Gedichte von Theodor Fontane . Berlin , Carl Reimarus’ Verlag . W. Ernst. 1851. Seinem Freunde Bernhard von Lepel der Verfasser. Inhalt . Lieder und Sprüche. Seite Guter Rath 3 Der erste Schnee 5 Das Fischermädchen 7 Mein Herz. (1840) 9 Herbstmorgen. (1840) 11 An Marie. (1841) 13 Im Ilsethal. (1841) 15 Der Frühling an den Gefangenen. (Nach d. Engl.) 18 Im Herbst 23 Wunsch 24 Nah und fern 26 Der Kranich 28 Hinaus! 30 Bekenntniß 32 Seite Sonette 34 Nach dem Sturm 40 Alles still! 41 Um Dich 43 Drei-Strophen : Herz, laß dies Zweifeln, laß dies Klauben 44 Ich las: „glückselig sind die Reinen 45 Sag an „es fällt von Deinem Haupte 46 Ach, daß ich Dich so heiß ersehne 47 Zerstoben sind die Wolkenmassen 48 Sei milde stets, und halte fern 49 Es kann die Ehre dieser Welt 50 Tritt ein für Deines Herzens Meinung 51 Du darfst mißmuthig nicht verzagen 52 Du holde Fee, mir treu geblieben 53 Nicht Glückes-bar sind Deine Lenze 54 O glaub, mein Herz ist nicht erkaltet 55 Beutst Du dem Geiste seine Nahrung 56 Du wirst es nie zu Tüchtgem bringen 57 Bilder und Balladen. Der Wettersee 61 Der Wenersee 64 Ein Jäger 68 Seite Das Bristol-Trauerspiel, oder: Charles Bawdin’s Tod. (Nach Thomas Chatterton) 70 Unser Friede 88 John oder Harry? (1844) 91 Junker Dampf 93 Die Strandbuche 96 Eines Vaters Wehklage. (Nach dem Englischen) 100 König Alfred 106 Eromwell’s letzte Nacht 110 Die arme Else 115 Treu-Lischen 118 Schön-Anne 121 Sylvester-Nacht 128 Graf Hohenstein 131 Sittah, die Zigeunerin 137 Maria Stuart’s Weihe 149 Rizzio’s Ermordung 153 Der sterbende Douglas. (Schlacht v. Langside. 1568) 160 Chevy-Chase, oder: Die Jagd im Chevy-Forst. (Nach dem Alt-Englischen) 163 John Gilpin. (Nach William Cowper) 176 Die Bienenschlacht 190 Der Tower-Brand 198 Schloß Eger oder drei böhmischer Grafen Tod 203 Lady Essex. (Fragment) 209 Gelegenheitliches. Seite Einem Todten 221 Einigkeit. 1842. (Bei Gelegenheit des Hamburger Brandes) 225 Shakespeare an einen deutschen Fürsten 228 Rußland. (Einem Freunde, als er nach Moskau übersiedeln wollte) 230 Zu Ida’s Hochzeit 232 An Emilie 235 Zur Verlobung 238 Shakespeare’s Strumpf. (Bei Gelegenheit eines Leipziger Schiller-Festes) 240 An Bettina 243 Rangstreitigkeiten 244 „Von der Tann ist da!“ (Schleswig-Holstein-Lied) 246 Karl Stuart . (Dramatisches Fragment) 251 Ein Ball in Paris 285 Lieder und Sprüche. Guter Rath. An einem Sommermorgen Da nimm den Wanderstab, Es fallen Deine Sorgen Wie Nebel von Dir ab. Des Himmels heitere Bläue Lacht Dir in’s Herz hinein, Und schließt, wie Gottes Treue, Mit seinem Dach Dich ein. 1* Rings Blüthen nur und Triebe Und Halme von Segen schwer, Dir ist als zöge die Liebe Des Weges nebenher. So heimisch alles klinget Als wie im Vaterhaus, Und über die Lerchen schwinget Die Seele sich hinaus. Der erste Schnee. Die Sonne schien, doch Winters Näh’ Verrieth ein Flockenpaar; Es gleicht das erste Flöckchen Schnee Dem ersten weißen Haar. Noch wird — wie wohl von lieber Hand Der erste Schnee dem Haupt — So auch der erste Schnee dem Land Vom Sonnenstrahl geraubt. Doch habet Acht! mit einem Mal Ist Haupt und Erde weiß, Und Freundeshand und Sonnenstrahl Sich nicht zu helfen weiß. Das Fischermädchen. Steht auf sand’gem Dünenrücken Eine Fischerhütt’ am Strand; Abendroth und Netze schmücken Wunderlich die Giebelwand. Drinnen schnurrt das Spinnerädchen, Blaß der Mond in’s Fenster scheint, Still am Herd das Fischermädchen Denkt des letzten Sturms und — weint. Und es klagen ihre Thränen: „Weit der Himmel, tief die See, — Doch noch weiter geht mein Sehnen, Und noch tiefer ist mein Weh.“ Mein Herz . 1840. Der stolzen Sonne, heiß und glühend, Dem stillen Monde trüb und bleich, — Sehnsüchtig tausend Sterne sprühend — Mein Herz, mein Herz ist beiden gleich. Dem Himmel, klar und rein und blauend, Der Wolke, — jetzt gewitterreich Und jetzt in Thränen niederthauend, — Mein Herz, mein Herz ist beiden gleich. Der Nachtigall voll frischer Lieder, Der Rose — blüthen- — dornenreich, Dem Frühling und dem Winter wieder, Mein Herz es ist dem Allen gleich. Nur Einem gleicht es nicht auf Erden: Nie will in seinem kleinen Reich Der langersehnte Friede werden, Drum ist es nie sich selber gleich. Herbstmorgen . 1840. Die Wolken ziehn wie Trauergäste Den Mond zu Grabe zu geleiten; Der Wind durchfegt die starren Aeste, Und sucht ein Blatt aus bessren Zeiten. Die grünen Tannen schaun so düster Auf eine jung-geknickte Eiche, Als blickten trauernde Geschwister Auf der geliebten Schwester Leiche. Schon flattern in der Luft die Raben, Des Winters unheilvolle Boten; Bald wird er tief in Schnee begraben Die Erde — seinen großen Todten. Ein Bach läuft hastig mir zur Seite; Er ahnt des Winters Eisesketten, Und stürzt sich fort und sucht das Weite Als könnt’ ihm Flucht das Leben retten. Da mocht’ ich länger nicht inmitten So todesnaher Oede weilen; Es trieb mich fort, mit hast’gen Schritten Dem flücht’gen Bache nachzueilen. An Marie . 1841. Zur Maria, zur Madonne, Bet’ ich gläubig spät und früh, All mein Sein ist Andachtswonne Vor der himmlischen Marie. Und das Himmelskind Maria’s, Der Erlöser Jesus Christ, Ja, die Liebe — der Messias Endlich mir erschienen ist. Daß Maria doch verbliebe Ihrem Kinde treugesinnt! Tödtet sie in mir die Liebe Kreuzigt sie das eigne Kind. Im Ilsethal . 1841. Hier möcht’ ich wo hüpfend die Wellen Sich stürzen vom Felsgestein, Hier unter dem blauenden Himmel Im Frühling geboren sein. Dann hätte sich, statt eines Priesters, Sobald ich die Sonne erblickt, Die hehre, göttliche Schöpfung Zu meiner Taufe beschickt. Es hätte sich über dem Täufling Gewölbt des Himmels Dom, Die Bäume hätten gerauschet Wie leiser Orgelstrom. Es wäre darinnen erklungen Der Vögel Melodei; Die Felsen hätten gestanden Als ernste Zeugen dabei. Ein Felsblock hätte mich sicher In seinem weiten Schooß Wohl über die Taufe gehalten, Umhüllt von duftigem Moos. Es hätte der Kuß der Sonne Die Stirne mir gesengt, Und mit dem Wasser der Taufe Die Ilse mich besprengt. Die Felsen hätten geschworen Den felsenfesten Schwur: Im Glauben mich groß zu ziehen An Gott in der Natur. Der Frühling an den Gefangnen. (Nach dem Englischen des John Prince.) „O komm, laß uns fliehn, Laß uns jubelnd durchziehn Die wiedererwachte Natur, Die Himmel blaun, Und die Lüfte bethaun Mit Wonneschauern die Flur. Maaßliebchen erscheint, Und das Veilchen weint Wie Thränen der Freude — den Thau, Und’s Bächlein spricht: „ Vergiß-mein-nicht “ In Blumensprache zur Au; — Doch der Sommer ist nah und ich darf nicht verziehn, Komm, zögre nicht länger, komm, komm, laß uns fliehn. „Die Lerche singt Und steiget, und schwingt Sich hoch in den Himmel empor, Und Iris spannt Ueber Meer und Land Ihr farbenschimmerndes Thor. Der Zephyr spielt Und koset und stiehlt Der Rose würzigen Duft, Im Nu durchdringt, Unsichtbar beschwingt Der Blumenathem die Luft; Doch der Sommer ist nah und ich darf nicht verziehn, Komm, zögre nicht länger, komm, komm, laß uns fliehn. „Auf den Bergen thront Und in Thälern wohnt Nun Freiheit wieder und Lust, Es trägt der Strom Des Himmels Dom Gespiegelt an der Brust; Selbst Moor und Bucht, Selbst Fels und Schlucht Im Reize der Jugend erglänzt, Sogar der Quell An waldiger Stell Ist farrenkraut-bekränzt; — Doch der Sommer ist nah und ich darf nicht verziehn, Komm, zögre nicht länger, komm, komm, laß uns fliehn. „Der Bursch umschlingt Sein Liebchen und schwingt Sich fort nach dem Takt der Schalmei, Und wiederhallt Der grünende Wald Die lustige Melodei; Das Alter wird jung, Von Erinnerung Und Frühlingshauch geschwellt, — Der Jugend nur Jung wie die Natur Gehöret im Lenze die Welt; Doch der Sommer ist nah, und ich darf nicht verziehn, Komm, zögre nicht länger, komm, komm, laß uns fliehn.“ Im Herbst . Es fällt das Laub wie Regentropfen So zahllos auf die Stoppelflur; Matt pulst der Bach wie letztes Klopfen Im Todeskampfe der Natur. Still wird’s! und als den tiefen Frieden Ein leises Wehen jetzt durchzog, Da mocht’ es sein, daß abgeschieden Die Erdenseele aufwärts flog. Wunsch . Ich wollte, daß in Sturmesnacht Die Mutter mich zur Welt gebracht, Daß auf das Blitzen rings umher Mein erster Blick gefallen wär’. Ich wollte, daß sie nackt und bloß Gebettet mich in Laub und Moos, Daß Sturm und Donner um die Wett’ Mein Wiegenlied gesungen hätt’. Ich wollte, daß der Hirsch im Tann Mein Spielgenoß als Knabe dann, Daß, über mir, der Sterne Heer Die Bibel mein gewesen wär’. Das Auge hell, im Arme Mark, Frisch wie der Quell, wie Eichen stark, So wär’ ich in das Leben dann Getreten als ein ganzer Mann. Im Busen lebte mir die Kraft, Die Thaten statt der Lieder schafft, Nicht länger säß der gute Will’ Im Winkel drinnen, fromm und still. O wär’ ich stark! nah ist der Streit, Und ganze Männer heischt die Zeit; — Ich wollte, daß in Sturmesnacht Die Mutter mich zur Welt gebracht. 2 Nah und fern. Wenn die Wolken vielgestaltig Sich am Horizonte dehnen, Ueberkommt uns allgewaltig Ihnen nach ein tiefes Sehnen. Aber wenn die stolzen Züge Sich zur Erde niederlassen, War ihr Zauber — eitle Lüge, Sind es graue Nebelmassen. Wenig läßt die Nähe gelten, Tausend Reize hat die Ferne: Selbst die lichtesärmsten Welten, Wandelt sie — in helle Sterne. 2* Der Kranich . Rauh ging der Wind, der Regen troff, Schon war ich naß und kalt; Ich macht’ auf einem Bauerhof Im Schutz des Zaunes Halt. Mit abgestutzten Flügeln schritt Ein Kranich drin umher, Nur seine Sehnsucht trug ihn mit Den Brüdern über’s Meer; Mit seinen Brüdern, deren Zug Jetzt hoch in Lüften stockt, Und deren Schrei auch ihn zum Flug Gen Süden ruft und lockt. Und sieh, er hat sich aufgerafft, Es gilt ja Lenz und Glück; Umsonst, der Schwinge fehlt die Kraft Und ach, er sinkt zurück. Nur Hahn und Huhn zum Schabernack Umkrähn ihn jetzt voll Freud: — Es jubelt stets das Hühnerpack Bei eines Kranichs Leid. Hinaus! Ich bin es satt auf Polstern mich zu dehnen, Es ekelt mich dies weibergleiche Thun, Ich möcht im Kampf anspannen alle Sehnen, Mich müd und matt an die Lafette lehnen, Und käm der Schlaf auf bloßer Erde ruhn. Ich möcht hinaus! umbrüllt von Sturm und Wettern Möcht ich zu Schiff auf hohem Meere sein; Vom Blitz umflammt möcht ich den Mast er- klettern, Und wenn die Wellen unser Schiff zerschmettern, Ein kühner Schwimmer um das Leben frein. Ich möcht hinaus! mag schleudern mich die Reise Wohin sie will, mir gilt es gleich fürwahr; Heraus nur endlich aus dem alten Gleise, Das Leben steigt mit der Gefahr im Preise, — Auf denn, hinaus! zu Thaten und Gefahr. Bekenntniß . Ich bin ein unglückselig Rohr: Gefühle und Gedanken Seh rechts und links, zurück und vor, In jedem Wind, ich schwanken. Bald ist’s im Herzen kirchenstill, Bald schäumt’s wie Saft der Reben, Ich weiß nicht, was ich soll und will; — Es ist ein kläglich Leben! Da liegt nichts zwischen Sein und Tod, Was ich nicht schon erflehte: Heut bitt’ ich um des Glaubens Brod, Daß morgen ich’s zertrete; Was heut ich segne, segn’ ich nicht, Ich werde sein Verflucher, Nach Wahrheit ring’ ich und nach Licht, Und schelt es dann — Versucher. Dich ruf ich, der das Kleinste Du In Deinen Schutz genommen, Gönn meinem Herzen Halt und Ruh, Gott, laß mich nicht verkommen; Leih mir die Kraft, die mir gebricht, Nimm weg, was mich verwirret, Sonst lösch es aus dies Flackerlicht, Das über Sümpfe irret! Sonette . 1. Ein Leben war’s, mit Kolben und mit Knütteln In diesen eitlen Jammer drein zu schlagen, Doch hab ich still ein lästig Joch getragen, Und meiner Pflicht gehorcht und ihren Bütteln. Jetzt aber, wo an Winters Thron zu rütteln, Voll Lerchenschlag, die Frühlingslüfte wagen, Jetzt will auch ich, und müßt’ ich sie zernagen, Die Ketten alle muthig von mir schütteln. Ein Lebewohl — kein Fluch Euch, meine Dränger; Ihr seid geschützt vor meines Zorns Ergüssen, Weil ihr zu klein dem neugebornen Sänger; Er eilt hinaus den jungen Lenz zu küssen, Und kein Gedanke nur gehört Euch länger, Als er Euch selber hat ertragen müssen. 2. Nun kann ich wieder wie die Lüfte schweifen, Am Strom, im Wald auf’s Neue bei den alten Geliebten Plätzen Rast und Andacht halten, Und lächelnd nach der Abendröthe greifen. Dem Markte fern, dem Feilschen und dem Keifen Fühl ich der Seele Schwingen sich entfalten, Mir kehrt die Kraft mein Denken zu gestalten, Der Keim wird stark zur Frucht heranzureifen. Bald werd ich neu zu Freud und Frohsinn taugen; Schon lern ich aus des Frühlings heitren Klängen, Wie süßen Nektar, Lust am Leben saugen; Schon lächl’ ich wieder, statt den Kopf zu hängen, Und zwischen mich und Deine lieben Augen, Seh ich sich fürder keine Wolke drängen. 3. Zur Geltung kommt das kläglichste Gelichter! „Sei Bänkelsänger oder Farbenreiber, Sei Dorfschulmeister oder Eseltreiber, Sei was Du willst, gleichviel! nur sei kein Dichter.“ Verlacht man auch solch Schwatzen geistesschlichter Gevatterschaft, sammt ihrer alten Weiber, ’s greift doch ins Herz, und einen müßgen Schreiber Schilt man sich oft als eigner Splitterrichter. Wenn aber dann nicht Scham ob eitlem Ringen Das heiße Blut ins Antlitz mir getrieben, — Wenn’s Freude war am Schaffen und Gelingen; Dann, während Erd’ und Erdennoth zerstieben, Fühl’ ich mich stark zu allen höchsten Dingen, Und würdig selbst Dein schönes Herz zu lieben. 4. Ich würde mich in Mährchenträumen wiegen, Und lerchenfroh begrüßen jeden Morgen, Könnt’ ich den irdisch’sten der Erdensorgen Gebieten, sich zu Füßen mir zu schmiegen. Mir ist als müßt’ ich durch die Lüfte fliegen, Als würde mir die Freude Flügel borgen, Vermöcht ich je, gleich jenem Sankt Georgen, Die Noth — den ew’gen Drachen zu besiegen. Doch ob das Glück mir auch ein dürrer Bronnen, Und ob ich auch entbehren mag und leiden, Ich habe doch das beste Theil gewonnen. Und sollt’ ich, diese Stunde noch, entscheiden Mich zwischen Dir und einer Welt voll Wonnen, Es bliebe doch beim Alten mit uns Beiden. 5. Es hat das Herz viel Todte zu bestatten! Sie, die gelebt drin und es ganz besessen, Verriethen’s oder lernten’s doch vergessen, Sie wurden kalt, wie heiß geglüht sie hatten. Die Besten selbst, und ob einst ohn’ Ermatten Ihr Lieben sie verschwendrisch zugemessen, Längst pflanzt mein Herz an ihrem Grab Cypressen, Sie leben noch, und wurden dennoch — Schatten. Ein jeder Tag sieht neue Kreuze ragen; Wohl weint das Herz, — doch Mannes-Kraft und Würde Lehrt immer neu geduldiges Entsagen. Nur sollt ich je als schwerste Lebensbürde Auch Dich hinaus auf jenen Friedhof tragen, — Mein Herze fühlt es, daß es brechen würde. Nach dem Sturm. O frage nicht warum noch itzt, Wo mir des Glückes Sonne leuchtet, Der Gram auf meiner Stirne sitzt, Und oftmals mir das Auge feuchtet. Sahst Du das Meer? hoch thürmen dort Auch nach dem Sturm sich noch die Wogen; Die Bäume schau: sie tropfen fort, Wenn längst der Regen weggezogen. Alles still ! Alles still! es tanzt den Reigen Mondenstrahl in Wald und Flur, Und darüber thront das Schweigen Und der Winterhimmel nur. Alles still! vergeblich lauschet Man der Krähe heisrem Schrei, Keiner Fichte Wipfel rauschet Und kein Bächlein summt vorbei. Alles still! die Dorfes-Hütten Sind wie Gräber anzusehn, Die, von Schnee bedeckt, inmitten Eines weiten Friedhofs stehn. Alles still! nichts hör’ ich klopfen Als mein Herze durch die Nacht; — Heiße Thränen niedertropfen Auf die kalte Winterpracht. Um Dich . Storch und Schwalbe sind gekommen, Veilchen auch, die blauen frommen Frühlingsaugen grüßen mich; Aber hin an Lenz und Leben Zieh in Bangen ich und Beben — Um Dich. Ach, um Dich! und doch ich fühle, Träte jetzt die Todeskühle An mein Herz, und riefe mich, Wie ein Kind dann, unter Jammern Würd’ ich mich an’s Leben klammern — Um Dich. Herz, laß dies Zweifeln, laß dies Klauben, Vor dem das Beste selbst zerfällt, Und wahre Dir den Rest von Glauben An Gutes noch in dieser Welt. Schau hin auf eines Weibes Züge, Das lächelnd auf den Säugling blickt, Und fühl’s, es ist nicht alles Lüge, Was uns das Leben bringt und schickt. Und Herze, willst du ganz genesen, Sei selber wahr, sei selber rein! Was wir in Welt und Menschen lesen Ist nur der eigne Wiederschein. Ich las: „glückselig sind die Reinen, Ihr Sinn ist offen Gott zu schaun;“ — Er trieb in reuevollem Weinen Hinaus mich in die Frühlingsaun. Wie schwach sind unsre besten Gaben: Die Liebe strauchelt und die Treu, Das Beste was wir Menschen haben, Ist unser Wolln und unsre Reu. Ich rief zu Gott: „woll Du mich leiten, Die Gnade kennt ja kein Zuspät!