Characteristik der merkwuͤrdigsten Asiatischen Nationen. Concentrirt und historisch richtig dargestellt. Zweyter Theil. Breßlau , bey Johann Ernst Mayer , 1777 . Vorbericht. Wir finden bey Herausga- be dieses zweyten Ban- des der Characteristik der merkwuͤrdigsten asiatischen Natio- nen, fuͤr unnoͤthig, unsre Leser mit einer weitlaͤuftigen Beschrei- bung uͤber dieß Buch aufzuhalten. Der ganze Plan ist nun ausge- fuͤhrt, und es steht einem jeden a 2 frey, Vorbericht. frey, sein Urtheil uͤber das Gan- ze nach Belieben zu faͤllen. Man hat den ersten Theil die- ses Werks, in verschiedenen ge- lehrten Zeitungen auf eine Art be- urtheilt, die fuͤr uns sehr schmei- chelhaft ausgefallen ist. Man hat uns mit Anstand einige Ver- sehen gezeigt, ob sie gleich nicht von Erheblichkeit sind, und dem Wer- the des Ganzen merklichen Abbruch thun koͤnnen. Indessen wissen wir es sehr wohl, daß wir uns hie und da uͤber gewisse Dinge bestimmter haͤtten ausdruͤcken sollen. Aber, wenn Vorbericht. wenn man sich daruͤber aus Man- gel glaubwuͤrdiger Nachrichten nicht bestimmt ausdruͤcken kann, wie denn? Und der Fall ist sonder- lich im ersten Theile dieses Werks verschiedentlich vorgekommen. Auch wissen wir, daß manchem Leser unsre geflissentliche Kuͤrze nicht immer gefallen wird. Die- sen Menschenkindern koͤnnen wir nicht anders helfen, als das wir ihnen den Rath geben, die von uns gebrauchten und augezeigten Buͤcher nachzulesen. Haͤtten wir ihre Neugierde befriedigen wollen; a 3 so Vorbericht. so wuͤrden fuͤnf oder sechs Quartan- ten nicht hinlaͤnglich gewesen seyn. Und wenn wir unsern Plan so weit ausgedehnt haͤtten; so wuͤrden wir ganz gewiß einen sehr uͤberfluͤßigen und unnuͤtzen Plan entworfen ha- ben. Doch wir wollen uns hierbey nicht laͤnger aufhalten, sondern vielmehr die Gewaͤhrsmaͤnner, de- ren wir uns bey Verfaßung dieses zweyten Bandes bedient haben, vorfuͤhren. Da folgt nun zuerst Engel- bert Kaͤmpfers Beschrei- bung Vorbericht. bung von Japan. Dieser Engelbert Kaͤmpfer war, wie bekannt, Hochgraͤfl. Lippischer Leibmedieus, aus Lemgo gebuͤr- tig. Er unternahm in den Jah- ren 1683 bis 1692 von Schweden aus, eine Reise durch verschiedene Provinzen Rußlands, Persiens, Indiens, Siams und Japans. Er reisete mit bestimmter Absicht, indem ers sich vornahm, die Kennt- niße seines Zeitalters zu erweitern, und diese Erweiterungen der Welt zu communiciren. Dabey war er mit den hinlaͤnglichsten Kennt- a 4 nißen Vorbericht. nißen und Urtheilskraft versehen, um sich das Zutrauen der Leser zu versichern, daß er richtig gesehen und beobachtet habe. Dieser tie- fe Beobachter leuchtet schon hin- laͤnglich aus seinen Amoenitati- bus exoticis hervor. — Wir ha- ben uns fuͤr vollkommen berechtigt geglaubt, diesem gelehrten und ehr- lichen Westphaͤlinger in der Cha- racterisirung der japanischen Na- tion zu folgen, da Niemand, weder vor ihm noch auch nach ihm beßre Aufschluͤße, die zur naͤhern Kennt- niß dieses Volks dienten, gegeben hat Vorbericht. hat. Der Leser wird indessen doch finden, daß wir auch andre Schrift- steller, dahin Caron, Hagener, Varenius, Froes (der im Jahre 1586 in Japan war) und andere gehoͤren, zu Rathe gezogen haben. Bey Behandlung der Araber, haben wir uns vorzuͤglich der fuͤr- treflichen Beschreibung des Herrn Carsten Niebuhrs bedient, eines Werks, das sich durch Ordnung und systematischen Geist, durch Ausfuͤllung der Luͤcken unsrer bis- herigen Kenntniße von Arabien, durch Genauigkeit in Darstellung a 5 der Vorbericht. der Menschen, und Scharfsinnig- keit im Urtheilen, ausgezeichnet. Ein solcher Mann also, der aller- dings in die Klasse der Pokocke Keyslere, Gmelnie, Kaͤmpfer, Lou- bere, Chardin und andere gehoͤrt, — konnte von uns nicht anders, als Kaͤmpfer benutzt werden. La Loubere hat uns bey Siam eben die Dienste gethan, welche uns Kaͤmpfer bey Japan und Herr Nie- buhr bey Arabien geleistet haben. Seine Nachrichten haben in Ab- sicht der Ordnung, des Fleißes, der Wahl der Materien und der Gruͤnd- lich- Vorbericht. lichkeit der Anmerkungen, vor al- len einen großen Vorzug. Wir wuͤßten keinen einzigen Reisebe- schreiber, der mit ihm, was Siam betrift, koͤnnte verglichen werden. Zwar fehlt es uns nicht an Maͤn- nern, welche Nachrichten von Siam haben drucken lassen. Choisi ist in seinen Berichten hoͤchst supersi- ciell. Daher haben wir ihn sel- ten um Rath gefragt. Ta chard hat sich oft, wegen der außero r - dentlichen Ehrenbezeugungen, die er in Siam genoß, blenden lassen, und man muß sich also gar nicht wun- Vorbericht. wundern, wenn er uns die abge- schmacktesten und leichtglaͤubigsten Dinge von der Welt vorerzaͤhlt. Herr von Frobin macht an einem Orte uͤber diese beyden Reisebe- schreiber folgende Anmerkung: Ich muß aufrichtig bekennen, sagt er, daß ich mich mehr als einmal ver- wundert habe, daß der Abt von Choisi und der Pater Tachard, welche die Reisen mit mir gethan, und eben das gesehen, was ich ge- sehen habe, sich beredet zu haben scheinen, der Welt von dem Koͤ- nigreiche Siam praͤchtige, und der Wahr- Vorbericht. Wahrheit so wenig gemaͤße Begrif- fe zu geben. — Das ist nun frey- lich alles wahr, und beyde haben gewiß die Siamer zu sehr herausge- strichen. Indessen muß man doch aber auch gestehen, daß, sonderlich Tachard mitunter, sehr richtige und genaue Anmerkungen mitgetheilt hat. Wir haben ihn auch oft ge- braucht, doch aber nur dann, wann er mit Loubere und andern uͤberein- stimmte. Wir enthalten uns von den uͤbrigen Schriftstellern, die uns bey Siam ihre Dienste geleistet ha- ben, etwas zu sagen. Un- Vorbericht. Unter denjenigen, welche Hin- distan bereiset haben, verdienen wohl die Anmerkungen des Ber- niers vorzuͤglich geschaͤtzt zu wer- den. Er war ein beruͤhmter Arzt, ein Philosoph, ein scharfer und ein- sichtsvoller Beobachter, der nicht beobachtete, weil er reisete, son- dern reisete um zu beobachten. Seine Reise ist in vier Theilen un- ter dem Titel: Memoires de l’Empire du Mogol à Paris 1670-1671 herausgekommen. Wir haben keinen Anstand genommen, ihn als den Leitfaden anzunehmen. Will Vorbericht. Will aber jemand sagen, daß wir ihm ohne Ueberlegung gefolgt sind; so thut er uns sicher zu viel, denn er muß wissen, daß wir neben ihm auch noch Ovingtons Voyages to Surat, Lord Account of Ba- nians relig. Thevenot, Ter- ry Voyages to Cast India, Hamilton und andere zur Hand ge- habt haben. Aus allem diesen sieht der Leser, daß er in diesem Buche Relationen der Reisebeschreiber von verschiede- nen Laͤndern ließt, aber solche Re- lationen, die gegruͤndet und folglich von Vorbericht. von Erdichtungen frey sind. Wir werden uns fuͤr belohnt halten, und halten uns zum Theil schon fuͤr be- lohnt, den Liebhabern der Reisebe- schreiber durch unsern Plan, fuͤr ei- nen geringen Preis, das Zuverlaͤs- sigste, was sich von einer Nation sagen laͤßt, communicirt zu haben. Uebrigens wollen wir hier noch anzeigen, daß wir nicht abgeneigt sind, die Amerikaner nach eben die- sem Plane zu behandeln. Vielleicht entschließen wir uns, sie aus einem historisch-philosophischen Auge zu betrachten. Die Verfasser. Leipziger Ostermesse, 1777. Inhalt. Inhalt. Japaner. Erstes Kapitel. Kurzer Abriß von Japan — vom Clima — von der Fruchtbarkeit des Landes. S. 3 Zweytes Kapitel. Von der Religion in Japan. S. 8 Drittes Kapitel. Von der Lebensart, Sitten und verschiedenen Ge- braͤuchen der Japaner. S. 40 B Vier- Viertes Kapitel. Von der Sprache — den Kuͤnsten und Wissenschaf- ten der Japaner. S. 55 Fuͤnftes Kapitel. Von der Regierungsform und den Gesetzen in Ja- pan. S. 71 Sechstes Kapitel. Vom Handel und Gewerbe in Japan. S. 93 Araber. Erstes Kapitel. Allgemeine Anmerkungen uͤber das Clima Arabiens und den Character der Einwohner dieses Landes — Betragen der Mohammedaner gegen frem- de Religionsverwandte — Gastfreyheit und Gruß der Araber. S. 115 Zweytes Zweytes Kapitel. Von einigen besondern Umstaͤnden den Mohammed betreffend — Von den Gesetzen Mohammeds und insbesondere vom Koran (Alkoran.) S. 137 Drittes Kapitel. Von der Kleidung — vom Essen und Trinken und Wohnung der Araber. S. 186 Viertes Kapitel. Von der Vielweiberey und Beschneidung der Morgen- laͤnder. S. 208 Fuͤnftes Kapitel. Von der Sprache und den Wissenschaften der Araber. S. 222 Sechstes Kapitel. Abriß von den Bedouinen oder herumstreifenden Ara- dern. S. 255 b 2 Sia- Siamer. Erstes Kapitel. Von den Einwohnern in Siam — ihrer Kleidung — Wohnungen und Lebensart. S. 279 Zweytes Kapitel. Von den Schauspielen und Vergnuͤgungen der Sia- mer — von den Weibern des Koͤniges und den Befehlshabern des innern Pallasts — vom Heyrathen — Tod und Begraͤbnißen. S. 290 Drittes Kapitel. Von der Erzichung der Kinder — Sprache — Kuͤn- sten und Wissenschaften der Siamer. S. 305 Viertes Viertes Kapitel. Von den verschiedenen Staͤnden — Regierungsart — und dem Soldatenwesen der Siamer. S. 321 Fuͤnftes Kapitel. Von der Religion der Siamer. S. 340 Hindistaner. Erstes Kapitel. Ueber Clima — Character, Sitten und einige Ge- braͤuche der Hindistaner. S. 365 Zweytes Kapitel. Von der Geschicklichkeit der Hindistaner in den Kuͤn- sten, und ihrer Gelehrsamkeit uͤberhaupt. S. 393 b 3 Drittes Drittes Kapitel. Von den gewoͤhnlichen Krankheiten — Wohnung — Handel und Gewerbe der Hindistaner. S 406 Viertes Kapitel. Von der Macht und dem Reichthum des Großmo- gols. S. 416 Fuͤnftes Kapitel. Von der Regierungsverfaßung und Polizey in Hin- distan. S. 430 Sechstes Kapitel. Von der Religion der Hindistaner. S. 437 Japaner. Japaner. Omnium rerum vicissitudo. TERENTIUS. A Erstes Kapitel. Kurzer Abris von Japan — vom Cli- ma — von der Fruchtbarkeit des Landes. D as große und weitlaͤuftige Reich Japan, wird von den Europaͤern bald Japan, bald Japon, und von den Japanern selbst Niphon, Hiphon, oder Nippon und Hippon benannt. Diese letzte Benennung ist bey den Einwohnern des Landes die gemeinste, und gewoͤhnlichste, und man findet, daß sie sich derselben in ihren Schriften und im taͤglichen Umgange bedienen. Die laͤngst dem Meere wohnenden Chineser nennen dieß Reich Sippon oder Zippon. A 2 Doch Doch wir wollen uns bey den verschiedenen Namen, welche man diesem Lande beylegt, nicht aufhalten — zumal da der Ursprung des Na- mens uͤberhaupt ganz ungewis ist, und unsre Alten von den Japanern sonder Zweifel nichts gewußt haben — und im Ganzen anmerken, daß alle Benennungen dieses Reichs von der oͤstlichen Lage desselben herruͤhren. Japan liegt zwischen dem 31ten und 42ten Grad der mitternaͤchtlichen Breite, und erstreckt sich von Suͤdost gegen Nordost. Was die Brei- te desselben betrift; so ist man nicht im Stande diese, wegen der vielen Kruͤmmungen und Un- gleichheit des Landes, mit Gewisheit anzugeben, ob es gleich, im Ganzen genommen, weit schmaͤler als lang ist. Die Kuͤsten von Japan sind mit steilen und hohen unuͤbersteigbaren Bergen und Felsen ver- wahrt, und mit einem ungestuͤmen Meere um- geben, daß die Ab- und Zufuhr mit den groͤße- sten Beschwerlichkeiten verbunden ist. Die Meerbusen und Haͤfen sind bis itzt groͤßesten- theils unerforscht: und diejenigen, die man kennt, sind mit solchen Klippen und Sandbaͤn- ken angefuͤllt, daß es scheint, als wenn die Na- tur selbst besorgt gewesen sey, diese Insul zu einer besondern Welt zu machen, und sie außer Verbindung mit andern Theilen der Erde zu setzen, da sie theils den Zugang von aussen so schwer gemacht, theils, dieß Reich von innen mit allen Beduͤrfnissen des Lebens so versorgt hat, daß daß es des Handels mit fremden Voͤlkern nicht benoͤthigt ist Kaͤmpfer berichtet in seiner Hist. of Iapan lib. I. cap. 8. daß das Meer, welches Japan umgiebt, wegen der vielen Strudel sehr gefaͤhr- lich sey, und die groͤßesten Schiffe, wenn sie dem Wirbel zu nahe kaͤmen, mit der aͤußersten Ge- schwindigkeit an sich zoͤgen, verschlaͤngen und in Truͤmmern zerschmetterten. — Das Brausen dieser Strudel, sagt Kaͤmpfer weiter, sey uͤber- aus fuͤrchterlich zu hoͤren, ob man sich gleich fuͤr diese leicht huͤten und ihnen ausweichen koͤnne. . Die Japaner ruͤhmen sich unter dem gluͤck- lichsten und angenehmsten Himmelsstriche zu wohnen. Indessen ist die Witterung bey ihnen sehr unbestaͤndig und mancherley Abwechselun- gen unterworfen. Der Winter ist gemeiniglich ausserordentlich kalt: es faͤllt haͤufig Schnee, worauf ein harter Frost folgt. Der Sommer hingegen ist von unertraͤglicher Hitze, und wenn es in den beyden Monathen Junius und Julius nicht so haͤufig regnete; so wuͤrden die Einwoh- ner die Hitze sicher nicht aushalten koͤnnen. In der Sommerszeit ist dieses Land schrecklichen Donnerwettern und Blitzen, Stuͤrmen und Orcanen unterworfen, welche oͤfters großen Schaden anrichten. — Der Erdboden ist von Natur felsigt, bergigt, und wie einige Reisebe- schreiber versichern, unfruchtbar. Die Geschick- lichkeit und der Fleis der Einwohner hat ihn A 3 aber aber so urbar gemacht, daß sie nicht nur mit allen Beduͤrfnissen des Lebens reichlich versorgt sind, sondern auch andern Laͤndern, Reis, Korn u. s. w. uͤberlassen koͤnnen. Selbst die Felsen und unfruchtbarsten Gegenden bringen mancherley Obst, Pflanzen und Wurzeln hervor. Die großen Gehoͤlze und Waͤlder sind durch die Arbeitsamkeit der Japaner in den Stand ge- bracht worden, daß sie gute Weide geben. Das Meer rund umher, die Seen und Fluͤße im Lande, versorgen sie mit einer Menge von Fischen. Wenn man sich hierbey denkt, daß die Japaner uͤberhaupt sehr genuͤgsam leben; so darf man sich nicht wundern, wenn ihr Land sie mit allem, was zur Nothdurft und Vergnuͤ- gen des Lebens gehoͤrt, versorgt. Die Manns- personen schaͤmen sich nicht selbst den Pflug uͤber steile Felsen zu ziehen, auf welchen Ochsen und Pferde nicht fortkommen koͤnnen, um diese fuͤr sie nutzbar zu machen. Die Weiber weteifern, es der Thaͤtigkeit und der Geschaͤftigkeit der Maͤnner gleich zu thun, und unterziehen sich auch den schwersten Arbeiten. Der groͤßeste Reichthum der Japaner, be- steht in der großen Menge, Mannigfaltigkeit und Feinheit ihrer Metalle und Mineralien. Fast alle Berge haben an brauchbaren Metallen einen Ueberflus, doch aber wird das meiste auf einer kleinen Insul an den Kuͤsten der Provinz Salzuma gegraben. Auf vielen Insuln findet man Goldgruben und Goldsand; der Kayser aber aber maßt sich derselben schlechterdings an: und ohne seinem Willen und Erlaubnis, darf keine geoͤfnet werden. Zwey Drittel behaͤlt er von den geoͤfneten Gold oder Silbergruben fuͤr sich, den uͤbrigen Rest verstattet er den Herrn, in deren Gebiet sich die Gruben befinden. — Die Silbermienen sind nicht so haͤufig, aber doch sehr ergiebig. — Das Kupfer wird unter allen Metallen am haͤufigsten gefunden, womit sie einen ansehnlichen Handel mit den Hollaͤndern treiben. Etwas Zinn haben sie auf der Insul Ximo, das ganz fein und weis, und dem Sil- ber aͤhnlich ist. — Die Japaner verstehen vor- zuͤglich die Kunst das Stahl zu vermischen, davon sie die schaͤrfsten Saͤbel, Dolche und an- dre dergleichen scharfe Instrumente machen. Es ist bey der groͤßesten Strafe verboten etwas davon auszufuͤhren. Die erstaunliche Menge Schwefel, womit die meisten Japanischen Insuln angefuͤllt sind, verursacht oͤftere und fuͤrchterliche Erdbeben. Diese stellen sich so haͤufig ein, daß die Einwoh- ner bey deren Eintritt nicht mehr bestuͤrtzt wer- den, als wenn es in Europa donnert und blitzt: es muͤßte denn seyn, daß das Erdbeben ganz entsetzlich sey, daß ganze Staͤdte umgestuͤrzt und viele tausend Einwohner (welches oft ge- schieht) vergraben wuͤrden. Auf einige dieser starken Erdbeben, folgen solche Ausbruͤche von brennender Materie, daß dadurch große Ver- wuͤstungen angerichtet werden. Bey dergleichen A 4 schreck- schrecklichen Ungluͤcksfaͤllen, zur Zeit der Pest, Theurung und Hungersnoth nehmen nun die aberglaͤubischen Japaner ihre Zuflucht zu ihren Priestern, die ihnen, anstatt die natuͤrlichen Ursachen anzugeben, das abgeschmackteste Zeug vorerzaͤhlen, und das ganze Ungluͤck einem bos- haften Geiste zuschreiben. Gemeiniglich aber glaubt man, daß der Teufel der Urheber dieser Plagen sey. Bey dergleichen Faͤllen nun, werden Opfer und Andachtsuͤbungen angestellt, um dem hung- rigen Teufel seinen Rachen zu fuͤllen. Bey den Opfern gehen sie oftmals so weit, daß sie Men- schen opfern, wenn andre Opfer nicht helfen wollen. Doch sind sie so nachsichtig, daß sie nur zu den Opfern die groͤßesten Boͤsewichter aussuchen: denn sie meinen, daß es ihnen der Teufel nicht uͤbelnaͤhme, wenn man ihm einen zweybeinigen Confrater mit einem Menschen- Gesichte zur Versoͤhnung aufopfre. Zweytes Kapitel. Von der Religion in Japan. W enn man die Berichte der verschiedenen Schriftsteller, welche uͤber Religion und religioͤse Gebraͤuche der Japaner geschrieben ha- ben, sorgfaͤltig mit einander vergleicht; so findet man, man, daß sie fast alle die Japaner des Heiden- thums und der Abgoͤtterey beschuldigen. Es scheint, daß sie auch gar keine Begriffe, von dem wahren Gott und dem Verhaͤltniße, wor- in sie mit ihm stehen, haben. Sie glauben, daß die Welt von Ewigkeit stehe, das heißt, daß sie keinen Anfang genommen habe. — Indessen hat man doch in Japan einem jeden voͤllige Gewissensfreyheit vergoͤnnt, in so fern sie weder dem buͤrgerlichen Regiment noch auch dem Frieden und der Ruhe des Staats entge- gen ist. Und dieß ist auch die Ursache, woher die auswaͤrtigen Religionen bey ihnen einen so leichten Eingang gefunden und sich so geschwin- de, zum Nachtheil der alten einheimischen Re- ligion, ausgebreitet haben. Seit einem Jahrhundert sind folgende drey Hauptreligionen in Japan gangbar gewesen: 1) Die Secte Xinto, oder die aͤlteste unter allen. Diese betet allein ihre alte Gottheiten und Goͤtzen an. 2) Die Secte Budso, oder die Verehrung auswaͤrtiger Goͤtzen, die aus China, Siam und andern Laͤndern nach Japan gebracht sind. 3) Die Secte Siuto, oder die Lehre ihrer Weltweisen und Moralisten. Unter diesen drey Hauptreligionen welche gegenwaͤrtig in Japan herrschen, verdient die Religion Xintos, wegen ihres hohen Alter- thums und der langen Dauer, am ersten be- trachtet zu werden. Die aͤltesten und vornehm- A 5 sten sten Gottheiten, welche diese Secte verehrt, werden Amida und Xaca genannt. Diese stehen bey den uͤbrigen Secten in so großer Hochachtung, daß man ihnen goͤttliche Vereh- rung erweißt, weil durchgaͤngig geglaubt wird, daß alles zeitliche und ewige Wohl von ihnen abhange: denn die meisten statuiren einen kuͤnf- tigen Zustand der Gluͤckseeligkeit oder des Elen- des. Zwar koͤnnen sie sich von diesem gluͤckli- chen oder ungluͤcklichen Zustande nach dem zeit- lichen Tode keine Vorstellungen machen: die meisten aber halten doch dafuͤr, daß dieser Zu- stand in der Wanderung der Seele aus einem Koͤrper in den andern bestehe, und diese Wech- selung, so wie die Welt, ewig dauern werde. Die Bonzen bringen ihnen indessen, sowohl in Predigten als im gewoͤhnlichen Umgange einen graͤßlichen Begriff von den Strafen der Gott- losen bey. Es wird, zu mehrer Aufhellung des Begrifs der Japaner in Religionssachen, nicht unschick- lich seyn, hier die fabelhaften Erzaͤhlungen, wo- mit sie sich von den beyden Gottheiten, dem Amida und Xaca, herumtragen, kuͤrzlich an- zufuͤhren. Amida soll, nach ihren Berichten vor vielen tausend Jahren beruͤhmt gewesen, und vor zweytausend Jahren gelebt haben. Mit einem ausserordentlich strengen Lebenswan- del, den er sich freywillig unterzogen, soll er das Amt eines Predigers verbunden, und viele Predigten vor dem Volke gehalten und Wun- derwerke derwerke verrichtet haben. Dieß kummervolle Leben, soll er so lange verrichtet haben, bis er es zuletzt muͤde geworden, sich selbst das Leben genommen und in dem andern zur Wuͤrde eines Gottes erhoben worden. — Ein aͤhnliches er- zaͤhlen sie von Xaca. Dieser soll vor acht tau- send Jahren gelebt haben; und nachdem er drey taufend Jahre auf der Erde vollbracht, eine unsaͤgliche Menge Buͤcher geschrieben, die noch verwahrt wuͤrden. Zuletzt aber, nachdem er seines Lebens muͤde geworden, soll er sich in eine Hoͤle begeben, und die Oefnung derselben haben zumauern laßen. — Es ist nicht der Muͤhe werth, die Wunderwerke, die sowohl Amida als Xaca sollen verrichtet haben, hier zu erzaͤhlen. Indessen koͤnnen wir hier doch an- merken, daß es die Japaner fuͤr etwas Ver- dienstliches halten, sich selbst, nach dem Bey- spiel des Amida und Xaca, aus der Welt zu schaffen. Einige entleiben sich, entweder aus Ehrgeitz oder auch aus andern Ursachen, ganz ohne Scheu. Wer sich selbst das Leben nehmen will, pflegt gewoͤhnlich vorher einige Zuruͤstun- gen zu machen, und legt sich Busuͤbungen auf, predigt vor dem Volke, theilt Almosen aus und dergleichen. Wenn er dies mit den gewoͤhnli- chen Feierlichkeiten verrichtet hat; so glaubt er, daß er nicht nur in den Stand der Gluͤckselig- keit, sondern auch sogar unter die Goͤtter auf- genommen sey. Die Entleibten werden auch wuͤrklich als Goͤtter fast von jedermann verehrt, und und die Werckzeuge, womit der Selbstmoͤrder die That vollbracht hat, werden als Reliquien aufbewahrt. Die Bekenner des Xaca ersaͤufen sich gemei- niglich im Meere oder in den Fluͤßen mit vielen Umstaͤnden. Ihre Freunde und Anverwandten begleiten sie gemeiniglich dahin, binden ihnen einen Stein an den Hals, und so endigen sie auf eine klaͤgliche Art ihr Leben. — Ein gro- ßer Theil derjenigen, welche dem Amida den Vorzug geben, pflegen stch in ein enges Behaͤlt- niß einzusperren, und verhungern darinn. — Andere waͤhlen sich eine andere Todesart, knuͤ- pfen sich auf, stuͤrzen in die Tiefe herab, richten sich durch Gift hin u. s. w. Doch muß man bemerken, daß diese letzten Todesarten nicht fuͤr verdienstlich, sondern vielmehr fuͤr eine Art der Verzweiflung angesehen werden. Im Handel und Wandel, und uͤberhaupt im gesellschaftlichen Umgange, bedienen sie sich, wenn sie eine Sache bestaͤtigen wollen, der Na- men, Amida und Xaca. Bettler fuͤhren im- mer diese Namen im Munde, wenn sie Allmo- sen von andern verlangen. Wir wuͤrden mit der Beschreibung nicht fertig werden, wenn wir alle die Goͤtter erzaͤh- len wollten, welche die Japaner verehren, die alle ihre Kloͤster, Tempel, Priester und Anbeter haben. Wir wollen uns damit begnuͤgen ein paar derselben kennen zu lernen. Jcko und Nequiron, zwey Moͤnche, sollen wegen ihrer großen großen Gelehrsamkeit und Heiligkeit einen Platz unter den Goͤttern erhalten haben. Der erste setzte bey seinen Lebenszeiten all sein Vertrauen auf die Gnade des Amida, und bekuͤmmerte sich um weiter nichts. Der zweyte soll sich blos wegen seines unstraͤflichen Wandels und Ge- schicklichkeit den Vorzug erworben haben. Bei- den sind Tempel, Goͤtzenbilder und Anbeter be- stellt Wir koͤnnen es nicht wagen, hier mehr von dem japanischen Aberglauben zu erzaͤhlen! Der Le- ser kann sich, aus dem bereits angefuͤhrten, schon einige Begriffe davon machen. Hat in- dessen jemand Lust, sich mit diesem Artikel zu be- lustigen, der kann, ohne Gefahr zu laufen selbst japanisch gesinnt zu werden, folgende Buͤcher nachschlagen: Kaͤmpfer, Caron, Xavier, Vare- nius u. a. . So verschieden nun aber auch immer die Religionssecten in Japan untereinander sind; so stimmen sie ooch alle, nach dem Berichte glaubwuͤrdiger Reisebeschreiber in folgenden Stuͤcken uͤberein. 1) Nichts zu toͤdten und nichts getoͤdtetes zu essen Man muß dieses nur von den Moͤnchen und Nonnen verstehen, nicht aber von den Laien. Hierzu kann man auch noch das Gesetz rechnen, daß die Moͤnche mit dem weiblichen Geschlechte keine Gemeinschaft haben duͤrfen. — Im Gan- zen genommen, weiß man, daß die verschiede- nen Orden, so wie in der Catholischen Kirche, den . 2) Keinen Ehe- bruch bruch zu begehen. 3) Nicht zu stehlen. 4) Kei- nen Wein zu trinken. 5) Nicht zu luͤgen. Uebrigens ist der Begriff unter den Japanern allgemein, daß im kuͤnftigen Leben fuͤr die Gott- losen erschreckliche Strafen zubereitet sind, und daß nur die strenge Lebensart sie fuͤr allen Un- fall schuͤtzen koͤnne. Diese Idee ruͤhrt von ih- ren Moͤnchen her, die es niemals unterlassen, zum Theil auch ihres Nutzens wegen, den Laien die Hoͤlle so heis als moͤglich zu machen. Man kann nicht glauben, was die Abbildung der Strafen in der Zukunft fuͤr Eindruck auf das Volk aus allen Staͤnden macht, und wie sehr dadurch den Lastern gesteuert wird. Besonders aber macht diese Vorstellung, daß sowohl Vor- nehme als Geringe, in Erbauung und Verzie- rung der Tempel und Kloͤster sich freygebig, ja verschwenderisch bezeigen, weil sie dieß fuͤr ein wuͤrksames Mittel halten, sich der Gnade der- selben zu versichern, und in der kuͤnftigen Welt gluͤcklich zu werden. Man den Stufen der Strenge nach von einander un- terschieden sind. Je mehr Strenge nun ein Orden aͤußert, je mehr Vertrauen setzt das Volk in ihm. Allein man muß bey der japanischen Geistlichkeit die Bemerkung machen, die auch in gewisser Absicht von einigen geistlichen Orden in Europa gilt, daß sie, bey aller vorgeblicher Strenge und Verleugnung der Welt, die infam- sten Betruͤger und Heuchler sind, die man nur denken kann. Man wird nicht leicht im ganzen Oriente ein Land finden, das mit einer groͤßern Menge Tempel oder Kloͤster angefuͤllt ist, als dieses. Alle Kloͤster und Ordenshaͤuser von allen Se- cten, flndet man in den fruchtbarsten und ange- nehmsten Gegenden des Landes, und gewoͤhnlich in großen Staͤdten und an solchen Orten, wo viele Menschen wohnen, angelegt Ich finde in diesem Stuͤcke die Reisebeschreiber in ihren Erzaͤhlungen ganz verschieden. Vare- nins uud andre berichten, daß dergleichen praͤch- tige Tempel nicht nur in den Staͤdten, sondern auch auf dem platten Lande und auf Bergen, ja so gar in den Wuͤsteneien haͤufig zu finden sind. Er sagt weiter, daß diejenigen Tempel, die am weitesten und einsamsten liegen, an Pracht und Reichthum die andern uͤbertraͤfen, auch von dem Volke am meisten besucht wuͤr- den. — Ich kann mich von der Wahrheit dieser Behauptung nicht uͤberzeigen, und stimme der Erzaͤhlung des Kaͤmpfers bey, der als der Haupt- mann, in allem was Japan betrifft, angesehen werden muß. . Eine breite und geraͤumige Alee, die auf beyden Sei- ten mit hohen Cypressenbaͤumen besetzt ist, fuͤhrt gerade auf einen Tempelhof oder Mia zu. Die meisten solcher Tempel findet man in einem angenehmen Gehoͤlze, oder an einem abhaͤngi- gen und gruͤn bewachsenen Huͤgel, zu welchem man durch wohlangelegte steinerne Stufen in die Hoͤhe steigt. — Die Bauart der Tempel- pforten sieht ganz einfaͤltig aus. Ueber der Pforte Pforte haͤngt gemeiniglich eine viereckigte steiner- ne Tafel, worauf man den Namen des Goͤtzen, dem der Tempel gewidmet ist, mit guͤldenen Buchstaben geschrieben, lesen kann. — In einer gewissen Entfernung von dem Mia oder Tempelhofe sieht man ein steinernes mit Wasser angefuͤlltes Becken, darin sich diejenigen, welche ihre Andacht verrichten wollen, vorher waschen muͤssen. Dem Tempel gerade gegen uͤber, be- merkt man einen hoͤlzernen Kasten, in welchen die Almosen gelegt werden. Der Mia oder Tempelhof an und fuͤr sich selbst betrachtet, ist ohne alle Zierrathen und Pracht: gemeiniglich viereckigt und von Holz. Er ist kaum 9 Ellen hoch und ohngefaͤhr 3 Klaftern breit. Um den Mia herum geht eine kleine Gallerie. Der Tempel selbst ist immer verschlossen. — Man findet auch zuweilen uͤber der Pforte des Tem- pels eine Glocke, welche diejenigen, die ihre An- dacht verrichten wollen, vorher ruͤhren, um da- durch den Goͤtzen zu erinnern, daß sie nun da waͤren. Der vornehmste Tempelhof an jedem Orte hat ein oder verschiedene davon abhangende Mikosi. Unter diesem Worte versteht man kleine vier-sechs- und achteckigte Capellen, die sehr sauber mit Firniß belegt, auswendig ver- guldet, inwendig mit Spiegeln und andern Zierrathen geschmuͤckt sind. Es ist merkwuͤrdig, daß diese Mias oder Tempel Sintons nicht von Geistlichen, sondern von von Layen, die man Canusi nennt, und die ent- weder auf Unkosten des geistlichen Kaͤysers oder durch den Zuschuß gutthaͤtiger Leute, die daselbst ihre Andacht haben, unterhalten werden. Diese Canusi unterscheiden sich besonders durch ihre Kleidung. Sie tragen einen steifen, laͤnglichten, und gefirnißten Huth, der wie ein Schiff aus- sieht, tief in die Stirn herabgeht, und unter dem Kinn mit einem seidnen Bande zusammen- gebunden wird, von welchen ein knotigtes Band herabgeht, das bald kurz bald lang ist, je nach- dem die Beschaffenheit desjenigen ist, der es traͤgt. Die Religion des Sintons hat in der That viel abgeschmacktes und veraͤchtliches an sich. Sie ist ein abendtheuerlicher Mischmasch von allerhand abgeschmackten Geschichten ihrer Goͤt- ter, Halbgoͤtter und Helden, dadurch die gesunde Vernunft beleidigt und geaͤrgert wird. Wie die auswaͤrtige heidnische Religion Budso in Japan eingefuͤhrt wurde; so breitete sie sich nicht nur ungemein geschwind aus, sondern sie verursachte auch eine Trennung unter denen, die der Religion ihrer Vorfahren ergeben blie- ben, und dadurch sind den Sintoisten selbst zwo Secten entstanden. Die eine heißt Juiz. Zu dieser gehoͤren die aͤchten Orthodoxen Sintos, die steif und fest bey den Gewohnheiten und der Religion ihrer Vorfahren bleiben. Ihre An- zahl ist indessen sehr geringe. Die andere Sec- te heißt Riobus. Diese koͤnnte man wohl B Syn- Syncretisten Dieß Wort wird eigentlich von den Theologen gebraucht, obgleich die Philosophen sich nicht oft dessen zu bedienen pflegen. Cs hat seinen Ursprung von den Cretensern, die verschiedene Religionen unter sich eingefuͤhret hatten. Ereig- nete sich nun der Fall, daß eine Religionspar- they von einem auswaͤrtigen Feind angefallen wurde, so wurden sie unter sich eins, sich dem ankommenden Feind gemeinschaftlich entgegen zu setzen. Hieraus ist das Wort συνκρητ ζειν, die Cretenser nachahmen, und Syncretismus, entstanden. nennen; sie bemuͤheten sich fuͤr- nemlich wegen des zukuͤnftigen Zustandes der Seele, die auslaͤndische Heidenreligion mit ihrer altvaͤterischen zu vereinigen. Sie nehmen zu dem Ende an, daß die Seele des Amida, wel- chen die Budsoisten als ihren Heiland schaͤtzen, durch seine Seelenwanderung in d e n allervor- nehmsten ihrer Goͤtter gefahren und in das We- sen der Sonne und des Lichts eingedrungen sey. Die meisten Sintoisten sind dieser Secte zuge- than, und es scheint, als wenn der ganze geist- liche Hoff eine Neigung zu diesem Syncretis- mus habe. Der weltliche Monarch bekennt sich, nach Kaͤmpfers Bericht, zur Religion seiner Vorfah- ren, und bezeugt jaͤhrlich dem Mikaddo seine Ergebenheit, ob er es gleich itzt nicht in eigner Person thut, sondern es durch Abgesandte ver- richten laͤßt. Die Die Sintoisten befleißigen sich hauptsaͤch- lich der aͤußerlichen Reinlichkeit. Die Rein- lichkeit besteht darinn, daß sie sich mit keinem Blute beflecken, kein Fleisch essen, und todte Koͤrper sorgfaͤltig vermeiden. Wer dagegen suͤndigt darf keinen Tempel besuchen, und sich nicht vor den Goͤttern zeigen. Wenn ein Mia erbaut wird, und einer von den Arbeitern ver- wundet sich so, daß Blut darnach geht, so sieht man dieß allgemein fuͤr ein großes Ungluͤck an, und der Arbeiter darf von der Zeit an, nie wie- der an heiligen Gebaͤuden gebraucht werden. — Wenn man zu Isje, einem beruͤhmten Orte, wo Ten-sio-dai-sie, der Vater der japanischen Nation, besonders verehrt wird, in einen der dortigen Tempel einen Tropfen Blut schuͤttete; so wuͤrde dieser Tempel niedergerissen, und ein andrer an seine Stelle gebaut werden muͤssen. — Den Frauenzimmern ist es schlechterdings nicht erlaubt, in einen Tempel zu gehen, wenn sie ihre gewoͤhnliche Reinigung haben. Aber die groͤßeste Unreinigkeit von allen zieht man sich durch den Tod des Vaters und der naͤch- sten Anverwandten zu Einige Casuisten rechnen zu diesen Unreinigkei- keiten noch diejenigen hinzu, welche man sich auf folgende Weise auf den Hals zieht: einmal durch die Augen, wenn sie etwas unreines sehen, und zweitens durch die Ohren, die etwas unan- staͤndiges hoͤren. Endlich bilden sich auch einige Andaͤch- . B 2 Die Die Feyrung der Festtage macht einen zwei- ten Hauptpunct der sintoistischen Religion aus. Die Sintoisten haben alle Monathe drey or- dentliche Feste. Das erste wird am ersten Tage des Monats gefeiert. Dieß Fest wird mit Besuchen und allerley Lustbarkeiten zugebracht; man geht selten in die Tempel, sondern, wenn man seine Freunde zur gluͤcklichen Zuruͤckkunft des Neumondes gratulirt; so lagert man sich in den Gegenden um die Mias herum, und bringt die Zeit mit Spatzierengehen hin: oder wenn sie des Spatzierens muͤde sind; so kehren sie in Wirthshaͤusern und liederlichen Haͤusern ein, die uͤberall in großer Menge zu finden sind. Merkwuͤrdig ist es, daß alle Japaner, von wel- cher Secte sie auch seyn moͤgen, dieses Fest sorg- faͤltig feiern. — Das zweyte Fest wird am funfzehnten Tage, welches der Vollmond ist, gefeiert. — Am demselben pflegt man sehr fiei- ßig die Tempel zu besuchen. — Das dritte faͤllt auf den acht und zwanzigsten Tag, welches der Tag vor dem Neumond ist. Dieser Tag wird eben nicht feierlich begangen, und die Tempel findet Andaͤchtige ein, daß es sehr unanstaͤndig sey, mit einem unruhigen betruͤbten Gemuͤthe vor den Goͤttern zu erscheinen. Denn sie meinen, daß die Gebeter der Betruͤbten den Geistern, welche die hoͤchste Gluͤckseeligkeit genießen, nicht anders als sehr unangenehm und beschwerlich seyn koͤnnten. findet man uͤberall sehr leer. Außer diesen drey besondern Festen, haben sie noch jaͤhrlich fuͤnf große Festtage, wovon der Leser unten in der Note das Noͤthige finden kann Der erste Festtag, welcher mit großen Feier- lichkeiten und Anstalten begangen wird, faͤllt auf den ersten Tag im Jahre, und wird von den Japanern Songuaz genannt. An diesem Feste erscheint man in Ceremonienkleidern, begiebt sich zuerst in diesem Aufzuge in den Tempel, besucht hernach seine Freunde und uͤberreicht ih- nen zugleich Geschenke. — Das zweyte Fest, welches begangen wird, heißt Songuazsomnitz. Dieß Fest scheint bloß zum Amusement der jun- gen Maͤdchen bestimmt zu seyn, welchen ihre Vaͤter einen großen Schmauß zu geben und ihre naͤchsten Verwandte dabey einzuladen pflegen. Man ziert einen großen Saal zu diesem Feste aus, in welchem man verschiedene praͤchtige Puppen ausgestellt sieht, welche den Hoff des Dairi vor- stellen sollen. Zu diesen Zuruͤstungen fuͤgt man den Goͤtzen Finakuge hinzu. — Das dritte Fest wird Gognazgonitz genannt, und faͤllt auf den fuͤnften Tag des fuͤnften Monaths ein. Dieß Fest wird den jungen Knaben zu Ehren gefeiert. — Das vierte Fest, welches Sißiguatznanuta genannt wird, wird am siebten Tage des siebten Monathes gefeiert. Dieser Tag wird von den spielenden Kindern sehnlichst erwartet, weil diese sich an demselben recht lustig machen koͤnnen und duͤrfen. Das letzte Fest faͤllt alle Jahre auf den neunten Tag des neunten Monaths. An diesem Feste frißt und saͤuft man nach Herzens Lust. Die Ausschweifung und das liederliche Wesen dauert viele Tage hindurch. Dieses Fest gleicht, in . Die Sin- B 3 toisten toisten feiern noch andere Feste, die den Goͤttern der ersten Klasse gewidmet sind, von welchen wir aber hier, um nicht zu weitlaͤuftig zu werden, nichts sagen wollen. Die Wallfarthen machen endlich noch einen wichtigen Artikel der Sintoischen Religion aus. Sie stellen verschiedene Wallfahrten nach ver- schiedenen Oertern an. Der vornehmste Ort aber, nach dem sie wallfarthen, ist Isje. Die Wallfarthen nach diesem Orte geschehen in allen Jahrszeiten: fuͤrnehmlich aber im Merz, April und May. Der Zufluß der Pilgrimme ist in diesen Zeiten sehr groß, weil die Witte- rung in diesen Monathen die angenehmste ist. Sowohl Manns als Frauenspersonen verrich- ten dieß Pilgergeschaͤfft. Die Japaner geben vor, daß die monathlichen Unbequemlichkeiten des schoͤnen Geschlechts, waͤhrend der Reise aufhoͤren, es sey nun, daß die beschwerliche Reise in Ansehung det Freyheit den Saturnalien und Bachanalien der alten Roͤmer. Obgleich diese fuͤnf großen Feste, eigentlich zu sagen, nur zur Sintoischen Religion gehoͤren; so haben doch die uͤbrigen Religionssecten in der Folge der Zeit dieselben, angenommen, da sie sowohl in Andachtsuͤbungen als Lustbarkeiten bestehen, nach welchen die Japaner, uͤberhaupt genommen, sehr begierig sind. Reise dieß verursacht, oder weil sie ihren wahren Zustand nicht entdecken wollen Denn ein solches Gestaͤndniß, wuͤrde sie fuͤr un- rein erklaͤren, und dem Spott und der Verach- tung der Pilger aussetzen. . Sonderbar bleibt es bey allen dem, daß vornehme Leute eine dergleichen Pilgerschaft sehr selten in eigner Person unternehmen, sondern gemeiniglich einen an ihre Stelle schicken. Der gemeine Mann aber haͤlt dieß fuͤr Unrecht, und er wuͤrde es fuͤr eine Suͤnde halten, wenn er nicht alle Jahre seine Pilgerschaft antraͤte. — Einige reisen zu Pferde, andere laßen sich in Saͤnften tragen, und die, welche beydes zu thun nicht vermoͤgen — gehen zu Fuße. Auf dem Ruͤcken befestigen sie eine Matte von Stroh, die ihnen statt des Bettes dient. In der Hand tragen sie einen Stock, und an den Guͤr- tel binden sie eine Buͤchse, worinn sie Allmosen annehmen. Auf dem Kopfe haben sie, wenig- stens die meisten, einen von Rohr geflochtenen Huth, an welchem ihr Name, Geburtsort, Ge- gend von der sie kommen, zu lesen ist, damit man sie, dafern sie unter Wegens das Zeitliche seegnen sollten, erkennen, und der Obrigkeit des Orts, besonders aber den Personen, die fuͤr ih- re Zuruͤckkunft cavirt haben, Nachricht davon geben koͤnne. Wenn nun ein Pilger nach dem heiligen Orte abreißt; so haͤngt er ein Strick mit gehack- B 4 tem tem Papier besetzt vor seine Hausthuͤre, wodurch er alle diejenigen warnt, die nicht rein sind, uͤber die Schwelle seines Hauses zu gehen. Den Weibern stehts frey ihre Maͤnner zu be- gleiten, nicht aber bey ihnen zu schlafen. So- bald nun ein Pilger zu Isje angelangt ist; so verfuͤgt er sich vor allen Dingen zuerst zum Ca- nusi, der ihn denn in den Tempeln herumfuͤhrt. Dieser Besuch aller Tempel ist fuͤr den Pilger eine heilige Pflicht. Ehe er dieß aber thut, muß er sich in dem Fluße Mijongawe, der mitten durch Isje fließt, baden. Hat nun der Pilger seine Andachten verrichtet; so erhaͤlt er von dem Canusi eine kleine Buͤchse, die bey den Japanern Ofawai heißt, welche von zartem Schachtelholze verfertigt, und mit kleinen hoͤl- zernen Stuͤckchen angefuͤllt ist, wovon einige in weissem Papier eingewickelt sind. Auf dem Deckel der Buͤchse steht der Name des Tempels des großen Gottes mit großen Buchstaben; und der Name des Canusi, der diesen Ablaß ertheilt hat, ist auf der andern Seite mit klei- nem Character aufgeleimet. Die Canusi ver- schicken eine Menge dergleichen Ablaßbriefe durch das ganze japanische Reich. In Japan giebt es einen geistlichen Orden, den man die Jammabos oder Jammabus, Bergpriester nennt Der Stifter dieser Gesellschaft von Einsiedlern soll ein gewisser Gienno Giosstz in Japan gewe- sen . Eigentlich bedeutet die- ser ser Name einen Bergsoldaten, wie es denn auch eine Grundregel dieses Ordens ist, daß die Glieder desselben verbunden seyn sollen, im Fall der Noth fuͤr ihre Goͤtter und Landesreligion die Waffen zu ergreiffen. Diese Jambos stellen eine Art von Einsiedlern vor, die ein strenges Leben fuͤhren, ihre meiste Zeit mit Beschwer- lichkeiten auf heiligen Bergen zubringen, und sich selbst mitten im haͤrtesten Winter oft in Fluͤssen baden. Die Reichen unter ihnen haben ihre eigne Haͤuser worinn sie wohnen, und leben von dem Ihrigen. Die meisten aber lau- fen im Lande herum und betteln: sonderlich halten sie sich in der Nachbarschaft des hohen Gebirges Fusi Jamma auf. Alle zusammen muͤssen sie, vermoͤge einer eignen Ordensregel alle Jahr im sechsten Monath auf dem hoͤchsten Gipfel des Berges heraufklettern. Uebrigens geben sie sich mit Zauberkuͤnsten und mit Hei- lung der Kranken ab. B 5 Wir sen seyn. Man weiß von der Geburth und der Lebensart dieses Gienno keine genaue Umstaͤnde. So viel ist nur bekannt, daß er zuerst diese stren- ge Lebensart ergriffen, und sein Leben in wilden und wuͤsten Gegenden zugebracht habe. Man will fuͤr gewiß behaupten, daß er durch diese Lebensart dem Vaterlande wichtige Dienste ge- leistet, weil er durch das Herumschweifen die Natur und Eigenschaften der Erde entdeckt, welche Niemand vor ihm gekannt habe. Wir wenden uns nun zu der zweyten Reli- gionssecte, welche in Japan herrscht. Dieß ist die Secte des Budso. Von dem Stifter die- ser Secte, der Buds oder Xaca heißt, haben wir bereits im vorhergehenden geredet, und be- gnuͤgen uns damit, den Leser nur mit den wich- tigsten Lehren desselben bekannt zu machen. — Einige japanische Geschichtschreiber wollen versi- chern, daß die Lehre des Buds ohngefaͤhr sech- zig Jahr vor Christi Geburt eingefuͤhrt sey. Von dieser Zeit an bis in das fuͤnf hundert und funfzigste Jahr, soll sie nicht viel Aufsehens gemacht haben. Allein von dieser Zeit, rechnet man, soll sie so tiefe Wurzel gefaßt haben, daß sie nunmehr die bluͤhenste von ganz Japan ist. Ein ansehnlicher Theil der Sintoisten hat viele Lehren dieser Secte angenommen, dadurch die große Spaltung der Sintoisten in zwey Sec- ten, wovon bereits oben geredt, entstanden ist. Die wesentlichste Punkte der Budsoistischen Religion wollen wir hier aus einem bekannten und allgemein geschaͤtzten Reisebeschreiber uͤber- setzt mittheilen: 1) Die Seelen der Menschen und Thiere sind unsterblich: sie haben urspruͤnglich einerley Wesen, und sind nur durch die verschiedenen Koͤrper, die sie beleben, von einander verschieden. 2) So bald die Seelen der Menschen vom Koͤrper getrennt sind; so werden sie in einem andern Leben, je nachdem sie schlimm oder gut gehandelt haben, gestraft oder belohnt. 3) Der 3) Der Auffenthalt der Seeligen heißt Go- kurakf d. i. die Wohnung der ewigen Freude. Dieser Freuden giebt es verschiedene Grade. Die Goͤtter sind vollkommner und gluͤckseeliger als die Menschen; ja es ist so gar unter den ersten ein Unterschied, je nachdem ihre Naturen geringer oder vortreflicher sind. — Bey den Menschen ist der Grad ihrer Verdien- ste das einzige Maas ihrer Gluͤckseeligkeit. Allein die Freuden dieses gluͤckseeligen Auffent- halts sind so groß, daß keiner den seeligen Vor- zug des andern beneidet. 4) Der Ort der Quaal wird Dsigokf ge- nannt. Hier werden die boͤsen Menschen gepei- nigt, doch nicht auf immer, sondern nur auf eine gewisse Zeit, nach Beschaffenheit ihrer Ver- gehungen. Jemma heißt der Richter an die- sem unseeligen Orte. Diesem Jemma erschei- nen in einem Spiegel, den er vor sich stehen hat, alle Laster und Vergehungen der Verworfenen. Wenn diese verdammten Seelen fuͤr ihre Ver- gehungen gebuͤßt; so werden sie wieder in die Welt zuruͤckgeschickt, nicht aber in Menschen, sondern in unreine Thiere, deren Neigungen mit den Lastern der suͤndigen Seelen am meisten uͤbereinstimmen. Die Wanderung geschiehet stufenweise, aus schlechtern in edlere Thiere, bis es ihnen endlich wieder erlaubt wird, in mensch- liche Koͤrper zuruͤckzukehren. Nun steht es in ihrer Macht, sich durch einen tugendhaften Wandel zu einer immerwaͤhrenden Gluͤckseelig- keit keit vorzubereiten, oder sich wieder durch ein schaͤndliches Betragen, den schimpflichen Wan- derungen, die alsdenn Jahrhunderte dauren, auszusetzen. 5) Man findet in den Gesetzen des Buds folgende fuͤnf Hauptgebote. Das erste verbie- tet, keine lebendige Creatur zu toͤdten. Das zweyte verbietet zu stehlen. Das dritte unter- sagt den Ehebruch. Das vierte verbietet zu luͤgen. Das fuͤnfte endlich untersagt starke Getraͤnke zu trinken. Bud hat seinen Schuͤ- lern dieß letzte am meisten verboten. Dieje- nigen, welche den Ruhm eines heiligen Wan- dels in dieser Welt hinterlassen, und sich bemuͤ- hen in der andern Welt einen hohen Grad der Gluͤckseeligkeit zu erlangen, suchen diese Lebens- regeln mit aͤußerster Genauigkeit in Ausuͤbung zu bringen. Die Religion des Budsdo hat Bedienten von verschiedenen Classen, Priester, Moͤnche, Ordensmaͤnner, Arten von Bischoͤfen und einen Pabst, der Siako oder Xaca heißt. Dieser Xaca wird nach des P. Charlevoix Bericht, als der Nachfolger und Statthalter des großen Xaca angesehen. Der Statthalter hat eine unumschraͤnkte Gewalt uͤber alle Vorsteher und Bedienten der Religion. Von ihm hangen alle Moͤnchsorden ab: Bischoͤfe (die man Tundes nennt) weiht er ein: Alle Streitigkeiten, die uͤber die Buͤcher des Xaca sich anspinnen, legt er bey, und seine Ausspruͤche werden fuͤr unfehl- bar bar angesehen. Ja seine Macht erstreckt sich so gar bis in jenes Leben. Er verkuͤrzt die Zeit, welche man im Fegefeuer zubringen soll, und dergleichen Dinge mehr Der Pater Charlevoix, und wir stimmen ihm bey, macht hierbey die Anmerkung: daß alles dieses eine Hierarchie ausmache, die wenig von der Catholischen Kirche ihrer unter- schieden sey. — Uebrigens darf sich der Catho- lische Leser daruͤber nicht aͤrgern, daß der heil. Vater mit dem Siaka verglichen wird. . Die Moͤnche oder Bonzen der Budsoischen Religion sind in verschiedene Gesellschaften ge- theilt, wovon die eine die andere nicht leiden kann, und deßwegen auch in verschiedenen Puncten der Religion uneins sind. Ueberhaupt aber beobachten sie alle eine große Regelmaͤßig- keit. Sie scheeren sich insgesammt die Haare und den Bart, gehen immer mit entbloͤßtem Haupte, enthalten sich des Fleisches, ja so gar auch der Fische, wenn sie nicht gesalzen sind. Einen großen Theil des Tages bringen sie mit Gebet und Singen zu. Daher kommt es auch, daß sie von dem Volke so sehr verehrt und ge- schaͤtzt werden, wenn man gleich zu Zeiten von ihnen die schaͤndlichsten Dinge hoͤren mag. Die Moͤnche pflegen dem Poͤbel weis zu machen, daß sie, sonderlich bey den Goͤttern in großem Anse- hen stehen. Dieß ist fuͤr sie eine Quelle des Reichthums, die nie austrocknet. Sie ergeben sich sich ganz der List, und wissen mit Huͤlfe dersel- ben, ihre Kloͤster meisterlich zu bereichern. — Wenn eine Person stirbt; so wird sie in einen papiernen Rock (welchen die Moͤnche verkaufen, und damit wuchern) auf welchem die Gestalt der Goͤtter gezeichnet ist, eingewickelt Man kann von diesen Betruͤgereien der Moͤnche herrliche Sachen beym Charlevoix lesen. Dieser erzaͤhlt auch, daß die Moͤnche den Sterbenden gesegnete Brodte austheilten, und ihnen Paͤsse oder Wechselbriefe mitgaͤben, die in jenem Leben zahlbar seyn sollten! Eir schoͤner Paß, und ein noch schoͤnerer Wechselbrief! — . — Einer der vornehmsten Grundsaͤtzen, den die Moͤnche dem Volke mit aller Macht anzupreisen pflegen, ist dieser: daß die Freygebigkeit gegen die Goͤt- ter und ihre Diener das sicherste und schicklichste Mittel sey, Anspruͤche auf die himmlische Woh- nung zu machen, in welcher, nach dem Vorge- ben dieser schaͤndlichen Betruͤger, der Zustand der Reichen weit besser als der Armen sey, weil es diesen an Mitteln fehle, ihre Suͤnden loßzukaufen, und daher auch eine verachtete und verworfene Menschenart waͤren Wem fallen nicht hier die Namen Tetzels und Consorten bey. . Das vornehmste Geschaͤft der Bonzen be- steht darinn, in den Tempeln fleißig zu predigen, und das Volk zur Ausuͤbung der Tugend zu er- mahnen. Gar erbaulich moͤgen nun wohl der- gleichen gleichen Predigten von dergleichen Leuten seyn! Pater Froez hat eine angehoͤrt, und erzaͤhlt, daß sie ihm sehr wohl gefallen habe. Wir wol- len ihn hieruͤber selbst reden laßen. „Ich war, sagt Froez, sehr neugierig einen Bonzen predi- gen zu hoͤren, und suchte Gelegenheit zu erhalten, um meine Neugierde zu befriedigen. Es gelang mir und erblickte eine Versammlung von wenig- stens fuͤnf tausend Menschen“. Dieß ist sehr unwahrscheinlich: denn kein Tempel ist so groß, daß er eine solche Menge von Menschen in sich faßen koͤnnte. „Ehe die Predigt anfieng, er- zaͤhlt der Missionarius weiter, fiel jedermann bey dem Schalle einer Glocke nieder auf die Knie, und verblieb wenigstens eine Stunde in dieser Stellung. Jeder hatte eine Art von Ro- senkranz in der Hand, und hob die Arme zum Himmel, und alle schrien: Amida errette uns. Nachdem dieses Gebet verrichtet war, hoͤrte man eine Glocke anschlagen, und es ward eine allge- meine Stille. Hierauf sah ich einen schoͤnen Mann in einem langen nachschleppenden fridnen purpurfarbenen und weis gefuͤtter- ten Rock, hervortreten. Er setzte sich auf einen sehr hohen Stuhl, der so ge- stellt war, daß ihn ein jeder sehr gut schen konnte. Er hatte vor sich einen Tisch stehen, auf welchem ein Buch lag, nemlich die Schriften des Xaca. Der Bonze laß mit einer ernsthaften gebieteri- schen Miene und Stimme einige Zeilen, machte machte das Buch zu, und fieng seine Pre- digt an Froez ist indessen ein Mann, der doch mit unter gute Nachrichten giebt. Nur muß man ihm nicht zu viel trauen. Wir pflegen ihm nur da zu folgen, wo seine Erzaͤhlungen mit den Er- zaͤhlungen der uͤbrigen Reisebeschreiber, sonderlich des Kaͤmpfers, uͤbereinstimmen. Aber im Gan- zen genommen, ist Froez derjenige, der seine Leser mit einer Menge von Maͤhrlein heimzusuchen, frech genug ist. . Wir finden gegen diese letzte Er- zaͤhlung nichts einzuwenden. Wenn aber der Pater die Anmuth und Beredsamkeit, ja die ruͤhrende und uͤberzeugende Beredsamkeit der Bonzen uͤberhaupt, (in der Folge seiner Erzaͤh- lung) so sehr herausstreicht; so ist er entweder selbst ein Budsoist, oder er muß nicht gewußt haben, was Anmuth, uͤberzeugende und ruͤhrende Beredsamkeit sey . So viel von der Religion der Budsoisten. Diese Erzaͤhlung ist aus glaubwuͤrdigen Schrift- stellern entlehnt. Freylich waͤre es besser, wenn man den Werth dieser Erzaͤhlung aus den Buͤ- chern der orientalischen Philosophie selbst bestim- men koͤnnte. Indessen koͤnnen wir doch das auf Treu und Glauben annehmen, was uns von bewaͤhrten Schriftstellern erzaͤhlt ist. Wir wollen dieses Kapitel schließen, wenn wir noch von der dritten Religionssecte und dem Zustande des Christenthums in Japan das wich- tigste werden erzaͤhlt haben. Diese Diese dritte Religionssecte wird die Secte des Siuto genannt. Dieß Wort bedeutet ei- gentlich so viel, als der Weg oder die Religion der Philosophen. Den Anhaͤngern dieser Reli- gion macht es ein Vergnuͤgen, sich uͤber die Meynungen des Poͤbels zu erheben, und sich ei- gentlich zu keiner Religion zu bekennen. Sie geben vor, die wahre Groͤße und Gluͤckseeligkeit eines Menschen bestehe darinn, weise und tugend- haft zu leben. Zu einem weisen und tugend- haften Leben, behaupten diese Philosophen wei- ter, sey der Mensch, weil er von Natur ver- nuͤnftig erschaffen, schlechterdings verbunden. Die Lehre der Seelenwanderung ist ihnen eine laͤcherliche Chimaͤre, und behaupten dagegen, daß unsre Seelen von einem allgemeinen Geiste, der die ganze Natur belebt, entsprungen sind, und nach ihrer Trennung vom Koͤrper zu eben diesen Geist — wie die Fluͤße, wenn sie ihren Lauf vollendet, sich ins Meer stuͤrzen — zuruͤck- kehren. — Sie rufen keine Gottheit an, und haben weder Tempel noch Gottesdienst unter sich eingefuͤhrt. Ihre Religionsuͤbungen beste- hen (wenn man sie so nennen kann) in einigen Gebraͤuchen zum Gedaͤchtniß ihrer Vaͤter und naͤchsten Anverwandten. Der Selbstmord wird von ihnen fuͤr eine Heldenthat gehalten, haupt- saͤchlich, wenn jemand dadurch einer Schande oder Sclaverey entgehen kann. Ueberhaupt stimmen die Grundsaͤtze dieser Philosophen mit den der Sintoisten in den C meisten meisten Stuͤcken uͤberein. Nur findet man doch in der Religion der Philosophen nicht so viel Abgeschmacktheiten, wenn ihr gleich noch viele ankleben, die wir aber hier mit Stillschweigen uͤbergehen. Hoffentlich wird es unsern Lesern angenehm seyn, wenn wir es wagen, noch kuͤrzlich eine zuverlaͤßige Nachricht von der ersten Einfuͤhrung, Fortgang und gaͤnzlichen Ausrottung der christ- lichen Religion in Japan, zu geben. Ohnge- faͤhr ums Jahr 1552, nachdem dieß Land vor kurzen durch die Portugiesen entdeckt war, geschahe es, daß einige Jesuiten Gelegenheit fanden, in das Reich zu kommen. Diese Je- suiten schmeichelten sich bald bey den Reichen und Vornehmen, durch ihre Geschicklichkeit in den Wissenschaften, durch mancherley Erfindun- gen astronomischer Instrumente und andere eu- ropaͤische Seltenheiten, so ein, daß sie sich ihnen fast ganz unentbehrlich machten. Der Erfolg ihrer Bemuͤhungen war so erwuͤnscht, daß die japanische christliche Kirche innerhalb dreißig Jahren eine uͤberaus große Menge Neubekehrte zaͤhlte, unter welchen sich verschiedene Icatas, oder kleine Koͤnige befanden. Das gemeine Volk sonderlich, das von Natur alles was Neu ist, liebt, und uͤberdem von der christlichen Moral geruͤhrt wurde, ergriff diese Lehre mit dem groͤßesten Eifer. Ueberhaupt schien alles zu dem Fortgange der Arbeiten der Missionairs zusammenzukommen, und man hatte Ursach, sich, sich, wegen der gluͤcklichen Gesinnung des Volks und der Regierung, zu versprechen, daß ganz Japan bald wuͤrde bekehrt seyn. Allein die Gestalt der Sachen wurde unvermutheter weise bald veraͤndert. Taikosama, der sich mit Ge- walt des Reichs bemaͤchtigte, nachdem der Kay- ser Nobunanga eines gewaltsamen Todes starb, und dessen Soͤhne von der Herrschaft durch den Taikosama ausgeschlossen, war ein Fuͤrst der in der Abgoͤtterey erzogen worden. Dieser wurde durch die schleunige Ausbreitung des Christenthums aufmerksam, fieng an, diese Neuerung fuͤr schaͤdlich zu halten, weil sie mit den landesuͤblichen Religionen nicht bestehen koͤnne, und also Uneinigkeiten im Staate sehr leicht verursachen koͤnne. Anfaͤnglich stellte er sich, als wenn er den Christen gewogen waͤre. Allein im Jahre 1586 gab er einen Befehl heraus, worinn den Japa- nern durchaus verboten wurde, die Religion der Vaͤter, d. i. des Christenthums anzunehmen. Hierauf fieng man an, die Christen zu verfol- gen und zu quaͤlen, und die Geschichtschreiber melden, daß im Jahr 1590 uͤber zwanzig tau- send Menschen elendiglich sind hingerichtet worden. Kaͤmpfer hat sich hieruͤber weitlaͤuf t ig aus- gelassen. Er fuͤhrt noch zu den politischen Ur- sachen, we l che den Kaͤyser bewogen haben, die Christen zu unterdruͤcken, andere an, die uns sehr glaublich vorkommen. Kaͤmpfer meint, C 2 daß daß die ausschweifende und unvorsichtige Auf- fuͤhrung der Missionair sehr vieles dazu beige- tragen habe, ihren Untergang zu befoͤrdern. Zuerst giebt er ihnen einen gewissen Geist der Herrschsucht und der Unvertraͤglichkeit schuld. Sie predigten mit Ungestuͤm wider die Landes- religion, zerbrachen die Goͤtzen und Tempel, welches die Bonzen sehr beleidigte. Einen an- dern Fehler, sagt Kaͤmpfer weiter, begiengen die portugiesischen Kaufleute und Geistlichen da- durch, daß jene sich durch ihren unersaͤttlichen Geiz und Wucher den Haß der Japaner zuzogen, und diese sich von der Einfalt und Bescheiden- heit der ersten Missionair, zu sehr entfernten. „Diejenigen, dieß sind die eignen Worte un- sers Schriftstellers, welche an der Spitze der Clerisey waren, hielten es fuͤr unanstaͤndig, alle- zeit, nach dem Beyspiele Jesu und seiner Juͤn- ger, zu Fuße zu gehen: sie waren nicht damit zufrieden, sich in Saͤnften herumtragen zu las- sen, und die Pracht des Pabstes und der Car- dinaͤle nachzuahmen. Sie schaͤtzten sich nicht nur den Vornehmsten im Reiche gleich, son- dern — sie glaubten vielmehr, daß ihnen ein hoͤherer Rang gehoͤrte. Es ereignete sich ein- mal, sagt Kaͤmpfer weiter, daß ein portugiesi- scher Bischof einen Staatsrath unter Weges antraf, der nach Hofe gieng. Der stolze Bi- schof stieg, nach Landesgebrauch, nicht aus sei- ner Saͤnfte, um diesen vornehmen Herrn seine Ergebenheit zu bezeigen; vielmehr befahl er sei- nen nen Saͤnftentraͤgern mit einer stolzen Miene fort und dem Herrn vorbey zu gehen. Ein so unvernuͤnftiges Betragen, das der Sanftmuth und Erniedrigung so sehr entgegen war, die die- sem Herrn doch zukam — zudem da die Portu- giesen einen ansehnlichen Theil ihres vorigen Ansehns verlohren hatten — mußte allerdings gefaͤhrliche Wirkungen nach sich ziehen. Der Staatsrath, uͤber eine solche oͤffentliche Belei- digung entruͤstet, faßte sogleich einen toͤdlichen Haß gegen die Portugiesen, und entwarf dem Kayser von dem Stolze und der Eitelkeit dieser Nation ein scheußliches Bild; welches denn auch den Unwillen des Kaysers ganz rege machte Kaͤmpfer scheint, meiner Meynung nach, die Ursachen sehr richtig angegeben zu haben, die den schleunigen Fall des Chrisienthums befoͤr- dert. Man weiß, wie viele Unvorsichtigkeit die Mißionaͤrs bey ihren Amtsgeschaͤften begehen: wie viele Ungeschicklichkeit sie gemeiniglich besi- tzen, wovon sie doch schlechterdings frey seyn sollten. Ganz sicher war der Stolz der Geist- lichkeit, nachdem sie der christlichen Religion wichtige Vortheile, verschaft hatten, Ursache, daß sie wieder unterdruͤckt wurde. Lehrer der geheiligten Religion Jesu, die selbst ein so un- christliches Leben fuͤhrten, wurden vom Kayser billig gegeißelt: Aber gegen alle Christen so zu wuͤthen, wie geschehen ist, war unmenschlich. “. Es wurden gegen die Christen verschiedene blutige Gesetze, aber zu verschiedenen Zeiten, C 3 gegeben. gegeben. Die groͤßeste Verfolgung aber muß- ten die Christen erdulden unter der Regierung des Torogunsana. Dieser Fuͤrst wird ein- muͤthig, von den Schriftstellern, als ein Mann von barbarischer Grausamkeit und vie- hischen Leidenschaften vorgestellt. Charlevoix erzaͤhlt vieles von seinen Grausamkeiten. Wir wollen ihn hier einen Augenblick erzaͤhlen laßen. „ Torogunsana, sagt er, fand ein großes Vergnuͤgen darinn, zarte Jungfern, und Frauen vornehmer und angesehener Maͤnner ganz na- ckend an oͤffentlichen Orten aufstellen, und den Henkern Preis geben zu laßen. Diese warfen sie, wenn sie ihre viehische Brunst gestillt hatten, ins Feuer oder schlugen ihnen den Kopf ab. Andere wurden auf Befehl dieses unmenschli- chen Tyrannen gekreuzigt, und viele Tage lang erschrecklich gemartert: man saͤgte nemlich die- sen armen Leuten mit ausgezackten Stoͤcken die Beine entzwey, hielt ihnen mit Schwefel gefuͤll- te Roͤhre, welche man nachher anzuͤndete, vor die Nase, und ließ sie den Dampf davon einhau- chen. Noch andere wurden in verborgene duͤ- stere Gruben geworfen, die voll von Schlangen und stinkenden Materien waren, oder man hieng sie uͤber dergleichen Gruben bey den Beinen auf. Mehrere Beyspiele von Grausamkeiten anzu- fuͤhren — halten wir fuͤr uͤberfluͤßig: wir selbst koͤnnen es nicht ohne Grausen beschreiben! Seit dem Jahre 1622 ist die christliche Religion aus dem Reiche verbannt, und im Jahre Jahre 1637 kam das Verbannungsedict her- aus, wovon die Hauptartikel folgende waren: a) Es sollte kein japanisches Schiff ferner- hin mit fremden Nationen Handel treiben, und kein kayserlicher Unterthan sollte bey Todes- Strafe aus dem Lande gehen. b) Wer einen catholischen Priester ausfuͤn- dig machen koͤnnte, sollte dafuͤr fuͤnf hundert Schuits Fuͤufhundert Schuits machen nach unsrer Muͤn- ze ohngefaͤhr 3000 Reichsthaler. Silber erhalten. c) Wer sichs beygehen ließe, das Christen- thum fortzupflanzen, oder den abscheulichen Na- men eines Christen beyzubehalten, sollte in ein oͤffentliches Gefaͤngniß gesetzt werden. d) Die ganze Portugiesische Nation sollte auf ewig aus dem Reiche verbannt seyn. e) Derjenige, der es wagen wuͤrde, aus fremden Laͤndern einen Brief ins Reich zu brin- gen, sollte mit seiner ganzen Familie hingerich- tet werden. Ein gleiches Schicksal sollten dieje- nigen haben, welche fuͤr einen solchen Uebelthaͤ- ter um Gnade bitten wuͤrden Wir haben hier nur das Wichtigste von der Pflanzung, dem Schicksaale u. f. des Christen- thums in Japan erzaͤhlt, und erwaͤhnen nur noch, daß viele Catholische Schriftsteller von der gemachten Beschreibung abgehen. Kaͤmpfer hat sich uͤber das, was das Christenthum betrift, weitlaͤuftig eingelaßen, und wir finden alle Ur- sachen, ihm in seinen Behauptungen und Erzaͤh- lungen beyzupflichten. . C 4 Drittes Drittes Kapitel. Von der Lebensart, Sitten und verschie- denen Gebraͤuchen der Japaner. V ielleicht findet man im ganzen Morgenlande kein Volk, das, in Ansehung des Essen und Trinkens maͤßiger waͤre, als die Japaner. Sie genießen wenig oder gar kein Fleisch der vierfuͤßigen Thiere. Diese Enthaltsamkeit ruͤhrt von den religioͤsen Begriffen einiger Seeten her, die es fuͤr hoͤchst gefaͤhrlich und unmenschlich halten, das Fleisch solcher Thiere zu essen, die ein Leben gehabt haben. Die Hauptspeise der Ja- paner besteht indessen 1) aus Reis, den sie am Feuer dicke werden laßen und hernach eine Art von Teig daraus machen, den sie Statt des Brodts essen: 2) aus Wurzeln und Kraͤutern, die sie allenthalben hersuchen; diese kochen sie mit Salz im Wasser, und machen eine Bruͤhe daran: 3) aus Kuchenwerk von verschiedener Sorte, das sie aus schwarzen Bohnen, oder auch aus Wurzeln backen: endlich 4) aus Con- fect und Zuckerwerk, das aber sehr hart, und mehr fuͤr die Augen, als den Geschmack ist. Das vornehmste Getraͤnk bey ihren Mahl- zeiten ist der Thee. Diesen nehmen sie gleich nach dem Essen, oder auch wenn sie muͤde und schwach sind, in ziemlicher Quantitaͤt zu sich. Neben Neben diesem Tranke haben sie auch noch andre Sorten, welche aus Weizen, Reis und Pflan- zensaft gemacht werden. Dieser starken Ge- traͤnke bedienen sich die Mannspersonen nur bey außerordentlichen Faͤllen, als bey großen Gaste- reien u. s. w. Dem Frauenzimmer aber bleibt es allzeit untersagt, dergleichen zu sich zu nehmen. Wenn jemand ein großes Gastmal anstellt; so will der Gebrauch, daß er jedem Gaste eine besondre Tafel giebt. Diese Tafeln sind gemei- niglich niedrig, weil jeder beym Essen auf seinen Fuͤßen auf der Erde sitzt. An den Tischen be- merkt man die groͤste Sauberkeit und Reinlich- keit; und man muß gestehen, daß kein orienta- lisches Volk bey den Mahlzeiten mehr auf Zier- lichkeiten sieht, als eben unsere Insulaner. Teller und Schuͤssel sind alizeit mit Blumen bestreut, und kein Vogel wird aufgetragen, den man nicht vorher den Schnabel und Fuͤße verguͤlde. — Bey den Feten uͤberlaßen sie sich allen Arten von Lustbarkeiten, als dem Tanzen, Masqueraden, Comoͤdien und der Musik. — Nach der Mahlzeit belustigen sie sich mit Thee- trinken, Absingung gewisser Lieder, geben sich einander Raͤtzel auf u. d. gl. m. In Ansehung der Besuche beobachten die Japaner eben das Cerimoniel, als die Chineser. Eben die Umstaͤnde, welche diese sowohl beym Empfang als beym Abschiednehmen, Nieder- setzen, machen, beobachten die Japaner im C 5 naͤmli- naͤmlichen Grade. Wer in Japan einen an- dern besucht, muß mit einem Rock von schwar- zen Atlaß bekleidet seyn, den er uͤber seine an- dere Kleider zieht, und fuͤr ihn gerade das ist, was fuͤr uns die Ueberroͤcke. Dergleichen Roͤcke nun stehen bey ihnen in großem Werth. Sie machen sich mit denselben einander Geschenke, und ein solches Geschenk wird gewoͤhnlich mit vielen Ceremonien uͤberbracht. Sie werden auf einem großen Becken getragen: und man haͤlt es fuͤr eine große Gnadenbezeugung, wenn ein Vornehmer einem Geringen ein dergleichen Ge- schenk uͤbermacht. Die Japaner kleiden sich groͤstentheils wie Chineser, aber doch etwas manierlicher und reinlicher. Ihre Tracht besteht aus einigen Un- terroͤcken, uͤber welche sie einen langen Ueberrock tragen, der bis auf die Knoͤchel herabgeht. Diese werden mit einer breiten Binde von Sei- de umfaßt, welche die Brust umschließt, und an der man einen Saͤbel oder Dolch befestigt. Sie tragen weite Beinkleider, die ihnen bis auf die Waden herabhangen. — Das gemeine Volk traͤgt einen Rock der nur bis auf die Knie geht. Die Handwerksleute, Traͤger und Tage- loͤhner pflegen waͤhrend der Arbeit ihre Kleider auszuziehen, damit der Schweiß nicht eindringe. Weder im Sommer noch im Winter bedecken sie ihren Kopf, ohngeachtet sie ihn uͤber und uͤber bescheren, aber doch nach Chinesischer Art einen Zopf stehen laßen. Um sich aber gegen die Sonne Sonne und den Regen zu decken, tragen die Vornehmern einen Schirm in der Hand; oder, wenn sie vermoͤgend genug sind, so laßen sie ihn durch einen Bedienten uͤbern Kopf halten. Die Kleidung der Frauenspersonen ist von der der Maͤnner nicht sehr unterschieden, nur daß sie Statt weitere Veinkleider ganz enge tra- gen, und uͤberhaupt ihre Kleidung weit fester am Leibe anliegt. Gemeiniglich haben sie eine schwarze Kappe uͤber dem Kopfe, unter der ihre Haarlocken in Knoten herabhangen. Diese sowohl als der Hauptschmuck der vornehmen Weiber, sind mit Federn, Blumen, Perlen, nach Beschaffenheit ihres Standes, durchfloch- ten; laßen sich aber selten anderwaͤrts, als nur von denen, die zu ihrer Familie gehoͤren, ohne eine Kappe uͤber dem Gesichte sehen. — Indes- sen lebt das japanische Frauenzimmer sehr ein- gezogen, nimmt selten Besuche von Manns- personen an: und wenn es auch zuweilen ge- schieht; so bedecken sie das Gesicht, und oft- mals den ganzen Leib, mit einem Schleier. Selten gehen sie aus: und wenn sie ausgehen; so haben sie immer eine starke Begleitung bey sich. Meistens werden sie, nebst dem Frauen- zimmer von ihrem Gefolge, in Norimons getra- gen. Gehen sie aber zu Fuße, welches doch sel- ten geschieht; so werden sie von sehr vielen Weibern begleitet. Einige tragen das Zucker- werk von allerley Art, andere Sonnenschirme und Faͤcher, noch andere tragen die Pantoffeln und und Schnupftuͤcher ihrer Gebieterinn. Uebri- gens wollen wir hier noch anmerken, daß die Japanerinnen sich vor Personen von Stande, allzeit niedersetzen, und wenn sie jemand gruͤßen, ganz gerade zu stehen pflegen. Ihre Zaͤhne und Naͤgel streichen sie schwarz an, und laßen letztere gerne sehr lang wachsen. Bey den Heyrathen aͤußern die Japaner viel Charakteristisches. — Die Weiber bringen kein Erbgut mit, sondern werden vielmehr ihren Eltern oder Anverwandten abgekauft; nur mit dem Unterschiede, daß, so lange die Hochzeit- feyerlichkeiten waͤhren, die Eltern oder Anver- wandten ihnen betraͤchtliche Geschenke machen, die aber doch von dem neuen Paar mit vielen Complimenten zuruͤckgesandt oder erwiedert werden. Ein Vater also haͤlt sich fuͤr reich und gluͤcklich, wenn er viele und schoͤne Toͤch- ter hat. Ein Hauptzug des Temperaments der Japaner ist die Wollust, wozu beyde Ge- schlechter gleich stark incliniren, so daß die El- tern manchmal genoͤthigt sind, ihre Toͤchter im zwoͤlften dreyzehnten Jahre, zuweilen auch noch eher, zu verheyrathen. — Die Anwerbung, der Ehekontract und andere vorlaͤufige Cerimonien, werden durch andere, und gewoͤhnlich durch die Anverwandten beyder Partheyen, in Ordnung gebracht. Es ist den Maͤnnern nach den japanischen Gesetzen erlaubt, viele Weiber zu nehmen, unter welchen die erste mit dem Titel Frau beehrt wird, wird, und das Recht hat mit ihrem Manne zu speisen. Die andern aber, sind eigentlich wei- ter nichts als Beyschlaͤferinnen, die zugleich gehalten sind, der rechtmaͤßigen Frau aufzu- warten Die Kinder, die mit den Beyschlaͤferinnen ge- zeugt werden, haben an der vaͤterlichen Erb- schaft einen kleinen Antheil. . Ueber diese Eoncubinen hat der Mann eine fast unumschraͤnkte Herrschaft. Er darf sie nach Belieben, wenn sie ihm nicht laͤn- ger anstehen, fortjagen, ohne die geringste Re- chenschaft von seinem Verfahren ablegen zu duͤrfen. Geben sie ihm auch nur die geringste Ursache zur Eifersucht; so kann er sie hinrichten laßen. Ohne alle Widerrede aber muͤssen sie eines harten Todes sterben, wenn sie wirklich in Untreue ergriffen werden. Das Brautpaar holt man gewoͤhnlich des Morgens ganz fruͤh ab, und ein jedes von ihnen, wird auf einen besondern Wagen gesetzt, wel- cher von Pferden oder Ochsen gezogen wird. Man fuͤhrt sie aus der Stadt unter dem Klange verschiedener Instrumente auf einen Huͤgel, auf den die Cerimonie vor sich gehen soll. Der Kutsche des Braͤutigams folgen verschiedene Wagen mit den Kleidern, dem Hausgeraͤth und andern Sachen, die fuͤr die Braut bestimmt sind. Sobald die Braut am Fuß des Huͤgels angekommen ist; so steigt sie aus ihrem Wagen heraus; dieß thut auch der Braͤutigam: aber beyde beyde gehen durch verschiedene Wege auf den Berg. Die Verwandten, Musikanten und an- dere Zuschauer folgen ihnen nach. So bald nun der ganze Tros oben auf dem Berge ist; so stellen sie sich alle in Ordnung, so daß die Verwandten hinter der Braut und die Musi- kanten hinter den Braͤutigam zu stehen kommen. Die ersten stehen paarweise unter Sonnenschir- men, welche von Bedienten gehalten werden: die Musikverstaͤndigen aber stehen durcheinander, voͤllig ohne Ordnung, auf der andern Seite. Ein Theil von ihnen sitzt, und laͤßt die Luft von mancherley angenehmen Toͤnen erschallen: an- dere stehen und schlagen mit Stoͤcken an ku- pferne Kugeln, die an Ketten hangen und die man queer uͤber an zwey Pfaͤlen befestigt. Oftmals tanzen sie auch nach dem Schall dieser Instrumente. Braut und Braͤutigam halten eine bren- nende Fackel oder Lampe in ihren Haͤnden, waͤh- rend der Bonze die Trauung verrichtet. Hier- auf wuͤnscht dann die ganze Gesellschaft dem neuen Ehepaar Gluͤck: die Braut aber wi r ft alle ihre kindische Spielsachen ins Feuer, und empfaͤngt die Geschenke aus den Haͤnden ihres Geliebten. Nach diesen Cerimonien fuͤhrt man die Braut zuruͤck in das Haus des Braͤutigams, welches, nach Beschaffenheit seines Standes aufs beste ausgeschmuͤckt ist. Junge Leute die Blumenkraͤnze tragen, pflanzen Fahnen vor das Haus, und auf dem Gibel desselben, und be- streuen streuen alle Zimmer mit Blumen. Die Lustbar- keiten dauern gemeiniglich sieben bis acht Tage: und man kann nicht sagen, daß es ihnen bey der Gelegenheit an Musik, Tanz, Comoͤdien u. f. fehlet. Und um alles recht munter zu machen, laßen sie die starken Getraͤnke herbey holen, um die Koͤpfe recht lebendig zu machen. Wenn diese Lustbarkeiten vorbey sind; so wird der jungen Frau ihr Zimmer angewiesen, worinnen sie sich bestaͤndig aufhalten muß, und jaͤhrlich etwa einmal herausgelaßen wird. Nie- mand bekommt sie zu sehen, es moͤchte denn jemand von ihren naͤchsten Anverwandten seyn: und doch geschieht dieß selten. Es ist in der That ganz unglaublich, wie strenge die Frauen der Vornehmen gehalten werden. Und alles Vergnuͤgen was ihnen das eheliche Leben noch verschafft, besteht darinn, daß sie gute Ordnung erhalten, sich durch schmeichelhafte Versuche die Gunst ihrer Maͤnner verschaffen, und durch ihre Schwangerschaft und Fruchtbarkeit ihren Ge- mahl aufgeraͤumt machen Fraͤgt man die Japaner, warum sie so barba- risch umgehen, sie so einmauern und in so stren- ger Verwahrung behalten? so antworten sie mit einer ernsthaften Miene: daß sie durch die Noth dazu getrieben wuͤrden. Zwar haͤtten sie ihren Weibern vor Zeiten mehr Freyheiten verstattet; allein es waͤren damit so schreckliche Begeben- heiten verbunden gewesen, daß sie in die Noth- wendigkeit waͤren versetzt geworden, ihre Weiber einzu- . Uebri- Uebrigens muͤssen wir hier noch bemerken, daß die Japaner sich nie ausser ihren Stand verheyrathen. Ein Prinz vermaͤhlt sich mit einer Prinzessinn u. s. w. Doch gilt dieß nur von den Weibern vom ersten Range. Ein ander Fest, welches bey den Japanern feyerlichst begangen wird, ist dasjenige, welches sie zu Ehren ihrer verstorbenen Anverwandten feiern. Bey diesen jaͤhrlichen Festlichkeiten kom- men alle Anverwandte des Verstorbenen in dem Hause des Oberhaupts der Familie zusammen, aus welchem sie, nach einer Bewirthung unter Musik und Gesaͤngen, unter großen Cerimonien zu den Graͤbern ihrer Todten gehen, die gemeinig- lich ziemlich weit von der Stadt entfernt liegen. Bey dieser Gelegenheit tragen einige die Wapen und Fahnen ihrer Vorfahren voraus, und einige haben in ihren Haͤnden Fackeln. Hier finden sie ein Gastmal fuͤr sie zubereitet, wobey sie die Verstorbenen mit einladen. — Kaͤmpfer berichtet uns, daß bey solchen Festtagen allemal zum Ruhme des Verstorbenen gebundene und ungebundene Reden gehalten, Geschenke fuͤr den Verstorbenen gebracht wuͤrden, die aber die Bonzen *) einzuschraͤnken, und sie, wie sie itzt thaͤten, zur Arbeit anzuhalten. In Ansehung der Frauen- zimmer-Geschaͤfte koͤnnte es bey uns auch etwas besser eingerichtet seyn. Bonzen Diese Herrn verstehn die Kunst meisterlich dem Volke das Geld abzuschwatzen. Diese wenden sie auch an bey der Begebenheit der jaͤhrlichen Begraͤbnißfeyerlichkeiten. Sie stellen den Zu- stand des Verstorbenen unter dem scheußlichsten Bilde vor, um fuͤr diese den Beystand der Leben- digen auszuwuͤrken: ja sie wuͤrken so gar Wech- selbriefe fuͤr die Verstorbenen aus, um dadurch die Freyheit von einer schrecklichen Dienstbarkeit unter der Bothmaͤßigkeit eines ungezogenen Teu- fels, oder ihnen ein beßres Quartier zu ver- schaffen, oder die boͤsen Geister zu vertreiben, die ihre Reise dahin verhindern. Der Poͤbel ist dum und einfaͤltig genug, das alles fuͤr wahr zu halten, was ihnen die Bonzen vorplaudern, und giebt alles willig her, was zur vermeinten Erleichterung der Verstorbenen dienen kann. immer in Empfang naͤhmen, um da- mit nach Gutbefinden zu verfahren. Die Festi- vitaͤten waͤhren einige Tage lang, in welcher Zeit sorgfaͤltig dahin gesehen wird, daß es den Gaͤsten, beydes an Speisen und starken Ge- traͤnken nicht mangle; und wenn alles vorbey ist, sagt Froes; so kehren sie in eben der Ord- nung in die Stadt zuruͤck, in welcher sie heraus- gekommen sind, machen mit ihren Trommeln und andern Instrumenten vor jedem vornehmen Hause und Tempel, dem sie vorbeygehen, einen gewaltigen Laͤrm. Die Begraͤbniße werden fast alle gleich praͤchtig vollzogen: nur kann man dabey noch merken, daß wenn ein Prinz oder sonst ein großer Herr stirbt, gemeiniglich zehn oder D oder zwanzig junge Leute seines Hauses, beson- ders diejenigen, welche er vorzuͤglich geliebt hat, sich einfinden, und ihrem Leben da, wo der Ver- storbene begraben oder verbrannt wird, frey- willig ein Ende machen. — Caron meint, daß dieß unter den jungen Leuten etwas sehr ge- woͤhnliches sey, und daß sie sich bey ihrem Herrn eidlich verbaͤnden, im Fall er sterben sollte, ihm in die andre Welt zu begleiten. — Die jungen Leute thun dieß bloß darum, um sich bey ihren Herren einzuschmeicheln, und ihnen sagen zu koͤnnen, daß sie in allen Stuͤcken und Gele- genheiten bereit waͤren, ihr Leben fuͤr sie aufzuopfern. — Die Japaner halten dafuͤr, daß ihr Schick- sal in der andern Welt von der Pracht abhan- ge, die bey ihren Begraͤbnissen getrieben wird. Und dieß ist denn Beweggrund genug fuͤr die Hinterlaßenen, alle Kosten auf das Begraͤbniß ihres Verstorbenen zu verwenden Dieser Aberglaube hat seinen Grund in den religioͤsen Ideen der Japaner. — Es ist unglaub- lich, wie sehr manche, besonders wenn in der Familie haͤufige Todesfaͤlle sich einflnden, ihren Beutel erschoͤpfen, und bis an den Bettelstab ge- bracht werden. . Unter den Vornehmen wird der Leichnam, welcher unge- mein praͤchtig gekleidet ist, in einer Staats- saͤnfte getragen, die aus Cedernholz verfertigt und sehr kuͤnstlich gearbeitet ist. Der Pater Char- Charlevoir (mit dem Kaͤmpfer und andre uͤbereinstimmen), mag hier erzaͤhlen, wie die Reichen beerdigt werden. „Zuerst, sagt er, laͤßt sich eine Reihe Wei- ber sehen, die theils Anverwandte oder gute Freundinnen des Verstorbenen gewesen sind: diese sind in weissen baumwollenen Zeugen sehr kostbar gekleidet, und haben das Gesicht mit einem Schleier umhuͤllt. Nach diesem Zuge er- scheinen die maͤnnlichen Anverwandten, aber zu Fuße, welche gleichfalls sehr gut gekleidet sind. Hierauf folgt ein Haufen Bonzen, vor welchen ihr Oberer in einer Saͤnfte hergetragen wird. Die Moͤnche haben bey dergleichen Gelegenhei- ten eine Gattung von Ueberrock, uͤber dem sie einen schwarzen Mantel tragen, der auf der Erde nachschleppt. Einer von den Bonzen schlaͤgt unaufhoͤrlich auf ein kupfernes Becken, welches wie eine Pauke gemacht ist, die uͤbrigen aber stimmen Lieder zum Lobe des Gottes Amida an. — Dann erblickt man Leute, die an der Spitze einer langen Picke einen Korb von Pappe, mit Blumen gefuͤllt, tragen. Wenn sie diese Picken schuͤtteln, so fallen einige Blu- men aus dem Korbe, wodurch angezeigt wird, daß die Seele der Verstorbenen im Himmel ist. Sobald die Anwesenden dieß Schuͤtteln der Picken sehen: erheben sie ein Freudengeschrey, und rufen gemeinschaftlich aus, daß die Seele des Verstorbenen in den seeligen Wohnungen sey.“ D 2 “Hinter „Hinter diesen Leuten gehen acht junge Bonzen, welche lange umgekehrte Staͤbe tragen, wovon das unterste Ende mit einer kleinen Fahne geziert ist, worauf der Name der vor- nehmsten Gottheit derjenigen Secte steht, zu welcher sich der Verstorbene bekannt hat. Gleich auf diese folgen noch zehn andere Bonzen, welche die Wapen und Fahnen der Verstorbenen tragen, und auch zum Theil auf Instrumenten spielen. Alsdann kommt eine große Menge von Leuten, welche grau gekleidet sind, auf deren Kleidung man den Namen des Goͤtzen lesen kann, zu dessen Religion er sich bekannt hat. Endlich folgt der Leichnam, der in einem praͤchtigen Norimon von vier Maͤnnern getra- gen wird. Der Todte sitzt darinn auf seinen Fersen, mit unbedecktem Angesicht, mit gefalte- nen oder kreuzweise uͤber die Brust gelegten Haͤnden, in der Stellung eines Betenden. Ueber seine Kleider hat er einen von den papier- nen Wir haben oben von den papiernen Roͤcken und dem Handel, den die Bonzen damit treiben, das Noͤthigste gesagt. Roͤcken, worinn alle Fromme gerne ster- ben moͤgen. Die vornehmsten Stuͤcke ihrer Religion sind darauf vorgestellt, und uͤberdem schreibt man noch geheimnißvolle Zeichen darauf, die zum Freypaß in den Himmel dienen. — Die Kinder des Verstorbenen, es versteht sich, wenn er welche hat, umringen die Leiche in den schoͤnsten schoͤnsten Kleidern, nicht anders als an dem freudigsten Tage. Das juͤngste Kind ist ver- bunden, die Fackel zu tragen. Der Ort, wo der Koͤrper niedergesetzt wird, ist ein mit Mau- ren umgebenes Feld. Die Mauren werden mit schwarzem Tuche behangen, eine Farbe die bey den Japanern nichts Trauriges anzeigt. In der Mitte dieses Feldes hat man eine Grube gemacht, von deren Boden sich ein Scheiter- haufen erhebt. Zu beyden Seiten des Schei- terhaufens stehen zwey Tische; der eine ist mit verschiedenen Sorten von Erfrischungen besetzt, und auf dem andern steht eine Rauchpfanne. So bald der Zug ins Feld hereingekommen ist, setzen die Bonzen den Leichnam und den Norimon auf den Scheiterhaufen. Das Ober- haupt der Bonzen naͤhert sich dem Scheiterhau- fen, und nimmt die Fackel, geht dreymal um denselben herum, und weiht ihn gleichsam ein. Nachdem er einige Gebete hergesagt, giebt er die Fackel demjenigen, der sie gegeben hat, zuruͤck. Hierauf wird der Scheiterhaufen an verschiede- nen Orten von den Vonzen in Brand gesteckt.