Theoretisch-Praktische Darstellung der Handlung in deren mannigfaltigen Geschaͤften . Von Johann Georg Buͤsch , oͤffentlichem Lehrer der Mathematik und Vorsteher der Handlungs-Akademie in Hamburg. Zweiter Teil . Hamburg, 1792 . Bei Benjamin Gottlob Hoffmann . Viertes Buch. Von den Huͤlfsgeschaͤften der Handlung . Erstes Capitel. Von der Schiffahrt . §. 1. W enn gleich die Schiffahrt fuͤr jedes Volk, wel- ches sie zu treiben im Stande ist, ein wichtiges und im Ganzen eintraͤgliches Gewerbe ist, so ist sie doch so wenig als eine Art der Handlung anzusehen, als das Gewerbe eines Fuhrmanns. Sie ist aber ein wichtiges Huͤlfsgeschaͤft der Handlung. Der Schiff- bau ist eine wichtige Manufactur fuͤr jedes Volk, das viele eigne Schiffe braucht. Er wird auch, wenn ein Volk Schiffe in der Absicht des Verkaufs an an- dere Voͤlker bauet, ein betraͤchtlicher Zweig des auslaͤn- dischen Manufactur-Handels. Seefahrt und Fluß- fahrt dienen der Handlung verhaͤltnißmaͤssig mehr oder weniger. Ich habe aber bereits oben Cap. I. §. 9 erwaͤhnt, daß das Zusammentreffen von bei- den hauptsaͤchlich den Ort bestimme, wo grosse Handelsstaͤdte natuͤrlich entstehen. Jezt will ich zu- voͤrderst von der Seefahrt reden. 2ter Teil. A 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤft. der Handl. §. 2. Die natuͤrlichste Veranlassung, ein Seeschiff zu bauen und auszuruͤsten, entsteht dem Kaufmann aus seinem eigenen Handel. Will er Waaren uͤber See versenden oder kommen lassen, so ist er freilich am besten daran, wenn er sein eignes Schiff dazu an- wenden kann, oder hoͤchstens mit einzelnen seiner Mitbuͤrger sich vereinigen darf, um es zu befrachten. Vor Alters war es wirklich so damit bewandt, als der Kaufleute weniger waren, ihre Handlung nicht viele Zweige hatte, und nicht auf so manche Plaͤze gieng. Damals waren auch die Schiffe kleiner, und also ein einziger Kaufmann mehr im Stande, als jezt, dem kleinen Schiffe seine ganze Ladung zu ge- ben. In den mittlern Zeiten mag es schon anders da- mit bewandt gewesen sein. Ich habe oben B. 3. C. 5. §. 9. angefuͤhrt, daß in den Hamburgischen alten Com- panien die sogenannten Voͤgte verpflichtet waren, mit den Schiffen der aͤltern Mitglieder als Cargadoͤre zu gehen, welches darauf zu deuten scheint, daß die Ladungen der Seeschiffe das Eigentuhm mehrerer Kaufleute enthielten. Denn der Kaufmann, wel- cher ein Schiff allein befrachtete, fand es gewis ge- rahtener, einen Handlungs-Bedienten mitgehen zu lassen, welcher mehr von ihm abhing, als ein solcher Vogt. In entfernten Weltgegenden, wo es doch auch Kaufleute giebt, die uͤber See handeln, in Ara- Cap. 1. Von der Schiffahrt. bien, Indien und China, wo aber die Handlung nicht so gemischt und mannigfaltig, als in Europa ist, haben die Schiffe groͤstenteils nur Einen Be- frachter, der auch deren Eigner ist. Unter diesen Umstaͤnden war und ist noch die Schiffahrt an sich kein Gegenstand des Gewinns fuͤr deren Eigner. Dieser wird die Kosten des Schiffs mit in die Rechnung der Handlung schlagen, welche er mit diesem Schiffe betreibt, und den Wehrt dessel- ben als ein auf Gewinn und Verlust laufendes Capital ansehen, das ihm nur durch den Gewinn von seiner Handlung ersezt werden kann. Auf eben diesen Fuß wird gewissermassen, wie ich weiter unten §. 10 zeigen werde, die Rechnung von den Eignern der Schiffe, wenigstens in unsern Gegenden, gefuͤhrt. §. 3. In unsern Zeiten giebt vorzuͤglich der Colonie- Handel Kaufleuten, die aus demselben ihr Haupt- werk machen, Anlaß zur Erbauung oder Anschaffung eigner Schiffe zum Behuf dieses ihres eigenen Han- dels. Man nennt dieselben in Frankreich Arma- toͤre , (von armer ein Schiff ausruͤsten,) wie denn diese Worte uͤberhaupt fuͤr das gelten, was wir in Deutschland Rehder und ausrehden nennen. Noch mehr beduͤrfen eigener Schiffe die im Mutter- A 2 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤft. der Handl. lande wohnenden Besizer grosser Plantagen in den Kolonien. Beckford , welcher sich vor bald dreissig Jahren in der Fuͤhrung des Amts eines Lords-Maire so beruͤhmt machte, erhielt, da er uͤbrigens kein ei- gentlicher Kaufmann war, zwanzig eigene Schiffe im Gange zwischen England und seinen Plantagen in Jamaica; und gewis hat England noch jezt sol- cher Maͤnner viele. Die Fahrt laͤngst den Kuͤsten Eines Staats, welche man die Kuͤstenfahrt im eingeschraͤnkten Verstande nennt, wird mehrenteils auch mit eigenen Schiffen derjenigen Kaufleute be- trieben, welche von Hafen zu Hafen handeln. Man- cher Schiffer ist dann auch selbst der Kaufmann, und faͤhrt in seinem eigenen Gewerbe. Doch wendet man dazu kleinere Schiffe an, es sei denn, daß Pro- ducte, die ein Schiff sehr leicht fuͤllen, wie z. B. die Steinkohlen und Holz einen Gegenstand dieses Ge- werbes ausmachen. Aus diesem Grunde und uͤber- haupt wegen seiner Lage hat Gros-Britannien und Irland die staͤrkste Kuͤstenfahrt in Europa. §. 4. Eine Haupt-Veranlassung des Gebrauchs der Schiffe im eigenen Gewerbe ist die Fischerei. Ich rede nicht von der Fischerei laͤngst den Kuͤsten, welche ein Gewerbe des geringen Mannes ist, das er von den Ufern ab mit kleinen Fahrzeugen betreibt. Der Cap. 1. Von der Schiffahrt. Fang solcher Fische ist nach Gruͤnden, welche ich B. 3. Cap. 1. §. 1 angegeben habe, noch kein Ge- genstand eigentlicher Handlung, bevor aus demsel- ben ein Vorraht gesammelt ist, mit welchem ein Ge- werbe im Grossen getrieben werden kann. So wird der an den Kuͤsten Islands und Norwegens gefan- gene Stokfisch, und jezt der an den Schwedischen Kuͤsten von deren Bewohnern gefangene Hering allererst nach seiner Aufkaufung durch Kaufleute ein Gegenstand des grossen Handels. Aber der Anlaß zur Ausruͤstung groͤsserer Schiffe entsteht aus dem Fange der Fische auf hoher See oder in entfernten Meeren. Dieser hat bekanntlich den Hering, den Stokfisch, den Wallfisch und den Seehund vorzuͤg- lich zu Gegenstaͤnden. Ich habe bereits oben B. 2. C. 2. §. 6 gesagt, daß ich dies Gewerbe zum Pro- ductenhandel der Nation rechne, die es treibt. Ich mag mich hier nicht auf die historische und geogra- phische Darstellung der Wichtigkeit dieses Gewerbes ausdehnen, welche freilich in einigen Zweigen jezt in dem Maasse abnimmt, je kleiner die Zahl derjenigen Christen wird, welche die von der Kirche allgemein gebotenen Fasten noch mit Aengstlichkeit halten. Doch bleibt sie noch immer dadurch ein wichtiges Mittel, die Seefahrt im Ganzen aufrecht zu erhalten, weil ein zur Fischerei auf hohen Meeren sich verdingen- der Seemann mehr Uebung hat, und an die Gefah- 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤft. der Handl. ren der See ganz anders gewoͤhnt wird, als in irgend einem andern Zweige der Seefahrt. §. 5. Bei dem allen ist jezt die erste Veranlassung zum Bau der See-Schiffe die Hofnung des Gewinns, der aus der Vermietung derselben, oder der teilweise eingenommenen Fracht von Kaufleuten desselben so wol, als eines fremden Staats entsteht, so daß ich sagen moͤgte, daß von fuͤnf Schiffen, welche die See befahren, vier in diesem Wege benuzt werden. Der jezige Gang der Handlung macht dies uͤberhaupt noht- wendig, da die Kaufleute grosser Handelsstaͤdte so vielerlei Geschaͤfte eins neben dem andern treiben, daß nur von wenigen der Gegenstand ein Schiff ganz fuͤllen kann. Entsteht ihnen ein solches von Zeit zu Zeit, so wird es ihnen leicht, ein Schiff fuͤr dies einzelne Handlungsgeschaͤfte zu mieten. Der Preis der Fracht sei, welcher er wolle, so ist der Kauf- mann doch immer besser daran, als wenn er in der Hinaussicht, zuweilen eines ganzen Schiffes zu be- duͤrfen, viele eigne Schiffe selbst halten muͤßte. Der Contract, durch welchen ein ganzes Schiff bedungen wird, heißt in der Sprache des Schiffswesens eine Cer- tepartie . Ein schiklicher Deutscher Ausdruk dafuͤr wuͤrde Ladungs-Contract oder Fracht-Con- tract sein. Jenes Wort ist fremden Ursprungs, Cap. 1. Von der Schiffahrt. und bedeutet so viel als ein geteiltes Papier, charte partie, in altem Franzoͤsischen. Jezt werden zwei gleichlautende Abschriften eines solchen Contracts, von beiden Teilen unterschrieben, einander aus- gefertigt. §. 6. Gewoͤhnlich aber legt in Seestaͤdten ein Schiffer sich in Ladung auf Stuͤkguͤter , d. i. in dem Vorsaz und mit dem Erbieten, eine jede kleine oder grosse Partei Waare und ein jedes Stuͤk Gut fuͤr eine daruͤber zu bedingende Fracht an den von ihm angezeigten Ort seiner Bestimmung zu bringen. Nach gemachtem Verding und empfangener Waare stellt er drei gleich lautende Certificate unter der Be- nennung eines Connossements aus, deren eines er selbst behaͤlt, zwei aber der Einlader bekoͤmmt. Dieser sendet Eines durch den Weg der Post dem Empfaͤnger an dem Bestimmungsort zu, und die- ser wird dadurch berechtigt, es von dem Schiffer in Empfang zu nehmen, welchem auch er fuͤr die Fracht haftet. Denn diese ist nicht eher ganz ver- dient, als bis das Schiff zur Stelle koͤmmt, wird aber im Ungluͤksfall als bis zu dem Ort verdient angesehen und berechnet, wo das Schiff zu Scha- den kam. 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤft. der Handl. §. 7. In beiderlei Wegen wird der Schiffer nur von dem Verdienst der Hinreise gewis, es sei denn in dem Fall . daß er bedungen wird, ledig nach einem Ort hin zu segeln, um dort eine Ladung einzuneh- men, oder auch die Certepartie auf Hin- und Her- Fracht geschlossen wird. Sonst aber muß er in dem Hafen seiner Bestimmung eine Ruͤkfracht auf eben die Art, wie in dem Hafen, von welchem er ausse- gelte, suchen. Aber vergebens sucht er diese in man- chen Haͤfen. Denn es giebt der Seeplaͤze sehr viele, zwischen welchen die Handlung nur in Einem Wege geht, so daß nur eine Hinfracht gesunden werden kann, aber keine Ruͤkfracht, wenigstens keine solche Statt hat, die ein Schiff ganz fuͤllen und ihm hin- laͤnglichen Verdienst geben koͤnnte. Dies ist z. B. der Fall mit Cadix, welchem Hafen freilich die kost- baren fuͤr das Spanische Amerika bestimmten Kunst- Produkte aus dem uͤbrigen Europa zugefuͤhrt wer- den, welches aber nur selten ein Schiff mit Retour- Guͤtern eben dahin fuͤllen kann. Denn die Piaster, die Cochenille und andere kostbare Produkte jener Gegenden zahlen, so groß auch deren Wehrt ist, dem Schiffer nur wenig Fracht. Jezt koͤmmt jedoch der von Havana ausgesandte Zukker der anfangenden Plantagen in Cuba dazu. Die Gegend von Cadix selbst liefert wenig aus. Daher gehen von Hamburg Cap. 1. Von der Schiffahrt. nach Cadix jaͤhrlich 12 bis 14 Schiffe, und nur 2 oder 3 kommen von dort auf Hamburg. Auf andere Seeplaͤze aber fehlt es an der Hinfracht. Nach Malaga geht von Hamburg aus nur s e lten ein Schiff grade zu, und ungefaͤhr dreissig kommen von dort jaͤhrlich nach Hamburg. Ein grosser Teil derer Schiffe, welche die Ostsee besegeln, befinden sich in eben diesem Fall. Man kann aus den Sundischen Listen sehen, wie viele derselben mit blossem B a llast hineinsegeln, aber fast keiner mit Ballast wieder heraus. Es koͤmmt hiebei sehr auf die Beschaffen- heit derer Guͤter an, welche von Einem Hafen und Lande zu dem andern gehen. Richtete sich die Fracht nicht nach dem Gewichte, sondern nach dem Wehrte, so wuͤrden jene Faͤlle weniger Statt haben. Wenn aber die Producte Eines Landes schwer sind, und vielen Raum einnehmen, die des andern aber kost- bar bei kleinem Gewicht sind, so giebt jenes Land dem Schiffer immer mehr und geschwiuder zu ver- dienen, als dieses, oder er muß in diesem lange und mit grossen Kosten liegen bleiben, ehe es zu einer hinlaͤnglichen Fracht gelangt. Welch eine Schwierig- keit dies den Nordamerikanern in ihrer Handlung und Schiffahrt mache, habe ich in meinen Bedenk- lichkeiten uͤber diese Handlung S. 20 des 2ten Bandes unserer Handels-Bibliothek gezeigt. 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤft. der Handl. Anmerkung. Wenn ich Dinge dieser Art, die in allen Seehaͤ- fen und grossen Handlungsplaͤzen jedermann bekannt sind, so umstaͤndlich vortrage, so denke man dabei, daß mein Buch auch hoffentlich inlaͤndische Leser ha- ben werde, welchen eben diese Umstaͤnde nicht ganz bekannt sind. §. 8. Aus allen diesen Ursachen nimmt der Eigner eines Schiffes seine Aussicht dahinaus, und weist auch seinen Schisser an, sich in keinem Hafen lange auf- zuhalten, wo keine Retourfracht, wenigstens nicht ohne langen Zeitverlust und Kosten, sich erwarten laͤßt, sondern von einem solchen Hafen zu einem an- dern zu segeln, wo sich der Fall umkehrt. Schiffe, die von Hamburg nach Cadix gehen, verlassen also diesen Hafen, sobald sie ausgeladen haben, und ge- hen in die Mittellaͤndische See, vorzuͤglich nach Ma- laga, zumal gegen die Jahrszeit, wenn die Weinlese uud Erndten anderer Art die Schiffe geschwind fuͤllen. Oder sie suchen andre Haͤfen an der Mittellaͤndischen See, wo allenfalls eine Ordre hin gegeben ist, eine Certepartie auf diesen oder jenen Hafen auf eine Fracht Oel, Corinthen, Citronen und dergleichen Produkte zu schliessen, die fuͤr den Norden Europens bestimmt sind. Am gewissesten, wiewol nur schwach, Cap. 1. Von der Schiffahrt. bezahlt einem solchen Schiffe das Seesalz an den Ufern der suͤdlichen Meere seine Ruͤkfracht, dessen die Laͤnder an der Ostsee so sehr beduͤrfen. Mit die- sem segelt der Schiffer dem Sunde zu, ohne den Ort seiner eigentlichen Bestimmung zu wissen, welchen er allererst im Sunde durch Briefe seiner Rheder er- faͤhrt, die mittlerweile erkundigt haben, in welche m Ha- fen der Ostsee das Salz am meisten verlangt wird. Ich kann mir nicht verbieten, solchen Lesern meines Buches, welche dessen Verfasser wol wollen, und die es interessiren kann; meinen zu S. Uebes oder Setuval etablirten Sohn, Carl August Buͤsch (dies ist dessen Firma) zu Consignationen ihrer dorthin auf Salzfracht gehenden Schiffe an ihn bestens, als einen jun- gen Mann, zu empfehlen, den sein Aufenthalt in Hamburg, demnaͤchst in Copenhagen vier Jahre durch, und nun schon seit sieben Jahren in Portugal mit der Handlung und den Sprachen dieser Laͤnder zur Bedienung Nordischer Kauf- leute vorzuͤglich geschikt gemacht hat. So fremd diese Empfehlung dem Inhalte meines Buches ist, so wird doch das Interesse eines alten Vaters an dem Gluͤck seines Sohns hoffentlich sie ent- schuldigen. In manchen Haͤfen laͤßt sich so wenig eine volle Fracht erwarten, daß ein Schiff nur auf mehrere derselben in Ladung legen kann, sie der Reihe nach befaͤhrt, und sich seiner Ladung Teilweise entledigt. 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤft. der Handl. Das ist ungefaͤhr der Gang der sogenannten Frachtfahrt , (Franzoͤsisch le Cabotage ) eines Ge- werbes von oft grosser, oft geringer und uͤberhaupt sehr ungewisser Eintraͤglichkeit. §. 9. Zwar wird ein jedes Volk zu dem Bau derjeni- gen Schiffe Raht zu schaffen wissen, deren es zu seinem eigenen Seehandel bedarf. Aber derer Vor- aussezungen sind sehr viele, ohne welche eine Na- tion nicht zu dem Gewinn einer solchen Frachtfahrt gelangen, wenigstens es nicht hoch in derselben brin- gen kann. Diese sind teils natuͤrliche, teils oͤkono- mische, teils politische Vorteile, welche Eine Na- tion vor der andern voraus hat. Ich will von jeder Art besonders reden. 1) Natuͤrliche Vorteile sind, a ) wenn eine Nation reich an solchen Producten ist, welche als Materialien des Schiffsbaues und der Schiffahrt dienen. Zum Gluͤck fuͤr die handelnde Welt hat kein Volk entweder alle diese Producte in hinlaͤnglichem Vorraht und Guͤte, oder genießt der noch zu erlaͤuternden uͤbrigen Vorteile nicht hin- reichend. Sonst wuͤrde ein solches Volk allen uͤbri- gen nicht nur in der Seefahrt, sondern auch in dem Seehandel den Rang zu sehr abgewinnen. In Eu- Cap. 1. Von der Schiffahrt. ropa sind die Laͤnder an der Ostsee uͤberhaupt am reichsten an diesen Producten. Darauf beruhete das Uebergewicht der Hansestaͤdte im Handel um so viel mehr, da fast ein jeder Seeplaz an diesem Meere in dem Bunde stand. Als dieser Bund geschwaͤcht war, bewies und es beweist noch die Erfahrung, daß jede Nation, welche das Uebergewicht in der Ostseeischen Schiffahrt hat, dasselbe auch uͤberhaupt im Schiffs- bau und in der Seefahrt habe. Aber warum hat denn von den Staaten laͤngst der Ostsee bisher keiner dies Uebergewicht an sich ziehen koͤnnen? Deswegen nicht, weil ihnen einzeln so mancher derer uͤbrigen Vorteile fehlt, von welchen ich noch zu reden habe. Hier gehoͤrt nur so viel her, daß nicht alle diese Pro- ducte insgesamt haben. Z. B. Rußland und Schwe- den fehlt es an dem Eichenholze. Nordamerika hat dessen einen Ueberfluß, aber nicht in der Guͤte, die erforderlich ist, um auf eine hinlaͤnglich lange Dauer des Schiffes rechnen zu koͤnnen. b ) Geographische Vorteile. Dahin gehoͤren: genug gute Haͤfen, Gewaͤsser und Seekuͤsten, an welchen viele Beschaͤftigungen vorfallen, in welchen der geringe Mann auf die Seefahrt zulernen kann. Ich habe schon §. 3 gesagt, daß England in dieser Absicht am besten daran ist. Jezt muß ich hinzu sezen, daß es Rußland gar sehr daran fehle. Es 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤft. der Handl. hat zu wenig Gewaͤsser und Seeufer. Die nun den Tuͤrken aufs neue abgedrungene Schiffahrt auf dem Schwarzen Meere wird ihm zwar mehr Seeleute verschaffen, aber langsam und nie im Ueberfluß, so lange die nun unter Rußlands Herrschaft gelangten Kuͤsten desselben nicht mehr Bewohner haben, die auf dem Meere Beschaͤftigung suchen koͤnnen. Zu einer starken Frachtfahrt gehoͤrt dann auch eine solche Lage, daß der Staat, welcher daran Teil nehmen will, nicht zu weite Wege zu denen Meeren habe, in welchen der Verdienst von derselben am meisten vorkoͤmmt. Fuͤr Nordamerika wird die Frachtfahrt in den Europaͤischen Meeren nie ein Zweig seiner Industrie werden koͤnnen. Auch Rußland ist schon zu weit von denselben entfernt. Zu den natuͤrlichen Voraussezungen rechne ich auch, daß die eigene Handlung eines Volks allein nicht schon dessen Schiffahrt so sehr beschaͤftige, daß ihm keine Schiffe und Seeleute fuͤr die Frachtfahrt uͤbrig bleiben. Das ist der Fall, in welchem sich Frankreich befindet, welches bei den so oft wieder- holten Auffoderungen seiner Handlungspolitiker, die ihm noͤtige Seefahrt in den Norden selbst zu be- treiben, es nimmermehr hoch darin bringen wird. Es koͤmmt dazu, daß, wenn es in Friedenszeit einen Cap. 1. Von der Schiffahrt. Anfang damit gemacht hat, es die Fahrt durch den Kanal seinen Schiffen gesperrt sieht, so bald Frank- reich mit den Englaͤndern in Krieg geraͤht. Auch davon ist die Ursache geographisch; denn Frankreich hat laͤngst dem Canal keine solche Seehaͤfen, in wel- chen es eine Seemacht beisammen halten koͤnnte, die seinen Schiffen die Fahrt durch den Canal sicherte. Ich werde mehr davon in den Zusaͤzen sagen. Die Britten selbst sind gewissermassen in eben diesem Fall, daß sie nicht Schiffe genug fuͤr den Verdienst der Frachtfahrt uͤbrig haben. §. 10. 2) Was ich unter oͤkonomischen Vorteilen ver- stehe, erklaͤrt der Ausdruk selbst. Aber es gehoͤren auch die Vorteile dazu, welche der uͤbrige Gang der Gewerbe und der Handlung selbst, insonderheit der mit den Schiffs-Materialien, einem Volke anbietet. Der Bau grosser Schiffe koͤmmt am leichtesten durch eine Association mehrerer zu Stande. Diese finden in Holland eine grosse Erleichterung darin, daß sie unter Leuten geschlossen werden, welche als Handelsleute, und selbst als Handwerker, an dem Schiffe verdie- nen, welches sie vereint bauen. Nicht nur der auf die Ostsee handelnde Kaufmann, sondern auch der Schiffbauer, der Seiler, der Schmidt, der Seegel- macher sehen zuvoͤrderst auf den Gewinn, den sie 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤft. der Handl. von dem Bau dieses Schiffes haben. Sie haben die Kraͤfte, das ihnen fuͤr ihre Lieferung oder Arbeit zu- kommende Capital als den Kaufpreis ihres Schiffs- parts stehen zu lassen, und sehen es als Gewinn an, wenn sie aus dem Verdienst von dessen Frachtfahrt mehr als gewoͤhnliche Zinsen ziehen. Das ist ganz eine andere Sache, als wenn in Hamburg und an- dern Seeplaͤzen die ganze Auslage fuͤr Materialien und Arbeit von den Rhedern eines Schiffes baar her- geschossen werden muß. Insonderheit aber entsteht eine grosse Ersparung aus der Bauart und der Besegelung der Schiffe. Dies wird uͤberhaupt mehr und mehr ausstudirt. In meiner Jugend sah ich kein Schiff die Elbe bese- geln, das nicht drei Masten gehabt haͤtte, wenn es etwa 100 Lasten groß war. Jezt giebt man selten einem Schiffe von 150 Last mehr als zwei Masten, wo- durch wenigstens zwei Mann an der Equipage er- spart werden. Aber vollends groß ist der Vorteil, welcher aus der Hollaͤndischen Art der Bemastung und Besegelung von kleinen und Mittelschiffen ent- steht, welcher jedoch die auf der Ostsee gewoͤhnliche sich sehr naͤhert. Die Stellung der sogenannten Spreet- (ausgespreiteten) und der kleinern dreiekkig- ten Segel geschieht mit viel groͤsserer Leichtigkeit, und braucht weit weniger Haͤnde, als die der vierek- Cap. 1. Von der Schiffahrt. kigten mit der Mitte ihrer Seegelstangen an den Masten befestigten Segel. Mittelschiffe dieser Art werden grossenteils von dem Schiffer, welcher ge- woͤhnlich deren Eigner ist, dessen Weibe, einem Knecht und einem Jungen auf weite Reisen gefuͤhrt. Die ganze Familie, wenn der Kinder auch mehr sind, lebt auf dem Schiffe und behilft sich kaͤrglich, ohne allen den Aufwand zu kennen, den andre Schiffer aus grossen oder kleinern Seeplaͤzen daheim in ihrem Hause zu machen gewohnt sind, zumal wenn sie Winterlager halten. Ueberhaupt ist von allen Geschaͤften, welche der Handlung angehoͤren, keines, das eine so weit ge- triebene Sparsamkeit erfodert, als das Schiffswesen fuͤr Rechnung von Privatleuten, wenn so viel durch die Frachten eines Schiffs gewonnen werden soll, daß das Capital, welches an den Bau des Schiffes verwandt worden, nebst den wiederholten Reparatur- und Ausruͤstungs-Kosten, schon dann gewonnen ist, wann durch das Alter und die Abnuzung des Schiffes das Capital verlohren geht. Die Rechnung uͤber ein Schiff wird gewoͤhnlich auf eine Art gefuͤhrt, die man in andern Handlungs-Geschaͤften nicht kennt. Der Wehrt des neugebauten oder angekauften Schif- fes wird als ein auf Gewinn und Verlust laufendes Capital auf die Eine Seite der Rechnung in das Debet 2ter Teil. B 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤft. der Handl. des Schiffs gestellt. Eben dahin traͤgt man die Ko- sten vorfallender Reparaturen und der Ausruͤstung zu jeder neuen Reise, nebst allen dafuͤr bezahlten Assecuranz-Praͤmien. Auf die andere Seite traͤgt man die Einnahme von allen Frachtgeldern. Wenn diese Summen sich gleich werden, so spricht der Eigner: sein Schiff habe sich frei gefahren. Von Zinsen des daran gewandten Capitals ist noch gar nicht die Rede. Gelingt es, daß fuͤr eben dies Schiff nach mehrern Reisen die in dessen Credit gebrachte Summe das auf der Debetseite stehende ums zwie- fache uͤbersteigt, so heißt es, das Schiff habe sich zum zweiten mal frei gefahren. §. 11. 3) Politische Voraussezungen entstehen in dem jezigen Zustande Europens auf mancherlei Art. a ) Wenn ein uͤber See handelndes Volk keine oder wenigstens seltne Seekriege hat. Jeder See- Krieg macht der Frachtfahrt der im Kriege begriffe- nen Nation ein Ende, wird aber eine reiche Quelle des Gewinns fuͤr diejenigen, welche an diesem Kriege keinen Teil nehmen, deren Flagge alsdann die neu- trale heißt. Insonderheit aber haͤngt die Frachtfahrt in den suͤdlichen Gegenden fuͤr alle Europaͤische Na- tionen von dem friedlichen oder feindlichen Verhaͤlt- Cap. 1. Von der Schiffahrt. nis ab, in welchem sie mit den Afrikanischen Seeraͤu- bern stehen. Ich erspare aber fuͤr das fuͤnfte Buch alles, was man von dem aus diesem Verhaͤltnis und den Friedensschluͤssen mit jenen Seeraͤubern entstan- denen Recht der neutralen Flagge vielleicht erwarten moͤgte bereits hier zu lesen. Eben dahin verschiebe ich auch von der gewaltsamen Maasregel zu reden, durch welche die Britten alle Frachtfahrt auf ihre Haͤfen und Meere den uͤbrigen Europaͤischen Nationen abgeschnitten haben, nemlich der berufenen Navigationsacte. Dort werde ich auch erwaͤhnen, was andere Seefahrende Voͤlker dem aͤhnliches ge- tahn haben. Hier sei es genug anzufuͤhren, daß alle Nationen, welche Colonien besizen, mit einer gerechten Handlungspolitik die Frachtfahrt auf die- selben andern Nationen versagen. Doch sahen in dem lezten Seekriege alle in demselbeu begriffene Voͤlker sich genoͤtigt dieselbe frei zu geben, welches aber, wie leicht voraus zu sehen war, nach geschlos- senem Frieden wieder aufhoͤrte. §. 12. Der Bau der Seeschiffe ist, auch wenn er nur zum Behuf der Handlung des Staats, dem diese Schiffe angehoͤren, getrieben wird, eine vielen Ver- dienst gebende Kunst-Arbeit, welche seinen Buͤrgern zu erhalten dessen Obern viele Ursache haben, wenn B 2 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤft. der Handl. gleich die Materialien zu demselben groͤßtenteils durch die auslaͤndische Handlung herbeigefuͤhrt werden muͤssen. Ich werde im fuͤnften Buche von denen Wegen mehr sagen, welche eine verstaͤndige Hand- lungspolitik in dieser Absicht zu gehen Ursache hat. Aber einerseits steht mancher Staat in denen Vorteilen, die dies erleichtern, zu weit hinter andern zuruͤck; andrerseits entsteheu aus mancherlei Vorfaͤllen, inson- derheit aus den Kriegen unsrer Zeit, zuweilen Re- volutionen in der Seehandlung, von welchen der Vorteil manchem Staat entgehen wuͤrde, wenn er die zu diesem Behuf ihm noͤtigen Schiffe noch erst bauen muͤßte, und sie nicht von andern Nationen fertig kaufen duͤrfte. Auch der Fall hat Statt, daß eine Nation ihre Schiffe anwendet, um die Hand- lungs-Balanz mit einer andern durch deren Verkauf wenigstens zum Teil auszugleichen. Dadurch werden also die Schiffe der Gegenstand einer Handlung, die zum Manufactur-Gewerbe zu rechnen ist, es mag nun das Schiff ausdruͤklich da- zu gebauet sein, oder dessen Eigner es fuͤr alt ver- kaufen, um von der Conjunctur Nuzen zu ziehen. Freilich ist der leztere Fall der gewoͤhnlichere, und solche Conjuncturen machen die Preise der Schiffe so hoch und so schnell steigen, wie es fast kein Bei- Cap. 1. Von der Schiffahrt. spiel in andern Handlungszweigen giebt. In dem lezten Seekriege ward manches alte und schlechte Schiff fast zu dem Preise verkauft, den es im ersten Bau gekoster haben mogte. Aber desto schneller faͤllt auch deren Wehrt, wenn die Conjunctur sich ploͤzlich endigt. Dies eben war der Fall in dem J. 1783. Der Verlust ward erstaunlich gros, zumal fuͤr denjenigen, der Schiffe in der Hinaussicht auf diese Conjunctur gebauet hatte. Das Vermoͤgen so manches Privat-Mannes in unsern Gegenden ist da- durch verlohren gegangen. Wir haben aber auch hier in Hamburg drei der groͤsten Schiffe verfaulen sehen, welche die Preussische Nuz-Holz-Handlungs-Compa- nie hatte bauen lassen, und sich zu lange geweigert hatte, sie fuͤr den mit dem Frieden gesunkenen Preis zu verkaufen. Ausser solchen Conjuncturen geht die Schiffbaue- rei auf den Kauf an einzelnen Orten lebhaft fort, welche vorzuͤgliche Vorteile im Ankauf der Materia- lien und des Arbeitslohns geniessen, so daß der aus- waͤrtige Kaufmann seinen Vorteil dabei einsieht, wenn er dort Schiffe zum Behuf seiner Handlung bauen laͤßt. Sehr viele Plaͤze an der Ostsee erfreuen sich dieses Gewerbes auch im Frieden. Holland ist durch die §. 10 bemerkten Vorteile fast immer im Stande gewesen, andern Nationen seine Schiffe mit 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤft. der Handl. Gewinn zu verkaufen, wenn auch dieselben nicht in dieser Absicht gebauet waren. Vor etwa zwanzig Jahren kam Rusland, in- sonderheit Archangel, zu einem Genus dieses Gewer- bes, indem es sehr viele Schiffe von Fuhrenholz auf den Kauf fuͤr Auslaͤnder baute. Solche Schiffe wa- ren wolfeil; und in der Befrachtung haben sie den Vorteil, daß ein solches Schiff, da es durch seine eigene Last viel weniger tief, als ein eichenes Schiff geht, eine weit groͤssere Ladung einnehmen kann. Aber drei Umstaͤnde heben diesen Vorteil wieder auf: erstlich, daß ein solches Schiff nicht die Haͤlfte der Zeit dauert, in welcher ein eichenes Schiff brauchbar bleibt; zweitens, daß es viel mehr Reparatur erfo- dert, insonderheit in demjenigen Teile, der bei dem Beladen ins Wasser versenkt wird, und nachher wie- der aus demselben hervorsteigt, da dann das Fuhren- Holz bei abwechselnder Naͤsse und Trokkene sich zieht und die Fugen sich allenthalben oͤfnen; drittens, weil die Assecuranz auf jedes in ein fuhrenes Schiff gela- denes Stuͤk Gut so viel theurer wird, daß der Schiffer dies gewissermassen in der so viel geringer angenom- menen Fracht verguͤten muß. Anmerkung. Man erwarte nicht, daß ich von den Pflichten eines Schiffers, und von dem, was ihm die Eigner Cap. 1. Von der Schiffahrt. des Schiffes uͤberlassen muͤssen, wenn er in einem entfernten Hafen sich befindet, auch nicht von dem, was die Seegeseze in einer gewissen Einstimmigkeit in Ansehung des Schiffers und des Schiffsvolks ver- ordnen, hier etwas eintrage. Denn ich moͤgte mein Buch nicht gern durch solche rein praktische Dinge ausdehnen, welche man aus so manchen Buͤchern kennen lernen kann, unter welchen ich deutschen Le- sern insonderheit den wolinstruirten Schiffer emfehle, von welchem die zweite Auflage, Luͤbek 1778, in 8vo, in allen Buchladen zu haben ist. Aus eben der Ursache werde ich auch nichts von dem Fuhrwe- sen, den Pflichten der Fuhrleute und der Weise mit Ihnen zu contrahiren sagen, wenn gleich die Landfracht ein so wichtiges Huͤlfsgeschaͤfte der Hand- lung ist, welchem ich ein besonders Capitel widmen muͤßte, wenn es mit meinem Hauptzwek zusammen- stimmte, mich darauf einzulassen. §. 13. Die Flußfahrt ist ein von der Natur den in- laͤndischen Gegenden ganz zugeteilter Vorteil, dessen dieselben so weit geniessen, als der Fluß schiffbar bleibt. Dieses wird freilich auch bei einem wasserrei- chen Flus durch einen zu starken Fall desselben gemin- dert. Die Donau, der groͤste Fluß Europens, schaft Deutschland, so weit sie durch dasselbe fließt, 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤft. der Handl. wenig Vorteil, weil die Schwierigkeit und Kosten der Fahrt dem Fluß entgegen zu groß werden, so daß sie sich den Kosten der Landfracht naͤhern. Wenn sie aber noch betraͤchtlich weit unter diesen bleiben, so weiset auch ein so reissender Fluß, wie der Rhein und die Weser, der Handlung den Weg, welchen sie zu gehen hat. Die Concurrenz, welche in der Seefahrt so viel vermag, ist bei der Flußfahrt weni- ger zu fuͤrchten, und diese braucht keine Unterstuͤzung von der Handlungspolitik ihrer Regenten. Dagegen aber hat eine uͤbel verstandene Handlungs- Politik deutscher Regenten und der von ihnen ab- haͤngenden kleinern Staaten und Staͤdte durch die sogenannte Stapelgerechtigkeit vieles getahn, um die Flußfahrt zu erschweren. Ich will jedoch fuͤr die Zusaͤze das, was sich daruͤber historisch sagen laͤßt, mit andern Anmerkungen ersparen. Weit aͤrger aber ist der Nachteil, welchen die Gierigkeit der deutschen Staͤnde im Mittelalter und die zu grosse Nachgiebigkeit der Regenten Deutschlands, durch Erteilung der Zollrechte an diesen Fluͤssen, der Fahrt auf den schoͤnen Fluͤssen Deutschlands zugefuͤgt hat. Durch diese ist es so weit gekommen, daß die Handlung mancher Gegenden, denen der Fluß zu Statten kommen koͤnnte, die Landfracht vorzieht, so bald der Wehrt der Waare betraͤchtlich und deren Cap. 1. Von der Schiffahrt. Masse klein genug ist, um sie auf der Achse verfuͤh- ren zu koͤnnen. Das ist nun freilich ein Uebel, dessen Deutschland schwerlich jemals los werden wird. Fuͤr die Seefahrt giebt die Concurrenz den Regenten oft Gruͤnde an, die Zoͤlle in ihren Haͤfen zu vermindern, oder aufzuheben, um dieselbe ihnen zu erhalten oder sie hinzuziehen. Allein die Flußfahrt giebt keine dergleichen Bewegungsgruͤnde an. Kein Fuͤrst, wenn er einmal in dem Besiz eines Zollrechts an einem deutschen Fluß ist, kann erwarten, den Ort, wo dieser Zoll gehoben wird, durch Aufhebung oder Verminderung derselben ins Aufnehmen zu bringen, und ihn zu einem Handelsplaze zu machen, wenn er es sonst nicht war. Dagegen bringen diese Zoͤlle denen Orten, wo sie gehoben werden, nichts mehr ein, als was die Zollbediente dort verzehren. Ich kenne einen Ort, wo der Regent 100000 Rthlr. von seinem Zoll hebt, dem es aber zu nichts hilft, die Grenzstadt eines grossen Staats und an einem grossen schiffbaren Fluß belegen zu sein, der immer armselig bleibt, und dessen Einwohner blos Akkers- Leute in buͤrgerlicher Tracht sind. Wo einige Con- currenz zu fuͤrchten ist, da entstehen andere Gruͤnde. So hat z. B. Hamburg alle Zoͤlle auf durchgehende Waaren aufgehoben. Denn da es seine ihm so buͤn- dig erteilte Stapelgerechtigkeit nicht behaupten mag, so moͤgte es durch diese, wenn gleich kleine Zoͤlle den 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤft. der Handl. Transithandel wenigstens grossenteils von sich weg- gewiesen haben. Zwar erklaͤren sich die neuern Reichsgeseze, insonderheit die Wahlcapitulation, so unguͤnstig gegen die Zoͤlle, daß man aus deren Aus- druͤkken allein die Hofnung fassen moͤgte, es koͤnne doch noch wol einmal dahin kommen, daß die Deut- sche Handlung dieser Last entledigt wuͤrde. Wenig- stens ist die Errichtung neuer Zollstaͤdte in einem der Reichsverfassung gemaͤssen Wege so gut als unmoͤglich. Aber der Fluß-Zoͤlle sind nun einmal bei weitem zu viele, und deren Tarife so hoch gestellt, daß das Uebel nicht wol aͤrger werden kann. Noch ist kein Beispiel von einem aufgehobenen Zoll in Deutsch- land da, wol aber ist, insonderheit den maͤchtigen Reichsstaͤnden, so viele Freiheit in Erhoͤhung ihrer schon bestehenden Zoͤlle uͤbrig gelassen, daß ohne Errich- tung neuer Zollstaͤdten das Uebel noch unabsehlich groͤsser werden kann. Ich behalte mir vor, auch daruͤber in den Zusaͤzen noch manches nachzutragen. §. 14. Die Bemuͤhung, durch Kunst eine Schiffahrt da zu bewirken, wo die Natur dieselbe nicht gegeben hat, ist sehr alt; aber die dazu erfoderliche Kunst hat allererst vor zwei Jahrhunderten sich ihrer Vollen- dung genaͤhert. Alles, was die Alten darin verstan- den, war, dem Wasser der Fluͤsse und Meere einen Cap. 1. Von der Schiffahrt. Weg da zu oͤfnen, wo der Boden ihren Untersu- chungen ganz eben oder nur schwach abzufallen schien. Die Spuren sind noch da von einer angefangenen Durchgrabung der Landenge zwischen dem Mittellaͤndi- schen und dem Rohten Meer zur Zeit der aͤltesten Aegyp- tischen Koͤnige. Aber die Geschichte sagt auch, daß der Anschlag deswegen aufgegeben sei, weil diesen Koͤnigen die Besorgnis erwekt worden waͤre, das Mittellaͤndische Meer wuͤrde, weil es viel hoͤher, als das Rohte Meer belegen sei, in dieses aus- fliessen, und so sei der grosse Anschlag aufgegeben worden. Die Sineser begegneten dieser grossen Schwierigkeir, indem sie queer durch ihre Fluͤsse und Canaͤle prismatische Daͤmme legten, uͤber deren spizen Ruͤkken die Schiffe mit grosser Gefahr des Zer- brechens gezogen werden muͤssen. Die Roͤmer gru- ben in Belgien zwei Canaͤle, um den zu wasserrei- chen Rhein abzuzapfen; einen jezt nicht mehr erkenn- baren in ganz flachem Boden in der Nachbarschaft seines alten Ausflusses, einen zweiten mit einem nicht schwachen Falle, der jezt noch die Yssel heißt. Dies ward von den spaͤtern Belgiern durch Ziehung, wer weis es? wie vieler Canaͤle, in ihrem flachen Bo- den nachgeahmt, welche jedoch mehr die Abwaͤsse- rung, als die Schiffahrt zur Absicht hatten, jezt aber eben so viel Wege fuͤr leztere sind. Erst im 14ten Jahrhundert wagten es unsre Vorfahren, die 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤft. der Handl. Vorfahren von uns nordlichen Deutschen, Canaͤle und Fluͤsse durch Schleusen zu stauen, welche, auf eine gewisse Art geoͤfnet, den Schiffen den Weg auf- und niederwaͤrts oͤfnen, wenn der Fall nicht uͤber 4 Fus ist. Endlich gab der Niederlaͤnder, Simon Stevin , die Fangschleusen mit zwiefachen Tuͤhren an. Eine Erfindung, mit welcher jezt eine kuͤnstli- che Schiffahrt allenthalben moͤglich wird, wenn die Natur nur so viel zu Huͤlfe koͤmmt, daß man einen hinlaͤnglichen Wasservorraht auf derjenigen Stelle findet, von welcher ab der Canal nach einer oder nach beiden Seiten abfliessen soll! Es wuͤrde mich zu weit fuͤhren, wenn ich alle Canaͤle benennen woll- te, in welchen diese Erfindung benuzt ist. Jezt sind also keine andre als gebirgigte oder mit einem zu starken Abhange sich senkende Gegenden, in welchen die Kunst nicht eine Schiffahrt zu Wege bringen koͤnnte. §. 15. Wenn ich zu sagen wage, solche Canaͤle, am rech- ten Orte angelegt, seien der Handlung viel vorteil- hafter, als die natuͤrlichen Fluͤsse, so sage ich etwas, das nur noch Deutschen unerhoͤrt scheinen kann. Denn fast jede andre fuͤr die Aufnahme der Handlung Cap. 1. Von der Schiffahrt. sorgfaͤltige Nation, wiewol doch auch unter den Deutschen die Brandenburger, wissen es. Und die nordlichen Deutschen wußten es vor 400 Jahren fruͤ- her, und uͤbten es fruͤher, so gut sie es verstanden, als andre. Also muß ich doch wol den Deutschen meiner Zeit und meiner Gegend noch Gruͤnde meiner kuͤhnen Behauptung anfuͤhren. Diese sind: 1) Der natuͤrliche Lauf der Fluͤsse hat urspruͤng- lich keine Beziehung auf die Handlung gehabt, wenn gleich die Handlung sie jezt so benuzt, wie sie kann. Koͤnnten wir der Natur jezt gebieten, die Fluͤsse so zu verlegen, wie es das Beduͤrfnis der Handlung erfodert, so wuͤrden wir manchem Flusse ganz an- dere Wege anweisen. Die Natur hat keine Fluͤsse gemacht zwischen andern Fluͤssen, oder solche, die von einem Meere zum andern gehen. Ein kuͤnstli- cher Fluß in diesem Wege ist der Handlung viel wich- tiger, als mehrere neben einander hinstreichende und Einem Meere zulaufende Fluͤsse. 2) In jedem natuͤrlichen Flusse hat die Fahr demselben entgegen grosse Schwierigkeit, vergroͤssert die Kosten und den Zeitverlust. Die Kunst aber ver- steht es jezt, einen Canal in jeder Richtung gleich fahrbar zu machen. 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤft. der Handl. 3) Mancher natuͤrliche Fluß ist nicht zu allen Zeiten wasserreich genug, oder stroͤmt mit zu vielem Wasser herabwaͤrts. Beides hat in einem gut ange- legten Canal nicht Statt. Alle diese Vorzuͤge, welche der kuͤnstliche Fluß vor dem natuͤrlichen voraus hat, veranlassen deren Erbauer, nicht mehr, wie sonst, die natuͤrlichen Fluͤsse selbst schiffbar zu machen, sondern in den meisten Faͤllen deren Wasser zur Fuͤllung des Canals zu be- nuzen, diesen selbst aber in seinem besondern Wege zu fuͤhren. 4) In unserm Deutschland wird in manchen Ge- genden ein kuͤnstlicher Fluß daß einzige Mittel, den Zoͤllen, Stapelgerechtigkeiten und andern Erfindun- gen ehemaliger Barbarei der Deutschen gegen Deut- sche auszuweichen, durch welche die von der Natur bewirkte Flußfahrt so sehr erschwert wird, welche jedoch der Eigennuz der Regenten nimmer wird anf- geben wollen. Aber darin wird mancher Regent seinen Vorteil finden, und einzelne haben ihn bereits darin gefunden, daß sie die Handlung in einen neuen ihren Staaten vorteilhaften Weg leiten. Zoͤlle an den Fluͤssen koͤnnen, in der Concurrenz mit andern Staa- ten, wol angewandt werden, die Handlung der Cap. 1. Von der Schiffahrt. Nachbaren zu stoͤren, aber nicht, um sie in einen dem Staate selbst vorteilhaften Gang zu bringen, der seine Zoͤlle zu diesem Endzwek misbraucht. Aber ein Canal kann auch lezteres bewirken, und darf nicht zur Absicht haben, ersteres gewaltsam zu tuhn. In manchen Staaten Deutschlands gilt es als ein Hauptgrund gegen gute Vorschlaͤge dieser Art, daß man dem Landmann nicht den Verdienst von den Frachtfuhren entziehen muͤsse. Es ist genug, darauf zu antworten: wenn das als ein Grund ge- gen die Canaͤle gelten soll, so haben alle Staaten eine grosse Tohrheit begangen, und dem Nahrungs- Stande ihres Volks sehr geschadet, welche irgend einen Canal angelegt haben. Ja mehr als dieses! so wird es einem jeden Lande, das noch schiffbare Fluͤsse hat, gerahten sein, diese zu sperren, und an seinen eignen Fluͤssen das zu tuhn, was der Eigen- nuz der V. Niederlaͤnder in Ansehung der Schelde von den Spaniern in dem Muͤnsterschen Frieden erzwang. 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤft. der Handl. Zweites Capitel . Von dem Verlust bei der Seefahrt und dessen Berechnung, oder der sogenannten Averei . §. 1. D ie Verfuͤhrung der Waaren so wol zu Lande als zu Wasser ist mit grossen Kosten verbunden. Ge- wisse Kosten sind der Lohn der Verfuͤhrung oder die Fracht, welcher zwar den Umstaͤnden nach sehr schwan- ket, aber doch bei jedem Stuͤck Gut gewoͤhnlich durch einen Verding bestimmt wird, welchem zufolge die Zahlung bei der Ablieferung der Waare erfolgt. In die Land- und Flußfracht werden gewoͤhnlich die Zoͤlle und andere unterwegs zu zahlende Ungelder mit eingeschlossen, deren Belauf der mit seinem Wege bekannte Fuhrmann und Schiffer genau genug wissen kann, um bei deren Uebernehmung in seiner Fracht keinen Verlust zu leiden. Die am Orte der Ablieferung entstehenden Unkosten traͤgt der Eigner, und, wo er selbst nicht zur Stelle ist, dessen Spedi- toͤr oder Commissionaͤr fuͤr jenes Rechnung. Von dem allen ist hier nichts weiter zu sagen noͤtig. Cap. 2. Vom Verlust bei der Seefahrt ꝛc. §. 2. Aber bei der Seefahrt entsteht natuͤrlich eine Ge- meinschaft zwischen den in Ein Schiff verladenen Guͤ- tern und dem Schiffe selbst, in Ruͤcksicht auf gewisse Unkosten der Reise, welche ihrer Natur nach nicht von dem Schiffe allein, nicht von jedem Stuͤckgut besonders, sondern von allen vereint getragen wer- den muͤssen. Es sind wenig Haͤfen, von und zu wel- chen ein Schiff ohne Leitung eines der Fahrt kundi- gen Menschen, eines sogenannten Lootsen, segeln duͤrfte. Auf den Rheden wird Ankergeld, in den Haͤfen wird Hafengeld gefodert. In den Muͤndun- gen der Fluͤsse und den Einfahrten der Haͤfen sind Veranstaltungen aller Art zur Sicherung der Fahrt gemacht. Diese kosten viel, Die Kosten, welche Hamburg an die moͤglich beste Sicherung der Seefahrt jaͤhrlich verwendet, in zwei Leuchtfeuern, den vielen Tonnen und Baa- ken zur Signalirung der Stromtiefen, in Er- haltung des Nohthafens Kuxhaven an der Muͤn- dung der Elbe und Erhaltung des Lootsenwe- sens in einer gewissen Ordnung, laufen jaͤhrlich im Durchschnitt auf 60000 Rthlr. an. und ein Beitrag zu deren Kosten von jedem Schiffe ist durchaus billig. Dieser richtet sich nach der Groͤsse der Schiffe. Denn je groͤsser es ist und je tiefer es geht, desto groͤsser ist dessen Gefahr ohne solche Anstalten. 2ter Teil. C 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤft. der Handl. Alle diese Unkosten muͤßten genau genommen durch eine Durchschnitts-Rechnung auf das Schiff und dessen inhabende Guͤter verteilt werden. Allein, man rechnet gewoͤhnlich 10 p. C. der Fracht auf die- selben. Sind sie nicht in diese einbedungen, so wer- den sie bei deren Einfoderung besonders bezahlt. §. 3. Average ist der Englische Ausdruk fuͤr eine Durchschnitts-Rechnung. Ohne Zweifel ist es die- ses Wort, welchem man eine Deutsche Endung gege- ben und es in Averei auch wol Havarie oder Haverei verwandelt hat. Die fuͤr die bemerkten ge- wissen Kosten der Seefahrt zu machende Durchschnitts- Rechnung wird die kleine Averie oder Averie ordinaire genannt. Diese sezt also keinen Schaden voraus, und wird auch bei der gluͤklichsten Fahrt be- zahlt. Indessen wird, wiewol gewiß misbraͤuchlich, ein jeder Seeschaden, wodurch nicht alles verloren wird, Averei genannt, selbst die Beschaͤdigung eines verderblichen Guts auf einer Seereise durch eindrin- gendes Wasser oder andere Zufaͤlle, die eine an sich leicht verderbliche Waare beschaͤdigen koͤnnen, wenn gleich keine Durchschnitts-Rechnung zur Schaͤzung eines solchen Schadens Statt hat. §. 4. Eben eine solche Durchschnitts-Rechnung wird Cap. 2. Vom Verlust bei der Seefahrt ꝛc. auch noͤtig, wenn durch nicht gewoͤhnliche Vorfaͤlle der Seefahrt Schaden und Verlust am Schiff oder an Guͤtern entsteht, welcher seiner Natur nach nicht dem einen oder dem andern besonders zur Last ge- bracht werden kann. Ein Schiff geraͤht z. B. auf eine Untiefe in offener See, und es muß, um dasselbe zum Treiben zu bringen, ehe groͤsseres Ungluͤk er- folgt, derjenige Teil der Ladung, zu welchem am leichtesten zu gelangen ist, oder die schwersten Guͤter ins Meer geworfen werden. Eben das geschieht sehr gewoͤhnlich in schwerem Sturm zur Erleichte- rung eines Schiffes, das in der Voraussezung einer gewoͤhnlichen Witterung nicht zu schwer beladen war. Oder ein Schiff muß wegen Beschaͤdigung einen Nohthafen suchen. Die Billigkeit leuchtet ein, daß aller Verlust und alle Unkosten, ohne deren Anwen- dung Schiff und Gut verloren gegangen sein moͤgte, oder, wenn es den Nohthafen gesucht hat, nicht die Reise zum Ort seiner Bestimmung wuͤrde haben fort- sezen koͤnnen, von dem Schiff und allen Guͤtern, im Verhaͤltnis zu deren Wehrt getragen werden muͤssen. Hier wird also eine sehr genaue Durchschnitts- Rechnung noͤtig, welche nicht, wie bei der kleinen Averei, nach Procenten der Fracht, sondern nach Procenten des Wehrts von einzelnen und allen ge- macht werden muß. Nach welchen Gruͤnden dieser C 2 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤft. der Handl. Wehrt geschaͤzt werde, davon werde ich unten noch viel zu sagen haben. Diese Berechnung, aber auch selbst der dadurch bestimmte Schadensbeitrag, wird Averie grosse genannt. Man wuͤrde sie Deutsch die gemeine Averei nennen koͤnnen. Aber durch diese Benennung unterschiede sie sich nicht genug von der kleinen Averei. §. 5. Ein Schaden, der dem Schiffe oder gewissen Guͤtern alleine wiederfaͤhrt, und durch keine solche Durchschnitts-Rechnung uͤber das Ganze verteilt werden kann, sollte nicht mehr Averei genannt wer- den. Es braucht auch nicht einmal einer Berechnung desselben, wenn nicht eine Assecuranz der Sache Statt gehabt hat. Alsdann muß der Eigner den Schaden tragen, er sei groß oder klein, hat aber dagegen auch den Vorteil, daß er nichts zu dem allenfalls groͤsse- ren Schaden anderer beitraͤgt. Es strandet z. B. ein mit verderblichen und unverderblichen Guͤtern belade- nes Schiff, und alle Waaren werden aus demselben geborgen; die verderblichen verlieren durch das See- wasser fast ihren ganzen Wehrt; das Schiff selbst breche hintennach, und werde ein Wrak; die unver- derblichen aber kommen ohne andern Verlust, als den der Bergungskosten, dem Eigner zu Haͤnden: so er- sezet er doch denen, die mehr als er verloren haben, Cap. 2. Vom Verlust bei der Seefahrt ꝛc. nicht das geringste. Einen solchen Seeschaden nennt man eine particulaͤre Averei . §. 6. Es ist sehr wichtig, ein unterscheidendes Kenn- zeichen der Averie Grosse anzugeben, die ich kuͤnftig die Grosse Averei nennen will, nach dem schon erklaͤrt ist, daß das Wort Grosse nicht auf deren Be- lauf deute. Ich glaube es darin sezen zu koͤnnen: Zur Grossen Averei gehoͤrt aller Schaden, der als die Folge eines Entschlusses angesehen werden kann, welcher nach kuͤrzerer oder laͤngerer Ueberlegung von dem Schiffer und denen, welche ihm zu rahten be- fugt sind, genommen werden. Ein Entschluß also, welcher auf die Rettung der in Gemeinschaft stehen- den Guͤter und des Schiffes Ruͤksicht hatte. Z. B. Ein Schiff wird von einem ploͤzlichen Windstoß an- gefallen; der Schiffer und Steuermann rufen dem Schiffsvolk zu: kappt den Mast. Dies faͤngt kaum an, die Schiffswaͤnde und Seile, die den Mast hal- ten, zu durchschneiden, da der Mast schon bricht und verloren geht. Auf einem andern Schiffe werde noch nicht an das Kappen des Mastes gedacht, da der Windstoß ihn schon zerbricht. Nun ist keine Frage mehr, zu welcher Art von Averei dieser Verlust des Mastes fuͤr das Eine und das andere Schiff anzuse- hen sei. Fuͤr jenes Schiff ist der ganze Verlust in 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤft. der Handl. der grossen Averei zu berechnen. Denn es war eine Ueberlegung vorgegangen, und man hatte dieser zu Folge zu handeln angefangen. Es gilt also nicht mehr die Einwendung, der Mast wuͤrde ohnehin ge- brochen sein: denn es war doch etwas geschehen, welches dieses Brechen erleichterte. In dem andern Schiff aber war nichts dergleichen uͤberlegt und ge- tahn. Das Brechen des Mastes gilt also fuͤr einen reinen Unfall von der See. Weil aber nach diesem Unfall das Schiff sich des Mastes entledigen mußte, und deswegen Seile, die ihn hielten, mit einer ge- wissen Ueberlegung abgeschnitten werden mußten, so wird deren Ersaz in die Grosse Averei getragen; und so gilt uͤberhaupt die Regel: was bricht, bricht dem Schiffe; was geschnitten wird, ist Grosse Averei. Wenn ein Schiff sich durch Verteidigung von einem Caper rettet, so gehoͤrt aller dem Schiffe daraus ent- stehende Schaden eben dahin. Denn so zufaͤllig alles in dieser Verteidigung zugeht, so ist doch alles Folge des von dem Schiffer genommenen Entschlusses, sich nicht zu ergeben, sondern zu verteidigen. Dies ist freilich im Allgemeinen der Geist der Seegeseze uͤber die Grosse Averei. Man hat diesen Gesichtspunkt, wie mir scheint, dunkel vor Augen gehabt, aber nicht so fest an ihm gehalten, daß nicht manche Aus- nahme von der Regel gesezmaͤssig gemacht waͤre. Cap. 2. Vom Verlust bei der Seefahrt ꝛc. Ich werde in den Zusaͤzen noch mehr daruͤber zu sagen haben. §. 7. Die einzigen Zeugen von fast allen denen Um- staͤnden und Vorfaͤllen, aus welchen Averei entsteht, sind der Schiffer und sein Schiffsvolk. Aus ihren Zeugnissen muß es klar werden, ob und welcher Schaden als grosse oder als particulaͤre Averei anzu- sehen sei. Ist das Schiff samt dem Volke umge- kommen, so bedarf es keines Zeugnisses. Ist das Volk umgekommen, das Schiff aber in einem sol- chen Zustande gestrandet, daß von demselben und der Ladung noch etwas gerettet werden kann, so kann bei ganz fehlendem Zeugnisse keine grosse Averei angenommen, berechnet, oder, wie der gewoͤhnliche Ausdruk ist, formirt werden. Dann ist alles particulaͤre Averei, auch bei solchen Ver- mutungen, die sich aus denen Umstaͤnden, worin das Schiff gefunden worden, ziehen lassen, daß vor der Strandung etwas vorgegangen sei, was sich zur grossen Averei qualificirt. Dies Zeugnis muß in dem ersten Hafen, wo das Schiff anlangt, vor gerichtlichen Personen eidlich abgelegt werden. Man nennt es die Verklarung . Wenn es bis zu dem Bestimmungs-Hafen, oder gar 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤft. der Handl. bis zu demjenigen, aus welchem das Schiff gegan- gen ist, verschoben wuͤrde, so koͤnnte ein zweiter Un- fall auf der weitern Reise diese Leute aus der Welt bringen, und das Zeugnis ganz fehlen. §. 8. Die Berechnung dieser Havereien, der Grossen in jedem Fall, und der partikulaͤren nur dann, wann eine Versicherung auf das verlorne Gut genommen ist, benennt man eine Dispasche , von dem Italiaͤ- nischen und Spanischen Wort dispacho, welches so viel als depeche bedeutet. In grossen Haͤfen und Handelsplaͤzen, wo dergleichen Berechnungen oft vorkommen, wird von dem Staate ein Mann aus- druͤklich zu diesem Geschaͤfte, unter der Benennung Dispaschoͤr , angestellt. In andern Staaten ist es kein oͤffentliches Amt, sondern es wird bei jedem einzelnen Fall von den fuͤr die Seevorfaͤlle bestellten Admiralitaͤten, Consulaten, in Holland von den Commissarien der Assecuranzen ein Mann ausge- waͤhlt, und dessen Dispasche von diesen Collegien sanctionirt. In kleinen Haͤfen, dergleichen die Noht- haͤfen mehrenteils sind, fehlt es an einem solchen Manne, und sie kann daher nicht dort aufgemacht werden. Dann aber kann sie auch bis zum Abgangs- Hafen verspart werden, nachdem die Verklarung und uͤbrige Papiere dorthin gesandt sind, und da Cap. 2. Vom Verlust bei der Seefahrt ꝛc. geht es dann nach den Seegesezen des Bestimmungs- Orts. Wird aber die Verklarung an einem Orte ge- geben und documentirt, wo eine Art von Seegericht und ein Dispaschoͤr mit oder ohne diese Benennung ist, so wird die Grosse Averei nach den dortigen See- gesezen aufgemacht, und man muß sich dies an dem Orte der Absendung gefallen lassen. Die Dispasche ist als das Urteil der ersten In- stanz anzusehen, das sich durch die Richtigkeit der Berechnung und der dabei genommenen Ruͤksicht auf die Seegeseze des Plazes, wo sie aufgemacht wird, rechtfertigen muß. Blos gegruͤndete Einwendun- gen gegen diese koͤnnen die Entscheidung ruͤckgaͤngig machen. §. 9. Ich werde in dem naͤchsten Capitel sagen, wie willkuͤhrlich die Taxen bei Versicherungen gemacht werden. Aber der Dispaschoͤr weis von keiner schon gemachten Taxe bei Aufmachung seiner Dispasche. Von nicht versicherten Guͤtern existirt keine derglei- chen Taxe. Von den versicherten koͤmmt sie ihm nur selten schon dann zu Haͤnden, wenn er sich an die Berechnung der Grossen Averei macht. Er bestimmt also den Wehrt der Guͤter, deren Grosse Averie er zu berechnen hat, aus dem Preise, welchen sie an 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤft. der Handl. dem Orte der Abladung mit den Unkosten bis am Bord des Schiffs hatten, wiewol ohne die Assecu- ranz-Praͤmie. Doch nimmt man an andern Orten, insonderheit in Amsterdam, den Wehrt an, den sie an dem Bestimmungs-Ort gehabt haben wuͤrden, falls der Unfall auf der zweiten Haͤlfte der Reise sich zutraͤgt. Das neue Preussische Gesezbuch nimmt den Wehrt am Bestimmungs- oder Losungsplaze auch ohne diese Bedingung an. Doch bestimmt dieser Wehrt sich von selbst, wenn die Unfaͤlle, aus wel- chen die Grosse Averei entsteht, sie nicht beschaͤdigt haben. Dem Schiffe selbst und dessen Zubehoͤr kann nicht der volle Wehrt beigelegt werden, welchen es beim Absegeln hatte. Denn eine jede Reise verrin- gert auch ohne Ungluͤcksfaͤlle deren Wehrt durch die Abnuzung. Fuͤr dieses wird also der Wehrt gerech- net, den es hat, wenn es aus der See koͤmmt, mit Einrechnung desjenigen, was die Grosse Averei dem Schiffe verguͤtet. Denn die Grosse Averei-Berech- nung geht auch auf das Schiff und die Guͤter zuruͤck, fuͤr deren Beschaͤdigung oder Verlust der Ersaz durch eben dieselbe ausgemacht wird. Es sein z. B. fuͤr 2000 Thaler Guͤter im Sturm uͤber Bord geworfen, oder das Schiff habe, in Folge dieses oder jenes durch die Umstaͤnde notwendig gewordenen Entschlusses, einen Schaden von gleichem Belauf erlitten. Dann wird freilich der Ersaz dieser 2000 Thaler der Gegenstand Cap. 2. Vom Verlust bei der Seefahrt ꝛc. der Grossen Averei. Aber nun wird der Wehrt der geworfenen Guͤter so gut, als existirten sie noch, und der Wehrt des Schiffes in dem Zustande, in welchem es aus der See koͤmmt, in Eine Summe mit den durch den Averei-Fall geretteten Guͤtern gezogen. Gesezt nun jene 2000 Tahler betruͤgen 10 p. C. von dieser Total-Summe; so gehen diese an den ver- moͤge der Berechnung den Guͤtern oder dem Schiffe zu ersezenden 2000 Tahlern ab. Die Billigkeit dieser Regel ist einleuchtend, wenn man bedenkt, daß, wenn nicht so gerechnet wuͤrde, die Eigner des beschaͤdigten Schiffes oder der gewor- fenen Guͤter eben durch den Unfall auf Unkosten der uͤbrigen in der Gemeinschaft stehenden gewinnen wuͤrden. Der volle Ersaz wuͤrde ihnen den ganzen Wehrt der beschaͤdigten oder verlohrnen Sache wie- der geben, da alle uͤbrige in der Gemeinschaft bis dahin stehende Guͤter im Verhaͤltnis ihres Wehrts verloͤren. Da auch die billige Regel gilt, daß ein Schiff, wenn es mit Ueberlegung zu bestmoͤglicher Rettung des Ganzen auf den Strand gesezt wird, Ersaz bekoͤmmt, so laͤge darin eine Veranlassung mehr fuͤr den nicht ehrlichen Schiffer, ein schlechtes Schiff auf den Strand zu sezen, und der ehrliche moͤgte wenigstens dies mit einigem Leichtsinn ohne dringende Noht tuhn, wenn er den ganzen Ersaz fuͤr sich oder 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤft. der Handl. seine Rheder erwarten koͤnnte, so bald er mit seiner Verklarung dartuht, daß er es mit Ueberlegung getahn habe. §. 10. In diese Berechnung der Averei, selbst auch der particulaͤren, koͤmmt auch die von dem Schiffe ver- diente Fracht mit in Anschlag, nach Abzug der Volks- Haͤuer (Schiffsvolks-Lohn) und Hafenkost, (Unter- halt im Nohthafen.) Es wiederfahre dem Schiff, was da wolle, und wo es wolle, so ist es hoͤchst billig, daß die Fracht bis zu dem Orte des Ungluͤks von allen inhabenden Guͤtern als schon verdient an- gesehen werde. Dann aber ist das Schiff auch anzu- sehen, als waͤre es seinen Eignern um so viel mehr wehrt geworden. Was also auf der Reise mit Ueber- legung vorgenommen wird, um Schiff und Gut zu retten oder die Vollendung der Reise zu befoͤrdern, das hat an dem Schiffe einen Gegenstand, der im Verhaͤltnis des zuruͤkgelegten Weges mehr wehrt geworden ist, und der Beitrag desselben zur Grossen Averei muß diesem gemaͤß berechnet werden. Drittes Capitel . Von den Versicherungen oder Assecuranzen . §. 1. I ch habe oben B. 3. C. 5. §. 10. ff. bereits von der Assecuranz geredet, in wie ferne sie das Geschaͤfte einer Gesellschaft sein koͤnne und gewissermassen wirk- lich sei. Hier, da ich von dem Geschaͤfte der Ver- sicherung fuͤr Seegefahr selbst rede, werde ich es als das Geschaͤfte eines Privatmanns ansehen duͤrfen, wie es denn immer in den daruͤber geschlossenen Con- tracten als ein solches erscheint, auch wenn der Be- vollmaͤchtigte einer Companie denselben schließt und zeichnet. §. 2. Eine See- Versicherung oder Assecuranz ist demnach ein Contract, vermoͤge dessen ein Mann dem andern sich verpflichtet, allen Schaden, welcher aus der Wasserreise an dem Eigentuhm des andern entstehen kann, zu ersezen, wenn er ihm dafuͤr einen der uͤbernommenen Gefahr gemaͤssen Teil des Wehrts 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤft. der Handl. von seinem Eigentuhm zahlt. Ein Mann, der aus der Schliessung solcher Contracte ein Geschaͤfte macht, ist ein Versicherer, Assekuradoͤr, Assura- doͤr , Englisch: Insurer. Der von dem die Versicherung suchenden einge- willigte Preis oder Belohnung fuͤr dieselbe wird die Assekuranz-Praͤmie genannt. §. 