ANNALEN DER PHYSIK UND CHEMIE. NEUE FOLGE . BAND V. ANNALEN DER PHYSIK UND CHEMIE. NEUE FOLGE . BAND V. DER GANZEN FOLGE ZWEIHUNDERT EINUNDVIERZIGSTER. UNTER MITWIRKUNG DER PHYSIKALISCHEN GESELLSCHAFT IN BERLIN UND INSBESONDERE DES HERRN H. HELMHOLTZ HERAUSGEGEBEN VON G. WIEDEMANN . NEBST DREI FIGURENTAFELN. LEIPZIG, 1878. VERLAG VON JOHANN AMBROSIUS BARTH. Inhalt . Neue Folge. Band V. Neuntes Heft . Seite I. W. Beetz . Ueber die Electricitätserregung beim Contact fester und gasförmiger Körper 1 II. E. Dorn . Ueber die galvanischen Ströme, welche beim Strömen von Flüssigkeiten durch Röhren erzeugt werden 20 III. G. Wiedemann . Ueber die Dissociation der gelösten Eisenoxydsalze 45 IV. L. Hermann . Versuche über das Verhalten der Phase und der Klangzusammensetzung bei der telephonischen Uebertragung 83 V. A. Winkelmann . Ueber die Abweichung einiger Gase vom Boyle’schen Gesetze bei 0° und 100° 92 VI. Ph. von Jolly . Die Anwendung der Waage auf Probleme der Gravitation 112 VII. J. Fröhlich . Ein neuer Satz in der Theorie der Diffrac- tion und dessen Anwendung 134 VIII. E. Wiedemann . Ueber die Beziehung zwischen Refrac- tionsäquivalent und Weglänge 142 IX. H. Fritsch . Ueber die Erregung der Electricität durch Druck und Reibung 143 Geschlossen am 5. August 1878 . Inhalt . Zehntes Heft . Seite I. F. Narr . Ueber das Verhalten der Electricität in ver- dünnten Gasen 145 II. A. L. Holz . Ueber die Coercitivkraft des Magneteisen- steines und des glasharten Stahles 169 III. F. Braun . Ueber die Electricitätsentwickelung als Aequi- valent chemischer Prozesse 182 IV. V. Strouhal . Ueber eine besondere Art der Tonerregung 216 V. K. R. Koch . Ueber die Bestimmung des Elasticitäts- coëfficienten aus der Biegung kurzer Stäbchen 251 VI. R. Schneider . Bemerkungen, das Atomgewicht des An- timons betreffend 265 VII. L. Ditscheiner . Ueber den galvanischen Widerstand eines ebenen Ringes 282 VIII. H. Haga . Erwiderungen auf Hrn. Prof. Edlund’s „Be- merkungen über die beim Ausströmen der Flüssigkeiten durch Röhren entstehende electromotorische Kraft“ 287 Geschlossen am 1. October 1878 . Elftes Heft . I. F. Auerbach . Der Durchgang des galvanischen Stromes durch das Eisen 289 II. C. Fromme . Magnetische Experimentaluntersuchungen 345 III. F. Exner . Ueber die galvanische Polarisation des Platins in Wasser 388 IV. A. Ritter . Untersuchungen über die Höhe der Atmo- sphäre und die Constitution gasförmiger Weltkörper 405 V. F. Koláček . Ueber den Einfluss des capillaren Oberflächendruckes auf die Fortpflanzungsgeschwindig- keit von Wasserwellen 425 VI. L. Boltzmann . Zur Theorie der elastischen Nachwir- kung 430 Geschlossen am 8. November 1877 . Inhalt . Zwölftes Heft . Seite I. F. Niemöller . Electrodynamische Versuche mit defor- mirbaren Stromleitern 433 II. H. Helmholtz . Telephon und Klangfarbe 448 III. R. Nahrwold . Ueber die Luftelectricität 460 IV. E. Wiedemann . Untersuchungen über die Natur der Spectra (1. Theorie. 2. Spectra gemischter Gase) 500 V. D. J. Korteweg . Ueber die Fortpflanzungsgeschwindig- keit des Schalles in elastischen Röhren 525 VI. A. Ritter . Untersuchungen über die Höhe der Atmo- sphäre und die Constitution gasförmiger Weltkörper 543 VII. R. Rühlmann . Ableitung der Formeln für Messungen der Meerestiefen mit Hülfe des Manometers 558 VIII. E. Wundt . Krystallographische Untersuchungen des Methenylorthophenylendiamins 566 IX. A. Sadebeck . Optische Untersuchung der Krystalle des Methenylorthophenylendiamins 572 X. A. Sadebeck . Krystallform der Salicylsäure 574 XI. A. Sadebeck . Zwei neue regelmässige Verwachsungen verschiedener Mineralien 576 Berichtigungen 580 Namenregister zum Jahrgang 1878 581 Geschlossen am 1. December 1878 . V. Strouhal . IV. Ueber eine besondere Art der Tonerregung; von Dr. V. Strouhal . (Vorgetragen in der physikalisch-medicinischen Gesellschaft in Würzburg, am 16. Februar 1878. Vgl. Sitzungsber. 1878. §. 1. Einleitung . D ie sämmtlichen, bis jetzt untersuchten Fälle, in denen eine Tonbildung stattfindet, lassen sich je nach der Art und Weise, in welcher periodische Luftbewegung angeregt wird, auf zwei Hauptarten der Tonerregung zurückführen. Erstens können nämlich periodische Lufterschüt- terungen auf mechanische Weise, also durch regelmässig und hinreichend rasch aufeinander folgende Schläge, Stösse u. s. w. erzeugt werden. Hieher gehören also die Töne der Savart’schen Sirenen, der Sirene von Seebeck und Cagniard la Tour, die Trevelyan’schen Töne u. s. w. Zweitens kann ein Ton dadurch erzeugt werden, dass ein in bestimmter Weise begrenzter Körper durch äussere Anregung in eigenartigen Bewegungszustand, näm- lich in stehende Schwingungen versetzt wird und in diesem Zustande die periodischen Lufterschütterungen veranlasst. Hierzu eignen sich in erster Reihe elastische Körper, sowohl feste als gasförmige, weniger die fast unelastischen tropfbaren Körper. Hierher gehören also Töne von Stimm- gabeln, Glocken, Scheiben, Platten, Stäben, gespannten Drähten und Saiten, Töne der chemischer Harmonica, schliesslich Töne sämmtlicher musikalischer Instrumente, bei denen ausserdem oft tönende feste Körper und mit- tönende Luftmassen in mannigfaltiger Weise combinirt vorkommen. Den Gegenstand der vorliegenden Arbeit bildet nun eine dritte Art der Tonerregung und zwar von allen die einfachste, eine Art, welche zwar im Principe nicht un- V. Strouhal . bekannt, jedoch einer Untersuchung bis jetzt nicht unter- zogen wurde. Es ist bekannt, dass durch rasches Schwingen eines Stabes, einer Klinge, einer Peitsche u. a. in der Luft ein Ton entsteht; nicht weniger bekannt sind auch die hieher gehörigen Töne, die durch Luftströmungen an aus- gespannten Drähten, scharfen Kanten, Spalten u. dergl. entstehen. Töne dieser Art, die aus später anzuführenden Gründen am passendsten als Reibungstöne zu bezeichnen sind, bilden den Gegenstand vorliegender Untersuchungen. In der That können sie in keine der beiden oben an- geführten Kategorien eingereiht werden, vielmehr kommt hier die periodische Luftbewegung in einer besonderen, eigenartigen Weise zu Stande. §. 