“ Die vorhin erwaͤhnten jungen Leute, reissen sich alsdann, nachdem sie mit anscheinender Freude von ihren Anverwandten Abschied ge- nommen haben, mit eigenen Haͤnden die Baͤuche auf, werden von andern auf den Scheiterhau- fen hingeschleudert, um ihrem Herrn in jene Welt nachzufolgen. D 3 Die Die ganze Cerimonie endigt sich mit einer praͤchtigen Gasterey, und es fehlt dabey nie an Leckereyen — Fleisch, Fische und Fluͤgelwerk ausgenommen — mancherley Arten von Ge- traͤnken u. f. Die Soͤhne und naͤchsten Anver- wandten des Verstorbenen beschaͤftigen sich, waͤhrend die Gesellschaft sichs wohlschmecken laͤßt, mit Entrichtung der Leichenkosten, Schei- terhaufen, Opfergebuͤhren, Lampen, Gummi, Musik an die Bonzen. — Den Tag darauf begeben sich die Soͤhne, Verwandten und Freun- de des Todten an eben denselben Ort; sie sam- meln die Asche, und verschließen sie in eine ver- guͤldete Urne, die sie mit einem reichen Tuche bedecken, und sie sogleich an den Ort niederse- tzen, an dem sie sieben Tage lang stehen bleiben muß: in dieser Zeit beten die Bonzen sehr flei- ßig um die Urne herum. Sobald diese sieben Tage verflossen sind, wird die Urne von der Fa- milie abgeholt und sorgfaͤltig aufbewahrt. Mei- stentheils setzt man sie auf steinerne Fußgestelle, auf welchen man den Namen des Verstorbenen und den des Goͤtzen, zu dessen Religion er sich bekannt hat, schreibt. Nach Verlauf von sie- ben Monathen, und dann nach sieben Jahren erweißt man den Verstorbenen eben die, bisher beschriebenen, Ehrenbezeugungen. Es ist noͤthig hierbey die Anmerkung zu machen, daß Personen von geringer Abkunft kein so praͤchtiges Leichenbegaͤngniß anstellen koͤnnen. Sie sind indessen aber doch verbun- den, den, die Bonzen und Anverwandten dazu ein- zuladen. Die esten muͤssen sie fuͤr ihre Muͤhe und Arbeit hinlaͤnglich bezahlen, und den letz- tern, nach ihrem Vermoͤgen, eine Mahlzeit an- fertigen. — Die Armen pflegen auch ihre Ver- storbenen gemeiniglich zu begraben und nicht zu verbrennen, woraus man also folgern kann, daß das Verbrennen keine allgemeine Gewohn- heit ist. Viertes Kapitel. Von der Sprache, und von den Kuͤnsten und Wissenschaften der Japaner. N ach Kaͤmpfers Bericht, ist die japanische Sprache, eine urspruͤngliche Sprache, die von keiner andern orientalischen abstammt. Sie hat aber doch mit der chinesischen einige Aehnlichkeit. Sie bedienten sich beym Schrei- ben ehemals eben der Zeichen die in China uͤblich sind. Indessen hat doch das Bestreben der Ja- paner, sich von der stolzen und eifersuͤchtigen Nation zu unterscheiden, sehr wichtige Veraͤn- derungen in ihrer Sprache nach sich gezogen; denn da die Chineser sich bestreben, meist einsil- bige Woͤrter zu gebrauchen; so haben die Japa- ner nicht nur eine weit groͤßere Mannigfaltig- D 4 keit keit von Woͤrtern eingefuͤhrt, sondern sie auch sehr verlaͤngert, weil sie meinen, daß dadurch ein angenehmer Wohlklang entstehe. — Die japanische Sprache ist, uͤberhaupt genommen, nicht allein zierlich, deutlich, angenehm, wohl- klingend (worinn sie nach Kaͤmpfers Meynung vor der chinesischen einen großen Vorzug hat) und wortreich, sondern sie hat auch noch eine Menge von gleichguͤltigen Worten, die allemal der Natur der Sache, die sie ausdruͤcken, an- gemessen sind, sie mag hoch oder niedrig oder vertraulich seyn. Auch schickt sie sich sehr gut, fuͤr den Stand, Alter und Geschlecht sowohl desjenigen der redet, als auch desjenigen, mit welchem man redet. Die Insulaner schreiben, wie die Chineser, mit einem Pinsel von der rechten nach der linken Hand; sie gebrauchen eben die Dinte und Pa- pier, und fuͤhren ihre Jugend von den zartesten Jahren dazu an, um geschwind und sauber schreiben zu lernen; und man darf sich gar nicht daruͤber verwundern, wenn man Knaben von sechs bis sieben Jahren, als Meister in dieser Kunst sieht. Die vornehmste Bemuͤhung der Japaner geht meistens dahin, um ihre Sprache recht zu lernen, gut zu lesen, schoͤn zu schreiben und ver- staͤndlich zu reden. Die meisten Schriftsteller versichern, daß sie in der Geschichte ihres Lan- des, von den Geheimnißen ihrer Religion, von der Moral, Beredsamkeit, Dichtkunst, Musik, Mah- Mahlerey und andern Kuͤnsten ziemliche Kennt- niß besaͤßen. Hierzu traͤgt die gute Einrichtung, die sie unter sich getroffen haben, sehr vieles bey. Es ist zuverlaͤßig, daß die Japaner verschiedene Universitaͤten angelegt haben, und von vielen Studenten besucht werden. Die Universitaͤten sind gewoͤhnlich sehr reich. Die Aufsicht uͤber dieselbe ist in den Haͤnden der Bonzen, welche groͤßestentheils von adelicher Herkunft sind, und diese Lebensart erwaͤhlen, weil sie entweder zum Studieren Lust haben, oder es fuͤr das schicklichste Mittel halten, um mit ihren schlech- ten Gluͤcksguͤtern auszukommen. Was die Bonzen betrift, welche den Universitaͤten als Lehrer vorgesetzt sind; so versichern die portu- giesischen Missionairs, daß sie, unter ihren an- dern Geistesfaͤhigkeiten, solche Meister in der Redekunst waͤren, daß es ihnen nie fehlschluͤge, den Zuhoͤrern Thraͤnen abzulocken, dafern sie ihre Geschicklichkeit anwenden wollten. Es scheint nicht, daß die speculativen Wissenschaften in Japan zeither großen Fort- gang gehabt. Sie haben nur eine sehr leichte Kenntniß von der Mathematik, Metaphysik und den andern Theilen der Philosophie: daher auch ihre Achtung fuͤr diese Wissenschaft sehr geringe ist Die ersten Missionairs versichern, daß der Zu- stand der Philosophie und Mathematik vor ihrer Ankunft in Japan sehr klaͤglich gewesen sey; . Sie sehen sie vielmehr als einen D 5 Zeitver- Zeitvertreib fuͤr muͤßige Leute an, und verwei- sen sie in die Kloͤster, wo man Zeit genug hat, sich mit dergleichen Sachen zu beschaͤftigen. Ihre Kenntniß des Himmels und der Be- schaffenheit der Erde ist sehr schlecht. Ehe die Europaͤer zu ihnen kamen, waren sie so un- wissend, daß sie die ganze Welt in drey Haupt- theile theilten, nemlich in Japan, China und Siam, das uͤbrige aber hielten sie fuͤr einen unerheblichen Anhang. Heutiges Tages sind sie doch in diesem Stuͤcke ganz andrer Meynung; und man weiß fuͤr ganz zuverlaͤßig, daß sie Weltcharten und auch besondre Charten von ihren Laͤndern, unter sich eingefuͤhrt haben. Die Zeichen, um die Zahlen in der Rechen- kunst auszudruͤcken, fehlen ihnen. Sie bedie- nen sich indessen zum Rechnen einer hoͤlzernen Maschine, mit etlichen gleichlaufenden Staͤb- gen belegt, woran kleine elfenbeinerne Kugeln angereihet sind. Sie theilen, wie wir, den Thierkreiß in zwoͤlf Zeichen, aber sie geben ihnen andre Namen, als die Maus, der Ochse, der sey; nachdem sie aber von ihnen waͤren gelehrt worden; so haͤtten sie darinn erstaunend zuge- nommen, und waͤren zuletzt auch darauf ganz erpicht geworden. — Es steht dahin, ob dieses Lob, daß sich die Missionairs selbst beylegen, gegruͤndet ist: denn wir haben es nirgends ge- funden, daß die Japaner große Kenntniße in der Philosophie hatten, und jemals gehabt haben. der Tyger, der Hase, der Drache, die Schlan- ge, das Pferd, das Schaf, der Affe, der Hahn, der Hund und das Schwein. In Absicht der Art die Zeit zu messen, theilen sie den Tag in zwey Theile: der eine begreift die Zeit, zwischen der Sonnen Auf- und Unter- gang, nnd dieser wird abermal in sechs Theile getheilt: und die Nacht enthaͤlt ebenfalls sechs dergleichen Theile; daher geschieht es, daß, nach Beschaffenheit der Jahrszeit, die Stunden laͤn- ger oder kuͤrzer sind. Ihre Monathe haben acht und zwanzig Tage, und werden nach dem Monde gezaͤhlt; weil aber diese Rechnung nicht genau seyn wuͤrde; so berichtigen sie solche durch eingeschaltete Monde, die sie in ihren Kalen- dern setzen: und von drey zu dreyen, zuweilen auch von zweyen zu zweyen Jahren, haben sie ein Jahr von dreyzehn Monden. — Die Ver- fertigung des Kalenders wird den Geistlichen am Hofe des Dairi aufgetragen, und in Jeddo werden alle Kalender im ganzen Koͤnigreiche ge- druckt. Ungeachtet die Japaner in der Stern- kunde unwissender sind, als die Chineser; so haben sie doch nicht so poͤbelhafte Vorurtheile, wodurch sie die Leute bereden wollen, daß, wenn sich eine Veraͤnderung am Himmel ereignet, solche auch auf der Erde erfolgen muͤsse. In China werden alle Luft- und Himmelserschei- nungen uͤbel gedeutet; sieht man eine Neben- sonne; so glaubt man, es wuͤrden zwey Kayser regieren. regieren. Alles Neue, was man an dem Ge- stirne entd e ckt, wird als ein Zeichen des goͤttli- chen Zorns wider den Fuͤrsten und seine Mini- ster angesehen. Alsdann, wenn die Chineser nur etwas unzufrieden sind, sieht man sehr vie- le Schmaͤhschriften, und man redt von nichts, als von Aufruͤhren. Dieser Ursache wegen ist ohnfehlbar der kayserliche Kalender von sehr großer Wichtigkeit. So unwissend nun aber die Japaner in der Sternkunde seyn moͤgen; so geht ihre Unwissenheit doch nicht so weit, daß sie politische Veraͤnderungen argwohnen sollten, wenn sie Erscheinungen am Himmel wahrzuneh- men glauben. Die Japaner haben in ihrer Chronologie verschiedene Epochen. Die erste und zugleich gewoͤhnlichste nennen sie Nin-o, ein Wort das so viel bedeutet, als ein großer und maͤchtiger Monarch. Und wegen des Nachdrucks faͤngt diese Epoche mit dem Sin-mu, ihrem ersten Kaͤyser an, der seine Regierung mit den fechs- hundert und sechzigsten Jahre vor Christi Ge- burt angetreten hat. Auf diese Art ist unser itziges 1777 Jahr bey ihnen das 2436 Jahr. Die zweyte Epoche heißt Nengo. Sie wurde vor Alters von den Chinesern erfunden, und ist in Japan nicht eher als unter der Regierung ihres sechs und dreyßigsten Kaͤysers eingefuͤhrt worden. Dieser Zeitrechnung bedienen sich die Mikaddo oder Kaͤyser bey ihren Manifesten, Befehlen, Tagebuͤchern, Briefen und Kalen- dern. dern. — Außer diesen beyden haben sie noch eine dritte, nach welcher sie gewisse Cyclus oder Perioden von sechszig Jahren unter sich haben, die sie von den Chinesern entlehnt. Die Japaner besitzen fast gar keine Kennt- niß von der Anatomie. Die Vorurtheile ihrer Religion erlauben ihnen nicht, weder Thiere zu toͤdten, noch todte Koͤrper anzugreifen, daher es gar nicht wahrscheinlich ist, daß sie sich je- mals in dieser Wissenschaft hervorthun werden. Hingegen legen sie sich sehr stark auf die Bo- tanik, und dieser Theil der Arzeneykunst ist bey ihnen so beliebt, daß auch die Fuͤrsten und Vor- nehmsten im Lande besondern Fleiß darauf wen- den. Viele haben besondere Gaͤrten zum An- bau der Kraͤuter bestimmt. Sie haben ein Kraͤuterbuch, oder eine botanische Abhandlung, die weitlaͤuftig genug fuͤr sie ist: denn sie finden darinn die Abbildung von mehr als fuͤnfhundert Pflanzen, die im Reiche wachsen, wobey die Eigenschaft und Tugend jedes Krauts erklaͤrt steht. Bey uns Europaͤern sind das Purgieren und das Aderlaßen die zwey allgemeinen Mittel, die einmal verdorbene Gesundheit wieder herzu- stellen. Die Japaner die diese Mittel nicht kennen, oder vielmehr nicht kennen wollen, ge- brauchen an deren Statt zwey andre Mittel, nemlich die Nadel und das Feuer. Das eine, wider die Verstopfungen, und wider an- gesetzte Feuchtigkeiten, den zweyen Quellen (nach ihren Vorstellungen) aller Krankheiten; das andre wider die Blaͤhungen, als welche die hef- tigsten Schmerzen verursachen. Hauptsaͤchlich bedienen sie sich der Nadel, als eines ganz un- truͤglichen Mittels wider eine Colik, womit die Japaner sehr beschwert sind, und welche durch den unmaͤßigen Gebrauch des Sacki, einer Art von Wein aus Reiß gemacht, verursacht wird; insonderheit, wenn man dieses Getraͤnk kalt trinkt. Außer den gefaͤhrlichen Zufaͤllen, die sich bey dieser Colik einfinden, wird sie auch eine Ursache, daß das Haar an den heimlichen Thei- len ausfaͤllt. Die Nadeln, damit die Operation verrichtet wird, sind entweder von dem feinsten Golde oder Silber, ohne die geringsten Schlacken und Zusatz. Sie muͤssen uͤberaus duͤnne, fein poliert und scharf zugespitzt seyn, auch eine gewisse Stufe der Haͤrte haben, die derselben von dem Nadler durch die Bearbeitung, nicht aber durch eine Vermischung gegeben werden muß, um dadurch ihren Eingang und Eindringen in die Haut zu erleichtern. Ohngeachtet nun im Lande eine Menge Kuͤnstler sind, die diese Nadeln in schoͤnster Vollkommenheit verfertigen koͤnnen; so darf doch niemand dieselben verkaufen, als der vom Kayser ein Privilegium dazu hat. — Ihre Form ist willkuͤhrlich; allein meistentheils gleicht sie den Griffeln, womit die Indianer schreiben. Die Art und Weise sich dieser Na- deln zu bedienen besteht darinn, daß man mit einem einem kleinen Hammer darauf klopft, aber sach- te und zu verschiedenen malen, damit die Nadel durch die Haut nach und nach in den Kranken Theil hineingehe. Haben sie diese Nadel durch die Haut gebracht; so drehen sie dieselbe so tief ins Fleisch, als sie es sich vorgenommen, das ist, bis sie den Sitz des schaͤdlichen Gifts erreicht, welches bey erwachsenen Personen selten unter einem halben Zoll, oder aber mehr als ein gan- zer Zoll ist. Wenn dieß geschehen; so zieht der Chirurgus die Nadel wieder heraus, und druͤckt den operirten Theil mit dem Finger zu, damit die boͤse Materie herausdringe. Die Geschick- lichkeit dabey besteht nicht sowohl, die Nadel gut hineinzustoßen, als den Ort des Schmer- zes genau zu kennen, und wie weit das Instru- ment hineinkommen muß. — Man schreibt diesem Mittel eine eben so geschwinde als be- wundernswuͤrdige Wuͤrkung zu: und die Hol- laͤnder, die den Nutzen davon eingesehen, haben es eingefuͤhrt, und gebrauchen es in ihren be- nachbarten Colonien. Das andre Mittel scheint ertraͤglicher zu seyn; allein der Unterschied des Climas hindert, daß man in Europa keinen Gebrauch davon macht. Man meint, daß dieß um so viel mehr zu bedauren sey, weil es die Kraft habe, das fatale Podagra und Fluͤsse zu heilen. Man stelle sich eine Art von Baumwolle oder Flachs vor, davon man kleine laͤngliche Knaͤule macht, die auf den kranken Theil gelegt und angebrannt werden. werden. Dieser weiche Knauel giebt nur eine maͤßige Hitze, die man eine geraume Zeit, ohne empfindliche Schmerzen, vertragen kann. Man beurtheilt aus der Beschaffenheit der Narbe, was das Mittel fuͤr eine Wirkung thun wird. Zuweilen wiederholt man es, wenn es noͤthig ist, zum zweyten male, ja, nach Beschaffenheit der Krankheit, zum dritten male. Dieser Schmerz ist mit dem nicht zu vergleichen, welchen die an- dern beissenden Mittel verursachen. Man legt es nicht immer auf den schmerzhaften Ort, nicht einmal in der Naͤhe desselben. Man muß da- bey sehr behutsam verfahren, und viele Vor- sichtigkeiten gebrauchen, worinn uͤberhaupt die ganze Kunst des Artztes zu bestehen scheint. Bey Magen-Schmerzen, giebt es Wund- Aerzte, die das Brennmittel auf den Schul- tern anbringen, und bey Seitenstechen brennen sie die Wirbelbeine des Ruͤckgrades u. s. w. Der Patient sitzt, nach morgenlaͤndischer Art, mit kreuzweis gelegten Beinen auf der Erde, und stemmt das Gesicht auf die Haͤnde. Diese Operation ist in Japan so gebraͤuchlich, daß fast alle Leute beyderley Geschlechts Narben auf den Ruͤcken, so wie wir Zeichen vom Aderlassen auf unsern Aermen haben. Wir haben Leute, die sich dieses letzten Mittels bedienen, ohne krank zu seyn; und eben so findet man auch in Japan Leute, die sich sehr wohl befinden, wenn sie das Brennmittel gebrauchen. Uebrigens sieht man es hier als ein fuͤrtrefliches Verwah- rungs- rungsmittel wider alle Arten von Krankheiten. Kinder, alte Leute, Reiche und Arme, kurz, wer fuͤr seine Gesundheit Sorge traͤgt, laͤßt diese Operation aller sechs Monate mit sich vor- nehmen, so wie manche Leute unter uns sich aus Vorsicht zwey, drey oder mehrmals jaͤhr- lich zur Ader lassen. Ueberhaupt ist die japani- sche Nation von der Wuͤrksamkeit dieses Mit- tels so uͤberzeugt, daß man so gar denjenigen, die zum Gefaͤngniß auf Lebenszeit verdammt sind, die Erlaubniß giebt, unter hinlaͤnglicher Wache auszugehen, und sich auf den Ruͤcken mit dem Moxa brennen zu lassen. Es ist die- ses der Name dieses caustischen Mittels. Man setzt seinen Ursprung in das hoͤchste Alterthum. Auch bey den Chinesern, und bey allen nach Ja- pan handelnden Voͤlkern, ist es in gleichem Wer- the. Es wird allenthalben verkauft, und auf den Gassen pflegt man die Art und Weise aus- zuschreien, wie man sich dieses Brennmittels zu bedienen habe. Die Blattern sind in Japan auch zu Hau- se. Die Aerzte unterscheiden dreyerley Arten von Blattern: die trockenen, die zusammen- fließenden, die Masern. Diese Krankheit rich- tet hier viel Unheil an. Das gewoͤhnlichste Mittel, den Kranken zu heilen, ist, ihn in ein rothes Tuch zu wickeln. Wenn ein Prinz vom koͤniglichen Gebluͤt damit behaftet ist; so werden nicht allein seine Zimmer und Bette, sondern auch alle, die sich ihm naͤhern, in die- E ser ser Farbe gekleidet. Die venerische Seuche ist auf dieser Insul nicht unbekannt. Man nennt sie nicht, wie bey uns: die franzoͤsische; son- dern sie nennen sie die portugisische Krank- heit Und dieß aus der Ursache, weil die Japaner behaupten, daß die Portugiesen ihnen diese Seu- che uͤbern Hals gebracht haben. . Die Chirurgie und die Apothekerkunst, sind hier keine besondern Profeßionen, wie in Eu- ropa. Die Aerzte behandeln alle Theile der Kunst, die das Leben und die Gesundheit des Menschen angeht. Sie lassen einen Bedienten mit einem Kaͤstchen voller Arze- neyen hinter sich hergehen, woraus sie nehmen, was jedwedem Kranken noͤthig ist, ihn entwe- der zu heilen oder so gleich zu befoͤrdern, ohne Huͤlfe des Wundarztes und Apothekers. Die Japaner sind der Poesie, Musik, Mah- lerey und mechanischen Kuͤnsten, sehr ergeben. Ihre Poesie, versichert der P. Charlevoir, hat besondre Annehmlichkeiten, hauptsaͤchlich gluͤcken ihnen theatralische Stuͤcke. Diese sind in Handlungen eingetheilt, und jede Handlung in verschiedene Scenen. Die Erzaͤhlung des Plans vom ganzen Stuͤck ließt man im Prolo- gus, und die Entwickelung geschieht mit vieler Kunst. Die Verziehrungen der Buͤcher sind praͤchtig, und schicken sich sehr wohl zum Stuͤcke: die die Zwischenspiele bestehen in Taͤnzen Diese Taͤnze sollen nun freylich nach Carons Berichte nicht viel zu bedeuten, und fuͤr einen Europaͤer hoͤchst abgeschmackt seyn. — Ueber- haupt scheinen die Taͤnze zwischen den Akten ei- nes Stuͤcks auch uͤbel placirt zu seyn, und das ewige Einerley, besonders bey den Operntaͤnzen ist wahrhaftig so ekelhaft, daß einem der Kopf wehe thut, wenn man wieder zu Hause geht. oder auch in lustigen Possen. Charlevoix sagt weiter, daß so wohl die tragischen als komi- schen Stuͤcke viele fuͤrtrefliche Moralen enthal- ten. Der Innhalt ihrer Trauerspiele ist groͤß- tentheils von einer Heldenthat ihrer beruͤhmten Leute oder ihrer Heiligen hergenommen: die Schreibart solcher Stuͤcke ist groß und majestaͤ- tisch, stark im Erhabenen und im Wohlklange. Indessen gesteht doch Kaͤmpfer, daß die Poesie der Japaner eben so wenig als die der Chineser von den Europaͤern mit Beyfall wuͤrde beehrt und verstanden werden. Die Dichtkunst wird auch sehr stark unter ihnen getrieben. Kaͤmpfer gedenket einer be- ruͤhmten Sammlung, Faku-nie-isju beti- telt, das heißt, die Verse der hundert Dichter. Diese Sammlung besteht aus verschiedenen Stuͤcken von hundert Verfassern, die an dem Hofe des geistlichen Kaysers gelebt. Man fin- det in den Bibliotheken viel andre Buͤcher, nicht allein von der Dichtkunst und Beredsamkeit, sondern auch von der Geschichte, Moral, Re- E 2 ligions- ligionssachen, Medicin, Ackerbau und von ge- wissen Theilen der natuͤrlichen Historie, sonder- lich was Voͤgel, Fische, Metall, Muscheln und dergleichen Materien betrift. Man hat angemerkt, daß unsre Eilaͤnder keine große Kenntniß der Rechte haben; und vielleicht waͤre es auch zu wuͤnschen, daß wir Europaͤer in dieser Materie eben so unwissend waͤren. Ihre Gesetze sind kurz und allgemein verstaͤndlich, so daß sie keiner Ausleger be- duͤrfen. Man kann von der Musik der Japaner eben das, was von ihrer Dichtkunst, sagen, nem- lich, daß ihre beßte Musik einem feinen euro- paͤischen Ohr kaum ertraͤglich sey. Ihr Gesang ist abgemessen; sie kennen nur eine Stimme in der Musik. Sie singen aus der Brust, und bringen einen so unangenehmen Ton hervor, daß es kaum auszuhalten ist. Man findet bey ih- nen verschiedene Arten von musikalischen In- strumenten, als zum Exempel, Floͤten, Pfeifen, große und kleine Trommeln, Orgeln, Harfen, Trompeten, Cymbeln, Glocken und noch viele andre, deren Namen wir hier nicht alle anfuͤh- ren wollen. Die Japaner sind weit beßre Mahler als die Chineser, aber sie thun es den Europaͤern lange nicht gleich. Die meisten ihrer Proben bestehen entweder in Wasserfarben auf Papier, fein Leder, oder in ihrer japanischen Art auf Porcellain zu mahlen, wovon wir an seinem Orte Orte das Noͤthige anfuͤhren wollen. Man muß es indessen doch gestehen, daß die Japa- ner, wenn sie gleich unsere Mahlerkunst gar nicht erreichen koͤnnen, große Bewundrer schoͤ- ner Gemaͤhlde sind; die Reichen verwenden viel Geld darauf, und stellen sie unter ihre groͤßesten Seltenheiten. An ihren eignen Gemaͤhlden muß man die Schoͤnheit ihrer Farben bewun- dern, wovon einige die unsrigen sehr weit uͤber- treffen. Auch verstehen sie die Kunst in ihren Gemaͤhlden Licht und Schatten auf eine ange- me Art abwechseln zu lassen, und beobachten in ihren Zeichnungen eine richtigere Symmetrie, als die Chineser. In den mechanischen Kuͤnsten scheinen die Insulaner wohl am weitesten gekommen zu seyn. Sie machen sehr feine Arbeit in Holz, Elfenbein, Silber, Gold, Kupfer und Eisen. Ihre lackirten Arbeiten kann man, wenn man sie gegen die chinesischen haͤlt, fuͤrtreflich nen- nen. In Verfertigung des Stahls sollen sie allen Voͤlkern vorgehen, und besonders sollen ihre Saͤbel viel besser gearbeitet seyn, als die unsrigen. — Sie meinen auch, die ersten Er- finder der Buchdruckerkunst gewesen zu seyn, und wollen diese Ehre den Chinesern (die gleich- falls fuͤr die Erfinder wollen angesehen seyn,) nicht lassen. Aber wir wollen uns hierbey nicht verweilen, und nur anmerken, daß die Japa- ner die Chineser in der Zierlichkeit des Schnitts, E 3 in in der Feinheit ihres Papiers Wir wollen hier kuͤrzlich einen Abriß von der Art, wie die Japaner das Papier verfertigen, unsern Lesern mittheilen. — Der so genannte Papier-Baum ist eines ihrer vorzuͤglichsten Landesproduckte. Er ist eine Gattung von Maulbeerbaͤumen, dessen Rinde große Eigen- schaften hat. Man macht Stricke, Stoffe und hauptsaͤchlich Papier daraus. Dieser Papier- Baum ist dicke und aͤstig, der Stamm gerade und glatt, seine Zweige stark und buͤschig. Die Fruͤchte die er traͤgt, sind sehr unschmackhaft. Er schießt stark in die Hoͤhe, und waͤchst mit un- glaublicher Geschwindigkeit. Von diesem Baume nun schneidet man junge, we- nigstens drey Fuß lange Zweige ab, bindet sie in Buͤndel, laͤßt sie vier und zwanzig Stunden in kaltem Wasser weichen, und kocht sie nachher in einer Lauge von Asche. Wenn man sie vom Feuer genommen hat, und sie kalt geworden sind; so spaltet man sie der Laͤnge nach, um die Rinde abzuziehen, welche die einzige Mate- rie ist, woraus das Papier gemacht wird. Die- se Rinde macht man sehr sorgfaͤltig rein, schabt die erste Haut ab, sondert alle knotige und gro- be Theile davon ab, thut solche auf die Seite, und gebraucht sie zur Verfertigung des groben Papiers. Wenn die Rinde rein genug ist, so bruͤht man sie in einer klaren Lauge, ruͤhrt be- staͤndig um, und gießt nach und nach mehrere dazu. Wenn die Materie bis zur Dicke eines weichen Muses eingekocht ist; so laͤßt man sie kalt werden, thut sie in ein Sieb und knetet sie bestaͤndig und Dinte, und in der Artigkeit der Zusammensetzung sehr weit weit uͤbertreffen. Sie eignen sich auch die Er- findung des Schießpulvers zu; aber sie muͤßen doch in Ansehung des Schießpulvers und son- derlich der schweren Artillerie, und in der Fei- nigkeit der Feuerroͤhren, den Chinesern weit nachstehen. Fuͤnftes Kapitel. Von der Regierungsform und Gesetzen in Japan. D ie itzige japanische Monarchie wird von zwey Souverainen beherrscht: einem geistlichen, Dairi genannt, der nichts thut; und einem weltlichen, der Cubo heißt, und al- les thut. Die Ursache dieser Theilung unter zwey Landesherrn, ist folgende: E 4 Die bestaͤndig mit den Haͤnden. Dieser Teig, nach- dem er genug ist gewaschen worden, wird auf eine hoͤlzerne, glatte Tafel ausgebreitet, wo ihn zwey bis drey Personen mit Stoͤcken schla- gen. Nachher thut man ihn in ein Faß und gießt eine klebriche Bruͤhe dazu. Das Ganze wird mit einem Rohre umgeruͤhrt, bis eine fluͤßige Materie daraus wird, wovon man das Papier macht. Es ist sehr stark, uͤberaus weiß, und viel geschmeidiger, als das unsrige. — Man sehe den Charlevoix und Kaͤmpfer. Die Nachfolger des Sin-mu Sin-mu , der Stifter, wie bereits gesagt, der japanischen Monarchie, trat seine Regierung im sechs hundert und sechs und sechzig vor Chri- sti Geburt, und im siebenzigsten Jahre seines Alters an. Kaͤmpfer erzaͤhlt von ihm, daß er seine Unterthanen gesitteter gemacht habe. Er verbesserte die Gesetze und die ganze Regiments- verfaßung, fuͤhrte in seinem Reiche eine Zeit- rechnung ein, in dem er die Zeit in Jahre, Mo- nathe und Tage abtheilte, — Sin-mu regier- te neun und siebzig Jahre, und nachdem er den Thron seinen Nachfolgern in Sicherheit gestellt; so starb er im hundert und sieben und funfzig- sten Jahre seines Alters. Mit seiner Regie- rung nahm die große japanische Aara Nie-o ihren Anfang. , welche Japan so wohl in geistlichen als weltlichen Sa- chen, unumschraͤnkt beherrscht hatten, aber an den Vorrechten des Priesterthums mehr Gefal- len hatten, als an den beschwerlichen Rechten der koͤniglichen Wuͤrde, theilten das Reich in verschiedene Statthalterschaften, und vertrau- ten die Aufsicht daruͤber einigen von den Vor- nehmsten. Diese Gouverneurs machten sich ihr Geschaͤft zu Nutze, entzogen sich nach und nach der ihren Landesherrn schuldigen Unterthaͤ- nigkeit, rissen die hoͤchste Gewalt an sich, und versprachen sich einander getreulich beyzustehen. Aber sie fielen in Uneinigkeiten, bekriegten sich selbst und zerritteten dadurch das Land. —— Um diesen Unfug so bald als moͤglich zu hem- men men, uͤbergab der damals regierende Kayser ei- nem seiner Vornehmsten am Hofe das voͤllige Commando uͤber die ganze Armee. Als dieser die Feinde seines Herrn bezwungen hatte, such- te er sich selbst der hoͤchsten Gewalt zu versichern, vereinigte die bisher unter ihnen getheilte Macht des Reichs in seiner Person, und entzog dem Dairi die Besorgung der politischen Angelegen- heiten. Und auf diese Art erkennt man itzt in Japan zwey Kayser: einer besitzt die wuͤrkli- che Macht in Haͤnden, und der andre genießt die Ehrenbezeigungen . Mit diesen Ehren begnuͤgt er sich, und er ist nie des Throns be- raubt worden. Der Dairi Vormals wurden die Dairi von allen ihren Un- terthanen gewissermaßen angebetet, und fuͤhr- ten einen ganz unbeschreiblichen Staat. Ihren Fuß setzten sie niemals auf die Erde, die Sonne durfte sie nicht bescheinen, und die Luft durfte sie nicht bewehen. Sie zogen ihre Kleider nie zweymal an, und aus einer Schuͤssel aßen sie nie zweymal. Kurz, alles wurde taͤglich neu angeschaft. Die Mode war bey ihnen nicht eingefuͤhrt, Haare, Bart und Naͤgel abzuschnei- den, sondern sie ließen sie wachsen. Sie ließen sich nicht oͤffentlich sehen, und hatten zwoͤlf Wei- ber zu Auswaͤrterinnen. Die Titel, die sie sich beylegen ließen, waren von der Gotteslaͤste- rung nicht sehr entfernt u. s. w. sieht nur mit einer aus Nothwendigkeit und Gewohnheit angenom- menen Unempfindlichkeit einen andern Thron neben den seinigen, der zwar dem aͤußern nach E 5 weniger weniger geschaͤtzt und verehrt wird, wo aber ei- gentlich alle Macht befindlich ist. Einer der Vorzuͤge des geistlichen Monarchen ist das Recht, den Cubo bey jeder Regierungsveraͤn- derung einzusetzen und zu bestaͤtigen. Desglei- chen ernennt er zu allen geistlichen Wuͤrden: er empfaͤngt die Huldigung von dem weltlichen Monarchen, welcher, wie ein Vasall seinem Landesherrn, ihm einen oͤffentlichen Besuch aller fuͤnf oder sechs Jahre abstattet, zu gleicher Zeit aber ihn in einer wuͤrklichen Gefangenschaft haͤlt. Ganz fuͤrtreflich, majestaͤtisch und mit un- geheurem Aufwande sind diese Besuche verbun- den. Der Cubo residirt in der Hauptstadt Je- do , und der geistliche Monarch in der heiligen Stadt Meako , etwa sechzig Stunden weit von Jeddo. Mit den Anstalten zu dieser Reise, bringt man ganze Jahre zu. Außer einer Men- ge großer Staͤdte, die den Hofstaat des Fuͤrsten fassen, werden noch 28. schoͤne Haͤuser, gleich weit von einander an den Weg gebaut. In jedem Hause findet der Cubo einen andern Hof- staat, andre Officier, andre Soldaten, und alles was zur Pracht eines maͤchtigen Monar- chen gehoͤrt, der in Begleitung einer ganzen Ar- mee einem Herrn Besuch abstattet, der in An- sehung der Macht gaͤnzlich unter ihm ist. Alle diese verschiedenen Gefolge versammlen sich zu Meako und machen ein sehr ansehnliches Heer Truppen aus. — In diesem Glanze der Ho- heit heit zeigt sich der Cubo dem Dairi, und erweiset ihm aͤußerlich einige Ehrenbezeigungen, die in gewisser Absicht dem maͤchtigen Vasalle der sie leistet, zu groͤßerm Ruhm gereichen, als dem ohnmaͤchtigen Monarchen, der sie empfaͤngt. Um der Cerimonie mehr Ansehen zu geben, ver- einigen beyde Fuͤrsten ihr Gefolge und ziehen zusammen durch die heilige Stadt. Alle Straßen, durch welche der Zug geht, sind mit weissen Sand bestreut, welches den Weg eben macht und einen silberfarbenen Glanz giebt. Die Feierlichkeiten fangen noch vor Tages Anbruch an. Zuerst sieht man die Livree-Be- dienten beyder Monarchen, mit den Geschenken, welche ihre Herren einander machen, die von etlichen Soldaten begleitet werden. Hierauf fol- gen kostbare Tragesessel, mit Blumenschnuren und andern Zierrathen behangen, und von vier weis gekleideten Maͤnnern getragen, vor welchen ein fuͤnfter mit einem Sonnenschirm geht. In diesen Sesseln sitzen die vornehmsten Herren und Damen. Nach den darauf folgenden Wagen, kommen eine Menge andre große Herren zu Pfer- de; zwey Bediente bey jedem Pferde halten mit der einen Hand den Zaum, und in der andern einen Sonnenschirm. Einem jeden dieser Herrn folgen acht Bediente. — Nach ihnen kommen drey Wagen, woran Glanz und Kost- barkeit alles uͤbersteigt, was man in dieser Art sehen kann. Gold und Edelgesteine sieht man uͤberall. Diese Wagen werden von vier schwar- zen zen Ochsen gezogen, wovon ein jeder von vier Maͤnnern gefuͤhrt wird: also bey einem jeden Wagen zwoͤlf Ochsenfuͤhrer. Diese Wagen ge- hoͤren den Gemahlinnen des Dairi. Ihnen folgen drey und zwanzig andere, fuͤr die Kebs- weiber und Hofdamen. Ein zweyter Zug von zwey und siebenzig Edelleuten zu Pferde, die paarweise reiten, er- scheinen vor einem Haufen vornehmer Herren vom ersten Range. Alsdenn kommt der Wa- gen des Cubo, der an Pracht die drey vorher- gehenden weit uͤbertrift. Die Prinzen seines Hauses, seine Bruͤder und Soͤhne, und vier bis fuͤnf hundert wohlgekleidete Soldaten folgen ihm, und machen den Schluß des Zugs. Un- mittelbar darauf sieht man eine große Anzahl Tragesessel, Kutschen und Fuhrwerke, die von einer großen Menge vom Adel und andern zu Pferde und zu Fuße begleitet werden, wobey man Choͤre von Musikanten, die ganze Luft mit ihrer Vocal und Instrumentalmusik — aber freylich fuͤr ein europaͤisches Ohr unange- nehm genug — erfuͤllen. Endlich kommt der Tragesessel des Dairi , von funfzig Edelleu- ten getragen, und mit seiner Leibgarde umringt. Alles was die Kunst fuͤrtrefliches hervorbringen kann, das sieht man auch hier vereinigt. Auf solche Art langt man im Pallast an, wo der Fuͤrst vom Cubo und seinen Soͤhnen, drey Ta- ge lang bedient wird. Sie selbst bereiten die Speisen: und nachdem sie ihn mit Geschenken uͤber- uͤberhaͤuft haben, nehmen sie mit allen seinem Range zukommenden Respects-Bezeigungen, von ihm Abschied. Ueber die Hochachtung, in welcher die ge- heiligte Person des Dairi noch itzt steht, geht nichts in der Welt. Man sieht ihn noch eben so an wie sie in den aͤltesten Zeiten sind gehalten worden. (man sehe die vorhergehende Anmerkung) In den Zimmern dieses Fuͤrsten zaͤhlt man drey hundert und sechs und sechszig Goͤtzenbilder, die wechselsweise bey seinem Bette Wache halten. Wenn seine Heiligkeit nicht wohl geschlafen hat, bekommt der Goͤtze, der Wache gestanden hat, die Bastonnade, und wird zur Strafe auf hun- dert Tage aus dem Pallaste verbannt Ein Zeichen in welcher Hochachtung dieser Mon- arche in Japan steht, ist noch dieses, daß das Volk das Wasser, worinn der Dairi seine Fuͤße waͤscht, fuͤr heilig haͤlt. Man sammelt es, hebt’s auf, und niemand untersteht sich, es zu weltlichen Dingen zu verbrauchen. . Die Wuͤrde eines Dairi ist erblich. Dem ordentlichen Laufe nach gehoͤrt sie dem Aeltesten. Allein in Ermangelung maͤnnlicher Erben, erhaͤlt das Frauenzimmer den Thron, und man hat schon Beyspiele, daß so gar die Wittwen der Mikaddo das Reich beherrscht haben. Ereignet sich’s daß uͤber die Krone einiger Streit entsteht; so entscheidet ihn die Geistlichkeit. Oftmals legt der Vater die Regierung nieder, und tritt das das Reich nach und nach seinen Kindern ab, damit ihre Muͤtter das Vergnuͤgen haben, sie auf dem Throne zu sehen. Dieser Wechsel geschieht auf die geheimnißvollste Weise. Ein Mikaddo (oder welches, wie bereits erklaͤrt, ein Dairi) stirbt, oder entsagt der Krone, ohne daß jemand etwas davon erfaͤhrt. Dieß geht so weit, daß sogar der Hof von Jeddo nicht eher davon benachrichtigt wird, bis der Nachfolger eingesetzt ist. Diesem hoͤchsten geistlichen Oberhaupte uͤberlaͤßt der Cubo zu seinem Unterhalte, die Einkuͤnfte der Stadt Meaco, mit ihrem Ge- biete, nebst einigen Gnadengeldern, die eben nicht richtig bezahlt werden. Allein der Dairi zieht einen sichern Gewinn von der Macht, die er hat, Ehrentitel zu vergeben und zu verkau- fen, und zwar nicht allein an Privatpersonen, sondern an den Cubo selbst, der ihm dieß Vor- recht der hoͤchsten Gewalt gelaßen hat Diese Titel kommen mit denen, von unsern Herzogen, Grafen und Rittern uͤberein. . Die meisten Einkuͤnfte dieses geistlichen Monarchen werden dazu angewandt, seiner ohnmaͤchtigen koͤniglichen Wuͤrde ein gewisses Ansehen zu ver- schaffen: denn die Regel dieses Hofes ist, das Volk durch einen aͤußerlichen Glanz zu hinter- gehen, die Armuth durch den Aufwand zu ver- bergen, und die ihm wuͤrklich fehlende Macht durch den Schein zu ersetzen. Diese Prahlerey zeigt zeigt sich in allem, was die Person des Fuͤrsten angeht. Seine Vermaͤhlung, die Geburt und Erziehung des Thronfolgers, besonders aber die Wahl einer Amme verursachen ganz außer- ordentliche Anstalten. Wenn man sich uͤber eine Amme berathschlagt; so werden achtzig der schoͤnsten Weiber im ganzen Koͤnigreiche zusam- mengebracht, und der Mutter und nun den naͤchsten Anverwandten des Monarchen vorge- stellt Ein Zeichen, daß es auch in Japan gebraͤuchlich ist, die neugebornen Kinder den Ammen zu uͤber- laßen. Ein Trost fuͤr die deutschen und uͤber- haupt fuͤr die europaͤischen zaͤrtlichen Muͤtter — aber auch wahrhafte Schande fuͤr sie uͤberhaupt! . Einen Tag lang bewirthet man diese Damen sehr herrlich und begnadigt sie mit Ti- teln, die sie Zeit ihres Lebens behalten. Am folgenden Tage wird die Anzahl derselben um die Haͤlfte verringert, und die nach Hause ge- schickten, erhalten große Geschenke. Der Titel dererjenigen, welche geblieben sind, wird hoͤher aufgestimmt, und unter diesen vierzig gebliebe- nen Damen, sucht man zehn aus, die hernach auf drey heruntergesetzt, die uͤbrigen aber mit vielen Gnadenbezeugungen heimgeschickt werden. Einige Tage nachher sucht man eine von diesen dreyen aus, welche dann den Titel einer Amme des Prinzen bekommt. Bey ihrer Einsetzung, wird sie in das Zimmer des Kindes gefuͤhrt, das sie in den Armen einer der ersten Hofdamen findet. findet. Man giebt dem jungen Prinzen ein wenig Milch in den Mund, und so wird er der neuen Amme uͤbergeben. Nach hergebrachter Gewohnheit der Vor- fahren heyrathet der Mikaddo oder Dairi or- dentlich zwoͤlf Gemahlinnen, davon eine den Titel als Kayserinn fuͤhrt, und die Mutter des Erbprinzen ist. Sie wohnt bey ihrem Gemahle, die uͤbrigen aber in andern nahe gelegenen Paͤl- laͤsten. Eine jede von ihnen haͤlt alle Tage in ihrem Zimmer ein praͤchtiges Gastmahl bereit; sie laͤßt Musik und Taͤnzerinnen kommen; und wenn der Fuͤrst gewaͤhlt hat, bey welcher er essen und schlafen will; so werden alle diese Gastmah- le, die Musik und Spiele zusammen, und zu der Gemahlinn gebracht, die er mit seiner Ge- genwart beehrt. Der Hofstaat des Dairi ist, ohnerachtet er seinen Bedienten nur maͤßige Besoldung giebt, von der sie ohnmoͤglich allein leben koͤnnen, sehr zahlreich. Die Großen kommen in seinem Dienste bis zum Bettelstab herunter, und die Geringen leben mit von ihrer Haͤnde Arbeit, indem sie Koͤrbe, Matten und andere Dinge verfertigen. Indessen haben doch einige sehr reiche Praͤbenden, welche ihnen der Dairi giebt. Und vermuthlich haͤlt die Erwartung solcher Praͤbenden viele in seinem Dienste. Die Liebe zu den Wissenschaften macht die hauptsaͤchlichste Beschaͤftigung dieser Hofleute aus. Einige legen sich auf die Dichtkunst: andere schreiben Geschich- Geschichte und Romanen. Die Damen erge- ben sich der Musik, und es giebt in der That wenige unter ihnen, die nicht einige Instru- mente mit vieler Anmuth spielen koͤnnten. Die jungen Leute uͤben sich gewoͤhnlich im Pfer- derennen im Tanzen, Ballspielen und andern aͤhnlichen Leibesuͤbungen. Der Hof des Dairi besteht aus lauter Geistlichen, die sich alle einbilden, von den alten Goͤttern abzustammen. Diese vermeinte Her- kunft macht das Priestervolk unertraͤglich stolz, und floͤßt ihnen eine allgemeine Verachtung fuͤr die Weltlichen ein, deren Dienste sie doch bey aller Gelegenheit erbetteln. Alle Hofbediente und Geistlichen im Reiche fuͤhren den praͤchti- gen Titel Kuge oder gnaͤdiger Herr ! — Der Sonderbarkeit wegen will ich hier einen kurzen Abriß von ihrer Kleidertracht hersetzen. Sie haben weite Hosen und einen weiten Rock mit nachschleppendem Schweife. Ihre Muͤtze ist schwarz; die Gestalt derselben ist nach den verschiedenen Wuͤrden eingerichtet, und es ist nicht schwer, zu erkennen, von welchem Stande der Geistliche ist, und was fuͤr eine Wuͤrde er bey Hofe bekleidet. Einige knuͤpfen eine Strei- fe von Flor oder seidnem Zeuge an ihre Muͤtzen, die ihnen auf die Schulter haͤngt; andere tra- gen dergleichen, statt eines Faͤchers vor den Au- gen. Manche haben um die Brust eine Scher- pe, die ihnen von den Schultern faͤllt: je laͤnger die Scherpe ist, je vornehmer ist die Person; F die die Kuge pflegen sich nicht tiefer bey dem Gruͤ- ßen zu buͤcken, bis die Enden der Scherpen auf die Erde stoßen. Auch die Damen des Dairi haben ihre besondre Kleidung, die sie von den Weltlichen ihres Geschlechts unterscheidet So groß aber nun auch immer das Ansehen der Geistlichen in Japan seyn mag; so sind sie den- noch in allem was weltliche Sachen betrift, der Gewalt des Cubo unterworfen. Ihre Verbre- chen werden am Leben gestraft, wenn gleich mit etwas mehr Nachsicht, als bey den Laien. . Und so viel vom Dairi. Wir haben bereits gesehen, worinn die Macht des weltlichen Monarchen, des Cubo , bestehet. Sie unterscheidet sich von der Ge- walt des Kaysers von China, daß selbiger zugleich Kayser von China, und zugleich hoͤchster Prie- ster seines Volks ist. Der Cubo aber hat nur die weltliche Gewalt in seinen Haͤnden. Diese nun, ist uneingeschraͤnkt und despotisch. Staats- klugheit und Macht werden zugleich angewandt, um einen Thron zu unterstuͤtzen, der seinen An- fang und Erhaltung beyden zu verdanken hat. Alle Fuͤrsten und obrigkeitliche Personen des Reichs sind dem Oberhaupte des Staats so un- terworfen, daß er sie, ohne irgend eine Ursach anzugeben, bloß aus Willen oder Eigensinn, aus dem Lande verbannen, ihre Guͤter confisci- ren, ihnen ihre Aemter, ja gar das Leben neh- men kann. Dieser Fuͤrst hat seine Residenz, wie wie bereits gesagt, zu Jeddo, mitten unter einem zahlreichen Hofstaate, welcher aus den Vornehm- sten des Reichs besteht. Einige sind unmittel- bar dem Dienste seiner Person gewidmet; andre kommen nur von Zeit zu Zeit, ihm die Aufwar- tung zu machen; ein unveraͤnderliches Gesetz aber verbindet alle, sich wenigstens sechs Mona- the im Jahr in der Hauptstadt aufzuhalten. Ehe sie in Jeddo ankommen, wird ihr Gepaͤcke von Kayserlichen Commissarien untersucht, diese aber haben den schaͤrfsten Befehl, keine Gewehre in die Stadt einzulassen. Der Kayser sorgt mit aller Muͤhe dafuͤr, sie in der Unterwuͤrfig- keit zu erhalten. Um sie zu schwaͤchen, zerglie- dert er ihre Guͤter, ja er selbst schmiedet die Heyrathen aller, die an seinem Hofe sind. Die Weiber, die nun auf die Weise von seiner Hand kommen, genießen eines großen Vorzugs. Man bauet ihnen Pallaͤste, richtet ihr Haus- wesen ein, und giebt ihnen eine Menge Frauen- zimmer zu ihrer Bedienung. Diese Maͤdchen, welche gemeiniglich aus den besten Familien sind, muͤssen eine gewisse Anzahl von Jahren bey ih- nen dienen, und werden hernach, ihrem Stande gemaͤß, verheyrathet. Der Cubo haͤlt eine Leibwache von unge- faͤhr sechs tausend Mann. Außer dieser unter- haͤlt er zu Friedenszeiten zwanzig tausend Mann Reuterey, und hundert tausend Mann Infan- teristen. Zu Kriegeszeiten muß jeder Fuͤrst und jeder Edelmann insbesondere zu Felde gehen, F 2 und und eine gewisse Anzahl Soldaten nach seinen Einkuͤnften ins Feld stellen. Wer zehn tausend Gulden Einkuͤnfte hat, muß zwanzig Fußknechte und zwey Reuter unterhalten. Nach dem P. Charlevoix betraͤgt die Anzahl der Soldaten, welche die Fuͤrsten und Großen des Reichs dem Kayser zu Kriegszeiten aufbringen muͤssen, dreymal hundert und acht und sechszig tausend Mann Fußvolk, und acht und dreyßig tausend acht hundert Edelleute zu Pferde. Es ist dieses mehr als noͤthig, eines Fuͤrsten Ansehen zu er- halten, der nichts braucht, als seine Untertha- nen im Zaum zu halten, keinesweges aber sucht, andere Laͤnder zu bezwingen. Die Soldaten werden gut gekleidet und wohl bewaffnet. Die Reuterey fuͤhrt Wurf- spieße, Karabiner, einen Saͤbel und Bogen; man sagt, daß sie sich aller dieser Waffen sehr wohl bedienten. Das Fußvolk hat zwey Saͤ- bel, eine Flinte und eine Picke. Von der Ein- theilung der Truppen giebt Charlevoix folgen- den Bericht. Fuͤnf Soldaten, sagt er, stehen unter einem Unterofficier, und fuͤnf von diesen Unterofficieren, die mit ihren Leuten dreyßig Mann ausmachen, gehoͤren unter einen Officier. Jede Compagnie zu zwey hundert und funfzig Mann hat zwey besondre Befehlshaber. Alle Compagnien werden durch einen General an- gefuͤhrt. Um das Volk und die Großen im Gehorsam zu erhalten, sind in allen wichtigen Staͤdten des Reichs Reichs feste Schloͤsser angelegt, wo die Com- mendanten dem Kaͤyser voͤllig ergeben sind. Im ganzen Koͤnigreiche werden Kundschafter unterhalten, die ihm von allen was vorgeht, Nachricht geben muͤssen. Unter dem Vorwan- de, den Vornehmen besondre Merkmale seiner Gnade angedeyen zu laßen, fodert er, daß alle ihre maͤnnlichen Kinder in der Hauptstadt auf- erzogen werden; und er behaͤlt sie als Geißeln, an seinem Hofe, um sich der Treue der Vaͤter destomehr versichern zu koͤnnen. Den Vorneh- men im Lande ist es nicht erlaubt, vertraute Be- kanntschaft unter sich zu haben, oder einander oͤftere Besuche zu machen. Um sie nicht zu Kraͤften kommen zu laßen, besucht er sie einige Tage lang auf ihren Schloͤssern, wo die außer- ordentlichen Anstalten, die zum Empfang des hohen Gastes gemacht werden, den Beutel des Beguͤnstigten hinlaͤnglich erschoͤpfen. Wenn ein wohlhabender und vornehmer Mann einen Pallast bauen will; so muß er zwey Thore dar- inn anlegen, nemlich eins, zum gewoͤhnlichen Gebrauch, und eins ist allein dazu bestimmt, wenn seine Majestaͤt kommt, ihm einen Besuch zu machen. Sobald ein dergleichen Gebaͤude fertig ist; so wird eine praͤchtige Gasterey ver- anstaltet, wozu die Einladung drey Jahre vor- her geschieht. Die Krone des Cubo ist erblich, und die Einkuͤnfte des Monarchen bestehen theils in seinen Domainen-Guͤtern, welche fast die F 3 Haͤlfte Haͤlfte von Japan ausmachen, theils in Aufla- gen auf fremde Waaren die in seinem Namen aufgehoben werden, und in Bergwerken. — Kaͤmpfer sagt, die Domainen betraͤgen hundert acht und vierzig Man , und zwoͤlf hundert Kokf , nach Art der japanischen Rechnuug. Diese beyden Worte gebrauchen sie bey den Rechnun- gen der Einkuͤnfte ihrer Laͤndereyen. Der Kokf enthaͤlt drey hundert Saͤcke Reis: und der Man begreift zehn tausend Kokf. Der Kokf kostet im gemeinen Jahre 17 hollaͤndische Gulden und etwas druͤber: folglich kostet der Man , der zehn tausend Kokf enthaͤlt, hundert und fuͤnf und siebzig tausend Gulden. Man koͤnnte also die kayserlichen Einkuͤnfte aus den kayserlichen Provinzen jaͤhrlich auf fuͤnf und zwanzig Millionen neun hundert und ein und zwanzig tausend hollaͤndische Gulden rechnen. Die Einkuͤnfte des ganzen Reichs aber uͤber- haupt genommen, naͤmlich von allen japani- schen Laͤndern, schaͤtzt er auf 400 und 14 Mil- lionen 400 und achtzehn tausend hundert und funfzig hollaͤndische Gulden In Ansehung der jaͤhrlichen Einkuͤnfte des Kaysers hat man hier dem Kaͤmpfer gefolgt, weil er doch, und mit Recht, allgemein fuͤr den glaubwuͤrdigsten Scribenten in japanischen Din- gen gehalten wird. Kaͤmpfer setzt die Summe, die enorm genug ist, nach andern Reisebeschrei- bern nicht zu hoch an. — Caron schaͤtzt die besondern Einkuͤnfte des Kaysers viel hoͤher. Er . Die Die Policey in den Staͤdten besorgt der Stadthalter. Weil einer aber das Ganze nicht allemal zu verwalten im Stande ist; so hat er verschiedene Amtsverweser, die ihm beistehen. Diese nennt man Aelteste , weil sie vorzeiten wuͤrklich aus den aͤltesten Einwohnern gewaͤhlt wurden. Ihre Hauptverrichtung besteht dar- inn, daß sie dem Statthalter taͤglich genaue Nachricht geben, von allem, was in der Stadt vorgeht, und ihm die Bittschriften der Einwoh- ner uͤberreichen; denn es ist nicht jedermann, ohne Unterschied erlaubt, den Statthalter zu sprechen: nur sie allein haben das Recht — weil sie den ihm zu leistenden Respect gehoͤrig zu beweisen wissen — vor ihm zu erscheinen. In jeder Gasse ist ein Commissair gesetzt, der auf die Nachtwache Acht haben muß, und besorgt, daß die Befehle gehoͤrig vollzogen werden. F 4 Er Er behauptet, daß sich die ordentlichen Ausga- ben auf acht und zwanzig Millionen, drey hun- dert fuͤnf und vierzig tausend Cockiens , jeden zu 4 Gulden, beliefen; und fuͤgt hinzu, daß der Kayfer in einem Jahre nur ⅙ seiner Einkuͤnfte aufwende. Hieraus schließt Caron, daß der Schatz des Kaysers unermeßliche Reichthuͤmer in sich fassen muͤsse. Ja, wenn das wahr waͤre; so waͤre das nun freylich wohl wuͤrklich ein uner- meßlicher Schatz zu nennen. Aber wir haben Ursache genug, diese Behauptung des Carons fuͤr luͤgenhaft zu erklaͤren. Kaͤmpfers angesetzte Summe ist hoch genug, und auch er, so scheint es uns, mag sich in den Zahlen versehen haben. Er wird allemal aus den Ehrbarsten in der Gasse gewaͤhlt, und der Statthalter bestaͤtigt die Wahl. Da der gemeine Mann die Wichtigkeit eines Amtes aus dem Ansehen desjenigen beur- theilt, der solches bekleidet; so suchen diese klei- nen Unterbediente ihrer Stelle, durch aͤußerliche Pracht, einen Schein zu geben, der ihre Duͤrf- tigkeit verbergen muß. — Eine jede Stadt hat auch noch, außer den vorhin erwaͤhnten Com- missair, ihren Gerichtsschreiber, der die Paͤsse und Zeugnisse der Lebensart und Sitten aus- fertigt. Dieser ist verbunden, uͤber die in seinem Quartiere wohnenden Leute, ein richtiges Ver- zeichnis zu halten, und dergleichen Dinge mehr. Wir muͤssen itzt unsern Lesern noch kuͤrzlich einen Abriß von den Gesetzen und Strafen der Japaner mittheilen. — Alle Reisebeschreiber stimmen darinn uͤberein, daß die japanischen Gesetze und Strafen sehr strenge sind, und alle Gerechtigkeit uͤberschreiten. Sie haben wenig oder gar keine geschriebenen Gesetze. Ihr hoͤch- stes Gesetz ist der Wille der Kayser, und naͤchst diesem der Wille der Fuͤrsten, in deren Gebiet sie leben. Jeder hat uͤber das Leben desjenigen, der unter ihm steht, voͤllig zu gebieten. Sie verhoͤren und verurtheilen nach Gutbefinden. Nicht leicht ist ein Verbrechen so gering, das nicht sollte am Leben gestraft werden, es sey denn, daß der Verbrecher ein kleiner Koͤnig waͤre: und auch diese sind nicht allzeit davon frey. Das einzige Vorrecht das sie haben, ist ist dieses: daß es ihnen frey steht, sich mit eignen Haͤnden zu entleiben, und ihren Bauch mit einem Messer aufzureissen. — Diejenigen, de- ren Leben man verschont, werden gemeiniglich auf eine wuͤste Insul verwiesen, wo sie sich mit einem Leben schleppen muͤssen, das aͤrger ist, als der Tod. Mit geringen Leuten pflegt man nicht viele Proceduren zu machen: ist ihr Proceß er- wiesen; so richtet man sie hin. — Große Ver- brechen, z. E. Uebertretung der kayserlichen Ge- setze, Verraͤtherey, Unterschleif bey des Kaysers Einkuͤnften, Praͤgung falscher Muͤnzen, Stoͤh- rung der oͤffentlichen Ruhe, Mordbrennerey, Todschlag, Straßenraub, Diebstal, Schaͤn- dung einer verehlichten Person — werden mit solcher Schaͤrfe bestraft, daß zugleich dadurch die ganze Familie hingerichtet wird. Im Fall eines Hochverraths breitet sich die Strafe noch weiter aus, nemlich uͤber das gan- ze Quartier und Nachbarschaft, in welcher die Verbrecher gewohnt. Die Ursach ist, weil man es nicht haͤtte zugeben sollen, daß ein solcher Feind des Regenten unter ihnen wohne. Und in der That ist dieß ein kraͤftiges Mittel, nicht nur alle Geheimhaltung zu verhuͤten, sondern auch das Verbrechen und den Missethaͤter zu entdecken, weil derjenige, der davon Nachricht giebt, sich und seine Familie rettet. Die weib- lichen Anverwandten werden in allen Faͤllen, blos die Verraͤtherey ausgenommen, als Scla- ven verkauft, und zwar auf mehr oder weniger F 5 Jahre, Jahre, nachdem das Verbrechen beschaffen ist. Ist aber das Verbrechen eine Verraͤtherey; so muͤssen Weiber und Toͤchter mit sterben, nur nicht eines so schrecklichen Todes als der eigent- liche Uebelthaͤter. Ihre Strafen sind mannig- faltig, und mehr oder weniger strenge. Die Kreuzigung, und zwar meist mit dem Kopfe unterwaͤrts, ist die vornehmste, und wird an Verraͤthern, Moͤrdern, Mordbrennern und an- dern abscheulichen Missethaͤtern vollzogen. Die- se muͤssen zwey, drey oder vier Tage lang am Kreuze haͤngen, bis sie sterben, nachdem ihr Verbrechen beschaffen ist; und wenn dieses eini- ge Linderung der Strafe verstattet; so werden sie in kuͤrzerer Zeit entweder mit einem Dolch durchstochen, oder mit Pfeilen durchschossen. Das Verbrennen, Sieden im Oehle wird solchen Leuten zuerkannt, die Vatermord, Blutschande, Nothzuͤchtigung, Ehebruch und dergleichen ab- scheuliche Verbrechen veruͤben. Wenn ein Mis- sethaͤter nach ergangener oͤffentlichen Edictal- Citation sich nicht einstellt; so wird er, wo man ihn nur ertappet, von Pferden zerrissen, oder von Scharfrichtern in Stuͤcken zerhauen Das auf solche Art zerstuͤckte Fleisch wird her- nach den Hunden und Raubvoͤgeln uͤberlaßen. ; oder wenn er auch nicht gefunden wird, so wird die Strafe, nach Beschaffenheit seines Verbre- chens, an seinem Bilde vollzogen. Ein jeder kleiner Diebstahl, Frevel, Verlaͤumdung, jede Art Art des Betrugs, auch im Spiele, das Luͤgen und Vergreifen an der Obrigkeit, gehoͤrt mit unter die Halsverbrechen, ob es gleich mit einer gelinden Todesstrafe belegt wird. Dahin gehoͤrt die Enthauptung, Aufknuͤpfung am Galgen und Ausreissung der Eingeweide. Diese letzte Strafe widerfaͤhrt gemeiniglich Adlichen und Soldaten, die man uͤberfuͤhrt hat, nur mit dem Unterschiede, daß sie die Strafe selbst an sich vollziehen duͤrfen. Denn man haͤlt es, wie be- kannt, fuͤr schimpflich, wenn jemand durch Zag- haftigkeit oder langes Bedenken dem Scharf- richter dieses Stuͤck Arbeit uͤberlaͤßt, und die solches thun, muͤssen gemeiniglich eines haͤrtern Todes sterben. Sehr wenige Verbrechen sind so klein, oder eine Beleidigung so unerheblich, daß sie durch Geld koͤnnte abgethan werden. Und was die Geisselung oder Bastonade betrift; so treffen dieselben gemeiniglich Sclaven und niedrige Knechte, und zwar werden ihnen diese nur von ihren Herren oder Meistern zuerkannt. Wir koͤnnen hier die Martern, welche in Japan bey Criminal-Processen uͤblich sind, nicht vorbeylaßen. Wenn bey einem Criminal-Processe der Beweis nicht hinlaͤnglich ist, den Verbrecher zu verurtheilen; so bedient man sich verschiedener Arten von Marter. Eine der grausamsten ist, dem Beschuldigten eine gewisse Menge Wasser verschlucken zu laßen, das man ihm mit dem Trichter in den Hals gießt. Sobald der Leib außer- außerordentlch aufschwellt, legt man ihn auf die Erde, und die Henkersknechte treten ihn mit Beinen. Beharrt er, das beschuldigte Verbre- chen zu laͤugnen; so schnuͤrt man ihn vom Halse bis an die Versen mit Baͤndern, und legt ihn in die groͤßeste Sonnenhitze, oder in die aͤrgste Kaͤlte, mit dem Ruͤcken auf Kieselsteine Das ist warlich toll genug — riecht nach ge- waltiger Grausamkeit. Unsre Torturen dagegen sind auch toll genug — riechen auch ganz gewal- tig nach — . Kann diese Marter sein Gestaͤndniß noch nicht erzwingen; so ist er deswegen noch nicht frey, sondern man behaͤlt ihn gefangen oder schickt ihn auf eine wuͤste Insul. Jedoch diese letztere Strafe ist hauptsaͤchlich fuͤr die Großen und Vor- nehmen des Reichs bestimmt. Die Insul, wo man sie hinbringt, liegt acht Meilen von Jed- do , und hat nicht uͤber eine Stunde im Um- fange. Sie hat weder Hafen noch Rhede, und die Ufer sind so entsetzlich steil, daß, wenn man Lebensmittel oder Gefangene dahin bringen, oder die Besatzung abloͤsen will, das Schiff mit seiner ganzen Ladung vermittelst eines Krahns hinauf ziehen muß. Der Boden traͤgt nichts als etliche Maulbeerbaͤume, und den da- hin relegierten, wird ihr Unterhalt geschickt. Ein wenig Reis, Wurzeln und schlechtes Fleisch — macht ihre ganze Bekoͤstigung aus. Dabey aber laͤßt man sie nicht muͤßig gehen, wodurch wodurch sie dem Staate und sich selbst zur Last seyn wuͤrden. Sie muͤßen nemlich Seidenwuͤr- mer erziehen, Stoffe wuͤrken, und so sich ihren Unterhalt selbst verdienen. Wenn ein Uebelthaͤter im Gefaͤngniß stirbt, es mag nun natuͤrlicher oder gewaltsamer Weise geschehen; so ist er deswegen von der Strafe nicht befreyt; man richtet den Proceß so ein, als wenn der Beklagte noch lebte. Man legt den Koͤrper in Salz, bis das Urtheil gesprochen ist, und muß eben die Strafe ausstehen, als wenn er noch lebte. Sechstes Kapitel. Vom Handel und Gewerbe in Japan. M an wuͤrde sich in der That sehr irren, wenn man glaubte, daß die Japaner zum Handel und Gewerbe gar nicht aufgelegt waͤren. Die Nachrichten der Reisebeschreiber kommen vielmehr voͤllig darinn uͤberein, daß die Japa- ner in verschiedenen Manufacturen, sonderlich aber in der Schoͤnheit, Guͤte und Mannigfal- tigkeit der seidnen, baumwollenen und andern Zeugen, desgleichen in ihrer Porcellainarbeit Das japanische Porcellain ist in Europa so et- was Bekanntes, daß wir uns gegenwaͤrtig in eine , selbst selbst die Chineser uͤbertreffen. Ohne Zweifel wuͤrde auch ihr Handel unter ihnen sehr bluͤhend seyn, wenn sie einen staͤrkern Absatz ihrer Waa- ren haͤtten, und ihnen mehr Gelegenheit ver- goͤnnt waͤre, mit Fremden sich in staͤrkern Han- del einzulassen. Allein, ihre ihnen natuͤrliche Eifersucht gegen alle Fremde, und sonderlich Eu- ropaͤer, hat seit der Ausrottung der christlichen Reli- eine detaillirte Beschreibung desselben, nicht ein- lassen wollen. Wir wollen daher nur das Merk- wuͤrdige fuͤr den Theil der Leser hersetzen, wel- cher nicht viel davon weiß, und doch gerne et- was mehreres wissen moͤchte. — Es ist be- kannt, daß die Chineser vorgeben, als ob in Japan kein Porcellain gemacht wuͤrde. Allein, dieß ist falsch, ob es gleich wahr bleibt, daß in Japan nicht so viel Porcellain verfertigt wird, als sie brauchen, und daß sie vieles aus China herbey holen. — Das meiste wird in der Pro- vinz Figen gemacht. Die Materie, welche die Japaner zu ihrem Porcellain nehmen, ist ein weißer Thon, der haͤufig in den Bergen gefun- den wird. Obgleich dieser Thon an und fuͤr sich rein ist; so muß er doch, um durchsichtig zu scheinen, geknetet und gewaschen werden: eine Arbeit, die uͤberaus muͤhsam ist. Indessen ge- stehen es doch selbst die Japaner, daß ihr itziges Porcellain ihrem Alten lange nicht beykomme, und vermuthen, daß ihr Recept dazu muͤße ver- lohren gegangen seyn. Ihr itziges Porcellain behauptet aber dennoch im ganzen Orient seinen Werth, und das japanische wird uͤberall zehn- mal theurer, als das chinesische Porcellain, be- zahlt. Religion, die strengsten Gesetze wider verschie- dene Theile ihres alten Commerciums nach sich gezogen, und die Untersuchung der ein und aus- gehenden Waaren ist so scharf, daß der Handel dadurch ungemein geschwaͤcht wird. Die Ver- anlaßung zu diesem strengen Verbote hat ge- geben, da man es gewagt, allerley verbotene Waaren aus dem Lande zu fuͤhren, als Saͤbel, Flinten und andre dergleichen Gewehre, in de- ren Verfertigung die Japaner eine bewunderns- wuͤrdige Geschicklichkeit haben, des vielen Gol- des und Silbers nicht zu gedenken, welches Auslaͤnder heimlich von ihnen hohlten. Es giebt aber noch andre Ursachen, dadurch die japanischen Monarchen bewogen wurden, den Handel mit Auswaͤrtigen zu verbieten, nem- lich die große Menge Christen, oder, nach ih- rem Ausdrucke, Kreuzleute, die in China, Siam und andern Gegenden hin und her zer- streut leben, weil sie befuͤrchten, daß die Japa- ner durch den Umgang mit denselben beßre Be- griffe, als sie bisher gehabt, von ihnen bekom- men und sie unter ihren Landesleuten ausbreiten moͤchten. Aus dieser und noch andern Ursa- chen duͤrfen die Japaner mit keinen andern handeln, als mit den Chinesern, Koreern, dem Lande Jeddo und mit den Hollaͤndern. Es wird ihnen auch nicht erlaubt, in eines der ersten Laͤnder zu seegeln, noch den letztern, sich zu Tay-wan aufzuhalten, welches der vor- nehmste Handelsplatz in diesen Gegenden ist, wenn wenn sie nicht ausdruͤckliche Erlaubniß vom Kayser dazu haben. In den vorigen Zeiten lebten zwar die chi- nesischen und japanischen Monarchen in so voll- kommner Freundschaft, daß sie einander mit Gesandschaften und Geschenken uͤberhaͤuften, und ihren Unterthanen erlaubten, nicht nur mit einander zu handeln, sondern auch sich in bey- derseitigen Reichen niederzulassen. Es wurde aber dieses gute Unternehmen oͤfters unterbro- chen, und ihr Handel eine Zeitlang gesperrt, zu- weilen auch auf beyden Seiten auf das haͤrteste verboten. Allein, seitdem die Tatarn sich des chinesischen Reichs bemaͤchtigt; so haben diese Streitigkeiten, die verschiedentlich erzaͤhlt wer- den Man ließt in einem steinern Pfeiler in China das Verbot, welches von Wort zu Wort also lautet: Nachdem eine große Menge Japaner, die sich in China niedergelassen, sich zusammen gerottet, und sich eines gewissen Gebiets be- maͤchtigt, nachdem sie vorher allerley Schand- thaten ausgeuͤbt, gepluͤndert, geraubt, gesengt und gestohlen; so wird ihre ganze Nation nicht nur fuͤr unwuͤrdig erklaͤrt, im chinesischen Rei- che zu wohnen, oder Handel und Gewerbe zu treiben, sondern es wird auch zugleich allen Un- terthanen hierdurch, bey harter Todesstrafe verboten, nach Japan zu seegeln, oder irgend auf eine Art mit dieser Nation Handel zu treiben. , in so weit aufgehoͤrt, daß die Chineser nun freyen Handel nach Japan haben, die Ja- paner paner aber, wiewohl nicht so stark, nach Chi- na handeln duͤrfen. Denn der japanische Kay- ser sieht es lieber, daß das Commercium von den Chinesern getrieben wird, als daß viele von seinen Unterthanen aus dem Staate reisen, weil er besorgt, daß wenig Vortheil daraus entste- hen moͤchte. Die Waaren, welche aus Japan verfuͤhrt werden, sind Reis, verarbeitete Seide, Baum- wolle und dergleichen. Ferner —— wie Kaͤm- pfer meldet — das feine Porcellain, Gold und Silber, ob gleich itzt nicht mehr in so gros- ser Menge, Kupfer in Stangen, Eisen und Stahl: verschiedene Sorten von Thee, von welchem Gewaͤchs der Leser unten in der Anmer- kung das Noͤthige finden wird Die Landleute halten die Gegend sehr werth, wo der Thee waͤchst. Den besten Thee trift man in der Gegend von Meako an. Hier sammelt man denjenigen, der bey Hofe verbraucht wird. — Die Vornehmen trinken den Thee nicht wie wir, und lassen ihn nicht abziehen, sondern sie machen ihn zu Pulver. Die Blaͤtter werden in feinen Staub zerrieben, und etliche Finger voll in eine Tasse mit siedendem Wasser gethan. Dieß ruͤhrt man nun so lange um, bis es schaumt, und zu einem duͤnnen Muse wird; auch thun sie keinen Zucker hinein. Der Thee, der fuͤr den Kayser geliefert wird, waͤchst auf einem Berge, woruͤber eine Menge Gaͤrtner, und dergleichen Leute, die dazu gehoͤren, gesetzt ist. — Alle Tage werden die Baͤume gereinigt, damit . — Gegen diese G diese Waaren bringen ihnen nun die Hollaͤnder allerley Glas, das sie sonderlich gerne haben: ferner, rohe und verarbeitete Seide, ungegerbte Haͤute, Quecksilber, allerley Sorten von Spe- cereyen, woran sie einen ganz außerordentlichen Gewinn haben. Auch bringen sie hieher eine Art von Zucker, Bisam, Kampfer, Brasilien- holz, Elephantenzaͤhne. Alle diese Waaren werden Zollfrey aus und ein gefuͤhrt, daher eben das japanische Commercium so begierig ge- sucht wird. Nur ist die fuͤrchterliche Clausul dabey, daß, wenn entweder Controbande auf diesen Schiffen gefunden, oder die Waaren ver- faͤlscht oder beschaͤdigt werden, oder sonst ein Betrug und Schelmerey in ihren Verzeichnißen gefunden wird, sie versichert seyn koͤnnen, daß mit ihnen nach der aͤußersten Strenge verfah- ren wird. Denn man findet keine uns bekann- te Nation, welche mehr Graͤuel am Unterschlei- fe im Handel und Wandel aͤußert, als die japa- nische. Be- damit nicht die geringste Unsauberkeit auf den Blaͤttern bleibe. Diejenigen, die sie abnehmen, muͤßen sich enthalten, gesalzene Fische und der- gleichen zu essen, damit ihr Athem den Blaͤttern nicht schade, und den Geruch verderbe. Es wird ihnen nicht einmal erlaubt, die Blaͤtter anders, als mit Handschuhen anzugreifen, und sie muͤßen sich, so lange die Einsammlung dauert, des Tages einigemal baden. Besonders sieht man den Hollaͤndern sehr scharf auf die Finger, und sie werden von der Zeit ihrer Ankunft an, bis sie wieder abseegeln, sehr eingezogen gehalten. Wenn ihre Flotte er- wartet wird; so stellt der Gouverneur von Nangasaki an den Kuͤsten Schildwachen aus, die von jedem Schiffe, das sich auf dem hohen Meere sehen laͤßt, Nachricht geben muͤßen. Und wenn diese Schiffe naͤher kommen; so werden Officiere mit einiger Mannschaft abgeschickt, welche Untersuchungen anstellen muͤßen, damit der Raport nach Hofe kann versand werden. Von dieser Zeit an, duͤrfen sie sich nicht ruͤhren und bewegen, bis Antwort vom Hofe zuruͤck ist; alsdann sperrt man sie in ihre Factorey ein, oder man bewacht sie sonst genau. Es ist hier der Ort, den Lesern die Art und Weise zu erzaͤhlen, wie die Hollaͤnder den gan- zen Handel mit diesem Reiche — nach der grausamen Verfolgung der Christen — an sich gebracht haben. Nach den japanischen Ge- setzen duͤrfen keine Christen mit ihnen Handel treiben. Die Hollaͤnder aber, die gerne mit solchen zu thun haben, wo ihr Profit sichtbar- lich groß ist, verleugneten sich, und gaben vor: sie waͤren in Europa das einzige Volk, das nicht unter die Christen gehoͤre, und deswegen wuͤrden sie auch von andern gehaßt, und muͤßten oft mit ihnen Krieg fuͤhren. Naͤchst diesem benachrichtigten sie den Hof von den verschiedenen Cabalen und Bemuͤ- G 2 hungen, hungen, welche die Portugiesen und Spanier anwendeten, um wieder einen festen Fuß unter ihnen zu bekommen, und sich zu Herren von ei- nem so reichen Lande zu machen. Endlich ga- ben sie ihnen Anweisung, wie sie diejenigen entdecken sollten, die etwa maskirt und unter fremden Namen zu ihnen kaͤmen, nemlich sie sollten sie dahin bringen, daß sie ein Krucifix mit Fuͤßen traͤten. Durch dieses Mittel brachten es die Hollaͤn- der so weit, daß es ihnen erlaubt wurde, von Seiten des japanischen Hofes, mit der Nation einen Handel zu treiben. — Es waͤhrte aber nicht lange; so mißbrauchten sie das auf sie ge- setzte Vertrauen der Japaner, da sie statt eines Magazins und Waarenlagers eine starke Vestung anlegten, und eine ansehnliche Menge Artillerie und Kriegsamunition hinein brachten. Die Sache kam dadurch heraus, weil eines ihrer Fahrzeuge zerbrach: worauf ihnen ihr ganzer Vorrath zum Gebrauch fuͤr den Kayser wegge- nommen wurde. Indessen fanden sie doch Mittel sich zu entschuldigen, und den Verdacht eines verraͤtherischen Anschlages gaͤnzlich von sich abzulehnen. Sie gaben nemlich vor, sie haͤtten weiter nichts gesucht, als sich, gegen zu besor- gende Beleidigung, in Sicherheit zu setzen. Sonderlich aber saͤhen sie sich genoͤthigt, gegen die große Menge Seeraͤuber, die dieß Meer beunruhigten und ganz entsetzliche Kapereyen verursachten, die noͤthigen Anstalten zu treffen. — Die- — Diese Gruͤnde ließ der Kayser zum Theil gelten, und es wurde ihnen endlich wieder er- laubt, mit ihnen Handel zu treiben, aber doch unter solchen harten Bedingungen — wovon wir die vornehmsten kurz vorher beschrieben ha- ben — daß ihr Handel sehr darunter leidet. Was die Factorey der Hollaͤnder in Japan betrift; so liegt sie auf der Spitze eines Felsen auf einer kleinen Insul, Namens Desima, welche von der Stadt Nangasaki nur durch ei- nen Fluß und Mauer unterschieden ist, die sie von aller Gemeinschaft der Stadt ausschließet. Diese kleine Insul soll nach Thewenots Be- richte, nur zwey Meilen im Umfange haben; und kein Hollaͤnder darf sichs unterstehen, einen Fuß von derselben zu setzen, — welches 9 Mo- nathe waͤhrt — wenn er sich nicht von der Wa- che in Stuͤcken will zerhauen lassen. Ferner ist es ihnen auch nicht erlaubt, mit diesen Waͤch- tern, oder sonst mit Japanern Umgang zu hal- ten, außer mit denen die der Gouverneur zu Factoren, Dollmaͤtschern und dergleichen Aem- tern ernennt. Noch mehr: es ist ihnen nicht einmal erlaubt, so wenig ein Licht in ihren Haͤu- sern, als am Bord der Schiffe, anzuzuͤnden. Kurz, sie duͤrfen sich nicht ruͤhren. Diesem sclavischen Zustande und strengen Einschraͤnkungen, muͤßen sich die Matrosen so- wohl als Kaufleute, die zur Factorey gehoͤren, unterwerfen, (nur die sechs Wochen ausge- nommen, da oͤffentliche Messe gehalten wird, G 3 in in welcher Zeit die Japaner haufenweise auf die- se Insul kommen, und ihre kostbaren Boutiken aufschlagen, die mit allerhand Waaren ange- fuͤllt sind,) ohne eine andre Veraͤnderung zu haben, als daß sie spielen, trinken und schoͤne Mamsells oder Damen zu ihrem Vergnuͤgen mie- then koͤnnen, denn diese werden ihnen von den Bayos oder japanischen Herrn leicht zugestan- den, welche es gar nicht unter ihrer Wuͤrde hal- ten, den Fremden mit dergleichen Waaren zu dienen. Die hollaͤndische Compagnie haͤlt in Japan einen eignen Director: eine Stelle die sehr ein- traͤglich ist. Aber er kann es nur ein Jahr lang bleiben, und nach Verlauf desselben, muß er auf eben dem Schiffe, welches seinen Nachfol- ger uͤberbringt, nach Batavia zuruͤck gehen. Eine seiner hauptsaͤchlichsten Verrichtungen be- steht darinn, alle Jahre mit einem zahlreichen Gefolge nach Jeddo zu gehen, um dem Kayser seine Aufwartung zu machen, und ihm die ge- woͤhnlichen Geschenke zu uͤberreichen. Diese Geschenke, die ordentlich muͤßen abgetragen wer- den, und deren Werth und Beschaffenheit von den Commissarien des Kaysers bestimmt wird, sind wenig von einem wahren Tribut unterschie- den Die Gesandschaft selbst wird in Japan, nach Kaͤmpfers Bericht, als ein oͤffentliches Zeichen der Unterthaͤnigkeit und des Gehorsams angesehen, den die hollaͤndische Republik dem Kayser erweißt. Daher nennt auch das Volk die die zu Nangasaki wohnenden Hollaͤnder nicht anders, als Fitositzt, oder Geisseln. Wenn der Director und die andern Abgeordneten zu Jeddo angelangt sind, und der Audienztag be- stimmt ist; so begeben sie sich in folgender Ord- nung nach dem kayserlichen Pallast: Der Director wird in einem praͤchtigen No- rimon getragen, die andern vier bis fuͤnf an der Zahl, sitzen auf Pferden, die ihre Bedien- ten am Zuͤgel fuͤhren. Sie reiten einer nach dem andern vor dem Norimon her. Der Di- rector und seine Gefaͤhrten gehen schwarz geklei- det, welches bey dergleichen Cerimonien uͤblich ist. Der erste Dollmaͤtscher folgt der Saͤnfte des Directors zu Pferde, hierauf kommt ein zahlreiches Gefolge von Bedienten zu Fuße, die vom ersten Zuge eine gewisse Distanz entfernt bleiben. In dieser Ordnung kommen die Hollaͤnder an das Thor des kayserlichen Pallasts. Dieser Pallast besteht aus drey Schloͤssern, wovon je- des seine besondre Ringmauer hat. Ehe man in das Innere des ersten Schlosses kommt, geht man uͤber eine große Bruͤcke, die mit einem schoͤn verzierten Gelaͤnder versehen ist. Wenn man uͤber die Bruͤcke gekommen, geht man durch zwey befestigte Thore, zwischen denen man eine kleine Wache findet, hierauf koͤmmt man auf einen großen Platz, auf welchem man eine zahlreiche Garde findet. Von da geht man in das zweyte Schloß, welches beynahe eben so G 4 ge- gebaut ist, wie das erste, nur daß die Befesti- gungen, die es einschließen, die Thore, die Bruͤcke, und der Pallast von beßrer Bauart sind. Der hollaͤndische Director laͤßt hier sei- nen Norimon, und alle seine Leute muͤßen gleich- falls absteigen, und sich zu Fuße nach den Fon- mats, oder dritten Schlosse, begeben, in wel- chem tandem aliquando der Kayser zu finden ist. Man geht uͤber eine große steinerne Bruͤcke, und nachdem man durch verschiedene wohlbefestigte Bastionen gekommen, tritt man in eine enge krumme Straße, die von beyden Seiten mit außerordentlich hohen Mauern umgeben ist. Am Ende dieser Straße erblickt man ein Corps Soldaten, von ohngefaͤhr hundert Mann, wel- che in einem geraͤumigen Saale in guter Ord- nung stehen. An diesem Orte halten sich die Gesandten so lange auf, bis der Befehl kommt, in das Innere des Pallasts zu gehen. — Waͤhrend sie sich in diesem Zimmer aufhalten, setzt man ihnen Thee und Toback vor. Wenn endlich der Befehl kommt; so fuͤhrt man die Abgesandten nach dem Zimmer des Kay- sers, welcher ihnen in einem Saale von sonder- barer Einrichtung Audienz ertheilt. Dieses Zimmer ist ein weitlaͤuftiges und sehr hohes Ge- baͤude mit vergoldeten Pfeilern und Lambois ge- schmuͤckt, welches aber, wegen der großen Men- ge Schirme, sehr dunkel ist. Der Fußboden ist mit hundet schoͤn gestickten Teppichen belegt, die alle von einerley Groͤße sind. Dieser Saal ist ist von der einem Seite nach einem kleinen Hofe zu, offen, von welcher Seite auch das Licht hinein faͤllt. Auf der gegen uͤberstehenden Sei- te stoͤßt er an zwey Cabinette, die ihr Licht nur von dem Saale erhalten. Das erste ist ziem- lich groß, und hierinnen pflegen die Staatsmi- nister ihre Audienz zu geben. Das andre ist viel kleiner, aber hoͤher gelegen; und hierinn giebt der Kayser Audienz. Er sitzt auf Teppi- chen, mit kreuzweisen Fuͤßen, nach Art der Morgenlaͤnder. Die Staatsraͤthe, Fuͤrsten und andre Große des Reichs, machen eine doppelte Reihe in dem großen Saale, wovon die Vor- zimmer gleichfalls mit einer großen Menge Edel- leute und andern Hofbedienten erfuͤllt sind. Wenn der Kayser in dem Audienzcabinette an- gekommen ist; so rufen die Bedienten, welche den hollaͤndischen Director introduciren, drey- mal mit vernemlicher Stimme: Hollande- Capitain. Auf dieses Zeichen muß sich der Di- rector dem Kabinett naͤhern, die andern Be- dienten aber muͤßen zuruͤck bleiben. Der Ge- sandte muß alsdann die vorgeschriebenen Ver- beugungen und Reverenzen machen. Er muß sich auf die Knie legen, sich mit der Stirne zur Erde neigen, auf Haͤnden und Fuͤßen herbey kriechen, und so ruͤcklings auf eben die Art sich zuruͤck machen, ohne dem Kayser den Ruͤcken zuzukehren, oder ein einziges Wort zu sprechen. Diese Cerimonie ist gar nicht von derjenigen unterschieden, welche alle Vasallen des Reichs G 5 beobach- beobachten muͤßen, wenn sie sich jaͤhrlich zu den Fuͤßen ihres Monarchen hinwerfen, seine Ober- herrschaft zu erkennen, und ihm ihren Gehor- sam zu beweisen. Kaͤmpfer, dem alles bisher angefuͤhrte zuge- hoͤrt, erzaͤhlt noch andre Dinge, die bey einer andern Audienz, bey welcher er gewesen, vorge- fallen sind, und wo er und seine Gefaͤhrten, wie er selbst sagt, sehr laͤcherliche Personen vor- gestellt haͤtten. — Der Kayser empfing die Hollaͤnder in einem Saale von verschiedenen Abtheilungen. Einige derselben waren offen, andre aber waren mit Gitterfenstern verschlossen. Die Mitte des Saals war blos, d. h. ohne Teppiche und Schirme: hier stellte man die Hollaͤnder hin, die Befehl erhielten, sich zu setzen. Zu ihrer Rechten saß der Kayser, und die Kayserinn hintern Gittern verborgen. Die Prinzen von Gebluͤte, und die Damen der Kay- serinn, waren hinter andern Gittern, den Hollaͤndern gegen uͤber. Auf diese Art, sagt Kaͤmpfer, hatte man das Theater ein- gerichtet, worauf wir unsre Rolle spielen sollten. Nach den ersten Komplimen- ten verwandelte sich der erste Aufzug in eine lustige Nachkomoͤdie. Man legte den Hollaͤndern viele und naͤrrische Fragen vor. Zuerst verlangte der Kayser den Namen und das Alter, von einem jeden insbesondre, den sie auf ein Papier schrieben, welches der erste Mi- nister dem Kayser durchs Gitter reichen mußte. Man Man fragte hierauf den Director: Wie weit Holland von Batavia und Batavia von Nangasaki sey? Ob der Generaldirector der ostindischen Compagnie, oder der Fuͤrst von Holland die meiste Gewalt be- saͤße? u. s. w. Dem Doctor Kaͤmpfer legte man auch verschiedene Fragen vor, die er beant- worten mußte. Unter andern fragte man ihn: welche aͤußerliche oder innerliche Krankheit am schwersten zu curiren sey? Was fuͤr Curen er bey Geschwuͤren brauchte, ob die Aerzte in Eu- ropa kein Mittel fuͤr den Tod gefunden haͤtten? Nach beantworteten Fragen, mußten sie auf Befehl des Kaysers, eine lustige Uebung vor- nehmen. Wir mußten, erzaͤhlt Kaͤmpfer, unsre Maͤntel und Huͤte abnehmen, wel- ches unsre Cerimonienkleider waren. Wir mußten aufstehen, damit uns der Kayser recht betrachten konnte. Wir mußten gehen, still stehen, einander Complimen- te machen, springen, uns stellen, als waͤren wir besoffen, gebrochen japantsch reden, hollaͤndisch lesen, singen, und un- sre Maͤntel ab und umhaͤngen. Da wir aufs Beßte die Befehle des Kaysers ausgerichtet, sang ich zu meinem Tanze ein Deutsches Liebesliedchen. Auf die Art und mit noch weit mehrern Pos- sen, mußten wir die Geduld haben, den Kayser und seinen ganzen Hof zu belu- stigen. Das Das heißt nun freylich sich sehr erniedri- gen, besonders wenn man sich der Namen Ab- gesandte gedenket. Allein durch dieses gehor- same Betragen und tiefe Herablaßung haben die Hollaͤnder immer getrachtet, sich des Zu- trauens und der Liebe der Japaner zu versichern. Im Grunde aber scheinen sie sich dadurch bey den Japanern veraͤchtlich gemacht zu haben. Denn sie haben sich doch, ungeachtet ihrer tie- fen Unterwerfungsbezeigungen, nie vor den be- leidigenden und tyrannischen Begegnungen, die sie im Lande ausstehen muͤssen, schuͤtzen koͤnnen. Man behandelt sie ohne Zweifel in Japan mit einer ungewoͤhnlichen Haͤrte, und die stolze Be- handlung der Insulaner gegen sie ist kaum er- traͤglich zu nennen. Man bewahrt und achtet auf sie, nicht anders als waͤren sie Spione; man sperrt sie in Gefaͤngnißen ein, und traktirt sie wie Vieh. Die Gelassenheit, womit die Hollaͤnder diese Plagen ertragen, ist zum Be- wundern groß, und man hat Gelegenheit in die- sem Falle zu sehen, wie vieles der Geitz uͤber Menschen vermag. Kaͤmpfer mag hier aber- mals auftreten und sich uͤber diesen Punct aus- laßen: Der Geitz, sagt dieser wackere, ehrliche Deutsche, der Geitz der Hollaͤnder und der Glanz des japanischen Goldes hat so viel Gewicht uͤber sie (nemlich uͤber die Hollaͤn- der) gehabt, daß sie lieber, ehe sie die Handlung ganz fahren laßen wollten, freywillig eine fast bestaͤndige Gefangen- schaft schaft aushalten; denn so kann man mit Recht unsern Auffenthalt in Desima nen- nen. Sie stehen deswegen unendlich har- te Begegnungen, von einer fremden und heydnischen Nation aus: begeben sich der Feyrung des Gottesdienstes und der Sonntage und Festtage: sie enthalten sich des oͤffentlichen Betens und Singens: sie enthalten sich in Gegenwart der Lan- deseinwohner des Zeichen des Kreuzes und des Namens Jesu und uͤberhaupt aller Merkmale des Christenthums, und erdulden endlich alle beleidigende Begeg- nungen dieser stolzen Unglaͤubigen nieder- traͤchtig und gelassen, welches fuͤr ein edles Gemuͤth die verdrießlichste Sache von der Welt ist. Die Catholischen Missionair und Schrift- steller haben zu diesen, freylich nur allzu wah- ren Vorwuͤrfen, noch eine große Menge anderer hinzugefuͤgt, die aber doch blos Neid und Ab- gunst gezeugt haben. Einige der catholischen Schriftsteller melden, daß sich die Hollaͤnder, um nur in Japan geduldet zu werden, nicht gescheut haͤtten, das Bild unsers Heilandes mit Fuͤßen zu treten. Noch andre dieser Herren haben in ihren Relationen ausgestreut, daß die Hollaͤnder, wie sie bey der harten Verfolgung in Japan waͤren befragt worden: ob sie Chri- sten waͤren? geantwortet haͤtten: Nein, son- dern sie waͤren Hollaͤnder. Was den ersten Vorwurf Vorwurf betrift; so wuͤrden wir ihnen glauben, wenn Kaͤmpfer oder Charlevoix nur mit einer Sylbe davon geredt haͤtten: da sie aber beyde nichts sagen; so scheint die Anklage fa- belhaft. Allein die andre Beschuldigung erklaͤrt unser Doctor gaͤnzlich fuͤr falsch, und fuͤhrt die Gelegenheit zu diesem falschen Geruͤchte so an. Er sagt nemlich: es habe sich ein gewisser Hol- laͤnder Namens Michael Sandwort zu Na- gasaki aufgehalten: und wie dieser Mensch von den Inquisitoren waͤre befragt worden, ob er ein Christ sey? — so habe er geantwortet, um sein und seines Gefaͤhrten Leben zu retten: Was? Christen, Christen? Wir sind Hollaͤn- der. — Wir haben Ursache die Erzaͤhlung des ehrlichen Deutschen, allen Verleumdungen der catholischen Missionair vorzuziehen! Araber. Araber. Vorerrinnerung. U nter allen den Schrifstellern, welche bisher uͤber Sitten, Gebraͤuche, Religion der Araber geschrieben haben, scheint uns Herr Carsten Niebuhr, der einzige Mann zu seyn, dem man in allen Stuͤcken voͤlligen Glauben beymessen kann. Seine Beschreibung von Ara- bien liefert uns einen Zuwachs von aller- ley Arten von Kenntnißen: sie verraͤth auf allen Seiten den ehrlichen, unermuͤdeten und scharfsinnigen Forscher, dessen Haupt- augenmerk dahin abzielte, den Deutschen die arabischen Menschen ganz so darzustel- len, wie sie sind, und zwar — sonder allen Schmuck und Ziererey. Sein Werk ist auch einmuͤthig von allen Kennern mit dem groͤßesten Beyfalle aufgenommen, und fuͤr das einzige in seiner Art gehalten worden. Wir halten uns daher fuͤr verbunden, dem Herrn Niebuhr, bey Behandlung der Araber, in soweit zu folgen, als es unserm Zwecke gemaͤß bleibt. Es waͤre in der H That That sehr zu wuͤnschen, daß sich dieser den- kende Kopf uͤber die Sitten, Religionsbe- griffe, Gebraͤuche u. s. w. der Araber, weitlaͤuftiger ausgelassen, als er wuͤrklich gethan hat. Ueber manche Artikel hat er sich — seiner Absicht gemaͤß — kurz erklaͤrt: und da wird es noͤthig werden, daß wir diese Luͤcken aus andern beglaubten Reise- beschreibern ergaͤnzen. — Aber Herr Nie- buhr wird immer unser Leitsmann bleiben, so lange er uns hinlaͤnglich Materie darbie- tet: und sollte jemand denken, daß wir ja nur einen Auszug aus dem Niebuhr ge- macht haͤtten; so koͤnnen wir ihn versichern, daß das auch unsre Absicht gewesen sey, weil wir es fuͤr Pflicht halten, das charak- teristische der Araber so vorzustellen, wie es wuͤrklich ist. Und hierzu finden wir Niemand tauglicher, als eben den Herrn Niebuhr. Erstes Erstes Kapitel. Allgemeine Anmerkungen uͤber das Clima Arabiens, und den Character der Einwoh- ner dieses Landes. — Betragen der Mo- hammedaner gegen fremde Religionsver- wandte. — Gastfreyheit und Gruß der Araber. D ie Halbinsel Arabien graͤnzt gegen We- sten an den arabischen Meerbusen, oder das sogenannte rothe Meer, gegen Suͤ- den und Osten an das Weltmeer, und gegen Nordost an den persischen Meerbusen. — Das Land besteht aus verschiedenen und zum Theil sehr ansehnlichen Provinzen, als: Jemen, Hadramaut, Om â n, Lachsa, Nedsjed, Hedsj â s und andern kleinen daran graͤnzenden Landschaften. In einer jeden dieser großen Provinzen findet man sehr viele kleine unabhaͤn- gige Herrschaften, an deren Namen dem Leser vermuthlich nicht viel gelegen ist. In allen den erwaͤhnten großen Provinzen trift man hohe, bergigte und fruchtbare Gegenden an. Allein den großen Ebenen fehlt es an Regen, und folglich an Fruchtbarkeit. Indessen sammlen sich in den bergigten Gegenden, waͤhrend der Regenszeit viele Fluͤsse — welche Wadi genannt H 2 werden werden — die einen betraͤchtlichen Theil der Ebe- nen fruchtbar machen, und sich nachher auf den Feldern oder im Sande verliehren, oder sich, wenn die Berge von der See nicht zu weit ent- fernt, und die Fluͤsse groß sind, in das Meer stuͤrzen. Das Gebuͤrge, welches von Suͤden gegen Norden durch ganz Arabien geht, ist nach der Seite des arabischen Meerbusens, von T ô r bis zu dem Berge Sinai und von Teh à ma nach Osten bis San â, so sehr abhaͤngig, daß das Wasser, welches sich, etwa nach einem langen Regen, zwischen den Bergen sammlet und nicht abfließen kann, doch bald Wege uͤber oder unter der Erde findet. Die Witterung in Arabien ist nach der Lage der verschiedenen Gegenden dieser großen Halb- insel, sehr verschieden. Man hat nemlich in den bergigten Gegenden der Landschaft Jemen eine Regenszeit, die man Mattar el Char î f nennt, und welche in die drey Monathe Tam û s, Aͤb und Ail û l, d. i. ohngefaͤhr von der Mitte des Junius bis gegen das Ende des Septembers, und also in die heissesten Monathe faͤllt, wenn der Regen fuͤr das Land am nuͤtzlichsten und fuͤr die Einwohner am angenehmsten ist. Er soll in den beyden ersten Monathen am staͤrksten seyn, und in dem letztern allmaͤhlig abnehmen. Der Himmel ist in dieser Gegend, waͤhrend der Regenszeit bisweilen — jedoch selten — 24 Stunden lang bestaͤndig mit Wolken bedeckt. In In der uͤbrigen Zeit des Jahres aber sieht man hier oftmals in einigen Monathen keine Wol- ken, und in den Ebenen hat man das schoͤnste Wetter, wenn es auf den benachbarten Bergen stark regnet. Im Fruͤhlinge soll es auch zuwei- len regnen, welches aber nicht lange dauert. Je staͤrker indessen dieser Regen ist, eine desto fruchtbarere Erndte erwartet man So sagt man auch, daß der Fruͤhlingsregen die Perlenmuscheln fruchtbar mache. Eine Fabel, die von den Persern bereits uͤber 600 Jahre geglaubt, und deswegen anmerkenswerth ist. . In der bergigten Gegend auf der Ostseite von Arabien faͤllt die R e genszeit ein, ohngefaͤhr vom 21ten November bis den 18ten Februar. Die Jahrszeit Seif dauert in Om â n ohngefaͤhr vom 19ten Februar bis den 20ten April. Die heissesten Monathe sind Ejar, Siw â n, Ta- m â s, Ab und Eilul, nemlich etwa vom 20ten April bis zum 20ten September. Die Waͤrme in Arabien ist unter einerley Polhoͤhe zuweilen gar sehr verschieden: denn anstatt daß man des Sommers in dem niedri- gen Teh â ma eine fast unertraͤgliche Hitze ausste- hen muß, weil es da sehr selten, und bisweilen in einem ganzen Jahre nicht regnen soll; so ist die Witterung zu der Zeit in den nahe dabey liegenden bergigten Gegenden nicht nur deswe- gen, weil die Wolken, welche uͤber den arabischen Meerbusen und Teh â ma wegziehen, an den ho- H 3 hen hen und kalten Bergen in Regen herunter fallen, sondern auch, weil diese Gegenden hoͤher liegen, und daher eine duͤnnere Luft haben, sehr gelinde. — Die Einwohner der Landschaft Jemen woh- nen also gleichsam schon unter verschiedenen Himmelsstrichen, und man trist deswegen in dieser Provinz in einer kleinen Entfernung ver- schiedene Arten von Thieren und Fruͤchten einhei- misch an, welche man in andern Laͤndern aus weit entlegenen Gegenden holet. Man siehet in den heissen Laͤndern sehr oft Sternputzen und bisweilen sehr groß. Allein vom Nordlichte weiß man in Arabien, In- dien, Persien und Syrien nichts. Von denn Lichte der Sterne hat Herr Niebuhr auf seiner Reise von Bombay nach Maskat bemerkt: daß man die von der zweyten Groͤße, bey klarer Luft, wegen der vielen Duͤnste am Horizont nicht eher sehen konnte, bis sie drey oder vier Grad