3. Der Zwek einer solchen Versicherung kann nichts minders sein, als daß der Versicherte durchaus gewis sein will, daß alles , was auf dieser Reise oder durch deren Veranlassung ihm als Schaden oder Ver- lust an dem uͤber Wasser gehenden Schiffe oder Gut entstehen kann, nicht mehr ihm zur Last komme, sondern gaͤnzlich von dem Versicherer ersezt werde. Das daruͤber ausgefertigte und von dem Versicherer unterschriebene Document wird die Polize ge- nannt; eine Benennung, deren wahrscheinlichste Ableitung die von dem Lateinischen Worte: polliceri, versprechen ist. Man wendet dazu gedrukte For- mulare an, deren Inhalt alle erdenkliche Gefahren, die aus einer Wasserreise entstehen koͤnnen, umstaͤnd- lich ausdruͤkt, um dem Versicherer jede Ausflucht zu benehmen, wenn dem Schiffe oder der Ladung ein Un- Cap. 3. Von den Assecuranzen. fall, nicht immer vom Wasser selbst, aber doch durch Vor- faͤlle, die eine Folge der Seereise waren, entstanden ist. So bekannt die Formulare dieser Polizen sind, so will ich doch ein solches hieher sezen, weil ich die besondern Anmerkungen uͤber alle Bedingungen und Nebenumstaͤnde eines Versicherungs-Contracts nicht besser, als nach dem Inhalt der Polize, ordnen zu koͤnnen glaube. Ich werde denen Worten, auf welche sich diese Anmerkungen beziehen, die Roͤmi- sche Zahl der Anmerkung beifuͤgen; aber auch jeder Anmerkung einen besondern §. geben, da manche derselben nicht sehr kurz ausfallen moͤgte. Man nimmt solche Versicherungen nicht blos auf Seegefahr, sondern manchmal auch auf die Gefah- ren der Flußfahrt, insonderheit in Jahrszeiten, wo es Beispiele giebt, daß auch Flußschiffe ungluͤklich werden koͤnnen. Hier in Hamburg wird manches Stuͤk Gut von oder bis Luͤneburg versichert. Der Weg ist sieben Meilen zu Wasser lang, deren vier uͤber die Elbe gehen und nicht beispiellos vom Umschla- gen der Schiffe sind. Assecuranzen auf Landfracht haben zwar auch Statt, fallen aber selten vor. 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤft. der Handl. §. 5. Hamburgisches Formular der Polize auf Guͤter . Wir I. unterschriebene Assecuradeurs, fuͤr uns und unsere Erben, bekennen ein jeder fuͤr seine ge- zeichnete Summe versichert zu haben an Hrn. Grego- rius Martens fuͤr fremde Rechnung II. auf zwei Ki- sten Leinen C V B No. 1. Bco. Mk. 5000, und V B G No. 2. Bco. Mk. 5000, welche mit unserm, der Assecuradeurs Consens, ob schon dieselben mehr oder weniger gekostet haben, oder wehrt sein moͤgen, und ohne ins kuͤnftige des Wehrts halber einigen mehrern Beweis und Rechnung als nur allein diese Polize zu fodern, auf, wie oben, taxirt, III. und geladen sind, oder noch eingeladen werden sollen, in das Daͤnische Schiff, Anna Maria, welches Schiffer Jens Rasmussen oder ein anderer IV. jezo fuͤhret, und von Hamburg, wo selbst es diese Guͤter eingenommen, nach Cadix, V. alwo diese einge- nommene Guͤter zu entladen und zu loͤschen sein, gehen soll. Wir nehmen uͤber uns gegen Em- pfang VI. von 3 p. C. Praͤmie in Bco. den Risiko und die Gefahr dieser eingeladenen Guͤter in Anse- hung alles Schadens und Ungluͤks, so denselben ganz oder zum Teil in bedachten oder unbedachten Faͤllen auf einige Art und Weise zustossen und uͤber- kommen koͤnnte, gestalt wir gehalten sein wollen, Cap. 3. Von den Assecuranzen. fuͤr alle Gefahr von See, Sturm und Ungewitter, Schiffbruch, Strandung, Uebersegelung, Werfung, Feuer, Arresten und Bekuͤmmerungen von Koͤnigen, Fuͤrsten und andern Puissancen, feindlicher Neh- mung, Aufbringung, Confiscationen und Repressa- lien, auch fuͤr gewaltsame Spoliirung der Kaper und Seeraͤuber, und fuͤr alle andere Perikeln, so auf dieser Reise diesen Guͤtern durch aͤusserliche Ge- walt zustossen moͤgten, es geschehe solches durch Ver- sehen, Versaͤumniß und Muhtwillen des Schiffers oder seines Schiffsvolks, oder sonst auf einige andere Art und Weise. Wir sezen uns voͤllig in den Plaz von besagtem Herrn Assecurirten VII , um denselben von allem solchen Schaden sicher zu stellen. Und be- ginnet dieser Risiko von dem Moment an, daß diese Guͤter vom Lande geschieden, um an Bord gebracht zu werden, bis dieselben zu Cadix frei und unbe- schaͤdigt wieder an Land werden gebracht sein VIII. Gott geleite es in Salvo! Wir sind auch zufrieden, daß das Schiff, worin- nen diese Guͤter eingeladen sind, auf Gutbefinden des Schiffers seine Reise fortsezen moͤge IX. Und daferne, welches Gott verhuͤte, sich zutragen sollte, daß auf vorhingedachte, oder sonst auf einige Art und Weise, diesen Guͤtern und Kaufmannschaften eini- ges Ungluͤk zukomme, oder daß dieselben ganz oder 2ter Teil. D 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. zum Teil verloren, verdorben oder beschaͤdigt wuͤr- den; so geloben wir und verpflichten uns, so wol der erste als der lezte, ein jeder fuͤr die von ihm hier- unter gezeichnete Summe, allen diesen Schaden und Verlust, nebst allen extraordinairen Unkosten, zu gelten, und, nachdem uns von dem geschehenen Ungluͤk gebuͤhrende Nachricht gegeben worden X , innerhalb zween Monaten XI. ein jeder solche seine gezeichnete Summe, oder so viel davon zu des Asse- curirten voͤlliger Schadloshaltung erfodert wird, promt zu bezahlen. Inmassen wir, in allen so wol gedrukten als beigeschriebenen Clausuln und Bedingungen, welche den gedrukten gleich gelten, oder vielmehr vorzuzie- hen sind, der Stadt Hamburg Assecuranz- und Ha- verei-Ordnung uns unterwerfen. Alles bei Ver- pfaͤndnng unserer Haab und Guͤter, auch ohne List und Gefaͤhrde, geschlossen durch den beeidigten Maͤkler Philipp Redlich XII. Hamb. den 10. Maͤrz 1792 XIII. Bco. Mk. 6000. Fuͤr Sechs Tausend Mark Bco., bei Verpfaͤndung der Assecuranz-Com- panie-Capital, Praͤmie in Bco. empfangen, den 10 Maͤrz. Hamb. 1792. Marcus Behutsam. Cap. 3. Von den Assecuranzen. Bc. Mk. 4000. Fuͤr Vier Tausend Mark Bco. Praͤmie in Bco. empfangen. Arnold Wagemann XIV. §. 5. I. Wenn die Polize auf eine etwas grosse Sum- me geht, so wird nicht leicht ein einzelner Assecura- doͤr auf das ganze Capital zeichnen. Man sezt also bei jedem Formular voraus, daß mehrere unter dem- selben zeichnen werdeu . Dies Wir wird dann auch nicht immer geaͤndert, wenn gleich nur ein einziger Name unter der Polize zu stehen koͤmmt. Es ist eine Hauptregel des verstaͤndigen Assecura- doͤrs, auf viele Schiffe, aber nur kleine Summen zu zeichnen. Denn er sieht auf die Wahrscheinlich- keit hinaus, daß von einer gewissen Zahl von Schif- fen ungefaͤhr gleich viele verungluͤkken. In Frank- reich rechnete man sonst auf hundert deren zwei. Dies ist schon eine grosse Zahl, zumal da die von und auf die Haͤfen Frankreichs segelnden Schiffe ein offenes Meer befahren, und wenigstens ehemals we- nig Schiffe durch den Canal, und keine durch den Sund segelten. Waͤre jenes Verhaͤltnis fuͤr Frank- reich einer zuverlaͤssigen Erfahrung gemaͤß, so muͤßten fuͤr die Nordischen Meere wenigstens drei auf hun- dert gerechnet werden, und dem zufolge koͤnnten die D 2 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. Versicherer noch nicht bestehen, wenn ihre Praͤmien 3 p. C. im Durchschnitt betruͤgen, weil doch fuͤr so manches nicht verungluͤkkendes Schiff Averei beider- lei Art zu bezahlen vorfaͤllt. Aber das Verhaͤltnis sei, welches es wolle, so koͤmmt doch der Versicherer der Wahrscheinlichkeit desselben um so viel naͤher, auf je mehr Schiffe er zeichnet. Die Bewandnis ist fast eben so, wie mit den Leibrenten. Wer Geld von einem einzelnen Menschen auf Leibrenten nimmt, kann zwar aus den Mortalitaͤts-Tabellen fuͤr den- selben bald bestimmen, wie viel er nach der wahr- scheinlichen Dauer von dessen Leben ihm als Leibrente geben koͤnne. Aber dies kann ihn bei einzelnen sehr triegen. Wenn aber der Staat oder eine grosse Ge- sellschaft das Geld vieler Hunderter auf Leibrente an- nimmt, so trift es besser zu. Indessen mag der Privat-Assecuradoͤr in Ruͤksicht auf sein Vermoͤgen fuͤr groͤssere Summen zeichnen. Die Hamburgischen Asse- curanz-Companien befugen ihre Bevollmaͤchtigten, in Hinsicht auf ihr grosses Capital, 10 bis 15000 Thaler Bco. auf Ein Schiff, es sei aufs Schiff oder in demselben geladene Guͤter, zu zeichnen. §. 6. II. Es ist der Natur eines jeden Contracts ge- maͤß, daß ein Contrahent den andern kenne. Nun aber werden in Staͤdten, wo viele Assecuradoͤre leben, Cap. 3. Von den Assecuranzen. oder einzelne mit grossem Capital errichtete Assecu- ranzcompanien bestehen, sehr viele Versicherungen auf fremden Auftrag gesucht. Denn so mancher Hafen, von welchem aus Seefahrt getrieben wird, hat gar keine Assecuradoͤre. Dann gibt der die Ver- sicherung suchende durch den Zusaz: fuͤr fremde Rech- nung, an, daß er als Commissionaͤr oder Bevoll- maͤchtigter handle. Nichts aber verpflichtet ihn, seinen Mandanten zu nennen. Es giebt aber Vor- faͤlle, da derselbe noch nicht wissen kann, ob er die versicherte Sache nicht als sein Eigentuhm ganz oder zum Teil anzusehen habe. Um sich also frei zu hal- ten, daß er zu seiner Zeit als Eigner oder Bevoll- maͤchtigter handeln duͤrfe, fuͤgt er auch wol den Aus- druk ein: fuͤr eigne oder fremde Rechnung. Wer an einem fremden Ort eine Versicherung nehmen laͤßt, muß befuͤrchten, daß sein Bevollmaͤch- tigter Assecuradoͤre auswaͤhle, welche nicht zuver- laͤssig, oder in ihrem Geschaͤfte ungluͤklich sind, und insolvent werden. Gewoͤhnlich steht also der Bevoll- maͤchtigte del credere, und berechnet sich dafuͤr ein gewisses. Dadurch wird freilich den Buͤrgern eines Handelsplazes, wo grosse Summen versichert wer- den koͤnnen, dies Geschaͤfte eintraͤglicher. Ja es ist dieser Gewinn gewisser, als der von den Praͤmien 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. selbst, und bleibt dem Bevollmaͤchtigten, wenn auch die Versicherer selbst mehr verlieren, als gewinnen. Der Preis dieses del Credere bestimmt sich ge- wissermassen nach der Praͤmie zwischen ¼ und 1 p. C. des versicherten Capitals. Denn es hat damit eine andre Bewandnis, als mit dem del Credere bei Ver- kaufs-Commissionen. In diesem steht der Commis- sionaͤr fuͤr sein bedungnes del Credere auf jeden Fall ein. Aber bei Assecuranzen wird seine Garantie nur in dem Falle wirksam, wenn Ungluͤk erfolgt, und dieser Fall wird bei einer weitern Reise und in schlechter Jahrszeit in eben dem Verhaͤltnis wahr- scheinlicher, in welchem der Versicherer seine Praͤmie erhoͤht. Liefen alle Assecuranzen gluͤklich ab, so zoͤge der Commissionaͤr das del Credere gar umsonst. §. 7. III. Es moͤgte manchem seltsam erscheinen, daß der Versicherer in Ansehung der Taxe der versicherten Guͤter sich dem Willkuͤhr des Versicherten so ganz uͤberlaͤßt. In der Taht ist es bei den Versicherungen auf das Schiff selbst (welche man eine Assecu- ranz aufs Casco nennt) sehr bedenklich, und die Faͤlle sind nicht selten, da ein betruͤgerischer Rheder ein Schiff hoch versichern laͤßt, und mit dem Schiffer unter Versprechung einer grossen Belohnung Abrede Cap. 3. Von den Assecuranzen. nimmt, es durch Bohren zu versenken, oder es stran- den zu lassen. Bei Stuͤk-Guͤtern ist dieses weniger zu besorgen. Denn gesezt, einer liesse ein solches Stuͤk Gut in der Hofnung, den zwiefachen Wehrt ersezt zu bekommen, so hoch versichern, so hat er es doch nicht in der Macht, oder der Lohn der Buͤberei wuͤrde ihm zu hoch zu stehen kommen, wenn er den Schiffer bereden wollte, zu seinem Vorteil das Schiff mit allen uͤbrigen Guͤtern verungluͤkken zu machen. Schon bedenklicher ist es, wenn der Versicherte ein Schiff allein befrachtet, und der Versicherer den Wehrt der Ladung nicht untersuchen kann. Wenn, wie in dieser zum Muster genomme- nen Polize, mehrere Stuͤkke Guͤter bezeichnet werden, so ist es nicht gleichguͤltig, ob diese in Einer Taxe zu- sammengenommen oder ob jedes Stuͤk besonders taxirt werde; denn der Assecuradoͤr ist bei minder verderb- lichen Guͤtern frei, wenn sie eine Beschaͤdigung lei- den, die nicht 3 p. C. von deren Taxe ausmacht. Sind sie nun in der Taxe besonders, wie z. B. hier jede Kiste zu 5000 Mk. taxirt, und leidet Eine der- selben eins Beschaͤdigung, die uͤber 3 p. C. ihres besondern Wehrts oder etwa 160 Mk. betraͤgt, so muß er sie bezahlen. Waͤren sie aber beide vereint zu 10000 Mk. taxirt, so ersezt er sie nicht. Denn 160 Mk. sind von 10000 Mk. wenig mehr als 1½ 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. p. C. Man moͤgte also denken, ein vorsichtiger Kaufmann tuhe wol, wenn er jedes Stuͤk Gut in der Polize besonders taxirt. Aber der Versicherer wird eben deswegen eine hoͤhere Praͤmie fodern. Doch kann die Sache auch zum Schaden des Assecu- radoͤrs ausschlagen, wenn die Taxe nicht geteilt ist. Es sein z. B. zwei Kisten Leinen, jede 5000 Mk. wehrt, in Einer Taxe zu 10000 Mk. versichert. Eine derselben leide eine Beschaͤdigung bis zu 300 Mk., und die zweite zu 140 Mk. Waͤren sie in der Taxe unterschieden worden, so wuͤrde der Versiche- rer jene, aber nicht diese Beschaͤdigung verguͤten. Denn so betraͤgt sie nicht 3 p. C. von 5000 Mk. Nun aber muß er alles bezahlen. Denn 440 Mk. sind mehr als 3 p. C. von 10000 Mk. Man sieht also, daß es eine gewissermassen unnuͤze Subtilitaͤt ist. Der Kaufmanu trennt indessen die Taxe mit gutem Grunde in dem Falle, welchen ich hier annehme, daß die beiden Kisten zwei verschiedene Eigner haben. Bei mehr verderlichen Waaren, als Leinen und d. gl. sind, z. B. rohem Zukker, Hanf, Korn und d. gl. macht der Versicherer die Bedingung, die aber der Polize eingeruͤkt werden muß, daß er frei von 10 p. C. Averei sei. Korn wird im Win- ter gewoͤhnlich frei von Averei gezeichnet. Doch koͤmmt es auch dem Assecuradoͤr im Fall eines totalen Cap. 3. Von den Assecuranzen. Schadens zu Statten, wenn er nicht unter solcher Bedingung gezeichnet, und daher eine so viel hoͤ- here Praͤmie gezogen hat. Bei solchen leicht ver- derblichen Guͤtern wird es noch wichtiger, ob jede Kiste, Faß oder Pak besonders taxirt ist. Es ist keine Nation meines Wissens, ausser den Portugie- sen nnd Spaniern, deren Schiffer oder Rheder fuͤr die kleinen Beschaͤdigungen durch eindringendes See- wasser einstehen. Daher aber sind fuͤr Guͤter, die auf Portugiesischen Schiffen verfuͤhrt werden, solche Clauseln unnoͤtig. Eben deswegen aber werden die Schiffe keiner Nation so gut kalfatert, als die Por- tugiesischen und Spanischen, doch erstere vorzuͤglich. Diese so willkuͤhrlich gemachte Taxe der versicher- ten Guͤter koͤmmt dem Versicherer nur dann ganz zur Last, wenn das Gut ganz verloren geht. Doch bezahlt er bei einem solchen totalen Schaden der Re- gel nach nur 98 p. C. Indeß haben die Hamburgi- schen Assecuranz-Companien sich zur Bezahlung des vollen Belaufs verpflichtet, welche Zahlung nur den Aufschub leidet, welchen bei manchem ganz ver- schwundenen Schiffe die Geseze im Verhaͤltnis der Entfernung erlauben, in welcher das Schiff muht- maßlich verloren gegangen ist. Wenn jedoch die Waare nur stark beschaͤdigt ist, so wird diese Beschaͤ- digung zu Procenten gesezt, nicht der Taxe in der 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. Polize, sondern des Wehrts, welchen die Waare an dem Bestimmungsorte gehabt haben wuͤrde, wenn sie unversehrt angekommen waͤre. Ich werde Bei- spiele davon in den Zusaͤzen angeben. Der Kaufmann, der dem Wehrt der Waare in seiner Taxe sich am naͤchsten haͤlt, um auch nicht zu viel Praͤmie zu bezahlen, nimmt wenigstens eine runde Summe an, und schlaͤgt die muhtmaßliche Praͤ- mie gewoͤhnlich mit in dieselbe. Denn in der Taht erhoͤhet diese den Wehrt der versicherten Waare. §. 8. IV. Fuͤr den Versicherer ist die Kenntnis, welche er von dem Schiffe und dem Schiffer hat, oder die Vermuhtung, daß jenes in gutem Stande, die- ser mit der Schiffahrtskunst wol bekannt sei, auch die Meere kenne, durch welche er gehen soll, ein Hauptgrund seiner Entschliessung, ob und zu welcher Praͤmie er die Polize zeichnen wolle. In Ansehung des Schiffes hat nun keine Veraͤnderung Statt, und er ist von seiner Verpflichtung frei, wenn das ver- sicherte Gut ohne seine Wissenschaft in ein anderes Schiff geladen wird. Aber in Ansehung des Schif- fers befreiet ihn keine Veraͤnderung, sie mag nun zufaͤllig durch Krankheit oder Tod desselben entstehen, Cap. 3. Von den Assecuranzen. oder die Rheder andere Gruͤnde haben, denselben vor angetretener Reise seines Dienstes zu entsezen. §. 9. V. Daß Ein Ort der Bestimmung in der Polize benannt werden muͤsse, versteht sich von selbst. Aber wenn aus Gruͤnden, deren ich Cap. 1. §. 7. erwaͤhnt habe, ein Schiff seine Fahrt auf mehrere Oerter rich- tet, so muß in der Polize aufs Schiff ein jeder Ort benannt werden, wohin dasselbe auch nur muhtmaß- lich gehen moͤgte. Es geht z. B. in die Mittellaͤn- dische See, wo es der Reihe nach in Cartagena, Ali- cante, Barcelona seine Fracht teilweise entladet, oder Fracht in diesen Haͤfen sucht, so muß dies in der Po- lize angegeben werden, und der Versicherer ist frei, wenn das Schiff anders, als durch Noht gedrungen in einen nicht benannten Hafen, z. B. in Malaga einlaͤuft. Ja dies hat sogar Statt, wenn der Hafen naͤher liegt, als der angegebene Bestimmungsort. Dieser sei z. B. Lissabon, der Schiffer aber entschliesse sich in Bilbao einzulaufen, und dort Fracht zu su- chen. Denn in einem so wichtigen Contract muß alles durchaus nach dem Buchstaben gehen; und der Assecuradoͤr hat Recht, wenn er im Fall eines Un- gluͤks saget: eben das Ungluͤk , welches dem Schiffe begegnet ist, da es seine Fahrt aus Bilbao richtete, wuͤrde ihm nicht begegnet sein, wenn es 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. auf der Fahrt nach Lissabon verblieben waͤre. Ich bezahle also keinen Unfall, fuͤr welchen ich eigentlich nicht versichert habe. Ist aber die Versicherung auf Guͤter genommen, so darf in der Polize fuͤr diejenigen, welche fuͤr den naͤchsten Hafen bestimmt sind, nur dieser bemerkt werden. Sind sie aber fuͤr den zweiten oder dritten Hafen bestimmt, so muͤssen alle bemerkt werden, wel- che das Schiff vor Ausladung des Guts beruͤhrt. Bei einer ungewissen Bestimmung des Schiffes wird zwar in der Polize ein oder zwischen den bei- den muhtmaßlichen Bestimmungshaͤfen eingefuͤhrt, z. B. nach Havre de Grace oder Nantes. Dann aber darf eben dieses Schiff nicht nach Havre de Grace und Nantes gehen; sondern der Versicherte muß, wenn er erfaͤhrt, daß das Schiff von Havre de Grace noch weiter nach Nantes segeln werde, dem Versi- cherex es anzeigen und allenfalls eine neue Polize, natuͤrlich mit erhoͤheter Praͤmie, zeichnen lassen. §. 10. VI. Die Natur eines Assecuranz-Contracts erfo- dert es zwar durchaus, daß der Versicherer nicht an denselben gehalten sei, wenn er nicht die Praͤmie empfangen hat. Es ist wenigstens dem strengen Cap. 3. Von den Assecuranzen. Rechte gemaͤß, daß sie ihm in moͤglich kuͤrzester Zeit nach seiner Unterzeichnung gezahlt werde, zumal da er bei dieser Zeichnung uͤber deren Empfang quitirt. Auch ist ein grosser ihm sehr zu goͤnnender Gewinn darin, daß er die Praͤmien fruͤher in Haͤnden hat, als die Seeschaͤden von ihm bezahlt werden. Hat ein Privat-Assecuradoͤr andere Handelsgeschaͤfte, so kann er noch ein behaltener Mann bleiben, wenn er z. B. 100000 Mk. im Jahre an Praͤmien einnimmt, und grade so viel fuͤr Seeschaͤden wieder auszahlen muß, wenn er mit diesen 100000 Mk., die ihm keine Zinsen kosteten, seine Handelsgeschaͤfte mit Gluͤk betrieben hat. Wohnt er an einem grossen Wechselplaz, so benuzt er dies Geld im diskontiren. Das neue Preussische Gesezbuch hat auch der Billig- keit gemaͤß, Teil 2. Tit. 8. §. 2067, festgesezt, daß die Praͤmie innerhalb Vier und Zwanzig Stun- den nach empfangener Polize bezahlt werden solle, oder executivisch eingetrieben werden duͤrfe. Aber auch hierin hat sich ein Credit eingefuͤhrt, der oft uͤber die Gebuͤhr lang und mit Unsicherheit verbunden ist. In unserm Hamburg ist es freilich jezt unmoͤglich, daß der Makler, so wie er die Asse- curanz schließt, gleich bezahlen koͤnne. Dies geschah ehemals, da der Assecuranzen so wenig waren, und der Makler mit einem Beutel voll Species-Geld 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. noch ziemlich weit ausreichen konnte. Wo eine Zet- telbank ist, da geben deren Noten freilich eine grosse Erleichterung. In Hamburg aber werden die Praͤ- mien jezt alle in Banco bedungen; der Makler aber darf kein Bankfolium haben, und wenn der Kauf- mann, fuͤr welchen er geschlossen hat, so gleich in Banco abschreiben lassen wollte, so kann er dies nicht in kleinen Posten unter 100 Mk. tuhn. Die Folge davon ist, daß die Praͤmien zwischen dem Assecura- doͤr und Makler, und zwischen diesem und den Versi- cherten auf Rechnung stehen bleiben, um in groͤssern Summen abgetragen werden zu koͤnnen. Aber eine zweite Folge davon ist, daß der Makler diese Sum- men oft laͤnger an sich haͤlt, als er sollte, und eine dritte, daß auch der Kaufmann, der dies weiß, mit der Bezahlung an ihn zuruͤk haͤlt. Insonderheit aber sind manche Auslaͤnder, welche in Hamburg haben versichern lassen, mit Remittirung der Praͤ- mien sehr traͤge. Die Faͤlle sind also nicht selten, da Assecuradoͤre durch Bankerotte der Makler oder diese durch Bankerotte der Kaufleute verlieren. Bei dem allen aber bleibt der Assecuradoͤr nicht nur durch seine Quitung, welche seine Unterschrift begleitet, an den Contract gebunden, sondern er ist es schon, sobald er mit dem Makler geschlossen hat. Wenig- stens ist in Hambnrg kein Beispiel anzufuͤhren, da ein Versicherer unter dem Vorwand nicht empfan- Cap. 3. Von den Assecuranzen. gener Praͤmie sich von seiner Verpflichtung los zu sagen versucht haͤtte. Aber daraus entsteht wieder eine andere Irregulaͤ- ritaͤt. Da sonst nach gegebener Quitung innerhalb dreis- sig Tagen wegen Nichtbezahlung geklagt werden muß, so gelten die Foderungen des Versicherers auch auf laͤngere nicht bestimmte Zeit. Das alles kann nun freilich nicht wol anders sein. Denn wer die Versicherung sucht, will von dem Au- genblik an, da sie geschlossen ist, keiner Gefahr von einer unvermeidlichen, wenn gleich noch so kurzen Zoͤgerung in der Bezahlung ausgesezt sein. Nie- mand wuͤrde bei dem Versicherer zeichnen lassen, der aus zu grosser Puͤnctlichkeit oder Besorgnis, nicht bald bezahlt zu werden, bei seiner Unterschrift noch mit der Quitirung zuruͤkhielte, um so lange nicht gebunden zu sein, als er nicht bezahlt ist. Aber so, wie es gewoͤhnlich geht, ist doch der Mißbrauch zu groß. Ich habe in meiner Abh. uͤber Handlungs- Usanzen im 1. B. S. 261 der Handlungs-Bi- bliothek vorgeschlagen, daß der nicht bezahlten Praͤ- mie nach drei Monaten die Rechte einer Wechselschuld beigelegt werden moͤgten. Zwar ist hier durch ein Sta- tut vom J. 1763 vestgesezt, daß innerhalb drei Mona- ten alle Praͤmien sollen berichtigt werden. Aber dies 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. scheint mir nicht hinlaͤnglich zu sein. Die Erfahrung hat seitdem oft bewiesen, daß Versicherte und auch Makler oft in grossen Verlust durch ihre in diesem Statut nicht verbotene Nachsicht gerahten sind. Wird aber die 3 Monate lang ruͤkstaͤndige Praͤmie zu einer Wechselschuld, so hat so wenig bei ihr, als bei Wechseln selbst, fernere Nachsicht Statt, und sie muß nun berichtigt werden, oder der Schuldige sich insolvent erklaͤren. §. 11. VII. Das wesentliche des Assecuranz-Contracts liegt in diesen Worten: Wir sezen uns voͤllig in den Plaz des Assecurirten . Der Versi- cherte will sich der ganzen Gefahr von allem Schaden und Verlust entledigen, der an seinem Schiffe und Gute durch die in der Polize bemerkte Reise entstehen kann; von allem Schaden, welchen er selbst leiden muͤßte, und von keinem andern wuͤrde fodern koͤnnen, so bald er sein Eigentuhm aus der sichern Lage in seinem Speicher genommen und den mancherlei Vorfaͤllen der Reise es uͤberlassen hat, oder der seinem Schiffe bevorsteht, wenn es den An- fang mit der Ladung gemacht hat. Es waͤre also die Auseinandersezung aller dieser Gefahren in den vorhergehenden Zeilen uͤberfluͤssig, wenn man Con- tracte in so allgemeinen Ausdruͤkken schliessen duͤrfte, Cap. 3. Von den Assecuranzen. welche die wesentliche Absicht derselben darstellen, und wenn man nicht jeder Auslegung vorbeugen muͤßte, welche ein nicht redlicher Contrahent hintennach er- finden mag. Nun sind freilich unter den mannigfal- tigen Gefahren einer Seereise viele Faͤlle, von wel- chen ein solcher Contrahent behaupten moͤgte, sie seien zur Zeit der Zeichnung des Contracts nicht einverstan- den oder beabsichtigt worden. Ich will auf einige derselben, denen in den vorhergehenden Zeilen vor- gebeugt ist, zuruͤkgehen. Diese sind: a ) der Fall eines unerwartet entstehenden Krieges, oder b ) solche Vorlaͤufer desselben, wie Repressalien, Beschlag, oder c ) in schon entstandenem Kriege unerwartete und nicht gewoͤhnliche Verordnungen abseiten der Krieg- fuͤhrenden Maͤchte, wovon ich in den Zusaͤzen einige Beispiele angeben werde; d ) oder ungerechte Ent- scheidungen uͤber widerrechtliche Aufbringung, wovon die Britischen Gerichte in den lezten Seekriegen man- ches trefliche Beispiel gegeben haben. e ) Gewalt- taͤhtigkeiten der Kaper auch an nicht feindlichen Schif- fen. f ) Unfaͤlle, die offenbar durch Versehen oder Muhtwillen des Schiffers und Schiffsvolks entstan- den sind, wozu man noch g ) selbst die Schiffsdiebe- rei rechnen muß. So natuͤrlich alle solche Vorfaͤlle unter jenem allgemeinen Ausdruk mit einverstanden sind, so moͤgte doch sehr oft, wenn sie nicht aus- druͤklich erwaͤhnt waͤren, ein Assecuradoͤr die Einwen- 2ter Teil. E 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. dung geltend zu machen suchen, welche die Juristen die exceptionem rei non sic sed aliter gestae nen- nen. Er wuͤrde sagen, er habe sich zwar in die Stelle des Versicherten, aber nur in Hinsicht auf solche Unfaͤlle gesezt, welche beide Teile bei Schlies- sung des Contracts als moͤglich ansahen, aber nicht in Hinsicht auf unerwartete Kriege, auch nicht auf Spizbuͤberei des Schiffers und des Schiffsvolks, weil er vielmehr angenommen, der Versicherte kenne die Schiffer besser, als er selbst. Nun aber hilft ihm auch offenbare Spizbuͤberei nicht anders, als wenn er den Beweis fuͤhren kann, der Versicherte selbst habe darum gewußt. So hart das alles ist, so kann es doch nach der wesentlichen Absicht eines Assecuranz- Contracts nicht anders sein. §. 12. VIII. Zur ganzen Gefahr der Reise gehoͤrt alles, was dem Kaufmanns-Gute begegnen kann, wenn es vom Lande ab gebracht wird, bis es wieder auf fe- stem Boden liegt. Selbst solche Versehen, welche eine Beschaͤdigung beim Einladen oder Ausladen ver- anlassen, kommen dem Versicherer zur Last. Auf diesen Fuß werden in unsern Gegenden alle Versi- cherungen geschlossen. Die Britischen Geseze geben zwar an, daß die Versicherung nur gelte, so lange das Gut uͤber dem Kiel des Schiffes sich befindet. Cap. 3. Von den Assecuranzen. Sie verbieten aber nicht, die Gefahr vom Lande bis aufs Land zu bestimmen. Dem Kaufmann kann dies nicht gleichguͤltig sein, wenn er sich ganz sicher stellen will. Denn in sehr vielen Seeplaͤzen ist sein Gut wesentlichen Gefahren ausgesezt, bevor es uͤber den Kiel des Schiffes gelangt, und wenn es das Schiff wieder verlaͤßt. Dies sind diejenigen, zu welchen kein grosses oder gar kein Seeschiff kommen kann, ohne auf einer unruhigen Rhede oder in Vor- haͤfen zu loͤschen, von und zu welchen die Fahrt in Lichtern (an der Ostsee nennt man sie Bordings) uͤber wilde Gewaͤsser geht. So ist es mit den meisten Preussischen Haͤfen bewandt. Auf unserer Elbe ist diese Gefahr unerheblich, auch wenn ein grosses Schiff auf vier Meilen von der Stadt loͤschen oder seine lezte Ladung einnehmen muß. Diese Gefahr wird nun freilich von dem Assecuradoͤr uͤbernommen; es giebt aber in Ansehung der Grossen Averei hiebei allerlei zu bedenken, woruͤber die Seerechte nicht gleichstimmig entscheiden. In der Polize auf Schiffe (oder aufs Casco) wird die Gefahr von dem Tage und der Stunde an gerechnet, da das Schiff seine Ladung oder Ballast einzunehmen angefangen, bis es an dem Bestimmungsorte seine Ladung voͤllig geloͤscht hat . Das ist an sich E 2 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. klar, aber auch der Grund der Sache einleuchtend. Denn dadurch bestimmt sich der Anfang und das Ende der Reise, auf welche die Versicherung geht. Doch entsteht auch hier eine Schwierigkeit in dem Falle, wenn das Schiff schon wieder zu laden an- faͤngt, ehe es seiner mitgebrachten Ladung voͤllig ent- ledigt ist, von welcher ich in den Zusaͤzen noch etwas nachtragen werde. §. 13. IX. Zwar nimmt der Assecuradoͤr gar sehr Ruͤk- sicht auf die Zeit, zu welcher ein in Ladung liegen- des Schiff seine Reise antreten wird, wenn er auf das Schiff oder dessen Ladung zeichnet. Wenn die Versicherung auf ein Schiff oder Gut genommen wird, das in einem fernen Hafen segel- fertig liegt, oder die Reise bereits angetreten hat, so wird die Nachricht davon in einem auf dem For- mular zu dem Ende leer gelassenen Plaze eingetragen. Denn auch auf solche Umstaͤnde koͤmmt es sehr an. Es werde z. B. heute den 14ten December in Ham- burg eine Versicherung auf ein von Nantes kommen- des Schiff gesucht, da man schon durch Briefe weis, daß in den lezten Tagen des Novembers ein schwerer Sturm im Canal gewesen sei. Der Versicherer wird sich aus dem Grunde entschliessen zu zeichnen, weil Cap. 3. Von den Assecuranzen. er dem Briefe traut, der ihm sagt, daß das Schiff zur Zeit des Sturms noch im Hafen gelegen habe. Spaͤterhin wird er zeichnen, wenn ihm versichert wird, daß es erst nach diesem Sturm unter Segel gegangen sei. Aber er ist frei, wenn hintennach er- weislich ist, daß man ihn mit dieser Nachricht hin- tergangen habe. Aber eben so wichtig ist es fuͤr ihn zu wissen, ob das Schiff zu einer angegebenen Zeit schon seine La- dung gehabt habe, und segelfertig gewesen sei. Na- tuͤrlich veraͤndern sich die Praͤmien mit den Jahrszei- ten, und man unterscheidet sehr gewoͤhnlich Win- terpraͤmien und Sommerpraͤmien . Kein Kaufmann wird im Februar schon Versicherung auf ein Schiff oder auf Guͤter suchen, die vielleicht nicht vor Maimonat abgehen. Aber mancher wird im August schon die Versicherung suchen, wenn das Schiff wahrscheinlich nicht vor dem October voll und Segelfertig wird. Kein Versicherer wird ihm auf Sommerpraͤmien zeichnen, wenn er dies eini- germassen voraussieht. Aber wenn das Schiff in einem fernen Hafen in Ladung liegt, so kann nur die Versicherung, es sei zur angegebenen Zeit segelfertig gewesen, ihn in Bestimmung der Praͤmie leiten. Indessen scheint mir die Natur der Sache es mit sich zu bringen, daß die Verzoͤgerung jeder Seereise 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. aus der guten in die schlechte Jahrszeit eine Erhoͤhung der Praͤmie zur Folge habe, und dies in der Polize ausbedungen werde. In dem Neuen Preussischen Gesezbuche ist hieruͤber wirklich nach Billigkeit ver- fuͤgt worden. Ich werde mehr davon in den Zu- saͤzen sagen. So lange dies nicht geschieht, gewinnt der Ver- sicherer freilich oft in dem umgekehrten Falle, wenn er im Winter gezeichnet hat, und das Schiff erst im Fruͤhjahr segeln kann. Aber alle, die Versicherung suchen, werden dies zu vermeiden wissen. Es ent- steht sogar ein Grund daraus, nicht in Schiffe zu laden, die in den lezten Herbstmonaten in Ladung liegen, wenn es nicht mit der Versendung der Waare grosse Eile hat. Nur in Einem Falle koͤnnen sie es nicht; das ist, in fruͤhen und lange dauernden Win- tern. Dann kann es treffen, daß Versicherungen schon im November zu hohen Winterpraͤmien genom- men werden, und das Schiff nicht vor dem Maͤrz, oder, wie es im J. 1785 lief, nicht vor dem Mai unter Segel geht. Bei dem allen aber kann dem Versicherer keines- wegs frei gelassen werden, die beschleunigte Abreise eines Schiffers zu verlangen, nachdem er gezeichnet hat, vielweniger sich von seiner Versicherung los zu Cap. 3. Von den Assecuranzen. sagen, wenn er glaubt, daß der Schiffer uͤber die Gebuͤhr zoͤgere, und er durch zu fruͤh verlangte Zeich- nung absichtlich hintergangen sei. Denn einerseits moͤgte ein der Schiffahrt nicht sehr kundiger Assecura- doͤr ungegruͤndete Foderungen an den Schiffer ma- chen; andrerseits wuͤrde es ihm, auch bei einer ge- rechten Sache, schwer werden, den Beweis gegen den Schiffer zu fuͤhren, daß er ohne guͤltige Ursachen gezoͤgert habe. Er muß also blos durch eigne Vor- sicht und Ueberlegung dem Nachteil auszuweichen suchen, der ihm daraus entsteht, wenn er auf Som- merpraͤmie zeichnet, was eigentlich Winterpraͤmie sein sollte. §. 14. X. Die Nachricht von dem Ungluͤksfall wird schlechthin gegeben, oder, wie der Ausdruk hier ist, angedient . Dies liegt dem Makler ob, der die Versicherung besorgt hat, welcher den Ungluͤksfall auf dem Contoir des Versicherers in einem zu dem Ende bereit gehaltenen Buche bemerkt. Sind schon Documente uͤber den Schaden da, so begleiten sie diese Andienung. Damit aber ist der Versicherte nicht von aller Bemuͤhung und Vorsorge frei, den Schaden so sehr zu vermindern, als moͤglich, son- dern er muß das verungluͤkte oder beschaͤdigte Schiff oder Gut noch immer ansehen, als waͤre es seine 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. eigene Sache. Dies ist hoͤchstbillig, den 1) der Asse- curadoͤr wuͤrde unglaublich beschaͤftiget werden, wenn er uͤber jeden Ungluͤksfall den Briefwechsel uͤberneh- men, oder, wie es oft noͤtig wird, Bevollmaͤchtigte an Ort und Stelle senden, oder, wenn es auf recht- liche Entscheidung ankoͤmmt, sein Recht in der Ferne selbst verfechten muͤßte. 2) Der Kaufmann kann durch seine Correspondenz weiter reichen, auch be- quemer seine Vorteile wahrnehmen, als der Assecu- radoͤr, dessen Geschaͤfte eigentlich nicht mit grossem Briefwechsel verbunden ist. Wenn z. B. ein nach Bourdeaux bestimmtes Schiff auf der Garonne bleibt, so ist kein Eigner von dem Schiff oder den Guͤtern, der nicht dort seinen Correspondenten haͤtte. In Hamburg werden, wenn ein wichtiger Stran- dungsfall bekannt wird, aus welchem noch etwas zu retten Hofnung ist, alle Interessenten am Schiff und an der Ladung zusammenberufen. Diese waͤhlen alsdann aus ihrem Mittel Deputirte, welche sich des Ganzen in jedem moͤglichen Wege annehmen, auch wol einen sichern Mann an den Ort der Strandung senden. Die Assecuradoͤre nehmen an diesen Ueber- legungen den ihnen dienlichen Anteil, wie denn auch die Kosten am Ende auf sie fallen. Wenn indessen der Verlust als eine Tahtsache entschieden, oder die beschaͤdigte Waare an Land gebracht ist, aber in einem Cap. 3. Von den Assecuranzen. Zustande, da der Eigner, auch selbst mit dem Ersaz der taxirten Beschaͤdigung, sie nicht wieder als sein Eigentuhm an sich nehmen moͤgte, so steht es ihm frei, die Waare dem Versicherer zu abandonni- ren , d. i. ihm zu uͤberlassen, was er durch Verkau- fung derselben, und so auch durch den Verkauf des Wraks von einem Schiffe wieder erlangen koͤnne. Das sei dann wenig oder viel, so hastet ihm der Asse- curadoͤr fuͤr den ganzen gezeichneten Wehrt. Doch ist das Abandonniren in Hamburg ein seltner Fall. §. 15. XI. Der Verpflichtung, in zwei Monaten zu bezahlen, kann der Versicherer nicht ausweichen, wenn ein totaler Schaden erfolgt, oder die Umstaͤnde so sind, daß er das Abandonnement sich hat gefallen lassen muͤssen. Wenn aber dies nicht Statt hat, so hat er sich eines oft langen Verzuges zu er- freuen, bis der Belauf des Schadens ihm von dem Dispaschoͤr berechnet ist. Aber dieser kann nicht im- mer dazu gelangen, weil in den meisten Ungluͤks- faͤllen die noͤtigen Documente langsam herbeikom- men. Dadurch entsteht nun freilich dem Kaufmann ein nicht geringer Verlust, wenn er sein Geld so lange entbehrt, ohne es benuzen zu koͤnnen. Aber bei den meisten und insonderheit bei grossen Seeschaͤ- den ist es bald entschieden, wie viel der Verlust aufs 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. wenigste betrage. Alsdann bezahlt jeder billige Asse- curadoͤr, der seinen guten Credit erhalten will, we- nigstens dieses, woruͤber kein Streit mehr entstehen kann, dem Versicherten, und beide Teile warten dann ab, bis die Dispasche aufgemacht und in Procenten und Bruͤchen von Procenten angegeben ist, wie viel dem Versicherten gebuͤhre. §. 16. XII. Der Makler, von dessen Geschaͤften uͤber- haupt ich bald naͤher reden werde, ist bei keinem Ge- schaͤfte so noͤtig, als bei diesem; 1) weil zu grossen Summen auf Einer Polize viele Versicherer muͤssen gesucht werden, so daß oft mehrere Tage verloren ge- hen, ehe auf die ganze Summe gezeichnet ist. Dies macht nun eine ins Detail gehende Rechnung entste- hen, wie viel einem jeden Versicherer als Praͤmie zu- komme. 2) Nicht nur solcher Rechnungen auf ein- zelne Polizen, sondern uͤberhaupt der Rechnungen, welche aus mehreren Polizen zwischen Einem Kauf- mann und vielen Assecuradoͤren entstehen, entledigt sich jener gerne auf diesen. In Hamburg und in Am- sterdam, wo die Praͤmien in Banco abgeschrieben werden muͤssen, entsteht ein Grund mehr, daß nicht leicht Eine Praͤmie besonders abgeschrieben werden kann, und eine groͤssere Summe aus denselben sich sammeln muß, die der Kaufmann dem Makler, aber Cap. 3. Von den Assecuranzen. auf das Folium eines dritten, zuschreiben laͤßt, um ihn in den Stand zu sezen, mit den Assecuradoͤren zu liquidiren. Die Courtage des Maklers ist ¼ p. C. von dem Versicherten und halb so viel von dem Ver- sicherer, wenn die Praͤmie 2 und mehr Procente, aber nur 1/16 p. C., wenn sie weniger betraͤgt. §. 17. XIII. Das Datum ist bei den Polizen in Ab- sicht auf die Erfuͤllung des Contracts, wenn es ehr- lich zugeht, weniger nohtwendig, als bei irgend ei- nem andern Contracte. Denn wenigstens in neun Faͤllen unter zehn unterbleibt die Erfuͤllung auf Sei- ten des Versicherers. Wenn aber ein Ungluͤksfall dieselbe entstehen macht, so haͤngt die Zeit der Er- fuͤllung von den §. 15. erwaͤhnten Umstaͤnden ab. Doch machen zwei Umstaͤnde einem vorsichtigen Ver- sicherer rahtsam darauf zu halten. Der erste ist, wenn aus Versehen, Misverstand, oder bei Statt habender Ungewisheit, ob die Assecuranz sonst irgend- wo schon genommen sei, eine solche zweimal an ver- schiedenen Orten genommen wird. Z. B. ein Kauf- mann schikt dem andern Waaren in Verkaufs-Com- mission uͤber See, und das Connossement im Briefe zu, zeigt aber in diesem nicht an, daß er selbst fuͤr die Assecuranz bereits gesorgt habe; der Commissio- naͤr besorgt sie also, und nun findet sich eine zwiefa- 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. che Assecuranz uͤber dieselbe Sache. In diesem Fall hat die fruͤher gezeichnete den Vorzug, und der spaͤ- ter gezeichnet habende Assecuradoͤr giebt die empfan- gene Praͤmie mit Abzug eins ½ p. C. zuruͤk. Man nennt diesen Abzug das Ristorno . Der zweite Umstand ist, daß auch wol von hinterlistigen Men- schen Assecuranzen gesucht werden, nachdem sie schon insgeheim Nachricht bekommen, daß Ungluͤk vorge- fallen sei. Dieser Betrug, welcher freilich den Ver- sicherer von seiner Verpflichtung befreiet, ist oft schwer zu erweisen, und dann vollends nicht, wenn kein Datum den Tag angiebt, da die Versicherung von dem Makler gesucht worden. §. 18. VIX. Ich habe S. 271. des 1. Teils von Assecu- ranz-Companien erwaͤhnt, deren Mitglieder alle mit ihrem ganzen Vermoͤgen einstanden, und gezeigt, wie unnatuͤrlich und unuͤberlegt diese Verpflichtung sei. Indessen ist bei der Unterschrift des Bevollmaͤchtig- ten einer Assecuranz-Companie doch immer der Zusaz noͤtig, daß dieselbe nur fuͤr das Capital ihrer Actien einstehe. Denn bei einem jeden Privatassecuradoͤr versteht es sich von selbst, und die Polize sagt es auch, daß er mit seinem ganzen Vermoͤgen einstehe. Da nun die Interessenten der Companie aus dieser Verpflichtung heraustreten, so muß ihr Bevollmaͤch- Cap. 3. Von den Assecuranzen. tigter doch eben dies bei jeder Unterschrift bemerken, daß nicht gleiche Rechte gegen seine Interessenten, wie gegen die Privatassecuradoͤre, gelten. §. 19. Das Formular der Polizen aufs Casco , oder auf das Schiff mit dessen Zubehoͤr ist dem auf Guͤter so gleichlautend, ohne in denjenigen einzelnen Ausdruͤkken, welche auf die Verschiedenheit der Ge- genstaͤnde in beiderlei Polizen deuten, daß mir dar- aus kein Anlaß zu besondern Anmerkungen entsteht. Selbst, wenn Versehen oder Muhtwillen des Schif- fers und seiner Leute Schaden oder den gaͤnzlichen Verlust des Schiffes veranlassen, haftet der Assecu- radoͤr so gut, wie bei Guͤtern, so lange er nicht eine Teilnehmung des Eigners beweisen kann. Aber wenn es auch in diesen heißt: Wir nehmen auf uns die Gefahr alles Schadens und Ungluͤks, so diesem Schiffe ganz oder zum Teil waͤhrend dieser Reise auf eine oder andere Art zustossen moͤg- te, so scheint der Buchstabe mehr auzugeben, als was die Natur der Sache zulaͤßt. Auf eine oder die andere Art wird jedes Schiff einigen Schaden auch auf der gluͤklichsten Reise, leiden, und nimmer den Bestimmungs-Hafen in voͤllig so gutem Zustande erreichen, als in welchem es den Abgangs-Hafen 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. verlies. Es ist das Mittel eines Erwerbs fuͤr dessen Eigner, der den Betrag der mit jeder Reise noht- wendig werdenden Reparaturen durch die von dem Schiffe verdiente Fracht eben so wol einzuholen su- chen muß, als ein Fuhrmann die Abnuzung seines Wagens, ja selbst seiner Pferde auf sein Fuhrlohn schlaͤgt, und nur dann bestehen kann, wenn er nicht zu wenig darauf gerechnet hat. Auf diesen Ver- schleis an dem Schiffe, und insonderheit an dessen Geraͤhtschaften, wird als einen unabwendlichen Ver- lust bei Aufmachung der Grossen Averei hinausgese- hen, und dem Schiffe, wenn ihm etwas dergleichen zu ersezen ist, ein Dritteil wegen der vor dem Un- gluͤksfall schon vorausgesezten Abnuzung abgeschla- gen. Der Versicherer kann also nicht auf sich neh- men, dem Eigner dies Werkzeug seines Erwerbs ganz Schadenfrei zu erhalten. Wenn er es aber, gereizt durch eine sehr hohe Praͤmie, wirklich taͤhte, wie wuͤrde man hintennach die Entscheidung moͤglich machen, wie viel das Schiff ganz und in seinen Tei- len bei einer gewoͤhnlichen Wirkung des Windes und der Wellen, wodurch doch kein Teil zerbrochen wor- den oder verloren gegangen, gelitten habe? Zwei bis zur Unmoͤglichkeit genaue Untersuchungen wuͤr- den erfodert werden, die eine von dem Zustande des Schiffes und aller seiner Teile beim Absegeln, und die zweite bei der Ankunft. Cap. 3. Von den Assecuranzen. Zwar wird in der Grossen Averei dem Schiffe die Beschaͤdigung verguͤtet, welche erweislich aus dem sogenannten Prangen desselben entsteht, das ist, wenn ein Schiff, um von dem Ufer, Sand und Klippen abzuhalten, hart an den stuͤrmischen Wind legen und so eine Weile fortsegeln muß. Wer nur eine kurze Seereise bei nicht guͤnstigem Winde gemacht hat, weiß, welche Gewalt die dem Schiff entgegen schlagenden Wellen auf dessen Koͤrper ausuͤben, und wie viel mehr Masten, Segel und Tauwerk auszu- halten haben, wenn der Lauf des Schiffes in einer dem Winde zum Teil entgegengesezten Richtung er- zwungen werden muß. Kein Schiffer sezt ohne Noht sein Schiff in diese nachteilige Lage, sondern laͤßt, wenn er freie See hat, sein Schiff vor dem Sturm treiben. Aber wenn er jenes im Fall der Noht tuht, so ist es die Folge einer uͤberlegten Ent- schliessung. Indessen moͤgten gerne viele Rheder eine jede starke Abnuzung des Schiffes, die aus hohler See bei unguͤnstigem Wetter entsteht, den Versicherern als particulaͤre Averei zur Last bringen. Wenn ihnen ein Schiff nach einer etwas schweren Seereise nach Hause koͤmmt, und kostbare Reparatu- ren erfodert, aber kein solcher Unfall entstanden ist, der eine Verklarung erfodert haͤtte, wodurch ein Prangen des Schiffs dargetahn wird, so moͤgten sie die Reparatur gern zur partikulaͤren Averei 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. machen. Sie behelligen alsdann gerne, wenn sie die Assecuranz in grossen Seeplaͤzen, wie Hamburg, haben nehmen lassen, ihre Commissionaͤre mit dem zudringlichen Auftrage, diese ungewoͤhnlich grosse Abnuzung ihres Schiffs als wirklichen Schaden von den Versicherern einzufodern. Ich habe schon ge- sagt, daß die Worte der Polize zu viel sagen. Aber die Vernunft berechtigt sie eben so wenig dazu, als ein Fuhrmann berechtigt werden darf, die Repara- tur seines Wagens etwa von den Eignern seiner Frachtguͤter, weil er keine Versicherer hat, wieder zu fodern, wenn er auf einer Reise durch eingefal- lenes Regenwetter schlechtere Wege findet, als er vermuhtete. Beides sind Faͤlle, auf welche als moͤglich derjenige hinaus sehen muß, der seinen Ver- dienst durch See- oder Landfracht sucht. §. 20. Durch diesen Commentar uͤber das Formular einer Polize glaube ich die Hauptsachen angegeben zu haben, welche fuͤr solche Leser wissenswehrt sind, die nicht mit dergleichen Geschaͤften sehr viel umge- hen, aber auch fuͤr solche, die in Landstaͤdten woh- nen und die Besorgung der Assecuranz fuͤr Guͤter, welche sie fuͤr ihre Rechnung kommen lassen oder ver- senden, ihren Commissionaͤren oder Speditoͤren in den Seeplaͤzen auftragen muͤssen. Es giebt auch oft Cap. 3. Von den Assecuranzen. sonderbare Vorfaͤlle und Streitigkeiten, die aus der Unkunde inlaͤndischer Kaufleute mit den Assecuranz- Geschaͤften entstehen. Aber auch fuͤr diejenigen glaube ich viel nuͤzliches geschrieben zu haben, welche bekannter mit der Sache sind, aber nicht den Grund aller derer Verfuͤgungen einsehen, welche in Anse- hung der Avereien und Assecuranzen in aͤltern und neuern Seerechten in einer gewissen Einstimmigkeit festgesezt sind. Zwar gibt es noch viele andere Ge- genstaͤnde der Versicherungen als Seegefahr, und be- sondere Bestimmungen, unter welchen Assecuranzen genommen werden: Z. B. auf die Lebensdauer, auf Ranzionsgelder, wenn ein Seemann von den Tuͤrken genommen wird, auf Feuersgefahr von Guͤtern, wie auch Versicherungen von Schiffen und Guͤtern auf ge- wisse Zeit oder fuͤr einen bestimmten Teil ihres Weges. Ich will aber nur von zweien etwas beifuͤgen, nem- lich von Assecuranzen auf Interesse und Non-Inte- resse, und auf imaginaͤren Gewinn. §. 21. Muͤssige Leute, oder, die einen ernsthaften Zwek in den Gegenstand eines Gluͤksspiels verwandeln, so wie dies in dem B. 3. C. 6. §. 17 beschriebenen fal- schen Stokshandel geschieht, haben auch eine Ver- sicherung erfunden, welche keinen andern Zwek hat, als sich die Hofnung des Gewinns aus einem Verlu- 2ter Teil. F 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. ste, der sie gar nicht angeht, durch eine Praͤmie zu erkaufen. Sie nehmen nemlich eine Polize fuͤr ein willkuͤhrliches Capital auf ein Schiff, von welchem sie wissen, daß es unterwegs sei, bezahlen eine gewisse Praͤmie dafuͤr, und bekommen die versicherte Summe bezahlt, wenn das Schiff verloren geht. Derglei- chen Versicherungen sind in England nicht ungewoͤhn- lich, obgleich sie durch ein Statut vom J. 1746 ver- boten sind. Nur auf Caperschiffe und auf Guͤter, die aus Spanischen oder Portugiesischen Haͤfen kom- men, ist sie erlaubt verblieben. Es ist eine blosse Wette auf die gluͤkliche oder ungluͤkliche Ankunft eines Schiffes, die daher immer mit der Bedingung geschlossen wird, daß der Assecuradoͤr im Falle der Strandung die Summe, als waͤre es ein totaler Schaden, bezahle, und nicht etwan nach abgemachter Averei so viel weniger bezahlen duͤrfe, als diese be- traͤgt. Das kann auch nicht anders sein, weil sehr oft ein Assecuradoͤr solche Polizen auf Schiffe zeichnet, fuͤr welche keine Averei aufgemacht wird. Auf Guͤ- ter kann nicht so gezeichnet werden; es muͤßte denn der Wettende wissen, was fuͤr Art Guͤter in dem Schiffe sind, um demnaͤchst sagen zu koͤnnen: Solche Guͤter, verderbliche oder unverderbliche, waren im Schiffe. Wie nun fuͤr diese die Averei aufgemacht ist, so sind auch die Guͤter, auf welche ich gewet- tet habe, anzusehen. Aber so etwas ist dem Ge- Cap. 3. Von den Assecuranzen. winnsuͤchtigen zu weitlaͤuftig. Wenn dann das ange- fuͤhrte Britische Statut erlaubt, daß Assecuranzen auf Waaren oder Effecten aus Europaͤischen oder Ameri- kanischen Haͤfen, die im Besiz der Krone Spanien oder Portugal sind, koͤnnen versichert werden, so ist dies wahrscheinlich von solchen ernsthaften Ver- sicherungen zu verstehen, die keine leere Wette zur Absicht haben, und von welchen ich sogleich noch mehr sagen werde. Bei so vielen Beispielen des Betruges ist eine solche Versicherung insonderheit bedenklich. Denn dem, der ohne Interesse Versicherung zu grossem Belauf sucht, kann man auch wol zutrauen, daß er, um sich seines Gewinns gewiß zu machen, mit dem Schiffer eine buͤbische Beredung nehme, daß er das Schiff zu Ungluͤk bringe, und dadurch die Eig- ner und wirklichen Versicherer desselben sowol als der Ladung in empfindlichen Verlust seze. Weil nun dies bei Kaperschiffen weniger zu fuͤrchten ist, so sind sie in jener Acte der Spielsucht der Britten als ein Gegenstand freigelassen worden. Indessen gibt es Faͤlle, in welchen ein ehrlich denkender Kaufmann Versicherungen sucht, auch ohne gewiß zu sein, ob er Interesse oder nicht Interesse an dem in der Polize benannten Schiffe habe. Man F 2 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. seze, einer habe eine Commission auf Lissabon zum Einkauf und Versendung von 10000 Mk. Waaren gegeben; sein Commissionaͤr berichte ihm, daß er den Auftrag ausgerichtet habe und die Guͤter zur Ab- sendung bereit halte, sende ihm aber noch kein Con- nossement zum Beweis, daß, und in welches Schiff er sie verladen habe. Nun koͤmmt dem Kaufmann eine Schiffer-Nachricht, daß ein benanntes Schiff von Lissabon kommend auf der See gesehen worden sei. Ein Sturm erfolgt. Noch ist das Schiff nicht da, und der Kaufmann muß fuͤrchten, seine Guͤter zu verlieren, ehe das Connossement durch die Post an ihn gelangt, und ihn in den Stand sezt, die Versicherung unter gehoͤriger Bestimmung zu neh- men. Er sucht sie indessen, und schließt sie auf das benannte Schiff, doch ohne die Marken und Nu- mern der Pakken oder Kisten angeben zu koͤnnen, wie doch sonst nohtwendig ist. Dabei behaͤlt er sich vor, daß die Versicherung unguͤltig sei, und kein Ristorno dafuͤr Statt haben solle, im Fall dies Schiff seine Guͤter nicht geladen habe. Einer solchen Asse- curanz gibt man auch wol die Benennung auf Inter- esse und Non-Interesse. Die Geseze koͤnnen eine solche nicht verbieten, auch nicht einmal misbilligen. Doch wird sie in unsern Gegenden in Hamburg nicht unter einer solchen Benennung geschlossen, sondern man bleibt lieber in dem gewoͤhnlichen Wege. Der Cap. 3. Von den Assecuranzen. Assecuradoͤr laͤßt sich den Mangel der Anzeige von Marken und Numern gefallen, welches freilich nicht ohne Bedenklichkeit ist, behaͤlt sich aber, wie bei andern etwa durch Irrthum zwiefach geschlossenen Assecuranzen, vor, daß, wenn diese nicht Statt hat, er die Praͤmie mit Abzug eines ½ p. C. ristornire . §. 22. Es ist natuͤrlich, daß ein Kaufmann, welcher eine Unternehmung von Belang uͤber See macht, bei dem Verlust seiner Guͤter auch den Verlust des bei deren gluͤklicher Anlangung mit Grunde zu hoffen- den Gewinns empfindlich fuͤhle. Dies moͤgte Grund genug fuͤr jeden bedaͤchtlichen Kaufmann sein, eine Versicherung auf diesen Gewinn besonders zu neh- men. Aber die Praͤmie dafuͤr ist immer gewisser Verlust, welcher in jedem Fall gelitten werden muß, die Speculation schlage ein oder nicht, und ein Kauf- mann, der aus zu grosser Behutsamkeit jeden von seinen Unternehmungen uͤber See zu hoffenden Ge- winn versichern lassen wollte, moͤgte am Ende nicht viel gewinnen. Daher sind solche Versicherungen, die man auf imaginaͤren Gewinn nennt, wenig gewoͤhnlich. Nur in den Ausruͤstungen von Schiffen zur Fischerei hat sie zuweilen Statt; doch mehr als Ersaz des Verlustes, den eine verlohrne Reise ent- stehen macht, wenn Volkshaͤuer und Victualien ver- 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. gebens verwandt werden, als um dem Rheder einen Ueberschuß uͤber diese Kosten und einen Gewinn zu verschaffen, welchen Zufaͤlle der Natur fuͤr die dies- malige Reise versagten. Dann leiten auch den Kaufmann folgende Ueber- legungen zur Nehmung einer solchen Assecuranz, welche ich in einem Beispiel darstellen will. Er ver- seudet nach Lissabon eine Partei Waaren, welche er in der Polize mit allen Unkosten bis an Bord und der Assecuranz-Praͤmie auf 10000 Mk. taxirt, wie- wol er in Lissabon auf einen Boͤrsenpreis von 12000 Mk. rechnet. Die Waare koͤmmt so stark beschaͤdigt an, daß sie dort zu 50 p. C. unter dem Boͤrsenpreis verkauft werden muß, d. i. fuͤr 6000 Mk. Hier aber wird nach eben diesem Verhaͤltnis dispaschirt, aber auf 50 p. C., nicht von 12000, sondern nur von der taxirten Summe 10000 Mk. Der Kaufmann bekoͤmmt also statt wirklich verlohrner 6000 Mk. nur 5000. Um sich also davor sicher zu stellen, nimmt er neben der Polize auf den taxirten Wehrt eine zweite auf den mit Grunde erwarteten Ueber- schuß von 2000 Mk. in Lissabon, der keineswegs ganz Gewinn fuͤr ihn ist, weil Fracht und Unkosten in Lissabon davon abgehen. Diese 2000 Mk. be- koͤmmt er keinesweges ganz, sondern auch nur 50 p. C. Auch hat eine solche Assecuranz keinesweges Cap. 3. Von den Assecuranzen. den Effect, welchen man aus der Benennung abneh- men moͤgte, daß, wenn die Waare wolbehalten an- gekommen waͤre, aber nur zu 10000 Mk. verkauft werden koͤnnte, der Versicherer dem Versicherten jene 2000 Mk. voll bezahlen muͤßte. §. 23. Die so allgemein gewordene Assecuranz hat in dem Gange der Handlung uͤberhaupt grosse Veraͤnde- rungen gemacht, die teils als vorteilhaft, teils als nachteilig angesehen werden koͤnnen. a ) Vorteilhaft ist es unstreitig, daß nun das Gluͤk eines uͤber See handelnden Kaufmanns nicht mehr so von ungefaͤhren Zufaͤllen der Natur abhaͤngt, als ehemals. Manche Handlungen wuͤrden wegen Mißlichkeit der Seefahrt gar nicht betrieben werden koͤnnen. Ohne diese Versicherung muͤßte ein vorsich- tiger Kaufmann einen grossen Teil seines Vermoͤgens bei Seite legen, um in dem Fall, da er ein Schiff ganz verliert, noch seine Handlung fortsetzen zu koͤn- nen. Jezt aber kann ein jeder, auch der schwaͤch- ste, sein ganzes Vermoͤgen in einer Seehandlung wagen, und darf nur dahinaussehen, daß er es bei Ungluͤksfaͤllen aushalten koͤnne, bis der Versiche- rer ihm einen Teil des entschiedenen Schadens und nach aufgemachter Dispasche das Ganze bezahlt. 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. Die Handlung uͤberhaupt ist also dadurch viel leb- hafter geworden. §. 24. b ) Als schaͤdliche Folgen moͤchte anzusehen sein: 1) die seitdem entstandene Unsicherheit im Speculations- und uͤberhaupt im eignen Handel. Vorzeiten liessen alle Schiffe die Meere in der schlechtesten Jahrszeit unbefahren, ja sogar gewisse Seerechte, besonders die Hanseatischen, geboten, daß kein Schiff vom 10ten Novbr. bis zum 2ten Febr. in See gehen solle. Es wußte also ein jeder Kaufmann, daß ihm nach Mar- tini kein spaͤter abgehendes Schiff seinen Preis ver- derben koͤnnte. Jezt aber muß er, in denen Gewaͤs- sern wo der Winter ungewiß ist, dies zu aller Zeit fuͤrchten. Mancher Kaufmann wird auch ungluͤk- lich dadurch, wenn er in spaͤter Jahrszeit Guͤter ver- ladet, und ein unerwartet fruͤher oder langer Win- ter, wie in den Jahren 1784 und 85 geschah, sein Schiff Monate lang zuruͤcke haͤlt und die Conjunctur daruͤber verlohren geht. Aber, wenn solche Ein- schraͤnkungen in der Handlung voriger Zeiten Statt haben konnten, so koͤnnen sie es jezt nicht mehr, da auch der kuͤrzeste Winter in den Nordischen Gegenden mancher Art der Handlung noch zu lang wird. Wenn z. B. in Hamburg die Schiffe von Mallaga her im November ankommen, so beduͤrfen noch die Ostsee- ischen Haͤfen ihres Teils der damit angelangten Waa- Cap. 3. Von den Assecuranzen. ren, z. B. Zitronen und anderer Fruͤchte, die nicht den Winter durch liegen bleiben koͤnnen. Dann geht noch manches Schiff mit denselben beladen von Luͤbek im December ab und erreicht den Hafen seiner Be- stimmung. Denn viele Haͤfen im hohen Norden, z. B. Reval, Bergen, Drontheim sind oft im Ja- nuar noch nicht vom Eise geschlossen. Man kann auch in jezigen Zeiten sehr auf die gebesserte Kunst der Schiffahrt rechnen. Auf manche Gegenden muß ein Schiff seine Abfahrt bis in den Winter stellen. Das muͤssen insonderheit die Ostindienfahrer, die, wenn sie die Passatwinde treffen wollen, spaͤt im Jahre aus den Nordischen Haͤfen abgehen muͤssen. 2) Die Preise aller Waaren, welche uͤber See kommen, werden dadurch teurer. Derjenige, wel- cher die Assecuranz wirklich bezahlt, muß dieselbe auf den Preis der Waare schlagen. Aber auch der Kaufmann, welcher die Seegefahr selbst laͤuft, wird darum nicht wolfeiler verkaufen, sondern den Preis mit geniessen wollen, fuͤr welchen diejenigen verkau- fen, welche die Praͤmie auf selbige bezahlt haben. Indessen ist dies nur ein anscheinender Nachteil. In aͤltern Zeiten wurden die Waaren unter sonst glei- chen Umstaͤnden eben dadurch gewiß teurer als jezt, daß der Kaufmann auf hoͤhere Preise halten muste, um den so ungewissen Schaden von Seeungluͤk aus- 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. halten zu koͤnnen. Bei der damaligen schlechtern Beschaffenheit der Schiffahrtskunst mußte er um so viel hoͤher den Anschlag davon machen. Eben deswe- gen waren die Assecuranzen, als sie zuerst uͤblich wur- den, ungemein hoch. Im vorigen Jahrhundert war die gewoͤhnliche Praͤmie von Hamburg auf Lissabon auch im Sommer 5 p. C. Dazu wuͤrde sich kein Kaufmann entschlossen haben, wenn er nicht die bis dahin von ihm selbst bestandene Gefahr hoͤher ange- schlagen haͤtte. Jezt aber weis der Kaufmann, wenn seine Polize gezeichnet ist, aufs bestimmteste, was ihm diese Gefahr kostet, und darf, in Ruͤksicht auf diese, den Preis seiner Waare nicht nach dem Grade seiner Besorgnis erhoͤhen. Wenn noch jezt alle Kauf- leute ihr Risico liefen, so wuͤrde doch ein jeder im Waa- ren-Verkauf so viel zu gewinnen suchen, daß er den Verlust von andern ihm verungluͤkkenden Waaren tragen koͤnne. Dann aber wuͤrde manchmal ein leicht- sinniger, oder im Geld-Mangel sich befindender Kauf- mann, bei seiner schon gluͤklich angelangten Waare nicht auf die von derselben schon uͤberstandene See- Gefahr rechnen, sondern wolfeil verkaufen und an- dern den Preis verderben koͤnnen. §. 25. Indessen kann es mit dem Versichern zu weit ge- trieben werden. Etwas wagen ist bei Handlungs-Ge- Cap. 3. Von den Assecuranzen. schaͤften wesentlich. Wenn ein gar zu vorsichtiger Kaufmann fuͤr alle Gefahren des Verlustes Versiche- rungen suchen und bezahlen wollte, so wuͤrde die Rechnung bald geben, daß die Kosten allen auf seinen Handel zu machenden Gewinn wegnehmen wuͤrden. Dies ist ein Grund, welchen gegen die oft vorgeschla- genen Assecuranzen auf kaufmaͤnnischen Credit anzu- fuͤhren ich B. 3. C. 5. §. 15. versaͤumt habe. Ich mag jedoch diesen so wichtigen Abschnitt nicht durch mehr Erlaͤuterungen dehnen, sondern behalte mir das, was man vielleicht noch erwarten moͤgte, fuͤr die Zusaͤze vor. Viertes Capitel . Von der Bodmerei . §. 