier haben Sie also wiederum eine andere Art derselben, die durch die Producktion zusam- mengesetzter Theile zuwege gebracht wird; denn in diesen Rippen werden hernach weiter Gefaͤße, in den lezten Zwischenraͤumen aber Blaͤschen for- mirt. Uebrigens gilt von dieser Organisation alles dasjenige, was in dem angefuͤhrten §. von jener ist gesagt worden. Da es aber aus den einfachen, den zusammengesetzten und vor sich bestehenden Theilen keine andere in organischen Koͤrpern mehr gibt, und geben kann; die vor sich bestehende aber nicht Theile anderer Theile sind; und folglich auch andere Theile eigentlich durch ihr Daseyn nicht or- ganisiren koͤnnen; so sehen Sie zugleich hieraus, daß es, eigentlich zu reden, außer diesen zwo Ar- ten keine andere Art der Organisation mehr geben kann. §. 60. Erinnerung. Jch habe mich mit Fleiß etwas weitlaͤuftig in die Formation der Blaͤt- ter eingelassen, weil dieselbe ein Exempel von der Formation der vor sich bestehenden und zusammen- gesetzten Theile ist, woraus man sich einen Begriff von der ganzen Entstehungsart der organischen Koͤrper machen kann, und wodurch sich vieles in der Folge sehr schoͤn wird erlaͤutern lassen; Jnson- derheit da alles, was ich davon gesagt habe, un- mittelbare Beobachtungen sind. Die uͤbrige Thei- le der Pflanze kann ich nicht durchgehen. Wenn Sie der vor sich selbst bestehenden ꝛc. Sie ihre verschiedene Entstehungsarten wissen wol- len, so muß ich Sie auf meine Dissertation ver- weisen, wo Sie alle Theile der Frucktification, und wornach Sie sonst weiter fragen koͤnnen, erklaͤrt finden werden. 5. Kap. Von der Entstehungsart der vor sich bestehenden, und aus andern zusammen- gesetzten Theilen in den Thieren. §. 61. D ie vor sich bestehende Theile in Wie man hierbey zu verfahren hat. den Thieren werden wieder auf eben dieselbe Art, wie die in den Pflan- zen hervorgebracht. Es wuͤrde nicht die beste Methode seyn, wenn ich in Ansehung dieser Thei- le zwischen den Thieren und den Pflanzen eine Analogie zum Voraus setzte, und aus dieser Ana- logie auf die Aehnlichkeit der Entstehungsart die- ser Theile in beyden schloͤße. Zum wenigsten glaube ich, daß Sie bey dieser Methode, da ich nichts zum Voraus setze, sondern vielmehr diese Theile in den Pflanzen so wohl, als in den Thie- ren besonders untersuche; aus diesen Untersuchun- gen finde, daß sie auf eine aͤhnliche Art entstehen, und alsdann umgekehrt aus dieser aͤhnlichen Ent- stehungsart dieser Theile in den Thieren und Pflan- zen 5. Kap. Von der Entstehungsart zen auf die Analogie schließe, welche zwischen den- selben in Ansehung der Produktion dieser Theile statt findet, daß Sie, sage ich, bey dieser Methode siche- rer seyn werden. Jch bin bishero auf diese Art ver- fahren, und ich werde mich auch ins kuͤnftige der- selben bedienen. §. 62. Worin die Entstehungs- art dieser Thei- le bey den Thie- ren verschieden ist. Dieses einzige besondere aber ist bey der Entstehungsart der vor sich bestehenden Theile in den Thieren noch zu bemerken. Der Saft, aus welchem ein neuer Theil formirt wer- den soll, wenn er aus einem vorher- gehenden Theile ausgetrieben ist, pflegt an dem Thiere einen weit groͤßeren Raum einzunehmen, als dieser neue Theil einnimmt, wenn er erwach- sen ist. Er zieht sich nemlich, nachdem er aus- getrieben ist, allmaͤhlich von denenjenigen Orten, bis wohin der neue Theil sich nicht erstrecken soll, wieder zuruͤck, und haͤuft sich bloß an denjenigen Orten an, wo der neue Theil entstehen soll. §. 63. Beobachtung wodurch die angegebene Entstehungs- art bewiesen und erläutert wird. Exempel der Die allerersten Theile eines Huhns, welche man in ausgebruͤte- ten Eyern wahrnimmt, sind die Anfaͤn- ge des Kopfs und des Ruͤckgrads, die ohne allen Zweifel eigentlich weiter nichts als die Anfaͤnge des Gehirns und des Ruͤckmarks seyn werden. Die der vor sich bestehenden, ꝛc. Die naͤchst nach ihnen folgende Theile Flügel und Füße. sind die Fluͤgel und die Fuͤße, und diese entstehen auf folgende Art. Es erscheint nemlich zu beyden Seiten des Ruͤckgrads von dem Kopf an bis an dem untersten Ende desselben, eine sehr subtile, durchsichtige, halbfluͤßige, aus kleinen Kuͤgelchen bestehende Substanz, die in der Gestalt einer breiten Kante den ganzen Ruͤckgrad umgiebt, und in welcher dieser erste Anfang des Thieres, der Ruͤckgrad, gleichsam zu schwimmen scheint. Nach und nach aber zieht sich diese Substanz aus der Mitte zu beyden Seiten des Ruͤckgrades allmaͤhlich weg, bis sie an diesen Or- ten endlich gar verschwindet. Oberwaͤrts aber und unterwaͤrts, wo die Fluͤgel und die Fuͤße ent- stehen sollen, bleibt dieselbe nicht nur stehn, son- dern sie wird daselbst zugleich auch solider, fester, und undurchsichtiger. Sie erscheint alsdann an diesen Orten unter der Gestalt von Huͤgeln, die hernach mit der Zeit hoͤher werden, sich mehr in die Laͤnge ausdehnen und endlich in Fluͤgeln und in Fuͤßen uͤbergehen Der geneigte Leser beliebe hiervon im Anhange meine wiederholte Versuche zu lesen, worin ich einen Jrr- thum, den ich in meinen ehemaligen Beobachtungen begangen habe, entdeckt habe. Es findet kein Weg- ziehen der Kante statt, sondern diese geht, nachdem aus ihr die Fuͤße und Fluͤgel entstanden sind, in die Brust und den Unterleib uͤber, wie solches an be- sagtem Orte weiter erklaͤrt wird. §. 64. 5. Kap. Von der Entstehungsart §. 64. Analogie dieser Entste- hungsart der Flügel und Füße. Jch kann mir keine zwo Erschei- nungen denken, die sich einander aͤhn- licher waͤren, als diese, welche die Formation der Fluͤgel und Fuͤße bey dem Vogel gibt, und jene im 57. §. beschriebene von der Formation der Seitentheile, oder der Fluͤgel, wie man sie zu nennen pflegt, in den Blaͤttern. Es ist keine chimaͤrische Ana- logie, sondern es ist gewis, die Thiere haben mit den Blaͤttern der Pflanzen in Ansehung ihrer For- mation die mehreste Aehnlichkeit. Der Ruͤckgrad ist hier das, was bey der Formation des Blattes der kleine Kegel oder die Hauptrippe war. Die Kante ist hier wiederum eben das, was dort die Kante war. Die Ordnung in der Producktion, und die Art derselben, ist voͤllig einerley; nemlich der Ruͤckgrad und jene Hauptrippe des Blattes werden zuerst allein excernirt, und alsdann ge- schiehet die Excretion der Kante aus dem Ruͤck- grade und aus der Hauptrippe seitwaͤrts. Es ist wahr, die Kante des Ruͤckgrads zieht sich in der Folge aus der Mitte desselben weg und haͤuft sich hingegen nur oben und unten zu beyden Seiten an, und dieses geschiehet bey der Kante des Blat- tes nicht; allein nehmen Sie nur an statt des Huhnes die Fledermaus, so haben Sie nun auch alles bis zum Erstaunen aͤhnlich. Sehen Sie nur indessen, bis Sie eine Fledermaus, um sie genauer zu betrachten, bekommen, die verschiede- ne Figuren davon im Jonston noch, so werden Sie der vor sich bestehenden, ꝛc. Sie nicht nur finden, daß die Haut, welche die Fluͤgel ausmacht, in eines um den ganzen Leib und auch so gar um den Schwanz mit herum geht, und folglich sich nicht in der Mitte weggezogen hat, so wenig wie bey dem Blatte, sondern daß auch so gar in diesen Fluͤgeln der Fledermaus, so wie in den Fluͤgeln der Blaͤtter, sich wahre Sei- tenrippen, und kleinere, die aus diesen entstehen, befinden. Dasjenige nemlich, was bey andern Thieren Knochen und Muskeln in den Armen oder Forderfuͤßen genennt wird, das macht hier wah- re Seitenrippen, wie in den Blaͤttern, und eben diejenige Theile, die in andern Thieren unter der Gestalt der Finger oder Zaͤhen zum Vorschein kommen, und diesen Nahmen fuͤhren, sind hier kleinere Rippen, die so, wie bey den Blaͤttern, nicht am Ende, sondern seitwaͤrts aus den Sei- tenrippen entstehen; endlich, was bey andern Thieren Haut und zellenfoͤrmiges Gewebe schlecht- weg ist, das macht hier die Zwischenraͤume der Seitenrippen. Kurz die Fledermaus ist ein voll- kommnes Blatt! das haͤtten Sie ihr wohl nicht angesehn. Allein, wie ich gesagt habe, die Aehn- lichkeit ist nicht chimaͤrisch, denn die Entstehungs- art der beyden Dinge ist einerley. §. 65. Mit den Jnsecktenfluͤgeln, die Anwendung und Nutzen derselben. auch ihre Rippen haben, will ich Sie selbst spielen lassen. Mir ist es nur darum zu thun, nicht einen Ueber- gang, sondern eine unmittelbare Aehnlichkeit zwi- schen 5. Kap. Von der Entstehungsart schen Pflanzen-Blaͤttern und vierfuͤßigen Thieren selbst zu finden. Jch hatte die erste Anlage zu den vier Fuͤßen in der Gestalt einer Kante um den Ruͤckgrad gesehn; die der Kante der Blaͤtter aͤhnlich war. Dieses kam mir so ungewoͤhnlich und wun- derbar vor, daß ich kaum glauben wollte daß diese Kante der wuͤrkliche Anfang zu den vier Fuͤßen oder Fluͤgeln und Fuͤßen seyn konnte; ich habe daher im 228. §. Schol. mit vieler Muͤhe in dem Serrato antico majori nnd im Latissimo dorsi einigen Ue- berrest von dem Theil der Kante gesucht, der sich ehedem inder Mitte des Ruͤckgrads befunden hat- te, um eine Sache, die| ich gesehen hatte, mir selber glaublicher zu machen. Wenn aber bey einigen Thieren diese Theile, die vier Fuͤße, so beschaffen sind, daß sie zu ihrer ersten Anlage nothwendig eine Kante erfordern, daß sie selbst beym Erwachsenen nicht sehr von einer solchen Kante, oder von den Fluͤgeln eines Blattes ver- schieden sind; so verliert die Sache dadurch viel von dem Wunderbaren; das war meine Absicht. Nunmehro setze ich noch dieses hinzu; Es gibt Pflanzen, deren Blaͤtter sehr tief bis auf die Haupt- rippe eingeschnitten, (z. E. Folia pinnata ) sind; bey diesen finden eigentlich keine Fluͤgel statt, son- dern nur bloße Seitenrippen, die von einander frey und abgesondert sind. Diese Blaͤtter nun for- miren bey ihrer Entstehung, wie man schon leicht vermuthen kann, keine Kante um den kleinen Ke- gel, sondern dieser excernirt seitwaͤrts einen Saft, der zuerst unter der Gestalt kleiner Hugel zum Vor- schein der vor sich bestehenden, ꝛc. schein kommt, alsdann aber ebenfalls die Figur kleiner Kegel annimmt, woraus also freye Seiten- rippen werden wie ich dieses uͤberhaupt auch bey allen Pflanzen, die zusammengesetzte Blaͤtter ha- ben, beobachtet habe. Nun sind aber die Fluͤgel der Voͤgel, bey denen ich alle meine Versuche an- gestellt habe, allerdings breiter, und erstrecken sich weiter nach unten zu, laͤngst den Ruͤckgrad herun- ter, als die Fuͤsse der vierfuͤßigen Thiere. Soll- ten also nicht die Voͤgel mit einfachen uneinge- schnittenen Blaͤttern, die vierfuͤßige Thiere aber mit zusammengesetzten oder eingeschnittenen zu ver- gleichen seyn, und folglich auch mit diesen einer- ley Entstehungsart haben; so nemlich, daß die erste Anfaͤnge der Vorder- und Hinterfuͤße, oder der Arme und Fuͤsse, niemahls wie bey den Voͤ- geln eine ganze Kante, sondern gleich anfaͤnglich schon kleine Huͤgel gewesen sind? Wahrscheinlich ist es, aber behaupten kann ich es nicht, weil ich die ersten Anfaͤnge bey vierfuͤßigen Thieren nie- mahls gesehn habe. §. 66. Mit den Nieren verhaͤlt es sich Exempel der Nieren. eben so. Die subtile aus Kuͤgelchen bestehende Substanz, unter deren Ge- stalt sie zu allererst zum Vorschein kommen, nimt im Anfange die ganze Hoͤhle des Unterleibes ein. Nachhero theilt sie sich zuerst in die Mitte der Laͤnge nach von einander, so daß gleichsam zween Klumpen daraus werden; diese ziehen sich mit O der 5. Kap. Von der Entstehungsart der Zeit mehr und mehr zusammen, bis sie end- lich die Figur der Nieren erhalten. Wie also die Fuͤße und Fluͤgel im Anfange als ein einziger zusammenhangender Theil entstanden waren, nach und nach aber sich in vier verschiedene Theile von einander theilen; eben so sind auch die Nieren als eine einzige Substanz abgesondert, oder aus ihrem vorhergehenden Theile heraus getrieben worden, die sich aber hernach in 2 Theile von ein- ander theilt. Jch glaube nicht noͤthig zu haben, noch etwas zum Beweise dieser Entstehungsart der vor sich bestehenden Theile hinzu zu setzen. Es ist klar, daß es sich hier eben so, wie bey den Pflanzen, verhalte. §. 67. Kurze Vor- stellung der ganzen Ent- stehungsart eines organi- schen Körpers. Aus diesem allen werden Sie sich nunmehro leichtlich selber einen voll- staͤndigen allgemeinen Begriff von der ganzen Formation eines organischen Koͤrpers machen koͤnnen. Die ver- schiedene Theile entstehen nemlich alle einer nach dem andern, sie entstehen alle so, daß immer einer von dem andern entweder excernirt, oder deponirt wird, nachdem er entweder ein freyer vor sich bestehender Theil ist, und nur an demjenigen, dem er seine Production zu verdan- ken hat, anhengt, und befestiget ist, oder aber in- nerhalb demselben eingeschlossen liegt; wie solches §. 48. 51. seq. von den Pflanzen, §. 62. ꝛc. von den Thieren gezeigt worden ist, so daß also ein jeder Theil allemal, erstlich ein Effekt eines andern vor- her- der vor sich bestehenden, ꝛc. hergehenden Theiles ist, und alsdann wiederum die Ursache anderer folgenden Theile wird. Ein jeder Theil ist im Anfange, wenn er excernirt oder deponirt wird, unorganisch, und er wird erst or- ganisirt, wenn er schon wieder andere Theile ex- cernirt hat, und diese Organisation eines Theils geschiehet entweder durch Gefaͤße und Blaͤschen, die in ihm formirt werden (§. 28.), oder durch zusammengesetzte Theile, die innerhalb seiner Sub- stanz deponirt werden. (§. 159.) Jene Excretion des einen Theils durch den andern, die ich, um ein einfaches Wort zu haben, Vegetation genennt habe, geht auf solche Art eine Zeitlang fort, end- lich aber hoͤrt sie auf, und diejenige Theile, welche alsdann zuletzt excernirt worden sind, bleiben die letzten, und excerniren keine andere weiter. Der- gleichen letzte Theile sind also bey den Thieren die Finger zum Exempel, oder die Zaͤhen; bey den Pflanzen die kleine Zwischenraͤume der letzten und kleinsten Rippen in den Blaͤttern, wenn diese voͤl- lig erwachsen sind. §. 68. Also findet nun, wie die Versuche Ordnung, in welcher die Theile bey den Thieren auf einander fol- gen. Forma- tion des Rückgrades. lehren, bey dieser nach und nach ge- schehenen Formation der Theile in den Thieren folgende Ordnung, in Anse- hung der Zeit, statt. Der erste Theil, der excernirt wird, und der also gleich- sam der Stamm aller uͤbrigen ist, ist der Anfang zum Ruͤckgrade und dem Kopfe; er ist O 2 noch 5. Kap. Von der Entstehungsart noch voͤllig unorganisch; weder im Kopfe, der sich nur durch seine abgestumpfte Rundung und durch seine Dicke vom Ruͤckgrad unterscheidet, noch in diesem selbst, findet man die geringste Spur von organischen Theilen, Gefaͤßen entweder, oder an- dern zusammengesetzten deponirten Theilen; son- dern beyde bestehen durchgaͤngig aus einer Sub- stanz, die aus leicht zusammenhengenden kleinen Kuͤgelchen zusammengesetzt ist, und die ich, aus gewissem Grunde, ein zartes zellenfoͤrmiges Ge- webe mit Recht zu nennen glaube. §. 