hoch gestiegen waren, und die Sterne von der ersten Groͤße schienen unter der Hoͤhe von 20 Grad nicht zu funkeln oder zu zittern. Die Wuͤrkung des Windes ist in den ara- bischen Staͤdten, nach der Beschaffenheit der umliegenden Gegenden, sehr verschieden. Zu Haleb ist der Westwind, welcher von der See- seite kommt, feucht, und der Ostwind, von der Wuͤste her, trocken. — Bey dem feuchten Suͤdostwinde ist auf der Insul Charedsje und zu Basra in der heißesten Jahrszeit gemeinig- lich Windstille, und deswegen schwitzt man als- dann dann am meisten. Der trockene Nordwestwind ist nicht so unbequem, weil die Luft bey ihm mehr in Bewegung ist. Indessen scheint er in den Sommermonathen (im Winter ist er kaͤlter) heisser zu seyn; denn er macht alle feste Koͤrper, als Holz und Eisen, wenn sie gleich im Schatten stehen, so heiß, als wenn sie den Sonnenstrah- len ausgesetzt waͤren. So gar das Wasser in glaͤsernen und metallenen Toͤpfen wird dadurch warm. Weil die Sonne in ihrem Sommerstillstan- de fast mitten uͤber Arabien steht; so ist es in den meisten Gegenden dieses Landes im Julius und August so heiß, daß sich fast niemand, der nicht dazu genoͤthigt ist, von Vormittags um 11 Uhr bis Nachmittags um 3 Uhr auf den Weg begiebt. Die Araber arbeiten um diese Zeit nur sehr solten, sondern halten ihren Mit- tagsschlaf, und zu Bagdad und auf der Insul Charedsje, vielleicht auch in andern Staͤdten dieser G e gend, bisweilen in einem Zimmer un- ter dem Hause, in welches sie durch eine Art Schornstein den Wind von oben herunterleiten, und die Luft dadurch in Bewegung bringen. Andere laßen in dieser Jahrszeit oft Wasser auf die Straße schuͤtten, um dadurch die Luft abzu- kuͤhlen: andere verschließen Thuͤre und Fenster um die Hitze abzuhalten. Diese heisse Jahrszeit nennen die Araber Sm û m so wie wir die unsri- ge die Hundes-Tage zu nennen pflegen. In diesen Monathen hat man zu Basra, obgleich H 4 selten, selten, Beyspiele, daß Leute auf der Straße, sowohl in der Stadt als auf dem Wege nach Zobeir, von der großen Hitze umgefallen und verschmachtet sind, ja Maulesel sollen ausserhalb Basra von der Hitze gestorben seyn. Von dem giftigen Winde S â m, Sm û m, Samiel oder Sam û li, nach der Araber Aus- sprache, hoͤrt man am meisten in der Wuͤste zwi- schen Basra, Bagdad, Haleb und Mecca. Er soll auch in einigen Gegenden von Persien Man sehe den ersten Theil dieser Characteristik, Seite 6. und Indien, ja in Spanien nicht unbekannt seyn. Dieser Wind ist gleichfalls nur in den heissesten Sommermonathen zu fuͤrchten. Er soll allzeit von der Seite der großen Wuͤste kom- men; denn man sagt, daß der Sm û m zu Mecca aus Osten, zu Bagdad aus Westen, zu Basra aus Nordwest, und zu Surat aus Nor- den komme. Zu Kahira kommt der heißeste Wind uͤber die lybische Wuͤste, und also aus Suͤdwest. Weil die Araber in der Wuͤste einer reinen Luft gewohnt sind; so sollen einige unter ihnen einen so feinen Geruch haben, daß sie den toͤdtlichen Sm û m an dem schweflichen Geruch erkennen koͤnnen. Ein andres Kennzeichen die- ses Windes soll seyn, daß die Luft in der Ge- gend, woher er kommt, ganz roͤthlich wird. Da aber ein gerade ausgehender Wind an der Erde gar keine Macht hat, weil er vielleicht von von den Huͤgeln, Steinen und Straͤuchern ge- brochen, und auch durch die Ausduͤnstung der Erde gehindert wird; so werfen sich die Men- schen nieder, wenn sie diesen Wind gewahr wer- den. Die Natur soll auch die Thiere gelehrt haben, ihre Koͤpfe nieder zur Erde zu halten, wenn dieser Wind sich naͤhert. — Indessen sollen oft Jahre vergehen, daß man diesen gif- tigen Sm û m auf dem Wege von Basra nach Haleb nicht verspuͤrt. Sowohl Menschen als Thiere ersticken, nach der Erzaͤhlung der Araber, durch diesen Wind auf eben die Art, wie von dem gewoͤhnlich heis- sen Winde, dessen vorhin erwaͤhnt ist. Denn bey einer außerordentlich großen Hitze koͤmmt zuweilen ein Luͤftchen, welches noch heisser ist, und wenn die Menschen und Thiere schon matt geworden sind, daß sie fast vor Hitze verschmach- ten; so scheint es, daß der kleine Zusatz von Hitze ihnen vollends alle Luft benimmt. Wenn nun ein Mensch von diesem Winde erstickt, oder, wie man auch sagt, wenn ihm das Herz ge- borsten ist; so soll dem Todten, bisweilen zwey Stunden lang, das Blut aus der Nase und den Ohren stuͤrzen. Auch soll der Koͤrper lange warm bleiben, aufschwellen, blau und gruͤn werden, und, wenn man ihn bey einem Arm oder Bein in die Hoͤhe heben will; so soll sich dieses abtrennen. H 5 Aus Aus der Beschreibung dieses Windes sieht man, daß nicht leicht jemand Neigung haben werde, diesen Wind so genau zu erforschen. Die Erziehung der Araber ist von der unsri- gen so sehr unterschieden, daß man sich gar nicht wundern darf, wenn man auch ihren Cha- rakter, von dem Charakter der Europaͤer sehr abweichend findet. Sie lassen ihre Soͤhne vier bis fuͤnf Jahre in dem Harem, das ist, bey dem Frauenzimmer, und da belustigen sie sich, waͤhrend dieser Zeit, wie die Kinder der Euro- paͤer. So bald sie aus dem Harem kommen, muͤssen sie sich gewoͤhnen, ernsthaft zu denken und zu reden, und wohl ganze Tage bey dem Vater sitzen, wenn dieser nicht so beguͤtert ist, daß er ihnen besondre Lehrmeister halten kann. Weil die Musik und Tanzkunst bey den Ara- bern fuͤr unanstaͤndig gehalten wird: weil das schoͤne Geschlecht bey ihnen von allen oͤffentlichen Geschaͤften ausgeschlossen ist: weil sie gar keine starke Getraͤnke trinken duͤrfen; — so lernen die jungen Araber die meisten Vergnuͤgungen der Europaͤer gar nicht einmal kennen, sondern, so wie sie unter der bestaͤndigen Aufsicht alter Leute erwachsen; so werden sie auch schon in ihrer Jugend unvermerkt ernsthaft. Bey aller dieser Ernsthaftigkeit lieben die Araber doch gerne große Gesellschaften zu halten, und denselben beyzuwohnen. Sie versammlen sich deswegen nicht nur in ihren Kaffeehaͤusern, son- dern auch auf den Maͤrkten. Vielleicht findet man kein kein Land, in welchem mehrere Maͤrkte gehalten werden, als in Jemen. Hier ist fast kein gro- ßes Dorf, wo nicht woͤchentlich Markttag ge- halten wird. Wenn die Doͤrfer etwas weit von einander liegen; so versammlen sie sich an einem bestimmten Tage auf freyem Felde. Einige kommen dahin, um Waaren zu kaufen oder zu verkaufen: die meisten aber, um die Zeit da an- genehmer zu verbringen, als sie in ihren Haͤu- sern nicht wuͤrden gekonnt haben. Aus dieser Neigung der Araber, und besonders der Ein- wohner zu Jemen, zum geselligen Leben, kann man schon schließen, daß sie nicht so ungesittet sind, als man vielleicht geglaubt hat. Viele europaͤische Reisende wollen die Araber als Heuchler, Betruͤger und Raͤuber ge- funden haben. Hr. Niebuhr glaubt nicht Ur- sach zu haben, sich hieruͤber zu beschweren. Er hat zwar einige von diesem Charakter kennen lernen, will aber aus dem Beyspiele einiger we- nigen Personen nicht auf die Gesinnung der gan- zen Nation schließen. Selbst die Araber wissen es, daß ihre Landesleute nicht alle gut denken. — Den europaͤischen Kaufleuten trauen sie im Handel sehr, und glauben, daß sie immer ihr einmal gegebenes Versprechen halten. Und aus dieser Ursach halten sie es fuͤr Schande, wenn die Muslem î ns (Rechtglaͤubigen) nicht gleiche Redlichkeit im Handel und Wandel beobachten. Wuͤrde aber ein rechtschafner arabischer Kaufmann nach Europa kommen, und sich sich dem ersten, der sich zu seinem Dien- ste darboͤte, anvertrauen; so koͤnnte er auch wohl große Ursache finden, sich uͤber die Europaͤer zu beschweren. Man trift also in Arabien schlechte Leute, aber auch hier, so wie in Europa und andern Gegenden der Welt, viele rechtschaffene brave Maͤnner an. Die Araber scheinen gar nicht zanksuͤchtig zu seyn: wenn sie aber einmal anfangen zu ha- dern; so machen sie viel Geschrey, und man sieht sehr oft, daß sie mit Messern auf einander loß gehen. Bey allen dem aber, sind sie bald wieder zum Frieden geneigt. Denn wenn der eine nur nicht so hitzig ist, als der andere, oder wenn nur ein unbekannter Kaltsinniger dazu kommt, und einige mal sagt: Gedenke an Gott und seinen Propheten! so vertragen sie sich entweder auf der Stelle, oder sie erwaͤh- len einen Schiedsrichter, um sich guͤtlich mit einander zu vergleichen. Vielleicht haben sie nicht so viele Schimpfwoͤrter, als der europaͤi- sche Poͤbel: sie sind aber deswegen nicht weniger empfindlich, und bisweilen rachgieriger. Wenn einer im Zorn vor dem andern auf die Erde speit; so verhaͤlt sich der Leidende eben so dabey, wie bey uns. Er ertraͤgt nemlich den Schimpf geduldig, wenn er sich nicht vertheidigen kann, sonst laͤßt er dem andern seinen Unwillen gewiß empfinden. — Der Araber kann es also, wie man leicht glauben wird, noch weniger vertra- gen, daß man ihn ins Angesicht, oder wie man bey bey ihnen sagt, auf den Bart speit, fuͤrnem- lich, wenn er dem andern gewachsen zu seyn glaubt. — Man wuͤrde einen Mohammedaner sehr beleidigen, wenn man zu ihm sagte: Dreck auf deinen Bart . Ein Schimpfwort, das unter dem Poͤbel sehr gebraͤuchlich ist. Ueber- haupt werden die meisten Beschimpfungen bey dem arabischen, so wie bey dem europaͤischen Poͤbel zu gewissen Zeiten, als witzige Einfaͤlle angesehen da hergegen ehrliebende Maͤnner sich dadurch hoͤchst beleidigt finden wuͤrden. Wenn aber ein Schech unter Bedouinen mit einer ernsthaften Mine zu dem andern sagt: Deine Muͤtze ( Turban ) ist unrein! oder deine Muͤtze sitzt schief! oder setze deine Muͤtze besser u. d. gl.; so glaubt der Beleidigte, daß er eben sowohl als ein europaͤischer Cavalier, der einen andern wegen eines unbedachtsamen Worts er- wuͤrgen will, Ehrenhalber verpflichtet sey, nicht nur dem Beleidiger, sondern auch seinen maͤnn- lichen Anverwandten nach dem Leben zu trachten. Man hat Herrn Niebuhr hiervon zu Basra folgende Geschichte erzaͤhlt, die sich vor zehn bis zwoͤlf Jahren in der Naͤhe dieser Stadt soll zugetragen haben. Ein angesehener Mann, von dem Stamme Montefidsj , hatte seine Tochter an einen Ara- ber zu Korne verheyrathet. Nicht lange nach der Hochzeit fragte ihn ein Araber von einem andern Stamm, welcher gleichfalls unter dem großen Stamm Montefidsj steht, in einem Kaffee- Kaffeehause etwas spoͤttisch: ob er der Vater der jungen und schoͤnen Frau des N. N. waͤre? Dieser vermuthete, daß man die Ehre seiner Tochter im Verdacht haͤtte, und verließ sogleich die Gesellschaft, um den Kopf seiner Tochter zu holen. Bey seiner Zuruͤckkunft hatte sich der andre Araber, aus Furcht vor der Rache, be- reits entfernt. Der Beleidigte suchte nachher nichts so sehr, als das Unrecht, welches ihm und seiner Tochter wiederfahren war, zu raͤchen. Er bemuͤhete sich selbst lange Zeit vergebens, den Beleidiger zu finden: indessen toͤdtete er ver- schiedene Anverwandten seines Feindes, und legte auch so gar seine Hand an seine Bedienten und Vieh. Weil der Beleidiger endlich seinen Untergang unvermeidlich sah, und kein Mittel wußte, sich zu retten; so bot er dem Oberhaupt der Janitscharen und Gouverneur zu Korne, eine große Summe, wenn er seinen Feind an- halten, und ihm das Leben nehmen wollte. Der Aga foderte diesen vor sich, und verlangte, daß er sich versoͤhnen moͤchte. Er wollte aber nichts von einem Vergleich hoͤren, sondern bestand darauf, seinen Feind zu toͤdten. Der Aga dro- hete ihm selbst das Leben zu nehmen, und ließ darzu, um ihn zu schrecken, einige Anstalten machen. Weil er aber so standhaft war, daß er den Todt fuͤr nichts gegen die erlittene Schan- de, und den Verlust seiner Tochter achtete; so entschloß sich der Aga, mit einigen vornehmen Arabern, aus Achtung gegen die eheliebende Ge- Gesinnung dieses Mannes, ihm Genugthuung zu verschaffen, so gut es moͤglich war. Man ward einig, daß der Beleidiger dem Beleidigten seine eigne Tochter mit einer bestimmten Aus- steuer an Geld, Pferden, Waffen u. d. gl. ge- ben sollte. Dieser hoͤrte zwar nachher auf, wei- ter Rache zu suchen; aber der Beleidiger selbst, durfte doch niemals wieder vor den Augen sei- nes neuen Schwiegersohns erscheinen. Die Araber bezeigen sich viel hoͤflicher gegen Fremde, als die Tuͤrken. Die Europaͤer koͤn- nen in Jemen und Om â n, desgleichen in Per- sien fast eben so viel Hoͤflichkeit, von den Ein- gebohrnen erwarten, als wir diesen Mohamme- danern erzeigen wuͤrden, wenn sie nach Europa kommen sollten. Und wenn man gleich daselbst Leute antrift, die sich unhoͤflich gegen Fremde bezeigen; so findet man vielleicht auch europaͤi- sche Reisende, die dadurch Gelegenheit dazu gegeben haben, daß sie sich selbst fuͤr wichtige Leute, alle Mohammedaner aber fuͤr gering ge- halten, und weder die Sitten des Landes ge- kannt haben, noch sich darnach richten wollen. Weil die Mohammedaner in allen Staͤdten, wo europaͤische Kaufleute angetroffen werden, weni- ger Zoll von ihnen, als von ihren eignen Un- terthanen nehmen; so sollte man doch fast glau- ben, daß wenigstens diejenigen, welche daselbst Antheil an der Regierung haben, sich auch in andern Faͤllen bemuͤhen, die Freundschaft der Europaͤer zu erhalten. Bey Bey dem groͤßern Theil der Tuͤrken aber, glaubt unser Verfasser bemerkt zu haben, daß sie gegen die Europaͤer einen großen Haß wuͤrk- lich hegen. Vielleicht, weil sie sich der vielen blutigen Kriege errinnern, welche sie mit ihnen gefuͤhrt haben. Der Name der Tuͤrken kann unsern Kindern nicht so fuͤrchterlich seyn, als es der Name der Europaͤer den jungen Tuͤrken ist. Ein Tuͤrke, der bey einem Europaͤer Dien- ste nimmt, wird von seinen Landesleuten ver- achtet, weil er sich so sehr erniedrigt, der Euro- paͤer Brod zu essen. Ein solcher pflegt zu Con- stantinopel ein Schweinehuͤter genannt zu wer- den. Besonders sind die Europaͤer zu Damāsk sehr verhaßt, und werden auch von dem Poͤbel zu Kahira sehr veraͤchtlich angesehen. In Ara- bien und in Persien aber, wo die Einwohner mit den Europaͤern niemals Krieg gehabt haben, koͤnnen diese auch von dem Poͤbel mehr Hoͤflich- keit erwarten. Die Araber nennen die Christen Nass â ra oder Nusr â ni . Weil sie bey ihnen zu keinen Ehrenstellen gelangen koͤnnen, und die angese- hensten Christen, welche unter ihnen wohnen, Kaufleute sind; so nennt man in Egypten ei- nen jeden, welcher anstaͤndig gekleidet ist, Chau â dsje , welches einen Kaufmann bedeu- tet. Und diejenigen, welche nicht Kaufleute sind, nennen sie Maallim d. i. Meister. In Syrien nennt man die christlichen Kaufleute gleichfalls Maallim oder Meister. In Naro- lien lien aber , wo die tuͤrkische die Hauptsprache ist, scheint die Hoͤflichkeit der Mohammedaner gegen die Christen gaͤnzlich aufgehoͤrt zu haben. Denn daselbst nennen die Tuͤrken die Christen fast im- mer Dsjaurler (Unglaͤubiger) ein Name, der bey ihnen so veraͤchtlich ist, daß sie im Zorn ih- re Pferde und andre Thiere damit beehren. Da also die Tuͤrken ihren christlichen Mit- buͤrgern einen so veraͤchtlichen Namen beylegen; so kann man leicht denken, daß sie in ihrem uͤbrigen Betragen nicht hoͤflicher gegen sie sind. Sie noͤthigen die Christen nicht nur ein gewisses Zeichen zu tragen, damit sie sie unterscheiden, und die Kopfsteuer ( Charads , andre schrei- ben Karat: allein die erste ist richtiger) von ih- nen fodern koͤnnen, — denn ordentliche Li- sten halten die Morgenlaͤnder nicht daruͤber — sondern die Tuͤrken zu Constantinopel verlangen so gar zu weilen von den vorbeygehenden Chri- sten, daß sie ihnen die Straße fegen, und den Koth wegtragen, oder ihnen etwas bezahlen sollen, um von dieser Arbeit befreyt zu seyn. Man weis nicht recht, ob dieß von der Obrig- keit gebilligt wird. Ein christlicher Unterthan des Sultans aber untersieht sich nicht, einen Mohammedaner wegen einer Kleinigkeit zu ver- klagen. Bey oͤffentlichen Freudensbezeugun- gen, z. E. wegen der Geburt eines Prinzen oder Prinzeßinn, betragen sich die Janitscharen so schlecht, daß es fuͤr Christen und Juden nicht rathsam ist, bey solchen Gelegenheiten auf der J Straße Straße zu erscheinen. — Ein Beyspiel von dem hochmuͤthigen Betragen der Tuͤrken, gegen die morgenlaͤndischen Christen, fuͤhrt unser Ver- fasser in folgenden Worten an. Ein Tuͤrke, sagt er, dem wir in Kleinasien auf der Land- straße begegneten, da er sich eben zu Pferde setzen wollte, noͤthigte einen griechischen Kauf- mann aus unsrer Karav â ne, der ihn nicht ein- mal kannte, von seinem Pferde zu steigen, und ihm den Steigbuͤgel zu halten. Eine Auffuͤh- rung, vor der sich gewiß ein Araber schaͤmen wuͤrde Herr Niebuhr meint, daß die morgenlaͤndi- schen Christen selbst zu dieser schlechten Behand- lung sehr vieles beytruͤgen. Er beschreibt einige der kleinen griechischen Kaufleute, als nieder- traͤchtige Schmeichler und Schwaͤtzer, die na- tuͤrlicher weise von den ernsthaften und stolzen Tuͤrken nicht viele Hoͤflichkeit erwarten konnten. — Es ist schade, daß Hr. Niebuhr nicht Gele- genheit genug gehabt hat, sich in eine naͤhere Untersuchung des Charakters der dortigen Chri- sten einzulassen: von seiner Hand haͤtte man auch in diesem Stuͤcke etwas Vorzuͤgliches, Be- stimmtes und Zuverlaͤßiges erwarten koͤnnen. . Es scheint, daß die Juden in Jemen und zu Schir â s von den Mohammedanern wenig- stens eben so sehr verachtet werden, als von den Christen in Europa. In dem Koͤnigreiche Om â n findet man sehr wenig Juden. Allein in den tuͤrkischen Staͤdten findet man eine gros- se se Menge Israeliten. Sie treiben daselbst, so wie in andern Morgenlaͤndern allerhand Hand- thierungen, und scheinen in diesem Puncte mehr Freyheit zu haben, als ihre Bruͤder in Europa, wo sie oft von den Zuͤnften verhindert werden, ihr Brod durch ihre Handarbeit ehrlich zu ver- dienen. Weil sie aber wegen des Kopfsteuers ein Zeichen tragen muͤßen, woran man sie er- kennen kann, weil sie auch nicht nur von dem tuͤrkischen, sondern auch von dem christlichen Poͤbel sehr verachtet werden; so sind sie die zag- haftesten Unterthanen des Sultans. Die Ara- ber nennen sie nicht anders als Jehudi , und der tuͤrkische Poͤbel — und nach ihrem Bey- spiel auch sehr oft die Christen — nennen sie Tschef û d, ein Name der noch weit veraͤchtlicher ist, als Dsjaur . Indessen findet man unter ihnen auch große Kaufleute und Wechsler, die, ihres Geldes wegen, bey der tuͤrkischen Regie- rung sehr wohl gelitten sind, und daher Gele- genheit haben, ihre Mitbruͤder zu raͤchen, wenn sie beleidigt werden sollten. Man kann wohl nicht behaupten, daß die Mohammedaner, im Ganzen genommen, die fremden Religionsverwandten fuͤr unrein hal- ten. Indessen essen sie doch nicht gerne mit Ju- den und Heiden; und ein scheinheiliger arabischer Geistlicher, nicht gerne mit Christen. Weil sich aber die Christen gleich willig zeigen, mit ih- nen zu essen; so ist vermuthlich dieß eine der vornehmsten Ursachen, warum sie zu ihnen ein J 2 weit weit groͤßeres Vertrauen aͤußern, als zu allen uͤbrigen erwaͤhnten Nationen. Die Gastfreyheit der Araber ist von je her beruͤhmt gewesen, und die itzigen Araber uͤben diese Tugend nicht weniger als ihre Vorfah- ren aus. Wenn jemand in Geschaͤften, an ei- nen vornehmen Schech oder andern großen Herrn geschickt wird; so wird er nach Gewohnheit der meisten Morgenlaͤnder, waͤhrend seines Auf- enthalts, auf Kosten desselben unterhalten, und er erhaͤlt uͤberdieß bey seiner Abreise gemeiniglich ein Geschenk. Ein bloß Reisender, welcher ei- nen vornehmen Herrn in der Wuͤste besuchen wollte, koͤnnte vielleicht eben dieses erwarten. In den Staͤdten aber sind Karwanserois, oder andre oͤffentliche Haͤuser fuͤr Reisende. Ein Frem- der kann daselbst eben so wenig erwarten, daß ihn Leute, die ihn nicht kennen, bitten werden, bey ihnen einzukehren, als in Europa. In- dessen findet man in einigen Doͤrfern von Tch â ma auch freye Herbergen, wo alle Reisende einige Tage umsonst Quartier, Essen und Trinken er- halten koͤnnen, wenn sie sich mit der gemeinen Kost der Araber begnuͤgen wollen: und diese Haͤuser werden fleißig gesucht. Die Araber noͤthigen auch einen jeden der sie bey Tische antrifft, mit zu essen, er mag ein Christ oder Mohammedaner, vornehm oder geringe seyn. Es ist ein Vergnuͤgen zu sehen, daß so gar Eseltreiber in den Karawanen, die Vorbeygehenden einladen, an ihrer Mahlzeit Theil Theil zu nchmen. Und wenn gleich die meisten hoͤflich danken, so theilen sie doch mit freudiger Mine das Wenige, was sie an Brod und Dat- teln haben, demjenigen mit, der es annehmen will Die Gastfreyheit, welche die Araber mit dem beßten Herzen, mit Begierde und Zaͤrtlichkeit gegen Fremde, die zu ihnen kommen, ausuͤben: kann mit Nichts verglichen werden. Wenn ein Fremder in ihr Lager kommt, insonder- heit, wenn ihn jemand von ihrer Nation dahin bringt, wird er unter einem Zelte empfangen, wo er eine Decke findet, sich niederzusetzen und auszuruhen: denn beßre und beguemere Meub- len haben sie nicht. Nach einer Menge Freu- densbezeugungen uͤber seine Ankunft, fragen sie ihn von Zeit zu Zeit, wie er sich befinde, reichen ihm Taback und Kaffee, und unterhalten ihn so gut, als sie koͤnnen. Indessen fertigen die Wei- ber das Essen an, um ihn zu tractiren. Andre be- schaͤftigen sich mit der Wartung der Pferde, mit Verwahrung des Gepaͤcks, und mit Herbeischaf- fung alles dessen, was der Fremde, seine Ge- sellschaft und seine Bedienten gebrauchen. Wenn das Essen aufgetragen ist, nimmt jeder seinen Platz, und die mit Reis, Suppe und Fleisch, nach ihrer Art zugerichteten Schuͤsseln werden aufgetragen: waͤhrend dem Essen aber redet Niemand. Nach der Mahlzeit bringt man Kaffee und Taback, und die Unterredung dauert so lange, bis sie anfangen schlaͤfrig zu werden. Alsdann geht jeder weg, und man laͤßt dem Fremden voͤllige Freyheit. — Wenn der Frem- de wieder fortreisen will, bedankt er sich, ohne viele . Es ist deswegen sehr befremdend, J 3 wenn wenn man in der Tuͤrkey sieht, daß sich biswei- len reiche Tuͤrken in einen Winkel setzen, um nicht noͤthig zu haben, denen, die sie etwa haͤt- ten bey Tische antreffen koͤnnen, etwas von ih- ren Essen anzubieten. Der gewoͤhnliche Gruß der Araber besteht in den Worten: Sal â m Aleikum , d. i. Friede sey mit euch. Sie legen dabey die Hand auf die linke Brust. Die Antwort darauf ist: Aleikum essal â m , d. i. mit euch sey Friede. Alte Leute setzen oft noch hinzu: Und die Barm- herzigkeit und der Segen Gottes. Die Mo- hammedaner in Egypten und Syrien gruͤßen einen Christen niemals so, sondern sagen nur: Sebachh elchair , guten Morgen, oder Sah- heb salamat , Freund, wie befindest du dich? Die Araber in Jemen, welche nur selten Chri- sten sehen, sind aber nicht so eifrig, daß sie nicht auch zuweilen zu den Christen Sal â m aleikum sagen sollten. Herr Niebuhr hielt es lange fuͤr einen uͤber- triebenen Stolz und Religionseifer der Mo- hammedaner, daß sie die Christen nicht eben so, wie viele Komplimente bey seinem Wirthe zu ma- chen, steigt mit seinen Leuten zu Pferde, und es wird ihm von allen zu seinen Verrichtungen Gluͤck gewuͤnscht. Will man bey der Abreise aus Erkenntlichkeit den Domestiken etwas ge- ben; so wird es angenommen. Sonst aber pflegen die Araber nicht zu fodern. Sie uͤben die Gastfreyheit ohne Eigennutz aus, bloß als eine Tugend. wie ihre Religionsverwandten anreden. Er hat sie selbst einigemal mit den Worten: Sa- l â m aleikum gegruͤßt, und erhielt bisweilen dieselbige Antwort. Endlich bemerkte er in Na- tolien, daß die Christen selbst vielleicht mit Ur- sache davon sind, warum die Mohammedaner ihnen nicht eben so, wie ihren eignen Glaubens- genossen, danken. Denn die griechischen Kauf- leute scheinen es nicht gerne zu sehen, daß man die Mohammedaner als einen Mohammedaner gruͤßt. Wenn sich bekannte Araber in der Wuͤste des Berges Sinai, oder auf dem Wege in Egypten antreffen; so geben sie sich wohl sechs bis zehn mal die Haͤnde. Jeder kuͤßet seine eigne Hand, und wiederholt immer die Fragen: Wie befindest du dich? u. s. w. Die Ara- ber in Jemen, welche fuͤr Leute, die Lebensart haben, wollen gehalten seyn, machen bey ihren Zusammenkuͤnften nicht weniger Komplimente. Ein jeder stellt sich nemlich, als wenn er dem andern die Hand kuͤßen wollte, und jeder zieht die Hand zuruͤck, als wenn er diese Ehrenbe- zeigungen von dem andern nicht annehmen will. Damit nun aber der Streit nicht zu lange dau- re; so erlaubt die vornehmste oder aͤlteste Person gemeiniglich, nach einigen Zucken mit der Schulter und mit der Hand, daß die andre ihre Finger kuͤssen moͤge. Vornehme Araber umarmen ih- res Gleichen bey den Zusammenkuͤnften, und beruͤhren sich mit den Backen. Kurz, die Ara- J 4 ber ber erweisen sich bey einer solchen Gelegenheit nicht weniger Hoͤflichkeit, als die Europaͤer. Die vornehmen Araber haben ihre Zimmer forne in ihren Haͤusern, und von dem Frauen- zimmer, welches immer hinten im Hause wohnt, hoͤrt man gar nichts. Alle andre, als Kauf und Handelsleute, Schreiber u. d. gl. haben ihre Buden, wo man sie den ganzen Tag finden kann, in den großen Marktstraßen. Wenn man auch von einem großen Araber nach seinem Hause gefuͤhrt wird; so muß man so lange vor der Thuͤre warten, bis er vorher alle seine weib- lichen Haußgenossen durch das Wort Tarik d. i. Platz, angewiesen hat, sich in ihre Kammern zu begeben. Keine Mannsperson gruͤßt das Frauenzimmer auf der Straße, ja es wird so gar fuͤr ungesittet gehalten, ein Frauenzimmer nur etwas scharf anzusehen. Es scheint, daß die Weiber eine außeror- dentliche Ehrfurcht gegen ihre Maͤnner bezeigen. Indessen laͤßt sich doch gar nicht daraus folgern, daß das schoͤne Geschlecht unter den Mohamme- danern gering geschaͤtzt wuͤrde; vielmehr wird man an einem andern Orte zu bemerken Gele- genheit haben, daß sie ihre Wuͤrde und Anse- hen in Arabien eben so zu behaupten wissen, wie in Europa unsre Damen. Zweytes Zweytes Kapitel. Von einigen besondern Umstaͤnden, den Mohammed betreffend. — Von den Ge- setzen Mohammeds, und insbesondre vom Koran (Alkoran.) D er beruͤchtigte arabische Prophet Moham- med , wurde um das Jahr 570. nach christlicher Zeitrechnung zu Mecca, in der Pro- vinz Hejiaz, von armen, aber vornehmen El- tern, aus dem Geschlecht der Haschemiten und dem Stamme der Koreischiten gebohren. Er verlohr seinen Vater Abdallah bereits im zweyten Monathe, und seine Mutter Amena , im sechsten Jahre seines Alters. Abutalleb , seines Vaters Bruder, besorgte seine Erzie- hung und gewoͤhnte ihn hart. Er bekam zeitig epileptische Zufaͤlle, die von einigen fuͤr hypo- chondrische gehalten werden. Sein Oheim wid- mete ihn der Handlung, und unter seiner Auf- sicht that er die erste Reise, auf welcher er in die Bekanntschaft des Boheira , eines nesto- rianischen und monophysitischen Moͤnchs, den einige fuͤr den Sergius halten, gerathen, und mit ihm den ersten Entwurf seiner Religion ge- macht haben soll. Nach seiner Zuruͤckkunft trat J 5 er er in den Dienst einer reichen Wittwe mit Na- men Chadijah , und that fuͤr sie eine neue Rei- se nach Syrien, auf welcher er ohne Zweifel, viele, zu seiner Absicht dienliche Kenntniße, einsammelte. Sein Gluͤck in der Handlung und seine persoͤnliche Eigenschaften machten ihn in seinem acht und zwanzigsten Jahre zum Manne der Chadijah, die zwoͤlf Jahr aͤlter war, und zum Herrn ihrer großen Reichthuͤmer. Er zeugte mit ihr vier Soͤhne, die zeitig starben, und vier Toͤchter, von welchen die juͤngste Fati- me an den Aly verheyrathet wurde. Kaum sah er sich durch die Chadijah aus dem Staube erhoben; so beschloß er eine neue Religion einzufuͤhren Ohne Zweifel bahnte hierzu die tiefe Unwissen- heit, in welcher sowohl die Araber, als auch die Syrer, Perser und uͤbrigen morgenlaͤndi- schen Voͤlker groͤßtentheils lebten, diesem kuͤhnen und beredten Mann einen leichten Zugang zu unzaͤhliger Leute Herzen. Hierzu kommen noch die heftigen Streitigkeiten der Christen, Grie- chen, Nestorianer, Monophysiten, und wie die Secten alle heißen, die einen großen Theil des Orients mit Blutvergießen anfuͤllten, und das wahre Christeuthum verhaßt machten. . Seine vielen Reisen, die er allenthalben bey Gelegenheit seiner Hand- lung gethan, hatten ihm Mittel an die Hand gegeben, sich von den verschiedenen Religionen und Lehren derselben genau zu unterrichten. Aus Aus allen den damals bekannten Religionen entlehnte er gewisse Lehrsaͤtze, die er mit Geschick- lichkeit zu ordnen und sie der wolluͤstigen Den- kensart der Araber in den Zeiten recht gut an- zupaßen wußte. — Er zeigte sich seiner Frau lange Zeit vorher, ehe er wuͤrklich loß brach, daß es mit ihm nicht recht richtig waͤre. End- lich begab er sich allein in eine Hoͤle am Berge Hara , brachte seinen Entwurf seiner neuen Religion in Ordnung — vielleicht um sich in den Ruf eines außerordentlichen Mannes zu setzen — und entdeckte seiner Frau im Ver- trauen, daß ihm der Engel Gabriel in seiner Hoͤle erschienen, ihm ein Buch voll goͤttlicher Offenbarungen vorgehalten, und unter andern ihm zugerufen habe: O Mohammed, du bist der Gesandte Gottes, und ich bin Ga- briel . Voll Freude daruͤber entdeckte Chadi- jah dieß ihrem Oheim Waraka , einem abge- fallenen Christen, welcher der Erzaͤhlung Mo- hammeds seinen voͤlligen Beyfall schenkte. Ver- muthlich aber hat er sich mit Mohammed selbst daruͤber besprochen. Waraka war ein ge- schickter Mann, den Mohammed sehr gut ge- brauchen konnte. Letzterer empfieng nun Offen- bahrungen uͤber Offenbahrungen. Und mit diesen nahm er seiner geliebten Ehegattinn den Gedanken, daß er mit einer fallenden Sucht befangen sey. Unter den ersten, die seine goͤtt- liche Gesandschaft glaubten, waren Aly , Abu- tallebs Sohn, und Abubeker . Seine An- haͤnger haͤnger vermehrten sich bald, bis auf neune, die alle mit ihm verwandt waren. Er ließ sich durch die Spoͤtter seiner Fami- lie nicht abhalten. Die Koreischiten bedrohe- ten ihn, und da sie ihn, durch vernuͤnftige Vor- stellungen und Gruͤnde, auf den Weg der ge- sunden Vernunft nicht wieder zuruͤckbringen konnten; so schritten sie zu schwerern Mitteln, und verfolgten ihn. Seine Anhaͤnger waren endlich zu Mecca nicht mehr sicher, und flohen also auf sein Anrathen, zum Koͤnig von Aethio- pien. Er selbst suchte in der Nachbarschaft ei- nen Anhang, war aber nicht sehr gluͤcklich, bis im zwoͤlften Jahre seiner Sendung, zwoͤlf Einwoh- ner von Jatrep oder Medina, denen bald meh- rere folgten, seine Lehre annahmen. In die- sem 12ten Jahre that er auch seine Nachtreise, die er mit dem Engel Gabriel von Mecca nach Jerusalem, und von da in die sieben Himmel gethan haben wollte, bekannt, weil er vielleicht hofte, durch die Bekanntmachung, daß er mit Gott geredet habe, mehr Anhang zu bekommen. So laͤcherlich indessen seine Erzaͤhlung vielen Leuten vorkam; so erhielt sie doch durch die Be- staͤtigung des Abubeker, der bey ihnen in großem Rufe stand, viel Gewicht und Glaubwuͤrdigkeit. — Und nun konnte er hoffen, daß seine Freun- de alles fuͤr goͤttlich halten wuͤrden, was er ih- nen vorposaunte. Bisher hatten zwar immer noch die Verfolgungen wider ihn gedauert. Da sie aber doch in der Folge heftiger wurden, und und die Einwohner von Mecca ihm so gar nach dem Leben trachteten; so nahm er im Jahre sechs hundert und zwey und zwanzig, am zwoͤlften Julius scine Flucht nach Medi- na , von welcher Flucht die Moslemim, oder Anhaͤnger seiner Lehre, ihre Jahre der Hegira zaͤhlen, die aus Mondenjahren bestehen. Bisher hatte Mohammed noch keine Gewalt gebraucht, seine Religion fortzupflanzen, viel- mehr vorgegeben, er duͤrfe blos predigen und ermahnen. Allein, kaum sah er sich in Medina sicher; so gab er einen goͤttlichen Befehl vor, mit den Waffen den Goͤtzendienst auszurotten, und seine Lehre auszubreiten. Nachdem er zu Medina eine Moschee erbaut, und den oͤffent- lichen Gottesdienst eingerichtet hatte; so griff er die Koreischiten an, und vertraute die große Fahne der Religion seinem Onkel Hamza an, und schickte ihn mit dreißig Mann, mit den meccanischen Truppen anzubinden. Allein, dieß erste Unternehmen lief nicht gluͤcklich ab, und die Mediner mußten weichen. Nachdem aber Hamza wieder zu Kraͤften kam, griff er die Koreischiten zum zweytenmal — im zwey- ten Jahre der Flucht Mohammeds — an, und erfochte einen Sieg bey Bedr uͤber sie, der den Grund seiner Groͤße legte, die mit jedem neuen Feldzug immer anwuchs. Im sechsten Jahre mußten die Koreischiten, als er Mecca angreifen wollte, um Frieden bitten. Im sie- benten Jahre foderte er mit dem Stolze eines Alex- Alexanders alle bekannte Landesherrn zur An- nahme seiner Religion auf. Im achten Jahre eroberte er Mecca und verlohr bey dieser Expe- dition nur zwoͤlf Mann, denen er eine stattliche Leichenrede gehalten, und sie mit dem Namen Maͤrtyrer beehrt hat. Hieruͤber haͤlt sich der scharf- sinnige Bayle , in seinem Woͤrterbuche, sehr auf und sagt: Lustige Maͤrtyrer! — Leute die bey der Plůnderung einer Karavane ums Leben kamen, da sie das Handwerk der Straßenraͤuber und oͤffentlichen Spitz- buben trieben . Dieser gluͤckliche Fortgang seiner Waffen machte den Mohammed recht muthig, und gieng nunmehr in eigner Person in den Krieg und fuͤhrte seine Truppen an. Er bemaͤchtigte sich sogleich Mecca und fuͤhrte seine Religion sogleich ein, doch aber, wie einige Schriftsteller versichern, ohne Blutvergießen, Gewalt zu gebrauchen und den Einwohnern ihre alten Privilegien zu neh- men. Nachdem er nun in Mecca alles in Ord- nung und Ruhe gebracht zu haben glaubte; so kehrte er seine siegreichen Waffen gegen das aberglaͤubische und abgoͤttische Volk im Lande. Sein Unternehmen wurde auch in dieser Expe- dition mit guten Erfolg gekroͤnt: aber da er die Staͤmme des Judenthums angreiffen wollte; so empoͤrten sich die Koreischiten, welches den guten Mohammed noͤthigte, seine Truppen zu- ruͤck zu ziehen, und wider sie anzuruͤcken. Er suchte zwar Gelegenheit diesen Aufruhr guͤtlich zu zu daͤmpfen; allein er verfehlte seine Hoffnung, und ward gezwungen, den Koreischiten eine blu- tige Schlacht zu liefern, die er verlohr. Er selbst wurde verwundet, und eine große Menge seiner Soldaten mußten ihr Leben klaͤglich endi- gen. Man kann leicht denken, was ein solcher Stoß dem Mohammed und seinen Anhaͤngern fuͤr eine Wunde beybringen mußte. Es schien auch, als wollte ein großer Theil der Neube- kehrten wieder zu der Religion ihrer Vaͤter Gelegentlich kann hier einiges Merkwuͤrdige von der Religion der alten Araber beygebracht wer- den, weil es doch nirgends besonders, dem Plan dieses Werks gemaͤß, kann behandelt werden. — Die alten Araber lebten vor der Ankunft Mo- hammeds in einer puren Abgoͤtterey. Sie bete- ten die Gestirne, und insonderheit die sieben Pla- neten an. Dem Planeten der Venus war zu Sana ein praͤchtiger Tempel mit der Inschrift gebauet: Ghomdan , d. i. wer dich zerstoͤrt, soll des Todes seyn. Die Staͤmme von Koreisch be- teten eine besondre Gottheit an, Namens Al Uzza , die ihren Auffenthalt in einem Baume hatte, uͤber welchen man eine Kapelle errichtet hatte. Mohammed ließ zwar, wie billig, den Baum umhauen, aber es war hoͤchst strafbar, daß er die unwissenden und aberglaͤubischen Priester — denn sie waren doch Menschen — ermordete. Die Koreischiten hatten noch eine andre Gottheit, die es sehr gut mit ihnen mein- te, denn sie gab ihnen Regen und fruchtbare Jahre, wenn sie derselben noͤthig hatten. Auch diese wurde gleichfalls von Mohammed zerstoͤhrt. Fast zuruͤck- zuruͤckkehren. Allein Mohammed, als ein listi- ger und scharfsinniger Kopf, wußte die rebelli- renden und kleinmuͤthigen Seelen bald wieder zu besaͤnftigen, schloß einen Waffenstillstand mit den Koreischiten, und uͤberwand indessen mit den Degen in der Faust die juͤdischen Araber. Allein dieser Feldzug, ob er gleich fuͤr ihn zwar gluͤck- lich ausfiel, war doch seiner Gesundheit nach- theilig. Fast eine jede Familie hatte, außer den Haupt- goͤttern, noch einen à parte zu Hause, der von ihnen, so oft sie aus oder ins Haus giengen, chrerbietig gegruͤßt wurde. — Auch beteten die alten Araber Steine an, wovon in der allgemei- nen Welthistorie B. XII. diese Ursachen angege- ben werden: Die großen Steine dienten an- faͤnglich zu Libationen von Wein und Oehl: Diese Cerimonie uͤbte Jacob in Ansehung des Steins aus, der ihm zum Hauptkuͤssen gedient hatte. In der Folge erwiesen ihm die Ara- ber eine gottesdienstliche Verehrung, so wie die Phoͤnicier zu thun pflegten. Einige Schriftsteller erzaͤhlen, daß, wenn das Gebiet von Mecca fuͤr seine Bewohner zu klein wurde, viele tausend Isinaeliten sich auf den Weg begaben, um neue Wohnungen aufzu- suchen, und einige Steine von dieser heiligen Erde mit sich nahmen. Anfaͤnglich besuchten sie diese Steine aus Andacht, so wie sie Caa- ba zu besuchen pflegten. Aber diese Andacht wurde endlich zur Abgoͤtterey, und die Is- maeliten erwiesen jedem Steine, den sie fan- den, wenn er nur ein wenig schoͤn war, goͤttliche Ehre. — theilig. Denn als er zu Kaibar in einem vor- nehmen Hause wohnte; so hatte die Tochter seines Wirths ein auf dem Tische liegendes Lamm vergiftet, davon Mohammed essen sollte. Sie dachte, wenn er wuͤrklich ein Prophet waͤre; so wuͤrde er die Wuͤrkungen des Giftes nicht verspuͤren: waͤre er es nicht; so glaubte sie sich dem Vaterlande dadurch verdienstlich gemacht zu haben, einem solchen ungerechten Usurpateuer und Tyrannen das Leben zu nehmen. Der Prophet aß: er merkte aber alsbald Unrath, und spie es gleich wieder aus. Demungeachtet aber befand er sich sehr uͤbel darnach: brauchte zwar Gegengift, aber das Uebel schien dadurch aͤrger zu werden. Nach der Zeit verlohr er seine Kraͤfte und zehrte allmaͤhlig aus. Wir wuͤrden unsern Lesern beschwerlich fallen, wenn wir die militairischen Auftritte seines Apostelamts alle erzaͤhlen wollten. Es sey also genug gesagt, wenn wir noch erwaͤhnen, daß Mohammed allenthalben die Abgoͤtterey ab- geschaft und alle drey Arabien, nachdem diese lange Zeit fuͤr die Freyheit ihrer Altaͤre gefoch- ten, endlich uͤberwunden und seine Lehrsaͤtze uͤber- all eingefuͤhrt habe. Er gab ihnen zum Theil fuͤrtrefliche Gesetze, und riß sie wuͤrklich aus ei- nem Zustande, der in aller Abficht klaͤglich war. Sein Leben endigte er im eilften Jahre der Hegira , in seinem fuͤnf und sechzigsten Jahre seines Alters. Die Achtung und Ehrfurcht, die seine Nachfolger gegen ihn hatten, gieng so K weit weit, daß sie ihn nicht fuͤr wuͤrklich todt erklaͤr- ten, weil dieß wider die Moͤglichkeit waͤre, daß ein solcher Mann sterben koͤnnte. Allein Abu- beker, der, wie bereits gesagt, bey den Arabern in großem Ansehen stand, benahm diesen Herren ihre Meynungen, und zeigte ihnen aus verschie- denen Stellen des Korans, daß ihr Prophet wohl sterblich sey, und mit allen Leuten gleiches Schicksal erfahren muͤßte. Mohammed soll von mittelmaͤßiger Groͤße gewesen seyn, und eine sehr reizende Gesichtsbil- dung gehabt haben. Er war ehrgeitzig, kuͤhn und faͤhig außerordentliche Unternehmungen zu verrichten. Er war maͤßig, dabey aber doch sinnlich und der Wollust ergeben: ein Fehler, der damals den Einwohnern Arabiens zur zwey- ten Natur geworden war. Die christlichen Schriftsteller mahlen uns ihn als einen unzuͤch- tigen Menschen ab: ein gleiches thut ein ansehn- licher Theil seiner eignen Landsleute In der Darstellung des Charakters dieses Re- formators, herrscht eine solche Verschiedenheit, daß man sich beynahe nicht heraus finden kann. — Der vorhin gegebene Abriß scheint der Wahr- heit gemaͤß gezeichnet zu seyn, und es heißt wohl zu sanftmuͤthig verfahren, wenn Elmacin ihn als einen Mann vorstellt, von außerordentlicher Gefaͤlligkeit, demuͤthig gegen Große, gespraͤchig mit Geringen, freygebig gegen Arme u. d. gl. m. . Er maßte sich an, von Gott auf dieser Erde vor an- dern ehrlichen Leuten besondre Vorrechte erhal- ten ten zu haben, woruͤber er sich im Koran so aus- druͤckt: Prophet! wir geben dir eine un- umschraͤnkte Gewalt uͤber alle — Weiber, die dir vorkommen — uͤber deine Muh- men, Nichten und uͤber alle rechtglaͤubige Frauen, die sich dir, weil du mein Pro- phet bist, uͤberlaßen werden. Diese Gunst sey dir vorzugsweise vergoͤnnt, aber kei- nem andern . Er sagte gewoͤhnlich, was Lu- ther — ohne diese Maͤnner in Vergleichung zu setzen, einmal bemerkt: Wer nicht liebt Wein, Weiber und Gesang — der bleibt ein Narr sein Lebelang. Aufs Frauenzimmer war auch Mohammed recht rasend erpicht. Er vergaffte sich in die Frau eines seiner Sclaven. Der Sclave, wollte er wohl oder uͤbel, mußte sie ihm uͤberla- ßen, und er heyrathete sie. Das gab nun einen gewaltigen Skandal, und um sich aus dem Gerede herauszuziehen, gab er vor, einen neuen Befehl vom Himmel des Inhalts empfangen zu haben: (S. Koran Kap. 39) daß Gott denjenigen Sclaven, der sein Weib von sich gestoßen, mit dem Mohammed ver- einigt haͤtte, und daß der Prophet keinen Fehler begangen, weil er nichts gethan, wodurch er den goͤttlichen Geboten waͤre ungehorsam gewesen. Muß man sich nicht billig hier uͤber die entsetzliche Unwissenheit und Leichtglaͤubigkeit der damaligen Araber wundern K 2 — ei- — einen Menschen, der ganz liederlich war, der sich voͤllig den wilden Ausschweifungen sei- ner Leidenschaften ergab — einen solchen Un- menschen fuͤr einen Gesandten Gottes zu halten! Man meint, daß Mohammed — ungeach- tet er der Liebe zum Frauenzimmer sehr ergeben war — im Grunde gegen das schoͤne Geschlecht wenig Hochachtung gehabt habe. Er gieng eben mit ihnen nicht aufs saͤuberlichste um, suchte sie immer zu hintergehen, begegnete ihnen sehr uͤbel, und gab so gar ein Gesetz, nach wel- chem es den Maͤnnern erlaubt war, ihre Wei- ber, wenn sie es verdienten, derbe durchzupruͤ- geln. Und doch war er so rasend eifersuͤchtig, als man sich immer nur einen Menschen denken kann. Wie er einstmal merkte, daß einige sei- ner Schuͤler mit einem verdaͤchtigen Eifer sein Hauß besuchten, und mit seinen Weibern etwas vertraut umgiengen; so glaubte er den Fehler nachdruͤcklich ahnden zuͤ muͤssen. Er erklaͤrte ihnen also von Seiten Gottes, daß sie nicht in des Propheten Haus, ohne sein Vorwissen ge- hen sollten, und der Wohlstand verlange es, sich sogleich nach der Mahlzeit, wenn er sie zum Essen eingeladen haͤtte, wegzubegeben, und sich nicht in weitlaͤuftige Unterredungen mit seinen Weibern einzulaßen. — Allem Ansehen nach muͤssen sein Frauen einen sehr harten Stand bey ihm gehabt haben: denn er verbot, daß niemand nach seinem Tode eine von denselben heyrathen heyrathen sollte. Sie mußten also insgesammt den harten Wittwenstand aushalten Was mußte wohl die Ayesha hierzu sagen, die damals gerade zwanzig Jahr alt war, wie der Prophet das Zeitliche seegnete! Wenn man sich hierbey denket, daß er diese Ayesha vorzuͤglich liebte; so muß man sich daruͤber wundern, daß er ihr einen so harten Stand anwieß. Aber was thut nicht die leidige Eifersucht! . Unter der Zahl der Weiber waren ihrer drey, die er aufs zaͤrtlichste zu lieben schien, nemlich Kadhige, Haphsa und Ayesha . Die erste starb drey Jahre vor dem Anfang der Hegira. Sie hat mit ihm acht Kinder gezeugt, die aber alle vor ihrem Vater starben, ausgenommen Fathime welche ihrem Vater einige Monathe uͤberlebte, und an den Aly verheyrathet war. Mohammed hatte so viel Hochachtung fuͤr sie, daß er sich mit ihr allein begnuͤgte und ihr keine zweyte Frau zugesellte. Aber so bald sie starb; so uͤberließ er sich ganz den Wolluͤsten. Haph- sa war eine Tochter Omars. Mohammed hey- rathete sie drey Jahre nach der Hegira, und vertraute ihr, da er starb, das Original seiner vorgegebenen Offenbarungen, d. i. die Mate- rialien, die zum Bau seiner neuen Religion dienten. Die Ayesha war nur sieben Jahr alt, wie er sie zur Frau nahm. Ihr Vater hieß Abdallah, nahm aber nachher auf Befehl K 3 des des Propheten den Namen Abubecker an, welches so viel als Vater des Maͤdchens an- deutet. Wie sie sehr viel Artigkeit und Witz zeigte; so ließ er sie sorgfaͤltig unterrichten, und sie machte ihren Lehrern viel Ehre. Vorzuͤglich erlangte sie eine genaue Kenntniß der arabischen Sprache. Er liebte sie ganz außerordentlich, ob sie gleich uͤberall ihrer Treulosigkeit wegen beruͤchtigt war. Er wußte, daß man von ihr allgemein uͤbel redete: aber um diesem Gerede gleichfalls ein Ende zu machen, verkuͤndigte er von Seiten des Himmels, daß alle die uͤblen Nachreden weiter nichts als schaͤndliche Ver- laͤumdungen waͤren. Und derjenige, der sichs fernerhin unterstuͤnde, von ihr auf eine uner- laubte Weise zu reden, sollte die gerechten Stra- fen Gottes erfahren. Nach Mohammeds Tode stand sie in großen Ehren, und man hielt sie fuͤr eine Prophetinn. Aber dem Aly, der sie des Ehebruchs wegen zuerst angeklagt hatte, konnte sie dieß nie vergeben. Sie legte ihm alles in den Weg, wenn er nach einer vorneh- men Stelle trachtete. Und wie er endlich, wi- der ihren Willen, Calife wurde; so stellte sie sich an die Spitze von 30000 Mann und bekriegte den guten Aly. allein dieser nahm sie gefan- gen, und verwieß sie nach Messina, wo sie im 67sten Jahre ihres Alters verschied. Mohammed war ohne alle Wissenschaft, und man haͤlt dafuͤr, daß er weder schreiben noch rechnen rechnen konnte Mohammed erzaͤhlt in seinem Koran selbst, daß er aller Gelehrsamkeit und Wissenschaft unkundig sey, ja er koͤnne weder lesen noch schreiben, und die Bekenner seiner Religion halten dieß eben fuͤr einen Beweiß der Goͤttlichkeit seiner Religion. Allein, wenn man bedenket, daß er ziemlich lan- ge die Kaufmannschaft in Arabien mit Nutzen getrieben, und daß dieses Gewerbe das Lesen und Schreiben schlechterdings erfordert; so ist es schwer zu glauben, daß der Mann so sehr un- wissend und ungelehrt gewesen sey. . Aber er war ein Kenner seiner Landessprache, druͤckte sich in derselben leicht und natuͤrlich aus. Selbst seine Aus- sprache war ruͤhrend und eindringend. — Dieß ist ein kurzer Abriß der guten und schlechten Seite Mohammeds. Es bleibt noch uͤbrig, daß wir itzt die Lehrsaͤtze seiner Religion, die noch itzt in ihrer voͤlligen Staͤrke in Arabien bluͤhen, naͤher auseinander setzen. Das ganze Religionsgebaͤude des Moham- meds besteht aus zween Haupttheilen. Der eine heißt Iman und faßt nur sechs Lehren, die geglaubt werden muͤssen, in sich: Die Leh- ren von Gott, seiner Einheit, und seinen Eigenschaften, von den Engeln und ihren Verrichtungen, von Gottes unbedungenem Rathschluße, oder von seiner unveraͤnder- lichen Vorherbestimmung des Guten und Boͤsen und aller menschlichen Schicksaale, von den goͤttlichen Schriften, von den K 4 Pro- Propheten, von der Auferstehung der Todten und dem allgemeinen Weltge- richte . — Der andre Haupttheil ist der Din (das Recht) und begreift die gottesdienstlichen Pflichten in sich. Diese sind das Gebet und die damit verknuͤpften Gebraͤuche, die Allmosen, die nothwendigen und freywil- ligen Fasten, und die Wahlfarth nach Mecca . Naͤchst diesem enthaͤlt der Koran noch andre Sachen, die eben nicht so wichtig sind, als daß sie in diesem Werke koͤnnten be- schrieben werden. Unter den Glaubenslehren ist die Wahrheit: es ist nur ein einziger Gott die wichtigste und erste, und kommt fast in allen Suren des Korans vor. Sie ist sowohl den abgoͤttischen Arabern, welche die Engel fuͤr Untergottheiten hielten und sie Gott beygesellten, als auch der christlichen Dreyeinigkeit entgegen gesetzt. Gott koͤnnte, nach Mohammeds Vorstellungsart, nicht zeugen, folglich auch im eigentlichen Ver- stande keinen Sohn haben, weil er keine Ge- mahlinn haͤtte. — Die Mohammedaner wer- fen insbesondere den Christen vor, daß sie a ) drey Personen in der Gottheit zuließen. O Christen , sagt der falsche Prophet in seinem Koran im 4 Kap., treibt die Sache in eurer Religion nicht zu weit, und redet nicht von Gott, außer in der Wahrheit . Sagt nicht: drey; enthaltet euch dieses Worts — denn Gott ist eins . b ) daß sie be- behaupteten, Jesus Christus, der Sohn der Ma- ria, sey Gottes Sohn und wahrer Gott. Mo- hammed macht ihnen hieruͤber folgenden Vor- wurf: Die Christen sagen: Christus ist der Sohn Gottes. Dieses Wort ist in ihrem Munde. Sie ahmen der Sprache der Unglaͤubigen nach, die vor ihnen gelebt haben. Gott vertilge sie. Wie koͤnnen sie so luͤgen? Der Betruͤger wiederholt diese Gotteslaͤsterung an einem andern Orte: Diese da , sagt er, sind die Unglaͤubigen, die da sagen, daß Jesus, der Sohn Mariaͤ, Gott sey; weil Christus es selbst gesagt hat . O Kinder Israel ehret Gott meinen Herrn und meinen Meister. — c ) Daß sie glaubten, Jesus Christus sey gekreuzigt wor- den Die Muselmaͤnner behaupten, nach der Lehre ihres Gesetzgebers, daß es nicht Christus gewe- sen, fondern ein Mensch, der Christo aͤhnlich gewesen waͤre: und diesen haͤtten die Juden ge- kreuzigt. . Hieraus sieht man offenbar, daß Moham- med sich von dem Geheimniß der Dreyeinigkeit eine sehr sinnliche und unrichtige Vorstellung gemacht habe. Man sucht vergebens, wenn man in seinem Koran tiefsinnige Vernunft- schluͤsse wider diese unbegreifliche Lehre aufsu- chen will. — Ueber die Beschaffenheit, Ein- theilung und Verschiedenheit der goͤttlichen Ei- K 5 gen- genschaften sind unter seinen Anhaͤngern sehr viele Streitigkeiten entstanden. Allein die Be- schuldigungen, daß sie Gott einen Koͤrper bey- legten, von ihm behaupteten, er selbst muͤßte taͤglich beten, und die Venus verehren, — sind falsch und ungegruͤndet. Den Engeln schrieb Mohammed aus Feuer bestehende Koͤrper zu, wieß ihnen sehr verschiedene Verrichtungen an, und vermengte seinen Lehrbegriff mit sehr vielen juͤdischen Fabeln und Fratzen. — Vier Engel hielt er fuͤr die vornehmsten. Den Gabriel gab er fuͤr den Engel der Offenbahrung und fuͤr die naͤchste Quelle des Korans aus, den Michael fuͤr den Beschuͤtzer der Juden, den Asrael fuͤr den Engel des Todes und Vollzieher der goͤttli- chen Rathschluͤsse uͤber den Tod der Menschen, und den Israfil fuͤr den Gerichtsengel, der nach dem Tode alle abgeschiedene Seelen untersuche, und an dem allgemeinen Gerichtstage die Po- saune blasen sollte. Jedem Menschen eignete er zwey mit einander abwechselnde Schutzengel zu. Azaziel , den er wegen seiner Verzweiflung auch Eblis nannte, war gefallen, und zur ewigen Strafe verurtheilt, weil er den Adam nicht habe anbeten wollen. Aus Rache, sich aus dem Himmel verstossen zu sehen, verfuͤhrte er die er- sten Menschen. Naͤchstdem nahm Mohammed noch eine Art von Mittelgeistern an, die er Důn nannte. Diese sollen Koͤrper von einer feurigen, aber groͤbern Materie, als die Engel, haben, vor der der Existenz der Menschen, die Bewohner der Erde gewesen seyn, essen und trinken, verschie- denes Geschlecht seyn, ihr Geschlecht fortpflan- zen und — sterben. Sie haben in verschiedenen Stuͤcken der Schedim der Juden viele Aehn- lichkeit. Die Lehre von der unveraͤnderlichen goͤttlichen Vorherbestimmung des Guten und Boͤsen hat Mohammed sonderlich seiner verschiedenen Kriege wegen, erfunden und sehr hoch getrieben, um dadurch seinen Soldaten Muth und Tapferkeit einzufloͤsen. Wenn sie glauben, daß sie zu der Zeit, da sie in einer Schlacht verwundet oder getoͤdtet werden, eben den gewaltsamen Tod auch außer der Schlacht nicht wuͤrden haben entgehen koͤnnen, und alle Behutsamkeit das Leben zu verlaͤngern, unzu- laͤnglich waͤre — mit welch einer Wuth und Verzweiflung mußten sie da nicht fechten! Die Mohammedaner gehen daher so weit, daß sie eine Gegenanstalt gegen die Pest fuͤr eine Versuͤndigung und fuͤr einen Widerspruch gegen die goͤttlichen Offenbahrungen ansehen. Mo- hammed wollte aber auch durch diese Lehre den Vorwurf, warum so viele unglaͤubig blieben, wenn er ein Gesandter Gottes waͤre, und war- um er seine vorgegebene Sendung nicht mit Wundern bestaͤtigte, ausweichen. Die Wunder erklaͤrte er fuͤr unnoͤthig, weil durch ein unwi- derrufliches Verhaͤngniß bestimmt waͤre, wer an ihn glauben sollte. Niemand, sagt er, kann kann glauben, den Gott in Irrthum zu stuͤrzen beschlossen hat. Von goͤttlichen Schriften und Offenbah- rungen zaͤhlt Mohammed hundert und vier. Adam hatte zehn, Seth funfzig, Enoch drey- ßig, Abraham zehn, Moses das Gesetz, David die Psalmen, Jesus das Evangelium, und Mo- hammed die letzte Offenbarung, oder den Koran, empfangen. Die ersten Offenbahrungen sollen verlohren gegangen, das Gesetz aber nebst den Psalmen und Evangelio — wodurch das neue Testament verstanden wird — von den Juden und Christen verfaͤlscht worden seyn. Und aus dieser Ursach sey der Koran vom Himmel ge- sandt, um die Verfaͤlschungen der vorigen Of- fenbahrungen aufzudecken, und die darinn ent- haltenen Wahrheiten ins Reine zu bringen und zu erklaͤren. Nach den Ueberlieferungen der Mohamme- daner sind unter der erstaunlichen Menge von Propheten drey hundert und dreyzehn, welche die wahre Religion von Verfaͤlschungen gerei- nigt, sechs aber, namentlich Adam, Noah, Abraham, Moses Jesus und Mohammed das Siegel aller Propheten, die neue Lehren einge- fuͤhrt haben. Christum erklaͤrt Mohammed, ob er gleich seine Gottheit leugnet, fuͤr einen Gesandten Gottes, fuͤr das Wort, wel- ches er in die Maria geleitet habe, und fuͤr einen von ihm ausgehenden Geist, erklaͤrt aber nicht zugleich, was fuͤr Begriffe er mit mit diesen aus dem Evangelio entlehnten Aus- druͤcken verbinde. — Die Wunder welche er Christo beylegt, sind fast alle aus dem apocry- phischen Evangelio von seiner Kindheit genom- men. Denn Mohammed nutzte mehr die apo- cryphischen Schriften, als das neue Testament. Sich selbst erklaͤrte er, bekanntermaßen, fuͤr den letzten und groͤßesten Propheten, und legt sich Vorzuͤge bey, die man unmoͤglich fuͤr Vor- zuͤge eines Gesandten Gottes halten kann, wenn man dagegen die Stimme einer auch nur etwas gereinigten Vernunft hoͤrt. So war er, zum Beyspiel, von allen Auflagen und Allmosen frey, durfte sich selbst an Fasttagen der Wollust uͤberlaßen, Ehebruch ohne Scheu begehen, seine Verlaͤumder toͤdten u. d. gl. m. Er hatte die Freyheit, alle Laster zu begehen, und wenn er sie begieng — wurden sie Tugenden. Wahrlich es gehoͤrt viel dazu, einen Gott zu gedenken, der seinen Gesandten solche Vorrechte ertheilt. Mohammeds Lehre von der Auferstehung und dem allgemeinen Weltgericht, ist mit vielen juͤdischen Fabeln vermischt. Die Seelen begleiten ihre Leiber ins Grab, und warten mit ihnen aufs allgemeine Weltgericht. Im Grabe wird von zween Engeln Moeker und Nakir eine Untersuchung der Handlungen der Verstor- benen angestellt. Koͤnnen sie eine solche Unter- suchung aushalten; so duͤrfen sie sich niederle- gen und ruhen, und Engel leisten ihnen Gesell- schaft. Bestehen sie aber bey einer solchen Un- tersu- tersuchung nicht; so werden sie von schwarzen Engeln gepeinigt, die sie mit eisernen Kolben und Zacken zerschlagen. Doch pflegen die Aus- leger des Korans diese Schlaͤge nur allegorisch zu erklaͤren. — Von der Auferstehung lehrt der Koran, daß von jedem Menschen ein kleiner Knochen, der der Anfang seiner Bildung sey, und den die Juden Luz, die Mohammedaner aber Al Aib nennen, unverweslich bleibe, und die Grundlage sey, woran hernach die uͤbrige Materie des Koͤrpers bey seiner Wiederherstel- lung sich ansetze. Ein dreymaliger Posaunen- schall, zwischen deren jeden vierzig Jahre verge- hen, soll das allgemeine Gericht ankuͤndigen. Der erste Schall heißt das Blasen der Be- stuͤrzung, da die Erde beben und alle Geschoͤpfe erschrecken werden. Der andere, das Bla- sen der Entseelung, da alle Geschoͤpfe sterben sollen. Der dritte, das Blasen der Aufer- stehung, da alle Menschen — die Gerechten bekleidet — die Gottlosen unbekleidet — aufer- stehen sollen. — Die Haltung des Gerichts wird Gott zugeschrieben; Mohammed aber wird als Fuͤrsprecher der Moslemim erscheinen. Alle Werke der Menschen werden aus einem Buche verlesen, und mit einer Wagschaale ge- wogen werden. Diejenigen, deren Wagschaale niedersinken wird, werden die Seeligkeit erhal- ten. Alle Menschen werden eine sehr große Bruͤcke uͤber die Hoͤlle, die feiner als ein Haar und schaͤrfer als die Schaͤrfe des Schwerdts ist, passiren passiren muͤssen. Die Verdammten werden herabgestoßen werden, die Gerechten aber mit wunderbarer Leichtigkeit ins Paradies hinuͤber eilen. Die Hoͤlle wird von ihnen außerordent- lich furchtbar vorgestellt. Vom Paradiese macht Mohammed seinen Schuͤlern folgende Beschreibung. Hier, sagt er, sind so viele Schalen, als Sterne am Himmel. Junge Maͤdchen und Knaben schenken ein, und warten bey der Tafel auf. Die Maͤdchen sind von einer Schoͤn- heit, die alle Einbildungskraft uͤbertrift. Wenn eine von diesen Maͤdchen im Him- mel oder in der Luft des Nachts erschien; so wuͤrde die Welt davon helle werden, nicht anders als wenn die Sonne schien; und wenn sie ins Meer spuckte, wuͤrde sie dessen salziges Wasser in Honig, und seine Bitterkeiten in Suͤßigkeiten verwandeln. – Wasser, Milch, Honig und weisser Wein, werden die Fluͤsse seyn, die diesen suͤßen Auffenthalt benetzen. Der Schlamm dieser Fluͤße, wird wohlriechende Muskaten, und die Kiesel, Perlen und Hyacinthen seyn … Der Engel Gabriel wird die Thore des Paradieses, den glaͤubigen Muselmaͤnnern oͤfnen. Das erste, was ihnen in die Augen fallen wird, wird eine Tafel von Diamanten, von einer so unge- heuren Laͤnge seyn, daß man siebenzig tausend Tage zubringen muͤßte, sie zu durch- durchlaufen. Die Stuͤhle, die herumste- hen, werden von Gold und Silber seyn, die Tischtuͤcher von Seide und Gold. Wenn sie sich gesetzt haben, werden sie die auserlesensten Gerichte des Paradie- ses essen, und von seinem Wasser trinken. Wenn sie satt sind, werden ihnen die schoͤnen Knaben, die sie bedienen, gruͤne Kleider von kostbaren Stoff, und Hals- baͤnder und Ohrgehaͤnge von Gold reichen. Einem jeden wird man alsdann eine Ci- trone geben, und wenn sie sie an ihre Na- se gebracht haben, um ihren Geruch zu empfinden: so wird ein Maͤgdchen von einer bezaubernden Schoͤnheit heraus- kommen. Jeder wird die Seinigen mit Entzuͤcken umarmen, und diese verliebte Trunkenheit wird funfzig Jahr, ohne un- terbrochen zu werden, dauren. Nachge- hends wird jedes Paar einen bezaubern- den Pallast zur Wohnung bekommen, wo sie die ganze Ewigkeit essen, trinken, und alle Arten von Wolluͤsten genießen werden. Dieß sind die vornehmsten Lehren, welche das beruͤhmte Buch, der Koran, enthaͤlt. Es ist in der That ganz zu verwundern, wie ein Mann, auch nur von den geringsten Einsichten, ein so seltsames Gemisch von Offenbarungen, laͤppischen Erzaͤhlungen, aber auch bisweilen von erhabenen Wahrheiten, habe erdenken koͤn- nen *)! nen! Es wird darinn von Krieg, von der Rhetorik, Meßkunst, Sternseherkunst und andern Wissen- schaften geredt, die dazumal in Arabien anfin- gen bekannt zu werden. Sonst ist im ganzen Korau keine Ordnung; viel Dunkelheit: sehr laͤcherliche Ueberschriften uͤber den Kapiteln: ewige Wiederholungen: Widerspruͤche ohne Zahl: die Bibel der Juden, und das Evange- lium der Christen auf eine laͤppische Art uͤber- setzt: viel Unflaͤtereyen: ein Paradies, wo man nichts als Maͤdchen, Ganymeden, Betten, Tische u. s. w. sieht. — Wenn jemals diese Voͤlker die Augen oͤfnen, und sich unter ihnen ein Philosoph erhe- ben sollte, dessen Weisheit die Finsterniß des Aberglaubens zerstreute; so wuͤrde es um die mohammedanische Religion sicher gethan seyn. Auch nur die geringste Pruͤfung wuͤrde alle ihre Grundfesten erschuͤttern. Allein Mohammed hat diesem Zufalle weislich vorgebauet, indem er alle Glaubens- und Religionsstreitigkeiten verboten. — Dieß ist sonder Zweifel noch das weiseste Gesetz im Koran. Der andre Hauptartikel der Religion Mo- hammeds begreift die gottesdienstlichen Pflich- ten in sich. — Die Araber halten sich fuͤr ver- pflichtet, des Tages fuͤnfmal wenigstens zu be- ten. Ein Murzin kuͤndigt gemeiniglich von der Hoͤhe der Moskee die Stunde des Gebets an, und ruft mit vernehmender Stimme: Allah Akbar, Allah! Mohammed resullula! sehr großer L großer Gott! sehr großer Gott! Mohammed ist sein Prophete. Das erste Gebet verrichten sie, nach dem Ritter Chardin, wenn der Tag anbricht, das zweyte zu Mittag, das dritte et- wa drey Stunden hernach, das vierte bey An- tritt der Nacht, und das fuͤnfte, wenn sie zu Bette gehen. Einige Casuisten verstatten es, daß das zweyte und dritte zugleich geschehen kann, und so auch das vierte und fuͤnfte. Und auf die Weise werden die fuͤnf Gebete auf drey herun- ter gesetzt. Andre sind der Meynung, daß man das Gebet des Morgens einige Stunden spaͤter verrichten koͤnne, wenn es nur noch Vor- mittags geschehe; und das Mittagsgebet koͤnn- te bis gegen Abend vor sieben Uhr verschoben werden. Allein der Ritter Chardin versichert, daß die wahren Muselmaͤnner diese gelinde Ent- scheidungen verwerfen, und ihre fuͤnf Gebete zu den einmal festgesetzten Stunden verrichten. Die Scheinheiligen und Priester stehen oft expres um Mitternacht auf und beten. Die Reinigung des Koͤrpers wird bey den Mohammedanern fuͤr ein wesentliches Stuͤck der Zubereitung zum Gebet angesehen. Diese Reinigung besteht darinn, daß man sich erstlich das Gesicht waͤscht, nach diesem die Haͤnde, die Armen bis an den Ellbogen, und endlich die Fuͤße In Ansehung der von Mohammed vorgeschrie- benen Reinigung koͤnnen sie die Bedouinen nicht . Um diese Reinigung so vollkommen als als moͤglich zu machen, muß man sich die Zaͤh- ne reinigen, den Mund ausspuͤlen, frisches Wasser durch die Nasenloͤcher ziehen, die Ohren reiben, den Bart kaͤmmen Eine laͤcherliche Einbildung der Araber besteht in der abgoͤttischen Verehrung ihrer Baͤrte. Sie sehen ihn an, als eine geheiligte Zierde, die ihnen Gott gegeben habe, um sich von den Weibern zu unterscheiden, und halten ihn fuͤr ein wesentliches Kennzeichen ihrer Vorrechte und ihrer Freyheit. Nach dem Beyspiele ihres Pro- pheten balbiren sie sich nicht: es ist dieß so gar eines ihrer Religionspuncte. Oftmals verstat- tet man es denen, die, nach ihrer Art zu reden, naͤrrisch Blut haben, sich zu rasiren: wenn sie aber verheyrathet sind, und sie es thaͤten; so wuͤrden sie vor Gericht, als Verbrecher ge- straft. Den Bart jemanden abschneiden, waͤre bey ihnen eben so schimpflich, als wenn jemand bey uns den Staubbesen bekoͤmmt: viele wuͤr- den lieber sterben, als sich den Bart abschnei- den oder abschneiden lassen. Die Weiber kuͤssen den Bart ihrer Maͤnner, und die Kinder ihrer Vaͤter, wenn sie kommen, ih- nen ihre Ehrerbietung zu bezeigen. Die Manns- personen, , und die Schaam- L 2 glieder nicht so genau beobachten, wie die Tuͤrken: sie haben nicht die Bequemlichkeit, das benoͤthige Wasser uͤberall zu finden, daher sie sich nur waschen, wenn sie an eine Quelle oder an einen Fluß kommen. Zuweilen, wenn sie glauben, eine groͤßere Reinigung noͤthig zu haben, tau- chen sie sich in das Meer. Uebrigens halten sie sich durchgehends im Gewissen dazu verbunden. glieder mit Wasser bespruͤtzen. Indessen ist doch alles dieses nicht schlechterdings noͤthig. Das Wasser, in welchem man sich reinigt, muß rein seyn, und man darf es nicht durch Urin, Spei- chel und andere dergleichen garstige Dinge be- sudeln. — Im Fall einer Krankheit, wo das Waschen dem Patienten gefaͤhrlich seyn koͤnnte, steht personen, wenn sie einander gruͤßen, oder von der Reise kommen, kuͤssen sich den Bart auf bey- den Backen. Bey ihren Besuchen, ist eine der vorzuͤglichsten Cerimonien, daß sie wohlriechen- des Wasser auf den Bart gießen, und sich nach- her mit einem gewissen Holze raͤuchern, um ihm einen angenehmen Geruch zu geben. Wenn sie den Bart kaͤmmen, welches taͤglich nach geendigten Gebet geschieht, breiten sie ein Tuch uͤber die Kniee, lesen alle etwa herunter gefallene Haare sorgfaͤltig auf, wickeln sie in ein Papier, und wenn sie eine Menge gesammelt haben, tra- gen sie sie auf den Gottesacker. Ein schoͤner, langer und starker Bart ist bey ihnen ein Ge- genstand der groͤßesten Verehrung: sie halten ihn fuͤr ein gluͤckliches Zeichen. Man darf nur diesen Bart ansehen, sagen sie, um versichert zu seyn, daß der, welcher ihn traͤgt, ein tugend- hafter Mann ist, dem Gott besondere Gnade erzeigt. Wenn ein Araber, mit einem schoͤnen Barte, einen wichtigen Fehler begeht, welches denn manchmal zu geschehen pflegt; so sagen sie: ist es nicht Schade um diesen Bart! Wie sehr ist dieser Bart zu bedauren. — Doch dieser Aberglaube ist nur bey den Bedouinen zu Hau- se. Der Leser verzeihe es, daß wir so viel vom Barte geredt haben. steht es ihnen frey, statt Wasser Erde zu ge- brauchen, womit man die noͤthigen Theile des Leibes beruͤhrt. Wenn diese Reinigung geschehen ist; so legen sie alle ihre Kleidungen, Gewehre und an- dre Sachen ab, um ganz arm zu erscheinen, so wie die ersten Menschen vor ihrem Schoͤpfer er- schienen. Sie breiten einen Teppich uͤber die Erde, auf welchem sie ihre Andacht verrichten. Auf diesem Teppich liegt gemeiniglich ein Kamm, Spiegel, Rosenkranz, ein rundes Stuͤckchen Er- de, worauf sie ihre Stirne legen, wenn sie be- ten, und der Koran. Nach diesen Zuruͤstun- gen waschen sie sich, und stehen einen Augenblick auf, lassen die Haͤnde an den Seiten herunter haͤngen, beobachten ein tiefes Stillschweigen, wodurch sie wollen zu erkennen geben, daß sie die groͤßeste Andacht beweisen. Ihr Gebet fan- gen sie mit den Worten an: Allah, Akbar welches so viel bedeutet, als, sehr großer Gott! Hierauf legen sie ihr Glaubensbekenntniß ab, sagen das erste Kapitel aus dem Koran her, und heben die Haͤnde und das Gesicht in die Hoͤhe. Wenn dieses geschehen; so fallen sie auf die Kniee und machen eine tiefe Verbeugung, so, daß der Kopf die Kniee beruͤhrt. Nach die- sen Verbeugungen lesen sie abermal ein Kapitel aus dem Koran, welches sie sich nach Belieben aussuchen koͤnnen: hernach wiederholen sie diese Verbeugungen, und so endigt sich das Gebet, welches etwa sieben bis acht Minuten dauert, L 3 es es sey denn, daß die gewaͤhlte Lection im Koran groͤßer waͤre. Eine der vornehmsten Pflichten, desjenigen, der seine Andacht verrichtet, besteht darinn, daß er die tiefste Aufmerksamkeit dabey beobachtet. Ein Wort, ein unmaͤßiges Lachen, ein starkes Husten, wenn es gleich wider Willen geschieht, und man sichs nicht erwaͤhren kann, machen, daß das Gebet nicht die gehoͤrige Kraft hat, und man sieht sich in die Nothwendigkeit versetzt, das Gebet wieder von vorne anzufangen. Alle Reisebeschreiber versichern, daß die Verrichtung der Andacht bey den Muselmaͤnnern, ungemein erbaulich sey. Sie beten mit außerordentlicher Ehrfurcht, und man kann nicht genug die De- muth und Aufmerksamkeit, bey Verrichtung ihres Gottesdienstes bewundern. Ihren Augen legen sie die gehoͤrigen Fesseln an, und ihre Be- wegungen des Koͤrpers sind genau abgemessen Wenn man es nun versuchen wollte, eine Pa- rallele zwischen der Andacht eines Muselmanns, und der eines Christen zu ziehen. — Hilf Him- mel! wie wuͤrde es da manchmal klappen. Je- doch es sey mir vergoͤnnt, hier eine Anmerkung zu machen, die leyder wahr, und fuͤr Christen wahrhaftig entehrend ist. Ich meine nemlich, die Ehrfurcht gegen Gott und Aufmerksamkeit, wenn religioͤse Dinge der Gegenstand der Be- schaͤftigung ist, scheint bey dem groͤßesten Thei- le der Christen nicht mehr zu Hause zu seyn. Vie- le unsrer Christen gehen nur — wenn es so weit . In In der Moskee wird bey den Sunniten das Gebet allemahl von einem Mollah ver- richtet. Das Volk giebt auf seine mancherley Bewegungen, die er macht, sehr genau acht. Der Mollah erhebt von Zeit zu Zeit seine Stim- me, pflegt folgende zwey Gesaͤnge herzusagen, welche die Muselmaͤnner eben so wiederholen, wie bey der Catholischen Haltung des Gottes- dienstes zuweilen uͤblich ist: 1) Ach mein gros- ser Gott! wie erhaben bist du! Wie be- muͤhen sich nicht alle deine Geschoͤpfe, dich zu preisen! Ruhm! Lob! Ehre! sey dei- nem Nam̃en. Alle Welt erkenne deinen Namen, denn es ist kein andrer Gott, als du. — 2) Im Namen Gottes voller Guͤte und Barmherzigkeit: Lobet Gott, der die Welt beherrscht, und dem Nie- mand gleich ist. Herr, der du alle Men- schen richten wirst: auf dich setzen wir al- le unsre Hoffnung. Beschuͤtze uns, o, Gott, da wir dich anrufen, so wie du es L 4 uns weit kommt — in die Kirche bloß zum Spaß, unsre Damen — um den Kopfputz in hohen Augenschein zu nehmen u. d. gl. Es waͤre bey- nah zu wuͤnschen, daß diese Leute Muselmaͤnner und Museldamen wuͤrden — denn wahrhaftig im Grunde treiben sie doch nur Spott. Doch wir wollen uͤber die Unaufmerksamkeit und Leicht- fertigkeit mancher Christen in Religionssachen kein Wort mehr sagen. Der Geistlichkeit bleib es uͤberlassen, dem Unwesen Graͤnzen zu setzen. uns befohlen hast, und weil wir dein aus- erwaͤhltes Volk sind. Unser Weg, den wir geher, ist nicht der der Unglaͤubigen, auf welche du gerechter weise erzuͤrnet bist. Hierauf werfen sie sich auf die Knie und be- ten mit ihrem Iman: Wir bekennen, daß Gott Gott ist, daß er einzig und ewig ist, daß er niemals erzeugt, daß er unerschaf- fen, und seines Gleichen nicht hat. Das ganze Gebet endigt sich mit diesen Worten: daß unsre Verehrung und unsre Gebete einzig und allein zu Gott gerichtet seyn moͤge, Friede und Seligkeit sey uͤber den Propheten. Die Gnade, der Seegen und der Friede des Herrn sey bey uns und al- len Dienern Gottes. Wir bekennen, daß nur ein einziger Gott ist, der weder sei- nes Gleichen noch Gefaͤhrten hat, und daß Mohammed der Prophet und Ge- sandte Gottes ist. Bevor sie aus der Mos kee gehen, verrichten sie ihr Gebet noch kuͤrzlich an zwey Engel, wovon einer zur Linken, der an- dre zur Rechten Gottes seyn soll. Der eine sieht weiß aus: und floͤßt dem Menschen gute Gedanken ein; der andre ist schwarz, und von dem kommen alle boͤse Gedanken in den Men- schen. Die Rosenkraͤnze, deren sich die Moham- medaner bedienen, sind aus einem geheiligten Stuͤckchen Erde, welches aus Mecca oder Medi- na na geholt wird, verfertigt. Ihre Gestalt kommt den Rosenkraͤnzen der Catholicken ziem- lich nahe. Sie enthalten gemeiniglich neun und neunzig Kuͤgelchen von gleicher Groͤße. Bey den drey und dreyßig ersten Kuͤgelchen beten sie: Gott ist groß! Bey folgenden drey und dreyßig: Ruhm und Preiß sey Gott! und bey den letzten drey und dreyßig: Gott sey gelobt. Man sieht also, wie viel aͤhnliches die Rosenkraͤnze der Mohammedaner mit den der Catholicken haben. Das Fasten ist eine andre Pflicht, welche das Gesetz Mohammeds vorschreibt. Seine Anhaͤnger muͤssen sich des Gebrauchs des Weins und des Schweinefleisches enthalten. Der Ra- masan waͤhret dreyßig Tage. Er faͤngt mit Aufgang der Sonne an, und endigt sich mit dem Untergange derselben. Waͤhrend dieses Zwischenraums ist es weder erlaubt zu essen oder zu trinken, noch auch mit dem Frauenzim- mer sich einzulassen. Es waͤre ein Verbrechen, wenn man nur einen Tropfen Wasser herunter- schluckte, und man wuͤrde dadurch die Fasten unterbrechen. Kranke und Passagier sind hier- von ausgeschlossen, sie sind aber verbunden, so bald sie wieder gesund sind, oder die Reise vol- lendet haben, die vernachlaͤßigten Fasten nach- zuholen. Sollten sie sterben, und also nicht selbst fasten koͤnnen; so muͤssen sie ihren naͤchsten Anverwandten die Commission geben, in ihren Namen zu fasten. — Sobald es Nacht wird, L 5 ist ist es erlaubt zu essen und zu trinken, und da geht es dann bunt uͤber. Wollte man sich z. E. des Nachts auch vernuͤnftig betragen, und sich den ausgelassenen Vergnuͤgungen entziehen; so waͤre das ein unvernuͤnftiger Eifer, welchen Mohammed selbst in seinem Koran verdammt. Gott hat erkannt, sagt er in seiner 2ten Sure, daß durch eine unsinnige Heucheley, der Mann in dieser Fastenzeit gegen seine Frau und diese gegen ihren Mann, einen Raub begienge. Er hat deswegen Mitleiden uͤber euch gehabt, und gegen euch Nach- sicht beweisen wollen. Ueberlasset euch also, sobald die Nacht hereinbricht, allen euren Begierden, und sucht dasjenige Vergnuͤgen, welches euch Gott vorge- schrieben hat. Dieser wolluͤstige Prediger hatte einmal seine Zuhoͤrer durch eine Rede so sehr geruͤhrt, daß sie sich entschlossen, den gan- zen Tag zu fasten, und die halbe Nacht im Be- ten zuzubringen, allen Umgang mit den Wei- bern zu entsagen. Wie Mohammed dieß er- fuhr, soll er sie zu sich kommen lassen, und ih- nen gesagt haben: Ist es wahr, daß ihr euch entschlossen habt, Moͤnche zu wer- den? worauf sie geantwortet: Nichts, o Ge- sandter Gottes, ist wahrer, und wir su- chen blos hierinn eine große Vollkommen- heit. Mohammed antwortete: Aber dieß ist mir nicht befohlen worden. Ihr muͤßt fuͤr euch selbst sorgen. Fastet oder bre- chet chet die Fasten, wachet oder schlafet: denn ich wache oder schlafe, ich faste oder breche die Fasten, ich esse Fleisch oder schla- fe bey der Frau; und wer sich von meinen Geboten entfernt, ist meiner nicht wuͤr- dig. Was wollt ihr damit, daß ihr euch das Vergnuͤgen mit den Weibern, das Essen und Trinken, den Gebrauch des Raͤuchwerks, den Schlaf und die uͤbrigen Annehmlichkeiten des Lebens versagt? Hab ich mir etwa vorgesetzt, in Arabien eine Gemeinde von Priestern und Moͤn- chen zu stiften? Mein Wille ist, daß die Muselmaͤnner ein kriegerisch Volk und kei- ne Einsiedler seyn sollen. Euer Beruf ist, durch eure Waffen alles in Schrecken zu setzen. Ehret Gott und betet ihn allein an, beobachtet die Wahlfarth nach Mec- ca, betet so, wie es euch ist vorgeschrie- ben worden, bezahlt die Zinsen, fastet in dem Ramasan, seyd gerecht gegen die an- dern, so wird man es gegen euch seyn. Eure Vorgaͤnger sind umgekommen, weil sie ein allzustrenges Leben gefuͤhrt haben; Gott hat sie mit Strenge verworfen, und die Ueberbleibsel dieser Ungluͤcklichen sind jetzo in den Kloͤstern zerstreut. Waͤhrend dieser großen Fastenzeit sind die Moskeen des Nachts von innen und außen praͤchtig erleuchtet; und man kann in den großen Staͤd- Staͤdten nichts schoͤners sehen als eben diese Erleuchtung. Das Ende der Fasten wird sehr praͤchtig gefeyert, welches die Mohammedaner Bairam nennen. Das Fest dauert drey Tage. Den A nfang desselben kuͤndigt man dem Volke durch Abfeurung des Geschuͤtzes und bey Trom- peten und Trommelschall an. Ein jeder bemuͤ- het sich alsdann im Tempel praͤchtig zu erschei- nen. Freunde und Feinde versoͤhnen sich, und beguͤterte Menschen laßen einiges Vieh schlach- ten, um das Vergnuͤgen zu haben, Arme spei- sen zu koͤnnen. Wir finden auch im Koran hin und wieder dringende Befehle des Mohammeds, Almosen auszutheilen, und man muß sagen, daß seine Anhaͤnger diesen Befehl auf das Genauste erfuͤl- len. Einer theilt dem andern gerne mit, und diese Wo lthaͤtigkeit treiben sie so hoch, daß sie zuweilen, Voͤgeln, Katzen, Hunden, zu fressen geben, ja wohl gar Freßhaͤuser fuͤr sie bauen laßen. Dieß aber sind blos willkuͤhrliche Wohl- thaten. Allein es giebt noch andre, welche das Gesetz zu gewissen Zeiten vorgeschrieben hat, und welche schlechterdings muͤssen verrichtet wer- den. Ein jeder wahrer Muselmann muß nem- lich jaͤhrlich einen gewissen Theil seines Vermoͤ- gens unter die Armen austheilen. „Das Ver- moͤgen, sagt Chardin, welches dieser Art von Zehnten unterworfen ist, besteht in gemuͤnzten Golde und Silber, Getreyde, Fruͤchten und Vieh. Gold und Silber geben zwey und ein halbes Procent Procent, wenn man den Werth von zwey hun- dert Derhem, das ist ohngefaͤhr drey Mark besitzt. Wenn sich dasjenige, was druͤber geht, auf vierzig Derhem belaͤuft; so ist das uͤbrige der Zehnte und so weiter von vierzig zu vierzig. Die Fruͤchte, auf guten Boden, geben zehn von hundert, und auf mittelmaͤßigen Boden, fuͤnf von hundert. Von Schaafen, Ochsen u. s. f. giebt man auch den Zehnten„. Diese Zehnten koͤnnen zum Unterhalt der Armen, der Gefangenen, zu Erbauung der Moskeen, Carwansereyen, Schulen, Bruͤcken, oͤffentlichen Brunnen und andern Dingen ge- braucht werden. — Man hat auch noch andre Guͤter, welche einen noch viel staͤrkern Tribut geben, welches man den doppelten Zehnten nennt, weil er den dritten Theil des Kapitals betraͤgt. In diese Klasse rechnet man erstlich, die Beute, welche den Unglaͤubigen im Kriege abgenommen worden. Zweytens, die Einkuͤnfte aus den Bergwerken, es sey an Erz oder herr- lichen Steinen. Drittens, alles was man auf dem Boden des Meers fischet. Viertens, schlecht erworbenes Gut. Man ist nicht ver- bunden, wenn man davon den fuͤnften Theil den Armen giebt, das Uebrige wieder herauszu- geben. Fuͤnftens, alles, was man in einem unglaͤubigen Lande findet. Ein andres Stuͤck des mohammedanischen Gesetzes besteht in den Wallfahrten nach Mecca. Mohammed hat es in seinen Spruͤchen aufs nach- nachdruͤcklichste befohlen, daß derjenige gewiß verdammt werden wuͤrde, der dieß Gebot ver- saͤumte. Wir halten es als hieher gehoͤrig, von diesen Wallfarthen nach Mecca das Noͤthigste zu erzaͤhlen. Die Staͤdte Mecca und Medina, welche in der Provinz Hedsj â s liegen, gehoͤren eigentlich zu der Herrschaft des regierenden Scherifs zu Mecca. — In diesem letzten Orte wurde be- kanntermaßen Mohammed gebohren, und in Medina fand er sein Grab. Beyde Oerter wer- den als heilig angesehen, und keiner, der nicht ein Mohammedaner ist, oder zu werden gedenkt, darf sich der Stadt Mecca weiter als bis Dsjid- da naͤhern, dafern er sich nicht den entsetzlichsten Strafen aussetzen will, diese Entheiligung zu versoͤhnen. Mecca, davon wir zuerst reden wollen, liegt eine starke Tagereise von Dsjidda, am Fuße eines hohen Berges. Die Gegend nahe um Mecca herum, ist ganz duͤrre und un- fruchtbar, doch findet man in den naͤchsten ber- gigten Gegenden einen Ueberfluß an den schoͤn- sten Fruͤchten. Die Hitze, welche man hier in den heissen Sommermonathen verspuͤrt, ist sehr groß, und um sich fuͤr die Hitze einigermaßen zu schuͤtzen, sind die Einwohner genoͤthigt, in dieser Jahrszeit Thuͤren und Fensterladen zuzu- schließen, um sie abzuhalten, auch die Gassen mit Wasser zu bespritzen, um dadurch die Luft abzukuͤhlen. — Die Stadt an und vor sich ist ziemlich groß, reich und bevoͤlkert; sie soll we- der der mit Mauren noch Waͤllen umgeben seyn, weil ihre Heiligkeit sie beschuͤtzt und wider alle Anfaͤlle vertheidigt. Sie hat sehr viele große, und, nach arabischer Art, schoͤne Gebaͤude, weil der vornehmste Adel aus Hedsj â s hier wohnt, und diese Stadt als das Waarenlager fuͤr In- dien, Syrien, Egypten und die uͤbrigen tuͤrki- schen Laͤnder angesehen werden kann, und sich hier jaͤhrlich viele tausend Kaufleute und Pil- grimme, gleichsam um die Stadt zu bereichern, versammeln. Unter diesen merkwuͤrdigen Gebaͤuden unter- scheidet sich besonders die Kaba, oder das so- genannte Beit Allah d. i. das Haus Gottes, welches schon vor Mohammed von den Arabern in großen Ehren gehalten worden ist, und itzt, nach den mohammedanischen Gesetzen, von ei- nem jeden, der sich zu dieser Religion bekennt, und der das Vermoͤgen zu einer solchen Reise hat, wenigstens einmal besucht werden soll Diese Beschreibung gehoͤrt Herrn Niebuhr zu. . Wenn gleich die Mohammedaner keinem Christen erlauben wollen, selbst nach Mecca zu reisen; so sind sie doch willig genug ihnen ihre Beschreibungen von der Kaba zu zeigen, und sie von den Cerimonien, welche ihre Religion den Pilgrimmen befiehlt, muͤndlich zu unter- richten. Das Gebaͤude, welches in der Mitte auf dem großen mit Schwibbogen umgebenen Platz Platz steht, ist eigentlich die Kaba, fuͤr welche die Mohammedaner so viel Ehrfurcht haben, daß sie, in welcher Gegend der Welt sie auch seyn moͤgen, bey dem Gebet ihr Gesicht dahin kehren. Die Ursache, warum sie die Kaba so in Ehren halten, ist, weil sie glauben, daß Abraham sie, um seine Andacht hier zu verrich- ten, erbaut habe. Das Gebaͤude Abrahams aber soll etwas mehr oͤstlich gestanden haben, und man soll noch einige Ueberreste von dessen Mauern, oder vielmehr Zeichen sehen, wo sie gewesen sind. Die Baukunst ist an der itzigen Kaba gar nicht verschwendet. Sie ist nur ein kleines Gebaͤude und viereckigt, wie bereits von vielen Schriftstellern ist bemerkt worden. Die Thuͤre ist nach Suͤden (Sales sagt, sie sey gegen Osten gelegt) und nicht in der Mitte, sondern mehr nach der suͤdwestlichen Ecke, und so hoch, daß man von der bloßen Erde mit der Hand, kaum die Schwelle erreichen kann. Man steigt zu derselben auf keiner steinernen Treppe, son- dern auf einer beweglichen hoͤlzernen Leiter. Die Thuͤr der Kaba wird jaͤhrlich nur an zweyen Tagen geoͤfnet, außerordentliche Faͤlle ausge- nommen, und alsdenn ist es auch einem jeden nicht erlaubt, hinein zu steigen, sondern nur den Vornehmen, oder solchen, welche einige Ver- bindung mit ihnen haben. Von den vielen Kostbarkeiten, welche nach dem Bericht einiger Europaͤer in diesem Gebaͤude seyn sollen, hat unser Verfasser nichts gehoͤrt, vielmehr hat man ihn ihn versichert, daß nichts außerordentliches dar- inn zu sehen sey. Das Merkwuͤrdigste an diesem Gebaͤude ist der so genannte schwarze Stein, welcher in der suͤdwestlichen Ecke eingemauert ist. Diesen Stein soll der Engel Gabriel zum Bau der Ka- ba vom Himmel herabgebracht haben. Er soll weiß, und wie ein mohammedanischer Geistli- cher behauptete, so glaͤnzend gewesen seyn, daß man sein Licht vier Tagereisen weit habe sehen koͤnnen. Er soll aber so sehr uͤber die Suͤnden der Menschen geweint haben, daß er sein Licht nach und nach verlohren habe und endlich ganz schwarz geworden ist. Kein Koͤrper in der Welt ist wohl mehr geliebkoset worden, als dieser Stein. So oft ein Mohammedaner um diese Kaba geht, und seine Andacht verrichtet; so oft kuͤßt er ihn auch, und wenn er wegen der Men- ge der Menschen diese Ehre nicht haben kann; so sucht er ihn doch wenigstens mit der Hand zu beruͤhren. Dieser Stein ist in Silber ein- gefaßt, doch muß die Einfaßung nicht sonder- lich seyn. Etwa auf zwey drittel der Hoͤhe dieser Kaba sieht man rund um dieselbe das beruͤhmte schwarze seidne Tuch, auf welchem Spruͤche aus dem Koran mit purem Golddraht genaͤht und wovon die Buchstaben so groß sind, als die Mohammedaner sie sonst in ihren Innschriften an die Waͤnde zu