1. J eder Schiffer, der auf einen etwas entfernten Plaz segelt, und jeder Rheder desselben weiß, daß er, auch nach der gluͤklichsten Reise, dort Beduͤrfnisse haben werde, denen nicht anders, als mit Gelde ab- geholfen werden kann. Dieses Geld ihm mitzuge- ben, waͤre so viel als die Gefahr des moͤglichen Verlustes vergroͤssern, und, weil man doch nicht den noͤtigen Belauf vorher wissen kann, so wuͤrde 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. manche Summe ungenuͤzt und mit Zinsenverlust fuͤr deren Besizer hin und her verschifft werden. Und wie kann man immer in dem Abgangshafen zu der Geldsorte gelangen, die in dem Bestimmungs-Hafen gaͤnge und gebe ist? Der Schiffer muß es daher so machen, oder es muß fuͤr ihn so gesorgt werden, wie ein zu Lande Reisender fuͤr sich sorgt oder sorgen laͤßt, daß er allenthalben so viel Geld finde, als ihm bei seinem Aufenthalt und zur Fortsezung seiner Reise nohtwendig ist. Er wird an irgend einen Ein- wohner des Hafens verwiesen, oder dem gewoͤhnli- chen Ausdruk nach consignirt , der allen seinen Beduͤrfnissen mit dem ihm noͤtigen Gelde abhilft, und ihn in dem Stande erhaͤlt, die Zwekke seiner Reise ohne Stoͤrung durch unerwartete Zufaͤlle zu erfuͤllen. Dieser wird dann nicht nur die gewoͤhn- liche Provision, sondern auch in dem Falle kaufmaͤn- nische Zinsen fuͤr seinen Vorschuß rechnen, wenn er den Umstaͤnden nach nicht angewiesen werden kann, auf die Eigner des Schiffes zu trassiren, sondern deren Remesse erwarten muß. Diese Vorsicht wird kein Rheder fuͤr irgend einen Plaz zu nehmen versaͤumen, wohin sein Schiff auch nur muhtmaslich kommen kann, und kein Schiffer wird dahin gerne gehen, wo nicht auf diese Art schon fuͤr ihn gesorgt ist, oder er als ein dort schon bekann- Cap. 4. Von der Bodmerei. ter Mann sich selbst zu helfen weiß. Fuͤr die Reisen in und aus der Ostsee bedarf es schon unterwegs die- ser Vorsorge. Fuͤr jedes Schiff, ja fuͤr jede Waare, die durch den Sund geht, ist dieselbe noͤtig, um den Schiffer in den Stand zu sezen, den Zoll in Elsenoͤr zu berichtigen, oder zu clariren . §. 2. Das alles ist nun zwar so bekannt, als es ge- woͤhnlich ist. Aber man denke dabei an alte Zeiten zuruͤk, in welchen die Huͤlfsmittel fehlten, welche jezt alle mit der Handlung im Zusammenhange ste- hende Geschaͤfte so sehr erleichtern. Man kann frei- lich annehmen, daß zwischen Haͤfen, die viel Ge- werbe hatten, die Consignation eines Schiffes an einen Handelsmann in dem Bestimmungshafen nie unterblieben sei, wenn es deren bedurfte. Aber nur selten bedurfte ein Schiff derselben. Denn auf fast allen reiseten Eigner der Ladung oder des Schiffes, oder sichere Bediente derselben mit. In vielen Faͤllen aber war es in jenen Zeiten so gut wie unmoͤg- lich, fuͤr ein Schiff in dem jezt uͤblichen Wege zum voraus zu sorgen. Die Schiffe segelten nicht alle unter gewissen Bestimmungen, und ihre Fuͤhrer selbst wußten bei ihrer Abreise nicht alle die Haͤfen, in welche sie einlaufen, und wo die Eigner der Ladung den besten Markt fuͤr dieselbe finden wuͤrden. Es 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. mußten also teils manche Verlegenheiten fuͤr dieselben entstehen, teils die Lust und der Anschein zum Gewinn ein dringendes Beduͤrfnis des Geldes fuͤr die mitrei- senden Kaufleute veranlassen. Verlegenheit, wenn ein Schiff beschaͤdigt anlangte, und einer kostbaren Reparatur bedurfte; Beduͤrfnis, wenn sich ein Ge- winn versprechendes Geschaͤfte in einem solchen Hafen machen ließ, und der Verkauf der hingebrachten La- dung nicht Geld genug gegeben hatte, um eine kost- barere Retour-Ladung mit zu nehmen. In solchen Umstaͤnden mußte der Schiffer und der mitreisende Handelsmann es sich sehr lieb sein lassen, wenn er einen Einwohner des Ortes fand, der ihm mit Gelde in der einen oder der andern Ab- sicht zu Huͤlfe kam. Er mußte aber auch sich schwere Bedingungen gefallen lassen, weil er keine andere Sicherheit anbieten konnte, als den Gegenstand des genommenen Darlehns. Gieng das Schiff oder die Waare verloren, auf welche das Geld angeliehen war, so konnte der Darleiher schwerlich auf Bezah- lung rechnen. Und wenn ja der Anleihende noch sonst etwas im Vermoͤgen und den besten Glauben an seine Ehrlichkeit fuͤr sich hatte, so mußte, da keine Versicherungen damals gewoͤhnlich waren, der Darleiher den Fall eines Schiffbruchs dafuͤr ansehen, daß er seinen Schuldner ausser Stand sezen wuͤrde, Cap. 4. Von der Bodmerei. ihm seine Schuld zu bezahlen. Er sah also, wenn er sich entschloß, die Seegefahr als auf ihn selbst zuruͤkfallend an. Er rechnete, wie ein Assecuradoͤr zu unsern Zeiten rechnen muß, aber viel hoͤher, weil die damalige Unvollkommenheit der Schiffahrt seine Gefahr viel groͤsser machte. Im Ganzen aber rech- nete er nach eben denen Gruͤnden, welche ich oben B. 3. C. 6. §. 23 bei dem Groß-Aventurhandel an- gegeben habe. §. 3. Diesen Handel habe ich dort so beschrieben, wie er in der jezigen handelnden Welt noch hier oder dort besteht, ohne etwas geschichtliches von demselben bei- zubringen. Hier ist der Ort zu sagen, daß derselbe in den aͤltesten Zeiten ein sehr gewoͤhnliches Geschaͤfte gewesen sei, und daß vielleicht der halbe Teil aller Hand- lungsgeschaͤfte in diesem Wege betrieben wurden. Als einen Beweis davon sehe ich dieses an: So armselig das Roͤmische Recht an Verordnungen uͤber die Handlung ist, so viele Verfuͤgungen enthaͤlt es uͤber diesen so benannten Schiffsfahrts-Wucher , ( Foenus nauticum ) nicht um ihn zu verbieten, sondern um ihn in dem Gange der Ordnung und der Billigkeit zu erhalten. Zwei Ursachen ausser jenen Veranlassungen befoͤrderten gewiß ihn ungemein. Die erste war der damals viel groͤssere Gewinn fuͤr 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. den Kaufmann, wenn er mit seinen eingehandelten Waaren den rechten Markt aufsuchte. Damals gab es keine Posten, welche von einem Handelsplaz zum andern die Preiscuranten und die verlangten Conti finti, so wie jezt von einem Ende Europens zum andern brachten, welche Ursache sind, daß der Preis einer jeden Waare, wenn nicht Conjuncturen ihn veraͤndern, von dem Orte ihrer Ausfuhr an unge- faͤhr in dem Maasse hoͤher wird, wie die Kosten der fernern Verfuͤhrung es mit sich bringen. Plinius sagt, daß die Waaren Indiens in Rom hundertfach theurer, als ihr urspruͤnglicher Wehrt, verkauft wur- den. Man mag in diesem Ausdrucke so viele Ueber- treibung annehmen, als man will, (wie denn eigent- lich nichts bestimmtes in ihm angenommen werden kann) so wird doch jezt, da alle Wege fuͤr die Hand- lung so ausstudirt sind, niemand uͤber den Preis einer wenn gleich noch so weit her geholten Waare sich so ausdruͤcken. Eine zweite Ursache, ohne welche dieser Handel damals gar nicht haͤtte bestehen koͤnnen, war, daß die ganze damals handelnde Welt Einer, der Roͤmi- schen, Botmaͤssigkeit unterworfen war. Der Glaͤu- biger konnte also seinen Schuldner allenthalben ab- reichen, und kannte die Geseze, nach denen er konnte gerichtet werden. Cap. 4. Von der Bodmerei. §. 4. Es ist mir noch nicht gelungen, aufzufinden, nach welcher Regel die Zinsen dieses Groß-Aventur- Handels in jenen Zeiten sich moͤgen bestimmt haben. Sie waren aus leicht einzusehenden Gruͤnden hoͤher, als die Zinsen, bei welchen die Benennung Wucher zu gelten anfaͤngt. Die Lateinische Benennung Foenus hat eine aͤhnliche jedoch nicht gleich boͤse Be- deutung mit dem Worte: usura. Wenigstens nahmen die Roͤmischen Geseze solche Contracte noch nicht fuͤr wucherlich. Allein nach der Zeit sahen uͤbel- verstandene Kirchliche Geseze und vollends das Cano- nische Recht, welches alles Zinsennehmen verbot, sie in einem sehr gehaͤssigen Lichte an und verboten sie mehrmals. Weil sie aber nicht den Gang der Hand- lung verbessern konnten, so haͤtte in den damaligen Zeiten fast alle Handlung aufhoͤren muͤssen, wenn alle Kaufleute gehorsame Soͤhne der Kirche gewesen waͤren. Ich weiß nicht, ob sie deren Verbote etwa auf aͤhnliche Art moͤgen ausgewichen sein, wie man es bei dem Belehnen auf liegende Gruͤnde taht, da man dem Anleihenden zum Schein einen Teil der Nuzung seines Grundstuͤks verkaufte, doch mit dem Bedinge des Wiederkaufsrechts auf Seiten des Schuldners. Da hieß es z. B., Peter verlaͤßt an Paul in seinem Grundstuͤk 25 Mark Renten mit 500 Mark zu loͤsen. Die im Norden angenommene 2ter Teil. G 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. Benennung dieses Geschaͤftes: Bodmerei , Eng- lisch Bottomry, laͤßt wol keine andere Ableitung zu, als vom Boden des Schiffes, der dem Dar- leihenden ganz oder zum Teil zum Eigentuhm uͤber- lassen ward, so daß er nach geendigter Seereise, auf welche sein Vorschuß gieng, die Hand auf dasselbe legen, und seine Schuld ganz, oder, wenn das Schiff nicht versunken war, zum kleinen Teil aus dem Ueberre st e desselben, dem Boden , sich bezahlt machen konnte. Aeltere Seerechte, insonderheit das Wisbyische, befugten jedoch den Schiffer, im Fall der Noht auf einen Teil seines Schiffes Geld als foͤrmli- chen Vorschuß zu nehmen. Fuͤr einen solchen Fall der Noht durfte nun freilich die Kirche nicht gefragt werden, ob dem Darleihenden auch Zinsen eingestan- den werden duͤrften. Sie sezten dabei die Bedingung, daß der Schiffer sich an einem Orte befinde, wo er nicht ohne grossen Verlust einen Teil der Ladung zu Gelde machen koͤnne. Ich werde von diesem Um- stande §. 7. weiter reden. §. 5. Die neuern Seerechte, welche auf das kirchliche Verbot keine Ruͤksicht mehr nehmen, sind reich an Verfuͤgungen uͤber die Bodmerei-Contracte, und geben ihre Vorschriften uͤber dieselben in fast gleichen Ausdruͤkken und nach fast gleichen Grundsaͤzen, der Cap. 4. Von der Bodmerei. Gegenstand derselben mag Schiff oder Guͤter sein. Sind es Guͤter, so ist freilich Bodmerei auf diesel- ben und Vorschuß auf Grosse Aventure ganz und gar Ein Ding. Ich habe also davon nichts mehr zu sagen Anlaß, aber desto mehr in Ansehung der zum Bodmereinehmen genoͤtigten Schiffe. Ich muß nur noch bemerken, daß man den Glaͤubiger in Bodmerei-Contracten den Bodmereigeber oder Bodmeristen , den Schuldner aber den Bod- mereinehmer benenne. §. 6. Der Veranlassungen, fuͤr ein ganzes Schiff oder fuͤr einen Teil desselben einen lastigen Bodmerei- Contract einzugehen, sind in unsern Zeiten vornehm- lich zwei: die erste ist der §. 3. von mir angegebenen, welche in alten Zeiten Statt hatte, aͤhnlich, nemlich die Hofnung, mit dem Schiff eine Fracht zu verdienen, welche reichlich genug lohnt, um die hohe Bodmerei- Praͤmie tragen zu koͤnnen. Man nehme z. B. an, ein Schiff liege in einem Ostseeischen Hafen zu einer Zeit, da ein Krieg ausbricht, und die Frachten uner- wartet hoch fuͤr neutrale Schiffe steigen. Dem Schiffer wird eine Certepartie angeboten, welche er nicht schliessen kann, weil sein Schiff einer starken Reparatur bedarf, die nun schnell vollfuͤhrt werden muß, und um so viel mehr kostet. Er wuͤrde G 2 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. die Conjunctur verlieren, wenn er sich erst Geld von Hause her verschaffen sollte. Oder man seze, dem Commissionaͤr, an welchen er consignirt ist, gehe die Summe uͤber seine Ordre. Er wird also sich ent- schliessen, Geld auf Bodmerei zu nehmen, und sich der hohen Praͤmie unterwerfen. Eben dergleichen kann einem Schiffer in dem Hafen begegnen, wo er zu Hause gehoͤrt, wenn er Eigner des Schiffes ist, aber nichts mehr als dieses im Vermoͤgen, folglich keinen Credit hat, um auf gewoͤhnliche Zinsen Geld zur Ausruͤftung seines Schiffs zu borgen. Ist er nicht Eigner vom Ganzen oder einem Teil desselben, so verbieten ihm alle Seegeseze, in dem Hafen, wo er zu Hause gehoͤrt, Bodmerei zu schliessen. Es kann aber auch treffen, daß ein Mitrehder im Schiffe nicht die Kraͤfte hat, seinen Teil zu den noͤtigen Aus- ruͤstungskosten beizutragen, und, da man dies ihm abmerkt, nicht den Credit findet, Geld im gewoͤhn- lichen Wege aufzunehmen, sondern sich zu einem Bodmerei-Contract verpflichten muß. Faͤlle dieser Art betreffen auch wol Schiffe der grossen Handlungs-Companien in entfernten Gegen- den. Ein Schiff hat z. B. 200000 Rthlr. halb an Europaͤischen Guͤtern, halb an baarem Silber nach In- dien gebracht. Jene werden zwar mit 40 p. Ct. Vorteil verkauft, und dessen Cargadoͤr hat demnach Cap. 4. Von der Bodmerei. 240000 Rthlr. zum Ankauf einer Retourladung. Aber das Schif bedarf einer Reparatur, die dort, wo Schifsmaterialien so sehr teur sind; nicht unter 20000 Rthlr. vollfuͤhrt werden kann. Der Cargadoͤr muͤste also mit einer so viel schwaͤchern Retourladung abge- hen. Die Preise aber stehen so vorteilhaft, daß er glaubt, diese Ladung nicht reich genug machen zu koͤnnen. Er moͤchte also gerne noch fuͤr 50000 Rthlr. einkaufen. Diese fehlen ihm, und noch 20000 Rthlr. wegen des Schifs dazu. So viel vermag die dortige Casse der Companie nicht, oder deren Agenten suchen selbst auf Unkosten der Companie zu gewinnen, indem sie das Geld nur auf Bodmerei zu geben anbieten. Der Cargadoͤr wird aus zwei Ursachen sich bequemen muͤssen: erstlich, weil er sich an einem Orte befindet, von welchem er nicht Wechsel auf die Companie zie- hen kann; zweitens, weil er dort keine Assecuradoͤre findet, welche ihm die fehlende Summe versichern, so daß er die Polize verpfaͤnden koͤnnte. Sein Schif und Gut sind zwar in Europa versichert, aber nicht bis zu der Summe, welche das Schif nun mit seiner Retourladung wehrt wird. Wer ihm also dies Geld gibt oder verschaft, muß sein eigner Assecuradoͤr sein, und wird zu nicht geringern Zinsen, als solchen, das Geld geben, welche den dort uͤblichen hohen Zinsen und der Assecuranzpraͤmie zusammengenommen we- nigstens gleich sind. 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. §. 7. Weit gewoͤhnlicher aber ist der Fall, da ein Schif- fer in einen Nothhaven einlaͤuft, wo er gar keinen Freund oder Correspodenten seiner Rheder oder Ein- lader findet, weil auf den Zufall nicht gerechnet wer- den konnte, der ihn dort hinfuͤhrte. Ist dieser Not- haven auch ein Handelsplaz, wo er fuͤr die einhaben- den Waaren auf billige, und in dem grossen Handel zu der Zeit Statt habende Preise rechnen kann, so be- fugen ihn zwar die meisten Seerechte, einen Teil der- selben zu verkaufen, um damit die ihm entstehenden Kosten zu bestreiten. Aber die damit verbundenen Verfuͤgungen sind zum Teil sehr hart fuͤr den Schif- fer Alle sezen der Billigkeit gemaͤß fest, daß das fuͤr diese Waaren geloͤsete Geld in der Grossen Averei er- stattet werde, wenn das Schiff behalten zur Stelle koͤmmt. Aber das Wisbyische laͤßt ihn den Eignern dafuͤr haften, wenn das Schiff hintennach verloren geht. Andere Seerechte lassen es unentschieden, und mehrere Rechtsgelehrte bestehen ebenfalls darauf. Das Hanseatische erlaubt es ihm nur, wenn er nicht Geld auf Wechsel bekommen kann; und das Ant- werpische sezt noch dazu: wenn nicht auch auf Bod- merei. Es ist also ein solcher Verkauf der Waaren ein fuͤr den Schiffer bedenklicher Schritt; wiewol auch Gewinn aus diesem Verkauf unter gewissen Um- staͤnden entstehen kann. Die Britischen Gesezze Cap. 4. Von der Bodmerei. haben hierin eine billigere Nachsicht, als welche sonst dem Geiste der Handlungsgesezze dieser Nation, in Ruͤksicht auf Auslaͤnder, gemaͤß ist. Sie erlassen den Zoll von solchen Waaren, die ein Schiffer in ei- nem dergleichen Nohtfall verkauft. Indessen gibt der Kaͤufer gerne einen Preis, der dem durch die Zoͤlle erhoͤheten Preise wo nicht gleich, doch nahe koͤmmt, welcher dann natuͤrlich hoͤher ist, als derjenige, wel- cher dafuͤr erlangt sein wuͤrde, wenn die Guͤter in ihrem Bestimmungsorte angelangt waͤren, wo die Zoͤlle und Abgaben geringer sind. Es ist insonderheit dies bei einer Ladung von Weinen manchem Schiffe sehr vorteilhaft geworden, und mag auch wol von Schiffern ohne eigentlichen Nohtfall benuzt worden sein. Mir ist noch kein Seegesez bekannt, welches fuͤr diesen Fall die richtige Verfuͤgung traͤfe, daß der daraus entstehende Vorteil nicht dem Eigner der Waare zu Gute kommen, sondern zur Verminde- rung der Grossen Averei angewandt werden muͤsse. §. 8. Aber in kleinen Haͤfen, die keine bedeutende Handlung haben, wird ein Schiffer keinen Teil sei- ner Ladung verkaufen koͤnnen, ohne ihn zu verschleu- dern. Dies ist der Fall mit den meisten Haͤfen im suͤdlichen Norwegen, welche freilich herrliche Zu- fluchtsoͤrter fuͤr die Schiffe sind, welche in der Nord- 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. See und im Schagerak von suͤdlichen Stuͤrmen uͤber- fallen werden. Nur in wenigen derselben ist eine so ausgebreitete Correspondenz mit andern Handels- Plaͤzen, daß ein Schiffer dort einen Einwohner an- treffen koͤnnte, der ihm auf den Credit seiner Rhe- der oder Einlader den noͤtigen Beistand leistete. Es ist wenigstens eine ganz zufaͤllige Sache, wenn es sich so trift. Aber er findet leicht offene Casse bei be- mittelten Einwohnern, wenn er sich zu einem Bod- merei-Contracte versteht. In dem jezigen Zustande der Handlung kann zur Erfuͤllung der von dem Schif- fer eingegangenen Verpflichtung, die vorgeschossene Summe zu bezahlen, nachdem er in seinem Bestim- mungsort eingelaufen ist, leicht Raht geschaft wer- den, und ein betruͤgerischer Anschlag, einen andern Weg zu nehmen, um der Bezalung zu entgehen, kann so gut als unmoͤglich angesehen werden. Der Bodmereigeber kann also durch den Weg der Corres- pondenz und Wechsel Anstalt machen, daß ihm diese Bezalung zur rechter Zeit zu Haͤnden komme. Die in seiner Bodmerei-Praͤmie gerechnete Assecuranz kann er nun freilich auf seine Gefahr fortdauern lassen. Aber sehr gewoͤhnlich laͤßt er diese an dem naͤchsten Orte, wo es Assecuradoͤre oder Assecuranz- Companien giebt, auf seine Bodmerei-Gelder besor- gen. Natuͤrlich ist die Praͤmie, welche er dort zahlt, geringer als diejenige, welche er in seinem Contracte Cap. 4. Von der Bodmerei. berechnet hatte. Dies ist Ein Teil seines Gewinns. Der Belauf eines zweiten Vorteils, nemlich auf die Zinsen seines Capitals, haͤngt von dem Gluͤk und der Ges windigkeit der Reise von dem Nohthafen bis zum Bestimmungsort ab. §. 9. Die unter solchen Umstaͤnden gemachte Bodmerei- Schuld wird zur Grossen Averei geschlagen, und in deren Berechnung von dem Dispaschoͤr uͤber die Eigner von Schiff und Ladung verteilt. Die See- Geseze aller handelnden Nationen geben derselben den Vorzug vor allen Foderungen der Assecuradoͤre und Eigner, wenn etwa spaͤter erfolgende Unfaͤlle machen, daß von dem urspruͤnglichen Wehrt des Schiffes und der Ladung wenig mehr, als diese Bodmerei-Gelder uͤbrig bleiben. Denn wenn das Schiff voͤllig bleibt, so ist vom Vorzug Eines Teils vor dem andern nicht mehr die Rede. Jener Vorzug des Bodmeristen ist in der Natur der Sache gegruͤndet. Denn beides Eigner und Versicherer muͤssen zufrieden sein, daß an einem Orte, wo sie selbst keine Verfuͤgungen ma- chen konnten, zur Rettung, Wiederherstellung des Schiffs und Fortsezung von dessen Reise wieder Raht geschaft wird, wodurch ihr Eigentuhm am Schiff oder an der Ladung ihnen erhalten wird. Aber die durch den Bodmerei-Vorschuß befoͤrderte weitere Reise des 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. Schiffes kann mit neuen Unfaͤllen begleitet sein, welche den Schiffer noͤtigen, zum zweiten mal einen Nohthafen zu suchen, und abermals Geld auf Bod- merei zu nehmen. Dann aber ist der Fall nicht blos moͤglich, sondern auch nicht so gar selten, daß eben dies Schiff strandet oder grosse Beschaͤdigungen leidet, ehe es den Bestimmungs-Hafen erreichet. Ja es ist auch nicht ganz unmoͤglich, daß von Einem Schiffe dreimal Bodmerei genommen wird. In diesen Faͤl- len geben die Geseze dem lezten Bodmeristen den Vor- zug vor seinen Vorgaͤngern. Auch dies ist natuͤrlich: denn der lezte Bodmerist ist in eben dem Verhaͤltnis gegen seine Vorgaͤnger, in welchem der erste gegen die Eigner und Assecuradoͤre sich befand. §. 10. Diese aus Noht genommenen Bodmerei-Gelder werden gewoͤhnlich zu einer schweren Last fuͤr die Teil- nehmenden, und sind auch nach einem gluͤklichen Ende der Reise als ein betraͤchtlicher Verlust am Schiff und Gut anzusehen, es mag nun derselbe die Eigner oder die Versicherer treffen. Ein grosser Kaufmann, der viele Schiffe in der See hat, und noch mehr ein Assecuradoͤr, der auf weit mehr Schiffe versichert, als von welchen ein Privatmann Eigentuͤhmer sein kann, wird daher alle moͤgliche Mittel anwenden, um den Geldfressenden Bodmerei-Contracten auszuwei- Cap. 4. Von der Bodmerei. chen. Er wird in allen Haͤfen, wo er nur Corre- spondenten hat, diese anweisen, sich seiner Schiffe anzunehmen, wenn ein Zufall sie dorthin fuͤhrt, ihnen mit den benoͤtigten Geldern beizustehen, dafuͤr die Provision zu berechnen, und ihren Vorschuß durch auf ihn trassirte Wechsel sogleich wieder einzuziehen; kurz, sich des Schiffes so anzunehmen, wie an dem Bestimmungs-Orte derjenige, an welchen dasselbe foͤrmlich consignirt ist. Dies ist nun freilich fuͤr ei- nen Privatmann nicht leicht zu bewirken. Doch ha- ben die fuͤnf in Hamburg bestehenden Companten in Vereinigung mit den hiesigen Privatassecuradoͤren es auf folgende Weise getahn: Sie haben in allen grossen und kleinen Haͤfen, hauptsaͤchlich laͤngst den Nordischen Meeren, allgemeine Vollmachten an dort wohnende vermoͤgende Kaufleute erteilt, an welche sich ein jeder Schiffer, der da weiß, daß in Ham- burg Teilnehmer an seinem Schiffe, dessen Ladung oder an beiden leben, es sei vermoͤge Eigentuhms oder Assecuranz sich wenden koͤnne, oder von den Be- vollmaͤchtigten selbst angehalten werde, den noͤtigen Vorschuß aus ihren Haͤnden zu nehmen, ohne mit sonst irgend jemandem Bodmerei-Contracte schliessen zu duͤrfen. Ich weiß nicht, ob diese kluge Maaßregel in an- dern grossen Seeplaͤzen auf gleiche Weise genommen ist. Je mehr aber dies geschieht, desto weniger Bod- 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. merei Contracte werden kuͤnftig in der Schiffahrt vor- fallen. Aber dahin kann es nimmermehr kommen, daß nicht einzelne Schiffe in einzelnen Vorfaͤllen dazu genoͤtigt wuͤrden. Es wird also in allen Seerechten die Bodmerei der Gegenstand eines weitlaͤuftigen Artikels bleiben, und von denen vielen Gesezen, welche in allen Gesezbuͤchern in einer gewissen Ein- stimmigkeit sich finden, wie sie Billigkeit und Natur der Sache angab, nicht leicht Eines als ganz uͤber- fluͤssig angesehen und aufgehoben werden koͤnnen. Anhang, vom Strandrecht . §. 11. Ehe ich den Schluß mit demjenigen mache, was die Schiffahrt angeht, glaube ich noch etwas von dem Verfahren bei Strandungen und insonderheit von dem verhaßten Strandrechte sagen zu muͤssen. Es ist natuͤrlich, daß bei einem so schweren Ungluͤksfall, als Stranden, Scheitern und Versinken eines Schiffs ist, hohe Belohnungen demjenigen nicht geweigert werden koͤnnen, welcher dem in ein solches Ungluͤk gerahtenen Schiffe zu Huͤlfe koͤmmt; auch nicht dem Finder einer aus einem gescheiterten oder gesunkenen Schiffe durch die Wellen fortgefuͤhrten Waare, oder irgend einer des Findens wehrten Sache. In vielen Faͤllen dieser Art entsteht auch Gefahr fuͤr die zu Huͤlfe kommenden Bewohner des Strandes oder der Cap. 4. Anhang, vom Strandrechte. kleineren dort umher seegelnden Schiffe, wenn deren Fuͤhrer dem Ungluͤklichen zu Huͤlfe kommen wollen. Nur die Erwartung eines hohen Lohns kann diese ermuntern, sich in diese Gefahren zu wagen. Wuͤrde er ihnen hintennach durch zu genaues Dingen oder zu strenge rechtliche Entscheidung bestimmt, so wuͤrde uur selten von verungluͤkten Schiffen etwas gerettet, sondern alles eine Beute des Meers werden. Frei- lich haben die Umstaͤnde noch immer einigen Einfluß auf die Bestimmung dieses Lohns. Wenn z. E. ein Schiff auf unserer Elbe auf den Sand geraͤht, und einer geschwinden Erleichterung bedarf, so wird der Schiffer den zu seiner Huͤlfe heran kommenden klei- nen Elbschiffen einen Lohn versprechen, fuͤr welchen sie die aus dem Schiff gehobenen Guͤter zur Stadt bringen, welcher freilich alsdann den Lohn der kur- zen Reise, wie er ausser dem Fall der Noht ihn ge- geben haben wuͤrde, weit uͤbersteigt. Eben so wird ein Schiffer verfahren, der noch in der blossen Ge- fahr zu stranden ist, und sich, weil Wind und Wet- ter es noch erlauben, der Huͤlfe kleinerer Schiffe be- dient, um sich aus seiner gefaͤhrlichen Lage heraus- bringen zu lassen. Dies alles nennt man noch ein billiges Berglohn. Strandet aber ein Schiff voͤllig, und oͤfnet es sich dem Wasser, oder bricht, so daß der Koͤrper desselben nachher verloren gegeben werden muß, so ist die Huͤlfe, die demselben geschieht, schon 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. eines groͤssern Lohns wehrt, und noch eines groͤssern, wenn in einer solchen Noht dasselbe von dem Schiffs- volk verlassen ist, folglich niemand mehr da ist, der uͤber dies billige Berglohn mit ihnen abhandeln koͤnnte. Man moͤgte sagen, hier trete schon die ju- ristische Regel ein, daß eine verlassene Sache ein Ei- gentuhm desjenigen werde, der sie zuerst in Besiz nimmt. ( Res derelicta cedit primo occupanti. ) Aber es waͤre doch der Billigkeit entgegen, diese Re- gel auf Dinge anzuwenden, die nicht willkuͤhrlich, sondern aus Noht verlassen sind, und deren Eigen- tuͤhmer nicht unbekannt ist, oder unbekannt bleibt. Aber es ist doch nichts Hartes in dem fast allgemei- nen Gesez, daß das Berglohn in solchen Faͤllen ein Dritteil von dem Wehrt der geretteten Sache aus- mache. Der Eigner eines in solcher Noht verlasse- nen Schiffs und Gutes mag die ihm uͤbrig bleibenden zwei Dritteile noch immer als einen wichtigen Gewinn ansehen. Doch bleibt sein Schaden noch immer groß genug, zumal da der Wehrt seines Eigentuhms durch die bei solchen Vorfaͤllen entstehende Beschaͤdigung der geretteten Guͤter sehr vermindert wird. §. 12. Aber weder Vernunft, noch das darauf sich gruͤn- dende Natur- und Voͤlkerrecht lassen irgend einen Grund hervorblikken, aus welchem ein Recht des Cap. 4. Anhang, vom Strandrechte. Landesherrn gefolgert werden koͤnnte, von den an seinem Strande verungluͤkkenden Schiffen und Guͤ- tern, wenn sie durch seine hoch genug belohnten Un- tertahnen ganz oder zum Teil, mehr oder minder beschaͤdigt gerettet worden sind, einen Anteil sich an- zumassen, oder ein so genanntes Strandrecht zu uͤben. Allein in den Sitten der Vorzeit war Raubsucht, in- sonderheit gegen den Auslaͤnder, auch auf festem Lan- de, kein Laster, und mehrerer Entschuldigung faͤhig, wenn dieselbe an einem solchen Eigentuhm des Frem- den geuͤbt ward, das ihm die Natur schon gewisser- massen entrissen hatte. Es war also kein Wunder, wenn von allen Anwohnern der Nordischen Meere ein Recht angenommen ward, sich, ohne Erbarmung uͤber das Ungluͤk und den Verlust des Besizers, alles dessen zu bemaͤchtigen, was die Unfaͤlle der Seereisen ihrem Strande zufuͤhrten, und die oben angefuͤhrte Rechtsregel ohne Einschraͤnkung zu uͤben, auch wann der mit seinem Schiff und Guͤtern gereisete Eigner zugegen war, und dessen Eigentuhm als keineswegs verlassen angesehen werden konnte. Doch war es in jenen Zeiten der Barbarei nicht Fuͤrstenrecht, son- dern aus Raub- und Gewinnsucht entstandene Sitte unserer Vorfahren, insonderheit der Friesen, eines kuͤhnen, freien und fast keine Oberherren kennenden Volks. Als Sitte erhielt es sich bis in die Zeiten, da diese Strandbewohner Oberherren bekamen, welche 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. bei damals sehr schwachen Geldeinkuͤnften ihre Aus- sicht auf jeden Gewinn nahmen, welchen an sich zu ziehen ihre Landesherrlichen Rechte ihnen einen Vor- wand gaben. Doch geschah dieses mit mehrerer oder minderer Gierigkeit der Fuͤrsten, und insonderheit ihrer laͤngst dem Strande angestellten Beamten. Wenn jedoch die Regenten Verordnungen uͤber diese Sache gaben, so athmeten dieselben den Geist der Menschen- liebe schon sehr fruͤhe, und sie stimmen fast alle darin uͤberein, daß nur dann, wenn von der verungluͤkten Sache innerhalb Jahr und Tag sich kein Eigner an- gaͤbe, nachdem sie bis dahin getreulich aufbewahrt worden, dieselbe zur Haͤlfte den Findern oder Ber- gern und zur zweiten Haͤlfte den Regenten zufallen solle. So lauten auch noch die Verfuͤgungen einer Verordnung Koͤnig Christians V. in Daͤnemark von 1687. Allein K. Friedrich IV. machte zuerst eine andere Verfahrungsart geltend. Ich werde davon mehr in den Zusaͤzen sagen, und hier nur anmerken, daß der einzige Winkel der policirten Welt, in wel- chem jezt ein eigentliches Strandrecht zum Vorteil des Landsherrn, auch an nicht Herrenlosen Guͤtern , geuͤbt wird, die Daͤnischen Staaten sind. Man moͤgte glauben, daß die unter Koͤnig Friedrich IV. so lebhaft gewordenen Zwistigkeiten mit Hamburg dies Verfahren hauptsaͤchlich veranlaßt haben. Das aber hat nicht Grund. Denn die ersten Schritte dieses Cap. 4. Anhang, vom Strandrechte. Koͤniges zur Erneuerung des von seinem Vater Christian V. auf die engsten voͤllig billigen Grenzen zuruͤkgebrachten Strandrechts, sind aus einer Zeit, nemlich den Jahren 1704 und 1705, da diese Zwi- stigkeiten ruhten. Bisher wird also ein an Daͤnischen Ufern oder auf den Sanden mitten in der Elbe verungluͤkkendes Schiff, wenn die Gefahr den Schiffer und das Schiffsvolk dasselbe zu verlassen noͤtigt, als Strand- Gut Daͤnischer Seits angesehen, und, wenn gleich dessen Eigner sich sogleich melden und legitimiren, dennoch nur Ein Teil den Eignern, Ein zweiter den Bergern gegeben, den dritten Teil nimmt der Koͤnigliche Fiscus. Zwar ist es den ungluͤklichen Eignern unverboten, um dessen Schenkung zu bitten. Aber die Faͤlle sind nicht selten, selbst in den neuesten Zeiten, daß diese Bitte kein Gehoͤr ge- funden hat. 2ter Teil. H 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. Fuͤnftes Capitel . Von der Makelei, als einem Huͤlfsge- schaͤfte der Handlung . §. 1. W er nicht selbst Kaufmann ist, oder nur mit Ei- ner oder wenigerlei Waaren in einer kleinen Nieder- lags- oder Stapelstadt seine Handlung treibt, dem wird es nicht einleuchten, warum der Handelsmann in grossen Staͤdten den Dienst eines Unterhaͤndlers beduͤrfe, welcher doch durch seinen nicht kleinen Lohn, den man Curtage benennt, die Handlungs-Un- kosten betraͤchtlich vermehrt. Jeder grosse, auch mancher mittelmaͤssige Handelsplaz, hat bestimmte Zeiten und einen bestimmten Ort, die Boͤrse, zur Zusammenkunft der Kaufleute Eines Plazes, wo so manches Handelsgeschaͤfte ohne Dazwischenkunft eines dritten geschlossen wird. Copenhagen habe ich S. 140 schon genannt, und vielleicht giebt es noch mehr gleich betraͤchtliche Handelsplaͤze, in welchen man diese Un- terhaͤndler nicht kennt, folglich auch ihren Lohn nicht in den Handlungs-Unkosten berechnen darf. Aber ich habe auch dort der Schwierigkeit erwaͤhnt, welche daraus fuͤr die Handlung jener Stadt entstand, als Cap. 5. Von der Makelei. dieselbe unerwartet schnell vor zehn Jahren sich er- weiterte. Es ist also wol nicht ganz uͤberfluͤssig, wenn ich um mancher Leser willen von diesen Huͤfs- maͤnnern bei der Handlung etwas sage, welches frei- lich den Einwohnern grosser Handelsstaͤdte nicht be- lehrend sein kann. Die Benennung eines solchen Unterhaͤndlers ist Makler , im Italienischen Sensale, welche Be- nennung in Ober-Deutschland fast die einzige ge- braͤuchliche ist, im Franzoͤsischen Courtier, im En- glischen Broker. So viele andere Kunstwoͤrter in der Handlung haben sich von der Zeit an, da die Sache bei irgend einer Nation entstand, aus deren Sprache in die Sprachen anderer mit dem Geschaͤfte selbst verpflanzt. Die Benennung dieses Gehuͤlfen der Handlung hat keine Nation von der andern an- genommen. Ein nicht schwacher Beweis, das je- des handelnde Volk das Beduͤrfnis solcher Huͤlfs- Maͤnner fruͤh erkannt, nicht aus Nachahmung sie sich habe gefallen lassen, und folglich mit dem Ent- stehen ihrer Geschaͤfte den Namen fuͤr sie selbst er- funden habe! Doch auch das Altertuhm kannte sie schon unter der Benennung Proxeneta, welches Wort seiner Ableitung aus dem Griechischen zufolge einen Mann bedeutet, der den Willen oder die Mei- nungen zweier oder mehrerer Personen vereiniget. H 2 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. §. 2. Der erste und gewoͤhnlichste Dienst, welchen der Makler dem Kaufmann leistet, ist Unterhandlung zwischen dem Kaͤufer und Verkaͤufer. Beide beduͤr- fen ihn in gleichem Maasse in grossen Handelsstaͤdten und Marktplaͤzen, doch weniger in Stapel- und Niederlagsstaͤdten. In erstern teilen sich die Makler nach der Verschiedenheit der Waaren und Handlungs- geschaͤfte ein, und es giebt keine allgemeine Makler, die sich eines jeden Auftrages, von welcher Art er auch sei, annehmen koͤnnten. Dann aber bemuͤhet sich ein solcher zuvoͤrderst, so viel moͤglich, zu er- kundigen, wie groß der Vorraht einer gewissen Waare sei, der sich von Zeit zu Zeit auf dem Markt des Handelsplazes befindet. Seine Pflicht ist zwar, seines Committenteu Vorteil bestmoͤglichst zu bewir- ken, und ihm die Waare, welche zu kaufen ihm auf- getragen ist, zu dem besten Preise zu verschaffen. Aber von ihm kann auch der Kaufmann den ihm noͤtigen Wink bekommen, wie sich der Preis im Ver- haͤltnis zu dem vorhandenen Vorraht der Waare stel- len werde. Ein zeitiger Wink davon veranlaßt ihn zu einer gegruͤndeten Speculation, welcher zufolge er zu rechter Zeit kaufen, oder, wenn ein Steigen des Preises sich erwarten laͤßt, nicht verkaufen wird. Wenn der Kaufmann nur immer mit dem Kaufmann handelt, so moͤgte oft Uebereilung auf einer oder der Cap. 5. Von der Makelei. andern Seite daraus entstehen. Wiewol ich nicht laͤugne, daß ein Kaufmann durch eigene Erkundi- gung erfahren koͤnne, wie viel von einer gewissen Waare an seinem Ort vorraͤtig sei, so gelangt doch der Makler leichter dazu, weil die Verkaͤufer ihm selbst ihren Waarenvorraht angeben muͤssen. Ohne den Makler wuͤrden sich weder Waarenpreise noch Wechselcurse den Umstaͤnden nach stellen koͤnnen; und wo dies in Ermangelung der Makler unter den Kauf- leuten eines Orts selbst geschieht, da richten sich die- selben hauptsaͤchlich nach denen Nachrichten, die man von dem naͤchsten groͤssern Handelsplaze bekoͤmmt, wie dort die Preise und Curse stehen. Einzelne Ge- schaͤfte einer gewissen Art koͤnnen dies nicht bewirken. An der Hamburgischen Boͤrse werden oft Wechsel in Einer Boͤrsenzeit zu nicht ganz gleichen Cursen ver- kauft. Es war eine Zeit, als, um einen gewissen Curs dem Scheine nach zu zwingen, ein dazu com- mittirter Makler am Ende der Boͤrsenzeit eines jeden Posttages ½ p. C. teurer kaufte, als andere, und dann in dem Comtoir, wo die Curse zum Dienst des Kaufmanns notirt werden, seinen hohen Curs noti- ren ließ. Jezt aber ist die Verfuͤgung gemacht, daß der Curs notirt wird, wie ihn derjenige Makler an- giebt, welcher an dem Tage die groͤste Summe ge- kauft oder verkauft hat. 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. §. 3. Den zweiten Dienst leistet der Makler dem Kauf- mann als Zeuge seiner Unterhandlungen. Jeder Kauf ist ein Contract, und der Gegenstand manches solchen Kaufs weit wichtiger, als der von andern im buͤrgerlichen Leben vorfallenden Contracten, welchen man nicht glaubt ihre Buͤndigkeit geben zu koͤnnen, wenn sie nicht mit Zuziehung von wenigstens zwei Zeugen geschlosseu werden. Aber wie langsam und schwer wuͤrden die Handelsgeschaͤfte fortgehen, wenn bei Schliessung eines jeden zwei Zeugen herbeigern- fen werden muͤßten! Aber Eines Zeugen koͤnnen sie nicht entbehren, es sei denn, daß sie unter Leuten geschlossen werden, die sich vollkommen einander trauen. Nun ist zwar Ein Zeuge in gerichtlichen Vorfaͤllen nicht hinlaͤnglich, aber in Handlungsge- schaͤften ist es der geschworne Makler. Das aber ist nicht etwan als Nachsicht der Gerichte und Geseze anzusehen. Diese sind darin dem gefolget, was der gute Glaube zur Handelsgewohnheit bereits gemacht hatte; und gesezt, die gesezgebende Macht wollte in einem grossen Handelsplaze dem Kaufmann mehr Foͤrmlichkeit bei seinen Contracten vorschreiben, so wuͤrde doch der Kaufmann bei seiner Weise bleiben. Der gute Glaube wuͤrde es dabei erhalten, daß beide Teile in kaufmaͤnnischen Contracten mit diesem Einen Zeugen sich begnuͤgten. Derjenige wuͤrde alsdann Cap. 5. Von der Makelei. allen Credit verlieren, der, um sich von einem ihn gereuenden Handel los zu sagen, zum Vorwand nehmen wuͤrde, daß seinem Contracte die von den Gesezen vorgeschriebene mehrere Foͤrmlichkeit fehlte. Jezt also ist in jedem Staat, welcher Handelsge- seze hat, festgesezt, daß das einzelne Zeugnis des Mak- lers hinreiche, um dem Handels-Contraet seine voͤl- lige Buͤndigkeit zu geben, um hintennach, wenn Streit uͤber denselben entsteht, fuͤr den einen oder den andern Teil zu entscheiden. Zwar noͤtiget nichts Kaufleute, die sich einander hinlaͤnglich trauen, ih- ren Handel ohne Zuziehung des Maklers zu schliessen. Insonderheit in Assecuranzen kann dies keine erhebli- che Folge haben. Denn da entscheidet die Police mit den in dieselbe eingefuͤllten Worten und der Unter- schrift des Assecuradoͤrs. Die Aussage des Maklers kann nichts hinzutuhn noch davon abnehmen. Auch bei Wechseln kann keine erhebliche Irrung entstehen, wenn der Curs ohne Zuziehung des Maklers beredet wird. Aber bei einem Waarenhandel moͤgte man es fuͤr sehr verfaͤnglich halten, wenn ein solcher ohne Makler geschlossen wird. Doch habe ich schon ge- sagt, daß dies nur unter Kaufleuten vorgehe, die sich einander trauen. Wo aber dies Zutrauen nicht ganz fest ist, wird auch nach geschlossenem Handel der Makler herbeigerufen und ihm von beiden Teilen er- 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. klaͤrt, was er uͤber diesen Handel zu notiren habe, womit dann schon seine Curtage verdient ist. Ich werde bald mehr Gruͤnde anfuͤhren, welche den Kauf- mann in diesem Verfahren leiten. §. 4. Den dritten Dienst leistet der Makler dem Kauf- mann durch seine Kenntnis der Waaren. Ich habe B. 2. C. 1. und B. 3. Cap. 2. von der Nohtwen- digkeit dieser Huͤlfe, insonderheit im Commissions- Handel, so viel gesagt, daß ich mich daruͤber nicht weiter ausbreiten mag; aber auch hinzugesezt, daß deswegen der Kaufmann sich nicht der Bemuͤhung entschlagen duͤrfe, welche ihm die Erwerbung einer guten Waarenkenntnis kostet. Indessen ist die Schwierigkeit einer zuverlaͤssigen Waarenkenntnis so groß, daß eben dadurch ein Mak- ler in grossen Handelsplaͤzen von seinem Verdienste gewisser wird, als durch irgend eine andere Faͤhigkeit. Die Folge davon aber ist auch, daß die Makler sich gewissermassen nach den Waaren teilen, in deren Be- handlung sie zuverlaͤssig brauchbar sind. Ein allge- meiner Waarenkenner, ein solcher Kenner, auf den sich der Kaufmann bei allen moͤglichen Waaren ver- lassen koͤnnte, ist ein Ideal, von welchem das Sub- ject nicht existirt. Zwar ist es eine Aushuͤlfe fuͤr Cap. 5. Von der Makelei. manchen Makler, der gerne in manchen Faͤchern ver- dienen will, daß er in oͤffentlichen Waarenverkaͤufen einem Makler bei kleinem nachbietet, welchem er eine bessere und festere Kenntnis, als sich selbst, zutraut. Ein Makler, der als ein solcher in Ansehung der Materialwaaren bekannt war, deren Kenntnis in der That bei weitem die weitlaͤuftigste und schwerste ist, sagte mir, daß er eben deswegen die Auftraͤge ei- niger Kaufleute in Waarenauctionen verloren habe, weil er nichts wolfeil kaufen koͤnne, indem die Nicht- kenner ihm alles verteuerten. Aber dieser Behelf kann nur bei Waarenauctionen dienen. Denn der Makler muß voͤllig Kenner sein, der einen nicht oͤf- fentlichen Handel nur nach den ihm gegebenen Pro- ben schliessen soll. Aus diesem Grunde sind in Ham- burg nur wenig Makler in den wichtigsten Gegen- staͤnden der Handlung, z. B. in Leinen, Korn und Materialwaaren, die den Verdienst davon haupt- saͤchlich an sich halten. Die Assecuranzmakelei aber verteilt sich desto mehr, jedoch die Makelei in Wech- seln nicht so sehr. Denn bei Wechseln verlaͤßt sich der Kaufmann, und noch mehr der Discontent, auf den Makler in Ansehung des Credits derjenigen, de- ren Namen auf den Wechseln vorkommen, insonder- heit ob der Wechsel ein Product von Wechselreuterei sei. Nur ein Mann, durch dessen Haͤnde diese Pa- piere fortdauernd gehen, kann das rechte muhtmas- 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. sen, aber nicht so ein jeder Kaufmann, der nur Wechsel kauft, so wie seine Handlung ihm dies noht- wendig macht. Dazu koͤmmt die schnelle Rechnung welche bei dem Wechselhandel oft im Kopf gemacht werden muß. Selbst Arbitragen muͤssen oft schon auf der Boͤrse gemacht werden, freilich nicht durch Kettensaͤze, sondern durch die dem Wechselmakler und auch dem Cambiisten immer gegenwaͤrtige Erin- nerung, wie Ein Curs zu dem andern passe, und welche Folge die Veraͤnderung in Einem Curse auf jeden andern habe. §. 5. In einigen Geschaͤften leistet der Makler dem Kaufmann einen vierten Dienst, nemlich diesen, daß er ihn der Muͤhe der Einhebung oder Auszahlung kleiner Summen uͤberhebt, aus welchen sich dessen Einnahme und Gewinn in diesen Geschaͤften sammelt. Dies hat insonderheit bei der Seefahrt Statt, wo der Kaufmann dem Makler gerne das ganze Detail uͤberlaͤßt, die Rheder aber, wenn deren viel in Einem Schiffe interessiren, es ihm uͤberlassen muͤssen, weil der Anteil eines jeden erst nach ganz vollendeter Ein- nahme sich ergiebt. Wie eine aͤhnliche Besorgung des Maklers bei Assecuranzgeschaͤften Statt habe, ist oben B. 4. C. 3. §. 10 schon erwaͤhnt. Cap. 5. Von der Makelei. §. 6. Nicht blos als Dienst, sondern als eine natuͤrliche Folge von dem Credit eines renommirten Maklers, darf ich anfuͤhren, daß er dem jungen Kaufmann bei einem noch zweifelhaften Credit aͤusserst behuͤlflich sein kann. Hat er sich den guten Namen erworben, daß er keine Auftraͤge von unzuverlaͤssigen Leuten annimmt, so ist es manchem Kaufmann schon genug, daß er ihm einen Handel antraͤgt, um ihn zu schlies- sen, und erst hintennach fragt er, wer der Kaͤufer sei. Zwar wird er nicht von dem Makler Buͤrgschaft fodern, sondern sein Urteil ist ihm hinlaͤnglich. Es versteht sich aber, daß ein Makler, der eine solche Reputa- tion gewinnen will, oder schon gewonnen hat, aͤusserst behutsam und scharfsichtig in diesem Urteil sein muͤsse. Leidenschaft muß ihn nicht leiten einem jungen Kauf- mann, dem er wol will, zu dienen, viel weniger einen andern zu unterdruͤkken, wie wol das leztere leichter geht, und weniger Ueberlegung erfodert. §. 7. Die Maklerordnungen aller handelnden Staaten verbieten dem Makler selbst zu handeln, ja in Ham- burg ist ihm nicht einmal erlaubt ein Bankfolium selbst zu halten, so viel Erleichterung auch dies in verschiedenen dem Makler allein zukommenden Ge- schaͤften schaffen moͤgte. Der Grund davon ist sehr 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. einleuchtend. Die Zuverlaͤssigkeit eines Unterhaͤnd- lers in Handlungsgeschaͤften faͤllt weg, wenn sein eigenes Interesse in dieselben mit einwirken und ihm eingeben darf, den Preis einer Waare, mit welcher er selbst handelt, hoͤher oder niedriger zu treiben, wenn er selbst sie zu kaufen vorhat. Es ist aber auch leicht einzusehen, wie ein Makler diesem Ge- seze ausweichen koͤnne, wenn er einen Sohn, An- verwandten oder Freund hat, in dessen Namen er kauft und verkauft, oder wenn er in Waarenauctio- nen fuͤr grosse Summen selbst ohne Angabe des Na- mens irgend eines Committenten kaufen darf, oder wo ihm dies nicht erlaubt ist, Namen von Personen angiebt, die in Ruͤksicht auf ihren Credit von ihm abhaͤngen. Zwar sezt eine jede Maklerordnung sol- chen Umschlaͤgen Verbote entgegen, und sucht den Makler auf die Grenzen seines eigentlichen Geschaͤf- tes einzuschraͤnken. Aber es ist damit, wie mit vielen andern Dingen bewandt. Was fuͤrs Ganze nicht zutraͤglich und deswegen unzulaͤssig ist, wird einzelnen nach ihrer Lage und ihren Umstaͤnden vor- teilhaft. Wenn der grosse Kaufmann seinen freien Gang in seinen Geschaͤften zu gehen weiß, so giebt es viele andere, welche nicht wuͤrden forthandeln koͤn- nen, wenn sie nicht sich in eine gewisse Abhaͤngig- keit von den Maklern sezten. Und einen gewissen Grad dieser Abhaͤngigkeit fuͤhlt auch selbst der grosse Cap. 5. Von der Makelei. Kaufmann, wenn gleich nicht in Ruͤksicht auf seinen Credit, doch in der auf seinen Absaz. Hier liegt eine Ursache mehr fuͤr ihn, bei manchem Kaufe, den er schon mit seinem Mitbuͤrger geschlossen hat, einen accreditirten Makler zu Huͤlfe zu rufen, und ihn die Curtage ohne alle Muͤhe verdienen zu lassen. §. 8. Indeß wird mancher Handel zwischen Kaufleuten Eines Orts und auch mit Correspondenten geschlossen, ohne daß ein Makler dazu gezogen wuͤrde. Es faͤllt vollends in jedem Handel weg, wenn ein Auswaͤrti- ger Waaren von einem Manne verschreibt, von de- nen er weiß, daß dieser sie selbst auf seinem Lagerhabe. Da wuͤrde ein solcher es sehr uͤbel ansehen, wenn ihm Curtage berechnet wuͤrde. Es faͤllt auch bei sol- chen Commissionen weg, die auf Niederlagsplaͤze ge- gegeben werden und nicht durch Aufkaufung der Waare von den Mitbuͤrgern, sondern durch Auftraͤge an Collectoͤre ausgefuͤhrt werden koͤnnen, welche die verlangte Waare im Lande aufkaufen. So geht es z. B. mit den nach Petersburg oder Archangel auf Russische Produkte gegebenen Commissionen. Da tre- ten dann diese Collectoͤre in die Stelle der Makler. Der Lohn derselben bestimmt sich nach ganz andern Gruͤnden, und viele derselben schliessen Contracte uͤber die zu machenden Lieferungen, bei welchen sie 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. in dem dem grossen Kaufmann gewoͤhnlichen Wege ihren Teil gewinnen. Aber wann auf grosse Markt- plaͤze Einkaufs-Commissionen gegeben werden, so kann auch der ehrlichste und grosmuͤhtigste Kaufmann nicht umhin, selbst in dem Fall die dort uͤbliche Curtage zu berechnen, wenn er den Gegenstand der Commission aus seinem eigenen Waarenlager nimmt. Denn gesezt, er berechnet jenen die Curtage nicht, so wird dieser dadurch verwoͤhnt und in andern Faͤllen schwierig werden, wenn ihm die Curtage den Um- staͤnden nach berechnet werdeu muß. Man moͤgte sagen: aber dann zieht ja der Commissionaͤr einen ihm nicht gebuͤhrenden Gewinn, der doch bei Waa- ren fast durchgaͤngig ⅚ p. C. betraͤgt. Allein der gutdenkende Kaufmann wendet diese Curtage zur ausserordentlichen Belohnung seiner Handlungsbe- dienten an. Hiezu hat er auch aus folgendem Grun- de Recht: In jeder grossen Handelstadt sind zwar eine Zahl beeidigter Makler, in Hamburg etwa drei hun- dert. Aber kein Gesez kann den Kaufmann verpflich- ten, nicht auch andere Unterhaͤndler zu brauchen, de- ren Lohn dann so gut, wie der des Makler, die gewoͤhn- liche Curtage ist. Er kann also auch seine Hand- lungsbedienten dazu brauchen, und tuht dies wirklich in vielen Faͤllen, insonderheit bei Assecuranzen. Wenn er also einen Handel selbst ohne Makler schließt, oder eine auf seinem Lager befindliche Waare dem aus- Cap. 5. Von der Makelei. waͤrtigen Committenten verkauft, und sich also ge- wissermassen selbst bedient, so kann man nicht sagen, daß es der Rechtschaffenheit zuwider sei, wenn er den von ihm selbst verdienten Lohn dieses Dienstes seinen Handlungsbedienten zuwendet. §. 9. Ein gewinnvolles Geschaͤft der Makler entsteht ihnen aus den oͤffentlichen Waarenverkaͤufen, welche in grossen Marktplaͤzen sehr haͤufig vorfallen. Waa- ren an den Meistbietenden verkaufen, scheint nicht die Maasregel der Gewinnsucht zu sein, es sei denn, daß man auf unverstaͤndige Kaͤufer rechnet, welches dann freilich bei manchen oͤffentlichen Verkaͤufen, insonderheit von Manufactur-Waaren, der Fall sein mag, aber es nicht werden kann, wenn Waa- ren, die der Gegenstand des grossen Handels sind, da an den Meistbietenden ausgeboten werden, wo der Kaufmann selbst Kenner ist, oder, wenn er es nicht ist, durch einen sachkundigen Makler kaufen laͤßt. Man muß aber auch auf hinlaͤnglich viele Kaͤu- fer rechnen koͤnnen, um von Anfang bis zu Ende einer grossen Waarenauction von solchen Preisen ge- wiß zu sein, welche keinen Verlust geben. Das hat aber nur in grossen Marktplaͤzen Statt, oder in sol- chen Handelsstaͤdten, zu welchen die Einkaufscom- 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. missionen leicht und haͤufig genug gelangen koͤnnen. Da ist dann nicht daran zu gedenken, daß man unter Preis kaufen werde, wol aber macht eine nicht ganz erwartete Concurrenz auswaͤriger Kaͤufer die Preise uͤber die Vermuhtung steigen. So hat z. B. die Daͤnische Ostindische Companie in der lezten oͤffentli- chen Auction unerwartet hohe Preise der Indischen Zeuge genossen. In curanten Waaren geht dies in grossen Handelsstaͤdten eben so gewiß. In dem ab- gewichenen Jahre wurde in Hamburg, in Folge eines grossen Bankerots, eine Million Pfunde Caffee in verschiedenen Auctionen schnell hinter einander ver- kauft, ehe noch die Unruhen auf St. Domingo dessen Preis so schnell steigen machten; aber in den lezten Hundert Tausend Pfund behielt jede Sorte Caffee den Preis, welchen sie zu Anfang der Auctionen ge- habt hatte. Eine gewoͤhnliche Veranlassung solcher Waaren- Auctionen ist deren Beschaͤdigung auf der Seereise, und die Nohtwendigkeit das auszumachen, was dem Versicherten dieser Beschaͤdigung wegen zu ver- guͤten zukoͤmmt. Aber auch in solchen Auctionen wird in grossen Handlungsplaͤzen nichts verschenkt, sondern die beschaͤdigte Waare gilt immerhin das, was sie ihrem Zustande nach gelten kann. Cap. 5. Von der Makelei. §. 10. Indessen bleibt es wahr genug, daß der Kauf- mann in manchen Handlungsplaͤzen zu viel auf den Makler ankommen laͤßt. Man erwarte nicht von mir, daß ich solche Plaͤze bezeichne. Es sei genug zu sagen, daß da, wo der Kaufmann sich den Ver- gnuͤgungen zu sehr uͤberlaͤßt, wo er insonderheit die Sommerzeit fast ganz auf seinem Landhause zubringt, der Makler besser Spiel habe und schneller reich werde, als da, wo der Kaufmann an seinen Ge- schaͤften klebt, und so viel in denselben selbst verrich- tet, als nur irgend ihm zukoͤmmt, oder ansteht. (Dieser Vorwurf gilt nicht gegen das Landleben des Hamburgischen Kaufmanns, so wie er es jezt treibt.) Ueberhaupt aber bedarf die Handlung allenthal- ben solcher Huͤlfsleute, sie moͤgen den Namen eines Maklers haben oder nicht, insonderheit in solchen Perioden, da sie lebhafter geht, und der wirkliche Kaufmann sich auf einmal zu sehr uͤberhaͤuft fuͤhlt. So auch da, wo Geschaͤfte anderer Art sich an die Handlung anknuͤpfen, von welchen das eigentliche Ge- werbe der Kaͤufer oder Verkaͤufer denselben keine Kenntnis giebt. Das ist z. B. der Fall in den Fran- zoͤsischen Antillen, vielleicht auch in den Britischen. Der Pflanzer, insonderheit der von den Haͤfen und Anfahrten entfernt wohnende, kennt nicht das 2ter Teil. J 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. Schiffswesen, und was Recht oder Gebrauch dabei geltend gemacht haben. Er weiß nicht, was er alles zu tuhn habe, um die Verfuͤhrung der von ihm ver- kauften Producte zum Hafen und aus dem Hafen, so viel davon an ihm liegt, zu befoͤrdern. Sechstes Capitel . Vom Buchhalten . §. 1. R ichtige Rechnung uͤber Einnahme und Ausgabe ist ein Hauptgrund des Wolstandes fuͤr jeden Mann, der in seinen Geschaͤften bestehen will. Sie ist vollends fuͤr den Kaufmann unentbehrlich, dessen Geld Geschaͤfte so mannigfaltig und so verwik- kelt sind. Der gluͤkliche Kaufmann hat das Ver- gnuͤgen davon, seinen Wolstand, wenn er will, be- stimmt zu uͤbersehen. Der ungluͤkliche, aber ehrliche Kaufmann findet in derselben die Rechtfertigung seiner Handlungen, die er Freunden und Feinden darlegen kann. Es ist allemal ein Beweis, daß ein Mann nicht zur Handlung geschikt gewesen, und Cap. 6. Vom Buchhalten. daß er durch Unwissenheit, Unordnung oder Leicht- sinn ungluͤklich geworden sei, wenn man bei sei- nem Bankerott hoͤrt, daß seine Buͤcher in Unord- nung sind. Zwar ist es natuͤrlich, daß ein Mann, dem seine Geschaͤfte nicht einschlagen, Muht und Liebe zur Ordnung verliert. Aber gewiß ist viel oͤfter der Mangel der Ordnung in den Berechnungen die Ursache der Verwirrung selbst, und diese Verwirrung hat dann fortdauernden Verlust zur Folge. So man- chen Kaufleuten fehlt die Gabe, ihr Comtoir gehoͤ- rig zu dirigiren, und ich, der ich kein praktischer Kaufmann bin, gestehe gern, daß ich jeden Kauf- mann bewundere, von dem ich weiß oder erfahre, daß er sein grosses Comtoir gut dirigire, daß er ein jedes Geschaͤfte zu der Zeit tuhe, da es getahn wer- den muß, und es dabei zu erhalten wisse, daß, was er durch andere nohtwendig thun lassen muß, zu rechter Zeit unfehlbar geschehe. Unter solchen Ge- schaͤften ist das vornehmste die Buchhalterei. Man wird nicht von meinem Buche erwarten, daß es eine eigentliche Anweisung zum Buchhalten enthalte. Ich werde also nur einige allgemeine An- merkungen daruber in dies Capitel tragen. J 2 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. §. 2. Der wesentliche Zwek der Rechnung eines Kauf- manns ist freilich dieser, daß er seine Ausgabe und Einnahme, so oft er will, geschwind und richtig ver- gleichen koͤnne. Um sich dazu in Stand zu sezen, muß er ein Verzeichnis aller seiner Kaufmaͤnnischen Geschaͤfte, mit Beziehung auf alle Umstaͤnde, welche den Geld Belauf in denselben bestimmen, zu Pa- pier bringen, um seine Rechnung daraus ziehen zu koͤnnen. Dies Verzeichnis hat den Nahmen des Memo- rials , und keine Handlung, wie auch Buch in der- selben gehalten werden mag, kann ohne dasselbe sein. §. 3. Aus diesem Memorial kann nun auf eine sehr einfache Art die Rechnung gezogen werden, wer dem Eigner der Handlung und, wem er selbst schuldig ge- worden sei, und zu bestimmter Zeit, insonderheit am Ende eines Jahrs, ob und wie weit Einnahme und Ausgabe einander uͤbersteigen, wie hoch der Cassen-Vorraht sei, und was an Schulden noch aus- stehe. Eine solche Art der Rechnung war vor Alters allgemein gebraͤuchlich, und fuͤhrt noch den Nahmen des Deutschen Buchhaltens . Mit ihr kann sich eine sehr einfache Handlung, die nicht mancherlei Cap. 6. Vom Buchhalten. Gegenstaͤnde hat, insonderheit kann sich jeder Kraͤ- mer und Ausschnitter und auch mancher Manufactu- rist damit behelfen. Doch wird er einzelne derjeni- gen Nebenbuͤcher noͤtig haben, deren ich bald erwaͤh- nen werde. §. 4. Allein der Kaufmann, welcher wichtigere und mannigfaltige Geschafte treibt, hat nicht genug an einer solchen Rechnung, welche die Geschaͤfte ge- wissermassen durch einander wirft. Er muß seine Rechnung so einrichten, daß er nicht nur im Allge- meinen den Zustand seiner Sachen, sondern auch, wenn er, wie gewoͤhnlich, mehrere Cassen fuͤhrt, den Bestand jeder Casse, so oft er will, uͤbersehen koͤnne. Er muß wissen, wie er mit jedem seiner Correspondenten stehe, und wie aus jedem Geschaͤfte, das er treibt, aus jeder Gattung Waare, womit er handelt, ihm Gewinn oder Verlust entstehe. Hier- aus ist bei den Italiaͤnern, als die Handlung bei ih- nen lebhafter, als bei andern Voͤlkern ward, eine Art des Buchhaltens entstanden, die man noch im- mer die Italiaͤnische Buchhaltung nennt. Ihr Nuzen ist nicht blos auf die Handlung einzu- schraͤnken. Schon vor bald 200 Jahren schrieb Si- mon Stevin seine Verrechting van Domeinen, ende Vorstelyke Boekhouding (Berechnung 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. von Domaͤnen und Fuͤrstliche Buchhaltung) und wandte dieselbe auf die Berechnung der Einnahme und Ausgabe des Prinzen von Oranien an. Man hat viele spaͤtere, z. E. Einleitung zu einem verbesserten Cameral- und Rechnungs- Buch , Wien 1744, in welchen Anweisung gegeben wird, das Kaufmaͤnnische Buchhalten auf die Staats- Wirtschaft und die Wirtschaft mit grossen Landguͤtern anzuwenden. §. 5. Vielleicht dient es manchem, der nicht ohnehin mit dem Geschaͤfte des Buchhaltens bekannt ist, zur Aufklaͤrung seiner Begriffe, wenn ich hier angebe, wie ich mir vorstelle, daß aus der einfachen und frei- lich natuͤrlicher scheinenden Buchhalterei die Italiaͤ- nische doppelte Buchhaltung habe entstehen koͤnnen. Ich denke mir einen Kaufmann, den ich Cosmus nennen will, in irgend einer grossen Handelsstadt Italiens zu der Zeit, als dieses Land der Hauptsiz der Handlung ward. Er hatte bisher nicht mit gros- sen Vorraͤhten von mancherlei Waaren gehandelt, erweiterte nun aber seine Handlung auf mehrere Ge- genstaͤnde, und hielt von jedem derselben groͤssere Lager. Er vermehrte die Zahl seiner Bedienten und untergab ihnen einzeln gewisse Waarenlager, machte Cap. 6. Vom Buchhalten. Einen besonders zum Cassirer, untergab einem an- dern die Besorgung aller Handlungs-Unkosten, wie auch der an seinem Wohnort zu zahlenden Zoͤlle. Man nehme an, er habe in diesem Wege zwoͤlf Per- sonen beschaͤftigt, deren jeder uͤber das ihm anver- traute richtige Rechnung zu halten verpflichtet war. Einen jeden derselben konnte er also beim Anfang der Rechnung ansehen, als fuͤr dasjenige haftend, was seiner Aufsicht und Besorgung anvertraut war. So sah er z. B. denjenigen an, der sein Waarenlager in Wolle, und einen andern, der das in Seide wahrzu- nehmen hatte u. s. f. Wir wollen dabei annehmen, er habe Einem seiner Handlungs-Bedienten abson- derlich aufgetragen, aus den Haͤnden des Cassirers zu empfangen, was diesem in den Rechnungen der uͤbri- gen, als auf deren Geschaͤfte gewonnen, gezahlt ward, der aber auch aus dieser Gewinnmasse wieder gut ma- chen mußte, was in andern Geschaͤften verloren ward: so war die Folge davon uͤberhaupt diese, daß die Rechnungen dieser zwoͤlf Personen sehr in einander flossen. Eine besondere Folge aber war, daß jeder dieser Maͤnner eine doppelte Rechnung fuͤhren mußte, deren eine angab, was der Principal aus seinen Haͤn- den zu erwarten hatte, die andere nachwies, wo dieses ganz oder teilweise sich finde. Z. B. Ambrosins hatte das Seidenlager unter seiner Gewahrsam und Berechnung, welches im Einkaufspreis 10000 Du- 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. katen im Wehrt war, und ward von seinem Principal als so viel schuldig angesehen. Davon ward die Haͤlfte mit 20 p. C., d. i. 1000 Duk., Vorteil ver- kauft. Aber nicht er bekam das Geld, sondern es gieng an den Cassirer Anselmus. Noch aber haftete Ambrosius fuͤr das Ganze mit Einschluß der gewon- nenen 1000 Dukaten, fuͤr welche besonders er Bar- tholden einstand, der das Gewinn- und Verlust-Conto fuͤhrte. Ambrosius mußte dem zufolge seine Rech- nung so machen, daß, wenn er auf der einen Seite seines Buchs sich fuͤr den vollen Schuldner seines Principals, fuͤr 10000 Dukaten ihm anvertrauete Seide, und 1000 gewonnene Dukaten erkannte, er auf der andern Seite den Cassirer Anselmus als seinen Schuldner hinstellte, in dessen Haͤnden die fuͤr die Haͤlfte geloͤsten 6000 Ducaten sich befanden. Als- dann aber erwartete noch immer Barthold die gewon- nenen 1000 Ducaten aus seiner Hand, und Ansel- mus mußte sich als dessen Schuldner ansehen. Wie er den Wehrt der ihm noch uͤbrigen Haͤlfte der Seide in Rechnung zu stellen hatte, wird §. 7 erlaͤutert werden. §. 6. Auf diese Art mußte also Cosmus, wenn er den Zustand seiner Handlung uͤbersehen wollte, zwar ihn aus zwoͤlf Rechnungen hervor suchen, aber jede dieser Cap. 6. Vom Buchhalten. Rechnungen stellte ihm das, was er wissen wollte, ungemein viel deutlicher dar, als da er vorhin die Geschaͤfte in Einer Folge zusammentragen ließ. Er sahe nun bei jedem einzeln, was er dabei gewonnen oder verloren habe. Er sah, wenn sein Lager von einer gewissen Waare noch nicht ausverkauft war, wie viel er fuͤr den ihm verbleibenden Rest noch loͤsen muͤsse, ehe ihm sein ganzes Capital wieder einkaͤme. Die Rechnung seines Cassirers gab ihm den Vorraht aller seiner Baarschaften; (denn an Banken wollen wir hierbei nicht denken,) die Rechnung des den Ge- winn einnehmenden und den Verlust ausschiessenden sagte ihm, wieviel er im Ganzen gewonnen oder ver- loren habe. Und nun konnte er durch Aufrechnung des Gewinns und des Verlustes, des Waaren-Vor- rahts und des Cassen-Vorrahts, seiner Activ- und seiner Passiv-Schulden zu einer Balanz, d. i. zu einer zuverlaͤssigen Darstellung von dem Wehrt seines Vermoͤgens gelangen. §. 