“ Da sah ich Ihn vorüberschreiten, Wie Lenz, in stiller Majestät. Sag an „es fällt von Deinem Haupte Kein Haar, von welchem Gott nicht weiß“ — Und was der Tag uns Größres raubte, Das fiele nicht auf Sein Geheiß?! Trag es, wenn seinen Schnee der Winter In unser Hoffen niederstiebt, Ein ganzer Frühling lacht dahinter: Gott züchtigt immer, wen er liebt. Laß in dem Leid, das Er beschieden, Den Keim uns künftgen Glückes schaun, Dann kann der Tag, wo Freud und Frieden In unsrem Herzen Hütten baun. Ach, daß ich Dich so heiß ersehne, Weckt aller Himmel Widerspruch, Und jede neue bittre Thräne Macht tiefer nur den Friedensbruch. Der Götter Ohr ist Keinem offen, Der sich zergrämt in banger Nacht, — Komm Herz, wir wollen gar nichts hoffen, Und sehn ob so das Glück uns lacht. Vergebnes Mühen, eitles Wollen, Die Lippe weiß kaum was sie spricht, Und, nach wie vor, die Thränen rollen Mir über Wang und Angesicht. Zerstoben sind die Wolkenmassen, Die Morgensonn’ in’s Fenster scheint: Nun kann ich wieder mal nicht fassen, Daß ich die Nacht hindurch geweint. Dahin ist alles was mich drückte, Das Aug’ ist klar, der Sinn ist frei, Und was nur je mein Herz entzückte, Tanzt wieder, lachend, mir vorbei. Es grüßt, es nickt; — ich steh betroffen, Geblendet schier von all dem Licht: Das alte, liebe, böse Hoffen — Die Seele läßt es einmal nicht. Sei milde stets, und halte fern Von Hofart Deine Seele, Wir wandeln alle vor dem Herrn Des Wegs in Schuld und Fehle. Woll einen Spruch, woll ein Geheiß Dir in die Seele schärfen: „Es möge, wer sich schuldlos weiß, Den Stein auf Andre werfen.“ Die Tugend, die voll Stolz sich giebt, Ist eitles Selbsterheben; Wer alles Rechte wahrhaft liebt, Weiß Unrecht zu vergeben. 3 Es kann die Ehre dieser Welt Dir keine Ehre geben, Was Dich in Wahrheit hebt und hält Muß in Dir selber leben. Wenn’s Deinem Innersten gebricht An ächten Stolzes Stütze, Ob dann die Welt Dir Beifall spricht Ist all Dir wenig nütze. Das flüchtge Lob, des Tages Ruhm Magst Du dem Eitlen gönnen; Das aber sei dein Heiligthum: „ Dich selber achten können .“ Tritt ein für Deines Herzens Meinung Und fürchte nicht der Feinde Spott, Bekämpfe muthig die Verneinung So Du den Glauben hast an Gott. Wie Luther einst, in festem Sinnen, So sprich auch Du zu Gottes Ehr’: „Ich geh nach Worms, und ob da drinnen Jedweder Stein ein Teufel wär’!“ Und peitscht Dich dann der Witz mit Ruthen, Und hasst man Dich, — o laß, o laß! Mehr noch als Liebe aller Guten, Gilt aller Bösen Hohn und Haß. 3* Du darfst mißmuthig nicht verzagen, In Liebe nicht noch im Gesang, Wenn mal ein allzu kühnes Wagen, Ein Wurf im Wettspiel Dir mißlang. Wes Fuß wär’ niemals fehlgesprungen? Wer lief nicht irr’ auf seinem Lauf? Blick hin auf das, was Dir gelungen, Und richte so dich wieder auf. Vorüber ziehn die trüben Wetter, Es lacht aufs Neu der Sonne Glanz, Und ob verwehn die welken Blätter, Die frischen schlingen sich zum Kranz. Du holde Fee, mir treu geblieben Aus Tagen meiner Kinderzeit, Was hat Dich nun verscheucht, vertrieben Du stille Herzensheiterkeit? Leicht trugst Du, wie mit Wunderhänden, Mich über Gram und Sorge fort, Und selbst aus nackten Felsenwänden Rief Quellen mir Dein Zauberwort. Wo bist Du Fee? aus Deinen Hallen Zieh wieder in mein Herz hinein, Und laß Dein Lächeln wieder fallen Auf meinen Pfad — wie Mondenschein. Nicht Glückes-bar sind Deine Lenze, Du forderst nur des Glücks zu viel; Gieb Deinem Wunsche Maaß und Grenze, Und Dir entgegen kommt das Ziel. Wie dumpfes Unkraut laß vermodern, Was in Dir noch des Glaubens ist: Du hättest doppelt einzufodern Des Lebens Glück, weil Du es bist. Das Glück, kein Reiter wird’s erjagen, Es ist nicht dort, es ist nicht hier; Lern’ überwinden, lern’ entsagen, Und ungeahnt erblüht es Dir. O glaub, mein Herz ist nicht erkaltet, Es glüht in ihm so heiß wie je, Und was ihr drin für Winter haltet, Ist Schein nur, ist gemalter Schnee. Doch, was in alter Lieb’ ich fühle, Verschließ ich jetzt in tiefstem Sinn, Und trag’s nicht fürder in’s Gewühle Der ewig kalten Menschen hin. Ich bin wie Wein der ausgegohren: Er schäumt nicht länger hin und her, Doch was nach Außen er verloren, Hat er an innrem Feuer mehr. Beutst Du dem Geiste seine Nahrung, So laß nicht darben Dein Gemüth, Des Lebens höchste Offenbarung Doch immer aus dem Herzen blüht. Ein Gruß aus frischer Knabenkehle, Ja mehr noch, eines Kindes Lall’n, Kann leuchtender in Deine Seele Wie Weisheit aller Weisen fall’n. Erst unter Kuß und Spiel und Scherzen Erkennst Du ganz was Leben heißt; O lerne denken mit dem Herzen, Und lerne fühlen mit dem Geist. Du wirst es nie zu Tüchtgem bringen Bei Deines Grames Träumerein, Die Thränen lassen nichts gelingen, Wer schaffen will, muß fröhlich sein. Wohl Keime wecken mag der Regen, Der in die Scholle niederbricht, Doch golden Korn und Erndtesegen Reift nur heran bei Sonnenlicht. Bilder und Balladen. Der Wettersee. Die Sonne sinkt in den Wettersee; Da steigt — mit dem Neck und der Wasserfee — Von Gold und Rubin, aus des Seees Gruft, Ein Schloß an die abendgeröthete Luft. Der Mond geht auf; da blassen Rubin und Gold zu Silber und Aquamarin; Und hervor aus dem Schloß, hinaus zum Tanz, Lockt die Nixen der Mondesglanz. Teichrosen flechten sie, draußen im Saal, Um Stirn und Nacken sich allzumal, Als bangte jede, des Mondes Licht Selbst könne bräunen ihr Angesicht. Dann schlingen sie Tänze, dann tönt ihr Gesang Zu Necken’s melodischem Saitenklang, Bis blasser das scheidende Mondlicht blinkt, Und Schloß und Neck und Nixe versinkt. Schon baut ihren finstern Palast die Nacht, Da heult es im Walde, da knickt es und kracht, — Ihren Renner, zottig und grau, Reitet zur Tränke die Haidefrau. Ihr Roß ist ein Wolf, schnell wie der Wind, Blindschleichen die Zügel des Renners sind, Eine Natter ist Peitsche, ein Igel ist Sporn, So jagt sie herbei durch Dickicht und Dorn. Wetteifernd funkelt das Katzengrau Der Augen von Wolf und Haidefrau, Man sieht, bei solchem Blitzen und Sprühn, Die lechzende Zunge des Wolfes glühn. Er trinkt aus dem See, dann lenkt er den Schritt, Und am Ufer entlang geht der nächtliche Ritt, Bis früh am Morgen statt Neck und Fee, Fischer durchfurchen den Wettersee. Der Wenersee. Mit dem Meergott kämpften heißer die Giganten einst, denn je: Siegreich, aus des Nordmeers Armen, rissen sie den Wenersee, Bauten, zwischen Sohn und Vater, einen länder- breiten Damm, Stellten vor das Thor, als Wächter, einen ganzen Felsenkamm. Oft erfasst den See ein Zittern tiefer Sehnsucht, und er lauscht, Wenn’s, gleich fernem Meeresbrausen, in den Tannengipfeln rauscht, Beim Geheul der Wölfe wähnt er, daß die Winds- braut nahe sei, Und im heisren Lied des Hähers hört er nur der Möve Schrei. Frühling wird’s, und dreißig Ströme zahlen plötzlich ihm Tribut, Dreißig Ströme, die sonst meerwärts nieder- stürzten ihre Fluth, Mit der Wasser Steigen steigt auch das Gefühl ihm seiner Kraft, Und dem Freiheitsdrang gesellt sich jetzt der Zorn ob seiner Haft. Hoch schon überragt der Spiegel seiner Fluth den Riesendamm, Zwischen ihm und seiner Heimath hebt sich nur der Felsenkamm, Da in siegessichrem Muthe, ruft er: „Vater, meine Hand Streck’ ich Dir noch heut entgegen durch das felsbewachte Land.“ Und der dreißig Ströme jeden schleudert er als Wurfgeschoß Auf den Wächter, und zertrümmert Haupt und Glieder dem Koloß, Den gewalt’gen Rumpf des Felsens überschäumt sein Wasserschwall, Und zum ersten Mal, zur Tiefe donnert der Trolhätta-Fall. In dem Riesendamme wühlt er sich mit leichter Müh ein Bett, Und das Meer kommt ihm entgegen, und sie graben um die Wett’, Jauchzend reichen Sohn und Vater zum Will- kommen sich die Hand, Felsenglieder, wie Trophäen, decken rings um- her das Land. Ein Jäger . Ich kenn einen Jäger, man heißt ihn „ Tod “: Seine Wang ist blaß, sein Speer ist roth, Sein Forst ist die Welt, er zieht auf die Pirsch, Und jaget Elenn und Edelhirsch. Im Völkerkrieg, auf blutigem Feld, Ist’s wo er sein Kesseltreiben hält; Haß, Ehrsucht und Geizen nach Ruhmesschall Sind Treiber im Dienste des Jägers all’. Nicht fürcht ich ihn selber, wie nah er auch droht, Doch wohl seine Rüden: Gram, Krankheit und Noth, Die Meute, die stückweis das Leben zerfetzt, Und zögernd uns in die Grube hetzt. Das Bristol-Trauerspiel oder Charles Bawdin’s Tod . (Nach Thomas Chatterton.) Aufdämmert der Tag, der Hahn kräht hell, Blaß schimmert des Mondes Horn, Und im Morgenrothe der Tropfen Thau Glitzert am Hagedorn. König Edward aber nicht Hahnenschrei Rief ihn vom Schlummer wach; Drei Raben weckten ihn mit Gekreisch Oben am Wetterdach. Und der König fuhr auf: „beim ewigen Gott, Ich versteh’ euer Mahnen und Schrein; Charles Bawdin, der soll sterben heut Und eure Speise sein!“ Der König rief’s; eine Kanne Wein Leert’ er bis auf den Grund; Ritter Canning stand zu Seiten ihm, — Dem war das Herze wund. Und Canning sprach: „mein König und Herr Vergieße nicht Bawdin’s Blut, Was immer er dir Böses that, Ihm galt es brav und gut. „Dem Lankasterkönig hat er gedient Offen und sonder Scheu, O Herr, an Deinem Feinde auch Ehre Muth und Treu.“ Er sprach’s. Noch schwieg der Ritter kaum, Da zürnet der König und schnaubt: „Eh Sternenschein auf die Erde fällt, Fällt heut Charles Bawdin’s Haupt. „Er war ein Verräther, er hat seine Hand In’s Blut der Yorks getaucht, Nicht eher hab’ ich Rast noch Ruh Bis seines gen Himmel raucht!“ Drauf Canning ernst: „nur Gnade Herr Machet des Siegs Dich werth; Den Oelzweig und die Palme nimm Nicht aber das Racheschwert. „Gedenk, wir Menschen allzumal Sind nur an Sünde groß, Ein Einziger auf Sankt Petri Stuhl Ist schuld- und fleckenlos. „Vergieb! das festiget Dir auf’s Haupt Die kaum gewonnene Kron’, Und trägt Dein Scepter fort und fort Auf Enkel und Enkelsohn; „Doch willst in Haß, mit blutigem Thau Bespritzen Du Dein Kleid, So reißen finstre Mächte Dir Vom Haupte das Goldgeschmeid.“ Der König hört’s. „Fort, Canning, fort! So lange Charles Bawdin lebt Will dürsten ich, und ob am Gaum Mir auch die Zunge klebt. Die Sonne, die da drüben steigt Soll seine letzte sein!“ Der König schwieg, in Cannings Bart Rann eine Thrän’ hinein. 4 Und durch die Gassen, trüben Sinn’s, Alsbald der Ritter schlich; In Bawdin’s Kerker trat er ein, Und weinte bitterlich. Der sah des Alten Herzeleid; Er trat an ihn heran: „Zu sterben, Freund, ist Menschenloos, Was thut es „wie“ und „wann“! „Mir war das Schicksal dieses Tags Von Anbeginn bestimmt; Demüthig trägt ein Christenherz Was Gott ihm schickt und nimmt. „Mir ist der Tod Erlösung nur Von Allem, was ich litt; — Was hast Du, daß in’s Auge Dir Die Mannesthräne tritt?!“ Sprach Canning: „wohl um Deinen Tod Hab ich der Thränen viel, Doch denk ich an Dein Weib und Kind Find ich nicht Maaß nicht Ziel.“ „Dann trockne Dir die Thränen schnell“, — Klang Bawdin’s Stimme da — „Der Wittwen und der Waisen Gott Ist auch den meinen nah. „Mich mag er meucheln der Tyrann, Der frech sich König nennt; Doch weiß ich, daß ihn Gottes Hand Von meinen Kindern trennt. „Und, Canning, ohne Bangen traun Thu’ ich den letzten Gang; Hab ja dem Tod in’s Aug’ gesehn Ein halbes Leben lang. 4* „Wie oft, wenn guten Schwertes Hieb Hell durch die Lüfte pfiff, Und blindlings in die Schlacht hinein Der Tod nach Beute griff, — „Wie oft dann sah er wild mich an! Ich starrt ihm in’s Gesicht; Er hob die Hand zum Speereswurf, — Galt mir’s? ich wußt es nicht. „Und nun, wegwerfen sollt’ ich selbst Des Mannes beste Zier? Im Leben Muth, im Tode Muth Das , Canning, schuld ich mir. „Und schuld es meinem Vater auch; — Der war ein Ritter gut: Rein war sein altes Wappenschild, Und rein sein altes Blut. „Gesetz und Recht, die hielt er fest Im Wirrsal der Parthein; Die schwere Kunst war seine Kunst: Gerecht und mild zu sein. „So war sein Haus: ein offnes Thor, Und offner Tisch dazu; Dem Bettler bot er Speis’ und Trank, Dem Pilger Rast und Ruh. „An seines Namens blanker Ehr’ Hat Schande nie geklebt, Und seiner fleckenlosen Treu Der hab ich nachgestrebt. „Mir lebt ein Weib, ich hab ihr Bett Treubrüchig nie entehrt, — Nie auch von Heinrich’s heil’gem Recht Mich treulos abgekehrt. „Drum geh in Ruh ich diesen Gang, Und, Canning, sterbe gern; Mein Auge wird den Tod nicht sehn Des Königs meines Herrn.“ Charles Bawdin schwieg; — da klang’s herauf Wie Rossesstampfen schon, Die rost’gen Angeln drehten sich Und gaben schrillen Ton. Hell in des Kerkers offne Thür Drang jungen Tages Schein, Und mit dem Licht des Morgens trat Ein weinend Weib herein. Charles Bawdin’s Weib. Der Ritter sprach: „Laß sterben mich in Ruh, Und wende nicht die Seele mein Dem Irdschen wieder zu. „Laß ab! Die Thrän’ in Deinem Aug’ Macht mir das Herze weich, Und wäscht dem frischen Muth in mir Die Wange wieder bleich.“ Er sprach’s und schwieg. Das blasse Weib Sah starr ihm in’s Gesicht, Ihr Ohr vernahm die Worte wohl Und hörte doch sie nicht. Dann rief sie, daß ihr Schmerzensschrei Ihm in die Seele schnitt: „Das Beil, das Deinen Nacken trifft, O träf es doch mich mit!“ Hin sank sie; Bawdin küsste leis Auf Stirne sie und Wang; Dann sprach er: „Schließer, nimm mich hin Auf meinem letzten Gang!“ Er trat hinaus; da stand der Karrn Der sonst nur Schächer trug, Und alsobald zum Richtplatz hin Bewegte sich der Zug. Der Zug war so: der Richter vorn In seines Amts Geschmeid, Hell glitzerte das Quastengold An seinem Scharlachkleid. Zwölf Augustiner kamen dann In härenem Gewand, Mit Rosenkranz und Geißelstrick In recht- und linker Hand. Bußpsalme sangen finster sie In mächtgen Melodien, Und nieder schrillte Glöcklein Klang Vom Thurme Sankt Marien. Den Mönchen folgte, festen Schritts Ein Bogenschützen-Hauf: Die Sennen waren all gespannt, Die Pfeile lagen auf. Wohl mocht ein Rest lankastrisch Volk Den Ritter noch befrein, Es durfte Bawdin’s letzter Gang Der seiner Feinde sein. Dann kam er selbst: zwei Rappen vorn In weißer Decken Putz, Auf ihren Köpfen wiegte sich Ein schwarzer Federstutz. Und wieder dann kam festen Schritts Ein Bogenschützen-Hauf: Die Sennen waren all gespannt, Die Pfeile lagen auf. Zwölf Augustiner wieder dann Mit Psalmesmelodien, — Und immer noch scholl Glöcklein Klang Vom Thurme Sankt Marien. Den Schluß, den machte straßenbreit Des Volkes dicht Gedräng: Von Dach und Fenster folgte man Dem traurigen Gepräng. Und jetzt an Christi Kreuz vorbei Bewegte sich der Zug, Hernieder schaute still das Lamm, Das unsre Sünden trug. Und Bawdin betete und sprach: „Erbarm, o Herr, Dich mein, Und wasch auch meine Seele heut Von ihren Flecken rein!“ Er sprach’s. Der König aber stund An Schlosses Fenster schon, In seinem Antlitz paarte sich Die Rache und der Hohn. Charles Bawdin sah’s; in seinem Karrn Hob er sich stolz empor, Und donnerte mit fester Stimm An König Edwards Ohr: „Verräther, der Du bleibst und bist, Schau nur in Hohn mir zu, Wie klein mich Deine Rache macht Bin größer doch als Du. „Durch Mord und jede faule That Trägst Du die Krone Dein, Doch klebtest Du mit Blut sie fest Wird doch nie Deine sein. „Vernimm: es reift die Frucht heran Vergangner Missethat, Und wie Verrath Dich groß gemacht Wird stürzen Dich Verrath.“ Er rief’s; das klang so fest und klar Zu Edwards Ohr hinauf: Der murmelte, hochroth vor Scham, Zum Richard Gloster drauf: „Traun Bruder, dieses Bawdin’s Wort Ging mir in Herz und Blut; Der Könige König dieser Welt Das ist doch Mannesmuth!“ Er sprach’s; doch Richard Gloster rief Mit tückisch rauhem Ton: „Laß sterben ihn, laß sterben ihn, Die Raben warten schon!“ Hin zog der Zug, dem Schloß vorbei, Sie waren bald zur Stell: Das blanke Beil im Sonnenschein Wie blinkte das so hell. Behangen schwarz war das Schaffott; Charles Bawdin stieg hinauf: Ihm war das Sterben wie Triumph Und stolzer Siegeslauf. Rings stand das Volk; da sprach er laut: „Blutacker bleibt dies Land, So lange Schwert und Scepter bleibt In dieses Edwards Hand. „Vergehn vor Gram wird manches Weib, Und manche junge Braut, Eh’ dieses Land den ersten Strahl Des Friedens wiederschaut.