mahlen, und in Holz oder Steine auszuhauen pflegen. Dieses kostbare M Tuch Tuch wird in dem alten Pallaste der ehemaligen Beherrscher von Egypten zu Kahira genaͤhet, und jaͤhrlich auf Kosten des Sultans veraͤndert. Die Rinne, worinn das Wasser oben von dem Dache herunter faͤllt, ist von purem Golde. Um die eigentliche Kaba geht ein Gelaͤnder von metallenen Pfeilern, die durch Ketten, an welchen silberne Lampen und Leuchter hangen, verbunden sind. Nahe bey diesen sind die vier Gebethaͤuser der verschiedenen Secten der Sun- niten, und der Platz, auf welchem Abraham sein Gebet soll gehalten haben, als die Kaba gebauet worden. Hier ist wahrscheinlich auch der Stein Abrahams. Um diesen und um den Stein Ismaels scheinen sich die Pilgrimme nicht zu bekuͤmmern. — Auf diesem großen Platze sind auch drey Gebaͤude. Eins ist uͤber dem Brunnen Zemsen, dessen Wasser bey den Mo- hammedanern fuͤr sehr schaͤtzbar gehalten wird, und welcher durch ein Wunderwerk hat entstehen oder entdeckt werden muͤssen. Die Hagar nem- lich hat ihren Sohn Ismael hier im Sande niedergesetzt, um allein desto besser herumlaufen und Wasser suchen zu koͤnnen. Da aber diese gute Frau lange vergebens gesucht hatte, und betruͤbt zu ihrem Sohne zuruͤckkehrte, fand sie zu ihrer groͤßesten Verwunderung, auf der Stelle wo der kleine Knabe im Sande gespielt hatte, das Wasser zwischen seinen Fuͤßen hervor- quillen. — Eine Fabel, die, wie es scheint, die Mohammedaner von den Catholiken uͤber- kommen kommen haben. In den beyden uͤbrigen Ge- baͤuden wird das Silbergeraͤth, Oehl, Wachs- lichter u. d. gl. aufbewahrt. So weit Herr Niebuhr. Itzt aber wollen wir von den Wall- fahrten selbst reden. Wir haben bereits gesagt, daß jeder recht- schaffene Muselmann wenigstens einmal in sei- nem Leben, eine Reise nach Mecca thun muͤsse. Die eifrigen Anhaͤnger Mohammeds begnuͤgen sich aber damit nicht, und manche gehen alle zehn Jahre dahin. Zu dieser Absicht schlaͤgt man sich zusammen in Haufen, oder Karwa- nen, um im Stande zu seyn, sich wider die Araber zu vertheydigen, die die Pilgrimme an- fallen, und sie ohne Barmherzigkeit auspluͤn- dern. Jaͤhrlich gehen fuͤnf große Karwanen nach Mecca; eine aus Indien; eine aus Per- sien; eine von Damaskus; eine von Cairo und eine von den Mugrebins, welche die Kuͤsten der Barbarey und die Laͤnder von Fetz und Maroc- co, unter sich begreift. Diese schließt sich alle- mal an jene von Cairo an, so, daß sie auf hun- dert tausend Menschen anwaͤchst, Weiber und Kinder darunter mit verstanden. Von dieser letztern wollen wir hier reden; und sie kann zum Muster dienen, um die uͤbrigen darnach zu beurtheilen. Die Andachtsreisen erfordern eine unzaͤhlige Menge Gebete und Cerimonien. Jede Handlung, jeder Schritt, und so zu sagen, jede Bewegung des Pilgrimms ist durch besondre M 2 Kir- Kirchenverordnungen vorgeschrieben, und hat ihr eignes darauf eingerichtetes Gebet. Um sich zu dieser beruͤhmten Wallfarth vorzubereiten, muß man erstlich seine Schulden bezahlen, (eine noͤthige Vorsicht) sich mit seinen Feinden aus- soͤhnen, (sehr christlich gedacht) seiner Familie so viel Geld zuruͤcklaßen, daß sie unterdessen leben kann, und zu den Reisekosten kein anders, als ehrlich erworbenes Geld mitnehmen. Wenn der Pilgrimm aus seinem Hause abgehet, ver- neigt er sich zweymal, und brummt ein Gebet her. Hierauf nimmt er Abschied von seiner Fa- milie, und die Worte die er sagt, sind im Ge- setze vorgeschrieben. Nach einigen Religionsuͤbungen, die ohn- gefaͤhr drey Tage dauern, ließt man sich einen Obern aus, dem man sich eidlich verbindet, ge- horsam zu seyn. Nachdem man nun im eifri- gen Gebete Gott um seinen Schutz angerufen hat, begiebt man sich auf den Weg. Damit die Pilgrimme vor den Anfaͤllen der Araber sichrer seyn, giebt ihnen der Großherr einen Pascha mit, der die Karwane bedecken muß. Man reist, wegen der großen Hitze, nur des Nachts. Und wenn der Mond nicht scheint, zuͤndet man Laternen an. Man hat keine andre Eßwaaren, als die man bey sich fuͤhrt; denn man findet uͤberall wo man hinkommt nichts, ja nicht einmal trinkbares Wasser. Der Zug geschicht in Ordnung, und jedes haͤlt sich zu sei- nem Vorgesetzten, die auf Kameelen reiten. Die Die Kameele gehen, eins an des andern Schwanz gebunden, hinter einander her, und die vorder- sten fuͤhren. Auf dem ganzen Wege, der ohn- gefaͤhr sechs bis sieben und dreyßig Tage betraͤgt, werden Verse aus dem Koran gesungen. Die Begierde, diese Pflicht zu erfuͤllen, ist so groß, daß manche ganz entkraͤftet hinfallen und unter dem Singen sterben. Zuerst geht die Reise auf den Berg Arat, wo die Pilgrimme einen Theil ihrer Kleider ablegen, und einen weissen Mantel umhaͤngen. Sie gehen in Procession um den Berg herum, und veranstalten hernach ein Schlachtopfer, zum Gedaͤchtniß des Opfers Abrahams. Zwey Tage vorher, ehe sie nach Mecca kommen, legen sie vollends ihre Kleider ab, und machen sich Sohlen an die Fuͤße, um die heilige Erde nicht mit bloßen Fuͤßen zu be- treten. Auf diese Art bringen sie acht Tage lang sehr eingezogen hin, sie beten unaufhoͤrlich, theilen viele Almosen aus und essen nur des Abends. Nach Verlauf dieser Zeit wird die Reise fortge- setzt, und so bald man, auch in der groͤßesten Entfernung, die Thore der Stadt erblickt, faͤllt man nieder, und beruͤhrt die Erde dreymal mit der Stirne. Man geht nachher, unter Anstimmung geistlicher Gesaͤnge, zu Ehren des Propheten vollends in die Stadt. Die Wall- farth nach dem Kaba dauert nur drey Tage, und derjenige, der zuerst den schwarzen Stein kuͤßt, wird fuͤr einen Heiligen gehalten; es muß M 3 aber aber an einem Freytage, und an einem von den dreyen Tagen geschehen, auch am Ende eines langen Gebets: Jedermann wirst sich alsdann dem Heiligen zu Fuͤßen und kuͤßt ihn. Es er- eignet sich aber oftmals, daß er bey dem großen Zulaufe erdruͤckt wird. Nach den dreyen Tagen wird eine Procession um den Kaba gehalten, und die folgende Nacht bleibt man in Minet, einem Dorfe, das drey Meilen davon liegt. Den andern Morgen als an dem kleinen Bai- ram-Feste, nimmt jeder seine Kleider wieder, und schlachtet etliche Schaafe, die unter die Ar- men vertheilt werden. Das Possierlichste bey dieser Reise ist, daß die Pilgrimme verbunden sind, auf die Zeit, da sie sich in Mecca aufhal- ten, sie sey auch noch so kurz, sich zu verhey- rathen. Die Weiber die sie nehmen, und aus dem Lande find, haben auf diese Art alle Jahre einen andern Mann. Die Kinder die aus die- ser fluͤchtigen Ehe gezeugt werden, haben sich einer gewissen Achtung zu erfreuen, weil man glaubt, daß ihre Geburt dem Gebete des Pro- pheten zuzuschreiben sey. Wenn man aus Mecca wieder abreist, wird der Weg abermals uͤber den Berg Arat genommen, wo man sich drey Tage lang aufzu- halten pflegt. Jeden Tag muß man aber sieben Steine auf den Berg werfen, und siebenmal um ihn herum gehen. Diese Steine werden dem Teufel an den Kopf geworfen, der es sich unterstand, Abraham an diesem Orte zu versu- chen chen, und ihm vorschlug, er sollte den Ismael anstatt des Isaaks opfern. Man begiebt sich nachher wieder nach Minet, und verehrt daselbst eine Vertiefung in einem Felsen, die durch des Mohammeds Kopf entstanden ist, der, bey ei- nem gethanen Fehltritt, wider den Felsen stieß, dieser aber so gleich sich erweichte, daß der Pro- phet nicht beschaͤdigt wurde. Es ist dieses die letzte Handlung der Pilgrimme, nach welcher sie von dem Iman den Seegen erhalten, sich auf- machen und den Weg nach Medina antreten. Diejenigen Pilgrimme, die von Mecca nach Jerusalem gehen, und den Tempel Salo- mons besuchen, stehen wegen dieser doppelten Reise in großen Ansehen. Man setzt alles moͤg- liche Vertrauen in sie, und wenn sie vor Gerich- te erscheinen, koͤnnen sie sicher falsche Zeugniße ablegen, ohne daß sich jemand unterstehen wuͤrde, ihnen zu widersprechen, oder sie zu beschuldigen. Die Wallfarth nach Medina geschieht nicht aus Schuldigkeit: sie hat auch nicht so viel Rechte als die erste, welche von allen loßzaͤhlt; selbst von den Verbrechen, wovon man vor Ge- richt nicht so davon kommen wuͤrde. Indessen gehen doch alle, so nach Mecca reisen, auch hin nach Medina. Diese Stadt liegt in einer Ebene, drey Ta- gereisen von Yambon, einer kleinen Stadt und Hafen, am rothen Meere: sie ist weder so groß noch so reich als Mecca. Sie ist aber besser gebauet und vielleicht ist auch ihr Handel fast M 4 eben eben so betraͤchtlich. Man bewundert die Schoͤnheit ihrer Moskeen: und diejenige, die man die große Moskee nennt weil Mohammeds Grab darinn verwahrt wird, liegt mitten in der Stadt auf einer Hoͤhe. Der Eingang dazu besteht aus einem Peristil, von marmornen Do- rischen Saͤulen, die aber miserabel gearbeitet und zu stark sind. Das Grab des Propheten ist in einem Thur- me, oder runden Gebaͤude verwahrt, das mit einer Kuppel uͤberbaut ist, welche Turba genennt wird. Dieß runde Gebaͤude ist von der Haͤlfte bis an die Kuppel offen, und mit einem Gange umgeben, in dessen Mauer viel Fenster mit sil- bernen Gittern, angebracht sind. Die Mauer des Gebaͤudes hat keine Oefnung, sie ist aber mit einer so großen Menge kostbarer Steine und Diamanten bedeckt, besonders an dem Or- te, der auf dem obersten Theil des Sarges trift, daß vielleicht kein reicherer Ort zu finden ist. Man bewundert unter andern zwey Diamanten, davon der eine zwey Finger breit, und nach Verhaͤltniß lang ist; der andre, noch groͤßere, ist nur die Haͤlfte von einem, den Osmann, Achmets Sohn, zerschneiden ließ, und die eine Haͤlfte nach Medina schickte die andre aber fuͤr sich behielt und seinen Turban damit schmuͤckte. Diesen haben die Großherrn seitdem bestaͤndig getragen, und man haͤlt ihn fuͤr den schoͤnsten im ganzen Reiche. In die Galerie, und in den Turba geht man, nach dem Bericht einiger Schrift- Schriftsteller, durch Thuͤren von gediegenem Silber, mit zweyen Fluͤgeln, wie die von dem Kaba. Die Pilgrimme kommen nicht in den Turba; das Gedraͤnge wuͤrde zu groß seyn: sie sehen also nur die Kostbarkeiten der Galerie. Wenn sie weg sind, laͤßt man sich die Thuͤre des Gebaͤudes aufmachen. Der Sarg des Mohammeds steht zwischen des Abubeker und Omar ihren, auf der Erde, dem uͤbrigen Boden gleich. Der eiserne Sarg also, von dem man sagt, daß er vermittelst eines in dem Gewoͤlbe angebrachten Magneten in der Hoͤhe erhalten wuͤrde, ist eine bloße Fabel. Er ist von weissem Marmor, und mit einem reichen Teppiche bedeckt, wie die von den Groß-Sul- tanen, und tuͤrkischen Paschen. Drey tausend silberne Lampen brennen bestaͤndig in dem Be- graͤbniße, und das Oehl, das dazu gebraucht wird, ist so rein, daß es nicht den geringsten Geruch von sich giebt. Die Thorheiten, die um den Grabe gemacht werden — uͤbergehen wir. Wir begnuͤgen uns damit, zu wissen, daß Mecca und Medina der Mittelpunct des mohammedanischen Aberglaubens sind und folg- lich kann man sich die dabey vorgehenden Aus- schweifungen sehr leicht vorstellen. M 5 Drittes Drittes Kapitel. Von der Kleidung — Vom Essen und Trinken und Wohnung der Araber. D ie Araber tragen, so wie die Tuͤrken und Indianer, lange Kleider, doch sind sie in einigen Stuͤcken sehr von einander verschieden. Die vom mittlern Stande in Jemen haben weite Beinkleider, und uͤber dieselben in Teh â ma ein weites weisses, in der bergigten Gegend aber blau und weisses Hemd mit sehr langen und weiten Ermeln. Sie tragen gemeiniglich einen gestickten, oder mit Silber beschlagenen ledernen Guͤrtel und in demselben mitten vor dem Leibe, ein breites krummes und vorne spitziges Messer, mit der Spitze nach der rechten Seite. Ihr Oberkleid geht nur ein paar Handbreit unter die Knie, und hat keine Ermel aber Unterfutter. Auf der einen Schulter tragen sie ein großes feines Tuch, eigentlich, um sich damit bey reg- nigten Wetter zu bedecken, und bey Sonnen- schein sich gegen die Hitze der Sonne zu schuͤtzen, itzt aber auch bloß zur Zierrath. Ihr Kopfputz ist sowohl kostbar als unbequem. Denn sie tragen zehn bis funfzehn Muͤtzen uͤber einander, wovon zwar einige nur von Leinwand, andre aber auch von dicken Laken und Baumwolle aus- genaͤht sind, und die oberste ist zuweilen kostbar mit mit Gold brodirt. Gemeiniglich findet man auf den Muͤtzen die Worte: la allah illa allah, Mohammed rassul allah, oder auch einen andern Spruch aus dem Koran. Dieß ist noch nicht die ganze Last, die ein Araber auf dem Kopfe tragen muß, sondern er windet um die Menge Muͤtzen ein großes feines Nesseltuch. Dieß hat an beyden Enden schoͤne seidne und wohl gar goldene Franzen, die man zwischen den Schultern auf dem Ruͤcken herunter hengen laͤßt. Es wuͤrde sehr unbequem seyn diese große Last bestaͤndig auf dem Kopfe zu tragen. Die Araber setzen deswegen in ihren Haͤusern, oder bey guten Freunden bisweilen alles, bis auf ein oder zwey von den untersten Muͤtzen bey sich nieder, und beym Weggehen setzen sie ihren Tur- ban so bequem wieder auf den Kopf, als wir unsre Peruquen. Aber niemand kann vor ei- nem Großen anstaͤndig ohne Turban erscheinen, und diejenigen, welche gern einen Gelehrten af- fectiren wollen, pflegen einen besondern großen Turban zu haben. Die Schuhe der Araber mittlern Standes bestehen, so wie der gemeinen Araber ihre, nur aus einer Sohle, mit einem oder ein paar Rie- men uͤber den Fuß, und einem uͤber den Hacken. Die Araber tragen bisweilen in ihren Haͤusern die in allen morgenlaͤndischen Laͤndern gebraͤuch- lichen hoͤlzernen Pantoffeln. — In Natolien, wo es so kalt ist, daß man nicht mit bloßen Fuͤ- ßen gehen kann, winden die armen Einwohner große große Tuͤcher um ihre Fuͤße und Beine, und um diese binden sie lange Riemen, oder Stricke, die an der Sohle befestigt sind. Diese Sohlen sind oft nur von unzubereiteten Leder. Die vornehmen Araber in Jemen tragen eben solche weite Beinkleider, Hemden und ei- nen eben so großen Turban, desgleichen ein solch Messer vor dem Leibe, wie die vom mit- lern Stande. Sie haben uͤberdieß eine Weste mit engen und einen weiten Rock, mit sehr weiten Ermeln. Auch entweder gelbe tuͤrkische Pantoffeln oder Schuh, wie sie itzt in Holland getragen werden. Der gemeine Araber hat nur ein paar Muͤ- tzen auf dem Kopfe, und seinen Sasch oder Turban nachlaͤßig um ihn gebunden. Einige haben Beinkleider und nur ein Hemde, viele aber, statt derselben, nur ein Tuch, welches ihnen von der Huͤfte bis an die Knie herunter haͤngt, einen großen Guͤrtel vor dem Leibe, und noch ein großes Tuch blos auf der Schulter. Sie gehen uͤbrigens nackend, und tragen selten Schuhe. Man kann also leicht denken, daß die Haut unter ihren Fuͤßen sehr dick und hart werden muͤsse. In bergigten und also kaͤltern Gegenden, traͤgt der gemeine Mann auch Schaaf- pelze. Die vornehmen Araber haben zwar Ta- schen in ihren Westen, nemlich, eine an der ei- nen Seite, und die andre auf der Brust. Die vom mitlern und geringern Stande aber, ver- wahren ihren Geldbeutel, ihr Feuerzeug, Schnupf- Schnupftuch u. d. gl. in ihren großen Guͤrtel. Man vermuthet vielleicht nicht, daß die er- waͤhnte wenige Kleidung, auch die Bettkleider eines gemeinen Arabers ausmacht. Er breitet aber seinen großen Guͤrtel aus, und so hat er ein Unterbette. Mit dem Tuche, welches er auf der Schulter traͤgt, bedeckt er sich den ganzen Koͤrper und das Gesicht, und schlaͤft nackend zwischen diesen beyden Tuͤchern ganz ruhig und zufrieden. Die Einwohner der bergigten Ge- genden, schlafen oft ganz nackend, in großen Saͤcken. Hierinn liegen sie nicht nur warm, sondern sind auch mit wenig Muͤhe gegen Floͤhe, Muͤcken u. s. w. geschuͤtzt, wenn sie ihr Bette nur umkehren und abschuͤtteln. In dem Koͤnigreiche des Im â ms laͤßt so- wohl der geringe als vornehme seinen Kopf scheeren. In andern Gegenden von Jemen aber, lassen alle Araber, selbst die Schechs ih- re Haare lang wachsen, und tragen weder Muͤ- tzen noch Sasch, sondern statt derselben ein Schnupftuch, in welches alle Haare ruͤckwaͤrts auf dem Nacken liegend, eingebunden sind. Einige lassen ihre Haare bis auf die Schuhe herunter haͤngen, und binden, statt des Tur- bans, ein kleines Strickchen um den Kopf. Die Bedouinen auf der Graͤnze von Hedsjas und Jemen tragen eine Muͤtze von geflochtenen Dattelblaͤttern. Fast alle Araber haben einige in Leder genaͤhete Amulete, oder auch einen Stein Stein in Silber eingefaßt, uͤber dem Elbogen auf dem Arm, und schlechte Ringe an den Fin- gern. Goldne Ringe und kostbare Steine sieht man selten bey einem Mohammedaner. Man sagt, daß sie den Gesetzen nach verbunden sind, selbige waͤhrend ihrer Andacht abzulegen, wenn ihr Gebet erhoͤrt werden soll. Das Oberkleid, welches man Abba nennt, hat unser Verfasser nur auf der Westseite von Arabien, nur bey reisenden Kaufleuten gesehen. Auf der Ostseite dieser Halbinsul, und vornem- lich in der Landschaft Lachsa, ist es aber die allgemeine Kleidung, sowohl der Maͤnner als der Weiber. Die arabischen Schechs auf der tuͤrkischen Graͤnze kleiden sich fuͤrnemlich, wenn sie zur Stadt kommen, meistentheils tuͤrkisch. Viele Araber tragen, wie gesagt, gar keine Beinkleider, dagegen haben die Araberinnen in der bergigten Gegend, sich derselben voͤllig be- maͤchtigt. Die ganze Kleidung der gemeinen arabischen Weiber, besteht aber nur auch in Beinkleidern und einem weiten Hemde, beydes von blauer Leinewand, und mit einigen Zierra- then von verschiedenen Farben gemahlt. Die Weiber in Teh â ma tragen statt der Beinkleinder ein breites Tuch um die Huͤfte gebunden. Die in Hedsjas, haben so wie die in Egypten, ein schmales Stuͤck Leinewand vor dem Gesichte, so, daß wenigstens beyde Augen frey sind. In einigen Gegenden von Jemen halten sie, wenn sie auf der Straße erscheinen, einen großen Schleier, Schleier, den sie uͤber dem Kopf hengen haben, so vor das Gesicht, daß kaum das eine Auge frey bleibt. Zu Sana Taas und Mochhe, ha- ben sie das ganze Gesicht mit einem Flor bedeckt. Einige Weiber zu Sana haben es zuweilen mit Gold brodirt. Sie tragen uͤberdieß eine Men- ge Ringe um die Armen und um die Finger, und bisweilen in der Nase und den Ohren, ei- nige Reihen Glasperlen um den Hals, so, wie die Weiber in Egypten und bey dem Berge Si- nai. Ihre Naͤgel faͤrben sie blutroth, und ih- re Haͤnde und Fuͤße braungelb. Auch das In- wendige der Augenlieder, pechschwarz, mit ei- ner Farbe die aus Bleyerz verfertigt wird. Sie vergroͤßern nicht nur ihre Augenbraunen, son- dern mahlen sich auch noch andre schwarze Zier- rathen ins Gesicht und auf die Haͤnde. Ja, sie durchstechen sich deswegen die Haut, und legen gewisse Materien auf die Wunde, welche die Zierrathen so tief einfressen, daß sie Zeitlebens nicht vergehen. Dieß halten die arabischen Damen fuͤr schoͤn. So gar einige Mannspersonen streichen Koͤ- chel in ihre Augen, unter dem Vorwande, daß es das Gesicht staͤrke, da sie doch von ehrbaren Leuten fuͤr petis Maitres, oder um dieß veraͤcht- liche Wort zu uͤbersetzen, fuͤr Kleinmeister (denn solche Herren sind wahrhaftig an Ver- stande klein) gehalten werden. Diese faͤrben auch ihre Naͤgel roth, und diejenigen, welche fast fast nackend gehen, beschmiren bisweilen ihren ganzen Koͤrper mit einem gewissen Kraute, daß sie ganz braungelblich macht. Vielleicht, weil die braungelbe Farbe ihnen besser gefaͤllt, als die natuͤrliche Fleischfarbe, oder auch um andern einzubilden, daß unter der Larve eine Schoͤn- heit sey Herr Niebuhr macht hierbey eine Anmerkung, die sehr wahr ist. „Die Europaͤer, sagt er, werden die erwaͤhnten Moden gewiß nicht schoͤn finden. Es gefaͤllt aber den Arabern eben so wenig, wenn junge Europaͤer ihre schwarzen Haare pudern, um sich das Ansehen zu geben, als haͤtten sie schon von Natur weisse Haare, oder wenn alte Leute sich taͤglich den Bart sche- ren, und dadurch ein weibisches Ansehen erhal- ten“. Unsre Damen haben auch nicht Ursache, sich uͤber die Tracht der Araberinnen aufzuhal- ten. Um es frey herauszusagen; so gefaͤllt mir zwar ihr Anzug nicht sonderlich. Aber ich will doch immer noch lieber eine Araberinn in ihrem Putze ansehen, als eine unsrer Schoͤnen, in ih- rem voͤlligen Anzuge. Denn wahrhaftig, wenn man keine guten Augen hat, und sie in der Ferne sieht; so sollte man meinen — es waͤre ein — Gespenst. . Die Araberinnen in den niedrigen und heissen Gegenden, sind von Natur braun- gelb. In den kaͤltern bergigten Gegenden aber, findet man selbst unter den Bauermaͤgdchen, sehr huͤbsche Gesichter. Die Juden in Jemen, sehen beynahe so aus, als die polnischen. Sie gehen nur nicht so bettelmaͤßig einher, und halten sich reinlicher. In In dieser Provinz duͤrfen sie keinen Sasch tra- gen, und haben deswegen nichts weiter auf dem Kopfe, als eine ganz kleine Muͤtze. Ob sie gleich blos dadurch von andern Nationen unter- schieden werden koͤnnen; so lassen sie doch an beyden Seiten einen großen Zopf Haare uͤber die Ohren herunter haͤngen. Man erlaubt ih- nen hier keine andre Kleider, als von blauer Farbe zu tragen. Ihre Beinkleider, ihr Hem- de, ihr Guͤrtel und ihr Oberrock, ist deswegen alles von blauer Leinewand. Den Bonianen in Jemen, ward vor eini- gen Jahren, da sie sich noch, wie in Indien, ganz weiß trugen, anbefohlen, sich roth zu klei- den. Weil sie aber eine große Summe an den Iman bezahlten; so wurde der Befehl zwar zu der Zeit zuruͤck genommen, aber sie erhielten doch bald darauf einen neuen Befehl, daß ihr Turban kuͤnftig roth seyn sollte. Nun hatten sie nicht Lust mehr Geschenke zu machen, und gehorchten. Sie gehen also jetzt weiß, mit ei- nem rothen Turban. Die Bonianen und Ju- den duͤrfen in Jemen kein Gewehr, und also auch nicht das große arabische Messer tragen. Den Europaͤern, welche nach Arabien kom- men, ist es erlaubt, Gewehr zu tragen. Sie koͤnnen sich auch nach eignen Gefallen kleiden. Es ist aber des neugierigen und bisweilen un- nuͤtzen Poͤbels wegen am besten, wenn sie sich nach Landesmanier kleiden, und also nur wenig bemerkt werden. N Die Die Morgenlaͤnder haben nicht nur verschie- dene Moden in ihrer Kleidung, sondern auch in der Manier ihren Bart wachsen zu lassen. Die Juden in der Tuͤrkey, Arabien und Per- sien, lassen alle ihren Bart, von Anfang an, wachsen, und dieser ist allezeit darin von den Baͤrten der Christen und Mohammedaner ver- schieden, daß die Juden ihn vor den Ohren und an den Schlaͤfen nicht abscheeren, anstatt, daß die Baͤrte der uͤbrigen oben spitz zu laufen. Die Araber halten den Knebelbart ganz kurz, und einige scheeren ihn ganz weg, den eigentlichen Bart aber niemals. In der bergigten Gegend von Jemen, wo man nicht gewohnt ist, Frem- de zu sehen, scheint es so gar eine Schande zu seyn, mit einem geschornen Barte zu gehen. Unser Verfasser versichert, keinen von ara- bischen Vorfahren gebohrnen Araber gesehen zu haben, der nicht in seinen besten Jahren, einen schwarzen Bart gehabt haͤtte. Dagegen hat er einige alte angetroffen, die ihren weißen Bart roth angefaͤrbt hatten, man sagte aber, daß sie dadurch ihr Alter verbergen wollten. Diese Gewohnheit wird also mehr getadelt, als fuͤr schoͤn gehalten. Die Perser faͤrben ihren schon schwarzen Bart, oft noch schwaͤrzer, und fah- ren damit wahrscheinlich auch in ihrem Alter fort, um noch immer ein junges Ansehen zu haben. Fuͤr einen ehrbaren Tuͤrken wird es fuͤr unanstaͤndig gehalten, seinen Bart schwarz zu faͤrben, indessen sollen es doch viele Vorneh- me me thun. Dieses scheint fuͤr manche junge Herren von dieser Nation, die ihre Schoͤnheit erhoͤhen wollen, auch nothwendig zu seyn, weil die schwarzen Baͤrte unter den Tuͤrken nicht so allgemein sind, als bey den mehr suͤdlich woh- nenden Arabern und Persern. Wenn die Tuͤrken, welche ihren Bart in ihren juͤngern Jahren geschoren haben, ihn wol- len wieder wachsen lassen; so beobachten sie da- bey einige Cerimonien. Sie beten nemlich ein Fatha, welches als ein Geluͤbde angesehen wird, daß sie ihren Bart niemals wieder schee- ren lassen wollen. Die Mohammedaner glau- ben vielleicht, daß die Engel in ihrem Barte wohnen, und daß sie ihn deswegen nicht abschee- ren duͤrfen, wie einige Reisende bemerkt haben. Es ist aber auch gewiß, daß, wenn einer seinen Bart hat wachsen lassen, und ihn nachher wie- der abscheert, er dafuͤr scharf bestraft werden kann. Die Glaubensgenossen verspotten ihn daruͤber. Die Araber sind von mittler Statur, ma- ger und gleichsam von der Hitze ausgedoͤrrt. Sie sind aber sehr maͤßig in Essen und Trinken. Der gemeine Araber trinkt gemeiniglich nichts als Wasser, und genießt fast kein andres Essen, als frisch gebacknes schlechtes Brodt von Dur- ra, (welches eine Art Hirse ist) mit Butter, Oehl, Fett oder Kameelsmilch, durchknetet. Dieß Brodt ist fuͤr einen Europaͤer fast uneß- bar, die Einwohner aber genießen es mit dem N 2 groͤße- groͤßesten Appetit, ja bisweilen lieber als Wai- zenbrodt, welches sie zu leicht finden. Die Araber haben verschiedene Manieren, ihr Brodt zu backen. Wenn der Ofen, worin sie ihr Durra backen wollen, heiß genug ist; so wird der Teig oder vielmehr Kuchen, inwendig an die Seiten des Ofen geklappet, ohne daß die Kohlen herausgenommen werden, und dann macht man den Ofen zu. Dieß Brodt wird schon wieder aus dem Ofen genommen, ehe es fuͤr einen Europaͤer kaum halb ausgebacken seyn wuͤrde, und ganz warm gegessen. Die Araber in der Wuͤste bedienen sich einer eisernen Platte, um ihre Brodtkuchen zu backen, oder sie legen einen runden Klumpen Teig in heiße Kohlen von Holz oder Kameelmist, bedecken ihn ganz damit, bis das Brodt ihrer Meynung nach, gar ist: alsdenn schlagen sie die Asche davon ab, und essen es ganz warm. — Die Araber in den Staͤdten, haben fast eben solche Backoͤfen, als wir. Diesen fehlt es auch nicht an Wai- zenbrodt. Es hat die Figur und Groͤße unsrer Pfannkuchen, und ist selten genug gebacken. Die uͤbrige Nahrung der Morgenlaͤnder, besteht vornemlich in Reis, Milch, Butter, Cheimat oder dicken Milchrahm, und allerhand Garten- fruͤchten. Es fehlt ihnen auch nicht an Fleisch- speisen. Diese werden aber in den heißen Laͤn- dern nur wenig genoßen, weil alles Fleisch da- selbst fuͤr ungesund gehalten wird. Sie kochen ihr ihr Essen allezeit unter einem Deckel, welches es sehr schmackhaft macht. Der Tisch der Morgenlaͤnder, ist nach ihrer Manier zu leben eingerichtet. Da sie, wie be- kannt, auf der Erde sitzen; so breiten sie ein großes Tuch mitten im Zimmer auf dem Fuß- boden aus, damit die abfallenden Brocken nicht verschuͤttet und die Tapeten nicht beflecket wer- den. Auf dieses Tuch setzen sie einen kleinen Schemel, der eine große runde kupferne, und stark verzinnte Platte traͤgt, auf welcher das Essen in verschiedenen kleinen kupfernen, allezeit in und auswendig gut verzinnten Schuͤsseln, aufgetragen wird. Bey den vornehmen Ara- bern findet man, statt der Servietten, ein lan- ges Tuch, welches alle die um den Tisch sitzen, auf den Schooß legen. Wo dieses fehlet, da nimmt jeder, statt der Serviette, sein eignes kleines Tuch, das er bey sich traͤgt, um sich da- mit abzutrocknen, wenn er sich gewaschen hat. Messer und Gabel gebrauchen sie nicht. Die Tuͤrken haben zuweilen bey ihren Mahlzeiten Loͤffel von Holz oder von Horn. Die Araber sind so gewohnt, ihre Hand als einen Loͤffel zu gebrauchen, daß sie des Loͤffels bey der mit Brodt durchkneteten Milch entbehren koͤnnen. Bey einer europaͤischen Tafel bezeigen sich die Mohammedaner, nach unsrer Art, sehr un- gesittet. Sie zerreißen das Fleisch mit den Fin- gern, welches fuͤr einen, ders nicht gewohnt ist, sehr widerlich seyn muß. Wenn sie es gleich N 3 ver- versuchen wollen, Gabel und Messer zu gebrau- chen; so ist es ihnen doch so muͤhsam, daß sie bald zu ihrer alten Manier zuruͤckgehen. Sie lassen alle ihre Fleischspeisen in kleine Stuͤcken zerschnitten auftragen. Sie essen nur mit der rechten Hand, die linke aber dient ihnen zum waschen der unreinen Theile des Leibes. So unangenehm es also fuͤr einen neu an- kommenden Europaͤer ist, mit Leuten zu essen, die die Speisen mit den Fingern aus der Schuͤs- sel nehmen; so gewoͤhnt man sich doch bald daran, wenn man mit ihrer Lebensart naͤher bekannt wird. Weil die Mohammedaner ihrer Religion nach verpflichtet sind, sich fleißig zu waschen; so ist es schon deswegen sehr wahr- scheinlich, daß ihre Koͤche das Essen wenigstens eben so reinlich zubereiten, wie die europaͤischen. Sie sind so gar verpflichtet, die Naͤgel so kurz zu halten, daß sich nichts unreines darunter setzen kann, weil sie glauben, daß ihr Gebet kraftlos sey, wenn sie auch nur die geringste Unreinigkeit an ihrem Leibe haben. Da sie nun auch vor dem Essen, Haͤnde, Mund und Na- se, gemeiniglich auch mit Seife, waschen; so scheint es einem zuletzt gleichguͤltig, ob einer das Essen mit reinen Fingern, oder mit der Gabel aus der Schuͤssel nimmt. Bey den vornehmen Schechs, in dem wuͤ- sten Arabien, welche zu einer Mahlzeit nicht mehr als Pilau, d. h. gekochten Reis, verlan- gen, wird eine sehr große hoͤlzerne Schuͤssel voll auf- aufgetragen, und bey dieser setzt sich eine Par- they nach der andern, bis die Schuͤssel leer ist, oder bis alle gesaͤttigt sind. — Im Oriente ißt man gemeinigleich sehr geschwinde; und unser Reisebeschreiber erzaͤhlt, daß er mit an einem Tische gespeißt habe, wo sie in Zeit von ohnge- faͤhr zwanzig Minuten, mehr als vierzehn leere Schuͤsseln zuruͤckgeschickt haͤtten. Das laͤßt sich sehr gut begreifen, da sie die Schuͤsseln nicht mit Messer oder Gabel, sondern mit der flachen Hand besucht haben. — Wenn gleich das Tischgebet der Mohammedanern sehr kurz ist; so verrichten sie es doch mit vieler Andacht. Wenn sie sich zu Tische setzen; so sagen sie: Bism all à h errachman errachh ì m, d. i. im Na- men des barmherzigen und gnaͤdigen Gottes: und wenn einer nicht mehr essen will; so steht er auf, ohne auf die uͤbrige Gesellschaft zu war- ten, und sagt: Elh â md billah, d. i. gelobet sey Gott. Sie trinken nur selten zwischen dem Essen, sondern sie nehmen, wenn sie sich nach der Mahlzeit wieder gewaschen haben, einen guten Trunk Wasser, und darauf eine Tasse Kaffee. „Der Kaffee ist eins von den gewoͤhnlichsten Getraͤnken der Araber. Vielleicht duͤrfte es ei- nem Theile unsrer Leser nicht unangenehm seyn, ihnen einige naͤhere Umstaͤnde von dem Baume, aus dessen Frucht der Kaffee verfertiget wird, zu erzaͤhlen! — Das Koͤnigreich Yemen, mit Ausschließung aller andern Provinzen von Ara- bien, erzeugt den Kaffeebaum. Er waͤchst, N 4 nach nach dem Berichten glaubwuͤrdiger Reisenden, sechs bis zwoͤlf Fuß hoch. Seine Staͤrke betraͤgt zehn, zwoͤlf und funfzehn Zoll im Um- fange. Weil er sich in die Runde ausbreitet, und die untersten Zweige sich gemeiniglich kruͤm- men; so hat er, wenigstens in gewissen Jahren, die Gestalt eines Sonnenschirms. Die Rinde ist weißlich, und etwas rauh. Sein dunkel- gruͤnes Blatt gleicht dem Citronenblatte, und die weiße Bluͤte hat fuͤnf kleine Blaͤtter, wie der Jesmin. Der Geruch davon ist angenehm, und hat etwas balsamisches, der Geschmack aber ist bitter. Der Kaffee kommt aus dem Saamen, und wird nicht durch Steckreiser fortgepflanzt. Es ist ein immer gruͤnender Baum, der seine Blaͤt- ter nie auf einmal verliert. Er liebt den feuch- ten Boden, daher er unten an den Bergen und laͤngst den Baͤchen haͤufig waͤchst, welches in der Landschaft eine uͤberaus angenehme Aussicht veranlaßt. So bald die Bluͤte des Kaffeebaums ab- faͤllt, sieht man eine kleine, anfaͤnglich ganz gruͤne Frucht, die aber, wenn sie reifet, ganz roth wird, und beynahe wie eine große Kirsche aussieht: sie ist von gutem Geschmacke, nahr- haft und kuͤhlet sehr. Unter dem Fleische der Kirsche findet man anstatt des Kerns, die Boh- ne, die man Kaffee nennt. Diese Bohne ist mit einer sehr feinen Haut umgeben, welche an- faͤnglich weich ist, und angenehm schmeckt, nach und und nach aber hart wird. Wenn die Kirsche durch die Sonnenhitze ganz und gar vertrocknet ist; so wird aus dem Fleische, daß man essen konnte, eine braͤunliche Huͤlse, die die erste Rin- de oder aͤußerliche Schale des Kaffee macht. Die Bohne ist alsdann hart und von einer sehr hellgruͤnen Farbe. Jede Huͤlse hat nur eine Bohne, die sich gemeiniglich in zwey Haͤlften theilt: und eine jede Haͤlfte ist das, was wir eine Kaffeebohne heißen. Da der Kaffeebaum die besondre Eigenschaft hat, daß er Bluͤten und Fruͤchte, und unter diesen, gruͤne und reife Fruͤchte zugleich traͤgt; so haͤlt man alle Jahre drey Erndten, doch ist die im Monat May die reichste und beste. Die Einsammlung dieser Frucht ist sehr einfach. Es werden große leinwandene Tuͤcher unter die Baͤume gebreitet, und ein Mann schuͤttelt den Baum leicht, und mit einer gewissen Geschick- lichkeit, da denn der reife Kaffee gleich abfaͤllt. Wenn er eingebracht ist, wird er auf Matten ausgebreitet und an der Sonne getrocknet. So bald nun die Huͤlsen aufspringen wollen, werden sie mit einer steinernen oder hoͤlzernen Walze zer- druͤckt. Die Araber wissen dieses mit einer großen Geschicklichkeit und sehr geschwind zu machen. Wenn der Kaffee auf diese Art aus den Schalen gebracht ist, wird er, weil er noch ziemlich gruͤn ist, wieder aufs neue in die Son- ne gelegt, daß er recht trocken werde, und nicht Gefahr laufe, auf der See zu verderben. Er N 5 wird wird hernach gewurft und rein gemacht, einge- packt und auf die Maͤrkte zum Verkauf ver- fuͤhrt“. Obgleich den Mohammedanern der Genuß von allem was die Sinne berauschen kann, ver- boten ist; so findet man doch bisweilen einige, welche große Libhaber von starken Getraͤnken sind. Sie muͤssen sich aber doch sehr in Acht nehmen, daß sie nicht verrathen werden: und deswegen trinken die Saͤufer nur des Abends in ihren Haͤusern. In den Staͤdten auf der Graͤnze von Arabien, wo gemeiniglich viele Ju- den und Christen wohnen, kann ein Reisender Brantwein, und bisweilen Wein bekommen. Einige englaͤndische Schiffe, die nach Mochha kommen, bringen auch indianischen Arrak zum Verkauf mit. Außerdem findet aber ein Rei- sender in ganz Jemen keinen trinkbaren Wein und Brantewein, als nur zu Sana, wo die Juden beydes gut und im Ueberfluß haben, und es so, wie die Armener in Persien, in großen steinernen Kruͤgen, aufbehalten. Die Juden zu Sana schicken zwar Wein und Brantewein an ihre Bruͤder in den andern Staͤdten von Je- men, aber weil es ihnen an andern Geschirren fehlt, in kupfernen Gefaͤßen. — Man hat noch ein weißes und dickes Getraͤnke, Busa, welches aus Mehl zubereitet wird. In Arme- nien ist es ein allgemeiner Trank. Daselbst wird es in großen Toͤpfen in der Erde aufbehalten, und und gemeiniglich aus denselben vermittelst eines Rohrs getrunken. Weil die geringern Araber auch gerne ver- gnuͤgt seyn moͤgen, die starken Getraͤnke aber nicht bezahlen, und vielleicht gar nicht bekom- men koͤnnen; so rauchen sie Haschisch, ein Kraut, welches sehr viele fuͤr Hanfblaͤtter hal- ten. Die Liebhaber dieses Krautes versichern, daß es ihnen viel Muth gebe. Bey einem Besuche wird dem Fremden, so bald er sich gesetzt hat, eine Pfeife Taback, et- was Confituren und eine Tasse Kaffee oder Ki- scher gebracht. Man breitet ihm auch wohl ei- ne kostbar brodirte Serviette auf den Schooß. — Bey den Vornehmen in der bergigten Gegend von Jemen, findet man in den Monaten May, Junius und Julius kleine Buͤndel Kaad, d. i. junge Sprossen von einem gewissen Baume, die man gleichsam zum Zeitvertreib ißt, so wie man bey uns Schnupftoback zu nehmen pflegt. Die- se Leckerbissen schmecken dem Europaͤer nicht gut, und Herr Niebuhr, nimmt als wahrscheinlich an, daß der Kaad seine Liebhaber vom Schlaf abhalte und zugleich auszehre. Und gleich wohl muß ein jeder wohlerzogener Jemeneser, ein Liebhaber davon seyn. Diejenigen, welche gu- te Zaͤhne haben, koͤnnen ihn so, wie er vom Baume gekommen ist, essen. Indessen findet man doch auch, daß alte Leute, die nicht mehr gut kauen koͤnnen, ihn vorher in einem Moͤrser stoßen. Die Die Araber rauchen sowohl aus der langen Pfeife, als aus der so genannten persischen, welche sie entweder Kiddra oder Buri oder Nardsil oder Ankire nennen. Der gemeine Mann macht letztere mit geringen Kosten von ei- ner Kokusnuß, die Vornehmen aber lassen sie in verschiedener Figur von Glas, Silber und wohl gar von Gold verfertigen. Die Morgen- laͤnder schneiden ihre Tobacksblaͤtter nicht, son- dern zerreißen sie blos mit den Fingern. Wenn sie ihre Kiddra fuͤllen wollen; so wird der To- back immer vorher stark angefeuchtet, und sie muͤssen nicht nur deswegen allezeit eine gluͤende Kohle auf ihre Pfeife legen, sondern auch, weil sie sehr langsam rauchen. Bey einer jeden An- fuͤllung der Pfeife, wird vorher frisches Wasser in die Kiddra gegossen. Die Vornehmen tra- gen bisweilen eine kleine Dose mit wohlriechen- dem Holz bey sich, und stecken denen von ihren Gaͤsten, fuͤr welche sie eine außerordentliche Auf- merksamkeit zeigen wollen, ein kleines Stuͤck davon in die Pfeife, welches beydes einen ange- nehmen Geruch und Geschmack giebt. Wenn der Fremde aufstehen und weggehen will; so wird den Bedienten ein Zeichen gege- ben, daß sie Rosenwasser und Raͤuchwerk brin- gen sollen. Beydes die Flasche mit dem Ro- senwasser und das Rauchgefaͤß, ist bisweilen von Silber und sehr schoͤn gearbeitet. — Die- se Cerimonie aber, sieht man nur bey außeror- dentlichen Gelegenheiten, oder auch, wenn man Jeman- Jemanden mit einer hoͤflichen Manier zeigen will, daß der Herr des Hauses Geschaͤfte habe; denn sobald man mit Rosenwasser bespritzt ist, und den Bart und seine weiten Ermel geraͤuchert hat, muß man sich nicht laͤnger aufhalten. Bey einem taͤglichen Besuch paͤßirt nichts weiter als Kaffee oder Kirscher, eine Pfeife Toback und Kaad. Was die Haͤuser der vornehmen Mohamme- daner betrift; so sind sie weder von außen noch in den Zimmern der Mannspersonen praͤchtig. Es scheint, daß diese in nichts anders Pracht suchen, als nur in ihrem Gewehr, Pferdege- schirr und in der Menge ihrer Pferde und Be- dienten. Der Fußboden ist in allen Zimmern, so wohl der Vornehmen als Geringen, belegt, wenn es auch nur mit einer Strohmatte ist, und wer drauf treten will, muß vorher seine Pan- toffeln oder Stiefeln ausziehen. Diese Gewohn- heit scheint den Europaͤern nicht allezeit gefallen zu haben. — Als der Bediente des Statthal- ters zu Mochha den Verfasser der voyage de l’Arabie heureuse, bey dem Eintritte in das Zimmer erinnerte, seine Schuhe, welche er fuͤr Pantoffeln ansah, auszuziehen; so drohete die- ser, daß er lieber keine Audienz, und seine Rei- se ganz umsonst gemacht haben, als sich dieser morgenlaͤndischen Gewohnheit unterwerfen woll- te. Die Araber waren so hoͤflich, dem Auslaͤn- der seinen Willen zu lassen. Sie dachten aber wohl eben das, was ein europaͤischer Kaufmann denken denken wuͤrde, welcher Hoffnung haͤtte, einen vortheilhaften Handel mit einem Fremden schließen zu koͤnnen, wenn er diesen auf sein Verlangen die Erlaubniß gaͤbe, auf seinen Stuͤh- len herum zu laufen. Die Europaͤer verlangen in den Morgenlaͤndern bisweilen Vorzuͤge, die ihnen keine Ehre machen. Haͤtte der erwaͤhnte Franzmann bey dem Eintritte in den Audienz- saal, seine Schuhe reinigen lassen; so haͤtte er sie auch wohl ohne Einwendung anbehalten koͤn- nen. In den Wohnungen des Frauenzimmers soll man sehr kostbare Tapeten, Sofas und an- dres Hausgeraͤthe antreffen. — — Weil die Morgenlaͤnder den Fußboden ihrer Wohnzim- mer sehr reinlich halten; so gewoͤhnen sie sich auch, nur um dieser Ursache willen, selten aus- zuspeien, und wenn sie auch ganze Stunden lang Toback rauchen. Doch ist es gar keine Unanstaͤndigkeit in der Gesellschaft, wenn einer etwas auswirft. Die Haͤuser der Araber, welche von Stei- nen gebauet sind, sind alle oben platt. Die kleinen Haͤuser in Jedsj â s und Jemen, haben ganz duͤnne Waͤnde und ein rundes Dach, wel- ches mit einer Art Gras bedeckt ist. — Die kleinen Huͤtten der geringen Araber am Euphrat, sind gemeiniglich nur mit Strohmatten bedeckt, und durch Zweige von Dattelbaͤumen unterstuͤtzt, oben aber auch rund. Ich weiß nicht welche von diesen Huͤtten — sagt unser Verf. — man man am besten mit der Figur der Mappalia der Afrikaner, welche Sallustius beschreibt, ver- gleichen koͤnne. Beyde aber scheinen ihnen aͤhn- licher zu seyn, als die Zelte der herumstreifenden Araber. Denn diese sind so wie die Zelte der Tuͤrkmannen und Kiurden, gemeiniglich von sieben oder neun Staͤben, wovon der mittlere der hoͤchste ist, unterstuͤtzt und also oben nicht rund, sondern sie haben vielmehr die Figur ei- nes alten europaͤischen Bauerhauses. Die Araber haben verschiedene Manieren, sich zu setzen. Wenn einer bequem sitzen will; so setzt er sich mit kreuzweis unter sich geschlage- nen Schenkeln. In Gegenwart eines Vorneh- men, muß sich ein jeder, welcher fuͤr gesittet angesehen seyn will, so auf seine Hacken setzen, daß die Knie sich auf der Erde oder dem Sofa beruͤhren. Weil diese Stellung den wenigsten Platz einnimmt; so sitzen sie auch gemeiniglich so bey Tische. Zu dieser letzten Manier zu sitzen, koͤnnen sich die Europaͤer nicht gewoͤhnen. Viertes Viertes Kapitel. Von der Vielweiberey der Mohamme- daner. K ein Mohammedaner darf mehr als vier Weiber zugleich haben, doch kann er so viele Sklavinnen halten, als er zu ernaͤhren im Stande ist, und mit ihnen leben. Indessen muß er seinen Weibern entweder die gesetzte Pflicht leisten koͤnnen, oder sich auf eine andre Art mit ihnen abfinden, daß sie ihn nicht ver- klagen. Den Schiiten Zu der Sekte Schia, (daher der Name Schi- iten,) bekennen sich die Perser. Diese Sekte Schia hat ihre Anhaͤnger in einigen Gegenden auf der Ostseite von Arabien, ihren Hauptsitz aber, am persischen Meerbusen, und fuͤrnemlich auf der Insul Bahhreje. ist es erlaubt, frey- gebohrne mohammedanische Weiber zu halten, ohne sich mit ihnen zu verheyrathen. Den Sunniten Die Tuͤrken halten es mit der Sekte Sunni. Sie ist die Zahlreichste in Arabien, und auch die merkwuͤrdigste, weil sich die Einwohner der beruͤhmten Staͤdte, Mecca und Medina zu der- selben bekennen. aber, ist dieses verboten. Nie- mand mand darf auch zwey Schwestern zugleich hey- rathen, sondern, wenn er die zweyte heyrathen will; so muß er vorher die erste verstoßen. Die Vielweiberey ist in den Morgenlaͤndern nicht so allgemein, als man vielleicht in Euro- pa glaubt. Denn so sehr auch einige Moham- medaner diese ihre Freyheit gegen die Europaͤer ruͤhmen; so gestehn doch viele, die beguͤtert ge- nug sind, um mehr als eine Frau ernaͤhren zu koͤnnen, daß sie mit mehrern nie so gluͤcklich le- ben, als mit einer einzigen. — Man findet daher im Mittelstande nur wenige, die mehr als eine Frau haben, und auch unter den Vor- nehmen begnuͤgen sich viele lebenslang mit einer. Sie sind nach den Gesetzen verbunden, alle ih- re Weiber anstaͤndig zu halten, und einer jeden, woͤchentlich einmal beyzuwohnen. Eine Pflicht, die vielen Mohammedanern zu schwer ist; denn sie heyrathen entweder sehr jung, oder der Va- ter kauft seinem Sohne eine Sklavinn, um zu verhuͤten, daß er nicht Bekanntschaft mit lie- derlichen Weibern suche. Man hat eine Tradi- tion, daß Mohammed, welcher ein schlechter Naturkundiger gewesen seyn muß, gesagt habe: Eine Mannsperson werde, so wie ein Brunnen, immer ergiebiger, jemehr er ausgeschoͤpft werde. Allein, die Moham- medaner erschoͤpfen sich doch in ihrer Jugend dergestalt, daß sich oft Leute von dreyßig Jahren uͤber Unvermoͤgen beschweren. O Man Man beschuldigt zwar in Europa die mo- hammedanischen Vaͤter, daß sie ihre Toͤchter verkaufen: aber dieß geschieht bey den vernuͤnf- tigen eben so wenig, als bey uns. Der Mo- hammedaner giebt freylich seine Tochter lieber einem vornehmen und reichen Mann, als einem geringern. Er bekommt alsdenn mehr Geld. Kann er es aber nur einigermaßen entbehren; so giebt er seiner Tochter eine gute Aussteuer, und diese ist dann ihr Eigenthum. Der Hey- rathskontrakt wird allezeit von dem Kady ge- schlossen, und in diesem wird nicht nur be- stimmt, wie viel der Braͤutigam seiner Braut sogleich zur Aussteuer, sondern auch wie viel er seiner Frau bezahlen soll, wenn es ihm einfallen sollte, sie zu verstoßen. Es ist sehr wahrschein- lich, daß ein armer Vater bisweilen von einem reichen Schwiegersohne sehr leicht befriedigt wer- den kann. Aber nicht alle Vaͤter verheyrathen ihre Kinder blos des Geldes wegen. Sehr oft giebt ein reicher Mann seine Tochter einem Armen, ja er schenkt diesem eine gewisse Summe, damit er seiner Braut das, in dem Heyrathskontrakt be- stimmte Antrittsgeld, in Gegenwart des Kady und anderer Zeugen bezahlen koͤnne: und ein solcher muß es sich alsdann gemeiniglich gefallen lassen, seiner Frau auf dem Fall, da er sie ver- stoßen sollte, eine so große Summe auszusetzen, daß sie sicher ist, er werde an keine Veraͤnde- rung denken. Weil Weil die Frau nicht verpflichtet ist, ihrem Manne ihr eigenthuͤmliches Vermoͤgen in die Haͤnde zu geben; so ist dieser oft von ihr ab- haͤngig. Die reichen Mohammebanerinnen ha- ben daher in ihren Haͤusern mehr zu befehlen, als die Christinnen in Europa, ja sie sind ge- wissermaßen gluͤcklicher, weil sie auch verlangen koͤnnen, geschieden zu werden, wenn sich der Mann ungebuͤhrlich gegen sie bezeiget. Bey dem allen ist es bey den Mohammedanern nichts seltenes, daß sie ihre Weiber verstoßen. Sie bedienen sich dieses Rechts aber nicht gerne, ohne sehr wichtige Ursachen, theils weil es fuͤr einen ehrbaren Mann fuͤr unanstaͤndig gehalten wird, theils auch, weil sie ihre Frau und ihre Angehoͤrigen nicht beschimpfen wollen. Man findet nur hin und wieder reiche Wolluͤstlinge, deren Auffuͤhrung von ehrbaren Mohammeda- nern gar nicht gebilligt wird, wenn sie mehrere Weiber nehmen. Diese waͤhlen sich gemeiniglich Personen von niedern Stande, denen es gut deucht, auf einmal vornehm und von vielen Be- dienten umgeben zu werden. Dagegen muͤßen sie es sich auch gefallen lassen, daß der Mann ihnen nicht nur drey andere Frauen an die Sei- te setzt, sondern sich noch darzu Sklavinnen haͤlt, und sie selbst am Ende gar verstoͤßt. Es giebt also Mohammedaner, die mehr als eine Frau haben. Weil nun in den Mor- genlaͤndern die Anzahl der Manns- und Weibs- personen, vermuthlich ohngefaͤhr gleich ist; so O 2 wird wird ein Europaͤer noch immer glauben, daß der arme Mohammedaner keine Frau werde fin- den koͤnnen. Indessen bemerkt man doch die- sen Mangel nicht. Es scheint vielmehr, daß ein armer Mohammedaner mit wenigern Kosten eine Frau erhalten koͤnne, als ein armer Christ in Europa. — In den morgenlaͤndischen Staͤdten sind auch vielmehr Bediente und Sol- daten verheyrathet, als in den europaͤischen. Ueberdieß haben die Mohammedaner an lieder- lichen Weibsleuten keinen Mangel. Diese ha- ben in einigen großen Staͤdten so gar Freyheit, ihr Handwerk gegen eine gewisse Abgabe an die Obrigkeit oͤffentlich zu treiben Dieß ist uͤberhaupt in ganz Asien sehr gewoͤhn- lich. Man hat sich eben nicht sehr druͤber zu wundern, daß die Araber die oͤffentlichen lieder- lichen Haͤuser unter sich dulden, weil ihre Reli- gion hiergegen nicht streitet, vielmehr zur Lie- derlichkeit einladet. Wie man aber die Huren- haͤuser in einem wohleingerichteten europaͤischen Staate dulden, und sie privilegiren kann, steht wahrhaftig nicht zu begreifen. . Wenn man nach der Ursache fragt; warum die Mohammedaner bey der Vielweiberey den- noch keinen Mangel an Weibern haben? so weiß sie unser Reisebeschreiber nirgends zu su- chen, als in den Sitten und der Denkungsart ihrer Weiber. Es ist itzt noch allen Morgen- laͤnderinnen sehr unangenehm, wenn sie mit ei- nem unfruchtbaren Baume verglichen werden koͤnnen, koͤnnen, und den Mohammedanerinnen beson- ders, wird von Jugend auf eingepraͤgt, daß es fuͤr ein erwachsenes Maͤdchen oder fuͤr eine junge Wittwe gleichsam eine Schande sey, kei- nen Mann zu haben. Man findet daher bey ihnen keine Kloͤster fuͤr unverheyrathete Frauens- personen, sondern eine jede sucht sich einen Mann. Auch alsdann, wenn sie vom Manne gestoßen ist, bemuͤht sie sich, wieder einen andern zu be- kommen und weil die Weiber der Mohamme- daner, in Vergleichung mit den Europaͤerin- nen fast unbemerkt leben; so wird es bey ihnen nicht so leicht beobachtet, wenn sie unter ihren Stand heyrathen. Daß die Polygamie oder Vielweiberey der Vermehrung der Menschen sehr schaͤdlich sey, ist gar keinem Zweifel unterworfen Man hat seit einigen Jahrhunderten so vieles fuͤr und wider die Polygamie geschrieben, daß man fast eine Bibliothek besitzen wuͤrde, wenn man diese Schriften sammeln wollte. — Viele haben die Zulaßung der Vielweiberey, als eine ernstliche und nothwendige Sache angesehen; sonderlich bemuͤheten sich die muͤnsterschen Wie- dertaͤufer, dieselbe unter sich einzufuͤhren. Der- jenige, welcher sich am meisten fuͤr die Polyga- mie erklaͤrt hat, ist der bekannte Johann Lyser, in dem Buche: discursus politicus de polyga- mia. Das Buch machte zu seiner Zeit sehr viel Aufsehens. Er hat auch noch eine andre Bro- chure geschrieben, unter dem Titel: das koͤni- gliche Mark aller Landen, worinn er auf das frech- . Man O 3 findet findet zwar bisweilen einzelne Beyspiele, daß ein Mann mit mehrern Frauen eine große Men- ge Kinder gezeugt habe. Ueberhaupt aber will man doch bemerkt haben, daß diejenigen, wel- che mehr Weiber haben, wenigere Kinder zeu- gen, als die, welche sich mit einer Frau begnuͤ- gen. An der Richtigkeit dieser Bemerkung, laͤßt frechste zu beweisen suchte, daß die Polygamie nicht nur etwas sehr erlaubtes, goͤttliches und fuͤr die menschliche Gesellschaft sehr zutraͤgliches sey; sondern er haͤlt auch alle diejenigen, wel- che sie billigten, fuͤr erleuchtet. Er wurde von einem daͤnischen Theologen, Namens Johann Brunsmann widerlegt, und hierauf des Landes verwiesen, und seine Schriften wurden ver- brannt. Fragt man nun: ob die Polygamie erlaubt sey oder nicht? so kann man sie nicht anders, als sie fuͤr unerlaubt erklaͤren, denn sie ist wieder die erste Einsetzung des Ehestandes — unser Heyland erklaͤrt die Polygamie Matth. XIX, 9. fuͤr eine Art von Ehebruch. — Paulus thut eben dieses in seinem ersten Briefe an die Corin- thier 7, 2. es sollte ein jeglicher sein eigen Weib und eine jegliche ihren eignen Mann haben, um der Hurerey willen. Der Herr Doktor Miller hat, wie uns duͤnkt, in der Fort- setzung der Mosheimischen Sittenlehre, Th. 8. am besten wider die Polygamie gestritten. Man kann auch noch hierbey des Herrn Ritters Michaelis Zusaͤtze zu des Herrn v. Premontval Buche, wider die Polygamie in dem 22 B. des Hamb. Magazin mit vielen Nutzen lesen. laͤßt sich nicht zweifeln, denn da die Weiber wis- sen, daß sie Nebenbuhlerinnen haben; so be- muͤht sich eine jede, der andern zuvorzukommen, und die Gefaͤlligkeit oder Wollust eines Man- nes, entkraͤftet ihn bald fuͤr seine ganze uͤbrige Lebenszeit. Es ist bekannt, daß sich die Mohammeda- net nicht so beschneiden, wie die Juden. Herr Nichuhr hoͤrte uͤberdem auch, daß sich ein Stamm Araber zwischen dem Gebiete des Scher î fen von Abuar î sch, und dem Gebiete des Scher î fen von Mecca, auch auf eine ganz andre Art beschnei- det, als die Sunniten. Diese ist vielleicht auch noch von der Beschneidung der Zeiditen verschieden. Es ist unserm Verfasser nicht wahrscheinlich, daß die Beschneidung in den heißen Laͤndern, wegen der Gesundheit nothwen- dig sey. Denn die Parsi, d. i. die Schuͤler des Zoroasters, welche man auch Guebers (H. Niebuhr schreibt Gebers; von diesen ist im er- sten Theil der Characteristik geredt,) oder Feuer- anbeter nennt, und die Heiden in Indien, in- gleichen viele Nationen K á frs in Afrika, welche doch alle unter einem eben so heißen Himmels- striche wohnen, als die Mohammedaner in Ara- bien, beschneiden sich nicht, und leben dennoch eben so gesund als die Juden, die Mohamme- daner und einige Nationen K á frs, welche diesen Gebrauch durchgaͤngig haben. Einige copti- sche Christen in Egypten und Habbesch, pflegen ihre Knaben bey der Taufe, welche gemeiniglich O 4 vierzig vierzig Tage nach der Geburt geschieht, zu be- schneiden. Andre thun es in ihrem zehnten Jahre oder noch spaͤter, und viele werden gar nicht beschnitten. Ob die Beschneidung, welche Abraham an sich und seiner ganzen Familie auf Gottes Be- fehl verrichtet hat, die erste sey, und ob sich schon vor ihm einige beschnitten haben — laͤßt man billig, als eine unnuͤtze Frage, dahin ge- stellt seyn. Weil aber alle Nachkommen Abra- hams diese Beschneidung beobachten; so haben die Araber, Egyptier, Habeßinier sie vermuth- lich von ihm erhalten. Die Mohammedaner scheinen sie als eine alte Gewohnheit ihrer Vaͤter beybehalten zu haben. Denn die Religion Mo- hammeds besiehlt sie nicht. Mit der mohamme- danischen Religion, kann sie nach Persien und Indien gekommen seyn, und die K á frs auf der Suͤdostkuͤste von Afrika, koͤnnen sie von den Habeßinnen, oder auch von den auf dieser Kuͤ- ste wohnenden Mohammedanern erhalten haben. Weil die Beschneidung von so vielen Natio- nen angenommen ist, so muß sie vermuthlich auch einen physikalischen Nutzen haben, obgleich verschiedene, sowohl Mohammedaner als mor- genlaͤndische Christen, unserm Verf. keinen da- von angeben konnten. Sie ist in den heißen Laͤndern bey denen, die sich nicht fleißig waschen, gewiß sehr nuͤtzlich So versichert der englische Arzt zu Haleb unserm Verfasser, daß sich in den heißen Laͤndern mehrere Feuchtigkeiten unter den den Eicheln sammlen, als in den kaͤltern. — Das Waschen des ganzen Koͤrpers, und beson- ders der heimlichen Theile, ist also in den heißen Laͤndern nothwendig, und vielleicht haben des- wegen die Stifter der Religion der Juden, der Mohammedaner, der Guebers, der Heiden in Indien u. s. w. selbiges befohlen. Die itzt un- ter diesen Nationen wohnenden Christen, muͤßen sich nun auch, sowohl wegen des Wohlstandes, weil man sie sonst immer verrathen wuͤrde, als wegen der Gesundheit, der Reinlichkeit be- fieißigen. Weil sich nun ein Beschnittener mit weniger Muͤhe waschen kann, als ein Unbeschnittener, vornemlich wenn er, so wie die Mohammeda- ner, nur eine Hand darzu gebrauchen darf; — so schaft die Beschneidung denen, die sie gebrau- chen, auch eine große Bequemlichkeit; und dieß koͤnnte schon fuͤr eine Ursache gehalten wer- den, warum die Nationen, bey welchen sie ein- mal eingefuͤhrt ist, sie beybehalten. — Der wahre Nutzen der Beschneidung aber ist wohl dieser, daß dadurch viele Maͤnner erst zum Bey- schlaf tuͤchtig werden. Man findet sowohl in den Morgenlaͤndern als in Europa Leute, bey denen deswegen eine Art von Beschneidung nothwendig ist. Herr Niebuhr glaubt davon zu Mosul einen Beweiß gesehen zu haben. Ein daselbst wohnhafter Christ, sagt er, der bereits einige Jahre mit seiner zweyten jungen Frau ge- lebt hatte, ohne Kinder gezeugt zu haben, be- O 5 klagte klagte sich, seine Frau mache ihm immer den Vorwurf, er sey Schuld daran, daß sie sich einen unfruchtbaren Baum muͤße nennen lassen. Ich versicherte sie, faͤhrt H. N. fort, daß ich kein Arzeneyverstaͤndiger waͤre, wie er es daraus vermuthete, daß ich die Sterne be- obachtete, und die mohammedanischen Stern- kundige, zugleich Aerzte zu seyn pflegen. Da er aber seine Bitte taͤglich wiederholte, daß ich ihm Arzeneyen geben moͤchte; so verlangte ich endlich mit nach seinem Hause zu gehen, und seine Frau zu sprechen. Hierein wollte er an- faͤnglich nicht willigen, weil er befuͤrchtete, sei- ne Nachbaren moͤchten es bemerken, daß er ei- nen Fremden in sein Haus fuͤhrte. Doch fuͤrch- tete die Frau, die sich sonst von keinem Frem- den wuͤrde haben sehen lassen, sich gar nicht mit ihrem vermeinten Arzt zu sprechen, weil die eu- ropaͤischen Aerzte und Moͤnche, die Weiber der morgenlaͤndischen Christen ohne Verdacht besu- chen koͤnnen, wenn ein andrer ehrlicher Reisen- der vor der Thuͤr stehen bleiben, oder sich mit der Gesellschaft des Mannes begnuͤgen muß. Sie beklagte sich, daß der Mann mit ihr so selten etwas zu thun haben wollte. Der Mann antwortete zu seiner Vertheidigung, daß sie nichts von ihm verlangen wuͤrde, wenn sie die Schmerzen empfaͤnde, welche es ihm verursachte. Hierbey erinnerte ich mich, daß ein europaͤischer Arzt einen von meinen eu- ropaͤischen Freunden, eben dieser Ursachen we- gen, gen, das Band an der Eichel geloͤset hatte. Bey genauer Nachfrage und Untersuchung, wel- che ich mit einer ernsthaften Mine anstellte, fand ich auch hier, daß dem armen Manne geholfen werden koͤnnte, wenn er sich eben dieser Opera- tion unterwerfen wollte. — Hieraus schließt nun H. N. daß, wenn dieser Mann in seiner jugend waͤre beschnitten worden, seine Frau sich wahrlich nicht uͤber ihn beschwert haben wuͤrde, und er selbst ruhiger leben, und Erben haͤtte ha- ben koͤnnen. Doch seinem Mangel wurde nicht abgeholfen; denn die Frau versicherte — sie werde es nicht zugeben, daß ein Messer angesetzt werde. Die Beschneidung ist nicht bey allen Mor- genlaͤndern nothwendig. Unser Reisebeschreiber hat an einem Christenknaben, der vor ihm na- ckend durch einen Fluß gieng, eine so kurze Vor- haut gesehen, daß sie nur wenig von der Eichel bedeckte. H. N. meinte, der Knabe sey be- schnitten, und aͤußerte seinen Verdacht gegen einen alten Maroniten. Allein, dieser wollte bemerkt haben, daß man dergleichen sehr oft bey solchen Leuten saͤhei, welche in dem abneh- menden Monde geboren wuͤrden, ja, daß sie zu- weilen gar keine Vorhaut haͤtten. Es ist aber doch sehr daran zu zweiflen, daß die Ursache dem Monde koͤnne zugeschrieben werden. — Wenn es also nicht selten ist, daß Knaben ohne Vorhaut geboren werden; so kann dieß die Morgenlaͤnder, welche das leichter bemerken koͤnnen, koͤnnen, weil die meisten von ihren Kindern bis zu einem gewissen Alter ganz nackend gehen, zu- erst auf die Gedanken gebracht haben, daß die Vorhaut von keinem Nutzen sey. Und weil man sie zum Beyschlaf bisweilen hinderlich fand; so kann dieß die Beschneidung verursacht haben. Die Beschneidung der Maͤdchens ist auch in einigen Gegenden gebraͤuchlich. — Von den Weibern in Egypten, sowohl der Copten als Mohammedaner, von denen in Om â n, wenig- stens in der Gegend von Soh â n, von denen an beyden Seiten des persischen Meerbusens und zu Baßra, sollen die meisten beschnitten seyn. Eben dieses sagt man von den Weibern in Hab- besch und zu Cambay, nicht weit von Sur â t. Zu Bagdad lassen die Weiber von arabischer Abkunft, ihre Toͤchter auch beschneiden. Die Tuͤrkinnen aber beobachten diese Gewohnheit nicht, und deswegen findet man in den tuͤrki- schen Staͤdten immer weniger beschnittene Wei- ber, je mehr man sich von den arabischen Ge- genden entfernt. Der Nutzen dieser Beschnei- dung ist wahrscheinlich auch, daß die Weiber sich nachher bequaͤmer waschen koͤnnen. Die Weiber, welche die Maͤdchens zu Kahi- ra beschneiden, sind daselbst so bekannt, wie bey uns die Wehmuͤtter. Man verrichtet diese Operation ohne alle Ceremonie. Die Zeit da- zu, faͤllt etwa ins zehnte Jahr des Alters. Man hat behauptet, es sey nach den mo- hammedanischen Gesetzen nicht erlaubt, einen Men- Menschen seiner Mannheit zu berauben. Es soll aber doch, obgleich selten in einigen von ihren Staͤdten, fuͤrnemlich in Oberegypten ge- schehen, und die geistlichen predigem nicht mehr gegen diese alte Gewohnheit, weil die großen Herrn sich dadurch doch nicht abhalten lassen wuͤrden, solche Leute zu kaufen, und ihnen ein bequemes Leben zu verschaffen. Man muß aber nicht meinen, daß in Arabien viele verschnitten werden. Hier werden gar keine, oder wenig- stens nicht so viele verschnitten als in Italien, sondern die meisten Kastraten in Arabien, Egy- ten und der Tuͤrkey kommen aus Habbesch und N ú bien, und ihre Anzahl ist gewiß im Mor- genlande nicht so groß, als man in Europa denkt. Der Sultan in Constantinopel hat mehr Verschnittene, als alle Unterthanen in sei- nem weitlaͤuftigen Reiche, und ihm werden die meisten als Geschenke zugesandt. Auch scheint es nicht, daß die Verschnitte- nen so große Feinde des weiblichen Geschlechts sind, als einige sie haben beschreiben wollen. Man findet oft, daß sich einige — Sklavin- nen halten. Fuͤnftes Fuͤnftes Kapitel. Von der Sprache und den Wissenschaften der Araber. E s ist bekannt, daß die Araber in den aͤltern Zeiten schon verschiedene Dialekte gehabt haben. — Itzt trift man vielleicht in keiner Sprache so viele Mundarten an, als in der ara- bischen. Man findet nicht nur in den bergigten Gegenden des kleinen Gebiets, daß der Iman von Jemen beherrscht, eine ganz andre Art zu reden, als in Teh â ma, sondern die Vornehmen haben auch eine ganz andre Aussprache, und fuͤr viele Sachen ganz andre Namen, als die Bauern und beyde Mundarten, sind von der Bedouinen ihrer sehr verschieden. Noch groͤßer ist der Unterschied in entferntern Provinzen. — Da also schon von undenklichen Jahren her, selbst in den verschiedenen Provinzen Arabiens, mancherley Dialekte im Gebrauch gewesen sind, und die arabische Sprache auch viele Sprachen außerhalb Arabien verdraͤngt hat; so wird man sich nicht daruͤber wundern, daß sie reicher an Woͤrtern ist, als irgend eine andre. Weil sich die Araber zur mohammedanischen Religion bekennen; so halten sie die Sprache, worinn der Koran geschrieben ist, und also den Dialekt, Dialekt, welchen man zu Mohammeds Zeiten, zu Mecca redete, fuͤr den allerreinsten. Dieser ist von den neuern so sehr verschieden, daß man die Sprache des Korans selbst zu Mecca, so wie zu Rom das Lateinische, nur bloß in Schulen lernt. Und weil sich der Dialekt in Jemen, der schon eilf hundert Jahre vor dem zu Mecca verschieden war, gleichfalls durch den Um- gang mit Fremden, und durch die Zeit veraͤn- dert hat; so lernt man die Sprache des Korans, auch daselbst nur als eine Sprache der Gelehr- ten. Die alte arabische Sprache ist also in Ara- bien eben so anzusehen, als die lateinische in Europa. Die neuere, die in Hedsjas geredet wird, verhaͤlt sich gegen die alte urspruͤngliche, wie etwa die Sprache des mittlern Italiens ge- gen die alte lateinische, die verschiedenen Mund- arten in Arabien, wie die verschiedenen Dialekte in Italien, und die arabischen Sprachen außer- halb Arabien, so wie das Spanische, Portu- giesische u. f. — Die Sprache der Araber, welche die bergigten Gegenden auf der Graͤnze von Jemen und Hedsjas bewohnen, und die fast gar keinen Umgang mit Fremden haben, soll sich am wenigsten veraͤndert haben, und al- so auch von der Sprache des Korans weniger, als die uͤbrigen verschieden seyn. Zu den Sprachen, welche von der Arabi- schen gleichsam vertrieben worden sind, gehoͤrt unter andern, das Coptische, oder die alte Sprache der Egyptier. Diese ist dergestalt aus- gestorben, gestorben, daß man nur sehr wenige Copten fin- det, die ihre Kirchenbuͤcher verstehen, ja die sie nur recht lesen koͤnnen. — Dieß wird begreif- lich, wenn man bedenket, daß sie schon seit mehr als zwey tausend Jahren bestaͤndig von fremden Nationen sind regiert worden. Nach der Meynung der Copten zu Kahira haben die Griechen, welche ihre egyptische Unterthanen als Ketzer ansahen, und alle Mittel anwendeten, sie mit ihrer Kirche zu vereinigen, bey Lebens- strafe verboten, die alte coptische Sprache zu reden, und ihnen so gar anbefohlen, sich des griechischen Alphabets zu bedienen. Indessen soll man ihnen erlaubt haben, sieben Buchsta- ben aus ihrem alten Alphabet zu gebrauchen, weil das Griechische nicht alle die Buchstaben hatte, die sie brauchten, um sich deutlich in ihrer alten Sprache auszudruͤcken. Dieß grie- chischcoptische Alphabet ist in den neuern Zeiten das Coptische genannt worden. — Nachher soll unter der Regierung der Mohammedaner ein Koͤnig von Egypten bey Strafe des Todes verboten haben, die vermischt griechischcoptische Sprache zu reden, und seitdem ist die arabische Sprache in Egypten gemein. Doch werden die Evangelia und einige Gebete in den Kirchen, noch itzt in der coptischen, aber gleich darauf auch in der arabischen Sprache gelesen. Die uͤbrigen Araber, welche in Afrika, nem- lich an der Suͤdseite des mittellaͤndischen Meers von Egypten bis an die Meerenge von Gibral- tar, tar, und von hier bis an das Vorgebuͤrge der guten Hoffnung, in der Gegend von Madagas- kar und an der Westseite des arabischen Meer- busens Eroberungen gemacht haben, haben auch an den meisten dieser Laͤnder ihre Sprache ein- gefuͤhrt. Aber viele von ihren Unterthanen, reden noch itzt ihre alte Landessprache, und hier- durch muß die wahre arabische Sprache sehr verfaͤlscht worden seyn. In Syrien und Pa- laͤstina hoͤrt ein Reisender zwar nichts als ara- bisch, doch kann die syrische Sprache noch nicht zu den todten gezaͤhlt werden. Denn es soll in der Provinz des Paschcha von Dam á sk in eini- gen Doͤrfern wuͤrklich noch Syrisch geredet wer- den. In sehr vielen Doͤrfern in der Gegend von Merdin und Mosul, reden die Christen noch bestaͤndig Chaldaͤisch, ja die Weiber und dieje- nigen Maͤnner, welche keine Geschaͤfte in Staͤd- ten haben, verstehen keine andre als diese ihre Muttersprache. Diese Sprache scheint nun wohl, da sie sich so viele Jahrhunderte nur unter den Bauern er- halten hat, nicht sehr cultivirt zu seyn. Die Priester in dieser Gegend versichern, daß das neue Chaldaͤische eben so sehr von dem alten abweiche, als das itzige Arabische von dem, was zu Mohammeds Zeiten geredet ward. — Die Christen, welche in den Staͤdten Mosul und Merdin geboren sind, sprechen gar kein Chal- daͤisch, wenigstens nicht als ihre Muttersprache. Doch schreiben sie Karschuni, d. i. arabisch mit P chal- chaldaͤischen Buchstaben, so wie die Maroniten auf dem Berge Libanon arabisch mit syrischen, die Griechen in Natolien tuͤrkisch mit griechischen, und die Juden in Asien, Afrika und Europa, allerhand dasige Sprachen mit hebraͤischen Zei- chen. Die morgenlaͤndischen Christen schreiben vielleicht, nachdem ihnen ihre alten Sprachen unbekannt geworden sind, nicht arabisch oder tuͤrkisch, damit die Mohammedaner ihre Buͤ- cher und Briefe nicht lesen sollen, und damit ihre Geistlichen und andre, die sich fuͤrnemlich durch Schreiben ernaͤhren muͤßen, nicht Lust bekommen moͤgen, Mohammedaner zu werden, denn bey diesen wuͤrden sie ihr Brodt nicht ver- dienen koͤnnen, ohne von neuen gut arabisch oder tuͤrkisch schreiben zu lernen. Die neuen Schriftzuͤge der Mohammedaner sollen nach der Meynung der itzigen Araber, von einem Wisir ibe Mocla erfunden seyn, und zwey von seinen Sklaven, sollen sie allgemein gemacht haben. Jacut, sagt man, hat die Schriftzuͤge, welche man Talik nennt, in Per- sien und Rih â n des Nessig in Arabien ausge- breitet. Daher schreiben die Araber und Tuͤr- ken noch itzt alle ihre Buͤcher mit den Schrift- zuͤgen Nessich, die Perser aber gemeiniglich Talik. Man muß bekennen, daß die morgen- laͤndischen Buͤcherabschreiber es in ihrer Kunst schoͤn zu schreiben, sehr weit gebracht haben. Die Schriftzuͤge Dtult oder Rihani, sind eine Art Fraktur, welche man zu Innschriften auf Holz Holz und Steinen braucht, desgleichen zu den Buͤchertitteln, bey welchen man die Buchstaben oft mit vieler Kunst und Zierde in einander schlingt. Diese Buchstaben sind nur groͤßer oder staͤrker, in der Figur aber wenig von Nes- sich verschieden. Die Cursivschrift der Tuͤrken und Araber, nemlich die Schriftzuͤge, welche die vom buͤrgerlichen Stande in Privatbriefen und Rechnungen brauchen, nennt man Rorai. Bey dieser giebt man sich nicht viele Muͤhe, schoͤn und deutlich zu schreiben, ja man setzt fast niemals die Lautbuchstaben, und nur selten die Unterscheidungspunkte uͤber und unter den Buchstaben. — Divani ist gleichfalls eine be- sondre Schreibart, deren sich die Osmanli, d. i. die vornehmen Tuͤrken, fuͤrnemlich in ih- ren Canzeleyen und in Briefen bedienen. Die Im â m, die K â dis und andre arabische Gelehrte, schreiben ihre Namen gerne mit durch einander geschlungenen Buchstaben, damit sie nicht leicht nachgeschrieben werden koͤnnen. Die- jenigen, welche selbst nicht schreiben koͤnnen, lassen ihren Namen unter den Brief setzen, und drucken ihn, oder ihren Wahlspruch, den sie gemeiniglich in einem Stein geschnitten an den Fingern tragen, mit Dinte unter oder auf der andern Seite des Papiers, auf ihren geschrie- benen Namen. — Die Osmanli uͤbersenden ihre Briefe an andre Vornehme, in langen seid- nen Beuteln. Die Araber rollen sie etwa in der Breite eines Daums, platt zusammen, und P 2 klei- kleistern das aͤußerste Ende, anstatt den Brief zu versiegeln. In den kaͤltern Gegenden von Persien braucht man auch Siegellack. In den heißen Laͤndern aber wird es bald weich, und daher das Siegel in demselben unkenntbar. Die Janitscharen brauchen in ihren Rech- nungsbuͤchern eine ganz besondre Schrift, wel- che man Siaka nennt, und wovon die Zahlen gaͤnzlich, die Buchstaben aber nur zu m Theil von den Schriftzuͤgen der uͤbrigen Mohamme- daner verschieden sind. Die arabischen Regenten wenden zwar nicht so viel auf die Wissenschaften als (einige) euro- paͤische, und man findet deswegen in den Mor- genlaͤndern nur selten Leute, welche man mit Recht Gelehrte nennen kann. Indessen wird doch die Jugend bey den Mohammedanern uͤber- haupt, nicht so sehr vernachlaͤßigt, als man vielleicht in Europa glaubt. In den Staͤdten koͤnnen viele gemeine Leute schreiben und lesen. — Die Vornehmen haben in ihren Haͤusern eigene Lehrer bey ihren Kindern und Sklaven, wovon sie nemlich diejenigen, bey welchen sie Verstand bemerken, oft als ihre eigne Kinder erziehen. Man findet fast bey jeder großen Moske eine Schule, wo nicht nur die Lehrer, sondern auch arme Knaben von Stiftungen unterhalten wer- den. Ueberdieß sind in den großen Staͤdten noch viele Schulen, wohin Leute von mittlern Stande ihre Kinder schicken, um die Grund- saͤtze der mohammedanischen Religion, lesen schreiben schreiben und rechnen zu lernen. Die Schulen sind gemeiniglich nach der Seite der Staße, so wie die Kramladen, ganz offen. Doch scheint es, daß der Lerm der vielen Vorbeygehenden gar nicht stoͤhrt, sondern alle die, welche lesen oder etwas auswendig lernen, sitzen, und haben das Buch auf einem kleinen hoͤlzernen Pult vor sich. Sie sagen alle Worte laut, und bewegen sich mit dem ganzen Oberleibe, so wie die Ju- den in ihren Synagogen. Maͤdchen findet man in diesen Schulen nicht. In einigen großen arabischen Staͤdten sind außer den erwoͤhnten kleinen, auch groͤßere Schu- len, in welchen die hoͤhern Wissenschaften der Mohammedaner, als die Astronomie, Astrolo- gie, Philosophie, Arzeneykunst u. s. w. getrie- ben werden. In diesen Wissenschaften sind sie freylich gar weit unter den Europaͤern, aber nicht weil es ihnen an Faͤhigkeiten, sondern an gu- ten Buͤchern und Unterricht fehlt. Blos in dem Koͤnigreiche Jemen sind noch itzt zwey schon seit vielen Jahren beruͤhmte Akademien: die eine zu Z é bid, fuͤr die Anhaͤnger der Sekte Sunni, und die andre zu Dam â r fuͤr die Zeiditen. Die Erklaͤrung des Korans, die Geschichte der Mo- hammedaner zu den Zeiten Mohammeds und der ersten Califen, ist die Hauptbeschaͤftigung der mohammedanischen Gelehrten, und diese ist, selbst bey dey Arabern, nicht nur sehr weitlaͤuf- tig, weil sie das alte Arabische als eine todte Sprache lernen, sondern auch weil sie sich mit P 3 den den vornehmsten Schriftstellern, die uͤber den Koran geschrieben haben, und deren Anzahl sehr groß ist, wohl bekannt machen muͤßen, wenn sie sich unter ihren Landesleuten das Ansehen der Gelehrsamkeit erwerben wollen. Man sagt, daß die Gelehrten sich oͤffentlich muͤßen examini- ren lassen, bevor sie ansehnliche geistliche oder weltliche Bedienungen erhalten. Doch hierbey handeln die Mohammedaner wohl nicht ganz unpartheyisch. Viele, wovon man glaubt, daß sie nur wenig gelernt haben, erhalten eintraͤgli- che Bedienungen, und andre tuͤchtige Maͤnner, muͤßen ihre Lebenszeit als Schreiber und Schul- meister zubringen Wenn mancher Professor sich sollte vorher so examiniren lassen, ehe er sein Amt antritt, als es sich gehoͤrte; so wuͤrde es wahrlich oft sehr mißlich aussehen. — Manchem armen Can- didaten wenn er vor dem Richterstuhle seine Gelehrsamkeit zeigen soll, wird herzlich bange, und kann vor Ungeduld die Zeit nicht erwarten, wo er dieser Geissel los ist. Die Furcht dieser Leute ist ganz gegruͤndet, weil sie befuͤrchten muͤßen, einen Repuls zu bekommen, und da bleibt ihm die Schaude aufm Halse. Es waͤre daher zu wuͤnschen, daß die Herren, welche ei- nen andern examiniren, immer unpartheyisch verfahren moͤchten, und immer bedenken, daß zwischen„ einen examiniren„ und„ von einem exa- miniret werden„ ein großer Unterschied sey. Ein Narr kann mehr fragen, als zehn Kluge ant- worten koͤnnen. . Es Es scheint, daß die Araber noch itzt sehr große Reimer sind, und daß ihnen ihre Verse auch bisweilen belohnt werden. Indessen fin- det man doch unter ihnen keine große Dichter. — Die Araber besingen auch noch zuweilen die Heldenthaten ihrer Schechs. So machten sie nach einem Siege, den der Stamm Chasael vor einigen Jahren, uͤber den Ali, Pascha zu Bagdad erhalten hatte, so gleich ein Lied, in welchem sie die Heldenthaten eines jeden ihrer Anfuͤhrer erhoben. Man findet zu Kahioa, Damask, H ú leb, Mos ú l, Bagdad und Basra, einige sehr große Kaffeehaͤuser, die des Abends bisweilen durch eine Menge Lampen erleuchtet werden. Sonst sicht man in ihnen keine Zierrathen, als Stroh- matten auf der Erde, oder auf gemauerten Er- hoͤhungen, und auf dem Feuerheerde große und kleine kupferne, in- und auswendig schoͤn ver- zinnte Kaffeetoͤpfe, mit vielen Kaffeetassen. Man kann in diesen morgenlaͤndischen Schen- ken keine andre Erfrischungen erhalten, als eine tuͤrkische oder persische Pfeise Toback und Kaffee ohne Milch und Zucker. Man hat also daselbst weder Gelegenheit, viel zu verzehren, noch sich zu berauschen, sondern die Araber bleiben in die- sen ihren Wirthshaͤusern fast eben so nuͤchtern, als in den aͤltern Zeiten bey ihrem Trunk Was- ser. Sie haben zwar verschiedene Arten Spiele, und sind besonders im Schachspiele große Mei- P 4 ster. ster. Allein sie vertreiben sich damit des Abends in ihren Kaffeehaͤusern die Zeit nicht, und uͤber- dieß spielen sie niemals um Geld. Auch sind sie keine Liebhaber vom spatziren, sondern sitzen auf der Stelle, welche sie einmal genommen ha- ben, bisweilen ganze Stunden, ohne ein Wort mit ihren Nachbarn zu sprechen. Sie versam- meln sich zuweilen in diesen Kaffeehaͤusern bey hunderten. Sie wuͤrden aber dennoch ihre Zeit nicht sehr angenehm zubringen, wenn ihnen nicht ihre Vorleser und Redner die Langeweile vertrie- ben. Diese sind gemeiniglich arme Gelehrte, Mull â s, welche sich zu einer bestimmten Stun- de einfinden. Sie lesen den versammelten Gaͤ- sten vor, und waͤhlen dazu bald die Geschichte des Antars, eines arabischen Helden vor der Zeit Mohammeds, bald die Thaten des Ru- stam S â l, eines persischen Helden, oder des Bebers, eines Koͤnigs von Egypten, oder der Ajubiten, welche gleichfalls in diesem Lande regiert haben, oder des Bahhluldane, einer lustigen Person an dem Hofe des Califen Ha- r û n er Rasch î d. In diesem letztern Buche sind sehr viele gute Sittenspruͤche. Einige, die Beredsamkeit genug dazu haben, erzaͤhlen auf und abgehend ihre Fabeln, in gebundener oder ungebundener Rede. Wenn der Redner auf- hoͤrt; so pflegt er eine freywillige Gabe von seinen Zuhoͤrern zu verlangen, die zwar gewoͤhn- lich nur klein ist, aber doch die armen Mull â s ermuntern, Fabeln zu lernen, und mit Anstand zu zu erzaͤhlen, ja selbst Reden und Fabeln aus- zuarbeiten. Zu Konstantinopel sind alle große Versamm- lungen in den Kaffeehaͤusern aus politischen Ur- sachen verboten, und man findet deswegen in dieser Stadt eigentlich keine Kaffeehaͤuser, son- dern nur Kaffeebuden. Es scheint, daß die Tuͤrken uͤberhaupt nicht große Liebhaber von den erwaͤhnten Rednern in den Kaffeehaͤusern sind. Die Araber rechnen ihre Tage vom Unter- gang der Sonne an, bis sie wieder untergeht, und theilen ihn in vier und zwanzig Stunden. Weil aber nur sehr wenige unter ihnen von Uh- ren etwas wissen, und deswegen eben keinen ge- nauen Begriff von der Zeit einer Stunde ha- ben; so bestimmen sie ihre Zeit ohngefaͤhr eben so, als wenn Europaͤer sagen: dieses oder je- nes ist zu Mittage oder am Abend geschehen. Sie nennen die Zeit, wenn die Sonne eben un- tergeht, M á ggrib. Die Zeit ohngefaͤhr zwey Stunden spaͤter, heißt El â schaͤ. Noch etwa zwey Stunden spaͤter, El maͤrfa. Mitter- nacht, Nus el lejl. Wenn die Morgendaͤm- merung anfaͤngt, El f é dsjer. Wenn die Son- ne aufgeht, Es subhh. Ohngefaͤhr um neun Uhr des Morgens, pflegen sie zu essen, und die- se Zeit heißt, El gh á dda. Mittag, Ed duchr, und ohngefaͤhr drey Uhr des Nachmit- tags El á sr. Von diesen verschiedenen Zeit- puncten ist nur Mittag und Mitternacht genau P 5 be- bestimmt, und trift gerade auf zwoͤlf Uhr. Die uͤbrigen alle fallen etwas fruͤher oder spaͤter, nachdem die Tage lang oder kurz sind. Es wer- den nur die fuͤnf gesetzten Betstunden, nemlich Maggrib, Nus el lejl, Elsedsjer, Duchr und El á sr von den Rufern (Muaͤssem) auf den Thuͤrmen der Mos keen angezeigt. Die Mohammedaner rechnen ihre Monate nach dem Mondenlauf. Der Tag, an welchem sie den Neumond zuerst sehen, ist der erste Tag des Monats. Wenn der Himmel zur Zeit des Neumonds etwa mit Wolken bedeckt ist; so be- kuͤmmern sie sich nicht viel darum, ob sie einen Tag fruͤher oder spaͤter anfangen. Sie nennen ihre Monate 1. Muh á rrem. 2. Saffar. 3. Rabea el aual. 4. R á bea el achar. 5. Dsjumm â da el aual. 6. Dsjumm â da el achm. 7. Radsjeb. 8. Schab â n. 9. Ramadan oder Ramasan. 10. Schau â l. 11. Dsulk â de. 12. Sulh á ds je. Weil ein Mondenjahr eilf Tage kuͤrzer ist, als ein Sonnenjahr, und also der Anfang des Mu- Muh á rrem nach einander in alle Jahrszeiten faͤllt; so sind diese Monate zur genauen Bestim- mung der Zeit sehr unbequem, und die Gelehr- ten rechnen deswegen nach folgenden Monaten: 1. Teschr î n el aual, enthaͤlt 30 Tage. 2. Teschr î n T â ni, enthaͤlt 30 Tage. 3. Kan û n aual, enthaͤlt 31 Tage. 4. Kan û n T â ni, enthaͤlt 31 Tage. 5. Schub â d, enthaͤlt 28 oder 29 Tage. 6. Adar, enthaͤlt 31 Tage 7. Najs â n, enthaͤlt 30 Tage. 8. Aj â r, enthaͤlt 31 Tage. 9. Husejr â n, enthaͤlt 30 Tage. 10. Tamus, enthaͤlt 31 Tage. 11. Ab, enthaͤlt 31 Tage. 12. Ail û l, enthaͤlt 30 Tage. Die Mohammedaner haben nur zwey große Festtage, welche etwa mit unsern Weynachten, Ostern und Pfingsten verglichen werden koͤnnten. a) Das Osterfest, Arafa, Kurb â n oder die kleine Beiram genannt, faͤllt auf den zehnten des Monats Sulhadsje. Dieses ward 1762 zu Kahira am zweyten Julius, 1763 in Jemen am ein und zwanzigsten Junius, und 1764 in Indien, am zehnten Junius gefeyert. b) Der große Beiram wird in den ersten zwey bis drey Tagen des Monats Schau â l, nemlich, gleich auf den Ramad â n gefeyert Der Ramadan oder Ramasan ist, wie aus ei- nem der vorhergehenden Kapiteln erhellt, ein Fastenmonat. . Die Moham- medaner medaner fasten nicht so wie die Christen, son- dern sie duͤrfen von dem Anbruch des Tages, d. i. von der Morgendaͤmmerung an, bis zum Untergang der Sonne, gar nichts genießen. Dieses ist gewiß sehr hart fuͤr diejenigen, wel- che genoͤthigt sind, ihr Brodt des Tages zu ver- dienen. Fuͤr die Reichen hingegen, ist dieses Fasten in Arabien, wo der Tag im Sommer nicht viel laͤnger ist, als ein Winter, nicht so beschwerlich, weil sie sich des Nachts uͤberfluͤßig saͤttigen, und des Tages ausschlafen koͤnnen. Aber gluͤcklich sind die nordischen Voͤlker, daß die mohammedanische Religion sich nicht bis in ihre Graͤnzen ausgedehnt hat. Sie wuͤrden, wenn der Ramadan in den Sommer fiele, aus Gehorsam gegen die Religion, todt hungern muͤßen. Zu Maskat und in Persien, rechnet man auch nach den vorhin erwaͤhnten Mondenmona- ten. Man hat uͤberdieß noch eine Art, die Zeit zu berechnen, nach welcher das Jahr an dem Tage des Aequinoctiums anfaͤngt. Dieser Tag wird der Naurus genannt. — Die coptischen Christen in Egypten zaͤhlen 5500 Jahre von Er- schaffung der Welt, bis zu Christi Geburt, und von dieser Zeit an, nur 276 Jahre bis zu dem Anfange der diocletianischen Zeitrechnung. Im Jahre 1762 zaͤhlten sie nur 1478 Jahre, nach der diocletianischen Zeitrechnung, und 1754 Jahre nach Christi Geburt. Ihre Monate sind alle gleich, und jeder hat dreyßig Tage. Sie schalten schalten aber am Ende des Jahres fuͤnf Tage, und jedes vierteljahr sechs Tage ein. Daher fallen ihre Festtage immer in dieselbe Jahrszeit. Der Anfang eines coptischen Jahrs, faͤllt ge- gen das Ende des Septembers ein. Die zwoͤlf Monate der Copten heißen: 1. Tut. 2. Babe. 3. Hatur. 4. Kiiaht. 5. Tube. 6. Amsch î r. 7. Baranchad. 8. Barmude. 9. Beschansch. 10. Bavne. 