2. Bedingungen für die Reinheit der Reibungstöne . Schon die einfachsten hieher gehörigen Versuche führen zur Kenntniss der Bedingungen, welche erfüllt werden müssen, wenn der in oben erwähnter Weise ent- stehende Ton ein reiner sein soll. Schwingt man einen Stab durch die Luft, so entsteht ein Ton; seine Höhe ist jedoch keine bestimmte, sondern durch die Geschwindig- keit bedingt, mit welcher der Stab durch die Luft geführt wurde. Daraus ergibt sich aber sofort, dass der so erhaltene Ton kein reiner sein kann, wenn nicht alle Theile des Stabes mit gleicher Geschwindigkeit durch die Luft geführt werden. Mit anderen Worten: Die Bewegung des Stabes muss eine Translationsbewegung sein. Diese Bedingung für die Rein- heit des Tones ist jedoch keine hinreichende. Wiederholt man den Versuch mit Stäben verschiedenen Querschnittes , so überzeugt man sich ebenso, dass unter sonst gleichen Umständen der Ton mit dem Querschnitte des Stabes sich ändert. Welchen Einfluss also die äussere Formbeschaffen- heit des Körpers auf den bei seiner Translationsbewegung in der Luft entstehenden Ton auch sonst haben mag, so viel steht fest, dass der Ton nur dann ein reiner, ein ein- facher sein kann, wenn bezüglich der Bewegungsrichtung V. Strouhal . der Querschnitt des Körpers überall derselbe ist. Mit anderen Worten: Der Körper muss ein cylindrischer sein. Ob nun die beiden Bedingungen, die wir so als noth- wendig für die Reinheit und Einfachheit des Tones erkannt haben, dafür auch hinreichend sind, insbesondere, ob die Richtung der Translationsbewegung, welche wir als ver- schieden von der Axenrichtung des cylindrischen Körpers annehmen, eine constante sein muss oder auch variabel sein kann, ob also der Körper sich stets mit derselben Fläche voran bewegen muss, lässt sich vorläufig nicht ent- scheiden, da dies von der Frage abhängt, ob die Form oder die Grösse des Querschnittes Einfluss auf die Ton- höhe ausüben. Eine länger andauernde Translationsbewegung, wie solche zu praktischen Versuchen wünschenswerth ist, lässt sich jedoch nicht so einfach herstellen, dagegen sehr ein- fach eine Rotationsbewegung; diese letztere, falls sie die erstere vertreten darf, muss dann um eine Axe stattfinden, welche der Axe des cylindrischen Körpers parallel und von derselben hinreichend entfernt ist. Die höchst einfache, dieser Ueberlegung entsprechende Vorrichtung, deren ich mich bei vorliegender Untersuchung bediente, zeigt schematisch Taf. II Fig. 3 an. Eine vertical stehende Holzsäule K ist unten an eine mit einer Rinne versehene Holzscheibe s befestigt, mittelst welcher sie durch ein Schwungrad S in rotirende Bewegung versetzt werden kann. Die Säule K trägt zwei gegeneinander verschiebbare Arme A , die zur Aufnahme des in der Luft zu bewegen- den festen Körpers M dienen. Die vorliegenden ersten Mittheilungen über den an- geführten Gegenstand beschränken sich auf cylindrische Körper im engeren Sinne des Wortes, also auf die kreis- förmig cylindrischen. Grösstentheils waren es Drähte ver- schiedener Sorte, daneben auch Glasstäbe und Glasröhren, die bei den nun folgenden Versuchen als zu dem Zwecke am geeignetsten angewandt wurden. V. Strouhal . §. 3. Beobachtungsverfahren . Behufs einer mehr orientirenden und nur qualitativen Voruntersuchung wurden zwischen zwei Scheiben, die ur- sprünglich an Stelle der beiden Arme A mit der Säule K fest verbunden waren, einige Drähte nacheinander aus- gespannt, parallel der Axe der Säule K . Beim Drehen des Schwungrades entstand ein ziemlich klarer pfeifender Ton, der, bei kleinerer Drehungsgeschwindigkeit schwächer und tiefer, beim Anwachsen derselben allmählich stärker und höher wurde, in der Weise, dass sowohl dessen Stärke als dessen Höhe mit der Drehungsgeschwindigkeit continuirlich zunahm . Für einen seitwärts stehenden Beobachter trat gleichzeitig als Folge der Bewegung der Tonquelle ein merkliches Auf- und Abschweben des Tones auf, sowohl in seiner Höhe, dem Doppler’schen Principe ge- mäss, als auch in seiner Stärke, welches sich bei mässigerer Drehungsgeschwindigkeit mehr in letzterer als in ersterer Beziehung geltend machte und, wie natürlich, bei Anwen- dung eines Auscultationsrohres in der Verlängerung der Holzsäule aufhörte. Auf einer bestimmten Höhe blieb der Ton nur bei einer bestimmten gleichmässigen Drehungs- geschwindigkeit und jede Ungleichmässigkeit in der letzteren zeigte sich sofort durch Aenderung der Tonhöhe in ziem- lich empfindlicher Weise an. Beim Uebergange von qualitativen zu quantitativen Versuchen musste also einer, längere Zeit andauernden und innerhalb derselben möglichst gleichmässigen Drehung die grösste Aufmerksamkeit zugewendet werden. In Er- mangelung eines geräuschlos, gleichmässig und mit will- kürlich abzuändernder Geschwindigkeit arbeitenden Motors wurde die Drehung mit der Hand ausgeführt; durch längere Uebung gelang es, die Drehung des Schwungrades so gleich- mässig zu führen, dass der Ton bis auf sehr geringe Schwan- kungen auf bestimmter Höhe durch längere Zeitdauer er- halten blieb. Doch auch diese Schwankungen selbst wurden dadurch möglichst unschädlich gemacht, dass diese Zeit- V. Strouhal . dauer recht gross, nie unter einer Minute, in der Regel zwei bis drei Minuten lang gewählt wurde; auf diese Weise durfte angenommen werden, dass die im positiven sowohl wie im negativen Sinne stattfindenden geringen Schwankungen im Mittel sich so aufheben, dass dann die mittlere Tonhöhe sehr nahe die bestimmt gewünschte gewesen. In der That schien es vortheilhafter eine Tonhöhe bestimmt und den Verhältnissen angemessen zu wählen und für diese die ent- sprechende Drehungsgeschwindigkeit zu bestimmen als um- gekehrt für eine bestimmt gewählte Drehungsgeschwindig- keit die entsprechende Tonhöhe festzustellen. Die Bestimmungen der Tonhöhe wurden mittelst eines Monochords ausgeführt. Dabei wurde als Einheit die Ton- höhe einer Stimmgabel — eines Stimm- a 1 — zu Grunde ge- legt, deren absolute Tonhöhe n mit einem König’schen Phonautographen n = 417 gefunden wurde. Auf diese Ein- heit beziehen sich also die Angaben der relativen Ton- höhe k des beobachteten Tones, dessen absolute Tonhöhe N = 417 . k sich ergibt. Um die der beobachteten Tonhöhe entsprechende mitt- lere Bewegungsgeschwindigkeit des festen Körpers M zu bestimmen, wurde zunächst durch Zählen der Um- drehungen des Schwungrades innerhalb einer gleichzeitig beobachteten Zeitdauer die mittlere Drehungsgeschwindig- keit U des Schwungrades ermittelt; aus dieser ergab sich die mittlere Drehungsgeschwindigkeit der Holzsäule durch Bestimmung des Verhältnisses der Radien R und r des Schwungrades S und der Scheibe s ; durch Messung des Abstandes L des festen Körpers M von der Axe der Säule K — oder vielmehr durch Messung des doppelten Abstandes 2 L — erhielt man schliesslich die mittlere Geschwindigkeit: der Bewegung dieses festen Körpers, welcher die beobachtete absolute Tonhöhe N entsprach, in der Luft, deren Tem- peratur t und Druck b auch gleichzeitig notirt wurde. V. Strouhal . Diese so erhaltene Geschwindigkeit V blieb allerdings noch mit einem Fehler behaftet, insofern nämlich, als durch Drehung der Holzsäule K die dieselbe umgebende Luft ebenfalls im gewissen Betrage in Mitbewegung versetzt wurde. Dieser Umstand veranlasste auch die Entfernung der beiden Scheiben, welche beim Drehen jene Mitbewegung der Luft bedeutend unterstützt hatten und aus dem Grunde durch die beiden Holzarme ersetzt wurden. Was das Verhältniss betrifft, so war zu erwarten, dass für dasselbe nicht das Verhältniss der geometrischen Radien der beiden Scheiben genommen werden dürfe, da ja die Bewegung des Schwungrades durch eine Schnur, deren Spannung nicht constant bleiben konnte, auf die Scheibe übertragen wurde. Das Zählen der Umdrehungs- anzahl des Schwungrades und der Holzsäule hat nicht nur diese Erwartung bestätigt, sondern auch gezeigt, dass das- selbe auch für verschiedene Drehungsgeschwindigkeiten ein wenig verschieden sich ergibt. Desswegen wurde bei den Versuchen dieses Verhältniss für jede zu beobachtende Ton- höhe eigens bestimmt und zwar, zur Controle, sowohl zu Anfang als auch zu Ende jeder Beobachtungsreihe, und der Mittelwerth der Reduction zu Grunde gelegt. §. 