69. Der Flügel und Füße. Diese erste Grundlage des Thie- res excernirt alsdann auf beyden Sei- ten die Substanz zu den Fluͤgeln und Fuͤßen, die unter der Gestalt einer Kante zum Vorschein kommt, zu gleicher Zeit aber wird sie selbst organisch durch zusammengesetzte deponirte Theile, die in ihr formirt werden; man sieht nem- lich zu eben der Zeit, da man die Kante producirt sieht, auch in dem Ruͤckgrade selbst die Zuͤge von Wirbelknochen; wahre Knochen koͤnnen dieses frey- lich noch nicht seyn, aber wohl Theile, die in der Folge eine Knochensubstanz deponiren, und daher jetzo schon dieser Knochen ihre Figur haben. Diese Fluͤgel und Fuͤße also sind zusammen genommen der zweete Ausschuß von Theilen, die von dem ersten, dem Ruͤckgrade, excernirt werden, und die wir also zusammen den zweeten Grad der Vegeta- tion nennen koͤnnen. Wie sich der Ruͤckgrad in der der vor sich selbst bestehenden ꝛc. der Folge weiter verhaͤlt, wollen wir hernach sehn; vorjetzo aber wollen wir die Fluͤgel und Fuͤße verfolgen. §. 70. Diese, wenn sie sich in Huͤgel an Der Zähen. ihren Orten zusammen gezogen haben, bleiben alsdann lange unveraͤndert, nur daß sie in ihrer Groͤße zunehmen, und ihre aͤußerliche Figur ein wenig aͤndern. Jch habe diese Fluͤgel und Fuͤße in Embryonen, die schon Eingeweide im Unterleibe hatten, noch immer an ihren Enden ab- gerundet, mit einem stumpfen runden Rande ter- minirt und ohne den geringsten Ansatz zu den Zaͤ- hen gefunden. Endlich aber muͤssen nothwendig an diesem abgestumpften Ende der Fuͤße aus die- sen die Zaͤhen excernirt werden. Jch habe den ersten Anfang der Zaͤhen niemals beobachtet; ich will aber ihre Formation einmal analogisch muthmassen, und ich bin versichert, man wird es bey angestellten Versuchen, die hierbey leicht sind, nicht anders befinden. Die Zaͤhen muͤssen also wiederum bey einem Vogel, der gespaltene Klauen hat, oder bey einem vierfuͤßigen Thiere von dieser Art, so wie die Seitenrippen an den eingeschnittenen Blaͤttern der Pflanzen, im An- fange unter der Gestalt kleiner Huͤgel zum Vor- schein kommen, die sich allmaͤhlig verlaͤngern, bey den Wasservoͤgeln aber, wie bey Enten, wird sich an dem abgestumpften Ende des Fußes, so wie bey den einfachen Blaͤttern, ein duͤnner durchsich- tiger Rand, oder eine Kante excerniren; in dieser O 3 werden 5. Kap. Von der Entstehungsart werden allmaͤhlich hellere Streifen entstehen, die die Zwischenraͤume zwischen den Zaͤhren oder die ausgespannte Haut sind. Bey den Fledermaͤu- sen wird nach geschehener Excretion der Fluͤgel gar keine Excretion weiter statt finden, sondern es wird durch die Wirkung einer Deposition in der ersten Kante, um den Ruͤckgrad, so gleich schon alles dasjenige vergehen, was von den Zaͤhen der Enten gesagt worden ist. Es kann nicht fehlen, die Sache muß sich so verhalten, indessen ist es doch nur eine Muthmassung, weil ich sie nicht ge- sehn habe. Diese Zaͤhen nun aber, denn produ- cirt werden sie gewiß, sind nunmehro der zweyte Grad der Vegetation, oder der zweyte Ausschuß von Theilen, und auch der letzte auf dieser Seite, denn sie excerniren nun weiter keine andere Theile. So wie der Rruͤckgrad also vorhin auf jeder Seite zween Theile excernirt hatte, so excernirt nunmeh- ro ein jeder von diesen Theilen, wenigstens bey vierfuͤßigen Thieren mit Zaͤhen, wiederum vier dergleichen Theile, und alsdann hoͤrt die Vegeta- tion auf Seiten des Ruͤckgrads auf. §. 71. Weiteres Ver- halten des Rückgrades. Nachdem der Ruͤckgrad auf bey- den Seiten die Fluͤgel und Fuͤsse excer- nirt hat, so ruhet er eine Zeitlang. Alsdann aber, wenn diese Theile schon in Huͤgel nach oben und unten sich zusammengezogen haben, alsdann unternimmt er eine neue Excretion. Nem- lich an seiner vordern Flaͤche, auf welche er ruhet, faͤngt der vor sich bestehenden ꝛc. faͤngt nunmehro an eine Substanz, die der vori- gen Seitenkante in allem aͤhnlich ist, sich zu excer- niren; sie besteht aus Kuͤgelchen, wie die vorige, sie nimmt die ganze vordere Flaͤche des Ruͤckgra- des ein, und ich halte sie wiederum fuͤr ein zartes zellenfoͤrmiges Gewebe. Hiervon dependirt eine besondere Erscheinung. Nemlich der Embryo ver- aͤndert zu dieser Zeit oder kurz nachhero seine Lage, er drehet sich um; da er bishero auf seine Vorder- flaͤche gelegen hat, so wirft er sich auf die eine Seite, und dieses geht so zu; die zellenfoͤrmige Substanz welche vorwaͤrts excernirt wird, zieht den Embryo nach forne zu zusammen, und zwar all- maͤhlig um so viel mehr, je solider die Substanz wird; daher sehen Sie in der eilften Figur meiner Dissertation, die ich ohne besondere Absicht so ge- zeichnet habe, wie ich sie gesehn habe, und wo der Embryo noch so, wie in der fuͤnften Figur, auf seine Vorderflaͤche liegt, den Schwanz und den obern Theil des Ruͤckgrades schon etwas gekruͤmmt, da im Gegentheil der juͤngere in der fuͤnften Figur noch schnurgerade ausgestreckt liegt. Jn der Fol- ge ist es bekannt, daß sich der Embryo endlich so weit zusammen zieht, daß er mit seinem dicken Ko- pfe beynahe den Schwanz erreicht, und auch in meiner dreyzehenden Figur, wo der Embryo schon auf der Seite liegt, sehen Sie schon eine sehr merk- liche Kruͤmmung des Ruͤckgrades, und besonders des Schwanzes, mit einem Theil der zellenfoͤrmi- gen Substanz, wodurch er zusammengezogen ist, und aus der die Nieren werden. Ganz |zuletzt O 4 wird 5. Kap. Von der Entstehungsart wird er wieder etwas gerader. Meine vierzehende Figur ist von der Gattung. Wenn er sich also auf diese Art mit dem Kopf und den gekruͤmmten Schwanz gegen den Boden stemmt, und mit dem Ruͤcken einen Bogen macht, so muß dieser Em- bryo nothwendig auf die Seite fallen. Das geht also sehr mechanisch zu. Dieses Welzen des Em- bryo ist mit allen dem artig. Der allererste, wie ich ihn gesehn, und in der vierten Figur vorgestellt ha- be, lag nicht, wie beym Malpighius, auf die Vor- derflaͤche, sondern auf der Seite, und alsdann erst, wenn er anfaͤngt seine Seitenkante zu bekommen, legt er sich auf die Vorderflaͤche. Sie sehen schon, alle diese Wendungen sind eben so viel Effeckte der verschiedenen Excretionen, die nach und nach vorgehen. Jn der ersten Lage wird der Ruͤckgrad excernirt; denn dieser Embryo liegt noch nicht, wie bald nachher, in der Mitte des Amnii frey, sondern er hengt noch mit seiner Hinterflaͤche an der Membran desselben fest. So wuͤrde er liegen bleiben, wenn er gleich nicht befestiget waͤre; al- lein nachhero excernirt er auf beyden Seiten die Kante zu den Fluͤgeln und Fuͤssen, er wird also da- durch breit und platt, und faͤllt deswegen auf die Vorderflaͤche; endlich excernirt sich zum dritten- mahl die Substanz auf der Vorderflaͤche; der Em- bryo wird dadurch gekruͤmmt, und faͤllt wieder auf die Seite. Diese Substanz nun also ist der erste Anfang, zu den Eingeweyden des Unterleibes, und zum Unterleibe selbst. Sie ist also ein zweeter Aus- schuß von Theilen, oder eine zwote Excretion, die der vor sich bestehenden ꝛc. die der Ruͤckgrad macht, und die er zwar nun nach forne zu macht. §. 72. Unter allen Eingeweiden des Un- Formation der Eingewey- de des Unter- leibes. terleibes habe ich die Nieren am ge- nauesten und bis zu ihrer Vollkom- menheit untersucht, wie meine Figu- ren zeigen. Es verhaͤlt sich aber mit allen Einge- weyden uͤberhaupt eben so, wie mit der Formation der Fluͤgel und Fuͤsse. Jm Anfange sind sie alle, so wie die Seitenkante war, eine einzige in eines fortgehende Substanz, ( Substantia continua ) die, wie ich im vorigen §. gesagt habe, die vordere Flaͤche des Ruͤckgrades einnimmt; allmaͤhlig aber scheidet sich diese Substanz an verschiedenen Orten von einander, und macht daher verschiedene Klum- pen von einer solchen Substanz. Dieses habe ich bey den Nieren nach allen Graden zugesehn. Die Substanz derselben ist im Anfange eines, alsdann wird sie in der Mitte allmaͤhlig duͤnner, in den Seitentheilen aber dicker; endlich verschwindet sie aber in der Mitte voͤllig, und wir haben nunmeh- ro zwo Nieren. Eben so muß es sich auch mit der Leber und der Substanz des Unterleibes selbst verhalten ob ich gleich nicht bey ihnen alles eben so genau beobachtet habe. Die Haut und das zellenfoͤrmige Gewebe des Unterleibes (denn Mus- keln werden noch lange nicht generirt) die Leber, die Nieren, die Milz, alles ist eines gewesen (der Kanal der Gedaͤrme scheint eine besondere Excre- O 5 tion 5. Kap. Von der Entstehungsart tion zu seyn) und hat sich in der Folge allmaͤhlig von einander geschieden. Aber dieses voneinan- der scheiden ist eben dieselbe Erscheinung wieder, die wir bey der Seitenkante das Wegziehen dieser Substanz von einem Orte und das staͤrkere An- haͤufen derselben an einem andern Orte nennten, und es wird alles auf die nemliche Art und durch einerley Ursachen, die ich in der Dissertation im Scholio des 228. §. angegeben habe, zuwege gebracht. §. 73. die wiederum ein Beweiß wider die Evo- lution ist. Noch ein einzigesmahl erlauben Sie mir einige Worte noch von den Begriffen des Herrn Bonnets, von der Evolution zu sagen. Jch finde hier wiederum ein Argument. Das ist allemahl der Charakter der Wahrheit: wo Sie hinsehen, finden Sie Beweise davon; und das hingegen ist das Kennzeichen einer unrichtigen Hypothese: die ganze Natur protestirt dawider. Nach den Be- griffen der Evolution muͤssen die organischen Thei- le aus ihrem Zustande der Kleinheit und Unsicht- barkeit allmaͤhlig hervorwachsen, und endlich sich unsern Augen darstellen; und sie muͤssen zwar in ihrem allerersten Zustande schon eben so organisch seyn, und eben die Figur haben, wie wir sie bey Erwachsenen finden, nur daß sie sehr klein sind, und undurchsichtig seyn sollen. Nach diesen Begrif- fen also muͤssen wir die Theile, so bald wir sie sehn, so bald sie nicht mehr zu klein oder zu durchsichtig dazu der vor sich bestehenden ꝛc. dazu sind, so gleich auch in ihrer natuͤrlichen Lage, Figur und Organisation antreffen. Es muͤsten, wenn wir zum erstenmahle die Nieren sehen, ein Paar ganz kleine, kleine Nierchens, die auch, wenn wir in allen den Begriffen des Herren Bonnets folgen wollen, noch so durchsichtig wie ein Crystall seyn muͤsten, zum Vorschein kommen. Aber wie wenig stimmt dieses mit der Erscheinung, die wir beobachten, uͤberein? Eine in einem fortgehende Substanz, die die ganze Vorderflaͤche des Embryo einnimmt, ist die gemeinschaftliche Anlage zu allen Eingeweyden des Unterleibes! Es ist wahr, und ich habe schon im vorhergehenden davon gesagt, diese Entstehungsart, wie ich sie beobachtet und vorgetragen habe, ist so unerwartet, daß durch Vermuthung kein Mensch jemahls sich eine solche Vorstellung davon wuͤrde haben machen koͤnnen, und ich wuͤrde selbst am wenigsten darauf gefallen seyn, und daher ist es nicht zu bewundern, daß Herr Bonnet, der sich uͤberhaupt in diese Art der Versuche eben nicht besonders eingelassen zu haben scheint, sich solche Begriffe von den Erscheinun- gen bey dieser Sache gemacht hat, die so sehr von der Wahrheit entfernt ist. Eben daher glaube ich auch, ist es gekommen, das Niemand von den Beobachtern die allerersten Anfaͤnge der Theile ent- deckt hat; denn wenn sie gleich diese erste Anlagen zu denselben gesehn haben, so haben sie solche doch wegen ihrer großen Unaͤhnlichkeit mit diesen Thei- len nach allen ihren Eigenschaften, nicht dafuͤr er- kennen, oder auch wohl wegen dem wenigen Be- sondern 5. Kap. Von der Entstehungsart sonderen, welches diese erste Anfaͤnge haben, und wodurch sie in die Augen fallen koͤnnten, gar nicht einmahl wahrnehmen koͤnnen. Es gehoͤrt nicht nur Behutsamkeit, denn diese ließe sich endlich noch erlangen, sondern hauptsaͤchlich Aufmerksam- keit zum Beobachten. Man muß nicht schlaͤfrig seyn, wenn man etwas sehen will. §. 74. Ursache des Rückgrades. Hieraus sehen Sie also, wie bey den Thieren allmaͤhlich die ganze For- mation des Koͤrpers geschiehet, wie ein Theil nach dem andern herfuͤrgebracht wird, wie ein Theil immer den andern excernirt oder de- ponirt Jch muß aber hier von der Art dieser Excretion noch eine Anmerkung machen; Es hat mir bey meinen neuesten Observationen geschienen als wenn der Saft, indem er aus einem vorhergehenden Theile zur Anla- ge eines neuen Theils excernirt wird, nicht voͤllig uͤber der Oberflaͤche des vorhergehenden Theiles her- ausgetrieben wuͤrde, sondern vielmehr unter der aͤus- sersten Membran desselben, die uͤberaus duͤnne und zart ist, sitzen bliebe, und auf diese Art durch seine Anhaͤufung und durch die Erhebung und Ausdehnung der Membran jene Erhabenheiten und Huͤgel als die ersten Anlagen neuer Theile zuwege braͤchte; so wie wir durch Anhaͤufung der Saͤfte unter der Epider- mis oͤfter verschiedene Arten von Ausschlaͤgen oder Baͤu- . Eine Frage bleibt noch uͤbrig, die Jhnen schon oͤfter hierbey wird eingesallen seyn. Der Ruͤckgrad war der erste Theil und die Grund- lage der vor sich bestehenden, ꝛc. lage der uͤbrigen; wenn aber alle fuͤr sich bestehen- de Theile durch die Exeretion herfuͤrgebracht wer- den, von welchem Theile ist der Ruͤckgrad excer- nirt worden? Nothwendig vom Ey! so wie die- ses vom Eyerstock. Schon bey den Fluͤgeln und Fuͤßen haben sie ein Ende der Vegetation erfol- gen sehn; aber das war nur ein Ende der Vege- tation in der Seitenkante, die das ist, was die Vegetation eines Blattes bey den Pflanzen ist, indessen fuhr der Embryo forne noch fort zu vege- tiren. Die letzte Vegetation, die unmittelbar aus dem Ruͤckgrade ihren Ursprung nimmt, ist die, wodurch der Eyerstock producirt wird, dieser ex- cernirt noch das bey vierfuͤßigen Thieren sogenann- te corpus luteum, bey Voͤgeln das Ey, doch oh- ne dem Amnio, und hiermit hoͤrt endlich auch die- se Vegetation und mit ihr zugleich alle Vegeta- tion des ganzen Embryo auf. Wenn nun nach einer gewissen Zeit der maͤnnliche Saamen, an die- Baͤulen und Auswuͤchse sich generiren sehen. Dieses findet nicht nur bey den Thieren sondern auch bey den Pflanzen statt, und es laͤßt sich hieraus um so viel leichter begreifen, warum der Saft zu der ersten Zeit da er noch fluͤßig ist nicht zerfließet, und es scheint daher auch nothwendig zu seyn, daß es sich mit der Excretion auf diese, und auf keine anderr Art, verhalten muͤsse. Uebrigens ist aber dennoch die Ex- cretion immer von der Deposition sehr verschieden. Bey dieser wird der Saft zwischen den organischen Theilen abgesetzt bey jener bleibt er nur unter der Epi- dermis; diese aber rechne ich nicht mit zu den orga- nischen Theilen. 6. Cap. Von der Conception. dieses letzte Produckt der Vegetation, an den letz- ten Theil des Embryo gebracht wird, so faͤngt alsdann die Vegetation hier wiederum an, wo sie stehn geblieben war; das Ey excernirt das Amni- um, und dieses den Ruͤckgrad. Diese Ursache, warum die Vegetation mit der Excretion des Eyes voͤllig aufhoͤrt, und nicht anders als durch das Zuthun des maͤnnlichen Saamens wieder ange- fangen werden kann, wollen wir nun im folgen- den Kapitel untersuchen. 6. Kap . Von der Conception. §. 