11. Abib. 12. Mesre. Man findet fast keinen halbgelehrten Araber, der nicht die Namen der zwoͤlf himmlischen Zeichen im Thierkreis auswendig hersagen kann, und von den verschiedenen Haͤusern des Mondes gehoͤrt hat: allein, selten ist einer unter ihnen, der die Sterne kennt. Man trift aber biswei- len unter den mohammedanischen Astrologen einige an, die mit dem Himmel nicht ganz un- bekannt sind, und diese finden zu ihrer Absicht einen hinlaͤnglichen Unterricht, in einem gewis- sen Buche, in welchem man fast alle Sternbil- der nach eben der Ordnung, wie in Bayers Ura- nometrie abgebildet sieht. Nicht blos der Zeitvertreib, da nemlich die Morgenlaͤnder unter freyem Himmel schlafen, und deswegen gute Gelegenheit haben, den Himmel zu betrachten, sondern auch die Noth- wendig- wendigkeit, und der Mangel der Uhren hat so- wohl die gemeinen Araber, als die europaͤischen Bauern gelehrt, auf den Lauf der Sterne Ach- tung zu geben; auch die Benennung der Stern- bilder, ist bey den gelehrten und gemeinen Ara- bern eben sowohl verschieden, als bey den Eu- ropaͤern. Und so wie man in Europa nur we- nige unter den gemeinen Leuten findet, die sich um die Namen der Sterne bekuͤmmern; so kann man auch viele Araber vergebens darnach fra- gen. Indessen kennen doch einige die verschiede- nen Sterne, und nennen den großen Baͤren, Asch, Nasch oder Ben â t Nasch; die Pleya- den, Torija; den Polarstern nennen einige Kuttub, andre Dsjuͤddi. Die Venus, wel- che wir des Abends bey Sonnenuntergang se- hen, nennen einige Araber Marebi, d. i. den Abendstern. Den Sirius kennen alle Araber am persischen Meerbusen, und vielleicht in ganz Arabien, unter den Namen Suhh ê l. Auf diesen merken sie am meisten, wenn er so weit aus den Sonnenstrahlen koͤmmt, daß man ihn des Morgens sehen kann, weil die große Hitze alsdann anfaͤngt abzunehmen. An persischen Meerbusen sieht man den Sirius, in den letz- ten Tagen des Julius, und man pflegt alsdann nicht wenig vergnuͤgt daruͤber zu seyn. — Der gemeine Araber pflegt die Milchstraße Derb et tuͤbben î n, d. i. der Weg der Heckerlingtraͤget zu nennen. Ein Comet heist bey den Arabern ein Lachsa, Abu, Suͤble, Abu Denneb, d. i. d. i. Schwanzstern, und Abu Seif oder der Schwertstern. Obgleich die Araber astronomische Tabellen und Abbildungen der Sternbilder haben, wor- nach sie sich alle große Sterne bekannt machen koͤnnen; so findet man unter ihnen doch keinen, der sich in der practischen Astronomie viel geuͤbt haͤtte, und hierzu fehlt es ihnen gaͤnzlich an gu- ten Instrumenten. Doch bezeigen sie darzu große Lust. — Zu den Instrumenten eines mo- hammedanischen Sternkundigen, gehoͤrt erstlich eine Himmelskugel, die sie gut zu gebrauchen wissen. Ferner haben sie ein Astrolabium von Meßing, und einen kleinen sauber gemachten hoͤlzernen Quadranten, womit sie die Polhoͤhe nehmen, und die Stunde ihres Gebets bestim- men koͤnnen. Die Sternkundigen des Sultans zu Kon- stantinopel, machen alle Jahr einen neuen Al- manach, den sie aufgerollt bestaͤndig bey sich tragen. Herr Niebuhr hat bey den Arabern keinen Almanach gesehen. Ja man bekuͤmmert sich sowohl in Egypten als in Jemen so wenig darum, das Publikum von der Jahrszeit zu unterrichten, daß es der Poͤbel daselbst nicht einmal vier und zwanzig Stunden vorher weiß, wenn ein großer Festtag einfaͤllt. Die neuern Entdeckungen der Europaͤer in der Astronomie und ihre Verbeßrungen in den astronomischen Rechnungen, sind den Moham- medanern aus Mangel der Sprachkenntnisse, noch noch gaͤnzlich unbekannt. Doch findet man in den großen morgenlaͤndischen Staͤdten einige, die eine Sonnenfinsterniß nach des Ulugh Beighs Tabellen berechnen koͤnnen. Die Parsi oder Feueranbeter, gebrauchen auch die Tabellen des Ulugh Beigh. Die Bram â nen sollen es noch weiter in der Sternkunde gebracht haben, als die Parsi und Mohammedaner. Es ist nicht nur den morgenlaͤndischen Stern- kundigen, sondern auch allen vernuͤnftigen Mo- hammedanern sehr wohl bekannt, daß der Erd- schatten eine Mondfinsterniß, und der Mond in seinen Stande zwischen der Sonne und der Erde, eine Sonnenfinsterniß verursacht. Un- ter dem Poͤbel hoͤrt man noch die Fabel, daß die Himmelskoͤrper bey ihrer Verfinsterung von einem großen Fisch verfolgt werden. Die Wei- ber und Kinder bringen alsdann geschwinde ih- re metallene Becken und Kessel auf ihre Haͤuser, und machen ein großes Getoͤse, um den Fisch zu verjagen. Unser Verfasser hat sie dabey so vergnuͤgt gesehen, daß er glaubt, sie thaͤten es, um sich an dieser einfaͤltigen Musik zu vergnuͤ- gen, oder welches noch wahrscheinlicher sey, um ihre Nachbarn aufmersam zu machen, damit auch sie die Finsterniß beobachten sollen. Von dem Ursprunge dieser Gewohnheit, erzaͤhlt man folgende Geschichte: Ein arabischer Sternkundiger, Namens Naser et t û si, hatte eine Mondfinsterniß be- rechnet, und hofte gut belohnt zu werden, wenn er dem Califen die Zeit, zu der sie eintreffen wuͤr- de, bekannt machte. Er ward aber von den Hofleuten ausgelacht, weil man nicht glaubte, daß dergleichen Begebenheiten vorherbestimmt werden koͤnnten; ja man beschuldigte ihn so gar, daß er sich fuͤr einen Propheten ausgeben wollte. Weil seine Wissenschaft ihm kein Ge- hoͤr bey dem Regenten verschaffen konnte, so nuͤtzte er den Aberglauben des Poͤbels, und breitete aus: es waͤre Gott angenehm, wenn man den Fisch, der den Mond bey der Finster- niß verfolgen wuͤrde, durch einen großen Lerm mit metallenen Becken und Kesseln erschreckte. — Die Finsterniß, welche er berechnet hatte, traf erst spaͤt in der Nacht ein, zu einer Stunde, da er nicht hoffen konnte, daß sie von dem Regen- ten wuͤrde bemerkt werden. Er selbst gab also das Zeichen. Sobald seine Nachbaren, welche nach der Gewohnheit des Landes auf den Daͤ- chern schliefen, es hoͤrten, so schlugen sie auch auf ihre Kessel, und der Lerm verbreitete sich in kurzer Zeit bis an den Pallast des Califen, wel- cher davon erwachte, und nun sah, daß die Rechnung des Naser et t û si richtig sey. Weil Mohammed ausdruͤcklich verboten hat, das Loos um Rath zu fragen, und durch Pfei- le wahrzusagen; so findet man diese alte Ge- wohnheit Das Studium der Astronomie wurde in den aͤltern Zeiten von den Arabern sehr geliebt. Sie nicht mehr bey den Arabern. Den- Q noch noch sind die Mohammedaner sehr aberglaͤubisch, und es scheint, daß die Schiiten hierinn die Sunniten noch weit uͤbertreffen. Jene unter- nehmen keine wichtige Handlung, z. E. schlies- sen keinen Kontrakt von Wichtigkeit, ohne vor- her ihre Knoͤpfe am Kleide, oder die Steine an ihrem Rosenkranze gezaͤhlt, und gleichsam um Rath gefragt zu haben, und hieruͤber werden sie Sie begnuͤgten sich nicht damit, so wie die uͤbri- gen Voͤlker, den Lauf und die Bewegung der Planeten zu beobachten, sondern sie erweiterten ihre Betrachtung bis zu den Fixsternen. Sie bildeten sich endlich einen solchen Einfluß der Gestirne ein, der nicht allein bey den natuͤrlichen Koͤrpern auf Erden mancherley Veraͤnderungen in Ansehung des Wetters, der Gesundheit und Krankheit des menschlichen Lebens verursache; sondern sich auch auf die menschlichen Verrich- tungen und kuͤnftige Begebenheit des Gluͤcks und Ungluͤcks erstrecke. Und so leiteten sie nicht nur die Schicksale einzelner Menschen, sondern auch ganzer Nationen von der Beschaffenheit und Kraft der Gestirne her. Und nur allein hierinn darf man die Ursache aufsuchen, warum die Gestirne von den alten Arabern so sehr ver- ehrt wurden, und man kann auch zugleich hier- aus schließen, wie sehr diese unrichtige Vorstel- lung von dem Einfluß der Gestirne den Fort- schritt der uͤbrigen Wissenschaften gehindert habe. a) a) Diese Meynung, welche die alten Araber von dem Einfluß der Gestirne auf die Koͤrper, u. s. w. gehegt haben, hat auch noch im zehnten Jahr - sie bisweilen von andern schlauen Kaufleuten desto leichter betrogen. Aber auch nicht alle Perser sind gleich aberglaͤubisch. Die Araber haben verschiedene geheime Wissenschaften, wovon niemand Gebrauch machen darf, wenn er nicht von einem großen Meister aus der Zunft, dem er waͤhrend einer gewissen Zeit den Teppich zum Gebet ausgebrei- tet Jahrhunderte, und noch spaͤter, nach Christi Geburt, ihre Vertheidiger gefunden. Ein ge- wisser Schriftsteller, dessen eigentlichen Namen man nicht weiß, und ohngefaͤhr im zwoͤlften Jahrhunderte gelebt, hat unter dem Namen Ovidius ein Buch unter dem Titel: De Vetula, herausgegeben, worinn er die Beschaffenheit und Schicksale der Religion von dem Gestirne herleitete, und die Juͤdische, von der Vereini- gung des Jupiters mit dem Saturn; die Chal- daͤisch-persische, von der Conjunction des Jupi- ters mit dem Mars; die Roͤmische von der Verknuͤpfung des Jupiters mit der Venus; die Christliche von der Verbindung des Jupiters mit dem Goͤtterboten Mercurius, abstammen ließ. — Dieß ist eine absurde Hypothese. Wollte man den Einfluß der Gestirne auf die freyen Handlungen der Menschen annehmen, so wuͤrde dadurch die voͤllige Freyheit des menschlichen Willens, und folglich auch alle Moralitaͤt der menschlichen Verrichtungen, die ohne diese Freyheit nicht bestehen kann, aufge- hoben werden. In unsern Zeiten findet man, so viel mir wissend ist, dergleichen Narrheiten und Possen nicht mehr bestritten! — Q 2 tet hat, gleichsam ausgeschrieben ist. Das heißt, man glaubt, daß einer seine Kunst nicht ausuͤben koͤnne, wenn er nicht dazu von seinem Meister die Erlaubniß erhalten hat. Zu diesen rechnet man folgende drey: a) Ism all á h, d. i. die Wissenschaft des Namens Gottes. Sie behauptet: Gott sey das Schloß, und Mohammed der Schluͤssel zu dieser Wissenschaft, und deswegen koͤnne keiner, als nur ein Mahommedaner, sie lernen. Man soll dadurch erfahren koͤnnen, was in weitentle- genen Laͤndern vorgeht. Denn derjenige, wel- cher diese Kunst versteht, soll eine so genaue Bekanntschaft mit den Geniis erhalten koͤnnen, daß diese voͤllig zu seinem Befehle stehen, und ihm Nachricht bringen. Man soll ferner durch diese Wissenschaft Wind und Wetter regieren, Schlangenbisse, Kruͤppel, Lahme und Blinde, heilen koͤnnen. Einige der groͤssesten moham- medanischen Heiligen sollen es durch ihre gottes- fuͤrchtige Lebensart darinn so weit gebracht ha- ben, daß sie alle Mittage ihr Gebet in der Ka- ba zu Mecca verrichtet haben, ohne die uͤbrige Zeit des Tages aus ihren Haͤusern gekommen zu seyn. Man trift unter den Mahommedanern Leu- te an, die sich, ohne etwas zu essen oder zu trinken, eine lange Zeit an einen dunkeln Ort einsperren, und einige kleine Gebete so lange mit einer starker Stimme hersagen, und immer wiederholen, bis sie in eine Ohnmacht fallen. Wenn Wenn sie sich wieder erholen, so geben sie nicht nur vor, eine Menge Geister, sondern Gott selbst gesehen zu haben. Aber dergleichen Er- scheinungen suchen diejenigen nicht, welche die Wissenschaft Ism all á h gruͤndlich verstehen. b) Simia. Diese Wissenschaft wuͤrden wir etwa die Taschenspielerkunst, oder die na- tuͤrliche Zauberey nennen. Sie lehrt, außer vielen andern Kuͤnsten, wie man Feuer, Schlan- gen u. d. gl. ohne Schaden essen kann; wie man einem sogenannten Marktschreierbrunnen befehlen kann, wenn er laufen oder still stehen soll; wie man ein Ey, welches in einem dop- pelten Becher liegt, in ein Kuͤchlein, oder Staub in Fruͤchte verwandeln kann, wie man Staub, in eine Schuͤssel mit Wasser werfen, und ihn wiederum trocken vom Boden herausnehmen kann, und dergleichen. — Obgleich die aͤch- ten mohammedanischen Geistlichen diese Wissen- schaft gar nicht billigen, so bedienen sich doch einige Orden Derwische (eine Art Moͤnche) derselben, um dem Poͤbel ein Blendwerk vor- zumachen. Ja einige wollen gar durch diese Art Wunderwerke die Wahrheit ihrer Religion, und die Heiligkeit des Stifters ihres Ordens beweisen. — Diese Kuͤnste werden nirgends mit so vieler Freyheit getrieben als zu Basra. Man sieht hier am Abend eines jeden Donner- stags, welchen die Mohammedaner den Frey- tags Abend nennen, einen großen Schwarm Derwische von dem Orden eines Schechs, die Q 3 mit mit Trommeln und Singen, durch die vor- nehmsten Straßen der Stadt ziehen, und aller- ley Gaukeleyen machen, besonders damit, daß sie sich ein Eisen, welches unten spitz ist, und oben einen Knopf einer Faust dicke hat, mit Gewalt ins Auge werfen, und es wieder her- ausziehen, ohne daß es ihnen schadet. Diese Derwische begeben sich nach der Procession in das Haus des Nakib es scheraf, d. i. des Ober- haupts der Nachkommen Mohammeds in dieser Stadt, um einige Kapitel aus dem Koran zu lesen oder lesen zu hoͤren. Die Derwische von dem Orden Bedreddin feyern in der zwoͤlften Nacht des Rabea el aual ein sehr großes Fest wegen der Geburt Moham- meds. Bey diesem Feste war unser Verfasser als ein Mohammedaner gekleidet, und hat das Schauspiel der Derwische mit angesehen. Al- les, sagt Hr. N. geschah unter freyen Himmel, und auf dem großen Platze brannten nicht mehr als drey große Wachslichter. Die Schechs und die Vornehmen aus der Stadt saßen oben in einer Reihe, und unter diesen war besonders der oberste Schech des Ordens merkwuͤrdig. Alle Derwische kuͤßten ihm auf ihren Knien die Hand inwendig und auswendig, und legten sie auf ihren Kopf, um gleichsam den Seegen zu erhalten. An beyden Seiten saß eine Menge Derwische und Mull â s, die zum Theil mit agirten, oder nur Zuschauer waren. Einige lasen, oder sangen vielmehr, gewisse Stuͤcke aus aus den Koran, eins ums andre, bis sich eine Menge Zuschauer versammlet hatte. Einer raͤucherte, indem er Staub von der Erde nahm, und ins Feuer warf, und den Geruch des Weih- rauchs hervorbrachte. Hierauf kamen einige Bediente in bunten Kleidern, welche mitten auf dem Platze auf- und niedergingen, allerhand laͤcherliche Stellungen machten, und der Ver- sammlung aus vollen Halse zuriefen, sie sollte Gott fuͤrchten, und sich des Propheten erinnern. Vor dem obersten Schech war eine Menge von den erwaͤhnten kurzen aber schweren Eisen, die man Dabus nennt, und auch viele andre etwa drittehalb Fuß lange duͤnne Eisen, in die Erde gesteckt. Mehr als zwan z ig Derwische spran- gen auf einmal auf, und jeder nahm mit vieler Ehrerbietung einen Dabus. Eine Menge Mullas und andre Mithelfer schlugen auf klei- ue Handtrommeln, und sangen, um die Akteurs zu begeistern, oder vielmehr, um die Zuschauer zu betaͤuben. Die Derwische liefen mitten auf dem Platze unordentlich durch einander, und jeder warf sich sein schweres und spitzes Eisen aus allen Kraͤften ins Auge und in die Brust, stellte sich darauf, als wenn er alle Kraͤfte an- wenden muͤßte, um es wieder herauszuziehen, und doch hatte sich keiner verwundet. Der oberste Schech haͤtte die Hauptrolle spielen sollen. Weil aber diese fuͤr ihn vielleicht zu muͤhsam war, so muste einer seiner Schuͤler seine Stelle vertreten. Dieser warf sich vor sei- Q 4 nem nem Schech auf die Knie, und hielt ein langes Gebet, in welchem er seinen Meister um Huͤlfe anzurufen schien. Als er ihm hierauf die Hand gekuͤßt, und sie auf seinen Kopf gelegt hatte, so sprang er auf, warf seinen Turban von sich, und ließ seine langen Haare los und herunter hangen. Er machte allerhand wunderliche Spruͤnge, als wenn er begeistert, oder vielmehr naͤrrisch waͤre. Bisweilen stand er stille, und bedeutete dem Musikanten, welche Lieder, oder welche Toͤne seine Begeisterung befoͤrdern koͤnn- ten. Endlich ergrif er zehn bis zwoͤlf Stuͤck von den erwaͤhnten langen und duͤnnen Eisen, und lief damit auf dem ganzen Platze herum. — Wenn man aus diesen Ceremonien der Moͤn- che des Ordens Bedr edd î n, welche bey allen vernuͤnftigen Leuten verhaßt sind, auf den Got- tesdienst aller Mohammedaner schließen wollte; so wuͤrde man sich sehr betruͤgen. Indessen hat man wohl nur gar zu oft aus nicht viel bessern Gruͤnden die Religion der fremden Nationen beurtheilt. Die Wissenschaft Kurra ist vermuthlich ein Theil der Simia. Jene ist die Kunst, Zet- tels zu schreiben, welche fuͤr boͤse Augen und unzaͤhlige andre Faͤlle nuͤtzlich seyn sollen. Man traͤgt diese Zettel in Leder geneht, auf der Muͤtze oder auf den Armen, oder auf der Brust; ja, man macht den schoͤnen Pferden, Maulthieren und Eseln davon ganze Schnuͤre um den Hals, wovon das eine verhuͤten soll, daß das Thier sich sich nicht erhitze; ein anders soll ihm Appetit zum Fressen geben, u. s. f. Das Oberhaupt einer gewissen Familie zu Haleb, theilet an ei- nem gewissen Tage im Jahre, eine Menge sol- cher Zettel umsonst aus, welche die Wuͤrkung haben sollen, daß in das Zimmer, worinn einer am Fenster steckt, keine Fliegen oder Muͤcken kommen. Nur muß dieser Zettel an einem be- stimmten Tage vor Sonnenaufgang geholt wer- den. Der Bote muß an dem Morgen weder gegessen noch getrunken haben, und zu dem darf er bis zu seiner Zuruͤckkunft nicht ein Wort reden, wenn der Zettel seine Kraft nicht verlieren soll. — Man hoͤrt selten, daß die Zimmer, in welchen diese Zettel am Fenster stecken, weni- ger von Fliegen und Muͤcken angefuͤllt sind, als diejenigen, wo man sie nicht findet. Die mei- sten, welche sie abholen, sind alte Weiber, und diese sind denn gemeiniglich so hoͤflich zu glau- ben, daß sie selbst nicht alle vorgeschriebene Re- geln wohl beobachtet haben. Daher kommt es, daß die Zettel noch jaͤhrlich an dem bestimmten Tage mit großer Begierde verlangt werden. Juden, Mohammedaner, Christen — alle koͤnnen dergleichen Zettel schreiben. Die Wissenschaft Ramle gehoͤrt vermuth- lich gleichfalls zu der Wissenschaft Simia. Man will dadurch aus dem Namen eines Men- schen, und dem Namen seiner Mutter vorher- sagen koͤnnen, was ihm begegnen werde. Wenn jemand krank wird, so muß ein Mulla gleich Q 5 nach- nachschlagen, ob der Kranke wieder gesund wer- de, oder nicht, und dafuͤr wird in gewissen Faͤl- len ein Hahn, oder ein Schaaf bezahlt. Der Gebrauch der Wissenschaften Kurra und Ramle wird von den großen sunnitischen Lehrern fuͤr suͤndlich gehalten; denn sie wissen sehr wohl, daß dem Poͤbel dadurch nur das Geld aus dem Beutel gelockt wird. Indessen hindert man die armen Schreiber nicht, damit ein Stuͤck Brodt zu verdienen. Und weil die meisten Moham- medaner geizig sind, so bedienen sich auch oft Gelehrte dieser Freyheit, welche ohnedieß gut leben koͤnnten. c) Die Wissenschaft Sihr ist — die Hexe- rey. Durch sie soll man nur suchen, seinem Naͤchsten Schaden zuzufuͤgen, und deßwegen werden diejenigen, welche davon Gebrauch ma- chen, von allen ehrliebenden Arabern aufs aͤus- serste gehaßt und verflucht. Also kein Wort mehr von dieser Kunst. Wir werden dieß Kapitel beschließen, wenn wir unsern Lesern eine Beschreibung von der Arzeneywissenschaft der Araber werden vorge- legt haben. Die Mohammedaner sind uͤberhaupt wegen ihrer regelmaͤßigen Lebensart selten krank; und wenn sie ja die Huͤlfe eines Arztes beduͤrfen, so belohnen sie ihn nur selten nach Verdienst. Die wenigsten wollen selten mehr als die Arze- ney bezahlen. Stirbt der Kranke, so hat der Arzt schwerlich fuͤr seine Muͤhe etwas zu hoffen; wird wird er aber wieder gesund, so vergißt er sehr bald seine Krankheit und die Dienste des Arztes. Die meisten mor enlaͤndischen Arzte sind daher genoͤthigt, ihre Zuflucht zur List zu nehmen, um nur so viel zu gewinnen, daß sie nothduͤrf- tig leben koͤnnen. Sie wissen nemlich, daß ihre Patienten alsdann am freygebigsten sind, wenn sie einige Linderung der Krankheit spuͤren, und daß ihnen dann am meisten daran gelegen ist, den Arzt bey guter Laune zu erhalten. Diese schoͤne Gelegenheit pflegt der Arzt nicht zu ver- saͤumen, und unter mancherley Vorwande so viel Geld zu verlangen, als er nach den Umstaͤn- den des Kranken zu erhalten hoffen kann. Auf diese Art laͤßt er sich seine Kur zum voraus be- zahlen. Dieser und andrer Ursache wegen wird man in Arabien keine großen Aerzte erwarten koͤnnen, und man trift daselbst auch wohl sel- ten einen an, der von der Arzeneywissenschaft mehr gelernt hat, als die Kunstwoͤrter aus al- ten arabischen und griechischen Arzeneybuͤchern. Niebuhr versichert, in Arabien keinen geschick- ten und beruͤhmten Arzt gekanut zu haben; in Jemen aber habe er einige gekannt, welche zu- gleich Laboranten, Apotheker, Wund- und Pfer- deaͤrzte waren, und dennoch ihren nothduͤrftigen Unterhalt kaum verdienen konnten. Die Araber wissen sich vieler Hausmittel mit Nutzen zu bedienen. — In Salmons und Gochs Staat von Arabien ist bemerkt worden, daß die Araber lieber sterben, als sich ein ein Clystier setzen laßen. Unser Verfasser haͤlt dieß fuͤr unrichtig; denn er erzaͤhlt, daß ein Arzt sich dieses Mittels bey Vornehmen zu Ka- hira bedient habe. — Daß die Mohammeda- ner ihren Kranken bisweilen eine Ader oͤfnen, ist bekannt. — Das Schroͤpfen ist bey den Arabern sehr gemein. Die Werkzeuge, welche sie dazu gebrauchen, sind aber sehr schlecht. Die gemeinen Leute zu Basra, und besonders die Hamals, d. i. die Lasttraͤger, zerhacken sich das Fleisch unter der Wade, daß ihnen das Blut an den Beinen herunter stroͤmt; denn hierdurch glauben sie stark zu werden. Wenn die Araber einem Missethaͤter die Hand oder ei- nen Fuß abgehauen haben, so stecken sie den Stumpf in gekochtes Oehl, um das Blut zu stillen. Die suͤdlichen Araber wollen behaupten, daß das Salben den Leib staͤrke, und sie, da sie fast nackend gehen, gegen die Hitze der Sonne schuͤtze. — Die Zahnschmerzen scheinen uͤber- haupt bey den Mohammedanern seltner zu seyn, als bey den Europaͤern, vermuthlich, weil sie sich fleißiger waschen. Sie essen k a um Fruͤchte, und noch viel weniger andre Speisen, ohne sich den Mund gleich nachher zu reinigen. Indessen sind die Zahnschmerzen den Arabern, und fuͤr- nemlich denen, die in den Staͤdten wohnen, nicht unbekannt. Man haͤlt dafuͤr, daß der uͤble Geruch auf den Abtritten, welche nicht be- staͤndig rein gehalten werden, den Zaͤhnen sehr schaͤdlich schaͤdlich sey. Die Abtritte sind vielleicht in keiner morgenlaͤndischen Stadt so schlecht, und wegen der großen Hitze so unbequem als zu Basra, und hier hoͤrt man auch sonderlich uͤber Zahnwehe klagen. Die Araber wollen auch Wuͤrmer in den Zaͤhnen bemerkt haben. Der Nervenwurm ist in Jemen, auf der Halbinsel von Indien, und auch in Persien sehr gemein. Man glaubt in Jemen, daß der Nervenwurm von dem ste- henden Wasser herruͤhre, welches man in eini- gen Gegenden zu trinken genoͤthigt ist. Viele Araber brauchen deßwegen die Vorsicht, das ihnen unbekannte Wasser durch Leinwand zu trinken. Wenn nun einer die Insekten, oder den Saamen, woraus diese Wuͤrmer entstehen, schon bey sich hat, so spuͤrt man davon so lan- ge nichts, bis sich die Wuͤrmer durch die Haut arbeiten wollen, und dieses verursacht auch nur einiges Jucken. Der Nervenwurm ist so duͤn- ne wie ein Zwirnfaden, aber bisweilen zwey bis drey Fuß lang. Wenn er sich etwas durch die Haut gearbeitet hat; so winden ihn die Morgen- laͤnder auf einen Strohhalm, oder auf ein klei- nes Stuͤck duͤnnes Holz. Weil er sich nach und nach herausziehet; so winden sie ihn taͤglich weiter auf, bis er sich endlich ganz heraus ge- arbeitet hat, und damit kann er einige Wochen zubringen. Man muß sich sehr huͤten, daß man ihn nicht abreißt, denn in diesem Falle zieht er sich wieder zuruͤck. Man will Bey- spiele spiele haben, daß Leute davon gelaͤhmt worden, oder daß der kalte Brand dazu gekommen, und sie davon gestorben sind. Die Araber haben dreyerley Arten von Aus- saß, nemlich, 1) Bohak. Diese ist weder ansteckend noch gefaͤhrlich. 2) Barras. Diese Gattung wird auch nicht fuͤr gefaͤhrlich gehalten. 3) Dsuͤddam. Dieser Aussatz ist der allerschlimmste; er ist vielleicht derjenige, den Hillary den Aussatz der Gelenke nennt, nach welchem die Finger Glied vor Glied abfallen sollen. Die Mohammedaner glauben zwar, daß ihnen nichts begegnen koͤnne, was Gott nicht vorher beschlossen habe. Nachdem aber die Tuͤr- ken bemerkt, daß die Eropaͤer sich zu der Zeit der Pest einschließen, und deßwegen selten einer von ihnen an dieser Krankheit stirbt; so haben auch einige wenige angefangen zu einer solchen Zeit, so viel moͤglich abgesondert zu leben. Doch versaͤumt keiner deßwegen seine oͤffentli- chen Geschaͤfte. Mann kann aber uͤberhaupt sagen, daß man wegen des Aussatzes, in eini- gen Gegenden vorsichtig ist. Der itzt noch re- gierende Schech zu Abuschaͤhhr schickt diejenigen, welche mit der Gattung des Aussatzes, die man Abbras nennt, behaftet sind, man sagt auch, diejenigen, welche gefaͤhrliche venerische Krank- heiten haben, nach der Insul Bahhraje. Das Sechstes Kapitel. Abriß von den Bedouinen, oder herum- streifenden Arabern. B isher haben wir von den Arabern, wel- che in den Staͤdten wohnen, und sich in gewisse Oerter niedergelassen haben, geredet. Itzt muͤssen wir aber noch diejenigen be- kannt machen, welche in abgesonderten Staͤm- men, unter Zelten wohnen, und ein herum- streifendes Leben fuͤhren. Diese Bedouinen, welche in arabischer Sprache Badowi Badowi heißt in der arabischen Sprache so viel als, zum Landleben gehoͤrig, oder Bewohner einer Wuͤste. heissen, bevoͤlkern den oͤstlichen Theil des wuͤsten Ara- biens, und man kann diese recht eigentlich die wahren Araber nennen, weil sie ihre alte Frey- heit allen Bequaͤmlichkeiten, die ihnen die Com- munication mit andern Volkern verschaffen konn- te, vorgezogen haben, und die Regimentsver- fassung, Sitten und Gewohnheiten ihrer Vor- fahren noch bis auf den heutigen Tag sorgfaͤl- tig beobachten. Die verschiedenen Berichte, welche uns die Reisebeschreiber von diesen herumirrenden Ara- bern, bern, gegeben haben, sind voll von Widerspruͤ- chen. Ein Portug i sischer Reisender macht uns von ihnen einen Abriß, und stellt sie als Leute vor, bey denen weder Policey noch Gesellschaft anzutreffen sey, die zwar den Mohammed ver- ehrten, aber nichtsweniger als aͤchte Musel- maͤnner waͤren, die sich mit nichts als Rauben und Stehlen beschaͤftigten, sich in ihrem An- zuge und Sitten, schmuzig und grob zeigten, alle Ordnung und Gesetze so sehr verabscheuten, daß sie bey vorfallenden Streitigkeiten nicht die geringsten Zeichen der Gerechtigkeit blicken ließen. Andere, und zugleich zuverlaͤßigere, Schrift- steller, machen uns einen vortheilhaftern Abriß von der Regierungsform und Sitten dieser Araber. Herr Niebuhr, und mit ihm stimmt Arvieux fast uͤberein, meldet uns, daß sie in viele Familien eingetheilet sind, und daß ein jeder Schech, (welches die Adlichen unter ih- nen sind) uͤber seine Familie und Bedienten herrsche. Wenn nun, sagt, H. N. ferner, diese Schechs ihr Eigenthum gegen ihre Nach- barn nicht vertheydigen koͤnnen; so verbinden sich mehrere kleine Schechs, und waͤhlen unter sich einen groͤßern. Mehrere groͤßere Schechs unterwerfen sich, mit Genehmhaltung der klei- nern, einem noch maͤchtigern als sie sind, und der ganze Stamm wird alsdenn nach der Fa- milie des großen Schechs benennt. — Ihre Bedienung ist erblich; wenn sie aber ohne maͤnn- liche liche Erben sterben, so versammlen sich alle Haͤupter des Stammes und schreiten zur Wahl eines andern Schechs, welchen der Groß-Emir bekraͤftigen muß. Es ist nicht allemal noͤthig, daß der aͤlteste von den Soͤhnen oder Anver- wandten der Familie zur Regierung gelangt, sondern man waͤhlt denjenigen aus der Fami- lie, der fuͤr den tuͤchtigsten gehalten wird. Ein jeder kleiner Schech ist, wie bereits gesagt, der Anfuͤhrer seiner Familie, und der große Schech darf sie nicht eigentlich als Unterthanen, son- dern als Bundesgenossen ansehen, weil jene sonst von ihm abfallen, und ihre Heerde zu ei- nem andern Stamm treiben koͤnnen, von dem sie mit offnen Armen aufgenommen werden. Der maͤchtigste und an Vasallen und Un- terthanen reichste Emir, fuͤhrt nach dem Be- richte des Arvieux, den koͤniglichen Titel. Er residirt in einer Wuͤste auf der Straße nach Mecca, in einer gleichen Entfernung von die- ser Stadt und dem Berge Sinai. Ein ieder von ihnen glaubt in seinem Gebiete voͤllig sou- verain zu seyn, weil seine Vorfahren in der Gegend, wo er wohnt, vielleicht einige hundert Jahre gewohnt haben. Aus dieser Ursache glaubt er auch ein Recht zu haben, von den Reisenden die durch sein Gebiet ziehen wollen, gewisse Geschenke, Zoll verlangen zu koͤnnen, und es in diesem Stuͤcke eben so zu halten, als andre Nationen. Der Großsultan schickt ihm alle Jahre ein ansehnliches Geschenk, um ihn R dadurch dadurch zu verbinden, daß er die Brunnen am Wege nach Mecca nicht verderbe, und den Pil- grimmen freyen Durchzug verstatte. Gleiche Geschenke werden den uͤbrigen Emirs gegeben, welche der Sultan aus eben diesen Beweggruͤn- den schonen muß. Die Tuͤrken haben aus trauriger Erfahrung gelernt, daß Gewalt bey einem Volke nichts vermoͤge, das sich in un- fruchtbaren Wuͤsteneyen verschanzt, wo eine Armee fuͤr Hunger ihr Leben einbuͤßen muͤßte, ehe sie den Feind erreichen koͤnnte. Die Be- douinen sind nie von einem Auswaͤrtigen be- zwungen worden, und aller Wahrscheinlichkeit nach, werden sie auch nie von andern bezwun- gen werden koͤnnen. — Es ereignet sich sehr oft, daß die verschiedenen Staͤmme unter sich viele, aber kleine und nicht blutige Kriege fuͤh- ren. Machen nun etwa die Tuͤrken Miene, sich dieser Uneinigkeit zu bedienen, und einen Ein- fall gegen die Bedouinen zu wagen, so vereini- gen sie sich alsbald, um gemeinschaftlich zuerst das allgemeine Wohl zu vertheidigen. Die Einkuͤnfte der Emirs sind nichts weni- ger als betraͤchtlich, weil sie von ihren Unter- thanen keine Abgaben fodern, und auch nicht fodern koͤnnen. Sie brauchen aber auch nichts, denn das Heer, welches sie anfuͤhren, braucht von ihnen nicht besoldet zu werden, und die Sparsamkeit, die sie beweisen, laͤßt schon ver- muthen, daß sie keinen großen Aufwand ma- chen koͤnnen. Ihr groͤßester Reichthum besteht, in in den Stutereyen und dem Heerden Vieh. Die meisten von ihnen handeln mit den Kar- wanen, die durch ihr Gebiet ziehen, an wel- che sie ihre Pferde (die den groͤsten Theil ihres Handels ausmachen) und Vieh — welches aus Ziegen und Schafen besteht, denn das Land bringt fast nichts als Tamarin- den und Heidekraut hervor — gegen Lein- wand, Tuch, Kaffe, Reis und andre Beduͤrf- nisse, vertauschen. Diesen Handel treiben nicht nur die Schechs, sondern auch ihre Un- terthanen. Die Bedouinen haben bey ihren Streitig- keiten und peinlichen Klagen, weder Advo- katen noch Gerichtsschreiber, ja nicht einmal Gerichtsdiener, welche, wie bey den Tuͤrken, die streitenden Partheyen vor Gericht fodern. Zuweilen waͤhlen sie zu ihrem Richter den er- fahrensten Bedouinen im Lager. Der Emir entscheidet alle Rechtssachen, auf die Aussage der Zeugen und der Partheyen, jedesmal mit lauter Stimme, und ohne etwas nieder zu- schreiben. Sein Ausspruch wird in dem Au- genblick vollzogen, ohne daß jemand etwas dawieder einwenden koͤnnte. Der Schech ent- scheidet, wenn der Emir nicht gegenwaͤrtig ist; aber seine Entscheidung ist nicht unwiderruf- lich. — Die Bedouinen erscheinen so selten als moͤglich vor dem Emir oder dem Schech; sie beklagen sich lieber bey ihres Gleichen, in- sonderheit bey denen, die sie als die uneigen- R 2 nuͤtzigsten nuͤtzigsten kennen. Sie bringen ihre Klagen an, ohne zu schreyen, oder einander in die Rede zu fallen; sie buͤrden sich unter einander nichts durch Luͤgen auf, und gebrauchen auch keine anzuͤgliche Worte. Sie lassen es allezeit bey dem Ausspruche ihres Schiedsrichters bewen- den, und beobachten treulich das, was ausge- macht worden ist. Nicht leicht entstehen Streitigkeiten unter ihnen, als etwa des Handels wegen, beym Kaufe oder Verkaufe, oder bey Vertauschung ihres Viehes, und anderer Lebensmittel. Wenn sie einen Tausch treffen, so werfen sie eine Hand- voll Erde auf die Pferde, Schafe u. s. w. die sie auswechseln wollen, und sagen in Gegen- wart von Zeugen: Wir geben einander Er- de um Erde. Sobald sie dieß geredet, kann der Handel auf keine Weise ruͤckgaͤngig gemacht werden. Nach der Art, wie die Bedouinen leben, geschicht es nicht leicht, daß peinliche Klagen unter ihnen vorfallen. In solchem Falle aber koͤnnte der Emir dem Verbrecher lassen Stock- schlaͤge geben, ihn aufhaͤngen, spießen, koͤpfen, oder den Bart abschneiden lassen — welches letztere die schimpflichste Strafe ist. Allein sie gehen mit dergleichen Bestrafungen so sparsam um, als es moͤglich ist. Die Bedouinen wohnen schon seit etlichen Jahrhunderten in den Wuͤsteneyen Arabiens, campiren zu allen Jahrzeiten unter Zelten, ha- ben ben keine bleibende Staͤte, und verweilen sich nur an solchen Oertern, wo sie Wasser, Fruͤch- te und Weide fuͤr ihr Vieh, finden. Diese fluͤchtige Lebensart ziehen sie allen andern vor. — Der Emir hat mehr als ein Zelt; aber sie sind eben so wie die andern, naͤmlich von Ziegenhaa- ren, und unterscheiden sich nur etwas in Anse- hung der Groͤße. Er hat naͤmlich eins, wo er Audienz giebt, eins, fuͤr sich; eins, fuͤr seine Weiber, und noch verschiedene kleinere fuͤr seine Bedienten, wo sie kochen und ihre Haushal- tung haben. Die Form des Lagers ist rund nach Beschaffenheit des Platzes. Die Zelte des Emirs stehen in der Mitte, und der Bodouinen ihre, um diese herum, doch in gewisser Entfer- nung von ohngefaͤhr dreyßig Schritten, aus Achtung fuͤr den Herrn Emir und seine Ge- mahlinnen. Die gemeinen Leute haben in ihren Zelten keinen andern Hausrath als einige Matten, worauf sie schlafen, und ein paar Decken. Das Kopfkuͤssen besteht gemeiniglich aus einem Stei- ne, den sie unter die Matte legen. Ihr Kuͤ- chengeraͤth besteht aus etlichen Kesseln und hoͤl- zernen Naͤpfen, worein sie die Suppe und das Fleisch anrichten, einer kleinen Handmuͤhle, et- lichen Kruͤgen und ziegenhaͤrnen Saͤcken, in wel- chen sie ihre Kleider verwahren. — Die Emirs sind indessen weit besser eingerichtet. Man fin- det bey ihnen Matrazzen, Decken und Teppiche, einige derselben sind oft mit Gold und Seide R 3 durch- durchgewirkt. Sie haben Kuͤssen von Sammt, Tuch oder Atlaß, nach Art der Tuͤrken. Un- ter ihre Bettdecken werden große weisse Tuͤcher genaͤht, das Bett-Tuch aber ist allezeit von ge- streifter Leinewand. — Die Bedouinen schla- fen nicht leicht ohne Nachtbeinkleider: dieß er- fodert die Bescheidenheit. Es waͤre ein Zeichen der groͤbsten Unverschaͤmtheit, wenn man ei- nem andern etwas nackendes zeigen wollte. Auch die Kinder duͤrfen diese Bescheidenheit nicht verletzen, und laͤßt es sich ein Kind bey- gehen ohne Beinkleider etwa zu schwimmen; so zuͤchtigt man’s aufs haͤrteste, und zwar nicht, wie bey uns, mit der Ruthe, — sondern man giebt ihm die Ruthe auf die Fußsohlen. So bescheiden sie nun aber in ihrem Aeußer- lichen sind, so unreinlich sind sie dagegen bey ihren Essen. Bey den Emirs und Schechs besteht der Tisch aus einem großen rundgeschnittenen Stuͤck Leder, das auf die Erde gebreitet wird. Die Teller und Schuͤsseln sind von Kupfer, die Loͤf- fel von Holz, die Tassen von Silber, oder von aͤchten und unaͤchten Porcelain, oder von Mes- sing. — Ehrbahre, und mehr als gemeine Leute, sitzen bey Tische mit kreuzweisgelegten Beinen, fast wie unsre Schneider; das gemei- ne Volk aber kniet, und sitzt auf den Fersen. Es ist nicht gebraͤuchlich ein Tischtuch aufzu- decken, sondern man setzt die Schuͤsseln auf das Leder, und um diese herum legt man die Loͤffel. Von Von Gabeln weiß man nichts; sie sagen: Mo- hammed haͤtte denjenigen Ablaß versprochen, die mit drey Fingern aͤßen. Und aus diesem Grun- de nehmen sie alles Fleisch mit den Fingern, doch nur mit der rechten Hand, weil sie die Linke gebrauchen, um sich nach Verrichtung der natuͤrlichen Nothwendigkeit zu waschen. Da auch das Fleisch in Stuͤcken geschnitten und so weich gekocht wird, daß es leicht zerfaͤllt; so gebrauchen sie ebenfalls kein Messer. Die Suppe, das gekochte Fleisch, die Braten, Ne- bengerichte, Sallat, Obst — werden alle auf einmal aufgetragen. Man ißt, ohne zu trin- ken, Die Aerzte versichern, daß das Trinken unter der Mahlzeit nichts tauge. Die Bedouinen beobachten diese Regel, so viel als moͤglich, und vielleicht ist dieß auch eine Mitursache, war- um sie nicht so oft krank sind, als die Eu- ropaͤer. — man muͤßte denn außerordentlichen Durst haben, und alsdann Wasser fodern. Nach der Mahlzeit, wenn sie aufstehen, wird gebetet; An unsern vornehmen Tafeln ist das nicht Mode! hernach laͤßt man sich zu trinken geben, und waͤscht die Haͤnde mit Seife. Zu- letzt wird Kaffee getrunken und ein Pfeifchen gestopft. Die Unreinlichkeit beym Essen ist unter dem gemeinen Volke noch gewoͤhnlicher. Sie thun das Fleisch, Reis und den Pilau, Haͤnde voll R 4 in in große Naͤpfe, zerdruͤcken es mit der Hand, und machen Kloͤße, die den ganzen Mund fuͤl- len. Bleibt etwas an der Hand oder am Bar- te kleben; so werfen sie es ohne Umstaͤnde wie- der in die Schuͤssel. Wenn sie gegessen haben, thun sie große Zuͤge aus einer Kanne, die Reihe- herum geht, waschen sich, trinken Kaffee, und stopfen sich gleichfalls ein Pfeifchen. Es scheint als koͤnnten die Bedouinen (so wie uͤberall die Araber) ohne Kaffee und Toback nicht leben. Will ein Mann seine Frau strafen, so ist die groͤste fuͤr sie, daß sie keinen Kaffee trin- ken darf. — Man kann auch nicht sagen, daß sie Feinde des Weintrinkens waͤren; sie trinken ihn vielmehr, so oft sie ihn haben koͤnnen, denn sie sagen, das Verbot ihres Propheten, waͤre nur ein Rath, keinesweges aber ein Gebot. Sie haben auch noch ein anderes Getraͤnke, das von Abrikosen, Weinbeeren und andern trocke- nen Fruͤchten gemacht ist, worauf den Tag vor- her Wasser gegossen wird: man setzt es zugleich mit dem Fleische auf den Tisch, in Naͤpfen, und wer davon trinken will, schoͤpfet es mit Loͤffeln. Was die Kleidung der Emirs und der Schechs betrift; so ist bekannt, daß sie von der Tuͤrken ihrer wenig unterschieden ist. Die uͤbrigen Bedouinen tragen ein grobes Hemde mit langen Ermeln, leinwandne Beinkleider, einen Caftan von groben baumwollenen Zeuge, wie ein langer Unterrock gemacht, der bis auf die die halben Beine geht, einen ledernen Gurt, an welchem ein Dolch haͤngt, und einen Mantel von schwarz und weißgestreiften, Barakan. Im Winter tragen sie Westen von Schafpelzen, davon sie die rauche Seite bey guten Wetter in- wendig tragen, wenn es aber regnet, heraus- kehren. Auf die Weise laͤuft der Regen von der Wolle ab, ohne durchzudringen, den nas- sen Pelz schuͤtteln sie ab, und die Weste ist in einem Augenblick trocken. Bey der großen Hitze im Sommer ziehen sie uͤber ihre gewoͤhn- liche Kleidung noch Roͤcke von weisser Leinwand, die sehr weit und wie unsre Hemden gemacht sind. Ihr Turban besteht aus einer kleinen Muͤtze von rothem Tuche, mit weissem Nesseltuche um- wunden, daran das eine Ende wie eine Schleife geknuͤpft ist, das andre laͤngere aber, der Son- nenhitze wegen, um den Hals gemacht wird. Die Bedouinen tragen keine gruͤne Farbe, wie die Perser, die deßwegen von allen Muselmaͤn- nern verachtet werden, sondern nur die Nach- kommen des Mohammeds genießen dieses Vor- rechts. — Wenn sie auf einen Angriff aus- gehen, sind ihre Waffen der Bogen, die Lanze, Saͤbel, und ein mit Fischhaut uͤberzogener Schild. Sie kennen den Gebrauch des Schieß- gewehrs nicht, und fuͤrchten sich sehr dafuͤr. Ihre Art zu kriegen, gleicht der Persianischen; sie schlagen sich nemlich selten auf freyem Felde, und fallen nicht leicht den Feind an, ohne des R 5 Sieges Sieges versichert zu seyn. — Die Bedouinin- nen sind eben so schlecht gekleidet, wie ihre Maͤnner. Sie tragen einen Schleier uͤber den Kopf, den sie um den Hals wickeln, und den untersten Theil des Gesichts, bis an die Nase, bedecken. Im Winter haben sie Camisoͤler mit Baumwolle durchnaͤhet, und gehen in Pantoffeln. Die Gemahlinnen der Emirs und Schechs sind nicht so haͤßlich als die gemeinen Bedoui- ninnen; sie sind weisser und wohlgestalter, uͤber- dieß aber mit mehr Geschmacke und Reinlich- keit gekleidet. Ihre Hemden und Beinkleider von Nesseltuche, mit Seide gestickt; ingleichen, kleine Camisoͤler von goldenem Stoffe oder Atlas, oder von andern seidnen Stoffe, die sie nur mit zwey Knoͤpfen uͤber den Guͤrtel zuma- chen; das oberste des Camisols bleibt offen, damit die Brust allezeit Raum habe, und man die Mitte davon ein wenig zu sehen bekomme. Die Westen, die sie daruͤber ziehen, sind von Atlas, oder Sammt, oder von goldenem Bro- cade. Sie tragen auch Caftane, die wie or- dentliche Camisoͤler gemacht sind, nur daß sie bis auf die Fuͤße gehen, womit sie sich im Win- ter bedecken. Ihre Schuhe oder Pantoffeln sind klein und ausgeziert; gehen sie aber aus, so ziehen sie gefaltete Halbstiefeln an. Der Kopfputz besteht in einer Muͤtze von goldenen oder silbernen Stoffe, fast wie ein Napf ge- macht, die mit Nesseltuche, in Gold und Seide gestickt, gestickt, umwunden ist, und in einer Stirn- binde von Gase. Wenn sie ausgehen, machen sie uͤber den Kopfputz einen großen nesseltuche- nen Schleier, welcher Gesicht, Hals und Brust bedeckt. Machen sie Besuche, oder gehen sie zu Fuße spatziren, haben sie Reife an den Bei- nen, woran kleine Ringe haͤngen, die wie Schellen klingen. Diese Ringe, und eine Menge anderes Spielwerk, daß sie in ihren langen Haarzoͤpfen flechten, stellen so viele kleine Glocken vor, welche ankuͤndigen, daß sie vor- beygehen, und jeder, der ihnen begegnet, macht sich auf die Seite, um sie nicht anzusehen. Bey den Besuchen, die sie einander machen, haupt- saͤchlich aber die ersten Tage nach der Hochzeit, zeigen sie alle ihre Schaͤtze und die Kostbarkeit ihres Anzuges. Die Heyrathen werden bey ihnen so geheim- nißvoll behandelt, wie in Spanien, oder in Italien ein galantes Liebesverstaͤndniß. Wenn ein junger Bedouine Neigung zu einem Maͤdchen hat, es sey nun blos ein Einfall von ihm, denn die Araber haben nicht den geringsten Umgang mit andern Weibern oder Toͤchtern, oder weil er von ihr hat reden hoͤren; so ist seine erste Be- muͤhung, daß er die Person, die er haben will, zu sehen bekomme: dieß erhaͤlt er oft vom Vater selbst, der ihn in seinem Zelte versteckt, oder von der Tochter, die, wenn sie die Absichten ihres Liebhabers merkt, sich aber einbildet, schoͤn zu seyn, ihren Schleyer, als von ohngefaͤhr, fallen, fallen, und sich einige Augenblicke sehen laͤßt. Alsdann haͤlt der junge Mensch durch einen sei- ner Verwandten um sie an, und man wird um den Preis einig, den der Schwiegersohn dem Schwiegervater, an Schafen, Kameelen oder Pferden geben soll, denn niemals wird um Geld gehandelt. Der Preis aber ist allezeit nach den Verdiensten und Eigenschaften des Maͤdchens, nach dem Ansehen der Familie, und nach dem Vermoͤgen dessen, der sich angiebt, eingerichtet. Wenn die Partheyen einig sind; so ver- sammelt sich das Frauenzimmer von beyden Fa- milien in dem Zelte der Braut, und fuͤhret sie ins Bad; man beraͤuchert sie, mahlt ihr die Augenbraunen schwarz, und die Naͤgel roth; man druͤckt ihr allerley Merkmale auf den Leib. Hernach wird sie so kostbar als moͤglich angezo- gen, mit Armbaͤndern, Ringen und Schau- stuͤcken behangen — es versteht sich, wenn die Familie wohlhabend ist — und auf ihre ganze Kleidung Goldstaub gestreut. Wenn sie nun so geputzt ist, so setzt man sie auf ein Kameel, welches mit einer Decke behan- gen und mit Blaͤttern und Blumen geziert ist. Man fuͤhrt sie unter Vocal- und Instrumental- musik in das Zelt, wo die Hochzeit soll vollzo- gen werden. Das Frauenzimmer begleitet sie dahin, und die Maͤnner, bey welchen sich der Braͤutigam aufhaͤlt, versammeln sich besonders in in dem naͤchsten Zelte. Man uͤberlaͤßt sich von beyden Seiten allem moͤglichen Vergnuͤgen, so lange der Tag dauert. Wenn die Nacht her- einbricht; so fuͤhrt das Fraͤuenzimmer die Braut zum Braͤutigam, welcher sie allein in seinem Zelte erwartet, und sie, ohne zu reden, oder die geringste Bewegung zu machen, aufnimmt. Die Braut naͤhert sich, beobachtet gleichfalls ein Stillschweigen, und wirft sich ihrem Lieb- sten zu Fuͤßen, der ihr ein Band um die Stirne bindet, an welchem eine goldene oder silberne Medaille haͤngt. Diese Cerimonie wird den Abend dreymal wiederholt, und bey jedem male aͤndert die Braut ihre Kleidung: so oft sie dem Braͤutigam vorgefuͤhrt wird, so oft empfaͤngt er sie auf eben diese Art, und beweist eben die Ernsthaftigkeit. Es ist eine Art von Pracht im Morgenlan- de, daß man die Braut oft auszieht, und ihr in einem Tage alle Kleider anziehen laͤst, die sie zur Hochzeit bekommen hat. Wenn die Braut zum dritten male vorgefuͤhrt ist, steht der Braͤu- tigam auf, umarmt sie, und traͤgt sie in das Zelt, wo sie schlafen sollen. Da laͤst man sie eine viertel Stunde allein: — hernach waschen sie sich beyde mit kaltem Wasser, und ziehen sich anders an. Die junge Frau begiebt sich wieder zu den uͤbrigen Weibern, der Mann aber zu seiner Gesellschaft, und zeigt daselbst die unver- werflichen Proben der Jungferschaft seiner Frau. Je- Jederman wuͤnscht ihm Gluͤck dazu, und man bringt den Rest der Nacht mit Vergnuͤgungen zu. Das Fest dauert den folgenden ganzen Tag, da sich jedes wegbegiebt, und die jungen Ehe- leute ihre Haushaltung anfangen Es ist anmerkenswerth, daß der Vater unter allen Verwandten der einzige ist, der sich nicht bey der Hochzeit einfindet. Die Ursache ist sehr seltsam. Er glaubt nemlich, seine Ehre erfor- dere es, daß er, unterdessen, daß seine Tochter im Begriff ist, ihre Jungferschaft zu verliehren, zu Hause bleibe. . In gewissen Staͤmmen beobachtet man noch eine andre wunderliche Gewohnheit. Der Braͤutigam begiebt sich in Begleitung vieler jungen Leute, die, wie er, mit Stoͤcken verse- hen sind, in das Zelt der Braut nicht anders, als wollte er sie mit Gewalt entfuͤhren. Das Frauenzimmer, welches eben so bewafnet ist, widersetzt sich diesem Unternehmen. Er muß Gewalt mit Gewalt vertreiben, wenn er seine Liebste denselben Tag besitzen will. Der Streit ist so ernsthaft, daß der Mann selten ohne eini- ge Verwundungen, so, daß er manchmal zu Bette liegen muß, — davon kommt. Diese laͤcherliche Gewohnheit ist besonders in Joak, Arabi und Syrien eingefuͤhrt. Ein sonder Zweifel auffallender Umstand ist, daß die Bedouinen ihren Weibern getreu blei- ben, ben, und nie mit andern zu thun haben, ob sie es gleich rechtmaͤßiger Weise und nach ihren Ge- setzen thun koͤnnten. Sie verachten alle diejeni- gen, welche, nach dem Beyspiele der Emirs, Concubinen halten. Ereignet es sich, daß eine Frau ihrem Manne ungetreu wird; so ist er dadurch keineswegs verunehrt. Er ist damit zufrieden, daß er sich von ihr scheiden kann. Sie haben in ihrer Sprache einen Ausdruck, der mit dem Worte Hahnrey uͤberein kommt; allein, sie geben diesen Namen dem, dessen Schwester einen Fehltritt begangen hat. Denn, sagen die Boduinen, eine Frau ist nicht von dem Gebluͤte desjenigen, der sie heyrathet, und ist sie geschieden, so ist sie nicht mehr seine Frau; niemand aber kann machen, daß eine Schwester nicht mehr Schwester sey. In den Ergoͤtzlichkeiten zeigen die Bedoui- nen viel Maͤßigkeit. Den ganzen Tag bringen sie zu mit Kaffeetrinken, mit Tobackrauchen, und unterhalten sich mit den Geschichten, die sie von ihren Vaͤtern gehoͤrt haben, oder durch Er- zaͤhlungen von ihren Vorfahren wissen. Wenn sie sich nicht unter sich versammeln oder auf Strei- fereyen ausgehen — setzen sie sich zu Pferde und reiten zu ihrem Vergnuͤgen, oder sie gehen auf die Schweinsjagd, die sie mit Lanzen erlegen, oder sie hetzen Hasen und wilde Ziegen mit großen Windhunden. Die wilde Ziege gehoͤrt unter das Rothwildpret, und ist in Europa gar nicht be- bekannt. Sie laͤßt sich leicht zahm machen, und die Morgenlaͤnder lieben sie, weil sie from ist, und viel niedliches an sich hat. Wollen die Be- douinen die Schoͤnheit eines Frauenzimmers her- ausstreichen; so sagen sie: sie habe Augen, wie eine wilde Ziege. Wenn sie auch ihre jungen Geliebten oder ihre jungen Weiber, mit wenigen Worten loben wollen, so vergleichen sie sie mit diesem wilden Thiere. Es hat große schwarze Augen, und insonderheit bemerkt man an ihm eine gewisse unschuldige Furcht- samkeit, die der Schamhaftigkeit und der Schuͤchternheit eines jungen Frauenzimmers aͤhnlich ist. — Karten und Wuͤrfel sind ihnen unbekannte Dinge. Ihr gewoͤhnliches Spiel ist das Schach- spiel, Dame und Mangala. Letzteres ist eine hoͤlzerne Tafel, worinn zwoͤlf Hohlungen sind: man setzt kleine Steine hinein, und spielt damit grade oder ungrade. Der Zeitvertreib der Weiber besteht in Be- suchen, Schwatzen, Singen und — Tanzen. Da sie von der Musik gar wenig verstehen, ist ihr Gesang einfoͤrmig, schlaͤfrig, und eher ge- schickt, einen zum gaͤhnen zu bringen, als auf- zumuntern. Ihre Instrumente bestehen in klei- nen Trommeln, in hoͤlzernen Klappern und in Floͤten von Holz und Rohr; sie spielen darauf beym Singen und Tanzen. Sie tanzen aber selten selten oͤffentlich, und halten es fuͤr unanstaͤndig, außer ihren Haͤusern zu tanzen. Die Bedouinen kennen keinen andern Arzt, als Gott. Er hat, sagen sie, dem Menschen an die Stirne geschrieben, wie lange er leben soll; und die ganze Arzeneykunst ist nicht faͤhig, wenn seine Stunde gekommen ist, ihn vom Sterben abzuhalten. Indessen nehmen sie doch, wenn sie krank sind, welches aber selten ist, Ar- zeney von gewissen Kraͤuterweibern. Sie glau- ben auch an Talismane, und an allerley For- meln, welche man ihnen hersagen laͤßt. Wenn sie das Fieber haben, legen sie sich waͤhrend des Frostes in die Sonne, und wenn die Hitze kommt, in den Schatten. Empfinden sie einen heftigen und anhaltenden Schmerz, es sey an welchem Theile des Leibes es wolle; so halten sie einen kleinen brennenden Tocht daran, und die Hitze zertheilt und toͤdtet ihn. Wir haben schon anderswo gesagt, daß sie vom Clystierbrauchen keine Freunde sind. Nach ihrer Meynung waͤre dieß eine abscheuliche Unan- staͤndigkeit, die sie nicht begehen wuͤrden, sollte es ihnen auch das Leben kosten. Sie glauben, daß die Seele im Blute stecke, und daher ist ihnen das Aderlassen sehr zuwider, und vermei- den es, so lange es angehen will. Die Wun- den, die sie oft bey ihren Streifereyen empfan- gen, haben sie von der Nothwendigkeit der S Wund- Wundaͤrzte uͤberzeugt, und deswegen stehen die- se bey ihnen in großem Ansehen; allein alle Wun- der, die man ihnen von der Arzeneykunst sagt, glauben sie nicht. Indessen sind doch die ge- schickten Aerzte, im Oriente, aus diesem Volke gekommen. Der beruͤhmte Schech Mehemet Ebnsina, den wir mit Unrecht, Avicenna nen- nen, war ein Bedouine. Seine Schriften sind sowohl in Europa als in der Tuͤrkey und Arabien bekannt. Nur die Einwohner des wuͤ- sten Arabiens kennen sie nicht, und wollen auch nichts davon wissen. Es hindert sie aber nicht, alt zu werden. Man siehet zuweilen bey den Bedouinen Greise von hundert Jahren. Wenn ein Bedouine gestorben ist, waͤscht man ihn, man legt ihn in ein Tuch, und etli- che Maͤnner tragen ihn, unter Singung gewis- ser Gebete auf den Gottesacker, der an einem erhabenen und abgelegenen Orte des Lagers liegt. Mannspersonen beweinen ihre Todten nicht. Sie hoffen das Vergnuͤgen zu haben, ihre Ver- wandten und Freunde im Paradiese wieder zu sehen. Die Weiber hingegen weinen, weil sie nicht an den Ort der Seligen werden selbst kom- men, sondern nur draußen mit den Christen bleiben, folglich den Kummer und Verdruß haben, diejenigen nach dem Tode nicht wieder zu sehen, die sie in ihrem Leben liebten. Sie schreyen daher aus Leibeskraͤften, zerkratzen sich die Arme, Haͤnde und Gesicht, reißen sich die Haare Haare aus, und werfen sich von Zeit zu Zeit auf die Erde, als ob sie vor Schmerzen ohn- maͤchtig wuͤrden. Sie nehmen Haͤnde voll Er- de oder Sand, werfen sichs auf den Kopf oder in das Gesicht, laufen, stehen stille, und ma- chen unzaͤhlige Gebaͤhrden, um die Heftigkeit ihrer Betruͤbniß auszudruͤcken. Unmittelbar nach dem Leichenbegaͤngniß, theilen die Erben die Verlassenschaft zu gleichen Theilen, oder sie vergleichen sich, entweder vermoͤge eines Macht- spruchs des Emirs, oder auf Rath ihrer ge- meinschaftlichen guten Freunde, denn selten, wie vorhin bewiesen ist, fangen sie einen Pro- ceß an. Ueberdieß wollen die Erbschaften bey ihnen nicht viel sagen: die Eigenschaft ihres Vermoͤgens, das in nichts als in Zelten, Haus- rath und Vieh besteht, giebt keinen Anlaß zu großen Streitigkeiten. Man hat uͤbrigens den Bedouinen zu allen Zeiten einen unersaͤttlichen Geiz und einen un- uͤberwindlichen Hang zu Raubereyen vorgewor- fen. Das ist nun freylich richtig; aber daß sie doch so grausam verfahren und wuͤthen sol- len, wie einige Reisebeschreiber vorgeben, ist eine Unwahrheit, und kann durch keinen zu- verlaͤßigen Scribenten bewiesen werden. Uebri- gens versichert man, daß sie sehr hoͤflich und großmuͤthig gegen Fremde sind, welche sie um ihre Gastfreyheit ansprechen, und sich mit Zu- trauen ihnen uͤberlassen. Ihre Gewohnheit ist, S 2 die die Fremden in allem frey zu halten, und ihnen alle nur moͤgliche Annehmlichkeiten zu verschaf- fen. Die Weiber selbst bemuͤhen sich, sie zu bedienen, machen ihnen Essen, warten ihre Pferde, und sorgen fuͤr die Sicherheit ihres Gepaͤcks. Ist ihr Gast ein vornehmer Mann; so laͤßt ihn der Emir bewillkommen, und schickt ihm den schoͤnsten Teppich und das kostbarste Kuͤssen, aus seinem Zelte. Siamer. Siamer. S 3 Erstes Kapitel. Von den Einwohnern in Siam — ihren Kleidungen — Wohnungen und Lebensart. D ie Siamer sind von einer mittelmaͤßigen, aber wohlgebildeten Leibesgroͤße. Man trift bey ihnen sehr selten ungestaltete Personen an, woruͤber man sich um so mehr verwundern muß, da dieß Volk fast unter allen Asiatern das einzige ist, welches die Kinder in ihrer zar- ten Jugend am meisten verwahrloset. Wenn einem Vater ein Kind geboren wird; so taucht ers in den Fluß, um es abzuwaschen — und so legt er es, ohne es in Windeln zu wickeln, (woran er aber ganz recht thut,) nackend auf eine Matte hin. Nach sechs Monaten pflegt man die Kinder zu entwoͤhnen, da denn ihre Speise in nichts anders als Reis besteht. — Manns- und Frauenspersonen sind, uͤber- haupt genommen, sehr haͤßlich, weil die Gesich- ter der meisten Siamer, durch die Wuth der leidigen Pocken, die bey ihnen sehr gewoͤhnlich sind, aͤußerst verstellt werden. Ihre Gesichts- bildung ist mehr einem laͤnglicht geschobenen Viereck, als einer laͤnglichten Rundung aͤhnlich. Oben an den Backen ist es breit und erhaben; S 4 aber aber die Stirne wird so gleich schmal, und laͤuft endlich beynahe eben so spitzig zu, als das Kinn. Sie haben große Ohren Die Groͤße der Ohren scheint bey den Siamern ein hauptsaͤchliches Stuͤck der Schoͤnheit zu seyn, — so wie uͤberhaupt im Morgenlande, nur mit dem Unterschiede, daß einige die Ohren, um ihnen eine groͤßere Laͤnge zu geben, unter- waͤrts ziehen, uͤbrigens aber keine groͤßere Loͤcher darin bohren, als es fuͤr die Ohrgehaͤnge noͤthig ist, andre aber nach dem Durchbohren das Loch erweitern. , kleine uͤbelgespaltete und matte Augen, welche von einer gelblich schwarzen Farbe sind: ihre Nase ist flach, die Backen eingefallen und oben breit. — Das Haar der Siamer ist schwarz, grob und glatt. Beyde Geschlechter schneiden das Haar oben bey dem Wirbel mit der Scheere ab. Unter demsel- ben reißen sie einiges aus, in Gestalt eines klei- nen und zween Thalern, an Breite gleichen Kreises. Unterhalb dieses Kreises, lassen sie die uͤbrigen Haare bis an die Schultern wach- sen. Die Weiber sind wohl gebauet; aber ihre Gesichtszuͤge sind so grob, daß man sie nach ih- rer Bildung, kaum von den Mannspersonen unterscheiden kann. Weil sie weder Schnuͤr- bruͤste, noch Mieder tragen; so haͤngt ihnen die Brust sehr weit herunter, und soll, nach der Vorstellungsart der Reisebeschreiber, einen un- angenehmen Effect machen Den europaͤischen Herrn, welche nach Siam reiseten, machte dieß wohl darinn einen sehr unan- . Sie schminken sich sich nicht; die Mannspersonen aber faͤrben sich zuweilen die Arme, Waden und Schenkel mit einer blauen Farbe, mehr aus Aberglauben als aus Pracht. So schwarz indessen die Siamer immer seyn moͤgen, so kann man ihnen doch das Lob der Reinlichkeit nicht absprechen. Sie baden sich des Tages wenigstens drey oder viermal, und sie statten keinen wichtigen Besuch ab, ohne sich vorher zu waschen, und um es kenntbar zu ma- chen, daß sie sich so eben erst gewaschen haben, machen sie sich mit Kreide ein weisses Zeichen auf die Brust. Die Mode des Landes will, daß sie zu Zeiten ihren Koͤrper mit wohlriechenden Sachen beschmieren, die Lippen mit einer wohl- riechenden Pomade bestreichen, wovon sie sehr blaß werden, und auf eben die Art ihrem Haare einen Wohlgeruch verschaffen. — Das Pu- dern der Haare sehen sie, wie billig, als eine sehr absurde Gewohnheit an. Dagegen aber sehen sie sorgfaͤltig dahin, sie fleißig zu kaͤmmen, wozu sie ein sonderbares Werkzeug gebrauchen, daß nicht wie unsre Kaͤmme aus einem Stuͤcke, nur eine Zusammensetzung von kleinen Spitzen S 5 ist, unangenehmen Effect, weil ihnen dieß Natuͤr- liche nicht natuͤrlich schien. Wir hingegen, lo- ben diese Gewohnheit der Siamer, und miß- billigen die Mode unsrer Frauenzimmer, welche, wegen der Schnuͤrbruͤste ein zu gezwungenes Air annehmen, und im Ehestande fuͤr diesen Zwang der Natur, oft hart buͤßen muͤßen. ist, welche vermittelst eines Draths an einander feste gemacht sind. Sie sind auch Liebhaber von großen und langen Naͤgeln, welche sie nie- mals abschneiden, und auf das sorgfaͤltigste be- mahlen. Die sclavische Art, in welcher die Siamer erzogen werden, schlaͤgt ihren Muth ganz nie- der, und macht sie aͤußerst feige und schuͤchtern. Ihre Gemuͤthsart ist voͤllig gelassen, allein sie hat doch nichts anziehendes. Sie sind kalt, faul, muͤßig und uneigennuͤtzig mehr aus Faul- heit als Tugend. Mit der Gleichguͤltigkeit, die sie bey allen Stuͤcken gleich stark aͤußern, kann man nichts vergleichen. Sie ist fast mehr als Unempfindlichkeit. Sie bewundern nichts, hassen auch nichts, und ihre Gemuͤthsart, sagt ein beglaubter Schriftsteller, ist ruhig, wie ihr Himmel. Ihren Verstand uͤben sie eben so we- nig als ihren Koͤrper; und sonder Zweifel wuͤr- de dieß Volk in einer gaͤnzlichen Unthaͤtigkeit le- ben, wenn die beschwerlichen Hofdienste, wor- uͤber sie freylich genug seufzen, sie nicht einiger- maßen in Bewegung setzten. Ihr Gang ist lang- sam und verraͤth nichts freyes. Ihre Gesichtsbildung hat etwas trauriges und dummes, welches von ihren Verstandes- faͤhigkeiten keine sonderlich gute Begriffe macht. Indessen kennen sie doch leicht das, was man ihnen sagt, fassen, und geben auf die ihnen vorgelegten Fragen oftmals lebhafte und geist- reiche Antworten. Zum Selbsterfinden scheinen sie sie nicht Einbildungskraft genug zu haben, da- gegen sind sie aber doch geschickt, alles, was sie sehen, nachzumachen. Die natuͤrlichen Gaben des Verstandes, werden durch die wenige Be- muͤhung und Nacheifrung ganz unbrauchbar gemacht. Der Zorn und der Trunk sind zwey Laster, die von ihnen aufs aͤrgste verabscheuet werden, und welche nur bey den niedertraͤchtigsten Leuten gesehen werden. — Le Bleaue versichert, daß sie ruhmraͤthig, und gegen die Beleidigungen, die ihre Ehre betreffen, sehr empfindlich waͤren: daß aber die andern Ungluͤcksfaͤlle sie wenig ruͤhrten, und daß sie sich den haͤrtesten Strafen mit der groͤßesten Gelassenheit unterwuͤrfen; daß man sie fast tod schlagen koͤnnte, ohne daß sie das geringste Geschrey von sich hoͤren ließen. — Bekanntermaßen haben sie von ihrer Reli- gion nur eine hoͤchstens mittelmaͤßige Kenntniß. Indessen ehren sie doch diejenigen sehr, welche dieselbe lehren. Eines ihrer groͤßesten Vergnuͤ- gen setzen sie darinn, die Tempel auszuzieren und die Priester zu bereichern. Der Aberglau- be, welcher mit dem Grade ihrer Unwissenheit in gleichen Schritten gehet, ist unter diesem Volke außerordentlich groß. Sie glauben, wie La Loubere sagt, an Prophezeyungen und Weis- sagungen, und sind so sehr uͤberzeugt, daß es untruͤgliche Regeln giebt, das Zukuͤnftige zu wissen, daß man die Wahrsager des Koͤnigs, wenn wenn sie sich betruͤgen, mit Stockschlaͤgen be- straft. Diejenigen, welche sich in Siam auf die Sterndeuterey legen, stammen meistentheils aus Pegu, oder aus dem Lande der Bramas, her. Ohne deren Rath pflegt man nichts zu unternehmen. Der Vornehmste von ihnen macht jaͤhrlich einen Kalender, in welchem er fleißig die gluͤcklichen und ungluͤcklichen Tage anmerkt, wornach sich das Volk auch aufs puͤnktlichste richtet. Der gluͤcklichste Tag unter allen ist bey ihnen der Sonntag — der abneh- mende Mond ist unguͤnstiger als der zunehmen- de. — Das Geheul wilder Thiere, das Ge- schrey der Affen und Hirsche, die Begegnung einer Schlange mitten im Wege, der Fall eines Dinges, das von sich selber, ohne einige an- scheinende Ursache, faͤllt — sind den Siamern ungluͤckliche Vorbedeutungen. Das sind nun alles Umstaͤnde, die die armen Leute ganz in Schrecken setzen, und vermoͤgend sind, daß sie die wichtigsten Sachen entweder ganz aufgeben, oder von einem Tage zum andern verschieben. — Wir werden an einem andern Orte Gelegenheit haben, vom Aberglauben der Siamer weiter zu reden. Im Handel und Wandel zeigen die Siamer viele Offenherzigkeit und Redlichkeit; außer den- selben aber sind sie geizig, wucherisch, und sogar diebisch. La Loubere fuͤhrt viele Beyspiele an, woraus man (wenn er auch die Sache zuweilen zu zu uͤbertreiben scheint) sehen kann, daß diese In- dianer zu diesem letzten Laster eine fast unuͤber- windliche Neigung haben. — Bescheidenheit und Schamhaftigkeit sind den Siamern ei- gene Tugenden. Wenn gleich die gemeinen Weiber sich nur den Leib von dem Guͤrtel an bis an die Beine bedecken; so beweisen sie doch bey dieser Bloͤße viel Schamhaftigkeit. — Sie schlafen angekleidet — schlagen die Kinder nie- mals auf den Theil, den der Wohlstand zu ver- bergen befiehlt — enthalten sich aus Schaam der Clystire — verabscheuen die unnatuͤrlichen Suͤnden. Die Weiber sind zum Theil aus Neigung, Gewohnheit, und zum Theil aus Noth tugend- haft. Ihre Natuͤr ist kalt und traͤge — ihr Leben muͤhsam; sie spielen nicht, halten auch nichts auf Putz; sie nehmen keine Besuche von Mannspersonen an, weil auf den Ehebruch die Todesstrafe gesetzt ist. Die Weiber des gemei- nen Volks, welche die Besorgung der Wirth- schaft auf sich nehmen, genießen große Freyhei- ten; allein die vornehmen Frauenzimmer fuͤh- ren ein sehr eingezogenes Leben. Die Liebe aber, die sie fuͤr ihre Maͤnner haben, kann mit nichts verglichen werden. Da die Siamer sich mit schlechter Kleidung begnuͤgen, so treiben sie in Ansehung der Woh- nung, des Geraͤthes und der Kost eben so wenig Pracht. Sie sind bey aller ihrer Armuth den- noch reich, weil sie nicht mit so vielen Beduͤrf- nissen nissen zu kaͤmpfen haben. Was ihre Haͤuser, die neben dem Wasser gebaut sind, betrift, so sind sie zwar klein, haben aber viel Hofraum. Ihre Boden, ihre Waͤnde und Daͤcher, bestehen aus Flechtwerk von gespaltenem Bambusrohre, welches oft nicht sonderlich dichte beyeinander steht. Das Haus steht auf Pfaͤlen von Bam- busrohr in der Dicke eines Schenkels, die drey- zehn Schuh hoch von der Erde sind, denn das Wasser pflegt oftmals so hoch zu steigen. — Die Hofaͤmter haben Haͤuser von Tischlerarbeit, die man fuͤr große Kleiderschraͤnke ansehen soll- te, und worinn nur der Hausherr, seine vor- nehmste Frau und die Kinder wohnen. Sie bauen nur ein Stockwerk hoch, weil sie Platz genug haben. Der Pallast zu Siam, der zu Luvo, des- gleichen einige Pagoden, sind von Ziegelsteinen; die Pallaͤste selbst aber niedrig und nur ein Stockwerk hoch. Die Pagoden sind, unge- achtet ihrer Weitlaͤuftigkeit, gleichfalls niedrig, und gar nicht helle. Uebrigens gleichen sie un- sern Kapellen, haben aber weder Gewoͤlbe noch Decke, sondern die Dachsparren, worauf die Ziegel liegen, sind roth angestrichen, und mit einigen Goldstreifen geziert. Sie verstehen es nicht, ein Gebaͤude gehoͤrig aufzuputzen, nur suchen sie das Dach einigermaßen hervor- stechend zu machen; denn sie decken es entweder mit einer gewissen Gattung von Zinn, oder nach Art der Chineser, mit gelb gefirnißten Zie- geln. geln. Und demohngeachtet heist der Pallast zu Siam der goldene, blos weil er inwendig etwas wenig vergoldet ist. Die Pracht der Pagoden besteht in vielen von Kalk und Ziegelsteinen erbauten Pyramiden. Die hoͤchsten sind unsern alten Kirchthuͤrmen gleich; die niedrigsten sind nur zwey Klaftern hoch. Sie sind rund gebaut, und weil ihre Dicke mit zunehmender Hoͤhe abnimmt, so kann man sagen sie endigen sich mit einer Kuppel. Der Koͤnig hat ohngefaͤhr eben die Haus- geraͤthe, als andre Leute, aber kostbarer. Das Bettgestelle der Siamer besteht aus einem schmalen ausgeflochtenem Ramen ohne Kopf- breter und Fuͤsse. Die meisten haben kein an- ders Bette, als eine Binsenmatte. Ihr Tisch ist ein großes Blatt mit erhabenen Rande, aber ohne Gestelle. Die Stuͤhle sind Binsen- matten, bald feiner, bald groͤber. Fußteppiche duͤrfen sie gar nicht haben, es sey denn, daß der Koͤnig sie damit beschenke. Die Reichen lehnen sich auf Kuͤssen. Wer ein großes Verzeichniß der Kuͤchen- und Hausgeraͤthe der Siamer lesen will, mag sich zu dem La Loubere wenden im 2. Th. S. 50. Bey Tische haben sie weder Tischtuͤcher noch Servietten, weder Loͤffel noch Gabel. Das Fleisch wird schon in der Kuͤche zerschnitten und so aufgetragen. Ihr Tafelgeschirr besteht aus Porcellain und einigen kupfernen Gefaͤßen. Das Das uͤbrige Geraͤth besteht aus schlechten oder gefirnißtem Holze, aus Cocos und Bambus. Goldene und silberne Gefaͤße trift man selten an. — Ihre Eimer, womit sie Wasser schoͤ- pfen, sind sehr artig aus Bambusrohr gefloch- ten. — Der Poͤbel kocht auf den Maͤrkten seinen Reis in einer brennenden Cocosnuß, die man folglich nur einmal gebrauchen kann. Der Reis wird aber gar, ehe die Nuß voͤllig verbrennet. Die gar zu große Hitze in diesem Lande macht, daß sie sehr wenig und maͤßig essen. Ein Siamer lebt herrlich, wenn er des Tages ein Pfund Reis, nebst etwas geraͤucherten und eingesalzenem Fleische hat. Sie wenden unge- mein wenig Sorge auf ihre Nahrungsmittel, und dennoch findet man sie munter und unbe- sorgt. Mit den Einsalzen will es auch bey ih- nen nicht recht fort, weil das Fleisch in den heissen Laͤndern nicht gerne Salz annimmt. Sie lieben aber das Fleisch mehr, wenn es ein- gepoͤkelt ist. Stinkende Fische, Heuschrecken, Ratzen, Eydexen und dergleichen Thiere, sind Leckerbissen fuͤr sie. Ungeachtet die Siamer ungemein maͤßig le- ben, so leben sie doch nicht laͤnger, und sind den Krankheiten nicht weniger unterworfen als wir. Die gemeinsten Zufaͤlle sind der Durchfall und die rothe Ruhr, Krankheiten, die fuͤr sie sehr gefaͤhrlich sind. Es wuͤthen auch zuweilen hitzi- ge Fieber unter ihnen, welche Verruͤckungen im Kopfe Kopfe und Brustfluͤsse erzeugen. Von Ent- zuͤndungen hoͤrt man selten, auch ist das taͤgliche Fieber hier eben so wenig, als in allen andern Gegenden des heissen Erdstrichs, toͤdtlich. Ab- wechselnde Fieber sind auch selten, aber hart- naͤckig, obgleich das Fieber nicht lange anhaͤlt. Die große aͤußerliche Hitze schwaͤcht die innere so sehr, daß man beynahe gar nichts von der- gleichen Krankheiten hoͤrt. Husten, Schnupfen, ferner alle uͤbrige Arten von Fluͤsse sind in Siam eben so gemein, als in Europa. Hieruͤber hat man nicht Ursach fich zu verwundern, wenn man weiß, daß es eine geraume Zeit des Jahrs fast bestaͤndig regnet. Allein von Lungensucht, Gicht, vom Schlag und Epilepsie, weiß man gar nichts. — Die Pocken, die in Siam sehr gemein sind, und gewaltige Verwuͤstungen unter den Kindern anrichten, kann man gewis- sermaßen als die Pest des Landes ansehen. — Die venerische Krankheit ist auch hier zu Hause. Man weis aber nicht zu sagen, ob es eine alte oder neue Krankheit sey. T Das Zweytes Kapitel. Von den Vergnuͤgungen und Schauspie- len der Siamer — von den Weibern des Koͤnigs und den Befehlshabern des innern Pallastes — vom Heyrathen — Tod und Begraͤbnissen. L a Loubere erzaͤhlt, daß die Siamer dreyerley Arten von Schauspielen auf ihren Theatern vorstellten. — Der sogenannte Cone ist ein Tanz von verschiedenen Auftritten, wobey sich mancherley Instrumente hoͤren laßen. Die Taͤnzer sind gewafnet und verlarvet. Es ist nicht sowohl ein Tanz, als die Vorstellung ei- ner kriegerischen Handlung. Die ganze Sache besteht eigentlich nur in heftigen Vewegungen und Verdrehungen; indessen steht es den Ak- teurs doch frey, zuweilen eins und das andere dabey zu reden. Das zweyte Schauspiel heißt Lacon; ein Gedicht, das theils episch, theils dramatisch ist, und drey Tage lang, von acht Uhr Morgens, bis sieben Uhr Abends, in einem fort waͤhret. Die Materie desselben ist eine meistentheils ernst- hafte Geschichte in Versen, wovon ein Theil vorgestellt und ein Theil erzaͤhlt wird. Einer von von den Comoͤdianten spielt die Rolle des Ge- schichtschreibers, die andern singen die Rolle der Personen, welche die Geschichte redend ein- fuͤhrt. Der Rabam ist ein doppelter Tanz von Manns- und Frauenspersonen, wobey alles auf das ordentlichste zugeht, und keine kriegerische Vorstellung Statt findet. Sie singen waͤhrend des Tanzes; eine Sache, die ihnen gar nicht schwer faͤllt, weil der Tanz nur in einem lang- samen Gange besteht, der mit einigen Verdre- hungen des Leibes und der Arme begleitet wird. Waͤhrend des Tanzes schwatzen zwo andere Per- sonen den Zuschauern allerley lustige Haͤndel vor. — Der Tanz und der Gesang des Ra- bam haben nur eine verliebte Materie zum Grunde. Die Akteurs und Aktri ç en haben sehr lange Naͤgel von gelben Kupfer, hohe und spitzige Muͤtzen von vergoldeten Papier, wie etwa die Mandarinen, nur mit dem Unter- schiede, daß ihre Muͤtze auf der Seite bis unter die Ohren herabhaͤngt, und die ganze Muͤtze mit falschen Edelgesteinen besetzt ist. Hiernaͤchst tragen sie auch hoͤlzerne und vergoldete Ohrge- haͤnge. — Man laͤßt sie allemal kommen, so oft eine Hochzeit oder ein Leichenbegaͤngniß an- gestellt wird. — Diese verschiedenen Schau- spiele koͤnnen also unter die heiligen Gebraͤuche dieses Volks gezaͤhlt werden, und die Einbil- dung heiligt hier Dinge, welche an andern T 2 Orten, Orten mit uͤbermaͤßiger Strenge verdammt werden. Von den Seiltaͤnzern, die in Siam das Volk belustigen, machen La Loubere und Tachard (in seiner zweyten Reise), viel Laͤrm, und erhe- ben sie fast uͤber die, welche, zur Schande der Menschheit, in Europa ihr Brodt auf eine nichtswuͤrdige Art verdienen. — Des Win- ters ergoͤtzen sich alle indianische Hoͤfe, den Mo- gol ausgenommen, mit dem fliegenden Dra- chen. In Siam bindet man etwas Brennen- des daran, welches in der Luft einem Sterne gleicht. Zuweilen pflegt man auch eine goldene Muͤnze daran zu haͤngen, welche demjenigen zu Theil wird, der den Drachen findet, wenn die Schnur abreißt. Der Koͤnig laͤßt seinen Dra- chen die zween Wintermonate uͤber, alle Naͤchte fliegen, und ernennt gewisse Mandarinen, wel- che die Schnur wechselsweise halten muͤssen. Man findet bey den Siamern ein schwaches Bild von den alten Wettstreiten der Griechen und Roͤmer. Sie haben Ringer und Klopf- fechter, die einander entweder mit den Ellenbo- gen, oder mit der Faust, derbe Ribbenstoͤße versetzen. Bey dieser letztern Art zu kaͤmpfen, umwickeln sie die Hand einigemale mit einem Seile, anstatt der bey den Roͤmern uͤblichen Handschuhe oder messingenen Ringe, welche von den Laos bey dergleichen Streiten gebraucht wer- den. — Was das Ballonenrennen auf dem Flusse (worinn die geschicktesten Ruder den Preis Preis davon tragen) betrift; so finden wir’s nicht noͤthig, weiter etwas davon zu sagen, als daß man den P. Tachard in seiner ersten Reise im vierten Buche daruͤber nachlesen kann! Eine sehr gewoͤhnliche aber ganz sonderbare Sache ist das Ochsenrennen. Man pflegt ei- nen viereckigten Platz auszusuchen, der fuͤnf- hundert Klaftern lang, und zwo Klaftern breit ist, und pflanzt in jede Ecke einen Pfahl, welche die Schranken bedeuten. Um diese Schranken geschiehet das Rennen. Mitten auf dem Platze bauet man ein Geruͤste fuͤr die Richter; und um den Mittelpunkt, als den Ort, wo die Och- sen auslaufen, desto deutlicher zu bezeichnen, richtet man in selbigem einen sehr hohen Pfahl auf. Zuweilen laͤuft nur ein einziger Ochse mit einem andern in die Wette, und jeder wird von einem beyherlaufenden Kerl bey einem durch des Thiers Nasenloͤcher gezogenen Stricke geleitet. Von einer gewissen Weite zur andern, stehen gewisse Laͤufer in Bereitschaft, welche den vori- gen mit vieler Geschicklichkeit abloͤsen. Gemei- niglich aber rennt ein Paar Ochsen, das an den Pflug gespannt ist, mit einem andern ange- spannten Paare in die Wette. Beyde Paare werden zwar ebenfalls von Kerlen geleitet, al- lein es ist uͤberdieß noch einer da, welcher beyher laͤuft, und den Pflug bestaͤndig schwebend er- haͤlt, weil solcher die Erde nie beruͤhren darf. Ob nun gleich beyde Paare bestaͤndig rechts um die Schranken herum rennen, folglich nach ei- T 3 nerley nerley Richtung, so setzen sie doch nicht an ei- nerley Orten an, sondern das eine auf der Sei- te, wo das Geruͤste steht, das andre gegen uͤber, so daß eines das andre jagt. Sie jagen um diese Schranken so lange herum, bis ein Paar das andre erreicht. Der Rennplatz wird von den Zuschauern eingefaßt. Dieß Rennen giebt oftmals zu großen Wetten, besonders bey den Vornehmen, Gelegenheit. Man gebraucht auch zu dieser Uebung Buͤffelochsen. Der gemeinste Zeitvertreib der Siamer ist das Spiel, welchem sie ganz unmaͤßig ergeben sind, so daß sie oft ihr Vermoͤgen, ihre Frey- heit und die ihrer Kinder darauf setzen. Vor allen andern Spielen schaͤtzen sie das Trictrac, welches sie Saca nennen, und es so wie wir spielen. La Loubere vermuthet, daß sie es von den Portugiesen erlernt haben. Man findet zwey Arten von Schachspiele unter ihnen, wo- von die eine mit der Europaͤischen vollkommen gleich ist, und die andere den Chinesischen glei- chet, welches etwas verschieden gezogen wird. Uebrigens haben sie noch verschiedene Gluͤcks- spiele; das Kartenspiel kennen sie aber nicht. Das Tabacksrauchen ist bey den Siamern so etwas gemeines, daß das vornehmste Frauen- zimmer eben so gut mitraucht, als eine Manns- person. Der Gebrauch des Schnupftabacks will bey ihnen nicht viel sagen. — Wenn gleich der Taback in ihrem Lande uͤberfluͤßig waͤchst; so kaufen sie doch manillischen und chine- chinesischen, weil sie fuͤr diese Sorten von Ta- back mehr als fuͤr ihren eignen portirt sind. Mit diesem verschiedenen Zeitvertreib bringen die Siamer ihr Leben zu, und es ist auch noͤthig, weil sie ein sehr maͤßiges Leben fuͤhren, so bald ihre sechs Frohnmonate ein Ende haben. Denn da sie meistentheils kein besondres Handwerk treiben; so wissen sie nicht, was sie thun sollen, wenn sie mit des Koͤnigs Arbeit zu Stande sind. Hiernaͤchst sind sie schon daran gewoͤhnt, daß ihre Frau, oder Mutter, oder ihre Toͤchter, fuͤr ihr Essen sorgen, das Feld bauen, kaufen und verkaufen, und uͤberhaupt alle Hausgeschaͤfte verrichten. Nach La Loubere’s Berichte wecket die Frau ihren Mann des Morgens um sieben Uhr auf, und setzt ihm Reis und Fische vor. Der Mann fruͤhstuͤcket, und schlaͤft hernach wieder ein. Des Mittags und Abends geht er zu rechter Zeit zu Tische. Zwischen der Mahl- zeit legt er sich abermals einige Stunden aufs Ohr. Die uͤbrige Zeit vertreibt er mit Gespraͤ- chen, Spielen und Tabackrauchen. Der Koͤnig von Siam ist unter den Prin- zen, welche in der Halbinsel Indiens regieren, der maͤchtigste. Seine Unterthanen, die die Macht, welche er besitzt, sehr wohl einsehen, haben fuͤr seine Person die groͤßeste Hochach- tung, und erzeigen ihm so viel Ehre, die der Anbetung ziemlich gleich kommt. Sein Pal- last, worinn er wohnt, wird fuͤr einen heiligen Ort gehalten. Niemand geht hinein, ohne sich T 4 auf auf die Erde nieder zu werfen. Die Thore des Pallastes sind bestaͤndig verschlossen, und jedes hat seinen mit Gewehre versehenen Thorwaͤchter; er traͤgt es aber nicht, sondern verwahrt es nur in seinem Thorstuͤbchen. So oft jemand an- klopft, meldet es der Thorwaͤchter dem Krieges- bedienten, welcher die Wache zwischen den ersten Zwingern hat, und ohne dessen Erlaubniß nie- mand weder ein- noch ausgelaßen wird. Wer ein Gewehr bey sich hat, oder Arrak getrunken, der wird nicht hineingelaßen, aus Furcht, ihre Gegenwart moͤchte diesen geheiligten Ort ent- weihen. Im Innern des Pallasts herrscht ein tiefes Stillschweigen. Ob er gleich mit vielen Sol- daten besetzt ist, und eine Menge Mandarinen und Minister daselbst zusammen kommen; so hoͤrt man doch nicht das geringste Geraͤusch, und man sollte diesen Ort mit Recht fuͤr eine abgelegene Einoͤde halten. Es werden keine Befehle muͤndlich gegeben. Ein Mandarin sieht es dem Koͤnige an seinen Bewegungen an, was er will, und diesen, durch die Bewegungen erkannten Willen des Koͤniges, giebt der Man- darin den Bedienten, die draussen sind, durch andre Zeichen zu erkennen. Das Amt dieses Mandarins ist eines der ansehnlichsten im gan- zen Koͤnigreiche, und er soll der einzige seyn, der das Recht hat, vor dem Koͤnige zu erschei- nen, ohne niederfallen zu duͤrfen. Die Hof- leute stehen gewoͤhnlich bey ihm in großen Gna- den, den, und kommen dem Koͤnige nie zu nahe, außer wenn er sie wuͤrdigt, sich ihnen am Fen- ster des Pallastes zu zeigen. — Alles, was im Prassat (so wird der Pallast genannt) vor- geht, ist ein tiefes Geheimniß, und niemand wagt es, vom Koͤnige zu reden, oder sich nach seiner Gesundheit zu erkundigen. Man kann aus der traurigen Lebensart ei- nes solchen Hofes urtheilen. — Die Frauen- zimmer kommen nicht in den Prassat, ausge- nommen diejenigen, deren trauriges Schicksal sie bestimmt, zu dem Vergnuͤgen des Koͤnigs zu dienen, und in einem Serail eingeschlossen zu seyn, aus welchen sie niemals kommen. Diese Maͤdchen, welche zum Vergnuͤgen des Koͤniges bestimmt sind, nimmt man gewoͤhnlich aus Siam. Indessen sehen es die Siamer nie- mals gerne, weil sie keine Hofnung haben, ihre Toͤchter jemals wiederzusehen. Daher kaufen die meisten diese beschwerliche Schuldigkeit mit Gelde ab. Dieser Gebrauch ist auch so gemein, daß die Hoflieferanten ohne Unterlaß eine Men- ge Maͤdchen wegnehmen, blos in der Absicht, um sich dadurch Geld zu schaffen. Die Zahl der geringen Weiber des Koͤniges steigt selten hoͤher, als auf zehn, und er nimmt sie nicht blos aus Unmaͤßigkeit, sondern um seine Ho- heit dadurch zu zeigen. — Die rechtmaͤßige Gemahlinn ist nicht nur uͤber alle andere Wei- ber des Koͤniges erhaben, sondern sie ist auch, vermoͤge ihrer in Haͤnden habenden Gewalt, T 5 uͤber uͤber alle Hofweiber und Verschnittene, als die Beherrscherinn anzusehen. Sie entscheidet auch die Streitigkeiten, laͤßt die Unbaͤndigen bestra- fen, damit Ruhe und Friede erhalten werde. Indessen weiß doch der Koͤnig diejenigen Wei- ber, die er besonders achtet, vor der Eifersucht der Koͤniginn in Sicherheit zu bringen. — Die Landesgewohnheit erlaubt den Toͤchtern keinen Umgang mit den Junggesellen. Sie werden von der Mutter fleißig gehuͤtet, und wegen der geringsten Freyheit scharf bestraft. Allein die Natur, welche mehr Gewalt hat, als alle Gesetze, treibt sie nicht selten dazu, dann und wann, insonderheit des Abends, einen un- vermerkten Ausgang zu wagen. — Sie wer- den zum Ehestande zeitig reif, und deswegen verheyrathet man sie auch schon im eilften oder zwoͤlften Jahre. Es giebt zwar siamische Jungfern, welche sich Zeitlebens nicht verheyra- then wollen, es waͤhlt aber doch keine das Klo- sterleben eher bis sie schon alt ist. Die Eltern eines jungen Menschen halten, vermittelst betagter Frauen, bey den Eltern der Jungfer um sie an. Faͤllt gleich die Antwort geneigt aus, so hinderts doch nicht, die Jung- fer um ihre Neigung zu fragen. Allein, die Eltern laßen sich die Geburtszeit des Freyers sagen, und zeigen dagegen gleichfalls die Zeit an, wenn ihre Tochter gebohren ist. Beyde Theile laufen alsdann zum Wahrsager, und vernehmen, ob die Ehe bis an den Tod ohne Schei- Scheidung dauern koͤnne? Hernach besucht der Freyer seine Braut dreymal, und bringt ihr ein geringes Geschenk an Betel und Obste. Soll aus der Heyrath etwas werden, so erschei- nen die beyden Anverwandten bey seinem drit- ten Besuche. Hier wird alsdann ausgemacht, wie hoch das Heyrathsgut der Braut, und das Vermoͤgen des Braͤutigams sich belaufen soll, und machen alles sogleich ohne weitere Ehestif- tung, in Richtigkeit. Die neuen Eheleute werden von ihren Anverwandten beschenkt, und der Braͤutigam tritt sogleich in alle Rechte des Ehestandes, ohne Absicht auf die Religion, welche mit dieser Handlung nichts zu thun hat; ja die Talapoinen duͤrfen nicht einmal dabey seyn. Doch finden sie sich nach einigen Tagen ein, und besprengen das neue Ehepaar mit Weihwasser, und murmeln dabey einige Ge- bete her. Die Hochzeit wird bey den Eltern der Braut gefeyert. Man bauet hierzu einen besondern Saal, in welchem man ein, nach ihrer Art, großes Gastmahl haͤlt. Ist eine große Hoch- zeit, so laͤßt man Taͤnzer und andere Gauckler kommen; allein Braut und Braͤutigam tanzen eben so wenig bey dieser Gelegenheit, als die Anverwandten. — Das groͤßeste Heyraths- gut eines siamischen Maͤdchens belaͤuft sich nicht uͤber fuͤnf tausend Thaler nach unserm Gelde, woraus man schon ziemlich sehen kann, wie wie geringe in Siam der Reichthum der Ein- wohner ist. — Nach den siamischen Gesetzen ist es erlaubt, viele Weiber zu haben; der gemeine Mann be- dient sich aber dieser Freyheit sehr selten, und die Reichen oder Vornehmen thun es vielmehr aus Pracht als aus Wollust. Eine ist nur ei- gentlich die rechte Frau, welche man die große Frau zu nennen pflegt. Die andern sind nur Kebsweiber, die man kauft, und weil sie keine Mitgabe mitbringen, als Sclavinnen haͤlt. Man heyrathet sie, ohne viele Cerimonien an- zustellen, und ihre Kinder, anstatt an der vaͤ- terlichen Erbschaft Antheil zu haben, koͤnnen von den Erben verkauft werden. Die Kebs- weiber, welche kleine Frauen genannt werden, koͤnnen gleichfalls nach dem Tode ihres Man- nes verkauft werden. Die Kinder der recht- maͤßigen, oder sogenannten großen Frau, koͤn- nen nur allein von ihren Eltern erben. Sie theilen das Vermoͤgen in gleiche Portionen, ziehen aber nur erst den Genuß desselben nach dem Tode beyder Eltern. Diese Erbschaften bestehen groͤßestentheils in beweglichen Guͤtern. Die Siamer kaufen selten Grundstuͤcke, weil sie das voͤllige Eigenthum derselben nicht an sich bringen koͤnnen, und der Koͤnig ein Recht auf jedes Vermoͤgen zu haben glaubt. Aus dieser Ursache trachten sie sehr nach Diamanten, weil man sie leicht verbergen kann. Die vornehmen Siamer vermachen dem Koͤnige zuweilen bey ihrem ihrem Absterben einen Theil ihres Vermoͤgens, damit sie das uͤbrige fuͤr ihre Kinder in Sicher- heit stellen. Wahrlich eine traurige Ehrerbie- tung, welche man aus Furcht ablegt, und be- weist, wie ungewiß der Despotismus hier den Besitz des Vermoͤgens macht. Die Gewalt des Vaters ist in seinem Hause unumschraͤnkt. Es