4. Unabhängigkeit der Tonhöhe von der Spannung des Drahtes . Es war vor Allem wichtig zu entscheiden, ob, bei sonst gleichen Umständen, die Spannung des Drahtes einen Einfluss auf die Höhe des Reibungstones ausübe, um so mehr, als die Ansicht, dass dies der Fall sei, die nächst- liegende ist und wohl auch die verbreitetste sein dürfte. Zahlreiche Versuche ergaben indessen in unzweifelhafter Weise, dass ein solcher Einfluss durchaus nicht bestehe . Als Beispiel mögen folgende Beobachtungen dienen: Ein Kupferdraht von einer Länge l = 0,49 m und von einem Durchmesser D = 1,217 mm wurde im Abstande V. Strouhal . L = 0,402 m von der Axe der Säule K ausgespannt. Der zur Beobachtung gewählte Ton war die Doppeloctave der Stimmgabel, also die relative Tonhöhe k = 4, die absolute Tonhöhe N = 1668. Die beobachteten Geschwindigkeiten V waren einmal bei einfacher Spannung (I. und II.), sodann bei etwa andert- halbfacher Spannung (III. und IV.): Das Verhältniss ergab sich vor und nach den Be- obachtungen = 4,104, resp. 4,096. Am anderen Tage wurden mit demselben Drahte einige weitere Beobachtungsreihen vorgenommen. Der zur Beob- achtung gewählte Ton war die Duodecim der Stimmgabel, also die relative Tonhöhe k = 3, die absolute Tonhöhe N = 1251. Der Draht wurde zunächst mit sehr geringer, dann mit mehr als doppelter Spannung an den Holzarmen be- festigt. Die beobachteten Geschwindigkeiten waren: V. Strouhal . Das Verhältniss war vor und nach den Beob- achtungen = 4,108, resp. 4,094. Nach diesen und vielen anderen ähnlichen Versuchen konnte als erstes Resultat der Satz aufgestellt werden: Die Höhe des Reibungstones ist von der Span- nung des denselben erzeugenden Drahtes unab- hängig . §. 5. Unabhängigkeit der Tonhöhe von der Länge des Drahtes . Ebenso wie die Spannung ist auch die Länge des Drahtes nicht von Einfluss auf die Höhe des Reibungstones, wohl aber auf dessen Intensität . Je länger der ausgespannte Draht, desto stärker ist unter sonst gleichen Umständen der Reibungston. Als Beispiel, in wiefern die Versuche für die Einfluss- losigkeit der Drahtlänge auf die Höhe des Reibungstones sprechen, mögen folgende Beobachtungsreihen dienen. Ein Kupferdraht von einem Durchmesser D = 1,258 mm wurde in einer Entfernung L = 0,340 m von der Axe der Holzsäule ausgespannt und zwar betrug dessen Länge bei den beiden ersteren Beobachtungsreihen l = 0,75 m, dagegen bei den beiden letzteren l = 0,37 m, also ungefähr die Hälfte. Der zu Beobachtung gewählte Ton war die Undecime der Stimmgabel, also die relative Tonhöhe k = , die ab- solute Tonhöhe N = 1112. Die Beobachtungen ergaben folgendes: V. Strouhal . war vor und nach den Beobachtungen 4,097 und 4,096. Die Resultate stimmen also nicht vollkommen überein, indem für denselben beobachteten Ton die Geschwindig- keit der Bewegung bei grösserer Drahtlänge sich ein wenig kleiner herausstellt. Wenn auch das Gewicht der Resul- tate der I. und II. Reihe ein grösseres ist als jenes der III. und IV. Reihe, was dadurch erklärt wird, dass bei den beiden ersteren Reihen der Reibungston intensiver und daher genauer zu beobachten war, so ist doch jene Nichtübereinstimmung weniger auf Beobachtungsfehler als vielmehr auf den Umstand zurückzuführen, dass bei grösserer Drahtlänge und also auch bei grösserem Abstande der beiden Holzarme voneinander die Luft weniger in Mitbewegung versetzt wird als bei kleinerer Drahtlänge. Bei allen weiter unten beschriebenen Versuchen wurde, wo nicht anders angegeben, die Länge der Drähte ungefähr gleich 0,7 m als die passendste gewählt. §. 6. Abhängigkeit der Tonhöhe von der Bewegungs- geschwindigkeit des Drahtes . Abgesehen von den Veränderungen, welche in der Luftbeschaffenheit durch Schwankungen der Temperatur, des Luftdruckes u. a. eintreten und von denen man an- nehmen durfte, dass sie, innerhalb der engen Grenzen, in denen sie sich unter gewöhnlichen Umständen bei den Beobachtungen bewegten, auf diese letzteren einen nur secundären Einfluss ausübten, blieben also nur noch zwei Grössen zu berücksichtigen, von welchen die Höhe des durch Bewegung verschiedener Drähte, oder allgemein, verschiedener cylindrischer Körper in der Luft mittlerer Beschaffenheit entstehenden Reibungstones als abhängig betrachtet werden musste: die Bewegungsgeschwindigkeit V und der Durchmesser D jenes cylindrischen Körpers. Die Ermittelung des Abhängigkeitsgesetzes, insofern dies auf experimentellem Wege möglich, war also das nächste Ziel weiterer Versuche. V. Strouhal . Wir wollen zunächst an die bereits in §. 4 mit- getheilten Beobachtungsresultate anknüpfen. Für den Durchmesser D = 1,217 mm ergaben sich im Mittel fol- gende zusammengehörige Werthe von Bewegungsgeschwin- digkeit und Tonhöhe: Das Verhältniss ist also sehr nahe constant, woraus sich eine Proportionalität zwischen der Tonhöhe N und der Bewegungsgeschwindigkeit V ergeben würde. Um vor allem zu prüfen, inwiefern dieses Ergeb- niss streng gültig ist, lag der Gedanke am nächsten, zwei Drähte von derselben Drahtsorte in verschiedenen Abständen L und L' von der Axe der Holzsäule der- selben parallel auszuspannen und die beiden Töne N und N' , die beim schnellen Drehen gleichzeitig entstehen, zu beobachten. Da bei dieser Anordnung ist, so müsste, das Proportionalitätsgesetz angenommen, stets sein, d. h. die relative Tonhöhe müsste von der Drehungsgeschwindigkeit unabhängig sein und dem Verhältnisse entsprechen. Für den Versuch war es natürlich am zweckmässigsten, dieses Verhältniss einem harmonischen Tonintervalle entsprechend zu wählen, also am einfachsten der Octave oder der Quint. Auf diese Weise ergab sich, dass in der That das Gesetz der Proportionalität zwischen der Tonhöhe N und der Be- wegungsgeschwindigkeit V wenn nicht streng, so doch mit grosser Annäherung besteht. Vollkommen befriedigen konnte der Versuch aus dem Grunde nicht, weil die beiden zu vergleichenden Töne, besonders wenn das Intervall derselben grösser war, nicht mit gleicher Intensität auftraten, wodurch das Urtheil über deren Consonanz natürlich erschwert wurde. Ann. d. Phys. u. Chem. N. F. V. 15 V. Strouhal . Um sich nun von diesem Umstande unabhängig zu machen, wurde an die Holzscheibe eine Sirene von Pappe mit einer zweckmässig gewählten Löcheranzahl be- festigt und ein Draht von passendem Durchmesser in einem solchen Abstand von der Holzsäule angebracht, dass bei einer bestimmten mässigen Geschwindigkeit der- selbe Reibungston auftrat, wie wenn die Sirene angeblasen wurde. Bei gesteigerter Umdrehungsgeschwindigkeit blieb die Identität beider Töne in der That wesentlich ungeändert, man konnte jedoch beobachten, dass der Reibungston bei wachsender Drehungsgeschwindigkeit dem Sirenentone ein wenig vorauseilte, ein Umstand, der entweder auf eine nicht vollständige Gültigkeit des Proportionalitätsgesetzes zurück- zuführen wäre, oder aber, bei Annahme desselben, darauf hinweisen würde, dass die Luft verhältnissmässig weniger bei grösseren als bei kleineren Drehungsgeschwindigkeiten in Mitbewegung versetzt wird. §. 