75. Entwicklung des Begriffs der Concepti- on, uud Zu- sammenhang derselben mit den übrigen Funktionen, die zusammen die Genera- tion ausma- chen. J ch habe mit der Enstehungsart der- jenigen Theile, die zu allerletzt formirt werden, der Gefaͤße nemlich und des zellenfoͤrmigen Gewebes den Anfang gemacht. Dabey setzte ich zum Voraus, daß der Theil, in wel- chem die Gefaͤße, oder die Zellen, formirt werden, schon existirte, ob- wohl ohne Gefaͤße, ohne Zellen, und voͤllig unorganisch. Alsdann habe ich in den folgenden beyden Kapiteln die Entste- hungsart dieser Theile erklaͤrt, in welchen die Ge- faͤße formirt werden, die also eher als die Gefaͤße hervorgebracht werden, und die deswegen bey der- sel- 6. Kap. Von der Conception. selben Erklaͤrung als schon existirend angenommen werden musten. Hierzu wurde von dem neuen Theile, welcher formirt werden sollte, selbst, noch gar nichts erfordert, wie solches bey den Gefaͤßen noͤthig war; allein andere Theile wenigstens, eben derselben Pflanze, oder eben desselben Thieres, wel- ches durch alle diese hervorgebrachte und noch her- vorzubringende Theile entstehen sollte, wurden dabey allerdings als schon existirend angenom- men, andere Theile nemlich, aus welchen der Saft, der zur Formation des neuen Theils noͤthig war, herausgetrieben wurde. Jetzo endlich werde ich die Entstehungsart derjenigen Theile erklaͤren, welche die allerersten Theile der ganzen Pflanze, oder des ganzen Thieres sind, und die zu ihrer Hervorbringung gar keine andere Theile, die vor sie hergehen sollten, noͤthig haben. Diese aller- ersten Theile aber einer Pflanze oder eines Thie- res, ob sie gleich keine andere Theile, die zu eben der Pflanze oder Thier gehoͤrten, zu ihrer Her- vorbringung noͤthig haben, so erfordern sie den- noch etwas, ohne welchem sie nicht hervorgebracht werden koͤnnen; sie erfordern nemlich eine andere Pflanze, oder ein anderes Thier, von eben der- selben Art, als eben dasjenige ist, welches aus diesen und den folgenden hervorzubringenden Thei- len zusammengesezt werden soll. Sie sehen also, daß zu denen Theilen, wel- che zu allerletzt formirt werden, den Gefaͤßen, nem- lich, und den Zellen, am allermeisten zum Vor- aus gesetzt wird. Es muß zu ihrer Hervorbrin- gung 6. Kap. Von der Conception. gung nicht nur eine Pflanze von eben der Art, sondern es muͤssen auch Theile eben derselben Pflanze, ja es muß schon die Substanz eben des- selben Theils, in welchem sie formirt werden sol- len, vor ihnen vorhergehen. Zu denen Theilen, welche naͤchst vor ihnen entstehen, den vor sich bestehenden Theilen wird schon weniger erfordert; es darf nur bloß eine andere Pflanze von eben der Art, und andere Theile eben derselben Pflanze, vor ihnen vorhergehen. Zu denen allerersten Theilen wird am wenigsten erfordert, nemlich bloß eine andere Pflanze von eben der Art. Diejenige Verrichtung oder Wirkung der Natur, durch welche diese allerersten Theile einer Pflanze oder eines Thieres hervorgebracht werden, und welche in einer Pflanze oder in einem Thiere vom 2ten Geschlecht, und zwar nicht eher, als nach Vereinigung beyder Geschlechter geschie- het, nenne ich, in so fern die Vereinigung beyder Geschlechter, oder das Zuthun des maͤnnlichen Saamens, nothwendig dazu erfordert wird, die Conception. Niemand hat jemals etwas anders unter diesem Worte verstanden, nur daß man die Sache nicht distinkt gedacht, und deswegen auch nicht deutlich ausgedruͤckt hat. Wie ich hier die Verrichtung der Natur, durch welche die allerersten Theile einer Pflanze hervorgebracht werden, Conception nenne, so habe ich in meiner Dissertation diejenige Verrich- tung, durch welche nach diesem ersten Theile an- dere 6. Kap. Von der Conception. dere mehrere vor sich bestehende Theile hervorge- bracht zu werden fortfahren, Vegetation, diejenige aber, durch welche Gefaͤße und Zellen in diesen Theilen formiret werden, Nutrition genennt, und uͤber diese, da ich von verschiedenen Gattungen der vor sich bestehenden Theile in den Pflanzen habe reden, und solche erklaͤren muͤssen, noch ver- schiedene andere dergleichen natuͤrliche Verrich- tungen angegeben. §. 76. Wann Sie jene Gradation, wor- Fortsetzung dieser Be- griffe. inn immer wenlger und weniger zur Hervorbringung der Theile erfordert wurde, je nachdem diese dem ersten Anfange der ganzen Pflanze naͤher waren, und worinn die al- lerersten Theile am allerwenigsten, nemlich bloß eine Pflanze von eben der Art, noͤthig hatten, noch weiter fortgesetzt haben wollen, so kann ich solches wirklich thun; Sie werden nemlich in die- ser letzten Stuffe nunmehro eine Pflanze oder ein Thier bekommen, welches zu seiner Hervorbrin- gung kein anderes Thier, sondern bloß eine Na- tur, bloß eine Welt noͤthig hat. Wenn eine Pflanze oder ein Thier, durch Huͤlfe einer andern Pflanze oder eines andern Thieres von eben der Art herfuͤr gebracht wird, so ist dieses diejenige natuͤrliche Verrichtung, welche eigentlich Gene- ration muß genennt werden; wenn solches aber auf eine andere Art und durch andere Mittel von der Natur bewerkstelliget wird, wenn kein orga- P nischer 6. Kap. Von der Conception. nischer Koͤrper von eben der Art zur Herfuͤrbrin- gung eines solchen Koͤrpers angewendet wird, so nenne ich dieses im eigentlichen Verstande eine Entstehung. Es giebt noch heutiges Tages der- gleichen Entstehungen in der Natur. Die neuere Naturforscher quaͤlen sich noch bestaͤndig fort um neue Beweise fuͤr dieselben zu sammlen, weil an- dere so hartnaͤckig sind, und die einmal gefaßte Meynung, daß alle lebendige Geschoͤpfe aus einem Ey entstehen sollen, nicht wieder verlassen wollen. Was aber die Erklaͤrung der Entstehungen anbe- trifft, so ist bishero davon noch nichts gedacht worden. §. 77. Erklärung der Concep- tion. Allein nunmehro will ich zu dem, was ich eigentlich in diesem Kapitel abhandeln soll, zu der Erklaͤrung der Conception, selbst uͤbergehen. Was ich bishero gesagt habe, dient nur einen allgemeinen Begriff von demjenigen ganzen Geschaͤfte der Natur zu machen, wodurch sie organische Koͤrper herfuͤr- bringt. Jch werde Sie jetzo von einigen gerin- gen Erscheinungen durch ganz natuͤrliche und leichte Schluͤße bald zu wichtigere Wahrheiten, und endlich zu unserm Ziel, zu die Art, wie die Conception geschiehet, selbst hinauf fuͤhren. §. 78. Was es mit der Vegetation Jch habe in dem vorhergehenden (§. 55.) schon erinnert, daß kein Blatt 6. Kap. Von der Conception. Blatt in einer Pflanze entstehen kann, einer einfa- chen Pflanze für eine Be- wandniß hat. Sie hört nach geschehener Production der Fruktifica- tion auf. daß nicht zugleich mit ihm mehrere, und zugleich ein Ast hervorgebracht wuͤrden, woran diese alle befestiget sind. Jch habe an eben dem Orte zu- gleich selbst aus der Entstehungsart eines Blattes gezeigt, warum dieses sich nothwendig so verhalte. Aus einem andern Grunde, der sich in der Folge bald von selbsten erklaͤren wird, muß ich jetzo noch hinzu setzen, daß auch nicht einmal ein Blatt entstehen koͤnne, daß nicht, nachdem nach und nach mehrere Blaͤtter auf ihm gefolget sind, die alle an einem gemeinschaftlichen Ast fest sitzen, endlich auch sogar eben so nothwendig, dafern das Leben nicht unterbrochen wird, eine vollstaͤndige Fruktification oder eine Blume und eine Frucht zugleich mit erfolgen sollte, die ebenfalls mit zu der besondern einfachen Pflanze gehoͤret, welche die Blaͤtter mit dem Ast zusammen genommen vorstellen, und wodurch nunmehro endlich die gan- ze Vegetation, oder Hervorbringung neuer vor sich bestehender Theile, zu welcher gleich bey Her- vorbringung des ersten Blatts schon der Grund gelegt war, voͤllig beschlossen wird, eben so wie solches bey den Thieren nach geschehener Pruduk- tion des Eyes geschiehet, (§. 74.) so gar, daß we- der aus dieser ersten Anlage, die gleich bey Her- vorbringung des ersten Blatts bestimmt wurde, noch ferner neue Theile entstehen koͤnnen, noch auch, daß solches durch eine neue hinzukommende P 2 Ursache 6. Kap. Von der Conception. Ursache in eben demselben Vegetationspunkt, wor- aus nemlich die bisherigen Blaͤtter, der Ast selbst, und die Frucht mit der Blume entstanden sind, ge- schehen koͤnte. Man muß die ganze Anlage zur Hervorbringung neuer vor sich bestehender Theile, ohne welcher dergleichen ganzen Anlage kein Blatt allein entstehen kann, als ein ganzes System von Veraͤnderungen ansehen, die alle ihren Grund gleich in der ersten Veraͤnderung haben, und die also nothwendig, dafern diese Reihe von Veraͤn- derungen einmal angefangen ist, alle auf einander erfolgen; und dieses System von Veraͤnderungen nun also, sage ich, wird durch Herfuͤrbringung der Frucht beschloßen, so daß die Frucht nemlich die letzte Veraͤnderung ist, welche ihren Grund in der ersten Anlage oder auch in der vorhergehenden Reihe der Veraͤnderungen gehabt hat. §. 79. Beschaffen- heit der Fruk- tification, in- sofern daraus die Ursache zu erkennen ist, warum nach ihrer Produk- tion die Vege- tation aufhö- ret. Jhre Theile sind nichts anders als modifi- cirte Blätter. Um nun zu wissen, was diese Fruk- tification, wodurch die einmal deter- minirte Vegetation geendiget wird, fuͤr ein Ding sey; so erinnern Sie sich dasjenige wieder, was ich ebenfalls schon in dem Vorhergehenden von ih- ren Theilen gesagt habe. Sie wer- den, wenn Sie wissen, was sie sey, daraus bald die Ursache begreifen, warum durch ihr die Vegetation geen- diget werden muͤsse. Ueberdem da durch den Grund der gleich beym An- fange 6. Kap. Von der Conception. fange zu der ganzen Reihe von Veraͤnderungen gelegt wurde, bishero lauter Blaͤtter, die sich alle einander aͤhnlich waren, herfuͤr gebracht wurden; so fraͤgt sich hier wiederum, was ist nun die Fruk- tification, die so sehr von den bisherigen Blaͤttern verschieden aussieht? Auch in dieser Absicht, und aus diesem Gesichtspunkte, muͤssen wir die Frukti- fication kennen lernen. Jch habe aber in dem Vorhergehenden gesagt, ihre Theile seyn weiter nichts als modificirte oder veraͤnderte Blaͤtter. Jch will die Gruͤnde, wodurch dieses sehr klar wird, kurz noch einmal anfuͤhren. Der Kelch ist der erste Theil der Fruktisication; dieser ist bey der Sonnenblume weiter nichts als eine Anzahl dicht zusammen gehaͤufter kleinerer Blaͤtter, als die vorhergehenden gewoͤhnlichen sind. Bey den Grasen besteht er gemeiniglich aus zwey Blaͤttern, die kuͤrzer sind, da die vorhergehenden ungleich laͤnger waren. Die Blumenblaͤtter sind wieder- um nichts anders; die Grase beweisen dieses. Dieser ihre Blume ist vom Kelch nicht im gering- sten unterschieden; sie ist also von den vorherge- henden gewoͤhnlichen großen Blaͤttern eben so, und nicht anders verschieden, als der Kelch von ihnen verschieden ist. Sollte ihnen die Farbe der Blu- me anstoͤßig seyn, so sehen Sie nur auf die Sta- tice. Diese hat viel Kelche, der unterste ist blaß und ohne Farbe, die folgenden fallen allmaͤhlich immer mehr und mehr ins roͤthliche; der oberste, welcher nunmehro die Blume selbst ist, denn es gibt keine andere, und sie hat auch alle Eigen- P 3 schaften 6. Cap. Von der Conception. schaften einer Blume, ist also am staͤrksten ge- faͤrbt, uͤbrigens aber der Figur nach nicht im ge- ringsten von den vorhergehenden Kelchen unter- schieden. Werden Sie nun noch zweifeln, daß Kelch und Blume, und folglich auch Blaͤtter, Kelch und Blume dem Grunde nach einerley seyn? Die Staubfaͤden uͤbergehe ich, weil an ihnen bey unserm Vorhaben nichts gelegen ist. Die Frucht kan man am besten bey den leguminosis (an den Schoten) oder auch an den cruciformibus erken- nen. Diese Saamenkapseln verrathen ihre Na- tur zu deutlich, wenn sie reif sind, und ihre Val- veln von einander springen; eine jede Valvel ist alsdann ein wahres Blatt, und niemand kann es verkennen. Bey einigen Arten haben sie so gar Nerven, wie andere Blaͤtter haben. Allein so lange sie noch im Pistill sind, sollte man es ihnen nicht ansehen, daß sie aus Blaͤttern bestehen. Mit dem Saamen verhaͤlt es sich eben so. Er verraͤth sich, so bald er in die Erde gesteckt wird. Denn alsdenn gehen seine Seitentheile in Blaͤt- ter uͤber, allein dieses geschiehet nicht eher, als bis er in die Erde gesteckt wird, wo er eine neue Kraft bekommt, die er, so lange er in der alten Pflanzen ist, und einen Theil derselben ausmacht, von ihr niemals erhaͤlt. Er ist also auch der- jenige Theil der Fruktification der am allerwe- nigsten den Blaͤttern aͤhnlich sieht, und der also am staͤrksten modificirt ist. §. 80. 6. Kap. Von der Conception. §. 80. Allein dieses ist noch nicht hin- Sie sind zwar unvollkomm- ne Blätter. laͤnglich; wir muͤssen die Fruktifica- tion noch um etwas naͤher kennen. Es sind modificirte Blaͤtter; allein die Art dieser Modification! Es sind veraͤnderte Blaͤtter; allein auf was fuͤr eine Art sind sie veraͤndert? Dieses laͤßt sich eben so leicht, und leichter noch, als das vorige aus dem bloßen Ansehen erkennen. Die Blaͤtter, welche den Kelch in der Sonnenblume ausmachen, sind kaum den achten Theil so breit, als die gewoͤhnlichen Blaͤtter; und sind dabey viel kuͤrzer. Von dem Kelch und der Blume in den Grasen habe ich eben dieses schon erinnert; beyder ihre Blaͤtter, woraus sie bestehen, sind kaum den 50sten Theil so lang, als die gewoͤhnli- chen Graßblaͤtter, und sind dabey viel schmaͤhler. Die Frucht, oder Saamenkapsel, wenn sie im Pistill betrachtet wird, (wo sie eigentlich betrach- tet werden muß, denn die Kraft, wodurch sie in ein Pericarpium anwaͤchst, ist eine neu hinzukom- mende Kraft, davon die Blaͤtter und der Kelch niemahls etwas erfahren, und mit welcher, wenn sie dieselbe bekaͤmen, sie sich ebenfalls viel staͤrker ausbreiten wuͤrden;) ist kaum noch fuͤr zusammen- gesetzte Blaͤtter anzusehen, und nur einzig im Stigmate zeigen sich noch einige Spuhren von diesen zusammengesetzten Blaͤttern; so klein und so unvollkommen sind hier die Blaͤtter schon, aus welchen die Frucht zusammengesetzt ist. Dem Saamen endlich kann man es gar nicht mehr an- P 4 sehen, 6. Kap. Von der Conception. sehen, daß er aus Blaͤttern zusammengesetzt sey, und wir haben ihn daher auch nur bloß aus den Veraͤnderungen kennen lernen, die mit ihm vor- gehen, wenn er in die Erde gesteckt wird. Wo- durch sind also nun die Blaͤtter in der Frucktifica- tion modificirt? Durch die Unvollkommenheit! Die Theile der Fruktification sind weiter nichts als unvollkommne Blaͤtter. §. 