Vorlesungen uͤber die Naturlehre zur Belehrung derer, denen es an mathematischen Vorkenntnissen fehlt. Von Heinrich Wilhelm Brandes, Professor in Leipzig. Dritter Theil . Mit 6 Kupfern. Leipzig , 1832. bei Georg Joachim Goͤschen . Inhalt . E rste Vorlesung . Waͤrmestoff. Temperatur. Ausdehnung der Koͤrper durch die Waͤrme. Thermometer. Feste Puncte des Ther- mometers. Ungleichfoͤrmige Ausdehnung verschiedener Koͤrper. Aus- dehnung fester Koͤrper. Ausdehnung luftfoͤrmiger Koͤrper. Luftther- mometer, Differenzthermometer. Pyrometer. Thermometer fuͤr die groͤßten und kleinsten Temperaturen. Zweite Vorlesung . Erscheinungen, die von der Ausdehnung der Koͤrper abhaͤngen. Compensationspendel. Temperatur in der Tiefe großer Seen und des Meeres. Wasserloͤcher. Luftstroͤmungen. Dritte Vorlesung . Strahlende Waͤrme. Zuruͤckwerfung und Bre- chung. Brennspiegel und Brennglaͤser. Waͤrme der einzelnen pris- matischen Farbenstrahlen. Schwaͤchung der Waͤrme beim Durchgang durch andre Koͤrper, beim Durchgang durch mehrere Glaͤser. Un- gleiche Waͤrmestrahlung bei Verschiedenheit der Oberflaͤche. Leslie's Photometer, Aethriometer. Anscheinend strahlende Kaͤlte. Vierte Vorlesung . Leitung der Waͤrme. Leitung im Wasser. Ge- setze der Abkuͤhlung in der Luft. Fourier's Untersuchungen. Faͤlle, wo das Gesetz der Austheilung der Waͤrme waͤhrend der Abkuͤhlung dasselbe bleibt. Fuͤnfte Vorlesung . Differenzen wahrer Waͤrme. Specifische Waͤrme. Waͤrmecapacitaͤt. Calorimeter. Ungleiche specifische Waͤrme bei ungleicher Dichtigkeit. Pneumatisches Feuerzeug. Aenderung der Waͤrmecapacitaͤt fester Koͤrper. Schwierigkeit bei der Bestimmung hoͤherer Temperaturen. Vergleichung der specifischen Waͤrme mit dem Atomengewichte. Frei werdende Waͤrme durch Aenderung der Capacitaͤt, durch Reiben. Fragen uͤber die Natur der Waͤrme. Sechste Vorlesung . Latente Waͤrme. Gefrieren. Schnee. Ge- walt der Ausdehnung des Wassers beim Gefrieren. Polar-Eis. Grund-Eis. Gletscher. Schneelinie. Schneelawinen. Kaͤlte her- vorbringende Mischungen. Nullpunct der Waͤrme. Siebente Vorlesung . Entstehung der Daͤmpfe. Ihre Elasticitaͤt. Kochen. Grade der Elasticitaͤt bei hohen Temperaturen und der groͤßten Dichtigkeit; — bei geringerer Dichtigkeit, — bei der Mi- schung mit der Luft. Dichtigkeit der Daͤmpfe. Wiefern sie vom aͤußern Drucke abhaͤngen kann. Latente Waͤrme der Daͤmpfe. Achte Vorlesung . Anwendung der Daͤmpfe zum Heitzen. Kochen im Dampfe. Destillation. Aeolipile. Dampfgeblaͤse. Dampfma- schine. Ihr Effect nach Pferdekraft bestimmt. Dampfschiffe. Dampf- wagen. Dampfcanonen. Ursachen des Zerspringens der Dampfkessel. Mittel zur Sicherung. Neunte Vorlesung . Ausduͤnstung und Regen. Hygrometer. Ver- dunstungskaͤlte. Condensationspunct der Daͤmpfe. Daniell's Hy- grometer. Psychrometer. Starke Kaͤltegrade durch Verdunstungs- kaͤlte. Chryophorus. Zehnte Vorlesung . Nebel und Wolken. Ursachen ihres Ent- stehens. Hutton's Theorie des Regens. Unerklaͤrte Erscheinungen. Der Thau. Leidenfrost's Versuch. Ungleiche Leitung der Waͤrme in gleichen Metallen. Elfte Vorlesung . Das Verbrennen. Erhitzung, die zur Entzuͤn- dung noͤthig ist. Gluͤhlaͤmpchen. Oefen und Feuerherde. Waͤrme, welche von verschiedenen Materialien hervorgebracht wird. Loͤschen des Feuers. Zwoͤlfte Vorlesung . Flammen. Lampen. Gas-Erleuchtung. Davy's Sicherheitslampe. Geblaͤse. Knallgasgeblaͤse. Brewster's Mittel, große Hitze zu bewirken. Selbst-Entzuͤndungen. Feuerzeuge mit Platinschwamm. Ueber die Theorie der Waͤrme. Dreizehnte Vorlesung . Electricitaͤt durch Reibung. Anziehen. Leiter und Nichtleiter. Electricitaͤt der Metalle. Electrometer. Ver- lust, welchen die electrisirten Koͤrper in der Luft leiden. Entgegen- gesetzte Electricitaͤten. Beim Reiben erhaͤlt der eine Koͤrper + E , der andre - E . Reihenfolge der Koͤrper. Vierzehnte Vorlesung . Electrisirmaschinen. Versuche mit den- selben. Entgegengesetzte Electricitaͤten am Reibzeuge und am gerie- benen Koͤrper. Franklins Theorie. Dualistische Theorie. Ge- setze der Anziehung und Abstoßung. Funfzehnte Vorlesung . Electrische Erscheinungen durch Verthei- lung. Austheilung der Electricitaͤt auf der Oberflaͤche eines Leiters. Poissons theoretische Untersuchungen. Spitzen. Lichtenbergische Figuren. Sechszehnte Vorlesung . Die electrische Flasche. Platten unter gegenseitigem Einfluß geladen. Ladung und Entladung der Flasche. Entladung durch Spitzen u. a. Versuche. Electrische Batterie. Aus- lader. Siebenzehnte Vorlesung . Condensator. Electrophor. Elec- trische Lampe. Achtzehnte Vorlesung . Der electrische Funke. Electrisches Licht im luftleeren Raume; seine verschiedenen Farben. Allgemeiner Aus- lader. Sehr große Electrisirmaschine und ihre Wirkung. Entzuͤn- dungen, Schmelzung und Verbrennung der Metalle. Mechanische Wirkungen des electrischen Schlages. Chemische Wirkungen. Neunzehnte Vorlesung . Der Blitz. Blitz-Ableiter. Verhal- tungsregeln bei Gewittern. Ruͤckschlaͤge. Wirkungen des Blitzes. Donner. Die atmosphaͤrische Electricitaͤt bei heiterm Himmel. Ueber die Entstehung der Gewitter. Hagel. Wetterlichter. Electricitaͤt, welche durch Druck entsteht; durch Erhaͤrten, beim Verdampfen, beim Verbrennen. Der Turmalin. Zwanzigste Vorlesung . Galvani's Entdeckung. Volta's Fundamentalversuch. Reihenfolge der Electromotoren. Leiter der zweiten Art. Verstaͤrkte Wirkung der zusammengesetzten Ketten. Ein und zwanzigste Vorlesung . Volta's Saͤule. Electrische Spannung in der ungeschlossenen Saͤule. Trockene Saͤule. Boh- nenberger's Electrometer. Trog-Apparat, Becher-Apparat. Wirkungen der geschlossenen Saͤule. Physiologische Wirkungen. Ab- haͤngigkeit von der Zahl und Groͤße der Platten und von der Leitung. Electrische Fische. Zwei und zwanzigste Vorlesung . Chemische Wirkungen der Saͤule. Wasserzersetzung; — selbst durch die einfache galvanische Kette. Sicherung des Kupferbeschlages der Schiffe. Hinuͤberfuͤhrung der Stoffe. Davy's Untersuchungen. Electrochemische Theorie. Nobili's Figuren. Drei und zwanzigste Vorlesung . Chemische Wirkuugen in der Saͤule selbst; Absorption von Sauerstoffgas. Beantwortung der Ein- wuͤrfe gegen Volta's Theorie. Oxydationstheorie. Widerstand der Leitung des Stromes. Veraͤnderter Zustand der negativen Platten; Ladungsphaͤnomene. Das Wogen der Kraft in der Kette. Vier und zwanzigste Vorlesung . Funken, Erhitzung, Gluͤ- hen, Verbrennung durch die voltaische Saͤule. Umstaͤnde, die zu Befoͤrderung dieser Wirkung beitragen. Leitungswiderstand der me- tallischen Schließungsdraͤthe. Unipolare Leiter; Ohm's Bemerkung uͤber sie. Electrochemische Bewegung in leitenden Fluͤssigkeiten. Fuͤnf und zwanzigste Vorlesung . Vom Magnete. Anziehende Kraft, Polaritaͤt, Mittheilung seiner Kraft an Eisen und Stahl. Anziehung der ungleichnamigen, Abstoßung der gleichnamigen Pole. Verfertigung kuͤnstlicher Magnete. Magnetnadeln. Bestimmung ihrer Kraft. Anwendung. Kraft der einzelnen Theile des Magnets. Wir- kung in die Ferne. Einwirkung weichen Eisens auf diese Wirkungen. Sechs und zwanzigste Vorlesung . Neigung der Magnetnadel. Astatische Nadel. Linien gleicher Neigung auf der Erde. Magnetischer Aequator der Erde; magnetische Pole. Die Erde ist selbst ein Ma- gnet. Abweichung. Linien gleicher Abweichung. Schwierigkeit bei den Beobachtungen. Intensitaͤt der magnetischen Kraft der Erde. Linien gleicher Intensitaͤt. Sieben und zwanzigste Vorlesung . Aenderungen der Abwei- chung, Neigung und Intensitaͤt, im Laufe der Jahrhunderte, des Jahres, der Tage. Hansteen's Bemuͤhungen fuͤr die Theorie. Das weiche Eisen unter dem Einfluß des Erdmagnetismus. Bar- low's Correctionsplatte. Einfluß der Waͤrme auf den Magnet. Das Nordlicht. Acht und zwanzigste Vorlesung . Poisson's Theorie. Cou- lomb's Versuche uͤber magnetische Einwirkung auf andre Koͤrper Die Bewegung eines Koͤrpers in der Naͤhe eines Magnets als Ursache magnetischer Erscheinungen. Gesetze des Rotationsmagnetismus. Neun und zwanzigste Vorlesung . Oerstaͤdt's Versuch. Ma- gnetische Wirkung des Schließungsleiters. Ampère's Versuche uͤber die gegenseitige Wirkung electrischer Stroͤme. Erklaͤrung der magne- tisch-electrischen Erscheinungen nach Ampère . Dreißigste Vorlesung . Magnete durch Electricitaͤt hervorgebracht . Magnetringe, die sich erst nach der Zertheilung magnetisch zeigen. Magnete von ungewoͤhnlicher Staͤrke, so lange der electrische Strom sie umkreist. Multiplicator oder Galvanometer. Messung der Kraft der electrischen Stroͤme. Bestimmung der ungleichen Leitung der Electricitaͤt in Metallen. Ein und dreißigste Vorlesung . Faraday's Entdeckung der electromagnetischen Rotationen. Ampère's fernere Untersuchungen uͤber die Anziehung electrischer Stroͤme und die durch bloße electrische Stroͤme hervorgebrachten Rotationen. Magnetisch-electrische Rotatio- nen. Rotationen durch den Erdmagnetismus. Ursache des Erdmagne- tismus. Einwuͤrfe gegen Ampère . Transversalmagnete in Ver- gleichung mit dem Leitungsdrathe. Zwei und dreißigste Vorlesung . Thermomagnetismus. Ge- setze seiner Wirkung. Bestimmung hoher Temperaturen durch den- selben. Electrische Stroͤme durch die bloße Naͤhe electrischer Stroͤme hervorgebracht. Faraday's Entdeckung electrischer Wirkungen des Magnets und eines Funkens durch Einwirkung des Magnets. Be- staͤtigung der Ampèreschen Theorie. Erste Vorlesung J ede einzelne Lehre der Physik, m. h. H., hat in Ruͤcksicht auf die Art, wie sie unsre Aufmerksamkeit anzieht, in Ruͤcksicht auf das Interesse, welches sie erregt, etwas Eigenthuͤmliches, und muß mit Ruͤcksicht auf diese Eigenthuͤmlichkeit ins Auge gefaßt werden. Die mechanischen Lehren empfehlen sich uns nicht bloß durch die Anwendbarkeit auf Maschinen und durch den uͤberall unverkenn- baren Nutzen, den sie gewaͤhren, sondern auch durch die Sicherheit, mit welcher die Schluͤsse sich an einander reihen, durch die uͤber alle Zweifel sich erhebende Nothwendigkeit in den aus wenigen Grundlagen hervorgehenden Folgerungen. Die Lehre vom Lichte bietet dem Auge ebenso mannigfaltige Unterhaltung durch schoͤne Farben-Erscheinungen als dem Verstande durch die Aufloͤsung der schwierigen Fragen, zu welchen diese Erscheinungen Veranlassung geben, dar; und fast auf aͤhnliche Weise kann man von der Electricitaͤt sagen, daß sie uns bald durch die Neuheit ganz uner- warteter Erscheinungen uͤberrascht, bald durch die Gewalt ihrer Wirkungen uns in Erstaunen setzt, bald in einer Reihe raͤthsel- hafter Phaͤnomene uns zur Bewunderung des Scharfsinns derer auffordert, die diese Phaͤnomene in ein System zu ordnen, das eine aus dem andern zu erklaͤren, mit so großem Gluͤcke versucht haben. Die Lehre von der Waͤrme kann wohl nicht auf gleiche Weise auf den Ruhm Anspruch machen, solche Erscheinungen darzubieten, die dem Auge durch ihre Schoͤnheit sich empfehlen, oder die als gaͤnzlich unerwartet unser Erstaunen erregen; aber dagegen hat sie den Vor- zug, uns uͤber zahllose Natur-Erscheinungen Aufschluß zu geben, III. A uns mit Wirkungen, die wir von Jugend an gesehen haben, ohne sie uns deutlich zu erklaͤren, vertraut zu machen, und uns zu zeigen, wie grade die Waͤrme in die ganze Haushaltung der Natur, zwar auch zerstoͤrend, aber doch vorzuͤglich belebend und heilsam eingreift. Es ist wohl einleuchtend, daß mit diesen Andeutungen nur das aus- gesprochen ist, was jede Lehre vorzugsweise auszeichnet; denn kei- nem Theile der Physik fehlt das ganz, was der eine in vorzuͤglichem Grade besitzt, und es ist bekannt, daß auch die Waͤrmelehre durch unzaͤhlige nuͤtzliche Anwendungen dem practischen Sinne sich sehr empfielt, daß auch sie unerwartete Erscheinungen kennen lehrt, und daß dagegen auch Licht und Electricitaͤt als maͤchtig wirkende Mittel in das ganze Leben der Natur eingreifen, und so weiter. Waͤrme und Licht . Waͤrmestoff . Die Lehre von der Waͤrme schließt sich nahe an die Lehre vom Lichte an, theils weil Waͤrme und Licht sich uns so oft vereinigt zeigen, daß wir zuweilen zweifelhaft werden, ob wir sie nicht als verschiedene Wirkungen einer gleichen Ursache ansehen sollen, theils weil in einigen Faͤllen die Erscheinungen beider ganz offenbar aͤhn- lichen Gesetzen folgen. Warum wir gleichwohl Bedenken tragen muͤssen, die Waͤrme gradezu nur als Wirkung eben der Materie, der wir die Licht-Erscheinungen zuschreiben, zu betrachten, wird sich bei der Angabe der einzelnen Erscheinungen ergeben, und es laͤßt sich hier wohl nur die kurze Bemerkung voranstellen, daß auch die Waͤrme zu der Frage Anlaß gegeben hat, ob sie durch einen von Koͤrper zu Koͤrper uͤbergehenden ausstroͤmenden Stoff hervor- gebracht wird, oder ob nur die Undulationen des Aethers unserm Ge- fuͤhle in der Waͤrme, so wie dem Auge im Lichte, sich wahrnehmbar machen. Diese Frage zu entscheiden, hat hier, wo die Erscheinun- gen sich nicht mit der Schaͤrfe, welche das Auge erlaubt, verfolgen lassen, noch mehr Schwierigkeit, und ohne entscheiden zu wollen, was tiefere Untersuchungen einst ergeben moͤgen, finden wir es doch fuͤr die Darlegung der Erscheinungen am angemessensten, von einem Waͤrmestoffe , von seinem Uebergange von einem Koͤr- per zum andern, von seiner Verbindung mit den materiellen Thei- len der Koͤrper u. s. w. zu sprechen, und dieses um so mehr, da zahlreiche Erscheinungen sich ganz so, als ob sie eine quantitative Abmessung des Waͤrmestoffs gestatteten, unserer Betrachtung dar- bieten. Diesen Erscheinungen folgend sehen wir es so an, als ob ein eigenthuͤmlicher Waͤrmestoff , eine Materie von großer Feinheit und Elasticitaͤt, als Ursache der Waͤrme und Hitze, wo sie im Uebermaaß vorhanden ist, als Ursache der Kaͤlte, wo sie in gerin- ger Menge vorhanden ist oder wo ein relativer Mangel statt findet, den Erscheinungen der Waͤrme und Kaͤlte zum Grunde laͤge, und nur in einzelnen Faͤllen werden wir Gelegenheit haben, diese Hy- pothese als nicht ganz genuͤgend tadeln oder unsre Unsicherheit in Beziehung auf die Erklaͤrung der Phaͤnomene nach derselben geste- hen zu muͤssen. Temperatur . Ungleiche Ausdehnung der Koͤrper bei ungleichen Temperaturen . Unsre Empfindung lehrt uns zuerst Ungleichheit der Tempe- ratur kennen, indem ein Koͤrper sich fuͤhlbar waͤrmer, der andre kaͤlter zeigt. Wir bemerken eine Ausgleichung dieser Ungleichheit der Temperatur bei der gegenseitigen Beruͤhrung der Koͤrper, so daß der waͤrmere dem kaͤlteren Waͤrme abzugeben scheint; die in beiden Koͤrpern uns merklich werdende Waͤrme setzt sich, wie wir uns ausdruͤcken, ins Gleichgewicht, und die Koͤrper nehmen dadurch eine gleiche Temperatur an. Diese Gleichheit und Ungleichheit der fuͤhlbaren Waͤrme ist die erste Erscheinung, die wir deutlich wahrnehmen, aber ohne in unserm Gefuͤhle Mittel zur genaueren Abmessung der Ungleichheit zu finden. Ein solches Mittel bietet sich uns dagegen in der Ausdehnung der Koͤrper durch die Waͤrme dar, von welcher man sich leicht durch folgende Erfahrung uͤberzeugen kann. Man nimmt eine Messing- kugel und bringt in einer Messingplatte ein Loch an, das grade groß genug ist, um die Kugel durchzulassen; dann findet sich, daß diese Kugel erhitzt nicht mehr durch die Oeffnung faͤllt, sondern von den Raͤndern der Platte so lange am Hindurchfallen gehindert wird, bis Kugel und Platte wieder gleiche Temperatur erlangt haben. Kennt man aber einmal diese Eigenschaft der Koͤrper, so findet man sie in zahlreichen Faͤllen wieder, indem man z. B. bemerkt, daß ein Glasstoͤpsel sich leicht in die Oeffnung der Glasflasche hineinbringen laͤßt, wenn die letztere warm, jener dagegen kalt ist, und daß es A 2 dann schwer haͤlt, die kalt gewordene Flasche zu oͤffnen, weil die enger gewordene Oeffnung den Stoͤpsel jetzt sehr fest umschließt; ein so eingetriebener Stoͤpsel ist oft sehr schwer wieder herauszubringen, weil bei neuer Erwaͤrmung der Flasche nun beide Koͤrper sich zugleich erwaͤrmen und ausdehnen, statt daß dies zuerst nur bei dem einen der Fall war. Ebenso findet man, daß ein durch die Thuͤr eines erhitzten Ofens hinein gebrachtes kaltes Gefaͤß sich erhitzt nicht wie- der herausbringen laͤßt, wenn es vorhin nur mit geringem Spiel- raume hindurch ging. Die festen Koͤrper dehnen sich weniger aus als die fluͤssigen, daher sieht man feste Koͤrper bei der Erwaͤrmung in den fluͤssigen untersinken, wenn sie sich bei geringerer Waͤrme nur noch eben schwimmend erhielten; denn obgleich sie zusammen erwaͤrmt sich beide ausdehnen, so betraͤgt dies doch bei dem festen Koͤrper so we- nig, daß sein specifisches Gewicht sich nur unbedeutend aͤndert, waͤhrend der sich staͤrker ausdehnende fluͤssige Koͤrper in bedeuten- dem Maaße specifisch leichter wird. Diese staͤrkere Ausdehnung macht die fluͤssigen Koͤrper mehr geeignet, um zur Abmessung der Ausdehnung und so mittelbar zur Messung der Waͤrme zu dienen, und sie dienen hiezu um so bequemer, da man ihre Ausdehnung durch passend gewaͤhlte Form der Gefaͤße leichter bemerkbar machen kann. Nehmen wir naͤmlich an, was die Erfahrung als richtig zeigt, daß Glasgefaͤße ihren innern Raum bei der Erwaͤrmung nur sehr wenig vergroͤßern, so wird eine hohle Glaskugel, die mit einer engen Roͤhre verbunden ist, der bei niedriger Temperatur sie ganz fuͤllenden Fluͤssigkeit nicht mehr Raum genug geben, wenn eine Erwaͤrmung statt findet, sondern die Fluͤssigkeit wird dann in die Roͤhre hineintreten, und man wird ihre Ausdehnung in der engen Roͤhre sehr bequem wahrnehmen koͤnnen. Quecksilber dehnt sich von der Kaͤlte des gefrierenden Wassers bis zu der Temperatur eines heißen Sommertags etwa um \frac{1}{200} aus; — eine Ausdehnung, die in einer 12 Zoll langen cylindrischen Roͤhre noch keine Linie betra- gen wuͤrde; die aber hoͤchst merklich wird, wenn man einer Kugel von 200 Cubiclinien Inhalt eine so enge Roͤhre angefuͤgt hat, daß eine Cubiclinie eine Laͤnge von 2 Zoll einnimmt. Da dieses die Einrichtung ist, die wir unsern Thermometern geben, so fuͤhrt mich dies sogleich zu den Ueberlegungen, die der Verfertigung der Thermometer zum Grunde liegen. Abmessung der Waͤrme-Unterschiede durch Thermometer . Um eine richtige Abmessung der Waͤrme an die Ausdehnung der Koͤrper anzuknuͤpfen, ist zuerst die Kenntniß bestimmter, immer gleich unter bestimmten Umstaͤnden zu erhaltender Waͤrmegrade, und die Ueberzeugung, daß die Ausdehnung der Koͤrper, auch nach wiederholten Veraͤnderungen, bei gleicher Waͤrme wieder dieselbe ist, nothwendig. Wir erwerben uns diese doppelte Kenntniß, wenn wir einen fluͤssigen Koͤrper in eine solche, mit einer Roͤhre verbun- dene Kugel fuͤllen, und diese in Materien eintauchen, welche wir als gleich warm anzusehen Grund haben; koͤmmt da die Fluͤssigkeit nach allen Abwechselungen von Waͤrme immer wieder auf denselben Stand, zu gleichem Grade der Ausdehnung, zuruͤck, so duͤrfen wir glauben, sowohl einen immer gleichen Waͤrmegrad hervorgebracht, als die Unveraͤnderlichkeit der Ausdehnung in Beziehung auf die Waͤrme bestaͤtigt zu haben. Dieses Experiment laͤßt sich am besten in Schnee anstellen, der bei anfangendem Aufthauen schon mit Wasser durchzogen ist, und die Erfahrung zeigt, daß, welche Fluͤs- sigkeit auch in jener Kugel und Roͤhre enthalten ist, und wie oft man, nach willkuͤrlich veranlaßten Wechseln von Waͤrme, das Ein- tauchen in solchen Schnee wiederholt, allemal die eingeschlossene Fluͤssigkeit auf denselben Stand zuruͤckkoͤmmt; und was sich hier bei einem solchen bestimmten Waͤrmegrade zeigt, das nimmt man bei mehreren wahr, so daß die Ueberzeugung, gleicher Waͤrme entspreche ein immer gleicher Grad von Ausdehnung eines bestimm- ten Koͤrpers, als fest begruͤndet erscheint. Die Verfertigung eines Instrumentes, das wir einen Waͤrme- messer , Thermometer , nennen wollen, ist hierdurch uns sehr nahe gelegt, obgleich die Ausfuͤhrung noch einige Schwierigkeit dar- bietet. Es sollte naͤmlich, — dies ist eine der vorzuͤglichsten Schwierig- keiten, — eine fluͤssige Materie zur Fuͤllung der Thermometerroͤhre genommen werden, die bei gleichem Unterschiede der Waͤrme sich um gleich viel ausdehnt, und es sollten zwei ziemlich weit von ein- ander entfernte Temperaturen als feste Temperaturen zur Bestim- mung einer Scale der Waͤrme dienen. Obgleich es uns nun hier, im ersten Anfange der Waͤrmelehre, noch nicht moͤglich ist, die Frage, wie man gleiche Unterschiede der Waͤrme bestimme, und wie man die Eigenschaft irgend einer Fluͤssigkeit, sich bei gleichem Waͤrme- Unterschiede gleich viel auszudehnen, kennen lerne, zu beantworten; so darf ich doch es wohl schon jetzt als eine sich spaͤter bestaͤtigende Erfahrung aussprechen, daß reines Quecksilber fuͤr mittelmaͤßige Temperaturen diese Eigenschaft beinahe genau besitzt. Daß dieses dagegen nicht eine allgemeine Eigenschaft aller Fluͤssigkeiten ist, da- von kann man sich leicht uͤberzeugen, wenn man Wasser, Wein- geist, Quecksilber und andre Fluͤssigkeiten auf gleiche Weise in solche, mit einer Kugel verbundene Roͤhren, die wir Thermometerroͤhren nennen wollen, fuͤllt. Bringt man naͤmlich diese gefuͤllten Roͤhren zuerst in gefrieren- des Wasser, und bemerkt die Puncte, wo das Ende der in die Roͤhre hinaufreichenden Saͤule des Fluͤssigen steht; laͤßt man dann das Wasser, worin sie bleiben, allmaͤhlig sich erwaͤrmen, und bezeichnet beim Kochen wieder die Puncte, wo die Fluͤssigkeiten in den Roͤh- ren sich endigen; so sollte man glauben, beim allmaͤhligen Erkalten wuͤrden die sich wieder zusammenziehenden Fluͤssigkeiten gleichmaͤßig sinken, und zugleich den halben Raum, drei Viertel des Raumes und so ferner zuruͤck durchlaufen; aber das ist nicht der Fall, son- dern das Wasserthermometer hat schon jenen Zwischenraum halb durchlaufen, wenn das Quecksilber erst wenig uͤber ein Viertel zuruͤckgelegt hat. Um also ein Thermometer zu machen, fuͤllen wir eine Kugel A, die mit einer engen und ziemlich langen Roͤhre BC ( Fig. 1. ) verbunden ist, mit ganz reinem, auch von Luft befreitem Queck- silber, etwa so weit an, daß auch im gefrierenden Wasser die Roͤhre noch bis D gefuͤllt bleibt. Nachdem das Thermometer in Schnee, der im Aufthauen begriffen ist, so lange, daß es die Temperatur dieses Schnees angenommen hat, eingetaucht gewesen, bezeichnet man den Punct D, wo sich die Quecksilber-Oberflaͤche befindet, und hat so den einen festen Punct der Thermometerscale. Die Bestim- mung des andern Punctes erhaͤlt man durch das Kochen des Was- sers; aber dieses Kochen tritt nicht immer bei gleicher Waͤrme ein, sondern bei geringerer Waͤrme, wenn das Barometer niedriger steht, wenn der Druck der Luft geringer ist; man muß daher das Kochen dann beobachten, wenn das Barometer eine bestimmte Hoͤhe, 28 paris. Zoll zum Beispiel, hat. Wenn diese Vorsicht beobachtet ist, und man das Thermometer so gestellt hat, daß es die wahre Koch- hitze des Wassers annimmt, so hat man auch hier einen zweiten festen Punct der Scale, der bei dem Kochen des Wassers unter 28 Zoll Druck der Luft sich immer wieder ebenso findet. Das Thermometer wird, nachdem man alle Luft herausgetrieben, oben zugeschmolzen; den zwischen Gefrierkaͤlte und Siedehitze des Was- sers gefundenen Zwischenraum theilt man nun in 80 oder in 100 gleiche Theile, je nachdem man die Scale des Reaumuͤrschen oder des Centesimalthermometers auftragen will, und setzt 0° neben dem Puncte des thauenden Schnees, 80° auf jener Scale, 100° auf dieser neben dem richtig bestimmten Kochpuncte des Wassers. Damit aber die so verfertigten Thermometer correspondirend werden, muß die Roͤhre uͤberall gleich weit sein, oder — wie man es ausdruͤckt, — man muß eine gut calibrirte Roͤhre anwenden. Um sich zu uͤberzeugen, ob die Roͤhre in allen ihren Theilen gleich weit ist, bringt man, ehe sie gefuͤllt wird, nur einen maͤßigen Tropfen Quecksilber in die Roͤhre, und mißt genau, ob er in allen Gegenden der Roͤhre eine gleiche Laͤnge einnimmt; ist das strenge der Fall, so ist die Roͤhre brauchbar, im entgegengesetzten Falle muß man eine andre Roͤhre waͤhlen. In diesen Regeln sind die wichtigsten Bedingungen zu Ver- fertigung uͤbereinstimmender Thermometer gegeben, indeß hat man, um voͤllige Gleichheit zu erhalten, noch auf manche Nebenumstaͤnde zu sehn, die ich kurz erwaͤhnen will Ausfuͤhrl. ist dieser Gegenstand von Egen abgehandelt. Pog- gend. Ann. XI. 276. . Bei dem Gefrierpuncte findet, wenn schon sehr viel Wasser mit dem Schnee vermischt ist, oder wenn sich nur thauendes Eis im Wasser befindet, nicht mehr eine ganz strenge Gleichheit der Temperatur in allen Wasserschich- ten statt, indeß ist hier der Unterschied geringe. Die Bemerkung, daß ein Thermometer im allerstrengsten Sinne immer wieder auf den Gefrierpunct zuruͤckkomme, wenn man nach verschiedenen Er- waͤrmungen und Abkuͤhlungen es in eben solchen zergehenden Schnee bringt, leidet so fern eine Beschraͤnkung, als erstlich die Veraͤnde- rungen, welche das Glas bei Erwaͤrmung leidet, nicht sogleich bei der Abkuͤhlung wieder voruͤbergegangen sind, sondern der dieser Abkuͤhlung entsprechende Zustand erst langsamer eintritt, und zwei- tens bei laͤngerem Gebrauche eines Thermometers der Druck der Luft eine kleine dauernde Veraͤnderung des Inhalts der Kugel her- vorzubringen scheint; — der letztere von mehrern Beobachtern an- gegebene Umstand wird indeß von Muncke in Zweifel gezogen. Die Bestimmung des Kochpunctes fordert vorzuͤgliche Sorg- falt. Nicht allein ist er bei ungleichem Barometerstande so sehr anders, daß eine Linie Aenderung des Barometers die Waͤrme des Kochens um \frac{88}{1000} eines Centesimalgrades oder um \frac{7}{100} eines Reau- muͤrschen Grades aͤndert, sondern die Aufwallungen des Wassers bringen auch ein Wechseln der bald zu hohen, bald zu niedrigen Temperatur hervor. Diese Wechsel sind in den nahe uͤber der Oberflaͤche des Wassers befindlichen Daͤmpfen nicht merklich, und man muß daher in einem Gefaͤße, welches zwar den Zutritt der Luft nicht hindert, aber doch Tiefe genug zwischen der Wasser- Oberflaͤche und der dem Eindringen der Luft frei gelassenen Oeff- nung hat, die Thermometerkugel in den Dampf nahe uͤber dem kochenden Wasser bringen, um die Kochhitze zu bestimmen. Die meisten Verfertiger von Thermometern waͤhlen zu Bestimmung des Kochpunctes einen Barometerstand von 0,76 Meter = 336,9 par. Linien oder auch von 28 paris. Zoll = 336 Lin. Wie viel dann die wahre Kochwaͤrme bei andern, nicht viel verschiedenen, Baro- meterstaͤnden betraͤgt, laͤßt sich aus der Angabe, daß die Aenderung bei jeder Linie \frac{88}{1000} Gr. Cent. ( \frac{7}{100} ° R. betraͤgt, uͤbersehen; bei sehr vermindertem Barometerstande ist aber die Aenderung groͤßer. Bei uns steigt das Barometer selbst an den Ufern des Meeres selten auf 28¾ Zoll und es faͤllt selten unter 26¼ Zoll; in jenem Falle wuͤrde das Kochen, wenn der Kochpunct des Thermometers bei 28 Zoll Barometerstand bestimmt ist, erst bei 100,8° Cent. (80,6° R. ), im letztern Falle bei 98,°1 Cent. (78,5° R. ) eintreten. In Quito, wo das Barometer 19½ Zoll hoch steht, kocht das Was- ser schon, wenn es erst die Waͤrme von 90° C.(72° R. ) erreicht hat, auf dem Chimborasso unter 12½ Zoll Luftdruck schon bei 79°C. (63° R. ) Unter der Luftpumpe, wo der Druck nur wenige Linien betraͤgt, koͤmmt das Wasser schon bei einer Temperatur von 25° Cent. (20° R. ) leicht zum Kochen. Endlich muß ich noch einen Umstand erwaͤhnen, der das Aufkochen des Wassers fruͤher herbei- fuͤhrt, naͤmlich Ungleichheiten in der Oberflaͤche der Gefaͤße. So wie Koͤrper mit spitzigen Ecken die Entwickelung der Luft bei luft- haltende Fluͤssigkeiten befoͤrdern, so koͤmmt auch in Gefaͤßen, deren Oberflaͤche nicht ganz glatt ist oder in welchen sich fremde Koͤrper befinden, das Wasser eher zum kochenden Aufwallen, als in ganz glatten Gefaͤßen. Hierin ist fast alles enthalten, was die Verfertigung der Ther- mometer betrifft; ich muß nur noch beifuͤgen, daß man die unter dem Nullpunct herabgehenden Grade negative oder Kaͤltegrade (mit dem Zeichen - angedeutet) nennt, die von Null zu groͤßerer Waͤrme fortgehenden positive oder Waͤrmegrade (die mit + bezeich- net werden, wenn diese Unterscheidung noͤthig ist); beide werden so weit fortgesetzt aufgetragen, als die Zwecke des einzelnen Instru- mentes es fordern, oder hoͤchstens so weit als die beim Quecksilber statt findenden Grenzen es gestatten. Da das Quecksilber bei 356° Cent. (285° R. ) kocht und bei - 40° Cent. (- 32° R. ) gefriert, so sind dieses die aͤußersten Grenzen der Brauchbarkeit eines Quecksilberthermometers. Man hat ehemals mehr verschiedene Thermometerscalen ange- wandt, jetzt ist außer der erwaͤhnten nur noch die Fahrenheitische hie und da im Gebrauch, welche den Nullpunct, einer kuͤnstlichen Kaͤlte entsprechend, tiefer setzt Hier steht naͤmlich bei dem Puncte, welchen das in Schnee und Salz gesetzte Thermometer erreicht, Null. ; bei dem Aufthauen des Schnees + 32°, bei dem Kochen des Wassers 212°. Die zusammengehoͤrenden Grade zeigt Fig. 2. Genauere Bestimmung der Ausdehnung tropfbarfluͤs- siger und fester Koͤrper . Da wir uns jetzt im Besitze eines Instruments befinden, welches uns in Stand setzt, gewisse Waͤrmegrade verstaͤndlich zu bezeichnen, so koͤnnen wir das genaue Maaß der Ausdehnung einzelner Koͤrper mit mehr Sicherheit angeben. Um zuerst fuͤr tropfbar fluͤssige Koͤrper die Ausdehnung zwischen bestimmten Waͤrmegraden anzugeben, bedient man sich am besten der Abwaͤgungen. Man bestimmt zum Beispiel das Gewicht einer leeren aus Kugel und enger Roͤhre bestehenden Thermometerroͤhre ganz genau, und fuͤllt sie dann in der Temperatur des schmelzenden Schnees bis oben an mit ganz reinem, auch von Luft befreitem, Quecksilber. Wenn dies mit aller Sorgfalt geschehen ist, bestimmt man durch neues Abwaͤgen und bei der Gefrierkaͤlte das Gewicht des die Kugel und Roͤhre fuͤllenden Quecksilbers, um die bei 0° darin enthaltene Menge abzumessen. Man erwaͤrmt jetzt die ge- fuͤllte Roͤhre und laͤßt das sich ausdehnende Quecksilber ausfließen, bis man die Waͤrme des kochenden Wassers erreicht hat, alsdann zeigt eine abermalige Abwaͤgung, wie viel Quecksilber uͤbergeflossen ist, und man erhaͤlt daher das Gewichtsverhaͤltniß des bei jener und bei dieser Temperatur gleichen Raum ausfuͤllenden Quecksilbers. Nach den besten Beobachtungen nehmen 982 Gran Quecksilber bei der Waͤrme des kochenden Wassers so viel Raum ein, als 1000 Gran bei der Kaͤlte des gefrierenden Wassers oder des thauenden Schnees, und die Ausdehnung derselben Gewichtsmasse betraͤgt also \frac{18}{1000} . Das Wasser dehnt sich staͤrker aus, naͤmlich um \frac{43}{1000} . Diese Bestimmung der Ausdehnung des Quecksilbers oder Wassers wuͤrde genau sein, wenn das Glas, welches zum Gefaͤße dient, sich nicht ausdehnte; aber dieses Gefaͤß wird durch die Waͤrme groͤßer, und jener Versuch giebt also die ausfließende Menge Queck- silber nicht ganz so groß, als es fuͤr ein ganz unveraͤnderliches Gefaͤß der Fall sein wuͤrde. Um diesem Fehler ganz auszuweichen, haben Dulong und Petit , bei ihren Versuchen uͤber die Ausdehnung des Quecksilbers durch die Waͤrme, eine ganz andre Einrichtung angewandt. Da zwei verschiedene Fluͤssigkeiten, die in einer zwei- schenklichen Roͤhre mit verticalen Schenkeln einander im Gleich- gewichte halten, durch ihre ungleichen Hoͤhen uns das specifische Gewicht dieser Fluͤssigkeiten kennen lehren, so bedienten sie sich einer solchen Roͤhre, deren verticale Schenkel durch eine hinreichend lange horizontale Roͤhre verbunden waren. In dieser Roͤhre wurde das Quecksilber im einen Schenkel immer bis auf den Gefrierpunct abgekuͤhlt erhalten, indem man die Roͤhre hier mit Eis umgab, das nur eine maͤßige Oeffnung, um die Oberflaͤche des Queck- silbers zu beobachten, offen ließ; im andern Schenkel wurde das Quecksilber erhitzt, indem dieser Theil der Roͤhre seiner ganzen Laͤnge nach in einem kupfernen, mit Oel gefuͤllten Gefaͤße sich befand, das man bis zu sehr hohem Waͤrmegrade erhitzte. Hier standen also kaltes und warmes Quecksilber, wie zwei ungleiche Fluͤssigkeiten, einander gegenuͤber, und die genaue Abmessung der Hoͤhen beider Saͤulen gab das Verhaͤltniß ihrer Dichtigkeiten, also ihrer Ausdeh- nung. Die Genauigkeit der Versuche scheint einen sehr hohen Grad erreicht zu haben, und die Bestimmung, daß von 0° bis 100° Cents. die Ausdehnung des Quecksilbers fuͤr jeden Grad \frac{1}{5550} , von 100° bis 200° fuͤr jeden Grad \frac{1}{5425} , von 200° bis 300° fuͤr jeden Grad \frac{1}{5300} betraͤgt, ist die genaueste, die wir bis jetzt besitzen Ann. de Chim. et Phys. VII. 118. . Vergleicht man hiermit das, was man nach der vorigen Methode findet, so erhaͤlt man den aus der Ausdehnung des Glases hervor- gehenden Fehler, und kann dann die Glasroͤhren, mit Ruͤcksicht auf diesen Fehler, fuͤr andre Fluͤssigkeiten gebrauchen. Aber wenn man auch diese Aenderung des Volumens bei zwei bestimmten Waͤrmegraden ganz vollkommen kennt, so laͤßt sich doch fuͤr die, den zwischen liegenden Waͤrmegraden entsprechenden, Aus- dehnungen noch keine sichere Bestimmung geben, indem manche fluͤssige Koͤrper sich sehr ungleichmaͤßig ausdehnen. Das reine Was- ser beobachtet unter allen bekannten Fluͤssigkeiten den seltsamsten Gang in der Ausdehnung, indem es sich bei einer nur wenig die Thauwaͤrme uͤbertreffenden Waͤrme zusammenzieht, und dann erst bei noch mehr wachsender Waͤrme sich langsam, nach und nach aber immer mehr bei gleicher Zunahme der Waͤrme, ausdehnt. Da wir die gleichen Grade des Quecksilberthermometers, wie Sie bald es durch bedeutende Gruͤnde unterstuͤtzt finden werden, beinahe genau als Grade wirklich gleicher Waͤrme-Unterschiede ansehen koͤnnen, so laͤßt sich die Ausdehnung des Wassers, so wie sie bestimmten Waͤrme-Unterschieden entspricht, aus folgender Zusammenstellung mit dem Quecksilber uͤbersehen; es ist dabei angenommen, daß man auch fuͤr Wasser den Raum zwischen der dem gefrierenden und dem kochenden Wasser entsprechenden Ausdehnung in 100 gleiche Theile theile; dann wuͤrden das Wasserthermometer und Quecksilberther- mometer bei gleichen Temperaturen folgende Puncte der Scale erreichen Muncke in den Mem. présentés à l' acad. de Petersb. Tome I. : Und so wie hier die Ausdehnung des Wassers gegen den Koch- punct zu schnell fortschreitet, so ist es auch bei andern tropfbaren Fluͤssigkeiten der Fall, so daß diejenigen Koͤrper sich zu Thermome- tern am brauchbarsten zeigen, die wir ziemlich weit von ihrer Koch- hitze und ziemlich weit von ihrer Gefrierkaͤlte beobachten, woraus denn der Vorzug des Quecksilbers, so lange wir es nur in mittlern Temperaturen beobachten, sich erklaͤrt. Und selbst bei hohen Tem- peraturen weichen die Angaben des Quecksilberthermometers noch nicht so sehr von der Wahrheit ab, da 314 Gr. nach der gleichfoͤr- migen Scale 300 Gr. Centes. wahrer Waͤrme entsprechen. Die Eigenschaft, sich noch vor dem Gefrieren oder Erstarren auszudehnen, besitzt das Wasser in vorzuͤglichem Grade, indeß scheint sie doch auch dem Wasser nicht ganz allein eigenthuͤmlich zu sein. Das Quecksilber zieht sich bei seinem Erstarren sehr stark zusammen, und hat dadurch ehemals die Meinung, als ob man viel groͤßere Kaͤltegrade, als es wirklich der Fall war, beobachtet habe, veranlaßt. Bei Kaͤltegraden, die bis gegen 35 oder 40 Cen- tes.gr. unter Null gehen, muß man sich eines Thermometers bedie- nen, das mit reinem Alkohol gefuͤllt und durch die Vergleichung mit einem Quecksilberthermometer graduirt ist; denn da der Alko- hol, selbst bei viel groͤßerer Kaͤlte, nicht gefriert, so kann man seine Veraͤnderungen in Hinsicht der Ausdehnung auch noch unter dem Gefrierpuncte des Quecksilbers als gleichmaͤßig fortdauernd ansehen, und die Gradtheilung mit ziemlicher Sicherheit auch da fortsetzen, wo das Quecksilber uns verlaͤßt. Fuͤr die sehr hohen Waͤrmegrade, wo das Quecksilber dem Kochen nahe ist, finden wir in andern Fluͤssigkeiten keine Aushuͤlfe. Die Abmessung der Ausdehnung fester Koͤrper hat zwar in der wirklichen Ausfuͤhrung bedeutende Schwierigkeiten, aber die Angabe der Mittel zur Bestimmung dieser Ausdehnung ist sehr einfach. Man bringt den Stab, dessen Ausdehnung gemessen werden soll, am liebsten so an, daß er mit einer Fluͤssigkeit uͤber- gossen werde, welcher man die bestimmte Waͤrme ertheilt, damit so der ganze Stab moͤglichst gleichfoͤrmig durchwaͤrmt werde; man laͤßt ferner das eine Ende des Stabes sich an einen unveraͤnderlich festen Widerstandspunct stuͤtzen, das andre Ende aber gegen den kurzen Arm eines leicht beweglichen Hebels druͤcken, damit, indem dieser kurze Arm bei der Verlaͤngerung des Stabes sehr wenig fort- geschoben wird, der laͤngere Arm als Zeiger einen bedeutendern Weg durchlaufe ( Fig. 5. ) Durch diese Mittel setzt man sich in Stand, Ausdehnungen, die auch nur Zehntausendtel der ganzen Laͤnge betragen, an dem sehr langen Hebel-Arme noch deutlich zu erkennen, und diese Methode ließe nichts zu wuͤnschen uͤbrig, wenn es nur nicht so schwierig waͤre, die voͤllig unveraͤnderte, bei allen Waͤrmegraden gleich bleibende Lage des einen Endpunctes und der Unterstuͤtzung des Hebels im strengsten Sinne zu erhalten. Indeß hat man durch Befestigungen, die mit dem erwaͤrmten Koͤrper in moͤglichst geringer Verbindung stehen und selbst wenig durch die Waͤrme veraͤndert werden, den Zweck so nahe erreicht, daß die erhaltenen Bestimmungen fuͤr sehr genau gelten koͤnnen. Solchen Versuchen, vorzuͤglich von La Place und Lavoisier , von Smeaton , Haͤllstroͤm und andern, verdanken wir die Kennt- niß, daß zwischen der Gefrierkaͤlte und Kochhitze des Wassers sich Eisen ungefaͤhr um 120, Stahl nach seiner verschiedenen Beschaf- fenheit um 108 bis 138, Blei um 290, Glas um 80 bis 93, Platin um 98 Hunderttausendtel seiner ganzen Laͤnge ausdehnt. Auch diese Ausdehnung ist nicht ganz gleichfoͤrmig, sondern ein Thermometer von Eisen, dessen bis 100 Gr. Cent. richtige Grade man gleichmaͤßig fortfuͤhrte, wuͤrde schon 373° da zeigen, wo eigentl. 300 stehen sollte; beim Kupfer wuͤrden 329 Gr., beim Platin 312 Gr., beim Glase 353 Gr. jenen 300 Gr. wahrer Waͤrme entsprechen. Platin und Glas dehnen sich bei niedrigen Tempera- turen gleich aus, bei hoͤhern aber ist die Ausdehnung des Glases staͤrker, wie Dulong und Petit zeigen. Obgleich aber diese Versuche uns uͤber die Ausdehnung der Koͤrper in den Temperaturen, wo wir uns ihrer am meisten bedie- nen, sehr genuͤgende Belehrung verschaffen, so wuͤrde es doch in Hinsicht auf unsre Kenntniß von der innern Beschaffenheit der Koͤrper angenehm sein, sie noch vollstaͤndiger durchzufuͤhren. Welche Verschiedenheit in dem Gesetze der Ausdehnung nahe bei dem Ge- frierpuncte oder bei dem Uebergange in den festen Zustand eintritt, sehen wir am Wasser, welches sich bei schon geringer Waͤrme, wenn die Waͤrme abnimmt, nur wenig mehr zusammenzieht, bei einer schon dem Gefrierpuncte nahen Abkuͤhlung sich ein wenig ausdehnt, und im Gefrieren sich so stark ausdehnt, daß es oft genug die Ge- faͤße zersprengt. Nachdem es in Eis verwandelt ist, geht die Ab- nahme des Volumens bei staͤrkerer Kaͤlte wieder regelmaͤßig fort und zwar ungefaͤhr so wie bei dem auf 25° Centes. erwaͤrmten Wasser. Diese Erfahrung an einem so bekannten Koͤrper veranlaßte Er- man , auch uͤber das Verhalten des Phosphors und einer leicht fluͤssigen Metallmischung, weil diese schon in maͤßiger Waͤrme schmelzen, Versuche anzustellen Poggend. Ann. IX. 557. . Er stellte diese Versuche so an, daß er durch Abwaͤgung des Koͤrpers in einer Fluͤssigkeit die Aus- dehnung genau bestimmte, und diese Methode verdient gewiß da, wo man durch eine ganze Reihe von Temperaturen die Ausdehnung zu bestimmen wuͤnscht, den Vorzug. Die Metallmischung aus 2 Theilen Wismuth, 1 Theil Blei und 1 Theil Zinn schmilzt schon bei 94° Cent. (75° R . ) und wurde in Oel bis auf 160° R . erhitzt. Bei den Abwaͤgungen so wohl des festen als des fluͤssigen, immer unter Oel eingetaucht bleibenden, Metalls fand sich, daß von 0° bis 35° R . das Metall sich ausdehnt, dann bis 55° R . sich bedeu- tend zusammenzieht, von 55° bis 75° R . (wo es schmilzt,) sich ausdehnt, und nach dem Schmelzen in einen nicht ganz so schnellen Maaße sich auszudehnen fortfaͤhrt. Bei 75° und 35° Waͤrme ist das Volumen des Metalles gleich. Der Phosphor dehnt sich un- unterbrochen, aber im Augenblicke des Schmelzens ploͤtzlich sehr stark, aus. — Diese beiden Erfahrungen zeigen, daß wir noch wohl manche Merkwuͤrdigkeit in dem Verhalten fester Koͤrper wahrneh- men koͤnnten, wenn wir ohne große Schwierigkeit in der Naͤhe ihres Schmelzpunctes ihre Ausdehnung durch die Waͤrme unter suchen koͤnnten. Im Allgemeinen scheint bei gleichen Waͤrme- Unterschieden die Ausdehnung betraͤchtlicher zu werden fuͤr hoͤhere Waͤrmegrade. Diejenigen festen Koͤrper, welche, ganz gleich in allen ihren Theilen, keine crystallische Bildung zeigen, dehnen sich nach allen Richtungen gleich aus, und die lineare Ausdehnung giebt daher sogleich auch die koͤrperliche Ausdehnung, die man kennen muß um zum Beispiel zu wissen, wieviel die durch Waͤrme vergroͤßerte Glaskugel mehr als vorher faßt. Aber Crystalle dehnen sich nicht immer nach allen Seiten gleich aus, sondern die das Licht doppelt brechenden zeigen darin eine merkwuͤrdige Verschiedenheit S. 2. Theil. S. 315. . Der Kalkspath namentlich dehnt sich bei Erwaͤrmung nach der Richtung der Haupt-Axe aus, waͤhrend sich in allen auf diese Axe senkrechten Richtungen seine Abmessungen verkleinern. Ausdehnung elastischer Fluͤssigkeiten . Luftthermo- meter . Differenzthermometer . Die elastischen Fluͤssigkeiten sind unter allen Koͤrpern am meisten der Ausdehnung durch die Waͤrme unterworfen. Dieses zeigt schon der sehr bekannte Versuch, wo man eine nur wenig Luft in den Falten enthaltende Blase erwaͤrmt und sie dann sich aufblaͤ- hen sieht. Die sehr starke Ausdehnung der Luft bemerkt man am deutlichsten, wenn man in eine Glasroͤhre, an deren einem Ende eine hohle Kugel ist, einen Tropfen irgend einer Fluͤssigkeit so bringt, daß dadurch die enge Roͤhre geschlossen ist; naͤhert man dann der Kugel die warme Hand, so reicht die von ihr ausgehende geringe Waͤrme zu, um in der Kugel die Luft so auszudehnen, daß der Tropfen in der Roͤhre schnell fortgetrieben wird. Genaue Versuche uͤber die Ausdehnung nicht bloß der atmo- sphaͤrischen Luft, sondern auch kuͤnstlicher Luft-Arten, haben vor- zuͤglich Dalton und Gay-Lussac angestellt. Sie bedienten sich dazu theils genau graduirter Roͤhren, wo naͤmlich durch Fuͤllung mit Quecksilber und Abwaͤgung desselben die Abtheilungen der Roͤhre in bestimmtem Verhaͤltniß zu dem ganzen Volumen des in- nern Raumes aufgetragen waren, theils machten sie den Versuch so, daß der in Quecksilber eingetauchte Hals eines mit erwaͤrmter Luft erfuͤllten Gefaͤßes bei dem Abkuͤhlen der Luft etwas Queck- silber aufnahm, dessen Menge man durch Abwaͤgen bestimmte. Bei der erstern Einrichtung kann man, wenn die Luft bei der Nullkaͤlte einen gewissen Raum fuͤllt, sogleich sehn, um wieviel sie sich bei der Erwaͤrmung zu bestimmten, nach der Scale des Ther- mometers angegebenen, Graden ausgedehnt hat; damit aber die Ausdehnung durch keinen Gegendruck gehindert werde, muß der Theil der Roͤhre, in welchem das durch einen Tropfen Quecksilber gesperrte Ende der Luftmasse sich befindet, horizontal liegen. Be- dient man sich eines Glasgefaͤßes mit engem Halse, so dringt bei der Abkuͤhlung der Luft allmaͤhlig mehr Quecksilber in das Gefaͤß, und die bei bestimmtem Grade der Abkuͤhlung durch vorsichtige Schließung und Abwaͤgung des Gefaͤßes gefundene Quecksilber- menge giebt an, um wieviel der Raum, den die Luft noch einnahm, sich vermindert hatte. Dabei ist aber noͤthig, daß man das Gefaͤß immer so stelle, daß die Quecksilberflaͤche innen und außen gleich hoch ist, damit nicht die Ungleichheit des Druckes die Ausdehnung der Luft anders bestimme, als es der Temperatur gemaͤß ist. Die zu untersuchende Luft muß von Feuchtigkeit frei sein, und man laͤßt sie daher durch ungeloͤschten Kalk oder durch salzsauren Kalk gehn, weil diese Koͤrper alle Feuchtigkeit begierig aufnehmen. Diese Versuche haben zu der Ueberzeugung gefuͤhrt, daß alle trockene Luft-Arten sich gleich viel ausdehnen, naͤmlich vom Ge- frierpuncte bis zum Kochpunkte des Wassers um \frac{375}{1000} oder ⅜ des- jenigen Volumens, welches sie bei 0° Waͤrme hatten. Zugleich ergeben die Versuche, daß diese Ausdehnung gleichfoͤrmig fortgeht bei gleichem Zunehmen der Waͤrme; und da kein Grund ist zu zweifeln, daß diese Gleichfoͤrmigkeit auch bei denjenigen Waͤrme- graden fortdauert, wo die tropfbaren Fluͤssigkeiten und selbst das Quecksilber unregelmaͤßig werden, so kann man sich des Luftther- mometers bedienen, um in so niedrigen Temperaturen, wo das Quecksilber gefriert, die Waͤrmegrade zu bestimmen, ja man koͤnnte dies auch fuͤr sehr hohe Temperaturen thun, wo indeß die Schwie- rigkeit viel groͤßer ist. Die Luftthermometer sind die ersten Thermometer gewesen, deren Drebbel sich schon im Anfange des 17ten Jahrhunderts bediente; aber die von ihm gewaͤhlte Einrichtung war, weil die Angaben zugleich vom Drucke der Luft abhingen, nicht angemessen. Fuͤr den gewoͤhnlichen Gebrauch, wo sehr kleine Aenderungen der Waͤrme anzumerken unnoͤthig und sogar stoͤrend ist, verdienen ohne Zweifel die Quecksilberthermometer den Vorzug; aber da, wo man sehr geringe Unterschiede der Waͤrme anzugeben noͤthig findet, da gewaͤhrt das Luftthermometer große Vortheile. Um so kleine Waͤrme- Unterschiede wahrzunehmen, hat zuerst G. G. Schmidt , nachher Rumford ein Instrument in Vorschlag gebracht, das Leslie passend ein Differentialthermometer genannt hat. Das Instrument besteht aus zwei Glaskugeln A, B, ( Fig. 3. ), die durch die gekruͤmmte Roͤhre ACDB verbunden sind. In dem untern Theile der letztern befindet sich ein Quecksilbertropfen ab , der die in beiden Kugeln enthaltene Luft von einander trennt. So lange nun die Luft in beiden Kugeln gleich erwaͤrmt bleibt, nimmt der Quecksilbertropfen bei horizontaler Lage der Roͤhre CD immer die- selbe Stelle ein, die dem Gleichgewichte gemaͤß ist; diese Lage bezeichnet man mit 0 , und bringt an der Roͤhre von da an eine Theilung an. Erhaͤlt nun die Kugel B nur die mindeste Erwaͤr- mung, so daß die Luft in B mehr als in A erwaͤrmt wird, so draͤngt die Luft den Quecksilbertropfen nach C hin, und die Scale zeigt, wie viel diese Ausdehnung der Luft betraͤgt. Hat man also einmal durch Versuche ausgemacht, wie viel Theile der Scale einer Differenz von 1°, von 2° u. s. w. entsprechen, so hat man hier ein sehr empfindliches Thermometer fuͤr die Differenz der Waͤrme. Diese Einrichtung waͤre ein wirkliches Luftthermometer, das aber darum nicht ganz bequem sein wuͤrde, weil die in A ver- dichtete Luft der in B erwaͤrmten und zugleich ausgedehnten Luft entgegen wirken wuͤrde. Man laͤßt daher den Raum in A, B, ( Fig. 4. ) nicht mit Luft gefuͤllt, sondern entfernt vor dem Zu- schmelzen der Kugeln die Luft, nachdem Schwefel-Aether hinein- gebracht ist, der ungefaͤhr den Raum fg fuͤllt. Wenn dann die Ku- geln und die Roͤhre vollkommen geschlossen worden, so fuͤllet sich der Raum A sowohl als der Raum gB mit Aetherdampf, der in Be- ziehung auf die Ausdehnung durch die Waͤrme sich ebenso wie die III. B Luft verhaͤlt. Eine Abkuͤhlung der Kugel B bringt nun eine Ver- minderung der Elasticitaͤt des Aetherdampfes hervor und die Fluͤs- sigkeit zieht sich nach h hinauf; dabei aber gewaͤhrt der Aether- dampf den Vortheil, diesem Steigen nicht zu widerstehen, da er sich bei der Abkuͤhlung niederschlaͤgt, wie in der Folge gezeigt wird. Dies ist das unter dem Namen Differentialthermometer bekannte Instrument, dessen Empfindlichkeit sehr groß ist. Pyrometer, zu Abmessung hoher Waͤrmegrade . Um hohe Waͤrmegrade abzumessen, hat man die Beobachtung der Ausdehnung fester Koͤrper angemessener gefunden; aber die Pyrometer , die dieses leisten sollen, lassen noch viel zu wuͤnschen uͤbrig. Ihre einfachste Einrichtung ist die, daß auf einer Grund- lage, die der ungleichen Erwaͤrmung nicht ausgesetzt wird, sich in A ( Fig.5. ) ein fester Stuͤtzpunct fuͤr den als Waͤrmemesser dienen- den Stab ABDF befindet, der auf BC, DE, aufliegt, ohne von diesen Stuͤtzen festgehalten zu werden. Draͤngt sich nun das Ende F dieses Stabes gegen den um den festen Punct G beweglichen Winkelhebel FGH, so beschreibt der lange Zeiger GH bei H einen bedeutenden Bogen, wenn auch F nur sehr wenig vorwaͤrts ruͤckt, und man kann die Anzeigen des Pyrometers deutlich genug auf dem Gradbogen bei H wahrnehmen. Diese Einrichtung setzt voraus, daß die feste Unterlage IK sich gar nicht ausdehne; aber bei hohen Hitzegraden ist es nicht moͤglich, daß nicht auch die Unterlagen an der Ausdehnung Antheil nehmen sollten, und man hat daher dann die Verbindung zweier Koͤrper, die sich ungleich ausdehnen, so angewandt, daß die Differenz ihrer Ausdehnung abgemessen wird. Von dieser Art ist das von Brog- niart fuͤr die Porcellan-Oefen vorgeschlagene Pyrometer, wo in einer am untern Ende geschlossenen Roͤhre von Reißblei ein Platin- staͤbchen frei auf dem Boden steht, welches mit seinem obern Ende den kurzen Hebel-Arm eines Zeigers fortschiebt, dessen Ruhepunct mit der Roͤhre verbunden ist. Hier ist der Unterschied der Ausdeh- nung beider Koͤrper erheblich genug, um die verlangte Wirkung zu zeigen, und da es hier nicht so sehr um eine nach Graden fortge- hende Abmessung der Waͤrme zu thun ist, da man nur bestimmen will, ob der zu gewissen Zwecken noͤthige Hitzegrad erreicht ist, so laͤßt sich ein solches Pyrometer, vorausgesetzt, daß beide Koͤrper ihre Faͤhigkeit fuͤr die Ausdehnung durch die Waͤrme ungeaͤndert behal- ten, gar wohl gebrauchen. Daniells Pyrometer hat eine aͤhn- liche Einrichtung, und wenn man den Fortgang der Ausdehnung der Koͤrper als der Zunahme der Waͤrme immer gleichmaͤßig ent- sprechend ansieht, so erhaͤlt man durch dasselbe Angaben fuͤr die Schmelzhitzen der Metalle und aͤhnliche Bestimmungen. Eine andere Einrichtung der Pyrometer haͤngt davon ab, daß zwei fest verbundene Platten verschiedener Metalle wegen der un- gleichen Ausdehnung eine Kruͤmmung annehmen. Waͤren ( Fig. 6. ) die beiden Platten AB von Silber, CD von Platin durch feste Ver- bindungen E, F, gehindert, sich an einander fortzuschieben; so wuͤrden, wegen der großen Gewalt, mit welcher die Waͤrme die Koͤrper noͤthigt, die ihrer Natur gemaͤße Ausdehnung anzunehmen, die durchgehenden Schrauben E, F eine schiefe Stellung, wie e, f, annehmen, damit das Silber cd seiner mehr als doppelt so starken Ausdehnung nachgebe; sind also beide Platten in mehrern Punc- ten fest verbunden, oder auch uͤberall an einander geloͤthet, so ent- steht eine Kruͤmmung, die man ebenfalls durch einen laͤngern Zei- ger kenntlicher machen kann. Der Hauptsache nach ist Breguers Pyrometer ebenso eingerichtet. Hier sind drei Blaͤtter, naͤmlich Platin, welches sich am schwaͤchsten ausdehnt, Gold, das sich 1½ mal so stark, und Silber, das sich reichlich doppelt so stark als Platin ausdehnt, auf einander geloͤthet, so daß sie, mit der breiten Flaͤche vereinigt, nun einen dickeren Streifen bilden. Dieser Streifen ( Fig. 7. ) ist schraubenfoͤrmig um einen Cylinder gewun- den, und indem sein oberes Ende festgehalten wird, sein unteres aber mit einem, um die Axe jenes Cylinders beweglichen, Zeiger verbunden ist, fuͤhrt es bei der Ausdehnung oder Zusammenziehung diesen Zeiger im Kreise herum. Allen diesen Pyrometern fehlt aber noch ein recht sicheres Maaß; sie zeigen eine Zunahme oder Abnahme der Waͤrme, eine Wiederkehr gleicher Waͤrme u. s. w. an; aber ob die Waͤrme-Un- terschiede doppelt, dreifach sind, ob gleiche Grade des Pyrometers gleichen Unterschieden wahrer Waͤrme entsprechen, daruͤber bleiben wir weit mehr in Ungewißheit, als in den mittlern Temperaturen B 2 bei dem Quecksilberthermometer und Luftthermometer. Ueber die Mittel, uns in Hinsicht hierauf genauer zu belehren, werde ich in der Folge noch gelegentlich etwas erwaͤhnen. Thermometer fuͤr die groͤßte und kleinste Waͤrme . Um aber jetzt alles zusammen zu fassen, was die Thermo- metrie betrifft, muß ich doch noch ein Wort uͤber diejenigen Ther- mometer sagen, welche die groͤßte und kleinste Waͤrme in Abwesen- heit des Beobachters angeben. Unter den verschiedenen hiezu in Vorschlag gebrachten Einrichtungen scheint folgende am meisten Beifall gefunden zu haben. Wenn ein mit Weingeist gefuͤlltes Thermometer mit horizontalliegender Roͤhre AB angewandt wird, ( Fig. 8. ), so folgt in einer sehr engen Roͤhre der Weingeist ebenso den Gesetzen der Ausdehnung durch die Waͤrme, wie in einer verticalen Roͤhre, weil die Adhaͤsion ihn hindert, eine nach der Laͤnge der Roͤhre ausgedehnte Oberflaͤche anzunehmen und er sich daher in einer auf die Laͤnge der Roͤhre senkrechten Oberflaͤche wie ed endigt. Von einem Quecksilberthermometer mit enger Roͤhre gilt eben das. Nun ist die Adhaͤsion des Weingeists an ein darin befindliches Glasstaͤbchen so bedeutend, daß jener ein feines Glas- staͤbchen nicht trocken liegend zuruͤcklaͤßt, wenn die Zusammenziehung durch die Kaͤlte den Weingeist von dem Orte zuruͤckzieht, wo das Glasstuͤckchen liegt; das Glasstaͤbchen geht daher mit der Oberflaͤche des Weingeistes nach der Richtung gegen A hin mit zuruͤck und bezeichnet immerfort die Stelle der Oberflaͤche, so lange die Abkuͤh- lung zunimmt. Faͤngt dagegen der Weingeist wieder an sich aus- zudehnen, so bleibt das von allen Seiten mit der Fluͤssigkeit umge- bene Glasstuͤckchen liegen, weil die von allen Seiten gleiche Adhaͤ- sion gar keine Kraft mehr ausuͤbt, um die Schwere und Reibung des an der Roͤhre anliegenden Glasstaͤbchens zu uͤberwinden, und der Beobachter findet die geringste Waͤrme angezeigt, ohne zu der Zeit, da sie statt fand, selbst gegenwaͤrtig gewesen zu sein. Ein aͤhnliches Mittel giebt es fuͤr die groͤßte Waͤrme, indem im Quecksilberthermometer, dessen Roͤhre horizontal liegt, ein Stahlstaͤbchen oder andrer Koͤrper vor der sich ausdehnenden Queck- silbermasse her fortgedraͤngt wird, aber an der Stelle, wo diese wieder anfaͤngt sich zuruͤckzuziehen, liegen bleibt, also den Stand des Quecksilbers fuͤr die groͤßte Waͤrme bezeichnet. Uebrigens darf man bei diesen beiden Thermometern nie versaͤumen, durch eine kleine Erschuͤtterung das fortzuschiebende Koͤrperchen bis an die Oberflaͤche des Weingeistes im einen und des Quecksilbers im an- dern Falle zu bringen, damit jenes bei geringerer, dieses bei groͤßerer Waͤrme sogleich seinen Ort veraͤndere. Von den mannigfaltigen Verschiedenheiten, die außerdem bei den Thermometern, nach Verschiedenheit ihrer Bestimmung, statt finden, brauche ich nur wenige Worte zu sagen. Man hat zuweilen den Zweck, auch das Quecksilberthermometer so empfindlich als moͤglich zu erhalten, und giebt ihm dann eine kleine Kugel oder waͤhlt noch lieber eine flache, breite Form fuͤr das das Quecksilber enthaltende Gefaͤß, damit die ganze Quecksilbermasse recht schnell die Temperatur des umgebenden Medii annehme, und die Roͤhre muß dann auch recht sehr eng sein. In andern Faͤllen ist dagegen eine große Traͤgheit des Thermometers erwuͤnscht; zum Beispiel, wenn man die Temperatur am Boden des Meeres bestimmen will, wo geraume Zeit waͤhrend des Heraufziehens verloren geht, da ist es vortheilhaft, eine recht große Masse Quecksilber in der Kugel zu haben, damit, nachdem das Thermometer lange genug auf dem Boden des Meeres zugebracht hat, um die dortige Temperatur anzunehmen, es nun nicht so schnell die Waͤrme oder Kaͤlte der hoͤhern Schichten annehme, sondern mehr Zeit, als zum Herauf- ziehen erforderlich ist, noͤthig habe, um erheblich durchgewaͤrmt oder durchgekaͤltet zu werden. Ja, wo die Zeit des Heraufziehens sehr groß ist, muß man noch andre Mittel, um die einmal erlangte Waͤrme lange ungeaͤndert zu erhalten, anbringen. Zweite Vorlesung . Die neulich angestellten Betrachtungen hatten fast allein den Zweck, uns die Mittel, Grade der Waͤrme mit moͤglichster Genauig- keit kennen zu lernen, zu verschaffen, und von dieser Seite ist die Ausdehnung der Koͤrper durch die Waͤrme uns vorzuͤglich wichtig; aber auch zur Erklaͤrung mancher Natur-Erscheinungen und zu manchen practischen Anwendungen fuͤhrt uns die Kenntniß jener Wirkung der Waͤrme. Erscheinungen , wobei die Ausdehnung durch die Waͤrme merklich ist . Es ist eine gewoͤhnliche Erfahrung, daß ein Glas zerspringt, wenn man heißes Wasser hineingießt und daß dies bei einem recht kalten Glase am leichtesten erfolgt; dies ist der Erfolg der Ausdeh- nung des Glases, dessen Theile naͤmlich an der ploͤtzlich erhitzten innern Seite sich auseinander draͤngen, und weil die noch nicht erwaͤrmten Theile sich noch nicht ausdehnen, ebenso wie beim Beu- gen des Glases, ein Zersprengen bewirken. Waͤre das Glas nicht so sehr sproͤde, so wuͤrde es durch jene Ausdehnung an der innern Seite ebenso eine Beugung seiner Waͤnde erleiden, wie wir es neulich an dem vereinigten Platin- und Silberstreifen sahen; aber die geringste Beugung zerbricht das Glas, und da die Waͤrme sich nicht so schnell der aͤußern Seite mittheilt, so bewirket diese Deh- nung an einer Seite sein Zerspringen. Duͤnne Glaͤser sind diesem weniger ausgesetzt, weil sie schnell genug in allen ihren Theilen erhitzt werden. Die Erscheinung erfolgt ebenso, wenn man ein kaltes Glas auf den heißen Ofen setzt, wird aber da durch das Un- terlegen eines sich langsam erwaͤrmenden Koͤrpers, z. B. Papier, gehindert, weil dieses keine so ploͤtzliche und ungleichfoͤrmige Er- hitzung zulaͤßt. Auf eben dem Umstande beruht die Kunst, einen Riß im Glase nach willkuͤhrlicher Richtung fortzufuͤhren. Diese Kunst besteht darin, daß man einen gluͤhenden, spitzigen Eisenstab von dem Ende des schon vorhandenen Risses auf der Oberflaͤche des Glases dahin, wohin der Riß gehen soll, fortfuͤhrt. Die ploͤtzliche Ausdehnung an dieser Stelle bringt naͤmlich das Glas zum Sprin- gen, und da man sich ganz nahe an dem Ende des Risses, wo der Zusammenhang schon aufgehoben ist, befindet, so waͤhlt der neue Riß die Richtung dahin, wo am wenigsten Zusammenhang zu uͤberwinden ist. Es gehoͤrt indeß einige Vorsicht und Gewandt- heit dazu, den Riß ganz nach Willkuͤhr zu leiten, und Ungleich- heiten im Glase selbst bringen doch noch oft Kruͤmmungen hervor. Eine aͤhnliche Ursache trennt bei starker Abkuͤhlung oft Koͤr- per, die sich in hoͤherer Temperatur recht gut vereinigt hatten. Sind naͤmlich zwei ungleiche Koͤrper in waͤrmerem Zustande an einander befestiget, so ziehen beide sich beim Erkalten in einen engern Raum zusammen, aber der eine mehr als der andre, und dieses hat die Folge, daß die vereinigt gewesenen Theile nicht bei einander blei- ben koͤnnen, ihren Zusammenhang verlieren, und auseinander fallen. Es ist bekannt, daß Siegellack an einer kalten Metall- platte fast gar nicht haftet; hat man die Metallplatte auf einen maͤßigen Grad erwaͤrmt, so haͤlt es fest, weil das warme Metall und das warme Siegellack sich nun zugleich zusammenziehen, und weniger geneigt sind sich zu trennen; aber bei starken Abkuͤhlungen trennen sie sich doch. Aus eben dem Grunde bleibt Platindrath in Glas eingeschmelzt fester als Eisendrath oder Silberdrath. Die beiden letztern Metalle dehnen sich naͤmlich weit mehr als Glas aus, und ziehen sich daher, indem sie nach dem Schmelzen des Gla- ses abkuͤhlen, mehr als das Glas zusammen, jede zwei Metalltheil- chen ruͤcken naͤher an einander als die zwei an sie beim Schmelzen befestigten Glastheilchen, weshalb die Verbindung getrennt wird; Platin und Glas hingegen dehnen sich in maͤßigen Temperaturen fast genau gleich aus und bleiben daher vereinigt. Das Abspringen der duͤnnen Schichten feinern Holzes an unsern Mobilien ruͤhrt zwar meistens von der durch ungleiche Feuchtigkeit und Austrocknung entstehenden verschiedenen Ausdeh- nung her; aber die Waͤrme kann eben das bewirken. Das Krumm- ziehen der Hoͤlzer hat ebenfalls diese zweierlei Ursachen, naͤmlich theils ein Laͤngerwerden der dem Feuer zugewandten Seite durch die Waͤrme, theils ein Eintrocknen dieser waͤrmeren Seite; der Erfolg kann daher von entgegengesetzter Art sein. Der gluͤhend um das Rad geschlagene eiserne Reif muß es sehr fest umschließen, wenn das Eisen kalt geworden ist. — Daß wir an die ungleiche Ausdehnung der Koͤrper bei man- chen Versuchen, wenn wir genaue Folgerungen ziehen wollen, den- ken muͤssen, habe ich schon fruͤher zuweilen erwaͤhnt. Das Araͤo- meter, dessen wir uns zu Bestimmung des specifischen Gewichtes gewisser Fluͤssigkeiten bedienen, sinkt in eine erwaͤrmte Fluͤssigkeit tiefer ein, und muß um den richtigen Werth fuͤr diese Fluͤssigkeit zu bestimmen, nur bei der Temperatur, fuͤr welche es graduirt ist, gebraucht werden. Selbst die Abwaͤgungen eines festen Koͤrpers in irgend einer Fluͤssigkeit sind, ohne die Ruͤcksicht auf die Waͤrme, von geringem Werthe, weil sie uns das Gewicht der einen gleichen Raum einnehmenden Fluͤssigkeit in Vergleichung gegen das Gewicht des festen Koͤrpers fuͤr den gerade statt findenden Zustand kennen lehren, aber das Verhaͤltniß dieser Gewichte sich bei ungleicher Waͤrme aͤndert. Und ebenso muß man bei genauen Messungen mit Maaßstaͤben daran denken, daß das was im strengsten Sinne ein Fuß, eine Toise, ein Meter heißt, nicht bei jeder Waͤrme die Laͤnge des Maaßstabes ist, der dieser Laͤnge gleich angegeben wird. Will man das ganz genaue Maaß eines eisernen Maaßstabes wieder auf einen eisernen Maaßstab uͤbertragen, und ist man sicher, genau gleiches Eisen in beiden zu besitzen, so koͤnnte man, vorausgesetzt, daß beide genau gleich warm sind, bei jeder Temperatur die Ueber- tragung machen, weil das in groͤßerer Waͤrme zu große Maaß auch auf dem neuen Maaßstabe in der Kaͤlte sich ebenso verkleinert. Uebertraͤgt man aber von einem eisernen Grundmaaße auf einen Messingstab, so muß man beide in diejenige Temperatur bringen, wo der alte Maaßstab seine wahre Laͤnge hat, weil Messing sich anderthalbmal so viel als Eisen ausdehnt und daher eine bei Son- nenhitze der Messingtoise gleiche Eisentoise bei der Frostkaͤlte nicht mehr mit ihr uͤbereinstimmt. Aus diesem Grunde werden bei sehr genauen Messungen langer Linien die Waͤrmegrade zur Zeit der Messung bemerkt; denn obgleich es uns zu gewoͤhnlichem Gebrauche ziemlich unbedeutend scheint, daß bei einer Sommerwaͤrme von 30° Centes. ein Messingstab von 10 Fuß lang um \frac{57}{10000} eines Fußes laͤnger ist, als bei der Frostkaͤlte, so macht dies doch, wenn man eine Laͤnge von 10000 Fuß ausmißt, schon 5¾ Fuß aus, und jeder Grad Waͤrme, um welchen man in der Angabe der Waͤrme fehlt, wuͤrde auf 1 Fuß nur 19 Milliontel eines Fußes, aber auf 100000 Fuß beinahe 2 Fuß Fehler hervorbringen. Messungen, die sich mit einer vollkommenen Genauigkeit durch mehrere Brei- tengrade auf der Erde fort erstrecken sollen, fordern in der Messung der Standlinie die groͤßeste Genauigkeit, weil der hier begangene Fehler sich in gleichem Verhaͤltnisse auf alle groͤßern Linien uͤber- traͤgt. Nach den franzoͤsischen Maaßbestimmungen sollte 1 Meter der Zehnmillionste Theil des Erdquadranten, das ist, eines vom Pole bis zum Aequator gemessenen Bogens auf der Meeresflaͤche, sein; aber der Messingstab, der in 0° Waͤrme dieser Forderung ent- spraͤche, wuͤrde ihr bei 20° Waͤrme nicht mehr entsprechen, und so wird es verstaͤndlich, warum man sagt, der Metermaaßstab halte bei der Kaͤlte des gefrierenden Wassers 443,296 par. Linien des- jenigen Pariser Normalmaaßes, welches 2 Toisen = 12 Fuß = 144 Zoll = 1728 Lin. bei 16¾° Cent. Waͤrme betraͤgt. Die Ruͤcksicht, die man bei barometrischen Hoͤhenmessungen sowohl auf die Ausdehnung des Quecksilbers als auf die Ausdeh- nung der Luft durch die Waͤrme nehmen muß, ist schon bei den Regeln fuͤr die Hoͤhenmessung selbst betrachtet worden. — Auch bei dem Gebrauche seiner Winkel-Instrumente muß man darauf sehen, daß keine Erwaͤrmung, die leicht ein Veraͤndern der Gestalt des Instruments zur Folge hat, statt finde, und die Astronomen sind bei der Genauigkeit, die ihre Beobachtungen fordern, hierauf zu achten genoͤthiget. Ja selbst die Waͤnde von Gebaͤuden sind einer Kruͤmmung unterworfen, wenn sie an einer Seite erwaͤrmt wer- den, und dies ist ein Grund, warum Instrumente auf hohen Thuͤrmen nicht als ganz feststehend anzusehen sind. Compensationspendel . Unter den Veraͤnderungen, welche die Waͤrme bei unsern Instrumenten hervorbringt, ist diejenige vorzuͤglich wichtig, welche die Pendel, oder in den Feder-Uhren die Spiralfedern, als Regu- latoren unserer Uhren, erleiden. Der Secundenzeiger der Pendel- Uhr ruͤckt immer um 60 Secunden fort, wenn das Pendel 60 Schlaͤge vollendet, aber diese angeblichen Secunden sind nicht Se- cunden mehr, wenn das Pendel seine Laͤnge aͤndert; und da unsre Pendel-Uhren von der haͤrtesten Winterkaͤlte bis zur groͤßten Som- merwaͤrme einer Aenderung von mehr als 60 Cent. Gr. unterwor- fen sind, so aͤndert ein Pendel mit Stahlstange seine Laͤnge um etwa \frac{7}{10000} der ganzen Laͤnge, das ist, um reichlich ¼ Linie, und hiedurch wird die Anzahl der Schwingungen in einem Tage um 30 Schwingungen vermindert, wenn die Waͤrme um so viel zu- nimmt Bei Messing sogar 45 Schwingungen. . Diese Aenderungen der Schwingungszeit muͤßten bei jeder Beobachtung beruͤcksichtiget werden, und dies wuͤrde, wegen des unaufhoͤrlichen Wechsels der Temperatur, fuͤr ganze Tage und laͤngere Zeiten unausfuͤhrbar, dadurch aber die bei astronomischen Beobachtungen erforderliche Genauigkeit unmoͤglich sein. Es ward daher, als man genau gehende Uhren zu machen anfing, ein Be- duͤrfniß, Pendel zu haben, die diesen Veraͤnderungen nicht unter- worfen, wo sie compensirt waͤren. Man hat hiezu vorzuͤglich zwei Einrichtungen in Anwendung gebracht, unter denen das rost- foͤrmige Pendel das bis jetzt am meisten gebrauchte ist. Wenn man eine Verbindung von Stahlstangen ( Fig. 9. ) AB, CD, der Waͤrme aussetzt, so verlaͤngern sich diese bei jedem Waͤrmegrade (der Centes. Scale) ungefaͤhr um 12 Milliontel ihrer ganzen Laͤnge. Sind auf den unten mit diesen fest verbundenen Stuͤcken BE, DH zwei Zinkstangen FE, GH, fest eingesetzt, so geht, wofern AC fest gehalten wird, mit BE, HD auch das untere Ende der Zinkstangen herab; aber da Zink sich sehr stark ausdehnt, so geht das obere Ende FG, sich von EH entfernend, wieder hin- auf, und beide Ausdehnungen muͤssen sich zum Theil oder ganz einander ausgleichen. Da Zink sich um 30 Milliontel ausdehnt, waͤhrend Stahl bei 1 Gr. Waͤrme-Aenderung sich nur um 12 Milliontel ausdehnt, so laͤßt sich folgende Anordnung des rostfoͤr- migen Pendels leicht uͤbersehen. Man nimmt die Stahlstangen AB, CD, 30 Zoll lang, die Zinkstangen FE, GH, 24 Zoll und befestigt an FG die 30 Zoll lange Stahlstange IK, an welcher sich die sehr schwere Linse K des Pendels befindet; wird nun diese ganze Verbindung in L aufgehaͤngt, so wird die ganze Entfernung vom Aufhaͤngepuncte bis zur Linie bei jeder Waͤrme ungeaͤndert bleiben. Durch die Ausdehnung der Stangen AB, CD sinkt naͤmlich BD um 30 mal 12 Milliontel = 360 Milliontel Zoll herab, die Stangen EF, HG verlaͤngern sich um 24 mal 30 Milliontel Zoll = 720 Mill., weil sie 24 Zoll lang sind und Zink sich um 30 Milliontel ausdehnt, also ruͤckt das Verbindungsstuͤck FG um 360 Milliontel Zoll hinauf, und gerade um so viel ver- laͤngert sich die Stange IK hinabwaͤrts, so daß K in gleicher Ent- fernung von AC oder beinahe in gleicher Entfernung vom Auf- haͤngepuncte L bleibt. Waͤre also die Masse der Linse so groß, daß man auf die Stangen nicht zu sehen brauchte, sondern die ganze Masse als im Mittelpuncte der Kugel vereinigt ansehen koͤnnte, so haͤtte man auf diese Art ein von AC an 36 Zoll langes unveraͤn- derliches Pendel. — Da der Mittelpunct des Schwunges nicht genau im Mittelpuncte der Kugel liegt, so wird man die Maaße der Stangen etwas weniges aͤndern muͤssen, aber der wichtigste Theil der Compensation ist durch die obigen Verhaͤltnisse bestimmt. Eine andre Art der Compensation besteht darin, daß man als schwersten Theil des Pendels ein Gefaͤß mit Quecksilber anbringt, und die Einrichtung so macht, daß dessen Schwerpunct immer gleich entfernt vom Aufhaͤngepuncte bleibt. Die Hauptanordnung ist daher die, daß ( Fig. 10. ) an der Pendelstange AB ein Gefaͤß BC mit Quecksilber befestigt ist: dieses Gefaͤß darf nicht ganz ge- fuͤllt sein, damit das Quecksilber nicht gehindert sei, sich auszudeh- nen. Besteht nun die ganze Verbindung ABC aus Stahl und ist auf den Boden C ein mit Quecksilber gefuͤlltes Gefaͤß befestigt, so erhaͤlt man, wenn AC 38 Zoll lang, das Quecksilber aber 5 Zoll hoch ist, folgende Rechnung. AC dehnt sich um 12 Milliontel bei jedem Grade aus, also sinkt C um 38 mal 12 Milliontel Zoll = 456 Milliontel herab; das Quecksilber dehnt sich bei einem Waͤrmegrade um 180 Milliontel aus, also ruͤckt der 2½ Zoll uͤber C liegende Schwerpunct um 2½.180 Milliontel = 450 Milliontel Zoll hinauf und die vorige Senkung ist durch diese Hebung beinahe compensirt, so daß es leicht waͤre, durch eine kleine Aenderung des Verhaͤltnisses der Laͤngen, die ohnehin bei den schaͤrfer bestimmten Ausdehnungen noch etwas anders ausfallen, die Compensation ganz strenge zu erreichen. Eine aͤhnliche Compensation, wie das Pendel, fordert die Un- ruhe der Feder-Uhren, und diese ist um so wichtiger, da gerade die See-Uhren, die Chronometer, auf deren gleichfoͤrmigen Gang man bei den laͤngsten Reisen muß trauen koͤnnen, nicht durch Pen- del, deren Bewegung auf Schiffen ohne alle Regelmaͤßigkeit sein wuͤrde, regulirt werden koͤnnen. Die Spiralfeder einer Uhr ver- laͤngert sich bei der Waͤrme, und macht dann, wenn sie keine andre Masse mit fortzubewegen hat, langsamere Schwingungen; da sie aber die Masse der Unruhe, die als ein kleines Schwungrad anzu- sehen ist, mit in Schwung setzen muß, so kann man hier die Compensation dadurch bewirken, daß man mit der minder kraͤftig wirkenden erwaͤrmten Feder eine dem Mittelpuncte naͤher geruͤckte, also leichter in Bewegung zu setzende, Masse in Verbindung bringt, oder daß man einen Theil der Masse der Unruhe so anbringt, daß er bei der Erwaͤrmung naͤher an die Axe ruͤckt. Dies bewirkt man auf folgende Weise. Sie wissen, daß eine aus Messing und Stahl zusammengesetzte gekruͤmmte Platte ad ( Fig. 11. ), deren innerer Theil ed aus Stahl, der aͤußere ab aus Messing besteht, sich bei zunehmender Waͤrme immer staͤrker kruͤmmt, weil das Messing sich mehr als der Stahl verlaͤngert; tragen nun zwei solche Strei- fen die schweren Massen M, M und sind mit der Axe B der Unruhe so verbunden, daß diese Massen alle Schwingungen mit machen muͤssen, so werden bei gleicher Kraft der Feder die Schwingungen schneller, wenn die Massen M naͤher gegen die Axe B ruͤcken. Hier, wo dieses Naͤherruͤcken durch die Erwaͤrmung, durch die zuneh- mende Kruͤmmung der Streifen ad, bewirkt wird, und wo die zugleich mit erwaͤrmte und verlaͤngerte Spiralfeder an Kraft ver- liert, laͤßt sich beides so gegen einander ausgleichen, daß die Schwin- gungen der Unruhe gleich schnell bleiben, und Versuche muͤssen uͤber die dazu noͤthigen genauen Abmessungen entscheiden. Aehnliche Compensationen koͤnnte man auch in andern Faͤl- len, wo eine unveraͤnderliche Laͤnge erhalten werden soll, an- wenden. Unregelmaͤßigkeit in der Ausdehnung fester Koͤrper . Ich muß in Beziehung auf die Ausdehnung fester Koͤrper doch noch einen merkwuͤrdigen Umstand erwaͤhnen. Einige Beob- achter haben gefunden, daß bei stetigem Zunehmen oder Abnehmen der Temperatur sich das Volumen fester Koͤrper nicht immer ebenso stetig, sondern in kleinen Unterbrechungen, stoßweise, aͤndert. Eine sehr bekannte Erfahrung scheint mir eben dahin zu gehoͤren. Wenn wir eine sehr erhitzte Ofenthuͤr oͤffnen, und sie dadurch einer schnel- len Abkuͤhlung aussetzen, so giebt sie sehr oft ein beinahe in bestimm- ten Tacte sich wiederholendes Geraͤusch, welches man durch einen leichten Stoß kann aufhoͤren machen; dieses sind, so viel ich ein- sehe, die stoßweise erfolgenden Aenderungen des Volumens, die bei der Schnelligkeit der Abkuͤhlung stark genug sind, um ein Geraͤusch zu bewirken; bringt man durch einen Stoß die ganze Masse in zitternde Bewegung, so erleichtert man den Theilchen des festen Koͤrpers die Ruͤckkehr zu dem Ausdehnungszustande, welcher der Waͤrme gemaͤß ist, und dieser wird fuͤr die naͤchsten Augenblicke nach jenem Stoße in einem mehr stetigen Uebergange, nicht mehr stoßweise, erreicht Laplace expos. du syst. du monde. 1. 123. . Diese Erscheinung ist nicht so besonders auf- fallend oder merkwuͤrdig, da man sich leicht vorstellen kann, daß die Ungleichheit in der Structur fester Koͤrper Hindernisse darbieten mag, die sich der in jedem Augenblicke angemessenen Herstellung der Ausdehnung widersetzen, und die erst ploͤtzlich uͤberwunden wer- den, wenn bei fortgehender Abkuͤhlung die zusammenziehende Kraft einen gewissen Grad erreicht hat; aber da neulich ein Beobachter hierin einen Beweis fuͤr die undulatorische Bewegung des Waͤrme- stoffs selbst hat finden wollen, so verdient sie doch wohl erwaͤhnt zu werden, indem diese Erscheinung gewiß einen ganz andern Grund hat. Waͤrme des Wassers in tiefen Seen und im Meere . Ich gehe zu einigen in die physische Geographie und in die Meteorologie gehoͤrigen Erscheinungen uͤber, die von der ungleichen Ausdehnung fluͤssiger Koͤrper bei verschiedener Waͤrme abhaͤngen. Die Temperatur des Wassers auf dem Boden tiefer Gewaͤsser wird fast immer niedrig gefunden, z. B. in den Schweitzerseen so groß wie die der groͤßten Dichtigkeit des Wassers entsprechende Waͤrme Nach von Buch und andern. Gilb. Ann. XIX. 141. XX. 312. , und in den Tiefen der Meere auch sehr bedeutend niedriger als an der Oberflaͤche. Dieses laͤßt sich ziemlich leicht erklaͤren, weil die Sonnenstrahlen mit ihrer Erwaͤrmung gewiß immer nur sehr wenig tief in das Wasser eindringen und daher nur die obern Theile die hoͤhere Temperatur der Luft im Sommer unmittelbar erhalten. Da nun diese durch die Erwaͤrmung leichter werdenden Theilchen kein Bestreben haben zu sinken, sondern fort- waͤhrend ihre Stelle an der Oberflaͤche behalten, so findet kein erhebliches Durchwaͤrmen des Wassers in die Tiefe hinab statt, naͤmlich nicht weiter hinab, als Wellenbewegung oder Stroͤmung es bewirken. Die Abkuͤhlung dagegen, welche in den kaͤlteren Jahreszeiten, zumal bei Frost und anhaltend kaltem Wetter, ein- tritt, verbreitet sich sogleich hinabwaͤrts weil die obern Theilchen, sobald sie schwerer werden als die unteren, sich hinabwaͤrts senken, und die waͤrmeren Theile zum Heraufsteigen veranlassen. So ist also ein deutlicher Grund vorhanden, warum am Boden tiefer Ge- waͤsser ungefaͤhr die kaͤlteste Lufttemperatur, die an dem Orte im Laufe des Jahres vorkoͤmmt, gefunden werden muß, so lange diese Temperatur hoͤher als die der groͤßten Dichtigkeit entsprechende Waͤrme ist; eine tiefere Temperatur als die der groͤßten Dichtigkeit entsprechende kann (ohne besondre Veranlassung,) am Boden suͤßer Wasser nie eintreten, weil das Niedersinken kaͤlterer Wassertheilchen (z. B. von 1°, von ½ Gr. Waͤrme,) unter jene nicht statt findet. Im Meere dagegen kann, weil Salzwasser keine solche groͤßte Dichtigkeit, von welcher an es sich sowohl im Abkuͤhlen als im Erwaͤrmen ausdehnte, erreicht, die Temperatur bis zur Gefrier- kaͤlte herabgehen, und Perons Beobachtung, daß die Tempera- tur wirklich so sehr niedrig am Boden der Meere ist, ließe sich hiernach einsehen, wenn nicht doch noch zwei Umstaͤnde dabei im Wege staͤnden. Der erste ist, daß Peron diese sehr niedrige Temperatur auch in den Tropengegenden, wo die Luft nie so kalt wird, beobachtet hat, der andre, daß wir der Erde, also doch auch dem Boden des Meeres, eine so niedrige Temperatur nicht beizu- legen geneigt sind. In Beziehung auf den ersten Einwurf, daß die Kaͤlte der Luft dort, wo es keine kalte Jahreszeit giebt, nicht die Kaͤlte am Boden des Meeres bewirken koͤnne, bemerkt Peron wohl mit Recht, daß ein Strom kalten Wassers von den Polen gegen den Aequator am Boden des Meeres fast nothwendig eben so gut wie ein Strom warmen Wassers in der entgegen gesetzten Richtung an der Oberflaͤche statt finden muͤsse, und findet in seinen Beobach- tungen einen Beweis hierfuͤr Gilb. Ann. XIX. 443; LXIII. 126; XX. 341. . Der zweite Umstand ist aber allerdings noch nicht ganz aufgehellt, indem, wie von Buch mit Recht bemerkt, eine so große Kaͤlte der Erde selbst in dieser Tiefe nicht glaublich ist, dann aber doch auch nicht klar wird, warum die unaufhoͤrlich vom Boden her sich mittheilende Waͤrme nicht wirk- sam genug ist, um auch dem Wasser eine etwas hoͤhere Temperatur zu ertheilen. Jene Mittheilung der Kaͤlte der Luft an die untern Schich- ten des Meereswassers ist von der groͤßten Wichtigkeit fuͤr die Mil- derung des Clima's der Gegenden am Meere. Im Sommer ist es minder heiß an den Ufern des Meeres, weil die erwaͤrmte Luft etwas Waͤrme an das Wasser mittheilt, und diese Mittheilung bleibt nicht ganz und gar oberflaͤchlich, weil die Wellenbewegung eine gleichmaͤßige Erwaͤrmung bis zu den Tiefen, wohin die Wellen noch reichen, zur Folge hat. Dadurch aber wird das Meer in seinen obern Schichten zu einem Waͤrmebehaͤlter, der im Winter an die kaͤltere Luft Waͤrme abgiebt, und das Clima der See-Ufer minder kalt macht. Diese Milderung des Clima's wird noch befoͤr- dert durch die an der Oberflaͤche des Meeres, besonders in gewissen Gegenden sehr bedeutenden, warmen Stroͤmungen vom Aequator her, und die Gegenden in der Naͤhe der Pole erhalten daher eine mildere Temperatur, als sie sonst besitzen wuͤrden Ueber die Enstehung dieser Stroͤme s. 1. Theil S. 139. . Man hat bemerkt, daß uͤber Untiefen, wenn der Boden des Meeres nicht allzu nahe unter der Oberflaͤche ist, das Meeres- wasser kaͤlter ist, als bei großer Tiefe. J. Davy erklaͤrt dies dar- aus, daß die kaͤltern Wassertheilchen in eine gleichsam unermeßliche Tiefe hinab sinken, da wo die Tiefe des Meeres dies erlaubt, da- gegen doch nur bis an den Boden hinabsinken koͤnnen, wenn dieser nicht so entfernt ist, im letztern Falle also durch ihre Naͤhe das Wasser auch in geringer Tiefe unter der Oberflaͤche abkuͤhlen. Bei sehr flachem Wasser erwaͤrmen die Sonnenstrahlen den Boden selbst, und da findet jene Kaͤlte uͤber Untiefen also endlich nicht mehr statt Gilb. Ann. LXVI. 140. . Wasserloͤcher auf den Alpen . Als einen merkwuͤrdigen Beweis dafuͤr, daß das Wasser bei seiner groͤßten Dichtigkeit noch faͤhig sei, Eis zu schmelzen, fuͤhrt Rumford folgende Erfahrung an. Die Alpenreisenden finden manchmal auf dem Gletscher-Eise tiefe Wasserloͤcher, die bei gerin- gem Durchmesser eine Tiefe von 4 Fuß erlangen und bis oben mit Wasser gefuͤllt sind. Sie entstehen waͤhrend des Sommers und vertiefen sich, so lange es oben hinreichend warm ist; dieses allmaͤhlige Vertiefen aber wird offenbar dadurch bewirkt, daß die groͤßte Dichtigkeit des Wassers einer Waͤrme entspricht, die erheb- lich hoͤher als die Kaͤlte des aufthauenden Eises ist. Es erhellt naͤmlich leicht, daß unmittelbar am Boden des Wasserloches, wo es sich in einer Eismasse endigt, die Gefrierkaͤlte statt findet; die hier sich eben aufloͤsenden Wassertheilchen sind aber leichter, als die um etwa 1 bis 4 Grad mehr erwaͤrmten, die sich in der Mitte der Wassermasse befinden, und jene steigen daher hinauf, um diesen Platz zu machen; so gelangen Wassertheilchen an den Eisboden, die warm genug sind, um wieder einige Eistheilchen in Was- ser zu verwandeln, und da sie bei ihrem Abkuͤhlen wieder auf- steigen und durch neue ersetzt werden, so dauert dieses langsam fortschreitende Aufthauen so lange fort, als die Sonnenstrahlen das obere Wasser noch immer ein wenig uͤber den Gefrierpunct erwaͤrmen. Luftstroͤmungen . Ueber die Abhaͤngigkeit der Luftstroͤmungen und der Winde von der ungleichen Erwaͤrmung der Luft habe ich schon bei einer andern Gelegenheit so viel gesagt I. Theil. S. 139. , daß ich kaum noch darauf zuruͤckzukommen brauche. Die Frage, warum sich denn die obere Luft in der Atmosphaͤre nicht erwaͤrmt, da doch die erwaͤrmte Luft ganz gewiß immer aufwaͤrts steigt, kann ich hier noch nicht voll- staͤndig beantworten, sondern muß mich begnuͤgen anzudeuten, daß die aufsteigende Luft sich in einen groͤßern Raum ausdehnt und dadurch abgekuͤhlt wird. Bei dem gewoͤhnlichen Zustande der Luft findet deshalb auch kein merkliches Heruntersinken der kalten Luft statt, weil diese in der Hoͤhe denjenigen Grad der Verduͤnnung angenommen hat, wodurch sie leichter als die untere waͤrmere Luft ist, und nur uͤber sehr merklich erwaͤrmten Flaͤchen finden deutlich aufwaͤrts gehende warme Luftstroͤme und zum Ersatze herabwaͤrts gehende kalte Luftstroͤme statt. Dagegen in den Faͤllen, wo ploͤtzlich heftige Abkuͤhlung in den obern Gegenden der Luft eintritt, da bemerkt man wohl das Herunterstuͤrzen der kalten Luftschichten, und die kalten, oft durchdringend kalten Gewitterwinde scheinen theils dadurch, theils durch die in dem Regengusse mit herabgerissene Luft zu entstehen, die sich von dem Orte der Wolke aus, nachdem sie auf der Erde eine horizontale Richtung angenommen hat, nach allen Seiten hin ausbreitet Kaͤmtz Meteorologie I. 212. . Als eine hieher gehoͤrende Bemerkung will ich doch noch die anfuͤhren, daß Scoresby erzaͤhlt, ein lebhafter Sturm, der vom offenen Meere her gegen eine Meilen weit mit Eis bedeckte Meeresflaͤche fortgeht, werde von Schiffen, die sich mitten in diesem Eise befinden, oft gar nicht bemerkt. Dies erklaͤrt sich aus dem durch den Unterschied der Waͤrme in jedem Falle veranlaßten An- drange der untern kalten Luft von Eise her, die sich dem aus der entgegengesetzten Richtung kommenden Sturme widersetzt, und aus der bei der Abkuͤhlung der eindringenden Luft statt findenden Verminderung des Volumens, welcher noch erheblicher ist, wenn sich Schnee aus der feuchten, waͤrmern Luft niederschlaͤgt. Von den Luftstroͤmungen durch ungleiche Erwaͤrmung macht man eine Anwendung, wo man frische Luft in eingeschlossene Raͤume bringen will. Laͤßt sich naͤmlich da ein Zutritt kalter und III. C reiner Luft in dem untern Theile des Zimmes erhalten und ohne andre Nachtheile anwenden, waͤhrend die erwaͤrmte Luft des Zim- mers oben ausfließt, so laͤßt sich der Zweck der Luftreinigung da- durch erreichen, nur hat es oft einige Schwierigkeit, der durch die Kaͤlte der einstroͤmenden Luft verursachten Unbequemlichkeit aus- zuweichen. Doch es ist Zeit, zu andern Erscheinungen der Waͤrme uͤberzugehen. Dritte Vorlesung . Die Erscheinungen der Waͤrme, die ich jetzt zunaͤchst Ihrer Aufmerksamkeit, m. h. H., empfehlen will, sind die, welche die Verbreitung der Waͤrme betreffen. Es bieten sich uns hier zwei wesentlich verschiedene Arten, wie die Waͤrme sich verbreitet, dar, naͤmlich durch Ausstrahlen und durch Leitung; denn eine dritte Art der Mittheilung, welche wir bei den Phaͤnomenen der Waͤrme wahrnehmen, wo sie naͤmlich durch Stroͤmung in den fluͤssigen Koͤrpern sich verbreitet, kann nicht als eigenthuͤmliche Mittheilungs- Art angesehen werden. Strahlende Waͤrme . Zuruͤckwerfung und Brechung derselben . Nicht bloß die Sonnenwaͤrme, sondern auch die von irdischen leuchtenden Koͤrpern ausgehende Waͤrme zeigt sich so an das Licht gebunden oder mit demselben zusammengehend, daß wir die Strah- len der Waͤrme ebenso wie die des Lichtes verfolgen koͤnnen. Die Brennspiegel sammeln die Sonnenstrahlen in eben dem Puncte als erwaͤrmende Strahlen, wo sie ein Bild vermoͤge der gesammelten Lichtstrahlen hervorbringen, und wir sehen daher, daß auch die Waͤrmestrahlen eben das Gesetz der Reflexion, unter einem Win- kel, dem Einfallswinkel gleich, zuruͤckgeworfen zu werden, befolgen. Die großen Wirkungen der Brennspiegel sind bekannt, und obgleich es bei großen Spiegeln von mehreren Fußen Durchmesser, nur wenn sie sehr vollkommen gearbeitet sind, statt findet, daß sie die Strahlen in einem sehr kleinen Brennpuncte vereinigen, so ist doch das, was sie leisten, immer schon sehr erheblich. Das Bild, wel- ches die Sonnenstrahlen im Brennpuncte des Spiegels darstellen, wenn dieser nicht zu viel Grade, so daß man auf die Abweichung wegen der Kugelgestalt nicht zu sehen braucht, umfaßt, laͤßt sich nach den Regeln der Optik bestimmen, und es ist desto groͤßer im Durchmesser, je groͤßer die Brennweite ist; aus diesem Grunde, weil die vom Spiegel zuruͤckgegebenen Strahlen sich weniger nahe in einen engen Raum vereinigen, ist die Wirkung eines gleich großen Hohlspiegels schwaͤcher bei großer Brennweite, uͤbrigens aber, bei gleicher Brennweite der Groͤße des Spiegels proportional. Ein Spiegel von 4 Fuß Durchmesser und 6 Fuß Brennweite wuͤrde eine Hitze etwa 5000 mal so groß als die unmittelbare Erwaͤrmung durch die Sonnenstrahlen hervorbringen. Man kann auch wirklich mit Brennspiegeln Glas und Metalle schmelzen und Wirkungen hervorbringen, die das heftigste Feuer nur hervorbringen kann. Da diese Wirkung so sehr davon abhaͤngt, daß man recht große Brenn- spiegel anwendet, welche sich nicht so leicht verfertigen lassen, so hat man versucht, mit vielen vereinigten ebnen Spiegeln eben das zu leisten. Am merkwuͤrdigsten sind in dieser Hinsicht von Buͤf- fons Versuche, welcher ebene, mit einander verbundene Spiegel so stellte, daß alle das von ihnen zuruͤckgeworfene Sonnenlicht auf einen Punct warfen; 40 so verbundene Spiegel von 6 Zoll hoch und 8 Zoll breit setzten ein getheertes Brett in 50 Fuß Entfernung in Brand, 117 Spiegel brachten Silber zum Schmelzen. Die Versuche mit Brennspiegeln zeigen, daß auch die mit keinem Leuchten verbundene Waͤrme noch ebenso zuruͤckgeworfen wird. Man kann dies beweisen, indem man eine nicht mehr im Dunkeln leuchtende, also keine uns sichtbare Lichtstrahlen mehr aussendende, Metallkugel oder selbst nur ein mit kochendem Wasser gefuͤlltes Gefaͤß in bedeutender Entfernung von einem Hohlspiegel aufstellt, und ein Thermometer in demjenigen Puncte anbringt, wo ein Licht, an die Stelle jener Kugel gebracht, sein Bild dar- stellen wuͤrde; dieses Thermometer steigt sogleich, sobald jene Kugel ihren Platz einnimmt oder sobald man einen bis zu diesem Augen- blicke den Zutritt der Waͤrme hindernden Schirm wegnimmt. Eben dieser Versuch oder ein aͤhnlicher, bei dem man sich zweier Brenn- C 2 spiegel bedient, zeigt auch die schnelle Verbreitung der strahlenden Waͤrme. Pictet stellte zwei Brennspiegel so einander gegenuͤber, daß die mit der Axe des einen parallel zuruͤckgeworfenen Strahlen auch den andern Spiegel mit seiner Axe parallel trafen; wurde nun eine sehr heiße, aber nicht mehr gluͤhende, Kugel in den Brennpunct des erstern gebracht, wo dann die reflectirten Strahlen den andern Spiegel in parallelen Richtungen trafen, und in seinem Brenn- puncte gesammelt wurden, so stieg das im Brennpuncte des zweiten Spiegels stehende Thermometer augenblicklich, wenn der zwischen- gesetzte Schirm weggenommen ward, und dies auch dann, wenn die Waͤrmestrahlen 80 Fuß zu durchlaufen hatten. Die Waͤrmestrah- len gehen also wenigstens so schnell fort, daß wir in Entfernungen von 80 oder 100 Fuß noch keinen Zeitverlust wegen der Fortpflan- zung wahrnehmen koͤnnen; indeß bleiben wir daruͤber, ob diese Ge- schwindigkeit der des Lichtes nahe koͤmmt, unbelehrt. Die strahlende Waͤrme ist auch der Brechung auf ganz aͤhn- liche Weise wie das Licht unterworfen. Dies beweisen unsre Brenn- glaͤser, welche die durchgelassenen Waͤrmestrahlen der Sonne ebenso gut als ihr Licht im Brennpuncte sammeln und dadurch bei großen Brennglaͤsern eine Hitze, die zum Glasschmelzen ausreicht, hervor- bringen. Ein aͤhnlicher Versuch laͤßt sich mit dunkler Waͤrme, mit Metallkugeln, die schon nicht mehr gluͤhen, nicht wohl anstellen, weil die so schwache Waͤrme nicht stark genug das Glas durch- dringt. Die Beobachtung, daß auch die Waͤrmestrahlen so wie die Lichtstrahlen gebrochen werden, fuͤhrt zu der Frage, ob sie denn mit irgend einem der Farbenstrahlen in Hinsicht der Brechung ganz genau uͤbereinstimmen. Der aͤltere Herschel hat diese Frage zuerst beantwortet, indem er in den durch ein Prisma getrennten Farbenstrahlen der Sonne Thermometer aufstellte, und die Waͤrme vom violetten und blauen Strahle an bis zum rothen immerfort zunehmend fand, ja die groͤßte Waͤrme erst da beobachtete, wo das Auge sogar auch keine rothe Strahlen mehr bemerkte. Spaͤtere Versuche, besonders die von Seebek , haben gezeigt, daß die Lage der am meisten erwaͤrmenden Gegend des Farbenbildes nicht bei allen Prismen ganz gleich ist, sondern daß sie ebenso wie die Farben- zerstreuung von der Verschiedenheit der Bestandtheile des brechenden Koͤrpers abhaͤngt, daß aber fast immer die groͤßeste Waͤrme sehr gegen das Ende des Farbenbildes, wo das Roth liegt, und vielleicht zuweilen jenseits der Grenze des noch deutlich sichtbaren Roth gefun- den wird. In den meisten Faͤllen muß man also den Brennpunct eines Glases da annehmen, wo die rothen Strahlen sich sammeln. Schwaͤchung der Waͤrmestrahlen beim Durchgange durch durchsichtige Koͤrper . Wenn wir Sonnenstrahlen durch eine reine Glasscheibe fallen lassen, so finden wir keinen merklichen Unterschied in den Angaben des Thermometers, wir moͤgen die Waͤrme vor oder nach dem Durchgange durch Glas beobachten, und die Strahlen scheinen daher, allenfalls nur so wie das Licht bei dem Durchgange durch Glas und aͤhnliche Koͤrper, eine sehr geringe Schwaͤchung zu erlei- den. Dagegen ist es auffallend, wie sehr schon gegen die Hitze des hell brennenden Feuers eine vorgehaltene Glasplatte sichert, und noch mehr wird die dunkle Waͤrme durch einen durchsichtigen Koͤrper zuruͤckgehalten. Diese sehr bekannten Erfahrungen sind durch die genauen Versuche von Prevost und Delaroche be- staͤtiget, und diese haben noch einige hiemit verbundene merkwuͤr- dige Erscheinungen kennen gelehrt. Bei den hieruͤber angestellten Versuchen wurden bald ein, bald mehrere Glasschirme zwischen der Waͤrmequelle und dem Thermometer aufgestellt, diese Schirme aber so oft erneuert, daß ihre eigne Erwaͤrmung nicht auf das Thermometer Einfluß haben konnte, und es zeigte sich, daß die durchgelassene Waͤrme in Verhaͤltniß der gesammten Waͤrme desto mehr betrug, je groͤßer diese gesammte Waͤrme war. Es wurde naͤmlich eine erhitzte Masse im Brennpuncte eines Brennspiegels aufgestellt, die von diesem parallel zuruͤckgeworfenen Strahlen tra- fen einen andern Brennspiegel und erwaͤrmten das in dessen Brenn- puncte stehende Thermometer. Man stellte jeden Versuch auf doppelte Weise an, bald so daß kein Schirm die Lichtstrahlen auf- hielt, bald so daß ein Glasschirm zwischen beide Spiegel gestellt wurde. Hier ergab sich nun, daß Quecksilber von 182° C. (146° R. ) warm im einen Brennpuncte das Thermometer ohne Schirm um 3,9 Gr. steigen machte, mit Anwendung des Schirmes dagegen nur 0,15 oder \frac{3}{20} Grad, daß also hier der Schirm nur \frac{1}{26} der Waͤrme durchließ; ferner daß kochendes Quecksilber von 356° C. (285° R. ) ohne Schirm ein Steigen von 16 Gr., mit dem Schirme von 1,2 Graden, hervorbrachte, daß also in diesem Falle reichlich \frac{1}{14} der auffallenden Waͤrme durchgelassen wurde; Eisen, dessen Waͤrme 427° C. (342° R. ) betrug, brachte eine doppelt so große Waͤrme ohne Schirm hervor und von dieser ward beinahe \frac{1}{7} durch- gelassen; gluͤhendes Kupfer, dessen Waͤrme man 960° C. annimmt, gab eine Waͤrme, wovon \frac{2}{7} durchgelassen wurden, und von der Erwaͤrmung vermittelst einer Argandschen Lampe ward die Haͤlfte durch den Schirm durchgelassen. Wir sind also berechtiget zu sagen, daß die auf einen Glasschirm auftreffenden Waͤrmestrahlen in sehr geschwaͤchtem Verhaͤltnisse durchgelassen werden, wenn die Grade der Waͤrme geringer sind, daß also die an sich groͤßere Waͤrme gleichsam mit groͤßerer Gewalt das Glas trifft, so daß sie wenig geschwaͤcht durchgelassen wird, waͤhrend eine schwache Waͤrme fast ganz und gar aufgehalten wird. Ob wir daraus auf eine ungleiche Geschwindigkeit der staͤrkern und der schwaͤchern Waͤrme schließen sollen, ist ganz unentschieden, und die gleich anzufuͤhrenden Ver- suche machen unser Urtheil noch unsicherer. Nach den eben angefuͤhrten Versuchen sollte man naͤmlich erwarten, daß in dem Falle, wo durch einen Schirm etwa \frac{1}{7} der Waͤrme durchgelassen ward, durch zwei Schirme nur \frac{1}{49} durch- gehen sollte, weil von dem zuerst durchgelassenen Siebtel ja wieder nur der siebte Theil scheint durchgehen zu koͤnnen, ja noch weniger, weil schwaͤchere Waͤrme in noch schwaͤcherem Maaße durchgelassen wird; aber so verhielt es sich bei diesen Versuchen nicht, sondern durch zwei Schirme ging \frac{1}{14} der ganzen Waͤrme, also die volle Haͤlfte der vom ersten Schirme durchgelassenen Waͤrme ging durch den zweiten Schirm. Es scheint also hier ein aͤhnliches Einwirken des Glases, wie bei der Polarisirung des Lichtes statt zu finden, daß naͤmlich, so wie dort das durch ein Glas gegangene Licht nun am zweiten Glase nicht mehr so viel durch Zuruͤckwerfung an der Oberflaͤche verliert, so auch hier die durch ein Glas gegangenen Waͤrmestrahlen faͤhiger werden das zweite zu durchdringen. Wir weichen also nicht von der Erscheinung ab, wenn wir es als eine Vermuthung aufstellen, ob nicht die Waͤrmetheilchen ebenso in verschiedenem Zustande ankommen, und indem einige aufgehalten, andre durchgelassen werden, die einmal durchgelassenen sich in dem Zustande befinden, der ihnen auch bei der zweiten parallelen Platte den Durchgang erleichtert Berard hat durch einen Versuch eine wahre Polarisirung der Waͤrmestrahlen zu finden geglaubt, aber dieser Versuch hat Powell nicht gelingen wollen. . Hieraus laͤßt sich dann auch ein- sehn, warum dickere Glasplatten nicht im Verhaͤltniß der Dicke die Schwaͤchung der Waͤrme verstaͤrken. Wie die bei dem Durchgange durch Glasscheiben verlorene Waͤrme verwendet wird, das ist schwerer als bei dem Lichte zu entscheiden. Ohne Zweifel wird ein Theil an der Vorderflaͤche, ein Theil an der Hinterflaͤche zuruͤckgeworfen, und ein Theil wird, wie wir deutlich bemerken, zu Erwaͤrmung des Glases selbst ange- wandt, aber wieviel jeder dieser Theile betraͤgt, laͤßt sich nicht wohl bestimmen. Uebrigens ist es diese Schwaͤchung der Waͤrmestrahlen, welche selbst den directen Sonnenstrahlen nicht gestattet, das Meer- wasser bis zu bedeutender Tiefe zu durchwaͤrmen, und je weniger rein und durchsichtig das Meerwasser ist, desto mehr beschraͤnkt sich die Erwaͤrmung auf die obern Schichten. Abhaͤngigkeit der Waͤrmestrahlung von der Beschaf- fenheit der Oberflaͤche . Eben so merkwuͤrdig, als diese Beobachtungen uͤber den Durch- gang der strahlenden Waͤrme durch Glas, sind die Versuche uͤber die von der Oberflaͤche abhaͤngende Ungleichheit bei der Erwaͤrmung durch strahlende Waͤrme und bei der Abkuͤhlung eines erwaͤrmten Koͤrpers. Eine sehr leicht sich darbietende Erfahrung zeigt, daß ein schoͤn polirter Metallspiegel fast gar nicht erhitzt wird, wenn man ihn den erwaͤrmenden Strahlen der Sonne oder des Feuers aussetzt, und daß man dagegen ein unpolirtes Metall oder noch mehr ein schwarz uͤberfaͤrbtes Metall durch eben die Waͤrmestrahlen sehr erhitzt findet. Hier werden also die Waͤrmestrahlen zur Er- waͤrmung thaͤtig da, wo sie und wo die Lichtstrahlen wenig zuruͤck- geworfen werden. Weiße Koͤrper, die viel Licht zuruͤckwerfen, er- waͤrmen sich weniger als schwarze, und es laͤßt sich, obgleich ein strenges Abmessen hier schwierig ist, mit Sicherheit sagen, die Koͤr- per erwaͤrmen sich bei auffallenden Waͤrmestrahlen in eben dem Grade mehr, wie sie weniger Licht bei auffallenden Lichtstrahlen zuruͤckwerfen. Eine schwarze Wand wird an den Sonnenstrahlen fast unertraͤglich heiß; schwarzes Zeug auf den Schnee gelegt, sinkt, weil der Schnee darunter aufthaut, tiefer ein als weißes; Schnee und Eis erhalten da am ehesten tiefer eingethaute Loͤcher, wo schwarze Erde darauf lag; Gefaͤße inwendig schwarz gefaͤrbt und mit mehreren Glasplatten oben geschlossen, werden im Innern sehr heiß, wenn die Sonne durch die Glasplatten hereinfaͤllt; wenn man mit einem schwachen Brennglase Papier am Sonnenlichte anbrennen will, so bemerkt man bald, daß dieses leichter da gelingt, wo das Papier schwarz ist, als wo es weiß ist. Hierin liegt der Grund, warum im Winter neben grauen oder schwaͤrzlichen Baum- staͤmmen oder Pfaͤhlen der Schnee verschwindet, (durch Abthauen und Verdunsten,) waͤhrend er in einiger Entfernung sich vollkom- men erhaͤlt, weil naͤmlich bei jedem Sonnenstrahle jene Koͤrper sich in einigem Grade erwaͤrmen. Eine aͤhnliche Uebereinstimmung findet zwischen Licht und Waͤrme bei dem Durchgange statt, indem truͤbes Glas wenig Licht durchlaͤßt und sich zugleich erwaͤrmt, recht helles, reines Glas dagegen fast alles Licht durchlaͤßt und sich beinahe gar nicht erwaͤrmt. In Beziehung auf unsre naͤchsten Betrachtungen ist indeß jene bei der Zuruͤckwerfung beobachtete Uebereinstimmung noch wichtiger. Die eben erwaͤhnten Erfahrungen naͤmlich uͤber die von gewis- sen Koͤrpern in bedeutendem Maaße, von gewissen Koͤrpern wenig zuruͤckgeworfene Waͤrme stimmen mit den Verschiedenheiten der als strahlend von erwaͤrmten Koͤrpern ausstroͤmenden Waͤrme uͤberein. Wenn man zwei ganz gleiche hohle Kugeln von Metall verfertigen laͤßt, beide gleich gut polirt, aber die Politur der einen mit Ruß uͤberzieht oder auch nur schwarz uͤberfaͤrbt; so kuͤhlt sich, wenn man sie beide mit gleich heißem Wasser fuͤllt, die geschwaͤrzte schneller ab, und so giebt in allen Faͤllen diejenige Oberflaͤche die Waͤrme leichter her, die faͤhiger ist, sie bei auffallender Waͤrmestrahlung von außen leichter aufzunehmen. Der Unterschied der Abkuͤhlung ist so bedeutend, daß man den Versuch nur mit zwei gleichen Me- tallgefaͤßen, deren eines polirt, das andre mit Ruß uͤberzogen ist, sehr oberflaͤchlich anzustellen braucht, um, wenn man beide mit kochendem Wasser gefuͤllt hat, das viel schnellere Sinken des Ther- mometers in dem geschwaͤrzten deutlich wahrzunehmen. Man bemerkt diese ungleiche Ausstrahlung auch noch durch eine andre Beobachtung. Wenn man naͤmlich das polirte und das geschwaͤrzte Gefaͤß gleich erhitzt, beide zum Beispiel mit kochendem Wasser fuͤllt, so bemerkt man bei Annaͤherung der Hand die strah- lende Waͤrme schon ziemlich entfernt von dem geschwaͤrzten Gefaͤße, aber erst bei sehr großer Annaͤherung, wenn man sie gegen das polirte Gefaͤß heranbringt. Leslie hat hieruͤber mehrere Ver- suche angestellt und Zahlenbestimmungen angegeben, wie viel die unter verschiedenen Umstaͤnden durch Strahlung sich zerstreuende Waͤrme betraͤgt; darnach ist die Menge der ausstrahlenden Waͤrme 7 mal so groß, wenn polirtes Silber mit einem duͤnnen Gold- schlaͤgerhaͤutchen bedeckt, als wenn es ganz frei ist, und 10 mal so groß, wenn es mit Ruß bedeckt, als wenn es frei ist. Ein Ver- such, der dies am besten zeigt, ist folgender von Leslie vorge- schlagene, der mit Huͤlfe eines Differenzthermometers sich leicht anstellen laͤßt. Man laͤßt einen Wuͤrfel von Blech verfertigen, dessen eine Seite vollkommen glaͤnzend polirt, die andre matt ge- schliffen, die dritte weiß uͤbermalt, die vierte geschwaͤrzt wird. Man stellt ( Fig. 13. ) einen Brennspiegel AB auf, und bestimmt genau den Punct, wo ein in bestimmter Stellung D angebrachtes Licht sein Bild C hin wirft; in diesen letztern Punct C, der in der Naͤhe des Brennpunctes liegt, wenn man das Licht mehrere Fuße weit jenseits des Brennpunctes aufgestellt hatte, bringt man die eine Kugel des Differenzthermometers, in den Ort D aber, wo das Licht sich befand, bringt man jenen Wuͤrfel, den man mit kochendem Wasser gefuͤllt hat. Hier zeigt sich nun die von dem heißen Wuͤrfel ausstrahlende Waͤrme dadurch, daß sie, zuruͤckgewor- fen und gesammelt durch die Hohlspiegel, das Thermometer C zum Steigen bringt; aber man bemerkt, daß dieses Steigen viel bedeu- tender ist, wenn man die schwarze Flaͤche dem Spiegel zuwendet, daß das Thermometer weniger steigt, wenn die weiße oder die matt geschliffene Flaͤche gegen den Spiegel gekehrt ist, und daß die Er- hitzung am geringsten ist, wenn die polirte Seite diesen Platz ein- nimmt. So lange das Wasser sich nicht erheblich abkuͤhlt, kann man diese Wechsel mehrmals nach einander hervorbringen. Hierauf gruͤnden sich manche Vorschriften, die man zu geben pflegt, manche Verbesserungen, die man angebracht hat. Will man die Waͤrme eines Koͤrpers gern lange erhalten, z. B. die Waͤrme von Speisen oder Getraͤnken, so bedient man sich am besten der von außen vollkommen polirten Gefaͤße, weil diese die Waͤrme nicht so schnell durch Strahlung zerstreuen; soll dagegen, wie bei unsern Oefen, die Waͤrme recht schnell und vollstaͤndig dem umge- benden Raume mitgetheilt werden, so muß man die Oberflaͤche geschwaͤrzt und am liebsten nicht glaͤnzend erhalten. Die Platin- Oberflaͤche unserer porcellanenen Theegeschirre ist also zweckmaͤßig zur Erhaltung der Waͤrme, und ebenso wuͤrde man Dampfroͤhren, wenn sich der Dampf darin noch nicht abkuͤhlen soll, von außen poliren muͤssen, solche Dampfroͤhren dagegen, die zur Erwaͤr- mung von Zimmern dienen sollen, muͤßten eine schwarze, rauhe Oberflaͤche haben. Um die Abkuͤhlung, und ebenso um die Er- waͤrmung recht sicher zu hindern, muͤßte man ein polirtes Gefaͤß noch mit einem an beiden Seiten polirten Gefaͤße umgeben, und allenfalls noch eine dritte polirte Wand hinzufuͤgen. Da ein Ofen- schirm uns gegen die zu starke strahlende Waͤrme des Ofens sichern soll, so ist es zweckmaͤßig, ihn mit einer metallischen Belegung zu versehen, z. B. an beiden Seiten mit Goldpapier zu uͤberziehen. Ebenso koͤnnte man Mobilien, die dem Ofen zu nahe stehen, vor der zu starken Erhitzung sichern. Auch ein Vorschlag von Flaugergues , wie man die Tem- peratur der Luft genau bestimmen soll, gruͤndet sich auf diese Erfah- rungen. Wenn wir ein Thermometer aufhaͤngen, so ist dies doch immer neben der Einwirkung der Temperatur der Luft auch der Einwirkung der von den umgebenden Koͤrpern ausstrahlenden Waͤrme ausgesetzt, und davon haͤngen manche Ungleichheiten ab, die man zu vermeiden wuͤnscht. Flaugergues raͤth daher an, das Thermometer mit einem Cylinder zu umgeben, dessen Waͤnde ein oder zwei Zoll von dem Thermometer entfernt, diesem keine Waͤrme unmittelbar mittheilen, und indem sie an der aͤußern und an der innern Oberflaͤche metallisch glaͤnzend sind, die Aufnahme der strahlenden Waͤrme von außen abhalten und nach innen sie nicht leicht abgeben; die frei zustroͤmende Luft ertheilt dann dem Thermometer die eigentliche Waͤrme der Luft. Bei dieser Mit- theilung der Luftwaͤrme an das Thermometer koͤmmt es aber auch auf die Oberflaͤche der Thermometerkugel an, indem eine geschwaͤrzte Oberflaͤche der Thermometerkugel diese faͤhiger macht, sich schnell zu erwaͤrmen, wodurch denn freilich in den meisten Faͤllen, nament- lich in den Sonnenstrahlen selbst, die Angaben des Thermometers einem hoͤhern Waͤrmegrade als dem der Luft entsprechen. Leslie hat unter dem Namen: Photometer, eine Anwen- dung des Differenzthermometers bekannt gemacht. Ist die eine Kugel des Differenzthermometers schwarz, die andre voͤllig durch- sichtig, so bringen die auf beide treffenden Waͤrmestrahlen in der schwarzen Kugel eine groͤßere Waͤrme hervor, die sich an diesem empfindlichen Instrumente wahrnehmen laͤßt. Eigentlich ist dieses Instrument also ein Waͤrmemesser; aber da es nach Leslie's Angaben noch empfindlich genug ist, um da Unterschiede zu zeigen, wo wir nur Unterschiede des Lichtes, nicht Unterschiede der Waͤrme, bemerken, z. B. wenn man das Instrument am Tage weiter vom Fenster entfernt in das Zimmer zuruͤckstellt, so vertritt es die Stelle eines Licht abmessenden Instrumentes. Auch das Aethriometer, dessen Zweck es ist zu zeigen, daß die Wolken mehr Waͤrme als das wolkenlose Blau des Himmels ausstrahlen, beruht auf diesen Grundsaͤtzen. Ein innen sehr voll- kommen polirter Metallbecher, der die auf seine innere Flaͤche fal- lende Waͤrmestrahlen in A ( Fig. 12. ) concentrirt, enthaͤlt in diesem Puncte die eine Kugel des Differenzthermometers, die hier am besten schwarz ist, um durch die auf sie fallenden Waͤrmestrahlen desto besser erwaͤrmt zu werden, waͤhrend die andre Kugel B außer- halb oder wenigstens so an der Seite steht, daß sie nicht durch concentrirte Strahlen erwaͤrmt wird. Wendet man nun die in- nere Flaͤche CDE bald dem blauen Himmel, bald den Wolken zu, so fallen von den letztern doch einige, vom blauen Himmel fast gar keine Waͤrmestrahlen, (die wenigen abgerechnet, welche die Luft- theilchen selbst zuruͤckwerfen,) auf die innere Flaͤche, und je reiner das Blau des Himmels ist, desto weniger muß die Erwaͤrmung der im Sammelpuncte A stehenden Kugel die der andern B uͤber- treffen. Gegenseitige Erwaͤrmung durch Ausstrahlung . Strah- lende Kaͤlte . Da alle uns umgebende Koͤrper in groͤßerm oder geringerm Grade erwaͤrmt sind, so geben sie auch immerfort strahlende Waͤrme her, und es findet ein unaufhoͤrlicher Austausch der Waͤrme der verschiedenen Koͤrper statt. Ist das Thermometer ebenso warm, als die Wand, welcher ich es naͤhere, so bemerke ich diese Ausstrah- lung nicht, weil bloß die vom Thermometer gegen die Wand aus- strahlende Waͤrme ersetzt wird durch die von der Wand gegen das Thermometer uͤbergehende Waͤrme; dagegen wenn die Wand waͤr- mer ist, sehen wir das Thermometer steigen, weil es mehr Waͤrme empfaͤngt als verliert, und im umgekehrten Falle sehen wir es sin- ken. Im letztern Falle, wo die Wand kaͤlter ist, hat es das An- sehn, als ob auch Kaͤlte ebenso strahlend von der Wand ausginge, wie sonst die Waͤrme, und unsre eigne Empfindung ist, wenn wir uns einem kalten Koͤrper naͤhern, ebenso; aber offenbar ist dieser Anschein bloß darin begruͤndet, daß die von dem waͤrmeren Thermometer oder von der waͤrmeren Hand ausstroͤmende Waͤrme nicht ganz ersetzt wird durch die von der Wand oder von dem kaͤl- tern Koͤrper heruͤber kommende Waͤrme. Aus diesem Grunde fuͤh- len wir uns unangenehm in einem Zimmer, dessen Waͤnde nicht durchwaͤrmt sind, wenn gleich der Ofen hinreichend warm ist. Ein vorzuͤglich auffallendes Phaͤnomen der anscheinend aus- strahlenden Kaͤlte ist folgendes. Wenn man zwei Hohlspiegel ein- ander so gegenuͤberstellt, daß die vom Brennpuncte A des einen ( Fig. 14. ) ausgehenden Strahlen, mit der Axe beider Spiegel parallel zuruͤckgeworfen, sich wieder im Brennpuncte B des andern sammeln, so bringt ein nach A gebrachtes Eisstuͤck das Thermo- meter B zum Fallen, so daß es scheint, als wuͤrden die von A aus- stroͤmenden Kaͤltestrahlen AD, AE, nach DF, EG, und dann nach FB, GB, zuruͤckgeworfen. Die Erklaͤrung ist aber ganz einfach. Waͤren in A und B gleich warme Koͤrper, so wuͤrde von A die Waͤrme nach den Wegen ADFB, AEGB, ausstroͤmen und sich in B sammeln, aber ebenso viel Waͤrme wuͤrde von B aus auf denselben Wegen nach A zuruͤckkehren; ist dagegen A kaͤlter, so betraͤgt die ihm ertheilte Waͤrme noch immer ebenso viel, statt daß die von ihm ausgegangene Waͤrme geringer ist; B erhaͤlt daher keinen vollkommenen Ersatz fuͤr die ausgesandte Waͤrme, und da B, wenn wir die Hohlspiegel als selbst gar keine Waͤrme hergebend ansehen, aus dem ganzen Raume FG keine andre Waͤrme em- pfaͤngt, als die von A ausgesandte, auf diesen Raum fallende, so wird die Abkuͤhlung in B, der Mangel an Ersatz der verlornen Waͤrme, desto fuͤhlbarer, je mehr von A her kommende Waͤrme- strahlen sich in B concentriren wuͤrden. Hier bietet sich zugleich die Frage dar, wie es sich verhaͤlt, wenn zwei Koͤrper zwar einerlei Temperatur besitzen, aber wegen ungleicher Oberflaͤche nicht in gleichem Maaße faͤhig sind, die Waͤrme ausstroͤmen zu lassen, und die sie treffende Waͤrme aufzunehmen. Wir koͤnnen, um diese Frage zu beantworten, am besten von der gewiß richtigen Erfahrung anfangen, daß, wenn die Waͤnde eines umschlossenen Raumes eine bestimmte Temperatur haben, und alle in diesem Raume enthaltenen festen Koͤrper eben so warm sind, gar keine Veranlassung zur Aenderung der Waͤrme fuͤr alle diese Koͤrper da ist. Diese Erfahrung beruht darauf, daß erstlich zwei Oberflaͤchen, sie moͤgen senkrecht oder schief gegen die von der einen zur andern gezogenen Richtungslinie stehen, sich nach Ver- haͤltniß des Theiles der Kugelflaͤche, den die eine in Beziehung auf die andre verdeckt, Waͤrme zusenden, und daß zweitens die Ober- flaͤchen, welche mit Leichtigkeit Waͤrme aufnehmen, sie auch mit Leichtigkeit ausstroͤmen lassen. Was das erstere betrifft, so ist es gewiß, daß ( Fig. 15. ) zwei Koͤrper von ganz gleichartigen Ober- flaͤchen, deren einer eine Umhuͤllung ABD bildet, die den andern C umschließt, sich, wenn sie beide gleich warm sind, einander weder erwaͤrmen noch abkuͤhlen, und daß dieses statt findet, jene Umhuͤl- lung mag eine Kugelflaͤche sein, oder eine, wie man will, unregel- maͤßige Form AEFB haben. Die von der letztern gegen C aus- gesandte Waͤrme und ebenso die ihr durch die Ausstrahlung von C zugesandte Waͤrme, ist also ebenso groß, als diejenige Waͤrme, die von einer umschließenden Kugelflaͤche ausgesandt oder umgekehrt von derselben aufgenommen wuͤrde, und in beiden Faͤllen, es mag die Kugelflaͤche oder die unregelmaͤßige Oberflaͤche dem ebenso er- waͤrmten Koͤrper C dargeboten werden, findet die Ausgleichung der Waͤrme, die gleiche Erhaltung der Temperatur, statt. Aber eben das ist auch zweitens der Fall, wenn die Oberflaͤchen ungleich sind, zum Beispiel das eine Mal die umhuͤllende Flaͤche AEBD polirt, das andere Mal geschwaͤrzt ist. In diesen beiden Faͤllen ist die Ausstroͤmung von C, welchen Koͤrper wir unveraͤndert annehmen, gleich; aber die geschwaͤrzte Umhuͤllung nimmt von dieser zuge- sandten Waͤrme vielleicht zehnmal so viel auf, als die polirte; jene muͤßte sich also mehr erwaͤrmen als diese, wenn nicht auch die Menge der Waͤrme, die sie entlaͤßt, zehnmal so groß als bei der andern waͤre. Die Erfahrung, daß der Austausch der Waͤrme zwischen C und der umgebenden Huͤlle gleich gut statt findet, wenn die Temperatur der Koͤrper gleich ist, und daß in diesem Falle nichts von der Beschaffenheit der Oberflaͤchen abhaͤngt, beweist also diese genaue Uebereinstimmung zwischen der Aufnahme der durch Strah- lung zugefuͤhrten und dem Verluste der durch Strahlung hervor- gehenden Waͤrme bei ungleicher Beschaffenheit der Oberflaͤchen. Hiernach lassen sich alle einzelnen Fragen beantworten. Wenn eine polirte Metallwand und eine schwarze Wand einander gegen- uͤber stehen, die beide gleich warm sind, so sendet die letztere eine groͤßere Menge Waͤrme aus als die erstere, aber der groͤßte Theil derselben wird von der polirten zuruͤckgeworfen, koͤmmt zu der schwarzen zuruͤck, und ersetzt daher den Waͤrme-Abgang selbst wie- der, den diese schien erleiden zu muͤssen, und da die polirte Flaͤche doch auch einige Waͤrme aussendet und diese zum groͤßten Theile in die geschwaͤrzte Oberflaͤche eindringt, so findet, wie sich noch genauer nachweisen laͤßt, ein voͤlliger Ersatz der verlornen Waͤrme statt. Sind die beiden Waͤnde ungleich warm und die schwarze ist die kaͤltere, so bekoͤmmt sie von der waͤrmeren polirten Oberflaͤche erstlich einen Ersatz fuͤr den eignen Waͤrmeverlust, aber zweitens, nach Maaßgabe der hoͤheren Temperatur, einen Ueberschuß von Waͤrme, der indeß langsamer ausstroͤmt, als es der Fall waͤre, wenn auch die polirte Oberflaͤche geschwaͤrzt wuͤrde, der entgegen- gesetzte Fall laͤßt sich hiernach leicht beurtheilen; ich werde aber in Beziehung auf beide Faͤlle noch etwas sagen, wenn ich auf Fou- riers Untersuchungen komme. Hieher gehoͤrt Rumfords Ver- such, der neben einem sehr empfindlichen Luftthermometer an der einen Seite einen um 10 Gr. erwaͤrmten, auf der andern Seite einen um 10 Gr. erkaͤlteten, uͤbrigens dem vorigen ganz gleichen, Koͤrper aufstellte; die strahlende Waͤrme des einen Koͤrpers bewirkte, Waͤrme an das Thermometer mittheilend, hier ebenso viel, als bei dem andern Koͤrper das Aufnehmen der Waͤrme, und das Ther- mometer aͤnderte seinen Stand nicht, — der eine erwaͤrmte so viel als der andre Waͤrme entzog. Vierte Vorlesung . Leitung der Waͤrme . Die bisher betrachtete Mittheilung der Waͤrme, die wir in allen Luft-Arten und selbst im leeren Raume beobachten, stellt sich uns so dar, als ob sie, durch alle sehr duͤnne Koͤrper hindurch statt findend, von der Natur der zwischen liegenden Koͤrper nur wenig abhinge oder wenigstens nicht durch eine Fortpflanzung der Waͤrme von Theilchen zu Theilchen erklaͤrt werden muͤsse; wir sehen daher diejenige Mittheilung der Waͤrme, die wir Leitung der Waͤrme nennen, als hievon wesentlich verschieden an. Diese naͤmlich, die in allen fluͤssigen Koͤrpern nur wenig merklich ist, besteht bei den festen Koͤrpern darin, daß die Waͤrme, welche man einigen Theilchen des Koͤrpers ertheilt, sich den benachbarten mittheilt, von diesen auf die folgenden uͤbergeht, u. s. w. Die festen Koͤrper haben ein sehr ungleiches Leitungsvermoͤgen fuͤr die Waͤrme, und im Allgemeinen ist die Leitung durch die dich- teren Koͤrper, namentlich durch die Metalle, schneller, als durch Koͤrper von geringer Dichtigkeit, indeß ist die Folge der Koͤrper nach ihrer Leitungsfaͤhigkeit nicht genau mit der Reihe der Dichtigkeiten uͤbereinstimmend, und Platin leitet zum Beispiel viel schlechter als Silber. Manche sehr bekannte Erfahrungen beruhen auf diesem ungleichen Leitungsvermoͤgen. Wenn wir unter ganz gleichen Um- staͤnden ein Metallstaͤbchen und Holz oder Papier erhitzen, so wagen wir ohne Bedenken die letztern Koͤrper mit der Hand zu beruͤhren, statt daß wir an dem Metalle uns zu brennen fuͤrchten. Dieses haͤngt von der ungleichen Leitungsfaͤhigkeit ab, welche im Metalle auch den entfernten Waͤrmetheilchen einen so schnellen Zutritt zu den beruͤhrenden Theilen meiner Hand gestattet, daß die, lange Zeit durch gleich lebhaft unterhaltene, Mittheilung der Waͤrme des heißen Koͤrpers mir die unangenehme Empfindung des Brennens, die zer- stoͤrende Wirkung auf die Haut, hervorbringt; dem Holze dagegen entreißt meine Hand zwar in den Puncten, wo die Beruͤhrung unmittelbar statt findet, ebensowohl die Waͤrme, aber die so auf die beruͤhrenden Theile der Haut uͤbergehende Waͤrmemenge ist zu geringe, und der aus den entferntern Theilen des Holzes zustroͤmende Vorrath von Waͤrme ist zu unbedeutend, um jene nachtheilige Ein- wirkung auf die Haut hervorzubringen. Darum versehen wir me- tallene Gefaͤße, die wir erhitzt tragen oder sonst behandeln wollen, mit hoͤlzernen Handgriffen oder umwickeln die metallenen Hand- griffe mit Holzspaͤnen, oder legen ein Tuch oder Papier dazwischen. Auf ganz aͤhnliche Art verhaͤlt es sich mit kalten Koͤrpern. Wenn in sehr kalten Tagen Wollenzeug, Holz, Silber, neben einander sehr lange der Kaͤlte ausgesetzt gewesen sind, so haben sie gewiß einerlei Temperatur erlangt, und ein mit jedem von ihnen in enge Beruͤhrung gebrachtes Thermometer zeigt uns auch diese Gleichheit; aber dennoch fuͤhlt sich das Silber sehr kalt an, statt daß das Holz und vollends die Wolle uns gar nicht so sehr unan- genehm ist. Auch hier ist dies die Wirkung der ungleichen Leitung der Waͤrme, indem das Silber die meiner Hand entzogene Waͤrme ziemlich schnell zur Erwaͤrmung der ganzen Masse verwendet, statt daß bei dem Holze und noch mehr bei der Wolle eine sehr lange Zeit vergeht, ehe die entfernteren Theile etwas von der Waͤrme zugefuͤhrt bekommen, die meiner Hand entrissen wird. Man kann an sehr kalten Tagen ein Experiment machen, welches einigermaßen gradweise die ungleiche Waͤrmeleitung nachweiset. Es ist bekannt, daß, wenn man an recht kalten Tagen ein Metall, das sich lange an einem kalten Orte befunden hat, mit nassen Haͤnden beruͤhrt, die Hand anklebt, eigentlich anfriert; dies geschieht schon bei ziem- lich maͤßiger Kaͤlte am Silber, dagegen fordert Zinn groͤßere, Eisen und vollends Messing noch groͤßere Kaͤlte, weil die letzteren Metalle nicht so gute Leiter der Waͤrme sind, als die erstern. Um regelmaͤßige Versuche uͤber die Waͤrmeleitung fester Koͤr- per anzustellen, tauchte Ingenhouß Staͤbe aus verschiedenen Metallen, die mit erhaͤrtetem Wachs uͤberzogen waren, in eine heiße Fluͤssigkeit, und sah das Wachs am Silber am weitesten von der Waͤrmequelle entfernt zum Schmelzen kommen, statt daß Blei am wenigsten weit die hiezu noͤthige Waͤrme annahm. Aber noch besser sind die Versuche so angestellt worden, daß Thermometer in der Metallmasse angebracht, bei verschiedenen Entfernungen von der Waͤrmequelle, die in bestimmten Zeiten erlangten Waͤrme- grade zeigten. Nach solchen Versuchen giebt Despretz an, daß wenn eine Kupferstange am einen Ende immer auf 83° erwaͤrmt erhalten wurde, in 1½ Fuß Entfernung die Temperatur nie uͤber 33° stieg, als die Luft 17° Cent. warm war; bei einer gleichen Bleistange in 1¼ Fuß Entfernung stieg die Waͤrme nie uͤber 28°, bei Marmor in eben der Entfernung nur auf 19°. Holz erwaͤrmt sich in solchen Entfernungen gar nicht mehr, wenn es sich auch am Ende verkohlt. Die Holz-Arten zeigen hier eine eigenthuͤmliche Merkwuͤrdigkeit, naͤmlich die, daß sie nach der Laͤnge der Fasern die Waͤrme viel besser fortpflanzen als senkrecht auf die Fasern, und dies so sehr, daß z. B. Eichenholz an einer Stelle auf 82 Gr. Cent. erhitzt in ¾ Zoll Entfernung 41, in 1½ Zoll Entfernung 17½ Gr. Waͤrme zeigte, wenn der Stab nach der Laͤnge der Fibern geschnit- ten war, dagegen bei fast eben so starker Erwaͤrmung in jenen bei- den Entfernungen nur 23 Gr. und 7½ Gr., wenn der Stab quer auf die Fibern geschnitten war Poggend. Ann. XII. 283. XIV. 594. . Diese Verschiedenheit scheint sehr in Betrachtung zu kommen bei der Kaͤlte, welche die Gewaͤchse im Winter zu ertragen im Stande sind, indem das Innere der Baͤume nur durch eine Leitung quer gegen die Fibern, also sehr langsam, der Abkuͤhlung unterworfen ist, und dieses offenbar vor- theilhaft ist, damit der Wechsel in der Spannung der Gefaͤße nicht sogleich bei jedem Wechsel der Temperatur eintrete, sondern all- maͤhlig und nicht oft wechselnd. Die Baͤume erkalten zwar im Innern bis unter den Gefrierpunct und die Saͤfte sind dann zu Eis geworden, aber es scheint daß jene langsame Leitung hier den- noch von wesentlichem Nutzen ist Eine große Anzahl von Beobachtungen uͤber die Veraͤnderungen der Gewaͤchse bei der Kaͤlte und uͤber ihr Erfrieren, finden sich in: Goͤppert uͤber die Waͤrme-Entwickelung der Pflanzen, ihr Gefrieren u. s. w. Breslau . Max . 1830. , so wie ja auch gefrorne Koͤr- III. D per, Aepfel und dergl. nicht so sehr leiden, wenn man sie in kaltem Wasser sehr langsam sich bis uͤber den Gefrierpunct erwaͤrmen laͤßt. Die Ruͤcksicht auf die Waͤrmeleitung koͤmmt in unzaͤhligen Faͤllen des gemeinen Lebens vor. Unsre warmen Kleider sind dar- um erwaͤrmend, weil sie schlechte Waͤrmeleiter sind, und daher die durch die Lebensfunctionen entwickelte thierische Waͤrme nicht ent- weichen lassen, und wir ziehen daher diejenigen Koͤrper, welche die Waͤrme am schlechtesten leiten, Wolle, Pelzwerk, den uͤbrigen vor. Wir bedecken Koͤrper mit Stroh, um sie gegen den Frost zu sichern, weil Stroh die einmal in jenen Koͤrpern enthaltene Waͤrme nicht leicht entweichen laͤßt; aber ebenso gut koͤnnen wir im Sommer Eiskeller mit Stroh bedecken, um den Zutritt der Waͤrme zu hin- dern. Thon leitet die Waͤrme schlechter als Eisen, daher erwaͤrmt sich ein Ofen mit Thonwaͤnden langsam; aber ist ein russischer Ofen mit 6 Zoll dicken Waͤnden einmal durchgewaͤrmt, so erhaͤlt er sich lange warm, und theilt dem Zimmer lange Zeit Waͤrme mit. Mehrere Schichten schlecht leitender Koͤrper halten die Waͤrme noch besser als eine einzelne dickere Schichte zusammen, theils weil die zwischen den Schichten enthaltene Luft ein schlechter Waͤrmeleiter ist, theils weil die Waͤrme bei jedem Uebergange in einen neuen Koͤrper ein Hinderniß ihres Ueberganges findet und theilweise zu- ruͤckgeworfen wird. In der schlechten Waͤrmeleitung liegt der Grund, warum ein Glas dem Zerspringen durch Erhitzung nicht so sehr ausgesetzt ist, wenn man ein Blatt Papier zwischen das Glas und den heißen Koͤrper legt. Einige Physiker haben die Waͤrmeleitung der Koͤrper darnach zu beurtheilen gesucht, daß sie beobachteten, in welcher Zeit ein Koͤrper gewisse Grade der Erwaͤrmung annaͤhme oder verloͤre; es ist aber offenbar, daß hiebei zwar die Waͤrmeleitung mit in Be- trachtung kommt, aber doch auch noch mehr Umstaͤnde mit einwir- ken, von denen ich bald mehr sagen werde. In den fluͤssigen Koͤrpern wird die Mittheilung der Waͤrme vorzuͤglich durch Stroͤmung bewirkt, und diese richtige Bemerkung fuͤhrte Rumford zu dem unrichtigen Schlusse, daß eine eigent- liche Waͤrmeleitung in fluͤssigen Koͤrpern nicht statt finde. Es ist wahr, daß die durch die Waͤrme ausgedehnten Theilchen des Fluͤs- sigen sogleich nach oben zu fortruͤcken, statt daß die kaͤlteren herab- sinken, daß dadurch eine Mischung der waͤrmern und kaͤltern Theilchen entsteht, und sich schwer beurtheilen laͤßt, in welchem Grade die entferntern fluͤssigen Theile erwaͤrmt werden wuͤrden, wenn die Erhaltung einer voͤlligen Ruhe moͤglich waͤre; indeß setzt doch diese in den fluͤssigen Theilchen bei der Beruͤhrung hervor- gebrachte Erwaͤrmung schon eine Mittheilung, also eine Zuleitung, voraus, und die Meinung, daß fluͤssige Koͤrper im strengsten Sinne die Waͤrme gar nicht leiten, ist fast von selbst widerlegt. Aber langsam und schwach ist die Waͤrmeleitung in fluͤssigen Koͤrpern, und dieses hat Rumford allerdings bewiesen. Als Beweis dafuͤr giebt er mit Recht die Erfahrung an, daß Koͤrper von Feuchtigkeit durchdrungen, wo aber die festen Theile die Bewegung hindern, so sehr langsam erkalten. Es ist bekannt, daß breiartige Speisen, gebratene Aepfel und dergl. im Innern sehr lange heiß bleiben, wenn die Oberflaͤche auch abgekuͤhlt ist, daß hier also die Leitung, die Mittheilung von Theilchen zu Theilchen, sehr schwach ist, wo- durch allerdings gezeigt wird, daß fluͤssige Theilchen wenig zu dieser Mittheilung geeignet sind. Rumford hat dies durch einige merkwuͤrdige Versuche andrer Art noch mehr gezeigt. Er fuͤllte ein 14 Zoll hohes cylindri- sches Gefaͤß mit 6 Pfund kochend heißem Wasser, und legte eine, nach der Weite des Gefaͤßes ausgeschnittene, die Oberflaͤche fast ganz bedeckende, Eisschichte von 3½ Zoll dick, (10⅛ Unzen schwer) oben auf dieses Wasser; das Eis war in nicht voͤllig 3 Minuten ganz zerschmolzen. Wurde dagegen eine eben solche Eisscheibe auf dem Boden des Gefaͤßes befestigt und nun heißes Wasser vorsichtig auf- gegossen Um das Zerspringen des Glases zu hindern, war schon etwas kaltes Wasser oberhalb des Eises, damit das heiße Wasser sich mit diesem mische. , so vergingen 2 Stunden, ehe die Haͤlfte des Eises ge- schmolzen war; ja das Wasser behielt in der Naͤhe des Eises eine so große Waͤrme, daß es in 1 Zoll Entfernung uͤber der Eisflaͤche nach 12 Minuten fast noch ebenso warm als oben, naͤmlich 77° Cent., war, obgleich ganz nahe an der Oberflaͤche des Eises das Wasser bis auf 5° Cent. abgekuͤhlt gefunden wurde. Hier hatte also eine nur sehr schwache Zuleitung der Waͤrme statt gefunden, und die D 2 Schmelzung war, wie Rumford zeigt, vorzuͤglich durch das Hinabsinken der nicht voͤllig bis zum Gefrierpuncte, sondern bis zur groͤßten Dichtigkeit, abgekuͤhlten Wassertheilchen bewirkt; die am Eise anliegenden Theilchen werden naͤmlich abgekuͤhlt, weil aber die ein wenig hoͤher liegenden Theilchen nicht ganz so sehr abgekuͤhlt, schwerer als diese sind, so sinken sie herab, schmelzen das Eis an, und machen, nachdem sie voͤllig die Eiskaͤlte erlangt haben, wieder andern herabsinkenden Wassertheilchen, die nicht ganz so kalt sind, Platz. In der That also zeigt alles dieses, daß die Waͤrme im Wasser nach unten zu sehr langsam fortgepflanzt wird, die nach oben gehende Fortpflanzung gewiß großen Theils auf Stroͤ- mungen beruht Rumfords Versuche stehen vollstaͤndig aufgefuͤhrt in Gilb. Ann. I. 214. 323. Murray's Versuche Gilb. Ann. XIV. 158. . Indeß hat man sich doch bemuͤht zu zeigen, daß eine wirkliche Leitung dennoch in einigem Gr a d statt findet, um Rumfords Behauptung einer so gaͤnzlich fehlenden Leitung zu widerlegen. So zeigt z. B. ein Versuch von Murray die Fortleitung der Waͤrme im Oele, wo ein Hinabsinken waͤrmerer Theile nicht statt findet, weil die Dichtigkeit bei der Abkuͤhlung im- merfort zunimmt. Murray bediente sich eines ausgehoͤhlten Eis- cylinders, in welchen Mandel-Oel gegossen wurde; ein Thermo- meter, dessen Kugel sich 1 Zoll unter der Oberflaͤche des Mandel- Oels befand, war bis auf 0° gesunken, und nun wurde ein Metall- schaͤlchen mit kochendem Wasser gefuͤllt, mit der Oberflaͤche des Oeles in Beruͤhrung gebracht; der Erfolg war, daß das Thermo- meter in 15 Min. um 1 \frac{10}{3} Cent. stieg, und dieses mußte doch als wirklicher Erfolg der Leitung angesehen werden, die freilich sehr schwach ist, wenn wir damit die weit schnellere Fortpflanzung durch feste Koͤrper vergleichen. Auf die Eigenschaft der fluͤssigen Koͤrper, durch ihre Stroͤmun- gen den Koͤrpern Waͤrme zu entziehen, muß man vorzuͤglich Ruͤck- sicht nehmen, wenn man die Abkuͤhlung fester Koͤrper in der Luft richtig beurtheilen will. Diese Abkuͤhlung haͤngt von drei Umstaͤn- den ab, von der durch Strahlung an der Oberflaͤche verloren gehen- den Waͤrme, von der durch Leitung in der Luft, vorzuͤglich durch die in ihr entstandene Stroͤmung, fortgefuͤhrten Waͤrme, und von der Schnelligkeit des Ersatzes an Waͤrme, die aus dem Innern des Koͤrpers der Oberflaͤche zugefuͤhrt wird. Dulong und Petit haben diese Umstaͤnde einzeln beruͤcksichtiget und so die wahren Gesetze der Abkuͤhlung in der Luft gefunden. Um hiebei den Um- stand auszuschließen, daß bei festen Koͤrpern die Waͤrme nicht ohne allen Zeitverlust aus dem Innern zur Oberflaͤche fortgefuͤhrt wird, oder daß die eigenthuͤmliche Leitung nicht so sehr schnell ist, bedien- ten sie sich einer mit Quecksilber gefuͤllten Glaskugel, die dann selbst auch als Thermometer diente und die nach bestimmtem Zeit- verlaufe noch uͤbrige Temperatur angab; Thermometerkugeln von verschiedener Groͤße zeigten ein gleiches Gesetz des Waͤrmeverlustes, indem zum Beispiel bei der einen wie bei der andern der Waͤrme- verlust in 1 Min., wenn die Kugel 100° waͤrmer als der umge- bende Raum war, doppelt so viel betrug als bei einer Erwaͤrmung von 60 Gr. und ungefaͤhr 8 mal so viel als bei einer Erwaͤrmung von 20 Gr. Dieses Gesetz des verhaͤltnißmaͤßigen Fortgangs der Abkuͤhlung blieb auch bei andern in die Kugel eingeschlossenen Fluͤs- sigkeiten gleich, obgleich das Quecksilber sich schneller als Wasser abkuͤhlte und die groͤßere Quecksilberkugel eine laͤngere Zeit zur Ab- kuͤhlung brauchte, als die kleinere. Nach diesen vorlaͤufigen Versuchen, die deutlich anzugeben schienen, daß die innere Leitungsfaͤhigkeit dieser Fluͤssigkeiten keinen erheblichen Einfluß auf das Gesetz der Abkuͤhlung habe, wurden nun zuerst Versuche im luftleeren Raume, wo also bloß durch Aus- strahlung Waͤrme verloren ging, angestellt. Aber hier zeigte sich, daß nicht, wie man gewoͤhnlich annimmt und nach Newtons und Richmanns Regel zu rechnen pflegt, der Waͤrmeverlust in gleichen sehr kurzen Zeiten der Waͤrmedifferenz proportional ist, sondern wenn das Quecksilber 240° warm war, der umgebende leere Raum aber auf 0° erhalten wurde, so betrug der Waͤrme- verlust in jeder Minute 3½ mal so viel, als wenn das Quecksilber 120° war und der leere Raum 0° blieb, und so bei andern Ver- schiedenheiten der Temperatur. Die einfache Regel sollte hier fuͤr eine laͤngere Zeit allmaͤhliger Abkuͤhlung die sein, daß wenn man den Waͤrmeverlust fuͤr 60° Temperatur-Unterschied und fuͤr 80 Gr. Temperatur-Unterschied kennte, man den fuͤr 100 Gr. als in gleichem Verhaͤltnisse wachsend finden sollte, daß naͤmlich, wenn der bei 80° zum Beispiel gleich \frac{7}{6} des Verlustes bei 60° ist, auch wieder der bei 100° Unterschied gleich \frac{7}{6} des Verlustes bei 80° sein sollte; aber dieses Gesetz findet im eingeschlossenen Raume wegen der Zuruͤckstrahlung von dem umschließenden Gefaͤße nicht ganz statt, sondern die Abkuͤhlung geht langsamer fort. Bei den Versuchen von Dulong und Petit findet man, daß hier das Gefaͤß 2 Grad Waͤrme zuruͤckgab, so daß man, wenn die Kugel 80° warm, das Gefaͤß auf 0° abgekuͤhlt war, den Waͤrmeverlust in 1 Min. im offenen Raume = 3,7 Gr. setzen mußte, da er sich im Gefaͤße 1,7 Gr. fand. Hier ergab sich nun, daß bei einer um 20 Gr. zunehmenden Waͤrmedifferenz der Verlust in 1 Min. um ein Sechstel stieg, also \frac{7}{6} ⋅ 3,7 = 4,3 Gr. im ganz unbegrenzten Raume gewesen waͤre, also nur = 2,3 Gr. in jenem begrenzten Raume. Ebenso rechnet man wieder, wenn die Kugel 120° warm ist und der umgebende Raum 0° bleibt, daß \frac{7}{6} ⋅ 4,3 = 5,0 Gr. Verlust im leeren Raume, = 3,0 Gr. in dem Gefaͤße sein muͤßte; bei 140° wieder 5,0 ⋅ \frac{7}{6} = 5,8, also im Gefaͤße 3,8 und so weiter, und so ergaben es auch die Versuche. Es versteht sich von selbst, daß diese Herabsetzung der Abkuͤhlung nicht in allen Faͤllen 2 Gr. betraͤgt, sondern mehr betraͤgt, wenn das Gefaͤß waͤr- mer ist, so daß bei 20 Gr. Waͤrme des Gefaͤßes und 100 Gr. Waͤrme des abkuͤhlenden Koͤrpers die Abkuͤhlung etwas langsamer geht, als wenn jene 0° und diese 80° ist. Wenn die Thermometerkugel mit Silber uͤberzogen, also gegen das Ausfließen sowohl als gegen das Eindringen der strahlenden Waͤrme mehr gesichert war, so betrug die Abkuͤhlung nicht so viel, und auch der Einfluß des Gefaͤßes war geringer. Bei den von Dulong und Petit angestellten Versuchen war die strahlende Waͤrme 5½ mal so groß, wenn eine reine Glas-Oberflaͤche, als wenn eine mit Silber uͤberzogene Glas-Oberflaͤche angewandt ward, und nach Leslie's Versuchen bei polirtem Silber noch bedeutend groͤßer. Jene Regel gilt offenbar in Ruͤcksicht auf die bestimmten Zahlen nur unter den Umstaͤnden, die bei dem Versuche gerade statt fanden; aber die Regel, daß man bei gleicher Zunahme der Waͤrme- Unterschiede mit einer immer gleichen Zahl multipliciren muß, um den Waͤrmeverlust im leeren Raume zu finden, besteht fuͤr alle Faͤlle. In der Luft koͤmmt die oben erwaͤhnte zweite Ursache der Ab- kuͤhlung hinzu, und man kann den Waͤrmeverlust in 1 Min. an- sehen als zusammengesetzt aus dem, was im leeren Raume statt finden wuͤrde, und aus dem Antheil Waͤrme, den die Luft fortfuͤhrt. Dieser letztere Antheil ist gleich, es mag die Glas-Oberflaͤche frei oder mit Silber belegt sein; dieser hat also mit der groͤßern oder geringern Neigung, die Waͤrme strahlend zu entlassen, keine Ver- bindung; aber in verschiedenen Luft-Arten ist dieser durch die Luft bewirkte Waͤrmeverlust ungleich, und besonders im Wasserstoffgas sehr groß, indem er dort uͤber dreimal so viel als in der atmosphaͤ- rischen Luft bei gleicher Elasticitaͤt beider Luft-Arten betraͤgt Ann. de Chim. et Phys. VII. 238. . Mit Huͤlfe dieser Versuche ließen sich nun auch aus den mit unermuͤdlichem Fleiße angestellten Versuchen Boͤckmanns Boͤckmanns Versuche uͤber die Waͤrmeleitung. Carlsruhe 1812. uͤber die Abkuͤhlung der Koͤrper etwas regelmaͤßigere Resultate ab- leiten. Auch sie zeigen den Einfluß der Oberflaͤche auf die durch Strahlung verloren gehende Waͤrme; aber die drei bei der Abkuͤh- lung einwirkenden Ursachen sind hier nicht gehoͤrig getrennt, und daher haben diese an sich hoͤchst schaͤtzenswerthen Versuche nur wenig reine Ergebnisse geliefert. Fouriers Untersuchungen uͤber die Fortpflanzung der Waͤrme . Man hat fruͤher nur wenige Versuche gemacht, diese Fort- pflanzung der Waͤrme nach mathematischen Regeln zu bestimmen, und ich werde daher nur von dem etwas erwaͤhnen, was in neuerer Zeit hieruͤber von Fourier als Resultat sehr tiefsinniger Unter- suchungen bekannt gemacht ist, obgleich Fouriers Untersuchungen zum Theil schon von Newton und nachher von Lambert und andern Physikern (jedoch nur sehr unvollkommen,) vorbereitet wor- den sind. Damit man das, was hier bestimmt werden soll, richtig auf- fasse, stellt Fourier zuerst folgende Betrachtungen an. Wenn ein Ring, zum Beispiel ein metallener Ring, einer Luft von 0° Waͤrme ausgesetzt ist, und diesem an einer einzigen Stelle aus einer dort angebrachten Waͤrmequelle unaufhoͤrlich Waͤrme zustroͤmt, so werden nach und nach wegen der Waͤrmeleitung auch die entfernte- ren Theile des Ringes eine hoͤhere Temperatur annehmen. Aber diese Temperatur-Erhoͤhung (abgesehen davon, worauf ich erst in der Folge komme, daß gleiche Waͤrmequantitaͤten nicht in allen Koͤrpern verschiedener Art gleiche Temperatur-Erhoͤhungen hervor- bringen,) ist von zwei Umstaͤnden abhaͤngig, theils von jenem Her- zustroͤmen der Waͤrme im Innern, theils von dem Verluste an Waͤrme, der durch Ausstrahlung und durch die umgebende kalte Luft hervorgebracht wird. Nach laͤngerer Dauer der Einwirkung jener stets gleichen Waͤrmequelle entsteht ein Beharrungsstand, das heißt, Thermometer in verschiedenen Puncten des Ringes ange- bracht, haben nun die Hoͤhe erreicht, welche sie uͤberhaupt erlangen koͤnnen, und wir fordern von der Theorie, daß sie angebe, in wel- chem Grade ungleich dann die Temperatur in den verschiedenen Puncten des Ringes ist, unter welchen Umstaͤnden die von der Waͤrmequelle her zustroͤmende und die an der Oberflaͤche in die kalte Luft sich zerstreuende Waͤrme sich einander genau ausgleichen. Eine andre Frage wuͤrde die sein, wie im Fortgange der Zeit, ehe der Beharrungsstand erreicht wird, sich in einem bestimmten Puncte die Waͤrme aͤndert, und so auch, wie, bei aufhoͤrendem Zufluß neuer Waͤrme, die nun allmaͤhlig abnehmende, doch aber von dem erhitzten Puncte aus sich noch verbreitende, Temperatur sich ver- haͤlt. Die Beantwortung dieser und aͤhnlicher Fragen haͤngt von der Kenntniß der Mittheilung der Waͤrme von Theilchen zu Theil- chen im Innern des festen Koͤrpers, aber auch von der Kenntniß des Waͤrmeverlustes an der Oberflaͤche, ab; dieser Waͤrmeverlust besteht theils aus der ausstrahlenden Waͤrme, theils aus der den unmittelbar anliegenden Theilchen mitgetheilten Waͤrme, und diese letztere ist wegen des entstehenden Stroͤmens und der dadurch be- wirkten Herzufuͤhrung kalter, abermals Waͤrme raubender, Theil- chen ein vorzuͤglicher Grund der schnellen Abkuͤhlung. Auch im Innern der Koͤrper kann man die Fortpflanzung der Waͤrme von einem Theilchen zum andern als durch Strahlung entstehend ansehen, nur findet hier die Verschiedenheit statt, daß die durch unmerklich kleine Zwischenraͤume getrennten Theilchen fester Koͤrper die durch Strahlung auf sie fallende Waͤrme sogleich aufnehmen und am weitern Fortgange als strahlende Waͤrme hin- dern. Da wo die Waͤrme aus dem Innern des Koͤrpers hervor- zudringen im Begriff ist, wird sie zum Theil nach dem Innern des Koͤrpers zuruͤckgeworfen, und eben die Kraft, welche die von außen kommenden Waͤrmestrahlen zum Theil reflectirt und am Eindrin- gen hindert, bewirkt auch hier eine Zuruͤckwerfung nach dem In- nern. Fourier setzt umstaͤndlich aus einander, daß die Waͤrme- strahlen, welche von innen hervordringend die Oberflaͤche senkrecht treffen, diese in verhaͤltnißmaͤßig groͤßerer Zahl durchdringen, und daß die Intensitaͤt der hervordringenden Waͤrme proportional der gegen die Oberflaͤche senkrechten (aus der Zerlegung der wahren Bewegung als senkrecht gegen die Oberflaͤche hervorgehenden) Ge- schwindigkeit ist. Diese Betrachtungen beruhen auf dem vorhin angegebenen gegenseitigen Austausche, der zwischen Koͤrpern von gleicher Temperatur statt findet, und der ohne Zweifel einen gegen- seitigen Ersatz der verlornen Waͤrme giebt, die Gestalt der Koͤrper und die Beschaffenheit ihrer Oberflaͤche sei, welche man wolle. Als Princip der Mittheilung der Waͤrme nimmt Fourier an, daß sie dem Unterschiede der Temperaturen verhaͤltnißmaͤßig sei. Wenn zwei einander sehr nahe Theilchen eines festen Koͤrpers in verschiedenen Faͤllen um gleich viel an Waͤrme verschieden sind, so ist die dem einen Puncte ertheilte Veraͤnderung der Temperatur gleich groß, beide Koͤrper moͤgen sehr warm oder wenig warm sein; ist die Differenz der Temperatur doppelt so groß, so ist auch die in gleicher, kurzer Zeit vom einen Puncte dem andern ertheilte Waͤrme doppelt so groß, und so in allen Faͤllen. Eben dieses Gesetz koͤnnen wir auch als fuͤr den Waͤrmeverlust an der Oberflaͤche geltend an- sehen, daß naͤmlich bei einerlei Koͤrpern sich dieser Waͤrmeverlust verhaͤlt wie der Unterschied der Temperatur des Koͤrpers selbst und des umgebenden Raumes; ganz genau kann dies Gesetz nicht guͤltig sein, da die Staͤrke des Luftstromes, wenn der Koͤrper in der Luft abkuͤhlt, sich bei zunehmender Differenz der Waͤrme aͤndert, aber es wird bei nicht zu großen Temperatur-Unterschieden guͤltig bleiben. Aus diesem Grunde geht die Abkuͤhlung nach und nach immer langsamer fort, indem der 20 Grad uͤber die Temperatur der Luft erwaͤrmte Koͤrper doppelt so viel Waͤrme verliert, als der nur noch um 10 Grad erwaͤrmte. Die einfachste Betrachtung, die in Hinsicht auf die Waͤrme- leitung vorkommen kann, findet da statt, wo ein sehr breit aus- gedehnter Koͤrper durch zwei parallele Oberflaͤchen begrenzt wird, deren eine in immer gleicher hoher Temperatur, die andre in immer gleicher niedriger Temperatur erhalten wird. Hier zeigt die Theo- rie, daß, nach laͤngerer Dauer des von außen unterhaltenen Zu- standes, die Abnahme der Temperatur in den zwischen liegenden Schichten den Abstaͤnden proportional ist, also in der mittlern Schichte genau die mittlere Temperatur zwischen jenen aͤußersten statt findet. Dies gilt naͤmlich da, wo die Seitengrenzen des nach allen Seiten sehr weit ausgedehnten Koͤrpers so sehr entfernt sind, daß man den Einfluß der durch jene Seitengrenzen verloren gehen- den Waͤrme als nicht in Betrachtung kommend ansehen kann. Daß dieses so ist, wird durch die Gleichheit der von einer Seite zustroͤmenden und von der andern Seite abfließenden Waͤrme bewie- sen. Es wird auch gezeigt, daß dieser Waͤrmestrom in irgend einer Zwischenschichte desto lebhafter ist, je groͤßer die Waͤrmedifferenz der beiden Grenzschichten und je kleiner der Abstand derselben von ein- ander ist. Alle diese Folgerungen sind sehr einfach, doch aber durch die genaue theoretische Ableitung merkwuͤrdiger, da der Grund, war- um sie statt finden, hier strenge erhellt. In diesem Falle konnten wir die Stroͤmung der Waͤrme als nur nach einer Richtung gehend ansehen, da die so breit aus- gedehnten Grenzflaͤchen uns gestatteten, die Seitenflaͤchen als gar nicht einwirkend anzusehen; der folgende Fall ist schwieriger. Es sei ein sehr langer Stab, dessen eines Ende immer gleich warm erhalten wird, waͤhrend seine uͤbrige Oberflaͤche sich in der kalten Luft befindet. Hat hier die allmaͤhlige Erwaͤrmung der entferntern Theile einen gewissen Grad erreicht, so verlieren alle Puncte der Oberflaͤche Waͤrme, die in die Luft uͤbergeht, und wenn wir irgend- wo uns eine Querschnittsflaͤche des Stabes denken, so geht durch diese in jedem Augenblicke eine gewisse Waͤrmemenge von der Waͤrmequelle aus hindurch, theils um den an der Oberflaͤche des entfernteren Theiles statt findenden Waͤrmeverlust zu ersetzen, theils um diesen entferntern Theil nach und nach mehr zu erwaͤrmen. Dauert dieses eine sehr lange Zeit durch fort, so daß die Erwaͤr- mung am einen Ende unveraͤndert erhalten wird, und auch die umgebende Luft unerwaͤrmt ihre niedrigere Temperatur behaͤlt, so tritt immer mehr und mehr der Beharrungsstand in dem ganzen Stabe ein, welcher dann statt findet, wenn die in irgend einem Querschnitte durchstroͤmende Waͤrmemenge gerade so groß ist, als der gesammte im jenseitigen Theile statt findende Waͤrmeverlust, der naͤmlich durch den Uebergang der Waͤrme in die Luft hervor- gebracht wird. Fuͤr diesen Beharrungsstand ist also die durch irgend einen Querschnitt stroͤmende, nach der Richtung des Stabes fort- gehende, Waͤrmemenge um so viel groͤßer als die durch einen ent- fernteren Querschnitt stroͤmende, als der Waͤrmeverlust durch die zwischen beiden Querschnitten liegende Oberflaͤche betraͤgt; und in dieser Regel ist die rechnende Bestimmung der fuͤr jeden Querschnitt passenden Temperatur im Beharrungsstande gegeben. Die Waͤrme, die man fuͤr den Beharrungsstand in bestimmten Entfernungen von der Waͤrmequelle erhaͤlt, ist groͤßer bei dickeren Staͤben, von aͤhnlichen Querschnitten, weil da der Verlust an die Luft in Ver- gleichung gegen die im Innern fortstroͤmende Waͤrme geringer ist; die oft angefuͤhrte Erfahrung, daß ein bis zum Gluͤhen erhitzter Eisenstab in 6 Fuß Entfernung sich kaum um 1° erhitzt, wuͤrde bei sehr dicken Staͤben sich nicht ganz bestaͤtiget finden, sondern da wuͤrde eine groͤßere Waͤrme in gleichen Entfernungen fuͤhlbar sein. — Eben die Bemerkung gilt also auch in Beziehung auf die vorhin angefuͤhrten Versuche von Despretz . Eine dritte von Fourier angestellte Betrachtung betrifft die Frage, welche Erwaͤrmung die Luft in einem eingeschlossenen Raume annehmen wird, wenn die umschließende Huͤlle außen mit kalter Luft umgeben ist, im Innern jener zu erwaͤrmenden Luft aber sich ein heißer Koͤrper befindet. Daß hier nach erlangtem Beharrungsstande der Unterschied der Temperatur, um welchen die Luft im Innern die aͤußere an Waͤrme uͤbertrifft, dem Waͤrme- Unterschiede der Waͤrmequelle und der aͤußern Luft proportional sein muß, erhellt von selbst; aber nicht so unmittelbar leuchtet es ein, warum zwei gleiche Waͤrmequellen nicht geradezu jene Erwaͤrmung der innern Luft (den Temperatur-Unterschied zwischen ihr und der aͤußern) verdoppeln. Und doch sieht man auch hier leicht ein, daß bei hoͤher steigender Waͤrme der innern Luft auch der Waͤrmeverlust durch die aͤußere Wand hindurch zunimmt, weshalb jene Steigerung der Waͤrme, durch zwei Waͤrmequellen hervorgebracht, um so weiter von der Verdoppelung der Waͤrmezunahme entfernt bleiben wird, je besser die aͤußere Wand geneigt ist, die ihr zustroͤmende Waͤrme von innen aufzunehmen, in ihrer eignen Masse fortzuleiten, und außen wieder zu entlassen; nur da also, wo die Umhuͤllung aus einer schlecht leitenden Materie besteht, und wo sie innen und außen eine polirte Oberflaͤche hat, um das Aufnehmen und Entlassen der Waͤrme zu erschweren, kann man einigermaaßen darauf rechnen, daß zwei Waͤrmequellen, drei Waͤrmequellen u. s. w. in regelmaͤßi- ger Steigerung die Temperatur des innern Raumes uͤber die der aͤußeren Luft erheben. — Freilich Folgerungen, die sich fast von selbst zu verstehen scheinen, die aber doch, was die genaue Maaß- bestimmung betrifft, erst theoretisch gefunden werden mußten. — Und ebenso wie hier die Wirkung mehrerer Waͤrmequellen bestimmt wird, so laͤßt sich auch der Vortheil, den mehrere Umhuͤllungen gewaͤhren, durch die hier angedeutete Rechnung angeben, und be- stimmen, in welchem Maaße die Waͤrmequelle weniger Waͤrme verliert, wenn der sie umgebende Raum durch eine Umhuͤllung oder durch mehrere Umhuͤllungen gegen den Waͤrmeverlust gesichert ist, als im entgegengesetzten Falle. Fourier bemerkt mit Recht, daß zwar im Allgemeinen auch ohne genauere Theorie erhellete, daß ein solcher Unterschied statt finden muͤsse; aber daß die Abmessung dieses Unterschiedes doch erst sich aus einer strengen Theorie ergebe. Diese Untersuchungen betrafen den nach laͤngerer Einwirkung gleichmaͤßiger Waͤrme allemal eintretenden Beharrungsstand der Waͤrme; aber auch von den Gesetzen der nach und nach erfolgenden Veraͤnderungen des Waͤrmezustandes handeln Fouriers Unter- suchungen. Ich will in Beziehung auf diese nur den Fall erwaͤh- nen, wo ein kreisfoͤrmiger Ring, dessen einzelne sehr kleine Quer- schnitte in jedem Puncte gleich erwaͤrmt sind, an verschiedenen Puncten einen beliebigen Grad ungleicher Waͤrme erhalten hat, waͤhrend er einer kalten Luft ausgesetzt ist. Wir nennen den Zu- stand den anfaͤnglichen Zustand, fuͤr den wir die Austheilung der Waͤrme als durch irgend ein Mittel willkuͤrlich hervorgebracht an- sehn, und fragen nun, wie die Austheilung der Waͤrme sich im Laufe der Zeit aͤndert. Faͤnde an der Oberflaͤche gar keine Zer- streuung der Waͤrme statt, so wuͤrde die Austheilung der Waͤrme, sofern sie im anfaͤnglichen Zustande ungleich war, im Laufe der Zeit eine andre, mehr zur Gleichheit hinneigende, werden, und die Theorie muß lehren, das Gesetz der Austheilung der Waͤrme zu bestimmen. Hier ergiebt nun die Rechnung den merkwuͤrdigen Schluß, daß die Regel der Waͤrme-Austheilung in den verschiede- nen Gegenden des Ringes dieselbe bleibt, es mag ein Verlust an der Oberflaͤche statt finden oder nicht. Man kann diese Regel so uͤbersehn. Da wir den Ring als sehr duͤnne ansehen, um jeden einzelnen Querschnitt als in allen Puncten gleich erwaͤrmt betrach- ten zu duͤrfen, so ist hier von einem Unterschiede der Waͤrme nach Maaßgabe des tiefern Eindringens in das Innere nicht die Rede, das Gesetz der Waͤrme-Austheilung bezieht sich also nur auf die Laͤnge des Ringes. War nun zu Anfang der Ring uͤberall gleich erwaͤrmt, so bleibt diese Waͤrme ungeaͤndert gleich, wenn die Ober- flaͤche gar keinem Verluste ausgesetzt ist, sie erleidet dagegen uͤberall eine Verminderung, ist aber doch in den verschiedenen Puncten in jedem folgenden Augenblicke gleich viel vermindert, wenn ein Ver- lust an der Oberflaͤche statt findet, und das Gesetz der Austheilung ist in beiden Faͤllen das Gesetz der Gleichheit. Ebenso, wenn ge- wisse erwaͤrmte Querschnitte den uͤbrigen Waͤrme mittheilen, so wuͤrde es, bei gaͤnzlich weggedachtem Verluste an der Oberflaͤche, Puncte geben, die in bestimmtem Maaße minder erwaͤrmt, andre die noch weniger erwaͤrmt waͤren; und eben dieses Gesetz der Er- waͤrmung findet ungeaͤndert, obgleich mit herabgesetzter Waͤrme fuͤr alle Puncte, statt, wenn die Oberflaͤche Waͤrme verliert. Dieses Gesetz der Austheilung der Waͤrme ist im ganzen Ver- laufe der allmaͤhligen Ausgleichung der Waͤrme ein anderes, je nachdem die anfaͤngliche Erhitzung eine andre war, indem zum Beispiel bei anfaͤnglicher Erhitzung in einem Puncte das Gesetz der Austheilung auch spaͤterhin anders sein muß, als bei der anfaͤng- lichen Erhitzung in zwei oder drei Puncten. Dieses Gesetz der Austheilung der Waͤrme ist gewoͤhnlich im Fortgange der Zeit ver- aͤnderlich, weil, zum Beispiel wenn nur ein Punct erhitzt war, spaͤterhin eine mehr zur Gleichfoͤrmigkeit hinneigende Austheilung der Waͤrme statt findet; aber die Rechnung giebt an, daß es gewisse Gesetze der Austheilung der Waͤrme giebt, wo schon im ersten Au- genblicke die Austheilung so ist, daß sie auch nachher, den Verhaͤlt- nissen nach ebenso, obgleich dem Grade nach abnehmend, fortbeste- hen muß. An diese Faͤlle knuͤpft sich das Gesetz der im Fortgange der Zeit eintretenden Austheilung der Waͤrme auch fuͤr alle andern, regelmaͤßig oder unregelmaͤßig ertheilten, anfaͤnglichen Erhitzungen an, indem ein Hinstreben zu derjenigen Austheilung der Waͤrme, wie sie den vorhin erwaͤhnten Faͤllen entspricht, auch in allen uͤbri- gen Faͤllen statt findet. Wenn eine dauernd wirkende Waͤrmequelle an einem Puncte des Ringes, oder mehrere immerfort wirkende Waͤrmequellen an verschiedenen Puncten des Ringes angebracht sind, so tritt auch hier ein Beharrungsstand ein und die Theorie fuͤhrt hier auf fol- genden Satz, den Fourier durch Versuche als wahr nachgewiesen hat: Wenn man den zwischen zwei Waͤrmequellen liegenden Theil des Ringes in mehrere gleiche Theile theilt, und die Temperatur dreier auf einander folgender Theilungspuncte bestimmt, so ist die Summe der Thermometerstaͤnde der beiden aͤußersten ein gleiches Vielfaches des mittlern, man mag den Versuch auf den ersten, zweiten, dritten, oder auf den zweiten, dritten, vierten, oder auf den dritten, vierten, fuͤnften dieser Puncte u. s. w. beziehn. Ein ebenso merkwuͤrdiges von Fourier durch Versuche bestaͤtigtes Theorem ist dieses: Wie man auch den Ring in verschiedenen Puncten durch mehrere Waͤrmequellen erwaͤrme, so vergeht, nach der Wegnahme der Waͤrmequellen, nur eine kurze Zeit bis die Waͤrme-Austheilung so ist, daß die Summe der Thermometer- staͤnde in zwei entgegengesetzten Puncten des Durchmessers gleich ist, das heißt, Thermometer auf 0° und 180°, auf 35° und 215°, auf 90° und 270°, geben, die ersten zwei, und jede folgenden zwei, immer gleiche Summen. Dieses Theorem beruht darauf, daß die hierin angezeigte Austheilung der Waͤrme diejenige ist, die dem einfachsten Gesetze entspricht, das ich vorhin als ein solches erwaͤhnte, welches, einmal entstanden, waͤhrend der ganzen Abkuͤhlung fort- dauert. In den Versuchen, die sich auf das erste Theorem beziehen, bietet sich ein Mittel dar, das Verhaͤltniß der Leitung in dem Ringe selbst zu dem Ausstroͤmen von der Oberflaͤche anzugeben, indem je staͤrker das Ausstroͤmen von der Oberflaͤche ist in Vergleichung gegen die innere Leitung, desto groͤßer ist der Multiplicator, mit welchem man die Grade des mittlern Thermometers multipliciren muß, um die Summe der Grade der beiden naͤchsten zu erhalten. Diese wenigen Bruchstuͤcke aus Fouriers Untersuchungen muͤssen hier wohl hinreichen, um nur von dem Inhalte derselben einen Begriff zu geben. Daß die Wichtigkeit dieser Untersuchungen nicht ganz so anerkannt wird, wie sie es verdienten, daß man die von Fourier bei Gelegenheit der Theorie der Waͤrme bekannt gemachten großen Erweiterungen der Lehren der hoͤhern Analysis fast als sein einziges Verdienst ansieht, scheint mir daher zu kom- men, daß sich die theoretischen Folgerungen nicht so durch Versuche bestaͤtigen lassen, wie es in der Lehre vom Lichte so oft der Fall ist. Die Gesetze, nach welchen die Waͤrme in den einzelnen Puncten des Koͤrpers sich austheilt, und nach welchen diese Austheilung von einem Augenblicke zum andern sich aͤndert, sind durch Versuche schwer nachzuweisen, indem die thermometrischen Messungen weder schnell genug noch zahlreich genug angestellt werden koͤnnen. Das wich- tige Theorem, daß sich der Zustand der Waͤrme immer sehr bald so ordnet, daß er entweder als einem der Zustaͤnde gemaͤß oder als einer Zusammensetzung der Zustaͤnde entsprechend angesehen werden kann, die bei der Abkuͤhlung, in Ruͤcksicht auf das Verhaͤltniß der Temperatur der einzelnen Puncte, gleichmaͤßig fortdauern, laͤßt sich fast einzig in den Faͤllen nachweisen, wo die Austheilung der Temperatur schon sehr einfachen Gesetzen folgt, und wo daher jenes Theorem nur ein sich fast von selbst verstehendes Resultat giebt. Waͤre es dagegen moͤglich, die Erwaͤrmung jedes Punctes ganz genau nach einer solchen Regel zu ordnen, wie es einem solchen Zustande gemaͤß waͤre, und dann zu beobachten, ob bei der Abkuͤh- lung sich eben das Gesetz der Waͤrme-Austheilung, der fortdauern- den Verminderung ungeachtet, erhaͤlt; oder koͤnnte man vollends jedem Puncte eine Waͤrme ertheilen, wie sie der Summe gemaͤß waͤre, die zwei oder drei solchen Waͤrme-Austheilungen entspraͤche, und beobachten, ob im Fortgange der Zeit die uͤberall verminderte Waͤrme sich noch immer jener Summe gemaͤß, den Verhaͤltnissen nach, zeigte; so wuͤrde von einer eigentlichen Vergleichung der Theorie mit der Erfahrung die Rede sein koͤnnen. Aber solche Versuche anzustellen, ist bis jetzt unmoͤglich, und wir muͤssen uns mit weit unvollkommnern begnuͤgen. Fourier hat aͤhnliche Untersuchungen, wie die uͤber die Austheilung der Waͤrme in einem Ringe, auch uͤber die Austheilung der Waͤrme in einer Kugel, in einem prismatischen Koͤrper u. s. w. angestellt, die der Hauptsache nach zu ganz aͤhnlichen Resultaten fuͤhren. Poisson hat einige Gegenstaͤnde durch eine anders an- geordnete Darstellung noch mehr zu erlaͤutern gesucht, aber seine Darstellung hier mitzutheilen scheint mir unnoͤthig, da sie bei wei- tem nicht so umfassend und reich an Resultaten ist, als Fouriers Untersuchungen Fourier théorie de la chaleur. p. 281. 