7. Beobachtungsresultate I. Nach diesen mehr qualitativen Versuchen wurden die quantitativen wiederum aufgenommen und fortgesetzt. Die Resultate derselben sind weiter unten in übersichtlicher Zusammenstellung, geordnet nach dem Durchmesser D des angewandten cylindrischen Körpers mitgetheilt. Wie früher bedeutet L den Abstand dieses cylindrischen Körpers von der Axe der Holzsäule, V den aus 10 Beobachtungen be- rechneten Mittelwerth derjenigen Geschwindigkeit, bei wel- cher der Reibungston von der relativen Höhe k und von der absoluten N entsteht; gleichzeitig folgt auch das Ver- hältniss , berechnet zur Beurtheilung der Gültigkeit des Proportionalitätsgesetzes zwischen Tonhöhe N und Bewe- gungsgeschwindigkeit V . V. Strouhal . 15 * V. Strouhal . Der mittlere Durchmesser D der angewandten Drähte wurde durch Wägung bestimmt; dabei wurde als speci- fisches Gewicht bei Messingdrähten 8,4, bei Kupferdrähten 8,9 angenommen; der Fehler der Bestimmung dürfte also selten ein Procent übersteigen. Bei den dickeren Glas- stäben und Glasröhren wurde D durch Volumenmessung ermittelt, indem der Körper bis zu einer bestimmten Länge in eine gewogene Menge Quecksilber oder Wasser einge- taucht und die Gewichtsabnahme derselben bestimmt wurde; um aber auch den Einfluss eines nicht vollkommen kreis- förmigen Querschnittes derselben zu eliminiren, wurden ihnen bei der Beobachtung zwei um 90° voneinander ver- schiedene Stellungen ertheilt und das Mittel aus den bei- den für jede Stellung erhaltenen Werthen der Bewegungs- geschwindigkeit als dem beobachteten Reibungstone ent- sprechend angenommen. Sämmtliche Beobachtungen wurden bei der gewöhn- lichen, zwischen 16° und 20° schwankenden Zimmertem- peratur angestellt. §. 8. Folgerungen . Auf Grundlage der im vorigen Paragraphen mitge- theilten Beobachtungen ist man wohl berechtigt, innerhalb der Grenzen, in denen sie sich bewegen, zwischen der Be- wegungsgeschwindigkeit V und der Tonhöhe N das Gesetz V. Strouhal . der Proportionalität anzunehmen. Allerdings zeigt sich im ganzen bei einem bestimmten Werthe von D in dem Verhältnisse ein Gang, indem dasselbe mit wachsen- der Geschwindigkeit V ebenfalls ein wenig zunimmt. Ausser- dem ist nicht zu leugnen, dass die Bewegungsgeschwindig- keit V innerhalb Grenzen variirt, die weniger weit, als es wünschenswerth wäre, voneinander entfernt sind. Dies ist jedoch in der Natur der Sache selbst begründet. Es wurde bereits früher erwähnt, dass der Reibungston mit abneh- mender Geschwindigkeit V nicht nur an Höhe, sondern auch an Intensität abnimmt; diese letztere ist bei Ge- schwindigkeiten, welche unter 5 liegen, schon so gering, dass eine Beurtheilung der Tonhöhe mit jener Sicherheit, wie solche nöthig ist, nur sehr schwer, und unter 3 gar nicht möglich ist. Auf der andern Seite konnte man aber mit der Drehungsgeschwindigkeit wegen der zunehmenden Centrifugalkraft und der dadurch entstehenden unvermeid- lichen Geräusche auch nicht über eine gewisse Grenze hinausgehen. Jedenfalls ist man aber vollkommen berech- tigt, jenes Proportionalitätsgesetz als erste Annäherung gelten zu lassen, um so mehr, als der Gedanke nahe liegt, die in den Beobachtungen auftretenden Abweichungen von demselben durch den Einfluss einer Mitbewegung der Luft zu erklären. Sieht man nun von diesen Abweichungen gänzlich ab und nimmt den Mittelwerth der einzelnen Werthe als dem betreffenden Durchmesser D des Drahtes entsprechend an, so ist dieser Mittelwerth desto grösser, je kleiner der Durchmesser und beide ändern sich in der Weise, dass ihr Product nahezu dasselbe bleibt, unabhängig von der Substanz des betreffenden cylindrischen Kör- pers. In der That, nimmt man für D dieselbe Längen- einheit an wie für V und berechnet zu jedem Mittelwerthe das Product D , so erhält man: V. Strouhal . Aus dieser Zusammenstellung ist ersichtlich, dass zu- nächst die Substanz des cylindrischen Körpers ohne Ein- fluss auf den Reibungston ist, sowie ferner, dass man in der That mit grosser Wahrscheinlichkeit das Gesetz der umgekehrten Proportionalität zwischen D und anneh- men und somit D = C setzen darf. Wenn auch ein- zelne Werthe des Productes D etwas mehr von dem Mittelwerthe C = 0,185 abweichen, so zeigt sich doch in den Abweichungen sämmtlicher Werthe im ganzen kein entschiedener Gang, so dass die obige Annahme gewiss nicht unberechtigt ist. Und so gelangen wir schliesslich mit grosser Annäherung zu dem einfachen Gesetze: d. h. Bei einer Translationsbewegung eines kreisför- mig cylindrischen Körpers von beliebiger Sub- stanz mit einer zu seiner Axe senkrechten Rich- tung in der Luft entsteht ein Ton, dessen Höhe der Bewegungsgeschwindigkeit direct und seinem Durchmesser umgekehrt proportional ist . §. 9. Anwendungen . Aus der zum Schlusse des vorigen Paragraphen auf- gestellten Gleichung ergibt sich: In dieser Form gibt die Gleichung ein einfaches Mittel an, die relative Geschwindigkeit eines cylindrischen Kör- pers bei seiner Translationsbewegung in der Luft auf akustischem Wege zu bestimmen, sei es, dass der Körper in ruhender Luft sich bewegt, oder dass die Luft gegen den ruhenden Körper strömt, wie dies z. B. bei Luftströ- V. Strouhal . mungen in der Atmosphäre der Fall ist. Der Reibungs- ton, der dann z. B. an den frei ausgespannten Telegraphen- drähten vorzüglich zu beobachten ist, gibt durch seine momentane Tonhöhe zugleich die momentane Geschwindig- keit der Luftströmung an und durch sein Auf- und Ab- schweben auch die gleichzeitige Geschwindigkeitsänderung derselben. Die an meteorologischen Beobachtungsstationen gebrauchten Anemometer geben gerade die momentan wirk- lich stattfindende Geschwindigkeit der Luftströmung nicht an, sondern nur die einer längeren Zeitdauer entsprechende mittlere. Nun ist es allerdings richtig, dass hauptsächlich diese als meteorologisches Element von Wichtigkeit ist und nicht die momentane; dagegen sind die Maximal- geschwindigkeiten der Luftstösse wohl nicht ohne Bedeu- tung und Interesse und gerade diese werden, wie bekannt, durch Anemographen, insofern sie aus dem durch letztere registrirten Luftdrucke berechnet werden können, nur in unsicherer Weise ermittelt. Doch auch abgesehen davon, eignet sich jene akustische Methode durch ihre Empfind- lichkeit und verhältnissmässig grosse Genauigkeit mehr als jede andere zum Studium der bei Stürmen in der Atmo- sphäre stattfindenden eigenartigen Luftbewegung und könnte überdies auch bei manchen physikalischen Versuchen, wo es sich um qualitative und quantitative Bestimmungen der relativen Bewegungsgeschwindigkeit fester Körper in der Luft handelt, mit Vortheil angewendet werden. §. 