81. Diese Unvoll- kommenheit der Blätter nimmt all- mählig zu je weiter die Ve- getation fort- gesetzt wird. Sie werden aus den bisherigen Beschreibungen der Theile der Fruck- tification bemerkt haben, daß diese Unvollkommenheit immer je laͤnger je mehr zunimmt. Die Blaͤtter, wor- aus die Blume besteht, sind unvoll- kommner, als die Blaͤtter des Kelchs; die Blaͤtter des Pistills sind unvollkommner, als die Blaͤtter der Blume, und die Blaͤtter des Saa- mens sind die schlechtesten. Alles dieses wird Jh- nen noch verstaͤndlicher seyn, wenn ich nun hin- zusetze daß selbst die gewoͤhnliche Blaͤtter der Pflan- ze schon nach und nach immer unvollkommner werden, daß die, welche zuerst herfuͤr gebracht wer- den, vollkommner, und die letzten die unvollkom- mensten sind. Ja in der Sonnenblume und in vielen andern geschiehet dieses so deutlich, so schoͤn, daß Sie nicht sagen koͤnnen, wo die gewoͤhnlichen Blaͤtter der Pflanze aufhoͤren, und wo die, die zum Kelch gehoͤren, anfangen. §. 82. 6. Kap. Von der Conception. §. 82. Schon hieraus nun, aus dieser Und hieraus muß endlich das völlige Aufhören der- selben erfol- gen. Eigenschaft der Frucktification, aus diesem Verhaͤltniß, in welchem diesel- be mit den gewoͤhnlichen Blaͤttern der Pflanze steht, werden Sie die Ursache abnehmen koͤnnen, warum, nach dem die Frucktification erst herfuͤr gebracht ist, alle fer- nere Herfuͤrbringung anderer Theile nothwendig aufhoͤren muß. Die Blaͤtter der Pflanze, und die, woraus die Frucktification besteht, werden je laͤnger je unvollkommner. Die Vegetation wird also allmaͤhlig immer schwaͤcher. Wenn dieses nun wuͤrklich so ist, so muß nothwendig endlich die- se Vegetation, diese Herfuͤrbringung neuer Theile, gar aufhoͤren; denn sonst wuͤrde dieselbe an einem Orte anfangen muͤssen, in gleichem Grade fortzu- gehen. dieses voͤllige Aufhoͤren nun also geschie- het bey dem Saamen. Hier ist alles schon so un- vollkommen, und die Vegetation folglich so schwach, daß nichts unvollkommneres nach ihm erfolgen kann. §. 83. Hieraus nun aber laͤst sich auch Die Ursache aller dieser Veränderun- gen bey der Vegetation ist der Mangel der Säfte. Diese Wahr- zugleich, und zwar sehr leicht, die Ursa- che schließen, wodurch die Vegetation allmaͤhlich immer schwaͤcher wird, war- um allmaͤhlich immer unvollkommne- re Blaͤtter herfuͤrgebracht werden, und warum sie endlich gar aufhoͤrt. Wir P 5 wissen 6 Kap. Von der Conception. heit a priori bewiesen. wissen nemlich, daß zum Wachsthum eine Pflanze und zur fernern Herfuͤr- bringung neuer Theile in derselben weiter nichts erfordert wird, als erstlich diese Pflanze selbst, in so fern sie nemlich unbeschaͤdigt, gesund, und mit ihrer wesentlichen Kraft verse- hen ist, und zweytens eine hinlaͤngliche Menge von Nahrungssaͤften, die in die Pflanze und alle ih- re Theile eindringen koͤnnen. Wenn beydes da ist, so faͤngt die Pflanze an zu wachsen, und for- mirt neue Theile. Soll also die Vegetation schwaͤ- cher werden, oder gar aufhoͤren, so muß es noth- wendig an einem von beyden fehlen; entweder muß die Pflanze ungesund oder beschaͤdiget seyn, oder es muß an Nahrungssaften fehlen. Soll aber die Pflanze an sich gesund und unbeschaͤdigt seyn, so kann es folglich, wenn an einem Orte dersel- ben die Vegetation dennoch nicht so wie bisher von statten gehen will, wenn sie schwaͤcher wird, an nicht anders liegen, als daran, daß die Nah- rungssaͤfte nicht so haͤufig an diesen Ort hindrin- gen, als sie in die vorige Theile gedrungen sind, und wenn endlich die Vegetation gar aufhoͤrt, so kann dieses von nichts anders herruͤhren, als daß gar keine Nahrungssaͤfte weiter bis in diesen Ort hingetrieben werden. Nunmehro sehen Sie auf unsern gegenwaͤrtigen Fall. Die Pflanze ist da; sie ist auch gesund und unbeschaͤdiget, und auch die Theile, und die Oerter, wo die Vegetation schwaͤcher wird, und wo sie aufhoͤrt, sind gesund und unbeschaͤdiget; es kann also dieses Schwaͤcher- werden 6. Kap. Von der Conception. werden und das Aufhoͤren der Vegetation von kei- ner andern Ursache, als von Seiten der Nahrungs- saͤfte, herruͤhren. Da, wo die Vegetation schwaͤ- cher wird, muͤssen die Saͤfte anfangen sparsamer hingetrieben zu werden, und um so viel sparsamer, je schwaͤcher die Vegetation wird, und je unvoll- kommner die Theile sind, die durch sie producirt werden, und da, wo die Vegetation gar aufhoͤrt, als welches im Saamen und zwar in dem Theil desselben, der von Linnaͤus Rostellum genennt wird, geschiehet; da, sage ich, muͤssen zu der Zeit wenigstens, wo dieses Rostellum aufhoͤren soll, neue Theile zu excerniren, gar keine Saͤfte weiter in dasselbe eindringen. Dieser Schluß ist so richtig, daß ich eigentlich nichts weiter zum Beweise dieser Wahrheit hinzuzusetzen noͤthig haͤt- te; Da aber auf diese Wahrheit, daß das Aufhoͤ- ren der Vegetation von dem Mangel der Nah- rungssaͤfte an dem Orte, wo die Vegetation ge- schehen soll, dependire, die ganze Theorie der Conception beruhet; da mir also wuͤrklich an die- sem Satze viel gelegen ist, und da ich allerdings auf ihn bauen will; so will ich ihn nach der Vor- schrift des Herrn von Hallers, ( pag. 136.) durch mehrere Erfahrungen noch weiter bestaͤrken. Die Ursache uͤbrigens, warum je laͤnger eine einfache Pflanze waͤchst, je mehr sie Ausschuͤße |von Blaͤt- tern bekommt, dieselbe auch um so viel weniger Nah- rungssaͤfte bis in diese entferntere Theile hinauf- treibe, habe ich in der Dissertation §§. 96-99. weitlaͤuftig auseinander gesetzt. Wir koͤnnen aber diese 6. Kap. Von der Conception. diese Ursache entbehren; es ist genug wenn wir wis- sen, daß die Sache selbst ihre Richtigkeit hat. §. 84. Eben diesel- be durch ande- re Erfahrun- gen bestärket. Sie erhellet 1) Aus der Trockenheit felbst die wir in den Theilen der Fruckrift- cation wahr- nehmen. Die Theile der Fruktification zeigen nicht nur eine Unvollkommen- heit in ihrer Strucktur, sondern sie haben auch uͤberdem noch diese beson- dere Eigenschaft, daß sie meistens trocken, steif, und leicht bruͤchig sind, und man bemerkt dieses so gar schon bey den Blaͤttern, daß sie, je unvoll- kommner sie werden, um desto mehr in der Trockenheit zu nehmen. Bey einigen Pflanzen, insonderheit bey denen, deren Blaͤtter nach und nach unvollkomm- ner werden, bis sie endlich allmaͤhlig, nicht aber auf einmahl, in den Kelch uͤbergehen, wie bey der Sonnenblume, laͤst sich dieses am deutlichsten wahrnehmen. Die untersten Blaͤtter (die Saa- menblaͤtter ausgenommen) sind die groͤßesten und vollkommensten, aber sie sind auch zugleich dieje- nigen, die den meisten Saft haben. Je hoͤher man kommt, desto kleiner und unvollkommner wer- den sie, aber desto weniger Saft haben sie auch zugleich. Die letzten, welche schon den Kelch ausmachen, und die Kleinsten und Vollkommen- sten sind, haben, mit den Vorigen verglichen, uͤberaus wenig Saft; sie bestehen bloß aus ihren zwo Haͤuten, zwischen welchen keine fleischigte saf- tige Substanz, wie bey den vorigen enthalten ist, und 6. Kap. Von der Conception. und sind zaͤhe wie Leder. Die Korolle, die Anthe- ren, das Pistill und der Saamen sind noch trockner. §. 85. Man muß sich hierbey nur nicht Ein Zweifel dabey wird ge- hoben. durch die Beschaffenheit der Fruͤchte, die bey einigen Pflanzen uͤberaus saf- tig sind, irre machen lassen. Linnaͤus wuͤrde mir vielleicht hieraus keinen Einwurf machen; Lesern aber, die die Gesetze der Vegetation nicht so gut kennen, muß ich die Sache einigermassen wenigstens erklaͤren. Man muß die Frucht nicht als einen Theil der Pflanze ansehen, der mit in die Reihe der Theile der gewoͤhnlichen Vegeta- tion gerechnet werden kann, sondern sie ist ein Theil, der aus einem andern, nemlich aus dem Germen durch eine befondere hinzukommende Ur- sache, nachdem die Vegetation schon vollbracht ist, entsteht. Jch habe diese Ursache in der Dis- sertation (§. 134.) erklaͤrt; hier ist es genug, wenn wir wissen, daß die Frucht nicht mit in die Reihe der Theile gerechnet werden muß, die durch diese Vegetation, wovon die Rede ist, allein producirt werden, und daß dieses sich so verhalte, sehen wir daraus, weil zu der Zeit, da die uͤbrige Thei- le der Fruktification producirt werden, der Kelch, die Blume, das Stigma, die Antheren, noch kei- ne Frucht, sondern nur ein Germen an dessen Stelle vorhanden ist. Was hernach dem Ger- men widerfaͤhrt, widerfaͤhrt den uͤbrigen Theilen nicht; daher muß nothwendig eine besondere Ursa- che 6. Kap. Von der Conception. che vorhanden seyn, wodurch das Germen in eine Frucht verwandelt wird, die in den Ursachen der Vegetation noch nicht enthalten ist; denn sonst muͤsten eben diese Veraͤnderungen auch mit dem Kelch den Antheren und dem Stigma vorgehen. Wir sehen von dieser Sache ein vollkommen aͤhn- liches Exempel an den Blaͤttern, die aus den Sei- tentheilen des Saamens ( lobis seminalibus ) ent- stehen, wenn dieser in die Erde gesteckt wird. Wenn aber von der Formation des Saamens, und der Vegetation der alten Pflanze, wodurch er her- fuͤrgebracht wird, die Rede ist, so betrachten wir den Saamen so, wie er sich in der alten Pflanze befindet, nicht aber das, was aus ihm wird, wenn er von neuem in die Erde kommt. Eben so also muͤssen wir es auch mit den Germen machen. Dergleichen Erscheinungen, wenn sie einem Na- turforscher vorkommen, pflegen oft, so wie sie ei- nen Beweis schwer machen, wohl große Hinder- nisse bey der Erfindung zu seyn; der Wahrheit aber schaden sie dem ohngeachtet nichts. §. 86. Sie erhellet 2) aus der Auflösung der Theile in der Fruktifica- tion. So wie die Trockenheit, vor- nemlich bey den Theilen der Fruktifi- cation, statt findet, so findet bey eben denselben auch noch eine ganz besonde- re Erscheinung statt, die ein eben so vollkommner Beweis von dem Man- gel der Saͤfte ist. Nemlich die ganze Theile zer- springen in ihre kleinere Theile, woraus sie zusam- men 6. Kap. Von der Conception. mengesetzt sind. Die Saamenkapsel zerspringt auf diese Art in ihre Valveln, wie wir insonderheit bey den Schotengewaͤchsen ( Leguminosis, sili- quosis ) sehen; der Saamen zerspringt in seine Seitentheile, und loͤset sich von der Frucht ab. Die Frucht faͤllt selbst von der Pflanze herunter. Die Blumenblaͤtter fallen ebenfalls herunter; kurz die ganze Fruktification faͤllt von einander. Jch habe aber anderswo gezeigt, daß diese Abloͤsungen der Theile von andern Theilen, an denen sie befe- stiget waren, von nichts anders herruͤhren, als von dem Mangel der Saͤfte, welche zuvor bestaͤn- dig aus dem einen Theil in den andern uͤbergingen, nunmehro aber ausbleiben; dadurch nemlich wird der Ort, wo sie mit einander zusammenhaͤngen, trocken, zieht sich zusammen, und zerbricht; wir sehen dieses an sehr haͤufigen Exempeln, und es ist auch uͤberdem bekannt, daß die ganze Festigkeit der Pflanzen und thierischen Substanzen von den Saͤften herruͤhret, wodurch die erdigten Theile, wie durch einem Leim, zusammenhaͤngen. Wenn also die Theile der Fruktification aufbersten, und von einander fallen, so ist dieses wiederum ein siche- res Zeichen von dem allenthalben in der Fruktifi- cation herrschenden Mangel der Saͤfte. Man sieht aber dieses Aufspringen und Zerfallen der Thei- le, oder vielmehr diese Trockenheit und dem Man- gel der Saͤfte selbst, nirgend deutlicher und schoͤ- ner, als in den Antheren, die ich noch nicht ange- fuͤhrt habe; diese loͤsen sich vors erste von ihren Faͤden ( Filamentis ) ab, so daß sie nur noch kaum, wie 6. Kap. Von der Conception. wie an einem Haar, an einer Faser hengen bleiben, und von der geringsten Luft bewegt werden, da sie vorhin, in ihrem juͤngeren Alter, wie ein Blatt an seinem Stiele befestiget waren, und aufgerich- tet stunden, denn so verhaͤlt es sich im Anfange mit den Antheren aller Pflanzen; Alsdann platzet ein jedes Saͤckchen der Anthere auf; man sieht es, daß die Trockenheit daran Schuld ist, denn die Haut dieser Saͤckchen wird zerbrechlich. Endlich wird die innere Substanz, die im fruͤhern Alter blasen- artig war, nicht nur zerreiblich, sondern ein wah- res trocknes Pulver, welches sich verblasen laͤßt, und wuͤrklich aus besonderer Absicht der Natur vom Winde zerstreuet wird. §. 87. 3) aus der Farbe| dieser Theile. Noch ein anderes Merkmahl der Trockenheit in den Theilen der Frukti- fication ist die fremde, von der gruͤ- nen verschiedene, Farbe, sie sey gelb, oder roth, wie sie wolle, die wir allemahl in den Theilen der Fruktification antreffen. Wenn die Saͤfte, die in einem Theile befindlich sind, in demselben sto- cken, und nicht bestaͤndig mit frischen Saͤften, die hinzukommen, ersetzt werden, so aͤndern sie, da sie sich selbst uͤberlassen, und den Kraͤften der Ve- getation nicht mehr unterworfen sind, ihre Mi- schung, und verlieren dadurch ihre den Pflanzen eigene Farbe; und auf diese Art also, ist eine an- dere als gruͤne Farbe in den Theilen der Pflanzen ein Zeichen von dem Mangel neuer hinzukommen- den 6. Kap. Von der Conception. den Saͤfte. Um aber nicht diesen Beweis auf ei- ne Erklaͤrung zu bauen, die vielleicht falsch seyn koͤnnte, so will ich lieber den Satz, daß die fremde Farbe ein Zeichen des Mangels der Saͤfte ist, durch eine andere, und sehr gemeine Erfahrung bewei- sen. Jm Herbste, wenn die Blaͤtter an den Baͤumen ihre gewoͤhnliche gruͤne Farbe verlieren, und entweder eine schoͤne rothe oder voͤllig gelbe Farbe annehmen; wenn sie ferner abfallen, und dabey zugleich so trocken werden, daß man sie oft mit den Fingern zerreiben kann; und wenn man endlich dabey weis, daß eben zu dieser Zeit die Saͤfte aus Mangel der Waͤrme, nicht mehr so haͤufig, oder gar nicht, durch den Baum steigen; wird man da zweifeln, daß jene drey Erscheinun- gen die fremde Farbe, das Abfallen, und die Tro- ckenheit von diesem Mangel der zufließenden Saͤf- te herruͤhren? Alle Theile der Pflanze, alle Blaͤt- ter, und selbst das Holz nicht ausgenommen, verlieren, wenn sie trocken werden, ihre gruͤ- ne Farbe, und werden gemeiniglich gelb, oder roth, so wie gemeiniglich die Theile der Fruktifi- cation, die Blumenblaͤtter, die Staubfaͤden, und die Fruͤchte sind. Jch glaube nunmehro, daß die- ses Merkmale genug von dem Mangel der in die Theile der Fruktification neu hinzufließenden Saͤfte seyn werden. §. 