“ Er rief’s; an Priesters Seite dann Hinkniet’ er aufs Schaffott, Und betend, still die Seele sein Empfahl er seinem Gott; Dann aber pressend an den Block Sein Haupt in stolzer Eil, Abschlug ihm das auf einen Hieb Das blanke Henkerbeil. Hinfloß sein Blut; stillweinend stand Das Volk im Kreis umher; Wie viel auch rothen Blutes floß Der Thränen flossen mehr. Der Henker dann, mit scharfer Axt, Viertheilte Bawdin’s Rumpf, Und jeder Theil ward aufgesteckt Auf einen Lanzenstumpf. Der Eine thät als Wetterfahn’ Hoch auf dem Thurm sich drehn; Ein zweiter war als Gitterschmuck Vor Edward’s Schloß zu sehn. Der dritt’ und vierte sammt dem Haupt, Bei Tages erstem Schein, Von dreien Thoren blickten die Weit in das Land hinein. Da wurden sie, bei Tag und Nacht, Umkrächzet und umkreist, Das Raben- und das Krähenvolk Hat alles aufgespeist. Das war das End’ von Bawdin’s Treu, Und seiner Ehren Ziel; — — Gott schenk dem König unsrem Herrn So treuer Diener viel. Unser Friede. Ein Sommertag, wo man zu tiefer Siesta sich verpflichtet hält, Wo Mücken nur und Ungeziefer So recht lebendig in der Welt, Wo giftger Pesthauch auf zum Himmel Aus stehenden Gewässern steigt, In deren Schlamm sich das Gewimmel Vielbeinigen Gewürmes zeigt: Das ist der Friede, der uns schlimmer Als je ein Krieg zu werden droht, Als je ein Krieg, der uns noch immer Ein offen Feld für Thaten bot; Genüssler hegt jetzt unsre Jugend, Und Stockgelehrte allenfalls, Doch jeder Kraft und Männertugend Brach dieser Friede schon den Hals. — Doch wird die Sonn’ erst unerträglich, Und dörrt den Wald, und sengt die Flur, Da hilft sich, auf gut-sommertäglich, Mit einem Schlage die Natur: Die Donnerwolke blitzt und wettert, Und nimmt der Luft den giftgen Hauch, Und wird auch mancher Baum zerschmettert, In faule Sümpfe schlägt es auch. Welch Friede dann , wenn segenstrahlend Die Sonn’ im Westen untergeht, Und dunkle Purpurrosen malend, Der Himmel wie in Flammen steht! Wir baden uns im Hauch der Frische, Wie neugeboren ist das All, Und in des Baumes Blätternische Schlägt lieblicher die Nachtigall. John oder Harry? [ 1844. ] Da drüben an des Rheines Borden, Des Franzmanns ritterlicher Sinn Ruft jenen Percy aus dem Norden, Den Heißsporn immer vor mich hin; Den Heißsporn, der zum Zeitvertreibe Die Schotten dutzendweis erstach, Und jammernd dann zu seinem Weibe Von thatenlosem Dasein sprach. Und seh ich dann auf Polstersitze Dich deutschen Michel hingestreckt: Den Mund voll selbstgefällger Witze, Und in der Hand ’nen Becher Sekt; Wird mir dazu die Augenweide Von Hängebauch und Doppelkinn, Will mir, zu meinem eignen Leide, John Falstaff gar nicht aus dem Sinn. Wie, oder wär dies Locker-leben Der Klugheit Maske nur für Dich? Wirst Du Dich aus dem Schlamm erheben Wie Harry Monmouth ritterlich? Wirst Du dereinst in Schlachtentänzen, Bei Shrewsbury, auf blutgem Feld Mit Percy’s Lorbeer Dich bekränzen? Dann grüß Dich Gott, Du Zukunftsheld. Junker Dampf. Aus einem edlen Stamme Entsproß der Junker Dampf: Das Wasser und die Flamme Erzeugten ihn im Kampf; Doch hin und her getragen, Ein Spielball jedem Wind, Schien aus der Art geschlagen Das Elementenkind. Ja, frei an Füß’ und Händen Ist er ein lockrer Fant, Doch hinter Kerkerwänden Da wird er ein Gigant: In tausend Trümmerreste Zerschlägt er jede Haft, Mit ihrer Dicht’ und Feste Wächst seine Riesenkraft. Selbst da, wo seiner Zelle Ein schmales Pförtchen blieb, Ringt er nach Luft und Helle Mit solchem Sturmestrieb, Daß, wenn ihn beim Entwischen Des Thores Enge hemmt, Den Kerker, unter Zischen, Er auf die Schulter klemmt; Und so, trotz eh’rner Fessel An Füßen noch und Hand, Reißt er den Kerkerkessel Im Fluge mit durch’s Land, Reißt ganze Häuserreihen Mit fort, wie Wirbelwind, Bis wieder er im Freien Nichts, als — ein spielend Kind. Die Strandbuche. Hoch auf meerumbrauster Düne ragt in voller Maienpracht Eine Buche; „Mutter — ruft sie — wieder kam das Meer bei Nacht, Wieder hat’s aus grünem Seetang viel der Kränze mir geschlungen, Hat mir Bernsteinschmuck gespendet, und von Liebe viel gesungen. „Mutter, schilt es nicht Verführer, sag nicht, daß es treulos wär’, Treulos ist allein die Schwäche und gewaltig ist das Meer, Hieltest Du mich nicht umklammert, Mutter Erde, liebestrunken Wär ich Nachts, als es mich lockte, hin an seine Brust gesunken.“ „„Sturm herbei!““ rief wild-aufjauchzend jetzt das liebesichre Meer, Und auf hundert Wolkenrossen jagte schnaubend er einher; „„Auf! entwurzle mir die Buche, ’s gilt der Sehn- sucht Schmerz zu kürzen, Wär sie frei, sie würde selber sich in meine Arme stürzen. 5 „„Arme Thörin, die des Meeres eitlen Liebes- schwüren traut! Jeder Tanne spend ich Bernstein, jede Buche nenn ich Braut; Nicht um unerfüllte Hoffnung um betrogne sollst Du trauern, Und der Liebe Wonne wird Dich bald wie Todes- frost durchschauern.““ Tiefes Schweigen; — aber plötzlich kracht die Buche, sturmgepackt, Blätterstiebend stürzt sie nieder wie ein grüner Katarakt; Laut erbrausend heißt sein neues Opfer jetzt das Meer willkommen, Hochaufschäumend hat’s der Riese an die Wellen- brust genommen. „Weh, halt ein in Deinem Rasen, das mich zu vernichten droht, So entblättert nicht die Liebe, so entblättert nur der Tod!“ Doch die Leidenschaft des Riesen kennet nicht der Lieb’ Erbarmen, Und er spielt mit seinem Opfer, bis es todt in seinen Armen. Aber dann, als ob er Abscheu gegen eine Leiche fühlt, Hat er seiner Lüste Spielzeug wieder an den Strand gespült; An dem Fuß der Düne, deren Gipfel einst der Baum beschattet, Hat die alte Mutter Erde ihr entführtes Kind bestattet. 5* Eines Vaters Wehklage. (Nach dem Englischen des John Prince. Ein Fabrikarbeiter in Manchester. Hell schien der Mond, und seinen blassen Schimmer Ausweinend in mein kümmerliches Zimmer, Verlieh er drin viel silberfarbnen Duft Der schlummerstillen, träumerischen Luft. Da war’s, da klopfte, weh mir! an mein Fenster Das schrecklich räthselvollste der Gespenster, Da hat der Tod, ich war umsonst verschanzt, An meinem Herd sein Banner aufgepflanzt. O Trauertag! die letzte seiner Stunden Schlug meinem Herzen unheilbare Wunden: Der Blume gleich, die schon im Lenz geknickt, Hab ich in ihr mein sterbend Kind erblickt. Noch hielt ich zitternd es auf meinen Knien, Als es vom Tode schon gestempelt schien, Und als sein liebes, liebes Auge brach, Sein letzter Seufzer mir zum Herzen sprach, Entflohen war, still ohne Kampf, sein Geist, Da fühlt ich mich auf immerdar verwaist. Bald ward er, den gehegt ich und gepflegt, Sanft schlummernd in sein Erdenbett gelegt; Mitleidge Seelen schlossen einen Kreis, Still betend standen sie, und weinten leis. Der Pfarrer sprach; ich aber hörte nur Den einen dumpfen Ton, der klanglos schwur: „Wirst deinen Liebling hier nicht wiedersehn! Bald ist der Liebe letzter Dienst geschehn.“ Dann schlich, oft rückwärts schauend, ich von dannen, Im Weltgewühl den Schmerz zu übermannen. Ja, du mein Trost und deiner Mutter Stolz, Die, wenn du krank, in Thränen schon zerschmolz, Du bist dahin! doch ward dir eine Welt, Wo man der Tugend keine Netze stellt. Du darfst im Licht und in der Wahrheit sein, Derweil ich hier gefangen und allein, Allein! der Barke gleich, auf offnen Meeren, Wenn sich die Elemente rings empören; Allein! ein Harfenspiel, das halb zertrümmert, Nur fürder noch in Klagetönen wimmert. Ich traure heimlich: würde sonst ja mehren Die Qualen, die an deiner Mutter zehren, Den tiefen Schmerz, um den sie seufzt und weint, Der ausgeprägt in jedem Zug erscheint. Oft am Kamine sitzen wir zusammen, Und schauen, dein gedenkend, in die Flammen, Und sprechen von der Wangenröthe — ach! Die langes Leben lügnerisch versprach. Wir denken jedes Blicks und Wortes dann, Das, zu dem Herzen sprechend, dir’s gewann, Und schaun die Schätze an, die schon seit Jahren Die Quelle deiner Kinderfreude waren, Und die wir hüten nun, dem Geizhals gleich, (Dein Kleid, dein Spielzeug macht uns überreich!) Bis wenn sie leichter wird die Herzenslast, Zur Ruh wir gehen, oder doch — zur Rast. Zu küssen früh dein schlummernd Augenpaar, Zu herzen dich, wenn heimgekehrt ich war, Beim Spiele zu hören dich, dein herzlich Lachen, Und Sonntags deine Schritte zu bewachen, — s’ war schön! schön wenn du kindlich mir entdeckt Auf meinem Schooß, was dich erfreut, erschreckt; Wenn ich die Dämmrung der Gedanken klärte, Und dich die Macht der Wissenschaften lehrte. Das war mein Wunsch: dein kindlich frommes Walten, Die reine Seele rein dir zu erhalten, Zu leiten deine Schritte, bis die Tugend Dich wahre vor dem Flattersinn der Jugend, Und so , geschützt vor des Versuchers Stricken, Wollt’ ich in’s Weltgewühl hinaus dich schicken. Dann wollt’ ich sterben; und zum Vatersegen Im Todeskampf die Lippen noch bewegen, Fest überzeugt, du werdest einst erscheinen An deines Vaters schlichtem Grab zu weinen. So war mein Wunsch; doch wollte Gott mir zeigen Wie wenig Weisheit unsrem Wissen eigen; So war mein Wunsch; doch anders war Sein Sinn, Und fühlen muß ich, wie so klein ich bin. Was klag ich auch! Gott rief dich aus dem Leben Des Himmels ewge Freuden dir zu geben; Hier aber sei mit nimmermüder Hand Dem Schwesterlein die Liebe zugewandt, Die — säßest du noch auf des Vaters Knien — Für dich mein Sohn wie aufbewahrt erschien’. Die eine Hoffnung bleibt mir auf der Welt: Daß wenn dereinst die Erdenhülle fällt, Wenn Gott mich ruft, auch mich, vor seinen Thron, Ich wiederfinde meinen Herzenssohn. König Alfred. Der Däne haust mit Mord und Brand In Wessex und Northumberland: Held Alfred irrt im eignen Reich Umher, dem flüchtgen Hirsche gleich. Bei Wolf und Elen tief im Wald, Da nimmt er seinen Aufenthalt, Da sammelt er, im Schutz der Nacht, Ein neues Heer zu neuer Schlacht. Und als die Seinen kampfbereit, Da legt er an ein Harfnerkleid: In’s Dänenlager will er gehn Des Feindes Schwächen auszuspähn. Schon tritt er kühn, die Harf’ im Arm, Vor König Guthrums Zecherschwarm, Bald in der Becher Kling und Klang Tönt König Alfreds Schlachtgesang. Er singt von jenem Zechermahl, Wo statt der Becher Stahl an Stahl In Lüften klirrt, und Schild an Schild, — Wo Blut statt Wein in Strömen quillt. Er singt von jenem Zechermahl, Wo „ Tod “ den schäumenden Pokal Kredenzt, und jeder der da trinkt Für alle Zeit zu Boden sinkt. Von seiner Ahnen Kraft und Krieg, Von Hengist und dem Stamford-Sieg, Von Eglesford, wo Horsa fiel, — Singt er ein Lied zum Saitenspiel. Der Dänenkönig aber lacht Wohl ob der Sachsen Muth und Macht, Er lacht, und hört nicht wie das Lied Der Raben schon die Luft durchzieht. Er zecht und jubelt noch im Zelt, Als schon der siegessichre Held Mit Schild und Speer in’s Lager dringt, Und neue Schlachtgesänge singt. Und wilder jetzt in Feindesreihn Greift er, als in die Harf’ hinein, Und spielt, daß Sait’ um Saite springt, Und Schrei um Schrei gen Himmel dringt. Des Liedes lacht der Däne nicht, Das klingenscharf zum Herzen spricht, Gen Jütland jagt es über’s Meer Ihn, ohne Rast und — ohne Heer. In Wessex und Northumberland Herrscht wieder König Alfreds Hand, Und heimwärts lenkt des Dänen Kiel, Denkt er an Alfreds Saitenspiel. Cromwell’s letzte Nacht. Mir sagt’s nicht nur des Arztes ernste Miene, Selbst fühl’ ich’s, meine Stunden sind gezählt. Der tolle Traum, der mich vom Lager schreckte, Er war nicht Ausgeburt des heißen Hirns, Auch Stimme nicht des mahnenden Gewissens, Er war ein Ruf aus einer andren Welt Zum Hintritt vor den Richter mich zu rüsten. Ein toller Traum! wüßt ich, in nächster Nacht Wird dir der Schlaf ein gleiches Schreckniß bringen, So möchte diese Stunde noch der Tod Statt jenes Stuart an mein Lager treten. Ernst stand er vor mir; um den nackten Hals Trug, statt des Schmucks, er einen rothen Streifen, Und als er, wie vordem, zu leichtem Gruß Nach dem Barett auf seinem Haupte fasste, Nahm er den Kopf von seinem blutgen Rumpf, Mein Auge schloß sich; als ich’s scheu geöffnet Sah wieder ich den purpurfarbnen Streifen, Er winkte mit dem Finger mir, zu folgen, Und schwand dann, rückwärts schreitend, in der Thür. Was schreckt das Traumbild mich des todten Mannes Und weckt in mir den alten Aberglauben An eines Königs Unverletzlichkeit? Das Schwert des Henkers wär’ wie Glas zer- sprungen, Wenn Gottes Will’ ihn unverletzlich schuf. Was ist die Unantastbarkeit des Königs? Nichts als ein Vorrecht, das die Zeit ihm leiht: Sein Urahn, ein Eroberer und Mörder Ist der Begründer all der Heiligkeit. Der kühne Normann, der bei Hastingsfield Den König Harald in den Staub geworfen, Was war er Bessres als der Cromwell heut, Der jenen Carl bei Marston-Moor geschlagen? Es soll nicht mehr sein blutig Haupt mich schrecken! Es lebt in mir: ich war ein Gotteswerkzeug, Und auserwählt zu retten und zu strafen. Ich sah das Schiff, vom Sturm umhergeschlagen, Der Klippe nah, dran es zerschellen mußte: Ich sprang hinzu, von seinem Platze drängt ich Den schwachen Steurer, und mit sichrer Hand Lenkt ich das Schiff, als Lootse, in den Hafen. Es war noch immer, galt’s ein Volk zu retten, Das Recht des Stärkern nicht das schlechtste Recht. Daß ich mein Thun mit seinem Tod besiegelt, Es war Nothwendigkeit; er mußte sterben, Es war sein Blut der Mörtel meines Bau’s. Wenn in die Sendung, die an mich ergangen, Ich Selbstsucht, Stolz und Eitelkeit gemischt, So weißt Du Gott, der meine Nächte kennet, Wie für mein Unrecht bitter ich gebüßt. Mein Leben war das Leben des Tyrannen, Ob nimmer auch in Blut ich mich gebadet, Haß fand ich dort, wo festen Arms ich drückte, Und Eifersucht , wo milden Arms ich hob. Erfüllt ist meine Sendung; Gott, ich wollte Des Mannes Blut wär nicht an meinen Händen! Hab’ ich gefehlt, sei mir ein gnädger Richter, — In Deine Hand befehl’ ich meinen Geist. Die arme Else. Die Mutter spricht: „lieb Else mein, Du mußt nicht lange wählen; Man lebt sich in einander ein, Auch ohne Liebesquälen; Manch’ Eine nahm schon ihren Mann, Daß sie nicht sitzen bliebe, Und dünkte sich im Himmel dann, Und alles ohne Liebe.“ Jung-Else hört’s und schloß das Band, Das ewge am Altare, Es nahm, zur Nacht, des Gatten Hand Den Kranz aus ihrem Haare; Ihr war zu Sinn, als ob der Tod Sie auf die Schlachtbank triebe, — Sie gab ihr Alles nach — Gebot, Und alles ohne Liebe. Der Mann ist schlecht, er liebt das Spiel, Und guten Trunk nicht minder, Sein Weib zu Hause weint zu viel, Und ewig schrein die Kinder; Spät kommt er heim, er kost, er — schlägt, Nachgiebig jedem Triebe, — Sie trägt’s, wie nur die Liebe trägt, Und alles ohne Liebe. Sie wünscht’ sich oft: „es wär’ vorbei“, Wenn nicht die Kinder wären; So aber sucht sie, stets auf’s Neu, Den Gatten zu bekehren; Sie schmeichelt ihm, und ob er dann Auch kalt bei Seit’ sie schiebe, Sie nennt ihn: ihren liebsten Mann, Und alles ohne Liebe. Treu-Lischen . „Mein Lischen, stell das Weinen ein, Auf Regen folgt ja Sonnenschein, Ich kehr’ mit Schwalb’ und Flieder Und wohl noch früher wieder.“ Der Bursche sprach’s. Vom Giebeldach Sah ihm Treu-Lischen lange nach, Bis Hoffnung wiederkehrte Und ihren Thränen wehrte. Die Aeuglein wurden wieder klar, Das Herze jeden Kummers bar, — Sie wußte, mit dem Flieder Kam ihr der Liebste wieder. Der Frühling kam mit Duft und Klang, Treu-Lischen harrte mondenlang, Herbstwind durchfuhr den Garten, — Vergeblich war ihr Warten. Wohl kam der Frühling viele Mal, Ihr Liebster nimmermehr in’s Thal, Doch Lenz um Lenz auf’s Neue, Rief sie: „nun kommt der Treue!“ Es konnt ihr Herz, das Jahr um Jahr Dem Liebsten treu geblieben war, Es konnt’s ihr Herz nicht fassen, Er habe sie verlassen. Grau ward ihr Haar, welk ihr Gesicht, Das Alter kam, sie wußt’ es nicht, Ihr Hoffen und ihr Lieben, Ihr Herz war jung geblieben. Und als der Tod sie heimgeführt, Hat ihn das treue Herz gerührt, Und mit des Liebsten Mienen Ist er vor ihr erschienen. Schön-Anne . 1. Schön-Anne strählt ihr schwarzes Haar, Und hängt den Kopf in Trauer; Sie spricht: „heut werd’ ich zwanzig Jahr Und Jugend hat nicht Dauer; Wenn ich ein Herz noch finden soll, Recht wie mein eignes liebevoll, So muß ich’s balde finden.“ 6 Der Tag ist um; neugierig-bang Legt Anne sich die Karten: „Ein Jahr noch!“ ach, es ist so lang Bis über’s Jahr zu warten; Sie seufzet: „wär’ erst wieder Mai, Nicht eher athm’ ich froh und frei, Bis ich ein Herz gefunden.“ Das Jahr ist um, der Mai ist da Mit seinen Blumen allen, Wohl mochte Manchem, der sie sah, Die hübsche Dirn’ gefallen; Doch Anne war ein Waisenkind, Und wo nicht Hof und Truhe sind, Da hat die Lieb’ ein Ende. Das Jahr ist um, und Anne spricht: „Gott, diese Herzensleere Trag ich geduldig länger nicht, Und kostet’s Ruf und Ehre; Die Eltern hab ich kaum gekannt, Niemals ein Herze mein genannt, — Ich will ein Herz besitzen. Und als der Sonntag Abend kam Da ging sie hin zum Tanze, Sie fragte nichts nach Schand’ und Scham, Und nichts nach ihrem Kranze, — Sie suchte sich den Hübsch’sten aus, Und nahm ihn keck mit sich nach Haus; — Es war ihr fester Wille. 6* „Ich hab ein Recht!“ der eitle Wahn Ließ keinen Spott sie scheuen, Sie sprach: „ich weiß, was ich gethan, Und nimmer soll’s mich reuen; Was mir das Leben schuldig ist, Das soll mir nun in kurzer Frist Mein eigen Kind bezahlen.“ 2. Und über’s Dorf ging Jahr um Jahr, Aufschoß manch schlanke Tanne, Sie aber, die „Schön-Anne“ war, Heißt lang nun „Mutter Anne“; Jetzt, wenn im Krug brav Tänzer sind, Geht schon der schönen Anne Kind , Im Sonntagsschmuck zu Tanze. Was weint die Mutter Anne so, Und stützt den Kopf in Sorgen? Schlägt ihr das Mutterherz nicht froh An jedem neuen Morgen? Die Tochter kommt vom Tanz nach Haus, Die Mutter spricht: „bliebst lange aus, Kind, halte Dich in Ehren!