364. und an mehrern Stellen. Wenn man sich mathematisch ausdruͤcken darf, so heißt das oben angegebene vorzuͤglich wichtige Gesetz etwas deutlicher so: Die nach Verlauf einer bestimmten Zeit fuͤr jeden Punct des Koͤrpers statt fin- dende Waͤrme wird durch eine Reihe ausgedruͤckt, p . 273, deren folgende Glieder bei zunehmenden Werthen der Zeit sehr abnehmen; jedes dieser Glieder allein druͤckt einen solchen im Verlaufe der Zeit dem Verhaͤlt- nisse nach gleich bleibenden Zustand der Waͤrme aus, indem es bloß durch einen mit wachsender Zeit abnehmenden Factor multiplicirt wird und weiter nicht von der Zeit abhaͤngt; dieser Factor nimmt fuͤr den Zustand, den ich den zweiten regelmaͤßigen nennen darf, viel staͤrker ab, als fuͤr den ersten, fuͤr den dritten noch staͤrker, und so ferner; und daher schließt sich, wie sehr auch anfangs der Zustand ein zusammen- gesetzter, einer Summe vieler Glieder entsprechender, gewesen sein mag, im Verlaufe laͤngerer Zeit der Waͤrmezustand des nach und nach abge- kuͤhlten Koͤrpers je mehr und mehr dem ersten regelmaͤßigen Zustande an, demjenigen naͤmlich, der den mit dem Fortgange der Zeit am we- nigsten abnehmenden Factor hat. Fourier vergleicht diese sich in eine Summe vereinigenden Aenderungen mit den Schwingungen der Seiten, die dem Grundtone und den zugeordneten hoͤheren Toͤnen ent- sprechen koͤnnen. Mem. de l'acad. des sc. Tome V. p . 233. — — Ich hoffe, daß man diese Andeutungen als den Sinn der Unter- suchungen Fouriers richtig angebend anerkennen wird. . Fuͤnfte Vorlesung . Nachdem ich Sie, m. h. H., so oft schon mit Abmessungen der Waͤrme unterhalten habe, ist es wohl Zeit, einmal zu der Frage uͤberzugehen, ob denn unsre Quecksilberthermometer wirklich so zu Abmessung der Temperatur-Unterschiede geeignet sind, wie wir es annehmen, ob diese Unterschiede der Temperatur mit den Unter- schieden der den Koͤrpern zugefuͤhrten wahren Waͤrmemenge in un- mittelbarer Beziehung stehen, u. s. w. Bestimmungen der Grade wahrer Waͤrmedifferenzen . Es bietet sich uns ein leichter Versuch dar, um Grade wahrer Waͤrme-Unterschiede zu erhalten, indem doch wohl ganz gewiß ein Pfund Wasser von 10 Gr. Waͤrme mit einem Pfunde Wasser von 30 Gr. Waͤrme gemischt eine Mischung von 20 Gr. geben muß, weil hier gar kein Grund einzusehen ist, warum das waͤrmere Wasser nicht genau ebenso viel zu Erwaͤrmung des kalten als dieses zu Abkuͤhlung des warmen beitragen sollte. Ebenso muß ganz gewiß 1 Pf. Wasser von 10 Grad mit 2 Pf. Wasser von 40 Gr. gemischt eine 30 Gr. warme Mischung hervorbringen, da das eine Pfund 20 Grade empfaͤngt, wenn jedes der zwei Pfunde 10 Gr. abgiebt. Und ebenso wird man in jedem Falle urtheilen, daß z. B. 5 Pf. von 17 Gr. und 7 Pf. von 50 Gr. eine Mischung von 36¼ Gr. hervor- bringen, indem der Unterschied zwischen 17 und 50 in 12 Theile getheilt und deren 7 genommen und zu 17 Gr. gelegt 17 + \frac{33}{12} . 7 = 36¼ geben, oder 5.17 + 7.50 = 12.36¼. Hier bietet sich also die mannigfaltige Gelegenheit dar, um zu sehen, ob das Quecksilberthermometer oder das Luftthermometer die Grade wahrer Waͤrme wirklich angiebt, die es angeben sollte, und dies ist eine der Methoden, die die Zuverlaͤssigkeit dieser Thermometer gezeigt haben. Um den Versuch, zwei ungleich warme Wassermengen zu mischen und ihre mittlere Waͤrme zu bestimmen, genau anzustellen, bedarf es einiger Vorsicht. Denn, wollte man das waͤrmere Wasser zu dem kaͤltern gießen, dessen Gefaͤß also auch kaͤlter ist, so wuͤrde III. E einige Waͤrme auf die Vermehrung der Temperatur des Gefaͤßes verwandt werden muͤssen, und bei der Mischung im warmen Ge- faͤße wuͤrde das Umgekehrte erfolgen; man bedient sich daher am liebsten eines Gefaͤßes, dem die nach den vorigen Angaben berechnete mittlere Temperatur schon im Voraus ertheilt ist, und vermeidet so den fuͤr die Erwaͤrmung oder Abkuͤhlung des Gefaͤßes erforder- lichen Waͤrme-Aufwand. Kann man dann zugleich den Versuch in einer umgebenden Luft von dieser mittleren Waͤrme anstellen, so vermeidet man auch den groͤßten Theil der Unsicherheit, die sonst aus der waͤhrend der Mischung unvermeidlichen Abkuͤhlung, wenn man hoͤhere Temperaturen des Wassers als der Luft hat, ent- springt. Mischungen ungleicher Koͤrper . Specifische Waͤrme . Aber so einfach hier bei Mischung gleicher Koͤrper die den Ver- haͤltnissen der Massen entsprechende mittlere Temperatur gefunden wird, so wuͤrde man doch sehr irren, wenn man diese Berechnung der mittlern Temperatur auch auf ungleiche Koͤrper ausdehnen wollte. Wenn man ein Pfund Wasser mit einem Pfunde Terpentin-Oel mischt, so hat die Mischung, auch bei aller angewandten Sorgfalt, nicht die mittlere Temperatur; sondern bei dieser Mischung gewinnt das Oel an Temperatur mehr als das Wasser verliert, so daß Terpentin-Oel von 30 Gr. mit ebenso viel Wasser von 90 Grad gemischt, eine Mischung von ungefaͤhr 70 Gr. giebt, daß also das Oel zwei Grade Waͤrme gewinnt fuͤr einen, den das Wasser verliert. Dieser Versuch zeigt, daß die Zunahme der Temperatur nicht in allen Koͤrpern durch gleiche Mengen Waͤrmestoff in gleichem Maaße bewirkt wird, sondern daß es eine specifische Verschiedenheit der Koͤrper in dieser Hinsicht giebt. Auch ein andrer Versuch zeigt diese Verschiedenheit. Wenn man in gleichen Gefaͤßen uͤber moͤg- lichst gleichen Weingeistflammen gleiche Mengen Terpentin-Oel im einen und Wasser im andern erhitzt; so steigt die Waͤrme des erstern weit schneller als die des letztern, und man wuͤrde ziemlich nahe zu der Folgerung geleitet werden, daß ein Pfund Wasser zwei Flam- men bedarf, um eben die Temperatur zu erhalten, die ein Pfund Oel durch eine Flamme in gleicher Zeit erhaͤlt. Aehnliche Verschie- denheiten zeigen sich bei allen Koͤrpern, und man legt jedem daher eine specifische Waͤrmecapacitaͤt bei. Ein Koͤrper, der bei gleicher Masse und gleich viel zugefuͤhrter Waͤrme sich doppelt so sehr erhitzt als ein andrer, hat eine halb so große specifische Waͤrme- capacitaͤt als dieser. Man vergleicht die specifische Waͤrme mit der des Wassers, und wuͤrde also, wenn nicht die Mischungen oft aus andern Gruͤnden zu unsichern Resultaten fuͤhrten, die spe- cifische Waͤrme am leichtesten durch Mischung gleicher Gewichte warmen Wassers mit einem kalten Koͤrper finden, indem, bei Gleichheit der Gewichte, der Koͤrper, dessen specifische Waͤrme ½ ist, doppelt so viel an Temperatur gewinnt, als das Wasser verliert; indem der, dessen specifische Waͤrme ⅓ ist, dreimal so viel an Tem- peratur gewinnt, als das Wasser verliert, u. s. w. Diese Mitthei- lung der Waͤrme laͤßt sich, wenn man auf den waͤhrend der Mi- schung statt findenden Waͤrmeverlust Ruͤcksicht nimmt, bei festen und bei fluͤssigen Koͤrpern anwenden. Man wuͤrde zum Beispiel, wenn ein Pfund Quecksilber mit einem Pfunde Wasser gemischt, oder durch einander geruͤhrt wuͤrde, bis die Temperatur gleich ist, das Quecksilber sich um 33 Grade erwaͤrmen sehen, wenn das Was- ser sich um 1 Gr. abkuͤhlt; man wuͤrde ein Pfund Kupfer sich um 9 Gr. erwaͤrmen sehen, waͤhrend ein Pfund Wasser, in welches das Kupfer gebracht ist, sich um 1 Gr. abkuͤhlt; denn jenes hat ungefaͤhr die Specifische Waͤrme = \frac{1}{33} = 0,03, dieses die specifische Waͤrme = \frac{1}{9} = 0,11. Haͤtte man gleiche Volumina gemischt, so verhielte es sich anders, indem gleiche Maaße ungefaͤhr 14 Gewichts- theile Quecksilber gegen einen Gewichtstheil Wasser enthalten, wo dann das Wasser 14 Grade verliert waͤhrend das Quecksilber 33 Gr. gewinnt, oder 1 Gr. waͤhrend das Quecksilber 2 \frac{5}{14} gewinnt; die Vergleichung, welche man so anstellt, und die man die Verglei- chung der relativen Waͤrmecapacitaͤten nennt, gaͤbe also zwischen Wasser und Quecksilber das Verhaͤltniß 2 \frac{5}{14} zu 1 oder 1 zu \frac{14}{33} , das ist, 1 zu 0,42; statt daß das Verhaͤltniß der specifischen Waͤrmecapacitaͤten 1 zu 0,03 ist. Diese Methode, die specifische oder auch die relative Waͤrme durch Mischung zu finden, scheint nur die Unbequemlichkeit zu ha- ben, daß man, vorzuͤglich bei festen Koͤrpern einige Zeit warten muß, bis die Mittheilung der Waͤrme statt findet, und daß man E 2 deshalb auf die Abkuͤhlung in der Luft Ruͤcksicht nehmen muß; aber dieses ist doch nicht der Hauptgrund, warum sie nicht so anwendbar ist, als man zuerst glauben moͤchte. Anwendbar sind diese Mi- schungen naͤmlich nur dann, wenn die beiden gemischten Koͤrper nicht merklich chemisch auf einander einwirken, oder wenn kein Ue- bergang aus dem festen Zustande in den fluͤssigen oder umgekehrt statt findet, indem, wenn dieses der Fall ist, Waͤrme oder Kaͤlte auf eine ganz andre Art hier entsteht. Von diesen Temperatur-Aen- derungen muß ich noch besonders reden, und will Sie jetzt nur daran erinnern, daß kaltes Wasser mit eben so kalter Schwefelsaͤure sich erhitzt. — Man hat daher auf andre Mittel denken muͤssen, um die Waͤrmemengen zu vergleichen, die gewissen Temperatur-Unter- schieden entsprechen; und hiezu bietet die beim Aufthauen des Eises gleichsam verloren gehende Waͤrme Gelegenheit dar. Die merkwuͤr- dige Erscheinung, daß man Eis von 0° Waͤrme lange dem Zuflusse der Waͤrme aussetzen kann, ohne daß die Temperatur sich erhoͤ- het, daß naͤmlich diese immer = 0° bleibt, so lange nur noch ein wenig ungeschmolzenes Eis im Wasser uͤbrig bleibt, verdient in der Folge noch eine genauere Betrachtung; hier aber wollen wir nur bei der einzelnen Erfahrung stehen bleiben, daß ein Pfund Wasser von 75° Centes. (60° R . ) Waͤrme mit einem Pfunde Eis von 0° gemischt, dieses gerade zum Schmelzen bringt, ohne seine Temperatur zu erhoͤhen. Es bietet sich uns also hier die Waͤrme- menge, die 1 Pfund Eis zum Schmelzen braucht, als ein bequemes Maaß der Waͤrmemenge dar, und wenn man sieht, daß ein Pfund Wasser von 100° C. Waͤrme 1⅓ Pfund Eis zum Schmelzen bringt, daß ein Pfund Wasser von 25° C. Waͤrme ⅓ Pf. Eis schmelzt, daß dagegen ein Pfund Terpentin-Oel von 75° C. Waͤrme nur ein halbes Pfund Eis schmelzt, so wird es gewiß vollkommen einleuchtend, daß wir hier ein angemessenes Maaß mitgetheilter Waͤrme gefunden haben. Ich muß hiebei, da auch Eis eine viel tiefere Temperatur als 0° annehmen kann, nur noch bemerken, daß man Eis von 0° Waͤrme bei diesen Versuchen voraussetzt. Lavoisier's Calorimeter . Um die eben angegebene Abmessung der Waͤrmemenge, die ein Koͤrper entlaͤßt, genauer anzustellen, hat Lavoisier ein eig- nes Instrument angegeben. Dieses Calorimeter besteht aus einem Gefaͤße ABC ( Fig. 16. ), in welches ein Drahtnetz DE , um den zu beobachtenden Koͤrper aufzunehmen, hineingebracht wird. Der zwischen dem Drathnetze DE und dem Gefaͤße ABC freie Raum wird mit Eis von der Nulltemperatur gefuͤllt, und dann, nachdem der erhitzte Koͤrper in das Drathnetz hineingebracht und ganz mit Eis umgeben ist, das durch die Roͤhre F ausfließende, aus dem aufgethauten Eise entstandene, Wasser abgewogen. Sie uͤbersehen leicht, daß wenn man ein Pfund 75° C. warmes Wasser in den innern Raum bringen koͤnnte, bis zur voͤlligen Abkuͤhlung ein Pfund Wasser muͤßte abgeflossen sein, oder da die specifische Waͤrme des Silbers 0,08 ist, daß 1 Pfund Silber von 75 Gr. warm in das Drathnetz gelegt, 0,08 Pfund Wasser durch Schmelzen des Eises hervorbringen wird, ehe jenes voͤllig bis zur Nulltemperatur abgekuͤhlt ist. Diese Angaben reichen hin, um den Begriff von dem, was das Calorimeter leisten soll, deutlich zu machen; aber in der Aus- uͤbung ist die Anstellung des Versuches nicht ganz so leicht. Zuerst naͤmlich ist einleuchtend, daß bei etwas waͤrmerer Luft schon ver- moͤge des Zutritts der aͤußern Waͤrme etwas Eis schmelzen wuͤrde, und daß man dieses verhindern muß. Zu diesem Zwecke ist das Gefaͤß ABC noch mit einem zweiten Gefaͤße GHI umgeben, und der Zwischenraum zwischen beiden ist mit Eis gefuͤllt; die aͤußere Luft wird von diesem Eise etwas schmelzen, aber da das so entstan- dene Wasser von dem im innern Gefaͤße entstandenen getrennt bleibt und durch eine andre Roͤhre K seinen Ausweg findet, so stoͤrt dieses den Versuch nicht, und alles durch F abfließende Wasser ist durch die Waͤrme des hineingebrachten Koͤrpers geschmolzen. Ein zweiter Umstand, welcher sich der genauen Beobachtung entgegenstellt, ist der, daß der mit Eisstuͤcken gefuͤllte Raum bei einer geringen Menge abgethauten Wassers vielleicht gar kein Wasser giebt, weil es durch Adhaͤsion an den Eisstuͤcken und zwischen ihnen zuruͤck- gehalten wird, und daß aus eben dem Grunde immer das aus- fließende Wasser nicht das ganz genaue Maaß des aufgethauten Eises giebt. Diesem Uebel kann man nur dadurch ausweichen, daß man schon vor dem Anfange des Versuches etwas Wasser zwi- schen dem Eise sich bilden und dieses abfließen laͤßt, wo dann eben nicht zu fuͤrchten ist, daß am Schlusse des Versuches erheblich mehr oder weniger Wasser als zu Anfang zwischen dem Eise bleibe. Ein dritter Umstand ist, daß man manche Koͤrper nicht ohne Gefaͤß in jenen mit Drath umgebenen Raum bringen kann. Aber diesem laͤßt sich dadurch sein Nachtheiliges rauben, daß man die specifische Waͤrme des Gefaͤßes bestimmt. Mit Beruͤcksichtigung dieser Umstaͤnde laͤßt sich die specifische Waͤrme fester und tropfbar fluͤssiger Koͤrper mit Huͤlfe dieses Appa- rates recht wohl bestimmen. Um zu zeigen, wie dies geschieht, will ich zwei Beispiele berechnen. Man habe erstlich ein Stuͤck Flint- glas von 2½ Pf. schwer bis zu 100° C. erhitzt, in jenen Raum gebracht, und finde nun 0,63 Pf. geschmolzenes Eis; so schließt man, daß 1 Pf. Glas von 100° eine Quantitaͤt von 0,252 Pf. geschmolzen habe, also 1 Pfund von 75° warm 0,189 Pfund geschmolzen haͤtte. Da nun 1 Pfund Wasser von 75° warm 1 Pfund Eis schmelzet, so hat das Glas bei gleicher Temperatur nur \frac{189}{1000} der Waͤrme hergegeben, die das Wasser hergegeben haͤtte, und 0,189 ist die specifische Waͤrme des Glases. Als zweites Beispiel will ich annehmen, daß man 2 Pf. Terpentin-Oel in einem Glase von 2½ Pfund schwer, beide Koͤrper bis auf 100 Gr. erhitzt, in jenen Raum gebracht, und die Menge des geschmolzenen Eises = 1,88 Pfund gefunden haͤtte. Da wuͤrde man sagen, von dieser Quantitaͤt gehoͤren (dem eben angefuͤhrten Versuche zu Folge), 0,63 Pfund der Hitze des Glases, also 1,25 Pf. der Waͤrme des Oeles; 2 Pfund Oel haben 1,25 Pfund, also ein Pfund Oel 0,625 Pfund gegeben, und dieses eine Pfund haͤtte bei 75 Gr. nur drei Viertel hiervon, das ist 0,469 Pfund gegeben; die specifische Waͤrme des Terpentin-Oels ist also 0,469. Nach diesen Versuchen, die man fuͤr mehrere Koͤrper ange- stellt hat, besitzen die Metalle eine sehr geringe specifische Waͤrme, und es kann daher scheinen, als ob unsre fruͤhere Bemerkung, daß die Metalle die Waͤrme sehr schnell unserm Koͤrper bei der Beruͤh- rung entziehen, hiemit im Widerspruch staͤnde. Allerdings ist es wahr, daß ein Pfund Silber nur etwa ein Fuͤnftel der Waͤrme gebraucht, die ein Pfund irgend einer Holz-Art bedarf, um eine bestimmte Temperatur anzunehmen; aber das Silber reißt diese Waͤrmemenge sehr schnell an sich, und darum fuͤhlt es sich im ersten Augenblicke kalt an, obgleich es bei laͤngerer Erwaͤrmung sich mit geringerm Waͤrme-Aufwande als Holz erwaͤrmt. Die Vergleichungen fallen uͤbrigens verschieden aus, je nachdem man auf die specifische Waͤrme aber auf die relative, oder was dasselbe ist, je nachdem man auf gleiche Gewichte oder auf gleiche Raum- groͤßen sieht. Gleiche Gewichte Silber und Holz fordern ungefaͤhr Waͤrmemengen im Verhaͤltniß 1 zu 5, um gleiche Temperaturen anzunehmen, gleiche Volumina Silber und Holz brauchen ungefaͤhr im Verhaͤltniß 2¼ zu 1 Waͤrmemengen, um sich gleich zu erwaͤr- men, weil Silber 11 bis 12 mal dichter als eine der leichteren Holz-Arten ist. Aehnliche Vergleichungen lassen sich mannigfal- tige anstellen. Rumfords Calorimeter . Ein Calorimeter, das man zum Unterschiede das Wasser- Calorimeter nennen kann, laͤßt sich gleichfalls zu Versuchen anwen- den, die hieher gehoͤren. Es ist einleuchtend, daß man die specifische Waͤrme so duͤnner Koͤrper wie die Luft-Arten nicht auf dem vorhin angegebenen Wege finden koͤnnte; denn wenn man auch ein Gefaͤß mit sehr erhitzter Luft in den Eis-Apparat braͤchte, so wuͤrde ihre Abkuͤhlung, wegen des geringen Maaßes von Waͤrme, das sie gewiß nur enthaͤlt, wenig Eisschmelzung bewirken. Man muß sich daher eines Instrumentes bedienen, das geeignet ist, einen lange Zeit erneuerten Luftstrom durchzulassen, und die von demselben zuge- fuͤhrte Waͤrme aufzunehmen. Ein solches Instrument ist das Wasser-Calorimeter, dessen Hauptheil ( Fig. 17. ) ein mit kaltem Wasser gefuͤlltes Gefaͤß AB ist, auf dessen Boden eine gekruͤmmte Roͤhre DE sich fortzieht, durch welche man, um die specifische Waͤrme der Luft zu bestimmen, einen Strom warmer Luft gehen laͤßt, um durch seine an das Wasser mitgetheilte Waͤrme die Menge der zugefuͤhrten Waͤrme zu bestimmen. Hier liegt der Vorzug vor dem vorhin beschriebenen Instrumente darin, daß die im Innern des Wassergefaͤßes fortgefuͤhrte Roͤhre DE , deren Kruͤmmungen in horizontaler Richtung die Zeichnung nicht angeben kann, nicht durch einmalige Fuͤllung eine erhebliche Waͤrme des Wassers zu bewirken braucht, sondern daß, indem man die beim Durchzuge abgekuͤhlte Luft immer durch neue, bei F eintretende, ersetzt, eine große Menge Luft zu jenem Zwecke mitwirkt. Bei diesem Versuche muß man darauf sehen, daß Luft von bestimmter Dichtigkeit und bestimmter Waͤrme gleichfoͤrmig durch die gekruͤmmte Roͤhre DE fließe; man muß es so einrichten, daß sie ihre Waͤrme bei dem Durchgange durch das im Wasser befindliche Rohr ganz verliere, und muß dann die Zunahme der Temperatur des Wassers beobachten, und bei der Berechnung auf die zugleich statt findende Erwaͤrmung des Gefaͤßes Ruͤcksicht nehmen. Damit man die Waͤrme des Wassers genau kennen lerne, hat das in dem Gefaͤße AB befindliche Thermometer K nicht eine Kugel, sondern einen mit Quecksilber gefuͤllten Cylin- der, der sich durch die ganze Tiefe des Gefaͤßes erstreckt, und so wir- ken alle Wasserschichten, die vielleicht etwas ungleich erwaͤrmt sein koͤnnten, auf das Thermometer ein. Die fuͤr den Zug der warmen Luft bestimmte Roͤhre, welche dem Wasser die Waͤrme mittheilt, liegt unten im Gefaͤße, damit das durch erwaͤrmte Wasser, auf- steigend in dem uͤbrigen, die Waͤrme gleichmaͤßiger vertheile. Da- mit man nicht noͤthig habe, die Abkuͤhlung durch die umgebende Luft in Rechnung zu ziehen, fuͤllt man das Gefaͤß mit sehr kaltem Wasser, und laͤßt den Versuch so lange dauern, bis das Wasser ebenso weit uͤber die Temperatur der Luft erhitzt ist, als es beim Anfange des Versuchs unter die Temperatur der Luft erkaͤltet war, indem dann waͤhrend der ersten Haͤlfte des Versuches die umgebende Luft ebenso viel zur Erwaͤrmung, als waͤhrend der letzten Haͤlfte des Versuchs zur Abkuͤhlung beitraͤgt. Hat man alles dieses beach- tet, so muß man auf folgende Weise rechnen. Wenn das Gefaͤß von Kupfer ist, so brauchen 900 Gewichtstheile Kupfer nur unge- faͤhr ebenso viel Waͤrme als 100 Gewichtstheile Wasser um gleiche Temperatur anzunehmen, und man rechnet daher dem Gewichte des Wassers, welches erwaͤrmt wird, ein Neuntel des Gewichtes des Kupfers hinzu, und nennt dies, das Gefaͤß auf Wasser redu- ciren. Betraͤgt nun die Wassermasse mit Einschluß des reducirten Gefaͤßes 6000 Gewichtstheile und man muß 2000 Gewichtstheile Luft, 65 Grad waͤrmer als das Wasser zu Anfang war, durch- gehen lassen, damit das Wasser um 5 Grade erwaͤrmt werde; so sagt man, damit 6000 Gew.th. Wasser um 5 Gr. erwaͤrmt wer- den, oder damit 30000 Gew.th. Wasser um 1 Gr. erwaͤrmt werden muͤssen, 2000 Gew.th. Luft sich um 60 Gr. abkuͤhlen, oder 120000 Gewichtth. Luft um 1 Grad. Die specifische Waͤrme der Luft ist also nur ¼ so groß, als die des Wassers. So groß hat man die specifische Waͤrme der atmosphaͤrischen Luft gefunden; die specifische Waͤrme des Wasserstoffgases ist dagegen 12⅓ mal so groß, das heißt, man braucht nur ein Pfund der letztern, wo man 12⅓ Pfund der erstern braucht, um eine bestimmte Waͤrme hervorzubringen; da aber das Wasserstoffgas bei gleichem Gewichte und gleicher Elasticitaͤt etwa 13¾ mal so viel Raum einnimmt, als atmosphaͤrische Luft, so muͤßte man hiernach mehr Cubicfuße Wasserstoffgas als atmo- spaͤrischer Luft anwenden, um eben die Erhitzung zu bewirken. Rumford hat eben dieses Instrument noch auf andre Weise angewendet; doch davon werde ich in der Folge reden. Bestimmung der specifischen Waͤrme durch die Abkuͤh- lungszeiten . Wenn man annimmt, daß bei geringen Massen auf die bei verschiedenen Koͤrpern ungleiche Zuleitung der Waͤrme im Innern nicht viel ankoͤmmt, und wenn man durch Gleichheit der Oberflaͤche bewirkt, daß die strahlende Waͤrme den Koͤrper in gleichem Maaße verlaͤßt, so giebt im luftleeren Raume die Zeit der Abkuͤhlung ein Mittel, die specifische Waͤrme zu finden, indem man die ausgesandte Waͤrmemenge aus den Zeiten der Abkuͤhlung berechnen kann. Auf diese Betrachtung gruͤnden sich die von Dulong und Petit angestellten Versuche, wo Metalle fein zermalmt in ein Gefaͤß von Silber gepreßt wurden, in dessen Mitte sich das Thermometer be- fand; bei der geringen Menge des zermalmten Metalls konnte man die Masse als uͤberall gleich warm ansehen, und die Oberflaͤche ent- ließ mit immer gleicher Leichtigkeit die Waͤrme, daher konnten die Abkuͤhlungszeiten als Maaße der in verschiedenen Koͤrpern enthaltenen ungleichen Waͤrmemenge wenigstens ziemlich nahe angesehen werden. Ungleiche specifische Waͤrme der Luft bei ungleicher Dichtigkeit . In Hinsicht auf die specifische Waͤrme der Luft haben die Beobachter, denen wir die Versuche daruͤber verdanken, Cle- ment , Desormes , Delaroche , Berard , und Haycraft noch die Bemerkung gemacht, daß die Luft-Arten mehr Waͤrme auf- nehmen, indem sie sich ausdehnen. Wenn man eben die Luft-Art nur einem halb so großen Drucke aussetzt, wodurch, wie Sie wis- sen, auch ihre Dichtigkeit auf die Haͤlfte herabgesetzt wird, so findet man die durch gleiche Volumina erhitzter Luft bewirkte Erwaͤrmung nicht bloß halb, sondern 7 Zehntel so groß, und ebenso fuͤr groͤßere Verduͤnnungen. Die verdichtete Luft enthaͤlt dagegen nicht so viel Waͤrme, als sie nach der vermehrten Masse enthalten sollte, sie traͤgt nicht in so vermehrtem Maaße zur Erwaͤrmung bei, ihre specifische Waͤrme ist geringer. Hierauf beruhen viele merkwuͤrdige Erfahrungen. Sie haben gewiß bei den Versuchen mit der Luftpumpe oft bemerkt, daß die Glasglocke sich von innen mit einem Thau belegt, daß sie beschlaͤgt, wenn man in den leeren Raum ploͤtzlich wieder Luft einstroͤmen laͤßt. Dies beruht darauf, daß selbst im leeren Raume eine bedeu- tende Menge Waͤrmestoff vorhanden ist, ungefaͤhr vier Zehntel dessen, der sich in Luft von gewoͤhnlicher Dichtigkeit findet; koͤmmt nun die Luft, die ihren Waͤrmestoff mitbringt, hinzu, so ist die Menge des in diesem Raume vorhandenen Waͤrmestoffs groͤßer als dem natuͤrlichen Zustande der Luft gemaͤß ist, und es entweicht etwas Waͤrmestoff durch die Waͤnde der Glocke, wobei dann die Wasserdaͤmpfe, die er aufgenommen hat, weil sie die Wand der Glocke nicht durchdringen koͤnnen, sich uns als Niederschlag kennt- lich machen. Gay-Lussac hat diese Bestimmung genauer erhalten, in- dem er zwei gleiche Glasbehaͤlter so mit einander verband, daß die aus dem einen hervordringende Luft in den andern, welcher aus- gepumpt war, uͤberging. In beiden Recipienten befanden sich sehr empfindliche Thermometer, mit deren Huͤlfe noch Hunderttel der Waͤrmegrade beobachtet werden konnten, und nachdem die Tem- peratur in dem luftleeren und dem luftvollen Raume gleich gewor- den war, ließ man die Luft aus dem zweiten Recipienten in den ersten hinuͤbergehen, wobei dann das Thermometer im zweiten um \frac{6}{10} Grad fiel, und das im ersten um ebenso viel stieg; die dem luftvollen Raume mit dem Hinuͤberfließen der Luft entzogene Waͤrme fand sich also in dem andern Raume wieder. Wenn man in dem luftvollen Recipienten Wasserstoffgas hat, so ist die diesem Recipien- ten entzogne und die dort hinuͤber gefuͤhrte Waͤrme ungefaͤhr an- derthalb mal so groß, als bei atmosphaͤrischer Luft. Wenn man in diesen Faͤllen das im Recipienten aufgestellte Thermometer beob- achtet, so ist es leicht begreiflich, daß dieses nur geringe Aenderun- gen seines Standes zeigt, waͤhrend der eigentliche Unterschied der Temperatur viel groͤßer sein muß; denn das Quecksilber im Ther- mometer nimmt nur langsam die Temperatur der Luft an, und diese erwaͤrmt sich schon wieder durch den Zutritt von Waͤrme aus den umgebenden Koͤrpern, ehe noch das Thermometer hinreichend gefallen ist. Dalton hat daher die wahren hier statt findenden Aenderungen der Temperatur so bestimmt, daß er ein erhitztes Thermometer in einen kalten Raum brachte, und sah, bei welchem Temperatur-Unterschiede es ebenso schnell, als bei jenem Versuche fiel; er fand, daß dies bei einem Unterschiede von 28 Gr. Cent. statt fand, wodurch also jener Waͤrmeverlust auf etwa 28° geschaͤtzt werden koͤnnte. Derselbe Grund, welcher hier Erhoͤhung der Temperatur ver- anlaßt, wenn dichtere Luft in einen eingeschlossenen Raum uͤber- geht, ist es auch, aus welchem wir die Kaͤlte erklaͤren muͤssen, welche bei dem Hervordringen dichterer Luft in einen unbegrenzten Raum bemerkt wird. In diesem Falle naͤmlich dehnt sich die ver- dichtete Luft in einen groͤßern Raum aus und bringt nicht Waͤrme genug mit, um in diesem groͤßern Volumen eben die Temperatur zu erhalten; sie reißt daher von den benachbarten Koͤrpern Waͤrme an sich, und kuͤhlt sie zuweilen so sehr ab, daß sich die Duͤnste aus der Luft gefroren ansetzen. Man hat dies an der Hoͤll 'schen Wassermaschine in Schemnitz beobachtet, wo Luft durch einen sehr starken Wasserdruck comprimirt angewandt wird, um das Wasser zu heben, und wo, wenn man diese stark zusammengepreßte Luft hervordringen laͤßt, ihre Ausdehnung eine solche Kaͤlte hervor- bringt, daß die dem Luftstrome ausgesetzten Koͤrper sich mit Eis belegen Gilb. Ann. XVIII. 412. . Endlich gehoͤrt auch der Versuch hieher, wo man in dem pneu- matischen Feuerzeuge eine bis zum Zuͤnden gehende Hitze hervor- bringt. In einer Roͤhre von starkem Glase naͤmlich ist ein Kolben, mit dem man in ploͤtzlichem Stoße die Luft verdichtet; diese laͤßt dabei so viel Waͤrme frei, daß ein unten in dem Raume der ver- dichteten Luft liegendes Stuͤckchen Feuerschwamm sich entzuͤndet. Die hier hervorgebrachte Waͤrme muß gegen 300 Gr. Cent. betra- gen, da nach Gay-Lussac's Beobachtung der Schwamm sich auf schmelzendem Wismuth (bei 283 Gr.) noch nicht entzuͤndet, wohl aber auf schmelzendem Blei (bei 323 Gr.). Ermann ist indeß geneigt, den groͤßten Theil der Wirkung dem zugleich erfol- genden Zusammenpressen des weichen Koͤrpers zuzuschreiben. Diese Versuche dienen nun auch, um die Bemerkungen voll- staͤndiger zu verstehen, deren Sie sich aus der Lehre vom Schalle erinnern werden. Indem die Oscillationen der Schallwellen eine Verdichtung der Luft hervorbringen, entbinden sie zugleich Waͤrme, und die diesen Verdichtungen folgenden Verduͤnnungen sind mit Abkuͤhlung begleitet, dadurch aber wird der Wechsel der ausdeh- nenden Kraft groͤßer als er bei gleichbleibender Temperatur sein wuͤrde, und der Schall pflanzt sich so fort, als ob die Luft eine groͤßere specifische Elasticitaͤt besaͤße, als sie wirklich besitzt. Dabei darf man freilich nicht an eine fuͤhlbare Waͤrme bei der Fortpflan- zung des Schalles denken, da ein Wechsel, der hundert mal, ja tausend mal und oͤfter in einer Secunde erfolgt, unmoͤglich fuͤhlbar sein kann. Diese Beschleunigung der Fortpflanzung des Schalles haͤngt von dem Verhaͤltniß der specifischen Waͤrme der Luft, die immer gleichen Druck ausuͤbt, zu der specifischen Waͤrme derjenigen, die ein gleiches Volumen behaͤlt, ab. Wenn naͤmlich eingeschlossene Luft sich nicht ausdehnen kann, so steigt bei hinzukommender Waͤrme die Temperatur um eine bestimmte Anzahl von Graden; ist hin- gegen eben diese Luft in einem der Ausdehnung faͤhigen Gefaͤße enthalten, so wird bei gleicher hinzu kommender Waͤrmemenge die Temperatur weniger steigen, weil ein Theil der Waͤrme bei der Ausbreitung in einen groͤßern Raum aufgewendet wird. Koͤnnte man also in ploͤtzlichem Wechsel die Luft bald ausdehnen, bald ver- dichten, so wuͤrde nach Maaßgabe jenes Verhaͤltnisses die Ausdeh- nungskraft der Luft staͤrkere Ungleichheiten als ihre Dichtigkeit erleiden, und ebenso geschieht es in den unmerklichen Oscillationen bei der Fortpflanzung des Schalles, so daß in diesen Betrachtungen ein Maaß fuͤr die vergroͤßerte Geschwindigkeit des Schalles gefun- den wird. Steigt bei der Verdichtung mit der Verdoppelung der Dichtigkeit die elastische Kraft nicht auf 2, sondern auf 2. \frac{4}{3} , mit der Verdreifachung der Dichtigkeit nicht auf 3, sondern auf 3. \frac{4}{3} =4, mit der Vervierfachung auf \frac{16}{3} und so ferner, so nimmt die Geschwindigkeit des Schalles beinahe um ein Sechstel zu, (weil \frac{7}{6} * \frac{7}{6} = \frac{49}{36} beinahe mit \frac{4}{3} uͤbereinstimmt,) also von 880 Fuß, wie Newtons Theorie angab, auf 1027 Fuß, wie die Erfahrung angiebt 1. Th. S. 325. . Auch die Erfahrung, daß die Luft in großen Hoͤhen kaͤlter ist, findet hier ihre Erklaͤrung. Wenn die Luft in der Naͤhe der Erde erhitzt ist, so steigt sie in die Hoͤhe und verduͤnnt sich, wird aber eben dadurch faͤhig, die mehrere Waͤrme so in sich aufzunehmen, daß keine Erhoͤhung der Temperatur mehr statt findet. Man hat gesucht, das Gesetz dieser Waͤrme-Abnahme in der Hoͤhe durch Schluͤsse, die auf die veraͤnderte Waͤrmecapacitaͤt sich gruͤnden, zu bestimmen; aber dazu scheint noch die vorhandene Zahl von Erfah- rungen nicht hinzureichen. Aenderung der Waͤrmecapacitaͤt in festen Koͤrpern . Auch bei festen Koͤrpern aͤndert sich die Waͤrmecapacitaͤt, indem sie sich ausdehnen, und die Untersuchungen, von Wilh . Weber angestellt, welche dieses ergeben, dienen zu einem recht schoͤnen Beweise, wie oft eine Lehre durch eine scharfsinnige Anwendung einer andern Lehre eine Erweiterung erhaͤlt. Die Toͤne der trans- versal schwingenden Saiten sind es, aus denen Weber jene Un- gleichheit der specifischen Waͤrme bei ungleicher Ausdehnung her- geleitet hat, indem er die Anzahl ihrer Schwingungen aus der Abzaͤhlung der sogenannten Schwebungen genau bestimmte. Diese Schwebungen hoͤrt man, als ein periodisches Anschwellen des To- nes, wenn zwei toͤnende Koͤrper fast genau einerlei Schwingungszeit haben, indem in diesem Falle unser Ohr zwar keine Ungleichheit des Tones mehr empfindet, aber doch beim gleichzeitigen Toͤnen unter- scheidet, daß im einen Augenblicke die einzelnen Vibrationen strenge zusammen treffen, im andern nicht. Machte z. B. die eine Saite 1000 Vibrationen in 1 Sec., die andre 1001, so wuͤrden die 1000ste der einen mit der 1001sten der andern genau eintreffen, statt daß die Vollendung der 500sten und der 501sten am meisten aus einander laͤge; und dieses macht sich dem Ohre durch eine etwas groͤßere Fuͤlle des Tones in jenem, durch eine etwas vermin- derte Staͤrke in diesem Falle kenntlich; in jeder Secunde koͤmmt in diesem Falle eine solche Schwebung vor. Zaͤhlt man also in einem andern Falle 15 Schwebungen in 5 Secunden, so schließt man, daß die eine Saite 3 Schwingungen in 1 Sec. mehr macht als die andre, oder bei der Vergleichung der Saite mit der Stimm- gabel, daß die Saite eine Schwingung mehr oder weniger in ⅓ Sec. macht, als die Stimmgabel. Es ist Ihnen aus der Lehre vom Schalle bekannt, daß die Toͤne einer bestimmten, immer gleich langen Saite von der Span- nung derselben abhaͤngen; aber da die Waͤrme die Saite verlaͤn- gern wuͤrde bei gleicher Spannung, so nimmt sie der in unveraͤn- derlicher Laͤnge aufgespannten Saite einen Theil ihrer Spannung, der Ton wird daher bei der Erwaͤrmung etwas tiefer. Und nun wird es leicht sein, die Weber schen Versuche zu verstehen. Den- ken Sie sich eine aufgespannte Saite, die genau in der Mitte durch eine zweckmaͤßige Klemme festgehalten wird, so daß die Vibra- tionen des eines Theiles den andern nicht mit erschuͤttern, und daß man den einen schaͤrfer spannen kann, waͤhrend der andre seine Spannung behaͤlt. Hat man so beide Theile ungleich gespannt, so wird man aus der Ungleichheit der vollkommen scharf bestimmten Toͤne die Ungleichheit der Spannung beurtheilen koͤnnen, und wenn man durch Loͤsung der Klemme die beiden Theile vereinigt, so wer- den sie eine gemeinschaftliche und gleiche Spannung bekommen, woraus dann, wenn man die Klemme wieder fest anschraubt, ein leicht zu berechnender gleicher Ton fuͤr beide Haͤlften hervorgeht. Aber nach diesem Loͤsen der Klemme zeigt sich eine Verschiedenheit des Tones, wenn man dieses Loͤsen nur einen Augenblick dauern laͤßt, in Vergleichung gegen den, welchen man bei laͤngerer Dauer der Verbindung erhaͤlt. Offenbar theilt sich im Augenblicke des Loͤsens der Klemme (schon in ¼ Sec. wie Weber bemerkt,) die Spannung auf beide Theile gleich aus, und der schaͤrfer gespannte Theil verdichtet sich also waͤhrend der matter gespannte Theil sich ein wenig ausdehnt; bliebe dabei die Temperatur beider Theile im strengsten Sinne ungeaͤndert, so wuͤrde auch bei der kuͤrzesten Dauer der Verbindung die gleiche Spannung beider Theile auch eine gleiche Ausdehnung bewirken, und der Ton, den beide Theile geben, wuͤrde gleich sein, und derselbe sein, wie bei laͤnger dauernder Ver- bindung beider Theile; dagegen muß, wenn in dem Augen- blicke der gleichen Spannung der sich verdichtende Theil eine etwas hoͤhere Temperatur annimmt, der sich ausdehnende Theil etwas an Temperatur verliert, nach der Herstellung gleicher Waͤrme der Ton beider Theile sich ungleich zeigen, wenn die Verbindung nicht lange genug gedauert hatte, um jenen Temperatur-Unterschied voruͤbergehen zu lassen. Einer der Versuche Webers wird dies voͤllig erlaͤutern. Eine 514 Linien lange Stahlsaite, deren beide Haͤlften von 257 Lin. auf die angegebene Weise getrennt waren, wurde in der ersten Haͤlfte durch 1006, in der zweiten durch 7000 Grammen gespannt. Bei der mittleren Spannung gab jede der beiden Haͤlften einen sehr wenig tiefern Ton, als die f Stimmgabel, so daß, wenn man nach laͤngerer Verbindung beider Theile (nach laͤngerer Loͤsung der Klemme) beide schwingen ließ, der erste in \frac{4}{3} Sec. der andre in ⅖ Sec. eine Schwingung weniger als die Stimm- gabel machte; aber wenn man die Loͤsung der Klemme nur ¼ Sec. dauern ließ, und dann (nach Wiederherstellung gleicher Temperatur, die sehr schnell eintritt,) die Toͤne pruͤfte, so machte der erste Theil 3 Schwingungen in 5 Secunden weniger, der zweite Theil 3 Schwin- gungen in 5 Secunden mehr als im vorigen Falle. Bei so kurzer Dauer der Oeffnung der Klemme hatte naͤmlich zwar die Span- nung sich im ersten Augenblicke ausgeglichen, aber die erste, dabei neu ausgedehnte Haͤlfte hatte eine geringe Erniedrigung der Tem- peratur erlitten, und als diese durch Zutritt der Waͤrme von außen gehoben war, zeigte diese Haͤlfte eine etwas mattere Spannung als die andre Haͤlfte, die, im ersten Augenblicke etwas erwaͤrmt, gleiche Spannung, jetzt abgekuͤhlt, staͤrkere Spannung zeigte. Diese durch die Schwebungen hoͤrbar werdende Differenz der Spannung verraͤth also, daß die Verlaͤngerung der Saite durch vermehrte Spannung sie faͤhig macht, mehr Waͤrme aufzunehmen oder eine momentane Temperatur-Erniedrigung bewirkt, das ist, bei der Ausdehnung nimmt die Waͤrmecapacitaͤt, die specifische Waͤrme, der festen Koͤrper zu. Bei jenem Versuche mußten, nach der ver- betragen, aber so schnell voruͤbergehend, daß an eine Messung mit dem Thermometer nicht zu denken waͤre Poggend. Annal. XX. 179. . Auch wenn die Waͤrme selbst eine Ausdehnung der festen Koͤrper hervorbringt, so findet dabei eine Zunahme der specifischen Waͤrme statt, und Eisen, das schon bis 350 Grad erwaͤrmt ist, bedarf eine groͤßere Waͤrmemenge, um sich bis 360 Gr. zu erwaͤr- men, als Eisen von 50 Gr. noͤthig hat, um die Waͤrme von 60 Gr. zu erlangen. Der Unterschied betraͤgt so viel, daß in jenem Falle 8 Pfund Eisen ungefaͤhr so viel Waͤrme als in diesem Falle 9 Pfund Eisen fordern, wenn sie sich um einen Grad erhitzen sollen. Aus diesem Grunde sind die Bestimmungen hoͤherer Tempera- turen, die man durch Mischung oder durch Eintauchen in einen fluͤssigen Koͤrper erhaͤlt, unsicher; denn wenn man zum Beispiel 1 Pfund gluͤhendes Kupfer in 10 Pfund Wasser von 0° Waͤrme tauchte und dadurch die Waͤrme des Wassers um 10 Gr. steigen saͤhe, so wuͤrde man schließen, 1 Pfund Wasser haͤtte sich auf 100 Grad erhitzen muͤssen, und weil kaltes Kupfer etwa nur \frac{1}{9} so viel Waͤrme als Wasser fordert, um gleiche Temperaturgrade zu erlan- gen, so wuͤrde man dem gluͤhenden Kupfer eine Waͤrme von 1000 Grad beilegen, damit ein Waͤrmeverlust von 900 Grad beim Kupfer und ein Waͤrmegewinn von 100 Gr. beim Wasser eine gemeinschaftliche Waͤrme von 100 Gr. hervorbringe; wenn aber die specifische Waͤrme des erhitzten Kupfers groͤßer, zum Beispiel \frac{1}{7} , waͤre, so wuͤrde eben jener Versuch die Hitze des gluͤhenden Kupfers nur 800 Gr. angeben, naͤmlich 700 Gr. Waͤrmeverlust zu 100 Gr. Waͤrmegewinn. So ist also dieses sehr passend scheinende und oft fast einzig anwendbare Mittel, um sehr hohe Temperaturen abzu- messen, doch nur in sehr weiten Grenzen brauchbar, und lehrt uns die Hitze gluͤhender Koͤrper und aͤhnliche hohe Waͤrmegrade nicht genau kennen, ja selbst die Mischungen gleicher Massen ungleich erwaͤrmter aber gleichartiger Koͤrper geben nicht im allerstrengsten Sinne ein Maaß wahrer Waͤrme. Vergleichung der verschiedenen Waͤrmecapacitaͤten mit den Atomengewichten . Die sehr ungleiche Groͤße der specifischen Waͤrme der Koͤrper, die sich weder nach der Dichtigkeit, noch nach der Leitungsfaͤhigkeit fuͤr die Waͤrme, noch nach andern Ungleichheiten, an die man etwa denken koͤnnte, richtet, scheint am meisten mit dem Atomen- gewichte der Koͤrper in Verbindung zu stehen. Dulong und Petit ziehen aus ihren Versuchen den Schluß, daß die Atome aller einfachen Koͤrper gleiche Capacitaͤt fuͤr die Waͤrme haben. Die specifische Waͤrme des Eisens verhaͤlt sich zu der des Schwefels ungefaͤhr wie 11 zu 19, oder gleich schwere Stuͤcke Eisen und Schwefel fordern, um gleiche Temperaturen zu erlangen, Waͤrme- mengen im Verh. 11 zu 19; die Anzahl der Atome in gleichen Gewichten dieser beiden Koͤrper muͤßte also nach dem angegebenen Gesetze wie 11 zu 19 sein, oder die Gewichte der Atomen muͤßten sich umgekehrt wie 19 zu 11 verhalten. Nach andern Bestimmun- gen Th. II. S. 52. verhalten sie sich wie 339 zu 201, das ist wie 19 zu 11¼, und eine aͤhnliche Uebereinstimmung findet sich bei mehrern Koͤr- pern; doch ist die Untersuchung wohl noch nicht so weit fortgefuͤhrt, daß man dieses Resultat als ganz erwiesen ansehen duͤrfte, und Poggendorff macht dabei die sehr gegruͤndete Bemerkung, daß die specifische Waͤrme fester Koͤrper bei ungleichen Temperaturen eine Aenderung leidet, da doch das Atomengewicht ungeaͤndert bleibt, also jenes Gesetz nicht strenge richtig sein koͤnne. Frei werdende Waͤrme durch Aenderung der Capacitaͤt . Daß bei Compressionen der Luft Waͤrme frei wird, weil die Luft dann eine geringere Waͤrmecapacitaͤt hat oder die Waͤrme nicht mehr in sich enthalten kann, ist schon fruͤher angefuͤhrt. Ei- nigermaßen aͤhnlich ist die bemerkbare Waͤrme, die entsteht, wenn trockne Pulver Feuchtigkeit in sich aufnehmen. Hier werden die fluͤssigen Koͤrper mit großer Gewalt von den festen angezogen, und vielleicht (so wie die Luft, wenn sie von Kohle absorbirt wird,) ver- dichtet, wobei dann Waͤrme frei werden koͤnnte. III. F Man rechnet hieher auch einige chemische Verbindungen, die sich beim Zusammenmischen erhitzen. Wenn man Schwefelsaͤure in Wasser gießt, so entsteht eine sehr starke Erhoͤhung der Tempe- ratur, die man auf folgende Weise zu erklaͤren pflegt G. G. Schmidt Handb. d. Naturl. 1826. S. 413. . Das Wasser nimmt, indem es sich chemisch mit der Saͤure verbindet, einigermaßen die Natur der Saͤure an, das ist, seine specifische Waͤrme geht von 1 auf ⅓ herab; also werden von dem gesammten im Wasser enthaltenen Waͤrmestoffe zwei Drittel frei und durch Tem- peratur-Erhoͤhung fuͤhlbar. Laͤge nun der absolute Nullpunct der Waͤrme 750 Cent. Gr. unter Null, so wuͤrden 500 Waͤrmegrade — wenn dieser uneigentliche Ausdruck verstattet ist, — frei, oder Waͤrme, die ihrer Quantitaͤt nach eine Erhoͤhung der Temperatur von 500 Graden bewirken koͤnnte, erhielte hier eine freie Thaͤtig- keit, wodurch denn allerdings die große Erhitzung erklaͤrt wuͤrde. Aehnliche Beispiele sind zahlreich vorhanden. Die Erhitzung des Kaltes beim Loͤschen; die bis zum Entzuͤnden gehende Erhitzung, wenn man gleiche Theile concentrirte rauchende Salpetersaͤure und Schwefelsaͤure gemischt zu ebenso viel Terpentin-Oel gießt, u. s. w. — Ob aber jene Erklaͤrung die richtige sei, scheint immer noch zweifelhaft, und Dulong und Petit behaupten geradezu, daß die auf solche Weise entwickelten Waͤrmemengen gar in keinem Verhaͤltnisse zu den Waͤrmecapacitaͤten der gemischten Koͤrper stehen, und daß, nachdem diese Waͤrme frei geworden, sich keine vermin- derte Waͤrmecapacitaͤt der Mischung zeigt. Diese und aͤhnliche Erzeugungen von Waͤrme sind daher noch im hoͤchsten Grade raͤthselhaft. Man hat auch die thierische Waͤrme, die allerdings durch das Athmen großen Theils hervorgebracht wird, aus der ungleichen Capacitaͤt des Sauerstoffgas und des kohlensauren Gas zu erklaͤren gesucht, sie sei naͤmlich der frei werdende Waͤrme-Ueberschuß, den ein gleiches Volumen Sauerstoffgas mehr enthalte, als ein gleiches Volumen kohlensaures Gas; aber auch diese Erklaͤrung ist nicht so genuͤgend, als man anzunehmen geneigt war. Erregung von Waͤrme durch Reiben . Feuerschlagen . Aber selbst viel bekanntere Erscheinungen sind noch ebenso wenig erklaͤrt. Es ist eine unter den ungebildetsten Voͤlkern be- kannte, seit Jahrtausenden bekannte, Erfahrung, daß Reibung zweier Koͤrper an einander Waͤrme hervorbringt; unser Feuerschla- gen ist ein solches Mittel, Waͤrme zu entwickeln; bei Maschinen, selbst bei Wagenraͤdern, kann ein Brennen durch zu starke Reibung entstehen; manche Voͤlker bringen das Entzuͤnden durch Reiben von Hoͤlzern hervor. Es ist also die Erscheinung deutlich genug, daß beim Reiben Waͤrme frei wird. Da bei ploͤtzlichem Zusammen- pressen, beim Haͤmmern und in aͤhnlichen Faͤllen eben das geschieht, so ist der Schluß nicht ganz unangemessen, daß bei der Aenderung des Volumens der festen Koͤrper, so wie bei den Luft-Arten, die Waͤrmecapacitaͤt veraͤndert wird, durch Druck Waͤrme frei wird. Diese Hypothese laͤßt sich vertheidigen; denn da wir gar nicht wissen, welche sehr große Menge Waͤrmestoff vielleicht noch selbst in den Koͤrpern vorhanden ist, die eine niedrige Temperatur haben, so enthaͤlt es nichts Ungereimtes, wenn wir sagen, indem diese Waͤrme auch nur aus den an der Oberflaͤche liegenden Theilchen ausgetrie- ben wird, mache sie sich als fuͤhlbare Waͤrme kenntlich, und da die Zuleitung von innen her immer neue Waͤrme darbietet, so koͤnnen diese Waͤrme-Erzeugungen fast unerschoͤpflich fortdauern. Um diese Hypothese durchzufuͤhren, steht es uns frei, jenen Vorrath an Waͤrmestoff, der in den Koͤrpern vorhanden ist, uͤberaus groß anzu- nehmen, indem es keine Erfahrung giebt, die darin unsern Voraus- setzungen Grenzen setzte. Aber obgleich sich so die Hypothese wohl glaublich machen laͤßt, so darf man doch auch nicht verhehlen, daß sie sich auf gaͤnzlich ungewisse Behauptungen stuͤtzt, und daß sie daher auch gar wohl ganz irrig sein kann. Auffallend ist hier schon die sehr große Waͤrme, die beinahe augenblicklich hervorgeht, und die Unerschoͤpflichkeit dieser Waͤrmequelle. Sind es auch beim Feuerschlagen nur sehr kleine Stahltheilchen, die gluͤhend werden, und ist also der Waͤrme-Aufwand auch nur diesen kleinen Massen entsprechend, so ist doch auch die Zahl der bei einem leichten Schlage comprimirten Theile ebenfalls geringe, und diese wenigen in ihrem Volumen veraͤnderten Theile muͤssen jene Waͤrme hergegeben haben. Und diese Waͤrme-Erzeugung geht unvermindert vor, wie lange F2 man auch den Versuch fortsetze. Rumfords Versuche heruͤber sind am vollstaͤndigsten ausgefuͤhrt; bei einem Drucke von 10000 Pfund und einer nicht einmal sehr schnellen Drehung von Metall in Metall brachte er das die gedrehte Metallmasse umgebende Was- ser, welches 19 Pfund betrug, zum Kochen, und die Waͤrme schien sich unaufhoͤrlich zu erzeugen. Diese Waͤrme-Entwickelung findet auch im luftleeren Raume statt. Rumford und andre Physiker haben diese Versuche als fuͤr die Immaterialitaͤt der Waͤrme sprechend angesehen, indeß muß man wohl richtiger sagen, sie scheinen nach der Ansicht dieser Physiker sich besser durch eine Undulation des Waͤrmestoffs als durch ein Ausstroͤmen und Mittheilen desselben zu erklaͤren. Setzt man naͤm- lich voraus, eben jener Aether, aus dessen Vibrationen man die Erscheinungen des Lichtes erklaͤrt, bringe durch seine Vibrationen auch auf unser Gefuͤhl die Empfindung der Waͤrme hervor, so ließe sich es wohl denken, daß hier die mechanische Erschuͤtterung jene Vibrationen bewirke, und sie wiederholt und unerschoͤpflich erneuert bewirke, wenn sich jene Erschuͤtterung erneuert. Aber so manche andre Erscheinungen sind doch weit mehr geeignet, einen Uebergang des Waͤrmestoffes von einem Koͤrper zum andern anzu- deuten, so daß es mir schwer wird, mich fuͤr diese Undulationstheorie zu erklaͤren; und ich weiß auch nicht, ob irgend jemand schon diese Theorie mit einigem Gluͤcke in recht klarer Entwickelung auf die uͤbrigen Erscheinungen der Waͤrme, wo so oft eine quantitative Abmessung sich anzudeuten scheint, angewandt hat. Runcke's Gedanke, daß einige Phaͤnomene nicht sowohl aus einem Ueberstroͤmen oder einer Vermehrung des Waͤrmestoffs entstehen, als vielmehr aus Schwingungen, verdient wohl naͤhere Beruͤcksich- tigung, indem es wenigstens gewiß ist, daß in andern Faͤllen der- gleichen wesentlich verschiedene Erscheinungen vorkommen, und der- jenige, der alle Bewegungen der Luft oder des Wassers als stroͤmende erklaͤren wollte, ebenso sehr fehlen wuͤrde; als der, welcher alles auf Wellen zuruͤckzufuͤhren suchte. Indeß, welche Auskunft man auch ergreife, immer scheinen wir noch in Beziehung auf die zuletzt erwaͤhnten Erscheinungen weiter als in andern Lehren von dem, was wir Gewißheit nennen, entfernt zu sein. Sechste Vorlesung . Waͤrme , die bei Aenderung des Aggregatzustandes latent wird . Weit besser als die zuletzt angefuͤhrten Erscheinungen lassen sich diejenigen erklaͤren, die mit dem Fluͤssigwerden des Eises und mit der Verwandelung des Wassers in Dampf verbunden sind. Wenn man an sehr kalten Tagen ein Thermometer, das ganz von Eis umgeben ist, beobachtet, so steht es oft sehr tief unter dem Nullpuncte; bringt man es so in einen waͤrmeren Raum, so wird das Eis erwaͤrmt und das Thermometer steigt bis es den Nullpunct erreicht hat, dann aber zeigt es, obgleich immer neue Waͤrme zufließt, keine Temperatur-Erhoͤhung an waͤhrend das Eis schmilzt, sondern das Thermometer bleibt auf Null bis sich das gesammte Eis in Wasser verwandelt hat. Offenbar ist also ein Aufwand von Waͤrme noͤthig, um aus Eis Wasser zu machen, und die waͤhrend der ganzen Zeit des Schmelzens zustroͤmende Waͤrme wird auf diese Form-Aenderung, auf diese Aenderung des Aggregatzustandes, verwandt. Auf aͤhnliche Weise wird Waͤrme gebunden, um Wasser in Daͤmpfe zu verwandeln, und sowohl jener als dieser Waͤrme-Aufwand hat seine genau bestimmte Groͤße, die man in folgenden Zahlen uͤbersehen kann. Nimmt man eine Eis- masse von - 10 Gr. Cent. und bringt diese an ein immer gleich erwaͤrmendes Feuer, das gerade so gewaͤhlt ist, daß in 4 Minuten die Temperatur des Eises bis 0° steigt, so sollte man erwarten, daß in den folgenden 4 Minuten ein neues Steigen des Thermo- meters bis auf + 10° statt finden werde, aber das erfolgt nicht, sondern 30 Minuten lang kann jene Waͤrme gleichfoͤrmig zustroͤ- men, ohne etwas anders als die voͤllige Schmelzung des Eises zu bewirken. Sobald alles Eis in Wasser verwandelt ist, steigt das mit Wasser umgebene Thermometer in 40 Minuten bis zum Koch- puncte, bleibt aber, waͤhrend das Wasser kocht, hier wieder stehen, und 210 Minuten lang aͤndert sich die Temperatur des Wassers nicht, am Ende dieser Zeit aber ist alles Wasser gaͤnzlich in Dampf verwandelt. Es wird also ebenso viel Waͤrme erfordert, um 1 Pfund Eis in Wasser zu verwandeln, als 1 Pfund Wasser auf 75 Gr. Centes. (60° R. ) zu erhitzen, und es wird ebenso viel Waͤrme erfor- dert, um 1 Pfund Wasser in Dampf zu verwandeln, als 1 Pfund Wasser auf 525° Cent. (420° R. ) oder als 10 Pfund Wasser auf 52 ½° Cent. zu erhitzen In jenen Zeit-Angaben wuͤrde man naͤmlich in 30 Min. ein Steigen auf 75°, in 210 Min. ein Steigen um 525° erwarten. . Der eben beschriebene Versuch, obgleich er recht passend ist, um die Uebersicht der Erscheinungen darzustellen, scheint doch eben nicht geeignet, um jene Zahlen mit großer Genauigkeit zu erhalten; aber andre Versuche zeigen eben das, was ich hier angegeben habe. Um zuerst bei dem Schmelzen des Eises stehen zu bleiben, so ließe sich der dazu noͤthige Waͤrme-Aufwand am besten durch den Eis- Apparat von Lavoisier bestimmen; bringt man in denselben 1 Pfund Wasser von 70 Gr. warm, so betraͤgt das geschmolzene Eis noch nicht 1 Pfund, erst bei 75 Gr. C. ist dieses der Fall, und es bestaͤtigt sich also jene Behauptung, und das schon oben ange- wandte Waͤrmemaaß, welches von der Schmelzung einer bestimm- ten Eismenge hergenommen wurde, erhaͤlt hier seine voͤllige Er- klaͤrung. Diese latent werdende Waͤrme wird bloß verbraucht, um Fluͤs- sigkeit hervorzubringen; und so wie sie bei Wasser erforderlich ist, so ist auch bei andern Koͤrpern mit dem Schmelzen Waͤrme-Aufwand verbunden, so daß waͤhrend des Schmelzens die Temperatur nicht hoͤher steigt. Man kann hieran mit Recht die Frage anschließen, ob auch umgekehrt Waͤrme frei wird, wenn das Wasser sich in Eis verwandelt, und es scheint auffallend, daß wir dies so wenig deutlich bemerken. Der Grund hievon liegt ohne Zweifel darin, daß das Gefrieren so langsam statt zu finden pflegt, daß die Waͤrme in den umgebenden Koͤrpern sich zu zerstreuen Zeit findet, und es wuͤrde schwierig sein, etwa mit einem viel kaͤlteren Gefaͤße den Versuch anzustellen. Indeß giebt es einen Fall, wo sich diese Waͤrme- Entwickelung beim Gefrieren doch zeigt. Das Wasser laͤßt sich naͤmlich, wenn man seine Oberflaͤche mit Oel bedeckt und es vor aller Erschuͤtterung sichert, bis mehrere Grade unter Null abkuͤh- len, ohne daß es in Eis verwandelt wird; bringt man aber, nach- dem dies gegluͤckt ist, eine kleine Erschuͤtterung hervor, so erfolgt das Gefrieren in einem Augenblicke und das Thermometer steigt bis auf Null, das heißt, im Gefrieren wird so viel Waͤrme frei, daß das bis zu mehrern Graden unter Null erkaͤltete Wasser, Thermo- meter und Gefaͤß nun wieder die Nulltemperatur erhaͤlt. Auch fuͤr andre Koͤrper hat man die Waͤrme, die bei dem Fluͤssigwerden latent wird, zu bestimmen gesucht. Bei den Me- tallen, die erst in sehr hohen Hitzegraden schmelzen, scheint dies nach Rudbergs Beobachtungen am besten durch die Beobachtung der Abkuͤhlungszeiten von 10 zu 10 Grad zu geschehen. Man be- merkte naͤmlich, daß sehr erhitztes geschmolzenes Zinn von 290° auf 280° Cent. in 14 Sec., von 240 bis 230° in 23 Sec. abkuͤhlte, aber von 230 bis 220 Gr., wo es fest wird, 560 Sec. Zeit ge- brauchte; man schließt also mit Recht, daß in dieser so sehr langen Zeit nicht allein die freie Waͤrme, sondern auch die im fluͤssigen Zinn latente Waͤrme verloren geht, und dadurch die Verzoͤgerung der Abkuͤhlung statt findet. Dieser Schluß ist um desto mehr be- gruͤndet, da nachher die Abkuͤhlung wieder schneller fortgeht und zum Beispiel in dem vorigen Versuche die Abkuͤhlung des festen Zinnes von 220° bis 210° nur 33 Sec. forderte. Rudberg schließt aus diesen Versuchen, daß ein Gewichttheil fluͤssiges Zinn so viel Waͤrme latent enthaͤlt, als erforderlich ist, um 1 Gewichttheil Wasser 13⅓ Grad zu erwaͤrmen, und dieses ist ungefaͤhr so viel Waͤrme, als noͤthig ist, um ein Gewichttheil Zinn um 220 Grad zu erwaͤrmen Poggend. Ann. XIX. 125, XX. 284. u. Gilb. Ann. XXXVIII. 305. . Diese Rechnung ist unsicher, da wir die specifische Waͤrme des so sehr erhitzten Zinnes nicht genau kennen, indeß zeigt sie doch, daß auch hier viel Waͤrme frei wird, wenn der Zustand der Festigkeit eintritt; und bei Blei, welches mit 320° Cent. schmilzt, findet etwas Aehnliches statt, doch ist die Waͤrme, die 1 Gewichttheil Blei im Schmelzen aufnimmt, nur so groß, daß sie 1 Gewichttheil Wasser um beinahe 6 Grad erhitzen koͤnnte. Eiscrystalle . Schnee . Der Grund, warum außer einer niedrigen Temperatur auch einige Bewegung erfordert wird, damit Eis entstehe, scheint in der regelmaͤßigen Bildung der Eiscrystalle zu liegen, bei welcher die Theilchen nicht ganz in der Anordnung bleiben, welche sie im Wasser hatten, und die daher eine Erschuͤtterung, damit die neue Anord- nung der Theilchen eintrete, fordert. Wirklich aber zeigt sich uns eine solche bestimmte Anordnung, indem das Eis Crystalle bildet. Wir sehen die Eisnadeln und Eisblaͤttchen in einem Gefaͤße sich immer unter Winkeln von 60 Graden an einander ansetzen, und die Zwischenraͤume zwischen diesen fuͤllen sich mit kleinern, ebenso geneigten Nadeln aus. Wir sehen diese Eisbildung am leichtesten und auch fast am vollstaͤndigsten bei dem Gefrieren der Fenster- scheiben, deren duͤnne Wasserschichte sich gern mit großer Regel- maͤßigkeit in Crystalle bildet. Ist an einer Fensterscheibe nur sehr wenig Feuchtigkeit, so finden wir einzelne sechsspitzige Sterne auf ihr, die sich nur, wenn es zu sehr an Feuchtigkeit gefehlt hat, nicht vollkommen zu sechsspitzigen Sternen ausbilden. Ist die Glas- scheibe ganz mit einer duͤnnen Schichte Wasser bedeckt, so schießen einzelne Eisnadeln an und an diese fuͤgen sich unter dem Winkel von 60 Graden andre Nadeln, die oft sehr schnell zunehmen, oft in parallelen Richtungen einen bedeutenden Raum fuͤllen. So entstehen die Blumen an den Fenstern, bei denen die Kruͤmmung der einzelnen Nadeln wohl theils von Ungleichheiten im Glase, theils von der mehr oder minderen Dicke der Wasserschichte herruͤhrt. Man hat diese Regelmaͤßigkeit der Crystalle als sechseckige und dreieckige Prismen auch oft bei groͤßern Eismassen gefunden; Clarke aber glaubt gefunden zu haben, daß die eigentlich urspruͤng- liche Gestalt der Eiscrystalle das Rhomboid mit Winkeln von 60 und 120 Graden sei, daß aus diesem sich die groͤßern Eiscrystalle zusammensetzen, daß aber nur bei einem sehr langsamen Gefrieren, bei gelinder Kaͤlte, diese Grundform kenntlich bleibe Gehlers Woͤrterb. Th. III. S. 111. . Eben diese Bildung in Eisnadeln, an welche sich feinere Eisnadeln unter dem Winkel von 60 Gr. ansetzen, zeigt der Reif und noch schoͤner der Schnee. Bei starkem Froste, am besten wenn nur wenige und kleine Schneefloͤckchen fallen, hat der Schnee bis ganz reine Gestalt sechsspitziger Sterne oder sechseckiger Blaͤttchen; bei andern Schneecrystallen haben sich Nadeln unter dem Winkel von 60° zusammengefuͤgt, oder es haben sich Verbindungen von regelmaͤßigen Sechs-Ecken gebildet, und so entstehen die in Fig 18. dargestellten und noch viel mannigfaltigere Formen der Schnee- crystalle. Bei recht kalter und mit wenig Duͤnsten beladener Luft sieht man wohl einzelne Eisnadeln, noch nicht zu Sternen verbun- den, ohne Zweifel aber von dreieckig prismatischer oder von rhom- boidischer Form herabfallen. Wenn sich die Schneecrystalle zahl- reicher bilden, so haͤngen sie sich an einander und bringen die eigent- lichen Schneeflocken hervor, die sich am unregelmaͤßigsten an ein- ander gehaͤngt bei gelindem Froste zeigen, aber immer aus jenen regelmaͤßig gebildeten kleinen Crystallen hervorgehen. Ausdehnung des Wassers beim Gefrieren . Das Eis ist specifisch leichter als Wasser ungefaͤhr in dem Verhaͤltnisse 9 zu 10; es findet also beim Gefrieren eine Ausdeh- nung, eine Zunahme des Volumens, statt. Diese ist so gewaltsam, daß sie die Gefaͤße, worin das Wasser eingeschlossen ist, zersprengt, und wo das Wasser oben eine freie Oberflaͤche hat, dieser eine ge- woͤlbte Gestalt giebt. Die Gewalt, mit welcher sich hier das Eis ausdehnt, ist sehr groß, so daß eine hohle Eisenkugel von 15½ Zoll innerm Durchmesser und 2¾ Zoll dicken Waͤnden vom Eise zer- sprengt wurde, also eine Kraft, die man auf Millionen Pfunde schaͤtzen kann, ausgeuͤbt wurde Um ungefaͤhr die Groͤße der entstandenen Bruchflaͤche zu bestim- men, dient die Angabe, daß ein Stuͤck von 150 Pfund fortgeschleudert wurde. 150 Pfund Eisen sind ungefaͤhr 470 Cubiczoll, also 170 Qua- dratzoll der Kugel-Oberflaͤche; die ganze Kugel-Oberflaͤche betrug un- gefaͤhr 1000 Quadratzoll; rechne ich den Umfang jenes Stuͤckes zu 45 Zoll, die Bruchflaͤche auf reichlich 100. Quadratzoll, so kann man die erforderliche Kraft wohl auf 2600000 Pfund rechnen, wie Runcke sie bestimmt. Gehlers Woͤrterb. III. 115. . Man hat aͤhnliche Versuche oͤfter angestellt und immer gleich auffallende Kraͤfte gefunden, dabei aber auch bemerkt, daß das Wasser erst, indem es sich mehr Raum gemacht hat, zum Gefrieren koͤmmt, und ungefroren bleibt, wenn die Festigkeit des Koͤrpers kein Zersprengen gestattet. Dies zeigte sich bei Williams Versuchen dadurch, daß einmal der schließende Stoͤpsel bei — 17° Reaum. herausgedraͤngt und 62 Fuß weit fortgeschleudert, dabei aber auch ein offenbar erst in diesem Augen- blicke sich bildender Eiscylinder hervorgedraͤngt wurde. Die große Gewalt, mit welcher hier die Anordnung in Crystallformen als nothwendige Bedingungen des Gefrierens gefordert wird, erhellt hieraus, und es ist wohl offenbar, daß darin, nicht in der zufaͤllig eingeschlossenen Luft, der Grund der Ausdehnung des Eises zu suchen ist. Man hat sich uͤberdies auch uͤberzeugt, daß Wasser, welches durch Auskochen frei von Luft geworden ist, voͤllig ebenso eine zersprengende Kraft ausuͤbt. Wegen dieses vergroͤßerten Volumens schwimmt das Eis auf dem Wasser, und wenn man das specifische Gewicht desselben = \frac{9}{10} annimmt, so ist allemal nur ein Zehntel der schwimmenden Eis- masse oberhalb des Wassers, also bei schwimmenden Eisbergen auf dem Meere gewiß in den meisten Faͤllen eine sehr tief gehende Masse im Wasser eingetaucht, obgleich nicht uͤber die Tiefe, sondern nur uͤber die ganze Ausdehnung des unter dem Wasser befindlichen Theiles ein Urtheil moͤglich ist. Polar-Eis, Gletscher, Schneelinie, Schneelawinen . Eis und Schnee kommen auf der Erde in so manchen merk- wuͤrdigen Beziehungen vor, daß die physische Geographie oft davon zu reden Veranlassung hat, weshalb Sie auch mir gestatten wer- den, etwas laͤnger bei den Erscheinungen, die von ihnen abhaͤngen, zu verweilen. Die Polarmeere sind mit ewigem Eise erfuͤllt und bekanntlich ist darum die Fahrt in den noͤrdlichen Meeren so schwie- rig, ja zum Theil unmoͤglich. Merkwuͤrdig ist in Beziehung auf die noͤrdlichen Meere, welche noch beschifft werden koͤnnen, daß in der Gegend von Spitzbergen das Meer bis zu weit noͤrdlichern Breiten befahren werden kann, als an der groͤnlaͤndischen und asia- tischen Kuͤste. Offenbar ist dies die Folge der aus suͤdlichen Gegen- den kommenden warmen Seestroͤme, die zwischen America und Europa bis zu sehr noͤrdlichen Gegenden vordringen und das Eis dort waͤhrend des Sommers so unterbrechen, daß die Wallfischfaͤn- ger bis zum 80sten Grade der Breite gelangen koͤnnen. Die Gren- zen des fast ganz undurchdringlichen Eises, welche in der Gegend von Island und Spitzbergen eine so bedeutende Einbiegung haben, sind indeß nicht voͤllig unveraͤnderlich, sondern um die Jahre 18 bis 22 dieses Jahrhunderts konnte man zu den oͤstlichen Kuͤsten Groͤnlands gelangen, die seit vielen Jahren unzugaͤnglich gewesen waren. Diese Befreiung von Eise war dadurch entstanden, daß vorzuͤglich im Jahre 1818 ungeheure Eismassen sich abgeloͤset hat- ten und nach Suͤden zu getrieben waren, so große Massen, daß Schiffe, die von Neufundland (in 47° Breite) absegelten, viele Tage lang von Eis umgeben und so weit als das Auge reichte davon umgeben waren. In jenen noͤrdlichen Meeren und vorzuͤglich in der Davis- straße kommen Eisberge von mehr als 100 Fuß, ja bis 250 Fuß uͤber dem Wasser und so tief gehend vor, daß sie bei 600 Fuß Tiefe des Wassers auf dem Grunde sitzen bleiben. Sie sind so zahlreich, daß Roß 700 auf einmal in der einen Haͤlfte des Hori- zontes zaͤhlte. Die Entstehung dieser ungeheuern Massen scheint vielleicht einzig oder doch wenigstens vorzuͤglich an den Ufern der festen Laͤnder statt zu finden, und die Vermuthung, daß sie von den Abhaͤngen der Berge ins Meer herab stuͤrzen, hat sehr viel fuͤr sich. Aber auch nachdem sie so das Meer erreicht haben, koͤnnen sie durch Regen und Schnee und durch feuchte Niederschlaͤge aus der waͤrmern Luft noch sehr zunehmen, daher denn auch sich im Sommer oft oben auf denselben aufgethautes suͤßes Wasser findet. Diejenigen Eismassen dagegen, welche wenig uͤber das Wasser her- vorragend die Eisfelder bilden, entstehen auch mitten auf dem Meere, indem bei staͤrkerer Kaͤlte das Wasser sich mit Eiscrystallen fuͤllt, aus deren Vereinigung dann die oft Meilen weit verbreiteten, theils aus großen theils aus kleinen Stuͤcken bestehenden, Eisfelder hervorgehen. Diese Eismassen setzen die jene Gegenden besuchen- den Schiffer oft in die groͤßesten Gefahren. Oft finden diese sich durch schnell sich vereinigende Eismassen so von Eis umgeben, daß sie nirgends einen Ausweg sehen, und den Bewegungen des Eises ganz und gar folgen muͤssen. Dabei ereignet es sich zuweilen, daß mehrere ungeheure Eisfelder so gegen einander draͤngen, daß Schiffe in Gefahr gerathen, von ihnen zerdruͤckt zu werden. Besonders gefaͤhrlich soll es in solchen Faͤllen sein, daß große Eismassen, die eine drehende Bewegung angenommen haben, durch diese mit aller der Gewalt, deren eine so große Masse faͤhig ist, an einander stoßen, und sich und alles, was ihnen in den Weg koͤmmt, zertruͤmmern. Andre Gefahren drohen den Schiffen von umstuͤrzenden Eisbergen. Su- chen sie bei Sturm zwischen Eisbergen Schutz, oder koͤnnen sie nicht vermeiden, sich in der Naͤhe derselben laͤnger aufzuhalten, so ereig- net es sich, daß die Eismassen zertruͤmmert herabstuͤrzen und das Schiff beschaͤdigen, oder daß sie durch eine Veraͤnderung ihres Schwerpunctes, etwa dadurch daß große Stuͤcke unter Wasser sich von ihnen lostrennen, eine andre Lage annehmen, und so umstuͤr- zend das Schiff bedecken. Oft erstrecken sich diese großen Eismassen unter dem Wasser weiter seitwaͤrts als oben, und das Schiff befin- det sich oberhalb eines Theiles der Eismasse; nimmt dann die ganze Masse eine etwas veraͤnderte Lage an, so hebt sich zuweilen jener unter dem Wasser befindliche Theil ploͤtzlich hervor und stoͤßt von unten an das Schiff oder hebt es aus dem Wasser hervor. Wie dies geschehen kann, zeigt Fig. 19. , wo die Masse B, so lange sie mit C vereinigt ist, recht wohl in der angegebnen Stellung schwimmend bleiben kann, statt daß die Masse B sogleich umstuͤrzen und das Schiff bei A bedecken wird, wenn sich die Masse C los- trennte. Dagegen wuͤrde das Schiff bei A durch die Masse D aus dem Wasser gehoben werden koͤnnen, wenn sich ploͤtzlich der Theil E von der Eismasse D trennte, mit welcher er bisher verbunden war. Nirgends scheinen die dem Seefahrer drohenden Ungluͤcksfaͤlle so zahlreich und mannigfaltig zu sein, nirgends scheinen sie eine so unausgesetzte Achtsamkeit auf alle Umstaͤnde, so viel Entschlossen- heit, um schnell einen guͤnstigen Umstand zu benutzen, nirgends so viel Thaͤtigkeit und Arbeit, um selbst durch Durchsaͤgen des Eises und aͤhnliche Mittel sich frei zu machen, zu fordern, als in diesen noͤrdlichen und suͤdlichen Polarmeeren, wo uͤberdies bestaͤndige Nebel und oͤftere Stuͤrme die Gefahren noch vergroͤßern. Auch das Gefrieren kleinerer Gewaͤsser, der großen Stroͤme, Landsee u. s. w. bietet manche merkwuͤrdige Erscheinungen dar. Das Losbrechen des Eises in den großen Stroͤmen, wo oft dichte Eisstuͤcke von mehrern tausend Quadratfußen und einem oder mehr Fuß dick, Masse genug haben, um ganze Bruͤcken fortzufuͤhren, um 10 Pfaͤhle von Fußdicke auf einmal abzuschneiden, bietet nicht selten auffallende, aber auch gefaͤhrliche Erscheinungen dar. Die dabei oft entstehenden Eisdaͤmmungen, wo der Strom sich durch uͤber und unter einander geschobene Eisschollen selbst den Ausgang versperrt, bringen die gefaͤhrlichsten Ueberschwemmungen hervor; und obgleich zuweilen ein Zertruͤmmern dieser Daͤmme durch Kano- nenkugeln oder ein Zersaͤgen durch zeitig genug gemachte Einschnitte in das Eis, die Gefahr abwenden kann, so sind doch in großen Stroͤmen die Faͤlle oft von der Art, daß sie allen durch mensch- liche Kraft anzuwendenden Huͤlfsmitteln viel zu maͤchtig sind. Unter den noch nicht ganz erklaͤrten Erscheinungen bei der Entstehung des Eises in Stroͤmen verdient wohl das sogenannte Grund-Eis erwaͤhnt zu werden. Da die Kaͤlte uns immer durch die Luft zugefuͤhrt wird, und die Erde im Innern, wenigstens in unsern Gegenden, keineswegs die Frostkaͤlte hat, so scheint es schon deswegen nicht wohl moͤglich, daß sich Eis auf dem Boden der Gewaͤsser bilden sollte. Dies scheint in suͤßem Wasser noch um so mehr nicht geschehen zu koͤnnen, da das schwerste Wasser nicht das von 0° Waͤrme, sondern das von etwa 4 Gr. Waͤrme ist, also am Boden ein Wasser sich sammeln muß, das nicht die Gefrier- kaͤlte hat. Gleichwohl sind die Behauptungen, daß es ein Grund- Eis gebe, daß man mehrmals ein ganz entschiedenes Entstehen des Eises am Boden der Gewaͤsser bemerkt habe, so oft wiederholt wor- den, daß man kaum an ihrer Wahrheit zweifeln kann. Nach eini- gen Beobachtungen scheint es, als ob die gute Waͤrmeleitung eines steinigen Ufers die Abkuͤhlung bewirken koͤnne; aber nach andern Beobachtungen entsteht auch in 10 Fuß Tiefe mitten im Flusse auf dem Boden Eis, und ein Beobachter in Solothurn fand die Aar am Boden in 10 bis 12 Fuß Tiefe gefrierend und 0° kalt, waͤhrend das obere Wasser noch + 1½ bis 2° warm, die Luft aber sehr kalt war. Wenn diese Eisbildung am Boden der Fluͤsse statt findet, so uͤberziehen sich zuweilen die auf dem Boden liegenden Koͤrper so mit Eis, daß sie mit demselben bis auf die Oberflaͤche des Wassers heraufgehoben werden Biblioth. univ. XLI. p. 201. Phil. Transact. for 1816. . Gewoͤhnlicher aber ist es, daß bei maͤßiger Kaͤlte die Eis- bedeckung sich ganz ruhig oben ansetzt; bei ploͤtzlicher strenger Kaͤlte und in etwas staͤrker bewegtem Wasser bilden sich unzaͤhlige Eis- nadeln, im Wasser schwimmend, die dann sehr bald zu ganzen Eisschollen vereinigt die Oberflaͤche mit Eis bedecken. Daß diese Eisbildung zuweilen bei gleicher Kaͤlte und gleicher Schnelligkeit eines und desselben Stromes schneller fortgeht, als zu anderer Zeit, glaubt Arago aus ungleichem Waͤrmeverlust durch strahlende Waͤrme erklaͤren zu muͤssen, und bemerkt dabei, daß heitrer Him- mel die Eisbildung befoͤrdere. Indeß ist es wohl gewiß, daß auch die groͤßere oder geringere Kaͤlte in den entfernten, hoͤhern Gegen- den eben des Stromes dabei von sehr bedeutendem Einfluß ist, in- dem oft das den Strom herunter kommende Eis, oft das an dem Orte selbst entstehende Eis, mehr zur Bildung der Eisdecke beitraͤgt. Ebenso merkwuͤrdig als die Eisbildungen in den Polarmeeren sind die Gletscher. Es ist bekannt, daß in den hoͤhern Gegenden der Atmosphaͤre die Temperatur immer so niedrig ist, daß auf den hoͤchsten Bergen selbst im Sommer der Schnee nicht aufthaut. Diese Schneegrenze, oberhalb welcher der Schnee niemals aufthaut, liegt nicht in der Hoͤhe, wo die mittlere jaͤhrliche Temperatur Null ist, sondern hoͤher, weil die warmen Sommertage so stark auf das Schmelzen des Schnees wirken. Die Schneegrenze entfernt sich staͤrker von der Mittelwaͤrme = 0 in hohen Breiten, weil dieser vorherrschende Einfluß der Sommerwaͤrme bedeutender in den lan- gen Sommertagen der hohen Breiten ist, als in der Gegend des Aequators, wo das ganze Jahr eine beinahe gleichfoͤrmige Waͤrme hat. Außerdem haͤngt die Hoͤhe der Schneegrenze noch von Ne- benumstaͤnden ab, indem auf ausgedehnten hohen Gebirgen eine weit verbreitete niedrige Temperatur das Bestehen des Schnees unterstuͤtzt, wogegen einzelne Bergspitzen, auch wenn ihr Abhang es gestattet, sich nicht so leicht mit ewigem Schnee bedecken. Diese Schneegrenze liegt unter dem Aequator 15000 Fuß, in den Alpen 8000 Fuß hoch. Diesem ewigen Schnee verdanken die Gletscher, die jedoch weit unter die Schneegrenze herabreichen, ihr Entstehen. Sie bil- den sich da, wo das Schmelzen des Schnees im Sommer theils durch Regen, theils durch Sonnenwaͤrme, noch statt findet, und wo daher der Schnee, weil ein bis in die Thaͤler hinab vollstaͤndiges Aufthauen nicht moͤglich ist, sich in eine dichte Eismasse verwan- delt. Die so entstandenen Eismassen fuͤllen die Gebirgsthaͤler und lagern sich an den Abhaͤngen, und indem sie an den Abhaͤngen all- jaͤhrlich, durch Abthauen an der untern Grenze, ihre Stuͤtzpuncte verlieren, sinken die hoͤher liegenden Massen allmaͤhlig immer tiefer herab, und gelangen in Gegenden, die weit niedriger liegen, als es der eigentlichen Schneegrenze, derjenigen Hoͤhe naͤmlich, wo der jaͤhrlich fallende Schnee nicht mehr ganz aufthauet, gemaͤß ist. Auf diesem Umstande beruhet es, daß die Gletscher sich gegen ihre untern Grenzen hin an der Erdflaͤche unterhoͤhlt zeigen, und daß Stroͤme ihren Ursprung aus den Gletschern, wo sie aus Eisgewoͤlben hervor- stroͤmen, haben. Die Erde naͤmlich hat in der Gegend, wo sie noch mit Gletscher-Eis bedeckt ist, eine groͤßere Waͤrme als die Nulltemperatur, und obgleich sie in der Oberflaͤche selbst durch das aufliegende Eis unaufhoͤrlich abgekuͤhlt wird, und ihre Waͤrme durch das Aufthauen des Eises verliert, so bringt doch die stetige, wenn gleich langsame, Zuleitung der Waͤrme aus dem Innern der Erde unaufhoͤrlich neue Waͤrme an die Oberflaͤche, wodurch das Aufthauen des Eises unterhalten wird. So hoͤhlt sich also der untere Theil des Eises aus, und wenn nun im Sommer die un- tern Raͤnder der Gletscher wegthauen, so ruͤcken die hoͤher liegenden Eismassen herab und draͤngen sich oft mit solcher Gewalt vor- waͤrts, daß sie bebautes Land und selbst Waͤlder vor sich fortschie- ben, wobei oft weite Strecken des bebauten Landes uͤberdeckt und veruͤstet werden. Dieses Vorruͤcken der Gletscher ist in kalten Sommern und nach schneereichen Wintern oft so bedeutend, daß sie Flaͤchen von 1000 Fuß breit in wenigen Jahren neu bedecken, wogegen sie in warmen Sommern sich etwas wieder zuruͤckziehen; doch scheint die allgemeine Erfahrung auf ein Wachsen im Ganzen in unserm Jahrhundert hinzudeuten. Jenes allgemeine Vorruͤcken aber, welches oft nur darin besteht, daß die hoͤhern Massen den Platz der abgethauten einnehmen, findet in jedem Jahre statt. Es ist mit dem Entstehen der tief hinabgehenden Spalten verbunden, die durch das Abtrennen der niedrigern Massen, welche dem Thale zu vorruͤcken, von den noch ruhend bleibenden, entstehen. Diese Spalten erstrecken sich oft, vielleicht gewoͤhnlich, bis an die untern Hoͤhlungen, in welchen das aufgethaute Wasser am Boden fort- fließt, und es sind einzelne Faͤlle vorgekommen, wo Menschen, die in den Spalten hinabgestuͤrzt waren, und gluͤcklich genug den Bo- den unverletzt erreichten, in diesen Eisgewoͤlben, die dem Wasser den Ausfluß gestatten, sich wieder hervorarbeiteten. Diese Spalten ruͤcken selbst mit hinab dem Thale zu, indem jede oben sich abloͤsende Masse herabsinkt, wenn das Abthauen ihr unten die Stuͤtze raubt; und so geschieht es, daß Koͤrper, die vor mehreren Jahren in eine solche Spalte hinabgefallen sind, ohne den Boden zu erreichen, end- lich an der Seite des Gletschers auf der Oberflaͤche sichtbar werden. Fig. 20. stellt dies dar. Denn wenn hier, nachdem bei B das Eis abgethaut ist, die nachruͤckende Masse A den Raum einnimmt, den fruͤher die Masse B einnahm, so ist ein bei a in der dort angezeig- ten Spalte hinabgefallener Koͤrper jetzt in b auf der freien Ober- flaͤche. Von den Gletschern an der Kuͤste der Davisstraße scheinen die großen Eismassen in das Meer herabzugleiten, die als Eisberge in jenen Gegenden so haͤufig sind, und zuweilen Erde und Steine mit sich fortfuͤhren. Auch die Lawinen gehoͤren zu den großen Natur-Erscheinun- gen, die von der Entstehung des Schnees abhaͤngen. Sie entstehen theils im Winter, wenn frisch gefallener, lockerer Schnee irgendwo seine Stuͤtzpuncte verliert und nun uͤber einer stark geneigten Ebne herabgleitet oder gar uͤber Abhaͤnge herabstuͤrzt, theils im Fruͤhling, wenn die dicht gelagerten Schneemassen durch Aufthauen an den Stellen, wo sie eine Stuͤtze fanden, zum Stuͤrzen kommen. Die erstern stuͤrzen mit mehr Schnelligkeit in das Thal hinab, und da durch die entstandene Erschuͤtterung gewoͤhnlich eine große Masse Schnee in Bewegung koͤmmt, da diese in ihrem schnellen Sturze die Luft heftig zusammendruͤckt und Baͤume und Haͤuser im Sturme mit sich fortreißt, so werden diese Winterlawinen fuͤr gefaͤhrlicher gehalten, als die beim Fruͤhlingsthauwetter gewoͤhnlich langsamer herabkommenden, aber wo sie hinfallen auch mit ihrer dichten Masse alles begrabenden Fruͤhlingslawinen Gilb. Ann. LXIV. 184. 209. . Kuͤnstliche Kaͤlte , durch Mischungen hervorgebracht . Aus den Erscheinungen der latent werdenden Waͤrme beim Aufthauen lassen sich die hohen Kaͤltegrade erklaͤren, die man durch Mischungen von Salzen und Schnee oder von Salzen und Saͤuren hervorbringt. Indem naͤmlich diese Koͤrper in den fluͤssigen Zustand uͤbergehen, reißen sie die Waͤrme mit großer Gewalt an sich, und kuͤhlen die benachbarten Koͤrper stark ab. Schon gewoͤhnliches Salz mit Schnee gemischt bringt eine viel groͤßere Kaͤlte hervor als bloß schmelzender Schnee, noch wirksamer aber ist eine Mischung von salzsaurem Kalk (fixem Salmiak) mit Schnee. Wenn der salzsaure Kalk crystallisirt und dann zerstoßen ist, so muß man ungefaͤhr dop- pelt so viel von demselben als vom Schnee nehmen und diese Koͤr- per schichtenweise mischen; dann entsteht eine bis auf 40 Reaum. Grade gehende Kaͤlte, in welcher das Quecksilber gefriert. Man thut wohl, den Versuch nur in einer Umgebung, wo es wenigstens 6 bis 8 Gr. R. kalt ist, anzustellen, und sich eines weiteren Gefaͤßes mit Schnee und Salz gefuͤllt zu bedienen, um schon eine Kaͤlte von 18 bis 20° zu bewirken; setzt man dann in dieses das kleinere Ge- faͤß, worin der Schnee mit salzsaurem Kalk gemischt werden soll, und hat von diesem nicht zu wenig vorraͤthig, so wird man das Quecksilber gewiß zum Gefrieren bringen. Ein nicht zu geringer Vorrath ist erforderlich, um die entstandene Kaͤlte, die wegen der aͤußern, gewoͤhnlich um 20 bis 30 Gr. hoͤhern, Temperatur bald geringer zu werden geneigt ist, lange genug zu unterhalten. Schnee mit Kochsalz bringt mit etwas Salpetersaͤure gemischt eine bedeutende Kaͤlte hervor, selbst wenn die aͤußere Luft ziemlich hoch uͤber den Gefrierpunct erwaͤrmt ist; aber mit einer Mischung von gleichviel Schnee und Salpetersaͤure bei + 14° Waͤrme eine Kaͤlte von —35° hervorzubringen, (wie man es wohl erreicht hat,) ist nur bei Anwendung sehr bedeutender Quantitaͤten und durch Umgebung des Hauptgefaͤßes mit einer sehr erkaͤltenden Mischung moͤglich. In den Polargegenden gefriert das Quecksilber sehr oft durch die dort statt findende Kaͤlte der freien Luft, und da es sich dann unregelmaͤßig und sehr stark zusammen zieht, so hat man ehemals geglaubt, daß die Kaͤlte dort einem viel hoͤhern Thermometergrade III. G entspreche, als es wirklich der Fall ist. Man muß sich in diesen Faͤllen des Weingeistthermometers bedienen, um den wahren Waͤrme- grad anzugeben, weil der Weingeist selbst da noch fluͤssig bleibt, wo das Quecksilber lange gefroren ist. Dieses gefriert bei 39° Centes. (31° R. ), vom reinen Alkohol dagegen nimmt man an, daß er erst bei -79° Centes. gefriert, und diese von Hutton allein gemachte Beobachtung ist noch nicht recht sicher. Die Schmelzpuncte der Koͤrper sind also in so hohem Grade verschieden, daß (wenn wir auch nur vom Quecksilber anfangen wollen,) das Quecksilber schon bei -39° Cent. schmilzt, das Wasser bei 0°, Wachs bei 61°, Schwefel bei 109°, Zinn bei 227°, Blei bei 321°, Silber ungefaͤhr bei 1220°, Guß-Eisen ungefaͤhr bei 1900° Daniell giebt nach seinem Pyrometer fuͤr das Schmelzen des Kupfers 1132 bis 1163° Centes. fuͤr Silber 1061 bis 1077, fuͤr Eisen 1587 Gr. an. . Die sogenannte Rosesche Metallmischung von 1 Th. Zinn, 2 Th. Blei, 3 Th. Wismuth, oder besser 118 Zinn, 207 Blei, 284 Wismuth bedarf nicht ganz der Kochhitze des Wassers, um zu schmelzen. — Gleichwohl sind diese Erscheinungen des Schmelzens von der einen, und des Erhaͤrtens oder Gefrierens von der andern Seite offenbar fuͤr alle diese Koͤrper gleichartige, auch mit gleichen Umstaͤnden begleitete, Erscheinungen. Absoluter Nullpunct der Waͤrme . Die Ueberzeugung, daß weder die Gefrierkaͤlte des Quecksilbers, noch irgend ein von uns kuͤnstlich zu bewirkender Kaͤltegrad der- jenige ist, wo man von wirklichem Mangel aller Waͤrme reden duͤrfte, hat zu der Frage Veranlassung gegeben, wie tief denn das Thermometer bei dem gaͤnzlichen Mangel aller Waͤrme sinken wuͤrde. Die Frage ist offenbar nicht zu beantworten, indeß giebt folgende Betrachtung doch einen Begriff von der Art, wie man sie zu beantworten gesucht hat. Wenn man eine Waͤrmequantitaͤt, die das Wasser um 9 Grad erwaͤrmt, anwendet, um sehr kaltes Eis zu erwaͤrmen, so steigt, bei gleichem Gewichte des Wassers und Eises die Temperatur des Eises um 10 Grad. Die Capacitaͤt des Wassers ist also um ein Neuntel groͤßer als die des Eises, das heißt, dem Wasser muß \frac{10}{9} des Waͤrmestoffes, dessen das Eis bedarf, zugefuͤhrt werden, wenn es um 1 Gr. erwaͤrmt werden soll; und wenn wir dies so auslegen, daß auch im Wasser bei gleicher Temperatur \frac{10}{9} so viel Waͤrme- stoff, als im Eise vorhanden ist, so muß die 75 Graden Centes. entsprechende latente Waͤrme des Wassers ein Neuntel der bei 0 Gr. im Eise enthaltenen Waͤrmequantitaͤt betragen. Hiernach waͤre -675° Centes. das absolute Null der Waͤrme, naͤmlich Eis, das 675° Waͤrme uͤber dem absoluten Null enthaͤlt, bekoͤmmt noch ein Neuntel = 75° hinzu, um Wasser zu geben. Dieser Schluß ist in sehr vieler Hinsicht unsicher, da wir uͤber die bei veraͤnderter Temperatur vielleicht sehr veraͤnderte Waͤrme- capacitaͤt des Eises gar nichts wissen, ja nicht einmal uͤber jene Waͤrmequantitaͤten eine recht klare Ansicht besitzen. Es ist auch wohl gewiß, daß wir aus den latenten Waͤrmen andrer Koͤrper, und ihren specifischen Waͤrmen vor und nach dem Erhaͤrten, ganz andre Zahlen erhalten wuͤrden. Ebenso unsicher scheint mir die Behaup- tung, daß der absolute Nullpunkt bei -213° R. oder 266° Cent. liegen muͤsse, weil die Luft sich von 1 bis \frac{214}{213} ausdehnt, wenn die Waͤrme um 1° R. zunimmt, oder von 1 bis \frac{267}{266} , wenn die Waͤrme um 1° Cent. zunimmt. Allerdings findet diese Ausdehnung bei den mittleren Temperaturen gleichmaͤßig statt; aber bei sehr tiefen Temperaturen kann ja vielleicht der luftfoͤrmige Zustand aufhoͤren, und dann hoͤrt gewiß auch die Guͤltigkeit jenes Schlusses, daß die Zunahme des Volumens der Zunahme der Waͤrme proportional sei, auf. Doch ich unterhalte Sie zu lange mit einer Frage, die fuͤr jetzt wenigstens sich noch ganz außer dem Gebiete unserer Forschun- gen befindet. G 2 Siebente Vorlesung . Entstehung der Daͤmpfe . Schon neulich habe ich, h. H., eine zweite Erscheinung, bei welcher Waͤrme latent wird, erwaͤhnt, die Bildung der Daͤmpfe. Daß bei ihrer Erzeugung ein Waͤrme-Aufwand statt findet, ohne eine Erhoͤhung der Temperatur hervorzubringen, ist schon daraus klar, daß kochendes Wasser durch verstaͤrktes Feuer zwar zu hefti- gerem Aufwallen, zu schnellerem Verdampfen, aber nicht zu einer groͤßeren Waͤrme gebracht wird; die zustroͤmende Waͤrme wird also latent, sie vereiniget sich mit dem Wasser, um ein neues, elastisches Fluidum, den Dampf, hervorzubringen. Da wir jedes der Luft ausgesetzte Wasser sich allmaͤhlich ver- mindern sehen, da auch die Daͤmpfe des kochenden Wassers sich in der Luft verlieren, so war es ein sehr natuͤrlich scheinender Gedanke, der Luft eine aufloͤsende Kraft beizulegen, vermoͤge welcher sie das Wasser in sich aufnaͤhme, und dieser Gedanke hat eine lange Zeit bei den Physikern Beifall gefunden. Aber seine Unrichtigkeit erhellt schon aus der einfachen Erfahrung, daß die gewoͤhnliche Verdunstung in niedrigen Temperaturen nicht allein ebenso gut, sondern sogar weit schneller im luftleeren Raume statt findet, also da statt findet, wo jenes angebliche Aufloͤsungsmittel gaͤnzlich fehlt. Dagegen bewaͤhrt sich die Regel als eine ohne Ausnahme geltende, daß die Verdampfung, sie geschehe langsam in niedrigen Temperaturen oder heftig beim Kochen, sie finde im luftvollen oder im luftleeren Raume statt, immer mit Waͤrme-Aufwand verbunden ist. Der benetzte Finger, den wir der Luft darbieten, lehrt uns durch die in ihm erzeugte Empfindung von Kaͤlte, daß das verdunstende Wasser dem Koͤrper, an welchem es sich befindet, Waͤrme entreißt, und die Erfahrung des Landmannes, daß bei schwachem Winde die Richtung des Win- des sich darin kenntlich macht, daß die dem Winde ausgesetzte Seite des nassen Fingers mehr erkaltet, giebt einen Beweis fuͤr den ver- mehrten Waͤrme-Aufwand an der Seite, wo der Wind die Aus- duͤnstung beschleuniget. Doch die Beweise fuͤr die bei der Verdam- pfung latent werdende Waͤrme bieten sich uns in der Folge noch auffallender dar. Elasticitaͤt der Daͤmpfe . Die Daͤmpfe sind ein elastisches, in vieler Hinsicht der Luft aͤhnliches Fluidum. Um sich von der Elasticitaͤt der Daͤmpfe zu uͤberzeugen, ist vielleicht kein Versuch besser geeignet, als der fol- gende, wo sich die Daͤmpfe in gewoͤhnlicher Luftwaͤrme entwickeln und sogleich eine bedeutende Quecksilbersaͤule tragen. Man bedient sich zweier verbundener Glasroͤhren TT, FA ( Fig. 21. ), deren eine TT oben ganz offen bleibt, die andere FA mit einem Hahne Y oben geschlossen werden kann. Fuͤllt man nun, indem man den oberen Ansatz ganz abschraubt, beide Roͤhren bis an Hh mit Queck- silber, so steht dieses gewiß in beiden Roͤhren gleich hoch, weil der freie Luftdruck auf beide Oberflaͤchen statt findet, und eben das dauert fort, wenn man das obere Stuͤck mit dem schließenden Hahne wieder aufschraubt. Dieser Hahn Y, der gar keine Bohrung hat, dient bei jeder Stellung, um das kleine oberhalb Y befindliche Ge- faͤß von der Roͤhre FA abzusperren; aber seine Fassung hat sowohl nach oben als gegen A zu eine Oeffnung, und in der, uͤbrigens genau cylindrischen, Oberflaͤche des Hahnes selbst befindet sich eine genau unter die Oeffnung t des oberhalb Y befindlichen Gefaͤßes V pas- sende Vertiefung, damit, wenn das Gefaͤß mit einer Fluͤssigkeit, z. B. Aether, gefuͤllt ist, und diese Vertiefung sich an der Oeffnung t befindet, auch sie einen Tropfen eben jener Fluͤssigkeit aufnehme. Wird nun der Hahn in seiner genau schließenden Fassung gedreht, so daß der in der Hoͤhlung aufgefaßte kleine Tropfen auf die untere Seite des Hahnes, also vor die nach der Roͤhre AF gehende Oeff- nung koͤmmt, so verdampft er und diese Daͤmpfe fuͤllen die Roͤhre AF; sogleich aber steigt auch das Quecksilber in der andern Roͤhre, waͤhrend es in AF herabgedruͤckt wird, und man sieht deutlich, daß die Elasticitaͤt der Daͤmpfe stark genug ist, um selbst bei maͤßiger Temperatur eine erhebliche Quecksilbersaͤule zu tragen. Man be- dient sich hiezu gern des Schwefel-Aethers, weil er, schnell ver- dampfend, die Wirkung sogleich hervorbringt, und weil die Elasti- citaͤt seiner Daͤmpfe groͤßer ist, als die des Wassers. In diesem Experimente ist der Erfolg zu sehr zusammen- gesetzt, um es zu Abmessung der Kraft der Daͤmpfe anzuwenden, indem der Raum, welchen Luft und Daͤmpfe zusammen einnehmen, sich beim Zutritte der Daͤmpfe vergroͤßert, indem es unbestimmt ist, ob man so viele Daͤmpfe, als der Raum aufnehmen koͤnnte, hervor- gebracht hat, u. s. w. Um also das Maaß der Elasticitaͤt der Daͤmpfe zu bestimmen, ist eine andre Anordnung nothwendig, deren Beschreibung ich noch einige Ueberlegungen vorausschicken muß. Zuerst die, daß man Daͤmpfe, welche den moͤglichst groͤßesten Grad von Dichtigkeit besitzen, von denjenigen unterscheiden muß, die noch mehr von der tropfbaren Fluͤssigkeit in sich aufnehmen koͤn- nen. Wenn wir uns fuͤr jetzt auf bloße Wasserdaͤmpfe beschraͤnken, so haͤtte in den vorigen Versuchen ein Tropfen Wasser in die Roͤhre AF gebracht werden muͤssen, und es ist offenbar, daß ein sehr klei- ner Tropfen in einem ziemlich großen Raume vielleicht nicht hin- reicht, um diesen letztern mit Dampf zu fuͤllen, daß also bei dem Verdampfen mehrerer Tropfen der Dampf eine groͤßere Dichtigkeit erlangen wird; die groͤßeste Dichtigkeit, die der Wasserdampf bei bestimmter Temperatur erreichen kann, findet da mit Sicherheit statt, wo noch Wasser unverdampft uͤbrig bleibt, und dieses ist daher eine Bedingung, die bei den Untersuchungen uͤber die Daͤmpfe von groͤßester Dichtigkeit, (und diese sind die wichtigsten,) statt finden muß. Eine andre Bemerkung betrifft ein Mittel, einen eingeschlossenen Raum luftleer zu machen durch Hervorbringung von Daͤmpfen. Da die Elasticitaͤt der eingeschlossenen Luft sich vermehrt, wenn Daͤmpfe sich mit ihr vermischen, so wird ein Theil jener Luft, wenn man ihr eine Ausfluß-Oeffnung frei macht, aus- stroͤmen; laͤßt man bei bedeutender Waͤrme, am liebsten durch Kochen des Wassers, sich in jenem Raume immer neue Daͤmpfe entwickeln, so fließen zwar auch Daͤmpfe, aber immerfort auch Luft, durch die Oeffnung aus, und der umschlossene, nur durch eine kleine Oeffnung mit der aͤußern Luft in Verbindung stehende, Raum wird bei lange dauernder Dampf-Erzeugung immer mehr luftleer. Wenn man nun, waͤhrend die Dampf-Erzeugung noch in dem Maaße fortdauert, daß sie den Zutritt der Luft hindert, die Oeffnung luftdicht schließt, dann aber die Daͤmpfe abkuͤhlen laͤßt, so gehen bei der Abkuͤhlung die Daͤmpfe wieder in den tropfbaren Zu- stand uͤber, und der nun ganz eingeschlossene Raum enthaͤlt keine Luft mehr, sondern nur noch Daͤmpfe von einer geringen, der erniedrigten Temperatur angemessenen Elasticitaͤt. Nach diesen Bemerkungen wird die Art, wie man den Ver- such uͤber die Elasticitaͤt der Daͤmpfe in nicht zu hohen Tempera- turen anstellt, leicht verstaͤndlich sein. Man nimmt ein Barometer AB ( Fig.22. ), welches mit gut ausgekochtem Quecksilber bis an A gefuͤllt, und uͤber A luftleer ist, dessen niedrigere Quecksilberflaͤche sich aber in dem weitern Gefaͤße BC befindet. Ueber diese Queck- silberflaͤche BC bringt man etwas Wasser und laͤßt dieses eine Weile kochen, damit durch die entstehenden Daͤmpfe alle Luft aus dem Gefaͤße BC ausgetrieben werde, dann schließt man, nachdem vor- her das Thermometer E in dem dampfvollen Raume angebracht ist, die Oeffnung D luftdicht, und laͤßt nun die Daͤmpfe erkalten. So lange die Daͤmpfe des Wassers die Kochhitze hatten, bei welcher sie naͤmlich eine ebenso große Elasticitaͤt als die umgebende Luft besitzen, erhielt sich das Quecksilber in der Barometerroͤhre bis an A, so wie vor dem Experimente; aber wenn die Daͤmpfe sich ab- kuͤhlen, so sinkt allmaͤhlig das Quecksilber bei A, und wenn die Daͤmpfe bis zur Gefrierkaͤlte abgekuͤhlt sind, so sind beinahe beide Quecksilber-Oberflaͤchen gleich hoch, und wir sehen daraus, daß der Raum BCD ebenso gut als der Raum in der andern Roͤhre luft- leer geworden ist, und der erstere nur noch mit Daͤmpfen von geringer Elasticitaͤt angefuͤllt ist. So oft man nun die Daͤmpfe und das noch uͤbrige Wasser in dem Gefaͤße BD erwaͤrmt, so steigt das Quecksilber in der Roͤhre A; es erreicht bei gleichen Waͤrme- graden immer gleiche Hoͤhen, und wenn man es bis zu dem Grade erwaͤrmt, bei welchem es kochte, als die Oeffnung D luftdicht ge- schlossen wurde, so steht das Quecksilber so hoch, als es, dem dama- ligen Barometerstande gemaͤß, zu jener Zeit stand. Dieses Appa- rates bediente sich G. G. Schmidt , um die Elasticitaͤt der Daͤmpfe bei verschiedenen Waͤrmegraden zu beobachten; Daltons Ver- suche sind etwas anders angestellt worden. Dieser brachte in eine gerade Barometerroͤhre, die mit ausgekochtem Quecksilber gefuͤllt war, etwas Wasser, und indem er sie dann auf die bekannte Weise mit dem offenen Ende in ein Gefaͤß mit Quecksilber tauchte und das Wasser zum Hinaufsteigen auf die Oberflaͤche des Quecksilbers brachte, erhielt er ein gewoͤhnliches Barometer, in dessen luftleerem Raume sich Wasser befand, und Daͤmpfe entwickelten. Die Baro- meterroͤhre wurde nun durch den Boden eines Gefaͤßes gesteckt und darin verkittet; das Gefaͤß wurde mit Wasser (oder fuͤr Versuche, die uͤber die Kochhitze des Wassers hinaus gehen sollten, mit Oel) gefuͤllt, und durch die Erhitzung desselben auch das Wasser in der Barometerroͤhre zu schwaͤcherer oder staͤrkerer Verdampfung gebracht. So wie nun bei erhoͤheter Waͤrme die Elasticitaͤt der Daͤmpfe zu- nahm, so fiel das Quecksilber im Barometer, und der Unterschied zwischen der Quecksilberhoͤhe im gewoͤhnlichen Barometer und in diesem Barometer gab die elastische Kraft der Daͤmpfe bei jeder Waͤrme an. Wenn in diesem Barometer die Quecksilbersaͤule so weit herabgedruͤckt war, daß beide Oberflaͤchen gleich hoch standen, so hatten die Daͤmpfe diejenige Waͤrme, wobei auch im Freien das Wasser kochte, und es zeigt sich also deutlich, daß die Kochhitze in einem nicht geschlossenen Gefaͤße diejenige ist, bei welcher die Daͤm- pfe eine ebenso große Spannkraft besitzen, als die atmosphaͤrische Luft. Erscheinungen des Kochens . Nun erst uͤbersehen wir also recht genau die Erscheinungen des Kochens, und diese verdienen daher hier noch einmal im Zu- sammenhange dargestellt zu werden. Wenn wir Wasser unter dem gewoͤhnlichen Drucke der Luft erhitzen, so sehen wir zuerst die dem Wasser beigemischte Luft entweichen, dann folgt ein eigener Ton, als Vorbote des Kochens, endlich erfolgt das fortdauernde Aufwal- len, wobei vom Boden des Gefaͤßes Dampfblasen aufsteigen. Die Verdampfung naͤmlich findet bei einer maͤßigen Waͤrme nur an der Oberflaͤche statt, und obgleich sie dort bei erhoͤheter Temperatur immer lebhafter fortgeht, so kommen doch, so lange die Kochhitze noch nicht erreicht ist, immer noch nicht aus dem Innern der Was- sermasse Daͤmpfe hervor. Wenn der Boden des Gefaͤßes die Koch- hitze erreicht hat, das Wasser aber noch nicht in gleichem Maaße durchwaͤrmt ist, so fangen Daͤmpfe an, sich am Boden des Gefaͤßes zu bilden, und als elastisches Fluidum in Form kleiner Blasen auf- zusteigen; aber diese kleinen Dampfblasen treten sogleich in etwas kaͤlteres Wasser, wo sie wieder zu Wasser werden, und indem neue Blasen sich unaufhoͤrlich wieder erzeugen und wieder zerfallen, so bringt diese in jeder Secunde oftmals wiederholte Erneuerung glei- cher kleiner Bewegungen den Ton hervor, den man wohl das Sin- gen des Wassers vor dem Kochen nennt. Steigt dann die Waͤrme noch etwas hoͤher, wird das Wasser in allen seinen Theilen bis zur Kochwaͤrme erhitzt, so steigen die Dampfblasen bis an die Oberflaͤche herauf, und das Wasser erreicht nun, bei offenem Kochen, keine hoͤhere Temperatur. Die so am Boden des Gefaͤßes erzeugten Daͤmpfe haben diejenige Elasticitaͤt, welche noͤthig ist, um den Druck der Atmosphaͤre und den Druck der uͤber ihnen stehenden Wasser- saͤule zu uͤberwinden, oder, da der letztere ziemlich unbedeutend zu sein pflegt, den Druck, dessen Maaß die Barometerhoͤhe angiebt. Wenn man sich auf hohen Bergen befindet, so tritt, wie Sie sich erinnern, das Kochen schon bei einem niedrigern Waͤrmegrade ein, und selbst bei einem erheblichen Fallen des Barometers in un- sern Gegenden erreicht das kochende Wasser einen geringern Grad von Waͤrme, weil die nicht so warmen Daͤmpfe schon den nur 26 Zoll betragenden Luftdruck durch ihre Elasticitaͤt uͤberwinden, wozu sie nicht im Stande waͤren, wenn das Barometer auf 28 Zoll staͤnde. Hieraus entsteht in hoch liegenden Gegenden eine Unbe- quemlichkeit, wenn man sich offener Gefaͤße zum Kochen bedient, indem der Erfolg des Kochens, sofern wir uns dieses Mittels bedie- nen, um unsre Speisen zu bereiten, bei dieser geringern Waͤrme nicht vollkommen genug hervorgeht. In so hochliegenden Gegen- den, wo die Kochwaͤrme bei freier Oberflaͤche nicht hinreichen wuͤrde, um Speisen weich zu kochen, muß man sich daher der ganz geschlos- senen Gefaͤße bedienen. Die Rumfordschen Toͤpfe sind so einge- richtet, daß man ihren Deckel unter einen, sie oben einfassenden, Rand schiebt, so daß der von innen kommende Druck des Dampfes den Deckel nicht heben kann. In dem nun ganz geschlossenen Raume entwickeln sich die Daͤmpfe, aber da sie sich nicht ganz frei entwickeln koͤnnen, so erhitzt das Wasser sich mehr, weil die zuneh- mende Elasticitaͤt der schon entwickelten Daͤmpfe die Entstehung neuer Daͤmpfe erschwert, und so kann man in diesen Gefaͤßen in hoͤheren und in niedrigeren Gegenden gleich gut eine sehr hohe Tem- peratur des in Kochen gesetzten Wassers hervorbringen. Diese ganz geschlossenen Toͤpfe muͤssen mit einem Sicherheitsventile versehen sein, das heißt, mit einer Oeffnung, die von außen geschlossen ist, deren Deckel aber sich hebt und einige Daͤmpfe hervorgehen laͤßt, wenn der Druck von innen sehr bedeutend wird. Dieses ist noth- wendig, weil die Daͤmpfe bei zu großer Erhitzung und dadurch steigender Elasticitaͤt den Topf zersprengen wuͤrden, wenn ihnen nicht bei einem bestimmten, noch nicht allzu hohen, Grade von Elasticitaͤt das Ventil einen Ausgang gestattete. Und so wie hier im ganz verschlossenen Raume, bei einem durch die schon entstandenen Daͤmpfe vermehrten Drucke, das Ko- chen selbst bei verstaͤrkter Hitze noch nicht eintritt, so findet es um- gekehrt bei niedrigern Graden der Waͤrme statt, wenn das Wasser sich in verduͤnnter Luft befindet. In dem fast luftleeren Raume unter der Luftpumpe ocht das Wasser bei 23° R. (29° Cent.), wenn die verduͤnnte Luft noch einen Zoll Quecksilber in der Barometer- probe zu tragen vermag; es kocht bei 14½° R. (18° C.), wenn das Barometer ½ Zoll hoch steht, bei 7° R. , wenn es ¼ Zoll hoch steht. Die Blasen, die man dann bei fortgesetztem Auspum- pen der Luft im Wasser aufsteigen sieht, sind Dampfblasen, die unerschoͤpflich, immer neu hervorgehen. Eben dies Erscheinen von Dampfblasen sieht man im Wasserhammer ( Fig. 23. ), wenn man das Gefaͤß A mit der Hand erwaͤrmt. Da hier die Luft ganz ent- fernt und dann das Gefaͤß geschlossen worden ist, so leidet die Ober- flaͤche des Wassers nur einen sehr geringen Druck, und wenn man die in dem Gefaͤße und der Roͤhre enthaltene Fluͤssigkeit so ver- theilt, daß die Roͤhre BC bis D, das Gefaͤß bis E gefuͤllt ist, so vermehrt man durch die Waͤrme der Hand die Entstehung der Daͤmpfe leicht so sehr, daß sie durch die enge Roͤhre bei B dringen und durch die Fluͤssigkeit BD aufsteigen. Diese Dampfblasen kann man, da die obere Fluͤssigkeit BD nicht durch die Hand erwaͤrmt wird, leicht in solchem Maaße hervorgehen lassen, daß sie zwar bei B eintreten, aber die Oberflaͤche D nicht erreichen, sondern in dem kalten Theile der Fluͤssigkeit ihre Elasticitaͤt wieder verlieren, und hierin liegt der beste Beweis, daß man keine Luft aus dem Raume uͤber E, (der uͤbrigens auch wirklich luftleer ist,) hinuͤbertreibt, son- dern bloß Daͤmpfe. Wenn bei dem Verschwinden der Dampfblase das Wasser zuruͤckfaͤllt, so giebt dies einen lebhaften Laut, so wie denn uͤberhaupt das gegen das Ende der Roͤhre anschlagende Wasser hier, weil keine Luft Widerstand leistet, mit einem ziemlich lauten Schalle anschlaͤgt, woher auch der Name Wasserhammer entstanden ist. Einige Fluͤssigkeiten kochen ei niedrigern Temperaturen als das Wasser; reiner Alkohol schon bei 79° Cent. (63½° R. ), Schwefel-Aether bei 38° bis 40° Cent. (30½ bis 32° R. ); andre bei hoͤheren Temperaturen. Aber bei welcher Waͤrme sie auch im Freien zum Kochen gelangen, allemal haben bei ihrer Kochwaͤrme die aus ihnen aufsteigenden Daͤmpfe die gleiche Elastici- taͤt, sie uͤben naͤmlich den Druck aus, welchen die Barometerhoͤhe in dem Augenblicke anzeigt. Mittel , die Elasticitaͤt der Daͤmpfe bei hoͤhern Tempe- raturen zu bestimmen . Groͤße dieser Elasticitaͤt fuͤr alle Waͤrmegrade . Die Anwendung der Daͤmpfe zur Bewegung von Maschinen hat Veranlassung gegeben, die Elasticitaͤt der Daͤmpfe auch bei starker Erwaͤrmung zu bestimmen, und wir besitzen zahlreiche Ver- suche uͤber diesen Gegenstand, der gleichwohl noch immer nicht erschoͤpft ist. Unter den verschiedenen Mitteln, die man, um die alsdann sehr stark wachsende Elasticitaͤt der Daͤmpfe zu messen, angewandt hat, scheint mir die von Arzberger angewandte Ein- richtung vorzuͤglich eine Erwaͤhnung zu verdienen, weil sie den von den Daͤmpfen ausgeuͤbten Druck so unmittelbar angiebt. In eine Metallroͤhre, stark genug, um selbst durch heftige Pressung von innen nicht zersprengt zu werden, ABC ( Fig. 24. ) ist bei A das Thermometer angebracht, an dessen aus der Roͤhre hervorragendem obern Theile die Temperaturen abgelesen werden. Die Oeffnung C ist durch ein genau passendes Kugelventil geschlossen, welches durch Gewichte E, an dem um D beweglichen Hebel-Arme DF angehaͤngt, mit bekannter Gewalt zugedruͤckt wird. Die Roͤhre wird durch eine Druckpumpe vermittelst der Roͤhre bei H gefuͤllt, und unterdeß die Luft bei G sowohl als bei C ausgelassen. Ist die Roͤhre gefuͤllt, das Wasser durch Auskochen von Luft befreit, und dann durch Haͤhne bei G und bei B voͤllig eingeschlossen, so erhitzt man die Roͤhre ABC und belastet nun die Schale E mit Gewich- ten; offenbar braucht man nur Achtung zu geben, wie hoch das Thermometer im Innern in dem Augenblicke steht, da der Dampf, den Druck des Gewichtes uͤberwindend, das Ventil bei C hebt, aus der bekannten Groͤße des Ventils ergiebt sich der Druck der Daͤmpfe auf einen Quadratzoll und dann leicht auch die Hoͤhe der Queck- silbersaͤule, die dieser Druck zu erhalten im Stande waͤre. Noch vollkommener sind indeß die von Arago und Du- long angestellten Versuche, weil diese fast unmittelbar die Queck- silberhoͤhen beobachteten, die der Elasticitaͤt des Dampfes bei be- stimmter Waͤrme entsprechen. Sie bedienten sich einer Roͤhre, worin die comprimirte Luft dem Dampfe das Gleichgewicht hielt, und da mit eben demselben Apparate die mit bestimmten Queck- silbersaͤulen zusammen gehoͤrende Dichtigkeit der Luft beobachtet war, so konnte man die Versuche so ansehen, als ob sie eine unmittelbare Vergleichung der Quecksilbersaͤulen mit den Pressungen der Daͤmpfe enthielten. Der Apparat war zwar seiner Groͤße wegen schwierig zusammengesetzt, aber die ganze Anordnung ist gleichwohl sehr ein- fach. Es stand naͤmlich ( Fig. 25. ) an der einen Seite eines mit Quecksilber gefuͤllten Gefaͤßes A die mit Luft gefuͤllte geschlossene Roͤhre B , einer oben offenen gegen 70 Fuß hohen Roͤhre C gegen- uͤber, die sich nach und nach mit Quecksilber fuͤllte, und die Zusam- mensetzung dieser Roͤhre forderte sehr schwierige Vorsichten. In- dem man nun auf die Oeffnung D mit Huͤlfe einer Wasserpresse einen sehr heftigen Druck auf die Oberflaͤche des Quecksilbers an- brachte, stieg von den in A enthaltenen hundert Pfund Quecksilber i mmer so viel in die Roͤhre C hinauf, als das Gleichgewicht gegen jenen heftigen Druck forderte, und zugleich wurde die bei B ein- geschlossene Luft in einen engern Raum gedraͤngt und dabei auch die Roͤhre B zum Theil mit Quecksilber gefuͤllt. Die Beobachtung zeigte, welchem Drucke der Quecksilbersaͤule C die verschiedenen Ver- dichtungen der Luft in B entsprachen, und nachdem man so sich uͤber- zeugt hatte, daß selbst bis zu einem Drucke von 27 Atmosphaͤren (63 paris. Fuß Quecksilber) die Luft in B sich dem Mariottischen Gesetze gemaͤß verdichtete, konnte man die Roͤhre C ganz weglassen, und statt der Wasserpresse bei D brachte man nun eine Wasserroͤhre DE an, die, bis an E mit Wasser gefuͤllt, bei F auf den Dampf- kessel befestigt, nun diente, den vollen Druck der Daͤmpfe auf die Oberflaͤche des Quecksilbers in A zu beobachten. Die Versuche wur- den bis zu einem Drucke der Daͤmpfe, welcher 24 Atmosphaͤren betrug, fortgesetzt, und nach dem dadurch als ziemlich sicher angege- benen Gesetze noch weiter gerechnet. Das einzige, was bei diesen, sonst sehr vollkommenen Versuchen nicht ganz sicher sein koͤnnte, ist die Beobachtung der Thermometer, die in Flintenlaͤufen, mit Queck- silber umgeben, in den Dampfraum eingetaucht waren, und deren Roͤhren und Scalen sich außerhalb befanden; indeß ist auch in Hinsicht auf diese Bestimmung der Waͤrme, worauf hier alles an- koͤmmt, so vorsichtig als moͤglich verfahren, wenn auch nicht alle Zweifel uͤber die Genauigkeit der Waͤrme-Angaben ganz gehoben sind. Aus diesen letztern Versuchen haben sich die Maaße der Elasticitaͤt der sehr erhitzten Daͤmpfe etwas groͤßer als aus Arz- bergers Versuchen ergeben Gehlers phys. Woͤrterbuch II. 351. Poggend. Ann. XVIII. 473. , so daß die Pariser Versuche bei 224 Gr. Centes. schon einen Druck von 24 Atmosphaͤren angeben, statt daß Muncke's , nach Arzbergers Versuchen gefuͤhrte Rechnung, nur 21 Atmosphaͤren giebt, und die Pariser Versuche fuͤr 40 Atmosph. Druck nur 252½ Gr. Cent. fordern, statt 263 Gr. nach Arzberger , endlich fuͤr 50 Atm. Druck 266 Gr. Cent. diese 280° Cent. Da es der Muͤhe werth ist, den Druck, welchen die Wasser- daͤmpfe bei niedrigen und hohen Temperaturen ausuͤben, zu kennen, so theile ich noch folgende Uebersicht der Ergebnisse der bisherigen Versuche mit. Selbst bei der Nulltemperatur ist die Elasticitaͤt der Daͤmpfe nicht ganz verschwindend, jedoch ist der ausgeuͤbte Druck da nur einer Quecksilbersaͤule von 1½ Linien oder 0,13 Zoll gleich, bei 25 Gr. Cent. (20° R . ) 0,85 Zoll, bei 50° C. (40° R . ) 3,37 Zoll, bei 75° C. (60° R . ) 10,75 Zoll, bei 100° C. (80° R . ) 28 Zoll; bei 125° C. (100° R . ) ungefaͤhr 2¼ Atmosph. oder 63 Zoll, bei 150° C. (120° R . ) reichl. 4½ Atmosph., bei 175° C. (140° R . ) ungefaͤhr 8½ Atmosphaͤren, bei 200° Cent. (160° R . ) 15 Atmo- sphaͤren, bei 224 Gr. Cent. (179⅓° R . ) 24 Atmosphaͤren, nach Angabe der Versuche von Arago und Dulong . Der Alcoholdampf hat bei gleicher Waͤrme groͤßere Elasticitaͤt, welches schon daraus, daß der Alcohol bei 79° C. (62 bis 63° R. ) kocht und sein Dampf also dann 28 Zoll Quecksilber traͤgt, erhellt; bei 50° Cent. ist seine Elasticitaͤt = 7 Zoll, bei 100° Cent. = 64 Zoll, bei 125° C. = 5 Atmosphaͤren. Noch groͤßer ist die Ela- sticitaͤt der Daͤmpfe des schon bei 38° kochenden Schwefel-Aethers; sie betraͤgt bei 38° Cent. 28 Zoll, bei 80° Cent. 4½ Atmosphaͤ- ren. Dagegen erreicht der Quecksilberdampf erst bei der sehr großen Hitze von 356° Cent. (285° R. ), wo das Quecksilber kocht, eine elastische Kraft, die dem Drucke der Atmosphaͤre gleich ist, und bei niedrigen Temperaturen ist daher die Elasticitaͤt des Quecksilber- dampfes sehr unbedeutend. Elasticitaͤt der Daͤmpfe , die nicht ihre groͤßte Dichtig - keit haben und der mit Luft gemischten Daͤmpfe . Wenn in einem luftleeren Raume sich nur wenig Wasser befindet, so geht dieses bei erhoͤheter Waͤrme gaͤnzlich in Dampf uͤber, und dieser Dampf hat, so lange noch etwas von tropfbarem Wasser uͤbrig war, die groͤßeste Dichtigkeit, welche er bei der eben statt findenden Temperatur, vorausgesetzt, daß diese dauernd genug ist, erreichen konnte. Aber wenn nun gar kein Wasser mehr uͤbrig ist, und die Waͤrme noch immer hoͤher steigt, so wuͤrde der Dampf mehr Wasser aufnehmen koͤnnen, und seine Dichtigkeit ist also nun nicht so groß, als sie der Waͤrme gemaͤß sein koͤnnte. Es laͤßt sich aus den angestellten Versuchen schließen, daß die Elasticitaͤt sich dann zu der bei der groͤßesten Dichtigkeit eintretenden verhaͤlt, wie diese Dichtigkeiten selbst. Haͤtte man also beobachtet, daß bei 50° Cent. der letzte Tropfen Wasser verschwand, und ließe nun die Erhitzung bis 100° Cent. steigen, so wuͤrde man, wenn der Raum, welchen der Dampf einnimmt, noch immer gleich waͤre, sagen: Der Dampf von 100° sollte 7⅕ mal so dicht sein, als Dampf von 50°, und dann wuͤrde seine Spannkraft 28 Zoll betragen; da er aber nur so dicht ist, als der Dampf von 50° es schon war, so betraͤgt seine Elasticitaͤt nur kaum 4 Zoll (eigentlich 28 divid. mit 7⅕ also 3,89 Zoll), so daß sie bei der Erhitzung nur um ½ Zoll Queck- silberhoͤhe zugenommen hat, statt daß sie bei so viel hoͤherem Waͤrme- grade um 24⅔ Zoll zugenommen haͤtte, wenn Wasser genug vor- raͤthig gewesen waͤre, um dem Dampfe die dieser hoͤhern Tempera- tur entsprechende Dichtigkeit zu geben. Diese Betrachtungen bezogen sich auf Daͤmpfe, die ungemischt mit Luft einen Raum, als eigenthuͤmliche elastische Fluͤssigkeit, ganz allein ausfuͤllten; aber da die in der atmosphaͤrischen Luft befind- lichen Daͤmpfe zu wichtigen meteorologischen Betrachtungen Anlaß geben, so verdient auch die Frage, wie sich die mit Luft gemischten Daͤmpfe verhalten, eine naͤhere Untersuchung. Und hier ist es nun hoͤchst merkwuͤrdig, daß die Menge der Daͤmpfe gleich groß bei gleicher Temperatur ist, es mag in dem Raume, der sie aufnimmt, atmosphaͤrische Luft enthalten sein, oder nicht. Man sollte aller- dings glauben, erstlich daß ein schon mit Luft gefuͤllter Raum nicht im Stande sei, nun auch noch ebenso viele Daͤmpfe, als die Tem- peratur es im leeren Raume gestatten wuͤrde, aufzunehmen, und zweitens daß ein in der Luft enthaltener Dampf doch den Druck der umgebenden Luft auszuhalten habe und diesem mit der gerin- geren, ihm bei niedriger Temperatur eigenen, Elasticitaͤt nicht wi- derstehen koͤnne; — beide Vermuthungen sind irrig. Wir sind daher genoͤthiget anzunehmen, daß die Daͤmpfe sich so mit der Luft vereinigen, daß sie, gleichsam zwischen den Lufttheilchen ihren Platz einnehmend, dem Drucke der Luft nicht so ausgesetzt sind, wie es bei dem gegenseitigen Drucke groͤßerer Massen der Fall waͤre. In- dem so die Luft und der Dampf, so als ob sie ganz unabhaͤngig von einander waͤren, den Raum erfuͤllen und ihren Druck ausuͤben, erleidet eine dem gemeinschaftlichen Drucke beider ausgesetzte Flaͤche eine Pressung, die der Summe derjenigen Pressungen gleich ist, die von der Luft allein und vom Dampfe allein wuͤrden ausgeuͤbt wer- den. Gay - Lussac hat, um dies genau zu zeigen, ein Instru- ment angewandt, das ich schon vorhin zu einem oberflaͤchlichen Versuche angewandt habe, und das ich nun vollstaͤndiger erklaͤren muß ( Fig. 21. ). Die weitere Roͤhre AF ist genau getheilt, da- mit man den Raum, welchen die Luft vor der Mischung mit Dampf und nachher einnimmt, genau vergleichen koͤnne. Sie steht in freier Verbindung mit der engen Roͤhre TT′ , kann von oben, in- dem man die oberhalb A liegenden Stuͤcke abschraubt, mit Queck- silber gefuͤllt werden, und hat unten einen Hahn W, um Queck- silber ausfließen zu lassen. — Die der Beruͤhrung mit Quecksilber ausgesetzten Theile, die nicht von Glas sein koͤnnen, muͤssen von polirtem Eisen sein, um nicht vom Quecksilber angegriffen zu wer- den. Der bei A aufzuschraubende Theil besteht aus einem groͤßern Recipienten, der mit vollkommen trockener Luft (atmosphaͤrischer oder einer kuͤnstlichen Luft-Art,) gefuͤllt wird, aus einem Hahne Y , der den Zutritt der Luft bei einer Stellung gestattet, bei der andern Stellung hindert, und aus einem zweiten Hahne R , der eben diese Bestimmung hat. Man trocknet nun alle Theile des Instruments vollkommen, fuͤllt die Roͤhre FA und also zugleich auch TT ′ mit ganz trockenem und keine Luft enthaltendem Quecksilber, und schraubt den obern Theil, in dessen Ballon sich voͤllig trockene Luft befindet, auf. Nun werden die Haͤhne Y , R , geoͤffnet, und zu- gleich dem Quecksilber bei W ein Ausfluß gestattet, damit die weite Roͤhre sich nach und nach mit trockener Luft fuͤlle. Da man das Ausfließen des Quecksilbers unterbrechen kann, wenn man will, so nimmt man den Augenblick wahr, da ein angemessener Theil AH mit Luft gefuͤllt ist; dann sperrt man den Hahn W und hierauf auch den Hahn R . Da die Luft aus dem Ballon austretend sich ausdehnte, so ist in AH verduͤnnte Luft, und die Oberflaͤche H ist daher hoͤher als h ; man bringt aber die Luft AH zu eben dem Grade von Elasticitaͤt, wie die aͤußere Luft, indem man bei h Queck- silber zugießt, und damit inne haͤlt, wenn die hiedurch in einen engern Raum gebrachte Luft das Quecksilber in H genau so hoch als in h haͤlt. Jetzt ist also AH mit ganz trockener Luft gefuͤllt, deren Elasticitaͤt durch die gerade statt findende Barometerhoͤhe bestimmt wird, indem bei horizontaler Oberflaͤche Hh , der Druck der innern Luft genau dem Drucke der aͤußeren das Gleichgewicht haͤlt. Um nun Daͤmpfe in den Raum AH zu bringen, schraubt man den Ballon oberhalb R ab und schraubt dagegen einen andern Hahn an der Stelle von Y an. Dieser Hahn Y ist nicht durch- bohrt, sondern hat, wie schon fruͤher erwaͤhnt ist, eine kleine Ver- tiefung, die sich, wenn man das kleine Gefaͤß oberhalb mit Wasser fuͤllt und diese Vertiefung auf die obere Seite des Hahnes bringt, auch mit Wasser fuͤllt, und, bei einer halben Umdrehung des Hah- nes in seiner genau schließenden Fassung, diesen Tropfen nach un- ten hin fuͤhrt, wo er, wenn der Hahn R geoͤffnet ist, verdampft und den Raum AH mit Daͤmpfen fuͤllt. Man wiederholt das Aufneh- men eines Tropfens und das Hinabfuͤhren zum Verdampfen so lange bis keine neue Dampf-Erzeugung, die sich durch ein Hinab- draͤngen der Quecksilberflaͤche H kenntlich macht, mehr eintritt; alsdann ist man sicher, daß die Saͤttigung eingetreten ist, das heißt, daß ein Dampf von der groͤßesten Dichtigkeit, die bei dieser Temperatur erreicht werden kann, in AH vorhanden ist. Aber da durch den hinzu gekommenen Dampf die Luft das Quecksilber bei H herab, bei h hinauf gedraͤngt hat, so uͤben die vermischten elasti- schen Fluͤssigkeiten einen etwas groͤßern Druck als den der Atmo- sphaͤre aus; es ist daher vortheilhaft, mit großer Vorsicht ein wenig Quecksilber bei W ausfließen zu lassen, damit die sich ausdehnenden elastischen Fluͤssigkeiten AH zu dem genauen Drucke der Atmosphaͤre zuruͤckgefuͤhrt werden; man muß wohl Achtung geben, den Hahn W in dem Augenblicke zu schließen, wo beide Oberflaͤchen H , h , genau gleich hoch stehen; dann uͤbt wieder die feuchte Luft eben den Druck aus, den vorhin die trockene ausuͤbte, der naͤmlich dem Ba- rometerstande entspricht. Um ein der Natur gemaͤßes Zahlenbeispiel anzunehmen, will ich voraussetzen, man stelle den Versuch in einem bis auf 23° R . (28¾° Cent.) erwaͤrmten Zimmer an, und die trockene Luft habe gerade 27 Theile eingenommen, als ihr Druck dem Drucke der aͤußern Luft gleich war, dieser Druck aber entspreche genau der Barometerhoͤhe von 28 Zoll; dann wird man nach Vollendung des Versuches die feuchte Luft 28 Theile einnehmen sehen. Es ist naͤmlich die Elasticitaͤt eines Wasserdampfs von groͤßter Dichtigkeit bei 23° R . gerade 1 Zoll, die Elasticitaͤt einer von 27 Theilen auf 28 Theile ausgedehnten Luft aber = 27 Zoll, wenn sie bei ihrer ersten Dichtigkeit = 28 Zoll war; die Elasticitaͤt der Daͤmpfe ersetzt also genau den Druck, der wegen der Ausdehnung der Luft um 1 Zoll geringer haͤtte ausfallen sollen. Nach dieser vielleicht etwas zu strengen Darstellung des Be- weises, daß die Elasticitaͤt des Dampfes sich ganz genau als die Elasticitaͤt der Luft verstaͤrkend zeigt, daß die Daͤmpfe ihre Wirkung in der Luft genau so wie im luftleeren Raume ausuͤben, wenn sie gleich in der Luft sich etwas langsam, im leeren Raume sehr schnell entwickeln, will ich nun auch nur noch eine einzige Bemerkung uͤber die Elasticitaͤt der Daͤmpfe beifuͤgen. Ich muß Sie, um diese einzuleiten, an die fruͤher bewiesene Behauptung erinnern, daß die Daͤmpfe einer nicht so leicht kochenden Fluͤssigkeit bei gleicher Waͤrme III. H weniger Elasticitaͤt besitzen, als die Daͤmpfe einer bei geringerer Waͤrme kochenden Fluͤssigkeit; da nun Salzwasser erst bei etwas hoͤherer Temperatur zum Kochen koͤmmt als reines Wasser, so muͤssen die Daͤmpfe des salzigen Wassers etwas weniger Elasticitaͤt besitzen, als die des suͤßen Wassers. Der Schluß ist keinem Zweifel unterworfen; aber bekanntlich steigt in den Daͤmpfen des salzigen Wassers kein Salz mit auf, sondern die Daͤmpfe geben suͤßes Wasser; — warum sind denn also diese Daͤmpfe gleichwohl an Elasticitaͤt von denen verschieden, die ohne Zusatz von Salz zum Wasser entstanden sind? Der Grund muß wohl der sein, daß das im Wasser enthaltene Salz gleichsam mit dem Waͤrmestoffe um den Besitz des Wassers streitet; der Waͤrmestoff kann sich nicht mit der ganzen Quantitaͤt Wasser verbinden, die ihm bei reinem Wasser zukaͤme, sondern das Salz fordert einen Theil hievon, und daher ist der Salzwasserdampf, bei gleicher Temperatur und so lange er sich uͤber dem noch uͤbrigen salzigen Wasser befindet, ein wenig duͤnner, obgleich der Dampf kein merkbares Theilchen Salz mit fortfuͤhrt. Dichtigkeit der Daͤmpfe . Daß auch die Bestimmung, wie viel Wasser denn in Daͤmpfen von bestimmter Elasticitaͤt enthalten ist, von Wichtigkeit sei, brauche ich kaum zu bemerken, und spaͤtere Betrachtungen werden es noch mehr zeigen. Das einfachste Mittel, um zuerst die Dichtigkeit der Daͤmpfe des kochenden Wassers zu finden, ist das von G. G. Schmidt angewandte, daß man in einem Glasgefaͤße, welches nur eine kleine Oeffnung hat, und diese roͤhrenfoͤrmig ausgezogen, um sie schnell an der Lampe zuschmelzen zu koͤnnen, Wasser zum Kochen bringt, und in dem Augenblicke, wo der letzte Tropfen ver- kocht, die Oeffnung zuschmelzt. Wenn man dann das Gefaͤß abwaͤgt, und dieses Gewicht mit dem vergleicht, welches bei vollkommener Anfuͤllung mit Wasser von gegebener Temperatur statt findet, so kennt man, weil man ja auch das Gewicht des leeren Gefaͤßes bestimmen kann, das Verhaͤltniß des Gewichtes der Daͤmpfe zu dem Gewichte des Wassers und folglich auch zu dem Gewichte trockener Luft. Die Dichtigkeit der Wasserdaͤmpfe bei niedrigern Temperaturen hat man durch ein anderes Verfahren bestimmt. Der ungeloͤschte Kalk hat die Eigenschaft aus feuchter Luft alle Daͤmpfe an sich zu ziehen; wenn man also ein Gefaͤß so mit einem Raume, worin Wasser bei bestimmter Temperatur verdampft, in Verbindung setzt, daß jenes sich mit Daͤmpfen fuͤllt, dann aber den Zutritt neuer Daͤmpfe hemmt und eine abgewogene Quantitaͤt ungeloͤschten Kalk hineinbringt, so zeigt die Gewichtszunahme des Kalks, nachdem er die Feuchtigkeit aufgenommen hat, wie viel Wasser als Dampf in jenem Raume enthalten war. Genauer als diese Versuche sind indeß die von Gay-Lus- sac sowohl als von Muncke angestellten. In einem mit voͤllig ausgetrockneter Luft gefuͤllten Glasgefaͤße waren kleine hohle Glas- kugeln, die mit einer abgewogenen Menge Wasser gefuͤllt und dann zugeschmolzen worden, so gelegt, daß man sie in dem geschlossenen Raume zerschlagen konnte. Indem man nun Achtung gab, bei welchem Waͤrmegrade dieses, nun mit der trockenen Luft in Be- ruͤhrung gekommene, Wasser gerade eben in Dampf verwandelt war, kannte man die Dichtigkeit des dieser Temperatur entsprechen- den Dampfes, naͤmlich des Dampfes, welcher die groͤßeste Dichtig- keit hat, die bei dieser Waͤrme statt finden kann. War zum Bei- spiel das Gefaͤß so groß, daß es 11760 Gran Wasser (von 4° Temperatur, wo das Wasser die groͤßte Dichtigkeit hat,) faßte, und fand man, daß 1 Gran Wasser genau bei 50° Cent. verdampft war, so sah man, daß Dampf von der groͤßten Dichtigkeit bei 50° Cent. = \frac{1}{11760} = 0,000085 der Dichtigkeit jenes Wassers hat. Ein Dampf von dieser Waͤrme besitzt eine Elasticitaͤt, die 3,37 Zoll Quecksilber das Gleichgewicht haͤlt; und Luft von dieser Waͤrme hat die Dichtigkeit = \frac{1}{917} bei einer Elasticitaͤt = 28 Zoll Quecksilber, also eine Dichtigkeit = \frac{1}{7620} = 0,000131 bei einer Elasticitaͤt = 3,37 Zoll Quecksilber; die Dichtigkeit = 0,000085 jenes Dampfes ist also beinahe \frac{10}{16} der Dichtigkeit einer ebenso war- men und ebenso viel Druck ausuͤbenden Luft Wenn (nach der Angabe I. Th. S. 260.) Luft von 0° Waͤrme und 28 Zoll Elasticitaͤt \frac{1}{772} der Dichtigkeit des Wassers besitzt, so hat Luft von 40° R. (50° Cent.) nur \frac{213}{253} dieser Dichtigkeit (vergl. I . Th. S. 216. 217. III. Th. S. 16.) also = \frac{1}{917} bei 28 Zoll Druck; aber nur eine Dichtigkeit = \frac{1}{917} ⋅ \frac{3,37}{28} = \frac{1}{7620} bei 3,37 Zoll Druck, und \frac{1}{11760} ist = \frac{1}{1,54} ⋅ \frac{1}{7620} ; also die Luft 1,54 mal so dicht als der ebenso warme und ebenso elastische Dampf, wofuͤr oben 1,6 gesetzt ist . H 2 Alle diese Versuche stimmen, wenn man auf kleine, hier wohl unvermeidliche, Unterschiede nicht sieht, dahin uͤberein, daß, wenn man die Rechnung fuͤr jede Temperatur ebenso fuͤhrt, immer die Verhaͤltnißzahl ⅝ oder 1 zu 1,6 fuͤr die Dichtigkeit des Wasser- dampfes gegen ebenso warme und eine gleiche Elasticitaͤt besitzende Luft hervorgeht. Einen Zweifel, der in Beziehung auf die Dichtigkeit der Daͤm- pfe Ihnen aufstoßen koͤnnte, muß ich noch bemerken. Es koͤnnte scheinen, als ob bei einer Compression des Wasserdampfes durch einen Kolben seine Dichtigkeit ebenso wie die Dichtigkeit der zusam- mengepreßten Luft zunehmen muͤßte; aber das ist nicht der Fall, sondern wenn ein Cylinder, in welchem sich noch Wasser befindet, mit Dampf von der groͤßesten Dichtigkeit gefuͤllt ist, und nun ein Kolben den Dampf auf einen engern Raum beschraͤnkt, so schlaͤgt sich, bei gleich bleibender Waͤrme, tropfbares Wasser nieder, und der uͤbrige Raum bleibt nur noch mit Dampf von der vorigen Dichtigkeit gefuͤllt. Wenn der Dampf sich auf diese Weise nieder- schlaͤgt, so fuͤllt sich der ganze Raum mit sichtbarem Dunste, wel- cher an den Waͤnden des Gefaͤßes, indem die in ihm latent gewe- sene Waͤrme entweicht, sich in feinen Wassertroͤpfchen niederschlaͤgt. Bei der Compression eines Dampfes, der wegen Mangel an Wasser nicht seine groͤßte, der statt findenden Waͤrme entsprechende, Dich- tigkeit hat erreichen koͤnnen, verhaͤlt es sich anders; da naͤmlich tritt der Dunst- und Wasserniederschlag erst dann ein, wenn bei der Compression jener Punct der groͤßesten Dichtigkeit uͤberschritten ist; ehe dieser erreicht ist, behaͤlt der, in Vergleichung gegen seinen fruͤhern Zustand, etwas verdichtete Dampf noch immer seine Durch- sichtigkeit und erlangt nach dem Maaße der Verdichtung eine groͤßere Elasticitaͤt. So wie in dem eben erwaͤhnten Falle der Dampf von groͤße- ster Dichtigkeit bei der Compression sogleich in Dunst und Wasser verwandelt wird, so geschieht es auch bei der geringsten Abkuͤhlung. Wir sehen dies bei dem frei hervorgehenden Dampfe an der Ober- flaͤche heißen Wassers, wo unmittelbar auf der Oberflaͤche der sehr heiße Dampf vollkommen durchsichtig ist, in geringer Entfernung aber, wo die Dichtigkeit des Dampfes noch wenig veraͤndert ist, ein Dunst sichtbar wird, weil bei der eintretenden Abkuͤhlung ein Dampf von dieser Dichtigkeit nicht mehr als durchsichtiger Dampf bestehen kann; in weiterer Entfernung wird dieser Dunst wieder unsichtbar, indem der in einen groͤßern Raum ausgebreitete Dampf denjenigen Grad von Verduͤnnung erreicht, der einem bei der Waͤrme der Atmosphaͤre gebildeten Dampfe entspricht. — Das niederge- schlagene Wasser in den Dunsttheilchen geht durch neue Verdam- pfung in den elastischen Dampfzustand uͤber. Daß man durch aͤhnliche Versuche die Dichtigkeit des Alcohol- dampfes, des Dampfes von Schwefel-Aether u. s. w. gefunden hat, erwaͤhne ich nur kurz, und fuͤge nur noch eine Bemerkung uͤber die Daͤmpfe des Quecksilbers hinzu. Da ohne Zweifel in dem leeren Raume des Barometers, (im Torricellischen Vacuum) sich Quecksilberdaͤmpfe entwickeln, die sich zuweilen sogar dadurch kennt- lich machen, daß feine Quecksilbertroͤpfchen sich oben an der Roͤhre anlegen, so scheint die Besorgniß zu entstehen, daß diese durch ihre Elasticitaͤt den Stand des Barometers erniedrigen moͤchten. Diese Besorgniß ist ungegruͤndet; denn da man findet, daß Alcoholdampf bei einer Waͤrme von 40 Graden unter dem Kochpuncte des Al- cohol, und Aetherdampf bei einer Waͤrme von 40 Gr. unter dem Kochpuncte des Aethers, ziemlich eben die Elasticitaͤt haben, wie Wasserdampf bei einer Waͤrme von 40 Gr. unter dem Kochpuncte des Wassers, so schließt man, wenn gleich diese Regel nur obenhin richtig ist, daß Quecksilber von 56° Cent. nur Daͤmpfe von eben der Elasticitaͤt wie Wasser von -200° Cent. hervorbringen muß, oder daß bei 300° Cent. unter dem Kochpuncte beider Fluͤssigkeiten die Elasticitaͤten gleich sind. Aber die Elasticitaͤt eines so unge- mein kalten Wasserdampfes wuͤrde kein Zehntausendtel Linie Queck- silber mehr tragen, also wird auch jener Quecksilberdampf unsere Beobachtungen nie unrichtig machen. Latente Waͤrme der Daͤmpfe . Daß der Dampf durch Waͤrme-Aufwand entsteht, habe ich schon zu Anfang bemerkt, und es ist nicht schwer diesen Waͤrme- Aufwand genauer zu bestimmen. Die uͤber dem kochenden Wasser sich erhebenden Daͤmpfe zeigen sich, wenn man ein Thermometer in ihnen aufstellt, ebenso warm als das kochende Wasser selbst; aber ihre Hervorbringung fordert eine große Menge Waͤrme, und eben diese Waͤrme findet man auch wieder, wenn man Daͤmpfe zur Erwaͤrmung kalter Koͤrper anwendet. Mischt man 1 Pfund Wasser von 100° Cent. mit 1 Pfunde Wasser von 10° Cent., so ist die Temperatur der Mischung 55°; aber wenn man Wasser- daͤmpfe von 100° in Wasser von 10° uͤbergehen laͤßt, so bedarf es lange keines Pfundes Dampf, um die Mischung zu 55° Waͤrme zu bringen. Sie uͤbersehen leicht, daß ein Versuch, so angestellt, daß man die kochend heißen Daͤmpfe in kaltes Wasser hinein leitet, und dann die aufgewandte Dampfmenge durch Abwaͤgen vor und nach dem Versuche, und zugleich die Erwaͤrmung bestimmt, die latente Waͤrme der Daͤmpfe geben muß. Haͤtte man z. B. gefun- den, daß 61 Gewichttheile Wasser von 20° C. ein Zustroͤmen von einem Gewichttheile Wasserdampf von 100° C. forderten, um jenes Wasser auf 50° C. zu bringen; so wuͤrde man schließen, da 61 Theile um 10 Grade erhitzt sind, so wuͤrde 1 Theil um 610 Grade erhitzt sein; der eine Gewichttheil Dampf gab also 610 Grade Waͤrme her, und da er dabei nur um 70 Gr., naͤmlich von 100 bis 30, abgekuͤhlt wurde, so mußten die uͤbrigen 540° Cent. (432° R. ) dadurch hervorgehen, daß der Dampf in Wasser ver- wandelt wurde, oder aus der latenten Waͤrme des Dampfes hervor- gehen. So wie also 1 Pfund Eis zum Schmelzen ebenso viel Waͤrme verbraucht, als 1 Pfund Wasser, um 75° Cent. erhitzt zu werden, ebenso fordert 1 Pfund Wasser, um in Dampf verwan- delt zu werden, ebenso viel Waͤrme, als noͤthig ist, um 10 Pfund Wasser um 54° C. oder um 1 Pf. Wasser um 540 Gr. Cent. (432° R. ) zu erhitzen. Die Anwendung des Eis-Apparats giebt eben dieses Resultat. Ob diese latente Waͤrme der Daͤmpfe immer gleich bleibe, auch bei hoͤhern Temperaturen; ob die Wirkung der stark erhitzten und daher sehr elastischen Daͤmpfe mehr betrage als dem einfachen Verhaͤltnisse des aufgewendeten Feuermaterials angemessen ist? — diese und noch mehrere aͤhnliche Fragen darf ich hier wohl uͤber- gehen, doch bemerke ich, daß die bisherigen Versuche fuͤr eine genau dem Aufwande an Feuermaterial angemessene Wirkung sprechen. Achte Vorlesung . Anwendung der Daͤmpfe zum Heitzen, zum Kochen u. s. w. So sehr auch die Lehre von der Waͤrme uͤberhaupt mit den Beduͤrfnissen und Geschaͤften des buͤrgerlichen Lebens in Verbin- dung steht, so ist doch wohl kein Theil derselben, der zahlreichere und auffallendere Anwendungen darboͤte, als die Lehre von den Daͤmpfen. Ich will mit den minder großen Anwendungen anfan- gen und dann zu den Dampfmaschinen, als der erfolgreichsten Anwendung, uͤbergehen. Daß man die Daͤmpfe zum Erwaͤrmen, zum Trocknen, zum Heitzen von Zimmern, anwenden kann, ist offenbar, und diese An- wendung wird vorzuͤglich da vortheilhaft, wo irgend eine Art von Fabrication das Hervorgehen von Daͤmpfen bewirkt, und wo man daher keinen eignen Aufwand von Brennmaterial zur Erwaͤrmung noͤthig hat. Man leitet zu diesem Zwecke die Daͤmpfe in Roͤhren, deren Oberflaͤche nicht polirt ist, fort, weil die strahlende Waͤrme dann besser in die zu heitzenden Raͤume ausstroͤmt; man kann bei dieser Einrichtung die Roͤhren am Fußboden der Zimmer und durch die ganze Laͤnge der Zimmer fortleiten, wodurch der Vortheil einer, besonders im unteren Theile der Luft statt findenden, und einer gleichfoͤrmigen Erwaͤrmung, erreicht wird. Da der Dampf, indem er sich in den Roͤhren abkuͤhlt, in Wasser verwandelt wird, so muͤssen die Roͤhren etwas geneigt liegen, um dem Wasser einen Zuruͤckfluß in den Kessel zu gestatten. Diese Heitzung gewaͤhrt sofern eine Sicherung gegen Feuersgefahr, als man bei einer durch viele Theile eines großen Gebaͤudes gehenden Heitzung nicht mehr als ein Feuer, das man in einem sehr wohl verwahrten Raume anbringen kann, noͤthig hat, statt daß sonst alle einzelnen Feuer gleiche Aufmerksamkeit fordern. In manchen Faͤllen ist auch das eine Annehmlichkeit, daß die Roͤhren nie so brennend heiß werden, als bei unmittelbarer Heitzung durch Feuer. Diese Annehmlichkeit ist besonders da von Wichtigkeit, wo man in Fabriken Gegenstaͤnde irgend einer Art durch das Anhaͤufen um diese Roͤhren oder durch das Aufhaͤngen an denselben trocknen will, indem da ein staͤrkerer Waͤrmegrad leicht Beschaͤdigung hervorbringt. Durch die Zuleitung der Daͤmpfe in Gefaͤße, die nicht selbst auf dem Feuer stehen, kann man die in denselben enthaltenen Ge- genstaͤnde erwaͤrmen, und hat dabei den Vortheil, nicht bloß sich eines hoͤlzernen Gefaͤßes, das man nicht dem Feuer unmittelbar aussetzen duͤrfte, bedienen zu koͤnnen, sondern auch leichter denjeni- gen maͤßigen Grad von Waͤrme zu erhalten, der zu irgend einem Zwecke erforderlich ist. Wenn die Daͤmpfe in großer Menge zu- stroͤmen, so kann man mit Wasserdaͤmpfen Wasser zum Kochen bringen. Man hat die Vortheile des im Dampfe Kochens oft geruͤhmt. Dieses im Dampfe Kochen besteht darin, daß in dem Topfe sich, etwa in der halben Hoͤhe, ein durchloͤcherter Boden befindet, auf welchen man die zu kochenden Speisen legt, waͤhrend Wasser oder auch Fleisch im Wasser sich im unteren Theile des Topfes befindet. So werden jene Speisen nur von dem Dampfe durchdrungen, was in manchen Faͤllen vortheilhafter sein soll. Ein solcher Topf muß ziemlich dicht verschlossen sein, damit nicht durch das Entweichen zu vielen Dampfes ein oͤfteres Nachfuͤllen neuen Wassers noͤthig werde. Der Zweck der voͤllig geschlossenen Kochgefaͤße, der Rum- fordschen Toͤpfe, ist ein anderer, naͤmlich der, bei gehinderter Ver- dampfung die Waͤrme zu verstaͤrken, und diese Einrichtung der Kochgefaͤße ist daher Holz ersparend, weil bei dem Kochen in offenen Gefaͤßen eine große Menge Hitze zum Entstehen des verloren gehen- den Dampfes verwandt wird, hier hingegen diese Waͤrme zugleich dazu wirkt, groͤßere Hitze hervorzubringen und dadurch die gewoͤhn- lichen Erfolge des Kochens schneller, zugleich aber noch groͤßere Wir- kungen, ein Zerkochen von Knochen u. s. w., hervorzubringen. Auch fuͤr das gewoͤhnliche Kochen knuͤpft sich eine Regel an die Bemer- kung, daß eine starke Dampf-Erzeugung unnuͤtzen Waͤrme-Auf- wand fordert, naͤmlich die, daß man ein zwar ununterbrochenes, aber nie sehr heftiges Kochen anwenden muß, indem bei dem letz- tern der Waͤrmegrad nicht merklich erhoͤhet wird, waͤhrend die vielen verloren gehenden Daͤmpfe Waͤrme unnuͤtz fortfuͤhren. Gesalzenes Wasser nimmt beim Kochen etwas mehr Waͤrme an, eine Schichte von Fett auf der Oberflaͤche hindert das Kochen noch etwas laͤnger, oder bewirkt, daß eine groͤßere Waͤrme eintritt, ehe das gesalzene und mit Fett bedeckte Wasser zum Kochen koͤmmt; — schon durch diese Wirkung tragen jene beiden Umstaͤnde bei, ein besseres Weich- werden der Speisen zu bewirken. Die Chemiker bedienen sich des Erhitzens im Marienbade, da- mit der zu erhitzende Koͤrper gewiß nicht einer groͤßern Hitze, als der Kochwaͤrme des Wassers ausgesetzt werde; — dieses Marienbad ist naͤmlich ein Gefaͤß mit kochendem Wasser, in welchem dasjenige Gefaͤß aufgestellt ist, worin sich der zu erhitzende Koͤrper befindet. Die Destillation gruͤndet sich auf die Eigenschaft der Fluͤssig- keiten, sich bei bestimmten Waͤrmegraden in Dampf zu verwan- deln, und bei geringerer Waͤrme sich wieder als tropfbare Fluͤssigkeit niederzuschlagen. Man bringt daher unter dem Gefaͤße, wo die der Destillation zu unterwerfende Fluͤssigkeit sich befindet, Feuer an, und leitet dann die Daͤmpfe in das mit kaltem Wasser oder allen- falls mit Eis umgebene Kuͤhlgefaͤß, wo die uͤbergegangenen Daͤmpfe sich als tropfbare Fluͤssigkeit darstellen. Der Zweck des Destillirens ist gewoͤhnlich, eine leichter verdampfende Substanz von der schwerer verdampfenden zu trennen. Man destillirt daher den Wein, um aus ihm Weingeist zu gewinnen; denn da der Dampf des Wein- geistes in der Kuͤhlroͤhre noch als Dampf fortgeht, wenn das mit aufgestiegene Wasser sich schon niederschlaͤgt, so erhaͤlt man den Weingeist desto gereinigter, desto staͤrker und von desto geringerm specifischen Gewichte, je mehr man die Einrichtung so macht, daß die weniger elastischen Wasserdaͤmpfe sich, fruͤher niedergeschlagen, absondern. Will man eine solche Destillation bei geringerer Waͤrme bewirken, so muß man sie in luftleeren Gefaͤßen vollbringen. Man macht dann die Einrichtung so, daß aus dem Raume uͤber der zu destillirenden Fluͤssigkeit durch Wasserdaͤmpfe, die man durch eine Seitenroͤhre einlaͤßt, die Luft ausgetrieben wird, indem man der Luft und den siedend heißen Daͤmpfen durch eine andre Roͤhre einen Ausgang gestattet; hat man die Luft ausgetrieben, so schließt man jene beiden Roͤhren, und da alsdann, bei geringerer Waͤrme, we- gen des mangelnden Luftdruckes, die Ausduͤnstung lebhaft fortgeht, so hat man nur noͤthig, die Kuͤhlroͤhre oder das Gefaͤß, worin das Destillat sich sammeln soll, mit Eis zu umgeben, damit dort der in dem andern Gefaͤße entstandene Dampf sich niederschlage und im- mer neuer Verdampfung in jenem Gefaͤße Raum gebe. Auf diese Weise kann man selbst bei sehr niedrigen Temperaturen destilliren, was den Vortheil hat, theils sogar ohne allen kuͤnstlichen Waͤrme- Aufwand den Zweck zu erreichen, theils da, wo große Hitze nach- theilige Veraͤnderungen hervorbringen koͤnnte, diese zu vermeiden. In schwaͤcherm Maaße findet selbst im luftvollen Raume eine Destillation auch bei geringer Waͤrme statt. Stellt man naͤmlich die Kuͤhlroͤhre A und das zum Aufnehmen des Destillats bestimmte Gefaͤß B ( Fig. 26. ) in eine sehr stark abkuͤhlende Eismischung, so schlagen sich die bei gewoͤhnlicher Waͤrme in C erzeugten Daͤmpfe in B und A nieder, und waͤhrend sich in C immer neue Daͤmpfe bilden, sammelt sich die uͤbergegangene Fluͤssigkeit in dem Gefaͤße B. Dampfkugel ; Aeolipile . Dampfgeblaͤse . Wenn man Wasser in einem metallenen Gefaͤße, das oben nur eine enge Roͤhre zum Auslassen des Dampfes hat, erhitzt; so dringt der Dampf aus der Roͤhre mit bedeutender Gewalt, als heißer Wind, hervor, und man hat also eine Windkugel oder Aeolipile . Noch heftiger ist dieses Hervorbringen, wenn man ein sehr starkes ganz geschlossenes, aber mit einem Hahne versehe- nes, Gefaͤß, den Papinianischen Topf, so erhitzt, daß die Daͤmpfe eine viel groͤßere Hitze und Elasticitaͤt erlangen, als beim freien Kochen; oͤffnet man naͤmlich da den an dem obern Theile des Ge- faͤßes angebrachten Hahn, so dringen die Daͤmpfe mit der groͤßesten Gewalt, so daß sie einen hoch hinaufgehenden Dampfstrahl bilden, hervor. Damit man zugleich einen belehrenden Versuch mit dem Papinianischen Topfe anstellen koͤnne, ist es gut, ein in den Dampf- raum reichendes Thermometer A und ein durch Compression der Luft den Druck abmessendes Barometer B anzubringen ( Fig. 27. ). Um aber vor dem Zersprengen des Topfes sicher zu sein, muß man auch ein Sicherheitsventil C anbringen, das sich bei zu starkem Drucke von selbst oͤffnet. Jene Dampfkugel laͤßt sich mit Wein- geist gefuͤllt zum Geblaͤse, wenn dieses eine Flamme anfachen soll, brauchen, wenn man den Weingeistdampf auf die Flamme zu stroͤ- men laͤßt, wo dann der Weingeistdampf selbst mit verbrennt. Mit Weingeist giebt die Dampfkugel noch zu einem angenehmen Expe- rimente anderer Art Gelegenheit. Man schraubt naͤmlich, nach- dem die Dampfkugel groͤßten Theils mit Weingeist gefuͤllt ist, eine bis beinahe auf den Boden des Gefaͤßes reichende und oben als enge Sprungroͤhre hervorgehende Roͤhre AB ( Fig. 28. ) an, setzt dann die Kugel auf eine hinreichend erhitzende Flamme, und bewirkt nun, indem der Raum CD sich mit elastischem Dampfe fuͤllt, ein Her- vorspringen des erhitzten Weingeistes bei B. Zuͤndet man den hervorspritzenden Weingeist an, so bildet er eine Feuer-Fontaine. Die Dampfmaschine . Aber vielseitiger und eben dadurch wichtiger als alle bisher angefuͤhrten Anwendungen des Wasserdampfes ist die Anwendung seiner Elasticitaͤt zum Bewegen der Maschinen. Die Dampfma- schinen haben durch die große Gewalt, mit welcher sie wirken, durch ihre Unabhaͤngigkeit von oͤrtlichen Umstaͤnden, durch den kleinen Raum, den sie, selbst bei großer Wirksamkeit, nur fordern, und durch ihre Faͤhigkeit, sich selbst fortzubewegen, alle andern Maschi- nen in Schatten gestellt. Das Princip ihrer Wirksamkeit ist ein sehr einfaches. In einem Cylinder, der sich von dem Dampfkessel aus mit Dampf anfuͤllt, befindet sich ein beweglicher Kolben, den die Elasticitaͤt des Dampfes fortschiebt; hat er den Punct erreicht, bis zu welchem er vorruͤcken soll, so verschließt man den Zutritt des Dampfes und kuͤhlt diesen ab, damit der Druck der Atmosphaͤre den Kolben zuruͤckdraͤnge, oder leitet den Dampf nach der andern Seite des Kolbens, damit der Dampf selbst das Zuruͤckdraͤngen bewirke; — so hat man die ganze Haupt-Anordnung der Dampf- maschine. Schon am Ende des vorletzten Jahrhunderts machten Pa- pin und Savery die Bemerkung, daß die große Gewalt der Daͤmpfe diese zur Betreibung von Maschinen anwendbar mache, und unvollkommene Dampfmaschinen wurden bald nachher verfer- tigt. Die Bemerkung, daß der abgekuͤhlte Dampf seine Elasticitaͤt fast voͤllig verliere, leitete auf den Gedanken, nur das Fortschieben des Kolbens nach der einen Richtung durch die Kraft der Daͤmpfe zu bewirken, und nach der Zerstoͤrung des Dampfes durch Abkuͤh- lung, dem Luftdrucke die Zuruͤckfuͤhrung des Kolbens zu seiner ersten Stellung zu uͤberlassen. Man brachte daher zwei Haͤhne an, die beide zu dem Raume fuͤhrten, welcher zwischen dem Dampf- kessel und dem Kolben liegt, und deren einer den heißen Dampf, der andre kaltes Wasser einließ; diese wurden abwechselnd geoͤffnet und geschlossen, so daß der Dampfhahn offen blieb so lange der Kolben sich von dem Dampfkessel entfernte, aber sich schloß, wenn der Kol- ben die Grenze seines Vorruͤckens erreicht hatte, dagegen der Hahn, welcher kaltes Wasser einspruͤtzen ließ, nun geoͤffnet wurde, und geschlossen blieb so lange neuer Dampf einstroͤmte. Man kam bald auf Einrichtungen, wodurch die Steuerung dieser Haͤhne, ihre rich- tige Oeffnung und Schließung, durch die Maschine selbst hervor- gebracht ward; aber ein großer Nachtheil war unvermeidlich mit dieser Einrichtung verbunden, naͤmlich die stets erneuerte Kaͤlte des Cylinders, welcher durch den wieder eintretenden Dampf erst wieder erwaͤrmt werden mußte, dadurch aber mehr Aufwand an Feuer forderte. Ein Mittel, dieser steten Zerstoͤrung des Dampfes aus- zuweichen, mußte daher als eine große Verbesserung der Dampf- maschine angesehen werden, und dieses erfand Watt , indem er dem Dampfe eine doppelte Leitung gab, um aus dem Dampfkessel sowohl auf die eine als auf die andre Seite des Kolbens zu gelan- gen, und indem er, waͤhrend der Dampf auf die eine Seite wirken sollte, dem bis dahin an der andern Seite eingeschlossenen Dampfe einen freien Uebergang in die Luft oder in einen abgesondert liegen- den kalten Condensator gestattete. Da der Zweck der Dampfma- schine fordert, nicht allein daß eine Bewegung anderer Maschinen, die Hebung und Senkung von Pumpenkolben, die Drehung von Muͤhlen, Raͤdern u. s. w. bewirkt werde, sondern auch daß die Steuerung der den Zutritt des Dampfes regulirenden Haͤhne, daß die Zufuͤhrung neuen Wassers in den Dampfkessel und alles, was die Maschine selbst bedarf, durch jenen vermittelst des Dampfes in Bewegung gesetzten Kolben hervorgebracht werde; so ist die ganze Maschine fast nothwendig sehr zusammengesetzt. Ich begnuͤge mich daher, Sie nur auf die Haupttheile aufmerksam zu machen. Die Dampfroͤhre ( Fig. 29. ), die von dem Kessel N ausgeht, leitet den Dampf zu der Roͤhre DE , welche bei D eine Oeffnung zum obern Theile, bei E zu dem untern Theile des Cylinders V, in welchem der Kolben W auf und nieder geht, hat. Eine zweite, neben jener liegende Roͤhre FB fuͤhrt von eben jenen Oeffnungen des Cylin- ders zu dem Condensator A. Bei E und D sind Haͤhne, welche die Leitung des Dampfes in den Cylinder abwechselnd oͤffnen, und schließen, und ebenso sind bei F und B zwei Haͤhne fuͤr die Leitung zu dem Condensator. Ist nun, wie es die Figur darstellt, der Kol- ben oben, so druͤckt bei a ein Vorsprung an der Stange C auf den die Haͤhne D und B regierenden Winkelhebel und beide Haͤhne e oͤffnen sich; ein zweiter Vorsprung druͤckt auf den Ansatz b der Haͤhne E, F, die sich dadurch beide schließen; so ist also der Zufluß D des Dampfes in den Raum oberhalb des Kolbens und zugleich die Roͤhre B geoͤffnet, welche den unterhalb befindlichen Dampf in den mit kaltem Wasser immer kalt erhaltenen Raum A leitet, und der Kolben wird herabgedruͤckt, weil der unten gesammelte Dampf, ohne erheblichen Widerstand zu leisten, aus dem untern Raume abfließt. Wenn der Kolben unten anlangt, so bringen die an der Stange C in richtiger Entfernung angebrachten Vorspruͤnge die ent- gegengesetzte Drehung der Haͤhne hervor, und nun ist also F geoͤff- net und D geschlossen, das heißt, es gelangt in den obern Raum kein neuer Dampf mehr, sondern der dort vorhandene findet freien Ausweg in den Condensator, we l zugleich F geoͤffnet ist, dagegen ist dem Dampfe der Zugang nach dem untern Theile gestattet, die Verbindung mit dem Condensator aber bei B geschlossen. Die uͤbrigen Theile der Maschine will ich nur kurz angeben. Daß bei S an dem andern Arme des Waagebalkens QT sich die in Bewe- gung zu setzenden Theile der Maschine befinden, laͤßt sich leicht uͤber- sehen; Q ist eine Verbindung, welche die Kolbenstange hindert eine schiefe Richtung bei dem Hin- und Hergehen des Waagebalkens QT anzunehmen; bei G wird das sich im Condensator sammelnde Wasser nach K, L gepumpt und durch die Roͤhre LM zum Ersatze des verdampften Wassers dem Kessel N zugefuͤhrt Da Fig. 29. die Theile der Maschine noch vollstaͤndiger zeigt, so wird es wohl manchen Lesern angenehm sein, den Zweck der einzelnen Stuͤcke noch naͤher kennen zu lernen, die bei Watts Maschinen vor- kommen, und die, wenn sie auch bei den mannigfaltig abgeaͤnderten Dampfmaschinen nicht ganz so vorkommen, doch einen Begriff von den vielen Zwecken, denen die Maschine Genuͤge leistet, geben. Daß der Kessel N in X und bis an xx mit Wasser gefuͤllt ist, und in ZZZ . Diese Maschinen koͤnnen einen mehr oder mindern Druck aus- uͤben, indeß betrug bei den fruͤhern Einrichtungen die Elasticitaͤt der Daͤmpfe nicht erheblich mehr als der Druck der Atmosphaͤre. Dampfmaschinen von so geringem Drucke sind wenigern Gefahren ausgesetzt, aber wenn sie bedeutende Wirkung leisten sollen, so muß der Kolben sehr groß sein, indem zum Beispiel, wenn der Dampf gerade den Druck von 15 Pfund auf den Quadratzoll, einen Druck ungefaͤhr dem der Atmosphaͤre gleich, ausuͤbt, der Kolben 1000 Quadratzoll Flaͤche, beinahe 3 Fuß Durchmesser, haben muß, um vom Feuer umgeben ist, erhellt leicht. Aus dem Kessel gehen zwei Roͤhren d , e , herauf, die gewoͤhnlich verschlossen sind; da die eine etwas tiefer als die dem Wasser bestimmte Grenze reicht, die andre nicht ganz so tief, so giebt beim Oeffnen die eine Wasser, die andre Dampf, wenn das Wasser seine richtige Hoͤhe hat; geben beide Wasser, so ist der Kessel zu sehr gefuͤllt, geben beide Dampf, so ist zu wenig Wasser da. Der Zu- fluß des Wassers durch die Roͤhre LM wird vermittelst des Schwimmers f regulirt; wenn sich dieser hebt, also das Wasser zu hoch steht, so schließt der an dem kleinen Hebel gh angebrachte Schieber k den Zufluß, wel- cher sich dagegen oͤffnet, wenn der Schwimmer zu sehr sinkt, in welchem Falle durch M Wasser zufließt. Wie die Dampfroͤhre Y D den heißen Dampf in die Roͤhre DE und durch die Oeffnungen D und E in den obern und untern Theil des Cylinders V fuͤhrt, ist oben beschrieben; die Haͤhne D und E oͤffnen und schließen sich abwechselnd, und die mit dem Kolben herauf- und herabgehende Stange C dreht durch die Verbin- dungsstangen aD , bE diese Haͤhne. Neben DE geht die Roͤhre FB in den mit kaltem Wasser umgebenen Condensator A herab, ihre Haͤhne F und B , durch die Stangen Fb , aB , regiert, gestatten dem Dampfe den Abfluß, wenn er nicht mehr wirken soll. Die Stange C, die diese vier Haͤhne bewegt, dient zugleich, das etwas erwaͤrmte Wasser aus dem Condensator weg nach K zu bringen, damit der in der Roͤhre LL sich bewegende Pumpenkolben dieses Wasser in den Kessel zuruͤck- fuͤhre; auch diese Pumpe wird, weil ihre Kolbenstange an dem Waage- balken QT haͤngt, mit in Bewegung gesetzt. Endlich zieht auch noch die Kolbenstange R den Kolben der Pumpe P herauf, um kaltes Wasser nach t t zu Abkuͤhlung des Condensators zu bringen. So bringt die Maschine selbst alle die Theile in Bewegung, die zu Unterhaltung der Bewegung dienen; bei TS aber ist die Stange, welche das Hauptrad der in Bewegung zu setzenden Maschine treibt; die in einander greifen- den Raͤder bei r sind bestimmt, diese Bewegung gleichfoͤrmiger zu machen. 15000 Pfund Kraft zu besitzen. Es ist daher in vieler Hinsicht vortheilhafter, Dampfmaschinen von hohem Drucke anzuwen- den, das heißt, den Daͤmpfen eine Hitze, welche die Kochwaͤrme des Wassers sehr uͤbertrifft, zu geben, indem es nur dadurch moͤglich ist, die Abmessungen der Maschine, bei gleicher Wirksamkeit, bedeu- tend zu vermindern. Dieses hat selbst in Ruͤcksicht auf den Auf- wand an Feuerungsmaterial Vortheile; denn wenn gleich die her- vorgebrachte Elasticitaͤt des Dampfes an sich selbst nicht in staͤrkerem Maaße, als der Waͤrme-Aufwand, waͤchst, so laͤßt sich doch leicht uͤbersehen, daß man bei kleinen Abmessungen der Maschine den unnuͤtzen Verlust von Waͤrme viel leichter hindern kann, als bei großen Maschinen. Unter diesen Maschinen von hohem Drucke haben sich kuͤrzlich die von Perkins einen vorzuͤglichen Ruhm erworben, und da es hier nicht meine Absiche sein kann, Sie mit vielerlei Abaͤnderun- gen der Dampfmaschine bekannt zu machen, so will ich nur von dieser Perkinsschen Maschine noch etwas sagen. Da hier mit einem Drucke von 35 Atmosphaͤren, wie Perkins angiebt, gearbeitet wird, so muͤssen alle Theile der Maschine, zu welchen der Dampf waͤhrend seiner vollen Elasticitaͤt Zutritt hat, sehr stark gearbeitet sein, und sind dies in dem Grade, daß sie einen Druck von 4000 Pfund auf den Quadratzoll, also von 250 Atmosphaͤren auszuhal- ten vermoͤgen. Der Dampfkessel, oder wie er von Perkins genannt wird, der Generator des Dampfes AB , ( Fig. 30. ) steht mitten in dem durch starkes Anblasen kraͤftig angefachten Feuer CDE , das bei F seinen fernern Zug hat. Aus dem Dampf-Er- zeuger AB geht eine nach dem Cylinder fuͤhrende Roͤhre aaa , deren Ventil b so belastet ist, daß es sich erst oͤffnet, wenn der Dampf 35 mal so stark als die Atmosphaͤre druͤckt; — mit dieser Kraft also wird der Kolben der Maschine fortgetrieben. Eine zweite vom Generator ausgehende Roͤhre ccc traͤgt ein Sicherheitsventil, naͤmlich ein Ventil, das sich oͤffnet, wenn die Daͤmpfe jenen erfor- derlichen Grad von Elasticitaͤt bedeutend uͤbersteigen, und welches dann die zu heftig erzeugten Daͤmpfe in die freie Luft ableitet; eine dritte Roͤhre dddd , durch ein mit 37 Atmosphaͤren belastetes Ventil e geschlossen, fuͤhrt uͤberfluͤssigen Dampf oder uͤberfluͤssiges Wasser in das zu Abkuͤhlung der Daͤmpfe bestimmte Gefaͤß GH . Eine vierte Roͤhre ffff steht mit einer starken Druckpumpe I in Ver- bindung, die immerfort durch zugepumptes, schon warmes, Wasser den Abgang im Dampfgenerator ersetzt; sie muß eine Kraft von reichlich 35 Atmosphaͤren ausuͤben, damit das zustroͤmende Wasser nicht durch den so sehr elastischen Dampf zuruͤckgedraͤngt werde; indeß, da sie nur einen geringen Durchmesser zu haben braucht, so betraͤgt diese Kraft von 35 Atmosphaͤren doch nicht so sehr viele Pfunde, sondern bei ¼ Zoll Durchmesser wuͤrden 110 Pfund Druck auf den Kolben dieser Wasserpumpe I zureichen. Die Zufuͤhrung der Daͤmpfe zu dem Cylinder, worin der Kolben sich bewegt, koͤnnen Sie sich von a aus ungefaͤhr wie bei andern Dampfmaschi- nen vorstellen, nur daß die Ableitung der Daͤmpfe, nach vollendeter Wirkung, durch die Roͤhre gggg nicht nach einem kalten Conden- sator hin statt findet, sondern die in diesem Falle so sehr elastischen Daͤmpfe sich mit hinreichender Schnelligkeit in einen bedeutend erwaͤrmten Raum GH ergießen, aus welchem dann das aus ihnen entstandene, immer noch sehr heiße Wasser durch die Roͤhre hhhh jener Druckpumpe I zugefuͤhrt und so in den Dampfgenerator zu- ruͤckgebracht wird. K , K sind zwei Gewichte, die vermittelst der Hebel LK , LK bei d und b mit gehoͤriger Gewalt zudruͤcken. Bei einer solchen Perkinsschen Maschine betrug der Durch- messer des die ganze Maschine treibenden Kolbens nur 2 Zoll, aber dennoch mußte die Wirkung, welche sie ausuͤbte, 1600 Pfund betragen. Eine so kleine und folglich, wenn gleich alle Theile sehr stark sein muͤssen, dennoch nur leichte Maschine ist offenbar ganz geeignet, in dem engen Raume eines Dampfwagens bequem ge- braucht zu werden. Bestimmung des Effects der Dampfmaschinen , Anwen- dung bei Dampfschiffen und Dampfwagen . Wie man den Druck berechnet, welchen Daͤmpfe von bestimm- ter Elasticitaͤt auf einen Kolben von gegebener Groͤße ausuͤben, brauche ich wohl kaum zu erwaͤhnen. Sie erinnern sich, daß die Atmosphaͤre auf jeden Quadratzoll (paris. Maaß) ungefaͤhr 15 Pf. Druck ausuͤbt, also ein Dampf von der Elasticitaͤt, die wir 10 Atmosphaͤren nennen, 150 Pfund auf den Quadratzoll, 15000 Pfund auf 100 Quadratzoll u. s. w. Man pflegt die Kraft der Dampfmaschinen nach Pferdekraͤften zu vergleichen, und obgleich man obenhin leicht versteht, was damit gemeint ist, so ist es doch nothwendig in wissenschaftlicher Beziehung diesen, offenbar etwas schwankenden, Begriff naͤher zu bestimmen. Die Angaben hieruͤber sind bedeutend ungleich. Nach Edwards kann ein Pferd, Stun- den lang gleichmaͤßig fortarbeitend, ein Gewicht von 150 Pfund in einer Minute 220 Fuß hoch heben, und dieses kann man so anse- hen, als ob 150 ⋅ 220 = 33000 Pfund in einer Minute 1 Fuß gehoben wuͤrden; damit stimmt Watt und auch Girard uͤber- ein. Andre Schriftsteller dagegen, namentlich Smeaton , setzen die Kraft eines Pferdes nur so groß, daß dadurch 23000 Pfund in 1 Min. 1 Fuß gehoben werden koͤnnten. Prony nimmt sie noch geringer an. Hiernach muͤßte man den Effect auf folgende Weise berechnen. Eine Maschine in den Gruben von Cornwallis , nach Watts Anordnung erbaut, hatte einen Kolben von 63 Zoll Durchmesser oder 3116 Quadratzoll; haͤtte sie nun mit einer Kraft von 2 Atmosphaͤren gearbeitet, so haͤtte der Druck auf den Kolben 93500 Pfund betragen. Diese Maschine hob in jeden 10 Secun- den 82000 Pfund (ungefaͤhr 1170 Cubicfuß) Wasser in einem Hube 16 Fuß hoch, also 6 ⋅ 82000 = 492000 Pfund in 1 Minute 16 Fuß hoch, wofuͤr wir 7872000 Pfund in 1 Min. 1 Fuß hoch setzen; dieser Effect betrug also 239 Pferdekraͤfte (zu 33000 Pfund) nach Watts Angabe, oder 340 Pferdekraͤfte (zu 23000 Pfund) nach Smeatons Angabe, und ersetzte, da die Maschine Tag und Nacht arbeitete, ein Pferd aber nur 8 Stunden fortarbeiten kann, wenigstens 720 Pferde. Wenn man bei Perkins Maschine annimmt, daß sie wirklich mit 35 Atmosphaͤren Druck arbeitet, welches auf einen Kolben von 2 Zoll Durchmesser 1650 Pfund Druck betraͤgt, und wenn man die Angabe hinzufuͤgt, daß der Kol- ben in jeder Minute 100 Kolbenzuͤge von 1 Fuß vollendete, so haͤtte man 1650 ⋅ 100 = 165000 Pfund 1 Fuß hoch in jeder Min. gehoben, welches selbst nach Watt 5 Pferdekraͤfte, nach Smea- ton 7 Pferdekraͤfte, betruͤge. Es scheint mir hier zu einer allzu weitlaͤuftigen Betrachtung zu fuͤhren; wenn ich Sie mit dem Feuerungs-Aufwande, den die Maschinen fordern, unterhalten wollte. Die Maschinen von hohem Druck gewaͤhren dabei wohl mehr als einen Vortheil, indem der III. I Waͤrmeverlust wohl nicht in dem Grade zunimmt, wie die mit maͤßigen Temperatur-Aenderungen so bedeutend steigende Elastici- taͤt der Daͤmpfe, indem die Reibung des Kolbens doch immer nur dieselbe bleibt, waͤhrend die Kraft so vielfach gesteigert, und also mit einem, nach Verhaͤltniß der ganzen Kraft, geringern Verluste, nuͤtzlich angewendet wird. Aber besonders in Hinsicht auf Be- nutzung der Feuerung sind hier die mannigfaltigsten Verbesserungen angebracht worden. Die Aufstellung des Dampfgenerators mitten in dem Feuer selbst, so wie Perkins sie angiebt, die Umgebung des Feuers mit Waͤnden, die den Waͤrmeverlust hindern, die vor- theilhafteste Anordnung der Luftzuͤge, um das Feuer anzublasen, die Zusammensetzung der in dem Kessel selbst herumgefuͤhrten Feuer- zuͤge u. s. w. sind Umstaͤnde, die offenbar hier von großer Bedeu- tung sind. Nach englischen Berichten hob man mit 1 Bufhel Steinkohlen als Feuerung aufgewandt, bei der im Jahre 1811 noch viel geringern Vollkommenheit der Maschinen nur 15 Millionen Pfund Wasser 1 Fuß hoch, aber schon Woolfs Verbesserungen brachten diese Quantitaͤt auf 50 Millionen Pfund, und jetzt sollen einige Maschinen bis gegen 80 Millionen Pfund heben. Da 1 Bufhel nur wenig uͤber 1 Cubicfuß betraͤgt, also an Gewicht 120 Pfund betragen mag, so gaͤbe das schon bei Woolfs Verbesserun- gen das 400000fache Gewicht Diese nach Tilloch Magazine XLVI. 116. und Taylors philos. Magaz. new Series X. 97. mitgetheilten Angaben stimmen auch mit dem uͤberein, was im Bullet. de la Soc. philomath. 