10. Anregung der Drahttöne durch Reibungstöne . Ich gehe nun zur Besprechung einer Erscheinung über, welche wohl in mancher Beziehung zu den interessantesten akustischen Erscheinungen gezählt werden darf. Wendet man zur Erzeugung der Reibungstöne dünne elastische Drähte an und lässt man die Umdrehungs- geschwindigkeit langsam und allmählich anwachsen, so be- merkt man, dass von den ebenfalls langsam und allmählich anwachsenden Reibungstönen einige intensiver vor anderen hervortreten. Hält man nun bei solchen mit der Steige- V. Strouhal . rung der Geschwindigkeit an und sucht die eben stattfin- dende und dem betreffenden Tone entsprechende möglichst gleichmässig einzuhalten, so schwillt der Ton immer mehr und mehr an, bis er schliesslich in einen klaren, inten- siven übergeht, — es ist der durch den Reibungston ange- regte, ihn übertönende Drahtton . Lässt man nun die Drehungsgeschwindigkeit wieder allmählich anwachsen, so wird der Drahtton immer schwächer und schwächer, bis er schliesslich gänzlich erlischt, während der Reibungston ihm in der Höhe vorausgeeilt ist. Nach und nach wird aber der letztere wieder durch einen Drahtton, — den nächst höheren Oberton des ausgespannten Drahtes — verstärkt, der wiederum wie der frühere hell und intensiv ertönt, wenn man möglichst gleichmässig diejenige Bewegungs- geschwindigkeit einhält, welche dem Reibungstone von gleicher Tonhöhe entspricht. Soll der Versuch gut gelingen, so sind einige Vor- sichtsmaassregeln zu beachten. Der Draht muss zunächst zwischen zwei scharfen Kanten, am besten Metallkanten, ausgespannt sein und zwar der Drehungsaxe möglichst parallel. Ausserdem ist es, wenn auch nicht immer noth- wendig, so doch stets vortheilhaft, wenn man den Draht, bevor man ihn zu dem Versuche anwendet, eine Zeit lang durch Anhängen von Gewichten frei spannt, wodurch er gedehnt und torsionsfrei gemacht wird. Stellt man dann den Versuch in der Weise an, dass man, von einer grösse- ren Drehungsgeschwindigkeit ausgehend, dieselbe langsam und allmählich abnehmen lässt, so überzeugt man sich, dass die Drahttöne, jedesmal durch Reibungstöne von gleicher Höhe angeregt, selbst dann klar und intensiv ertönen, wenn diese letzteren nur sehr schwach oder schliess- lich gar nicht mehr vernehmbar sind. Und so kann man eine ganze Reihe von Obertönen des Drahtes, bei dünne- ren Drähten bis über 25, sozusagen isolirt und, was beson- ders bemerkenswerth ist, beliebig lange und in gleich- mässiger Stärke andauernd zur Darstellung bringen, was wohl auf keine andere, bis jetzt bekannte Weise möglich ist. V. Strouhal . Die Intensität , mit welcher die Obertöne des aus- gespannten Drahtes auftreten, ist im allgemeinen um so grösser, je längere Drähte man anwendet; sonst ist die- selbe bei einzelnen Obertönen keineswegs immer gleich. Dann und wann kam es vor, dass einige von den Ober- tönen nur undeutlich und schwach zu Gehör gebracht werden konnten; in der Regel ertönten die allermeisten klar und hell, aber darunter wieder einige besonders sonor und intensiv. Obertöne letzterer Art traten schon auf, wenn der Reibungston ihnen nur nahe kam und tönten nach, wenn derselbe ihnen schon beträchtlich vorausgeeilt war. Wenn dann zwei so stark auftretende Obertöne von höherer Ordnung waren und daher einander nahe lagen, so trat der folgende schon auf, wenn der vorhergehende noch nachtönte und auf die Weise ertönten sie beide gleichzeitig mit ziemlich grosser Intensität nebeneinander, so dass es besonderer Aufmerksamkeit im Einhalten rich- tiger Drehungsgeschwindigkeit bedurfte, um nur einen von beiden durch längere Zeit zur Darstellung zu bringen. Dies war natürlich um so schwieriger, je grösser die Ord- nungszahl der Obertöne überhaupt gewesen, es übersprangen dann dieselben ineinander so leicht oder ertönten zwei, ja selbst drei gleichzeitig, so dass unter solchen Umständen eine quantitative Beobachtung unmöglich war; gewiss ein bemerkenswerthes Beispiel von Uebereinanderlagerung meh- rerer schon an und für sich nicht einfachster Schwingungs- formen und der so entstehenden Complicirtheit in der Schwingungsweise des Drahtes. Es ist selbstverständlich, dass ähnliche Erscheinungen, wie sie bei Drähten, die in der Luft bewegt werden, auf- treten, auch dann sich geltend machen, wenn umgekehrt die Luft gegen ruhende ausgespannte Drähte gleichmässig ausströmt. Dies ist bei der Aeolsharfe der Fall. Die bei derselben stattfindende Tonerregung wird durch die eben beschriebenen analogen Erscheinungen in das richtige Licht gestellt und auf ihre wahre Ursache zurückgeführt. In ähnlicher Weise, wie bei Drähten, wurden die Ober- V. Strouhal . töne auch bei Holzstäbchen von rechteckigem Querschnitt beobachtet, und zwar bei diesen früher als bei jenen. Die Drähte, welche nämlich bei den §. 7 mitgetheilten Beob- achtungen angewandt wurden, waren meistens weiche Kupferdrähte; aber auch bei den Messingdrähten wurden Eigentöne nicht beobachtet, theils deswegen, weil stets ein Ton von bestimmter Höhe gewählt und diesem entspre- chend die Drehungsgeschwindigkeit eingehalten wurde, theils auch deswegen, weil die Drähte nicht zwischen zwei scharfen Kanten ausgespannt waren. Es wurde bereits früher erwähnt, dass die Reibungs- töne bei Geschwindigkeiten, die unter 5 liegen, wegen ihrer geringen Intensität nur sehr schwach oder gar nicht zu beobachten sind. In dem eben besprochenen Princip, Drahttöne durch Anregung derselben durch Reibungstöne hervorzurufen, liegt nun offenbar ein Mittel, diese letzteren selbst in den intensiv auftretenden und, sozusagen, sie ver- tretenden Drahttönen zu beobachten und in ihren Be- ziehungen zur Bewegungsgeschwindigkeit zu verfolgen. Auf diese Weise war es möglich, die früheren Beobachtungs- reihen zu erweitern und wesentlich zu vervollständigen. In der That gewinnt man durch Verwendung der Drahttöne an Stelle der Reibungstöne auch an Genauigkeit der Beobachtung. Zunächst lassen sich die Geschwin- digkeitsbestimmungen genauer ausführen. Wenn es auch richtig ist, dass der Draht, einmal zum intensiven Tönen gebracht, selbst dann noch nachtönt, wenn der an- regende Reibungston in seiner Höhe dem Drahtton infolge einer Aenderung der richtigen Bewegungsgeschwindigkeit entweder ein wenig vorausgeeilt ist oder hinter demselben ein wenig zurückbleibt, so erkennt man diese Geschwin- digkeitsänderung an der Intensität des Drahttones, der dadurch etwas gedämpft wird oder schliesslich vollständig erlischt. Auch die Tonhöhebestimmungen werden in dem Maasse leichter und genauer als der Drahtton klarer und intensiver ertönt als der Reibungston. V. Strouhal . Die im nächsten Paragraphen folgende Zusammen- stellung enthält eine Reihe von Beobachtungsresultaten, die nach jenem Princip bei verschiedenen Drähten gewon- nen wurden. Darin bedeutet V diejenige Bewegungs- geschwindigkeit, bei welcher der Oberton von der Ord- nungszahl h des ausgespannten Drahtes am intensivsten ertönt und zwar ist V der aus fünf einzelnen Bestim- mungen berechnete Mittelwerth. Ferner ist N die mit Hülfe des Monochords bestimmte absolute Tonhöhe des beobachteten Obertones; in der Regel wurde bei dem (ver- ticalen) Monochord ein Draht von derselben Sorte ange- wandt, wie derjenige war, dessen Obertöne beobachtet wurden. Die Tonhöhebestimmungen dürften selten um mehr als ein Procent fehlerhaft sein. Um die Genauigkeit derselben zu beurtheilen, ist in der Columne aus der absoluten Höhe N des beobach- teten Obertones und aus dessen Ordnungszahl h , die nach der vor der Beobachtung bestimmten Höhe des Grund- tones abgeleitet wurde, diese Höhe berechnet; in der Ueber- einstimmung dieser einzelnen Werthe N hat man ein un- gefähres Maass für die Genauigkeit