“ Die Tochter zieht ein schnippsch Gesicht, Und spricht: „laß mich nur machen! Ich dächt, ich hielt’ auf Ehr und Pflicht, Und — kann mich selbst bewachen; Und wenn ich leicht und locker wär’, Es käm wohl nicht von ungefähr, Hat alles seine Gründe. „Du sagst mir oft, mein Vater sei Vor Jahren schon gestorben, Doch hat mir manche Neckerei Den Glauben dran verdorben; Wohl schuld ich dieses Leben Dir, Doch, weiß es Gott, oft wünsch ich mir, Ich wäre nicht geboren.“ Sie spricht’s, ihr schwarzes Auge glüht, Die Thür ist zugeflogen, Und um die letzte Hoffnung sieht Arm-Anne sich betrogen; Sie seufzt: „das also ist der Lohn, Um den ich allen Spott und Hohn Mein Lebelang getragen!“ Dann aber betet sie bewegt: „Gott, es ist mein Verschulden! Was uns Dein Wille auferlegt Geziemet uns zu dulden; — Entsagen kann die wahre Lieb’, Es war die Selbstsucht die mich trieb, Und bitter muß ich’s büßen.“ Sylvester-Nacht. Das Dorf ist still, still ist die Nacht, Die Mutter schläft, die Tochter wacht, Sie deckt den Tisch, sie deckt für zwei, Und sehnt die Mitternacht herbei. Wem gilt die Unruh? wem die Hast? Wer ist der mitternächtge Gast? Ob ihr sie fragt, sie kennt ihn nicht, Sie weiß nur, was die Sage spricht. Die spricht: wenn wo ein Mädchen wacht Um zwölf in der Sylvesternacht, Und wenn sie deckt den Tisch für zwei, Gewahrt sie, wer ihr Künftger sei. Und hätt’ ihn nie gesehn die Maid, Und wär’ er hundert Meilen weit, Er tritt herein, und schickt sich an, Und ißt und trinkt, und scheidet dann. — Zwölf schlägt die Uhr, sie horcht erschreckt, Sie wollt’ ihr Tisch wär’ ungedeckt, Es überfällt sie Angst und Graun, Sie will den Bräutigam nicht schaun. Fort setzt der Zeiger seinen Lauf, — Niemand tritt ein, — sie athmet auf, — Sie starrt nicht länger auf die Thür, — Herr Gott, da sitzt er neben ihr. Sein Aug’ ist glüh, blaß sein Gesicht, Sie sah ihn all’ ihr Lebtag nicht, Er blitzt sie an, und schenket ein, Und spricht: „heut Nacht noch bist du mein. Ich bin ein stürmischer Gesell, Ich wähle rasch, und freie schnell, Ich bin der Bräutgam, Du die Braut, Und bin der Priester, der uns traut.“ Er fasst sie um, — ein einzger Schrei; Die Mutter hört’s, sie kommt herbei; Zu spät, — verschüttet liegt der Wein, — Todt ist die Tochter, und — allein. Graf Hohenstein. 1. Der junge Graf von Hohenstein War sonst kein Waidgeselle, Was hält sein Roß tagaus, tagein Jetzt an des Försters Schwelle? Er trägt kein Hüfthorn um den Leib, — Was will der Graf erjagen? Ihr müßt des Försters junges Weib, Die schöne Gertrud fragen. Die schöne Gertrud horcht gespannt Bei Dämmerschein, im Garten; Durch ihre Brust zieht, Hand in Hand, Ein Bangen und Erwarten; Da schallt ein Huf, der Hund schlägt an, Sie spricht: „Gott, hab Erbarmen!“ Und eh sie weiter beten kann, Hält sie der Graf in Armen. Er spricht: „nun halt’ es endlich mir, Was Du mir oft versprochen, Mir ist die Zeit seit Monden schier Auf Schnecken fortgekrochen; Sprich nicht, auf’s Neue, hin und her Von Schwur, Altar und Treue, — Die Treu’ ist eine alte Mähr’, Und Schwachheit ist die Reue.“ Er spricht’s, und als die Nacht erscheint Da hat das Spiel ein Ende, Fortjagt der Graf, Schön-Gertrud weint, Und ringt die sündgen Hände; Ihr Mann kehrt heim mit Gruß und Kuß, Wie Abschied er genommen, Sie heuchelt, weil sie heucheln muß, Und heißt ihn froh willkommen. — Ein Jahr und wenig Tage sind’s, Der Graf zieht andre Fährte, Zur Taufe nur des Försterkinds ’nen Becher Wein er leerte. Der Wein war nüchtern wie die Leut’, Und konnt ihn wenig laben, Nur mocht an Försters Vaterfreud’ Er seine Freude haben. 2. Manch Jahr, in immer schnellrer Flucht, Ist hin in’s Land gegangen, Längst hält der Graf, in Sitt’ und Zucht, Ein jung Gemahl umfangen; In ihrem Aug’ ist andres nicht Wie Lieb und Treu zu schauen, Doch keinem Engelsangesicht Vermöcht er zu vertrauen. Er schläft: — auffährt er aus dem Traum, Er bebt an Seel’ und Leibe, Todblaß, die Füße wollen kaum, Schleicht er zu seinem Weibe; Er lauscht, und als er vor ihr steht, Was hört er? seinen Namen; Ihr Träumen war ein fromm Gebet, Vernehmlich sprach sie: Amen! Er reitet einsam in den Wald, Und sinnt, und — muß erbleichen: Er drückt dem Renner allsobald Die Sporen in die Weichen, Er fliegt nach Haus, auf seinem Roß, Im Wettlauf mit dem Winde, — Und findet — spielend vor dem Schloß, Sein Weib mit seinem Kinde. Oft läßt er selbst, auf seinen Knien, Den hübschen Blondkopf schaukeln, Bis plötzlich tolle Bilder ihn, Wie hergeweht, umgaukeln: Des Kindes Augen sind so blau, Und schwarz sind doch die seinen, — Er stößt es fort, und murmelt rauh: „Was kümmert mich sein Weinen?“ Einst als sein Roß, im Walde draus Gar alten Weg genommen, Ist an des Försters stillem Haus Der Graf vorbeigekommen; Er sprach: „die Treu ist keine Mähr’; — Ich hab ihr Band zerrissen, Nun treibt mich ruhelos umher Ein strafendes Gewissen.“ Sittah, die Zigeunerin. 1. Im Hochgebirg von Cumberland, Zu Füßen einer Felsenwand, Streckt wegesmüd und sonn-ermattet, Von wenig Kiefern nur beschattet, Und von der Armuth nur bewacht, Ein Trupp Zigeuner sich zur Nacht Vor ihnen breitet seine Fluth Ein Bergsee bis an Schottlands Grenze, Und Abendroth-geflochtne Kränze Bespiegeln drinnen ihre Gluth. Des Seees märchenhafte Schöne Ergreift selbst die Zigeunersöhne, Für deren Auge die Natur Der Anblick eines Freundes nur, Den man vieltausendmal betrachtet, Und nichts Besondres mehr erachtet, Bis, wenn er dann urplötzlich fehlt, Die Lieb’ uns doppelt stark beseelt. Doch seltner spiegeln jetzt und blasser Des Himmels Rosen sich im Wasser, Und herwärts, von dem See zur Kluft, Weht kühler schon die Abendluft. Da nimmt das Träumen schnell ein Ende, Geschäftig regen sich die Hände, Und Alt und Jung, und Klein und Groß, Schafft Holz herbei, und Laub und Moos. Der Eine sucht in seiner Tasche Den Stahl, daraus er Funken weckt, Doch eines Andern Tabacksasche Hat schon das Laub in Brand gesteckt. Schon wirft die Flamme rothe Lichter Auf ihre bräunlichen Gesichter; Schon rupft man das gestohlne Huhn, Und eilt, es in den Topf zu thun; Da, während’s drinnen kocht und siedet, Greift einer nach dem Tambourin, Ob immer hungrig und ermüdet, Sie fliegen all zum Tanze hin; Die Augen glühn, die Pfeifen dampfen, Und immer lauter wird gepocht, Und während sie den Boden stampfen, Des Pachters Huhn im Topfe kocht. Der Tanz ist aus; bei frohem Mahle Beschließen sie den frohen Tag, Und aus des Seees weiter Schale Trinkt Jeder, was er trinken mag. Schlicht ist der Trunk, die Hirsche dürfen Ihn theilen an derselben Stell’, Doch läßt sich mehr als Wasser schlürfen Aus Bergessee und Waldesquell; Sie trinken, mit dem Trunk der Rehe, Die Lust in’s tiefste Herz hinein, In ungetrübter Gottesnähe, Und frei, wie Hirsch und Reh zu sein. 2. Noch eh’ die Sonn’ heraufgezogen, Sind die Zigeuner ausgeflogen. Als Kesselflicker, Rattenfänger, Hanswurst, Prophet und Bänkelsänger, — Der Eine rechts, der Andere links, Zog Alles in die Dörfer rings. Nur eine Alte, welk und braun, Und unerquicklich anzuschaun, Auf deren Antlitz, vielerfahren, Sich List und Herzensgüte paaren, Sucht noch, mit ihren gelben Händen, Schön-Sittah’s Anzug zu vollenden. Zwölf Jahre mocht’ die Kleine zählen, Und während das Zigeunerweib Sich eilt ihr schwarzes Haar zu strählen, Schwatzt sie zu Sittah’s Zeitvertreib: „Die Flechte noch, — mein Herzenskind, Dann auf, in’s nächste Dorf, geschwind, Dort mach’, auf jedem Pachterhofe, Dich flugs an Tochter oder Zofe; Nimm, wenn sich keine Karte fand, Die Heirathslustge bei der Hand, Und sag ihr, noch in diesem Jahre, Führ’ sie der Liebste zum Altare. Kann sein, es leuchtet ihr nicht ein, Doch denkt sie drum, es könnte sein. Vor allen aber achte schlau, Ob eine junge Pachtersfrau Vielleicht um Kinder, im Gebet Seit lange schon vergeblich fleht, — Und Herzchen, hast du die gefunden, So sag der Aermsten, unumwunden, Daß eh’ der Kuckuk wiederkehre, Ein Kindlein ihr geboren wäre; — Sie mag dann sehn ihr Glück zu haschen, — Wir aber kriegen volle Taschen.“ Die Alte spricht’s, die Kleine lauscht, Die letzte Flechte wird beendet, Und als sie Gruß und Kuß getauscht, Hat Sittah sich in’s Dorf gewendet. Ob sie der jungen Pachterfrau Ihr unfehlbares Schicksal lehrte, — Erfahren hat man’s nie genau; Doch als sie Abends heimwärts kehrte Und dicht an eines Abgrunds Rand, An dem der schmale Pfad sich wand, In heitrem Muth vorüberschritt, — Nahm sie ein volles Täschchen mit. Die Dornen hatten sie geritzt, Der weite Weg ihr Blut erhitzt, Sie hätt’ ’nen Tag von ihrem Leben Für wenig Wasser hingegeben. So eilt den Felsweg sie entlang; Da fordert schier, am Bergeshang, Ein Brombeerstrauch mit schwarzen Beeren, Sie gastlich auf doch einzukehren. Die Lust ist groß davon zu pflücken, Und abwärts gleitend auf dem Rücken, Labt sie sich mit des Durstes Gier, — — Da weicht der Boden unter ihr. Umsonst, daß sie mit beiden Händen, Selbst an des Felsens harten Wänden Sich krampfhaft anzuklammern sucht, — Sie stürzt hinunter in die Schlucht. 3. Gefolgt von seinen Meutehunden, Hat aus dem nahgelegnen Schloß Der Graf, mit seinem Dienertroß, Das Kind, besinnungslos, gefunden. Doch wenig Wein auf Brust und Stirn, Läßt bald die Pulse wieder schlagen, Und heim wird die Zigeuner-Dirn Zu neuem Lebenslauf getragen. 4. Die Jahre fliehn; der Spielgenoß Von Hirsch und Reh, von Quell und Wind, Ist jetzt, auf seines Retters Schloß, Des kinderlosen Grafen Kind; — Schön, und erkoren Lieb’ und Land Des alten Grafen einst zu erben, Sieht man um Sittah’s Herz und Hand Des Landes stolzen Adel werben. 5. Von Gästen wimmelt Hof und Halle, Aus Küch’ und Keller lärmt es laut, Bei Gläserklang und Liederschalle Trinkt man das Wohl der jungen Braut. Schon an der Festestafel oben, Gestützt auf ihres Gatten Arm, Hat Sittah lächelnd sich erhoben, Und grüßt der Gäste lauten Schwarm; — Da plötzlich schallen wilde Töne Im Hofe drunten am Portal, Und Lieder der Zigeunersöhne Ziehn durch den hochzeitlichen Saal. 7 Sie tönen lauter schon — und wilder Saust in der Luft das Tambourin, Da treten halbvergeßne Bilder Auf’s Neu vor Sittah’s Seele hin. Sie ruht, wie sonst in tiefen Schluchten Und hört dem Waldesrauschen zu, Sie blickt, auf’s Neu, von Felsenbuchten Auf Meeressturm und Meeresruh; Sie schaut der Abendröthe Streifen, An denen einst ihr Auge hing, Und möchte wieder danach greifen, Wie Kinder nach dem Schmetterling. Sie hört des Birkhuhns Kreischen wieder, Sie sieht das Irrlicht wieder glühn, Das längs der Haide, auf und nieder, Unstät wie sie, zu wandern schien; Sie möchte wieder, wieder wandern So weit die Himmel Gottes blaun, Auf’s Neu, von einem Tag zum andern, Mit ihren Brüdern Hütten baun. — Da, allgemach, erstirbt die Weise, Und glühend, ohne Blick und Wort, Schleicht Sittah aus dem Saal und leise Sich von des Gatten Seite fort. 6. Die Braut ist allsobald verschwunden, Umsonst durchspäht man Flur und Wald, Sie hat die Grenze schon gefunden, Und ihrer Brüder Aufenthalt. Schon in des Cheviot wilden Kesseln Hat sie ihr Brautgewand zerfetzt, Und löst die langgetragnen Fesseln, Wie ihre schwarzen Flechten jetzt. Schon lagert Alt und Jung im Kreise Um eines Feuers Flackerbrand, 7* Und ihres Liedes wilde Weise Hallt fort von Fels zu Felsenwand: „Zur Wüste wieder will der Löwe, Der Aar zurück in seinen Horst, Nur auf dem Meere jauchzt die Möve, — Und wir allein in Schlucht und Forst. Ihr könnt den Sturzbach nimmer zähmen, Die Wildheit ist sein Wesen nur; — Es heißt uns Luft und Leben nehmen, Nimmt man uns Freiheit und Natur.“ Maria Stuart’s Weihe. Schloß Holyrood ist öd’ und still, Der Nachtwind nur durchpfeift es schrill, Es klirrt kein Sporn in Hof und Hall’, Nur finstres Schweigen überall. Da plötzlich schwebt, in luftgem Gang, Ein hohes Weib die Hall’ entlang: Ihr klares Aug’ strahlt ewig-jung Vom Feuer der Begeisterung. Zu Häupten ihr glüht Sternenschein, Ihr Haar ist Gold, — wer mag sie sein? Sie kommt, und bringt ihr Angebind Im Saale drin dem Königskind. Das Königskind das heißt Marie , Sie aber ist die Poesie ; Die neiget jetzt zur Wiege sich, Und flüstert ernst: „ich weihe Dich!“ Sie flüstert’s kaum, da — still und stumm Entschwebet schon sie wiederum, Und lachend schlüpfen lust’ge Zwei Jetzt in die Thür, an ihr vorbei. Die Eine strotzt von buntem Tand, Ein Spiegel blitzt in ihrer Hand, Bald schaut sie sich und bald ihr Kleid, Das war die Dirne „ Eitelkeit “. Die Andre frech und üppig gar, Trägt langes aufgelöstes Haar, Ihr Aug’ ist schwarz, nackt ihre Brust, Das war die Dirne „ Sinnenlust “. Sie neigen beid’ zur Wiege sich, Und kichern hell: „wir weihen Dich!“ Da huscht, — und ihre Wang’ erblasst, Rasch in den Saal ein dritter Gast. Wie Schatten schleicht er an der Wand, Sein Kleid ist roth, roth seine Hand, Er schaut sich um, sein Auge sticht, Und messerscharf ist sein Gesicht. Er neigt sich jetzt, und spricht das Wort: „Ich weihe Dich zu Blut und Mord!“ Aufschreit im Schlaf das Königskind, Und heller draußen pfeift der Wind. Der Gast ist fort, doch her und hin Wirft banger Traum die Schläferin, Geweiht für’s Leben schlummert sie Die schöne, schottische Marie. Rizzio’s Ermordung. 1. Herr Darnley reitet in den Wald, Lord Ruthven ihm zur Seite; Herr Darnley spricht: „was frommt es mir, daß in den Lenz ich reite? Ich ritt hinaus ein Schreckgespenst mir aus dem Sinn zu schlagen, Ihr aber Ruthven hastet Euch in’s Feuer Oel zu tragen.“ Lord Ruthven streicht den rothen Bart, als sei er des zufrieden, Er schweigt, und denkt nur: „wenn es heiß, soll man das Eisen schmieden“; Seit an Maria’s Ohr er frech ein Liebeswort verloren, Hat er der schönen Königin im Herzen Haß geschworen. Er spricht kein Wort, beredter spricht sein Lächeln jetzt und Schweigen, Er sieht, von Schritt zu Schritt, das Blut in Darnley’s Wange steigen, Der ruft: „sing aus Dein Rabenlied, und spricht’s wie Deine Blicke, Verdamm mich Gott, wenn ich den Fant nicht in die Hölle schicke!“ Lord Ruthven streicht den rothen Bart, und spricht: „so soll ich’s glauben Mein Herr und König zweifle noch am Spiel der frommen Tauben? Er wisse nicht, was Jeder weiß vom schottschen Königsstuhle, Daß Heinrich Darnley’s ehlich Weib des David Rizzio Buhle!“ Herr Darnley kehrt gen Edinburg, er hält vor seinem Schlosse: „Lord Ruthven — spricht er — so’s beliebt, bleibt ihr mein Jagdgenosse; Der Fuchs ist schlau, doch bärg er sich in ihres Kleides Falten, Ich jag ihn auf, noch heute Nacht will meinen Schwur ich halten. 2. Es glänzt der festgeschmückte Saal von Rittern wohl und Frauen, Vor allen ist Maria doch als Königin zu schauen, Sie läßt die Zeit bei Spiel und Tanz in raschem Flug enteilen, Und nur ihr Gatte zögert noch des Festes Lust zu theilen. Die Kerzen und die Wangen glühn vor Freuden um die Wette, Es schreitet an Lord Seytons Hand Maria zum Bankette, Der Becher schäumt, Maria winkt ein Saiten- spiel zu bringen, Ihr Liebling Rizzio nimmt es hin und hebet an zu singen: Der König zog in finstrem Sinn Hinaus mit seinem Trosse; Nachblickt die schöne Königin Dem Reiter und dem Rosse. Und als des Waldes Laub und Moos Den König kaum erlaben, Da lockt sie schon auf ihren Schooß Den blonden Edelknaben. Sie streicht sein Haar, sie küsst so heiß Die Lippen ihm und Wangen, Die aber sind heut kalt wie Eis Und athmen kein Verlangen. Sie flüstert: „lieber Knabe mein Halt’ fester mich in Armen, Wir wollen eins zur Stunde sein, Das wird Dein Herz erwarmen.“ Er aber spricht: „’s läßt heut mich nicht Fest drücken Dich und pressen, Ich hatt’ zur Nacht ein Traumgesicht Das kann ich nicht vergessen: „Es trat der König vor mich hin Als ich Dich wollte küssen; Mir ist so bang lieb Königin Als würd’ ich sterben müssen....“ „„So stirb , Du buhlerischer Thor!““ Herr Darnley ruft’s dazwischen, Es fegt im Nu sein Zornesblick die Gäste von den Tischen, „„Stirb denn, und dank’s im Tode mir, daß ich mit guter Klinge Zu Deinem bösen Bubenlied das letzte Vers- lein singe.““ Es packt den Sänger Todesangst: in namen- losem Leide Hält fest er, wie ein zitternd Kind, sich an Maria’s Kleide, Die tritt, halb Furcht halb Zorn im Blick, her- vor ihn zu bewahren, Umsonst, schon ist des Königs Schwert ihm durch die Brust gefahren. Es hält, die lange Nacht hindurch, Maria Todtenwache, Zum ersten Mal zieht durch ihr Herz der heiße Wunsch nach Rache; Die Morgensonne sah den Schwur auf ihrer Lippe beben, — Herr Darnley hat des Sängers Tod bezahlt mit seinem Leben. Der sterbende Douglas. (Schlacht von Langside. 