1822. 36 vor- koͤmmt, wo fuͤr Woolfs Maschine angegeben wird, 1 Kilogramm Brennmaterial hebe 139700 Kilogramm 1 Meter hoch, da naͤmlich 1 Meter = 3,08 Fuß, so hat man 430300 Kilogramm 1 Fuß hoch. . Daß diese große Gewalt, welche man durch die Daͤmpfe her- vorbringt, nun zu Betreibung aller Arten von Maschinen ange- wandt werden kann, ist offenbar, und es giebt kaum noch eine Art von Maschinen, die man nicht durch sie schon in Bewegung gesetzt haͤtte. Fast am allermeisten haben die Dampfboͤte und die Dampf- wagen die Aufmerksamkeit aller Menschen auf sich gezogen; die ersteren wegen der Schnelligkeit und Sicherheit, mit welcher sie die Reisenden befoͤrdern, die letzten durch die ungeheuern Lasten, die sie, mit einer bis dahin unerreichbaren Geschwindigkeit, von einem Orte zum andern bringen. Die Einrichtung der Dampfschiffe ist sehr leicht zu uͤbersehen. Die Dampfmaschine, die sich im Innern des Schiffes befindet, treibt ein in der Mitte des Schiffes angebrachtes oder zwei an bei- den Seiten befindliche Schaufelraͤder, deren breite Flaͤchen, so wie die Ruderflaͤchen, sich gegen das Wasser draͤngen und daher das Schiff fortschieben. Man hat diese Schiffe jetzt bis zu 200 Fuß Laͤnge und 80 Fuß Breite, die mit einer Gewalt, 200 Pferdekraͤf- ten gleich, fortgehen. Sie durchlaufen zwar gewoͤhnlich nur 1 bis 1½ Meile in der Stunde, aber es giebt Dampfboͤte, die 16 engl, also uͤber 3 deutsche Meilen, in der Stunde zuruͤcklegen, und es wuͤrde nicht so schwer sein, ihnen selbst eine groͤßere Geschwindigkeit, des dann freilich stark wachsenden Widerstandes ungeachtet, zu geben, wenn nicht theils der dadurch in starkem Maaße vermehrte Kosten-Aufwand, theils doch auch die bei vermehrter Geschwindig- keit aus jedem Unfalle entstehenden Gefahren, hiebei eine gewisse Grenze setzten. Die bis dahin als ganz unmoͤglich angesehene Si- cherheit, eine Zeit zu bestimmen, wo der Reisende bei einer weiten Reise zu Wasser an einem gewissen Orte ankommen soll, die Er- sparung an Zeit bei Seereisen, und noch gewisser bei Flußreisen, die sonst so leicht durch Zufaͤlle verzoͤgert werden konnten, sind un- gemein große Vortheile, die durch die Dampfschifffahrt hervorgegan- gen sind. Denn obgleich heftige Stuͤrme wohl fuͤr immer unuͤber- windliche Hindernisse bei allen Verbindungen zur See in den Weg stellen werden, so sind doch diese verhaͤltnißmaͤßig so selten, daß man es nur als eine einzelne Ausnahme ansehen kann, wenn durch sie die sichere und schnelle Verbindung sehr entfernter Oerter gehindert wird. Ueberdies ist auch die Gefahr, von Stuͤrmen uͤberfallen zu werden, wegen der kurzen Zeit, die der Reisende auf dem Wasser zubringt, sehr vermindert. Und ebenso wie bei den Reisen zu Wasser eine Ersparung an Zeit bewirkt worden ist, und dadurch auch die Reisen uͤberhaupt erleichtert sind, ebenso ist es auch mit den Dampfwagen der Fall; indeß hat die Anwendung der Dampfwagen ganz eigenthuͤmliche Schwierigkeiten. Der Gedanke scheint sehr nahe zu liegen, daß man eine auf vier Raͤdern ruhende Dampfmaschine bauen koͤnne, daß an I2 der gemeinschaftlichen Axe zweier dieser Raͤder ein gezahntes Rad an- gebracht, und dieses durch die Dampfmaschine in Bewegung gesetzt werden muͤsse; — es ist ganz offenbar, daß dann diese beiden Raͤder in Umdrehung gesetzt werden und durch ihr Fortwaͤlzen uͤber dem Bo- den den ganzen Apparat fortbewegen. Aber dieser einfache Gedanke ist nicht so leicht ausgefuͤhrt. Wenn man eine Dampfmaschine in einer Fabrik und selbst, wenn gleich da schon bei beschraͤnkterem Raume, in einem Dampfschiffe einrichtet, so kann man sich hin- reichenden Platz, um die Maschine gehoͤrig groß anzulegen, nehmen; es koͤmmt auch auf ein groͤßeres Gewicht aller Theile der Dampf- maschine nicht so sehr an, und man kann alle Mittel zu Verstaͤr- kung des Feuers durch große Blasebaͤlge und durch hohe Schorn- steinroͤhren ohne Schwierigkeit anbringen; bei einem Dampfwagen hingegen ist der Raum im hoͤchsten Grade beschraͤnkt, die Anbrin- gung hoher Schornsteine unbequem und fast unmoͤglich, und so findet der Erbauer der Maschine sich mannigfaltig von allen Seiten eingeengt. Die Maschinen von hohem Drucke, die in kleinen Ab- messungen ausgefuͤhrt doch große Wirkung geben, bieten hier aller- dings ein wichtiges Huͤlfsmittel dar; aber je staͤrkere Elasticitaͤt der Daͤmpfe sie fordern, desto heftiger muß auch die Hitze sein, desto mehr Mittel, um das Feuer kraͤftig anzublasen, muß man besitzen, und dieses in so kleinem Raume auszufuͤhren, ist daher eine Haupt- Aufgabe, mit deren immer vollstaͤndigerer Aufloͤsung sich die Ver- fertiger von Dampfwagen beschaͤftigen. Auf unsern gewoͤhnlichen Wegen sind, selbst wenn sie horizontal fortgehen, noch mehr aber wenn sie aufwaͤrts gehen, die Hindernisse so groß, daß man sogar in England es noch nicht zweckmaͤßig gefunden hat, auf Chausseen Dampfwagen anzuwenden, sondern diese nur auf den Eisenbahnen gebraucht. Die englischen Eisenbahnen gewaͤhren naͤmlich eine so große Erleichterung bei der Fortschaffung von Lasten, daß man dort viel eher eine Dampffahrt zu Stande bringen kann. Nach eng- lischen Berichten Quaterly Review XLII. 343. rechnet man auf vollkommen guten Chausseen doch nur 1500 Pfund fuͤr ein Pferd, wenn es die Last mit ziem- licher Geschwindigkeit fortbringen soll; auf den Eisenbahnen aber bringt ein Pferd 20000 Pfund fort. Bei der Befoͤrderung von Personen bestimmt man die gezogene Last nicht ganz so groß, indeß bringt auch da ein einziges Pferd 25 Personen mit ihrem Gepaͤcke fort, und dieses so schnell, daß 2 deutsche Meilen in 1 Stunde zuruͤckgelegt werden. Bei dieser großen Erleichterung, welche die Eisenbahnen gewaͤhren, ist es also nicht zu verwundern, daß ein Dampfwagen, dessen Maschine auf 17 Pferdekraͤfte angegeben wurde, gegen 100000 Pfund, stuͤndlich 1 deutsche Meile weit, fort- bringt, daß ein anderer mit 13 Pferdekraͤften 26000 Pfund stuͤnd- lich 2¼ deutsche Meile fortbringt, und wenn er bloß 45 Reisende faͤhrt, uͤber 4 deutsche Meilen in 1 Stunde zuruͤcklegt. Einer der Dampfwagen auf dem Eisenwege zwischen Stockton und Dar- lington setzte 24 Kohlenwagen, zusammen mit 127000 Pfund beladen, in Bewegung, und da jeder Wagen selbst 2400 Pfund wog, so war die ganze in Bewegung gesetzte Last 185000 Pfund. Welche große Vortheile aus dieser schnellen und leichten Ver- bindung in England hervorgegangen sind, laͤßt sich leicht erachten, und es lassen sich auffallende Beispiele von dem dadurch erhoͤheten Betrieb und Handelsverkehr anfuͤhren. Aber die uͤbertriebene Schnelligkeit der Bewegung fuͤhrt auch große Gefahren mit sich, indem ein bei maͤßiger Schnelligkeit wenig erheblicher Unfall auf die gefaͤhrlichste Weise gesteigert wird, wenn ein Fortschleudern von 30 Fuß Schnelligkeit in einer Secunde damit verbunden ist. Dampfcanonen . Es ist nicht zu verwundern, daß man die große Elasticitaͤt des Dampfes auch zum Forttreiben von Kugeln anzuwenden ver- sucht hat. Bleibt gleich die Elasticitaͤt des Dampfes gar sehr hinter derjenigen zuruͤck, welche das explodirende Schießpulver ausuͤbt, so hat man doch bei den Daͤmpfen den Vortheil, daß man die Kugel mit immer gleicher Gewalt, so lange sie im Laufe der Canone bleibt, also mit staͤrkerer Beschleunigung, fort- treiben kann, als dies bei dem Schießpulver der Fall ist. Per- kins hat wirkliche Versuche mit Dampfgewehren angestellt, in- deß ist es bis jetzt, wie es scheint, bei einer geringen Anzahl von Versuchen geblieben, uͤber deren Erfolg man folgendes gelesen hat. Es wurde Dampf von 65 Atmosphaͤren Druck angewandt, (wobei indeß die Mittel, sich von der Abmessung dieser Kraft zu versichern, nicht angegeben sind,) und diese Kraft konnte so unaus- gesetzt wirken, daß 250 Kugeln, von der Seite her immer neu in den Lauf gebracht, nach einander in 1 Minute fortgeschleudert werden konnten. Die Gewalt, mit welcher diese Kugeln in 105 Fuß Entfernung wirkten, war so groß, daß sie durch 12 hinter einander stehende, 1 Zoll dicke Bretter schlugen. Hoffentlich stehen dieser Anwendung der Daͤmpfe zu einem so zerstoͤrenden Zwecke manche Hindernisse im Wege; denn wir duͤrfen wohl nicht wuͤn- schen, daß ein so verheerendes Zerstoͤrungsmittel je den mensch- lichen Haͤnden, die so leicht zum Mißbrauch ihrer Kraft verleitet werden, zu Gebote stehen moͤge. Gefahren bei Anwendung der Dampfmaschinen , und Ursachen derselben . Abgesehen von der eben erwaͤhnten Besorgniß, daß das groͤßeste Befoͤrderungsmittel der Industrie zur verheerenden Gewalt ange- wandt werden koͤnne, gewaͤhrten alle bisherigen Betrachtungen nur einen erfreulichen Eindruck. Durch eine so einfache Kraft, die sich uns im verdampfenden Wasser darbietet, hat der Scharfsinn der Menschen Wirkungen zu erlangen gewußt, die alles das weit uͤbertreffen, was die kuͤhnsten Erwartungen unsrer Vorfahren zu hoffen wagten, ja die uns selbst, so sehr wir auch schon gewoͤhnt sind, große Wirkungen zu erwarten, noch immer neue Gelegenheit zur Verwunderung geben. Und wenn man auch die, in einzelnen Faͤllen nicht ganz ungegruͤndete, Besorgniß hervorgehoben hat, daß man die Menschen unbeschaͤftigt der Duͤrftigkeit hingebe, waͤhrend Maschinen alle Arbeiten verrichten; so hat sich doch im Allgemeinen die Wahrheit bestaͤtigt, daß die Maschinen, indem sie selbst wieder zahlreiche Menschen in Thaͤtigkeit setzen, und indem sie die Beduͤrf- nisse und Annehmlichkeiten des Lebens zu geringeren Preisen liefern, zur Verbreitung eines groͤßern Wohlseins der Gesellschaft beitragen. Aber auch diese maͤchtig wirkende Kraft fuͤhrt, wie alle so maͤchtige Kraͤfte, große Gefahren bei ihrem Gebrauche mit sich, und diese naͤher kennen zu lernen, ist nicht allein fuͤr die Anwendung, son- dern auch in wissenschaftlicher Hinsicht, wichtig. Daß man, um den Gefahren zu entgehen, mit welchen die zersprengende Kraft der Daͤmpfe die Dampfkessel bedroht, ein Si- cherheitsventil anbringt, habe ich schon fruͤher erwaͤhnt. Dieses hat den Zweck, theils wenn die Entwickelung der Daͤmpfe in zu großer Menge statt findet, theils wenn ein Hinderniß in dem Gange der Maschine den Verbrauch der Daͤmpfe stoͤrte, den Daͤm- pfen einen freien Ausgang zu gestatten, sobald ihr Druck eine ge- wisse Grenze uͤbersteigt. Dieses Ventil wird daher mit einem so großen Gewichte belastet, daß es bei dem ruhigen Gange der Ma- schine ungeoͤffnet bleibt, aber aufgestoßen wird, wenn die Daͤmpfe um mehrere Grade staͤrker erhitzt werden und dadurch eine zu große Elasticitaͤt erhalten. Daß dieser Vorsicht ungeachtet Ungluͤcks- faͤlle vorkamen, glaubte man anfangs leicht daraus erklaͤren zu koͤnnen, daß entweder der Dampfkessel durch den Gebrauch gelitten habe, und nicht mehr im Stande gewesen sei, den ihm zugemu- theten Druck zu ertragen, oder daß unvorsichtige oder unvernuͤnf- tige Belastung des Ventiles dieses gehindert habe seinen Zweck zu erreichen, und wirklich ließ sich in mehreren Faͤllen, wenn gleich meistens die Maschinenwaͤrter bei dem Zersprengen getoͤdtet wurden, nachweisen, daß diese selbst Schuld an dem Ungluͤcke waren. Aber keinesweges konnte man alle Ungluͤcksfaͤlle, deren sich schon viele ereignet haben, diesen Umstaͤnden beimessen, indem auch da, wo die große Staͤrke der zersprungenen Kessel den guten Zustand der- selben zeigte, und wo ein fuͤr die Arbeiter unzugaͤngliches Ventil durch keinen Zufall uͤberlastet sein konnte, der Kessel oft mit der unerhoͤrtesten Gewalt zersprengt ward. Um von dieser Gewalt einen Begriff zu geben, fuͤhrt Arago an, daß ein Kessel von 4 Zoll dickem geschmiedeten Eisen in zwei Stuͤcke getrennt ward, deren eines 140 Centner schwer (der Kessel war 37 Fuß lang, 4 Fuß breit und 4 Fuß hoch,) durch das Gewoͤlbe der Werkstatt und durch das Dach hinaufgetrieben und 150 Fuß weit fortgeschleudert wurde, und daß von einem Dampfbote durch das Zerspringen des Kessels das ganze Verdeck des Schiffes fortgeschleudert, der 20 Centner schwere obere Theil des Kessels auf 700 Fuß weit geworfen, und andre Stuͤcke hoch in die Luft hinaufgetrieben wurden. Unter den Ungluͤcksfaͤllen, die man nicht einer zu großen Be- lastung des Ventiles zuschreiben konnte, zeichnen sich besonders die als merkwuͤrdig aus, die bei einem vorher traͤger gewordenen Gange der Maschine, oder auch nachdem der Kessel gluͤhend geworden war, eingetreten sind, und bei einigen derselben fand sich noch die Merk- wuͤrdigkeit, daß der Kessel nicht in einer zufaͤllig gekruͤmmten Linie, wo vielleicht zufaͤllig der schwaͤchere Zusammenhang es veranlaßte, geborsten war, sondern an der Wasserflaͤche, beinahe wie gerade abge- schnitten, sich aus einander getrennt hatte. Diese Umstaͤnde haben zuerst Perkins auf eine Erklaͤrung dieser Ungluͤcksfaͤlle gebracht, die sehr viel Wahrscheinlichkeit hat. In den Faͤllen, wo man kurz vor dem Zerspringen den Kessel gluͤhend sah, und wo das Zerspringen so unmittelbar auf diese Erscheinung folgte, daß man ihr nicht zu- vorkommen konnte, mußte ganz gewiß das Wasser im Dampfkessel zu sehr verkocht, und kein neues zugetreten sein, indem die Dampf- Erzeugung, wenn sie auch bei sehr hohen Waͤrmegraden statt findet, doch immer noch keine Gluͤhehitze zulaͤßt, sondern einen so unge- heuern Waͤrme-Aufwand fordert, daß die Erhitzung des Kessels unge- mein weit unter der Gluͤhehitze bleibt. Der Kessel war also entweder ganz oder wenigstens an vielen von der Flamme umspielten Stellen trocken geworden, und eben dadurch mußte, was man oft vor dem Zerspringen bemerkt hat, die Maschine einen matten Gang anneh- men, weil die durch diese große Hitze sehr ausgedehnten Daͤmpfe doch nicht die Dichtigkeit hatten, die sie fruͤher bei niedrigerer Tem- peratur besaßen, und deshalb auch, der Erhitzung ungeachtet, mit geringerer Elasticitaͤt wirkten. Dieses Trockenwerden des Kessels konnte nur daher entstehen, daß die dem Kessel das Wasser zufuͤh- rende Pumpe ihre Dienste nicht regelmaͤßig leistete, und es waͤre wohl kein Ungluͤck erfolgt, wenn sie ganz und gar aufgehoͤrt haͤtte, Wasser zuzufuͤhren. Aber wenn sie nun, nachdem der Kessel eine viel zu große Hitze angenommen hatte, einen Strom Wasser her- einsendete, so wurde dieses in einem Augenblicke in Dampf ver- wandelt, und zwar in Dampf von einer viel groͤßern Hitze, also auch, da es ihm nun nicht mehr an Dichtigkeit fehlte, von einer viel groͤßern Elasticitaͤt, als man je dem Kessel zuzumuthen beab- sichtigte. So konnte also in demselben Augenblicke, wo die Ma- schine langsam fortging, eine Dampf-Erzeugung ploͤtzlich eintreten, welcher das Oeffnen des Ventils einen viel zu unvollkommenen Ausfluß gestattete, und die mit einer explodirenden Gewalt alles zersprengte; und dieses ist um so eher glaublich, da die Elasticitaͤt des Dampfes bei hoͤheren Temperaturen so maͤchtig waͤchst, und eine Elasticitaͤt von 100 Atmosphaͤren noch bei weitem nicht die Gluͤhehitze fordert. Perkins und Arago haben noch eine Bemerkung hinzugefuͤgt. Selbst wenn der Kessel nicht leer ist, aber die Flammen den Kessel auch da, wo kein Wasser darin ist, umspielen, kann der Kessel oben gluͤhend werden, waͤhrend das Wasser eine viel geringere Hitze erhaͤlt. Die Dampf-Entwickelung wird dann schwaͤcher fortgehen, weil das Wasser nur ungefaͤhr seine gewoͤhnliche Hitze hat, aber der auf die Oberflaͤche pressende Druck groͤßer ist; aber wenn nun Wasser mit der gluͤhenden Oberflaͤche in Beruͤhrung koͤmmt, so tritt eine in hohem Grade vermehrte Entwickelung von Dampf ein, und folglich die vorhin erwaͤhnte Wirkung. Dabei ist aber der Kessel nun auch durch die ploͤtzlich veraͤnderte Temperatur dem Zerspringen mehr ausgesetzt, und vor- zuͤglich wird dies an der Oberflaͤche des im Kessel enthaltenen Was- sers der Fall sein. Es mag naͤmlich der ausgeleerte Kessel ploͤtzlich bis zu einer gewissen Hoͤhe gefuͤllt werden, oder es mag die nur am obern Theile gluͤhende Flaͤche ploͤtzlich benetzt werden, so hat die veraͤnderte Ausdehnung des Metalles in der Wasserflaͤche eine beinahe strenge abgeschnittene Grenze. Im ersten Falle ist es gerade der bis an die Wasserflaͤche reichende untere Theil des Kessels, der ploͤtzlich seiner Gluͤhehitze beraubt wird und seine Waͤrme zu ploͤtzlich entwickelten Daͤmpfen verwendet, und es ist bekannt, daß ein Gefaͤß, bei so ploͤtzlicher Aenderung der Waͤrme seines einen Theiles, beinahe nothwendig zerspringt; im andern Falle, wenn, wie Perkins und Arago annehmen, durch ein gewaltsames Hervordringen der Daͤmpfe aus dem noch uͤbrigen Wasservorrathe und ein Herausspruͤtzen an die Decke des Kessels diese obere Haͤlfte des Deckels sich ploͤtzlich abkuͤhlt, so kann ein Sprung an der Grenze des Wassers ebenso gut hervorgehen Arago erwaͤhnt noch einen Umstand, der das Zerreißen ge- rade an der Wasser-Oberflaͤche bewirke, daß naͤmlich die Aenderung der Elasticitaͤt des Dampfes, als nur auf den Theil der Waͤnde ober- halb des Wassers wirkend, ein Heraus- und Hereinbeugen der Wand hervorbringe, dessen Grenze die Niveaulinie des Wassers ist. Hiegegen scheint mir die Erinnerung statt zu finden, daß der unter dem Wasser liegende Theil der Wand, wegen des durch das Wasser nach allen Sei- ten fortgepflanzten Druckes, genau eben den Druck leidet, wie der obere . Um diesen großen Ungluͤcksfaͤllen, die schon zahlreichen Men- schen das Leben gekostet haben, vorzubeugen, hat man mehrere Vorschlaͤge gethan. Gegen eine nicht allzu ploͤtzlich eintretende Ver- mehrung der Kraft des Dampfes thut gewoͤhnlich das Sicherheits- ventil vollkommen genuͤgende Dienste, jedoch hat man noͤthig gefun- den, das Ventil nicht so, daß es einen breiten Rand rund um die Oeffnung herum bedeckt, anzubringen, weil das Hervordringen des Dampfes zwischen diesen Raͤndern ebenso wie das Hervordringen verdichteter Luft gehindert wird Vergl. I . Th. S. 269. , und so das Entweichen des Dampfes nicht in hinreichendem Maaße statt findet. Aber da so sehr oft das Zerspringen des Kessels durch eine ploͤtzlich vermehrte Dampf-Entwickelung bewirkt zu werden scheint, da das Zersprin- gen zuweilen eingetreten ist, gleich nachdem das Sicherheitsventil sich wirklich geoͤffnet hatte; so sieht man, daß dieses fuͤr solche Faͤlle nicht ausreicht. Man hat daher, und dieses hat namentlich Per- kins bei seinen Maschinen angebracht, einen Theil der Roͤhren ( Fig. 30. bei M. ) viel schwaͤcher, als alle uͤbrige dem Drucke des Dampfes ausgesetzten Waͤnde gemacht, und diesem schwachen Theile eine solche Stellung gegeben, daß die Roͤhre hier, indem sie zer- sprengt wird, keine Nachtheile hervorbringen kann. Je groͤßer der so dem Dampfe geoͤffnete Ausgang ist, desto mehr Sicherheit gewaͤhren gewiß diese Sicherungsroͤhren. Indeß bleibt doch, wie mir scheint, auch hier noch die Bedenklichkeit uͤbrig, ob fuͤr eine ploͤtzliche, beinahe vollkommen explodirende, Entwickelung von Dampf dieses Mittel ausreiche, und ob nicht der durch den Wechsel der Temperatur zum Zerspringen vorbereitete Kessel, seiner groͤßern Staͤrke ungeachtet, schon in eben dem Augenblicke platzen kann, wo jene Roͤhre zerstoͤrt wird. Das wirksamste Mittel gegen das Zerspringen des Kessels scheint daher ein solches zu sein, was die zu große Erhitzung des Kessels unmoͤglich macht. Wasserdaͤmpfe koͤnnen, das duͤrfen wir doch wohl mit aller Sicherheit behaupten, niemals eine Elasticitaͤt Theil, weshalb denn dieses Herausbeugen und Hereinbeugen, wobei die von der Wasserflaͤche bezeichnete Linie ruhend bleibe, mir nicht statt zu finden scheint. von 40 Atmosphaͤren erreichen, wenn sie nicht bis uͤber 250° C. erhitzt sind, und ein Druck von 60 Atmosphaͤren kann erst bei 280° C. eintreten; diese Hitze muß also kein Theil der Oberflaͤche des Kessels erreichen, dann ist man sicher, auch keine Daͤmpfe von so großer Elasticitaͤt zu haben. Und hiezu hat von Reichen- bach ein Mittel, das spaͤter auch Arago empfolen hat, vorge- schlagen und angewandt, naͤmlich die Anbringung leicht schmelzbarer Metalle. Wenn man in dem Deckel des Kessels sich eine nicht zu kleine Oeffnung mit einem Metalle, das bei 250° Cent. schmilzt, geschlossen denkt, so kann niemals der Dampf eine Elasticitaͤt von 40 Atmosphaͤren erreichen, weil ein solcher Dampf doch nur da entstehen kann, wo er jene Waͤrme findet. Diese leicht schmelzbaren Stellen muͤssen da liegen, wo eine unmaͤßige Erhitzung am ehesten zu vermuthen ist, und da die Erhitzung gewiß immer in allmaͤhlig steigenden Graden zunimmt, so ist wohl nicht zu fuͤrchten, daß diese Schmelzung zu viel Zeit fordern koͤnnte. Daß man die auf diese Weise absichtlich geschwaͤchten Stellen so anlegen muͤsse, daß ihr Aufbrechen keinen Nachtheil bringe, versteht sich von selbst. Die Sicherung scheint durch diese Anwendung leicht schmelzbarer Metallmischungen vollkommen erreicht zu werden; aber sie haben zu dem Einwurfe Anlaß gegeben, daß sie schon bei geringerer Waͤrme etwas erweicht werden, und daher fruͤher nachgeben, als es der Zweck der Maschine fordert. Nach Arago's Bemerkung ver- meidet man diesen Nachtheil, wenn man sie mit einem engmaschi- gen Gewebe von unschmelzbarem Metalle bedeckt; dieses gestattet dem noch ungeschmolzenen Metalle kein Nachgeben gegen den Druck des Dampfes, hindert aber das Hervordringen der Daͤmpfe nicht, sobald das Metall schmilzt; und so laͤßt sich hoffen, daß durch dieses allemal zeitig genug eintretende Oeffnen eines Ventiles, ehe noch der Druck so unmaͤßig wird, und lange ehe die Gluͤhehitze ein- tritt, alle Gefahren so sicher, als es bei menschlichen Werken uͤber- haupt moͤglich ist, abgewendet werden koͤnnen. Neunte Vorlesung . Ausduͤnstung und Regen . Noch eine sehr reichhaltige Anwendung der Lehre von den Daͤmpfen bietet uns, m. h. H., die Meteorologie dar. So wie uͤberhaupt die Waͤrme die wichtigste Ursache der Aenderungen ist, die wir im Luftkreise wahrnehmen, so sind es insbesondre die ent- stehenden und sich verdichtenden, und im entgegengesetzten Falle die verminderten oder durchsichtig gewordenen Daͤmpfe, von welchen Nebel, Wolken, Thau und Regen und von welchen heitere Luft und Trockenheit abhaͤngen. Daß die Ausduͤnstung des, einen großen Theil der Erde be- deckenden, Wassers unaufhoͤrlich die Luft mit Feuchtigkeit erfuͤllt, daß durch eben diese Ausduͤnstung der groͤßere Theil des im Regen herabfallenden Wassers sehr bald wieder in die Luft zuruͤckkehrt, waͤhrend nur ein kleinerer Theil durch die Fluͤsse dem Meere zu- stroͤmt, daß so ein unaufhoͤrlicher Kreislauf der sich in Daͤmpfen erhebenden und in Regen oder Thau wieder herabfallenden Wasser- theile statt findet, ist bekannt genug. Da so unermeßliche Wasser- mengen durch die Stroͤme in das Meer gefuͤhrt werden und den- noch das Meer nicht hoͤher steigt, da dieser ganze Proceß der Ent- stehung von Regen und der Herstellung des heitern Wetters seit Jahrtausenden gleichmaͤßig fortdauert; so folgt von selbst, daß das Meer nicht so viel an Regen empfangen muß, als es ausduͤnstet, und daß das feste Land im Ganzen mehr Regen als Ausduͤnstung haben muß. Beobachtungen uͤber dieses Verhaͤltniß anzustellen, ist kaum moͤglich, weil die Ausduͤnstung, die wir in Gefaͤßen mit Wasser beobachten, keine genaue Vorstellung von derjenigen Aus- duͤnstung giebt, die uͤber Wiesen und Waͤldern, uͤber trockenen Haiden und Suͤmpfen, uͤber Bergen und Thaͤlern statt findet; in- deß ist doch diese Beobachtung, um wieviel die Oberflaͤche eines der Luft ausgesetzten Wassergefaͤßes sich taͤglich senkt, die einzige, welche wir bequem anzustellen vermoͤgen, und ich theile Ihnen daher einige Bestimmungen daruͤber mit. Nach Starke's Beobachtungen in Augsburg geht die Verdunstung an einem Tage bei großer Hitze bis auf 6 Linien und im ganzen Jahre auf mehr als 60 Zoll; offenbar aber ist da die Ausduͤnstung viel staͤrker als auf der ganzen Oberflaͤche des Bodens. Dalton giebt in Manchester die Ausduͤnstung des waͤrmsten Monates hoͤchstens zu 7⅔ Zoll, des ganzen Jahres zu 44 Zoll an, bemerkt aber, daß man die Aus- duͤnstung eines mit Gras bewachsenen Bodens nur zu 23 Zoll jaͤhrlich rechnen koͤnne, wogegen in Manchester jaͤhrlich 34 bis 35 Zoll Regen fallen. Je mehr man zu den Gebirgen hinauf geht, desto mehr nimmt das Uebergewicht des Regens zu, wie es auch der Fall sein muß, da taͤglich so erhebliche Wassermengen in den Baͤchen herabstroͤmen. Dieser Unterschied mag sehr ungleich sein, aber Thomson bemerkt, daß in Glasgow die jaͤhrliche Regenmenge 23 Zoll, an einem nur 466 Fuß hoͤher im Gebirge liegenden Orte Corbeth dage- gen 42 Zoll betraͤgt, und Schuͤbler hat in Tuͤbingen 26 Zoll, in Goͤbingen auf der Alp, nur 1¾ Meilen von Tuͤbin- gen aber 1400 Fuß hoͤher, beinahe 38 Zoll Regen im Jahre gefunden. Jede Gegend hat hierin ihr Eigenthuͤmliches, z. B. die suͤdliche Kuͤste von England, den Regen bringenden Winden aus- gesetzt, hat mehr Regen als die oͤstlicheren Theile der Insel, Ply- mouth 42 Zoll, waͤhrend um London nur 20 bis 25 Zoll fallen. Diese Zahlen beziehen sich auf die mittlere Regenmenge in einer laͤngern Reihe von Jahren; in einzelnen Jahren ist die Re- genmenge ziemlich ungleich, so daß z. B. Flaugergues aus funfzigjaͤhrigen Beobachtungen in Viviers 20½ Zoll als die kleinste, 48 Zoll als die groͤßte Regenmenge angiebt. Die heftig- sten Regen, die wir zu sehen gewohnt sind, betragen in ebenen Gegenden in unserm Clima selten einen Zoll, indeß kommen als Ausnahme doch auch bedeutend groͤßere Regenmengen vor; so fuͤhrt z. B. Flaugergues einen Tag an, wo in 18 Stunden so viel Regen fiel, daß das Wasser 13 Zoll hoch fuͤr jeden Punct der Oberflaͤche betrug, in Genua hat es einmal 30 Zoll in einem Tage geregnet, und die Gebirgsgegenden, vorzuͤglich in Ungarn, werden oͤfter von solchen Wolkenbruͤchen, die dann zerstoͤrenden Sturz der Bergwasser zur Folge haben, heimgesucht. In den tropischen Gegenden sind Regen, die 8 oder 9 Zoll in einem Tage betragen, gar nicht selten, und in Cayenne hat es einmal in 24 Tagen 151 Zoll geregnet. Die Ausduͤnstung dauert, wenn die Luft nicht sehr feucht ist, selbst bei großer Kaͤlte fort und selbst das Eis nimmt durch Ausduͤnstung ab, so wie wir denn ja auch alle wissen, daß gefrorne Waͤsche trocken wird, ohne vorher aufzuthauen. Schuͤbler hat sich von der Ausduͤnstung des Eises durch viele Versuche uͤberzeugt, und gefunden, daß selbst bei - 9 Gr. Temperatur beinahe ¼ Lin. von dem in einem Cylinder gefrornen Wasser unter guͤnstigen Um- staͤnden, das heißt bei trockner Luft und starkem Winde, in einem Tage verloren gehen kann. Indeß hat man die Frage aufgeworfen, ob selbst die niedrigste Temperatur immer noch faͤhig bleibe, die Verdampfung zu unterhalten. Wollastons Bemerkung, daß in den hoͤchsten Gegenden der Atmosphaͤre die Elasticitaͤt der Luft so schwach werden muͤsse, daß sie die, der Schwere wegen herabstre- benden, Lufttheilchen nicht mehr hinaufzudraͤngen vermoͤge, veran- laßte Faraday zu der richtigen Bemerkung, daß aus aͤhnlichen Gruͤnden es auch eine Grenze der Verdampfung geben muͤsse. Se- hen wir naͤmlich die Verdampfung als dadurch hervorgebracht an, daß die Waͤrme, vermoͤge der durch sie ertheilten elastischen Kraft, ein Wassertheilchen nach dem andern losreißt, so muß bei sehr gerin- ger Waͤrme diese elastische Kraft endlich so klein werden, daß sie das Losreißen nicht mehr bewirken kann, und dann hoͤrt alle Ver- dampfung auf. Faraday glaubt bei dem Quecksilber eine solche Grenze gefunden zu haben, indem Quecksilber in einem verschlosse- nen Gefaͤße auf ein etwas entfernt von seiner Oberflaͤche ange- brachtes Goldblaͤttchen bei sehr kalter Luft gar keine Einwirkung zeigt, obgleich bei 10 bis 20° Waͤrme diese Einwirkung unver- kennbar ist. Hygrometer . Doch ich darf Sie nicht zu lange mit dieser allgemeinen Be- trachtung unterhalten, und gehe daher zu der Frage uͤber, welche Mittel wir besitzen, den Grad der Feuchtigkeit der Luft und die Menge der Wasserdaͤmpfe in der Luft zu bestimmen. Um diese Mittel richtig zu beurtheilen, muß ich Sie zuerst auf den Satz aufmerksam machen, daß die Luft nicht immer dann am feuchtesten scheint, wenn sie viele Daͤmpfe enthaͤlt, sondern dann, wenn sie nicht faͤhig ist, noch Daͤmpfe aufzunehmen. Dieser Satz kann Ihnen wohl nicht paradox scheinen, da Sie wissen, wie sehr die Menge Wassers, die in Daͤmpfen in einem gewissen Raume ent- halten sein kann, von der Waͤrme abhaͤngt, und wie deshalb eine sehr erwaͤrmte Luft, obgleich sie schon viel Wasser in Dampfform enthaͤlt, dennoch faͤhig sein kann, das tropfbare Wasser noch zum Verdunsten zu bringen, waͤhrend kaͤltere Luft, wenn sie auch nicht so viel Dampf enthielte, kein Wasser mehr aufnehmen wuͤrde. Wenn man ziemlich trockene Luft an einem sehr erwaͤrmten Orte in ein Gefaͤß einschließt, so wird sie trocken erscheinen, so lange sie warm bleibt, bringt man sie aber in einen kalten Raum, so belegen sich die innern Waͤnde des Gefaͤßes mit einem Thau, weil die durch die Waͤnde entweichende Waͤrme das Wasser, mit welchem sie sich zu durchsichtigem, elastischem Wasserdampfe verbunden hatte, an den Waͤnden zuruͤcklaͤßt. Aus eben dem Grunde beschlagen unsere kal- ten Fensterscheiben im Winter mit Thau, obgleich die Luft in der Mitte des Zimmers eher zu trocken ist, und im Sommer, selbst wenn die Luft sich gar nicht als feucht zeigt, sehen wir an einem Glase mit Eis das aus den Daͤmpfen in der Luft niedergeschla- gene Wasser herunterfließen. Alle diese Erscheinungen zeigen uns, daß Feuchtigkeit in der Luft vorhanden ist, selbst dann, wenn die fuͤhlbare Feuchtigkeit der Waͤrme wegen unbedeutend scheint. Um indeß zuerst nur Instrumente zu haben, welche uns die fuͤhlbare Feuchtigkeit kenntlich machen, ohne ihr Maaß zu bestim- men, ist man seit langer Zeit auf die Koͤrper aufmerksam gewesen, welche eine Veraͤnderung durch feuchte Luft leiden, und hat gesucht, diese als Hygrometer, als Anzeiger der Feuchtigkeit, zu gebrauchen. Ich will unter diesen die unvollkommensten zuerst nennen. Einige Salze zerfließen in einer etwas feuchten Luft, andre nehmen wenig- stens etwas Wasser auf und dadurch vergroͤßert sich ihr Gewicht; und eine eben solche Zunahme des Gewichtes bei feuchter Luft be- merkt man an einigen Thon-Arten. Man hat daher solche Koͤrper, namentlich auch Kochsalz, als Hygrometer empfohlen, indem Koch- salz bis zum Zerfallen ausgetrocknet, in die Schale einer feinen Waage gelegt und der freien Luft ausgesetzt, allmaͤhlig schwerer wird; die Gewichtszunahme ist bei feuchtem Wetter am schnellsten und groͤßten. Sie uͤbersehen leicht, daß diese Bestimmung der Feuchtigkeit an sich keine große Genauigkeit gestattet, und daß we- gen der laͤngeren Zeit, die allemal vergehen muß, ehe das Salz die angemessene Menge von Wasser aufnimmt, schnelle Aenderungen der Feuchtigkeit in der Luft gar nicht beobachtet werden koͤnnen. Indeß koͤnnen diese Mittel dienen, um z. B. zu pruͤfen, in welchem Grade feucht ein dumpfes Zimmer oder ein Keller ist, und es ist bekannt, daß es oft genug vorkoͤmmt, daß ein mit salzigem Wasser durchzogenes Holz an einem feuchten Orte nie trocknet. Einen bedeutenden Vorzug vor diesen Hygrometern haben diejenigen, die von der Aenderung der Gestalt der Koͤrper abhaͤngen. Es ist bekannt, daß gedrehte Seile sich durch Feuchtigkeit verkuͤrzen, daß dadurch eine aufwickelnde Drehung entsteht, und hierauf allein hat man schon Anordnungen von sehr unvollkommenen Hygrome- tern gegruͤndet. Eben darauf gegruͤndet, aber auch ziemlich ebenso unvollkommen sind die Hygrometer, die aus einer unten mit einer thierischen Haut geschlossenen und mit Quecksilber gefuͤllten Glas- roͤhre bestehen; zieht sich bei veraͤnderter Trockenheit der Luft diese Haut zusammen, verkleinert sich also der von derselben gebildete, das Quecksilber fassende Sack, so steigt das Quecksilber in der Roͤhre. Diese Hygrometer werden mit der Zeit unempfindlicher, und es ist auch kaum moͤglich, sie so uͤbereinstimmend zu machen, daß die Grade zweier Hygrometer als gleichen Feuchtigkeiten entsprechend koͤnnen angesehen werden. Etwas tauglicher sind die Federkielhygrometer und die Elfen- beinhygrometer. Aus der Beschreibung der letztern, die Leslie da anzuwenden empfielt, wo andre Hygrometer sich nicht gut anwenden lassen, z. B. um die Feuchtigkeit im Innern eines Korn- haufens zu untersuchen, wird sich auch die Einrichtung der erstern, bei welchen ein dazu besonders praͤparirter Federkiel gebraucht wird, uͤbersehen lassen. Man drechselt ( Fig. 31. ) aus recht fein geader- tem Elfenbein einen eifoͤrmigen Koͤrper A etwa \frac{5}{4} Zoll lang, aber von so duͤnnen Waͤnden, daß er nur 8 bis 10 Gran wiegt, und doch 300 Gran Quecksilber faßt; an dem obern Ende wird mit einer feinen Schraube ein etwas dickeres Stuͤck B eingesetzt, in welchem eine Glasroͤhre BC befestigt ist; dieses ganze Instru- ment, (das dann ungefaͤhr einem Thermometer mit einer Elfen- beinkugel aͤhnlich sieht,) setzt man eine Zeit lang in reines Wasser, damit das Elfenbein die Ausdehnung, welche der groͤßten Feuchtig- keit entspricht, annehme, und fuͤllt dann das Gefaͤß und die Roͤhre bis zu einem niedrigen Puncte der Roͤhre mit Quecksilber. Wird nun die Roͤhre in Theile getheilt, deren jeder einem Tausendtel des ganzen Quecksilbervolumens entspricht, so dient die Hoͤhe des Queck- silbers als Angabe der Feuchtigkeit, indem die trockener werdende Elfenbeinmasse sich zusammenzieht, und das Quecksilber zum Stei- gen bringt. Ist die Roͤhre oben gegen das Eindringen von Staub und fremden Koͤrpern, jedoch nicht luftdicht, geschlossen, so kann man dies Hygrometer selbst mitten in einen Kornhaufen, zwischen Papierballen u. s. w. bringen, und nach Verlauf einer oder mehrerer Stunden zeigt das Hygrometer den Grad der Feuchtigkeit an. Leslie bemerkt, daß die großen Aenderungen, die man an diesen Hygrometern von Elfenbein und noch mehr am Buchsbaumholze bei starker Feuchtigkeit bemerkt, den Grund deutlich machen, warum ausgelegte Holz-Arbeit bei dem Wechsel zwischen großer Feuchtig- keit und maͤßiger Trockenheit so sehr leidet. Die Unvollkommenheit dieser Hygrometer besteht vorzuͤglich in der Langsamkeit, mit welcher sie den der Feuchtigkeit der Luft an- gemessenen Zustand annehmen, und in der Ungleichartigkeit der ange- wandten Materien selbst; aber die Eigenschaft der festen Koͤrper, sich durch Feuchtigkeit und Trockenheit zu vergroͤßern oder zu verkleinern hat auch zu den vollkommnern Hygrometern von Saussure und Deluc gefuͤhrt. Die Fibern der thierischen Koͤrper und der Pflan- zen dehnen sich da, wo sie durch ein feines Gewebe verbunden sind, vorzuͤglich der Breite nach aus, wenn sie feucht werden, wie man dies an breiten Holzstuͤcken vorzuͤglich da sieht, wo sie an ein Holz, dessen Fasern senkrecht auf die Fasern jener sind, so befestigt sind, daß die Ausdehnung nicht gehindert wird. Aus diesem Grunde ver- kuͤrzen sich gedrehte Seile, weil die Ausdehnung nach der Breite hier die bedeutendste ist. Papier dehnt sich, seines gleichmaͤßigen Gewebes wegen, nach allen Seiten aus. Auf diese starke Ausdeh- nung nach der Breite gruͤndet sich Deluc's Fischbeinhygrometer, das aus einem schmalen Fischbeinstreifen besteht, der aus einem III. K durch Runddrechseln erhaltenen, breiten und sehr duͤnnen Fischbein quer uͤber die Fasern geschnitten wird. Wenn diese Fischbeinstreifen sehr duͤnne und schmal bei bedeutender Laͤnge sind, so dehnen sie sich bei zunehmender Feuchtigkeit hinreichend aus, und verkuͤrzen sich, wenn die Luft trockener wird, und dieses in sehr kurzer Zeit. Ebenso verhaͤlt es sich mit dem von Saussure angegebenen Haar- hygrometer, welches aus einem, durch Auslaugen dazu besonders bereiteten Menschenhaare besteht, dessen Verlaͤngerung ein Zuneh- men der Feuchtigkeit anzeigt. Der Streit zwischen Saussure und Deluc uͤber die Vorzuͤge des einen oder des andern Hygro- meters ist beinahe vergessen, und ungeachtet der Vorwuͤrfe, die Deluc dem Haarhygrometer machte, hat dennoch das Haarhygro- meter sich mehr im Gebrauche erhalten, als das Fischbeinhygrome- ter, weil die quer uͤber die Fasern geschnittenen Fischbeinstreifen so ungemein fein sein muͤssen Deluc sagt, er habe Fischbeinstreifen von 1 Fuß lang, nur ¼ Gran schwer gehabt, die ein Gewicht von ⅓ Unze trugen, und sich von der groͤßten Trockenheit bis zur groͤßten Feuchtigkeit um mehr als 1 Zoll ausdehnten. und staͤrkere Streifen viel zu unem- pfindlich fuͤr kleine Aenderungen der Feuchtigkeit der Luft sind. Die Einrichtung beider Hygrometer ist fast dieselbe. Das Haar wird ( Fig. 32. ) oben bei L mit seinem einen Ende in einer feinen Zwinge befestigt, das andre Ende ist an dem aͤußern Umfange einer runden Axe d so befestigt, daß noch ein Theil des Haares um die Axe gewickelt ist. Verkuͤrzt sich nun das Haar durch Trockenheit, so dreht sich die Axe d und der mit ihr fest verbundene Zeiger df, der auf dem Gradbogen die Aenderungen der Laͤnge stark vergroͤßert angiebt; und damit bei der Verlaͤngerung des Haares dL durch vermehrte Feuchtigkeit nicht das Haar schlaff bleibe, dient der Zeiger dI selbst zu einem, das Haar immer spannenden, obgleich gerin- gen, doch hiezu hinreichenden, Gegengewichte. Statt also daß die groͤßere Trockenheit durch Verkuͤrzung des Haares, bei gleicher Ela- sticitaͤt desselben, den Zeiger zu den niedrigern Feuchtigkeitsgraden von 80 auf 70 u. s. w. fortfuͤhrt, noͤthiget das Gewicht des Zeigers das laͤnger gewordene Haar sich mehr aufzuwickeln und immer ge- spannt zu bleiben. Damit aber diese Instrumente den Namen Hygrometer, als wirklich die Feuchtigkeit abmessend, verdienen, war es vor allem noͤthig, so wie beim Thermometer, zwei feste Puncte zu bestimmen, und hier kann man der Forderung, die Puncte der groͤßten Feuch- tigkeit und der groͤßten Trockenheit als Endpuncte der Scale anzu- geben, beinahe strenge Genuͤge leisten. Der ungeloͤschte Kalk und der salzsaure Kalk haben ein so großes Bestreben die Daͤmpfe aus der Luft an sich zu ziehen, daß sie, erhitzt in ein geschlossenes Gefaͤß gebracht, die Luft vollkommen austrocknen, wenigstens in dem Grade vollkommen, daß selbst bei starker Abkuͤhlung, wo sonst doch die noch uͤbrige Feuchtigkeit am meisten auf die hygrometrischen Koͤrper wirkt, das Haar des in diesem Raume mit eingeschlossenen Hygrometers keine Aenderung mehr zeigt. Den Punct, den als- dann der Zeiger angiebt, bezeichnet man mit Null. Um dagegen die groͤßte Feuchtigkeit zu bestimmen, brachte Saussure feuchte Gegenstaͤnde unter die Glocke, wo sich das Hygrometer befand, so daß die Luft sich ganz mit Feuchtigkeit beladen konnte, und setzte an den alsdann angezeigten Punct des Hygrometers 100 Gr. Den zwischen diesen beiden Puncten enthaltenen Bogen theilt man in 100 Grade, und hat so ein nach bestimmten Gesetzen verfertigtes, also mit andern ebenso verfertigten Instrumenten gut vergleichbares, Hy- grometer. Aber dieses Hygrometer giebt nicht Grade der Feuchtigkeit in dem Sinne an, daß man die Menge des in der Luft enthaltenen Wassers sogleich aus der Anzahl der Grade kennen lernte, sondern die jedem Grade entsprechende wahre Feuchtigkeit muß durch eine Reihe Versuche erst bestimmt werden. Die Forderung, die Menge Wasser in der Luft bei jedem Hygrometergrade zu kennen, laͤßt sich offenbar nicht anders als mit bestaͤndiger Ruͤcksicht auf die Waͤrme erfuͤllen. Wenn in einem fest verschlossenen Gefaͤße, worin sich kein befeuchteter Koͤrper befin- det, worin also kein neuer Dampf zu dem schon vorhandenen hin- zukoͤmmt, ein Hygrometer und ein Thermometer aufgestellt sind, so geht das Hygrometer auf Feuchtigkeit zu, wenn das Thermo- meter sinkt, und man kann also fuͤr die hier statt findende Wasser- menge ein Taͤfelchen der jedem Waͤrmegrade entsprechenden Angaben der Feuchtigkeit verfertigen. Stellt man diesen Versuch so an, daß man in ein Gefaͤß von bestimmter Groͤße zuerst voͤllig ausgetrock- K 2 nete Luft und dann eine bestimmte Menge Wasser, die ganz sich in Dampf verwandelt, gebracht hat, so erhaͤlt man genauen Auf- schluß uͤber die Sprache des Hygrometers. Nach Saussure's auf diese Weise angestellten Versuchen duͤrfte man ungefaͤhr anneh- men, daß bei dem hoͤchsten Grade des Hygrometers im Cubicfuß Luft 17 Gran Wasser sind, wenn das Thermometer auf 25° R. steht und nur 6 Gran, wenn das Thermometer 0° zeigt, daß dagegen mit 80 Graden des Hygrometers 12¼ Gran bei jener, 4¼ Gran bei dieser Waͤrme zusammen gehoͤren; aber diese Bestim- mungen Saussure's sind nicht voͤllig genau, weil seine Mes- sung des in der Luft verdunsteten Wassers unvollkommen war. Gay-Lussac hat die Vergleichungen so angestellt, daß er das Hygrometer in einem eingeschlossenen Raume beobachtete, wo die Elasticitaͤt des Dampfes durch andre Mittel bekannt war. Be- findet sich naͤmlich bei bestimmter Waͤrme in einem eingeschlossenen Raume Wasser, so erlangt der Dampf die dieser Waͤrme angemes- sene Elasticitaͤt und Dichtigkeit; bringt man Wasser mit Schwefel- saͤure gemischt in denselben Raum, so erlangen die Daͤmpfe eine geringere Elasticitaͤt, und wenn man diese Elasticitaͤt kennt und dabei den Stand des Hygrometers beobachtet, so ergiebt sich eine Tafel zur Bestimmung der jedem Grade zugehoͤrenden Elasticitaͤt und Dichtigkeit der Daͤmpfe. Nach diesen Bestimmungen enthaͤlt die Luft bei 88° des Haarhygrometers drei Viertel der Daͤmpfe, die sie bei 100° enthaͤlt, bei 80° ungefaͤhr drei Fuͤnftel, bei 73° die Haͤlfte, bei 64° nur zwei Fuͤnftel der mit 100° zusammen- gehoͤrenden Dampfmenge. Wenn also bei einer Waͤrme von 18° Centes. ungefaͤhr 7 Gran Wasser in der Luft sind bei dem groͤßten Feuchtigkeitszustande, oder bei 100 Hygrometergraden, so wuͤrden bei eben der Waͤrme und einem Hygrometerstande von 73° nur 3½ Gran Dampf in der Luft sein. Bestimmung der Feuchtigkeit der Luft durch die Ver- dunstungskaͤlte , und durch den Condensationspunct der Daͤmpfe . Ein ganz andres Verfahren, um die Feuchtigkeit der Luft zu bestimmen, hat Leslie angegeben, indem er das Differenzther- mometer anwendet, und so die Verdunstungskaͤlte bestimmt. Be- deckt man eine der beiden Kugeln des Differenzthermometers ( Fig. 3. ) mit duͤnnem Mouselin und befeuchtet diesen, so wird der so bedeckten Kugel durch die Verdampfung Waͤrme entzogen, und die in der Roͤhre enthaltene Fluͤssigkeit zeigt diesen Waͤrme-Unter- schied an. Je trockener die Luft ist, desto schneller geht die Ver- dampfung fort, und die entstandene Kaͤlte ist desto groͤßer. Es kann vielleicht scheinen, als ob wegen des stets neuen Aufwandes von Waͤrme das Differenzthermometer immer mehr und mehr Kaͤlte anzeigen sollte; aber dies findet darum nicht statt, weil die umgebende Luft der abgekuͤhlten Kugel Waͤrme zufuͤhrt, und dies immer mehr, je groͤßer der Unterschied der Waͤrme geworden ist, endlich also so viel, daß dadurch der Verlust an Waͤrme ersetzt und ein weiteres Sinken der Temperatur gehindert wird. Je schneller das Verdampfen erfolgt, das heißt, je trockener die umgebende Luft ist, desto groͤßer ist die Temperatur-Differenz, weil die bei schneller Verdampfung so schnell eintretende und schnell erneuerte Kaͤlte nicht so bald durch die Waͤrme der umgebenden Luft ersetzt wird. Au- gusts Psychrometer beruht auf eben dieser Waͤrmedifferenz. Andre Erfolge dieser Verdunstungskaͤlte will ich nachher an- geben, und jetzt sogleich zu dem vollkommensten Hygrometer uͤber- gehen, das auf der Bestimmung des Condensationspunctes der Daͤmpfe beruht. Schon vor laͤngerer Zeit machte Dalton dar- auf aufmerksam, daß man, bei gleich warmer, aber ungleich feuchter Luft, das Bethauen eines kalten Gefaͤßes bei ungleicher Kaͤlte des Gefaͤßes wahrnehme; er schlug daher vor, durch allmaͤhlige Ab- kuͤhlung des in einem Glase enthaltenen Wassers allenfalls durch beigemischtes Eis, die Temperatur zu bestimmen, wo der erste leichte Thau sich aus der Luft an das Glas anlegt, und so den Bethauungspunct , den Condensationspunct der Daͤmpfe, das ist, den Waͤrmegrad, welchem dieser entspricht, zu bestimmen. Dieses Verfahren ist etwas schwierig, aber der Gedanke ist nicht allein richtig, sondern enthaͤlt auch das wahre Princip der Hygrometrie. Sie wissen, daß ein im leeren Raume enthaltener Dampf, wenn Wasser genug vorhanden ist, bei bestimmter Waͤrme z. B. 10° Cent. eine gewisse Dichtigkeit und Elasticitaͤt annimmt, die wir als die zu dieser Waͤrme gehoͤrige groͤßeste bezeichnet haben. Lassen Sie diesen Dampf ein Glasgefaͤß fuͤllen, worin kein tropf- bares Wasser mehr ist; so wird, so lange der Dampf mehr erwaͤrmt ist, seine Durchsichtigkeit ungetruͤbt und das Gefaͤß unbethauet bleiben; aber wenn der Dampf unter jene urspruͤngliche Waͤrme von 10° abgekuͤhlt wird, so belegt sich das Gefaͤß mit einem feinen Thau, der bei staͤrkerer Abkuͤhlung bedeutender wird, weil in dem Dampfe mehr Wasser enthalten ist, als bei einer Waͤrme von 9° oder einer noch geringeren sich in Dampfgestalt erhalten kann. Und eben dies gilt auch von Daͤmpfen, die mit Luft gemischt sind, diese moͤgen nun in einem Gefaͤße enthalten oder frei in der Atmosphaͤre vorhanden sein; kennen wir den Waͤrmegrad, bei welchem sie sich in sehr geringem Grade niederzuschlagen anfangen, so kennen wir ihre Dichtigkeit, weil sie diejenige ist, die wir als die groͤßeste eben der Waͤrme entsprechende aus Versuchen kennen. Es wird am besten sein, dies durch ein wirkliches Beispiel zu erlaͤutern. Am 6. Sept. 1819, als die Waͤrme der Luft 18,°9 Cent. war, beob- achtete Daniell den Bethauungspunct bei 7,°8 Centes., das ist, bis zu dieser Temperatur abgekuͤhlt zeigte eine glatte Oberflaͤche den ersten feinen Niederschlag. Da nun nach Muncke's Tafel Gehlers Woͤrterbuch II. 385. die groͤßte Dichtigkeit des Dampfes bei 7,°8 Cent. (= 6,°2 R. ) nur 7 Milliontel der Dichtigkeit des Wassers betraͤgt, und 1 Cu- bicfuß Rheinl. Wasser 498000 Gran wiegt, so wog ein Cubicfuß jenes Dampfes 3½ Gran, — in einem Cubicfuß Luft waren 3½ Gran Wasser. Die Luft war also schon recht trocken, weil der Condensationspunct 11 Grad unter der Temperatur der Luft lag, und Luft von 18,°9 Waͤrme noch beinahe 4 Gran Wasser in jedem Cubicfuß aufnehmen konnte, ehe sie den hoͤchsten Grad der Feuchtig- keit erreicht haͤtte. Dagegen war bei einer andern Beobachtung die Luft ebenso warm, der Bethauungspunct aber fand sich bei 17°,8 Cent. = 14,°2 R. , welcher Waͤrme ein Dampf = 14 Milliontel der Dichtigkeit des Wassers entspricht, so daß 7 Gran Wasser in 1 Cubicfuß Luft enthalten waren, und die Luft kaum noch ½ Gran aufzunehmen faͤhig, also beinahe auf dem hoͤchsten Puncte der Feuchtheit war. So also lernen wir genau die Menge Wassers in der Luft kennen. Wenn bei großer Hitze von 28° R. oder 35° Cent. die Luft vollkommen feucht ist, so daß das Bethauen bei der geringsten Abkuͤhlung statt findet, so enthaͤlt ein Cubicfuß Luft 19½ Gran Wasser; waͤre dagegen bei solcher Waͤrme die Luft so trocken, daß 7° 5 Cent. = 6° R. dem Bethauungspuncte entspraͤche, so ent- hielte ein Cubicfuß nur 3½ Gran und waͤre also faͤhig 16 Gran Wasser aufzunehmen, so daß das schnelle Ausduͤnsten des Wassers zu solcher Zeit sich sehr wohl erklaͤrt. Am schnellsten findet es statt, wenn ein lebhafter Wind den entstandenen Dampf, der das Ent- stehen neuen Dampfes hindern wuͤrde, fortfuͤhrt. Die Schwierigkeit, den Condensationspunct der Daͤmpfe zu jeder Zeit zu bestimmen, hat Daniell durch sein Hygrometer sehr bedeutend vermindert. Es besteht ( Fig. 33. ) aus einer gekruͤmm- ten Glasroͤhre, an welcher sich an beiden Enden angeblasene Glas- kugeln b, a von \frac{5}{4} Zoll Durchmesser befinden. In der einen b ist innerhalb der Kugel und Roͤhre ein Thermometer angebracht, dann ist in diese Kugel Aether gethan und zum Kochen gebracht, um die Luft aus beiden Kugeln und der Roͤhre durch die Oeffnung f auszutreiben; wenn die Aetherdaͤmpfe aus der bis dahin noch offen gelassenen Muͤndung f stark ausstroͤmen, wird diese Oeffnung an der Lampe zugeschmolzen. Indem nun so der Raum in beiden Kugeln luftleer ist, wird er offenbar immer mit einem, der jedes- maligen Temperatur angemessenen, Aetherdampfe von dem in der Kugel noch in hinreichender Menge uͤbrigen Aether gefuͤllt sein, und so lange beide Kugeln gleich auf diesen Dampf einwirken, steht das innere Thermometer so hoch als das am Fuße des Instruments in freier Luft angebrachte Thermometer D. Sobald man aber die Kugel af, die zu diesem Zwecke mit Mouselin uͤberzogen ist, mit Aether betroͤpfelt, reißt der an der Oberflaͤche verdampfende Aether Waͤrme an sich, bringt daher den innern Aetherdampf zum Nieder- schlagen, und bewirkt so ein lebhafteres Verdampfen des Aethers in der Kugel b, und dabei kuͤhlt sich diese Kugel sehr erheblich ab. Ihre Abkuͤhlung erreicht, bei der Gewalt, mit welcher der auf af verdampfende Aether die Waͤrme an sich reißt, bald den Grad, wo- bei die Condensation der Daͤmpfe in der freien Luft auf der Ober- flaͤche der Kugel b statt findet, und der Beobachter muß, sobald er den leisesten Hauch von Niederschlag auf der Kugel bemerkt, den Grad des im Innern enthaltenen Thermometers ablesen, indem dieses dann die Waͤrme des Bethauungspunctes angiebt. Damit der leichteste Niederschlag deutlicher sichtbar sei, ist die Kugel b ver- goldet, und man sieht den Niederschlag da am ersten, wo sich die Oberflaͤche des Aethers im Innern der Kugel befindet. Die Beob- achtung dieses Hygrometers ist etwas schwierig, weil man den ersten Augenblick des leisesten Bethauens wahrnehmen und da den Stand des innen angebrachten Thermometers beobachten muß; dieser erste feine Niederschlag ist aber keinesweges so leicht wahrzunehmen, und man muß, da das Thermometer immer tiefer faͤllt, sehr achtsam sein, ihn richtig zu beobachten. Wenn die Befeuchtung mit Aether nur unvollkommen ist, so sinkt das Thermometer langsam, und man hat dann etwas mehr Zeit, um sich von dem nach und nach merklicher werdenden Bethauen zu uͤberzeugen, doch muß man bei wirklichem Gebrauche dieses Hygrometers sich gewoͤhnen, den ersten Anfang des Bethauens wahrzunehmen, und der vergoldeten Kugel eine solche Stellung gegen das Licht geben, daß die kleinste Veraͤn- derung des Glanzes bemerkbar sei. Wegen dieser Schwierigkeit, den wahren Temperaturgrad, der mit dem ersten Anfange des Be- thauens zusammen gehoͤrt, richtig zu beobachten, hat man mit Recht Augusts Psychrometer eine groͤßere Aufmerksamkeit geschenkt. Es besteht aus zwei gleichen Thermometern, deren eines eine Be- deckung hat, die man waͤhrend der Beobachtung mit reinem Wasser feucht erhaͤlt. Dieses befeuchtete Thermometer zeigt die Verdun- stungskaͤlte, und nach Augusts Erfahrungen und Schluͤssen liegt diese Verdunstungskaͤlte fast genau in der Mitte zwischen der Waͤrme der freien Luft und dem Bethauungspuncte, so daß man den letzten aus der leichten Beobachtung jener beiden Thermometer findet. August giebt hiezu noch genauere Regeln, die sich auf eine strengere Vergleichung der durch die Daͤmpfe der Thermometer- kugel entrissene und der ihr aus der Luft zugefuͤhrten Waͤrme gruͤnden. Andre Anwendungen der Verdunstungskaͤlte . Ein Versuch, auf welchen Daniells Hygrometer fast unmittelbar fuͤhrt, ist derjenige, den Wollaston angegeben und an seinem Chryophorus (Kaͤltetraͤger) dargestellt hat. Zwei Kugeln, ebenso wie bei jenem Hygrometer durch eine Glasroͤhre, die man hier etwas laͤnger nimmt, um das Experiment auffallen- der zu machen, verbunden, sind luftleer und zum Theil mit Aether gefuͤllt. Man legt die eine in eine Mischung aus Salz und Schnee, und sieht nun die andre, der hoͤhern Waͤrme der umgebenden Luft ungeachtet, sich mit Reif, mit Duͤnsten, die sich aus der Luft zu Eis niederschlagen, uͤberziehen. In der sehr abgekuͤhlten Kugel naͤmlich verliert der Aetherdampf seine Dampfform und in der andern er- neuert sich die Dampfbildung um so lebhafter, je mehr in der ersten der Dampf vernichtet wird; je kaͤlter also jene Kugel ist, desto groͤßer ist in der andern der Waͤrme-Aufwand zu neuer Dampfbildung, und so entsteht an der der waͤrmern Luft ausgesetzten Kugel, durch Uebertragung der Kaͤlte, Reif. Es findet dabei im Innern der Kugeln eine desto schnellere Destillation nach der mit einer Eismi- schung umgegebnen Seite hinuͤber statt, je kaͤlter es dort ist. Auf dieser Verdunstungskaͤlte beruhen mehrere Mittel, ehr bedeutende Kaͤltegrade hervorzubringen. Wenn man eine Thermo- meterkugel mit Baumwolle bedeckt und diese mit Aether betroͤpfelt, so kann man, vorzuͤglich wenn man durch einen auf die Kugel gerichteten Blasebalg einen starken Luftzug hervorbringt, das Ther- mometer bis tief unter den Gefrierpunct fallen machen. Eben darauf beruht das Gefrieren des Wassers im luftleeren Raume, selbst bei 20 Grad Waͤrme. Ich habe schon oft erwaͤhnt, daß im luftleeren Raume die Ausduͤnstung weit schneller statt findet, eben darum aber ist auch die Verdunstungskaͤlte groͤßer. Aber diese wuͤrde nur so lange zunehmen, als der luftleere Recipient noch nicht mit Dampf gefuͤllt ist, und man muß daher, damit sie bestaͤndig zunehme, den entstandenen Dampf fortschaffen; dies geschieht, wenn man wasserfreie Schwefelsaͤure in dem Recipienten aufstellt, weil diese die Eigenschaft hat, den entstandenen Dampf sehr begierig aufzunehmen und daher die Fuͤllung des Recipienten mit Dampf zu hindern. Indem so der luftleere Raum, theils durch ununter- brochenes Fortpumpen, theils durch die Huͤlfe der Schwefelsaͤure, faͤhig bleibt, immer neuen Dampf aufzunehmen, gefriert das unter der Glocke der Luftpumpe der Verdunstung ausgesetzte Wasser. Dieser Versuch ist um so auffallender, da er, wenn die Luftpumpe ein bis auf 1 Linie gehendes Sinken der Barometerprobe gestattet, selbst bei 20 bis 22° Cent. Waͤrme der Luft gelingt, und da das Wasser seine Daͤmpfe in voͤlligem Aufkochen hergiebt, dann aber zu Eis wird. Man darf bei diesem Versuche nur ein Uhrglas voll Wasser nehmen, weil groͤßere Quantitaͤten den Versuch allzu sehr erschweren wuͤrden, man muß dieses Wasser in einiger Entfernung oberhalb eines breiten Gefaͤßes mit Schwefelsaͤure aufstellen, und das Auspumpen rasch fortsetzen, damit nicht zu viel Waͤrme durch die Glaswaͤnde des Recipienten zustroͤme. Die Schwefelsaͤure wird bei diesem Versuche, wegen des sich mit ihr durch die aufge- nommenen Daͤmpfe mischenden Wassers, warm; aber obgleich dies ein hindernder Umstand ist, so gelingt dennoch der Versuch fast un- fehlbar, wenn nur die Luftpumpe gut ist. Configliacchi und spaͤter Dove haben diesen Versuch, den man den Leslie schen Versuch genannt hat, so abgeaͤndert, daß eine mit Quecksilber ge- fuͤllte Kugel mit Flachs umwickelt und dieses mit Schwefel-Aether befeuchtet in den Recipienten gebracht wird; die unten hin gestellte Schwefelsaͤure nimmt auch die Aether-Daͤmpfe auf, und befoͤrdert die Verdunstung des ohnehin schnell verdampfenden Aethers so, daß das Quecksilber in jener Kugel gefriert. Die außerordentlich schnelle Verdampfung des Schwefelkoh- lenstoffs macht diesen Koͤrper geschickt, noch groͤßere Kaͤltegrade hervorzubringen. Unter der Luftpumpe bringt er leicht das Queck- silber zum Gefrieren, und Marcet hat das Weingeistthermo- meter bis auf - 56° ja bis auf - 62° Cent. (45° bis 50° R. ) fallen sehen, selbst wenn die Luft nur bis auf 1½ Lin. der Baro- meterprobe ausgepumpt war Gilb. Ann. XLIII. 170. XLIII. 364. . Zehnte Vorlesung . Die neulich angestellten Betrachtungen betrafen die in ela- stischer Form, als durchsichtige Daͤmpfe, in der Luft enthaltenen Wassertheilchen; aber auch von ihrem Uebergange in den Zustand sichtbarer Duͤnste und tropfbaren Wassers, von der Entstehung der Nebel, der Wolken, des Regens und des Thaues muß ich noch etwas sagen, da ein großer Theil der meteorischen Erscheinun- gen hier ihre Erklaͤrung findet. Nebel und Wolken . Wenn die Daͤmpfe warmen Wassers in der kalten Luft auf- steigen, so zeigt sich ein neblicher Dunst, bestehend aus sehr kleinen Theilen niedergeschlagenen Wassers, weil der so dichte Dampf bei geringerer Waͤrme nicht mehr als elastischer Dampf bestehen kann; in etwas groͤßerer Entfernung von der Dampfquelle wird er wieder unsichtbar, weil er, in groͤßeren Raum ausgebreitet, aufs neue sich in einen der niedrigen Temperatur angemessenen, weniger dich- ten, elastischen Dampf verwandelt. Ebenso zeigt sich uns der aus- gehauchte Athem in kalter Luft. Und ganz dieselben Gruͤnde brin- gen in einer Menge von Faͤllen ausgedehnte Nebel in der Atmo- sphaͤre hervor. Diese muͤssen naͤmlich in zwei Faͤllen nothwendig entstehen, sowohl wenn aus einer Dampfquelle Daͤmpfe in eine kaͤltere Luft uͤbergehen, als auch wenn eine mit Daͤmpfen erfuͤllte Luft an der Oberflaͤche eines kaͤlteren Koͤrpers abgekuͤhlt wird. Das erstere findet bei den Nebeln statt, die wir oberhalb des Wassers sich Abends nach Sonnen-Untergang, oft auch die ganze Nacht durch, und im Winter bei ploͤtzlich starker Kaͤlte, bilden sehen. Die Er- fahrung zeigt, daß nach heißen Sommertagen die Oberflaͤche des festen Landes schneller erkaltet, als die Gewaͤsser, und dieses ist auch so fern leicht zu erklaͤren, als im Wasser die an der Oberflaͤche erkalteten Theilchen in die Tiefe hinabsinken, dagegen aber erwaͤrmte Theilchen den Platz an der Oberflaͤche einnehmen. Indem nun die uͤber dem festen Boden abgekuͤhlte Luft uͤber die Oberflaͤche des Wassers gefuͤhrt wird, trifft sie an dieser einen gesaͤttigten Dampf an, von der Dichtigkeit naͤmlich, welche als die groͤßeste Dichtigkeit der Waͤrme der Wasser-Oberflaͤche entspricht; diesen kuͤhlt sie ab, und bringt einen Nebel, niedergeschlagene Wassertheilchen, hervor. Diese Nebel uͤber den Gewaͤssern dauern so lange, als die Luft nahe uͤber der Oberflaͤche des Wassers merklich kaͤlter als das Wasser selbst ist. Daß an heitern Sommertagen Abends der ganze Lauf von Graͤben und schmalen Fluͤssen so durch aufsteigende Nebel bezeichnet wird, ist bekannt; und ebenso rauchen die Gewaͤsser bei ploͤtzlich eintretender sehr heftiger Kaͤlte im Winter, weil das, in Vergleichung gegen die sehr kalte Luft, nicht so kalte Wasser Daͤmpfe entwickelt, die einer nicht so niedrigen Temperatur entsprechen. Auf aͤhnliche Weise entstehen in Waͤldern und vorzuͤglich auf Bergen, wo die kaͤltere Luft freieren Zutritt hat, die einzelnen Nebelwolken, die man, dem Rauche aͤhnlich, nach einem Regen, wenn die Luft noch feucht ist, sich erheben sieht. Sie entstehen oft ganz deutlich da, wo ein von Baͤumen freier Platz durch die Son- nenstrahlen erwaͤrmt wird, wo also aus dem nassen und erwaͤrmten Grase Daͤmpfe aufsteigen, die, sobald sie sich in die kaͤltere Luft erheben, als Dunst sichtbar werden. Auch die auf dem Meere beobachteten Nebel haben zum Theil diesen Ursprung. Die von den Reisenden oft erwaͤhnten Nebel in der Gegend von Neufund- land, wo der Golfstrom waͤrmeres Wasser als die Luft hinfuͤhrt, haben ihren Grund gewiß in der Abkuͤhlung, welche der waͤrmere Dampf in der Luft leidet. Dagegen scheinen die in allen Polar- gegenden so sehr haͤufigen dichten Nebel umgekehrt in der bis zur Eiskaͤlte abgekuͤhlten Oberflaͤche des Meeres ihren Grund zu haben, die, wenn ein aus waͤrmeren Gegenden und mit waͤrmeren Daͤm- pfen beladener Wind dorthin gelangt, eine Abkuͤhlung der untern Luftschichten und dadurch ein Entstehen dicken Nebels bewirkt. Diese Nebel ruhen oft in einer kaum 100 Fuß hohen Schichte auf dem Meere, erhalten aber von der bestaͤndig neu zustroͤmenden, mit Dampf erfuͤllten, Luft immer neue Nahrung. Die aus diesen Nebeln sich niederschlagenden Wassertheilchen bedecken die Eisberge im Meere mit Schichten von einem aus bloßem atmosphaͤrischen Wasser entstandenen Eise, welches daher gar kein Salz enthaͤlt. In dieser unter unsern Augen vorgehenden Nebelbildung zeigt sich uns auch, wo nicht der einzige doch ein Hauptgrund der Wol- kenbildung. So oft eine Mischung zweier Luftmassen, die nur nicht allzu weit von dem Puncte groͤßter Feuchtigkeit entfernt, aber an Waͤrme erheblich verschieden sind, statt findet, schlaͤgt sich Dunst nieder, und so oft Luftmassen, die ziemlich mit Feuchtigkeit beladen sind, an einem kaͤlteren Koͤrper vorbei gehen, entstehen Wolken. Das Letztere scheint der Grund zu sein, warum Abends die Berg- spitzen sich mit Wolken bedecken, die sich allmaͤhlig tiefer herabsen- ken. Die Oberflaͤche des Berges naͤmlich kuͤhlt sich mehr ab als die in gleicher Hoͤhe liegende Luftschichte, und indem nun die ziem- lich feuchten Luftschichten durch die Oberflaͤche des Berges abgekuͤhlt werden, bedeckt sich der Berg mit einer Wolke. Eben das kann auch am Tage statt finden, und da dann durch die Wolkenbedeckung dem Berge die Erwaͤrmung der Sonne entzogen wird, so muß aus vermehrtem Waͤrme-Unterschiede die Wolkenbildung zunehmen. Bei dieser Wolkenbildung ist oft die in gleicher Hoͤhe liegende Luft- schichte warm genug, um die Daͤmpfe wieder in elastischer Gestalt aufzunehmen, und man sieht dann an der dem Winde ausgesetzten Seite des Berges immer neue Woͤlkchen sich an die große Wolke anlegen, diese vereinigen sich an der Spitze des Berges mit der großen Wolke, und an der andern Seite trennen sich abgerissene Wolkenflocken, die in der Luft zergehen; so erneuert sich die Wolke unaufhoͤrlich, waͤhrend sie, ihrer Groͤße nach unveraͤndert, auf dem Berge zu ruhen scheint. Da diese Bedeckung der Berge mit Wol- ken nur statt findet, wenn viele Feuchtigkeit in der Luft ist und viele Feuchtigkeit in der Luft gewoͤhnlich Regen ankuͤndigt, so ist der Grund, warum jene Wolken auf Bergen Regen bedeuten, leicht einzusehen. Berge, die mit Schnee und Eis bedeckt sind, muͤssen vorzuͤglich leicht sich so mit Wolken bedecken Das Tafeltuch auf dem Tafelberge am Vorgeb. d. g. Hoffn. Barrows Reisen im suͤdl. Africa. I. 51. Die Bedeckung des Ararat mit Wolken, von Freygangs Reise nach d. Caucasus. S. 232. S. meine Beitr. z. Meteorol. S. 342. . Ganz aus denselben Gruͤnden erklaͤrt sich die oft so schnell eintretende und schnell wieder verschwindende Bedeckung des Him- mels mit einer duͤnnen Decke weißer Wolken. Bei veraͤnderlichem Wetter bemerken wir oft, daß der Himmel vor wenigen Minuten noch blau war, und nun auf einmal ganz mit diesen leichten Wol- ken bedeckt ist; oft nimmt die Verdichtung dieser Wolken schnell zu und geht bis zum Hervorbringen des Regens; oft aber sind auch die Wolken ebenso geschwind wieder verschwunden als sie ent- standen sind. Dieser schnelle Wechsel erklaͤrt sich am besten aus einem in der hoͤheren Luft statt findenden kalten Luftstrome, der in den oberen Luftschichten nicht Wassertheilchen genug findet, um Wolken zu bilden, aber wenn er sich tiefer in die zu solcher Zeit gewoͤhnlich warmen und sehr feuchten Luftschichten herabsenkt, an der Grenze dieser warmen Schichte Wolken niederschlaͤgt. Es laͤßt sich leicht uͤbersehen, daß diese Wolkenschichte wieder verschwinden wird, wenn jener kalte Luftstrom in der niedrigen Gegend nicht dauernd genug ist; aber so oft er wieder eintritt, wird sich die Er- scheinung erneuern. In diesem Falle ist die Wolkenbildung sehr veraͤnderlich, wenn diese Luftstroͤmungen es sind, und sehr zum Re- gen hinneigend, weil die Wolkendecke das Sonnenlicht schwaͤcht und daher selbst ein Grund der Abkuͤhlung und verstaͤrkter Niederschlaͤge wird. Auf den Wechsel dieser Wolken koͤnnen gewiß sehr kleine oͤrtliche Umstaͤnde bedeutend einwirken; ein von einer trockenen Gegend aufwaͤrts gehender warmer Luftstrom kann die Wolken zertheilen, ein von einem feuchten Orte hinaufwaͤrts gehender war- mer Luftstrom kann sie mit neuen Wassertheilen beladen. Dagegen wenn sich die, oft viele Stunden unveraͤndert bleibenden, Schaͤfchen- wolken bilden, die nur eine ganz duͤnne Schichte weißer, gewoͤhnlich sehr hoch stehender Wolken darstellen, dann ist es wahrscheinlich ein waͤrmerer Luftstrom, der sich uͤber der kaͤlteren Luft hin ergießt. Aus jenem waͤrmeren Luftstrome schlagen sich an der Grenze der kalten Luft die kleinen Wolken nieder, und da die waͤrmere Luft oberhalb dieser Wolken immer noch den Sonnenstrahlen ausgesetzt bleibt, da die waͤrmeren Lufttheilchen auch kein Bestreben haben, sich herabzusenken, so ist es im engern Sinne nur allein die Tren- nungsschichte beider Luftmassen, die sich truͤbt, und in welcher nur so viel neue Nebelduͤnste wieder hervorgehen, als durch Verdampfen an der Oberflaͤche in den durchsichtigen Zustand zuruͤckkehren. Dar- um bedeuten diese Schaͤfchen im Fruͤhling warmes Wetter, weil sie einen bis in die Wolkenregion herabgehenden warmen Wind verrathen. Warum diese Wolken die so bestimmten kugeligen For- men annehmen, warum zu andern Zeiten sich die Wolken in so lange, oft seltsam gewundene Faͤden ausdehnen, und diese Form so lange unveraͤndert beibehalten, daruͤber sind wir noch gar nicht recht belehrt. Die Vermuthung, daß diese glaͤnzend weißen Wol- ken aus Schneenadeln, so klein, daß sie wie Sonnenstaͤubchen in der Luft schweben, bestehen moͤgen, ist sehr wahrscheinlich, und wird besonders durch die oft in diesen glaͤnzenden Woͤlkchen erscheinenden Nebensonnen bestaͤtigt. Dagegen scheinen zu andrer Zeit die feinen Woͤlkchen mehr zu Hervorbringung der kleinen Hoͤfe um Sonne und Mond geeignet. Auch die Erscheinung der Wolken uͤber Inseln, so daß man schon aus der Ferne die Lage der Inseln aus der Lage der Wolken schließen kann, gehoͤrt hieher. Da naͤmlich am Tage der Boden der Inseln, am meisten in heißen Gegenden, mehr als das Meer erhitzt wird, so bildet sich hier ein warmer, offenbar aber auch mit Daͤmpfen beladener Luftstrom, der oben, wo er sich abkuͤhlt, diese als Wolken niederschlaͤgt; uͤber die Grenzen der Insel hinaus wird dieser Niederschlag sich nicht erstrecken, indem dahin nicht die so sehr erwaͤrmte, mit Daͤmpfen beladene Luft gelangt. Und umgekehrt kann auch dieser heiße Luftstrom eine voͤllige Wolkenlosigkeit hervor- bringen, wenn er von trockenen Gegenden aufsteigt. Die africa- nischen Sandwuͤsten sind bekanntlich so heiß und so duͤrr zugleich, daß fuͤr sie aus Gruͤnden, die fruͤher angefuͤhrt sind, ein bestaͤndiges Herzustroͤmen der kalten Luft aus den benachbarten Gegenden in den untern Luftschichten, dagegen ein bestaͤndiges Abwaͤrtsstroͤmen nach den kalten Gegenden zu in den hoͤhern Luftschichten statt finden muß. Die aus den kuͤhlern und feuchten Gegenden uͤber die heiße Wuͤste gefuͤhrte Luft enthaͤlt nicht Daͤmpfe genug, um in so großer Waͤrme den Daͤmpfen ihre groͤßte Dichtigkeit zu geben, sondern jene Wassertheilchen, wenn sie auch als Nebel und Wolken heran gezogen waͤren, gehen als durchsichtige Daͤmpfe aufwaͤrts und wer- den in hohen Regionen wieder zu den Umgebungen, woher sie kamen, zuruͤckgefuͤhrt, so daß uͤber der Wuͤste, eben weil sie trocken und heiß ist, sich nicht einmal Wolken bilden koͤnnen, viel weniger Regen. In einigem Grade aͤhnlich geschieht es bei uns in den mit kaltem Nordostwinde begleiteten heitern Fruͤhlingstagen. Wenn dieser kalte Wind in unsern Gegenden eine feuchte Luft findet, so wird er eine Ursache des Regen- oder Schneeniederschlages; aber wenn er lange genug kalte Luft zugefuͤhrt hat, so daß wir nur die aus den noͤrdlichen Gegenden kommende Luft allein zu beruͤcksichti- gen haben, so muß diese uns als trocken und austrocknend erschei- nen. Diese Luft koͤmmt aus sehr kalten Gegenden und erwaͤrmt sich daher bei ihrem Fortgange nach Suͤden; waͤre sie dort - 3° gewesen, hier + 12° Cent. geworden, so wuͤrde sie in jedem Cu- bicfuß 3 Gran Wasser aufzunehmen faͤhig, selbst wenn sie dort voll- kommen feucht war; sie erscheint uns daher als sehr austrocknend, und darauf beruht diese Wirkung des Fruͤhlings-Ostwindes, der nicht allein keine Wolken hervorgehen laͤßt, sondern auch die Erde schnell abtrocknet und uns durch diese austrocknende Eigenschaft das Gefuͤhl groͤßerer Kaͤlte bringt, als der Stand des Thermometers zu rechtfertigen scheint. Ich kehre zu der Wolkenbildung zuruͤck, und fuͤge an das Vorige zunaͤchst die Betrachtung, daß wo die Nebelbildung rasch fortschreitet, ein Entstehen von Tropfen und Regen die natuͤrliche Folge ist. Diese Tropfenbildung scheint schon da einzutreten, wo der Fortgang der Wolkenmassen ein Hinderniß findet; daher reg- net es bei Winden, die vom Meere herkommen oder uͤberhaupt mit Daͤmpfen erfuͤllt sind, am meisten an den Bergen, gegen welche zu die Wolken getrieben werden. Dieses ist der Grund man- cher periodischer Regen, die zum Beispiel auf der Halb-Insel dies- seits des Ganges bei dem bestaͤndigen Suͤdwestwinde auf der einen Seite, bei dem bestaͤndigen Nordostwinde auf der andern Seite der Gebirge statt finden. Indem so die Wolken sich diesseits der Gebirge ihres Wassers entladen, bringen sie an die andre Seite keinen Regen; und aus denselben Gruͤnden ist es klar, warum die suͤdwestliche Kuͤste Englands so viel mehr Regen als das mittlere Land und die Ostkuͤste hat, warum der heiße und feuchte Italieni- sche Sirocco anhaltende Regen bis nach dem suͤdlichen Deutschland bringt, waͤhrend das noͤrdliche Deutschland zu solchen Zeiten eines heitern Himmels genießen kann. So sehr viele Erscheinungen des Regens erklaͤren sich voll- kommen leicht, und Huttons Theorie des Regens, daß zwei ungleich warme Luftmassen, selbst wenn sie dem Saͤttigungszu- stande nicht ganz nahe sind, bei der Mischung allemal einen Nie- derschlag geben, enthaͤlt allerdings eine fuͤr die meisten Faͤlle sehr genuͤgende Auskunft. Sie wissen aus dem Vorigen, daß Luft von 8° Cent. 3½ Gran, Luft von 18° Cent. 7 Gran Wasser im Cu- bicfuß im Maximum enthaͤlt, aber wenn diese Luft bei der Mischung 13° warm wird, so kann sie nur 5 Gran enthalten und jede 2 Cubicfuß geben ½ Gran Wasser; bei groͤßern Waͤrme-Unterschie- den wird dies noch viel erheblicher Sehr viele einzelne Phaͤnomene, die sich hieraus erklaͤren, erwaͤhnt Kaͤmtz in seiner Meteorologie. I . Th. 4. Abschn. . Aber so sehr dies geeignet ist, die maͤßigen Regen zu erklaͤren, so kann ich doch einen Zweifel, ob eben diese Erklaͤrung fuͤr die Gewitterregen, fuͤr die Platzregen, fuͤr die Wolkenbruͤche, ausreicht, nicht ganz als widerlegt ansehen. Wenn man die Nachrichten von dem zerstoͤrenden Regengusse am 3. u. 4. Aug . 1829 in der Gegend des Dee in Schottland , oder von dem auf 8000 Quadratklafter beschraͤnkten und kurze Zeit dauernden Regengusse, der am 26. Jul . 1809 eine Gegend der Zipser Alpen in Ungarn traf, liest New philos. Journal by Jameson Jul. 1830. p. 280. und Baumgartners Zeitschr. V. 72. , so kann man sich nicht wohl dabei beru- higen, eine allmaͤhlig eintretende Mischung warmer und kalter Luft als die Ursache dieser, so uͤberraschenden, mit furchtbarer Schnellig- keit herabstuͤrzenden Wasserstroͤme anzusehen. Ist gleich die Meteorologie. I. 420. von Kaͤmtz angefuͤhrte Betrachtung, daß die ganze uͤber uns stehende Luftsaͤule bei großer Hitze 11 Zoll Wasser herzugeben im Stande sei, ganz richtig; so bleibt es doch sehr dunkel, warum so auf einmal diese Luftsaͤule beinahe ihren ganzen Wasservorrath her- gebe, und warum sogar mit so großer Schnelligkeit Wasser aus den benachbarten Gegenden herbeigefuͤhrt werde. Man hat sonst der Electricitaͤt allein das Geschaͤft, diese heftigen Regen hervor- zubringen, uͤbertragen, hat den electrischen Funken, den Blitz, aus einer Mischung von Wasserstoffgas und Sauerstoffgas Wasser erzeu- gen lassen, obgleich niemand das Wasserstoffgas in der Atmosphaͤre nachzuweisen wußte; — unstreitig hat man darin zu viel gethan, III. L aber sollte man nicht auch auf der andern Seite zu viel thun, wenn man einzig an Mischung warmer und kalter Luftmassen denkt, und Blitz und Donner als Erscheinungen betrachtet, die nur im Gefolge jener Ereignisse, ohne allen weitern Einfluß, eintreten? Gewiß wird die Luft bei den ploͤtzlichen Ausbruͤchen eines Gewitterregens nicht so ihres Wasservorraths beraubt, wie es der Fall sein muͤßte, wenn die uͤber uns stehende Luftsaͤule allein ihre Daͤmpfe hergaͤbe, wir sind daher genoͤthigt, einen sehr schnellen Zutritt der benachbar- ten Daͤmpfe zuzugestehen, obgleich sich dieses Herandringen gar nicht gerade durch eine stuͤrmische Bewegung der Luft gegen die Gewittergegend zu aͤußert, und ich glaube daher, daß wir genoͤthi- get sind, unsre Unwissenheit uͤber die Umstaͤnde, wodurch diese Platzregen entstehen, zu bekennen. Einige hieher gehoͤrige Be- trachtungen werde ich noch bei Gelegenheit der Gewitter-Electricitaͤt erwaͤhnen. Ebenso dunkel ist der Ursprung des Hagels. Wir wissen nicht, woher die so sehr große Kaͤlte in der Luft entsteht, die nicht allein Schneeflocken hervorbringt, sondern so bedeutend ist, daß ganze Eismassen sich an diese anlegen. Der Hagel scheint erst in den niedrigern Gegenden der Atmosphaͤre seine volle Groͤße dadurch zu erlangen, daß sich aus der warmen, mit Daͤmpfen erfuͤllten Luft Wasser an ihm (wie an dem mit Eis gefuͤllten Glase im Sommer,) niederschlaͤgt; aber welche große Kaͤlte muß die kleine Eismasse besitzen, um durch diesen Zutritt warmer Daͤmpfe nicht geschmolzen zu werden, sondern diese Daͤmpfe zum Gefrieren zu bringen? — Wuͤßten wir diese große Kaͤlte erst zu erklaͤren, so ist allerdings diese Vergroͤßerung der Hagelkoͤrner, und ebenso der Regentropfen kalter Gewitterregen, im Herabfallen, sehr gut durch jene Betrachtung erklaͤrt. Der Thau . Ich habe die Erscheinungen des Thaues bis zuletzt aufgespart, weil die Mannigfaltigkeit, die sich bei dem Bethauen der Koͤrper zeigt, von einem Umstande abhaͤngt, an den die Phaͤnomene der Wolken und des Regens uns nicht so sehr erinnern, naͤmlich von dem Ausstrahlen der Waͤrme von der Oberflaͤche der Koͤrper. Die Erscheinungen des Thaues bestehen darin, daß nach war- men, heitern Sommertagen, bei stiller Luft, schon vor Sonnen- Untergang im Schatten, nach Sonnen-Untergang an allen hin- reichend freien Orten, die meisten Gegenstaͤnde feucht werden, und sich endlich mit Wassertropfen bedecken, daß dieses bei bedeckter Luft und in eingeschlossenen Raͤumen, wo hohe Gebaͤude den Himmel verdecken, wenig oder gar nicht statt findet, und daß ungleichartige Koͤrper sehr ungleich vom Thau befeuchtet werden. Diese Ungleich- heiten haben in fruͤherer Zeit zu unrichtigen Ansichten Anlaß gege- ben, und das Verdienst, welches Wells sich um die Lehre vom Thau erworben hat, besteht vorzuͤglich darin, daß er den richtigen Gedanken, der Thau koͤnne sich nur auf Koͤrpern, die kaͤlter als die Luft sind, anlegen, durch Beobachtungen bewaͤhrte, und daß er die Umstaͤnde, durch welche das Erkalten der Gegenstaͤnde eintritt, sorgfaͤltig erforschte. Das bethauende Gras ist zuweilen um 4 bis 5 Gr. Cent. kaͤlter als die Luft, Wollfloͤckchen und Schwanenfedern zuweilen 8 bis 9 Gr. kaͤlter als die Luft, und wenn der Himmel sich bewoͤlkt, wobei der Unterschied zwischen der Waͤrme der Luft und des Grases abnimmt, so wird auch die Vermehrung des Bethauens gerin- ger, und hoͤrt auf, wenn jener Unterschied verschwindet. Wenn man waͤhrend des Thauens ein Thermometer in das Gras und eines in unbewachsene Erde setzt, so steht jenes niedriger, und das Gras bethauet mehr als die freie Erde. Metallplatten bethauen, wenn sie polirt sind, gewoͤhnlich nicht, sind aber dann auch nicht kaͤlter als die Luft; bethauen sie, so sind sie gewiß auch kaͤlter als die Luft. Wenn man ein Uhrglas so auf polirtes Metall legt, daß es in der Mitte das Metall beruͤhrt, so bleibt es in der Mitte unbe- thauet, waͤhrend es am Rande sich mit Thau belegt; — dort naͤmlich erhaͤlt es die Waͤrme des Metalles, das sich in diesem Falle nicht so sehr als die Luft abkuͤhlt, waͤhrend das Glas fuͤr sich allein kaͤlter als die Luft wird. Der Thau befolgt also darin ganz die Regel aller Dampfniederschlaͤge, daß er an kaͤltern Koͤrpern sich anlegt. Aber warum werden denn einige Koͤrper mehr als andre abgekuͤhlt? — Die mehr erkaltenden sind die, von denen wir auch sonst schon wissen, daß sie mehr Waͤrme durch Ausstrahlung ver- lieren. Polirte Metalle erkalten sehr langsam und bleiben daher L 2 bei der Kuͤhle des Abends waͤrmer als die Luft, oder nur im selten- sten Falle haben sie eine niedrigere Temperatur als die Luft; bringt man sie mit leicht erkaltenden, die Waͤrme gut ausstrahlenden Koͤrpern so in Verbindung, daß sie durch Leitung zugleich mit ab- kuͤhlen, so bethauen selbst die Metalle. Erde giebt mehr strahlende Waͤrme her, Gras ist noch besser dazu geeignet, Floͤckchen Seide oder Baumwolle oder die feinen Schwanenfedern verlieren am meisten Waͤrme, und so kann man genau die Reihenfolge der Koͤr- per nachweisen, die mehr oder minder leicht strahlende Waͤrme von sich geben, und es findet sich, daß eben diese Reihenfolge das leichte Erkalten bei der Abendkuͤhle und das leichte Bethauen bestimmt. Diese Ungleichheit des Bethauens findet bei unaͤhnlichen Ge- genstaͤnden statt, die der Luft auf ganz gleiche Weise ausgesetzt sind; aber aͤhnliche Gegenstaͤnde bethauen zu eben der Zeit ungleich, wenn sie sich in verschiedenen Lagen befinden. Wenn ein Platz eng ein- geschlossen, mit hohen Waͤnden umgeben ist, so laͤßt sich leicht ein- sehen, daß die hier aufgestellten, nicht erheblich von der Erde ent- fernten Gegenstaͤnde nur wenig Waͤrme, als durch Strahlung aus- gesandt, verlieren koͤnnen; denn Waͤnde und Boden und alle Ge- genstaͤnde senden sich gegenseitig strahlende Waͤrme zu, und ersetzen zum Theil ihren Verlust, so daß nur die wenigen, nach dem freien Himmel gesandten Waͤrmestrahlen ohne Ersatz bleiben. Diese geringe Abkuͤhlung ist der Grund, warum das Bethauen an solchen Stellen, die, wie Wells es ausdruͤckt, den freien Anblick des Himmels nicht genießen, so geringe ist, weil naͤmlich die Abkuͤhlung dort geringe ist. Wells hat Wollfloͤckchen oberhalb eines Brettes und nahe unterhalb eines Brettes aufgehaͤngt, jene nahmen drei bis viermal so viel Thau auf als diese, so daß 10 Gran Wolle oberhalb in einer Nacht 14 Gran, unterhalb nur 4 Gran, in einer andern Nacht die obere Wolle 20 Gran, die untere nur 4 Gran aufge- nommen hatte. Auch wenn die Wollfloͤckchen auf dem Grase lagen, aber das eine von einem Cylinder von Thon, einen Fuß im Durch- messer und 2½ Fuß hoch, umgeben, das andre frei; so erhielt das freie Floͤckchen viel mehr Thau; bei einem Versuche mit 10 Gran Wolle, das freie Floͤckchen 16 Gran, das beschattete nur 2 Gran. Wells hat mehrere solche Versuche angestellt, die alle den Satz beweisen, daß der Thau da weniger faͤllt, wo durch eine gehinderte freie Aussicht auf den Himmel die Ausstrahlung vermindert wird und daher auch die Abkuͤhlung nicht so erheblich ist. Die Wolken zeigen eben diese Wirkung eines die ausstrahlende Waͤrme ersetzen- den Daches. Sind die Wolken niedrig genug, so befinden sie sich in Luft, die fast ebenso warm als die untere Luft sein kann, weil die Abnahme der Waͤrme in der Hoͤhe dann nicht groß ist, und in diesem Falle geben die Wolken ebensoviel Waͤrme her, als die Koͤr- per auf der Erde ausstrahlen, so daß diese voͤlligen Ersatz erhalten. Befinden sich aber die Wolken auch in kaͤlterer Luft oder sind sie selbst kaͤlter als die untere Luft, so geben sie doch immer einigen Ersatz fuͤr die ausstrahlende Waͤrme, statt daß der heitre Himmel der durch Strahlung hinaufwaͤrts gehenden Waͤrme gar kein Hin- derniß und gar nichts, wovon Ersatz herkommen koͤnnte, darbietet. Wells hat noch mehr einzelne Umstaͤnde erklaͤrt, zum Bei- spiel die Sicherung der Pflanzen gegen das Erfrieren in kalten Fruͤhlingsnaͤchten. Diese kann oft durch die leichteste Bedeckung, wenn sie auch nur in der Ferne aufgestellt den freien Anblick des heitern Himmels hindert, statt finden, indem Gras beinahe ganz unabgekuͤhlt die Waͤrme der Luft behielt, wenn ein duͤnnes Tuch in 6 Zoll Entfernung ein Dach daruͤber bildete, waͤhrend das un- bedeckte Gras 3 Grad kaͤlter als die Luft ward. Diese Sicherung reicht aber freilich dann nicht mehr aus, wenn die Luft selbst bis zu groͤßern Entfernungen von der Erde die Frostkaͤlte annimmt. Auch die Erfahrung, daß die Fruͤhlings-Nachtfroͤste auf Huͤgeln weniger nachtheilig als in der Ebne zu wirken pflegen, laͤßt sich vollkommen erklaͤren, wenn man die ganz unbezweifelte Erfahrung, daß nur die nahe an der Erd-Oberflaͤche liegenden Lufttheilchen in der Nacht bedeutend abgekuͤhlt werden, waͤhrend die obern sich viel waͤrmer erhalten, beachtet. Allerdings naͤmlich verlieren auch die an Huͤgeln stehenden Pflanzen durch Ausstrahlung ihre Waͤrme und nehmen daher dem benachbarten Lufttheilchen seine Waͤrme, aber dieses Lufttheilchen wird dann sogleich schwerer als das ihm benachbarte und sinkt hinabwaͤrts, so daß eben der Punct der festen Oberflaͤche nach und nach einer Menge von herabsinkenden Theil- chen die Waͤrme entzieht, also nicht so kalt wird, als ein in der Ebne liegender Punct, der nur einmal durch die sich auf ihm nie- derlegenden Lufttheilchen Zufluß neuer Waͤrme erhaͤlt. Auch die kuͤnstliche Eisbildung in Ost-Indien, die in vollkom- men heitern Naͤchten, wo die Luft nicht die Frostkaͤlte erreicht, statt findet, gehoͤrt hieher. Die Methode dieser Eisbildung besteht der Hauptsache nach in folgendem. Auf einer Ebne macht man Ver- tiefungen von ½ Fuß tief und 5 Fuß breit, diese werden mit Zucker- rohr oder Stroh belegt und darauf flache Gefaͤße von unglasirtem Toͤpfergute mit Wasser gefuͤllt waͤhrend der Nacht ausgestellt; diese Gefaͤße, obgleich sie das Wasser nicht durchfließen lassen, gestatten doch ein solches Durchschwitzen, daß sich die Außenseite des Gefaͤßes immer feucht erhaͤlt, und in diesen Gefaͤßen gefriert das Wasser waͤhrend die Luft 5° Cent. und selbst noch mehr Waͤrme hat. Die Uebereinstimmung dieser Eisbildung mit der Entstehung des Thaues ist nicht zu verkennen, weil auch bei jener ein ganz heiterer Him- mel und vollkommene Windstille ein nothwendiges Erforderniß ist. Wells hat in England in heitern Naͤchten, wo die Luft im Fruͤhling oder Herbst nicht die Frostkaͤlte erreichte, diese Eisbildung mit Erfolg nachgeahmt, und die Ursachen derselben auf folgende Weise erklaͤrt. Man stellt das Wasser in flachen Vertiefungen auf, weil die kaͤltere Luft, als schwerer, sich nach diesen Vertiefun- gen senkt. Man legt Stroh oder Zuckerrohr unter, weil dies die Waͤrme der Erde, die etwas unter der Oberflaͤche immer groͤßer bleibt, schlecht zuleitet, und selbst sehr leicht die Waͤrme entlaͤßt, wenn dem Ausstrahlen der Waͤrme kein Ersatz von anders woher im Wege steht. Die durchnaͤßten Thongefaͤße scheinen die Waͤrme durch Ausstrahlung leicht zu verlieren, und so ist alles hier vereinigt, um eine niedrige Temperatur hervorzubringen, die sich, bei der nur geringen Hoͤhe des Wassers in den Gefaͤßen, der ganzen Wasser- masse mittheilt. Die an der ganzen Oberflaͤche der Gefaͤße unter- haltene Feuchtigkeit kann vielleicht darum als noͤthig angesehen wer- den, weil die feuchte Außenflaͤche der Gefaͤße nicht gestattet, daß ein Zutritt der Waͤrme von unten her hindernd einwirke, wenn auch, wie Williams es beobachtet hat, die Stroh-Unterlage nicht ganz die Eiskaͤlte erreichte; — die von unten das Gefaͤß treffende Waͤrme kann naͤmlich, zur Dampfbildung verwandt, nicht die Abkuͤhlung des Wassers aufhalten. Diese Ueberlegungen schei- nen mir die Schwierigkeiten bei der Erklaͤrung dieser Erscheinung groͤßtentheils zu entfernen, indem die Erscheinung nur so fern uͤber- raschend bleibt, als nicht bloß Gefrierkaͤlte, sondern wirkliches Ge- frieren, eintritt, welches, wie Sie wissen, einen sehr großen und dauernden Verlust von Waͤrme voraussetzt Die von Muncke gegen diese ganze Ansicht gemachten Ein- wuͤrfe (Handb. d. Naturlehre II. 451 und I. 704.) muß ich der naͤhe- ren Pruͤfung der Leser uͤberlassen; hier wuͤrde es zu viel Raum fordern, wenn ich die Gruͤnde darlegen wollte, die mich, so wenig ich das Ge- wicht dieser Einwuͤrfe geringschaͤtzend beurtheile, veranlaßt haben, der bisherigen Ansicht von Ausstrahlung der Waͤrme treu zu bleiben. . Einzelne schwierige Erscheinungen bei der Erhitzung fluͤssiger Koͤrper . Die bisher vorgetragenen Lehren von der Entstehung und Wirkung der Daͤmpfe standen alle in so schoͤnem Zusammenhange, daß Sie, m. h. H., die Beantwortung einer Frage, die ich Ihnen sogleich vorlegen will, vermuthlich ohne Bedenken glauben aus- sprechen zu koͤnnen, und doch einen Irrthum aussprechen werden, wenn Sie den bisherigen Lehrsaͤtzen gemaͤß Ihre Antwort einrichten. Die Frage ist: Wenn man ein metallenes Gefaͤß bis zur vollen Gluͤhehitze bringt, und nun einen Wassertropfen auf diese gluͤhende Oberflaͤche fallen laͤßt, wird dieser schnell verdampfen? — Niemand wird Bedenken tragen, zu antworten, daß, da schon eine maͤßig erhitzte Ofenplatte Waͤrme genug besitzt, um Wassertropfen sogleich unter zischendem Geraͤusche zum schnellen Verkochen und zum Ver- dampfen zu bringen, die Gluͤhehitze dies noch weit schneller bewir- ken muͤsse; — und doch ist dies gar nicht der Fall. Der Ver- such, der dies beweiset, ist, wenn man keine sehr große Wasser- kugel verlangt, gar nicht schwer anzustellen, ja es bedarf dazu nicht einmal der Gluͤhehitze. Zuerst bemerkt ist diese Erscheinung von Leidenfrost in der Mitte des vorigen Jahrhunderts und nach- her ist sie in Beziehung auf gluͤhende Metalle oͤfter wiederholt dar- gestellt worden; spaͤter aber hat man bei polirten Metallen schon in viel geringerer Hitze eben das gefunden. Nimmt man naͤmlich ein silbernes Gefaͤß mit polirter Oberflaͤche und erhitzt dieses bedeutend uͤber die Kochhitze, so wird ein hineinfallender einzelner Wassertro- pfen nicht zischend verkochen, sondern in Kugelform auf dem Bo- den herumlaufen, und, wenn dieser Boden gegen die Mitte ver- tieft ist, in der Mitte als Kugel liegen bleiben; laͤßt man langsam einen zweiten, dritten Tropfen zufließen, so vereinigen sich diese mit dem ersten, und der groͤßer werdende Tropfen, den man leicht bis auf ½ Zoll Durchmesser und daruͤber bringt, nimmt nun die abgeplattete Gestalt des Quecksilbertropfens an, der auf einer Flaͤche ruht, zu welcher das Quecksilber keine Adhaͤsion hat. Der Wein- geist laͤßt sich ebenso anwenden, und da er bei noch geringerer Hitze kocht, so gelingt der Versuch noch eher. Dieser Tropfen, der ge- woͤhnlich in eine schnelle rotirende Bewegung geraͤth, verkleinert sich allmaͤhlig, aber sehr langsam, und daß er Daͤmpfe entwickelt, sieht man daraus, daß die Flamme zuweilen, wenn es ein Wein- geisttropfen ist, diese Daͤmpfe ergreift und der Tropfen mitten in der Flamme liegt; aber auch dann verdampft er nicht merklich schneller, sondern man kann die Flamme eine Weile dauern lassen, und findet den Tropfen fast ungeaͤndert, wenn man sie ausblaͤst. So gelingt der Versuch, einen Weingeisttropfen, ohne daß er kocht, lange auf der heißen Oberflaͤche des Metalles liegen zu haben, sehr leicht; aber wenn man zu viel Weingeist auf einmal zuschuͤttet und dadurch die Oberflaͤche zu sehr abkuͤhlt, so geraͤth der Tropfen ins Kochen und verkocht zischend in wenig Augenblicken. Ebenso verhaͤlt es sich, wenn man Wasser in ein gluͤhendes eisernes Gefaͤß troͤpfelt, auch wenn hier die Oberflaͤche rauh ist; der Tropfen nimmt die Kugelform an und verkleinert sich hier zwar merklicher, indeß doch langsam genug; aber er verkocht im Augenblick, wenn man so viel Wasser zugießt, daß die Hitze zu sehr vermindert wird. An diese Erscheinung des Nichtkochens schließt sich eine zweite. Wenn das Silbergefaͤß uͤber der Flamme erhitzt, einen großen Wassertropfen oder Spiritustropfen in Kugelform enthaͤlt, so ent- ferne man es vom Feuer und lasse es abkuͤhlen, ziemlich lange bleibt der Tropfen ungeaͤndert, nur daß er in immer schnellere rotirende Bewegung geraͤth; aber ploͤtzlich, so wie wenn ein Gefaͤß zerspringt, zerreißt die Kugelform, der Tropfen kocht zischend auf, und verkocht entweder ganz, wenn er nicht groß ist, oder kocht so lange bis er dem beruͤhrenden Metalle zu viele Waͤrme geraubt hat, wo er dann in ganz gewoͤhnlicher Weise, das Gefaͤß genau beruͤh- rend, mit horizontaler Oberflaͤche, einem ziemlich schnellen Ver- dampfen ausgesetzt, bald aufgezehrt wird. Diese Erscheinungen sind ohne Zweifel uͤberraschend. Man sieht deutlich, daß die zu große Hitze des Metalles hier das gewoͤhn- liche Verdampfen hindert, und daß dies bei einem geringern Waͤrme- grade wieder eintritt; aber aus welchen Gruͤnden? Daß die Be- dingung des Nichtkochens die Kugelform des Tropfens ist, das scheint aus allen Umstaͤnden hervorzugehen, und diese Kugelform tritt, wie Sie wissen, wegen gaͤnzlich aufgehobener Adhaͤsion des Fluͤssigen gegen die feste Oberflaͤche ein. Die Waͤrme, von der wir auch aus andern Erscheinungen wissen, daß sie sich als abstoßend zeigt, scheint hier, vermoͤge dieses Abstoßens, die sonst statt findende Adhaͤsion aufzuheben; bei polirter Oberflaͤche reicht schon ein maͤßi- ger Grad von Hitze, (bei mehreren Metallen wenigstens) hin, um die Adhaͤsion zu uͤberwinden, bei unpolirter Oberflaͤche des Metalles ist die Gluͤhehitze noͤthig, und bei erdigen Koͤrpern scheint keine Hitze zuzureichen, um die Erscheinung hervorzubringen. Daß dieser Mangel an Adhaͤsion die Hauptbedingung des Nichtkochens ist, scheint ein von Rumford angegebener Versuch zu zeigen, wo schon dem kalten Wasser die Adhaͤsion zu der Flaͤche, worauf es ruht, benommen ist. Laͤßt man den polirten Boden eines silbernen Gefaͤßes uͤber einer Lichtflamme sich mit Ruß bedecken, so hat diese Flaͤche eine so geringe Adhaͤsionskraft gegen das Wasser, daß der Wassertropfen wie eine Perle darauf liegt; und auch diesen Wasser- tropfen bringt man nicht zum Kochen, aber sobald man ihn einen nicht mit Ruß bedeckten Theil der Oberflaͤche beruͤhren laͤßt, so verkocht er zischend, (vorausgesetzt, daß die Hitze nicht den Grad erreicht, wobei auch das Silber selbst keine Adhaͤsion mehr zeigt). Auf dieser Adhaͤsion beruht gewiß auch die auf polirtem Metalle fast immer eintretende schnelle Bewegung des Tropfens. Die Ober- flaͤche ist naͤmlich nicht leicht so gleich, vielleicht auch nicht so voll- kommen gleichmaͤßig erwaͤrmt, daß die Adhaͤsion uͤberall gleich gut aufgehoben waͤre; jede Ungleichheit der von rechts und links anzie- henden oder abstoßenden Kraͤfte bringt aber eine Bewegung hervor, die sehr leicht dauernd werden kann, wie der Versuch mit dem Uhr- glase auf dem geneigten Spiegel zeigt II. Theil. S. 22. . Wenn der Zeitpunkt des Zerplatzens herannaht, so wird die Bewegung schneller, weil dann die Ungleichheiten der Adhaͤsion merklichern Einfluß haben. Indeß koͤnnen diese Bewegungen auch von der an der Oberflaͤche des Metalls doch immer in schwachem Grade statt findenden Dampf- Entwickelung herruͤhren, und da diese staͤrker wird bei abneh- mender Hitze des Metalles, so nehmen auch die Bewegungen zu; das Zerplatzen der Kugel scheint dadurch einzutreten, daß in dem Momente, wo der untere Theil der Kugel sich eng an die Ober- flaͤche anschließt, wo die Adhaͤsion das Uebergewicht uͤber die Ab- stoßung bekoͤmmt, sich im Beruͤhrungspuncte Daͤmpfe von großer Elasticitaͤt, der Hitze des Metalles entsprechend, entwickeln, die den ganzen Tropfen aus einander treiben. Daß aber auch vorher schon Daͤmpfe, obgleich nicht mit der Gewalt des Kochens, entste- hen, erhellt theils aus der allmaͤhligen, wenn gleich langsamen Verminderung des Tropfens, theils aus der schon erwaͤhnten Ent- zuͤndung dieser Daͤmpfe, die eine große Flamme bilden, wenn es Weingeist oder Aether ist. Warum nun aber der der Adhaͤsion beraubte Tropfen nicht kocht, daruͤber hat man mehrere Meinungen aufgestellt. Daß er nicht die Kochwaͤrme erlangt, scheint gewiß; aber der Grund dieser geringen Erwaͤrmung erhellt nicht ganz. Doͤbereiner glaubte, der Tropfen beruͤhre die Oberflaͤche gar nicht; aber theils hat Muncke sich uͤberzeugt, daß kein sichtbarer Zwischenraum vorhan- den ist, theils ist auch bei einem Tropfen, der einen großen Durch- messer erlangt, es ganz gewiß, daß er so nahe, wie zwei glatte Koͤrper sich beruͤhren koͤnnen, in Beruͤhrung kommen muß; indeß ist es auch wahr, daß das Tanzen sehr kleiner Tropfen eine merk- liche Abstoßung verraͤth. Aber wenn auch keine merkliche Entfer- nung statt findet, so ist doch ganz gewiß die Beruͤhrung auch nur so unvollkommen, wie bei zwei harten polirten Koͤrpern, und sofern die Mittheilung der Waͤrme sehr schwach. Nimmt man dazu, daß von dieser wenigen mitgetheilten Waͤrme doch auch noch ein Theil durch die langsame Verdampfung verloren geht, so moͤchte die hinuͤber geleitete Waͤrme wohl allerdings geringe sein. Aber der Tropfen empfaͤngt doch auch strahlende Waͤrme, und diese kann besonders da, wo der Tropfen fast von allen Seiten mit gluͤhendem Eisen umgeben ist, nicht unbedeutend einwirken. Man hat gesagt, der ganz durchsichtige Wassertropfen lasse die Waͤrmestrahlen durch ohne erhitzt zu werden; aber auch ein auf gluͤhendem Eisen durch Asche oder andre Koͤrper verunreinigter Tropfen zeigt eben jene Er- scheinungen, und wenn man in das polirte Silbergefaͤß ein wenig geschabte Kreide bringt, so wird der Tropfen milchig, ohne darum seine Eigenschaften zu verlieren. Man sieht daher nicht ganz ein, warum der von so heißen Koͤrpern rings umgebene Koͤrper nicht heiß wird. Eine Hypothese, daß die Waͤrme verwandt werde, um das Wasser zu zersetzen, hatte einiges Gewicht, so lange man die Erscheinung nur uͤber gluͤhenden Oberflaͤchen, namentlich auf gluͤ- hendem Eisen, kannte, und wenn wirklich sich das Wasser in die zwei bekannten Luft-Arten verwandelte, so wuͤrde dazu wohl aller- dings ein großer Waͤrme-Aufwand noͤthig sein; aber auf einer Silberflaͤche, vollends auf einer lange nicht bis zum Gluͤhen erhitz- ten Silberflaͤche, ist an Wasserzersetzung gar nicht zu denken; und obgleich Fischer beim Weingeiste aus dem Geruche nach Lampen- saͤure auf Zersetzung schließt, so darf man doch schwerlich beim Wasser eine Zersetzung annehmen. Der Grund der geringen Waͤrme scheint also noch nicht recht erklaͤrt zu sein. Das Unerklaͤrliche, das der Versuch darbietet, steigt desto mehr, je groͤßer der Tropfen wird, und da man ihm nicht bloß einen Zoll Durchmesser geben, sondern auch nach Lechevalliers Angabe einen gluͤhenden Pla- tintiegel nach und nach fast ganz fuͤllen kann, wo die Zahl der in naher Beruͤhrung stehenden Puncte immer groͤßer wird, so uͤbersieht man nicht, wie da immer noch die Erwaͤrmung so geringe bleibt. Noch weniger erhellt dies bei folgendem von Lechevallier erzaͤhlten Versuche. Dieser nahm einen hinreichend starken, 6 Zoll langen und 1 Zoll weiten Metallcylinder, und fuͤllte ihn mit Was- ser; nachdem die Oeffnung fest verspundet war, wurde der Cylin- der gluͤhend gemacht, sodann die Verspundung weggenommen, und dennoch drangen, der Gluͤhehitze ungeachtet, keine Daͤmpfe hervor, sondern diese entwickelten sich erst mit Heftigkeit, wenn die Hitze bis unter die Hitze des Rothgluͤhens herabgesunken war. Hier scheint es doch unmoͤglich, daß das Wasser nicht sollte einen hohen Hitzegrad angenommen haben, und es scheint hier also ganz an einem Erklaͤrungsgrunde zu fehlen. Lechevallier behauptet uͤbri- gens, daß Wasser in einen weißgluͤhenden Cylinder getroͤpfelt, nur 95° Cent. Waͤrme hat, und daß kochendes Wasser hineingetroͤpfelt sich abgekuͤhlt, das ist, nicht mehr die Kochhitze erreichend, gefunden habe Frorieps Notizen. XXVIII. Nro. 16. . Perkins fuͤhrt zu Unterstuͤtzung der Behauptung, daß die erhitzten Koͤrper stark abstoßend auf Fluͤssigkeiten wirken, noch fol- gende Erfahrung an. Der in hohem Hitzegrade erhaltene Dampf drang durch eine Roͤhre von ⅛ Zoll Durchmesser nicht hervor, und ein Riß im Dampfkessel, der den wenig erhitzten Dampf stark durchließ, hielt bei starker Erhitzung den Dampf zuruͤck. Nach Perkins Ansicht war es die vom Metalle ab treibende Kraft der Hitze, die hier das Hervordringen des Dampfes hinderte. Muncke's Versuche machen es indeß zweifelhaft, ob so große Oeffnungen selbst im Gluͤhen kein Wasser durchlassen; aber sie bestaͤtigen, daß kleine Oeffnungen allerdings dem Wasser keinen Ausfluß gestatten, wenn das Gefaͤß gluͤht. Ungleiche Leitung der Waͤrme . Ich knuͤpfe hieran noch einige andre noch nicht erklaͤrte Er- scheinungen, die eine unter gewissen Umstaͤnden sehr verschiedene Waͤrmeleitung zu verrathen scheinen. Wenn man einen am Stiele mit der Hand gehaltenen silbernen Loͤffel uͤber einer Lichtflamme erhitzt, bis die Hand den Stiel maͤßig warm fuͤhlt, dann aber den Loͤffel von der Flamme entfernt, so steigt die Hitze des Stiels schnel- ler, als wenn man fortwaͤhrend die Flamme haͤtte einwirken lassen. Man sollte eher das Gegentheil erwarten, da die abkuͤhlende Luft einen Aufwand an Waͤrme zu fordern scheint. Fischer , der auf diese Sonderbarkeit aufmerksam macht, theilt noch andre Versuche mit, die ebenfalls auffallend sind. Wenn man gleiche Stuͤckchen von Silber und Platin durch eine maͤßige Waͤrme, zum Beispiel des kochenden Wassers, erhitzt, so scheinen sie die Waͤrme ziemlich gleich gut zu leiten, ein Wachs-Ueberzug wird am einen nicht viel weiter als am andern weggeschmolzen; bringt man aber die Enden in eine Flamme, so leitet Silber die Waͤrme viel weiter als Platin, ob- gleich das letztere gluͤhend wird; und erst, wenn man das gluͤ- hende Platin aus der Flamme herausnimmt, theilt sich die Waͤrme dem andern Ende schneller mit, als waͤhrend das Gluͤhen in der Flamme unterhalten ward Poggend. Ann. XIX. 507. . Es ließen sich wohl noch mehr Erscheinungen sammeln, die eine von den gewoͤhnlichen Gesetzen abweichende Bewegung des Waͤrmestoffs in den Koͤrpern andeuten Es gehoͤrt dahin die als ganz sicher angegebene Erfahrung, daß ein im metallenen Kessel zum recht starken Kochen gebrachtes Wasser im Augenblicke des Abhebens vom Feuer den Boden des Kessels so abkuͤhle, daß man ihn mit der Hand beruͤhren koͤnne, gleich nachher aber dem Boden wieder die volle Hitze ertheile. ; aber da sie noch allzu vereinzelt dastehen, und keine genaue Erklaͤrung gestatten, so scheint es mir nicht angemessen, laͤnger dabei zu verweilen. Elfte Vorlesung . Das Verbrennen . Unter den Erscheinungen, welche die Hervorbringung der Waͤrme betreffen, bieten die Erscheinungen des Verbrennens so viel Merkwuͤrdiges und auch so viel fuͤr die Anwendung Wichtiges dar, daß auch dieser Gegenstand hier noch umstaͤndlicher abgehan- delt zu werden verdient. Das Verbrennen findet dadurch statt, daß die durch irgend ein Mittel einmal hervorgebrachte Hitze die den Koͤrper umgebende Sauerstoffluft zersetzt, und wir finden uns bewogen, anzunehmen, daß das Sauerstoffgas bei dieser Zersetzung den Waͤrmestoff frei laͤßt, welcher jenem seine elastische Luftform verlieh, daß der Sauer- stoff selbst aber, die waͤgbare Basis der Sauerstoffluft, unterdeß andere Verbindungen eingeht. Da diese Verbindungen verschieden sind, je nachdem der sich zersetzende, brennende Koͤrper ein andrer ist, so will ich sogleich ein einzelnes Beispiel naͤher betrachten. Wenn man die fetten Koͤrper, welche wir zu Hervorbringung von Flammen anwenden, der Destillation in geschlossenen Gefaͤßen unterwirft, so geben sie Wasserstoffgas und Kohlenstoffgas mit nur wenig Sauerstoffgas; sie beduͤrfen einer bedeutenden Hitze, um in diese Bestandtheile zersetzt zu werden, und eben diese Hitze reicht, wenn sie unter freiem Zutritt des Sauerstoffgas statt findet, auch zu, um die Verbrennung des Wasserstoffgas, das heißt, die Ver- bindung seines Wasserstoffs mit dem Sauerstoff, wobei dann Wasserdampf hervorgeht, zu bewirken. Indem so das Sauerstoff- gas seinen schweren Bestandtheil, den Sauerstoff, zu Bildung eines neuen Koͤrpers, des Wassers, hergiebt, wird eine große Menge Waͤrme frei, und daher hat man, mit gutem Grunde, die Mei- nung gefaßt, daß der elastische Zustand des Sauerstoffgas, das Be- stehen desselben im luftfoͤrmigen Zustande, darauf beruhe, daß der Waͤrmestoff in sehr großer Menge als Bestandtheil im Sauerstoff- gas enthalten sei. Sein Freiwerden ist es also, worin wir die Entstehung der Waͤrme begruͤndet finden. Ist der Zutritt des Sauerstoffs ungehindert, so unterhaͤlt sich nun das Brennen fortwaͤhrend selbst, da die zuerst durch eine fremde Ursache herbeigefuͤhrte Erhitzung fortbesteht, weil die Zer- setzung der Luft sie immer erneuert. Eben diese Zersetzung findet auch in andern Faͤllen statt, wo kein Wasserstoff entwickelt wird. Die schon ihrer fluͤchtigen Bestandtheile beraubte Kohle hat bei der Gluͤhehitze eine so große Verwandtschaft zum Sauerstoff, daß auch sie das Sauerstoffgas zersetzt, der Kohlenstoff bildet mit dem Sauer- stoff die kohlensaure Luft, aber, obgleich hier eine neue Luft-Art entsteht, so wird doch auch hier, wie die Erfahrung zeigt, Waͤrme frei, und das Verbrennen wird unterhalten, so lange die gewoͤhn- liche atmosphaͤrische Luft oder noch lieber das reine Sauerstoffgas freien Zutritt hat. In andern Faͤllen scheint zwar eine Verschie- denheit einzutreten, die aber doch nur in der gradweisen Ungleich- heit der Erscheinungen besteht. Das gluͤhende Eisen zersetzt eben- falls das in der Atmosphaͤre enthaltene Sauerstoffgas, und man koͤnnte daher glauben, waͤhrend das gluͤhende Eisen sich oxydirt und dabei Waͤrme frei wird, muͤsse das Gluͤhen des Eisens ebenso gut als das Gluͤhen der Kohle unterhalten werden, was doch nicht der Fall ist. Aber offenbar ist hier die frei werdende Waͤrme zwar vorhanden, jedoch nicht in so hinreichendem Maaße, daß sie den Proceß des Oxydirens fortwaͤhrend erneuern koͤnnte; und daß dies so ist, erhellt, wenn wir ein Stuͤck gluͤhenden Stahl in reines Sauerstoffgas bringen, wo ein Stuͤckchen angebrannter Zunder an eine Stahlfeder befestigt, zureicht, um den gluͤhend werdenden Stahl in ein vollkommenes, sehr glaͤnzendes Verbrennen zu ver- setzen. Hier naͤmlich, wo der Sauerstoff so reichlich zustroͤmt, ist die Zersetzung des Sauerstoffgas und die Verbindung des Sauer- stoffs mit dem Eisen so lebhaft fortgehend, daß Waͤrme genug frei wird, um auch die naͤchsten Theile der duͤnnen Stahlmasse gluͤhend und zur Oxydirung faͤhig zu machen. Dieses Experiment ist, so wie das Verbrennen des Phosphors in reinem Sauerstoffgas eines der glaͤnzendsten, indem, wie in so vielen Faͤllen, die durch schnelle Zersetzung des Sauerstoffgas hervorgebrachte Hitze, auch hier mit der lebhaftesten Licht-Erscheinung verbunden ist. Diese Erscheinung des im reinen Sauerstoffgas im eigent- lichen Sinne verbrennenden Stahls leitet uns nun auch zu der richtigen Beurtheilung der Erscheinungen, die wir an der Kohle und an andern brennenden Koͤrpern in verduͤnnter Luft oder in einer nur wenig Sauerstoffgas enthaltenden Luft wahrnehmen. Die Lichtflamme erlischt, die Kohle hoͤrt auf zu gluͤhen, wenn wir die Luft stark verduͤnnen, und eben das geschieht, wenn in einge- schlossener Luft der Sauerstoff nach und nach verzehrt wird. Wir sind geneigt anzunehmen, der gaͤnzliche Mangel an Sauerstoff bringe diesen Erfolg hervor; aber es ist gewiß, daß das Ausloͤschen der Flamme schon eintritt, wenn auch noch ziemlich viel Sauerstoff uͤbrig ist. Offenbar ist es hier, wie bei dem gluͤhenden Eisen; die Zersetzung naͤmlich dauert zwar zuerst fort, aber es entbindet sich nicht Waͤrme genug, um den Proceß lebhaft zu unterhalten, das in dem umgebenden Raume nur sparsam vorhandene Sauerstoffgas muß gleichsam muͤhsam zusammengesucht werden, und bringt daher nicht mehr den vollen Hitzegrad hervor; und indem dieser sinkt, vermindert sich die Staͤrke der Anziehung fuͤr den Sauerstoff, und sehr bald tritt, da beide Umstaͤnde dazu mitwirken, das gaͤnzliche Erloͤschen ein, weit eher als aller Sauerstoff verzehrt ist. Davy hat uͤber diesen Gegenstand genauere Versuche ange- stellt, und gefunden, daß die Koͤrper, welche zum Entzuͤnden einer geringern Hitze beduͤrfen, in einem Raume, der wenig Sauerstoff- gas enthaͤlt, noch fortbrennen, waͤhrend andre schon erloͤschen. Phosphor, der sich schon bei sehr niedriger Temperatur entzuͤndet, brennt in verduͤnnter atmosphaͤrischer Luft fort, wenn diese auch bis auf \frac{1}{60} der natuͤrlichen Dichtigkeit verduͤnnt ist; fuͤr Schwefel hingegen wird eine Dichtigkeit, die mehr als \frac{1}{20} ist, erfordert, und eine Alcoholflamme erlischt schon, wenn die Dichtigkeit der Luft ungefaͤhr ⅙ ist. Ebenso verhaͤlt es sich mit den Luft-Arten, daß naͤmlich die bei geringerer Hitze entzuͤndbaren auch in verduͤnnterer Luft noch fortbrennen. Wasserstoffgas, das man, indem es sich entwickelt, aus einer Roͤhre hervorstroͤmen und dort verbrennen laͤßt, giebt, wenn man die die Flamme umgebende Luft verduͤnnt, zuerst eine groͤßere Flamme, die aber, wenn die Dichtigkeit \frac{1}{10} der natuͤr- lichen Dichtigkeit ist, erlischt. Dieses Erloͤschen tritt bei einer groͤßern Flamme spaͤter ein, weil die Hitze hier etwas besser unter- halten wird, selbst wenn der Verbrennungsproceß langsamer fort- geht. Ebenso kann man die Flamme laͤnger erhalten, kann sie zu einer vollstaͤndigern Zerstoͤrung des Sauerstoffgas anwenden, wenn man auf andre Weise die Abnahme der Hitze hindert. Befindet sich in der Flamme ein Metalldrath, so bringt die Flamme diesen zum Gluͤhen, und nun ist sie faͤhig, noch aus dem mehr verduͤnn- ten Sauerstoffgas sich die noͤthige Nahrung zu suchen, weil der Metalldrath die einmal erlangte Hitze laͤnger behaͤlt, und dadurch die zu Zersetzung des Sauerstoffgas noͤthige Hitze auch dann noch unterhaͤlt, wenn der Verbrennungsproceß selbst diese Hitze nicht mehr zu unterhalten vermag. Davy's Versuche zeigten, daß die Alcoholflamme bei einer Verduͤnnung der Luft bis auf ⅙ schon erlosch, wenn sie allein brannte, aber erst bei einer Verduͤnnung bis auf ⅛ der natuͤrlichen Dichtigkeit, wenn ein gluͤhender Platindrath die Hitze unterhielt. Jene Regel, daß sich die Entzuͤndbarkeit eines Koͤrpers durch den Grad der Verduͤnnung der atmosphaͤrischen Luft, wobei er noch fortbrennt, bestimmen lasse, findet auch Anwendung auf Mi- schungen von Gas-Arten, die gemischt entzuͤndbar sind. Wasser- stoffgas und Sauerstoffgas in dem Verhaͤltnisse gemischt, wie es zur Wasserbildung noͤthig ist, lassen sich durch den electrischen Fun- ken nicht mehr entzuͤnden, wenn ihre Dichtigkeit weniger als \frac{1}{15} derjenigen ist, die dem Drucke der Atmosphaͤre entspricht; gleiche Theile Chlorine und Wasserstoffgas dagegen, die sich bei niedrigerer Temperatur entzuͤnden, gestatten auch eine Verduͤnnung bis auf \frac{1}{24} . Sind solche Gasgemische mit andern, brennbaren oder nicht brennbaren Luft-Arten verbunden, so wird ihre Brennbarkeit in ungleichem Maaße geschwaͤcht nach Verschiedenheit der beigemischten Luft-Arten, indem zum Beispiel 1 Maaß Sauerstoffgas mit 2 Maaß Wasserstoffgas gemischt nicht mehr zum Entzuͤnden ver- mittelst eines starken electrischen Funkens zu bringen ist, wenn es auch nur ½ Maaß Oel bildendes Gas beigemischt enthaͤlt, statt daß eine Beimischung von 8 Maaß Wasserstoffgas noͤthig ist, um das Explodiren zu hindern. Ebenso bedarf man weniger kohlensaures Gas, um die Explosion zu hindern, als Stickgas. Eine aͤhnliche Verschiedenheit findet bei brennbaren festen Koͤrpern statt, die man in ein mit kohlensaurem Gas oder mit Stickstoffgas vermischtes Sauerstoffgas bringt. An die Erfahrung, daß ein fremder erhitzter Koͤrper das Ver- brennen noch unterhaͤlt, wenn auch die Umstaͤnde sonst minder guͤn- stig fuͤr die Zersetzung sind, schließt sich Davy's Gluͤhlaͤmp- chen an. Bringt man naͤmlich einen sehr feinen Platindrath, der spiralfoͤrmig gewunden ist, nachdem man ihn gluͤhend gemacht hat, in ein Glas, worin sich unten Aether befindet, so daß der Drath sich bloß in den Aetherdaͤmpfen befindet, so dauert das Gluͤ- hen des Drathes ohne Aufhoͤren fort. Der Aetherdampf naͤmlich findet hier Hitze genug, um zu verbrennen, und diese Zersetzung liefert wieder Hitze genug, um das Gluͤhen eines so duͤnnen Dra- thes zu erhalten. Mit erwaͤrmten Alcohol gelingt der Versuch auch. Aber da die Masse des sehr duͤnnen Platindraths so sehr geringe ist, so reicht ein geringer Luftzug zu, um ihn abzukuͤhlen, und dann hoͤrt leicht die ganze Erscheinung auf; man muß ihn daher gegen Abkuͤhlung von außen sichern. Auf aͤhnliche Weise erhaͤlt eine mit sehr duͤnnem Platin uͤberzogene Glaskugel, wenn man sie zuerst in einer Alcoholflamme hat gluͤhend werden lassen, sich fortwaͤhrend gluͤhend, wenn sie uͤber dem sich immer mit neuem Alcohol fuͤllenden Dochte in den Daͤmpfen desselben steht, und gegen Abkuͤhlung gesichert ist. Auch andre Metalldraͤthe geben aͤhnliche Erscheinungen, sind aber bei der leichten Schmelzbarkeit nicht so III. M bequem zu benutzen. Auch verkohlte Koͤrper erhalten sich im Ae- therdampfe laͤnger gluͤhend. Oefen und Feuerherde. Rauch verzehrende Oefen . So bekannt alles das ist, was unsre gewoͤhnlichen Oefen und die Mittel zur Erwaͤrmung betrifft, so lassen sich doch auch dabei eine Menge von Betrachtungen anstellen. — Daß wir den Schwefel anwenden, um aus dem kleinsten Zunderfunken Feuer anzumachen, beruht darauf, daß der Schwefel schon bei so niedriger Temperatur, — wenige Grade uͤber der Hitze des kochenden Wassers — sich entzuͤndet. Aber schon beim Anzuͤnden des Feuers in unsern Oefen finden wir allerlei Schwierigkeiten. Der brennende Holzspan erlischt, wenn er den kalten Boden des Ofens beruͤhrt, ja wir duͤr- fen ihn nicht einmal mit einem groͤßern Holzstuͤcke beruͤhren, ohne in Gefahr zu sein, daß wir ihn dadurch der Waͤrme berauben, deren er um fort zu brennen bedarf, und nur Koͤrper, die bei sehr geringer Hitze sich entzuͤnden, gestatten einige unvorsichtige Abkuͤhlung ohne zu erloͤschen. Es ist daher eine Regel, den neu zu entzuͤndenden zweiten Holzspan, vorzuͤglich wenn er nicht sehr duͤnne oder wenn er von einem schwerer entzuͤndbaren Holze ist, ohne Beruͤhrung des brennenden Spanes uͤber der Flamme zu halten, damit er erhitzt werde, ohne jenen abzukuͤhlen. Es ist eine Regel, das kleine bren- nende Holzstuͤckchen lieber auf Kohlen, als auf Holz oder gar auf den eisernen Boden des Ofens zu legen, weil die Kohle ein schlech- ter Waͤrmeleiter ist, und sich leicht selbst bis zum Brennen erhitzt. Ein zu scharfer, kalter Luftzug toͤdtet die schwach glimmende Flamme, weil er zu sehr abkuͤhlt; ein maͤßiger Luftzug belebt sie, weil er die Zersetzung durch immer neu zugefuͤhrten Sauerstoff befoͤrdert. Ist das Feuer einmal so weit im Brennen, daß dieses Aus- loͤschen durch Luftzug nicht mehr zu fuͤrchten ist, so thut die Ver- staͤrkung des Luftzugs die besten Dienste, um das Feuer zu beleben, und um aus dem Feuermateriale die groͤßte Menge von Hitze zu gewinnen. Das Holz naͤmlich giebt bei maͤßiger Hitze mehrere Stoffe her, die unverbrannt fortgefuͤhrt werden, die dagegen voͤllig verbrannt werden, wenn man sie staͤrkerer Hitze aussetzt. Wir sehen dieses an dem dicken Rauche, den selbst trocknes Holz giebt, wenn es langsam und unvollkommen verbrennt; dieser Rauch enthaͤlt noch vielen brennbaren Stoff, der zur Erhitzung oder zum Leuchten beitragen kann. Er enthaͤlt naͤmlich harzige Stoffe, Holz- Essig, Ruß, und alle diese Koͤrper kann man auch, wenn man Holz in verschlossenem Raume stark erhitzt und dadurch verkohlt, als Ergebniß dieser Destillation auffangen; und da diese Stoffe bei hinreichender Hitze selbst faͤhig sind, zersetzt zu werden und das Sauer- stoffgas zu zersetzen, so verlieren wir sehr, wenn wir sie unbenutzt entweichen lassen. Auf dem vollkommenen Verbrennen dieser Stoffe beruht zum Theil der Vortheil der geschlossenen Feuerherde, wo das auf dem Roste A brennende Holz durch den starken Zug in der hoch hinaufgehenden Roͤhre B veranlaßt wird ( Fig. 34. ), seine Flamme durch den horizontalen Theil C des Herdes fortzufuͤhren. Ist hier durch gluͤhende Kohlen, die sich in D befinden, hinreichende Hitze, um die bei A entweichenden Rauchtheile zu verbrennen, so kann man es erlangen, daß hier alles, was verbrennlich ist, der voͤlligen Zersetzung unterworfen wird. Die Vortheile, welche dieser starke Zug, den eine hohe Roͤhre B hervorbringt, gewaͤhrt, ist in jeder Hinsicht bedeutend. Statt daß ein bei A frei brennendes, auf einem gewoͤhnlichen Roste liegendes, Holz nur durch einen lang- samen Zufluß von Luft angefacht wird, fuͤhrt hier dagegen der durch die Erhitzung in der Roͤhre B hervorgebrachte Strom heißer Luft einen Ueberfluß von Sauerstoffgas herbei, welches, durch das brennende Holz durch stroͤmend, und allen erhitzten brennbaren Theilen sich darbietend, die Verbrennung vollkommen macht. Noch besser wird diese vollkommene Verbrennung bewirkt, wenn man in den sehr erhitzten Rauch einen Strom von Luft, die noch gar nichts von ihrem Sauerstoff verloren hat, hereindringen laͤßt, damit es gewiß nicht an diesem zum Verbrennen so wichtigen Koͤrper fehle Gilb. Ann. XXXII. 306. . So erhaͤlt man durch diese und aͤhnliche Vorrichtungen Rauch verzehrende Oefen, und unsre gewoͤhnlichen Oefen sind es desto mehr, je lebhafter der Zug ist, den sie bewirken, und je mehr dafuͤr gesorgt ist, daß der Rauch lange heiß erhalten werde, fortwaͤhrend der Hitze gluͤhender Kohlen ausgesetzt, nicht durch zu fruͤhes Abkuͤh- len eine Art, hier ganz unnuͤtzer, Destillation erleide. Eine ein- M 2 fache Anordnung solcher Rauch verzehrender Oefen verdient hier noch erwaͤhnt zu werden. Wenn ( Fig. 35. ) auf dem Roste A das zum Brennen bestimmte Holz liegt und man gluͤhende Kohlen auf dasselbe legt, so ist der gewoͤhnliche Erfolg, daß das Holz seinen Rauch nach B aufwaͤrts sendet; ist aber die Roͤhre C bedeutend hoch und hat man sie vorher so erhitzt, daß ein starker Luftstrom in ihr hinauf, also bei B eindringend von B nach D hinabwaͤrts, geht; so zieht dieser Luftstrom die Flamme nach innen und die immer mehr und mehr erhitzte Roͤhre C erfuͤllt den Zweck, den Rauch vollstaͤndig zu verbrennen, immer besser, je staͤrker das in A angemachte und in die Roͤhre hinein gehende Feuer ist. Ein ebenfalls wichtiger Umstand beim Anordnen des Feuers ist, daß man die noch unentflammten Holzstuͤcke auf die passendste Weise zu Verstaͤrkung des Feuers anbringe. Die Holzstuͤcke muͤssen nicht zu groß sein, damit sie viel gluͤhende Oberflaͤche darbieten, um so das Sauerstoffgas vollstaͤndiger zu zersetzen. Sie muͤssen nicht so auf die Kohlen gelegt werden, daß sie durch ihre Kaͤlte die Kohlen toͤdten, ihnen zu viel Waͤrme entziehen, und sie dadurch zur Zersetzung der Luft untauglich machen; sie muͤssen dagegen dem Zutritte der Flamme vollkommen ausgesetzt sein, ohne die Kohlen in zu vielen Puncten zu beruͤhren; sie muͤssen einander so nahe sein, daß das Entflammen des einen Stuͤckes das andre erreiche, dabei aber muß der Luftzug ungehemmt jedem derselben Sauerstoffgas zufuͤhren koͤnnen. Ist der Rost, auf dem allemal das Feuer am besten brennt, in der Mitte etwas gesenkt, so hat das den Vortheil, daß auch die allmaͤhlig abnehmende Menge des Feuermaterials sich gegen die Mitte sammelt, und dem Zuge auf die vortheilhafteste Weise ausgesetzt bleibt. Damit kein unnuͤtzer Luftzug neben dem Feuer vorbei gehe, ist es vortheilhaft, den Rost so anzulegen, daß alle seine Oeffnun- gen gegen den Mittelpunkt des Feuers gehen, indem alsdann auch die von der Seite eindringende Luft auf das Feuer zu geleitet wird. Ebenso ist es da, wo ein starker Blasebalg das Feuer anblaͤst, vor- theilhaft, diesen in einen das Feuer umgebenden hohlen Cylinder- raum blasen zu lassen, damit durch die durchloͤcherte innere Wand dieses Cylinderringes die von allen Seiten auf den Feuerraum eindringende Luft ein Anblasen von allen Seiten gegen die Mitte des Feuers hervorbringe. Ebenso wichtig als diese Ruͤcksichten auf die kraͤftige Unterhal- tung des Feuers, sind auch die auf die beste Benutzung desselben. In Beziehung darauf verdient es vorzuͤglich beachtet zu werden, daß das Feuer nur die Koͤrper gut erwaͤrmt, die es mit seiner Flamme beruͤhrt. Allerdings traͤgt auch die strahlende Waͤrme des brennenden Feuers bei, die entfernten Waͤnde unserer Oefen zu erhitzen, aber, wenn bloß in der Mitte eines großen Ofens ein Feuer brennt, so wird der Ofen bei weitem nicht so gut erwaͤrmt, als wenn wir die Flamme zwingen, sich an den Waͤnden hin zu ziehen. Daher ist es vortheilhaft, dem Theile des Ofens, worin das Feuer brennt, eine schmale und niedrige Form zu geben, damit bei hinreichendem Zuge die Flamme alle Seitenflaͤchen beruͤhre; dann aber muß auch die erhitzte und aller verbrennlichen Stoffe beraubte Luft lange genug in den Zuͤgen des Ofens fortgeleitet werden, damit sie alle ihre Waͤrme absetze. Ebenso muß man beim Kochen sorgen, daß die Flamme den Boden der Gefaͤße treffe, und an ihnen hin spielend so viel Waͤrme als moͤglich an sie mit- theile. Solcher Regeln lassen sich noch manche geben, und Rum- ford hat zu manchen einzelnen practischen Anwendungen Anlei- tung gegeben Gilb. Ann. III. 309. IV. 85. 222. 330. . Zu der Bestimmung, wie viel Waͤrme man beim Verbrennen irgend eines Feuerungsmittels erhalte, scheint Montgolfiers Calorimeter sehr angemessen zu sein Gilb. Ann. XXXV. 484. , da Rumfords Calori- meter doch nur um die Hitze einer kleinen Flamme zu bestimmen, dienen kann. Dieses Instrument besteht aus einem mit Wasser gefuͤllten Kasten ( Fig. 36. ) ABCD, in dessen Mitte sich ein mit vollkommen wasserdichten Waͤnden versehener Ofen EFGH be- findet. Dieser Ofen hat seinen Rost bei FG und bei H ist der Luftzug; durch die Oeffnung bei A werden die zum Brennen bestimmten Koͤrper hereingelegt und entzuͤndet, dann aber wird diese Oeffnung durch einen dichten Deckel geschlossen, so daß der Luftzug den Rauch durch die sehr lange Roͤhre ikl fortfuͤhren muß. Es versteht sich von selbst, daß man den Zug so muß zu verstaͤrken suchen, daß das Brennmaterial so wenig als moͤglich unverbrannten Rauch durch die Oeffnung 1 entweichen lasse, und daß auch alle Waͤrme dem Rauche und der bei 1 hervorgehenden Luft fast ganz entzogen sei. Damit auch die bis in die Roͤhre ikl hinuͤber gefuͤhrte Waͤrme zur Erhitzung des Wassers beitrage, ist die Zugroͤhre rund um mit einer Wasserroͤhre umgeben, deren Durchschnitt die Figur in mno, pqr, zeigt. Das Wasser wird aus dem etwas hoͤher stehenden Gefaͤße UV durch die Roͤhre ts zugefuͤhrt, und die Roͤhre px leitet es bis auf den Boden des Hauptgefaͤßes ABCD herab. Um die Luft auszulassen, ist oben bei Y eine Roͤhre mit einem Hahne, und um das Wasser abzu- lassen, unten eine Roͤhre bei Z. Der mit diesem Instrumente anzustellende Versuch besteht darin, daß man eine abgewogene Quantitaͤt des Brennmaterials in den Ofen legt, dieses schnell zum vollen Brennen bringt, dann die Zeit beobachtet, die erforderlich ist, bis das Wasser einen bestimmten Hitzegrad erreicht, und sobald dieser erreicht ist, das Feuer durch Verschließen aller Oeffnungen toͤdtet. Die Menge des verbrannten Brennmaterials giebt dann an, theils in welchem Grade das eine oder andre Material mehr Hitze giebt, theils wie ein verschieden unterstuͤtztes, schnelles oder langsames, Brennen ungleich wirkt, u. s. w. Es ist wohl einzu- sehen, daß auch bei sorgfaͤltiger Ausfuͤhrung des Versuches hier noch viele Schwierigkeiten sich einer genauen Bestimmung ent- gegenstellen, doch scheint diese Anordnung immer noch am besten zu vergleichenden Versuchen dienen zu koͤnnen. Die von Bull angestellten Versuche sind auf eine noch schwierigere Weise zu Stande gebracht, indem er ein kleines Zim- mer von 8 Fuß Laͤnge, Breite und Hoͤhe mitten in einem groͤßern Zimmer bauen ließ, und durch einen in dem kleinern Zimmer an- gebrachten Ofen den Grad der Waͤrme, den abgewogne Brenn- materialien hervorbrachten, bestimmte. Diese Versuche zeigen allerdings gerade die Wirkung am meisten unmittelbar, die gewoͤhn- lich am wichtigsten fuͤr uns ist; aber es scheint doch auch da schwie- rig, eine vollkommene Vergleichbarkeit der Versuche zu bewirken. Peclet theilt die von Bull , Rumford und andern bekannt gemachten Folgerungen mit, von denen ich hier nur sehr wenig anfuͤhren kann Ueber die Waͤrme und deren Anwendung in Kuͤnsten und Ge- werben, von Peclet ; uͤbers. v. Hartmann . Erster Th. Braun- schw . Bieweg . 1830. Sehr stark ausgetrocknetes Holz bringt, wenn man gleiche Gewichte an Holz anwendet, nicht sehr verschiedene Waͤrmemengen hervor; aber die vollkommene Austrocknung ist so vortheilhaft, daß ein nur gewoͤhnlich trockenes Fichtenholz nicht voͤllig ⅚ der Waͤrme giebt, die man von ebenso viel wiegendem, im Ofen vollkommen ausgetrocknetem Fichtenholze erhaͤlt, — der Aufwand an Holz ist im letzten Falle zwar um so viel als das Gewicht der feuchten Theile betrug, groͤßer genommen, aber dies ist doch lange nicht der ganzen Quantitaͤt des unvollkommen trocke- nen Holzes gleich, wenn das Letztere gleich viele Waͤrme geben soll. Man kann rechnen, daß 1 Pfund ganz trocknes Holz so viel Waͤrme giebt, als noͤthig ist, um 40 Pfund Eis zu schmelzen. Ein gleiches Gewicht der besten Holzkohlen giebt fast doppelt so viel Waͤrme als Holz, aber die Kohlen sind bei weitem nicht von gleicher Guͤte. Ein bestimmtes Gewicht Steinkohlen giebt weniger Waͤrme als dem Gewichte nach ebenso viel Holzkohle. Baum-Oel, dem Gewichte nach gerechnet, giebt \frac{5}{4} bis \frac{3}{2} mal so viel Waͤrme als Holzkohle, und Wasserstoffgas giebt bei gleichem Gewichte dreimal so viel Waͤrme als Holzkohle. Fuͤr die Holz-Arten, die wir nach Klaftern und nicht nach Gewicht zu berechnen pflegen, sind folgende Vergleichungen angegeben; Nußbaumholz giebt doppelt so viel Waͤrme als Birkenholz, Rothbuchen- und Weißbuchenholz \frac{4}{3} mal so viel als Birke, Fichtenholz \frac{9}{8} mal so viel als Birkenholz, die Italienische Pappel dagegen nur ⅚ dessen was Birkenholz giebt, naͤmlich Klafter gegen Klafter gerechnet. Indeß, so schaͤtzenswerth diese Angaben sind, so kommen doch, theils durch die Verschiedenheit des Holzes, theils durch die Verschiedenheit der Anwendung, in den Bestimmungen des Werthes, den wir den Brennmaterialien beilegen muͤssen, große Ungleichheiten vor. Oft ist uns ein schnell brennendes Feuer angenehmer, wenn es auch im ganzen Verlaufe des Verbrennens nicht so viel Hitze giebt, oft verlangen wir ein lange dauerndes maͤßig waͤrmendes Feuer, u. s. w. Loͤschen des Feuers . Aber auch das Feuerloͤschen haͤngt von eben den Grundregeln ab, wie das Verstaͤrken des Feuers. Das Feuer erlischt, wenn es keinen Zufluß von Sauerstoffgas hat, und ein genaues Schließen aller Zuͤge erstickt daher das Feuer. Es erlischt, wenn man die brennende Flaͤche schnell abkuͤhlt, und dies geschieht am wirksamsten durch fluͤssige Koͤrper, die eine sehr große Waͤrme zum Verdampfen fordern. Indem naͤmlich die brennende Oberflaͤche mit einer duͤn- nen Wasserschichte uͤberzogen wird, und diese beim Verdampfen einen sehr großen Waͤrme-Aufwand fordert, wird die brennende Flaͤche bis unter den Waͤrmegrad, wobei sie sich entzuͤnden kann, abgekuͤhlt. Es bedarf dazu nur einer maͤßigen Quantitaͤt Wassers, und der Strahl der Feuerspritze wird vortheilhafter angewandt, wenn er eine ausgedehnte Flaͤche, an ihr hinstreichend, maͤßig befeuchtet, als wenn er sich mit großer Gewalt auf wenige Puncte ergießt. Wie wirksam diese Abkuͤhlung ist, zeigt der Versuch, wo man Wasser in einem Papiere uͤber der Lichtflamme erhitzt. Hier entzuͤndet sich das Papier nicht, weil das die andre Seite des Pa- piers beruͤhrende Wasser doch hoͤchstens bis zur Kochhitze erwaͤrmt wird, und diese Kochhitze ist bei weitem geringer als diejenige, deren das Papier zum Entzuͤnden bedarf. Daß die Loͤschung zuerst auf die untersten Puncte gerichtet werden muß, ist offenbar, da diese die hoͤhern mehr erhitzen, als es umgekehrt der Fall ist. Koͤrper, die leicht entzuͤndbar sind, gestatten eben darum kein leichtes Aus- loͤschen, weil hier eine viel tiefere Abkuͤhlung noͤthig ist, als bei schwer entzuͤndlichen Koͤrpern. Indeß kann man selbst mit brenn- baren Koͤrpern einen brennenden Koͤrper loͤschen, wenn man nur schnell eine so große Quantitaͤt hinzubringt, daß die Abkuͤhlung stark genug ist, wobei dann uͤberdies auch dem Feuer der Zutritt der Lebensluft geraubt wird. Zwoͤlfte Vorlesung . Flammen . Lampen-Erleuchtung . Noch merkwuͤrdigere Betrachtungen als die Erwaͤrmung durch das Feuer bietet die Flamme uns dar. Die meisten verbrennlichen Koͤrper, welche mit Flamme brennen, geben bei der zerstoͤrenden Destillation Luft-Arten, welche Wasserstoff und Kohlenstoff ent- halten, und die Entzuͤndung dieser Luft-Arten bringt die Flamme hervor Von allen Flammen gilt dies nicht. Schwefel z. B. bringt im Brennen Schwefelsaͤure, durch die Verbindung des Schwefels mit dem Sauerstoffe, hervor. . Nachdem naͤmlich bei unsern gewoͤhnlichen Lichtern durch eine fremde Erhitzung das Wachs oder der Talg im Dochte zum Brennen gebracht ist, reicht diese Hitze hin, um die benachbar- ten Theile zu schmelzen; sie ziehen sich nun in dem Dochte herauf, kommen hier in die voͤllige Gluth der Flamme, wodurch sie zersetzt und selbst in Brand gesetzt werden, und damit ist die Dauer des Prozesses gesichert. Nur wenn durch starke Abkuͤhlung, am ge- woͤhnlichsten durch einen starken Luftzug, die Erhitzung unterbro- chen wird, erlischt das Licht, und hier findet man wieder, daß eine Wachslichtflamme leichter als eine ebenso große und ganz gleiche Talglichtflamme und viel leichter als eine Schwefelflamme auszu- blasen ist, weil die letztere bei sehr geringer Waͤrme fortbrennt. Die noch matt brennende Flamme eines eben angezuͤndeten Lichtes kann sogar durch bloße Annaͤherung eines sehr kalten Koͤrpers getoͤdtet werden, weil sie so wenig Waͤrme entwickelt, daß der ganze Verbrennungsproceß durch die mindeste Entziehung von Waͤrme aufgehoben werden kann. Die Flamme brennt nur da, wo sie mit der atmosphaͤrischen Luft in Beruͤhrung ist, so daß sie nur einen duͤnnen leuchtenden Mantel um den innern, zwar sehr erhitzten, aber doch kein Ver- brennen darbietenden, Raum bildet. Man sieht dies, wenn man einen sehr brennbaren Koͤrper in die Mitte der Flamme bringt, wo er wohl schmilzt, aber nicht brennt; selbst Phosphor in der Mitte einer großen Weingeistflamme brennt nicht, sondern bleibt geschmolzen und unentzuͤndet, bis bei Verminderung des Weingeistes die kleiner werdende Flamme den Zutritt der Luft zu ihm gestattet, wo er sich dann entzuͤndet. Diese hohle Kegelform der Flamme wird am besten sichtbar, wenn man ein aus sehr duͤn- nem Drath mit sehr engen Maschen verfertigtes Drathgewebe von oben herab in die Flamme bringt; dann ist nur der kreisfoͤrmige Umfang dieser Durchschnittsflaͤche leuchtend, der mittlere Raum dagegen enthaͤlt unverbrannte Bestandtheile, die sich beim Brennen fetter Koͤrper als Ruß anlegen. Die Flamme nimmt eine spitzige Form an. Der hinaufsteigende Strom erwaͤrmter Luft, welcher unten an den Seiten des mit brennbaren Luft-Arten erfuͤllten Raumes in der Breite, welche die entwickelten brennbaren Luft- Arten einnehmen, zuruͤckgehalten wird, draͤngt sich oberwaͤrts, wo diese Raum finden, sich hoͤher hinauf auszudehnen und wo sie zum Theil schon verzehrt sind, von allen Seiten nach der Mitte, und hier wird der hinaufgehende Strom dieser Luft-Arten verengert und endlich schmal genug und hinreichend mit atmosphaͤrischer Luft gemischt, um durch und durch brennend den Kegel zu schließen. Im untern Theile der Flamme, wo die zerstoͤrende Destillation des fetten Koͤrpers in unsern Lichtern und Lampen erst statt findet, ist sehr wenig Zersetzung der erzeugten Luft-Arten, eine Menge von Kohlenstoff legt sich hier, wenn man die Flamme unterbricht, als Ruß an. Hoͤher hinauf, wo die Verbrennung am lebhaftesten fortgeht, wo der blaue Theil der Lampenflamme aufhoͤrt, ist die Hitze der Flamme am groͤßesten und der unverbrannt sich anlegen- den Theile sind wenigere, obgleich bei der gewoͤhnlichen Lichtflamme und Lampenflamme noch erhebliche Mengen unverbrannter Stoffe oberhalb der Flamme als Rauch verloren gehen. Naͤhert man zwei Flammen einander, so brennen sie hoͤher auf, und geben ein staͤrkeres Licht, offenbar weil die sich gegenseitig unterstuͤtzende Hitze noch Theile verbrennt, die an der Oberflaͤche der einzelnen Flamme, unvollkommen verbrannt, verloren gingen. Da die Mitte der Flamme aus Mangel an Oxygen nicht leuchtet, so begreift man leicht, wie viel gewonnen wird, wenn man einen Luftstrom in der Mitte der Flamme hinaufgehen laͤßt, oder wenn man einen cylindrischen Docht anwendet, wie dies in den Argandschen Lampen der Fall ist. Diese große Verbesserung der Lampen, die Argand 1783 bekannt machte, hat nicht bloß vor den gewoͤhnlichen, sondern selbst vor den bloß bandfoͤrmig nach einer Richtung ausgedehnten Dochten den Vorzug. Der Luftzug wird naͤmlich in dem so stark erhitzten innern Raume der Flamme mehr befoͤrdert, und diese Erhitzung befoͤrdert auch schon an sich das vollstaͤndige Verbrennen der aus dem Oele entwickelten Luft- Arten. Der Vortheil, den jener innere Luftzug gewaͤhrt, wird noch vermehrt, wenn man eine glaͤserne, unten und oben offene Roͤhre die Flamme umgeben laͤßt. Diese, indem sie selbst erhitzt wird, befoͤrdert den raschen Zutritt des Sauerstoffgas, und noͤthiget den hinaufgehenden Luftstrom, sich nahe an der Flamme hin zu draͤngen, und sie so moͤglichst vollkommen mit Sauerstoff zu naͤhren. Und so ist es denn wohl einzusehen, warum diese Argandschen Lampen alles Brennbare ganz verzehren, so daß gar kein Rauch sich oberhalb der Flamme findet, sondern Wasserdampf (aus der Vereinigung der Hydrogen mit dem Oxygen,) und kohlensaures Gas (aus der Vereinigung des Oxygen mit dem Kohlenstoffe), die einzigen Producte des Verbrennens sind. Rumford hat diese Anordnung noch dadurch vollkommener gemacht, daß er die Lampen vielflammig machte. Dochte naͤmlich, die neben einander in angemessenen Entfernungen stehen, und die Rumford als platte Dochte anbringt, verstaͤrken, indem sie zu- gleich brennen, den Luftzug so sehr, und die entstandene Hitze beschleunigt die Zersetzung aller brennbaren Bestandtheile so sehr, daß das Licht noch viel staͤrker ist, als bei dem einfachen cylindri- schen Dochte. Rumford giebt von seiner Lampe, mit vier platten, 1⅗ engl. Zoll breiten Dochten, an, daß sie mehr Licht als sechs sehr schoͤn brennende Argandsche Lampen gab, und bei ihrem vollkommensten Glanze die Stelle von 40, gleichsam in einen Punct vereinigten, Wachslichtern vertrat. Dabei ist dann freilich auch der Aufwand an Oel groͤßer, aber wenigstens lange nicht so groß, als es das Verhaͤltniß des Lichtes zu fordern scheint. Rum- ford hat mehrere Versuche mit dem Photometer angestellt, um die Zunahme des Oelverbrauchs bei vermehrter Helligkeit zu finden. Wenn er eine Argandsche Lampe durch Herunterziehen des Dochtes so lichtschwach machte, daß sie nur einem Wachslichte gleich leuchtete, so brauchte sie an Gewicht 2¼ mal so viel Oel als das Wachslicht an Wachs verbrannte; gab man ihr durch Vergroͤße- rung des Dochtes die Helligkeit von 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9 Wachslichtern, so stieg der Oelverbrauch nur auf 2¾, 3 \frac{1}{20} , 3⅗, 4 \frac{1}{20} , 4⅖, 4 \frac{7}{10} , 5 \frac{1}{7} , 5⅗, so daß sie also bei einer Licht- staͤrke, gleich 9 Wachslichtern, nur 5⅗ mal so viel Oel als ein Wachslicht an Wachs verbrannte, oder bei dem 6 fachen Glanze erst doppelt so viel Oel als bei dem einfachen Glanze, bei dem 9 fachen Glanze nur 2½ mal so viel als bei dem einfachen Glanze verzehrte. Da Rumford versichert, daß bei allen diesen Ver- suchen eine vollstaͤndige Verbrennung statt fand, so ist es allerdings auffallend, daß die Lichtmenge in so viel groͤßerem Verhaͤltniß als das Brennmaterial waͤchst. Offenbar ist das Licht da staͤrker, wo die Waͤrme in einem kleinen Raume recht bedeutend ist, aber warum dieses Concentriren der Waͤrme Licht frei macht, ist uns noch ganz unbekannt. Etwas Aehnliches findet bei Talg- und Wachslichtern statt; sie verbrauchen zwar am wenigsten von dem fetten Koͤrper, wenn die Flamme klein ist, aber geben dann auch so wenig Licht, daß z. B. Rumford nur \frac{1}{16} des Lichtes bei ¼ des Wachsverbrauchs erhielt, wenn er ein sehr duͤnnes Wachslicht in Vergleichung gegen das vorhin zum Maaße gebrauchte anwandte. Die Waͤrme, die Rumford mit seinem Calorimeter bestimmte, indem er die Licht- flamme unter die Zugroͤhre setzte, war der Menge des verbrannten Wachses sehr nahe entsprechend. Bei andern Vervollkommnungen der Lampen, daß man ihr Licht durch zuruͤckwerfende Spiegel verstaͤrkt, daß man es durch einen matt geschliffenen Glasschirm gleichmaͤßiger vertheilt, wobei in der ganzen Erleuchtung wenig verloren geht, indem diese, von allen Puncten des Schirms ausgehend, beinahe so viel betraͤgt, als bei der freien Flamme, deren großer Glanz auf einen kleinen Raum beschraͤnkt ist; — will ich hier nicht verweilen. Gas-Erleuchtung . Die Bemerkung, daß es die aus dem brennbaren Koͤrper entweichenden brennbaren Luft-Arten sind, welche die Flamme hervorbringen, leitete schon vor laͤngerer Zeit darauf hin, einzu- sehen, daß beim Verkohlen des Holzes im Freien eine Menge brauchbarer Stoffe verloren gehe, und daß es daher vortheilhaft sei, das Holz in geschlossenen Raͤumen der Hitze und so der Verkohlung auszusetzen, damit theils die im Rauche fortgefuͤhrten bei dieser Hitze noch nicht brennbaren Koͤrper (die Holzsaͤure zum Beispiel) aufgefangen, theils die brennbaren Luft-Arten benutzt werden koͤnnten. Auf dieser Betrachtung beruhten die Thermolampen, die Lebon schon 1799 so anwandte, daß die entweichenden Gas- Arten zur Erleuchtung gebraucht wurden; Murdoch hatte aͤhn- liche Versuche schon 1792 angestellt, ohne sie damals weiter zu verfolgen. Diese Erfindung, die auch in Deutschland nachgeahmt wurde, und deren Nutzen, theils um durch die brennbaren Luft- Arten zu erleuchten, theils um das Feuer zu verstaͤrken, in welches man sie nach der Entwickelung aus den in geschlossenen Raͤumen verkohlten Holzstuͤcken leitete, man sehr wohl anerkannte, ward indeß nur wenig benutzt, bis Winsor durch eine Reihe von Versuchen sich in Stand gesetzt fand, die Sache mehr ins Große zu treiben, und sich 1804 ein Patent auf eine Gas-Erleuchtung durch das in den Steinkohlen enthaltene Gas geben ließ. Seit dem hat diese Gas-Erleuchtung großes Aufsehen gemacht, und man hat sowohl das aus Steinkohlen, als das aus Oelen und Thran entwickelte Gas dazu angewandt, indem man von den Ge- faͤßen, die das Gas enthalten, Roͤhren zu den Puncten hin, wo man eine Flamme fordert, leitet, hier das Gas aus einer Oeff- nung hervordringen laͤßt, und die Luft entzuͤndet, die dann, nach Verschiedenheit der Oeffnungen, groͤßere oder kleinere Flammen giebt. Die brennbaren Koͤrper enthalten alle Kohlenstoff, Wasserstoff und meistens nur eine geringe Menge Sauerstoff, welche Stoffe bei der Zerstoͤrung des Koͤrpers durch die Hitze sich in andern Verhaͤlt- nissen wieder verbinden. Aus den bei einer noch nicht bis zum Brennen gehenden Hitze erzeugten Stoffen gehen bei groͤßerer Hitze jene Bestandtheile hervor, die sich theils zu kohlensaurer Luft (Kohlenstoff und Sauerstoff) theils zu brennbaren Luft-Arten (Kohlenstoff und Wasserstoff) verbinden. Kohlen-Wasserstoff- Gas und Oel bildendes Gas gehen, nach Verschiedenheit des Mischungsverhaͤltnisses, aus den letztern beiden hervor, und beide Luft-Arten sind zum Erleuchten sehr wohl geeignet. Die durch Zersetzung der Steinkohlen hervorgebrachten Luft-Arten geben ein schoͤneres Licht als die Steinkohlen selbst, weil sie von den uͤbrigen Stoffen, die beim Verbrennen der Steinkohlen mit entbunden werden, schon gereinigt sind. Die schoͤnen Flammenstroͤme, die wir aus den brennenden Steinkohlen zuweilen hervorbrechen sehen, sind, nach Accums Bemerkung, diesen Gas-Arten zuzuschrei- ben; aber zwischen ihnen brechen der unvollstaͤndig zersetzte Rauch, der eine theerige Substanz giebt, Wasserdampf und unverbrennliche Luft-Arten hervor, und diese verfinstern den Glanz jener Flammen. Auf aͤhnliche Weise verhaͤlt es sich mit dem Oele, so daß auch das aus Oel hervorgehende, aus Kohlenstoff und Wasserstoff zu- sammengesetzte Gas ein schoͤneres, uͤberdies auch gleichfoͤrmigeres Licht giebt, als das Oel selbst. Nach den genauen Vergleichungen von Preuß Gilb. Ann. LXXVI. 113. Herapath hat bedeutend verschie- dene Angaben, die man eben dort S. 164 findet. ist die Beleuchtung mit dem aus Oel entwickelten Gas wohlfeiler und schoͤner, als die mit dem Gas aus Steinkohlen, und die Wohlfeilheit wird noch dadurch befoͤrdert, daß man schlech- tes Oel, selbst Thran, anwenden kann, da die uͤbeln Geruͤche ohnehin durch Reinigen der Gas-Arten muͤssen weggeschafft wer- den. Nach den Angaben von Preuß geben 15 Pfund Oel ungefaͤhr 200 Cubicfuß Gas, (und diese sollen ungefaͤhr so viel Licht geben als 700 Cubicfuß Steinkohlengas); eine derjenigen Brenn-Oeffnungen, die ein Licht einer kleinern Argandschen Lampe gleich, oder 10 Talglichtern zu ⅙ Pfund gleich, geben, braucht stuͤndlich \frac{5}{4} Cubicfuß jenes Oelgas, und es laͤßt sich also uͤbersehen, mit wie maͤßigem Aufwande die Erleuchtung erhalten wird. Das Oel wird hier mit mehr Vortheil als in der Argandschen Lampe verwandt, und man kann annehmen, daß die hervorgebrachte Erleuchtung durch die letztere nur ¾ von derjenigen ist, die das Gas, bei gleichem Aufwande von Oel, bewirkt. — Ein Pfund gute Wachslichter giebt nur ungefaͤhr halb so viel, ein Pfund gute Talglichter nur ungefaͤhr ⅖ so viel Erleuchtung, wenn man Zeit und Helligkeit des Brennens gehoͤrig vergleicht, als ein Pfund zu Gas-Erleuchtung verwendetes Oel. Der Vorzug des aus Oel hervorgebrachten Gas liegt vor- zuͤglich darin, daß die Menge der beiden Gas-Arten, die zum Leuchten am wichtigsten sind, des Oel erzeugenden Gas und des Kohlen-Wasserstoffgas hier groͤßer, die Menge des dunkel bren- nenden Wasserstoffgas und der ebenfalls unvortheilhaften Luft- Arten, naͤmlich des gasfoͤrmigen Kohlenstoff-Oxyds und des Stick- gas, viel geringer ist. Nach Henry's Versuchen enthaͤlt das Oelgas, oder das aus der Zersetzung des Oeles gewonnene Gas, in 100 Theilen 38 Theile Oel erzeugendes Gas, 46 Theile Kohlen- wasserstoffgas, statt daß im Steinkohlengas nur 7 Theile jener, 56 Theile dieser Luft-Art vorkommen; die minder oder gar nicht zum Leuchten beitragenden Luft-Arten betragen also dort nur 16, hier 37 Theile. Die große Menge des Oel erzeugenden Gas, welches unter allen brennbaren Luft-Arten am meisten Licht giebt und zugleich am schwersten ist, begruͤndet hier den großen Vorzug des aus Oel gewonnenen Gas. Im Allgemeinen verdanken, nach Davy's Bemerkung, die Flammen ihren Glanz nicht dem Wasserstoff, sondern den darin enthaltenen dichteren Bestandtheilen, wozu auch der Kohlenstoff mit gehoͤrt. In unsern gewoͤhnlichen Lichtflammen ist da der Glanz am staͤrksten, wo der im untern Theile noch zum Absetzen als Ruß vorhandene Kohlenstoff zum vollen Gluͤhen und Verbren- nen koͤmmt; die Gasflammen besitzen nur dann einen starken Glanz, wenn sie aus schweren brennbaren Luft-Arten bestehen, in denen sich viel Kohlenstoff befindet; Zink-Oxyd in eine Flamme von Schwefel oder Wasserstoffgas gebracht, giebt dieser ein unge- mein starkes Licht. Die Hitze der Flamme steht mit diesem Glanze in keinem Verhaͤltnisse, da die unscheinbare Flamme des aus Wasserstoff und Sauerstoff gemischten Gas eine ausgezeichnet starke Hitze hervorbringt. Die Anordnung der zur Gas-Erleuchtung noͤthigen Apparate will ich nur kurz beschreiben. Sie bestehen aus drei Theilen, naͤm- lich aus dem Gefaͤße, worin durch starke Hitze das Gas entwickelt wird, aus einem zweiten Gefaͤße, worin es gereinigt wird, und aus dem dritten, worin es gesammelt und den Brenn-Oeffnungen zugeleitet wird. Fuͤr den ersten Zweck bedient man sich bei dem Steinkohlengase einer eisernen Retorte, worin die Steinkohlen durch ein unter der Retorte angebrachtes Feuer erhitzt werden, da- mit alle fluͤchtigen Bestandtheile durch die zum zweiten Gefaͤße fuͤhrende Roͤhre ausgetrieben werden. Bei der Bereitung des Oelgas bedarf man einer kleinern Retorte, die auf 600 Grad der Centesimalscale erhitzt wird, und in der sich das in einem langsamen Strome zufließende Oel sogleich zersetzt. Das zweite Gefaͤß ist bei dem Steinkohlengas bestimmt, das Theer und die uͤbrigen fluͤs- sigen Substanzen aufzunehmen, und das Gas, welches hier durch Wasser mit Kalk gemischt geht, von der nicht mit brennbarer Luft verbundenen Kohlensaͤure und andern Stoffen zu reinigen. Fuͤr das Oelgas hat man ebenfalls am besten gefunden, die Daͤmpfe und Luft ziemlich weit durch Wasser fort zu leiten, damit das Gas von den Daͤmpfen befreit als reines Gas uͤbergehe. Das dritte Gefaͤß ist ( Fig.37. ) das unten offene Gasometer AB, das mit seiner Oeffnung AB in das Wasser im Gefaͤße M, M, getaucht ist, und durch die Gewichte C, D, beinahe im Gleich- gewichte gehalten wird; die vom zweiten Gefaͤße herkommende Roͤhre XXX fuͤllt das Gasometer und ist oben mit der mit Wasser gefuͤllten Haube Y bedeckt, damit das in dem Raume EF gesammelte Gas nicht zuruͤck in diese Roͤhre, sondern in die offene Roͤhre GHIK dringe; oͤffnet man dann den Hahn K, so stroͤmt das Gas zu den Oeffnungen L, L, L, hin, wo es entzuͤndet wird, und mit schoͤner weißer Flamme brennt Verschiedene Anordnungen zur Gas-Erleuchtung sind beschrie- ben in: Accums pract. Abh. uͤber das Gaslicht, uͤberf. v. Lampa- dius . Berlin . 