88. Jch will noch einen Versuch hin- Eben die- se Wahrheit zu setzen, wodurch diese Wahrheit, Q daß 6. Kap. Von der Conception. noch durch Versuche be- stätiget. daß die Unvollkommenheit der Theile in der Fruktification einzig und allein von dem Mangel der zufließenden Nahrungssaͤfte herruͤhre, außer allem Zweifel gesetzt wird. Man setze eine Pflanze, von der man ungefehr weis, wie viel Schuͤsse von Blaͤt- tern sie bekommen muß, ehe die Fruktification er- folgt, in ein sehr magers Erdreich, so wird sie aus- ser dem, daß ihre Blaͤtter sehr klein und unvoll- kommen werden, auch, wenn sie sonst 6 Aus- schuͤße von Blaͤttern macht, ehe die Fruktification kommt, jetzo kaum 3 gemacht haben, so wird die Fruktification schon da seyn. Man pflanze nun aber eben die Pflanze in | ein sehr feuchtes und fruchtbares Erdreich, so werden ihre Blaͤtter nicht nur groͤßer und vollkommner werden, sondern an statt, daß sie gewoͤhnlicher Weise 6 Ausschuͤsse von Blaͤttern bekommt, und in dem magern Erdreich nur drey bekam, so wird sie jetzo neune herfuͤrbrin- gen. Dieses ist schon sehr deutlich. Ein Ueberfluß an guten Nahrungssaͤften haͤlt immer das Herfuͤr- bringen der Fruktification zuruͤck; ein Mangel an denselben beschleuniget sie. Aber man kann die Sache noch handgreiflicher machen. Wenn eine Pflanze in einem guten Erdreiche mit der Frukti- fication zaudert und immer noch schoͤne vollkomme Blaͤtter herfuͤr bringt, so nehme man sie nur her- aus, und setze sie in ein duͤrres Erdreich; den Au- genblick wird die Fruktification seyn; sie wird nicht ein Blatt mehr herfuͤrbringen; was sie einmal hat, wird sie behalten, aber neue Blaͤtter wird sie nicht bekom- 6. Kap. Von der Conception. bekommen. Oder noch besser. Man lasse eine Pflanze in einem duͤrren Erdreiche so weit kom- men, daß sie wuͤrklich schon den Kelch formirt, und in diesem auch die Anfangstheile zu den Blu- menblaͤtter und den Antheren schon enthaͤlt. Als- dann setze man sie hurtig in ein fruchtbares Erd- reich, oder verschaffe ihr uͤberfluͤßige Nahrungs- saͤfte, so werden die Antheren, die schon, obwol noch jung, da sind, in Blumenblaͤtter, diese in Kelchblaͤtter, uͤbergehn, und an statt des Pistills werden gewoͤhnliche Blaͤtter zum Vorschein kom- men; sie wird noch anfangen neue Ausschuͤße von Blaͤttern zu formiren, und alsdann erstlich wieder eine Fruktification herfuͤrbringen. Hieraus ent- stehen alsdann die so genannte flores | proliferi, die auch wuͤrklich mit Blaͤttern versehen seyn koͤnnen, und alsdann frondosi vom Linnaͤus genennt werden. ( Phil. bot. pag. 81.) §. 89. Es wuͤrde uͤberfluͤßig seyn, wenn Erklärung der Concep- tion aus die- ser Wahrheit. Der mänli- che Saamen würkt als ein Nutriment. ich mich laͤnger bey dem Beweise die- ses Satzes aufhalten wolte. Sie ha- ben die Sache nunmehro von verschie- denen Seiten betrachtet, und allent- halben Beweise dieser Wahrheit ge- funden. Nunmehro wollen wir wei- ter gehn, und aus dieser bishero bewiesenen Wahr- heit, |auf welcher alles ankommt, die Beschaffen- heit, die es mit der Conception hat, herleiten. Wir sind der Sache schon sehr nahe, und es ist Q 2 nun- 6. Cap. Von der Conception. nunmehro uͤberaus leicht, diese Wuͤrkung des maͤnnlichen Saamens, und das ganze Concep- tionsgeschaͤfte einzusehen, wie ich es §. 75. be- stimmt habe. Diese erste Theile der jungen Pflanze, die durch die Kraft des hinzukommen- den maͤnnlichen Saamens erzeugt werden sollen (§. cit. ) sind von den gewoͤhnlichen Blaͤttern der alten Pflanze in nichts unterschieden. Untersu- chen Sie diesen ersten Keim der jungen Pflanze, die so genannte Plumula, so werden Sie finden, daß sie eben so aus jungen Blaͤttern zusammen- gesetzt ist, wie die Knospen bey den alten Pflanzen zufammengesetzt sind, in welchen die vor sich be- stehende Theile herfuͤrgebracht werden. Allein dieses ist auch eine mehr als zu bekannte Wahr- heit, und eben die, die dem Erfinder des Systems der Evolution zu diesem System Anlaß gegeben hat. Jst dieses nun aber so, sind diese ersten Theile der jungen Pflanze eben solche Blaͤtter, wie sie in der alten Pflanze, ehe die Fruktification her- fuͤrgebracht wurde, producirt wurden; so werden sie auch zu ihrer Herfuͤrbringung eben dieselbe, und keine andere Ursachen erfordern, als diejeni- gen, welche bey der Vegetation der alten Pflanze, zu der Zeit, da sie ihre gewoͤhnliche Blaͤtter her- fuͤr brachte, statt fanden; nun sind aber diese zur Vegetation erforderte Ursachen keine andere, als erstlich eine gesunde lebende Pflanze, (in so fern nemlich in ihr jene wesentliche Kraft statt findet) und zweytens eine hinlaͤngliche Menge der Nah- rungssaͤfte; denn so bald diese beyde Stuͤcke zu- sammen 6. Kap. Von der Conception. sammen kommen, geht die Vegetation von stat- ten; folglich werden also zur Herfuͤrbringung der ersten Theile der jungen Pflanze auch wiederum diese beyde Ursachen erfordert werden. Nunmeh- ro aber wissen Sie, daß in dem Saamen der al- ten Pflanze, als dem Orte, wo die ersten Theile der jungen Pflanze, die pulmula, herfuͤrgebracht werden sollen, so wie in der ganzen Fruktification schon die eine von diesen Ursachen, die erforderliche Menge der Nahrungssaͤfte nemlich, fehlt, (und dieses ist unser wichtiger Satz, den ich so weit- laͤuftig bewiesen habe). Was kann also der maͤnn- liche Saame, der Blumenstaub der Pflanzen, der so nothwendig allemal bey dieser Herfuͤrbringung der ersten Theile der jungen Pflanze erfordert wird, was kann dieser anders seyn? als eben die- se bishero gefehlte und nun wieder ersetzte Ursa- che, ein Nahrungssaft nemlich, oder ein Nutri- ment? und was wird also nunmehro die ganze Conception, als welche, wie wir §. 75. gesehn haben, in weiter nichts, als in der durch Huͤlfe des maͤnnlichen Saamens wieder hergestellten Ve- getation besteht, was wird diese seyn? Weiter nichts, als eine Ersetzung desjenigen Nutriments, welches bishero gemangelt hatte, und deswegen die Vegetation unterbrochen worden war. §. 90. Allein ich werde Jhnen kaum Genauere Be- stimmung die- ser Würkung des Saamens. diese Erklaͤrung von der Wuͤrkung des maͤnnlichen Saamens gegeben haben, so wird Jhnen der Einwurf Q 3 ein- 6. Kap. Von der Conception. einfallen: Warum thut nicht ein jedes Nu- triment eben das, was der Saamen thut, wenn er an die Oerter, wo die Vegetation auf- gehoͤrt hatte, gebracht wird? Sie denken ganz richtig, wenn Sie hieraus schließen, daß der maͤnnliche Saamen, gesetzt auch, daß er ein Nu- triment ist, dennoch vor den gewoͤhnlichen Nutri- menten einen besondern Vorzug haben muͤsse. Diesen wollen wir nun genauer zu bestimmen su- chen, und er wird sich aus der besondern Art und Weise, wie dieses Nutriment angewendet wird, und wie es wuͤrkt, leicht beurtheilen lassen; da- durch aber werden wir alsdann auch eine vollstaͤn- dige Definition des maͤnnlichen Saamens, und eine vollstaͤndige Erklaͤrung der Conception, er- halten. §. 91. Er ist ein im höchsten Grad vollkommnes Nutriment. Geben Sie nur auf die beson- dere Art achtung, wie sich die Natur unsers Nutriments, des Blumenstau- bes, bedienet; auf die Art, wie sol- ches zu seiner Verrichtung angewen- det wird. Es wird unmittelbar von außen an die- jenigen Theile herangebracht, die durch dasselbe nutrirt werden sollen. Dieses ist eine besondere Art zu nutriren. Wir wissen, daß alle andere Nutrimente zuerst, ohne einmahl an diejenigen Theile, die durch dieselben nutrirt werden sollen, zu gedenken, vielmehr nach die vollkommensten und aͤltesten Theile des Koͤrpers hingebracht wer- den, von hier in die Gefaͤße gehen, und das gan- ze 6. Kap. Von der Conception. ze System der Gefaͤße und mithin den ganzen Koͤr- per durchlaufen, ehe sie an denjenigen Ort hinkom- men, wo die Nutrition geschehen soll. Wir wis- sen aber auch die Ursache sehr wohl, warum dieses geschiehet, und warum es geschehen muß; die Nutrimente leiden, indem sie durch die alten Thei- le des Koͤrpers, und durch alle Gefaͤße desselben, durchgehen, in einem jeden Theil, an einem jeden Orte, wo sie hinkommen, eine besondere Veraͤn- derung, und werden also auf diese Art, ehe sie an dem bestimmten Ort, wo die Nutrition gesche- hen soll, hingelangen, so sehr veraͤndert, daß sie sich kaum noch aͤhnlich sind; und eben hierdurch werden sie erstlich geschickt gemacht, daß sie die jungen Theile nutriren koͤnnen, und daß diese hin- wiederum einen Theil von Jhnen in sich behal- ten, einen andern Theil zur Formation neuer Thei- le aus sich heraustreiben und absondern koͤnnen. Sie errathen nunmehro, welches die Eigenschaft sey, die wir unserm Nutriment noch besonders zu- schreiben muͤssen; da dieses nicht erst, wie die ge- woͤhnlichen Nutrimente, noͤthig hat, durch den ganzen Koͤrper, dessen Theile durch dasselbe nutrirt werden sollen, durchgefuͤhrt zu werden, sondern dern unmittelbar von außen an diese Theile heran- gebracht wird, und dennoch dieselben Dienste ver- richtet, die jene, wenn sie schon alle Gefaͤße durch- gegangen waͤren, alsdann erst wuͤrden zu leisten im Stande gewesen seyn. Es muß nemlich dieses nothwendig ein Nutriment seyn, welches denjeni- gen Grad der Vollkommenheit in Ansehung des Q 4 Ver- 6 Kap. Von der Conception. Vermoͤgens zu nutriren, schon erreichet hat, wel- chen die gewoͤhnlichen Nutrimente, wenn sie in dem Koͤrper genommen werden, erst erreichen sollen; denn, wenn dieses nicht waͤre, so wuͤrde es unmoͤg- lich auf diese Art da es unmittelbar von außen an die zu nutrirende Theile gebracht wird, jener ihre Stelle vertreten koͤnnen, die durch den ganzen Koͤr- per gefuͤhrt werden. Jch habe daher in meiner Dissertation das Semen masculinum ein Nutriment genennt, welches den hoͤchsten Grad der Vollkom- menheit erreicht hat, ( nutrimentum perfectum ) und dadurch habe ich zugleich eine wahre Defini- tion von demselben gegeben. Hieraus sehen Sie also nicht nur den Unterscheid, welcher zwischen diesem und den gewoͤhnlichen Nutrimenten statt findet, vollkommen ein, sondern Sie verstehen auch aus eben diesem Unterscheid nunmehro die Ursache, warum unmoͤglich die gewoͤhnlichen Nu- trimente die Stelle des maͤnnlichen Saamens ver- treten koͤnnten. §. 92. Dieses lässet sich auch aus der |Entste- hungsart des Blumenstau- bes begreifen. Nicht um die gegebene Erklaͤ- rung des maͤnnlichen Saamens wei- ter zu beweisen, sondern vielmehr um den Begriff davon vollstaͤndiger zu ma- chen, will ich noch dieses anfuͤhren; daß der Blumenstaub aus einem Nah- rungssafte entstehet, der wuͤrklich so weit gebracht ist, daß aus ihn organische Theile formirt werden sollen, welches aber durch einen besondern Umstand, davon ich in meiner Dissertation, in dem Ab- schnitte, 6. Kap. Von der Conception. schnitte, von der Entstehung des Blumenstaubs, weitlaͤuftig geredet habe, verhindert wird. Sie sehen also aus der Entstehungsart des Blumen- staubes, daß er ein vollkommnes, und zwar bis zum hoͤchsten Grade der Vollkommenheit gebrachtes Nutriment sey. §. 93. Wir werden nunmehro ganz Kurzer Be- griff des männlichen Saamens und der Con- ception. kurz, was der maͤnnliche Saame, und was die Conception sey, bestimmen koͤnnen. Von jenem habe ich bishe- ro gesagt, daß er weiter nichts sey, als ein im hoͤchsten Grad vollkomm- nes Nutriment, welches keine weitere Bearbei- tung noͤthig hat, wie solches mit den gewoͤhnlichen Nutrimenten geschehen muß, ehe sie ihre Funk- tion verrichten koͤnnen. Diese Erklaͤrung ist voll- staͤndig und ich habe nichts weiter hinzusetzen. Von der Conception aber habe ich bishero §. 89. gesagt, sie sey eine Ersetzung eines Nutrimentes, also eine Art einer |Nutrition. Dieses ist noch nicht genug; sie muß von der gewoͤhnlichen Nu- trition unterschieden werden. Sie sehen sehr leicht aus den Gruͤnden selbst, woraus ich §. 91. geschlos- sen habe, daß der maͤnnliche Saamen ein vollkomm- nes Nutriment sey, daß er es nur deswegen habe seyn muͤssen, weil die Nutrimente durch die ge- woͤhnlichen Wege der Pflanze nicht mehr an die Oerter gebracht werden konnten, die nutrirt wer- den sollten. Haͤtte dieses geschehen koͤnnen, so wuͤrde die Vegetation gar nicht aufgehoͤrt haben Q 5 (§. 83.) 6. Kap. Von der Conception. (§. 83.) folglich wuͤrde keine Conception noͤthig und auch nicht moͤglich gewesen seyn; oder viel- mehr wir wuͤrden die alsdann auf die gewoͤhnliche Weise fortgesetzte Vegetation keine Conception ge- nennt haben. Also unterscheidet sich die Conception von der gewoͤhnlichen Nutrition darin, daß das Nutriment nicht durch die gewoͤhnliche Wege, durch den ganzen Koͤrper, und also von inwendig zu dem Orte der Nutrition, und den Theilen, die nutrirt werden sollen, sondern von außen, an die- selbe unmittelbar gebracht wird. Wir koͤnnen also die Conception definiren, sie sey eine von außen geschehene Nutrition, wobey nemlich das Nu- triment unmittelbar an die Theile, die nutrirt wer- den sollen, gebracht wird. Dieses enthaͤlt zugleich auch schon jene besondere Eigenschaft des Nutri- mentes, daß es im hoͤchsten Grade vollkommen seyn muͤsse, denn wenn dieses nicht ist, so kann dadurch keine solche unmittelbare Nutrition von außen bewerkstelliget werden. §. 94. Eine Erinnerung wird man mir meiner Theo- rie von der Conception wegen zu machen erlau- ben. Buffon sagt, der maͤnnliche Saame sey der uͤberfluͤßige Theil der Nahrungssaͤfte, die zur Nutrition aller Theile des Koͤrpers bestimmt gewesen waͤren; sie seyen aus allen diesen Thei- len, als uͤberfluͤßig, wiederum zuruͤckgenom- men, ins Blut gebracht, und von neuem in die Saamenblaͤschen, oder in die Antheren der Pflan- zen niedergelegt; sie haben aber nunmehro eben da- 6. Kap. Von der Conception. dadurch die Natur aller derer Theile erlangt, zu deren Nutrition sie bestimmt, und in denen sie schon einmahl wuͤrklich enthalten gewesen sind; da- hero seyen sie nun auch geschickt, daß aus ihnen eben dergleichen Theile wiederum und keine andere zusammengesetzt werden koͤnnen. Das alles hat Hippocrates und nach ihm Galenus und die uͤbrigen Alten auch schon gesagt, wie ich dieses in der Historie der Theorie von der Generation in der vorhergehenden Abhandlung auch angefuͤhrt habe. Es fraͤgt sich aber, ist dieses auch nicht etwan mei- ne Theorie selbst? Sie werden bald sehen, daß das alles, so wahr, oder so falsch es an sich seyn mag, mit meiner nicht die geringste Aehnlichkeit weiter hat, als nur den Namen. Hippocrates nennt den Samen ein Nutriment, u. ich habe ihn freylich auch so genennt; allein indem ihn Hippocrates unter die Klasse der Nutrimente zehlt, so sagt er dadurch, daß er eben so, und aus eben der Materie, erzeugt wird, wie die uͤbrige Nutrimente, und er will also dadurch weiter nichts, als die Entstehungsart des Saamens erklaͤren. Das ist auch Buͤffons Meynung so, wie Sie leicht aus allen den ange- fuͤhrten Umstaͤnden sehn. Jch habe hiervon bis- hero noch nichts erwehnt, außer was ich §. 92. vom Blumenstaube gesagt habe, das ist eben das- selbe, und ich habe es nur zur Bekraͤftigung mei- ner Theorie mit angefuͤhrt; wenn ich aber in der Theorie der Conception den Saamen ein Nutri- ment nenne, so rede ich von seiner Wuͤrkung, und will also damit so viel sagen, er hat bey der Con- ception 6. Kap. Von der Conception. ception eben die Wuͤrkung, die die Nutrimente bey der Nutrition haben, oder er thut bey jener eben das, was diese bey der Nutrition thun. Jch er- klaͤre also dadurch die Conception, an welcher Hip- pocrates oder Buͤffon nicht einmahl gedacht ha- ben. Es kann sogar diese Wuͤrkung des Saa- mens, die ich ihm zueigne, bey dem Begriffe, welchen Hippocrates und Buͤffon von der Ge- neration haben, nicht einmahl statt finden. Nach meiner Theorie wird unser Koͤrper durch eine Ve- getation formirt, und diese geschiehet zwar durch fortgesetzte Absonderungen (§. 