1568.) Die Heere stießen an einander; der Tag ist heiß, der Himmel finster, Vom Hufschlag dröhnt weithin die Haide, roth tropft der Thau vom schwarzen Ginster; Es blickt die schottische Maria von nahen Schlos- ses Fensterbrüstung, Ihr Auge haftet auf dem Kampfe, doch in dem Kampf auf Einer Rüstung. Dem jungen Douglas folgt ihr Auge; sie fühlt ihr Herze höher schlagen, Er ist’s, der sechszehnjährige Knabe, der aus dem Kerker sie getragen, Er ist’s, der ihr ein Heer geworben, und durfte doch um Eins nicht werben, Drum wirbt er jetzt um seinen Frieden und um das Glück für sie zu sterben. Wen tragen aus dem Kampfgetümmel sie dort auf zweiggeflochtner Bahre, Das Antlitz weiß, und schwarz die Rüstung und roth von Blut die blonden Haare?! Der Douglas ist’s: Erfüllung wurde des Hoff- nungslosen einzgem Hoffen, Es hat ein Schwert von Murray’s Mannen in’s tiefste Leben ihn getroffen. Da liegt er, auf gewirktem Teppich, jetzt an des alten Schlosses Stufen, Maria neigt sich zu ihm nieder, ein Priester wird herbeigerufen, Der reicht den Kelch ihm unter Thränen, Er aber segnet diese Stunde, Hätt’ langsam sonst verbluten müssen an seines Herzens stiller Wunde. Die Brust wird kalt, es stockt sein Athem, sein Auge scheint vom Tod geschlossen, Maria küsst die bleiche Stirne, die schon so frühe Ruhm genossen: Da spielt um seinen Mund ein Lächeln, auf- glimmt ein letzter Lebensfunken, Dann ist er in Maria’s Arme zu tiefstem Schlaf zurückgesunken. Chevy-Chase oder Die Jagd im Chevy-Forst. (Nach dem Alt-Englischen.) Gott schütz’ den König, unsren Herrn, Und unser Aller Leben; — — Im Chevy-Walde hat sich einst Wehvolle Jagd begeben. — Graf Percy von Northumberland, Vor Thaue noch und Tage Zog aus er heut, mit Hund und Horn, Daß er den Hirsch erjage. Er schwur es jüngst an heilger Stätt’, — Sorglos um Groll und Knirschen, — Er woll drei Sommertage lang Auf schottschem Boden pirschen. Er woll, was lebt im Chevy-Forst Mit Speer und Pfeil erlegen; „Lord Douglas schütze, wenn er kann, Den Hirsch in den Gehegen!“ Lord Douglas, der in Schottland lag, Als er das Wort vernommen, Dem Percy Grafen schwört er da Ein blutiges Willkommen; Der aber ist im Walde schon Mit fünfzehn hundert Mannen, Wohlausgesucht und wohlgeprobt Den Bogen straff zu spannen. Schon, von der Meute aufgeschreckt, Flieht, was die Schlucht geborgen; Ein Montag war’s, — noch halbe Nacht, — Es graute just im Morgen. Und eh’ der Mittag kam, da lag Haufweis das Wild erschlagen; Doch rastlos, nach gethanem Schmaus Begann ein neues Jagen. Auf’s Neu durch Schlucht und Dickicht hin Stob Huf und Hund nach Beute, Und neuer Angstschrei mischte sich Dem Lustgeheul der Meute. Graf Percy nur war satt des Spiels Mit Hirschen und mit Hinden, Er sprach: „Lord Douglas gab sein Wort, Hier soll ich heut ihn finden. „Bei Gott, nicht länger harrt’ ich sein, Dächt’ ich, er könn’ es brechen“; Da thät alsbald ein Ritter jung Also zum Grafen sprechen: „Schau Herr, dort blitzt es durch den Wald, Das ist er mit den Seinen; Schau, wie im Mittagssonnenglühn Die blanken Speere scheinen. „Zweitausend sind’s vom Lauf des Tweed, Aus Thälern und aus Glennen, Und der vorauf ist Douglas selbst An Roß und Helm zu kennen.“ „Nun denn, wohlan!“ rief Percy da, „Dies Feld sei unsre Schranke, Noch schlüpfte keiner mir hindurch, Sei’s Schotte oder Franke. „Das ist der Hirsch, den ich gesucht, Nun lohnt es sich zu jagen, Es brennt mein Herz Mann gegen Mann Mit ihm die Schlacht zu schlagen.“ Lord Douglas auf milchweißem Roß, Hält hoch vor den Genossen, Hell glänzt die Eisenrüstung, wie Von Golde übergossen; Er ruft: „wer seid ihr, die ihr’s wagt Mir Hirsch und Reh zu tödten, Und meines Wortes bar und blos Den Forst mit Blut zu röthen!“ Drauf Percy schnell: „ein andermal Auf weß Geheiß wir jagen, Heut denken wir noch manchen Hirsch Trotz Deiner zu erschlagen.“ Lord Douglas hört’s, er ruft in Wuth: „Da soll mich Gott verderben! So wahr ein Lord ich bin, wie Du, Du oder ich muß sterben. „Doch hör’ mich Percy, Schande wär’s Und Schimpf an unsrem Leben, So vieler Mannen schuldlos Blut Mit in den Kauf zu geben; „Es sei all unser Streit gelegt In unsre beiden Speere!“ „Verdammt sei der — rief Percy da — Der andren Sinnes wäre.“ Da trat ein Rittersmann herfür, With’rington hieß der Degen, Der sprach: „hier müßig zuzuschaun Dran ist uns nicht gelegen. „Wir wollen nicht, dieweil ihr kämpft, Hier Psalm und Lieder singen, Und unsrem König Heinrich dann So saubre Botschaft bringen. „Wohl seid Ihr Lords und edle Herrn, Und wir nur Knapp und Ritter, Doch dächt’ ich traun, auch unser Schwert Macht Wunden wohl und Splitter!“ Da thät alsbald all englisch Volk Den Eschenbogen biegen, Und achtzig Schotten sanken hin Von ihrer Pfeile Fliegen. Lord Douglas aber, unbewegt, Sitzt fest im Eisenbügel, Und kehrt zu seinen Mannen jetzt, Hoch auf des Waldes Hügel. 8 Schon stehn sie da, nach Kriegesart, Getheilt zu dreien Rotten, Und nieder wie ein Hagel jetzt Fährt Douglas mit den Schotten. Das gab ein Stechen und ein Haun, Manch’ breite Wunde klaffte; Längst unser englisch Bogenvolk Nicht mehr die Senne straffte. Sie warfen Pfeil und Esche fort, Und griffen nach dem Eisen, Das spielte jetzt auf Helm und Schild Takthämmernd seine Weisen. O Christ, es war für Herz und Sinn Ein Leid nicht auszusagen, Wie stöhnend da, in Sand und Blut Die Menschenknäule lagen. Und immer schwankte noch die Schlacht; — Da endlich, — mit Gestampfe, — Ansprangen, wie zwei Löwen, jetzt Die Führer selbst zum Kampfe. Sie kämpften bis vernehmbar fast Ihr Herz im Busen klopfte, Bis Blut und Schweiß, von Brust und Stirn Wie Regen niedertropfte; „Ergieb Dich Percy!“ Douglas rief’s — „Ganz Schottland soll Dich preisen, Und König Jakob Ehr’ und Ruhm Am Throne Dir erweisen.“ Doch Percy stolz: „Da wollt’ ich eh’ Wie Kraut am Sumpf verrotten; Mein Wort ist „nein“, und doppelt „nein“ Genüber jedem Schotten. 8* Da kam ein Pfeil, aus unsren Reihn, Verräthrisch durch die Lüfte, Und bohrte tief in Douglas Herz Durch Rippe sich und Hüfte. Er sank vom Roß, ein stiller Mann, Graf Percy sah ihn enden, Und fasste dann des Todten Hand Mit seinen beiden Händen. „O Douglas“, rief er, — „solchen Siegs Des hat mein Herz nicht Labe, Hin gäb’ ich für Dein Leben jetzt Mein Land und meine Habe.“ Er sprach es kaum, da kam’s wie Sturm, Durch Freund und Feind gestoben, Den Leib zum Stoß weit vorgebeugt, Und hoch den Schild gehoben: — Wer ist’s? Sir Ralph Montgommeri! Er sah den Douglas sinken; Da schwur er still, Graf Percy’s Blut Mit seinem Speer zu trinken. Und schleudernd jetzt den wuchtgen Schaft Mit Hasses Kraft und Schnelle, Durchfuhr die Lanze Percy’s Leib Um eine Weber-Elle. Hin sank der ritterlichste Held Auf hufgestampfte Tenne; Schon aber griff ein braver Schütz Nach Köcher und nach Senne. Er spannte straff des Bogens Seil, So straff wie nie er’s spannte, Und drückte seinen längsten Pfeil Scharf an die Eschenkante. Lang zielt’ er so, daß sichren Flugs Der Pfeil zum Herzen dringe, Und feucht vom Blut des Schotten jetzt Bebt in der Brust die Schwinge. So fiel Sir Ralph Montgommeri, Und mit ihm sind gefallen Auf beiden Seiten männiglich Die Ritter und Vasallen. Von zwanzig hundert schottschen Volks Die Schild und Speer genommen, Kaum fünf und funfzig, weh und wund Sind in ihr Land entkommen. Und unser Volk, nicht siegesfroh Trug es den Sieg von dannen; Nur drei und funfzig kehrten heim Von funfzehn hundert Mannen. Die andern schliefen fest im Wald Nach heißem Kampfgewühle; Und Nachtwind nur und Mondenlicht Glitt über ihre Pfühle. Das war die Jagd von Chevy-Chase Wo Herr und Hirsch gefallen; — Gott schütz’ den König unsren Herrn Und sei uns gnädig allen. John Gilpin. (Nach William Cowper.) John Gilpin hat ein Tuchgeschäft Nicht weit von Leicester-Square, Auch war er Hauptmann der Miliz In Londons Bürgerwehr. Und Gilpin hat ein edles Weib; Sie sprach: „Mein theurer John, Wir sahen keinen Feiertag Die zwanzig Jahre schon. „Drum, heut an unsrem Hochzeitstag, Dächt’ ich, Mann meiner Wahl, Kutschirten wir nach Ingelton, In’s frische Grün einmal. „Fünf unsrer Kleinen nehm’ ich mit, Sie wiegen ja nicht schwer, Und haben Platz; — Du steigst zu Roß, Und reitest hinterher.“ John Gilpin sprach: „Ich ehrte stets Das weibliche Geschlecht, Doch dreimal ehr’ ich Dich, o Weib, Drum ist mir Alles recht. „Auch schafft mein blühend Tuchgeschäft Leicht meinem Wunsch Gehör, Und seinen Braunen leiht mir gern Mein Freund, der Appreteur.“ Sprach Mistreß Gilpin: „John, noch eins, Wie ist es mit dem Wein? Ich denk’, wir nehmen welchen mit, Es dürfte bill’ger sein.“ John Gilpin küßt sein treues Weib, Er weinte auf ein Haar, Daß Mistreß, trotz Vergnügungssucht Doch noch so sparsam war. Der Wagen kam, doch hielt er nicht Vor Gilpins eignem Haus, Die edle Seele war in Furcht Hochmüthig säh’ das aus. Drei Häuser abwärts stieg man ein, Die Küchlein und das Huhn, Und durch die City-Straßen hin, Ging es im Trabe nun. Die Peitsche pfiff, aufschlug der Huf, Daß alles klang und scholl, Und Rad und Steine lärmten schier, Als wären beide toll. John Gilpin hatte sich indeß Als Reiter schon gezeigt, Und lang geschwankt, ob rechts ob links Man in den Bügel steigt. Jetzt aber sitzt er sattelfest; — Er will davon im Nu, Da steuern seiner Kunden drei Grad auf den Laden zu. John Gilpin denkt: „Verlust an Zeit Ich schätz’ ihn nicht gering, Doch traun, Verlust an Gut und Geld Ist noch ein übler Ding.“ Schnell springt er ab. — Noch steht und schwankt Der Handel mit den Drein, Da stürzt ihm Betty in den Weg: „Hier Herr, ist noch der Wein!“ „Gut — spricht er — doch nun bring mir auch Das Lederfutteral, Darinnen bei Paraden steckt Mein jungfräulicher Stahl.“ John Gilpin nahm die Flaschen beid’, Sie waren voll Likör, Und hatten oben an dem Hals Ein weites Henkelöhr. Durch beide zog er jetzt hindurch Die Scheide seines Schwerdt’s, — Sie hingen, wie Pistolen schier, Am Sattel seines Pferd’s. Dann schlug er um die Schultern sich Den Mantel schwarz und roth, Als zög’ er in die Ritterschlacht Zum Siege oder Tod. — Die Stadt hindurch, auf hartem Stein, Da schien der Renner faul; John Gilpin sprach: „Du scheinst mir auch Ein alter Karrengaul.“ Doch plötzlich, draußen vor dem Thor, Verging ihm aller Spott, Der Braune schnob und wieherte Und setzte sich in Trott. „Still, still, mein Thierchen“, ächzte John, „So wirf mich doch nicht ab!“ Doch, wie er auch am Zügel riß, Gallop ward aus dem Trab. Und auf und nieder, her und hin, Flog unser armer Tropf, Bald hielt er an den Mähnen sich, Und bald am Sattelknopf. Das arme Pferd, das immer sonst Gelenkt von sichrer Hand, Es kam bei Gilpins Reiterei Zuletzt um den Verstand. Und wie vom Teufel angeschürt, Durchging es voller Wuth: Abriß ein Baum, von Gilpins Kopf, Perrücke, Zopf und Hut. Scharf blies der Ost; noch flaggte bunt Des Mantels weiter Schooß, — Jetzt aber ging er in die Welt, Die Knöpfe ließen los. Die Hunde bellten Dorf um Dorf, Die Kinder lärmten mit, Und alles schrie: „das nenn’ ich brav, Das nenn’ ich einen Ritt!“ Die Nachbarweiber klatschten sich Bereits die Mäuler wund; Die eine wußt’ es ganz genau: Es gölte tausend Pfund. Die Zolleinnehmer hielten’s auch Für Wetteritt und Lauf, Und rissen mit geschäftger Hand Die Gitterthore auf. John Gilpin schlüpfte heil hindurch, Nicht so das Flaschenpaar, Die eine ließ den Kork zurück, Den Hals die andre gar. Hin troff der röthliche Likör; Man dacht’ es wäre Blut, Und murrend klang es hie und da: „ Der spornt auch allzu gut!“ Jetzt aber in Klein-Ingleton Hinein sprengt unser John; Es harrte schon, mit Gruß und Kuß, Die Gattin am Balkon. Sie ruft ihm zu: „Halt, Gilpin, halt! Wo willst Du hin? so sprich! Die Kinder haben Hunger schon, Und weinen bitterlich. John Gilpin hört’s; in tiefem Schmerz Fleht er den Braunen: steh! Doch ach, der Braune hat kein Herz Für eines Vaters Weh. Zwei Meilen hinter Ingleton Da liegt ein zierlich Haus, John Gilpin’s Freund, der Appreteur Zog Sommers da hinaus. Der Braune machte oft den Weg, Und wiehernd jetzt am Zaun, Ruft er den Herrn, der aber will Kaum seinen Augen traun. „He, Gilpin, he! was ist geschehen? Was kommt Ihr überhaupt? Und wenn Ihr kommt, warum beschmutzt, Barhäuptig und bestaubt?“ John Gilpin drauf: „was ich hier soll, Das frage dieses Thier; Wir ritten scharf, Perrück und Hut Sind darum noch nicht hier.“ Laut lachte da der alte Freund, Es war ein lust’ges Blut, — Er nahm sich die Perrück vom Kopf, Und sprach in frohem Muth: „Nimm hin! Du starrst von Staub und Schmutz, Drum scheint sie noch zu klein, Doch wasch’ nur erst die Kruste ab, So wird sie passend sein. John Gilpin nahm, und dankte viel, Und sprach zum Pferde dann: „He, Freund, ich hab’ für Dich gethan, Was man nur thuen kann. „Du wolltest her zu Deinem Herrn, Ich ehrte diesen Trieb, Nun aber trag’ auch mich zurück Zu meinem treuen Lieb.“ Er sprach es kaum, — da kreischte laut Ein Esel hinterm Heck, Und Roß und Reiter zitterte, So packte sie der Schreck. Wie wenn ein Löwe wo gebrüllt, So griff der Renner aus; — Auftauchte bald Klein-Ingleton, Sammt seinem Kaffehaus. Die Gattin harrte immer noch Des Gatten am Balkon, Jetzt sah sie ihn, und wandte sich Zum Schwager Posiillon: „Sieh, diese halbe Kron ist Dein, Mein wackerer Gesell, Schaffst Du mir meinen Ehemann Lebendig hier zur Stell.“ Der Postillon, der war nicht faul, Auszog er auf den Fang, Und hakte bald nach Mann und Roß, Mit Zügel und mit Strang. Dem Braunen aber däucht es schier Als wie ein Peitschenhieb, Er lief, daß selbst der Postillon Im Hintertreffen blieb. Sechs Reiter kamen just des Wegs, Die sahen Gilpin’s Flucht, Und wie der Postillon umsonst Ihn einzuholen sucht. Sie jagten mit, und schrieen laut: „Halt’t ihn! ein Dieb! ein Dieb!“ John Gilpin aber, unverkürzt, Des Tages Sieger blieb. Und wie ein Jockey bester Art, — Mit Weste, Stulp und Kapp, — Erst wo er aufgestiegen war, Da stieg er wieder ab. Und nun zum Schluß: dem König Heil, Und Heil! John Gilpin Dir, Und setzst Du wieder Dich zu Roß, So bitt’ ich, sag’ es mir. Die Bienenschlacht. Nur kein Gegrübel Was es sei; Wohl oder übel — Der Scherz ist frei Die Wespen und die Bienen Sie haben sich entzweit, Wie Guelphen und Ghibellinen Stehen sie im Streit, Parthei nimmt Hummel und Käfer, Und selbst der Blumen-Elf, Es flüstern die Lilienschläfer: „Hie Waibling und hie Welf!“ Die Bienen halten sich wacker, Doch ach, trotz Wall und Thurm, Den Schoten- und Bohnen-Acker Nahm der Feind im Sturm; Schon um die heimische Linde, Wie um Herd und Haus, Sammelt das Bienen-Gesinde Sich zum letzten Strauß. Eine (sie stund auf Wache, Und das Weinen war ihr nah) Schwur: „eine herrliche Sache Sei dies mori pro patria! Daß ihr Stand so ein harter Freue sie nur zu sehn, Wie die dreihundert Sparter Würden sie untergehn.“ Sprach da eine Zweite: „Wohl, sie stimme dem bei, Daß zu fallen im Streite Ein Vergnügen sei; Nur sie wäre verwundert, Daß man auf Sparta säh’, Pforzheim und seine Vierhundert Hätte man ja in der Näh’“. Sprach es. Die Anderen alle, Immer gesinnungsvoll, Klatschten in diesem Falle Geradezu wie toll; — Siehe! da schwarz am Himmel, Wie Heuschreckenzug, Nahet das Wespengewimmel Sich im Siegesflug. Solche Schwärme und Flüge Nimmer der Garten sah, Wahre Hunnenzüge Sind es des Attila. Gierig nach Blut und Morden Stürmen sie heran, Wie die Mongolenhorden Unter Dschingiskhan. Bald in gebogenem Horne, Bald in gespitztem Keil, Aber immer nach vorne Stachel und Hintertheil: So, nach reifer Betrachtung, Stürmen sie herbei, Weil es der Verachtung Sprechendster Ausdruck sei. 9 Auch die Bienen, in Demuth Werden sich deß bewußt, Schier unendliche Wehmuth Schleicht in ihre Brust, Stimmen statt Schlachtgesanges, Klagelieder an, Und vor allem ein banges: „Zeige dich braver Mann!“ Siehe, da schnell ein Sasse Tritt hervor aus den Reih’n: „Mach’ Euch eine Gasse Liebe Genossen mein!“ Und als ob es ihm wäre Nichtiger Zeitvertreib, Drückt er dreizehn Speere Tief sich in den Leib. Wüthend die Bienen klammern Da an den Feind sich an, Alle Wespen jammern: „Rette sich wer kann!“ Aber mit Waffen, schartig, Hummeln und andere mehr, Fallen jetzt landsturmartig Ueber die Flüchtigen her. Abend kommt; es schattet; Letzte Röthe schied; Siehe, da wird bestattet Bienen-Winkelried. Solch ein Gäste-Gedränge, Alle mußten’s gestehn, Und solch Leichengepränge Hatten sie nie gesehn. 