7. Zu dieser Uebersicht seines Vermoͤgens-Zustandes, oder der Balanz ihm zu verhelfen, trug er einem be- sondern Mann, seinem eigentlichen Buchhalter auf, der aus den Rechnungen aller uͤbrigen das, was als Eigentuhm seines Principals anzusehen war, in seine allgemeine Rechnung uͤbertrug, und als ihm 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. wirklich uͤbergeben ansah, folglich in dieser Ruͤksicht sich nicht anders als deren Debitor nennen konnte, so wie sie nun seine Creditores wurden. Am- brosius, der Berechner des Seidenlagers, hatte noch die Haͤlfte Seide, die er in jener Balanzrechnung, weil noch nichts darauf gewonnen oder verloren war, zu dem Einkaufspreise 5000 Ducaten angab, und so seine Rechnung §. 5 egalisirte, daß er gegen 10000 Ducaten, den Einkaufspreis des Ganzen, und 1000 Ducaten, als dem Gewinn- und Verlust-Conto schul- dig, die auf Einer Seite standen, auf der andern Seite 6000 Ducaten, als bei dem Cassirer vorraͤhtig, angab, und 5000 Ducaten, den Wehrt der noch vorraͤhtigen Seide, als in das Balanzconto hingege- ben, folglich als dem Balanzconto oder dem Buch- halter creditirt notirte. In dieser Balanzrechnung wurden nun alle nicht verloren geachtete Activschulden des Cosmus als Teile von dessen wirklichem Vermoͤgen, folglich dessen ei- gentliche Schuldner so angesehen, als haͤtten sie be- zahlt, und als waͤren sie Creditores geworden. Nun aber mußten die wirklichen Creditores in der gerade entgegengesezten Relation, folglich als Debitores an das Balanzconto notirt werden. Dies halte ich fuͤr den schwersten Knoten in der Erlaͤuterung des doppelten Buchhaltens, nicht fuͤr den, der es aus Cap. 6. Vom Buchhalten. der Praktik nun einmal weiß, wie er zu verfahren habe, sondern fuͤr den, der die Sache aus Gruͤnden einsehen will. Ich will also noch folgende Vorstel- lungsart beifuͤgen. Wenn die Masse des Vermoͤ- gens des Cosmus nach dessen Tode eilends haͤtte auf- gemacht werden sollen, so wuͤrde alles, was er teil- weise besaß, auch teilweise zu derselben gekommen sein, und, die dies alles hergegeben haͤtten, aufgehoͤrt haben, Debitores zu sein, folglich Creditores ge- worden sein. Seine Passivschulden aber haͤtten als- dann eben so schnell berichtigt werden muͤssen. Seine Creditores bekaͤmen dann auch das ihrige, traͤten in die entgegengesezte Relation, und wuͤrden Debitores. Was nun bei einem solchen Sterbefall oder bei son- stiger Aufhebung einer Handlung geschehen muͤßte, das sah sein Buchhalter als geschehen an, als er am Ende des Jahrs, oder einer kuͤrzern Periode, die Masse des Vermoͤgens seines Principals dessen Ue- bersicht vorlegen wollte, so daß er ihm sagen konnte: So stehst du, wenn du heute deine Handlung auf- hebst und alles ohne Verzug dir eingeht, was man dir schuldig ist, und alle deine noch vorraͤhtige Waa- ren ohne Gewinn oder Verlust verkauft werden, du aber auch alles bezahlst, was du schuldig bist, da dann deine bisherigen Debitores deine Creditores werden, und deine wirklichen Creditores in unserer Rechnung entgegengesezte Nahmen annehmen muͤssen. 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. Aber auch dein wirkliches Vermoͤgen, dein Capital- Conto, gebe ich dir heute als meinem Schuldner in meiner Rechnung auf, auf deren Einer Seite du alles das beisammen findest, was unter deinen Besiz gehoͤrt, und deine Passivschulden abzutragen zum Teil dienen muß. Jenes Capital-Conto, nicht ich, hat dein reines Eigentuhm, und dieses mit deinen Passiv-Schulden zusammen genommen stelle ich in Gleichheit mit allem, was du vor jezt besizest. Cosmus fand sich also am Schluß des Jahres im Besiz von 100000 Ducaten an Waaren, Cassen- Vorraht und guten Schulden. Fuͤr dieses hatte sein Buchhalter sein Balanz-Conto, das ist, ihn selbst als Schuldner notirt. Denn er hatte sie. Aber er war 20000 Ducaten schuldig. Diese und sein reines Vermoͤgen, 80000 Ducaten, stellte er jenen entgegen. So glich sich zwar eins mit dem andern aus. Aber Cosmus war aus den erlaͤuterten Gruͤn- den und wegen deren ganz entgegenstehenden Bezie- hung fuͤr diese beiden Posten zum Creditor gemacht. §. 8. Man gehe von dieser Vorstellung aus, und stelle sich in einer Handlung von gewisser Mannigfaltig- keit, statt jener zwoͤlf Bedienten, so viele vor, als diese Handlung Gegenstaͤnde hat, oder als die Ge- Cap. 6. Vom Buchhalten. schaͤfte in derselben sich ihrer Natur nach unterschei- den; folglich auch so viele Rechnungen oder Conti, als dieser Gegenstaͤnde und Geschaͤfte sind, und in einer gewissen Periode (ich nehme an, in Einem Jahre) deren mehr oder weniger werden. Oder man lege diesen Waaren und Gegenstaͤnden selbst eine Personalitaͤt bei, oder die Faͤhigkeit, von demjeni- gen, was der Principal von ihnen zu fodern hat, Rede und Antwort zu geben. Man vergesse z. B. den Ambrosius und lasse die Seide selbst reden, so wird sie sagen: Von mir hast du 10000 Ducaten zu erwarten; aber ich habe schon 6000 D. deiner Casse eingebracht. Deiner Gewinn- und Verlustcasse bin ich zwar 1000 Duc. schuldig. Dagegen aber hat deine Casse 6000 Duc. bereits meinetwegen erhoben, und was die von mir noch uͤbrige Haͤlfte wehrt ist, 5000 Duc., hat das Balanzconto an sich genommen. Dies Gewinn- und Verlustcasse wird sprechen: 1000 Duc. habe ich von der Seide zu fodern. Dagegen aber sind auf deine Wolle 500 Duc. verloren, die ich in deren Conto geben muß, damit sie ihre Rechnung egalisire, und fuͤr welche sie folglich mein Creditor ist. Und wenn dann die Balanz aufgemacht wird, und das Gewinn- und Verlust-Conto mit diesem sich berechnet hat, so wird jene sagen: 5000 Duc. hat mir deine Casse gegeben, als fuͤr Seide geloͤst, den 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. Wehrt von der uͤbrigen Seide, 5000 Duc., die Seide selbst und das Gewinn- und Verlustkonto 500 Duc. Wirkliche Personen, mit welchen Cosmus seine Umsaͤze machte, mußten jeder ihre besondere Rech- nung bekommen, und standen in denselben als wirk- liche Glaͤubiger oder Schuldner in dem gewoͤhnlichen Sinne des Wortes. Als Glaͤubiger, so lange die aus dem mit ihnen betriebenen Handelsgeschaͤfte ent- standene Foderung noch nicht berichtigt war; als Schuldner, so lange eine an sie verkaufte Waare oder eine unter andern Veranlassungen ihnen creditirte Summe noch unbezahlt stand. In den Buͤchern selbst aber machte es keinen Unterschied, ob die Rech- nung eine wirkliche Person oder ein personificirtes Conto betraf. §. 9. Ueberhaupt aber koͤmmt es fuͤr Personen und fuͤr die personificirten Cassen und Rechnungen darauf hinaus, daß eine jede als Debitor fuͤr dasjenige an- gesehen wird, was sie hatte , und als Creditor fuͤr dasjenige, was sie weggegeben hat , oder in einer andern Rechnung nachweisen kann. So wird ein jeder Posten, der in einem Conto als Cre- ditor oder Debitor steht, in einer andern sich darauf beziehenden Rechnung unter der entgegengesezten Be- Cap. 6. Vom Buchhalten. nennung erscheinen. Ist einer Person oder Waare ein Conto gegeben, und es geht vor Aufmachung der Balanz nichts weiter mit derselben vor, so wird sie doch auf die zweite Seite als Creditor des Balanz- Conto aufgefuͤhrt, wenn sie ein Teil des wirklichen Vermoͤgens des Kaufmanns ist, und als Debitor an eben dasselbe, wenn sie eine Passivschuld ist, die eben dies Vermoͤgen vermindert. Ist die Waare ganz oder zum Teil verkauft, oder mit Gelde ein Umsaz geschehen, so wird diese Waare oder dies Geld, wenn Gewinn darauf gemacht ist, Debitor an das Gewinn- und Verlustconto. Denn noch hat dieses den Ge- winn nicht, sondern soll ihn haben. Ist aber Ver- lust entstanden, so wird sie Creditor. Denn noch hat sie es nicht, sondern sie soll es aus dem Ge- winn- und Verlust-Conto haben, um ihr Conto zu egalisiren. Der Vermoͤgenszustand, in welchem ein Kauf- mann seine Handlung neu, oder nach geschlossener Balanz gleich als neu anfaͤngt, wird in einer Rech- nung dargestellt, die man das Capital-Conto nennt. Dies hat dann so viele Debitores, als Teile des wirklichen Vermoͤgens in den Conti der Waaren, der guten Schulden und der verschiedenen Cassen sich befinden, und so viele Creditores, als wirkliche Passivschulden sich finden. Auch das Balanzconto 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. wird mit dem ganzen Unterschiede beider Summen, um die Rechnung auszugleichen, aus eben denen Gruͤnden als Creditor aufgefuͤhrt, aus welchen zu- folge §. 7. das Capitalconto zu dessen Debitor ge- macht ward. §. 10. Dies alles koͤnnte nun zwar in Einem Buche enthalten sein, und in der Taht heißt und ist das Buch, welches dies alles in einer kurzen Uebersicht darstellt, das Hauptbuch , welches richtig abzu- fassen das Meisterwerk des auf jedem etwas grossen Handels-Comtoir angestellten Buchhalters ist. Allein 1) die Handlungsgeschaͤfte, welche die Data zu die- sen Rechnungen angeben, geschehen nicht immer in Einem fort, sondern verteilen sich auf mehrere Tage, und gehen zu einer Zeit vor, da man nicht immer Musse hat, alles richtig und genau anzuzeichnen. 2) Die Auseinandersezung der verschiedenen Conti laͤßt sich nicht immer in der Eile mit Richtigkeit ma- chen. Die §. 5—8. gegebenen Erlaͤuterungen wer- den auch dem Unkundigen einleuchtend machen, daß Ueberlegung dazu gehoͤre, um ein jedes Conto richtig ins Debet und ins Credit zu stellen. Eine Ueberle- gung, ohne welche alle Buchhalterei irre fuͤhrt, und welche in dem Gewuͤhl der Geschaͤfte nicht immer richtig gemacht werden moͤgte! Cap. 6. Vom Buchhalten. §. 11. Es wird also nohtwendig, jede auf die Hand- lungsgeschaͤfte sich beziehende Umstaͤnde und jede Zahl, woraus das Conto sich bestimmt, sogleich, wenn das Geschaͤfte vorgegangen ist, zu Papier zu bringen. Dies geschieht in dem sogenannten Memorial, welches auch Kladde und nach dem Italiaͤnischen Strazze genannt wird, in welches einzutragen der Kaufmann einem jeden uͤberlaͤßt, der das Geschaͤfte hat ausrichten helfen, und Einsicht genug davon hat, um keine zur richtigen Angabe in den uͤbrigen Buͤ- chern noͤtige Umstaͤnde zu uͤbersehen. Wenn ein Kaufmann von seinen Bedienten gewis ist, daß sie in Eintragung dieses Geschaͤftes schon ein jedes auf sein rechtes Conto stellen werden, oder es einem ein- zelnen Bedienten auftraͤgt, der darin zuverlaͤssig ist, so koͤnnte freilich ein jeder Handlungs-Posten so einge- tragen werden, daß das Conto in dem Haupt-Buche daraus in buͤndiger Kuͤrze gezogen werden moͤgte. Allein diese Voraussezung hat nur selten Statt, und in Handlungs-Comtoiren, wo viel Gewuͤhl ist, moͤg- ten darin oft grosse Fehler vorfallen. In diesem Memorial wird mehr gerechnet, als in den folgenden Buͤchern, z. B. in Hamburg, wie fuͤr die zu einem gewissen Preis, allenfalls in Cu- rant behandelte Waare der wahre Wehrt derselben 2ter Teil. K 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. in Banco nach Berechnung der Thara, des guten Gewichts, des Rabatts u. d. gl. mehr sich bestimme. §. 12. Aus dem Memorial wird daher fast auf allen Handlungs Comtorien ein zweites Buch, das Jour- nal , gezogen, in welchem aus jenem Memorial die Resultate gezogen und kurz dargestellt werden, und insonderheit einem jeden Conto vorlaͤufig das zuge- wiesen wird, was fuͤr dasselbe gehoͤrt. Wenn z. B. in dem Memorial gesagt ist, daß heute den 17ten Febr. 20 Sack Reis, 12100 Pfd. in Brutto Ge- wicht betragend, zu dem Preise 17 Mk. Cur. die 100 Pfd. gekauft sein, und nach Abzug der Thara, des Gutgewichts, des Rabatts, reducirt in Banco 1546 Mk. betragen, so nimmt das Journal von allen diesen Umstaͤnden nichts mehr auf, als daß das Reisconto fuͤr 20 Saͤkke 1546 Mk. an Bco. Conto schuldig sei. In dem Memorial wird der Zeitord- nung genau gefolgt: das Journal aber sammelt die Geschaͤfte mehrerer Tage schon unter die Rubriken von gewissen Conti, und vereint sie als Debitores oder als Creditores eines solchen Conto, freilich auch der Zeitordnung nach. Es trennt aber auch die aus Einem Geschaͤfte entstandenen Zahlen, und bringt sie unter verschiedene Conti. Cap. 6. Vom Buchhalten. Dies Buch, wenn es sorgfaͤltig und ordentlich geschrieben ist, hat bei Gerichten in vorkommenden Streitfaͤllen die Kraft des Beweises, und gilt als ein Document in der eigenen Sache des Kaufmanns. Dies hat von dem Memorial noch nicht Statt. §. 13. Es ist indessen klar daß der Kaufmann noch ausser diesen drei oder zwei wesentlich nohtwendigen Buͤchern, andere Rechnungen zu fuͤhren noͤtig hat, um seine Geschaͤfte mit Ordnung zu uͤbersehen. Ei- nige derselben sind in jeder Handlung, andere nach den besondern Umstaͤnden der Handlung eines Orts und der Art der Handlung noͤtig. Eben so sind auch einzelne mehr oder weniger noͤtig. Ein Rechnungs Buch von allgemeiner Nohtwendigkeit ist: 1) Das Lager-Buch . Kein Kaufmann kann seine Geschaͤfte mit Ordnung treiben, wenn er nicht weiß, was fuͤr Waaren durch Einkauf oder Com- mission in sein Lager kommen oder durch Verkauf aus seinem Lager gehen. Dazu waͤre freilich genug, wenn die Art, Gewicht und Maasse derselben richtig verzeichnet, und Ausgabe und Einnahme an Ge- wicht oder Maasse berechnet wuͤrden. Allein man benuzt das Lager-Buch, um auch die Waaren, die es enthaͤlt, nach dem Geldes-Wehrt beim Einkauf K 2 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. und den Verkaufspreis beim Verkauf anzuschreiben. Ersterer, der Einkaufspreis, kann schlechthin, so wie er sich aus der Factur und den zur Stelle verwandten Handlungs-Unkosten bestimmt eingetragen werden. Dies ist fuͤr den eigentlichen Zwek des Lagerbuchs hinlaͤnglich. Man waͤhlt aber auch eben dieses Buch, um die ganze mit der Waare eingekommene Factur oder Berechnung von allem, was die Waare bis zur Absendung gekostet hat, und die dazu kommenden Handlungs-Unkosten, welche zur Stelle bezahlt wer- den, mit Einem Wort, die ganze Calculation in dasselbe einzutragen. Wer dies nicht tuht, muß neben dem Lagerbuch ein besonders Factur-Buch fuͤhren. 2) Ein Cassa-Buch . Kein Kaufmann kann in Ordnung bleiben, der nicht seinen Geld-Vorraht in jeder Minute zu wissen im Stande ist. Zu dem Ende muß jede baare Einnahme und Ausgabe als Debet und Credit der Cassa gegen einander gestellt werden. Dies Cassabuch macht um so viel mehr Muͤhe, je mannigfaltiger die Muͤnz-Sorten sind, in welchen an einem Handlungsplaze die Zahlungen ge- schehen. Grosse Handlungen muͤssen immer einen besondern Cassirer anstellen. Doch ist fuͤr denselben in denen Handlungsplaͤzen weniger zu tuhn, die eine soli- de Girobank haben, und wo der Kaufmann sein baares Cap. 6. Vom Buchhalten. Curant-Geld bald zu dem Wechsler schikt, oder mit andern es in Banko umsezt. §. 14. Buͤcher von nicht allgemeiner Nohtwendigkeit sind: 1) Ein Banko-Buch , doch nur in sol- chen Handelsplaͤzen, die eine Giro-Bank haben. An Oertern, die eine Zettelbank haben, sind, we- nigstens so lange als die Bank-Noten dem baaren Gelde gleich gelten, diese so gut als Muͤnzen anzu- sehen, und die Berechnung uͤber Einnahme und Aus- gabe in denselben gehoͤrt ins Cassabuch. Allein hier in Hamburg, in Venedig, in Amsterdam und Nurn- berg, wo alle etwas grosse Zahlungen in der Bank abgeschrieben werden, ist ein besonderes Bankobuch durchaus noͤtig, und von dem Cassabuch ganz un- terschieden. 2) In allen solchen Handelsplaͤzen werden die uͤbrigen Muͤnz-Sorten, in welchen Zahlungen ge- schehen, mit einem gewissen Agio gegen Banko-Geld berechnet. Wenn dieses Agio feste steht, wie in Ve- nedig und Genua, so macht die Berechnung desselben wenig Muͤhe, und es kann kein Gewinn oder Ver- lust daraus entstehen. Auch hier in Hamburg, wo gewisse Waaren in Curant, aber zu dem festen Agio 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. von 16 oder 20 p. C. verkauft werden, entsteht dar- aus kein besonders Conto. §. 15. Aber wenn dies Agio oͤftere Veraͤnderungen lei- det, so entsteht ein Gewinn und Verlust daraus, der keinesweges uͤbersehen werden kann, und eine besondere Rechnung erfodert, die man das Agio- Conto nennt. Z. E. wenn ein Kaufmann seine im Lagerbuch zu Banco-Wehrt angesezten Waaren teilweise den hiesigen Kraͤmern in Curant verkauft, so wird er zwar an dem Tage des Verkaufs wissen, wie viel Banco-Geld er dafuͤr in seine Buͤcher zu tragen habe, und diese Zahl moͤgte sich nur um ¼ p. C. veraͤndern, welches der Wechsler ihm abnimmt, wenn er sogleich bei demselben das empfangene Cu- rantgeld wieder in Banco umsezt. Aber dies tuht er nicht immer, weil er auch eine Casse in Curant hal- ten muß. Wenn er nun nach einiger Zeit eben dies Geld wieder ausgiebt, so wird ein gebesserter Curs des Curant-Geldes ihm mehr Banco, ein schlechte- rer weniger in sein Hauptbuch bringen, als er am Tage des Verkaufs in seinem Journal notirte. Dies wuͤrde eine Menge kleiner Rechnungen bei jedem in Curant ausgegebenen und empfangenen Posten er- fodern; doch nicht nur bei Curant, sondern auch bei jeder in der Cassa eines Kaufmanns einkommenden Cap. 6. Vom Buchhalten. oder ausgehenden Muͤnzsorte. Der Kaufmann laͤßt also diese Rechnungen fuͤr die ganze Zeit laufen, welche von Ziehung einer Balanz bis zur andern ver- laͤuft. Er bringt jede Summe, die ihm bei dem Verkauf einer Waare als Agio entsteht und im Jour- nal notirt wird, unter der fuͤr den Tag berechneten Summe ins Credit des Cassaconto, und alle Zah- lungen, die bei dem Einkauf einer Waare und Kauf oder Einwechselung von Banco-Gelde entstehen, ins Debet derselben. Von beiden wird Eine Summe beim Schluß der Balanz gezogen. Gesezt nun, an diesem Tage sein 10000 Mk. mehr im Debet des Agio-Conto, als im Credit, so wuͤrde der Unwissende dies fuͤr einen Verlust halten; aber es koͤmmt darauf an, zu welchem Curs diese 10000 Mk., die in aller- lei Conti als Einnahme und Ausgabe stecken, und zu allerlei Cursen dort gegen Banco berechnet sind, am Tage der Balanz stehen und ins Conto der Ba- lanz eingetragen werden muͤssen. Alsdann zeigt sich der Gewinn oder Verlust auf alles bis dahin berech- nete Agio n Einer Zahl. §. 16. Auch beider groͤßten Ordnung kann der zu ziehen- den Balanz nicht so vorgearbeitet werden, daß der Principal einer grossen Handlung bald nach Ende des Jahrs dazu geangen koͤnnte. Mittlerweile aber in- 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. teressirt es ihn sehr, die Lage seiner Geschaͤfte in Ab- sicht auf jeden Correspondenten oder auch jeden ein- heimischen Kundmann zu wissen, mit welchem er viele Umsaͤze macht. Dies giebt ihm sein Memorial und Journal nur Teilweise an, und es wird ihm daher noͤhtig, in ein besondres Buch die auf jeden ein- zelnen Correspondenten sich beziehende Rechnung so einzutragen, daß er, so oft er will, sehen koͤnne, wie er mit demselben stehe. Dies Buch hat den Nahmen Riscontro , und wird in mancher Hand- lung in das inlaͤndische und auslaͤndische Riscoutro geteilt. Jenes enthaͤlt die Geschaͤfte mit den Mitbuͤrgern oder Einwohnern der Stadt, dieses die mit entfernten Correspondenten. Siebentes Capitel . Von den Bankerotten . W enn ich von Bankerotten in diesen Buche das Noͤtige sage, so moͤgte es fast scheinen, als wenn ich sie zu den Huͤlfsmitteln der Handlung zaͤhlte. Das sind sie freilich fuͤr manchen einzelnen Mann, wenn Cap. 7. Von den Bankerotten. er sich zum Bankerott entschließt, und dadurch sich in einen Wolstand sezt, den er vorher nicht kannte und durch seinen Handel nicht zu erreichen wußte. Allein dann moͤgte ich viele andere Misbraͤuche und Betruͤge zu den Huͤlfsmitteln der Handlung zaͤhlen muͤssen, und dies vierte Buch noch sehr dehnen koͤn- nen. Im Ernst geredet sind Bankerotten ein boͤses Hindernis der Handlung, dem ich nur deswegen hier seinen Plaz gebe, weil doch von demselben in einem Buche, wie das meinige ist, Einmal geredet werden muß, und ich dieser Materie keinen andern Plaz anzuweisen weiß. §. 1. Hofnung und Absicht des Gewinns sind die we- sentliche Voraussezung bei jedem Handel. Die Er- fuͤllung derselben haͤngt nicht ganz von dem Handeln- den ab, nnd ist nur auf Wahrscheinlichkeit gegruͤndet. Triegt diese Wahrscheinlichkeit, entsteht der Gewinn gar nicht, oder ist nicht gros genug, um dem han- delnden Kaufmann sein Auskommen zu geben; so ist er freilich zu entschuldigen. Dann ist der Name eines ehrlichen Mannes noch nicht fuͤr ihn verloren, und eine billige Nachsicht der Geseze und Gerichte bei seinem Ungluͤk ihm freilich zu goͤnnen. Der erste Schritt, den ihm die Geseze vorschreiben, ist, daß er seine Unfaͤhigkeit, seine Passiv-Schulden zu be- 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. zahlen, seiner Obriakeit erklaͤre, alles, was er bis dahin besizt, ihr oder den von ihr dazu befugten Personen uͤbergebe, und diesen die Ausgleichung seiner Activ- und Passiv-Schulden uͤberlasse. Dann aber wird er nach diesem Vorgange allen unangeneh- men Verfolgungen seiner Glaͤubiger, und insonder- heit dem aus dem Wechselrecht entstandnen Rechte seiner Wechselglaͤubiger an sein Vermoͤgen, ja sogar an seine Person einstweilig entzogen. Diesen Vor- gang nennt man einen Bankerott . §. 2. Wer mit den Rechten und deren Geschichte nur maͤssig bekannt ist, weiß, welch ein strenges Verfah- ren dieselben, insonderheit in Deutschland, dem Glaͤubiger gegen den nicht Zahlungsfaͤhigen Schuld- ner erlaubten, und daß er nicht nur mit seinen Guͤtern, sondern selbst mit seiner Person dem Glaͤu- biger haftete. Herr Prof. Fischer hat daruͤber in dem ersten Bande seiner Geschichte der Deut- schen Handlung viel belehrendes demjenigen ge- sagt, der in Ruͤksicht auf die Handlung von diesen Rechten unterrichtet sein will; aber auch zu viel darin zu finden geglaubt, da er meint, schon hierin liege der Grund des Wechselrechts. Es ist auch aus- serhalb dem Wechselrecht sehr viel von diesen Rechten der Glaͤubiger in den noch bestehenden Gesezen man- Cap. 7. Von den Bankerotten. cher Deutschen und Nordischen Staaten uͤbrig, das auch selbst in dem Verfahren gegen verungluͤkte oder in der Zahlung ihrer Wechsel saͤumige Kaufleute gilt. In den Daͤnischen Staaten gilt noch keine ordentliche Verfuͤgung uͤber die Erklaͤrung der Insolvenz eines Kaufmanns, sondern der Glaͤubiger laͤßt seinen Schuldner in Verhaft nehmen, wo er ihn findet, der daher die Flucht uͤber die Grenze nimmt, und dann auf sicheres Geleite wieder zuruͤkkoͤmmt. Auch in Hamburg hat vor erklaͤrter Insolvenz der Wech- selglaͤubiger die Wahl, ob er bei dem Gerichte die Pfaͤndung oder den persoͤnlichen Verhaft seines Schuldners verlangen will. In lezter Absicht nimmt er einen Freizettel auf ihn, der ihn aber nur berech- tigt, ihn von der Gasse, nicht aus seinem Hause, wegnehmen zu lassen. Ein Mittel, das alsdann wirksamer als die Pfaͤndung ist, wenn der Schuld- ner noch nicht zur Insolvenz-Erklaͤrung reif oder ent- schlossen ist, nur durch Ausfluͤchte dieser oder jener Art sich hinzuhalten sucht, oder aus Eigensinn Ein- wendunge macht. In den Herzogtuͤhmern Sles- wig und Holstein ist das sogenannte Einlager- Recht ( Jus Obstagii ) von Alters her uͤblich, jedoch in Folge einer dem Schuldschein angefuͤgten Verbind- lichkeit, ohne welche jedoch nicht leicht eine Standes- Person, am wenigsten ein Guͤterbesizer ein Darlehn erlangt. Doch ist sie in manchen Teilen dieser Her- 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. zogtuͤhmer, auch bei Schuldverschreibungen von Leu- ten geringern Standes, uͤblich. Die Folge davon ist nicht eigentliche Gefangensezung; sondern der Glaͤubiger deutet dem Schuldner einen Ort oder ge- wissen District an , wohin er sich begeben muß, und nicht von dort weichen darf, bevor er ihn befriedigt hat. Immittelst ist jener diesem zur Erteilung eines aͤusserst kaͤrglichen Tagegeldes gehalten. Geht der Schuldner nicht in das ihm angewiesene Einlager, oder entweicht er aus demselben, so hat er seine Ehre verwirkt. Es hat Faͤlle der Art gegeben, in welchen die Gerichte darauf erkannt haben, daß einem Ade- lichen Schild und Helm von ehrloser Hand zerbro- chen ward. §. 3. Zwar ist in Staaten, wo Recht und Ordnung gilt, einem jeden Buͤrger und Landmann, der in seinem Nahrungs-Stande so zuruͤk koͤmmt, daß er seine ein- gegangenen Verpflichtungen nicht erfuͤllen, und seine Schulden nicht bezahlen kann, gleich dem Kaufmann, erlaubt, ja gewissermassen vorgeschrieben, daß er seine Guͤter den Gerichten uͤbergebe, und unter deren Autoritaͤt seinen Glaͤubigern die aus deren Ver- kauf entstehende Verguͤtung zugeteilt werde. Man nennt dies das Beneficium Cessionis Bonorum, ein in der Deutschen Gerichtssprache bisher nicht mei- Cap. 7. Von den Bankerotten. nes Wissens uͤbersezter Ausdruk. Die Folge davon ist ein uͤber diese abgetretenen Guͤter verhaͤngter Concurs. Das Wolthaͤtige dabei ist in den meisten Faͤllen blos die einstweilige Befreiung von der Ver- folgung der Glaͤubiger, die, so lange dieser Schritt nicht geschehen ist, in der Ausuͤbung ihrer einzelnen Rechte freilich ihren Glaͤubiger sehr kraͤnken koͤnnen, und auch dies zu tuhn gewohnt sind. Aber dann versprechen auch die Rechte dem Schuldner keine wei- tere Vorteile, und uͤberlassen ihn dem huͤlfslosen Zustande eines Menschen, der nun nichts mehr be- sizt, wenn derselbe kein neues Mittel zu waͤhlen weiß, sich ein Auskommen zu verschaffen. Dagegen aber ist es der Geist aller Verordnungen uͤber Banke- rotte, dem in Ungluͤk gerathenen Kaufmann nicht alle Mittel abzuschneiden, durch welche er nach der Abtretung seiner Guͤter, wo nicht seinen alten Wol- stand, doch einen gewissen Nahrungsstand wieder erlangen kann. §. 4. Die gewoͤhnlichste Veranlassung zum Bankerott eines eigentlichen Kaufmanns entsteht aus dem Wech- selrechte in Staaten, wo dasselbe foͤrmlich eingefuͤhrt ist, aber auch daruͤber gehalten wird, keine mora- toria erteilt werden, und nicht etwan auf Wechsel- klagen der Bescheid erteilt wird, man koͤnne den 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. Buͤrger nicht druͤkken. Wer seinen Wechsel nicht an dem lezten Verfalltage, die Fristtage mit eingerech- net, bezahlen kann, und nun der Pfaͤndung oder persoͤnlichen Haft ausweichen will, zu welcher sein Wechselglaͤubiger nicht blos befugt, sondern, wenn er sein Recht nicht ganz verlieren will, gehalten ist, muß diesen Schritt tuhn. Die Benennung Bankerott deutet darauf hinaus, daß derselbe urspruͤnglich die Aufhebung oder den Bruch einer Wechselbank zur Folge hatte. Denn die Bedeutung des Worts Bank als Tisch, oder Privatcasse der Wechsler, oder uͤberhaupt solcher Maͤnner, die mit Geldgeschaͤften auch als Kaufleute zu tuhn hatten, ist gewiß aͤlter, als die oͤffentlichen Banken. Im Altertuhm hies der Geldwechsler Trapezita . Eine ihrer Griechischen Ableitung nach dem Wort, Banker , ganz gleich geltende Benen- nung! So gewoͤhnlich nun die Cessio Bonorum, oder die Aufgebung seines Eigentuhms an die Gerichte von Alters her gewesen ist, so bekam diese Hand- lung die erwaͤhnte Benennung, wenn ein Kaufmann sich dazu genoͤtigt sah und seine Wechsel- und Geldge- schaͤfte dadurch ins Stokken geriethen. Seine Bank war nun, so zu reden, gebrochen . Allein die bei solchen Schritten so oft sich entdekkende, oder von unwilligen Glaͤubigern auch oft ohne Grund ange- Cap. 7. Von den Bankerotten. nommene Absicht des Betruges, machte die Benen- nungen Fallissement und Fallit entstehen. §. 5. Ehe die Wechsel-Geschaͤfte und das Wechselrecht in einen lebhaften Gang kamen, war ohne Zweifel die oͤfter vorkommende Veranlassung, welche einen Kaufmann zum Ungluͤk brachte, der Verlust an Schif- fen und Guͤtern auf der See, zumal da noch keine Assecuranzen sehr uͤblich waren. Ein Ungluͤk dieser Art erregte natuͤrlich mehr Nachsicht bei Gesezgebern und Richtern, und die Unschuld des insolvent ge- wordenen Kaufmanns war klaͤrer, als bei allen an- dern Vorfaͤllen, die einen Buͤrger in seinem Nahrugs- stande betreffen, ihn zuruͤk sezen und den Schuz der Obrigkeit zu suchen noͤtigen konnten. Damals scheint mir der gewoͤhnlichere Weg, durch welchen sich ein solcher zu retten suchte, das Ansuchen um einen Fri- stungsbrief , oder ein jezt sogenanntes Mora- torium , gewesen zu sein, und die Erlangung des- selben bei der Obrigkeit nicht schwer gehalten zu ha- ben. Allein alle Obrigkeiten mußten in dem Masse, wie das Wechselrecht bei den Gerichten mehr und mehr guͤltig ward, es bald einsehen, daß mit diesem solche Fristungsbriefe sich durchaus nicht vertruͤgen, wenn gleich jezt manche Obrigkeit noch immer zu willfaͤhrig in Erteilung derselben ist, selbst wenn der 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. Bruch eines Kaufmanns durch Wechsel veranlaßt wird. Dadurch ward also die Erklaͤrung der Insol- venz eines Kaufmanns zu einer minder vermeidlichen und keines Aufschubs faͤhigen Handlung. Aber man hegte doch noch immer einen Teil der Nachsicht gegen den ungluͤklichen Wechsel-Schuldner, welche die Ge- richte aus eben angefuͤhrten Gruͤnden fuͤr den durch andre Unfaͤlle verungluͤkten Kaufmann hegten, und raͤumte ihm Woltahten ein, die bei der sonst gewoͤhn- lichen Cessione Bonorum nicht Statt hatten. Noch Ein Grund der Nachsicht fuͤr den verun- gluͤkten Kaufmann ist dieser, daß man seiner Gegen- wart und seiner Dienste bedarf, um seine Sache zu berichtigen, seine Activ- und Passivschulden richtig darzustellen, und die oft sehr verwikkelte Berechnung und die vor jedem Bankerott gewoͤhnlich in Unordnung gerahtenen Buͤcher in Ordnung bringen zu helfen. Man muß also verhuͤten, daß er sich nicht aus Furcht vor persoͤnlicher Haft, oder unter dem Vorwande, sein Auskommen sonst irgendwo zu suchen, entferne. Es giebt Staaten, in welchen der Anfang des Ban- kerotts die Flucht des Glaͤubigers ist, weil er nicht gesezmaͤssig um die Befreiung von persoͤnlicher Ver- folgung seiner Glaͤubiger anhalten darf. Dann aber verweilt er an der Grenze, und wird sehr bald durch ein sichres Geleit wieder herbeigezogen. Dieser Um- Cap. 7. Von den Bankerotten. stand insonderheit macht dem Falliten das benefi- cium Competentiae oder die Woltaht entstehen, daß ihm aus seinen Guͤtern ein anstaͤndiger, wiewol im Verhaͤltnis zu dessen Concurs-Masse oft sehr spar- samer, Unterhalt gereicht werden muß. Dies hat nicht bei jeder andern Cessione bonorum Statt. Wenn nach Staͤdtischen Statuten ein Buͤrger aus dem Besiz seines verschuldeten Grundstuͤcks, inson- derheit eines Hauses, gesezt wird, so ist nicht die Frage, wo er seinen Unterhalt von dem Tage an fer- ner hernehmen wolle oder koͤnne. Auf dem Lande laͤßt man den zum Concurs gebrachten Bauern auf seinem Grundstuͤcke, um den Landbau unter Auf- sicht bis zu geendigtem Concurse fortzusezen. Er ist also bis dahin wie ein Knecht in dem Dienste seiner Glaͤubiger. §. 6. Die Hauptwoltaht, wodurch sich ein Kaufmaͤn- nischer Bankerott von der gewoͤhnlichen Cessione bonorum in seinen Folgen unterscheidet, ist diese, daß er sich gewoͤhnlich durch einen Vergleich endigt, in welchen dem Schuldner von seinen Glaͤubigern nicht selten so viel erlassen wird, daß ihm noch ein Teil seines besessenen Vermoͤgen suͤbrig bleibt, der ihn allenfalls in den Stand sezt, sein Gewerbe oder ein anderes wieder anzufangen, von welchem er sein Aus- 2ter Teil. L 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. kommen einigermassen hoffen kann. Freilich ist dies bei jedem andern Concurs den Glaͤubigern unverbo- ten, wenn sie Guͤte uͤben wollen. Es ist auch bei Bankerotten nicht Pflicht jedes einzelnen Glaͤubi- gers, in einen solchen Vergleich zu willigen, wenn er gleich von allen uͤbrigen angenommen ist. Aber durch Gruͤnde des Mitleidens und der Nachsicht, die bei dem wirklich ungluͤklichen Kaufmann vorzuͤglich Statt finden, ist es so sehr zur Gewohnheit gewor- den, daß es freilich in einigen Staͤdten und Laͤndern in vielen Faͤllen zum Misbrauch ausartet, und ein mit Schlauheit gemachter Bankerott wirklich ein Mittel zur Vermehrung des Wolstandes fuͤr man- chen wird. Zwei Ursachen wirken hiebei insonderheit mit ein. Die erste ist die Gewoͤhnung des grossen Kauf- manns an den Verlust durch boͤse Schulden, die ihn zu einer Art von Gleichguͤltigkeit vorbereitet, bei welcher er das, was er aus einem Bankerott an dessen Ende durch einen Accord rettet, gewissermassen als gewonnen ansieht. Ich kann nicht unbemerkt lassen, daß der bei vorfallenden Bankerotten gewoͤhnliche Ausdruk: der oder der hat so viel Tausend Tahler verloren, dem Credit des verlierenden oft sehr schaͤd- lich ist. Man hoͤrt nur die im Concurs stekkende Summe nennen, und erfaͤhrt selten hintennach, Cap. 7. Von den Bankerotten wie viele Procente von derselben gerettet sind. Es waͤre gewiß dem Credit der Kaufleute uͤberhaupt zu- traͤglich, wenn von allen wichtigen Concursen in sol- chen oͤffentlichen Blaͤttern, welche der Kaufmann zu lesen gewohnt ist, am Ende jedes Concurses Nach- richt eingeruͤckt wuͤrde, wie viele Procente der Fallit gegeben habe. Dadurch wuͤrde dem Credit manches Mannes wieder aufgeholfen werden, der durch jene unbestimmte Sage, daß er so viel verloren habe, Noht leidet. Aber ich bescheide mich auch, daß eine solche Nachricht oft zu spaͤt erscheinen wuͤrde. Die groͤßte Gefahr eines Kaufmanns, durch den Banke- rott eines andern niedergerissen zu werden, ist als- dann, wenn derselbe ausbricht. Denn da entbehrt er die verlorne Summe auf eine Zeitlang ganz, und man faͤngt an, schon besser von ihm zu denken, wenn er in der Zeit, die bis zum Ende des Concurses ver- laͤuft, sich zu halten im Stande ist. Eine zweite Ursache ist, daß auslaͤndische Glaͤu- biger die Schwierigkeit oft zu sehr fuͤrchten, ihre Rechte gegen den Falliten gehoͤrig durchzusezen. Ei- nes Teils kennen sie die Falliten-Ordnungen des Staats, wo der Bankerott vorfaͤllt, nicht immer und hinlaͤng- lich; wiewol dies billig das erste sein sollte, nm welches ein Kaufmann, insonderheit auf seinen Rei- sen, sich bekuͤmmern sollte. Andern Teils koͤnnen L 2 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. sie nicht umhin, ihre Sache in die Haͤnde von Man- datarien zu geben, welche sehr oft, als Mitbuͤr- ger des Falliten mehr Frenndschaft fuͤr diesen, als fuͤr ihre Mandanten hegen, und bei diesen deren Wort reden. §. 7. Es wuͤrde mich zu weit fuͤhren, aus den Falli- tenordnungen handelnder Staaten das Uebereinstim- mende und Abweichende hieher zu sezen, und ich kann mir nur vorsezen, einige Hauptbemerkungen zu machen. Die erste ist diese: da die mildere Be- handlung des Kaufmanns in denselben ihren Grund in der Voraussezung hat, daß die Handlung Un- gluͤksfaͤllen unterworfen ist, welche bei andern buͤr- gerlichen Geschaͤften nicht Statt haben, so sollten billig keine Fallit-Geseze fuͤr andere Personen als solche gelten, welche beweisen koͤnnen, daß sie eigent- liche Handlungsgeschaͤfte getrieben haben, keineswe- ges aber fuͤr solche, welche in dem Gange solcher buͤr- gerlichen Geschaͤfte leben, die keinen unerwarteten Unfaͤllen ausgesezt sind, und deren ganzes Ungluͤk darin besteht, daß sie Einnahme und Ausgabe nicht im Gleichgewicht zu erhalten verstanden haben. Am wenigsten aber sollten sie fuͤr solche gelten, die, es sei durch oͤffentlichen oder Privatauftrag, mit fremdem Gelde gewirtschaftet und dieses in ihrem eigenen Ge- Cap. 7. Von den Bankerotten. brauch und Verschwendung verwandt haben. Kurz, nur ein wirklicher Kaufmann sollte eigentlich Banke- rott machen duͤrfen, jene aber dem gewoͤhnlichen gegen schlechte Schuldner Statt habenden Gange im- merhin ausgesezt bleiben. Es dient solchen Leuten gewiß zu ihrem Nuzen und Frommen, und haͤlt sie ab, ihre kleine keinen eigentlichen Ungluͤksfaͤllen aus- gesezte Wirtschaft so leichtsinnig zu treiben, als man sie es da tuhn sieht, wo sie gleich bei dem Anfange derselben ihre Aussicht darauf hinaus nehmen koͤnnen, daß sie, wenn sie eine Zeitlang gepraßt und ge- schwelgt haben, durch einen foͤrmlichen Bankerott sich jeder Anfoderung an sie entziehen und wieder rein waschen koͤnnen. Dieß aber ist ein wesentlicher Fehler mancher solcher Verordnungen, daß man nicht nur Huͤlfspersonen der Handlung, wie z. E. Maklern und Buchhaltern, sondern auch Handwer- kern und Leuten aller Art, die von festgeseztem oder zufaͤlligem Verdienste leben, ein ordentliches Fallisse- ment erlaubt, und ihnen mehr oder weniger die Vor- teile angedeihen laͤßt, welche nur die billige Ruͤksicht auf die Unfaͤlle der Handlung in diese Verordnungen gebracht hat. Es sind der Menschen nur sehr we- nige, die sich gewoͤhnen koͤnnen, mit fremdem Gelde gewissenhaft umzugehen und nicht in dasselbe zu grei- fen, wenn ihre Beduͤrfnisse sie dazu veranlassen. Auch der noch nicht unredliche Mann rechnet darauf 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. hinaus, daß sein Verdienst ihn bald in Stand sezen werde, die gemachte Luͤkke wieder zu fuͤllen. Nun sind der Geschaͤfte dieser Art so viele, welche doch dem, der sie gut treibt, Wolstand geben. Es ist jener Ungluͤk so sehr, als derjenigen, in deren Geld sie ein- greifen, wenn sie unordentlich wirtschaften. Wenn nun zu milde Fallitenordnungen ihnen die Aussicht geben, sich durch eine Insolvenzerklaͤrung den sonst rechtmaͤssigen Verfolgungen ihrer Glaͤubiger zu ent- ziehen, so entsteht dadurch eine Veranlassung mehr zum Leichtsinn. In keinem Staat wird diese Nachsicht und die Woltahten der Insolvenzerklaͤrung auf solche Leute ausgedehnt, welche das Geld desselben angrei- fen. Aber man sollte nicht minder Strenge gegen diejenigen uͤben, durch deren Wirtschaft Privatper- sonen, insonderheit Unmuͤndige, oder unter Cura- tel stehende Wittwen, in den Verlust ihres Vermoͤ- gens gesezt werden. Auch der Kaufmann sollte nicht durch Bankerotte seiner Makler so oft leiden, als dies wirklich vorfaͤllt. Denn seine Gefahr ist groß genug in dem uͤbrigen Credit, den er mit Hofnung ei- nes Vorteils geben muß, der ihm aber nicht entsteht, wenn er sein Geld so lange in den Haͤnden eines Maklers lassen muß, von welchem er nie Geld- Gewinn erwartet, sondern der eigentlich aus seiner Hand lebt. Cap. 7. Von den Bankerotten. §. 8. Ich habe oben §. 6 erwaͤhnt, wie noͤtig es dem Kaufmann sei, die Fallitgeseze der Staaten zu ken- nen, auf welche er handelt. Diese wird ihm inson- derheit in Ansehung der Ausnahme nohtwendig, welche dieselben teils ausdruͤklich in den zum Concurs kommenden Guͤtern machen, teils die buͤrgerlichen Geseze des Staats angeben. Er hat Ursache inson- derheit in dem Credit behutsam zu sein, welchen er an Kaufleute solcher Staaten giebt, deren Regenten in Geldgeschaͤften mit denselben verwikkelt sind. Denn da gilt immer die Regel, daß der Regent allen uͤbrigen Glaͤubigern vorgreift. Dies ist ganz recht, wenn es von dem Falliten bekannt gewesen ist, daß er Banker seines Landesherrn gewesen sei, oder daß er eine Manufactur mit Herrschaftlicher Unterstuͤzung betrieben habe. Aber es ist sehr unrecht, wenn der Fuͤrst als Privatmann mit ihm Umsaͤze macht, und der Fallit, der sich bewußt war, eine offene Casse bei dem Landesherren zu haben, durch seinen Aufwand oder durch scheinbar grosses Gewuͤhl in seiner Hand- lung die Augen seiner Glaͤubiger lange blendete. Der Credit manches Kaufmanns gruͤndet sich hauptsaͤchlich auf den Umstand, daß man von ihm weiß, er habe reich geheirahtet. Aber nicht immer weiß jeder seiner Glaͤubiger, daß in dem Staat, wo 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. derselbe lebt, keine Gemeinschaft der Guͤter zwischen Eheleuten, oder zwischen dem Vater und den Kin- dern einer reichen schon verstorbenen Mutter gelte, auch wenn er nicht wieder verheirahtet ist, und ihnen ihr Erbteil nicht abgesagt hat. Die strenge Gemein- schaft der Guͤter gilt nur in wenigen handelnden Staa- ten, so wie in Hamburg und Luͤbek. Hier bleibt auch der Vater im vollen Besiz des beheirahteten Vermoͤgens und darf seinen Kindern nichts absagen, wenn er nicht zum zweiten mal heirahtet. Vor der im J. 1753 beliebten Hamburgischen Falliten-Ord- nung kam daher das ganze beheirahtete oder bis da- hin geerbte Vermoͤgen der Frau und der noch nicht ab- gesagten Kinder eines Falliten in dessen Fallit-Masse. Damals aber ward festgesezt, daß die Frau das ihrige ganz heraus nimmt, wenn der Mann innerhalb der ersten fuͤnf Jahre der Ehe bricht, und bewiesen wer- den kann, daß er schon vor der Ehe im Ruͤckstande gewesen sei. Es ist klar, daß, im Durchschnitt genommen, Hamburg und uͤberhaupt jeder Handelsplaz, wo diese Gemeinschaft der Guͤter zwischen Eheleuten gilt, mehr aus allen dort vorfallenden Bankerotten, als diese dorthin zahlen. Die Billigkeit spricht also fuͤr die Aufhebung dieser Gemeinschaft in handelnden Staaten. Zwar giebt man gewoͤhnlich zum Grunde Cap. 7. Von den Bankerotten. an, der Credit eines Kaufmanns werde dadurch um so viel solider. Aber es ist ein wunderliches Ding um den Credit. Nur selten wird bei einem reichen Manne weiter hinaus gedacht, als daß er jezt reich sei, und ein Kaufmann, von welchem man weiß, daß er viel beheiratet habe, gilt in der gemeinen Mei- nung fuͤr gleich glaubenfest in Sachsen und in Ham- burg, so lange man seine Geschaͤfte uͤberhaupt fuͤr gewinnvoll haͤlt, und keine Vorfaͤlle kund werden, die in seinem Nahrungs- und Vermoͤgens-Stande ihn zuruͤcksezen. Dann aber ist auch wirklich etwas har- tes darin, daß eine Frau, welche keine Einsicht in den Gang der Geschaͤfte ihres Mannes hat oder ha- ben kann, mit dem Verlust ihres ganzen Vermoͤgens bei deren ungluͤklichem Ausgange buͤssen soll. Billig muͤßte sie die Rechte eines Glaͤubigers mit geniessen, und ihr Vermoͤgen um so viel mehr als ein vorge- schossenes Capital angesehen werden, da dasselbe dem Manne keine Zinsen, wie andre von ihm aufgeborgte Capitalien, gekostet hat. §. 9. So sehr sich die Geseze und Gerichte der Sache, wovon ich rede, angenommen haben, so unvollkom- men halte ich doch diesen Teil der kaufmaͤnnischen Gesezgebung. Ich wil also noch von einigen Maͤn- geln derselben reden, die in Einem handelnden Staat mehr, in einem andern weniger Statt haben. 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. Die erste ist: die ungemeine Langsamkeit in Been- digung der Concurse. Ich darf nicht wiederholen, daß manchem Kaufmann das lange Entbehren seines Geldes wol so lastig und verderblich werde, als der Verlust, welchen er am Ende in einem nicht gar schlecht ausfallenden Concurse leidet. In dieser Lang- samkeit zeichnen sich insonderheit die Hollaͤndischen Ge- richte aus. Das Ende eines an die Amsterdamische Boedelkamer (dies ist die Benennung des dorti- gen Concurs-Gerichtes) gelangten Concurses wird als unabsehlich angesehen. Daß dies Grund habe, zeigt sich allein aus diesem Beispiel, daß der Deneuf- villische Concurs, welcher im Jahre 1763 den Aus- bruch der grossen Handlungszerruͤttung veranlaßte, in dieser Kammer noch nicht gaͤnzlich beendigt ist, da die in Hamburg damals vorgefallenen vielen Concurse, selbst die, welche sich vor dem Gericht, und nicht durch einen Akkord endigten, in wenig Jahren abgetahn waren. Ich bin zwar nicht unterrichtet, ob diese Langsamkeit von einer zu grossen Puͤnktlichkeit in der rechtlichen Behandlung, oder der Sorgsamkeit, einem jeden sein Recht zu tuhn, oder wo sonst her ruͤhre. Aber selbst solche Gruͤnde entschuldigen nicht. Den Glaͤubiger kraͤnkt es nicht so sehr, wenn ihm nicht sein volles Recht gewaͤhrt wird, als daß ihm sein Geld lange zuruͤkgehalten wird. Eine natuͤrliche Folge davon ist auch, daß er so viel williger zu einem Cap. 7. Von den Bankerotten. stillen Akkorde wird, in welchem er zu viel von sei- nen Rechten aufgiebt, je mehr Zoͤgerung er von der gerichtlichen Handhabung des Concurses befuͤrchtet. Derjenige, welcher in dem Vorsaz zu betruͤgen sich insolvent erklaͤrt, hat daher viel besser Spiel in einem solchen Staate. Zudem haben die Gerichte bei Fal- lissementen es mehrenteils mit Personen zu tuhn, die aus dem §. 6 angegebenen Grunde schon sehr geneigt sind, mehr von ihren Rechten aufzugeben, als sie bei genauer Handhabung der Gerechtigkeit erwarten koͤnnen. §. 10. Das zweite ist, daß in den Fallitgesezen keine Kraft ist, den Misbrauch zu stoͤren, da ein dem Bankerott naher Kaufmann den ihm noch uͤbrigen Credit zu Geschaͤften benuzt, welche keine andere Absicht haben, als seine Concursmasse auf Unkosten einzelner zu verbessern, d. h. durch Wechsel- oder Waarenkauf grosse Summen an sich zu ziehen, um so viel mehr Procente im Accord anbieten zu koͤnnen. Z. B. er uͤbersieht seinen Zustand und findet, daß, wenn er heute Bankerott macht, er auf seine bisherige Schuldenmasse von 100000 Tahlern nur etwan 30 p. C. anbieten kann. Nun trassirt und kauft er, so viel er nur immer kann, und zieht dadurch noch 4. Buch. Von Huͤlfsgeschaͤften der Handl. 50000 Tahler ein. Er wird also nun 150000 Tah- ler schuldig; aber seine Masse wird 80000 Tahler wehrt. Er kan also im Durchschnitt 53 p. C. und bei dem Vorzuge, welchen die Fallitordnungen den aͤl- tern Obligationen geben, allenfalls fuͤr diese 75 p. C. zahlen. Seine Vorteile sind: erstlich daß seine Cu- ratoren ihm aus einer so guten Masse ein so viel besseres Kostgeld zuteilen. Weit wichtiger aber ist zweitens, daß sein Bankerott einen guten Namen bekoͤmmt. Der Mann, heißt es, hat 75 p. C. ge- geben, und er findet bald neuen Credit, wenn er wieder zu handeln anfaͤngt. Zu solchen Kniffen hilft insonderheit das sehr viel, daß in den Falliten- Ordnungen die aͤltesten Hypothekarischen oder Obli- gations-Schulden doppelt so viel, als Wechsel und Buch-Schulden bekommen, und die neuern Obliga- tions-Schulden in der Mitte stehen. Ich weiß, was fuͤr Gruͤnde fuͤr diese Verfuͤgung reden, denen ich in meiner Abhandlung vom Wechselrecht ihr Gewicht eingeraͤumt habe. Aber hart ist es doch, daß ein Mann, der mit einer so deutlichen Absicht des Betrugs in einen so nahen Bankerott hinein- gezogen ward, mehr verlieren soll, als ein ande- rer, der dem Falliten vor vielen Jahren Geld ge- liehen und so lange Zeit durch die Zinsen dafuͤr ge- zogen hat. Cap. 7. Von den Bankerotten. §. 11. Eben ein solcher Mangel der gesezlichen Ver- ordnungen zeigt sich in Ansehung des sogenannten Dekkens , d. i. der kurz vor dem Bankerott ge- leisteten Bezahlung an Verwandte oder Freunde, wobei auch wol scheinbare Bezahlung an solche vor- faͤllt, die nicht eigentlich Glaͤubiger des Falliten wa- ren. Die Absicht dabei ist kuͤnftige Unterstuͤzung, wenn der Fallit seine Geschaͤfte aufs neue anfangen will. Das Indossiren der dem Falliten gehoͤrenden Wechsel, das Verpfaͤnden oder Uebergeben eines Waarenlagers an solche Freunde kurz vor dem Aus- bruche eines unabwendlichen Bankerotts ist so ge- woͤhnlich, als es unredlich und durchaus verdammlich ist, daß ein Mann, der schon weiß, daß er weni- ger als nichts besize, daß ihm eigentlich nichts mehr auf der Welt eigen gehoͤre, hier nehmen, dorthin geben duͤrfe. Fuͤr eine gerechte Gesezgebung muß es gewiß keine unuͤberwindliche Schwierigkeit haben, den Punct zu bestimmen, bei welchem, auch schon vor erklaͤrtem Bankerotte, die Faͤhigkeit eines Kauf- manns aufhoͤre, von seinem bisherigen Eigentuhm etwas zu veraͤussern, so daß alle dennoch spaͤter geschehene kaufmaͤnnische Transactionen unguͤltig waͤren. Ich werde vielleicht einige naͤhere Gedan- ken daruͤber in den Zusaͤzen nachtragen. Fuͤnftes Buch. Von der Handlungs-Politik . Erstes Capitel. Allgemeine Historische Anmerkungen uͤber die Veraͤnderungen der Hand- lungs-Politik bis zu ihrem jezigen Zustande . §. 1. A ls Handel und Gewerbe unter denen Voͤlkern bluͤheten, welche in der Cultur den uͤbrigen am mei- sten voreilten, dauerte es noch lange Zeit, ehe die Re- genten der Staaten die Handlung fuͤr etwas mehr als eine Quelle ihrer eigenen Bereicherung ansahen. Von dem Gedanken, daß auf derselben die Gluͤk- seligkeit ihres Volkes und die Vermehrung von dessen Zahl beruhete, waren sie lange sehr fern. Sie zo- gen ihre Zoͤlle von der Handlung, freueten sich, wenn sie mit deren Anwachs mehr Einnahme hatten, wuß- ten aber nichts zur Sache zu tuhn, wenn die Hand- lung und mit derselben ihre Einnahme abbrach. Desto freier aber war dann auch der Kaufmann. Wenn er selbst durch sein Gewerbe reich ward und C. 1. Veraͤnderung der Handl. Politik ꝛc. durch seine Betriebsamkeit den Nahrungsstand seiner Mitbuͤrger verbesserte, und Auskommen, Wolstand und Reichtuhm unter denselben verbreitete, so war dies ganz sein Werk, und das Volk hatte nichts da- von seinen Regenten zu verdanken. §. 2. Der Gedanke an ein allgemeines Handlungs- Interesse fuͤr den Staat, entstand zu allererst in denen Staͤdten, von welchen, durch ihre Lage veranlaßt, die Seehandlung lebhaft betrieben ward. Die Regen- ten derselben suchten sich mit andern Voͤlkern in Ver- bindungen zu sezen, die ihrer Handlung vorteilhaft waren. Ein bekanntes Beispiel ist die Verbindung des Koͤnigs Hiram zu Tyrus mit dem Koͤnig Salomo. Sie suchten sich in der Ferne Handlungs-Etablisse- menter zu erwerben, doch noch ohne Absicht von Ero- berungen von Land und Leuten. Einige dieser Eta- blissementer wurden nachher Staaten fuͤr sich, und fuhren in demselben Wege fort. An Colonien der Art, wie sie in neuern Zeiten entstanden sind, ward damals nicht gedacht, aus Ursachen, die ich bereits B. 2. C. 2. §. 2 angegeben habe. §. 3. Carthago war der erste handelnde Staat, der es sich einfallen ließ, Laͤnder zu uͤberwaͤltigen, um mit 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. denselben desto sicherer zu handeln. Die Ausdeh- nung seines Gebiets gab ihm nicht die dazu noͤtige Mannschaft. Aber seine Handlung gab ihm die noͤ- tigen Geldeskraͤfte, um durch groͤßtenteils gedungene Heere seine Eroberungssucht zu befriedigen. Doch hat er auch das erste Lehrgeld fuͤr die Wahrheit gege- ben, daß Eroberungs-Sucht sich nicht fuͤr einen han- delnden Staat schicke. §. 4. Rom hat, so lange es ein Freistaat war, nur den Geist der Eroberung, aber niemals, auch spaͤ- terhin nicht unter den Kaisern, den wahren Geist der Handlung gehabt. Die Schatzungen der uͤber- wundenen Voͤlker machten Italien reich; aber die Handlung eben jener Voͤlker entzog ihm seine Reich- tuͤhmer wieder, und machte es am Ende wirklich arm. Die Regenten selbst sahen nur auf ihre Zoll-Einkuͤnfte. Als spaͤterhin die barbarischen Voͤlker vom Norden her in die Roͤmischen Grenzen eindrangen, ward in den mit ihnen von Zeit zu Zeit geschlossenen Tractaten nicht Befoͤrderung, sondern Verhinderung der Hand- lung mit denselben zur Absicht gesezt, wovon ich in den Zusaͤzen einige Beweise geben werde. §. 5. In denen Staaten, welche aus den Voͤlker-Wan- derungen entstanden, verlohr sich vollends aller Ge- C. 1. Veraͤnderungen der Handl. Politik. danke an Handlung und Handlungs-Politik. Das Feudal-System druͤkte beide gaͤnzlich danieder. Denn wo die erste Volksclasse im Staat alle uͤbrigen in den Staub tritt oder vernichtet, und sie in die Lage sezt, daß deren Schweis und Arbeit ihr einen Ueberfluß alles dessen verschaffen muß, was sie zu ihren Be- duͤrfnissen rechnet, da kann kein Gedanke an eigent- liche Handlung entstehen, und selbst die Menschen existiren da nicht, welche Handlung treiben koͤnnten. Nur der Fremdling kann seinen Vorteilen in einem solchen Volke nachsuchen; und so fand der auslaͤndi- sche Kaufmann oder Kraͤmer mit seinen Waaren, die fuͤrs Wolleben dienten, bei den Fuͤrsten und Grossen des Landes gute Aufnahme, mußte aber Ihnen einen Teil seines Gewinns in den Zoͤllen abgeben. Dazu kam, daß die kirchlichen Geseze jener Zeit das Ausleihen auf Zinsen fuͤr suͤndlich erklaͤrten. Es mußte also ein jeder Kaufmann das Geld nach und nach erwerben oder bereits ererbt haben, mit wel- chem er handeln wollte, oder sich den Juden in die Haͤnde geben, welche dieses Verbot der Kirche nicht traf. Die Privat-Industrie eines Kaufmanns ent- behrte also der grossen Huͤlfe, welche sie in jezigen Zeiten von den Vorschuͤssen reicher Mitbuͤrger hat, oder ward durch den Wucher der Juden aͤusserst er- schwert. Natuͤrlich wurden dann auch diese selbst 2ter Teil. M 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. maͤchtige Kaufleute, und bei ihnen haͤuften sich die Reichtuͤhmer teils durch die Handlung, teils durch den Wucher vorzuͤglich an. Als in spaͤtern Zeiten durch die Kreuzzuͤge noch mehr Wolleben in Europa entstand, folglich Italien den Handel mit Indischen und seinen eigenen Manu- factur-Waaren in einen lebhaften Gang sezen konnte, wozu nachher das Gewerbe der Niederlaͤnder kam, sahen die Fuͤrsten Europens, und insbesondere Deutsch- lands, die zunehmende Handlung als ein Mittel an, sich mehr Geld-Einkuͤnfte zu verschaffen, woran es ihnen bis dahin sehr fehlte. Aber an die Befoͤrde- rung der Handlung zum Nuzen ihres eigenen Landes dachten sie nicht. §. 6. In dem 13ten Jahrhundert entstand in Deutsch- land die Hansa oder die Vereinigung der See- und Landstaͤdte, hauptsaͤchlich Deutscher Nation, welche anfangs blos die Sicherung der Handlungswege, nachmals aber die Aufnahme ihrer Handlung und ihrer Manufactur-Gewerbe ohne bestimmte Ruͤksicht auf andere politische Vorteile, nemlich Unabhaͤngig- keit von dem Landesherrn und Erwerbung eines grossen Gebiets fuͤr die schon wirklich freien Staͤdte, zur Ab- sicht hatte. In diesem Bunde herrschte eine Hand- C. 1. Veraͤnderungen der Handl. Politik. lungspolitik, dergleichen das menschliche Geschlecht bis dahin nicht gekannt hatte. Eine aͤhnliche Ver- bindung war in dem suͤdlichen Deutschland entstan- den, nemlich der Rheinische Bund, der aber haupt- saͤchlich nur die Sicherheit der Land- und Flußfracht zum Zwek hatte. Desto mehr aber fehlte es den Fuͤrsten jener Zeit an wahrer Handlungspolitik, und es ist nicht zu leugnen, daß die Hansa in ihren Tracta- ten mit denselben sich Vorteile ausbedungen hat, uͤber welche man erstaunen muß, wie sich ein Fuͤrst dazu habe bequemen koͤnnen. In Schweden und in England war sie sogar von Zoͤllen frei, welche die Untertahnen bezahlen mußten. §. 7. In der ersten Haͤlfte des sechzehnten Jahrhunderts fingen die Regenten Europens zuerst an, der Han- seatischen Handlungs-Politik entgegen zu wirken. Kaiser Carl V. suchte seine Niederlaͤnder in die Fahrt auf die durch die Hanse bis dahin verschlossene Ostsee zu sezen. Die Hanse wagte, unter vorgreifendem Betriebe Luͤbeks, um dies zu hindern den sogenann- ten Grafenkrieg im Jahr 1533, und gerieht aus aͤhn- lichen Ursachen mit Schweden in offenen Krieg. Beide endigten sich zu ihrem Nachteil und mit dem Verlust der bis dahin von ihr behaupteten Vorzuͤge in dem Ostseeischen Handel. Die Regenten Eng- M 2 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. lands und insonderheit die Koͤnigin Elisabeth, von deren Regierungs-Jahren fast kein einziges frei von Haͤndeln mit der Hansa ist, gingen aͤhnliche Wege, doch ohne offenen Krieg. Man sehe davon in der Kuͤrze meine Geschichte der Welthaͤndel bei den Jahren dieser Vorfaͤlle, insonderheit bei dem J. 1630. In Frankreich sorgte Heinrich IV fuͤr die Hand- lungs-Vorteile seines Landes nach neuen eigenen oder seines Ministers Sully Entwuͤrfen. In der Mitte des vorigen Jahrhunderts sezte England die soge- nannte Navigations-Acte fest, deren eigentlicher Zwek war, nicht nur die Schiffahrt, sondern auch die Hand- lung auf und von England und seine Colonien ganz in die Haͤnde der Nation zu bringen, welches ihm nur gar zu sehr gelungen ist. In Deutschland ließ man die Sache noch lange in dem alten Wege. Die Deutschen Fuͤrsten freuten sich, von den oft wieder- spenstigen Hanse-Staͤdten ganz Herren geworden zu sein, und leerten ihre Cassen im Ankauf der Fran- zoͤsischen Waaren zum Behuf ihres Wollebens aus, nachdem die Manufacturen in Deutschland mit dem Hanseatischen Bunde groͤßtenteils zu Grunde gegan- gen oder mit den nun veraͤnderten Moden minder angenehm geworden waren. In Spanien stand es noch schlechter. Hier wurden die inlaͤndischen Gewer- be durch hohe Auflagen niedergedruͤkt, und der Handel C. 1. Veraͤnderungen der Handl. Politik. der Auslaͤnder desto freier gelassen. Es war eine Zeit, da von aͤhnlichen Waaren diese gar keinen Zoll, die Untertahnen aber hohe Rechte bezahlten. Man war zufrieden, und ist es gewissermassen noch, wenn America nur Silber genug hergiebt, um dem Aus- laͤnder die von ihm angekauften Beduͤrfnisse des Le- bens und des Wollebens zu bezahlen. §. 8. Dies alles hat sich im jezigen Jahrhundert sehr ge- aͤndert; es sind wenig Fuͤrsten in Europa, welche nicht sich bestrebten und zur Regel machten, ihrem Lande alle Gewerbe und Handlungs-Vorteile zuzu- wenden, welche fuͤr dasselbe Statt haben, wenn sie gleich in Anwendung dieser Regel nicht alle die rech- ten Mittel waͤhlen. Hiezu koͤmmt, daß insonder- heit in diesem Jahrhundert der Colonie-Handel zu einer so grossen Hoͤhe und Ausdehnung gestiegen ist, von welchem Handel das Altertuhm wenig oder gar nichts wußte. Im Ganzen ist also die Handlungs- Politik unsrer Zeit gewissermassen als eine ganz neue Kenntnis anzusehen. Sie hat sich so sehr aller Hoͤfe bemaͤchtigt, daß seit einem Jahrhundert alle Kriege, den kurzen Krieg von 1733 ausgenommen, die Hand- lung zur ersten Veranlassung gehabt haben, oder in dem Verfolge Handlungskriege geworden sind. 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. §. 9. Zwar ist dieselbe ein Geschaͤfte der Regenten aller Staaten, in welchem der Kaufmann sehr oft der lei- dende, selten der mitwirkende und seinen Einsichten folgende Teil ist. Aber er hat doch viele Gruͤnde, diese Kenntnis sich eigen zu machen; denn 1) sehr viele handelnde Staaten sind doch Re- publiken, oder ihre Verfassung naͤhert sich der Re- publikanischen Form. In diesen gilt also das Wort des Kaufmanns vorzuͤglich in den Berahtschlagungen uͤber das Beste der Handlung. 2) In Staaten, wo der Kaufmann sich jezt alle Verordnungen des Landesherren in Ansehung der Handlung gefallen lassen muß, kann es sich doch aͤn- dern, wie es sich jezt in Frankreich so sehr aͤndert, ohne daß deswegen eine aͤhnliche Revolution in an- dern Staaten entstehen duͤrfte. Der verstaͤndige Kauf- mann wird gewiß kuͤnftig in allen Staaten mehr ge- fragt werden. Wenn es aber dahin koͤmmt, so zeigt eben jezt das Beispiel von Frankreich, wie uͤbel ein Staat daran ist, wenn er in dem Kaufmannsstande nicht Koͤpfe genug findet, welche in der Handlungs- Politik und der damit zusammenhaͤngenden Staats- Wirtschaft recht helle sehen. Wenn dies aber auch nicht geschieht, so hat doch der Kaufmann Ursache, C. 1. Veraͤnderungen der Handl. Politik. die Handlungs-Politik anderer Staaten zu kennen, um sich in seinen Handlungs-Unternehmungen dar- nach zu leiten. 3) Ein Kaufmann in solchen Staaten, welche durch die Handlungspolitik anderer Staaten scheinbar leiden, muß doch dieselbe in so weit kennen, daß er richtig und billig daruͤber urteilt. Die Zeiten sind nicht mehr, da eine allgemeine Freiheit der han- delnden Staaten zutraͤglich waͤre, und der cultivirte Teil des menschlichen Geschlechts hat gewis dabei gewonnen. Ich will jezt zuvoͤrderst die allgemeinen Grundsaͤze der Handlungs-Politik, der im 2ten Cap. des 2ten Buchs angegebenen Einteilung der Handlung in den Producten- Colonie- Manufactur- und Zwischen- Handel gemaͤß, vortragen. Demnaͤchst werde ich einzelne Capitel der Handlungspolitik in Ansehung der Schiffahrt, der Huͤlfsmittel der Handlung, der Abgaben uͤberhaupt und der Zoͤlle insbesondere wid- men. Den Beschluß werden allgemeine Anmerkun- gen uͤber Handlungsrechte und Geseze machen. 