der einzelnen Tonhöhe- bestimmungen. Einzelne Abweichungen können allerdings auch darin ihren Grund haben, dass die Spannung des Drahtes infolge von Temperaturschwankungen, insofern diese auf die den Draht spannenden Holzarme nicht ohne Einfluss sind, oder infolge auftretender grösserer Centri- fugalkraft eine Aenderung erleiden konnte. Solche Ab- weichungen haben aber natürlich keinen Einfluss auf den eigentlichen Zweck der Beobachtungen, weil ja auch die Bewegungsgeschwindigkeit, bei welcher ein Reibungston von gleicher Höhe wie der Oberton des Drahtes entsteht, jenen Abweichungen entsprechend sich ändert. Selbst- verständlich wurden die Beobachtungen nicht unmit- telbar, nachdem der Draht ausgespannt wurde, vorge- nommen, sondern mindestens einen halben Tag später, so dass vorausgesetzt werden konnte, dass der Draht sich V. Strouhal . nicht mehr weiter dehnt und dass auch die Holzarme einen bestimmten Spannungszustand angenommen haben. In der letzten Columne ist schliesslich, wie früher, das Verhältniss berechnet. Ausserdem ist unter l die Länge des ausgespannten Drahtes mitgetheilt, sowie endlich unter t und b 0 die mitt- lere Temperatur und der mittlere Barometerstand während der Beobachtung. Die mit einem · bezeichneten Zahlen sind der Voll- ständigkeit wegen aus den benachbarten durch Interpola- tion berechnet; sie konnten nicht durch Beobachtung ge- wonnen werden, weil der betreffende Oberton des Drahtes zu schwach und matt ertönte, als dass er mit derselben Sicherheit wie die übrigen hätte beobachtet werden können. §. 11. Beobachtungsresultate II. V. Strouhal . V. Strouhal . V. Strouhal . §. 12. Folgerungen . Aus dieser Zusammenstellung ersieht man vor allem, dass der Gang, welcher bereits bei den §. 7 mitge- theilten Beobachtungen in dem Verhältnisse auftrat, hier nur noch viel entschiedener sich geltend macht, dass somit die angenäherte Constanz, welche dieses Verhältniss für die grösseren Geschwindigkeiten der früheren Versuche besass, bei den geringeren Geschwindigkeiten der dünnen Drähte ihre Gültigkeit mehr und mehr verliert. Indessen zeigt eine nähere Betrachtung der zusammengehörigen Werthepaare von V und N , dass die Zunahme in der Tonhöhe ungefähr gleichen Schritt hält mit der Zunahme in der Bewegungsgeschwindigkeit. Die Beobachtungsfehler treten nicht so stark hervor, wenn man diese Zunahme Δ N und Δ V in der Weise bildet, dass man die ganze Be- obachtungsreihe in zwei Hälften theilt und in bekannter Weise die 1. Beobachtung mit der ( n + 1) ten, die 2. mit der ( n + 2) ten u. s. w. combinirt. Berechnet man dann das Verhältniss , so zeigt sich, dass dasselbe mit der Geschwindigkeit im ganzen wächst, jedoch stets langsamer und allmählicher, so dass man zu der Annahme geneigt wäre, dass dasselbe einem Grenzwerthe sich nähert. Die folgende Zusammenstellung enthält in den ersten 3 Columnen zu jedem Durchmesser D den Mittelwerth aus V. Strouhal . den einzelnen Bestimmungen von angegeben, sowie auch deren Product D berechnet, wobei für den Durch- messer D dieselbe Längeneinheit wie für die Geschwindigkeit V zu Grunde gelegt ist. Daran schliessen sich in den letz- ten drei Columnen die §. 7 mitgetheilten Beobachtungen an. Der Gang in dem Producte D ist jedenfalls be- merkenswerth. Bei sehr dünnen Drähten zeigt sich eine Zunahme desselben mit dem Durchmesser D in entschie- dener Weise an, bei dickeren aber hört diese auf und der Werth des Productes schwankt nur noch um einen Mittel- werth. Um diese verschiedenen Beziehungen, wie sie sich durch die Rechnung ergaben, in leichterer und mehr übersicht- licher Weise beurtheilen zu können, sind die Beobachtungs- resultate der beiden §§. 7 und 11 in Tafel II Fig. 4 graphisch dargestellt. Als Abscisse ist die Bewegungs- geschwindigkeit V , als Ordinate die ihr entsprechende Ton- höhe N aufgetragen. Es zeigt sich, dass die Punkte ( V, N ) sich nahezu in Geraden reihen, um so mehr, je weiter sie sich vom Anfangspunkte der Coordinaten ent- fernen, dass jedoch diese Geraden, rückwärts verlängert, nicht durch den Anfangspunkt, sondern an diesem vorbei verlaufen mit einer um so grösseren Abweichung, je grösser ihre Steigung ist. Dadurch erklärt sich, warum im ganzen nur wenig sich ändert und warum auch bei früheren Beobachtungen, dagegen nicht bei späteren V. Strouhal . sich als sehr nahe constant erwiesen hat. In der That ist der Gang in desto kleiner, je grösser der Durch- messer D und die Geschwindigkeit V ist, dagegen tritt er um so mehr auf, je kleiner diese beiden Grössen sind, was eben bei den späteren Beobachtungen der Fall war. Da für V = O nothwendig auch N = O angenommen werden muss und mithin die Curve, welche die Beziehung zwischen N und V graphisch darstellt, den Anfangspunkt der Coordinaten enthalten muss, so sind jene Geraden als asymptotische Aeste dieser Curve aufzufassen, welche vom Anfangspunkte ausgehend, nach und nach ihren Asymp- toten sich anschmiegt. Die Steigung tg α dieser Asymp- toten ist um so grösser, je kleiner der Durchmesser D ist. Berücksichtigt man nun, dass tg α um so mehr dem Verhält- nisse gleichkommt, je weiter die Punkte ( V, N ) liegen, aus denen es abgeleitet ist, und dass andererseits das Pro- duct D sich nahezu als constant erwiesen hat, so folgt daraus mit grosser Wahrscheinlichkeit, dass allgemein D tg α constant ist und dass bei dünneren Drähten D nur deswegen kleiner sich ergab, weil die Punkte ( V, N ), aus denen abgeleitet ist, der grösseren Steigung der Asymptoten gegenüber nicht hinreichend weit liegen, so dass tg α \> ist. Die früher abgeleitete Beziehung: wäre dann als nicht der Curve: , sondern einer, ihren Asymptoten parallelen und durch den Anfangspunkt der Coordinaten gehenden Geraden ent- sprechend aufzufassen und die Gleichung der Curve selbst in der Form: Ann. d. Phys. u. Chem. N. F. V. 16 V. Strouhal . anzunehmen, so dass: und f' ( V ) eine Function wäre, die mit zunehmender Ge- schwindigkeit V einem endlichen positiven Grenzwerthe sich nähert. Ueber das Auftreten der Function f ( V ) ist eine doppelte Annahme möglich. Entweder ist dasselbe, ganz oder zum Theil, durch die Natur der beobachteten Er- scheinung selbst begründet, oder es verräth sich in jener Function eine andere fremde Erscheinung, die die erstere störend beeinflusst. Eine solche ist wirklich vorhanden; es ist dies die durch Drehung der Holzsäule, der Holz- arme und des Drahtes veranlasste Mitbewegung der Luft. Infolge derselben ist die beobachtete Geschwindigkeit V stets zu gross, da für die Tonerregung nur die relative Geschwindigkeit des Drahtes gegen die Luft maassgebend ist, die dann aus der beobachteten Geschwindigkeit V durch Subtraction jenes Betrages φ ( V ) erhalten wird, der auf die Mitbewegung der Luft entfällt. Jedenfalls ist also φ ( V ) als Theil in f ( V ) enthalten; ob aber die beiden Functionen identisch sind, kann natürlich aus den Beob- achtungen nicht bewiesen werden. Dass die Mitbewegung der Luft sich in der That in der eben beschriebenen Weise äussert, zeigt sich aus der Beobachtungsreihe XIV. Unter sonst gleichen Umständen wurden die Beobachtungen einmal bei kleinerer, das