1819. . Daß diese Gas-Erleuchtung schon in vielen Staͤdten ange- wandt wird, und, wenn nicht die erste Auslage so groß waͤre, noch oͤfter angewandt werden wuͤrde, ist Ihnen bekannt. — Aber so nuͤtzlich diese, die Flamme betreffende, Erfindung ist, so bietet sich uns doch eine noch ungleich wichtigere dar. Davy's Sicherheitslampe . Davy's auch in wissenschaftlicher Beziehung sehr schaͤtzens- werthen und gehaltreichen Untersuchungen uͤber die Flamme, die ich schon mehrmals angefuͤhrt habe, gewinnen noch ein viel anzie- henderes Ansehen durch die Veranlassung, die ihn zu denselben fuͤhrte und durch die nuͤtzliche Erfindung, zu welcher sie ihn leite- ten. Die Veranlassung gaben die mit jedem Jahre zahlreicher werdenden Ungluͤcksfaͤlle, die sich durch Entzuͤndung brennbarer Luft-Arten, schlagender Wetter, wie die Bergleute es nennen, in den englischen Kohlenbergwerken ereigneten. Je tiefer diese Kohlen- schachte hinabgefuͤhrt werden, desto oͤfter muß es sich ereignen, daß die aus dem Gesteine so oft hervordringenden unathembaren Luft- Arten, wegen des so sehr erschwerten Zutrittes der Luft von oben, wegen der immer groͤßern Schwierigkeit eines die Luft erneuernden Luftzuges, sich ansammeln und gefaͤhrliche Erfolge hervorbringen. Unter diesen Luft-Arten, die sich vorzuͤglich aus alten verlassenen Gruben, aber auch sonst aus den Spalten der Stein- und Stein- kohlenschichten entwickeln, und die zuweilen in ungewoͤhnlich reich- lichem Maaße hervordringen, sind die brennbaren die haͤufigsten und die gefaͤhrlichsten, weil sie, mit atmosphaͤrischer Luft gemischt, eine Explosion veranlassen, sobald das Grubenlicht des Bergman- nes sie erreicht. Durch diese Explosion werden oft ganze Strecken der Bergwerke verschuͤttet, die in der Tiefe arbeitenden Bergleute werden entweder durch die Explosion selbst verstuͤmmelt oder getoͤd- tet, oder durch das Einstuͤrzen der Zugaͤnge aller Huͤlfe beraubt. Diese immer haͤufiger werdenden Ungluͤcksfaͤlle veranlaßten den dringenden Wunsch, daß man dem Bergmanne, der eben so wenig die Lampe entbehren kann, als er Mittel besitzt, den Ort, wo sich schlagende Wetter gesammelt haben, voraus zu erkennen, eine mit der aͤußern Luft nicht in unmittelbarer Verbindung stehende Lampe zu verschaffen im Stande sei. Diese Absperrung der brennenden Lampe von der aͤußern Luft schien große Schwierigkeit zu haben, da man die Lampe doch mit atmosphaͤrischer Luft unterhalten mußte, um sie brennend zu erhalten, und jede Anordnung, die diese nur aus geschlossenen Gefaͤßen zufuͤhrte, mit zu großen Unbequemlich- keiten verbunden war. Die Wichtigkeit der Entdeckung eines III. N Sicherungsmittels gegen jene großen Gefahren bewog Davy , die Umstaͤnde, unter denen die explodirenden Gas-Arten zur Ex- plosion kommen, genau zu erforschen, und er fand da, daß diese Explosion nur erfolge, wenn ein hoher Grad von Erhitzung statt findet. Vorzuͤglich erregte die Erfahrung, daß die Flamme unserer Lampen durch ein Gewebe aus sehr duͤnnen Metalldraͤthen nicht hindurch dringe, wenn die Oeffnungen klein sind, seine Aufmerksam- keit, und er bemerkte, daß bei sehr feindraͤthigen und eng geweb- ten Drathnetzen dieses Zuruͤckhalten der Flamme so vollkommen statt fand, daß es selbst durch das Gluͤhendwerden des Drathnetzes nicht aufgehoben ward. Da die brennbaren Daͤmpfe, der Rauch und die Mischung brennbarer Luft-Arten, aus deren Entzuͤndung die Flamme entsteht, durch das Gewebe durchdringen und sich ver- mittelst einer hinzugebrachten Flamme entzuͤnden lassen, obgleich sie sich durch die an der andern Seite des Gewebes brennende Flamme nicht entzuͤnden, so schloß Davy , daß die Hitze des duͤn- nen Drathes, selbst im Gluͤhen, nicht so groß sei, daß das Ent- zuͤnden der Luftmischung dadurch bewirkt werden koͤnne, daß die Abkuͤhlung es sei, wodurch das Drathgewebe die Flamme zuruͤck- haͤlt. Auf diese Versuche und auf die daraus hergeleitete Ansicht gestuͤtzt, ließ er einen die Lampe ganz umschließenden Cylinder von Drathgewebe verfertigen, so daß die aͤußere Luft durch die engen Oeffnungen des Gewebes zutreten, aber auf keinem andern Wege zur Flamme gelangen konnte; diese Lampe brachte er geradezu in eine Knallluft, und hatte das Vergnuͤgen zu sehen, daß die Ex- plosion sich nicht bis auf die Luft außerhalb des Drathcylinders verbreitete. Bringt man naͤmlich diese Lampe zuerst in eine nur mit wenigen brennbaren Luft-Arten gemischte Atmosphaͤre, so vergroͤßert sich bloß die Flamme; steigt die Menge der brennbaren Luft auf ein Zwoͤlftel des Raumes der Luft, so erfuͤllt sich der ganze Drathcylinder mit einer blauen Flamme, worin die Lampenflamme mit hellerem Lichte fortbrennt; betraͤgt die brennbare Luft ein Fuͤnftel des Ganzen, so erfuͤllt sich der ganze innere Raum des Drathcylinders mit starkem Lichte; aber auf den umgebenden Raum dehnt sich diese Entzuͤndung nicht aus. So war also die Entdeckung einer Sicherheitslampe fuͤr den Bergmann gemacht, indem auch er mitten in den schlagenden Wettern nur die Ent- zuͤndung derselben im Innern seiner Lampe wahrnimmt, und selbst wenn die Menge der brennbaren Luft noch mehr zunimmt, nur das als schlimmsten Fall zu fuͤrchten hat, daß die Luftmischung nicht mehr genug Sauerstoff, um fortzubrennen, enthaͤlt, wo dann seine Lampe erlischt. Damit das Drathnetz den Zweck, die Flamme zuruͤckzuhalten, erfuͤlle, muß es mit vollkommener Sorgfalt gemacht und unter- halten sein, damit nirgends eine groͤßere Oeffnung sich finde; der Drath muß so fein sein, daß er nur ungefaͤhr \frac{1}{40} Zoll stark ist; denn obgleich, wie Davy sagt, auch staͤrkerer Drath im Gluͤhen noch nicht die explodirenden Wetter zuͤndet, so ist es doch sicherer, einen duͤnnen Drath, der weniger Hitze abgeben kann, zu waͤhlen; vor allem aber muͤssen die Maschen so eng sein, daß sie nur \frac{1}{20} Zoll Zwischenraum lassen, damit nicht die in die Oeffnungen ein- dringende Flamme, in der Mitte zu wenig abgekuͤhlt, durch das Gewebe hindurch dringen kann. Diese Lampe hat unten ihr Oel- gefaͤß, das abgeschraubt und mit Oel gefuͤllt werden kann; dann zuͤndet man die Lampe an und verschließt durch das Aufschrauben des Drathcylinders jeden andern Zutritt der aͤußern Luft. Fig. 38 stellt diese Lampe dar. Die Erfahrung hat an zahlreichen Beispielen gezeigt, daß die Sicherung durch diese Davysche Sicherheitslampe als vollkommen angesehen werden kann, und sie ist daher auch außer England in Bergwerken, die durch schlagende Wetter Gefahren darbieten, ein- gefuͤhrt. Sie hat in Kohlenbergwerken, wo man Gegenden kannte, die nie ohne Gefahr besucht werden konnten, wo der Bergmann kein andres Licht als die einzelnen Funken eines Feuer schlagenden Stahles hin bringen durfte, den entschiedensten Nutzen gewaͤhrt und ist als eine der segenvollsten Erfindungen anerkannt worden. Nach Blessons Erfahrungen schuͤtzt sie auch gegen die Entzuͤn- dungen des Schießpulverstaubes, der in Pulvermuͤhlen die Luft erfuͤllt, und ist daher da, wo man solche Raͤume im Dunkeln besu- chen muß, anwendbar. Ebenso kann sie die so oft vorgekommenen Entzuͤndungen großer Massen spirituoͤser Fluͤssigkeiten, deren Daͤm- pfe so leicht die Entzuͤndung veranlassen, verhuͤten, wenn man sich statt der gewoͤhnlichen Lichter auch dort der Sicherheitslampe bedient. N 2 Gegen Davy's Theorie, daß die Abkuͤhlung hier das Brennen hindere, hat man mancherlei Einwendungen gemacht, die mir aber doch nicht erheblich genug scheinen, um Davy's An- sicht zu verlassen. Folgende zwei Einwendungen scheinen mir die bedeutendsten. Erstlich, man koͤnne die Faͤlle, wo Lichter nach Davy's Meinung durch Abkuͤhlung erloͤschen, nicht alle so erklaͤ- ren, weil ja oft ein ausgeblasenes Licht sich sogleich von selbst oder durch Anblasen wieder entzuͤnde. Bekanntlich tritt das aber nur ein, wenn ein ziemlich großer gluͤhender Docht da ist, welcher — so scheint es mir, — Hitze genug giebt, um die Sauerstoffluft in dem Maaße zu zersetzen, daß das neue Entflammen durch die erzeugte Hitze statt finden kann; wird dieses durch Anblasen befoͤr- dert, so muß, glaube ich, dieses Anblasen milder als dasjenige sein, wodurch man das Licht zum Erloͤschen brachte. Zweitens, obgleich im gewoͤhnlichen Falle die Flamme nicht durch das Drath- netz dringe, so koͤnne dies doch geschehen, wenn die brennenden Gas-Arten mit bedeutender Gewalt durch diese Oeffnungen her- vordringen. Dies beruht aber wohl darauf; daß beim Gluͤhen des Drathes, welches jenem Hindurchdringen der Flamme vorausgeht, die Abkuͤhlung der Luft-Arten bis unter die Entzuͤndungshitze einige Zeit fordert; dringt nun das brennende Gas mit keiner erheblichen Kraft hervor, (gewoͤhnlich dringt wohl eher das aͤußere hinein,) so vergeht Zeit genug, um die geringe, noͤthige Abkuͤhlung noch eintreten zu lassen; wird es aber mit Gewalt durchgedraͤngt, so findet diese Abkuͤhlung nicht vollkommen statt. Da diese Er- klaͤrungen mir ausreichend scheinen, und der Fall des mit Gewalt Hervordraͤngens aus dem Innern der Lampe nie statt findet, also die practische Anwendbarkeit nicht von diesem Einwurfe abhaͤngt; so will ich Sie hiermit und mit andern Meinungen uͤber die Ur- sache dieses Zuruͤckhaltens der Flamme, (die Draͤthe uͤbten eine abstoßende Kraft auf die Flamme aus, die zum Bestehen der Flamme noͤthigen Luftstroͤmungen wuͤrden unterbrochen, u. s. w.) nicht unterhalten. Gebrauch der Flamme vor dem Geblaͤse . Newmann- sches Geblaͤse . Die Flamme bietet uns durch ihre Faͤhigkeit, Waͤrme zu erre- gen, noch eine neue Reihe von Erscheinungen dar. Bekanntlich wird die Lampenflamme angewandt, um kleine Koͤrper zu schmelzen, Glas in andre Formen zu bringen, indem man bei den Glasblaͤser- Arbeiten durch Schmelzen und Blasen bald an die Roͤhre eine Kugel anblaͤst, bald Aenderungen der Form bewirkt u. s. w. Um diese Anwendungen der Flamme zu machen, bedient man sich der Geblaͤse, deren Zweck ein doppelter ist, erstlich die Hitze der Flamme auf einen Punct zu vereinigen, zweitens diese Hitze auch wirklich zu verstaͤrken. Daß schon das erstere beitrage, die Wirkung der Flamme zu verstaͤrken, hat Rumford dadurch gezeigt, daß er eine Flamme vermittelst eines Stromes kohlensaurer Luft anblies, und auch da das Gluͤhen und Schmelzen des Glases bewirkte; indeß hat er gewiß Unrecht, wenn er bloß in dieser Gewalt des Antreffens der Flamme und in dieser Richtung auf einen bestimm- ten Punct, und gar nicht in einer Vermehrung der Waͤrme- Entwickelung selbst, den Grund der vor dem Loͤthrohre oder vor dem Geblaͤse verstaͤrkten Wirkung der Flamme sucht. Daß viel- mehr die Wirkung der Flamme durch die Zufuͤhrung von Sauer- stoffgas noch mehr verstaͤrkt wird, zeigt die Anwendung der Sauer- stoffgeblaͤse, aus denen naͤmlich Sauerstoff gegen die Weingeist- flamme getrieben wird, welche dann eine sehr viel groͤßere Wirkung leistet. Um diesen Geblaͤsen eine, laͤngere Zeit dauernde, gleiche Staͤrke zu geben, gerieth Newmann auf den Gedanken, eine compri- mirte Luft anzuwenden und diese in einem sehr duͤnnen Strahle auf die Weingeistflamme zu richten, welche dadurch gleichmaͤßiger als bei andern Geblaͤsen ihre Dienste leistete. Aber dieses Com- pressionsgeblaͤse fuͤhrte Newmann noch zu einer zweiten, wich- tigern Verbesserung, indem er Wasserstoffgas und Sauerstoffgas, in dem Verhaͤltniß gemischt, welches zur Bildung des Wassers noͤthig ist, anwandte. Fruͤher schon hatte Hare eine große Ver- staͤrkung der Hitze der Weingeistflamme dadurch erhalten, daß er aus zwei getrennten Gefaͤßen, durch zwei Roͤhren zugleich, die sich in einem Muͤndungsstuͤcke vereinigten, beide Gas-Arten zustroͤ- men ließ; er hatte mit dieser Vorrichtung schwer schmelzbare Koͤr- per geschmolzen und andre große Wirkungen hervorgebracht. Daß eine in dem zur Wasserbildung angemessenen, genau richtigen Ver- haͤltnisse gemischte Verbindung beider Luft-Arten diesen Zweck noch vollstaͤndiger erfuͤllen muͤsse, ließ sich erwarten; aber die An- wendung eines solchen Geblaͤses schien auch großen Schwierigkeiten unterworfen zu sein. Es ist naͤmlich bekannt, daß zwar eine reine brennbare Luft, es sei Wasserstoffgas oder Kohlen-Wasserstoffgas, wenn sie aus einer Oeffnung hervordringt, ohne Gefahr angezuͤn- det werden kann, daß aber eine Mischung dieser Luft-Arten mit Sauerstoffgas sogleich eine gefaͤhrliche Explosion hervorbringen wuͤrde, wenn man diese ebenso behandeln wollte. Bei jenen Luft- Arten naͤmlich kann nur das in die atmosphaͤrische Luft hervorstroͤ- mende Gas sich entzuͤnden und eine Flamme bilden, ein Hinein- dringen der Flamme in den großen Gasbehaͤlter ist unmoͤglich, weil sie des Sauerstoffs, der dort nicht vorhanden ist, zum Fortbrennen bedarf; hier hingegen bietet jedes Theilchen im Innern des Gas- behaͤlters beide zum Verbrennen noͤthigen Stoffe dar; die an der Muͤndung angezuͤndete Flamme ergreift daher die ganze Mischung, und das mit einer starken Explosion erfolgende Verbrennen des ganzen Luftvorrathes ist schnell, ja augenblicklich, vollendet. Diese Mischung heißt daher Knallgas und jenes Newmann sche Ge- blaͤse ein Knallgasgeblaͤse . Diese Gefahr zu entfernen, fand Newmann in Davy's Entdeckung, daß die Flamme nicht durch enge Oeffnungen dringe, ein, wenigstens in den meisten Faͤllen, ausreichendes Mittel. Er ließ naͤmlich aus einem langen Haarroͤhrchen die gemischte Luft hervordringen, und fand, daß diese dann, am sichersten wenn der Luftstrom recht lebhaft ausfloß, nicht in den Gasbehaͤlter zuruͤckbrannte; und dieses lebhafte Her- vordringen fand hier allemal statt, da das Knallgas vermittelst der Luftpumpe comprimirt wurde. Die durch diesen entzuͤndeten Luftstrom bewirkte Hitze uͤber- trifft alles, was andre Geblaͤse geleistet hatten, bei weitem, und zwar vorzuͤglich dann, wenn die Mischung aus 2 Raumtheilen Wasserstoffgas und 1 Raumtheile Sauerstoffgas bestand, indem dann keine Luft-Art im Uebermaaß vorhanden ist, und beide im Verbrennen voͤllig zu Wasser vereinigt werden. In dieser Hitze schmilzt Platin sogleich, die fuͤr unschmelzbar gehaltenen Erden schmelzen u. s. w. Clarke , der der erste war, welcher Versuche mit diesem Geblaͤse anstellte, sah den Strontian mit schoͤner Ame- thystfarbener Flamme verbrennen, Bergcrystall, Feuerstein, Ser- pentin wurden geschmolzen, Gold verfluͤchtigt, u. s. w. Clarke glaubte anfangs, die enge Roͤhre sichere voͤllig gegen alle Gefahr; aber bald uͤberzeugten ihn die einige Mal eingetrete- nen Explosionen vom Gegentheil, und er fand daher noͤthig, die Einrichtung etwas vorsichtiger zu machen. Dieses geschah theils dadurch, daß eine starke Bretterwand den Experimentator von dem Gasgefaͤße trennte und nur die Muͤndung der Roͤhre diesseits der Wand lag, theils dadurch, daß das comprimirte Gas nicht unmit- telbar zu der Muͤndungsroͤhre, wo sie verbrannte, gelangte, son- dern vorher durch ein Gefaͤß mit Oel gehen mußte, in welchem es in getrennten Blasen aufstieg, die also die Entzuͤndung nicht bis zu dem Gasgefaͤße fortpflanzen koͤnnen. Fig. 39 stellt diese Ein- richtung vor. A ist die Blase mit der Gasmischung, die durch die Roͤhre B diese zu der Verdichtungspumpe C fuͤhrt; von der Ver- dichtungspumpe, die am Ende D durch ein Ventil geschlossen ist, geht die Roͤhre E bis auf den Boden des mit Oel gefuͤllten Kastens F, durch den es aufsteigt, und dann aus der Roͤhre G hervor- stroͤmt. Die Wand H, durch welche der Griff I des Pumpen- kolbens und die Roͤhrenmuͤndung G durchgeht, sichert den Beob- achter gegen alle Unfaͤlle. Man hat eine viel einfachere Einrich- tung angegeben, wo die Blase A mit Gasmischung durch Gewichte B comprimirt wird, wie Fig. 40 zeigt, und dann aus der Roͤhre C dringt; aber um hier einen staͤrkern Luftstrom benutzen zu koͤn- nen, sollte die Roͤhre C lang sein und doch das mit Oel gefuͤllte Ge- faͤß nicht weggelassen werden. Die groͤßere Staͤrke des brennenden Luftstromes ist aber hier, ebenso wie die richtigen Mischungsver- haͤltnisse, von großer Wichtigkeit. Mit Huͤlfe dieser Sicherung konnte Clarke es wagen, einen Luftstrom von ½ Linie dick hervordringen zu lassen, wodurch die Erfolge noch auffallender wurden. Dieser starke entzuͤndete Luft- strom brachte Platin so zum Schmelzen, daß man eine halbe Unze fließend erhielt; Eisen verbrannte unter einem hoͤchst glaͤnzenden Funkenspruͤhen, die am schwersten zu reducirenden Metalle wurden in dieser Hitze metallisch dargestellt u. s. w. Gilb. Ann. LV. I. 40. LXII. 339. . Obgleich man aber sich von einem solchen Geblaͤse eine bedeu- tende Hitze versprochen hatte, so hat man doch, als die Hitze so uͤber Erwartung groß wurde, gefragt, worin der Grund dieser uͤberaus großen Wirkung liege. Gilbert sucht ihn darin, daß das Wasser- stoffgas selbst, als ein in hohem Grade elastischer Koͤrper, ebenso gut und noch mehr Waͤrme als das Sauerstoffgas, bei der Zer- setzung giebt, und daß das comprimirte Gas mit so großer Ge- schwindigkeit hervordringt, also die Menge des zersetzten Gases groß ist, der geringen Dicke des Luftstromes ungeachtet. Gewiß tragen beide Umstaͤnde zur Verstaͤrkung der Hitze bei, aber eine Hauptursache der Waͤrme ist gewiß die, daß die beiden gemischten Luft-Arten einen in allen Theilen brennenden Feuerstrom geben, der nicht bloß an der Oberflaͤche einen Feuermantel hat, wie die gewoͤhnlichen Flammen, und daß daher auch die Zersetzung schneller und gewaltsamer fortgeht, als in irgend einem andern Falle. Brewster hat noch auf eine andre Erregungsweise sehr großer Hitze aufmerksam gemacht. Er befestigte uͤber der Flamme der bei der Gas-Erleuchtung angewandten Luft ein feines Drath- netz und ließ die Flamme unterhalb fortbrennen, entzuͤndete aber auch die durch das Drathnetz gedrungenen Lufttheile. Hier erhielt er nun eine sehr schwach leuchtende, aber sehr große Hitze gebende Flamme. Auch diese Flamme hat, wie Brewster bemerkt, ihre Hitze daher, daß die Luft bei dem Durchgange durch das Drathnetz sich mit atmosphaͤrischer Luft gemischt hat, und so ein Knallgas bildet, das nicht als duͤnner Lichtmantel einer Flamme, sondern als vollkommener Feuerstrom brennt. Um bequemer von der Ent- zuͤndung einer solchen Knallgasmischung Vortheil zu ziehen, schlaͤgt Brewster folgende Einrichtung vor, die sich sogleich mit einem kleinen Gas-Erleuchtungs-Apparate verbinden laͤßt. Das zur Gas-Erleuchtung bestimmte Gas steigt nicht allein ( Fig. 41. ) durch die Oeffnung M hervor, wo man es gewoͤhnlich sogleich an- zuͤndet, sondern es dringt zugleich, zugeleitet durch die Roͤhre abc df, aus vier Oeffnungen des hohlen Ringes f hervor. Die aus diesen vier Oeffnungen dringende Luft wird angezuͤndet, und da die Flammen nun von dem aus M hervordringenden, aber schon mit atmosphaͤrischer Luft gemischten Gas angeblasen werden, und dieses explosive Gas selbst sich entzuͤndet, so erhaͤlt man eine große Hitze. Die Haͤhne A, b, muͤssen so regulirt werden, daß weder der Luftstrom bei M durch zu heftigen Andrang die Flaͤmmchen ausblaͤst, noch auch zu schwach fuͤr die Erlangung des Zweckes sei. Auf den Ring g werden die zu erhitzenden Gegenstaͤnde gelegt. Entzuͤndung bei niedrigen Temperaturen . Selbst- Entzuͤndung . Bei andern Feuer-Erscheinungen umstaͤndlich zu verweilen, halte ich hier fuͤr weniger angemessen, da die meisten zu viele Er- laͤuterungen aus der Chemie fordern wuͤrden. Im Allgemeinen ist die Entzuͤndung der Erfolg einer starken Verwandtschaft zweier Koͤrper, bei deren Verbindung Waͤrme und Licht frei wird. Die Electricitaͤtslehre giebt noch einen tiefern Grund dieser Verwandt- schaften an. Nur bei einigen, schon in niedriger Temperatur eintretenden, Feuer-Erscheinungen, die wir deshalb Selbst-Entzuͤndungen, ent- stehend ohne hinzugebrachtes Feuer, nennen, will ich noch einen Augenblick verweilen. Eine solche bieten uns die jetzt so gewoͤhn- lichen Zuͤndhoͤlzchen dar, deren Spitze mit chlorsaurem Kali uͤber- zogen ist. Wird dieser Koͤrper in concentrirte Schwefelsaͤure ge- taucht, so geht die Verbindung mit so großer Heftigkeit vor, daß eine Entzuͤndung eintritt, die den am Zuͤndhoͤlzchen sogleich uͤber jener Substanz angebrachten Schwefel mit entzuͤndet. Aehnliche Erscheinungen des Selbst-Entzuͤndens zeigen die Pyrophore, welche die Eigenschaft besitzen, beim Zutritte der Luft sich zu entzuͤnden. Der Hombergsche Pyrophor, der aus Kohle und aus dem mit Schwefel verbundenen Kalimetall besteht, hat, wenn er gut bereitet ist, die Eigenschaft, die Wasserdaͤmpfe aus der Luft schnell an sich zu ziehen und das Wasser zu zersetzen, so wie das Kalimetall selbst diese Eigenschaft, wegen seiner ungemein starken Verwandtschaft zum Sauerstoff, im hoͤchsten Grade besitzt und wo es mit Wasser zusammen koͤmmt, es unter Entzuͤndung zersetzt. Auch die Knallmetalle gehoͤren hieher. Diese gefaͤhrlichen Verbindungen explodiren bei geringer Erhoͤhung der Temperatur, und einige derselben bringen daher schon bei der leisesten Reibung, selbst wenn die Menge sehr klein ist, eine zerstoͤrende Explosion her- vor. Bei einigen derselben wird diese Wirkung nach der Meinung der Chemiker durch die Zersetzung des in ihnen enthaltenen Am- moniak hervorgebracht, dessen Wasserstoff sich mit dem Sauerstoff des in der Verbindung enthaltenen Metall-Oxydes verbindet; in andern Faͤllen scheint eine eigne, der Cyansaͤure den Bestandtheilen nach fast gleiche Saͤure, Knallsaͤure, die Erscheinung zu bewirken. Auch die uns im gemeinen Leben vorkommenden Koͤrper zei- gen nicht selten Selbst-Entzuͤndungen. Nach mehreren Erfah- rungen ist die fein zerriebene Kohle der Entzuͤndung ohne hinzuge- brachtes Feuer unterworfen, und Auberts Versuche zeigen, daß diese durch die bekannte Faͤhigkeit der Kohle, auch wenn sie nicht zerrieben ist, Luft zu absorbiren, hervorgebracht wird; diese Luft- Absorption bewirkt in der fein zerriebenen Kohle, wenn diese in bedeutender Menge zusammen ist, eine bis auf 180° Cent. gehende Erhitzung und im Innern, etwa 5 bis 6 Zoll von der Oberflaͤche, eine Entzuͤndung, die sich dann nach oben ausbreitet. Die bei dieser Absorption der Luft eintretende Zunahme des Gewichtes der Kohle ruͤhrt, nach Aubert , nicht bloß von dieser Luft, sondern auch von aufgenommenem Wasser her. Wollene Zeuge, die mit Oel befeuchtet sind und auf Stroh liegen, koͤnnen sich, wenn die Sonnenhitze sehr brennend ist, so erhitzen, daß sie sich entzuͤnden Poggend. Ann. XX. 451. Gilb. Ann. LXIII. 426. 439. . Heuhaufen, die feucht zusammen gebracht sind, gerathen in eine Art von Zersetzung, wobei das Heu schwarz wird, und erhitzen sich sehr gewoͤhnlich bis zum Dampfen, zuweilen auch bis zur wirk- lichen Entzuͤndung. Bei Haufen von Korn und bei manchen an- dern Koͤrpern findet etwas Aehnliches statt. Entzuͤndung des Wasserstoffgas durch Beruͤhrung des Platinschwamms . Als eine Selbst-Entzuͤndung von besondrer Art muß ich noch die von Doͤbereiner entdeckte Eigenschaft des Platins anfuͤhren. Wenn man das metallische Platin sich sehr fein zertheilt verschafft, so wie man es bei der Zersetzung des Platinsalmiaks durch Feuer erhaͤlt, so besitzt dieser Platinschwamm die Eigenschaft das uͤber seine Oberflaͤche hin stroͤmende Wasserstoffgas, unter dem Zutritt der atmosphaͤrischen Luft zu entzuͤnden. Doͤbereiner wurde durch eine Reihe von Versuchen auf die Anstellung dieses Versuchs geleitet, indem er bei einem Oxyde des Platins die Eigenschaft, das Wasserstoffgas begierig anzuziehen, entdeckt hatte. Dieses Ent- zuͤnden und das Ergluͤhen des Platins findet in reinem Wasser- stoffgas nicht statt, sondern das aus einer Oeffnung hervordrin- gende Wasserstoffgas muß sich mit atmosphaͤrischer Luft (oder mit Sauerstoffgas) mischen und so an der Oberflaͤche des Platins hin- streichen. Eben diese Wirkung zeigen frisch abgefeilte Platinspaͤne, die jedoch nicht lange wirksam bleiben, aber durch Gluͤhen oder durch Beruͤhrung von Salpetersaͤure oder Salzsaͤure (die durch Abtrocknen wieder weggeschafft sind,) stellt sich die Wirkung wieder her. Platinblaͤttchen wirken nicht wenn sie glatt sind, wohl aber wenn sie sehr unregelmaͤßig faltig zusammengedruͤckt sind. Dieses Metall hat in den angegebenen Zustaͤnden die Eigenschaft, selbst bei gewoͤhnlicher Temperatur, das Wasserstoffgas zu einer Verbindung mit Sauerstoffgas zu veranlassen, und indem diese Verbindung, so schnell statt findend, Waͤrme genug frei macht, so brennt das Wasserstoffgas und der Platinschwamm wird gluͤhend. Nur we- nige andre Metalle (Palladium z. B.) besitzen eben die Eigenschaft, bei mehrern hingegen ist sie nicht in der gewoͤhnlichen Temperatur, wohl aber bei etwas hoͤhern Waͤrmegraden merklich. Man hat den ersten Ursprung dieser Erscheinung aus der starken electrischen Anziehung erklaͤrt, welche das Platin auf den Wasserstoff ausuͤbt, wodurch eine anfangende Erhitzung und, wegen der dadurch erhoͤh- ten Anziehung beider luftfoͤrmigen Stoffe auf einander, das Ver- brennen entstehe; aber diese Erklaͤrung ist doch nicht ganz genuͤgend. Diese Eigenschaft des Platins macht es brauchbar zu eudio- metrischen Bestimmungen; denn wenn man die zu pruͤfende Luft mit Wasserstoffgas mischt, so bringt das hineingebrachte Platin eine Verbindung des vorhandenen Sauerstoffgas mit dem Wasser- stoffgas hervor und aus der Menge der zerstoͤrten Luft ergiebt sich, weil allemal zwei Volumentheile Wasserstoffgas sich mit einem Vo- lumentheile Sauerstoffgas verbinden, die Menge des vorhanden gewesenen Sauerstoffgas. Schlußbemerkungen uͤber die Theorie der Waͤrme . Die bisher mitgetheilten Erfahrungen enthalten die wichtig- sten Erscheinungen, welche die Waͤrme uns zeigt, und sie sollten nun billig uns zu entscheidenden Bestimmungen uͤber die Natur der Grund-Ursache der Waͤrme fuͤhren. Wie weit wir aber von der Kenntniß dieser noch entfernt sind, das habe ich schon mehr- mals bemerkt, und muß auch hier dies Bekenntniß wiederholen. Die meisten Erscheinungen lassen die Erklaͤrung zu, daß der Waͤrme- stoff ein fuͤr unsre Abwaͤgungen nicht merkbares Fluidum ist, das seiner Elasticitaͤt wegen sich uͤberallhin, wo die Temperatur geringer ist, ergießt. Vermoͤge seiner Elasticitaͤt dehnt es die Koͤrper aus, und die schon erhitzten Koͤrper dehnen sich bei gleichen Aenderungen der Temperatur mehr aus, als die minder erhitzten, weil die gegen- seitige Anziehung der Koͤrpertheilchen sich der Ausdehnung weniger widersetzt, wenn sie weiter aus einander geruͤckt sind. Findet der Waͤrmestoff einen Abfluß in einen kaͤltern Koͤrper, so vermindert sich das Volumen des nun abkuͤhlenden Koͤrpers, weil die gegen- seitige Attraction der Koͤrpertheilchen diese wieder ungehindert naͤher an einander bringt. Sie haben gesehen, daß das Abmessen der Waͤrmemenge, die von einem Koͤrper zum andern uͤbergeht, das Abmessen der Waͤrme beim Schmelzen des Eises u. s. w., sich ganz gut diesen Ansichten angemessen zeigte; aber ich habe Ihnen auch nicht verhehlt, daß diese Ansicht — und ebenso jede andre — nicht ohne Schwierigkeit ist. Und so wenig als wir hier zu einem Grade von Gewißheit gelangt sind, eben so wenig koͤnnen wir uns dessen in Beziehung auf den Zusammenhang zwischen Licht und Waͤrme ruͤhmen. Licht und Waͤrme befolgen bei der Strahlung so sehr uͤbereinstim- mende Gesetze, aber sind im Durchgange durch andre Koͤrper doch so sehr verschieden. Die Zuruͤckwerfung geschieht fast nach gleichen Gesetzen, aber bei dem Eindringen des Lichts in die undurchsichti- gen Koͤrper geht dieses, so scheint es uns, ganz verloren, waͤhrend die Waͤrme hier gerade die bedeutendste Wirkung zeigt. Beim Durchgange durch durchsichtige Koͤrper geht das Licht beinahe un- geschwaͤcht durch, statt daß die Waͤrme fast ganz zum Erwaͤrmen des Koͤrpers verwandt wird. Da wo Licht und Waͤrme hervor- gebracht wird, gehen sie gewoͤhnlich zugleich, aber nicht in verhaͤlt- nißmaͤßiger Menge hervor; die Lichtmenge scheint vermehrt zu werden, wenn die Entwickelung der Waͤrme schneller, gleichsam gedraͤngter, statt findet, aber die Waͤrmemenge bleibt darum, wenn sie auch in kuͤrzerer Zeit hervorgeht, unvermehrt. Man hat gesagt, die Waͤrme enthalte das Licht als Bestandtheil, und werde bei sehr lebhafter Entwickelung zersetzt, so daß das Licht frei werde; — ich weiß nicht, ob diese Voraussetzung viel weiter fuͤhrt. Doch es ist passender, diese theoretischen Fragen, zu deren Beantwortung noch kein sicherer Weg eroͤffnet zu sein scheint, in- dem auch eine Undulationstheorie hier schwerlich zum Ziele fuͤhrt, zu verlassen, und an den Dank gegen unsre Vorgaͤnger und unsre Zeitgenossen fuͤr die umfassende Kenntniß der Erscheinungen, welche sie uns verschafft haben, das Bekenntniß zu knuͤpfen, daß die letzte Ursache dieser Erscheinungen uns noch verborgen ist Dreizehnte Vorlesung . Die Untersuchungen uͤber die Electricitaͤt, m. h. H., mit welchen ich Sie jetzt zu unterhalten anfange, gehoͤren ganz der neuren Zeit an, und gewaͤhren uns, da wir ihre Entwickelung vom ersten Anfange an vor uns haben, dadurch eine eigenthuͤm- liche Belehrung, daß sie uns zeigen, wie sich, sobald man nur anfaͤngt zu fragen und zu beobachten, eine Frage nach der andern beantwortet, und sich so ein System entwickelt, das uns zuletzt um so mehr mit Bewunderung und Freude erfuͤllt, je geringer und unbedeutender es in seinem ersten Anfange erschien. In keinem Zweige der Physik hat sich die Kunst, zu errathen, welche Erschei- nungen sich an die schon bekannten anknuͤpfen moͤgen, die Kunst, durch geschickte Anordnung von Versuchen den Grund der Erschei- nungen zu erforschen und die Wahrheit der Hypothesen zu pruͤfen, glaͤnzender gezeigt, als in der Lehre von der Electricitaͤt, wo nicht selten ein einziger neuer Versuch die Grundlage einer ganzen Reihe uͤberraschender und durch wohlgeordnete Versuche bestaͤtigter Kennt- nisse wurde. Erregung der Electricitaͤt durch Reibung . Anziehung . Zwar hat man schon in den aͤltesten Zeiten einige Erschei- nungen bemerkt, die wir jetzt als der Electricitaͤt angehoͤrend ken- nen, aber sie standen so einzeln da und erschienen als so ganz gering- fuͤgig, daß sie kaum einige Aufmerksamkeit erregten. Der Bern- stein ( electrum ) vorzuͤglich war es, von dem man wußte, daß er durch Reibung die Eigenschaft erlange, leichte Koͤrper anzuziehen, und diese Erfahrung hat daher spaͤter Anlaß gegeben, die Kraft, die dabei wirksam ist, Electricitaͤt , also eigentlich Kraft des Bernsteins, zu nennen. Lange Zeit scheint es kaum jemand der Muͤhe werth gefunden zu haben, außer dem Bernstein noch andre Koͤrper aufzusuchen, welche aͤhnliche Eigenschaften besitzen, und in der That konnte auch diese schwache Anziehung nicht die Vermu- thung erregen, daß wir es hier mit einer Kraft zu thun haben, deren Gewalt sich uns im Gewitter in ihrer furchtbaren Staͤrke zeigt, und deren Wirkungen uͤberall von der groͤßten Wichtigkeit sind; daher sind bis zu Ende des 16ten Jahrhunderts außer Bern- stein und Agat (und vielleicht dem Turmalin) keine oder sehr we- nige Koͤrper bekannt gewesen, welche eine solche besondre Anziehung ausuͤben. Erst Gilbert , der gerade im Jahre 1600 sein Buch uͤber den Magnet bekannt machte, war durch die vom Magnet auf Eisen ausgeuͤbte Anziehungskraft darauf geleitet, auch die Anzie- hungen, denen er schon den Namen electrischer Wirkungen beilegt, naͤher zu untersuchen. Er fand, daß es viele Koͤrper gebe, die jene Eigenschaft, durch Reibung anziehend zu werden, besitzen, nament- lich mehrere Edelsteine, Schwefel, Glas und die harzigen Koͤrper. Er uͤberzeugte sich, daß sie ihre Anziehungskraft auf alle leichten Koͤrper wirksam zeigten, daß aber diese Wirkung bei trockner Luft lebhafter hervortrete und durch Feuchtigkeit gehindert werde. Mittheilung der Electricitaͤt . Gegenseitiges Abstoßen . Aber obgleich dies ein recht bedeutender Fortschritt in der Kenntniß der electrischen Koͤrper und ihrer Wirkungs-Art war, so dauerte es doch noch wieder fast ein Jahrhundert, bis neue Erweiterungen dieser Lehre entdeckt wurden. Erst im letzten Drittel des siebzehnten Jahrhunderts stellte Guericke und fast zu eben der Zeit Boyle eine neue Reihe von Versuchen an. Der erstere bediente sich einer Schwefelkugel, die er in einem glaͤsernen Gefaͤße gegossen und mit einer Axe und Handgriff zum Drehen versehen hatte, um durch Reiben mit der Hand sie electrisch zu machen. Er bemerkte, daß dieser electrisch gemachte Koͤrper nicht allein alle leichten Koͤrper an sich zog, und selbst Wassertropfen in seiner Naͤhe gegen sich zu ausgedehnter machte, sondern daß auch eine Abstoßung statt fand, daß naͤmlich der einmal angezogene Koͤrper sich nun von dem electrischen Koͤrper entfernte und erst dann zum zwei- ten Male angezogen wurde, wenn er einen andern Koͤrper beruͤhrt hatte. Das letztere zeigte Guericke an Federchen, die in der Luft schwebend, nach einmaliger Beruͤhrung der electrischen Kugel vor dieser flohen, wenn man die Kugel ihnen naͤherte. Guericke bemerkte, daß diese Federchen selbst wieder faͤhig waren, andre Koͤrper anzuziehen, daß sie also selbst electrisch geworden waren oder Electricitaͤt durch Mittheilung von dem geriebenen Koͤrper erhalten und aufgenommen hatten. Eine Flaumfeder breitete sich aus, so daß die einzelnen Theile abstoßend auf einander wirkten; dagegen ward sie vom Finger angezogen oder uͤbte vielmehr selbst diese an- ziehende Kraft aus, und wenn sie den Finger beruͤhrt hatte, so war sie wieder faͤhig von der electrischen Kugel angezogen zu werden. Einige andere Erfahrungen, die Guericke sich noch nicht erklaͤ- ren konnte, uͤbergehe ich hier; aber die Erfahrung, daß der gerie- bene Schwefel im Dunkeln leuchte, also ein electrisches Licht ent- stehe, kann ich doch nicht unerwaͤhnt lassen. Boyle stellte aͤhnliche Versuche, aber unvollkommner, an, und Wall bemerkte, daß das electrische Licht des Bernsteins mit einem Knistern begleitet war. — Newton scheint zuerst bemerkt zu haben, daß die untere Seite einer Glasscheibe die Wirkungen der Electricitaͤt zeigte, wenn man die obere gerieben hatte, und auch diese Bemerkung ist fuͤr jenen Zustand der Kenntnisse keine ganz unerhebliche. Daß Wollenzeug zum Reiben des Glases besser als Leinen sei, daß es also einen Unterschied der Wirksamkeit des Reibe- zeuges gebe, gehoͤrt auch zu den kleinen Entdeckungen Newtons . Die wichtigen Entdeckungen andrer Art, zu denen New- tons Untersuchungen uͤber das Licht und uͤber die Bewegung der Himmelskoͤrper Anlaß geben, moͤgen die Ursache gewesen sein, daß man die electrischen Untersuchungen in den naͤchsten 30 Jahren wenig weiter brachte; denn erst 1709 trat Hawksbee mit neuen Versuchen auf, unter denen die uͤber das electrische Licht im luft- leeren Raume, die ich spaͤter erzaͤhlen werde, die wichtigsten sind. Ueber das Anziehen und Abstoßen stellte er manche neue Versuche an. Er bediente sich des Glases als eines leicht und stark electrisch werdenden Koͤrpers, und nach ihm hat man fast immer nur Glas- kugeln, Glasroͤhren, Glasscheiben, als die zu diesem Zwecke taug- lichsten Koͤrper angewandt. Er bemerkte, daß seitwaͤrts haͤngende Faͤden alle gegen den Mittelpunct der geriebenen Kugel angezogen wurden, daß sie dagegen nach allen Richtungen aus einander gin- gen, wenn sie selbst mit der electrisirten Kugel oder ihrer Axe ver- bunden waren; ferner daß Faͤden innerhalb einer Glaskugel in Bewegung geriethen, wenn eine andere electrisirte Glaskugel in die Naͤhe gebracht wurde. Er bemuͤhete sich, auch Metalle durch Reibung electrisch zu machen; aber dieses gelang ihm nicht, aus Gruͤnden, worauf wir sogleich zuruͤckkommen. Die durch diese Erfahrungen schon klar angedeutete Mitthei- lung der Electricitaͤt wurde erst 1728 von Grey genauer unter- sucht, und Grey gelangte dadurch zu ganz neuen Aufschluͤssen. Er bediente sich zu seinen Versuchen einer Glasroͤhre, die an beiden Enden mit Korkstoͤpseln geschlossen war und die er durch Reiben electrisch machte; und hier bemerkte er, daß leichte Koͤrper nicht allein vom Glase, sondern auch von dem Kork angezogen und dann wieder abgestoßen wurden, daß also dieser ebenso gut als die geriebene Roͤhre selbst die electrischen Wirkungen ausuͤbte. Um diese Mittheilung weiter zu versuchen, steckte er ein laͤngeres Staͤb- chen mit einer Kugel in den Kork, und auch diese zeigte eben die Wirkungen. Leiter und Nichtleiter . Diese deutlichen Spuren einer Fortleitung der Electricitaͤt, einer Mittheilung auch an entferntere Koͤrper veranlaßten Grey noch weiter zu gehen, eine laͤngere Schnur an jenen Kork zu befestigen und eine damit verbundene Kugel, 26 Fuß tief herab- haͤngend, in die Naͤhe leichter Koͤrper zu bringen, waͤhrend die Roͤhre electrisch gemacht wurde, um zu sehen, ob auch diese Kugel sich electrisch zeige. Der Versuch gelang, so wie alle schon fruͤher fuͤr kleinere Entfernungen angestellten Versuche, und die anziehende Kraft der Electricitaͤt war also hier bis auf so bedeutende Entfer- nungen durch eine haͤnfene Schnur mitgetheilt oder fortgeleitet worden. Grey erkannte vollkommen die Wichtigkeit dieser neuen Entdeckung, und wuͤnschte nun, auch in horizontaler Richtung die Fortleitung zu versuchen; da aber ein Faden oder ein Seil sich durch bedeutende horizontale Entfernungen nicht ohne Unterstuͤtzung fort- fuͤhren laͤßt, und ihm sehr wohl einleuchtete, daß die Electricitaͤt sich vermittelst einer solchen Unterstuͤtzung auch den andern Koͤrpern mittheilen moͤchte, so suchte er diesem Nachtheile dadurch abzuhelfen, daß er eine duͤnne und zwar eine seidene Schnur waͤhlte, um damit die horizontal fortgefuͤhrte haͤnfene Schnur zu unterstuͤtzen. Wirklich gelang so die Fortleitung der Electricitaͤt bis zu mehr als 100 Fuß Entfernung; aber als Grey , da die Seide brach, einen feinen Metalldrath anwandte, war die Fortleitung nach der Rich- tung, wo man die Wirkungen der Electricitaͤt zu erhalten wuͤnschte, nicht mehr moͤglich, sondern der Metalldrath zeigte sich, seiner Feinheit ungeachtet, selbst als Leiter der Electricitaͤt, statt daß Seide nun als ein Nichtleiter erkannt, und so der wichtige Unterschied zwischen Koͤrpern, welche die Electricitaͤt leiten, und welche sie nicht leiten, deutlich bewiesen wurde. Die Leitungsversuche wurden von Grey noch weiter fort- gesetzt, indem er Schnuͤre, die Leiter waren, bis zu mehr als 700 Fuß fortfuͤhrte, und wenn sie durch Seide von der Verbindung mit andern, seitwaͤrts ableitenden, Koͤrpern getrennt waren, auch in diesen Entfernungen Wirkungen der Electricitaͤt erhielt. Die Untersuchung, welche Koͤrper leiteten oder nicht leiteten, lehrte bald Harze, Glas, Seide, als Nichtleiter, Metalle, feuchtes Holz, haͤn- fene Seile, als Leiter kennen. Ich breche hier die historischen Nachrichten ab, da es jetzt noͤthig wird, bei jedem Gegenstande ausfuͤhrlich zu verweilen, und da die bis zu Grey's Versuchen im Jahre 1729 so langsam fortschreitenden Kenntnisse nun in Beziehung auf mehrere Theile der Electricitaͤtslehre erweitert wurden; indeß werde ich gelegentlich III. O wieder auf die Geschichte der weitern Fortbildung der einzelnen Zweige unserer Kenntnisse von der Electricitaͤt zuruͤckkommen. Die Entdeckung, daß einige Koͤrper der Electricitaͤt keinen leichten Durchgang gestatten, ist in mehr als einer Hinsicht wichtig. Sie setzt uns in Stand, die Koͤrper, die wir durch Mittheilung electri- siren wollen, gegen den Verlust der Electricitaͤt zu sichern, indem wir sie isoliren , das ist, sie durch Nichtleiter, am liebsten durch Glasfuͤße oder durch Unterlagen von harzigen Koͤrpern, oder durch Aufhaͤngen an Seide, von andern Koͤrpern, auf welche die Electri- citaͤt uͤbergehen koͤnnte, trennen. Sie lehrt uns den Grund des Mißlingens der electrischen Versuche bei feuchtem Wetter kennen, indem wir nun einsehen, daß nur die trockene Luft ein guter Richt- leiter der Electricitaͤt ist, statt daß feuchte Luft eine Ableitung gestattet. Sie erklaͤrt manche einzelne Versuche, und bei dieser Erklaͤrung muß ich etwas laͤnger verweilen. Man pflegt, um das Anziehen und Abstoßen der Koͤrper bei dem Electrisiren zu zeigen, leichte Kugeln, gewoͤhnlich von Hol- lundermark, an Faͤden aufzuhaͤngen. Reibt man nun eine Glas- roͤhre und naͤhert sie jenen Koͤrpern, so ist die erste Wirkung, daß sie von dem electrisirten Koͤrper angezogen werden, bei allen gleich, die Faden moͤgen leitend oder isolirend sein. Aber wenn unter jenen Kugeln einige an seidenen Faͤden haͤngen, andre an leinenen oder an duͤnnen Metallfaͤden, und wenn die letztern durch Metalle oder auch nur durch Holz oder Stein mit groͤßern Koͤrpern in Ver- bindung stehen; so findet man, daß die erstern, nachdem sie von der Glasroͤhre Electricitaͤt erhalten haben, abgestoßen werden, waͤh- rend die durch Leiter mit andern Koͤrpern in Verbindung stehenden kleinen Kugeln immerfort angezogen werden. Jene an Seide haͤngenden Kuͤgelchen behalten, weil die Seide ein Nichtleiter ist, die ihnen mitgetheilte Electricitaͤt, und zeigen uns, daß die schon mit Electricitaͤt geladenen Koͤrper von dem Koͤrper, welcher ihnen Electricitaͤt ertheilte, abgestoßen werden; die durch Leitung mit andern Koͤrpern in Verbindung stehenden Kugeln verlieren in jedem Augenblicke die erlangte Electricitaͤt und werden daher im- mer auf's neue von dem electrisirten Glase angezogen. Die isolir- ten Kugeln, sie moͤgen an Seidenfaͤden haͤngen oder durch einen Glasstab, an welchem der Faden befestigt ist, von andern Koͤrpern getrennt sein, kehren, wenn sie einen andern Koͤrper beruͤhrt und an ihn ihre Electricitaͤt abgesetzt haben, zu der electrisirten Glas- roͤhre zuruͤck, um sich neue Electricitaͤt zu holen, und wiederholen oft dieses Hin- und Zuruͤckgehen. Schon bei den gewoͤhnlichsten Versuchen mit geriebenem Siegellack oder geriebenem Glase bemer- ken wir dies, indem kleine Papierstuͤckchen abwechselnd herankom- men und wieder zu einem leitenden Koͤrper zuruͤckgehen, so daß sie, wenn die Electricitaͤt stark und dauernd genug ist, ihren Tanz, am besten zwischen einem breiten Leiter der unter einem horizontalen, gleichfalls breiten, electrisirten Koͤrper gehalten wird, lange fort- setzen. Das electrische Glockenspiel, wo eine metallene Glocke, isolirt gehalten, electrisirt wird, andre mit Ableitung versehene metallene Glocken in der Naͤhe jener stehen, und Metallkugeln an seidenen Faͤden zwischen jener und diesen haͤngen, gehoͤrt auch hierher. Die Metallkugeln, die an seidenen Faͤden haͤngen, werden von der electrisirten Glocke angezogen und dann zu den nahe stehenden Glocken abgestoßen, kehren aber, sobald sie ihre Electricitaͤt an diese uͤbertragen haben, zu der ersten zuruͤck, und setzen ihr Gelaͤute so lange fort, als der mittleren Kugel Electricitaͤt ertheilt wird. Um die Electrisirung eines leitenden aber isolirt aufgestellten Koͤrpers wahrzunehmen, pflegt man zwei Kugeln an leinenen Faͤden, oder zwei Strohhaͤlmchen an diesem Koͤrper selbst neben einander aufzuhaͤngen. Sobald der Koͤrper electrisirt wird, erhalten auch diese angehaͤngten Koͤrper Electricitaͤt, und ihr Auseinandergehen, weil sie sich abstoßen, zeigt, daß jener Leiter electrisirt ist. Bedient man sich eines langen metallenen Leiters, der auf Glas ruht, und nirgends Spitzen darbietet, (denn diese geben Ableitung); so gehen die Strohhalme, selbst am entferntesten Ende des Leiters, in dem- selben Augenblicke aus einander, da man ihn mit dem electrisir- ten Koͤrper irgendwo beruͤhrt. Sind die Glasfuͤße vollkommen trocken, ist auch die Luft trocken und alle Ableitung vermieden, so bleibt dieser Leiter lange in seinem electrischen Zustande, und verliert die Electricitaͤt nur dadurch nach und nach, weil die Luft, selbst wenn sie trocken ist, doch nicht ganz nichtleitend ist. Bei feuchter Luft verliert der isolirte Leiter viel schneller seine Electri- O2 citaͤt. Allemal aber wenn man ihn mit einem metallischen Leiter auch nur aufs mindeste beruͤhrt, ist die Electricitaͤt sogleich gaͤnz- lich abgeleitet. Die Leitungsfaͤhigkeit der Koͤrper ist sehr verschieden. Die Metalle gehoͤren alle zu den besten Leitern, aber wir werden spaͤter doch auch unter ihnen Grade der bessern Leitung bestimmen lernen. Kohle ist ein fast ebenso guter Leiter als die Metalle. Erze sind gleichfalls leitend und manche Steine sind es, weil sie fast nie ohne einige Feuchtigkeit sind; Holz und andre Koͤrper, die irgend etwas von Feuchtigkeit aufnehmen, leiten desto mehr, je feuchter sie sind; Pflanzen und die meisten Theile der thierischen Koͤrper, auch die Knochen, sind Leiter. Dagegen sind alle Glas-Arten Nichtleiter oder Isolatoren. Alle harten Steine, ferner Phosphor, Schwefel, alle harzigen Koͤrper, voͤllig trockene Salze, sind Nichtleiter. Die Hoͤlzer und die weichern Stein-Arten isoliren desto besser, je mehr ihnen alle Feuchtigkeit entzogen ist. Seide, Federn, trockene Haare und Pelz sind Richtleiter. Das Wasser ist ein Leiter, vorzuͤglich wird die Electricitaͤt an seiner Oberflaͤche gut fortgeleitet; fette Oele dagegen isoliren vollkommen. Die trockene Luft ist ein Nichtleiter und dadurch entsteht die Moͤglichkeit, die Electricitaͤt anzuhaͤufen, die gaͤnzlich fehlen wuͤrde, wenn die, alle Koͤrper um- gebende, Luft ein guter Leiter waͤre; in sehr feuchter Luft ist es wirklich kaum moͤglich, Electricitaͤt merkbar zu machen. Uebrigens aͤndert sich die Leitung bei verschiedenem Zustande der Koͤrper, schmelzendes Harz wird leitend und sehr heißes Glas gleichfalls. Bei Koͤrpern, die nur schwach leiten, wird es merklich, daß sie bei groͤßerer Laͤnge und bei geringerer Dicke die Ableitung mehr hin- dern. Daher darf man die Glasfuͤße, auf welchen der zu isolirende Koͤrper ruht, nicht zu kurz machen; auch duͤrfen dieser Unter- stuͤtzungen nicht zu viele sein, weil doch jede in einigem Grade Electricitaͤt entweichen laͤßt. Wir werden bald Mittel finden, die Vortheile, die hier der eine oder der andre Koͤrper gewaͤhrt, noch genauer anzugeben. Metalle werden durch Reiben electrisch . Man glaubte ehemals diejenigen Koͤrper als idio-electrische, als faͤhig selbst electrisch gemacht zu werden, ansehen zu duͤrfen, die durch Reiben diese Eigenschaft erhalten; aber bei naͤherer Untersuchung zeigt es sich, daß alle Koͤrper durch Reiben electrisch werden. Es ist naͤmlich einleuchtend, daß ein Metall, welches ich in die Hand nehme, beim Reiben keine Electricitaͤt zeigen kann, weil die erregte Electricitaͤt sogleich der Hand zu geleitet wird, und so sich der Erde und allen umgebenden Koͤrpern mittheilt. Um zu entscheiden, ob auch Metalle durch Reibung electrisch werden, muß man sie mit einem Handgriffe von Glas oder Harz versehen, oder da, wo man sie mit der Hand haͤlt, die Leitung zur Hand hinuͤber durch Seide unterbrechen, und es findet sich, daß auch die Metalle dann durch Reibung electrisch werden. Der ganze Unterschied liegt also nur in der Leitung. Das Glas wird nur an den Stellen electrisch, wo man durch Reiben die Electri- citaͤt hervorruft, und selbst eine ganz nahe an jenen Puncten statt findende Beruͤhrung leitet die Electricitaͤt nicht ab; ein geriebenes Metall dagegen zeigt sich, wenn es sorgfaͤltig isolirt gehalten wird, an seiner ganzen Oberflaͤche electrisirt, verliert aber auch jede Spur von Electricitaͤt, sobald man es nur im geringsten beruͤhrt. Am Glase, am geriebenen Siegellack und aͤhnlichen Koͤrpern kann man zahlreiche Puncte der Oberflaͤche durch Beruͤhrung der Electricitaͤt berauben, und dennoch zeigen sich diese Koͤrper noch electrisch, weil noch unberuͤhrte Puncte uͤbrig bleiben; es ist daher schwer, ein electrisirtes Glas durch viele Beruͤhrung so gaͤnzlich von aller Elec- tricitaͤt zu befreien, daß es keine Spur von Wirkung mehr zeige, und erst nach laͤngerer Zeit oder durch die umgebende feuchte Luft oder durch ein Anhauchen findet endlich das Aufheben aller electri- schen Wirkung statt. Electroscope . Electrometer . Schon diese wenigen Kenntnisse setzen uns in Stand, Mittel zu Abmessung der Electricitaͤt zu finden, indem die Anziehungs- kraft, welche ein electrisirter Koͤrper gegen einen unelectrisirten aus- uͤbt, und die Abstoßungskraft, mit welcher zwei aus derselben Quelle mit Electricitaͤt geladene Koͤrper auf einander wirken, uns als Maaß fuͤr die Staͤrke der Electricitaͤt dienen. Indeß sehr oft ist es uns nicht um ein genaues Maaß dieser Kraft, sondern nur um ein Kenntlichmachen einer staͤrkern oder schwaͤchern Electricitaͤt zu thun, und hiezu dienen unsre gewoͤhnlichen Electrometer, die daher eigentlich nur Electroscope, Electricitaͤtszeiger, heißen sollten, nicht Electricitaͤtsmesser. Um die Electricitaͤt eines isolirten Lei- ters kenntlich zu machen, haͤngt man sehr oft nur zwei Hollunder- markkugeln an leitenden Faͤden an ihm auf, und da diese, weil sie mit dem Leiter zugleich electrisch werden, sich einander abstoßen, so giebt ihre Divergenz, ihr Auseinandergehen, eine Andeutung von der Ladung des Leiters, und man erkennt das Zunehmen der La- dung an einer staͤrkern Divergenz der Faͤden. Statt dieser Faͤden haͤngt man bei sehr schwachen Ladungen zwei Goldblaͤttchen so neben einander, daß sie sich mit ihren breiten Flaͤchen beruͤhren; ihr Aus- einandergehen ist schon bei sehr geringen Ladungen erheblich genug, um die Ladung zu zeigen. Man bringt zu Erkennung schwacher La- dungen diese Goldblaͤttchen oder auch sehr leichte Kugeln oder Stroh- haͤlmchen sehr gewoͤhnlich innerhalb des Glascylinders ABCD ( Fig. 42. ) an, wo dann der metallene Boden AB durch den Leiter FG mit den Blaͤttchen oder Faͤden E, E, in Verbindung steht, das Glas ABDC aber zur Isolirung und zum Schutze gegen Luftzug dient; bei F wird der zu pruͤfende electrisirte Koͤrper mit dem Electroscop in Verbindung gesetzt. Wenn solche Faͤden oder Strohhalme an dem Leiter selbst an mehreren verschiedenen Puncten angebracht werden, so gehen sie alle zugleich aus einander, wenn man an irgend einem Puncte des Leiters diesem Electricitaͤt mittheilt, und dieses selbst dann wenn der Leiter sehr erheblich lang ist, nur ver- steht es sich, daß der Leiter isolirt sein muß, und uͤberdieß muß er nirgends Spitzen oder allzu duͤnne auslaufende Theile darbieten, indem diese, aus Gruͤnden, die ich erst spaͤter anfuͤhren werde, die Electricitaͤt ableiten. Ist die Electricitaͤt stark, so bedient man sich schwerer Koͤrper; eine Kugel A ( Fig. 43 . ) die durch einen Metalldrath BA mit dem Fuße CD in Verbindung steht, wird von der Kugel E abge- stoßen, und der hinter beiden Kugeln A, E, angebrachte Quadrant zeigt den Grad der Abstoßung und dadurch eine Vergleichung der mehrern oder mindern Staͤrke der Electricitaͤt; bei sehr starken Ladungen kann man diesen Kugeln eine bedeutendere Groͤße geben, immer aber muß auch an dem Electroscop jede Art von Spitzen vermieden sein, damit die Electricitaͤt nicht ausstroͤme. Dieses Electroscop wird mit seinem leitenden Fuße DC auf dem Leiter befestigt, welchen man untersuchen will. Eben den Zweck erfuͤllen die Fig.44. dargestellten zwei Electrometer, von denen ich bald Gebrauch machen werde. Sie bestehen, beide ganz gleich, aus einem Leiter CBDE, der sich in E, C, in Kugeln endigt, und auch bei D, F, hinreichend abgerundet ist, um kein Ausstroͤmen der Electricitaͤt bei den maͤßigen Ladungen, wozu man sie nur an- wenden kann, zu gestatten. Der Fuß AB ist von Glas und mit Lack uͤberzogen, um alle Ableitung zu hindern. Neben DE befindet sich ein Strohhalm GH, der in seiner Mitte F auf einer Axe aufliegt, die ihm gestattet, mit Leichtigkeit von DE zuruͤckzu- weichen, und der Gradbogen HI zeigt, wie viel er sich in jedem Falle entfernt. Der Strohhalm ist beinahe im Gleichgewichte, jedoch so daß er mit einem geringen Uebergewichte zur verticalen Stellung gelangt; da er nun durch die leitende Axe F mit dem Leiter CDE verbunden ist, so wird er abgestoßen, sobald man diesem Leiter kleine Ladungen von Electricitaͤt ertheilt, und wenn gleich die Grade, die man an dem Gradbogen HI abliest, nicht eigentlich Grade der Electricitaͤt sind, so irrt man doch nicht so gar sehr, wenn man eine Electricitaͤt, die 40° Abstoßung bewirkt, fuͤr doppelt so stark als die, welche 20° bewirkt, ansieht. Hat man zwei solche Electrometer, die bei ganz gleichen Abmessungen auch so abgeglichene Strohhalme haben, daß sie bei gleicher Electricitaͤt auch gleiche Grade zeigen, so sind diese uͤbereinstimmenden Electro- meter zu manchen Zwecken brauchbar. Um sich von dieser Gleich- heit zu uͤberzeugen, bringt man beide Leiter CD, ed, bei C, c, in Beruͤhrung, und sieht, ob dann die Strohhalme gleiche Grade zeigen, welches man durch kleine Correctionen bewirken kann, wenn es nicht statt findet. Daß aber die Bogengrade ziemlich nahe fuͤr Grade der electrischen Ladung gelten koͤnnen, so nahe als es die hier nur beabsichtigten Versuche fordern, davon uͤberzeugt man sich auf folgende Weise. Man giebt dem einen Electrometer, wenn es mit dem andern noch nicht in Beruͤhrung ist, eine Ladung, die den Strohhalm zum Beispiel auf 40° bringt; man ruͤckt nun das andre noch ungeladene Electrometer hinan, damit bei Cc eine Mittheilung, ohne weitere Ableitung, statt finde; dann hat, wegen der ganz gleichen Gestalt, jedes der beiden Electrometer die Haͤlfte der vorigen Ladung und beide gehen nun nahe genug auf die halbe Anzahl Grade, auf 20°, herab. Trennt man sie nun, entladet das eine durch Beruͤhrung mit dem Finger, und laͤßt durch neue Mittheilung bei Cc die Ladung sich wieder halbiren, so kommen beide auf 10°. So wenig strenge diese Vergleichung ist, so reicht sie doch in vielen Faͤllen um so mehr zu, da man den Strohhalm doch immer nur in einiger Entfernung von dem Bogen HI darf vorbeigehen lassen und deshalb die Beobachtung der Grade nur mittelmaͤßige Genauigkeit zulaͤßt. Wenn man aͤhnlich angeordnete Electrometer so einrichtet, daß das eine 30° zeigt, das zweite 20°, das dritte 10°, bei gleichen Ladungen, so kann man das letztere bei staͤrkern Ladungen anwenden, wo das erste nicht mehr brauchbar ist, und so doch noch eine ziemlich sichere Vergleichung zwischen staͤrkern und schwaͤchern Ladungen erhalten. Weit mehr zu genauer Abmessung brauchbar ist die Cou- lombsche Drehwaage, die jedoch nur bei schwachen Ladungen kleiner Koͤrper anwendbar ist. Sie besteht aus einem Staͤbchen AB, das in seinem Schwerpuncte ( Fig. 45. ) an dem sehr feinen Faden DE befestigt ist und daher horizontal schwebend an dem Faden haͤngt. Da der Faden sehr duͤnne ist und auch eine nicht zu geringe Laͤnge FE hat, so wird er der Drehung nur eine hoͤchst geringe Kraft entgegensetzen, und obgleich das Staͤbchen AB in einer bestimmten Lage zur Ruhe koͤmmt, so wird doch selbst die unbedeutendste Kraft dasselbe um mehrere Grade fortruͤcken und dadurch eine Drehung des Fadens bewirken. Diese Drehung, die Anzahl Grade, um welche der Faden gedreht ist, giebt ein Maaß der drehenden Kraft, und es laͤßt sich zeigen, daß ganz genau die zehnfache Kraft das Staͤb- chen um zehnmal so viele Grade fortdreht, als die einfache Kraft. Um nun diese Coulombsche Drehwaage bequem zu gebrau- chen, ist der Faden mit dem Staͤbchen in einem cylindrischen Glase, so das E den Mittelpunct des Glases einnimmt, und auf dem Um- fange des Glases ist in der Hoͤhe, wo der Waagebalken schwebt, eine Theilung in 360 Grade, um die Stellung von AB genau beobachten zu koͤnnen. Der Faden wird oben bei F in einer Klemme festgehalten und diese ist mit einem Zeiger versehen; aͤndert man nun die Stellung der Klemme so, daß der Zeiger um 10 Gr. fortruͤckt, so wird sich auch die Stellung, wobei das Staͤbchen zur Ruhe koͤmmt, um 10 Gr. aͤndern, und man hat es also in seiner Gewalt, die Ruhestellung, wo man will, zu bewirken. Fuͤr den Gebrauch als Electrometer macht man das Staͤbchen AB von Gummilack und befestigt daran eine kleine Kugel von Hollunder- mark, die also isolirt ist; bei C befindet sich am Glase eine gleiche, ebenfalls isolirte Kugel, und man stellt nun die Klemme so, daß die Kugel A sich grade dann an C anlegt, wenn der Faden DE ganz ungedreht ist. Giebt man nun den an einander liegenden Kugeln eine geringe electrische Ladung, z. B. indem man ein sehr kleines geladenes Metallkuͤgelchen mit ihnen in Beruͤhrung bringt, so stoßen sie sich einander ab, und A entfernt sich von der unbeweg- lichen Kugel C; je mehr sie sich entfernt, desto mehr wird der Faden gedreht und widersetzt sich daher mit immer staͤrkerer Gewalt der weitern Drehung, und da zugleich die Abstoßung bei groͤßeren Ab- staͤnden gewiß geringer wird, so tritt endlich ein Gleichgewicht ein, so daß die abgestoßene Kugel z. B. auf 80° zur Ruhe koͤmmt, wenn C sich bei 0° befindet. Faͤnde man bei der Pruͤfung einer andern Ladung weniger Grade, so waͤre sie schwaͤcher, und um sie mit der vorigen zu vergleichen, muͤßte man ganz wenig oben an der Klemme drehen, um die Kugel A auch jetzt auf 80° zu bringen; gesetzt dies haͤtte eine Aenderung von 20° an dem Zeiger bei F gefordert, so betruͤge die Drehung des Fadens nur 80 - 20 = 60°, und die Drehungskraft des Fadens waͤre nur drei Viertel der vorhin statt findenden, also auch die bei gleichem Abstande ausgeuͤbte Ab- stoßungskraft im letzten Falle nur ¾ der vorigen. Einige Versuche mit dem Electrometer . Mit diesem Instrumente hat Coulomb den Verlust, den eine schwache electrische Ladung in der Luft leidet, abgemessen. Haͤtte zum Beispiel der mit 80° uͤbereinstimmende Abstand an- fangs eine Drehungskraft von 80°, nach 2 Min. nur von 76° gefordert, um im Gleichgewichte gehalten zu werden, so wuͤrde der Verlust in 2 Min. ein Zwanzigstel betragen haben. Dieser Verlust betraͤgt, wie Coulombs Versuche zeigen, bei unveraͤndertem Zustande der Luft, immer einen gleichen Theil der noch uͤbrigen Ladung, so daß, wenn man nach laͤngerer Zeit den Abstand von 80° schon mit einer Drehungskraft = 40° erhalten konnte, der Verlust an Drehungskraft in 2 Min. nur 2° betrug, u. s. w. Auch uͤber die ungleiche Vollkommenheit der Isolirung lassen sich Versuche mit der Drehwaage, jedoch auch nur in Beziehung auf schwache Ladungen anstellen. Das Siegellack und Gummilack ist so sehr gut isolirend, daß es schwache Ladungen schon bei geringer Laͤnge fast gar nicht ableitet. Man kann sich davon uͤberzeugen, wenn man die ruhend bleibende Kugel C ( Fig. 45. ) bald auf einem duͤnnen Lackfaden, bald auf zweien oder dreien ruhen laͤßt, indem in allen diesen Faͤllen der Verlust an Electricitaͤt in gleichen Zeiten fast gleich bleibt. Dagegen, wenn eben diese Kugel an einem einzelnen, nicht sehr langen Coconseidenfaden haͤngt, so verliert sie die Electricitaͤt schneller, an zwei Faͤden haͤngend noch schneller u. s. w. Nach Coulombs Versuchen ist ein Faden von Siegellack oder auch von Gummilack ½ Lin. dick und 1½ Zoll lang fuͤr maͤßig gela- dene Hollundermarkkugeln von ½ Zoll Durchmesser fast voͤllig strenge isolirend; auch ein Seidenfaden mit Siegellack uͤberzogen thut eben die Dienste. Dagegen isolirt ein feiner Glasfaden von 5 bis 6 Zoll lang oder ein Haar oder ein Seidenfaden nur an sehr trockenen Tagen, man muß diese daher mit Gummilack uͤberziehen. Die minder gute Isolirung durch Seide oder Glas ist vorzuͤglich bei etwas staͤrkern Ladungen merklich, bei sehr schwachen Ladungen ist die abstoßende Kraft der Electricitaͤt nicht groß genug, um in diesen doch immer noch uͤberaus schlechten Leitern die Electricitaͤt fortzutreiben. Laͤngere Faͤden isoliren besser, so daß ein viermal so langer Faden die doppelt so starke Electricitaͤt noch vollkommen isolirt, wenn die einfache Laͤnge die einfach starke Electricitaͤt noch vollkommen gut isolirte; aber diese Vergleichung gilt nur in Be- ziehung auf gleich trockne Luft und auf gleich dicke Faͤden. Uebri- gens findet sich bei gleichem Zustande der Luft der allmaͤhlige Ver- lust gleich, der Koͤrper sei positiv oder negativ electrisirt. Der Gebrauch der Drehwaage ist ihrer großen Beweglichkeit wegen etwas schwierig, und sie kann zu fehlerhaften Schluͤssen Anlaß geben, wenn irgend ein andrer Theil des Instruments auch nur die geringste Spur von Electricitaͤt angenommen hat; man muß daher bei ihrem Gebrauche große Vorsicht anwenden. Doch es ist Zeit, daß ich diese, mehr auf Einzelheiten gehen- den, Betrachtungen verlasse, und Sie mit einer der folgenreichsten Entdeckungen bekannt mache, die uns neue, wesentliche Belehrung uͤber die Natur der electrischen Erscheinungen gewaͤhrt. Entgegengesetzte Electricitaͤten . Nach allen bisher angefuͤhrten Erfahrungen, und nach alle dem, was man bis zu Grey's Untersuchungen kennen gelernt hatte, schien es gar keinen Zweifel zu leiden, daß ein electrisirter Koͤrper, wenn man mehr Electricitaͤt hinzubringt, auch staͤrkere Wirkungen zeige muͤsse; und eben so wenig konnte man zweifeln, daß die Abstoßung, die wir zwischen zwei electrisirten Koͤrpern be- merkt haben, ganz allgemein zwischen jeden zwei electrisirten Koͤr- pern sich zeigen muͤsse; aber hier findet sich eine sehr merkwuͤrdige Verschiedenheit, die Dufay 1733 bemerkte. Wenn man ein leichtes Kuͤgelchen an einem seidenen Faden aufhaͤngt und es mit geriebenem Siegellack beruͤhrt, so wird das Kuͤgelchen electrisch, und wird vom Siegellack abgestoßen; so oft man das Siegellack wieder naͤhert; erneuert sich diese Abstoßung, so lange als das Kuͤgelchen seine Electricitaͤt nicht verloren hat. Aber man naͤhere nun dem durch Siegellack electrisirten Kuͤgelchen eine geriebene Glasroͤhre, so wird jenes mit großer Gewalt gegen diese angezogen werden; und wenn man das Kuͤgelchen zur Beruͤhrung mit dem Glase hat kommen lassen, wenn es die Electricitaͤt des Glases angenommen hat, so wird es von dem geriebenen Glase abgestoßen, vom gerie- benen Siegellack aber stark angezogen; und so finden immer bei der Electrisirung durch Glas und bei der Electrisirung durch Sie- gellack zwar genau gleiche Erscheinungen statt, so lange man immer nur einen dieser Koͤrper dem durch ihn electrisirten Koͤrper nahe bringt, aber entgegengesetzte Wirkungen, wenn man bald Glas bald Siegellack dem electrisirten Koͤrper naͤhert. Diese Beobachtung veranlaßte Dufay zwei verschiedene Electricitaͤten, die Glas-Electricitaͤt und die Harz-Electricitaͤt anzunehmen; Sie werden aber bald sehen, daß diese Namen nicht passend sind. Dagegen finden wir uns veranlaßt, diese Electrici- taͤten entgegengesetzte zu nennen, weil sie sich ganz so ver- halten, daß ein Hinzuthun der einen ein Vermindern der andern bewirkt. Die vorhin beschriebenen zwei voͤllig gleichen Electrometer ( Fig. 44. ) zeigen dies sehr gut. Wenn wir zuerst beide einzeln gleich stark mit Siegellack electrisiren, und sie sind so angeordnet, daß diese gleiche Electrisirung sich durch eine Abstoßung zu gleichen Graden zeigt, so bleibt die Abstoßung gleich, auch wenn man beide sich in C, c, beruͤhren laͤßt; ferner, wenn man beide mit Siegellack electrisirt, aber ungleich, so daß das eine Electrometer 20 Grade, das andre 50 Grade zeigt, so kommen sie beide auf 35 Grad bei der gegenseitigen Beruͤhrung, und so in allen Faͤllen auf den mittlern Grad. Genau ebenso verhaͤlt es sich, wenn beide Electrometer durch die Beruͤhrung mit geriebenem Glase electrisirt sind. Aber nun electrisire man das eine jener Electrometer mit Glas, das andre mit Siegellack und bringe sie beide einzeln zu gleichen Graden der Abstoßung; so gehen beide bei der Beruͤhrung auf Null herab, das ist, die eine Electrisirung hat in der Beruͤhrung die andre voͤllig unthaͤtig gemacht, ihre Wirkung ganz aufgehoben, obgleich nur eine Mittheilung des einen isolirten Koͤrpers an den andern statt fand. Man electrisire das eine mit Glas, bis es auf 50 Gr. gekommen ist, das andre mit Siegellack, bis es auf 20 Grad gekom- men ist; so gehen sie bei der Beruͤhrung nicht bis auf die Mittel- zahl 35, sondern bis auf 15 Grad herab, und diese noch uͤbrige Electricitaͤt ist der Art nach mit der der staͤrkern Ladung gleichartig, also hier dem Glase entsprechend, wie man daraus sieht, daß sie durch neue Electricitaͤt des Glases vermehrt, durch neu hinzukom- mende Electricitaͤt des Siegellacks geschwaͤcht wird. Es ist also ganz klar, daß gleiche Grade beider Electricitaͤten vereinigt sich voͤllig zerstoͤren, daß dagegen 20 Grade der einen von den 50 Gra- den der andern nur 20 zerstoͤren, wo dann aber der Ueberrest von 30 Graden, weil er sich auf beide Electrometer austheilt, jedes nur auf 15 Grad bringt. Diese wenigen Beispiele zeigen deutlich die in allen Faͤllen sich bestaͤtigende Regel, daß die den beiden gleichen Electrometern ertheilten Electricitaͤten, indem sie sich unter beide gleich austheilen, sie auf die halbe Summe der Grade brin- gen, wenn es gleichartige Electricitaͤten waren, auf die halbe Dif- ferenz, wenn es ungleichartige Electricitaͤten waren. Dieses Verhalten ist ganz dem gemaͤß, was bei den in der Arithmetik oder Algebra mit positiv (+) und mit negativ (-) bezeichneten Groͤßen statt findet. Gewinn und Verlust stehen ein- ander als positive und negative Groͤßen entgegen, und bieten daher die besten Beispiele zur Vergleichung dar. Wenn zwei Personen sich vornehmen, ihren Gewinn oder Verlust im Spiele gleich zu theilen, so hat keiner dem andern etwas zu geben oder von ihm zu fordern, wenn ihre Gewinne gleich oder wenn die Verluste gleich sind; hat dagegen der eine 20, der andre 50 gewonnen, so ist 35 der Gewinn eines jeden, und ebenso wenn beide verloren haben; dagegen wenn der eine 50 gewonnen, der andre 50 ver- loren hat, so gleicht sich dies voͤllig aus, und sie haben beide weder Gewinn noch Verlust; hat einer 50 gewonnen, der andre 20 ver- loren, so gehen 20 von dem Gewinne auf diesen uͤber und dann erst werden die uͤbrigen 30 unter beide gleich getheilt, so daß der Gewinn eines jeden 15 ist. Da es sich nun bei den Ladungen mit den beiden verschiedenen Electricitaͤten ebenso wie hier mit den positiven und negativen Groͤßen, mit Gewinn und Verlust, verhaͤlt, so ist dies die Ursache, warum man die eine Electricitaͤt, die durch Reibung des glatten Glases mit Wolle oder Seide am Glase her- vorgebrachte, die positive , kurz + E, die andre Electricitaͤt, die wir durch Reiben an Bernstein, Siegellack, Harz, Schwefel erhalten, die negative Electricitaͤt , oder - E, nennt. Sie werden bald sehen, daß die Vergleichung mit Gewinn und Verlust sich in Beziehung auf die entgegengesetzten Electricitaͤten noch weiter fortfuͤhren laͤßt. Um auch ohne jene zwei gleichen Electrometer die Wirkungen der entgegengesetzten Electricitaͤten zu zeigen, hat man nur noͤthig, am einen Ende eines Leiters, der nur einige Zolle lang zu sein braucht, aber einen Fuß von Glas mit Lack uͤberzogen haben muß, zwei leitende Koͤrper, Goldblaͤttchen oder leinene Faͤden mit Kuͤgel- chen, oder Strohhalme aufzuhaͤngen. Beruͤhrt man nun ( Fig. 46. ) das eine Ende A des Leiters mit geriebenem Siegellack, so gehen die Kugeln B aus einander. Bringt man, waͤhrend dies statt findet, gegen A zu, ohne noch zu beruͤhren, abermals geriebenes Siegellack, so gehen die Kugeln weiter aus einander, bringt man dagegen ebenso geriebenes Glas gegen A zu, so naͤhern sich die Kugeln einander, fallen auch wohl ganz zusammen. Man stellt diese Electrometer, wie schon vorhin erwaͤhnt ist, in der Form Fig. 42. auf, und gebraucht sie, wenn der Koͤrper FG, der auf dem cylindrischen Glase AD ruht und folglich isolirt ist, irgend eine Electricitaͤt erhalten hat, zur Untersuchung, ob es positive oder negative Electricitaͤt ist, indem ein gegen F zu genaͤherter electri- sirter Koͤrper die Kugeln mehr aus einander treibt, wenn er die- jenige Electricitaͤt bringt, welche der Koͤrper FG Fig. 42. schon besitzt. Entgegengesetzte Electricitaͤten der beiden geriebenen Koͤrper . Die Frage, ob bei der Reibung die positive oder die negative Electricitaͤt hervorgehen wird, ist nicht immer leicht zu beantworten, und es beruht der Erfolg sogar auf Nebenumstaͤnden; aber eine merkwuͤrdige Regel steht ganz fest, naͤmlich daß unter zwei Koͤr- pern, die an einander gerieben Electricitaͤt hervorbringen, allemal der eine positiv, der andre negativ electrisch ist Saxtorph bemerkt, es gebe auch hier Ausnahmen, indem zwei an einander geriebene Federkiele zuweilen beide positiv werden. Ich habe die Behauptung richtig gefunden, obgleich ich in den meisten Faͤl- len die eine Feder + E, die andre - E finde, ohne daß ein Grund, warum diese Verschiedenheit hervorgeht, erhellte. Aber jener Erschei- nung ungeachtet, die auf irgend etwas Zufaͤlligem beruhen muß, kann man die Regel wohl unbeschraͤnkt aussprechen. . Um dieses merkwuͤrdige Gesetz zu bestaͤtigen, muß man sowohl den geriebenen als den reibenden Koͤrper isoliren, und wenn dies gut genug gesche- hen ist, so findet man es in der That so; und nun erst koͤnnen wir mit etwas mehr Genauigkeit die Koͤrper angeben, welche posi- tiv und welche negativ werden. Glattes Glas wird bei der Rei- bung fast an allen Koͤrpern positiv electrisch, und die zur Reibung angewandten werden negativ; aber das Katzenfell, vorzuͤglich die Reibung an dem Felle einer lebenden Katze, macht eine Ausnahme, indem da das Glas negativ wird, und die Katze, wenn man sie isolirt erhaͤlt, positiv. Aber obgleich das glatte Glas hiernach mit ziemlichem Rechte der positiven Electricitaͤt den Namen Glas- Electricitaͤt geben koͤnnte, so verhaͤlt sich doch das matt geschliffene Glas ganz anders, indem es, selbst an Wolle gerieben, an Papier gerieben, an der Hand gerieben, negativ wird, und nur diejenigen Koͤrper, die vorzugsweise in sehr starkem Grade zum Negativen hin neigen, das matt geschliffene Glas positiv machen. Wenn wir die Koͤrper durchgehen, so finden wir allgemein, daß ein Koͤrper A, der an B gerieben + E erhaͤlt, dagegen an C gerieben - E erhaͤlt, als zwischen B und C stehend angesehen wer- den kann, so daß, wenn man B und C an einander reibt, diese Koͤrper staͤrkere Electricitaͤten geben, einen staͤrkern Gegensatz gegen einander als gegen A zeigen; und daß B, welches an A gerieben schon - E erhielt, vollends an C gerieben gewiß - E erhalten wird. Dieser Schluß bewaͤhrt sich immer. Haben wir zum Bei- spiel gefunden, daß das glatte Glas, obgleich es fast mit allen Koͤr- pern bei der Reibung + E erhaͤlt und den andern - E ertheilt, doch am Katzenfelle - E erhaͤlt und das Katzenfell positiv macht; so koͤnnen wir sicher annehmen, daß das Katzenfell an alle den Koͤrpern positiv wird, die das Glas positiv machen, und wirklich steht auch das Katzenfell in der Reihe der positiv werdenden Koͤrper so oben an, daß wir keinen Koͤrper kennen, durch welchen jenes negativ wuͤrde. Und auf gleiche Weise scheint Schwefel fast den aͤußersten Platz unter den negativ werdenden Koͤrpern einzunehmen, indem es selbst an Federharz, an Siegellack, an Bernstein gerieben negativ wird, obgleich alle diese Koͤrper schon zu denen gehoͤren, die bei der Reibung mit zahlreichen andern Koͤrpern negativ werden. Die ganze Reihenfolge der Koͤrper, wie sie negative oder positive Electricitaͤt geben, will ich hier nicht auffuͤhren, sondern nur noch einige Faͤlle erwaͤhnen. Harzige Koͤrper oder Siegellack an Wolle, an wollenen Zeugen, an Seide gerieben, werden negativ, und die Wolle oder Seide wird positiv. Dagegen wird Wolle an polirtem Glase gerieben negativ, an matt geschliffenem Glase gerieben positiv. Federharz an Papier gerieben wird negativ, und wenn das Papier auf dem warmen Ofen liegt, so sieht man im Dunkeln schoͤne Strahlen electrischen Lichts bei der Reibung hervorgehen; dagegen wird Federharz an Schwefel gerieben oder an Bernstein gerieben positiv, weil diese beiden Koͤrper allzu weit nach der negativen Seite hin stehen. Bei Koͤrpern, die in dieser Reihe der Koͤrper einander nahe stehen, ist es oft schwer, ihnen ganz genau ihre Stelle anzuweisen, da kleine Unterschiede in der Beschaffenheit der Oberflaͤche, in der Waͤrme u. s. w. Ungleichheiten hervorbringen, die keine ganz genaue Bestimmung gestatten. Daß sogar große Ungleichheiten aus der bloßen Veraͤnderung der Oberflaͤche hervorgehen, zeigt das Glas, welches bei matt geschliffener Oberflaͤche in so vielen Faͤllen die nega- tive Electricitaͤt zeigt, in der Reihe der Koͤrper mehr als Wolle und Seide auf der negativen Seite steht, statt daß glattes Glas beinahe unter allen positiv werdenden Koͤrpern der erste ist. Ebenso macht bei der Seide die Farbe und bei seidenen Baͤndern die Anordnung des Gewebes einen Unterschied. Zieht man zwei schwarze seidene Baͤnder so zwischen den trocknen Fingern durch, daß sie beide sich an diesen reiben, so werden sie beide negativ; ist aber das eine schwarz, das andre weiß, so ist das weiße positiv, das schwarze negativ. Wenn man an weißen seidnen Baͤndern ein schwarzes reibt, so wird das schwarze negativ, die weißen positiv, und uͤber- haupt zeigt sich das schwarze beim Reiben weit mehr als weiße Seide zum Negativen hinneigend. Nimmt man weiße Atlasbaͤn- der, oder uͤberhaupt gleichfarbige seidene Baͤnder, und zieht das eine der Baͤnder der Laͤnge nach hin und her uͤber der Querrich- tung des andern, so ist das quer geriebene gewoͤhnlich negativ. Aber kleine Verschiedenheiten koͤnnen auch diese Resultate aͤndern. Ueber die Stelle, welche einzelne Metalle in der Reihenfolge der Koͤrper einnehmen, sind die Angaben sehr verschieden, und hier beson- ders muͤssen kleine Unterschiede wohl bedeutenden Einfluß haben. Coulomb fand Zink, Silber, Kupfer, Blei, positiv, wenn sie an wollenem Tuche gerieben wurden; diese Angabe finde ich bei dem Zink richtig, Kupfer und Messing dagegen finde ich negativ, wenn es mit Seide, Wolle oder weichem Leder gerieben wird. Silber habe ich, an einem Siegellackstiele isolirt gehalten, an Seide und Wolle nie anders als negativ erhalten, auch an Siegellack gerieben ist Silber negativ; ja es ist mir so wiederholt gelungen, eine polirte Platte feines Silber an einer glatten Oberflaͤche gegossenen Schwefels gerieben negativ und Schwefel positiv zu erhalten, daß ich kein Bedenken trage, dem Silber seine Stelle sehr weit nach der negativen Seite hin anzuweisen. Aber die Metalle scheinen alle noch eine sorgfaͤltige Untersuchung zu verdienen, indem selbst Zink an Seide gerieben zuweilen negativ wird, obgleich es oft positiv wird Bei diesen Versuchen sind viele Vorsichten noͤthig, damit man die durch Mittheilung so leicht auf das Metall uͤbergehende Electricitaͤt nicht mit der durch Reibung entstandenen verwechsele, wenn man aber bei der Reibung der Silberplatten an Schwefel jene negativ und diesen positiv erhaͤlt, so kann, glaube ich, kein Irrthum statt finden. Da die Spuren der Electricitaͤt hier schwach sind, so thut Bohnenbergers Electrometer, von dem ich erst spaͤter reden kann, hier gute Dienste. . Bei Koͤrpern, die einander voͤllig gleich sind, sollte, wenn man sie reibt, gar keine Electricitaͤt hervorgehen; aber fast nie scheint diese vollkommene Gleichheit statt zu finden. Glaͤser an einander gerieben, werden gewoͤhnlich doch electrisch. So finde ich zum Beispiel ein Bologneser Springkoͤlbchen von weißem Glase im Innern eines Weinglases von gutem, weißem, hartem Glase gerie- ben, allemal negativ und dagegen das Weinglas positiv; und auf aͤhnliche Weise findet man oft den geringsten Unterschied zu Erre- gung der Electricitaͤt zureichend. Auch die ungleiche Waͤrme beider Koͤrper wirkt hier ein und im Allgemeinen scheint der waͤrmere sich mehr zum Negativwerden hin zu neigen. So wird gewoͤhnlich weiße Seide an trockenem Papier gerieben negativ, das Papier positiv; aber weiße Seide an erwaͤrmtem Papier gerieben wird positiv und das Papier negativ. Eine allgemeine Regel, nach welcher man im Voraus wissen koͤnnte, welcher Koͤrper bei der Reibung positiv wuͤrde, kennt man noch nicht. Die Regel, daß der haͤrtere und glatte Koͤrper positiv wird, gilt in den meisten Faͤllen, aber die positive Electricitaͤt des Katzenfelles paßt dazu nicht; und so finden sich fast uͤberall Abwei- chungen. In vielen Faͤllen paßt die Regel, daß derjenige Koͤrper, dessen Theile am meisten einer Aenderung der Lage unterworfen sind, durch mindere Haͤrte, durch groͤßere Rauhheit, der eben darum vielleicht auch sich staͤrker erwaͤrmt, der negative sei. Quecksilber am Glase hin und her gerieben, macht das Glas electrisch. Luft anhaltend gegen ein Glas geblasen, giebt diesem positive Electricitaͤt, so daß man also annehmen muß, die Luft werde negativ. — III. P Dieses Hervorgehen der entgegengesetzten Electricitaͤten laͤßt sich auf sehr mannichfaltige Weise zeigen. Stehen zwei Personen auf isolirenden Fußgestellen mit Glasfuͤßen, und reibt die eine mit Seidenzeuge eine von der andern Person gehaltene Glasroͤhre, so sind nach etwas anhaltendem Reiben beide Personen electrisch; jede zieht leichte Koͤrper an und die an ihr electrisirten Koͤrper werden wieder abgestoßen; aber die an der einen electrisirten Koͤrper werden von der andern angezogen. — Vierzehnte Vorlesung . Die Electrisirmaschine . Obgleich die meisten derjenigen Versuche, die ich neulich erwaͤhnt habe, keine weitere Vorkehrung fordern, sondern mit einer Reibung der in der Hand gehaltenen Koͤrper zu Stande gebracht werden koͤnnen, obgleich Dufay , Grey und andre fruͤhere Beobachter recht bedeutende Wirkungen der Electricitaͤt durch Glas- roͤhren, frei in der Hand gehalten, und mit der Hand oder mit einem in der Hand gehaltenen Wollenzeuge oder Seidenzeuge gerie- ben, hervorbrachten; so fand man doch bald die Nothwendigkeit, sich der Electrisirmaschine zu bedienen, indem die Schnelligkeit und Stetigkeit der Reibung viel groͤßere Wirkungen hervorbringt, als man bei den in der Hand gehaltenen Glasroͤhren erreichen konnte. Schon Guericke hatte eine Schwefelkugel mit Huͤlfe einer Kurbel gedreht, und auch Hawksbee bediente sich auf aͤhnliche Art einer Glaskugel; aber diese bequeme Einrichtung war doch wieder aufgegeben, bis Hausen sie 1742 aufs neue anwandte. In dieser fruͤhesten Zeit der Electrisirmaschine bediente man sich der Glaskugeln, die mit der Hand gerieben wurden; aber Wink- ler fand es besser, sich eines Polsters als Reibzeugs zu bedienen. Nachher sind statt der Kugeln die Cylinder, weil das Reibzeug sich gleichfoͤrmiger an sie andruͤckt, vorgezogen worden, und Cylinder- maschinen oder Scheibenmaschinen sind es, deren wir uns jetzt bedienen. Bei allen Electrisirmaschinen sind es drei Haupttheile, die in Betrachtung kommen, der geriebene Koͤrper, das Reibzeug, der Conductor oder Leiter, welcher die Electricitaͤt aufnimmt. Bei den Cylindermaschinen ist es ein hohler Glascylinder AB, der zur Erregung der Electricitaͤt gebraucht wird ( Fig. 47. ); hartes, glat- tes Glas, durchsichtig und weiß, wendet man am liebsten an, doch finden sich auch bei gutem Ansehen Glascylinder, die weniger geeig- net sind, starke Electricitaͤt hervorzubringen, weshalb man sie am liebsten erst durch wirklichen Versuch pruͤft. Es ist vortheilhaft, und bei nicht so gutem Glase besonders zu empfehlen, daß man sie inwendig mit einem harzigen Ueberzuge versieht (aus Terpentin, Wachs und Pech, gewoͤhnlich mit Zinnober roth gefaͤrbt); dieser gewaͤhrt den Vortheil, daß sich die Feuchtigkeit, die jeden Falls nachtheilig ist, nicht so leicht anlegt. Der Cylinder wird an beiden Enden mit Axen C versehen, deren Lage so sein muß, daß der Cylinder bei der Drehung nicht mit schlotterndem Gange sich bald stark bald schwach an das Reibzeug andruͤcke, sondern bestaͤndig eine gleiche Reibung leide. Die Axe muß nicht durchgehen, weil sie dann, aus spaͤter anzufuͤhrenden Gruͤnden, das Hervor- gehen der Electricitaͤt etwas hindert; sie muß durch Glassaͤulen DE, DE, isolirt sein, damit nicht so leicht die am Cylinder erregte Electricitaͤt, nach der Axe uͤberschlagend, dort eine Ableitung gegen die Erde finde. An der Axe ist zum Drehen eine Kurbel angebracht, deren Haupttheil aus Glas bestehen muß, um die Ableitung durch die Axe zu hindern. Um eine schnellere Drehung zu erhalten, verbindet man ein kleineres, mit der Axe sich drehendes Rad C mit einem groͤßern, F, das durch die Hand gedreht wird. Das Reibzeug GH besteht aus einem weichen Polster, welches sich mit Federn an den Cylinder andruͤckt; es erstreckt sich nicht ganz bis an das Ende des Cylinders, weil dort die Electricitaͤt zu leicht nach der Axe uͤberschlaͤgt. Die reibende Flaͤche muß eine solche sein, die an Glas gerieben diesem starke positive Electricitaͤt ertheilt, und dazu hat man schon seit langer Zeit einen Ueberzug von Amalgama passend gefunden; dieses wird auf Leder gestrichen, welches die Vorderseite des Polsters GH ausmacht; die Hinterseite P 2 belegt man mit einer Metallplatte, welche sich nahe an das Amal- gam anschließt, um die Zuleitung der Electricitaͤt zu befoͤrdern. Das Reibzeug ruht am besten auf isolirenden Saͤulen HI; denn obgleich es beim Gebrauche der Maschine in Verbindung mit der Erde stehen muß, so ist es doch bei manchen Versuchen nothwendig, es isolirt zu erhalten. Das Reibzeug muß zwar nicht zu schmal sein, damit jeder Punct des Cylinders einen nicht ganz kurzen Weg waͤhrend der Reibung durchlaufe; aber es muß doch kein Viertel des Cylinders umfassen, weil sonst der Leiter zu leicht zum Zuruͤckschlagen von Funken auf das Reibzeug veranlaßt wird. An das Reibzeug ist da, wo die geriebenen Puncte des Cylinders das Reibzeug verlassen, ein duͤnner Wachstaffent GHKL befestigt, um dem Cylinder bis gegen die Stelle hin, wo der Leiter die Electri- citaͤt aufnimmt, zur Bedeckung zu dienen, indem sonst die Funken leicht von der Gegend KL auf die Hinterseite des Reibzeuges zuruͤckschlagen. Der Leiter KL, der bis oberhalb des Cylinders sich erstreckt, hat bei Z Spitzen, weil diese leichter die Electricitaͤt aufneh- men; durch sie geht die Electricitaͤt auf den ersten Leiter KL uͤber, der an allen Theilen gut abgerundet sein muß, und auf glaͤsernen, mit Lack uͤberzogenen Saͤulen ruht, damit die Electri- citaͤt, so gut es immer moͤglich ist, in ihm angehaͤuft bleibe. Die Spitzen sind gegen den Theil des Cylinders gerichtet, der nur wenig von dem Rande des Wachstaffent KL entfernt ist, damit der Cylinder sogleich da, wo er aus der Bedeckung hervortritt, die Electricitaͤt abgebe. An den ersten Leiter kann man sogleich noch einen laͤngern zweiten ansetzen, der die Wirkung noch verstaͤrkt. Bei den Scheibenmaschinen, wo man sich einer Glasscheibe bedient, ( Fig. 48. ) bleiben die Hauptumstaͤnde, worauf es ankoͤmmt, dieselben. Die Glasscheibe AB ist hier der geriebene Koͤrper. Die durch sie durchgehende und mit der Kurbel oder dem Rade zur Umdrehung versehene Axe C muß genau senkrecht gegen die Ebne der Scheibe sein, damit nicht, bei einem ungleichen Gange der Scheibe, diese sich bald stark bald schwach an das Reibzeug an- druͤcke, und nicht durch kleine Abweichungen von der immer gleichen Lage sich an die Spitzen des Einsaugers der Electricitaͤt stoße. Man pflegt der Scheibe zwei Reibzeuge, oben und unten oder auch an beiden Enden des Horizontaldurchmessers, zu geben, indeß behauptet Pfaff aus eigner Erfahrung, daß ein Reibzeug in DE wegen der dann groͤßern Entfernung von dem Einsauger FG der Electricitaͤt wohl noch zweckmaͤßiger sei, und auf jeden Fall ist dieses bequemer. Das Reibzeug steht auf einer isolirenden Saͤule HI, der Leiter, welcher bei G die Electricitaͤt empfaͤngt, auf einer isolirenden Saͤule LM. Auch hier bedeckt ein duͤnner Wachstaffent, der an das Reibzeug DE befestigt ist und die nach der Reibung sich vom Reibzeuge entfernenden Theile der Scheibe vor dem Verluste der Electricitaͤt schuͤtzt, den Theil der Scheibe, welchen die geriebenen Theile durchlaufen, bis sie in FG ihre Electricitaͤt dem Leiter uͤbergeben. Weder das Reibzeug noch der Einsauger gehen bis nahe an die Axe, sondern lassen einen Theil in der Mitte frei, da von diesem die erregte Electricitaͤt sich zu leicht nach der Axe begeben wuͤrde. Diese ist freilich isolirt, und auch die Kurbel muß, um die Ableitung zu verhuͤten, von Glas sein, aber dennoch ist es auch hier schwer, bei starken Ladungen alle Ableitung ganz zu vermeiden. Das Reibzeug ist bei DE an beiden Seiten der Scheibe angebracht, und besteht, so wie bei der Cylin- dermaschine, aus einem mit Amalgam bestrichenen weichen Polster, das von beiden Seiten durch Federn angedruͤckt wird, an seiner Hinterseite aber Leiter hat, die man mit einem groͤßern Leiter DN in Verbindung setzt, um an diesem Leiter die Veraͤnderungen zu beobachten, welche in der Electricitaͤt des Reibzeuges vorgehen. Ist die Scheibe nach Pfaffs Angabe eingerichtet, so muß der Wachstaffent fast die halbe Scheibe an beiden Seiten bedecken. In GF befinden sich wieder an beiden Seiten der Scheibe die Ein- sauger, die zwar Spitzen darbieten, jedoch diese von einem ebnen Rande so umgeben, daß die Scheibe nicht so leicht an sie anstoßen und ihre Politur beschaͤdigen kann. Der Leiter L ist ganz wie bei den Cylindermaschinen. Bei Scheibenmaschinen kann man an derselben Axe zwei Scheiben verbinden, wo dann fuͤr jede Scheibe eben die Stuͤcke vorkommen muͤssen, die Reibzeuge aber in Ver- bindung mit dem einzigen Leiter HN stehen und die Einsauger mit dem einzigen Leiter L. Man hat manche andre Koͤrper statt des Glases als Haupt- koͤrper der Electrisirmaschine vorgeschlagen, theils der Wohlfeilheit wegen, theils um statt der positiven Electricitaͤt an dem geriebenen Koͤrper negative Electricitaͤt zu erhalten. In Hinsicht auf den ersten Zweck hat man Scheiben von gedoͤrrtem Holze empfohlen, die mit gut gegerbten Maulwurfsfellen oder Rattenfellen gerieben wurden, und dann an der Scheibe und dem mit ihr in Verbin- dung gesetzten Conductor negative Electricitaͤt gaben. Noch wirk- samer sind die von Lichtenberg aus schwarzem Wollenzeuge, von Walkiers und Rouland aus Taffent verfertigten Elec- trisirmaschinen. Es wird naͤmlich dieser Zeug um die beiden Cylinder G und H ( Fig. 49. ) gezogen und beide Enden zusammen genaͤht; dann zieht man die beiden Cylinder so aus einander, daß der Taffent oder das Wollenzeug straff angezogen ist, damit diese Flaͤche von Seide oder Wolle bei der Drehung eines Cylinders mit zum Umlaufen komme; man bringt an dem Cylinder selbst ein Reibzeug von Katzenpelz an, und laͤßt den Leiter S die von beiden Seiten zugefuͤhrte Electricitaͤt aufnehmen. Diese ist dann negativ, und kann bei hinreichender Groͤße der Maschine und guter Erwaͤrmung der geriebenen Zeuge sehr bedeutende Wirkungen hervorbringen. Den Vorzug behalten indeß bei weitem immer die zuerst beschrie- benen Maschinen, von deren großen Wirkungen ich in der Folge noch mehr sagen werde. Ob die Cylindermaschinen oder die Scheibenmaschinen den entschiedenen Vorzug verdienen, daruͤber ist lange gestritten wor- den, indeß kann man, wenn es auf die allerstaͤrksten Wirkungen ankoͤmmt, wohl nicht leugnen, daß die Scheibenmaschinen die kraͤf- tigern sind, wenn gleich zu Versuchen geringerer Art die Cylinder- maschinen mehr Bequemlichkeit gewaͤhren. Da es naͤmlich vor- zuͤglich, bei sonst gleichen Umstaͤnden, auf die Groͤße der in gleicher Zeit durch Reibung electrisirten Flaͤche, zugleich aber auch auf die Schnelligkeit der Bewegung ankoͤmmt, so gewaͤhren große Scheiben sowohl in Ruͤcksicht auf den Inhalt der zur Reibung gelangenden Flaͤche, als in Ruͤcksicht auf die Schnelligkeit, mit welcher die Flaͤche an dem Reibzeuge vorbeigeht, einen großen Vortheil. Glas- cylinder kann man nicht von allzu großem Durchmesser machen und Cylinder von 2 Fuß Durchmesser, woran das Reibzeug eine Laͤnge von 1 Fuß haͤtte, wuͤrden schon die groͤßesten sein, die man etwa erhalten koͤnnte; dagegen sind Glasscheiben von 5 Fuß Durch- messer, und noch dazu zwei zugleich an einer Axe gedreht, aus- gefuͤhrt worden. Ginge nun jener Cylinder auch viermal um, waͤhrend die Scheibe eine Umdrehung macht, so betruͤge dort die geriebene Flaͤche etwa 25 Quadratfuß in der Zeit, wo die Scheibe einmal umlaͤuft; an dieser aber ist die an jeder Seite geriebene Flaͤche wenigstens 10 Quadratfuß und also an zwei verbundenen Scheiben 40 Quadratfuß und die Scheiben haben dann selbst in ihren entferntesten Puncten noch nicht die sehr große Geschwin- digkeit, die ich dem Cylinder beigelegt habe, so daß, wenn man jenen eben diese Geschwindigkeit ertheilte, der Vortheil noch bedeu- tender auf der Seite der Scheibe waͤre. Auch in Hinsicht auf die immer gleiche Wirksamkeit scheint es leichter, der ganz ebnen Scheibe groͤßere Vollkommenheit zu geben, als dem Cylinder, dessen wahre Axe schwerlich so genau mit der eingesetzten Axe zusammen- stimmen wird, und der daher leicht in einigem Grade ungleich sich an das Reibzeug preßt. Versuche, besonders von Cuthbertson und Singer , haben auch diesen Vorzug dargethan. Damit man aber mit einem Cylinder oder mit einer Scheibe von gegebner Groͤße alle die Wirkungen hervorbringe, deren sie faͤhig sind, koͤmmt es auf eine Menge einzelner Umstaͤnde an. Die Schnelligkeit der Reibung ist, so fern man sie ohne andre Unbequemlichkeit steigern kann, eines der wichtigsten Befoͤrderungs- mittel. Eine gute Isolirung, damit keine Electricitaͤt verloren gehe; ein gutes Amalgam an dem Reibzeuge Das Kienmayersche Amalgam aus 2 Th. Quecksilber, 1 Th. Zink und 1 Th. engl. Zinn, oder das Singersche aus 6 Th. Queck- silber, 2 Th. Zink und 1 Th. Zinn sind zu empfehlen, doch muß man auch bei der Bereitungs-Art auf bestimmte Weise (S. Gehlers Woͤrterb. Art. Amalgama) verfahren. Verschiedene Glas-Arten scheinen auch etwas ungleiche Amalgame zu fordern. Ohne Zweifel sind diese Amalgame darum so wirksam, weil sie selbst sehr geneigt sind, negativ zu werden. , eine starke Zu- leitung der Electricitaͤt zu dem Reibzeuge hin; selbst die richtig gewaͤhlte Dicke des Wachstaffents, der zwischen dem Reibzeuge und dem Conductor den Cylinder oder die Glasscheibe bedeckt, und sich glatt anlegen muß, tragen zu Verstaͤrkung der Wirkung wesentlich bei. Auch die Groͤße und Gestalt des Conductors ist nicht gleich- guͤltig fuͤr die Wirkung der Maschine. Offenbar nimmt ein großer Leiter mehr Electricitaͤt auf und giebt daher staͤrkere Wirkungen, besonders staͤrkere Funken; indeß nimmt diese Wirkung nicht im- merfort zu, weil eine große Oberflaͤche auch zu mehr Verlust an die Luft Gelegenheit giebt. Warum vorzuͤglich eine groͤßere Laͤnge des Conductors vortheilhaft ist, wird sich in der Folge ergeben. Moͤglichst vollkommene Isolirung und trockene Luft sind die wich- tigsten Umstaͤnden, worauf es vor allem ankoͤmmt. Einige Versuche mit der Electrisirmaschine . Alle Versuche, die man mit einer in der Hand gehaltenen und geriebenen Glasroͤhre anstellen kann, lassen sich vollkommener und mit mehr Leichtigkeit mit der Electrisirmaschine anstellen. Naͤhert man den Kopf dem geladenen Leiter oder auch dem gerie- benen Glaskoͤrper, so werden die Haare gegen den electrisirten Koͤrper angezogen, und da eben dies in Beziehung auf die kleinen Haare statt findet, die sich an jedem Theile der Haut befinden, so wird durch die geringe Bewegung derselben ein eigenthuͤmliches Gefuͤhl hervorgebracht; wenn man Funken aus dem Conductor uͤberschlagen laͤßt, waͤhrend das Gesicht sich so in der Naͤhe des- selben befindet, so bemerkt man einen Wechsel in jenem Gefuͤhle bei jedem hervorgehenden Funken. Wenn ein Mensch sich isolirt, auf einem mit Glasfuͤßen ver- sehenen Schemel, electrisiren laͤßt, so richten seine Haare sich auf, weil sie einander abstoßen; leichte Koͤrper in die Naͤhe des Men- schen gebracht werden von ihm, wie von andern electrisirten Koͤr- pern, angezogen und, nachdem sie Electricitaͤt erhalten haben, abge- stoßen. Laͤßt man zwei Menschen auf zwei verschiedenen Isolir- schemeln sich von demselben Leiter aus electrisiren, so koͤnnen sie einander beruͤhren, ohne Funken zu geben oder einen Schlag zu bekommen; theilt man aber durch irgend eine Veranstaltung dem einen positive, dem andern negative Electricitaͤt mit, so werden die Koͤrper, welche vom einen abgestoßen wurden, vom andern ange- zogen, und wenn beide Menschen sich beruͤhren, so wird Funke und Schlag desto lebhafter. Von diesen Wirkungen will ich indeß hier noch nicht umstaͤndlich reden, da ich von dem electrischen Lichte in der Folge mehr sagen werde, und die Empfindungen bei dem Schlage uns hier auch noch nicht beschaͤftigen sollen. Als ein bloßer Erfolg der gegenseitigen Abstoßung ist dagegen folgende Erscheinung anzusehen. Wenn man in ein Gefaͤß mit Wasser einen Heber setzt, dessen Ausflußroͤhre ein enges Haar- roͤhrchen ist, so fließt der Heber, wenn er auch gehoͤrig gefuͤllt ist und seine Oeffnung niedriger liegt, als die Oberflaͤche des Wassers im Gefaͤße, doch entweder gar nicht oder nur in langsam auf ein- ander folgenden Tropfen; aber wenn man das Wasser electrisirt, indem man es in einem metallenen Gefaͤße an den Leiter anhaͤngt, so fließt der Heber fortwaͤhrend und das Wasser wird sogar mit Gewalt herausgestoßen. Die electrisirten Wassertheile, die an der Muͤndung liegen, werden von den anliegenden abgestoßen und herausgetrieben. Selbst an einem einzelnen Wassertropfen, der am Conductor haͤngt, sieht man, daß er sich verlaͤngert und eine spitzige Form annimmt, wenn man, waͤhrend der Conductor elec- trisirt ist, einen andern Koͤrper dem Tropfen naͤhert. Andre Anziehungs- und Abstoßungsversuche lassen sich zahl- reich anstellen. Baumwolle, die man dem geladenen Leiter nahe bringt, streckt zuerst alle Faͤden gegen den Conductor aus, fliegt dann gegen ihn zu, wird nun wieder abgestoßen, und wenn sie am Conductor festhaͤngt, stoßen sich die einzelnen Faͤden einander ab. Rauch, den man in der Naͤhe des electrisirten Leiters erregt, wird von ihm angezogen. Campher, den man auf einer eisernen Unterlage anzuͤndet, dann ausblaͤst und sogleich, waͤhrend er noch raucht, dem electrisirten Leiter naͤhert, bildet eine Menge kleiner Spitzchen, die durch die Anziehung des Leiters gegen die noch nicht erhaͤrteten Theile entstehen. Ein aͤhnlicher Versuch mit Siegellack giebt einen aͤhnlichen Erfolg, aber nicht so feine Spitzen. Entgegengesetzte Electricitaͤten des Reibzeugs und des geriebenen Koͤrpers . Aber weit belehrender als diese, nur Bekanntes wiederholen- den, Versuche sind die, wo man die eigentliche Art der Wirksam- keit des Reibzeuges zeigt. Ich habe schon fruͤher erwaͤhnt, daß man das Reibzeug der Maschine so einzurichten pflegt, daß man es isoliren kann, — wir wollen diese Einrichtung zu folgenden Versuchen benutzen. Man bringt eine leitende Kette an dem Reibzeuge an, damit dieses mit allen benachbarten Koͤrpern in Ver- bindung stehe; dann wird, bei fortwaͤhrender Drehung und Rei- bung des Glascylinders, der Leiter auf einen ihm genaͤherten ab- leitenden Koͤrper unaufhoͤrlich Funken geben, ohne daß bei laͤngerer Dauer des Reibens eine Schwaͤchung der Wirkung bemerkbar wuͤrde. Aber nun nimmt man die am Reibzeuge angebrachte Kette ab, so daß das Reibzeug isolirt ist; so zeigt sich zwar bei anfangender Drehung der Maschine der Leiter wieder electrisch, er giebt mehrere Funken, aber diese folgen sich immer langsamer ein- ander, und schon nach kurzer Dauer des Versuches hoͤrt die Wir- kung des Reibens beinahe ganz auf. Setzt man die Reibung des Glases am isolirten Reibzeuge immer fort, waͤhrend der zum Ueberschlagen der Funken in geringer Entfernung vom Conductor aufgestellte Koͤrper noch immer seine Stelle einnimmt, und naͤhert man nun den Finger dem Reibzeuge, so zeigt sich zwischen dem Finger und dem Reibzeuge ein Funke, und so wie dieser uͤber- schlaͤgt, giebt auch der Conductor wieder einen Funken, dessen Erscheinen sich wiederholt, und unausgesetzt wiederholt, wenn man bei fortgesetzter Drehung der Maschine aus dem dem Reibzeuge genaͤherten Koͤrper Funken auf dieses uͤbergehen laͤßt. Die Rei- bung giebt also nur dann Electricitaͤt, wenn das Reibzeug mit andern Koͤrpern in leitender Verbindung steht, oder selbst Electri- citaͤt zugefuͤhrt erhaͤlt. Der Versuch laͤßt sich noch auf eine andre Weise abaͤndern. Man isolirt das Reibzeug, laͤßt aber eine leitende Kette von dem Conductor zum Reibzeuge hinuͤbergehen, so giebt weder der Conductor noch das Reibzeug einem dargebotenen Koͤrper Funken; und wenn man nun statt einer ununterbrochenen Leitung eine Kette anbringt, wo Metallglieder durch kleine Glasknoͤpfe oder durch kurze Stuͤckchen seidener Schnur von einander getrennt sind, so sieht man unaufhoͤrlich die Funken des Conductors von Glied zu Glied zum Reibzeuge hinuͤbergehen, und der Kreislauf der vom Reibzeuge zum Cylinder, zum Conductor, zur Kette und wieder zum Reibzeuge gelangenden positiven Electricitaͤt liegt uns deutlich vor Augen. Sie sehen leicht, daß diese Versuche uns noch mehr lehren koͤnnen. Die schon fruͤher gemachte wichtige Bemerkung, daß einer der geriebenen Koͤrper negativ electrisch wird, indem der andre positive Electricitaͤt annimmt, leitet uns zu dem Gedanken, den electrischen Zustand des isolirten und auch mit dem Leiter L nicht in Verbindung gesetzten Reibzeuges genauer zu untersuchen. Um dieses zu thun bringt man an dem Reibzeuge einen eben solchen isolirten Leiter an, wie derjenige ist, der von dem geriebenen Glase die Electricitaͤt empfaͤngt, wie HN ( Fig. 48. ), und laͤßt diesen Leiter waͤhrend der Wirkung der Maschine mit dem Reibzeuge in Verbindung. Schon nach den ersten Umdrehungen der Maschine zeigen sich beide Leiter electrisch, beide ziehen leichte Koͤrper an und stoßen sie nach der Mittheilung ab; aber wenn man einen isolirt gehaltenen, vom Reibzeugconductor abgestoßenen Koͤrper dem Hauptleiter, der mit dem geriebenen Glase in Verbindung steht, naͤhert, so wird er hier angezogen, und ebenso im umgekehrten Falle. Bringt man einen groͤßern, isolirt gehaltenen Koͤrper an den Leiter des Reibzeugs und laͤßt ihn da sich laden, so entsteht, wenn er dem Leiter am Glascylinder genaͤhert wird, ein Funke zwischen beiden; und ebenso umgekehrt, wenn man einen vom Glase her geladenen Leiter isolirt zu dem Leiter des Reibzeuges bringt, so schlaͤgt ein Funke uͤber, welches nicht der Fall ist, wenn man den am einen Leiter geladenen Koͤrper eben diesem Leiter wieder darbietet. Das Reibzeug wird also negativ electrisch, waͤhrend das Glas positiv wird, und umgekehrt wird das aus Pelz bestehende Reibzeug positiv, wenn man Schwefel oder Seidenzeug oder Wollenzeug, die negativ werden, als geriebene Koͤrper anwendet. Diese Erfahrung kann uns zu einer genaueren Theorie der electrischen Erscheinungen hin leiten; und wenn gleich Franklin schon viel mehr Erfah- rungen vor sich hatte, als ich bis jetzt angefuͤhrt habe, so werde ich doch Franklins Theorie und dann auch die ihr gegenuͤber- stehende schon hier erklaͤren. Franklins Theorie der electrischen Erscheinungen . Nach Franklins Ansicht ist die electrische Materie in allen Koͤrpern verbreitet; aber im natuͤrlichen Zustande der Koͤrper befindet sie sich im Gleichgewichte, so daß sie kein Bestreben hat, vom einen Koͤrper zum andern uͤberzugehen. Wir muͤssen es also so ansehen, als ob jeder Koͤrper seiner Natur nach geeignet ist, eine gewisse Menge electrischer Materie zu enthalten; diese braucht nicht nothwendig bei allen gleich zu sein, sondern eine Anziehungs- kraft der Koͤrper, die vielleicht ungleich ist, koͤnnte wohl bewirken, daß die groͤßere Menge Electricitaͤt auf dem einen, festgehalten durch eine staͤrkere Anziehung, doch nicht zu dem andern Koͤrper uͤberginge, wenn auch er die Menge von Electricitaͤt hat, die seiner eigenthuͤmlichen Natur angemessen ist. Doch uͤber diese Gleichheit oder Ungleichheit im natuͤrlichen Zustande koͤnnen wir gar keine Vermuthung aufstellen. Die Reibung stoͤrt dieses natuͤrliche Gleich- gewicht, und auf eine Weise, die wir nicht weiter erklaͤren koͤnnen, wird durch die Reibung das Glas faͤhig, den gewoͤhnlichen Reib- zeugen electrische Materie zu entziehen, so daß sie an dem Glase gesammelt wird, und dort in wirklich vermehrter Menge vorhanden ist. Das Glas ist also nach dieser Ansicht im eigentlichen Sinne positiv geladen, und das Reibzeug hat Electricitaͤt hergegeben, es ist also in einen Zustand des Mangels an Electricitaͤt versetzt, im eigentlichen Sinne negativ electrisch. Steht das Reibzeug mit der Erde oder auch nur mit einigen groͤßern Koͤrpern in leitender Ver- bindung, so wird dieser Mangel an Electricitaͤt im Reibzeuge in jedem Augenblicke ersetzt, und das Reibzeug zeigt keine Electricitaͤt, weil es sich die ihm entzogene electrische Materie aus einer uner- schoͤpflichen Quelle wieder verschafft; dagegen zeigt ein isolirtes Reibzeug sich in der That negativ electrisch. Jene Faͤhigkeit des Glases, im Augenblicke der Reibung dem ihn reibend beruͤhrenden Koͤrper electrische Materie zu rauben, eine verstaͤrkte Anziehung auf die electrische Materie auszuuͤben, dauert aber nur fuͤr den Au- genblick des Reibens. Das Glas hat nun mehr electrische Ma- terie, als ihm nach dem natuͤrlichen Zustande zukoͤmmt, und sobald ein geriebener Punct nicht mehr der Reibung unterworfen ist, tritt diese als freie Electricitaͤt hervor, das Glas zeigt sich als geladen, und die electrische Materie strebt, einem verdichteten elastischen Fluͤs- sigen vergleichbar, zu den Koͤrpern hinuͤber, die weniger, das heißt nur so viel besitzen, als ihrem natuͤrlichen Zustande gemaͤß ist. Dieses Bestreben der electrischen Materie, von einem Koͤrper, der mehr besitzt, zu dem hinuͤber zu gelangen, welcher weniger besitzt, veranlaßt uns, dieser Materie eine abstoßende Kraft ihrer eignen Theilchen gegen einander oder ein Bestreben sich auszu- breiten beizulegen; daher ist das Gleichgewicht der Electricitaͤt zwischen allen Koͤrpern nur im natuͤrlichen Zustande moͤglich, zwischen zwei einzelnen Koͤrpern ist es nur dann moͤglich, wenn sie sich beide in einem gleichen Zustande des Ueberflusses oder Mangels befinden, und die electrische Materie strebt von dem positiv geladenen Koͤrper zu dem hinuͤber, der im natuͤrlichen Zu- stande oder negativ ist, und von dem Koͤrper im natuͤrlichen Zu- stande zu dem negativ electrischen. Beruͤhren diese ungleich mit Electricitaͤt geladenen Koͤrper sich unmittelbar und sind sie beide Leiter, so theilt sich die in ihnen vorhandene Electricitaͤt gleich- maͤßig unter sie; sind sie nicht in unmittelbarer Beruͤhrung, so zeigt sich zuerst eine Anziehung, der weniger electrische Koͤrper wird von dem staͤrker electrischen angezogen, aber wenn diese Anziehung auch keine Beruͤhrung hervorbringt, so findet doch, bei hinreichen- dem Unterschiede der electrischen Ladung und hinreichender Naͤhe, das Ueberschlagen eines Funkens und damit eine Mittheilung von dem einen Koͤrper an den andern statt. In Hinsicht auf die Leiter und Nichtleiter bemerken wir aber hier einen wesentlichen Unterschied. Auf der Oberflaͤche der erstern zeigt sich die electrische Materie als so beweglich, daß sie ohne Zeitverlust diejenige Austheilung uͤber den ganzen Koͤrper oder uͤber die Reihe von Koͤrpern annimmt, die dem Bestreben der an- gehaͤuften electrischen Materie, sich nach den Puncten, welche we- niger davon besitzen, zu begeben, angemessen ist; die Nichtleiter scheinen dagegen die electrische Materie in jedem Puncte festzu- halten, so daß sie zwar ihre Wirkung auf benachbarte Koͤrper durch Anziehung und ihre Wirkung auf die benachbarte electrische Ma- terie durch Abstoßung zeigt, doch aber nur sehr langsam vom einen Puncte des Nichtleiters zum andern uͤbergeht. Da die Luft ein solcher Nichtleiter ist, so geht auch in ihr die Electricitaͤt nur angsam von einem Puncte zum andern uͤber, obgleich die Wirkung auf entfernte Koͤrper sich auch durch die Luft fort erstreckt. Mit der negativen Electricitaͤt verhaͤlt es sich in Ruͤcksicht der Erscheinungen ebenso, indem der in einem Puncte eines Leiters entstandene Mangel an Electricitaͤt sogleich einen gleichen Zustand fuͤr den ganzen Leiter zur Folge hat, weil die electrische Materie von den andern Puncten des Koͤrpers sich sogleich nach demjenigen Puncte ergießt, welcher einen Verlust erlitten hat, dagegen auf dem Nichtleiter nur der geriebene Punct selbst sich als negativ zeigt, weil das Zustroͤmen von den benachbarten Puncten nicht statt findet. Die Wirkung in die Ferne muͤssen wir hier durch ein eben solches Hinstreben der electrischen Materie, die in der Luft und den umgebenden Koͤrpern ist, nach dem Puncte zu, wo der Mangel statt findet, erklaͤren, wie wir sie durch ein Hinstreben nach den umgebenden Koͤrpern da erklaͤrten, wo Ueberfluß statt fand. Der luftleere Raum verhaͤlt sich ganz wie ein Leiter der Electricitaͤt, die Electricitaͤt stroͤmt aus, weil sie nicht mehr durch die nicht leitende Luft zuruͤckgehalten wird. Daß die Ableitung von den positiv electrischen Koͤrpern und die Hinleitung zu den negativ elec- trischen Koͤrpern auf gleiche Art statt findet, erhellt von selbst. Die Erscheinungen der Anziehung und Abstoßung erklaͤren sich nach Franklins Ansicht am besten auf folgende Weise, obgleich Franklin selbst sich nicht fuͤr diese Erklaͤrung entschieden zu haben scheint. Da die Electricitaͤt eine anziehende Kraft auf die Koͤrper ausuͤbt oder gegentheils auch von ihnen angezogen wird, so bewegt der leichtere Koͤrper sich dahin, wo ungleiche An- haͤufung der Electricitaͤt ihn hintreibt, das ist, wenn der leichtere Koͤrper mehr Electricitaͤt besitzt als der benachbarte, so strebt die Electricitaͤt zu diesem hinuͤber und fuͤhrt ihn, als den leichter nach- gebenden, mit fort, besitzt der leichtere weniger, so wird er von dem reichlicher mit Electricitaͤt begabten angezogen und dies findet statt, der eine mag im natuͤrlichen Zustande, der andre positiv, oder der eine mag negativ und der andre im natuͤrlichen Zustande, oder endlich der eine mag negativ, der andre positiv sein. Zwei electrisirte Koͤrper stoßen einander scheinbar ab. Man erklaͤrt dies am besten durch die Anziehung gegen die umgebende Luft. Die Kugeln b, c, enthalten mehr electrische Materie, ( Fig. 50. ) als ihnen im natuͤrlichen Zustande zukoͤmmt, dann werden die Lufttheilchen in a von beiden Seiten gleich, die bei d nur nach einer Seite angezogen, und mit dem Heranziehen der Theilchen d gegen c ist auch ein Entgegengehen der Kugel c gegen d verbun- den, und eben so geht b nach e zu. So verhaͤlt es sich, wenn b und c positiv sind; im Falle, daß sie negativ sind, werden sie offenbar von der in den Lufttheilchen d, e, enthaltenen Electricitaͤt nach entgegen gesetzten Richtungen gezogen, und die Einwirkung der Theilchen a, die nach beiden Seiten gleich gezogen werden, koͤmmt nicht in Betrachtung. Diese Theorie empfiehlt sich durch ihre Einfachheit, indem nur eine electrische Materie angenommen, und der Ueberfluß und Mangel, das + E und - E, wozwischen der natuͤrliche Zustand als Null, weder Anhaͤufung noch Mangel, liegt, im eigentlichen Sinne verstanden wird. In der Folge bieten sich indeß mehrere Zweifel gegen diese Ansicht dar, und obgleich sie bei den zunaͤchst anzufuͤhrenden Erscheinungen beinahe ebenso gut als die zweite Theorie ausreicht, so ist man doch oft genoͤthigt, der Voraussetzung, daß es zwei electrische Materien giebt, den Vorzug zuzugestehen. Dualistische Theorie . Ein sich sogleich darbietender, und von den Gegnern Frank- lins sehr hervorgehobener Zweifel ist der, daß die Wirkungs-Art des Mangels an Electricitaͤt so vollkommen der Wirkung des Ueber- flusses gleich ist, so sehr, daß man durchaus nicht mit Gewißheit sagen kann, ob wirklich die Glas-Electricitaͤt als die wahrhaft positive, als Anhaͤufung electrischer Materie, anzusehen sei. Die Gruͤnde, welche Franklin bestimmten, der Glas-Electricitaͤt diesen Namen der positiven beizulegen, die in dem Ansehen des aus Spitzen ausstrahlenden Lichtes, in der Staͤrke und Richtung des Funkens u. s. w. liegen, sind, wie ich kuͤnftig noch anfuͤhren werde, keinesweges entscheidend. Schon Symmer fand es daher angemessener, zwei electrische Materien anzunehmen, die ich die positive und die negative Materie nennen werde, obgleich sie hier alle beide als gleich eigenthuͤmlich angesehen werden. Da die Erfahrung uns zeigt, daß beide electrische Zustaͤnde aus dem natuͤrlichen Zustande der Koͤrper mit gleicher Leichtigkeit hervorgehen, so sind wir genoͤthiget, bei der Voraussetzung zweier electrischer Materien anzunehmen, daß die Koͤrper in ihrem natuͤr- lichen Zustande beide electrische Materien enthalten, daß diese aber da, weil sie sich gegenseitig sehr stark anziehen, sich in einem gebun- denen Zustande befinden, keine sich kenntlich macht, weil die eine durch die Anziehung der andern unthaͤtig erhalten wird. Bei der Reibung zweier ungleichartiger Koͤrper an einander trennen sich die beiden electrischen Materien, und es verhaͤlt sich so, als ob im Augenblicke der Reibung der eine Koͤrper eine verstaͤrkte Anziehung fuͤr die positiv-electrische Materie und eine verminderte Anziehung gegen die negativ-electrische Materie erhielte, waͤhrend bei dem andern das Entgegengesetzte statt findet; wir sehen daher jenen positiv geladen, diesen negativ geladen, das heißt, jener hat positiv- electrische Materie aufgenommen und negativ-electrische abgegeben, statt daß der zweite negativ-electrische Materie empfangen und seine positiv-electrische Materie zum Theil an den ersten abgetreten hat. Diese Trennung, wozu in dem Reiben die Veranlassung lag, erscheint sogleich, wenn die Reibung aufhoͤrt, als ein unna- tuͤrlicher Zustand, indem die nur im Momente des Reibens ver- staͤrkte Anziehung des einen Koͤrpers gegen die positiv-electrische Materie, des andern gegen die negativ-electrische Materie, nun nicht mehr statt findet, und daher jede von beiden wieder auszu- stroͤmen, sich mit der entgegen gesetzten zu verbinden, strebt. In diesem Bestreben der einen angehaͤuften electrischen Materie, sich in andre Koͤrper zu ergießen und dagegen aus diesen die entgegen- gesetzte Materie heruͤberzuziehen, zeigt sich uns der Zustand der Ladung, dessen Wirkungen daher genau gleich sind, es mag die positive oder die negative Materie im Uebermaaß in einem Koͤrper vorhanden sein. Die Erscheinungen erklaͤren sich vollkommen, wenn wir an- nehmen, daß die Theilchen der positiv-electrischen Materie sich gegenseitig abstoßen und daher nach weiterer Ausbreitung streben, daß sie dagegen die Theilchen der negativ-electrischen Materie stark anziehen. Befinden sich zwei gleichartig und gleich stark geladene Koͤrper neben einander, so kann keine Mittheilung, auch kein Hin- uͤberschlagen eines Funkens statt finden, weil jeder der beiden nicht genug von der andern electrischen Materie hat und diese, als fest gehalten durch das Uebermaaß der entgegen gesetzten Materie, nicht an den andern Koͤrper abgiebt, und jeder die bei ihm im Uebermaaß vorhandene Materie von dem andern Koͤrper abgestoßen findet. Ist dagegen einer im natuͤrlichen Zustande, der andre positiv geladen; so wird freilich die negativ-electrische Materie des erstern durch die mit ihr verbundene positive Materie angezogen und festgehalten, aber die im zweiten Koͤrper verdichtete positive Materie uͤbt, wenn dieser Koͤrper nahe genug koͤmmt, eine starke Anziehung auf jene negative Materie aus, und es entsteht, da diese Anziehung gegen- seitig ist, ein Bestreben zur Vereinigung, ein Bestreben, durch einen uͤbergehenden Funken die Ausgleichung, das Ausstroͤmen der positiv-electrischen Materie, die in der Reihe der mit der Erde in Verbindung stehenden Koͤrper Gelegenheit genug findet, sich mit negativ-electrischer Materie zu verbinden, zu bewirken. Daß diese Wirkung noch lebhafter erfolgen muß, wenn der eine Koͤrper positiv, der andre negativ ist, erhellt von selbst. Wenn der geladene Koͤrper leicht genug beweglich ist, so wird er durch die anziehende Kraft, die von der entgegengesetzten Electri- citaͤt eines ungeladenen oder auch entgegengesetzt geladenen Koͤr- pers auf seine Electricitaͤt ausgeuͤbt wird, zu diesem hingezogen, und wir beobachten die electrische Anziehung; befindet sich dagegen der geladene Koͤrper in der Naͤhe eines gleichartig geladenen Koͤrpers, so stoßen sich gegenseitig die Theile der im Uebermaaß vorhandenen electrischen Materie ab, und die Koͤrper selbst folgen dieser Ab- stoßung, wenn sie leicht genug sind, zugleich aber sucht jeder die in der umgebenden Luft enthaltene entgegengesetzte Electricitaͤt anzu- ziehen und entfernt sich daher von dem andern Koͤrper. Es laͤßt sich hier noch eine Bemerkung hinzufuͤgen, von der wir nicht wissen, ob sie irgend eine Beziehung auf wirkliche Er- scheinungen hat. Bei allen Erscheinungen, die wir kennen, scheint ohne Ausnahme fuͤr jeden Antheil positiv-electrischer Materie, der zum einen Koͤrper uͤbergeht, ein gleicher Antheil negativ-electrischer Materie zum andern Koͤrper uͤberzugehen; aber es scheint nicht geradezu eine absurde Frage zu sein, ob es denn nicht einen electri- schen Zustand der Koͤrper geben koͤnne, bei welchem beide electrische Materien dem Koͤrper entzogen und er so recht eigentlich in einen Zustand des Mangels an aller electrischen Materie versetzt wuͤrde. Indeß diese Frage findet in Erscheinungen, die wir bis jetzt kennen, keine Beantwortung; nach der Franklinschen Theorie ließe sie sich gar nicht aufstellen. III. D. Naͤhere Bestimmung der Gesetze der Anziehung und Abstoßung electrisirter Koͤrper . Ehe ich zu andern Erscheinungen uͤbergehe, welche sich uns in den electrischen Wirkungen zeigen, will ich hier noch eine Frage beantworten, deren Beantwortung uns bei vielen Erscheinungen wichtig wird, naͤmlich, wie die electrischen Anziehungen und Ab- stoßungen von der Entfernung abhaͤngen, in welchem Maaße sie abnehmen, wenn die Entfernung zunimmt. Die Coulombsche Drehwaage ist am meisten geschickt, diese Frage zu beantworten. Aus der neulich gegebenen Beschreibung wissen Sie, daß eine am Gefaͤße befestigte, isolirte Kugel C der beweglichen, gleichfalls iso- lirten Kugel A ( Fig. 45. ) gegenuͤbersteht, und daß man durch eine Drehung der Klemme F bewirken kann, daß der Faden ganz un- gedreht ist, wenn beide Kugeln sich beruͤhren. In dieser Stellung befinde sich das Instrument, indem beide an einander liegende Kugeln eine schwache Ladung erhalten; so ist, wie Sie wissen, der Erfolg eine gegenseitige Abstoßung, wodurch die Kugel A um eine Anzahl Grade fortgefuͤhrt wird. Da die Abstoßung bei zuneh- mender Entfernung abnimmt, die Drehung aber einen immer groͤßern Widerstand entgegensetzt, so tritt bei einer gewissen Stel- lung das Gleichgewicht ein; ich will als Beispiel annehmen, dies geschehe, wenn der Drehungswinkel 40° ist, dann koͤnnten wir ja sagen, bei 40° Abstand Den wir zwar eigentlich nach der Sehne messen sollten. sei die abstoßende Kraft der Dre- hungskraft von 40° gleich. Um nun zu sehen, welche Kraft einer geringern Entfernung entspricht, dreht man die Klemme bei F so, daß die Kugel A gezwungen wird, gegen C zu zu gehen und setzt diese Drehung so lange fort, bis die Kugel auf 20° Abstand gefuͤhrt ist, also die halbe Entfernung erreicht hat. Um dies zu bewirken, muß offenbar der Zeiger an F nicht bloß um 20° zu- ruͤckgedreht werden, sondern wegen der bei der Annaͤherung an C zunehmenden abstoßenden Kraft um so viel bis Drehungskraft und Abstoßungskraft sich wieder das Gleichgewicht halten; Coulombs und Biots Erfahrungen zeigen, daß in unserm Falle die Dre- hung bei F 140° wuͤrde betragen muͤssen, so daß die unten noch statt findende Drehung = 20° mit der Aenderung der Stellung = 140° zusammen = 160° Drehung betraͤgt. Jene Versuche zeigen naͤmlich, daß in der halben Entfernung die vierfache Kraft (also = 4.40° Drehung) statt findet, und daß bei ein Viertel der Entfernung die Kraft auf das Sechzehnfache steigt, also in unserm Versuche bei 10° Abstand die Drehungskraft = 640° sein oder die Klemme F um einen Umfang und 270° gedreht werden muͤsse, damit 10° unten und 360° + 270 = 630° oben, jene 640° ausmachen. Ich habe hier immer so gerechnet, als ob die abstoßende Kraft ganz zur Drehung verwendet wuͤrde; genau genommen ist dies nicht der Fall, sondern, wenn Fig. 51. den Kreis vorstellt, in welchem das in G aufgehaͤngte Staͤbchen sich dreht, so muß die nach CA wirkende Kraft nach den Richtungen AL, AE, zerlegt werden, und nur die erstere koͤmmt hier als Drehungskraft in Be- trachtung. Bei den Versuchen ist wirklich so gerechnet, fuͤr meine Darstellung mag jene Angabe, die nicht ganz strenge ist, genuͤgen. Um die anziehende Kraft, welche von einer electrisirten Kugel auf eine unelectrisirte ausgeuͤbt wird, zu finden, muß man die bewegliche Kugel A durch einen im Glase PQ ( Fig. 45. ) ver- tical ausgespannten Seidenfaden hindern, sich an C anzulegen, damit sie nicht sogleich mitgetheilte Electricitaͤt erhalte. Man giebt nun der Kugel C eine schwache Ladung und da die Kugel A sich dann gegen C zu draͤngt, durch jenen Faden aber aufgehalten wird, so hat man Zeit, durch Drehung der Klemme F die Kugel A zu zwingen, daß sie sich weiter von C entfernt. Ich will an- nehmen, man finde bei einem Versuche, daß man, um A auf 40° zu entfernen, eine Drehung von 50° hervorbringen muͤsse, das heißt, die Klemme so weit fortdrehen muß, daß die unelectrisirte Nadel AB auf 90° zur Ruhe kaͤme, so wird man eine Drehungs- kraft von 200° finden fuͤr 20° Abstand, oder im letzten Falle muͤßte man die Klemme so weit fortdrehen, daß die unelectrisirte Nadel bei 220° zur Ruhe kaͤme. Ist naͤmlich ( Fig. 51. ) der Bogen CLR = 220° und die Klemme ist so gestellt, daß in ER die Nadel zur Ruhe kaͤme, so ist fuͤr CE = 20° die Nadel durch die Anziehung in einer Lage erhalten, wobei der Drehungsbogen ELR = 200° ist. Koͤnnten diese Versuche zu einer Zeit angestellt werden, wo die Electricitaͤt gar keinen Verlust in der Luft erlitte, so koͤnnte man D 2 ohne alle Correction eine Reihe solcher Versuche hinter einander anstellen, da es aber nie statt findet, daß nicht einige Vermin- derung der Electricitaͤt erfolgte, so muß man hierauf bei den nach einander folgenden Versuchen Ruͤcksicht nehmen. Jene Gesetze finden bei der positiven und bei der negativen Electricitaͤt auf gleiche Art statt, und geben uns die Regeln, nach welchen wir die Austheilung der electrischen Materie in den Koͤr- pern berechnen koͤnnen. Funfzehnte Vorlesung . Electrische Erscheinungen durch Vertheilung . Die abstoßende Kraft, mit welcher jede der beiden electrischen Materien auf ihre eignen Theilchen wirkt, so wie die anziehende Kraft, die jede auf die entgegengesetzte ausuͤbt, macht sich schon da merklich, wo auch kein Uebergang der Electricitaͤt statt findet. Die Erscheinungen, die daraus hervorgehen, nennt man electrische Erscheinungen durch Vertheilung , weil sie in einem leitenden Koͤrper dadurch bewirkt werden, daß, ohne Hinzukommen neuer electrischer Materie, die in demselben vorhandene sich un- gleich austheilt, und so am einen Ende die positive, am andern Ende die negative als wirksam hervortritt. Wenn man einem nicht allzu kurzen, isolirten Leiter AB ( Fig. 52. ) in C eine geriebene Glasroͤhre naͤhert, ohne sie so nahe zu bringen, daß durch ein Uebergehen der Electricitaͤt von der electrisirten Glasroͤhre auf den Leiter dieser mitgetheilte Electricitaͤt erhalten koͤnnte; so sieht man dennoch die bei A und bei B ange- haͤngten Kugeln aus einander gehen, und also Spuren einer in dem Leiter AB sich zeigenden Electricitaͤt. Zieht man die Roͤhre C wieder in groͤßere Ferne zuruͤck, ohne den Leiter AB zu beruͤh- ren, so hoͤren jene Abstoßungen auf und der Leiter AB ist ohne merkbare Electricitaͤt, so wie er es vor dem Versuche war. Aber nun naͤhere man diesem unelectrisirten und isolirten Leiter AB jene geriebene Glasroͤhre C abermals, und beruͤhre, waͤhrend C nahe genug, jedoch ohne Funken geben zu koͤnnen, gebracht ist, den Leiter in seinem entferntesten Puncte B nur einen Augenblick, so daß sogleich die Isolirung wieder hergestellt ist; so wird, nach- dem hierauf C abermals entfernt worden, AB sich in dauernd electrischen Zustand versetzt zeigen, und wenn man untersucht, welche der beiden Electricitaͤten es ist, die die Kugeln a, b, so wohl als c, d, aus einander treibt, so findet man diese nach der An- naͤherung geriebenen Glases negativ, naͤmlich derjenigen Electricitaͤt entgegengesetzt, die der Koͤrper C besaß. Wir wollen, um die Erscheinung noch genauer kennen zu lernen, einen dritten Versuch hinzufuͤgen. Man stellt ( Fig. 53. ) zwei isolirte Leiter AB, DE, so auf, daß sie, einander beruͤhrend, nur einen verbundenen Leiter AD darstellen, dessen einen Theil ED man aber, ohne ihn mit der Erde in leitende Verbindung zu setzen, von dem andern AB entfernen kann; man bringt nun abermals den positiv elec- trischen Koͤrper C in die Naͤhe des einen Endes A, waͤhrend beide Leiter in Beruͤhrung sind, man entfernt, waͤhrend noch C in seiner Stellung bleibt, den Leiter DE, ohne dabei einen der beiden Leiter mit der Erde in Verbindung zu setzen, und nun erst zieht man auch C zuruͤck; so zeigen beide isolirte Leiter sich electrisirt, und zwar der der Einwirkung des positiven C in der naͤchsten Stellung unterworfene AB ist negativ, der entferntere DE ist positiv, oder allgemein AB hat die entgegengesetzte, DE die gleichartige Elec- tricitaͤt, welche C hatte. Will man noch einen vierten Versuch hinzufuͤgen, so bringe man, ehe irgend einer der beiden Leiter beruͤhrt worden, AB, DE, abermals in Beruͤhrung, so sind sie beide unelectrisirt, wie sie es vor dem Versuche waren, ihre ent- gegengesetzten Electricitaͤten haben sich genau einander aufgehoben. Diese Erscheinungen des electrischen Einflusses, welchen der ent- fernte Koͤrper C ausuͤbt, erklaͤren sich sehr leicht. Um kurz zu sein, will ich bei dieser Erklaͤrung nur eine electrische Materie erwaͤhnen, indem sich durch die Bemerkung, daß allemal mit dem Zuruͤckstoßen der einen ein Heranziehen der andern, mit dem Mangel an der einen ein Ueberfluß der andern verbunden ist, die Erklaͤrung in Beziehung auf zwei electrische Materien ergaͤnzen laͤßt. Die Erklaͤrung ist folgende. Indem die positiv-electrische Materie in C angehaͤuft ist, wirkt diese abstoßend auf die im ungeladenen Leiter doch selbst im natuͤrlichen Zustande enthaltene positive Materie, und stoͤßt sie ( Fig. 52. ) von A nach B zuruͤck, so daß A sich im negativ-electri- schen Zustande befindet, B im positiven Zustande. Bleibt nun AB voͤllig isolirt, und zieht man C zuruͤck, ohne irgend eine Ab- leitung an AB anzubringen, so kehrt die positiv-electrische Materie von B nach A zuruͤck, und die nach A angezogene negative Materie geht nach B zuruͤck, so daß die, bloß aus ungleicher Vertheilung in dem Leiter AB entstandene electrische Spannung voͤllig wieder aufhoͤrt und AB als unelectrisirt erscheint. Dagegen wenn man waͤhrend der Einwirkung des positiv-electrischen Koͤrpers C eine Ableitung an B ( Fig. 52. ) anbringt, und dadurch die Kugeln c, d, zum ruhigen Herabhaͤngen bringt, so ist die bei B angehaͤufte po- sitiv-electrische Materie abgeleitet, also nun alle die in AB enthal- tene positiv-electrische Materie, welche, der Abstoßung von C her Folge leistend, uͤber B hinaus fortgetrieben ward, ganz entfernt. Hebt man jetzt die Ableitung bei B auf, und entfernt spaͤter erst den Koͤrper C, so findet sich AB negativ-electrisch, weil dieser Leiter seine positive Materie waͤhrend der unter der Einwirkung von C statt gefundenen Ableitung verloren, und — wie man der Vollstaͤndigkeit wegen hinzusetzen muß, — negativ-electrische Ma- terie durch den Leiter bei B an sich gezogen hat. Ebenso leicht erklaͤrt sich der dritte Versuch, daß naͤmlich ( Fig. 53. ) DE, waͤh- rend des Einflusses von C entfernt, sich positiv-electrisch zeigt und AB negativ-electrisch zuruͤckbleibt; denn die positiv-electrische Materie ist nach D gedraͤngt und dadurch ein Mangel an derselben in AB entstanden, die negativ-electrische Materie ist nach AB gezogen und daher in DE vermindert worden, und diese ungleiche Austheilung kann sich nicht wieder ausgleichen, weil man beide Leiter, als sie noch unter dem Einflusse von C standen, getrennt hat. Die Erscheinungen bleiben ganz ebenso, wenn C ein negativ electrisirter Koͤrper ist, nur daß dann auch bei den Wirkungen da positive Electricitaͤt erscheint, wo vorhin negative sich zeigte, und negative, wo vorhin positive war. Die Erklaͤrungen bleiben ganz dieselben, und selbst nach der Franklinschen Theorie lassen sich auch dann die Erscheinungen gut erklaͤren, weil der Mangel an electri- scher Materie in dem Koͤrper C nothwendig ein Hinuͤberstreben der in AB ( Fig. 52. ) enthaltenen, wenn gleich nur dem natuͤrlichen Zustande entsprechenden, electrischen Materie bewirken muß. Waͤre naͤmlich C auch im natuͤrlichen Zustande, so wirkte die in C so gut als die bei B befindliche auf A zuruͤck und in A bliebe die electrische Materie in Ruhe; offenbar dagegen wird sie in A ange- haͤuft, wenn von C her, wegen des dort eingetretenen Mangels, die Abstoßung nicht mehr statt findet. Die vorigen Versuche lassen sich mannigfaltig abaͤndern; die folgende Anordnung derselben scheint mir vorzuͤglich belehrend zu sein. Man stelle wieder ( Fig. 54. ) den isolirten Leiter AB, der sich im unelectrisirten Zustande befindet, auf, und naͤhere die elec- trisirte Glasroͤhre C, die also positiv electrisch ist; waͤhrend sie ihren Einfluß auf AB ausuͤbt, beruͤhre man mit einem Metall- scheibchen a, das an einem isolirenden Stiele b gehalten wird, das dem Koͤrper C zugekehrte Ende des Leiters AB, und trage die auf diese Weise ohne Beruͤhrung an C, in a erregte Electricitaͤt auf ein Electrometer uͤber; so findet man diese negativ, weil C positiv war, also die positiv-electrische Materie aus a nach AB verdraͤngt, die negativ-electrische Materie dagegen herangezogen und in a an- gehaͤuft wurde. Ist das Electrometer nicht fein genug, um schon kenntliche Zeichen von Electricitaͤt zu geben, wenn man die Metall- platte a einmal zu Ladung desselben anwendet, so kann man, durch mehrmalige Beruͤhrung in A und Uebertragung der erlangten La- dung auf das Electrometer, die Ladung des letzteren nach und nach verstaͤrken, und so sich uͤberzeugen, daß diese Metallscheibe, die ich ein Pruͤfungsscheibchen nennen werde, in A negativ wurde unter dem Einflusse des positiven Koͤrpers C. Hat man so mehr- mals die in A auf das Pruͤfungsscheibchen a uͤbergegangene nega- tive Electricitaͤt fortgefuͤhrt, und entfernt nun C, so bleibt AB in positiv-electrischem Zustande zuruͤck. Faͤngt man den Versuch von neuem mit einem im natuͤrlichen Zustande sich befindenden Leiter AB an, bringt ihn unter den Einfluß des positiv-electrischen C, und ladet jetzt das Electrometer durch ein wiederholt an dem ent- ferntesten Puncte B angebrachtes Pruͤfungsscheibchen, so ist die Ladung des Electrometers positiv, und nach der Entfernung von C bleibt AB negativ-electrisch zuruͤck, desto staͤrker negativ-elec- trisch, je oͤfter man an B die Beruͤhrung und Hinuͤbertragung des Pruͤfungsscheibchens wiederholt hat. Wiederholt man eben den Versuch so, daß man das Pruͤfungsscheibchen an E anbringt, so findet man eine geringe positive Electricitaͤt, und kann so den Punct F ziemlich nahe bestimmen, wo der dem Einflusse von C ausgesetzte Leiter gar keine Electricitaͤt zeigt, indem zwischen F und A negative Electricitaͤt hervortritt. Diese Versuche zeigen, daß ein unelectrisirter Koͤrper, sobald er in die Naͤhe eines electrisirten Koͤrpers koͤmmt, nicht in seinem ganz gleichmaͤßigen, unelectrischen Zustande bleibt, sondern daß durch die ungleiche Austheilung der electrischen Materie, die nun in ihm entsteht, das dem positiv geladenen Koͤrper C zugewandte Ende negativ-electrisch wird. Ist der positiv geladene Koͤrper C selbst ein Leiter, so muß vermoͤge dieser Einwirkung die positive Ladung in der Gegend, welche dem Leiter AB am naͤchsten ist, am meisten hervortreten; denn so wie in A sich die negativ-elec- trische Materie sammelt und dagegen die positiv-electrische in die Ferne nach B getrieben wird, so muß die in C befindliche Ueber- ladung mit positiv-electrischer Materie gegen A herangezogen werden. Dieses ist der Zustand, welcher dem Ueberschlagen des electrischen Funkens vorangeht, und wir koͤnnen daher nicht sagen, der electrische Funke eines mit positiver Electricitaͤt geladenen Koͤr- pers schlage auf einen voͤllig im natuͤrlichen Zustande bleibenden Koͤrper, sondern er schlaͤgt auf einen Theil dieses Koͤrpers, der wirklich negativ geworden ist. Ganz ebenso findet es statt, wenn C eine negative Ladung hat. Ein leicht anzustellender Versuch bestaͤtigt diese Behauptungen. Man stelle ( Fig. 55. ) dem Leiter DA einer Electrisirmaschine eine isolirte Metallkugel B und eine ebenso große Metallkugel C, die aber eine Ableitung CE hat, in gleichen Entfernungen gegenuͤber; so werden, indem man die Maschine dreht, und DA ladet, die Funken auf C, nicht auf B schlagen. Die Kugel B naͤmlich wird allerdings, wenn DA positiv geladen ist, an der Seite a negativ sein, aber die positiv-electrische Seite b ist nur wenig weiter als die negative a von A entfernt, und der zum Funkenschlagen erforderliche Gegensatz tritt daher hier bei weitem nicht so hervor, wie an der Kugel C, die ihre positiv-elec- trische Materie weit hin nach E zuruͤck sendet. Auch einige kleinere Erscheinungen finden hier ihre Erklaͤrung. Man hat schon fruͤh bemerkt, daß Papierstuͤckchen, die auf Glas liegen, nicht ganz so leicht als die, welche auf einer etwas groͤßern Metallplatte liegen, gegen geriebenes Siegellack oder Glas herauf- fliegen, und man kann sich davon uͤberzeugen, wenn man Glas und Metall an einander grenzend mit leichten Koͤrpern bestreuet und dann gegen diese alle gleichmaͤßig eine geriebene Siegellack- stange naͤhert; — die auf dem Metalle liegenden Koͤrperchen wer- den zuerst angezogen. Der negativ electrisirte Koͤrper D ( Fig. 56. ) (denn da ich Siegellack genannt habe, so ist er negativ,) kann naͤmlich in dem auf Glas AB liegenden Koͤrper a die negative Electricitaͤt nur bis auf die Hinterseite dieses Koͤrpers zuruͤcktrei- ben, da das Glas keine Ableitung gestattet; der Koͤrper b da- gegen kann in dem Metalle BC seine negativ-electrische Materie bis nach C zuruͤcksenden, und wird daher viel staͤrker angezogen. Ebenso leicht laͤßt sich eine bei den ersten Versuchen uͤber Elec- tricitaͤt oft vorkommende Sonderbarkeit erklaͤren. Wenn man zwei an seidenen Faͤden haͤngende Kugeln, deren eine d sich hinter der andern e befindet, ( Fig. 57. ) der electrisirten Glasroͤhre naͤhert, so wird oft nur die hintere d abgestoßen, waͤhrend die vordere e am Glase in Beruͤhrung bleibt. Dies geschieht dann, wenn beide Ku- geln den mit ihnen in Beruͤhrung kommenden Glastheilchen die Electricitaͤt geraubt haben; indem sie nun naͤmlich in der Naͤhe eines positiv electrisirten Koͤrpers bleiben, wird alle aufgenommene positiv-electrische Materie der entferntern Kugel zu gedraͤngt, und diese wird abgestoßen, die naͤhere aber, oder wenigstens ihre dem Glase zugekehrte Seite bleibt negativ, und da das Glas von den etwas entlegneren Puncten her nur sehr langsam Electricitaͤt zu- fuͤhrt, so dauert es oft lange, ehe auch sie genug Electricitaͤt, um abgestoßen zu werden, aufgenommen hat, und dieses tritt eher ein, wenn sie, nach und nach zu andern Puncten des Glases uͤber- springend, sich in verschiedenen Puncten die zu ihrer Ladung noͤthige Electricitaͤt sammelt. Vertheilung der Electricitaͤt bei zwei Koͤrpern , die beide geladen sind . Wir nahmen vorhin an, der isolirte Leiter AB ( Fig. 58. ) sei im natuͤrlichen Zustande; wir wollen jetzt ihn als positiv geladen annehmen, waͤhrend die positiv electrisirte Glasroͤhre sich ihm naͤhert. So lange jener positiv geladene Leiter allein stand, gin- gen die an seinen Enden angebrachten Kugeln gleichmaͤßig mit positiver Ladung aus einander; sobald aber C sich, so wie die Figur zeigt, langsam naͤhert, sinken die Kugeln a, b, herab oder vermindern ihre Abstoßung, waͤhrend die Kugeln c, d, weiter aus einander gehen; naͤhert C sich noch mehr, so haͤngen a, b, ohne alle Abstoßung neben einander herab, und bei noch groͤßerer An- naͤherung tritt eine neue Abstoßung eben dieser Kugeln ein, die nun zugleich auch gegen C angezogen werden; unterdeß haben die Kugeln c, d, ihre Abstoßung immer mehr verstaͤrkt. Auch diese Erscheinungen erklaͤren sich leicht, indem offenbar die anfangs gegen beide Enden des Leiters AB gleichfoͤrmig ausgetheilte positive Elec- tricitaͤt desto mehr gegen B und cd hin getrieben wird, je naͤher die positive Glasroͤhre C heranruͤckt. Durch dieses Zuruͤckdraͤngen der positiv-electrischen Materie von A und a, b, weg, koͤmmt es dahin, daß a und b nur eben die Menge positiver Electricitaͤt wie die umgebende Luft enthalten, und dann haͤngen die Kugeln ohne Zeichen einer Ladung herab; sie sind auch wirklich im natuͤrlichen Zustande, da aller Ueberfluß an positiv-electrischer Materie nach B gedraͤngt und die noch uͤbrige verminderte negative Materie nach A herangezogen, hier also der natuͤrliche Zustand hergestellt, die angemessene Menge beider electrischen Materien gesammelt ist. Naͤhert sich C noch mehr, so wird noch staͤrker die positiv-electrische Materie von A entfernt, die negativ-electrische Materie zu A her- angezogen, und A oder a, b, sind nun wirklich negativ und die Kugeln gehen mit negativer Electricitaͤt aus einander; daß sie dann zugleich stark gegen C angezogen werden, versteht sich von selbst. Wenn man diese Erscheinungen so beobachtet, wie ein lang- sames Heranruͤcken des Koͤrpers C sie ergiebt, so nimmt man deutlich das schwaͤchere, durch positive Electricitaͤt hervorgehende Abstoßen der Kugeln, das Aufhoͤren desselben, das Uebergehen in ein neues Abstoßen durch negative Electricitaͤt, wahr; aber bei schneller Annaͤherung kann aus der zuletzt eintretenden Anziehung des Koͤrpers C der Irrthum entstehen, AB sei negativ electrisch gewesen, weil allerdings zuletzt die Kugeln a, b, in diesen Zustand versetzt werden, wenn die positive Ladung nicht stark genug war, um unter dem nahen Einflusse von C auch hier noch positiv zu bleiben Naͤhert man den Koͤrper C auf die Weise, daß er oberhalb A, etwa in E, gegen A und a, b, heranruͤckt, so wird nicht in a, b, die entgegengesetzte Electricitaͤt hervortreten, weil von A aus sich die positive Electricitaͤt auch nach a, b, nicht bloß nach B zu draͤngt. Hier koͤnnen also noch immer die Kugeln a, b, mit positiver Electricitaͤt aus ein- ander gehen. . Haͤtte man dagegen dem positiv geladenen Leiter AB ( Fig. 58. ) eine geriebene Siegellackstange C, einen negativ electrisirten Koͤrper, genaͤhert, so wuͤrden, (wie die dritte unter 58 stehende Figur zeigt,) die naͤchsten Kugeln a, b, weiter aus einander gehen, die entferntern c, d, sich minder abgestoßen zeigen; denn obgleich AB im Ganzen sich noch immer im positiv-electrischen Zustande befin- det, so zieht sich doch die positiv-electrische Materie nun am mei- sten nach A und laͤßt B schwaͤcher positiv zuruͤck. Daß ein negativ electrisirter Leiter AB ganz aͤhnliche Erschei- nungen darbieten wird, versteht sich von selbst. Sind es aber zwei Leiter, AB, CD, ( Fig. 59. ) die beide gleichartig, z. B. negativ, electrisirt sind, so draͤngt sich die negativ-electrische Materie vor- zuͤglich nach den entferntern Enden, und da gehen folglich die Kugeln am staͤrksten aus einander; und ebenso verhaͤlt es sich bei positiver Ladung. Auf dieser Einwirkung eines electrisirten Koͤr- pers auf einen andern beruht es auch, daß man an Electrisirma- schinen mit mehr Vortheil lange Leiter anbringt Nur zur Ladung von Batterien sind kurze Leiter, wegen des geringern Verlustes von Electricitaͤt in der Luft, besser, da die Bat- terie die hervorgehende Electricitaͤt mit starkem Zuge an sich reißt. . Kaͤme es bloß auf die mit Electricitaͤt zu ladende Oberflaͤche an, so muͤßte eine große Kugel, von welcher die saͤmmtliche Electricitaͤt in einem einzigen Funken uͤberginge, eben die Dienste thun; aber der stark mit positiver Electricitaͤt geladene Cylinder der Electrisirmaschine giebt seine Electricitaͤt leichter an den Conductor ab, wenn die diesem schon ertheilte Ladung in einen ziemlich weit entlegenen Theil des Conductors hinuͤber gedraͤngt werden kann, und so laͤßt sich die Ladung auf einem langen cylindrischen Conductor mehr als auf einem kurzen verstaͤrken. Man hat Leiter von ungewoͤhnlicher Laͤnge mit großem Erfolge zur Verstaͤrkung des einfachen Con- ductorfunkens angewandt. Vertheilung der Electricitaͤt auf der Oberflaͤche eines einzigen Leiters . Wir haben noch nie die Frage aufgeworfen, ob denn die elec- trischen Materien im natuͤrlichen Zustande sowohl als im angehaͤuf- ten Zustande die Koͤrper ganz durchdringen, oder ob sie sich nur an der Oberflaͤche befinden; diese Frage laͤßt sich hier wenigstens in Beziehung auf den Zustand der geladenen Leiter beantworten. So lange die Koͤrper sich im natuͤrlichen electrischen Zustande befinden, erhellt kein Grund, warum die beiden electrischen Materien sich auf die Oberflaͤche der Koͤrper begeben sollten, indem sie sich ein- ander so anziehen, daß sie als voͤllig gebunden, zugleich also als an dem Orte, wo sie einmal sind, ruhend, koͤnnen angesehen werden. Sobald aber eine Ladung eintritt, das heißt, die eine electrische Materie in vermehrtem Maaße vorhanden ist, wirkt die, welche durch die zu geringe Menge der andern nicht mehr gebunden wird, auf ihre eignen Theile abstoßend, und da sie, wie wir anneh- men muͤssen, in den Leitern keinen Widerstand findet, so muß sie sich auf die Oberflaͤche begeben, und wuͤrde auch von dieser sich entfernen, wenn nicht die nichtleitende Luft ihr einen Widerstand entgegen setzte, wodurch sie gezwungen wird, in einer, vermuthlich sehr duͤnnen, Schichte auf der Oberflaͤche zu bleiben. Diese theo- retisch begruͤndete Vermuthung laͤßt sich durch Versuche, unter denen ich nur einen anfuͤhren will, bestaͤtigen. Wenn man einen laͤnglich runden Leiter AB ( Fig. 60. ) besitzt, zu welchem zwei duͤnne Blechhuͤllen CDE, FGH, so gearbeitet sind, daß sie ihn von beiden Seiten beinahe ganz umfassen; so wird man dem isolirten und geladenen Leiter AB alle seine Electricitaͤt rauben, wenn man jene Blechhuͤlle, an den isolirenden Handgriffen DK, GL, gehalten, uͤber ihn schiebt, und sie dann wieder wegnimmt. Die auf der Oberflaͤche von AB gesammelte Electricitaͤt geht also ganz auf diese Umhuͤllung uͤber und laͤßt sich mit ihr fortheben. Eben dieses, daß bloß die Oberflaͤche mit der Ladung bedeckt ist, erhellt aus andern Versuchen, unter denen folgender einer der interessantesten ist. Wenn man einen metallenen Becher, in wel- chem eine metallene Kette liegt, isolirt und nun electrisirt, so zeigt ein an dem Becher angebrachtes Electrometer bald einen hohen Grad von Electricitaͤt. Zieht man nun an einem isolirenden Hand- griffe die Kette allmaͤhlig heraus, so sinkt das Electrometer, zum Zeichen, daß die electrische Materie sich jetzt erst auf der aus dem Becher hervorgehenden Kette ausbreitet. Was die Ausbreitung der Electricitaͤt auf der Oberflaͤche eines Koͤrpers betrifft, so laͤßt sich zuerst leicht einsehen, daß die Aus- theilung der electrischen Materie auf der Oberflaͤche einer Kugel, die isolirt und keinem andern einwirkenden Koͤrper nahe ist, gleich- foͤrmig sein muß, wenn die Kugel ein Leiter ist. Wenn man mit dem Pruͤfungsscheibchen verschiedene Puncte der Oberflaͤche einer solchen Kugel beruͤhrt, und die Staͤrke der dem Pruͤfungsscheibchen mitgetheilten Electricitaͤt am Electrometer untersucht, so findet sich auch dies bestaͤtigt. Ein andrer leicht erhellender Satz ist, daß die Electricitaͤt sich unter zwei gleiche, sich beruͤhrende Kugeln gleich austheilen wird. Man lade die eine isolirt aufgestellte Kugel, und beruͤhre sie mit der andern ebenso isolirt gehaltenen Kugel; man entferne dann die eine so weit, daß keine merkliche gegenseitige Einwirkung mehr statt findet; so ergiebt die Untersuchung mit dem Pruͤfungsscheibchen gleiche Electricitaͤt in allen Puncten beider Ober- flaͤchen. Diese Gleichheit bemerkt man nicht bloß, wenn beide gleich große Kugeln in ihrer uͤbrigen Beschaffenheit gleich sind, son- dern, wofern sie nur aus guten Leitern bestehen, scheint es ganz einerlei zu sein, ob die eine hohl, die andre solide, ob die eine von Metall, die andre von einem andern Koͤrper ist; es scheint daher, daß es keine verschiedene Capacitaͤten fuͤr die Electricitaͤt giebt. Die gleichfoͤrmige Vertheilung der Electricitaͤt, die man auf Kugeln beobachtet, findet nicht mehr statt bei Leitern, die eine andre Gestalt haben. Unsre meisten als Leiter an der Electrisir- maschine und zu andern Zwecken isolirt aufgestellten Leiter sind Cylinder, die an den Enden halbkugelfoͤrmig abgerundet sind, und wenn man diese mit dem Pruͤfungsscheibchen untersucht, so findet man nach jeder ihnen gegebnen Ladung die Electricitaͤt am Ende staͤrker als in der Mitte. Man verfaͤhrt dabei am besten so, daß man zwei kleine Kupferscheiben von gleicher Groͤße mit Siegellack- stielen versieht, und mit beiden Haͤnden gleichzeitig das eine bei L, das andre bei M, ( Fig. 61. ) in Beruͤhrung bringt; traͤgt man die so erhaltene Electricitaͤt von L nach einem, und von M nach einem zweiten gleichen Electrometer hinuͤber, und wiederholt man dieses so lange, bis beide Electrometer hinreichend geladen sind; so sieht man allemal das vom Ende her seine Ladung empfangende Electro- meter mehr steigen, als das andre. Coulomb hat diese Ver- suche genauer mit seiner Drehwaage angestellt, und die Staͤrke der Electricitaͤt mehr als doppelt so stark am Ende als in der Mitte gefunden. Endigt sich der Cylinder, so wie es bei N gezeigt ist, in einen duͤnneren, am Ende halbkugelfoͤrmig abgerun- deten Cylinder, so ist bei N die Electricitaͤt noch staͤrker, als in M. Um die verschiedene Staͤrke der Electricitaͤt dem Auge darzustellen, habe ich (in Fig. 62. ) um den Leiter PQ eine punctirte Linie gezogen, deren Abstand die verhaͤltnißmaͤßig groͤßere oder geringere Staͤrke der Electricitaͤt darstellt; wir koͤnnten uns die den Koͤrper umgebende Schichte frei wirkender electrischer Materie ungefaͤhr so auf dem Koͤrper ausgebreitet denken, aber wir muͤßten sie dann sehr duͤnne, jedoch bei P reichlich zweimal so dick als bei A ansehen. Aehnliche Versuche hat Coulomb uͤber die Austheilung der Electricitaͤt auf einer kreisfoͤrmigen Scheibe angestellt, und in Fig. 63. zeigt ebenfalls die punctirte Linie durch ihr Hoͤhersteigen gegen die Raͤnder A, B, an, wie viel staͤrker man dort die Electri- citaͤt als in der Mitte findet. Daß diese ungleiche Austeilung der Electricitaͤt auf einem Leiter nothwendig so statt finden muß, laͤßt sich, wenn man keine genaue Zahlen-Angaben fordert, leicht uͤbersehen. Die in der Mitte A des Leiters AP gesammelte positiv-electrische Materie, ( Fig. 62. ) wenn er positiv geladen ist, sucht sich nach allen Seiten auszubreiten, und da die Luft dieses nicht gestattet, so kann sie nur nach den Enden des Leiters hin gedraͤngt werden, wo demnach der Ueberfluß dieser einen electrischen Materie, die, nicht gebunden durch die andre, frei wirkend hervortritt, am merklichsten wird. Eben so ist es gegen den Rand der Scheibe zu. Auf der Kugel dagegen ist, wegen der uͤberall gleichen Kruͤmmung, kein Punct der Oberflaͤche mehr als der andre faͤhig, eine staͤrkere Ladung als der benachbarte aufzunehmen. Poisson hat diesen Gegenstand theoretisch untersucht, und seine scharfsinnigen Betrachtungen verdie- nen um so mehr, daß ich einen Augenblick dabei verweile, da sie doch zu einigen durch Erfahrungen bestaͤtigten Zahlen-Angaben gefuͤhrt haben, und da sie die Grundlagen zu mehreren Bestimmungen ent- halten, die nur wegen der Schwierigkeiten der Rechnung noch nicht in genauen Zahlen haben entwickelt werden koͤnnen. Theoretische Untersuchungen uͤber das Gleichgewicht der Electricitaͤt an der Oberflaͤche der Leiter . Wenn ein Leiter mehr Electricitaͤt der einen Art erhaͤlt, als ihm im natuͤrlichen Zustande zukoͤmmt: so begiebt sich diese auf die Oberflaͤche des Leiters, und dies scheint so zu geschehen, als ob der Leiter der Bewegung der electrischen Materie gar keinen Wi- derstand entgegensetzte. So viel wir urtheilen koͤnnen, bildet diese als Ladung hervortretende electrische Materie eine sehr duͤnne Schichte auf der Oberflaͤche, und es laͤßt sich leicht einsehen, daß diese Schichte nicht allemal in allen Theilen der Oberflaͤche gleich dick sein wird, sondern diejenige Gestalt annehmen muß, welche noͤthig ist, damit irgend ein Punct im Innern nach allen Seiten gleich angezogen werde. Denn, wenn im Innern des Koͤrpers, wo sich unzersetzte Electricitaͤt (aus der Verbindung beider Ma- terien) ruhend befindet, irgend ein Punct A eine Anziehung fuͤr die positive, eine Abstoßung fuͤr die negative Materie nach bestimm- ter Richtung AB litte, ( Fig. 64. ) so wuͤrde etwas mehr positive Electricitaͤt nach B zu gehen, und etwas mehr negative zuruͤck treten, und dies wuͤrde statt finden, bis die Anziehung gegen die eine und die Abstoßung gegen die andre Materie nach allen Seiten gleich ist, fuͤr alle Puncte im Innern des Koͤrpers. Sie haben schon in den fruͤhern Vorlesungen gesehen, daß eine Kugelschichte, die außen und innen von concentrischen Kugelflaͤchen begrenzt ist, auf einen Punct im Innern der umschlossenen Kugel gar keine Anziehung ausuͤbt, wenn die Kraft der Anziehung umgekehrt dem Quadrate der Entfernungen proportional ist I . Theil S. 86. , und folglich erfuͤllt eine solche Schichte positiv-electrischer Materie, die eine Kugel concentrisch umgiebt, die Bedingungen des Gleichgewichtes. Die Rechnung zeigt, daß auch fuͤr ein Sphaͤroid ( Fig. 64. ) ebenso gut das Gleichgewicht der Anziehungen auf alle im Innern liegenden Puncte statt findet, wenn es mit einer Schichte, die gleichfalls sphaͤ- roidisch ist und eben das Verhaͤltniß der Axen hat, umgeben ist. Die Figur stellt dies dar, jedoch muß ich Sie wiederholt erinnern, daß die hier gezeichnete Dicke der Schichte viel zu groß ist, und daß diese eine geringere Dicke, als sich in der Zeichnung fuͤglich angeben laͤßt, hat. Diese Schichte uͤbt nach innen weder Anzie- hung noch Abstoßung aus; in Beziehung auf Puncte, die außer- halb liegen, ist dagegen die gesammte Anziehung gewiß gegen den Koͤrper DB zu gerichtet, und in Leitern, die nicht allzu entfernt liegen, wird also die entgegengesetzte electrische Materie gegen diesen Koͤrper heran gezogen, die gleichartige zuruͤckgetrieben, wo- durch dann aber, wegen gegenseitiger Wirkung, die Schichte DB eine andre Anordnung anzunehmen genoͤthigt wird. Ehe ich diese Veraͤnderungen betrachte, muß ich aber noch bei dem Drucke verweilen, den die Schichte nach außen, also gegen die umgebende Luft, ausuͤbt. Offenbar wird die in der Saͤule BC angehaͤufte positiv-electrische Materie von der in den naͤchsten Lufttheilchen vorhandenen Theilchen negativ-electrischer Materie angezogen, und strebt dorthin uͤberzugehen, was jedoch wegen der Natur der Nichtleiter, die keine Aenderung der Lage der electrischen Materie gestatten, zu keinem wirklichen Uebergehen Veranlassung giebt. Der Druck, mit welchem die electrische Materie vermoͤge dieses Bestrebens die Luft zu durchdringen sucht, ist vierfach so groß, wo die Schichte doppelt so dick, neunfach so groß, wo die Schichte dreifach so dick ist, und uͤberhaupt im Verhaͤltniß des Quadrates der Hoͤhe der Schichten. Der Grund hievon ist leicht einzusehen. Es ist naͤmlich die Kraft aller von L und M her ab- stoßenden Theilchen die Ursache, warum die Schichte in B eine gewisse Dicke annimmt, und die Hoͤhe der Schichte ist der Groͤße der aus jenen gesammten abstoßenden Kraͤften hervorgehenden Mittelkraft proportional; eine doppelt so dicke Schichte verraͤth uns also die Wirkung einer in B doppelt so maͤchtigen Kraft jedes einzelnen Theilchens, und da zugleich eine doppelt so hohe Saͤule zweimal so viel druͤckende Theilchen enthaͤlt, so uͤbt BC den vier- fachen Druck auf die umgebende Luft aus, wenn sie doppelt so dick ist. — Dies gilt genau nur bei sehr duͤnnen Schichten, die aber auch hier nur vorkommen. Es erhellt daher, daß ein Sphaͤroid KH ( Fig. 65. ) das zehn- mal so lang als dick ist, eine zehnmal so hohe Schichte electrischer Materie bei H als bei L haben muͤßte, und daß der Druck auf die Luft bei H hundertmal so groß als bei L sein wuͤrde. Da nun sagt Poisson , die Luft wie ein Gefaͤß anzusehen ist, worin sich die electrische Materie eingeschlossen befindet, so kann in H der Druck so groß werden, daß das Gefaͤß durchbrochen wird, und dann wuͤrde ein Funke uͤbergehen, wenn ein andrer Koͤrper sich in der Naͤhe befaͤnde, oder die Electricitaͤt wuͤrde in die Luft stroͤmend uͤbergehen, wie es bei Spitzen der Fall ist, wenn kein andrer Koͤrper in der Naͤhe ist. Auf aͤhnliche Weise muß man die Austheilung der electrischen Ladung auch bei andern Formen der Leiter, so lange einer allein, entfernt genug von allen andern Koͤrpern, dasteht, beurtheilen; aber auch in dem Falle, wo zwei Koͤrper auf einander einwirken, laͤßt sich manche allgemeine Bestimmung und manche besondre, auf einzelne Umstaͤnde passende, angeben. Zuerst ist der Satz leicht zu uͤbersehen, daß, wenn zwei Kugeln oder andre durch krumme Flaͤchen begrenzte Koͤrper sich in A beruͤhren, der Ladung ungeachtet, in A gar keine electrische Materie als Ladung vorhanden ist, das heißt, keine die nicht durch Verbindung mit der entgegengesetzten in dem voͤllig neutralen Zustande erhalten wuͤrde. Es ist interes- sant, daß dieses aus den mathematischen Formeln folgt, aber es erhellt auch von selbst, weil A hier ( Fig. 66. ) als im Innern liegend erscheint, also die Ladung sich eben so gut von hier weg- draͤngt, wie aus dem Innern eines aus einem Stuͤcke bestehenden Leiters. Eben so leicht erhellt, daß in der Naͤhe von A nur sehr schwache Spuren von Electricitaͤt sein koͤnnen, weil die in D, E, einander so nahe liegenden Theilchen electrischer Materie sich ein- ander abstoßen und sich gegenseitig mehr gegen B, C, zu draͤngen. Poissons Rechnung stimmt mit Coulombs Versuchen uͤber- ein, welche zeigen, daß sich die angehaͤufte electrische Materie in einer Schichte, deren Dicke nach den Verhaͤltnissen, welche die Figur zeigt, bestimmt ist, um beide Kugeln ordnet. Sind die Kugeln ungleich, III. R so ist auf der kleinern Kugel bei C mehr Electricitaͤt angehaͤuft, als auf der groͤßern bei D. ( Fig. 67. ) Die Ursache laͤßt sich wenigstens einigermaßen einsehen, weil auch hier wie bei dem Sphaͤroid ( Fig. 65. ) dem staͤrker gekruͤmmten Theile eine hoͤhere Schichte zu Erhaltung des Gleichgewichtes zugehoͤrt. Man kann dies auch dadurch bekraͤftigen, weil auf den gerade in der Mitte liegenden Punct F offenbar eine groͤßere Flaͤche DH von der einen Seite, als CI von der andern Seite unter gleich vortheilhaftem Winkel wirkt und von H , I bis zum Beruͤhrungspuncte nur we- nig Electricitaͤt sich findet. Die Groͤße der Ladung auf der klei- nern Kugel zeigt sich auch, wenn man beide Kugeln nach der Beruͤhrung von einander trennt und weit von einander entfernt, staͤrker, indem da, wenn sie weit genug von einander entfernt sind, jeder Punct der kleinen Kugel, mit dem Pruͤfungsscheibchen untersucht, staͤrkere Electricitaͤt als jeder Punct der groͤßern zeigt. Man irrt sich daher sehr, wenn man glaubt, bei der Mittheilung der Electricitaͤt von einem geladenen Leiter an einen zweiten theile sich die Electricitaͤt nach Verhaͤltniß der Oberflaͤche aus; dieses ist gar nicht der Fall, sondern eine kleinere Kugel erhaͤlt einen groͤßern Antheil als dem Verhaͤltnisse der Oberflaͤchen ent- spricht, und jede Verschiedenheit der Figur giebt ein andres Ver- haͤltniß der Austheilung. Wenn die kleine Kugel, ehe sie electrisirt ist, bloß im Besitze ihrer natuͤrlichen Electricitaͤt, der groͤßern Kugel genaͤhert wird, so tritt wegen des Einflusses der geladenen groͤßern Kugel eine ungleiche Austheilung der Electricitaͤt auf beiden Kugeln ein. Ist die groͤßere Kugel ( Fig. 68. ) positiv geladen, so wird die elec- trische Materie der kleinen Kugel AB zersetzt, die positive geht, bei groͤßerer Annaͤherung immer mehr, auf die entfernte Haͤlfte A , die negative auf die naͤhere Haͤlfte B , uͤber, und ziemlich genau halbirend liegt die Grenze der einen und der andern Electricitaͤt. Da aber nun die negative Materie in B staͤrker ziehend als die entferntere positive Materie in A abstoßend auf die positive elec- trische Materie in CD wirkt, so zieht sich die positive Ladung mehr auf die Seite C . Die ganze Schichte von electrischer Materie auf CD muß sich nun anders ordnen, und es tritt, bei unveraͤn- dert bleibender Lage der isolirt erhaltenen Kugeln nicht eher Ruhe der electrischen Materien wieder ein, bis die Anziehung und Ab- stoßung auf irgend einen Punct im Innern wieder Null ist. Wenn die Entfernung beider Kugeln geringer wird, so ist immer steigend mehr negative Electricitaͤt auf der Haͤlfte B und die zuge- hoͤrige positive ist auf A angehaͤuft; dagegen haͤuft die auf CD als Ladung vorhandene positiv-electrische Materie sich in C an, je mehr das Verhaͤltniß der Anziehung der naͤheren negativen Halb- kugel B gegen die Abstoßung der entfernteren positiven A bedeu- tender wird. Endlich geht dann die Ladung von CD auf AB uͤber, und bei der Beruͤhrung erhalten beide Kugeln jede einen angemessenen Antheil der Ladung. Wenn man sie dann langsam und immer isolirt von einander entfernt, so tritt an den naͤchsten Puncten B, C, (wo waͤhrend der Beruͤhrung keine electrische Ma- terie blieb,) die positive Electricitaͤt bei der groͤßern, die negative bei der kleinern hervor, die gesammte abstoßende Kraft der auf B wirkenden positiven Electricitaͤt in CD ist naͤmlich vielmal groͤßer als die auf A wirkende, so lange die Entfernung klein ist, und des- halb wird so sehr alle + E nach A gedraͤngt, daß in B ein - E hervorgeht; bei groͤßerer Entfernung naͤhern die auf A und B wirkenden Kraͤfte sich der Gleichheit und die + E kehrt nach B zuruͤck, bis sie endlich in sehr großen Entfernungen sich ganz gleich auf AB austheilt. Wegen dieser ganz ungleichen Austheilung der Electricitaͤt auf Leitern ist es hoͤchst schwierig, theoretisch zu bestimmen, wie fern die Grade unsrer gewoͤhnlichen Electrometer mit wahren Graden electrischer Ladungen vergleichbar sind. Es sind naͤmlich nicht die Endpuncte L, M, ( Fig. 69. ) allein, die sich abstoßen, sondern l, m und alle andere Puncte sind gleichfalls geladen, und da jeder Punct einen andern Antheil der Ladung hat, und jeder Punct bei Veraͤnderung der Lage des einen Theiles Mm einen andern Antheil der Ladung empfaͤngt, so wuͤrde eine sehr genaue theoretische Untersuchung, die fuͤr jetzt noch unausfuͤhrbar ist, der Bestim- mung wahrer Electrometergrade vorausgehen muͤssen. Will man also eine solche Bestimmung, die jedoch wegen des ungleichen Ver- lustes von Electricitaͤt in der Luft allemal etwas unsicher bleibt, versuchen, so muͤßte es experimentirend geschehen. Wenn eine Kugel geladen ist und auf ihr das Electrometer sich bis zu bestimm- R 2 ten Graden hebt, so kann man die genau halbe Ladung beobachten, wenn man jene Kugel mit einer ganz gleichen ungeladenen in Beruͤhrung bringt, und sie dann trennt, das genaue Viertel der Ladung, wenn man diesen Versuch wiederholt u. s. w. Wirkung der Spitzen . Die Spitzen haben, wie ich schon oft erwaͤhnt habe, die Eigenschaft, die Electricitaͤt in die Luft zu zerstreuen, und deshalb darf ein Leiter sich nirgends in Spitzen oder auch nur mit scharfen Kanten endigen. Diese Eigenschaft wird jetzt vollkommen erklaͤrlich. Draͤngt naͤmlich auf Leitern die als Ladung ihnen mitgetheilte Elec- tricitaͤt sich desto mehr nach dem Ende hin, je schmaler dieses ist, wird schon auf dem Sphaͤroide, dessen Axe zehnmal so lang ist als der Durchmesser des groͤßesten runden Querschnittes, die Schichte der Electricitaͤt zehnmal und der Druck gegen die Luft hundertmal so stark am Ende der Axe als an der Oberflaͤche jenes runden Querschnittes, so ist es leicht zu uͤbersehen, daß bei sehr spitzig endigenden Leitern der Druck gegen die Luft zu groß werden und den Widerstand der Luft uͤberwinden muß. In diesem Falle stroͤmt die Electricitaͤt aus und es ist keine bedeutende Ladung mehr moͤglich. Man fuͤhlt einen von der Spitze ausgehenden Wind, wenn man ihr die Hand gegenuͤber haͤlt, und im Dunkeln zeigt sich ein Leuchten an der Spitze. Bei staͤrkern Ladungen des Lei- ters zeigen sich eben diese Erscheinungen nicht bloß an Spitzen, sondern schon an kleinen, und bei sehr starken Ladungen auch an groͤßern Kugeln. Hiebei bemerkt man nun eine merkwuͤrdige Ver- schiedenheit, je nachdem die Ladung positiv oder negativ ist, indem die Spitze an dem positiv geladenen Leiter einen nach allen Seiten sich ausbreitenden Lichtbuͤschel, eine Menge divergirender Licht- strahlen, hervorbringt, dagegen eine Spitze an dem negativen Leiter nur einen glaͤnzenden Punct darstellt, der jedoch bei sehr starken Ladungen auch schwache, nach allen Seiten gehende Strahlen zeigen soll. Diese Verschiedenheit ist eines der characteristischen Merkmale beider Electricitaͤten, die man auch als Beweis fuͤr die Franklinische Theorie gebraucht hat, indem man das deutliche Ausstroͤmen der positiv-electrischen Materie als das wahre Ausstroͤmen der ange- haͤuften Electricitaͤt ansah, den glaͤnzenden Punct an negativen Spitzen aber dem Einstroͤmen der Electricitaͤt in den seiner electri- schen Materie beraubten Leiter zuschrieb; warum aber die sich aus der Luft gegen die Spitze draͤngende, zustroͤmende electrische Materie nicht eben so gut schon in einiger Entfernung von dem Endpuncte der Spitze leuchtend wird, als sie beim Ausstroͤmen leuchtend bleibt, scheint doch nicht zu erhellen, und der Beweis, den man hierin gefunden hat, um die Glas-Electricitaͤt als wahrhaft positive Electricitaͤt nachzuweisen, ist unzulaͤnglich. Nimmt man zwei electrische Materien an, die beide gleich gut ausstroͤmen, so muß man jene Ungleichheit wohl auf ein verschiedenartiges Verhalten beim Ausstroͤmen beziehen. Aber nicht bloß eine Spitze am Leiter selbst angebracht ent- ladet diesen, sondern auch eine Spitze, die in maͤßiger Entfernung gegen den isolirten Leiter gerichtet wird und selbst eine Ableitung hat. Ist naͤmlich AB ( Fig. 70. ) positiv geladen, und der Leiter DCE jenem Leiter genaͤhert, so stroͤmt die negativ-electrische Ma- terie der Spitze D zu, und sie stroͤmt hier aus und gegen den posi- tiven Leiter hinuͤber, und daß dann ihr starkes Anziehen die positive Materie aus der Luft und auch aus AB selbst hinuͤberfuͤhrt, scheint sich ganz wohl begreifen zu lassen. Wenn man dem aus einem positiv geladenen Leiter ausstrahlenden Lichtbuͤschel, der bei starken Ladungen selbst aus einer Kugel von 2 bis 4 Zoll Durchmesser hervorbricht, einen Leiter von der Seite naͤhert, so wenden sich die Strahlen dieses Lichtbuͤschels gegen den Leiter zu. Eben das geschieht, wenn man geriebnes Siegellack dem Lichtbuͤschel nahe bringt, dagegen werden diese Strahlen abgelenkt durch eine genaͤ- herte geriebene Glasroͤhre. Die materiellen Theilchen also, die sich uns hier leuchtend zeigen, folgen eben den Gesetzen der An- ziehung und Abstoßung, die wir an der positiv-electrischen Ma- terie wahrnehmen. Der Grund, warum sich da, wo die negativ-electrische Ma- terie in die Luft ausstroͤmt, nicht ein eben solches Ausbreiten in Strahlen zeigt, warum, da offenbar doch hier auch die positive Materie gegen die Spitze zu stroͤmen muß, diese sich nicht kenntlich darstellt, scheint mir auch nach der dualistischen Theorie nicht deutlich zu erhellen. Wir muͤssen uns also wohl begnuͤgen, bloß die Erfahrung auszusprechen, daß nur die im Uebermaaß ange- haͤufte electrische Materie uns in dem Lichte des Ausstroͤmens kenntlich wird, und daß vermuthlich die Bewegungsgesetze beider electrischen Materien wesentlich verschieden sein muͤssen. Ob man hinzusetzen darf, die eine zeige uns in der Luft mehr ein dem Stroͤmen aͤhnliches Hervorgehen, die andre koͤnne wohl in geschlos- senen Kreisen, wellenartig sich ausbreiten, wage ich nicht zu behaupten. Der electrische Wind, der aus den Spitzen hervorgeht, ist bei beiden Electricitaͤten nicht wesentlich verschieden, und obgleich man auch darin Verschiedenheiten hat finden wollen, die dem wahrhaften Ausstroͤmen der positiven Electricitaͤt entspraͤchen, so ist doch der Erfolg, wenn man ihn genau beobachtet, durchaus nicht so deutlich. Dieser electrische Wind, das Abstoßen der zunaͤchst liegenden Lufttheilchen, ist auch die Ursache der Bewegung des Flugraͤdchens mit Spitzen. Stellt man naͤmlich ein, so wie ABCD ( Fig. 71. ) geformtes, in Spitzen, die alle nach einer Seite von den Radien abwaͤrts gehen, sich endigendes Raͤdchen aus Metall- blech so in E unterstuͤtzt auf dem Leiter einer Electrisirmaschine auf, daß es sich leicht um diesen Mittelpunct dreht; so faͤngt es, sobald man den Leiter ladet, an, sich sehr schnell nach der Richtung ABCD zu drehen. An jeder Spitze naͤmlich wird die Luft von der Spitze A ab gegen F gestoßen, und offenbar erleidet daher A selbst die entgegengesetzte Wirkung, wodurch dann das Raͤdchen von A nach B umzulaufen anfaͤngt. Der Erfolg ist einerlei, der Leiter mag positiv oder negativ geladen sein. Lichtenbergische Figuren . Es giebt noch eine andre Erscheinung, die auf aͤhnliche Weise auf eine Ungleichheit im Ausstroͤmen der positiven und der nega- tiven Electricitaͤt hindeutet. Lichtenberg , der sich ums Jahr 1777 viel