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. Zweites Capitel . Allgemeine Grundsaͤze der Handlungs- Politik in Absicht auf den Producten-Handel . §. 1. A lles, was in die Handlung koͤmmt, ist ein Pro- duct der Natur, an welches doch einige menschliche Arbeit gewandt ist. Es ist also klar, daß alle Hand- lung eines Landes die Gewinnung von Natur-Pro- ducten voraus sezt. In der Taht ist jedes Land von der Erhaltung seiner Handlung am sichersten, wel- ches hauptsaͤchlich nur den Producten-Handel treibt. Ihm kann es an Gegenstaͤnden des inlaͤndischen so- wol als des auslaͤndischen Handels niemals fehlen. §. 2. Die Gewinnung vieler Producte sezt zwei Dinge voraus: 1) Fruchtbarkeit des Bodens. 2) Fleiß der Menschen. Es ist leicht gesagt: Man solle ein fruchtbares Land anbauen. Es wird nie dazu kommen, wenn es C. 2. In Ansehung des Productenhandels. dem Lande an Menschen fehlt, oder denn in demsel- ben lebenden Menschen nicht Gruͤnde entstehen, die schwere Arbeit des Landbaues lebhaft zu treiben. §. 3. Diese Gruͤnde entstehen entweder 1) durch Zwang , wenn einzelne Menschen in das Recht ge- sezet sind, eine Menge anderer zur Arbeit des Land- baues anzuhalten. Dies geschah in alten Zeiten durch die Herren vieler Tausend Sclaven, in mittlern Zei- ten und noch jezt in vielen Gegenden der Erde durch die Leibeigenschaft und die Frohndienste. In den Americanischen Colonien wird der Landbau durch er- kaufte Sclaven bestellt. Fuͤr freie Menschen ent- steht ein minderer Zwang aus den Auflagen und Schazungen. Es ist unstreitig, daß der Bauer in Laͤndern, wo er mit maͤssigen Auflagen beschwert ist, fleissiger arbeite, als wo er wenige oder gar keine Abgaben hat. Allein nimmer wird es gerahten sein, dem sogenannten Physiokratischen System zufolge, den Landmann allein mit Einer grossen Abgabe zu belegen. M. s. davon im kurzen meine Abh. von dem Geldes-Umlauf B. 6. §. 83. ff. §. 4. Oder sie entstehen 2) durch Geld-Gewinn . Dieser ist eine weit maͤchtigere Triebfeder zur Befoͤr- 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. derung des Landbaues. Aber er ist hauptsaͤchlich nur von andern Menschen zu hoffen, die nicht selbst den Landbau treiben. Diese finden sich in den uͤbrigen Staͤnden und Volks-Classen. Es ist daher aͤusserst wichtig fuͤr ein Volk, wenn in demselben der Buͤr- gerstand hinlaͤnglich zahlreich in Vergleichung des Landvolks ist. Viele Schriftsteller haben dies Ver- haͤltnis auszumachen gesucht. So viel zeigt die Er- fahrung, daß wenn es gut in einem Lande stehen soll, wenigstens Ein Mensch, der nicht den Land- bau treibt, gegen fuͤnf, die ihn treiben, muͤsse gerech- net werden koͤnnen. Doch koͤmmt es darauf nicht allein an; es muß auch dafuͤr gesorgt werden, daß die Gewerbe sich nicht zu sehr vermengen, der Land- bau nicht von den Buͤrgern getrieben werde, und der Landmann nicht zu viel in solchen Arbeiten tuhe, welche zur Nahrung der Staͤdte gehoͤren. S. hie- bei meine Reise-Bemerkungen uͤber Schwe- den . Nur an der Arbeit der ersten Hand fuͤr die Manufacturen muß dem Landvolk ein so grosser An- teil gegeben werden, als moͤglich. §. 5. Indessen haben die Laͤnder, wo Knechtschaft und Zwang den Landbau befoͤrdern, alle mehr Vorraht an den nohtwendigsten Producten, als im Lande ver- braucht werden kann. Diejenigen Laͤnder an der Ost- C. 2. In Ansehung des Productenhandels. See, in welchen die Knechtschaft des Bauern noch ganz in dem alten Wege fortdauert, sind daher noch immer die Korn-Kammer des uͤbrigen Europa. Dies aber liegt nicht sowol daran, daß in diesen Laͤnder der Ackerbau so vorzuͤglich getrieben wuͤrde, sondern daran, daß die Knechtschaft uͤberhaupt die Menschen- Zahl klein erhaͤlt: und dies nicht nur in dem Bauern- stande, sondern auch der Buͤrgerstand muß dort schwach bleiben, weil er von jenem nichts verdienen kann. Immittelst wird durch diese Zwangsarbeit in jeder nicht gar schlechten Erndte ein groͤsserer Vorraht von Lebensmitteln gewonnen, als fuͤr welchen das Land selbst hinlaͤnglich viele Verzehrer hat. Dazu koͤmmt noch, daß in solchen Laͤndern nur die noht- wendigsten Producten gezogen, diejenigen aber fast ganz versaͤumt werden, welche das Material zu den Manufacturen abgeben. Nur die Schaafszucht kann man ausnehmen, welche in einigen dieser Laͤnder noch stark getrieben wird, weil sie wenig Muͤhe er- fodert. Aus aͤhnlichen Gruͤnden ist in Daͤnemark die Vieh- und Pferdezucht auch in denen Gegenden, wo die Leibeigenschaft bis in die lezten Jahre ge- golten hat, sehr stark. Hingegen wird in Laͤndern, wo der Landbau ein freies Gewerbe ist, derselbe in sich hoͤher steigen, der staͤrkste Verbrauch der noht- wendigsten Producten aber im Lande verbleiben, weil die uͤbrigen Volks-Classen so zahlreich werden. 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. Indessen sieht man doch manches Land, welches selbst unter diesen Umstaͤnden noch einen starken Pro- ductenhandel treibt, wenn es fruchtbar genug und gut zur Ausfuhr gelegen ist. Solche sind in unsern Ge- genden Ost-Friesland und Oldenburg, welche seit so vielen Jahren fast alles das Geld durch ihren Pro- ducten-Handel haben erwerben muͤssen, welches sie ihren entfernten Landesherrn vormals beide, jezt Ostfriesland insbesondre, zusenden. Hiezu koͤmmt, daß ein Volk, wenn es die Er- werbung von Producten und den Handel damit zur Hauptsache macht, nicht ohne sehr wirksamen Antrieb seiner Regenten in Manufacturen betriebsam wird. Der innere Geldsumlauf ist daher in demselben min- der lebhaft, und die Bevoͤlkerung nimmt nicht so stark zu, als in andern Laͤndern. Es gelangt daher leichter zu einem Ueberschuß seiner Produkten uͤber seine eigenen Beduͤrfnisse. §. 6. Das Producten-Gewerbe hat die erste Nohtwen- digkeit fuͤr jeden Staat zu dessen innerem Wolstande. Wenn es aber zu einem auslaͤndischen Handel wird, so hat es diesen Vorzug vor den drei uͤbrigen Arten der Handlung, daß es sich nicht leicht wieder von ei- nem Lande verliert. Dies beweist die Handlungs- C. 2. In Ansehung des Productenhandels. Geschichte, welche sonst so viele Beispiele von der Abnahme der Manufacturen und der Zwischenhand- lung zeigt, die sich aus mancher Gegend ganz verlo- ren haben, wo sie sonst am staͤrksten bluͤheten. Die alte Geschichte nennt uns manches Land, das mit seinen Produkten das Ausland versorgte, welches noch jezt in dem Besiz eines aͤhnlichen Han- dels ist. Ein solches war z. B. Sicilien und ist es noch. Wenn in nenern Zeiten der Productenhandel eines Landes sich mindert, so liegt die Ursache in in- nern Veraͤnderungen eines solchen Staats. Das Land ist z. B. mehr bevoͤlkert worden, und verzehrt den Ueberschuß seiner Producten selbst. Dies ist vielleicht Eine derer Ursache, warum England seit dreissig Jah- ren selten oder wenig Korn ausfuͤhrt, so daß dessen Ausfuhr zuweilen verboten und die Einfuhr erlaubt hat werden muͤssen. Die Ausfuhr der Producten, welche Materialien der Manufacturen sind, ist in manchem Staate verboten, seitdem derselbe diese Manufacturen sich selbst eigen gemacht hat. Eng- land sandte sonst seine Wolle in Menge aus. Man weis aber, daß schon laͤngst diese Ausfuhr fuͤr die straf- barste Contrabande erklaͤrt ist. So hat auch Schle- sien unter seinem neuen Herrn keine Wolle mehr ausfuͤhren duͤrfen. Dieser Beispiele sind zu viele, als daß ich sie hier alle anfuͤhren koͤnnte. 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. §. 7. In dem jezigen Zustande Europens traͤgt der ste- hende Soldat ungemein viel zur Unterhaltung des inlaͤndischen Handels mit den nohtwendigsten Pro- ducten bei. Der Landbau auf dem groͤßtenteils schlechten Boden der Preussischen Staaten wuͤrde nicht haben so hoch getrieben werden koͤnnen, wenn der Land- mann nicht auf mehr als 200000 Abnehmer rechnen koͤnnte, fuͤr welche der Koͤnig doch noch seine Ma- gazine mit Polnischem Korn, wenigstens zum Teil, fuͤllen muß. In andern Staaten belebt ihn die Nach- barschaft grosser Staͤdte. Am vorteilhaftesten aber ist, wenn ein grosser Teil des Volks bei seinen Be- schaͤftigungen im buͤrgerlichen Gewerbe nicht nur seinen Unterhalt, sondern auch das Material seiner Arbeit von dem Landmann nohtwendig ziehen muß, oder, indem er seinen Boden zu diesem Material an- wendet, vom Kornbau abgehalten wird. Dieser geht daher in keinen Gegenden besser fort, als wo ein Erzgebuͤrge oder eine mit Manufacturisten ange- fuͤllte Berggegend in der Naͤhe ist. Jenes zeigt sich in denen flachen Laͤndern, die den Harz und das Saͤchsische Erzgebirge umgeben, dieses in dem fla- chen Teile Schlesiens. C. 2. In Ansehung des Productenhandels. §. 8. Es ist viel uͤber die Freiheit der Korn-Ausfuhr gestritten worden, weil man in jedem Staate uͤber die Folgen eines unerwarteten Mangels besorgt zu sein Ursache hat. In einigen Landen, z. E. in Frankreich, war sonst sogar die Korn-Ausfuhr von einer Provinz in die andere verboten. In Deutsch- land wird sie von Zeit zu Zeit durch die Verbote ein- zelner Fuͤrsten gestoͤrt, und wird daher nie leicht zu einem sichern Handel werden. Ich behalte mir vor, in den Zusaͤzen mehr daruͤber zu sagen. Wenn man indeß der Erfahrung nachgeht, so haben Hol- land und England in zwei verschiedenen Wegen ge- zeigt, daß die freie Korn-Ausfuhr ein sicheres Mit- tel sei, den Mangel zu verhuͤten. Holland hat be- kanntlich bei weitem zu wenig Lebensmittel aus sei- nem Boden zum Unterhalt seiner Einwohner, son- dern muß sie fast alle durch den Handel herbei holen. Nie ist in Holland die Korn-Ausfuhr aus Furcht vor Mangel verboten worden. Dennoch hat dies Land in neuern Zeiten niemals Mangel erfahren, sondern genießt mehr als andre Staaten mittlere Kornpreise. England ist noch weiter gegangen, indem in dem J. 1689 sogar eine Gratification auf die Korn-Ausfuhr gesezt ward, so lange der Preis davon im Mittel bleibt. Indessen hat seit etwan 30 Jahren diese Gratification nicht gezahlt werden koͤnnen. Die 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. wahrscheinlichste Ursache davon ist, daß ausser der zu- nehmenden Bevoͤlkerung bei dem zunehmenden Reich- tuhm der Nation, es sei nun nuzbares Eigentuhm an baarem Gelde oder an Papieren, der Preis des Korns uͤberhaupt so gestiegen ist, daß er nicht wieder unter jenen Mittelpreis herab sinken will. §. 9. Die Mineralien sind eben so wol ein Landespro- duct, als alles, was uͤber der Erd-Flaͤche waͤchst. Der Bergbau ist daher ein Geschaͤfte, welches sehr wichtige Producte ausliefert. Er dient an sich selbst schon dem Staate gewissermassen als eine Manufactur, und ernaͤhrt da, wo er stark betrieben wird, viele Menschen, wiewol den geringen Arbeiter allenthal- ben nohtduͤrftig. Als sein wichtigster Nuzen wird freilich angesehen, daß er den Menschen die edlen Metalle verschaft, die sie als Zeichen des Wehrts ge- brauchen. Allein weit wichtiger ist der, daß er die Materialien zu so vielen Manufacturen und zu den nohtwendigen Werkzeugen derselben liefert. §. 10. Indessen geht der Wunsch aller Voͤlker, die den Bergbau treiben koͤnnen, auf die Gewinnung von Gold und Silber. Es ist wahr, daß ein sonst von Manufacturen und Producten entbloͤßtes Volk, C. 2. In Ansehung des Productenhandels. einen Ersaz dieses Mangels dadurch gewinnt. Allein, nichts ist schaͤdlicher, als wenn ein Volk sich damit allein schon gluͤklich genug duͤnkt, daß es mit diesen Metallen seine Beduͤrfnisse einhandeln kann und die Arbeit unterlaͤßt, durch welche es diese sich erwerben sollte. Dies ist das grosse Ungluͤk Spaniens ge- worden, welches, als es zuerst die Antillen entdekt hatte, und nun kein Gold mehr auf Hispaniola fand, in den rechten Weg Plantagen dort anzulegen hin- eingerieht; als es aber Mexico und nachher Peru erobert hatte, und diese so reich an edlen Metallen fand, sah es blos auf diese. Die in den Antillen angesezten Colonisten verliessen dieselben, um dort hinuͤber zu gehen, und die Koͤnige selbst vergassen nun alle Sorgen fuͤr den innern Wolstand des Lan- des, als sie sich so reich an edlen Metallen sahen. Lange verfuhren sie hier, wie sie schon auf Hispaniola getahn hatten, gleich dem Besizer der Henne in der Fabel, die ihm taͤglich ein goldnes Ei legte. Sie vertilgten die Einwohner des Landes, und machten die Gewinnung der diesen Laͤndern eigentuͤhmlichen Producten auf lange Zeit hinaus so gut wie un- moͤglich, da zu gleicher Zeit die Auswanderung aus dem Mutterlande nach jenen Gegenden hin den Erwerb der einheimischen Producten fortdauernd minderte. 2ter Teil. N 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. Drittes Capitel . Von der Handlungspolitik in Ansehung des Coloniehandels . §. 1. C olonien , zu Deutsch Pflanzoͤrter , sind in allgemeiner Bedeutung Laͤnder, die ein Volk mit einem Teile seiner Mitbuͤrger absichtlich besezt. Ab- sichtlich, sage ich, und mit einem Teile seiner Mit- buͤrger, weil sonst alle Laͤnder, welche in den Zeiten der Voͤlkerwanderung neue Einwohner bekamen, als Colonien ihrer Eroberer angesehen werden muͤßten. Diese Absichten waren bei den Alten hauptsaͤch- lich folgende: 1) ein Volk ward zu zahlreich fuͤr sei- nen Boden, und entledigte sich des Ueberflusses sei- ner Menschenzahl durch Versezung desselben in ein anderes, entweder nicht bewohntes, oder, wenn es bewohnt war, leicht zu uͤberwaͤltigendes Land. Durch solche Versezungen sind freilich in den aͤltesten Zeiten vom Orient her die meisten westlichen Voͤlkerschaf- ten entstanden, und waren in diesem Verstande Co- lonien oͤstlicher Voͤlker. Aber auch in spaͤtern Zeiten besezten insonderheit die Griechen ost- und westwaͤrts C. 3. In Ansehung des Colonie-Handels. manches betraͤchtliche Land. 2) Politische Veraͤnde- rungen im Staat noͤtigten entweder einen Teil des Volks sich zu versezen; oder man noͤtigte einen ge- haͤssig oder veraͤchtlich gewordenen Teil der Buͤrger von sich. So gibt die freilich ungewisse Geschichte die Entstehung von Carthago an. So zogen von La- cedaͤmon die sogenannten Parthenier oder Jungfern- Kinder weg nach Ober-Italien welche waͤhrend der langen menschenfressenden Belagerung von Messene ohne eheliche Verbindung gezeugt waren. Bei der Aussendung solcher Colonien hatte kein Gedanke an eine fortdauernde Unterwuͤrfigkeit unter den von ih- nen verlassenen Staat Statt. Man war zufrieden, wenn man auf sie, als getreue Verbuͤndete rechnen konnte, wiewol dieses Band nicht zwischen allen lange Zeit sich fest erhielt. 3) Sicherung der gemachten Eroberungen und der erweiterten Grenzen war die Hauptabsicht bei denen Colonien, welche das freie Rom fruͤh aus seinen Ringmauern versandte. So wie ein Volk unterjocht war, ward eine der Haupt- stadt entbehrliche Zahl von deren Einwohnern in dessen Staͤdte versezt, oder baute dort neue befestigte Staͤdte an. Diese blieben Buͤrger Roms, wie sie es gewesen waren, und nicht blos Bundsgenossen. Spaͤterhin gaben eben diese Colonien auch einen Teil ihrer Buͤrger ab, um entferntere Colonien eben die- ser Art und in gleicher Absicht zu errichten. N 2 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. Die Handlung gab den alten Voͤlkern keinen An- las zu solchen Colonien, welche nur auf deren Vor- teile abzwekten. Versandten gleich die grossen Han- delsstaͤdte jener Zeit einzelne ihrer Mitbuͤrger in ent- fernte Seeplaͤzze zur bessern Betreibung ihrer Hand- lung, so war doch nicht die Absicht dabei, neue Voͤl- kerschaften entstehen zu machen, oder, wie bei den Roͤmern, eine Ausbreitung des Stammvolks. Es waren nur Handlungs-Etablissementer oder Facto- reien, aber keine eigentliche Handlungs-Colonien, wie sich bald naͤher zeigen wird. Freilich gingen die Carthaginienser weiter, als sie Spanien und Sici- lien groͤßtenteils erobert hatten. Aber dann aͤhnlich- ten sich ihre Colonien mehr den Roͤmischen, in dem sie ebenfalls die Sicherung der Eroberungen zum Hauptzwek hatten. Als in den mittlern Zeiten die grossen Italiaͤnischen Handlungsplaͤze ihr Gewerbe in entfernte Gegenden ausdehnten, uͤberwaͤltigten und besezten sie manche Inseln im Mittellaͤndischen Meere und manche Haͤfen, teils um sich die Wege ihrer Handlung zu sichern, teils um dort Gewerbe einer gewissen Art entstehen zu machen. So baute z. B. Genua die Stadt Caffa in der Crimm an, in welcher die aus Persien uͤber das schwarze Meer ge- zogene Seide ein Gegenstand vollendender Manu- facturarbeit, insonderheit des Sammts, ward. C. 3. In Ansehung des Colonie-Handels. §. 2. Als vor drei Jahrhunderten Spanien und Por- tugal entfernte Laͤnder, die so grosse Vorteile aller Art versprachen, in Besiz nahmen, noͤtigte sie die Hinaussicht auf diese Vorteile zur Besezung derselben mit einem Teile ihres Volks, bei welcher jedoch noch kein fester Plan Statt hatte. Man lernte in diesen Laͤndern Producte kennen, welche das Mutterland nicht hatte, und sahe bald ein, daß sie der Gegen- stand eines Handels werden koͤnnten, der in dem Maasse zunehmen wuͤrde, wie sich der Verbrauch dieser Produkte den Europaͤern angenehmer machte. Portugal konnte nichts anders zur Absicht nehmen, als es die Brasilische Kuͤste besezt hatte und keine edle Metalle fand. Die Spanier tahten ein gleiches, insonderheit nachdem sie Hispaniola von dem Golde erschoͤpft hatten, welches sie den ungluͤklichen Bewoh- nern dieser Insel raubten. Als aber nach Eroberung von Mexico und Peru deren Gebirge sich so reich an edeln Metallen zeigten, gaben sie jenen Zwek auf, und sahen auf diesen, als auf den vornehmsten von ihren Eroberungen zu hoffenden Gewinn. Aehnliche Hofnungen veranlaßten andere seefahrende Voͤlker Europens, die von den Spaniern nicht besezten zu America gehoͤrigen Laͤnder und Inseln sich eigen zu machen. Als aber diese Hofnung sie betrog, da 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. allererst kamen sie zu dem natuͤrlich sich darbietenden Zwek zuruͤk, nemlich durch Anpflanzung solcher Pro- ducten, welche das Mutterland nicht hatte, neue Gegenstaͤnde ihres Handels sich zu erwerben. Sie besezten diese Inseln mit einem Teil ihres Volks, in der Hinaussicht, daß derselbe immer ein Teil dessel- ben bleiben solle, und so entstanden eigentliche Handlungs-Colonien . Zwar ward auch von eben diesen Voͤlkern man- ches Land unter aͤhnlichen Veranlassungen besezt, als welche im Altertuhm Statt gehabt hatten. Eng- land versandte im vorigen Jahrhundert bald diesen, bald jenen Teil seines Volks nach Nordamerica, so wie derselbe der herrschenden Religionspartei verhaßt wurde. Diese stieß ohne feste Ruͤksicht auf Hand- lungsvorteile, die daraus entstehen koͤnnten, mit eben der Zufriedenheit jene nicht mit ihr gleich den- kenden Menschen von sich aus, mit welcher nach der Zeit der Staat seine noch nicht haͤngenswehrte Ver- brecher dahin schikte und sie noch nach Botanybay versezt. §. 3. Solche eigentliche Handlungs-Colonien haben dann nur unter folgenden Voraussezungen Statt: C. 3. In Ansehung des Colonie-Handels. 1) Daß sie auf einem Boden angelegt werden, dessen Beschaffenheit ihn zur Hervorbringung solcher Producte tuͤchtig macht, welche das Mutterland ent- weder nicht hat, oder nicht in gehoͤriger Menge her- vorbringen kann. Dies findet sich insonderheit bei den Colonien des heissen Erdstriches, deren Gewaͤchse durchaus von denen Voͤlkern, die sie anlegten, nicht auf ihrem Boden gezogen werden koͤnnen. Waͤren in jenen Gegenden maͤchtige seefahrende Voͤlker fruͤ- her, als in Europa, entstanden, so moͤgten diese Ur- sache gefunden haben, in unsern Gegenden Colonien anzulegen, um unser Eisen, unsern Flachs, Hanf, gewisse Arten Holz u. d. gl. sich eigen zu machen. Da dieser wichtige Umstand bei Entstehung der Nord- Americanischen Colonien nicht zwischen diesen und England Statt hatte, so glaubte man es dadurch er- sezen zu koͤnnen, daß man den Anbau des Tobaks in England verbot, einer Pflanze, die man zwar dort zuerst kennen lernte, aber bald einsah, daß sie auch auf Europaͤischem Boden gedeihen koͤnnte. Spaͤ- terhin ward der Anbau und die Ausfuhr solcher gro- ben Producte auf England in allen Wegen befoͤrdert, fuͤr welche das Mutterland bei seinem starken Akker- bau nicht Raum hat, und die es ohnehin aus dem nordlichen Europa zu sich holt. Allein, es hat sich gewiesen, daß auch dieses nicht hinreichte, das Band zu erhalten. 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. §. 4. 2) Daß die Einwohner der Colonien eine Menge Beduͤrfnisse haben, und in deren vermeinter oder wahrer Nohtwendigkeit erhalten werden, welcher nur durch Zufuhr aus dem Mutterlande ein Genuͤge gesche- hen kann. Dies entsteht natuͤrlich in den Colonien der waͤrmern Gegenden, deren Producte hoͤher im Preise stehen, als die Lebensmittel der ersten Nohtwendig- keit, und deren Cultur durch den hohen Preis der Ne- ger zu teuer wird, als daß sie sich ihre Lebensmittel aus ihrem Boden selbst ganz verschaffen und inson- derheit die Viehzucht gehoͤrig treiben koͤnnten. Die kleinern Antillen nicht nur, die zu viel Menschen fuͤr ihren Boden haben, sondern auch die Franzoͤsischen Plantagen in St. Domingo, die Britischen in Ja- maica, und die Hollaͤndischen auf festem Lande, so viel Raum sie auch haben, bleiben daher noch immer in diesem Wege, daß sie ihre Lebensmittel, wie auch Pferde, Holz u. d. gl., zu deren Producirung viel Raum erfodert wird, groͤßtenteils aus Europa und aus Nordamerika ziehen. Es koͤmmt hiebei aber auch sehr darauf an, daß die Colonisten in der Ge- wohnheit der Europaͤischen Lebensart bleiben, und das zu ihren Beduͤrfnissen zu rechnen fortfahren, was man in Europa dafuͤr haͤlt. Daraus entsteht der Umsaz Europaͤischer Manufactur-Waaren und erhaͤlt sich um so viel sicherer, je weniger die Colonien Haͤnde C. 3. In Ansehung des Colonie-Handels. fuͤr die Manufacturen uͤbrig haben. Schon lange vor dem Ausbruch der lezten Empoͤrung legten es die Nordamericaner darauf an, die Englischen Manu- facturen bei sich zu bearbeiten. Aber so zahlreich die Einwohner schon waren, so mußten sie es doch dabei bewenden lassen, weil sie die Haͤnde nicht von ihrem zu gleicher Zeit sich immer mehr erweiternden Land- bau abziehen konnten. Dabei ist es auch nach ge- schlossenem Frieden verblieben, und Nordamerika bleibt in Ansehung der Manufacturen noch immer in der alten Abhaͤngigkeit von seinem ehemaligen Mut- terlande. Es hatte also dieses zweite Erfodernis einer wahren Colonie. Aber weil jenes erste fehlte, so konnte dennoch die zur Absicht genommene politi- sche Abhaͤngigkeit von dem Mutterlande nicht in die Laͤnge bestehen. §. 5. 3) Zu einer wahren Handlungs-Colonie gehoͤrt auch, daß sie mit Einwohnern aus dem Mutterlande besezt werde, welche auf dem in der Colonie ihnen zugeteilten Eigentuhm die Producte anpflanzen. Man irrt sich daher, wenn man die Gegenden in Africa und in Ostindien, in welchen sich die Euro- paͤer festgesezt und mehr oder weniger zu Herren ge- macht haben, insgesamt Colonien benennt. Sie sind blosse Handlungs-Etablissementer oder Facto- 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. reien, selbst da, wo die Europaͤer ganz Herren sind, und die Producte des Landes sich von den Einwoh- nern umsonst als eine Abgabe, oder fuͤr einen niedri- gen von ihnen selbst gesezten Preis reichen lassen. Dies ist der Fall mit den in Ostindien von den Euro- paͤern uͤberwaͤltigten Landstrichen. In der Taht koͤmmt der Handel auf diese Gegenden niemals in den eigentlichen Gang des Colonie-Handels. §. 6. Die Besizungen der Spanier auf dem festen Lande in America sind zwar fuͤr Handlungs-Colonien zu achten. Allein der Reichtuhm der edlen Metalle hat, wie oben gesagt, zur Folge gehabt, daß sie den ersten Zwek derselben, die Hervorbringung der ihrem Bo- den eigentuͤhmlichen Producte, und den Handel mit denselben sehr verabsaͤumen, und nur einige kostba- rere Arten derselben zum Gegenstande ihrer Cultur machen. Desto mehr aber erfuͤllen sie den andern Zwek der Handlungs-Colonien in dem Verbrauch eines ungeheuren Vorrahts Europaͤischer Manufactur- Waaren. Brasilien fing an in eine aͤhnliche Lage zu gerahten, insonderheit seitdem es in seinen Gebirgen sich so Goldreich gezeigt hat. Doch ist es in neuern Zeiten wieder eifriger im Anpflanzen geworden. Unter den Spanischen Colonien ist jedoch die Cara- C. 3. In Ansehung des Colonie-Handels. quische Kuͤste als eine Handlungs-Colonie anzusehen, die alle Zwecke derselben erfuͤllt. Es ist anmerklich, daß die meisten derjenigen Colonien, welche sich blos aufs Plantagiren legen, das Uebergewicht in der Handlungs-Balanz mit Eu- ropa haben, und vieles von den edlen Metallen nach America wieder zuruͤk ziehen, welche jene Colonien heruͤber senden. Frankreich und England haben an St. Domingo und an Jamaica jaͤhrlich eine starke Balanz zu bezahlen, die dadurch wieder zuruͤk koͤmmt, weil teils die Plantagen viele Eigentuͤhmer im Mut- terlande haben, andern Teils so mancher dort reich gewordene Bediente mit seinem Gelde wieder nach Hause eilt. §. 7. Alle Staaten, welche diese Handlungs-Colonien besizen haben es zur Regel gemacht, daß die Hand- lung dorthin und zuruͤck nur zwischen dem Mutter- Lande und ihnen bestehen soll. Daneben erhal- ten sie es auch dabei, daß die Schiffahrt nur mit Schiffen des Mutterlandes betrieben werden darf. Keine Regel der Handlungs-Politik hat einen so guten Grund, als diese. Es ist weder zu erwarten noch zu verlangen, daß ein Staat, der wahre Hand- 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. lungs-Colonien besizt, diese Regel andern zu gefallen aufgeben sollte. Denn dies waͤre eben so viel, als den Zwek, in welchem diese Colonien angelegt sind, aufgeben, und allen ihren Nuzen Fremden zuwen- den wollen. §. 8. So sehr dies solchen handelnden Staaten, die selbst keine Colonien besizen, misfaͤllt, so haben wir doch nun schon zwei Erfahrungen, daß eine einstwei- lige Freigebung dieses Handels der Handlung von Europa selbst nicht zutraͤglich ist. Die erste entstand im Spanischen Successions-Kriege, als die Franzoͤ- sischen Kaufleute uneingeschraͤnkte Freiheit erlangten, das Spanische America selbst zu befahren. Eine zweite weit wichtigere und allgemeinere hat der lezte kurze Seekrieg gegeben. S. davon mehr in meinen kleinen Schriften uͤber die Handlung und in der Handlungs-Bibliothek 2tem Bande. In der That wuͤrden jene Colonien, deren einige, wie schon gesagt, die Balanz der Handlung ohne- hin fuͤr sich haben, Europa von seinem Gelde nach und nach entbloͤssen, wenn die Sache nicht ausdruͤk- lich dabei erhalten wuͤrde, daß die Europaͤischen Waa- ren ihnen so sparsam zugefuͤhrt werden, daß der Preis derselben sich noch betraͤchtlich hoch uͤber deren C. 3. In Ansehung des Colonie-Handels. natuͤrlichem Wehrt erhalten muß. Daß es bei einer freien Handlung nicht dabei bestehen koͤnne, haben wir nunmehr erfahren; doch verderben sich auch die Kaufleute des Muterlandes nicht selten den Markt durch zu starke Versendung. Aber dies kann nie zu weit gehen, weil man in den Haͤfen Eines Reiches doch bald Wissenschaft bekoͤmmt, was die Kaufleute der Nation uͤberhaupt tuhn. §. 9. An den Coloniehandel knuͤpft sich der Negerhan- del. Die Ursachen, welche die Colonien in das Be- duͤrfnis der Neger sezen, sind zu bekannt, als daß ich annehmen koͤnnte, meine Leser werden sie allererst aus meinem Buche zu lernen beduͤrfen. Es sei ge- nug zu sagen, daß in dem bisherigen Gange des Co- loniegewerbes die Leichtigkeit des Ankaufs der Ne- ger die Voraussezung ist, unter welcher allein jene Colonien aufbluͤhen und sich in ihrem Bestande er- halten koͤnnen. Es haben daher die handelnden Na- tionen, welche Colonien von Belang besizen, sich fruͤhe Besizungen an den Kuͤsten des mittlern Africa erwor- ben, die man keinesweges selbst Colonien nennen darf, aus Gruͤnden, die ich §. 3—5 angegeben habe. In dem vorigen Jahrhundert war noch der Han- del mit einzelnen Producten dieser Gegend, inson- 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. derheit dem Goldstaube, ein Anlaß zu Erwerbungen auf jenen Kuͤsten. Selbst der grosse Churfuͤrst glaubte Vorteil dabei fuͤr seine Brandenburgischen Untertah- nen zu finden, als er ihnen dort ein Handlungs- Etablissement erwarb. Jezt aber werden solche nur in Absicht auf den Sclavenhandel nuzbar. Die Spa- nier, welche neben den Portugiesen zuerst sich dort haͤtten festsezen koͤnnen, haben es versaͤumt, weil sie nicht ans Anpflanzen gedachten. Dafuͤr aber ist Spanien, in Ansehung der seinem America mehr und mehr nohtwendig werdenden Arbeiter, in einer un- angenehmen Abhaͤngigkeit von andern Nationen. In dem Utrechter Frieden war es dies vollends gewor- den, als es sich zu dem sogenannten Assiento-Tractat mit England auf dreissig Jahr bequemen mußte, welches in der zu weit getriebenen Hofnung der Vor- teile davon seine Suͤdsee-Companie errichtete. Spa- niens deutlich werdende Absicht, sich von diesem Tractat bei Ablauf desselben los zu machen, ward eine Ursache des im Jahr 1738 entstandenen Krieges. Jezt ist es besser daran, da es sich die Neger von jeder Nation zufuͤhren laͤßt, welche ihm dieselben zu verkaufen im Stande ist, fuͤr welche aber der Ge- winn der diesen Handel begleitenden Contrabande in andern Waaren den groͤssern Reiz hat. Doch beruht der Spanischen Americaner Beduͤrfnis nicht sowol auf der Erweiterung ihrer Plantagen als der Zunah- C. 4. In Ansehung des Colonie-Handels. me ihrer Bergwerke, welche bei ihrer bisher so mangelhaften Einrichtung ungemein viele Menschen kosten. §. 10. Bei den uͤbrigen Voͤlkern haben lange boͤse Mis- griffe in Ansehung des Negerhandels Statt gehabt. Ich habe bereits B. 3. C. 5. §. 7. 8 gesagt, daß die Colonien den grossen Handlungs-Companien durchaus nicht unterwuͤrfig sein muͤssen, und ich mag, so sehr es in dieses Capitel gehoͤrt, nicht wiederho- len, was ich in meiner Abhandl. uͤber die oͤffent- lichen Handlungs-Companien in unserer Handlungs-Bibliothek §. 25. gesagt habe. So bestand es aber bis in dieses Jahrhundert noch bei vielen Nationen, die dann auch diesen Compa- nien das Monopol im Negerhandel gaben. Diese folgten der Regel, mit wenigem Umsaz den moͤglich groͤßten Gewinn zu machen, und fuͤhrten den Co- lonien weit weniger Neger zu, als deren Beduͤrfnis es erfoderte, blos um sie desto teurer zn verkaufen. Der Franzoͤsische Hof sah dies erst spaͤt, nemlich in dem Jahre 1735, ein. Bis dahin hatte die Fran- zoͤsische Companie ihren Antillen nur 1000 Neger jaͤhrlich zugefuͤhrt, und sie dadurch in ihrem Betriebe durchaus nieder gehalten. Schon in den ersten Jah- ren, nachdem der Companie dies Monopol genommen, 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. und der Negerhandel frei gegeben war, wurden ih- nen 7500 zugefuͤhrt. Nun ist dieser Handel uͤberall ein Geschaͤfte der Privat-Industrie geworden. Aber bei der grossen in demselben entstandenen Concurrenz sucht der Privatmann seine Vorteile, wie gewoͤhnlich, in einer weiter getriebenen Sparsamkeit, als dies von den Companien geschehen sein mag. Daraus ent- steht die die Menschheit empoͤrende Behandlung der Neger, insonderheit auf ihrer Ueberfuͤhrung von Afrika nach Amerika, auf welcher man mehrere Hun- derte derselben in maͤssige Schiffe ladet, in welchen man nicht halb so viel freie Menschen uͤberzufuͤhren sich getrauen wuͤrde. Diese nebst den uͤbrigen Lei- den, welche man diese Menschen in den Colonien selbst ausstehen macht, veranlassen den jezt sich so leb- haft aͤussernden Hang mancher Menschenfreunde, vorzuͤglich in England, dem Sclavenhandel ein Ende und durch eine natuͤrliche Folge in der jezt in den Colonien bestehenden Wirtschaft eine Hauptveraͤnde- rung zu machen. §. 11. Es wuͤrde mich zu weit fuͤhren, die Gruͤnde fuͤr und wider diese Angelegenheit hier abzuhandeln, da so vieles daruͤber bereits geschrieben ist. Ich seze bei Seite, wie sehr sie die Menschheit interessire, und will nur mein Glaubensbekenntnis daruͤber in C. 4. In Ansehung des Colonie-Handels. politischer Hinaussicht ablegen. Ich nehme mit grosser Ueberzeugung an, daß die kuͤnftige Generation den Sclavenhandel nicht mehr kennen, und daß insonder- heit das Ungluͤk, das St. Domingo jezt zu Grunde richten zu wollen scheint, die Europaͤer weiser in die- sem Stuͤcke machen werde. Weiser, sage ich. Denn es ist gewiß ein grosser Vorteil der Colonien insge- samt, wenn sie den grossen Aufwand sparen koͤnnen, welchen ihnen jezt die jaͤhrliche Anschaffung der unter ihrer harten Behandlung sich nicht hinlaͤnglich durch eigene Bevoͤlkerung ersezenden Neger nohtwendig macht. Wie aber sparen? wird man fragen. Ich wage zu behaupten, daß, wenn diese Menschen einen Teil der Freiheit und des Eigentuhms geniessen, nach welchem sie seufzen, ein Americanischer Pflanzer noch weniger noͤtig haben werde, die Zahl seiner Neger durch Ankauf zu ersezen, als ein Holsteinischer Edel- mann noͤtig hat, Leibeigene anzukaufen, wenn er mit ihnen einigermassen billig umgeht. Vor etwa vierzig Jahren hatte ein gewisses Gut im Holsteini- schen einen Herren, aus dessen harter Begegnung eine Verbindung unter seinen Leibeignen erfolgte, sich nicht zu verehelichen. Weil er nun gewiß war, nach einigen Jahren keine Sclaven mehr zu haben, und in unsern Gegenden deren keine wieder ankaufen konnte, so mußte er sein Gut verkaufen. Na- tuͤrlich uͤbte der Kaͤufer, der in seine Stelle trat, 2ter Teil. O 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. eine mildere Behandlung; und nun heirahteten seine weissen Sclaven, und das Gut behielt seine zulaͤng- liche Bevoͤlkerung. Der Sclave sei weiß oder schwarz, er trage Haare oder Wolle auf dem Kopfe, so woh- nen in diesen Koͤpfen aͤhnlich denkende Seelen. Und warum sollten nicht unter jenem Himmelsstriche Plan- tagen so gut, als bei uns Landguͤter, durch Men- schen, denen man etwas mehr von den Rechten der Menschheit goͤnnt, so angebaut werden koͤnnen, daß sie den bisherigen Ueberfluß von verkaͤuflichen Pro- ducten fortdauernd ausliefern? Sind doch in Europa eben die Laͤnder, wo der Zwang den Landbau in Gang sezt, die Kornkaͤmmer des uͤbrigen Europa. (C. 2. §. 5.) Und doch gehoͤren nur wenig Beguͤnsti- gungen dazu, zu welchen sich der Pflanzer entschlies- sen darf, um den Zustand eines Negers leidlich und wenigstens dem eines Leibeigenen in Holstein, Liefland und in Curland gleich zu machen. Auch moͤgte dann der hochgetriebene Aufwand vieler Pflanzer eben in dieser Menschen-Waare sich mindern, da mancher Pflanzer ein halbes Hundert Sclaven blos in seiner haͤuslichen Wirtschaft hat. Aber Zeit will diese Sache haben. Gutdenkende und uͤberlegende Gutsherrn in unsern Gegenden ha- ben den fruͤh gefaßten Entschluß, ihren Leibeigenen Freiheit und Eigentuhm zu geben, nicht eher ausge- C. 4. In Ansehung des Colonie-Handels. fuͤhrt, als nachdem sie dieselben durch eine gewisse Erziehung zu eigentlichen Menschen gemacht hatten. Einer derselben (doch, warum sollte ich den wuͤrdi- gen Grafen Reventlow auf Trolleburg nicht hier nennen?) rechnete auf viele Jahre hinaus, fand aber nach etwa zehn Jahren, daß er es schon wagen koͤnne, und hat es mit gutem Erfolge gewagt. Zu einer solchen vorgaͤngigen Ausbildung eines Negers werden zwar mehr Jahre gehoͤren, und zum Ungluͤk werden dort nicht viele Reventlowe sein, die sich dieser Ausbildung annaͤhmen. Aber die Zeit Einer Gene- ration wird doch beinahe hinlaͤnglich sein, zumal wenn man diesen Menschen die Aussicht giebt, daß mit ihrer Ausbildung die Zeit ihrer Freiheit sich be- schleunigen werde. Es wird insonderheit darauf ankommen, wie es denen Englaͤndern gelingt, die jezt das Beispiel einer Anpflanzung bei Sierra Leona durch freie eingebohrne Neger geben wollen. Gelingt es nicht, so wird sich daraus noch kein Schluß gegen die Moͤglichkeit der Ausfuͤhrung auf den Antillen ziehen lassen, weil die Umstaͤnde sich nicht gleich sind. Gelingt es aber, diese Menschen da, wo sie zu Hause gehoͤren, zu der Arbeit dieser Anpflanzung mehr zu leiten, als zu zwingen, und ihren Fleis sich eintraͤglich zu ma- O 2 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. chen, so bedarf es keiner andern Beweise von der Ausfuͤhrbarkeit der Sache. Dann wird der unfehl- bare Vorteil in wolfeilerer Gewinnung der Colonie- Producte auch diejenigen Nationen zu folgen noͤtigen, welche jezt noch am wenigsten dazu geneigt sind. Wie freue ich mich hinzusezen zu koͤnnen, daß eben in diesen Tagen Daͤnemark das Ende des Sclaven- Handels in seinen Colonien auf das J. 1804 festge- sezt hat! Viertes Capitel . Von der Handlungs-Politik in Ansehung des Manufactur-Handels . §. 1. M anufacturen sind das vornehmste Mittel, durch welches die Menschen Beschaͤftigung und Auskom- men einander geben, folglich die erste Triebfeder der Circulation. Der vorzuͤgliche Nuzen davon zeigt sich in dem Lande selbst, das Manufacturen treibt, und der Vorteil, der daraus in der innern Circula- tion entsteht, ist immer als der wichtigste anzusehen. C. 4. In Ansehung des Manuf. Handels. Man nehme z. B. die Preussischen Staaten, de- ren Manufacturen noch immer groͤßtenteils fuͤr den inlaͤndischen Vertrieb arbeiten, und, die Schlesischen ausgenommen, nicht haͤufig in die Fremde gehen. Indessen liegt in ihnen vorzuͤglich der Grund der zu- nehmenden Bevoͤlkerung dieser Staaten. Man s. Friedrichs Geschichte seiner Zeit im 2ten Cap. des 2ten Bandes. §. 2. Allein so mancher Staat genießt das Gluͤk, seine Manufacturen auswaͤrts zu vertreiben, und diese kennt man als die Geld- und Volkreichsten in Eu- ropa. Dies ist sehr natuͤrlich, Denn jener Vorteil in der inlaͤndischen Circulation geht nohtwendig voran. Dazu koͤmmt aber der Geldgewinn fuͤr wenigstens alle an diese Manufacturen gewandte Arbeit, wel- cher ganz von dem Auslaͤnder bezahlt wird, wenn nicht ohnehin das Material derselben ein Product des Landes ist. Man kann also mit Wahrheit sagen, daß in solchen Staaten Tausende von Untertahnen auf Unkosten anderer Staaten leben. §. 3. Dieser unlaͤugbar grosse Vorteil verleitet manche Fuͤrsten und Staatsmaͤnner, daß sie die Manufactu- ren nicht anders achten, als in so fern sie fuͤr den auslaͤndischen Handel wichtig zu werden scheinen, 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. und diejenigen uͤberseheu, welche in dem Lande selbst schon vorhanden sind, oder noch entstehen, deren Vertrieb aber noch nicht uͤber die Grenze geht. Es ist wahr, daß einem Staate von kleiner Ausdehnung, welcher die auslaͤndischen Manufacturen nie von sich abhalten kann, und doch fortdauernd von dem Aus- laͤnder verdienen muß, wenn er bestehen will, der auswaͤrtige Manufactur-Handel vorzuͤglich wichtig werde. Wenn z. E. in Hamburg auch niemand ein Stuͤck an seinem Leibe truͤge, was nicht in Hamburg gemacht waͤre, so wuͤrden wir doch noch schlecht be- stehen, wenn uns nicht der Gewinn von den hiesigen Cattun- und Zukker-Fabriken, neben der uͤbrigen Handlung, zu unsern uͤbrigen Beduͤrfnissen Geld von Auslaͤndern herbeischafte. Aber in einem Lande von groͤsserer Ausdehnung bleibt die inlaͤndische Circula- tion immer das wichtigste, und Manufacturen sind die wirksamste Triebfeder zu deren Befoͤrderung. §. 4. Hiezu koͤmmt, daß der auslaͤndische Manufactur- Handel Abwechselungen unterworfen ist, in denen man nichts erzwingen kann. So mancher Staat hat die Manufacturen, durch welche er von dem Auslaͤn- der verdiente, wieder verloren und kaum es dabei erhalten koͤnnen, daß sie fuͤr den inlaͤndischen Ver- brauch fortwaͤhrten. Deutschland, im vorigen Jahr- C. 4. In Ansehung des Manuf. Handels. hundert insonderheit, und Spanien bis an unsere Zeit geben Beispiele davon. Aber die inlaͤndische Cir- culation und deren Erhaltung haben die Regenten mehr in ihrer Macht. Auch selbst ohne deren Befehl wird sich ein Volk nicht leicht gewoͤhnen von denen Manufacturen wieder abzugehen, mit welchen es sich im Lande selbst zu versorgen gewohnt worden ist, wenn deren Preis und Guͤte sich nicht veraͤndern. §. 5. Indessen ist gewiß jede Nation, die es dahin ge- bracht hat, daß ihre Manufactur-Waaren zum Aus- laͤnder gehen, sicherer davon, daß sie auch im Lande allein verbraucht werden, als diejenige, welche es nur darauf anlegt, fuͤr den inlaͤndischen Vertrieb zu arbeiten. Leztere koͤnnen sich nur durch Handlungs- Verbote, durch Praͤmien und andere den natuͤrlichen Gang der Gewerbe veraͤndernde Erfindungen erhal- ten, leiden dennoch aber immer sehr durch die Con- trabande. Erstere brauchen dies alles nicht. Eben die Gruͤnde, welche dem Auslaͤnder sie angenehm ma- chen, sichern auch ihren Vorzug bei dem Inlaͤnder. Es koͤmmt also zum sichern Bestande einer Manufactur im allgemeinen darauf an, daß sie im Preise und in der Guͤte die Manufacturen anderer Nationen uͤber- treffe. Freilich haben inlaͤndische Manufacturen grosse Feinde an den Kraͤmern und Ausschnittern, 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. auch wenn sie untadelhaft arbeiten. Denn die Preise derselben werden im Lande zu allgemein bekannt, und sie koͤnnen nicht im kleinen Verkauf so viel auf die- selben schlagen, als auf die auslaͤndischen. Aber wenn jene vorzuͤglich gut sind, so koͤmmt es auch wieder dahin, daß diese Kraͤmer sie kaufen und in ihren Laͤden fuͤr auslaͤndische solchen Kaͤufern ausge- ben, welche aus Eigensinn und Vorurteil das aus- laͤndische dem inlaͤndischen vorziehen. Ich will jezt die Umstaͤnde, von welchen das eine und das andere abhaͤngt, im Allgemeinen anzugeben suchen. §. 6. Was I ) den wolfeilen Preis betrift, so scheint derselbe zwar davon ganz abzuhaͤngen, ob das Ar- beitslohn in einem Lande wolfeil sei? Ich will auch hiebei eine Weile stehen bleiben. Der wolfeile Preis des Arbeits-Lohns haͤngt ab a ) von dem wolfeilen Preise der Lebensmittel. Dieser gruͤndet sich dem Ansehen nach hauptsaͤchlich auf die Fruchtbarkeit des Landes; aber doch mehr darauf, ob der Landmann fleissig ist, und nicht zu viel Abnehmer seiner Producte an einer benachbarten grossen Stadt oder durch Ausfuhr uͤber See hat. Die Auflagen, wenn sie gehoͤrig uͤberlegt sind, veraͤndern den Preis der Lebensmittel nicht so sehr, als man C. 4. In Ansehung des Manuf. Handels. wol denken moͤgte. Wo das Geld uͤberhaupt rar ist, da lebt man wolfeil und kann deshalb um so viel wol- feiler arbeiten. Nichts ist den Manufacturen so vorteilhaft, als wenn die Preise der Lebensmittel uͤberhaupt verglei- chungsweise im Mittel stehen bleiben. Sinken sie unter demselben zu weit herab, so macht dies den ge- ringen Mann auf eine Zeitlang traͤge zur Arbeit, und er wird nicht wieder so fleissig als er war, wenn eine Teurung folgt, sondern legt sich alsdann lieber aufs Betteln. Zu hoch und schnell steigende Preise fuͤhlt unter allen Volksclassen der in Manufacturen arbeitende Teil am meisten. Waͤre z. B. Nieder- Sachsen ein stark manufacturirendes Land, so wuͤrde die Teurung der Jahre 1789 und 90 zu eben der Zeit dessen Manuf cturen niedergeschlagen haben, als der Landmann sich bei denen hohen Preisen so gut befand, die er fuͤr seine schoͤnen Erndten wegen der starken Ausfuhr uͤber Hamburg nach Frankreich zog. Jedes Land, wo die Lebensmittel anhaltend sehr wolfeil sind, ist freilich der beste Siz fuͤr Manufactu- ren, auch bei deren ersten Anlage. Ist aber die Ur- sache davon die schwache Bevoͤlkerung des Landes, und geht der Landbau nicht in gleichem Schritt mit den Manufacturen vorwaͤrts, oder kann nicht durch erleichterte Zufuhr Raht geschaft werden, so kann 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. blos deswegen eine Manufactur wieder sinken, weil mit der durch sie gemehrten Menschenzahl die Preise sich zu sehr erhoͤhen. §. 7. b ) Es koͤmmt auch sehr viel auf den Muͤnzfuß an, den ein Staat waͤhlt. Die Beduͤrfnisse des geringen Mannes werden bei Kleinigkeiten von ihm gekauft, und bei diesem kleinen Handel nicht darauf gesehen, ob die dafuͤr gegebene Muͤnze mehr oder weniger Silber habe. Man hat gewis im Saͤchsi- schen und Brandenburgischen fuͤr den leichten Sechser oder fuͤr 1/48 eines Tahlers eben so viel von taͤglichen Beduͤrfnissen, als in unsern Gegenden, wo der Luͤb- sche Muͤnzfuß gilt, fuͤr den schweren Schilling. Der geringe Mann aber bezahlt fast alle seine Beduͤrfnisse in diesen kleinen Muͤnzen, und er so wenig, als die Verkaͤufer dieser Beduͤrfnisse, denken in ihren Um- saͤzen darauf hinaus, ob derer Tahler, von welchen dieser Sechser oder Schilling 1/48 ist, 11⅓, ob 12, ob 13⅓ oder gar 16 aus der Mark fein gemuͤnzt wer- den. Nur darauf sehen sie hinaus, ob sie gleich viele dieser kleinen Muͤnzstuͤcke fuͤr eben dieselben Beduͤrf- nisse geben oder empfangen. S. mehr davon in meiner Abh von der Circulation des Geldes B. 6. §. 14. C. 4. In Ansehung des Manuf. Handels. Ich kann jedoch mir nicht verbieten zu wiederho- len, was ich insonderheit in der Abh. uͤber Bank- Geld, Muͤnze und Muͤnz-Verwirrung (Handl. Bibl. 2. Band 3. Stuͤck.) geschrieben habe, daß Holstein, Meklenburg und mit ihr die Daͤni- schen Staaten so lange keine Manufacturen bei sich aufbluͤhen sehen werden, als man in denselben bei dem schweren Muͤnzfuß beharret, und selbst dann noch, wenn andere Hindernisse, die ich auch kenne, weggeraͤumt sein werden. §. 8. c ) Die Auflagen in einem Staate haben auch einen grossen Einfluß auf den Preis der Lebensmittel. Es koͤmmt aber sehr auf die Art der Auflagen an. Ich werde mehr davon in dem sechsten Capitel sagen. §. 9. d ) Allein der wolfeile Preis der Manufacturen haͤngt auch sehr von dem Zinsfuß und Privat-Credit ab, der im Lande Statt hat. Wenn ein Manu- facturist zur Anlage seines Gewerbes leicht und zu geringen Zinsen Geld bekommen kann, so kann er schon Preis mit einem andern halten, der zwar wol- feiler auslohnt, aber sein Geld teurer verzinsen muß. Es koͤmmt aber hiebei auf den Umstand an, ob die Manufactur in der Anlage viel Geld erfodert, her- nach aber mit wenig Leuten betrieben werden kann, 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. wie z. E. diejenigen, so durch Muͤhlwerke betrieben werden, als Saͤge- Oel- Papier-Muͤhlen u. d. gl. Dies ist die Ursache, warum in Holland alle Manu- facturen dieser Art noch immer gut bestehen und ihre Waaren wolfeiler verkaufen koͤnnen, als die in an- dern Laͤndern. Dagegen hat Holland alle die Manu- facturen wieder verlohren, oder kann wenigstens den Teil derselben nicht betreiben, welcher viel Geld in taͤglicher Auslohnung erfodert, wenn gleich das Ca- pital zur ersten Anlage nur klein sein darf. §. 10. e ) Der Preis mancher Manufactur-Waaren ist aus dem Lohn vieler und mancherlei Arbeiten zusammen- gesezt. Z. E. in den Tuch- und Leinen-Arbeiten be- schaͤftigen sich manche Haͤnde, die aber sehr verschie- den bezahlt werden. Bei dieser Arbeit koͤmmt es durchaus darauf an, daß der Lohn der ersten Hand moͤglichst klein sei. Er muß nicht so groß sein, daß er einem Menschen voͤllig seinen Unterhalt gebe, son- dern blos ein Fuͤllstuͤck seines Auskommens und seiner Zeit neben solchen Arbeiten sei, die ihn besser naͤhren. Dies findet sich nun am leichtesten, wenn das Land- Volk solche Arbeit verrichtet, und zwar nur in der Zeit, die ihm von dem Geschaͤfte des Landbaues frei ist. Daher bestehen diejenigen Manufacturen, von welchen der Anfang Spinnen und Weben ist, nur da C. 4. In Ansehung des Manuf. Handels. gut, wo diese Arbeit unter dem Landvolk betrieben wird. Die Erfahrung beweist, daß das Landvolk am fleissigsten fuͤr diese Arbeit in den gebirgigten Ge- genden sei, wo der Landbau mehr Muͤhe erfodert und den Landmann uͤberhaupt fleissiger und fuͤr sein Auskommen sorgsamer macht. Ein wichtiger Umstand hiebei ist, wenn der Land- mann zur Reinlichkeit und einem gewissen sich fuͤr ihn schickenden Wolleben gewoͤhnt ist. Wenn dies nicht ist, so hat der kleine Verdienst von den Manufactu- ren keinen Reiz fuͤr ihn. S. davon meine Abh. vom Geldes-Umlauf . So war es nicht in alten Zei- ten, weil das Landvolk uͤberall in der Sclaverei lebte und keinen Genuß, auch des kleinsten Wollebens, kannte. Damals geschah alle, auch die Arbeit der ersten Hand, so wie die der lezten, in den Staͤdten. Aber eben deswegen waren die Manufactur-Waaren uͤber alles Verhaͤltnis zu den Kornpreisen teuer, und bei gleicher Guͤte wenig wolfeiler als jezt. Ich spare die Beweise davon fuͤr die Zusaͤze. §. 11. II ) Die Guͤte der Manufactur-Waaren haͤngt von folgenden Umstaͤnden ab: a ) Ob ein Volk das Material derselben in gehoͤ- riger Guͤte aus seinem Boden habe oder leicht dazu 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. gelangen koͤnne. Z. E. Schlesiens Leinen-Manu- factur gruͤndet sich auf den starken Flachsbau des Landes, auch des platten Landes, das diese Manu- factur selbst nicht sehr treibt; Englands Wollen- Manufactur auf seiner guten Wolle. Spanien wuͤrde in dieser Ruͤksicht den Vorzug in der Manu- factur feiner Tuͤcher behaupten koͤnnen. Aber weil es seine Wolle ungeweigert allen Auslaͤndern ver- kauft, so treibt jezt jedes Volk in Deutschland und anderswo diese Manufactur, wenn es durch die Hand- lung die Spanische Wolle zu sich holen und bei sich die Spinnerei derselben wolfeil genug haben kann. Eben so betreibt der groͤßte Teil von Europa seine Sei- den-Manufacturen mit einem Material, welches sehr weit her geholt werden muß. In Staaten, wo man auf diesen Vorteil aufmerksam ist, verbietet man da- her die Ausfuhr dieser Materialien, ja auch wol der ersten daraus verfertigten Arbeit, z. E. des Leinen- Garns, wobei jedoch noch viel zu bedenken ist. §. 12. b ) Daß die verschiedne Arbeit, welche eine Ma- nufactur-Waare erfodert, von verschiednen Haͤnden verrichtet werde. Ein paar Haͤnde macht nur einer- lei Arbeit gleich gut, und Ein Mensch verliert auch zu viel Zeit zwischen dem Wechsel der Arbeit. Da- durch bestehen insonderheit die Britischen Manufactu- C. 4. In Ansehung des Manuf. Handels. ren, fuͤr welche Metalle das Material sind, daß jeder in denselben angewandte Arbeiter nur einerlei Werk tuht. Von den Uhren-Fabriken, nicht nur in England, sondern auch in Geneve und Neuchatel, ist eben dies bekannt. Kein Uhrwerk, groß oder klein, wird von Einer Hand von Anfang bis zu Ende ausgearbeitet. In Manufacturen anderer Art hat sich dies von selbst eingefuͤhrt. Kein Spinner laͤßt sich einfallen, auch sein Garn zu weben, auch wenn Spinnen und Weben in Einer Familie und unter Einem Dache geschieht. §. 13. c ) Eine sorgfaͤltige Aufsicht zur Verhuͤtung des Betrugs bei Waaren, welche nicht bei jedem Ein- kauf Stuͤckweise durchgesehen werden koͤnnen, oder auf guten Glauben von einem Commissionaͤr in die Ferne muͤssen versandt werden. Die Leinen- und Wollen-Manufacturen sind gewoͤhnlich einer solchen Aufsicht oder Schau von der Obrigkeit unterworfen. Man sehe B. 2. C. 2. §. 2 mehr davon. Es giebt viele Beispiele, daß eine Manufactur durch erste gute Arbeit in Aufnahme gekommen ist; aber sich, ehe die Obrigkeit sich ihrer annehmen konnte, wieder verloren hat, weil der Unternehmer, um geschwin- der zu gewinnen, sie schlechter bearbeiten ließ, oder weil andere, um uͤber ihn zu gewinnen, sie schlech- 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. ter nachmachten. Oft wird auch eine Ursache zur Verschlimmerung der Manufactur-Waare, daß aus- laͤndische Kundmaͤnner sie schlechter, als gewoͤhnlich, und auf den Betrug gemacht verlangen, um ihre Umsaͤze damit desto leichter zu machen. So kom- men nach Hamburg viele Britische Manufactur-Waa- ren, welche in oͤffentlichen Verkaͤufen dem Schein nach verschleudert werden, wobei jedoch die, welche sie verschrieben haben, ihre Rechnung ganz gut finden. §. 14. d ) Am Besten ists, wenn in der Nation selbst Ehrlichkeit und ein Bestreben aller ist, die einerlei Werk treiben, die Manufactur des Landes uͤberhaupt bei einer solchen Guͤte und bei so niedrigen Preisen zu erhalten, daß sie allenthalben den Vorzug be- hauptet. Keine Manufactnr koͤmmt da in die Hoͤhe, wo ein jeder Manufacturist seine Geheimnisse hat, oder zu haben glaubt und diese nur fuͤr sich zu benu- zen sucht. Dies ist insonderheit der Fehler der Deut- schen Manufacturisten, die auch mit den kleinsten Vorteilen, in deren Besiz sie zu sein glauben, nei- disch und geheim sind. Wie es die Hollaͤndischen Mauufacturisten, die mit Maschinen arbeiten, darin halten und dahin streben, daß das Gewerk eines je- den die moͤglich groͤßte Vollkommenheit erlange, habe ich §. 78 meiner Mechanik der Wahrheit gemaͤß erzaͤhlt. C. 4. In Ansehung des Manuf. Handels. §. 15. e ) Maschinen tragen sehr viel zur Vollkommen- heit einer Manufactur-Arbeit bei, indem sie meisten- teils gleichfoͤrmiger und zuverlaͤssiger arbeiten, als die Hand, auch des geuͤbtesten Menschen, tuhn kann. Von der anscheinenden Schaͤdlichkeit der Maschi- nen, indem sie oft auch Menschen arbeitlos machen, s. meine Abhandl. vom Geldes-Umlauf B. 6. §. 73. Die Vollkommenheit der Britischen Manufactu- ren und deren seit zwanzig Jahren so hoch gestiegener und mit allem Wetteifer unerreichbarer Vertrieb ist hauptsaͤchlich den fuͤr dieselben neu erfundenen Ma- schinen zuzuschreiben. Von diesen mehren sich die Erfindungen noch immer in diesem Volk, wo tief gehende Einsicht in die Mechanik bei einzelnen zwar selten, aber desto allgemeiner diejenige Kenntnis der praktischen Mechanik, wie auch der Chemie, verbreitet ist, welche dann ein jeder in dem ihn interessirenden Gewerke zu benuzen lernt. §. 16. f ) Freiheit der Arbeit fuͤr jeden, der sich geschikt genug haͤlt, seine Arbeit so gut zu verfertigen, daß sie verkaͤuflich wird, und die Obrigkeitliche Untersu- chung da, wo eine solche gilt, ertragen kann. Frei- 2ter Teil. P 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. lich muß eine gewisse Ordnung im Erlernen dieser Arbeit gelten; aber die Neben-Umstaͤnde und Vor- schriften, welche die sogenannten Aemter und Gilden behaupten, und durch welche sie insonderheit die Zahl der arbeitenden Haͤnde klein zu erhalten suchen, lassen nicht zu, daß ein so im Zwange gehaltenes Handwerk sich zu einer grossen Manufactur erhebe. S. hievon und von denen Voraussezungen, unter welchen die Hand- werks-Gilden minder schaͤdlich werden, obige Ab- handlung B. 4. §. 20. §. 17. Die wichtigsten Manufacturen fuͤr ein jedes Land sind die, welche der grosse Haufe vorzuͤglich braucht, Z. B. wolfeile Kleidungsstuͤcke aller Art, oder deren Materialien, als Leder, oder was in allen Geschaͤf- ten am unentbehrlichsten ist, z. B. Papier, Oel aus Gesaͤme gepreßt u. s. w. Solche haben allenthalben den sichersten Bestand und wandern nicht so leicht, als andere Manufacturen, aus einem Lande in das andere. Diese koͤnnen sich zwar in jedem Lande er- halten, wo es Menschen giebt, die wenigstens fuͤr ihre nohtwendigen Beduͤrfnisse Geld-Erwerb genug haben. Man muß dabei auf das Landvolk als den vornehmsten Abnehmer und Stuͤze dieser Manufactu- ren sehen. Allein es koͤmmt hiebei noch auf zwei Stuͤcke an. C. 4. In Ansehung des Manuf. Handels. §. 18. 1) Daß der Landmann nicht gewohnt sei, und, wenn er es gewohnt ist, davon abgehalten werde, sich dergleichen Beduͤrfnisse ganz durch eigene Arbeit zu verschaffen. Er mag spinnen, allenfalls weben, aber er muß feine Leinen nicht bleichen, sein Tuch nicht faͤrben, auch nicht etwa sein Leder selbst zube- reiten wollen. Wo dies Statt hat, koͤnnen auch die gemeinsten und nohtwendigsten Manufacturen nicht in die Hoͤhe kommen. S. mehr hievon und insonder- heit von dem Schaden, den Schweden von diesem fal- schen Gange der Dinge leidet, umstaͤndlicher an seinem Orte in der Abhandl. vom Geldes-Umlauf , und in meinen Reise-Anmerkungen uͤber Schwe- den . Hier will ich nun noch hinzusezen, daß der Land- mann sich auf diese vollendende Arbeit in den ihm noͤtigen Manufactur-Waaren nicht einlaͤßt, oder auch leicht davon zuruͤk zu bringen ist, wenn sein Landbau ihm eintraͤglich genug wird, und die Zeit, welche er an jene Arbeit wenden moͤgte, ihm fehlt oder nicht hinlaͤnglich durch sie belohnt wird. 2) Der Landmann muß, um auch Verbraucher solcher Kunstproducte sein zu koͤnnen, an denen er die erste Arbeit tuht, zur Reinlichkeit und zu einem gewissen sich fuͤr ihn schickenden Wolleben Lust haben, muß sich gerne gut kleiden und reinlich wohnen wollen. P 2 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. Holland und vorzuͤglich England haben gewiß der Reinlichkeit ihrer Landleute den Bestand ihrer wich- tigsten Manufacturen groͤßtenteils zu verdanken. Freilich sezt dies voraus, daß der Landmann im ge- hoͤrigen Wolstande sei, und nicht etwan sein Wolle- ben in Fressen und Saufen seze. Aber eins hilft hier zum andern. Der reinliche Bauer ist immer gerne fleissig, der unreinliche wird weder fuͤr sich noch fuͤr das uͤbrige Volk mit Lust und Anstrengung arbeiten. S. mehr hieruͤber von dem Geldes-Umlauf B. 3. §. 11 — 14 und B. 4. §. 5. §. 19. Indessen hat Frankreich grossen Vorteil davon gehabt, und genießt ihn noch von solchen Manufactu- ren, welche zum Wolleben der hoͤhern Volks-Classen hauptsaͤchlich dienen. Henrich IV sezte diese zu seiner ersten Absicht und verordnete, daß sie von Zeit zu Zeit ihre Muster und Erfindungen veraͤndern sollten. Hiedurch brachte er es dahin, daß Frankreich fuͤr das Wolleben der hoͤhern Volks-Classen in ganz Europa lange Zeit allein arbeitete. Der dreissigjaͤhrige Krieg machte die Deutschen Fuͤrsten mit den Franzosen und deren Wolleben naͤher bekannt, und als deren Nach- kommen einsahen, wie viel Geld Frankreich fuͤr diese Manufacturen zog, so glaubten sie und so glauben es auch noch viele, und ausser Deutschland auch andere C. 4. In Ansehung des Manuf. Handels. Fuͤrsten, daß sie nicht besser fuͤr ihr Land sorgen koͤn- nen, als wenn sie in demselben Manufacturen fuͤr die Beduͤrfnisse des hohen Wollebens anlegen. Allein diese gruͤnden sich nicht, wie die Leinen- und Wollen- Manufacturen, auf den Neben-Fleis des Landmanns. Sie koͤnnen nicht wol anders, als in Staͤdten, ja wol gar nur in einzelnen kostbaren Arbeits-Haͤusern be- trieben werden. Die Anlagen davon kosten grosse Summen. Die Contrabande wirkt ihnen mehr als andern Manufacturen entgegen, und, wenn es mit ihnen gelingt, so naͤhren sie doch immer weit weni- ger Leute, als jene. Am weitesten haben die Fuͤr- sten unserer Zeit dies Vorurteil in Ausehung der Por- cellan-Manufacturen befolgt, ohne daß irgend ein Staat ausser Sachsen, so lange es allein im Besiz einer Europaͤischen Porcellan-Manufactur war, er- heblichen Vorteil davon gehabt haͤtte. §. 