an- deremal bei grösserer und zur Controle abermals bei der- selben kleineren Distanz L des Drahtes von der Drehungs- axe angestellt. Es ergaben sich nun sämmtliche Tonhöhen grösser bei grösserem und kleiner bei kleinerem Abstande L , entsprechend der Mitbewegung der Luft, welche im ersteren Falle kleiner ist als im letzteren, und zwar so, dass die beiden Geraden, in welche sich in beiden Fällen V. Strouhal . die Punkte ( V, N ) reihen, einander parallel verlaufen. Es ist daher die Annahme nicht unwahrscheinlich, dass die Punkte ( V, N ), falls die Mitbewegung der Luft gar nicht vorhanden wäre, sich in Geraden reihen würden, welche durch den Anfangspunkt der Coordinaten hindurch gehen, so dass dann die Gleichung: als der wahre Ausdruck des Gesetzes zu betrachten wäre, nach welchem die Höhe des Reibungstones von dem Durch- messer des cylindrischen Körpers und dessen Bewegungs- geschwindigkeit in der Luft abhängt. Ja, es würde dann wieder umgekehrt in der Beobach- tung der Reibungstöne ein Mittel liegen, um die Natur der Function f ( V ), die die Mitbewegung der Luft, erzeugt durch Drehung eines cylindrischen Körpers um seine eigene Axe, darstellt und in welcher L als arbiträre Constante enthalten ist, experimentell zu ermitteln und dadurch auf den Reibungscoëfficienten zwischen Luft und festen Kör- pern, sowie zwischen den Luftschichten selbst Schlüsse zu ziehen, eine Aufgabe, deren Lösung, ursprünglich nicht beabsichtigt, späteren Versuchen vorbehalten bleiben muss. Aus dem Grunde wurden die Abstände L , bis auf wenige Ausnahmen, stets nahe gleich gewählt. §. 13. Einfluss der Temperatur . Die Constante C , welche für die Luft charakteristisch ist und deren Werth sich nahe = 0,200 für die mittleren Luftverhältnisse ergeben hat, wird, wie schon im voraus zu erwarten ist, sich ändern, wenn die Luftbeschaffenheit durch Aenderungen im Druck, Temperatur u. s. w. eine andere wird. Um insbesondere den Einfluss der Temperatur zu ermitteln, wurden mit zwei Drähten nacheinander je zwei Beobachtungsreihen bei verschiedenen Temperaturen an- gestellt. 16* V. Strouhal . Die Beobachtungsresultate enthält die folgende Zu- sammenstellung. Zur Vergleichung sind zu den, bei höherer Temperatur beobachteten Tonhöhen N diejenigen Tonhöhen N' hinzugefügt, welche man bei derselben Ge- schwindigkeit V bei niederer Temperatur beobachtet hätte, wie sie durch Interpolation aus den bei dieser niederen Temperatur wirklich beobachteten Tonhöhen berechnet wurden. V. Strouhal . Durch Vergleichung der beobachteten Tonhöhen N für die höhere Temperatur t und der berechneten N' für die tiefere Temperatur t' , beide gleichen Geschwindig- keiten V gehörig, zeigt sich also, dass bei höherer Tem- peratur der Ton ein tieferer wird, ein Resultat, welches überraschend ist und die Verschiedenartigkeit dieser Ton- erregung anderen gegenüber charakterisirt. Für quan- titative Bestimmung dieses Temperatureinflusses kann man aus den beiden Beobachtungsreihen keinen Schluss mit Sicherheit ziehen und es müssen zu dem Zwecke noch weitere Versuche angestellt werden. Es mag übrigens nicht unerwähnt bleiben, dass der Drahtton, während er unter gewöhnlichen Temperatur- verhältnissen klar und intensiv auftritt, bei den höheren Temperaturen, unter welchen die Beobachtungen angestellt wurden, nicht zu dieser vollen Klarheit und Intensität gebracht werden konnte, vielmehr nur matt und gedämpft ertönte und schon bei geringen Aenderungen der richtigen Umdrehungsgeschwindigkeit vollends erlosch, eine Erschei- nung, die wohl im Zusammenhange mit dem bedeutenden Einflusse der Temperatur auf die elastische Nachwirkung steht. §. 14. Anregung der Pfeifentöne durch Reibungstöne . Der im §. 10 beschriebene Vorgang der Anregung der Drahttöne durch Reibungstöne findet eine Parallele in der vollkommen analogen Tonerregung bei Pfeifen. Bei diesen (Zungenpfeifen ausgenommen) strömt die Luft V. Strouhal . jedesmal gegen eine scharfe Kante, in der Regel aus einer spaltförmigen Oeffnung. Dadurch entsteht ein Reibungs- ton, dessen Höhe unter sonst gleichen Umständen durch die Geschwindigkeit der Luftströmung bestimmt wird und mit dieser continuirlich variirt. Man kann diesen Ton sehr gut isolirt beobachten, wenn man aus einer spalt- förmigen Oeffnung die Luft gegen irgend eine scharfe Kante, z. B. Messerschneide u. a. bläst. Die in der Pfeife über der scharfen Kante befindliche Luftsäule geräth in stehende Schwingungen am leichtesten, also, wie man zu sagen pflegt, die Pfeife spricht am besten an, wenn der Reibungston von einer Höhe ist, die den Dimensionen jener Luftsäule entspricht, gerade so, wie auch der Draht in stehende Schwingungen geräth, wenn der durch seine Bewegung entstehende Reibungston den Dimensionen und der Spannung des Drahtes entspricht. Ein Unterschied zwischen der Anregung eines Luft- tones und Drahttones besteht allerdings, indem eine Luft- säule bedeutend leichter eine ihr zutreffende Schwingungs- form annimmt als ein Draht. Nun zeigte sich schon bei diesem, dass der Drahtton, besonders wenn derselbe intensiv und sonor ertönt, schon dann auftritt, wenn der Reibungs- ton ihm in der Höhe nur nahe kommt. Dies ist bei den Pfeifen in noch höherem Grade der Fall. Wenn es also auch richtig ist, dass die Pfeife dann am besten anspricht, wenn der an der Kante entstehende Reibungston von derselben Höhe ist wie der Pfeifenton, so steht damit die Thatsache nicht in Widerspruch, dass die Pfeife auch dann anspricht, wenn man die Geschwin- digkeit der Luftströmung beträchtlich vergrössert. Kommt aber dabei der Reibungston in seiner Höhe einem Ober- tone der Pfeife nahe, so überspringt sofort der frühere Pfeifenton in den nächsten Oberton, und auch dieser über- springt in seinen nächst benachbarten, wenn die Geschwin- digkeit der Luftströmung noch mehr gesteigert wird. V. Strouhal . §. 15. Theoretisches . Die durch Beobachtungen gewonnenen Gesetze der Luftreibungstöne zeigen, dass diese Art der Tonerregung in ihrem Wesen von allen sonstigen verschieden sein muss. Denn wenn auch die Stärke des Anblasens oder Anschlagens eines musikalischen Instrumentes bekanntlich nicht ohne Einfluss auf die Tonhöhe ist, so sind diese Einwirkungen immer von untergeordnetem Betrage. Hier aber findet, wie wir gesehen haben, ein ungefähr gleichmässiges Wachsen der Höhe des Reibungstones mit der Bewegungsgeschwin- digkeit des denselben erzeugenden festen Körpers statt. Demgemäss wird man auf eine Erklärung durch die An- regung eines in den räumlichen Verhältnissen begründeten Eigentones des festen Körpers von vornherein verzichten müssen. Wollte man etwa die ringförmige, den Draht um- gebende Luftmasse ins Auge fassen, so ist zu beachten, dass bei den zu den Beobachtungen angewandten cylindrischen Körpern die Dimensionen des Luftringes Tönen entsprechen würden, die weit über die Grenze der Wahrnehmbarkeit liegen. Ein in der Luft bewegter Draht von beispielsweise 1 mm Dicke gibt je nach der Geschwindigkeit verschieden hohe aber deutlich wahrnehmbare Töne. Eine ringförmige, den Draht umschliessende Pfeife von etwa 3 mm Länge, also in diesem Falle, bei der einfachsten