46. \&c. ) Hierzu werden Nutrimente erfordert; Saͤfte nemlich, wel- che abgesondert werden koͤnnen, und Sie sehen schon hieraus, wie die Sachen weiter zusammen- hengen. Hippocrates, und so auch Buͤffon, glaubte, daß der Koͤrper (und zwar im Utero ) durch eine bloße Zusammensetzung entstuͤnde, so daß ein Theil an dem andern von außen angesetzt wuͤrde. Hierzu aber wird eine Materie, im ei- gentlichen Verstande genommen, woraus nemlich etwas formirt werden kann, erfordert, und eben diese Materie ist nach der Meynung der beyden Na- turforscher der maͤnnliche Saamen. Weit gefehlt also, daß sie die Verrichtung und den Nutzen des Saamens in der Nutrition setzen sollten, so war er vielmehr in dieser Absicht betrachtet weiter nichts als eine geschickte Materie, aus welcher ein bestimm- ter organischer Koͤrper formirt werden koͤnnte; aber in eben dieser Absicht nenne ich ihn ein Nu- triment und um die Entstehungsart des Saamens bekuͤm- 6. Kap. Von der Conception. bekuͤmmere ich mich nicht, denn diese ist in der Physiologie bekannt genug. §. 95. Bey den Thieren geschiehet die Bey den Thie- ren verhält es sich mit der Conception eben so. Die Vegetation des Thieres hört zeitig auf; und end- lich hört auch die Nutrition auf. Conception auf eben dieselbe Art, und aus eben denselben Ursachen, und man kann sie aus eben denselben Gruͤnden erkennen. Nur darin ist sie hier noch deutlicher, daß die von neuen ange- fangene Vegetation, wodurch das jun- ge Thier formirt wird, von der alten, wodurch das aͤltere Thier selbst herfuͤr- gebracht wurde, durch eine lange Zwi- schenzeit unterschieden ist; dahingegen bey den Pflanzen die neue Vegetation, kaum daß die al- te aufgehoͤrt hat, schon wieder anfaͤngt. Die Vegetation eines Thieres im eigentlichen Verstan- de, wodurch nemlich vor sich bestehende Theile herfuͤrgebracht werden, wird kaum so lange dau- ren, als die vierfuͤßige Thiere im Utero einge- schloßen sind; alsdann ist das Thier nach seinen vor sich bestehenden Theilen fertig, und diese Ve- getation hoͤrt auf, da indessen die organisirende Nutrition, wodurch nemlich neues Zellengewebe formirt, und mit neuem Fette angefuͤllt wird, und zugleich in diesem Zellengewebe auch neue Gefaͤße formirt werden, bestaͤndig noch fort dauert. Hier- durch nimmt der Koͤrper in der Groͤße zu, ob gleich solches nicht so geschwinde, als in der ersten Zeit bey der Vegetation solches geschahe, von statten geht 6. Kap. Von der Conception. geht. Dieses nun dauert eine gewisse Zeit, die bey verschiedenen Thieren verschieden ist, alsdann hoͤrt auch selbst diese organisirende Nutrition auf, und der Koͤrper waͤchst nicht mehr. §. 96. Die daher entstehende überflüßige Nahrungs- säfte reitzen zum Bey- schlaf, und hierdurch wird die Vege- tation im Ey von neuen wiederum ver- anlasset. Man pflegt dieses Aufhoͤren des des Wachsens dem nunmehro erfol- genden Widerstande der festen Theile zuzuschreiben. Es liegt uns nichts hieran; wir koͤnnen die Ursache ent- behren. Genug jene Nutrition und das davon abhengende Wachsthum des Thieres hoͤrt um eine gewisse Zeit auf. Jndessen aber faͤhrt die Mi- schung des Blutes und der Nahrungs- saͤfte, so gut wie zuvor, da aus die- sen neue Theile formirt wurden, fort. Hieraus entsteht eine Empfindung, die dem Thie- re bishero unbekannt war, eine Art von Beaͤngst- lichkeit, die aber angenehm ist, und davon sich dennoch das unruhige Thier, ob es gleich nicht weis wie, loszumachen bemuͤhet. Jene Empfin- dung vermehrt sich bey dem Anblicke eines Thie- res von derselben Art und von verschiedenem Ge- schlechte. Kurz alles dieses laͤuft am Ende auf nichts anders hinaus, als auf die Vereinigung bey- der Geschlechte; hierdurch wird dem Thier alle Unruhe, alle Beaͤngstlichkeit, auf einmahl be- nommen. Die Vegetation faͤngt nemlich an demjenigen Orte, wo sie vor Zeiten stehn geblie- ben 6. Kap. Von der Conception. ben war, nun wieder von neuen an, fortzufah- ren, und zur Erhaltung derselben werden nun- mehro diejenigen Saͤfte dahin zugezogen, die durch ihre Anhaͤufung im Blute jene Unruhe verursacht hatten. Der Ort uͤbrigens, wo die alte Vegeta- tion aufgehoͤrt hatte, ist im Eyerstocke, welcher der Frucht der Pflanzen aͤhnlich ist. Der lezte Theil des Thieres ist das Ey, welches mit dem Saamen zu vergleichen, und, wie dieser in der Frucht, im Eyerstocke enthalten ist. §. 97. Die zu dieser von neuen ange- Weiteres Verhalten des befruchteten Eyes. fangenen Vegetation erforderten er- sten Nutrimente sind also der maͤnnli- che Saamen. Das Ey, welches hie- durch im Stande gesetzt ist, die ersten Anfaͤnge des Thieres abzusondern, von dem Orte aber, wo es bishero fest gesessen hatte, keine Nutrimente mehr bekommt, loͤset sich deswegen von demselben ab (denn dieses ist allemahl die Wuͤrkung der ab- geschnittenen Nahrungssaͤfte). Jn den Voͤgeln wird es voͤllig herausgetrieben; in vierfuͤßigeu Thieren aber setzt es sich am Utero fest; denn, da die erste Anlage des Thieres nun schon vorhanden ist, so koͤnnen nun die zur ferneren Herfuͤrbrin- gung der folgenden Theile erforderte Nutrimente in eben dieser ersten Anlage, durch welche sie durchgehen muͤssen, schon um etwas vollkommer gemacht werden; daher ist es nicht mehr noͤthig, daß die Nutrimente den hoͤchsten Grad der Voll- men- 6. Kap. Von der Conception. menheit haben muͤssen, und daher koͤnnen nun- mehro die Saͤfte des Uteri, so gut wie in den Voͤ- geln das Gelbe vom Ey, und in den Pflanzen die sich aufloͤsende Substanz der Seitentheile des Saamens zur ferneren Fortsetzung der Vegetation angewendet werden. Diese ganze Sache habe ich in meiner Dissertation ( Schol. 4. §. 230.) weit- laͤuftiger ausgefuͤhrt. §. 98. Das sind also die Sachen, die so lange un- bekannt geblieben sind, die Einige aus Mangel der Vergroͤßrungsglaͤser, aus Mangel der Beob- achtungen und anderer dazu erforderlichen Erfah- rungen, andere aber, denen es hieran nicht gefehlt hat, aus Mangel daruͤber angestellter Specula- tionen nicht haben entdecken koͤnnen. An- Anhang. Wiederholte Versuche. J ch habe diesen Som- Beschaffen- heit der ersten Anlage zu den Flügeln und Füßen, inglei- chen der Brust und des Un- terleibes. mer die Versuche mit gebruͤteten Eyern wie- derholt, und meine Theorie dadurch noch weit mehr be- staͤrkt gefunden. Jch habe einige Jrr- thuͤmer, die ich bey der besondern Er- klaͤrung der Vegetation einiger Theile begangen habe, entdeckt; die Sache aber, wie ich sie nun gefunden habe, widerspricht nicht meiner Theorie, sondern sie wird den allgemeinen Gesetzen der Vegetation, die ich gegeben habe, und die auch bey den Pflanzen statt finden, gemaͤßer, und nimmt einiges Sonderbare weg, welches sich nicht anders als mit Muͤhe erklaͤren ließ. Die Kante R nemlich, Anhang. nemlich, die die erste Anlage zu den Fluͤgeln und Fuͤßen ist, verschwindet nicht voͤllig, wie es das Ansehen hat, sondern sie zieht sich nur von bey- den Seiten nach die Vorderflaͤche des Embryo hin, und formirt in der Folge die beyde Seitentheile der Brust und des Unterleibes, die aber sehr spaͤte noch offen bleiben, und endlich durch ein neues formirtes Brustbein zusammen wachsen; da im Unterleibe, auch noch lange nachher eine Oeffnung uͤbrig bleibt, die in den Nabel continuirt. Die Substanz, welche die Kante formirt, scheint mir insbesondere diejenige zu seyn, die in die muscu- los, serratum anticum majorem, descendentem, adscendentem und transversalem abdominis uͤber- geht, und ich habe Ursachen, sie nicht fuͤr den pectoralem majorem zu halten. Das Herz wird zu dieser Zeit nur an dem bulbo aortæ und der vena cava von diesen beyden Seitentheilen der Brust beruͤhrt, der ganze ventriculus, die auricu- la, und der groͤste Theil des bulbi aortæ steht vor- ne vor, und liegt also frey. Die Membran, wo- mit das Herz umgeben ist, die der Herr von Hal- ler fuͤr die Brust gehalten hat, und die mir das Pericardium zu seyn schien, ist weiter nichts, als eine Fortsetzung des Amnii, womit der ganze Em- bryo umgeben ist, und die ich oft von demselben abgezogen, und damit zugleich das Herz entbloͤßet habe. Das Herz liegt also allerdings außer der Brust, weil diese nicht nur der ganzen Laͤnge nach forne, so weit das Sternum in Erwachsenen geht, offen, sondern auch viel zu kurz ist, als daß sie das Wiederholte Versuche. das Herz erreichen und bedecken koͤnte. Jn der Folge aber zieht sich theils das Herz zuruͤck, theils verlaͤngern sich auch durch das bloße Wachsen die Seitentheile der Brust, und auf diese Art kommt das Herz in der Brust zu liegen. Das Sternum faͤngt an formirt zu werden, und schliesset die Brust zu. Es ist immer, und auch beym Erwachsenen noch, eine Narbe, und ein Zeichen der ehemali- gen Oeffnung der Brust. Der Herr von Hal- ler will, wie es auch nach den Regeln der Evo- lution seyn muͤste, daß die Brust immer verschlos- fen, und das Herz immer innerhalb derselben ge- legen gewesen seyn solle; man darf aber nur die Beschaffenheit des Brustbeins und des knorplichen Theils der Rippen beym Erwachsenen ansehen, so sieht man daraus schon, daß sich die Sache ehe- mals anders verhalten haben muͤsse. Die Fluͤgel und Fuͤße aber fangen auf diese Art an, aus der nemlichen Kante zu entstehen: Jnnerhalb der Substanz derselbelben wird nach den Regeln der Vegetation §. 51. ein Saft de- ponirt, der durch seine staͤrkere Durchsichtigkeit seine Fluͤßigkeit innerhalb dieser Substanz, und daß er neuer ist, als die Kante selbst, verraͤth; er dehnt an diesen Orten die Substanz der Kante aus, und formirt dadurch die Huͤgel in derselben, davon ich geredet habe. Das Wegziehen und voͤllige Verschwinden der Kante, wodurch diese Huͤgel formirt werden sollten, war mir bey den Thieren etwas besonders, dergleichen ich bey den Pflanzen nicht wahrgenommen hatte. Jetzo aber R 2 sieht Anhang. sieht man, daß die Vegetation des Embryo in al- len Stuͤcken, die die Gesetze der Vegetation uͤber- haupt betreffen, der Vegetation der Pflanzen aͤhn- lich ist. Die Formation der Huͤgel durch eine Deposition ist der Formation der Seitenrippen im Blatte so vollkommen aͤhnlich, daß nicht das aller- geringste Außerordentliche bey jener mehr uͤbrig bleibt. Beschaffen- heit der ersten Gefaͤße in der Area. Jn Ansehung der Gefaͤße habe ich alle schon beschriebene Erscheinungen wieder gesehn; allein außer densel- ben sind mir noch einige andere vor- gekommen, die die Sache wiederum auf eine an- dere Art eben so gewiß machen. Jn einem Ey von 44 Stunden erschien das Amnium auf der Flaͤche des Gelben unter seiner gewoͤhnlichen laͤng- lichten und in der Mitte etwas zusammengezoge- nen Figur. Es war mit einer ziemlich breiten area umbilicali umgeben, auf welche, wie gewoͤhn- lich, wiederum ein dunkeler Zirkel folgte. Das Ey war vollkommner, als es sonst um diese Zeit zu seyn pflegt. Der Embryo hatte noch keine Kante; wenigstens war keine sichtbar; das heißt aber nach meinen Grundsaͤtzen so viel, als es war noch keine da. Jndessen entdeckte ich, indem ich die Area mit dem Vergroͤßerungsglase noch im Ey untersuchte, die Anfaͤnge der Gefaͤße in dieser Area. Die Stellen, welche zu Gefaͤßen werden sollten, waren, weder durch das Vergroͤsserungs- glas, noch mit bloßen Augen betrachtet, roth. Mit bloßen Augen sahe man gar nichts in der Area; Wiederholte Versuche. Area; durch das Vergroͤßerungsglas aber ent- deckte man diese Stellen; sie waren kaum von den uͤbrigen zu unterscheiden; sie waren nur etwas we- niges dunkeler, und fielen kaum ins braͤunliche. Jch erinnere dieses deswegen, damit man diesen Zustand der Area nicht fuͤr den nemlichen haͤlt, den der Herr von Haller beschreibt, und den ich in der Dissertation Fig. 7. 8. gezeichnet habe; sie ist viel fruͤher, als diese gewesen sind. Die Stellen also, welche zu Gefaͤßen werden sollten, waren so beschaffen, daß man sie unmoͤglich fuͤr Gefaͤße halten konte; und niemand, als der die folgende Veraͤnderungen der Area oͤfter gesehn hat, wuͤrde sich auch einbilden koͤnnen, daß sie nur die Ansaͤnge von Gefaͤßen seyn koͤnten; in- dessen aber ist an diesem letztern kein Zweifel, und wer diese Versuche oͤfter gemacht hat, wuͤrde sie auch wohl erkannt haben. Jch will nur drey Charak- tere von diesen Gefaͤßen, die ich indessen so nen- nen will, anfuͤhren, woraus man, meiner Einsicht nach, hinlaͤnglich wird erkennen koͤnnen, daß sie noch nicht einmal mit Recht Wege oder Rinnen, vielweniger Gefaͤße genennt werden koͤnnen, die ihre Haͤute haͤtten, und durch die Kraft des Her- zens vermittelst der hinein getriebenen Saͤfte aus- gedehnt waͤren. Vors erste also communicirten diese Stellen nicht mit einander, sondern sie wa- ren rings herum mit der weißen koͤrnigten etwas festeren Substanz umgeben und verschlossen, so, daß das an diesen Stellen befindliche fluͤßigere Wesen nirgends ausfließen konnte. Zum zwey- R 3 ten Anhang. ten war die Figur dieser Stellen nicht laͤnglicht, wie Wege oder Gefaͤße seyn muͤssen, sondern so breit als lang, uͤbrigens verschieden, dreyeckigt, viereckigt oder fuͤnfeckigt. Zum dritten endlich befanden sich diese Luͤcken in der Area, denn so kann ich sie am richtigsten benennen, groͤßer und haͤufiger an dem Unfange der Area; nach dem Amnio zu wurden sie kleiner, und dichte an dem- selben war die Area vollkommen ganz, vollkommen weiß und eben, ohne der geringsten Spur von ei- ner solchen Trennung der weissen Materie. Man sieht aus dem allen wohl, daß diese erste Anfaͤnge der Gefaͤße noch bis jetzo weiter nichts sind, als Stellen in der weissen Materie der Area, die durch ein fluͤßiges Wesen, welches sich zum Theil aus der Materie selbst praͤcipitirt zu haben scheint, aufgeloͤset sind; daß es aber Gefaͤße, oder auch nur Wege seyn solten, die (nicht durch eine we- sentliche Kraft, sondern) durch die Kraft des Her- zens, vermittelst der hinein gepreßten Saͤfte, aus- gedehnt und dadurch sichtbar geworden waͤren, ist unmoͤglich, weil diese Luͤcken nicht mit einander communiciren, und weil keine Wege nach dem Herzen zu vorhanden sind, durch welche die Saͤf- te haͤtten kommen muͤssen, sondern die Area viel- mehr nahe um dem Amnio herum noch vollkom- men ganz ist. Jn der Folge fangen diese Gefaͤße an, mit einander zu communiciren, und alsdann netzfoͤr- mige Wege vorzustellen. Auch alsdann erkennt man Wiederholte Versuche. man noch die Spuren der ehemaligen bloßen Luͤ- cken. Man findet nemlich hin und wieder der- gleichen Stellen, die gemeiniglich dreyeckigt zu seyn pflegen; aus einer jeden Spitze eines drey- eckes geht eine subtile Rinne heraus, die mit an- dern dergleichen Rinnen communicirt, und auf diese Art hengen die dreyeckigten Luͤcken gleichsam wie durch anastomosirende Wurzeln unter einan- der zusammen. Diese Erscheinung habe ich noch in einer Area gesehn, wo die Rinnen schon roth waren, und das Herz schlug. Wenn diese Communication der Luͤcken ver- mittelst der feinern Rinnen unter einander gesche- hen ist, so bekommt die Area alsdann erst dadurch das Ansehen, welches ich in der Dissertation be- schrieben und in der 8ten Figur gezeichnet habe; wo sie nemlich in lauter runde oder eyfoͤrmige Jn- seln eingetheilt ist. Eben wegen dieser Figur der Jnseln gibt es zwischen ihnen dreyeckigte