20. Es koͤmmt bei den Manufacturen noch auf ver- schiedne andere Umstaͤnde an, ob sie in einem Lande mit Vorteil betrieben werden koͤnnen. Ein Haupt- Umstand ist die Feuerung . England hat den gros- sen Vorteil, daß es eine jede Fabrik in jeder Gegend seines Landes anlegen kann, weil es seine Steinkoh- len allenthalben in der Naͤhe hat. In Deutschland aber, wo man mehrenteils Holz brennt, und dies 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. schon so sehr sich zu verlieren anfaͤngt, sind wenig Gegenden, wo Glashuͤtten, Eisenhaͤmmer und der- gleichen bestehen koͤnnten. Selbst die Porcellan-Fa- briken fallen mancher Gegend zur Last. Das Schle- sische Leinen wird durch eine Bleiche zubereitet, die einen erstaunlichen Aufwand von Feuerung erfodert. Diese laͤßt sich in keiner andern Gegend Deutschlands nachahmen, wo die Feuerung selten und teuer ist. Eben in solchen Gegenden koͤnnen daher nicht mehrere Arten von Manufacturen neben einander bestehen, die beide viel Feuerung gebrauchen. In den Schlesischen Gebirgen haben die Versuche im Bergbau seit den lezten Jahren Friedrichs des Grossen einen lebhaften Fortgang gehabt, welchem aber vielleicht der Umstand die Grenze sezen moͤchte, daß die dazu erfoderliche Feuerung nicht bei den Leinen- Manufacturen entbehrt werden kann, es sei dann, daß die Steinkohlen dort sich noch ergiebiger zeigen. Ein anderer wichtiger Umstand ist der Trans- port , nicht uur der Manufactur-Waaren und ihrer Materialien, sondern auch der Beduͤrfnisse zu deren Betreibung, insonderheit des Holzes. England hat sich durch seine neugegrabenen vielen Canaͤle insonder- heit diesen Vorteil verschaft, daß die Steinkohlen jezt wolfeiler zu den Fabriken gelangen koͤnnen. C. 4. In Ansehung des Manuf. Handels. Zuvoͤrderst ist zu uͤberlegen, ob man auf Menschen genug oder auf genug freie Zeit bei ihnen rechnen koͤnne, oder ob die Menschen so geartet sind, daß sie die noͤ- tige Arbeit fuͤr die Manufacturen tuhn koͤnnen oder tuhn wollen. In Laͤndern, wo die Leibeigenschaft noch gilt, wird dem Landmann durch Frohn-Dienste zu viel Zeit genommen, und er ist auch zu gleichguͤltig fuͤr den Neben-Verdienst, den ihm die Manufactur geben koͤnnte. In andern Gegenden ist der grosse Haufe zu liederlich und zu faul, und will, so geldlos er ist, nicht anders als fuͤr hohen Lohn arbeiten. In Laͤndern, wo der Landbau im lebbaften Stei- gen ist, fehlt es an Haͤnden fuͤr die Manufacturen, und man freuet sich nur, Menschen genug fuͤr die noͤtigsten Handwerke zu haben. Dies ist bisher noch der Fall mit Nord-America. In mancher Gegend, wo diese Umstaͤnde mehr oder weniger zusammen kommen, hat man den Vor- teil, eine benachbarte Gegend benuzen zu koͤnnen, mit deren Einwohnern es anders steht So beruhen z. B. die Manufacturen zu Muͤlhausen und Langensalze hauptsaͤchlich auf dem Fleiß der Einwohner des Eichs- feldes in der fuͤr jene noͤtigen Vorarbeit. Den Tuch- 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. Manufacturen in Aachen und Eupen wird durch das Landvolk von wenigstens zehn verschiedenen Gebieten vorgearbeitet. §. 21. Wenn eine Manufactur unter jenen mißlichen Umstaͤnden angelegt ist, so kann freilich kein Bestand derselben bei freier Handlung erwartet werden. Die Mittel sie zu erhalten sind alsdann: Auflagen auf die fremden Manufacturen gleicher Art, oder gaͤnzliches Verbot. Das erste von diesen Mitteln ist als billig anzu- sehen. Wenn der Auslaͤnder durch seine Manufactu- ren in einem Lande verdienen will, so ist es gerecht, daß er im Lande etwas dafuͤr lasse. Die inlaͤndische Manufactur, wenn sie diese Abgabe nicht mit bezahlt, wird dadurch in den Stand gesezt, gegen die auslaͤn- dische zu bestehen, wenn diese so viel, als sie wol- feiler arbeitet, abgeben muß. Allein sie muß sich doch immer bestreben, ihre Waare gut zu liefern, weil sonst der Einwohner, wenn er Freiheit dazu hat, lieber das mehrere fuͤr die bessere fremde Waare geben wird. Man hat auch an diesen Auflagen ein Mittel der Beurteilung, ob eine Manufactur sich fuͤr ein Land schicke oder nicht. Man seze z. B. der fremde raffinirte Zucker werde in einem Lande, wo C. 4. In Ansehung des Manuf. Handels. man selbst Zucker-Fabriken angelegt hat, mit 10 p. C. Auflage beschwert, und behalte dennoch den Vorzug vor dem inlaͤndischen. Nun belege man ihn mit 20 p. C. Zeigt sich auch dann noch, daß er den Vorzug behaͤlt, so ist dies ein Zeichen, daß diese Manufactur nicht fuͤr das Land paßt, weil sie mit einem Vorteil von 20 p. C. nicht neben der aus- laͤndischen bestehen kann. Allein diese Schluͤsse lassen sich nicht anders ma- chen, als unter der Voraussezung, daß der Zoll rich- tig taxirt und eingehoben wird. Wenn man Z. E. fuͤr eingefuͤhrten feinsten Refinad-Zucker nur 20 p. C. nach dem Wehrt der groͤbsten Sorte nimmt, so ist dies von keiner Wirkung. Portugal war bis 1703 mit seinen Manufactu- ren sehr weit gekommen, deren Einfuhr vom Aus- lande her ganz verboten war. In diesem Jahre aber wirkte der Britische Minister Methuen aus, daß die Britischen Manufacturen mit einer Abgabe von 20 p. C. wieder eingefuͤhrt werden duͤrften. Sogleich ver- brauchte das ganze Reich nur Britische Manufacturen, und diese Auflage hinderte nichts, weil in dem fuͤr dieselbe geltenden Tarif die Taxe so niedrig gemacht war, und man die bessern Guͤter so unter den schlech- tern versteckte, daß die Auflage vielleicht keine 3 p. C. betrug. 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. §. 22. Ein allgemeines Verbot auslaͤndischer Manu- facturen hat freilich, wenn daruͤber gehalten werden kann, die nohtwendige Folge, daß nur inlaͤndische Manufacturen im Lande gehen duͤrfen. Aber die Contrabande stoͤrt dies uͤberall gar zu sehr, wiewol es dabei auf andere Umstaͤnde noch ankoͤmmt. Ist die inlaͤndische Manufactur gut, und empfielt sich durch einen beinahe so wolfeilen Preis, als die auslaͤndi- sche, so wird das Verbot seine Wirkung tuhn, und die Contrabande nicht ins Grosse gehen. §. 23. Gewoͤhnlich suchen die Unternehmer neuer Ma- nufacturen nicht bloß ein Verbot der Einfuhr von aussen, sondern auch das Vorrecht, daß nur sie, we- nigstens auf eine bestimmte Zeit, diese Manufactur im Lande anlegen, und daraus verkaufen duͤrfen. Der einzige Grund, welcher zu einer solchen Fo- derung berechtigen moͤgte, ist, wenn es dabei auf eine besondere Erfindung ankoͤmmt. Selbst in Eng- land, wo man sich doch sonst so sehr vor Monopolien huͤtet, wird unter diesen Umstaͤnden manches Privi- legium auf gewisse Zeit erteilt. Indessen hat man auch darin zuweilen ein Versehen gemacht, und es hintennach erkannt. Lombe , der Mann, welcher C. 4. In Ansehung des Manuf. Handels. in Piemont die grosse Seiden-Windemuͤhle so lange studirt hatte, daß er sie in England nachzuahmen sich getraute, war auf 14 Jahr privilegiirt worden, sie allein benuzen zu duͤrfen. Das Parlament sah aber seinen Fehler ein, kaufte ihm das gegebene Pri- vilegium wieder ab, und gab nun jedermann Frei- heit sie anzulegen. In jedem andern Fall aber, zu- mal wenn der Gegenstand eine Manufactur-Waare von sehr allgemeinem Verbrauch ist, haben derglei- chen Monopolien die schaͤdlichsten Folgen. Die ge- wisseste Folge ist, daß der Monopolist, weil er keine Concurrenz im Lande fuͤrchtet, seine Waare nicht so vollkommen macht, als er sonst tuhn wuͤrde. Es koͤmmt also niemals dahin, daß sie durch Guͤte und Wolfeilheit zum auswaͤrtigen Vertrieb gelangte. Das gewoͤhnliche ist dabei auch, daß ein solcher Mo- nopolist vorstellt, er koͤnne noch nicht so viel Waare verfertigen, als das Land erfodert, und dem zufolge sich die Erlaubnis geben laͤßt, vors erste fremde Waa- ren einfuͤhren, aber auch allein verkaufen zu duͤrfen. §. 24. In dem jezigen Bestreben guter Staatswirte, den Wolstand ihrer Voͤlker durch Manufacturen zu heben, sind der Beispiele so viel von mislungenen, als von gelungenen Unternehmungen. Friedrichs des Grossen Meisterwerk war, daß er seinen Staa- 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. ten, welchen dieselben bis dahin so sehr fehlten, einen so grossen Erwerb durch das von ihm wie neuerschaf- fene Manufacturgewerbe gegeben hat. Aber man- ches ist auch ihm mislungen, und er hat die schon er- gangenen Verbote der Einfuhr fremder Manufactu- ren ungern wieder aufheben muͤssen, er, dessen erste Regel war, sein Volk in keinem Stuͤkke glauben zu machen, daß er sich in seinen Maasregeln betriegen koͤnne. So ergieng es ihm unter andern mit dem Verbot der Einfuhr des fremden Papiers. Andre hat er mit Muͤhe und mit einem Zwange erhalten, von dessen Unmoͤglichkeit er vielleicht selbst zulezt sehr uͤberzeugt war. Man weiß, wie viel schwerer es in den Oesterreichischen Staaten gegangen ist, wenn gleich schon unter Maria Theresia die Hauptsache schnell gelang, und durch die von ihr erregte inlaͤndi- sche Betriebsamkeit Kraͤfte des Staats entstanden, die den Verlust so vieler von ihrem Vater und zum Teil von ihr verlornen Laͤnder mit wenigstens sieben Millionen Untertahnen reichlich ersezten. Am wenig- sten hat es Daͤnemark und Schweden mit dem lange eifrig befolgten Manufactur-System gelingen wollen. Ich habe bereits so viel von den Erfodernissen der Manufacturen gesagt, als fuͤr meinen Zwek noͤtig ist. Hier will ich noch diese allgemeine Erinnerung hinzusezen: die meisten Anschlaͤge zur Anlegung solcher Manufacturen, die noch nicht durch Privat- C. 4. In Ansehung des Manuf. Handels. Industrie dem Staate haben entstehen wollen, ent- springen aus der Nachahmung, wenn ein Regent oder sein Staatsmann hoͤrt, daß ein anderer Staat sich bei dieser Manufactur gut befinde. Dann ist es aber nohtwendig, alle kleine Umstaͤnde, die den Gang dieser Manufactur betreffen, aufs genaueste zu wissen und zu untersuchen, ob das alles in dem Volke, wel- chem man die Manufactur geben will, eben so Statt habe, damit es in der jezt so allgemeinen Concurrenz bestehen koͤnne. Ich habe es geschrieben, und kann nicht umhin, es zu wiederholen: Es giebt Ma- nufacturen, die sich eben so wenig in je- den Staat verpflanzen lassen, als dies mit so vielen Producten der Natur moͤg- lich ist . Ich glaube dies von der Hamburgischen Zukkersiederei in dem 1sten Stuͤcke des 3ten Bandes unserer Handlungs-Bibliothek erwiesen zu haben, wo man auch noch mehr zur Bestaͤtigung die- ses wichtigen Sazes S. 104 ff. lesen kann. Ich habe noch nichts zu dessen Widerlegung gesehen, und fuͤrchte auch keine. Aber man wird bei mancher an- dern Manufactur aͤhnliche Schwierigkeiten finden. §. 25. Indessen bleibt es wahr: es giebt Manufactu- ren, die ein jedes Volk muß haben koͤnnen, wenn es sie haben will. Aber bei eben diesen gilt die Frage: 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. ob es sie sogleich schon haben koͤnne, wenn der Staatsmann sich einfallen laͤßt, sie demselben zu ge- ben, und ob er nicht blos sich begnuͤgen muͤsse, die Anlage vorlaͤufig zu machen, daß die kuͤnftige Gene- ration sie haben koͤnne? Hiebei koͤmmt es insonder- heit auf die in dem Volke herrschende Wendung des Geistes an. Mit mancher Nation laͤßt sich alles an- fangen, mit mancher andern nichts, so lange sie so bleibt, wie sie ist. Sachsen hat in Ansehung seiner Manufacturen alles seinen natuͤrlichen Vorteilen und insbesondere dem natuͤrlichen Hange des Volks zum Fleiß, seinen ehemaligen Regenten aber, August den Churfuͤrsten ausgenommen, nichts zu danken. Den Beweis davon getraue ich mich in den Zusaͤzen zu fuͤhren. Aber in allen Staaten, wo die Leibei- genschaft noch besteht, werden die Versuche des ver- staͤndigsten Regenten auf diesen Zwek, auch nach auf- gehobener Leibeigenschaft, so lange noch vergebens sein, bis durch eine gebesserte Erziehung der aufkei- menden Generation der Geist der Betriebsamkeit mitgeteilt ist. Ganz Europa hat Ursache, den Bri- ten die grossen Vorteile zu beneiden, welche es jezt von seinen vervollkommten Manufacturen zieht. Aber lange, lange noch wird in manchen derselben der Wetteifer auch aus der Ursache unwirksam bleiben, weil die Kenntnis der praktischen Mechanik und Che- mie, und darauf sich gruͤndende Erfindsamkeit einzelner C. 4. In Ansehung des Manuf. Handels. Menschen in ihrem besondern Betriebe sich noch nicht so bei andern Voͤlkern verbreiten will, als sie es bei diesem Volke ist, wenn gleich ihre Schriftsteller jezt in diesen Wissenschaften selbst hinter den Deutschen betraͤchtlich weit zuruͤk stehen. §. 26. Ein beilaͤufig schon erwaͤhnter Misgrif der Staats- maͤnner in Ansehung der Manufacturen ist der, wenn sie die Manufacturen fuͤr das hohe Wolleben einer vor- zuͤglichen Aufmerksamkeit wuͤrdigen, und glauben durch deren Einfuͤhrung Segen uͤber ein Land zu ver- breiten, dagegen aber derjenigen vergessen, welche fuͤr die nohtwendigen Beduͤrfnisse des grossen Hau- fens arbeiten. Der vornehme Mann erfaͤhrt nur die hoͤhern Preise, welche ihm jene Beduͤrfnisse kosten, und fuͤhlt nicht die Kosten von diesen. Wenn er Hunderte fuͤr ein reich gesticktes Kleid zahlt, so ver- gißt er daruͤber der einzelnen Tahler, die ihm das Leinen zu seinem Nachthemde, sein wollenes Brust- tuch und seine Unterstruͤmpfe kosten. Er vergißt daruͤber, daß es Tausende gebe, die nichts mehr als dieses zur Bedekkung ihres Leibes bezahlen koͤn- nen, und daß diese viele Tausende die fuͤr sie arbei- tenden gewisser naͤhren, als das Hundert von prun- kenden Hofleuten, die an einem Gallatage in dem Pallast des Fuͤrsten sich versammeln. Dies ist der 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. Misgrif so vieler Deutschen Fuͤrsten gewesen, als in der lezten Haͤlfte dieses Jahrhunderts ihnen der erste Gedanke entstand, daß ihren Staaten Manufactu- ren nuͤze sein koͤnnten. Friedrich glaubt noch in der Geschichte seiner Zeit Cap. 2 des 5. Teils durch die Porzellan-Fabrik ein grosses geleistet zu haben. Aber weit gluͤklicher werde ich denjenigen Deutschen Staat schaͤzen, dem es gelingen wird, das Englische weisse irdene Tischgeschirr, dessen Einfuhr er verbot, so in dem Preise und in der Guͤte nachzuahmen, daß es in der Concurrenz mit dem Britischen bestehen kann. §. 27. Auch in der Wahl des Orts versieht man es oft, in welchem man eine Manufactur von Belang ent- stehen zu machen sucht. Alte Staͤdte schikken sich durchaus nicht fuͤr die Manufacturen unserer Zeit, wenn nicht die Anlage der Haͤuser, welche zufaͤllig einer aͤltern Manufactur gedient haben, so beschaffen ist, daß sie fuͤr die neue Manufactur umgebauet werden koͤnnen. Die in Hamburg ehemals so hoch getriebene Brauerei erfoderte vielen Raum in mehre- ren nicht hohen luftigen Stockwerken. Weil dies auch die erste Erfodernis fuͤr eine Zukkersiederei ist, so die- nen wenigstens hundert der groͤsten alten Brauhaͤuser jezt fuͤr diese. Aber keines derselben wuͤrde fuͤr eine Manufactur dienen, welche mit grossen Maschinen C. 4. In Ansehung des Manuf. Handels. arbeitet, die allenfalls von Pferden getrieben wer- den muͤssen, oder die vieles allenfalls in kleine Ge- maͤcher verteiltes Licht bedarf. Zu einer kleinen Zuk- kersiederei, so lange derer Betrieb nicht an Hundert- tausende von Pfunden in einem Jahre steigt, laͤßt sich fast ein jedes Gebaͤude einrichten, zumal, wenn deren Unternehmer noch kein Wolleben in reinlicher und geschmuͤkter Wohnung fuͤr sich und seine Familie kennt. Doch sehen die groͤssern Znkkersieder jezt mehr und mehr dahin, und bauen vorzuͤglich solche Haͤuser aus, die einen breiten Speicher haben, in welchem viel Raum auf grossen luftigen Boͤden sich gewin- nen laͤßt, und weniger Zeit und Arbeit im Auf- und Niederschleppen des Fabrikats und der Materialien verloren geht. Weit groͤssere Schwierigkeit aber hat es bei Anlegung einer Cattunmanufactur, und Ham- burg wuͤrde dazu nicht Haͤuser genug nach deren ge- woͤhnlicher Bauart darbieten koͤnnen, wenn deren so viel waͤren oder entstehen koͤnnten, als der Zukker- siedereien. Ich habe eine solche gekannt, wo man dem Pferde, das den Calander treiben mußte, nur einen Zirkel von dreizehn Fuß im Durchmesser zum Ziehen gegeben hatte, welches gewiß jaͤhrlich wenig- stens Ein Pferd kostet, aus Gruͤnden, die man §. 60 meiner Mechanik nachlesen kann. Ich habe mich uͤber diese klein scheinenden Umstaͤnde ausgedehnt, um die Bemerkung vorzubereiten, daß, wenn in 2ter Teil. Q 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. unsern Zeiten Manufacturen ins Grosse gehen sollen, entweder die Privatindustrie oder der sie ermunternde Regent Oerter dazu waͤhlen muß, wo Raum genug zum Bauen ist. Oder es scheint vielmehr, daß die- ser Umstand vorzuͤglich das grosse und geschwinde Aufbluͤhen der Manufacturen in solchen Staͤdten ver- anlaßt habe, die mit denselben wie neu entstanden sind. Sehr auffallend muß es jedem Reisenden sein, wie es mir war, dies in Manchester zu bemerken. Hier sieht man jenseits des kleinen Flusses, an wel- chem diese jezt so grosse Stadt liegt, eine alte schmu- zige kleine Stadt Stamford. Aber in dieser konnte der Betrieb nicht entstehen, der jezt Manchester zu einer der groͤßten Staͤdte Englands in so kurzer Zeit gemacht hat, und die Einwohner jener alten Stadt leben von den Vor- und Nebenarbeiten in den Ma- nufacturen der Tochterstadt, wie ich sie glaube nennen zu duͤrfen. Dies scheint mir ein Hauptgrund zu sein, weswegen in den alten Deutschen Land- und Reichs- Staͤdten es mit allen Anschlaͤgen, ihnen durch Ma- nufacturen aufzuhelfen, nicht recht fort will. Denn, wenn man solche Anschlaͤge faßt, so kann man nicht in den Plan nehmen, die alte Stadt umzubauen. Denn eines Teils fehlen zu Anfang die Kraͤfte dazu, und andern Teils haben solche Entwuͤrfe zur ersten Absicht, der alten Stadt aufzuhelfen und ihren alten Gebaͤuden, so wie sie sind, einen groͤssern Wehrt zu C. 4. In Ansehung des Manuf. Handels. geben. Vielleicht liegt es eben hieran, weswegen auch noch in neuern Zeiten alte grosse Staͤdte, z. E. Nuͤrnberg und Augsburg, deren bis dahin fortgedauerten Manufacturen groͤßtenteils verloren haben. Deutschland hat der Hofstaͤdte so sehr viele, und fast keine derselben ist eine Manufacturstadt. Hier scheint mir eine andere Ursache zu wirken, weil nem- lich die Taͤhtigkeit des Buͤrgers durch seine mehr oder mindre Teilnehmung an dem Hofleben eingeschlaͤfert wird, auch der Landmann um solche Staͤdte her mit dem Wolleben zu sehr bekannt wird, und einen zu sichern Verdienst durch den Absaz seiner Producte in der Hofstadt findet, dei welchem er nicht Lust behaͤlt an der Arbeit der ersten Hand Teil zu nehmen. Aehn- liche Ursachen unterdruͤkken die Manufacturen in sol- chen Staͤdten, welche stark besezte Universitaͤten haben. Wenn aber einmal eine Stadt so groß geworden ist, daß der Hof dem geringen in derselben wohnenden Mann minder bemerkbar wird, wie in London, Pa- ris und Berlin, oder wenn derselbe zahlreiche Vor- staͤdte hat, wie Wien und auch Paris, so koͤnnen Manufacturen in derselben bluͤhen und der sichere Absaz bei so vielen grossen Geldverzehreren hebt die- jenigen, welche fuͤr das hohe Wolleben arbeiten. Aber auch dann entsteht ihnen eine andere Gefahr au s Q 2 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. der Betoͤhrung der sie betreibenden Buͤrger, wenn sie an diesem hohen Wolleben zu viel Anteil nehmen, mit der Titelsucht befallen werden, und der Regent schwach genug ist, ihnen Titel zu erteilen, die sich nicht fuͤr ihren Stand und Lebensweise schicken, oder sie wol gar zu Adeln . Fuͤnftes Capitel . Von der Handlungs-Politik in Ansehung des Zwischen-Handels . §. 1. E s wird sehr noͤtig sein, die in dieses Capitel gehoͤ- renden Regeln in zwei Abschnitte einzuteilen. A ) In diejenigen, welche der Staat anzuwen- den hat, der den Zwischenhandel selbst treibt, oder bei sich entstehen machen will. B ) In diejenigen, welche ein jeder Staat in Ansehung des in und durch ihn gehenden Zwischen- Handels befolgen muß. C. 5. In Ansehung des Zwischenhandels. Erster Abschnitt . §. 2. A ) Die Handlung war in der alten, wie in der mittlern Zeit uͤberhaupt keine andre als die von mir B. 3. C. 1 beschriebene Eigene oder Propre-Handlung. Diejenigen Staaten, welche durch Vorteile der Lage oder durch Zeitumstaͤnde beguͤnstigt, den Zwischenhan- del an sich gebracht hatten, sezten ihre ganze Wol- fahrt darin, denselben allein im Wege des eigenen Handels zu treiben. So manche Verordnung in den gemeinen Beschluͤssen des Hanseatischen Bun- des, und die ganze Handlungs-Politik einzelner Staͤdte sowol, als der Hansa uͤberhaupt, war auf diesen Zwek gerichtet. Durch veraͤnderte Umstaͤnde der Zeit, wovon im 4ten Stuͤck meiner kleinen Schriften von der Handlung umstaͤndlich und kuͤrzer hier B. 3. C. 2. geredet worden, ist der Com- missionshandel entstanden. Wie aber dennoch ein- zelne Handelsstaͤdte Deutscher Nation oder Deutschen Ursprunges noch an den alten Grundsaͤzen haften, und den Propre-Handel als den ihnen allein zutraͤg- lichen zu behaupten suchen, davon giebt mein Gut- achten uͤber die Anmassungen der Stadt Rostock in Ansehung der Handlung in dem 1sten Stuͤck des 3ten Bandes unserer Handlungs- Bibliothek zulaͤngliche Beweise. 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. §. 3. Der Bestand des Zwischenhandels beruht haupt- saͤchlich darauf, daß eine hinlaͤngliche Menge und Mannigfaltigkeit von Waaren an Einem Orte zu- sammen komme, so daß die Nachfrage der Kaͤufer anderer Gegenden nicht leicht vergeblich wird. Eben dadurch wird eine Handelsstadt zu einem wahren Marktplaz; (m. s. zuruͤck auf B. 3. C. 1. §. 5. ff.) und eben solche Marktplaͤze sind es, die der Zwi- schenhandel im Grossen zu seinem Hauptsiz waͤhlt. Wie insonderheit die geographische Lage einem Orte diesen Vorteil zuwendet, vorzuͤglich die Lage an dem- jenigen Orte eines Flusses, wo die Seefahrt aufhoͤrt und die Flußfahrt anfaͤngt, habe ich B. 3. Cap. 1. §. 9 gezeigt. In alten Zeiten war es genug, nur einen mittelmaͤssigen Seehafen zn haben, um einen Zwischenhandel von einiger Ausdehnung zu treiben. In den Zeiten der Hansa war so manche Stadt Nie- derlage, Stapelstadt und Marktplaz zugleich, und konnte sich lange dabei erhalten. Auch noch jezt macht manche kleine See- ja manche Landstadt sich einen gewissen Zwischenhandel eigen, wenn deren Buͤrger ein hinlaͤngliches Maas von Taͤhtigkeit und Handlungs-Kenntnissen haben, und es ist keine Vor- aussezung, welche den taͤhtigen und einsichtsvollen Kaufmann, er lebe wo er wolle, hindern koͤnnte, C. 5. In Ansehung des Zwischenhandels. den Zwischenhandel in demjenigen Wege zu treiben, welchem ich B. 3. Cap. 1. §. 11 beschrieben habe. §. 4. Wenn ein Ort zu einem grossen Marktplaz fuͤr die Handlung geworden ist, (B. 3. Cap. 1. §. 9. ff.) oder auch noch dahin strebt, ein solcher zu werden, so muß es ihm gleichguͤltig sein, ob die Waaren auf seinen Markt durch Eigne-Handlung oder durch Com- missions-Handlung gelangen. Zwar ist es dem ein- zelnen Handelsmanne in solchen Staͤdten nicht aller- dings gleichguͤltig, wenn sich, bei dem jezt so allgemein gewordenen Bestreben die Handlung directe zu treiben, wohin es nur immer moͤglich ist, sein eigner oder sein Commissions-Handel mehr und mehr in einen blossen Transit-Handel verwandelt. Aber auch das kann er verschmerzen, und die Erfahrung beweiset es, daß in Handlungsplaͤzen, welche dem Zwischen- Handel Einen Weg wie den andern erlauben, der Eigne-Handel neben dem Transit-Handel nicht nur sich erhalte, sondern mehr und mehr vergroͤssere, und dann das eine Folge davon werde, daß man den Marktplaz wiederum mehr zu suchen aufaͤngt, wel- chen man verlassen oder bloß zum Durchgang fuͤr seinen eignen Handel benuzen zu koͤnnen glaubte. Mehr davon §. 6. 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. §. 5. Kein Ort kann in dem Besiz des Zwischenhan- dels bestehen, wenigstens nicht den Markt derjenigen Guͤter an sich halten, in Ansehung deren er mit an- dern Plaͤzen in Concurrenz steht, wenn er die Ein- und Ausfuhr derselben mit hohen Zoͤllen beschwert. Er muß wenigstens mit Auflegung und Bestimmung derselben nicht weiter gehen, als er bemerkt, daß die Concurrenz mit andern handelnden Staaten es ihm erlaubt. In neuern Zeiten wendet man es als eines der wirksamsten Mittel an, einen Ort, auf welchen man Zwischenhandlung ziehen will, von allen Zoͤllen zu befreien, oder ihn zu einem Frei-Hafen ( Por- to Franco ) zu machen. Italien hat einen solchen an Livorno, in unsrer Nachbarschaft ists Altona. Hamburg, das seine zwar schwachen Zoͤlle nicht ganz entbehren kann, hat dieselben in neuern Zeiten aͤus- serst vermindert, und von allen durchgehenden Guͤtern ganz abgenommen. In den Vereinigten Niederlanden hat man we- gen der so hoch gestiegenen Staats-Schulden die Handlung mit zu starken Abgaben belasten muͤssen, und da hiedurch so wohl, als durch andre Umstaͤnde die Handlung dieser Staaten viel verloren hat, so ist zwar schon vor vielen Jahren der Vorschlag ge- tahn, Einen Hafen der Republik zum Freihafen zu C. 5. In Ansehung des Zwischenhandels. machen. Es wird aber nie dazu kommen, weil der- jenige Plaz, dem dies Gluͤk wiederfaͤhrt, den Zwi- schenhandel fast ganz an sich ziehen, und sich zum Nachteil der in alle solchen Ueberlegungen zu maͤchtig einwirkenden Stadt Amsterdam heben wuͤrde. §. 6. Indessen wird in solchen Handelsplaͤzen die Eigne- Handlung neben der Commissions-Handlung immer bestehen muͤssen, wenn sie den Markt bei sich erhal- ten wollen. Mit den Commissionen allein wuͤrde es zu ungewiß gehen, manche Waare wuͤrde fehlen, wenn sie lebhaft gesucht wird, und wuͤrde alsdann an einem andern Ort gesucht werden muͤssen. Es ist aber niemals Schade fuͤr einen Plaz, wenn durch Commission von Einer Waare zu viel auf deren Markt koͤmmt, obgleich alsdann einzelne Speculan- ten dabei verlieren. So manche Art der Handlung ist auch, in welcher die Waaren niemals in Verkaufs- Commissionen zu einem solchen Plaz kommen, und die folglich ganz in demselben fehlen muß, wenn sie nicht durch Speculanten als eigene Handlung betrie- ben wird. So ist es hier in Hamburg mit den Corin- ten und mit den Italiaͤnischen Oelen bewandt. Wenn dann auch der inlaͤndische Kaufmann durch eben diese Plaͤze ihrer Lage wegen den Weg fuͤr seinen directen Handel sucht, so ist zwar wahr, daß dabei dem Ein- 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. wohner solcher Plaͤze nicht der Verdienst entgeht, den ihm die Eigne-Handlung bei gut einschlagenden Conjuncturen und die Commissions-Handlung geben. Die blosse Spedition ist auch nicht eigentlich als ein Zweig der Zwischenhandlung anzusehen. Indessen wuͤrde der Staat sehr uͤbel tuhn, welcher in dieser Ruͤksicht der durchgehenden oder Transito-Handlung Schwierigkeit in den Weg legen wollte. Eins hilft zum andern, und mancher Ort hat einen Absaz der auf seinen Markt zusammen kommenden Waaren, welcher sich auf die Transito-Handlung gruͤndet. Der Verdienst fuͤr den geringen Mann ist doch immer eben so groß von der durchgehenden Waare, als von der, welche der Kaufmann des Orts selbst verschreibt. §. 7. Die Handlungs-Politik voriger Zeiten sah inson- derheit Jahrmaͤrkte und Messen als ein Mittel an, den Zwischenhandel zu erwecken und zu unterhalten. Auch in neuern Zeiten wandten insonderheit die Deutschen Fuͤrsten dasselbe zuweilen an, um einzel- nen Staͤdten diesen Handel zuzuwenden. Sie waren in aͤltern Zeiten sehr zutraͤglich als der Kaufmann uͤberhaupt gewohnt war mit seinen Waaren, sowol zum Einkauf als Verkauf zu reisen. Durch sie wur- den die Einkaͤufer und Verkaͤufer auf Einen Plaz C. 5. In Ansehung des Zwischenhandels. zusammen gebracht. Auch noch schaffen sie diesen Nuzen in dem grossen Handel den Kaufleuten solcher Gegenden, welche den Handel noch nicht genug aus- studirt haben, oder wo die Strassen nicht sicher ge- nug sind, daß sie ihr Gewerbe in dem gewoͤhnlichen Wege der Spedition und Commission gehoͤrig betrei- ben koͤnnten. Aber in solchen Handlungs-Plaͤzen, wo die Zwischen-Handlung ihren festen Siz haben soll, kann die Handlung sich nicht an gewisse Zeiten binden. Der Auslaͤnder muß die Waare, die er dort sucht, zu allen Zeiten finden, er mag sie committiren oder selbst kommen sie zu holen. Z. B. im J. 1789 waren in Ham- burg 13 Marokkaner, um Leinen aus der ersten Hand zu kaufen. Sie fanden dessen mehr, als sie brauchten, ohngeachter Hamburg keine Leinen-Messe hat. Aber eben diese Leute wuͤrden, wenn eine solche Messe hier waͤre, ihre Reise schwerlich darnach einrichten koͤn- nen, um zur Zeit der Messe hier zu sein. Wenn daher auch ein solcher Plaz einen Jahrmarkt und Messe hat, so koͤmmt dieselbe bei dessen uͤbrigen Hand- lung in keine Achtung, und vermehrt dessen Wol- stand nicht sonderlich. §. 8. Ich habe B. 2. C. 1. §. 11 von einer Art des Zwischenhandels, der nicht uͤber den Wohnsiz des 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. Kaufmanns, der ihn treibt, geht, bereits genug ge- sagt, um ihn nicht hier aufs neue beschreiben zu duͤr- fen, aber auch erwaͤhnt, daß, so lobenswuͤrdig auch die Taͤhtigkeit solcher Kaufleute ist, die ihn zu trei- ben verstehen, der Vorteil davon fuͤr den Staat, dessen Buͤrger sie sind, sehr eingeschraͤnkt sei. Wel- cher Regent wird jedoch es sich nicht angenehm sein lassen, solche Kaufleute in seinen Staaten zu haben, die, wenn ihre so feinen Speculationen einschlagen, zum Reichtuhm gelangen, und wenigstens in ih- rer Stadt Geld durch ihren Aufwand verbreiten. Auch das Beispiel, das sie ihren Mitbuͤrgern geben, muß dem Regenten angenehm und wichtig sein, um Nacheiferung in andern Staͤdten und Gegenden des Reichs zu erwekken, von welchen aus und zu wel- chen die Speculationen betrieben werden, und dem geringern Mitbuͤrger mehr Verdienst geben koͤnnen. Auch mag das Comtoir eines solchen Kaufmanns eine vorzuͤgliche Schule fuͤr den sich bildenden Juͤngling sein, wenn nur derselbe nachher seine Entwuͤrfe nicht alle und ganz in eben demselben Wege, sondern den Lokalumstaͤnden seines Wohnsizes gemaͤß, zu machen faͤhig wird. Aber auf diese Art des Handels kann die Handelspolitik des Regenten im geringsten nicht einwirken. Er kann keinem guten Kopfe, der mit- ten in seinem Lande wohnt, Waaren im Westen von Europa zu verschreiben und in der Mitte oder im C. 5. In Ansehung des Zwischenhandels. Osten Europens zu verkaufen, gebieten. Er kann ihn nicht in Zoͤllen beguͤnstigen, da die von demselben her- speculirten Waaren nicht in oder durch sein Land gehen. Er kann ihn nicht unterstuͤzen, es sei denn durch grossen Geldvorschuß, und muß gewissermassen eines solchen Kaufmanns Compagnon werden, welches fuͤr jeden Fuͤrsten bedenklich ist, und zu leicht die Folge haben moͤgte, daß ein solcher Mann in gar zu grosse Speculationen verleitet wird, und die freie Industrie und uͤberlegungsvolle Sparsamkeit verliert, welche grade bei diesem Handel so noͤtig ist. So ent- stand derselbe in Iserlohn in der ersten Haͤlfte dieses Jahrhunderts ohne alles Zutuhn der Preussischen Monarchen, und da dessen erste wuͤrdigen Unter- nehmer nicht alle durch ihnen aͤhnliche Nachfolger er- sezt sind, so wird auch keine oberherrliche Ermun- terung ihn wieder zu seinem ehemaligen Glanze bringen koͤnnen. §. 9. Grosse Geldgeschaͤfte knuͤpfen sich natuͤrlich an einen grossen Zwischenhandel an. Aber dieser Han- del selbst haͤlt sich auch vorzuͤglich an solche Staͤdte, wo diese Geldgeschaͤfte mit Leichtigkeit und Sicherheit vorgehen. Der inlaͤndische Kaufmann muß sich an die Banker der grossen Marktplaͤze halten, welche in manchen Staͤdten, wie z. B. in London und Pa- 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. ris, auch mancher inlaͤndischen Deutschen Stadt nur dies einzige Geschaͤfte kennen. Daraus allein waͤchst einem Handelsplaz noch kein vorzuͤglicher-Seegen zu. Ich koͤnnte mehr als Eine Stadt nennen, welche bei grossen durch ihre Banker betriebenen Geldgeschaͤf- ten doch sehr nahrungslos ist, und manche andere, in welcher es zwar besser steht, die aber ihren eigent- lichen Bankern wenig von ihrem Wolstande zu dan- ken hat. Sie sieht sie reich werden, Geld auf Geld anhaͤufen, mit einigem Aufwande leben, aber selbst ihr erworbener Reichtuhm irrt in ihren fortgesezten Geld-Speculationen und Negotiationen in fremden Landen umher, und naͤhrt in der Stadt wenige Leute, als Buchhalter, Cassirer, Comtoir-Bediente und tagweis belohnte Geldschlepper. Weit besser ist es unstreitig, wenn in einer solchen Handelsstadt jeder Kaufmann im Stande ist, der Banker seines Corre- spondenten zu sein. Dann knuͤpft sich an diese Geld- Umsaͤze ein fuͤrs Ganze moͤglicher Waarenhandel, es sei in Commissionen, oder auch nur in Speditionen. Die Sicherheit solcher Geldgeschaͤfte beruht frei- lich auf den Geldeskraͤften derjenigen, die sie treiben, aber auch auf der Vorsichtigkeit, mit welcher sie selbst dabei zu Werke gehen. Die Leichtigkeit aber wird hauptsaͤchlich durch die Bank eines solchen Plazes be- wirkt. Amsterdam hat lange in den Geldgeschaͤften C. 5. In Ansehung des Zwischenhandels. zum Behuf des ganzen Europa, aber auch zu seinem eigenen Gewinn, das Uebergewicht uͤber alle jezige handelnde Staaten gehabt, weil die Soliditaͤt der Bank dieser Stadt unbezweifelt war. Unbezweifelt, sage ich, weil man von ihrer eigentlichen Verfassung so wenig wußte, oder sie nicht untersuchte, und kein Vorfall einen Beweis gab, daß Verlegenheit fuͤr sie entstehen konnten. Einen solchen Beweis zu geben hat die Direction im J. 1790 sich genoͤtigt gesehen, da sie den originellen Preis des Silbers um 10 p. C. erhoͤhete. Die Folgen davon werden ihr um so viel mehr bemerkbar werden, da gerade eben um diese Zeit ihre vielleicht zu klein geachtete Neben-Buhlerin, die Hamburgische Bank, ihre so vorzuͤgliche Einrich- tung ganz vollendet, und sich nun auf den Fuß ge- sezt hatte, daß, wenn nicht ganz unabsehbare Revo- lutionen eintreten, der Urenkel des jeztlebenden Kauf- manns im ganzen Europa in seinen Umsaͤzen mit Hamburg auf eben den Silberwehrt in der Hambur- gischen Bank wird hinausrechnen koͤnnen, auf wel- chen jezt sein Ahnherr rechnet. Man sehe mein Wort zu seiner Zeit uͤber die Hamburgische Bank von S. 450—494. im 3. B. unsrer Handl. Bbthek . Eine Zettelbank tuht nicht eben diese Dienste, auch wenn sie in dem besten Bestande ist, und ihre Papiere dem baaren Gelde gleich gelten. Doch ist 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. es immer besser, wenn ein Ort, oder ein Land, das einen lebhaften Zwischenhandel treibt, eine solche Bank, als wenn es gar keine hat, und dessen Ban- ker den auslaͤndischen Handelsmann in den Geldum- saͤzen nach Willkuͤhr schnellen koͤnnen. Zweiter Abschnitt . §. 10. B ) Die Handlung aͤlterer Zeiten beruhete fast ganz auf der Betriebsamkeit derjenigen groͤßtenteils kleinen Staaten, welche durch den Zwischenhandel bluͤheten. Auch in mittleren Zeiten war es eben so bewandt. Die handelnden Staaten Italiens und Deutschlands, leztere in ihren beiden Buͤndnissen, dem Rheinischen und dem Hanseatischen, nebst eini- gen Niederlaͤndischen Staͤdten, belebten allein den Handel in denjenigen Europaͤischen Staaten, in wel- chen er sonst ganz geruhet haben wuͤrde. Zwar hat sich dies, insonderheit in diesem Jahrhundert, sehr geaͤndert. In jenen Zeiten stoͤrten freilich Kriege zuweilen den Gang dieser Handlung, aber nie legte der Hand- lungsneid derselben Hindernisse in den Weg, weil noch kein Regent daran dachte, wie viel Gluͤk seinen Staaten durch eigene Handlung erwachsen koͤnnte, C. 5. In Ansehung des Zwischenhandels. und keiner, wenn er ja dies dachte, es verstand die- selbe an sich zu ziehen. Der Kaufmann war also allenthalben willkommen, er mogte als Kaͤufer oder als Verkaͤufer erscheinen, oder nur den Weg mit sei- nen Waaren durch Ein Land zu dem andern suchen. So ist es geblieben, bis die Regenten Europens in Ansehung der Handlung anders zu denken anfingen, aber auch nun zu geschwind glaubten, eine jede Hand- lung ihren Staaten eigen machen zu koͤnnen, welche sie andere Voͤlkern betreiben sahen. Natuͤrlich sind sie auf diejenige Handlung insonderheit aufmerksam geworden, welche sie den Weg durch ihr Land neh- men sahen. Der Gedanke eines Fuͤrsten hat viel scheinbares: Wer durch mein Land handelt, der han- delt bis in mein Land, und dann weiter uͤber dasselbe hinaus. Der Weg, welchen seine Waaren bis zu mir und uͤber meine Grenzen hinaus nehmen, wird nicht kuͤrzer, nicht laͤnger, wenn mein Untertahn eben diese Waaren in dem ersten Teile des Weges zu sich holt, sie zu seinem Eigentuhm macht, und sie seinen Mitbuͤrgern verkauft oder sie weiter fort- schikt. Die Kosten werden nicht groͤsser, wenn eben die Ueberlegung dabei angewandt wird; und werden sie es ja, so habe ich es ja in meiner Macht, dem Fremdling diese Kosten durch meine Zoͤlle zu vermeh- ren, und meinem Untertahn den Vorteil uͤber ihn zu 2ter Teil. R 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. geben. Kein Regent neuerer Zeiten, und viel we- niger irgend einer der alten, hat an diesem Gedanken so fest gehaftet, als der grosse Friedrich , groß in allen Kenntnissen, deren ein Regent bedarf, groß in allen Maasregeln, die er zur Befoͤrderung der in- laͤndischen Circulation anwandte, aber nichts weni- ger als groß in seinen Einsichten und Kenntnissen von dem natuͤrlichen Gange der Handlung zwischen ver- schiedenen Staaten. Er haßte den Zwischenhandel, der durch seine Staaten gieng, und erschwerte ihn auf allen Wegen, von welchen er Meister war. Zum Ungluͤk fuͤr seine Zeitgenossen war er, oder mach- te sich zum Meister von fuͤnf der groͤßten Fluͤsse, den vorzuͤglichsten Handlungswegen in der Mitte Europens. Wem ich hiemit zu viel zu sagen scheine, dem werde ich nur den Zolltarif hinhalten duͤrfen, welchen er noch im Jahre 1775 seinen Schlesischen Handelsmaͤnnern gab. Jeder Artikel in demselben zeugt von diesem Gedanken: Mein Schlesischer Kauf- mann soll alles selbst einhandeln und wieder verhan- deln. Selbst Austern soll er vom Meere her im eigenen Handel zu sich ziehen und sie den Polen zu- senden. Und so ward diese fauligte Waare, wenn sie durch Breslau durchgieng, mit 6 Ggr. aufs Hun- dert, wenn sie aber von dem Breslauer verschrieben war, mit 1 Ggr. belastet. C. 5. In Ansehung des Zwischenhandels. Trieb es gleich keiner so weit, als er, und hat gleich Friedrich Wilhelm bald gezeigt, daß er anders daͤchte, so ist doch Friedrichs des Einzigen Beispiel im allgemeinen zu wirksam gewesen, als daß man sich wundern duͤrfte, manche Nachahmung desselben auch in diesem Stuͤk entstanden zu sehen. Mein Buch wird zwar dies nicht hindern, aber es wuͤrde doch eine Luͤkke in demselben sein, wenn ich nicht das Allgemeinste wider Vorurteile dieser Art in demselben in Kurzem sagte, wobei ich jedoch, um mich nicht zu sehr zu wiederholen, auf meine hieher gehoͤrigen Abhandlungen, die zweite und vierte meiner kleinen Schriften uͤber die Handlung und die 2te im 1sten Stuͤk des 2ten Bandes unserer Handlungsbibliothek werde verweisen duͤrfen. §. 11. Die hieher gehoͤrenden Gruͤnde davon sind 1) Geo- graphisch . So sehr die Schiffahrt verbessert wor- den ist, so sind doch manche Seereisen zu langwierig und zu ungewiß, und manche Producte zu verderb- lich, als daß der Handel mit denselben in Einer See- Reise vorteilhaft betrieben werden koͤnnte. Z. E. der Weg fuͤr Ein Schiff, das mit Producten aus dem Mittellaͤndischen Meere hoch in den Norden segelt, ist zwar keine der weitesten Seereisen. Aber er veraͤn- R 2 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. dert seine Richtung so oft, daß man zufrieden ist, wenn ein Schiff ihn in 3 Monaten zuruͤck legt. Es kann aber auch 5 bis 6 Monate dauern, ohne daß ein Schiff sonst Ungluͤck hat. Diese Zeit ist zu lang fuͤr die verderblichen Waaren jener Gegenden, und das Schiff laͤuft Gefahr, erst die noͤrdlichen Meere und Fluͤsse zu erreichen, wenn sie zugefroren sind. Als im Anfang dieses Jahrhunderts der Franzoͤsische Hof es durchaus in den Gang sezen wollte, daß die Franzoͤ- sischen Weine und andere Landes-Producte den nordli- chen Staaten directe zugefuͤhrt wurden, stellte das da- mals bestehende Commerz-Collegium vor: die mehre- sten Franzoͤsischen Weine litten diese weite Reise nicht; man muͤsse diese Weine den Hollaͤndern gerne goͤnnen, daß sie Lager davon hielten, um sie, wenn sie sich ge- worfen, zu verbessern, und sie dann trinkbar den nordlichen Staaten wieder zu verkaufen. Einige Waaren koͤnnen nicht anders als in solch einer Jah- reszeit verschrieben werden, da ihre Ankunft in den noͤrdlichen Haͤfen vor Winter schon mißlich wird. Dergleichen sind Rosinen und Corinten. Wie waͤre es da moͤglich und wie unsicher wuͤrde die Handlung fuͤr einen Ostseeischen Plaz sein, der im October ein Schiff in Malaga oder gar in Zante befrachten liesse, das, wenn es recht gluͤklich geht, um Neu- Jahr ankommen wuͤrde. Es ist umgekehrt mit man- chen Producten des Nordens. Wenn z. E. Spanien C. 5. In Ansehung des Zwischenhandels. Korn noͤtig hat, so wird ihm dies von Hamburg oder Holland allenfalls im Febr. schon zugesandt wer- den koͤnnen. Aber aus einem Ostseeischen Hafen nicht so fruͤh im Jahr. Von diesem her moͤchte es erst nach dort vollendeter Erndte, oder in der Som- merhize verdorben dort ankommen koͤnnen. Das Korn uͤberhaupt kann nur selten der Gegenstand ei- nes Commissions- vielweniger eines Speditionshan- dels werden, sondern immer wird es dabei bleiben muͤssen, daß eigner Handel und Speculationen den Handel damit beleben. Nur Unwissende koͤnnen sich dagegen empoͤren, und dem Speculanten im Zwi- schenhandel den Vorteil misgoͤnnen, der ihm aus einem so bedenklichen Gewerbe zuweilen entsteht. §. 12. 2) Politisch oder in dem jezigen Zustande der handlenden Staaten gegruͤndet. Es wuͤrde zu weitlaͤuftig werden, hier viele Exempel anzufuͤhren, die man in der Handlungs- und Staats-Geschichte eines jeden Landes besser ken- nen lernt. Es ist bekannt und schon erwaͤhnt, daß alle Staaten, welche Colonien besizen, keiner frem- den Nation den directen Handel auf ihre Colonien erlauben. Das Mittel-Meer bleibt fuͤr die Seefahrt aller Staaten wie geschlossen, welche den Frieden 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. mit den Seeraͤuberischen Staaten nicht erkauft oder erzwungen haben. Die Ostindische Handlung ist fuͤr jeden Staat mißlich, der nicht seine Flagge den See- Maͤchten respectabel machen kann, oder in jenen Ge- genden Factoreien oder eignes Gebiet sich zu erwer- ben im Stande ist. Lange glaubte Spanien und fuͤhrte die Sprache so, als wenn es alle Europaͤische Nationen von der Handlung beider Indien abhalten duͤrfte. Noch in diesem Jahrhundert sah Kaiser Carl VI. seinen Plan, von den Niederlanden aus nach Ostindien directe zu handeln, durch die See- Maͤchte niedergeschlagen, welche den Vorwand dazu in einem Artikel des Westphaͤlischen Friedens fanden. Durch eben diesen Frieden hat Holland bis auf unsere Zeit die Schelde fuͤr Antwerpen gesperrt erhalten, wovon sich loß zu machen Kaiser Joseph II. verge- bens versucht hat. §. 13. 3) In manchen Faͤllen kommen geographische und politische Ursachen zusammen. Z. E. Frankreich wird nie die Handlung im Norden anhaltend directe treiben koͤnnen, weil es wegen Beschaffenheit seiner Kuͤsten am Canal und ganz verschiedener Beschaffen- heit der Britischen Kuͤsten, auch in dem gluͤklichsten Seekriege, nicht Meister von der Fahrt durch den Canal bleiben kann. C. 5. In Ansehung des Zwischenhandels. Von geographischen Ursachen, die auf die Ostsee- ische Handlung Einfluß haben, ist schon geredet; aber auch politische Umstaͤnde wirken hier sehr mit ein. Daͤnemark ist nach seiner Lage gewissermassen Meister vom Sunde. Der Hanseatische Bund sing an die Ost- seeische Handlung durch seine Haͤndel mit Daͤnemark, insonderheit in dem Grafen-Kriege 1533, zu verlie- ren, und die Hollaͤnder sezten sich von der Zeit an in den Besiz derselben durch die enge Verbindung, in welche sie mit Daͤnemark eintraten. Daß sehr oft politische und geographische Umstaͤn- de die inlaͤndische Handlung durch Sperrung der Fluͤsse in ihrem natuͤrlichen Gange stoͤren koͤnnen, zeigt sich in der Deutschen Handlung und den Bemuͤhungen Preussens, die Danziger Handlung zu stoͤren. §. 14. Indessen hat ein jeder Staat eine Menge Hand- lungszweige, bei welchen es der Frage sehr wehrt ist, ob die directe oder die Zwischenhandlung vorteilhafter in denselben sei. Die Federfechterei daruͤber ist nie- mals so lebhaft gewesen, als sie in unsern Zeiten war, und niemals wurde die Fuͤrsten mehr gegen den Zwi- schenhandel eingenommen, der von andern Staaten in und durch die ihrigen geht. 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. Auch fuͤr den Kaufmann hat dieser Grund vielen Anschein: der fremde Kaufmann, welcher die Waaren eines Landes kauft, um sie an einen dritten zu ver- kaufen, sucht einen Gewinn damit, den die erste Hand selbst machen wuͤrde, wenn sie da verkaufte, wo er verkauft. Er macht auch einen Gewinn beim Verkauf an die zweite Hand, den der lezte Kaͤufer selbst scheint machen zu koͤnnen, wenn er aus der er- sten Hand kauft. §. 15. Allein, nicht jede Art der Handlung kann diese Vorteile nach ihrer Beschaffenheit geniessen. Je weiter eine Handlung in die Ferne geht, desto groͤsser wird die Gefahr des Verlustes durch mislichen oder zu lange dauernden Credit. Der Manufactur-Han- del insonderheit kann diese Gefahr nicht ertragen. Sein Wolstand beruhet darauf, daß das Gewerbe im Lande, soviel moͤglich, in gleichem Bestande fort- gehe, und es dem grossen Manufacturisten nie an Gelde fehle, um seinen Betrieb in gleicher Lebhaf- tigkeit fortsezen zu koͤnnen. S. davon mehr in der 2ten Abhandl. meiner kleinen Schriften uͤber die Handlung . Man erinnere sich hiebei an das, was B. 2 C. 4 §. 6 von der Wirkung der Nachfrage und deren Graden gesagt C. 5. In Ansehung des Zwischenhandels. ist. Nur eine starke anhaltende Nachfrage ist dem Manufactur-Handel eines Landes zutraͤglich. Von der hohen Nachfrage fließt demselben an sich allemal etwas zu. Aber der Haupt-Gewinn muß dem Spe- culanten gegoͤnnt werden, er wohne wo er wolle, er sei Mituntertahn, oder nicht. §. 16. Indessen mag ein jeder Kaufmann im Manu- facturhandel sich nach seinen Kraͤften richten. Wenn er Geld genug hat, um nicht nur sein Gewerbe an- haltend fortzusezen, sondern auch bei entstehender Speculation staͤrkere Ankaͤufe zu machen und den beim directen Verkauf entstehenden langen Credit auszuhalten, so mag er immerhin auch den Vorteil der hohen Nachfrage geniessen. So geht es auch in jedem Lande, wo der Manufactur-Handel einzelne Leute sehr reich gemacht hat, und wird auch immer so bleiben. Die Schlesischen Kaufleute trieben schon unter Oesterreichischer Herrschaft, die sie nicht dazu aufmunterte, zum Teil den directen Handel, wie man aus Marpergers Schlesischem Kauf- mann sehen kann. Aber der Fuͤrst tuht nicht wohl, der den Manufacturisten seines Landes uͤberhaupt zu lebhaft zumuhtet, in diesem Wege zu verfahren. 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. §. 17. Insonderheit aber behaͤlt der Zwischenhandel eine grosse Nohtwendigkeit, und wird sich immer erhalten muͤssen, durch die Schwierigkeit der Zahlung in und aus der Ferne. So weit es mit dem Wechselgeschaͤfte jezt gelangt ist, und so sehr es ausstudirt ist, so hilft es doch bei weitem nicht allen Schwierigkeiten in die Ferne ab, selbst in kurzen Entfernungen, wo man es nicht vermuhten sollte. Z. E. zwischen Hamburg und der Schweiz. Von Hamburg kann auf Rusland nur remittiret werden und Holland selbst kann nicht trassiren. Schweden macht mit Hamburg vorzuͤglich seine Wechselgeschaͤfte. Aber Hamburg selbst kann nicht auf Schweden trassiren. Mehr hievon findet sich in meinem Briefe an Herrn Geh. Justizraht Moͤser , welcher der 4ten Abh. meiner kleinen Schriften beigefuͤget ist, und im ersten Buche Eap. 6. §. 36. ff. dieses Werks. §. 18. Ueberhaupt scheint der Sturm sich jezt mehr und mehr zu legen, welchen so viele Fuͤrsten, Minister und Schriftsteller neuerer Zeit gegen den Zwischen- Handel erregt haben. Wenn in der Politik von Dankbarkeit die Rede sein koͤnnte, so wuͤrde ich meh- rere Tahtsachen zum Beweise anfuͤhren koͤnnen, wie C. 5. In Ansehung des Zwischenhandels. viel der Handel einzelner Provinzen Deutschlands uͤberhaupt, insbesondere aber der Manufacturhandel dem Zwischenhandel der am meisten beneideten Staͤdte zu danken habe. Aber Ein Beispiel will ich doch noch einmal hieher stellen, weil ich jezt den vollstaͤndigen Beweis aus einem der bewaͤhrtesten Preussischen Schriftsteller geben kann. Die Schlesische Leinen- Manufactur war im vorigen Jahrhundert sehr unbe- deutend, und es ward mehr rohes, nicht einmal ge- bleichtes Garn, als Leinen ausgefuͤhrt. Fast aller Gewinn vom Leinenhandel mit Spanien und dem Spanischen Amerika floß Frankreich zu. Hambur- gische Kaufleute waren es, die denselben von Ham- burg nach Schlesien verpflanzten. Dies habe ich be- reits in der ersten Ausgabe meiner kleinen Schriften gesagt, so wie ich es aus den Erzaͤh- lungen meiner Mitbuͤrgor wußte. Aber weit um- staͤndlicher erzaͤhlt es Herr Zimmermann in seinen Beitraͤgen zur Beschreibung von Schle- sien , Brieg 1786, und aus diesem in Auszuge Herr Gilbert im ersten Bande seines Handbuchs fuͤr Reisende durch Deutschland , Leipz. 1791. Seite 425. “Hamburger Kaufleute liessen Schle- “sische Meister in der Franzoͤsischen Verfahrungsart “unterrichten, verschaften ihnen die noͤtigen Muster, “und tahten starke Vorschuͤsse. In kurzer Zeit ge- “lang diese Nachahmung so vollkommen, daß selbst, 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. “nach dem Gestaͤndnis der Franzosen, die Schlesi- “schen Contrefaits den Mustern in Nichts nachstehen “und in Wolfeilheit sie noch sehr uͤbertreffen, daher “auch die Franzosen sich ihrer zu ihren Sortements “bedienen. Man rechnet, daß Schlesien jezt halb “so viel Contrefaits liefert, als uͤberhaupt an Fran- “zoͤsischer Leinwand, Schleier und Cambray durch “Europa und Amerika vertrieben wird. Fast alle “Arten Schlesischer Leinwand fuͤhren daher auch “Franzoͤsische Namen, als Rouennes, Bretagnes, “ Platilles \&c. “ Daraus ist nun ein Gewerbe ent- standen, welches in guten Jahren nach dem Zeug- nisse dieser Schriftsteller zwischen 5 und 6 Millionen fremdes Geld ins Land zieht. Herr Gilbert schlaͤgt S. 428 den Vorteil der Hamburgischen, Hollaͤndi- schen, Englischen und Spanischen Kaufleute in dem weitern Betriebe dieser Leinen zu 50 bis 60 p. C. an. “Koͤnnte,“ sagt er weiter, “die Leinwand uͤber “Stettin aus unmittelbar nach Holland, England, “Spanien, Portugal und Amerika gefuͤhrt werden, “so wuͤrden die Schlesischen Kaufleute wenigstens “fuͤnfmal so viel als jezt gewinnen.“ Diese Zahl moͤgte noch vielleicht zu klein sein, wenn sie fuͤr den Unterschied des Preises, fuͤr welchen diese Leinen in Schlesien zu haben sind, und desjenigen, fuͤr wel- chen sie tief in Amerika verkauft werden, gilt. Denn in Peru und Chili werden sie wenigstens 100 p. C. teurer. C. 5. In Ansehung des Zwischenhandels. Aber ist dies alles Gewinn fuͤr jeden oder fuͤr alle Zwischenhaͤnde, durch welche sie bis dahin gelanget? Wie viel Handlungs-Unkosten, wie viel an Zoͤllen, wie viel fuͤr die Fracht bis Amerika und weiter hin uͤber Land, gehet nicht davon ab? Waͤre ein Gewinn von 20 p. C. auch nur fuͤr die zweite Hand des Ham- burgers, die sie der ersten des Schlesiers abnimmt, gewis, so ist dies dem Hamburg so nahe lebenden Schlesier so wenig verborgen, daß er den directen Weg, wenigstens nach Spanien (denn bis Amerika ist er ihm so wenig als dem Hamburger offen) laͤngst gesucht und gefunden haben wuͤrde. Handlungs- Haͤuser, die Kraͤfte genug dazu besizen, fanden ihn schon vor 1714, wie ich S. 266 angefuͤhrt habe. Ich habe aber §. 36 der zweiten meiner kleinen Schriften aus einer Vorstellung der Schlesischen Kaufleute selbst, an den sie zum directen Handel kraͤftig auffodernden Koͤnig, die eigentlichen Gruͤnde angegeben, welche sie mit dem jezt bestehenden so natuͤrlichen Gange ihrer Handlung zufrieden stellen, und Ursache wurden, daß diese Versuche, wie Herr Gilbert selbst sagt, fuͤr manchen so ungluͤklich aus- gefallen sind. §. 19. Der Zwischenhandel, welcher jezt noch in Euro- pa uͤbrig ist, wird gewiß nicht nur sich erhalten, son- 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. dern, da mit der steigenden Aufnahme so mancher Staaten die Zahl der Consumenten von Waaren aller Art sich fortdauernd mehrt, nicht nur die Handlung uͤberhaupt, sondern insbesondere der Zwischenhandel derjenigen Staaten und Staͤdte fortdauernd zuneh- men, welche jezt durch ihre Lage und die Art ihrer Betriebsamkeit in dem Besiz derselben sind. Ich habe also noch vieles uͤber die Handlungspolitik zu sagen noͤtig, die einem Staat in Ansehung des durch ihn gehenden Handels zutraͤglich ist, welchen sich selbst eigen zu machen er die Hofnung aufgeben und ihn in seinem Bestande lassen muß. In Ansehung eines solchen Staats haben zwei Faͤlle Statt. I) Der Transithandel geht bereits durch ihn hin, und kann keine andere Strasse nehmen; oder II) er sucht den nicht durch ihn gehenden Tran- sithandel noch an sich zu ziehen, oder den schon durch ihn gehenden zu vermehren. §. 20. I) Wenn ich von Staaten rede, welche sich ge- wiß halten koͤnnen, daß der Transithandel nur durch sie seinen Weg nehmen koͤnne, so kann hie nicht die Rede von Wegen des Handels uͤber offene Meere sein, sondern von Flus- und von Landwegen. Diese haben C. 5. In Ansehung des Zwischenhandels. die Regenten aͤlterer und neuerer Zeit sich durch ihre Zoͤlle aͤusserst eintraͤglich zu machen gesucht, und es ist freilich nicht genau bestimmbar, wie weit es da- mit gehen koͤnne, ohne den Transithandel ganz zu zernichten. Man weiß, wie uͤbertrieben hoch die Fluß- Fahrt in Deutschland mit Zoͤllen belastet ist, so daß man sich wundern moͤgte, wie diese Fluͤsse noch be- fahren werden. Aber diese sind nun einmal die von der Natur angewiesenen Wege der Handlung, und natuͤrlich werden sie ungern von der Handlung ver- lassen, bevor die Zoͤlle den Vorteil beinahe ganz weg- nehmen, welchen der Unterschied zwischen der Fluß- und Landfracht dem Kaufmann entstehen macht. Doch irrt sich der Regent sehr, dessen Gierigkeit sich diesen Grenzen zu sehr naͤhert. Denn auch der ver- haßte Aufenthalt, welchen diese Zoͤlle in der Fluß- Reise verursachen, wird schon eine Ursache dazu. Auf der unvergleichbar schoͤnen Reise den Rhein hin- ab von Mainz bis Coͤlln war es die einzige wirklich empoͤrende Unannehmlichkeit fuͤr mich, unser Schiff- chen, welches nichts als drei Reisende mit ihrem Rei- segeraͤhte fuͤhrte, ohne Unterlaß bald rechts, bald links zum Anlegen an den vielen Zollstaͤdten genoͤtigt zu sehen. Ich erstaunte aber vollends, als ich von dem Schiffer hoͤrte, daß er, wenn er mit dem ledi- gen Fahrzeuge zuruͤckehrte, eben denselben Zoll fuͤr dasselbe bezahlen muͤßte. Er machte uns auch die 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. Rechnung, daß von 22 Rthlrn., fuͤr die wir die Reise mit Einschluß dieser Zoͤlle bedungen hatten, ihm nur wenige Tahler uͤbrig blieben, auf deren Erwerb er hin und zuruͤk sieben Tage verwenden mußte. Ungefaͤhr fuͤr eben so viel Geld haͤtten wir zu Lande reisen koͤnnen. Wir waren also an der Grenze, bei welcher die Fluß- und Landreise gleich kostbar ward, und bezahlten folg- lich den grossen und kleinen Beherrschern dieser schoͤ- nen Gegend wenigstens 12 Tahler fuͤr das Vergnuͤ- gen von deren Anblik. Eine zweite Ursache, den Fluß zu verlassen, wird die Schwierigkeit der Reise gegen den Strom. Es ist denn doch nun auch wirk- lich dahin gekommen, daß die Landfracht den Vor- zug vor der Flußfracht fuͤr alle solche Guͤter gewinnt, deren Wehrt das hoͤhere Fuhrlohn ertragen kann. Eine ungeheure Masse von Waaren geht deswegen von Hamburg auf Luͤneburg oder Harburg, und von dort auf der Achse in solche Gegenden des inneren Deutschlandes, welchen ohne diese Zoͤlle die Elbe sie zufuͤhren wuͤrde. Mit so vielen und so hohen Zoͤllen kann nun frei- lich die Landfracht nicht erschwert werden, wenn nicht der Fuͤrst die durch sein Land gehende Handlung ganz niederschlagen will. Aber doch fehlt es daran nicht allerdings. Billig waͤre es auch, einem Tran- sithandel gute Strassen zu geben, auch wenn man C. 5. In Ansehung des Zwischenhandels. sich gewiß glaubt, daß er keinen andern Weg neh- men koͤnne. Aber ich kenne einen Staat, in wel- chem ich die Strassen uͤberall verfallen sah, von wel- chen ich wußte, das sie unter der vorigen Regierung in wenigstens ertraͤglichem Zustande erhalten waren. Aber man erklaͤrte mir dies so; Unser Regent sagt: Je laͤnger die Fuhrleute und die Reisenden in mei- nem Lande aufgehalten werden, desto mehr Geld muͤssen sie verzehren. §. 21. II) Ganz anders muß freilich ein Regent ver- fahren, wenn die Lage seines Landes eine solche ist, daß der Transithandel noch seinen Weg neben demsel- ben finden kann. Zwar ertraͤgt derselbe alsdann auch noch Zoͤlle, selbst auf den Landwegen, aber diese muͤssen sehr maͤssig sein, und mit grosser Gelin- digkeit eingefodert werden. Diesem Handel faͤllt der Transitzoll selbst nicht so schweer, als die scharfe Durch- suchung mit dem daraus entstehenden Aufenhalt und den Plakkereien der Zollbedienten; und ein Umweg von vielen Meilen wird dem mit seinen Guͤtern durchzie- henden Fremdling nicht zu lang, um diese zu ver- meiden. Bis zu dem Jahre 1770 gieng der Zug der Polen von und zu der Leipziger Messe durch Breslau, wo ein Zoll von diesen Transitguͤtern von nur einem halben p C. gehoben ward. Aber man nahm 2ter Teil. S 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. ihn nach einer ungefaͤhren Schaͤzung an, und muh- tete den Polen nicht zu, abzuladen und ihre Pakken zu oͤfnen. Daraus war ein gewinnvoller Zwischen- nicht Transithandel fuͤr die Breslauer selbst entstan- den. Die Polen merkten sich auf ihrer Hinreise die Preise in Breslau. Wenn sie dann diese in Leipzig hoͤher fanden, oder von diesen Waaren nicht genug auf der Messe sich fand, so kauften sie dieselben auf ihrer Ruͤkkehr aus den Breslauischen Waarenlagern, und zahlten gerne noch etwas mehr, als in Leipzig, weil sie vierzig Meilen weniger daran zu schleppen hatten. Der dirigirende Minister aber gab Befehl, dies halbe p. C. mit Schaͤrfe einzufodern, und unter- warf die Polen einer so genauen Untersuchung, als waͤren es viele Procente gewesen. Dies war nur Einmal geschehen, als die Polen von Leipzig aus den Weg durch Boͤhmen und das Oesterreichische Schle- sien nahmen, und Breslau diesen Handel verlor. Der wuͤrdige Nachfolger jenes Ministers hatte Jahre vergebens angewandt, die Polen in den alten Weg durch das Versprechen wieder zu ziehen, daß sie so milde, wie vorhin, behandelt werden sollten. Die Wir- kung davon fing an sich zu zeigen, als im Jahre 1775 der Koͤnig durch den §. 10 erwaͤhnten neuen Zolltarif die Transithandlung Schlesiens ganz zu toͤdten unter- nahm. Unter aͤhnlicher Veranlassung verlies nach dem siebenjaͤhrigen Kriege die von Hamburg nach C. 5. In Ansehung des Zwischenhandels. Ober-Sachsen gehende Landfracht die ebene Strasse durch das Magdeburgische und Halberstaͤdtische und nahm den Bergweg uͤber den Harz, nachdem Braun- schweigischer Seits die Beschwerlichkeiten desselben durch einen Ausbau dieser Strasse etwas erleichtert waren. §. 