9* Rings auf Spitzen und Thürmchen An dem Hecken-Zaun, Glühten Johanniswürmchen Hell wie Fackeln traun; Taghell so beleuchtet, Kam der Zug daher, Jedes Auge gefeuchtet, Jedes Herze schwer. Vorne, drei Hummelbrummer Schritten ernst und barsch, Trommelten in Kummer Ihren Trauermarsch; Dann mit Ruhm zu melden Kam der wächserne Sarg, Der des Helden der Helden Irdische Hülle barg. Vier kohlschwarze Käfer, — Allen wohlbekannt — Waren, als Rappen, dem Schläfer Drinnen vorgespannt; Auf dem Deckel oben Lagen, Schaft an Schaft, Alle die dreizehn Proben Seiner Ritterkraft. Still des Zuges Spitze Hat jetzt eingelenkt: In eine Mauerritze Wird der Sarg gesenkt. Dann — wie Kriegsgesinde Rasch den Gram vertauscht — Haben im Duft der Linde Alle sich berauscht. Der Tower-Brand. Wenn’s im Tower Nacht geworden, wenn die Höfe leer und stumm, Gehn die Geister der Erschlagnen in den Corri- doren um, Durch die Lüfte bebt Geflüster klagend dann, wie Herbsteswehn, Mancher hat im Mondenschimmer schon die Schatten schreiten sehn. Vor dem Zug, im Purpurmantel, silberweiß von Bart umwallt, Schwebt des sechsten Heinrichs greise, gram- verwitterte Gestalt, Lady Gray dann, mit den Söhnen König Edwards an der Hand; — — Leise rauscht der Anna Bulen langes seidenes Gewand. Zahllos ist das Heer der Geister, das hinauf — hinunter schwebt, Das da murmelt: „Fluch Dir Tower, dran das Blut der Unschuld klebt; Schutt und Trümmer sollst Du werden!“ aber machtlos ist ihr Fluch, Ehern hält den Bau zusammen böser Mächte Zauberspruch. Wieder nachtet’s, wieder ziehn sie durch die Räume still und weit, Plötzlich stockt der Zug und schaart sich um ein glimmend Tannenscheit, Dann geschäftig, wie die Bienen, tragen Schnitz- werk sie herzu, Und zur hellen Flamme schüren sie die matte Gluth im Nu. Wie das prasselt, wie das flackert! einen sprühn- den Feuerbrand Nehmen sie zum nächtgen Umzug jetzt als Fackel in die Hand, Weithin wird die Saat der Funken in den Zim- mern ausgestreut, Flammen sollen draus erwachsen; hei, der Fluch erfüllt sich heut! Alles schläft; doch auf vom Lager springt im Nu der rasche Sturm, Und er wirft sich in das Feuer, und das Feuer in den Thurm, An des Towers Felsenwände peitscht er schon das Flammenmeer, Und den Segen drüber sprechend, wogt auf ihm das Geisterheer. Doch, als ob das Salz der Thränen feuerfest die Wände macht, Wie wenn Blut der beste Mörtel, den ein Mei- ster je erdacht, — Seht, wie durstig auch die Flamme sich von Thurm zu Thurme wirft, Hat sie doch, als wären’s Becher, nur den In- halt ausgeschlürft. Wieder, wenn es Nacht geworden, wenn’s im Tower leer und stumm, Gehn die Geister der Erschlagnen in den Corri- doren um, Durch die Lüfte bebt Geflüster klagend dann, wie Herbsteswehn, Mancher wird im Mondenschimmer noch die Schatten schreiten sehn. Schloß Eger oder drei böhmischer Grafen Tod. Lärmend, im Schloß zu Eger Ueber dem Ungarwein, Sitzen die Würdenträger Herzogs Wallenstein: Tertschka — des Feldherrn Schwager, Illo und Kinsky dazu, Ihre Heimath das Lager, Und die Schlacht — ihre Ruh. Lustig flackern die Kerzen; Aber der Tertschka sprischt: „Ist mir’s Nacht im Herzen, Oder vor’m Gesicht? Diese Lichter leuchten Wie in dunkler Gruft, Und die Wände, die feuchten, Hauchen Grabesluft.“ Feurig funkelt der Unger; Aber der Kinsky spricht: Draußen bei Frost und Hunger Schüttelte so mich’s nicht, Hielte lieber bei Lützen Wieder in Qualm und Rauch; Wolle Gott uns schützen, Oder — der Teufel auch.“ Illo nur, Herz wie Kehle Hält er bei Laune sich, Dicht ist seine Seele Gegen Hieb und Stich, Trägt ein Büffelkoller Wie sein Körper traun, — Lustiger und toller War er nie zu schaun. Und vom Trunke heiser Kreischt er jetzt und lacht: „Das erst ist der Kaiser, Wer den Kaiser macht; Eid und Treue brechen Schreckt den Feigen allein, Hoch, der König der Czechen, Herzog Wallenstein!“ Spricht’s. Da neue Bewohner Klirrend in Eisen und Stahl, Buttlersche Dragoner Dringen in den Saal; Buttler selbst, im Helme, Tritt an den Illo: „sprich, Seid Ihr Schurken und Schelme, Oder gut kaiserlich?!“ Hei, da fahren die Klingen Wie von selber heraus, Von dem Pfeifen und Schwingen Löschen die Lichter aus; Weiter geht es im Dunkeln, Nein, im Dunkeln nicht: Ihrer Augen Funkeln Giebt das rechte Licht. Tertschka fällt; daneben Kinsky mit Fluch und Schwur; Mehr um Tod wie Leben Ficht selbst Illo nur, Schlägt blindhin in Scherben Schädel und Flaschen jetzt, Wie ein Eber im Sterben Noch die Hauer wetzt. Licht und Fackel kommen, Geben düstren Schein: In einander verschwommen Blinken Blut und Wein; Ueberall im Saale Leichen in buntem Gemisch, Stumm, vor seinem Mahle, Sitzt der Tod am Tisch. Buttler aber, wie Wetter Donnert jetzt: „laßt sie ruhn! Das sind erst die Blätter, An die Wurzel nun.“ Bald in Schlosses Ferne Hört man’s Krachen und Schrein; — Schau nicht in die Sterne, Rette Dich Wallenstein! Lady Essex . (Fragment.) 1. In England wüthen zwei Tyrannen: Der König Jacob und die Pest, Und Jener immer raft von dannen, Was diese noch am Leben läßt. Gesetz und Recht — des Volkes Pathen Sind jedes Höflings Spiel und Spott, Schon seufzen gilt als hochverrathen, Und führt zu Kerker und Schaffott. Im Staube liegt die heilge Sache Des Volks, und bettelt vor dem Thron, Schon aber weben Haß und Rache Dein Siegeskleid — Revolution. Schon schlummert Er in goldner Wiege, Deß Stirne jenen Stempel trägt, Den auf des Mordgeweihten Züge Von Jugend auf das Schicksal prägt; Schon athmet Cromwell, schon allnachtens Tritt Englands Zukunft vor ihn hin, Und legt die Keime künftgen Trachtens In seinen ruhmbegiergen Sinn; Schon graut der Tag, nur noch ein Kurzes So steigt die Sonne blutigroth, Doch für die Zeichen nahnden Sturzes Ist jede Fürstenseele todt. An Jacobs Hof drückt ihren Stempel Die Lust noch auf jedwede Stirn, Noch ist sein Schloß ein Bacchustempel: Die Flasche gilt, es gilt die Dirn’; Wohl rast die Pest, doch jedes Opfer Scheint nur zu rufen: „Frisch gelebt! Wer weiß es ob der Tod den Klopfer Nicht bald an Deiner Thüre hebt.“ Es ist, als ob das nahe Sterben Dem Leben tausend Reize leiht, Man jagt um seine Lust zu werben; „ Genuß “ ist Losungswort der Zeit. Bei Hof ist Ball; schau, — scheint nicht eben Die Schönheit selbst daher zu schweben? Wer anders kann sie sein die Schlanke, Zu der, wenn sie vorüberrauscht, Ein jeder Sinn sich und Gedanke Hinneiget und gefangen lauscht! An ihrer Schönheit stumpft der Hohn. Mehr als ein König auf dem Thron, Wenn seine Blicke zornig irren, Vermag ihr Auge zu verwirren; Das bloße Flattern ihrer Locken Macht schon des Höflings Zunge stocken, Und selbst der Neid auf den sie späht, Bewundert solche Majestät. Was ist’s, das bis in’s tiefste Herze Selbst das Geschmeiß am Hof durchbebt, Wenn anmuthvoll, mit leichtem Scherze, Die Lady Essex näher schwebt! Ist es das junogleiche Haupt, Was jeder Brust den Athem raubt? Ist’s jener Tugend hoher Geist Der selbst die Spötter schweigen heißt, Und Ehrfurcht auch von dem ertrotzt, Der schier von allen Lastern strotzt? Wie oder ist es nur ein Grauen, Das sich in alle Herzen bahnt, Weil man die finstren Mächte ahnt, Die ihr im Busen Hütten bauen? So ist’s! ein Ahnen flüstert leis: All dieser Stolz ist Aetna-Eis, Ist Lüge, die zu leugnen strebt Die Lavagluth, die drunter lebt. 2. Der Herbst ist da; die Lust zu jagen Lockt aus der Stadt nach Windsor-Schloß, Und jetzt, vorbei an Heck und Hagen Braust Jacob und sein Jägertroß. Welch Leben das! die Rosse schäumen, Die Meute klafft, die Pfeife gellt, Der Wald erwacht aus seinen Träumen, Und schauert, wenn ein Opfer fällt. Schon dunkelt’s; doch das Blutvergeuden Es dauert fort bis in die Nacht, Bis Dürsten nach des Mahles Freuden, Dem Durst nach Blut ein Ende macht. Heim ruft das Horn; bald in den Räumen Des Schlosses lärmt man beim Bankett, Man zecht, und statt der Rosse Schäumen, Schäumt Wein und Freude um die Wett: Toaste schallen hunderttönig, Der Wein verschwistert Alt und Jung, Und lüstern bringt zuletzt der König Den Damen seine Huldigung. „Die Schönen hoch!“ Der trunkne Alte Er ruft’s, und blinzelt durch den Saal, Sie aber, der sein Hoch erschallte, Die Lady Essex fehlt beim Mahl. Indeß der königliche Zecher Umsonst nach ihren Zügen gafft, Leert sie den gifterfüllten Becher Zurückgewiesner Leidenschaft. Sie, die bei tausend Huldigungen Ihr Herz mit kaltem Stolz bewehrt, Sieht jeden Sieg, den sie errungen In Niederlage jetzt verkehrt. Umsonst, daß sie die Sinnenliebe So lang bemeistert und gebannt, Jetzt höhnen sie die eignen Triebe Uud des Geliebten Widerstand. Sie ist allein; sein Bild betrachtend Wächst wild die Gluth in ihrem Hirn, Und eine Wolke legt sich nachtend Um die gebieterische Stirn. Wohl eine Wolke, doch nicht solche Die sich in Wehmuthsthränen löst, Nein, die des Zorns, die Blitzesdolche In des Verhaßten Seele stößt. Sie zürnt; und doch — ihr ist als riefe Die Hoffnung Muth in ihre Brust, Und aus des Auges dunkler Tiefe Blickt mit dem Zorne dann — die Lust. Noch hängt sie, vor Verlangen zitternd, An seinem Bild mit ganzem Blick Dann aber, wie sich selbst verbitternd, Ruft sie: „welch arm — erträumtes Glück! Was soll dies kindische Betrachten, Und dies Bewundern Zug um Zug? Unwürdig mein und zu verachten Ist dieser schale Selbstbetrug. Ich will ihn selbst ; mag leben — träumen Eins sein in der Vergangenheit , So lang der Freude Becher schäumen Fühlt man den Reiz der Wirklichkeit. Die sei’s !“ Und hinter Teppichwänden, Hervor aus wohlgeborgnem Schrank, Nimmt rasch sie den aus Kupplerhänden Heut erst erkauften Liebestrank. Ihr Auge glüht; „nun denn Phiole, Wenn voll du jener Zaubermacht, Die selbst aus todtgebrannter Kohle Noch neue Liebesflammen facht, — Dann wirst du den gebornen Gluthen Anweisen auch den rechten Lauf, Und badend mich in Feuerfluthen Geht mir ein neues Leben auf.“ Sie spricht’s; — im Geiste weiter bauend, Das Fläschchen in gekrampfter Hand, Stutzt plötzlich sie, sich selbst erschauend Genüber in der Spiegelwand. Es ist als fasse sie ein Staunen 10 Vor ihrem eignen Ebenbild, Sie hört den Stolz im Busen raunen: „ Du bist es, draus Dir Rettung quillt!“ Sie hört’s, — hinklirrt das Glas in Scherben, „Fahr wohl! — Du kümmerlicher Saft Sollst nicht um Herzen für mich werben, Und spotten meiner eignen Kraft. Traun, ob der alte Höllenmeister Auch selber Dich bereitet hätt’, Gilt’s eine Herrschaft über Geister, Ich biete Dir und ihm die Wett’; Nur fort der letzte Rest von Lüge, All Schein und Maske fahre hin, Sehn soll er meine wahren Züge, Und siegen werd’ ich, wie ich bin .“ Gelegenheitliches. Einem Todten. Wilhelm Krause starb zu Malaga 1842. Zwei Jahre kaum, als heitre Träume scheuchten Der Sorgen dunklen Schwarm aus Deiner Brust; Du riefst „Ade!“ ich sah Dein Auge leuchten, Und fühlte Thränen doch das meine feuchten, Ich war der ew’gen Trennung mir bewußt. Mein armer Wilm, das Roth auf Deinen Wangen, Es war das Kleid des frischen Lebens nicht, Der Tod nur, sichrer Dich in’s Netz zu fangen, Ließ Rosen blühn auf Deinem Angesicht. Du sahst das Roß des Matadors sich bäumen, Eh’ Deine Barke noch vom Ufer stieß, — Gen Spanien ging’s, — Du durftest heiter träumen Von duft’gen Mandel- und Kastanienbäumen, Denn Deine Zukunft barg ein Paradies. Doch statt vom Duft der Blüthen zu gesunden, Hat Dich der Hauch des Todes angeweht, Und ach, der Matador, den Du gefunden, Als Sensenmann vor meiner Seele steht. Ich sah ihn längst Dich Schritt vor Schritt bewachen, Gleich einem Schatten Dir zur Seite gehn, Behende sprang er mit Dir in den Nachen, Und immer schien er höhnisch mir zu lachen, So oft Du riefst: „auf fröhlich Wiedersehn!“ Auf Wiedersehn! wann, Freund? statt Herzens- frieden Hat ew’ge Ruh die Ferne Dir geschenkt, Und in die Gruft, die Deinem Schmerz be- schieden, Hat man Dich selber nun hinabgesenkt. Schön ist das Leben! ach, man lernt es lieben Recht innig erst, wenn man es meiden soll, Doch in die weite Welt hinaus getrieben, Wo fremd wie wir auch unser Herz geblieben, Da wird der Tod uns doppelt qualenvoll. Auf welcher Wange sahst Du Thränen glänzen? Wer hat Dein brechend Auge zugedrückt? Mein armer Wilm, mit Immortellenkränzen Hat flücht’ges Mitleid nur Dein Grab geschmückt. Was half es Dir, daß schöner dort die Rosen, Und goldner selbst des Himmels Sterne glühn? Nun gilt es gleich — ob rauhe Stürme tosen, Ob linde Weste mit den Blumen kosen, Mit Blumen, Freund, die Deinem Grab entblühn. Du ruhtest besser wohl am heim’schen Strande, Im Dünensand, wo Du zu ruhn geglaubt: Ein Kuß der Liebe hätt’ im Vaterlande Dem Tode seinen Stachel noch geraubt. Doch jetzt, wo Du den bittren Kampf bestanden, Jetzt ruf ich: „Freund, wohl Dir! es ist vorbei.“ Schön ist das Leben, doch von tausend Banden, Ob in der Heimath, ob in fremden Landen, Macht erst der Tod die Menschenseele frei. Mir löst die Pflicht, der strenge Kerkermeister, Die Fessel nie, gleichviel ob Tag ob Nacht, Und selbst von Deinem Grabeshügel reißt er Mich unerbittlich, wenn der Tag erwacht. Einigkeit . 1842. (Bei Gelegenheit des Hamburger Brandes.) Kein Jubel mehr! die Freude sei bemeistert Ob deutschen Sinn’s und deutscher Einigkeit; Es gilt nicht viel, wenn sich ein Volk begeistert In unsrer krankhaft-überreizten Zeit. Was Ihr gesehn — des Mitleids frommes Walten Erlöst noch lang vom alten Fluch uns nicht, Und unsre Heimath ist und bleibt zerspalten, Bevor uns nicht ein festres Band umflicht. Begeistrung! ja, bei Gott, auf allen Gassen Und aller Orten macht sie jetzt sich breit, Und wessen Herz sich will begeistern lassen, Der eile sich — jetzt ist die rechte Zeit, Es ist die Zeit, wo sich die deutsche Jugend, Unwürdig, vor den Künstlerwagen spannt; Franz Lißzt wurde gerade damals im Triumph durch die Straßen gezogen. Sie stempelt auch die Mode ’mal zur Tugend, Und schwärmt für Einigkeit im Vaterland. Ach, Einigkeit! die Liebe kann sich regen In einem Herzen, das der Haß verzehrt, Es schlägt dem Feinde zornentbrannt entgegen, Und hält ihn dennoch seines Mitleids werth. Wer hat von Euch die namenlosen Schmerzen Zerschossner Feinde frohen Muth’s erblickt? So hassenswerth lebt nie der Haß im Herzen, Daß er des Mitleids Stimme selbst erstickt. Nein, soll die Zukunft uns ein Deutschland bringen, Da gilt es mehr als eine milde Hand, Da gilt’s ein muthig Ringen und Bezwingen, Ein Frühlingswehn durch’s ganze deutsche Land. Wenn überall der Freiheit Banner rauschen, Und kein bedrücktes Volk um Rettung schreit, Dann will auch ich die Zweifel froh vertauschen, Und gläubig baun auf Deutschlands Einigkeit. Shakespeare an einen deutschen Fürsten . Du liebst die Kunst, und ziehst ihr friedlich Walten, Ihr Auferbaun dem Lärm der Schlachten vor; Die Schönheit und das Ebenmaaß der Alten, Wie meines Geist’s lebendige Gestalten — Du würdigst sie mit oft erprobtem Ohr. Setz’ ein in alte, wohlverdiente Rechte Die Dichterfürsten der Vergangenheit, Doch zwiefach schaff’ dem heutigen Geschlechte Und seinen Dichtern, Fürst, Gerechtigkeit. Die Kunst ist frei; sie duldet keine Fessel, All’ ihr Gesetz ist Schönheit und Natur; Das Schwert des Zornes und des Witzes Nessel Entreiß ihr nicht, es braut ihr Zauberkessel Am Freiheitsfeuer Zaubertränke nur; Ich suchte mir und fand die Missethäter, Elisabeth, auf Deiner Väter Thron; Wer aber zahlt dem tückischen Verräther, Der Kronen trägt, auch heut noch seinen Lohn? Wohlan denn Fürst, sei Du der Kunst Erretter, Nimm ihr das Joch, darin sie schuldlos litt, Frei sei der Dichter und die Welt der Bretter, Ob immer auch ein throngeborner Vetter Als Richard Gloster auf die Bühne tritt. Du liebst die Kunst; was Licht und Sonnenschimmer Der Blume sind, ist ihr die Fürstengunst, Doch wie die Blume, Fürst, im Erdreich immer, So wurzelt in der Freiheit alle Kunst. Rußland . (Einem Freunde als er nach Moskau übersiedeln wollte.) Lasciate ogni speranza voi ch’entrate. Dante. Wer auf die Zukunft schwört und unbekümmert Der ew’gen Kraft des Geistes noch vertraut, Die, gleich dem Meere, eine Welt zertrümmert, Und eine neue, schönre auferbaut; Wer, ihr vertrauend, unser Krämerleben Ob jener Zeit, die kommen muß, vergißt, Der fliehe Dich , wo keine Geister weben, Und jede Hoffnung eitel Thorheit ist. Wer, trotz der Dürre, seines Fleißes Segen — Der Freiheit Saat, voll guten Muths erblickt, Die junge Saat, von keinem Sommerregen, Doch, über Nacht, von frischem Thau erquickt; Der fliehe Dich , wo auf den stein’gen Boden Nur Mehlthau fällt, der jeden Keim zerfrißt, Wo’s noch gelingt „ solch Unkraut “ auszuroden, Und jede Hoffnung eitel Thorheit ist. Doch wer, verzweifelnd ob so langem Harren, Der Hoffnung Prachtbau selber niederreißt, Und unser Thun das Streben eines Narren, Und unsren Glauben „Geistesschwäche“ heißt; Der suche Dich , und find’ in dir betroffen Ein Maaß, daran er unsre Größe mißt, Und lerne dorten für die Heimath hoffen, Wo jede Hoffnung eitel Thorheit ist. Zu Ida’s Hochzeit. Ida! es knüpft manch’ schöne Sage Sich an dies Wort, aus frühster Zeit, Und bis an’s Ende aller Tage Lieh ihm Homer Unsterblichkeit. Berg Ida war’s, wo fleiß’ge Bienen Den Götterhonig einst gezeugt, Mit dem der Nymphen treues Dienen Den Zeus, den jungen, groß gesäugt. Und Ida war’s, zu dessen Füßen Der schöne Sohn des Priam’s schlief, Als ihn aus Träumen, liebesüßen, Ein Götterstreit in’s Wachen rief; Vor ihm, (Minerven im Geleite) Den Erisapfel in der Hand, Stand Juno, — aber still zur Seite Die siegessichre Venus stand. Und Juno sprach: „holdsel’ger Knabe, Du, dem an Schönheit Keiner gleicht, Du sei’s, der diese goldne Gabe Der Schönsten von uns Dreien reicht.