Zwi- schenraͤme, die durch Rinnen mit einander zusam- men hengen, wie ich es beschrieben habe. Jch habe damals in meiner Dissertation zwar die Be- schaffenheit der Jnseln beschrieben; auf die drey- eckigte oder unordentliche Figur der Zwischenraͤu- me aber hatte ich nicht Achtung gegeben; allein ich war dem ungeachtet gewiß, daß diese Zwi- schenraͤume bloße Zwischenraͤume und keine Ge- faͤße seyn; ob ich gleich alle Charaktere, woran ich es sahe, aus meinem Begriffe nicht entwickelt hatte. Wer mit Beobachtungen umgegangen ist, R 4 wird Anhang. wird wissen, daß es uns oft so geht. Wir sehen es einer Sache an, daß es sich so oder so mit ihr verhalten muͤsse; wenn wir aber aus dem, was wir eigentlich nur gesehn haben, das letztere deut- lich beweisen sollen, so koͤnnen wir es entweder nicht, oder es kostet uns wenigstens Muͤhe. Und wer die Logick versteht, wird auch wissen, woher dieses kommt. Wir haben alsdann von der Be- obachtung nur klare Begriffe. Die Merkmale, welche das, was wir daraus schließen, demon- striren, sind in unserem Begriffe enthalten; wenn wir sie aber, um unsern gefaßten Schluß zu be- weisen, angeben sollen, so muͤssen wir sie zuvor entwickeln, und folglich den klaren Begriff deut- lich machen. Das ist bisweilen schwer, und de- nenjenigen, die darinn nicht geuͤbt sind, oder denen es sonst an Scharfsinnigkeit fehlt, oft unmoͤglich. Jch habe hier einige dieser Merkmale entwickelt; es finden sich derselben noch weit mehrere in den Beobachtungen, die ich mir aber deswegen nicht die Muͤhe geben mag, zu entwickeln, weil ich die Sache schon fuͤr zu offenbar halte. Von der Be- wegung des Herzens. Weil aber auch die Bewegung des Herzens in dieser Sache einen Einfluß hat, so will ich auch hiervon noch eine von meinen neuern Beobachtungen an- fuͤhren. Der Herr von Haller behauptet, daß alle Veraͤnderungen des Wachsthumes und die ganze Evolution von der Bewegung des Herzens dependiren; hierdurch werden die Saͤfte in die Gefaͤße Wiederholte Versuche. Gefaͤße hineingetrieben, und die Gefaͤße, und zu- gleich die Theile, worin sich diese befinden, wer- den dadurch auseinandergeschoben und ausgedehnt. Jndessen hat er vor dem Ende des zweeten Tages niemals das Herz sich bewegen sehn, ( Second. Mem. p. 105.) ob wohl innerhalb dieser beyden Tage schon viel Veraͤnderungen vorgegangen sind, und der Embryo stark gewachsen ist. Die Anfaͤn- ge des Kopfes, des Ruͤckgrades, des Gehirnes, des Ruͤckmarkes, der Augen, des Schnabels, und endlich auch die Kante, aus welcher die Fluͤgel und Fuͤsse entstehen, und die hernach in die Brust und den Unterleib uͤbergeht, sind alle schon da, und sind nach und nach entstanden. Der Herr von Hal- ler hat auch das Herz uͤberhaupt nicht vor 48 Stunden gesehen. ( Sec. Mem. p. 64.) Jch hatte es hingegen viel fruͤher, nemlich, zu 36 Stunden in der Beobachtung, davon meine 5te Figur in der Dissertation ist, unter der Figur eines halben Cirkels, allein weiß, und ohne alle Bewegung ge- sehn. Diese Beobachtungen sind mir auch jetzo wieder vorgekommen. Jch bin versichert, daß sich bey diesen Embryonen, das Herz niemahls bewegt gehabt hat, so wie ich versichert bin, daß es eine Zeit gibt, nemlich vor 24 Stunden, wo noch gar kein Herz da ist, und wo aber der Kopf und der Ruͤckgrad schon wiewohl ohne Gehirn und Ruͤckmark existiren, wie in meiner vierten Figur. Nunmehro aber habe ich eine Beobachtung, die die Meynung des Herren von Hallers zu bestaͤ- tigen scheint, die aber am Ende die Sache, wie R 5 sie Anhang. sie sich verhaͤlt, außer allen Zweifel setzen wird, und die ich aufrichtig, wie ich sie gesehn habe, an- fuͤhren werde. Jch oͤfnete ein Ey von 29 Stun- den. Es zeigten sich wider alles Vermuthen in der Area schon die Anfaͤnge der Gefaͤße, und die Vene, welche die Area umgibt; sie waren braͤun- lich und fielen ins Rothe; kurz, die Area hatte bey- nahe das Ansehen, wie die, welche ich in der 7ten Figur meiner Dissertation gezeichnet habe, die aber aus einem Ey von 64 Stunden ist. Das Herz war roͤthlich, und ließ sich also im Ey selbst sehen; allein ich sahe es nicht schlagen, und hielt also den Embryo von der Vollkommenheit wie den, in der angefuͤhrten Figur, wovon ich in der Anmerkung des 179. §. in der Dissertation gesagt habe, weil bey ihm das Herz gleichfalls nicht schlug, daß nur noch ein Grad der Vollkommenheit im Blute fehle, so wuͤrde dasselbe das Herz irritirt haben, dieses wuͤrde sich lebhaft zusammengezogen, und das Blut, wel- ches bishero stille zu stehen schien, durch die Ge- faͤße fortgetrieben haben. Jch glaubte also damahls, daß diese Veraͤnderungen, da das Herz aus der Ruhe in die lebhafteste Bewegung, und das Blut aus einer unmerklichen in die schnelleste Bewegung gesetzt wird, auf einemmahle geschehen sollten; daß alles so lange sich ruhig verhielte, bis die gehoͤrige Roͤthe im Blute, und die gehoͤrige Reitzbarkeit im Herzen entstanden waͤren; alsdann wuͤrde alles mit einemmahle in Bewegung gerathen. Jch besahe dieses Herz durch das Vergroͤßerungsglas, und sahe zu meiner groͤsten Verwunderung, daß es Wiederholte Versuche. es sich bewegete. Also eine Bewegung des Her- zens zu einer Zeit, wo man sie noch nicht gesehen hat, und wo man sie nicht vermuthet! Allein diese Bewegung war von der gewoͤhnlichen Bewegung des Herzens sehr verschieden. Es ist bekannt, daß sich das Herz im Ey so lebhaft zusammenzieht, daß seine Theile bey ihrer Systole voͤllig verschwinden; sie pressen alles Blut, welches sie bey der Diastole in sich enthalten, aus ihren Hoͤlen hinaus, sie wer- den daher weiß, ziehen sich in einen kleinen Punkt zusammen, und man sieht sie nicht mehr, daher auch der Nahme des huͤpfenden Punktes entstan- den ist. Ueberdem geschehen diese Zusammenzie- hungen sehr oft und sehr geschwind. Allein hier verhielt es sich anders; die Bewegung war vors erste sehr langsam, sie war, was man pulsum ra- rum und zugleich, was man tardum nennt; die Zusammenziehungen geschahen sparsam und lang- sam. Dabey aber waren dieselben schwach, daß man sie nur mit Muͤhe wahrnehmen konnte. Sie waren keine wahre Zusammenziehungen, wodurch das Blut aus der Hoͤle des Herzens haͤtte heraus- getrieben werden koͤnnen, sondern vielmehr nur ein sehr leichter und sanfter Druck auf dieses in der Herzkammer enthaltene Blut. Jch sahe nicht, daß diese Tropfe von Blut bey der schwachen Zusam- menziehung kleiner wurde; sie blieb wie sie war; das Blut wurde nicht bewegt, sondern nur sehr sanfte und langsam gedruͤckt, so wie in dem Magen die Speisen durch den motum peristalticum ge- druͤckt werden. Also ist dieses wiederum eine be- sondere Anhang. sonderc Periode des Herzens, wo es zwar da ist, auch sich bewegt, allein durch diese Bewegung noch nicht im Stande ist, das Blut fort zu bewe- gen, und man sieht zugleich aus dieser Beobach- tung wie es sich mit dem Anfange der Reitzbarkeit und der Bewegung des Herzens verhaͤlt. Sie entsteht nicht auf einemmahle, wie ich mir dieses sonst vorgestellt habe, sondern nach und nach; sie wird allmaͤhlig staͤrker, und geht endlich zuletzt aus einer langsamen spastischen, wie ich sie beschrieben habe, in eine augenblickliche convulsivische Bewe- gung uͤber, wie wir sie beym Erwachsenen noch sehen. Man kann, denke ich, nunmehro nicht mehr sagen: man sieht das Herz nicht, man sieht nicht es sich bewegen; Gut! daraus folgt nicht, daß es nicht da sey, daß es sich nicht bewege, und die Ursache der Bewegung des Blutes sey. Es kann sich bewegen, aber man sieht nur diese Bewegung nicht. Jch habe diese Bewegung gesehn, aber ich habe zugleich gesehn, daß das Blut dadurch nicht bewegt wurde. Man pflegt nemlich in der Physiologie nicht nur die Bewegung des Blutes, sondern auch aller uͤbrigen Saͤfte, die ganze Nutrition und alle vege- tabilische Bewegungen, und das ganze vegetabi- lische Leben in den Thieren von der Bewegung des Herzens herzuleiten. Der Herr von Haller sucht also natuͤrlicher Weise in eben dieser Bewe- gung des Herzens zugleich auch diejenige Kraft, welche Wiederholte Versuche. welche erfordert wird, die Evolution zu bewerkstel- ligen; ich halte sowohl das Letztere als auch die ge- meine Meynung der Physiologen fuͤr unrichtig, und glaube hinlaͤngliche Spuhren von einer beson- dern den Pflanzen sowohl als den Thieren wesent- lichen Kraft gefunden zu haben, der ich die oben benennte Verrichtungen, die Distribution der Saͤf- te und die Nutrition, bey den Pflanzen bestaͤn- dig, bey den Thieren zur ersten Zeit ihrer Forma- tion allein, in Erwachsenen zum Theil noch zu- schreibe. Jch fuͤhre also unter andern Beweisen auch diesen an, daß es eine Zeit gibt, wo noch kein Herz im Embryo ist, und wo dieser dem un- geachtet stark nutrirt wird, und vegetirt. Man wendet alsdann dawider ein, das Herz koͤnne da seyn, ob man es gleich nicht sieht, und ich antwor- te, das Herz ist niemahls so klein, auch niemahls so durchsichtig, daß es dadurch unsichtbar werden sollte, und ich habe es auch in meinen letzten Beo- bachtungen noch immer von eben der Groͤße, und immer aus kleinen Kuͤgelchen zusammengesetzt ge- funden, so fruͤhe ich es auch gesehn habe, ob es wohl sehr unvollkommen, und erst formirt zu seyn schien. Allein ich will setzen, es sey vorhero un- sichtbar gewesen; ich sehe es aber, wenn ich es zu- erst sehe, noch eine Zeitlang vollkommen in Ruhe und ohne alle Bewegung, folglich kann es, wenn es auch da ist, dennoch in der ersten Zeit die Saͤfte nicht bewegen. Man wende also auch ferner hier- wider ein, es habe sich, ungeachtet es in Ruhe zu seyn schien, dennoch bewegt; man habe nur diese Bewe- Anhang. Bewegung nicht sehn koͤnnen; so antworte ich; wenn mir das Herz einmahl seiner Durchsichtig- keit oder Kleinheit oder anderer Umstaͤnde wegen nicht unsichtbar ist, wenn ich es einmahl genau sehn, und seinen Umfang genau unterscheiden kann, wie ich es denn, so oft ich es gesehn habe, allemahlsehr genau gesehn habe, (denn man sieht es entweder sehr deutlich oder ganz und gar nicht,) so ist es unmoͤg- lich, daß mir seine Bewegung, wenn es eine hat, verborgen bleiben sollte. Jch werde ja sehn, ob sein Umfang, den ich so genau sehe, immer der nemliche bleibt, oder ob er wechselsweise groͤßer und kleiner wird; ob er seinen Ort, den er einnimmt, steif und fest behaͤlt, oder ihn veraͤndert. Allein gesetzt, das alles waͤre nicht, und das Herz, wel- ches ich ruhig stille liegen sehe, bewegte sich den- noch; so sehe ich aber auch, daß die erste Bewe- gung des Herzens, wenn ich sie wuͤrklich sehe, noch nicht so beschaffen ist, daß dadurch das Blut fort- getrieben werden koͤnnte. Sollte dieses alles noch nicht hinlaͤnglich seyn, meine Theorie von der we- sentlichen Kraft, von der allmaͤhligen Formation der Theile, und der allmaͤhligen Erlangung ihrer Eigenschaften, die sie im Erwachsenen haben muͤs- sen (die wesentliche Kraft nur ausgenommen) zu beweisen? Jch will die ganze Sache der Beur- theilung des Herren von Hallers uͤberlassen; nur eine eintzige Anmerkung will ich hierbey noch machen. Jm Erwachsenen traͤgt das Herz zur Nutri- tion gewiß sehr vieles bey, und ohne demselben wuͤrde Wiederholte Versuche. wuͤrde die Distribution der Saͤfte, wie sie zur Nu- trition erfordert wird, nicht geschehen koͤnnen; ob es also gleich nicht die einzige Ursache der ganzen Distribution ist, so ist es doch eine solche Ursache, welche nothwendig mit dazu erfordert wird. Wenn nun aber das Thier formirt werden soll, so wird hierzu schon die Distribution der Saͤfte erfordert, wie kann diese also indessen geschehen, ehe die Ur- sachen da sind, wodurch sie im Erwachsenen zuwe- ge gebracht zu werden pflegt? Es kommen mehre- re dergleichen Faͤlle vor. Jm Erwachsenen wird auch zur Formation des Blutes ein Chylus erfor- dert, der in den Gedaͤrmen zubereitet werden soll, und die Lungen scheinen auch etwas dazu beyzu- tragen. Allein im Embryo sind alle diese Theile noch nicht vorhanden, und dennoch wird Blut formiret. Es scheint also, als wenn zu denen- jenigen Verrichtungen, die nothwendig im Em- bryo auch zu der Zeit schon statt finden muͤssen, wenn die gewoͤhnliche Ursachen dieser Verrichtun- gen noch nicht vorhanden sind, indessen andere Ursachen bestimmt waͤren, die diese Verrichtun- gen so lange bewuͤrken muͤßten, bis die rechte Ur- sachen derselben hervorgebracht waͤren; daß alsdann die Verrichtungen durch diese gewoͤhnliche Ursa- chen bewuͤrket werden, und jene hingegen zu wuͤr- ken aufhoͤren! Allein so verhaͤlt sich die Sache auch noch nicht. Die ersten Ursachen der Ver- richtungen, die schon beym Embrio statt funden, hoͤren niemahls auf zu wuͤrken; sie thun noch beym Anhang. beym Erwachsenen das meiste zu den Verrichtun- gen, und die gewoͤhnlichen, welche uns die rechte Ursachen beym Erwachsenen zu seyn scheinen, wuͤr- ken entweder nichts, oder sie thun etwas anders. Jch habe diese Scheinursachen, die beym Er- wachsenen uns von so großer Wichtigkeit zu seyn scheinen, causas accessorias genennt, und ihre Wuͤrkungen die sie uͤberhaupt haben koͤnnen, be- stimmt ( Diss. §. 