22. In so belegenen Laͤndern fuͤhlen dann die Regen- ten, falls ihnen der Transithandel einigermassen lieb ist, mehr und mehr, wie nohtwendig gute Landstrassen sind. Diese sind ein fast so unfehlbares Mittel, den Transithandel in neue von ihm noch nicht benuzte Wege zu ziehen, als die Canaͤle es sind, won welchen ich deswegen hier nichts mehr sagen werde, weil es mir schweer werden moͤgte, nicht zu wiederholen, was ich davon bereits B. 3. C. 8 gesagt habe. Aber es ist damit noch lange so weit nicht in Deutschland gediehen, als man es deswegen erwarten sollte, weil die kleinern Staaten nur darin das sichere Mittel fin- den koͤnnen, einen Transithandel in ihr Land zu zie- hen, der so leicht seinen Weg neben ihre Grenzen hin finden kann. Aber eben die Mischung so vieler klei- nen Gebiete durch einander wird eine Haupthindernis. Die so boͤse mit Recht verschriene Meile zwischen Buz- bach und Friedberg, welche durch das Gebiet von fuͤnf Herrn geht, giebt ein redendes Beispiel davon. Fast S 2 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. vergebens hat der Herr Landgraf von Hessen Cassel der Handlung den Weg auf seinen gebesserten Chaus- seen gegen Frankfurt zu erleichtert. Auf dieser Meile wird wahrscheinlich noch lange der Fuhrmann seine Pferde zu Grunde richten muͤssen, und der Reisende doppeltes Postgeld fuͤr einen Weg bezahlen muͤssen, welchen zu bessern, und dann ein hohes Wegegeld von ihm zu fodern, diese fuͤnf Herren sich nicht verei- nigen koͤnnen oder wollen. §. 23. Der Transithandel bedarf in seinem Wege derjeni- gen Staͤdte, welche ich B. 3. C. 3. §. 5. Ablager- Plaͤze benannt habe, deren Wolstand folglich ganz darauf beruht, diesen Handel an sich zu halten. Sind sie einem Landesherrn unterworfen, so haͤngen sie freilich von der Handlungspolitik desselben ab, und ich habe in Ansehung ihrer wenig zu sagen. Doch kann ich nicht unbemerkt lassen, daß, da viele die- ser Staͤdte alte dem Handel lastige Vorrechte haben, ein Regent sehr zu uͤberlegen hat, ob es fuͤrs Ganze rahtsam sei, sie bei diesen Vorrechten zu erhalten, zumal wenn in diesen Staͤdten selbst keine reine Ein- sichten in Ansehung der Handlung gelten, oder deren Eigennuz das Wol des Landes von ihrem besondern Wolstande zu sehr unterscheidet. Die Haͤndel, wel- che die Stadt Rostock ihrem Landesherrn und ihren C. 5. In Ansehung des Zwischenhandels. Mitstaͤnden macht, sind ein redendes Beispiel dieser Art. Man sehe davon mein Gutachten im 1sten Stuͤk des 3ten Bandes unserer Handlungs-Bi- bliothek , aber auch S. 32 ein anderes Beispiel, wie das Tribunal zu Wismar aͤhnliche Anmassungen der Stadt Stralsund, und S. 5, wie Catharina die fast noch weiter gehenden Anmassungen der Stadt Reval niedergeschlagen hat. Und so muß es auch nach hoͤchster Billigkeit sein. Wer nicht parteiisch ist, wird mit mir darin einig sein, daß ein Land, wel- ches das Gluͤk hat, an der See belegen zu sein, aber nur Einen oder wenige Seehaͤfen hat, sehr uͤbel daran sei, wenn diese Haͤfen ihm nicht als Ablagerplaͤze die- nen, keinen Transithandel verstatten, sondern alles durch Eigenhandel betreiben wollen. Der Fuͤrst muß vielmehr alles anwenden, einen solchen Seeplaz zum Ablagerplaz fuͤr den Transithandel zu machen, wenn es nur immer moͤglich ist. Dies gelingt nicht immer, wie es denn dem Daͤnischen Hofe bisher mit der Stadt Kiel noch nicht recht hat gelingen wollen. Dann aber mag die Stadt, wie das Land, dies gleich sehr bedauern. Wenn der Handlungsneid gegen den Nachbarn einen Fuͤrsten leitet, einer in dem Wege des Transit- Handels belegenen Stadt solche Rechte zu geben, oder veraltete Rechte hervor zu suchen, so hat dies freilich 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. mehrern Schein. So suchte Friedrich um das Jahr 1750 die vernachlaͤssigte Stapelgerechtigkeit der Magdeburger wieder hervor, und sperrte den Sach- sen, wie den Hamburgern, die Fahrt laͤngst der Elbe. Man wuͤrde mir nicht glauben, wenn ich behaupten wollte, daß Magdeburg keinen wesentlichen Vorteil davon gehabt habe. Denn seine Schiffer sind seit der Zeit Meister davon gewesen, ihre Frachtgelder sehr zu erhoͤhen. Aber es ist doch auch Eine derer Ur- sachen geworden, warum, wie ich §. 21 dieses Capitels erzaͤhlt habe, der Transithandel ins innere Deutsch- land seitdem weit staͤrker, als vorhin, die Strasse uͤber Luͤneburg und Braunschweig gewaͤhlt hat, und wird eine Ursache sein, warum die Preussischen Staaten von der grossen seitdem entstandenen Zunahme der von Hamburg ab gehenden Transithandlung weit weniger Nuzen haben werden, als ihnen sonst entstanden sein moͤgte. Es sei denn, daß der unter des jezigen Koͤ- nigs Majest. unternommene Strassenbau im Magde- burgischen den Transithandel mehr wieder dahin lokt. §. 24. In eben solchen Ablagerstaͤdten werden ernsthafte Verfuͤgungen noͤtig, daß das Fuhrwesen dort zu kei- ner Zeit fehle, die Waaren schnell genug hin und her befoͤrdert werden, und die Frachtgelder billig bleiben moͤgen. Dazu gehoͤrt nicht wenig, und Local-Um- C. 5. In Ansehung des Zwischenhandels. staͤnde erregen oft boͤse Hindernisse. Es ist und wird ein solches fuͤr die Aufnahme des Transithandels in Kiel bleiben, daß die Gegend umher nicht Fuhrwerk genug hat, so lange die umliegenden Guͤter nur Leib- eigne Bewohner haben, welche sich mit Frachtfuhren nicht befassen koͤnnen noch duͤrfen. Dann aber be- darf es auch einer strengen Aufsicht, daß das Spedi- tionswesen mit Ehrlichkeit, Sicherheit und mit moͤg- lichst geringen Nebenkosten fortgehe. In solchen Staͤdten sind von Alters her viele Leute zu solchen Diensten angestellt, welche nicht wesentlich nohtwen- dig sind, oder sind zu einem zu hohen Lohn fuͤr dieje- nigen Dienste berechtigt, deren der Transithandel wirklich bedarf. Denn sorgfaͤltige Ordnung ist frei- lich bei diesen Geschaͤften noͤtig, damit alle Waaren zu treuen Haͤnden gelangen, und die Frachtbriefe ge- hoͤrig ausgestellt werden, welche bei der Landfracht die Stelle der Connossementen in der Schiffahrt ver- treten. Dabei kann ich die Anmerkung nicht unter- druͤkken, daß die Exempel von Dieberei und Verun- treuung bei Landfrachten viel seltener als bei Schiffen sind, ungeachtet ein Fuhrmann, der viele Meilen ohne Zeugen uͤber Land faͤhrt, sie viel leichter finden muß, als Seeleute in einem vollgepakten Schiffe, aus welchem sie nur im Hafen das Gestohlne auf die Seite bringen koͤnnen. Auf Flußfahrten sind die Exempel viel haͤufiger. Die Ursache scheint mir teils 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. in der Lebensart eines Fuhrmanns, teils in diesem Umstande zu liegen: der Fuhrmann, welcher Waaren veruntreut, kann die Schuld auf niemanden anders, hoͤchstens auf seinen Knecht, werfen. Aber er kennt seine Knechte besser und wechselt nicht oft mit ihnen; weiß auch, daß er keine Fracht da wieder findet, wo er oder seine Knechte sich verdaͤchtig gemacht haben. Aber der Schiffer, welcher fast zu jeder Reise anderes Volk dinget, schiebt es auf dieses, und wird immer vorgeben, er habe nun sichrere Leute ausgesucht. §. 25. Unabhaͤngige Staͤdte, deren Hauptgeschaͤfte die Spedition ist, werden freilich aͤhnliche Grundsaͤze in ihrer Handlungspolitik befolgen muͤssen. Sie wer- den insonderheit keine Stapelgerechtigkeit behaupten, und nicht auf eigenen Handel halten koͤnnen, wenn Einmal derselbe sich in einen Transithandel verwan- delt hat. Die Stadt Luͤbek giebt davon ein merkwuͤr- diges Beispiel. So lange sie das Haupt der Hansa war, trieb sie fast nur eigenen Handel, und bediente sich Hamburgs in einem grossen Teil desselben als eines Ablagerplazes. Viele ihrer Statuten zwekten auch darauf ab. Als aber die Umstaͤnde sich aͤnderten, und es allmaͤhlich dahin kam, daß sie hauptsaͤchlich nur durch den Transithandel bluͤhete, hat sie diesem seine gaͤnzliche Freiheit gelassen, und ihren alten auf C. 5. In Ansehung des Zwischenhandels. den Eigenhandel sich beziehenden Verfassungen ent- sagt. Aber darin ist sie in dem alten Wege geblieben, daß sie jenen Handel unter der Last eines Zolles gelas- sen hat, welcher im Durchschnitt genommen 2 p. C. betraͤgt, die freilich mit einer Gelindigkeit gehoben werden, wovon der Luͤbeckische Speditoͤr, nicht der Versender den groͤsten Vorteil zieht. Bis an unsere Zeiten hat sie dabei bestehen koͤnnen, weil die kurze und dabei wolfeile Landfracht den Uebergang der Waa- ren aus der Nordsee in die Ostsee an diese Stadt fest- gehalten hat. Doch bemerkt sie nun schon, daß der Daͤnische Canal ihr sehr vieles abzieht, durch welchen selbst ihre Schwesterstadt Hamburg alle Waaren aus der Ostsee zu sich zieht und versendet, bei welchen die Rechnung ergiebt, daß dieser in Luͤbeck zu zahlende Zoll dabei erspart werden koͤnne. In Hamburg ist es gerade umgekehrt ergangen. Seitdem diese Stadt, vorzuͤglich durch das Ueberwan- dern der Antwerper am Ende des sechzehnten Jahr- hunderts, Kraͤfte und solche Kenntnisse gewann, wie sie zum eigenen Handel erfodert werden, ward dieser lange als der einzige angesehen, der Hamburg reich machen koͤnnte. In dem vorigen Jahrhundert gieng die Handlungspolitik der Hamburger fast ganz auf diesen Zwek. Sie bewirkte noch bei den Kaisern Fer- dinand II. und Leopold I : die Befestigung ihrer bis 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. dahin schwankenden Stapelgerechtigkeit in der groͤßten moͤglichen Ausdehnung. Man s. mein Rostock be- treffendes Gutachten S. 18. ff. Aber nun ent- stand fast unter ihren Mauern eine Stadt, welche durch ihren Landsherrn zum Freihafen erklaͤrt wurde. Es kam darauf an, allen Haͤndeln sich auszusezen und sie auszufuͤhren, welche die Behauptung jener Sta- pelgerechtigkeit gegen dieselbe nach sich gezogen haben wuͤrde, oder das zu tuhn, was die Natur des Tran- sithandels erfodert, d. i. allen Zoll auf denselben auf- zugeben. Lezteres ist geschehen, und Hamburg hat gewiß wol daran getahn. Sechstes Capitel . Von der Handlungspolitik in Ansehung der Schiffahrt . §. 1. I ch habe nicht vermeiden koͤnnen in demjenigen, was ich in dem 1sten Cap. des 4ten Buchs von der Schif- fahrt uͤberhaupt als einem Huͤlfsmittel der Hand- lung sagte, schon vieles von den geographischen und C. 6. In Ansehung der Schiffahrt. politischen Vorteilen eines Volks in Absicht auf die Schiffahrt zu sagen, werde mich aber huͤten, nicht in unnuͤze Wiederholungen zu gerahten. Fuͤr den Re- genten hat die Schiffahrt nur Eine Seite. Sie gilt ihm als das erste Huͤlfsmittel zur Belebung des in- laͤndischen Geldumlaufs, und zur Ausbreitung der Handlung seines Staats, wenn die Natur demselben die Lage gegeben hat, daß er dasselbe benuzen kann. Freilich ist die Schiffahrt ein Gewerbe, von welchem der Gewinn zweifelhafter ist, als von irgend einem andern, und das Werkzeug derselben, das Schiff, hat bei seiner grossen Kostbarkeit einen so veraͤnderli- chen Wehrt, als kaum irgend ein anderes Ding, das der Buͤrger eines Staates als einen Teil seines nuz- baren Eigentuhms besizt. Dies Gewerbe bedarf also mehr Ermunterungen, als irgend ein anderes. Der Regent muß daher alle moͤgliche Sorge anwenden, um den Gewinn desselben so groß und insonderheit so gewiß fuͤr seine Untertahnen zu machen, als es nur immer bei der natuͤrlichen Mislichkeit desselben moͤg- lich ist. §. 2. Die erste natuͤrlich sich darbietende Maasregel dazu ist, daß er seine Untertahnen leite, in dem Han- del, den sie selbst treiben, eigene Schiffe oder nur die Schiffe ihrer Mitbuͤrger zu gebrauchen. In vorigen 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. Zeiten bedurfte es dazu keiner Aufmunterung und kei- ner Befehle. Der Kaufmann, welcher uͤber See handelte, taht dies fast immer nur mit seinen eigenen Schiffen. Sein Schiff fuͤhrte gemeiniglich nur seine Waaren, und brachte in seiner Ruͤkfracht wenig andere Waaren mit, als die sein Eigentuhm geworden waren. Doch kam es schon damals auf die besondere Taͤhtig- keit an, in welcher ein handelnder Staat den andern uͤbertraf. Der ganz active Handel der Hanseaten verschafte ihren Schiffen die Ruͤckfracht, wie die Hin- fracht. Sie liessen also denen Voͤlkern, mit welchen sie handelten, nicht einmal den Anlaß entstehen, die Hanseatischen Haͤfen mit ihren Schiffen zu befahren. Insbesondere hielt ihre Handlungspolik, die so lan- ge sehr gewalttaͤhtig war, als sie dazu die Kraͤfte fuͤhlten, die Schiffe aller andern Europaͤer von der Ostsee ab. So etwas hat nun nicht mehr Statt, und kann fuͤr minder maͤchtige Staaten nicht wieder ent- stehen. Die Schiffahrt der handelnden Nationen durchkreuzt sich uͤberhaupt so sehr, und der Kaufmann selbst folgt seinem Privatnuzen so gerne in der Aus- wahl der Schiffe, die er mit seinem Handel beschaͤf- tigt, daß wirklich es einer besondern Aufmerksamkeit des Regenten bedarf, um es dabei zu erhalten, daß die Schiffe seines Volks auch nur in dessen Handlung vorzuͤglich ihre Beschaͤftigung und Verdienst finden. C. 6. In Ansehung der Schiffahrt. Diese Aufmerksamkeit wird in neuern Zeiten fast von allen Regenten angewandt, deren Volk die See befaͤhrt. Frankreich hat seit langer Zeit ein Faßgeld ( droit de tonneau ) von 2½ Livres auf die Tonne, d. i. 2000 Pfund, die ein Schiff in Fracht nehmen kann, festgesezt. Schweden hat durch Verfuͤgungen, die den Britischen sich naͤhern, jedoch bei weitem nicht so hart fuͤr andre seefahrende Voͤlker sind, seiner See- fahrt den ihr aus seinem eignen Handel zufliessenden Vorteil gesichert. Portugal hat allererst vor wenig Jahren die Schiffe der Nation mit einem Vorteil von 5 p. C. im Zoll beguͤnstigt. Grosbritanien ist am weitesten darin gegangen, da es durch seine 1651 festgesezte und 1660 bestaͤtigte Navigationsacte den Schiffen aller fremden Nationen seine Haͤfen gewis- sermassen geschlossen hat. Denn wenn es gleich ihnen erlaubt, die Waaren ihres Landes zu ihm uͤberzufuͤh- ren, so nimmt es ihnen durch das Verbot, keine ein- heimische Guͤter oder die seiner Colonien aus Briti- schen Haͤfen zuruͤck zu nehmen, den Vorteil der Ruͤk- fracht, ohne welchen in den Umstaͤnden unserer Zeit die Schiffahrt uͤberhaupt dem Eigner eines Schiffes nicht lange eintraͤglich bleiben kann. §. 3. Ich habe die Geschichte dieser Navigationsacte, zum zweiten male ausgearbeitet, unserer Hand- 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. lungs-Bibliothek in deren zweitem Bande ein- geruͤkt, und mag nichts aus derselben hier wieder- holen. Sie ist freilich die gewisseste Maasregel, die ein Staat nehmen kann, um sich nicht nur allen Vor- teil, der aus seiner eigenen Handlung fuͤr seine Schif- fahrt entstehen kann, eigen zu machen, sondern auch sich in dem Genuß des Gewinns der Schiffahrt auf fremde Staaten zu sezen. Sie ist aber auch die ge- walttaͤhtigste Maasregel der Handlungspolitik. Waͤre es moͤglich, daß sie von allen andern seefahrenden Nationen befolgt wuͤrde, so wuͤrde der Gewinn von der Fracht fuͤr jedes Schiff im Durchschnitt auf die Haͤlfte herabgesezt, oder, weil doch die Seefahrt nicht ganz aufhoͤren kann, ein jeder Schiffer genoͤtigt werden, seine Hinfracht aus dem Hafen, dem er an- gehoͤrt, zu verdoppeln, um bestehen zu koͤnnen. Welch ein schweres Hindernis der Handlung wuͤrde nicht dar- aus entstehen! Man sehe meine angef. Abhandlung, insonderheit von S. 654 an, wo ich die Ursachen zu- sammengestellt habe, weswegen andere seefahrende Voͤlker nicht die billige Vergeltung in Festsezung aͤhn- licher Verordnungen genommen haben, oder haben nehmen koͤnnen. Dies ist nun freilich ein Gluͤck fuͤr die Handlung uͤberhaupt. Indessen fahren die Brit- ten fortdauernd in demselben Wege fort, und schmaͤ- lern die Vorteile anderer Voͤlker, welche sie ihnen in jener Acte noch uͤbrig gelassen oder ihnen durch be- C. 6. In Ansehung der Schiffahrt. sondere Vertraͤge erlaubt haben. Man lese eben da- selbst die Geschichte derer besondern Acten, durch welche Carl II. die drei Hansestaͤdte und Danzig von der Navigationsacte zwar befreiete, aber auch wie durch so viele neue Parlamentsacten der Vorteil fuͤr diese Begnadigung den Hamburgern insbesondere in den fuͤr die Schiffahrt eintraͤglichsten Waaren ge- schmaͤlert wird. §. 4. Indessen zeigt sich genugsam, daß durch die gelin- deren Verfuͤgungen anderer Staaten allein nur ein Teil von demjenigen erlangt wird, was dabei zum Zwek gesezt war. Es sind derer Umstaͤnde so viele, die es hindern, daß ein Volk auch nicht einmal die von sei- ner eigenen Handlung gehoften Vorteile fuͤr seine Schiffahrt ziehen kann. So hat z. B. Frankreich das Faßgeld allen denen Nationen erlassen muͤssen, deren Handlung auf seine Haͤfen ihm angenehm und wichtig ist. Es hat durch so viele Ermunterungen bisher seine Seefahrt auf die Nordischen Haͤfen auch in Friedenszeit nicht so vermehrt gesehen, als es ge- wiß erwartete. Die Hauptursache davon scheint mir zu sein, daß dieser Nation, welcher bei der grossen und mannigfaltigen Fruchtbarkeit ihres Bodens die Materialien zum Schiffsbau so sehr fehlen, ihre Schiffe zu kostbar im Bau werden, und sie daher sich 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. begnuͤgen muß, nur Schiffe genug fuͤr ihre Kuͤsten- ihre Coloniefahrt und den Levantischen Handel zu be- sizen. Ja, sie kann es nicht einmal dahin bringen, daß ihre Schiffe nur die Hinfracht auf die Haͤfen der Britten mit Vorteil machen koͤnnten, welchen sie das Faßgeld, wie billig, nicht erlassen hat. Die Ursache liegt darin, daß die Britischen und Irlaͤndischen Schiffe, welche Franzoͤsische Producte, insonderheit Weine, holen, immer eine volle Hinfracht auf die Franzoͤsischen Haͤfen, und waren es auch nur Stein- kohlen, mitnehmen koͤnnen, welche ihnen mehr, als das Faßgeld kostet, einbringt, folglich immer die Ruͤk- fracht wolfeiler geben koͤnnen, als der Franzoͤsische Schiffer, welcher nur die Hinfracht gewinnen kann, und mit Ballast wieder zuruͤck segeln muß. Auch von Portugiesischen Schiffen sieht man seit jener Beguͤn- stigung wenige mehr in dem Hamburgischen Haͤfen an- kommen; doch vermehrt sich deren Fahrt auf die Ost- See. Schweden hat noch bisher die Vorteile seiner oben erwaͤhnten Verfuͤgung ohne andre Unterbre- chung, als in Kriegszeiten, genossen. §. 5. Die Kriegsvorfaͤlle stoͤren nicht nur oft ein Volk in dem Genuß der Schiffahrt fuͤr seine eigene Hand- lung, sondern wirken auch in die Friedenszeit hinaus. Dies erfaͤhrt Frankreich, insonderheit in Ansehung der C. 6. In Ansehung der Schiffahrt. von ihm so sehr gewuͤnschten Nordischen Seefahrt, die, wenn sie im Frieden zu einiger Hoͤhe gelangt ist, in jedem Seekriege mit den Britten ganz und gar wieder niedergeschlagen wird, so daß auch kein Fran- zoͤsisches Kauffardeischiff sich noch durch den Canal wa- gen kann. Hierin ist ihm die Natur selbst zuwieder. Ich habe es nun schon drei mal erlebt, daß die Colo- niehandlung von Havre de Grace und die Seehan- dlung zwischen demselben und Hamburg in den lebhaf- testen Gang gekommen und wieder niedergeschlagen ist. Der Weg dorthin ist kuͤrzer, die Fahrt kann mit kleineren Schiffen betrieben werden, von welchen man Beispiele hat, daß sie sieben Reisen in Einem Jahre gemacht haben. Der Kaufmann unserer Ge- gend kann also die committirten Colonie-Waaren von dorther geschwinder auf sein Lager bekommen, als von den entfernteren Franzoͤsischen Haͤfen und auf groͤssern Schiffen. Allein, sobald ein Seekrieg ausbricht, ist auch der kleine Teil des Canals, durch welchen ein Schiff auf Havre de Grace segeln muß, zu unsicher fuͤr dasselbe, und aller Coloniehandel dieses Plazes hoͤrt auf. Das alles war in fruͤhern Zeiten anders, als jezt. Wenn eine seefahrende Nation in Krieg gerieht, so mußte sie dennoch ihre Schiffe auf die See wagen, wollte sie anders ihren Handel fortsezen. Denn Ei- 2ter Teil. T 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. nes Teils boten sich ihr nicht die Schiffe anderer Na- tionen fuͤr ihre Frachten an; andern Teils entschied die Assecuranz, die damals minder gewoͤhnlich war, nicht so, wie jezt, in denen Ueberlegungen, die der Kaufmann macht, wenn er seine Waare in mislichen Zeitumstaͤnden uͤber die See wagt. Jezt aber hat jedes Schiff den Vorzug unter denen, die zu gleicher Zeit in Ladung liegen, fuͤr welches der Assecuradoͤr weniger Praͤmie fodert. Ehemals ließ der in Krieg gerahtene Staat seine Schiffe sich in Flotten sammeln, und durch bewehrte Schiffe sie begleiten. Da muß- ten dann die Schiffe, welche einerlei Bestimmung hatten, sich sammeln, und abwarten, bis eine der Escortirung wehrte Zahl segelfertig ward. Das aber vertraͤgt sich in dem jezigen Gange der Handlung nicht mit den Speculationen eines Kaufmanns, bei deren Ausfuͤhrung jeder Zeitverlust ihn verlegen macht. §. 6. Jedes Volk, das Colonien hat, haͤlt von allen Teilen der Schiffahrt zum Behuf des eignen Handels die Schiffahrt auf seine Colonien am festesten an sich. Diese einer andern Nation frei geben, wuͤrde ebensoviel sein, als derselben den eignen Coloniehandel selbst schenken, und alle Vorteile aufgeben, die der- selbe fuͤr das Mutterland hat. Dennoch aber kann fast keine Nation es ganz dabei erhalten. Die Con- C. 6. In Ansehung der Schiffahrt. trabande tuht der Schiffahrt, wie dem Handel jedes Mutterlandes auf die Colonien, gewaltigen Eintrag. Spanien muß alle diejenigen Schiffe sich willkommen sein lassen, welche seinen Colonien Neger zufuͤhren, aber auch durch eine natuͤrliche Folge Nachsicht gegen deren Contrabande brauchen. Die Antillen sind uͤber- haupt in einem grossen Beduͤrfnis vieler Dinge, welche ihnen die Nordamerikaner, wo nicht allein, doch vor- zuͤglich und unter geringern Preisen zufuͤhren koͤnnen, z. B. der Pferde, des Bauholzes, Stabholzes und der Lebensmittel. Daran knuͤpfeten aber diese schon lange einen Handel mit Waaren jeder andern den Pflanzern angenehmen Art, und nahmen einen gros- sen Vorraht von Producten der Colonien als Bezah- lung zuruͤck. Spanien bewirkte nach dem Frieden von 1763 ein Verbot dieser Schiffahrt auf seine Colo- nien, und dies ward eine Ursache mehr, welche die Empoͤrung vorbereitete, nach welcher jenes Volk dies Gewerbe jezt viel freier und lebhafter treibt. Der Krieg stoͤrt denn auch allerdings diese Schiffahrt. Noch immer haben jedoch die Staaten die Fahrt auf ihre Colonien auch mitten im Kriege ganz an sich zu halten gesucht. Doch mußten sie in dem lezten Krie- ge alle nach einander tuhn, was sie sonst niemals ge- tahn hatten. Holland fing an, ließ den Schiffen neutraler Flaggen die Fahrt auf seine Colonien frei. Frankreich folgte nach, und zulezt sogar England, T 2 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. seiner Navigationsacte ungeachtet. Sie mußten ein- ander folgen. Denn jede dieser Nationen konnte schon um so viel wolfeiler seine Colonie-Waaren in seine Haͤfen bekommen und wieder ausfuͤhren, je fruͤher sie die Fahrt dahin frei gab und fremde Schiffe zu be- nuzen anfieng. Freilich kam es dann auch bald da- hin, daß so manches Schiff aus den im Krieg begrif- fenen Staaten nur eine neutrale Flagge mit dem dazu gehoͤrigen Certificat kaufte, sich damit auf die See wagte, aber von den feindlichen Kapern aufge- bracht ward. Man wird sich lange erinnern, was es damals hieß, ein Schiff Ostendisiren , und die Assecuradoͤre werden mit Schmerz daran denken, wie viel die Ostendisirten Schiffe ihnen gekostet haben. Daß auch uͤberhaupt, und warum dieser Gang des Coloniehandels fuͤr die neutralen Staaten am Ende sehr nachteilig ausfiel, habe ich bereits an einem an- dern Orte gesagt. §. 7. Noch Ein wichtiger Umstand verhindert jezt man- chen Staat, seine eigene Handlung mit eigenen Schiffen zu betreiben. Dieser ist die Seeraͤuberei der bekannten Afrikanischen Staaten. Die kurze Ge- schichte von dem Entstehen dieser Seeraͤuberei und der teils erzwungenen, teils mit Geld erkauften, doch immer nur durch Geschenke erneubaren Friedenstracta- C. 6. In Ansehung der Schiffahrt. ten mit denselben sehe man in m. Geschichte der Welthaͤndel bei dem J. 1682. Jezt sind es denn noch die meisten Italienischen Staaten, Portu- gal, und im Norden Rusland, Preussen, nach ei- nem neuen Friedensbruch nun wieder Schweden, und die drei Hansestaͤdte nebst Danzig, deren Seefahrt in das Mittellaͤndische Meer durch diese Seeraͤuber vereitelt wird. Auch die Nordamericaner leiden un- ter diesem Uebel seit ihrer Losreissung von Grosbri- tanien, dessen Flagge sie ehemals schuͤzte. Auf die so natuͤrliche Frage, warum die grossen Seemaͤchte Europens diese kleinen Staaten nicht zu einem allge- meinen Frieden noͤtigen, ist die Antwort zwar die richtige: deswegen nicht, um ihren Untertahnen die Frachtfahrt zum Dienst der benannten noch nicht zum Frieden gelangten Nationen zu erhalten. Aber auch selbst jene Staaten, insonderheit Algier, werden im- mer mehr unwillig, neue Vertraͤge einzugehen, weil es ihnen zulezt an Gegenstaͤnden ihrer Seeraͤuberei fehlen wuͤrde, welche ihnen nebst den Geschenken der christlichen Staaten statt aller Gewerbe gilt. Indeß haben die zum Frieden gelangten Nationen wenig- stens dafuͤr gesorgt, daß die Fahrt der noch unfreien Schiffe auf ihre Haͤfen diesseits des Capofinisterraͤ sicher bleibt, indem sie alle es zur Hauptbedingung ihrer Tractaten gemacht haben, daß keiner dieser See- raͤuber, die sonst selbst bis Island hinauf im Nor- 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. den kreuzten, diesseits desselben erscheinen darf. Einen voͤllig so wichtigen Dienst leistet Portugal denselben durch das bestaͤndige Kreuzen einer Escadre vor der Strasse von Gibraltar, um seine Fahrt auf Brasilien zu sichern. Es koͤnnen daher unfreie Schiffe sich noch bis Lissabon wagen. Bevor Daͤnemark und Schweden mit diesen See- raͤubern geschlossen hatten, zwang die Noht gewisser- massen die Hamburger und andere Nordische Staa- ten, ihre Schiffe in die Mittellaͤndische See zu wa- gen, zumal wenn Kriege im Norden Europens die Flagge der Englaͤnder und Hollaͤnder unfrei machten. Als aber um das Jahr 1745 zwoͤlf Hamburgische Schiffe kurz nach einander von den Algierern genom- men wurden, stieg die Assecuranz auf dieselben so hoch, daß die Hamburgische Flagge sich seitdem nicht mehr im Mittellaͤndischen Meere gezeigt hat. Denn auch selbst der Rheder, der sein Schiff dahin wagen wollte, wuͤrde keine Ladung finden, und, wenn er es stark genug zum Widerstande ausruͤsten und bemannen wollte, so wuͤrde dies allen Vorteil von der Fracht wegnehmen. §. 8. Weil nun durch alle diese Umstaͤnde so mancher handelnde Staat gehindert wird, seine eigene Han- C. 6. In Ansehung der Schiffahrt. dlung mit eigenen Schiffen zu treiben, so ist jezt mehr als jemals die Frachtfahrt im Dienst anderer Voͤlker ein gewinnvolles Gewerbe derjenigen, welche durch die B. 4. C. 1. §. 9. ff. angegebenen Vorteile, oder durch ihre Sparsamkeit sich in Stand sezen, eine zahlreiche Kauf- fahrt zu treiben, oder die wolfeilste Fracht einzuwilligen. Freilich wirken denselben die §. 2. und 3. erwaͤhnten Verfuͤgungen sehr entgegen, aber ich habe an eben dem Orte derer Hindernisse erwaͤhnt, welche eben die- sen entgegen stehen, und will nur uͤberhaupt anmer- ken, daß die Assecuranz mehr als alles daruͤber ent- scheidet. Wenn der Versicherer den Ausspruch tuht, daß er auf ein Schiff Einer Nation nicht anders als 2 oder 3 p. C. teurer, als auf das einer andern, zeich- nen wolle, so ist es auch nicht einmal genug, daß der Schiffer seine Fracht um so viele p. C. wolfeiler zu ge- ben sich erbietet. Denn selbst dem Kaufmann ist es nicht genug, sich vor Verlust sicher gestellt zu haben, sondern er waͤhlt fuͤr sich auch den Schiffer, der seine Waare sicherer und zu rechter Zeit fuͤr seine Specula- tion uͤberfuͤhrt. §. 9. Darin liegt auch ein Haupthindernis wider das Aufbluͤhen der Schiffahrt irgend einer Nation in einem neuen Wege. Man weiß, daß solche Schiffer der Gegenden und Meere noch unkundig sind. Der 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. Assecuradoͤr fodert dem zufolge z. B. auf einen Por- tugiesischen Schiffer, der auf die Ostsee seegelt, ge- wiß einige Procent mehr, als von einem Hollaͤnder oder Hamburger. Noch schlimmer aber ist es und wirkt auf laͤngere Zeit, wenn die Schiffer Einer Na- tion in dem boͤsen Ruf sind, daß sie ihr Werk schlecht verstehen. Noch vor einigen Jahren bestand eine fast allgemeine Beredung unter den Hamburgischen Asse- curadoͤren, nicht mehr auf die Schiffe eines gewissen Nordischen Staats zu zeichnen, weil nicht leicht Ei- nes unter fuͤnf Schiffen desselben ohne Schiffbruch oder ohne schwere Averei seine Reise machte, weil die Schiffer unwissend, und die Schiffe schlecht ge- baut waren. Es ist also kein unwichtiger Gegenstand der Hand- lungspolitik, daß der Regent oder seine Minister fuͤr gute Navigations-Schulen sorgen, und auch eine ge- wisse Aufsicht auf den Bau der Schiffe bestellen, daß sie nicht von zu schlechtem Holze und mit zu grosser Er- sparung in den noͤtigen Materialien gebauet werden. Alle Schiffe sehen gleich gut und fest aus, wenn sie vom Stapel laufen. Aber wer oft Schiffe bauen sieht, wird bald bemerken, welch ein grosser Unter- schied darin sei. C. 6. In Ansehung der Schiffahrt. §. 10. In unsern Zeiten werden die Seekriege der Fracht- Fahrt auch derer Nationen sehr hinderlich, welche nicht an denselben Teil nehmen. Es ist natuͤrlich und dem Rechte des Krieges gemaͤß, daß kein Schiff eines friedlichen Volkes dem bekriegten fertige Beduͤrfnisse des Land- und des Seekrieges zufuͤhren duͤrfe, wol aber Materialien, deren Anwendung zu andern Be- duͤrfnissen eben so gut, als zu denen des Krieges statt hat, z. B. Eisen, Holz, Hanf u. d. gl. Holland erlangte das Recht dazu von England, als eine Be- dingung in dem Frieden zu Breda im J. 1667 nach einem mit den Britten gefuͤhrten gluͤcklichen Kriege. Und doch ward die Ueberfuͤhrung solcher Waaren aus der Ostsee nach Frankreich 113 Jahre spaͤter eine Ur- sache des Krieges, mit welchem die V. Niederlande von den Britten angegriffen wurden. Und wie man- ches friedlich handelndes Schiff anderer Nationen ist von diesem uͤbermuͤhtigen Volke in dessen lezten See- Kriegen unter aͤhnlichen Vorwaͤnden in dessen Haͤfen eingeschleppt, grundlosen Untersuchungen unterwor- fen, und zulezt ohne allen Ersaz der Kosten und des durch den Verzug erlittenen Verlustes an Volksmiete und Kost, und an verderblichen Waaren entlassen wor- den. Mir ist ein Vorfall dieser Art bekannt, da die Versicherer auf ein solches Schiff, das in England viele Monate durch aufgehalten war, und aus wel- 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. chem nicht das geringste fuͤr eine gute Prise erklaͤrt werden konnte, mehr als den Belauf der von ihnen versicherten Summe bezahlen mußten. Man s. den Grund davon B. 4. C. 3. §. 11. §. 11. Als in dem vorigen Jahrhundert die ersten Schrift- steller und Weltweisen Europens das Natur- und Voͤl- kerrecht, und insbesondre das Recht des Krieges und des Friedens in ein demselben bisher fehlendes Licht sezten, war es eine unter denselben eine Zeitlang strei- tige Frage, ob die Meere so, wie Land, zum Ge- biete eines Staats gerechnet werden duͤrften. Die Vernunft uͤberwog so, daß jezt kein Staat mehr ei- gentlich behauptet, daß die seine Ufer umfliessenden Meere weiter, als ein Canonenschuß reicht, ihm an- gehoͤren. Dem zufolge sieht ein jeder im Frieden be- griffener Staat einen jeden in dieser Naͤhe sich ereig- nenden Kriegs-Vorfall so gut fuͤr eine Beleidigung seines Gebiets an, als wenn es innerhalb seiner Lan- desgrenzen geschehen waͤre. Voͤllig so einleuchtend ist es, daß einer kriegfuͤhrenden Macht keine Rechte uͤber Schiffe zustehen, die als Eigentuhm der Unter- tahnen einer friedlichen Macht Meere beseegeln, die niemands Eigentuhm sind, und wo niemands beson- dre Befehle gelten. C. 6. In Ansehung der Schiffahrt. §. 12. Aus der allgemeinen Anerkennung dieser und meh- rerer Wahrheiten des Natur- und Voͤlkerrechts ist dann zwar das sogenannte Recht der neutralen Flagge dem Namen nach allgemein guͤltig gewor- den. Zwar schließt der Begrif des Krieges den Vor- saz ein, dem bekriegten Volke nicht nur allen moͤgli- chen Schaden bis zu dessen aͤusserstem Verderben zu tuhn, sondern auch alle Vorteile desselben zu stoͤren und deren Quellen ihm zu verstopfen, auch dem zu- folge das feindliche Gut zu nehmen, wo es nur zu finden ist. Allein einerseits ist die Denkungsart der cultivirten Voͤlker in Ansehung des Krieges viel menschlicher geworden, und der Gedanke an gaͤnzliche Zerstoͤrung und Zernichtung des Feindes jezt so gut als unausfuͤhrbar. Andererseits haben die handelnden Voͤlker einsehen gelernt, daß, wenn sie die Handlung des Volkes durch Wegnehmung des feindlichen Eigen- tuhms, wo sie es finden, stoͤren, sie ihren eigenen Schaden bewirken. Kein Volk kann die Beduͤrfnisse ganz und gar entbehren, welche der Boden und der Kunstfleis des bekriegten Volkes ihm gewaͤhrt, oder moͤgte gerne dem Gewinn ganz entsagen, den es aus dem Handel mit demselben zu ziehen gewohnt war. Man hat also schon lange eine jede Handlung und Schiffahrt als den Krieg nicht angehend angesehen, welche von einem friedlichen Volke auf eine solche Art 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. getrieben wird, daß sie als mit dem Kriege in keiner Verbindung stehend angesehen werden muß. Durch eine natuͤrliche Folge muß also einem solchen Volke er- laubt bleiben, die Handlung mit dem bekriegten Volke so fortzufuͤhren, wie es im Frieden sie zu betreiben ge- wohnt war. Dazu koͤmmt nun seit Jahrhunderten, daß Ein Volk dem andern seine Schiffe zum Handel und Fracht vermietet, und sich Guͤter, die das Eigen- tuhm mehrerer Voͤlker sind, in Einem Schiffe mit ein- ander mischen. Eben das Schiff, welches aus einem Franzoͤsischen Hafen Guͤter und Waaren nach Ham- burg bringt, die der Hamburger verschrieben hat, nimmt auch andere ein, welche die Franzosen in Verkaufs-Commission nach Hamburg versenden. Ein Gebot von Seiten des feindlichen Volkes an das friedliche dies nicht zu tuhn, waͤre nicht viel weniger, als ein Verbot der Handlung selbst mit dem bekrieg- ten Volk an jenes Volk, und so sehr dem Voͤlkerrechte entgegen, daß darin Grund genug zu einer Kriegs- Erklaͤrung abseiten dieses Volkes liegen wuͤrde. Noch mehr ist der Befehl oder die Erlaubnis an die bewaf- neten Schiffe so anzusehen, die Schiffe der friedli- chen Nation auf freier See anzuhalten, zu durchsu- chen, oder, weil dies auf der See nicht immer moͤg- lich ist, sie in seine Haͤfen zu schleppen, um da diese Durchsuchung zu vollfuͤhren. Man hat deswegen in neuern Zeiten es als Regel angenommen, daß das C. 6. In Ansehung der Schiffahrt. Schiff, wenn es friedlich oder neutral ist, auch das feindliche Gut frei mache, und schon die neutrale Flagge dem Anhalten und Durchsuchen eines friedli- chen Schiffes entgegen stehen muͤsse. Als in dem vo- rigen Jahrhundert die christlichen Seemaͤchte den Africanischen Seeraͤubern den Frieden teils abzuzwin- gen, teils abzukaufen fuͤr gut fanden, war dies die Hauptbedingung desselben, und ist es noch immer bei jedem neuen mit denselben geschlossenen Tractate. Waͤre es diesen Seeraͤubern erlaubt geblieben, ein nun zum Frieden mit ihm gelangtes Schiff, unter dem Vorwande sich gewiß zu machen, ob es auch feindliche Guͤter fuͤhre, zu durchsuchen und allenfalls in ihre Haͤfen zu schleppen, so waͤre aller Vorteil von diesen Tractaten fuͤr jene Nationen weggefallen. §. 13. Vielleicht haben eben diese Tractaten die See- Maͤchte mehr und mehr daran gewoͤhnt, auch den Grundsaz aufzugeben, daß man feindliches Gut neh- men koͤnne, wo man es findet. Alle, ausser Eng- land, haben in ihren Seekriegen das Recht der neu- tralen Flagge fuͤr jede Nation gelten lassen, die nicht an ihren Kriegen Anteil nahm. Man wird nicht leicht einen Fall anfuͤhren koͤnnen, daß die Franzosen, selbst unter dem gewalttaͤhtigen Ludwig XIV. , demselben entgegen gehandelt haͤtten, wenigstens keinen, der von 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. dem Hose gebilligt worden waͤre, wenn er zu dessen Wissenschaft kam. Nur die Britten, die doch so gut, wie andere, den Africanern diese Bedingung aufdran- gen, streben derselben bisher noch entgegen, verlan- gen von allen friedlichen Seefahrern Beweise, daß sie nur Eigentuhm ihres Volks fuͤhren, und schleppen sie in ihre Haͤfen, um auf jeden ihnen entstehenden Ver- dacht vor Gerichten, wo sie Klaͤger und Richter sind, es zu untersuchen. Noch in dem lezten Seekriege brachten sie es dahin, daß ein jedes aus friedlichen Nordischen Haͤfen abgehendes Schiff Documente eines uͤber jede Waare geleisteten Eides mitfuͤhren mußte, daß sie nicht Franzoͤsisches Eigentuhm sei. So empoͤ- rend diese Maasregel fuͤr alle Voͤlker Europens ist, wel- che das Recht der neutralen Flagge gelten lassen, so ganz zwekwidrig ist sie. Ich moͤgte freilich nicht fuͤr die Gewissenhaftigkeit aller bei dieser Gelegenheit ge- leisteten Eide einstehen. Koͤnig Friedrich selbst glaubte den Britten fugen zu muͤssen; aber, um die Gewissen seiner Untertahnen zu erleichtern, war den Obrigkei- ten in Preussischen Handelsstaͤdten die Weisung gege- ben, sie nicht zum Eide zu fodern, sondern einem je- den, der es verlangte, einen Attest zu geben, daß er der Britischen Vorschrift gemaͤß geschworen habe, die von ihm versandten Guͤter waͤren seine. So schrieben dann freilich die Magistrate die Unwahrheit, aber keine von ihnen beschworne Unwahrheit. Doch C. 6. In Ansehung der Schiffahrt. gesezt, es waͤre allenthalben alles so ehrlich geschwo- ren, als es jenes stolze Volk verlangte, so war die Folge davon diese, daß kein Franzose oder Spanier Waaren aus dem Norden committiren oder die seini- gen dorthin in Verkaufs-Commission senden konnte. Wol aber mußten die Nordischen Kaufleute jenen ihre Waaren in Verkaufs-Commission zusenden, und was sie von dorther bedurften, durch Einkaufscom- mission ziehen. Alles reiner Vorteil von 2 p. C. we- nigstens auf jede hin oder her gehende Waare fuͤr die Kaufleute der bekriegten Nationen! Es ist mir unbe- greiflich, daß doch bisher nicht ein Britte aufgestan- den ist, um seinem Volke zu sagen, daß dessen Ei- gensinn die Vorteile seiner Feinde grade zu vermehre, an statt sie zu mindern. §. 14. Friedrich der Grosse hatte nach dem Aachener Frieden fuͤr die in dem Oesterreichischen Successions- Kriege seinen Untertahnen von den Britten auf der See zugefuͤgten Kraͤnkungen, welche auf 200000 Rthlr. berechnet wurden, sich durch Einbehaltung der von ihm uͤbernommenen Schlesischen Schuld bezahlt gemacht, wovon ich schon bei anderer Veranlassung B. 3. C. 6. §. 14 etwas gesagt habe. Als in dem lezten Seekriege die Britten dies Spiel so arg trie- ben, nahm Catharina eine Maasregel, deren sich 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. ganz Europa damals erfreuen konnte, indem sie fast alle nicht im Krieg begriffene seefahrende Nationen fuͤr die sogenannte bewafnete Neutralitaͤt verbuͤn- dete, und diesem Buͤndnisse durch ihre Flotten Achtung verschafte. Aber leider! ist noch nichts dadurch entschie- den, und, ungeachtet der Friede, der diesen Krieg beendigte, unter Russischer Vermittelung geschlossen ward, hat doch Grosbritanien in keinem Artikel des- selben seinen Anmassungen fuͤrs kuͤnftige entsagt. Dagegen hat der lezte Seekrieg in der Ostsee Vor- faͤlle entstehen gemacht, welche denen Grundsaͤzen, auf welchen das Buͤndnis fuͤr die bewafnete Neu- tralitaͤt beruhet, gerade zuwieder waren. Sehr uner- wartet ward Schwedischer Seits selbst das Geld auf neutralen Schiffen fuͤr Contrabande erklaͤrt, und ein Luͤbekisches Schiff, noch ehe diese in ihrer Art ganz unerhoͤrte Verfuͤgung gehoͤrig bekannt gemacht war, in Schweden aufgebracht. Hier aber hoͤrten wir, daß von unserer friedlichen Elbe Caper unter Russischer Flagge auf den Fang der Schwedischen Retourschiffe von China ausgelaufen waren, und daß, da ihnen dieses mislang, eines derselben ein neutrales nach Cadix gehendes Schiff in der Muͤndung der Elbe un- ter dem Vorwande weggenommen hatte, weil auf demselben Leute in Tuͤrkischer Tracht, eben die oben S. 251 erwaͤhnten Marokkaner, sich befanden. C. 6. In Ansehung der Schiffahrt. §. 15. Alle bisher in oͤfteren Seekriegen begriffen gewe- sene Voͤlker haben mehr und mehr erfahren, daß die Kaperei der Kauffardeischiffe keinen Gewinn bringe, der Krieg mag laufen wie er wolle, insonderheit seitdem es so gewoͤhnlich geworden ist, daß auch feindliche Schiffe versichert werden. Man hat wol in Schri- ften daruͤber gestritten, ob dies den Untertahnen einer im Krieg begriffenen Nation zu erlauben sei. Noch aber hat kein Staat Geseze dawider gemacht. Die hohen Praͤmien im Kriege sind so anlokkend, und der Grund hat in der Taht viel Gewicht fuͤr den Staats- Mann, daß durch dieselben selbst die gluͤklich ankom- menden Schiffe der feindlichen Nation seinem Staate eintraͤglich werden. Aber wenn der Gewinn von der Kaperei sich zwischen zwei feindlichen Nationen unge- faͤhr ausgleicht, so mag es doch mit dem von den Assecuranz-Praͤmien nicht immer eben so stehen. In dem Anfange des lezten Seekrieges kamen einige Westindische Flotten, fuͤr welche man in England sehr besorgt gewesen war, gluͤklich an. Ich wuͤnschte einem hier anwesenden Englaͤnder, einem grossen Assecuradoͤr, Gluͤck dazu. Gut genug, sagte er, doch wuͤrde mir das Herz leichter sein, wenn ich in den Zeitungen laͤse, daß die Franzoͤsischen Ostindien- Fahrer, die man jezt erwartet, gluͤcklich eingelaufen waͤ- ren. Ich verstand ihn nicht sogleich, und mußte fragen, 2ter Teil. U 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. warum? Als ich aber nachher in den Zeitungen von mehrern derselben gelesen hatte, daß sie von den Englaͤndern genommen waͤren, so erfuhr ich auch bald darauf, daß dieser Mann einen grossen Bankerott ge- macht hatte. Ich habe schon erwaͤhnt, was ohnehin bekannt genug ist, daß gegen das Ende des Krieges alle in demselben begriffene Nationen den neutralen Flaggen die Fahrt auf ihre Colonien erlaubten. Nun hatte die Kaperei der Englaͤnder, wie der Franzosen, wenig andere Gegenstaͤnde, als etwa noch die Osten- disirten Schiffe. Sie ward also fast ganz aufgegeben. Fast moͤgte man die Hofnung fassen, daß die krieg- begierigen Nationen bei kuͤnftig ausbrechenden Kri e - gen endlich weise genug werden werden, um in Anse- hung der Kauffardeischiffe es eben so zu halten, wie man, bei der jezt allgemein eingefuͤhrten mildern Art Krieg zu fuͤhren, es in Ansehung der Landfrachten haͤlt, welche mit ihren Kaufmannsguͤtern von regu- laͤren Truppen nichts, und, wenn uͤberhaupt die gute Disciplin bei den Heeren sich erhaͤlt, wenig von den Marodoͤren zu fuͤrchten haben. In dem ganzen sie- benjaͤhrigen Kriege sind gewiß wenig Beispiele von Beraubung der Landfrachten vorgefallen. Und warum sollte nicht mit gleichem Grunde ein wehrloses Kauffar- dieschiff, das nichts als Waaren faͤhrt, die keine Bezie- hung auf den Krieg haben, eben so sicher uͤber Meere C. 6. In Ansehung der Schiffahrt. gehen duͤrfen, als ein Fuhrmann zu Lande? Es koͤmmt dazu, daß die kriegfuͤhrenden Maͤchte viele Schwierigkeit haben, ihre Kriegsschiffe zu bemannen, so lange die Kaperei lebhaft geht. Das erfuhr England in den ersten Jahren des lezten Seekrieges. Die Hand- lung des Staats wird selbst dem Volke, welches alsdann wenn es das Uebergewicht auf der See mit seinen Flotten hat, sehr dadurch erschwert, und es vertraͤgt sich nicht mit dem jezigen Gange derselben, daß die Kauffardeischiffe sich in Haͤfen versammeln, und auf die Convoi war- ten muͤssen, folglich keine Speculation und Con- junctur Statt hat, wenn die Waaren Einer Gegend und Einer Art mit ganzen Flotten ankommen, oder abgehen. Friedrich der Grosse hat denn doch wirklich den Wink dazu andern Staaten gegeben, in- dem sein Handlungs-Tractat mit den Nordamericani- schen Freistaaten den Artikel enthaͤlt, daß, wenn zwi- schen beiden Staaten einmal Krieg entstehen sollte, die Kauffardeischiffe von beiden eine freie Fahrt behal- ten sollen. Nur Schade, daß dies Beispiel weni- ger wirksam werden moͤgte, weil schwerlich jemals ein Krieg zwischen Preussen und Nordamerika entste- hen wird! §. 16. Indessen bleibt eine starke und wol unterhaltene Seemacht ein unentbehrliches Mittel zur Erhaltung U 2 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. der Schiffahrt und Seehandlung fuͤr ein Volk, das im Besiz von beiden ist, und von Zeit zu Zeit in Kriege verwickelt zu werden fuͤrchten muß. Wir sehen seit zehn Jahren an Venedig, welches von der klei- nen Republik Tunis seine Seefahrt gestoͤrt sieht, was fuͤr Schaden ein solcher Staat davon habe, der seine Handlung durch seine Seemacht lange Zeit geschuͤzt hat, wenn es von ihm kund wird, daß er dieselbe habe verfallen lassen. Freilich ist so mancher kleine handelnde Staat, welcher diesen Gedanken nicht fassen kann. Von diesen kann hier nicht die Rede sein, und sie muͤssen dann freilich in Kriegszeiten sich von ein- zelnen gewalttaͤhtigen Seemaͤchten vieles gefallen lassen, das dem Voͤlkerrechte ganz entgegen ist. M. s. §. 13. ff. §. 17. Insonderheit beruhet die Sicherheit des Colonie- Handels und die Erhaltung des Besizes entfernter Colonien auf der Seemacht, die ein Staat zu un- terhalten im Stande ist; und dies um so viel mehr, da es mit den Kriegen der Europaͤischen Staaten seit einem Jahrhundert eine solche Wendung genommen hat, daß sie fast alle Handlungs-Kriege und die Co- lonien der Preis des Kampfs gewesen sind. Holland hat in dem lezten Seekriege erfahren, wie wenig es bei seiner verfallenen Seemacht seine Colonien zu er- halten im Stande war. C. 6. In Ansehung der Schiffahrt. §. 18. Auch die im Grossen und in entfernten Meeren betriebene Fischerei erfodert den Schuz der Seemacht nohtwendig. Im vorigen Jahrhundert konnte Hol- land noch wagen, mitten im Kriege seine Fischereien fortzusezen, weil es dieselben durch seine Seemacht schuͤzen konnte. Aber im lezten Kriege mußte es so- gar gebieten, daß kein Schiff weder zum Wallfisch- noch zum Heeringsfange auslaufen sollte. Nordame- rica wird blos seiner Fischerei wegen Ursache haben, eine Seemacht in Stand zu sezen, die es sonst um so mehr entbehren koͤnnte, da es keine entfernte Co- lonien hat, und schwerlich jemals dergleichen erwer- ben wird. §. 19. Die Errichtung und Unterhaltung einer Seemacht beruhet auf denen Huͤlfsmitteln, die oben Buch 3. C. 4 angefuͤhrt worden, noch mehr, als die ausge- breitete Schiffahrt einer Nation selbst. Dies bewei- set die Geschichte aller sogenannten Seemaͤchte und auch noch deren jeziger Zustand. Fuͤr diese Seemacht sind gute Navigations-Schulen ein noch mehr noht- wendiges Huͤlfsmittel, als fuͤr die Kauffardei. Ein Kriegs-Schiff ist an sich von einem so grossen Wehrt, daß man mehr Ursache hat, fuͤr einen ge- schikren Fuͤhrer desselben zu sorgen, als bei einem 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. Kauffarbei-Schiffe. Zudem ist ein Schiff allemal desto schwerer zu regieren, je groͤsser es ist. Vielleicht liesse sich behaupten, daß der Verlust so vieler Kriegs- Schiffe, den die V. Niederlaͤnder im lezten Kriege durch Stranden und Versinken erlitten haben, daran liege, daß sie jezt schlechtere Seeschulen als andere Staaten haben. Wie viel fuͤr die Seemaͤchte auf die Kunst des Schiffbaues ankomme, werde ich nicht beweisen, sondern bloß anfuͤhren duͤrfen, daß jezt die Franzosen in derselben einen Vorzug gewonnen ha- ben, welcher ihnen selbst von den Englaͤndern willig eingestanden wird. §. 20. Aber ist es schweer eine Seemacht zu errichten, so ist es nicht minder schweer sie zu erhalten. Ein Fuͤrst kann, wenn er eines langen Friedens gewiß ist, seine Landmacht schwaͤchen und gewiß sein, daß, wenn er nur die Truppen, die er auf den Beinen haͤlt, in Disciplin und Kriegsfertigkeit nicht zuruͤck gehen laͤßt, und Geld und volle Magazine beim Ausbruch eines Krieges hat, er seine neu vermehrte Armee bald wie- der werde in Stand sezen koͤnnen. Aber in Anse- hung der Seemacht gilt dieses nicht. Man muß im Frieden nicht viel weniger Aufmerksamkeit auf sie wenden, als im Kriege. Das schlimmste ist, daß die Schiffe selbst, wenn sie ruhig im Hafen liegen, C. 6. In Ansehung der Schiffahrt. eben so bald als im Gebrauche abgaͤngig werden, be- sonders im suͤssen Wasser. So manches Schiff wird im Frieden gebauet, um im Frieden wieder zu ver- faulen. Auch der Vorraht in See-Arsenalen besteht groͤßtenteils aus leicht verderblichen Dingen. Fehlt die gehoͤrige Aufsicht auf diese, so erfaͤhrt ein Staat bei unerwartet ausbrechendem Seekriege so boͤse Fol- gen davon, als Holland in dem lezten Seekriege. Aber schon 1777 fiel es mir nicht Sachkundigen gar sehr auf, das Arsenal in Amsterdam so schlecht ver- sorgt zu finden. Es wird daher einem Staate unend- lich kostbarer, sich als eine Seemacht zu erhalten. Daͤne- mark kostet seine nicht grosse Marine ungefaͤhr 900000 Rthlr. jaͤhrlich, und dieses Geld ist von 1721 bis 1789 gewissermassen vergebens verwandt. Und bei diesem Aufwande selbst hat sich doch gezeiget, daß, wenn der der Marine vorgesezte Minister seine Sache nicht recht verstand, dieselbe sehr bald unbrauchbar ward, wovon noch neulich die Beweise aus den Jah- ren 1766 ff. im Druck erschienen sind. Frankreich hat eben dies unter Ludwig des XV . schlaffer Regierung mehrmalen erfahren, und England fuͤhrte auch im vorigen Kriege uͤber seinen so ungeschickten als eigen- nuͤzigen Lord Sandwich gerechte Klagen. §. 21. Indessen sehen wir doch auch Beispiele, daß ein Staat, wenn er nicht selbst in einen Krieg mit ver- 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. wickelt ist, der die Meere beunruhigt, seine Flagge in Respect halten koͤnne, ohne Ein Kriegs-Schiff in See schicken zu duͤrfen. Dies hat insonderheit Frie- drich der Grosse im lezten Seekriege bewiesen. Auch er schloß sich an die bewafnete Neutralitaͤt an, zu deren Behauptung er kein Schiff stellen konnte, und unter seiner Flagge liessen die Hollaͤnder ihre Schiffe sogar nach Ostindien gehen. Es ist auch zu erwarten, wenn es jemals dazu koͤmmt, daß das Recht der neutralen Flagge voͤllig festgesezt wird, daß diejenigen handelnden Staaten, welche keine Colonien in der Entfernung zu beschuͤzen haben, ihre Seemacht immer mehr werden eingehen lassen koͤnnen, zumal da die Kosten derselben, insonderheit durch den zu- nehmenden Holzmangel, ihnen immer schwerer zu ertragen sein werden. Auch darin hat sich der Seekrieg sehr geaͤndert, und eben dadurch werden die grossen Flotten minder nohtwendig werden, daß man eingesehen hat, wie wenig durch grosse Seeschlachten entschieden wird. In dem vorigen Jahrhundert schlugen die Admirale, wo sie sich nur trafen, und der Sieg war unter gleich geuͤbten Nationen gewoͤhnlich auf der Seite der zahl- reicheren Flotte. In dem lezten Seekriege aber fiel unter etlichen und zwanzig Seegefechten, nur ein grosses entscheidendes vor. C. 6. In Ansehung der Schiffahrt. §. 22. Fuͤr kleine, insonderheit fuͤr Freistaaten, die durch den Zwischenhandel bluͤhen, sind wenige oder gar keine Maasregeln der Handlungs-Politik in Ansehung der Schiffahrt anwendbar. Denn nicht leicht eine derselben kann gewaͤhlt werden, ohne der Freiheit der Handlung, die von ihnen durchaus behauptet werden muß, einigen Eintrag zu tuhn, oder ohne dem Kauf- mann in demjenigen, was seine Sparsamkeit ihm anraͤht, einen gewissen Zwang anzulegen. Er muß das Schiff waͤhlen duͤrfen, welches sich ihm zur wol- feilsten Fracht anbietet, oder auf welches er die Asse- curanz am wolfeilsten finden kann, es mag ein ein- heimisches oder ein fremdes sein. Auch der Schiffs- Bau haͤngt in solchen Staaten von Umstaͤnden ab, welche durch politische Verfuͤgungen nicht regiert wer- den koͤnnen. Der Zwischenhandel fuͤhrt solchen Haͤ- fen manches fremde Schiff zu, welches der Kaufmann wolfeiler kaufen, als auf den Werften seiner Stadt bauen lassen kann. Praͤmien auf den einheimischen Schiffsbau zu sezen, waͤre zwar ein Mittel zu dessen Ermunterung. Aber diese Praͤmien muͤßten sehr groß sein, wenn deren Zwek erfuͤllt werden sollte. In unserm Hamburg ist daher die Frachtfahrt ein gleich freies Gewerbe fuͤr einheimische und fremde. So enge die Grenzen sind, innerhalb welcher die See fuͤr die Hamburgische Flagge frei ist, so haͤngt 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. doch an unserer Boͤrse der fremde Schiffer neben dem Hamburger seine Anzeige, daß er auf einerlei Hafen mit ihm lade, ungehindert an. Auch in denen Un- geldern, welche ihren Grund in den Kosten der Erhal- tung des Hafens und der Sicherung der Fahrt von der See her haben, gilt kein Unterschied. Dagegen aber fehlt es nicht ganz in solchen Staa- ten an kleinern oder groͤssern Erschwerungen der Schif- fahrt. Fuͤr Hamburg sind die Zunft-Gerechtsame des Amtes der Schiffbauer ein grosses Hindernis des Schiffsbaues in der Stadt, und machen auch die Re- paraturen der Schiffe innerhalb des Hafens kostbar. Der Wallfischfang ist mit einer freilich kleinen Abgabe von jedem gefangenen Wallfisch beschweret, wenn da- gegen England durch ansehnliche Praͤmien eben diese Fischerei ermuntert hat. Dergleichen Dinge ruͤhren von aͤltern Zeiten her, wann man nicht alles, so wie jezt, zu uͤberlegen brauchte. In andern Staaten machen Zeit-Umstaͤnde dergleichen neu entstehen. So hat z. B. Holland im Anfange des lezten Seekrieges seine Schiffahrt mit einem Last- und Veil-Gelde be- schweert, und ist meines Wissens noch nicht im Stan- de, dasselbe wieder aufzuheben. Siebentes Capitel . Von der Handlungspolitik in Ansehung verschiedener Huͤlfsmittel der Handlung . D ieses Capitel wird nur sehr kurz sein koͤnnen und duͤrfen. Was der Regent in Ansehung der, im 4ten Buche nach der Schiffahrt, abgehandelten Huͤlfsmittel der Handlung zum Vorteil seines Volks zu tuhn hat, haͤngt teils mit den uͤbrigen schon angegebenen oder beurteilten Maasregeln der Handlungspolitik sehr enge zusammen, teils wird es ein Gegenstand der Gesezgebung uͤber die Handlung. Es wuͤrde mir also schweer werden, wenn ich dieß Capitel sehr dehnen wollte, Wiederholungen zu vermeiden, oder nicht demjenigen vorzugreifen, was ich uͤber die Hand- lungsrechte und Geseze noch in dem neunten Capitel zu sagen habe. Weil indessen der Zusammenhang mich geleitet hat von den Banken, den Geld- und Wechselgeschaͤften nicht unter den Huͤlfsmitteln der Handlung, wie sie es wirklich sind, sondern bereits im ersten Buche zu reden, wo ich wenig von ihnen in politischer Ruͤksicht sagen konnte, so will ich vor- zuͤglich uͤber diese noch etwas in lezerwaͤhnter Hinsicht 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. nachtragen; demnaͤchst aber noch einige Anmerkungen uͤber das Postwesen und die Erleichterungen kauf- maͤnnischer Reisen anhaͤngen. §. 1. Die Banken sind von ihrem Anfange an in die Staatswirtschaft derer Voͤlker, die sie errichtet haben, so verwebt worden, daß man ihres urspruͤnglichen Zweks, ein Huͤlfsmittel der Handlung zu sein, bei- nahe vergessen hat. Man hat sie vielmehr gemis- braucht, um dem Staat bei jeder ihm entstehenden Verlegenheit auszuhelfen. Republiken sind so wenig, als monarchische Staaten, dieses Vorwurfes frei. Der Schaz der Bank zu Venedig ist sehr fruͤh in die Haͤnde der Regierung gefallen, welche dafuͤr Buͤrg- schaft leistet. Dieß sagt Kruse in seinem Conto- risten S. 427 der neuesten Ausgabe. Er konnte mir nicht seine Quelle angeben, und vergebens habe ich schon vor zwanzig Jahren in meiner Abhandlung von den Banken jeden naͤher davon unterrich- teten gebeten, mir dieß historisch aufzuklaͤren. Ich weiß nicht ob von dem so wol unterrichteten Verfas- ser der Beschreibung von Venedig, Leipzig 1771, mehr zu erwarten sei, und moͤgte denselben hiedurch darum bitten, falls ihm diese Zeilen vor Vollendung seines sonst schoͤnen Buches zu Gesichte kommen moͤg- ten. Aber gewiß genug mag die Sache sein. Denn C. 7. In Ansehung der Huͤlfsmittel. schon seit so langer Zeit ist diese Bank geschlossen, und mit allem Ab- und Zuschreiben in deren Buͤchern wird niemand Herr eines Hellers aus deren urspruͤng- lichem Fond, sondern man zahlt sich in baarem Gelde welches zweierlei Agio gegen das ganz imaginaͤre Bankgeld giebt oder traͤgt. Die Georgen-Bank in Genua ist eine Zettel- Bank, welche bekanntlich vorlaͤngst durch ihre grossen Vorschuͤsse an die Republik sich zur Eignerin des groͤß- ten Teils ihrer Einkuͤnfte gemacht hat. Doch waren ihre Zettel noch in Ehren, weil die Bank deren Be- lauf einem jeden zahlen konnte. Als aber der Staat in den ungluͤklichen Oesterreichischen Erbfolgekrieg ver- wickelt ward, leerte derselbe deren baare Casse aus. Jahre giengen unter vielen Anschlaͤgen verloren, wie ihr wieder aufzuhelfen waͤre, und die Aushuͤlfe war endlich eine Verringerung ihrer Valuta in die Valuta di permesso, welche 5 p. C. schlechter, als die alte Bank-Valuta ist. Ich behalte mir auf die Zusaͤze vor, die kurze Geschichte des Misbrauchs anderer Banken zur Aushuͤlfe derer Staaten, welchen sie an- gehoͤren, in deren Beduͤrfnissen zu geben, und merke nur blos an, daß jezt keine Bank in Europa ist, die nicht dadurch mehr oder weniger zerruͤttet worden waͤre, ohne nur unter den Zettelbanken die Londoner, und unter den Girobanken die Hamburger Bank. 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. Wenn ich die Berliner Bank nicht mit in diese Reihe stelle, so ist es deswegen, weil sie so bald aufgehoͤret hat, der Handlung ihrem ersten Entwuͤrfe gemaͤß zu dienen, und mehr eine Leihe- und Depositen-Bank, als eine Handlungsbank, geworden ist. §. 2. Als ich vor bald zwanzig Jahren eine in Buͤchern bisher fehlende Aufklaͤrung uͤber die Banken gege- ben hatte, gelangte mehr als Ein Auftrag an mich, Vorschlaͤge zur Errichtung einer Bank in solchen Staaten zu geben, deren Finanzen durch den sieben- jaͤhrigen Krieg zerruͤttet worden waren. Ich gestehe, daß ich damals noch die Zettelbanken als ein Mittel ansah, dem Staat seine zu grosse Schulden-Last zu erleichtern. Ich hatte in jener Abhandlung genug von den Gefahren ihres Misbrauches gesagt, so daß man mir zutrauen wird, daß meine Vorschlaͤge sehr behutsam angegeben waren. Aber jezt preise ich, nach meinen spaͤtern Einsichten, diese Staaten gluͤklich, in welchen man von diesen Anschlaͤgen bald wieder ab- gieng; nicht deswegen, weil ich zu glauben aufhoͤre, daß Banken ein wahres Huͤlfsmittel fuͤr einen ver- schuldeten Staat abgeben koͤnnen, sondern weil seit jener Zeit die Erfahrungen sich so sehr gemehrt haben, aus welchen nicht blos mir, sondern gewiß einem jeden Staatswirt einleuchtet, C. 7. In Ansehung der Huͤlfsmittel. 1) daß eine Bank selten lange bestehe, ohne daß deren Hauptzwek verlassen und ihre Einrichtung so umgekehrt werde, daß dem Staat, statt vermeinter Huͤlfe, wesentlicher Schaden daraus entsteht. Der Misgrif ist leicht getahn, und die Folgen desselben aͤussern sich schnell; aber nicht so bald und leicht sind die Mittel ausgefunden, dem Uebel wieder abzuhelfen. 2) Daß jedem Staat, in welchem man den Ge- danken, sich durch Papiergeld zu helfen, verlassen, und dagegen sich entschlossen hat, durch eine woluͤber- legte Sparsamkeit und gebesserte Ordnung in den Fi- nanzen sich zu helfen, dieses bald und sicher gelun- gen ist. §. 