“ Sie sprach’s; und Paris ohne Schwanken Nahm hin das Pfand in guter Ruh, Und warf es, anmuthvoll, der schlanken Der meerentstiegnen Venus zu. So war’s vordem. Jetzt freilich schweigen Die Himmel tiefer wie das Grab, Und keine Götterkinder steigen Mehr vom Olymp zu uns herab; Doch guten Klang, traun wie vor Zeiten, Hat immer noch was „ Ida “ heißt, Zumal wenn es den Eingeweihten Mit süßem Götterhonig speist. Und immer noch zu Ida’s Füßen Streckt sich manch’ Schäfer auf die Trift, Wenn keine Göttin auch, mit Grüßen, Die blauen Lüfte mehr durchschifft. Die Schäfer unsrer Tage werden Um den Olymp nicht kalt nicht heiß, Sie reichen ihrem Gott auf Erden , An Ida selber ihren Preis. An Emilie . Da draußen schneit es: Schneegeflimmer Wies heute mir den Weg zu Dir; Eintret’ ich in Dein traulich Zimmer, Und warm an’s Herze fliegst Du mir — Abschüttl’ ich jetzt die Winterflocken, Abschüttl’ ich hinterdrein die Welt, — Nur leise noch von Schlittenglocken Ein ferner Klang herübergellt. Nun ist es still; nun laß uns kosen: Du legst Dein Haupt auf meinen Schooß, Ich aber knüpf’ in leichtem, losen Getändel Dir die Flechten los. Du zürnst; warum? Du glaubst zu müssen, Und schwörst: „nie wieder einen Kuß!“ Da weiß ich, daß ich rasch mit Küssen Die krause Stirn Dir glätten muß. „Nun aber komm, nun laß uns plaudern Vom eignen Herd, von Hof und Haus!“ Da baust Du lachend, ohne Zaudern, Bis unter’s Dach die Zukunft aus; Du hängst an meines Zimmers Wände All meine Lieblingsschilderein, — Ich seh’s und streck danach die Hände, Als müss’ es wahr und wirklich sein. So flieht des Abends schöne Stunde, Vom fernen Thurm tönt’s Mitternacht, Die Mutter schläft, in stiller Runde Nur noch die Wanduhr pickt und wacht. „Ade, mein Lieb!“ von warmen Lippen Ein Kuß noch, — dann in Nacht hinein: „ Das Leben lacht, trotz Sturm und Klippen, Nur Steurer muß die Liebe sein .“ Zur Verlobung. Es passt uns nicht die alte Leier In unsren jungen Liebesrausch, Wir denken und wir fühlen freier, Und wollen’s auch beim Ringetausch; Der Treue Pfand, zu dieser Stunde Empfang’ es in Champagner-Wein: Der güldne Ring auf Bechers Grunde Soll Sinnbild meines Lebens sein. Laß übersprudeln mich, und freue Der Kraft Dich, die da schäumt und gährt; Tiefinnen, wie dies Bild der Treue, Lebt meine Liebe unversehrt. Trink aus! begeistern und erheben Laß Dich zu heil’ger Leidenschaft, Und trinke dann aus meinem Leben Dir gleiche Lust und gleiche Kraft. Shakespeare’s Strumpf. (Bei Gelegenheit eines Leipziger Festes, wo man mit einer Schillerschen Weste Götzendienst trieb.) Hochgesprungen, lautgesungen! Wenn verschimmelt auch und dumpf, Sei’s! wir haben ihn errungen William Shakespeare’s wollnen Strumpf. Sieg! wir haben jetzt die Strümpfe, Haben jetzt das heil’ge Paar, Drinnen er trotz Moor und Sümpfe Sicher vor Erkältung war. Sieg! wir huld’gen jetzt dem Strumpfe, Der der Strümpfe Shakespear’ ist, Denn er reicht uns bis zum Rumpfe, Weil er fast zwei Ellen mißt. Sieg! wir haben jetzt die Strümpfe, Dran er putzte, wischte, rieb Manchesmal die Federstümpfe, Als er seinen Hamlet schrieb. Drum wer je ein Lied geleiert, Wenn er sich nicht lumpen läßt, Singt Oktaven er, und feiert Unser nächstes Shakespearefest. Unsren Enkeln wird man melden: „Euer Ahn, daß ihr es wisst, War auch Einer von den Helden, Die den Shakespeare-Strumpf geküsst.“ 11 Drum herbei was Arm’ und Beine, Unsrer harret schon Triumph, Und dem Shakespeare-Strumpf-Vereine Helfen so wir auf den Strumpf. An Bettina. (Bei Lesung ihres Königs-Buches.) Dein Geist nimmt wie auf Lerchenschwingen Tief in den Himmel seinen Zug, Und freudig lausch’ ich seinem Singen, Und freudig folg’ ich seinem Flug. Doch wie die Lerch’ auf ihren Zügen Oftmals im Aether mir verschwimmt, So auch Dein Geist auf seinen Flügen, Wenn er zu hoch in’s Blaue klimmt. 11* Rangstreitigkeiten. In einem Lumpenkasten War große Rebellion: Die feinen Lumpen hassten Die groben lange schon. Die Fehde thät beginnen Ein Lümpchen von Batist, Weil ihm ein Stück Sacklinnen Zu nah gekommen ist. Sacklinnen aber freilich War grob wie Sackleinwand, Und hatte wundereilig Die Antwort bei der Hand: „Von Lady’s oder Schlumpen — ’s thut nichts zur Sache hier, Du zählst jetzt zu den Lumpen, Und bist nicht mehr wie wir.“ „ Von der Tann ist da! “ (Schleswig-Holstein-Lied. Ich gebe auch jetzt noch das vorstehende Lied. An der Sache Schleswig-Holsteins verzagen, hieße an Deutschland selbst verzweifeln. Der Verf. ) Hurrah, hurrah, Von der Tann ist da! Von der Tann ist kommen auf Eisenbahnen, Mit Eisen die Wege sich weiter zu bahnen. Ihr lieben Dänen, nun müssen wir leider Rasch über die Eider, rasch über die Eider, Und weiter und weiter, — hurrah, hurrah, Von der Tann ist da, von der Tann ist da. Hurrah, hurrah, Von der Tann ist da! Ihr Düppelschen Höhen, ihr Düppelschen Schanzen Nun giebt es mal wieder ein Stürmen und Tanzen, Und seid ihr erst unser, dann ’rüber nach Alsen, Das Fischvolk uns gründlich vom Halse zu halsen, Und weiter und weiter, — hurrah, hurrah, Von der Tann ist da, von der Tann ist da. Hurrah, hurrah, Von der Tann ist da! Was Strich, was Grenze von Flensburg bis Tondern, Wir wollen nichts Halbes, kein Theilen und Sondern; Herr Kammerherr Tillisch, nun grade, nun grade Wir wollen und müssen bis Apenrade, Und weiter und weiter, — hurrah, hurrah, Von der Tann ist da, von der Tann ist da. Hurrah, hurrah, Von der Tann ist da! Wir wollen in Krieg und in Hader leben, Bis daß wir wieder in Hadersleben; Wir wollen zum Schluß die Fridricia-Schulden Rückzahlen den Danske’s auf Groschen und Gulden, Und weiter und weiter, — hurrah, hurrah, Von der Tann ist da, von der Tann ist da. Hurrah, hurrah, Von der Tann in da! Von der Tann ist da, den schicket uns Baiern, Nun werden die andern nicht lange mehr feiern, Die Schwaben und Franken, die Sachsen und Hessen, Die werden am Ende uns auch nicht vergessen, Und weiter und weiter, — hurrah, hurrah, Von der Tann ist da, von der Tann ist da. Hurrah, hurrah, Von der Tann ist da! Ihr deutschen Brüder im Westen und Osten, O laßt nicht die Kling’ in der Scheide verrosten; Die Büchs und den Pallasch heruntergenommen, Ihr seid uns willkommen, zum Siege willkommen, Und weiter und weiter, — hurrah, hurrah, Von der Tann ist da, von der Tann ist da. Karl Stuart. ( Dramatisches Fragment .) Personen . Karl Stuart , König von England. Henriette Marie (Tochter Heinrichs IV. von Frankreich), seine Gemahlin. Thomas Wentworth, Graf v. Strafford , erster Minister. Oberst Goring . Oberst Bloomingfield . Van Dyk . Ein Diener. Ort: London. Zeit: 1640. Erster Akt. Der König. Van Dyk . Zimmer des Königs. Auf einem Stuhl, seitwärts vom König , steht das Bild der Königin, von Van Dyk gemalt. Der Maler selbst, der das Bild eben ge- bracht, in einiger Entfernung hinter dem König. Der Meister hat sich neu bewährt; das ist Kein Bild der Königin, das ist sie selbst. (sich verbeugend) Ein liebend Auge ist ein milder Richter, Ihr lobt das Bild, weil Ihr sein Vorbild liebt. O, Niemand weiß es besser als ihr Maler: Der Liebe Blindheit hat die schärfsten Augen. Wir übersehn die Blattern des Gesichts, Sind blind für alle Mängel der Natur, Und doch, wenn auf dem Bildniß unsrer Schönen Das Grübchen fehlt, das sie beim Lächeln zeigt, So merken wir’s, und nennen voll Entrüstung Des Meisters Werk — elende Stümperei. Kann sein daß mir die Stunde günstig war, Auch malt’ ich mit besondrer Lust und Liebe: Mir lag ein Trieb und Sporn in dem Gedanken „Es gilt der Tochter einer Medicis “; — Dem ganzen Hause malt’ ich dieses Bild, Ein Künstlerdank an alle Mediceer. Die Völker fühlen anders. Volk und Kunst Sind jetzt Geschwister, die sich nicht verstehn; Es zieht ein jedes seine eigne Straße. Ein wahres Wort! und glücklich alle Kunst, Die unberührt vom Schmutz und Schlamm des Lebens, Taub für den Haß und Wirrwarr der Parthein, Den Massen fern, — die eignen Pfade zieht. Und glücklich Ihr, die Ihr der Schönheit dient ! Euch bindet nicht des Landes enge Grenze, Nur in zwei Völker theilt sich Euch die Welt: In geistig Sehende und geistig Blinde. Die Einen fliegen jubelnd Euch entgegen, Die Andern wissen kaum es, daß ihr seid, Und so, vor aller Niedrigkeit geborgen, Löst Ihr das Räthsel, ungehasst vom Pöbel, Der Guten Freund, der Besten — Stolz zu sein. Wohl, alle Kunst ist ein Geschenk des Himmels, Und Dankbarkeit des Auserwählten Pflicht, Doch haben wir auch unsre schweren Stunden. Den jungen Ruhm vergiftet uns der Neid, Die eigne Kraft betrachten wir voll Zweifel, Und was so leicht sich und natürlich giebt, Als wär’ das Werk uns in den Schooß gefallen, Das rang in uns oft jahrelang nach Form, Und manches Wehe — — (ihn unterbrechend) Hört Ihr drauß den Lärm?! Nicht Ruh nicht Rast in meinem eignen Haus! Van Dyk — ich seh Euch wieder! Tag um Tag Bestürmt mich jetzt das Volk, und seine Bitten Sind nicht viel anders wie Befehle. Gott Zum Gruß, nochmals — lebt wohl! (Van Dyk ab.) (Die Königin rasch und in höchster Aufregung eintretend.) Was giebt’s Marie? Es ist empörend! Was empört Dich? sprich. Das City-Volk ist wieder auf den Beinen — Und wie ein Zerrbild auf Gesetz und Recht, Schreit es: Gerechtigkeit, Gerechtigkeit! Ich kenn’ sie schon die neuen Themis-Priester Mit nackten Armen und geschwungner Axt. Wem gilt es heut? Ach, meiner armen Mutter. Durch Ränkekunst vom eignen Herd verbannt, Sucht Schutz sie bei der königlichen Tochter, Doch ärmer als des ärmsten Mannes Weib, Hab’ ich kein Obdach für die eigne Mutter. Was soll’s mit ihr? Fort soll sie aus dem Land. „Weg die Papistin, weg den Antichrist, Weg mit dem Buhlweib Herzog Buckingham’s!“ So schrein die Rasenden, und Späße hört’ ich, Die alle Sitt’ und Scham mit Füßen treten. Sonst stirbt der Haß mit des Verhaßten Glück, Nur dieses Volk geizt nach der Schanden-Ehre Für alles Mitleid taub und todt zu sein; Zu altem Haß gesell’n sie neuen Spott, Und roher als das rohste Volk der Wüste, Mißachten sie des Gastes heilig Recht. Wär’ Strafford da! Nenn’ mir den Namen nicht. Er hat die Hand im Spiel; ich weiß es sicher. So ist er hier? Seit gestern schon. (Ein Diener tritt ein.) (anmeldend) Graf Strafford, — Majestät. (Diener ab.) ( Strafford tritt ein und eilt auf den König zu.) (mit Wärme) Mein Herr und König! (er küsst des Königs Hand und verbeugt sich dann gemessen gegen die Königin.) Gegrüßt Mylord! Ich wähnt Euch noch in Irland, Von langer, schwerer Krankheit kaum erstanden, Doch Strafford ist der alte; er genas Aus Lust und Liebe seinem Herrn zu dienen. Ihr sprecht es aus; krank traf mich Euer Brief, Ich las: Ihr rieft mich, — und ich war genesen. Seit gestern bin ich hier; o, wär’ ich’s länger: Bei Freund und Feind welch’ Wechsel der Er- scheinung! Der Feinde Haß, ohnmächtig sonst vor Furcht, Jetzt prahlt er schier in offnem Widerstande, — Und schlimmer noch: des Argwohns Rattenzahn Nagt an der Freunde Herz. Vor allem, Graf, Saht Ihr das freche Treiben vor dem Schloß? All dieses Treiben ist nur Wiederhall, Ist nur Symptom der Krankheit, nicht sie selbst, Die Krankheit selber nennt sich — Parlament . Das ist die Amme, die den Zwiespalt säugt, Das ist die Wurzel, die den Giftbaum trägt, Und, allen Stolz wegwerfend aus der Brust, Sprech ich zu jedem Feinde: „sei mein Freund“, Um diesen Urfeind sichrer zu vernichten. Ich lieb ihn nicht; doch was zumeist ich hasse, Das ist dies Straßenp arlament, das täglich Mit drohenden Fäusten jetzt Gesetze macht. Wie stand es draußen? Leer ist Hof und Platz. Des Schlosses Wache griff die lautsten Schreier, — Der Rest zerstob wie Spreu. (lebhaft) Und die Gefangenen? Sind noch in Haft. (heftig) Sie müssen an den Pranger. Das gäb’ ein Martyrthum, wär’ ein Triumph; Sie würden Blumen erndten statt der Schande. So laßt sie peitschen. Gnäd’ge Königin, Wir haben andre Feinde zu bekämpfen. Mein Rath ist: gebt sie frei, — und mehr als das: Gebt ihrem Wunsch Gehör. Ich fass’ Euch nicht. Ihr könnt nicht meinen, Graf, — Der Königin Mutter Muß aus dem Land. Wie?! Mylord Strafford, traun, Nachgiebigkeit war sonst nicht Eure Tugend. Und ist es nicht; was Euch so scheinen mag Ist Pflicht der Klugheit, ist — Nothwendigkeit. Die Klugheit heischt nur eins: dem Unfug steuern, Ziel setzen diesem maaßlos frechen Fordern. Des Volkes Fordrung ist nicht frech an sich, Es war’s die Art und Weise nur, die Form , Das Wie war sträflich, aber nicht das Was . Hört auf dies „ Was “. Der Feind ist stark; wir brauchen Vertrauen jetzt, wir brauchen Bundsgenossen: Des Volkes Lieb’ und Treu’, um jeden Preis; Der Königin Mutter aber (sei’s geklagt!) Ist unsrem Volk verhasst. Sagt unsrem Pöbel . Des Pöbels Stimme dürfen wir verachten, So lang es eben Pöbel nur, was schreit. Doch wenn ein ganzes Volk dahintersteht, Und jene rohe Menge nur die Zunge Dem Wunsch und Willen aller Herzen leiht, Dann ist es Zeit auf solchen Ruf zu achten, Und diese Stunde kam. — Auf meiner Fahrt Jüngst durch die Westprovinzen dieses Lands, In Chester, Warwick, Oxford, Shrewsbury, All überall, am Weg, in Dorf und Stadt, Stand man in Gruppen, schüttelte den Kopf, Und trat ich näher, stets derselbe Name „Marie von Medicis“, — dieselben Flüche, Und stets derselbe Ruf: „fort muß sie, fort“. Das war der Pöbel nicht, das war das Volk , Und dieses Volk und seine gute Meinung Das brauchen wir, das fiel entscheidungsvoll Noch immer in des Kampfes Wage, und Wohin sich’s neiget, neigt sich auch der Sieg. Genug, Mylord! Ihr müht umsonst Euch ab Des Staatsmanns Ernst und Würde zu erkünsteln, Zu thun, als knüpfe sich das Wohl des Lands An meiner Mutter Bleiben oder Gehn. Sie soll nicht fort um Ruh und Friedens willen, Nicht fort, weil Pöbel oder Volk es fordert, Sie soll nur fort weil es Graf Strafford will. Verletzte Eitelkeit schreit laut um Rache: Ihr denkt des Tages noch, wo meine Mutter „Land-Edelmann“ in bittrem Scherz Euch nannte. Doch Eitelkeit ist nur der stumpfre Sporn, Der Herrschsucht Stachel setzt Euch schärfer zu, Erproben möchtet Ihr an diesem Fall 12 All Eure Aussicht auf Allmächtigkeit. Ein kranker Stolz hat Euer Herz vergiftet; Die Liebe selbst zu Eurem Herrn und König Ist nur ein Kind des Hochmuths dem Ihr dient, Und meiner Liebe Macht und Einfluß fürchtend, Hasst Ihr mich schon, weil mich der König liebt. Thut, was Ihr müsst, nur schonet meine Mutter, Sonst Graf, so wahr ich meiner Mutter Tochter, Ich denk’ es Euch. (ab.) Mylord, nicht Fürsten nur, Auch Völker kennen Eigensinn und Laune. Welch’ Makel haftet an der Königin Mutter?! Ist es der bloße Name „ Medicis “? Wie, oder geht das ewige Gespenst — Die Furcht vor Rom und seinem Pabstthum wieder Durch’s ganze Land? Hört, was ich selbst vernahm. Zu Coventry, es war am hellen Tag, Sprang Einer aus dem Volk auf eine Tonne. „Landsleute, — rief er — hört ein Stückchen noch Von einer Medicis und Königin Mutter ; — Hieß Katharine zwar, und nicht Marie , Doch welcher Apfel fiele weit vom Stamm! Bluthochzeit feierte die Stadt Paris, Der Glocke Zeichen war in Nacht verklungen, Und durch die Straßen, wie gehetztes Wild, Wehschreiend, betend floh der Hugenott. Schon zog ein Blutstreif durch den Seine-Fluß, Schon lag verstümmelt, siebenfach durchbohrt, Auf offnem Platz der greise Coligny, Und immer noch, den Mord zum Morde mahnend, „Laßt Ader!“ schrie der tückische Tavannes. Im Schlosse aber, das sie Louvre nennen, An jener hohen Bogenfenster einem, Stand König Karl, der neunte seines Namens, 12* Und zitterte. Der ungeheure Frevel Griff ihm in’s Herz. Trotz Licht und Fackelglanz, Nacht war’s um ihn. Er warf die Büchse fort; „Ich kann nicht schießen, Mutter!“ rief der Da trat ein Weib hervor, schwarz war ihr Haar, Schwarz wie der Sammet ihres Schleppenkleides, Und ihrem Aug’ entflammte tiefre Gluth, Als dem Rubin der ihr am Nacken blitzte. „Bist Du ein Mann!