mit electrischen Versuchen beschaͤftigte, bemerkte, daß der Staub auf glatten Harzplatten oft in auffallenden Figuren geordnet war, und nach einigen Versuchen, den wahren Ursprung dieser Figuren zu finden, entdeckte er das Mittel, sie nach Willkuͤr hervorzubringen. Hat man einen duͤnnen Harzguß mit glatter Oberflaͤche und laͤßt auf einen Punct dieser Oberflaͤche einen elec- trischen Funken schlagen, bepudert man alsdann die Flaͤche mit feinem Schwefel oder semen lycopodii, so legt dieser Staub sich nicht gleichfoͤrmig auf die Flaͤche, sondern er bildet Figuren, die wesentlich verschieden sind, je nachdem der Funke ein positiver oder negativer war. Der positive Funke giebt eine mit divergi- renden, jedoch nicht ganz geraden, Strahlen sich ausbreitende Figur, in welcher die Hauptstrahlen sich gewoͤhnlich wieder in feinere zer- theilen oder veraͤsteln, ( Fig. 72. ) der negative Funke giebt eine Figur, die mehr oder minder deutlich aus concentrischen Kreisen besteht; ist sie auch nicht ganz und gar von strahlenden Ausstroͤ- mungen frei, so sind doch diese unbedeutend, und ihr characteristi- sches Ansehen besteht darin, daß die mit Staub sich belegenden Flaͤchen kreisfoͤrmig sind. Gelingt es, nur einen einzigen nega- tiven Funken auf die Harzplatte zu bringen, so erhaͤlt man einen genauen Kreis, der sich mit Staub bedeckt hat, in dessen Mitte der Staub sich nicht so stark aufgelegt hat, und der um die Mitte ein feines Geaͤder (wie Fig. 73. ) zeigt Dieses Geaͤder ist indeß schon ein Zeichen, daß nach dem Ueber- schlagen des negativen Funkens etwas positive Electricitaͤt uͤbergegan- gen ist. . Bringt man genau auf denselben Punct einen Funken und nach einigen Augenblicken einen zweiten, so stellt die bepuderte Figur sich wie Fig. 74. dar, und bei mehrern deutlich abgesetzt hinter einander folgenden Funken zeigt sich immer mehr das Bestreben, concentrische Kreise zu bilden. Gewoͤhnlich gehen neben der Stelle, wo der Hauptfunke aufschlug, noch mehr Kreise, wie Fig. 75. , oft sehr zahlreich hervor, ohne Zweifel weil kleine Funken seitwaͤrts hin gefallen sind Die negativen Figuren fallen am schoͤnsten aus, wenn man eine ziemlich große electrische Flasche inwendig negativ ladet und sie dann auf eine isolirende Unterlage A gestellt ( Fig. 76. ) auf folgende Art anwendet. Man setzt den einen Knopf E des gewoͤhnlichen Aus- laders ruhend auf die Harztafel CD und beruͤhrt mit dem andern Knopfe F langsam angenaͤhert nur einen Augenblick die Kugel B , waͤh- rend die Hand den Glasstiel G faßt, also keine Leitung darbietet; dann erhaͤlt man, wenn die Flasche nicht allzustark geladen ist, nur einen deutlich hervorgehenden Funken und kann durch eine zweite und dritte . Das Entstehen dieser Figuren beruht offenbar darauf, daß die electrische Materie, wenn sie auf einen Punct der schlecht lei- tenden Harztafel faͤllt, sich doch, des Uebermaaßes wegen, den benachbarten Puncten mittheilt, und bei dieser Mittheilung in dem einen Falle nach andern Bewegungsgesetzen fortschreitet, als im andern Falle. Die electrisirten Stellen aber ziehen den Staub an und bedecken sich mit demselben. Wenn man den Staub aufpudert, ehe der Funke mitgetheilt wird, so wird er bei dem Uebergange des Funkens von den electri- sirten Stellen abgeworfen; die positive Figur entsteht dann als von Staube entbloͤßt in aͤhnlichen Veraͤstelungen, wie im andern Falle; die negative bietet einen beinahe ganz von Staub befreiten Kreis dar, in dessen Mitte sich indeß noch ein ganz feines Woͤlkchen von Staub erhalten hat, oder sehr oft auch mehrere runde Flecke. Wenn man statt der Schwefelblumen oder des semen Iyco- podii eine Mischung von ungefaͤhr gleich viel Mennig und Schwefel in ein seidenes Laͤppchen thut, und diese Mischung durch die Seide durchpudert; so legt sich der farbige Staub nicht gleichmaͤßig auf die positiven und negativen Figuren, sondern wenn der Funke auf die Harztafel gebracht ist, und man mit dieser Mischung bepu- Beruͤhrung auf denselben Punct E mehrere, voͤllig getrennt wirkende Funken bringen. Haͤlt man dagegen die Flasche in der Hand und bringt die Kugel B der Harztafel nahe, so erstreckt die Wirkung der negativen Electricitaͤt sich in unregelmaͤßigen, jedoch immer rundlichen Flecken, zu weit nach allen Seiten. Eben das ist der Fall, wenn man die Tafel der Kugel eines negativ geladenen Conductors naͤhert, wo man große, aber nicht so schoͤne negative Figuren erhaͤlt. Wenn man fuͤr die negativen Figuren so, wie vorhin angegeben ist, verfaͤhrt, und den Auslader ab- hebt, ohne ihn zu beruͤhren, so bleiben die Kreise ohne Geaͤder und ohne die von der Mitte ausgehenden Strahlen; beruͤhrt man ihn da- gegen oder setzt man ihn, nachdem er abgehoben und entladen ist, wieder auf, so geht positive Electricitaͤt uͤber, die sich durch jene Strahlen kenntlich macht. Man sieht also, daß auch auf der negativ electrisirten Flaͤche die positive Electricitaͤt eben die Bewegungsgesetze befolgt, wie in andern Faͤllen. Auch fuͤr die positiven Figuren ist die zuerst angegebene Methode die passendste, doch erhaͤlt man diese auch auf andre Art eher in ihrer vollkommenen Form. Die negative Electricitaͤt scheint viel leichter sich in mehrere Funken zu zertheilen als die positive. dert, so erscheinen die geaͤstelten positiven Figuren weiß, von aus- gesondertem Schwefel, und der Mennig liegt in der Ferne zer- streut, dagegen erscheinen die runden negativen Figuren roth, in- dem hier der Schwefel unregelmaͤßig zerstreut abwaͤrts getrieben wird. Hier scheint also der Schwefel mehr negativ von den posi- tiv electrisirten Stellen angezogen zu werden, der Mennig mehr von den negativen. Andre Mischungen zeigen aͤhnliche Verschie- denheiten. Sechszehnte Vorlesung . Erfindung der electrischen Flasche . Fruͤher als man von den Erscheinungen, mit denen ich Sie neulich unterhalten habe, und die zuerst Canton 1753, darauf Wilke und Aepinus kennen lehrten, etwas wußte, trat un- erwartet und im hoͤchsten Grade uͤberraschend eine electrische Er- scheinung hervor, die zum ersten Male die Electricitaͤt als eine Kraft, deren Wirkung Schrecken erregen koͤnne, kennen lehrte. Im Jahre 1745 bemerkte zuerst von Kleist , daß man einen ungewoͤhnlich starken electrischen Schlag erhalte, wenn man ein mit Wasser nicht ganz gefuͤlltes Glas, aus welchem ein eiserner Nagel in das Wasser gesetzt hervorragt, in der Hand haͤlt, das Wasser nebst dem Nagel electrisirt, und endlich mit der andern Hand den Nagel beruͤhrt. Einen ganz aͤhnlichen Versuch stellte Cunaeus in Leiden etwas spaͤter an. Er hoffte, ein rund um von Glas umgebenes Wasser, dem man durch einen Leiter die Electricitaͤt zufuͤhre, werde diese nicht so leicht verlieren; da es sich nun einmal zufaͤllig traf, daß er bei dem Electrisiren das Glas in der Hand hielt, und dann mit der andern Hand den Drath, durch welchen dem Wasser die Electricitaͤt zugefuͤhrt war, beruͤhrte, so erhielt er einen heftigen Schlag, den er von der La- dung einer so geringen Wassermenge gar nicht erwartet hatte. Dieser Versuch erhielt den Namen des Leidener Versuches, die Flasche ward die Leidener Flasche oder die Kleistische Flasche ge- nannt; ich werde sie die electrische Flasche oder die Verstaͤrkungs- flasche nennen. Metallplatten unter gegenseitigem Einflusse geladen . Allerdings lag in diesem Versuche etwas ganz Unerwartetes. Wird die Flasche auf den Tisch gesetzt und das Wasser electrisirt, so kann man sie aufheben, und entladen, ohne einen erheblichen Schlag zu bekommen; — kurz, es erhellt im ersten Anblicke gar nicht, von welchen Umstaͤnden diese Ladung, deren Wirkung so empfindlich ist, abhaͤngt. Eine genauere Bekanntschaft mit den Erscheinungen, die durch Vertheilung der Electricitaͤt hervorgehen, hat erst nach und nach zur richtigen Beurtheilung dieser Erfolge gefuͤhrt, zu welcher wir am besten durch folgende Versuche gelan- gen. Es sei ( Fig. 77. ) AB eine vertical aufgestellte Glasplatte, an deren beiden Seiten gleich große, dicht an sie anschließende, glatte Metallplatten CD, EF, aufgestellt werden. Diese Metall- platten muͤssen auf recht gut isolirenden Glasfuͤßen befestigt sein und selbst durchaus keine scharfe Ecken darbieten, um so wenig als moͤglich Electricitaͤt durch Ausstroͤmen zu verlieren; sie muͤssen auch etwas kleiner als die Glasplatte sein, damit rund um sie ein hinreichend breiter Rand der Glasplatte ein Ueberschlagen von Fun- ken um das Glas weg von C nach E hindre, und man kann sie nun entweder recht nahe an die Glasplatte sich anlehnen oder ein wenig von derselben entfernt lassen. Man bringt den Conductor L einer Electrisirmaschine so an CD, daß die Funken von dem- selben auf CD uͤberschlagen und CD ebenso wie der Conductor positiv geladen wird; man bemerkt, daß nachdem ein Funke oder einige Funken uͤbergegangen sind, das Funkenschlagen unbedeutend wird, zum Zeichen, daß CD ebenso stark, als jener Leiter selbst geladen ist; aber mit Verwunderung bemerkt man, daß auch die Platte EF, wenn man sie nahe an die Glasplatte setzt und sie dann beruͤhrt, Funken giebt, und daß neue Funken vom Con- ductor auf CD schlagen, wenn man unterdeß aus EF Funken zieht. Daß diese aus EF hervorgehenden Funken nicht einer durch Mittheilung von CD dorthin gelangten Electricitaͤt ihren Ursprung verdanken, versteht sich von selbst, da das Glas weit sicherer als die Luft allen Uebergang der Funken hindert; EF muß sich also ohne Zweifel durch Vertheilung electrisch zeigen. Die positiv- electrische Materie in CD treibt, mit ihrer abstoßenden und an- ziehenden Kraft durch das Glas hindurch wirkend, die positiv-elec- trische Materie in EF auf die aͤußere Seite und zieht die negativ- electrische Materie auf die dem Glase zugekehrte Seite; bietet man der Platte EF einen Leiter dar, der mit der Erde in Verbindung steht, so geht die zuruͤckgetriebene positiv-electrische Materie auf diesen uͤber, und EF bleibt also negativ geladen zuruͤck. Aber diese negative Ladung wird so gegen die Glasplatte oder eigentlich gegen CD zu angezogen, daß sie kein Bestreben hat, selbst wenn man EF dauernd mit der Erde verbindet, zu dieser abzufließen, sondern sie wird durch die in CD enthaltene positiv-electrische Materie ebenso gebunden gehalten, wie es im natuͤrlichen Zustande der Koͤrper mit den sich gegenseitig bindenden beiden Electricitaͤten der Fall ist. Aber genau so wirkt nun auch die negative Electricitaͤt in EF auf die positive in CD zuruͤck; jene zieht diese so nahe als moͤglich an das Glas heran und gestattet ihr nicht, gegen den Con- ductor L so zuruͤckzuwirken, wie es außerdem der Fall sein wuͤrde. Ehe man der positiv-electrischen Materie einen Ausfluß von EF gestattete, war zwar auch die negative Materie nahe an die Glas- platte gezogen, die positive nahm die von CD abgekehrte Seite ein; aber diese geringe Ungleichheit des Abstandes konnte nur eine geringe Anziehung auf die positive Ladung in CD hervorbringen, da die Abstoßung der noch immer sehr nahe liegenden positiven Electricitaͤt beinahe ganz das vernichtete, was die Anziehung der negativen bewirkte; so lange also fand noch beinahe, mit geringem Unterschiede, der gewoͤhnliche Ladungszustand in CD statt, das heißt, die positive Electricitaͤt in CD hinderte mit ihrem Streben nach allen Seiten den Zutritt neuer Electricitaͤt vom Conductor L her, ungefaͤhr so, wie comprimirte Luft in CD den Zutritt gleich sehr comprimirter Luft von L her hindern wuͤrde. Dagegen, wenn die comprimirte Luft in CD durch eine fremde anziehende Kraft an der Flaͤche des Glases gebunden wuͤrde, so wuͤrde noch immer neue Luft von L her zudringen, weil die elastische Kraft der Luft in CD nicht mehr stark genug zuruͤckzudraͤngen im Stande waͤre. Und, wenn gleich diese Vergleichung in vielem Betrachte unvoll- kommen sein mag, so wage ich doch zu sagen, auf ganz aͤhnliche Weise gestattet die positive Electricitaͤt in CD einen vermehrten Zutritt electrischer Materie, weil die an der Glasplatte fest gehal- tene außer Stande ist, den Zudrang neuer positiver Electricitaͤt zu hindern. Je mehr diese positive Ladung zunimmt, desto mehr nimmt das Heranziehen neuer negativ-electrischer Materie in EF und das Zuruͤcktreten der positiv-electrischen Materie aus EF zu, daher denn bei neuer oder fortwaͤhrender Beruͤhrung der Platte EF die negative Ladung dieser sich immer vermehren, da- durch aber auch die Faͤhigkeit der CD, eine staͤrkere positive Ladung aufzunehmen, immer steigen wird. Waͤhrend so CD, EF, unter dem gegenseitigen Einflusse stehen, bemerkt man ihre starke Ladung wenig, wenn man jede einzeln beruͤhrt, weil, wie ich schon gesagt habe, die gegenseitig gegen die Glasplatte draͤngenden Electricitaͤten sich gegenseitig fesseln, und an der negativen Platte gar kein Drang nach außen merkbar ist, an der positiven aber nur hoͤchstens so viel Drang nach außen, als der Conductor L gleichfalls besitzt. Aber nun wollen wir die Platte EF, ohne sie leitend zu beruͤh- ren, von der Glasplatte entfernen, so tritt die bisher unmerkliche negative Ladung der EF hervor, und wir sehen es deutlich, daß bis dahin nur dadurch die in EF enthaltene negative Ladung uns ver- borgen blieb, weil sie durch die positive Ladung in CD gebunden gehalten wurde. Sie zeigt sich am Electrometer und zeigt sich auch bei der Beruͤhrung in einem uͤberschlagenden Funken. Bringt man die entladene Platte EF wieder an die Glasplatte, an welcher CD den alten Platz noch einnimmt, und beruͤhrt jene nun wieder, so giebt sie einen neuen Funken; entfernt man sie, immer isolirt gehalten, so giebt sie abermals einen Funken, bei neuer Zuruͤck- fuͤhrung in die Nachbarschaft von CD nochmals und so ferner, vorausgesetzt, daß CD nicht durch Mittheilung an die Luft zu viele Electricitaͤt verliert. Auch diese wiederholt sichtbar werdende Electricitaͤt laͤßt sich leicht erklaͤren, weil bei der Entfernung die negativ-electrische Materie in EF, durch keine fremde Kraft an ihrer freien Thaͤtigkeit gehindert, auf den dargebotenen Leiter uͤber- geht, also EF dann voͤllig entladen ist; aber zuruͤckgefuͤhrt in den Wirkungskreis der CD zieht sich wieder die negativ-electrische Materie in EF gegen die nach CD gewandte Seite, die positive wird nach außen gedraͤngt, und ein dargebotener Leiter erhaͤlt einen Funken, EF ist wieder in den negativen Zustand versetzt, der in der Naͤhe von CD nicht kenntlich ist, bei der Entfernung aber neue Spuren von Electricitaͤt darbietet. — Das was bei der voͤlligen Entladung vorgeht, wenn man beide Platten CD, EF, waͤhrend ihres gegenseitigen Einflusses durch einen Leiter verbin- det, will ich sogleich an der electrischen Flasche selbst erklaͤren. Die electrische Flasche . Diese wenden wir nicht mehr in ihrer ersten unvollkomme- nen Gestalt an, sondern bedienen uns der mit Metall an beiden Oberflaͤchen belegten Flaschen. Ziemlich bald naͤmlich nach den ersten Versuchen mit der Flasche bemerkte man, daß das Glas zu diesem verstaͤrkten Schlage faͤhig werde, wenn man beide Ober- flaͤchen mit einem leitenden Koͤrper bedeckt. Bei den ersten Ver- suchen war Wasser an der einen Seite, die das Glas umfassende Hand an der andern Seite der duͤnnen Glaswand der leitende Koͤrper; jetzt wenden wir eine innen und außen das Glas gleich weit bedeckende Belegung von Stanniol an, und lassen oben einen breiten Rand ohne leitende Belegung, damit kein Funke uͤber den Rand weg von einer Belegung zur andern uͤbergehe. Die innere Metallbelegung steht mit dem Metallstabe AB ( Fig. 78. ), der sich in eine Kugel B endigt, in Verbindung, und nun ist die electrische Flasche zum Gebrauche fertig. Mit dieser Flasche lassen sich viele lehrreiche Versuche anstellen. Der gewoͤhnlichste Gebrauch der electrischen Flasche ist, daß man die aͤußere Belegung mit der Hand beruͤhrt oder mit einem Leiter in Verbindung setzt, daß man die Kugel B gegen den Con- ductor der Electrisirmaschine haͤlt und einige Zeit die Funken dar- auf schlagen laͤßt, daß man dann mit der einen Hand die aͤußere Belegung beruͤhrt und zugleich mit der andern Hand die Kugel B beruͤhrt, wobei man einen viel staͤrkern Schlag als der ist, den man aus dem Conductor zu empfangen gewohnt ist, empfindet. Will man sich die unangenehme Empfindung des Schlages nicht zuziehen, so wendet man den Auslader an, den man an dem glaͤsernen Handgriff LM haͤlt, waͤhrend der Leiter CDE mit B und mit der aͤußern Belegung verbunden wird, wo dann im Au- genblicke der Beruͤhrung an B und E ein heller Funke und leb- hafter Schlag beobachtet wird. Daß die Moͤglichkeit der Ladung der Flasche darauf beruht, daß die aͤußere Belegung, waͤhrend die Funken des Conductors auf B schlagen, eine Ableitung hat, erhellt aus folgendem Versuche. Man stellt die Flasche auf einen recht trockenen Glasteller, so daß sie voͤllig isolirt ist, und laͤßt auf B die Funken des Conductors schlagen, so dauert es nicht lange bis die uͤbergehenden Funken unbedeutend werden, und wenn man die Flasche jetzt entladet, so bekoͤmmt man einen sehr unbedeutenden Schlag, der, selbst wenn man lange genug die Ladung von Conductor auf B hat uͤbergehen lassen, immer gleich unbedeutend bleibt. Wir wollen diesen Ver- such so abaͤndern, daß wir die Funken auf B schlagen lassen, aber wenn diese Funken nicht mehr lebhaft uͤbergehen, einen Leiter in geringer Entfernung von der aͤußern Belegung der Flasche halten; dann giebt die aͤußere Belegung Funken gegen diesen Leiter und zugleich gehen wieder lebhaftere Funken vom Conductor auf die innere Belegung uͤber; erst nach laͤngerer Fortsetzung der Ladung sieht man, daß die auf B uͤberschlagenden Funken unbedeutender werden, und die Flasche, obgleich jetzt eine Ableitung von der aͤußern Belegung durch die immer an ihr hervorgehenden Funken statt findet, sich ihrer vollen Ladung naͤhert. Wenn man die innere Belegung durch B an dem Conductor unserer gewoͤhnlichen Elec- trisirmaschinen positiv ladet, und die aus der aͤußeren Belegung der isolirt stehenden Flasche hervorgelockten Funken vermittelst eines kleineren isolirten Leiters auf ein Electrometer uͤbertraͤgt, so sieht man, daß die hier hervorgehende Electricitaͤt positiv ist; — offen- bar ist es die durch Einwirkung der inneren positiven Ladung auf die Außenseite der aͤußern Belegung geriebene positive Electricitaͤt, und die aͤußere Belegung wird mit jedem aus ihr hervorgehenden Funken immer staͤrker in negativen Zustand versetzt; diese negative Electricitaͤt wird durch die innere positive Ladung maͤchtig angezo- gen, und sie selbst zieht diese sich innen sammelnde positive Elec- tricitaͤt maͤchtig an. Daß hierdurch die Faͤhigkeit der innern Belegung, immer mehr Electricitaͤt aufzunehmen, steigt, erhellt aus dem Vorigen. Je duͤnner das Glas ist, das heißt eigentlich, je naͤher die negativ-electrische Materie an der einen Seite, die positiv-electrische Materie an der andern Seite des Glases, ein- ander sind, desto kraͤftiger ziehen sie sich gegenseitig an, und die Ladung wird, bei stets fortgehender Mittheilung neuer positiver Electricitaͤt an die innere Belegung, desto groͤßer. Es koͤnnte scheinen, als ob dies ohne Grenzen fortgehen muͤßte; aber das ist nicht der Fall. Freilich ist es wahr, daß die der innern Belegung zugefuͤhrte positive Electricitaͤt maͤchtig gegen die Oberflaͤche des Glases gezogen wird, und daher nur mit geringer Kraft gegen B zuruͤckstoßend wirkt; aber so sehr sie auch an der Oberflaͤche des Glases gebunden und unthaͤtig gemacht wird, so ist es doch offen- bar, daß bei zunehmender Ladung auch nach und nach die dem fernern Eintritte positiv-electrischer Materie bei B entgegen wir- kende Abstoßung staͤrker wird, weshalb auch ein bei B auf der Flasche befestigtes Electrometer allmaͤhlig steigt; diese Gegenwir- kung wird endlich so stark, daß die Kraft der Electrisirmaschine nicht mehr faͤhig ist, neue Electricitaͤt hereinzudraͤngen, und hiermit tritt das Ende der Ladung ein. Indeß wirkt noch ein zweiter Umstand ein, der die Ladung nicht einmal so groß werden laͤßt. Wie sorgfaͤltig man auch den Rand der Belegung so an das Glas anliegend mache, daß sich keine Spitzen darbieten, so fehlen diese doch nie gaͤnzlich; diese aber lassen einige electrische Materie ent- weichen und immer staͤrker entweichen, je staͤrker die Ladung schon ist, wobei es denn endlich, ohne daß die Flasche sich durch einen Funken entladet, dahin koͤmmt, daß die vom Conductor auf B einstroͤmende Electricitaͤt keine staͤrkere Ladung mehr bewirkt, son- dern nur jenen Verlust, den man im Dunkeln als ein Leuchten der Flasche gewahr wird, ersetzt. So, glaube ich, uͤbersehen Sie die Bedingungen der Ladung voͤllig; ich will jetzt die Entladung naͤher betrachten. Um diese genau zu verstehen, wollen wir die Flasche auf dem isolirenden Glasteller stehen lassen, und den Leiter, welcher an B Funken mittheilte, entfernen. Sie uͤbersehen leicht, daß ich keinen Funken bekomme, wenn ich bloß die aͤußere Belegung beruͤhre; denn da diese waͤhrend der Ladung immer mit der Erde in Ver- bindung stand, da die Ladung nur dadurch moͤglich war, daß diese Verbindung unterhaltend ward, so hat die aͤußere Belegung kein Bestreben, weder etwas herzugeben noch zu empfangen. Dagegen wenn man die innere Belegung der isolirten Flasche oder die Kugel B beruͤhrt, so bekoͤmmt man einen unbedeutenden, jedoch merk- lichen Funken. Die innere Belegung hat naͤmlich eine solche La- dung erhalten, die gegen den geladenen Conductor mit einiger Kraft zuruͤckwirkte, und der bloß im natuͤrlichen Zustande sich befin- dende Finger meiner Hand bekoͤmmt daher einen kleinen Funken, jener zuruͤckwirkenden Kraft angemessen. Nachdem dieser kleine Funke bei B hervorgelockt ist, beruͤhre ich wieder die aͤußere Bele- gung, aber ja nicht beide Belegungen zugleich; ich bekomme, hier wieder einen kleinen Funken. Dieser entsteht daher, weil zwar alle in der aͤußern Belegung gesammelte negativ-electrische Materie am Glase festgehalten wurde, so lange im Innern noch die volle Ladung war, aber nach dem Wegnehmen der geringen Menge positiv-electrischer Materie, die im ersten Funken verloren ging, nicht mehr die gesammte negativ-electrische Materie auf der aͤußern Belegung festgehalten wird, sondern ein kleiner Theil frei geworden ist, den wir jetzt als Funken aus der aͤußern Belegung ziehen. Ganz aus denselben Gruͤnden erhalte ich nun bei abermaliger Beruͤhrung der innern Belegung oder der Kugel B einen dritten Funken, bei dann wiederholter Beruͤhrung der aͤußern Belegung einen vierten Funken und so fort. Immer naͤmlich bringt die ein wenig verminderte Menge der positiven Electricitaͤt auf der einen, der negativen Electricitaͤt auf der andern Seite die Wir- kung hervor, daß jedes Mal auf der entgegengesetzten Seite ein wenig Electricitaͤt wieder frei wird, seine Spannung nach außen ausuͤbt und also bei der Beruͤhrung sich als kleiner Funke zeigt. Durch diese wechselnden Beruͤhrungen innen und außen, entladet man in zahlreichen kleinen Funken die Flasche endlich ganz, ohne einen lebhaften Schlag zu erhalten; aber wenn man gleich anfangs die aͤußere und innere Belegung zugleich beruͤhrt haͤtte, so haͤtte man den vollkommenen Entladungsschlag erhalten, indem alle diese Fuͤnkchen sich dann in unsrer Empfindung in einem untheilbaren Momente vereinigen. Bietet sich naͤmlich der nach außen mit geringer Spannung wirkenden Electricitaͤt ein von B nach E ( Fig. 78. ) gehender Leiter dar, so faͤngt die in B frei wirkende Electricitaͤt den Uebergang an, aber da in dem kuͤrzesten Augen- blicke nun immer mehr und immer mehr von beiden Electricitaͤten zu freier Wirksamkeit gelangt, da der ganze Erfolg der vorhin so langsam fortschreitenden Entladung in einem Augenblicke erfolgt, so ist es wohl nicht zu verwundern, daß dieser Erfolg dem Auge als sehr glaͤnzender Funke, der Empfindung als heftige Erschuͤtterung merkbar wird. Um uͤber die Natur jener einzelnen allmaͤhligen Entladungen gar keinen Zweifel uͤbrig zu lassen, will ich noch einige Versuche erwaͤhnen. Nachdem die Flasche geladen und, vom Conductor ent- fernt, isolirt aufgestellt ist, bringe man ein isolirtes Pruͤfungs- scheibchen an B, damit dieses den kleinen Funken der ersten theil- weisen Entladung empfange, so findet man das Scheibchen posi- tiv geladen; man entlade das Scheibchen und bringe es nun an die aͤußere Belegung, damit es hier das zweite Fuͤnkchen erhalte, so zeigt sich das Scheibchen negativ; und bei fortgesetzter wech- selnder Pruͤfung findet man, daß immer innen eine geringe Menge positiver Electricitaͤt, außen eine geringe Menge negativer Elec- tricitaͤt in jedem Fuͤnkchen frei wird, wenn die Ladung der innern Belegung von dem positiven Conductor ausging. Ein anderer Versuch zeigt eben dies. Man bediene sich einer Flasche, wo ( Fig. 79. ) am Rande der Flasche ein isolirender Arm AB angebracht ist, der eine zweite Metallkugel C traͤgt, die in geringerem oder groͤßerem Abstande von der mit der innern Be- legung in Verbindung stehenden Kugel D ihren Platz erhalten kann. Bringt man die Kugel C mit der aͤußern Belegung durch die Kette FE in leitende Verbindung, so kann man die Flasche auf die gewoͤhnliche Weise laden, und wenn der Abstand der Ku- geln DC nicht zu klein ist, der Flasche auch eine starke Ladung geben. Haͤngt man nun eine Kugel von Kork , Hollundermark oder einem andern Leiter an einem nichtleitenden Faden LM so auf, daß sie zwischen D und C haͤngt, so wird sie abwechselnd nach D und nach C gezogen, und entladet so, indem sie die po- sitive Electricitaͤt von D nach C, die negative von C nach D bringt, allmaͤhlig die Flasche. Auch an jeder andern Flasche wird ein an einem Seiden- faden haͤngendes Kuͤgelchen, wenn man es der isolirt aufgestellten Flasche zuerst an dem Knopfe der innern Belegung naͤhert, an- III. S gezogen und dann zuruͤckgestoßen; naͤhert man es nun der aͤußern Belegung, so wird es hier angezogen; die entgegengesetzten Elec- tricitaͤten beider Belegungen zeigen sich also auch hier. Setzt man eine noch ungeladene Flasche auf eine Harztafel, die mit Schwefel- staub gleichmaͤßig bestreuet ist, und laͤßt nun langsam einige Fun- ken auf die innere Belegung der Flasche fallen, so wird auf der Harztafel rund um den Boden der Flasche der Staub abgeworfen, und zwar erkennt man hier sogleich die in Strahlen auslaufenden positiven Figuren, wenn es positive Funken waren, die die innere Ladung bewirkten, und die runden negativen Flecke, wenn die La- dung innen negativ gegeben wurde. Setzt man eine schon gela- dene Flasche auf die Harztafel, und laͤßt langsam einige kleine Funken aus der innern Belegung ausladend hervorgehen, so breitet sich die aus der aͤußern Belegung hervordringende Electricitaͤt auf der Harztafel aus, und zeigt nun negative Figuren, wenn eine innere positive Ladung durch jene Funken vermindert wird. Die in Fig. 79. dargestellte Einrichtung der Flasche hat auch den Vortheil, daß man die Staͤrke des Schlages, den man geben will, bestimmen kann. Stehen naͤmlich die Kugeln D, C, einander sehr nahe, so schlaͤgt schon bei schwacher Ladung der Funke uͤber, weil die geringe Kraft der positiven inneren Ladung, indem sie bei D wirkt, C negativ macht, und dieser Gegensatz sich bis zum Ueberschlagen vergroͤßert. Man ist daher sicher, wenn man die Flasche nicht bis zum Ueberschlagen ladet, daß der Schlag, den man selbst herauszieht, nicht heftiger ist, als der, den man bei unveraͤnderter Stellung der Kugeln aus dem uͤberschlagenden Funken beurtheilen konnte. Auch ohne eine solche, naͤher an D gebrachte Leitung zur aͤußern Belegung hin, schlagen die Flaschen nicht selten uͤber. Das Bestreben der beiden getrennten Electricitaͤten zu einander zu gelangen, findet naͤmlich zwar am staͤrksten durch das Glas hin- durch, aber doch auch an den Grenzen der Belegung um den Rand der Flasche hinum statt; da das Glas, wenn es unbeschaͤ- digt und gleichfoͤrmig ist, auf keinen Fall ein Hindurchgehen gestat- tet, so findet bei sehr starker Ladung ein Hinuͤberschlagen des Fun- kens uͤber den Rand statt. Haͤtte die Flasche einen Sprung oder befaͤnde sich in der Glasmasse ein Leiter, der beide Belegungen verbaͤnde, so ginge die Electricitaͤt von einer Seite des Glases zur andern uͤber und die Flasche ließe sich gar nicht mehr laden. Wenn man die Flasche in der Hand haͤlt, waͤhrend die Fun- ken des Conductors auf die Kugel D der inneren Belegung schla- gen, so fuͤhlt man bei den uͤber den Rand schlagenden Entladungs- funken keinen Schlag. Die beiden Electricitaͤten gleichen sich naͤmlich bloß aus und gehen nicht durch den Koͤrper dessen, der die Flasche haͤlt; dieser kann nur den geringen Ueberschuß positiver Electricitaͤt empfangen, den die innere Belegung uͤber die natuͤrliche Electricitaͤt voraus hat, und den wir vorhin bei allmaͤhliger Ent- ladung in dem ersten Funken erhielten. Auch wenn man einen metallischen Leiter in die Hand nimmt, ihn an die aͤußere Bele- gung zuerst fest anlegt, und ohne hier ihn zu entfernen, ihn nun auch an die Kugel B ( Fig. 78. ) druͤckt, erhaͤlt man keinen Schlag, weil die ganze Ladung, vollkommen gut geleitet, zur an- dern Belegung uͤbergeht. Auf diese Weise kann man selbst groͤßere Flaschen, ohne Gefahr einen Schlag zu erhalten, vermittelst eines mit der Hand beruͤhrten Leiters entladen; nur in dem Falle, wo der Leiter in dem Augenblicke, da er die innere Belegung ent- ladet, nicht genau die aͤußere Belegung beruͤhrte, wuͤrde man den Schlag erhalten, indem die electrische Materie den laͤngern Weg durch die Hand und den ganzen Koͤrper des Menschen, dann durch die Leiter, auf denen die Flasche steht, bis zur aͤußern Belegung waͤhlen wuͤrde, sobald der metallische Leiter keine vollkommene Bahn fuͤr die Ausladung gewaͤhrte. Bei groͤßern Batterien wird indeß niemand gern den ausladenden Leiter beruͤhren, da es un- sicher ist, ob der Leiter stark genug ist, um alle uͤbergehende Elec- tricitaͤt aufzunehmen, und im entgegengesetzten Falle sich ein Theil der Ladung durch den Koͤrper des Beobachters auf gefaͤhrliche Weise entladen wuͤrde. Andre Versuche mit der Flasche . Daß man eine geladene Flasche dadurch entladen kann, daß man sie anscheinend mit der entgegengesetzten Electricitaͤt ladet, ist leicht zu uͤbersehen. Hat naͤmlich die Flasche an dem positiven Leiter an der innern Seite eine positive Ladung erhalten und ist dadurch das auf ihr angebrachte Electrometer gehoben ( Fig. 80. , S 2 so sieht man dieses sich hoͤher heben, wenn man die Ladung an eben dem Leiter fortsetzt; dagegen sinkt es, wenn man die Ladung nun an dem Leiter des isolirten Reibzeuges fortsetzt, indem das Reibzeug, welches immerfort seine positive Electricitaͤt an den Glascylinder oder die Glasscheibe abgiebt, die an der innern Bele- gung der Flasche gesammelte positive Electricitaͤt aus ihr heraus zieht. Setzt man diese Ladung am Reibzeuge fort, so tritt, nach- dem das Electrometer voͤllig gesunken ist, ein neues Steigen ein, weil die Flasche nun inwendig mit negativer Electricitaͤt geladen wird, wobei alle Erscheinungen eben so eintreten, obgleich nun die positive Electricitaͤt an der aͤußern Belegung sich sammelt. Die weite Fortleitung des electrischen Schlages der Flasche hat kurz nach der Erfindung der Flasche noch mehr als in spaͤterer Zeit die Aufmerksamkeit der Beobachter erregt. Da die Ausladung der Flasche in einem Zuruͤckleiten der positiven Electricitaͤt von der einen Belegung nach der andern, und so der negativen Electricitaͤt auf dem entgegengesetzten Wege, besteht; so ist es begreiflich, daß diese Ausgleichung auf dem kuͤrzesten Wege statt findet. Laͤßt man einen Leiter, wie es Winkler , Lemonnier , Watson , und andre gethan haben, von der aͤußern Belegung der geladenen Flasche in das Wasser eines Stromes gehen, und leitet man auf isolirenden Unterlagen einen zur Beruͤhrung der innern Belegung bestimmten Leiter bis zu 1000 Fuß von jenem Puncte abwaͤrts, so wird, sobald der letztere das Wasser des Stromes und die innere Belegung beruͤhrt, die Flasche entladen. Hat man daher die Lei- tung von der aͤußern Belegung aus so eingerichtet, daß ein Mensch mit einer Hand den Leitungsdrath der aͤußern Belegung haͤlt, und mit der andern einen Leiter, der bis in das Wasser reicht, so erhaͤlt diese Person den Schlag, sobald in jener großen Entfernung der das Wasser beruͤhrende Leiter mit der inneren Belegung in Verbindung gesetzt wird. Mehrere jener Beobachter haben sich uͤberzeugt, daß selbst bis auf 12000 Fuß und selbst durch die Erde die Wirkung noch fuͤhlbar ist, und daß sie ohne merk- lichen Zeitverlust erfolgt. Nach dem Entladungsschlage sehen wir die Flasche als voͤllig in den natuͤrlichen Electricitaͤtszustand zuruͤckgekehrt an; indeß ist das nicht ganz richtig, sondern wenn man nach einiger Zeit die Entladung noch einmal versucht, so erhaͤlt man noch einen Fun- ken, der jedoch immer schwach gegen die eigentliche Entladung ist. Dieses Residuum , was bei großen Flaschen und vollends bei der Verbindung mehrerer Flaschen noch sehr bedeutend sein kann, entsteht daher, weil die Belegungen das Glas nicht strenge in allen Puncten beruͤhren. Waͤhrend der Ladung naͤmlich nehmen, so schlecht auch die Leitung des Glases ist, doch die Puncte des Glases, welche nicht in unmittelbarer Beruͤhrung mit der Bele- gung stehen, auch eine Ladung an; diese Puncte werden bei der schnellen Entladung nicht mit entladen, weil die electrische Materie zu fest an den Nichtleitern haͤngt; aber nach Verlauf laͤngerer Zeit geht sie dennoch in die Belegung uͤber, die sich daher nun wieder geladen zeigt, und noch einen Funken giebt. Solche Ueber- reste zeigen sich selbst nach mehrmaliger Entladung noch, und selbst eine voͤllig entladene Flasche, aus der kein Funke mehr zu ziehen ist, zeigt an seinen Electrometern immer noch Spuren sehr schwa- cher Ladung. Unter den zahlreichen Versuchen, wozu die Flasche Veran- lassung giebt, will ich nur noch einige anfuͤhren, die mit theore- tischen Betrachtungen in Verbindung stehen. Sie sahen vorhin, daß eine isolirt aufgestellte Flasche sich nicht laden ließ; aber wenn man die aͤußere Belegung der isolirten Flasche mit dem isolirten Reibzeuge, die innere Belegung mit dem isolirten Conductor des geriebenen Glases in Verbindung setzt, so gelingt die Ladung voll- kommen. Das geriebene Glas entreißt naͤmlich dem Reibzeuge die positiv-electrische Materie und fuͤhrt sie durch den Conductor der innern Belegung der Flasche zu; die dadurch aus der aͤußeren Belegung ausgetriebene positiv-electrische Materie geht wieder dem Reibzeuge zu, und giebt diesem die Faͤhigkeit, aufs neue sie an den Cylinder abzugeben; die beiden Belegungen der Flasche kommen aber immer desto mehr in entgegengesetzten Zustand. Man kann eine Flasche an der andern laden. Ist AB ( Fig. 81. ) eine isolirt aufgestellte Flasche, die positive Funken fuͤr die innere Belegung erhaͤlt, so geht die positiv-electrische Materie der aͤußern Belegung von AB auf die mit ihr in Beruͤhrung gesetzte Kugel der zweiten Flasche CD uͤber, und wenn die aͤußere Belegung dieser durch die Hand E mit der Erde in leitender Ver- bindung steht, so werden beide Flaschen zugleich und beinahe gleich stark geladen, weil die auf die innere Belegung der ersten Flasche geleitete positive Electricitaͤt fast eben so viele positiv-electrische Materie aus der aͤußern Belegung austreibt, und zur zweiten Flasche hinuͤber treibt. Aus der Natur der electrischen Ladung der Flasche laͤßt es sich auch erklaͤren, warum diese Ladung sich in der Luft nicht so bald verliert. Ein gewoͤhnlich geladener Leiter bietet die in ihm angehaͤufte Electricitaͤt auf der ganzen Oberflaͤche der Ableitung durch die Luft dar, und in jedem Puncte der Oberflaͤche findet ein Bestreben der electrischen Materie, in die Luft uͤberzugehen, statt; in der Flasche hingegen ist die groͤßeste Menge der electrischen Ma- terie an beiden Seiten des Glases so festgehalten, daß sie gar kein Bestreben, in die Luft uͤberzugehen, hat. Der Verlust an die umgebende Luft ist also nur ungefaͤhr so groß, als es bei einem gewoͤhnlich geladenen Leiter der Fall sein wuͤrde, wenn seine La- dung so schwach, wie der der isolirten Flasche bloß an der innern Seite entzogene Funke angiebt, ist. Dennoch wird in langer Zeit auch an der Luft die Flasche entladen, weil jener kleine Ueberschuß an positiver Electricitaͤt an der einen Seite, hierauf ein wenig negative Electricitaͤt an der andern Seite verloren geht, und so nach und nach die ganze Ladung sich den Lufttheilchen mittheilt; aber selbst nach zwei Tagen findet man mittelmaͤßig geladene Fla- schen in trockner Luft noch unentladen. Eine aͤhnliche stille Entladung, wie hier die Luft endlich bewirkt, kann man mit Spitzen, die man gegen die aͤußere und gegen die innere Belegung der Flasche richtet, hervorbringen. Man stellt die geladene Flasche isolirt auf, und haͤlt zugleich zwei spitzige metallische Leiter mit ihren Spitzen gegen die obere Kugel und gegen die aͤußere Belegung, ohne diese zu beruͤhren; nachdem man dies einige Zeit gethan hat, findet man, bei Anwendung des Aus- laders, daß fast die ganze Ladung verloren ist. Man kann die Ladung einer Flasche unter zwei Flaschen aus- theilen; aber es ist schwierig, uͤber das Maaß der Ladung fuͤr die eine und die andere Flasche genau zu urtheilen. Wenn man zwei Flaschen neben einander aufstellt, AB, CD, ( Fig. 82. ) und nun die eine AB ladet, so kann man zuerst die aͤußeren Belegungen beider verbinden, ohne daß dies irgend eine Aenderung hervor- bringt, weil ja die aͤußere Belegung der Flasche AB waͤhrend der Ladung mit der Erde in Verbindung stehen mußte; aber wird nun ein isolirter Leiter zwischen den beiden Kugeln E, F, oder den innern Belegungen angebracht, so wird auch die Flasche CD gela- den, weil sich zuerst nur die bei E hervorstrebende positive Electri- citaͤt nach F entladet, dann aber auch von B nach D negative Electricitaͤt, wieder von E nach F positive Electricitaͤt geht u. s. w. Waͤren nun beide Flaschen in allen Hinsichten genau gleich, so waͤre es gewiß, daß die Ladung zur Haͤlfte in der einen zuruͤck- bleiben, zur Haͤlfte in die andere uͤbergehen wuͤrde; aber selbst wenn die Groͤße der belegten Flaͤche beider Flaschen gleich ist, kann man von der voͤlligen Gleichheit der Theilung nur dann uͤber- zeugt sein, wenn die Flaschen von gleich dickem Glase sind. Sind die Flaschen ungleich groß, so ist uͤber die Austheilung der Ladung gar nicht genau zu urtheilen moͤglich, aber gewiß ist es nicht strenge richtig, daß sich die Ladung nach dem Verhaͤltnisse der Quadrat- zolle der belegten Flaͤchen austheilt. Wenn die geladene Glas- flaͤche, bei mehrern vereinigten Flaschen, sehr groß und die mit ihr in Verbindung gesetzte Flasche sehr klein ist, so kann diese durch die Gewalt des ploͤtzlichen Ueberganges zerschlagen werden. Die electrische Batterie . Die Wirkung der Entladung einer Flasche nimmt mit der Groͤße der belegten Flaͤche zu, und da man in einer einzigen Flasche keine sehr große belegte Flaͤche erhalten kann, so verbindet man mehrere Flaschen, die dann die electrische Batterie bilden. Die so verbundenen Flaschen muͤssen auf einer gut lei- tenden Unterlage stehen, damit die aͤußere Belegung die positiv- electrische Materie entlassen, die negativ-electrische heranziehen kann. Die innern Belegungen werden durch die bis oben her- vorragenden Metalleiter in Verbindung gesetzt, und indem der Funke auf diese vereinigten Leiter schlaͤgt, bekommen nun alle Fla- schen ihren Antheil an der Ladung. Um so viele Flaschen zu laden, bedarf es vieler Drehungen des Cylinders oder der Scheibe der Electrisirmaschine, und man kann sagen, genau nach dem Qua- dratmaaß der Belegungen fordert die Batterie mehr Electricitaͤt, um ganz geladen zu werden. Kleinere Maschinen kann man schon deshalb zu Ladung großer Batterien nicht anwenden, weil sie bei sehr großem Zeitverluste doch keine starke Ladungen hervorbringen koͤnnten, indem in laͤngerer Zeit hier an allzu vielen Stellen Electricitaͤt verloren gehen wuͤrde. Bei dem Ausladen einer großen Batterie darf man nicht wagen, selbst mit der Hand den Auslader anzubringen, da bei der Annaͤherung leicht der Schlag den Beobachter selbst treffen koͤnnte; man bringt daher einen mit der aͤußern Belegung, so wie die Figur ( Fig. 83. ) zeigt, durch eine Kette verbundenen Leiter ABC an, dessen beweglicher Theil BC durch die hinreichend lange seidene Schnur CDE gehalten wird; loͤset man die Schnur bei E, so faͤllt C auf F herab und entladet die Batterie, waͤhrend der Expe- rimentator sich entfernt genug befindet. Noch angenehmer und belehrender ist der von Brooke an- gegebene Auslader. Er besteht ( Fig. 84. ) aus einem metallenen Waagebalken AB, der bei C unterstuͤtzt ist und sich um C drehen kann. Unter beiden Kugeln B, A, befinden sich die Metallkugeln D, E, deren eine D vor Anfang des Versuches mit der aͤußern Belegung der Batterieflaschen, die andre E mit den innern Bele- gungen durch den Leiter EF in Verbindung gesetzt ist. Vor An- fang der Ladung schiebt man das Gewicht G so weit, als man nach dem Maaße der beabsichtigten Ladung fuͤr passend haͤlt, gegen B zu, und diese Kugel legt sich an D an. Faͤngt nun die Ladung an, so wird A gegen E angezogen, aber diese Kraft muß das durch G hervorgebrachte Uebergewicht uͤberwinden, und erst wenn die La- dung dazu stark genug ist, schlaͤgt der Waagebalken uͤber und die Entladung findet statt. Von den maͤchtigen Wirkungen dieser Batterien werde ich in der Folge reden. Siebenzehnte Vorlesung . Der Condensator . Von den Mitteln, die Electricitaͤt maͤchtig zu verstaͤrken, mit welchen ich Sie, h. H., neulich unterhielt, gehe ich jetzt zu Mit- teln uͤber, um sehr geringe Spuren von Electricitaͤt zu beobachten. Diese Mittel haͤngen genau von denselben Principien ab, die wir neulich betrachtet haben. Der im Jahre 1783 von Volta erfundene Condensator hat seinen Namen daher, weil er die Electricitaͤt, die aus einem schwach geladenen Koͤrper zufließt, ver- dichtet und dadurch merklicher macht. Die beste Art, den Condensator anzuordnen, ist die, daß man zwei Platten AB, CD, ( Fig. 85. ), deren eine AB auf der isoli- renden Unterlage EF ruhet, vollkommen eben, so daß sie sich genau an einander anschließen, abschleift, und dann mit einer sehr duͤn- nen Schichte eines nicht leitenden Firnisses an einer Seite glatt uͤberzieht. AB ist an der oberen, CD an der unteren Seite mit diesem Firniß sehr duͤnne und gleichfoͤrmig uͤberzogen; GH ist ein isolirendes Staͤbchen, um die Platte auf AB aufzusetzen oder abzu- heben. An AB sind die mit leitenden Faͤden befestigten Kugeln 1 angebracht, die sich abstoßen, wenn in AB eine frei wirkende Ladung ist. Will man den Condensator anwenden, so geschieht dies immer nur da, wo die gewoͤhnlichen Electrometer keine Spur oder schwache Spuren von Electricitaͤt zeigen. Man setzt nun die obere Platte CD auf AB, und bringt den Leiter, in welchem man einige Electricitaͤt vermuthet, mit der unteren, nicht mit Firniß uͤber- zogenen Seite der Platte AB in Beruͤhrung. Waͤhrend er so an AB anliegt, beruͤhrt man die obere Seite der Platte CD mit dem Finger, und laͤßt eine kurze Zeit lang die Einwirkung, welche so statt findet, fortdauern. Alsdann zieht man sowohl die Electri- citaͤtsquelle, als den Finger, weg, und hebt die Platte CD an dem isolirenden Handgriffe auf; sobald das geschieht, gehen die Kugeln I aus einander, wenn sich wirklich noch Electricitaͤt in dem zur Ladung angewandten Koͤrper befand, und dieser bei schwacher Ladung doch nach und nach noch eine zureichende Menge von Elec- tricitaͤt hergeben konnte. Die Erklaͤrung dieser Erscheinungen ist nicht schwer. Da beide Platten AB, CD mit einer duͤnnen Schichte eines isoliren- den Firnisses bedeckt sind, so bilden sie, indem sie auf einander liegen, eine belegte Platte, naͤmlich zwei durch einen duͤnnen isoli- renden Koͤrper getrennte Leiter. Die isolirende Schichte muß duͤnne und voͤllig gleichfoͤrmig sein, damit selbst eine schwache Ladung des einen Leiters hinreichend und in allen Puncten gleich stark auf den andern wirke. Indem man nun den ladenden Koͤrper, ich will als Beispiel die Kugel einer anscheinend voͤllig entladenen Flasche annehmen, an den untern Leiter haͤlt, nimmt dieser zuerst nur eine Ladung von eben so unmerklicher Staͤrke an, wie sie in dem Knopfe der Flasche vorhanden ist; aber wenn man den obern Leiter beruͤhrt, so draͤngt die untere schwache positive Ladung aus der obern Platte ein wenig positive Electricitaͤt zuruͤck und neue negative wird herangezogen; dadurch wird die untere faͤhig, mehr positive Electricitaͤt aufzunehmen, versetzt dadurch die immerfort mit der Erde in Verbindung bleibende obere Platte immer mehr in negativen Zustand, und bringt so eine Ladung der beiden Leiter hervor, die in aͤhnlichem Verhaͤltnisse gegen die schwache Quelle der Electricitaͤt verstaͤrkt ist, wie es bei der geladenen Flasche in Vergleichung gegen den sie ladenden Leiter der Electrisirmaschine der Fall war. Entfernt man endlich den ladenden Koͤrper und auch die den andern Leiter beruͤhrende Hand, so bleibt die Ladung in den Platten, aber die Kugeln I gehen nicht aus einander, weil die mit ihnen in leitender Verbindung stehende positive Ladung an der isolirenden Schichte durch die Anziehung der entgegengesetzten Electricitaͤt fest gehalten wird; erst wenn man die obere Platte schnell aufhebt, und dadurch die Kraft, welche die positive Ladung der unteren Platte festhielt, entfernt, so wird diese ganze Ladung frei nach allen Seiten wirkend, sie geht also auch in die Kugeln I uͤber, und diese zeigen sich geladen und stoßen sich ab. Bringt man die obere Platte, waͤhrend man sie immer isolirt haͤlt, wieder naͤher an die untere, so fallen die Kugel I wieder zusammen und zeigen bei der gegenseitigen Beruͤhrung beider Platten keine Elec- tricitaͤt mehr; so oft man aber den obern Leiter entfernt, gehen sie wieder aus einander, bis endlich die bei jeder Trennung frei nach außen wirkende Electricitaͤt sich in der Luft zerstreuet. Durch diese Anwendung des Condensators findet man, daß electrische Flaschen, wenn sie auch wiederholt entladen sind und am Electrometer keine Spur von Electricitaͤt zeigen, oft noch sehr lange Zeit nach der Ausladung Electricitaͤt zeigen. Diese Flaschen sind besonders gut geeignet, um den Versuch mit dem Condensator anzustellen, weil sie bei sehr schwach wirkender Electricitaͤt doch eine, beinahe unerschoͤpflich zu nennende, Quelle von Electricitaͤt darbieten. Nur in solchen Faͤllen naͤmlich kann der Condensator wirksam sein, wo nicht die gesammte Menge der ihm zugefuͤhrten Electricitaͤt geringe ist, sondern wo diese groß genug aber von schwacher Spannung ist. Wollte man ein sehr kleines Metall- scheibchen schwach geladen anwenden, um den Condensator zu laden, so wuͤrde die Condensatorplatte freilich fast die saͤmmtliche Ladung jener Scheide aufnehmen; aber damit, wenn die Conden- satorplatte groͤßer als die ladende Platte ist, noch nicht einmal so stark als diese selbst geladen sein. Haͤtte man einen sehr großen Leiter von sehr schwacher Ladung angewandt, so wuͤrde man seine Ladung am Condensator bemerkbar machen, weil die vergleichungs- weise kleine Condensatorplatte den groͤßesten Theil der Ladung der groͤßern Platte zu sich hin zieht, und diese also, sobald ihre Elec- tricitaͤt nicht mehr gebunden ist, als stark geladen erscheint. Mit der entladenen Flasche ist es eben so, da sie noch sehr viel mehr Electricitaͤt an der Glas-Oberflaͤche durch gegenseitige Anziehung beider Electricitaͤten gebunden enthalten muß, als sich an der Kugel frei wirkend zeigt, und diese vom Glase her zustroͤmt, wenn der Condensator sie aufnimmt. Auch die schwache Electricitaͤt der Atmosphaͤre kann man, da sie unerschoͤpflich zufließt, am Condensator merkbar machen. Um den Grad der Condensation kennen zu lernen, kann man auf folgende Weise verfahren. Man bringt auf dem Glase, in welchem sich die Kugeln oder Strohhalme der Condensatorplatte befinden, eine Theilung an, um ein Maaß der Abstoßung zu haben, und sucht dieses Maaß mit wirklichen Graden staͤrkerer und schwaͤ- cherer Electricitaͤt zu vergleichen, wozu sich im Vorigen schon An- leitungen finden. Nun nimmt man eine kuͤrzlich entladene Fla- sche, die auch ohne Condensation die Kugeln noch ein wenig, z. B. 1 Grad, aus einander treibt, so daß man die nicht condensirte Ladung als = 1 Gr. ansehen kann; eben diese Flasche wendet man zum zweiten Male an, um nach den oben angegebenen Re- geln eine Ladung durch Condensation zu erhalten, und wenn man nun, beim Aufheben der obern Platte, das Electrometer auf 20 Gr. gehen saͤhe, so wuͤßte man, daß der Condensator zwanzigfach verdichtet, daß er also eine ganz unmerkliche Ladung von ⅕ Grad noch als 4 Gr. betragend kenntlich machen wuͤrde. Man kann eine sehr schwache Ladung noch mehr kenntlich machen, wenn man zwei Condensatoren, einen mit großen Platten und einen mit kleinen Platten nach einander gebraucht. Ist nur die Electricitaͤtsquelle unerschoͤpflich genug, um den großen Con- densator zu laden, so wird an ihm schon die Electricitaͤt verstaͤrkt, aber seine geladene Platte kann nun, nachdem die andre Platte entfernt ist, wieder zu Ladung der Platte des kleinern Conden- sators angewandt werden, und wenn jene zehnfach so groß ist als diese, so wird die Condensation bei der zweiten Operation ziemlich nahe auf das zehnfache dessen steigen, was der groͤßere Condensator ergab. Um uͤber die Resultate dieser Beobachtungen aber sicher zu urtheilen, muß man sich allemal vor dem Gebrauche des Conden- sators uͤberzeugen, ob er auch irgend etwas von Ladung enthaͤlt, indem man sonst auch diese fremde Wirkung nachher als Erfolg der angebrachten Ladung ansieht. Man legt daher beide Platten auf einander und beruͤhrt beide zugleich an den leitenden Seiten mit den Fingern, um den Condensator zu entladen; man hebt dann die obere Platte auf, und es soll sich nun der Condensator als ganz ungeladen zeigen; wenn das nicht der Fall ist, so kann man die weitern Versuche nicht eher anfangen, als bis es gelungen ist, ihn voͤllig zu entladen. Diese kleinen Ladungen des Condensators selbst koͤnnen leicht entstehen, wenn etwa durch Abwischen der gefirnißten Oberflaͤchen diese ein wenig electrisch geworden sind, oder wenn ein aͤhnliches Residuum wie bei geladenen Flaschen von fruͤhern Ladun- gen des Condensators zuruͤckgeblieben ist. Große Vorsicht erfor- dern diese Versuche, so wie alle die, welche sehr feine Untersuchun- gen betreffen. Aehnliche Instrumente sind unter dem Namen Duplicator, Luftcondensator u. s. w. angegeben, da sie aber auf gleichen Prin- cipien beruhen, so uͤbergehe ich sie. Das Electrophor . Dagegen verdient das mit dem Namen: bestaͤndiger Electri- citaͤtstraͤger, Electrophor , belegte Instrument eine etwas genauere Betrachtung, da hier einiges Unerwartetes vorkoͤmmt, woruͤber wir indeß bei genauerer Betrachtung den Aufschluß in eben den bisher erklaͤrten Grundsaͤtzen finden. Das Electrophor besteht aus einem Harzgusse, der in einem breiten und flachen Metallgefaͤße, das die Form genannt wird, so gegossen ist, daß er fest mit diesem vereinigt erhaͤrtet ist und eine recht glatte, ebne, von Spalten und Blasen freie Oberflaͤche darbietet. Das zweite Stuͤck des Electrophors besteht in einer Metallplatte, die an einem isolirenden Stiele abgehoben und wie- der aufgesetzt werden kann. Diese Metallplatte, die man den Deckel nennt, muß etwas kleiner als die Harztafel sein, so daß sie, mitten auf die Harztafel gesetzt, von dem Metallrande der Form noch ziemlich entfernt bleibt; sie muß nirgends Spitzen, die ein Ausstroͤmen veranlassen koͤnnten, darbieten, und auch am Rande so abgerundet sein, daß dort keine scharfe Kante eine Gelegenheit zum Ausstroͤmen gebe. Um das Electrophor zu gebrauchen, hebt man die Metall- platte, den Deckel, ab, reibt die Harzflaͤche mit einem Katzenfelle oder schlaͤgt sie mit einem Fuchsschwanze, wodurch jene negativ- electrisch wird. Man setzt nun den Deckel auf, beruͤhrt mit zwei Fingern zugleich die obere Seite des Deckels und den Rand der Form, worin die Harztafel sich befindet, wobei man einen leichten electrischen Schlag empfindet, und hebt den Deckel mit dem isoli- renden Stiele auf; dann giebt er bei der Beruͤhrung einen Fun- ken. Nachdem man so den Deckel entladen hat, setzt man ihn, isolirt gehalten, auf die Harzplatte, bringt wieder den Deckel und den Rand der Form in leitende Verbindung, erhaͤlt dabei abermals wie vorhin einen eben solchen electrischen Schlag; man hebt den Deckel wieder und erhaͤlt wieder einen Funken. Diesen Versuch kann man, so oft man will, wiederholen, ohne eine Abnahme der Funken zu bemerken und ohne daß es einer neuen Electrisirung der Harzplatte bedarf, die vielmehr die einmal ihr ertheilte Elec- tricitaͤt unvermindert behaͤlt. Um die Erscheinungen naͤher kennen zu lernen, wollen wir zuerst die Electricitaͤt des aufgehobenen Deckels, ehe er seinen Fun- ken abgiebt, pruͤfen. — Sie findet sich positiv; und dies ist es, was auffallend scheinen kann, da der Deckel doch mit der negative electrischen Harzplatte in Beruͤhrung gewesen ist. Aber daß hier nicht von einer bloßen Mittheilung der Electricitaͤt die Rede sein kann, erhellt schon aus der unerschoͤpflichen Wirkung, die offenbar nicht so erfolgte, wenn die Harzflaͤche ihre Electricitaͤt abgaͤbe; son- dern die immer gleiche Erneuerung dieser electrischen Wirkung beruht wieder auf einer gegenseitigen Anziehung der electrischen Materien. Indem naͤmlich die Harzplatte mit einem Thierfelle gerieben wird, waͤhrend die untere Seite durch das Metall der Form mit der Erde in Verbindung steht, wird zugleich die obere Seite des Harzes negativ, die untere positiv; es wird voͤllig so wie bei der Flasche, wenn die Ladung sich verstaͤrkt, immer mehr die negativ-electrische Materie an der untern Seite des Harzes weggedraͤngt, die positiv-electrische herangezogen, und die beiden sich gegenseitig anziehenden Materien, die negative an der obern, die positive an der untern Seite, halten sich gegenseitig gebunden, so daß keine ein Bestreben hat, zu entweichen. Nach der Ladung wollen wir uns die metallene Form CD auf dem isolirenden Fuße AB ( Fig. 86. ) aufgestellt denken, und nun den Deckel EF isolirt aufsetzen. Da die auf der Oberflaͤche des Harzes gesammelte ne- gative Electricitaͤt fast ganz durch die gegenuͤberstehende positive Electricitaͤt gebunden gehalten wird, so hat sie nur wenig Bestreben zum aufgesetzten Deckel hinuͤber zu gehen, und da die Beruͤhrung des aufgesetzten Metalls mit dem Harze nicht sehr innig ist, und vielleicht kein Punct so nahe beruͤhrt wird, daß nicht noch eine duͤnne Luftschichte den Uebergang der Electricitaͤt hinderte, so findet allenfalls nur von den wenigen Puncten, die wirklich beruͤhrt werden, ein Uebergang negativ-electrischer Materie statt. Da- gegen befindet die ganze untere Flaͤche des Deckels sich unter dem maͤchtigen Einflusse der ihm so nahe liegenden negativen Harz- flaͤche. Man kann sich dies so versinnlichen. Gesetzt der Deckel ruhte, ( Fig. 87. ) auf den wenigen Harzspitzen, a, b, c, so wuͤrden freilich die aͤußersten Puncte dieser Vorragungen eine geringe Menge negativer Electricitaͤt an den Deckel FG abgeben, dagegen aber wuͤrde, weil wegen der Nichtleitung des Harzes keine weitere Mittheilung statt findet, die abstoßende Kraft der ganzen Flaͤche ac bewirken, daß die obere Seite des Deckels FG negativ, die untere positiv wird; die in FG enthaltene electrische Materie wird durch Vertheilung so getrennt, daß sich die positiv-electrische Ma- terie nach der untern Seite, die negativ-electrische Materie nach der obern Seite begiebt. Beruͤhrt man nun bloß die obere Seite des Deckels, ohne zugleich die Form mit zu beruͤhren, so nimmt man die dort angehaͤufte, negativ-electrische Materie fort. Die auf der obern Flaͤche des Harzes CD ( Fig. 86. ) angehaͤufte nega- tive Materie hat jetzt nahe uͤber sich an der Unterseite des Deckels EF und nahe unter sich an der Unterseite des Harzes positive Elec- tricitaͤt; die letztere wurde gebunden gehalten, so lange der Zug von EF her noch nicht statt fand, sie ist also jetzt zum Theil frei gewor- den und tritt in die das Harz umgebende metallene Form zuruͤck, durch deren Beruͤhrung man sie ableitet und so den Zug nach dieser Seite schwaͤcht, wodurch EF faͤhig wird, noch mehr positive Elec- tricitaͤt aufzunehmen. Bei wiederholter abwechselnder Beruͤhrung des Deckels und der Form wuͤrde so nach und nach etwas positive Electricitaͤt aus der Form entlassen und nach dem Deckel hinuͤber- gefuͤhrt, und dieses geschieht in einem einzigen, stechenden Schlage oder Uebergange, wenn man Deckel und Form zugleich beruͤhrt, indem dann so viel + E als noͤthig ist, von der Form auf den Deckel uͤbergeht, und dieser nun offenbar positiv geladen ist. So lange der Deckel so nahe in der Nachbarschaft der negativen Elec- tricitaͤt bleibt, die sich auf der Oberflaͤche des Harzes befindet, ist diese positive Ladung gebunden, man kann den Deckel oben beruͤh- ren, ohne sie wegzunehmen; aber wenn man den Deckel aufhebt, so entzieht man die positive Electricitaͤt der Wirkung der auf sie einwirkenden Kraft, der Deckel zeigt sich als geladen und giebt einen Funken. Da hiebei die Harz-Oberflaͤche so gut wie gar nichts von ihrer negativen Electricitaͤt verloren hat, so laͤßt sich der Versuch mit immer gleichem Erfolge wiederholen; denn immer ist es die auf der Harz-Oberflaͤche fest gehaltene negative Electricitaͤt, die ohne selbst veraͤndert zu werden, das Aufnehmen neuer Electricitaͤt im Deckel beguͤnstigt. Wenn man den Deckel isolirt auf die Harzflaͤche setzt, und sogleich, ohne ihn zu beruͤhren, wieder abhebt, so zeigt der Deckel keine Electricitaͤt; denn wenn gleich seine natuͤrliche Electricitaͤt eine Veraͤnderung erlitten hat, indem, waͤhrend des Ruhens auf der Harzplatte, sich die positive Electricitaͤt auf die untere Seite, die negative auf die obere Seite begab, so verbinden sie sich doch sogleich wieder, wenn der Deckel gehoben wird, und der natuͤrliche Zustand ist hergestellt. Will man sich von allen Veraͤnderungen uͤberzeugen, die in dem Deckel und der Form vorgehen; so muß man die Form isolirt aufstellen und auch sie muß kein Ausstroͤmen der Electricitaͤt gestatten. Ist die Harzflaͤche electrisirt und man hat die Form beruͤhrt, so kann offenbar der Rand der Form keine Electricitaͤt zeigen; setzt man aber den Deckel auf, ohne ihn zu beruͤhren, so zeigt sich die mit einem isolirten Pruͤfungsscheibchen von der oberen Seite des Deckels auf ein Electrometer uͤbertragene Electricitaͤt negativ, die vom Rande der Form auf das Electro- meter uͤbertragene positiv; — jene ist die abgestoßene negative, diese die aus ihrer fruͤhern Bindung geloͤsete positive. Bringt man einen Leiter zwischen den Deckel und den Rand der Form, so zeigt das Pruͤfungsscheibchen keine Electricitaͤt mehr; aber hebt man den Deckel, so ist der Rand der Form negativ, weil die positive Electricitaͤt sich wieder an die untere Seite des Harzes begeben hat, und die negative sich von da entfernt hat, nachdem der Deckel mit seiner positiven Electricitaͤt aus der Naͤhe weggeruͤckt ist. Wenn man den gehobenen Deckel gar nicht entladet, aber durch ein auf ihm aufgesetztes Electrometer den Zustand seiner Ladung kenntlich macht, so versteht es sich zuerst von selbst, daß das Electrometer keine Ladung zeigt, wenn der auf der Harzplatte stehende Deckel mit der Erde in Verbindung gesetzt worden ist. Hebt man ihn langsam und isolirt, so steigt das Electrometer, aber sinkt immer wieder, wenn man den Deckel herabsenkt, indem die auf ihm reichlich vorhandene positive Electricitaͤt nur dann sich uͤber den ganzen Deckel und bis zum Electrometer hin verbreitet, wenn er sich nicht in der Wirkungssphaͤre der negativen Electri- citaͤt auf der Harzplatte befindet. Entladet man den Deckel, wenn er hoch gehoben ist, und naͤhert ihn dann isolirt der Harzplatte, so steigt das Electrometer und zwar nun mit negativer Electricitaͤt; hebt man ihn aber wieder, ohne ihn zu beruͤhren, so zeigt sich keine Electricitaͤt mehr. Bei allen diesen Versuchen muß der Deckel so gehoben werden, daß er der Harzplatte parallel bleibt; giebt man ihm eine geneigte Stellung, so geht die Electricitaͤt zu sehr auf eine Seite des Deckels uͤber und stroͤmt leichter aus. Erfindung des Electrophors . Anwendung . — Elec- trische Lampe . Doch ich habe wohl hinreichend den ganzen Gang der Er- scheinungen erklaͤrt, und fuͤrchte, daß alle diese Einzelheiten Ihnen nur als Wiederholungen erscheinen. Ich fuͤge daher nur noch kurz die Bemerkung hinzu, daß schon Wilke 1762 Wirkungen wie die, welche das Electrophor zeigt, an beweglichen Belegungen einer Glasplatte dargestellt hatte, daß aber Volta 1775 durch Erfindung des Electrophors in seiner jetzigen bequemen Form und durch eine vollstaͤndigere Erklaͤrung der damit angestellten Versuche sich ein bedeutendes Verdienst um die Erweiterung der Lehre von der Vertheilungs-Electricitaͤt erwarb. Lichtenberg stellte kurz nachher Versuche mit einem Electrophor von 6 Fuß Durchmesser an, bei welchem die Verbindung des Deckels mit der Form einen so empfindlichen Funken hervorbrachte, daß man ihn ungern oft durch die Hand hervorgehen ließ. Daß man mit den aus dem aufgehobenen Deckel gezogenen Funken electrische Flaschen laden und den Deckel zu allen den Ver- suchen gebrauchen kann, wozu der Leiter der Electrisirmaschine dient, versteht sich von selbst; aber es scheint seltsam, daß man durch eine am Electrophor selbst geladene Flasche jenen wieder noch mehr verstaͤrken kann. Um dies zu thun, muß man den oft nach ein- ander gehobenen Deckel seine positiven Funken auf das Innere der Flasche schlagen lassen, und die so geladene Flasche auf die Harz- flaͤche setzen, wo sie dann isolirt steht. Beruͤhrt man hierauf die III. T innere Belegung, so bekoͤmmt man, wie Sie wissen, nur einen kleinen Funken, aber es findet zugleich ein Uebergang negativer Electricitaͤt aus der aͤußern Belegung auf die Harzflaͤche statt, und diese wiederholt sich bei jeder Beruͤhrung der innern Belegung. Setzt man daher nach und nach die Flasche auf alle Puncte der Harzflaͤche, so ertheilt man so dem Electrophor eine verstaͤrkte Ladung. Als eine angenehme und nuͤtzliche Anwendung des Electro- phors verdient noch die electrische Lampe erwaͤhnt zu wer- den. Man giebt diesem, ziemlich allgemein bekannt gewordenen Instrumente, nach Pfaffs Vorschrift, am besten folgende Ein- richtung, bei der meistens Langenbuchers Vorschlaͤge zum Grunde liegen. Ein Gefaͤß D ( Fig. 88. ) enthaͤlt Wasserstoffgas, welches in demselben Augenblicke, wo der geoͤffnete Hahn K ihm einen Ausfluß gestattet, durch einen zwischen L und p hervorgelock- ten Funken entzuͤndet wird. Das ganze Instrument besteht naͤm- lich aus zwei Theilen, dem Glase D mit der zugehoͤrenden, oben erweiterten Glasroͤhre E, zur Entwickelung des Wasserstoffgas, und aus dem Electrophor, das sich in dem Kasten A befindet. Das Gefaͤß D wird zuerst mit verduͤnnter Schwefelsaͤure ganz gefuͤllt, und die obere Glasroͤhre E, an welcher in I ein hinreichend großes Stuͤck Zink befestigt ist, eingesenkt. Durch das bei der Aufloͤsung des Zinkes entwickelte Wasserstoffgas fuͤllt sich das Gefaͤß D mit Wasserstoffgas, wodurch das Wasser aus dem Raume bei I ver- draͤngt, und in die Roͤhre E hinaufgedraͤngt wird, bis endlich das Zink oberhalb der Saͤure ist und die Entwickelung aufhoͤrt. Oeff- net man den Hahn K, so stroͤmt etwas Wasserstoffgas bei L aus, die Fluͤssigkeit erreicht das Zink aufs neue und bringt eine neue Gas-Entwickelung hervor. In dem unteren Kasten befindet sich die Harzplatte des Electrophors, dessen Deckel hbt in seiner Mitte b mit dem starken Glasstreifen a verbunden ist, der sich an seinem Ende q um ein Gewinde dreht, so daß das Anziehen des Fadens efgh den Deckel nicht in geneigter Richtung, sondern in horizon- taler Stellung hebt. Dieses Heben wird durch die Drehung des Hahnes K, vermittelst des Glasstreifens op bewirkt, und da der Deckel und sein Hebungsdrath bei op durch Glas, bei baq durch Glas isolirt ist, und auch der Drath eh bei g durch eine Glasroͤhre geht, so behaͤlt der gehobene Teller seine Electricitaͤt, bis das Ende p des Metalldrathes gegen L gefuͤhrt, dort den das Wasserstoffgas zuͤndenden Funken giebt. Damit Teller und Form sich in leitende Verbindung setzen, ist ein Metallstreif angebracht, den der auf die Harzflaͤche gesetzte Teller hbt beruͤhrt. Die Electricitaͤt der Harz- platte braucht nur selten neu hervorgebracht zu werden; um dieses zu thun, muß man die Harzplatte aus dem Kasten A herausneh- men und sie reiben; ist dies aber einmal geschehen, so erhaͤlt sich, wenn das Instrument an einem trockenen Orte steht, die Electri- citaͤt Monate lang, und der Funke geht, bei der Beruͤhrung des Drathes p an L mit immer gleicher Regelmaͤßigkeit hervor. Achtzehnte Vorlesung . So merkwuͤrdig alle bisher angegebenen Wirkungen der Elec- tricitaͤt sind, meine h. H., so sind doch nicht sie es so sehr, die das Auge aller Menschen zu ihr hinzogen, sondern den maͤchtigen, zum Theil Furcht erregenden Wirkungen, welche sie hervorbringt, verdankt sie es weit mehr, daß man ihr eine allgemeine Auf- merksamkeit zuwandte. Der electrische Funke, den man zuerst in kaum sichtbarer Groͤße hervorlockte, der bei verbesserten Huͤlfsmit- teln allmaͤhlig merklicher hervortrat, der bei der Erfindung der electrischen Flasche in einer so gar gefaͤhrlichen Staͤrke erschien, und dessen Wirkungen wir immer mehr zu steigern Mittel gefunden haben, ist es vor allem, wodurch die Electricitaͤt als eine der wundervollsten Kraͤfte beruͤhmt geworden ist. Hiebei sind es nun zuerst die Licht-Entwickelungen, die unsre Aufmerksamkeit erregen. Der electrische Funke . Das electrische Licht zeigt sich unter zwei Hauptformen, naͤm- lich als eigentlicher Funke uͤberschlagend auf einen nahen Leiter, T 2 und als ausstrahlendes Licht, wo kein naher Leiter Veranlassung zu einem Funken giebt; beide Erscheinungen gehen aber in einander uͤber. Wenn man eine Spitze an einem Leiter anbringt und die- sen mit positiver Electricitaͤt ladet, so zeigt sich ein ausstroͤmender Lichtbuͤschel, der seine Strahlen nach allen Seiten aussendet, sich aber, wenn ein Leiter genaͤhert wird, gegen diesen zu wendet. Ein negativ geladener Leiter zeigt zwar an der Spitze ein Leuchten, ein Sternchen, aber nur ein sehr schwach sichtbares Ausstroͤmen nach den Seiten. Eben diese Erscheinungen finden bei staͤrkeren La- dungen auch da statt, wo der Leiter sich nicht in Spitzen endigt, an den Theilen, welche als Kugeln von kleinerem Durchmesser oder uͤberhaupt als stark gekruͤmmt hervortreten. Naͤhert sich ein leitender Koͤrper dem geladenen Leiter, so wissen Sie, daß wir in jedem Falle zwei entgegengesetzt electrisirte Koͤrper einander gegenuͤber haben, da der dem geladenen Leiter genaͤherte leitende Koͤrper an seinem zugekehrten Ende in desto hoͤherem Grade die entgegengesetzte Electricitaͤt annimmt, je staͤrker jene Ladung ist. Hier also werden beide Electricitaͤten maͤchtig gegen einander gezogen, und durchbrechen endlich, in entgegen- gesetzten Richtungen uͤbergehend, die Luft. Wenn man starke Maschinen anwendet und ihre Funken im Dunkeln beobachtet, so sieht man bei Annaͤherung eines abgerundeten Leiters gegen eine nicht zu kleine Kugel an dem geladenen positiven Leiter, daß von der positiven Seite her ein Licht auszugehen anfaͤngt, welches sich zum Blaͤulichen hin neigt, daß dieses Licht bei langsamer Annaͤhe- rung des andern Leiters zunimmt, daß bei einer hinreichenden Naͤhe ein weißer Lichtschein, weniger strahlend, sondern eine gleich- foͤrmige gerundete Form zeigend, aus dem negativen Koͤrper her- vorbricht, und daß dann auch fast sogleich der Funke uͤberschlaͤgt, wobei jene beiden Erscheinungen ihre Bestimmtheit verlieren. Diese Erscheinung habe ich oft wahrgenommen, aber es scheint bei dem Uebergehen des Funkens von einer Menge einzelner Umstaͤnde abzu- haͤngen, und die Beschreibungen, die man von den Licht-Erschei- nungen giebt, bieten mannigfaltige Verschiedenheiten dar. Die Frage, ob nur ein Funke und ob dieser von dem positiv geladenen Koͤrper ausgehe, ist noch immer nicht entschieden. Laͤßt man kurze Funken uͤberschlagen, so durchlaufen sie ihren ganzen Weg so schnell, daß man fast den ganzen Weg auf einmal leuch- tend sieht, und bald geneigter ist, die eine Richtung, bald die andre, als die vom Funken befolgte anzugeben; oft sieht man auch bei geringen Abstaͤnden einen weißen Glanz an beiden Leitern und zwischen diesen beiden hellen Funken den ganzen Weg mit violettem Lichte leuchtend. Bei weitern Entfernungen scheint mir Hilde- brandts Behauptung, daß der positive Funke den groͤßten Theil des Weges durchlaufe, aber nahe am negativen Koͤrper ein von dort ausgehender Funke ihm entgegen komme, aus den eben vor- hin angegebenen Erscheinungen des entgegen kommenden ausge- breiteten, aber matten Lichtes, wahrscheinlich; ich kann aber nicht behaupten, daß ich diesen zweiten Funken je deutlich wahrgenom- men haͤtte; dagegen aber ist es oft deutlich, daß der vom positiven Leiter uͤberschlagende Funke erst in bedeutender Ferne von diesem am leuchtendsten hervortritt. In andern Faͤllen kann man da- gegen den Hauptfunken als deutlich vom positiven Leiter aus- gehend erkennen, und van Marum hat dieses bei seiner großen Maschine, die 24 Zoll lange Funken gab, so wahrgenommen, daß man das Entstehen eines einzigen, im Fortgange sich in Zweige zerspaltenden Funkens von der positiven Seite her als gewiß an- sehen moͤchte; aber Bischoff und auch Pfaff haben bei nega- tiver Ladung den Funken eine sehr aͤhnliche, vom negativen Leiter ausgehende Form darstellen sehen, so daß also van Marums Erfahrung, daß auch da, wo der geladene Leiter negativ ist, der Stamm des sich veraͤstelnden Funkens vom positiven Koͤrper aus- gehe, nicht allgemein richtig sein kann, sondern dabei etwas auf noch unbekannte Umstaͤnde ankommen muß. Die Vertheidiger der franklinischen Theorie fanden in jener Richtung des Funkens, der immer deutlich vom positiven Koͤrper ausgehen sollte, einen Grund fuͤr die Behauptung, daß die Glas-Electricitaͤt die wahr- haft positive sei; aber die Erfahrungen sind nicht deutlich genug entscheidend, um diese Behauptung fuͤr sicher zu halten, und eher scheinen mir die oben erwaͤhnten Erscheinungen auf zwei gleichzei- tige, sich als verschieden zeigende, Wirkungen hinzudeuten. Bei groͤßeren Schlagweiten befolgt der Funke nicht genau die gerade Linie, sondern macht Kruͤmmungen oder Winkel in seiner Bahn, vermuthlich weil er bei seiner schnellen Bewegung die Luft zusammen druͤckt, und wenn diese Compression zu bedeutend wird, seitwaͤrts gedraͤngt wird. Auch die Farbe des Funkens ist ungleich, indem sich mit dem weißen Lichte bald mehr ein violettes, bald mehr ein roͤthliches, bald ein dunkelblaues Licht verbindet. Pfaffs Bemerkung, daß der vom positiv geladenen Leiter hervorgehende Funke in der groͤßern und ersten Haͤlfte seiner Bahn mehr roͤthlich violett, im letzten Theile der Bahn mehr blau sei, scheint mir den meisten Erfah- rungen entsprechend; aber auch hier zeigen sich viele Ungleichheiten, unter denen mir die, daß bei minder trockener Luft die Funken mehr dunkelblau sind, ziemlich constant scheint. Auch die Materie der Koͤrper, aus welchen der Funke hervorgeht, hat Einfluß auf die Farbe, und es ist dies um so weniger zu verwundern, da die Versuche mit der voltaͤischen Saͤule im Verbrennen der Metall- blaͤttchen die bestimmte Abhaͤngigkeit der Farbe des Funkens von der Materie, die beim Uebergange getroffen wird, zeigen. Der Funke der Flaschen ist kuͤrzer, als der des bloßen Leiters, weil die von den Belegungen abwaͤrts, gegen den Knopf der Flasche hin, wirkende Kraft der Electricitaͤt so sehr geringe ist; aber der Funke ist zugleich viel glaͤnzender, wie es der großen Menge electrischer Materie angemessen ist, die hier in einem Au- genblicke uͤbergeht. Bei starken Schlaͤgen naͤhert sich dieses, dann uͤberaus glaͤnzende, Licht sehr dem Weißen, bei kleinen Flaschen ist der Funke zuweilen violett, zuweilen kupferfarben. Da an jeder Unterbrechung der Leitung ein Funke uͤber- schlaͤgt, so hat dies zu mancherlei unterhaltenden Anwendungen, wo die uͤberschlagenden Funken bestimmte Figuren, Buchstaben u. s. w. bilden, Gelegenheit gegeben. Durch dieses fast zahllose Ueberschlagen von Funken kann man im dunkeln Raume eine ziemlich erhebliche Erhellung hervorbringen. Electrisches Licht im luftleeren Raume . Wenn man die Luft verduͤnnt, so hoͤrt die Isolirung, welche die Luft gewaͤhrte, auf, und die Electricitaͤt stroͤmt von dem gelade- nen Leiter leichter nach allen Seiten aus. Schon Hawksbee hat 1709 uͤber diesen Gegenstand viele Versuche angestellt. Er brachte einen luftleeren Glascylinder in einen zweiten mit Luft gefuͤllten Glascylinder, und sah nun in jenem Licht-Erscheinungen, waͤh- rend der aͤußere gerieben wurde; bei jeder Aenderung der gegen- seitigen Lage beider Cylinder zeigten und erneuerten sich die leuch- tenden Erscheinungen. Diese Erscheinungen sind Folge der Ver- theilung der Electricitaͤt, indem, wenn in A ( Fig. 89. ) positive Electricitaͤt erregt wird, die im Glase bei B enthaltene positive Electricitaͤt abgestoßen wird, und sich nach entferntern Puncten hin begiebt, welches im luftleeren Raume sich durch Lichtstroͤme kenntlich macht. Wenn die Reibung aufgehoͤrt hat, und beide Cylinder ihre Lage gegen einander behalten, so stellt sich das Gleich- gewicht, ein Ruhestand der electrischen Materien, her, wobei sie jedoch ungleich ausgetheilt sein koͤnnen, sobald noch irgendwo eine Ladung uͤbrig bleibt. Naͤhert sich nun gegen A ein andrer leiten- der Koͤrper C, so aͤndert sich die Austheilung der electrischen Ma- terie, weil die in dem Leiter C durch Vertheilung sich anhaͤufende, von der positiv-electrischen Materie in A angezogene, negative Electricitaͤt durch ihre entgegengesetzte Wirkung einem Theile der von B weg getriebenen positiv-electrischen Materie die Ruͤckkehr gestattet. Auf aͤhnliche Art erklaͤren sich alle von Hawksbee angestellten Versuche und die aͤhnlichen, die man mit luftleeren Roͤhren anzustellen pflegt. Eine der schoͤnsten electrischen Erscheinungen stellt sich dar, wenn man in einem luftleeren Cylinder ( Fig. 90. ) A B, durch dessen obere Grundflaͤche A D ein metallischer Leiter E F in den luftleeren Raum hinabreicht, die Electricitaͤt uͤberstroͤmen laͤßt. Ist B G, wie gewoͤhnlich, ein metallener Teller, auf welchem der Cylinder ruht, und laͤßt man oben positive Electricitaͤt einstroͤmen, so bewirkt diese in ihrem Uebergange auf die untere Ableitung einen zuweilen weißen, meistens aber schoͤn violetten Lichtstrom, der sich, sobald ein andrer Leiter von außen dem Glase genaͤhert wird, in Ruͤcksicht seines Glanzes und seiner Richtung veraͤndert, indem er den eben vorhin erwaͤhnten Anziehungen folgt. Setzt man auch am untern Theile des Cylinders der obern Kugel eine Kugel H entgegen, so schießen Lichtstroͤme in schneller Folge von der obern Kugel auf die untere, und nach Hildebrandt's Be- merkung scheint ein schwaͤcherer Strahl aus der untern Kugel dem von oben kommenden zu begegnen. Wurde die obere Kugel ne- gativ electrisirt und blieb die untere in Verbindung mit der Erde, so erkannte Hildebrandt deutlich einen staͤrkern aus der untern Kugel kommenden, und einen schwaͤchern aus der obern Kugel kommenden Strahl, beide violett, die sich begegneten. Mehr oder minder deutlich gehen diese Erscheinungen jedes Mal hervor, so oft man das Ausstroͤmen der Electricitaͤt in einen luftleeren Raum statt finden laͤßt. Die Farben des Lichtes im luftleeren Raume sind ungleich, und dieses haͤngt nach Davy's genauen Versuchen von der Beschaffenheit der Daͤmpfe ab, mit welchen die verduͤnnte Luft gefuͤllt ist. Davy bediente sich zu diesen Versuchen ( Fig. 91. ) einer gebogenen Glasroͤhre A B C, die vermittelst der bei C angeschraub- ten Roͤhre mit einer Luftpumpe in Verbindung gesetzt ward. Die Glasroͤhre ward mit ausgekochtem Quecksilber gefuͤllt, so daß bei A nicht die geringste Luftblase uͤbrig blieb; dann ward die Luft bei C ausgepumpt, so daß durch das Sinken des Quecksilbers in der Roͤhre BA ein luftleerer Raum AD entstand; die Roͤhre C wurde hierauf durch einen Hahn fest verschlossen und von der Luft- pumpe abgenommen. Indem man nun das Quecksilber in der Roͤhre BCD erhitzte, konnte man den Raum AD uͤber dem Queck- silber mit Quecksilberdaͤmpfen von groͤßerer oder geringerer Dich- tigkeit fuͤllen; und da ein bei A eingeschmelzter Drath erlaubte, die Electricitaͤt durch den Raum AD fließen zu lassen, so konnte man die Licht-Erscheinungen unter verschiedenen Umstaͤnden beob- achten. Bei jedem dem luftleeren Raume zugefuͤhrten Funken stroͤmte die Electricitaͤt durch diesen uͤber, und wenn das Glas zum Theil von außen belegt war, so nahm diese Belegung eine Ladung an. Das Licht der uͤberstroͤmenden Electricitaͤt war am lebhaftesten und von schoͤner gruͤner Farbe, wenn das Quecksilber sehr erhitzt war, also die Daͤmpfe einen bedeutenden Grad von Dichtigkeit be- saßen; die Intensitaͤt des Lichtes nahm ab, wenn die Waͤrme geringer ward und bei einer Abkuͤhlung bis 25° Cent. unter Null blieb kaum noch eine Spur von Licht, bei voͤlliger Entfernung aller andern Erleuchtung, sichtbar. Wenn man bei der Erschei- nung des gruͤnen Lichtes etwas atmosphaͤrische Luft in den mit Quecksilberdaͤmpfen erfuͤllten Raum gelangen ließ, so ward die Farbe des Lichtes, je mehr Luft man hinzuließ, desto mehr blaͤulich, endlich blau oder purpurfarben. Ueber geschmolzenem Zinn statt des Quecksilbers zeigte sich ein sehr schwaches gelbes Licht; uͤber erhitztem Oele statt des Quecksilbers zeigte sich das electrische Licht roth, etwas in Purpur uͤbergehend. Die Farbe dieses Lichtes haͤngt also von den dampffoͤrmigen Materien ab, die sich in dem Vacuo befinden, und das Leuchten selbst hoͤrt bei einer sehr verminderten Dichtigkeit der Daͤmpfe und der Luft beinahe voͤllig auf. Nach Davy's Ansicht ist es also vor- zuͤglich eine durch die Natur der waͤgbaren Substanzen in dem von Luft entleerten Raume bewirkte Erscheinung, die wir hier beobach- ten; doch scheint ihm der noch sichtbare schwache Ueberrest von Licht bei einem fast unendlich duͤnnen Quecksilberdampfe in tiefer Tem- peratur nicht wohl hierdurch erklaͤrlich zu sein. Bei sehr großen Kaͤltegraden wurde die Schnelligkeit der Ent- ladung oder das Durchstroͤmen durch den luftleeren Raum stark vermindert, so daß eine schwach geladene Flasche als dann durch die torricellische Leere hindurch nicht mehr mit Explosion entladen wer- den konnte, sondern ihre Electricitaͤt nur langsam verlor. Hier- nach schienen also vorzuͤglich die den luftleeren Raum immer erfuͤl- lenden Daͤmpfe die Leitung der Electricitaͤt zu bewirken. Davy sah zwei in jenem torricellischen Vacuo angebrachte, an Metallfaͤden haͤngende Kuͤgelchen sich eben so abstoßen, wie im luftvollen Raume. Diese, von andern Beobachtern bezweifelte, Erscheinung scheint anzudeuten, daß die Mittheilung an die Daͤmpfe doch langsam genug geschieht, um den electrisirten Leitern einen Theil ihrer La- dung zu lassen. Gilbert wirft hiebei die Frage auf, ob nicht hierdurch Coulombs , Poissons und Biots Behauptung, daß der Widerstand der Luft die electrische Ladung in den gewoͤhn- lichen Faͤllen zusammenhalte, aufgehoben werde? — und aller- dings muͤssen wir in Beziehung auf diese Erscheinungen wohl noch neue Belehrungen abwarten, um alles mit voͤlliger Sicherheit zu uͤbersehen. Uebrigens erklaͤren diese Versuche die Verschiedenheit des far- bigen Lichtes, welches man in verschlossenen luftleeren Roͤhren bemerkt, indem die verschiedenen, zufaͤllig oder absichtlich in die Roͤhren gebrachten Daͤmpfe gewiß diese Farben veranlassen. Noch eine Erscheinung der Electricitaͤt im luftleeren Raume ist sehr bekannt, naͤmlich die des leuchtenden Barometers. Wenn man das Quecksilber in der Barometerroͤhre den luftleeren Raum durchlaufen laͤßt, so bringt das Reiben desselben am Glase Electri- citaͤt hervor, die man durch ein weißliches, nur im Dunkeln sicht- bares, Licht wahrnimmt. Wirkung der Electricitaͤt auf den Geruch . Wenn eine nicht zu schwache Electrisirmaschine eine Zeit lang durch Ueberschlagen von Funken oder Ausstroͤmen der Electricitaͤt in die Luft wirksam gewesen ist; so bemerkt man einen eigenthuͤm- lichen, — phosphorischen, Geruch, der ohne Zweifel Wirkung der Electricitaͤt ist, doch wissen wir nicht, welchen Antheil die Metalle hieran haben, durch welche wir fast immer die Ausstroͤmungen der Electricitaͤt statt finden lassen. Mittel, um starke Wirkungen der Electricitaͤt her- vorzubringen . Um bei den bald zu erwaͤhnenden starken Wirkungen der Electricitaͤt nicht durch die Erzaͤhlung der Mittel unterbrochen zu werden, deren man sich, um sie zu bewirken, bedient hat, will ich hier einige Nachrichten, theils von den Instrumenten, die hiezu brauchbar sind, theils von der großen Electrisirmaschine van Ma- rums einschalten. Bei den meisten der folgenden Versuche koͤmmt es darauf an, einen starken Entladungsfunken auf bestimmte Gegenstaͤnde hin zu leiten, und dazu ist, wenn nicht von allzu langen Draͤthen oder andern sehr großen Gegenstaͤnden die Rede ist, Henley's allge- meiner Auslader vorzuͤglich bequem. Sein Zweck ist, die beiden Kugeln ( Fig. 92. ) A, B, einander so zu naͤhern, daß sie den Ge- genstand, welchen der Schlag treffen soll, zwischen sich haben, und sie dann vermittelst der Leiter AC, BD, mit den beiden Belegun- gen der Batterie in Verbindung zu setzen. Um diese Zwecke zu erreichen, ruhen jene Leiter auf Glassaͤulen EF, GH, und lassen sich theils durch Hin- und Herschieben in den Fassungen I, K, in die gehoͤrige Entfernung, theils durch Drehung bei I, K, in alle willkuͤhrliche Lagen bringen. Man kann nun zwischen den Kugeln A, B, einen Drath ausspannen, oder auf das uͤber L angebrachte Tischchen den Koͤrper legen und mit ihm an beiden Seiten die Kugeln in Beruͤhrung bringen, oder man kann den Koͤrper zwi- schen den beiden Platten des Tischchens festschrauben. In den einen Ring C wird dann eine Kette, die von der aͤußern Belegung der Flaschen herkoͤmmt, befestigt, den andern Ring D bringt man in Verbindung mit der Kugel C, Fig. 83. , oder der Kugel E, Fig. 84. , damit beim Entladen der Batterie der Funke von A auf B, Fig. 92. uͤbergehen muͤsse. Unter den Maschinen, mit welchen die auffallendsten Erfolge hervorgebracht sind, nimmt doch wohl immer noch die Electrisir- maschine, deren van Marum sich bediente, den ersten Platz ein, indem von den neueren Maschinen, wenn sie auch allein sehr große Wirkung thaten, mir doch nicht bekannt ist, daß sie mit so ausgezeichnet großen Batterien in Verbindung gesetzt waͤren. Jene Maschine ist eine Scheibenmaschine, mit zwei Scheiben von 65 Zoll (engl.) Durchmesser, die jede von zwei Reibzeugen gerieben werden. Dem Conductor dieser Maschine, welcher die positive Electricitaͤt des Glases aufnahm, ward ein zweiter Leiter, der am andern Ende eine Ableitung hatte, gegen- uͤbergestellt, und dieser empfing bis zu 24 Zoll Entfernung die Funken. Diese Funken brachten so viel Electricitaͤt auf den zwei- ten Leiter hinuͤber, daß die Ableitung durch einen Kupferstab von ⅜ Zoll Durchmesser nicht zureichend war, sondern dieser Kupferstab, welcher die Electricitaͤt an die sehr große Metallmasse eines Blei- daches mittheilte, Funken seitwaͤrts auf benachbarte Koͤrper gab, so oft der zweite Leiter einen Funken empfing. Der sonst nur aus Spitzen oder kleineren Kugeln ausstroͤmende Lichtbuͤschel ging bei dieser Maschine aus einer 4 zolligen Kugel hervor, und breitete sich in der Luft bis 15 Zoll weit aus. Der Funke aus dem Haupt- leiter allein schmelzte Goldblaͤttchen von 20 Zoll lang. Bei der großen Staͤrke der erregten Electricitaͤt hemmten selbst 12 Fuß lange seidene Schnuͤre und 5 Fuß hohe Glassaͤulen nicht ganz die Ableitung, und es wurde durch Anbringung jener seidenen Schnuͤre, denen man doch keine Ableitung haͤtte zutrauen sollen, die Weite des Funkenschlagens sehr abgekuͤrzt. — Fuͤr die Ladung mit nega- tiver Electricitaͤt am Reibzeuge war die Maschine weniger vortheil- haft eingerichtet. Zu dieser Maschine besaß van Marum an- fangs eine Batterie von 135 Quadratfuß Belegung, spaͤter eine von 225 Quadratfuß, zuletzt eine aus 100 Flaschen bestehende von 550 Quadratfuß Belegung. Diese groͤßte Batterie ward von der immer mehr verbesserten Maschine durch 100 Umdrehungen der Scheiben so vollstaͤndig geladen, daß sie sich uͤber den 4 Zoll breiten unbelegten Rand der Flaschen selbst entladete, wobei die Flasche, welche sich entladete, durchbohrt ward; — um diesen Nachtheil zu vermeiden, mußten so starke Ladungen nachher ver- mieden werden. Entzuͤndungen durch den electrischen Funken . Schmel- zung und Verbrennung von Metalldraͤthen u. s. w. Schon der Funke aus dem Leiter einer ganz gewoͤhnlichen Maschine zuͤndet Weingeist, zumal wenn dieser etwas erwaͤrmt ist. Es setzte die fruͤhern Beobachter in Erstaunen, daß selbst der Funke, der aus dem menschlichen Koͤrper hervorgeht, wenn ein Mensch sich isolirt electrisiren laͤßt, zuͤndend wirken konnte. Sehr leicht entzuͤndet sich auch eine Kohle, auf die man einige wenige Tropfen Aether gebracht hat. Noch leichter entzuͤndet sich die Knallluft, und selbst eine, nicht strenge in den richtigen Verhaͤlt- nissen genommene und mit Stickgas verunreinigte, Mischung aus atmosphaͤrischer Luft und Wasserstoffgas entzuͤndet sich durch den einfachen electrischen Funken. Man bringt diese Mischung in eine hinreichend starke Roͤhre ( Fig. 93. ), die dann bei A mit einem Kork verschlossen wird; in dem Innern dieser Roͤhre stehen sich die beiden Kugeln D der Metalldraͤthe CD , ED , einander gegenuͤber, damit hier der Funke uͤberschlage, wenn man an E eine Ableitung anbringt und den Funken der Maschine auf C schla- gen laͤßt. Die Metalldraͤthe sind vermittelst einer sie umgebenden Glasroͤhre isolirt, damit der Funke durch sie allein uͤberschlage. Der Funke entzuͤndet die Knallluft und dabei wird der Kork her- ausgeworfen. Mit der electrischen Flasche lassen sich mehrere Zuͤndungs- versuche anstellen, indem Harz auf Baumwolle gestreut durch diesen Funken entzuͤndet wird, indem ein eben ausgeblasenes, noch rau- chendes Wachslicht wieder angezuͤndet wird, u. s. w. Einige Zuͤndungsversuche fordern besondre Vorkehrungen. So leicht das Schießpulver sich entzuͤndet, so erfolgt diese Entzuͤndung doch nicht, wenn man den Schlag, selbst einer starken Flasche, durch die gewoͤhnliche Entladung vermittelst metallener Leiter durch dasselbe gehen laͤßt, sondern es wird dann nur herumgeworfen. Laͤßt man dagegen die Leitung durch eine feuchte haͤnfene Schnur gehen, so entzuͤndet sich das Schießpulver durch eben denselben Schlag gewiß. Der weniger schnelle, obgleich immer noch als momentan erscheinende, Durchgang des electrischen Funkens, der bei der schlechten Leitung des feuchten Koͤrpers mehr Widerstand findet, muß wohl hier gerade noͤthig sein, um dem Entzuͤnden des Schießpulvers Zeit zu lassen, statt daß die noch mehr in einem ein- zigen Stoß vereinigte Wirkung der vollkommen guten Leitung zu schnell voruͤbergehend war. Statt der befeuchteten Schnur kann man auch eine Roͤhre mit Wasser als Theil der Leitung anbringen, und Leuthwaite bemerkt, daß eine Flasche von 1 Quadratfuß Belegung zu dem Versuche hinreiche, daß er aber nicht gelinge, wenn man die Roͤhre mit Schwefelsaͤure, als einem bessern Leiter, fuͤllt. Wenn man zwischen den Kugeln des henleyschen Ausladers einen duͤnnen Metalldrath ausspannt, und durch diesen den Fun- ken einer Batterie von 20, 30 Quadratfuß Belegung gehen laͤßt; so erhitzt sich der Drath, weil er zu duͤnne ist, um diese große Menge electrischer Materie mit Leichtigkeit durchzuleiten. Harris hat den Grad dieser Erhitzung mit einer Art von Luftthermometer un- tersucht, indem er ( Fig. 94. ) den duͤnnen Drath AB, durch eine mit Luft gefuͤllte Kugel gehen ließ, und die Ausdehnung der Luft an dem Zuruͤckdraͤngen des Quecksilbers in der Roͤhre CD beobach- tete. Nahm man gleich dicke Draͤthe aus verschiedenen Metallen, so betrug die Ausdehnung der Luft fuͤr Silber und Kupfer nur 6 Theile, fuͤr Gold 9, Zink 18, Platin und Eisen 30, Zinn 36, Blei 72; offenbar wurden die schlechter leitenden Metalle staͤrker erhitzt. Diese Erhitzung geht nun bei duͤnnen Draͤthen und starken Batterien so weit, daß die Draͤthe schmelzen und die geschmolzenen Tropfen gluͤhend umhergeworfen werden. Diese Schmelzung ge- lingt bei desto groͤßern Laͤngen, je staͤrker die Batterie ist, und van Marum konnte mit seiner Batterie von 225 Quadratfuß Belegung 25 Fuß Eisendrath von \frac{1}{7} Linie dick, und 40 Fuß Eisen- drath von \frac{1}{20} Linie dick schmelzen. Van Marum schließt aus seinen Versuchen, daß bei gleicher Dicke des Drathes die Laͤnge, die man schmelzen kann, sehr genau der Groͤße der belegten Flaͤche proportional ist. Aber die Schmelzung erfolgt hier nicht bei den Metallen am leichtesten, die im Feuer am leichtesten schmelzbar sind, sondern bei denen am schwersten, welche die besten Leiter der Electricitaͤt sind. Nach den eben vorhin angefuͤhrten Versuchen ist dies auch nicht unerwartet. Von Draͤthen, die alle ⅜ Linien Durchmesser hatten, wurden 120 Zoll geschmolzen, wenn sie aus den leicht schmelzbaren und zugleich schlechter leitenden Metallen, Zinn und Blei bestanden, von dem schwer schmelzbaren Eisen wur- den 5 Zoll, von dem viel leichter schmelzbaren, aber so sehr gut lei- tenden Silber und Kupfer kaum ¼ Zoll geschmolzen. Van Marum zeigte die bessere Leitung des Kupfers in Vergleichung gegen das Eisen noch durch einen andern Versuch. Es wurde ein Eisen- drath von \frac{1}{20} Linie und parallel mit demselben ein eben so langer Eisendrath von \frac{2}{9} Linie Durchmesser aufgespannt, so daß der Ent- ladungsschlag durch beide seinen Weg nahm; dann wurde 6 Zoll des duͤnnen Eisendrathes geschmolzen. Nahm er dagegen einen eben so langen duͤnnen Eisendrath, wie vorhin, und daneben einen \frac{2}{9} Lin. dicken und eben so langen Kupferdrath, so blieb jener ganz unge- schmolzen, weil der Kupferdrath Leitung genug, um alle Electri- citaͤt durch beide Draͤthe abzuleiten, darbot. Ist der Metalldrath fein, so wird er oft nicht bloß geschmol- zen, sondern verbrennt und steigt als Rauch auf, das ist, er wird in Oxyd verwandelt. Sammelt man den aus dem Rauche nieder- fallenden Staub, so findet man, daß dieser aus Metall-Oxyd besteht. Van Marum hat die Erscheinungen dieses Oxydirens bei vielen Metalldraͤthen, die er nahe uͤber weißem Papiere aus- spannte und dann dem heftigen Schlage aussetzte, beobachtet; der auf dem Papiere nach der Entladung gelagerte Staub ist bei jedem Metalle von einer andern Farbe, so wie es den Oxyden angemessen ist. Van Marum hat sich uͤberzeugt, daß in Stickgas diese Oxydation nicht statt findet. Auch bei kleinern Batterien gelingt der Versuch, Eisendrath, wenn er recht sehr fein ist, zu verbrennen. Noch besser aber zeigt sich das entstandene Oxyd, wenn man einen schmalen Streifen aͤchtes Blattgold zwischen zwei Glasplatten legt, diese zwischen die beiden Platten des Tischchens L , auf dem Aus- lader ( Fig. 92. ) fest schraubt, und die Kugeln A , B , an beide En- den des Streifens anlegt; der durch dieses Blaͤttchen gehende Schlag verwandelt den groͤßten Theil desselben in ein fest in das Glas eingebranntes Gold-Oxyd. Auch die entgegengesetzte Er- scheinung, naͤmlich die Herstellung der Metalle aus ihren Oxyden, hat van Marum durch die Electricitaͤt bewirkt. Versuche , welche die mechanische Gewalt des Funkens zeigen . Schon mit einer einzigen Flasche gelingt es, den Funken durch starke Pappe oder ein Buch Papier schlagen zu lassen. Das Loch, welches er hervorbringt, ist nach beiden Seiten mit einem aufgeworfenen Rande umgeben, uͤbrigens immer nur sehr klein. Legt man ein Goldblatt zwischen die Blaͤtter des Papieres, so ent- steht da, wo dieses getroffen ist, ein Purpurfleck auf dem Papiere. Ist der Schlag stark genug, so schlaͤgt er auch durch ein dickes Packet Spielkarten, und bildet nur ein in einerlei Richtung fort- gehendes Loch, wenn auch die Kugeln des Ausladers einander nicht gerade gegenuͤber, sondern so wie A , B , ( Fig. 95. ) stehen. Befindet sich aber zwischen den Karten ein Metallstreif CD , so findet man diesen an zwei Stellen durchbohrt, und die Electricitaͤt muß den in der Figur bezeichneten Weg genommen haben. Man hat dies als einen ganz bestimmten Beweis fuͤr das Dasein zweier Materien angenommen; aber es ist gewiß, daß auch dieser Versuch sich nach Franklins Theorie erklaͤren laͤßt. So sehr wir naͤmlich geneigt sind, den Schlag als momentan anzusehen, so duͤrfen wir doch nie vergessen, daß es in der That auf einander folgende Erscheinungen sind, die nur fuͤr unsre Beobachtung zu schnell auf einander folgen; wir muͤssen daher bedenken, daß, wenn wirklich nur eine einzige electrische Materie von A aus nach B uͤbergeht, dieses mit folgenden Umstaͤnden begleitet ist: Ehe der Funke von A ausgeht, ist der Metallstreif bei C negativ, bei D positiv, weil die Karten als schlechtere Leiter diese Vertheilung nicht wesentlich aͤndern, und darum schlaͤgt der Funke beinahe geradezu von A auf den Metallstreifen; die electrische Materie durchlaͤuft nun den Metallstreifen CD und erst in diesem Augenblicke tritt die volle Wirkung der negativen Electricitaͤt in B hervor, wodurch das zweite Ueberschlagen bei B bewirkt wird. Es versteht sich, daß die Erklaͤrung durch zwei electrische Materien eben so leicht ist. Den Umstand, daß die Loͤcher nach beiden aͤußern Seiten aufgeworfene Raͤnder haben, erklaͤrt man durch die explodirende Gewalt, die mit dem Schlage verbunden ist. Ein Versuch, der vorzuͤglich die Gewalt des electrischen Fun- kens zeigt, ist das Durchbohren oder Zersprengen einer Glasplatte; aber dieser Versuch fordert schon eine starke Batterie. Man stellt eine große Glasplatte auf dem Auslader auf, bringt die beiden Kugeln gerade einander gegenuͤber mit ihr in Beruͤhrung, und ent- ladet die Batterie. Hier ereignet es sich nun oft, daß die Glas- platte zu dick ist, und keine Entladung erfolgt, weil der Uebergang der Electricitaͤt durch die Glasplatte gehindert wird; aber noch oͤfter schlaͤgt der Versuch dadurch fehl, daß der Funke, wenn er auch meh- rere Zolle auf der einen Seite und eben so mehrere Zolle zuruͤck auf der andern Seite der Glasplatte durchlaufen muß, dennoch diesen Weg lieber waͤhlt, und ohne das Glas zu zerschlagen, die Entladung bewirkt. Dem letzten Umstande kann man dadurch vorbeugen, daß man den ganzen Rand des Glases an beiden Seiten mit einem Lackfirniß uͤberzieht. Da wo der Funke uͤber das Glas schlaͤgt, bemerkt man, selbst bei nur schwachen Funken, daß sein Weg auf dem Glase durch eine Verletzung der Oberflaͤche bezeichnet ist. Einer der auffallendsten hieher gehoͤrenden Versuche ist fol- gender von van Marum . In einen Cylinder von sehr festem Buxbaumholze waren Metalldraͤthe in der Axe hineingedruͤckt, so daß sie in ziemlicher Entfernung im Innern einander gegenuͤber standen. Indem nun der Funke auf die Draͤthe und durch die Materie des Holzes schlug, ward der Cylinder gespalten, obgleich er 4 Zoll hoch und 4 Zoll dick war, also 16 Quadratzoll Flaͤche aus einander gesprengt werden mußten, wozu nach van Ma- rums Berechnung eine Kraft von 9800 Pfund erforderlich war. Einige andre Versuche . Unter den chemischen Wirkungen, welche der electrische Funke hervorbringt, und zu welchen auch die Oxydationen gehoͤren nebst den von van Marum gleichfalls bewirkten Herstellungen der Metalle aus ihren Oxyden, will ich nur noch die Zersetzung des Wassers erwaͤhnen. Um sie mit geringern electrischen Kraͤften her- vorzubringen, hat Wollaston folgendes Verfahren angegeben. Man laͤßt die feinsten Platindraͤthe, die man erhalten kann, in Glas einschmelzen, feilt sie dann an der einen Seite bis auf die Oberflaͤche des Glases ab und setzt zwei solche im Glase liegende Drathspitzen einander in einer mit Wasser gefuͤllten Roͤhre gegen- uͤber. Die wiederholten Schlaͤge einer kleinen, sich oft nach ein- ander entladenden Flasche verwandeln das Wasser in Luft, die sich als eine Mischung von Wasserstoffgas und Sauerstoffgas zeigt. Der Versuch gelingt so am leichtesten, weil die Wirkung sich so sehr auf einen kleinen Raum vereiniget. Eine andre Wirkung des uͤberschlagenden electrischen Funkens ist die, daß die Oberflaͤchen, uͤber welche er fortgegangen ist, auf einige Zeit leuchtend werden. Nach Singers Versuchen findet dies bei Kreide, Zucker, Borax und manchen andern Koͤrpern statt. Pearfall hat besonders uͤber die Koͤrper, welche durch Waͤrme phosphorescirend werden, Versuche angestellt, und gefunden, daß diese auch durch Electricitaͤt leuchtend werden, ferner daß die Koͤr- per, denen man durch heftiges Gluͤhen ihre Eigenschaft zu phos- phoresciren geraubt hatte, diese wieder erlangten, wenn man den electrischen Funken uͤber sie schlagen ließ. Daß bei der Entladung großer Batterien auf eine schoͤn polirte Flaͤche von Stahl, Silber, Messing Flecke entstehen, ist ohne Zweifel eine Folge der Oxydirung der Metalle. Eben darauf schei- nen auch die farbigen Kreise zu beruhen, die man erhalten hat, wenn man einer polirten Metallflaͤche gegenuͤber eine Spitze auf- stellte, und die Entladung von der Spitze auf die Metallplatte gehen ließ. Mancherlei andre Versuche, z. B. daß Koͤrper, die nicht voll- III. U kommen gut leiten, im Dunkeln sich als durchscheinend zeigen, waͤhrend der electrische Funke durch sie geht, darf ich wohl uner- waͤhnt lassen Zahlreiche Versuche aller Art fuͤhren Sartorph und Sin- ger an. Sartorphs Darstellung der Electricitaͤtslehre, aus dem Daͤnischen von Fangel . 2 Theile. Kopenhagen 1803. Singers Elemente der Electricitaͤt und Electrochemie, uͤbers. von C. H. Muͤl- ler . Breslau . 1819. . Neunzehnte Vorlesung . Aehnlichkeit des Blitzes und des electrischen Funkens . Schon kurz nach den ersten Entdeckungen uͤber das electrische Licht dachte Wall an eine Uebereinstimmung zwischen dem ploͤtz- lich hervorgehenden electrischen Lichte und dem Blitze, und zwischen dem geringen Laute, den man bei dem electrischen Funken hoͤrt, und dem Donner; indeß war diese Vergleichung damals und auch spaͤter noch zu oberflaͤchlich, um weiteren Erfolg zu haben. Bei den sich immerfort vermehrenden Erfahrungen uͤber Wirkungen der Electricitaͤt, die den gewaltsamen Wirkungen des Blitzes aͤhn- lich sind, ward man immer naͤher auf jene Vergleichung hingelei- tet; aber doch hat vor Franklin niemand diese vollstaͤndig durchgefuͤhrt, noch den Gedanken, mit der Gewitter-Electricitaͤt electrische Experimente anzustellen, ausgesprochen. Die Schmel- zungen durch den electrischen Funken, die Entzuͤndungen, die durch das heftige Ueberschlagen des Funkens bewirkten Zerstoͤrun- gen, gaben, so wie das ploͤtzliche Entstehen und Voruͤbergehen des electrischen Lichtes, Veranlassung genug, um den Blitz als einen sehr maͤchtig wirkenden electrischen Funken anzusehen. Aber Franklin fuͤgte zu diesen Aehnlichkeiten noch die wichtige Be- merkung hinzu, daß der einschlagende Blitz, eben so wie der elec- trische Funke, an guten Leitern ohne nachtheilige Wirkungen fort- geht, beim Ueberschlagen von einem Leiter zum andern aber zerstoͤ- rende Wirkungen, Schmelzungen und zuͤndende Funken hervor- bringt. Diese Bemerkung ist durch alle spaͤtern Beobachtungen bestaͤtigt worden. Wenn der Blitz in ein Gebaͤude einschlaͤgt und dieses nicht in Brand setzt, so kann man gewoͤhnlich die Spuren der von ihm bewirkten Zerstoͤrungen und dadurch den Weg, den er genommen hat, leicht verfolgen, und findet immer, daß er nach Metallen uͤberzuschlagen und von dem Ende einer laͤngern Me- tallleitung zu einer andern zu gelangen, ein Bestreben zeigt. Ist diese Metallleitung zu schwach, so geht er auf mehrern Wegen fort und gelangt so zur Erde. Hat er, zum Beispiel, an den duͤn- nen Metalldraͤthen, die in den Waͤnden den Kalk-Ueberzug fest- halten, nicht genug Leitung gefunden, oder hat eine Unterbrechung dieses Drathes ihn zum Ueberschlagen genoͤthigt, so sprengt er den uͤber den Draͤthen liegenden Kalk ab; muß er durch Holz dringen, um eine Metallleitung wieder zu erreichen, so zertruͤmmert er dieses auf eine oft wunderbar scheinende und von der groͤßesten Kraft zeugende Weise. Indem nun Franklin die wichtige Eigenschaft der electri- schen Materie, durch vollkommen leitende Koͤrper ohne alle sicht- baren Zeichen durchzugehen, in Erwaͤgung zog, so machte er den Schluß, daß auch der Blitz, wenn er einem guten Leiter von den hoͤchsten Theilen des Gebaͤudes bis zur Erde folge, ohne zerstoͤrende Wirkungen die Erde erreichen werde. Um aber die Meinung, daß wirklich der Blitz ein großer electrischer Funke sei, voͤllig zu bestaͤti- gen, wuͤnschte er durch einen hoch in die Luft aufgestiegenen Dra- chen Wirkungen der atmosphaͤrischen Electricitaͤt auf die Erde her- abzuleiten und zu beobachten. Er ließ daher im Juni 1752 an einem Tage, wo Gewitter zu drohen schienen, einen Drachen stei- gen, an dessen haͤnfener Schnur er zuerst die gegenseitige Abstoßung einiger frei haͤngenden Faͤden bemerkte, dann aber Funken aus einem daran gehaͤngten Schluͤssel zog. Im folgenden Jahre hatte er auf seinem Hause eine Stange angebracht, um die Wirkungen der Gewitter-Electricitaͤt naͤher zu pruͤfen, wo er sich dann uͤber- zeugte, daß sie bald mit der positiven, bald mit der negativen Elec- tricitaͤt uͤbereinstimmte. In den letztern Versuchen waren ihm unterdeß schon Dalibart und Delor in Frankreich zuvor- U 2 gekommen, welche, durch Franklins Schriften veranlaßt, sei- nen Gedanken von der Herableitung des Blitzes schon im Mai 1752 durch einen Versuch bestaͤtigt fanden. Dalibart naͤmlich hatte eine isolirte eiserne Stange auf seinem Hause errichtet, und aus dieser schlugen bei Annaͤherung einer Gewitterwolke große Fun- ken hervor. Die Versuche mit dem Drachen wurden etwas spaͤter von de Romas wiederholt, der einen Drachen ungefaͤhr 550 Fuß hoch steigen ließ. Er bediente sich einer mit Metalldrath durchwirkten Schnur, die er an einer seidenen Schnur hielt, um die Wirkungen der Electricitaͤt nicht auf sich selbst herab zu ziehen; die leitende Schnur endigte sich in einen Blechcylinder, welcher 3 Fuß von der Erde entfernt war und dennoch Strohhalme von der Erde anzog, und endlich drei laut knallende Funken gegen die Erde gab. Diese Erfahrungen zeigen, daß man selbst auf eine gefaͤhrliche Weise durch diese Mittel die Gewitter-Electricitaͤt auf die Erde herabziehen koͤnne, selbst wenn kein eigentlicher Blitz auf die Leitung trifft. Man hat in der Folge oft Metallstangen isolirt auf Gebaͤu- den aufgerichtet, um an ihren untern Enden Beobachtungen uͤber die Electricitaͤt der Atmosphaͤre anzustellen, und wenn sich in gehoͤ- riger Naͤhe unter dieser Leitung eine bis zur Erde gehende Ablei- tung befindet, auf welche bei zu starkem Andrange der atmosphaͤ- rischen Electricitaͤt diese ohne Nachtheil uͤberschlagen kann, so kann man diese Einrichtung als ganz ungefaͤhrlich ansehen. Franklin hatte, um von dem zu irgend einer Zeit eintretenden staͤrkern Grade der Electricitaͤt unterrichtet zu werden, mit dieser Stange ein Glockenspiel verbunden, an welchem die Kloͤppel, angezogen von der oben stehenden Auffangestange und dann zuruͤckgestoßen zu den mit der Ableitungsstange in Verbindung stehenden Glocken, die staͤrkeren Grade der Electricitaͤt in der Luft anzeigten. Daß man bei diesen unterbrochenen Metallleitungen in Gefahr kommen kann, wenn man den eignen Koͤrper ihnen zu sehr naͤhert, ist offenbar, indeß darf man nicht gerade Richmanns so oft angefuͤhrtes Schicksal, welcher am 6. Aug. 1753 an einer solchen Vorrichtung getoͤdtet wurde, als so sehr abschreckend ansehen, da sich bei ihm der immer hoͤchst seltne Fall ereignete, daß ein starker Blitz gerade in dem Augenblicke jene Stange traf, als er sich ihr mit dem Kopfe zu sehr naͤherte; bei gehoͤriger Vorsicht wuͤrde man selbst waͤhrend eines Gewitters Beobachtungen an einer solchen unterbrochenen Leitung anstellen koͤnnen, wie es von Gersdorf oft soll gethan haben. Blitz-Ableiter . Vorsichtsregeln bei Gewittern . Nach jenen, schon von Franklin in Betrachtung gezoge- nen, Erfahrungen konnte es keinen Zweifel leiden, daß ein Ge- baͤude, an welchem ein guter Leiter herabgeht, in dem Falle, da dieser vom Blitze getroffen wird, keiner großen Gefahr ausgesetzt sei, und auf sie gruͤndete eben Franklin die Erfindung der Blitz- Ableiter; aber man kann noch die Frage aufwerfen, ob denn gerade dieser Blitz-Ableiter, diese Metallleitung selbst, vom Blitze wird aufgesucht werden? Wenn wir ein vom Blitze getroffenes Haus sehen, wo der Blitz sich bald hier bald dort eine Reihe von Leitern aufgesucht und um den einen oder andern derselben zu erreichen, dicke Waͤnde durchbrochen, große Holzmassen zerrissen und andre Zerstoͤrungen angerichtet hat, so scheint es uns beim ersten Anblicke seltsam, wie er diesen Weg in seinem ungemein schnellen Laufe aufgefunden habe, und wir denken gewoͤhnlich nicht daran, daß dieser Weg schon beim ersten Antreffen des Blitzes gewiß als noth- wendig vorgezeichnet war. So schnell naͤmlich auch die saͤmmt- lichen Erscheinungen von dem Hervorgehen des Blitzes aus der Wolke bis zu seinem letzten Uebergange in die Erde auf einander folgen, so sind sie doch in ihrem Fortgange nicht so schnell, daß nicht jede einzelne als eine Wirkung hervorbringend, aus welcher die folgende nothwendig entspringt, koͤnnte angesehen werden. Schon waͤhrend die Wolke den Blitz hervorzubringen im Begriff ist, haben alle benachbarten Leiter ihren electrischen Zustand veraͤn- dert, und wenn ein positiv-electrischer Schlag im Ausbrechen ist, so sind alle obern Enden der Leiter AB, CD, EF, GH, ( Fig. 96. ) in negativem, die untern Enden im positiven Zustande; die Nicht- leiter dagegen oder die schlechten Leiter nehmen an dieser Verthei- lung der Electricitaͤt nur in geringem Grade Antheil. Da nun, wie Sie wissen, der positiv-electrische Funke dahin schlaͤgt, wo der negative Zustand am meisten hervorgetreten ist, so schlaͤgt er auf den bei A negativen Leiter eher als auf die umgebenden Nichtleiter zu; indem er sich naͤhert, wird A je mehr und mehr in negativen Zustand, B in positiven Zustand versetzt, und in aͤhnlichem Fort- gange tritt auch in C, E, G, die negative Electricitaͤt durch die Einwirkung des Blitzes sowohl als der nahen positiven Theile, B, D, F, hervor; in dem Augenblicke, da AB vom Blitze durch- laufen und positiv geladen ist, erreicht C den hoͤchsten Grad des negativen Zustandes, und da dieser in den umgebenden Nichtleitern nicht so eingetreten ist, so schlaͤgt der Blitz von B nach C uͤber, und bringt in auf einander folgenden Zeitmomenten eben die Wirkun- gen in EF, GH hervor. Und hieraus erhellt nun, warum der ununterbrochene Blitz-Ableiter vorzugsweise vom Blitze getroffen werden, warum er den benachbarten Koͤrpern zu einem Schutze gegen den Blitz dienen wird; denn es ist offenbar, daß in I die anziehende Kraft der negativen Electricitaͤt fuͤr den positiven Blitz viel groͤßer als in A sein muß, wenn IK ein ununterbrochener Leiter ist, indem in A die in der Naͤhe gebliebene positive Ladung bei B der Anziehung entgegen wirkt. Aus dieser Ueberlegung erhellt, daß der Blitz, wenn der Ableiter IK da ist, auf diesen schlagen, und die unterbrochene Leitung nicht treffen wird. Bis zu welcher Entfernung diese Sicherung statt findet, ist, auch in dem Falle, wo der Ableiter IK ganz vollkommen ist, eine schwer zu beantwortende Frage, und einzelne Faͤlle beweisen, daß unter unguͤnstigen Umstaͤnden diese Entfernung nicht so sehr groß, vielleicht kaum 50 Fuß, ist. In Hinsicht hierauf muß man da, wo man bestimmte Sicherung hervorzubringen wuͤnscht, den Kreis der Wirksamkeit des Blitz-Ableiters nicht groͤßer voraussetzen, ob- gleich es wohl gewiß ist, daß in vielen Faͤllen der Blitz auch ent- ferntere Gegenstaͤnde vermeidet, um den vollkommenen Leiter zu treffen. Was die Einrichtung des Blitz-Ableiters betrifft, so erhellt von selbst, daß er ein vollkommener und ununterbrochener Leiter sein und von den hoͤchsten Theilen des Gebaͤudes bis in die Erde gehen muß. Gewiß werden die hoͤchsten Theile des Gebaͤudes in der Regel am meisten in den entgegengesetzt electrischen Zustand versetzt, weil sie der Wolke und dem herabschlagenden Blitze am naͤchsten sind, und deshalb trifft der Blitz auch fast immer die hoͤchsten Spitzen; man laͤßt daher mit Recht den Blitz-Ableiter sich bis ziemlich hoch uͤber den hoͤchsten Theil des Gebaͤudes hin- auf erstrecken. Daß er aus starken, wohl verbundenen Metall- stangen bestehen muß, versteht sich von selbst. Am besten wuͤr- den die vorzuͤglich gut leitenden Metalle, Silber und Kupfer, zu Blitz-Ableitern passen, indeß ist Eisen, wenn man hinreichend starke Stangen nimmt, vollkommen brauchbar zu Blitz-Ableitern, und selbst Bleistreifen, obgleich sie schlechter leiten und leichter schmelzbar sind, gewaͤhren Sicherheit, wobei van Marum die Bestimmung giebt, daß man Bleistreifen von 4 Zoll Breite und etwa ⅙ Zoll Dicke anwenden koͤnne; sicherer ist es indeß, das Maaß der Streifen etwas groͤßer zu waͤhlen; Eisen ist auf jeden Fall besser. Der Blitz-Ableiter muß nicht zu nahe an andern lang ausgedehnten Metallmassen vorbeigehen, damit nicht etwa bei sehr starken Schlaͤgen ein Theil des Blitzes auf diese uͤber- springe. Ist der Ableiter stark genug, so sollte eigentlich die ganze Leitung ohne ein außen sichtbares Leuchten statt finden; aber sehr oft hat man den Ableiter leuchtend gesehen, und dennoch ist der Blitz ohne Nachtheil daran herabgefahren, indeß ist dies doch im- mer ein Zeichen, daß der Blitzstrahl zu stark fuͤr den Ableiter war. Der Ableiter muß bis in die Erde hinabgehen und zwar so tief, daß er feuchte, hinreichend leitende Erde antrifft. Diese Regel scheint mir nothwendig, indem, wenn man ihn an der Oberflaͤche der Erde sich endigen laͤßt, vorzuͤglich bei trocknem Wetter, wo die Erde nur schlecht leitet, es sich ereignen kann, daß der den Ableiter unten verlassende Funke seitwaͤrts auf andre Gegenstaͤnde uͤberschlaͤgt Ueber diesen Punct sind die Meinungen verschieden. Mir scheint die moͤgliche Gefahr, die das Ueberschlagen vom Ende des in die Tiefe gefuͤhrten Leiters mit sich bringen kann, wenn auch einmal die Erde ein wenig aufgewuͤhlt wird, geringer, als die, daß der oberhalb der Erde endigende Ableiter zu einem seitwaͤrts Ueberschlagen an der Oberflaͤche der Erde Anlaß geben kann und da vielleicht die Fuͤße von Menschen getroffen werden koͤnnten. . Die Frage dagegen, ob man den obern Theil der Auffangestange mit einer scharfen vergoldeten Spitze versehen soll, scheint mir von geringerer Wichtigkeit. Die Meinung, welche bei der Erfindung der Blitz-Ableiter viel Beifall fand, daß man durch Spitzen die Gewitterwolken still und ohne Blitz entladen koͤnne, ist wohl als unrichtig hinreichend widerlegt, indem theils die Entladung eines so ungeheuer großen Leiters wie die Gewitter- wolke durch eine oder einige Spitzen unmoͤglich scheint, theils die dort entstehende Electricitaͤt sich zu schnell entwickelt, um dieser langsamen Ableitung Zeit zu lassen; ob man aber hoffen kann, daß der schon im Herunterschlagen begriffene Blitz durch eine Spitze irgend an Kraft verliere, weiß ich nicht, wenn es gleich gegruͤndet ist, daß die am Ende des Ableiters gesammelte entgegengesetzte Electricitaͤt in einigem Grade an der Spitze ausstroͤmen muß. Nach diesen und aͤhnlichen Ueberlegungen bin ich zwar geneigt, den vergoldeten Spitzen keinen sonderlichen Werth beizulegen, aber es ist auch etwas gewagt, ganz entschieden sich gegen den einmal ein- gefuͤhrten Gebrauch zu erklaͤren. Man hat aus manchen einzelnen Beispielen von Blitzen, die in der Naͤhe von Blitz-Ableitern eingeschlagen haben, Gruͤnde hergenommen, um die nuͤtzliche Wirkung der Blitz-Ableiter ver- daͤchtig zu machen; aber dieses doch gewiß mit Unrecht. Es laͤßt sich allerdings die schwer zu beantwortende Frage aufwerfen, ob der Blitz, welcher ziemlich nahe bei einem Blitz-Ableiter einge- schlagen hat, vielleicht nicht eingeschlagen haͤtte, wenn der Blitz- Ableiter nicht da war; aber es wird kaum moͤglich sein, daruͤber je ein sicheres Urtheil zu faͤllen, und nur das koͤnnen wir mit Sicherheit annehmen, daß da, wo er einschlug, eine vorzuͤglich gute Leitung, sei es auch nur von uns unsichtbaren Duͤnsten oder Rauch, statt fand, die also auch fuͤr sich allein den Blitz anziehen konnte, ohne daß man dieses Anlocken dem benachbarten Blitz- Ableiter zuzuschreiben braucht. Sollte aber auch unter zahlreichen Faͤllen der Fall moͤglich sein, daß der beinahe horizontal fortge- hende Blitz, (und dieser Fall waͤre wohl am ehesten denkbar,) zu- erst ( Fig. 97. ) von AB, dem vollkommenen Ableiter, herbeigezo- gen, die Richtung GH naͤhme, dadurch aber so sehr in die Naͤhe der schlechtern Ableitung CD, EF, kaͤme, daß er seine Bahn ver- ließe und auf C schluͤge, so ist doch dieser Fall so selten und so unwahrscheinlich, daß mein Nachbar darauf eben so wenig eine Einwendung gegen meinen Entschluß, einen Gewitter-Ableiter auf mein Haus zu setzen, gruͤnden kann, als er mir verwehren kann, mein Haus mit Ziegeln zu decken, deren einer ihn moͤglicher Weise im Herabfallen toͤdten kann, wenn er aus seiner Hausthuͤr tritt. Noch einen Einwurf gegen die Gewitter-Ableiter hat man von den, theils aus theoretischen Gruͤnden vermutheten, theils auch beobachteten Ruͤckschlaͤgen hergenommen. Es ist naͤmlich allerdings richtig, daß nach dem Ueberschlagen des Blitzes sich die Electricitaͤt in den Koͤrpern auf der Erde wieder ins Gleichgewicht setzen muß, und daß dabei allenfalls wohl Funken hervorgehen koͤnnen. Unter den mannigfaltigen Moͤglichkeiten, die man sich denken kann, will ich nur eine hervorheben. Es befinde sich ( Fig. 98. ) ein durch schlechte Leiter unterbrochener Leiter AB, CD, beinahe unter derselben Einwirkung, wie der gute Leiter LM, so wird, unter dem Einflusse einer positiv-electrischen Wolke so wohl von A als von L die positive Electricitaͤt zuruͤckgedraͤngt, und da sie mit großer Gewalt gegen B gedraͤngt wird, so kann sie gar wohl auch durch den schlechten Leiter BC zum Theil nach CD hinuͤber gehen, so daß der ganze Leiter AB negativ ist. Schlaͤgt nun der Blitz auf LM, so ist sogleich nach diesem Schlage das Gleichgewicht in der guten Leitung LM hergestellt, AB hingegen ist im negativen Zustande und CD hat das Bestreben, einen po- sitiven Funken nach B zu senden, weil die schlechte Leitung CB keine hinreichend schnelle Zufuͤhrung der nach und nach zuruͤck- gedraͤngten positiven Electricitaͤt gestattet. Ginge ein solcher Funke wirklich von C nach B uͤber, so waͤre das ein wirklicher Ruͤckschlag, und man weiß Beispiele, wo ein ploͤtzliches Leuchten einiger Leiter in Haͤusern, die der Blitz traf, oder auch aus der Erde hervorge- gangene Blitze, auf solche Ruͤckschlaͤge deuteten. Daß sich hieran die Besorgniß knuͤpfen kann, der von C nach B gehende Funke koͤnne allenfalls zuͤnden, ist offenbar; aber es scheint mir doch, daß man diese Besorgniß als ganz unbedeutend ansehen kann. Es scheint mir naͤmlich ganz gewiß, daß in eben dem Verhaͤltniß, wie die Schwierigkeiten des Uebergangs der Electricitaͤt von B nach C groͤßer sind, auch die Menge der uͤbergegangenen Electricitaͤt klei- ner sein wird, so daß da, wo das Zuruͤckgehen von C nach B sehr erschwert ist, auch kaum jemals so viele Electricitaͤt als zu einem gefaͤhrlichen Funken noͤthig ist, hinuͤber gedraͤngt sein kann, da hin- gegen, wo der Uebergang nicht so sehr erschwert ist, auch das Zu- ruͤcktreten mit ziemlicher Leichtigkeit, eben darum aber auch ohne Funken, geschehen wird. Hierin scheint mir der Grund zu liegen, daß kein Fall bekannt ist, wo diese Ruͤckschlaͤge Ungluͤck bewirkt haͤtten. Ruͤckschlaͤge von der Erde gegen eine Wolke scheinen mir noch weniger gefaͤhrlich. Man braucht daher, glaube ich, auf sie weiter keine Aufmerksamkeit zu richten, da die Regel, so viel als moͤglich solche nur wenig unterbrochene Leiter in Gebaͤuden zu ver- meiden, schon aus dem Grunde, damit der Blitz nicht zum Theil auf A, zum Theil auf L falle, als nothwendig angesehen werden mußte. Ueber die uͤbrigen Sicherungsmittel gegen die Gefahren des Gewitters brauche ich nur wenig zu sagen. Fuͤr ein durch Ge- witter-Ableiter nicht gesichertes Gebaͤude kann man bei einem herannahenden Gewitter wohl gar nichts weiter thun, als daß man alle Feuer ausloͤscht, damit nicht der aus den Schornsteinen her- vorgehende Rauch eine Blitz-Zuleitung bilde. Diese Vorsicht ist sehr zu empfehlen, da man viele Beispiele hat, wo der Blitz einen rauchenden Schornstein selbst dann getroffen hat, wenn hoͤhere Gegenstaͤnde in der Naͤhe waren. Dagegen scheint Zugluft, ein geoͤffnetes Fenster zum Beispiel, keinen Einfluß auf den Weg des Blitzes zu haben, und das Schließen der Fenster scheint mir in Beziehung auf den Blitz nicht nothwendig zu sein. Was die Sicherung unserer Person gegen den Blitz betrifft, so ist zwar ein aͤngstliches Berechnen, wo wir etwa am gesichertsten sein moͤgen, zuweilen bis zum Laͤcherlichen getrieben werden, indeß lassen sich doch folgende Regeln geben. Da der Blitz immer beim Einschlagen die besseren Leiter vorzieht, und den Erfahrungen zu Folge der menschliche Koͤrper besser als trockenes Holz, trockene Waͤnde, lebendige Baͤume u. s. w. leitet, so muß man die Naͤhe dieser Gegenstaͤnde, so fern sie durch ihre Hoͤhe den Blitz wohl her- anziehen koͤnnten, vermeiden. Hohe Baͤume, vorzuͤglich wenn sie einzeln stehen, werden nicht selten vom Blitze getroffen, der Blitz faͤhrt an ihnen sehr gern an der nassen Oberflaͤche zwischen Rinde und Holz herunter und sprengt dabei die Rinde ab; befindet sich aber ein Mensch ganz in der Naͤhe, so springt er sehr oft vom Baume ab und toͤdtet den Menschen, durch dessen Koͤrper er zur Erde hinabgeht. Etwas Aehnliches wuͤrde erfolgen, wenn ein Mensch nahe an einer Wande staͤnde, an welcher der Blitz herab- faͤhrt, und selbst nahe an einem Blitz-Ableiter kann die Heftigkeit der mitgetheilten Erschuͤtterung gefaͤhrlich werden, obgleich es auch Faͤlle giebt, wo Menschen durch den neben ihnen, ja sogar an ihren nassen Kleidern herabfahrenden und ihre Kleider zerreißenden Blitz nicht wesentlich beschaͤdigt wurden. Ist man daher auf freiem Felde, so ist es besser, sich an einem offenen Platze dem Regen auszusetzen, als unter hohen einzelnen Gegenstaͤnden Schutz zu suchen. Dagegen ist es angenehm, in einer Entfernung von 50 Fuß hoͤhere Gegenstaͤnde neben sich zu haben, die wahrschein- lich eher als der nicht so hoch stehende Mensch den Blitz anlocken koͤnnen. Auch in Gebaͤuden ist es besser, sich nicht den aͤußern Waͤn- den oder metallischen Leitungen, die unterbrochen sind, nahe auf- zuhalten; indeß hat man weit mehr Ursache, sich hier vor laͤcher- licher Aengstlichkeit zu huͤten, als sich in eine Berechnung der Wahrscheinlichkeit, daß man eher hier als dort vom Blitze koͤnne getroffen werden, einzulassen; und nur das ist zu bemerken, daß man am Feuerherde, unter dem hoch hervorragenden Schornsteine, vollends wenn Feuer auf dem Herde brennt, an einer der gefaͤhr- lichsten Stellen sich befindet. Wirkungen des Blitzes . Die Wirkungen des Blitzes sind so mannichfaltig, oft so wun- derbar, daß man zahlreiche einzelne Faͤlle erzaͤhlen muͤßte, um nur die merkwuͤrdigsten Verschiedenheiten anzufuͤhren Reimarus vom Blitze. Hamburg . 1778. Reimarus neuere Bemerkungen vom Blitze. Hamburg . 1794. Auch viele Bei- spiele in Gilberts Annalen. Wenn der Blitz zuͤndet, so steht oft sehr schnell das ganze Gebaͤude in Flam- men, weil bei jedem Ueberschlagen von einem guten Leiter zu einem andern ein Funke entsteht, der, wenn er Feuer fangende Materien findet, zuͤnden kann, so daß die Entzuͤndung an vielen Orten zu- gleich statt findet. Dagegen aber hat auch der Blitz oft, indem er ein schwer entzuͤndliches Holz traf, zwar gezuͤndet, aber das Feuer ist erst langsam anglimmend ausgebrochen. Wenn der Blitz nicht zuͤndet, so liegt dieses nicht an einer wesentlichen Verschie- denheit kalter und warmer Schlaͤge, sondern gewiß einzig an der weniger zum Brennen geeigneten Beschaffenheit der getroffenen Koͤrper. Die Zerstoͤrungen, welche der nicht zuͤndende Blitz an- richtet, sind oft Zeugen von einer alle unsre Begriffe uͤbersteigenden Gewalt, treffen aber immer die schlechtern Leiter, die sich dem Uebergange zu bessern Leitern in den Weg stellen. Bei den vom Blitze getoͤdteten Menschen sind gewoͤhnlich die sichtbaren Ver- letzungen unbedeutend, und der Tod muß entweder von einer ploͤtz- lichen Zerstoͤrung der Nerventhaͤtigkeit oder von der ploͤtzlich auf- gehobenen Reizbarkeit der Gefaͤße abhaͤngen. Van Marum sieht das Letztere als die Ursache des gehemmten Blut-Umlaufes und so des ploͤtzlichen Todes an, und stuͤtzt diese Meinung darauf, daß Aale, die er mit seinen großen Batterien toͤdtete, sogleich alle Reizbarkeit der Muskelfasern verloren hatten, wenn der Schlag durch ihren ganzen Koͤrper ging; war der Schlag nur durch einen Theil des Koͤrpers gegangen, so war auch nur in diesem die Reiz- barkeit verloren gegangen. Wie ploͤtzlich aber der Tod durch den Blitz sein muß, erhellt aus den Beispielen, wo man die Erschlage- nen so, daß keine Muskel eine Zuckung erlitten zu haben schien, gefunden hat. Erscheinungen , welche der Blitz und Donner darbietet . Der Blitz bietet uns ganz die Erscheinungen eines sehr großen electrischen Funkens dar, der aus einer Wolke entweder auf eine andre Wolke oder auf die Erde herabschlaͤgt. Er verfolgt selten eine ganz grade Bahn, sondern nimmt, nachdem es gerade fort- gegangen ist, oft ploͤtzlich eine andre Richtung an, zuweilen trennt er sich auch in mehrere Blitze. Jene Veraͤnderung seiner Bahn, die mit der Erscheinung des electrischen Funkens bei groͤßern Schlag- weiten uͤbereinstimmt, ruͤhrt wahrscheinlich davon her, daß die Luft vor dem schnell fortbewegten Feuerballe zusammengedruͤckt wird, und endlich der weitern Bewegung einen zu großen Widerstand ent- gegensetzt. Die Farbe des Blitzes geht oft, so wie die des electrischen Funkens in Violett und Blau uͤber. Die Schnelligkeit des Blitzes kann man auf 1 bis 2 Meilen in der Secunde rechnen; denn oft sieht man ihn von Wolke zu Wolke, selbst wenn das Gewitter noch uͤber 1 Meile entfernt ist, 60 Grad in einer kuͤrzern Zeit als 1 Sec. durchlaufen. Zuweilen sehen wir den Blitzstrahl nicht, son- dern der Blitz erleuchtet nur die Wolken. Dies kann geschehen, wenn der Blitz an der von uns abgekehrten Seite der Wolke her- vorschlaͤgt; aber es scheint zuweilen auch ein eben solches Licht. Ausstrahlen der Wolke, ohne bestimmten Funken, statt zu finden wie bei stark geladenen Leitern. Zuweilen sieht man, wenn die Gewitterwolke fast den ganzen Himmel bedeckt, aber unten am Horizonte ein heiterer Streif unter der Wolke ist, bei naͤchtlichen Gewittern den ganzen Rand der Wolke erleuchtet. Wo man den Blitz hat einschlagen sehen, hat er sich gewoͤhnlich als ein Feuer- ball gezeigt. Daß auch der Donner mit dem, wenn gleich schwachen, Laute unsrer electrischen Funken uͤbereinstimmt, leidet wohl keinen Zweifel, indeß verdient das Rollen des Donners noch eine besondre Betrachtung. Da der Donner zugleich mit dem Blitze entsteht, so dient die Zwischenzeit zwischen Blitz und Donner zum Maaße der Entfernung des Gewitters, weil der Schall in jeder Secunde nur 1000 Fuß durchlaͤuft und folglich das Gewitter ungefaͤhr so viel tausend Fuß entfernt ist, als diese Zwischenzeit Secunden be- traͤgt. Jeder als wirklicher Funke erscheinende Blitz ist von Don- ner begleitet, dagegen scheint das uͤber einen groͤßern Raum ver- breitete Ausstrahlen des Lichtes oft ohne Donner zu sein. Man hoͤrt meistens den Donner einfach, wenn man dem Orte, wo der Blitz einschlaͤgt, nahe ist, und dieser dort an guten Leitern herab- geht; dagegen glaubt man einen knatternden Donner als ein Zeichen eines Einschlagens auf schlecht leitende Koͤrper ansehen zu duͤrfen, und erklaͤrt sich diesen unterbrochenen Knall aus dem wie- derholten Ueberschlagen des Blitzes. Der nicht in der Naͤhe ein- schlagende Blitz laͤßt uns gewoͤhnlich das eigentlich sogenannte Rol- len des Donners, ein dumpfes, abwechselnd matter werdendes und dann wieder lauter toͤnendes, Getoͤse hoͤren. Diese Verlaͤngerung des Donnerknalles scheint zwar zum Theil in einem Echo ihren Grund zu haben; aber wahrscheinlich ist es, daß auch wiederholte Explosionen des Blitzes mit erneuertem Donner begleitet sind, und von Hellwig glaubt beobachtet zu haben, daß der Donner so viele Wiederholungen eines erneuerten Getoͤses darbiete, als man Aenderungen der Richtung des Blitzes bemerkt habe, so daß also jede Aenderung der Richtung als eine neue Explosion anzusehen sei. Es ist sehr glaublich, daß diese Meinung der Hauptsache nach richtig ist, da sich einsehen laͤßt, daß diese auf einander folgenden Donner sehr schnell nach einander gehoͤrt werden muͤßten, wenn der Blitz den kurzen Weg BA ( Fig. 99. ) von der Wolke herab, beinahe gerade gegen den Beobachter A zu, durchlaͤuft, daß dagegen, wenn der Blitz BH in B, in D, in E, F, G, H, einzelne Don- ner hervorbringt, ein Beobachter in C die in FG, entstandenen Donner eher als die in D, B, entstandenen hoͤren wird, obgleich der Blitz von B nach H gegangen ist. Electricitaͤt in der Atmosphaͤre bei heiterem Himmel . Ehe ich von der Entstehung der Gewitter rede, scheint es mir noͤthig, von dem electrischen Zustande der Luft an heiteren Tagen etwas zu sagen. Als man darauf aufmerksam geworden war, daß wir die Ge- witter-Electricitaͤt durch unsre gewoͤhnlichen electrometrischen In- strumente kenntlich machen koͤnne, bemerkte man auch bald, daß selbst bei heiterm Himmel die Luft electrisch ist, und daß man mei- stens die hoͤhern Luftschichten mehr positiv-electrisch als die untern findet. Cavallo , Beccaria , u. a. haben Beobachtungen hier- uͤber angestellt; aber Saussure und Volta verdienen vorzuͤg- lich hier genannt zu werden. Der erstere zeigte, daß ein gewoͤhn- liches empfindliches Electrometer, mit einer 2 Fuß hohen metallenen Spitze versehen, schon wenn man es nur einige Fuße hebt, einen veraͤnderten electrischen Zustand kenntlich macht, und Volta fand, daß die Empfindlichkeit des Electrometers noch vermehrt wird, wenn man auf diesem Leiter eine Flamme anzuͤndet. Diese Flamme fuͤhrt naͤmlich den Leitern des Electrometers die in der Luft ent- haltene Electricitaͤt zu, und sammelt diese so sehr, daß man eine electrische Flasche damit laden kann. Nach Volta's Anleitung soll man auf die Spitze des Electrometers einen brennenden Schwe- felfaden oder ein Wachslichtchen setzen, und waͤhrend diese Flamme eine Viertelstunde unterhalten wird, eine Flasche an das Electro- meter halten; diese ladet sich, und wird endlich so weit geladen, daß die Kugeln oder Strohhaͤlmchen des Electrometers aus ein- ander gehen. Will man dann die Staͤrke der Luft-Electricitaͤt noch deutlicher sehen, so bringt man den Knopf der Flasche an den Condensator, ladet diesen und laͤßt seine Funken auf eine sehr kleine Flasche uͤbergehen, die so bei wiederholtem Versuche ihre volle Ladung erhalten kann. Diese Erscheinungen lassen sich sogar bei heiterm Himmel, wo die Luft gar nicht bedeutend electrisch ist, hervorbringen. Erman hat hierbei vor Taͤuschungen ge- warnt, die durch ungleiche Annaͤherung des Electrometers an die Erd-Oberflaͤche, vermoͤge der Vertheilung der Electricitaͤt, ent- stehen koͤnnten; aber es scheint mir nicht, daß Volta's Ver- suche sich durch eine bloße Vertheilung, an welche auch Volta selbst gedacht hat, erklaͤren lassen. Die Electricitaͤt der Luft ist gewoͤhnlich positiv; die negative Electricitaͤt scheint nur als Ausnahme vorzukommen, nach Fog- go's Beobachtung vorzuͤglich dann, wenn das Herannahen einer Gewitterwolke, deren Rand das Zenith noch kaum erreicht, durch Einwirkung der positiv-electrischen Wolke die ihr entgegengesetzte Electricitaͤt vorherrschend macht. Bei heiterm Himmel beobachtet die Electricitaͤt in ihrem Zu- nehmen und Abnehmen ziemlich bestimmte Gesetze. Sie ist fast ohne Ausnahme positiv und im Winter staͤrker als im Sommer. Bei Sonnen-Aufgang ist sie schwach, nimmt aber zu, wenn sich einige Stunden nach Sonnen-Aufgang die Morgennebel nieder- schlagen, welche aus dem Niederschlage der durch die Erwaͤrmung der Erde vermehrten Ausduͤnstung in der noch nicht durchwaͤrmten Luft entstehen; wenn etwas spaͤter diese leichten Nebel wieder ver- schwinden, so nimmt die Electricitaͤt ab, waͤhrend die Trockenheit der Luft zunimmt; die Electricitaͤt erreicht Nachmittags ihren geringsten Grad um die Zeit, wo die Luft am trockensten ist; aber gegen Sonnen-Untergang, wo die Feuchtigkeit wieder zunimmt, steigt der Grad der Electricitaͤt, und wird beim Entstehen des Thaues gewoͤhnlich am bedeutendsten. Hiernach scheint es also ein Naturgesetz zu sein, daß, wenn die unsichtbaren Daͤmpfe sich zu sichtbaren Duͤnsten verdichten, po- sitive Electricitaͤt merklich wird, und dieses laͤßt sich mit einem von Volta schon angestellten Experimente, welches spaͤter auch von Grotthus bestaͤtigt gefunden hat, sehr gut in Ueberein- stimmung bringen. Nach diesen Versuchen bleibt naͤmlich, wenn man Wasser verdampfen laͤßt, das Gefaͤß negativ electrisch zuruͤck, und der Dampf muß also positive Electricitaͤt in sich aufgenommen haben; es scheint daher natuͤrlich, daß diese + E wieder merklich wird, als freie Electricitaͤt sich zeigt, wenn die Daͤmpfe wieder in den Zustand sichtbarer Duͤnste zuruͤckkehren. Entstehung der Electricitaͤt in den Wolken , und Er- scheinungen , welche die Gewitter begleiten . Ein aͤhnlicher Grund, naͤmlich ein sehr viel schnelleres Fort- schreiten des Dunstniederschlages, scheint nun auch die naͤchste Be- dingung des Entstehens der Electricitaͤt in den Wolken zu sein. Wenn an heitern und heißen Tagen sich Haufenwolken, Wolken naͤmlich von ungefaͤhr halbkugel-aͤhnlicher Form, zu bilden an- fangen, so sind diese Wolken auch sogleich in etwas staͤrkerem Grade electrisch; aber zu Gewitterwolken werden sie nur dann, wenn die- ser Proceß der Wolkenbildung sehr rasch fortschreitet. Auch da, wo bei einem heftigen Sturme, (ich glaube sagen zu duͤrfen, bei einem heftigen Zustuͤrzen der Luft gegen einen Ort, an welchem der Druck der Luft sehr vermindert ist,) die Duͤnste zusammengedraͤngt werden, oder wenn die Wolken gegen Gebirge getrieben werden, oder wenn die aus den feuerspeienden Bergen aufsteigenden Daͤmpfe sich in der Hoͤhe zu Wolken verdichten, gehen Blitze aus den Wol- ken hervor. Aber ob nun nicht eine Wechselwirkung, wodurch die Electricitaͤt selbst wieder Ursache eines vermehrten Heranziehens von Duͤnsten und einer beschleunigten Wolkenbildung wird, statt findet, daruͤber scheint mir noch eine große Unsicherheit in unsern Kenntnissen uͤbrig zu sein. Die heftigen Platzregen, die mit den Gewittern entstehen, ja die bei Gewittern immer sehr schnell fort- schreitende Wolkenbildung selbst, scheint mir nicht so leicht zu erklaͤren zu sein. Volta hat darauf aufmerksam gemacht, daß, wenn in einer bestimmten Gegend gestern sich Gewitterwolken bildeten, die sich aber wieder zerstreuten, diese Gegend heute die erste ist, wo sich neue Gewitterwolken zeigen, daß also die dort noch uͤbrige Electricitaͤt die Veranlassung zu neuen Wolken zu geben scheine; aber auch hieruͤber sind wir noch unsicher. Eben so wenig als jene schnelle, oft uͤber ganze Laͤnder verbreitete, Wolkenbildung scheint mir der Zusammenhang der druͤckenden Schwuͤle vor den Gewittern mit dem Entstehen der Gewitter erklaͤrt zu sein. Eine andere uns noch voͤllig dunkle Erscheinung ist die so oft in den Gewitterwolken entstehende Kaͤlte, die sich haͤufig durch einen empfindlich kalten Wind, seltner durch die Entstehung des Hagels, merklich macht. Bei dem ploͤtzlichen Uebergange der Daͤmpfe in tropfbares Wasser sollte eher Waͤrme frei werden; statt dessen aber bilden sich Eisstuͤcke, die oft ganze Gegenden verheeren. Dieser Hagelbildung scheinen einige Gegenden haͤufiger als andere benach- barte Gegenden ausgesetzt zu sein; sie ist sehr selten uͤber dem Meere und uͤber den naͤchsten Gegenden am Meere; sie findet fast durchaus nur am Tage und fast nur an sehr heißen Tagen statt. — Keine der zahlreichen, mir bekannten Theorien giebt einen Aufschluß, der eine strenge Critik aushielte, uͤber alle diese Um- staͤnde. Leichter erklaͤrlich ist es, daß die electrischen Wolken einander anziehen, daß man zuweilen ein Annaͤhern der Wolke gegen die Erde und nach einem Blitze ein Hoͤhersteigen der Wolke bemerkt hat, daß zuweilen eine ungeheure Staubmasse gegen die Wolke hinauf gezogen wird, und dann sich das Gewitter zerstreut, so als ob die Electricitaͤt eine Ableitung in dieser Staubmasse gegen die Erde zu gefunden haͤtte. Diese in einem Wirbelwinde, gewoͤhnlich ohne weiter auffallende Umstaͤnde, gehobenen Staubwolken scheinen verwandt mit dem gleichfalls noch ganz unerklaͤrten Phaͤnomene der Tromben oder Wasserhosen, die mit einer wirbelnden Bewe- gung alles zu zerstoͤren pflegen, was ihnen von beweglichen Koͤrpern in den Weg koͤmmt, und das Wasser des Meeres aufwaͤrts zu ziehen scheinen. Endlich muß ich doch noch eine electrische Erscheinung bei Gewittern erwaͤhnen, die Wetterlichter , St. Elmsfeuer oder bei den Alten Castor und Pollux. Dieses sind weiße Flaͤmmchen, die auf den hoͤchsten Spitzen der Gegenstaͤnde sich zeigen und ganz der von Spitzen in die Luft ausstroͤmenden Electricitaͤt gleichen. Gewoͤhnlich scheinen sie sich dann zu zeigen, wenn die untere Luft stark electrisch ist, so daß an den Spitzen die entgegengesetzte Elec- tricitaͤt ausstroͤmt; da unter den Umstaͤnden nicht oder selten das schnelle Zunehmen der Electricitaͤt, welches den Blitz hervorbringt, III. X statt findet, so haͤlt man sie fuͤr ein Zeichen, daß das Gewitter keine Gefahr drohe. Sie zeigen sich am leichtesten auf Thurm- spitzen, auf den metallenen Spitzen der Masten u. s. w.; aber nicht selten haben Reisende im freien Felde sie an ihrem eignen emporgehobenen Finger oder an jedem hervorragenden Gegenstande gesehen. Leuchtender Regen und leuchtender Schnee beruht auf aͤhnlichen Umstaͤnden, jedoch kann da die ausstroͤmende Electricitaͤt auch in bloßer Ungleichheit der Electricitaͤt in hoͤhern und in niedri- gern Luftschichten ihren Grund haben. An diese großen Natur-Ereignisse moͤgen sich, ehe ich zu der Beruͤhrungs-Electricitaͤt oder dem Galvanismus uͤbergehe, noch einige Bemerkungen uͤber Mittel, um Electricitaͤt in schwa- chem Maaße zu erregen, anschließen. Ich werde bei diesen nur kurze Zeit verweilen, da die hier anzufuͤhrenden Erscheinungen meistens vereinzelt dastehen. Electricitaͤt durch Druck hervorgebracht . Schon Hauͤy hat bemerkt, daß der Kalkspath ohne Reibung durch bloßen Druck mit der Hand positiv-electrisch wird, und diese Electricitaͤt lange behaͤlt. Becquerel hat an mehrern weichen Koͤrpern, zum Beispiel an Kork und Federharz, gefunden, daß sie, an isolirenden Stielen gehalten, gegen einander gedruͤckt und schnell getrennt, sich electrisch zeigen. Kork gegen Federharz (Caoutchouk) gedruͤckt wird + E, und Federharz - E. Die Reihenfolge der Koͤrper in Beziehung auf die hervorgehende Electricitaͤt scheint auch hier eine bestimmte, aber von der bei der Reibungs-Electricitaͤt geltenden verschieden zu sein. Gleichartige Koͤrper geben zwar, auch beim Drucke, keine Electricitaͤt, ward aber unter zwei Korkstuͤcken eines erwaͤrmt, so gab beim Drucke beider gegen einander das erwaͤrmte - E. Becquerel stellt neben diese Versuche andre, wo die Theile eines Koͤrpers ploͤtzlich getrennt werden. Wenn er an ein Glim- merblaͤttchen zwei vollkommen isolirende Staͤbchen befestigte und das Glimmerblaͤttchen zerriß, so zeigten die beiden Stuͤcke entge- gengesetzte Electricitaͤten. Ebenso fand schon Adams die beiden Stuͤcke einer zerbrochenen Siegellackstange zuweilen entgegengesetzt electrisch, wenn man vorher das Siegellack von aller Electricitaͤt befreiet hatte. Becquerel ist geneigt, das Leuchten des Zuckers auch fuͤr electrisch zu halten; doch ist es zweifelhaft, ob dies richtig ist. Electricitaͤt , die beim Erhaͤrten fluͤssiger Koͤrper , bei der Verdampfung , beim Verbrennen entsteht . Laͤßt man geschmolzenen Schwefel in glaͤsernen Gefaͤßen erkal- ten, so zeigt er herausgenommen negative Electricitaͤt; in me- tallenen Gefaͤßen erkaltend ist er nach dem Herausnehmen positiv. Aehnliche Erscheinungen beobachtet man an Wachs und an Choco- lade. Es ist nicht ganz sicher, ob hieran die Reibung den wichtig- sten Antheil habe, jedoch scheint die an der Chocolade zuweilen beobachtete Electricitaͤt staͤrker zu sein, als man von der geringen Aenderung der Lage beim Erkalten, oder vom Reiben beim Hervor- heben erwarten sollte. Noch weniger wuͤrde die von v. Grott- hus gemachte Beobachtung, wenn sie sich bestaͤtigt, daß naͤmlich Wasser, welches bei tiefer Temperatur in einem Glase sehr schnell gefriert, positiv-electrisch ist, sich aus Reibung des Eises am Glase erklaͤren lassen, da diese Reibung sonst das Eis negativ macht. Daß die Aenderung des Aggregatzustandes eine kenntliche Electricitaͤt hervorrufe, hat man seit Volta's Zeit in Beziehung auf die Entstehung der Daͤmpfe als entschieden angenommen, und auch von Grotthus hat es bestaͤtigt gefunden, daß schnell ver- dampfendes Wasser die Gefaͤße negativ zuruͤcklaͤßt, also der Dampf in positiv-electrischem Zustande entweichen muß. Daß dieser Ver- such so sehr mit den Erscheinungen der Electricitaͤt in der Atmo- sphaͤre uͤbereinstimmt, habe ich neulich schon erwaͤhnt, und ich bin daher noch immer geneigt, ihn als richtig anzuerkennen, obgleich Pouillet sich uͤberzeugt zu haben glaubt, daß jener Versuch nur wegen Einmischung andrer Umstaͤnde am Condensator Electricitaͤt zeige. Nach Pouillets Meinung bringt niemals die Aende- rung des Aggregatzustandes Electricitaͤt hervor, wohl aber zeige diese sich, wenn beim Verdampfen eines aufgeloͤsten alcalischen Koͤrpers oder eines Salzes ein Ruͤckstand nach der Verdampfung uͤbrig bleibe; der Ruͤckstand bleibt nach Pouillets Versuchen X 2 positiv zuruͤck, wenn er alcalisch, negativ dagegen, wenn er ein Salz oder eine Saͤure ist. Hiernach wuͤrden also die Ausduͤnstun- gen des Meeres mit positiver Electricitaͤt beladen aufsteigen. In- dem aber Pouillet hierdurch die Meinung widerlegt zu haben glaubt, daß die gewoͤhnliche Ausduͤnstung die Electricitaͤt in der Atmosphaͤre hervorbringe, glaubt er die Wirksamkeit der Vegeta- tion an deren Stelle setzen zu koͤnnen. Er ließ Saamen in Ver- bindung mit der Condensatorplatte keimen, und fand, daß wenn der Keim die Erde hob und hervorbrach, und wenn die Vegetation sich in staͤrkerm Fortschreiten entwickelte, bedeutende Spuren von Electricitaͤt hervorgingen. Genuͤgender als diese Versuche sind die von Pouillet uͤber die Electricitaͤt bei der Verbrennung der Kohle angestellten. Schon Volta hatte 1782 angegeben, daß die Kohle beim Verbrennen negativ zuruͤckbleibe, die entstandene kohlensaure Luft also positiv sei; aber dieser Versuch hatte spaͤter nicht immer gleiche Erfolge gegeben. Pouillet findet den Grund des Mißlingens darin, daß man gewoͤhnlich Kohlen anwende, die an allen Seiten bren- nen, wodurch die Regelmaͤßigkeit verloren geht. Seine Vorschrift, prismatische Kohlenstuͤcke aufrecht auf die Condensatorplatte zu setzen und sie nur an ihrem obern Theile brennen zu lassen, wo dann die obere Condensatorplatte gewiß negativ werde, habe ich bewaͤhrt gefunden. Entstehung der Electricitaͤt durch Erwaͤrmung . Als ein ausgezeichneter Koͤrper wegen der in ihm durch Waͤrme erregbaren Electricitaͤt ist schon vor der Mitte des vorigen Jahrhunderts der Turmalin bekannt gewesen. Dieser harte Stein, den man zu den Edelsteinen rechnet, wird durch Reibung zwar auch electrisch, aber er besitzt die Eigenschaft, die er nur mit we- nigen Koͤrpern, dem Topas, Galmey, und einigen andern, gemein hat, auch bei Erhitzung Electricitaͤt, und zwar die positive am einen, die negative am andern Ende anzunehmen. Nach Hauͤys und Biots Angaben ist derjenige Turmalin, dessen prismatische Crystalle sich am einen Ende dreiseitig, am andern Ende sechsseitig zuspitzen, am geschicktesten zu dieser Erlangung von Electricitaͤt, und eine Ungleichheit in der Crystallform beider Enden scheint Brewster hat mehrere Koͤrper, deren Crystalle nicht alle unsymmetrisch sind, als hierher gehoͤrig angegeben. , wo nicht die Bedingung dieser Electricitaͤts-Erregung, doch wenig- stens eine oͤfter damit verbundene Eigenschaft zu sein. Die Tur- maline, welche in bedeutendem Maaße electrisch werden, sind sel- ten; aber auch die dem Turmalin verwandten Schoͤrle zeigen mehr oder minder bedeutende Spuren dieser electrischen Erschei- nungen, zu welchen man im Allgemeinen die langen und schmalen Crystallprismen weniger als die von groͤßerm Querschnitte geeignet findet. Die wichtigsten Erscheinungen am Turmalin sind folgende. Wenn der Turmalin uͤber 40° Cent. erhitzt wird, (durch Eintau- chen in kochendes Wasser oder an einer Weingeistflamme), so zeigt sich das eine Ende des Crystalls positiv, das andre negativ electrisch. Dieser electrische Zustand ist indeß nicht merklich bei unveraͤndert bleibender, wenn gleich hoher, Temperatur, sondern nur waͤhrend diese zunimmt oder abnimmt, und das eine Ende ist allemal beim Zunehmen der Waͤrme positiv, das andre beim Abnehmen der Waͤrme positiv-electrisch. Dieser Gegensatz, der fuͤr die zunehmende Waͤrme und fuͤr die Abkuͤhlung statt findet, ist schon 1759 von Canton bemerkt, neuerlich aber von Bec- querel und Koͤhler naͤher untersucht worden, und der letztere giebt auch mit genauer Beschreibung der von ihm angewandten Crystalle an, welcher Theil des Crystalles der beim Erkalten, welcher der beim Erhitzen positive war. Die Electricitaͤt zeigt sich staͤrker bei abnehmender, als bei zunehmender Waͤrme, und es giebt, (was man auch bei schwaͤcher wirkenden Exemplaren sehr gut wahr- nimmt,) eine Periode der Abkuͤhlung, bei schon etwas verminderter Waͤrme, wo die Erscheinungen am meisten merklich sind. Zer- schneidet man den Crystall in Schichten, die auf die Laͤngenrich- tung desselben senkrecht sind, so haben alle Stuͤcke unter den erwaͤhnten Umstaͤnden immer ihre zwei Pole, und zwar ist die Art der Electricitaͤt jeder Seite bei allen Stuͤcken dieselbe, die im un- getheilten Crystalle an eben der Seite gefunden wurde. Selbst jeder Splitter des Turmalins zeigt dieselben Eigenschaften, indem er auf Glas liegend erhitzt sich entweder (wie Brewster an- giebt) fest an das Glas anhaͤngt, oder doch deutliche Anziehung auf kleine Koͤrper aͤußert. Der Boracit, dessen Crystallform der Wuͤrfel mit abgestumpf- ten Ecken ist, wird ebenfalls waͤhrend der Zunahme und waͤh- rend der Abnahme der Waͤrme electrisch, und auch bei ihm ver- tauschen sich die Pole, wenn statt der Waͤrmezunahme die Abkuͤh- lung eintritt. Er hat vier electrische Axen, die mit den vier Dia- gonalen des Wuͤrfels uͤbereinstimmen, und das eine Ende jeder solchen Axe ist positiv, das andre negativ. Koͤhler bemerkt, daß immer am einen Ende jeder Axe eine glatte Octaederflaͤche die Abstumpfung der Wuͤrfel-Ecke macht, und daß diese am andern Ende der Axe ganz fehlt oder doch rauh und unvollkommen ist. Bei zunehmender Erwaͤrmung ist jene negativ, diese positiv, und das Entgegengesetzte findet bei der Abkuͤhlung statt. Zwanzigste Vorlesung . Galvani's Entdeckung neuer electrischer Erscheinungen . Die bisher angefuͤhrten Entdeckungen, die groͤßten Theils schon vor dem Jahre 1790 gemacht waren, schienen beinahe alles das, was die Electricitaͤt an merkwuͤrdigen Erscheinungen darbot, erschoͤpft zu haben, als eine zufaͤllig bemerkte, ziemlich unbedeu- tend scheinende, Beobachtung die Veranlassung zu den unerwar- tetsten neuen Entdeckungen gab. Jene zufaͤllig beobachtete Erscheinung bestand naͤmlich darin, daß bei dem Praͤpariren von Froschschenkeln in Galvani's Zim- mer bemerkt wurde, daß diese bei der Beruͤhrung des Cruralner- ven mit einem Metalle zuckten, wenn aus einer entfernt stehen- den Electrisirmaschine Funken gezogen wurden. Genau betrachtet enthaͤlt diese Erfahrung nichts, was uns so sehr unerwartet erschei- nen kann; denn es ist bekannt, daß diese Thiere die Reizbarkeit, worauf die zuckenden Bewegungen der Muskeln beruhen, noch lange nach dem Tode, und selbst nach der Trennung einzelner Theile vom Koͤrper, behalten; es ließ sich vermuthen, daß diese Reizbarkeit nur der schwaͤchsten Spuren von Electricitaͤt beduͤrfen moͤge, um sich wirksam zu zeigen, und solche Spuren von Electricitaͤt konn- ten, vermoͤge der Vertheilungs-Electricitaͤt, unter den erwaͤhnten Umstaͤnden gar wohl vorkommen. Indeß wollen wir nicht ver- gessen, daß uns, nachdem wir in dem Froschschenkel eines der fein- sten Electroscope kennen gelernt haben, diese Erscheinungen sich in einem klareren Zusammenhange darstellen, als es in jener Zeit moͤglich war. Uns, die wir die bei der Vertheilungs-Electricitaͤt vorkommenden Veraͤnderungen des electrischen Zustandes so genau und auf so mannigfaltige Weise kennen, kann der Gedanke nicht fremd sein, daß die Ladung und Entladung eines electrischen Lei- ters, selbst in den schon bedeutend entfernten Leitern, eine Aen- derung des electrischen Zustandes hervorbringen muß, daß also das Messer, welches den entbloͤßten Nerven des Frosches beruͤhrt, in seinem von der Electrisirmaschine entferntern Theile positiv- electrisch ist, wenn der Leiter der Electrisirmaschine positiv ist, und daß dieser positive Zustand in dem Augenblicke der Entla- dung jenes Leiters ploͤtzlich aufhoͤrt, daß also ein in hohem Grade empfindlicher Koͤrper diese geringen Unterschiede gar wohl, und der Hauptsache nach eben so gut zeigen kann, als wir es bei staͤrkern Unterschieden uͤberall gewohnt sind. Galvani knuͤpfte an diese Erfahrung eine Reihe von Un- tersuchungen uͤber die Ursachen dieses Erfolges, und als er einmal praͤparirte Froschschenkel an einem eisernen Gelaͤnder aufgehaͤngt hatte, bemerkte er, daß diese in Zuckungen geriethen, wenn die Haͤkchen, welche das Ruͤckenmark beruͤhrten, mit dem Metalle des Gelaͤnders in Verbindung kamen. Diese Beobachtung fuͤhrte zur Kenntniß der ganz neuen Erscheinung, daß wenn ein Nerve und ein Muskel eines Thieres durch zwei verschiedene Metalle, die in leitender Verbindung stehen, beruͤhrt werden, eine Zuckung er- folgt; und dieser Metallreiz erhielt den Namen Galvanis- mus . Galvani selbst war geneigt, diese Erscheinungen einer eigenthuͤmlichen thierischen Electricitaͤt zuzuschreiben, die in den thierischen Theilen erregt, bei Schließung des durch Nerven, Mus- kel und Metalle gebildeten Kreises durch das Metall uͤbergehe; andre Naturforscher zweifelten gleichfalls, daß man die Erscheinun- gen den Gesetzen der gewoͤhnlichen Electricitaͤt entsprechend erklaͤren koͤnne, sondern waren geneigter etwas dem thierischen Koͤrper Eigenthuͤmliches vorauszusetzen, und die Versuche, wodurch man die letztere Meinung zu befestigen suchte, wurden von mehrern Physikern mit großem Fleiße vermehrt. Aber waͤhrend so selbst die groͤßesten Physiker, durch unrich- tige Hypothesen verleitet, ihre Aufmerksamkeit, ihren Fleiß und ihren Scharfsinn auf Untersuchungen wandten, welche zwar viele merkwuͤrdige Einzelnheiten kennen lehrten, aber doch die tiefere Einsicht in diese Erscheinungen wenig foͤrderten, gab es einen Naturforscher, der fast vom ersten Augenblicke an den richtigen Gedanken, daß die ganze Erscheinung eine reine Wirkung der Elec- tricitaͤt sei, unveraͤnderlich festhielt, der diesen richtigen Gedanken mit dem groͤßten Scharfsinn und mit der groͤßesten Geschicklichkeit im Experimentiren aufs sorgfaͤltigste pruͤfte, und durch ihn zu den glaͤnzendsten Entdeckungen, welche die Richtigkeit seiner Ansichten verbuͤrgten, gelangte. — Dieser Naturforscher war Alexander Volta . Statt daß die uͤbrigen Physiker ihre Aufmerksamkeit dem in der galvanischen Kette vorkommenden thierischen Koͤrper widmeten und mannigfaltige belehrende Versuche, zum Beispiel uͤber die lange Dauer der nach dem Tode des Thieres noch fortwaͤhrenden Reizbarkeit, uͤber die Mittel, sie zu beleben oder zu zerstoͤren, uͤber die Hervorbringung des Reizes ohne Zwischenkunft eines Metalles, anstellten, wandte Volta allen Fleiß darauf, mit den gewoͤhn- lichen electroscopischen Mitteln, die bei der gegenseitigen Beruͤh- rung zweier Metalle hervorgehende Electricitaͤt zu entdecken, in- dem er deutlich uͤbersah, daß, sobald dieses gelaͤnge, die voͤllige Ueberzeugung sich begruͤnden muͤsse, daß der thierische Koͤrper nur als Leiter der Electricitaͤt und als feines Electroscop diene, die Quelle der electrischen Erscheinungen aber in der Beruͤhrung der Metalle zu suchen sei. Bei diesen Untersuchungen machte ihn nicht die Erfahrung irre, daß auch anscheinend gleichartige Metalle zur Schließung des Kreises dienen koͤnnen, daß ein neu hinzukommen- des Metall sogar ohne zur Schließung zu dienen, sich wirksam zeigte u. s. w.; — und in der That hat sich auch nachher gezeigt, daß es immer geringe Verschiedenheiten Von Humboldt bemerkte zum Beispiel, daß ein behauchtes Metall schon eine andere Wirkung hervorbrachte, als das unbehauchte. in dem electrischen Zu- stande der Koͤrper waren, wodurch jene der voltaischen Theorie anscheinend widersprechenden Erfolge eintraten. Seine genaue Be- kanntschaft mit dem von ihm erfundenen und unzaͤhlig oft ange- wandten Condensator machte ihn auch vor allen seinen Zeitgenossen geschickt, jene leisen Spuren von Electricitaͤt, die er vermuthete, zu entdecken; und seine Versuche lassen sich jetzt, da wir im Besitze noch feinerer Electrometer sind, mit weit mehr Leichtigkeit als zu jener Zeit wiederholen. Volta's Fundamentalversuch . Sie haben aus den bisherigen Betrachtungen schon die Mei- nung Volta's , daß die Beruͤhrung zweier Metalle an einander eine Stoͤrung in dem Gleichgewichte der in ihnen enthaltenen elec- trischen Materien hervorbringe, angedeutet gesehen; folgender Versuch setzt diese Meinung in ein helleres Licht. Wenn man ( Fig. 100. ) eine Kupferplatte AB und eine eben so große Zinkplatte CD sorgfaͤltig an ihren unteren Seiten abschleifen, an ihren obern Seiten aber mit den isolirenden Handhaben E , F versehen laͤßt, diese, nachdem sie vorher mit der Erde in Verbindung gesetzt, also entladen worden, mit den glatten unteren Seiten in gegenseitige Beruͤhrung bringt, und hierauf, immer isolirt gehalten, die in der Kupferplatte etwa vorhandene Electricitaͤt auf einen Condensator, um diesen zu laden, gehoͤrig uͤbertraͤgt; so findet man die so beruͤhrte Condensatorplatte, wenn diese aus Kupfer oder Messing besteht, negativ-electrisch. Gewoͤhnlich