steht ihm frey, Weib und Kind auf einmal zu verhandeln. Zwar ist hier- von die vornehmste Frau ausgeschlossen; er kan sie aber doch verstoßen. Die Ehescheidung steht eigentlich in seiner Willkuͤhr; indessen willigt er darein, wenn die Frau durchaus darauf dringt. Er giebt das Heyrathsgut wieder heraus, und theilt die Kinder mit ihr. — Die Mutter nimmt das erste, dritte, und so fort die ungra- den; der Vater behaͤlt das zweyte, vierte, mit einem Worte, alle gerade. Ist also die ganze Anzahl ungleich, so bekommt die Mutter eins mehr, als der Vater. — Die Wittwe erbt ihres Mannes Gewalt doch mit der Einschraͤn- kung, daß sie die geraden Kinder (als Nummer zwey, vier, sechs u. f.) nicht verkaufen kann. Wir wenden uns nunmehr zu den Leichen- begaͤngnissen der Siamer, die, wie uͤberhaupt im ganzen Morgenlande, mit vielen Cerimonien begleitet sind. — Sobald einem Kranken der letzte Othem ausgeht, wird die Leiche in einem hoͤlzernen Sarge verschlossen, der aͤußerlich la- kirt, oder wohl gar etwas vergoldet ist. Da aber die siamischen Firnisse nicht so gut sind, als als die chinesischen, und also der Geruch des todten Koͤrpers durch die Ritzen dringt, so gießt man den Todten Quecksilber in den Mund, damit es seine Eingeweide verzehren soll. Die reichsten Siamer legt man in bleyerne Saͤrge, und vergoldet sie gleichfalls. Hernach stellt man den Sarg aus Ehrerbietung auf etwas Erhabenes, und erwartet die Ankunft des Hausherrn, im Falle er abwesend seyn sollte, oder man macht unterdessen zur Abreise Anstal- ten. Man stellt brennende Wachslichter herein und raͤuchert. Beym Anbruch der Nacht er- scheint eine gewisse Anzahl von Talapoinen, die sich an die Wand stellen, und Gesaͤnge anstim- men. Fuͤr diese Muͤhe giebt man ihnen zu essen. Ihre Gesaͤnge handeln von der Tugend, und zeigen dem Verstorbenen die Straße nach dem Himmel. – – Die Anverwandten waͤh- len eine bequeme Stelle auf dem Felde, um dem Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen, welche darinn besteht, daß sie die Leiche mit vielem Gepraͤnge verbrennen. Man erwaͤhlt gerne ei- ne solche Stelle nahe bey einem Tempel, dem der Verstorbene oder seine Vorfahren erbaut haben. Sie wird mit Bambus umzaͤumt, und dabey allerley Zierrathen aus der Baukunst an- gebracht. Naͤchst dem ziert man das Gehaͤge mit gemahlten oder vergoldetem Papiere, das man wie Haͤuser, Thiere u. s. w. ausschneidet. Mitten im Gehaͤge steht der Scheiterhaufen, wozu man wohlriechendes Holz nimmt. Die groͤßeste groͤßeste Ehre besteht darinn, daß man dem Scheiterhaufen eine große Hoͤhe giebt, nicht etwa mit Aufschlichten einer großen Menge Holzes, sondern vermittelst hoher Geruͤste, die man mit Erde uͤberschuͤttet, und den Scheiter- haufen oben darauf setzt. Die Leiche wird unter dem Schalle vieler Instrumente weggetragen, und macht den An- fang des Zuges. Nachher folgen die Begleiter, welche aus den Anverwandten und guten Freun- den des Verstorbenen von beyden Geschlechten bestehen. Sie sind insgesammt weiß gekleidet, und am Kopfe mit einem weissen Schleier ver- huͤllt. Gemeiniglich geschieht die Leichenbeglei- tung auf dem Flusse, welcher bey dieser Gele- genheit mit einer großen Menge Balonen be- deckt ist. Der Sarg wird nicht verbrannt, sondern die Leiche nackend auf das Holz gelegt. Die Talapoinen aus dem naͤchsten Kloster singen et- wa eine Viertelstunde, gehen hernach ihres We- ges, und kommen nicht wieder zum Vorschein. Man laͤßt sie nicht kommen, als wenn es der Religion wegen noͤthig waͤre, sondern um der Handlung einen groͤßern Glanz zu verschaffen. Sobald nun die Talapoinen weg sind, so faͤngt man an, den Cone und Rabam auf verschie- denen Schaubuͤhnen zu spielen, womit der gan- ze Tag zugebracht wird. Gegen Mittag steckt ein Bedienter der Talapoinen den Scheiterhau- fen in Brand, den man gewoͤhnlich nicht uͤber zwey zwey Stunden lang brennen laͤßt. Wenn der Verstorbene ein Prinz vom koͤniglichen Gebluͤte oder sonst ein vom Koͤnige benannter Herr ist, so steckt der Monarch den Haufen selbst in Brand, doch ohne aus seinem Pallast zu tre- ten, sondern er laͤßt nur eine brennende Fackel an einem Seile, das von seinem Fenster bis an den Brennplatz aufgespannt wird, dahin fahren. Der Leichnam wird niemals vom Feuer gaͤnz- lich verzehrt, sondern man bratet ihn nur, und das dazu noch sehr schlecht. Das uͤbrige wird wieder in den Sarg gelegt, und unter einer Pyramide, dergleichen viele um dem Tempel stehen, begraben. Zuweilen giebt man dem Verstorbenen Edelgesteine und andere Kostbar- keiten mit in das Grab, in Hoffnung, sie wuͤr- den an einem Orte, den die Religion unverletz- lich macht, in Sicherheit seyn. Wer keinen Tempel noch Pyramiden hat, der verwahrt die halbverbrannten Ueberbleibsel seiner Bluts- freunde zuweilen in seinem eignen Hause. Die meisten Siamer verwenden aber doch einen Theil ihres Vermoͤgens darauf, einen Tempel zu erbauen. Ist aber die Armuth so groß, daß sie ihre Anverwandte nicht verbrennen koͤnnen, so begraben sie dieselben mit Zuziehung der Ta- lapoinen. Da indessen die Moͤnche doch nichts umsonst thun, so legen diejenigen, welche nicht so viel Geld auftreiben koͤnnen, die Leiche auf irgend irgend einen Huͤgel hin, wo sie den Raubvoͤ- geln zur Speise wird. Man pflegt in Siam niemand zur Trauer zu zwingen. Jeder hat die voͤllige Freyheit, dieselbe nach der Empfindung seines Herzens ein- zurichten. Daher sieht man mehr die Eltern um ihre Kinder, als diese um jene trauern. Zuweilen ergreifen die Eltern den geistlichen Stand, wenn sie dasjenige verliehren, was sie mit der Welt verband, oder sie bescheeren ein- ander doch wenigstens den Kopf. Denn die Augenbraunen darf niemand als ein wirklicher Talapoin wegscheeren. Drittes Kapitel. Von der Erziehung der Kinder — Spra- che — Kuͤnsten und Wissenschaften der Siamer. F olgsamkeit und stilles Wesen, sind Dinge die man bey den Kindern der Siamer all- gemein wahrnimmt. Man gewoͤhnt sie hierzu von Jugend auf, und besonders muͤssen sie sich auch bemuͤhen hoͤflich zu seyn. Die unum- schraͤnkte Gewalt der Vaͤter traͤgt vieles dazu bey, daß ihre Regeln so sehr von den Kindern benutzt werden. U Die Die meisten siamischen Kinder werden in den Kloͤstern der Talapoinen erzogen. Man thut sie im siebenden oder achten Jahre hinen, und sie tragen das Ordenskleid, aber ohne ein Geluͤbde zu thun. Diese kleinen Moͤnche, nennt man Nen . Sie werden von ihren An- verwandten taͤglich mit aller Nothdurft ver- sorgt, und diejenigen, welche ihr Reichthum oder ihre Geburt uͤber andere erhebt, behalten einen oder zwey Leibeigene zu ihrer Bedienung bey sich. Zuerst lehrt man sie lesen, schreiben und rechnen, weil dieß fuͤr einen Kaufmann hoͤchst nothwendig ist, da jeder Siamer eignen Han- del treibt. Hernach lernen sie die Grundsaͤtze der Religion und Sittenlehre, nebst dem Bali, d. i. derjenigen Sprache, worinn ihre Glau- benslehren und Gesetze geschrieben sind. Diese Sprache hat einige Verwandschaft mit einer besondern, auf Coromandel uͤblichen Mundart, allein die Buchstaben sind sonst nirgend, als in Siam gebraͤuchlich. Sie wird von der Linken zur Rechten geschrieben. Die siamische Sprache hat sieben und dreyßig Buchstaben, und die balische drey und dreyßig. La Loubere giebt sie aber alle fuͤr Mit- lautende an. Die einfachen und doppeltlau- tende, daran es beyden Sprachen gar nicht feh- len soll, haben ihre eigene Buchstaben, daraus man besondere Alphabete macht. — Die Europaͤer haben viele Muͤhe, die Buchstaben der Siamer Siamer in ihrer Sprache auszudruͤcken, und von zehn Worten, die mit unsern Buchstaben geschrieben, findet sich kaum eins, welches die Leute des Landes erkennen, man mag sich auch noch so viel Muͤhe geben unsere Rechtschreibung nach ihrer Aussprache einzurichten. Doch ha- ben die Siamer unser R (welches die Chineser nicht haben) unser W, unser H, unser E. welches nie veschlungen wird, Dieß muß eine sehr uͤble Wirkung aufs Ohr machen! — indessen findet man doch in einigen Distrikten Deutschlands Leute, welche das E nie verschlucken, und z. E. sagen: die G é nad é uns é r é s H é rr é n, u s. w. und das A, welches sie, wie wir, in den Endsylben, und in der Mitte eines Worts, wie ein stum- mes E aussprechen. Die Siamer haben viele Accente, wie die Chineser. Wenn sie reden; so denkt man, sie saͤngen. — Wenn gleich die Accente eigent- lich nur uͤber den Vocalen stehen; so setzen sie doch auch einige, wenn sie Consonanten, die uͤbrigens einerley gelten, mit einander verwech- seln; woraus Loubere nicht ohne Grund muth- maßt, sie haͤtten anfaͤnglich ohne Lautbuchsta- ben geschrieben, wie die Hebraͤer. Die Nomina und Pronomina werden nicht declinirt, und haben keinen Artikel, den Un- terschied des Genius und Casus anzudeuten. Wenn zwey Substantiva auf einander folgen; U 2 so so steht das eine im Genitivo. Das Nomen wird immer vor das Verbum gesetzt, das Ver- bum, vor die Woͤrter, welche es regiert, und das Substantivum vor das Adjectivum. In die- ser Sprache findet keine Versetzung der Woͤrter statt: sie hat weder Genera noch Numeros: die Verba haben nur einen Modum, welcher mit unsern Infinitivo uͤbereinkommt, und nicht conjugiert wird. Man braucht, um die Nu- meros und Tempora zu unterscheiden, gewisse Partikeln, welche man bald vor, bald nach den Verben setzt. — Es ist nicht leicht eine aͤrmere, und an Redensarten, weniger reiche Sprache. Es fehlt den Siamern an einzelnen Worten, um eine Menge Sachen auszudruͤcken, und sie muͤssen ihre Zuflucht zu Umschr e ibun- gen nehmen. Sie nennen die Lippen, Licht des Mundes , die Blumen, Ehre des Holzes, die Fluͤsse, Muͤtter der Wasser. Sie sagen, ein Kopf von einem Diamant , anstatt ein Diamant, eine Person von einem Men- schen , fuͤr ein Mensch. Naͤchst dem Lesen und Schreiben lernt die siamische Jugend beynahe nichts, als rechnen. Sie haben, wie wir, zehn Figuren; die Nulle hat eben die Gestalt, wie bey uns, gilt auch im Zusammensetzen so viel wie bey uns, d. i. die Ziffern werden von der Rechten gegen die Linke gesetzt, zufolge der natuͤrlichen Ordnung ihrer Geltung in der Rechenkunst, mit zehne. Die Siamer setzen ihre Rechnungen mit der Feder auf, auf, sind also hierinn von den Chinesern un- terschieden, welche hierzu ein Instrument ge- brauchen, welches nach des Martini Berichte, zweytausend sechshundert, oder zweytausend siebenhundert Jahre vor Christi Geburt soll er- funden seyn. Ueberhaupt sind die Kaufleute hier im Lande im Rechnen so geuͤbt, daß sie so- gleich schwere Aufgaben aufloͤsen koͤnnen. Hin- gegen lassen sie auch diejenige liegen, die sie nicht auf der Stelle zu treffen im Stande find. — Das wesentliche Kenntzeichen der Einwohner eines sehr heissen und sehr kalten Landes, ist die Traͤgheit, sowohl des Gemuͤths als des Leibes, nur mit dem Unterschiede, daß diese in den all- zukalten Lande zur Dummheit wird, in dem allzuheissen aber allemal mit Witz und Einbil- dungskraft verknuͤpft bleibt, nur aber mit sol- cher Einbildungskraft und Witze, der von der geringsten Bemuͤhung im Augenblicke ermuͤ- det. — Die Siamer begreifen eine Sache sehr leicht, wissen eine geschwinde und sinnrei- che Antwort zu geben, auch wohl ausgedachte Einwuͤrfe zu machen. Man sollte also glau- ben, sie wuͤrden es bey mittelmaͤßigen Fleiße in den tiefsten Wissenschaften und schwersten Kuͤnsten sehr weit bringen. Allein, ihre un- uͤberwindliche Traͤgheit vernichtet diese Hoffnung auf einmal. Die Siamer sollen, wie man sagt, große Gaben zur Dichtkunst haben. Ihre Verse sind gereimt, und von eben dem Sylbenmaaß als U 3 die die unsrigen: ihre Dichter haben so außeror- dentliche Gedanken, daß in einer großen An- zahl von Oden und siamischen Gesaͤngen, welche sich La Loubere uͤberseßen ließ, er nicht eine ein- zige fand, deren Verstand mit unsern Begrif- fen uͤbereingekommen waͤre. Sie haben Tisch- gesaͤnge, verliebte, historische und moralische Gedichte. Einer von den Bruͤdern des Chaou- Narvie, sonder Zweifel derjenige, welcher we- gen seiner Liebeshaͤndel mit einer von den Sul- taninnen, Stockschlaͤge bekam, soll sehr gute Verse gemacht, und die Musik dazu selbst com- ponirt haben. — Obgleich die Siamer ge- bohrne Dichter seyn sollen; so sind sie doch nicht im Stande eine Rede, die an einanderhaͤn- gend waͤre, zu verfertigen. Ihre Buͤcher enthalten entweder Erzaͤhlun- gen in einem ungekuͤnstelten Vortrage, oder tiefsinnige Ausspruͤche in einer unterbrochenen und mit vielen Bildern angefuͤlleten Schreib- art. — Die Beredsamkeit und Redekunst sind aus ihren Gerichten verbannt. Die Par- theyen tragen den Gerichtsschreibern ihre Gruͤnde vor, und diese schreiben dasjenige nieder, was man ihnen vorsagt. Wenn die Talapoinen pre- digen; so lesen sie den balischen Text aus ihren Buͤchern her, uͤbersetzen und erklaͤren ihn, in siamischer Sprache, ohne die geringste redneri- sche Zierlichkeit. Alle im gemeinen Leben uͤbli- che hoͤfliche Reden, sind ohngefaͤhr mit einerley Worten abgefaßt. Von Von dem was Philosophie heist, wissen die Siamer gar nichts, nur einige Saͤtze der Moral ausgenommen, worunter sie doch viel irriges vermischt haben. — Die Rechte stu- diren sie auch nicht, und die Landesgesetze pflegt man nur alsdann zu erlernen, wenn man oͤf- fentlichen Aemtern vorstehen will, denn sie sind in einigen Buͤchern enthalten, die man dem ge- meinen Manne nicht zeigt. Aber sobald jemand eine Bedienung erhaͤlt; so giebt man ihm eine Abschrift von den Gesetzen, in so fern sie ihn betreffen. Die Arzeneykunst der Siamer verdient den Namen einer Wissenschaft auf keine Weise. Die ganze siamische Arzeneykunst besteht in ei- ner Menge von ihren Voreltern ererbten Re- cepten, die sie immer verschreiben, ohne auf die besondere Umstaͤnde des Kranken zu sehen. Un- geachtet sie nun so aufs Gerathewohl verfahren; so bringen sie doch manchen Patienten wieder zurechte: indessen muß man dieß der Arzeney selten, sondern eigentlich der maͤßigen Lebens- art der Siamer, zuschreiben. Will aber die Medicin nicht wirken, so heist es: der Mensch ist behert. Wenn ein Siamer krank wird, so betraͤgt er sich dabey sehr seltsam. Er legt sich nem- lich auf die Erde, laͤßt eine Person, die es ver- steht, auf seinem Leibe mit Fuͤßen herum tre- ten, um die Theile gelinde und schlaff zu ma- chen. Man versichert, daß die Weiber, so U 4 gar gar in ihrer Schwangerschaft, eben diese Ope- ration an sich vornehmen lassen, um sich eine leichtere Niederkunft zu verschaffen. Ihre Arzeneyen bereiten sie aus Mineralien und Kraͤutern. Die Kraft und den Gebrauch der Quinquina, haben sie von den Europaͤern erlernt. — Der Gebrauch des Schroͤpfens und der Blutygel ist ihnen bekannt: sie be- dienen sich des Aderlassens, des Trepanie- rens und anderer chirurgischen Operationen, sie sind aber genoͤthigt bey dieser Gelegenheit die Huͤlfe der Europaͤer zu gebrauchen. Ueber- haupt sind ihre Arzeneymittel sehr hitzig. — Innerlich brauchen sie nichts abkuͤhlendes, hin- gegen baden sie sich, sowohl wenn sie das Fie- ber, oder auch eine andere Krankheit haben. Es scheint auch, als wenn alles, was die na- tuͤrliche Waͤrme vermehrt oder zusammenhaͤlt, ihnen dienlich sey. Die Kranken genießen sonst nichts, als sehr duͤnne Reissuppe. — Fleischbruͤhe ist in Siam toͤdlich, denn sie macht den Magen schlaff. Wenn man gesund ist, er- lauben die Aerzte Schweinefleisch zu essen, wel- ches hier sehr leicht zu verdauen ist. Der Abscheu, den die Siamer fuͤr todte Koͤrper haben, und die Gewohnheit sie zu ver- brennen, erlaubt ihnen nicht, einige anatomi- sche Untersuchungen anzustellen. Sie sind also in Ansehung der Anatomie sehr unwissend. Die Chimie ist den Siamern eben so wenig be- kannt, ob sie gleich gewaltig darauf erpicht sind, und und eine große Menge fremder Marktschreyer zu Siam haben, welche die Leichtglaͤubigkeit die- ses Volks taͤglich mißbrauchen. Der Vater des Chaou-Narvie, soll, wie Tachard in sei- ner ersten Reise meldet, zwey Millionen darauf verwand haben, den Stein der Weisen zu finden. Was ihre Kenntnisse in der Mathematik be- trift, so muß man gleichfalls gestehen, daß sie sehr geringe ist. Sie wuͤrden es ohne Zweifel hierinn weiter bringen, wenn sie nicht den Feh- ler an sich haͤtten, einer Sache bald uͤberdruͤßig zu werden. Es ist ihnen eine unangenehme Sache, eine ganze Reihe von Schluͤssen zu for- miren. Sie lassen es daher bey einigen Aus- uͤbungsvortheilen in der Astronomie bewenden, und ohne sich darum zu bekuͤmmern, warum man so und nicht anders verfahren muͤsse, ge- brauchen sie selbige zum Nativitaͤtstellen einzel- ner Personen, wie auch zu Verfertigung ihres Kalenders, welchen man als einen allgemeinen Horoskop ansehen kann — Indessen haben sie doch ihren Kalender schon zweyma durch ge- schickte Sternkundige verbessern lassen. Uebrigens haben sie vom Weltgebaͤude keine richtigen Vorstellungen, weil sie nichts recht verstehen. Sie glauben die Finsternissen wuͤr- den durch einen boshaften Drachen verursacht, welcher die Sonne und den Mond verschlinge. Um das schaͤdliche Thier zu verjagen, erregen sie (wie bereits im vorhergehenden erwaͤhnt) U 5 einen einen graͤßlichen Laͤrm mit Kesseln und Pfan- nen. — Sie glauben die Erde sey viereckigt, und der Himmel liege auf ihr. Nach ihrer Vorstellungsart besteht sie aus vier bewohnten Theilen, welche durch große Meere von einan- der getrennt, und auf die Art zu vier beson- dern Welten gemacht sind. In die Mitte die- ser vier Welten, stellen sie einen sehr hohen py- ramidenfoͤrmigen Berg mit vier gleichen Sei- ten: und von der Oberflaͤche der Erde und des Meers, bis an den Gipfel dieses Berges, wel- cher nach ihrem Vorgeben die Sterne beruͤhrt, zaͤhlen sie vier und achtzigtausend Jods, ein Maaß, das etwa acht tausend Klaftern betraͤgt. Eben so viel Jods zaͤhlen sie von der Oberflaͤche des Meers, bis an die Wurzel des Berges, und eben so weit ist auch von jeder Seite des Ber- ges, bis an jede von den vier Welten. — La Loubere, der sich diese seltsame Beschreibung erzaͤhlen ließ, sagt dabey, wenn etwa einige Reisende eine andere Nachricht davon beybraͤch- ten, so duͤrfte man sich die Mannichfaltigkeit der siamischen Meynungen, in einer Sache, davon sie nicht viel verstehen, eben so wenig be- fremden lassen, als die Verschiedenheit unsrer astronomischen Lehrgebaͤude, die wir aus dem Grunde zu verstehen glauben. Die Siamer kennen die Tonkunst nur aus der Uebung, und haben von der Composition keine Regeln. Sie machen Arien, wissen sie aber nicht in Noten zu setzen. Ihre Gesaͤnge sind sind ohne Kadenzen und Triller. Die franzoͤ- sischen Arien, welche La Loubere und seine Com- pagnons spielten, gefielen dem Koͤnige nicht, weil sie ihm nicht ernsthaft genug waren. In- zwischen haben die Siamer in ihren eignen Arien nichts ernsthaftes, und in dem Marsche des Koͤniges selbst, geht die Symphonie sehr ge- schwinde. Auch verstehen sie die Kunst zu ac- compagniren nicht, und ihre Concerte haben nur eine Stimme, sowohl fuͤr die Instrumente, als fuͤr die Saͤnger. Ihre vornehmsten Instrumente sind: Gei- gen mit drey Saiten, die sie Tro nennen, und gewisse schreyende Hautbois, welche sie Vi nen- nen. Hierzu spielen sie auf kuͤpfernen Becken; sie schlagen naͤmlich zu gewisser Zeit in jedem Tacte darauf. Die Becken haͤngen vermittelst einer Schnure, an einer Stange, welche nach der Quere auf zwo Gabeln liegt, und man schlaͤgt sie mit einem kurzen hoͤlzernen Kleppel. Zu diesem Getoͤne kommen noch zweyerley Arten von Trommeln, die man Tlunpunpan und Tapon nennt. Der Kasten von der ersten ist nicht groͤßer als unsre Castagnetten, aber unten und oben mit Pergament uͤberzogen, wie un- sre Trommeln. An jeder Seite des Kastens haͤngt eine Bleykugel an einer Schnur. Durch den Kasten ist ebenfalls ein Staͤbchen gesteckt, woran man ihn haͤlt wie an einem Handgriffe. Den Handgriff querlet man zwischen den Haͤn- den herum, wie einen Schokoladen-Querl, und so so schlagen die beyden Kugeln an das aufgespann- te Fell oder Pergament. — Der Tapon sieht einem Fasse voͤllig aͤhnlich. Man haͤngt es mit einem Riemen an den Hals, und schlaͤgt unten und oben mit Faͤusten auf das Fell. In Siam treibt man die Leibesuͤbungen eben so schlecht, als die Uebungen des Verstan- des. Man findet im ganzen Lande keinen Men- schen, der z. E. das Bereuten verstuͤnde. Ge- wehr haben sie nicht, sie moͤchten es denn vom Koͤnige als ein Geschenk erhalten haben: so lange sie der Koͤnig auch nicht mit Waffen ver- sieht, duͤrfen sie keine kaufen. Eben so wenig duͤrfen sie sich in dem Gebrauche derselben uͤben, bis er es ihnen erlaubt. Selbst im Kriege schießen sie nicht stehend, sondern mit einem Knie auf der Erde, ja zuweilen setzen sie sich auf die Ferse, und strecken das andere Bein ge- rade vor sich aus. Es faͤllt ihnen schwer das Knie steif zu halten, weil ihre Gewohnheit mit sich bringt, dasselbe bestaͤndig zu beugen. Die Franzosen haben sie zuerst gelehrt, im Gewehre zu stehen: denn ehe der Ritter Chaumont ins Land kam, hielten sie so gar Schildwache im Sitzen. Wie sehr sie sich im Laufen uͤben, kann man schon daraus abnehmen, weil sie nicht ein- mal am Spazierengehen einiges Vergnuͤgen fin- den. Die warme Luft befoͤrdert die Ausduͤn- stung schon zur Genuͤge. Kurz, sie treiben kei- ne andere Uebung, als auf dem Balon in die Wette zu fahren, und deßwegen gewoͤhnt man die die Kinder schon im vierten oder fuͤnften Jahre dazu, daß sie das Ruder oder die Pagaje fuͤh- ren. Daher kommt es auch daß sie mit be- wundernswuͤrdiger Geschwindigkeit drey Tage und drey Naͤchte beynahe in einem Stuͤcke fort- rudern, ungeachtet sie gar nicht geschickt sind, eine andere Arbeit lange auszuhalten. Die Traͤgheit, der Mangel an Aufmunte- rung, die Gefahr, welche dabey seyn wuͤrde, wenn man sich in einem Lande, wo das Gluͤck einer Privatperson in den Haͤnden des Koͤniges steht, hervorthun wollte, sind so viele Ursachen, welche hier die Aufnahme der Kuͤnste verhin- dern. Man setze hinzu, daß dieses Volk gera- de zu, ohne Ehrgeiz, sparsam, maͤßig, und sehr mit seinen Beduͤrfnißen beschaͤftigt ist, daß es seine Gedanken nicht auf uͤberfluͤßige Dinge rich- ten kann. Die Armuth ist in allen Staͤnden gleich groß und verbannt die Pracht, das Kind des Wohlstandes und die Mutter der Kuͤnste. Von den Kuͤnsten verstehen sie folgende. Sie sind ziemlich gute Tischler; und weil sie kei- ne Naͤgel haben; so verstehen sie sich desto besser auf das Verniethen. Sie schnitzen allerley, doch sehr plump, wovon die Goͤtzenbilder in ih- ren Tempeln hinlaͤngliche Beweise abgeben koͤn- nen. — Sie brennen den Thon sehr gut, und es giebt keine beßre Ziegelsteine, als die, welche in Siam verfertigt werden. Ueberhaupt aber muß man ihnen das Lob geben, daß sie sich auf Mauerarbeit noch am besten verstehen. Dem ohn- ohngeachtet sind ihre gemauerten Haͤuser von schlechter Dauer, weil es am Grunde fehlt. Sie legen nicht einmal bey ihren Festungswer- ken den geringsten Grund. — Die Siamer koͤnnen auch Metalle schmelzen, und in Forme gießen. Sie uͤberziehen ihre Goͤtzenbilder sehr artig mit einem duͤnnen Bleche von Golde, Sil- ber oder Kupfer, ob sie gleich inwendig nichts anders sind, als ungeheure Klumpen von Zie- gelsteinen und Kalk. Ihre Goldschmiede sind ziemlich arbeitsam, und machen gute Drath- und damascirte Ar- beit; sie koͤnnen aber die feinen Steine weder polieren, noch zuruͤsten. Sie vergolden schoͤn, und die Art, wie sie es machen, hat etwas merk- wuͤrdiges. Ehe sie das Gold auftragen, ma- chen sie von Gummi einen dreyfachen Grund, wovon sie die beyden letzten nur halb trocknen lassen, damit das Goldblaͤtchen besser daran haͤlt. Sie polieren jeden aufgetragenen Grund mit dem Pinsel. An kostbareren Sachen, tra- gen sie noch einen andern doppelten Grund von Gummi auf, legen auf jeden ein Goldblaͤtchen, und polieren es allemal mit einem Pinsel. Die- se letzte Vergoldung hat einen schoͤnen Glanz, und behaͤlt seine Schoͤnheit viele Jahre hindurch. Der Gummi welchen sie brauchen, heißt Che- ran . Man findet ihn in den benachbarten Waͤldern von Cambria: er ist dunkelgrau, nimmt aber alle Farben, die man will (die weisse ausgenommen) an: er riecht wie Caßia. Man Man muß ihn, ehe man ihn gebraucht, an der Sonne durchsieben. Um seine Guͤte zu erfah- ren, ist es genug, daß man einen Tropfen da- von in ein Gefaͤß mit Wasser gießt. Wenn er gerade auf den Grund faͤllt, ohne sich aufzu- loͤsen — ist es ein Zeichen, daß er von guter Eigenschaft und nicht vermischt ist. Wenn er aber auf dem Wasser schwimmt, oder wenn seine Theile sich aufloͤsen, so ist er verfaͤlscht, und nur von mittelmaͤßiger Guͤte. Die gemeinen Handwerke sind bey dem Poͤbel das Fischen, und bey den, die reich ge- nug dazu sind, die Handlung. Weil aber der auswaͤrtige Handel fast allein in den Haͤnden des Koͤniges ist; so ist bey dem einheimischen kein großer Vortheil. Eben diese Einfalt in der Lebensart, welche eine große Menge Kuͤnste fuͤr die Siamer unnuͤtz macht, benimmt ihnen auch die Lust zu dem groͤßesten Theile der Waaren, die man in Europa fuͤr unentbehrlich haͤlt. In dessen haben sie doch gewisse eingefuͤhr- te Gebraͤuche im Handel. Beym Geldleihen schreibt allemal ein dritter den Wechsel. Diese Vorsichtigkeit ist bey ihnen schon hinreichend: denn im Falle der Schuldner die Schuld leug- net; so faͤllt vor Gerichte die Vormuthung allemal gegen ihn, weil er zwey Zeugen, nem- lich den, der die Schuld fodert, und den der den Schein geschrieben hat, wider ihn. — Im taͤglichen Handkauf wird Treue und Glauben so fest gehalten, daß weder der Verkaͤufer das empfan- empfangene Geld, noch der Kaͤufer die Waare zaͤhlt, im Falle sie aus vielen Stuͤcken besteht. Die Marktzeit ist von fuͤnf Uhr des Abends, bis um acht oder neun Uhr. Die Siamer gebrauchen keine Ellen, weil sie den Catun stuͤckweise kaufen. Man muß sehr arm seyn, wenn man nach Ellenbogenwei- se kauft. Und nur fuͤr diese armen Leute ist kein anderes Maaß, als der Ellbogen gebraͤuch- lich. — Gleichwohl haben sie ihre Klafter, welche nur um einen Zoll kleiner ist, als eine franzoͤsische Trise. Sie gebrauchen dieselbe bey dem Bauen, bey Ausmessung der Felder und sonderlich der Kanaͤle und Heerstraßen, worauf der Koͤnig reiset. Sie sind aber nicht sehr ge- nau eingerichtet. — Eben so wenig sind ihre Gewichte genau eingerichtet. Man nennt es uͤberhaupt Ding . Das richtigste und einzige genaue Gewicht, dessen man sich im Koͤnigreiche bedient, sind Geldstuͤcke, ungeachtet das Geld im Siamischen oft zu leicht und so gar falsch ist. Daher heissen die kleinen Gewichte so wie die Muͤnzsorten. Alle siamischen Silbermuͤnzen haben einerley Gestalt und Gepraͤge, nur aber verschiedene Groͤßen. Sie gleichen an Gestalt einer kleinen Walze. Das Verhaͤltniß der Muͤnze gegen die unsrige, ist folgendes. Ein Tical wiegt zwar nur einen halben Thaler, gilt aber doch etwas mehr. — Gold und Kupfermuͤnzen haben sie nicht. Das Gold ist in Siam Kaufmannsgut, und und gilt zwoͤlf mal so schwer Silber, im Falle beyde Metalle von gleicher Guͤte sind. Die sia- mische Scheidemuͤnze besteht in kleinen Muscheln, welche die Europaͤer Coris und die Siamer bia nennen. Ein Fuan, das ist der achte Theil eines Ticals , gilt acht hundert Coris, das ist sieben bis acht Coris gelten ohngefaͤhr einen Pfennig (Wer hiervon mehr zu wissen ver- langt, kann den La Loubere selbst nachlesen.) Viertes Kapitel. Von den verschiedenen Staͤnden — Re- gierungsart — und dem Soldatenwe- sen der Siamer. D ie ungewisseste Eintheilung der Siamer, ist in Freye und Leibeigene . Das letz- tere wird man entweder durch die Geburt oder durch Zufall. Zufaͤlligerweise wird man es durch Schulden, oder wenn man im Kriege ge- fangen wird, oder durch den Ausspruch des Richters. Wer nur Schuldenhalber ein Leibei- gener wird, der bekommt seine Freyheit wieder, so bald er bezahlt: allein die Kinder, die waͤh- render Leibeigenschaft ihrer Eltern geboren wer- den, bleiben in dem Stande, darinn sie zur Welt kamen. — Ein Herr hat uͤber die Leibei- X genen genen eine unumschraͤnkte Gewalt, nur darf er sie nicht toͤdten. Er bedient sich ihrer, um seine Felder und Gaͤrten zu bauen. Der Unterschied zwischen den Leibeigenen des Koͤniges von Siam und seinen Untertha- nen, besteht darinn, daß jene mit ihrer Person fuͤr ihn arbeiten muͤßen, und dagegen ihren Un- terhalt bekommen, diese aber jaͤhrlich nur sechs Monate, aber auf ihre eigne Unkosten frohnen muͤßen. — Die Leibeigenen der Unterthanen, leisten dem Koͤnige keine Dienste. Der Koͤnig leidet dabey einen wirklichen Verlust, wenn ein freyer Mensch zum Leibeigenen gemacht wird: er will aber doch diesen Verlust lieber haben, als die hergebrachte Gewohnheit aͤndern, oder den Lauf der Gerechtigkeit verhindern. Eigentlich zu reden, sind die freyen Leute nur sechs Monate im Jahre frey. Die andern sechs Monate muͤßen sie in Person dem Staate Dienste thun, welche von der eigentlichen Skla- verey wenig unterschieden sind. Weiber und Priester sind hiervon ausgeschlossen. Diejenigen, welche sie thun muͤßen, koͤnnen in drey Klassen abgetheilt werden. Die erste besteht darinn, welche zum Dienst des Koͤniges gebraucht wer- den. Sie machen seine Wache aus, besorgen die Gaͤrten, und arbeiten in den Werkstaͤten des Pallastes. Die von der andern Ordnung, werden zu oͤffentlichen Arbeiten und zur Verthei- digung des Staates gebraucht. Gehts zu Fel- de; so muͤßen sie selbst fuͤr ihren Unterhalt sor- gen gen: vom Koͤnige erhalten sie nichts als Waf- fen und Pferde. Die Personen von der dritten Klasse, dienen den obrigkeitlichen Personen, als den Ministern und vornehmsten Dienern des Koͤnigreichs. Der Koͤnig giebt allemal, wenn er jemanden zu einer Bedienung erhebt, eine gewisse Anzahl von Frohnleuten, welche ihm alle Jahre sechs Monate, ohne einige Be- zahlung zu fodern, dienen muͤßen. — Von seinem sechzehnten Jahre an, wird man in eine von diesen Klassen eingeschrieben. Auf den er- sten Befehl muß sich ein jeder an den Posten begeben, welcher ihm angewiesen ist, und, wenn man es unterlaͤßt, wird man in Ketten gelegt, und zu Pruͤgeln verdammt. Doch kann man sich von diesen Diensten loskaufen, wenn man jaͤhr- lich der Schatzkammer funfzehn Ticals bezahlt. Diese beschwerlichen Frohndienste matten dieses Volk, das ohnehin die Arbeit nicht leiden kann, so sehr ab, daß sich viele in die Waͤlder begeben, oder aus dem Lande gehen, um sich von ihnen zu befreyen. Die naͤchsten Anver- wandten eines ausgetretenen, werden aber ins Gefaͤngniß gelegt, und, wenn sie ihn nicht wie- der schaffen, verdammt man sie zur Sklaverey. Andere entsagen viel lieber aller Freyheit, und verkaufen sich an guͤtige Herrn, deren Herr- schaft nicht so strenge, als der Dienst des Koͤ- niges und der Mandarinen ist. Das heissen hier freye Leute. — La Loubere redet von einer andern Eintheilung, welche unter diesem X 2 Vol- Volke von Alters her im Gebrauch ist. Sie besteht darinn, daß man alle diejenigen, welche Frohndienste thun muͤßen, in zwey Klassen thei- let, in Leute von der rechten Hand, und in Leute von der linken Hand: ein natuͤrlicher Un- terschied, welcher anzeigt, auf welche Seite, besonders im Kriege, und bey großen Jagden sie sich stellen sollen. — Jede Seite wird aber- mals in verschiedene Rotten eingetheilt, und jede Rotte hat ihr Oberhaupt, das den Namen Nai fuͤhrt. Die Kinder gehoͤren unter ihrer Eltern Rot- te. Sind diese von zweyerley Rotten; so ge- hoͤren die ungleichen zu der Mutter und die gleichen zum Vater. Indessen muͤßen derglei- chen Heyrathen dem Nai kund gethan werden, und dieser muß seine Einwilligung dazu geben, sonst gehoͤren alle Kinder zur muͤtterlichen Rotte. Der Nai hat das Vorrecht, daß er seinen Soldaten Geld leihen und den fremden Glaͤubi- ger befriedigen kann. Hierbey hat er den Pro- fit, daß derjenige, fuͤr den er bezahlt, sein Leib- eigner wird, wenn er nicht zu bezahlen vermag. Weil der Koͤnig einem jeden Kriegesbedienten ein Balon und Pagayeurs oder Ruderknechte giebt; so haben auch die Nais in jeder Rotte ihre Ruderknechte, die sie am Gelenke mit einem heissen Eisen und darauf gestrichener Dinte be- zeichnen. Man nennt sie Bao . Allein ande- re Dienste duͤrfen sie dem Nai nicht leisten, und auch auch diese nur sechs Monate lang. Je zahl- reicher seine Rotte ist, desto mehr Ansehen hat er. In Siam schaͤtzt man die Wichtigkeit der Aemter und Bedienungen nach der Zahl der Untergebenen. Es giebt siebenderley Ehrenstu- fen der Nais, welche durch die Zahl ihrer Sol- daten bestimmt werden: sie hier alle anzufuͤhren, gehoͤrt nicht fuͤr den Plan dieses Werks. Wenn der siamische Koͤnig jemanden zu ei- ner neuen Wuͤrde erhebt; so legt er ihm auch einen neuen Namen bey, eine Gewohnheit, die in vielen asiatischen Reichen uͤblich ist. Ein solcher Name besteht allemal in einem Lobspruch, irgend einer Tugend. Selbst die Auslaͤnder, welche nach Hofe kommen, wer d en mit einem Ehrennamen belegt, unter welchem sie waͤhrend ihres Auffenthalts in Siam bekannt sind. — Alle Aemter sind erblich, und nach den Gesetzen ist es nicht erlaubt, sie fuͤr Geld zu kaufen. Allein der geringste Fehler, den der Beamte be- geht, ja die bloße Willkuͤhr des Landesherrn, kann ein Geschlecht um die wichtigsten Aemter bringen. Hiernaͤchst sind nicht die geringsten Einkuͤnfte oder Besoldungen damit verknuͤpft. Der Koͤnig versorgt seine Hofbedienten mit Wohnung und einigem Geraͤthe, z. E. mit Schachteln von Gold oder Silber, zum Betel mit Gewehre und einem Balon: mit Elephan- ten, Pferden und andern Stuͤcken. Er eignet ihnen den Genuß gewisser Frohndienste zu, des- gleichen einige Leibeigene und Ackerfeld. Alles X 3 dieses dieses faͤllt dem Koͤnige wieder zu, wenn er den Besitzer von seinem Amte absetzt. Doch die hauptsaͤchlichsten Einkuͤnfte der Bedienungen, kommen vom Bestechen her, welches uͤberall im Koͤni g reiche erlaubt zu seyn scheint, weil der Hof dazu nichts sagt. Alle Beamte wollen auf Unkosten des Volks reich werden, und ste- cken deswegen alle unter einer Decke. Sie nehmen ohne Erroͤthen Geschenke an. Ein Richter darf sie ungescheut annehmen, wofern man ihm nur keiner offenbaren Ungerechtigkeit beweisen kann. Die niedrigen Beamten muͤs- sen den hoͤhern die Haͤnde eben so wohl schmie- ren. Und gleichwohl haben sie alle den Eid und Pflicht darauf, ihre Pflicht zu thun Man thut Unrecht, wenn man die Siamer deswegen verdammen will. Man denke: In ganz Europa, das doch sonder Zweifel fuͤr den gesittesten Theil der bekannten Welt angesehen werden muß, pflegen die Beamten u. s. w. u. s. w. u. s. w. — Geschenke anzunehmen, da es ihnen doch durch die Gesetze untersagt ist. Das ist eine heßliche Mode von gesitteten Europaͤern, die ganz unverzeihlich ist. Aber fuͤr den unge- sitteten (in Ruͤcksicht der Europaͤer) Siamer nicht so tadelns werth. . Die Feyerlichkeit des Eides besteht darinn, daß man ein gewisses Maas Wasser austrinken muß, woruͤber die Talapoinen vorher viele Fluͤ- che aussprechen, welche den Uebertreter treffen sollen. Es Es giebt in dem Koͤnigreiche Siam viele Landgerichte, die aber alle unter einem Oberhof- gerichte, welches in der Hauptstadt angelegt ist, stehen. La Loubere zaͤhlt siebzig Gerichtsbarkei- ten in Obersiam, und sieben und siebzig in Nie- dersiam. Jedes Gerichte besteht aus vielen Ge- richtspersonen, welche unter einem Haupte, Pouran , d. i. einer der da befiehlt, stehen. Dieser ist eigentlich der einzige Richter, der das Recht hat, ein Urtheil zu sprechen. Es versteht sich von selbst, daß er verbunden ist, die uͤbri- gen Gerichtspersonen allemal zu Rathe zu zie- hen. Die wichtigste Angelegenheit des Land- richters besteht darinn, daß er alle Staats- und Kriegesangel genheiten in seinem Bezirke ver- waltet. Da diese wichtigen Stellen erblich sind, so fiel es einigen Statthaltern, insonder- heit den vom Hofe weit entfernten, nicht schwer, sich der koͤniglichen Oberherrschaft zu entziehen. Ein Erbstatthalter fuͤhrt den Titel Tschau- Menang , d. i. Herr einer Stadt oder Land- schaft. Die Koͤnige haben immer dahin ge- trachtet, diese gefaͤhrlichen Leute nach und nach auszurotten. An ihre Stellen setzen sie Statt- halter auf drey Jahre. Es giebt auch noch wuͤrklich dergleichen Tschau-Menangs in Siam. Der Pouran (oder Puran) genießt eben die Ehre, als ein Tschau-Menang, hat auch eben die Gewalt bey seinem Amte, aber nicht so viel Einkuͤnfte. Der Koͤnig ernennt Pourans ent- X 4 weder, weder, wenn er die Erblichkeit abschaffen will, oder wenn der Tschau-Menang lange abwesend seyn muß. Im ersten Falle, werden ihnen ihre Einkuͤnfte vom Hofe angewiesen, im zweyten, theilen sie das Einkommen des Tschau-Menangs mit ihm, und behaͤlt die Haͤlfte. Gemeiniglich belaͤuft sich die Anzahl der Stellen bey einem Landgerichte auf funfzehn Oc-Pra-Belat . Sein Name bedeutet: Fol- gender. Er hat aber in Abwesenheit des Tschau- Menangs den Vorsitz nicht, weil er keine Stim- me hat. Oc-Pra-Jokebatest . Ist eine Gattung von Fiscal, und eigentlich ein Spion des Statthal- ters. Das Amt ist nicht erblich. Oc-Pra-Penn , ist der Befehlshaber der Be- satzung, und steht unter dem Tschau-Menang . Oc-Pra-Maha-Tai . Dieß Wort heißt der große Siamer, und wer diesen Titel fuͤhrt, ist gleichsam der Vater des Volks. Er wirbt die Soldaten, oder verlangt sie vielmehr nur von den Nais; er versorgt das Heer mit Lebens- mitteln, hat die Aufsicht uͤber die Musterrollen des Volks u. f. Ueberhaupt vollzieht er die Be- fehle des Statthalters, welche das Volk be- treffen. Oc-Pra-Sassed , macht die Musterrollen, und verwahrt sie. Dieß Amt ist dem Bestechen sehr unterworfen, weil jeder gerne Geld giebt, um nur nicht auf die Rolle zu kommen, und die Nais selbst gerne, fuͤr Geld, Gefaͤlligkeiten er- zeigen. Der Sassedi setzt die Kinder auf die Rolle, so bald sie drey Jahre alt sind. Oc- bis bis sechszehn, und mit jeder ist eine besondere Verrichtung verbunden. La Loubere, welcher nach diesem Punkt sehr nachgefragt zu haben scheint, berichtet uns, Oc sey ein Zusatz, den man Ehrenhalber einem jeden Titel beyfuͤge, den aber ein Hoͤherer niemals einem Geringern beylege. — Die Oc-Luang-Menang , ist gleichsam der Bur- gemeister in der Stadt, der auf die Policey und Nachtwaͤchter Achtung giebt. Oc-Luang-Vang , ist der Haußhofmeister des Statthalters; denn Vang heißt Pallast. Seine Pflicht ist es, auf die Gebaͤude Acht zu geben, und sie ausbessern zu laßen. Unter ihm steht die Leibwache nebst ihrem Hauptmanne. Oc-Luang-Clang , sorgt fuͤr die koͤniglichen Vorrathsbaͤuser. Clang heist Vorrathshaus. Er nimmt alle Abgaben an den Koͤnig in Em- pfang, und verkauft des Koͤnigs Waaren an das Volk. Oc-Luang-Cuca , hat die Aufsicht uͤber die Fremden. Er vertheidigt oder verklagt sie bey dem Statthalter. Oc-Luang-Coeng , ist vielleicht so viel als die Pedells auf unsern Universitaͤten, oder Stadtknechte. Der siamische Stadtknecht hat immer ein großes Schwerdt an seiner Seite hangen. Seine Haͤscher sind die Kenlais oder Blauaͤrme. Oc-Cun-Pa-ja-Bat , ist soviel als Gefaͤng- nißmeister. Oc-Cun-Narin , unter ihm stehen die Waͤr- ter der Elephanten, die der Koͤnig im Lande haͤlt; X 5 Die Siamer verfahren bey Gerichte einmal wie das andere. Sie wissen nichts von einer Eintheilung in Civil- und Criminal-Processe, entweder weil derjenige, welcher einen Civil- proceß verliehrt, allemal einige Strafe leiden muß, oder weil Zwistigkeiten von dergleichen Beschaffenheit wuͤrklich etwas seltenes sind. Das Verfahren vor Gerichte geschieht schrif- lich, und ein jeder muß, ehe er klagt, Buͤrgschaft stellen. Weil das Volk unter gewisse Rotten gehoͤrt, die vornehmsten Nais aber im Landge- richte sitzen, so uͤberreicht der Klaͤger seine Bitt- schrift zufoͤrderst dem Nai von seinem Dorfe: dieser uͤbergiebt sie dem Nai im Landgerichte, und dieser dem Statthalter. Der Tschau-Me- nang sollte sie von Rechtswegen gleich anfangs wohl haͤlt; denn weil es schwer faͤllt, eine große An- zahl an einem Orte zu fuͤttern und zu stallen, so zertheilt man sie hin und her. Oc-Cun-Nai-rong , ist der Elephanten- meister. Bey einem jedweden Landgerichte sind auch einige Beamte, welche keine andere Dienste thun, als daß sie nach des Tschau-Menangs Tode seine Stelle versehen, bis der Koͤnig ein anders befiehlt. Ferner ist einer da, welcher dem Statthalter die Tara , d. i. die koͤniglichen Befehle vorliest. — Diese Beschreibung ha- ben wir aus dem La Loubere entlehnt, wohin derjenige Theil unsrer Leser, der hiervon etwas mehrers zu lesen wuͤnscht, verwiesen wird. wohl pruͤfen, und auf der Stelle entweder gleich annehmen oder verwerfen, auch einen unnoͤthi- gen Klaͤger so gleich bestrafen. Aber in Siam nimmt man es so genau nicht. — Die Klag- schrift wird angenommen, und einem Rathe zu- gestellt. Der Statthalter thut weiter nichts dabey, als daß er die Zeilen abzaͤhlt, und sein Siegel darunter druͤckt, damit nichts daran geaͤndert werden koͤnne. Der Rath giebt sie dem Schreiber, der sie in der ersten Rathsver- sammlung abliest. Man fodert hernach die Partheyen vor, man ermahnt sie dreymal zum Vergleiche, und wenn sie nicht wollen, befiehlt der Rath dem Gerichtsschreiber, sie zu befragen, ihre Zeugen zu vernehmen, und ihre Produktio- nen zu untersuchen. So endigt sich der erste Termin. In dem andern referirt der Gerichtsschrei- ber die Sachen weitlaͤuftiger, erzaͤhlt, was bey- de Theile fuͤr sich angefuͤhrt, und sammlet die Stimmen, welche er aufschreibt. In dem dritten liest der Referent, nach einer kurzen Wie- derholung des ganzen Verfahrens, die Stim- men ab. Der Pouran, ehe er die Partheyen entscheidet, laͤßt das Gesetzbuch aufschlagen, zieht denjenigen Artikel, welcher ihre Streitig- keiten angeht, zu Rathe, und faͤllt das End- urtheil. Nach den Gesetzen des Landes sollten diese Termine drey Tage hintereinander seyn, und die verwickeltsten Processe wuͤrden keine Woche dauern. dauern. Der unersaͤttliche Geitz der Richter aber hat Fristen ersonnen, welche die Processe verewigen, und den Partheyen allen Marks aussaugen. Es giebt in Siam (wie bereits an einem andern Orte angemerkt ist), keine Procuratoren, Notarien, noch andere Sachwalter dieser Art. Die Verschreibungen geschehen durch einen drit- ten, welcher das Verbrechen aufschreibt; (La Loubere Th. 2. Kap. 15) und dieses ist vor Ge- richte genug, weil das zwiefache Zeugniß desje- nigen, der die Verschreibung geschrieben hat, und des Glaͤubigers, der es vorzeigt, mehr gilt, als das einseitige Vorgeben des Schuldners, welcher es laͤugnet. Der Gebrauch der Pet- schafte ist bey Privatpersonen unbekannt; die obrigkeitlichen Personen allein haben ein Sie- gel, das ihnen der Koͤnig giebt, und welches zu ihrem Amte gehoͤrt. Die Buchstaben und Fi- guren daran sind erhaben; man reibt es mit rother Dinte, und druͤckt es mit der Hand dar- auf. Der Koͤnig hat ein besonders Siegel, das er niemanden anvertraut, und das er mit eigner Hand auf die Patente, die er ausferti- gen laͤßt, druͤckt. Die Privatpersonen setzen ihre Namen unter keine Schrift; sie machen nur ein Zeichen darunter, welches wie ein Kreutz aussiehet. Die peinlichen Processe werden vor eben den Gerichten angestellt, wo man die buͤrgerlichen Processe anbringt; die ordentlichen Richter aber koͤnnen koͤnnen kein Todesurtheil aussprechen. Dieses ist ein Recht, welches allein dem Koͤnige zu- kommt, und welches er zuweilen gewissen obrig- keitlichen Personen, aus besondern Gnaden, auftraͤgt. Auf diese Weise schickt der Hof von Siam, wie der Hof von Peking, oft außer- ordentliche Aufseher in die Provinzen, um ge- wisse Vergehungen zu untersuchen, die Klagen des Volks anzuhoͤren, und die Druͤckungen der Statthalter abzustellen. Die Kommissarien haben nicht nur die Macht, Privatpersonen zum Tode zu verurtheilen, sondern sie koͤnnen auch obrigkeitliche Personen ihres Amtes ent- setzen. Wir kommen nun auf die Strafgesetze selbst. Die gewoͤhnliche Strafe des Diebstahls ist der doppelte Ersatz, ja zuweilen der dreyfache, welchen der Richter und Klaͤger unter sich thei- len. Das Seltsamste hierbey ist dieses, daß die Siamer die Strafe des Diebstahls auf je- den unrechtmaͤßigen Besitz einer Sache ausdeh- nen. Wem also eine Erbschaft abgesprochen wird, der muß sie nicht nur seinem Gegentheile abtreten, sondern auch den Werth dafuͤr bezah- len, und zwar die Haͤlfte an den Richter, und die andre Haͤlfte an den Gegner. Wenn in wichtigen Anklagen der Beweis fehlt, erlaubt man den Partheyen, daß sie sich verschiedener Arten von Proben bedienen koͤn- nen. — Die Feuerprobe, welche in den bar- barischen Zeitaltern in Europa so gebraͤuchlich war, war, geschieht in Siam auf verschiedene Art. Man steckt die Haͤnde in siedendes Oehl, in ge- schmolzenes Metall, und in andere brennende Materien. Man richtet in einer Grube einen Holzhaufen auf, so daß er mit dem Rande der Grube einerley Hoͤhe hat. Die Laͤnge muß fuͤnf, die Breite eine Klafter seyn. Beyde Partheyen gehen von einem Ende bis zum an- dern barfuß daruͤber. Wer sich nun die Fuß- sohlen nicht verbrennt, der hat seinen Proceß gewonnen. La Loubere meldet, daß die Siamer gemeiniglich, weil sie bestaͤndig bar- fuß gingen, und dadurch ihre Fußsohlen ver- haͤrtet wuͤrden, ohne Schaden davon kommen, dafern sie nur beherzt und fest auf die Kohlen treten. Zwey andere Kerls gehen zu beyden Seiten, nebst demjenigen, der die Probe macht, und lehnen sich mit Macht auf seine Schultern, damit er nicht allzugeschwind daruͤber hinfahren kann. Was die Wasserprobe betrift, so tauchen beyde Theile zugleich unter das Wasser; jeder haͤlt sich an einer langen Stange fest, und laͤßt sich daran herab. Wer am laͤngsten aushaͤlt, hat gewonnen. Dieß mag auch wohl eine Hauptursache seyn, warum sich die Siamer ins- gesammt, von den fruͤhesten Jahren an, mit Feuer und Wasser bekannt machen. — Noch haben sie eine andere Probe mit ge- wissen Pillen, welche die Talapoinen machen, und Fluͤche daruͤber sprechen. Beyde Partheyen ver- verschlingen eine gewisse Anzahl davon, und die Probe der Unschuld oder der gerechten Sache ist, wenn man sie bey sich behaͤlt. Alle diese Proben werden nicht nur in Gegenwart der Richter, sondern auch des ganzen Volks vor- genommen; und im Fall beyde Partheyen eine Probe mit gleichem Erfolg uͤberstehen, so muͤs- sen sie noch eine vornehmen. Der Koͤnig selbst entscheidet die Sachen auf solche Weise. Nur bedient er sich zuweilen noch eines andern Mit- tels. — Er wirft nemlich beyde Theile den Tygern vor; derjenige, den diese reissende Thie- re einige Augenblicke unangefochten laßen, wird fuͤr unschuldig erklaͤrt. Werden sie beyde zer- rissen, so muͤssen sie auch beyde schuldig gewe- sen seyn. Sie stehen diese Todesstrafe (ver- moͤge ihrer natuͤrlichen Traͤgheit und Unempfind- lichkeit) mit solcher Unerschrockenheit aus, daß man es kaum vermuthen sollte, da sie sich sonst im Kriege als schlechte Helden zeigen. So viel von der Regierungsart in Siam. Wir haben uns bey diesem Artikel mit Fleis kurz gefaßt, um noch wichtigern Dingen Platz zu laßen. Auch hoffen wir, daß sich der Leser einigen Begrif von der Regierungsart der Sia- mer, aus dem, was wir beygebracht haben, werde machen koͤnnen. Mit der Kriegeskunst sieht es in Siam schlecht aus; und dieß kommt blos daher, weil die Einwohner keine Lust dazu aͤußern. Ueber- haupt haupt kann die allzuhitzige Einbildungskraft der uͤbermaͤßig heißen Laͤnder eben so wenig mit der Herzhaftigkeit bestehen als die gar zu traͤge Einbildungskraft der kalten Laͤnder. Blos der Anblick eines großen Degens vermag eine ganze Schaar Siamer in die Flucht zu jagen. Hier- von giebt uns La Loubere gewisse Nachricht. Er sagt, wenn ein Europaͤer mit einem Degen oder derben Stock auf einen Siamer losginge, und herzhaft mit ihm redete, so vergaͤße dieser alle Pflichten, die er seiner Obrigkeit zu leisten schuldig waͤre. Zu dieser wenigen Herzhaftig- keit traͤgt die unter ihnen bekannte Lehre von der Seelenwanderung sonder Zweifel vieles bey, denn sie haben den groͤsten Abscheu vor allen Blutvergießen. Wenn z. E. die Peguaner von einer Seite in das Siamische einfallen, so fal- len die Siamer wiederum in das Peguanische, und beyde Theile nehmen weiter nichts vor, als daß sie ganze Doͤrfer zu Leibeigene machen. — Ruͤcken beyde Armeen gegen einander, so schies- sen sie nicht gerade auf einander los. Sie pfle- gen gemeiniglich, vermoͤge eines stillschweigen- den Vergleichs, welcher blos in der natuͤrlichen Zaghaftigkeit von beyden Seiten seinen Grund hat, hoͤher zu schießen, als sie eigentlich thun sollten. Da indessen die Absicht der streitenden Heere ist, sich einander durch Schuͤsse zu errei- chen, so nimmt diejenige von beyden Partheyen, welcher die Kugeln zuerst die Koͤpfe durchboh- ren, ohne sich lange zu verweilen, ihren Abzug. — Ruͤckt Ruͤckt der Feind gerade auf sie los, und sie wol- len ihn zuruͤckhalten, so schießen sie tiefer als es seyn sollte, damit er es sich selbst zuzuschreiben habe, wenn er naͤher anruͤckt und todt geschos- sen wird. Jeder Siamer ist bekanntermaßen ein Sol- dat, und muß sechs Monate dienen, wenn es der Fuͤrst verlangt. Ihre Nachbaren beobach- ten eben den Gebrauch, daher auch die indischen Armeen gemeiniglich sehr stark zu seyn pflegen. Ein Fuͤrst, der nur uͤber zwey Millionen Unter- thanen zu gebieten hat, kann, wenn es die Noth erfodert, vier bis fuͤnfmal hunderttausend Sol- daten ins Feld stellen. Die Armeen versam- meln sich mit unglaublicher Geschwindigkeit, und sind dem Staate gar nicht laͤstig, weil ein jeder fuͤr seinen Unterhalt sorgen muß. Die Kriegesruͤstungen sind bey ihnen bey weiten nicht so beschwerlich, wie bey uns. Ein Korb mit Reis, ein hohles Bambusrohr mit Was- ser, ein lederner Schild, ein Saͤbel, und eine Flinte, machen die Bagage eines Soldaten aus. Der Koͤnig haͤlt außer dieser sehr angesehe- nen Militz noch eine Schaar fremder Truppen, welche einen Theil seiner Wache ausmachen, wovon einige zu Fuße, andere zu Pferde dienen. Diese Leibwache besteht aus Laos und Meen, benachbarte Voͤlker von Siam; aus Moham- medanern aus dem Hindistanischen gebuͤrtig, Leute, die sehr wohl aussehen, aber ganz unge- Y mein mein furchtsam sind; aus chinesischen Tatarn, welche keine andere Waffen als den Bogen ha- ben, und fuͤr tapfer gehalten werden; endlich aus indischen Landstreichern, welche wie Moh- ren gekleidet sind, und sich zur heydnischen Re- ligion bekennen. Diese letztern wollen alle aus einem hohen Hause entsprossen seyn, und, wenn sie eine eine starke Dosis Opium eingenommen haben, schlagen sie sich mit einem Muthe, den man unter den Indianern selten antrift. Vor- mals hatten die Koͤnige von Siam eine ansehn- liche Leibwache, welche allein aus Japanern be- stand. Nachdem aber diese Leute zu weit um sich griffen, und so gar nach der Oberherrschaft trachteten, so fand man doch endlich Mittel sich ihrer zu entledigen. Die Siamer haben wenig grobes Geschuͤtz, weil sie sich auf das Gießen desselben nicht ver- stehen. Einige Auslaͤnder haben es zu verschie- denenmalen versucht, Kanonen in Siam zu gießen, und den Einwohnern zu zeigen, wie man mit dergleichen Arbeiten umzugehen habe. Allein das Kanonengießen ist fuͤr die Siamer ein wenig zu muͤhsam, Sie stehen daher lieber davon ab. Indessen schmieden sie doch einige aus Eisen und zwar kalt. Ihre ganze Reuterey betraͤgt etwan zwey tausend Pferde. Ihre groͤste Macht besteht in Elephanten, die nach des Tachards Berichte, bis auf zwanzigtausend steigt. Da aber diese Thiere weder Zaum noch Gebiß haben, so sind sie sie schwer zu baͤndigen. Sie scheuen auch das Feuer, und werden sie verletzt, so lassen sie nicht selten ihre Wuth an ihrem Herrn aus. Beym La Loubere finden wir eine Beschreibung der Schlachtordnung der Siamer. Ein kurzer Auszug davon, gehoͤrt hieher. Sie stellen sich in drey Treffen, und jedes ist in drey große, ins Viereck gestellte Haufen abgetheilt. Bey dem mittelsten Haufen, welcher aus den besten Truppen besteht, befindet sich, um außer Ge- fahr zu seyn, gemeiniglich der Feldherr. Je- der Anfuͤhrer eines Haufen begiebt sich gleich- falls in die Mitte desselben. Sind die neun Haufen allzugroß, so theilt man sie in neun andere, in eben der Ordnung als das uͤbrige Heer. Hinter jedem Haufen, folgen gewoͤhn- lich sechzehn Elephanten; jedes Thier traͤgt eine Fahne, und hat drey Mann auf sich sitzen. Viele andere tragen das Geraͤthe. Zur See sind die Siamer noch weit ohn- maͤchtiger als zu Lande. Der Koͤnig hat kaum fuͤnf bis sechs Schiffe, die er zuweilen zu Strei- fereyen ausruͤstet, meistentheils aber zur Hand- lung gebraucht. Seine Officiers und Matro- sen, die auf dieser kleinen Flotte dienen, sind Auslaͤnder. Er befiehlt ihnen blutige Streite zu vermeiden, und nur List zur Ueberwaͤltigung feindlicher Schiffe zu gebrauchen. Nebst dieser geringen Anzahl Schiffe hat er auch funfzig bis sechzig Galeeren, mit hoͤlzernen Ankern. Es sind sehr mittelmaͤßige Fahrzeuge, mit ei- Y 2 nem nem einzigen Ueberlaufe, und etwa sechzig Mann Ruderknechten besetzt, welche alle ge- borne Siamer sind, und die diese Fohndienste zu thun schuldig sind. Ein jeder hat sein Ru- der, das er stehend gebrauchen muß, weil er in einer andern Stellung, wegen Kuͤrze desselbi- gen, das Wasser nicht erreichen wuͤrde. Diese Fahrzeuge entfernen sich niemals von den Kuͤ- sten des siamischen Meerbusens, und kreuzen nur um dieselbe herum. — Fuͤnftes Kapitel. Von der Religion der Siamer. D ie Religion der Siamer ist ein Gewebe von laͤcherlichen und thoͤrichten Fabeln, wel- che man aus Unwissenheit und Vorurtheil als heilig ansieht. Von der Gottheit hat dieses Volk keine vernuͤnftige Begriffe. Es denkt sich dieselbe als ein Wesen, das aus Geist und Leib zusammengesetzt ist, und eignet demselben weder Allmacht, noch ewige Dauer, noch un- endliche Weisheit zu. — Der Gott der Sia- mer ist sterblich; ein anderer Gott folgt nach ihm, und dieser wird wieder durch einen Nach- folger ersetzt, der in die Rechte des vorigen tritt, und an seiner Statt die Welt regiert. Ein Ein Mensch selbst kann zur Gottheit gelangen. Aber hierzu wird erfordert, daß er gewisse Pruͤ- fungen aushalten muß, welche wieder eine große Menge Ungereimtheiten verrathen. Außer dem goͤttlichen Stande, welcher den hoͤchsten Grad der Vollkommenheit ausmacht, haben sie auch weniger erhabene, dergleichen der Stand der Heiligen und der Seligen ist. Sie unterscheiden gewisse Stufen der Seligkeit in verschiedenen Arten von Paradiesen. In den ersten Paradiesen lebt man voͤllig wie auf Erden; die Heiligen verheyrathen sich, und zeugen Kinder; man fuͤhrt Kriege, ist Obrig- keiten unterworfen, u. s. f. In den andern reinigen sich die Seelen, bis sie denjenigen Grad der Heiligkeit erreicht haben, der ihnen eine vollkommene Unschuld und die hoͤchste Gluͤckse- ligkeit zuwegebringt. Diese Gluͤckseligkeit be- steht aber in einer solchen Ruhe und Gelassen- heit, die einer Vernichtung aͤhnlich ist. Diese gluͤckseligen Unsterblichen, in sich selbst vertieft, vergessen alles uͤbrige, und bekuͤmmern sich we- der um die Regierung der Welt, noch um ir- gend etwas anders. Obgleich der Nirupan — dieß ist der Ort, wo man das seligste Paradies findet — einem jeden, der sich desselben wuͤrdig macht, offen steht; so wird er doch nur von wenigen Auserwaͤhlten bewohnt. Es ist nicht so leicht eine Stelle in demselben zu erhalten, sondern man muß vorher gewisse Wanderungen vorneh- Y 3 men, men, und verschiedene gute Werke verrichten. Sommonokhodon, der groͤßeste unter ihren Goͤttern, muste fuͤnf hundert und funszig mal unter verschiedenen Gestalten geboren werden. Man erzaͤhlt von ihm viel wunderliche Dinge. Man giebt nemlich vor, er sey durch seine eigne Kraft als ein Gott auf die Welt gekommen, habe unmittelbar nach seiner Geburt, ohne die geringste Unterweisung, sondern durch das bloße Anschauen seines Verstandes, eine voll- kommene Wissenschaft erlangt, von allem, was den Himmel, die Erde, das Paradies, die Hoͤlle, und alle Geheimnisse der Natur betrift; in eben diesem Augenblicke sey ihm alles beyge- fallen, was er ehemals gethan, als er, wer weiß wie oft, auf der Welt gelebt. Nachher habe er das Volk sehr tiefe Geheimnisse gelehrt, auch solche der Nachwelt zum besten in seinen Buͤchern aufgezeichnet. Vor diesem Sommonokhodon, Das Gesetz, welches Sommonokhodon den Siamern vorgeschrieben hat, besteht nach des P. Tachard Berichte, in folgenden Punkten, die aber groͤstentheils die Talapoinen angehen: 1. Gott, sein Wort, und die Nachahmer seiner Tugenden anbethen. 2. Nicht stehlen. 3. Den Wein und andere berauschende Dinge meiden. 4. Weder luͤgen noch jemand betruͤgen. 5. Weder als den itzigen Gott der Siamer, sind drey andere Personen Personen, Concosonne, Conadon, und Cad- son dazu gelangt. Man hat sie, einen nach dem andern, auf der Erde goͤttlich verehrt, und ihre Anbetung hat bey der Ankunft des Sommonokhodon aufgehoͤrt. Eine fuͤnfte Person wird noch von ihnen erwartet, welche in einigen Jahrhunderten kommen, und das Gesetz in seine vorige Reinigkeit wieder herstel- len soll. Sobald dieser noch zu erwartende Gott seinen Einzug in den Nirupan gehalten hat; so wird man ihn gleichfalls anbeten, Y 4 und 5. Weder Menschen noch Thiere toͤdten. 6. Nicht ehebrechen. 7. An Feyertagen fasten. 8. An diesen Feyertagen sich der Arbeit ent- halten. La Loubere geht von dieser Ordnung ab, und bringt diese Gebote nur auf fuͤnf, die man al- lenthalben in ganz Indien beobachtet sieht. a) Nichts toͤdten. b) Nichts stehlen. c) Kei- ne Uneinigkeiten begehen. d) Nicht luͤgen. e) Kein stark Getraͤnke trinken. — Dieser Schriftsteller sagt ferner, die Vollkommenheit der Gesetze gehoͤre nur fuͤr die Talapoinen al- lein; zwar suͤndige ein jeder, der sie uͤbertraͤte, allein der Stand der Talapoinen sey an sich vollkommner. Ein Talapoin suͤndigt schon, wenn er uͤber die Gasse geht, und nicht dabey in sich selbst einkehrt. Er suͤndigt, wenn er sich in Staatsgeschaͤfte mischet; wenn er hustet, damit ihn eine Weibsperson ansehen soll, und gern bey einer schlafen moͤchte; wenn er sich parfuͤmirt und zu sehr putzet u. s. w. und Sommonokhodon wird alsdann vergessen werden. Die Siamer koͤnnen, vermoͤge ihres guten natuͤrlichen Verstandes sehr leicht begreifen, daß das Gute muͤsse belohnt, und das Boͤse bestraft werden. Daher nehmen sie an, daß diejeni- gen, welche sich guter Handlung beflissen haben, in das Paradies, daß sie in den allerhoͤchsten Himmel setzen, kommen; daß hingegen die Gottlosen an den traurigen Ort der Hoͤlle, wel- che sie in den Mittelpunkt der Erde setzen gelan- gen werden. Nur kommt es den Siamern un- begreiflich vor, daß sowohl das eine als das andere ewig dauren werde. Sie theilen die Hoͤlle in acht Wohnungen, d. i. in acht Grade der Pein, so wie den Himmel in acht Grade der Seligkeit. Sie sagen, daß in den abscheu- lichen Auffenthalt der Hoͤlle Richter waͤren, welche uͤber alle Suͤnden der Menschen eine ge- naue Liste fuͤhrten, und diese in ein besonderes Buch schrieben, daß sich ihr Oberhaupt bestaͤn- dig mit Durchlesung dieses Buchs beschaͤftigte, und daß die Personen, deren Namen er laͤse, in eben dem Augenblicke niesten. Daher kommt die Gewohnheit unter ihnen, allen, welche nie- sen, ein langes Leben zu wuͤnschen. Von dem Ursprung des Boͤsen und Guten, haben sie ein besonderes Lehrsystem, das ihnen zur Erklaͤrung ihrer Geheimnisse dient. — Sie behaupten alles Gluͤck und Ungluͤck, das einem Menschen begegne, sey die Wirkung seiner guten guten oder boͤsen Handlungen, weil einem Un- schuldigen niemals Ungluͤck wiederfahren koͤnne. So sey der Reichthum, Ehrenstellen, Gesund- heit und alles uͤbrige Gute, die Belohnung der guten Handlungen, die man entweder in dem gegenwaͤrtigen, oder in einem vergangenem Le- ben, ausgeuͤbt habe; hingegen sey Armuth, Schande, Haͤßlichkeit, Krankheit und andere Ungluͤcksfaͤlle, eine Strafe der Laster, die man begangen hat. Sie nehmen nicht, wie die Manichaͤer, zwey Wesen der Dinge an, wovon das eine gut, das andre boͤse sey; noch weniger glauben sie die Lehre von der Erbsuͤnde, und halten alles, was man ihnen von dem Ungehorsam des ersten Menschen, und von der Erbstrafe seiner Suͤn- den sagt, fuͤr Traͤumereyen! — — — Dieses ist, wie sie sagen, die Quelle der außerordentlichen Ungleichheit, welche in den menschlichen Staͤnden herrscht. Um in Stande zu seyn, diese Lehre besser zu erklaͤren, geben sie vor, daß die Seelen der Menschen, welche von neuen auf der Welt er- scheinen, entweder aus dem Himmel, oder aus der Hoͤlle, oder aus den Leibern der Thiere kom- men. Diejenigen, deren Seelen aus dem Himmel kommen, spielen auf dem Schauplatze der Welt die vorzuͤglichsten Rollen. Diese himmlischen Seelen fahren gemeiniglich in die Leiber der Koͤnige, oder anderer Personen von außerordentlichen Gaben. Und aus dieser Ur- Y 5 sache sache begegnen sie Personen von hohem Stande, oder erhabener Geburt mit so großer Ehrerbie- tung; denn nach ihrer Meynung sind sie zu dem Goͤtter- oder Heiligenstande bestimmt, den sie durch ihre gute Werke zu verdienen bereits angefangen haben. Diejenigen, deren Seelen aus den Leibern der Thiere kommen, sind nicht so vollkommen, und werden zur Armuth zur Sclaverey und zu andern Ungluͤckfaͤllen gebo- ren. Dennoch aber sind sie besser als diejenigen, die eine Seele aus der Hoͤlle bekommen. Was diejenigen betrift, deren Seelen aus der Hoͤlle kommen, so sind sie das Spiel der schaͤndlich- sten und traurigsten Leidenschaften, und ihr ganzes Leben ist weiter nichts, als ein Gewebe von Lastern und Ungluͤcksfaͤllen. Jede tugendhafte Handlung wird im Him- mel belohnt, und jede Gottlosigkeit wird in der Hoͤlle bestraft. Wenn ein Mensch auf der Erde stirbt, so erhaͤlt er im Himmel ein neues Leben, und genießt so viel Gluͤckseligkeit, als seine guten Werke verdienen. Ist aber die Zeit seiner Belohnung verstrichen, so stirbt er im Himmel, und wird in der Hoͤlle geboren, im Fall er eine schwere Suͤnde auf sich hat. Hat aber sein Verbrechen nicht viel zu bedeuten; so kommt er nur in Gestalt eines Thieres auf unsre Welt, und wird mit der Zeit, wenn er dafuͤr gebuͤßt hat, wieder zum Menschen. Dieß ist die Auslegung, welche die Talapoinen von der Seelenwanderung, als ein Hauptstuͤck ihrer Religion, Religion, beybringen, und worinn sie von der Lehre der Braminen so wenig abgehen, daß man sehr wohl schließen darf, sie haͤtten diese Meynung aus eben derselben Quelle geschoͤpft. Nach den Grundsaͤtzen der siamischen Got- tesgelahrheit, muß jede schwere Suͤnde durch Leiden gebuͤßt werden, und niemand kann sich von diesem Gesetze ausschließen. Die Strafe hat mit dem Verbrechen ein genaues Verhaͤlt- niß. Wenn man einen Menschen getoͤdtet hat; so wird man wieder von einem Menschen in die- ser oder jener Welt getoͤdtet werden. Wer eine Schlange toͤdtet, wird wieder durch eine Schlan- ge getoͤdtet. Dieß Gesetz ist so unveraͤnderlich, daß der große Sommonokhodon selbst sich nicht hat davon befreyen koͤnnen. Er wuͤrde, weil er ein großes Thier getoͤdtet, wieder durch ein solches umgebracht. Die Hoͤlle ist die Strafe der Verbrecher von der ersten Gattung; ihre Qual ist nicht ewig, sie waͤhrt aber zuweilen sehr lange, und die Goͤtter selbst, koͤnnen sie nicht verkuͤrzen. Sommonokhodon hat fuͤr seinen Bruder Thevathat nie Genade erhalten koͤnnen, da er nunmehr uͤber zwey Tausend Jah- re erschreckliche Marter aussteht. Die Siamer glauben zwar Geister; es sind aber lauter Seelen, die so lange einen Leib ha- ben, bis sie zu dem Stande der Goͤtter oder der Heiligkeit gelangen. Ja die Engel selbst haben Leiber von zweyerley Geschlecht. Sie sind auch zum Kinderzeugen tuͤchtig, werden aber nie Hei- lige lige oder Goͤtter. Ihr vorzuͤglichstes Geschaͤft ist fuͤr die Erhaltung der Menschen, und fuͤr die Regierung der Welt in alle Ewigkeit Sorge zu tragen. Sie sind in sieben Ordnungen abge- theilt, davon immer eine vollkommner und ed- ler als die andere ist, und davon jede ihren eig- nen Himmel bewohnt. Jeder Theil der Welt, die Sterne, Erde, Staͤdte, Berge, Waͤlder, Winde, Regen u. s. w. haben einem von die- sen Geistern zum Regierer. Da sie bestaͤndig genau Achtung geben, was die Menschen vor- nehmen, damit sie diejenigen von ihren Hand- lungen, welche einer Vergeltung wuͤrdig sind, kuͤnftig angeben koͤnnen; — so wenden sich die Siamer an die Engel, und stellen sich vor, sie haͤtten alles Gute, was ihnen wiederfahre, den- selben zu danken. An wuͤrkliche Teufel glauben sie nicht, ausgenommen an die Seelen der Boͤ- sewichter, welche ihrer Meynung nach aus der Hoͤlle, worinn sie aufbehalten wuͤrden, loskom- men, einige Zeit in der Welt herum irren, und ihre Freude daran haben, wenn sie jemanden schaden koͤnnen. Unter die Zahl dieser boͤsen Geister, rechnen sie die todt gebohrnen Kinder, die Kindbetterinnen und diejenigen, welche im Zweykampf umkommen. Dieß ist ohngefaͤhr das wichtigste, was man von der Religion der Siamer zu sagen im Stan- de ist. In ein genaues Detail uns einzulassen, halten wir fuͤr uͤberfluͤßig, zumal da unsre Rei- sebeschreiber noch immer (so deucht es uns) man- che che Fabel mit eingemischt haben. — Wir koͤn- nen indessen doch hier noch bemerken, daß ein angesehener Theil siamischer Einwohner die laͤ- cherlichen Gottheiten nicht anbeten, welche fast allgemein verehrt werden. Es giebt auch hier Deisten, welche den Sommonokhodon als ei- nen feinen Betruͤger ansehen, der in Siam ei- nen Gottesdienst nach seiner Phantasie einge- fuͤhrt, der aber sonst eine gute Sittenlehre ge- predigt, und fuͤrtrefliche Gesetze hinterlassen haͤt- te. Diese Leute glauben ein erstes Wesen, einig in seiner Art, welches Himmel und Erde ge- schaffen hat. Sie geben aber vor, daß es die Welt nur zu seinem Vergnuͤgen hervorgebracht habe und noch erhalte; daß es sich um die Be- schaffenheit der Ehrenbezeugungen, die man ihm erweist, wenig bekuͤmmere, und daß in seinen Augen alle Religionen gleich gut sind, weil sie alle einerley Absicht haben, nemlich das hoͤchste Wesen zu verehren, so wie verschiedene Wege zu einer großen Stadt fuͤhren. Dieser Worte bedient sich Gervaise Th. 3. K. 1. den man hieruͤber weiter nachlesen kann. Wir wenden uns nunmehr zu den Verstehern der Religion der Siamer, welche man Talapoi- nen zu nennen pflegt. Diese Art Leute haben mit unsern Moͤnchen in manchen Stuͤcken viel Aehnlichkeit. — Sie bereden das Volk, ihre Stiftung kaͤme vom Himmel, und ein Engel haͤtte die Ordensregeln dem Sommonokhodon ein- eingehaͤndigt, zugleich aber ihn zum Stifter und Patriarchen erwaͤhlt. Es giebt zweyerley Arten Talapoinen. Ei- nige leben in Waͤldern, wie unsre Einsiedler; andere aber wohnen in Staͤdten, Flecken, Doͤr- fern. Die Anzahl der ersten hat sehr abgenom- men. Die letztern aber uͤberschwemmen das ganze Land. Und die Zahl dieser Muͤßiggaͤnger, rechnet man im Koͤnigreiche uͤber funfzig Tausend. Sie theilen sich in vier Klassen, und machen eine Art von geistlicher Regierung aus. In der ersten Klasse sind die Sankrats, welche so viel als die catholischen regulaͤren Aebte vorstel- len. Tchaovats, nennt man die Priore: Pikrus, die Moͤnche, und Nen die angehen- den und noch nicht eingekleideten Moͤnche. Die- se letztern werden in Zelten vertheilt, wie es ih- ren Eltern beliebig ist, und haben keine weitere Verrichtung, als daß sie den Moͤnchen aufwar- ten u. s. w. Ein Talapoin kann nicht mehr als drey von ihnen bey sich haben. Ohngeach- tet dieser Stand noch nicht als geistlich angese- hen wird; so traͤgt er doch die Ordenskleidung. Man nimmt sie im fuͤnften oder sechsten Jahre auf. Viele bleiben in dieser Klasse, und weil sie sich nicht weiter verbindlich machen wollen, werden sie daruͤber alt. Doch muͤßen sie, der Ordensregel gemaͤß, unverheyrathet bleiben. Diejenigen, welche eine genauere Verbind- lichkeit nicht abschreckt, lassen sich als Pikrus, oder oder Moͤnche, aufnehmen. Die Sankrats haben allein das Recht, diesen Orden zu ertheilen. Man muß zwanzig Jahr alt seyn, um ihn zu erhalten, und ein und zwanzig Jahre, um Prior zu werden. Die Aufnahme in die ver- schiedenen Klassen geschieht mit weniger oder mehr Umstaͤnden, nach dem sie angesehen oder geringe sind. Ein Siamer, der den geistlichen Stand erwaͤhlt, wendet sich an den Superior eines Klosters, und dieser setzt den Tag der Ce- rimonie an. Die Verwandten und Freunde des Postulanten, begleiten ihn mit Musik und Taͤnzern, und er geht in den Tempel, wo man ihn den Kopf, die Augenbraunen und den Bart rasirt. Der Superior giebt ihm alsdann das Ordenskleid, welches er sich selbst anzieht und das seinige darunter fallen laͤst. Waͤhrend die- ser damit beschaͤftigt ist, sagt der Superior et- liche Gebete her, und noch nach andern Cerimo- nien, begiebt sich der angehende Moͤnch, unter voriger Begleitung, in das zu seiner Wohnung erwaͤhlte Kloster. Seine Verwandten geben daselbst den Ordensgeistlichen ein Gastmal; und von diesem Tage an, darf er weder Taͤnze, noch Schauspiele, noch etwas Weltliches mehr sehen. Wenn das Noviciat voruͤber ist, erinnert ihn der Sankrat nochmals an die Pflichten seines Standes, und an die Verbindlichkeit der Or- densregeln. Er begleitet seine Vorstellung mit einem kurzen Gebete, ermahnt ihn, daß er fuͤr die Bewahrung des Tempels und der Goͤtzen sorgen, sorgen, diese heiligen Orter in der groͤßesten Reinlichkeit unterhalten, auf die Beobachtun- gen der alten Einrichtungen ein wachsames Au- ge haben, keine Neuerungen verstatten, kurz, alle Punkte der Gesetze und Stiftung in Acht nehmen solle. Die Einsetzung eines Priors, geschieht mit mehrern Umstaͤnden. Derjenige, der dazu be- foͤrdert wird, begiebt sich zu dem Abte, knieet vor ihm nieder, bezeigt ihm sein Verlangen ge- salbt zu werden, und verspricht ihm Geld. Man wird hierauf einig, wegen des Tages zu der Cerimonie, und nach den gewoͤhnlichen Ge- beten, giebt der Praͤlat dem Postulanten einen Zettul, worauf alle Gebote des Gesetzes stehen. Der Einzufuͤhrende wird hernach von etlichen Maͤnnern auf den Achseln im Triumphe getra- gen; das Volk begleitet ihn mit Musik, und wuͤnscht ihm tausend Segen. Um die Kosten dabey zu bestreiten, geht er etliche Tage vor der Ordination in der Stadt und auf dem Lande herum, und sammelt eine Beysteuer; jedermann aber rechnet sichs zum Vergnuͤgen, zur Ehre und Religionspflicht, zu diesem guten Werke alles beyzutragen. Die Wahl der Superioren geschieht in jedem Kloster durch die Mehrheit der Stimmen, und gemeiniglich trift sie den Aeltesten, und den Ge- lehrtesten. Wenn sich eine Privatperson aus Froͤmmigkeit entschließt, einen Tempel bauen zu lassen, kann sie einen der alten Talapoins zum Vor- Vorsteher waͤhlen; das Kloster aber und die Pa- gode, wird nach und nach errichtet, so wie sich Moͤnche melden, es zu bewohnen; jede Zelle wird bey der Ankunft dessen, der sie einnehmen soll, gebauet. Was die Wuͤrde eines San- krats, oder Abts anlangt; so ernennt ihn nur der Koͤnig allein dazu. Sie ist mit Verwal- tung gewisser Kloͤster verknuͤpft, die wegen ihres Reichthums und weitlaͤuftigen Gerichtsbarkeit beruͤhmt sind. Der General, oder der Oberste aller Talapoinen, die im Koͤnigreiche sind, haͤlt sich bey Hofe auf, das heist, er ist der Supe- rior des Klosters, und der Pagode, im Palla- ste. Uebrigens hat er uͤber die andern Praͤla- ten nur eine Art von Erzbischoͤflichen Vorzuge, die der unumschraͤnkten Gewalt, die ein jeder Sankrat in seinem Bezirk hat, keinen Abbruch thut. Wenn dieser Orden nur ein einziges Oberhaupt haͤtte, oder mit vereinigten Kraͤften oder nach einerley Meynung handelte, wuͤrde er sonder Zweifel sehr maͤchtig seyn. Man sucht sie aber lieber bey ihrer Unabhaͤngigkeit zu erhal- ten, die im Grunde wenigern Bedenklichkeiten ausgesetzt ist, als die von den catholischen re- gulaͤren Aebten. Denn weil die Talapoinen an kein Geluͤbde gebunden sind, koͤnnen sie, so bald sie des Zwangs des Klosterlebens uͤberdruͤßig sind, oder sich die Tyranney und Verfolgung ihrer Superioren nicht mehr gefallen lassen wol- len, wieder in den weltlichen Stand treten. So lange sie aber im Kloster sind, muͤßen sie, Z bey bey Strafe des Feuers, unverheyrathet bleiben. Man ist uͤber diesen Punkt unerbittlich. Da sie großer Vorrechte genießen; so wuͤrde ihr Stand dem Staate sehr schaͤdlich werden, wenn den Siamern, als natuͤrlicherweise traͤgen und faulen Leuten, nicht so harte Bedingungen auf- erlegt waͤren, die sie von dem Moͤnchsleben ab- hielten. Als Chaou-Narvie die Anzahl der Moͤnche reduciren wollte, ließ er die schaͤrfsten Pruͤfun- gen, sowohl in theologischen, als in andern ih- ren Stand betreffenden Kenntnißen mit ihnen vornehmen. Wer nun keine hinlaͤngliche Pro- ben seiner Faͤhigkeiten ablegen konnte, mußte sich wieder in den weltlichen Stand begeben. Und auf solche Weise wurden einige Tausend Moͤnche abgeschaft. Die Talapoins, unter dem Vorwande, der Ehre ihres Standes nichts zu vergeben, gruͤßen Niemanden, verlangen hingegen von allen Leu- ten eine Verbeugung, die bis zur Anbetung geht. Ihr General hat die Erlaubniß, sich bey dem Koͤnige niederzusetzen. Ein Vorrecht, das um so wichtiger ist, da der erste Minister, ja die Prinzen selbst, niederfallen muͤßen, wenn sie mit dem Monarchen reden. Ein Moͤnch wird einen Weltlichen, er sey auch noch von so hohem Stande, niemals „gnaͤdiger Herr„ nen- neu, ungeachtet alle Praͤlaten des Reichs, die- sen sen Titel selbst annehmen. Ein Kloster ist ein unverletzter Freyheitsort, an dem sich der Koͤnig zu vergreifen nicht wagen wuͤrde. Einen Tala- poin schimpfen, schlagen, oder in seiner Zelle das geringste entwenden, ist eine Gotteslaͤste- rung, eine Entheiligung, eine Ruchlosigkeit, die mit dem Feuer bestraft wird, so wie man in einigen Laͤndern Europens einen Kirchenraͤuber verbrennt. Bey allen diesen Vortheilen hat ein siamischer Praͤlat keine Gerichtsbarkeit uͤber das Volk, ja nicht einmal uͤber die außer sei- nem Kloster befindlichen Ordensgeistlichen. Al- les was er hat, besteht in der Verwaltung ge- wisser Kloͤster, die nur von Sankrats koͤnnen besorgt werden: denn es giebt hier, wie in Eu- ropa, nur unter andern Namen, Abteyen, Prioreyen und bloße Kapellen. Das Amt der Priester ist, daß sie ihren Eingepfarrten das Gesetz, und die Lehre, die in ihren Buͤchern enthalten ist, erklaͤren. Sie predigen des Monats ordentlich zweymal; so lange aber die Ueberschwemmungen dauern pre- digen sie alle Tage, fruͤh von sechs Uhr bis zu Mittag, und Nachmittags von ein bis fuͤnf Uhr. Der Prediger sitzt, mit kreuzweis geleg- ten Beinen, in einem erhabenen Armstuhle, und verschiedene Talapoins loͤsen einander ab. Sie verlassen den Predigtstuhl selten, ohne von den Zuhoͤrern Geschenke zu erhalten. Wenn diese mit der vor getragenen Lehre und der Beredsam- Z 2 keit keit des Predigers zufrieden sind; so bezeugen sie ihren Beyfall, und rufen: Recht gut, gnaͤdiger Herr. Das Volk sitzt dem Predi- ger gegen uͤber auf den Fersen, mit gefalteten Haͤnden, und hoͤrt andaͤchtig zu. Einem Moͤnche, der den Predigtstuhl oͤfters besteigt, kann es nicht leicht fehl schlagen, reich zu werden. Wenn die Talapoins einerseits viele Vor- rechte genießen; so sind sie auf der andern Sei- te an sehr gezwungene Gebraͤuche gebunden. Es ist hier nicht von dem Geluͤbde der Keusch- heit die Rede, wovon sich die Moͤnche in Euro- pa viel leichter loszumachen wissen, weil die Uebertreter nicht verbrannt werden. Die Tala- poins sind einer unendlichen Menge anderer Pflichten unterworfen, die, ob sie schon groͤße- stentheils geringfuͤgig sind, doch wegen der zu beobachtenden ungemeinen Aufmerksamkeit, da- mit sie nichts versehen, beschwerlich werden. Diese Moͤnche begehen eine grobe Suͤnde, wenn sie ein Loch in die Erde machen, und sie suͤndi- gen von neuen, wenn sie es nicht wieder zuma- chen. Eine andere eben so große Suͤnde ist es, ein Thier oder Wurm zu toͤdten, das Fortkom- men eines Baumes zu verhindern. Es ist hier schicklich, einige strenge Ordens- regeln der Talapoins aus dem La Loubere her- zusetzen: Ein Ein Talapoin, welcher auf das heimliche Gemach geht, ohne vorher frisches Wasser ge- schoͤpft zu haben, sich zu waschen, suͤndigt. Schleudere im Gehen nicht mit den Armen, und blinke nicht mit den Augen, wenn du redest; wenn du ißt, so mache mit den Kinnladen kein Geraͤusch wie die Hunde. Nimm die Schleppe des Kleides auf, dafern du nicht mit Arbeiten beschaͤftigt bist. Betruͤbe dich nicht uͤber den Tod deiner Verwandten. Huͤte dich schwerfaͤllig zu gehen, und einen Fleischtopf anzugreifen. Nun aber folgen wichtigere Punkte, die von der Tugend und strengen Lebensart dieser Moͤnche, einen hohen Begriff geben, wenn sie solche getreulich beobachten. Sie muͤßen alle Musik, alles Tanzen, die Schauspiele und alle Zusammenkuͤnfte, wo man sich lustig macht, meiden; sie duͤrfen weder Gold noch Silber bey sich tragen; von nichts reden als was Religionssachen betrift; nur fuͤr diese arbeiten; nichts wohlriechen- des bey sich fuͤhren; keine weltlichen Lie- der singen; auf keinem Instrumente spie- len; mit ihren Untergebenen nicht in ei- nem Bette schlafen; kein Frauenzimmer ansehen; mit ihnen allein nicht reden; sich mit ihnen nicht auf eine Matte setzen, Z 3 noch noch weniger sie kuͤssen. Es ist so gar ei- ne Suͤnde, im Traume ein Frauenzimmer zu kuͤssen, oder mit diesem Gedanken zu erwachen. Es ist ferner suͤndlich, zu viel zu schlafen, nicht gleich aufzustehen, son- dern sich vorher rechts und links im Bet- te herumzudrehen. Hauptsaͤchlich wird fuͤr suͤndlich gehalten, seinen Naͤchsten zu richten, ihn veraͤchtlich anzusehen, zu verspotten; ruhmredig zu seyn; zu beten, um gesehen zu werden; fuͤr Geld zu ar- beiten; mehr als ein Kleid zu haben; sich in Staatsangelegenheiten oder Hofver- staͤndniße zu mengen; den Kopf mit aller- ley Putz zu behengen; Schuhe zu tragen, auf Gold oder Silber zu essen; sich auf reiche Decken zu setzen; die Zaͤhne vor den Leuten zu reinigen; zu husten oder ein Geraͤusch zu machen, wenn man junge Maͤgdchen sitzen sieht, daß sie sich umse- hen sollen. Und endlich suͤndigt ein Moͤnch, wenn er jemanden mit dem Ge- faͤngniße bedrohet, oder im Zorne sagt: er wolle sich beym Koͤnige oder Minister beschweren; wenn er zu einem Sterben- den kommt, ihn einzusegnen, und nicht uͤber die Nothwendigkeit des Todes seine Betrachtung anstellt. Die Talapoins begeben sich alle Jahre drey Wochen lang in die Einsamkeit, in welcher sie ihre ihre strenge Lebensart verdoppeln. Sie essen alsdann des Tages nur einmal, und solches geschieht zu Mittage Um weniger zerstreut zu seyn, verbergen sie sich in die Waͤlder, wo sie kleine Huͤtten aufbauen. Das Volk sieht es als ein Wunderwerk an, daß sie daselbst nicht von den wilden Thieren zerrissen werden; ja es bildet sich ein, die Elephanten, Rhinoceros und Tyger, anstatt sie anzufallen und zu mißhan- deln, kaͤmen viemehr und leckten ihnen im Schla- fe Haͤnde und Fuͤße. Ordentlicher weise ist die Lebensart dieser Moͤnche sehr abgemessen. Sie stehen noch vor Tage auf; doch muß es schon so helle seyn, daß sie die Adern an ihren Haͤnden erkennen koͤnnen. Fruͤher aufzustehen, ist ihnen verboten, weil sie im Dunkeln etwa einen Wurm zertreten koͤnn- ten, wodurch einer der Hauptpunkte ihrer Or- densregeln uͤbertreten wuͤrde. Ungeachtet sie also noch vor Tage durch eine Klocke geweckt werden; so stehen sie doch nicht eher auf. Ihre erste Verrichtung ist, daß sie zwey Stunden im Tempel zubringen. Sie verrichten daselbst ihr Gebet, sitzend auf Matten, mit kreuzweis ge- legten Beinen, und singen auf zwey Choͤren. Dieß Gebet enthaͤlt eine kurze Lebensgeschichte ihres Stifters, mit einigen Andachtsuͤbungen untermischt. Wenn das geendigt ist; so fan- gen sie an, den Tempel zu kehren, die Altaͤre zu schmuͤcken, und andere dergleichen Verrich- Z 4 tun- tungen vorzunehmen. Sie gehen nachher eine Stunde lang in der Stadt herum, Allmosen einzufodern. Sie zeigen sich vor allen Thuͤren, ohne ein Wort zu sagen, und nehmen an, was man ihnen anbietet; gehen auch sehr bescheiden weg, wenn man ihnen nichts giebt, welches aber doch sehr selten geschieht. Sie gehen nie- mals ohne Erlaubniß ihres Priors aus dem Kloster, auch wenn sie damit beschaͤftigt sind, Allmosen einzusammlen. Sie bitten ihn, in- dem sie vor ihm niederfallen und mit ihrer Stir- ne die Erde beruͤhren, mit den Haͤnden aber, einen seiner Fuͤße nehmen, den sie sehr demuͤ- thig auf ihrem Kopf legen. Wenn sie von dem Allmosensammeln zuruͤckkommen, steht es ihnen frey, zu fruͤhstuͤcken. Nachher studiren sie, oder beschaͤftigen sich, ein jeder nach seinem Geschmack und Faͤhigkeit. Zu Mittage essen sie ein wenig Reis; einen Theil des Nachmit- tags aber, bringen sie entweder mit Schlafen zu, oder sie unterrichten die ihrer Aufsicht an- vertrauten jungen Moͤnche. Gegen Abend ge- hen sie wieder in den Tempel, und singen wie des Morgens. Wenn sie ja des Abends etwas essen, so ist es nichts als Obst. Kurz, der Tag eines seinem Beruf gemaͤß lebenden Tala- poins wird in Betrachtungen zugebracht, in der Einsamkeit, mit Lesung geistlicher Buͤcher, in der Uebung einer sehr strengen Lebensart, und in aufrichtiger Bereuung seiner Fehler, welche ein jeder seinem Superior beichtet. Die Die Kleidung der Talapoinen besteht aus drey Stuͤcken: mit dem einem umwickeln sie den linken Arm, und bedecken die Haͤlfte des Leibes bis an die Huͤften; der rechte Arm, die Beine und der Kopf bleiben blos. Das andere Stuͤck geht von den Huͤften bis auf die Wa- den. Das dritte ist ein zeugner, ziemlich breiter Streifen, den sie etlichemal zusammenlegen, und um sich herum winden. Um sich vor der Sonne zu verwahren, haben sie eine Art von Fecher in der Hand, Talapat genannt, wo- von sie, nach den Berichten einiger Reisebe- schreiber, ihren Namen sollen erhalten haben. Es giebt auch Talapoininnen in Siam, aber weit weniger, als Nonnen in den catho- lischen Laͤndern. Wahr ist es, sie muͤßen aͤlter seyn als die Nonnen, in unsern Kloͤstern, wenn sie den Ordenshabit anlegen. Auch ha- ben sie keine andere Wohnung, als bey den Talapoins. Weil sie wenigstens funfzig Jahr alt sind, wenn sie sich entschließen, der Welt zu entsagen; so sieht man dieses Alter als eine hinlaͤngliche Sicherheit fuͤr ihre Keuschheit an. Sollte es aber dem ohngeachtet geschehen, daß sie ausschweifeten, es sey nun aus einer uͤbrig gebliebenen Neigung zur Wollust, oder den dringenden Begierden eines jungen Talapoins nachzugeben; so werden sie deswegen nicht ver- brennt, sondern man begnuͤgt sich, sie ihren Verwandten zuruͤckzuschicken, die ihnen die Ba- Z 5 stonande stonade geben lassen. Nicht alle Kloͤster haben Talapoininnen; aber wo sie aufgenommen wer- den, sind ihre Zellen von den Moͤnchszellen nur durch einen leichten Verschlag von Bambus- rohre abgesondert. Sie folgen eben den Re- geln, wie die Moͤnche, so viel es der Unter- schied des Geschlechts zulaͤßt. Ihre hauptsaͤch- lichste Verrichtung besteht darinn, daß sie so- wohl des Morgens als auch des Abends, mit in das Chor gehen; den Moͤnchen das Essen zubereiten, die Armen und Kranken besuchen, und fuͤr die Suͤnden des Volks, so wie fuͤr ih- re eigene, beten. Hin- Hindistaner. Erstes Kapitel. Ueber Clima — Charakter, Sitten und einige Gebraͤuche der Hindistaner. H indistan, Indostan, oder das Reich des großen Mogols, graͤnzt gegen Abend an Persien; gegen Mittag an die disseit dem Gan- ges liegende Halbinsul, an einen Theil von dem indianischen Meere, und an den bengalischen Meerbusen; gegen Morgen an Tibet und an die jenseit des Ganges liegende Halbinsul von Indien; und gegen Mitternacht an Groß- und Klein-Tibet. Es liegt zwischen dem vier und achtzigsten und hundert und zweyten Grad der Laͤnge, und zwischen dem ein und zwanzigsten und sechs und dreißigsten Grad der Breite. Seine Laͤnge von Suͤden nach Norden ist etwa 240 deutsche Meilen, und seine groͤßte Breite an der noͤrdlichen Graͤnze betraͤgt ohngefehr eben so viel, nimmt aber ab, je mehr das Land gegen Suͤden fortgeht. Es verdient hierbey nachgelesen zu werden: des gelehrten und beruͤhmten Herrn Professor Dohms Versuch einer geographischen Be- schreibung der suͤdlichen Haͤlfte von Hindi, stan, welchen er dem ersten Theil der ivischen Reisen angehaͤngt hat. Hin- Hindistan hat die verschiedenste Himmels- luft. Gegen Mitternacht ist es sehr kalt und unfruchtbar. Gegen Mittag ist es zwar heiß, man findet aber doch den Boden sehr fruchtbar. Die noͤrdlich gelegenen Provinzen sind voll von hohen Gebuͤrgen und zugleich sandigt. Das Gadische Gebuͤrge reicht durch ganz Hindistan, und ist ihnen gegen die Einfaͤlle fremder Voͤlker sehr nutzbar. Die Witterung und die Jahreszeiten find in diesem weitlaͤuftigen Lande sehr or- dentlich. Die Winde wehen bestaͤndig sechs Monate von Norden, und sie aͤndern sich hier- inn sehr wenig. In den Monaten April, May, und im Anfang des Junius, verspuͤrt man eine solche Hitze, daß einem das Gesichte von der, vom Erdboden zuruͤckschlagenden Hitze, sehr leicht verbrennen kann; und wenn nicht taͤglich ein frisches Luͤftchen oder ein abkuͤhlender Wind wehete; so wuͤrden die in den nordischen Gegenden gebornen Menschen in den heissen Landstrichen nicht aushalten koͤnnen. Denn außer der Regenzeit ist der kaͤlteste Tag daselbst zu Mittag heisser, als fast der waͤrmste Tag in noͤrdlichen Deutschland. Indessen wechseln doch Hitze und Kaͤlte mit einander oftmals so schnell ab, daß auf einen ganz ansserordentlich heissen Tag, eine so kalte Nacht erfolgt, daß man des Morgens ein duͤnnes Eis auf dem Wasser fin- det, und daß auf diese Nacht eine eben so bren- nende Mittagshitze erfolgt, als am vorherge- henden henden Tage. In den trockenen Jahreszeiten wehr der Wind zuweilen so heftig, daß er eine erstaunliche Menge Sand und Staub mit sich in die Lust fortfuͤhrt, welches sehr fuͤrchterlich aussieht. Von Surat bis Agra Surat, oder wie andere schreiben, Surate, ist ein wuͤster Ort im Koͤnigreich Gutscherat. Herr Prof. Dohm giebt uns von ihr in seiner geo- graphischen Beschreibung von Hindostan, fol- genden Abriß: „Sie ist, sagt er, eine der wich- tigsten Handelsstaͤdte in ganz Indien. Sie liegt vier Meilen vom Meere am Flusse Tapta, in welchem, waͤhrend der Fluth mittelmaͤßige Schiffe einlaufen koͤnnen. „— Die Gegend, welche Surate umgiebt, besteht aus den frucht- barsten, mit Reis, Getreide und auch Zucker- rohr (welches hier sehr gut fortkommt) besetzten Feldern, oder aus angenehmen Gaͤrten und Lustwaͤldern. Thevenot haͤlt die Gegend von Surate fuͤr die schoͤnste in ganz Hindistan. Die Haͤuser der gemeinen Indianer sind meist von Rohr, aber die Wohnungen der Vorneh- men und Kaufleute sehr praͤchtig, und einige Straßen sogar mit Porcellan bedeckt. Die Hollaͤnder und Englaͤnder haben schoͤne oͤffent- liche Handlungsgebaͤude. Es ist auch eine Fe- stung hier, welche Tavernier schlecht , Man- delslo aber ein herrlich Schloß oder Festung nennt. Man glaubt, daß sie von den Tuͤrken erbaut sey; sie hat einen besondern Commen- danten, der von dem Gouverneur der Stadt unabhaͤngig ist. Auch die Stadt selbst ist mit einer festen Mauer und Thuͤrmen umgeben. — Surate und noch weiter hin regnet es selten oder gar nicht, ausgenom- men men zu einer Jahrszeit, nemlich von der Mitte des Junius an bis gegen die Mitte des Septem- bers. Ihr Anfang und Ende ist allezeit mit den wuͤthendsten Stuͤrmen, mit Donner und Blitzen verbunden. Diese drey Monate hin- durch regnet es gewoͤhnlich alle Tage, und bis- weilen eine ganze Woche lang ohne Aufhoͤren. Auf diese Art wird das Land fruchtbar gemacht. Obgleich das Land vorher wie die unfruchtbaren Gegenden in den arabischen Wuͤsten aussiehet; so Surate ist besonders itzt ein Hauptsitz der britti- schen Handlung, und ein Sammelplatz der Reichthuͤmer und der Voͤlker. — Aber ohnge- achtet dieser gluͤcklichen Lage findet man doch bey den Einwohnern den Wohlstand und den Ueberfluß nicht, den man erwarten sollte. Denn die Stadt ist, wegen ihrer wichtigen Handlung, von dem Großmogol mit einem jaͤhrlichen Tribut von einigen Millionen belegt, wodurch das Volk sehr gedruͤckt und bis zu der aͤußersten Armuth erschoͤpft wird. Da die Vor- nehmen und Kaufleute aber gemeiglich sehr reich sind, so findet man hier einen wetteifernden Luxus, und die tiefste Duͤrftigkeit neben ein- ander.