Schwingungsweise, von 3 mm Wellenlänge müsste bei 333 m Schallgeschwindig- keit einen Ton von 111000 Schwingungen geben; ihr tiefster Ton würde also weit über die Hörgrenze fallen. Eine erschöpfende Theorie der Reibungstöne zu geben bin ich bis jetzt nicht im Stande. Soviel scheint jedoch ausser allem Zweifel zu stehen, dass die Entstehung periodischer Luftbewegung bei gleichförmiger Bewegung eines festen Körpers in der Luft auf Reibung zurück- zuführen ist, sowohl auf die äussere, welche zwischen dem festen Körper und den Luftschichten, als auch auf die V. Strouhal . innere, welche zwischen den einzelnen Luftschichten selbst stattfindet. Wenn ein cylindrischer Körper in der als ruhend gedachten Luft aus dem Zustande relativer Ruhe in jenen relativer Bewegung übergeht, und zwar, wie wir der Ein- fachheit wegen annehmen wollen, in einer gegen seine Axe senkrechten Richtung, so ist die nächste Folge dieses Ueberganges eine Aenderung der Dichtigkeitsverhältnisse in der den Körper umgebenden Luft, es entsteht eine Ver- dichtung vor und eine Verdünnung hinter dem Körper. Bei der dadurch entstandenen Druckdifferenz wirkt die äussere Reibung einem Ausgleiche gegenüber verzögernd, und wir können die Wirkung dieser äusseren Reibung dahin auffassen, dass ein Ausgleich in den veränderten Dichtigkeitsverhältnissen erst dann eintritt, wenn die Druck- differenz zu einem gewissen bestimmten Betrage anwächst. Dadurch würde längst des Querschnittes des cylindrischen Körpers ein discontinuirliches Abreissen der Luft erfolgen und zwar in einer Periode, welche jener bestimmten Druck- differenz entspricht. Auf Grundlage dieser Annahme über die Ursache der periodischen Luftbewegung lassen sich nun einige mit den Beobachtungen vollkommen übereinstimmende Folgerungen ziehen. Zunächst ist klar, dass unter solchen Umständen die Spannung des cylindrischen Körpers keinen Einfluss auf jene periodische Luftbewegung ausüben kann. Die That- sache ferner, dass dafür auch die Substanz des cylindrischen Körpers gleichgültig ist, würde zu der Folgerung führen, dass die äussere Reibung nicht zwischen Körper und den äusseren Luftschichten, sondern zwischen diesen und der dem Körper innig adhärirenden Luftschicht stattfindet, eine Annahme, zu welcher bereits wie bekannt, auch andere über äussere Reibung angestellte Versuche geführt haben. Ferner sieht man ebenso leicht ein, warum die Länge des cylin- drischen Körpers nicht von Einfluss auf die Höhe des Reibungstones ist, wohl aber auf dessen Intensität. V. Strouhal . Dagegen ist klar, dass die Dauer der Periode, in welcher das Abreissen der Luft längs des Querschnittes eines cylindrischen Körpers eintritt, sowohl von der Ge- schwindigkeit der Bewegung desselben als auch von dessen Durchmesser abhängig ist. In ersterer Beziehung wird die bestimmte Druck- differenz, bei welcher das Abreissen der Luft unter sonst gleichen Umständen eintritt, um so früher erreicht, je rascher sich der Körper bewegt, und es wird somit bei zunehmender Bewegungsgeschwindigkeit die Dauer jener Periode eine kürzere und der Reibungston dadurch ein höherer werden. In letzterer Beziehung wird bei derselben Bewegungs- geschwindigkeit die Druckdifferenz, bei welcher das Ab- reissen der Luft längs des Querschnittes des cylindrischen Körpers eintritt, eine um so grössere sein müssen, je grösser sein Durchmesser ist, also auch die Fläche, von welcher die verdichtete Luft abreissen soll, indem mit der Vergrösserung der Fläche, an welcher die Luft adhärirt, auch die Kraft zunimmt, welche zur Ueberwindung dieser Adhäsion noth- wendig ist. Wenn dann die Periode, in welcher jenes Abreissen stattfindet, von derselben Dauer ist, wie die Periode, in welcher der feste Körper, zum Tönen gebracht, schwingen würde, so wirkt jenes regelmässig erfolgende Abreissen längs des Querschnittes des Körpers wie ein im bestimm- ten Tempo wiederkehrender Impuls, der, wenn auch an sich schwach, doch in seiner regelmässigen und den Eigen- schwingungen des cylindrischen Körpers entsprechenden Wiederkehr den Körper zum intensiven Tönen bringen kann. Dadurch erklärt sich die Anregung der Eigentöne von Drähten, Stäbchen u. s. w. durch Reibungstöne, und in ähnlicher Weise die Wirkung derselben auf bestimmt begrenzte Luftsäulen, die ebenso durch Reibungstöne zum Mittönen gebracht werden. Es wurde früher hervorgehoben, dass die Reibungstöne mit der Bewegungsgeschwindigkeit des festen cylindrischen V. Strouhal . Körpers nicht nur an Höhe, sondern auch an Intensität zunehmen. Auch diese Thatsache lässt sich mit obiger Annahme in Uebereinstimmung bringen. Die Stärke der Wahrnehmung des Schalles hängt von der Grösse der mechanischen Wirkung, d. h. der lebendigen Kraft der Bewegung der Luftschichten ab, und diese wird bei der- selben Schwingungsamplitude, welche wiederum durch die betreffende Druckdifferenz bestimmt wird, um so grösser sein, je rascher die Schwingungen vor sich gehen, also je höher der Ton wird. Die bei verschiedenen Lufttemperaturen angestellten Beobachtungen haben gezeigt, dass die Höhe des Reibungs- tones unter sonst gleichen Umständen bei zunehmender Temperatur abnimmt. Es liegt nun der Gedanke am nächsten, dass unter sonst gleichen Umständen der Ton bei zunehmender äusserer Reibung ein tieferer wird, indem dadurch das Abreissen der Schichten des Mediums ver- zögert wird. In der That zeigte sich bei einigen, unter Wasser angestellten Versuchen, dass ein daselbst rasch geschwungener mässig dicker Stahldraht ebenfalls einen Ton erzeugt, aber einen viel tieferen als in der Luft. Nun nimmt, wie die Versuche ergeben haben, der Reibungston in der Luft mit zunehmender Temperatur ab. Diese That- sache wird also auf Grund obiger Annahme zu der Fol- gerung führen, dass der äussere Reibungscoëfficient mit der Temperatur zunehme, dass er sich also ebenso ver- halte, wie der innere Reibungscoëfficient, welche Annahme in Uebereinstimmung mit der Anschauung ist, dass auch die sogenannte äussere Reibung, ebenso wie die innere, eine Reibung zwischen den Luftschichten selbst ist, näm- lich den äusseren und der dem Körper innig adhärirenden Luftschicht. Obgleich sich also auf Grund unserer Annahme über die Art und Weise der Entstehung der Reibungstöne die durch Beobachtung gewonnenen Thatsachen ziemlich befriedigend erklären lassen, so dass es wahrscheinlich ist, dass durch dieselbe das Wesen der Erscheinung wenigstens K. R. Koch . annähernd erfasst ist, so ist es wohl sicher, dass die Einzel- heiten des Vorganges durch jene Annahme keineswegs erschöpft sind. Es muss weiteren Versuchen überlassen bleiben, den Gegenstand sowohl vom akustischen Gesichts- punkte aus weiter zu verfolgen, als auch von dem viel wichtigeren, die akustischen Erscheinungen zum Studium der Reibungsverhältnisse zu verwenden. Die Versuche wurden im physikalischen Laboratorium der Universität Würzburg angestellt; ich erfülle hiermit die ehrenvolle Pflicht, Hrn. Prof. Dr. F. Kohlrausch , auf dessen Anregung die vorliegende Arbeit entstanden, meinen tiefgefühlten Dank für seine freundliche Unterstützung mit Rath und That auszusprechen. Würzburg , 10. Mai 1878.