reicht es nicht hin zu einer merklichen Ladung des Condensators, daß man die Zink- und Kupferplatten einmal beruͤhrt, dann die Kupferplatte an die untere Condensatorplatte bringt, waͤhrend der Finger die obere Platte beruͤhrt, und so die negative Electricitaͤt aus der Kupfer- platte zur untern Platte des Condensators hinuͤber zieht; sondern man muß dieses Verfahren, nachdem die Zink- und Kupferplatte wieder jede einzeln mit dem Finger beruͤhrt sind, wiederholen und mehrmals wiederholen; aber bei gehoͤrigem Verfahren und hinrei- chend empfindlichem Electrometer findet man gewiß, daß die oͤfter zur Ladung angewandte Kupferplatte eine negative Ladung hervor- gebracht hat. Dieser Versuch zeigt also, daß die Kupferplatte durch die Beruͤhrung an Zink negativ-electrisch wird, und Sie werden bald sehen, daß die Zinkplatte sich dagegen positiv-electrisch zeigt. Um dies zu zeigen, ist es am besten, noch einen zweiten Condensator, an welchem wenigstens die eine Platte, diejenige naͤmlich, die man zu laden gedenkt, eine Zinkplatte ist, zur Hand zu haben. Dann bedarf es nur des genau eben so angestellten Versuches, wo nun die mit der Kupferplatte in Beruͤhrung gebrachte Zinkplatte eben so zur Ladung dieses Condensators angewandt wird, und hie- durch die positive Electricitaͤt der Zinkplatte sichtbar wird. Der Versuch laͤßt sich noch leichter anstellen. Wenn man einen Condensator mit kupfernen oder (was hier fast einerlei ist,) messingenen Platten hat, so nimmt man ohne Isolirung eine Zink- platte in die Hand, bringt sie mit der unteren, nicht uͤberfirnißten Seite der untern Condensatorplatte in Beruͤhrung, damit die Elec- tricitaͤt aus dem Zink zum Kupfer oder umgekehrt uͤbergehen koͤnne, beruͤhrt die obere Condensatorplatte mit dem Finger, ent- fernt dann die Zinkplatte und den Finger, hebt die obere Platte des Condensators und findet die untere Platte negativ, weil sie, als eine Kupferplatte, hier eben so gut positive Electricitaͤt an das Zink abgegeben hat, wie es vorhin bei der Kupferplatte und Zink- platte der Fall war. Den Gegenversuch kann man an dem Con- densator aus Zinkplatten machen, wenn diese eben so die untere an ihrer oberen Seite, die obere an ihrer unteren Seite uͤberfirnißt sind. Laͤßt man naͤmlich hier eine Kupferplatte oder ein Kupfer- stuͤck die Zinkplatte an einer nicht gefirnißten Stelle beruͤhren, so nimmt die Zinkplatte positive Electricitaͤt auf, und bei dem vorhin gezeigten Verfahren ist nun die Condensatorplatte positiv geladen. Diese Versuche zeigen deutlich ein bis dahin unbekanntes Naturgesetz, naͤmlich daß Zink und Kupfer, die beide mit der Erde in Verbindung gewesen, also auf den Nullzustand gebracht sind, wenn sie isolirt gehalten in Beruͤhrung gebracht und nun getrennt werden, sich nicht mehr im Nullzustande oder im ungeladenen Zustande befinden, sondern das Zink ist positiv-electrisch, das Kupfer ist negativ-electrisch geworden. Da dieser electrische Zu- stand aus der bloßen Beruͤhrung hervorgeht, so hat man diese Electricitaͤt Contact-Electricitaͤt, Beruͤhrungs-Electricitaͤt, ge- nannt. Sie beruht auf dem Naturgesetze, daß in der Beruͤhrung eben so gut ein gewisser Antheil positiver Electricitaͤt vom Kupfer auf das Zink uͤbergeht, wie bei der Reibung vom Reibzeuge auf das Glas, und daß nach der Trennung beider Metalle der gestoͤrte Gleichgewichtszustand, das Uebermaaß an positiver Electricitaͤt im Zink, das Uebermaaß an negativer Electricitaͤt im Kupfer, hier eben so kenntlich wird, wie es am Glase und Reibzeuge, so- bald die geriebenen Theile aus der Reibung hervorgehen, der Fall ist. Die beiden Arten, den obigen Versuch anzustellen, scheinen etwas Verschiedenes darzubieten. Nimmt man zwei Platten AB , CD ( Fig. 100. ) um die Kupferplatte zum kupfernen Condensator uͤberzutragen, so muͤssen die Beruͤhrungsflaͤchen moͤglichst groß und eben sein; bringt man dagegen die Zinkplatte selbst an die kupferne Condensatorplatte, so koͤmmt es auf die Groͤße der Beruͤhrungs- flaͤche gar nicht an. Diese anscheinende Verschiedenheit ist leicht zu verstehen. Es ist gewiß, daß vorzuͤglich an den Beruͤhrungs- puncten dieser veraͤnderte Zustand eintritt; haben also die Platten AB , CD , ( Fig. 100. ) sich in 10 Quadratzoll Flaͤche beruͤhrt, so traͤgt man zehnmal so viel negative Electricitaͤt mit der Kupfer- platte zum Condensator, als wenn die Beruͤhrungsflaͤche nur 1 Quadratzoll betragen haͤtte. Hier erhellt also die Nothwendig- keit großer Beruͤhrungsflaͤchen und genauer Beruͤhrung; am Con- densator dagegen ist die Beruͤhrung eines Punctes genug, wenn die Condensatorplatte von Kupfer, die beruͤhrende Masse dagegen Zink ist. Obgleich naͤmlich die wichtigste Wirkung nur in dem Beruͤhrungspuncte A ( Fig. 101. ) statt findet Daß dies der Fall sei, hat Fechner durch besonders darauf ge- richtete Versuche gezeigt. , und hier die positive Electricitaͤt auf der Platte AZ die in AK entwickelte negative Electricitaͤt gebunden haͤlt, so ist doch dieses Gebundensein hier eben so wenig als auf der Belegung der electrischen Flasche so vollkommen, daß alle Wirkung auf die entferntern Puncte auf- gehoben wuͤrde. Bei A ist die Kupferplatte AK wegen der Be- ruͤhrung des Zinks, weil das Zink einen bestimmten Vorzug an positiver Electricitaͤt fordert, negativ, und dieser Zustand erstreckt sich in schwaͤcherem Maaße bis an die Firnißflaͤche DE, wo die negative Electricitaͤt durch die in der obern Platte angezogene po- sitive Electricitaͤt gebunden wird; wegen dieser Anziehung und der dadurch verminderten Gegenwirkung laͤßt der beruͤhrte Punct A etwas mehr negative Electricitaͤt nach DE gelangen und nimmt dagegen aus AZ negative Electricitaͤt auf, damit in A die Diffe- renz zwischen dem immer durch Ableitung bei Z auf Null erhalte- nen Zink und dem Kupfer die gehoͤrige Groͤße behalte; und diese Mittheilung, diese Ladung des Condensators, dauert, der Kleinheit der Beruͤhrungsflaͤche ungeachtet, fort, bis der Condensator so stark geladen ist, als es nach dem Grade der in A angehaͤuften negativen Electricitaͤt geschehen kann. Uebrigens ist die hiezu erforderliche Zeit nur eine sehr kurze. Reihenfolge der electromotorischen Leiter . Ich will hier von den mannigfaltigen Abaͤnderungen dieses Fundamentalversuches, deren Zweck vorzuͤglich war, zu zeigen, daß Reibung und Druck an dieser Beruͤhrungs-Electricitaͤt keinen An- theil habe, nichts sagen, sondern nun zu dem gegenseitigen Ver- halten der verschiedenen Metalle uͤbergehen. Bisher habe ich im- mer nur Zink und Kupfer genannt, weil diese Metalle ihrer bedeu- tenden Wirksamkeit wegen vorzuͤglich angewandt werden; aber diese Wirksamkeit, diese electromotorische Einwirkung , findet in einigem Grade zwischen allen Metallen und zwischen allen den Koͤrpern statt, die wir, nach Volta's Anleitung, Leiter der ersten Art oder auch Electromotoren nennen wollen. Bei ihnen naͤmlich ist es ein Naturgesetz, daß der eine Koͤrper bei der Beruͤhrung ein bestimmtes Uebermaaß an positiver Electricitaͤt, der andre an nega- tiver Electricitaͤt aufnimmt. Diese bestimmte Differenz ist bei jeden zwei Metallen eine andre, aber bei zwei bestimmten Metallen immer dieselbe, zum Beispiel wenn Silber und Kupfer einander beruͤhren, und man die hier im Silber hervortretende negative Electricitaͤt 1 Grad nennt, also auch die im Kupfer hervortre- tende positive 1 Gr.; so ist bei der Beruͤhrung von Eisen und Silber jenes 3 Gr. positiv, Silber 3 Gr. negativ, bei der Beruͤh- rung von Blei und Silber, Blei 7 Gr. positiv, Silber 7 Gr. negativ, bei der Beruͤhrung von Zink und Silber, Zink 12 Gr. positiv, Silber 12 Gr. negativ Nach Volta's Angaben. Gilb . Ann . X. . Aber nicht bloß ist diese Dif- ferenz immer dieselbe bei zwei bestimmten Metallen, sondern auch die Reihenfolge der Metalle ist so bestimmt, daß man aus der Pruͤfung, wie groß die Differenz zwischen Silber und Blei und zwischen Silber und Zink ist, die Differenz zwischen Blei und Zink sicher folgen kann. War naͤmlich fuͤr Silber und Zink Sil- ber 12 Gr. negativ, fuͤr Silber und Blei Silber 7 Gr. negativ, so ist gewiß fuͤr Blei und Zink Blei 5 Gr. negativ, und so in allen andern Faͤllen. Silber und Kupfer bieten indeß noch nicht den staͤrksten Gegensatz gegen Zink dar, sondern Platin steht weiter nach der negativen Seite, Graphit noch weiter, Mangan-Oxyd oder Braunstein noch weiter, so daß bei der Beruͤhrung von Braun- stein mit Silber jener ungefaͤhr 10 Gr. negativ, bei der Beruͤh- rung von Braunstein mit Zink jener ungefaͤhr 22 Gr. negativ werden wuͤrde, wenn wir die vorige Angabe von Graden, die wenigstens den wahren Verhaͤltnissen nahe koͤmmt, beibehalten wollen. Aus diesen, schon von Volta angegebenen, Bestimmungen geht als Folgerung der Satz hervor, daß bei einer Beruͤhrungskette mehrerer electromotorischen Leiter, deren erster mit der Erde in Verbindung ist, statt daß die uͤbrigen isolirt gehalten zur Beruͤh- rung gebracht werden, der electrische Zustand des letzten gar nicht von den Mittelgliedern der Reihe abhaͤngt. Silber an Zink beruͤh- rend erhielt nach den obigen Angaben 12 Gr. negative Electri- citaͤt; wir wollen nun die Kette so bilden, daß Silber an Eisen, Eisen an Blei, Blei an Zink beruͤhre, so fordert Zink einen Vor- zug von 5 an positiver Electricitaͤt vor dem Blei, Blei einen Vor- zug von 4 vor dem Eisen, Eisen einen Vorzug von 3 vor dem Silber, und es ist folglich, wenn das Silber mit der Erde in Verbindung steht, also = 0 ist, Eisen = + 3, Blei = + 7, Zink = + 12, gerade eben so wie bei der unmittelbaren Beruͤhrung von Zink und Silber. Aus diesem Grunde erhaͤlt man am Condensator keine Spur von Electricitaͤt, wenn man die kupferne Condensatorplatte mit einer auf Kupfer liegenden Zinkplatte so beruͤhrt, daß dieses Kupfer mit der Erde in Verbindung steht, waͤhrend das Zink bloß von den beiden Kupferplatten beruͤhrt wird. Mag naͤmlich immer das auf dem Kupfer liegende Zink seinen Vorzug an positiver Electri- citaͤt haben, so ist doch nicht das mindeste Bestreben da, diese Electricitaͤt an die Condensatorplatte abzugeben, da der Ruhestand der electrischen Materien erst eintritt, wenn das Zink seinen ge- buͤhrenden Ueberschuß an positiver Electricitaͤt hat, sowohl uͤber das an der einen als an der andern Seite liegende Kupfer, und daher koͤmmt das obere Kupfer eben so gut auf den Nullzustand, als das untere. Aus diesem Grunde bedurften wir einer andern Condensatorplatte, um die dem Zink vom Kupfer her zu Theil gewordene Ladung auf den Condensator hinuͤber zu fuͤhren, weil das vom Kupfer her geladene Zink keine Spur von Bestreben zei- gen kann, seine Ladung an eben solches Kupfer abzugeben; wollte man also die Versuche mit Silber, Eisen, Blei, anstellen, so muͤßte man Condensatorplatten von jedem dieser verschiedenen Me- talle anwenden. Wirkung der Leiter der zweiten Art . Aber diese anscheinende Nothwendigkeit wird gehoben, wenn man einen Leiter der zweiten Art als zwischen liegenden Koͤrper anwendet. Die feuchten Leiter naͤmlich, Wasser, Salz-Aufloͤsun- gen, durchnaͤßtes Papier u. a., haben die Eigenschaft hier bloß als Leiter, nicht electromotorisch, zu wirken, und heißen daher Leiter der zweiten Art. Die Erfahrung zeigt dieß, und die Frage, ob gar keine von der bloßen Leitung verschiedene Wirkung hier ein- trete, kann fuͤr jetzt bei Seite gelassen werden. Diese Erfahrung liegt in folgendem Versuche. Sie wissen, daß eine Zinkplatte auf die kupferne Condensatorplatte keine positive Electricitaͤt hinuͤbersen- det, wenn die Zinkplatte Z eine mit der Erde in Verbindung stehende Kupferplatte K beruͤhrend, ( Fig. 102. ) mit ihrer andern Seite die Condensatorplatte L beruͤhrt; aber bringen Sie jetzt ein genaͤßtes Papier zwischen Z und L , so daß Z nirgends in metallischer Be- ruͤhrung mit L ist; so kann der Condensator, bei dem Ihnen be- kannten Verfahren, eben so gut mit der in Z vorhandenen positi- ven Electricitaͤt geladen werden, wie es geschehen konnte, wenn L eine Zinkplatte war. Der Grund, warum ohne jene Zwischenlage keine positive Electricitaͤt von Z nach L uͤberging, war, daß Z eben so gut seinen Vorzug an positiver Electricitaͤt von L als von K forderte, so lange bei metallischer Beruͤhrung die Contact-Elec- tricitaͤt wirksam sein konnte; wir sehen also, daß diese Wirksamkeit ganz weggefallen ist durch den zwischen liegenden feuchten Leiter, und daß hier die in Z angezogene positive Electricitaͤt ganz ge- woͤhnlich geleitet nach L uͤbergeht, daß Z in dem Beruͤhrungs- puncte an K sich immer aufs neue mit der dem Zink gebuͤhrenden Menge von + E versieht, und daß dieses Hinuͤberleiten so lange statt findet, bis L und Z beide mit so viel + E geladen sind, als die Ladung des Condensators fordert. Hiermit ist also die Wirkung dieser Leiter der zweiten Art deutlich dargethan. Und jetzt, da wir die ganze Wirkung der einzelnen Theile dieser einfachen galvanischen Kette aus den Versuchen mit dem Condensator kennen, ist es der Muͤhe werth, noch einen Ruͤckblick auf den ersten Galvanischen Versuch zu werfen, und zu uͤberlegen, wie Volta's Scharfsinn schon in diesem alles das finden konnte, was ich Ihnen bisher angegeben habe. Jener Galvanische Versuch bestand darin, daß der Froschschenkel einen feuchten Leiter zwischen zwei ungleichartigen Metallen bildete, und den Uebergang von Electricitaͤt verrieth, sobald diese Metalle sich beruͤhrten. War nun der Gedanke einmal gefaßt, daß in der Be- ruͤhrung der Metalle eine Aenderung des Electricitaͤtszustandes entstehe, so ließ die Zuckung, als Wirkung des ersten Stoßes dieser Electricitaͤt, sich erklaͤren, und es war auch klar, daß bei dauernder Schließung des durch die zwei Metalle und den thierischen Koͤrper gebildeten Kreises das Durchstroͤmen der Electricitaͤt eben so ohne neue Zuckung statt finden koͤnne, wie wir bei festem Anhalten an dem Conductor der fortgesetzt wirksamen Electrisirmaschine keinen neuen Funkenschlag erhalten Von dem Zucken beim Oeffnen der Kette koͤmmt spaͤter die Erklaͤrung vor. . Es war also ein electrischer Strom, der — wenn Kupfer und Zink die beiden Metalle sind, und wir auf den positiv-electrischen Strom sehen, — vom Ku- pfer zum Zink uͤbergehend den thierischen Leiter trifft, und dann kreisend seinen Lauf unaufhoͤrlich fortsetzt. Daß es Electricitaͤt sei, wurde bestaͤtigt, da alle Beobachter fanden, daß die Zuckungen erfolgten, wenn auch die zwei Metalle nur durch andre Leiter der Electricitaͤt mit dem thierischen Theile, der durch sein Zucken die Veraͤnderungen kenntlich machte, verbunden waren, und daß die Zuckungen nicht erfolgten, wenn ein Nichtleiter der Electricitaͤt die Verbindung unterbrach. Fragen wir nun, wie sich die Schließung eines solchen Kreises verhalten wuͤrde, wenn die drei Koͤrper, aus denen er sich bildet, alle drei der electromotorischen Classe der Koͤrper, welche eine be- stimmte Reihenfolge bilden, angehoͤrten; so finden wir, und auch Volta uͤbersah dies sehr bald, daß da kein electrischer Strom entstehen koͤnnte. Wir wollen statt des Froschschenkels Eisen an- wenden und Silber, Zink, als die den Kreis schließenden Metalle nehmen, so wissen Sie, daß Zink 9 Gr. positive Electricitaͤt als Vorzug vor dem Eisen, Eisen 3 Gr. positive Electricitaͤt als Vor- zug vor dem Silber verlangt; also schon vor dem Schlusse der Kette koͤnnen wir, da das Eisen vom Silber am einen, vom Zink am andern Ende beruͤhrt wird, dem Silber Null, dem Eisen +3, dem Zink +12 beilegen; und es ist nun klar, daß die Schließung keinen Uebergang von Electricitaͤt veranlaßt, da Zink seinen gebuͤh- renden Ueberschuß = +12 vor dem Silber schon hat, also keine Aenderung bei der Beruͤhrung eintritt Eine sehr geringe Aenderung moͤchte allenfalls vorgehen, weil noch ein neuer Beruͤhrungspunct hervorgebracht wird; aber keines- weges der maͤchtigere Kreislauf der electrischen Materien, der jene Wirkungen hervorbringt. . Der feuchte Leiter mußte also, da die Beruͤhrung jenen Uebertritt electrischer Materie veranlaßte, auf eine andre Art, als die Leiter der ersten Art wir- ken, er mußte nicht der Reihenfolge der electromotorischen Leiter angehoͤren. Indeß, wenn auch diese Ueberzeugung schon durch jenen ersten Versuch begruͤndet ist, so hat doch Volta , waͤhrend sein Scharfsinn dieses erkannte, auch diese Eigenthuͤmlichkeit der Leiter der zweiten Art durch zahlreiche Versuche, die ich hier nicht weiter anfuͤhren kann, sor ltig bewiesen. Verstaͤrkte Wirkung der zusammengesetzten galvani- schen Kette . Um aber von jenen Versuchen zu der wichtigen Kenntniß, daß eine Verstaͤrkung der galvanischen Erscheinungen moͤglich sei, zu gelangen, mußte noch ein andrer neuer Lehrsatz aufgestellt und bewiesen werden. Diejenigen Versuche, die wir unter dem Namen des Volta 'schen Fundamentalversuchs zusammen gefaßt haben, zeigten, daß bei der Beruͤhrung von Kupfer und Zink das Gleich- gewicht der electrischen Materien erst eintrat, wenn das Zink sich einen bestimmten Antheil an positiver Electricitaͤt zugeeignet hatte, und daß dieses entweder geschehen konnte, indem Kupfer 0 und Zink in jenem vollen Grade positiv, oder indem Zink 0 und Kupfer in jenem vollen Grade negativ wurde, oder indem beide isolirt zur Beruͤhrung gebrachte Metalle entgegengesetzt electrisch wurden, wo dann Zink den halben Grad der positiven und Kupfer den hal- ben Grad der negativen Electricitaͤt erreichte. Diese feste Diffe- renz der electrischen Spannung, die wir vorhin annaͤhernd fuͤr Sil- ber und Zink durch 12 ausdruͤckten, und die also entweder Silber 0, Zink + 12, oder Silber - 12, Zink 0, oder Silber - 6, Zink + 6 gab, fuͤhrte zu der Vermuthung, daß auch bei andern electrischen Zustaͤnden, als dem natuͤrlichen, jene Differenz in der Beruͤhrung beider Metalle statt finden moͤge, und mit dieser Ver- muthung war, wenn sie sich bestaͤtigte, das Mittel zur Verstaͤrkung der bei einem Plattenpaare oder bei der einfachen galvanischen Kette so schwachen Electricitaͤt gefunden. Bringt man naͤmlich auf die Zinkplatte Z ( Fig. 103. ) eine Kupferplatte K, auf diese eine Platte angefeuchteter Pappe W und auf sie eine zweite Zink- und eine zweite Kupferplatte Z′, K′; so muß, wenn jene fuͤr Zink und Kupfer geforderte Differenz auch bei andern Graden der Electricitaͤt immer dieselbe bleibt, K′ dop- pelt so stark negativ-electrisch sein, als K, und dieses muß sich am Condensator zeigen lassen. Diese Ueberzeugung stuͤtzt sich darauf, daß das untere mit der Erde in Verbindung stehende Zink fuͤr sich III. Y einen bestimmten Vorzug an positiver Electricitaͤt vor dem Kupfer fordert, daß also, da das untere Zink Z auf Null erhalten wird, das Kupfer K in diesem bestimmten Grade, den ich jetzt als - 1 ansehe, negativ ist; die feuchte Schichte aber vermittelt zwischen K und Z′ einen gleichen electrischen Zustand und auch Z′ ist in dem Zustande - 1, das heißt, Z′ hat einen Grad negativer Electricitaͤt. Wird nun erst K′ aufgelegt, so nimmt Z′ ihm so- gleich positive Electricitaͤt, und laͤßt nicht eher einen Ruhestand der electrischen Materien eintreten, bis das Zink seinen gehoͤrigen Vor- zug an positiver Electricitaͤt hat, das heißt, wie wir vermuthen duͤrfen, da die Leitung durch die unteren Schichten immerfort statt findet, nicht eher bis K′ um 2 Grade negativ ist. Unsre Ver- muthung nimmt naͤmlich an, das Gleichgewicht finde statt, wenn K′ = - 2, Z′ = - 1, K = - 1, Z = 0 ist, oder wenn die Ladungs-Differenz er sich beruͤhrenden Electromotoren ihrer eigenthuͤmlichen Natur gemaͤß ist. Schließen wir nach eben dem Princip weiter fuͤr den Aufbau von vier Schichten ( Fig. 103. ), so muß fuͤr Z = 0, K = - 1, Z′ = - 1, K′ = - 2, Z″ = - 2, K″ = - 3, Z‴ = - 3, K‴ = - 4 sein, weil der feuchte Leiter zwischen K, Z′, zwischen K′, Z″, zwi- schen K″, Z‴, die Gleichheit vermittelt. Diese Schluͤsse waren hypothetisch, — so muͤßte es erfolgen, wenn der Lehrsatz, daß in jedem Falle die sich beruͤhrenden Me- talle, Zink, Kupfer, die bestimmte Differenz fordern, richtig ist, — aber diese hypothetischen Schluͤsse bestaͤtigte nun Volta durch Pruͤfung jeder einzelnen Schichtung am Condensator auf das voll- kommenste, und in ihrer Bestaͤtigung lag die Entdeckung der vol- taischen Saͤule. Volta uͤbersah jetzt, daß eine Schichtung von hundert Plattenpaaren die Wirkung auf das Hundertfache ver- staͤrken muͤsse, und es laͤßt sich vollkommen einsehen, daß, waͤhrend das Erstaunen aller Physiker die Entdeckung der Saͤule als die unerwartetste und uͤberraschendste feierte, Volta mit voller Wahr- heit sagen konnte, die Wirkungen der Saͤule haͤtten seinen Er- wartungen Genuͤge gethan, aber ihn nicht uͤberrascht, da die Reihe von Entdeckungen, auf welche die Entdeckung der Saͤule sich gruͤn- dete, ihm schon im Voraus den Erfolg verbuͤrgte. Ein und zwanzigste Vorlesung. Voltaische Saͤule . Die electrische Saͤule, die voltaische Saͤule, deren Entdeckung ich Sie neulich Schritt fuͤr Schritt zu verfolgen veranlaßt habe, besteht, wie Sie aus dem Vorigen uͤbersehen haben, in einer wie- derholten Schichtung der drei Koͤrper, aus denen wir die ersten Schichten hervorgehen ließen. Zwei Metalle, und zwar solche Me- talle, die bei der Beruͤhrung recht bedeutende Zeichen von Electri- citaͤt geben oder die in der Reihe der Electromotoren weit von ein- ander entfernt sind, und als dritter Koͤrper eine nasse Tuchscheibe oder Pappscheibe, werden in immer gleicher Ordnung auf einander gelegt, und die Menge dieser Plattenpaare bestimmt den Grad der entstehenden Electricitaͤt. Obgleich aber jeder feuchte Leiter die Stelle des dritten Koͤrpers einnehmen kann, so ist doch Wasser weniger gut, als ein mit Saͤuren oder Salzen geschwaͤngertes Wasser, geschickt, diejenigen Wirkungen hervorzubringen, welche am meisten die Aufmerksamkeit der Physiker erregten, naͤmlich die starken koͤrperlichen Empfindungen, die man bei der Schließung vielschichtiger Saͤulen wahrnimmt, die chemischen Erscheinungen u. s. w. Volta glaubte diese vollkommnere Wirkung einzig der besseren Leitung, welche die Saͤuren und Salze gewaͤhren, zu- schreiben zu muͤssen, und wenn auch nicht ganz allein in ihr die Ursache der staͤrkern Wirkung liegt, so traͤgt sie doch mit dazu bei, und wir wollen fuͤr jetzt uns mit dieser Auskunft befriedigen. Electrische Spannung in der ungeschlossenen Saͤule . Sobald die Saͤule bekannt wurde, (am Ende des Jahres 1799) beschaͤftigten sich die Physiker mit allen den Eigenschaften, wodurch sie sich auszeichnet; ich werde aber zuerst bei den Unter- suchungen verweilen, die mit der Entdeckung im naͤchsten Zusam- menhange stehen, naͤmlich bei denen, welche die electroscopischen Eigenschaften betreffen. Volta hatte diese waͤhrend des ganzen Fortganges seiner Untersuchung beobachtet, aber fuͤr die uͤbrigen Y 2 Naturforscher war es eine neue Beobachtung, daß wirklich der Zink- pol der Saͤule, dasjenige Ende naͤmlich, gegen welches zu man in der Ordnung Kupfer, Zink, feuchter Leiter fortschreitet, positive Electricitaͤt, der Kupferpol negative Electricitaͤt darbot. Es war den Physikern eine neue Beobachtung, daß diese Electricitaͤt am Condensator verstaͤrkt eben die Erscheinungen, wie die gewoͤhnliche Electricitaͤt, darbot, daß man electrische Flaschen — wenn gleich sehr schwach — durch sie laden, die Lichtenbergischen Figuren durch sie darstellen konnte, u. s. w. Wenn man die Saͤule auf einer isolirenden Unterlage auf- stellte, so konnte man entweder die Electricitaͤt am oberen Ende auf ihren vollen Grad steigen lassen, wenn man dem untern Ende eine Ableitung gab, oder die Electricitaͤt des obern Endes auf die Haͤlfte herabsetzen, wenn man die Isolirung des unteren Endes herstellte. In dieser ungeschlossenen Saͤule naͤmlich, wo keine Leitung außer der Saͤule die beiden Pole in Verbindung setzt, tritt der Ruhestand der electrischen Materien dann ein, wenn jede Zinkplatte ihren gehoͤrigen Vorzug an positiver Electricitaͤt hat, und daß dieses, wenn Kupfer unten liegt, Zink darauf liegt, und dann der feuchte Leiter das zweite Plattenpaar trennt, so geschieht, daß die erste Zinkplatte einen bestimmten Grad, die Zinkplatte der zweiten Schichtung zwei Grade positiver Electricitaͤt erlangt, habe ich fuͤr den Fall, daß unten eine Ableitung statt findet, schon fruͤher angegeben. Beruͤhrt man aber oben und unten ableitend die Saͤule und uͤberlaͤßt sie isolirt stehend nun wieder sich selbst, so findet man von der Mitte aus die positive Ladung desto staͤrker, je hoͤher man hinaufgeht, die negative desto staͤrker, je tiefer man hinabgeht, so daß die Saͤule aus hundert Plattenpaaren nun Null in der Mitte, + 50 am Zink-Ende, (welches ich als das obere annahm,) - 50 am Kupfer-Ende zeigt, statt daß sie, unten mit Ableitung versehen, oben + 100 angab. Setzt man irgend eine Mittelschichte mit der Erde in Verbindung und laͤßt beide Enden isolirt; so zeigt jedes Ende den Grad von Electricitaͤt, der seiner Schichtenzahl entspricht. War z. B. in der Saͤule aus 100 Plattenpaaren, wo Kupfer unten, Zink oben ist, die 70ste Schichte von unten herauf abgeleitet; so mußte oben die + E 30 Gr. und unten die - E 70 Gr. haben, wenn wir mit dem Namen eines Grades immer die sehr schwache Electricitaͤt bezeichnen, die sich schon bei der aus einem Plattenpaare bestehenden Kette zeigt. Diese Regel findet sich, so weit die geringe Staͤrke der Electricitaͤt eine genaue Abmessung erlaubt, vollkommen bestaͤtigt. Die trockene Saͤule . Bisher habe ich immer den Leiter der zweiten Art als einen feuchten Leiter erwaͤhnt; aber wenn es bloß auf Beobachtung der electroscopischen Erscheinungen ankoͤmmt, so lassen sich auch Papier- schichten, die wir trocken nennen, wenn sie gleich dies nicht im vollkommensten Sinne sein duͤrfen, anwenden. Die große Veraͤn- derlichkeit, welcher die feuchten Saͤulen unterworfen sind, ließ wuͤn- schen, daß man eine Anordnung trockener Saͤulen finden moͤge, und Marechaux , Behrens und andre hatten schon die Moͤg- lichkeit solcher Saͤulen gezeigt, als Zamboni eine sehr passende Anordnung angab, die unter dem Namen Zamboni's Saͤule in allgemeinen Gebrauch gekommen ist. Diese trockne Saͤule besteht aus eben solchen Schichtungen von unaͤchtem Goldpapier und Silberpapier, wie vorhin die Me- talle und der feuchte Leiter sie darboten. Die Metallseiten dieser Papiere, deren Metall meistens Kupfer bei dem einen, Zink bei dem andern, ist, werden in Beruͤhrung gebracht, das anscheinend trockene Papier vertritt die Stelle des feuchten Leiters, und wenn man also diese Doppelschichten, deren jede naͤmlich schon aus un- aͤchtem Goldpapier und Silberpapier besteht, so auf einander legt, daß immer dieselbe Papiersorte zu unterst koͤmmt; so hat man eine richtig geordnete Saͤule, in welcher das Kupfer des Gold- papiers mit dem Zink des Silberpapiers in metallischer Beruͤhrung ist, dann aber die Papiermasse des Silberpapiers und die daran anliegende Papiermasse des Goldpapiers die Stelle des Leiters der zweiten Art einnehmen. Damit die Metallflaͤchen sich innig be- ruͤhren, werden die Papiere, nachdem sie richtig geordnet sind, mit Seidenfaͤden fest zusammengebunden. Diese Saͤulen, denen Zam- boni durch einen Ueberzug von schwefelsaurem Zink an der einen und Braunstein (Mangan-Oxyd) an der andern Seite noch mehr Kraft gab, die man aber gewoͤhnlich bloß aus jenen Papieren bil- det, lassen sich nun leicht zu mehreren tausend Plattenpaaren auf- bauen, und sie zeigen dann die Wirkungen des Anziehens und Abstoßens vollkommen deutlich. Stellt man zwei solche Saͤulen AB, CD, ( Fig. 104. ) neben einander, und zwar so angeordnet, daß in AB das Goldpapier mit seiner Metallseite auf der Metall- seite des Silberpapiers liegt, in CD dagegen die umgekehrte Ord- nung statt findet, so ist bei A das negative, bei C das positive Ende der Saͤule. Wenn die Kugeln E, F, mit den obern Schich- ten der Saͤulen in guter Leitungsverbindung stehen, so zeigen sie diese beiden Electricitaͤten, und man pflegt zwischen ihnen das nur wenig oberhalb seines Schwerpunctes bei H unterstuͤtzte Pendel GI aufzustellen, dessen oberer Theil eine Metallkugel, die Stange IG dagegen Glas ist; bringt man das Metall I mit E in Beruͤh- rung, so wird es negativ und von E abgestoßen, zugleich aber von F angezogen, und das Pendel setzt sich daher, wechselsweise die obern Pole der Saͤulen ausladend, in eine nie aufhoͤrende oscilli- rende Bewegung. Die Fortdauer dieser Bewegung beruht darauf, daß in beiden Endpuncten durch die electromotorische Wirkung aller Schichten sogleich, oder wenigstens in einem kurzen Zeitverlaufe, diejenige Electricitaͤt wieder hervortritt, die diesem Pole der Saͤule zukoͤmmt. Damit diese Erneuerung der Wirkung schnell genug eintrete, muß man die Platten ziemlich groß (3 Zoll im Durchmesser oder daruͤber,) nehmen, und damit die Wirkung uͤberhaupt stark genug sei, muß man mehrere tausend Plattenpaare anwenden. Mit 8000 Plattenpaaren hat man dem Pendel Kraft genug gege- ben, um ein leichtes Uhrwerk zu treiben, das, so lange nicht Aen- derungen in der Saͤule vorgehen, (indem etwa durch zu viele Feuch- tigkeit die Metalle ihren Glanz verlieren oder durch allzu starkes Austrocknen die Leitung zu schwach wird,) seinen Gang ziemlich gleichmaͤßig fortsetzt. Wenn man jenes Pendel wegnimmt, und bei E zwei Gold- blaͤttchen aufhaͤngt, so stoßen diese einander ab, und die Pruͤfung mit angenaͤhertem Glase oder Siegellack zeigt, ob E die positive oder negative Electricitaͤt habe. Bringt man an E oder F eine isolirte Metallscheibe, so kann man mit dieser die Electricitaͤt auf ein auch entfernter stehendes Electrometer uͤbertragen. Stellt man den Knopf einer Verstaͤrkungsflasche nahe an die bei E aufgehaͤngten Goldblaͤttchen, so sieht man, wie diese sich an dem Knopfe aus- laden, und dabei genau die Gesetze der gewoͤhnlichen Electricitaͤt befolgen. Steht naͤmlich die Flasche isolirt, so hoͤren die Gold- blaͤttchen bald auf, durch ihr zuerst immer erneuertes Annaͤhern die Ladung fortzusetzen; beruͤhrt man aber dann die aͤußere Belegung der Flasche und zieht dadurch die innen entstandene Ladung gegen die innere Oberflaͤche des Glases, so setzen die Goldblaͤttchen ihr Zufuͤhren electrischer Materie fort, und erst nach langer Zeit, wenn naͤmlich die Flasche ganz geladen ist, hoͤrt, wofern unterdeß der aͤußern Belegung Ableitung gegeben wurde, die Fortsetzung der Ladung auf. Diese Ladung ist nun allerdings immer noch eine schwache Ladung; aber bei einer Saͤule von 2000 Plattenpaaren und einer Flasche von 2 Quadratfuß Belegung ist sie doch hinrei- chend, um, wenn man die Finger, ehe man die aͤußere Belegung und den Knopf der Flasche beruͤhrt, stark mit salzigem Wasser be- feuchtet hat, bei der Ausladung mit so benetzten Fingern eine merk- liche Empfindung, einen schwachen Schlag, zu geben. — Mehr kann man nach der immer noch sehr geringen Groͤße der electrosco- pischen Erscheinungen nicht erwarten. Die vollkommene Ladung der trockenen Saͤule stellt sich nicht, wie bei den feuchten Saͤulen, in einem Augenblicke her, sondern die Zeit, welche dazu erfordert wird, ist desto groͤßer, je kleiner die Papierscheiben sind. Bohnenberger bediente sich zur Ladung einer electrischen Flasche von 59 Quadratzoll Belegung einer Saͤule von 4000 Doppelplatten, die nur 8 Quadratlinien groß waren, und bewirkte die Ladung erst in 170 Minuten; dagegen brachten 2000 Doppelplatten von 432 Quadratlinien diese Ladung in 7 Minuten zu Stande und 4000 Doppelplatten wuͤrden also nur 3½ Minuten gebraucht haben; die 54 mal so großen Papiere be- wirkten also die Ladung in einer Zeit, die nur \frac{1}{49} der Zeit betrug, deren die kleinern bedurften, und man irrt nicht sehr, wenn man die Zeit umgekehrt proportional der Plattengroͤße und Plattenzahl setzt. Der Grund dieser ungleich schnellen Ladung ist auch ziemlich einleuchtend. Die Langsamkeit der Ladung beruht auf mangelhafter Leitung, und es finden sich gewiß in der großplattigen Saͤule nach Verhaͤltniß ihres Querschnittes mehr gut leitende Puncte, also schnellere Ladung. Daß die hier statt findende Wirkung dem Wesentlichen nach dieselbe sei, wie bei den feuchten Saͤulen, laͤßt sich gar nicht zwei- feln, indeß haben Zamboni , Bohnenberger u. a. auch durch bestimmte Versuche nachgewiesen, daß eine mit nassen Lei- tern aufgebaute Saͤule beim allmaͤhligen Austrocknen zwar auf- hoͤrt, chemische Wirkungen zu zeigen und auf das Gefuͤhl zu wir- ken, aber fortfaͤhrt, die electrische Spannung eben so wie fruͤher, jedoch mit langsamerer Erneuerung, zu zeigen, so wie es die trockene Saͤule thut. Da ich von den chemischen und physiologischen Wirkungen der feuchten Saͤule noch nichts gesagt habe, so koͤnnte ich diese Wir- kungen auch hier unerwaͤhnt lassen; indeß will ich doch kurz bemer- ken, daß sehr vielschichtige und großplattige trockne Saͤulen aller- dings auch chemisch wirken, daß sie da, wo das Pendel an die Kugeln E, F, ( Fig. 104. ) anschlaͤgt, einen im Dunkeln sicht- baren Funken geben, und daß diese Wirkungen nur darum sehr schwach bleiben, weil die Electricitaͤt sich zu langsam ersetzt, der electrische Strom in der geschlossenen Saͤule nicht schnell genug thaͤtig ist, um diese Wirkungen auffallender hervorzubringen. Bohnenbergers Electrometer . Hier findet nun endlich auch das hoͤchst empfindliche Electro- meter seine Erklaͤrung, dessen man sich gern sogleich vom Anfange der Electricitaͤtslehre an bedient. Es ist von Behrens zuerst angegeben, aber von Bohnenberger in der bequemsten Form dargestellt, und besteht entweder (wie Fig. 105. ) aus zwei trock- nen electrischen Saͤulen, AB, CD, deren entgegengesetzte Pole unten einander gegenuͤber liegen, und zwischen denen das leicht bewegliche Goldblaͤttchen herab haͤngt, oder (wie Fig. 106. ) aus einer electrischen trocknen Saͤule AB, von deren beiden Polen Leiter AC, BD, hinaufgefuͤhrt sind, um zur Anziehung und Ab- stoßung des Goldblattes EF zu dienen. In beiden Faͤllen haͤngt das Goldblatt, nach der positiven und negativen Seite gleich stark angezogen, ruhig, so lange man ihm keine Electricitaͤt ertheilt; hat man aber auch nur die schwaͤchste Electricitaͤt durch Mitthei- lung oder Vertheilung dem Goldblaͤttchen zugefuͤhrt, so bewegt es sich schnell gegen den negativen Pol, wenn diese Electricitaͤt positiv war, und gegen den positiven Pol, wenn sie negativ war. Bringt man auf dem Leiter G einen Condensator an, so dient dieses Electrometer, nach der Ladung des Condensators und dem Auf- heben der obern Platte des Condensators, um die allerschwaͤchsten Grade von Electricitaͤt kenntlich zu machen. Bringt man die Leiter C, D, ( Fig. 106. ) einander ziemlich nahe, so ist es kaum moͤglich, das Goldblatt zur Ruhe zu bringen, weil, bei der geringsten Abweichung von der Mitte, es nach der naͤhern Seite, auch ohne von außen her electrisirt zu sein, angezo- gen wird, dann aber dort eine Ladung erhaͤlt und nach der andern Seite gezogen wird, wo dieselbe Ursache zu einem neuen Ueber- gange nach jener abermals eintritt. Auch wenn die Entfernung zwischen C, D, groß genug ist, pflegt, wenn das Anschlagen an einer Seite statt gefunden hat, gern noch ein zweites an der andern zu erfolgen, daß aber das erste Anschlagen die Entscheidung giebt, ob die dem Goldblatte ertheilte Electricitaͤt positiv oder negativ war, versteht sich von selbst. Verschiedene Apparate , um die voltaische Verstaͤrkung der Beruͤhrungs-Electricitaͤt zu bewirken . Ich habe bisher nur von derjenigen Schichtung der verschie- denen Plattenpaare, welche die Form der Saͤule giebt, geredet; aber da es nur darauf ankoͤmmt, die zwei Metalle abwechselnd mit einem feuchten Leiter in gleichmaͤßiger Ordnung in Wirksamkeit zu bringen, so sind mehrere andre Anordnungen moͤglich. Bei dem Aufbauen der Saͤule ist das eine Unbequemlichkeit, daß, vorzuͤglich wenn man etwas staͤrker gesaͤuertes und gesalzenes Wasser an- wendet, schon waͤhrend des Aufbauens, das bei groͤßern Saͤulen nicht so schnell zu vollenden ist, eine starke chemische Wirkung auf die Metalle eintritt, wodurch die Platten Veraͤnderungen erleiden, ferner daß die immer etwas ungleichen Pappschichten oder Tuch- schichten keine genaue Gleichheit gestatten, daß das Austrocknen die dauernde Wirksamkeit der Saͤule hindert, u. s. w. Volta gab daher schon unter dem Namen Becher-Apparat eine Anord- nung an, die in Folgendem besteht. Man stellt ( Fig. 107. ) Glaͤser A, B, C, D, auf, in deren erstes die mit dem Leitungs- drathe L versehene Kupferplatte K gesetzt wird; ihr gegenuͤber steht in demselben Glase die Zinkplatte Z, welche durch einen an- geloͤtheten Metalldrath M mit der zweiten Kupferplatte K verbun- den ist; diese zweite Kupferplatte steht in einem zweiten Glase und hat eine zweite Zinkplatte gegenuͤber, und so geht es durch so viele Glaͤser, als man will, fort. Werden nun alle Glaͤser mit einer leitenden Fluͤssigkeit gefuͤllt, so ist die voltaische Kette fertig. Um die Erscheinungen bequem zu uͤbersehen, nehme ich an, daß auch am letzten Leitungsdrathe I eine Kupferplatte k sich befinde; dann giebt k an die im Glase D stehende Zinkplatte wegen der metallischen Beruͤhrung die dem Zink zukommende positive Electricitaͤt, die ich als +1 ansehe; eben diese electrische Span- nung wird durch die Fluͤssigkeit der in eben dem Glase D stehenden Kupferplatte mitgetheilt, diese aber kann nicht +1 an Electricitaͤt besitzen, ohne daß die mit ihr in metallischer Beruͤhrung stehende, in C eingetauchte Zinkplatte +2 an positiver Electricitaͤt habe; die Kupferplatte in C erhaͤlt durch die leitende Fluͤssigkeit auch +2, und kann nur dann eine Electricitaͤt von dieser Spannung ent- halten, wenn die Zinkplatte im Glase B +3 hat; daß eben so die Zinkplatte im Glase A +4 haben wird, erhellt von selbst. Waͤre bei K keine Verbindung mit der Erde, so wuͤrde das Gesetz der Verstaͤrkung dasselbe bleiben, nur wuͤrde dann am einen Ende negative, am andern Ende positive Spannung hervortreten. Ganz dieser Anordnung aͤhnlich sind die Trog-Apparate , wo in einer Reihe getrennter einzelner Zellen die Plattenpaare auf- gestellt sind. Sie muͤssen aus Porcellan oder Glas sein, damit das gesaͤuerte Wasser jeder einzelnen Zelle durchaus nicht in leiten- der Verbindung mit dem Wasser einer andern Zelle stehe, weil offenbar, wenn in das Wasser eines Glases C ( Fig. 107. ) meh- rere Plattenpaare tauchten, diese alle nur einen und denselben Grad electrischer Ladung erhalten wuͤrden. Bei diesen aber hat man, vorzuͤglich auf Wollastons Angabe, eine wesentliche Ver- besserung angebracht, die bei den geschichteten Saͤulen nicht statt findet. Es ist ein, spaͤter noch naͤher zu untersuchender Erfahrungs- satz, daß man mit Vortheil beiden Seiten der Zinkplatte Kupfer- platten gegenuͤber stellen kann und daß die Wirkung dadurch un- gefaͤhr dieselbe wird, wie bei doppelt so vielen Plattenpaaren; wenn man daher entweder in jede Zelle eine Zinkplatte Z und eine diese von beiden Seiten umgebende Kupferplatte K ( Fig. 108. ) ein- taucht, oder auch kupferne Gefaͤße K, K', so wie Fig. 109. zeigt, neben einander stellt, und in jedes Gefaͤß eine Zinkplatte taucht, dann aber die Verbindungen von Z nach K', von Z' nach K'', von Z'' nach K''' u. s. w. zu Stande bringt, so hat man einen Apparat, der sich vorzuͤglich gut zu Anstellung der Versuche eignet. In diesen Trog-Apparaten muß das Zink außerhalb der Fluͤssigkeit mit dem Kupfer in metallischer Beruͤhrung sein, in der Fluͤssigkeit hingegen muͤssen die Platten nur einander gegenuͤber stehen, damit die electrischen Stroͤme durch die Fluͤssigkeit von der einen Platte zur andern uͤbergehen. Aus diesem Grunde richtet man die Zink- platten so ein, daß sie an der unmittelbaren Beruͤhrung gehindert werden; denn wenn ( Fig. 108. ) Z nicht bloß mit K', sondern auch mit K in metallischer Beruͤhrung waͤre, so haͤtten K und K' gleiche electrische Ladung. Da es uns jetzt nur um einen oft wiederholten Wechsel der drei die Kette bildenden Koͤrper zu thun ist, so uͤbergehe ich hier noch diejenige Verbindung der Platten im Trog-Apparate, wo alle Platten gleich einem einzigen sehr großen Plattenpaare ange- wandt werden, wovon ich bei den Waͤrme-Erscheinungen in der Schließung der Saͤule reden werde. Geschlossene voltaische Saͤule . Welche von diesen verschiedenen Anordnungen des Apparates man nun auch anwende, so ist der Zustand, sowohl in der unge- schlossenen Saͤule als in der geschlossenen , in allen diesen Apparaten uͤbereinstimmend; beide Zustaͤnde aber sind sehr wesent- lich verschieden. Alle bisherigen Betrachtungen betrafen nur die electrische Spannung, die electroscopischen Erscheinungen, welche bei der ungeschlossenen und isolirten Saͤule an beiden Polen um so staͤrker entgegengesetzt hervortreten, je groͤßer die Anzahl der Plattenpaare ist; aber diese Kennzeichen der electrischen Spannung hoͤren sogleich fast gaͤnzlich auf bei der Schließung der Kette. Bringt man naͤmlich an dem Zinkpole der Saͤule einen Metalldrath an und bringt diesen mit dem Kupferpole in fortwaͤhrende Beruͤhrung; so muß offenbar ( Fig. 110. ) die in Z angehaͤufte positive Electri- citaͤt sich durch ZMK nach K fortbewegen; und da in dem Au- genblicke, wo dadurch die unterste Kupferplatte in den Nullzustand versetzt wird, die naͤchste Zinkplatte wieder ihren Vorzug an posi- tiver Electricitaͤt fordert, so geht der positiv-electrische Strom nicht allein von Z durch M nach K, sondern auch von K durch die Saͤule nach Z, so daß ein unaufhoͤrlicher Kreislauf statt findet; und eben so macht die negativ-electrische Materie ihren Kreislauf in entgegen- gesetzter Richtung in der geschlossenen Saͤule. Der Leiter ZMK heißt der Schließungsdrath , der schließende Leiter . Wird dieser, die Enden der Saͤule verbindende, Leiter nicht als metal- lischer Leiter ohne Unterbrechung fortgefuͤhrt, sondern der mensch- liche Koͤrper als Theil dieses Leiters in die geschlossene Kette gebracht, so beobachten wir an der geschlossenen Saͤule die physiologischen Er- scheinungen, welche der electrische Strom auf unsern Koͤrper her- vorbringt; macht ein fluͤssiger Koͤrper einen Theil des Leiters ZMK aus, so giebt dies Gelegenheit zu Beobachtung der chemischen Wir- kungen; laͤßt man den electrischen Strom durch sehr duͤnne Draͤthe uͤbergehen oder auch durch die Luft uͤberschlagen, so erhaͤlt man die Erscheinungen der Erhitzung, des Verbrennens, der Funken. Bei allen diesen Erscheinungen, welche die geschlossene Saͤule darbietet, koͤnnen wir die Frage aufwerfen, wie sie von der An- zahl der Plattenpaare, wie sie von der Groͤße der Platten, wie sie von der ungleichen Wirksamkeit des feuchten Koͤrpers in der Saͤule, endlich wie sie von der Beschaffenheit des die Schließung bewirkenden Leiters selbst abhaͤngen. Eigentlich kaͤme auch noch die Frage hin- zu, wie sie von der Wahl der beiden verschiedenen Metalle abhaͤn- gen, aber diese uͤbergehe ich, da bei ganz gleicher Einwirkung des fluͤssigen Leiters die Wirksamkeit wohl genau dem Maaße der elec- tromotorischen Thaͤtigkeit angemessen sein wuͤrde; ich werde daher auch fast immer nur von Zink und Kupfer, als den beiden in An- wendung gebrachten Metallen, reden, da schon aus dem Vorigen erhellt, daß Zink und Platin oder gar Zink und Mangan-Oxyd noch wirksamer, Kupfer und Silber dagegen nur in sehr schwachem Grade wirksam sein wuͤrden; und folglich sich leicht auf die Wir- kung jeder Saͤule schließen laͤßt, die aus diesen Koͤrpern bestaͤnde. Physiologische Wirkungen . Die Anordnung der Betrachtungen, welche sich auf die ver- schiedenen Wirkungen der Saͤule beziehen, hat einige Schwierig- keit, da die Betrachtung der einen Wirkung so nahe mit der Be- trachtung der andern verwandt ist; ich muß daher Sie um Ver- zeihung bitten, wenn ich zuweilen eine Bemerkung machen muß, die erst spaͤter ihre volle Erklaͤrung findet. Die physiologischen Wirkungen waren es, die nach der Ent- deckung der voltaischen Saͤule zuerst das Erstaunen der Physiker erregten, da man die fruͤher beobachteten so sehr schwachen Ein- wirkungen auf die Sinne hier in unerwartet starkem Maaße gestei- gert sah. Schon fruͤher, bald nach den ersten galvanischen Ver- suchen, hatte Volta auf zwei durch Silber und Zink vermittelst der einfachen galvanischen Kette hervorgehende Einwirkungen auf die Sinnes-Organe aufmerksam gemacht. Man nimmt naͤmlich einen eigenthuͤmlichen Geschmack auf der Zunge wahr, wenn man das eine Ende eines Silberstaͤbchens an die untere Seite der Zunge und das eine Ende eines Zinkstaͤbchens an die obere Seite der Zunge bringt, dann aber die beiden andern Enden der Metalle mit einander in Beruͤhrung bringt; und eben so laͤßt das Auge uns die Wirkung des electrischen Stromes gewahr werden, wenn man jene beiden Metalle mit beiden Augenwinkeln in Beruͤhrung bringt, indem dann, wenn die beiden andern Enden der Metalle sich beruͤhren, vor dem geschlossenen Auge eine schwache Licht-Er- scheinung voruͤbergeht. Statt dieser Erscheinungen bietet aber die Saͤule nun viel staͤrkere und auffallendere dar. Beruͤhrt man mit benetzten Fingern die beiden Pole einer Saͤule, die aus 50 oder mehr Plattenpaaren besteht, so empfindet man im Augenblicke der ersten Schließung der Kette einen, bei kleinen Saͤulen bloß in den beruͤhrenden Fingern, bei groͤßern Saͤu- len auch bis zu entferntern Theilen der Hand und des Armes fuͤhl- baren Schmerz, der auch waͤhrend der dauernden Schließung, we- gen der in jedem Augenblicke wechselnd mehr oder minder innigen Beruͤhrung, fortdauert. Die Empfindung ist, wenn man auch an beiden Polen auf ganz gleiche Weise beruͤhrt, ungleich an beiden Polen, und man hat diese Ungleichheit dadurch zu beschreiben ge- sucht, daß man sagte, die Empfindung am negativen Kupferpole sei so, als ob der Finger von der Saͤule her nach allen Richtungen schneidend durchdrungen werde, am positiven Zinkpole sei dagegen die Empfindung dumpfer, als ob der Finger eingeengt sei. Rit- ter glaubt bei dauernder Schließung der Saͤule am negativen Pole das Gefuͤhl der Kaͤlte, am positiven Pole ein Gefuͤhl von Waͤrme bemerkt zu haben; aber hierin stimmen andre Beobachter nicht ganz ein, und ich selbst, obgleich ich jene erste Beschreibung der Empfindung nicht unpassend finde, habe doch in Beziehung auf Waͤrme und Kaͤlte keinen so entschiedenen Gegensatz finden koͤnnen. Ritter fand hier uͤberall genaue Gegensaͤtze, theils in den Sin- nes-Erscheinungen, welche beide Pole bei dem Schließen der Kette darbieten, theils in den Empfindungen, die an demselben Pole beim Schließen und Oeffnen der Kette vorkommen; so strenge kenntlich scheinen mir diese Gegensaͤtze nicht, obgleich das wohl allerdings richtig ist, daß beim Oeffnen der Kette durch die Lebens- thaͤtigkeit der Organe das Gefuͤhl eines Zustandes hervortritt, der sich als dem durch jenen unnatuͤrlichen Reiz erregten entgegen- gesetzt der Empfindung darbietet. Auf der Zunge giebt der vom positiven Pole herkommende Drath einen sauern, stechenden Ge- schmack, der vom negativen Pole herkommende Drath einen alca- lischen; uͤber den Ursprung dieses Geschmacks aus der anfangenden Zersetzung der Feuchtigkeiten auf der Zunge geben die chemischen Erscheinungen noch mehr Aufschluß; daß aber beim Oeffnen der Kette sich die entgegengesetzte Geschmacks-Empfindung wahrneh- men laͤßt, muß gewiß aus der eben erwaͤhnten Gegenwirkung des Organs erklaͤrt werden. Der Lichtblitz vor dem Auge zeigt sich bei einer maͤßigen Anzahl Plattenpaare schon deutlich, wenn man zwei von beiden Polen ausgehende Leiter an benetzte Stellen der Schlaͤfe bringt. Von Humboldt , Ritter , Most und andre haben eine große Menge hierher gehoͤriger Versuche angestellt, die ich nicht wei- ter anfuͤhre, da fuͤr die Gesetze der electrischen Erscheinungen selbst wenig belehrende Folgerungen daraus hervorgehen. Merkwuͤrdig scheint mir indeß der Beweis, den Marianini fuͤr den Satz, daß die Zuckung der Froschschenkel beim Wiederoͤffnen der Kette nicht von einem Zuruͤckstroͤmen der Electricitaͤt herruͤhrt, aufgestellt hat. Allerdings naͤmlich zeigt der Froschschenkel auch beim Oeffnen der Kette eine Zuckung, und dieses glaubte man durch ein Zuruͤck- stroͤmen der Electricitaͤtsstroͤme erklaͤren zu muͤssen; Marianini bemerkt aber, daß dieses Zucken fast eben so eintrete, wenn man die Kette nicht unterbricht, sondern durch eine zweite Schließung den Strom bloß bei dem Frosche vorbei leitet; indeß gesteht er zu, daß vielleicht in den thierischen Theilen selbst einige angehaͤufte Electricitaͤt sein koͤnne, die beim Unterbrechen oder beim Vorbei- leiten des Stromes eine eintretende Veraͤnderung des electrischen Zustandes zur Folge haben kann. Es gehoͤrte wohl hieher, etwas von der Einwirkung des vol- taischen Stromes und der Beruͤhrungsschlaͤge auf die Gesundheit zu sagen; aber der Gegenstand scheint noch viel zu wenig eroͤrtert, als daß man eine andre Regel als die, nur ja keine zu starken Wir- kungen in irgend einem Falle anzuwenden, geben koͤnnte. Ich gehe dagegen zu einigen Bemerkungen uͤber die Ursachen dieser phy- siologischen Wirkungen und uͤber die Umstaͤnde, welche ihre Staͤrke bestimmen, uͤber. Abhaͤngigkeit der physiologischen Wirkungen von der Zahl und Groͤße der Platten und von der Leitung . Um zuerst die unerwartete Verschiedenheit zu erklaͤren, die sich zwischen der Saͤule und der gewoͤhnlichen Electricitaͤt darin zeigt, daß jene bei kaum bemerkbarer electroscopischer Einwirkung doch so empfindliche Schlaͤge giebt, scheint folgende Bemerkung am meisten geeignet. Es ist bekannt, daß man die groͤßeste Batterie an einer Electrisirmaschine nicht staͤrker — ja kaum so stark — laden, das ist, das Electrometer nicht zu hoͤherem Steigen bringen kann, als eine kleinere Flasche, und dennoch kann die Wirkung jener furchtbar sein, waͤhrend die Wirkung dieser geringfuͤgig ist; wir sehen also, daß es bei der Empfindung, die der gewoͤhnliche electrische Schlag erregt, nicht auf die Spannung allein, mit wel- cher die Electricitaͤt uͤberzugehen strebt, sondern auch ganz vorzuͤglich auf die Menge der in einem sehr kurzen Zeitraume uͤbergehenden Electricitaͤt ankoͤmmt, daß also eine sehr große Batterie nur zu einem sehr schwachen Grade geladen zu sein brauchte, um die em- pfindlichsten Schlaͤge zu geben. Diese Bemerkung leitet zu dem Schlusse, daß die Menge der electrischen Materien, welche sich in einer gut aufgebauten, die Leitung der Electricitaͤt stark befoͤrdern- den Saͤule durch diese fortbewegt, ungemein groß sein muß, und hierauf bezieht sich Volta's Vergleichung der electrischen Saͤule mit einer unendlich großen, aber sehr schwach geladenen Batterie. Die feuchte Saͤule ist, so lange sie sich in voͤlliger Wirksamkeit befin- det, so sehr geeignet, den unausgesetztesten und lebhaftesten electri- schen Strom hervorzubringen, daß sie uns in jedem Augenblicke einen neuen Stoß giebt, und also so wirkt, wie eine sehr große, sich immer wieder ladende Batterie. Da die trockene Saͤule eine viel zu traͤge Durchleitung der electrischen Stroͤme gestattet, so kann sie eben so wenig als eine so ungemein schwach geladene und dabei kleine Flasche auf das Gefuͤhl wirken. Daß aber mit vermehrter Spannung auch die physiologischen Wirkungen zunehmen, das heißt, daß Saͤulen aus vielen Platten- paaren wirksamer sein muͤssen, versteht sich wohl von selbst, und wirklich nimmt auch, wie es scheint unbegrenzt, die Staͤrke der Schlaͤge mit der Anzahl der Plattenpaare zu. In genauem Ver- haͤltnisse kann indeß die Wirkung wohl nicht mit der Anzahl der Plattenpaare stehen, weil bei vielplattigen Saͤulen auch der Wider- stand offenbar zunimmt, den der electrische Strom leidet; aber wenn deshalb auch nicht bei 500 Plattenpaaren die ohnehin schwer abzumessende physiologische Wirkung 5 mal so groß als bei 100 Plattenpaaren ist, so ist die Zunahme der Wirkung dennoch groß genug. Der Widerstand ist viel geringer, wenn die feuchten Leiter nicht aus Wasser allein, sondern aus mehr oder minder star- ken Aufloͤsungen von Salz, am liebsten noch verbunden mit Saͤu- ren, bestehen, und es ist daher natuͤrlich, daß die physiologischen Wirkungen durch die Wahl solcher feuchter Leiter sehr gesteigert werden. Man hat eine Zeit lang in dem Irrthume gestanden, daß große Platten bei gleicher Anzahl keine staͤrkere Schlaͤge geben, als kleine; aber es ist offenbar, daß der durch 10 Quadratzoll Ober- flaͤche bewirkte electrische Strom zehnmal so maͤchtig, als fuͤr 1 Quadratzoll sein muß, daß also großplattige Saͤulen, wenn zu- gleich der Platten viele sind, ganz gewiß wirksamer sein muͤssen. Jener Irrthum entstand daher, daß man die Pole der Saͤule so beruͤhrte, daß in der Schließung selbst zu viel Widerstand war, und die in hinreichendem Reichthum vorhandene electrische Materie doch nur einen minder raschen Strom bilden konnte. Wenn man beide Enden einer sehr großplattigen Saͤule mit einem sehr duͤnnen Drathe beruͤhren wollte, so wuͤrde der electrische Strom genau so aufgehalten werden, wie der Wasserstrom, der durch ein einziges Haarroͤhrchen hervordringt; bei diesem bewirkt ein hoͤherer Wasser- stand, bei jenem bewirkt ein hoͤherer Spannungsgrad der Electri- citaͤt (eine Vermehrung der Plattenpaare,) eine Zunahme der Ge- schwindigkeit, aber die Groͤße des Wasservorraths hilft dort so wenig als hier die Groͤße der Platten. Eben diese gehinderte Leitung findet statt, wenn man mit unvollkommen befeuchteten Haͤnden oder nur mit der Fingerspitze beruͤhrend die Electricitaͤt aufnimmt, und in diesen Faͤllen ist es also wahr, daß großplattige Saͤulen ohne Nutzen angewendet werden; dagegen wenn man mit großen Metallstuͤcken, die man mit der nassen Hand recht umfaßt, die Pole der Saͤule beruͤhrt, oder wenn man die Haͤnde in zwei mit gesaͤuertem Wasser gefuͤllte Gefaͤße untertaucht, und starke Leiter von beiden Polen der Saͤule in beide Gefaͤße taucht und abwechselnd wieder zuruͤck- zieht, so bemerkt man den Vorzug der großplattigen Saͤulen. Obgleich aber der vermehrte Widerstand in den die Schließung bewirkenden Leitern so sehr zu Verminderung der Wirkung bei- traͤgt, so kann man doch auch den Schlag der voltaischen Saͤule durch viele Personen, die sich mit nassen Haͤnden anfassen, durch- leiten, wobei freilich der Schlag an Staͤrke verliert. Auch durch andre lange Leiter wird doch der Schlag nicht allzu sehr geschwaͤcht, und Erman hat auf der Havel den Schlag durch 130 Fuß Drath und 130 Fuß Wasser nur wenig geschwaͤcht empfunden, als er den einen Pol der Saͤule mit dem Wasser in Verbindung setzte, den andern mit einem langen Drathe versah, und dann isolirt in 130 Fuß Entfernung stehend den Drath und das Wasser zugleich beruͤhrte. Busse hat eine aͤhnliche Leitung 4000 Fuß weit an- gebracht. Die Groͤße des Widerstandes bei der Hinuͤberleitung zum menschlichen Koͤrper ist auch gewiß die Ursache, warum Saͤulen aus wenigen Plattenpaaren gar keine Empfindung geben, wenn auch die Platten noch so groß sind. Es ist naͤmlich eine gewisse Span- nung, (man darf wohl die, welche 20 bis 30 Plattenpaaren Zink III. Z und Kupfer bei einer Befeuchtung der Zwischenschichten mit gesaͤuer- tem Wasser entspricht, als die durchaus erforderliche ansehen,) nothwendig, um irgend eine Wirkung, die man electrischen Schlag nennen koͤnnte, hervorzubringen, indem bei geringerer Spannung die Electricitaͤt den Widerstand beim Uebergange auf den mensch- lichen Koͤrper gar nicht zu uͤberwinden vermag. Saͤulen von 200 bis 250 Plattenpaaren geben schon bei Be- ruͤhrung mit nassen Haͤnden eine recht empfindliche Wirkung, zu- mal wenn sie mit stark gesaͤuertem oder gesalzenem Wasser auf- gebaut sind. Gay-Luͤssac fand bei einer Saͤule von 600 Plattenpaaren, und Platten von 120 Quadratzoll groß, wo zu Befeuchtung der Zwischenlagen Wasser mit \frac{1}{10} Salzsaͤure und \frac{1}{10} Schwefelsaͤure angewandt worden, die Schlaͤge mit nassen Haͤnden kaum ertraͤglich. Grimm toͤdtete mit einer Saͤule von 500 Plattenpaaren einen Bergfinken, indem er ihn 25 Min. lang dem Strome der Kette aussetzte. Saͤulen von 2000 Plattenpaaren geben, selbst mit trocknen Haͤnden angefaßt, Schlaͤge, die kaum zu ertragen sind und durch 50 Personen, die sich mit trockenen Haͤn- den anfassen, fuͤhlbar bleiben. Die electrischen Fische . Aehnliche Wirkungen, wie diese, welche die electrische Saͤule hervorbringt, wahrscheinlich auch beruhend auf aͤhnlichen Gesetzen, hat man schon lange an den electrischen Fischen gekannt, ja einer derselben, der Zitterrochen, ist schon den Alten bekannt gewesen. Diese Fische, unter denen der im Mittellaͤndischen Meere lebende Zitterrochen und der in Suͤd-Amerika lebende Zitter-Aal am be- kanntesten sind, besitzen die Kraft, electrische Schlaͤge zu ertheilen; und da sich in ihnen ein sonst nirgens Vorkommendes Organ, das aus Schichtungen, der voltaischen Saͤule aͤhnlich, besteht, findet, so vermuthen wir nicht ohne Grund, daß ihre electrische Wirksamkeit auf aͤhnlichen Gesetzen, wie die der Saͤule, beruhe. Freilich sind es hier nicht Schichtungen von solchen Koͤrpern, deren electromo- torische Thaͤtigkeit wir nachweisen koͤnnten, sondern es sind Haͤute und Fluͤssigkeiten, so wie wir sie sonst im thierischen Koͤrper finden; aber die zu diesem Organe gehenden starken Nerven moͤgen hier die Ladung des Organes bewirken. Diese Organe bestehen bei dem Zitterrochen oder Krampfrochen aus Saͤulen, die, aus Haͤuten, zwischen denen sich eine Fluͤssigkeit befindet, zusammengesetzt, von der unteren Seite des Koͤrpers bis an die obere reichen; es stehen viele dieser Saͤulen neben einander, so daß man bei großen Rochen uͤber tausend gezaͤhlt hat. Bei dem Zitter-Aale ist das Organ im Schwanze und nimmt drei Viertel der oft bis auf 6 Fuß gehenden Laͤnge des Fisches ein; es gleicht in seiner geschichteten Bildung dem Organe des Zitterrochen. Diese Fische besitzen die Faͤhigkeit nach Willkuͤhr Schlaͤge, den electrischen aͤhnlich, zu geben; Volta vergleicht die des Rochen mit den Schlaͤgen einer voltaischen Saͤule von 60 Plattenpaaren, die Schlaͤge der Aale muͤssen aber weit heftiger sein, da sie Pferde durch Beruͤhrung am Bauche so empfindlich, daß diese niederstuͤr- zen, verletzen koͤnnen. Daß diese Schlaͤge von den Fischen will- kuͤhrlich ertheilt werden, erhellt daraus, daß man den Fisch in den Haͤnden halten kann, ohne einen Schlag zu erhalten, daß er man- cherlei Bewegungen machen kann, ohne einen Schlag zu ertheilen, daß er dagegen diesen unter ganz gleichen Umstaͤnden zuweilen ploͤtz- lich und oft wiederholt ertheilt. Wenn man den Zitterrochen nur an einer Seite beruͤhrt, so erhaͤlt man nur matte Schlaͤge, staͤrkere dagegen, wenn man beide Seiten beruͤhrt. Liegt der Fisch auf einer metallenen Schuͤssel, so hat man vom Schlage nichts zu fuͤrchten, wenn man bloß die Schuͤssel beruͤhrt; aber wenn man diese beruͤhrt und zugleich die obere Seite, so kann man den Schlag vollkommen stark erhalten. Dagegen wenn die obere Seite mit einer Metallplatte bedeckt ist, welche mit jener Schuͤssel in metallisch leitender Verbindung steht, so kann man beide Metallplatten beruͤhren, ohne die Wirkung des Schlages zu empfinden; es erhellt also, daß der Leiter fuͤr die Elec- tricitaͤt hier eine eben so gegen die Schlaͤge sichernde Schließung bewirkt, wie es bei der Schließung der voltaischen Saͤule der Fall ist, deren electrischer Strom durch einen Metalldraht hinreichende Ableitung findet. Der Schlag wird mehreren Personen zugleich ertheilt, wenn sie, sich bei den Haͤnden fassend, die Schließung, welche von der oberen Seite nach der untern geht, bilden. Der Zitter-Aal giebt im Wasser seinen Schlag bis zu bedeutenden Ent- fernungen. Z 2 Der Fisch muß ein eigenthuͤmliches Gefuͤhl fuͤr die Leitung, die den Schlag moͤglich macht, haben, wenigstens scheint dies aus folgendem von Walsh angestellten Versuche zu erhellen. Walsh fuͤhrte zwei Metalldraͤthe, aus dem Gefaͤße mit Wasser, worin der Fisch sich befand, zu zwei andern mit Wasser gefuͤllten Gefaͤßen; waren nun die letztern durch Leiter verbunden, so kam der Fisch gern zu den Metalldraͤthen heran, um den Schlag zu ertheilen; aber er zeigte keine Neigung, den Schlag zu ertheilen, wenn diese Leitung unterbrochen war. Der Schlag geht so schwer durch den geringsten mit Luft gefuͤllten Zwischenraum uͤber, daß man fast durchaus keinen Fun- ken sieht; nur wenn die Unterbrechung des leitenden Metalles aͤußerst geringe ist, kann man im Dunkeln den Funken erkennen Die hier wirksame Electricitaͤt ist also von aͤußerst geringer Span- nung, so daß jedes Hinderniß der Leitung den Uebergang vollkom- men aufhaͤlt; da sie aber dennoch so maͤchtig wirkt, so muß die Menge der in Thaͤtigkeit gesetzten Electricitaͤt wohl sehr groß sein. Am Electrometer oder mit Huͤlfe des Condensators kann man keine Spur von Electricitaͤt gewahr werden, ohne Zweifel deswegen, weil hier keine dauernde Ladung, sondern nur eine ploͤtzliche Erzeu- gung von Electricitaͤt statt findet, und weil der Fisch keine Elec- tricitaͤt hervorbringt, wenn, wie es beim Condensator geschehen muß, die Leitung unterbrochen ist. Eben diese nur momentane Erregung der Electricitaͤt, wobei aber die Menge der in Bewegung gesetzten electrischen Materie sehr groß ist, mag auch, wie Davy glaubt, die Ursache sein, warum der electrische Schlag des Zitter- rochen keine electromagnetischen Wirkungen zeigt, so wenig als chemische Wirkungen. Zwei und zwanzigste Vorlesung. In der Reihe neuer Entdeckungen, m. h. H., zu welchen Volta's Saͤule Veranlassung gegeben hat, nehmen diejenigen, welche die chemischen Wirkungen betreffen, einen vorzuͤglichen Platz ein, und so wie wir es neulich sehr belehrend fanden, Volta bei jedem einzelnen Fortschritte seiner Entdeckungen zu folgen, so wer- den wir hier vorzuͤglich Davy's philosophischen Sinn in der Wahl des richtigen Weges zu neuen Entdeckungen zu bewundern Gelegenheit haben. Wasserzersetzung durch die voltaische Saͤule . Doch nicht Davy , sondern Carlisle und Nicholson waren die ersten, welche eine chemische Wirkung der Saͤule wahr- nahmen, und die ersten Untersuchungen daruͤber anstellten. Sie bemerkten in einem auf der letzten positiven Platte der Saͤule lie- genden Wassertropfen ein Entstehen von Blaͤschen, als der die Schließung der Saͤule bewirkende Drath den Wassertropfen be- ruͤhrte; die damals schon lange bekannte Erfahrung von der bei so manchen Veranlassungen statt findenden Wasserzersetzung schien ihnen die Erklaͤrung der Erscheinung darzubieten, die auch bald in fernern Versuchen ihre voͤllige Bestaͤtigung fand. Um diese Wasser- zersetzung und ebenso andre chemische Wirkungen in Fluͤssigkeiten hervorzubringen, bedient man sich oft nur der einfachen Glasroͤhre EF, ( Fig. III. ), in welcher die Spitzen der von beiden Polen der Saͤule herkommenden Schließungsdraͤthe AB, CD, einander in einer maͤßigen Entfernung gegenuͤber stehen; indem hier die durch die Draͤthe zugeleiteten electrischen Stroͤme zwischen B, D, durch die fluͤssige Materie gehen, bringen sie auf diese die chemischen Wir- kungen hervor, die den Umstaͤnden nach statt finden koͤnnen. Be- findet sich reines Wasser in der Roͤhre und sind es Platin- oder Golddraͤthe, die sich im Wasser gegenuͤber stehen, so gehen an bei- den Drathspitzen Blaͤschen hervor; ist der zum positiven Pole der Saͤule gehende Drath dagegen von einem leichter oxydirbaren Me- talle, so oxydirt dieser sich, waͤhrend an dem andern Drathe, der naͤmlich mit dem negativen Pole in Verbindung steht, immer auf gleiche Weise Blaͤschen hervorgehen. Diese Wahrnehmung zeigt schon, daß die Wasserzersetzung hier auf eine ungewoͤhnliche Weise statt findet, daß naͤmlich am negativen Drathe nur der eine Bestandtheil, am andern Drathe nur der andre Bestandtheil sich uns kenntlich darstellt. Da diese Erscheinung der Vorstellung von einer Zersetzung des Wassers nicht entsprechend schien, so glaubten zuerst einige Physiker, man muͤsse die Lehre von der Wasserzersetzung aufgeben; aber spaͤtere Versuche, die auch bei andern Zersetzungen dasselbe Gesetz, daß nur der eine Bestandtheil am einen Pole, der andre Bestandtheil am andern Pole ausgeschieden hervorgeht, beweisen, ließen keinen Zweifel uͤbrig, daß auch hier die wahren Bestandtheile des Wassers, als durch Zerlegung des Wassers hervorgehend, sich uns darstellen. Um die beiden Luft-Arten, die bei der Zerlegung des Wassers ent- stehen, abgesondert zu erhalten, dient, da die Wirkung einer nicht allzu schwachen Saͤule sich weit genug erstreckt, ein Instrument, wo die Draͤthe sich am untern Ende zweier Roͤhren finden. Es sei die Roͤhre ( Fig. 112 ) ABC ganz mit Wasser gefuͤllt, und befinde sich in das weitere, mit reinem Wasser gefuͤllte Gefaͤß DE eingetaucht; uͤber die Oeffnungen der Roͤhre ABC sind zwei oben geschlossene, aber ganz mit Wasser gefuͤllte Roͤhren oder Gloͤckchen AF, CG gestuͤrzt, damit diese die bei B etwa sich entwickelnde Luft aufnehmen. In diese Gloͤckchen sind die Platindraͤthe FH, GK, durch Einschmelzen befestigt, deren Enden sich ziemlich tief im un- tern Theile der Roͤhren befinden. Daß die Gefaͤße AF, CG, sich wegen des auf die Oberflaͤche LM des Wassers wirkenden Luft- druckes mit Wasser gefuͤllt erhalten, wenn man sie angefuͤllt mit ihren Muͤndungen unter die Oberflaͤche LM bringt, brauche ich nicht zu sagen. Wird nun der eine der Platindraͤthe bei N mit dem einen, der andre bei O mit dem andern Pole der Saͤule in Verbindung gesetzt, so bildet sich eine, theils aus den Metalldraͤ- then NH, OK, theils aus der Wassermasse HBK bestehende, Schließung der Kette, und indem die electrischen Stroͤme von der Spitze des einen Draths zur Spitze des andern uͤbergehen, zersetzen sie das Wasser so, daß bei H die eine Luft-Art, bei K die andre Luft-Art hervorgeht, und jede sammelt sich, in ihrer abgesonderten Roͤhre aufsteigend, ungemischt in den Gloͤckchen bei F und G. Die Untersuchung der so aus reinem, ausgekochtem Wasser hervor- gehenden Luft-Arten zeigt, daß sie sowohl der Beschaffenheit nach, als der Quantitaͤt nach dem entsprechen, was man schon sonst von der Wasserzersetzung wußte, daß naͤmlich dem Raume nach doppelt so viel Wasserstoffgas als Sauerstoffgas hervorgeht, und jenes wird am negativen Pole, dieses am positiven Pole, das ist, das letztere an dem vom Zink herkommenden Drathe ungemischt ge- funden. Obgleich aber auf diese Weise der eine Bestandtheil des Was- sers an einem von der Entstehung des andern Bestandtheiles weit genug entfernten Puncte hervorgeht, so ist doch auch hier jedes Wassertheilchen in seine zwei Bestandtheile zerlegt. Wir koͤnnen uns die Wassertheilchen als eine Kette bildend vorstellen, wo, in- dem das erste Theilchen sein Oxygen an dem positiven Drathe her- giebt, das Hydrogen zum zweiten Theilchen uͤbergeht und sich mit dem Oxygen des zweiten Theilchens verbindet, dessen Hydrogen zum dritten Theilchen uͤbergeht, und so fort bis zum letzten Theilchen, welches sein Hydrogen als frei geworden am negativen Drathe her- giebt. Diese Anziehung des Oxygens zum positiven Ende der Saͤule hin, des Hydrogens zum negativen Ende, womit zugleich eine Abstoßung des andern Bestandtheiles verbunden ist, findet so sehr in demselben Augenblicke durch die ganze zwischen liegende Wassermasse statt, daß in dem Zwischenraume nicht eine Spur von Freiwerden des andern Bestandtheiles merklich ist, und es muß daher dieser Austausch, wodurch jedes in der Mitte liegende Theil- chen statt des nach der einen Seite abgegebenen Hydrogen-Antheils und des nach der andern Seite abgegebenen Oxygen-Antheils so- gleich den Ersatz in entgegengesetzten Richtungen empfaͤngt, voͤllig momentan sein. Menge des entwickelten Gas unter verschiedenen Umstaͤnden . Die Wasserzersetzung ist bei Anwendung derselben voltaischen Saͤule desto staͤrker fortgehend, je naͤher die Drathspitzen einander sind; aber nach Ermans Versuche, wo Glasroͤhren mit durch- bohrten Korkstoͤpseln zu einer sehr langen Roͤhre vereinigt ange- wandt wurden, ist die Wasserzersetzung noch merklich, wenn auch 18 Fuß Wasser sich zwischen den Drathspitzen einer gut wirkenden, aus 100 Plattenpaaren bestehenden Saͤule befinden. Wenn die Drathspitzen ihre immer gleiche Stellung behalten, so kann die Menge der aus dem Wasser hervorgehenden Luft zu einem Maaße der chemischen Wirksamkeit verschiedener Saͤulen dienen. Bischoff hat zu diesem Zwecke, naͤmlich um die Zeit, in welcher ein bestimm- tes Maaß der beiden Luft-Arten hervorgeht, zu beobachten, mit Vortheil eine vertical stehende Roͤhre AB ( Fig. 113. ) angewandt, in welcher der von oben eintretende eingeschmelzte Platindrath CD dem von der Seite eintretenden Drathe EF gegenuͤber steht. Ist hier zu Anfang des Versuches die Roͤhre mit reinem ausgekochtem Wasser gefuͤllt, so faͤngt, sobald die Saͤule in Thaͤtigkeit ist, ein Hinaufsteigen der Luft-Arten von beiden Platindraͤthen D, E, an, und diese dauert fort, bis beide Drathspitzen sich nicht mehr im Wasser befinden; bemerkt man also den Augenblick, da man die Draͤthe ihre Wirkung anfangen laͤßt, und da sie wegen auf- gehobener Leitung zwischen D, E, aufhoͤrt, so hat man die Zeit, in welcher das immer gleiche Luftvolumen bei gleicher aͤußerer Tem- peratur und gleichem Luftdrucke, aber unter verschiedenen Einwir- kungen der Saͤule hervorgegangen ist. Außer der Annaͤherung der Drathspitzen gegen einander hat auch auf die vermehrte Menge der entwickelten Luft die Art der Metalle Einfluß, aus welchen die Draͤthe bestehen. Ein Drath von einem in der Reihe der Electromotoren als sehr stark positiv erkannten Metalle ist am positiven Pole am wirksamsten, um viel Wasserstoffgas am andern Pole zu erhalten, und dies in solchem Grade, daß Marechaux die achtfache Menge Wasserstoffgas erhalten zu haben angiebt, als er am positiven Pole statt des Gold- drathes einen Zinkdrath anbrachte. Will man an beiden Polen gleiche Draͤthe anbringen, so sind Draͤthe aus einem positiven Me- talle besser, als die aus einem negativen Metalle, geeignet, um viel Wasserstoffgas zu geben. Wenn die Fluͤssigkeit, die man der Zersetzung unterwirft, kein reines Wasser ist, sondern Saͤuren oder Salze enthaͤlt, so vermehrt sich die durch Wasserzersetzung erhaltene Luftmenge in hohem Grade, so daß Gay-Luͤssac bei einem Versuche aus verduͤnnten Saͤuren viermal so viel Gas als aus einem undestillirten reinen Wasser, das nur sehr wenig Kalktheile enthielt, entwickelte, bei einem andern Versuche aber, wo ganz reines, von Luft befreites Wasser angewandt wurde, kaum 1 Maaß Gas erhielt, statt daß 49 Maaß hervorgingen, wenn \frac{1}{250} einer gesaͤt- tigten Aufloͤsung von schwefelsaurem Natron hinzugethan wurde, und 328 Maaß, wenn diese gesaͤttigte Aufloͤsung selbst der Zersetzung unterworfen wurde Gilb. Ann. XXXVIII. 140. . Hiebei kommen indeß, je nachdem man verschiedene Saͤuren oder Salze anwendet, große Ungleichheiten vor, indem einige Aufloͤsungen bei vermehrter Verduͤnnung immer weniger Gas geben, andre dagegen diesem Gesetze nicht entsprechen. Die Gas-Entwickelung nimmt unter sonst gleichen Umstaͤn- den nicht in gleichem Verhaͤltnisse mit der Anzahl der Platten- paare in der Saͤule zu, sondern Gay-Luͤssac fand, daß die erzeugte Luftmenge sich erst verdoppelte, als die Anzahl der Platten- paare auf das Achtfache stieg. Um die Wasserzersetzung in einem nicht destillirten und nicht ausgekochten Wasser deutlich zu zeigen, reichen Saͤulen von 12 Plattenpaaren vollkommen aus und selbst zwei oder drei Schichtungen zeigen sich schon wirksam. Wendet man Saͤulen mit Platten von verschiedener Groͤße an, so ist unter sonst gleichen Umstaͤnden die entwickelte Gasmenge der Groͤße der Platten proportional, was auch, da eine Saͤule von 50 mal so großen Platten so anzusehen ist, als ob 50 Saͤulen aus kleinen Platten neben einander staͤnden, nicht wohl anders sein kann. In sehr starkem Maaße aber haͤngt die Menge des entwickel- ten Gas von der Verschiedenheit der Fluͤssigkeiten ab, mit welchen die feuchten Leiter in der Saͤule benetzt oder die Zellen des Trog- Apparates gefuͤllt sind. Je mehr diese Fluͤssigkeiten den schnellen Kreislauf des electrischen Stromes befoͤrdern, desto wirksamer zeigt sich auch in chemischer Hinsicht die Saͤule. Wenn bei Gay-Luͤs- sacs Versuchen die dem Wasser in den Zellen zugesetzte Salpeter- saͤure auf das Doppelte und Vierfache vermehrt wurde, so erhielt man immer desto mehr Gas, und so in aͤhnlichen Faͤllen. Trockene Saͤulen bringen nur sehr geringe Spuren chemischer Wirkungen hervor, weil die Langsamkeit des in ihnen seinen Kreislauf vollen- denden electrischen Stromes diese Wirkungen nicht gestattet. Andre Zersetzungen in der Schließung der Saͤule . Daß nicht das Wasser allein dieser Zersetzung unterworfen sei, ließ sich erwarten, und die Erfahrung zeigt, daß alle Salze und aͤhnliche zusammengesetzte Koͤrper aͤhnliche Zersetzungen erleiden. Fuͤllt man die Roͤhre, in welcher die Drathspitzen einander gegen- uͤber stehen, mit einer Aufloͤsung von Bleizucker (essigsaurem Blei), so erhaͤlt man schon in wenigen Augenblicken an dem Drathe des negativen Poles einen Bleiniederschlag, waͤhrend am positiven Dra- the sich, so weit es die Natur des Metalles erlaubt, die Einwir- kung der dort hervorgehenden Saͤure zeigt. Das Salz wird also zerlegt, und zwar so, daß Blei am negativen, Saͤure am positiven Pole hervorgeht. Verwechselt man die Draͤthe, so daß man den Drath, an welchem die feinen Bleispaͤnchen sich angehaͤngt haben, ohne ihn zu erschuͤttern, an das Zink-Ende der Saͤule knuͤpft, und den andern Drath dagegen an das Kupfer-Ende, so verschwindet allmaͤhlig das an jenem niedergeschlagene Blei, indem es sich in der Fluͤssigkeit aufloͤst, und ein neuer Niederschlag von Blei zeigt sich nun an dem jetzt negativen Drathe. Eben dieses Niederschlagen des Metalles erfolgt in allen aͤhnlichen Faͤllen am negativen Drathe, und der saure Bestandtheil geht dagegen zum positiven Drathe uͤber. Wenn man die beiden Roͤhren ( Fig. 114. ) mit einem durch etwas Lackmußtinctur gefaͤrbten Wasser fuͤllt, so findet man, nach- dem die Thaͤtigkeit der mit den beiden Draͤthen gehoͤrig geschlosse- nen Saͤule eine Zeit lang gedauert hat, die Faͤrbung an dem posi- tiven Drathe geroͤthet, zum Zeichen, daß alles, was von sauren Bestandtheilen in dem selten von allen Salzen ganz freien Wasser war, nebst dem bei der Zersetzung des Wassers dorthin uͤbergehen- den Oxygen, sich nach dem positiven Drathe hin begeben hat. Fuͤllt man die Roͤhren mit Veilchensyrup, der bekanntlich seine blaue Farbe in Roth verwandelt, wenn Saͤure, in Gruͤn, wenn alcalische Stoffe zu ihm gemischt werden, so sieht man am positiven Drathe die Roͤthung, am negativen Drathe das Gruͤn so hervorgehen, daß die Fluͤssigkeit in der einen Roͤhre roth, in der andern gruͤn wird, mit dem auffallendsten Gegensatze. In allen aͤhnlichen Versuchen spricht sich ganz unbezweifelt die Regel aus, daß das Oxygen und die in den Salzen enthaltenen Saͤuren mit großer Gewalt zum positiven Pole der Saͤule, der Wasserstoff, die Alcalien, die Erden, die Metalle, zum negativen Pole der Saͤule hingezogen werden. Auf dieser Zersetzung der Fluͤssigkeiten beruht auch der saure Geschmack, den man auf der Zunge am positiven Drathe, der alcalische, den man am negati- ven Drathe wahrnimmt. Diese Wirkung der Saͤule uͤberwindet die gewoͤhnlichen che- mischen Einwirkungen, wenn die Saͤule maͤchtig genug ist. Es ist bekannt, wie leicht sich Zink, Eisen und andre Metalle in ver- duͤnnter Schwefelsaͤure aufloͤsen, aber dennoch bleiben sie in dieser Saͤure unangegriffen, wenn sie sich als Leiter von dem negativen Pole her in dieser Saͤure befinden; denn da unter diesen Umstaͤn- den das etwa schon in der Saͤure aufgeloͤste Metall an diesem Pole sich metallisch niederschlaͤgt, so findet eine Sicherung des Metalles gegen Aufloͤsung offenbar statt. Am positiven Pole dagegen uͤbt eine auf das Metall ohnehin schon wirkende Saͤure eine vermehrte Gewalt aus. Chemische Wirkungen der einfachen galvanischen Kette . Aber nicht bloß an voltaischen Saͤulen zeigen sich diese chemi- schen Wirkungen, sondern selbst an einfachen galvanischen Ketten. Wenn man in eine Aufloͤsung von Kupfervitriol (schwefelsauerm Kupfer) in Wasser einen Platindrath bringt, so zeigt dieser keine Veraͤnderung; aber wenn man einen Platindrath und einen Eisen- drath nahe an einander liegend und so, daß beide sich in einigen Puncten beruͤhren, in die Aufloͤsung bringt, so belegt sich der Platindrath mit einem Ueberzuge von Kupfer. Im letztern Falle entsteht naͤmlich ein electrischer Strom, indem die positive Electri- citaͤt vom Platin zum Eisen in den Puncten, wo die metallische Beruͤhrung statt findet, und dann durch die Aufloͤsung zuruͤck zum Platin stroͤmt; das in der einfachen galvanischen Kette den nega- tiven Pol darbietende Platin zieht daher aus der Aufloͤsung das Metall an sich, statt daß die Saͤure zum Eisen oder uͤberhaupt zum positiven Metalle uͤbergeht. Ein andrer Versuch, der eben so leicht anzustellen ist, besteht in folgendem. Man troͤpfle zu einem Glase voll Wasser nur so wenig Schwefelsaͤure, daß das so wenig gesaͤuerte Wasser noch keine Wirkung zeigt, keine Luftblaͤschen hervorbringt, wenn man auch Zink oder Kupfer hineinbringt; aber nun bringe man Zink und Kupfer so, daß die eingetauchten Metalle an ihrem untern Theile von einander entfernt gehalten, oben mit den Fingern zu- sammen gedruͤckt werden, in dieses Wasser, so geht aus dem Ku- pfer ein Strom von Blaͤschen hervor, weil der jetzt vom Kupfer zum Zink, vom Zink durch das Wasser zum Kupfer zuruͤck gehende positiv-electrische Strom dem Kupfer die Eigenschaft des negativen Poles, den Wasserstoff des Wassers stark an sich zu ziehen, ertheilt, und dieser hier frei wird, waͤhrend die Saͤure und das ausgeschie- dene Oxygen sich zum Zink hinuͤberziehen. Ein schon 1792 von Fabroni bekannt gemachter Versuch, daß Zink allein im Wasser liegend sich langsamer oxydire, als Zink, das auf Kupfer oder Silber liegt, gehoͤrt ganz in eben diese Classe von Erscheinungen. Und so wie hier das Zink der Oxyda- tion in verstaͤrktem Maaße unterworfen wird, weil es unter den beiden sich beruͤhrenden Metallen dasjenige ist, welches den positi- ven Pol der electrischen Kette bildet, so kann man dagegen ein Me- tall gegen die Oxydation sichern, wenn man ein mehr positives Me- tall mit ihm in Verbindung bringt. Eisen wird in einem nur wenig gesaͤuerten Wasser oxydirt, und das Wasser zersetzt sich; bringt man aber Zink in Beruͤhrung mit Eisen in das Wasser, so bleibt das Eisen unangegriffen, weil das Oxygen sich nun dem Zink zu wendet. Sicherung des Kupferbeschlages an Schiffen . Diese Sicherung gegen Oxydation hat Davy zu einer prac- tisch vortheilhaften Anwendung benutzt. Es ist bekannt, daß man Schiffe durch einen Kupferbeschlag gegen die Seewuͤrmer zu sichern pflegt; aber dieses Kupfer wird sehr bald gruͤn und zeigt im Laufe laͤngerer Zeit eine so starke Oxydation, daß es aufgeloͤst wird, und seinen Zweck nicht mehr erfuͤllt. Da diese Oxydation hier ein Metall trifft, das ziemlich weit nach der negativen Seite steht, so schien es leicht, es durch Verbindung mit einem positiven Metalle zu sichern. Davy uͤberzeugte sich, daß die Einwirkung des Meer- wassers auf das Kupfer nur eintrat, wenn das Meerwasser nicht von Luft befreit war, daß aber diese Einwirkung voͤllig gehindert wurde, wenn man auch nur \frac{1}{150} der Kupfer-Oberflaͤche mit Eisen belegte. Bei Versuchen, die an Schiffen, welche weite Seereisen machten, angestellt wurden, fand sich, daß eine solche Armirung mit Eisenplatten, wenn diese \frac{1}{35} der Kupfer-Oberflaͤche betrugen, so maͤchtig die entgegen gesetzte Wirkung hervorbrachte, daß nun ein Niederschlag der im Meerwasser enthaltenen Erden und alca- lischen Substanzen am Kupfer statt fand. Dieser Niederschlag an dem allzu sehr in negativ-electrischen Zustand versetzten Kupfer war so bedeutend, daß der Nachtheil einer starken Ansiedelung von Seegewaͤchsen an demselben daraus erwuchs; aber diese entgegen- gesetzten Nachtheile wurden vermieden, wenn Guß-Eisen, dessen Groͤße ungefaͤhr \frac{1}{150} der Kupferflaͤche betrug, an dieser befestigt wurde, und das Guß-Eisen erhielt sich lange genug unzerstoͤrt wirksam. Eine aͤhnliche practische Anwendung dieser Kenntnisse findet bei den Leitungsroͤhren fuͤr Wasser statt. Sind diese von Blei und an ihren Zusammensetzungen mit einer Loͤthung versehen, die mehr negativ-electrisch ist, so schlagen sich in einem kalkhaltigen Wasser diese erdigen Bestandtheile in der Gegend der Loͤthungen nieder, und verstopfen die Roͤhren; man muß daher an Stellen, die man so waͤhlt, daß sie keiner Verstopfung unterworfen sind, ein noch mehr negatives Metall anbringen, damit dieses den Nieder- schlag auf sich ziehe. Davy's Untersuchungen uͤber die Gewalt, mit welcher die Zerlegung hier bewirkt wird, und uͤber das Hin- uͤberfuͤhren der Stoffe . In mehreren der angefuͤhrten Versuche zeigte sich ein Hin- uͤberfuͤhren der einzelnen Bestandtheile nach den beiden Polen der electrischen Saͤule; aber dieses Hinuͤberfuͤhren, wenn gleich schon fruͤher von Berzelius und Hisinger beachtet, ward erst durch Davy vollstaͤndig ins Licht gestellt. Eine als wichtig bekannt gemachte, aber unrichtig ausgelegte Entdeckung gab zu diesen Ver- suchen die naͤchste Veranlassung. Pacchiani naͤmlich glaubte aus vollkommen reinem Wasser am positiven Pole eine Saͤure, die er fuͤr Salzsaͤure hielt, dargestellt zu haben, und da man die Zu- sammensetzung der Salzsaͤure nicht kannte, aber sie als aus Oxy- gen und einem andern Grundbestandtheile zusammengesetzt ansah, so schien es nicht unglaublich, daß dieser zweite Bestandtheil Hy- drogen sein koͤnne, und daß die Salzsaͤure aus eben den Bestand- theilen wie das Wasser, aber in anderm Verhaͤltnisse gemischt, bestehen moͤge. Am andern Drathe zeigte sich Natron, dessen Ursprung man gleichfalls schon glaubte erklaͤren zu koͤnnen. Diese, von mehrern Physikern als richtig anerkannten Erfolge zogen Da- vy's Aufmerksamkeit auf sich. Auch er fand, wenn zwei Glas- roͤhren voll destillirten Wassers, mit Blase als leitender Substanz in Verbindung gesetzt, der Wirkung der voltaischen Saͤule aus- gesetzt waren, an dem an das positive Ende angebrachten Gold- drathe eine salpetersalzsaure Gold-Aufloͤsung, am negativen Dra- the eine Natron-Aufloͤsung, glaubte aber bald sich zu uͤberzeugen, daß hier die Salzsaͤure der thierischen Substanz ihren Ursprung verdanke, und daß das Natron aus dem Glase, welches da, wo der Drath es beruͤhrte, stark angefressen war, herruͤhre. Um diese Vermuthung zu pruͤfen, wurden zwei Achatbecher und ein Stuͤck Amianth, das zur leitenden Verbindung beider dienen sollte, mit destillirtem Wasser ausgekocht, und dann in diesen Bechern destil- lirtes Wasser mit Anwendung von Platindraͤthen der Einwirkung des electrischen Stromes ausgesetzt; da sich aber auch hier Saͤure am einen, Natron am andern Pole zeigte, so schien dieser Versuch die Meinung von der Entstehung dieser Substanzen aus dem rei- nen Wasser zu bestaͤtigen. Davy uͤberlegte indeß, daß, da sich hier lange nicht so viel Alcalisches als beim Glase zeigte, wohl selbst die kleinsten dem Achate anhaͤngenden fremden Theilchen zu einem solchen Erfolge Anlaß geben koͤnnten, und daß sich dies bei oͤfterer Anwendung derselben Becher und desselben Amianths entscheiden muͤsse, indem das reine Wasser immer gleiche Substanzen hergeben muͤsse, die am Achat zufaͤllig anhaͤngenden Theilchen aber sich erschoͤpfen wuͤrden. Wirklich nahm bei den folgenden Versuchen die Menge der alcalischen Substanz ab, da sie aber doch immer noch in einigem Maaße hervorging, und auch die Erzeugung von Saͤure fortdauerte, so schloß Davy , daß im Wasser hiezu die Veranlassung liegen moͤge, wenn gleich eine Verstaͤrkung des Er- folges als abhaͤngig von den Gefaͤßen nicht zu verkennen war. Dem reinen Wasser konnte man bei dieser Ungleichheit, die in den Ge- faͤßen ihren Ursprung hatte, die Entstehung jener Stoffe nicht wohl mehr zuschreiben; es mußte also untersucht werden, ob das destil- lirte Wasser vollkommen rein sei, und zu diesem Zwecke ward die- selbe Quantitaͤt Wasser in kleinen goldenen Gefaͤßen lange Zeit dem electrischen Strome ausgesetzt. Da sich hiebei nur eine, sehr schnell merklich werdende, aber immerfort klein bleibende Menge von Alcali zeigte, so ließ sich schließen, daß dieser Stoff in bestimm- ter Menge dem Wasser beigemischt gewesen war; und dies bestaͤ- tigte sich, als aus dem abermals langsam destillirten Wasser ein kleiner alcalischer Ruͤckstand uͤbrig blieb, das nun erhaltene destillirte Wasser aber kaum noch die leisesten Spuren eines alcalischen Stof- fes, selbst bei lange dauernder Einwirkung des electrischen Stromes, zeigte. So war die Entstehung des alcalischen Stoffes deutlich nach- gewiesen, und da ein Stuͤckchen Glas in die Goldbecherchen gelegt, unter Einwirkung des electrischen Stromes, immer wieder bedeu- tende Mengen des alcalischen Stoffes gab, da Marmor auf aͤhn- liche Art wirkte, so blieb kein Zweifel, daß die zersetzende Kraft des electrischen Stromes diese Substanz den Gefaͤßen oder den ein- getauchten Koͤrpern entreiße. Ueber die Entstehung der am positiven Pole hervorgehenden Saͤure, die bei Anwendung thierischer Substanzen zur Leitung sich als Salzsaͤure und Salpetersaͤure, ohne Anwendung jener Substanzen als Salpetersaͤure, zeigte, war hiedurch noch nichts entschieden; aber da das Wasser immer waͤhrend der Einwirkung der Saͤule atmosphaͤrische Luft absorbiren konnte, so war Davy's Vermuthung, daß der Stickstoff der atmosphaͤrischen Luft mit Sauerstoff verbunden als Salpetersaͤure dem positiven Pole zu gehe, sehr natuͤrlich, und sie fand schon darin, daß sich am nega- tiven Pole einige Spuren von Ammoniak (einer Verbindung von Stickstoff und Wasserstoff) zeigten, eine vorlaͤufige Bestaͤtigung. Vollkommen aber wurde diese Vermuthung bestaͤtigt, als die im luftleeren Raume und die in einem mit Wasserstoffgas gefuͤllten Raume angestellten Versuche keine Erzeugung von Saͤure mehr zeigten; und so war die Erklaͤrung des Versuches von Pacchiani gaͤnzlich auf laͤnger bekannte Principien zuruͤckgefuͤhrt und seine Meinung uͤber die Zusammensetzung der Salzsaͤure widerlegt. Aber diese Reihe von Versuchen hatte die wichtige Kenntniß, daß die im Wasser nicht aufloͤslichen Koͤrper dennoch von der elec- trischen Einwirkung zersetzt wuͤrden, ergeben, und diese Erfahrung weiter zu pruͤfen war Davy's naͤchstes Bestreben. Zwei Ge- faͤße aus Alabaster (schwefelsaurem Kalk) wurden mit reinem Wasser gefuͤllt und durch einen feuchten Leiter verbunden; nach einer maͤßig langen Einwirkung der voltaischen Saͤule war in dem Gefaͤße, das den negativen Drath enthielt, Kalk, in dem andern Schwefelsaͤure; vom Alabaster war also ein Theil in seine Bestandtheile zerlegt und einer dieser Bestandtheile in das eine Gefaͤß, der andre in das andre Gefaͤß hinuͤber gefuͤhrt. Zahlreiche andre Versuche zeigten eben das; aber dieses Hinuͤberfuͤhren in die Ferne verdiente noch genauer untersucht zu werden. Es wurde in dem Gefaͤße, das den positiven Drath aufnahm, destillirtes Wasser, in dem Ge- faͤße, das den negativen Drath aufnahm, eine Aufloͤsung von schwefelsaurem Kali der Wirkung der electrischen Stroͤme ausgesetzt, zwischen diesen Gefaͤßen aber ein Gefaͤß mit Wasser, das mit Lackmuß gefaͤrbt war, aufgestellt; diese Gefaͤße wurden so durch feuchte Leiter verbunden, daß der positiv-electrische Strom vom Wasser durch das gefaͤrbte Wasser zu der Aufloͤsung, der negativ- electrische Strom von der Aufloͤsung schwefelsauern Kali's durch das gefaͤrbte Wasser gehen mußte, und dennoch war nach kurzer Zeit das Wasser am positiven Drathe mit Schwefelsaͤure gemischt, ohne daß in dem gefaͤrbten Wasser sich der ganze von der Saͤure durchlaufene Weg durch eine Roͤthung der Lackmußtinctur kenntlich gemacht haͤtte; die Roͤthung fand da zuerst statt, wo das letzte Ziel des Hinstrebens der Saͤure lag, in der Naͤhe des positiven Drathes, und nach und nach erst verbreitete sich diese Roͤthung ruͤckwaͤrts weiter, aber ohne in dem Theile des Mittelgefaͤßes, der der schwefelsauern Kali-Aufloͤsung am naͤchsten war, irgend eine Veraͤnderung der Farbe hervorzubringen. Bei einem andern Ver- suche war das Mittelgefaͤß mit einer Ammoniak-Aufloͤsung gefuͤllt, aber auch hier fand keine Verbindung der durch diese Aufloͤsung gehenden Schwefelsaͤure mit derselben statt, sondern die Saͤure ward durch die Aufloͤsung hindurch gefuͤhrt. Offenbar also findet eine so unaufgehaltene Fortfuͤhrung der Saͤure nach dem positiven Pole zu statt, daß die Verbindung, in welche sie mit dem im Mittelgefaͤße enthaltenen alcalischen Stoffe einzugehen im Begriff ist, in jedem Augenblicke von Theilchen zu Theilchen wieder ge- trennt wird, und daher diese Verbindung kaum durch die geringsten Spuren kenntlich wird; und allerdings wuͤrde ja ein im Mittel- gefaͤße enthaltenes Salz seine Saͤure nach der positiven Seite ab- geben, weshalb aus gleichem Grunde das im Entstehen begriffene Salz auch in jedem Augenblicke wieder zersetzt werden muß, und die Verbindung der Saͤure mit dem alcalischen Stoffe auf keine dauernde Weise zu Stande koͤmmt. Nur in dem Falle, da das Salz, welches sich im Mittelgefaͤße nach den gewoͤhnlichen Gesetzen bilden sollte, unaufloͤslich im Wasser ist und daher sogleich bei seiner Entstehung zu Boden faͤllt, aͤndert sich der Erfolg. Wurde die Aufloͤsung von schwefelsauerm Kali am negativen Drathe, reines Wasser am positiven Drathe angebracht, und es befand sich im Mittelgefaͤße gesaͤttigtes Barytwasser, so gelangte fast nicht der kleinste Theil der Schwefelsaͤure zum positiven Drathe hin; es hatte naͤmlich die durch die Kraft der electrischen Anziehung aus der Aufloͤsung schwefelsauern Kali's ausgeschiedene Schwefelsaͤure zwar ihren Weg gegen den positiven Drath zu angetreten, aber da sie im Mittelgefaͤße Schwer-Erde antraf, mit der sie bei ihrem Eintritte in dasselbe ein zu Boden fallendes Salz bildet, so war sie aus dem electrischen Strome entfernt worden, und die Hinuͤberfuͤhrung hatte hier ihr Ende erreicht. Alle aͤhnliche Versuche hatten gleichen Er- folg, und die Natur dieser Hinuͤberfuͤhrung der Stoffe war so in das vollkommenste Licht gestellt, und auch das war noch klarer geworden, was ich schon vorhin uͤber die Wasserzersetzung und den Grund des getrennten Hervorgehens der Bestandtheile des Wassers gesagt habe. Davy hat ein gleiches Hinuͤberfuͤhren der Stoffe auch durch die gewoͤhnliche Electricitaͤt hervorgebracht, indem er den electrischen Strom einer Electrisirmaschine durch aͤußerst feine Platinspitzen in eine Aufloͤsung schwefelsauern Kali's eintreten ließ, die in zwei mit feuchtem Asbest verbundenen Gefaͤßen enthalten war; auch hier III. A a erschien Kali um die negativ-electrische, Saͤure um die positiv- electrische Spitze. Diesen Untersuchungen, die ich, weil sie so musterhaft aus- gefuͤhrt sind, etwas ausfuͤhrlicher glaubte darstellen zu muͤssen, fuͤgte Davy noch eine andre Reihe von Versuchen hinzu. Die große Gewalt, welche die Electricitaͤt in mehreren der vorigen Versuche als wirkend zur Zersetzung der Koͤrper gezeigt hatte, ließ Davy vermuthen, daß man durch sie die Bestandtheile derjenigen Koͤrper, die sich durch die bisherigen Mittel noch nicht hatten zerlegen lassen, werde kennen lernen. Aus diesem Grunde setzte er zuerst Kali, spaͤter Natron, der Wirkung stark wirkender voltaischer Saͤulen aus, und sah aus beiden am negativen Drathe glaͤnzende Metall- kuͤgelchen hervorgehen, die unter Stein-Oel aufbewahrt ihren Metallglanz behielten, an der Luft dagegen sich sogleich wieder oxy- dirten und durch diese Oxydirung in Kali im einen, in Natron im andern Falle verwandelt wurden; mit Wasser in Beruͤhrung ge- bracht zersetzten sie, wegen ihrer sehr großen Verwandtschaft zum Sauerstoff, das Wasser. Es zeigte sich also nun, daß die fuͤr unzerlegbar gehaltenen Alcalien eine metallische Basis enthalten, die aber zum Oxygen eine so große Verwandtschaft hat, daß sie sich sehr schwer davon trennen laͤßt, und sich bei jeder Gelegenheit sogleich wieder damit verbindet; diese Metalle, deren Eigenschaften Davy naͤher untersuchte, unterscheiden sich von allen andern Metallen, sie sind auch unter sich verschieden, und die verschiedenen Erd- Arten bieten aͤhnliche Grundstoffe dar. Doch die weiter fortgesetzte Reihe neuer Entdeckungen uͤber die Bestandtheile der Koͤrper kann ich hier nicht vollstaͤndiger anfuͤhren, da ich ohnehin schon fuͤrchte, bei diesem Gegenstande zu lange verweilt zu haben Davy's Untersuchungen stehen in Gilb. Ann. XXVIII. 1. 161. XXXI. 113. . Nach Davy's Meinung koͤnnten wohl diese metallischen Grundstoffe der Erden, wenn sie irgendwo in der Tiefe unoxydirt vorhanden waͤren, beim Zutritt von Wasser, durch ihre Verbindung mit dem Sauerstoff und durch die dabei eintretende Verbrennung des Wasser- stoffgas, zu Erdbeben und vulcanischen Ausbruͤchen Anlaß geben; aber diese Meinung hat keinen allgemeinen Beifall gefunden. Um die Hinuͤberfuͤhrung der Stoffe selbst zu sehen, braucht man nur eine Saͤule von 60 Plattenpaaren, etwa 4 Quadratzoll groß, mit Pappenschichten, die mit ziemlich starker Kochsalz-Auf- loͤsung befeuchtet sind, in Thaͤtigkeit zu setzen, die Draͤthe in zwei mit blauen Pflanzensafte gefuͤllte Gefaͤße zu fuͤhren, und diese mit einem Mittelgefaͤße, in welchem sich in Wasser aufgeloͤstes schwefelsaures Kali befindet, durch befeuchtete Baumwolle oder feuch- tes Papier zu verbinden; es dauert nicht so sehr lange bis die blaue Fluͤssigkeit in dem Gefaͤße am negativen Drathe vollkommen gruͤn wird, die Fluͤssigkeit am positiven Drathe sich etwas mehr geroͤthet zeigt, zum Zeichen, daß das Salz im Mittelgefaͤße zerlegt, seine verschiedenen Bestandtheile den beiden Polen zugesendet hat. Man koͤnnte auch die Aufloͤsung schwefelsauern Kali's so stellen, daß sie den positiven Drath aufnaͤhme, das Mittelgefaͤß und das den negativen Drath enthaltende Gefaͤß mit jener blauen Fluͤssig- keit fuͤllen, und die Verbindung zwischen den drei Gefaͤßen durch feuchte Leiter bewirken; dann wuͤrde man die blaue Fluͤssigkeit am negativen Drathe gruͤn werden, im Mittelgefaͤße blau bleiben sehen. Zu diesem Versuche dient, als vorzuͤglich gut die Farben- Aenderung zeigend, ein Aufguß warmen Wassers auf die recht braunen, fast rothen, jungen Blaͤtter des gewoͤhnlichen braunen Kohles. Electrochemische Theorie . Diese Erfahrungen, daß unter der Einwirkung der voltaischen Saͤule gewisse Bestandtheile der Koͤrper zum positiven Pole, andre zum negativen Pole hin gezogen werden, veranlaßten schon Davy , sogleich an die angefuͤhrten Entdeckungen eine Theorie zu knuͤpfen, welche die chemischen Verwandtschaften der Koͤrper mit den Eigen- schaften, die sie hier zeigen, in Verbindung setzt, und diese electro- chemische Theorie ist nachher von Berzelius weiter ausgebildet worden. Die electrische Kraft der Saͤule uͤberwindet die anziehende Kraft der Verwandtschaft, indem sie die sehr fest verbundenen Be- standtheile des Wassers trennt, indem sie aus den Salz-Aufloͤsun- gen die Saͤure zum einen den alcalischen oder metallischen Bestand- theil zum andern Pole hinuͤberzieht, indem sie die Schwefelsaͤure in Schwefel und Sauerstoff zerlegt, u. s. w. Je groͤßer die Ver- A a 2 wandtschaft zweier Stoffe ist, eine desto staͤrkere electrische Kraft wird auch zur Trennung erfordert, so daß die Kraft der Verwandt- schaft sich dem Grade nach als vergleichbar mit der Kraft der Elec- tricitaͤt darstellt. Die einzelnen Stoffe haben aber nicht eine un- bedingte Neigung zum einen oder andern Pole, sondern es giebt Koͤrper, die aus gewissen Verbindungen geschieden zum positiven Pole, in andern Faͤllen zum negativen Pole hingezogen werden. Der Sauerstoff geht in allen bekannten Faͤllen zum positiven Pole hin und uͤberlaͤßt alle mit ihm verbundene Koͤrper, sobald die Zer- setzung erfolgt, dem negativen Pole; andre Stoffe dagegen sind nach verschiedenen Graden bald der Hinuͤberfuͤhrung nach dem einen, bald der Hinuͤberfuͤhrung nach dem andern Pole unterworfen. Die Koͤrper zeigen sich hier also als in ihren kleinsten Theilen electrisch, und zwar so, daß sie in ihren Verbindungen einen aͤhn- lichen Gegensatz darbieten, wie es die Electromotoren in der Be- ruͤhrung thun; man kann daher nicht geradezu den einen Stoff positiv-, den andern negativ-electrisch nennen; sondern die Koͤr- per bieten eine Reihenfolge dar, in welcher der eine mehr dem negativen Ende, der andre mehr dem positiven Ende nahe steht. Der Schwefel zum Beispiel, welcher sich in der Schwefelsaͤure als der positive Koͤrper zeigt und zum negativen Pole der Saͤule hin- geht, waͤhrend der mit ihm verbundene Sauerstoff zum positiven Pole gezogen wird, muß in der Hydrothionsaͤure ganz gewiß als negativ erscheinen, weil er hier mit dem Wasserstoff, als einem dem positiven Ende der Reihe der Koͤrper viel naͤher stehenden Koͤrper verbunden ist; und so wird in allen Faͤllen der Koͤrper dem positiven Pole zugehen, der als der negative in Vergleichung gegen den andern erscheint. Nach Berzelius nimmt das Ka- lium, die metallische Basis des Kali, unter allen bekannten Koͤr- pern den aͤußersten Platz unter den positiven ein, so wie der Sauerstoff bis jetzt unbedingt als der am meisten negative Koͤrper anerkannt ist. Dieses alles veranlaßt uns, die Bestandtheile der Koͤrper, selbst in ihrer Verbindung mit einander noch als entgegengesetzt electrisch anzusehen, wo es dann begreiflich ist, daß bei einer hin- reichend starken electrischen Einwirkung auf sie, der den Umstaͤnden nach negative Bestandtheil dem positiven Pole zu geht, der positive dem negativen Pole zu. Aber auch bei dem Eingehen in chemische Verbindungen und bei den bloß auf chemischem Wege erfolgenden Zersetzungen lassen sich die Ursachen der Verbindungen auf eben die Gruͤnde zuruͤckfuͤhren. Der Sauerstoff hat ein großes Bestreben sich mit den Metallen zu verbinden, weil seine negativ-electrische Beschaffenheit bei der Beruͤhrung des Metalles, welches dagegen positiv wird, stark hervortritt; das Kalium und Natrium, als die am meisten positiven Koͤrper, sind hiezu am meisten geneigt. Die Saͤuren, weil sie ihres Oxygens wegen sich so sehr zum nega- tiven Zustande hinneigen Die Hydrogensaͤuren aus aͤhnlichem Grunde, weil Chlor zum Beispiel fast am Ende der negativen Reihe, dem Sauerstoff zunaͤchst, steht. haben eine starke chemische oder elec- trische Anziehung zu den Metallen, Erden u. s. w. Wenn diese Anziehung sehr heftig ist, wenn die chemische Verbindung mit vor- zuͤglicher Gewalt geschieht, so giebt die Vereinigung beider Elec- tricitaͤten auch hier wie in unsern, eigentlich so genannten, elec- trischen Experimenten, eine Feuer-Erscheinung, und die Entzuͤn- dungen sind der Erfolg dieses electrischen Funkens, so daß nun ein Grund erhellt, warum die mit großer Gewalt erfolgenden chemi- schen Verbindungen zu Verbrennung, zu Licht- und Waͤrme-Ent- wickelung, Anlaß geben. Findet eine Verbindung zwischen zwei Koͤrpern statt, die in der Reihe der Koͤrper nicht gar weit aus einander stehen, so trennt ein dritter, entfernter stehender Koͤrper diese Verbindung durch Wahlverwandtschaft. Blei zum Beispiel ist mit der Essigsaͤure im essigsauren Blei allerdings innig verbunden; aber wenn in eine Aufloͤsung des essigsauern Bleies im Wasser ein Zinkstab eingetaucht wird, so zeigt das Zink sich als das mehr posi- tive Metall, indem es von der Saͤure angezogen und aufgeloͤst wird, wogegen das Blei sich ausscheidet. Das Blei setzt sich hier an den Zinkstab an, und sobald nur das erste Theilchen frei gewor- den ist, bilden nun Zink und Blei eine durch die Aufloͤsung ge- schlossene einfache galvanische Kette, in welcher das Blei den negati- ven Pol darbietet, weil Blei in der Beruͤhrung mit Zink negativ- electrisch wird; wegen dieses Zustandes setzt sich ein Theilchen Blei an das andre und bildet den Bleibaum. Auf aͤhnliche Weise er- klaͤren sich die Erscheinungen, wo ein Koͤrper aufgeloͤst und der andre dafuͤr niedergeschlagen wird, indeß bleibt der Chemie hier die Erklaͤrung im Einzelnen vorbehalten, da theils die Ueber- windung der Cohaͤsionskraͤfte einen großen Theil der wirkenden Kraͤfte erfordern kann, wodurch dann die Aufloͤsung gehindert wird, theils die Einwirkung mehrerer Koͤrpertheilchen eines an sich we- niger entgegengesetzt electrischen Koͤrpers gar wohl staͤrker sein kann, als die Einwirkung weniger Theilchen eines entfernter stehenden Koͤrpers; und so kommen hier noch viele einzelne Umstaͤnde in Be- trachtung. Als Beispiel solcher Ueberlegungen theile ich nur eines mit. Wenn ein Metall in Wasser getaucht wird, so ist die An- ziehung des Wasserstoffs gegen den Sauerstoff in den Wasser- theilchen zu stark, als daß beide getrennt werden sollten und eine Wasserzersetzung entstaͤnde; aber wenn Saͤure zum Wasser kommt, so ist der Gegensatz zwischen dem gesaͤuerten Wasser und dem Me- talle verstaͤrkt, wodurch dies in Stand gesetzt wird, das Oxygen an sich zu reißen und das Wasser zu zersetzen. Diese Theorie erklaͤrt eine Menge einzelner Erscheinungen, ja sie giebt zugleich einen Aufschluß uͤber die Reihenfolge der elec- tromotorisch wirkenden Koͤrper, indem sie einen Grund uͤbersehen laͤßt, warum diejenigen Metalle die am staͤrksten positiven sind, deren Oxyde am meisten Verwandtschaft zu den Saͤuren zeigen; — diese staͤrkere Verwandtschaft zu den Saͤuren ist naͤmlich selbst durch die electro-positive Natur des Metalles bestimmt. Dagegen bleibt uns allerdings noch manches dunkel, woruͤber die sinnliche Wahrnehmung keine unmittelbare Belehrung geben kann. Die Koͤrpertheilchen sind aufs innigste verbunden und zeigen sich den- noch in entgegengesetzt electrischem Zustande, obgleich man denken sollte, es muͤßte hier eine Ausgleichung beider Electricitaͤten statt finden. Die Koͤrpertheilchen bleiben in diesem entgegengesetzten Zustande, obgleich sie im Augenblicke der Verbindung in so vielen Faͤllen durch eine Licht-Erscheinung eine theilweise Vereinigung beider Electricitaͤten zeigen. Alle Koͤrper nehmen ihren bestimm- ten Platz in dieser electrischen Reihenfolge der Koͤrper ein, und dennoch giebt es Leiter der zweiten Art, die in unsern electrischen Saͤulen keine electromotorische Wirksamkeit zeigen. — Ueber diese Schwierigkeiten hat vorzuͤglich Fechner Aufschluß zu geben ge- sucht, und seine Bemerkungen verdienen wohl erwaͤhnt zu werden. Was die Frage betrifft, warum die Bestandtheile nach der Ver- einigung so fest vereinigt bleiben, wenn auch im Augenblicke der Verbindung beide Electricitaͤten sich durch eine Feuer-Entwickelung neutralisiren; so antwortet Fechner darauf, die electromotorische Wirkung bestehe eben darin, daß ein Theil der positiven Electri- citaͤt des einen Koͤrpers sich mit einem Theile der negativen Elec- tricitaͤt des andern im Uebergange zwischen beiden neutralisire, wo dann der erstere negativ, der andre positiv zuruͤckbleibe. Diese Er- klaͤrung hat manches fuͤr sich, aber da die Theilchen nicht bloß in ihrer Verbindung entgegengesetzt electrisch sind, sondern durch eine auch nach der Trennung statt findende electrische Beschaffenheit dem Anziehen des einen oder andern electrischen Poles folgen, da sie durch ihre eigenthuͤmliche Natur zur Verbindung angetrieben wer- den, also schon eine Kraft des Anziehens vor der Vereinigung, — vermuthlich also ein entgegengesetzt electrischer Zustand — da sein muß; so scheint mir damit doch noch nicht alle Dunkelheit gehoben zu sein. In Ruͤcksicht der zweiten Schwierigkeit, daß die fluͤssigen Leiter in der voltaischen Saͤule nicht electromotorisch wirken, da doch vorzuͤglich die, welche eine starke chemische Wirkung zeigen, nach der electro-chemischen Theorie einen recht starken electromo- torischen Gegensatz zeigen sollten, bemerkt Fechner folgendes. Die Fluͤssigkeiten zeigen sich in der Saͤule darum nicht als Electro- motoren, weil bei der Beweglichkeit ihrer Theilchen ein Hinuͤber- fuͤhren der Bestandtheile nach beiden Polen statt findet. Moͤchte naͤmlich auch zum Beispiel eine gesaͤuerte Fluͤssigkeit im Ganzen negativ werden an dem Metalle, so wird doch gewiß der am mei- sten negative Bestandtheil gegen das positive, der am meisten po- sitive Bestandtheil gegen das negative Metall gezogen, und so folgt jener dem positiven Strome und befoͤrdert ihn, statt daß der andre dem negativen Strome folgt und ihn befoͤrdert, ohne daß es dabei darauf ankommt, welche electromotorische Wirkung der fluͤssige Koͤr- per, wenn man ihn von der Beweglichkeit seiner Theile befreien koͤnnte, ausuͤben wuͤrde. Diese Ansicht hat das fuͤr sich, daß sie zeigt, wie die chemische Einwirkung der Fluͤssigkeit zu einer Be- dingung der Thaͤtigkeit der Saͤule wird, obgleich in den Elec- tromotoren selbst der eigentliche Grund der electrischen Stroͤme liegt; die von Volta entdeckte Differenz des electrischen Zustandes beider Metalle ist die Ursache des Hinuͤberfuͤhrens der Stoffe, und dieses macht ferner den durch die ganze Saͤule gehenden electrischen Strom moͤglich, indem da, wo keine Hinuͤberfuͤhrung eintritt, keine wirksame Kette gebildet werden kann. Einige Bemerkungen, die ich kuͤnftig anfuͤhren werde, geben dieser Ansicht noch mehr Befestigung. Diese Aufklaͤrung uͤber einen schwierigen Punct der Theorie der Saͤule vermindert wenigstens die Schwierigkeit, wenn sie sie auch nicht voͤllig hebt. Fuͤr die trockne Saͤule, in welcher Koͤrper, deren Theile uns unbeweglich erscheinen, die Leiter der zweiten Art darstellen, paßt jene Erklaͤrung nicht, und doch waͤre es wohl gewagt, bei ihr ein andres Erklaͤrungsprincip anzunehmen. Man hat ein solches angenommen, und Davy selbst deutete darauf hin, naͤmlich daß die Zwischenschichten zwischen den Electromotoren, als Halbleiter, isolirend fuͤr so schwache Electricitaͤten wirken, und daß daher in der zweiten Zinkschichte durch Vertheilung mehr positive Electricitaͤt, unter dem Einflusse des durch die Zwischenschichte ge- trennten negativen Kupfers, condensatorisch hervorgerufen werde; aber diese Theorie scheint unzulaͤssig, da dann dickere Zwischen- schichten aus jenen Halbleitern gebildet, viel nachtheiliger der Ver- staͤrkung der Saͤule entgegen wirken muͤßten, als es nach den Er- fahrungen der Fall ist. Ich verlasse diese schwierigen Gegenstaͤnde, zu denen ich noch bei einer andern Gelegenheit zuruͤckkehren muß, und fuͤge jetzt noch einige merkwuͤrdige Erscheinungen hinzu, die bei den chemischen Wirkungen der Saͤule vorkommen. Besondere chemische Wirkungen . Nobili's electro- chemische Figuren . Unter den zahlreichen Merkwuͤrdigkeiten, welche die Zersetzun- gen und Verbindungen unter dem Einfluß der electrischen Stroͤme darbieten, will ich hier nur eine erwaͤhnen. Wenn man in Aufloͤsungen von Metallsalzen die beiden Polar- draͤthe einander gegenuͤber stellt, so haͤngt sich in vielen Faͤllen das Metall in Blaͤttchen, die sich an einander ansetzen, in andern mehr ohne bestimmte Form an, und die Oxydirung am andern Drathe oder die Verbindung des dortigen Metalls mit Saͤuren zeigt sich gegen die Spitze zu ohne besonders merkwuͤrdige Bildung. Bringt man dagegen einem Metalldrathe, am besten einem sehr fein gespitz- ten, gegenuͤber eine schoͤn polirte Metallplatte an, so zeigen sich in vielen Faͤllen die schoͤnsten farbigen Kreise, die von ihrem Entdecker Nobili die nobilischen Figuren heißen. Nobili hat zahlreiche einzelne Faͤlle untersucht und die Erfolge angegeben; ich werde mich begnuͤgen, einige wenige zu erzaͤhlen. Wenn man eine Saͤule von etwa 12 Plattenpaaren mit einer nicht allzuschwach wirkenden salzigen Fluͤssigkeit aufbauet, und den Drath des negativen Poles mit einer Platinplatte in Verbindung setzt, die mit einer Schichte in Wasser aufgeloͤsten Bleizucker bedeckt ist, dann aber die Spitze des vom negativen Pole kommenden Dra- thes in diese Aufloͤsung taucht, so daß die Spitze nur ½ oder 1 Linie vom Platin entfernt ist, so bilden sich in wenigen Augenblicken die schoͤnsten Farbenkreise um den Mittelpunct, gegen welchen hin der Drath in unverruͤckter Lage festgehalten wird. Die Farbenfolge ist: In der Mitte eine dunkle Flaͤche mit drei violetten und gruͤnen Ringen umgeben, dann zwei Ringe, die vom Violett zu innerst zu Roth, Gelb, Gruͤn, Blau, Violett uͤbergehen, ferner ein Ring, wo nach dem Roth und Gelb, Weiß und dann Blau, Violett folgt, endlich noch ein sehr mit Violett gemischtes Roth und dann Orange. Die aͤußern Farbenfolgen nehmen viel mehr Raum ein, als die innersten Ringe. Dieses Experiment ist wegen der Sicherheit und Schnellig- keit, mit welcher es auf polirtem Platin gelingt, vorzuͤglich ange- nehm; und wenn man keine Platinplatte hat, so dient die Ober- flaͤche der mit einem sehr duͤnnen Platin-Ueberzuge versehenen Porcellangefaͤße sehr gut dazu. Mehr Zeit fordert ein gleicher Ver- such auf polirtem Silber, wo uͤbrigens, wenn man den electrischen Strom lange genug auf denselben Punct gehen laͤßt, Ringe von aͤhnlicher Farbenfolge, doch nicht so uͤberaus schoͤn wie im vorigen Falle, hervorgehen. Bei den letztern ist merkwuͤrdig, daß sie durch das vom hellen Himmel reflectirte Licht andre Farben zeigen, als wenn man sie in einer Richtung sieht, wohin jene reflectirten Strahlen nicht gelan- gen. Eben jene Aufloͤsung giebt auch auf polirtem Stahl Farben- ringe. Auf positivem Silber gehen auch, wenn es sich unter einem recht stark gefaͤrbten Aufguß von braunem Kohl befindet, schoͤn gefaͤrbte Ringe hervor. Auf Stahl habe ich dagegen diese nicht erhalten koͤnnen. Diese Ringe sind genau concentrische Kreise, wenn die Wir- kung regelmaͤßig statt gefunden hat. Sie finden sich in zahlrei- chern Faͤllen schoͤn ausgebildet, wenn die Metallplatte positiv ist, aber auch das negative Metall giebt, (zum Beispiel wenn Silber unter der Aufloͤsung essigsauern Kupfers liegt) in einigen Faͤllen schoͤne Ringe. Ohne Zweifel entstehen sie durch hoͤchst duͤnne Schich- ten eines Koͤrpers, der sich auf dem Metalle ansetzt oder der mit Huͤlfe dieses Metalles selbst entsteht, und sind folglich wohl mit dem Anlaufen des Stahles zu vergleichen. Aber was bei dem fuͤr Essigsaͤure und andre Saͤuren unangreifbaren Platin diese Veraͤn- derungen hervorbringt, weiß ich nicht zu erklaͤren. Ganz diesen Erscheinungen auf negativen Metallen verwandt ist diejenige Erscheinung von Farbenringen, die man erhaͤlt, wenn man auf Platin oder Silber eine Aufloͤsung des schwefelsauern Kupfers in Wasser gießt und das Metall mit einer Zinkspitze in der Aufloͤsung beruͤhrt. Es entstehen sogleich um den beruͤhrten Punct Ringe, die offenbar auch hier von der Wirkung einer gal- vanischen einfachen Kette abhaͤngen, in welcher das die Ringe dar- bietende Metall das negative ist. In den Ringen tritt Kupferroth und Gelb besonders hervor. Offenbar ist es hier niedergeschlagenes Kupfer auf dem negativen Metalle, das sich besonders in der Mitte sehr fest mit dem Silber vereinigt. Ungleiche Anziehungswirkungen der positiv und nega- tiv geladenen Leiter . Noch eine Erfahrung, die mit den bisher abgehandelten Ge- genstaͤnden in Verbindung steht, will ich hier zum Schlusse an- fuͤhren. Man hatte ehmals einen, unter andern von Cuthbert- son angefuͤhrten, Versuch mit der Electrisirmaschine als sehr ent- scheidend fuͤr die franklinische Theorie angesehen, der so angestellt wird, daß man der Kugel des positiv geladenen electrischen Leiters A gegenuͤber eine andre Kugel B mit Ableitung zur Erde ( Fig. 120. ) aufstellt, und zwischen beide eine Lichtflamme C bringt. Diese wird nach der negativen Seite hinuͤber gezogen, belegt die Kugel B mit Ruß und erhitzt diese weit staͤrker, als die positive Kugel A. Der Schluß schien natuͤrlich, daß hier die, nach Franklins Meinung, einzige electrische Materie von A nach B stroͤme und die Flamme mit sich fortreiße. Aber dieser Schluß ist von Brande sehr bestimmt widerlegt worden, indem die Phosphorflamme gerade die entgegengesetzten Phaͤnomene zeigt. Statt also hier von dem kenntlichen Hinuͤberstroͤmen der electrischen Materie zu reden, muß man aus diesen Versuchen schließen, daß die im Brennen des Phosphors entstehende Phosphorsaͤure von dem positiv-electrischen Koͤrper angezogen wird, und dies auch bei benzoesaurem Dampfe und in andern Faͤllen statt findet, daß dagegen die aus Wasserstoff und Kohlenstoff bestehenden Flammen, vorzuͤglich die des Camphers, von dem negativ-electrischen Koͤrper angezogen werden, welches auch deutlich bei der Flamme des Kalium der Fall war. Drei und zwanzigste Vorlesung. Die chemischen Wirkungen der Saͤule fuͤhren zu einer so mannigfaltigen Reihe von Untersuchungen, daß es mir nicht allein unmoͤglich sein wird, diese erschoͤpfend darzustellen, sondern es sogar schon schwierig scheint, das Wichtigste in einer fuͤr alle einzelne Gegenstaͤnde recht passenden Anordnung mitzutheilen. Indeß werde ich suchen, diejenige Anordnung zu waͤhlen, welche die Uebersicht am meisten erleichtert. Chemische Wirkungen in der Saͤule selbst . Daß auch die Fluͤssigkeiten, die sich zwischen den Schichtungen der Saͤule selbst befinden, eine Zersetzung erleiden muͤssen, laͤßt sich leicht einsehen. Sobald naͤmlich die Saͤule geschlossen ist, be- findet sich jede feuchte Zwischenschichte, sie sei nun als Befeuchtung eines lockern Koͤrpers in der aufgebauten Saͤule, oder sie sei voͤllig fluͤssig in den Zellen des Trog-Apparates zwischen den Metall- platten enthalten, in dem positiven und negativen electrischen Strome, wo also die Saͤuren und das Oxygen dem positiven Me- talle zugefuͤhrt werden, der Wasserstoff und die Alcalien dem ne- gativen Metalle. Vermoͤge dieser Zersetzung wird die Oxydirung des Zinkes und seine Verbindung mit den Saͤuren, die schon durch gewoͤhnliche chemische Wirkung eintreten wuͤrde, in hohem Grade befoͤrdert, und auch die Kupfer-Oberflaͤche leidet durch die ihr zu- gefuͤhrten Stoffe Veraͤnderungen. Jene Aufloͤsung des Zinkes in der Feuchtigkeit der Zwischenschichten bringt als entferntern Erfolg ein Hindurchgehen des Zinks durch diese und einen Zinkniederschlag auf dem Kupfer hervor, indem sich auch in Beziehung auf dieses in der Fluͤssigkeit der Zwischenschichten neu aufgeloͤste Metall die zersetzende Kraft der electrischen Stroͤme und das Hinuͤberfuͤhren des Metalles nach der negativen Seite aͤußert. Diese sichtbaren Veraͤnderungen schwaͤchen nun in hohem Grade die Wirksamkeit der Saͤule, und dies scheint davon abzuhaͤn- gen, daß sie theils die Zinktheile auf dem Kupfer niederlegen und so dem an beiden Seiten, wenn auch nur theilweise, mit Zink in Beruͤhrung gesetzten Kupfer seine electromotorische Wirksamkeit rauben, theils in die Stroͤmungen der hinuͤbergefuͤhrten Theilchen, die zu Unterhaltung der electrischen Stroͤme wesentlich sind, eine Stockung bringen, theils andre Stoffe erzeugen und die Leitung der electrischen Stroͤme in der geschlossenen Kette hindern. Aller- dings liegen hierin Gruͤnde fuͤr eine Schwaͤchung der Wirkung, aber da diese Schwaͤchung schon weit eher in bedeutendem Grade eintritt, ehe die Veraͤnderungen sich stark genug zeigen, denen man eine merklich verminderte electromotorische Wirkung beilegen koͤnnte, so haben sich an die Beobachtungen uͤber diese abnehmende Kraft der Saͤule wichtige Einwuͤrfe gegen Volta's Theorie an- geschlossen. Absorption von Sauerstoffgas . Diese Einwuͤrfe fanden eine neue Stuͤtze darin, daß die Wirksamkeit der electrischen Saͤule ohne Zutritt des Sauerstoffgas gar nicht statt zu finden scheint. Die geschlossene Saͤule absorbirt das Sauerstoffgas, und wenn sie sich in einem eingeschlossenen Raume befindet, so hoͤrt ihre Wirksamkeit ganz auf, wenn alles Sauerstoffgas verzehrt ist, und ihre Wirksamkeit erneuert sich wie- der, wenn man einen Vorrath von Sauerstoffgas wieder in die umgebende Luft hineinbringt. Um dieses zu zeigen, hat man nur noͤthig, uͤber eine voltaische Saͤule, die mit salzigem Wasser auf- gebaut ist, und auf einer Unterlage in einem mit Wasser gefuͤllten Teller steht, nachdem ein Schließungsdrath zu Verbindung beider Pole angebracht ist, ein cylindrisches Glas, das durch die Saͤule großen Theils ausgefuͤllt wird, zu stuͤrzen, damit die die Saͤule umgebende Luft voͤllig abgesperrt sei. Man findet dann, daß nach einigen Stunden das Wasser in dem Glase aufgestiegen, die Luft also vermindert ist; in laͤngerer Zeit erreicht diese Absorption ihr Ziel, und wenn man dann die noch uͤbrige Luft untersucht, so findet man sie ihres Sauerstoffs beraubt. Wenn man die Ein- richtung so gemacht hat, daß sich am Schließungsdrathe ein zur Wasserzersetzung dienendes Roͤhrchen befindet, das die Enden der Schließungsdraͤthe aufnimmt, so bemerkt man, daß die Wasser- zersetzung aufhoͤrt, wenn das Sauerstoffgas der umgebenden Luft verzehrt ist, daß sie aber wieder anfaͤngt, wenn man neues Sauer- stoffgas in das die Saͤule bedeckende Gefaͤß gelangen laͤßt, wogegen Hydrogengas und andre keinen Sauerstoff enthaltende Luft-Arten keine Verstaͤrkung der Wirkungen der geschlossenen Saͤule hervor- bringen. Die Absorption des Sauerstoffs ist bei kleinplattigen Saͤulen, oder eigentlich bei Saͤulen, deren der Luft ausgesetzte Oberflaͤche in Vergleichung gegen den Querschnitt groͤßer ist, bedeu- tender. Die Ursache dieser Absorption, so wie der eigentliche Grund ihres Erfolges in Beziehung auf die Wirksamkeit der Saͤule, ist noch nicht voͤllig aufgeklaͤrt; doch kommen wir noch auf mehrere sich hieran anschließende Erfahrungen. Einwuͤrfe gegen die voltaische Theorie . Diese offenbare Abhaͤngigkeit der Wirkung der Saͤule von der Gegenwart des Oxygen hat zu mehreren Einwuͤrfen gegen die Theorie Volta's Veranlassung gegeben. Es bietet sich naͤmlich allerdings die Frage dar, ob nicht, da die Entstehung und Fort- dauer des electrischen Stromes so deutlich an die chemische Einwir- kung der Fluͤssigkeit auf die Platten geknuͤpft ist, diese chemische Einwirkung als der erste Ursprung aller hier vorkommenden Er- folge anzusehen sei. Unter allen, die sich fuͤr diese Ansicht zu erklaͤ- ren geneigt waren, ist wohl niemand weiter gegangen als de la Rive , welcher geneigt ist, selbst den voltaischen Fundamental- versuch als von chemischen Bedingungen abhaͤngend anzusehen. Parrots Einwuͤrfe, die auf der Meinung beruhen, daß dieser Fundamentalversuch uͤberhaupt nicht eine eigenthuͤmliche Ent- stehungs-Art der Electricitaͤt nachweise, uͤbergehe ich, da es jetzt nicht mehr moͤglich ist, irgend noch daran zu zweifeln, daß bei trockner Beruͤhrung von Zink und Kupfer Electricitaͤt auf die fruͤher schon angegebene Weise hervorgehe. Aber de la Rive bemerkt, die Beruͤhrung des Fingers und die Einwirkung der atmosphaͤrischen Luft koͤnne wohl auf die allerdings hervorgehende Beruͤhrungs- Electricitaͤt Einfluß haben, und seine Versuche, glaubt er, zeigen, daß in Hydrogengas der voltaische Versuch nicht gelinge. Da de la Rive die Beruͤhrung der Hand an den Metallen vermeiden wollte, so bediente er sich einer hoͤlzernen Zange, also eines, da diese nicht feucht sein durfte, sehr unvollkommenen Leiters, und hierin lag wohl die Ursache, warum er eine schwache oder gar keine Electricitaͤt bei der Beruͤhrung der beiden Metalle erhielt. Pfaff und Becquerel haben eben die Versuche so angestellt, daß weder die Hand noch die atmosphaͤrische Luft einwirken konnte, und haben dennoch am Condensator eben die Anzeigen von Electricitaͤt erhal- ten, die Ihnen schon bekannt sind. Becquerel naͤmlich be- diente sich eines Condensators, dessen eine Platte sorgfaͤltig ver- goldet war, so daß hier Gold statt des Kupfers angewandt wurde; die zweite Condensatorplatte bestand zwar aus Zink, sie war aber der Einwirkung der Luft und der feuchten Hand dadurch entzogen, daß sie an allen Seiten vollkommen mit Firniß uͤberdeckt war, und nicht sie, sondern nur ein an sie angeloͤthetes Platinstaͤbchen beruͤhrt wurde. Hier waren also Gold und Platin die beiden Me- talle, die bei der Ladung des Condensators beruͤhrt wurden, — beides Metalle, die gewiß der Oxydation so wenig ausgesetzt sind, daß niemand ihrer Oxydation waͤhrend der Beruͤhrung die Wir- kungen zuschreiben wird, die sich hier darbieten. Und dennoch erhielt hier die vergoldete Condensatorplatte eine negative Ladung, wenn man, waͤhrend die Zinkplatte sich auf der untern Conden- satorplatte aufgesetzt befand, das Platinstaͤbchen mit der Erde in leitende Verbindung setzte, und dann nach gehoͤriger Ladung des Condensators die obere Condensatorplatte hob; also hatte die Zinkplatte, durch die in der Loͤthung statt findende Beruͤhrung des Platins, positive Electricitaͤt angenommen, obgleich die Zinkplatte nirgends der Luft ausgesetzt war. Pfaff stellte den voltaischen Versuch in einer Glocke an, die mit Wasserstoffgas oder andern Luft-Arten gefuͤllt war; zwei durch luftdichte Fassungen in diesen innern Raum der Glocke hinein reichende Handgriffe waren so ein- gerichtet, daß der eine zum Laden des Condensators, der andre zum Abheben der obern Platte diente. Die eine Platte des Con- densators bestand aus Zink, die andre aus Kupfer und die Ladung geschah dadurch, daß ein Kupferdrath mit der obern und untern Platte zugleich, vermittelst des aus der Glocke hervorreichenden Handgriffes, in Beruͤhrung gesetzt, nachher aber entfernt wurde; waͤhrend der Beruͤhrung mußte die Zinkplatte positive Electricitaͤt von der untern Platte erhalten, wie wir es nach Volta's An- sicht immer gefunden haben, und die untere Platte mußte, nach dem Aufheben der oberen, sich negativ zeigen, und dieses fand sich auch wirklich so, es mochte die den Condensator umgebende Luft feucht oder trocken sein, und Oxygen enthalten oder nicht. So kann dieser Einwurf also wohl als gehoben angesehen werden, und die Entstehung der Contact-Electricitaͤt zeigt sich als unabhaͤngig von der Gegenwart des Oxygen. Schwieriger ist die Beantwortung der Frage, wie die Ent- stehung und Unterhaltung des electrischen Stromes in der geschlos- senen Saͤule an die Oxydirung der Metallplatten geknuͤpft sei, und ob sie so daran geknuͤpft sei, daß diese als ein wesentliches Erforderniß muͤsse angesehen werden. Um hieruͤber etwas zu ent- scheiden, hat schon Davy eine Reihe von Versuchen angestellt, die ich bald nachher anfuͤhren werde; hier begnuͤge ich mich, fol- gende zwei Arten von Versuchen anzugeben. Wenn die Wirk- samkeit der Saͤule von der oxydirenden Einwirkung als der we- sentlichen Ursache abhinge, so muͤßten die am staͤrksten ange- griffenen Platten nach dem Maaße dieser Veraͤnderung auch auf einerlei Weise den electrischen Strom hervorbringen, das ist aber nicht der Fall, wie folgender Versuch von Ohm zeigt. Wenn man in einer gebogenen Roͤhre den untern gekruͤmmten Theil mit Asbest, der mit verduͤnnter Salpetersaͤure befeuchtet ist, aus- fuͤllt, damit die Fluͤssigkeiten in beiden Schenkeln zwar in leitender Verbindung stehen, aber doch nicht zu einander uͤbergehen koͤnnen, wenn man dann den einen Schenkel mit verduͤnnter Salpetersaͤure, den andern mit einer ganz gesaͤttigten Aufloͤsung von Zink in Salpetersaͤure fuͤllt; so ist es bekannt, daß Kupfer in jene einge- taucht aufgeloͤst wird, waͤhrend Zink in die letztere eingetaucht, we- gen der vollkommenen Saͤttigung, gewiß nicht angegriffen wird; dennoch aber entsteht, wenn Zink und Kupfer durch einen metalli- schen Leiter in Verbindung gesetzt werden, und das Kupfer in die verduͤnnte Saͤure, das Zink in die gesaͤttigte Zink-Aufloͤsung ge- taucht wird, eben der electrisch-positive Strom vom Kupfer zum Zink, wie wir ihn sonst zu finden gewohnt sind. Ganz aͤhnliche Versuche von Berzelius , Marianini u. a. beweisen dasselbe. Eine andre Art von Beweis gegen die Oxydationstheorie geben Versuche von Fechner , in welchen eben so wie in den eben angefuͤhrten der Multiplicator, dessen Einrichtung ich erst spaͤter beschreiben kann, angewandt ward, um die Richtung und Staͤrke des electrischen Stromes zu bestimmen. Wenn man in einen Trog-Apparat eine Anzahl Plattenpaare so einsenkt, daß sie dem Gesetze der Saͤule gemaͤß in gleicher Ordnung fortgehen, aber nun eine eben so große Anzahl entgegengesetzt geordneter Plattenpaare hinzufuͤgt; so muͤssen diese, wenn man sie als eine einzige zusam- menhaͤngende Reihe behandelt Naͤmlich so, daß Zink, Kupfer, Wasser; Zink, Kupfer, Wasser; Kupfer, Zink, Wasser; Kupfer, Zink, Wasser, die Reihen bilden. und eine Schließung anbringt, gewiß ohne alle Wirkung sein, wenn man sie gleich tief in die Fluͤssigkeit einsenkt; dagegen sollte man nach der Oxydationstheorie erwarten, daß die sich gegenseitig voͤllig zerstoͤrende Gleichheit der Wirkung aufhoͤre, wenn die nach der einen Richtung geordnete Folge tiefer als die entgegengesetzt geordnete eingetaucht wird; aber dieses ist nicht der Fall, sondern es entsteht auch dann kein electri- scher Strom. Nach Volta's Theorie ist das ganz richtig, in- dem zehn Schichtungen Kupfer, Zink, feuchter Leiter einen zehnfach verstaͤrkten electrischen Strom nach der einen Richtung hervorbrin- gen sollten, dem aber der zehnfach verstaͤrkte electrische Strom von der entgegengesetzten Seite her das Gleichgewicht haͤlt, auch wenn dort die Groͤße der Platten oder ihres befeuchteten Theiles eine andre ist. Nach dieser Theorie steht die Wirkung der groͤßern und kleinern Platten sich so gegenuͤber, wie in der Hydrostatik der Druck des Wassers in einer weiten und in einer engen Roͤhre, wo die Hoͤhe des Wassers dieselbe ist. Eben dieses Gleichgewicht besteht auch noch, wenn eine der entgegengesetzten Reihen von Platten- paaren in Wasser, die andre in ein mit Salzsaͤure gesaͤuertes Wasser getaucht ist; aber hier besteht das Gleichgewicht nur kurze Zeit, und sehr bald wirkt die Saͤure schwaͤcher, (gegen die Ansicht der Oxydationstheorie), welches gewiß davon herruͤhrt, daß die veraͤn- derte Oberflaͤche der Metalle in der Saͤure eine Verminderung der electromotorischen Thaͤtigkeit zur Folge hat. Dies wird zur Widerlegung der Ansicht, daß der electrische Strom sich nach dem Maaße der staͤrkern oxydirenden Einwirkung auf die Zink-Oberflaͤche bestimme, wohl zureichen. Auf andre Betrachtungen, die sich hieran anschließen, komme ich noch wieder zuruͤck. Voltaische Saͤule aus zwei fluͤssigen und einem festen Koͤrper . An diese Untersuchungen uͤber den Zusammenhang der chemi- schen Wirkungen auf die Plattenpaare mit den electrischen Erschei- nungen der Saͤule knuͤpfen sich andre Versuche Davy's , die hier angefuͤhrt zu werden verdienen. Davy machte bei dem Auf- bauen einer Saͤule von Gold und Silber die Bemerkung, daß, wie sich erwarten ließ, diese Saͤule wenig Wirkung that, wenn Wasser der feuchte Leiter war; weil jene zwei Metalle in der Reihe der Electromotoren einander zu nahe stehen; aber wenn Salpetersaͤure als feuchter Leiter diente, so brachte diese Saͤule viel groͤßere Wir- kungen hervor. Davy sah diesen Versuch zuerst als der Oxyda- tionstheorie guͤnstig an, weil die starke Wirkung der Salpetersaͤure auf Silber und die geringe Wirkung auf Gold hier den Gegensatz zu bewirken schien; da er aber nachher von dieser Ansicht zuruͤck- gekommen ist, so will ich nur die Schluͤsse, die wichtiger sind, hier III. B b ausheben. Eine Saͤule, worin die feuchten Schichten theils mit Wasser, theils mit Salpetersaͤure benetzt waren, gab, wenn man Zinn unten, dann Salpetersaͤure, dann Wasser, auf einander schich- tete und so die Saͤule fortbaute, dann aber von der obern und untern Schichte die Schließungsdraͤthe in eine Roͤhre mit Wasser leitete, am untern Drathe Oxygengas, am obern Hydrogengas; es war also von der Saͤure zum Zinn ein positiver Strom entstanden, der die angegebenen Wirkungen hervorbrachte, und es ließ sich dies so ansehen, als ob Saͤure und Metall in eine electromo- torische Thaͤtigkeit gesetzt waͤren, wobei die Saͤure negativ, das Metall positiv wird. Diese Ansicht wurde durch die Beruͤhrung der Metalle an trockene Saͤuren, Boraxsaͤure, Sauerkleesaͤure u. s. w. bestaͤtigt; Kupfer, mit diesen in Beruͤhrung gebracht, wird positiv, wogegen die Saͤure negativ gefunden wird. Die entge- gengesetzte Wirkung zeigen die alcalischen Stoffe und der Schwefel- wasserstoff, der in dieser Hinsicht jenen aͤhnlich ist. Es sei ein voltaischer Becher-Apparat, in welchem Wasser im einen und eine alcalische Fluͤssigkeit im andern Becher und so fort abwechselnd sich in den Bechern befinden, aufgestellt; der erste Becher sei mit dem zweiten durch einen feuchten Leiter, der zweite mit dem dritten durch ein Metall, der dritte mit dem vierten durch einen feuchten Leiter, der vierte mit dem fuͤnften durch ein Metall verbunden, u. s. w.; dann wird der positiv-electrische Strom vom Metalle zu der alca- lischen Fluͤssigkeit uͤbergehen und der so angeordnete galvanische Apparat seine Wirksamkeit zeigen. Hier zeigen also auch Fluͤssig- keiten eine electromotorische Thaͤtigkeit auf ganz bestimmte Weise. Mit diesen Versuchen stimmen spaͤtere, welche an der ein- fachen galvanischen Kette mit Huͤlfe des electromagnetischen Multi- plicators angestellt sind, uͤberein. Wenn man Platin an der einen Seite mit einer in Kali-Aufloͤsung getraͤnkten Pappscheibe, an der andern mit einer in Saͤure getraͤnkten Pappscheibe in Verbin- dung setzt, so wird, wenn ein Leitungsdrath jene feuchten Scheiben verbindet, der positive Strom vom Metalle zum Kali und von der Saͤure zum Metalle gehen; oder wenn man jene zwei befeuchteten Scheiben K (Kali), S (Saͤure) ( Fig. 115. ) auf einander legt und die oberhalb und unterhalb liegenden Platinscheiben durch den Leitungsdrath verbindet, so geht der Strom so wie die Figur an- zeigt, naͤmlich vom Metalle zum Kali, von der Saͤure zum Metalle. Daß diese Einwirkung der fluͤssigen Koͤrper nun gar wohl eine Aenderung in der durch die zwei Metalle hervorgebrachten Richtung des Stromes bewirken koͤnne, ist einleuchtend. Eisen und Kupfer, die sich als Electromotoren einigermaßen nahe stehen, bringen bei der Beruͤhrung einen nur schwachen electrischen Strom, wo der positive Strom vom Kupfer zum Eisen geht, hervor; dieser Strom zeigt sich bei Saͤulen, die mit Wasser oder mit Aufloͤsun- gen von Neutralsalzen aufgebauet sind, diesem Gesetze gemaͤß; aber wenn man die Saͤule mit gesaͤttigter Kalilauge oder mit liquider Schwefelleber aufbauet, so hat der Strom die entgegengesetzte Rich- tung, weil nun der vom Kupfer zum Kali gehende Strom ohne Zweifel maͤchtiger als der vom Kupfer zum Eisen und vom Eisen zum Kali gehende Strom ist. Daß uͤbrigens hiebei der fluͤssige Leiter immer so fern, als seine Theile beweglich sind, in einer an- dern Weise seine Wirksamkeit ausuͤbt, als feste Leiter, brauche ich nicht zu erwaͤhnen. Widerstand der Leitung des Stromes . Wir haben bisher den Ursprung des electrischen Stromes ken- nen zu lernen gesucht, und ihn dem Wesentlichen nach immer als von der electromotorischen Wirksamkeit der Koͤrper abhaͤngig gefun- den; aber wir muͤssen auch nach den Hindernissen fragen, die sich diesem Strome entgegensetzen, und die Betrachtung derselben wird uns noch einige Huͤlfsmittel zur Aufklaͤrung der noch uͤbrigen Dunkelheiten gewaͤhren. Daß der electrische Strom, weder in der Saͤule selbst, noch im Schließungsdrathe, so fortgeleitet wird, daß man diese Leitung als durchaus ungehindert ansehen koͤnnte, ist schon oͤfter erwaͤhnt worden, und laͤßt sich bei minder guten Schließungsleitern, z. B. wenn die Schließung durch eine laͤngere Wassermasse bewirkt wird, daran erkennen, daß da die Enden der Saͤule und die ihnen zunaͤchst liegenden Theile des leitenden Was- sers eine deutliche Ladung zeigen. Da nun auf dem schnellen Fort- stroͤmen des electrischen Stromes ein großer Theil der Wirkungen beruht, so ist es wichtig, die Hinderungen dieses Fortstroͤmens ken- nen zu lernen. Bb 2 Daß in der Saͤule selbst immer, sie sei nun in Form der Saͤule aufgebauet oder in einem Trog-Apparate angeordnet, ein Widerstand statt finde, davon kann man sich durch Versuche leicht uͤberzeugen. Wenn man naͤmlich die Kraft des electrischen Stro- mes durch passende Mittel abmißt Dieses geschieht am besten durch die electromagnetischen Wir- kungen; aber auch die Menge des bei der Wasserzersetzung entwickelten Gas kann einigermaßen dazu dienen. , so findet man sie abnehmend, wenn man den Abstand der Platten von einander im Trog-Ap- parate vermehrt, und es ergiebt sich daraus ein Mittel, den ungleich großen Leitungswiderstand verschiedener Fluͤssigkeiten zu vergleichen, wenn man durch weitere Abstaͤnde in der besser leitenden Fluͤssig- keit Gleichheit der Wirkung mit der naͤhern Stellung in der schlechter leitenden Fluͤssigkeit hervorbringt. Diese Versuche, wo der Abstand der Platten im Trog-Ap- parate geaͤndert wird, zeigen, daß der Widerstand einer bestimmten Fluͤssigkeit diesem Abstande proportional ist. Dieser Widerstand zeigt sich bei groͤßern Platten minder wirksam als bei kleinern, und ist bei kleinern Platten alsdann bedeutender, wenn die fluͤssige Masse nur eben den Durchschnitt hat, wie die Platten selbst. Dieser eigentliche Leitungswiderstand der Fluͤssigkeiten laͤßt sich auch da- durch bestimmen, daß ein fluͤssiger Koͤrper einen Theil des Schlie- ßungsleiters ausmacht. Die fluͤssigen Koͤrper leiten sehr ungleich. Wasser ist ein sehr schlechter Leiter, dessen Leitungsfaͤhigkeit aber schon durch wenig darin aufgeloͤstes Kochsalz und noch besser durch darin aufgeloͤsten Salmiak gesteigert wird. Pfaff hat Verglei- chungen zwischen der Leitung der Metalle und fluͤssiger Leiter ange- stellt, und gefunden, daß concentrirte Salmiak-Aufloͤsung einen Querschnitt von 6 Quadratzoll haben mußte, um eben so gut zu leiten als ein Eisendrath von \frac{1}{41000} Quadratzoll Querschnitt, so daß man also den Leitungswiderstand in jener Fluͤssigkeit 250000 mal so groß als im Eisen angeben kann. Mit diesem Leitungswiderstande in der Fluͤssigkeit verbindet sich aber noch der Widerstand beim Uebergange aus der Fluͤssigkeit in die Metallplatten. Daß dieser sehr merklich ist, hat schon Marianini dadurch gezeigt, daß er die durch Hineinbringung unwirksamer Metallplatten herabgesetzte Kraft des electrischen Stro- mes nachwies, aber Fechner hat diesen Gegenstand viel vollstaͤn- diger behandelt. Der wichtige Umstand, daß die Wirksamkeit der voltaischen Apparate so bestimmt von der chemischen Einwirkung der Fluͤssigkeit auf die Platten abhaͤngt, scheint ganz auf diesem Leitungswiderstande des Uebergangs zu beruhen. Dieselbe Fluͤssig- keit zeigt sich nicht als gleich gut leitend oder als gleich gut die Wirkung der Saͤule befoͤrdernd bei allen zur Saͤule angewandten Metallen, (und dies ist es, worauf ich fruͤher hindeutete, als ich Volta's Meinung uͤber die ungleiche Wirkung der Fluͤssigkeiten anfuͤhrte,) sondern die Metalle, die einer staͤrkern chemischen Ein- wirkung unterworfen sind, gewaͤhren derselben Fluͤssigkeit den Vor- zug einer bessern Leitung; und dabei ist allerdings das gewiß, daß die Innigkeit der Beruͤhrung, das eigentliche Einbringen der Fluͤs- sigkeit in die Oberflaͤche des festen Koͤrpers, sehr nahe verbunden ist mit der chemischen Einwirkung. Hierauf also scheint es zu beru- hen, daß ein voͤllig luftfreies, ganz reines Wasser, wenn der Zu- tritt des Sauerstoffgas ausgeschlossen ist, ganz und gar keine Wir- kung einer aus Kupfer- und Zinkplatten gebauten Saͤule gestattet, und daß nach dem Absorbiren alles Sauerstoffs aus der umgeben- den Luft die Wirksamkeit der in andern Luft-Arten eingeschlossenen Saͤule aufhoͤrt. Dieser Leitungswiderstand ist, wie Fechner umstaͤndlich zeigt, im ersten Anfange der Wirksamkeit der Kette gleich fuͤr die negativen und fuͤr die positiven Metalle in der Kette; aber nach laͤngerer Wirkung zeigt sich das negative Metall als den groͤßern Leitungswiderstand im Uebergange gebend. Die Versuche hieruͤber sind so angestellt, daß bei den vergleichenden Versuchen das eine Mal die beiden wirksamen Platten K, Z in bestimmtem Abstande ( Fig. 116. ) aufgestellt und durch den bei U in Quecksilber tauchen- den Leitungsdrath verbunden wurden, wogegen das andre Mal ( Fig. 117. ) außer den wirksamen Platten K, Z, noch die unwirk- samen Z′, Z′, in eben den fluͤssigen Leiter eingeschoben wurden, und die Verbindung durch die Quecksilbergefaͤße U, U, U, statt fand; so daß in beiden Faͤllen die Leitung zwischen LM nicht un- terbrochen war. Hatte man nun hier im ersten Falle den Ab- stand KZ eben so groß als die Summe der Abstaͤnde KZ, Z′Z′, im zweiten Falle, so konnte der eigentlich so zu nennende Leitungswiderstand der Fluͤssigkeit nicht ungleich sein, war uͤber- dies die Verlaͤngerung des metallischen Schließungsleiters LM unbedeutend, so konnte die veraͤnderte Wirksamkeit nur von jenem Uebergange auf Zwischenplatten abhaͤngen. Jener eben vorhin ausgesprochene Satz wurde nun dadurch bewiesen, daß bald Zink- platten, bald Kupferplatten, an der Stelle Z′Z′, als Zwischen- platten angewandt wurden. Und hieraus erklaͤrt sich der schon fruͤher erwaͤhnte Umstand, daß man in den voltaischen Trog-Ap- paraten zwar mit Vortheil ( Fig. 108. ) der Zinkplatte an beiden Seiten eine Kupferplatte gegenuͤber stellen, ja diese Kupferplatten sogar mit Vortheil groͤßer als die Zinkplatte nehmen kann, dagegen aber keinen dauernden Vortheil erhaͤlt, wenn man umgekehrt einer Kupferplatte gegenuͤber an beiden Seiten Zinkplatten aufstellt. Nach Fechners Versuchen ist auch dieser Gegensatz nur richtig in Beziehung auf den laͤngern Fortgang des Versuches, auf die laͤnger dauernde Schließung der Kette, so daß im ersten Anfange der Wirksamkeit die große Kupferplatte der kleinen Zinkplatte zu- geordnet nicht mehr wirkt, als die große Zinkplatte der kleinen Kupferplatte zugeordnet; spaͤter aber, wo der Leitungswiderstand am Kupfer zunimmt, das Zink leichter einen electrischen Strom unterhaͤlt, wenn dieser den groͤßern Widerstand uͤberwindend sich auf viele Kupfertheile ergießen kann, als umgekehrt. Ich sagte, diese Ungleichheit sei nun erklaͤrt; aber freilich bedarf der Umstand selbst noch der Erklaͤrung, warum dann die Kupfer-Oberflaͤche, die doch geringere chemische Veraͤnderungen erleidet, sich hier als staͤr- ker veraͤndert in ihrer Wirksamkeit zeigt. Veraͤnderter Zustand der negativen Platten , Ladungs- phaͤnomene . Diese Erklaͤrung wird zwar durch die Ladungsphaͤnomene, die man schon fruͤh an den Platten der Saͤule bemerkt hat, auch nicht herbeigefuͤhrt; aber dennoch reihen sich diese Erscheinungen so an die eben betrachteten an, daß sie wohl hier am besten ihre Stelle finden. Die Kupferplatten naͤmlich, obgleich sie bei laͤngerem Ver- weilen in der Saͤule nicht so sehr zerstoͤrt, durch chemische Einwir- kung nicht so sehr veraͤndert sind, als die Zinkplatten, ja sogar Goldplatten, die der sichtbaren chemischen Veraͤnderung so sehr we- nig unterworfen sind, zeigen nach laͤngerem Verweilen in der ge- schlossenen Kette einen merklich veraͤnderten electromotorischen Zu- stand. Statt daß zwei Stuͤcke gleichen Metalles, zwei gleiche Kupferstuͤcke zum Beispiel, zu Hervorbringung eines electrischen Stromes gar nicht geeignet sein sollten, erhaͤlt man einen deutlichen electrischen Strom, wenn man ein Stuͤck Kupfer, das lange nicht in der electrischen Kette gewesen ist, mit einem zweiten Stuͤcke Kupfer, das so eben aus einer laͤngere Zeit geschlossen gebliebenen Kette heraus genommen ward, zu einer einfachen Kette verbindet; hier zeigt sich das mit Zink zu einer wirksamen Kette vereinigt gewesene Kupfer als positiv-electrisch gegen das gewoͤhnliche Ku- pfer. Man hat dies eine Ladungs - Erscheinung genannt, obgleich es nicht so heißen sollte, da bloß der electromotorische Zu- stand des Kupfers ein andrer, in der Reihenfolge mehr nach der positiven Seite hin geruͤckt, geworden ist. Schon Ritter bemerkte diese Erscheinung, auf welche sich die secundaͤren Saͤulen oder die von ihm sogenannten Ladungs- saͤulen gruͤnden. Ritters Entdeckung war folgende. Wenn man eine gewoͤhnliche Saͤule ( Fig. 118. ) ZK aus Kupfer, Zink, feuchtem Leiter aufbauet, und auf sie noch Schichtungen von Ku- pfer und feuchten Leitern allein K′K″ (naͤmlich: Kupfer, feuchter Leiter, Kupfer, feuchter Leiter, u. s. w.) legt, dann aber die Schließung KLK″ einige Zeit dauern laͤßt, so daß der electrische Strom durch die an sich unwirksame Saͤule K′K″ mit hindurch geht; so zeigt nun diese, wenn man sie hierauf fuͤr sich allein schließt, indem man den Leiter K′K″ anbringt, die Erscheinungen einer wirksamen Saͤule, deren Wirkungen freilich bald abnehmen und endlich verschwinden, aber doch deutlich genug sie als in einen electrisch wirksamen Stand versetzt zeigen. Diese Wirksamkeit be- ruht darauf, daß die Kupferplatten in der Saͤule K′K″ an ihren beiden Seiten eine ungleiche electromotorische Beschaffenheit haben, so daß diese zwei Seiten als ein verbundenes, wirksames Platten- paar anzusehen sind. Hat eine solche secundaͤre Saͤule sich lange Zeit in Verbindung mit der wirksamen Saͤule ZK befunden, so schwaͤcht sie den electrischen Strom in dieser; denn da die Platten K′K″ an ihrer nach Z zugewandten Seite sich als mehr positiv in Vergleichung gegen die andre Seite zeigen, so wirkt der hiedurch angeregte positive Strom dem in der Saͤule ZK wirksamen Strome entgegen, also schwaͤchend, und so erhellt, wie auch die Kupferplat- ten in der aus Zink und Kupfer erbauten wirksamen Saͤule ZK selbst nach und nach beitragen, den electrischen Strom aufzu- halten. Das Wogen der Kraft in der Kette . So fuͤhrt also diese Untersuchung uns wieder zuruͤck zu der allmaͤhligen Abnahme der Wirkung der voltaischen Saͤule und zu der Frage, wovon diese abhaͤnge. Wenn man diese Veraͤnderun- gen kennen lernen will, so muß man sich lieber der Trog-Apparate als der Saͤulen bedienen, indem in den letztern allzuleicht Neben- umstaͤnde einwirken und auch das allmaͤhlige Austrocknen der Plat- ten eine nicht eigentlich in der Natur der Wirksamkeit der Saͤule begruͤndete Verschiedenheit hervorbringt. Bei der Saͤule kann es sich, wenn auch nur eine Zwischenplatte minder feucht ist, ereig- nen, daß dadurch die Wirksamkeit gehemmt wird, bei ihr erfordert es zuweilen einige Zeit, ehe die Feuchtigkeit die trocken aufgelegten Metallplatten innig beruͤhrt, u. s. w. Aber darin stimmen alle Apparate, in welchen nach dem voltaischen Principe zwei Metalle durch fluͤssige Leiter verbunden sind, uͤberein, daß ihre zu Anfang starke Wirkung sich bei fortdauernder Schließung sehr vermindert. Diese Abnahme der Wirkung ist desto merklicher, je besser durch eine gute Schließungsleitung ohne Unterbrechung die Wirksamkeit des electrischen Stromes erhalten wird; sie ist geringer, wenn man sich schlechterer Schließungsleiter bedient, so wie sie durch die Aufhebung der Schließung am besten gehemmt wird. Wenn auch die Platten im Troge der Einwirkung der sauern oder salzigen Fluͤs- sigkeit ausgesetzt bleiben, aber keine Schließung der Kette statt fin- det; so stellt sich die waͤhrend der Schließung schon herunter gegan- gene Thaͤtigkeit der Saͤule wieder her, und es findet also wirklich ein Wechseln der Kraft in der Kette statt. Ohm und Fechner haben diese Veraͤnderungen, die man mit dem Namen des Wo- gens in der Kette belegt hat, naͤher untersucht. Dabei ist nun die Beobachtung des letztern hoͤchst merkwuͤrdig, daß, wenn gleich die auf die electromotorische Thaͤtigkeit der Platten einwir- kende, durch chemische Ursachen entstehende Veraͤnderung ihrer Oberflaͤche, wenn gleich der durch Aufloͤsung des Metalles veraͤn- derte Zustand der Fluͤssigkeit, auf diese Wirkungs-Abnahme Ein- fluß hat, doch die Hauptwirkung in dem vermehrten Leitungs- widerstande des Ueberganges zu liegen scheint, und daß dieser an den negativen Platten am meisten zunimmt. Fechner , dessen mit dem Multiplicator angestellten Versuche gestatteten, von Minute zu Minute die Kraft der Saͤule wahrzunehmen, fand, daß eine Bewegung der Zinkplatte in der Fluͤssigkeit keine Aenderung in der Kraft der Saͤule hervorbrachte, wogegen eine Bewegung der Kupfer- platte in der Fluͤssigkeit, oder ein Umruͤhren der Fluͤssigkeit in der Naͤhe der Kupferplatte, oder gar ein Abwischen derselben, waͤhrend sie in der Fluͤssigkeit blieb, mit dem Barte einer Feder, die schon heruntergesetzte Wirksamkeit der Kette wieder erhoͤhete. Wenn man eine mit Salmiak-Aufloͤsung in den Zellen in Thaͤtigkeit gesetzte Kette so lange geschlossen gelassen hat, daß sie eine große Abnahme der Wirkung zeigt, so stellt theils ein Aufheben der Schließung, theils noch weit schneller ein Herausheben der Kupferplatten, so daß sie mit der Luft in Beruͤhrung kommen, die Wirksamkeit der Saͤule her. — Offenbar ist also die atmosphaͤrische Luft oder viel- mehr das Sauerstoffgas wirksam zu Unterhaltung der Thaͤtigkeit der Saͤule, ihr Einwirken auf die negativen Platten, welches noch keinesweges erklaͤrt ist, macht, daß der vermehrte Widerstand, wel- chen der electrische Strom bei dem Uebergange zu diesen Platten leidet, sich wieder vermindert und auch der urspruͤngliche electromo- torische Zustand hergestellt wird Obgleich man den letztern Umstand gleichfalls beruͤcksichtigen muß, so scheint mir doch, daß Fechners Versuche deutlich zeigen, man duͤrfe nicht, wie Ohm geneigt ist es zu thun, jenen Widerstand im Uebergange und seine Veraͤnderungen aus den Augen lassen. . — Der electrische Strom selbst bringt jene Aenderung hervor; denn wenn Plattenpaare, theils in der einen, theils in der entgegengesetzten Richtung verbunden, ihre electrischen Stroͤme selbst zerstoͤren oder unwirksam machen, so zei- gen diese Plattenpaare, auch bei laͤngerer Dauer ihrer Eintauchung und der Schließung dieser unwirksamen Kette, sich, zu einer wirk- samen Kette verbunden, nicht schwaͤcher in ihrer Wirkung. — — Doch alle diese, am reichlichsten von Fechner gelieferten, wichtigen Beitraͤge zu einer kuͤnftigen Erklaͤrung dieser, sich an einander anreihenden Erfahrungen lassen uͤber den eigentlichen Grund der Erscheinungen noch viele Dunkelheit uͤbrig, wenn sich gleich zwi- schen diesem Wogen in der galvanischen Kette, zwischen der Ladung der negativen Platten und andern hier angefuͤhrten Erscheinungen ein unverkennbarer Zusammenhang zeigt. Vier und zwanzigste Vorlesung. Die Erscheinungen, welche von den chemischen Wirkungen der voltaischen Saͤule abhaͤngen, fuͤhrten mich zu einer so langen Reihe von einzelnen Betrachtungen, daß ich den Faden unserer Untersuchungen, naͤmlich die Darstellung der mannigfaltigen Wirk- samkeit der Saͤule, fast ganz verloren zu haben scheine. Ich nehme diesen Faden wieder auf, indem ich zu einer neuen Reihe von Er- scheinungen, den Licht-Erscheinungen und Waͤrme-Erzeugungen durch die Saͤule uͤbergehe, woran sich noch manche Untersuchungen uͤber die Leitung des electrischen Stromes durch Metalldraͤthe an- knuͤpfen. Einige vereinzelter da stehende Erfahrungen moͤgen zu- letzt den Beschluß dieser Lehre machen. Funken aus der voltaischen Saͤule . Bei den ersten Untersuchungen uͤber die voltaische Saͤule war es von mehreren Beobachtern als eine sehr auffallende Abweichung der electrischen Erscheinungen der Saͤule von denen der Reibungs- Electricitaͤt angesehen worden, daß jene bei so starken Einwirkun- gen auf das Gefuͤhl keine Funken gab. Man fand nun zwar bald, daß die Funken keinesweges ganz fehlten, aber dennoch zeig- ten sie sich darin vom gewoͤhnlichen electrischen Funken abweichend, daß sie bei den damals einzig angewandten kleinplattigen Saͤulen sich nur mit einiger Schwierigkeit hervorbringen ließen und eine nur ganz unmerkliche Schlagweite hatten. Man bemerkte bald, daß die Pappschichten zwischen den Platten mit einer stark gesalze- nen Fluͤssigkeit, mit Salmiak-Aufloͤsung zum Beispiel, befeuchtet sein muͤßten, daß man also die Lebhaftigkeit des electrischen Stro- mes durch eine den Leitungswiderstand moͤglichst vermindernde Fluͤssigkeit befoͤrdern muͤsse, um Funken zu erhalten. Man be- merkte auch, daß der Funke nur an den feinsten Spitzen leicht her- vorgehe, daß er mit einem wirklichen Verbrennen der zur Beruͤh- rung gebrachten Theile verbunden sei, und eben darum auch sehr verschiedene Farben zeige. Auf diesen Erfahrungen beruht die Vorschrift, daß man das Ende des Schließungsdraths mit den feinen Spitzchen eines Stuͤckes Blattgold versehen zur Beruͤhrung bringen solle, damit der Uebergang durch einen Leiter von sehr kleinem Querschnitte geschehe und zugleich auch das leichte Metall- blaͤttchen sich leicht entzuͤnde. Auch die Befoͤrderung der Funken dadurch, daß man das Ende des Drathes in der Lichtflamme mit Ruß uͤberzieht, oder ein mit Ruß uͤberzogenes Silberstuͤck zu Her- vorlockung der Funken anwendet, beruhen eben hierauf, da die feinen Rußtheile sich leicht, einzelne Funken gebend, entzuͤnden. Am besten geschieht dies in der Lichtflamme selbst, wenn man die an den Draͤthen angelegte Rußbedeckung in der Lichtflamme, wo die Erhitzung das Funkengeben erleichtert, einander gegenuͤber stellt. Hier bilden sich zugleich in der Flamme Dendriten aus Ruß, naͤmlich in die Laͤnge gedehnte, wachsende, Rußfaͤden, die sich einander anziehen. Bei Saͤulen, wo die Platten nicht uͤber 3 oder 4 Quadratzoll Oberflaͤche haben, kann man unter 80 bis 100 Plattenpaaren nicht auf das Erscheinen von Funken rechnen, dagegen reichen 30 Platten von 1 Quadratfuß groß, mit einer maͤßig stark ge- saͤuerten oder gesalzenen Fluͤssigkeit zu Befeuchtung der Zwischen- platten, vollkommen aus, um die herrlichsten Funken-Erscheinun- gen und Verbrennungen von Metallblaͤttchen hervorzubringen. Laͤßt man naͤmlich eine von der untersten Platte heraufgehende Leitung sich neben der obern Platte so endigen, daß hier ein Ge- faͤßchen mit Quecksilber das Ende des Leiters ausmacht, taucht man dann das eine Ende eines starken Drathes in das Quecksilber und befestigt an das andre Ende ein Blatt aͤchten oder unaͤchten Goldes oder aͤchten oder unaͤchten Silbers, um damit die obere Platte zu beruͤhren, so verbrennt das Metallblatt mit den schoͤnsten Farben. Vor allen zeichnet sich das aͤchte Silber durch das schoͤnste Smaragdgruͤn aus. Die Farbe des Lichtes beim Verbrennen richtet sich nicht allein nach dem verbrennenden Metallblaͤttchen, sondern es koͤmmt dabei auch auf das Metall an, mit welchem das Blaͤtt- chen in Beruͤhrung koͤmmt, indem, wenn die Beruͤhrung an einer Quecksilber-Oberflaͤche statt findet, dieses immer ein Hinneigen zu einem blaͤulichen Lichte hervorzubringen scheint. Nach Singer geht selbst das schoͤne Smaragdgruͤn des brennenden Silbers bloß dadurch in glaͤnzendes Weiß uͤber, daß man das Silberblatt durch Schließung mit Kohle, welche das Silber beruͤhrt, zum Verbrennen bringt, und aͤhnliche Verschiedenheiten zeigen sich oft unter veraͤn- derten Umstaͤnden. Laͤßt man den Leitungsdrath sich in eine sehr feine Stahlspitze endigen, oder befestigt man mit guter Leitung eine Naͤhnadel daran, deren Spitze die Beruͤhrung macht, so verbrennt diese Spitze unter dem Ausspruͤhen rother Funken, die aus dem Verbrennen des Eisens hervorgehen. Unter der Einwirkung sehr starker Apparate giebt das Verbrennen der Kohle vorzuͤglich glaͤn- zende Erscheinungen, wie Davy angiebt; und obgleich zur ersten Hervorbringung des Gluͤhens der Kohle eine sehr große