244.) Sie sind gemeiniglich me- chanisch; so lange wir uns bey unsern Erklaͤrun- gen an sie noch halten, werden wir die wahre Na- tur der Thiere niemahls entdecken. Von der Continuation der Haͤnte des Eyes in den Embryo. Endlich habe ich auch die Haͤute in spaͤter gebruͤteten Eyern genauer un- tersucht, als ich es vor dem gethan hatte, um von der Continuation des Embryo in die Haͤute des Gelben desto besser urtheilen zu koͤnnen. Jch habe in der ersten Ab- handlung die Beobachtungen so angenommen, wie sie der Herr von Haller und Herr Bon- net angegeben haben, und habe gezeigt, daß dar- aus nichts wider die Epigenesis zu schließen sey. Jch wollte aber dem ungeachtet doch wissen; ob es denn auch mit den Beobachtungen seine voͤlli- ge Richtigkeit haͤtte; nicht, als wenn ich an der Wahrheit desjenigen, was der Herr von Haller wahrgenommen zu haben vorgiebt, zweifelte; ich werde mir dieses am allerwenigsten einfallen las- sen. Allein es koͤnnen bisweilen gewisse Umstaͤnde uͤber- Wiederholte Versuche. de uͤbersehen werden, die der Sache ein ganz an- deres Ansehen geben; deswegen ist es nicht nur besser, daß man eine Beobachtung aus der man etwas schließen will, selbst untersuchet, und nie, mahls auf bloße Worte eines andern etwas bauet- sondern es ist, diese Worte moͤgen so wahr seyn, als sie wollen, unumgaͤnglich nothwendig. Jn der That sinden solche Umstaͤnde bey dieser Beobachtung statt, die nicht nur den Schluß, den man daraus zieht, voͤllig von derselben ab- schneiden, sondern die, wenn sie ausgedruͤckt waͤ- ren, nicht einmahl zulassen wuͤrden, das man auf die Gedanken einer solchen Folgerung kommen koͤnnte. Wir finden nach geschehener Jncubation den Embryo im Ey. Der Herr von Haller sagt, er ist schon vor der Jncubation und vor dem Bey- schlaf darin, nur unsichtbar, gewesen, ich sage, er ist waͤhrend der Jncubation in demselben formirt wor- den. Der Herr von Haller fuͤhrt um seine Mey- nung zu beweisen, die Beobachtung an, daß die Theile des Embryo in die Haͤute des Gelben con- tinuiren. Es versteht sich hierbey, wenn man aus dieser Beobachtung auf die Existenz des Em- bryo vor dem Beyschlaf schließen will, daß diese Haͤute des Gelben, in welche die Gedaͤrme des Embryo continuiren, schon vor der Jncubation da gewesen, und zwar so da gewesen seyn muͤssen, daß man sie sieht, und daß an dieser ihrem Daseyn gar kein Zweifel seyn muß. Denn man sieht leicht, wenn es sich mit diesen Haͤuten eben so, wie mit S dem Anhang. dem Embryo, verhalten sollte, wenn sie vor der Jncubation unsichtbar seyn solten, und man wollte sagen, sie haben dennoch als unsichtbar existirt; so waͤre man in dem Beweise nicht um ein Haar weiter gekommen, sondern man haͤtte nunmehro von den Haͤuten mit samt dem Embryo eben das- jenige wieder zu beweisen, was man vorhin nur vom Embryo allein zu beweisen hatte, allein es laͤßt sich niemand einfallen, daran zu zweifeln, und man geraͤth nicht einmal auf die Gedanken: Jst denn aber auch die Haut des Gelben, in welche der Embryo continuirt, gewiß vor der Jncubation schon da gewesen? Eben in dieser Gewißheit soll der ganze aus der Beobachtung gezogene Beweis bestehn; und wenn das Daseyn der Haut zweifelhaft waͤre, so wuͤrde man nicht einal an die Continuation, um sie zum Beweise der Epigenesis zu gebrauchen, gedacht haben. So wuͤrde ich, wenn mir jene Frage eingefallen waͤre, und so wuͤrde ein jeder gedacht haben. Man weis uͤber dem das Gelbe ist vor der Jncubation mit einer Haut uͤberzogen; wer wird also daran zweifeln, daß dieses nicht eben dieselbe Haut seyn sollte, in welche die Ge- daͤrme des Embryo continuiren? Allein ist es eben deswegen nicht sonderbar, wenn nunmehro meine angestellte Versuche lehren, daß nichts weniger, als diese Membran des Gelben, die vor der Jn- cubation schon da gewesen ist, mit den Theilen des Embryo continuirt, daß sie mit denselben nicht die allergeringste Gemeinschaft hat, und daß hin- gegen Wiederholte Versuche. gegen die Haͤute des Gelben, in welche die Ge- daͤrme des Embryo continuiren, nichts weniger als vor der Jncubation schon da gewesen sind, son- dern daß sie vielmehr mit samt ihren Gefaͤßen, die aus den Gekroͤßadern des Embryo entstehen, und die der Herr von Haller fuͤr ein so wichtiges Ar- gument ansahe, viel spaͤter noch als der Embryo selbst formirt werden. Jch schame mich wegen meiner laͤcherlichen Dispute, die ich wider die Fol- gerung aus der Continuation so umstaͤndlich, so klar und deutlich ausgefuͤhrt habe, da eine solche Continuation niemals in der Welt in den Eyern statt gefunden hat; und es geht mir dieses mal wie jenen Gelehrten, die ehedem so eifrig uͤber die Entstehungsart des goldenen Zahnes disputirt haben. Herr Bonnet hat mir gluͤcklich, wiewol so wenig als der Herr von Haller mit Vorsatz, etwas aufgebunden; und ich hingegen habe aus Gruͤnden der Physick bewiesen, daß Hans Nord unmoͤglich Raum in einem Kruge habe. Was aber das artigste bey dieser ganzen Sache ist, ist dieses, daß ich dem Herrn von Haller nicht Schuld geben kann, daß er das geringste un- wahre Wort gesagt habe. Er sagt, die Gedaͤr- me continuiren in die Haͤute des Gelben; das ist wahr. Er sagt weiter, das Gelbe hat schon im Eyerstock existirt, das ist wieder wahr: Er haͤtte auch sagen koͤnnen, die Haut des Gelben sey schon im Eyerstock vorhanden gewesen; allein er setzt nicht hinzu, daß dieses nicht dieselbe Haut sey, in welche die Gedaͤrme des Fetus continuiren; das S 2 ist Anhang. ist nemlich der Umstand von welchem ich gleich An- fangs gesagt habe, daß er nicht bestimmt sey, und der der Sache ein ganz anderes Ansehen gibt. Jch will jetzo dasjenige, was ich bey mei- nen Versuchen gefunden habe, umstaͤndlicher er- klaͤren. Nach dem 12ten, 14ten bis 16ten Tage besteht das Ey aus drey von einander verschiede- nen Saͤcken, aus dem Sacke des Gelben, welcher in der Mitte liegt, aus dem Amnio mit dem Fe- tus, welches nach dem stumpfen Ende des Eyes, und aus dem Sacke des Weißen, welcher nach dem spitzigen Ende zugelegen ist. Diese drey Saͤ- cke sind auf folgende Art in Haͤuten eingeschlossen und mit einander verbunden. Zuerst erscheint unmittelbar unter der aͤußern harten Schale, wenn man diese wegnimmt, die weiße dicke undurchsich- tige und trockne Haut, die an den untersten zwey Drittheilen der Schale fest sitzt, oben aber am stumpfen Ende zwischen sich und der Schale ei- nen großen leeren Raum laͤßt, der ohne Zweifel mit Luft angefuͤllt ist. Es ist schwer, die Schale ohne Verletzung dieser Haut loß zu machen; es laͤßt sich aber bewerkstelligen. Diese Haut umgiebt alle drey Saͤcke, das Amnium, das Gelbe, und das Weiße, und sie ist also die erste gemeinschaft- liche Haut, wodurch diese drey Theile uͤberzogen und an einander gehalten werden. Wenn man die Schale gluͤcklich losgemacht hat, so hat man nunmehro ein neues weiches Ey, welches der Fi- gur nach von der Schale verschieden ist; denn diese Wiederholte Versuche. diese Haut formirt an dem obern stumpfen Ende nicht wiederum ein Gewoͤlbe, wie die Schale, son- dern eine platte Flaͤche. An dieser Flaͤche ist sie auch auf der darunter gelegenen folgenden Haut so befestiget, daß sie sich nicht ohne Zerreißung von derselben trennen laͤßt. Von dem uͤbrigen Um- fange des Eyes aber, wo sie das Gelbe und das Weiße bedeckt, laͤßt sie sich leicht abloͤsen. Wenn man diese Haut herunter nimmt, so folgt nunmeh- ro die zweyte, die zwar ebenfalls ziemlich stark, aber durchsichtig ist, so daß man nunmehro die drey Theile des Eyes, und im Amnio den Fetus selbst sehen kann. Sie ist wiederum eine allge- meine Haut aller drey Theile des Eyes, und diese werden noch durch dieselbe in eine Kugel zusam- men gehalten. Malpigh hat dieses in der 54. Figur im Anhange sehr schoͤn und natuͤrlich aus- gedruͤckt. Es ist nemlich diese Haut diejenige, welche Malpigh chorium nennt. Auf sie folgt die dritte oder die zweyte durchsichtige, denn die er- undurchsichtige muß eigentlich nicht mitgezehlt werden; diese ist wiedrum allgemeiu, und sie hielt, nachdem ich des Malpighs Chorium herunter- gezogen hatte, noch immer die drey Theile des Eyes in einem Kuchen zusammen, auf die Art, wie Malpigh diese drey Theile, da sie noch ins Chorium eingeschlossen waren, in der 54sten Figur vorgestellt hat. Sie ist sehr subtil, und Mal- pigh hat sie dahero nicht wahrgenommen; er hat sie allemal mit dem Chorio zugleich herunter ge- zogen, als welches sehr leicht geschehen kann. S 3 Man Anhang. Man kann sie, wenn man man will, auf fuͤr die innere Lamina des Chorii ansehen, und beyde fuͤr eine Haut halten. Nachdem ich diese herunter gezogen hatte, so fielen numehro die drey Theile des Eyes in drey verschiedene Kuchen von einan- der; denn ob sie gleich an einem Orte ihrer Ober- flaͤche noch mit einander verbunden sind; so stel- len sie nunmehro doch drey verschiedene Kuchen gleichsam vor, die vorhin durch die allgemeine Haͤute in einem zusammen gepreßt waren. Man sieht dieses in der 52ten Figur des Malpigh, wobey man sich nur vorstellen darf, als wenn die Haut des Amnii D, welches hier zerrissen, und nach dem Gelben zu herunter gezogen ist, uͤber den Fetus zuruͤck geschlagen waͤre, und eine Blase um ihn formirte, die alsdann das Amnium vor- stellen wuͤrde. Nunmehro folgen also die eigene Haͤute eines jeden dieser drey Theile des Eyes, von deren Continuation in einander die Rede ist. Das Amnium besteht aus einer einfachen Haut, die, nachdem sie die Blase um den Fetus formirt hat, am Nabel sich zuruͤck schlaͤgt, zugleich sich an der Oberflaͤche desselben festsetzt, und in die Epi- dermis des Fetus continuirt. Es schliesset also die Oeffnung des Unterleibes, durch welche die Gedaͤrme des Fetus heraus hengen, nicht zu, und diese sind daher auch nicht nur ausser der Hoͤle des Unterleibes, sondern auch ausser dem Amnio und ausser dem Sacke des Gelben gelegen, und wer- den durch nichts als| durch die allgemeine Haͤute, durch des Malpighs Chorium eingeschlossen. Jch Wiederholte Versuche. Jch weiß nicht, daß man dieses schon bemerkt hat. Man stellt sich vor, sie sollen im Amnio nicht nur, sondern auch innerhalb des Nabels noch liegen; das ist aber falsch, und der ganze Nabel, den Malpigh in der 48sten Figur bey B gezeich- net hat, existirt eigentlich nicht, sondern ist ein kuͤnstliches Produkt; er entsteht nemlich, wenn man das Amnium zerreißt, und, um den Fetum zu entbloͤßen, die Membran des Amnii uͤber die Ge- daͤrme und Naͤbelgefaͤße zuruͤck schlaͤgt. Daher sagt Malpigh, die Haut dieses Nabels conti- nuirt in die Haut des Embryo; das thut das Am- nium, und diese Haut, die den Nabel formirt, ist weiter nichts als die zuruͤckgeschlagene Membran des Amnii. Der Sack des Gelben besteht nun- mehro aus zwey ihm eigenen Haͤuten, die eben diejenigen sind, die in den Embryo continuiren, die aͤussere ist duͤnne, glatt und durchsichtig, wie die Membran des Amnii, die Pleura, das Peri- toneum, und andere dergleichen duͤnne Membra- nen; die innere ist dicker, weich und schwammigt; sie formirt die breite in die Hoͤle des Sackes her- abhengende Falten, die Duplicaturen dieser in- nern Haut sind, so wie die Falten in den Gedaͤr- men von der innern so genannten zottigten Haut derselben formirt werden. Sie ist in allen Stuͤ- cken dieser innern Haut der Gedaͤrme aͤhnlich; und es ist daher kein Zweifel, daß sie nicht auch eben so aus lauter kleinen durch ein Zellengewebe verbundenen Gefaͤßen bestehen solte, wie wir an den Lieberkuͤhnischen Jnjectionen sehen, daß die S 4 Haut Anhang. Haut der Gedaͤrme zusammengesetzt ist. Auf der Oberflaͤche dieser Falten lassen sich auch leicht durch das Vergroͤßerungsglas die besondere Art von schlangenfoͤrmigen Canaͤlen wahrnehmen, die gleich- sam auf diese Oberflaͤche der Falten oder Valveln wie sie der Erfinder derselben, der Hr. von Haller nennt, nur aufgelegt zu seyn scheinen. Mit der Continuation verhaͤlt es sich nun auf diese Art; ich habe schon gesagt, daß ungeachtet des ver- schloßenen Amnii eine Oeffnung in das Unterleib des Fetus uͤbrig bleibt, aus dieser hengen die Ge- daͤrme des Fetus heraus, und es sind besonders zwey Kruͤmmungen, die von dem duͤnnen Darm formirt werden, merkwuͤrdig, die in der fruͤhern Zeit den ganzen duͤnnen Darm ausmachten, wel- cher aber hernach durch seine Verlaͤngerung meh- rere dergleichen Krummungen formirt; die eine von diesen Kruͤmmungen ist der Theil des duͤnnen Darmes, der allein mit dem Sacke des Gelben durch einen kurzen und duͤnnen Canal communicirt. Die aͤußere eigene Haut des Gelben geht an einem Orte von der Oberflaͤche dieses Sackes ab, formirt eine Scheide um den Vereinigungscanal, in wel- cher auch noch ein paar kleine Gefaͤße von den Aesten der Gekroͤsadern neben dem Canal einge- wickelt liegen; sie kommt auf die Kruͤmmung des Darmes, geht gerade uͤber seine Oberflaͤche her- uͤber, und continuirt, nachdem sie seine aͤußere Haut gemacht hat, in das Gekroͤse. Die innere eigene Haut des Gelben continuirt durch den Ca- nal in die innere Haut der Gedaͤrme. Nun- Wiederholte Versuche. Nunmehro wissen wir, das Gelbe ist vor der Jncubation mit einer einzigen einfachen duͤnnen Membran umgeben, außer welcher man auch kei- ne Spuhr von irgend einer andern wahrnimmt; wenn also diese Membran eine von denen waͤre, die in der Folge die eigene Membranen des Gel- ben ausmachen, so verhielte es sich mit der Con- tinuation so, wie man es vorgibt, allein das ist es eben, was gar nicht moͤglich ist. Wir wissen, daß, so bald das Amnium mit dem Embryo in den ersten 24 Stunden zum Vorschein kommt, dasselbe so gleich unter der alsdann noch einfachen Membran gelegen und folglich von derselben mit eingeschlossen| ist. So bleibt das ganze Amnium auch in der Folge der Jneubation bestaͤndig in die- ser aͤußern Haut des Gelben eingeschloßen, und folglich muß dieselbe indem das Amnium waͤchst, und sich ausdehnt nothwendig eine gemeinschaft- liche Haut werden, worin nicht nur das Gelbe sondern zugleich auch das Amnium eingeschloßen ist. Es ist auf gar keine Art moͤglich, daß eine Membran, die im Anfange nebst dem Gelben auch zugleich mit das Amnium umgeben hat, in der Folge das Amnium und den Fetum ausschliessen und in die innere Theile des Fetus continuiren koͤnnte, so, daß, wenn das Unterleib des Fetus verlaͤngert wuͤrde, dieses nunmehro vielmehr jenen Sack, in dem es vorhin enthalten gewesen ist, ein- schließen wuͤrde, wie es sich wuͤrklich in der Folge verhaͤlt, wo der Sack des Gelben mit seinen bey- den eigenen Haͤuten in die Hoͤle des Unterleibes S 5 ge- Anhang. gezogen wird. Es wundert mich, daß der Herr von Haller diese Unmoͤglichkeit nicht sehr bald gemerkt hat. Jch muß gestehn, so bald ich das in seinen 2 eignen Haͤuten eingeschloßene Gelbe und die Art der Verbindung desselben mit den Ge- daͤrmen des Embryo sahe, so fiel es mir sogleich in die Augen, daß diese eigene Haͤute des Gelben unmoͤglich die alte Haut desselben seyn koͤnnten, als von welcher ich einmahl schon den Eindruck hat- te, daß sie uͤber das Amnium weggehen muß. Jch haͤtte es auch eben deswegen schon vorher, ehe ich die Untersuchungen anstellte, einsehen sollen; allein ich hatte die ganze Sache nicht recht uͤber- legt. Man sieht also leicht, diese alte Haut des Gelben, welche vor der Jncubation schon existirt, ist eben dieselbe, welche Malpigh Chorium ge- nennt hat. Diese continuirt aber auf keine Art mit dem Fetus; sie geht uͤber das Amnium, wor- in der Fetus eingeschloßen liegt, weg, und kommt also nirgends mit ihm zusammen. Die beyde eige- ne Haͤute des Gelben aber, die wuͤrklich mit den Gedaͤrmen des Fetus continuiren, sind neue for- mirte Haͤute, die ziemlich spaͤt erst und zwar nach und nach sehr langsam formirt werden. Es sind eben die, welche unter der alten Haut des Gelben die aream umbilicalem ausmachen, in welcher die Gefaͤße formirt werden, und deren Entste- hungsart aus der koͤrnigten Materie ich in mei- ner Dissertation erklaͤrt habe. Es findet also, wenn man von Haͤuten re- det, die mit dem Eye selbst im Eyerstocke schon vor- Wiederholte Versuche. vorhanden gewesen seyn sollen, keine Continua- tion dieser Haͤute in den Embryo statt; unb folg- lich wuͤrde auch die Evolution, wenn gleich eine solche Continuation ein Beweiß derselben waͤre, dennoch dadurch nicht bewiesen werden koͤnnen; allein da auch, wie ich in der ersten Abhandlung weitlaͤuftig bewiesen habe, selbst eine dergleichen Continuation, wenn sie wuͤrklich statt faͤnde, den- noch nichts beweisen wuͤrde, so wird nunmehro Herr Bonnet um so vielmehr daraus erkennen, daß er geirrt habe, wenn er geglaubt hat, dieses Argument sey eine vollkommne Demonstration seiner Hypothese. Druckfehler. Seite 34 Reihe 22 nach Dispuͤten muß zugesetzt wer- den: vermieden werden koͤnnen, und alle Dis- puͤten aber