“ so raunte sie ihm zu, Ein König und — so feig? ich mag’s nicht glauben!“ Das zündete. Der Fürst, in falscher Scham Ergriff er neu das Rohr, sie aber rief: „Schau dort das Weib, das Hugenottenweib, — Sie flieht und birgt den Säugling an der Brust, — Zertritt das Raupennest!“ Der König schoß; Ein Wehschrei klang herauf; doch die Entmenschte Schlug in die Hand und lachte: „brav, mein Sohn!“ Und dieses Weib — und nun geht still nach Haus — War eine Medicis und Königin Mutter .“ So sprach der Mann (es war zu Coventry) Und sprang herab; ich aber fuhr des Wegs. Und ward kein Beifall laut? trug man den Sprecher Nicht im Triumph nach Haus? schwur nicht ein Jeder, Vom feisten Höker bis zum Bettelbuben, Für seinen Glauben einzustehn? die Thoren, Als sei ihr Glauben in Gefahr! so aber Ist dieses Volk: sein Denken all und Fühlen, Sein Heiligstes, ein Spielball ist’s in Händen Fanat’scher Priester, oder schlimmer noch, Ehrgeiz’ger Gaukler die ihr Fach verstehn. Der Mann, der da herab von seiner Tonne, Mit jedem Wort die Saat des Hasses streute, Was gab er mehr als Worte? welche Schuld Warf er der Königin Mutter vor die Füße? Was war es? nichts! ihr Name — ihre Schuld. Das eben ist’s; da lebt uns die Gefahr, Daß jeder Scheingrund gläubge Hörer findet, Daß alles Volk, von Argwohn wie bestrickt, Das Tollste glaubt, nicht weil es glaubhaft wäre, Nein, eben deshalb weil’s ung laublich ist. Schon flüstert man von einer Hofverschwörung, Ihr — heißt es — seid im Herzen Katholik, Und neu-errichtet sehn viel Tausend schon Die Scheiterhaufen der Maria Tudor Durch diese mediceische Marie. Des Mißtrauens Nessel wuchert durch das Land, Und dieses Unkraut aus den Seelen reißen, Das kann kein Wort, das kann nur — eine That . Weh aller Zeit — und es ist unsre Zeit — Wo des Vertrauens Brücke abgebrochen, Die zwischen Volk und Fürstenherz sich schlug; Wo Königswort ein leerer Schall geworden, Ein tönend Erz und einer Schelle Klang. Des Volkes Furcht ist Wahn! und doch, ich fühl’ es, Was Argwohn eingeätzt in die Gemüther, Das wischt man nicht mit Worten aus der Brust; So sei’s denn eine That ; sei’s denn ein Opfer: Der Königin Mutter geht! Glück auf, zum Sieg! Aus dem Entschluß wächst uns ein ganzes Heer. Traun, wie bei Azincourt, auf blut’gem Feld, Die Geister einst der Helden von Crecy Die Lücken stopften und zum Sieg uns führten, — So fechten jetzt für uns die guten Geister Neu auferweckter Lieb’ und Treu. — Und nun An’s Parlament, — es darf nicht län- ger leben ! Kein Ueberstürzen, Graf! der Schritt ist ernst. Das rasche Zürnen unsrer früh’ren Jahre, Das, Mal auf Mal, die trotz’gen Parlamente Uns lösen ließ, — es hat nicht eingeschüchtert, Es hat erbittert nur. Nein, nein, Mylord! Das Mißtrauen, das Ihr wegzutilgen trachtet, So streut Ihr’s nur mit vollern Händen aus, Denn eifersüchtig bis zum eignen Schaden, — Das Beste selbst noch als ein Schlimmes deutend, — Wie seinen Glauben unser Volk bewacht, Bewacht es auch sein Recht . Sein Recht? das soll’s! Doch das ist keines von des Volkes Rechten, Daß, wenn durch List und Mißbrauch aller Art, Des Landes puritansche Conventikel In’s Parlament (das Volkesstimme sei) Mit Bibelsprüchen sich hineingezetert, — Daß wir vor solchem Echo von Sektirern In Ehrfurcht stehn, wie vor Orakelsprüchen. Das Wohl des Volkes ist sein höchstes Recht, Und in dem Rechte wurzelt unser Recht, Die Axt an solchen faulen Stamm zu legen. Und wenn’s geschäh’, was führt dann den Beweis Klar und handgreiflich vor des Argwohns Augen, Daß Liebe nur zu Volk und Land, nicht aber Engherzger Haß zu diesem Schritt uns trieb! Glaubt Ihr, Mylord, daß jenes Bleigewicht, Was dieses Parlamentes Filzerei All unsren Plänen an die Flügel hängt, — Daß all die Steine, die sein Widersprechen Bei jedem Schritt uns vor die Füße rollt, — Daß all sein Pfeile-schießen giftgen Spottes, Sein uns mit Koth-bewerfen plumper Späße, — Daß alles das uns in des Volkes Augen Ein Recht verleiht die Lästgen abzuschütteln?! Nein, an dem Spiel erquickt sich nur das Volk, Erlabt sich dran, daß wir, die Hochbeglückten, Auch unsren Hemmschuh an den Füßen tragen, Und eh’ Ihr nicht mit etwas Ungeheurem An ihre Seele klopft und sprecht: „seht her! Die ihr „ Vertreter “ nennt, — es sind Ver- räther “; Eh’ glückt es nicht. — Drum eben glückt es, — lest! (er überreicht dem König ein Papier) Ein Ungefähr verschafft uns diesen Brief. Der Zufall ist oft klüger als die Klügsten, Und überlistet hämisch noch die List. (während der König liest, mit immer steigender Lebendigkeit) Jetzt haben wir die Füchse all im Eisen, Die Pym’s, die Hampden’s und die Harrison’s! Verrath liegt klar zu Tag! das Schottenheer, Das immer noch an unsrer Grenze lungert, Hier dieser Brief nennt es: „viel-liebe Brüder“ Und ladet gastlich, Wort um Wort, es ein, An unsres Landes Tische sich zu setzen. Das ist Verrath auch in des Volkes Augen! So gradezu den Feind herbeizurufen, Und mit ihm Krieg und seine tausend Wunden, Das öffnet aller Augen. Ihr vergesst, (In zürnender Entrüstung, die ich theile,) Fünf Namen nur verräth uns dieses Blatt: Pym, Hampden, Hollis, Cromwell, Harrison. Die That ist ihre That; das Parlament Hat keinen Theil daran. Es wird ihn haben. Auswirk’ ich heute noch im Haus der Lords, Noch diese Stunde, den Verhaftsbefehl; Mit dem Befehl dann hin in’s Unterhaus, Vom Hause selber diese fünf zu fordern. Wenn sich’s dann weigert, — und es wird sich weigern, Sich sträuben, wie der Leib sich sträubt die Seele, In der sein Leben wurzelt, wegzugeben, — Dann Sieg! Hintretend vor Alt-Englands Volk, Abreißend diesen Heuchlern ihre Maske, Erklären wir dies Schelmen-Parlament Für aufgelöst; und wenn dann unser Land, — Rundköpfge Psalmensänger ausgenommen — Nicht „Amen“ spricht, und nicht aus voller Kehle „Hoch leb’ der König!“ ruft, so nennt es Lüge Nenn ich mich je noch Euren treusten Diener. Rundköpfge Psalmensänger, wie Ihr sagt, Uns lebt davon ein gutes Theil im Lande. Sie werden um ihr Parlament sich schaaren, Und wenn die Schotten dann die Waffenruhe In alter, guter Schottentreue brechen — So sind, gestützt auf unser Volk und Recht, Wir diesem Feind wie jedem Feind gewachsen. Die irische Armee ist treu: wir werfen Von Belfast und Dublin zehntausend Mann Kerntruppen ’rüber an die schottsche Küste, Und wenn sich’s hier am eignen Herde regt, So haben wir auch hier noch Regimenter, Die nur des Zeichens harrn — (gespannt) Glaubt Ihr das sicher? So sicher wie an meine Schuld ich glaube, Und an Vergebung meiner Schuld. Hört selbst: Goring und Bloomingfield, zwei Obersten, Harrn in der Halle draus und bitten dringend Um Audienz, im Auftrag ihrer Corps’s. Gefall’ es Euch sie vorzulassen. (indem er klingelt) Gern! (zum hereintretenden Diener:) Die Obersten! (Die Obersten treten ein) Ah, Oberst Bloomingfield! Ich sah zu Berwick Euch, im vor’gen Herbst, Als wir den Schotten gegenüberstanden. Ein stattlich Regiment das Eure! Sagt, Wie steht’s um Geist und Stimmung in der Truppe? Schlecht, Majestät! Schlecht, Oberst? Sprecht, wie das?! Schlecht Majestät, weil man uns ganz vergisst, Uns Sold bezahlt um — Nichts, anstatt der Treue Doch auch ein Wort, ein Wort mit hier zu gönnen. (er schlägt mit ganzer Hand an seinen Degen.) Wir denken so: wie lange wird dies Nest Von Rechtsverdrehern und von Krämerseelen, — Dienstfertige Narren nennen’s Parlament — Noch unsrem Herrn in seiner Krone sitzen? Und unser Tisch- und unser Nacht-Gebet Heißt immer: Gott erleuchte unsren König, Daß er, wie unser Heiland einst vor Zeiten, Die Schachrer alle aus dem Tempel jagt. Topp, Bloomingfield, wie auch ihr Ausdruck sei, Ich weiß die Treue jederzeit zu schätzen, Und mit dem Herzen hört’ ich, was Ihr spracht. — Euch Oberst Goring, staun’ ich fast zu sehn: Vom Grafen Essex hört’ ich gestern noch, Ihr wär’t mit Leib und Seele Puritaner. Das bin ich, Majestät; vor allen aber Bin ich Soldat ; und was ich sonst auch glaube, Zuvörderst glaub’ an Gott ich und — den König . Das nenn ich brav gesprochen! nun, Ihr Herrn, Was führt Euch her? ein Wunsch aus solchen Herzen Trägt die Gewähr in sich. Das wolle Gott! Wir haben hier ein Blatt zu recht geschriftet, Und bitten Eure Königlichen Gnaden, Zu Trost und Hoffnung aller treuen Diener, Dies Blatt zu unterschreiben. Inhalt lautet: — Das heißt der langen Rede kurzer Sinn — „Ich Unterzeichneter, der König Karl, Will wieder König sein in meinen Landen, Was ich hiemit kund und zu wissen thu.“ (lachend) Habt Ihr das je bezweifelt! dachtet Ihr Ich könnte je, gleich jenem Kaiser Karl, Mein Diadem mit der Tonsur vertauschen? Schreibt, Majestät; ’s wirkt besser schwarz auf weiß. (heiter) Es mag drum sein! (er unterschreibt.) Nun Bloomingfield, nehmt hin! Wir werden Eures Arms und Eurer Treue Gar bald bedürfen, — sagt das Euren Corps’s, Und damit Gott befohlen! (Die Obersten ab.) Strafford, traun, Wir haben Schätze noch trotz leeren Schatzes! Des alten Graubarts ungeschlachtet Wort Ging wie ein Becher Wein mir durch die Seele. Ihr aber blickt so finster; was geschah? Ein Nichts, und doch ein Etwas, — wie Ihr wollt. Mein Blick fiel eben auf das Bild: es lachte; Mir ging dies Lachen auch durch meine Seele. Strafford, was sicht Euch an? (stürmisch die Hand des Konigs fassend) Mein Herr und König, Wenn diese Hand zum letzten Mal ich küsste! (voll Theilnahme) Ihr seid noch krank, Mylord! Mir ahnt Gefahr; — Verschworen hat der Haß sich meiner Feinde, Ich weiß es, ihre Fallen sind gestellt: Sie oder ich , — so steht das Spiel. (er schweigt einen Augenblick, dann in höchster Aufgeregtheit:) Was auch gescheh’, Man kann an’s Leben mir, nicht an die Treue. — Und nun in’s Haus der Lords! (ab.) Behüt’ Euch Gott! (er sieht ihm nach, dann nach einer Pause:) O, weckte doch ein Abglanz solcher Treue In allen Herzen, drin der Argwohn wintert, Wie Sonnenblick, den Frühling des Vertrauens. Vertrauen , schönster Stein in Königskronen, Du Mutter aller Liebe, und ihr Kind, Du einzig Pfühl, auf dem wir sorglos schlummern, Ich rufe Dich, kehr’ wieder in dies Land! Es giebt kein Glück, wo Du den Rücken wandtest, Es giebt kein Unglück — lächelst Du auf’s Neu; Laß siegen mich mit Dir in Friedensschlachten, Ein Sieg nur über Herzen ist ein Sieg. Ein Ball in Paris. Ein Ball in Paris. Paris hat Ball: hin durch der Gassen Enge Braust rasselnd der Karossen bunte Menge, Die Quai’s entlang, entlang die Tuillerien, Ein rastlos Jagen und Vorüberfliehn. Halloh, die Peitsche knallt, die Rosse dampfen, Schon dröhnt „La Gr ê ve“ von ihrer Hufe Stampfen, Und jetzt ein kurzes „Halt!“ — hell glänzt das Ziel, Der prächtge Ballsaal des H ô tel de Ville. Rings Fackelglanz; die Nacht ist lichter Tag, Betresste Diener springen an den Schlag, Leis knistert auf der steingehaunen Treppe Der Atlasschuh, es rauscht die Seidenschleppe, Der Mantel fällt, und jetzt in luftgem Shawl, Selbst luftig, schwebt die Schönheit in den Saal. Drin wogt es schon; auf Klängen der Musik Wiegt sich der Glanz der neuen Republik: Die Abenteurer und die Schleppenträger, Die Vettern all und all die Stellenjäger (Auf deren Brust das Kreuz der Ehre blitzt, Weil nichts von Ehre drin im Herzen sitzt) All sind sie da, und leichter schwebt ihr Fuß, Trifft sie des Kaiserneffen flüchtger Gruß. Der Kaiserneffe aber, klanglos hin Zieht heut der Töne Macht an seinem Sinn, Sein Aug’ ist todt rings für den Blumenflor, Nach einem Punkt nur blinzelt Er empor, Von wo herab im Purpur, goldgestickt, Des Kaisers Bild auf ihn herniederblickt. Das Kaiserbild! traun in das Festgebraus Aus seinem goldnen Rahmen tritt’s heraus, Ein tiefer Ernst umschattet sein Gesicht, Der Kronendurstge aber sieht es nicht, Er sieht nur wie der Goldreif blinkt und blitzt, Der auf der Stirne des Allmächtgen sitzt, Er sieht das Scepter nur der halben Welt, Das Jener spielend fast in Händen hält, Und zitternd nach des Glückes gleicher Huld, Ruft er sich selber zu: „Geduld, Geduld!“ So aber denken nicht die schlanken Schönen, Die leicht hin schweben auf den leichten Tönen, Mit Blüthen sind die Blühenden geschmückt, Wie wenn man Rosen noch auf Rosen drückt, 13 Und schier als wär’ die Gabe zu genießen Selbst nur ein stundenkurzes Blüthensprießen, So jagt man hin, voll fieberhafter Hast, In ewger Furcht, die Stunde sei verpasst. Ich tanze nicht ; — im Durst nach Luft und Frische Tret’ ich seitab in eines Fensters Nische, Und hinter mir jetzt all den Saus und Braus, Blick’ ich, aufathmend, in die Nacht hinaus. Die lagert draußen schwarz und schwer und dicht, Mit Eifersucht-umfinstertem Gesicht, Und in des Saales Glanz und Pracht und Schein, Starrt wie der Tod in’s Leben sie herein. Doch lauter immer wird das laute Treiben, Fest drück’ die Stirn ich an die feuchten Scheiben, Da ist es mir, als ob mein Ohr es träf’: „Kennst Du den Platz da draus? kennst Du „La Gr ê ve“? La Gr ê ve! wie kalt das Wort mich überlief, Und nächtge That vor meine Seele rief; La Gr ê ve! wo Haß nur, der nach Rache schnob, Der Freiheit Zerrbild aus der Taufe hob; La Gr ê ve! wo man von Menschenliebe schwur, Wenn mal auf mal das Beil herniederfuhr; La Gr ê ve! wo Blut aus so viel Quellen floß, Daß es — ein Strom sich in den Strom ergoß. Und mir im Rücken jetzt erbraust es wilder, Vor meinen Augen aber, Schattenbilder Der Greuel all, die ringsumher geschehn, Läßt mich die Nacht in ihrem Spiegel sehn. 13* Horch! Weiberstimmen durch die Lüfte kreischen; Da sind sie selbst; — in Wollust zu zerfleischen, Hat ihres Fleisches Wollust sich verkehrt, — Blut heißt jetzt was die Sinnlichkeit begehrt. Manch Eine trägt den Säugling an der Brust, Doch nirgends einer Mutter stille Lust; Mit aufgelöstem Haar, halbnackt die Leiber, So ziehn vorbei mir die Versailler Weiber. Und jetzt, verhallt kaum ist ihr Schrei nach Brot, Da naht ein zweiter Zug, den führt der Tod, Er zieht als Mordgesell dem Zug vorauf, Und trägt zwei Stangen und zwei Köpfe drauf; Wild heulend folgen aus den Rh ô ne-Landen Die Lyoneser- und Marseiller Banden, Siegtrunken noch vom Sturm der Tuilerien, Seh’ ich die Blutgen mir vorüberziehn. Vorbei, vorbei! jetzt aber Trommelklang So dumpf, so hohl, — das ist ein Sterbegang; Schon um den Platz wie eine Eisenkette Legt sich der spitze Wald der Bayonnette, Und rasch, in Nacht herauf, steigt das Schaffott, Vom Volk umtanzt in widerlichem Spott. Zwei Männer schreiten herwärts; — alles still, — Es winkt des Priesters Hand, die segnen will, Und machtvoll jetzt, hertönt’s aus dem Ge- wimmel: „Des heilgen Ludwig Sohn — steig’ auf gen Himmel!“ Ein Beilesblitz; — — mein Auge schließt sich bang; Da hinter mir aufschreckt mich Beckenklang, Und aus der Nische fort und ihrer Nacht, Tret’ ich zurück jetzt in die Saalespracht. Drin wogt es noch; auf Klängen der Musik Schwebt nach wie vor der Glanz der Republik, Noch immer senken taktvoll sich und steigen Die Walzerpaare nach dem Strich der Geigen; Noch immer aus des Contre-Tanzes Touren Erblühen Arabesken und Figuren, Und immer noch, rasch wie Gewitterhusch, Braust der Galopp her im Orchestre-Tusch. Wohl! rings dasselbe Thun noch und Beginnen, Ich aber jetzt, mit nachtgeschärften Sinnen, Schau durch das Maskenwerk und seinen Schein, Tief in das Herz der Wirklichkeit hinein. Sieh Jenen dort: es frömmelt sein Gesicht, Mir sagt’s sein Aug’, daß er von „ Tugend “ spricht; Sieh, wie so süß er seiner Dame lächelt, Und Kühlung ihr mit seinen Blumen fächelt, Sieh hin, — und denk dann an den Festeszug, Wo der Hyänenmensch auch Blumen trug. Sieh jenen Zweiten dort: wie Dantons Brust Hebt sich die seine stolz und selbstbewußt; Ein jedes Härlein schwört auf diesem Haupt, Daß es an nichts, als an sich selber glaubt. Und jenen Hagren sieh! wie, kündet nicht „ La mort — sans phrase !“ dies steinerne Gesicht? Und Jenen sieh: vergiftet ist sein Blut, Pestbeule außen, drinnen Höllenglut; „Stirb an Dir selbst , Tyrann! zu rein für Dich Ist einer Corday keuscher Messerstich.“ Genug! Du aber Fürst, deß Blicke eben Scheu wieder sich zum Wandbild dort erheben, Du Kaiserneffe, der im Herzen still Noch immer rechnet: ob’s nicht werden will ? Und über sich und seine Welt vergißt, Daß rings die Welt ein drohnder Krater ist, — Sag an, wenn jener Schreckenszeit Gestalten Bluthochzeit wieder in den Gassen halten, Bist Du’s dann, der das losgelassne Thier Voll Ruh empfängt, des Sieges sicher schier, Und eh’s in Blut sich voll und satt geschlürft, Das Fangseil rasch ihm über’n Nacken wirft, — Bist Du’s? — Du schweigst; der Kaiser aber spricht Von seiner Wand herab: „ er ist es nicht !“ Druck von W. G. Korn in Breslau.