Annaͤherung erforderlich war, so ging doch, unter der Wirkung des von Davy angewandten sehr starken Apparates, spaͤter, selbst wenn die Kohlen- spitzen 4 Zoll von einander entfernt waren, ein Feuerstrom zwischen ihnen uͤber, der vermuthlich durch losgerissene Kohlentheilchen un- terhalten wurde. Der Grund, warum die voltaische Saͤule eine so sehr geringe Schlagweite hat, so daß selbst bei 1200 Plattenpaaren die Spitzen, die den Funken bewirken sollen, bis auf ¼ Linie oder ⅓ Linie ange- naͤhert werden muͤssen und bei schwaͤchern Saͤulen fast gar kein Abstand kenntlich bleibt, ist offenbar die geringe Spannung, mit welcher hier die Electricitaͤt nach außen wirkt. Eine schwach gela- dene Batterie aus electrischen Flaschen, die nur leichte Goldblaͤttchen zu heben und dadurch ihre Ladung darzuthun vermoͤchte, wuͤrde schwerlich uͤberhaupt einen Funken geben, weil, wenn sie auch noch so groß waͤre, die aus allen Flaschen sich vereinigende Electricitaͤt vermuthlich viel zu langsam zustroͤmte; wenn also die, in electro- scopischer Hinsicht nicht staͤrker geladene voltaische Saͤule dennoch Funken zeigt, so liegt das in dem mit ungemeiner Schnelligkeit, wenn gleich mit schwacher Spannung, uͤbergehenden Strome der Electricitaͤt, und es erhellt leicht, daß eine moͤglichste Herabsetzung des Leitungswiderstandes wesentlich ist, um diesen schnellen Strom zu unterhalten, weshalb zum Funkengeben der Saͤule recht stark gesalzene oder gesaͤuerte Fluͤssigkeiten vorzuͤglich brauchbar sind. Erhitzung und Gluͤhen der Schließungsdraͤthe . Schon diese, auch an maͤßigen Saͤulen sich zeigenden, Er- scheinungen des Verbrennens der Metalle beweisen deutlich, daß eine Erhitzung des Leitungsdrathes statt findet, und dieser zeigt sich bei groͤßern Apparaten durch das Gluͤhen laͤngerer Metalldraͤthe noch deutlicher. Schon ein Trog-Apparat von 10 Kupfergefaͤßen, in welche 10 Zinkplatten von 1 Quadratfuß eingetaucht sind, bringt Stahldrath von ⅓ Linie dick in 3 bis 4 Zoll Laͤnge zum vollen Gluͤhen, und Draͤthe von 1 Linie dick werden bedeutend erhitzt. Mit 200 Plattenpaaren von 64 Quadratzoll brachte Wilkinson 60 Zoll ⅙ Linie dicken Stahldrath zum Gluͤhen und sogar zum Verbrennen. Aber noch auffallendere Erfolge haben Childern und Hare erhalten. Childern brachte 21 Zinkplatten, jede von 32 Quadratfuß, zwischen zwei Kupferplatten, und mit der maͤchtigen Wirkung dieses Apparats wurden 5½ Fuß Platindrath von \frac{4}{3} Linie dick in das vollste Rothgluͤhen versetzt, ein Platinstaͤb- chen von 2 Linien dick und 2¼ Zoll lang gluͤhete nicht nur, sondern schmolz endlich, die sehr schwer schmelzbaren Metalle und Metall- Oxyde (Tantalum-Oxyd, Titan-Oxyd, Molybdaͤn-Oxyd und andre) wurden geschmolzen und zum Theil reducirt. Hare glaubt mit seinem Deflagrator die Kohle in einen Zustand der Schmelzung versetzt zu haben, und sogar noch auffallendere Erscheinungen, daß naͤmlich aus der Verfluͤchtigung der Kohle Koͤrper, die sich dem Diamant nahe aͤhnlich zeigten, hervorzugehen schienen, giebt er an Schweigg. Jahrb. IX. 106. . Mit so großen Apparaten gelingt auch das Zersetzen des Kali und das damit verbundene Verbrennen des Kaliummetalls am besten. Umstaͤnde, die zur Befoͤrderung dieser Wirkungen beitragen . Sobald man anfing, diese Waͤrme-Erzeugung durch die voltaische Saͤule naͤher zu untersuchen, fand man, daß sie, so wie die Schoͤnheit der Funken, die immer mit Verbrennung begleitet sind, weit mehr von der Groͤße, als von der Zahl der Platten- paare abhaͤnge. In welchem Maaße dies der Fall sei, daruͤber sind, theils wegen der Schwierigkeit, diese Versuche oft zu wieder- holen, theils wegen der Schwierigkeit, sie im strengsten Sinne vergleichbar anzustellen, noch nicht genug Bestimmungen vorhan- den. Ungefaͤhr scheint die Drathlaͤnge, die man mit verschiedenen Apparaten zum Gluͤhen bringt, der Anzahl der Platten propor- tional zu sein, aber bei doppelt so großen Platten auf das Vier- fache, bei dreimal so großen Platten auf das Neunfache u. s. w. zu wachsen. Aus diesem Grunde fand man es zu diesen Versuchen zweckmaͤßig, nicht bloß sich großer Platten zu bedienen, sondern auch die Trog-Apparate etwas anders als zu den uͤbrigen Ver- suchen einzurichten, worauf ich fruͤher 21ste Vorles. , als ich die Trog-Ap- parate beschrieb, deren Zinkplatten an beiden Seiten Kupferplatten gegenuͤber haben, schon hindeutete. Wenn es der Zweck ist, einen oft wiederholten Wechsel des Ueberganges vom Kupfer zum Zink zu bewirken, so muß man ( Fig. 109. ) jede Zinkplatte Z mit dem folgenden Kupfergefaͤße K' verbinden; wenn man dagegen nur eine einfache Kette, diese aber aus großen Platten bestehend ver- langt, so verbindet man (so wie Fig. 119. zeigt,) alle Zinkplatten Z durch einen Metallstab AB und bringt auch die Kupfergefaͤße durch metallische Leiter D, D, D, in Verbindung. Diese letztere Anordnung dient, um den bei AC aufgespannten duͤnnen Drath gluͤhend zu machen; denn durch ihn muß der vom Kupfer zum Zink, von allen Kupfergefaͤßen zu allen Zinktafeln, hinuͤbergehende Strom positiver Electricitaͤt hindurch gehen, und da eben dieser Strom an den saͤmmtlichen Oberflaͤchen des Zinks und Kupfers durch die die Gefaͤße fuͤllende Fluͤssigkeit einen so sehr freien Ueber- gang, um seinen Kreislauf zu vollenden und vom Zink zum Ku- pfer zuruͤckzukehren, findet, so ist die Schnelligkeit des durch CA gehenden Stromes gewiß ungemein groß. Nach diesem Principe, eine große Anzahl Kupferplatten, und so auch eine große Anzahl Zinkplatten in Beziehung auf ihre Wirkung zu einem einzigen Plattenpaare zu verbinden, ist Hare's Deflagrator oder Calorimotor (Waͤrme-Erreger) eingerichtet, und wirklich lassen sich schon mit 10 Zinkplatten von 1 Quadratfuß Groͤße, denen also Kupferplatten oder Kupfergefaͤße von reichlich 2 Quadrat- fuß gegenuͤber stehen, sehr bedeutende Wirkungen hervorbringen. Man hat zu eben dem Zwecke vorgeschlagen, eine einzige sehr große Zinkplatte von einer eben so großen Kupferplatte durch duͤnne Holzstaͤbchen zu trennen und dann beide zusammen zu wickeln; diese spiralfoͤrmig aufgewickelte Doppelplatte, die in keinem Puncte eine metallische Beruͤhrung der beiden Platten darbieten muß, laͤßt sich dann in ein großes Cylinderglas tauchen, und wenn man dies mit gesaͤuertem Wasser fuͤllt, oben aber zwischen der Zink- und Kupferplatte den zum Gluͤhen oder zum Schmelzen zu bringenden Drath ausspannt, so muß wieder der ganze electrische Strom, den das eine Metall in jedem Augenblicke, weil es seinen bestimmten Vorzug an positiver Electricitaͤt fordert, zu sich hinuͤber veranlaßt, durch den duͤnnen Drath gehen. In allen diesen einfachen, nur aus einem Plattenpaare bestehenden, Ketten muß aber die Verbindung der durch metallische Leitung vereinigten Theile auf das vollkommenste statt finden. Ist unter den Leitungsdraͤthen D ( Fig. 119. ) nur einer, der durch einen leichten Ueberzug von Fett oder einem andern fremden Koͤr- per nicht zur wahren innigen Beruͤhrung an beiden Gefaͤßen ge- langt, so findet in ihm kein Uebergang der Electricitaͤt statt, und die durch ihn anscheinend mit in die Verbindung gezogenen Gefaͤße tragen nichts zur Wirkung bei. Man thut daher wohl, entweder alle diese Verbindungen durch Anloͤthen ganz zuverlaͤssig zu Stande zu bringen, oder an jedes Kupfergefaͤß kleine Schaͤlchen anzuloͤthen, welche, nachdem sie zu jedem Versuche mit Quecksilber gefuͤllt sind, jene Draͤthe aufnehmen; wenn so eine metallische Verbindung statt findet, so hat der unaufhoͤrlich von allen entferntern Gefaͤßen her sich zudraͤngende electrische Strom Leitung genug, wobei er auch die Draͤthe oder Staͤbchen D, die nicht zu duͤnn sein duͤrfen, stark erhitzt; aber einen Uebergang durch schlechte Leiter, durch einen Ueberzug von Fett oder von Oxyd, macht dieser, mit so schwacher Spannung vordringende, Strom nicht, selbst wenn dieser Ueberzug nur die unmerklichste Dicke hat. Aber indem so ein Strom von ungeheurer Breite, naͤmlich so breit als die saͤmmtlichen einander im gesaͤuerten Wasser gegenuͤber stehenden Metallflaͤchen, in den hoͤchst engen Canal, den der duͤnne Leitungsdrath darbietet, hin- uͤber geleitet, in diesem also zur schnellsten Bewegung genoͤthiget wird, leidet nun auch dieser Strom einen großen Widerstand, und gewiß wird seine Staͤrke dadurch vermindert. Dies ist ein Um- stand, der nachtheilig fuͤr die zu bewirkenden Erscheinungen ist; aber in eben demselben Umstande liegt auch von der andern Seite die Moͤglichkeit dieser Waͤrme-Erscheinungen. Haͤtten wir irgend einen Koͤrper von einer wirklich unendlich zu nennenden Lei- tungskraft, so wuͤrde selbst der schnellste Strom der Electricitaͤt mit vollkommener Leichtigkeit, ohne irgend einen Widerstand, durch ihn hindurchgehen, und, so viel wir uͤbersehen, dann uns gar keine Zeichen des Durchgangs durch Waͤrme-Erzeugung darbieten; aber indem ein Widerstand statt findet, entsteht diese fuͤhlbare Waͤrme. Obgleich also von der einen Seite der Strom geschwaͤcht wird durch den Widerstand, so wird doch seine sichtbare Wirkung, vor- ausgesetzt daß dieser Widerstand nicht zu groß ist, eben durch ihn vermehrt. Dies ist der Grund, warum bei gleicher Dicke des Lei- tungsdrathes sehr oft dieser gluͤhend wird, wenn es ein Platindrath ist, und nicht gluͤhend, wenn es ein Silberdrath ist. Ein Experi- ment, wo ein aus gleich dicken Stuͤcken zusammengesetzter Silber- drath und Platindrath, so naͤmlich, daß der electrische Strom aus dem Platindrathe zum Silber und aus diesem wieder zum Platin uͤbergeht, die Leitung bildet, zeigt dies recht deutlich, indem hier, bei richtig gewaͤhlter Dicke des Drathes, die Platinstuͤcke gluͤhen, waͤhrend die Silberstuͤcke nicht zum Gluͤhen kommen. Die Leitungsfaͤhigkeit der Koͤrper nimmt ab durch die Er- hitzung. Davy hat dies durch mehrere Versuche gezeigt. Waren zwei Schließungsdraͤthe angebracht, deren einer, im Wasser unter- brochen, eine Wasserzersetzung bewirkte, der andre aber, ein \frac{1}{19} Linie dicker Platindrath, ohne Unterbrechung fortging; so ward die Saͤule, zu deren Schließung beide Draͤthe dienten, durch den letz- tern vollkommen entladen, wenn er, in kaltem Oele fortgehend, sich nicht erhitzen konnte; dagegen wenn er sich erhitzte oder wenn er erwaͤrmt wurde, fing der Wasserzersetzungs-Apparat an, Luft zu entwickeln, zum Zeichen, daß jener Drath nicht mehr Leitung genug gewaͤhrte. Ein noch auffallenderer Versuch ist folgender. Wenn ein nicht zu kurzer Platindrath als Schließung des vol- taischen Kreises sich fortwaͤhrend rothgluͤhend erhaͤlt, so erhitzt man einen Theil dieses Drathes durch eine Weingeistflamme bis zum Weißgluͤhen und sieht dann den uͤbrigen Theil seine Roth- gluͤhehitze verlieren; dagegen, wenn man einen Theil des rothgluͤ- henden Drathes durch Eis abkuͤhlt, so gelangt der uͤbrige Theil durch den electrischen Strom zum Weißgluͤhen. In dem einen Falle naͤmlich erschwert die Erhitzung des Drathes mit der Wein- geistflamme den Zutritt des electrischen Stromes, und dieser, mit verminderter Gewalt durch den uͤbrigen Theil des Drathes gehend, unterhaͤlt nicht mehr die Rothgluͤhehitze; im andern Falle ist die Strecke des Drathes, in welcher die Leitung gehindert wird, ver- kuͤrzt, der gesammte electrische Strom ist also verstaͤrkt, und bringt den unabgekuͤhlten Theil zum Weißgluͤhen. Vergleichung des Leitungswiderstandes in metallischen Schließungsdraͤthen . Wenn man die neulich schon erwaͤhnten Mittel anwendet, um die Staͤrke des electrischen Stromes in der geschlossenen Saͤule zu bestimmen, so kann man, wenn in der Saͤule selbst alle Umstaͤnde gleich bleiben, die Aenderung der Staͤrke des Stromes, so fern sie von dem Schließungsdrathe abhaͤngt, untersuchen. Die Staͤrke des Stromes ist, bei gleich bleibender electromotorischer Thaͤtigkeit drr Saͤule, den saͤmmtlichen Leitungswiderstaͤnden umgekehrt pro- portional, und wenn man fuͤr den Widerstand im Schließungs- drathe voraussetzt, daß er der Laͤnge des uͤberall gleich dicken Dra- thes proportional sei, so geben zwei Versuche mit ungleichen Laͤngen solcher Draͤthe, die sonst gleich sind, an, welcher Antheil den saͤmmt- lichen uͤbrigen Widerstaͤnden, welcher hingegen dem Schließungs- drathe beizulegen sei. Zahlreiche Versuche von Ohm und Fech- ner bestaͤtigen, daß man so den Widerstand beider Theile richtig bestimmt Ein Beispiel wird dies erlaͤutern. Bei einem Versuche Fech- ners nahm die Kraft des Stromes von 1000 auf 433 ab, wenn der Leitungsdrath auf das 11fache verlaͤngert wurde, und die Kraft nahm von 1000 auf 266 ab, wenn der Leitungsdrath bis zum 23½ maligen . Diese Versuche zeigen ferner, daß Draͤthe von glei- III. Cc cher Materie und gleich lang nur halb so viel Widerstand geben, wenn ihr Querschnitt doppelt so groß ist, nur ein Drittel des Wi- derstandes, wenn ihr Querschnitt dreimal so groß ist, daß es dabei auf die Groͤße der Oberflaͤche nicht ankoͤmmt, also die Electricitaͤt sich hier nicht, wie im Ruhezustande auf geladenen Koͤrpern, auf die Oberflaͤche begiebt, sondern auch im Innern des Leitungs- drathes fortgeht. Es ist leicht zu uͤbersehen, daß man durch solche Versuche auch die Ungleichheit des Leitungswiderstandes verschiedener Koͤrper findet; denn wenn man faͤnde, daß ein Schließungsdrath von Zink bei bestimmter Laͤnge und Dicke genau eben so viel Wi- derstand leistete, als der gesammte Widerstand in der Saͤule selbst betraͤgt, daß dagegen ein gleicher Kupferdrath nur ein Drittel des Widerstandes leistete, der in der Saͤule statt findet; so haͤtte man das Verhaͤltniß 1 zu 3 als Verhaͤltniß der Leitungsfaͤhigkeit fuͤr Zink und Kupfer. Becquerel hat noch ein andres Mittel angewandt, um die Leitung der Schließungsdraͤthe zu vergleichen, indem er die Wirkung des electrischen Stromes durch einen kuͤrzern, schlechter leitenden Drath nach einer Richtung und durch einen laͤngern, besser leitenden Drath nach der entgegengesetzten Richtung fortgeleitet, compensirte; doch darauf werde ich an einer andern Stelle zuruͤck- kommen muͤssen. Laͤßt man den electrischen Strom durch mehrere Schließungs- draͤthe zugleich gehen, so theilt er sich genau dem Leitungsvermoͤgen gemaͤß. Die Mittel naͤmlich, welche die Staͤrke des electrischen Stromes angeben, zeigen, daß er sich unter zwei gleich-artige Draͤthe, deren einer aber viermal so lang ist, so theilt, daß dieser einen Theil und der kuͤrzere vier Theile bekoͤmmt. Eben so ver- haͤlt es sich bei ungleich dicken Draͤthen oder bei Draͤthen von un- verlaͤngert wurde. Die Rechnung zeigt, daß der Leitungswiderstand in der Saͤule ziemlich nahe 7 mal so groß, als in der einmaligen Laͤnge oder in der anfaͤnglichen Laͤnge des Leitungsdrathes war. Also im ersten Falle der Widerstand 7+1, im zweiten Falle 7+11, im drit- ten 7+23½; die Zahlen 18 ∶ 8 verhalten sich, wie 1000 zu 444 (statt 433) die Zahlen 30½ ∶ 8 verhalten sich, wie 1000 zu 262 (statt 266) also beinahe voͤllig den Versuchen gemaͤß. gleicher Materie, daß naͤmlich immer der zehnmal so gut leitende Drath auch zehnmal so viel electrische Materie fortfuͤhrt, als der mit ihm zugleich angewandte schlechter leitende Drath. Unipolare Leiter . Eine auffallende Beobachtung Ermans hat lange die Phy- siker in einige Verlegenheit wegen der Erklaͤrung gesetzt. Wir sind naͤmlich durch so viele Erfahrungen geleitet zu der Ueberzeugung gelangt, daß ein Zuleiten und Ableiten der electrischen Materien nicht wohl so statt finden koͤnne, daß die eine besser oder minder gut als die andre fortgeleitet werde, sondern beide schienen hierin ganz gleichen Gesetzen zu folgen; jene Beobachtung Ermans aber scheint Ausnahmen von dieser Regel anzugeben. Erman stellte eine voltaische Saͤule isolirt auf, und versuchte, ob auch die Wein- geistflamme sich als Leiter der Electricitaͤt zeige. Sie wissen, daß die isolirt aufgestellte Saͤule, wenn sie an beiden Enden mit Elec- trometern versehen ist, uns am Zink-Ende eine gegenseitige Ab- stoßung der Goldblaͤttchen durch positive Electricitaͤt, am Kupfer- Ende durch negative Electricitaͤt zeigt, und es ist offenbar, daß eines dieser Electrometer auf Null herabgehen mußte, wenn die Flamme, als Leiter der Electricitaͤt, einen Theil der am einen Pole angebrachten Ableitung ausmachte. Wirklich erfolgte dies, wenn man den vom einen Pole ausgehenden Leitungsdrath sich in der Flamme endigen und einen zweiten von einem andern Puncte der Flamme bis zur Erde gehen ließ; und was damit immer ver- bunden ist, daß das am andern Pole der Saͤule angebrachte Elec- trometer nun auf die doppelte Spannung steigt, trat auch hier ein. So zeigte sich also die Weingeistflamme als ein Leiter an jedem einzelnen Pole der Saͤule; aber wenn man die Flamme isolirt aufgestellt als Verbindung der Enden beider Schließungsdraͤthe an- brachte, wenn sowohl der vom Zinkpole als der vom Kupferpole kommende Drath sich in der isolirten Flamme endigte und die Flamme hier als Leiter dienen sollte, so sank nur am positiven Pole das Electrometer auf Null und am negativen kam es dagegen zu der doppelten Divergenz, so als ob dieser isolirt waͤre. Die Flamme zeigte sich also als unipolarer positiver Leiter, aber als die negative Seite nicht entladend. Gleiche Wirkung zeigten alle unsre Cc 2 gewoͤhnlichen Flammen, welche auf Entbindung von Kohlenstoffgas und Wasserstoffgas beruhen, wogegen die Flamme des Schwefels gar nicht, und die Flamme des Phosphors als die negative Electri- citaͤt unipolar leitend erschien. Eben so ist auch die Seife eine die negative Electricitaͤt unipolar leitende Substanz. Zu diesen Versuchen Ermans hat kuͤrzlich Ohm einige neue hinzugefuͤgt, die eine Aufklaͤrung des Raͤthselhaften in jenen zu gewaͤhren scheinen. Ohm fand naͤmlich, daß auch die concen- trirte Schwefelsaͤure negativ unipolar leite, daß dies aber nur dann vollkommen deutlich statt finde, wenn der vom positiven Pole kommende Drath aus Messing oder Zink besteht, wogegen ein Gold- oder Platindrath am positiven Pole die unipolare Wirkung aufhebt. (Einige andre Metalle geben nicht so entschiedene Er- folge.) Den Grund von dieser Unipolaritaͤt fand Ohm darin, daß sich am Zink und Messing in der Schwefelsaͤure ein harter Ueberzug am positiven Drathe bildet, der sehr schnell die Leitung an dieser Seite aufhebt, und aͤhnlichen Umstaͤnden schreibt er auch die bei der Seife und bei den Flammen beobachteten Erscheinungen zu, wodurch, wenn sich diese Meinung bestaͤtigt findet, das Raͤthsel- hafte groͤßten Theils wegfiele. Brande hat diese unipolaren Erscheinungen mit den fruͤ- her Am Ende der 22. Vorl. erwaͤhnten Beobachtungen an Flammen in Verbindung ge- setzt, und allerdings schließt sich der von Erman beobachtete Ge- gensatz der Wirkungen der Alcoholflamme und der Phosphorflamme an jene an; aber eine Erklaͤrung, wie Brande sie versucht, scheint sich daraus nicht herleiten zu lassen. Electrochemische Bewegungen in leitenden Fluͤssig- keiten . Ich muß zum Schlusse der Untersuchungen uͤber die galva- nischen Erscheinungen hier noch ein von Erman schon bemerktes, von Herschel , Nobili , Pfaff und andern weiter untersuch- tes Phaͤnomen erwaͤhnen, das noch nicht erklaͤrt ist, und das, bei der Ungewißheit, die uͤber die eigentliche Natur desselben statt findet, hier seinen Platz finden mag. Wenn man die von den beiden Polen einer nicht zu schwa- chen voltaischen Saͤule Pfaff hat nur 24 zweizollige Plattenpaare angewandt; mit 50 etwas groͤßern Plattenpaaren gelingt der Versuch sehr leicht. ausgehenden Draͤthe, die hier sich am liebsten in Platindraͤthe endigen muͤssen, mit Quecksilber, uͤber wel- chem sich eine alcalische Aufloͤsung befindet, in Verbindung setzt, so entstehen auffallende Bewegungen, die, je nachdem der eine oder der andre Drath bis in das Quecksilber reicht oder beide sich in der daruͤber stehenden Fluͤssigkeit endigen, verschieden sind. Ich begnuͤge mich, von diesen Erscheinungen, die ungleich sind fuͤr eine uͤber dem Quecksilber stehende alcalische und eine saure Fluͤssigkeit, nur einige zu erzaͤhlen. Man thut reines Quecksilber in ein flaches Glasgefaͤß, ein Uhrglas zum Beispiel, und gießt auf dasselbe eine Aufloͤsung von aͤtzendem Kali; man laͤßt dann den vom positiven Pole kommenden Drath sich in der Fluͤssigkeit, etwas entfernt vom Quecksilber, endi- gen und den negativen Drath dagegen in das Quecksilber eintau- chen; so nimmt das Quecksilber statt seiner convexen Gestalt eine mehr abgeplattete an, und in der Fluͤssigkeit entsteht ein Strom, dessen Richtung in Fig. 121. die Pfeile angeben. Stehen naͤmlich der positive Drath A und der negative B sich ungefaͤhr im Durch- messer des Glases gegenuͤber, so geht von A nach B ein grader Strom, der sich gegen B zu theilt und Wirbel nach beiden Seiten hin hervorbringt, so daß die Bewegung so fortdauert, wie die Figur angiebt und die Drehung beider Wirbel sehr lebhaft ist. Stehen A , B , sich nicht im Durchmesser gegenuͤber, so zieht der eine Wirbel sich zusammen oder verschwindet auch ganz, indem der urspruͤngliche Strom immer fast gerade vom positiven zum nega- tiven Drathe hinuͤber geht. Hat man die Draͤthe eine Zeit lang in der angegebenen Eintauchung gelassen und zieht nun den nega- tiven Drath aus dem Quecksilber heraus bis in die Fluͤssigkeit zu- ruͤck, so dauert der Strom noch eine geraume Zeit fort, und nach Herschels genauer Untersuchung so lange, bis das bei der vori- gen Schließung reducirte und mit dem Quecksilber amalgamirte Kaliummetall sich wieder oxydirt und in Alcali verwandelt hat. Hat man den negativen Drath in das Quecksilber eingetaucht und den positiven Drath nicht weit vom Rande des Gefaͤßes grade zur Beruͤhrung mit dem Quecksilber gebracht, so zieht dies sich zu- ruͤck, um seine gewoͤhnliche convexe Gestalt anzunehmen, und da es dann nicht mehr in Beruͤhrung mit dem positiven Drathe bleibt, so entsteht das Bestreben, wieder zur abgeflachten Form zuruͤckzu- kehren, dadurch aber eine neue Beruͤhrung und ein wechselndes Ausdehnen und Zusammenziehen. Daß bei der Schließung, wo nur der negative Drath bis in das Quecksilber reicht, das Quecksilber ganz unoxydirt bleibt, ver- steht sich von selbst, weil dann die ganze Quecksilbermasse den ne- gativen Pol darstellt, von welchem das Oxygen fortgetrieben wird. Auch daß aus der Kalilauge sich Kaliummetall reduciren und mit dem Quecksilber amalgamiren kann, ist nicht unerwartet, da bei entstehender Zersetzung des Kali offenbar das reine Metall dem negativen Pole zu geht. Aber worauf diese Stroͤmungen beruhen, erhellt daraus nicht. Laͤßt man gleich zu Anfang den positiven Drath in das Quecksilber eintauchen und den negativen sich in der Fluͤssigkeit endigen, so wird, wenn das Quecksilber sich unter einer Kali- Aufloͤsung befindet, die Oberflaͤche des Quecksilbers sogleich gelb und sehr bald dunkelbraun; sobald man aber den positiven Drath aus dem Quecksilber bis in die Fluͤssigkeit hervorzieht und dagegen den negativen Drath in das Quecksilber eintaucht, so verschwindet bei einer stark wirkenden Saͤule sehr schnell diese Haut und das Quecksilber nimmt seinen Spiegelglanz wieder an, und auch dabei aͤndert sich die convexe Form des Quecksilbers im Augenblicke des Verschwindens des Oxydes. Nobili bemerkt, daß, wenn beide Draͤthe sich oberhalb des Quecksilbers in der Fluͤssigkeit endigen, sich den Draͤthen gegenuͤber Bewegungen zeigen, die eben solche Figuren darstellen, wie man sie farbig hervorgebracht auf den festen Metallplatten sieht, wenn man ihnen gegenuͤber durch feine Draͤthe die Schließung bewirkt. Diese Bewegungen habe ich nicht deutlich wahrnehmen koͤnnen; dagegen scheint zuweilen, wenn der negative Drath sich oberhalb des Quecksilbers befindet, unter diesem ein mit verschiedenen Farben schillender Ring in der auf dem Quecksilber entstehenden Haut her- vorzugehen. Die Erscheinungen, die in andern Faͤllen hervorgehen, will ich hier nicht anfuͤhren, da die in ihnen statt findende Mannigfal- tigkeit noch nicht zu einer weitern Erklaͤrung gefuͤhrt hat. Auch in dem eben beschriebenen Experimente treten zuweilen neben den regelmaͤßigen Bewegungen noch andre ein, die von der zufaͤlligen Lage der Draͤthe gegen die Raͤnder des Quecksilbers abhaͤngen. Fuͤnf und zwanzigste Vorlesung . Zu den Erscheinungen, welche der electrische Strom der gal- vanischen Kette darbietet, gehoͤrt noch eine, die vielleicht an Merk- wuͤrdigkeit alle andern uͤbertrifft, die Einwirkung des electrischen Stromes auf die Magnetnadel; aber von dieser kann ich nicht eher umstaͤndlich reden, bis ich Sie mit den Eigenschaften des Magnets und mit den mannigfaltigen Erscheinungen, welche der Magnet selbst und der Magnetismus der Erde uns darbietet, bekannt ge- macht habe. Anziehende Kraft des Magnets . Ich muß mit den bekanntesten Erscheinungen, die schon seit Jahrtausenden bekannt sind, anfangen, naͤmlich daß es einige Eisen-Erze giebt, welche die besondre Eigenschaft besitzen, Eisen bei der Beruͤhrung mit einer gewissen Gewalt festzuhalten und kleine Eisentheile auch aus der Ferne an sich zu ziehen. Dieses sind die natuͤrlichen Magnete oder Magnetsteine. Ihre Wirkung geht nicht bloß durch die Luft bis in einige Ferne, sondern sie wird auch durch Glas, Holz und Metalle nicht aufgehalten, nur wenn man eine Eisenplatte zwischen den Magnet und die anzuziehende Eisenfeile bringt, zeigen sich die Wirkungen veraͤndert und geschwaͤcht. Die Staͤrke dieser Kraft ist bei den natuͤrlichen Magneten sehr ungleich. Es giebt kleine Magnete, die dadurch, daß sie ein Ge- wicht tragen, welches gegen ihr eignes sehr groß ist, merkwuͤrdig sind Newton soll einen 3 Gran schweren Magnet gehabt haben, der 746 Gran trug. Journ. of the roy. Inst. 1831. Mai. , und unter den groͤßern uͤben manche eine sehr große Gewalt, selbst bis auf bedeutende Entfernungen, bis zu 2 Fuß Entfernung merklich, aus. Das Eisen ist nicht das einzige Metall, auf welches der Ma- gnet anziehend wirkt, sondern auch das reine Nickel ist dieser Wir- kung auf ganz aͤhnliche Weise unterworfen. Mit dem reinen Ko- balt sind wenige Versuche angestellt, die aber zeigen, daß auch dieses Metall zu den dem Magnete angehoͤrigen Metallen zu rechnen ist; Ritter behauptet eben dies vom Magnesium und Uranium, und bemerkt dabei, daß alle diese Metalle so sehr schwer schmelzbar und darin einander einigermaßen aͤhnlich sind. Das Eisen behaͤlt selbst in den Eisensalzen und in den meisten Mischungen mit andern Metallen seine Eigenschaft vom Magnete angezogen zu werden; ein Messingdrath, der nur sehr wenig Eisen enthaͤlt, zeigt, an einem Seidenfaden aufgehaͤngt, daß er der Anziehung des Magnetes folgt. Dagegen bemerkt schon van Swinden , daß sehr wenig Antimon dem Eisen beigemischt diesem seine Anziehbarkeit raube, und eben das behauptet Ritter vom Arsenik; Seebecks Versuche uͤber Verbindungen von Antimon und Eisen bestaͤtigen dies, und zugleich zeigt Seebeck , daß eben so das Kupfer in der Verbindung mit Nickel diesem seine Anziehbarkeit raube, daher auch das Argentan, obgleich es so viel Nickel enthaͤlt, nicht erheblich vom Magnet gezo- gen wird. Noch auffallender aber als dieses ist Le Baillifs und Becquerels Erfahrung, daß Wismuth und Antimon vom Magnete abgestoßen werden, — eine Erfahrung, die auch Brug- manns schon an dem dunkeln und fast violett gefaͤrbten Wis- muth machte, waͤhrend er an andern Wismuth-Arten eine An- ziehung bemerkte Gilb. Ann. VIII . 18. Poggend. Ann. X. 203. 292. . Richtung des Magnets nach den Weltgegenden . Wenn man den Magnetstein in Eisenfeile legt, so bedeckt er sich damit nicht gleichfoͤrmig, sondern es sind gewoͤhnlich zwei ein- ander gegenuͤber liegende Seiten, die sich am staͤrksten damit bele- gen. Haͤngt man den Magnet so auf, daß diese Seiten in hori- zontaler Richtung einander gegenuͤber stehen, so findet man, daß er eine bestimmte Stellung, so daß jene Seiten sich ungefaͤhr nach Norden und Suͤden wenden, annimmt. Der Magnet hat also einen Nordpol und einen Suͤdpol. — Diese Eigenschaft des Magne- tes ist erst spaͤt bemerkt worden, und wie man glaubt, den Chinesen eher bekannt gewesen; in Europa ist sie erst im dreizehnten Jahr- hundert bekannt geworden und Flavio Gioja aus Amalfi um das Jahr 1300 wird immer als derjenige genannt, der den Compaß, die Anwendung des Magnets zu Bestimmung der Welt- gegenden, erfunden hat; doch schreibt Gilbert dem Marco Polo das Verdienst zu, die Richtung des Magnets nach Norden, auf die er im Orient aufmerksam gemacht war, den Europaͤern bekannt gemacht zu haben. Bei den unvollkommenen Mitteln, die Himmelsgegenden durch einen auf einem Brettchen befestigten und so auf Wasser schwimmenden Magnet zu bestimmen, will ich indeß nicht verweilen, sondern sogleich auf die Mittel kommen, die uns zu viel bequemerer Anwendung des Magnetes dienen. Mittheilung der magnetischen Kraͤfte an Eisen und Stahl . Schon wenn man den natuͤrlichen Magnet in Eisenfeile legt, macht man die Bemerkung, daß er sich mit derselben nicht so uͤber- zieht, wie etwa ein nasser Koͤrper mit Sandkoͤrnern, wenn man ihn mit Sand bestreut; die feinen Eisentheile legen sich nicht jedes einzeln an, sondern, als ob sie kleine Nadeln bildeten, reihen sich mehrere, vom Magnete abwaͤrts, an einander, so daß die Eisen- theilchen selbst wieder einander anzuziehen scheinen. Noch auffal- lender wird dies, wenn man Eisendraͤthchen oder auch staͤhlerne Nadeln nimmt; obgleich diese fuͤr sich allein keine Kraft, einander anzuziehen, besitzen, so haͤngt sich doch, wenn die erste vom Ma- gnete getragen wird, an sie gern die zweite und an die zweite auch noch wohl die dritte. Der Versuch laͤßt sich aber noch weiter fort- setzen, indem unter der Einwirkung eines hinreichend starken Ma- gnetes ein Stab von weichem Eisen oder ungehaͤrtetem Stahle, wenn er auch einen Fuß lang und laͤnger ist, an seinem andern Ende Eisenfeile anzieht, wenn sein eines Ende an einem hinreichend starken Magnete anliegt. Das Eisen erlangt also, so lange es unter der nahen Einwirkung des Magnetes ist, selbst magnetische Kraft; aber das weiche Eisen verliert sie sogleich wieder, wenn man es vom Magnete entfernt, und eben das gilt vom weichen Stahle; der gehaͤrtete Stahl dagegen bleibt in einigem Grade magnetisch, die Naͤhnadel, die am Magnete eine andre anzog, behaͤlt diese anziehende Kraft in einigem Grade auch in der Folge. Bei einem recht starken Magnete geht jene Wirkung noch weiter, indem selbst ohne Beruͤhrung, ja in 6 Zoll, 10 Zoll Entfernung, ein unmagnetisches Eisen, ein groͤßerer Schluͤssel zum Beispiel, ganz erhebliche Stuͤcke Eisen zu tragen im Stande ist, aber auch diese Kraft behaͤlt das Eisen nur in der Naͤhe, unter dem Einflusse des Magnets. Wir wollen diese merkwuͤrdige Erfahrung sogleich dazu be- nutzen, kuͤnstliche Magnete zu verfertigen. Die Naͤhnadel, die eine Weile von einem starken Magnete angezogen an ihm hing, ist ein kleiner Magnet geworden, sie faͤhrt fort, Eisenfeile anzuziehen, und was noch merkwuͤrdiger ist, wenn man sie an einem feinen Seidenfaden im Schwerpuncte aufhaͤngt, so zeigt sie nach Norden, auch sie hat ihren Nordpol und Suͤdpol erhalten. Natuͤrlich fra- gen wir, welches Ende der Nadel ist denn Nordpol geworden? — und jeder Versuch beantwortet uns diese Frage ganz entschieden da- hin, daß der am Nordpole des Magnets anhaͤngende Theil der Nadel ein Suͤdpol wird, hingegen das am Suͤdpole anhaͤngende ein Nordpol, daß also die Nadel in ihrem beruͤhrenden Theile den Pol erhaͤlt, welcher dem beruͤhrten Magnetpole entgegengesetzt ist, daß der entferntere Theil der Nadel dagegen dem Magnetpole, wo sich die Nadel befindet, gleichnamig ist. Den Reichthum von Lehr- saͤtzen, zu denen diese wenigen Erfahrungen den Weg bahnen, muͤs- sen wir nach und nach weiter kennen zu lernen suchen. Die Erfahrung, daß weicher Stahl nur unter der dauernden Einwirkung des Magnetes sich magnetisch zeigt, nachher aber alle Kraft wieder verliert, noͤthigt uns, zu Verfertigung kuͤnstlicher Magnete uns des gehaͤrteten Stahles zu bedienen. Ueber den Grad und die Art der Haͤrtung sind die Kuͤnstler nicht ganz einig; Horner giebt fuͤr Magnetnadeln die Vorschrift, als am meisten bewaͤhrt, daß die Stahlnadel vollkommen gehaͤrtet und bis zur stroh- gelben Farbe angelassen, oder besser noch aus der Weißgluͤhehitze in siedendem Lein-Oel abgeloͤscht werde. So harter Stahl nimmt aber nicht so leicht durch bloße Beruͤhrung den Magnetismus an, sondern das Bestreichen hat sich hier als erfolgreicher gezeigt und die Kunst dieses Bestreichens ist auf mehr als eine Weise vollkom- mener gemacht worden. Anziehung der ungleichnamigen Pole , Abstoßung der gleichnamigen Pole . Aber ehe ich dazu uͤbergehe, muß ich Sie noch mit einer an- dern merkwuͤrdigen Eigenschaft des Magnets bekannt machen. Wir sind dahin gelangt, aus jeder duͤnnen Stahlnadel einen Magnet zu machen, und haben gesehen, daß diese Nadel mit ihrem Suͤdpole fest an dem Nordpole des Magnets hing; lassen Sie uns jetzt eine dieser magnetischen Nadeln horizontal aufhaͤngen, und den Nordpol einer zweiten dem Suͤdpole der ersten naͤhern, so sehen wir eine starke gegenseitige Anziehung, dagegen wenn wir den Nordpol der zweiten dem Nordpole der ersten naͤhern, diese sich mit bedeutender Kraft einander abstoßen. Ich stelle den Versuch mit zwei Nadeln, die ungefaͤhr beide gleich stark magnetisirt sind, an, weil, wenn Sie den Suͤdpol einer kleinen Stahlnadel gegen den Suͤdpol eines sehr starken Magnetes bringen, jener nicht bloß angezogen wird, sondern, wie die nachherige Untersuchung beim Aufhaͤngen zeigt, zu- gleich in einen Nordpol verwandelt ist. Diese Erfahrungen erinnern so sehr an die Ihnen bekannten electrischen Erscheinungen, daß ich nicht unterlassen kann, die Ueber- einstimmungen etwas naͤher nachzuweisen. Wenn wir statt des Magnets einen geladenen electrischen Koͤrper SN nehmen und ihm einen isolirten Leiter AB ( Fig. 122. ) gegenuͤber stellen, so hat A die entgegengesetzte, B die gleichnamige Electricitaͤt zu der, welche sich in N findet, und voͤllig so ist hier A ein Suͤdpol, B ein Nord- pol, wenn N ein Nordpol war. Dort zogen sich die entgegengesetzt electrisirten Koͤrper an, wie hier der Nordpol den Suͤdpol anzieht, dort stießen sich die gleichartig electrisirten Koͤrper ab, wie es hier bei Suͤdpol gegen Suͤdpol und bei Nordpol gegen Nordpol der Fall ist. Die Analogie geht noch weiter, wenn wir das weiche Eisen oder den weichen Stahl den electrischen Leitern und dagegen den harten Stahl den Nichtleitern vergleichen. Wenn NS ein Nicht- leiter fuͤr die Electricitaͤt ist, so findet, waͤhrend ein andrer Koͤrper AB ihm gegenuͤber gestellt wird, in seiner eignen Electricitaͤt keine merkliche Veraͤnderung statt; in AB aber, wenn AB ein guter Leiter ist, findet sich, sogleich im Augenblicke der ohne Beruͤhrung eintretenden Einwirkung, in B die zu N gleichnamige, in A die entgegengesetzte Electricitaͤt, und so verhaͤlt sich es hier mit dem Magnetismus im weichen Eisen; dagegen wenn AB ein Nicht- leiter ist, so wird nur erst nach langer Einwirkung, durch Anzie- hung und Abstoßung der von N aus wirkenden positiven Electri- citaͤt, die negative Electricitaͤt in A gesammelt, die positive nach B hin gedraͤngt, und eben so tritt im harten Stahle die magnetische Wirkung langsam ein. Aber gerade so, wie der Leiter AB wieder unelectrisch ist, nach Entfernung des electrisirten Koͤrpers, so ist das weiche Eisen unmagnetisch nach der Entfernung des Ma- gnets; und so wie der Nichtleiter AB, wenn er einmal durch lange und kraͤftige Einwirkung des electrisirten Koͤrpers in A negativ, in B positiv geworden waͤre, nun lange Zeit seine electrischen Eigen- schaften behalten wuͤrde, so thut es der gehaͤrtete Stahl, wenn er einmal magnetisch geworden ist. Ja es ereignet sich wohl in dem Nichtleiter AB, daß die positive Electricitaͤt, nur nach a zuruͤck- gedraͤngt, dort eine Zone positiver Electricitaͤt bildet, und so wech- selnde Zonen beider Electricitaͤten auf einander folgen; und eben so ereignet es sich in laͤngeren Stahlnadeln AB, daß sich, wie man es nennt, Folgepuncte bilden, naͤmlich ein Wechseln meh- rerer magnetischer Pole, so daß A Suͤdpol, a Nordpol ist, und weiterhin sich ein neuer Suͤdpol findet. Ich werde auf diese Vergleichung des Magnetismus mit der durch Vertheilung hervortretenden Electricitaͤt noch oͤfter zuruͤckkom- men muͤssen, so wie die einzelnen Erscheinungen die Veranlassung geben; hier aber muß ich sogleich auch eine sehr auffallende Ver- schiedenheit in der Wirkungs-Art des Magnetismus und der Electricitaͤt bemerklich machen, naͤmlich die, daß der Magnetismus nichts darbietet, was sich mit der Mittheilung der Electricitaͤt ver- gleichen ließe. Schon die durch Jahre langen Zeitverlauf im har- ten Stahle sich nicht ausgleichende Trennung des nordpolarischen und suͤdpolarischen Zustandes an den entgegengesetzten Enden des Magnetes, ist offenbar dem nicht entsprechend, was ein Nichtleiter der Electricitaͤt darbieten wuͤrde, indem, auch abgesehen von dem Verluste in der Luft, es unmoͤglich scheint, daß ein Siegellackstab in SI, verbunden mit dem Glasstabe IN ( Fig. 123. ) fuͤr immer negativ bleiben sollte, waͤhrend IN positiv-electrisch waͤre, sondern es vielmehr als ganz gewiß erscheint, daß in langer Zeit die Elec- tricitaͤt den Leitungswiderstand uͤberwinden und eine Ausgleichung der positiven und negativen Ladung hervorbringen wuͤrde. Und so wie hier kein Uebergang der beiden Magnetismen, wenn ich diesen Ausdruck gebrauchen darf, von einem Pole zum andern statt findet, eben so findet auch, selbst bei der genauesten Beruͤhrung, keine Mittheilung des nordpolarischen Zustandes ( Fig. 122. ) von N an AB, keine Mittheilung, die der electrischen Ladung durch Ueber- gang zu vergleichen waͤre, statt, sondern bei der engsten Beruͤhrung bleiben es immer nur Wirkungen, die der durch Vertheilung ent- standenen Electricitaͤt entsprechen, welche wir in dem Stabe AB wahrnehmen. Diese Einwirkung des Magnetes, welche wir der Verthei- lungs-Electricitaͤt entsprechend finden, ist jedoch nicht bloß in der Beruͤhrung, sondern schon in einiger Entfernung deutlich zu bemer- ken. Wenn man einen starken, in die Form eines Huf-Eisens SN ( Fig. 124. ) gebogenen Magnet so legt, daß der eine Pol ober- halb des andern liegt, und nun ein weiches Eisen, einen großen Schluͤssel zum Beispiel, vertical uͤber diesem Pole haͤlt, so traͤgt der Schluͤssel ziemlich bedeutende Stuͤcke Eisen. Ist naͤmlich S ein Suͤdpol, so wird sowohl des groͤßern Eisens sn unterer Theil als des kleinern tm unterer Theil nordpolarisch, t und n haͤngen daher als entgegengesetzte Pole an einander. Haͤlt man dagegen zwei oben an demselben Faden haͤngende Eisendraͤthchen ab, cd, ( Fig. 125. ) uͤber dem Pole des Magnetes, so stoßen sich die un- tern Enden stark ab, weil b, d, gleichnamige Pole sind. Kuͤnstliche Magnete . Verfertigung derselben . Diese Bemerkungen mußte ich der Verfertigung kuͤnstlicher Magnete vorausschicken, um die Mittel, wodurch wir Nordpole und Suͤdpole, auch dann, wenn sie nicht am Ende des Stabes liegen, unterscheiden, als bekannt voraussetzen zu koͤnnen. Die Verfertigung kuͤnstlicher Magnete waͤre nun freilich schon durch das einfache Mittel der Beruͤhrung an einem starken Magnete moͤglich, ja ein sehr starker Magnet koͤnnte einen kuͤrzern Stahlstab selbst schon aus einiger Ferne in den magnetischen Zustand versetzen, wenn dieser mit seinem einen Ende gegen einen Pol des Magnets gekehrt waͤre; aber diese Methode wuͤrde an sich schwierig und Zeit raubend sein, uͤberdies aber sehr leicht, zumal bei etwas laͤngern Staͤben, das Entstehen von Folgepuncten, von mehrern Abwech- selungen der Pole, deren einige in der mittlern Gegend des Stabes laͤgen, zur Folge haben. Man hat daher schon lange auf andere Methoden gedacht, unter denen das einfache Bestreichen die aͤlteste ist. Die Erfahrung zeigt naͤmlich, daß, auf eine uns nicht weiter erklaͤrliche Weise, die Erschuͤtterung den Stahl leichter disponirt, magnetisch zu werden, und daß man einen Magnet erhaͤlt, wenn man mit einem Pole eines starken Magnetes uͤber die ganze Laͤnge des Stahlstabes, beruͤhrend und einigen Druck ausuͤbend, hinstreicht. Ist ( Fig. 126. ) N der Nordpol des Magnetes, und man fuͤhrt diesen von A nach B fort und hebt ihn erst ab, wenn er uͤber das Ende B hinaus koͤmmt, so ist B ein Suͤdpol; um aber den neuen Magnet zu verstaͤrken, bringt man den Nordpol, ent- fernt von AB, wieder nach A, streicht abermals nach B zu, ent- fernt ihn wieder, und giebt so so viele Bestreichungen als man fuͤr noͤthig haͤlt. Es scheint, als ob hier entgegengesetzte Wirkungen entstehen und sich beinahe aufheben muͤßten; aber die Erfahrung zeigt, daß dieses doch nicht der Fall ist. Bliebe naͤmlich der Nord- pol N immer in A, so wuͤrde A ein Suͤdpol und B ein Nordpol; so wie N fort ruͤckt, ist die Entstehung eines Suͤdpols immer da am meisten beguͤnstigt, wo N gerade beruͤhrt, und wenn N lange Zeit in a verweilte, so koͤnnte es sich gar wohl ereignen, daß a ein Suͤd- pol wuͤrde, waͤhrend A und B beide Nordpole gaͤben Man koͤnnte dies bemerken, wenn man den Suͤdpol einer klei- nen Radel an a braͤchte, und diesen abgestoßen saͤhe . aber wenn der Strich nach B fortgeht, so ist B ein Suͤdpol und zeigt sich bei der Untersuchung als solcher, waͤhrend A zum Nordpole geworden ist. Faͤngt man zum zweiten Male bei A wieder den Strich an, so scheint es, man zerstoͤre die vorige Wirkung; aber wenn man nur nicht N zu lange in A verweilen laͤßt und die Operation im- mer nicht eher endigt, bis der Strich in B angekommen ist, so schadet dieses nichts. Wenn wir uns vorstellen, daß die kleinsten Theile des Magnetes oder die Theilchen der in ihnen enthaltenen magnetischen Materie eine Aenderung der Lage annehmen, so scheint es, daß diese durch die Erschuͤtterung des Bestreichens in jedem Augenblicke diejenige Aenderung der Lage erhalten, die der Stellung des Magnetes gemaͤß ist, ja daß sie durch das nahe Voruͤbergehen des Magnetes an ihnen vollkommener zu der Aenderung der Lage veranlaßt werden, als wenn der Magnet bloß aus der Ferne, am einen Ende beruͤhrend, auf sie gewirkt haͤtte. Indeß wenn auch diese Vorstellung von der Aenderung der Lage jedes feinen Theil- chens bloß eine hypothetische ist, so ist wenigstens der Erfolg ge- wiß, daß bei jedem von A nach B mit dem Nordpole N vollendeten Striche der Nordpol bei A, der Suͤdpol bei B sich verstaͤrkt hat. Folgepuncte koͤnnen auch hier entstehen, und man wuͤrde sie sogar absichtlich hervorrufen koͤnnen, wenn man an einem bestimmten Puncte a mit dem Nordpole verweilte und uͤber die benachbarten Puncte ohne scharfe Beruͤhrung wegeilte, um die in a entstandene Suͤdpolaritaͤt nicht wieder zu zerstoͤren. Als Verbesserungen dieser Methode sind nach und nach fol- gende bekannt geworden. Knight , der sich schon im Besitz sehr starker Magnetstaͤbe befand, legte ( Fig. 127. ) zwei Magnetstaͤbe mit ihren ungleichnamigen Polen an einander, so daß N, der Nord- pol des einen, den Suͤdpol s des andern beruͤhrte; auf sie ward der zu magnetisirende Stahl AB so gelegt, daß jene beiden Pole in seiner Mitte lagen. Schon durch die Beruͤhrung ward nun die Haͤlfte B eingermaßen in den nordpolarischen Zustand versetzt, die Haͤlfte A in den suͤdpolarischen Zustand, und wenn man nun mit einem etwas staͤrkern Andruͤcken beide Magnete gegen die Enden A, B, aus einander zog, so ward B ein starker Nordpol, A ein starker Suͤdpol. Offenbar fand hier jene entgegengesetzte Wirkung nicht statt, die bei der vorigen Methode den schon hervorgebrachten Nordpol in einen Suͤdpol schien verwandeln zu muͤssen; sondern es mußte, je weiter s gegen B, N gegen A ruͤckte, desto mehr der nordpolarische Zustand, die nordpolarische Stellung der Theilchen, in jener Haͤlfte, die suͤdpolarische in dieser Haͤlfte gestaͤrkt werden. Duhamel brachte bei diesem Verfahren eine doppelte Ver- aͤnderung an, indem er erstlich ( Fig. 128. ) an die Enden des zu magnetisirenden Stahlstabes AB Staͤbchen von weichem Eisen AC, BD, anlegte, die durch einen zweiten Stahlstab CD ver- bunden wurden, und indem er zweitens den auf die Mitte auf- gesetzten und gegen die Enden fortgefuͤhrten Magneten NS, sn, eine geneigte Stellung gab. Der Vortheil, welchen die Staͤbchen weichen Eisens gewaͤhren, ist sehr einleuchtend; denn wenn durch den ersten Strich, den s nach B und N gleichzeitig nach A gemacht hat, in B auch nur ein schwacher Nordpol, in A ein schwacher Suͤdpol entstanden ist, so erhalten die weichen Eisen BD, AC, sogleich auch Polaritaͤt und der in B erregte nordpolarische Zustand wird durch den an B anliegenden Suͤdpol des weichen Eisens BD fester gehalten. Es ist dies grade so, wie die Wirkung eines durch Vertheilung electrisch gewordenen Leiters BD, dessen in B frei gewordene negative Electricitaͤt stark beitraͤgt, die in AB bei B erregte positive Electricitaͤt hier zu binden, und so sehr als moͤg- lich auf diesen Punct zu concentriren. Mag nun also auch der bei dem zweiten Striche nach dem Abheben bei B in der Mitte wieder aufgesetzte Suͤdpol in einigem Grade der in B entstandenen Nordpolaritaͤt entgegen wirken, so schadet dies, weil sie bei B gebun- den gehalten wird, weniger, und der zweite und jeder folgende Strich erhoͤhet desto sicherer den magnetischen Zustand. Das zu- gleich erfolgende Aufsetzen beider Pole in der Mitte bewirkt, daß die dem eigentlichen Zwecke entgegengesetzte Wirkung sehr viel min- der nachtheilig wird, indem der Nordpol N in der Mitte aufge- setzt aus A und B Nordpole, der Suͤdpol s in der Mitte aufgesetzt aus A und B Suͤdpole zu machen strebt; aber auch die geneigte Stellung, die Kater so verlangt, daß der Winkel der Magnete mit dem Stahlstabe bedeutend unter 30 Grade sei, hilft dieses mit bewirken; denn indem s und beim Anfange des Striches ziemlich gleich weit von B entfernt sind, bringen sie gemeinschaftlich fast gar keine Wirkung auf B hervor, und B ist daher unter dem Einflusse des Nordpols N eher geneigt nordpolarisch zu werden, weil n und s fast nichts bewirken. Jene Bindung des schon entstandenen Magnetismus hat Aepinus noch verstaͤrkt, indem er nicht weiches Eisen, sondern starke Magnete an beide Enden des zu magnetisirenden Stahls an- brachte. Wird B ( Fig. 129. ) von einem Suͤdpole beruͤhrt, so erhaͤlt und verstaͤrkt dieser den durch das Bestreichen in B erweckten Nordpol. Aepinus fuͤhrte zugleich den Doppelstrich ein, der darin besteht, daß man die beiden in einer maͤßigen Entfernung von einander stehenden Pole n und s′ in derselben Entfernung von einander zuerst beide von der Mitte gegen das eine Ende, sodann, ohne abzuheben, gegen das andre Ende und so hin und her fuͤhrt, endlich aber beide zugleich in der Mitte abhebt. Durch dieses Ver- fahren entsteht bei B ein Nordpol, weil diese Haͤlfte mehr unter der Einwirkung des Suͤdpols s′, dagegen die andre mehr unter der Einwirkung des Nordpols n bleibt. Diese Methode scheint mir doch immer wenigere Vorzuͤge als die vorige zu besitzen. Noch eine Methode der Magnetisirung ist der Strich in die Runde, wo man zwei Stahlstaͤbe AB, CD, ( Fig. 128. ) zugleich magnetisirt. Beide sind durch weiche Eisen AC, BD, verbunden und die in immer gleichem Abstande erhaltenen beiden Pole N, s, werden von A nach B, D, C, A, B, und so weiter fortgefuͤhrt; fuͤhrt man zuletzt den Nordpol N bis uͤber B hinaus und endigt hier, so ist B ein Suͤdpol, A ein Nordpol, und an CD, C ein Suͤdpol, D ein Nordpol, weil wieder die letzte Wirkung die Ent- scheidung giebt. Coulomb hat diese Methoden alle genau untersucht und die von Duhamel und Aepinus am zweckmaͤßigsten gefunden. Statt einzelner starker Magnete nahm er aber eine Verbindung mehrerer, deren Nordpole mit weichem Eisen verbunden den Suͤd- pol des zu verfertigenden Magnets beruͤhrten, und eben so ward eine Verbindung von starken Magneten mit dem Suͤdpole an dem hervorzubringenden Nordpole angebracht. Auch zum Bestreichen dienten mehrere verbundene Magnete. Durch dieses Mittel kann man selbst mit Huͤlfe schwaͤcherer Magnete starke Magnete hervor- bringen; denn wenn man eine Anzahl gut gehaͤrteter Stahlstaͤbe nach einander so weit magnetisirt, als es mit Huͤlfe des schwachen Magnetes moͤglich ist, so erhaͤlt man dadurch, daß man nun einen derselben der Wirkung der uͤbrigen, die theils an den Enden beruͤh- III. Dd ren, theils zum Bestreichen angewandt werden, aussetzt, einen staͤrkern Magnet, und kann so die Magnetisirung bis zu der Staͤrke, die man als voͤllige Saͤttigung ansieht, treiben. Es erhellt hier- aus, daß der Magnetismus nicht durch Uebergang oder Mitthei- lung an den neuen Magnet ertheilt wird, sondern es verhaͤlt sich so, wie es in einem fast gar nicht leitenden Koͤrper mit der Electricitaͤt sein wuͤrde. In dem zwischen stark electrisirten Koͤrpern liegenden Koͤrper wuͤrden naͤmlich durch Vertheilung die beiden Electricitaͤten immer mehr hervortreten, aber hierdurch wuͤrde auch in jenen Koͤrpern nicht nur keine Schwaͤchung, sondern vielmehr eine Staͤr- kung der entgegengesetzten Electricitaͤten statt finden. Aus diesen Ueberlegungen wird es auch klar, warum man an natuͤrlichen Magneten Armirungen anbringt und warum diese aus weichem Eisen sind. Diese ( Fig. 130. ) an die Pole des Magnetes angelegten Eisenplatten AB, CD, haben nicht allein den Zweck, in E, F, bequemere Puncte zum Anhaͤngen der Gewichte, die der Magnet tragen soll, darzubieten, sondern sie tragen auch bei, die magnetische Kraft in diesen Puncten zu vereinigen, den Magnet zu staͤrken, indem sie die Trennung des Nordpolarischen und Suͤd- polarischen oder der beiden Magnetismen dadurch, daß die am Magnete anliegenden Eisentheile die entgegensetzten Pole erhal- ten, befoͤrdern. War AB die nordpolarische Seite des Magnetes, so ist das Ende E der Armirung gleichfalls ein Nordpol. Da diese Einwirkung durch weiches Eisen am vollkommensten hervortritt, so waͤhlt man zur Armirung weiches Eisen. Auch das Eisen, das man an EF anhaͤngt, um es mit den Gewichten zu belasten, die der Magnet tragen soll, muß weiches Eisen sein, damit es sich sogleich beim Anhaͤngen in den polarischen Zustand versetze, der am meisten geeignet ist, die magnetischen Kraͤfte in den Polen des Magnetes selbst hervorzurufen. Offenbar liegt in diesem vollkommeren Hervorrufen der magnetischen Kraͤfte durch ein beide Pole vollkommen gut beruͤhrendes Eisen und in dem besseren Anziehen der Endflaͤchen des Magnetes auch der Vor- zug der Huf-Eisen-Form, die man dem Magnete mit so großem Vortheil giebt. Auch der Umstand, daß der Magnet an Kraft gewinnt, wenn man das weiche Eisen EF immer mit ihm in Ver- bindung laͤßt, ist nun erklaͤrt. Magnetnadeln . Bestimmung der magnetischen Kraft , welche sie erlangt haben . Bossolen . Compaß . Unter den kuͤnstlichen Magneten verdienen die Magnetnadeln, ihrer großen Nuͤtzlichkeit wegen, besonders angefuͤhrt zu werden. Ihre Bestimmung ist bekanntlich, daß sie, in der Mitte unterstuͤtzt, sich horizontal drehen und in die Richtung, wozu die magnetische Kraft sie antreibt, stellen koͤnnen. Man giebt ihnen durch Bestreichen die magnetische Kraft und kann bei ihnen durch die Zeit der Oscil- lationen die Staͤrke der erlangten Kraft bestimmen. Da man bei ihnen leichte Beweglichkeit und vollkommen genaue, immer gleiche Ruͤckkehr in die Stellung, welche den magnetischen Kraͤften gemaͤß ist, verlangt; so verdienen die Umstaͤnde, wodurch diese Zwecke erreicht werden, noch eine naͤhere Betrachtung. Daß die Spitze, auf welcher die mit einer Hoͤhlung oder mit einem Huͤtchen versehene Nadel ruht, moͤglichst scharf und moͤglichst hart, um nicht abgenutzt zu werden, sein muß, versteht sich von selbst. Man hebt, um diese Abnutzung zu vermeiden, gern die Nadel von der Spitze ab, wenn sie außer Gebrauch ist, und diese Abhebung muß so eingerichtet sein, daß die Nadel bei dem Wieder- auflegen im genau richtigen Puncte unterstuͤtzt wird und ohne Stoß diese richtige Lage wieder erhaͤlt. Um die Leichtigkeit der Bewegung zu befoͤrdern, wuͤrde es vortheilhaft scheinen, die Nadel recht leicht zu nehmen, damit die Reibung desto geringer sei; aber diesem Vortheile steht der große Nachtheil, daß eine sehr leichte Nadel eine allzu geringe magnetische Kraft annimmt, entgegen. Coulomb hat uͤber die angemessenen Verhaͤltnisse der Nadel viele Versuche angestellt, und giebt eine Breite von 1 Linie gegen 3 Zoll Laͤnge als zweckmaͤßig an; eine erhebliche Dicke giebt man der Nadel nicht, weil eine doppelt so dicke Nadel nicht zweimal so viel magnetische Kraft erlangt, als die von einfacher Dicke. Dagegen hat man vorgeschlagen, zwei Nadeln, einige Linien von einander entfernt, in genau gleicher Richtung zu verbinden, damit ihre ver- einigte Richtungskraft mit desto mehr Gewalt die Nadel zu der richtigen Stellung zuruͤckfuͤhre. Etwas entfernt von einander muͤssen sie sein, da sonst die einander nahen gleichnamigen Pole eine gegenseitige Schwaͤchung der Kraft hervorbringen, aus eben den Gruͤnden, welche die Staͤrkung der Kraft in der Naͤhe eines ent- Dd 2 gegengesetzten Poles (des Nordpoles in der Naͤhe des Suͤdpoles eines andern Magnets) bewirkten. Die Staͤrke der Richtungskraft einer Magnetnadel laͤßt sich aus der Zeit ihrer Oscillationen, wenn sie entfernt von Eisen und Magneten aufgestellt ist, beurtheilen. Woher auch die Kraft ent- stehe, welche die Nadel zu ihrer bestimmten Richtung zuruͤckfuͤhrt, so befolgen doch gewiß die Oscillationen eben die Gesetze, wie die des Pendels; denn die wirkende Kraft ist offenbar eine mit der Richtung, welche die Nadel annehmen muß, parallel wirkende, und alle Erfolge sind daher denen vergleichbar, die Sie fruͤher bei dem Pendel kennen gelernt haben. Auch hier gilt es, und ein leichter Versuch dient dafuͤr zum Beweise, daß die Oscillationen der Nadel gleichzeitig sind, die Nadel mag um einen Grad oder um zehn Grade von ihrer Richtung abweichen. Auch hier gilt es, daß die Zeit einer Oscillation auf die Haͤlfte herabgeht, wenn die die Rich- tung der Nadel bewirkende Kraft zu dem Vierfachen waͤchst; denn je maͤchtiger die Kraft wirkt, desto schneller zieht sie die Nadel zu ihrer richtigen Stellung zuruͤck, desto kuͤrzer ist die Oscillationszeit, jedoch nicht in einfachem umgekehrtem Verhaͤltnisse, sondern der eben angegebenen Regel gemaͤß. Wie die Zeit der Oscillationen von der Laͤnge und dem Gewichte der Nadel abhaͤngt, will ich hier uͤbergehen, und dagegen nur bei den Erfahrungen, welche die ungleiche Kraft einer und derselben Nadel betreffen, noch verweilen. Es ist offenbar, daß eine schwach magnetisirte Nadel, die vielleicht nur durch einen einzigen Strich eines Magnets aus dem voͤllig unmagnetischen Zustande herausgetreten ist, nur sehr lang- same Oscillationen machen wird, weil sie nur mit geringer Kraft in die bestimmte Richtung gezogen wird; erhaͤlt sie durch fortgesetz- tes Bestreichen eine vermehrte Kraft, so werden ihre Oscillationen schneller, aber nach und nach erreicht dieses eine Grenze und man sagt dann, die Nadel sei gesaͤttiget , weil, wie es scheint, sie unfaͤhig ist, nun noch einen staͤrkern Grad von Magnetismus an- zunehmen. Ist die Nadel von sehr gut gehaͤrtetem Stahle, so behaͤlt sie die einmal erlangte Kraft fast ganz unveraͤnderlich, minder har- ter Stahl aber verliert nach und nach seine Kraft, vorzuͤglich wenn er sich in der Naͤhe andrer Magnete so befindet, daß sie seine Kraft vermindern oder wenn er sich in unrichtiger Lage gegen die Erde befindet. Die verschiedenen Aufstellungen der Nadel, um sie bequem zu gebrauchen, muß ich doch noch erwaͤhnen. Will man die Magnet- nadel in ganz ruhiger Stellung mit moͤglichst großer Genauigkeit beobachten, so ist es vortheilhaft, ihr eine solche Form zu geben, daß eine auf ihrer obern Flaͤche gezogene feine Linie die eigentliche genaue magnetische Richtung anzeige. Die Nadel muß dann mit sehr großer Sorgfalt magnetisirt sein, damit beim Bestreichen die eigentliche magnetische Axe der Nadel nicht durch eine schiefe Rich- tung des Streichens von dieser Linie abweiche. Befindet sich dann die Nadel in einem eingetheilten Kreise aufgestellt, dessen Mittel- punct mit ihrem Drehungspuncte zusammentrifft, so kann man vermittelst eines Microscops den Theilungspunct des Kreises genau ablesen, auf dem jene Linie einspielt. In diesem Falle muß der getheilte Kreis durch astronomische Mittel genau gestellt sein, damit man die Lage der Nadel gegen den astronomischen Meridian mit aller Strenge bestimme. Der Compaß , wie der Schiffer ihn gebraucht, hat fast im- mer die Einrichtung, daß auf die Nadel der in seine 32 Wind- striche oder auch noch in kleinere Theile getheilte Kreis aufgeklebt ist, wobei sich dann die Stelle, die dem Nordpuncte entspricht, durch eine bestimmte Bezeichnung kenntlich macht. Damit der Compaß bei den Schwankungen des Schiffes immer horizontal bleibe, hat das Kaͤstchen LM, worin er sich befindet, eine doppelte Aufhaͤn- gung. Es ist naͤmlich zuerst ( Fig. 131. ) mit der Axe AB in einen Ring eingehaͤngt und um diese Axe beweglich; der Ring selbst aber dreht sich um die Axe CD, welche auf jene senkrecht ist, und ist dadurch in dem groͤßern Kasten befestigt. Hierdurch wird bewirkt, daß bei einer Hebung oder Senkung von C in Vergleichung gegen D eine Drehung um AB eintritt; bei einer Hebung des Punctes A eine Drehung um CD, und bei einer Hebung oder Senkung in einer gegen AB und CD schiefen Richtung eine Drehung um beide Axen. Fuͤr die Zwecke des Feldmessers eignet sich sehr gut die Schmalkaldersche Boussole ( Fig. 132. ), welche den Vor- theil gewaͤhrt, die Theilungen des Kreises zugleich mit dem Gegen- stande, nach welchem man visirt, beobachten zu koͤnnen. Beim Feldmessen naͤmlich ist es der Zweck des Gebrauches der Boussole, zu wissen, welchen Winkel irgend eine Linie, nach welcher man visirt, mit dem Meridiane macht, und dieser Zweck koͤnnte erreicht wer- den, wenn man die horizontal aufgestellte Boussole so richtete, daß das Visirlineal, AB, in dessen Richtung der Nullpunct des ein- getheilten Kreises liegen muͤßte, auf den bestimmten Gegenstand zielte, und wenn man dann nachsaͤhe, welchen Winkel die Magnet- nadel zeigt; aber folgende Einrichtung erleichtert die Beobachtung. Die Magnetnadel ist unter einem auf sie befestigten eingetheilten Kreise angebracht, und dieser Kreis kann da, wo das Norden der Magnetnadel liegt, seinen Nullpunct haben. Vor der Diopter B, an welcher das Auge sich befindet, ist ein unter 45 Gr. geneigter Spiegel, an diese Diopter befestigt, angebracht, damit das Auge, horizontal uͤber A nach dem Gegenstande blickend, auch die Zahlen des eingetheilten Kreises im Spiegel grade vor sich sehe. Waͤhrend nun das Visirlineal auf die bekannte Weise gegen den abzuvisiren- den Punct gerichtet und so festgestellt ist, giebt man, ohne die Stellung des Auges zu aͤndern, Achtung, vor welchem Grade des im Spiegel gesehenen Kreises die uͤber den Spiegel weg gesehene Visirlinie einspielt, und hat so die verlangte Richtung. Untersuchungen uͤber die magnetische Kraft der ein- zelnen Theile des Magnets . Da die Nordpolaritaͤt am einen Ende des Magnets, die Suͤdpolaritaͤt am andern Ende hervortritt; so laͤßt sich leicht erwar- ten, daß der Magnet in der Mitte neutral ist. Dieses ist auch wirklich so der Fall, daß in der Mitte keine magnetische Kraft merklich ist. Wenn man etwas laͤngere Stahlnadeln magnetisirt, so sind sie nur gegen die Enden zu im Stande Eisenfeile zu tragen, und belegen sich in der Mitte nicht damit. Wenn man zwei ma- gnetisirte Nadeln so an einander legt, daß der Nordpol der einen den Suͤdpol der andern beruͤhrt, so bilden sie nur einen Ma- gnet, der am Verbindungspuncte keine erhebliche Kraft hat, Ei- sen anzuziehen, und dies offenbar deswegen, weil hier Nordpol und Suͤdpol zugleich wirken, also die dem Magnete zu gewandte Seite des Eisenstaͤubchens weder die eine noch die andre Polaritaͤt erlangt. Diese ungleiche Staͤrke des Magnetismus oder die ungleiche Vertheilung der magnetischen Kraͤfte am Ende und gegen die Mitte des magnetisirten Stabes kann man mit Coulombs Drehwaage auf folgende Weise genauer untersuchen. Es sei ( Fig. 133. ) AB eine an dem Faden LM der Drehwaage horizontal aufgehaͤngte Magnetnadel, A ihr Nordpol; man lasse diese in ihrer natuͤr- lichen Stellung so zur Ruhe kommen, daß der Faden ungedreht ist, und bringe nun in senkrechter Richtung gegen sie den Magnet SN an, dessen Nordpol den Nordpol jener Nadel beruͤhrt. Da die gleichnamigen Pole sich abstoßen, so nimmt der Drath LM eine Drehung an und man muß durch Zuruͤckdrehen die Nadel AB zwingen, sich dennoch an N anzulegen; die Groͤße dieser Zuruͤck- drehung, welche naͤmlich erforderlich ist, um die Abstoßung zu hin- dern, giebt das Maaß der abstoßenden Kraft der beiden auf ein- ander wirkenden Pole. Stellt man nun den Versuch zuerst am aͤußersten Ende des Magnets, dann immer weiter gegen die Mitte zu an, so findet man, daß die Kraft in einer geringen Entfernung vom Ende am staͤrksten ist, dann aber gegen die Mitte sehr schnell abnimmt. Durch dieses Mittel erhaͤlt man zwar nicht im streng- sten Sinne die Kraft jedes einzelnen Punctes, sondern die ver- einigte Kraft auch der benachbarten Puncte, indeß laͤßt sich doch das Gesetz der Austheilung der magnetischen Kraͤfte gar wohl aus diesen Versuchen herleiten, zumal da die Einwirkung der nur etwas bedeutend weiter entfernten Puncte schon bald geringe wird. Ein zweites Mittel, um diese Kenntniß der Kraͤfte der einzelnen Puncte zu erhalten, besteht darin, daß man kleine Magnetnadeln in der Naͤhe der einzelnen Puncte eines groͤßern Magnetes oscilliren laͤßt, und aus der Schnelligkeit der Oscillationen die Kraft der Anziehung bestimmt. Bei dieser Untersuchung findet man, daß die staͤrksten Puncte oder die eigentlichen Pole nicht ganz am aͤußersten Ende des Ma- gnetes liegen, und auf diesen Umstand muß man bei manchen Un- tersuchungen Ruͤcksicht nehmen. Christie stellte zu anderm Zwecke den Versuch an, daß er einen magnetisirten Stab, in wel- chem diese Pole gleich entfernt von beiden Enden lagen, dadurch schwaͤchte, daß er mit dem Nordpole eines starken Magnets einmal oder zweimal gegen den Nordpol zu strich; dann ruͤckte der wahre Nordpol des so verschlechterten Magnets gegen die Mitte zu, der Suͤdpol aber naͤherte sich mehr dem andern Ende; bei zwei solchen Strichen oder mehrern ging der Nordpol stark gegen die Mitte zu und es entstand ein zweiter Suͤdpol an dem vorher nordpolarischen Ende, so daß man hier deutlich die nach und nach erfolgende Um- kehrung der Pole kennen lernte. Abnahme der magnetischen Kraft in der Ferne . Wenn man so die Staͤrke jedes einzelnen Punctes eines Magnetes kennt, so kann man auch die Abhaͤngigkeit der abstoßen- den Kraft gleichnamiger Pole von dem Abstande bestimmen. Statt naͤmlich ( Fig. 133. ) den verticalen Magnet SN ganz nahe an die andre Nadel zu bringen, stellt man ihn neben dem Endpuncte der Nadel, aber in einiger Entfernung, auf; zwingt durch Drehung des Fadens die Nadel in die bestimmte Entfernung zuruͤck, und lernt so die Kraft kennen. Wenn man dies fuͤr ungleiche Abstaͤnde von der Nadel thut, und dabei auch auf die Einwirkung der be- nachbarten Puncte durch gehoͤrig gefuͤhrte Rechnung Ruͤcksicht nimmt; so findet man, daß die Wirkung der magnetischen Kraft auf ein Viertel herabgeht, wenn die Entfernung sich verdoppelt, auf ein Neuntel, wenn die Entfernung sich verdreifacht, u. s. w. Mit Huͤlfe dieses Gesetzes und der vorhin angegebenen Bestimmung der ungleichen Austheilung des Magnetismus in jedem Magnete, ist es moͤglich, die Lage, welche eine Magnetnadel in der Naͤhe eines Magnetes erhalten muß, zu bestimmen, indem man die Ab- stoßung der gleichnamigen Haͤlfte von Punct zu Punct, und eben so die Anziehungen der ungleichnamigen Haͤlften, berechnet, und die Summen zu Bestimmung der Gleichgewichtslage anwendet. Auf aͤhnliche Art kann man auch die gesammte Kraft der Einwirkung auf eine Nadel und folglich die Schnelligkeit der Oscillationen, welche sie unter dieser Einwirkung machen muß, bestimmen und mit Versuchen vergleichen. Andre Versuche , die das Magnetisiren und die Anzie- hung und Abstoßung der Pole betreffen . Bei der Magnetisirung durch den einfachen, von einem Ende bis zum andern gehenden, Strich bietet sich ein Gedanke dar, den Brugmanns und van Swinden weiter verfolgt haben. Wenn man ( Fig. 134. ) in A mit dem Nordpole zu bestreichen anfaͤngt, so ist A im ersten Augenblicke gewiß suͤdpolarisch, aber am Ende des Striches, wenn N in B angekommen ist, findet sich A nordpolarisch; es muß also, waͤhrend N fortruͤckt, einen Punct a geben, wo N ankoͤmmt, wenn A keines von beiden ist. Brug- manns fand, daß dieser Punct, der in Beziehung auf A der Indifferenzpunct heißen muͤßte, bei dickeren Staͤben ent- fernter vom Ende A ist, als bei duͤnneren Staͤben, daß sich aber noch ein zweiter Indifferenzpunct b in Beziehung auf B findet, der naͤher gegen B zu liegt und die Eigenschaft hat, daß B weder Nord- pol noch Suͤdpol ist, wenn man von A bis b streicht und hier den Magnet abhebt. Van Swinden hat noch eine neue Bemer- kung hinzugefuͤgt, daß naͤmlich, wenn man in A mit dem Nordpole zu bestreichen anfaͤngt, B nordpolarisch ist, daß dieser Nordpol B verstaͤrkt wird, wenn man etwas naͤher von A gegen B fort- ruͤckt, daß es aber einen Punct c giebt, wo man, um die nord- polarische Kraft in B am staͤrksten hervorzurufen, den Magnet ab- heben muß, indem bei dem Fortruͤcken bis b das Ende B seinen polarischen Zustand wieder verliert. Jenen Punct c nennt van Swinden den Culminationspunct , den Punct der groͤß- ten Staͤrke. Diese Erfahrungen sind bemerkenswerth, indeß, da die Lage aller dieser drei Puncte von der Dicke und Haͤrtung des Stabes abhaͤngt, so ist ihre Kenntniß von keiner weitern Wichtigkeit. Die unter dem Einflusse eines Magnetes entstehende Magne- tisirung des Stahles und — zu diesem Zwecke noch besser — des weichen Eisens bietet noch mehrere, zuerst unerwartet scheinende, aber sich doch leicht erklaͤrende Erscheinungen dar, die man, nach Brugmanns Anleitung, leicht darstellen kann. Man stellt eine Magnetnadel AB ( Fig. 135. ) auf, deren natuͤrliche Richtung AB darstellt; man naͤhert ihrem Nordpole A gegenuͤber den Nordpol N eines Magnetes NS und wartet, bis die Nadel, die nun etwas am Nord-Ende abgestoßen wird, in einer andern Lage ab zur Ruhe koͤmmt; man legt ein weiches Eisen CD ungefaͤhr in die in der Figur angegebene Stellung und so, daß D sich nicht zu verruͤcken braucht, wenn C mit N zur Beruͤhrung gebracht wird; nachdem man jetzt die Nadel ihre ruhige Lage hat erlangen lassen, bringt man C zur Beruͤhrung des Poles N , und nun vergroͤßert sich die Abstoßung des Nordpoles bedeutend, beinahe so als wenn der Nordpol des Magnetes nach D geruͤckt waͤre. Der Grund ist einleuchtend, es wird naͤmlich D zu einem Nordpole, der, wenn er auch nicht so stark als N selbst ist, doch seiner Naͤhe wegen stark abstoßend auf die Nadel wirkt. Hat man wieder die Nadel AB durch den angenaͤherten Nord- pol N in die Lage ab gebracht, und legt nun den Eisenstab EF , so wie Fig. 136. zeigt, an den Magnet, so kehrt die Nadel etwas naͤher zu der Stellung AB zuruͤck, weil E ein Suͤdpol geworden ist, der auf ab eine entgegengesetzte Wirkung hervorbringt. Wenn man an dem von der Nadel am meisten entfernten Pole des Magnetes N ( Fig. 137. ) eine Stange weiches Eisen GH anbringt, so verstaͤrkt sich die Wirkung des der Nadel zuge- kehrten Poles; ward also A vom Suͤdpole S angezogen, so wird, wenn das lange Eisen GH angebracht ist, die Nadel noch mehr ihre Richtung aͤndern. Offenbar deswegen, weil der Nordpol N doch etwas abstoßend auf a wirkte, diese Kraft aber nun durch den an N hervorgebrachten Suͤdpol G aufgehoben, S also in seiner Wirkung gestaͤrkt wird. Aehnliche Wirkungen zeigen sich auch auf die an einem Ma- gnete haͤngenden Koͤrper. Haͤngt ( Fig. 138. ) an dem Pole N des Magnetes ein Eisen E und man bringt ein Eisen AB von bedeu- tender Groͤße mit N in Beruͤhrung, so faͤllt E herab, weil der bei A entstehende Suͤdpol, wenn N ein Nordpol ist, auf den in dem obern Puncte von E entstandenen Suͤdpol abstoßend wirkt und E also zwei widerstreitenden Kraͤften unterworfen ist, die in den mei- sten Faͤllen sich hinreichend aufheben werden, um der Einwirkung der Schwere auf E nicht mehr zu widerstehen. Auf aͤhnliche Weise macht man den Pol eines Magnetes kraftlos, indem man eines staͤrkern Magnetes gleichnamigen Pol naͤhert. Der schwaͤchere Magnet laͤßt dann die Eisenfeile fallen, die an ihm hing. Sechs und zwanzigste Vorlesung . Neigung der Magnetnadel . Um die Frage, nach welchen Gesetzen denn die Kraft wirke, die den, bloß der Einwirkung der Erde ausgesetzten, Magnet in seine bestimmte Richtung bringt, vollstaͤndig zu beantworten, muͤs- sen wir, m. h. H., Mittel aufsuchen, um zu entscheiden, ob diese Kraft genau nach Norden, vor allem aber, ob sie genau nach hori- zontaler Richtung ihre Wirkung ausuͤbt. Bis dahin nahmen wir immer die zur horizontalen Aufstellung bestimmte Magnetnadel als schon magnetisirt und dann so unterstuͤtzt an, daß sie horizontal blieb; wir wollen jetzt eine vollkommen unmagnetische Nadel zu erhalten suchen und diese im strengsten Sinne in ihrem Schwer- puncte aufhaͤngen. Ich erwaͤhne hier die Schwierigkeiten nicht, die es hat, eine Stahlnadel vollkommen unmagnetisch zu erhalten, obgleich es, wie ich spaͤter bemerken werde, so leicht geschieht, daß sie unter der Bearbeitung schon magnetisch wird, sondern nehme an, die Nadel AB ( Fig. 139. ) sei genau so gearbeitet, daß die ho- rizontale Axe C durch den Schwerpunct geht. Sie wissen, daß damit zugleich gesagt ist, daß die Nadel nicht bloß in der horizon- talen Lage, sondern in jeder Lage, die man ihr giebt, ruhend bleibt, indem die Schwerkraft keine Drehung um die Axe bewirkt. Diese voͤllig aͤquilibrirte Stahlnadel nun wird magnetisch gemacht, so daß B der Nordpol, A der Suͤdpol ist; wenn man sie alsdann wieder mit der Axe C auflegt, so findet das Gleichgewicht nicht mehr statt, sondern das nordpolarische Ende B senkt sich herab und die Nadel koͤmmt, (in unsern Gegenden wenigstens) in einer stark geneigten Stellung zur Ruhe, und daß diese Stellung nicht eine zufaͤllige ist, zeigt sich dadurch, daß die Nadel um diese schiefe Stellung Oscillationen macht, wie das Pendel um die verticale Stellung. Um mit dieser Neigungsnadel die wahre Richtung der auf die Nadel wirkenden magnetischen Kraft zu finden, giebt es zwei Mittel. Das beste waͤre, die Axe C an einem langen und feinen Faden aufzuhaͤngen, damit die Nadel durch nichts gehindert wuͤrde, in jeder Beziehung dem Antriebe zu folgen, den die auf die Magnet- nadel wirkende Richtungskraft darbietet; das zweite waͤre, der auf einer Unterlage ruhenden Axe C verschiedene Stellungen bald nach der einen, bald nach der andern Weltgegend zu geben und in jeder dieser Stellungen die Neigung der Magnetnadel zu beobachten. Waͤhlt man die erste Methode, so findet man, daß die Nadel in derjenigen Vertical - Ebne ruhend bleibt, die wir schon aus der Stellung der horizontalen Nadel als die magnetische Richtung, als den magnetischen Meridian kennen, und daß sie in dieser Ebne einen bestimmten Neigungswinkel, in Sachsen ungefaͤhr von 67 Grad, mit dem Horizonte macht. Bei Anwendung der zweiten Methode findet man, wenn die Ebne, in welcher sich die Nadel frei bewegt, der magnetische Meridian ist, eben jene Neigung von 67°; aber je mehr die Stellung der Axe C von der gegen diesen Meridian senkrechten Richtung abweicht, das heißt, je mehr die Ebne, in welcher die Nadel selbst ihre Bewegung macht, nach Osten und Westen zu geht, desto mehr stellt sich die Nadel in die verti- cale Lage, und erreicht diese, wenn die Drehungs-Ebne der Nadel ganz genau senkrecht auf den magnetischen Meridian ist. Da unsere Nadel im genauen Schwerpuncte aufgehaͤngt ist, so koͤmmt bei ihrer Stellung die Schwerkraft gar nicht in Be- trachtung und die Richtung der frei schwebenden Nadel ist uͤberein- stimmend mit der Richtung der magnetischen Kraft, welche allein auf die Nadel wirkt. Da diese nach CA wirkende Kraft ungefaͤhr mit dem Horizonte einen Winkel von 67° macht, so ist sie, nach Grundsaͤtzen der Statik, anzusehen, als ob sie aus einer horizon- talen Kraft, die ungefaͤhr ⅖ der ganzen Kraft ( CD = ⅖ CA ) ist, ( Fig. 140. ) und aus einer \frac{92}{100} der ganzen Kraft ( CE = \frac{92}{100} ⋅ CA . ) betragenden Verticalkraft zusammengesetzt waͤre, oder sie kann durch zwei solche Kraͤfte ersetzt werden. Befindet sich die Axe der Nadel in der Lage, daß die Drehung in der vertica- len Ebne des magnetischen Meridians geschieht, so wirkt die ge- sammte magnetische Kraft der Erde , — denn so duͤrfen wir die hier wirksame Kraft wohl nennen, — zur Zuruͤckfuͤhrung der Nadel in ihre genau richtige Lage, die Oscillationen der Nadel werden daher hier schneller sein, als in jeder andern Stellung; weicht dagegen die Drehungs-Ebne, die ich noch immer als verti- cal, die Lage der Axe der Nadel als genau horizontal, voraussetze, vom magnetischen Meridiane ab, so muͤssen wir so rechnen. Im- mer bleibt die vertical wirkende Kraft ( Fig. 140. 141. ) CE in gleicher Staͤrke wirksam; aber wenn ( Fig. 141. ) DCF einen in der horizontalen Ebne gezeichneten rechten Winkel bedeutet, CD der magnetische Meridian ist, und die Nadel ihre Bewegungen in der Vertical-Ebne GCE macht, so muß man die Horizontalkraft CD in zwei, gleichfalls horizontale, auf einander senkrechte Seiten- kraͤfte CH , CI , zerlegen, und nur CI traͤgt zur Drehung der Nadel bei, weil CH nichts als einen unmerklichen Druck auf den einen Endpunct der Drehungs-Axe hervorbringt. Da nun CI desto kleiner wird, je mehr CG sich der rechtwinklichen Stellung gegen den magnetischen Meridian naͤhert, so ist, eben so fortschrei- tend, die horizontale, auf die Nadel wirkende Kraft desto kleiner, und wenn die Nadel sich senkrecht auf den magnetischen Meridian bewegt, so ist gar keine Horizontalkraft mehr wirksam, weshalb dann die Nadel sich, wegen der noch immer auf sie wirkenden Ver- ticalkraft, vertical stellt. Beobachtet man die Oscillationszeiten einer recht guten, mit moͤglichst geringer Reibung an der Axe sich drehenden, Nadel, so zeigen auch diese, daß die Kraft, welche in der Stellung von Ost nach West, (dies naͤmlich auf den magne- tischen Nordpunct bezogen,) die Nadel zur verticalen Stellung zieht, nur ungefaͤhr neun Zehntel derjenigen ist, mit welcher die Nadel zu ihrer Neigungsstellung im Meridiane selbst zuruͤck gefuͤhrt wird. Giebt man eben dieser Nadel dadurch, daß man die Axe der Nadel in einer verticalen Stellung festhaͤlt, die Lage einer horizon- talen Nadel, so ist die Horizontalkraft es allein, welche die Nadel zum Meridiane zuruͤckfuͤhrt; die Oscillationen der Horizontalnadel werden also noch langsamer sein, so daß eine Nadel die 10 Schwin- gungen in bestimmter Zeit in ihrer natuͤrlichen Inclinationslage machte, nur etwa 6 in eben der Zeit in horizontaler Stellung macht. Astatische Nadel . Auf diese Ueberlegungen gruͤndet sich eine Aufstellung der Nadel, welche die Nadel eben so der Einwirkung der magnetischen Richtungskraft entzieht, wie es bei dem gewoͤhnlichen Waage- balken in Beziehung auf die Schwere der Fall ist. Der Grund, warum wir bei einem gut aͤquilibrirten Waagebalken, der, an einem feinen Faden haͤngend, horizontal steht, es laͤcherlich finden, zu fragen, ob er eine bestimmte Richtung nach Norden oder Osten unter Einwirkung der Schwere annehmen werde, liegt darin, daß die vertical wirkende Schwerkraft durchaus kein Bestreben haben kann, die horizontale Richtung des Waagebalkens gegen irgend eine Weltgegend zu bestimmen; stellt man daher die Magnetnadel so auf, daß ihre Axe die Richtung der magnetischen Kraft, das ist, die Richtung der Neigungsnadel, hat, so ist hier eben so gut wie dort bei dem Waagebalken alle Directionskraft des Magnetismus aufgehoben. Man hat, um diejenigen Wirkungen zu beobachten, die von andern Ursachen abhaͤngen, diese astatische Aufstellung der Nadel zweckmaͤßig gefunden, und die in Fig. 142. dargestellte Einrichtung ist sehr angemessen, um der Nadel alle verschiedenen Stellungen und also auch die astatische zu geben. Hier ist auf der genau horizontal zu stellenden Ebne AB ein eingetheilter Kreis, an welchem der mit der verticalen Saͤule DE verbundene Zeiger C die Stellung des ganzen oberen Theiles des Instruments angiebt. Diese verticale Saͤule laͤßt sich so, daß sie immer senkrecht auf AB bleibt, um ihre Axe drehen, und da sie den Kreis FG mit der Magnetnadel NS so traͤgt, daß man beide zusammen mit Huͤlfe des bei D angebrachten Halbkreises in jede schiefe Stellung bringen kann, so lassen sich alle Erscheinungen, die sich in der Lage und den Oscillationen der Magnetnadel darbieten, hier beobachten. Ist naͤmlich zuerst FG vertical gestellt, welches an dem Halbkreise D durch 90° bemerkt ist, so sieht man in unsern Gegenden die Na- del, mit ihrem Nordpole nach unten, von ungefaͤhr 67° bis 90° ihre Neigung aͤndern, waͤhrend man nach und nach den Zeiger C auf verschiedene Lagen stellt. Hat man den Grad, welchen C angiebt, wenn die Neigung 90° war, angemerkt, so findet man C um einen Quadranten fortgeruͤckt, wenn die Neigung am kleinsten ist, und die letztere Stellung ist die im magnetischen Meridiane, die erstere bezeichnet das magnetische Osten und Westen. Stellt man C in dieser ostwestlichen Stellung fest und veraͤndert nun bei D die Lage des Kreises FG , so sieht man die Oscillationen der Nadel immer traͤger werden, und wenn die Ebne FG um 23 Gr. noͤrdlich gehoben gegen den Horizont geneigt ist, so hat die Nadel alle Richtungskraft verloren, sie ist in der astatischen Aufstellung und hat gar kein Bestreben, irgend eine bestimmte Richtung an- zunehmen. Die Ebne, in welcher sich dann die Nadel bewegt und die dann zugleich durch den Kreis FG dargestellt wird, heißt die Ebne des magnetischen Aequators , weil sie senkrecht gegen die Linie ist, in welcher die beiden Pole des Magnetes ihre natuͤr- liche Stellung annehmen, und diese Ebne des magnetischen Ae- quators stellt sich uns in vieler Hinsicht als merkwuͤrdig dar. Ungleiche Neigung der Nadel in verschiedenen Gegen- den der Erde . Die bisher bloß in Beziehung auf unsre Gegenden betrachtete Erfahrung, daß die im strengsten Sinne aͤquilibrirte Nadel durch das Magnetisiren anscheinend am noͤrdlichen Pole schwerer wird, oder durch die Magnetisirung sich einer auf unmagnetische Koͤrper nicht wirkenden Kraft der Erde unterworfen zeigt, fuͤhrt natuͤrlich zu der Frage, wie sich die Erscheinung in andern Gegenden der Erde verhalte. Ich will hier von der naͤhern Bestimmung, ob es der wahre Nordpunct ist, gegen den die Nadel sich wendet, noch nicht reden, sondern bloß auf die Neigung oder Inclination sehen. Beobachtet man diese in verschiedenen Gegenden, so findet man in der Gegend des Erd-Aequators die Nadel wenig von der horizontalen Stellung abweichend, jenseits des Aequators dagegen wird der Suͤdpol der Magnetnadel eben so gegen die Erde herab gezogen, wie bei uns der Nordpol. Verfolgt man die Beobach- tungen genauer, so findet man, daß es eine um die Erde gezogene Linie giebt, wo die Nadel im strengsten Sinne horizontal bleibt, also gar keine Neigung hat, und diese Linie, die zwar dem Erd- Aequator nahe ist, aber doch nicht genau mit ihm uͤbereinstimmt, nennt man den magnetischen Aequator der Erde . (S. die Charte Taf. V. ) Geht man von dieser Linie abwaͤrts, so nimmt zuerst die Neigung so betraͤchtlich zu, daß sie in 10 Grad Abstand vom magnetischen Aequator schon beinahe 20 Gr. betraͤgt, aber nach und nach muß man immer weiter fortgehen, um sie auf 30, 40 Gr. zunehmen zu sehen; in der Gegend der Canarischen Inseln ist die Neigung ungefaͤhr 60°, in Ober-Italien 64°, in Paris 68°, in London 69½°, u. s. w. Der magnetische Aequator der Erde selbst ist kein groͤßester Kreis, sondern scheint, nach den von Hansteen , Morlet und andern zusammen gestellten Beobachtungen eine un- regelmaͤßige Linie zu bilden. Er schneidet nicht weit von der west- lichen africanischen Kuͤste den Erd-Aequator, geht durch das atlan- tische Meer suͤdlich von demselben fort, und entfernt sich in der Naͤhe der Kuͤste Brasiliens am meisten, etwa 15° von demselben; im großen Suͤdmeere findet sich, nicht weit von Neu-Guinea, ein zweiter Durchschnittspunct, und von da geht der magnetische Aequator noͤrdlich vom Erd-Aequator fort, noͤrdlich von Borneo und Ceylon vorbeigehend erreicht er in dem Meere zwischen der Indischen Halb-Insel und Africa seine groͤßte Entfernung vom Erd-Aequator und kehrt so zu dem zuerst erwaͤhnten Durch- schnittspuncte zuruͤck. Und so wie dieser magnetische Aequator alle die Puncte auf der Erde verbindet, wo die Neigung der Magnet- nadel = 0°, so lassen sich auch fuͤr alle andern Neigungswinkel die Linien gleicher Neigung ( isoclinische Linien ) ziehen. Diese Linien zeigen, je groͤßer die Neigung wird, desto mehr eine zweimalige Kruͤmmung nach Suͤden und nach Norden, indem, so weit die Beobachtungen reichen, im oͤstlichen Asien die Neigung in 50° noͤrdl. geographischer Breite eben so groß ist als im mittlern Asien in 53° bis 55° noͤrdl. Breite, und im atlantischen Meere in 40° Breite eben dieselbe Neigung statt findet, wie in Europa in 50° Breite, an der Grenze Asiens in 57° und in Kamt- schatka in 60° Breite. Etwas Aehnliches findet auf der suͤdlichen Halbkugel statt. Die punctirten Linien zeigen in der Charte diese Linien gleicher Neigung. Bis hieher habe ich die Beantwortung der Frage, ob es denn Puncte auf der Erde giebt, wo die Magnetnadel, welche vor dem Magnetisiren voͤllig aͤquilibrirt war, sich vertical stellt, wo die Neigung 90° ist, aufgeschoben, um das etwas unerwartet scheinende Resultat, daß es vier solche Puncte, zwei im Norden, zwei im Suͤden, giebt, vorzubereiten. Gehen wir naͤmlich von unsern Gegenden aus, wo die Nei- gung 67° bis 68° ist, grade nach Norden, so muͤßten wir bis nach Spitzbergen (beinahe in 80° Breite) reisen, um die Nadel eine Neigung von 80° erlangen zu sehen, dagegen hat die Magnet- nadel im noͤrdlichen America schon in der Breite von 54° (im suͤd- lichsten Theile der Hudsonsbay) eben die Neigung von 80°. Ver- folgt man die Linien auf der Erde, wo die Neigung 83°, 85°, und mehr betraͤgt, so findet man immer deutlicher, daß sie sich in etwas ovaler Form um einen Punct herumziehen, der ungefaͤhr 100° westlich von Greenwich in 71° Norderbreite, etwas suͤdlich von der Gegend liegt, wo Parry auf seiner Polarreise uͤberwinterte. Parry beobachtete eine Neigung von 88¾°, und befand sich also nicht weit von dem Puncte, wo die Neigung 90° betragen muß. Dieser eine Punct ist ziemlich genau bekannt und in der Charte ( Taf. V. ) noͤrdlich von America angegeben. Die Kruͤm- mung der Linien gleicher Neigung in Sibirien deutet auf einen eben solchen, aber sehr im unzugaͤnglichen Norden liegenden, zweiten Punct hin, wo die Neigung 90° ist, dessen genaue Lage aber schwerer zu bestimmen ist, weil wir keine Beobachtungen aus Gegen- den, die ihm sehr nahe sind, erhalten koͤnnen. Und eben so wie es zwei noͤrdliche magnetische Pole der Erde giebt, (denn so koͤnnen wir jene Puncte nennen,) so zeigen uns die Linien gleicher Neigung auf der suͤdlichen Halbkugel, daß es dort einen magnetischen Suͤdpol ungefaͤhr in 70° Breite grade suͤdlich von Neuholland und einen Suͤdpol in noch groͤßerer Breite suͤdwestlich von der suͤdlich- sten Spitze America's geben muß. Die Zeichnung Tafel V. giebt die ungefaͤhre Lage der vier Pole an. Die Erde ist selbst ein Magnet . Die Erde zeigt sich uns also selbst als ein Magnet, als mit einer nur auf die magnetisirten Koͤrper wirkenden Kraft be- gabt, wodurch in der noͤrdlichen Halbkugel der nach Norden zei- gende Pol der Nadel angezogen wird, in der suͤdlichen Halbkugel der nach Suͤden zeigende Pol. Ueberlegen wir nun, daß der Nord- pol eines Magnetes den Suͤdpol des andern anzieht, so erhellt, daß wir eigentlich dem Nord-Ende unserer natuͤrlichen und kuͤnst- lichen Magnete Suͤdpolaritaͤt beilegen muͤßten, weil dieser Theil der Nadel vom Nordpole der Erde selbst angezogen wird; und wirklich haben mehrere, vorzuͤglich franzoͤsische, Schriftsteller diesen Ausdruck angenommen, daß sie das nach Norden zeigende Ende der Nadel III. Ee ihren wahren Suͤdpol nennen und umgekehrt; indeß da wir uns am liebsten an das halten, was in die Augen faͤllt, so trage ich kein Bedenken, der gewoͤhnlichen Art zu reden gemaͤß, den nach Norden zeigenden Pol der Nadel den Nordpol oder das Nord- Ende der Nadel zu nennen, obgleich dies nicht ohne einige Unbe- quemlichkeit ist, weil eben dieser Pol in den allernoͤrdlichsten Ge- genden, noͤrdlich vom magnetischen Pole der Erde, sich nach Suͤ- den wendet. Wir duͤrfen jetzt den Gedanken, daß die Erde ein magnetischer Koͤrper ist, in welchem vier Puncte der Oberflaͤche, oder vielleicht richtiger, zwei durch die Erde gezogne magnetische Axen, sich als vorzuͤglich einwirkend zeigen, noch nicht weiter verfolgen, sondern muͤssen zuvor auch die uͤbrigen Erscheinungen, die Abweichung der Nadel naͤmlich und die Staͤrke der magnetischen Kraft, in verschie- denen Gegenden naͤher kennen lernen; indeß wollen wir den Ge- danken, daß die magnetischen Pole der Erde doch in jeder Beziehung merkwuͤrdige Puncte sein moͤgen, nicht aus dem Auge verlieren. Abweichung der Magnetnadel . Linien gleicher Ab- weichung . Ueber die Richtung, in welcher die horizontale Magnetnadel zur Ruhe koͤmmt, habe ich mich bisher immer nur sehr oberflaͤchlich ausgedruͤckt; aber diese Richtung ist fuͤr die genauere Kenntniß der magnetischen Kraft der Erde sehr wichtig. Damit die auf einer Spitze frei schwebende Nadel sich nicht, der Inclination der ma- gnetischen Richtungskraft gemaͤß, von der horizontalen Lage ent- ferne, muß man die horizontalen Nadeln nicht ganz strenge in ihrem Schwerpuncte unterstuͤtzen, sondern so, daß der Schwerpunct sich ein wenig gegen den Suͤdpol zu von dem unterstuͤtzten Puncte entfernt befinde, damit das durch die magnetische Kraft bewirkte Sinken des Nordpols aufgehoben werde; reiset man aber dann mit dieser fuͤr unsre Gegenden eingerichteten Magnetnadel in Gegenden, wo die Neigung geringer ist, so zeigt sich das Uebergewicht der suͤdlichen Haͤlfte der Nadel, und man muß ein kleines Gewichtchen an die noͤrdliche Haͤlfte befestigen, damit nun nicht eine Neigung gegen die Horizontallinie eintrete. Daß die Magnetnadel in ihrer natuͤrlichen Stellung bei uns nicht genau nach Norden zeigt, habe ich schon erwaͤhnt; der Win- kel, um welchen sie von Norden, vom Meridiane, abweicht, heißt ihre Abweichung oder Declination . An den meisten Or- ten der Erde findet eine aͤhnliche Abweichung statt, und zwar so, daß der Nordpol der Nadel an einigen Orten, wie bei uns, nach Westen abweicht, an andern nach Osten. In unsern Gegenden ist die westliche Abweichung ungefaͤhr 17 Grad. Diese Abweichungen sind nur in der Naͤhe der magnetischen Pole der Erde einer ziemlich genau richtigen und leicht zu uͤbersehenden Regel unterworfen, naͤmlich der Regel, daß dort die Spitze der Nadel sich nach dem naͤchsten magnetischen Pole der Erde richtet. Hansteen hat, in d e r Ueberzeugung, daß es nicht wohl anders sein koͤnne, durch Beobachtungen der Abweichung zuerst die Lage der Pole zu bestim- men gesucht, indem er die Durchschnittspuncte der Richtungslinien aufsuchte, die ihm die Beobachtungen der horizontalen Nadel im noͤrdlichsten America fuͤr den einen Pol, in Sibirien fuͤr den zwei- ten Pol, und so in der Gegend suͤdlich von Neuholland fuͤr den dritten Pol und in den Gegenden suͤdlich von America fuͤr den vier- ten Pol, angaben, und so hat er die Lage des am genauesten be- kannten Poles sehr nahe richtig bestimmt. Es ist einleuchtend, daß die Regel nur in der Naͤhe dieser Pole guͤltig sein kann, in- dem eine Magnetnadel, die weit entfernt von den Polen, etwa in der Mitte zwischen zweien jener Pole, liegt, offenbar einer nach beiden Nordpolen hin gerichteten Anziehung ihres Nord-Endes unter- worfen ist; ihre Richtung wird also zwar dem staͤrker wirkenden mehr zugewandt sein, als dem andern, aber doch nicht so, daß sich daraus so leicht die wahre Lage des einen oder andern Poles auf eine sichere Weise herleiten ließe Ueberhaupt ist diese Angabe unvollkommen, und so ist auch die Lage der auf unsrer Charte eingetragenen Pole nur als einigermaßen der Wahrheit nahe anzusehen. . Parry sah, als er sich noͤrdlich von dem uͤber Nord-America liegenden Pole befand, den Nordpol der Magnetnadel gegen Suͤdwest oder gegen Suͤdost ge- kehrt, so wie es seine Lage gegen den aus andern Beobachtungen bekannten magnetischen Pol forderte. Ee 2 Schon seit Halleys Zeiten, das heißt seit dem Ende des siebenzehnten Jahrhunderts, hat man es der Muͤhe werth gefun- den, diejenigen Linien auf der Erd-Oberflaͤche aufzusuchen und aufzuzeichnen, in welchen eine gleiche Abweichung der Magnetnadel vom Meridiane statt findet. Diese Linien gleicher Abwei- chung , die man (mit einem wohl nicht ganz passenden Namen) isogonische (Linien gleicher Winkel) genannt hat, stellen sonder- bare Figuren dar, und dieses ist freilich so fern nicht zu verwun- dern, als die Vergleichung der magnetischen Richtung mit dem astronomischen Meridiane zwar eine fuͤr die Anwendung in der Seefahrt bequeme, aber doch nicht eigentlich in der Natur der Sache gegruͤndete ist. Wenn, wie man in fruͤherer Zeit es anzu- nehmen geneigt sein konnte, die beiden wahren Pole der Erde auch ihre magnetischen Pole waͤren, so haͤtte man im Meridiane zu- gleich eine mit der magnetischen Kraft der Erde in unmittelbarer Beziehung stehende Linie; wenn die Erde zwei magnetische Pole, aber entfernt von den Erdpolen haͤtte, so wuͤrden die groͤßesten Kreise durch diese zwei Pole am besten geeignet sein, um die Rich- tung der Nadel auf sie zu beziehen; aber da die Erde wohl gewiß mehr als zwei magnetische Pole hat, so ist es schwer anzugeben, auf welche Linien man am besten die beobachteten Richtungen der horizontalen Magnetnadel beziehen koͤnnte. Aber wie wenig pas- send fuͤr theoretische Bestimmungen diese Linien gleicher Abweichung sind, das erhellt am besten, wenn man annimmt, die Lage der Umdrehungs-Axe der Erde sei eine andre, waͤhrend die magne- tischen Eigenschaften der Erde dieselben blieben; dann haͤtten wir andre astronomische Meridiane und ganz verschiedene isogonische Linien, obgleich in dem Magnetismus der Erde keine Aenderung vorgegangen waͤre. Die Betrachtungen, wozu wir hier hingeleitet werden, wollen wir indeß verlassen, um nur zuerst die Erfahrungen in einer klaren Darlegung zu uͤbersehen. In manchen Orten auf der Erde ist die Abweichung der Na- del vom astronomischen Meridiane Null, und diese Orte, wo die Magnetnadel genau nach Norden zeigt, bilden zwei zusammen- haͤngende Linien. Die eine Linie ohne Abweichung geht ungefaͤhr von demjenigen magnetischen Nordpole, welcher uͤber Nord-America liegt, aus Vergl. die Charte Taf. V. , durchlaͤuft in beinahe suͤdlicher, nur etwas oͤstlicher, Richtung das noͤrdliche America, geht dann nach Brasilien, von dem sie nur den kleinern Theil als oͤstlich liegend abschneidet, und geht dann gegen den Suͤdpol zu in unzugaͤngliche Gegenden. Die zweite Linie ohne Abweichung, die ich von Suͤden nach Norden verfolgen will, koͤmmt ziemlich eben so von dem unter Neuholland liegenden magnetischen Suͤdpole her, wie jene vom einen Nordpole; sie geht dann (freilich zum Theil schlecht bestimmt, wegen Mangel an Beobachtungen,) grade nordwaͤrts bis in die Gegend von Celebes, bildet aber hier, wie Hansteen aus den Beobachtungen herleitet, eine Reihe von Kruͤmmungen, zuerst westlich nach Borneo, dann noͤrdlich, ferner westlich und dann suͤdlich durch Sumatra, westlich und dann noͤrdlich durch Ceylon, hierauf nordoͤstlich durch China, noͤrdlich und etwas westlich in das noͤrdlichste Sibirien, abermals westlich, dann suͤdlich durch Irkutzk, westlich im vierzigsten Breitengrade, nordwestlich gegen Archan- gelsk und weiter dem Pole zu Diese Linie ist in ihren einzelnen Kruͤmmungen noch nicht sehr genau bestimmt, uͤberdies habe ich (Tafel V. ) zum Theil die aͤltern Beobachtungen nach Hansteen und die neuern nach Erman ver- einigt zum Grunde legen muͤssen, was allerdings fehlerhaft ist. Dieses Zusammenfuͤgen ungleichzeitiger Beobachtungen ist auch bei den uͤbrigen isogonischen Linien als ein Fehler anzusehen, den man aber nicht wohl vermeiden kann, wenn man einen Ueberblick uͤber das Ganze zu geben wuͤnscht. . Europa und Africa nebst den benachbarten Meeren und den benachbarten Theilen Asiens und America's, so weit sie zwischen jenen beiden Linien liegen, haben westliche Abweichung; diejenigen Gegenden aber, welche jenseits jener Linien, auf der Erdkugel ungefaͤhr Europa gegenuͤber bei Kamtschatka und von da suͤdwaͤrts, liegen und zugleich die, welche im noͤrdlichsten Sibirien liegen u. s. w. haben oͤstliche Abweichung. Gehen wir von der uns westlich liegenden Linie ohne Abwei- chung aus, so gehen die Linien gleicher Abweichung fuͤr 5°, 10°, 15°, westlicher Abweichung beinahe mit ihr gleichlaufend; und eben das gilt fuͤr die westlich von Archangelsk und Casan liegenden Linien gleicher Abweichung, wo diese nicht uͤber 15° betraͤgt. Dagegen verlassen die Linien von 25°, 30° und mehr westlicher Abweichung diese Parallelitaͤt gaͤnzlich, und gehen von dem americanischen Nordpole des Magnetismus zuerst suͤd- lich, denn oͤstlich laufend, sehr bald in die genau noͤrdliche Richtung uͤber; und ebenso finden sich suͤdwestlich von Neu- holland Linien gleicher Abweichung von 20°, 30°, 40°, die von dem unter Neuholland liegenden Suͤdpole noͤrdlich, dann westlich laufend, bald die genaue suͤdliche Richtung nehmen. Im mittlern und suͤdlichen Asien, wo die Nulllinie so unregelmaͤßige Kruͤm- mungen macht, scheinen in sich zuruͤckkehrende, ovale Linien glei- cher Abweichung zu liegen Namentlich unter 130° Laͤnge und 50° Nordbreite. . Was die Linien gleicher oͤstlicher Abweichung betrifft, so laͤßt sich die Uebereinstimmung mit den eben betrachteten Linien gleicher westlicher Abweichung am besten uͤbersehn, wenn man die starke Kruͤmmung der asiatischen Null- linie zuerst aus den Augen laͤßt und vom 60sten noͤrdlichen Breiten- grade nach Neuholland eine ziemlich ungekruͤmmt fortgehende Linie zieht. Mit dieser ungefaͤhr gleichlaufend sind die Linien, wo 4°, 6°, 10° Abweichung statt findet; dann aber folgen im Norden und im Suͤden Linien gleicher Abweichung, die, ganz in den noͤrdlichen und suͤdlichen Gegenden bleibend, wenigstens der Vermuthung, daß sie von einem der magnetischen Pole aus- gehend, dem naͤchsten Erdpole zu gehn, nicht widersprechen. In den starken Kruͤmmungen der asiatischen Nulllinie scheinen auch fuͤr oͤstliche Abweichung solche in sich zuruͤckkehrende Curven zu liegen, wie fuͤr die westliche Abweichung. Aber nun findet sich noch ein System in sich zuruͤckkehrender Curven gleicher oͤstlicher Abweichung, wozu wir bei den Linien gleicher westlicher Abweichung keine genaue Analogie kennen. Im stillen Meere naͤmlich wird ein großes Vier-Eck uͤbrig gelassen, wohin die von Norden kom- menden und bald nach Norden zuruͤckkehrenden und auch die von Suͤden kommenden und bald nach Suͤden zuruͤckkehrenden Linien gleicher Abweichung nicht gelangen, und das auch von den mit den Nulllinien gleichlaufenden Linien nicht erreicht wird. In diesem großen Raume, westlich von Suͤd-America, ist ungefaͤhr bei den Marquesas-Inseln die Abweichung am kleinsten, und die Linien gleicher, zunehmender Abweichung bilden Ovale um diesen Punct bis zum Anschließen an die oben erwaͤhnten Grenzen. Viel- leicht giebt es fuͤr westliche Abweichung etwas Aehnliches im In- nern von Africa, wo ein kleinerer viereckiger Raum von den Li- nien einer 15° betragenden Abweichung an der Ost- und Westseite, und von den Linien einer 20° betragenden Abweichung noͤrdlich und suͤdlich begrenzt wird. Diese africanischen Ovale, die in un- besuchten Gegenden liegen muͤßten und noch ununtersucht sind, wuͤrden ungefaͤhr da liegen, wo zwei groͤßte Kreise sich durchschnei- den, deren einer durch die beiden staͤrksten Pole in Nord-Ame- rica und unter Neuholland, der andere durch die beiden schwaͤ- chern Pole geht; und wenn gleich eine eben solche Bestimmung fuͤr die Ovale im stillen Meere weniger gut zutrifft, so deutet sie doch einigermaßen die Gegend an, wo diese sich wirklich finden, und an mehr als oberflaͤchliche Uebereinstimmung ist hier ohnehin nicht zu denken. Schwierigkeiten bei der genauen Bestimmung der De- clination und Inclination . Ich darf diesen Gegenstand nicht verlassen, ohne noch zu be- merken, welche Schwierigkeiten diesen Bestimmungen, die wir bisher benutzt haben, entgegenstehen. Auf dem festen Lande sind diese in Beziehung auf die Abweichung unbedeutend, da man die Naͤhe von Eisenmassen vermeiden und die Richtung des Meridians vollkommen genau kennen lernen kann; auf dem Meere aber ist die Sicherung gegen die Einwirkung des Eisens im Schiffe minder zuverlaͤssig, und auch die Bestimmung des wahren Norden schwie- riger. Bei den aͤlteren Beobachtungen der Abweichung ist oft die Vergleichung der Richtung der Magnetnadel mit derjenigen Rich- tung, in welcher man die Sonne untergehen sah, benutzt; aber dieses ist keine gute Bestimmung, da bei staͤrkerer Strahlenbrechung, — und Sie wissen, daß diese sehr ungleich ist, — die Sonne in einem etwas noͤrdlicheren Puncte den scheinbaren Horizont erreicht. Die genaue Bestimmung der Neigung hat weit mehr Schwie- rigkeit. Da naͤmlich die Axe der Nadel, wenn sie gleich duͤnne ist, die Reibung an ihrer Oberflaͤche immer doch in einigem Abstande vom Drehungspuncte leidet, so hat die Reibung ein nicht uner- hebliches Moment, und hindert die Nadel an der Erlangung der genau richtigen Stellung. Es ist naͤmlich offenbar, daß die nur noch wenige Minuten von der richtigen Stellung entfernte Nei- gungsnadel mit einer hoͤchst schwachen Kraft zu dieser richtigen Stellung hingezogen wird, indem, wenn CB die Richtung der Nadel, CA die Richtung der magnetischen Kraft ist, ( Fig. 143. ) die Linie AB verhaͤltnißmaͤßig diejenige Kraft ausdruͤckt, welche zur Drehung der Nadel beitraͤgt. Wenn diese so klein wird, daß sie die Reibung nicht uͤberwinden kann, so bleibt die Nadel bald um einige Minuten an der einen Seite, bald um einige Minuten an der andern Seite von der richtigen Stellung entfernt, und die Grenzen dieser Ungleichheiten lehren uns wenigstens den Grad der Unsicherheit der Angaben kennen Aus diesem Grunde sieht man auch die Neigungsnadeln ihre Oscillationen viel weniger lange fortsetzen, als die horizontalen Nadeln, obgleich die langsamen Oscillationen der letztern eine schwaͤcher wir- kende Kraft anzeigen. . Da diese Unsicherheit davon herruͤhrt, daß zuletzt keine merkliche, den Ausschlag gebende Kraft vorhanden ist; so hat Mayer eine andere Einrichtung der Nei- gungsnadeln empfohlen, die auch Sabine nach vielmaliger prac- tischer Anwendung zweckmaͤßig gefunden hat. Statt naͤmlich, wie wir es fruͤher voraussetzten, die Nadel fuͤr alle Stellungen zu aͤqui- libriren, oder sie genau im Schwerpuncte aufzuhaͤngen, wird sie nur wie ein Waagebalken fuͤr die horizontale Stellung abgeglichen und ( Fig. 144 ) mit einem angelegten Blaͤttchen GH absichtlich an der untern Seite schwerer gemacht. Wird nun die Nadel ma- gnetisirt, so sinkt ihr noͤrdlicher Theil herab; aber die Nadel nimmt nun nicht die eigentliche Stellung der Neigungsnadel an, sondern indem ( Fig. 145, wo das angelegte Stuͤck GH der besseren Ver- staͤndlichkeit wegen sehr breit dargestellt ist), der in C liegende Schwer- punct gehoben wird; bleibt AB weniger geneigt, als die Richtung ED der magnetischen Kraft es fordert; diese Kraft naͤmlich zoͤge B herabwaͤrts, aber da dann der Schwerpunct C gehoben werden muͤßte, so tritt ein Gleichgewicht ein. Um aus dieser unrichtigen Neigung die richtige abzuleiten, muß man die Nadel in ihrer Un- terlage umlegen; dann nimmt sie eine zu nahe mit der Vertical- linie uͤbereinstimmende Lage an, wie Fig. 146. zeigt, indem die nach ED wirkende Kraft des Magnetismus nun B zu heben sucht und dem Bestreben des Schwerpunctes C herabzusinken, auf die entgegengesetzte Art entgegenwirken muß. Daß sich aus zwei solchen Beobachtungen die wahre Neigung finden laͤßt, erhellt wohl, jedoch wird vorausgesetzt, daß die unmagnetisirte Nadel fuͤr die horizon- tale Stellung ganz genau berichtiget war; wenn das ungewiß ist, so muß man durch neues Bestreichen der Nadel den Nordpol in einen Suͤdpol verwandeln und jene beiden Beobachtungen wieder- holen. Diese Einrichtung giebt den Vortheil, daß die Nadel, wie Sabine bestaͤtigt fand, mit großer Genauigkeit immer dieselbe Stellung annimmt, weil die Drehungskraft, selbst nahe bei der Gleichgewichtsstellung, noch ziemlich erheblich bleibt. Intensitaͤt der magnetischen Kraft . Die bisherigen Untersuchungen betrafen die Richtung der magnetischen Kraft an jedem Orte auf der Erde, und diese ist durch Neigung und Abweichung so angegeben, daß man alle Be- ziehungen, die bloß die Richtung der magnetischen Kraft be- treffen, dadurch kennen lernt. Aber auch die Staͤrke der magne- tischen Kraft ist in verschiedenen Gegenden ungleich. Um hieruͤber Versuche anzustellen, muß man sehr vollkommen gehaͤrtete Magnet- nadeln haben, damit man sicher sei, daß diese an sich selbst als un- veraͤnderlich duͤrfen angesehen werden; die Versuche uͤber ihre Oscillationszeiten geben dann die Bestimmungen uͤber die Ungleich- heit der wirkenden magnetischen Kraft. Bedient man sich einer solchen Neigungsnadel, die nach allen Richtungen aͤquilibrirt war, ehe sie magnetisirt wurde, so dienen die Oscillationszeiten unmit- telbar zu Bestimmung der Kraft, indem schnellere Oscillationen groͤßere Kraft anzeigen; bedient man sich der horizontalen Nadel, so muß man bedenken, daß die horizontal wirkende magnetische Kraft vorzuͤglich da, wo die Neigung der Magnetnadel bedeutend ist, geringer ist, daß also die Bestimmung der gesammten ma- gnetischen Kraft erst aus dieser Ruͤcksicht auf die Neigung her- vorgeht. Eine in der natuͤrlichen Richtung der magnetischen Kraft oscillirende Nadel machte in Peru unter dem magnetischen Ae- quator der Erde in 10 Minuten 211 Oscillationen, in Paris in eben der Zeit 245 Oscillationen; die magnetische Kraft in Peru, unter dem magnetischen Aequator, verhielt sich also zu der in Paris, wie 211 ⋅ 211 = 44521 zu 245 ⋅ 245 = 60025, das ist, wie 1 zu 1,3482. Die horizontale Nadel schwingt dagegen in Paris langsamer, weil bei der starken Neigung der Nadel, welche 69° betraͤgt, die horizontal wirkende Kraft nur etwas mehr als ein Drittel der gesammten magnetischen Kraft ist, in mehr noͤrd- lichen Gegenden sind die horizontalen Oscillationen noch traͤger, obgleich die gesammte Kraft in den noͤrdlichen Gegenden noch mehr zunimmt. Die Beobachtungen zeigen, daß die magnetische Kraft am schwaͤchsten ist um den magnetischen Aequator der Erde, daß sie im Allgemeinen mit der Neigung der Nadel zunimmt, daß sie aber doch keineswegs bei gleicher Neigung gleich oder auf jeder isoclinischen Linie in jedem Puncte gleich ist. Schon Hansteen hat bemerkt, daß, wenn man auf den Linien gleicher Neigung von Europa nach America fortgehe, man in America viel groͤßere In- tensitaͤten finde, und Erman zeigt, daß im magnetischen Aequator im westlichen Theile des atlantischen Meeres die magnetische Kraft nur ¾ derjenigen ist, die 100 Grade westlicher im stillen Meere statt findet. Da nun, wenn man von diesem Puncte einer so geringen Intensitaͤt noͤrdlich und suͤdlich fortgeht, man zu staͤrkern Graden der magnetischen Kraft gelangt, so haben die Li- nien gleicher Kraft , die isodynamischen Linien , so fern sie so geringen Kraͤften angehoͤren, Durchschnittspuncte mit dem magnetischen Aequator; dagegen haben die Linien gleicher Kraft, wo die Kraft merklich uͤber \frac{4}{3} jener schwaͤchsten Intensitaͤt steigt, keine Durchschnittspuncte mit dem magnetischen Aequator, sondern bilden in der noͤrdlichen Halbkugel Linien, die sich in Ame- rica und im oͤstlichen Asien suͤdlicher ziehn, in den zwischenliegenden Gegenden etwas noͤrdlichere Gegenden erreichen. Auch diese iso- dynamischen Linien, die in der Charte ganz ausgezogen und mit 0,8; 1,0; 1,2; 1,4; bezeichnet sind, wenden in den vom Ae- quator entfernten Gegenden auffallend ihre concaven Seiten gegen die Gegenden, wo die vier magnetischen Pole liegen, aber die Lage der Puncte, die man als der Mitte dieser Concavitaͤten ent- sprechend ansehn moͤchte, stimmt keinesweges genau mit den fruͤher aufgefundenen Polen uͤberein; sondern wir werden hier darauf aufmerksam gemacht, daß die Puncte einer senkrechten Stellung der Magnetnadel nicht so gradezu die magnetischen Pole der Erde sind. In den noͤrdlichsten Gegenden von America ist die magne- tische Kraft ziemlich viel uͤber das Doppelte derjenigen, die am magnetischen Aequator an der Westkuͤste Africa's statt findet. Der Punct der groͤßten Intensitaͤt im noͤrdlichen America muß nach Hansteens Zusammenstellungen ungefaͤhr 80° von Paris westlich, im 55° noͤrdlicher Breite liegen; nach Ermans Beobach- tungen liegt ein eben solcher Punct groͤßester Intensitaͤt in Si- birien, in groͤßerer Breite als 60° und 120° oͤstlich von Paris. Diese Puncte groͤßter Intensitaͤt stimmen nicht genau mit denen, die wir nach den Angaben der Richtung der Magnetnadeln Pole nennen wollten, uͤberein. Auf der suͤdlichen Halbkugel sind we- nigere Bestimmungen der Intensitaͤt des Magnetismus bekannt, indeß weiß man, daß suͤdlich von Neuholland die magnetische Kraft fast eben so groß, als in Nord-Amerika und Sibirien ist, so wie es die Naͤhe des dortigen Poles zu fordern scheint Die Linien gleicher Kraft sind in Taf. V. meistens von Erman entlehnt, (Poggend. Ann. XXI. ) doch habe ich in Neuholland und dem noͤrdlichsten America einige Bestimmungen von Hansteen beigefuͤgt. Die Zahlen 0,8; 0,9; 1,0; 1,2; 1,4; 1,6; geben die Verhaͤltnisse der magnetischen Kraft an. . Die Untersuchungen uͤber die Intensitaͤt der magnetischen Kraft sind erst in der neuesten Zeit durch von Humboldt in ihrer Wichtigkeit dargestellt und seitdem weiter verfolgt worden. Offenbar geben sie uns wichtige Belehrungen uͤber die Austhei- lung der magnetischen Kraft der Erde, und muͤssen sehr wesentlich beitragen, unsre Kenntnisse uͤber den Erdmagnetismus zu berich- tigen und eine Theorie aller dieser Erscheinungen herbeizufuͤhren. Sieben und zwanzigste Vorlesung. Die neulich betrachteten Erfolge der Einwirkung der ma- gnetischen Kraͤfte auf unsre Magnetnadeln sollten uns nun billig zu der Beantwortung der Frage fuͤhren, welche Austheilung der magnetischen Kraͤfte in der Erde selbst statt findet; aber um hiebei nichts aus den Augen zu lassen, was die Beobachtungen darbieten, muß ich noch bei den Aenderungen, welche die Richtung und Staͤrke der magnetischen Kraft im Laufe der Zeit erleidet, ver- weilen. Aenderungen der Neigung und der Abweichung . Die Inclinationen der Nadel sind in fruͤherer Zeit selten und nicht vollkommen genau beobachtet worden, indeß sind doch auch diese aͤlteren Beobachtungen zu mehrern wichtigen Bestimmungen zureichend. In London war um oder kurz nach dem Anfange des vorigen Jahrhunderts die Neigung gegen 75° und jetzt ist sie nicht voͤllig 69¾°; in Paris war sie 1671 75°, 1754 72¼°, 1806 69° 12′, 1827 68°. Ebenso ist sie in allen Gegenden Deutschlands im Abnehmen. Die Linie ohne Neigung scheint nach den neuesten Beobachtungen ihre Durchschnittspuncte mit dem Aequator und ihre groͤßte Entfernung vom Aequator etwas west- licher zu haben, als es nach den von Hansteen fuͤr das Jahr 1780 gesammelten Beobachtungen der Fall war. Dieses wuͤrde auf ein Fortruͤcken der magnetischen Erdpole nach Westen hinzu- weisen scheinen, und so viel wenigstens ist klar, daß, wenn der am staͤrksten wirkende Nordpol der Erde im noͤrdlichen America sich von Europa weiter nach Westen entfernt, jeder Ort in Eu- ropa immer mehr in Linien geringerer Neigung hineinruͤckt, wie Sie bei einem Blicke auf die Charte leicht uͤbersehn. Noch auffallendern Aenderungen ist die Abweichung unter- worfen. Sie ist in fruͤhern Zeiten in unsern Gegenden oͤstlich gewesen, ist dann westlich geworden und kuͤrzlich hat die westliche Abweichung ihren groͤßesten Werth erreicht; jetzt ist sie noch immer westlich, aber abnehmend. Von Paris und London haben wir am laͤngsten fortgesetzte Beobachtungen. In Paris betrug die Ab- weichung oͤstlich 11° im Jahre 1580, die Nadel zeigte genau nach Norden im Jahre 1666, ihre westliche Abweichung war 10° im Jahre 1712, 20° im Jahre 1771, und erreichte gegen das Jahr 1819 beinahe 23°. In London betrug 1580 die oͤstliche Abwei- chung 11 Grad, 1657 fand weder oͤstliche noch westliche Abweichung statt, 1692 war die westliche Abweichung 6°, 1750 ungefaͤhr 18°, 1797 war sie 24° und nahm nun sehr langsam zu, so daß die Nadel 1819 die groͤßte westliche Abweichung, etwas mehr als 24½°, erreichte; seitdem ist dort die Declination in langsamem Abnehmen. Im oͤstlichen Deutschland ist die Abweichung schon laͤnger abnehmend und hat sich seit 1814 stark vermindert. Diese Aenderungen der Abweichung an jedem Orte bringen im Fortgange der Zeit die auffallendsten Aenderungen der Linien gleicher Abweichung hervor, und diese Aenderungen sind vorzuͤglich darum zu merken, damit man sich nicht verleiten lasse, solche Un- regelmaͤßigkeiten, wie sie jetzt die Linie ohne Abweichung in Asien zeigt, fuͤr bloße Folge oͤrtlicher Einwirkungen der Gebirge und der unveraͤnderlichen Theile der Erde anzusehen. Im Jahre 1600 ging die Linie ohne Abweichung von Africa beinahe genau noͤrdlich bis nach Finnland und Lappland, wo sie sich westlich wandte und dann an der Suͤdostkuͤste von Island vorbei, suͤdlich auf die Nord- kuͤste von Suͤd-America zulief. Sie umschloß in Europa ovale Linien gleicher Abweichung, in deren Mitte England mit 9° oͤst- licher Abweichung lag. Im Jahre 1700 hatte sich diese starke Kruͤmmung mit den eingeschlossenen ovalen Linien gleicher Abwei- chung ganz verloren, und der regelmaͤßigere Theil der Linie ohne Abweichung hatte sich auf die Westseite Africa's hin begeben, von wo sich diese Linie in maͤßiger Kruͤmmung nach der Kuͤste von Nord-America wandte. Dagegen scheint im Jahre 1700 die durch das oͤstliche Asien gehende Linie ohne Abweichung frei von den Kruͤmmungen gewesen zu sein, die sie jetzt angenommen hat. Die schon seit 1700 durch das atlantische Meere gehende Linie ohne Abweichung hat sich immer mehr gegen die Kuͤste von Bra- silien hin gezogen und hat sie, nach Erman , jetzt wirklich erreicht. Daß mit diesen Aenderungen auch entsprechende Aenderungen der uͤbrigen Linien gleicher Abweichung verbunden gewesen sind, ver- steht sich von selbst. So lange die westlich von Europa liegende Linie ohne Abweichung, die sich von uns entfernt, uns noch nahe war, ruͤckte jeder Ort in Europa nach und nach in Linien groͤßerer westlicher Abweichung hinein; jetzt ist die Linie groͤßester Abwei- chung uͤber unsre Gegenden hinausgeruͤckt und die Linien kleinerer westlicher Abweichung kommen in unsre Gegenden, desto mehr, je naͤher die asiatische Linie ohne Abweichung zu uns heran koͤmmt. Daß auch die Intensitaͤt des Magnetismus in unsern Gegen- den abnimmt, hat man erst neuerlich bemerkt. Wenn, wie es scheint, der fuͤr unsere Gegenden wirksamste Pol sich von uns ent- fernt, so ist es natuͤrlich, daß wir eben so nach und nach zu Linien geringerer Intensitaͤt gelangen, wie zu Linien geringerer Neigung, wenn gleich diese nicht genau mit einander uͤbereinstimmen. Legrand hat in Hinsicht auf die Aenderungen der Abwei- chung und Neigung die Bemerkung mitgetheilt, daß man sie in Verbindung betrachten muͤsse, um sie einfacher zu uͤbersehen. Die wahre Richtung der magnetischen Kraft aͤndere sich in Paris gleich- foͤrmig und durchlaufe eine Kegelflaͤche, die an der Spitze einen Winkel von 17° 19' bilde; seit 1666, wo die Abweichung in Paris=0 war, bis 1819, wo sie am groͤßesten war, habe die Richtung der Nadel auf dieser Flaͤche 69° 9'durchlaufen, und wenn man darnach die Abweichung und Neigung fuͤr die einzelnen Jahre berechne, so finde man Zahlen, die bei der Inclination hoͤch- stens 17', bei der Declination hoͤchstens 36' von den Beobachtun- gen abweichen. Wenn sich die Richtigkeit dieser Bemerkung, daß man die Aenderung der Richtung der magnetischen Kraft als gleich- maͤßig finde, auch fuͤr andre Orte bestaͤtigte, so wuͤrde die Axe, um welche herum sich diese Richtungslinien gleichfoͤrmig bewegen, eine fuͤr jeden einzelnen Ort sehr wichtige Linie sein. Jaͤhrliche und taͤgliche Aenderungen der Richtung und Staͤrke der magnetischen Kraft . Die Abweichung nimmt nicht von einem Tage zum andern und von einer Stunde zur andern gleichmaͤßig zu oder ab, son- dern schon Wilke , Cassini u. a. fanden, daß die horizontale Nadel um 2 bis 3 Uhr Nachmittags am meisten westlich stand und fruͤh Morgens am meisten oͤstlich. Beaufoy fand fuͤr London 8½ Uhr als die Zeit der geringsten westlichen Abweichung, 1½Uhr als die Zeit der groͤßesten Abweichung, und der Unterschied betrug um das Jahr 1820 in London 9 Minuten. Auch Beob- achtungen an andern Orten auf der noͤrdlichen Halbkugel stimmen hiermit uͤberein. Barlow hat eine neue Methode befolgt, um die taͤglichen Variationen merklicher zu machen, indem er die Kraft der Nadel durch Magnete, in ihrer Naͤhe angebracht, schwaͤchte. Es ist naͤm- lich offenbar, daß wenn die Nadel AB ( Fig. 147. ) genau nach Norden gerichtet ist, und man ihrem Nordpole den Nordpol N eines Magnetes naͤhert, dieser sie aus ihrer Richtung zu treiben strebt, also die Richtungskraft nach Norden hin schwaͤcht. Ist dieses in bedeutendem Maaße geschehen, und man laͤßt den Ma- gnet ganze Tage in gleicher Stellung, so werden die taͤglichen Schwankungen der Magnetnadel viel staͤrker und gehen auf mehrere Grade. Dabei hat Barlow noch eine andre Bemerkung ge- macht. Wenn man durch nahe gebrachte Magnete die Nadel in andern Richtungen, abweichend vom magnetischen Meridiane, zur Ruhe bringt, so sind die Schwankungen der Nadel im Laufe des Tages bei jeder dieser Stellungen anders, und es giebt eine Stel- lung der Magnetnadel, bei welcher gar keine taͤglichen Schwankun- gen eintreten; diese ist in London merklich vom magnetischen Nor- den abweichend von NNW nach SSO gerichtet. Allerdings scheint diese Linie von Wichtigkeit zu sein; aber man muß beden- ken, daß in allen den Versuchen, wo die Nadel in Ruͤcksicht ihrer Richtungskraft geschwaͤcht ist, sie von einer Menge Nebenum- staͤnde abhaͤngig gemacht wird, (weshalb schon Cassini die Schwankungen schwacher Nadeln unregelmaͤßig fand,) daß ferner die Kraft der Magnete selbst bei der groͤßern Tageswaͤrme eine geringere ist, und daß daher auf diese Versuche und Beobachtungen noch kein allzu großes Gewicht gelegt werden darf. Was die Ursache dieser taͤglichen Aenderungen der ohne fremde Stoͤrung beobachteten Nadel betrifft, so darf man sie wohl in der ungleichen Erwaͤrmung der Erde suchen. Jeder Magnet wirkt etwas schwaͤcher, wenn er warm ist; dehnen wir diese Erfahrung auf die verschiedenen Theile der Erde aus, so muͤssen Vormittags die oͤstlichen Theile der Erde weniger anziehend wirken, die west- liche Abweichung muß zunehmen und ungefaͤhr um dieselbe Zeit, wie die groͤßte Tageswaͤrme, ihr Maximum erreichen. Christie hat die taͤglichen Aenderungen durch eine Reihe thermomagneti- scher Versuche mit diesen spaͤter erst zu erwaͤhnenden Erscheinungen in Verbindung gesetzt; ich weiß aber nicht, ob man seine Schluͤsse als recht genuͤgend ansehen kann. Auch die magnetische Kraft der Erde ist taͤglichen Wechseln unterworfen und Hansteen findet sie um 4 bis 5 Uhr Nachm. am staͤrksten, um 11 Uhr Morgens am schwaͤchsten. Foster aber, der auf Spitzbergen die Oscillationen sowohl der Neigungs- nadel, als der horizontalen Nadel zu verschiedenen Tagesstunden beobachtet hat, findet aus 11taͤgigen Beobachtungen, daß die Nei- gungsnadel kurz nach Mitternacht am schnellsten, um 3 Uhr Nach- mittags am langsamsten vibrirte, statt daß bei der horizontalen Nadel fast genau das Umgekehrte eintrat. Bei jener mußte man eine Zunahme der Kraft um \frac{1}{116} von Mittag bis Mitternacht, bei dieser ein Abnehmen der Kraft um \frac{1}{70} in eben der Zeit anneh- men. Dieser anscheinende Widerspruch hebt sich, wenn man um Mittag die ganze magnetische Kraft, so wie die Neigungsnadel sie angiebt, am kleinsten, zugleich aber die Neigung als um mehr als 10 Min. kleiner als um Mitternacht annimmt, indem bei geringer werdender Neigung der in horizontaler Richtung wirkende Theil der Kraft groͤßer wird. Auch nach den Jahreszeiten ist die Aenderung der Abweichung etwas verschieden; Cassini fand vom Januar bis April die west- liche Abweichung groͤßer als in den Sommermonaten. Neben diesen ziemlich regelmaͤßigen Veraͤnderungen der Ab- weichung treten auch zuweilen ploͤtzliche Veraͤnderungen ein. Beau- foy hat diese zuweilen bei Gewittern bemerkt; auffallender und bestimmter, (obgleich nicht ohne Ausnahme,) gehen sie bei Nord- lichtern hervor, worauf ich nachher noch zuruͤckkomme. Theorie des Erdmagnetismus . Bei so zahlreichen Beobachtungen uͤber Richtung und Staͤrke der magnetischen Kraft der Erde sollte man glauben, daß es nicht schwer sein muͤßte, uͤber die Art der Einwirkung der Erde, uͤber die Lage ihrer magnetischen Pole u. s. w. etwas ganz Genaues an- zugeben. Gleichwohl hat dieses große Schwierigkeit. Ein Theil dieser Schwierigkeiten entsteht daraus, daß wir practischer Zwecke wegen unsre Aufmerksamkeit vorzuͤglich auf die Lage der horizonta- len Nadel gegen den astronomischen Meridian jedes Ortes richten, obgleich es ziemlich deutlich zu erhellen scheint, daß diese Meridiane in keinem natuͤrlichen Zusammenhange mit dem Magnetismus der Erde stehen; und wir wuͤrden vielleicht eine etwas bessere Uebersicht der Erscheinungen gewinnen, wenn wir die Richtungen der ma- gnetischen Kraft an verschiedenen Orten auf eine fuͤr die Natur der Sache angemessenere Weise zusammen zu ordnen wuͤßten. Wir haben einige Kenntniß von vier magnetischen Polen aus den fruͤher mitgetheilten Angaben geschoͤpft; aber wir sind noch weit davon entfernt, ihre genaue Lage zu kennen. Bleiben wir zuerst bei den Puncten stehen, die man scheinbare Pole nennen koͤnnte, so wuͤrden sie durch Beobachtung der nahe an 90° kom- menden Neigung, und durch Beobachtung der Puncte, nach wel- chen die Abweichungsnadeln in der Nachbarschaft dieser Pole ge- richtet sind, wohl zu bestimmen sein; aber es laͤßt sich ziemlich leicht uͤbersehen, daß diese Puncte nicht so gradezu die wahren magnetischen Pole der Erde sind. Deuten naͤmlich, wie es sehr den Anschein hat, die saͤmmtlichen magnetischen Erscheinungen auf der Erde darauf hin, daß die Erde zwei magnetische Axen hat; so laͤgen die wahren Pole da, wo diese Axen oder ihre Verlaͤngerun- gen die Oberflaͤche der Erde treffen. Offenbar aber steht die Nadel im noͤrdlichen America nicht ganz so, wie es die dahin gerichtete magnetische Axe fordert, sondern die zweite Axe uͤbt auch einige Wirkung aus, und der von beiden Nordpolen der Erde angezogene Theil der Nadel nimmt eine mittlere Richtung zwischen beiden auf ihn wirkenden Kraͤften an. Da wir demnach die genaue Lage der Endpuncte der magnetischen Axen nicht kennen, so muͤssen wir die geographische Laͤnge und Breite der wahren vier Pole als unbe- kannte, aus den Beobachtungen erst zu bestimmende, Groͤßen an- sehen; und zu diesen acht unbekannten Groͤßen kommen noch vier, naͤmlich die Tiefe der vier wirksamsten Endpuncte jener Axen unter der Oberflaͤche der Erde, und endlich das Verhaͤltniß der magne- III. Ff tischen Kraͤfte beider Axen. Diese Groͤßen muͤßten, unter der Vor- aussetzung, daß jene zwei magnetischen Axen sich in Hinsicht der Austheilung des Magnetismus in ihnen ungefaͤhr wie unsre kuͤnst- lichen Magnete verhalten, aus den vorhandenen Beobachtungen berechnet werden, und Hansteen hat es in der That versucht, solche Bestimmungen aus den Beobachtungen herzuleiten. Aber so sehr schaͤtzenswerth diese Arbeit ist, so kann sie doch, zumal bei der Einwirkung mancher Nebenumstaͤnde auf die Beobachtungen, nur mit großer Schwierigkeit durchgefuͤhrt werden, und es moͤchte daher wohl rathsam sein, die Frage, ob die Annahme zweier ma- gnetischer Axen der Wahrheit ziemlich entspreche, auf einem in- directen Wege zu pruͤfen. Dies koͤnnte so geschehen, daß man nur obenhin den vorhin genannten Groͤßen ihre Werthe, so wie sie ungefaͤhr zu sein scheinen, beilegte, daraus aber, welches viel leichter ist, fuͤr zahlreiche Orte die Intensitaͤt, Inclination und Declina- tion berechnete; diese Berechnung wuͤrde zeigen, wie die Puncte der senkrechten Stellung der Magnetnadel gegen die angenommenen Pole liegen, welche Formen die Linien gleicher Neigung, gleicher Abweichung, gleicher Kraft, erhalten, und so koͤnnte man gewiß deutlich erkennen, ob die Hypothese, welche zwei magnetische Axen, gleichsam zwei große Magnete im Innern der Erde, annimmt, Resultate, der Wahrheit nahe entsprechend, giebt. Daß man bei dieser Untersuchung auf mehrere große Schwierigkeiten geraͤth, hat indeß schon Hansteen gezeigt. Hier muß ich mich begnuͤgen zu zeigen, daß die Untersuchung sich nicht als ganz außer den Grenzen der Ausfuͤhrbarkeit liegend ansehen laͤßt, und dazu mag folgende Betrachtung dienen, die sich durch Experimente erlaͤutern laͤßt. Wenn man neben einem star- ken Magnete AB ( Fig. 148. ), der in der Richtung des magneti- schen Meridians liegt, eine Magnetnadel CD so aufstellt, daß die Mittelpuncte beider in der auf AB senkrechten Linie EF liegen, so bleibt gewiß die Nadel CD in der richtigen Stellung, weil ihr Nordpol D eben so stark vom Nordpole B abgestoßen wird, als ihr Suͤdpol C vom Suͤdpole A, und eben diese Gleichheit in Beziehung auf die Anziehung gegen die ungleichnamigen Pole statt findet. Bringt man dagegen die Magnetnadel nach GH, so wird gewiß der Suͤdpol G vom Nordpole B angezogen, H dagegen von A an- gezogen, und wenn die Einwirkung stark genug ist, um die Ein- wirkung des Erdmagnetismus zu uͤberwinden, so wird der Nord- pol H sich sogar bis in eine suͤdliche Richtung hin ablenken lassen. Es ist leicht einzusehen, daß eine Berechnung der Einwirkung aller Theile des Magnetes auf alle Theile der Nadel sich ausfuͤhren und daraus die Lage der Magnetnadel sich bestimmen ließe, und daß eben so, man mag nun eine oder zwei magnetische Erd-Axen vor- aussetzen, die Bestimmung der Abweichung und Neigung der Ma- gnetnadel auf der Erde ausfuͤhrbar waͤre. Wenn man eine ganze Folge von kleinen Magnetnadeln neben dem Magnete aufstellte, so wuͤrden sie sich in eine regelmaͤßige Linie stellen, die man, be- freit von der Einwirkung des Erdmagnetismus, durch folgenden Versuch zeigt. Man legt ( Fig. 149. ) einen starken Magnet SN unter eine horizontale Glasplatte und laͤßt seine Eisenfeile auf diese fallen, so ordnet sie sich in lauter kleine Nadeln, die ohngefaͤhr solche Linien bilden, wie Fig. 149. darstellt. Jedes Theilchen Eisenfeile bildet hier einen kleinen Magnet, dessen Nordpol a gegen den Suͤdpol, der Suͤdpol b gegen den Nordpol des großen Magne- tes angezogen wird, aber wegen der ungleichen Entfernung ist die Gewalt dieser Anziehungen ungleich und die Nadeln nehmen die mannigfaltigen Stellungen an, welche die krummen Linien zeigen. Legt man zwei starke Magnete gegen einander geneigt unter das Glas, so entstehen mannigfaltige, aber immer zu den vier Polen in regelmaͤßiger Beziehung bleibende, krumme Linien. Magnetische Eigenschaften des weichen Eisens unter Einwirkung des Erdmagnetismus . Die in der neuesten Zeit unternommenen Reisen in die Naͤhe des im noͤrdlichen America liegenden magnetischen Poles haben auf einen Umstand, den man fruͤher nicht sehr beachtet hatte, auf- merksam gemacht. Obgleich naͤmlich fruͤhere Seefahrer schon ge- funden hatten, daß auf dem Schiffe eine nicht genaue Ueberein- stimmung zwischen den unter verschiedenen Umstaͤnden beobachteten Stellungen der Magnetnadel statt findet, sondern diese ihre Richtung gegen die Weltgegenden etwas aͤndert, wenn das Schiff seine Rich- tung bedeutend aͤndert, obgleich Flinders aus seinen Beobachtun- gen bei Neuholland geschlossen hatte, daß diese Unsicherheit in der Ff 2 Richtung der Magnetnadel da bedeutender werde, wo die Neigung der Nadel sehr groß ist; so wurde es doch 1820 als etwas Uner- wartetes angezeigt, daß Roß bei seiner Aufsuchung einer nord- westlichen Durchfahrt die Declination der Nadel viel anders gefun- den habe, wenn das Schiff ostwaͤrts, als wenn es westwaͤrts se- gelte. Man bemerkte indeß bald, daß jede fremde Einwirkung auf die Magnetnadel da am wirksamsten sein muͤsse, wo die Richtungs- kraft geringer ist, daß aber die Richtungskraft da, wo die Neigungs- nadel senkrecht ist, ganz und gar verschwindet, also in der Naͤhe dieser Gegenden auch nur sehr geringe sein kann. Die Beobachtung zeigte auch, daß die horizontale Nadel dort so traͤge war, daß sie kaum die Reibung zu uͤberwinden vermochte, und nur, wenn man durch kleine Erschuͤtterungen der Unterlage, worauf sie ruhte, die Wirkung der Reibung abwechselnd unterbrach, ziemlich auf eine immer gleiche Richtung zuruͤckkam. Als Ursache jener, von der Lage des Schiffes herruͤhrenden, Aenderungen mußte man offenbar das Eisen im Schiffe anneh- men; aber wir sind gewohnt, das Eisen als ganz gleich wirkend auf beide Pole anzusehen, und wenn wir darin Recht haͤtten, so koͤnnten etwas entferntere Eisenmassen, die vom Nordpole der Na- del nicht viel mehr oder minder als vom Suͤdpole entfernt sind, nicht erheblich auf sie einwirken. Diese gleiche Wirkung der Eisen- massen auf beide Pole findet aber nicht statt, wie Barlow durch eigends darauf gerichtete Versuche zeigte. Stellt man naͤmlich die Nadel auf einem horizontalen Tische auf, uͤber welchem eine große eiserne Kugel in einem Kreise, dessen Centrum genau uͤber der Mitte der Magnetnadel liegt, herumgefuͤhrt werden kann; so zeigt sich, daß bei gewissen Stellungen der Kugel der Nordpol, bei an- dern der Suͤdpol der Nadel angezogen wird. Um sogleich die Regel zu uͤbersehen, denken Sie sich auf jenem Tische eine Linie durch den Mittelpunct der Nadel senkrecht gegen ihre Richtung, also nach dem magnetischen Ost und West, gezogen; legen Sie durch diese Linie eine geneigte Ebne, die sich nordwaͤrts unter einem Winkel von 23° geneigt 23° fuͤr unsre Gegenden, etwa 20° in London. erhebt; so haben Sie die Ebne des magneti- schen Aequators, die Ebne senkrecht auf die Neigungslinie des Ma- gnets. So lange nun die eiserne Kugel sich oberhalb dieser Ebne befindet, wird der Suͤdpol der Nadel gegen sie angezogen; befindet sich der Mittelpunct der Kugel in dieser Ebne, so ist keine Anzie- hung merklich; senkt man die Kugel unter diese Ebne, so wird der Nordpol gegen sie angezogen. Diese Erscheinungen finden bei weichem Eisen unbedingt statt, wenn die Eisenmasse nicht in allzu große Naͤhe zu einem Pole der Nadel heran koͤmmt. Bei einem auch nur wenig verstahlten und gehaͤrteten Eisen ist dagegen ein so bestimmtes Hervorgehen des der Lage entsprechenden magneti- schen Zustandes unsicher, und es ist uͤberdies leicht der Fall, daß der angewandte Koͤrper selbst etwas magnetisch ist; daher ist Guß- Eisen am besten zu diesem Versuche. Das weiche Eisen zeigt sich hier selbst als Magnet, indem der untere Theil der Masse nordpolarisch wirkt, der obere suͤdpolarisch, und beide Theile in der Mitte des Koͤrpers durch eine Ebne senk- recht auf die Richtung der Neigungsnadel getrennt werden. Jeder eiserne Ofen bietet Ihnen Gelegenheit dar, selbst den Versuch an- zustellen, am besten, wenn er eine Seite hat, die nicht zu weit von der Richtung des magnetischen Meridians abweicht. ABCD sei diese Ebne ( Fig. 150. ), ich will annehmen, die Ostseite des Ofens, D in Norden, B in Suͤden. Naͤhert man nun aus der Ferne eine Magnetnadel horizontal gegen D, so wird der Suͤdpol stark ange- zogen; geht man nach A fort, so dreht sich die Nadel und der Nordpol wird angezogen; etwas Aehnliches findet in allen obern und untern Puncten statt; aber wenn man die Nadel gegen die Mitte E zufuͤhrt und von da unter 23° geneigt, nach F oder G, so zeigt die Eisenmasse keine Einwirkung. Da man bei einer fest- stehenden Masse an zufaͤllige Magnetisirung denken koͤnnte, so ist es besser, den Versuch mit kleinern Massen zu wiederholen, wo sich immer zeigt, daß der obere Theil immer suͤdpolarisch wirkt, der untere nordpolarisch, welcher Theil der Masse auch die obere Stelle einnehme. Bedient man sich eines eisernen Lineals oder einer eisernen Stange, so muß man (weil diese leicht durch Haͤrtung faͤhig sein koͤnnen, selbst magnetisch auf dauernde Weise zu werden,) sich vorher uͤberzeugen, daß beide Enden ganz gleich wirken; ist das der Fall oder ist auch das Lineal vollkommen ungehaͤrtet, so laͤßt sich der Versuch bequem so zeigen. Man legt das eine Ende des Lineals mit der scharfen Kante an den Ostpunct des Kaͤstchens, worin die Magnetnadel sich befindet, und richtet das Lineal ver- tical aufwaͤrts, dann wird der Suͤdpol der Nadel angezogen; man neigt den obern Theil nach Norden hin, immer mehr und mehr herab, so nimmt diese Ablenkung der Nadel ab, und wird Null, wenn das Lineal 23° gegen den Horizont geneigt ist; koͤmmt es unter diese Neigung, so faͤngt der Nordpol an, sich dem Eisen zu naͤhern, obgleich noch immer derselbe Punct des Lineals an dem Kaͤstchen anliegt; dieses Ende zeigt sich also bald als Suͤdpol, bald als Nordpol, bloß nach der Lage des ganzen Eisenstabes wechselnd. Das weiche Eisen ist unter der Einwirkung der Erde in seinem untern Theile eben so nordpolarisch, wie es der untere Theil der Neigungsnadel ist; aber die Eigenschaft des weichen Eisens, den unter Einwirkung eines Magnetes entstandenen magnetischen Zu- stand sogleich wieder zu verlieren, zeigt sich auch hier bei der Aen- derung der Lage. Barlow stellte seine Versuche zunaͤchst zum Nutzen der Schifffahrt an, und dachte daher auf Mittel, wie man diese un- richtige Ablenkung der Nadel im Schiffe corrigire. Offenbar wa- ren es die bei der jetzigen Einrichtung der Schiffe zahlreichen und großen Eisenmassen, die, jetzt mehr als ehmals, diese Ablenkungen bewirkten, und diese Einwirkung ist so stark, daß sie selbst in den englischen Haͤfen uͤber 10 Gr., in den noͤrdlichen Gegenden aber mehr als 40° Ablenkung bewirken kann. Man uͤberzeugt sich von dieser Einwirkung, wenn man auf dem im Hafen liegenden, mit dem Steuer nach Norden gekehrten Schiffe nach einem Gegen- stande visirt und den Richtungswinkel mit der Magnetnadel be- stimmt, hierauf aber das Schiff um 90° nach der einen und um 90° nach der andern Richtung wenden laͤßt; dann aͤndert die Nadel ihre Stellung und jener Richtungswinkel wird bei jeder Lage des Schiffes anders gefunden. Daß diese Unsicherheit, ob man nach Norden oder nach Nord-Ost steuert, nicht gleichguͤltig ist, brauche ich nicht erst zu bemerken. Barlow uͤberlegte nun, daß eine nahe, wenn gleich kleinere, Masse die Einwirkung jener großen Massen ausgleichen koͤnne, und erfand daher seine Corrections- platte , deren richtige Stellung man, ehe das Schiff den Hafen verlaͤßt, durch Versuche bestimmt. Diese Eisenplatte wird naͤmlich in der Naͤhe der Magnetnadel, die auf dem Schiffe in der Naͤhe des Steuers immer an demselben Orte bleibt, befestigt, und ihre feste Stellung so gewaͤhlt, daß bei dem eben angegebenen Versuche die Drehung des Schiffes keine Wirkung mehr zeigt; dann sind, weil die großen Eisenmassen im Schiffe auch ihre Lage behalten, diese Wirkungen fuͤr immer compensirt. Die Erfahrung hat voͤllig die Wichtigkeit dieser nuͤtzlichen Erfindung bestaͤtigt, indem selbst in den noͤrdlichen Gegenden die Lage der Nadel bei allen Wen- dungen des Schiffes nur um 3 oder 4 Grade schwankte, wenn man die Platte an ihrer Stelle ließ, obgleich Schwankungen von 40° eintraten, wenn man die Platte wegnahm. Barlow hat uͤbrigens bei Gelegenheit dieser Versuche meh- rere wichtige Bemerkungen gemacht, von denen ich einige kurz mit- theilen will. Bei der Herumfuͤhrung der Eisenmasse um die Ma- gnetnadel laͤßt sich bei jeder Stellung die Ablenkung der Nadel strenge berechnen. Sie ist am groͤßesten, wenn die Eisenmasse in Osten oder Westen steht und die Richtungslinie zu ihr hin um 45° gegen den magnetischen Aequator geneigt ist. Die Ablenkungen nehmen bei nicht zu großen Ablenkungswinkeln umgekehrt wie die Cubi der Entfernungen zu. (Ist bei dem Abstande = 1 die Ablenkung = 10°, so ist sie bei der doppelten Entfernung = \frac{10}{8} Gr., bei der dreifachen = \frac{10}{27} Gr. u. s. w.) Endlich nehmen bei soliden Kugeln die Ablenkungen Eigentlich die trigonom. Tangenten der Ablenkungswinkel. , wenn sie klein sind, unter sonst gleichen Umstaͤnden wie die Massen zu; aber unerwartet ist es, daß hohle Eisenkugeln, wenn die Schale nur nicht allzu duͤnne war, eben so stark wirkten, als solide Kugeln von eben der Groͤße, woraus Barlow glaubte schließen zu duͤrfen, daß die magnetische Kraft vorzuͤglich nur in den aͤußeren Theilen wirksam sei; — eine Folgerung, die ich noch naͤher beurtheilen werde. Aber auch Folgerungen andrer Art knuͤpfen sich an diese Be- trachtungen. Es ist eine lange bekannte Erfahrung, daß Stangen, die nicht aus weichem Eisen oder Stahl sind, sondern einige Haͤr- tung haben, wenn sie lange vertical oder noch lieber in der Rich- tung der Neigungsnadel gestanden haben, sich dauernd magnetisch zeigen, wo dann allemal in unsern Gegenden das untere Ende ein Nordpol ist. Es ist lange bekannt, daß eine Stange von Stahl, wenn sie in der Richtung der Neigungsnadel aufgestellt und dann gefeilt, mit einem Hammer geschlagen oder sonst in starke Erschuͤtterung gesetzt wird, sich sehr bald magnetisirt zeigt und diesen Magnetismus laͤngere Zeit behaͤlt. Genauere Untersu- chungen haben gelehrt, daß man diese Hervorbringung eines ma- gnetischen Zustandes vermeidet, wenn man die noch voͤllig unma- gnetische Stange in der Ebne des magnetischen Aequators, das heißt, senkrecht auf die Richtung der Neigungsnadel, befestigt, und daß man sie dann haͤmmern und feilen darf, ohne daß sie magnetisch wird; ja sogar, daß die schon magnetische Stange, zumal wenn sie von schwacher Haͤrtung ist, ihre Polaritaͤt ver- liert, wenn man sie in dieser Richtung gehalten, in Erschuͤtterung setzt. Hierin liegt daher ein Mittel, den so leicht in schwachem Grade hervortretenden Magnetismus aufzuheben, indeß haͤlt dies bei staͤrker gehaͤrtetem Stahle schwer, weil dieser die einmal er- langte magnetische Kraft sehr fest haͤlt, statt daß der voͤllig weiche Stahl, so wie weiches Eisen, durchaus keinen dauernden Magne- tismus erhaͤlt, sondern nur, theils unter dem Einflusse der Erde den eben vorhin erwaͤhnten Magnetismus nach der jedesmaligen Lage annimmt, und sogleich wieder verliert, theils in der Naͤhe eines Magnetes in dem Puncte, welcher seinem einen Pole nahe genug ist, die entgegengesetzte Polaritaͤt annimmt. Die Faͤlle, wo man in aͤlteren Versuchen durch einen durch die Nadel gehenden electrischen Schlag diese magnetisch machte, beruhte auch nur hier- auf, indem ein ganz gleicher Schlag die Nadel unmagnetisch laͤßt, wenn sie sich im magnetischen Aequator befindet. Dies alles koͤmmt darauf hinaus, daß auch die Stahltheilchen diejenige Dis- position, diejenige Aenderung der Lage oder worin es sonst be- stehe, unter dem Einflusse der magnetischen Kraft der Erde an- zunehmen geneigt sind, die erforderlich ist, um den Stahl zum Magnet zu machen, daß dies bei jeder Erschuͤtterung leichter ein- tritt, aber offenbar auf keine merkliche Weise eintreten kann, wenn die Stange im magnetischen Aequator ist, weil da die kleinen Magnete, die wir uns als aus den Theilchen des Eisens gebildet vorstellen, ihre Pole quer gegen die Richtung der Stangen wenden, also von keiner erheblichen Wirksamkeit werden. Scorrsby gruͤndet hierauf einen Rath, wie man nach dem Verluste der Magnetnadel, wenn man nur Messer oder an- dern Stahl bei sich hat, sich einen Magnet, also auch eine Ma- gnetnadel, verschaffen kann. Man stellt den Stahlstab in die doch ungefaͤhr bekannte Richtung der magnetischen Neigung, und macht ihn durch Schlaͤge magnetisch; kann man ihn dabei auf eine Masse weiches Eisen aufsetzen, so ist es noch besser, und wenn man so mehrere Magnete erhalten hat, kann man sie durch gegensei- tiges Bestreichen staͤrken. Einfluß der Waͤrme auf den Magnet . Schon Canton beobachtete, daß die Erwaͤrmung die Kraft des Magnetes schwaͤcht. Brachte er zwei Magnete in die Naͤhe einer Magnetnadel und beobachtete die Stellung, in welcher sie zur Ruhe kam; so folgte sie, sobald man den einen erwaͤrmte, mehr der Anziehung oder Abstoßung des andern; der waͤrmere war also schwaͤcher geworden. Eben dies ergiebt sich, wenn man die Oscillationen einer mehr oder minder erwaͤrmten Magnet- nadel, die bloß der natuͤrlichen Kraft des Erdmagnetismus un- terworfen ist, beobachtet; sie oscillirt langsamer, wenn sie warm ist. Kupfer fand, daß mit jedem Grade der Waͤrme die Kraft gleichmaͤßig abnahm, aber bei der Abkuͤhlung sich nicht in dem- selben Grade, wie vorher, wieder erneuerte. Bei der Weißgluͤhehitze verliert ein magnetisirter Stahlstab alle Kraft und erlangt sie auch nach dem Abkuͤhlen nicht wieder, wenn man ihn dann ungehaͤrtet laͤßt. Wird der Stahl abgeloͤscht, so muß er dabei in einer mit dem magnetischen Aequator uͤberein- stimmenden Lage sein, wenn er nicht schon hiedurch wieder etwas magnetisch werden soll. Auf diesen Umstaͤnden beruht die Schwie- rigkeit, eine zur Neigungsnadel bestimmte Stahlnadel voͤllig zu be- arbeiten und sie doch so lange, bis sie genau aͤquilibrirt ist, von allem Magnetismus frei zu erhalten. Aber nicht bloß diese Wir- kung hat das Gluͤhen, sondern im Zustande des Weißgluͤhens ist zugleich das Eisen ohne Wirksamkeit auf den Magnet, und dieses ist um so merkwuͤrdiger, da ein weicher Eisenstab sich bei einer nur bis zum Rothgluͤhen steigenden Hitze als den Wirkungen des Erd- magnetismus staͤrker unterworfen zeigt. Seebeck , der dieses sehr genau untersucht hat, fand eine vertical gehaltene weißgluͤhende Eisenstange ohne alle Wirkung auf die Magnetnadel; aber als nahe an der Stelle, wo die Stange in der Mitte mit der Zange gehalten wurde, die Abkuͤhlung anfing, zeigte sich der untere Theil des kurzen abgekuͤhlten Stuͤckes nordpolarisch, das obere suͤdpolarisch; bei fortgehender Abkuͤhlung ruͤckten die Pole gegen die Enden zu, und erreichten das Ende, als das dunkelrothe Gluͤhen nur noch schwach am Tageslichte sichtbar war. Diese polarische Wirkung der beiden Haͤlften des Eisens war, nachdem es in verticaler Stellung ge- halten sich abgekuͤhlt hatte, staͤrker als vor dem Gluͤhen. Diese Versuche zeigen, daß die Disposition der einzelnen Theilchen zur Erlangung der Polaritaͤt unter dem Einfluß der Erde groͤßer ist waͤhrend solcher Erhitzung, die das Rothgluͤhen nicht uͤbersteigt, daß aber die Weißgluͤhhitze, vielleicht weil sie das Metall dem fluͤssigen Zustande naͤher bringt, diese Anordnung der Theilchen nicht mehr gestattet. Daß man wegen dieses Einflusses, der auch bei geringern Waͤrmegraden schon sehr merklich ist, Versuche uͤber die Inten- sitaͤt der magnetischen Kraft der Erde nicht ohne Ruͤcksicht auf die Temperatur der Nadel, deren Oscillationen man beobachtet, an- stellen darf, laͤßt sich leicht uͤbersehen. Barlocci's Beobachtung, daß ein kuͤnstlicher Magnet, nachdem er dem Sonnenlichte aus- gesetzt gewesen, mehr Gewicht trage, bedarf noch mehrseitiger Pruͤ- fung. Daß man die magnetische Kraft der Erde als auf gleiche Weise von der Waͤrme abhaͤngig angesehn und daraus die taͤglichen Aenderungen der Richtung der Magnetnadel erklaͤrt hat, ist schon angefuͤhrt worden Hier muͤßte wohl auch die angebliche Magnetisirung durch den violetten Lichtstrahl am besten ihren Platz finden; aber die Versuche daruͤber scheinen mir noch allzu zweifelhaft, um davon zu reden. . Das Nordlicht . Ich habe vorhin die Nordlichter, als Stoͤrungen der Ma- gnetnadel hervorbringend, erwaͤhnt, und muß daher bei dieser glaͤn- zenden Natur-Erscheinung noch etwas laͤnger verweilen. Schon bei einer andern Gelegenheit haͤtte ich das Nordlicht erwaͤhnen koͤnnen, naͤmlich bei dem mit so mildem, farbigem Lichte sich dar- stellenden Uebergange der Electricitaͤt durch den luftleeren Raum, indem man die Erscheinungen dieses Lichtes nicht mit Unrecht den Erscheinungen des Nordlichts aͤhnlich gefunden hat. Das Nordlicht, das sich in den Polargegenden haͤufiger als bei uns zeigt, ist eine bald mit weißem, bald mit rothem, zuweilen auch mit violettem und gruͤnem Lichte den Himmel erhellende Er- scheinung. In den noͤrdlichen Gegenden hat man zuweilen es mit einem Geraͤusche verbunden beobachtet; in unsern Gegenden ist es dagegen ganz ohne Laut. Die Licht-Erscheinungen, welche es darbietet, sind sehr verschieden, indem zuweilen der noͤrdliche Himmel sich bloß wie von einer Daͤmmerung erhellt zeigt, zuweilen ganze Theile des Himmels mit einem weißen oder farbigen Lichte ploͤtzlich bedeckt sind, ohne daß man ein strahlenartiges Fortschießen dieses Lichtes wahrnimmt, zuweilen dagegen Lichtsaͤulen, wie in Strahlenschuͤssen, sich schnell fortzubewegen scheinen. Jene ruhig und oft ploͤtzlich entstehenden Lichtflecke, die oft ganze Sternbilder uͤber- decken, ohne ihre Sterne unsichtbar zu machen, dauern zuweilen eine geraume Zeit, werden allmaͤhlig dunkler und verschwinden, ohne ihren Ort zu veraͤndern; zuweilen entstehen sie ohne kenntliche Ordnung bald in einer, bald in einer andern Gegend, zuweilen treten zwischen ihnen schmale Lichtsaͤulen hervor, zuweilen aber bilden sie auch einen unterbrochenen, und zu andern Zeiten auch einen vollstaͤndigen Bogen. Die Strahlenschuͤsse dagegen, wenn sie recht vollstaͤndig sind, gehen als zahlreiche, sich oft erneuernde feurige Saͤulen hervor, die sich in einem nicht weit vom Zenith liegenden Puncte zu vereinigen scheinen, und dort, was man eine Krone genannt hat, einen Vereinigungspunct aller dieser leuch- tenden Bogen, bilden. Oefter als diese letzte Erscheinung hat man einen oder mehrere vollstaͤndige Lichtbogen gesehn, die sich von Norden gegen das Zenith herauf bewegen, so daß sie ihrer ganzen Ausdehnung nach parallel fortzuruͤcken scheinen; gewoͤhnlich ist dann das unter diesen Bogen liegende Segment des Himmels von dunkler Faͤrbung, so daß man es fuͤr bedeckt halten wuͤrde, wenn nicht doch die Sterne in diesem Dunkel sichtbar blieben. Ueber die Hoͤhe des Nordlichts giebt es sehr verschiedene An- gaben. Da man zuweilen Nordlichter, die im mittlern Europa das Zenith erreichten, in Italien noch bedeutend hoch uͤber dem Ho- rizonte sah, so erhellt, daß sie in großen Hoͤhen muͤssen vorkommen koͤnnen; aber in andern Faͤllen sind sie gewiß in sehr niedrigen Regionen. Daß wir jetzt so selten in unsern Gegenden Nordlichter sehen, scheint nicht daran zu liegen, daß sie wirklich selten sind, sondern daran, daß sie jetzt nie oder sehr selten die Hoͤhe und Aus- dehnung erreichen, wie es zu andern Zeiten der Fall gewesen ist. Franklin und Hood haben bei ihrem Winter-Aufenthalte im noͤrdlichsten America vom August 1820 bis Mai 1821 140 Nord- lichter gesehen, aber mehrere derselben waren nicht uͤber 1½ Meilen von der Erde, indem der eine Beobachter den Lichtbogen 10 Grad hoch sah, waͤhrend dem andern, nur 11 Meilen entfernten, Beob- achter nichts davon sichtbar wurde, so daß die Duͤnste am Hori- zonte ihn schon verdecken mußten. Diese, dort noch immer haͤu- figen Nordlichter scheinen auch keine große Ausdehnung zu haben, statt daß in den siebziger und achtziger Jahren des vorigen Jahr- hunderts Nordlichter gleichzeitig in Europa und Nord-America gesehn wurden Namentlich 1783 am 29. Maͤrz, 7. Apr. 12. Apr. 27. Apr. S. meine Beitr. z. Witterungskunde S. 29. 115. 