„ Agra ist die Hauptstadt einer Provinz gleiches Namens, und uͤbertrift an Groͤße alle Staͤdte im ganzen Reiche. Der Großmogol pflegt hier im Winter zu residiren. Sie hat wenigstens 12 Meilen im Umkreise, und der Pallast des Be- herrschers hat 25000 Schritt im Umfange. An praͤchtigen Moskeen und Goͤtzentempeln fehlt es hier auch nicht. so wird doch, wenige Tage nachher, nachdem diese Regenguͤsse zu fallen angefangen, die Ober- flaͤche desselben ganz gruͤn, welches die Guͤte und Fruchtbarkeit des Bodens anzeigt. Die Reisebeschreiber pflegen gewoͤhnlich die Hindistaner in vier große Ordnungen abzuthei- len, dahin 1) die Gesetzverstaͤndigen oder die Priesterschaft gehoͤrt; 2) die Kriegsleute, zu welchen ihre Rajahen oder Koͤnige gehoͤren; 3) die Kaufleute; und 4) das gemeine Volk. Diese vier Hauptordnungen werden wiederum in verschiedene Klassen eingetheilt, wovon wir unsern Lesern, ehe wir uns in eine genaue Dar- stellung des Interessantesten in dem Charakter, Sitten und Gebraͤuchen der Hindistaner einlas- sen, einige Nachrichten mittheilen muͤssen. Die Brammanen haben ihren Namen entweder vom Brammon, dem aͤltesten Sohne des Pourous; des ersten Menschen, nach der Hindistaner Meynung, oder vom Brema, dem ersten erschaffenen Wesen des zweyten Weltal- ters, dem das Gesetz gegeben wurde, und wer- den in 82 Familien oder Sekten eingetheilt. Ihrer Aussage nach, meynen sie, daß kein Ge- schlecht vor Gott wuͤrdiger sey, als das ihrige, und alle Hindistaner gestehen ihnen auch gerne und mit allgemeiner Einstimmung den ersten Platz unter ihnen zu. Selbst das Gesetzbuch, Vedam, das fuͤr ein von Gott gesandtes Buch gehalten wird, hat seine Hochachtung fuͤr dieses Geschlecht dadurch zu erkennen gegeben, daß A a kein kein Bramine eines Verbrechens wegen am Le- ben kann gestraft werden, es mag auch so ab- scheulich seyn, wie es immer will. Die Be- strafung eines Braminen besteht in der Berau- bung seines Gesichts. Wer einen Braminen toͤdtet, wird fuͤr den groͤbsten Suͤnder gehalten, der seine Vergehung nur durch eine zwoͤlfjaͤhrige Wallfahrt buͤssen kann. Auch ist der Moͤrder dazu verdammt, mit der Hirnschaͤdel des Bra- minen in der Hand, Allmosen zu betteln, und verbunden, das ihm Gegebene aus derselben zu essen oder zu trinken. Nach Verlauf der zwoͤlf Jahre ist er gehalten, selbst reichliche Almosen zu geben, und auf seine Kosten einen Tempel zu erbauen, wenn er nur irgend dazu vermoͤ- gend ist. Auch im Kriege darf niemand einen Braminen toͤdten; ein Gesetz, das im Vedam ausdruͤcklich vorgeschrieben ist. — Aus dieser Ursache machen die Braminen auch deswegen ei- nen Anspruch auf die Ehrerbietung der Hindi- staner, daß ihnen dieß Buch uͤberliefert wor- den, und daß sie die Bewahrer desselben sind. Von diesen Braminen werden wir an einem andern Orte weitlaͤuftiger zu reden Gelegenheit haben. Die Ruttereys haben ihren Namen von Kutterey, dem zweyten Sohne des Pourous, und weil ihm die Herrschaft und Regierung uͤbergeben wurde, so sind alle Koͤnige und Sol- daten von diesem Geschlechte und Stamme. Die Die Shuddereyen leiten ihren Ursprung vom Shudderi, dem dritten Sohne des Pou- rous, des ersten Menschen, her. Und da ihm die Handlung zu seinem Geschaͤfte bestimmt wurde; so legen sich alle, die von diesem Stam- me sind, auf dieselbe. Sie werden auch Ba- niyanen genannt, welches in der Sprache der Brammanen so viel, als ein unschuldiges und frommes Volk bedeutet, wie sie es denn auch in der That seyn sollen. Sie koͤnnen es nicht leiden, wenn man ein Thier toͤdtet, und wenn man einem von ihnen eine Ohrfeige giebt, so kann man sicher seyn, keine wieder zu erhalten. Sie haben mit den Brammanen viele Aehnlich- keit. Die unter den Baniyanen gewoͤhnliche Art des Kaufens und Verkaufens ist sehr be- sonders, und geht von andern Voͤlkern ihrer ganz ab. Der Maͤckler nimmt nemlich seinen Pamering von seinem Leibe herab, und breitet ihn uͤber seine Knie. Wenn er und der Ver- kaͤufer hierauf ihre Haͤnde darunter gelegt ha- ben, so zeigt er mit den Spitzen seiner Finger den Preis in Pfunden, Schillingen und andern Muͤnzsorten an, den der Kaͤufer zu geben wil- lens ist, und sodann thut ihm der Verkaͤufer auf eben die Weise zu wissen, wie viel er ver- langt. Diese Art der Handlung ist ihnen, wie sie behaupten, in ihren Gesetzen anbefohlen. Nach eben diesen Gesetzen muͤssen sie gerecht handeln, weder betruͤgen, noch zu viel Profit nehmen. A a 2 Der Der Stamm der Wise hat seine Benen- nung von dem vierten Sohn des Pourous, wel- cher der Lehrmeister der Handwerker war. Wise zeigt eine Person an, die gern einem andern Dienste erweist. Man nennt diese Leute gegen- waͤrtig gemeinhin Gentiles oder Gentews, und theilt sie in zwey Arten ein, nemlich in die rei- nen und in die unreinen oder unlautern, Vis- seran genannt. Diese letzteren nehmen sich in Ansehung ihrer Speisen große Freyheiten her- aus, und essen so lange Fische und Fleisch, als es ihnen wohl schmeckt. Die reinen Gentils hingegen — welches die Handwerksleute sind — folgen der Regel der Baniyanen in Ansehung der Speisen; denn sie essen kein Fleisch, oder bedienen sich doch dessen sehr selten, und ent- halten sich auch des Weins. — Dieser Stamm ist der zahlreichste unter den vieren. Die Perreaer oder Pariaer koͤnnen ein fuͤnfter und von den andern vier verschiedener Stamm genannt werden, und weil sie nicht fuͤr wuͤrdig gehalten werden, unter denselben zu ste- hen, so duͤrfen sie auch nie unter denselben woh- nen, muͤssen außerhalb der Staͤdte leben, und ihre Haͤuser auf dem Lande, abgesondert von den uͤbrigen Doͤrfern, bauen, oder vielmehr ei- gene Doͤrfer haben, die mit Brunnen versehen sind. Denn sie duͤrfen es nicht wagen, von dem Wasser zu holen, dessen sich andere Fami- lien bedienen. Und damit auch niemand sich versehe, und aus den Brunnen der Perreaers Wasser Wasser schoͤpfe; so sind diese verbunden, Ge- beine von todten Viehe um ihre Brunnen her- zustreuen, damit man dieselben kenne. Wenn diese Perreaer in die Staͤdte kommen, so muͤs- sen sie sich sorgfaͤltig huͤten, nicht in die Stras- sen zu kommen, wo die Brammanen, oder, wie wir sie kuͤnftig, weil es gewoͤhnlicher ist, nennen wollen, Braminen wohnen. So ist ihnen auch verboten, in einen Tempel zu gehen, weder in den Tempel ihres Gottes Wistnou noch Eswara, weil dieser, da man sie fuͤr un- rein haͤlt, dadurch besudelt wuͤrde. — Dieser Stamm Leute giebt sich mit den niedrigsten Ar- beiten ab, womit sich andere nicht gerne bemen- gen. In Ansehung ihrer Speisen sind sie auch nicht sonderlich reinlich. Denn sie machen sich kein Gewissen daraus, Kuͤhe, Pferde, Voͤgel, oder anderes Aas zu essen, das verreckt oder gar schon stinket. Man sollte denken, daß bey einem Volke, das sich wie Schweine im Kothe herumwaͤlzt, kein Stolz, nicht der geringste Rangstreit zu finden sey. Aber der Stolz hat dennoch die Perreaer in zwey Klassen getheilt. Die von der ersten Klasse heissen schlechtweg Perreaer, die von der letztern aber Seripeer. Diese letztern geben sich damit ab, Leder zu verkaufen, das sie selber zubereiten. Die Perreaer, die sich fuͤr die bessere Familie halten, essen nicht in den Haͤusern der Seripeer, diese aber machen keine Schwuͤrigkeit, mit den erstern zu essen. Und A a 3 aus aus dieser Ursach sind sie verbunden, ihnen Hochachtung zu erweisen, welches sie dadurch zu erkennen geben, daß sie gerade vor ihnen stehen. Dieß vorausgeschickt, kommen wir nun zur Beschreibung des Charakters, der Sitten und Gebraͤuche der Hindistaner selbst, wobey wir aber unser Augenmerk auf die beyden Staͤmme Shudderiern oder Kaufleute, gemeiniglich Baniyanen genannt, und Wise, welche die Handwerksleute und andere geringerer Art un- ter sich begreifen, richten. Man muß den Hindistanern den Ruhm laßen, daß sie sehr maͤßig leben, und sich nie eine Ausschweifung im Essen und Trinken er- lauben. Man will so gar bemerkt haben, daß diese Nation gegen alle berauschende Getraͤnke einen natuͤrlichen Abscheu habe. Ihr aͤußer- liches Betragen gegen das Frauenzimmer ist sehr behutsam, und sie begehen niemals gegen sie ei- ne unanstaͤndige Handlung. Den Armen und Nothleidenden beweisen sie die thaͤtigste Huͤlfe. Es ist bey ihnen ein unverletzbares Gesetz, daß alle Anverwandte einander beystehen, und den- jenigen, die nichts haben, einen Theil ihres Vermoͤgens mittheilen muͤssen. — In ihrem Charakter trift man die groͤßesten Merkmale der Sanftmuth an, und sie koͤnnen durch nichts mehr erschuͤttert werden, als durch Zorn und durch ein hitziges Gemuͤth. Dieß ist sonderlich in den Charakter der Baniyanen ein merkwuͤr- diger diger Zug, und nur daraus kann man es erklaͤ- ren, warum sie einen Abscheu gegen alles Blut- vergießen hegen. Dieß macht sie auch zu Sol- daten ganz und gar ungeschickt, und macht ih- nen den Krieg ganz fuͤrchterlich. Daher kommt es auch, daß sie niemanden mit einer Lebens- strafe belegen, und gegen alle Todesstrafen den lebhaftesten Abscheu aͤußern. Ein Baniyan wird also nicht leicht belei- digt, weil er von so sanftem Gemuͤthscharakter ist. Er erduldet alles; nur das kann er nicht ausstehen, wenn ihm jemand mit der Sohle seines ausgezogenen Pantoffels, wenn er vor- her darauf gespien hat, einen Streich giebt. Fuͤr nichts fuͤrchten sie sich auch mehr, als fuͤr einer solchen Beleidigung, denn es wird von ihnen fuͤr weit schimpflicher angesehen, als wenn man uns mit Koth wirft. Man giebt den Baniyanen allgemein schuld, daß sie dem Geitz und der Gewinnsucht außer- ordentlich ergeben sind. Fuͤr einen sehr gerin- gen Gewinn sollen sie faͤhig seyn, vieles zu ver- suchen. Und da sie unaufhoͤrlich ihren Sinn auf die Vermehrung der Reichthuͤmer setzen, so haben sie auch alle hinlaͤnglich zu leben, und der Geitz mancher scharrt große Reichthuͤmer zu- sammen. Ihr groͤßester Reichthum besteht blos in Geld und Juwelen, die sie aber so heimlich halten, als es ihnen moͤglich ist. Diese Furcht, ihre Reichthuͤmer zu verlieren, ist auch die Ur- sach, daß sie keinen großen Aufwand machen, A a 4 und und ihren vornehmsten Handel des Nachts treiben. Das zaͤrtliche Betragen, welches die Bani- yanen gegen Thiere aͤußern, ist sehr merkwuͤrdig. Wer einen Floh unversehens toͤdtet, muß diesen Mord wieder gut zu machen suchen. Sie hal- ten es fuͤr ganz unmenschlich und grausam, jun- ge Laͤmmer, Schaafe, Kaͤlber u. s. w. zu toͤd- ten, und das Fleisch dieser Thiere zu essen. Diese schwache Seite der Baniyanen kennen die listigen mohammedanischen Fakirs, und machen sich dieselbe oft zu Nutze. Da sie es nicht sehen koͤnnen, wenn jemand ein Thier toͤd- tet, so drohen die Fakirs den Baniyanen oft in ihrer Gegenwart dergleichen Mord zu bege- hen, und versprechen, von der That abzustehen, dafern sie ihnen ein willkuͤhrliches Geschenk an Gelde machen wollen. — Aus den Berichten einiger Reisebeschreiber er- hellet, daß es die Fakirs nicht allein sind, wel- che die Vaniyanen so hinterlistig um das Geld bringen. Sie berichten, daß auch sonderlich die Englaͤnder und Hollaͤnder diesen Betrug an diesen unschuldigen Indianern ausuͤben. Die Baniyanen setzen jaͤhrlich ansehnliche Summen zur Unter- haltung der Thiere aus, so wie bey uns fuͤr die Armen geschieht. So erzaͤhlen einige Reisebe- schreiber, daß dieser Stamm, eine Meile von Surata, ein großes Hospital fuͤr Ochsen, Rin- der, Kuͤhe, Ziegen, Hunde und andere kranke Geschoͤpfe, Geschoͤpfe, angelegt habe. Wenn sie sehen, daß jemand etwa einen kranken Ochsen hat, so bitten sie ihn, daß er ihnen den Ochsen zur Pflege ausliefern moͤchte, und geben ihm dafuͤr so viel, wie er verlangt. — Die Baniyanen richten auch jaͤhrlich einmal ein großes Gastmal fuͤr alle in ihren Haͤusern befindliche Fliegen von suͤßer Milch und Zucker in großen flachen Schuͤs- seln an, die sie auf die Tische herumsetzen. Zu- weilen gehen sie mit Reissaͤcken unter dem Arme einige Meilen ins Land hinein, stehen bey jedem Ameisenhaufen stille, und legen eine Handvoll Reis darauf. Am aller seltsamsten ist die Sor- ge, welche sie fuͤr die Erhaltung der Floͤhe, Wanzen und anderer Thiere beweisen, die das Blut wegsaugen. — Ovingtons (voy. to Surat.) erzaͤhlt, daß in einem Hospital, welches zur Pflege solcher Thiere erbaut ist, zuweilen ein armer Mann gemiethet werde, der die gan- ze Nacht auf dem Kothe liegen muͤsse, worinn sich das Ungeziefer befaͤnde; und damit dieser Mann durch ihr Stechen nicht gezwungen wer- den moͤchte, vor Tage davon zu laufen; — so werde er an dem Orte angebunden, damit sich die Thierchens an dem Menschenblute recht saͤti- gen koͤnnten. Diese Erzaͤhlung scheint wohl nicht unrichtig zu seyn, denn es laͤßt sich mit ihrer uͤbertriebenen Hochachtung fuͤr die Thiere sehr wohl reimen, zumal wenn man noch weiß, daß sie die Thiere manchmal ankleiden, und ei- ner Lieblingskuh oft große metallene Ringe an A a 5 die die Schenkel legen. Es scheint, daß dieser Aberglaube durch die Lehre von der Seelenwan- derung ernaͤhrt wird. Nach dem Einverstaͤndniß der Reisebeschrei- ber, findet man im ganzen Orient kaum eine Nation, welche furchtsamer und zaghafter waͤre, (die kriegerischen Rajaphuten ausgenommen) als die Hindistaner. Ihre uͤbrigen Tugenden ersetzen hingegen diesen Mangel hinlaͤnglich. Die Baniyanen verrichten mit der groͤßesten Genauigkeit alle Auftraͤge, welche ihnen sowohl von Einheimischen als Auaͤlaͤndern anvertrauet werden. Indessen sind auch die Wise oder Weytz, welche den vierten Stamm, oder die vierte Hauptfamilie ausmachen, so getreu, daß sie ihren Herren bey welchen sie sich etwa fuͤr Dienstboten vermiethen, auf Reisen nicht das geringste entwenden, ja fuͤr die Erhaltung sei- ner Guͤter selbst ihr eigenes Leben in Gefahr setzen. Die Leute von diesem Stamme sind beßre Dienstboten als die mohammedanischen; man findet bey jenen nicht den Stolz, der diese so veraͤchtlich macht! Die verschiedenen Staͤmme der Hindistaner werden insgesammt von einander unterschieden, theils durch den Schnitt ihrer Baͤrte, theils durch das verschiedene Bemahlen ihrer Leiber und Stirnen, theils durch das Flechten ihrer Turbane (die sie Tuͤlbaet oder Tulbat ausspre- chen). Wir wollen hier einen allgemeinen Ab- riß riß von der Gestalt und Kleidung der Hindi- staner geben. Die Hindistaner sind nicht sowohl weiß als gelbbraun, meistens lang, stark, und wohl gewachsen. — Ihre gewoͤhnliche Kleidung ist sehr sittsam. In dem suͤdlichen Theile des Reichs, tragen die Mannspersonen lange Roͤcke von den feinsten Zeugen von Baumwolle, Gold und Silber. Sie haͤngen ihnen bis an die Waden herunter, und werden oben am Halse zugemacht. Vorne sind sie mit Schleifen von oben bis unten befestigt. Unter dieser obersten Kleidung haben sie eine Weste von blumigten seidenen oder baumwollenen Zeuge, die ihnen an dem Leibe liegt, und bis unter die Huͤfte geht. — Ihre Beinkleider sind sehr lang, meist von ro- then streifigten Zeugen, oben weit, nach unten zu werden sie enger, auf den Schenkel falten sie sich, und gehen bis an die Ferse. Sie haben keine Struͤmpfe, und die Falten dieser Bein- kleider dienen ihnen, den Fuß warm zu hal- ten. — Mitten im Reiche, und gegen Abend, gehen sie nach perfischer Art gekleidet, nur mit dem Unterschiede, daß die Moguln wie die Gu- zuraten, die Oefnung ihres Rocks unter den linken Arm bringen, da die Perser sie unter den rechten stecken, und die ersten binden ihre Guͤrtel vorne, und lassen die Enden herabhaͤn- gen, da ihn die Perser nur umwickeln, und die Enden einstecken. Sie Sie haben Seripus, oder weite Schuhe, von ordentlichem rothen vergoldeten Leder, sie gehen sowohl im Winter als Sommer darinn barfuß. Sie tragen sie wie wir unsre Pantof- feln, ohne sie an den Fuß fest zu machen, um sie bald nehmen zu koͤnnen, wenn sie gehen wol- len, oder um sie gleich auszuziehen, wenn sie wieder in ihre Zimmer kommen, wo sie sonst ihre schoͤnen Teppiche und Bedeckungen des Bo- dens beflecken wuͤrden. Ihr Kopf ist beschoren und mit einem Tur- bane bedeckt, der dem tuͤrkischen gleicht. Er ist von feinem weissen baumwollenen Zeuge, mit goldenen oder seidenen Streifen. Sie wis- sen ihn alle um den Kopf zu winden und zu befestigen, obgleich diese Zeuge oftmals einige Ellen lang sind. Ihre Guͤrtel sind gewoͤhnlich von rother Seide mit goldenen oder weissen Streifen und großen Quasten, die ihnen an der rechten Huͤfte herunter haͤngen. Unter dem er- sten Guͤrtel haben sie noch einen, von weissen baumwollenen Zeuge, der kleiner, und um den Leib gewickelt ist. — Wenn sie ausgehen und Regen oder Wind befuͤrchten, so legen sie uͤber ihre Kleider eine Binde von seidenem Zeuge, die sie uͤber die Achseln schlagen, und sich um den Hals wickeln. Die Vornehmen und alle die, welche bey Hofe erscheinen, zeigen ihre Pracht in den Kleidern. Die gemeinen Buͤr- ger und Handwerksleute, sind, wie bereits ge- sagt, sehr sittsam gekleidet. Die Die mohamedanischen Weiber und Jung- fern haben ordentlich um den Leib ein großes Stuͤck des feinsten baumwollenen Zeuges, das sich bey dem Guͤrtel anhebt, wo es nach unten zu, drey oder viermal umgewickelt wird, und ihnen bis auf die Fuͤße herunter haͤngt. Unter diesem Tuche tragen sie eine Art Beinkleider von weissen Zeuge. In ihren Haͤusern gehen sie meistens uͤber den Guͤrtel blos, sowohl als mit dem Kopfe und den Fuͤßen. — Wenn sie aber ausgehen, oder sich nur an ihren Thuͤren sehen lassen, so bedecken sie sich die Achseln mit einer Kleidung, uͤber die sie noch eine Binde legen. Diese beyden Kleidungen, welche sehr weit, und nirgends angeheftet, noch zugemacht sind, schweben auf ihren Achseln, und man siehet oft den groͤsten Theil ihrer Brust und ih- rer Arme entbloͤßt. Die Reichen zieren ihre Arme und Fuͤße mit Gold und Silber; die Ge- ringeren mit Glas und Metall. Sie haben oft die Arme bis unter den Ellbogen beladen, aber dieser kostbare Schmuck, scheinet ihnen beschwerlich zu seyn, und ist auch in den Augen eines Fremden keine Zierath. Den Frauenspersonen werden insgesammt in der Jugend die Ohrlaͤppichen durchbohrt, und diese werden mit der Zeit, vermittelst der Sachen, die sie in die Loͤcher haͤngen, um sie auszudaͤhnen, so groß, daß sie Ringe tragen, welche so breit, als Bruͤhenschuͤsseln sind, und an dem aͤuseren Umfange eine Hoͤhlung haben, wo wo sich das Fleisch hineinsetzt, und sie haͤlt. Kurz, die Hindistaner, und insonderheit die Baniyanen, wenden das Meiste an ihre Wei- ber, deren groͤstes Vergnuͤgen in schoͤnen Klei- dern, und den vorhin gedachten Zierathen be- stehet, ohne welche sich auch sogar die Weiber, die Wasser auf den Straßen herumtragen nicht sehen lassen. Witwen, die ihre Maͤnner uͤber- leben, sind die einzigen, welche dieses Gluͤck nicht genießen koͤnnen: denn sie duͤrfen so we- nig Juwelen tragen als geputzt seyn, und un- terscheiden sich von andern durch eine rothe Lunghi. Jetzt muͤssen wir von ihren uͤbeln Gewohn- heiten auch einiges sagen. Die Weiber machen sich so wenig als die Maͤnner ein Gewissen daraus, ihre Nothdurft in den oͤffentlichen Gassen oder Landstraßen zu verrichten. In dieser Absicht begeben sie sich, wenn sie in der Stadt sind, bey der Sonnen Auf- oder Untergang haufenweise nach einer Wand hinaus: und im Fall jemand unterdes- sen vorbeygeht, so kehren sie demselben ihren bloßen Hintern zu, verbergen aber dabey ihre Angesichter. Die Maͤnner, welche sich hierbey von den Weibern absondern, buͤcken sich gleich wie sie, nieder, wenn sie ihr Wasser abschlagen. Die Mohammedaner haben dieser Freyheit we- gen einen schlechten Begriff von dem Hindista- nischen Frauenzimmer, wie auch von den Eng- laͤndischen laͤndischen, wenn sie sehen, daß dieselben mit einem Kuß gegruͤßt werden, oder mit einer Mannsperson in einem Garten spaziren gehen. Ob sie gleich nur mit Wasser gekochte Gewaͤchse essen, so lassen sie doch einen solchen Gestank zuruͤck, daß es sich sowohl in den Straßen als auch außerhalb ihrer Staͤdte, bey den Fluͤssen und Graben sehr schlecht Athem holen laͤßt. Dem allen ohngeachtet, kann man doch die Hindistaner weder einer Unflaͤtherey, noch einer Faulheit beschuldigen. Denn außerdem, daß sie sich jederzeit zur Zeit ihrer Andacht waschen, essen und trinken sie auch niemals etwas, ohne sich vorher mit Wasser gereinigt zu haben, wel- ches sie uͤber ihren ganzen Leib, von Kopf bis zu den Fuͤßen gießen. Sie leiden auch nicht, daß sich an irgend einem Theile ihrer Leiber Un- flath befinde, und schaffen die Haare auf der Brust, unter dem Arm, und an der Schaam, vermittelst gewisser Salben und Pflaster, weg. Sie scheeren ihre Koͤpfe und Baͤrte bestaͤndig, sie schneiden ihre Naͤgel ordentlich ab, sie spuͤlen ihren Mund immer aus, und reiben ihre Zaͤhne, daher sie so weiß aussehen als Helfenbein. Das Leben der Hindistaner ist eine ununter- brochene Emsigkeit. Sie sind es, die das Feld bauen, pflanzen, saͤen, und das Vieh aufziehen. Sie sind es, welche die fuͤr- treflichen Zeuge machen, die wir aus diesem Theile der Welt herholen und nicht wenig damit großthun. Nicht Nicht ein jeder hindistanischer Stamm ißt und trinkt, was ihm vorkommt. Denn einige Staͤmme als die Kutteri und Wise essen das Fleisch von den Thieren; hingegen ruͤhren die Braminen und Shudderi, d. i. die Kaufleute, nie Fleischspeisen an, sondern begnuͤgen sich mit dem Genuß der Gewaͤsche, Milchspeisen, Fruͤchte und suͤßen Speisen. Zwey unter diesen India- nern sehr gewoͤhnliche Speisen sind Dye und Kuheri. Diese letztere wird von einer kleinen runden Erbse gemacht, die mit Reis zugleich gekocht wird; und obgleich diese Zubereitung gar nicht sonderlich schmecken soll, so staͤrkt sie doch sehr. Die erste Speise, nemlich der Dye besteht aus dick gewordener suͤßer Milch, die mit abgekochtem Reis und Zucker vermischt ist. Man behauptet, daß diese Speise sehr geschickt sey, die Heftigkeit der Fieber und des Durch- laufs zu vermindern, welches beydes sehr ge- meine Krankheiten in Hindistan sind. Das ge- woͤhnliche Getraͤnke der Baniyanen besteht in Regenwasser. Dieß Wasser wird in einer ge- wissen Jahrszeit aufgefangen, und in gewissen dazu gemachten Gefaͤßen aufbewahrt. Quell- und Flußwasser trinken sie nur selten und im aͤußersten Nothfalle. Von starken Getraͤnken sind sie auch keine Freunde, indessen sollen sie doch dem Thee- und Kaffeetrinken sehr ergeben seyn. Besonders sollen sie den Kaffee so kochen und zubereiten koͤnnen, daß sich oben ein gelbliches Oel zeigt, das das ihn sehr wohlschmeckend macht. Es soll aber auch sehr viel Geschicklichkeit dazu erfodert werden, ihn so weit zu bringen. — Allge- meiner als der Kaffee, ist der Gebrauch des Thees. Man sollte denken, daß dieß warme Getraͤnke in einem so heissen Lande sehr schaͤdlich sey. Allein die Europaͤer versichern, daß die Gesundheit bey dem Genuß desselben im min- desten nicht geschwaͤcht werde. — Sie trin- ken nicht gerne mit einem andern, und haupt- saͤchlich mit einem Fremden, aus ein, und eben demselben Gefaͤße; und wenn sie es thun, so pflegen sie das Geschirr, woraus getrunken wird, nicht an den Mund zu setzen, sondern sie gießen es sich in den Hals. Und auf die Weise kann sich eine ansehnliche Trinkgesellschaft mit einem Gefaͤße behelfen. Sie nehmen aber doch, wenn sie wohin gehen, aus Vorsicht ihre Wasserkruͤ- ge mit. Des Morgens gegen acht oder neun Uhr pflegen sie zu essen, desgleichen des Nach- mittags gegen vier oder fuͤnf Uhr. Waͤhrend der starken Sonnenhitze sind sie ganz unthaͤtig, und schlafen entweder auf Kots, d. i. Betten, oder auf Bechanahs, welches dicke mit Kopf- kuͤssen versehene Matratzen sind, die sie in die Quere von einem Ende des Zimmers bis zum andern, in einer Mannslaͤnge ausbreiten, wor- auf eine ansehnliche Anzahl von Menschen schla- fen kann. Sie haben allezeit ein kleines Kuͤs- sen bey sich, das sie auf den Magen legen, um ihn gegen die umgebenden Ausduͤnstungen in B b Sicher- Sicherheit zu stellen. Sie bedienen sich selten einer andern Decke, als ihrer Hosen oder Hem- den, sie muͤßten denn ein duͤnnes oder schlech- tes Tuch von Callico uͤber sich herbreiten. Es ist in der That sehr sonderbar, daß die Hindistaner niemals aus dem Stamme heyra- then, zu welchem sie gehoͤren. Ein Bramine heyrathet allemal die Tochter eines Braminen; ein Kaufmann verbindet sich mit der Tochter eines Kaufmanns, u. s. f. Eben so werden auch die Kinder in der Profession erzogen, die der Vater treibt. Dieß ist nun zwar ein Mit- tel, es in ihrer Kunst weit zu bringen; es bleibt ihnen aber die Gelegenheit benommen, hoͤher zu kommen, als sie anfangs waren. Man findet unter ihnen die Vielweiberey nicht einge- fuͤhrt. Ein Mann hat eine Frau auf einmal. Ihre Heyrathen werden bereits im sechsten oder siebenten Jahre vollzogen, sie schlafen aber nicht eher als im funfzehnten Jahre bey einander. Die Cerimonien, die bey diesen Hochzeiten vorfal- len, haben mit den der Mohammedaner viel Aehn- liches, nur mit dem Unterschiede, daß die jun- gen Leute oͤffentlich auf Pferden reiten, und sich uͤber und uͤber mit Blumen bestreuen. Die Ursache, warum die Hindistaner ihre Kinder so fruͤhzeitig verheyrathen, ist diese: Sie glauben nemlich, es sey ein großes Ungluͤck, da das Heyrathen eine der gluͤckseligsten Handlungen des menschlichen Lebens ausmache, unverhey- rathet zu sterben. Um nun das Ungluͤck zu ver- meiden, meiden, verheyrathen sie ihre Kinder im sieben- ten Jahre. Sobald die Heyrath von beyden Seiten der Eltern geschlossen ist, werden unter dem Klange musikalischer Instrumente, Abgesandte an die Eltern der Braut geschickt, welche ihnen man- cherley Geschenke, unter Absingung gewisser Lieder, die zu ihrem Lobe verfertigt sind, uͤber- bringen. Diese Abgesandten erhalten gleich- falls Geschenke zuruͤck an die Eltern des Braͤu- tigams, wodurch zu verstehen gegeben wird, daß die uͤbersandten Geschenke angenehm gewe- sen sind. — Hierauf faͤhrt der Braͤutigam mit vieler Pracht durch die vornehmsten Straßen der Stadt. Der Braͤutigam unterscheidet sich von den andern durch eine Krone, die er auf seinem Kopfe hat, und die, nach den Umstaͤn- den, mit vielen Kostbarkeiten besetzt ist. — Am folgenden Tage haͤlt die Braut einen glei- chen Aufzug durch die Stadt, und wird von vielen Jungfern, aus eben dem Stamme, be- gleitet. Gegen Abend kehrt sie wiederum nach Hause zuruͤck, um mit ihrem Braͤutigam co- pulirt zu werden. Diese Copulation nimmt damit ihren Anfang, daß zwischen dem Braut- paar ein Feuer angezuͤndet wird, wodurch die Innbrunst ihrer Liebe angezeigt werden soll. Hierauf werden sie mit einer seidnen Schnur umgeben, welches das unzertrennbare Band der Ehe vorstellen soll. Nach diesem wird ein Tuch zwischen beyde ausgespannt, wodurch an- B b 2 gezeigt gezeigt wird, daß vor der Ehe keine Vertrau- lichkeit zwischen ihnen statt finden muͤsse. So- bald alles dieses geschehen ist, lesen die Brami- nen ein gewisses Formuler ab, worinn sie dem Manne befehlen, seinem Weibe das Noͤthigste zu geben, und das Weib ermahnen, sich dem Eheherrn nicht untreu zu beweisen. Und wenn die Priester ihren Segen uͤber das neue Ehe- paar gesagt haben, so wird das Band und das Tuch weggenommen, womit zugleich die ganze Cerimonie geendigt ist. In dem Ehestande sind auch gewisse Vor- schriften zu beobachten, wodurch man die Staͤm- me von einander unterscheiden kann. — Kein Weib darf sich zum zweytenmale verheyrathen, wenn sie nicht aus dem Stamme der Hand- werksleute ist. — Die Maͤnner aus allen Staͤmmen, nur die Braminen ausgenommen, duͤrfen sich zum zweytenmale verheyrathen. — Niemand darf aus seinem Stamme heyra- then. — Die Taufhandlung oder die Be- nennung ihrer Kinder ist unter den Braminen ganz anders, als unter den andern Staͤmmen. Die letztern werden blos im Wasser abgewa- schen, einer von den Anverwandten haͤlt die Spitze einer Feder an des Kindes Stirn und betet: daß Gott gute Dinge hineinschreiben moͤchte. Die uͤbrigen Anwesenden sagen dazu „Amen„ und geben dem Kinde seinen Namen. Zuletzt macht ein Bramin ein Zeichen mit rother Farbe an die Sti r ne des Kindes, wodurch sie zu er- kennen kennen geben, daß es in ihre Gemeinschaft auf- genommen ist, und dieß ist das Final der gan- zen Cerimonie. Der Braminen Kinder wer- den nicht allein mit Wasser eingeweyhet, son- dern auch mit Oel gesalbet. Andere Umstaͤnde uͤbergehen wir hier. Wir kommen itzt zu dem Verhalten, das die Hindistaner bey toͤdtlichen Krankheiten und dem Absterben der Ihrigen beweisen. Wenn ein Kranker zur Genesung keine Hoffnung mehr hat, so befiehlt man ihm, den Namen Gottes anzurufen. Sieht man sein Ende herannahen, so nehmen sie die Hand des Kranken, und gießen Wasser hinein, rufen den Kistneruppon, d. i. den Gott des Wassers an, daß er ihn dem hoͤchsten Gott rein uͤberbringen moͤge. Sie haben auch unter sich die Mode eingefuͤhrt, den Erblaßten sogleich abzuwaschen. Stirbt ein Rajah, so scheeren sich seine Unterthanen ihre Haare ab, welches ein Zeichen der tiefsten Unterwuͤrfigkeit ist. — Nach dem Tode eines Freundes stellen die Baniyanen große Gastereyen an. Die Hindistaner verbrennen gemeiniglich ihre Todten, anstatt sie zu begraben. Der bey dieser Handlung anwesende Bramin spricht dabey folgende Worte aus: „O Erde, diesen unsern Bruder vertrauen wir dir an. Dir ge- hoͤrte, da er noch lebte, ein großer Theil von ihm. Er war aus der Erde gemacht, von den B b 3 Fruͤchten Fruͤchten der Erde ernaͤhrte er sich; und da er nun gestorben, so geben wir ihn dir wieder zu- ruͤck.„ Naͤchst diesem werden brennbare Mate- rien an den todten Koͤrper gelegt, und in Feuer gesetzt, wobey der Bramine folgende Worte ausspricht: „O Feuer, du hattest, da er noch lebte, einen Antheil an ihm, weil er sein Leben durch deine natuͤrliche Hitze erhielt. Wir uͤber- geben dir daher seinen Koͤrper wieder, damit du ihn reinigen moͤgest.„ Ist der Leichnam vom Feuer verzehrt, so streuen sie die Asche in die Luft, wobey der Bra- min diese Worte wiederholt: O Licht! so lange er durch dich lebte, so ahtmete er; und da er nun aufgehoͤrt hat zu athmen, so uͤbergeben wir ihn dir. Wenn endlich die Asche ins Wasser gefallen, so rufen sie: O Wasser! deine Feuchtigkeit erhielt ihn, da er noch lebte. Da aber nunmehr sein Koͤrper zerstreuet worden, so nimm dei, nen Antheil von ihm wieder zuruͤck. — Sie sagen, das menschliche Leben werde durch die vier Elemente erhalten, und also muͤsse er auch bey seinem Tode wieder unter sie vertheilt werden. Wenn gleich diese Art des Verbrennens der gemeine Gebrauch ist, so wird sie doch in Hindistan nicht durchgaͤngig beobachtet. Ei- nige braten nur die Leiche nahe am Wasser, und werfen sie dann gaͤnzlich in dasselbe. Noch andere bringen den Kranken, wenn sie sehen, daß daß sein Tod unvermeidlich ist, an das Ufer eines Flusses, setzen zufoͤrderst seine Fuͤße ins Wasser, und lassen ihn nachgehens bis an die Kehle herunter fallen. Wenn sie sehen, daß er sterben will, so lassen sie ihn ganz unter das Wasser sinken, erheben ein gewaltiges Geschrey, und klatschen dabey mit ihren Haͤnden. Diese Begraͤbnißart ist sehr unmenschlich; sie fuͤhren aber folgenden Grund dafuͤr an: „damit die Seele bey Verlassung des Leibes von allen den Unreinigkeiten moͤchte abgewaschen werden, die sie vielleicht waͤhrend ihres Aufenthalts in den- selben angenommen. Seitdem man die Gesetze wegen Verbren- nung der Todten gemacht hat, scheint es zur Mode geworden zu seyn, daß die Wittwen dem Leichnam ihres Mannes in dem Begraͤbnißfeuer Gesellschaft leisten. Diejenigen, welche von den Verstorbenen beschlafen worden, heyrathen nicht zum zweytenmale. Weil sie aber ihre Haare abschneiden, und den Rest ihres Lebens als verachtete Geschoͤpfe hinbringen muͤssen, so verbrennen sie sich lieber, sowohl um dieser Be- schimpfung zu entgehen, als auch aus Liebe gegen ihre Maͤnner. Ueberhaupt aber wird hierzu nie- mand gezwungen, ausgenommen, wenn ein vornehmer Herr stirbt. Alsdann noͤthigt man seine Weiber, sich zu verbrennen, blos um das Begraͤbniß dadurch zu zieren. Zuweilen macht es die Frau mit ihrem Manne aus, ihm auf B b 4 dem dem Holzgeruͤste zu folgen, und sich mit ihm zugleich zu verbrennen. Bernier, ein zuverlaͤßiger Reisebeschreiber, erzaͤhlt, er habe es oft mit angesehen, daß sich Weiber mit so vieler Standhaftigkeit verbrann- ten, als man nicht beschreiben koͤnnte. Er kam einsmal an einen Ort, wo er vier bis fuͤnf Braminen einen Holzhaufen anzuͤnden sah, auf dem ein Weib neben der Leiche ihres Mannes saß; und uͤberdieß tanzten und sangen noch fuͤnf andere Frauenspersonen, die sich einander bey den Haͤnden angefaßt hatten, um die Gru- be herum. Sogleich stund alles um das Weib herum in Flamme, die doch ganz ruhig und gelassen dabey zu seyn schien. Was aber noch erstaunender war; so stuͤrzte sich ganz unvermu- thet eine von den Taͤnzerinnen ins Feuer, und die uͤbrigen thaten alle nach einander ein glei- ches, ohne daß man die geringste Furchtsamkeit bey ihnen bemerkt haͤtte. Bey manchem Frauenzimmer ist aber doch eine merkliche Furcht, wenn es sich will verbrennen lassen. Und manche wuͤrde oftmals sehr gerne wieder absrehen, wenn sie nur koͤnnte. Denn die Braminen, die mit ihren großen Stangen gegenwaͤrtig sind, setzen sie in eine solche Furcht und Schrecken, daß sie oft ganz betaͤubt da ste- hen. Koͤnnen sie ihnen aber keinen Muth ma- chen; so stoßen sie dieselben gar selbst ins Feuer. Man kann das gottlose Betragen der Brami- nen bey solchen Vorfallenheiten, nicht abscheu- lich lich genug vorstellen. Leser, die sich von solchen Grausamkeiten naͤher unterrichten wollen, koͤn- nen den Bernier selbst nachschlagen. Hier er- laubt es uns der Ort nicht, mehr davon zu schreiben. In andern Gegenden Indiens, uͤbt man aber noch grausamere Dinge aus. Denn, an- statt daß man diejenigen Weiber, welche bey dem Tode ihres Mannes gerne sterben wollen, verbrennen sollte, graͤbt man sie vielmehr bis an die Kehle lebendig in die Erde, und dann fallen zwey oder drey andere dieselben auf einmal an, und drehen ihnen die Haͤlse um. Und wenn sie diese auf solche Weise erwuͤrgt haben; — so decken sie geschwinde Erde daruͤber, und laufen alsdann auf ihren Koͤpfen hin und her, um es gleich mit ihnen auszumachen. Zweytes Kapitel. Von der Geschicklichkeit der Hindistianer in den Kuͤnsten: und ihrer Gelehrsam- keit uͤberhaupt. D ie sehr große Hitze in Indien, macht die Einwohner gar nicht traͤge. Sie aͤus- sern vielmehr in vielen Stuͤcken einen ganz unvergleichlichen Scharfsinn, und sind uͤber- B b 5 haupt haupt zur Nachahmung einer Sache auf eine bewunderswuͤrdige Weise geschickt. Man sagt, daß mancher Baniyan eine große Rechnung, durch die Staͤrke seines Gedaͤchtnißes, im Ko- pfe ausrechnen koͤnne, die einem geuͤbten Re- chenmeister mit der Feder in der Hand, viele Muͤhe machen wuͤrde. Die Seidenweber und Schifszimmerleute, koͤnnen die besten europaͤi- schen Muster und groͤßesten englischen Schiffe nachahmen und verfertigen. Ein indianischer Schneider ist faͤhig, einem Europaͤer nach der neuesten Mode ein Kleid zu machen. Ein Fri- seur kann jemanden eben so hoch nach der euro- paͤischen Art die Haare frisiren, als wenn er ein gelernter europaͤischer Meister waͤre. — In ei- nigen Kuͤnsten sollen die Indianer uns uͤbertref- fen, dahin z. E. das Mahlen des Chites ge- hoͤrt, dem die europaͤische weder an Glanz, noch an Dauer beykommt. Die goldenen Streifen und Blumen in ihren Atlassen, sind bey ihnen weit vollkommener und schoͤner als bey uns. Auch die Carniolringe, um welche gedoppelte goldene Ketten gehen, die in gewissen Entfer- nungen zusammenstoßen, wo Diamanten, Ru- binen zum Zierrath hineingesetzt werden, sind so kuͤnstlich gearbeitet, daß man es ihnen schwer- lich gleich thun wird. — Die Kuͤnstler in Bengalen, sagt ein gewis- ser Mißionair, sind bis zum Erstaunen ge- schickt. Ihre Leinwand ist so fein, daß man sehr breite Stuͤcke durch einen Ring ziehen kann. Sie Sie koͤnnen ein Stuͤck zerrissenes Nesseltuch so geschickt zusammennaͤhen, daß man die Nath gar nicht finden kann. Eben diese Geschicklich- keit aͤußern sie, wenn sie z. E. zerbrochenes Por- cellain wieder zusammensetzen. — Im Dratharbeiten sind ihre Goldschmiede sehr geschickt, und man will fuͤr gewiß be- haupten, daß sie es hierinn den Europaͤern voͤl- lig gleich thaͤten. Die Weber sitzen in ihren Hoͤfen und weben die schoͤne Leinewand, welche so sehr in allen Welttheilen gesucht und mit vielem Gelde bezahlt wird. — Ein Maurer kann den Boden des groͤßesten Zimmers dergestalt mit einem aus Zie- gelstaub und Kalk bestehenden Moͤrtel belegen, daß alles wie ein einziger Stein aussieht, und viel haͤrter als Sandstein ist. Die hindistanischen Chymisten pulverisiren alle Arten von Metall mit weniger Muͤhe, und bedienen sich des ersten Gefaͤßes, das sie vorfin- den, dazu, daß sie Quecksilber aus Zinnober ziehen, und zu andern mercurialischen Zuberei- tungen, wobey sie, wie Papin berichtet, auf die einfachste Art verfahren. Terry berichtet, daß sie fuͤrtrefliche Mahler waͤren, und ein Gemaͤhlde so genau abcopirten, daß es sehr schwer sey, die Copie vom Gemaͤhl- de zu unterscheiden. Er versichert aber auch zu- gleich, daß es der Mahlerkunst in dem Lande des Großmogols an hinlaͤnglicher Aufmunte- rung fehle. — Sie verstehen auch die Kunst, auf auf Agat, Crystal und andern zerbrechlichen Materialien in Gold zu arbeiten, welches die europaͤischen Goldschmiede und Steinschneider, nur mit vieler Muͤhe koͤnnen. An die Raͤnder oder an der Mitte der Trinkgeschirre, machen sie goldene Ringe. Was das meiste zur Voll- kommenheit der Handwerker in ihren verschiede- nen Profeßionen beytraͤgt, ist dieses, daß ein jeder, unter den Mohammedanern sowohl als unter den Heiden seine Kinder in eben dem Handwerke und Geschaͤfte auferzieht, das er treibt. Man kann also den hindistanischen Hand- werkern, weder Genie noch Fleiß absprechen, und sie verdienen in aller Absicht gelobt zu wer- den. Wir wollen nun sehen, ob sich die Bra- minen, in der Gelehrsamkeit eben so sehr her- vorthun, da sie doch vorgeben, daß sie nur al- lein zur Betreibung derselben ein Recht haͤtten, und ob sie uͤberhaupt hinlaͤngliche Ursache ha- ben, jene zu verachten. Die Dichtrunst, welche uͤberhaupt die erste Wissenschaft ist, die eine Nation treibt, ist von den Hindistianern nicht so sehr vernachlaͤßigt, wie einige Reisebeschreiber vorgeben. Man findet vielmehr einen Ueberfluß von Dichtern unter ihnen. Indessen will man doch bemerkt haben, daß die Einheit der Handlung in ihren Pouran nicht so genau beobachtet werde, wie Virgil und Homer gethan ha en. Die india- nischen Fabeln, welche die Araber und Perser so so oft uͤbersetzt haben, bestehen aus einer Samm- lung von fuͤnf kleinen Gedichten, die vollkom- men regelmaͤßig und zur Erziehung der Prinzen von Patea Die patanischen Prinzen, deren in der indiani- schen Geschichte erwaͤhnt wird, haben vor den Mohammedanern in Hindistian regiert. sind verfertigt worden. Die Braminen haben sich zwar nie auf die Beredsamkeit gelegt, sie haben aber dennoch eine große Anzahl Buͤcher welche Regeln in Ansehung der Reinigkeit, Schoͤnheit und Zier- lichkeit der Sprache enthalten, und welches eine besondere Wissenschaft ausmacht. — Unter allen Theilen der Gelehrsamkeit aber, scheint die Geschichtskunde von den Hindistanern am wenigsten bearbeitet zu seyn, da sie eine ganz uͤbertriebene Liebe zu dem Wunderbaren haben. Diesen hoͤchst fehlerhaften Geschmack hat man lediglich den Braminen zuzuschreiben. Indes- sen haben doch die Prinzen vermuthlich eine or- dentliche Geschichte ihrer Vorfahren, besonders in Hindistan, wo sie maͤchtiger und aus dem Stamme der Rahjaputen sind. Man findet auch in den nordlichen Gegenden Buͤcher, Na- tak genannt, von den die Braminen behaupten, daß sie viele alte Geschichte, ohne von Fabeln durchwebt zu seyn, enthalten. — Man fin- det auch in ihren Gedichten viele herrliche Ueber- bleibsel des Alterthums, als die Nachricht von einer einer Welt vor der Suͤndfluth, von den assyri- schen und macedonischen Reichen. Fast alle Theile der Mathematik haben die Braminen bearbeitet. — In der Algebra sind sie keine Fremdlinge. Aber ihr Hauptstudium ist von jeher die Sterndeuterey gewesen, und ist es auch noch. Die Ursache, warum sie sich hierauf so sehr legen, ist, weil sie daraus, we- gen des Aberglaubens, der Großen sowohl als des gemeinen Volks, ihren groͤßesten Vortheil ziehen koͤnnen. Sie haben verschiedene Abhand- lungen von der Sternseherkunst, und man hat in Ansehung derselben Grund zu glauben, daß irgend ein gelehrter Grieche, als Pythagoras, der ehemals nach Indien gereist, die bramini- schen Wissenschaften gelernt, und ihnen dagegen seine astronomische Methode, nebst den griechi- schen Namen der Planeten, der zwoͤlf Himmels- zeichen und andere Kunstwoͤrter communicirt habe. Was den Namen der Gymnosophisten im Alterthume am meisten beruͤhmt machte, war ihre Philosophie, die sie, ihrer Fuͤrtreflichkeit wegen, Shastram, d. i. Wissenschaft nennen, und die aus der Vernunftlehre oder Logik aus der Methaphysik und aus etwas Psychologie be- steht. Der Hauptentzweck, worauf alle philo- sophischen Untersuchungen der Braminen ab- zwecken, ist die Moukti oder die Befreyung der Seele von der Gefangenschaft und von dem Elende dieses Lebens, durch eine vollkommene Gluͤck- Gluͤckseligkeit, welche ihren Wesen nach, ent- weder in der Befreyung der Seele selbst oder in ihrer unmittelbaren Wuͤrkung bestehet. — So wie es unter den Griechen verschiedene philoso- phische Schulen gab; so fanden sich auch unter den Braminen sechs Hauptschulen oder Sekten mit Namen Niyayam, Vedantam, San- kiam, Mimamsa, Pasangalam und Bhas- siam. Diese sind nichts anders als was schlecht- hin die Wissenschaften genannt werden, und je- de derselben ist von den uͤbrigen durch eine be- sondere Meynung, in Ansehung der Gluͤckselig- keit und der Mittel, dieselbe zu erhalten, ver- schieden. Die erste dieser Schulen ist wegen der Logik, und die andere wegen der Methaphysik beruͤhmt. Was die erste anbetrift, so sind ihre Regeln in Ansehung der Schluͤße richtig, und gehen hauptsaͤchlich von unsern darinn ab, daß, nach der Meynung der Braminen, ein vollkom- mener Schluß vier Terminos haben muͤße. z. E. Wo Rauch ist, da ist auch Feuer: auf diesem Berge ist Rauch, also ist auch daselbst Feuer. Die Schule Niyayam, d. i. Vernunft oder Verstand, ist wegen dieser Kunst uͤberaus be- ruͤhmt. Sie beschaͤftigt sich aber doch mehr mit unnuͤtzen Speculationen, als wesentlichen Gegenstaͤnden. Sie ist ein Gemisch von Klei- nigkeiten, so wie unsre Vernunftlehre etwa vor drittehalb Jahrzehnden war. Es giebt noch außer diesen sechs Sekten, verschiedene andere die in Religionssachen so vie- le le Ketzereyen ausmachen. Unter diesen sind die Agama-shastram und die Baudda-ma- tham ohne Zweifel die merkwuͤrdigsten. Die ersten wollen weder einen Unterschied der Staͤn- de unter den Menschen, noch rechtmaͤßige Ceri- monien zugeben, und werden der Zauberey be- schuldigt. Die letztern, deren Meynung von der Seelenwanderung durchgaͤngig angenom- men wird, werden der Atheisterey beschuldigt, und gestehen keinen andern Erkenntnißgrund als unsre Sinne zu. Aus der Schule der Niyayam kamen vor- mals die beruͤhmtesten Gegner der Bauddisten, die durch ihr Anstiften in verschiedenen Koͤnig- reichen ein ganz erschreckliches Blutbad uͤber sich ergehen lassen muͤßten. Batta, einer von den beyden, die sich in diesem Streite am meisten hervorthaten, verbrannte sich, um sich von so vielem Blute, zu dessen Vergießung er Gele- genheit gegeben, zu reinigen, mit großer Feyer- lichkeit. — Alle diese Sekten reden von dem Urstoff der Dinge, aber auf eine ganz verschie- dene Weise. Einige sagen, es bestehe alles aus Koͤrpern, die nicht wegen ihrer Festigkeit und Haͤrte, sondern wegen ihrer Kleinheit untheil- bar waͤren. Andere sagen, es bestehe alles aus der Materie und Form, und niemand erklaͤrt sich eigentlich daruͤber, was er unter Materie und Form verstehe. Noch andere sind der Meynung, daß alles aus vier Elementen und einem Nichts bestehe; sie erklaͤren sich aber nicht wegen wegen der Vermischung und Verwandlung. Und was ihr Nichts anbetrift; so nehmen sie viererley Arten an, die sie aber eben so wenig als viele andere Dinge zu begreifen scheinen. Nach einiger Meynung sind Licht und Finster- niß der Urstoff, wovon sie viel abgeschmacktes Zeug zu schwatzen wissen. — Endlich behau- pten auch einige, daß alles aus Zufall bestehe, woruͤber sie sich gleichfalls sehr verworren erklaͤ- ren. Was aber im Ganzen genommen, diesen Urstoff anlangt; so erklaͤren sie alle einstimmig, daß er ewig ist, und unsre Hervorbringung aus Nichts, ist ihnen nie in die Gedanken ge- kommen. Ihre Moral, oder ihre philosophische Sitten- lehre ist in vielen Werken der Niti Shastram oder moralischen Wissenschaft enthalten, die in spruchreichen Versen besteht. In diesem Theile der Weltweisheit, den die Braminen auch andern Staͤmmen mittheilen; haben sich unter ihnen verschiedene Schriftsteller hervorgethan. Be- sonders haben hierinn die Shoutres und Parias großen Ruhm erworben. Es legt sich auch ein ansehnlicher Theil von den Braminen auf die Erlernung der Arzeney- gelahrheit. Auch fehlt es ihnen in dieser Wis- senschaft nicht an vielen Buͤchern; sie enthalten aber fast nichts anders als unbedeutende Rece- pte. Ihre Heilungsart ist von der unsrigen sehr weit unterschieden, und gruͤndet sich, nach Berniers Bericht, auf folgende Grundsaͤtze: C c daß daß einer, der mit einem Fieber behaftet sey, nicht viel Nahrung noͤthig habe; daß die Ent- haltsamkeit bey allen Arten von Krankheiten das beste Mittel sey; daß fuͤr einen kranken Koͤrper nichts schaͤdlicher sey, als Fleischbruͤhe, und daß nichts eher in dem Magen eines Patienten verderbe, als dieselbe; daß niemals muͤße Blut gelassen werden, ausgenommen in der groͤßesten und augenscheinlichsten Gefahr, als, wenn man eine Raserey vermuthet, oder wenn ein wichti- ger Theil, als die Brust, die Leber oder die Niere inflammirt worden sey. Diese Heilme- thode, welche in Indien sehr gluͤcklich ablauft, wird auch von den mohammedanischen Aerzten, sonderlich in Ansehung der Fleischbruͤhe, ange- rathen. In Bengalen darf es kein Arzt wagen, ei- nen Kranken zu besuchen, wenn er nicht die ei- gentliche Krankheit und den Zustand seiner Lei- besbeschaffenheit kennt. Dieß thut er mit we- niger Muͤhe, wenn er nur nach den Puls fuͤhlt. Die meisten lassen einen Tropfen Wasser in den Urin des Patienten fallen. Zertheilt sich der- selbe; so sagen sie, er habe starke innerliche Hitze: thut er es aber nicht; so zeigt es einen Mangel der Hitze an. — Bey allen dem ver- stehen die Hindistianer fast gar nichts von der Anatomie. Hieruͤber darf man sich auch nicht wundern, da es ihnen gaͤnzlich an Gelegenheit fehlt, den Koͤrper eines Menschen oder eines Thiers zu oͤfnen. Sie behaupten aber doch, daß daß uͤber fuͤnf Tausend Adern am menschlichen Koͤrper sich befaͤnden, nicht anders als wenn sie sie gezaͤhlt haͤtten. Sie haben bey ihrer Sternseherkunst ge- wisse Tafeln, nach der sie die Sonn- und Mondfinsternissen beynahe so genau ausrech- nen, als die Europaͤer. Der Grund, den sie anfuͤhren, ist aber sehr abgeschmackt. Sie meynen nemlich, die Sonn- und Mondfinster- niß wuͤrde durch den Rah, einen schwarzen Deuta oder Daͤmon verursacht. Dieser be- maͤchtige sich der Lichter, und machte sie gleich- sam mit Dinte schwarz. — Nach ihrer Sage steht auch der Mond uͤber funfzig kausend Mel- len hoͤher, als die Sonne. Sie glauben feste und heilig, daß die Sonne, der Mond, und alle Sterne Deutaen sind; daß es Nacht ist, wenn sich die Sonne hinter dem eingebildeten Gebuͤrge Someyra besindet, und Tag, wenn sie sich von seinem Schatten befreyet. Dieser Berg, sagen sie, stehet in der Mitte der Erde, hat die Gestalt eines umgekehrten Kegels, und ist viele tausend Meilen hoch. (Es verdient hieruͤber Bernier T. 4. S. 160 u. f. nachgelesen zu werden.) Ehe wir diesen Artikel schließen, muͤssen wir noch etwas von der Erdkunde der Brami- nen sagen. Ihrer Meynung zufolge ist die Erde platt und dreyeckigt, und hat sieben Stockwerke, die alle von einander nicht nur in Ansehung der Schoͤnheit und Vollkommenheit, C c 2 sondern sondern auch in Ansehung der Einwohner, ver- schieden sind. Jedes ist mit einem besondern Meer umgeben, worunter das eine aus Milch, das andere aus Zucker, das dritte aus Butter, das vierte aus Wein, und so ferner besteht. — Das Gebuͤrge Someyra geht durch die Mitte dieser Stockwerke — welches wechselsweise aus einer Erde und aus einem Meere bestehet — durch, und das erste Stockwerk geht bey dem Fuße desselben an. Alle diese Erden, welche von Deutaen bewohnt werden, werden immer unvollkommener, bis zur siebenten, welches unsere ist, worinn weit unvollkommenere Men- schen wohnen, als die Deutaen sind. Endlich ruhet nach ihrer Meynung, diese ganze Masse, auf den Koͤpfen vieler Elephanten, welche durch ihre Bewegungen die Erdbeben verursachen. Bernier macht bey Gelegenheit dieser abge- schmackten Dinge folgende gegruͤndete Anmer- kung: Wenn es eine solche Beschaffenheit mit den beruͤhmten Wissenschaften der al- ten Braminen in Indien gehabt hat, wie vorhin gezeigt worden, und dieses aus ihrer Aufzeichnung in der hanskoitischen Sprache zu erhellen scheint; so sind sehr viele in der hohen Meynung betrogen worden, die sie von ihnen gehabt. Ein geheimnißvolles Vorgeben in Dingen von die- ser Beschaffenheit, muß jederzeit als eine Decke angesehen werden, darunter Abgeschmacktheiten oder Unvollkommenheiten verborgen liegen. Kurz, Kurz, die Braminen sollen diese Dunkelheit so weit treiben, daß sie sich nicht nur vor dem Volke unbekannter Kunstwoͤrter bedienen, sondern auch die bekanntesten Dinge in eine geheimniß- volle Sprache eingehuͤllt haben. Die Stadt Bernares, welche in Bengalen am Flusse Ganges liegt, ist die allgemeine Schule, und gleichsam das Athen fuͤr den indischen Adel. Hieher kommen auch die Braminen und Moͤn- che, welche sich den Wissenschaften widmen. Sie sind nicht in Collegia und Klassen vertheilt, wie in Europa, sondern die Lehrer sind — mehr nach der Schule der alten Griechen — durch die Stadt in ihren Haͤusern zerstreut, und hakten sich besonders gerne in den Gaͤrten der Vorstaͤdte auf. Die Lehrer haben vier, sechs bis sieben Schuͤler, und die beruͤhmtesten zwoͤlf bis funfzehn, welche zehn oder zwoͤlf Jahro bey ihnen zubringen. Denn sie sind uͤberaus traͤge und faul, und zudem werden sie durch keine Hoffnung einer guten Befoͤrderung zu den Wissenschaften aufgemuntert. Ihr erstes Studium heißt Hanskrit, d. i. eine reine Sprache, die von der gemeinen in- dianischen ganz abgeht, und nur den Lehrern bekannt ist. Weil ihre heiligen Buͤcher, die von sehr hohem Alter sind, in dieser Sprache geschrieben worden; so nennen sie selbige heilig und goͤttlich. Wenn sie diese Sprache, die sehr schwer ist, gelernt haben, so legen sie sich ordent- licherweise auf die Lesung des Puran, welches C c 3 die die Auslegung und der kurze Inbegriff der Beths oder heiligen Buͤcher ist, die weitlaͤuf- tig genug sind. — Nach dem Puran legen sich einige auf die Philosophie, worinn sie aber keine sonderliche Fortschritte machen. Drittes Kapitel. Von den gewoͤhnlichen Krankheiten — Wohnung — Handel und Gewerbe der Hindistaner. U nter den mancherley Krankheiten, womit die Hindistaner beschwert werden, rechnet man den Durchlauf und das hitzige Fieber, die sich im Solstitio einzufinden pflegen, und den Kopf und das Gehirn mehr als alle uͤbrige Theile des Leibes angreifen. Man findet hingegen weder das kalte Fieber noch auch das Podagra und den Stein bey ihnen. Bernier ist geneigt, dieß ihrer großen Maͤßig- keit und ihrer Enthaltsamkeit des Weins, wie auch ihren Ausduͤnstungen zuzuschreiben. Er meynt auch so gar, daß diejenigen Europaͤer, welche mit Podagra und Stein behaftet, nach Hindistan kaͤmen, ihrer endlich los wuͤr- den. Zur Behauptung dieses Satzes fuͤhrt er sich selbst zum Beyspiel an. In- Indessen werden sie oftmals mit Entzuͤn- dungen oder mit einer Pest geplagt, welche ent- setzliche Niederlagen verursachen, wenn sie in große Staͤdte kommen. Wer von diesen Krank- heiten befallen wird muß hoͤchstens in zwanzig Stunden seinen Geist aufgeben. Der Koͤrper ist uͤber und uͤber in Feuer gesetzt, so daß man nach dem Absterben des Kranken kaum die Hand auf den Koͤrper legen kann. Diejenigen, welche ihr Leben von dieser Krankheit retten, bekom- men große und mit einer dicken, gelben, waͤssrig- ten Materie angefuͤllte Blasen an ihren Leibern, welche von der Materie durchfressen werden und aufgehen. Die Englaͤnder, welche nach Indien kommen, werden fast alle mit einer heftigen Krankheit befallen, und bekommen eine dauer- hafte Gesundheit, wenn sie gluͤcklich von der- selben geheilt werden. Die Hindistaner bedienen sich bey diesen ge- faͤhrlichen Krankheiten der Aerzte sehr wenig, ob sie gleich an solchen Leuten keinen Mangel haben. Sie haben kein Vertrauen zu ihnen, und das einzige, was sie noch zugeben, ist, daß sie sich von ihnen die Adern oͤfnen laßen. Die moͤglichste Enthaltung der Speisen halten sie fuͤr das einzige Mittel, die zum Theil verlohrne Gesundheit wieder zu erhalten. Unter andern Krankheiten trift man auch bey ihnen die von den Portugiesen sogenannte Krankheit Mordechin an, welche in einem Erbrechen und Durchlauf besteht, und groͤße- C c 4 stentheils stentheils vom Ueberfluß im Essen, besonders wenn Fleisch und Fische mit einander gegessen werden, herruͤhrt. Man soll diese Krankheit mit einem sehr heissen Eisen curiren, welches man dem Patienten so lange auf die Fersen legt, bis er den Schmerz empfindet. Die Europaͤer sind noch einer andern Krankheit unterworfen, welche man Barbeers nennt, und in der Berau- bung des Gebrauchs aller Glieder besteht. Dieses Uebel entsteht bisweilen daher, wenn sie ihre Gliedmaßen nicht genug vor den kalten Duͤnsten der Nacht und vor den Feuchtigkeiten derjenigen naͤchtlichen Zufaͤlle, die in dieser Ge- gend hie und da verspuͤrt werden, verwahren. Das beste Mittel, das fuͤr diese Krankheit kann gebraucht werden, ist, daß sie sich fleißig der warmen Baͤder bedienen. In Bengalen sind, außer den bereits erwaͤhnten Krankheiten, So- nipat und Pilhay, noch die gewoͤhnlichsten. Sonipat, oder die Schlafsucht wird geheilt, wenn man mit Weineßig zerstoßenes Chenopo- dium — welches ein gewisses Kraut ist, in die Augen legt. Was die Milzverstopfung anbetrift, so machen die Joghis, oder die hindistanischen Bussaden, deren besonderes und eigentliches Huͤlfsmittel dieses ist, einen kleinen Einschnitt oberhalb der Milze, stecken alsdann eine lange Nadel zwischen die Haut und das Fleisch, und legen ein Stuͤck Horn auf die Wunde, welches eine schleimichte und faulartige Materie heraus- zieht. zieht. — Die gemeinen Leute pflegen sich sehr einfacher Mittel zu bedienen. Hat z. E. jemand die Kolik, die vom Winde und Schleime ent- steht, so geben sie ihm vier Loͤffel voll Wasser ein, worinn etwas Anis und Ingwer so lange gekocht worden, bis sich das Wasser halb ver- zehrt Sie zerstoßen auch eine rohe Zwiebel mit Ingwer, und legen sie kalt auf denjenigen Theil, wo der Schmerz empfunden wird. — Hat jemand eine Verstopfung des Urins, so geben sie ihm einen Loͤffel voll Baumoͤhl ein, der mit eben so viel Wasser wohl vermischt ist, und heilen ihn damit. Ein dreytaͤgiges Fieber heilen sie auf folgende Art: sie gebrauchen nem- lich drey Tage lang drey Loͤffel voll Gamaͤnder- lein oder Bothengel, und vermischen es vorher mit etwas Salz und Ingwer. Die Indianer werden nicht nur so alt als die aͤltesten Europaͤer, sondern sie haben auch noch aͤltere Leute unter sich, welches ihrer Maͤs- sigkeit im Essen und Trinken zugeschrieben wer- den muß. Sie sind gesunder, aber nicht so munter, als diejenigen, welche unter den kalten Himmelsstrichen wohnen; und diese Schwaͤche und Traͤgheit des Koͤrpers ist eine Krankheit, die bey der großen Sommerhitze allen und je- den, besonders aber den Europaͤern, die der großen Hitze nicht gewohnt sind, sehr beschwer- lich faͤllt. Die Hindistaner fangen ihr Jahr mit dem ersten Maͤrz an, und die Mohamme- daner den zehnten, da, nach der Rechnung ih- C c 5 rer rer Sterndeuter, die Sonne in den Widder tritt. Ihr Jahr wird in zwoͤlf Monate, oder vielmehr in dreyzehn Monden eingetheilt; und mit der Eintheilung ihrer Zeit hat es auch eine andere Bewandniß, als bey uns Europaͤern. Sie theilen sowohl den Tag als die Nacht in vier Theile ein, die sie Pores nennen, und je- der Pore wird wieder in acht Theile getheilt, die sie Gris nennen. Diese Theile der Zeit, werden nach der alten Art mit Wasser abgemes- sen, das aus einem Gefaͤß in ein anderes trau- felt; und wenn das Gefaͤß leer ist, so fuͤllt es ein dazu bestellter Mann wieder an, und schlaͤgt sodann die Zahl der vergangenen Pores und Gris mit einem Hammer auf ein hohles Stuͤck Metall, das an einem Drate aufgehaͤngt ist, einen tiefen Ton hat, und sehr weit gehoͤrt wer- den kann. Diese Zeitmesser sind aber unter ih- nen eben nicht gemein. Aus der Bauart macht man in Indien gar nicht viel. Die Armen koͤnnen keine große und praͤchtige Gebaͤude auffuͤhren, und die Reichen denken gar nicht daran, dergleichen zu versuchen. Die Ursache hiervon ist diese, weil sie von der Mitte des Septembers an bis gegen die Mitte des Aprils in Gezelten leben, die sie, so oft sie es wegen der Veraͤnderung der L uft fuͤr gut be- finden, von einem Orte zum andern bringen lassen; und theils, weil sie keine Erbguͤter ha- ben, sondern blos und allein von den Jahrgel- dern dern leben, welche ihnen der Kayser aus Gnade zufließen laͤßt. Indessen haben sie fuͤrtrefliche Baumateria- lien, als Zimmerholz, Ziegelsteine, andere Stei- ne und Marmor von verschiedenen Arten und Farben, woraus oftmals ihre Moskeen und Grabmaͤhler erbauet werden. Unter den Haͤu- sern, die man in Staͤdten und Flecken antrift, koͤnnen einige schoͤn genannt werden; andere gehen noch hin, als diejenigen, in welchen Kauf- leute wohnen. Keine sind aber gar zu schlecht. Sie sind nicht uͤber zwey Stockwerke hoch, und viele sind oben platt. Diese platten Daͤcher sind dicke, und mit einem gypsartigen Pflaster belegt. Die obersten Zimmer in den Haͤusern von zwey Stockwerken sind oft sehr groß, und haben an den Seiten Thuͤren, die man zusam- menlegen kann, um frische Luft hinein zu laßen. Diese kommt auch durch die Fenster hinein, die immer offen stehen, und weder mit Glas noch mit andern Laden verschlossen sind. Sie haben auch keine Schornsteine in ihren Haͤusern, weil sie zu nichts anderm Feuer gebrauchen, als zu Zubereitung ihrer Speisen, und dieß thun sie außer ihren Haͤusern oder Gezelten, bey einer Mauer, oder bey einer von Erde errichteten Bank, um die Hitze zu vermeiden. An gewis- sen Orten pflanzen sie hohe und sich weit aus- breitende Baͤume um ihre Haͤuser herum, die von dem Schatten derselben kuͤhle gemacht wer- den. Zu Ahmed im Guzerate sind die mei- sten sten Haͤuser von Ziegelsteinen erbauet, und ha- ben hohe mit Ziegeln gedeckte Daͤcher. Die Haͤuser auf den Doͤrfern sind durchgaͤngig schlecht und elend. Sie stoßen alle an einan- der. Die Mauren einiger ihrer Haͤuser sind von Erde gemacht, worunter Stroh gemischt ist. Sie errichten dieselben sogleich, wenn das Regenwetter vorbey ist. Da sie nun also Zeit haben, durch und durch trocken zu werden, so stehen sie nachgehends feste, und leiden wenig vom Wetter. Selbst die bekannte Stadt Dehli hat viele schlechte und sehr aͤrmliche Haͤuser. In dieser Stadt sind die schoͤnen, mittelmaͤßigen und schlechten untereinander gemengt. Diese letztern sind blos von Leimen und Stroh ge- macht. In denselben wohnen gemeiniglich die gemeinen Reuter des Kaysers, ihre Bediente, und die Marketender, die dem Hofe und der Armee nachfolgen. Diese Strohhaͤuser gera- then manchmal in Brand, und es ist nichts un- gewoͤhnliches, wenn einige tausend Stuͤcke auf einmal abbrennen. Die Haͤuser von der zweyten Gattung wer- den von den Mansepdaren oder kleinen Omrahs, den Gesetzgelehrten, von vielen großen Kauf- leuten, und von vielen andern Privatpersonen bewohnt. Doch sind nur wenige derselben von ganzen Ziegelsteinen, oder von andern Steinen erbaut, und die Anzahl derjenigen, die nur aus Erde bestehen, und mit Stroh bedeckt sind, ist nicht geringe. Dem ungeachtet sind sie durch- durchgaͤngig luftig, und mit Hoͤfen und Gaͤr- ten versehen. Die inwendigen Waͤnde sind sau- ber uͤbertuͤnchet, und die Zimmer mit gutem Geraͤthe versehen. Was die Haͤuser der ersten Ordnung anbe- trift, in welchen die Omrahs wohnen; so ist zu merken, daß ein Haus in diesen heissen Ge- genden, wenn es den Namen gut und schoͤn ver- dienen soll, bequem und also liegen muß, daß es die Luft von allen vier Seiten, und beson- ders von Norden her, hat. Es muß Hoͤfe, Gaͤrten, Baͤume, Wasserbehaͤltnisse und Spring- wasser, entweder in Saalen, oder wenigstens beym Eingange, haben. Es muß auch mit gu- ten Kellern und großen Wedeln versehen seyn, damit die Luft waͤhrend der Zeit, da man ruhet, in Bewegung kann erhalten werden. Diese dauert aber von zwoͤlf Uhr an, bis um vier oder fuͤnfe, da die unterirrdische Luft heiß und duͤn- ne zu werden anfaͤngt. Anstatt des Weinkeller muß es kleine Kas, d. i. kleine Haͤuser von Stroh, oder vielmehr von wohlriechenden Wur- zeln haben, die sehr sauber gemacht sind, und gemeiniglich mitten auf einem mit Gras bewach- senen Platze, nicht weit von einem Wasserbe- haͤltniß stehen, um sie leicht waͤssern zu koͤnnen. Es wird auch zur Schoͤnheit eines Hauses erfor- dert, daß es mitten auf einem großen Platze liege, und vier große Zugaͤnge habe. Endlich muß ein gutes Haus hohe offene Gallerien ha- ben, worauf man des Nachts schlafen kann, und und auf eben dem Flur muß es eine große Kammer haben, damit man das Lager leicht hineinbringen kann, im Fall es regnen, oder man durch die Morgenluft, oder durch einen starken Thau, genoͤthigt werden sollte, seine Zuflucht anderswo zu suchen. So muß eine gute Wohnung von außen beschaffen seyn, und das Innere muß mit dem Aeußern uͤbereinstimmen. Der ganze Boden muß mit einer vier Zoll dicken cattunenen Ma- tratze bedeckt seyn, und auf dieser muß im Som- mer ein fein leinwandenes Tuch, und im Win- ter ein Stuͤck seidener Tapezereyen liegen. In den sichtbarsten Theilen des Zimmers, nahe bey der Wand, muͤssen ein oder zwey Polster liegen, die mit zierlicher seidener Stickerey besetzt, mit Gold oder Silber durchwuͤrkt, und mit schoͤnen gebluͤmten Decken versehen sind, worauf sich der Herr des Hauses, oder Standespersonen bey ei- nem Besuche, setzen koͤnnen. Das Querbret eines jeden Polsters, woran man sich lehnt, muß mit Gold gestickt seyn; und rund in dem Zimmer, laͤngs den Waͤnden herum, muͤssen noch andere dergleichen mit Sammt und ge- bluͤmten Atlas uͤberzogene Breter befindlich seyn, damit sich die Anwesenden daran lehnen koͤnnen. Die Waͤnde muͤssen fuͤnf bis sechs Fuß hoch von dem Boden, und endlich muß auch das Tafelwerk bemahlt und verguldet seyn; nur duͤrfen keine Menschen und Thiere darauf abge- abgemahlt werden, weil dieß ihre Religion nicht verstattet. Es giebt also in Hindistan Haͤuser, die wuͤrklich schoͤn sind, ob man sie gleich mit den der Europaͤer nicht gleich setzen darf. Es fehlt den Indianern nicht an Seiden- und Kattunfabriken. Sie sind von verschiede- ner Art. In den Seidenfabriken verfertigt man Sammt, Atlasse, Taffte; in den Kattun- fabriken macht man allerley Couleuren von Kattune. Die hindistanischen Kaufleute handeln nach verschiedenen Laͤndern, nach dem nemlich die Gebiete liegen, welche sie bewohnen. Die Be- wohner der suͤdlichen Gegenden schicken ihre Waaren uͤber das rothe Meer nach Mecca, wohin die Kaufleute aus Egypten und aus Abyssinien Handlung treiben. Die Guͤter, welche außerhalb Landes verfahren werden, be- stehen fuͤrnemlich aus Kattun und Callicoes von verschiedener Gattung. Diese verschicken sie auf Schiffen, die Junken heissen. Einige dieser Schiffe koͤnnen vierzehn bis funfzehn hun- dert Tonnen tragen. Man versieht sie zugleich mit groben Geschuͤtz, gehen aber sehr langsam fort, weil sie breit und kurz sind. Eine solche Junke kann tausend sieben hundert Reisende in sich fassen; und ihre Ladung belaͤuft sich bey ihrer Zuruͤckkunft auf 200000 Pfund, mei- stens in Gold und Silber. Hindistan Hindistan liefert noch außer den vorhin ge- nannten Waaren, Diamanten, Indigo, Bi- sam, Lack u. s. w. womit es auswaͤrtige Laͤn- der versieht. Viertes Kapitel. Von der Macht und dem Reichthum des Großmogols. D ie erstaunliche Menge von Soldaten, die von diesem Monarchen bestaͤndig gehal- ten werden, macht sie weit furchtbarer als alle uͤbrige indianische Fuͤrsten. Man stellt sich in Europa faͤlschlich vor, ihre Heere waͤren mehr der Menge, als der Tapferkeit wegen schrecklich. Nicht Muth, sondern Kriegeskunst und Ge- schicklichkeit, sich der Waffen zu bedienen, man- geln dieser Mannschaft. An der Kriegeszucht und Fertigkeit wuͤrde sie der unsern sehr wei- chen; aber sie uͤbertrift darinnen alle Indianer, und die meisten auch an Tapferkeit. Ohne auf die tartarischen Eroberer zuruͤckzugehen die man als der Mogolen Vorfahren ansehen kann, so ist gewiß, daß Ekbar und Aurengzeb, nur durch die Tapferkeit ihrer Voͤlker, die Graͤnzen ihres Reichs so weit erstreckt haben, und daß der der letzte so lange ganz Osten mit dem Schrecken seines Namens erfuͤllet hat. Alle Mannschaft dieses großen Reichs, laͤßt sich in drey Abtheilungen bringen. Die erste be- stehet aus einem Kriegsheere, das immer unter- halten wird, und sich in des Großmogols Haupt- stadt befindet, auch alle Tage vor seinem Pal- last die Wache fuͤhret. Die zweyte, aus einer Mannschaft, die in allen Landschaften des Reichs zerstreuet ist, und die dritte aus Huͤlfs- voͤlkern, welche die Vasallen des Kaysers, die Rajahs liefern muͤssen. Alle diese Mannschaft aber wird nicht auf einerley Art unterhalten. Das ansehnlichste Corps, sind die 4000 Leibeigene des Kaysers, durch welche Benennung sie ihre Ergebenheit gegen ihn anzeigen. Ihr Oberhaupt, der Da- roga, ist ein ansehnlicher Befehlshaber, dem man oft die Fuͤhrung des Kriegesheers anver- trauet. Alle Soldaten, die man unter eine so erhabene Mannschaft nimmt, werden an der Stirne bezeichnet. Aus ihnen nimmt man die Mansepards, und andere Unterbefehlshaber, sie nach und nach bis zur Stufe des Krieges- omrahs zu erheben, welcher Titel unsern Gene- rallieutenanten gleich koͤmmt. Das Heer das taͤglich an den Thoren des Pallastes gelagert ist, wo sich auch der Hof aufhaͤlt, betraͤgt wenigstens 5000 Ritter, ohne eine erstaunliche Menge Fußvolks zu rechnen, damit Dehli und Agra, die beyden vornehmsten D d Sitze Siße des Großenmogols, bestaͤndig erfuͤllet sind. Wenn sie auch im Felde sind; so sehen diese beyden Staͤdte wie wuͤste Lager aus, die die von einem starken Heere waͤren verlassen worden. Alles folget dem Hofe, und das Quartier der Baniyanen, oder der großen Kauf- leute ausgenommen, siehet das uͤbrige wie eine oͤde Stadt aus. Unglaublich viele Marketaͤn- der, Lasttraͤger, Selaven , und kleine Kauf- leute, begleiten die Heere, ihnen eben die Dien- ste zu leisten, wie in den Staͤdten. Die Leibwache, des goldenen, silbernen, und des eisernen Streitkolbes, machen auch drey verschiedene Compagnien aus, deren Sol- daten bey jeder auf eine andere Art, an der Stirne bezeichnet werden. Ihr Sold betraͤgt mehr, und ihr Ansehen ist groͤßer, nachdem das Metall beschaffen ist, mit dem ihre Streit- kolbe uͤberzogen sind. Alle diese Mannschaft ist außerlesen, und hat diesen Rang durch ihre Tapferkeit erwerben muͤssen. Man muß noth- wendig darunter gedienet, und sich hervorge- than haben, wenn man zu den Wuͤrden des Staats steigen will. Die Geburt giebt in den mogolischen Heeren keinen Rang. Nur Ver- dienste bestimmen den Vorzug, und der Sohn eines Omrahs befindet sich oft unter den schlech- testen Soldaten. Daher erkennen auch die Mohammedaner in Indien keinen Adel, als die Abstammung von Mohammed, die uͤberall ver- ehret wird, wo der Koran in Ansehen ist. Ueber- Ueberhaupt haͤlt der Kaiser zu Dehli, oder zu Agra, wo er sich befindet, auch in Friedens- zeiten fast 200000. Wenn der Hof auch zu Agra ist; so bleibt doch da eine Besatzung von 15000 Mann zu Pferde, und 30000 zu Fuße. Diese Regel muß man bey der Zahl der mogo- lischen Kriegsheere beobachten, daß des Fuß- volks allemal doppelt so viel ist als der Reute- rey. Zweene Gruͤnde erfordern zu Agra allezeit ein kleines Kriegsheer zu halten; erstlich weil sich der Schatz des Reiches, bestaͤndig da be- findet; zweytens, weil man mit den Landleu- ten dieser Gegend, fast in bestaͤndigen Kriege lebet, welche kriegerisch und widerspaͤnstig sind, und seit der Erbauung von Hindistan noch nicht recht haben koͤnnen gebaͤndigt werden Bisweilen haͤlt sich der Hof zu Lahon auf. Wenn er sich aber auch anderswo befindet, so haͤlt der Kayser doch daselbst 12000 Mann zu Pferde, und nach diesem Maaße auch Fußvolk. In der Landschaft Asinire besoldet er eine Be- satzung von 6000 Reuter, 10000 in Guzura- te, 7000 in Malway, 7000 in Pantano, 6000 in Multan. Das Heer, welches die Landschaft Kabul vor den Nadir-Chah ver- theydigte, war allezeit zahlreich genug, die Perser von der Seite zu Kandachar zuruͤck zu halten. Es stieg ordentlich auf 60000 Pferde, welche mehr durch die List des Koͤniges von Per- sien, als durch seine Macht, zerstreut wurden. Die Landschaften Tata, Bokas, Ureka und D d 2 Kache- Kachemir, haben jede nicht mehr, als 4000 Pferde. In Dekom zaͤhlt man 8000, in Ba- rar 7000, in Brampur 6000, in Baglana 5000, in Nande 6000. Seit des Aureng- zebs Eroberung, haben die Koͤnigreiche, Ben- galen, Ugen, Visapur und Golkonde, viel staͤrkere Besatzungen. Bengalen, welches auf einer Seite, an Indien, jenseit des Ganges, und auf der andern, an das Koͤnigreich Ara- kan, und die Stadt Chatigam stoͤßt, hat zu seinem Schutze mehr Soldaten noͤthig. Man unterhaͤlt daselbst bestaͤndig 4000 Pferde. Ugen liegt zwar ziemlich tief in das Reich hin- ein, aber es ist mit den maͤchtigsten Rajahs um- geben, und hat nie unter 15000 Pferde; die Besatzung von Visapur ist nicht schwaͤcher. Im Koͤnigreiche Golkonde, wo die Diamant- gruben sind, befinden sich 20000 Pferde, und in Carnade fast eben so viel, um viele kleine Koͤnige im Zaum zu halten, die in ihrem eig- nem Staate, in der That nichts weiter, als des Großmogols Pachter und Einnehmer sind. Wenn diese große Menge Soldaten und Befehlshaber, die nur vom Solde des Landes- herrn leben, die Ruhe des Staats versichert, so dient sie auch manchmal, sie zu stoͤhren. So lange der Landesherr Ansehen genug uͤber seine Unterkoͤnige und Mannschaft behaͤlt, daß er wegen ihrer Treue nichts fuͤrchten darf, so sind keine Empoͤrungen zu erwarten, sobald sich sich aber Prinzen von Gebluͤte wider den Hof auflehnen, finden sie oft unter der Mannschaft ihres Oberherrn, maͤchtigen Beystand, ihn zu be- kriegen. So erhob sich Aurengzeb auf den Thron, und die Geschicklichkeit, mit welcher er die Gewogenheit der Befehlshaber in den Pro- vinzen zu erlangen wußte, lenkte alle Macht zu seinem Vortheile die sein Vater Cha Jehann, zu seiner eignen Vertheidigung hielt. Gleich- wohl hat diese Regierungsart auch verschiedene Vorzuͤge, worunter man auch rechnen kann, daß die Kayser, als Eigenthuͤmer aller liegenden Gruͤnde im Reiche, dadurch von ihren Einkuͤnf- ten ein guter Theil ihrer Unterthanen unterhal- ten wird. Die Huͤlfsvoͤlker, welche die Ra- jahs liefern muͤssen, vergroͤßern noch die Macht von Hindistan, aber sie werden ordentlich nur im Kriege, und nicht so sehr aus Noth, als der Pracht wegen, gebraucht. So furchtbare Heere, die in allen Theilen des Reichs ausgebreitet sind, verschaffen or- dentlich den Graͤnzen Sicherheit, und dem Mittel des Staats Ruhe. In dem kleinsten Flecken liegen wenigstens zwey Reuter, und vier Mann zu Fuße. Dieß sind die Kundschafter des Hofes, welche von allem, was sie sehen, dem Hofe Nachricht geben, und durch ihre Be- richte die meisten Befehle, die in die Provinzen abgehen, veranlassen. Die schaͤdlichen Waffen der mogolschen Reuterey sind der Bogen, der Koͤcher mit vier- D d 3 zig zig oder funfzig Pfeilen angefuͤllt, der Wurf- spies oder Zagaje, den sie mit großer Richtig- keit werfen, der Saͤbel auf einer Seite und der Dolch auf der andern. Beschuͤtzende Waffen haben sie, den Schild und ein Schild- chen, das sie bestaͤndig am Halse hangend tra- gen; aber kein Feuergewehr. Das Fußvolk bedient sich der Muskete mit ziemlicher Geschicklichkeit. Die, welche keine Muskete haben, fuͤhren nebst Bogen und Pfei- len eine Pike von zehn oder zwoͤlf Fuß, die sie im Anfange des Gefechtes, wider den Feind schießen. Andere haben Panzerhemden bis an die Knie, wenige aber Helme, weil solche in der großen Hitze dieses Landes hoͤchst unbequem seyn wuͤrden. Sonst haben die Mogoln keine Krie- gesordnung. Sie wissen keinen Unterschied unter Vortreffen, Mitteltreffen, und Nach- zug. Sie kennen weder Fronte noch Glieder, und fechten sehr unordentlich. Da sie keine Zeughaͤuser haben, so muß jeder Anfuͤhrer sei- nen Haufen mit Waffen versorgen. Daher kommen so mancherley Waffen, die oft nicht in einem Haufen einerley sind. Aureng- zeb wollte dieser Unordnung abhelfen. Das eigene Zeughaus des Kaysers ist von großer Pracht. Seine Wurfspieße, Koͤcher, und be- sonders Saͤbel sind da in der schoͤnsten Ord- nung zu sehen. Alles glaͤnzet da von kostbaren Steinen. Er macht sich ein Vergnuͤgen, sei- ne Waffen selbst einen Namen zu geben. Einer seiner seiner Saͤbel heißt Alam Gaͤir, der Eroberer der Erde; ein anderer, Fale Alam, der Be- sieger der Welt. Alle Freytage Morgens, ver- richtet der Großmogol sein Gebet im Zeughau- se, Gott zu bitten, daß er mit seinen Saͤ- „beln Siege erfechte,„ und dem Namen des „Einigen bey seinen Feinden Verehrung erwer- „ben moͤge.) Seine Staͤlle sind der Menge seiner Sol- daten gemaͤß. Sie enthalten erstaunlich viel Pferde und Elephanten. Seine Pferde sind etwa 12000 davon er doch nur 20 oder 30 fuͤr seine Person waͤhlet: die uͤbrigen dienen zu Pracht oder zu Geschenken. Die Großmogo- len pflegen jedem, von dem sie den geringsten Dienst erhalten haben ein Pferd und eine Klei- dung zu geben. Man laͤßt alle Pferde aus Persten, Arabien, und der Tartarey kommen. Die man in Indien zieht, sind staͤtig, scheu, weich, und kraftlos. Ihrer kommen jaͤhrlich uͤber 100000 von Balk, Bokara, und Ka- bul, welches ein ansehnlicher Vortheil fuͤr die Zoͤlle des Reichs ist, die 25 von 100 fuͤr ih- ren Werth bekommen. Die besten werden zum Dienst des Fuͤrsten abgesondert; die uͤbrigen denen verkauft, die ihrer Aemter wegen Sol- daten beritten machen muͤssen. Man hat in verschiedenen Nachrichten angemerkt, daß ihr Futter in Indien nicht dem europaͤischen aͤhn- lich ist, weil man in einem so warmen Lande, nur an den Ufern der Fluͤsse Heu sammeln D d 4 kann. kann. Man ersetzt den Mangel durch gesal- zene Kuchen. Die Elephanten sind zugleich ein ansehnli- cher Theil der Macht des Kaysers’, und eine der schoͤnsten Zierde seines Pallastes. Er haͤlt ihrer auf 500. Er giebt ihnen selbst majestaͤti- sche Namen, welche den Eigenschaften dieser großen Thiere gemaͤß sind. Ihre Bedeckungen zeigen erstaunliche Pracht. Der, welcher den Kayser traͤgt, hat auf seinem Ruͤcken einen Thron, der von Gold und Edelgesteinen glaͤn- zet. Die andern sind mit goldnen und silbernen Platten, mit Gold gewuͤrkten Decken, mit Glocken und goldenen Franzen gezieret. Der Thronelephat, der den Namen Aureng Gas, oder Hauptmann der Elephanten, fuͤhrt, hat allemal ein zahlreiches Gefolge. Pauken, Trompeten und Fahnen gehen immer vor ihm her. Er hat dreyfachen Sold zu seinem Un- terhalte. Sonst haͤlt der Hof zum Dienst ei- nes jeden Elephanten, zehn Mann: zwey, die ihn uͤben, fuͤhren und regieren muͤssen: zwey, die ihm die Kette anlegen: zwey, die ihm sein Getraͤnke an Wein und Wasser reichen: zwey, die Lanzen vor ihm hertragen, und das Volk aus dem Wege treiben: zwey, die Feuerwerke vor seinen Augen machen, um ihn daran zu gewoͤh- nen: einer, ihm seine Streue wegzunehmen, und neue zu geben: einer endlich, ihm die Fliegen weg- zujagen. — Die Elephanten des Pallastes wer- den sowohl zur Jagd als zum Gefecht abgerich- tet. tet. Man gewoͤhnt sie zur Wuth, indem man Loͤwen und Tieger von ihnen angreifen laͤßt. Die Uebung, die man mit ihnen vornimmt, Stadthore aufzubrechen hat viel kriegerisches an sich. Das Geschuͤtz des Kaysers ist sehr zahlreich, und die meisten Stuͤcke, die er bey seinem Krie- gesheer gebraucht, sind aͤlter, als man sie in Europa antrift. Mann kann nicht zweiflen, daß das Geschuͤtz und Pulver den Indianern lange vor dem Timur Beg bekannt gewesen sind. Es ist daselbst eine alte Sage, die Chineser haͤt- ten zu der Zeit, da sie Dehli besessen, da Ge- schuͤtz gegossen. Jedes Stuͤck hat seinen Na- men. Unter den Kaysern vor Aurengzeb, waren fast alle Canonirer des Reichs, Euro- paͤer. Allein der Religionseifer veranlaßte die- sen Herrn, nur Mohammedaner in seinen Dien- sten zu dulden. Man litt an diesem Hofe sonst keine Franguis, als Aerzte und Goldschmiede. Man hat nur allzuwohl daselbst gelernt, unsre Canonier und alle Kuͤnstler zu entbehren. Um unsern Lesern einen Begriff von ben Reichthuͤmern dieses Monarchen zu machen, so muͤssen wir dabey auf drey Stuͤcke sehen. 1) Die Fruchtbarkeit von Hindistan. 2) Den Reichthum, der durch den Handel, aus Euro- pa, Afrika, und den andern Theilen von Asien, in sein Land einkommt. 3) Die Tribute, die der Kayser von allen seinen Unterthanen ein- D d 5 hebt. hebt. Die Laͤnder in Hindistan bringen einen Ueberfluß an Gedreide, Fruͤchten, Baumwolle, Seide, Zugvieh, Diamanten, und andere schaͤtzbare Nothwendigkeiten hervor, es giebt ader auch in diesen Laͤndern große Striche, die zur Bearbeitung ganz unfaͤhig sind, und die Einwohner in andern Gegenden geben sich keine Muͤhe, sie tragbar zu machen. Da auch der Kayser uͤberdieß allein Eigenthuͤmer dieser Laͤn- der ist, und das Volk keinen Theil daran hat, so wird fuͤr die Verbesserung derselben nicht ge- sorgt. Um nun dieser Unbequemlichkeit einiger- maßen abzuhelfen, so ließ Akber, der die Fi- nanzen seines Reichs auf einen bessern Fuß ge- setzt hat, den Statthaltern und Gouverneuren, statt der Besoldungen, die ihnen sonst in Gelde ausgezahlt wurden, Laͤndereyen in ihren beson- dern Departementen anweisen, um sie zu ihren Vortheil anbauen zu lassen, und hielt sie an, fuͤr die uͤbrigen Felder eine gewisse Summe, nach Proportion ihrer Fruchtbarkeit zu be- zahlen. Diese Gouverneurs, die eigetlich zu reden, weiter nichts sind, als Reichspaͤchter, verpach- ten diese wieder an andere. Da aber die Ackersleute weiter nichts als ihren Unterhalt haben, so haͤlt es schwer, ohne Zwang zu dieser Arbeit Bauern zu bekommen. Dadurch werden sie veranlaßt, in die Gebiete der Rajahs zu fluͤchten, die mit ihnen etwas menschlicher um- gehen. Und dadurch werden die Laͤnder des Groß- Großmogols unvermerkt von Volk entbloͤst, und bleiben ungebaut liegen. Allein, das Gold und Silber, das durch den Handel nach Hindistan gebracht wird, er- setzt diesen Abgang, und macht den Souverain außerordentlich reich. Nach Berniers Berichte, kommt alles Silber aus Mexico, und alles Gold aus Peru, nachdem es in Europa und Asien eine Zeitlang circulirt, endlich in das Reich des Großmogols, ohne jemals wieder aus densel- ben zu kommen. Ein Theil dieses Reichthums wird in die Tuͤrkey gebracht, um damit die aus diesem Lande eingefuͤhrten Waaren zu be- zahlen. Aus der Tuͤrkey geht das Geld nach Persien, uͤber Smyrna, fuͤr die Seide aus diesem Lande. Aus Persien laͤuft es durch den Handel zu Mocco, Bab al Mandel, und Ban- der Abbasi, wieder in Hindistan ein. Außer- dem geht auch das Geld unmittelbar aus Europa nach Indien, sonderlich durch den Handel der Hollaͤnder und Portugiesen. Fast alles Sil- ber, das jene aus Japan bringen, geht durch Einkauf der Waaren und Bequemlichkeiten in die Staaten des Großmogols ein. Es ist wahr, daß Hindistan bey aller seiner Frucht- barkeit genoͤthigt ist, einige Artikel aus andern Laͤndern zu holen, z. E. aus Japan, das Kupfer, aus England Bley, aus Ceylon Zimmt, Muscatennuͤsse und Elephanten, aus Arabien, Persien und der Tartarey, Pferde. Allein die Verkaͤufer werden gemeiniglich mit Waaren Waaren bezahlt, so daß der groͤßeste Theil des Goldes und Silbers in der Welt tausend Wege nach Hindistan findet, aber keinen einzigen hat, wieder heraus zu kommen. Das bewundernswuͤrdigste ist dabey dieses, daß bey diesem erstaunlichen Einfluß des Goldes und Silbers in Indien, man in den Haͤnden der Privatpersonen, nicht mehr davon findet, als anderwaͤrts. Es ist zwar an dem, daß hier sehr viel Gold und Silber in den Manu- facturen aufgehet, und daß die Indianer einen großen Theil derselben vergraben, in der Mey- nung, daß sie desselben in der anderen Welt benoͤthigt seyn moͤchten. Bey dem allen aber traͤgt das Verhalten der Kayser das Meiste da- zu bey, daß das Geld unter ihnen so rar ist. Diese sammeln nemlich große Schaͤtze, und ver- wahren sie in unterirdischen Gruͤften, um den Ueberfluß unter den Unterthanen zu verhuͤten, den sie fuͤr sehr schaͤdlich halten. Auf die Weise fallen alle Schaͤtze, die durch den Handel ins Land gebracht werden, wie Bernier sagt, end- lich in die Kasten des Kaysers. Man hat also gar nicht Ursache, sich uͤber den unermeßlichen Reichthum, der hindistani- Kayser zu verwundern. Der Ertrag seiner Einkuͤnfte, die er blos aus den vorhin erwaͤhn- ten Verpachtungen seiner Provinzen erhaͤlt, belaͤuft sich nicht weniger als auf dreyhundert sieben und achtzig Millionen, ein hundert und vier und neunzig tausend Rupien. (Diese 387, 387,194,000 Rupien, einen jeden zu 2 Schil- linge und 6 Pfennige engellaͤndisch gerechnet, ma- chen 48,399,250 Pfund Sterlings aus. Man kann uͤbrigens von den ganzen Einkuͤnften des Großmogels keine genaue Rechnung vorlegen.) Außer diesen festgesetzten Einkuͤnften, die nur aus den Feldfruͤchten kommen, sind die zu- faͤlligen eine andere Quelle des Reichthums, die der vorigen gleich ist, wo sie dieselbe nicht gar uͤbertrift. Diese entstehen nun, erstlich aus der jaͤhrlichen Kopfsteuer, die die Hindistaner entrichten muͤßen. Zweytens aus dem Zoll des fuͤnften von hundert von allen Waaren, die hindistanischen Kaufleuten gehoͤren, davon aber Aurengzeb die Mohammedaner ausgenommen hat. Drittens aus dem Zoll, der von der Lein- wandsbleiche abgetragen werden muß. Vier- tens, aus den Diamantsgruͤften, davon die schoͤnsten und groͤßesten Steine dem Kayser ge- hoͤren Fuͤnftens, die Zoͤlle aus den Haͤfen des indianischen Meers, und des bengalischen Meerbusens. Sechstens, aus dem Vermoͤgen und Effecten seiner mohammedanischen Unter- thanen, die in seinem Solde gestanden, wovon er Erbe ist. Siebtens, aus den Tributen, die er von den Rajahs einhebt. Indessen geht von diesen zufaͤlligen Einkuͤnften ein großer Theil in den Schatz des Kaysers blos darum, um unter seine Unterthanen ausgetheilt zu wer- den, wovon die Haͤlfte von seiner Guͤtigkeit lebt, oder wenigstens besoldet wird. Ueberdieß wer- werden eine große Menge Officiers und Solda- ten, die blos von ihrer Lehnung leben, wie auch alle Bauern, die den Acker blos fuͤr den Souve- rain bauen, auf seine Unkosten unterhalten: ja auch alle Kuͤnstler und Handwerksleute in den Staͤdten, die fuͤr ihn arbeiten, werden aus dem kayserlichen Schatz bezahlt. — Fuͤnftes Kapitel. Von der Regierungsverfaßung und Poli- zey in Hindistian. N ichts ist einfacher, als die Triebfedern, die dieß große Reich in Bewegung setzen; der Kayser allein ist das Triebrad desselben. Seine Gerichtsbarkeit ist so wenig getheilt, als sein Eigenthum, und alles Ansehen beruhet ein- zig und allein auf seiner Person. Eigentlich ist nur ein einziger Herr in Hindistan. Alle uͤbrige Einwohner sind mehr Leibeigene als Un- terthanen. Am Hofe befinden sich die Staatssachen in den Haͤnden dreyer oder vier Omrahs vom er- sten Range, die sie dem Monarchen vorlegen. Der Itimad-ud Deulet oder erste Minister, hat bey dem Mogul eben die Stelle, die der Großvizir in der Tuͤrkey verwaltet. Oft aber ist ist dieser Titel ohne Verwaltung und die Wuͤrde ohne Geschaͤfte. Der Kayser erwaͤhlt oftmals einen Menschen ohne alle Erfahrung, zum Groß- vizir und laͤßet ihm nur die Besoldung seines Amtes. Bald ist es ein Prinz vom mogolschen Gebluͤt, der sich so gut aufgefuͤhrt hat, daß man ihn bis in sein Alter will leben lassen; bald der Vater einer Koͤniginn, die bey dem Kayser in besonderer Gunst stehet, der oft aus dem ge- meinsten Poͤbel ist; alsdann faͤllt alle Last auf die beyden Staatssekretaire. Einer sammlet die Schaͤtze des Reichs; der andre theilt sie aus. Dieser bezahlt die Bedienten der Krone, die Soldaten und die Landleute; jener nimmt die Einkuͤnfte der herrschaftlichen Guͤter ein, fodert die Abgaben und Zinsen. Ein dritter Finanz- bedienter, der aber nicht in so vielem Ansehen steht, als die Staatssekretaire, muß die Erb- schaften derjenigen, die in Diensten des Kaysers sterben, sammeln. Diese Bedienung ist ein- traͤglich, aber verhaßt. Uebrigens gelangt man zu dieser erhabenen Stelle nur durch die Waffen. Denn aus den Befehlshabern der Kriegesheere, werden allezeit die Staatsbedienten und Feld- herrn gewaͤhlt. Hat man ihres Vorspruchs bey dem Kayser noͤthig; so kommt man nie oh- ne Geschenke zu ihnen. Doch kommt dieser Gebrauch nicht so sehr von dem Geize der Om- rahs, als der Ehrfurcht der Clienten her. Auf den Werth des Geschenks wird wenig gesehen. Das Hauptwerk ist, daß man sich vor den Be- dienten dienten der Krone nicht mit leeren Haͤnden zeigt. Wenn der Kayser seine Soldaten nicht in eigner Person anfuͤhrt; so wird dieses Amt einem Prinzen vom Gebluͤte, oder zween Feld- herrn, die der Kayser erwaͤhlt, anvertraut. Einer ist aus den mohammedanischen Om- rahs, der andere aus den hindistanischen Ra- jahs. Die Reichsvoͤlker fuͤhrt der Omrah, die Huͤlfsvoͤlker gehorchen nur den Rajahs ihrer Nation. Ekbar suchte das Heer in Ordnung zu brin- gen, und machte folgende Einrichtungen, die noch itzt beobachtet werden. Alle Befehlshaber seiner Kriegesleute, sollen nach drey verschiede- nen Abtheilungen bezahlt werden. Die ersten unter dem Titel von zwoͤlf Monaten, die zwey- ten, von sechs, die dritten, von vier Monaten. Wenn also der Kayser einen Mansepdar, d. i. einen Unterofficier des Reichs zwanzig Rupi é s, monatlich nach dem ersten Titel giebt; so be- traͤgt sein jaͤhrlicher Sold sieben hundert und funfzig Rupi é s, denn man setzt allemal zehn hinzu. Der eben den Sold nach einem andern Titel erhaͤlt, bekommt jaͤhrlich drey hundert und fuͤnf und zwanzig. Der nur nach dem dritten besoldet wird, hat jaͤhrlich nur zwey hundert und funfzig. Diese Einrichtung ist desto seltsa- samen, weil diejenigen, welche nur unter dem Titel von vier Monaten bezahlt werden, das Jahr uͤber, eben so fleißige Dienste thun, als die, die, welche fuͤr zwoͤlf Monate empfangen. Al- lein nach der Gesinnung der Orientaler, glauben die mogulschen Kayser, es ließe groß, wenn sie den Gedanken veranlassen; die Ungleichheit des Soldes, ruͤhre von der Ungleichheit der Dienste her. Wenn der Sold eines Krieges- oder Hofbe- dienten, den Monat auf tausend Rupien nach dem ersten Titel steigt; so verlaͤßt er den Orden der Mansepdars, um den Rang eines Om- rahs zu erhalten. Man bekoͤmmt also diesen Dienst mit einer Verstaͤrkung des Soldes. Als- dann ist man verbunden, einen Elephanten, und zwey hundert und funfzig Reuter zu des Kaysers Diensten zu halten. Der Sold von funfzig tausend Rupien Rupie, oder Roupie, ist der Name einer Muͤn- ze, welche entweder reel, oder auf der Einbil- dung beruhet, wie in Europa, ein Livre ein Thaler u. s. f. Die eingebildete Rupie hat 48 franzoͤsische Sols am Werthe. Die wuͤrkliche oder reelle Rupie, hat verschiedene Sorten. Die Rupie; welche die verschiedenen Prinzen in Hin- distan schlagen lassen, heißt Sicca, wenn sie aus der Muͤnze kommt, und hat einen Werth von 16 bis hundert uͤber eine eingebildete Muͤn- ze. In diesen Rupies Sicca werden alle Auf- lagen und Revenuͤen der Prinzen bezahlt. Alle Schaͤtzungen des Herrn Alexand. Dows haben diesen Werth; acht Rupies Sicca haben den Werth eines Pfund Sterlings. — Hat eine Sicca Rupie ein Jahr roulirt; so verliert sie drey pro Cent am Werthe, ob sie gleich immer E e dassel- , wuͤrde selbst in In- dien, dien, so viel zu unterhalten, nicht hinreichen. Denn der Omrah muß jedem Reuter wenigstens zwey Pferde schaffen; allein der Kayser sorgt auf eine andere Art dafuͤr. Er weiset nemlich dem Officier einige herrschaftliche Guͤter an. Man rechnet ihm, was jeder Reuter kostet, zehn Rupien auf jeden Tag. Aber die Einkuͤnf- te der Laͤndereyen, die man den Omrahs uͤber- laͤßt, tragen viel mehr ein, als diese Kosten. Nicht alle Omrahs haben gleich starke Be- soldung. Manche bekommen 2 Azaris, andre 3, andre 4, manche 5, und die vom ersten Range, erhalten 6. Das ist das Jahrgeld der Vornehmsten; alles zusammen genommen, kann also bis auf drey Millionen Rupies stei- gen. Sie zeigen auch viel Pracht, und sie hal- ten so viel Reuterey, als unsre kleinen Armeen betragen. Manchmal sind sie dem Kayser selbst furchtbar geworden. Doch dieses ist eine Ein- richtung des Ekbar, und ihre uͤbeln Folgen selbst verhindern, daß man sie nicht aͤndern darf. Or- dasselbige Gewicht behaͤlt. Alsdann bekommt sie den Namen Rupie Sonat. Nach zwey Jahren faͤllt der Werth eben dieser Rupie noch auf fuͤnf pro Cent; dann wird sie Arcot Rupie genannt, und bleibt bey diesem Werthe, nem- lich auf acht pro Cent, uͤber die eingebildete Ru- pie. Dieser besondere Wucher ist eine Revenuͤe, welche die Prinzen und ihre Paͤchter vom Publi- kum eintreiben, da sie die Muͤnzsorten bestaͤndig wieder umschmelzen. Ordentlich zaͤhlet man 6 Omrahs vom großen Solde, den Itimad-ud Deulet, die beyden Staatssekretaͤre, den Unterkoͤnig von Kabul, den von Bengalen, und den von Ugen. Der Sold der gemeinen Reuter und der uͤbrigen Mannschaft, kommt auf den Omrah an, der sie wirbt und erhaͤlt. Der Ordnung nach, soll- ten sie jeden Tag bezahlt werden: aber dieß wird schlecht beobachtet; man begnuͤgt sich ihnen mo- natlich einen gewissen Lohn auszumachen, und oft noͤthigt man sie, statt des Geldes, altes Geraͤthe des Pallastes, und die Kleider anzuneh- men, welche ihre Weiber ablegen. Durch sol- che Ungerechtigkeiten haͤufen die obersten Bedien- ten große Schaͤtze zusammen, die nach ihrem Tode dem Kayser wieder zufallen. Die Justiz wird in den Staaten des Groß- mogols mit vieler Einfoͤrmigkeit verwaltet, Die Unterkoͤnige, Befehlshaber in den ihnen ange- wiesenen Distrikten, die Obrigkeiten in den Staͤd- ten und Flecken, thun vollkommen das an ih- ren Orten, was der Kayser zu Agra und Dehli selber verrichtet. Sie entscheiden nemlich, alles was das Leben und die Guͤter der Unterthanen betrift, durch Urtheile, die sie allein faͤllen. Demungeachtet hat jede Stadt ihren Ku- tual und Kadi fuͤr gewisse Faͤlle. Den Ein- wohnern aber steht es frey, ob sie sich zu diesem Untergerichte wenden wollen: und uͤberhaupt haben alle Unterthanen des Reichs das Recht, sich unmittelbar an den Kayser selbst in seiner E e 2 Haupt- Hauptstadt zu wenden. — Der Kutual ver- richtet zugleich das Amt eines Policeyrichters und Oberprofoß. Das vornehmste eines Poli- ceyrichters unter dem Aurengzeb, der ein stren- ger Beobachter des Korans war, bestand dar- inn, diejenigen zur Bestrafung zu ziehen, wel- che dem Trunk zu sehr ergeben und in Besuchung liederlicher Haͤuser ihr Vergnuͤgen fanden. — Er muß dem Kayser von dem besondern Unord- nungen der Familien, Nachricht geben, ihm die Zaͤnkereyen und die naͤchtlichen Zusammen- kuͤnfte melden. Er hat in allen Quartiren der Stadt seine Kundschafter, da es ihm dann nie an Neuigkeiten fehlen kann. Diese von den Kutuals gedungene Aufpasser, muͤßen die Haͤu- ser kehren, und die verdorbenen Gefaͤße wieder in Ordnung bringen. Jeden Morgen kommen sie zu den Buͤrgern, ziehen von den Geheimnis- sen der Familien Nachricht ein, befragen die Leibeigenen, und erstatten dem Kutual davon Nachricht. Dieser Beamte muß als Großpro- foß mit seinem Solde fuͤr alle Diebstaͤhle, die in seinem Bezirke geschehen, haften. Dieß er- haͤlt seine Wachsamkeit immer in Thaͤtigkeit. Die Gerichtsbarkeit des Kadi erstreckt sich nur auf Religionssachen, Ehescheidungen und andere Dinge, die die Ehe betreffen. Indes- sen kann keiner von den beyden Richtern ein To- desurtheil sprechen, ohne dem Kayser oder dem Unterkoͤnige Bericht ertheilt zu haben: und nach des Ekbar Verordnungen, muͤßen diese Ober- Oberrichter die Verurtheilung, ehe man sie be- werkstelligt, zu drey verschiedenen malen, an drey verschiedenen Tagen bestaͤtigt haben. In den Staaten des Mogols, findet bey Verwaltung der Gerechtigkeit kein Aufschub statt. Ein jeder traͤgt seine eigene Sache, ohne eine von den Formalitaͤten und Regeln vor, die bey unsern Gerichtshoͤfen beobachtet werden muͤs- sen, oder wendet sich an einen von den Omrahs, daß er es fuͤr ihn thut. So bald nun die Zeu- gen vorgefodert und verhoͤrt worden; so wird das Urtheil auf der Stelle gesprochen, daß fast immer eben so billig als hurtig ist. Zwar kann man nicht leugnen, daß hier eben sowohl als in andern Laͤndern, bey dem Urtheilsprechen Mensch- lichkeiten vorgehen. Indessen ist doch diesem Uebel so viel als moͤglich vorgebeugt, indem die- jenigen Richter, die sich bestechen lassen, am Leben gestraft werden. Sechstes Kapitel. Von der Religion der Hindistaner. U nter der Menge von Reisebeschreibern, welche uns von der Religion der Hindistaner ha- ben belehren wollen, trift man kaum zwey an, die in ihren Erzaͤhlungen mit einander uͤberein- E e 3 stimm stimmten. Denn theils kommt dieser Unter- schied von den verschiedenen Meynungen und Gegenstaͤnden des Gottesdienstes her, den die Braminen in verschiedenen Gegenden Indiens eingefuͤhrt haben: theils aber auch, weil sich viele Reisebeschreiber scheinen, auf die Erzaͤhlun- gen der Einwohner gestuͤtzt zu haben, ohne die Buͤcher selbst zu rathe zu ziehen, welche den zu- sammenhangenden Lehrbegriff ihrer Religion in sich fassen. — Die Hindistaner erheben ihre Religion, wie das alle Sekten zu thun pflegen, uͤber alle andere, und geben vor, daß sie goͤtt- lichen Ursprungs und in einem Buche enthalten sey, das sie Wedam, Vadam nennen. Dieß heilige Buch ist in vier Theile abge- theilt, nemlich 1, in Roggo Vedam. 2, Jaddara Vedam. 3, Sama Vedam. 4, Fara Wana Vedam. — Roggo Vedam, handelt von den ersten Ursachen und ersten Materien, von der Seele, den Engeln, von den Bestrafungen der Laster- haften und den Belohnungen der Frommen, fer- ner von dem, was Suͤnde sey, von wem und unter welchen Bedingungen sie vergeben werde. Jaddara Vedam, handelt von den Ober- haͤuptern, die mit unumschraͤnkter Gewalt re- gieren. Sama Vedam, enthaͤlt die Moral. Fara Wana Vedam, handelt von den Ce- rimonien, welche bey den Opfern in den Tem- peln u. s. w. muͤßen beobachtet werden. Ob- gleich gleich der letzte Theil seit langer Zeit soll verlo- ren seyn. Die Braminen sind uͤber den Verlust dessel- ben sehr unzufrieden, weil sie sonst in groͤßerer Hochachtung bey dem Volke stehen wuͤrden, als selbst die Koͤnige. Dieser Vedam enthaͤlt eine Sammlung der aberglaͤubischen Gebraͤuche, ihrer alten Rishi oder Buͤßenden, womit ihre Meynungen von der Natur Gottes, der Seele u. s. w. verbun- den worden. Die beyden ersten Theile dieses Buchs, werden auf der ganzen Halbinsel In- diens, und die beyden letztern in Hindistan aus- geuͤbt. Sie enthalten die ganze Theologie der Braminen, und werden nur auch von diesen ge- lesen; so, daß die Baniyanen, wenn sie beten, sich der Worte aus dem Buche Schaster und nicht der aus dem Vadam bedienen muͤßen. Das gemeine Volk darf weder aus diesem noch auch aus jenem etwas lernen. Im ganzen wer- den sie auch nie in den Pagoden vorgelesen, weil das Volk die Geheimniße, welche diese Buͤcher enthalten, nicht faßen kann. Einige Reisebe- schreiber wollen so gar versichern, daß die Bra- minen diese Buͤcher groͤßestentheils selber nicht verstaͤnden, welches auch sehr leicht moͤglich seyn kann, zumal wenn man weiß, daß sie nicht in dem Sanskrit, welches die gelehrte Sprache der Braminen ist, sondern in einer weit aͤltern Sprache geschrieben sind. E e 4 Es Es giebt auch noch außer dem Bedam, zwey andere Gattungen von Buͤchern, wovon das eine Shaster und das andere Puran heißt. Die Braminen geben gleichfalls vor, sie beyde vom Himmel erhalten zu haben. — Das Buch Shaster ist eigentlich nur eine Erklaͤrung des Vedams. Es soll nur dazu dienen den Ver- stand des Vedam zu bestimmen, und dadurch gleichsam allen Streitigkeiten vorgebeugt seyn. Allein dieser Zweck wird doch durch dieß Buch nicht erreicht. — Der baniyanischen Sekte ist es erlaubt, sich dieses Buchs zu bedienen; aber den Vedam duͤrfen sie nicht anruͤhren, weil sich die Braminen uͤber selbigen das Monopo- lium angemaßt haben. Der Puran (heißt so viel als ein Gedicht) besteht aus historischen Buͤchern des Gesetzes, und ist eine Erklaͤrung des Shasters, und enthaͤlt zugleich die heilige und Profangeschichte von Hindistan. — Die Braminen geben vor, daß diese drey Buͤcher dem Bramma von Gott waͤren gesandt wor- den. Es ist aber gewiß, daß alle drey Buͤcher in drey verschiedenen Zeiten und Absichten, er- schienen sind. Der Puran scheint besonders da erst zusammengeschrieben zu seyn, wie die abgoͤttische Religion in Hindistan schon festen Fuß hatte. Außer den erwaͤhnten Buͤchern giebt es noch viele andere, die aber so genau verwahrt sind, daß sie nie in die Haͤnde des gemeinen Volks kommen. Die Braminen laßen deswegen ihre heiligen heiligen Buͤcher noch viel weniger in die Haͤnde der Fremden kommen, und ungeachtet ihnen von den Reisenden große Summen Geldes fuͤr eine Abschrift angeboten sind; so haben sie nicht einmal ihren Wunsch, diese Buͤcher zu sehen, fuͤr viel Geld, erfuͤllen koͤnnen. Hieraus haben nun manche urtheilen wollen, als wenn sie gar keine Buͤcher besaͤssen; allein das Gegentheil hat Calmet gezeigt, der im Jahre 1733 diese Buͤ- cher in die Bibliothek des Koͤnigs von Frank- reich verschafte. — Lord hat zu Anfange des vorigen Jahrhunderts einen, zwar kurzen, Aus- zug aus dem Shaster erhalten; da er aber das Wesentlichste des Buchs Vedam in sich faßt, so kann man sich allenfalls mit ihm begnuͤgen. Dieser Auszug setzt uns in den Stand, die Er- dichtungen und Geheimnisse aufzudecken, die sonst wuͤrden unaufloͤslich geblieben seyn. Wir wollen hier unsern Lesern einen zu un- srer Absicht hinlaͤnglichen Auszug aus dem Bu- che Shaster mittheilen. Wie der große Gott noch allein war, und seine Herrlichkeit durch Erschaffung der Welt offenbarte, so machte er, nachdem er sie auch mit vernuͤnftigen Geschoͤpfen erfuͤllt hatte, vor allen Dingen, die vier Elemente, Erde, Luft, Feuer und Wasser. Da diese Elemente unor- dentlich durcheinander gemengt waren, so theil- te er sie, und machte aus ihnen verschiedene Theile der sichtbaren Welt. Gott blies erstlich durch ein Rohr, oder durch irgend ein anderes E e 5 Instru- Instrument, auf das Wasser. Da dieses in einer Blase von runder Gestalt in die Hoͤhe stieg, und sich allmaͤhlich in einen unermeß- lichen Raum ausdehnte; so entstand daraus das Firmament. Aus der Erde und uͤbrigge- bliebenen Grundsuppe des Gewaͤssers bildete Gott einen Ball, dessen feste Theile die Erde, die fluͤßigen das Meer wurden. Hierauf stellte er, durch Huͤlfe eines starken Brausens, die Erde mitten in das Firmament, und nannte dieselbe die Unterwelt. Sobald er dieses in Ordnung gebracht hatte, schuf er die Sonne und den Mond. Nachdem also die vier Ele- mente auf die Weise abgesondert, und ihnen ihr Platz angewiesen, so singen sie an, die ihnen eigene Geschaͤfte zu verrichten. — Zuletzt machte Gott den Menschen, als ein Wesen, das vorzuͤglich faͤhig war, seine Werke zu betrachten und zu bewundern. Dieser erste Mensch, stieg auf Gottes Befehl aus der Erde; zuerst kam der Kopf hervor, darauf der Leib, nach allen Theilen gebildet. Hierauf ertheilte ihm der Herr das Leben. Damit aber dieser Mensch nicht allein seyn moͤchte, so gab er ihm auch ein Weib zur Gehuͤlffinn. Der Name des ersten Menschen hieß Pourous, und das Weib Par- kouti. Beyde lebten zusammen, ernaͤhrten sich von den Fruͤchten, die ihnen die Erde dar- bot, ohne nach dem Fleische der Thiere Verlan- gen zu aͤußern. Dieß Dieß neue Paar zeugte vier Soͤhne, welche Brammon, Kutteri, Shudderi und Wise hießen. Der erste war von irrdischer Consti- tution, und daher zur Melancholie geneigt; und weil er sinnreich war, so bestimmte ihn Gott dazu, seine Gesetze dem Volke bekannt zu machen. Zu dieser Absicht uͤbergab ihm Gott ein Buch, darinn die Grundsaͤtze der Religion, und die Art, wie der Gottesdienst sollte gehal- ten werden, enthalten waren. Kutteri, der zweyte Sohn, hatte ein feuriges Temperament, und war kriegerisch gesinnt. Gott legte ihm also die Macht bey, Koͤnigreiche zu beherrschen, und die Voͤlker in Ordnung zu halten. Da ferner Shudderi einer phlegmatischen Consti- tution, guͤtig und umgaͤnglich war, so wurde fuͤr gut gefunden, ihn zum Kaufmann zu be- stimmen. Um ihn nun seines Geschaͤfts zu er- innern, wurden ihm zwey Waageschalen in die Haͤnde gegeben, und ein Buͤndel Gewicht an seinen Guͤrtel gehaͤngt. Wise endlich, ein lusti- ger Kopf, bekam die Erfindungskraft zur Bey- lage, und weil er voll Einfaͤlle war, so konnte er verschiedenen Dingen ein Geschick geben. Um ihm nun in seiner Profeßion behuͤlflich zu seyn, wurde ihm ein Beutel zugestellt, worinn er mancherley Instrumente fand, um mit seinen Haͤnden das auszuarbeiten, was seine Einbil- dungskraft projectiren wuͤrde. Pourous und Parkouti erzeugten in ihrer Ehe keine Toͤchter. Gott schuf also fuͤr die vier Soͤhne Soͤhne auch vier Weiber, und schickte diese ge- gen Morgen, Mittag, Abend und Norden. Sobald nun die Soͤhne des Pourous groß ge- nug waren, so befahl ihnen Gott, daß ein jeder seinen besondern Weg gehen sollte, um die fuͤr ihn erschaffene Frau aufzusuchen. Brammon reisete gegen Morgen, traf endlich die fuͤr ihn geschaffene Frauensperson. Kutteri, der ge- gen Abend reisete, fand gleichfalls die fuͤr ihn bestimmte Frauensperson; und als er sich mit derselben drey Tage hintereinander in einem fuͤrchterlichen Gefechte herumgeschlagen hatte, so richteten sie endlich einen ehelichen Vergleich unter sich auf. Shudderi nahm seinen Weg nordwaͤrts, und als er die Perlen- und Dia- mantengruͤfte entdeckt hatte, so traf er seine Ge- liebte auch an. — Nachdem endlich Wise auf einem Schiffe uͤber sieben Meere gegangen war, die fuͤr ihn zu dem Zwecke verfertigt worden, so blieb er an der Kuͤste von Derpe, und bauete sich daselbst ein Haus. Nach einiger Zeit sahe er an der Kuͤste eine Jungfer spatziren, die er anredete. Wie diese ihm aber veraͤchtlich be- gegnete, so rief Wiese Gott an, daß er ihr Herz zu ihm lenken moͤchte. Gott erhoͤrte ihm die Bitte, aber unter der Bedingung: daß er Pa- goden zur Verehrung Gottes erbauen, und un- ter gruͤnen Baͤumen Bilder anbeten sollte. Als nun die vier Bruͤder die Erde bevoͤlkert, so entschlossen sie sich, ihre Eltern zu besuchen, von welchen sie aufs freundlichste empfangen wurden. wurden. — Mit der Zeit wurden die vier Bruͤder und ihre Weiber Eltern vieler neuen Geschlechte, die sich genau an ihre Eintheilung in vier Staͤmme hielten, ohne sich untereinan- der zu vermischen. Allein sie arteten bald aus. Bramon ward nachlaͤßig in seiner Gottselig- keit. Kutteri ward grausam und uͤberwaͤlti- gend. Shudderi betrog seine Bruͤder durch falsches Gewicht, und Wise setzte auf seine Waaren entsetzliche Preise, um seine Ausschwei- fungen fortsetzen zu koͤnnen. Die Unordnung, die in den Familien dieser vier Bruͤder herrschte, machte endlich die Gottheit zornig, so daß auf einmal der Himmel eine finstere Gestalt an- nahm. Donner und Blitz fuhren vom Him- mel herab; das Meer thuͤrmte sich auf eine fuͤrchterliche Art auf, und schuͤttete seine Flu- then uͤber den Erdboden, die das ganze mensch- liche Geschlecht uͤberschwemmten. Ohngeachtet aber ihre Leiber verderbt waren, so ruheten doch ihre Seelen in dem Schooß des allmaͤchtigen Gottes. — Und so endigte sich das erste Welt- alter. Gottes Absichten wuͤrden nun nicht erreicht seyn, wenn die Sachen in dem Zustande geblie- ben waͤren. Er entschloß sich also, das mensch- liche Geschlecht wieder zu erneuern, und das zweyte Alter mit drey Menschen von fuͤrtrefli- cher Natur, als die vorigen, anzufangen. Gott stieg also vom Himmel herab auf einen sehr hohen Berg, und sagte: Steh auf Bra- ma, ma, du Erster unter den Kreaturen im zweyten Alter. Brama kam hervor. Auf gleiche Weise wurden Vistney und Rudderi erschaffen. Die Absicht, die Gott bey Hervor- bringung dieser drey Personen hatte, war: sie sollten sich nemlich als Deputirte bey dem Wer- ke Gottes geschaͤftig beweisen. Dem Brama trug er das Geschaͤft auf, die Kreaturen zu er- schaffen, und ertheilte ihn hierzu die noͤthigen Kraͤfte. Dem Vistney gab er das Amt, die erschaffenen Kreaturen zu erhalten, und machte ihn in der Absicht zum Herrn uͤber Sonne, Mond, Sterne, Berge, Thaͤler u. s. f. — machte ihn auch zum Austheiler der Gesundheit der Menschen und aller lebendigen Geschoͤpfe. Den Rudderi bekleidete er endlich mit der Macht, alles zu verderben, weil er wußte, daß sie wuͤrden gottlos werden, und Strafen ver- dienen. Er wurde also zum Herrn des Todes und des Gerichts ernannt, und uͤberließ ihm das ganze Gefolge von Uebeln. — Ein jeder von diesen drey Personen hatte seine bestimmte Zeit von Gott erhalten, in welcher er seine Ge- schaͤfte verrichten muste. Sobald Brama mit seiner Schoͤpfung fertig war, wurde er wieder in den Himmel zuruͤckgerufen. Vistney muste noch einmal so lange als Brama auf Erden bleiben, weil es wegen der ihm aufgetragenen Erhaltungsgeschaͤfte laͤnger noͤthig war. Und weil die Welt sollte durch ein allgemeines Ver- derben hingerichtet werden, so sollte Rudderi dreymal dreymal so lange, als jene, auf Erden bleiben. Unversehens fiel Brama in eine schwere Krankheit. Sein Bauch schwoll außerordent- lich auf, so daß man nicht wußte, was das werden wuͤrde. Endlich entwickelte sich das Ding, und siehe, die Last drang auf beyden Seiten heraus — und er brachte Zwillinge, maͤnnlichen und weiblichen Geschlechts, in voͤlli- ger Groͤße zur Welt. Das Maͤnnlein wurde alsbald vom Brama mit dem Namen Manov, und das Weiblein mit dem Namen Seterupa belegt. Diese beyden Menschen fuͤhrte hierauf Brama auf einen hohen Berg, um sie von da in verschiedene Gegenden der Welt zu schicken, sie zu bevoͤlkern. Sobald sie auf diesen Berg gelangten, kam die Seterupa mit sechs Kindern auf einmal nieder, nemlich mit drey Soͤhnen und drey Toͤchtern. Diese wurden, nachdem sie herangewachsen waren, vom Brama in die Welt geschickt. Und so war Brama Mann und Weib zu- gleich, und erfuͤllte die Erde mit lebenden Ge- schoͤpfen, da indessen Vistney seines Ortes al- les besorgte, was zur Verpflegung und Erhal- tung derselben noͤthig war. Rudderi breitete Ungluͤck, Krankheit, Tod und Gerichte aus, nachdem die Menschen sich durch ihre Verge- hungen diese Uebel zuzogen. Gott sah vorher, daß eine so große Gesell- schaft von Menschen ohne Gesetze nicht bestehen wuͤrde. wuͤrde. Er ließ sich also in einer dicken Wolke auf den Berg Meropurbati herab, foderte den Brama vor sich, gab ihm ein Buch in die Hand, und befahl ihm, den Innhalt dem zer- streuten Menschengeschlechte bekannt zu machen. Dieß that er auch. Das Buch selbst besteht aus drey Theilen. Im ersten Theile ist das Moralgesetz enthalten. Der zweyte faßt das Cerimoniengesetz in sich, und schreibt die Ge- braͤuche vor, die beym Gottesdienste sollen beob- achtet werden. Der dritte Tractat theilt die Menschen in verschiedene Staͤmme ab, und giebt Regeln, die von einem jeden muͤssen beob- achtet werden. Der erste Theil dieses Buchs, der, wie ge- sagt, das Moralgesetz enthaͤlt, schreibt haupt- saͤchlich folgende acht Gebote vor: 1) Das erste verbietet, kein lebendiges Thier zu toͤdten, weil das Thier sowohl, als der Mensch, eine lebendige Seele hat. 2) Das zweyte verbietet, etwas Boͤses zu besehen oder zu hoͤren, zu reden, desglei- chen Wein zu trinken, Fleisch zu essen, oder etwas Unreines zu beruͤhren. 3) Das dritte befiehlt die Beobachtung der zur Andacht bestimmten Zeiten, die Rei- nigungen, den Gottesdienst und Gebet zu Gott. 4) Das vierte untersagt alles Luͤgen, nebst der Absicht, andere im Umgange, im Kaufen und in Contracten zu betruͤgen. Das 5) Das fuͤnfte gebietet die Gutthaͤtigkeit gegen die Armen in Essen, Trinken und Gelde, nachdem es ihr Beduͤrfniß und des Gebers Vermoͤgen mit sich bringt. 6) Das sechste verbietet die Unterdruͤckung, Beleidigung und Ueberwaͤltigung der Armen. 7) Das siebente befiehlt die Feyer gewisser Festtage ohne alle Ausschweifungen. 8) Das achte verbietet alles Stehlen, es sey so geringe als es wolle, oder die Ent- wendung desjenigen, was einem anver- traut worden. Dagegen gebietet es, mit dem Lohn, den ein andrer fuͤr die Arbeit giebt, zufrieden zu seyn, weil niemand zum Eigenthum eines andern ein Recht hat. Ein jeder Stamm hat von diesen acht Ge- boten — zwey erhalten. Die Braminen nah- men das erste und zweyte Gebot, weil ein gros- ser Theil ihrer Religion darinn besteht, keine Kreaturen zu toͤdten. Den Kaufleuten sind die- se Gebote gleichfalls auferlegt, weil sie den Braminen am naͤchsten kommen. Das dritte und vierte Gebot, welches die Andacht befiehlt, und allen Betrug im Handel und Wandel ver- bietet, geht blos die Shudderi an. Das fuͤnfte und sechste Gebot geht die Kutteri an, weil diejenigen, welche Macht besitzen, sich der Ueberwaͤltigung am ehesten schuldig machen koͤnnen. Das siebente und achte Gebot bezieht F f sich sich endlich besonders auf die Wise, die als Handwerker eine Ergoͤtzung noͤthig haben, aber auch sehr geneigt sind, ihren Gewinst durch- zubringen. Ein jeder Stamm ist verpflichtet, alle Gebote zu halten, besonders aber diejeni- gen, die ihnen ganz eigentlich angehen. Das Cerimonialgesetz, welches im zweyten Tractat enthalten ist, bezieht sich auf folgende Stuͤcke: 1) Die Hindistaner sind verbunden, ihre Leiber oft im Fluße zu baden, und zwar auf folgende Manier. Wenn sie in das Wasser treten wollen, so beschmieren sie vorher ihren Leib mit Koth, womit sie die natuͤrliche Verdorbenheit anzeigen wollen. Alsdann gehen sie weiter in den Fluß, kehren ihr Gesicht gegen die Sonne, und der Bramin betet: O Herr! dieser Mensch ist befleckt und verunreinigt, wie der Schlamm dieses Flusses. Das Wasser in diesem Fluffe kann ihm den Koth wegspuͤlen: spuͤle, reinige du ihn auch von seinen Suͤn- den. Derjenige, der sich waͤscht, faͤllt hierauf dreymal unter das Wasser, und wenn er wieder herauskommt, so nimmt er einige Reiskoͤrner in die Hand, und sobald er vom Priester die Absolution we- gen seiner begangenen Suͤnde erhalten hat, gehet er nach Hause. 2) Sie 2) Sie bedienen sich gewisser Salben an der Stirne mit rother Schminke, welches andeuten soll, daß sie als das Volk Got- tes gezeichnet waͤren. Dieß geschieht dar- um, damit sie an ihre Taufe erinnert werden. Da die Zeichen an der Stirne durchs Wasser vergehen, so muͤssen sie er- neuert werden, so oft sie sich baden. 3) Muͤssen sie unter gruͤnen Baͤumen opfern und beten, eine Gewohnheit, die vom Wise eingefuͤhrt worden, dem, wie vor- hin erwaͤhnt, Gott unter einem Baume erschienen ist. Unter solchen gruͤnen Baͤu- men legen die Braminen Tempel und Pa- goden an. Einige meynen, dieser Baum sey der indianische Feigenbaum, den die Hindistaner so heilig halten, daß sie glau- ben, derjenige, welcher nur den geringsten Zweig verletze, wuͤrde sich eines großen Ungluͤcks schuldig machen. 4) Wird ihnen anbefohlen, in ihren Tem- peln gewisse Gebete zu sprechen. Die An- dacht selbst besteht in der Wiederholung gewisser Namen Gottes, welche weitlaͤuf- tig umschrieben und erklaͤrt werden. 5) Es werden ihnen fuͤnftens anbefohlen, Wallfarthen nach weitentlegenen Fluͤssen zu verrichten, dergleichen der Ganges ist, um sich in selbigen zu baden. — Derje- nige, dessen Gaumen, wenn er stirbt, mit Wasser aus dem Ganges benetzt wird, F f 2 wird wird fuͤr gesegnet, und von allen Suͤnden gereinigt, gehalten. 6) Der sechste Artikel ihres Gottesdienstes betrift die Anrufung der Heiligen, denen sie die Macht zueignen, ihren Anbeter hel- fen zu koͤnnen. Wer z. E. in der Ehe gluͤcklich leben will (und wer wuͤnscht dieß ungerne?) betet die Hurmount an; wer einen Bau gluͤcklich vollenden will, den Gunnez u. s. w. 7) Wird ihnen in ihrem Gesetz anbefohlen, Gott zu verehren, sobald sie eins seiner Geschoͤpfe nach Aufgang der Sonne er- blicken. Gegen Sonne und Mond erwei- sen sie sonderlich ihre Andacht, die sie die beyden Augen der Gottheit nennen. 8) Das achte Gebot bezieht sich auf die Taufe, oder Benennung ihrer Kinder. Das neunte, auf die Ehe. Das zehn- te, auf die Begraͤbniße. Der dritte Tractat endlich, der dem Bra- ma von Gott uͤbergeben wurde, handelt von dem Unterschiede, der unter den Menschen soll beobachtet werden. — Auf die Befolgung die- ser vorgeschriebenen Gesetze wurde in dem zwey- ten Weltalter sehr sorgfaͤltig gehalten. Die Religion war im Flor. Man betete fuͤr die drey Personen Brama, Vistney und Rud- deri; die Ufer der Fluͤsse waren bestaͤndig voll, und die Reinigungen wurden nicht versaͤumt. Da sich aber die Menschen stark vermehrten, wurden wurden sie immer nachlaͤßiger in der Ausuͤbung ihrer Pflichten, und arteten endlich ganz aus. Die Braminen wuchsen an Heucheley; die Kutteri wurden stolz und eitel, suchten ihre Macht durch unerlaubte Mittel zu erweitern; die Kaufleute ergaben sich dem Betrug im Han- del und Wandel; die Handwerksleute gingen muͤßig, und uͤbertheuerten die Leute mit ihrer Arbeit. Alles dieß mißfiel dem Herrn, und kam also zum drittenmale wieder auf den Berg Meropurbati herab. Als er dem Brama be- kannt gemacht hatte, was er an den Menschen tadle, so kam dieser zuruͤck, und ertheilte den Menschen von dem bevorstehenden Gerichte Nachricht, worauf sie sich ein wenig besserten. Nach und nach fielen sie aber in ihre vorigen Suͤnden zuruͤck. Brama bat fuͤr sie. Allein dieß war vergebens. Der Zorn des Herrn war aber nicht mehr besaͤnftigen. Er nahm den Brama zu sich in seinen Schoos, damit er das Uebel nicht erfahren solle. Er befahl hierauf dem Vistney, die Welt zu verderben, welcher auch fuͤr die Erhaltung der Welt bat. Der Herr aber, der entschlossen war, seinen Zorn nicht zuruͤckzuhalten, befahl dem Rudderi, dessen Amt es war, die Strafgerichte auszu- uͤben, einen Sturm aus dem Innersten des Erdbodens hervorzubringen, und die Nationen wie ein Staub von der Erde zu jagen. Rud- deri, dem goͤttlichen Befehle zu folgen, setzte alle Winde in Bewegung, welche alles erschuͤt- F f 3 terten. terten. Den Tag konnte man von der Nacht nicht unterscheiden. Das Ungewitter rottete das ganze Menschengeschlecht aus, nur einige wenige ausgenommen, welche Vistney auf Er- laubniß des Herrn mit dem Saume seiner Er- haltung deckte, damit von denselben das Men- schengeschlecht in dem dritten Weltalter werden koͤnnte. Und so schloß sich das zweyte Welt- alter. Nachdem Rudderi dem Sturme Einhalt gethan hatte, war alles wieder ruhig. Der Zustand der Welt war nunmehr sehr jaͤmmer- lich; besonders erregte das Anschauen der tod- ten Menschencoͤrper Mitleiden. Es gereuete selbst den Allmaͤchtigen die That, und Rudderi war vor Schmerz außer sich, daß er das Werk- zeug zu solcher Verwuͤstung seyn muste. Da aber die Koͤnige und Fuͤrsten im zweyten sowohl als dritten Weltalter die Quelle alles Ungluͤcks waren, so ließ der Herr den ganzen Stamm der Kutteri ausrotten. Da indessen dieser Stamm unter den Menschen sehr unentbehrlich war, so befahl der Herr, um diese Ordnung durch einen heiligern Stamm erneuern zu laßen, daß die Linie der Rajahen von der Linie der Braminen hergeleitet werden sollte. Dieß geschah in der Person des Ram, des vornehmsten unter den Braminen, die durch den Vistney erhalten wor- den. Man vermuthete, daß dieser Mann so- wohl die Religion als Policeywesen aufs beste befoͤrdern wuͤrde. Es ist wahrscheinlich, daß ihm ihm mehr Koͤnige gefolgt sind. Da aber die Welt wieder umschlug, so ward der Zorn Got- tes wiederum rege. Er redete deswegen mit dem Rudderi, der auf seinem Befehl die Erde ihren Rachen aufsperren und sie lebendig ver- schlingen ließ, nur wenige ausgenommen, die zur letzten Probe der Bevoͤlkerung der Erde dienen sollten. Und so endigte sich das dritte Weltalter. Kistney, ein beruͤhmter Regent und gott- seliger Koͤnig, war unter denen, die erhalten wurden. Unter seiner Regierung wurde die Tugend und Religion geschuͤtzt. — Des Vift- ney Zeit war nun verflossen, ging also zum Herrn zuruͤck, weil die Welt seiner nicht mehr noͤthig hatte. Denn wenn es mit den Men- schen noch einmal aufs Aeußerste kommt, so wird auch das Ende aller Dinge erfolgen. Das letzte Gericht soll alle vorhergehende an Grausamkeit uͤbertreffen; denn alles soll durch Feuer verzehrt werden. Alsdann soll Rudderi alle Kraͤfte des Verderbens aufbieten; der Mond soll in Blut verwandelt werden, und die Sonne werde ihr Licht wie brennenden Schwefel von sich schuͤtten. — Die vier Ele- mente werden wider einander streiten. Rudde- ri wird endlich die Seelen aller Menschen mit sich in den Himmel nehmen, um daselbst in dem Schooße Gottes zu ruhen. Dieß ist kuͤrzlich der Innhalt, den Lord aus dem Shaster genommen hat. — Wir F f 4 finden finden in des Lords Auszuge nichts von den ausschweifenden Geschlechtsregistern und roman- haften Abendtheuren der hindistanischen Goͤtter. Es hat also das Ansehen, als wenn die erste Religion der Hindistaner von aller Abgoͤtterey frey gewesen. (Man sehe hieruͤber Lords Descript. of the Banian religion, ap. Church. Collect. 326. ch. 11.) Diese vorlaͤufigen Nachrichten, welche wir von den alten Grundsaͤtzen der Religion Hindi- stans gegeben haben, koͤnnen uns der Arbeit uͤberheben, uns in eine weitlaͤuftige Beschrei- bung der hindistanischen Religion, wie sie heu- tiges Tages in Indien gelehrt und ausgeuͤbt wird, einzulaßen. Wir wollen hier nur die vornehmsten Zusaͤtze anfuͤhren, die durch der Priester Betrug, die der Erweiterung in Reli- gionssachen nicht satt werden koͤnnen, noch wei- ter hinzugefuͤgt worden. Daß die heiligen Buͤcher der Hindistaner den Glauben an einen einigen Gott lehren und fodern, sicht man aus dem Auszuge aus dem Shaster, den wir vorhin mitgetheilt haben, und es giebt unter den Braminen eine besondere Sekte (von der weiter unten), die nicht mehr als einen Gott annimmt. Die uͤbrigen die sich mit der Foͤrderung der Religion des Poͤbels, oder der Vielgoͤtterey, beschaͤftigen, erkennen dennoch nur einen allerhoͤchsten Gott. Diesem legen sie unzaͤhlige Namen bey. Fast eine jede Sekte hat ihre ihre besondere Namen, womit sie die Gottheit bezeichnet. Der hoͤchsten Gottheit, oder dem Gott aller Goͤtter, legen sie die erh bene Eigenschaften der Macht, Weisheit und Guͤte bey. Ohne ihn, sagen sie, werde nichts regiert oder bewegt, und die uͤbrigen Goͤtter koͤnnten, ohne seine Erlaub- niß, nicht einmal einen Strohhalm bewegen. Sie halten ihn fuͤr unbegreiflich, und man koͤn- te sich ihn unter keiner Figur vorstellen. Er wird fuͤr den Urheber des Guten und Boͤsen an- gesehen; denn sie behaupten, daß man Alles von ihm herleiten muͤsse. Sie sagen ferner, die untergeordneten Gottheiten haͤtte er zu sei- nem Zeitvertreib gemacht, belustige sich an den guten und boͤsen Handlungen der Menschen. Kurz. diese Welt sey eine von den vier und sech- zig Comoͤdien, durch welche er belustigt wuͤrde. Was die Vorschung betrift, so sagen sie, daß sich die Gottheit nicht mit Kleinigkeiten abgebe, sondern diese seinen vier Viceregenten uͤberlaße. Diese Punkte sind ohngefaͤhr das Wesentlichste in den Lehrsaͤtzen der Braminen. Die untergeordneten Goͤtter werden in drey Klassen eingetheilt. In der ersten sind die drey erschaffenen Wesen, Brama, Vistnou und Ruddiren. In der zweyten stehen die Weiber, Kinder und vornchmsten Freunde der drey er- sten. Die dritte besteht aus den Deutas, die eine Art von Engeln sind. F f 5 Den Den drey Goͤttern der ersten Klasse haben sie eine große Menge von Namen beygelegt. Die gewoͤhnlichsten Benennungen aber sind: Brama, Vistnou und Ruddiren oder Ischu- ren. Die drey Gottheiten sind unter der all- gemeinen Benennung Dirumurtigol zusam- mengefaßt. — Es ist sehr schwer, aus den Berichten der Reisebeschreiber einen deutlichen Begriff von dem, was die Hindistaner von die- sen drey Goͤttern glauben, zu communiciren. Nach einigen Schriftstellern sind sie drey von dem hoͤchsten Gott erschaffene Wesen, welchen die im Shaster gemeldeten Kraͤfte beygelegt werden: nemlich dem Brama, die Kraft zu schaffen; dem Vistnou, die Kraft zu erhalten; und dem Ruddiren oder Ischuren, die Kraft zu verderben. Hieraus will man muthmaßen, daß die Hindistaner einen Begriff von der Dreyeinigkeit haͤtten. Allein dieß ist unrichtig. Lord bemerkt, daß sogar eine Vierheit darinn gefunden werde, denn der hoͤchste Gott mache die vierte Person aus. Ueberdem sind diese Buͤcher gewiß lange vor der christlichen Zeit- rechnung da gewesen. Wir wollen aber dieß fahren laßen, und erinnern, daß die Reisebe- schreiber bemerken, sie wuͤrden nicht fuͤr Goͤtter, sondern vielmehr fuͤr Diener und Soldaten des großen Gottes angesehen. Sie waͤren weiter nichts als Bedienten Gottes, die seine Befehle ausrichteten, und waͤren sowohl als andere Ge- schoͤpfe mancherley Veraͤnderungen unterworfen. Dem- Demungeachtet werden sie fuͤr allwissend, all- gegenwaͤrtig, heilig, gerecht und guͤtig gehal- ten. Und aus diesem Grunde, sagen die Braminen, muͤßte man sein Gebet zu ihnen wenden. Man muß aber dieß nicht als die Mey- nung aller Braminen, noch vielweniger fuͤr die Meynung des Volks ansehen, sondern nur als Meynungen besonderer Sekten und Privat- leute betrachten. Denn man weiß, daß so- wohl die Braminen als das, Volk diesen drey Wesen hoͤhere Vorrechte beylegen, und einige den Vistnou fuͤr den hoͤchsten Gott erklaͤren, andere den Ischuren dafuͤr wollen angesehen wissen. Ein jeder streitet fuͤr seine Parthey, daher unter ihnen der Unterschied zwischen Vistnouvisten und Ischurenisten. — Die- sen drey Goͤttern hat man ein Geschlechtsregi- ster beygelegt, das nach der Willkuͤhr voͤllig eingerichtet zu seyn scheint. Die Malabaren glauben, diese drey Goͤtter waͤren von der Goͤt- tin Chatti gebohren worden. Andere sagen, daß das Volk den Ursprung aller Dinge in der Linga, oder den geheimen Zeigungsgliedern ihres Gottes Ischora, suche. Linga soll von einem Ey entstanden seyn, in welches sich die Ischurrette verwandelt; andere hingegen sagen, daß Linga die Gottheit selbst sey. Die Braminen und Hindistaner scheinen dem Brama anzuhangen. Die in Karnate ziehen ziehen den Vistnou vor, und die Malabaren erheben den Ruddiren oder Ischuren. In die erste Klasse gehoͤrt der Goͤtze Bra- ma. Diesem Brama legen die Braminen, (ohngeachtet ihre heiligen Buͤcher versichern, daß er auf goͤttlichen Befehl aus der Erde ent- standen sey) einen verschiedenen Ursprung bey, wobey wir uns aber hier nicht aufhalten koͤn- nen. Man kann hieraus soviel abstrahiren, daß da die Braminen vom ausdruͤcklichen Buch- staben ihrer heiligen Buͤcher, ganz offenbar ab- gehen, sie dadurch an den Tag legen, daß sie selbige nicht fuͤr goͤttlich halten. Nachdem also Brama erschaffen, so legte ihm Gott die Macht bey, die ganze Welt, und alles was darinnen ist, zu erschaffen, wiewohl ihm diese Macht, wie die Baniyanen und Ma- labaren sagen, vom Vistnou sey beygelegt worden. Auf der andern Seite legen ihm die Braminen die Erhaltung der Thiere bey, die doch nach dem Berichte des Shaster, ein Ge- schaͤfte des Vistnou ist. Hieraus zeigt sichs deut- lich, daß die Sekten ihre heiligen Buͤcher nach Be- lieben veraͤndern. Die Braminen schreiben dem Brama die Erschaffung und Regierung aller Dinge zu, denn sie sagen, Gott bekuͤmmere sich darum gar nicht. Brama, sagen sie wei- ter, bestimme das Schicksal der Menschen, und besorge alles in der Welt. Dieß Geschaͤft des Brama ist nun freylich groß, daher ordnen ihm die Bramitzen eine hinlaͤngliche Anzahl zur Seite, Seite, die ihm in seinen mannichfachen Ge- schaͤften Beystand leisten. Die Braminen setzen noch zu den vielen Er- dichtungen hinzu, daß Brama anfangs fuͤnf Koͤpfe gehabt. Und da in seinem Bildniß nur vier Koͤpfe zu sehen sind; so geben sie vor, er habe den fuͤnften in einem Streite mit den Ischu- ren verlohren. Der Streit zwischen diesen bey- den Goͤttern wird verschiedentlich erzaͤhlt, und da wir uns mit Recensirung der mancherley Er- zehlungen nicht abgeben muͤssen, wenn wir un- serm Plane wollen getreu bleiben; so wird uns der Leser hiervon dispensiren. Fragt man, wo Brama seine Wohnung habe, so sagen sie uns, daß er in Brama Lo- kon oder Logum residire, welches unter allen Welten die hoͤchste, und dem Himmel die naͤch- ste ist, in welcher Gott selbst wohnet. Sie meynen auch, daß er nach einer gewissen Reihe von Jahren sterben, und wieder auferstehen werde. — Die Hindistaner schreiben dem Brama zwey Weiber zu. Die eine heist Sa- rasvati, welches seine eigne Tochter soll gewe- sen seyn, daher ist das Sprichwort bey ihnen: du mußt es nicht machen wie Brama. Die andere heißt Qviatri. Diese war unfruchtbar. Von der ersten wird ein Sohn, Namens Des- va, angegeben. Und aus dem Blute, das aus seinem Halse floß, wie ihm sein fuͤnfter Kopf abgerissen wurde, enstand sein Sohn, Soga- Sogatrakavaschen, der nicht weniger als fuͤnf hundert Koͤpfe und tausend Haͤnde hatte. Brama soll auch von Gott die Macht erhalten haben, so viel Kinder zu zeugen, als ihm be- liebe. Unter diesen war Kassiopa, der Vater der guten und boͤsen Engel. Vistnou. Der Name Vistnou, Vist- num oder Wishtnum, scheint mit dem Na- men Beshen, einerley zu seyn. Es werden ihm, so wie dem Brama, verschiedene Namen beygelegt. — Dieser Vistnou hat, nach dem Bericht der Malabaren, gleichfalls seinen Ur- sprung vom Quivelinga. Das Ansehen in welcher er stehet, ist sehr groß, und seine An- haͤnger schreiben ihm eine unendliche Ausdeh- nung zu, und sagen, daß er allen Raum er- fuͤlle. Dennoch behaupten sie, daß er in dem Milchmeere (wovon unten ein mehrers) woh- ne. Zu seinem Bette machen sie eine Schlan- ge, Annatan, welche fuͤnf Koͤpfe hat. Zwey davon dienen ihm statt des Kuͤssens, einer statt des Polsters, und auf zween ruhen seine Haͤn- de. Aus dieser Ursache toͤdten sie auch nie die Schlangen, ungeachtet sie ihnen oft viel Scha- den verursachen. Die Anbeter des Vistnou, lassen es nicht dabey bewenden, ihn fuͤr den Erhalter der Welt zu halten, sondern sie legen ihm auch vieles bey, was sonst dem Brama zukommt. Denn sie meynen, Vistnou theile die Menschen in Reiche, Arme und Mittlere ein: nicht genug, er habe sogar den Brama er- schaffen. schaffen. Man kann leicht denken, wie groß die Verbitterung der Anhaͤnger des Brama, und die des Vistnou, deßwegen seyn muͤssen. Aber die Vistnouvisten treiben ihre Beleidigun- gen noch hoͤher. Denn statt dessen, daß es im Vedam und Shaster heißt, daß die ersten heiligen Buͤcher ihm waͤren von Gott gegeben worden, so sagen sie dagegen, daß Vistnou den Vedam in einer gewissen Schaale gefun- funden habe. Vistnou hat, wie es scheint, viele Weiber gehabt, die er sich eine Zeitlang zur Befriedi- gung seiner Luͤste beygelegt, und nachhero wie- der von sich gelassen hat. Unter den vielen Weibern waren zwey, die er bey sich behalten, in der Absicht Kinder mit ihnen zu zeugen. Außer diesem beyden Weibern hat er noch tau- send in seinem Serail. Demungeachtet finden wir mehr nicht als einen Sohn, Namens Ka- schen. Wir muͤssen hier noch das Interessan- teste von der Historie seiner Zehn Verwandlun- gen — welche diesen Gott in Indien am mei- sten beruͤhmt machen — anfuͤhren. Unter diesen Verwandlungen sollen die vor- nehmsten Geheimnisse der heidnischen Religion verborgen liegen. Die Indier sind mit diesen Verwandlungen des Vistnou sehr geheim, und lassen sie niemanden wissen. Baldaͤus, ein sehr zuverlaͤßiger Scribent hatte sichs einmal in den Kopf gesetzt, alles zu versuchen, um hinter das Geheimniß zu kommen. Es gelang ihm ihm auch nach vieler Muͤhe, es von einem Bra- minen, der sich zur christlichen Religion wandte, zu erfahren. Diesem Baldaͤus sind wir die ganze folgende Beschreibung schuldig. 1) Geben die Braminen vor, welches die Hindistaner auch groͤßestentheils glauben, daß die- ser Gott Vistnou, bereits neunmal leibliche Ge- stalt an sich genommen, und daß er noch einmal im Fleisch erscheinen werde. Das erstemal ver- wandelte er sich in einen großen Seehund, Na- mens Matja, um den Vedam einen gewissen Daͤmon zu entreissen, der es aus dem Dewaaol gestohlen, und sich damit in den Abgrund des Meers versteckt hatte. 2) Das zweytemal verwandelte er sich in eine Kourma oder Schildkroͤte, in deren Ge- stalt er unter die Welt kam, als er sich mit dem Gewicht des Berges Merowa, oder Maha- Meru, der in die See geworfen wurde, hinab- senkete, um das Amortam, oder das Ambrosia zu finden. Dieses Amortam sollte als ein Gegen- gift dienen, wider einen gewissen heftigen Gift. 3) Das drittemal verwandelte sich dieser Gott in ein Schwein, um einen sehr langen Riesen zu verfolgen, der den Erdboden wie ein Blatt Papier zusammengewickelt hatte, und selbigen auf den Schultern trug; da er aber nicht vermoͤgend war, denselben wieder gerade hinzustellen, so bediente er sich eines kleinen Hei- ligen, ligen, der nur einen Zoll lang war, um sol- chen gerade hinzustellen, welches er nicht nur that, sondern, da auch das Meer uͤber die Groͤße dieses Zwerges lachte, so sof er das Merr ganz aus, und pissete es wieder von sich; daher das Meer seine Salzigkeit erhalten haben soll. Al- lein die Baniyanen, Jentewen und Hindistan erstatten einen ganz andern Bericht von dieser Verwandlung, welche 2700 Jahre vom ersten Weltalter, oder Periode der Welt in sich fasset. 4) Zum viertenmal verwandelte sich Vist- nou in ein Ungeheuet, das halb Mensch, halb Loͤwe war; diese Gestalt nahm er an, um den Riesen zu bestrafen, der, nachdem er sich, durch die vom Brama ihm gegebene Macht, die ganze Erde unterwuͤrfig gemacht, niemand als sich selbst wollte anbeten lassen. Er wurde da- her von dem Menschenloͤwen in Stuͤcken zerris- sen; und damit hatte der erste Periodus der Zeit ein Ende. 5) Zum fuͤnftenmal verwandelte er sich in einen bettelnden Bramanen, um den Mavali, einen untergeordneten Gott aus der Regierung der Welt zu verdraͤngen, und dagegen einen Unterschied der Stufen und Umstaͤnde unter den Menschen einzufuͤhren, die damals einander voͤllig gleich waren. Zu dem Ende erbettelte er sich vom Mavali nur drey Fuß Erde, um sich eine Huͤtte daraus bauen zu koͤnnen; und als G g ihm ihm dieses war gewaͤhret worden, so nahm er seine eigene Gestalt wieder an, und bedeckte mit einem seiner Fuͤße die ganze Erde, mit dem an- dern aber das Paradies. Darauf setzte er den- selben weg, und stellte ihn uͤber die hoͤllischen Gegenden, und bekam also drey Theile in Be- sitz. Doch machte er den Mavali zum Thuͤr- huͤter des Paradieses. 6) Die naͤchste Verwandlung des Vistnou geschah in der Gestalt eines Prassaram, eines schoͤnen Knaben, der aus Gehorsam gegen den Willen seines Vaters, seiner Mutter den Kopf abschlug; allein auf sein Bitten schenkte ihr sein Vater das Leben wieder. Darum wid- mete er sich selbst dem Vistnou zwoͤlf Jahre, in welcher Zeit, er ohne Unterlaß mit kreutzweise uͤbereinander geschlagenen Fuͤßen saß. Indes- sen erschlug ein maͤchtiger Rajah seinen Vater, ob er gleich sein Schwager war, weil er sich weigerte, ihm Kamdoga, oder die weisse Kuh des Ueberflusses zu geben, die er vom Rajah Inder, dem Koͤnige der seligen Seelen geborgt, um seine Anverwandten desto besser zu bewir- then. Als Passaram dieses von der Kuh er- fuhr, so gieng er hin, und erschlug das ganze Geschlecht der Rajahen, die auf Erden gefun- den wurden. Allein die Seelen seines Vaters und Mutter wurden abgeschickt, die Leiber des Rajah Dasserat und seines Weibes, wieder auf Befehl des Vistnou, zu beleben, welcher ihnen ver- versprochen hatte, ihre Nachkommenschaft zu erheben, zu welchem Ende sie einen Sohn, Na- mens Ram, gleichsam zum Unterpfande beka- men, der die Materie der siebenten Verwande- lung ausmacht. Der Zweck dieser sechsten Ver- wandelung, scheint die Befoͤrderung der Lehre von der Seelenwandlung zu seyn; ferner hat dadurch, nach dem Innhalt des Shasters ge- zeigt werden sollen, wie das Geschlecht der Kut- terier anfaͤnglich ausgerottet, nachher aber wie- der hergestellt worden ist. 7) Ram oder Rama, heyrathete Sittra, die Tochter eines maͤchtigen Rajah, die er da- durch gewann, da er sich dem Riesen Rawan widerseßte. Dieser Riese erhielt, außer zehen Koͤpfen und zwanzig Armen, von dem Ishu- ren das Vorrecht, viele tausend Jahre zu leben. Als einige Zeit nachher des Ram Bruder, der Schwester Rawan Nase und Ohren auf sei- nem Befehl abgeschnitten, und verschiedene Armeen geschlagen, welche die zugefuͤgte Belei- digung raͤchen sollen, so entfuͤhrte Rawan, in der Gestalt eines bettelnden Braminen, die Sittra auf die Insel Seylan. Ram setzte ihm nach, und gieng unter dem Beystand des Ha- numan, und anderer Affen, (nach Rogers Bericht, waren es Engel in Affengestalt) uͤbers Meer nach Seylan, und zwar vermittelst einer Bruͤcke von schwimmenden Steinen: und nach- dem er große Thaten verrichtet, bey deren Be- G g 2 schreibung schreibung die Ersindungskraft ihr aͤußerstes gethan; so toͤdtete er Rawan, und bekam Sit- tra wieder in seine Haͤnde. Eilf Jahr nach seiner Ruͤckkunft fuhr er in den Himmel, und damit endigte sich der zweyte Periodus der Zeit. 8) Die achte Erscheinung des Vistnou ge- schah in der Person des Kisna, und wird fuͤr die merkwuͤrdigste unter allen gehalten; Und dieß aus der Ursache, weil sie sagen, daß er bey allen Erscheinungen nur einen Theil sei- ner Gottheit geoffenbaret, in dieser aber die ganze Gottheit mitgebracht habe. es kann auch dieses nicht geleugnet werden, wenn dasjenige merkwuͤrdig heißt, was sowohl das abendtheuerlichste und unglaublichste, als auch das ungereimteste und laͤcherlichste ist. Der Inhalt der Legende ist folgender. Als Rajah Kaas, Koͤnig von Mottera auf der Nord- seite von Agra, durch Wahrsagungen aus den Haͤnden erkannte, daß seine Schwester Deuki, die aus den Kuhhirten an einen Braminen ver- heyrathet war, einen Sohn gebaͤhren wuͤrde, der ihn sowohl seines Koͤnigreichs, als seines Lebens berauben wuͤrde, so ließ er sie in Ver- wahrung bringen, und befahl, daß ihre Kin- der, sobald sie geboren worden, umgebracht werden sollten. Kisna, der juͤngste, wurde durch seine eig- ne Macht und Veranstaltung beiseite geschaft: und und ob er gleich nur noch ein saͤugendes Kind war; so toͤdtete er doch verschiedene Riesen, die gesendet wurden, ihn zu toͤdten, und schwung sich selbst in die Hoͤhe. Waͤhrend seiner Kind- heit verrichtete er viele Wunderwerke, dahin gehoͤrt, daß er Reis, Milch und Kraͤuter von einander abgesondert, nachdem sie unter einan- der gemengt worden, daß er seine Hand aus dem Kuhfelle bis zu seinem Hause ausgestreckt, und ein Milchgefaͤß geholt, u. f. Wie er groͤßer ward, verrichtete er viel wichtige Dinge, son- derlich gegen die Riesen und Schlangen, und verband hiermit eine große Leichtfertigkeit, log und betrog, wenn es ihm einfiel. So stahl er z. E. den Weibern, die im Bade waren, die Kleider, damit er sie in ihrer Bloͤße moͤchte aus dem Wasser sehen herauskommen. Naͤchst diesem verrichtete Kisna verschiedene andere beruͤhmte Thaten, gab den Lahmen, den Gebrauch ihrer Glieder wieder, machte die Todten lebendig, metamorphosirte Huͤtten in Pallaͤste, — warf die Tyrannen vom Throne, und schuͤtzte die Elenden. — Indessen wur- den die Kuhhirten, die ihn zu ihrem Koͤnige, gemacht, und deren Menge sich auf fuͤnf hun- dert und sechzig Millionen vermehrt hatte, bey ihrer anwachsenden Menge immer gottloser. Kisna sah das mehr als zu wohl ein; erregte daher Mißhelligkeiten unter ihnen, so, daß sie sich unter einander aufrieben. Die Hindista- G g 3 ner ner meynen, daß, wenn die Erde aus lauter Papier bestuͤnde, doch nicht alle Wunderwerke wuͤrden beschrieben werden koͤnnen, die Kisna in Zeit von hundert Jahren, in dem dritten Periodo der Zeit, verrichtet. 9) Die neunte Verwandlung geschah in der Gestalt des Boudha, der nach dem Berichte der Baniyanen weder Vater noch Mutter hat, und unsichtbar ist; er soll aber, wenn er er- scheint, vier Arme haben. Er bringt seine Zeit damit zu, daß er mit niedergeschlagenem Ge- sichte den großen Gott anbetet, welcher von den Baniyanen Mahadent genennt wird; und wenn er 34030 Jahre wird fortgefahren haben, ohne ein Wunderwerk verrichtet zu haben, so wird seine Zeit auf der Erde mit der vierten Periode der Welt vorbey seyn, die die gegenwaͤrtige und letzte ist. — Es ist wahrscheinlich, daß diese Verwand- lungen ihren Ursprung vom Exempel des Fo haben, der oft verschwindet, und daß die Er- finder dieser neunten Erscheinung, den Zweck gehabt, die zu Tibet uͤbliche Religion, von ih- rer eignen herzuleiten. 10) Die zehnte Verwandlung des Vistnou, in ein weisses gefluͤgeltes Pferd, ist noch zukuͤnf- tig, und mit selbiger soll der gegenwaͤrtigen Welt ein Ende gemacht werden. Man sagt, daß dieser irdische Pegasus im Himmel nur auf drey drey Fuͤßen stehe, und den rechten Vorderfuß bestaͤndig in der Hoͤhe trage. Man sagt fer- ner, daß mit dem Anbruch dieser Verwandlung alle gottselig leben, und nach und nach in alle Arten von Gottlosigkeiten gerathen wuͤrden. Alsdann wuͤrde das gefluͤgelte Pferd auf den Erdboden mit dem aufgehobenen Fuße, mit so außerordentlicher Macht stampfen, daß die Schlange Signaga, weil sie die Welt nicht laͤnger zu halten vermoͤgend sey, unter dersel- ben sinken, die Schildkroͤte aber, der nun die ganze Last auf dem Halse liege, sich in das Meer und unter die Erde verkriechen werde. Und damit soll diesem letzten Periodo der Zeit ein Ende gemacht, und der erste wieder ange- fangen werden! Wunderlich genug! Dem Gotte Ishuren oder Ruddiren hat man nicht mehr als tausend und acht Na- men beygelegt. Wir wollen uns aber hier mit den mancherley Benennungen nicht aufhalten, und nur anfuͤhren, daß er im Vedam und Shaster unter dem Namen Ruddiren bekannt ist. Sein gewoͤhnlichster Name ist aber Ishu- ren. — Die Verehrer dieses Gottes, schrei- ben ihm die Unsterblichkeit zu, welche er, wie sie sagen, durch die Asche erhalten, die in der Schaale geblieben, nachdem Chiva Linga verbrannt worden. — Ueber den Ort seiner Residenz ist man nicht einig. Nach der Mala- baren Berichte, wohnt er in Kala-ja, einem G g 4 Silber- Silberberge, und Art eines Paradieses, auf der Suͤdseite des beruͤhmten Berges, Maha Meru. Von der Person des Gottes Ishuren, sa- gen sie, er sey so ganz außerordentlich dicke, daß er alle sieben Himmel und die sieben Wel- ten beynahe ausfuͤlle. Seine Farbe soll so w e iß wie Milch seyn. Er hat drey Augen, wo- von eines in der Stirne steht, welches alles, was er mit demselben ansieht, verzehrt. Er hat auch sechzehn Arme. Seine Kleidung be- steht aus einer Tiegerhaut, sein Mantel aber ist aus einer Elephantenhaut gemacht, die mit Schlangen besetzt ist. Um seinen Hals traͤgt er einem Pelz, mit einer daran befestigten Glocke, wie auch drey Ketten. Die eine ist mit Rosen und andern duftenden Blumen durch- flochten. Sein ganzer Leib ist mit Asche von Kuhmist beschmiert, unter dieser Gestalt wird er auch in den Pagoden vorgestellt) und so rei- tet er im Triumph durch Kala-ja, auf seinem La thiere Iris hipatan, dem sie gewisse Opfer bringen. Die Braminen sagen, daß Ishu- ren, um die Suͤnden zu buͤssen, da er den fuͤnf- ten Kopf des Brama abgerissen, zwoͤlf Jahre betteln gehen, und mit einem Bettelkorbe in der Hand, Almosen suchen muͤssen, und ob er wohl von Zeit zu Zeit den noͤthigen Vorrath zu- sammen gebettelt, so waͤre doch alles gleich durch den feurigen Strahl, der aus seinem dritten Ange geschossen, verzehrt worden. Unter Unter andern ausschweifenden Erzaͤhlungen von diesem Gott, wird uns auch gemeldet, daß, als waͤhrend seiner Wanderschaft Jeksha Pra- java, Koͤnig der Peringalen und Vater seines Weibes Paramesseri, ein Verlangen getragen, seine Toͤchter in ihrer voͤlligen Herrlichkeit zu se- hen, er den Brama und Vistnou, die auch seine Schwiegersoͤhne gewesen, zu einem praͤch- tigen Gastmale eingeladen, dabey aber vergessen, den Ishuren auch zu bitten, wie wohl er ihn endlich, als er die Sache besser uͤberlegt, auch dazu eingeladen. Indessen nahm der Bettel- gott dieß so uͤbel, daß er sich entschloß, das Gast- mal zu berauben. Er wurde durch die Aufnah- me seines Weibes noch mehr zum Zorn gereizt. Denn als sie von ihm die Erlaubniß erhalten, sich beym Gastmale einzufinden; so befahl er ihr, ihren besten Schmuck anzulegen, und da- mit er sie desto herrlicher ausputzen moͤchte, so leihete er ihr seine Schlangen, mit einem Wor- te, seinen uͤbrigen Schmuck. — In diesem Staate nun, setzte sie sich auf einen Ochsen, und kam unter einem starken Gefolge von Trom- melschlaͤgern u. s. w. in ihres Vaters Pallast an. Als ihre Schwestern und andern Gaͤste, die ihr bis an das Thor entgegen giengen, sie in einem solchen abendtheuerlichen Aufzuge erblick- ten; so singen sie, statt sie zu bewillkommen, entsetzlich an zu lachen. Hieruͤber ward sie hef- tig entruͤstet, kehrte zuruͤck, und beklagte sich bey ihrem Manne Ishuren, wegen der schlech- G g 5 ten ten Aufnahme. Ishuren, der sich auch fuͤr beleidigt hielt, schickte seine Soͤhne Auenavadi und Superbennia ab, um ihre Freude zu stoͤh- ren. Vistnou, der wohl wußte, daß der eine gerne Kuchen aß, und der andere sich gerne was vorschwatzen ließ, wußte es dahin zu bringen, daß beyde die Absicht ihrer Reise vergaßen. Ishuren wurde endlich dahin gebracht, daß er sich entschloß, selbst dahin zu gehen. Vistnou und Brama, widersetzten sich ihm, und es kam zu einem blutigen Streite unter ihnen. Wir finden es nicht wichtig und interessant genug, unsern Lesern hier Beyspiele des wolluͤ- stigen Lebens des Ishuren anzufuͤhren. Auch wird dem Leser wenig daran gelegen seyn, eine umstaͤndliche Nachricht von den Weibern und Kindern des Ishuren zu lesen. Wir wollen vielmehr itzt sehen, wie er von den Hindistanern verehrt wird. In den Pagoden wird er erstlich unter der Gestalt eines Mannes mit drey Au- gen und sechzehn Haͤnden vorgestellt. Hiernaͤchst wird er unter dem Bilde des maͤnnlichen Glie- des, oder vielmehr der geheimen Theile beyder- ley Geschlechts, in ihrer Vermischung vorge- stellt. Wegen dieser unzuͤchtigen Vorstellung, ist Ishuren unter den Indianern eben so be- ruͤhmt, als Vistnou wegen seiner zehn Verwand- lungen. Wir koͤnnen uns hier auch nicht in eine Be- schreibung der Untergoͤtter einlassen, weil wir sonst sonst schlechterdings zu weitlaͤuftig werden wuͤr- den. Wer indessen sich davon zu unterrichten wuͤnscht, der schlage den Baldaͤus nach, der ihm hinlaͤnglichen Unterricht geben kann. Man findet uͤberall in Hindistan Pagoden oder Tempel, welche den verschiedenen Goͤttern zu Ehren, aufgerichtet sind. In jeder Stadt von Karnata, findet man zum mindesten zwey Pagoden, wovon eine dem Vistnou, und die andere dem Ishuren zu Ehren aufgerichtet ist. Diese Tempel sind hoͤher als die, welche den nie- dern Goͤttern geheiligt sind. Sie sind flach ge- bauet, aber ohne Fenster, und es kommt kein andres Licht, als was durch die Thuͤre hinein- faͤllt. Die Pagode hat drey Abtheilungen. — Rund um diese Tempel befindet sich ein großer Raum, der mit einer Mauer eingefaßt ist, auf welchem verschiedene kleine Pagoden stehen. Man findet nicht, daß die Braminen das Volk in den Pagoden zusammen kommen lassen, oder daß gewisse Tage zum Gottesdienst ausge- setzt sind. Nur in gewissen Naͤchten, ohnge- faͤhr ein oder zweymal im Monate, werden die Bilder des Vistnou und Ishuren in Proceßion, durch die Straßen herumgefuͤhrt. Das Bild steht auf einem hoͤlzernen Pferde, das seine Vorderfuͤße in die Hoͤhe haͤlt, mit den beyden Hinterfuͤßen aber auf einem Boden von Bre- tern fest stehet, und von vier Mukwas oder Fischern Fischern auf den Schultern getragen wird. Bey diesen Cerimonien pflegt man zu tanzen und zu springen. Das Bildniß des Vistnou wird reich- lich mit Blumen bestreut, weil er es verlangt. Ishuren sieht es gerne, wenn sein Bildniß oft gewaschen und mit wohlriechenden Wasser begos- sen wird. Natuͤrlicherweise wenden daher seine Anbeter alle Sorgfalt an, sich ihm so verbind- lich als moͤglich zu machen. — An gewissen Festtagen werden die Bildniße sowohl der Goͤt- ter als Goͤttinnen auf Siegeswagen herumge- fuͤhrt, die von einer großen Menge Menschen gezogen werden. Die Ehrerbietung, welche das Volk bey dieser Gelegenheit zeigt, ist ganz außerordentlich. Der Gottesdienst wird besonders von den Braminen Pantaren und Antigolen, welches drey Arten gottesdienstlicher Personen sind, ver- richtet. Diese stehen des Morgens fruͤhe auf, baden sich und bereiten ihren Opfertrank, der aus Honig, Zucker u. f. besteht. Zu gleicher Zeit opfern sie Blumen, und bestreuen alle ihre Opfer und Bilder mit der Asche von Sandal- holz. Darauf schreiten sie zum Raͤuchwerk, das aus mancherley Gatrungen von Holz be- steht. Alsdenn bereiten sie die Opfermahlzei- ten aus Reis, Erbsen, Bohnen, Butter und Cocosnuͤssen. Diese setzen sie vor die Bilder, und hernach machen sie sich selbst daruͤber her, ermangeln aber zugleich nicht, das Lob des Gottes Gottes, dem sie das Opfer bringen, zu er- zaͤhlen. Die Andacht welche hier die Frauensperso- nen beweisen, weicht der in Europa im gering- sten nicht. Sobald ein Maͤdchen sieben bis acht Jahr alt ist, begiebt sie sich bey den Prie- ster ihrer Eltern, und giebt sich als eine Schuͤ- lerinn an. Wenn sie sich verheyrathet; so schreibt sie sich in das Ver eichniß der Schuͤle- rinnen solcher Priester ein. Von dieser Zeit hoͤrt sie ihre Reden und Belehrungen an, geht in die Pagoden, und bringt ihren Gruß vor die Bilder und Braminen. Wenn sie jung ist; so geht sie allein dahin, ist sie mannbar, so wird sie von zwey bis drey Weibern dahin beglei- tet, die sich wechselsweise mit heiliger Asche bestreuen. Der Gottesdienst der Hindistaner ist mit ei- ner sehr großen Menge Cerimonien verbunden, dahin die Beobachtung der Fest- und Fasttage gehoͤret, deren jaͤhrlich verschiedene vorkommen. Ihre Baͤder und Reinigungen, dabey sie sich mit heiligem Wasser und heiliger Asche von Kuhmist besprengen, werden fuͤr sehr kraͤftig gehalten. Die Asche wird von den Priestern eingeweihet. — Wallfahrten sind in Indien nicht weniger gebraͤuchlich, als in Europa, und außer den besondern Wallfahrtsplaͤtzen, deren ver- verschiedene in jedem Lande der Hindistaner an- getroffen werden, giebt es auch einige allgemei- ne; dahin gehoͤrt z. E. Kasi, am Ganges; Matura, unweit Agra. Das Wallfahrten wird fuͤr eine sehr verdienstliche Handlung an- gesehen, und fuͤr ein Mittel gehalten, die Suͤn- de auszusoͤhnen. Zu dem Ende haben sie auch verschiedene Bußuͤbungen. Einige sitzen oder stehen in eben derselben Stellung des Leibes gan- ze Jahre hintereinander. Einige tragen große Lasten, andere aber schleppen sich mit schweren Ketten herum. Einige stellen sich in die bren- nenden Sonnenstrahlen u. s. w. Kurz, die Handlungen dieser Art, die sie vornehmen, sind ganz erstaunlich und unglaublich. Alle Reise- beschreiber stimmen hierinn auch voͤllig uͤberein. Durch diese an ihrem Koͤrper veruͤbte Strenge hoffen die Hindistaner Vergebung ihrer Suͤn- den zu erlangen, und sich der Seligkeit zu ver- sichern. Sie glauben nicht, daß ihre Suͤnden durch einen andern Menschen, und selbst nicht einmal durch Gottes Sohn, koͤnnten versoͤhnt werden. Allein sie denken, daß ihre Suͤnden durch Her- sagung einiger Gebete leicht koͤnnten vergeben werden. Die Hindistaner glauben einen zukuͤnftigen Zustand, darinn Belohnungen und Strafen seyn seyn werden. Auch nehmen sie ein Fegefeuer an. Teufel, Hexen und Erscheinungen sind Dinge, woran sie eben so eifrig glauben, als die Europaͤer. Der Teufel sonderlich, und die Hexen richten, nach ihrer Meynung, viel Un- heil in der Welt an; sie bringen oftmals Men- schen um das Leben. An Teufelsbesitzungen glauben sie fest. Um nun den Teufel aus den Menschen zu treiben, fuͤhren sie den Besessenen in den Tempel, und bringen erst dem Gotte, dem der Tempel geweiht ist, Opfer dar. Dar- auf pruͤgeln sie den Besessenen mit einem Knit- tel, um den Teufel schuͤchtern zu machen, der, weil er eines solchen Tractaments nicht gewohnt ist, im Zorn ausfaͤhrt, und sich uͤber die Unge- rechtigkeit, die ihm durch die Austreibung wie- derfahren, laut beschwert. Von der Seele hegen sie verschiedene Mey- nungen. Einige sind der Meynung, daß Gott selbst die Seele sey; andere aber halten sie fuͤr einen Theil von Gott. Endlich giebt es noch andere, welche glauben, daß Gott in der Schoͤ- pfung alle die Seelen erschaffen habe, die fuͤr das menschliche Geschlecht bestimmt gewesen. Dem sey aber wie ihm wolle, so glauben doch fast alle, daß die Seelen ewig und unsterblich sind. Die meisten Indianer glauben, daß ein je- der Mensch zwo Seelen, eine gute und eine boͤ- se, se, habe. Man pflegt sie auch auf folgende Art zu unterscheiden. Eine heißt die oberste Seele, die nichts anders als Gort selbst ist; die andere aber ist die thierische Seele, die im Menschen der Empfindungsgrund der Lust und Unlust, der Liebe, des Hasses und anderer Lei- denschaften ist. — Endlich glauben die Hin- distaner, daß sowohl die Seelen der Menschen als anderer Thiere gleich waͤren. (S. Roger.) Sie meynen, der Unterschied zwischen der thie- rischen und menschlichen Seele liege nicht in der Seele selbst, sondern in der verschiedenen Stru- ctur und Einrichtung der Koͤrper. Man zaͤhlt unter den Hindistanern drey Klassen der Clerisey. Einige sind Priester von Geburt, welches die Braminen sind; andere sind es durch Adoption, nemlich aus dem Stamme der Shudderier, oder der Kauf- leute, die von den Braminen zugelaßen wer- den; die dritten sind es durch die Wahl, und werden aus den andern Staͤmmen zum Prie- steramt erwaͤhlt. Von allen dreyen Gattungen der hindista- nischen Priester muͤssen wir hier einen genauen Abriß geben. Wir haben bereits im vorhergehenden von den Braminen Nachricht ertheilt, in sofern sie sie einen von den vier Staͤmmen ausmachen, darinn die Hindistaner getheilt sind. Itzt wol- len wir sie in Absicht auf ihr Amt beschreiben. — Sie geben bekanntermaßen vor, daß sie vom Gotte Brama abstammten, und Kraft ihrer Abstammung rein und ohne Suͤnden waͤren. Und aus dieser Ursache werden sie auch als der vornehmste Adel angesehen. Der Wahn ihres goͤttlichen Ursprungs macht sie ganz entsetzlich stolz, so daß sie die uͤbrigen Menschen mit einer unertraͤglichen Verachtung ansehen — Es ist gewiß, daß die Braminen von den uͤbrigen Staͤmmen sehr geehrt werden, weil ihnen ihre goͤttliche Abkunft in dem Vedam selbst zuge- standen wird. Unter den vielen Vorrechten, deren sie genießen, ist dieses das merkwuͤrdigste, daß sie nie am Leben gestraft werden koͤnnen, so groß auch das von ihnen begangene Verbrechen seyn moͤchte. Statt dessen aber werden ih- nen die Augen ausgebohrt, weil es eine von den fuͤnf Todsuͤnden ist, einen Braminen zu toͤdten. Das Amt der Braminen besteht blos dar- inn, daß sie andere nicht nur im Rechnen, Le- sen und Schreiben unterrichten, sondern ihnen auch in der Religion gruͤndliche Unterweisung geben. Dieß ist ihr Hauptgeschaͤfte, wofuͤr sie aber nicht die geringste Belohnung annehmen, außer wenn sie arm sind. Die Koͤnige und H h Raja- Rajahen sind verpflichtet, fuͤr den Unterhalt der Braminen zu sorgen. Zu dem Ende hat man ihnen gewisse Doͤrfer angewiesen, von de- ren Einkuͤnften sie mit samt ihren Familien er- naͤhrt werden. Indessen reichen doch die Ein- kuͤnfte, die von den angewiesenen Doͤrfern ge- zogen werden, noch lange nicht hin, eine so an- sehnliche Zunft zu unterhalten. Das ganze Land muß sie erhalten. Wenn die Bramiuen ihre Soͤhne verheyra- then, so sehen sie dahin, daß sie ein Maͤgdchen aus ihrem eignen Stamme bekommen, welche ihre monatliche Reinigung noch nicht gehabt. Wenn sie die Familie besuchen, aus welcher sie ihrem Sohne ein Weib waͤhlen, so geben sie auf alle Kleinigkeiten Acht, die sie fuͤr eine boͤse Ahndung halten, und wenn sie dergleichen drey- mal sehen, so stehen sie von ihrem Vorhaben ab. Sobald dem Vater des Maͤgdchens das Vorhaben eroͤfnet ist, so verlangt dieser gemei- niglich, den Freyer zu sehen; und wenn er ihm gefaͤllt, und die Ausstattung, die er bekommen soll, ihm angenehm ist, so steht es dem Juͤng- linge frey, die Familie zu besuchen. Wenn die Heyrath geschlossen ist, und der Vater die Hand seiner Tochter dem ihr zugedachten Braͤutigam gegeben hat, so nimmt dieser letzte das Tali, ein kleiner Guͤrtel, der mit einem goldenen Kopfe eines Goͤtzen geheftet ist, und legt es sei- ner ner Braut um den Hals, wodurch die Verlo- bung fest gemacht wird. Wenn die Kinder der Braminen verheyra- thet sind, so werden sie nicht mehr Bramma- saris, sondern Grahastas genannt. Sie se- hen aber sehr sorgfaͤltig dahin, daß ihre Kinder nicht mit solchen verheyrathet werden, die zu nahe mit ihnen verwandt sind. Denn sie ha- ben einen großen Abscheu an der Blutschande, welches eine von den fuͤnf Todsuͤnden ist, die schwerlich vergeben wird. In diesem Falle ver- ordnet der Vedam, daß der Missethaͤter ent- mannet werde, und mit seinen Zeugungsglie- dern in der Hand sterben soll. — Die Viel- weiberey wird von den Braminen sowohl als von andern Staͤmmen bis zum Ausschweifen getrieben. Die Diaͤt der Braminen ist uͤberaus maͤßig eingerichtet. Ihre Speisen bestehen blos aus Reis, Fruͤchten, Wurzeln und Kraͤutern. Ihr Getraͤnke ist nicht weniger einfaͤltig, indem sie sonst nichts als Wasser trinken, außer, daß sie bey den Mahlzeiten zuweilen einen Trunk Milch thun. Starker Getraͤnke bedienen sie sich nicht, denn sie verabscheuen die Trunkenheit, da sie eine von ihren Todsuͤnden ist. Dieser Stamm geht aus Stolz nie in das Haus eines andern, um nicht verunreinigt zu werden. H h 2 Die Die Braminen sind Priester sowohl welt- lichen als Moͤnchsstandes. Man trift auch unter ihnen eine Art von Hierarchie an. — Die Amtsgeschaͤfte der Braminen bestehen dar- inn, daß sie mit dem Volke beten, und ihnen das Gesetz vorlesen. Bey Verrichtung dieses Amtes beobachten sie folgende Vorschrift: 1) Daß sie ihrem Leibe allerley poßirliche Stel- lungen geben, um die Aufmerksamkeit ihrer Zuhoͤrer destomehr zu ermuntern. 2) Daß sie mit gen Himmel gerichteten ungefaltenen Haͤn- den beten, als solche, die das annehmen wol- len, warum sie beten. 3) Daß sie beym Gebet die Augen zur Erde niederschlagen. 4) In dem vom Bremav uͤbergebenen Buche nie an- ders als in einer singenden und trillernden Stimme lesen. Auch muͤssen die Braminen die jungen Leu- te ihres eignen Stammes, die sich allmaͤhlich zum Priesteramt wollen vorbereiten laßen, un- terrichten. Man kann die Braminen in verschiedene Sekten und Orden abtheilen, sowohl in Anse- hung ihres Lehrbegrifs, als in Ansehung ihrer Lebensart. — Der scharfsinnige Roger (Moeurs des Bram.) theilt sie in Ansehung des Lehrbegrifs in sechs Sekten. Die Die erste heist Weistnouwa, von ihrer Ergebenheit an den Vistnou, den sie fuͤr den allerhoͤchsten Gott haͤlt. Diese Sekte Wistnou- wa wird wieder in zwey andere getheilt, nem- lich in Tadwadi, d. i. Disputanten, und in Ramanowja Wistnouwa. Die zweyte Sekte der Braminen heisset Seivia. Sie haͤlt Ishuren fuͤr den allerhoͤch- sten Gott. Die dritte Sekte heißt Smarta. Diese behaupten, daß Vistnou und Ishuren, ob sie wohl unter verschiedenen Bildern angebetet wuͤrden, dennoch eben dasselbe Wesen waͤren, und haben einen Abscheu an ihrem beyderseiti- gen Anspruch an die hoͤchste Gottheit. Die vierte Sekte der Bramanen heist Sharwakka. Diese sind den Meynungen der Epicuraͤer zugethan. Sie leugnen die Un- sterblichkeit der Seelen, und einen zukuͤnftigen Zustand nach diesem Leben. Die fuͤnfte Sekte heist Pasenda. Diese sagen, daß das hindistanische Gesetz nicht wahr sey, und sind sonst fuͤr nichts, als fuͤr ihren Bauch besorgt. In ihren Meynungen stim- men sie mit der Sekte Sharwakka uͤberein. H h 3 Die Die sechste Sekte heist Chektea. Diese behaupten daß weder Vistnou noch Ishuren der hoͤchste Gott sey, sondern einer, Namens Chekti, von dem, wie sie sagen, diese Goͤtter und Brama ihren Ursprung haͤtten; daß sie allein durch seine Macht existirten, so wie die ganze Welt, und alles, was in derselben ist. — Diese drey letzten Sekten werden von den Hin- distanern fuͤr Ketzer gehalten, und haben sehr wenige Anhaͤnger. Ende des zweyten und letzten Theils.