270. , und einzelne Tage vorkamen, die zugleich durch Suͤdlichter in Suͤd-America und durch Nordlichter in Europa und Nord-America ausgezeichnet waren Namentlich 1783 am 27. Apr.und 22. Oct. . Die Bemuͤhungen, die Hoͤhe der Nordlichter zu bestimmen, haben darum nicht immer sichern Erfolg gegeben, weil es so schwer ist, sich zu uͤberzeugen, daß zwei Beobachter einen und denselben leuchtenden Punct beob- achtet haben, deshalb sind die fruͤhern Bestimmungen, daß Nord- lichter uͤber 100 Meilen hoch gewesen sind, zwar nicht gradezu zu verwerfen, aber doch unsicher. Unter neuern Beobachtern haben in England Dalton und Farquharson Hoͤhenbestimmun- gen versucht; der erstere giebt aus gleichzeitigen Beobachtungen die Hoͤhe mehrerer Nordlichtbogen auf 100 englische, also doch uͤber 20 deutsche Meilen an; der andre glaubt, gewoͤhnlich gebe es mehrere Nordlichtbogen zugleich und den Berechnungen sei wegen der Verwechselung der verschiedenen Bogen nicht zu trauen; das Nordlicht stehe aber mit Wolken, die nicht viel uͤber 2000 Fuß hoch sein moͤchten, in Verbindung, und die ganzen Nordlichtstroͤme moͤchten sich wohl nur einige tausend Fuß hoͤher hinauf erstrecken. Eine Behauptung, die mir doch keinesweges auf alle Nordlichter zu passen scheint. Doch es ist hier nicht der Ort, hiebei zu verweilen, und ebenso lasse ich auch die Frage, warum die Nordlichter in manchen Zeiten haͤufig und in manchen Zeiten selten in unsern Gegenden gewesen sind, vorbei, um nur von dem zu reden, was wir uͤber ihre Natur vermuthen und uͤber ihre Wirkungen beobachten. Ob sie electrisch sind, ist ungewiß, da sie in unsern Gegenden keine electrische Wirkung zeigen, und auch die von Franklin in Nord- America angestellten Beobachtungen wohl nicht entscheidend genug sind. Desto sicherer aber ist ihre magnetische Wirkung. Schon Hiorter hat vor sechzig Jahren bemerkt, daß die Magnetnadel gewoͤhnlich bei einem Nordlichte ihre Richtung aͤndert und diese Beobachtung ist neuerlich von vielen Seiten her bestaͤtigt worden, ja Arago hat durch eine bedeutende Anzahl seiner in Paris an- gestellten Beobachtungen gezeigt, daß die Magnetnadel an den Tagen sich unregelmaͤßig veraͤndert hatte, wo in sehr entfernten Gegenden Nordlichter beobachtet waren Brewsters Einwuͤrfe zeigen nur, daß nicht in allen Faͤllen das Nordlicht so einwirkt. . Hansteen bemerkt, daß die Magnetnadel schon vor dem Nordlichte unruhig wird und zuweilen bis 5° von ihrer Richtung abweicht, daß die Inten- sitaͤt der magnetischen Kraft vor dem Nordlichte groͤßer ist und waͤhrend desselben wieder abnimmt. Die Magnetnadel scheint dann am meisten unruhig zu sein, wenn auch die Nordlichtstrahlen nicht immer gleiche Richtung behalten. Zu diesen Beobachtungen koͤmmt nun noch die Bemerkung, daß die Nordlichtbogen fast genau im magnetischen Norden ihre Mitte haben, und daß die Lichtsaͤulen des Nordlichtes mit der Neigungsnadel parallel liegen. Die Nordlichtbogen scheinen aus kurzen parallelen Saͤulen zu bestehen, und daher koͤmmt es, wie Farquharson bemerkt, daß sie nahe am Zenith weniger breit erscheinen, weil man da die Saͤulen nicht ihrer ganzen Laͤnge nach sieht, sondern die Gesichtslinie ungefaͤhr ihrer Axe parallel ist. Sie muͤssen also aus einer langen, auf den magnetischen Meridian un- gefaͤhr senkrechten Reihe solcher Lichtsaͤulen bestehen, und diese ganze Reihe ruͤckt, oft mit großer Regelmaͤßigkeit, suͤdwaͤrts, be- haͤlt auch zuweilen laͤngere Zeit genau dieselbe Stellung, wo sich dann die von Dalton benutzte Gelegenheit findet, ihre Hoͤhe uͤber der Erde zu bestimmen. In den Gegenden, wo die Magnetnadel mit ihrem Nordpole nach Suͤden gerichtet ist, naͤmlich noͤrdlich vom magnetischen Nordpole der Erde, sieht man auch die Nordlichter am suͤdlichen Himmel. Und nicht bloß die neuern Beobachtungen zeigen, daß die Mitte dieses Bogens in der Richtung des magneti- schen Meridians liegt, sondern Biot beweiset aus den Angaben aͤlterer Beobachter, daß diese die Mitte der Nordlichtbogen im ge- nauen Norden sahen, als die Magnetnadel keine Abweichung hatte, 10 Grade von Norden entfernt, als die Abweichung 10° betrug, u. s. w. Dalton hat zuerst darauf aufmerksam gemacht, daß diejenigen Nordlichter, welche ein Zusammentreffen der Strahlen- bogen von allen Seiten her in der Naͤhe des Zeniths zeigten, die- sen Vereinigungspunct, die Nordlichtskrone, allemal so weit suͤdlich vom Zenith hatten, als es die Richtung der Neigungsnadel fordert. Er knuͤpft hieran und an seine uͤbrigen Beobachtungen den Schluß, daß die Nordlichtstrahlen, wenn sie nicht in großen ungeordneten Massen erscheinen, der Neigungsnadel oder der Richtung der ma- gnetischen Kraft in der Gegend, wo sie entstehen, parallel sind, und alle spaͤtern Beobachter sind geneigt, diese Behauptung als richtig anzusehen; Hansteen bestaͤtigt sie ausdruͤcklich durch eigne und fremde Beobachtungen. Der eigentliche Hauptsitz der Nordlichter scheint in der Naͤhe der vier magnetischen Pole der Erde zu sein, indem Cook sie in Beziehung auf den unter Neuholland liegenden Suͤdpol ziemlich eben so beobachtete, wie wir die Nordlichter sehen, in- dem Sibirien, wenigstens ehmals, reich an Nordlichtern war, und am nord-americanischen Pole noch jetzt, nach Franklins und Hoods Beobachtungen, sich zahlreiche Nordlichter zeigen. Nach Hansteens Meinung bilden die in Europa und Nord-America beobachteten Nordlichter Kreise um den in America liegenden Nordpol, und zwar in betraͤchtlicher Hoͤhe; diese leuchtenden Bogen koͤnnen sich bis zu 40 Grad auf der Erde vom Pole ausdehnen, und Hansteen sucht nachzuweisen, wie sich aus diesen Voraus- setzungen die Erscheinungen an allen Orten erklaͤren lassen. Aehn- liche Bogen sind auf der suͤdlichen Halbkugel in der Gegend des suͤdlich von Neuholland liegenden Poles gesehen worden. Nach Hansteens Meinung werden die Nordlichtstrahlen erst außerhalb der dichtern Atmosphaͤre leuchtend, statt daß sie die Atmosphaͤre, so lange sie in ihr fortgehen, etwas verdunkeln. So haben wir also hier eine leuchtende magnetische Er- scheinung, die offenbar mit dem Magnetismus der Erde in Ver- bindung steht, die auf unsre Magnetnadeln so wirkt, wie es ma- gnetische Saͤulen in großer Entfernung thun koͤnnten, deren eigent- liche Natur aber uns noch sehr raͤthselhaft ist. Acht und zwanzigste Vorlesung. Poissons Theorie der magnetischen Erscheinungen . Obgleich wir, wie wir in der Folge sehen werden, in den elec- tro-magnetischen Erscheinungen Veranlassung finden, die Theorie des Magnetismus mit der Theorie der Electricitaͤt in Verbindung zu setzen, so kann ich doch nicht unterlassen, auch hier schon einen Versuch zu einer, die bisher angegebenen Erscheinungen umfassen- den Theorie, die freilich mancher Modificationen beduͤrfte, um sich an die spaͤter anzufuͤhrenden Erscheinungen anzuknuͤpfen, mitzu- theilen. Poisson hat eine solche Theorie am meisten ausgefuͤhrt angegeben und sie theils auf bekannte Versuche, theils auf mathe- matische Bestimmungen gegruͤndet. Daß er wegen der großen Uebereinstimmung mit der Electri- citaͤt sich veranlaßt fand, zwei magnetische Materien, die noͤrdliche und suͤdliche, vorauszusetzen, ist Ihnen gewiß nicht unerwartet. Diese Materien wirken eine auf die Theilchen der andern anzie- hend und die Theilchen einer jeden wirken gegenseitig abstoßend auf einander. Die Uebereinstimmung, die das weiche Eisen mit den Leitern der Electricitaͤt zeigt, der harte Stahl mit den Nicht- leitern, habe ich schon oͤfter erwaͤhnt, und eben so die große Ab- weichung von dem, was die Electricitaͤt uns darbot, die naͤmlich darin besteht, daß nie eine Spur von Mittheilung, von Uebergehen der magnetischen Materien, statt findet. Diese letztere Eigenthuͤm- lichkeit bewog schon Coulomb anzunehmen, daß nur in den kleinsten Theilchen des Eisens oder Stahles sich die beiden magne- tischen Materien trennen oder verbinden, niemals aber zu einem zweiten Theilchen uͤbergehen. Wir koͤnnen uns daher, nach Pois- sons Ansicht, zur Erleichterung der Vorstellung, am besten die Molecuͤle der der Magnetisirung faͤhigen Koͤrper als durch Zwischen- raͤume getrennt denken, durch welche die magnetischen Materien nie hindurch gehen. Aber auch jene Molecuͤle selbst sind von ver- schiedenartiger Natur, indem im weichen Eisen die im gewoͤhn- lichen Zustande mit einander neutralisirten magnetischen Materien sich sogleich, fast ohne Widerstand, trennen, sobald eine magnetische Kraft von außen auf sie wirkt, wogegen im harten Stahle diese Trennung durch eine hindernde Kraft (Coercitivkraft) er- schwert wird, und eben so nach erfolgter Trennung, das heißt, nachdem der Stahl magnetisch geworden ist, die gegenseitige Ver- bindung beider Materien nicht so leicht wieder eintritt. Wenn man annimmt, daß jene magnetischen Elemente, die Molecuͤle naͤmlich, deren jedes seine magnetischen Materien nicht an das naͤchste mittheilt, in dem einen Koͤrper, dem Eisen zum Beispiel, zahlreicher vorhanden sind, als in einem andern, so laͤßt sich die ungleiche Einwirkung erklaͤren, welche Koͤrper von verschiedener Beschaffenheit durch den Magnet erleiden und selbst auch ruͤckwir- kend ausuͤben. Diese Ungleichheit der Wirkung ist bei Eisen und Nickel sehr merklich, indem, nach Gay Lussac's Versuchen, eine Eisenstange, nahe unter eine oscillirende Magnetnadel gelegt, die Zeit einer Oscillation auf die Haͤlfte herabsetzte, waͤhrend eine gleiche Nickelstange sie nur auf ⅗ herabsetzte. Auch die ungleiche Einwirkung des Eisens auf den Magnet bei verschiedener Tempe- ratur kann wohl hiervon abhaͤngen, wenn naͤmlich das Verhaͤltniß der zwischen den magnetischen Elementen uͤbrig bleibenden Zwischen- raͤume zu diesen Elementen selbst sich mit der Temperatur aͤndert. Endlich gestattet diese Voraussetzung einer ungleichen magne- tischen Dichtigkeit (wie Poisson dieß Verhaͤltniß der dem Magnetismus unterworfenen Elemente zu dem ganzen Volumen nennt), auch, alle Koͤrper als einigermaaßen dem Magnetismus unterworfen anzusehn, nur mit dem Unterschiede, daß in den uns unmagnetisch scheinenden entweder die Zahl der magnetischen Ele- mente klein oder die Trennung beider Magnetismen schwer ist. Um nun eine theoretische Untersuchung uͤber die Erschei- nungen des Magnetismus anzustellen, mußte die Frage rechnend beantwortet werden, wie sich bei groͤßern Massen die Erscheinungen zeigen muͤssen, wenn wir, den bisher angegebenen Voraussetzungen gemaͤß, annehmen, daß jedes magnetische Element des Koͤrpers seine beiden magnetischen Materien, ohne etwas davon ausstroͤmen zu lassen, behaͤlt, dieselben aber im unmagnetischen Zustande ver- mischt, im magnetischen Zustande zum Theil so getrennt enthaͤlt, daß die nordmagnetische Materie am einen Ende, die suͤdmagne- tische am andern vorwaltend vorhanden ist. Es laͤßt sich leicht uͤbersehn, daß wir nach Anleitung der Erscheinungen annehmen muͤssen, daß diese Zersetzung, die Trennung der beiden magneti- schen Materien, unter der Einwirkung eines Magnetes und so auch unter Einwirkung der Erde selbst, in geringem Grade statt finde bei schwacher Einwirkung, in staͤrkerm Grade bei starker Ein- wirkung, daß aber selbst bei den staͤrksten Einwirkungen, die wir kennen, noch immer ein großer Theil unzersetzter magnetischer Materie uͤbrig bleibe, indem wir allen Grund haben zu glauben, daß die Grenze bei allen unsern Versuchen noch lange nicht er- reicht wird. Wenn man nun die Einwirkung aller magnetischen Kraͤfte auf einen bestimmten, innerhalb oder außerhalb des magnetischen Koͤrpers liegenden Punct angeben will, so muß man die beiden Faͤlle unterscheiden, wo die Trennung der beiden magnetischen Fluida dieses Punctes mit Leichtigkeit statt findet, oder wo im Ge- gentheil eine hindernde Kraft sich dieser Trennung widersetzt. Im ersten Falle muͤssen, sobald der sich schnell einstellende bleibende magnetische Zustand eingetreten ist, die saͤmmtlichen auf einen III. Gg Punct des der Magnetisirung faͤhigen Koͤrpers wirkenden Kraͤfte sich gegenseitig gaͤnzlich aufheben; denn so lange dieß nicht der Fall ist, wuͤrde die Zersetzung der vereinigten beiden Materien immer noch einen hoͤhern Grad erreichen. Dagegen wenn eine Coercitivkraft sich der Trennung der magnetischen Materien wider- setzt, so kann das Gleichgewicht in mehreren Faͤllen eintreten, naͤmlich immer, wenn die auf diesen Punct wirkenden Kraͤfte die widerstehende Kraft nur nicht uͤbertreffen. Da aber der erstere Fall der leichtere ist, so verweilt Poisson einzig bei demselben und zeigt, daß fuͤr diese unter Einfluß magnetischer Koͤrper selbst sogleich magnetisch werdenden Koͤrper, das Gleichgewicht der ma- gnetischen Materien so bedingt ist, daß, obgleich jedes einzelne ma- gnetische Element seine magnetischen Materien nicht entweichen laͤßt, sondern sie polarisch getrennt auf seiner Oberflaͤche behaͤlt, dennoch die Gesammtwirkung auf jeden innerhalb des Koͤrpers lie- genden Punct sich gaͤnzlich aufhebt, und die Gesammtwirkung auf jeden außerhalb liegenden Punct so ist, als waͤre der ganze Koͤrper mit einer duͤnnen Schichte beider magnetischer Fluͤssigkeiten und zwar in getrenntem Zustande bedeckt. Diese aus der Theorie fließende Folgerung ist unstreitig merk- wuͤrdig, da sie sich an mehrere Beobachtungen und vorzuͤglich an eine von Barlow gemachte Erfahrung anschließt. Ich habe schon bei einer andern Gelegenheit erwaͤhnt, daß Barlow die Wirkung hohler Eisenkugeln auf die Magnetnadel fast genau eben- so groß fand, als die Wirkung eben so großer solider Eisenkugeln. Poisson zeigt, daß man hieraus mit Unrecht schließen wuͤrde, die magnetischen Materien begaͤben sich auf die Oberflaͤche der Kugel, sondern die auf die angegebene Weise den einzelnen Ele- menten eigen bleibenden magnetischen Materien uͤben eine gemein- schaftliche Wirkung aus, die sich fast ganz so verhaͤlt, als wenn bloß eine Schichte auf der Oberflaͤche wirksam waͤre, und dieß ist um so mehr der Fall, je weniger der Raum, den die magnetischen Elemente einnehmen, von dem ganzen Volumen des Koͤrpers ver- schieden ist. Bei Barlows Versuchen betrug die Einwirkung der hohlen Eisenkugeln zwar fast eben so viel als der ebenso großen soliden Eisenkugeln, so lange die Schale nicht allzu duͤnne wurde, aber die Ablenkung der Magnetnadel ging doch auf zwei Drittel herab, als die Dicke der Kugelschale nur \frac{1}{30} Zoll betrug. Nach Poissons theoretischen Bestimmungen muͤßte es sich fast genau so verhalten, wenn die magnetische Dichtigkeit in dem vorhin an- gefuͤhrten Sinne \frac{49}{50} betruͤge, und so muͤßten wir hiernach die Be- schaffenheit des Eisens ansehen. Dieses sind die einzigen Saͤtze, die ich aus Poissons Theo- rie mitzutheilen im Stande bin. Die ganze Entwickelung dieser Theorie hat mehr Schwierigkeit als die, sonst in mancher Hinsicht aͤhnliche, Theorie der electrischen Erscheinungen, und auch die hy- pothetischen Voraussetzungen scheinen weder so uͤberzeugend noch so einfach; indeß ist es immer wichtig, auf strenge mathemati- schem Wege zu zeigen, daß diese Hypothese, der durch Einfluß ma- gnetisch gewordene Koͤrper sei in seiner Wirkung mit einer unend- lichen Menge kleiner polarischer Nadeln uͤbereinstimmend, nicht gegen die Erfahrung streitet. Waͤren nicht die Versuche uͤber die Einwirkung einer Eisenkugel auf die Magnetnadel darum so schwierig, weil die Ruͤckwirkung der Magnetnadel auf die zur Ab- lenkung derselben wirksame Kugel unvermeidlich ist, statt daß die Formeln am liebsten diese Ruͤckwirkung ganz bei Seite setzen; so ließe sich manche Pruͤfung der Theorie durch Anwendung hohler und solider Kugeln, die weniger Eisen in ihrer Mischung enthielten, in Vorschlag bringen, und die hohlen Kugeln muͤßten in ihrer Wirkung um so mehr von den soliden abweichen, je mehr unma- gnetische Theile mit dem Eisen gemischt waͤren. Magnetische Einwirkung anderer Koͤrper im Zustande der Ruhe . Um die Frage zu entscheiden, ob außer den als magnetisch anerkannten Koͤrpern nicht auch andre einige Wirkung auf die Magnetnadel zeigen, hat Coulomb eine Menge von Versuchen angestellt. Er ließ Nadeln von 3 bis 4 Lin. Laͤnge aus andern Metallen und selbst aus Holz an den feinsten Seidenfaͤden zwischen den Polen zweier starker Magnete haͤngen, und fand nicht nur, daß sie vorzugsweise die Richtung gegen die Magnete zu annahmen, sondern daß sie auch durch schnelleres Oscilliren unter der Einwir- kung der Magnete zeigten, daß sie nicht ganz gleichguͤltig in Be- ziehung auf die magnetische Kraft waren. Gg 2 Um zu entscheiden, ob vielleicht eine unmerklich geringe Quantitaͤt Eisen in der Mischung dieser Koͤrper die Wirkung her- vorbringe, verfertigte Coulomb Nadeln aus einer Mischung von Wachs und Eisenfeile und fand, daß die Kraft, mit welcher sie vom Magnete angezogen wurden, der Menge von Eisen propor- tional war. Da sich nun die Wirkung des Magnets auf chemisch reines Silber 415 mal schwaͤcher fand, als wenn dem Silber ab- sichtlich \frac{1}{320} an Eisen beigemischt war, so schloß Coulomb , daß jenes reine Silber so wirkte, als ob der 132800ste Theil an Eisen beigemischt waͤre, und es blieb daher unentschieden, ob so geringe Beimischungen von Eisen unsern chemischen Untersuchungen ent- gehen, oder ob das Silber als absolut rein dennoch diese geringe Wirkung ausuͤbt. Ein viel neuerer Versuch von Muncke machte darauf auf- merksam, daß laͤngere Nadeln ab ( Fig. 151. ) aus einem, nur wenig Eisen enthaltenden Messingdrathe sich zwar in die Richtung eines unter ihnen liegenden Magnetes NS stellen, wenn oberhalb ein zweiter Magnet ns seinen Nordpol n uͤber dem Suͤdpole S des andern Magnetes hat, daß dagegen die Nadel ab eine schiefe Stellung gegen beide Magnete annimmt, wenn n sowohl als S ein Suͤdpol oder n sowohl als S ein Nordpol ist. Seebeck wie- derholte diesen Versuch auch mit andern Metallmischungen, in denen sich einige Procente Eisen befanden, und fand den Erfolg immer uͤbereinstimmend. Auch wenn die Lage der Nadel zwischen den Magneten so war, daß ( Fig. 152. ) SN, sn, die mit gleich- namigen Polen uͤbereinander liegenden Magnete sind, zwischen welchen die Nadel sich aufgehaͤngt befindet, trat eine eben solche Stellung, abweichend von der Richtung der Magnete, ein. Um diese Sonderbarkeit aufzuklaͤren, wandte Seebeck Roͤhren mit Eisenfeile gefuͤllt an, und auch diese, ebenso aufgehaͤngt, kamen zwischen den beiden Magneten zur Ruhe, wenn die oberhalb und unterhalb liegenden Pole von entgegengesetzter Art waren, dagegen kamen sie in einer seitwaͤrts abweichenden Richtung zur Ruhe, wenn die uͤber einander liegenden Pole gleichnamig waren. See- beck erkannte hierin eine Eigenthuͤmlichkeit der Einwirkung der Magnete auf zertheilte Eisenpartikelchen, und uͤberzeugte sich von dieser durch einen andern Versuch. Wenn man das eine Ende eines Eisenstabes mit einem Magnete in Beruͤhrung bringt, so ist, wie Sie wissen, bis zu bedeutenden Laͤngen des Stabes das an- dere Ende desselben magnetisch; aber wenn man das eine Ende einer mit Eisenfeile gefuͤllten Glasroͤhre mit einem starken Ma- gnete in Beruͤhrung bringt, so zeigt schon bei sehr maͤßiger Laͤnge der Eisenfeilsaͤule, diese am andern Ende gar keine von jener Be- ruͤhrung abhaͤngende, polarische Einwirkung auf die Magnetnadel; die unter Einfluß jenes Magnetes entstehende magnetische Dispo- sition der Theilchen erstreckt sich also in der Eisenfeile nur bis auf geringe Entfernung. Diese Erfahrung erklaͤrt die oben angege- bene Erscheinung. Ist naͤmlich a ( Fig. 152. ) zwischen zwei un- gleichen Polen, so hat sich nach der Querrichtung der Nadel oder der mit Eisenfeile gefuͤllten Roͤhre ein kurzer Magnet gebildet, oder vielmehr, so weit die Wirkung reicht, eine Reihe kurzer ver- ticaler Magnete, die vom obern Magnetpole so gut als vom untern angezogen werden; diese halten also das Ende der Nadel zwischen sich fest. Sind dagegen die oberhalb und unterhalb liegenden Pole gleichnamig, so zerstoͤren sie gegenseitig die in verticaler Richtung entstehenden Wirkungen, das heißt, die obere Seite der Nadel kann nicht suͤdpolarisch werden durch Einwirkung des oberhalb an- gebrachten Nordpols, wenn der untere Nordpol aus der obern Seite einen Nordpol zu machen strebt; wendet sich aber die Nadel seitwaͤrts, so entstehen in horizontaler Querrichtung kurze Ma- gnete, die ihre Suͤdpole jenen beiden Nordpolen zuwenden, und diese Wirkung ist weit merklicher, weil die Zahl dieser kleinen Ma- gnete sn, sn, sn, ( Fig. 153. ) groͤßer ist, als sie bei der Stellung ab ( Fig. 154. ) sein wuͤrde, wo nur ein sehr beschraͤnkter Theil der nicht fest verbundenen Eisentheilchen die polarische Einwirkung erleidet. Einwirkung rotirender Koͤrper auf den Magnet . Diese von andern Koͤrpern uns dargebotenen Zeichen magne- tischer Einwirkung ließen sich alle auf eine wahrscheinliche Bei- mischung von Eisen zuruͤckfuͤhren; aber eine ziemlich unbedeutend aussehende Erscheinung, auf welche Arago zuerst aufmerksam wurde, leitete diesen zu einer Reihe ganz neuer und wichtiger Ent- deckungen. Jene geringfuͤgig zu nennende Erscheinung ist folgende. Wenn man eine horizontal aufgestellte, sehr leicht bewegliche und stark magnetisirte Stahlnadel in große Schwingungen versetzt, so dauert es lange, ehe diese durch einen großen Bogen gehenden Schwingungen um eine bedeutende Anzahl von Graden abnehmen; aber wenn die Nadel sich sehr nahe uͤber Kupfer oder einem andern Metalle, ja auch uͤber Wasser oder Eis bewegt, so wird die Weite der Schwingungen stark vermindert, ohne daß die Zeit einer Oscillation merklich abnimmt. Der Versuch, der sich bei jeder Wiederholung als richtig zeigt, ist von Arago , Nobili , See- beck u. a. mit großer Sorgfalt unter verschieden abgeaͤnderten Umstaͤnden angestellt worden. Arago ließ eine an einem unge- drehten Seidenfaden haͤngende Magnetnadel das eine Mal uͤber einem hoͤlzernen Ringe, das andre Mal uͤber einem kupfernen Ringe ihre Oscillationen vollenden; in jenem Falle machte sie 145 Oscillationen, in diesem Falle 33, ehe die Weite der Oscillationen von 90° bis auf 10° herabkam. Kupfer zeigte sich hier und in allen Faͤllen als vorzuͤglich stark einwirkend; aber daß selbst Wasser und Eis diese Wirkung zeigen, ergab sich aus Arago's Versuchen, bei welchen eine uͤber einer ebenen horizontalen Eis- flaͤche oscillirende Nadel ihre Oscillationen von 53° bis 43° ver- kleinerte, nach 60 Oscillationen, als die Entfernung von des Eises Oberflaͤche 21 Lin. betrug, nach 56, 34, 26 Oscillationen, als die Entfernung 13, ⅔, ⅓ Linie betrug. Seebeck fand 116 Schwin- gungen, ehe die Nadel uͤber einer Marmorplatte von 45° weiten Oscillationen bis zu 10° weiten Oscillationen kam; uͤber einer duͤnnen Zinkplatte reichten 71, uͤber einer noch duͤnnern Kupferplatte reichten 62 Oscillationen hierzu hin, und als man unter die Kupferplatte noch die Zinkplatte schob, 48 Oscillationen, ja bei 4 Kupferplatten und 4 Zinkplatten uͤbereinander schon 25 Oscillationen. — Eisen wirkt, wie Seebeck bemerkt, noch staͤrker ein; dagegen eine Verbindung von 4 Th. Antimon und 1 Th. Eisen die Groͤße der Oscillationen gar nicht verminderte, obgleich das Antimon allein in einigem Grade diese Wirkung zeigt; An- timon dem Kupfer beigemischt, Wismuth dem Kupfer beigemischt, Nickel dem Kupfer beigemischt, vermindern die Einwirkung des Kupfers. Daß hier nicht etwa die mindere Beweglichkeit der Luft in der Naͤhe eines festen Koͤrpers ein Hinderniß der Bewegung sei, laͤßt sich, wenn man es vermuthen wollte, dadurch leicht zeigen, daß die Abnahme der Oscillationen nach der Natur der Koͤrper verschie- den ist, so daß Kupfer mehr als Zink, dieses mehr als Zinn oder Blei die Oscillationen verkleinert; die Ursache dieser Erscheinung, glaubten mehrere Beobachter, lasse sich sehr leicht darin finden, daß kein Koͤrper ohne alle Einwirkung auf den Magnet sei; auch die Kupferplatte nehme in schwachem Grade eine Magnetisirung unter Einwirkung der Nadel an, und indem sie dadurch anziehend auf dieselbe wirke, stoͤre sie die Oscillation. Arago bemerkt, daß er diese Meinung nie geaͤußert habe, weil er sogleich sie durch Versuche gepruͤft und widerlegt habe, und ferner daß die Meinung derer, die Coulombs Versuche uͤber die Einwirkung des Magnets auf andre Koͤrper hiemit zusammenstellen, unrichtig sei, weil bei Coulombs Versuchen sich Blei wirksamer als Zinn, dieses wirk- samer als Kupfer zeigte, statt daß die hier angefuͤhrten Versuche gerade das Umgekehrte geben. Doch diese Versuche fuͤhrten zu groͤßern Versuchen. Kann die ruhende Kupferplatte durch ihre bloße Naͤhe die Bewegung der Magnetnadel hindern, so wird, darf man vermuthen, auch eine rotirende Kupferplatte einer Magnetnadel durch bloße Naͤhe eine rotirende Bewegung ertheilen koͤnnen, und diese Vermuthung fin- det sich wirklich bestaͤtigt. Man stelle die Kupferscheibe AB, ( Fig. 155. ) der man eine sehr schnelle Drehung ertheilen kann, horizon- tal auf und gebe der Magnetnadel CD an einem feinen ungedreh- ten Faden eine solche Lage, daß die Mitte der Nadel dem Mittel- puncte der Scheibe entspricht; so wird, wenn man AB in eine schnelle drehende Bewegung setzt, die Nadel sehr bald dieser Ro- tation folgen, und entweder, bei maͤßiger Schnelligkeit der Dre- hung, in einer gewissen Entfernung vom Meridiane, zur Ruhe kommen, oder bei schnellerer Drehung mehrere Umlaͤufe vollenden, bis die gegenwirkende Kraft des gedrehten Fadens keine weitere Drehung gestattet. Daß nicht etwa der Luftzug uͤber der rotirenden Scheibe dies bewirkt, davon uͤberzeugt man sich leicht, indem eine zwischen der gedrehten Scheibe und der Magnetnadel ruhend blei- bende Glasscheibe EF die Wirkung nicht hindert, indem eine un- magnetische Nadel sich dieser Wirkung nicht unterworfen zeigt, und andre rotirende Scheiben nach ihrer verschiedenen Beschaffenheit ge- ringere Wirkungen als Kupfer zeigen. Die letztere Verschiedenheit ist so bedeutend, daß zum Beispiel unter gleichem Abstande und bei gleicher Schnelligkeit der Drehung eine Kupferscheibe die Nadel um 55°, eine Zinkscheibe sie nur um 14°, eine Bleischeibe nur um 8° ablenkte. Diese von Arago zuerst angestellten Versuche aͤnderten Bab- bage und Herschel so ab, daß sie einen starken Magnet, der beide Pole aufwaͤrts kehrte, so in rotirende Bewegung setzten, daß diese Pole um einen in ihrer Mitte liegenden Punct kreisten, daruͤber aber eine am ungedrehten Faden haͤngende Metallscheibe angebracht war. Sobald der Magnet rotirte, so folgte auch die so aufgehaͤngte Metallscheibe der Drehung. Prevost und Colladon hingen uͤber der rotirenden Scheibe zwei verbundene Magnetnadeln auf, und fanden die Ablenkung ganz aufhoͤrend, wenn die Nadeln mit den entgegengesetzten Polen vereinigt neben einander lagen, wo- gegen die Ablenkung mehr betrug, wenn die gleichnamigen Pole vereinigt waren. Wirkungsgesetze dieses Rotationsmagnetismus . Daß diese Erfolge sich wohl durch eine voruͤbergehende Ma- gnetisirung des Kupfers und der uͤbrigen Metalle erklaͤren ließen, war leicht zu uͤbersehen; denn wenn der Nordpol des Magnets den unter ihm liegenden Punct der Scheibe suͤdpolarisch macht, so wird beim Fortruͤcken des Nordpols dieser Suͤdpol ihm zu folgen geneigt sein, wenn auch nur die kuͤrzeste Zeit verfließt, ehe der bei der neuen Stellung des Magnetes unter ihm liegende Punct eine gleiche Suͤdpolaritaͤt annimmt. Aber diese Meinung, die sich allerdings durch ihre Einfachheit empfiehlt, paßt nicht auf alle Erscheinungen. Arago naͤmlich, von dem ich schon erzaͤhlt habe, daß er diese Meinung widerlegte, ehe sie von jemand ausgesprochen war, stellte die richtige mathematische Ueberlegung an, daß da, wo eine Kraft wirksam ist, es nicht genuͤge, ihre nach einer bestimmt vorgeschriebenen Richtung hervorgehende Wirkung zu kennen, son- dern man muͤsse Mittel suchen, die eigentliche wa hre Richtung dieser Kraft, und daraus ihre Wirkung nach jeder Richtung zu finden. In der bewegten Kupferscheibe erkennen wir eine Kraft, welche die Magnetnadel parallel mit der Scheibe fortfuͤhrt; aber damit ist nicht ausgemacht, daß die gesammte Wirkung der Kraft auf diese parallele Richtung beschraͤnkt sei, sondern es ist noͤthig zu untersuchen, ob auch eine nach der Richtung des Kreisradius hervorgehende, oder eine auf die Ebene des Kreises senkrechte Wirkung merklich ist. Diese Untersuchung hat Arago auf fol- gende Art angestellt. Wenn man eine Neigungsnadel, die sich um eine fest mit ihr verbundene horizontale Axe drehen kann, so aufstellt, daß sie sich in der von Westen nach Osten gerichteten Vertical-Ebne be- wegt, so nimmt die Inclinationsnadel eine verticale Stellung an. Giebt man nun ( Fig. 156. ) dieser Nadel AB ihren Platz uͤber der rotirenden Scheibe CD, so wird sie, wenn irgend eine vom Mittelpuncte G abwaͤrts oder gegen ihn hin wirkende magnetische Kraft in der Naͤhe der Scheibe merklich ist, die verticale Stellung verlassen und uns die nach der Richtung des Kreishalbmessers wirk- same Kraft kennen lehren. Wenn diese Nadel so aufgestellt ward, daß ihre Drehungs-Ebne senkrecht auf den magnetischen Meridian war und durch den Mittelpunct der rotirenden Scheibe ging, so fand sich 1. keine Abweichung von der verticalen Richtung, wenn die Nadel uͤber dem Mittelpuncte der Scheibe stand, welches sich von selbst versteht wegen der nach allen Seiten gleichen Wirkung; 2. wenn die Nadel etwas vom Mittelpuncte entfernt wurde, so ward die Spitze gegen den Mittelpunct hin gezogen, und diese Wirkung nahm zu bis zu einem gewissen Abstande vom Centro; von da an nahm sie wieder ab, und es fand sich zwischen dem Mittelpuncte und Umfange ein Indifferenzpunct, dem abermals eine vertical bleibende Stellung der Nadel entsprach; 3) entfernte man die Nadel weiter gegen den Rand der Scheibe hin, so ward ihre untere Spitze vom Mittelpuncte abwaͤrts getrieben, und eben das fand noch statt, wenn die Nadel sich etwas außerhalb der Grenze der Scheibe befand. Diese Wirkungen zeigen sich also im Ganzen als abwaͤrts wirkend von dem Kreise, den die am meisten wirksamen Theile der Scheibe durchlaufen. Der mittlere Raum der Scheibe aͤußert, als langsam bewegt, nur wenig Wirkung, und so lange die Nadel innerhalb desjenigen Ringes bleibt, den man den Ring der vollkommensten Wirksamkeit nennen moͤchte, wird sie von diesem nach innen abgestoßen; befindet sie sich uͤber diesem Ringe der vereinigten Wirksamkeit, so bleibt sie vertical; geht sie uͤber ihn hinaus, so treibt jene unbekannte Kraft des Rotations- magnetismus sie hinauswaͤrts. Aber auch die dritte Richtung, naͤmlich die auf die Ebne der Scheibe senkrechte Kraft, mußte untersucht werden. Hierzu bediente sich Arago eines doppelten Mittels. Zuerst naͤmlich ward wieder die Neigungsnadel, die aber durch ein kleines Ge- gengewicht gezwungen wurde, die horizontale Stellung ab anzu- nehmen, ( Fig. 157. ) angewandt; und indem nur ihre eine Haͤlfte a der Wirkung der Scheibe ausgesetzt wurde, zeigte sich eine auf diese Haͤlfte abstoßend wirkende Kraft, so daß sie gehoben wurde. Eben dies ergab die zweite Art, den Versuch anzustellen, wo naͤm- lich an einem Waagebalken FG ( Fig. 158. ) ein Magnet AB auf- gehaͤngt und mit seinem einen Pole der Scheibe genaͤhert ward; dieser Magnet wurde zuruͤckgestoßen, er mochte sich befinden, uͤber welchem Puncte des Radius man wollte. Diese Versuche waren es, die Arago bewogen, jene Mei- nung, daß der Nordpol des Magnetes in den naͤchsten Puncten des Kupfers eine Suͤdpolaritaͤt errege, als unzureichend anzusehn, indem die Kraft, die jeder bewegte Punct der Scheibe annimmt, zwar nach der Richtung der Tangente des Kreises vorwaͤrts, aber sowohl nach der Richtung des Radius als senkrecht auf die Scheibe abwaͤrts, Entfernung bewirkend, gerichtet ist. Ehe diese Versuche bekannt wurden, hatte Barlow schon eine andre, gleichfalls merkwuͤrdige Reihe von Versuchen angestellt. Er ward durch seine Versuche uͤber die Einwirkung der Eisenmassen auf die Magnetnadel auf die Frage gefuͤhrt, ob bewegte Eisen- massen sich ebenso verhielten, wie ruhende, und dies veranlaßte ihn, eine große eiserne Kugel in schnelle Umdrehungsbewegung zu setzen und dann ihre Einwirkung auf die Magnetnadel zu beobach- ten. Die Drehungs-Axe lag horizontal, und es ergab sich, wenn die Richtungskraft der Magnetnadel durch nahe stehende Magnete so gut wie ganz aufgehoben war, daß der Nordpol sich der gedreh- ten Kugel naͤherte, wenn die Nadel sich neben dem herabwaͤrts gehenden Theile der Kugel befand, dagegen der Suͤdpol sich naͤherte, wenn die hinaufwaͤrts gehende Seite der Kugel der Nadel am naͤchsten war. Stellte man die Nadel etwas hoͤher als die durch die Axe gehende Horizontal-Ebne, so blieb die Nadel senkrecht ge- gen die Axe gerichtet, mit dem Nordpole nach der Kugel zu, wenn die Drehung herabwaͤrts ging oder die obern Theile gegen die Na- del zu gingen; dies fand statt, bis die Nadel neben dem 54ten Grade der Kugel stand; bei hoͤherer Stellung drehte sich die Nadel und kehrte ihren andern Pol gegen die Kugel. Eine aͤhnliche Veraͤnde- rung fand ungefaͤhr bei 54° auch statt, wenn man die Nadel hin- abwaͤrts ihre Stellung aͤndern ließ. Diese Versuche wuͤrden wohl zweckmaͤßiger so angestellt, daß man die Drehungs-Axe der Richtung der Neigungsnadel parallel stellte, damit die Wirkung der Rotation sich reiner von dem Ein- flusse des Erdmagnetismus trennte; denn bei der horizontalen Lage der Axe bringen offenbar die in der hoͤchsten Stellung suͤdpolarisch wirkenden Eisentheilchen noch etwas von dieser ihnen ertheilten Veraͤnderung des Zustandes mit, indem sie sich herab bewegen. Poisson hat einen theoretischen Versuch gewagt, diese Er- scheinungen des Rotationsmagnetismus zu erklaͤren. Die Bemer- kung ist zuerst einleuchtend, daß der Einfluß ruhender Koͤrper darum ein anderer sein kann, weil die kurze Zeit, innerhalb welcher die magnetischen Fluida in den Elementen des Eisens und so auch in den kleinsten Theilen andrer Koͤrper ihre angemessene Austhei- lung erlangen, zu kurz ist, um uns kenntlich zu sein, wogegen uns in dem Einfluß der bewegten Koͤrper grade dieser noch in der Ver- aͤnderung begriffene, gleichsam aufgeregte, Zustand der magnetischen Materien kenntlich werde. Es ist im Allgemeinen wohl denkbar, daß diese Einwirkung, wo nach Poissons Vorstellung die magne- tischen Materien in dem ganzen innern Raume der magnetischen Elemente sich im getrennten Zustande befinden moͤgen, viel staͤrker sein kann, als es der Fall ist, wenn diese getrennten magnetischen Materien sich auf die Oberflaͤchen jedes magnetischen Elementes begeben haben; aber es scheint mir fuͤr jetzt noch unmoͤglich, in bloßen Worten von den Schluͤssen, die Poisson in Beziehung auf die durch die Bewegung veraͤnderten magnetischen Erscheinun- gen an seine Voraussetzungen knuͤpft, einen Begriff zu geben. Seine Rechnung fuͤhrt ihn zu Folgerungen, die mit Barlows Versuchen, vorzuͤglich mit dem Erfolge, daß der Nordpol sich an der herabwaͤrts gehenden Seite der Kugel naͤherte, uͤbereinstimmen. Er bemerkt dabei, daß, obgleich die Theorie eine beinahe gleiche Wirkung nach außen fuͤr solide und hohle Eisenkugeln von gleichem Durchmesser giebt, wenn diese ruhen, doch diese Wirkung fuͤr rotirende Kugeln sehr ungleich wird, so daß es der Muͤhe werth waͤre, Versuche mit hohlen rotirenden Kugeln anzustellen, und allenfalls damit Versuche zu verbinden, wo statt des Eisens Koͤr- per genommen wuͤrden, die eine geringere Menge Eisen in ihrer Mischung enthielten. Diese wenigen Hindeutungen auf das, was die Theorie hier zu leisten versucht hat, glaubte ich mittheilen zu muͤssen; aber die genauere Ueberlegung, mit welchem Rechte man einige Erfolge der Versuche als Criterium der Uebereinstimmung der Theorie mit der Erfahrung ansehen darf, waͤhrend man andre Erfolge der Versuche als Grundlage der Zahlenrechnung und als gegebene Groͤßen be- nutzen muß, — diese Ueberlegung anzustellen ist hier unmoͤglich und doch verdiente sie wohl recht strenge angestellt zu werden. Ueberhaupt habe ich diesen Theil der Theorie am wenigsten mit Ueberzeugung auffassen koͤnnen. Einfluß der Trennung der Theile auf den Rotations- magnetismus . Unter den uͤber diesen Gegenstand angestellten Beobachtungen scheinen mir die von Christie noch eine Erwaͤhnung zu verdie- nen, welche das schon von Arago gefundene, unerwartete Resul- tat, daß der Zusammenhang der Theile des rotirenden Koͤrpers von so großem Einflusse ist, in ein vorzuͤglich helles Licht setzen. Chri- stie bediente sich eines Apparates, wo auf einer sehr festen Unter- lage eine Axe vertical aufgerichtet stand ( Fig. 159. ) und neben ihr zwei Magnete, die mit gleichen Polen A, B, nach oben gerichtet, in gleichem Abstande von der Axe C, nach einander gleiche Wir- kung auf die daruͤber haͤngende Scheibe auszuuͤben bestimmt waren. Die Scheibe von Kupfer DE hing an einem langen Metallfaden, und da sie durch die Bewegung der Magnete mit in Drehung ge- setzt wurde, so diente die Drehungskraft des Drathes, welche endlich die weitere Rotation der Scheibe hinderte, als ein Maaß der Kraft, mit welcher die Magnete die Scheibe zur Drehung antrieben. Die Magnete wurden bei den verschiedenen Versuchen bald der Axe naͤher, bald entfernter, also dem Rande der Scheibe naͤher ruͤckend, aufgestellt, und nun beobachtet, wie viele Umlaͤufe und Theile eines Umlaufes der an dem Faden und an der Scheibe befestigte Zeiger durchlief, ehe die Scheibe, wegen zu starker Drehung des Fadens, eine ruͤckgaͤngige Drehung anfing. Hier zeigte sich nun, daß die nahe am Mittelpuncte aufgestellten Magnete die Kupfer- scheibe weniger maͤchtig mit fortzogen, daß sie in der Mitte des Halbmessers stehend 6 Umdrehungen, auf drei Viertel des Halb- messers stehend 8¼ Umdr. bewirkten, aber nahe am Rande stehend kaum 4 Umdrehungen. Da nun schon andre Versuche von Arago sowohl als von Babbage und Herschel gezeigt hatten, daß Einschnitte in die Scheibe die Wirkung sehr aͤnderten, so ließ Chri- stie einen Ring von ¼ des Halbmessers breit am Rande so abtren- nen, daß er anfangs noch an vier Stellen, dann nur an zwei Stellen, endlich gar nicht mehr mit dem innern Kreise zusammen- hing. Dieses hatte den Erfolg, daß der unter dem mittlern Theile des Ringes rotirende Magnet die Scheibe nur ungefaͤhr mit ⅔ der Kraft, die er auf die unzerschnittene Scheibe gezeigt hatte, fortzog, als der Ring noch an vier Zoll breiten Stellen festsaß, und nur kaum mit ⅓ jener Kraft, als der Schnitt die Trennung ganz voll- endet hatte. Wurde die Scheibe durch mehrere concentrische Schnitte getheilt, so ward durch das bloße Zerschneiden fast eben das bewirkt, wie durch das voͤllige Wegnehmen der etwas entfern- tern innern Theile. Die Magnete befanden sich einen Zoll vom Rande der 4⅕ Zoll Halbmesser habenden Scheibe, und es wurden nach und nach Schnitte auf 0,7 Zoll, 1,2 Zoll, 1,7 Zoll, und 2,2 Zoll vom Mittelpuncte angebracht; die Kraft, die zuerst eine ge- wisse Drehung = 100 hervorbrachte, als die Scheibe ganz war, sank auf 94 nach dem innern Schnitte, auf 88 nach dem zweiten Schnitte, auf 76 nach dem dritten, auf 58 nach dem vierten Schnitte herab, und als der 2 Zoll breite Ring, der zuletzt außen noch uͤbrig blieb, allein angewandt wurde, zeigte der unter seiner Mittellinie kreisende Magnet auf ihn eben die Wirkung, wie vor- hin, als die mittlern bloß durch den Schnitt abgetrennten Stuͤcke noch mit jenen zugleich der Wirkung unterworfen wurden. Diese Versuche und mehrere aͤhnliche zeigen deutlich, daß die Continuitaͤt eine wichtige Bedingung bei der Hervorbringung dieser magnetischen Wirkungen ist. Ich mag nicht wagen, irgend eine hypothetische Meinung an diese Erfahrung anzuknuͤpfen, aber ich leugne nicht, daß mir diese Erfahrung mit der Meinung, daß auch bei der Bewegung die magnetischen Materien nur eben jene un- endlich kleine Ortsveraͤnderung erleiden, die wir ihnen bei dem dauernden Magnetismus in ruhenden Koͤrpern zuschrieben, nicht gut zusammen zu stimmen scheint Die neuesten, noch nicht vollstaͤndig bekannt gemachten Unter- suchungen Faraday's deuten darauf hin, daß electrische Stroͤme unter der Einwirkung des Magnetes bei der Drehung entstehen, und diese Versuche werden uns vielleicht bald einer Einsicht in diese noch sehr dunkeln Erscheinungen naͤher fuͤhren. . Neun und zwanzigste Vorlesung. Magnetische Wirkungen der Electricitaͤt . Noch einmal kehre ich zu der galvanischen Kette zuruͤck, um Sie mit den wunderbaren Erscheinungen bekannt zu machen, die aus der magnetischen Einwirkung der Electricitaͤt hervorgehen. Es war eine alte Erfahrung, daß der Blitz oder der electrische Schlag Stahlnadeln magnetisch machen, gelegentlich die Pole einer Magnetnadel umkehren koͤnne, u. s. w.; aber obgleich darin eine magnetische Wirkung der Electricitaͤt kenntlich zu werden schien, so fuͤhrten doch genauere Untersuchungen zu der Ueberzeugung, daß die Wirkung der Electricitaͤt hier wenig von dem, was auch andre Erschuͤtterungen unter dem magnetischen Einflusse der Erde hervor- bringen, verschieden sei, daß man es nicht in seiner Gewalt habe, den Nordpol an einem bestimmten Ende der Nadel hervorzubrin- gen, und daß eine Stahlnadel senkrecht gegen die Richtung der Neigungsnadel gehalten auch durch den electrischen Schlag, der durch sie geht, nicht electrisch werde. Die voltaische Saͤule mit ihrer entschiedenen Polaritaͤt gewaͤhrte anfangs die Hoffnung, daß hier endlich der lange geahndete Zusammenhang zwischen Electrici- taͤt und Magnetismus deutlich hervorgehen werde; aber auch diese Hoffnung schien durch eine zwanzigjaͤhrige Reihe von Versuchen, die nichts zu Bestaͤtigung eines solchen Zusammenhanges beigetra- gen hatten, vereitelt. Endlich hatte der auch sonst durch große Verdienste um die Naturlehre ausgezeichnete Oerstaͤdt das Gluͤck, eine Entdeckung zu machen, die unsre Kenntnisse um sehr vieles erweitert und den Grund zu einem ganz neuen Theile der Electricitaͤtslehre gelegt hat. Er fand naͤmlich, daß eine voͤllig bestimmte und gleichmaͤßige Einwirkung des electrischen Stromes auf die Richtung der Magnet- nadel statt finde, wenn jener nicht durch die Nadel selbst, sondern auf eine angemessene Weise neben ihr vorbei geht. Dieses Experi- ment gab (1820) den seitdem sehr weit fortgefuͤhrten electromagne- tischen Untersuchungen ihren Ursprung. Der Oerstaͤdt'sche Versuch . Man bringt den Schließungsdrath einer galvanischen Kette in horizontaler Richtung uͤber oder unter einer Magnetnadel, am liebsten mit ihrer natuͤrlichen Stellung von Norden nach Suͤden parallel, an; so findet, sobald der electrische Strom den Schließungs- drath durchlaͤuft, eine Ablenkung der Magnetnadel statt, die ent- gegengesetzt ist fuͤr eine oberhalb und eine unterhalb des Stromes stehende Nadel, und wieder entgegengesetzt fuͤr eine oberhalb ste- hende, wenn der positive Strom nach Norden und wenn er nach Suͤden den Leiter durchlaͤuft. Da hier immer von der Richtung des Stromes die Rede ist, so ist es gewoͤhnlich geworden, immer nur den positiven Strom, der in der metallischen Beruͤhrung vom Kupfer zum Zink geht, zu erwaͤhnen, indem jeder leicht uͤbersieht, was sich daran in Beziehung auf den negativen Strom anschließt. Auch hat Ampère es bequem gefunden, den Namen Rheo- phoren , Traͤger des electrischen Stromes, fuͤr den Schließungs- leiter, in welchem die Electricitaͤt fortstroͤmt, einzufuͤhren. Der Versuch laͤßt sich bequem auf folgende Weise anstellen. Es sei ( Fig. 160. ) AB ein kupfernes Gefaͤß von etwa 6 Zoll breit und hoch, dessen Boden sich in genauer Beruͤhrung mit dem Metallstreifen CDEF befindet; an diesem Metallstreifen ist oben bei F, aber so, daß das Gefaͤß nicht damit in Beruͤhrung ist, ein horizontaler Ramen von Metall angeloͤthet, auf den die in das Gefaͤß und ohne Beruͤhrung mit dem Gefaͤße einzusenkende Zink- platte sich mit einem an der letztern befestigten Rande aufstuͤtzt. Auf den beiden horizontalen Theilen des Metalles CDEF stehen Magnetnadeln, und wenn man will, koͤnnen auch nahe unterhalb CD und unterhalb EF Magnetnadeln angebracht werden, die man jedoch nicht alle zugleich anbringen kann, weil dies eine gegen- seitige Stoͤrung zur Folge haben wuͤrde. Fuͤllt man jenes Kupfer- gefaͤß mit einem gesaͤuerten Wasser, und taucht die Zinkplatte, die nur wenig kleiner als der Querschnitt AB des Gefaͤßes ist, in dasselbe ein, so entsteht der electrische Strom vom Kupfer AB nach der Richtung CDEF gegen das Zink zu, und dieser Strom dauert, weil er durch das gesaͤuerte Wasser wieder zum Kupfer uͤbergeht, unaufhoͤrlich fort. Ist nun der Apparat so gestellt, daß CD die Richtung von Norden nach Suͤden ist, so besteht der Er- folg des Versuches darin, daß sogleich beim Entstehen des electri- schen Stromes die Magnetnadel G uͤber dem von Norden nach Suͤden gehenden electrischen Strome ihren Nordpol nach Westen ablenkt, daß die Magnetnadel H uͤber dem nach Norden zu gehen- den electrischen Strome mit dem Nordpole oͤstlich abgelenkt wird, und daß eine bei G unter dem Strome stehende Nadel oͤstlich, eine bei H unter dem Strome stehende Nadel westlich abgelenkt wuͤrde. Ich verweile jetzt nicht dabei, diese Erfahrungen unter ein einfacheres Gesetz zu bringen, indem sich das Gesetz bald von selbst ergeben wird. Andre magnetische Wirkungen des Schließungsleiters . Die Wiederholung dieses wichtigen Versuches beschaͤftigte bald alle Physiker, und man fand bald, daß der Schließungsleiter nicht bloß auf die Nadel wirke, sondern gradezu selbst magne- tisch sei. Arago machte sogleich bei der Wiederholung des Oerstaͤdt- schen Versuches die Bemerkung, daß der Schließungsdrath seines starken galvanischen Apparats Eisenfeile anzog und sich rund um damit belegte; sobald aber die Verbindung unterbrochen ward, hoͤrte diese magnetische Wirkung des die Schließung bildenden Messingdrathes auf. Diese Anziehung war nur auf Eisenfeile wirksam, nicht auf Kupferfeile oder andre Koͤrper, und unterschied sich daher deutlich von der gewoͤhnlichen electrischen Anziehung; und die Art, wie die Eisenfeile sich anlegte, den Drath gleichsam umwickelte, unterschied sich auffallend von der in Nadeln auslau- fenden Anordnung der Eisenfeile, die wir unter der Einwirkung des Magnetes bemerken. Das weiche Eisen erhielt keinen dau- ernden Magnetismus durch die Beruͤhrung des Drathes, Stahl- nadeln aber wurden durch den Schließungsdrath, er mochte von Silber, Kupfer oder einem andern Metalle sein, so magnetisirt, daß sie dauernd ihre magnetische Kraft behielten. Als Arago diese Erfolge an Ampère mittheilte, sagte ihm dieser, eine Reihe andrer Versuche leite ihn zu der Vermuthung, daß die Stahlnadel isolirt innerhalb eines schraubenfoͤrmig gewundenen Leitungsdrathes noch besser magnetisch werden wuͤrde. Dieser Versuch, den ich spaͤter erst beschreiben werde, gelang vollkommen und gab ein Mittel, auch mit der Electrisirmaschine Stahlnadeln magnetisch zu machen; fuͤhrte aber auch zugleich die Theorie Ampère's auf eine sehr empfehlende Weise in die Welt ein. Ampère's Versuche uͤber die gegenseitige Anziehung und Abstoßung electrischer Stroͤme . Die eben erwaͤhnten Versuche Ampère's betreffen eine Wirkung der electrischen Stroͤme, die von der Wirkung der gela- denen Koͤrper gaͤnzlich verschieden ist, obgleich sie gleichfalls sich durch Anziehung und Abstoßung aͤußert. Der Leitungsdrath einer geschlossenen galvanischen Kette zeigt in der Regel keine Ladung, sondern, wenn die Schließung und Leitung vollkommen ist, be- merkt man an Goldblaͤttchen keine gegenseitige Abstoßung, wenn sie auch mit dem den electrischen Strom leitenden Drathe in Ver- bindung sind. Wenn man den Leitungsdrath so fortfuͤhrt, daß er parallel mit einem beweglichen Drathe ist, so zeigt jener keine An- III. Hh ziehung oder Abstoßung gegen diesen, so lange der letztere mit keiner galvanischen Kette in Verbindung steht; dagegen wenn beide Draͤ- the, parallel neben einander, electrische Stroͤme leiten, so ziehen sie einander an, wenn die parallelen Stroͤme nach gleicher Richtung gehen, und stoßen sich ab, wenn die Stroͤme nach entgegengesetzten Richtungen gehen. Da man bei diesen Versuchen sehr darauf achten muß, daß die Leitung des electrischen Stromes durch nichts aufgehalten werde, so muß man den beweglichen Leitungsdrath, den ich den beweglichen electrischen Strom nennen will, um eine Axe, die in einem mit Quecksilber gefuͤllten Gefaͤßchen steht, sich bewegen lassen, und diese Regel ist hier, wo man eine mit so geringer Kraft zum Uebergange wirkende Electricitaͤt anwendet, fast allemal zu befolgen. Fig. 161. stellt einen solchen Leiter vor, der auf den beiden feinen Spitzen A, B, die in Quecksilber eintauchen, ruht, und der sich daher um die Verticallinie PQ drehen kann. Der in das Quecksilber A von U her hinein geleitete electrische Strom nimmt seinen Weg nach ACDEFB, und fließt dann vom Quecksilber in B durch den Leiter BR gegen den andern Pol der Kette. Befindet sich nun neben CD, so daß CD sich durch Drehung um die Axe AB gegen LM annaͤhern kann, ein fester Lei- tungsdrath LM parallel mit CD, so wird der electrische Strom CD angezogen, wenn beide Stroͤme LM, CD, gleiche Richtung haben, also in beiden die positive Electricitaͤt entweder herauf oder herab- stroͤmt, dagegen wird CD von LM abgestoßen, wenn die paral- lelen Stroͤme entgegengesetzte Richtungen haben. Damit bei der Beruͤhrung der Draͤthe die Stroͤme nicht in einander uͤbergehen, nimmt man zu diesen Versuchen mit Seide umsponnene Draͤthe, die also zwei isolirt fortgehende Stroͤme leiten, wenn auch die Be- deckungen von Seide sich beruͤhren. Die beiden Stroͤme LM, CD, koͤnnen als Schließungsdraͤthe einer und derselben galvani- schen Kette oder als Schließungsdraͤthe zweier Ketten genommen werden, immer ist die Erscheinung dieselbe. Wenn L mit BR in Verbindung staͤnde, so durchliefe derselbe electrische Strom von U kommend zuerst den beweglichen Leiter ACDEFB, dann den festen Leiter BRLM und die Erscheinung wuͤrde sich unter diesen Umstaͤnden vollkommen gut darstellen. Diese Erfahrungen sind aber nur einzelne Faͤlle, die in fol- gendem viel mehr umfassenden Lehrsatze mit enthalten sind. Wenn zwei electrische Stroͤme so neben einander liegen, daß sie die Schen- kel eines spitzen Winkels bilden, daß sie naͤmlich verlaͤngert sich schneiden wuͤrden, so ziehen die Stroͤme sich an, wenn sie beide NO und PQ ( Fig. 162. ) von der Spitze R des Winkels ab oder beide gegen dieselbe zu gehen; dagegen stoßen sie sich ab, wenn der eine ST ( Fig. 163. ) gegen die Spitze zu, der andre WX von der Spitze ab fließt. Auch zu diesem Versuche koͤnnte der wie in Fig. 161. aufgehaͤngte Leitungsdrath dienen, wenn ein horizontaler Strom in der Naͤhe von DE in schiefer Richtung floͤsse; um aber ganz der Angabe des Lehrsatzes treu zu bleiben, ist diejenige Ein- richtung des frei beweglichen Leiters angemessener, die man in Fig. 164. sieht. Es erhellt leicht, daß der nach beiden Seiten aͤquilibrirte Drath, der bei Z, Y in Quecksilber eingetaucht ist, sich leicht um die Axe ZY dreht. Ist nun in eben der Horizontal- Ebne, in welcher UX sich bewegt, ein fester horizontaler Lei- tungsdrath, der so gebogen ist, daß ein Theil von ihm den nicht ganz bis an U reichenden Schenkel VW des Winkels XUW dar- stellt, so legt sich UX an VW an, wenn beide Stroͤme vom Scheitel ab oder zum Scheitel hin fließen, und im Gegentheil vergroͤßert sich der Winkel und sucht sich bis 180° zu vergroͤßern, wenn die Stroͤme entgegengesetzt sind. Endlich findet noch eine aͤhnliche Anziehung und Abstoßung statt, wenn auch die beiden Stroͤme nicht als Schenkel eines Win- kels, so naͤmlich, daß sie verlaͤngert sich schneiden wuͤrden, anzu- sehen sind; sondern wenn sie in zwei sich bei der Verlaͤngerung nicht schneidenden graden Linien fortfließen; auch dann haben sie ein Bestreben zur moͤglichst nahen parallelen Richtung zu gelangen; sie ziehen sich daher an, wenn sie beide von dem Puncte weg oder beide gegen den Punct zu fließen, wo sie sich am naͤchsten kommen, und es findet dagegen Abstoßung statt, wenn der eine Strom gegen diesen Punct zu, der andre von ihm ab fließt. Man kann diese Wirkungen, die bei einem einfachen Strome sehr schwach sind, verstaͤrken, wenn man einen laͤngern Schließungs- drath so beugt, daß er mehrmals den Strom in gleicher Richtung fortfuͤhrt. Mit Seide umsponnene Draͤthe schicken sich hiezu am besten, weil sie, ohne die Stroͤme in einander uͤbergehen zu lassen, Hh 2 ganz nahe an einander anliegen duͤrfen, und es ist leicht zu uͤber- sehen, wie man ( Fig. 161. ) den Drath LM bei M kruͤmmen und in hinreichender bedeutender Entfernung hinauf leiten, dann dicht neben LM wieder herableiten und dies mehrmals wiederholen koͤnnte, um in LM einen vervielfachten herabgehenden Strom zu erhalten. Dieser Strom uͤbt eine verstaͤrkte Wirkung aus; da- gegen verliert der Strom alle Kraft, wenn man ihn von L nach M herab und nahe an LM anliegend von M nach L hinauf leiten wollte, woraus dann zugleich erhellt, daß die anziehende Kraft paralleler gleichlaufender Stroͤme genau so groß ist als die abstoßende Kraft paralleler entgegengesetzter Stroͤme. Hieraus erhellt die Moͤglichkeit, einem electrischen Strome seine Wirksamkeit nach gewissen Richtungen ganz zu rauben, waͤh- rend sie in anderer Beziehung fortbesteht. Ist zum Beispiel ( Fig. 168. ) AB ein Leitungsdrath, dessen Kruͤmmungen alle in einer Ebne liegen, so geht der Strom in AC eben so weit rechts als in CD links, und da diese Stroͤme einander sehr nahe und entgegen- gesetzt sind, so wuͤrden sie zusammen auf einen neben ihnen hori- zontal vorbei fließenden Strom gar keine Wirkung der Anziehung oder Abstoßung ausuͤben; aber da der Strom in diesen Kruͤmmun- gen von A nach D herabwaͤrts gelangt, so wird ein verticaler, gleichfalls herabwaͤrts gehender Strom keinesweges unwirksam sein, sondern diese Stroͤme ziehen sich an. Daß diese letztere Wirkung eben so statt finde, als ob der Strom vertical von A nach D herab- ginge, hat Ampère durch einen eignen Versuch nachgewiesen, in- dem er einen graden verticalen Strom, der, wie CD Fig. 161 , beweglich war, zwischen zwei verticalen Stroͤmen aufstellte, deren einer grade herab ging, der andre sich in einer Ebne hin und her kruͤmmte, welche senkrecht gegen die Ebne war, in der die zwei graden Stroͤme und die Hauptrichtung des gekruͤmmten lagen. Hier fand er, daß der grade Strom an der einen Seite und der eben so entfernte, gekruͤmmte Strom an der andern Seite mit gleicher Kraft auf den beweglichen Strom einwirkten, so daß dieser nach keiner Seite angezogen ward. Dieser Versuch fuͤhrte zu dem Satze, daß die Wirkung der electrischen Stroͤme genau eben so sich zerlegen lasse, wie es die Statik von andern Kraͤften lehrt, daß naͤmlich ein ( Fig. 165. ) von A nach C fließender Strom so wirke, wie zwei Stroͤme, deren einer AD horizontal, der andre DC ver- tical ist. Daraus geht auch hervor, daß ein schraubenfoͤrmig um einen Cylinder gewundener Strom ACB ( Fig. 165. ) eben die Wirkungen ausuͤbt, wie ein in der Axe des Cylinders fort gehender grader Strom verbunden mit eben so vielen kreisfoͤrmigen Stroͤ- men als die Zahl der Schraubenwindungen; und wenn man den von A durch den Schraubendrath nach B geleiteten Strom durch den graden Drath BA zuruͤck leitet, so ist die Wirkung des der Axe parallelen Stromes zerstoͤrt und die ganze Wirkung auf die Umkreisungen zuruͤckgefuͤhrt. Andre Versuche, welche zeigen, daß sich die Anziehung zweier parallel nach einerlei Richtung fließender Stromtheile umgekehrt verhaͤlt, wie das Quadrat des Abstandes, kann ich hier wohl uͤbergehen. G. G. Schmidt hat diesen Versuchen Ampère's einige sehr merkwuͤrdige hinzugefuͤgt, wo die Stroͤme der Reibungs-Electri- citaͤt eine ganz gleiche Anziehung und Abstoßung zeigen. Er bediente sich zweier belegter Platten AB, CD, ( Fig. 166. ), deren eine mit dem Conductor E so in Verbindung stand, daß die Seite F positiv geladen wurde. Sie wissen, daß alsdann durch den Leiter GH, der zu der andern belegten Platte hinuͤbergeht, ein Strom positiver Electricitaͤt von G nach H fließt, um die Belegung H der zweiten Platte positiv zu laden, und daß beide Platten zugleich geladen werden, wenn von der Belegung der zweiten Platte an der Seite I eine Ableitung IK statt findet. Statt des einen Leiters GH, wurden aber hier zwei, naͤmlich ein feststehender GH und ein an seidenen Faͤden aufgehaͤngter LM horizontal neben jenem ange- bracht; der letztere war an den Enden mit Spitzen versehen, um so die von der Belegung G einstroͤmende Electricitaͤt aufzunehmen und auf die Belegung H uͤberstroͤmen zu lassen. So ging in bei- den Leitern ein electrischer Strom nach gleicher Richtung und der bewegliche Strom LM wurde wirklich von GH angezogen. Um entgegengesetzte Stroͤme hervorzubringen, wurden zwei gleiche belegte Platten, UV, WZ gleich stark geladen und nun die positiv geladenen Seiten gegen einander gekehrt. Sie wissen, daß ein Leiter AB ( Fig. 167. ), der mit einer Spitze versehen ist, die Platte UV ausladet, wenn unterdeß eine Verbindung KL mit der Erde auf der andern Seite statt findet; gegen diese Spitze E zu geht also ein positiv-electrischer Strom von A nach B. Bringt man eben so einen an seidenen Faͤden haͤngenden Leiter CD an der andern belegten Platte an, der frei beweglich ist und bei D durch eine Spitze die positive Electricitaͤt ausstroͤmen laͤßt, so gehen die Stroͤme AB, CD nach entgegengesetzten Richtungen, und Schmidt fand, daß sie sich wirklich abstoßen. Ampère's Theorie der electromagnetischen Erschei- nungen . Diese wenigen Erfahrungen reichen aus, um die Hypothese zu verstehen, durch welche Ampère die Einwirkungen auf die Magnetnadel erklaͤrt. An jene Erfahrungen knuͤpft sich naͤmlich ohne alle Hypothese der nothwendige Schluß, daß ein beweglicher electrischer Strom, der in der Ebne ABCD ( Fig. 169. ) einen Kreislauf oder lieber zahlreiche Kreislaͤufe neben einander vollendet, seine Ebne dem graden Leiter EF parallel stellen wird, wenn auch in diesem ein electrischer Strom fortgeht, und zwar wird sich der kreisfoͤrmige Strom so stellen, daß die Richtung des Stromes in seinen naͤchsten Theilen mit der Richtung des Stromes in EF uͤbereinstimmt, das ist, A wird links, B rechts liegen, wenn der Strom EF von links nach rechts und in AB von A nach B geht, wogegen AB sich umwenden wuͤrde, wenn der Strom EF wegge- nommen wuͤrde und dagegen der Strom ef unterhalb von e nach f stroͤmte, indem, wenn B an der linken Seite liegt, der untere Strom mit ef gleichlaufend wird. Hieran schließt sich nun die Betrachtung, daß die Magnet- nadel ihre Stellung unter oder uͤber einem electrischen Strome ganz genau so nimmt, wie eine Reihe umkreisender electrischer Stroͤme sie nehmen wuͤrde, also die Hypothese, der Magnetismus bestehe in einer um den Magnet oder die Magnetnadel statt fin- denden Umkreisung der electrischen Materie. Ohne uͤber die Frage, ob diese Hypothese wahrhaft das Wesen des Magnetismus aus- druͤcke, zu entscheiden, kann man wenigstens das mit Sicherheit behaupten, daß die Erscheinungen sich ohne Ausnahme auf das vollkommenste uͤbersehen lassen, wenn man diese Hypothese an- nimmt, und ich werde daher kuͤnftig von den den Magnet um- kreisenden electrischen Stroͤmen so reden, als ob sie unbezweifelt vorhanden waͤren, und alle Erscheinungen mit dieser Hypothese vergleichen. Diese Stroͤme muͤssen den Magnet so umkreisen, daß sie, wenn der Magnet in seiner richtigen Stellung mit dem Nord- pole nach Norden gekehrt ist, an der obern Seite von Westen nach Osten, an der Ostseite herabwaͤrts, an der untern Seite von Osten nach Westen, an der Westseite hinaufwaͤrts gehen, und diese Regel laͤßt sich in die wenigen Worte fassen: Die Umstroͤmungen um den Magnet sind der taͤglichen Bewegung der Sonne entgegen- gesetzt. Um mit diesen Umkreisungen vertraut zu werden, uͤber- legen Sie also, daß fuͤr die verschiedenen Stellungen des Magnets die Richtung der Umkreisungsstroͤme folgende ist: fuͤr die Stellung des Nordpoles nach Suͤden der Strom an der obern Seite von Osten nach Westen, an der Westseite herab; fuͤr die Stellung des Nordpols nach Osten der Strom an der obern Seite von Norden nach Suͤden an der Suͤdseite herab; bei verticaler Stellung des Magnetes, wenn der Nordpol oben ist, geht der Strom von der Suͤdseite nach der Ostseite, Nordseite, Westseite; bei verticaler Stellung, wenn der Suͤdpol oben ist, geht der Strom von Norden nach Osten, Suͤden, Westen. Dies alles laͤßt sich leicht aus der ersten Regel herleiten, die daher als der einfachste Ausdruck fuͤr diese Hypothese anzusehen ist. Die Erfolge des Oerstaͤdt'schen Versuches bestehen darin, daß ein mit der natuͤrlichen Lage der Magnetnadel paralleler Lei- tungsdrath den Nordpol der Nadel nach Westen ablenkt, wenn der positive Strom unter der Nadel von Norden nach Suͤden geht; die nach Westen abgelenkte Nadel hat nach unserer Hypothese an der untern Seite ihre electrischen Stroͤme von Norden nach Suͤden, also sucht die Nadel diese Stellung, damit die Uebereinstim- mung der Richtung zwischen ihren Stroͤmen an der untern Seite und dem unter ihr angebrachten electrischen Strome statt finde. Koͤmmt dagegen ( Fig. 160. ) der von E nach F gehende electrische positive Strom von Suͤden her, so lenkt die uͤber ihm stehende Nadel sich ostwaͤrts ab, weil dem Nordpole nach Osten gekehrt electrische Stroͤme an der untern Seite von Suͤden nach Norden entsprechen. So lassen sich alle einzelne Faͤlle des Oerstaͤdt'schen Versuches durchgehen. Bedient man sich bei diesem Versuche einer astatisch aufgestellten Nadel und fuͤhrt den electrischen Strom von Norden nach Suͤden uͤber sie hin, so stellt die Nadel sich genau nach einem rechten Winkel mit dem Nordpole nach Osten; bei horizontal aufgestellten Nadeln tritt dies wegen der entgegen wir- kenden Richtungskraft des natuͤrlichen Magnetismus nicht voll- kommen ein, sondern die ablenkende Kraft des Stromes treibt die Nadel nur so weit seitwaͤrts, bis beide Kraͤfte einander das Gleich- gewicht halten. Einwirkung des Erdmagnetismus auf Nadeln mit electrischen Stroͤmen umwunden . Die Hypothese, die Magnetnadel gleiche einem Systeme um- kreisender electrischer Stroͤme um die Nadel, scheint Ihnen viel- leicht etwas voreilig aufgestellt, da nur eine einzige Reihe von Ver- suchen bisher zu ihr hinleitete; aber unstreitig gewinnt diese Hypo- these gar sehr an Begruͤndung, wenn ich Ihnen zeige, daß sich aus einem Glasstabe eine nach Norden weisende kuͤnstliche Magnet- nadel machen laͤßt, wenn man den Glasstab mit electrischen Stroͤ- men umwindet. Nimmt man naͤmlich einen Glasstab AB und umwickelt ihn in zahlreichen Schraubenwindungen vom einen Ende bis zum andern mit einem mit Seide uͤbersponnenen Silberdrathe oder Kupferdrathe, laͤßt man dann die Enden CD, EF, in grader Richtung wieder bis zur Mitte zuruͤckgehen, ( Fig. 170. ) und loͤthet eine Kupferplatte K an den einen, eine Zinkplatte Z an den an- dern; so hat man, sobald diese Verbindung an einem ungedrehten Faden bei W aufgehangen wird, und K, Z in gesaͤuertes Wasser getaucht werden, eine sich in den magnetischen Meridian stellende Nadel. Die Richtung, wie die Nadel sich stellt, koͤnnen Sie leicht selbst finden, wenn Sie sich erinnern, daß unsre Hypothese der richtig nach Norden gekehrten Magnetnadel positiv-electrische Stroͤme hinaufwaͤrts gehend an der Westseite zuschrieb. Nehmen Sie in unsrer Zeichnung an, daß von C aus die Umwickelung CG gegen uns zugekehrt sei, so ist in CG, und so in allen einzelnen Umwickelungen, ein gegen uns zu liegender aufwaͤrts gehender po- sitiver Strom, der vom Kupfer K durch den Leitungsdrath nach dem Zink Z geht, sobald KZ in gesaͤuertes Wasser getaucht ist; die Nadel wird sich also so stellen, daß diese hinaufwaͤrts gehenden Stroͤme an der Westseite liegen und A wird also ein Nordpol, B ein Suͤdpol. — Und genau so findet es sich. — Laͤgen die Um- wickelungen umgekehrt, so daß CG hinter der Nadel einen hinauf- steigenden Strom, GH vor der Nadel einen herabsteigenden gaͤbe, so wuͤrde die Nadel die gegen uns gekehrte Seite der Zeichnung nach Osten wenden, und A waͤre ein Suͤdpol. Dieser Versuch laͤßt sich mit so einfachen Mitteln ausfuͤhren, daß er deswegen ganz vorzuͤglich empfohlen zu werden verdient; Ampère hat ihn aber noch vollkommener dargestellt. Sind naͤmlich die wirklichen electrischen Stroͤme, die wir in einem Schließungsdrathe fortleiten, einer eben solchen Einwirkung von Seiten der magnetischen Kraft der Erde unterworfen, wie unsre Magnetnadeln, so wird sich dies wohl auch auf eine solche Weise, wie sie bei unsern Inclinationsnadeln statt findet, zeigen, das heißt, die umkreisenden Stroͤme werden sich nicht allein senkrecht gegen die Richtung des magnetischen Meridians, sondern auch senkrecht gegen die Richtung der Neigungsnadel stellen. Um diese Vermu- thung zu pruͤfen, bediente Ampère sich eines beinahe in voͤlligem Gleichgewichte aufgehaͤngten electrischen Stromes, der sich um eine horizontale Axe drehen konnte, und an dem sich dann deutlich das Bestreben, jene Stellung anzunehmen, zeigte. Am besten ist es, zu diesem Zwecke die Quecksilbergefaͤße ( Fig. 171. ) A, B, die jedes mit einem Pole der Saͤule in Verbindung stehen, in der Richtung des magnetischen Ost und West horizontal neben ein- ander aufzustellen, damit die Axe CD horizontal und gegen den magnetischen Meridian senkrecht sei. Geht dann der electrische Strom von D nach EFGHIKC, so daß GH von Osten nach Westen geht, und ist der ganze Leitungsdrath durch die Glasstaͤbchen LM, N, aͤquilibrirt, so hebt GH sich nach Suͤden. In der Neigungs- nadel naͤmlich, die ihre herabgesenkte Spitze gegen Norden kehrt, gehen, wie wir annehmen, die umkreisenden electrischen Stroͤme an der unteren Seite, das ist an der gegen Suͤden gekehrten Seite, von Osten nach Westen, und dieser Lage aͤhnlich hebt sich auch in unserm wirklichen electrischen Umkreisungsstrome der von Osten nach Westen fließende Strom suͤdwaͤrts. Um die Wirkung verstaͤrkt zu zeigen, hat Schweigger folgende Einrichtung vorgeschlagen. ( Fig. 172. ) In dem Kreise ABC ist ein mit Seide umsponnener Leitungsdrath so aneinander gelegt, daß der electrische positive Strom zahlreiche Umlaͤufe, alle in gleicher Richtung von A nach BC, machen muß, und dieser Strom haͤngt leicht beweglich auf einer Metallspitze D, um sich leicht nach allen Weltgegenden zu stellen, und selbst, wenn eine Aequilibrirung angebracht ist, ein Streben zu der eben angezeigten Abweichung von der verticalen Richtung kenntlich zu machen. Um diesen Zweck zu erreichen, steht die metallene Spitze D bei F mit dem einen Pole der Saͤule in Verbindung, damit der posi- tive Strom bei F eintrete. Auf D ruht das metallene Huͤtchen E, so daß der positiv-electrische Strom in E eintritt und von da in den Ring ABC nach der Richtung AB uͤbergeht. Auf diesem Huͤtchen E liegt ein isolirendes Plaͤttchen gh und auf diesem steht das Gefaͤß L mit Quecksilber; das Ende des umkreisenden Drathes U ist mit diesem Quecksilber in Verbindung, so daß der positive Strom in das Quecksilber und von da vermittelst der bloß einge- taucht erhaltenen Spitze k zu dem negativen Pole der Saͤule uͤber- geht. Da hier die Bewegung auf der Spitze D mit voͤlliger Leich- tigkeit statt findet, und der umkreisende Lauf des electrischen Stromes immer gleich fortdauert, dieser werde in eine oder in die andre Stellung gewandt, so nimmt er von selbst diejenige Rich- tung an, die ihm durch irgend eine Kraft ertheilt wird. Eine solche Kraft ist diejenige, die den Magnet nach Norden richtet, und die, wenn unsre Vergleichungen richtig sind, den electrischen Strom so stellen muß, daß der herabgehende AB die Ostseite einnimmt und daß der untere Theil des Stromes sich suͤdwaͤrts von der Ver- ticallinie entfernt; — und diese Stellung gegen die Weltgegenden zeigt sich vollkommen deutlich, die Hebung nach Suͤden aber so weit als es die Aequilibrirung und die ganze Einrichtung des Ap- parats erlaubt. Je mehr Umkreisungen der Strom in dem aus Drathwindungen bestehenden Ringe macht, desto staͤrker ist die Wirkung. Einwirkung des Magnetes auf die electrischen Stroͤme . Wenn man zwei kreisfoͤrmige electrische Stroͤme voͤllig be- weglich neben einander aufhaͤngt, so werden sie, wenn wir jetzt von dem Einflusse der magnetischen Kraft der Erde absehen, sich so stellen, daß die Richtung des Stromes in beiden gleich ist. Wollte man sie genau neben einander so aufhaͤngen, daß im einen oben der Strom links, im andern rechts, also im einen der an der linken Seite liegende Strom herab, im andern herauffloͤsse, so wuͤrden sie so nicht ruhen, sondern sich abstoßen und erst zur Ruhe kommen, wenn die Stroͤme gleichlaufend sind. Bei zwei mit electrischen Stroͤmen umwickelten Cylindern AB, CD ( Fig. 173. ), die ihre Enden gegen einander kehrten, wuͤrde es ebenso seyn, sie wuͤrden an Faͤden L, M, aufgehaͤngt, zur Ruhe kommen, wenn ihre gegen uns zu liegenden Stroͤme entweder in beiden herauf oder in beiden herab gingen. Behalten wir den einen umwickelten Cylinder AB und haͤngen in CD einen Magnet auf, dessen Nordpol C ist, so wendet dieser uns seine Westseite zu, wo wir hinaufwaͤrts gehende electrische Stroͤme annehmen; der Cylinder AB muß also so zur Ruhe kommen, daß auch in ihm die hinaufwaͤrts gehenden Stroͤme uns zugekehrt sind. Der Versuch zeigt dieß wirklich; — und der mit electrischen Stroͤmen umwickelte Cylinder wird zugleich mit diesem Ende gegen den Nordpol C des Magnets gezogen, grade als ob B ein Suͤdpol einer Magnetnadel waͤre. Der Magnet wirkt also auf die electrischen Stroͤme so wie auf einen zweiten Magnet, und ein umkreisender Strom wirkt so auf den Magnet wie auf einen andern umkreisenden Strom, so daß sich die Ueber- einstimmung zwischen den magnetischen Phaͤnomenen und denen der electrisch umkreisenden Stroͤme immerfort bestaͤtigt findet. Einige Einwendungen, die sich im ersten Augenblicke darzu- bieten scheinen, widerlegt eine naͤhere Betrachtung. Es scheint naͤmlich, wenn wir ( Fig. 174. ) den Suͤdpol S des einen Magnets grade neben den Nordpol n des andern bringen, daß diese sich ab- stoßen muͤßten, weil hier herabgehende Stroͤme an der Seite a den hinaufgehenden an der Seite b zu gekehrt sind; aber die gesammte Wirkung aller bis nach c, d, hin liegenden Sroͤme ist dennoch, die Ebnen der Umstroͤmungen so parallel zu stellen, daß in beiden die obern Theile der Stroͤme parallel, die unteren Theile der Stroͤme parallel u. s. w. sind. Dies zeigt sich bei wirklichen mit umkreisenden Stroͤmen versehenen Nadeln, und es erhellt daher, daß es nicht der Hypothese entgegen ist, wenn auch in dieser Lage Nordpol und Suͤdpol zweier Magnete sich ebenso gut, wie Nordpol und Suͤdpol zweier Nadeln mit umkreisenden Stroͤmen anziehen. Man hat diese Anziehung in mehreren Versuchen gezeigt, unter denen ich nur noch einen von de la Rive anfuͤhren will. Dieser bediente sich eines schwimmenden electrischen Stromes, welcher der Wirkung eines Magnets ausgesetzt wurde. Denken Sie sich naͤmlich in das Korkstuͤck AB ( Fig. 175. ) einen metal- lenen Streifen L, an welchem in K Kupfer, in Z Zink angeloͤthet ist, eingesetzt; so geht, sobald die Theile K, Z, in gesaͤuertes Wasser getaucht sind, auf welchem AB schwimmt, ein electrischer Strom von K durch L nach Z. Haͤlt man nun einen starken Magnet mit seinem Nord-Ende von vorne her gegen den Ring L gerichtet, so zieht er den Schwimmer heran und dieser nimmt seine Stellung so, daß das Ende des Magnets sich bis in den Ring L erstreckt; haͤtte man dagegen den Suͤdpol des Magnets so gehalten, daß der Suͤdpol vom Beobachter vorwaͤrts gerichtet und der herabgehende Strom LZ rechts liegt, so wird der Schwim- mer abgestoßen und sucht sich zu drehen, bis der hinaufwaͤrts- gehende Strom an der rechten Seite ist, wo er dann angezogen wird. Dies ist wieder richtig, denn der von mir abwaͤrts, vor- waͤrts gerichtete Suͤdpol hat seine hinaufwaͤrts gehenden Stroͤme nach unsrer Hypothese an der rechten Seite. Nach allen diesen Uebereinstimmungen hat es mir vom ersten Augenblicke der Bekanntmachung der Ampère'schen Theorie an geschienen, daß es kaum moͤglich sei, eine gluͤcklichere, allen Er- scheinungen noch besser entsprechende Hypothese aufzustellen, und alle folgenden Untersuchungen bestaͤtigen dies so sehr, daß ich hoffe, Sie werden dieser meiner Meinung Ihre Zustimmung geben. Dreißigste Vorlesung. Magnetisirung des Stahls und Eisens . Die electrischen Stroͤme ziehen sich einander an oder stoßen sich ab; sie werden vom Magnet angezogen und vom Magnet ab- gestoßen; sie zeigen unter der Einwirkung der Erde genau so wie der Magnet eine polarische Richtung gegen die Himmelsgegenden; — das war der Inhalt der neulich mitgetheilten Folgerungen aus den Versuchen; aber die Electricitaͤt dient auch zum Magnetisiren der Stahlnadeln, und dieser Gegenstand soll uns jetzt beschaͤftigen. Ich ging neulich von der kurzen Bemerkung, daß Arago Stahlnadeln mit Huͤlfe des electrischen Leitungsdrathes magnetisirt, und daß Ampère dazu schraubenfoͤrmig gewundene Schließungs- draͤthe empfohlen habe, zu den wichtigen Entdeckungen Ampè- re's uͤber; jetzt aber kann ich aber jene Versuche leichter angeben und erklaͤren. Wenn ich eine Stahlnadel ihrer Laͤnge nach so uͤber die Querrichtung eines Leitungsdrathes wegziehe, daß der electrische Strom von rechts nach links unter der so bestrichenen Stahlnadel fortfließt; so ist die Stahlnadel magnetisirt, und das von mir ab- waͤrts gehaltene Ende der Nadel ein Nordpol geworden. — Die Magnetnadel hat aber, indem ich mir ihren Nordpol von mir abwaͤrts gehalten denke, solche Umkreisungsstroͤme, nach der Theorie Ampère's daß sie an meiner rechten Seite, welches jetzt die natuͤrliche Ostseite der Nadel ist, herab und an der untern Seite von meiner rechten nach meiner linken Seite gehen; diese magne- tisirte Nadel ist also so magnetisirt, als ob der von rechts nach links unter ihr vorbeifließende wirkliche electrische Strom auch in ihr selbst an der untern Seite einen gleichen Strom und diesem gemaͤß einen Umkreisungsstrom hervorgebracht haͤtte. Findet nun dies schon statt, wenn die Nadel nur auf jenem Strome in der Querrichtung auflag; wie viel mehr wird es der Fall sein, wenn der Strom umkreisend um alle Theile der Nadel geleitet wird! — Dieser Schluß, welcher dem Vorschlage Ampère's zum Grunde lag, ist so vollkommen wahr, daß man ihn durch eine Reihe von Versuchen bestaͤtigt findet, bei denen man nur vermeiden muß, daß der electrische Strom nicht die Nadel der Laͤnge nach durchlaufe, indem er da gaͤnzlich unwirksam sein wuͤrde, ja sogar den schon erlangten Magnetismus zerstoͤren kann. Nimmt man aber, da- mit kein Uebergang der Electricitaͤt auf die Nadel selbst statt finde, einen mit Seide umsponnenen Drath als Leitungsdrath, und windet diesen in Form eines Schraubenganges um die Stahl- nadel; so macht der electrische Strom, wenn er mit hinreichender Staͤrke den Drath durchlaͤuft, die Nadel magnetisch, und zwar ist diejenige Seite der Nadel ihre Ostseite, wo der positiv-electrische Strom, um die horizontale Nadel kreisend, herabwaͤrts geht. Und nicht bloß der Schließungsdrath der einfachen galvanischen Kette oder der voltaischen Saͤule kann hier als Leiter des electrischen Stromes dienen, sondern man kann auch eine electrische Flasche durch die Leitung dieses Drathes ausladen, oder einen Strom durch Reibung erregter positiver Electricitaͤt so umkreisend fortleiten; auch dann hat man nicht bloß eine sicher hervorgebrachte Magneti- sirung, sondern auch eine Magnetisirung, bei welcher die Lage der Pole voͤllig sicher bestimmt ist, und bei gleichbleibender Lage der Nadel ist immer dasjenige Ende ein Nordpol, welches nach Ver- schiedenheit der Richtung der Umwickelung ein solcher werden muß. Auf die Lage der Nadel selbst gegen Norden oder Osten koͤmmt dabei nichts an. Dies nun ist eben etwas, was man fruͤher mit electrischen Schlaͤgen durchaus nicht zu leisten vermochte, da diese, wenn man sie durch die Nadel gehen ließ, wie ich fruͤher erwaͤhnt habe, nur eben so wie andre Erschuͤtterungen unter Einfluß des Erdmagnetismus wirkten, aber bei der Lage der Nadel in der Ebne des magnetischen Aequators auch eben so unwirksam wie andre Schlaͤge waren. Diese Magnetisirungen sind auf hoͤchst mannigfaltige Weise ausgefuͤhrt worden, und jede neue Anordnung gewaͤhrt eine neue Belehrung; indeß kann ich hier nur noch bei einigen wenigen Abaͤnderungen des Versuches verweilen. Pfaff in Erlangen ließ den electrischen Strom durch Spiraldraͤthe, ( Fig. 176. ) die in einer Ebne liegen, gehen, und fand hier, daß die Nadel Nn, die beinahe durch den Mittelpunct geht, also gegen die Windungen des Stromes beinahe senkrecht ist, zwei Nordpole in N und n erhielt, wenn die Nadel auf der Spirale lag und der Strom von K in den Mittelpunct, von dort aber durch die Umlaͤufe nach Z geleitet wurde. Dies ist ganz richtig; denn der electrische Strom, den wir als den Magnet umkreisend ansehen, geht unten von der Ostseite nach der Westseite der Nadel, also wird nS ein Magnet, dessen Suͤdpol S, dessen Nordpol n ist, dem unter ihm von der Ostseite O nach der Westseite W fließenden Strome gemaͤß; aber umgekehrt wird SN ein Magnet, der seinen Nordpol in N hat, weil der hier von o nach w eintretende Strom es so fordert, und dieser o zur Ostseite der Nadel macht. Aus denselben Grundsaͤtzen erklaͤrt sich auch folgender anfangs unerwartet scheinender Versuch. Wenn man einen in sich selbst zuruͤckkehrenden Ring ABC von Stahldrath ( Fig. 177. ) so auf- stellt, daß der Leitungsdrath senkrecht gegen die Ebne desselben durch seinen Mittelpunct D gefuͤhrt wird; so zeigt der Ring, nach- dem man Entladungsschlaͤge durch D hat gehen lassen, keine ma- gnetische Kraft; aber wenn man den Ring zerschneidet, so ist jedes Stuͤck ein Magnet und die Pole aller Stuͤcke finden sich in derselben Richtung liegend. Waͤre bloß der Stahldrath AB da und ginge der positive Strom in D von oben nach unten, so wissen wir, daß die nach dem Mittelpuncte zu gekehrte, dem herabgehen- den Strome zu gekehrte Seite eine Ostseite des Magnets, also B ein Nordpol, A ein Suͤdpol wuͤrde; waͤre bloß der Stahldrath AC da, so wuͤrde durch denselben Strom die innere Seite eine Ostseite und A ein Nordpol; alle einzelnen Theile des Drathes wuͤrden also saͤmmtlich ihre innere Seite als eine Ostseite zeigen und der Suͤdpol jedes naͤchsten Stuͤckes wuͤrde an den Nordpol des andern Stuͤckes grenzen, woraus eine voͤllige Aufhebung der magnetischen Wirkungen, so lange der Ring ganz bleibt, hervorgeht. Eben so hat man den Schlag durch den Mittelpunct einer Stahlscheibe gehen lassen, deren einzelne Theile sich dann erst nach der Zer- legung magnetisch zeigen. Savary hat bei Versuchen, wo der electrische Schlag in einem gradlinigten Drathe senkrecht gegen die Richtung der Stahl- nadel an ihr vorbe gefuͤhrt wurde, die Bemerkung gemacht, daß nur bei der Beruͤhrung und in großer Naͤhe die Pole der Nadel so werden, wie es diesen Bestimmungen gemaͤß ist, daß etwas entfernter vom Leitungsdrathe liegende Nadeln bei ganz gleichen Schlaͤgen entgegengesetzte Pole erhalten, daß aber auch dies nur bis zu einer gewissen Grenze statt findet und noch entferntere Nadeln ihre Pole wieder so haben, wie die nahe am Leitungsdrathe liegenden, ja dieser Wechsel der Pole kann sogar noch oͤfter vorkommen. Bei sehr duͤnnen Leitungsdraͤthen fand ein solcher Wechsel nicht statt, und der Erfolg war uͤberhaupt nach der Laͤnge und Dicke des Leitungsdrathes, auch nach der Dicke und Haͤrtung der Stahl- nadeln verschieden. Aus den uͤbrigen Versuchen Savary's will ich nur noch die ausheben, wo die zu magnetisirenden Nadeln in metallischen Umhuͤllungen lagen. Arago hatte gefunden, daß die in Glasroͤhren innerhalb eines schraubenfoͤrmigen Leitungs- drathes liegenden Stahlnadeln eben so gut magnetisch wurden, als wenn diese isolirende Umhuͤllung nicht da war; dagegen fand Sa- vary , daß eine Stahlnadel, die sich in einem Cylinder von star- kem Kupfer befand, nicht magnetisirt wurde, wenn der electrische Schlag, ohne auf das Kupfer uͤbergehen zu koͤnnen, in schrauben- foͤrmigen Umwindungen außerhalb des Kupfers fortging. Das Kupfer hinderte also bei bedeutender Dicke den Einfluß des electri- schen Stromes auf die Stahlnadel, bei geringerer Dicke ward diese Hinderung geringer, und bei sehr geringer Dicke fand sich die ein- geschlossene Nadel sogar staͤrker magnetisch, als die uneingeschlossen daneben liegende. Da die Gesetze, nach welchen sich alle diese Un- gleichheiten richten, noch nicht recht klar erhellen, so glaube ich hier nicht weiter bei diesen Versuchen verweilen zu duͤrfen, und fuͤge nur noch hinzu, daß Kupferseile und Eisenseile als dichte Umhuͤl- lung der Nadeln gebraucht, keine erhebliche Wirkung zeigten und hier also eben die Ungleichheit der Wirkung fester Massen und zer- theilter Massen, wie bei dem durch Rotation hervortretenden Ma- gnetismus, sichtbar wird. Savary glaubt, jene Wechsel in den Wirkungen deuteten auf Vibrationen hin. Zu diesen Versuchen hat Sturgeon noch einen ungemein schoͤnen Versuch hinzugefuͤgt. — Man haͤtte wohl schon fruͤher auf den so nahe liegenden Gedanken geleitet werden sollen, daß, wenn Stahl sich unter dem Einflusse eines umkreisenden electrischen Stromes dauernd magnetisch machen lasse, weiches Eisen, weil es dem magnetischen Einflusse so leicht nachgiebt, waͤhrend dieses Einflusses noch viel mehr magnetische Kraft zeigen muͤsse. Dieser Gedanke war es ohne Zweifel, der Sturgeon zu dem Versuche leitete, um einen in die Form eines Huf-Eisens gebogenen Stab ABC weichen Eisens ( Fig. 178. ) einen starken Kupferdrath schrau- benfoͤrmig zu wickeln, einen kraͤftigen electrischen Strom diesen durchlaufen zu lassen und dann das Eisen AC als angehaͤngten Anker diesem Electromagnete darzubieten. Der Versuch gehoͤrt zu den uͤberraschendsten, die man sehen kann, wegen des schnellen Wechsels einer schnell entstehenden und schnell verschwindenden Magnetisirung. Wenn alles zum Versuche vorbereitet ist, aber die Leiter, die von den Quecksilbergefaͤßen D, E aus, worin die En- den des Kupferdrathes sich befinden, zu den beiden Polen des gal- vanischen Apparates gehen und dort in Quecksilber eingetaucht die Leitung des Stromes bewirken sollen, noch nicht angebracht sind; so ist das Eisen unmagnetisch oder nach oͤfterem Gebrauche allen- falls nur so unbedeutend magnetisch, daß das Eisen AC doch im- mer fast mit gar keiner Kraft an dem gekruͤmmten Stabe anhaͤngt; aber bringt man nun die leitende Verbindung zu Stande, so ist die Anziehung sogleich so groß, daß sie Lasten, die ungemein bedeu- tend sind, traͤgt. Ein gebogener Eisenstab von etwa 20 bis 24 Zoll Laͤnge und ½ Zoll Dicke mit 170 Windungen starken Kupfer- draths umwunden, erhaͤlt, mit Huͤlfe eines galvanischen Apparates von einer Zinkplatte, die lange keinen Quadratfuß groß zu sein braucht, und zwei eben so großen Kupferplatten, fast im Augen- blick der anfangenden Wirkung des Stromes eine Tragkraft von 20 Pfund, die aber in einem Momente verloren ist, wenn man den einen Leitungsdrath oder beide aus den Quecksilberschaͤlchen aushebt, und sich augenblicklich wieder herstellt, wenn der Kreislauf des Stromes hergestellt ist. Welcher Pol dieses kuͤnstlichen Ma- gnetes Nordpol, welcher Suͤdpol ist, will ich nicht umstaͤndlich an- geben, da die Anleitung zu dieser Bestimmung im Vorigen gegeben ist, und diese Anleitung sich allemal richtig zeigt. Dagegen muß ich die riesenmaͤßige Ausfuͤhrung dieses Ver- suches noch erwaͤhnen, die von einigen americanischen Naturfor- schern zu Stande gebracht ist. Sturgeon selbst hat jenen Ver- such schon etwas mehr im Großen ausgefuͤhrt, indem er einen III. Ii groͤßern Eisenstab mit mehreren Lagen von schraubenfoͤrmigen Lei- tungsdraͤthen umwickelte und diese Lagen durch Seide von einander trennte; aber sehr viel weiter haben dies Henry und ten Eyck getrieben. Sie nahmen eine gehoͤrig gekruͤmmte, drei Zoll dicke, 30 Zoll lange weiche Eisenstange von 60 Pfund schwer, und wand- ten 26 einzelne 31fußige Kupferdraͤthe zur Umwickelung an, so daß die in Schraubengaͤngen das Eisen umkreisenden Windungen 728 Fuß betrugen; die uͤbrig bleibenden Enden wurden so zusam- men geloͤthet, daß alle 26 den positiven Strom empfangenden vereinigt und eben so alle 26 den positiven Strom wieder zur gal- vanischen Kette hinuͤberfuͤhrenden Draͤthe vereinigt und zusammen an die Metalle geloͤthet wurden, welche die Elemente der galvani- schen Wirkung darboten. Wurden diese Draͤthe, die alle auf gleiche Weise in mehreren Schichten uͤbereinander gewickelt waren, und zwar an den Enden des Eisens am dichtesten, mit einem Platten- paare von 4 \frac{7}{9} Quadratfuß durch Loͤthung fest verbunden, und die- ses Plattenpaar in gesaͤuertes Wasser getaucht; so konnte dieser Magnet 2000 Pfund tragen und war also staͤrker als man nur je einen Magnet zu erhalten gehofft hat. Schweiggers Multiplicator . Von diesen Erstaunen erregenden Wirkungen lassen Sie uns jetzt auf nuͤtzliche Anwendungen uͤbergehen, die man von den elec- tromagnetischen Apparaten gemacht hat, um die Gesetze der Wir- kung der electrischen Stroͤme genauer kennen zu lernen. Schweig- gers Multiplicator , ein Instrument, das auch den Namen Galvanometer erhalten hat, ist hiezu von vorzuͤglichem Nutzen. Die Einrichtung dieses Instrumentes, das ich schon fruͤher zuweilen genannt habe, obgleich ich es noch nicht beschreiben konnte, ist fol- gende. Eine an dem ungedrehten Seidenfaden AB ( Fig. 179. ) haͤngende Magnetnadel NS befindet sich zwischen den uͤber und unter ihr fortgehenden, zahlreichen Umwickelungen eines mit Seide uͤbersponnenen Metalldrathes, dessen Enden K, Z mit den beiden Koͤrpern, die zu Erregung des electrischen Stromes dienen sollen, in Verbindung gesetzt werden. Haben nun diese Umwickelungen die Stellung nach der Richtung des magnetischen Meridians, so bleibt die Nadel in Ruhe zwischen diesen Windungen des Multi- plicators so lange kein electrischer Strom den Drath durchlaͤuft; sobald aber von K nach LMZ ein positiv-electrischer Strom erregt wird, so stellt sich die Magnetnadel so, daß ihre Ostseite den her- abgehenden Stroͤmen, ihre Westseite den hinaufgehenden Stroͤmen zugewandt ist, und ihre Ablenkung vom Meridiane macht uns das Vorhandensein dieser Stroͤme kenntlich. Die Empfindlichkeit dieses Instrumentes wird desto mehr vergroͤßert, je zahlreicher die Umwickelungen, deren die Figur nur wenige darstellt, sind; denn da der electrische Strom diese Umwickelungen nach einander durch- laͤuft, so uͤbt jeder dieser Stroͤme seine ablenkende Wirkung aus, und die Vervielfachung der Wirkungen ist bei hundert Windungen nur darum nicht vollkommen die hundertfache, weil theils der laͤngere Leitungsdrath durch vermehrten Widerstand den Strom um etwas schwaͤcht, theils es nicht moͤglich ist, alle hundert Umwickelun- gen gleich nahe und gleich vortheilhaft anzubringen; indeß, wenn wir diese Umstaͤnde, als doch nur wenig bedeutend, aus den Augen lassen, so koͤnnen wir bei hundert Umwickelungen von einer hun- dertfachen Vervielfachung der Wirkungen sprechen. Die Ablenkun- gen der Nadel werden auf einem in Grade getheilten Kreise abge- lesen. Die Empfindlichkeit des Instrumentes wird noch erhoͤht, wenn man außerhalb der Windungen des Multiplicators an demselben Faden und mit der ersten Nadel durch ein feines Staͤbchen fest ver- bunden, noch eine zweite Magnetnadel ns in genau entgegen- gesetzter Richtung anbringt, wo dann der getheilte Kreis sich nahe unter sn befindet. Diese beiden Nadeln, obgleich sie stark magne- tisirt sein muͤssen, haben dann vereinigt fast gar keine Richtungs- kraft, indem nur der Unterschied ihrer etwas ungleichen Drehungs- kraͤfte sie zu der richtigen Stellung in den magnetischen Meridian zuruͤckfuͤhrt; eben darum aber reicht dann auch die allerschwaͤchste ab- lenkende Kraft hin, um beide vereinigte Nadeln vom Meridian zu entfernen, und die Einwirkung der Stroͤme L fuͤhrt die umgekehrt gestellte Nadel sn nach eben der Seite, nach welcher die Stroͤme L und M die unten stehende Nadel NS, (die ich als die etwas staͤr- kere annehme,) fuͤhren. Ein Multiplicator mit zwei Nadeln giebt die kleinsten Spuren eines electrischen Stromes an; doch bemerkt Nobili , daß die Zuckungen des Frosches selbst noch da in schwa- Ji 2 chem Maaße erfolgen, wo der Multiplicator aufhoͤrte, deutliche Ablenkungen zu zeigen. Die naͤchste Anwendung, die man von diesem Multiplicator machen kann, ist nun die Pruͤfung zweier Metalle, ob der positive Strom vom ersten zum zweiten oder vom zweiten zum ersten geht. Man will zum Beispiel wissen, ob der positive Strom vom Kupfer zum Silber oder umgekehrt geht; so nimmt man eine Silberplatte und eine Kupferplatte, legt ein angefeuchtetes Papier zwischen beide, und druͤckt nun den Drath K an das Kupfer, den Drath Z an das Silber. Indem dies geschieht, sieht man die Nadel die- jenige Ablenkung annehmen, die einem von Z nach MLK gerich- teten Strome entspricht, oder die Nadel wird nach eben der Seite abgelenkt, wie es der Fall sein wuͤrde, wenn man in K Zink und in Z Kupfer anbringt. Da der Multiplicator selbst fuͤr die klein- sten Unterschiede der electromotorischen Wirksamkeit eine Entschei- dung giebt, so kann man mit seiner Huͤlfe selbst uͤber Faͤlle ent- scheiden, wo die electromotorische Thaͤtigkeit nur sehr geringe ist, zum Beispiel, ob sich, wie ich fruͤher erwaͤhnt habe, zwischen einer lange Zeit nicht gebrauchten Kupferplatte und einer Platte, die so eben aus einer wirksamen voltaischen Saͤule genommen wird, ein electrischer Strom erzeugt, und so in aͤhnlichen Faͤllen. Die Wirkung, welche sich hier, wegen der zahlreichen auf die Nadel wirkenden electrischen Stroͤme des Multiplicators, zeigt, ist so groß, daß die so hoͤchst bewegliche Nadel oft mehrere ganze Um- laͤufe in Folge des bei der Beruͤhrung der Metalle entstehenden electrischen Stromes macht; dieses ist Folge der Gewalt, mit wel- cher die Ablenkung hervorgebracht wird, durch welche die Nadel sehr weit uͤber das eigentliche Ziel, naͤmlich die gegen den Meridian senkrechte Stellung, hinausgefuͤhrt wird. — Daß man die Nadel zu Abweichungen nach entgegengesetzten Seiten zwingt, wenn man an die durch nasses Papier getrennten zwei Metalle bald K an das Kupfer, Z an das Zink bringt, bald die entgegengesetzte Anordnung waͤhlt, brauche ich wohl kaum zu erwaͤhnen. Der Multiplicator kann aber nicht allein angewandt werden, um zu sehen, ob der positive Strom durch den Leitungsdrath von K nach Z oder von Z nach K geht; sondern er dient auch zur Messung der Staͤrke des Stromes, und in dieser Hinsicht habe ich ihn mehrmals bei Gelegenheit der Versuche Fechners erwaͤhnen muͤssen. In den fruͤheren Untersuchungen ist wohl die Menge des entwickelten Gas bei der Wasserzersetzung, oder die Laͤnge des zum Gluͤhen kommenden Drathes, als Maaß der Kraft eines galvani- schen Apparates angegeben; aber diese und aͤhnliche Bestimmungen erlauben keine sonderliche Genauigkeit. Die Einwirkung auf die Magnetnadel koͤnnte nun auf mehrere Art zum Maaße der Kraft des Stromes dienen, entweder indem man bei nicht allzu beweg- lichen Nadeln den Abweichungswinkel bestimmte, oder indem man die an einem zarten Faden haͤngende Nadel nach Art der Cou- lombschen Drehwaage behandelte und die Kraft der Ablenkung mit der Drehungskraft des Fadens ins Gleichgewicht setzte, oder indem man die Oscillationen der Nadel beobachtete. Die letzte Methode, die Fechner mit Recht als am meisten zu Vergleichun- gen geeignet waͤhlte, bedarf einer genauern Erklaͤrung. Wir nah- men bisher immer an, daß die electrischen Stroͤme in der Richtung des magnetischen Meridians uͤber und unter der Nadel fortliefen, und daß diese daher zu einer gegen den Meridian senkrechten Rich- tung hin abgelenkt werde; fuͤr die jetzt zu beschreibenden Versuche dagegen ist es nothwendig, die Umstroͤmungen senkrecht auf den Meridian und so statt finden zu lassen, daß der herabgehende po- sitive Strom an der Ostseite der Nadel herabgeht, der unter ihr hin fließende von Osten nach Westen u. s. w. Bei dieser Stellung der Stroͤme wird die Nadel gar nicht von ihrer Richtung abge- lenkt; aber eben die Kraft, welche sie im vorigen Falle zu derjeni- gen Stellung in Beziehung auf die Umstroͤmungen hinzog, in wel- cher sie sich jetzt schon befindet, eben die Kraft zeigt sich nun durch schnelleres Oscilliren der Nadel. Die Kraft der electrischen Um- stroͤmung besteht darin, daß sie die Nadel in die gegen die Ebne der Umstroͤmungen senkrechten Richtung zu bringen strebt; wenn also durch eine fremde Gewalt die Nadel von dieser Richtung ent- fernt wird, so kehrt sie mit desto groͤßerer Schnelligkeit zu derselben zuruͤck, je groͤßer die Kraft der electrischen Stroͤme ist, und die Groͤße dieser Kraft laͤßt sich also aus der Schnelligkeit der Oscilla- tionen berechnen. Bei einem Versuche Fechners machte die Magnetnadel, ehe sie dem electrischen Strome ausgesetzt wurde, 4 Schwingungen in 15 Sec. und nachher, als die Wirkung des electrischen Stromes die Oscillationen beschleunigte, brauchte sie nur 33 Sec. zu 56 Oscillationen; im ersten Falle also 56 Schwin- gungen in 210 Secunden, im andern Falle eben so viele in 33 Sec. Die Kraͤfte verhalten sich wie die Quadrate dieser Zahlen, also die allein wirkende magnetische Kraft der Erde zu der aus dieser und der Einwirkung des Stromes zusammen gesetzten Kraft wie 33 ⋅ 33 = 1089 zu 210 ⋅ 210 = 44100, das ist wie 1 zu 40, 49; die Kraft, mit welcher die Einwirkung des electrischen Stromes die Nadel zu ihrer Lage zuruͤckfuͤhrte, war also 39½ mal so groß, als die Kraft, mit welcher der Erdmagnetismus auf die Nadel wirkte. Aus dieser Anwendung des Multiplicators laͤßt sich in jedem Falle die Groͤße der Kraft des electrischen Stromes bestimmen. Ihre Abnahme nach bestimmter Zeit der Schließung der Saͤule, ihre Erneuerung, nachdem die Schließung unterbrochen worden oder uͤberdies die Platten der Luft ausgesetzt worden, ihre Aen- derung, wenn man laͤngere Schließungsdraͤthe anwendet u. s. w. Hier laͤßt sich nun auch der Versuch deutlich machen, den ich fruͤher als passend, um die ungleiche Leitung verschiedener Metalle zu bestimmen, erwaͤhnt habe. Wenn man naͤmlich zwei mit Seide umsponnene Draͤthe von gleicher Dicke aber von verschiedenen Metallen neben einander zu den Windungen des Multiplicators anwendet und durch den einen den electrischen Strom von K nach Z, durch den andern von Z nach K gehen laͤßt; so schwaͤchen diese entgegengesetzten Stroͤme offenbar die Wirkung auf die zwischen den Windungen des Multiplicators liegende Magnetnadel gegenseitig. Sind die Draͤthe nicht bloß gleich dick und gleich lang, sondern auch von gleich gut leitenden Metallen, so muͤssen die Wirkungen voͤllig aufgehoben werden; sind sie gleich dick und gleich lang, aber die Metalle ungleich leitend, so wird die Wirkung des besser leitenden sich dadurch kenntlich machen, daß die Magnetnadel nach der Seite abgelenkt wird, wohin der staͤrkere Strom im besser leitenden Me- talle sie abzuweichen noͤthiget; giebt man aber dem besser leitenden Metalle nach und nach eine groͤßere Laͤnge und vermehrt man so den Leitungswiderstand, so bringt man immer naͤher eine Gleichheit beider Stroͤme hervor, und wenn man faͤnde, daß der eben so dicke Silberdrath sechsmal so lang als der Platindrath sein muͤßte, um die Gleichheit der Stroͤme zu bewirken, so wuͤrde man dem Platin einen 6 mal groͤßern Leitungswiderstand als dem Silber beilegen. Einwirkung der Reibungs-Electricitaͤt auf die Ma- gnetnadel . Bei mehreren Versuchen, die man angestellt hatte, um die Einwirkung eines Stromes der durch Reibung erregten Electricitaͤt auf die Magnetnadel zu beobachten, konnte man mit dem Multi- plicator keine solche bemerken, und wußte sich diese Verschiedenheit nicht recht zu erklaͤren. Colladon hat aber gezeigt, daß sich die Wirkung allerdings wahrnehmen laͤßt, wenn man nur hindert, daß die mit zu starker Spannung die Isolirungen durchbrechende Elec- tricitaͤt nicht von einer Windung des Multiplicators zur andern uͤbergeht. Colladon wandte einen mit doppelter Seide genau umsponnenen Multiplicatordrath an, und ließ eine electrische Bat- terie von 4000 Quadratzoll Oberflaͤche nur so schwach laden, daß man an dem Electroscop der Flaschen eine geringe Divergenz be- merkte. Wurde nun das eine spitzig auslaufende Ende des Mul- tiplicatordrathes dem Knopfe der Batterie, isolirt gehalten, genaͤ- hert, waͤhrend das andre Ende an der aͤußern Belegung anlag, so zeigte die Ablenkung der Magnetnadel den electrischen Strom an, und zwar fand diese Ablenkung nach entgegengesetzten Seiten statt, wenn die Enden der Draͤthe vertauscht und dadurch die Richtung des Stromes eine entgegengesetzte wurde. Auch der durch Drehung einer Electrisirmaschine hervorgebrachte Strom von Electricitaͤt vom geladenen Leiter zum isolirten Reibzeuge zuruͤck, brachte, wenn er durch den Multiplicatordrath geleitet wurde, eine Ablenkung der Nadel hervor, und endlich ließ sich auch bei einem herannahenden Gewitter die atmosphaͤrische Electricitaͤt auf diese Weise wahrneh- men, als man eine hoch stehende, isolirte Metallspitze so mit dem Multiplicator in Verbindung setzte, daß die von jener aus der Atmosphaͤre angenommene Electricitaͤt durch den Multiplicator zur Erde geleitet wurde. Ein und dreißigste Vorlesung. Faraday's Entdeckung der electrisch-magnetischen Rotationen . Die meisten Versuche, von denen ich Sie bis jetzt unter- halten habe, bezogen sich auf horizontale Leitungsdraͤthe oder auf Draͤthe, die in schraubenfoͤrmigen Windungen dem electrischen Strome zahlreiche Umkreisungen gestatteten. Die Wirkungen eines einzelnen neben der Magnetnadel herabwaͤrts oder hinaufwaͤrts gehenden electrischen Stromes schienen sich nach den bisherigen An- gaben immer ziemlich leicht bestimmen zu lassen; aber dennoch bieten sich hier ganz neue Erscheinungen dar, die von Faraday zuerst beobachtet worden sind. Wenn die horizontale Magnetnadel in ihrer natuͤrlichen Stel- lung im magnetischen Meridiane sich befindet; so muß, allen bisher betrachteten Erscheinungen zu Folge, ein an ihrer Ostseite herab- waͤrts gehender electrischer Strom sie anziehen, ein an ihrer West- seite herabwaͤrts gehender electrischer Strom sie abstoßen. Dieses findet sich auch wirklich so; aber wenn man den Leitungsdrath an der Seite der Magnetnadel nahe bis an die Enden bringt, so kehrt sich die Wirkung um und die Anziehung des an der Ostseite herab- gehenden Stromes geht in Abstoßung uͤber. Dies beruht offenbar auf der schon fruͤher erwaͤhnten Entfernung des wahren Poles der Nadel von ihrem Ende, wodurch ( Fig. 180 ) es sich so verhaͤlt, als ob sN ein kleiner Magnet mit dem Nordpole in N, dem Suͤd- pole in s, waͤre, und als ob die nach Ampère anzunehmenden Umkreisungen zwar in der Mitte des Magnetes ihre volle Wirk- samkeit zeigten, an den aͤußersten Enden aber ein umgekehrter Er- folg eintraͤte. Jene Beobachtung fuͤhrt nun zu der Ueberzeugung, daß ein beweglicher Leitungsdrath eine Bewegung um den Pol der Magnetnadel anfangen muß; denn ein verticaler hinaufgehender Strom, dessen bloßen Querschnitt ich in A zeichne, weil der Drath senkrecht gegen die Ebne des Papieres gehen soll, wird durch die Abstoßung in der Gegend B nach AC fortruͤcken, weil offenbar die abstoßenden Stroͤme um die Mitte des Magnetes wirksamer sind, als die wenigen zwischen B und N liegenden, und daher ein Fort- ruͤcken nach dem Ende hin veranlassen; ist aber A bis neben N gekommen, so geht er weiter dem Ende zu und wird zugleich ange- zogen. So faͤngt er also an, den wahren Nordpol N zu umkreisen und wuͤrde auch auf der andern Seite diesen Umlauf fortsetzen, wenn gleich das Anstoßen an den Magnet wiederholte Umlaͤufe hindert. Dies war die erste Ueberlegung, die zu einer Kenntniß der von selbst entstehenden Rotationen fuͤhrte, welche Faraday sogleich auch noch vollkommener darstellte, die wir aber nun mit andern Betrachtungen in Verbindung setzen wollen. Ampère's fernere Untersuchungen uͤber die gegensei- tigen Wirkungen electrischer Stroͤme . Ampère bemerkte naͤmlich sogleich, daß die von ihm gefun- denen Anziehungen und Abstoßungen electrischer Stroͤme diese Ro- tationen als nothwendigen Erfolg unter bestimmten Umstaͤnden angaͤben. Um dieses mit der voͤlligsten Ueberzeugung einzusehen, braucht man nur zu uͤberlegen, was geschehen wird, wenn ( Fig. 181. ) der electrische Strom AB, der gegen den zweiten electrischen Strom CD zu fließt, so angeordnet ist, daß er eine mit CD parallele Be- wegung annehmen kann. Die Anziehung und Abstoßung electri- scher Stroͤme befolgt, wie Sie schon wissen, das Gesetz, daß sie sich anziehen, wenn beide gegen die Spitze des Winkels E zu fließen, aber sich abstoßen, wenn einer gegen diese zu, der andre von ihr abwaͤrts stroͤmt; die Wirkung des Stromes ED auf AB ist also eine andre als die Wirkung des Stromes CE; wenn man die Wirkung gleich entfernter Puncte m, n, auf einen Punct I be- trachtet, so ist die Wirkung von n nach nI abstoßend, die Wirkung von m nach Im anziehend; die eine und die andre tragen daher bei, den Strom AB nach Ik hin zu treiben, und dieser Strom muß, wenn er keine andre Richtung annehmen, wohl aber von AB nach ab fortruͤcken kann, zu diesem Fortruͤcken angetrieben werden. Am- père nennt hier den Strom CD unbegrenzt, den Strom AB begrenzt, weil es erforderlich ist, daß der erstere an beiden Seiten entgegengesetzt wirke, daß AB dagegen sich nicht bis an den Durch- schnittspunct E oder bis uͤber ihn hinaus erstrecke, indem, wenn dies geschaͤhe, die fortruͤckende Bewegung (wegen entgegengesetzter Einwirkung auf beide Enden) nicht eintreten wuͤrde. Unsre Be- trachtungen ergeben also die Regel, daß ein begrenzter Strom AB, der gegen den unbegrenzten CD zu fließt, neben diesem in einer Richtung, der Richtung des letztern entgegengesetzt, fortgetrieben wird, oder auf dem unbegrenzten Strome zuruͤck ruͤckt; und ganz eben so erhellt, daß, wenn der Strom AB von dem unbegrenzten Strome CD abwaͤrts floͤsse, jener ein Bestreben haben wuͤrde, die- sen zu begleiten, weil jetzt der Theil ED anziehend, CE dagegen abstoßend wirken wuͤrde. Unter den unbegrenzten Stroͤmen verdienen die kreisfoͤrmig in sich selbst zuruͤckkehrenden Stroͤme vorzuͤgliche Beachtung. Tritt hier ( Fig. 182. ) der Strom bei A ein und macht nach der Rich- tung ABCD einen oder mehrere von einander isolirte Umlaͤufe, indem er von D wieder weiter geleitet wird; so werden alle Theile eines zweiten von E nach C fließenden Stromes nach B zu ange- zogen, von b her dagegen abgestoßen, und der Strom EC hat, wenn er beweglich ist, ein Bestreben auf CB zuruͤck zu gehen; ein von C nach E gehender Strom wuͤrde dagegen, weil der Strom Cb eben so wie CE von C abwaͤrts ginge, nach b vorwaͤrts gezo- gen werden. Solche um den Mittelpunct des Kreises ABCD bewegliche Stroͤme lassen sich bequem darstellen und daher laͤßt sich die Erscheinung des Fortruͤckens hier wirklich zeigen. Waͤre nicht EC beweglich, sondern waͤre der kreisfoͤrmige Strom so aufgehaͤngt, daß er selbst sich um seinen Mittelpunct drehen koͤnnte, so wuͤrde, wenn in EC der Strom von E nach C fließt, der Ring ABCD zu einer Rotation angetrieben werden, und dieses nach derselben Richtung, nach welcher sich der Strom im Ringe fortbewegt; denn da die Stroͤme EC, BC beide nach der Spitze des Winkels C gehen, so ziehen sie sich einander an, das heißt, alle gegen B zu liegende Theile werden nach EC hin gezo- gen, also zur Drehung von B nach C angetrieben, wogegen alle bei b liegenden Theile abgestoßen, nach der Richtung Cb vorwaͤrts getrieben werden, weil Cb von der Spitze C weg, EC gegen die Spitze C zu fließt. Diesen letztern Satz hat Savary durch einen Versuch nach- gewiesen, den man leicht versteht, wenn man bedenkt, daß im Me- talle die Leitung viel schneller als im Wasser ist, und daß daher das von Wasser umgebene Metall dennoch einen electrischen Strom in sich fortleitet. Savary's Anordnung des Versuches fordert einen starken voltaischen Apparat, damit ein recht kraͤftiger Strom entstehe. Das Instrument ( Fig. 183. ) besteht aus einem flachen, kreisfoͤrmigen Metallgefaͤße AB, dessen Boden im Centrum durch- bohrt ist und eine durch Glas isolirte Metallsaͤule IH durchlaͤßt, auf deren Gipfel in einem mit Quecksilber gefuͤllten Schaͤlchen die Metallspitze U ruht, die einen an dem Buͤgel LGF haͤngenden Metallring FDE traͤgt. Dieser Ring ist bei F so unterbrochen, daß ein isolirender Koͤrper die beiden Enden des Metallreifens trennt; vom Ende des Metalles aber geht ein metallischer Leiter FGU nach der Spitze zu, statt daß die andre Haͤlfte des Buͤgels LM aus Nichtleitern besteht. K und C sind die beiden Puncte, wo die electrischen Stroͤme eintreten koͤnnen. Ist nun das Gefaͤß AB mit gesaͤuertem Wasser gefuͤllt, und der Metallreifen FDE in das- selbe (ohne das Gefaͤß zu beruͤhren) eingetaucht, so wird der bei C eintretende electrische Strom auf alle Puncte des Gefaͤßes AB uͤbergehen und, weil er hier keine Ableitung findet, durch das Wasser uͤberall zu dem Metallringe hinuͤbergehen. Diese Stroͤme sind begrenzte Stroͤme, die sich nur bis an den Ring erstrecken, aber so wie sie den Ring erreichen, der bessern Leitung wegen, zu ihm uͤbergehen und in ihm von D nach F, von E uͤber D nach F, saͤmmtlich in einerlei Richtung fließen, weil sie nur diesseits der isolirenden Unterbrechung durch FG nach H und so durch HIK zum andern Pole der Saͤule gelangen koͤnnen. Da der Metall- ring so aufgehaͤngt ist, daß er sich um die feine Spitze U mit voll- kommner Leichtigkeit drehen kann, so ist der kreisfoͤrmige Strom EDF ein beweglicher und er faͤngt daher an so zu rotiren, daß D nach F ruͤckt, weil die von D im Ringe nach F zu fließenden Theile des electrischen Stromes durch die im Wasser gegen D zu fließen- den Theile fortgestoßen, die jenseits D liegenden aber heran gezogen werden, und dieses nicht bloß fuͤr D, sondern fuͤr jeden Punct des Ringes gilt. Dieses Rotations-Instrument wird einerlei Dre- hung geben, man lasse den positiven Strom bei C einfließen und bei K ausfließen oder umgekehrt, indem im letztern Falle die saͤmmtlichen Stroͤme die entgegengesetzten Richtungen haben und daher eben die Wirkung hervorbringen. Das Gelingen dieses Ex-periments zeigt also deutlich, daß das Anziehen und Abstoßen der electrischen Stroͤme auch diese Wirkung, die man nach dem Princip der Zerlegung der Kraͤfte erwarten durfte, in der That hervor- bringt. Dies Experiment bedarf eines starken electrischen Stromes we- gen der Einwirkung des Erdmagnetismus, auf den ich noch zuruͤck- komme, dessen Einwirkung uͤberwunden werden muß. . Ich koͤnnte nun sogleich zur Anwendung des Magnets uͤber- gehen, aber um alle Umstaͤnde genau zu uͤbersehen, erlauben Sie mir noch eine Erweiterung der bisherigen Theorien beizufuͤgen. Auch ein vertical herabgehender Strom wird von einem horizon- talen kreisfoͤrmigen Strome zur rotirenden Bewegung angetrieben, nur darf jener nicht tiefer herabgehen, als der horizontale Kreis- strom, damit nicht die Wirkung des untern Theiles die des obern vernichte. Erstreckt sich aber der herabgehende Strom ( Fig. 184. ) ED bloß bis D, so wird er gegen die nachfolgenden Theile des Kreisstromes angezogen und von den schon vorbeigeflossenen Theilen AB zuruͤckgestoßen; er geht also nach der Richtung, welche der Richtung des Stromes selbst entgegen ist, von A nach C um den Kreisstrom herum; ein von D nach E hinaufwaͤrts gehender Strom wuͤrde dagegen Umlaͤufe von A gegen B vollenden, weil die von den naͤchsten Puncten A, D beider Stroͤme abwaͤrts gehenden Stroͤme sich anziehen. Daß diese Anziehung nach schiefer Rich- tung geschieht, dennoch aber, durch Zerlegung der Kraͤfte, wie die Statik sie lehrt, die eben angegebene Wirkung hervorbringt, laͤßt sich leicht uͤbersehen. Magnetisch-electrische Rotationen . Die Uebereinstimmung zwischen umkreisenden electrischen Stroͤ- men und dem Magnete findet sich nun auch hier wieder bestaͤtiget. Wenn man einen Magnet vertical stellt und zwar mit dem Nord- pole oben, so legten wir ihm umkreisende electrische Stroͤme bei, die in diesem Falle von Norden nach Westen, Suͤden, Osten, lau- fen. Befindet sich also in dem Glascylinder AB ( Fig. 185. ) unten bei NS ein verticaler Magnet mit dem Nordpole oben, umgeben von einer Quecksilbermasse, die den untern Theil des Cylinders so fuͤllt, daß der Magnet nur wenig hervorragt; so wird, wenn der in das Quecksilber tauchende Drath CD den positiv-electrischen Strom herunterwaͤrts leitet, dieser Drath Umlaͤufe um den Ma- gnet von Norden nach Osten, Suͤden machen, ein hinaufwaͤrts gehender Strom dagegen wird, wenn der Nordpol N oben bleibt, die entgegengesetzte Rotation zeigen; jener geht naͤmlich neben dem den Magnet umkreisenden Strome ruͤckwaͤrts, der hinaufwaͤrts gehende folgt dem umkreisenden Strome. Daß der Suͤdpol oben alle Erscheinungen umgekehrt hervorbringen muß, versteht sich von selbst. Diese Erscheinungen wurden, sogleich nach Faraday's Entdeckung, theils von ihm, theils von Gay-Luͤssac und Am- père dargestellt; sie erfordern indeß eine nicht zu schwache Kraft des voltaischen Stromes und reines Quecksilber, um die Hinder- nisse der Bewegung zu vermindern. Es ist hier sowohl der von C nach D herabgehende als der von D nach N durch das Quecksilber gehende positive Strom, der auf dem umkreisenden Strome gegen die Seite, von welcher der Strom koͤmmt, angezogen wird. Noch uͤberraschender, weil das Instrument keiner besondern voltaischen Saͤule bedarf, sondern selbst durch eine einfache Kette den electrischen Strom hervorbringt, sind die Versuche mit einem von Ampère angegebenen, nachher von andern in Ruͤcksicht der Form noch verbesserten Instrumente, das aus einem Kupfergefaͤße und einem darin zur Drehung kommenden Zinkreifen besteht. Es sei ( Fig. 186. ) AB dieses Kupfergefaͤß, in dessen Boden der eine Pol N eines starken Magnetes befestigt ist. Der in der Mitte erhoͤhete Boden umgiebt den Magnet und traͤgt die Saͤule NI, die oben auf einer feinen Spitze I den Buͤgel LIM traͤgt, an welchem unten der kreisfoͤrmige Zinkreifen PQ befestigt ist. Fuͤllt man nun das Gefaͤß mit gesaͤuertem Wasser, so geht vom Kupfergefaͤße der positive Strom durch die in der Mitte stehende Saͤule aufwaͤrts, in beiden Theilen des Buͤgels aber herabwaͤrts vom Kupfer gegen das Zink und von allen Puncten des Zinkreifens durch das gesaͤuerte Wasser dem Kupfergefaͤße zu. Da das Gefaͤß in der Mitte einen so erhoͤheten Boden hat, daß das gesaͤuerte Wasser dieses nur ring- foͤrmig umgiebt, wie der Durchschnitt Fig. 186. zeigt, so sind es die von P nach N und von Q nach N, das ist von allen Puncten des Zinkreifens nach dem Kupfer zu durch das Wasser gehenden Stroͤme vorzuͤglich, die, als dem Magnete am naͤchsten, hier wirk- sam sind; sie sowohl als die in den Armen des Buͤgels herabgehen- den Stroͤme sind, als gegen die umkreisenden Stroͤme des Magnets zu gerichtet, geneigt, nach der Richtung zu rotiren, welche den Umkreisungsstroͤmen des Magnets entgegengesetzt ist, also von Nor- den nach Osten, Suͤden, Westen, wenn der Nordpol oben ist. Bringt man, wie die Figur zeigt, um den Suͤdpol S eines ge- kruͤmmten Magnetes genau eben die Einrichtung an, so geraͤth dort der Buͤgel mit dem Reifen in eine Rotation, die der bei N entgegengesetzt ist. Setzt man dagegen auf die Pole des Magnetes Zinkgefaͤße, in denen an dem Buͤgel ein Kupferreifen schwebt, so sind die Drehungen den vorigen entgegengesetzt, weil nun der vom Kupferringe zum Zink gehende Strom in den Seiten des Buͤgels aufwaͤrts, dann von I gegen das in der Mitte befindliche Zink, ferner im Wasser von der Mitte abwaͤrts gegen den Kupferreifen geht, die Stroͤme, die wir dem Magnet beilegen, aber ungeaͤndert bleiben. Dieses leicht gelingende Experiment, welches bloß feine Spitzen zum Aufhaͤngen bei I , sorgfaͤltige Reinigung von allem Oxyde und Schmutze an der Stelle, wo bei I der Uebergang erfolgen soll, und einen nicht zu schwachen Magnet fordert, gehoͤrt zu den auffallend- sten, weil diese von selbst entstehenden, mit voͤlliger Sicherheit nach bestimmten Richtungen entstehenden Rotationen so ganz ohne kuͤnst- liche Nachhuͤlfe, bloß durch eingegossenes Wasser, hervorzugehen scheinen. Man kann auf aͤhnliche Weise einen verticalen Magnet um einen Leitungsdrath sich bewegen lassen. Wird naͤmlich ( Fig. 187. ) der Magnet NS durch ein unten daran befestigtes Stuͤck Platin in Quecksilber schwimmend vertical erhalten, so wird er durch den in AB herabgeleiteten electrischen Strom, der in dem Quecksilber Stroͤmungen von B abwaͤrts bewirkt, theils in drehende, theils in umlaufende Bewegung gesetzt. Was die erstere betrifft, so ist es offenbar, daß der herabgehende Strom AB auf die Theile DC der umkreisenden von D nach C gehenden Stroͤme anziehend wirkt, und daher D nach C zu fuͤhren, eine Drehung des Magnetes um seine Axe zu bewirken strebt; die Umlaufsbewegung aber wird durch alle von B durch das Quecksilber gehenden horizontalen Stroͤme befoͤr- dert. Diese sind saͤmmtlich, wenn AB herunterwaͤrts geht, ab- waͤrts von B gegen das Gefaͤß gerichtet; einige gehen, wie BL, an der Seite des Magnetes vorbei, wo die Richtung der Umkrei- sungsstroͤme des Magnets mit ihnen uͤbereinstimmt, und diese ziehen also die Umkreisungsstroͤme und den Magnet selbst an; andre, wie BM, gehen an der Seite des Magnetes vorbei, wo die Umkreisungsstroͤme DC die ihnen entgegengesetzte Richtung ha- ben und sie stoßen daher diese Stroͤme und den Magnet selbst ab, der sich also nach der Seite BL zu vorwaͤrts bewegt; andre BN treffen den Magnet und ihr zunaͤchst an B liegender Theil zieht die gegen D liegenden Puncte des Magnetes vorwaͤrts, ihr zunaͤchst an N liegender Theil zieht gleichfalls die an der Seite D liegenden Puncte heran, beide also tragen bei, um den Magnet nach BL zu fortzuziehen, da bei B der herankommende Strom auf die hinter- waͤrts bei D liegenden Theile anziehend und bei N der abwaͤrts gehende Strom auf die bei D liegenden Theile gleichfalls anziehend wirkt. Man hat diesen Rotations-Apparaten die mannigfaltigsten Einrichtungen gegeben, indem z. B. Sturgeon den Magnet selbst durch einen electrischen Strom, der einen weichen Eisenstab umwindet, erst hervorbringt und ihn dann seine magnetische Ein- wirkung ausuͤben laͤßt; indem Leuthwaite gleichzeitig ein Um- laufen des Magnetes um den Leitungsdrath und des Drathes um den Magnet statt finden laͤßt; indem Pouillet den in der Mitte bleibenden Magnet selbst als Leiter gebraucht und ihn in eine Rotation um seine eigne Axe setzt; indem Schweigger zwei Nadeln mit entgegengesetzten Stroͤmen uͤber einem und dem- selben Magnetpole zu entgegengesetzten Rotationen bringt; indem Barlow sogar ein groͤßeres Rad damit umtreibt, u. s. w.; aber ich glaube genug gethan zu haben, indem ich Ihnen einige Anord- nungen gezeigt habe, die diese — man darf wohl sagen, wunder- vollen — Erscheinungen vor Augen legen. Ich uͤbergehe daher auch die electro-magnetischen Bewegungen, die Davy , Schweig- ger und andre im Quecksilber selbst, wenn es electrischen Stroͤ- men zum Leiter dient, unter dem Einflusse des Magnetes haben entstehen sehen. Rotationsbewegungen unter dem bloßen Einflusse des Erdmagnetismus . Dagegen muß ich wenigstens einen derjenigen Versuche erzaͤh- len, wo electrische Leiter ohne Magnet und ohne Einwirkung eines zweiten electrischen Stromes in eine rotirende Bewegung gesetzt werden; diese Versuche geben uns Veranlassung, dem Erdmagne- tismus eben die Wirkung wie electrischen Stroͤmen, die wir uns als die Erde umkreisend denken, beizulegen. Schweigger hat folgenden sehr belehrenden Versuch angegeben. AB ( Fig. 188. ) ist ein flaches Gefaͤß, das mit einer leitenden Fluͤssigkeit gefuͤllt ist. Die Leitungsdraͤthe KEC, ZFD, fuͤhren, durch Glas- roͤhren von diesem fluͤssigen Leiter getrennt, den positiven electri- schen Strom von K nach C und leiten ihn von D nach Z wieder ab, so daß K die Kupferplatte, Z die Zinkplatte einer einfachen galvanischen Kette beruͤhren muͤßte. Dieser electrische Strom findet seine Leitung von C nach D durch zwei auf den feinen Spitzen C, D, horizontal vermittelst metallener Huͤtchen aufgelegten Nadeln, die jede nur mit einem Ende, indem naͤmlich die am einen Ende gebogene Spitze die Fluͤssigkeit beruͤhrt, den Strom in die Fluͤssig- keit hinuͤber leitet oder aus ihm aufnimmt. Ist der Apparat so angeordnet und tauchen die Spitzen n, q, ein, waͤhrend der ent- gegengesetzte Theil der Nadeln ohne Eintauchung durch ein Gegen- gewicht das Gleichgewicht erhaͤlt; so durchlaͤuft der positiv-elec- trische Strom seinen Weg von K nach C, dann von C nach n in der Nadel vom Drehungspuncte abwaͤrts, von n nach q in der Fluͤssigkeit, von q nach D in der zweiten Nadel gegen den Dre- hungspunct zu, und vollendet endlich von D nach Z seinen Kreis- lauf. Diese Nadeln sieht man nun, sobald der electrische Strom in Thaͤtigkeit gesetzt ist, Umlaͤufe um die Spitzen C, D, nach ent- gegengesetzten Richtungen machen und zwar so, daß die Nadel m n, in welcher der positive Strom vom Mittelpuncte abwaͤrts geht, sich von Westen durch Suͤden nach Osten dreht, die andre dagegen in umgekehrter Richtung. Da hier weder ein andrer electrischer Strom hervorgebracht ist, noch auch ein Magnet einwirkt, so werden wir auf electrische Stroͤme, welche die Erde selbst umkreisen moͤgen und die vermuth- lich die Ursache der magnetischen Erscheinungen enthalten, gefuͤhrt. Nach Ampère sollen wir uns die Erde als mit electrischen Stroͤmen um die Gegend des Aequators von Osten nach Westen umkreiset vorstellen, und wir muͤssen nun sehen, ob diese Hypo- these den Erscheinungen entspricht. Da ein horizontaler electrischer Strom, der von einem Mittelpuncte ausgehend nach Suͤden ge- richtet ist, gegen den Aequator zu geht, so wird die Anziehung der nachfolgenden, also oͤstlichen Theile des den Aequator umkrei- senden Stromes, diesen Strom oder die Nadel, welche er durchlaͤuft, von Suͤden nach Osten ziehen; dagegen wird die nach Norden gerichtete, den Strom vom Aequator abwaͤrts leitende Nadel von Norden nach Westen, den vorangehenden Stromtheilen folgend angezogen; die nach Osten gerichtete Nadel wird, weil ihr Strom dem Strome des Aequators entgegengesetzt ist, abgestoßen nach Norden fortgehen, und in allen Lagen also wird die Nadel, in welcher der Strom vom Mittelpuncte aus geht, eine drehende Bewegung von Norden nach Westen, Suͤden, Osten, erlangen. Der entgegengesetzte Fall erhellt dann von selbst Wie es sich fuͤr Experimente, die in der suͤdlichen Halbkugel der Erde angestellt wuͤrden, verhaͤlt, laͤßt sich leicht uͤbersehen. . Aber auch die Lagen, in welchen kreisfoͤrmige electrische Stroͤme vermoͤge der Einwirkung der Erde zur Ruhe kommen, stimmen mit dieser Hypothese uͤberein. Wir haben naͤmlich oben gesehen, daß ein der Einwirkung der Schwere ganz entzogener ringfoͤrmiger electrischer Strom sich senkrecht auf die Richtung der Neigungs- nadel zu stellen strebt und zwar so, daß der von der noͤrdlichen Seite der Neigungsnadel herabsteigende Strom an der oͤstlichen Seite liegt; es koͤmmt also darauf an, zu sehen, ob diese Stellung der electrischen Stroͤme der Voraussetzung von einem die Erde um- kreisenden electrischen Strome entspricht. Ist dieser ringfoͤrmige Strom nicht ganz genau in der Stellung, daß der von Norden herabwaͤrts gehende Strom an der Ostseite liegt, so wird er als ein dem Erd-Aequator sich naͤhernder Strom auf diesem zuruͤck- III. K gehen, das ist, seine Lage so weit als moͤglich oͤstlich nehmen, also die Ostseite einzunehmen streben; dagegen wird der vom Erd- Aequator, vom Strome des Erd-Aequators, sich entfernende Strom die Westseite einnehmen. Wir koͤnnen nun hinzusetzen: sind unsre Magnete und Magnetnadeln auf aͤhnliche Weise von electrischen Stroͤmen umkreiset, so muͤssen sie die Seite, wo die electrischen Stroͤme hinaufwaͤrts gehen, nach Westen wenden, und der die Erde umkreisende von Osten nach Westen gerichtete elec- trische Strom ist die Ursache, warum in unsern Magnetnadeln der electrische Strom an der obern Seite von Westen nach Osten, an der untern von Osten nach Westen geht. So ließe sich also der ganze Zusammenhang der Ampère- schen Theorie so uͤbersehen. Ein electrischer positiver Strom um- kreiset die Erde in der Gegend ihres Aequators von Osten nach Westen. Die Magnetisirung des Eisens und Stahles besteht in einer Erregung umkreisender electrischer Stroͤme um den magnetisirten Stab und zwar so, daß die herabgehenden Stroͤme an der Ostseite sind, wenn der Magnet seinen Nordpol nach Norden wendet. Unter diesen Voraussetzungen muͤssen die Magnete auf einander und die Erde auf die Magnete so einwirken, wie es wirklich der Fall ist, und unter diesen Voraussetzungen muß die gegenseitige Wirkung des Magnetes und der electrischen Stroͤme und endlich die Einwirkung der Erde auf die electrischen Stroͤme genau die Erfolge hervorbringen, die ich angefuͤhrt habe. Ampère hat indeß, um den Erscheinungen der Magnete noch vollstaͤndiger Genuͤge zu thun, noch eine andre Voraussetzung hinzugefuͤgt. Dieselbe Erfahrung naͤmlich, die Coulomb und nachher Poisson bewog, die beiden magnetischen Materien zwar in jedem magnetischen Elemente des Koͤrpers getrennt, nicht aber von einem Elemente zum andern uͤbergehend und nicht auf der Oberflaͤche des ganzen Magnetes angehaͤuft anzunehmen, eben diese Erfahrung noͤthiget auch Ampère die electrischen Umstroͤmungen jedem einzelnen Elemente beizulegen und sie nicht als die aͤußere Oberflaͤche des ganzen Magnets umkreisend anzusehen. Offenbar laͤßt sich gar wohl zeigen, daß diese Umkreisungen, eben so gut als in der Theorie Poissons die in jedem Elemente getrennten magnetischen Materien, eine Gesammtwirkung hervorbringen wer- den, die mit Umkreisungen um den ganzen Magnet uͤbereinstimmt; — bei Poisson zerstoͤrt sich im Innern das Zusammenwirken der einander nahe liegenden Nordpole und Suͤdpole und es ent- steht eine Gesammtwirkung so, als ob jene zwei Materien in den beiden Polen angehaͤuft waͤren; hier zerstoͤren sich im Innern die Wirkungen der an zwei naͤchsten Theilchen in der Umkreisung um das eine hinauf, um das andre hinabgehenden Stroͤme, aber alle diese Wirkungen vereinigen sich so, als ob die Umstroͤmungen um den ganzen Magnet liefen. Einwuͤrfe gegen Ampère . Transversalmagnete . Ampère's Theorie ist nicht mit so allgemeinem Beifall aufgenommen, als es nach dieser großen Uebereinstimmung mit allen Erscheinungen zu erwarten gewesen waͤre. Einige Einwuͤrfe gegen dieselbe scheinen mir nach und nach von selbst verschwinden zu muͤssen, indem das, was man uͤber die nicht vollkommen con- sequente Durchfuͤhrung der Hypothese in den Anwendungen auf die sich uns deutlich zeigenden Erscheinungen gesagt hat, wohl bei recht genauer Untersuchung als unbegruͤndet erscheinen wird. Eben so halte ich dafuͤr, daß einzelne Erscheinungen, die man als der Hy- pothese widersprechend ansah, dieses nicht sind, wenn man, wie Ampère es lehrt, die gesammte Wirkung ins Auge faßt und nicht bei einzelnen Umkreisungsstroͤmen stehen bleibt. Die- jenigen Einwuͤrfe, die man davon hernehmen kann, daß schwerlich die Stellung aller Magnetnadeln auf der Erde sich aus einem einzigen, um die Gegend des magnetischen Erd-Aequators die Erde umkreisenden electrischen Strome mit Genauigkeit moͤchten berechnen lassen, daß sie schwerlich alle einem einzigen solchen Strome entsprechen, sind gewiß nicht ungegruͤndet; aber man darf, um sie zu beantworten, wohl bemerken, daß wir durch Beobachtun- gen zu zwei großen magnetischen Axen der Erde schienen gefuͤhrt zu werden, statt daß wir bei minder genauer Untersuchung mit einer , auf den magnetischen Aequator senkechten Axe auszurei- chen hoffen konnten; eben so werden wir wohl auch zu zwei Haupt- stroͤmen, die ungefaͤhr als jene Axen umkreisend angesehen werden Kk 2 koͤnnten, hin geleitet werden, und jener eine Strom kann nur als die wichtigsten Erscheinungen darstellend, wenn es auf Kleinig- keiten noch nicht ankoͤmmt, oder als eine erste Annaͤherung zu den wirklichen Ursachen der Erscheinungen angesehen werden. Wichtiger sind die Einwuͤrfe, welche das innere Wesen des Magnetes betreffen. Sind auch alle Erscheinungen so, als ob jene umkreisenden Stroͤme vorhanden waͤren, so wird es uns doch schwer, kann man mit Recht sagen, uns diese jedes Element um- kreisenden Stroͤme als wirklich zu denken; wir begreifen nicht, wie diese Stroͤme, in unendlicher Naͤhe bei einander, in entgegen- gesetzten Richtungen neben einander hin gehend, sich nicht zerstoͤren; wir begreifen nicht, wie sie im Eisen ploͤtzlich erzeugt und ploͤtzlich vernichtet oder in entgegengesetzte verwandelt werden, warum sie im Stahle dauernd sind, warum sie in andern Koͤrpern, die die Electricitaͤt weder besser noch schlechter leiten, gar nicht so ent- stehen, wie es zur Hervorbringung eines Magnetes noͤthig ist. Diesen Einwuͤrfen kann man wohl nichts anderes entgegensetzen, als daß wir uͤberall, wo wir das innere Wesen der Koͤrper erfor- schen wollen, auf aͤhnliche Dunkelheiten gerathen, daß auch die andre Vorstellung von kleinen magnetischen Partikeln, die wir uns, um die Erscheinungen besser zu uͤbersehen, machten, gar nicht frei von Schwierigkeiten ist, und daß die Lehre vom Lichte und von der Waͤrme, wenn wir nach der eigentlichen Beschaffenheit der Lichtmaterie, der Waͤrmematerie, fragen, uns eben solche Schwie- rigkeiten darbietet. Diese Schwierigkeiten wegzuraͤumen, hat Am- père sich nicht bemuͤht, sondern sein eigentliches Bestreben ist nur auf eine mathematische Darstellung der sich wirklich deutlich zeigen- den Erscheinungen gerichtet gewesen, die er so durchgefuͤhrt hat, daß er wohl nicht mit Unrecht behauptet, jede kuͤnftige Hypothese werde sich an seine Formeln anschließen muͤssen, weil diese mit strenger Genauigkeit allen Thatsachen entsprechen. Auf den Einwurf, warum denn der Magnet uns nie elec- trische Erscheinungen gezeigt habe, komme ich kuͤnftig noch zuruͤck. Was andre Theorien betrifft, so hat noch keine eine Anwen- dung auf alle Erscheinungen gestattet. Am meisten Beifall schien die Meinung zu verdienen, welche den electrischen Leitungsdrath als einen Transversalmagnet betrachtet. Man versteht unter einem Transversalmagnet einen solchen, der an der ganzen Seite Ss ( Fig. 189. ) suͤdpolarisch und an der ganzen Seite Nn nord- polarisch ist. Solche Transversalmagnete lassen sich allenfalls, ob- gleich schwierig, durch ein in der Querrichtung vorgenommenes Bestreichen hervorbringen; aber auch (nach Schmidts Anlei- tung) durch einen electrischen Schlag, indem man einen Cylinder ganz dicht mit Stahldrath umwickelt und einen starken electrischen Funken durch die obere Seite desselben mit der Axe parallel gehen laͤßt, wo man das Ende, in welchem der Funke eintrat, zum West- Ende magnetisirt, die Seite rechts Vorausgesetzt, daß der Funke gegen den Beobachter zu ging. sich nach Norden wendend findet. Es ist offenbar, daß eine Magnetnadel unter einen solchen Quermagnet gestellt in der Querrichtung zur Ruhe kommen muß, so wie es in der Naͤhe des Leitungsdrathes geschieht, aber mit dem wichtigen Unterschiede, daß bei dem Transversalmagnete die nordpolarische Seite nordpolarisch wirkt, man mag uͤber oder unter ihm die Magnetnadel aufstellen, statt daß der electrische Strom die uͤber ihm stehende Nadel in die eine Richtung, die unter ihm stehende in die genau entgegengesetzte Richtung bringt Auch der Umstand, daß Eisenfeile vom Leitungsdrathe so ange- zogen wird, daß sie ihn umwickelt, nirgends in Spitzen oder Nadeln nach außen hervortritt, wuͤrde bei dem Transversalmagnete nicht statt finden, oder nur dann statt finden, wenn dieser Magnet sehr schmal waͤre und also Nordpol und Suͤdpol ganz nahe bei einander laͤgen. Entstehen dagegen in der Eisenfeile electrische Stroͤme, so legt jedes, als eine kurze Magnetnadel gedachte, Theilchen sich quer uͤber die Laͤngen- richtung des Leitungsdrathes und alle zusammen bringen daher jene Umwickelung hervor. . Die Meinung, der Leitungsdrath sei ein Transversalmagnet, ließ sich daher in ihrer Einfachheit nicht beibehalten, sondern man fing an, dem Leitungsdrathe vier oder sechs Pole, entweder zwei oder drei nordpolarische Seiten der ganzen Laͤnge nach beizulegen; aber nie- mand konnte angeben, daß irgend ein bestimmter Punct des Umfangs vorzugsweise Nordpol, ein andrer mit mehr Recht Suͤdpol heißen koͤnne. Die Vertheidiger dieser Ansicht scheinen sich zuletzt dabei beruhigt zu haben, daß jede nach der Laͤnge des Leitungsdrathes auf seiner oberen Flaͤche gezogene Linie, wenn in ihr der Strom sich vom Beobachter entfernt, an ihrer linken Seite nordpolarisch, an ihrer rechten Seite suͤdpolarisch sei, der Leitungsdrath also als mit unzaͤhligen unendlich schmalen Quermagneten umgeben sich zeige. Dem Wesentlichen nach koͤmmt das dann auf Pohls Circularmagnetismus hin, mit dem ich mich nicht habe befreunden koͤnnen. Die uͤbrigen Erscheinungen durch diese Hypothese zu er- klaͤren, hat mir immer unmoͤglich geschienen, und mehrere Phy- siker, die sich zuerst der transversalmagnetischen Theorie geneigt zeigten, sind auch zu der Ueberzeugung, daß sie nicht ausreiche, gelangt Zum Schlusse fuͤhre ich hier noch die Bemerkung an, daß die spiralfoͤrmige Windung, die man schon laͤngst als in den Tromben oder Wasserhosen bemerkbar angegeben hat, zu dem (namentlich von Horner ausgesprochenen) Gedanken gefuͤhrt hat, daß die Natur hier einen solchen Umkreisungsstrom hervorbringe, wie wir ihn in den elec- tromagnetischen Experimenten benutzen. Dieser Gedanke verdient gewiß alle Aufmerksamkeit, aber mir sind noch keine Erfahrungen bekannt, die uns genauern Aufschluß gaͤben, ob die Richtung dieser Windungen bestimmt ist, ob sie mit der Richtung des Fortruͤckens der Wasserhose in einer Beziehung steht, ob die letztere vielleicht senkrecht auf den ma- gnetischen Meridian ist u. s. w. Wir muͤssen daher die deutlichere Kenntniß dieser Erscheinung erst von der Zukunft erwarten. . Zwei und dreißigste Vorlesung . Thermomagnetismus . Die durch den Schweigger'schen Multiplicator so sehr erleichterte Auffindung, selbst der schwaͤchsten electrischen Stroͤme, hat noch zu einer sehr merkwuͤrdigen und unerwarteten Entdeckung gefuͤhrt. Seebeck naͤmlich, indem er den durch electromotorische Einwirkung zweier Metalle auf einander entstehenden electrischen Strom untersuchte, bemerkte, daß zwei Metalle auch ohne einen feuchten Leiter magnetische Einwirkungen hervorbringen koͤnnen, und daß besonders Antimon und Wismuth sonderbare Ungleichhei- ten der hervorgebrachten Wirkungen zeigen. Eine Reihe von Ver- suchen, wo entweder eines dieser Metalle oder auch Zink mit Kupfer in Beruͤhrung gebracht wurde, dienten, um die Umstaͤnde, welche ohne Einfluß waren, kennen zu lernen, und fuͤhrte endlich dahin, ungleiche Erwaͤrmung als die Ursache einer bei trockener Beruͤhrung zweier Metalle hervorgehenden Einwirkung auf die Magnetnadel, oder eines entstehenden electrischen Stromes anzu- erkennen. Diese Erscheinungen haben daher den Namen der ther- momagnetischen (durch Waͤrme erregten magnetischen) oder ther- mo-electrischen erhalten. Um den Versuch am einfachsten anzu- stellen, verbindet man einen Kupferstreifen ( Fig. 190. ) ABC mit einem Wismuthstabe AC , bringt auf die Spitze D eine Magnet- nadel und stellt den Kupferstreifen in die Richtung des magnetischen Meridians; erwaͤrmt man nun die eine Loͤthungsstelle C des Wis- muths und des Kupfers, (ich nehme hier an, das untere Ende des suͤdlich stehenden Wismuths) so weicht die Nadel oͤstlich ab; er- waͤrmt man das obere Ende A des suͤdlich stehenden an das Kupfer bei A befestigten Wismuths, so weicht die Nadel westlich ab. Wenn Antimon statt des Wismuths angebracht wird, so erfolgen beide Erscheinungen entgegengesetzt; und dieser Gegensatz zeigt sich nicht bloß bei der Verbindung mit Kupfer, sondern in jeder aͤhnlichen Verbindung scheinen Wismuth und Antimon die beiden aͤußersten Glieder einer Reihenfolge zu sein, die mit der Reihenfolge der Koͤrper in electromotorischer Hinsicht vergleichbar, obgleich eine ganz anders geordnete ist. Nach den bisherigen Erfahrungen, wo ein positiv electrischer Strom, wenn er um die nach Norden gerichtete Magnetnadel in der Richtung CDBA gefuͤhrt wird, eine Ablenkung nach Osten hervorbringt, werden wir also sagen muͤssen, wenn am Wismuth- Kupfer-Ringe die Verbindungsstelle C erwaͤrmt wird, so entsteht ein positiv-electrischer Strom vom erwaͤrmten Wismuth zum Ku- pfer; eben die Regel findet immer statt, indem eine Erwaͤrmung bei A die entgegengesetzte Ablenkung, also einen entgegengesetzten Strom, das ist, wieder vom erwaͤrmten Wismuth zum Kupfer, hervorbringt. Dagegen wenn Antimon und Kupfer einen fest ver- bundenen Ring bilden, geht der positiv-electrische Strom an der Erwaͤrmungsstelle vom Kupfer zum Antimon. Verbindet man An- timon und Wismuth, so geht an der erwaͤrmten Stelle der positiv- electrische Strom vom Wismuth zum Antimon; und auch fuͤr fast alle andere untersuchten Metalle ist, wenn sie mit Antimon einen Ring bilden, der electrische Strom an der erwaͤrmten Stelle gegen das Antimon zu, wenn sie mit Wismuth einen Ring bilden, der electrische Strom an der erwaͤrmten Stelle vom Wismuth abwaͤrts gerichtet. Erwaͤrmt man beide Verbindungspuncte A , C , der beiden Metalle in gleichem Grade, so zeigt die Magnetnadel keine Aende- rung, weil die entgegengesetzten Stroͤme die Wirkung zerstoͤren. Setzt man ( Fig. 191. ) den Stab FGH aus Wismuth FG und Antimon GH zusammen und schließt den Ring HIKF durch Ku- pfer oder ein andres Metall; so weicht, wenn H gegen Norden gekehrt ist, der Nordpol oͤstlich ab, wenn man in G erwaͤrmt, (der Strom vom Wismuth zum Antimon); sie weicht westlich aus, wenn man in H erwaͤrmt (der Strom vom Kupfer zum Anti- mon); sie weicht westlich aus, wenn man in F erwaͤrmt (der Strom von Wismuth zum Kupfer und weiter vom Kupfer zum Antimon); sie weicht noch staͤrker westlich aus, wenn man in F und H zugleich erwaͤrmt, weil der Strom nun nicht allein ange- regt wird bei H vom Kupfer zum Antimon, sondern auch bei F aufs neue vom Wismuth zum Kupfer uͤberzugehen. Abkuͤhlung in einem der Verbindungspuncte bringt die genau entgegengesetzten Wirkungen hervor, und man verstaͤrkt daher die Wirkung, wenn man ( Fig. 190. ) in A eine Erhitzung, in C eine Abkuͤhlung statt finden laͤßt. Die Wirkung findet zwar statt, wenn an der Erwaͤrmungsstelle sich diese auch nur auf eines der Metalle erstreckt, besser aber ist es, wenn sie beide daran Theil haben. Je groͤßer die Differenz der Waͤrme in den Verbindungsstellen ist, desto groͤßer wird die Ablenkung der Magnetnadel. Sehr große Beruͤhrungsflaͤchen vermehren die Wirkung nicht merklich; aber zu klein duͤrfen diese nicht sein, und vollkommen in- nige Beruͤhrung, am besten durch Loͤthung, ist eine wesentliche Be- dingung der Wirksamkeit. Gesetze der thermo-electrischen oder thermomagneti- schen Erscheinungen . Die Metalle bilden auch in Beziehung auf diese durch un- gleiche Waͤrme in beiden Verbindungspuncten hervorgehenden Er- scheinungen eine Reihenfolge. So wie Zink und Mangan-Oxyd so ziemlich die Endpuncte der Reihe in electromotorischer Hinsicht, um den voltaischen Strom hervorzubringen, darstellen, so sind An- timon und Wismuth unter den bekanntern Metallen die End- puncte der Reihe in thermo-electrischer Hinsicht, oder bei der Her- vorbringung des seebeckischen Stromes. In Hinsicht auf diese bei- den Metalle sind alle Beobachter einig; in Hinsicht auf die uͤbrigen haben sich bei verschiedenen Versuchen Verschiedenheiten in der Reihenfolge ergeben, die entweder von beigemischten fremden Be- standtheilen oder von ungleicher Behandlung abhaͤngen moͤgen Daß diese Ungleichheit der Wirkung beim Platin gaͤnzlich von der Reinheit dieses Metalles abhaͤnge, und deshalb als Pruͤfungsmittel hiefuͤr dienen koͤnne, hat Seebeck gezeigt. . Wenn man vom Wismuth ausgeht, so setzt selbst Seebeck einige Arten Kupfer vor dem Silber und Zink, einige Arten nach dem- selben; indeß ist es gewiß, daß auch das Zink ziemlich in der Mitte liegt, und die Reihenfolge ist ungefaͤhr so: Wismuth, Platin, Blei, Silber, Kupfer, Zink, Eisen, Antimon, welchem noch das Tellu- rium folgt. Nach Seebecks Versuchen gilt nun freilich auch hier, was bei der voltaischen Saͤule galt, daß die Staͤrke des elec- trischen Stromes am groͤßesten ist, wenn man die in der Reihe am meisten gegen beide Enden stehenden Metalle verbindet, (vorzuͤglich Wismuth und Antimon,) aber es zeigen sich auch unerwartete Aus- nahmen, daß z. B. Tellur mit Silber staͤrker wirkt, als Tellur mit Wismuth zu einem Kreise verbunden, obgleich aus andern Versuchen doch so unfehlbar erhellt, daß die Stelle des Wismuth weit uͤber dem Silber, die allerentfernteste vom Tellurium ist. Die zahlreichen Versuche Seebecks uͤber Erze und Metall- mischungen, uͤber Metallmischungen im festen und im fluͤssigen Zustande u. s. w., welche viele einzelne Merkwuͤrdigkeiten darbieten, aber keine allgemeinere Ansichten begruͤnden, muß ich uͤbergehen. Dagegen darf ich die Bemerkung wohl nicht uͤbergehen, daß An- timonstaͤbe an einer Stelle erwaͤrmt eine magnetische Polaritaͤt zeigten und Wismuthstaͤbe eben so angewandt werden konnten. Dieses beruhte auf einer Ungleichheit ihrer Masse und ließ sich so ansehen, als ob die beiden ungleichen Theile, die wir vorhin mit den Enden an einander loͤtheten, hier der ganzen Laͤnge nach an einan- der laͤgen. Daß diese Ansicht richtig sei, zeigte sich, als ein Kupfer- stab und Antimonstab der ganzen Laͤnge nach auf einander liegend, zusammen vereinigt wurden; erhitzte man dann beide Enden, waͤh- rend die Mitte kalt blieb, so zeigten sich die Enden polarisch. Eine Kugel von Antimon zeigte sich, an einzelnen Stellen erwaͤrmt, magnetisch-polar, und Seebeck knuͤpft hieran Betrachtungen uͤber die Beschaffenheit der ganzen Erde, die in ihren verschiedenen Puncten durch die unterirdischen Feuer so ungleich erwaͤrmt ist Poggend. Ann. VI. I. 133. 253. . Der electrische Strom, den wir uns durch die ungleiche Er- waͤrmung hier hervorgebracht denken, unterscheidet sich sehr von demjenigen, den die voltaische Erregung, die hydro - electrische Kette, wie man sie im Gegensatz genannt hat, hervorbringt, da- durch, daß er nicht so leicht die duͤnnern leitenden Koͤrper durch- laͤuft. Ein Schweigger'scher Multiplicator, der den Strom in oͤftern Wiederholungen um die Nadel fuͤhrt, ist hier nicht von dem entschiedenen Nutzen, ja bei groͤßerer Laͤnge scheint er den Strom ganz und gar zu hindern, so daß man bei 500 Umwindungen keine Wirkung fand, obgleich sie bei 100 Umwindungen statt fand. Da- gegen zeigt der einfache, aber durch dickere Staͤbe fortgefuͤhrte, Strom sich so bedeutend wirksam. Aus diesem Grunde sind auch die ring- foͤrmigen Zusammensetzungen, wo Wismuth, Antimon, Wismuth, Antimon, mehrmals abwechseln, wie Fig. 192. , zwar bei der Er- hitzung in den gehoͤrigen Verbindungspuncten wirksamer als einfache Ketten, aber dieses nur dann, wenn die Laͤnge der ganzen Verbindung nicht vergroͤßert wird. Ist der ganze, vom electrischen Strome zu durchlaufende Ring EFGHIK aus Antimon EFGH und Wis- muth HIKE zusammengesetzt, so bringt eine Erwaͤrmung in E und Abkuͤhlung in H eine bestimmte Ablenkung der Nadel hervor; diese wird groͤßer, wenn der eben so lange Ring aus den Antimonstuͤcken EF, GH, IK, besteht, zwischen welchen drei Wismuthstuͤcke FG, HI, KE, befestigt sind, besteht, und wenn man nun E, G, I, in eben dem Grade, wie vorhin E, erwaͤrmt, und F, H, K in eben dem Grade, wie vorhin H, abkuͤhlt, waͤre aber der Um- fang im letzten Falle dreimal so groß als im ersten Falle genom- men, so wuͤrde der wachsende Widerstand den Vortheil der verviel- fachten Wirkung aufheben. Dieser electrische Strom scheint daher mit sehr geringer Kraft vorzudringen, weshalb er denn auch zwar Contractionen bei Frosch- praͤparaten, aber keine Wirkungen auf das Gefuͤhl, keine erhebliche chemische Wirkungen, keinen Funken hervorbringt, und durch die geringsten Hindernisse an der Loͤthungsstelle beider Metalle gaͤnzlich aufgehalten w rd. Becquerel hat zu Abmessung der magnetischen Kraͤfte, die bei den thermo-electrischen Versuchen thaͤtig sind, folgendes Verfahren angewandt. Es werden mehrere ganz gleiche, mit Seide umwickelte, Leitungsdraͤthe uͤber der Magnetnadel neben einander angebracht; jeder derselben bildet auf ganz gleiche Art einen aus zwei Metallen zusammengesetzten vollstaͤndigen Ring, um, wenn man einen der Verbindungspuncte erwaͤrmt, einen thermo-electri- schen Strom in sich fortzuleiten. Beobachtet man nun die Ab- lenkung der Magnetnadel, wenn nur einem der Draͤthe an einem Loͤthungspuncte eine bestimmte Erhoͤhung der Temperatur, wenn zweien, wenn dreien dieselbe Erhoͤhung der Temperatur ertheilt wird, so hat man die einfache, zweifache, dreifache Kraft mit den Angaben der Magnetnadel zusammengestellt. Mit Anwendung dieser Kenntniß von den wahren Werthen der Kraft des Stromes findet man, daß bei einer Verbindung von an einander geloͤthetem Kupfer- und Eisendrath die Kraft gleichmaͤßig waͤchst, wenn man die Temperatur-Unterschiede der Loͤthungen von 0° bis 140° Cent. zunehmen laͤßt; von 140° an ist, bei gleicher Zunahme der Temperaturdifferenzen, die Zunahme der Kraft geringer und bei 300° ist sie beinahe unveraͤnderlich geworden, ja bei noch hoͤhern Temperaturen schien eine entgegengesetzte Wirkung einzutreten. Andre Draͤthe zu einem Umlaufe verbunden zeigten bis zu andern Temperaturen hin eine mit den Waͤrme-Differenzen gleichmaͤßig steigende Kraft, und zwar bis zu desto hoͤhern Temperaturen, je schwerer schmelzbar sie waren. Platindrath mit Eisendrath gab selbst bis zu 300° Erwaͤrmung, wenn der andre Loͤthungspunct auf 0° erhalten wurde, gleichmaͤßig mit der Waͤrme steigende Kraft und Becquerel gruͤndet darauf ein Verfahren, sehr hohe Temperaturen zu bestimmen, dessen nicht vollkommene Sicherheit indeß auch leicht erhellt. Da die oben erwaͤhnten Maaßbestim- mungen gezeigt hatten, daß eine Ablenkung der Nadel = 22½° einer \frac{14}{3} mal so großen Kraft als die Ablenkung = 8° zugehoͤre, da ferner die Erhitzung in der Weingeistflamme, an der Stelle, wo das Blau in Gelb uͤbergeht, fuͤr eine Verbindung von Platin- und Eisendrath eine Ablenkung = 22½° unter eben den Umstaͤnden hervorbrachte, wo eine Erhitzung von 300° eine Ablenkung = 8° bewirkte, so muͤßte 300 ⋅ \frac{14}{3} = 1400° die Hitze der Weingeist- flamme sein, wenn die proportionale Wirkung bis so hoch hinauf statt faͤnde. Von Christie's Versuchen, wodurch er die in den ver- schiedenen Tagesstunden eintretenden Veraͤnderungen des Erdma- gnetismus mit den thermo-electrischen Erscheinungen in Verbin- dung zu setzen sucht, sage ich nichts, da seine Folgerungen mir nicht genug Ueberzeugung gewaͤhren. Auch in Hinsicht auf die Theorie dieser Erscheinungen habe ich wenig zu sagen. Seebeck glaubt, sie staͤnden den electro- magnetischen Theorien, welche den electrischen Strom als Ursache der Einwirkungen auf die Magnetnadel ansehen, sehr entgegen, weil die eine Spannungsreihe von der andern so sehr abweiche, und sich keinesweges diejenigen Verstaͤrkungen oder Schwaͤchungen bei hoͤhern Temperaturen zeigen, die man zu erwarten berechtiget scheine. — Wiefern diese Einwuͤrfe begruͤndet sind, oder sich heben lassen, scheint mir aus unsern jetzigen Kenntnissen noch nicht zu erhellen; aber ich weiß auch nicht, daß man bis jetzt eine genuͤ- gendere Theorie aufzustellen im Stande gewesen sei. Electrische Stroͤme durch bloße Naͤhe electrischer Stroͤme oder des Magnetes . Ich gehe nun zu den neuesten Entdeckungen uͤber die electri- schen und magnetischen Erscheinungen uͤber und werde sie, da der eigentliche Gang dieser Entdeckungen, wie naͤmlich Faraday dazu gelangte, noch nicht bekannt ist, an einen Einwurf gegen Am- père's Theorie, der mir die Veranlassung dazu zu enthalten scheint, anknuͤpfen. Dieser Einwurf, auf welchen ich neulich nur hindeutete, besteht darin, daß wir gar keine electrische Wirkungen des Magnetes kennen und es daher nicht begreiflich finden, wie jedes Element des Magnetes von electrischen Stroͤmen umkreiset sein soll und dennoch diese electrischen Stroͤme keine Art von elec- trischer Wirkung zeigen. Man konnte hierauf mit Recht antwor- ten, daß sich hier, wo es auf eine Wirkung unzaͤhliger geschlossener Kreise electrischer Umstroͤmungen ankomme, gar wohl ein eben solches Zerstoͤren der nach außen merkbaren Wirksamkeit denken lasse, wie es zum Beispiel bei einem magnetischen Ringe der Fall ist, dessen Magnetismus, weil uͤberall Nordpol und Suͤdpol zu- gleich sind, uns erst kenntlich wird, wenn wir ihn zertheilen; indeß war damit doch jene Bedenklichkeit nur abgewiesen und nicht widerlegt. Ob nun Faraday durch Betrachtungen, die sich hierauf bezogen, geleitet, neue Untersuchungen, wie umkreisende electrische Stroͤme auf unelectrisirte Koͤrper wirken, unternommen habe, ist mir unbekannt; sehr wohl aber ließe sich denken, daß diese Be- trachtung ihn zu derjenigen Kenntniß der Einwirkung electrischer Stroͤme auf unelectrisirte Leiter gefuͤhrt habe, welche ich jetzt angeben will. Die erste Entdeckung, die Faraday zu den wichtigen neuesten Entdeckungen leitete, scheint die gewesen zu sein, daß ein electrischer Strom, der einen Metalldrath durch- laͤuft, in einem ihm benachbarten Drathe einen aͤhnlichen, aber nur einen Augenblick dauernden, Strom von entgegengesetzter Richtung hervorruft, und daß, nach der Entfernung jenes electri- schen Stromes, in dem benachbarten Drathe ein neuer electrischer Strom, gleichlaufend mit dem diese Wirkungen hervorbringenden Strome, entsteht. Man kann sich wundern, daß diese Wirkung nicht schon lange beobachtet worden ist, aber die sehr kurze Dauer dieser durch Einwirkung entstandenen Stroͤme enthaͤlt schon Grund genug, um zu erklaͤren, warum niemand hierauf aufmerksam gewor- den ist Daß der Magnet electrische oder chemische Wirkungen hervor- bringen muͤsse, ist oft vermuthet worden; aber weder die, die dieses vermuthet haben, noch die, welche einen schraubenfoͤrmigen Leiter um den Magnet gewickelt haben, duͤrfen sich ruͤhmen, dieser Entdeckung nahe gewesen zu sein, (auch Fresnel nicht, der selbst das gaͤnzliche Fehlschlagen seines Versuches bekannte, Gilb. Ann. LXVI. 410.) denn diese schnell voruͤbergehenden Wirkungen erwarteten sie nicht. . Sobald aber Faraday sie bemerkte, mußte nun sich gewiß die Ueberlegung hieran anschließen, daß die den Magnet an- geblich umkreisenden electrischen Stroͤme, wenn sie gleich keine Electrisirung ertheilen koͤnnen, wenn sie gleich keiner Ableitung selbst durch die besten Leiter faͤhig sind, doch vielleicht eine gleiche Einwirkung auf benachbarte Leiter durch Erregung electrischer Stroͤme in ihnen zeigen koͤnnten. Und diese Vermuthung fand sich bestaͤtigt. Brachte Faraday den Magnet einem schraubenfoͤrmig gewundenen Leiter nahe, so zeigte die Einwirkung dieses Drathes auf die Magnetnadel des Multiplicators einen in ihm entstandenen electrischen Strom, so wohl bei der Annaͤherung als bei der Ent- fernung des Magnetes. Diese Entdeckung ist unstreitig eine der merkwuͤrdigsten, da sie die erste ist, welche eine Electricitaͤt des Magnets verraͤth oder welche zeigt, daß der Magnet, ganz allein wirkend, electrische Er- scheinungen hervorbringt, daß also jener Einwurf seinen Werth fast ganz verliert. Nobili hat eine vortheilhafte Anordnung dieser Versuche angegeben. Wenn man die beiden Pole eines Huf- Eisen-Magnetes mit einem weichen Eisen verbindet, so ist dieses bekanntlich nun selbst ein Magnet, und man kann den schrauben- foͤrmigen Drath nicht besser anbringen, als wenn man ihn um dieses Eisen wickelt und dann seine Enden mit dem Drathe des Multiplicators in Verbindung setzt. So wie das Eisen, der Anker am Magnet, die Pole des Magnets beruͤhrt und dadurch zum Magnete wird, zeigt dieser um das Eisen gewickelte, also in der Naͤhe dieses schnell entstehenden Magnetes befindliche Drath auf kurze Zeit einen in ihm entstehenden electrischen Strom; wird das Eisen abgerissen, so hoͤrt der Magnetismus des Eisens auf und der Multiplicator zeigt einen entgegengesetzten Strom in jenem Umwickelungsdrathe. Auf diese Weise laͤßt sich der Versuch mit einem Magnet, der etwa 12 Pfund traͤgt, leicht wiederholen, nur muß man sor- gen, die Leitungsdraͤthe lang genug zu nehmen, damit man sicher sei, den Magnet so entfernt zu legen, daß er nicht beim Abziehen und Anlegen des Eisens ungleich auf die Nadel des Multiplicators wirket. Ein ½ Linie starker Messingdrath mit Seide umwickelt und 12 bis 14 Umwindungen um das Eisen machend, reicht hie- bei zu, und man kann, sobald nur der Gehuͤlfe das Anlegen und Abziehen puͤnctlich ausrichtet, sehr bedeutende Ausweichungen der Nadel hervorbringen, wenn man den Wechsel des Anlegens und Abreißens des Ankers so statt finden laͤßt, daß allemal die Oscilla- tion der Nadel nach der Seite, wohin sie grade geht, verstaͤrkt wird Ich finde es am zweckmaͤßigsten, die Enden des Multiplicator- drathes in zwei Glasgefaͤßen in Quecksilber eingetaucht zu lassen und auch die beiden Enden des Umkreisungsdrathes in das Quecksilber dieser Gefaͤße tauchend, ungeaͤndert fest zu erhalten; dann hat der Beobachter bloß auf die Nadel zu sehen, waͤhrend der Gehuͤlfe den Anker des Ma- gnets anlegt und abreißt. Der Versuch gelingt, wenn man auch den Leitungsdrath da, wo er ohne Seide ist, mit der trockenen Hand be- ruͤhrt. . Diese Versuche dienen, indem sie einen Einwurf gegen die Theorie Ampère's heben, ihr zur Bestaͤtigung; denn auch hier zeigt wieder der Magnet genau dieselbe Wirkung, wie die umkrei- senden electrischen Stroͤme. Ampère selbst hat in Verbindung mit Becquerel die Versuche Faraday's wiederholt, und auch mit einem starken schraubenfoͤrmig gewundenen Drathe, der einen electrischen Strom leitete, genau die Erscheinungen, wie bei An- wendung des Magnets erhalten. Auch wenn dieser electrische Strom in die Windungen des mit dem Multiplicator verbundenen Drathes gebracht wurde, zeigte die Nadel des Multiplicators nur eine kurz dauernde Ausweichung und kehrte dann zu ihrer ruhigen Stellung zuruͤck, bei der Entfernung des electrischen Stromes machte sie eine gleichfalls kurz dauernde Ausweichung nach ent- gegengesetzter Richtung; — genau wie Faraday es angegeben hatte. Ampère hat schon in seinen fruͤhern Theorien es noͤthig gefunden, den electrischen Umstroͤmungen um den Magnet in der Mitte eine groͤßere Intensitaͤt als gegen die Enden beizulegen, weil nur so sich alle Erscheinungen des Magnetes erklaͤren ließen; die Wirkung eines mit gleichen Umkreisungsstroͤmen umwickelten Cylinders mußten sich also auch hier etwas von den Wirkungen des Magnetes darin unterscheiden, daß bei jenem die Enden sich verhaͤltnißmaͤßig wirksamer zeigten; und in der That fand sich, daß zwar auch bei dem Fortschieben des mit wirklichen electrischen Stroͤmen umwickelten Cylinders die Wirkung zunahm, bis die Mitte des Cylinders jenen andern Umwickelungsdrath erreichte, aber daß beim Magnet diese Zunahme gegen die Mitte staͤrker war. Jeder Umstand findet sich also so wie die Ampère'sche Theorie es fordert. Magnetische Funken . Diese Erscheinungen, welche eine bestimmte Hervorbringung electrischer Wirkungen durch den Magnet beweisen, gewaͤhren nun die Hoffnung, auch andre electrische Wirkungen hervorgehen zu sehen. Bei der nur momentanen Dauer der electrischen Stroͤme, welche in den benachbarten Koͤrpern durch die Annaͤherung und Ent- fernung electrischer Stroͤme und des Magnets erregt werden, laͤßt sich auf chemische Wirkungen am wenigsten rechnen, es muͤßten denn solche sein, die zu ihrem Entstehen nur die allerkuͤrzeste Zeit gebrauchen; dagegen hat schon Faraday einen Funken her- vorgehen sehen, und Mittel angegeben, ihn mit Bestimmtheit zu erhalten. Nobili und Antinori aber haben zuerst die genauen Umstaͤnde, von denen er abhaͤngt, bekannt gemacht. Sie fanden naͤmlich, daß zu Hervorbringung desselben die schnelle Unterbrechung der Leitung waͤhrend des kurzen Augenblickes, wo die Stroͤme wirksam sind, erforderlich sei, und brachten ihn daher zuerst so her- vor, daß sie beide Enden des Drathes, in welchem der electrische Strom durch Einwirkung des Magnetes entstand, in einem einzi- gen Gefaͤße mit Quecksilber eingetaucht anbrachten, und nun gleich- zeitig das Eisen vom Magnet abzureißen und den einen Drath aus dem Quecksilber hervorzuziehen suchten; geschah beides fast in demselben Moment, so zeigte sich der Funke. Da aber diese Gleich- zeitigkeit so schwer zu erhalten war, so waͤhlten sie nachher ein anderes Verfahren. Legen sich die beiden Enden des um den Anker gewickelten Drathes, ohne mit dem Anker des Magnetes in leiten- der Verbindung zu stehen, vollkommen leitend an beide Pole des in die Form des Huf-Eisens gekruͤmmten Magnetes an, so ma- chen die electrischen Stroͤme, welche in dem Drathe entstehen, wenn das weiche Eisen ploͤtzlich den Magnet beruͤhrend zum Magnet wird, ihren Kreislauf durch den Drath und den Magnet; richtet man es nun so ein, daß beim Abreißen des Eisens gleichzeitig auch die Enden des Drathes sich vom Magnet trennen, so wird der im Augenblicke des Abreißens entstehende Strom in seinem Uebergange gehindert und schlaͤgt als Funke uͤber. Aussichten auf kuͤnftige Entdeckungen . Die naͤchsten Erweiterungen unserer Kenntnisse, die wir von ferneren Untersuchungen uͤber diese Hervorbringung electrischer Stroͤme durch den Magnet zu erwarten haben, scheinen den bei der Rotation der Metallscheiben in der Naͤhe eines Magnetes her- vortretenden Magnetismus zu betreffen. Schon Faraday und nachher auch Ampère und Nobili haben hierauf ihre Auf- merksamkeit gerichtet, und es erhellt schon jetzt, daß die schnell voruͤbergehenden, nur einen neuen Gleichgewichtszustand der elec- trischen Materien bewirkenden, electrischen Stroͤme, die der Ma- gnet in ruhenden Koͤrpern hervorbringt, uns nicht leicht merklich werden koͤnnen, daß dagegen in einer Metallscheibe, deren einzelne Puncte am Magnete schnell voruͤbergehen, entgegengesetzte elec- trische Stroͤme, damit aber auch sichtbare Einwirkungen auf den Magnet, entstehen muͤssen. In den herannahenden Theilen des bewegten Leiters muͤssen naͤmlich electrische Stroͤme den Umkrei- III. L 1 ungsstroͤmen des Magnets entgegengesetzt, in den sich aus der Ein- wirkung des Magnets entfernenden Theilen muͤssen neue electrische Stroͤme, denen des Magnetes gleichlaufend, hervorgehen; diese muͤssen von der vorangehenden Seite der Scheibe anziehend, von der nachfolgenden Seite abstoßend auf den Magnet wirken; sie muͤssen durch Unterbrechung des Zusammenhanges der Theile in ihrer Wirkung gestoͤrt werden u. s. w. Nobili sowohl als Am- père haben die Erklaͤrungen schon weiter fortgesetzt, aber da die vollstaͤndige Einsicht in alle Umstaͤnde noch mehr Versuche fordert, und Faraday nicht voͤllig mit diesen Folgerungen zufrieden ist, so will ich hier nicht dabei verweilen. Aber noch uͤber einen zweiten Gegenstand duͤrfen wir nun bald besser belehrt zu werden hoffen. Das Nordlicht ist eine leuchtende magnetische Erscheinung, zu der sich bisher keine aͤhnliche in unsern Versuchen fand; jetzt, da wir einen magnetischen Fun- ken kennen, oder den Magnet einen wahren electrischen Funken hervorbringen sehen, scheint es weniger raͤthselhaft, wie ein elec- trisches Licht ganz dem im luftleeren Raume ausstroͤmenden elec- trischen Lichte aͤhnlich, magnetische Wirkungen zeigen und mit den magnetischen Polen der Erde in Beziehung stehen kann. Mit diesen wichtigen Entdeckungen, mit so schoͤnen Aus- sichten auf neue Erweiterungen unserer Kenntnisse schließe ich die Reihe von Betrachtungen, mit welchen ich Sie zu unterhalten mir vorgesetzt hatte. Habe ich gleich aus dem unermeßlichen Reich- thum mannigfaltiger Forschungen Ihnen nur weniges und nur das, was mir zum Uebersehen des ganzen Systemes nothwendig schien, nur die Untersuchungen, die den Zusammenhang der Er- scheinungen am meisten aufklaͤren, mittheilen koͤnnen, habe ich gleich manches Verdienst unerwaͤhnt lassen, und mich begnuͤgen muͤssen, nur diejenigen Entdeckungen in ihrer Entstehung und Ausbildung zu verfolgen, die durch ihren Erfolg vorzugsweise dies zu verdienen scheinen; so hoffe ich doch, daß ich Ihnen Gele- genheit genug gegeben habe, nicht nur den Reichthum der Natur an merkwuͤrdigen Erscheinungen, sondern auch den Scharfsinn man- cher ausgezeichneter Maͤnner zu bewundern und in ihren Bemuͤ- hungen Beispiele des aͤchten philosophischen Forschens, Beispiele, die uns als Vorbilder dienen koͤnnen, zu erkennen. Und was den Erfolg unserer Bemuͤhungen, die Erscheinungen der Natur in ihrem Zusammenhange zu uͤbersehen, die Gesetze ihrer Verbindung kennen zu lernen, betrifft, so habe ich zwar oft das Bekenntniß ablegen muͤssen, daß vieles uns noch dunkel sei, vieles noch zu untersuchen uͤbrig bleibe; aber dennoch hoffe ich sagen zu koͤnnen, daß Sie nicht ohne Freude den Reichthum unserer Kenntnisse, das gelungene Bestreben der Physiker, die Erscheinungen in einem Systeme zu vereinigen, werden kennen gelernt haben, wenn an- ders meine Darstellung nicht zu mangelhaft gewesen ist. Und an die Freude uͤber das, was wir besitzen, knuͤpft sich die Hoffnung auf immer reichere Kenntnisse, auf immer vollendetere Einsicht in die Natur, die, nie erschoͤpft, dem Menschengeschlechte immer neue Wunder darbieten wird. Moͤge nur diese vermehrte Einsicht auch durch weise Anwendung immer mehr zum Wohl der menschlichen Gesellschaft beitragen, moͤge dadurch die Zahl der Leiden, mit denen das menschliche Geschlecht umgeben ist, vermin- dert werden; aber moͤge auch nie die Demuth aus den Herzen der Menschen entweichen, anzuerkennen, daß selbst die groͤßeste menschliche Weisheit nicht zu einer vollkommenen Herrschaft uͤber die Natur fuͤhrt, und daß wir die Heilung zahlreicher Leiden und Gebrechen, welche die Menschheit druͤcken, von keiner irdischen Hand erwarten duͤrfen.