3. Ist dann noch etwa ein Staat in oder ausser Deutschland, in welchem noch eine Bank fuͤr die Handlung dienen koͤnnte, wo dieselbe uͤber kurz oder lang errichtet werden moͤgte, so nehme man dieß zur ersten Regel: 1) Man gebe den Gedanken so lange ganz auf, als der Staat oder dessen Re- gent in dringender Geld-Verlegenheit ist, und errichte ja nimmer eine Bank in der Absicht, dieser Verlegenheit abzuhelfen . 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. In dringender Verlegenheit sage ich. Denn daß eine Zettelbank einem bluͤhenden Staat, und dem es nicht an andern Ressourcen fehlt, gleich von ihrem Anfange an zu Huͤlfe kommen koͤnne, das beweist das Beispiel der Londoner Bank, welche von ihrem ersten Fond, 1200000 L. S. groß, 900000 sogleich an die Krone vorschoß. M. s. den zweiten Anhang zu meiner Abh. von den Banken . Der Mißbrauch erfolgt aber sehr bald auf den guten Gebrauch, und moͤgte auch wol in England nicht unterblieben sein, wenn dieser Staat nicht in einem ununterbrochenen Fortwuchs des Wolstandes sich seitdem befunden haͤtte. Aber wenn man mit dem Mißbrauch sogleich anfaͤngt, so sind die Folgen davon unabsehlich. 2) Man sorge zuvoͤrderst fuͤr gute Muͤnze und einen recht zuverlaͤssigen Muͤnzfuß ehe man eine Bank errichtet. Das war der Fehler bei der Londoner Bank, daß sie zu einer Zeit errichtet wurde, da das Silbergeld in England aͤusserst schlecht war, und immer schlechter ward, so daß eine vollwichtige Guinea 30 Schilling in Silber galt; und dies drohete der Bank zwei Jahre nach ihrer Errichtung schon den voͤlligen Umsturz. Ein gleicher Fehler druͤkt die Petersburgische Bank. Der Russische Muͤnzfuß ist seit Peter dem Grossen nie recht zuverlaͤssig gewesen, aber von eben der Zeit an C. 7. In Ansehung der Huͤlfsmittel. vollends unzuverlaͤssig geworden, da deren Zettel um 100 Millionen Rubel in der Absicht vermehrt wur- den, dem Russischen Adel auf seine Guͤter Vorschuͤsse tuhn zu koͤnnen. §. 4. Schon bestehende Banken scheitern insonderheit an folgenden 3 Klippen: 1) An uͤbertriebenen Darlehnen auf liegende Gruͤnde. Doch davon habe ich genug in meiner Abh. von Banken gesagt. 2) Wenn der Staat seine Banknoten als eine Ressource ansieht, mit welcher er Krieg, so gar uͤber seine Grenzen hinaus, fuͤhren koͤnne. Vor diesem Fehler huͤtete Carl XII. sich, selbst in seinen aͤusserst dringenden Verlegenheiten. Die Bank blieb ihm noch immer heilig, selbst als er durch die Muͤnzzei- chen sich zu helfen suchte, die jedoch ein noch schlech- teres Huͤlfsmittel als Banknoten fuͤr ihn gewesen sein wuͤrden, weil sie leichter nachzuahmen waren, als Banknoten. Auch haͤtte Carl XII. deswegen weiter mit Banknoten reichen koͤnnen, weil er in den lezten Jahren auf seine Landes-Grenzen eingeschraͤnkt war, und nur innerhalb derselben seinen Krieg fort- sezen konnte. Aber nach seinem Tode hat das freier 2ter Teil. X 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. gewordne Reich zweimal geglaubt, mit Banknoten offensive Kriege fuͤhren zu koͤnnen. Zu dem ersten Kriege im Jahre 1741, war die Haupt-Huͤlfe ein Papier-Geschenk von 10 Mill. Thaler Silber-Muͤnze. Weil aber dieser Krieg, wider Schwedens Hofnung, durch dessen Ungluͤk innerhalb seiner Grenzen blieb, so konnte dies Papier da noch die Stelle des Geldes vertreten, und die Folgen dieses Mißgriffes wurden nicht so schweer empfunden, als da es sich in den siebenjaͤhrigen Krieg mischte, und auch jenseits des Meeres mit seinen Papier-Kraͤften Krieg fuͤhren zu koͤnnen glaubte. 3) Eben so wenig lassen sich durch Papiergeld grosse Handlungs-Speculationen betreiben. Wie die Handelsmaͤnner Daͤnemarks waͤhrend des lezten See- Krieges in diesen schaͤdlichen Irrweg geriehten, und wie dadurch fuͤr diesen Staat die groͤßte Conjunctur, welche seinem Handel und Schiffahrt jemals entstanden ist, verloren gieng, und ganz zu seinem Verluste aus- schlug, habe ich in dem vierten Anhang zu meiner Abhandlung von den Banken , ungern aber der Wahrheit gemaͤß, erzaͤhlt. §. 5. Die Franzoͤsischen Assignate sind eine ganz neue Erscheinung in dem Geldwesen unserer Zeit. Sie C. 7. In Ansehung der Huͤlfsmittel. waren nicht zum Dienst der Handlung, sondern ganz zur Aushuͤlfe des hoͤchstverschuldeten Staats bestimmt. Sehr schnell aber traten sie in die Stelle des baaren Geldes, und verruͤkten den Gang der Handlung auf eine sehr unerwartete Weise, welche auf unbestimm- bare Zeiten hinaus fuͤr diesen Staat belehrend sein mag. Wer haͤtte denken moͤgen, daß ein Papiergeld, welches nicht nur von dem Staat autorisirt und fuͤr zahlbar in den oͤffentlichen Einnahmen erklaͤrt war, dem man seine Anwendung in dem Ankaufe eines so sehr begehrten nuzbaren Eigentuhms, der liegenden Gruͤnde der Geistlichkeit, angewiesen hatte, und von dem man versprach, was niemals bei der Errichtung einer Bank fuͤr deren Zettel versprochen ist, daß sie, so wie sie in die oͤffentlichen Cassen zuruͤckehrten, soll- ten vernichtet werden, und dieses gehalten hat, dessen totaler Wehrt anch bis jezt noch nicht der Masse des in Frankreich vorraͤhtigen baaren Geldes gleich koͤmmt; wer haͤtte, sage ich, denken moͤgen, daß eben dieses in weniger als zwei Jahren auf fast den halben Wehrt herabsinken, und dieß Volk in so boͤse Verlegenheit sezen wuͤrde, als je einem Volke aus dessen Ueber- haͤufung mit Banknoten entstanden ist? Ich gestehe auch gerne, daß meine Einsichten in dieses Fach nicht so weit gereichet haben, daß ich dieses zu Anfang ver- muhtet haͤtte. Jezt aber duͤnkt mich, daß die Haupt- Ursache von diesem schlechten Erfolg klar genug am X 2 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. Tage liege. Die erste ist: weil keine Casse da war, welche auch nur zu Anfang den Zahlwehrt dieses Pa- piergeldes baar zu zahlen gehalten gewesen waͤre. Es ist durchaus unmoͤglich, daß ein Papiergeld, von wel- cher Art es auch sei, sich nicht bald von dem baaren Gelde, so zu reden, losreisse, wenn nicht eine Casse da ist, die zu jeder Stunde durch unverzoͤgerte baare Bezahlung die Inhaber desselben erinnert, daß das- selbe mit dem baaren Gelde Eins sein solle und fuͤr jeden Besizer des Papiers wirklich sei. Die zweite : den Kaͤufern der geistlichen Guͤter war die Bezahlung auf jaͤhrige Termine bis zwoͤlf Jahre hinaus gestellt. Also ward nur der zwoͤlfte Teil dieses neuen Papier- Geldes zu Anfang anwendbar. Die dritte : der bisherige schwankende Zustand der Hauptangelegenhei- ten des Staats, hat manche in die Besorgniß gesezt, daß vielleicht darin es sich noch aͤndern, die Geistlichkeit die Oberhand wieder gewinnen, und die schon verkauf- ten Guͤter sich wieder ohne Bezahlung eigen machen koͤnnte; wie denn auch, aus dieser Ursache vielleicht, mit deren Verkaufe eingehalten worden ist. Ueberhaupt scheint Frankreich der Staat zu sein, welchem am wenigsten von allen das Papiergeld zu- traͤglich ist. Es hat nun in diesem Jahrhundert zwei sehr ungluͤklich ausgefallene Versuche mit der Bank des Lawd und mit diesen Assignaten, und zwischen beiden ei- C. 7. In Ansehung der Huͤlfsmittel. nen nicht allerdings gluͤklichen mit der Caisse d’Escompte gemacht. Gerade in diesem Volke haben einesteils so viele zwekwidrige Misgriffe den urspruͤnglichen bei diesen Papiergeldern abgezwekten Plan gestoͤrt, an- dernteils ist der Eigennuz der Gewinnsuͤchtigen so erfind- sam gewesen, als es nicht leicht Beispiele in andern Staaten gegeben hat. Wenn Einmal das Papier- Geld sich von dem baaren Gelde losgerissen hat, so ist in einer Nation, wo das Einverstaͤndnis so weni- ger Banker in so wenigen Wechselplaͤzen so leicht ist, deren Vorteil gewiß, das Papiergeld mag steigen oder fallen. Bei ihnen ist die Voraussicht jeder Veraͤnde- rung, die den uͤbrigen im Volke fehlt. Sie koͤnnen die Pfeifen schneiden, weil sie im Rohr sizen. Eben in der Woche, da ich dieses schreibe, ist der Curs von Paris auf Hamburg von 380 auf 280, daß ist, um 53 p. C. in acht Tagen gebessert hergekommen, aber auch schnell wieder gefallen. Welch ein ungeheurer Gewinn fuͤr diejenigen, die sich darnach zu halten wußten, daß er ihnen zufliessen mußte! Aber welch ein Nachteil, welch eine Irrung in der Handlung uͤberhaupt! Sehr wahrscheinlich wird dies der Nachkommen- schaft zur Lehre dienen, und wenn der Staat sich von diesen Assignaten loß gemacht haben wird, wol nie- mals ein neues eigentliches Papiergeld in Frankreich wieder entstehen. Eigentliches, sage ich. Denn daß 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. die Staatsschulden und Actien nicht dazu gehoͤren, glaube ich in dem 2ten Abschnitte des 3ten, und dem 1sten des 6ten Buchs der Abh. vom Geldesum- lauf bewiesen zu haben. Was von diesen in einem Buche des vorliegenden Inhalts erwartet werden moͤgte, habe ich bereis im dritten Buche gesagt. §. 6. Die Handlung gab nicht dem Postwesen den ersten Ursprung, sondern die Politik, als Ludwig XI sich durch untergelegte Pferde schnelle Nachricht von den Unternehmungen seines so sehr gefuͤrchteten Fein- des Carls des Kuͤhnen, Herzogs von Burgund, zu verschaffen suchte. Bei den von dem damals Graͤfli- chen Hause Tour und Taxis in den Niederlanden an- gelegten Posten, war vielleicht schon mehr Ruͤksicht auf die Handlung genommen. Als aber eben dieses Haus unter Kaiserlicher Autoritaͤt in Deutschland dieß gewinnvolle Geschaͤfte an sich brachte, belegte es man- che schon damals betraͤchtliche Strasse der Handlung- noch nicht mit Posten. Es hatte z. B. die zwischen Hamburg und Amsterdam noch in der Mitte des vo- rigen Jahrhunderts ganz vergessen, und uͤberhaupt das nordliche Deutschland sehr uͤbersehen. Lange Zeit war es allen Deutschen Fuͤrsten unbegreiflich, daß C. 7. In Ansehung der Huͤlfsmittel. Posten eintraͤglich sein koͤnnten. Der grosse Kurfuͤrst Friedrich Wilhelm fand es zuerst aus, legte Posten durch sein Land an, und damals war Sachsen noch sehr zufrieden, als es ihn dieselben auch bis weit uͤber seine Grenzen ausdehnen sah. §. 7. Jezt kennt nun jeder Regent die Eintraͤglichkeit derselben, und daß diese hanptsaͤchlich auf dem Ge- brauch beruhe, den die Handlung davon macht. Freilich macht man ihr dieses Huͤlfsmittel zur Betrei- bung ihrer Geschaͤfte mehr und mehr kostbar. Indeß waͤre es der Frage wehrt, bis zu welchen Grenzen es mit dieser Verteurung gehen koͤnne, wenn die Antwort sich nicht sogleich darin faͤnde, daß sie ihr unentbehrlich sind, und sie freilich eine jede Verteu- rung derselben sich muͤsse gefallen lassen. Aber nur wenig Briefe, welche nicht durch die Handlung ver- anlaßt werden, haben eine solche Nothwendigkeit, daß nicht viele derselben ungeschrieben blieben, wenn das Postgeld zu hoch steigt. Als Friedrich der Grosse vor zwanzig Jahren das Briefporto um die Haͤlfte erhoͤhete, gestand mir der Director eines der groͤßten Preussischen Postcomtore zwei Jahre nachher, daß die Einkuͤnfte der reitenden Post nach dieser Ver- teurung sich nicht gemehrt haͤtten. Es waren also nur zwei Drittheile derer Briefe noch geschrieben, 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. welche vorhin mit dieser Post giengen; und auch da- bei wuͤrde es sich nicht erhalten haben, wenn in Hand- lungsbriefen eben so viel, als in andern, haͤtte gespart werden koͤnnen. Dies geschicht zwar genug, und der Kaufmann wird uͤber manches kleine Geschaͤfte nicht schreiben, wenn die Post sehr teuer ist, sondern es aufschieben, bis mehr und wichtigere Geschaͤfte einen Brief notwendig machen. Weil aber dieß nicht im- mer geschehen kann, so ist der Grund, der den Re- genten noch uͤbrig bleibt, um die Handlung nicht mit gar zu hohem Postgelde zu belasten, blos dieser, wenn sie die Concurrenz mit Posten anderer Staaten fuͤrchten muͤssen. Und dieser Grund wirkt bisher noch viel in denen Kreisen Deutschlandes, wo die Fuͤrstlich Taxischen Posten mit den Posten anderer Fuͤrsten concurriren. Die fahrenden oͤffentlichen Posten sind ein großes Huͤlfsmittel der Handlung fuͤr Waaren von kleinem Gewichte bei betraͤchtlichem Wehrte, oder fuͤr solche, deren Versendung Eile erfodert. Dieß erkennt man nicht besser, als wenn man in solchen Laͤndern sich befindet, wo dieselbe fehlen, wie z. B. in Schweden, denn hier koͤnnen die Einwohner der innlaͤndischen Staͤdte und auch der Doͤrfer zu manchem Beduͤrfnis gar nicht gelangen, weil auch die Frachtfuhren selten vorfallen. Zwischen den Seehaͤfen und den innern C. 5. In Ansehung der Huͤlfsmittel. Landesstaͤdten geht daher alles Gewerbe uͤberaus traͤge und beschwerlich fort. Es ist unglaublich, nach wie vielen Dingen man dort vergebens fragt, die in Deutschland jedermann zu seinen Beduͤrfnissen rech- net, welche aber die Handlung bis dahin nicht ver- treiben kann. §. 8. Die Leichtigkeit und Bequemlichkeit der Reisen giebt der Handlung eine große Erleichterung. Aber es ist auch gewiß, daß fuͤr dieselbe in keinem Lande leicht Raht geschaft werden kann, als wo die Hand- lung selbst viele Reisen veranlaßt, und wo viele Staͤdte sind, aus deren Einer das wechselseitige Ge- werbe den Kaufmann oder seine Gehuͤlfen zu der an- dern ruft. Davon entsteht einem jeden, der Eng- land bereiset, sehr bald die Ueberzeugung, aber auch bei einigem Nachdenken diese, daß in dem groͤßten Teile Deutschlands nicht eben die Vorteile und An- nehmlichkeiten zu bewirken sind. Aber ein ande- res ist, sie nicht bewirken koͤnnen, und wieder ein anders, den Reisenden unter so vielen Unannehmlich- keiten und Beschwerden, und eben dabei unter so großen ungebuͤhrlichen Kosten, leiden lassen, als dieß bisher noch in dem nordlichen Deutschland geschieht. Ich will aber mich hieruͤber nicht verbreiten, sondern werde nur auf meine in das lezte Stuͤck des nun 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. wieder abgebrochenen Neuen deutschen Mu- seums eingeruͤkte Abhandlung uͤber diesen Gegen- stand, und darneben auf meine Reisebemerkun- gen uͤber Holland und England verweisen duͤrfen. Was ich in meinen Reisebemerkungen uͤber Schweden von der Art dort zu reisen erzaͤhlt habe, giebt wenigstens den Beweis, wie leicht, wenn gleich nicht in allen Umstaͤnden angenehm, man das Reisen auch in einem solchen Lande machen koͤnne, wo die Handlung noch weit weniger Veranlassung zum Reisen entstehen macht, und das Clima und der Boden mehr Hindernisse in den Weg legen, als in dem nordlichen Deutschland. Achtes Capitel . Von der Handlungspolitik in Ansehung der Zoͤlle . §. 1. I ch bin zwar eine Weile angestanden, ob ich nicht in diesem Buche von mehr als derjenigen Art der Abgaben, welche die Handlung absonderlich treffen, C. 8. In Ansehung der Zoͤlle. das ist, von den Zoͤllen reden wollte. Denn frei- lich ist dem Kaufmanne eine allgemeine Einsicht in diese wichtige politische Materie von den Abgaben sehr nothwendig, nicht nur in solchen Staaten, wo er Teil am Regiment nimmt, sondern auch in sol- chen, wo er mehr und mehr erwarten kann, uͤber diesen Gegenstand zu Rathe gezogen zu werden. Das erste hat nicht nur in Frankreich seit der Revolu- tion, sondern auch in so manchem Freistaat, insonder- heit Deutschlands, Statt. Das zweite geschieht in monarchischen oder der Monarchie sich naͤhernden Staaten nicht nur mehr und mehr, sondern unsre Zeiten haben der Beispiele so viele von Maͤnnern, die aus dem Kaufmannsstande von ihren Landes- herrn zur Direction uͤber Finanzen uͤbergezogen sind. Aber auch solcher Beispiele sind viele, daß in dem Regimente der handelnden Freistaaten, und in den Koͤpfen einzelner von ihren Fuͤrsten ins Ministe- rium gezogener Kaufleute, richtige Einsicht in diese wichtige Materie sehr gefehlt habe. Selbst der mit hohem Recht gepriesene Colbert sahe in dieser Sa- che nicht klar. Und jezt ist es gewiß Frankreichs Un- gluͤk, und die Hauptursache von dessen fortwaͤhren- den und jezt noch unabsehlichen Verlegenheiten, daß in seiner National-Versammlung wenig oder gar keine Maͤnner aus dem Kaufmannsstande nach Nekkers Verdraͤngung aufgetreten sind, welche vom Finanz- 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. wesen, und insbesondere von den Abgaben, die rich- tige Einsicht gehabt haͤtten, welche noͤtig war, um der physiokratischen Theorie entgegen zu wirken. Mi- rabeau nahm zwar diese mit in die Nationalver- sammlung; aber bald durch reinere, ihm nun entste- hende praktische Kenntniß geleitet, gestand er, daß sie auf einen so großen Staat, wie Frankreich, nicht andwendbar waͤre. Um jedoch in der noch uͤbrigen Ausarbeitung die- ses Buchs so viel moͤglich das Ebenmaas zu behau- pten, uͤber welches ich doch schon hin und wieder ein wenig hinaus geschritten bin, will ich lieber das, was ich dem Kaufmann uͤber die Abgaben im Allgemei- nen sagen zu koͤnnen glaube, fuͤr die Zusaͤze aufbehalten. §. 2. Schon mehrmalen hat der Zusammenhang mich darauf geleitet zu erwaͤhnen, wie die Regenten der Erde von den ersten Zeiten her, da Handlung ent- stand, sich dieselbe durch Auflagen eintraͤglich gemacht haben, und wie dies auch lange der einzige Gesichts- punct geblieben sei, in welchem man die Handlung mit Abgaben belegt hat. Es ist auch noch der einzige Zwek der Tuͤrken und anderer Voͤlker, welche keine eigentliche Handlungspolitik kennen und uͤben. So lange es dabei bleibt, sind die Abgaben maͤssig. In C. 8. In Ansehung der Zoͤlle. der Tuͤrkei zahlt man fuͤr alle aus- und eingehende Waaren nur drei Procent. §. 3. Indessen erschwerten auch schon vor Alters die Zoͤlle die Handlung aus folgenden drei Ursachen: 1) Man hob diese Zoͤlle von ausgehenden Waa- ren so, wie von einkommenden, und erschwerte da- durch den Producten- und Manufacturhandel des eigenen Landes gar sehr. Die Regenten schienen dabei nicht mehr zu denken, als: wer handelt, hat Geld, und kann davon geben, er handele mit Landes oder mit fremden Waaren. 2) In jenen Zeiten waren die groͤssern Europaͤi- schen Staaten unter viele Herren geteilt, die in eini- gen ganz unabhaͤngig waren, in andern zwar von Einem Oberherrn abhiengen, aber doch landesherr- liche Rechte uͤbten. Diese suchten nun von jeder durch ihr Land oder aus demselben gehenden Waare fuͤr sich zu gewinnen. Sie legten also an ihren Grenzen allenthalben Zoͤlle an, und so konnte keine Waare einen weiten Weg verfuͤhret werden, ohne eine Menge Zoͤlle zu bezahlen. Dies veranlaßte das Entstehen zahlloser Zoͤlle in allen Staaten, die nicht fruͤh Ei- nem Oberhaupte unterwuͤrfig wurden. Denn in die- 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. sen wurden die Zoͤlle zwar eben so wenig vergessen, aber fast allein an den Grenzen und in Haͤfen angelegt. §. 4. Hievon ist nun noch vieles in dem jezigen Zustande von Europa uͤbrig geblieben, wenigstens bei den ge- besserten Einsichten der Regenten nicht ganz gehoben. In Frankreich hat man erst in den lezten Jahren vor der Revolution angefangen, die Zoͤlle zwischen den Provinzen aufzuheben, welche noch von der Zeit her bestanden, da dieselben so viele besondre Herren hatten. Maria Theresia fand es noch eben so in den verschiedenen Teilen des Oesterreichischen Krei- ses. Sie hob sie zwar hier groͤßtenteil auf, aber zwischen diesem Kreise und den uͤbrigen Staaten ihres Hauses bestehen dieselben noch groͤßtenteils. Auch Friedrich II. hat die Zoͤlle zwischen seinen alten und neu erworbenen Staaten noch auf eben die Art bestehen gelassen, wie er sie fand. Wer von Ham- burg uͤber Berlin nach Schlesien reiset, muß fuͤr jedes zollbare Beduͤrfnis seiner Reise zweimal, und reiset er ins Glazische, ein Drittesmal bezahlen. §. 5. Noch jezt bestehen in allen Staaten eine Menge Zoͤlle und Abgaben, bei welchen sich kein Zwek an- nehmen laͤßt, als daß sie dem Regenten Einkuͤnfte C. 8. In Ansehung der Zoͤlle. verschaffen sollen. Aber eben das ist billig und recht, wenn die Gegenstaͤnde dieser Zoͤlle gehoͤrig gewaͤhlt sind, und in der Art sie zu erheben dahin gesehen wird, daß sie die Handlung nicht zu sehr stoͤren, wenn es gleich unvermeidlich ist, daß sie nicht dem Kaufmann Muͤhe machen. Zwar habe ich den Vor- wurf nur gar zu oft lesen muͤssen, daß ich, durch meine Lage verleitet, fuͤr eine von allen Zoͤllen freie Hand- lung eingenommen sei. Aber wie kann man das von mir annehmen, da ich in so vielen Stellen, daß es mir Muͤhe machen wuͤrde, sie alle anzufuͤhren, laut erklaͤrt habe, daß ich eine voͤllige Freiheit der Handlung in dem jezigen Zustande Europens fuͤr nicht rahtsam, ja fuͤr unmoͤg- lich halte? In der ersten Unterredung, die ich mit dem Grafen Mirabeau bei seinem Aufenthalt in Ham- burg hatte, war seine erste Voraussezung, daß ich dem physiokratischen System anhinge. Als ich ihm dies verneint hatte, fragte er: Wenig- stens werden Sie doch fuͤr die voͤllige Freiheit der Handlung sein? Auch das nicht, antwortete ich, sondern ich halte sie in dem jezigen Zustande Europens und selbst der Handlung fuͤr unmoͤg- lich. Das wundert mich, sagte er, von einem Schriftsteller zu hoͤren, der in einer Handelsstadt lebt, wo die Handlung so frei sein muß, und welche bei einer allgemeinern Freiheit der Hand- Ich habe, wo ich uͤber Auflagen ge- 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. schrieben, den Auflagen auf den Genuß den Vorzug gegeben. Ich habe sogar den Salz- und Tobakspach- tungen das Wort geredet, wenn man es in dem Wege der Zoͤlle und der Accise nicht mit beiden zwingen kann, und behalte mir vor, in den Zusaͤzen noch mehr fuͤr die Auflagen auf den Genuß zu sagen. Zoͤlle, die von den Gegenstaͤnden des Genusses bei deren Einfuhr ins Land gehoben werden, erscheinen mir keinesweges deswegen verwerflicher, weil der Kaufmann bei deren Einfuhr sie zahlen muß, als die Accise, die im Lande davon gehoben wird. Kein Staat kann sie entbehren, wenn er sich Geldeskraͤfte verschaffen will. Sie sind das beste Mittel der Regenten, um dem Gelde in seinem Umlauf, so zu reden, aufzulauern, und aus jeder Hand einen Teil desjenigen zu heben, was seine Buͤr- ger zu ihrem Geldauskommen rechnen. Dies war der Haupteinwurf, mit welchem ich das physiokrati- sche System am Ende m. Abh. vom Geldesum- lauf bestritten habe; ein Einwurf, von welchem ich noch immer glaube, daß er den Verteidigern dieses Systems unaufloͤslich bleiben werde. Freilich hat es der Kaufmann schweer dabei, und in wenigen derer Staaten, wo man es mit den Zoͤllen lung erst recht bluͤhen wuͤrde. Sie sehen, sagte ich, daß meine Lage mich nicht in meinen Schri- ften leitet. C. 8. In Ansehung der Zoͤlle. hoch treibt, ist genug dafuͤr gesorgt, die Einhebung derselben so leicht und einfach einzurichten, wie es doch moͤglich sein muß. Dies koͤmmt daher, weil fast in allen diese Abgaben und Zoͤlle in dem Maas vervielfacht sind, wie die Beduͤrfnisse des Staats zu- nahmen, oder, daß man es hie und da noch zu sehr beim alten laͤßt, und Zoͤlle, die doch zulezt in Eine Kasse fliessen, verteilt gehoben werden, weil sie urspruͤng- lich verschiedene Bestimmungen hatten. Ich werde davon in den Zusaͤzen Beispiele geben. §. 6. Aber in neuern Zeiten hat man, so viel ich auffin- den kann, erst angefangen, die Zoͤlle als ein Mittel anzusehen, durch welches die Handlungspolitik die Handlung nach ihren wahren oder falschen Grund- saͤzen zu leiten vermag. In der Taht sind sie das ein- zige Mittel, welches ausser den Handels-Verboten zu diesem wichtigen Zwek angewandt werden kann, und in manchen Faͤllen den Handels-Verboten weit vorzu- ziehen. Das wenige, was ich davon hier zu sagen noͤtig glaube nach dem, was schon davon gesagt ist, kann abermal nach den vier allgemeinen Arten der Hand- lung eingeteilt werden. §. 7. I ) In dem Productenhandel koͤnnen die Zoͤlle grosse Dienste tuhn. Aber das Verfahren in Aufle- 2ter Teil. Y 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. gung dieser Zoͤlle ist natuͤrlich sehr verschieden bei Pro- ducten, welche Beduͤrfnisse des Lebens, und solchen, welche Materialien der Manufacturen sind. Jene ertragen nicht eher Zoͤlle, wenigstens keine von Be- lang, als wenn ein Volk durch die Fruchtbarkeit sei- nes Bodens und den Fleiß seiner Landbauer gewis davon ist, der fremden Einfuhr entbehren zu koͤnnen. Unter solchen Umstaͤnden hat England deren Einfuhr sogar verbieten koͤnnen, wenn nicht der Preis im Lande uͤber ein bestimmtes Mittel geht. Holland aber wird nicht nur sie nimmer verbieten, sondern auch bei ihrer Einfuhr nicht hoch belasten duͤrfen. Will dann aber ein solcher Staat von deren Genuß noch etwas haben, so muß er dies durch die inlaͤndische Accise tuhn, bei deren Einhebung nicht mehr die Frage ist, ob diese Lebensmittel einheimisch oder ausheimisch sind? Weit minder bedenklich sind Zoͤlle, welche auf die Einfuhr solcher Producten gelegt werden, die schon zu den Beduͤrfnissen, des Wollebens gerechnet werden koͤnnen, z. B. Weine, Branntweine, auslaͤndische Fruͤchte, u. d. gl. Von diesen muß der Staat schon heben koͤnnen, was ihm noͤtig und billig ist, so bald sie an seine Grenzen kommen. Bei den Materialien der Manufacturen koͤmmt es darauf an, ob ein Land fruchtbar und volkreich ge- nug ist, um gewisse Producte hervorzubringen, aber C. 8. In Ansehung der Zoͤlle. nur durch den zu wolseilen Preis der von aussen her eingefuͤhrten Producte gestoͤrt wird. Dann giebt eine Auflage auf die Einfuhr ein sicheres Mittel ab, die inlaͤndischen Producte in ihrer Concurrenz mit den Auslaͤndern zu heben. Z. E. ein Land brauche lauter auslaͤndisches Leder, so wird eine Auflage auf dasselbe den Gebrauch und die Bearbeitung des inlaͤndischen Leders schon befoͤrdern koͤnnen. Wenn jedoch das Land schon Manufacturen hat, die dieses Material, z. B. Wolle, Flachs, lebhaft bearbeiten, so tuht es sehr unrecht, wenn es dessen Einfuhr blindlings durch Zoͤlle beschwert. Am schaͤd- lichsten ist der Misgrif, wenn man das zur Produ- cirung dieser Materialien noͤtige Gesaͤme mit Einfuhr- Zoͤllen hoch belastet, oder wol gar den Handel damit unter Privilegien oder Monopolien stellt. Und diesen Misgrif taht doch wirklich Friedrich der Grosse in Ansehung des seinem Schlesien und seinen West- phaͤlischen Staaten so hoͤchst noͤtigen auslaͤndischen Leinsaamens. §. 8. Indessen kann durch solche Auflage allein keine Ausfuhr der Producten entstehen, bis andere Ursachen einwirken, welche den Landbau heben und den Vor- raht der Landesproducte so zunehmen machen, daß der Y 2 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. Auslaͤnder sie wolfeiler als bei sich oder bei andern Voͤlkern findet. Gros-Britanien hat in dieser Absicht einen Weg erwaͤhlt, in welchem es noch keine Nach- ahmer gefunden hat. Aber vorher war der wichtige Schritt getahn, daß man die gemeinen Weiden in dem groͤßten Teile des Landes aufhob und einteilte. Bis jezt ist dies bei weitem nicht uͤberall geschehen. Dennoch aber hat es auch selbst denselben aufgeben muͤssen, nachdem es etwa achzig Jahre durch grosse Vorteile davon gezogen hat. Dies war die Gratifi- cation auf die Ausfuhr des Korns, wovon schon oben geredet ist. In den meisten Europaͤischen Staaten ist man desto aͤngstlicher uͤber die Ausfuhr des Korns; und manche, insonderheit kleine zwischen solchen Nachbaren belegene Staaten, welche oft die Korn- Ausfuhr sperren, haben grosse Ursache, darin behut- sam zu sein. Alsdann aber ist es nicht durch Zoͤlle und Auflagen, sondern durch voͤlliges Verbot, daß man diese Handlung zu zwingen sucht. Rusland uͤbte ehemals eine fuͤr den Auslaͤnder sehr beschwerliche Handlungspolitik in Ansehung des Korns aus. Wer in Archangel Korn laden ließ, mußte den dritten Teil des Vorrahts dort bis zum naͤchsten Jahre liegen lassen, damit das Land vor Mangel sicher bliebe. Nun war das Korn, welches man ausfuͤhrte, alles schon im Winter vorher gekauft und bezahlt. Die Zinsen fuͤr diese Zeit kamen schon dem Handel zur C. 8. In Ansehung der Zoͤlle. Last, und fuͤr das zuruͤckbleibende Ein Drittel muß- ten sie noch ein Jahr laͤnger getragen werden. In- dessen hinderte dieses den Handel lange Zeit noch nicht, weil der Einkaufs-Preis so gar geringe, in Kasan zu Anfang dieses Handels nur 7 Rubel fuͤr die Last Rog- ken, war. Als aber durch die Concurrenz, insonder- heit in und nach dem Hungerjahre 1771, der Ein- kaufspreis stieg, haͤtte sich dieser Handel ganz verlie- ren muͤssen, wenn nicht diese Verordnung aufgeho- ben waͤre. §. 9. II ) In dem Colonie-Handel wendet die Hand- lungspolitik die Zoͤlle auf sehr verschiedene Weise an. England nimmt von seinen Colonie-Producten grosse Abgaben, die der inlaͤndische Consument tragen muß. Aber bei deren Ausfuhr wird dieser Zoll im Draw- back zuruͤk gegeben. Sonst wuͤrde der auslaͤndische Vertrieb nicht moͤglich sein. Frankreich aber ließ bis an die Zeit der Revolution diesen Zoll in den Haͤnden der Eigner, gab ihnen ein sogenanntes Aecquit â caution, bis die Ankunft der Waare am Orte der Bestimmung bescheinigt war. §. 10. In Ansehung der auf die Colonien versandten Waaren sind die Zoͤlle der meisten Nationen sehr hoch. 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. Schon oben ist gesagt, daß jedes Mutterland durch die strengsten Verordnungen den Handel mit den Co- lonien an sich zu halten suche. In der Voraussezung, daß man dies erzwingen koͤnne, suchen die Regenten ihre Vorteile von jenen Colonisten durch grosse Abga- ben auf die Waaren zu ziehen, welche denselben von Hause aus zugefuͤhrt werden. Spanien treibt die- selben bis auf 20 p. C., bei andern sind sie etwas ge- ringer. Indessen entsteht eben daraus eine starke Contrabande, wozu die Versuchung allemal um so viel staͤrker wird, je hoͤher diese Abgaben sind. Da Gros-Britanien bei sich zu Hause selbst sie so wenig hindern kann, so ist leicht einzusehen, wie viel weni- ger sie in jenen entfernten Meeren gehindert werden koͤnne. Einige dieser Nationen suchen dann dadurch sie vollends zu beguͤnstigen, daß sie einzelne Colonien in jenen Gegenden zu Freihaͤfen machen. Dafuͤr hat Holland seine dortigen Inseln St. Eustaz und Curazao, und Daͤnemark St Thomas erklaͤrt. Sie hat nicht anders als sich mehren koͤnnen, seitdem die Nordame- ricaner mit ihrem Gewerbe, das der Krieg gestoͤrt hatte, wieder in Ordnung gekommen sind. Die An- tillen aller Nationen koͤnnen ihre Zufuhr von noht- wendigen Beduͤrfnissen nicht entbehren. Sie ver- stekten zu allen Zeiten allerlei Europaͤische Waaren unter ihre erlaubten Ladungen, und unterlassen dies gewiß jezt weniger, als jemals. Spanien litt sonst C. 8. In Ansehung der Zoͤlle. in dem Handel auf Suͤd-Amerika sehr durch die grosse Contrabande, welche von der portugiesischen Colonie St. Sacrament aus queer durchs Land nach Chili gieng. Der grosse Belauf derselben zeigte sich in der Menge von Piastern, welche die Portugiesischen Re- tour-Schiffe von Brasilien nach Lissabon brachten. Davon hat sich Spanien durch die Eroberung dieser Colonie in dem kurzen Seekriege 1777 losgemacht, und in seinen Zoͤllen, wie in seiner Handlung, dadurch sehr gewonnen. §. 11. III. In dem Manufactur Handel werden die Zoͤlle hauptsaͤchlich von den handelnden Staaten angewandt, um denselben nach dem Entwurf der Re- genten zu lenken. Es ist klar, daß unter der Vor- aussezung, daß der Zoll richtig bezahlt werde, selbi- ger ein Mittel abgiebt, eine inlaͤndische Manufactur uͤber die Concurrenz mit einer auslaͤndischen zu heben, wenn man die Waare der leztern mit einem solchen Zolle belegt. Z. B. Rußland hat eintge Zuckersieder. Sie arbeiten wenigstens 20 Procent teurer, als die Hamburger, und wuͤrden schon laͤngst eingegangen sein, wenn nicht der Hamburgische Zucker mit etwa 15 p. C. belegt waͤre. Allein man kann nur darauf rechnen, wenn die Waaren so groß und schweer sind, daß der Zoll nicht leicht bei ihnen betrogen werden 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. kann. Bei feinern Manufacturen gelingt dies nicht. Wie Portugal dies in dem Jahr 1703 erfahren habe, ist C. 4. §. 21 erzaͤhlt. §. 12. Dergleichen Erfahrungen veranlassen die Regenten unserer Zeit, zur Aufnahme ihrer Landes-Manufactu- ren, die auswaͤrtigen lieber ganz zu verbieten. Auch davon ist im 4ten Cap. §. 22. schon mehr gesagt. Indessen bleiben die Zoͤlle ein sehr schickliches Mittel fuͤr den Regenten, wenn er es mit einer Manufactur ernsthaft versuchen will, ob sie sich fuͤr sein Land schicke, oder nicht. Im letztern Fall, wenn andere Hinder- nisse, z. Ex. Knechtschaft, Mangel der Bevoͤlkerung und der inlaͤndischen Circulation, teurer Preis der Materialien und Abneigung des geringen Mannes oder Traͤgheit an der Arbeit der ersten Hand Teil zu nehmen, und daneben ein uͤbelgewaͤhlter Muͤnzfuß entgegen stehen, so giebt es die Erfahrung, daß alle Verbote und Zoͤlle den Manufacturen nicht aufhelfen, noch die Contrabande hindern koͤnnen, bevor jenen Hindernissen abgeholfen ist. Aber man muß von den Zoͤllen das lernen wollen, was sie lehren koͤnnen. So mancher Fuͤrst entschließt sich zu Handlungsverboten, nachdem er vergebens ver- sucht hat, fremde Manufacturen durch hohe Zoͤlle aus C. 8. In Ansehung der Zoͤlle. seinem Lande zu halten. Sie haͤtten ihn lehren koͤn- nen, daß wenigstens vorjezt die Manufactur nicht sich fuͤr sein Land schicke, und daß er vorher auf Weg- raͤumung jener Hindernisse und Erwekkung solcher Vorteile, die sein Land noch nicht genießt, sinnen muͤsse. Sobald aber das Verbot ergangen ist, so wird daran nicht weiter gedacht. Die Kontrabande geht in ihrem unwiderstehlichen Gange fort, und besteht dann noch die Manufactur dabei, so ist es mehr zum Schaden als zum Vorteil des Staats. §. 13. Der Wolstand der Manufacturen beruht sehr auf der Leichtigkeit, die Materialien derselben ganz roh oder mit der im B. 2. C. 1. §. 6—8. erwaͤhnten Vorarbeit, zu bekommen. Kann man zu denselben nicht anders, als durch fremde Einfuhr gelangen, so versteht es sich, daß ein verstaͤndiger Regent diese so viel moͤglich er- leichtern muß, wenigstens nicht dieselbe durch Zoͤlle ver- theuern darf. Indessen sind noch viele Laͤnder, in wel- chen man dieselben nicht von Zoͤllen befreiet hat, welche von Alters her auf sie gelegt gewesen sind. Wann sie aber das Land selbst giebt, und man glaubt deren Aus- fuhr sei den Manufacturen des Landes schaͤdlich, so ent- schließt sich freilich fast jeder Regent, zu einem allge- meinen Verbot derselben. So hat England vorlaͤngst die Ausfuhr seiner Wolle verboten. Friedrich II. 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. that dies ebenfalls fuͤr Schlesien, nicht nur in Anse- hung der Wolle und des Flachses, sondern auch des Leinen-Garns. Es ist aber unstreitig gerathener, durch Zoͤlle, in denen man den Umstaͤnden verhaͤltnismaͤßig folgt, die Ausfuhr derselben zu schwaͤchen und den Preis dem Auslaͤnder so weit zu verteuren, als es dienlich ist. Ja wir sehen Beispiele, daß die ganz freie Ausfuhr solcher Materialien, nachdem der Unterthan den Lohn gewisser Vorarbeiten daran gewonnen hat, den Manu- facturen im Lande selbst dennoch nicht schadet, viel- mehr eine Ursache wird, daß immer ein hinlaͤnglicher Vorraht und wolfeiler Preis dieses vorgearbeiteten Materials sich findet. In Niedersachsen und West- phalen ist die Ausfuhr des leinen Garns gaͤnzlich frei. Wenigstens hat kein Fuͤrst eine Abgabe in der Absicht darauf gelegt, um die Ausfuhr dadurch zu erschweren. Indessen wird in dieser Gegend allenthalben so viel Leinen gemacht, und in Westphalen sorgfaͤltig appre- tirt, als man nur irgend absetzen kann. Dies ist freilich nicht im allgemeinen anzunehmen. Schlesiens Ausfuhr war vor der Preußischen Be- siznehmung wol so groß dem Wehrte nach in Garnen, als in Leinen. Friedrich verbot die Ausfuhr der ersteren, um der letztern willen. Im Ravensbergischen C. 8. In Ansehung der Zoͤlle. mußte sie frei bleiben. Dennoch wurden in 12 Mona- ten der J. 1790 und 91 in 1,207265 Thlrn. drei Vierteile des Werths in Leinen und ein Vierteil in Garnen ausgefuͤhrt. (M. s. das genauere S. 16. der 2ten Abt. der den Zimmermannischen Fragmenten entge- gengesetzten Anmerkungen, Berlin 792.) Ein sichrer Beweis, daß die Ausfuhr des vorgearbeiteten Mate- rials der Manufactur selbst nicht entgegen stand! In- dessen ist gewiß, daß die zu freie Ausfuhr eines Products als Materials ohne alle Vorarbeit den Manufacturen durchaus entgegen steht. Z. B. in den hiesigen Ge- genden besteht keine Papier-Muͤhle, wenigstens nicht in feinerem Papier, weil die Lumpen alle zu teuer von den Englaͤndern und Hollaͤndern aufgekauft werden. Als in der Nachbarschaft Hamburgs deren Ausfuhr verbo- ten, und der alleinige Ankauf den Papiermuͤllern zu- gewiesen ward, war die Folge davon, daß diese den Alleinhandel damit auch in der verbotenen Ausfuhr trieben. Denn davon war ihnen der Vortheil gewis- ser, als wenn sie ihre Gewerke erweitert und verbessert haͤtten, um mehr und besseres Papier zu machen. Es wuͤrde eine bessere Wirkung haben, wenn die Ausfuhr dieser groben nicht leicht auszuschleichenden Waare un- ter einem maͤssigen Zoll, aber mit der Bedingung er- laubt wuͤrde, daß die Lumpen nicht anders, als mit ge- hoͤriger Sorgfalt sortirt, ausgefuͤhrt werden duͤrften. Dadurch wuͤrde Eines Teils der Lohn dieser Vorarbeit 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. dem Lande erhalten, andernteils dem Auslaͤnder deren Preis so gesteigert werden, daß die Ausfuhr natuͤrlich abnehmen muͤßte. §. 14. IIII. Was ich in dem fuͤnften Capitel uͤber die Handlungspolitik in Ansehung des Zwischen- und des Transithandels gesagt habe, hat mich so oft auf die Zoͤlle gefuͤhrt, durch welche man dieselben zu befoͤrdern, zu leiten, auch wol zu stoͤren sucht, daß ich nichts mehr hinzuzusezen habe, ohne diesen Nachtrag zu demjeni- gen, was §. 5. und 21. jenes Kapitels gesagt ist: Kleine Staaten, welche durch diesen Handel bluͤ- hen, haben Ursache, sehr ernsthaft auf die Verbesserung ihrer Zollordnungen und die Simplificirung der Art zu sehen, wie ihre noch bestehenden Zoͤlle eingehoben werden. Sie muͤssen mehr und mehr die Erschwerun- gen wegraͤumen, welche aus den an seinem Ort erwaͤhn- ten Ursachen in beiden entstanden sind. Eben in diesen Erschwerungen liegt eine Ursache mehr, wodurch ihr Zwischenhandel geschwaͤcht werden kann, welchem doch ohnehin so sehr nachgetrachtet und durch diesen oder jenen oberherrlichen Befehl geschadet wird. Riga fuͤhrt eine vieljaͤhrige Klage uͤber die zu seinem Nachteil von seiner Beherrscherin gemachten Verfuͤgungen im Zoll, nach welchen derselbe dort in Albertsthalern gerechnet C. 8. In Ansehung der Zoͤlle. werden muß, da er in Petersburg nach Rubeln gezahlt wird, neben andern Beklemmungen seines Handels. Aber man sehe Muͤnzels Tabellen uͤber die Rigaische Licent-Portorien-Stadts-Accise- und Sund-Zoll- Taxe, nebst Schiffs-Ungeldern-Accidentien und zur Vertiefung des Duͤnastroms bewilligten Auf- lage-Verzeichnissen. Riga 1768. 4. nach, und beurteile daraus die noch von Alters her bestehende Weitlaͤuftig- keit in dem Zollwesen dieser Stadt. Doch weiß ich nicht, ob es von derselben in ihrem jezigen Zustande abhaͤnge, darin Aenderungen zu machen. Danzig hat noch dringendere Ursache, die Modalitaͤt in seinem ebenfals sehr verwikkelten Zollwesen zu bessern, seitdem die Preussischen Zoͤlle seine Handlung so sehr bedruͤk- ken. Hamburg hebt unbetraͤchtliche Zoͤlle, aber es sind deren vier unter so vielen verschiedenen Benennungen, von welchen einer bis zum Gottorpschen Vertrage mit den beiden Hauptlinien des Oldenburgischen Hauses ge- teilt ward. Jezt da er ganz Hamburgisch geworden ist, fließt die kleine Einnahme aus demselben in Eine Kasse mit den uͤbrigen, wird aber doch noch besonders gehoben. 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. Neuntes Capitel . Allgemeine Anmerkungen uͤber die Handlungs-Rechte . §. 1. D ie Handlung ist ein so wichtiges Geschaͤfte der- buͤrgerlichen Gesellschaft, daß die gesetzgebende Macht grosse Ursache hat, in ihren Verordnungen sich der- selben mehr anzunehmen, als irgend eines andern Ge- schaͤftes, das in den verschiedenen Verbindungen des buͤrgerlichen Lebens vorkoͤmmt. Allein alle Gesez- Buͤcher neuerer Zeiten sind in Ansehung der Hand- lungs-Rechte sehr mangelhaft, und bis jezt ist der Preussische Staat der erste, welcher an dem 2ten Teil seines von §. 475, des 8ten Titels bis zu dessen Ende in dem neuen allgemeinen Gesezbuch ein gewissermassen vollstaͤndiges Handlungsgesez hat. §. 2. Die Ursachen davon sind diese: 1) Die am staͤrksten handelnden Nationen dieser Zeit machen neue nach dem Ruin des Roͤmischen Reichs entstandene Staaten aus, deren Geseze und Verfassungen ihren Grund in Ursachen haben, die der C. 9. Anmerk. uͤber Handlungsrechte. Handlung ganz fremde sind. Sie sind gesammelt, er- weitert und in eine Art von Gesetz-Buͤchern gebracht, ehe diese Voͤlker sich mit der Handlung ernsthaft be- schaͤftigten. Manche derselben sind bis jezt noch sehr unvollstaͤndig, und daher haben die meisten derselben das Roͤmische Recht als ein Huͤlfs-Recht fuͤr die Faͤlle angenommen, welche in jenen nicht beachtet waren. §. 3. 2) Aber die Roͤmer, so sehr sie sonst in ihren Sit- ten ausgebildet und so mannigfaltig die Vorfaͤlle waren, in welchen es auf mein und dein, auf Recht und Un- recht ankam, so kannten sie doch die Handlung viel zu wenig. Die weitlaͤuftige Sammlung ihrer Geseze erwaͤhnt daher kaum des Nahmens der Handlung, und alles, was sich in denselben findet, das man als auf die Handlung anwendbar ansehen moͤgte, kann nur durch eine gewisse Accommodation, aber nicht dem Buchstaben nach, auf Handlungs-Vorfaͤlle angewandt werden. Das Roͤmische Recht hat eine weitlaͤuftige Lehre von Contracten, aber nichts von Handlungs-Con- tracten insbesondre. Nun sezen fast alle Geschaͤfte des Kaufmanns einen Contract voraus, der aber da, wo die Handlung lebhaft geht, eilfertig und ohne viele Formalitaͤten geschlossen wird. Indessen wendet der Rechts-Gelehrte, so gut er kann, aber sehr oft irrig, 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. seine roͤmische Lehre von Contracten auf die Hand- lungs-Vorfaͤlle an. §. 4. 3) Seitdem die Handlung in Europa wieder auf- gebluͤht ist, sind deren Geschaͤfte anfangs, auf eine sehr einfache Art betrieben worden. Nach und nach aber sind eine Menge Erfindungen z. E. Wechsel und Asse- curanz, hinzugekommen, welche die Geschaͤfte ver- wickelter und deren Entscheidung dem Rechts-Gelehr- ten schweer machen. Hier sehen nun zwar die Re- genten und Obrigkeiten die Notwendigkeit ein, uͤber diese Geschaͤfte insbesondre gewisse Verordnungen zu machen. Jeder handelnde Staat hat nun seine Wech- sel-Assecuranz Makler- und Falliten-Ordnungen und seine Seerechte. Aber so, wie diese verfertiget worden sind, so sind auch wieder diese Geschaͤfte verwickelter worden, und jede dieser Verordnungen wird, wenn sie etwas alt ist, wieder unbrauchbar. Es entdecken sich auch Faͤlle, wofuͤr sie nicht gesorgt hat, oder unerwartete schaͤdliche Folgen ihrer Verfuͤgungen. Rechtsgelehrte, denen man alsdann die Verbesserung und Erweiterung solcher Verordnungen auftragen moͤgte, muͤssen jezt weit mehr von der Handelung und ihrer Verwickelung wissen, als deren erste Verfasser wissen durften. Solche Maͤnner aber sind sehr selten. C. 9. Anmerk. uͤber Handlungsrechte. Anmerkung. Es ist bekannt, daß die hoͤchstverordnete Preussische Gesezcommission einen Entwurf zu dem vorhabenden neuen Gesezbuch durch den Druk ins Publikum ver- teilte und jedermann auffoderte, zu dessen moͤglichster Vollkommenheit durch Anmerkungen, die mit dem Entwurf fortliefen, oder durch Abhandlungen in dem bei Preisaufgaben gewoͤhnlichen Wege beizutragen. Fast alle Preismedaillen fuͤr die beiden ersten Teile wurden zweien Rechtsgelehrten in den Daͤnischen Staaten, den Herrn Professoren von Eggers in Kopenhagen und Schrader in Kiel zu Teil. Beide gehoͤren zu denen sel- tenen Rechtsgelehrten, deren juristische Einsichten sich auf Philosophie und bei lezterem insbesondere auch auf Mathematik stuͤzen. Als der Entwurf des Hand- lungsrechtes erschien, glaubte ich, der ich kein Rechts- gelehrter bin, zum wenigsten durch Einsendung meiner damals nach gehoͤriger Umarbeitung in dem 1sten Bande der Handlungsbibliothek wieder abgedrukten Abhandlung uͤber das Wechselrecht im Jahr 1785 einen Beitrag geben zu duͤrfen. Dieser ward von des Hrn. Großkanzlers Freyh. von Carmer Exc. guͤ- tigst aufgenommen, und ich aufgefodert, uͤber das Ganze mit oder ohne Namen zu arbeiten. Meine damals wiederum schwache Gesundheit und mein laͤngst genom- mener fester Entschluß, nie eine eigentliche Preisschrift 2ter Teil. Z 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. zu schreiben, waren Ursache, daß ich vor dem den er- warteten Preisschriften gesezten Termin gar nicht die Feder dazu ansezte. Im Jahr 1786 beehrte mich der Herr Großkanzler mit einem Schreiben, aus welchem ich erfuhr, daß uͤber die Handlungs-Geseze gar keine beachtungswehrte Abhandlun- gen oder Anmerkungen eingelaufen waͤ- ren , wie denn auch jederman wissen kann, daß gar kein Preis fuͤr diesen Abschnitt erteilt ist. Ein Be- weis, wie selten unter den Rechtsgelehrten, Philoso- phen und Kaufleuten die Einsichten sind, welche zu einer richtigen Gesezgebung uͤber die Handlung erfo- dert werden! Nun allererst folgte ich gerne der Auf- foderung Sr. Exellenz, Hand an dies Werk zu legen. Aber schon vorher war die Ueberzeugung da, daß ich allein demselben nicht gewachsen sein wuͤrde. Ich ver- einigte also drei Maͤnner mit mir fuͤr diesen Zwek, deren tiefgehende Kenntnisse und Erfahrungen im Handlungsfach in unserer Gegend jedermann kennt. Diese sind Herr Georg Heinrich Sieveking , Teilnehmer an der grossen unter der Firma: Voght und Sieveking bekannten Handlung, Herr Ulrich Moller , Bevollmaͤchtigter der fuͤnften Assecuranz- compagnie, beide in Hamburg, und Herr Juͤrgen Hinrich Gaͤdertz , Assecuradoͤr und Teilnehmer an der Handlung unter der Firma, Gaͤdertz und Wild- fanck in Luͤbek. Von dem Eifer dieser wuͤrdigen C. 9. Anmerk. uͤber Handlungsrechte. Maͤnner in diesem auf meine Auffoderung unternom- menen Geschaͤfte bewahre ich die Beweise in deren Manuscripten auf, welche deren der Ordnung der Pa- ragraphen des Entwurfs folgende Anmerkungen ent- halten, insonderheit aber in dem Manuscript der Re- sultate unserer Conserenzen uͤber die Seegesezze. Durch diese vereinigten wir unsere bis dahin oft abweichenden Meinungen, und Herr Gaͤdertz brachte bloß dieses Geschaͤftes wegen den ganzen Monat Januar des Jahrs 1790 mit uns in Hamburg zu. Es ist also vielleicht keinem Teile dieses Gesezbuchs so ernsthaft vorgearbeitet worden, als diesem, wiewol ich damit gar nicht angeben will oder kann, als waͤre dasselbe in seiner endlichen Ausfertigung ganz unsern Vorschlaͤgen gemaͤß erschienen. Mir wird man es nicht zur Eitel- keit auslegen, daß ich diese Umstaͤnde bekannt mache. Denn die wuͤrde mehr vergnuͤgt werden, wenn ich einen jeden, der in dem Lauf jener fuͤnf Jahre von meiner Arbeit etwas erfahren hat, in der Meinuug liesse, ich haͤtte alles allein oder die Hauptsache getahn. Aber meinen Freunden bin ich es schuldig, dies ins Publi- kum zu bringen, da der verehrungswuͤrdigen Preussi- schen Gesezcommission bei und nach der Herausgabe des Gesezbuches kein Anlaß scheint entstanden zu sein, diese Maͤnner oͤffentlich zu nennen, die ohne Aussicht auf Praͤmien und Gewinn blos in dem Zwek arbeiteten, Z 2 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. etwas dazu beizutragen, daß der Preussische Staat zuerst von allen zu einem etwas vollstaͤndigen Gesez- buche uͤber die Handlung gelangen moͤgte. §. 5. Bis jezt haben wir noch keinen Staat, ausser dem Preussischen, der durch ein neues allgemeines Gesez- buch Recht und Gerechtigkeit in den Zustand gesezt hatte, der den jezigen Zeitumstaͤnden und der Umbil- dung des Geistes und der Sitten der Voͤlker dieser Zeit gemaͤß ist. In Rußland ist zwar der Anfang dazu gemacht, aber bis jetzt auch nur alles beim An- fang geblieben. In Frankreich wird wahrscheinlich es sehr langsam damit gehen, und wenigstens der jezt bestehenden Nationalversammlung nicht zuzutrauen sein, daß sie grosse Fortschritte in diesem wichtigen Ge- schaͤfte machen werde. Indessen laͤsst sich erwarten, daß mehrere Staaten, deren Negenten die Handlung wichtig ist, fruͤher zu einem vollstaͤndigen Handlungs- gesezbuch gelangen werden, als das ganze Werk einer allgemeinen neuen Gesezgebung vollendet werden kann. Das preussische Gesezbuch gibt fuͤr jeden wenigstens die Grundlage. Aber auch noch immer wird man sich fuͤr Uebereilung dabei zu huͤten haben, und es wird noͤtig bleiben, mit jedem einzelnen Teile der Gesezge- bung uͤber den Handel auf dem Wege zu verfahren , C. 9. Anmerk. uͤber Handlungsrechte. den die Preussische Gesezcommission so weise ge- waͤhlt hat. Hamburg hat das aͤlteste gedruckte Wechselrecht in seinem Stadtbuch seit 1603 gehabt. Eine spaͤtere und fuͤr ihre Zeit ziemlich vollstaͤndige Wechselord- nung erschien im Jahr 1725. Jezt hat die Ham- burgische Commerzdeputation von ihrem derzeitigen Praͤses Hrn. G. H. Sieveking entworfne Ma- terialien zu einem vollstaͤndigen und systematischen Wechselrecht mit beson- derer Ruͤksicht auf Hamburg denkenden Rechtsgelehrten und Kaufleuten zur Pruͤfung vorgelegt auf 206 Octavseiten in Quartformat drukken lassen, um den Anmerkungen Plaz zu geben. Dies ist der wahre Weg, den man waͤhlen muß, wenn solch ein Werk ausreifen soll, und man muß den Verlust einzelner Jahre dabei nicht achten, wenn nur moͤglich beste Vollendung daraus entsteht. §. 6. Weil indessen die Geschaͤfte des Kaufmanns in den wesentlichen Umstaͤnden so sehr mit einander uͤberein stimmen, so haben die Kaufleute aller Zeiten und Laͤn- der vorlaͤngst ohne Antrieb und Huͤlfe der Geseze sich natuͤrlich fuͤr eine gewisse Norm ihres Verfahrens ver- einigt. Der gute Glaube, und was demselben gemaͤß ist, sind der Hauptgrund desselben geworden. Mit Gesez oder ohne Gesez kann kein Mann hoffen, die 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. Rolle eines Kaufmanns lange zu spielen, wenn er sich nicht demjenigen gemaͤß bezeiget, was der gute Glau- be erfodert. Die Empfindungen der Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit moͤgen in seinem Herzen so schwach sein, als sie immer wollen, so muß er doch in seinen Geschaͤften den Schein derselben aufs aͤusserste be- haupten. Wenn hunderte ja tausende von Menschen nach einerlei Bewegungsgruͤnden und in gleichem Zwecke handeln, so entsteht natuͤrlich eine Uebereinstim- mung in ihrem Verfahren auch ohne Vorschrift der Geseze, d. i. eine Gewohnheit oder Usanz . §. 7. Die Geschaͤfte des Kaufmanns sind so mannigfal- tig und gehen in einer solchen Geschwindigkeit zum Teil fort, daß der Kaufmann die Zeit nicht genug da- bei zu sparen weiß. Es wird ihm zu weitlaͤuftig, die gesezmaͤßige Art zu verfahren in aͤhnlichen Handlun- gen zu lernen und nachzuahmen. Jeder Handel, den man schließt, ist ein Contract. Nicht nur das Roͤmi- sche, sondern auch andere Rechte geben weitlaͤuftige Vorschriften uͤber die Contracte, die Bedingnisse, un- ter welchen sie guͤltig sein sollen, und schreiben gewisse Feyerlichkeiten vor, unter welchen sie vollzogen werden muͤssen. Der Kaufmann hat sich nohtgedrungen frei davon machen muͤssen, und schließt und vollzieht die wichtigsten Contracte mit Beiseitesetzung aller derer C. 9. Anmerk. uͤber Handlungsrechte. Umstaͤndlichkeiten, welche bei minder wichtigen Ver- gleichen im buͤrgerlichen Leben nie versauͤmt werden duͤrfen. §. 8. Eben diefer Eilfertigkeit wegen kann der Kauf- mann nicht so sorgfaͤltig in Abfassung und Aufbehal- tung solcher Beweisthuͤmer sein, welche bei entstehen- den Streitigkeiten uͤber sein Recht oder Unrecht ent- scheiden koͤnnen. In muͤndlichen Beredungen bleibt der Makler gewoͤhnlich sein einziger Zeuge: in schrift- lichen Unterhandlungen hat er oft kein anderes Docu- ment, als seine Handlungsbuͤcher. Diese sind zwar ein- seitig, aber sie haben doch bei allen Gerichten ein grosses Gewicht, das in keinen andern Rechtsfaͤllen einseitige Beweise erwarten duͤrfen. §. 9. Die in der Handlung neuerer Zeiten zu deren Er- leichterung entstandenen mannigfaltigen Erfindnngen u nd Huͤlfsgeschaͤfte, welche das Altertuhm gar nicht kann- te, waren bei ihrem ersten Entstehen einfach, sind aber in der Anwendung, zumal da die Handlung uͤberhaupt so sehr zunahm, immer verwickelter geworden. Die ge- sezgebende Macht hat bei deren erstem Entstehen kei- nen Teil daran gehabt. Der Kaufmann richtete sich in seiner ersten Verfahrungs-Art blos nach dem, was 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. der gute Glaube erfodert, und ist eben dieser Vorschrift so weit gefolget, als sie nur immer zureichte. So entstand z. B. das Wechselrecht unter den Kaufleuten, und bestand lange, ehe vielleicht ein Richter oder Rechtsgelehrter erfuhr, daß es Wechsel gaͤbe. Man sehe m. Abhandlung vom Wechselrechte, im 3ten Stuͤck des 1sten Bandes unsrer Handl. Bibliothek . Das erste Verfahren dabei war einfach, so lange die Wechsel noch nicht viel indossirt wurden, und grossen- teils Meßwechsel waren, deren Glaͤubiger und Schuld- ner auf den naͤchsten Messen persoͤnlich wieder mit ein- ander zusammentrafen. Der gute Glaube fuͤhrte allent- halben das Recht ein, daß, wer einen Wechsel verkauft hatte, sogleich bezahlen mußte, wenn derselbe an Ort und Stelle nicht bezahlt war. §. 10. Aus allen diesen Ursachen hat daher der Kauf- mann Regeln seines Verfahrens annehmen muͤssen, welche zwar nicht den Vorschriften der Geseze entge- gen stehen, aber auch wenig von denselben abhaͤngen, und insonderheit den Richter selbst leiten, das sonst uͤbliche rechtliche Verfahren sehr abzukuͤrzen, wenn es dazu koͤmmt. Dies alles ist nicht etwa durch eine Beredung in einer allgemeinen Versammlung der Kauf- leute entstanden. Gesunder Menschen-Verstand und die bestaͤndige Ruͤksicht auf das, was die Behauptung C. 9. Anmerk. uͤber Handlungsrechte. des guten Glaubens erfodert, haben ihn darin gelei- tet und eine solche Uebereinstimmung zu wege gebracht, wie man sie sonst in menschlichen Handlungen nicht leicht findet. In demjenigen, was man sonst Gewohn- heitsrechte nennt, findet sich von einem Lande zum andern solch ein Unterschied, daß der Rechtsgelehrte grosse Bibliotheken von den Gewohnheits-Rechten sammeln kann. Aber das, was in der Handlung zur Gewohnheit oder Usanz geworden ist, gilt, in den ein- fachen Faͤllen wenigstens, in der ganzen handelnden Welt auf einerlei Art, und wuͤrde ein nicht starkes Buch ausmachen, wenn es mit gehoͤriger Auswahl gesammelt wuͤrde. Es ist z. B. kein Land, wo der Kaufmann, wenn er einen wichtigen Waarenhandel schließt, Notarien oder Zeugen herbei riefe, und es ihm bei entstehendem Streit-Falle zum Nachteile ge- reichte, dies nicht getahn zu haben. Ist ein Unter- schied in dergleichen Dingen, so bestehet er allenfalls darin, daß in einzelnen Landen der gute Glaube noch wirksamer ist und ihm mehr eingeraͤumt wird, als in andern. Man wird z. B. hier, wenn man einen Contract uͤber Lieferungen von Waaren schließt, doch wenigstens etwas schriftlich daruͤber verfassen, zumal wenn man Geldvorschuͤsse darauf tuht. Mir aber hat ein glaubwuͤrdiger Mann, der in Canton lange als Ober-Kaufmann fuͤr die Hollaͤndische Companie gestanden, versichert, daß er mit seinen Chinesischen 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. Kaufleuten bloß muͤndlich contrahirt und ihnen grosse Vorschuͤsse getahn habe, ohne jemals dabei zu verlie- ren. Wenn in unsern Gegenden jemand eine Hand- lungs-Companie schliessen oder in gewissen Geschaͤften einen fremden Nahmen gebrauchen will, so wird ein Contract aͤusserst noͤtig geachtet, und die aus den Handlungs-Societaͤtstractaten entstehenden Streitig- keiten geben ein fettes Futter fuͤr die Sachwalter in Handelsplaͤzen. Wer aber von Cadix aus als ein Fremder auf America handeln will, muß eines Spa- niers Nahmen dazu gebrauchen, und sich ihm so in die Haͤnde geben, daß der Spanier, so bald er zum Betruͤger werden will, Capital und Gewinn als ihm gehoͤrig an sich reissen kann. Schriftlich geht nichts daruͤber vor, und wuͤrde auch im Gericht nicht gelten. Dennoch ist kein Beispiel, daß ein Fremder von ei- nem Spanier in diesem Fall betrogen waͤre. §. 11. Diesen Handlungs-Gewohnheiten aber fehlt es noch an drei Dingen: 1) Sie sind noch nicht hinlaͤnglich gesammelt, wie die Geseze und das Gesez vertretende Gewohn- heiten fuͤr andere buͤrgerliche Geschaͤfte gesammlet sind. Es wird auch noch lange daran fehlen muͤssen, weil C. 9. Anmerk. uͤber Handlungsrechte. 2) diese Usanzen groͤßtenteils unter den Kaufleu- ten selbst nicht hinlaͤnglich bestaͤttigt sind und zu viel Gelegenheiten zum Widerspruch daruͤber entstehen. Wenn Kaufleute in Streitigkeit mit einander gerah- ten, so sucht ein jeder zur Bestaͤttigung seines Rechts ein Gutachten oder ein sogenanntes Parere von andern erfahrnen Kaufleuteu, welche wenig anders sagen, als daß der Requirent, unter der Voraussezung seines angegebenen Facti, nach Handlungs-Usanz Recht habe. Ein solches Parere bekoͤmmt gewoͤhn- lich ein jeder, der es verlangt, in einer nicht auffallend ungerechten Sache. Denn er sucht sich seine Freunde dazu aus. Es entstehen also sehr oft gegenseitige Gutachten, deren eines das umstoͤßt, was das andre zur Handlungs-Usanz machen will. Richtiger geht es, wenn ein Streit-Handel unter Kaufleuten an so- genannte gute Maͤnner gebracht wird, und diese sich zulezt fuͤr Eine Entscheidung nach Handlungs- Usanz vereinigen. Aber auch in solchen Faͤllen ge- schieht es oft, daß, wenn beide gute Maͤnner ver- eint sprechen, dennoch der eine Teil noch zu Gerichte geht. Diesem vorzubeugen, haben in Hamburg meh- rere Kaufleute von befestigtem guten Rufe der Ein- sicht und Rechtschaffenheit es zur Regel gemacht, daß sie kein Gutachten als gute Maͤnner geben, wenn nicht die dasselbe suchenden Parteien sich vorher schrift- lich verpflichten, sich an kein Gericht weiter zu wen- 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. den, wenn entweder sie beide fuͤr ein gemeines Gut- achten sich vereint haben, oder ein dritter, der soge- nannte Obmann , zwischen ihnen entschieden hat. 3) Die Obrigkeitliche Bestaͤttigung fehlt diesen Handlungs-Usanzen noch zu sehr. Die Obrigkeit hat sich bisher hauptsaͤchlich nur der Handlung in fuͤnf Stuͤcken angenommen, und was sie in diesen als Ge- wohnheit geltend fand, zum Gesez gemacht, nemlich in den Wechseln, den Assecuranzen, der Makelei, den Bankerotten und den Seegesezen. Aber im uͤbri- gen ist noch wenig an ein allgemeines Gesezbuch fuͤr die Handlnng gedacht. Kein Buch enthaͤlt dasselbe, auch nur fuͤr einen einzelnen Staat, wenn gleich dessen Titel es zu versprechen scheint, z. B. Beawe’s lex mercatoria rediviva fuͤr Grosbritanien. Von denen Folgen, die dies fuͤr den Kaufmann in seinen Rechtshaͤndeln hat, siehe meine Abhandlung von den Handlungs-Usanzen im 2ten Stuͤck des 1sten Bandes der Handlungsbibliothek. §. 12. Von den Handlungs-Gerichten brauche ich hier nicht weitlaͤuftig zu reden. Ein jeder Staat, in dem die Handlung lebhaft ist, kann sie nicht entbehren, und hat sie unter allerlei Benennungen. Doch giebt es noch wenig Gerichte, die fuͤr alle Vorfaͤlle der Hand- lung bestellt waͤren. Hier in Hamburg ist das einzige C. 9. Anmerk. uͤber Handlungsrechte. eigentliche besondre Handlungs-Gericht die Admira- litaͤt. Aber diese hat nur die Entscheidung uͤber Asse- curanz- und Seevorfaͤlle, und auch diese nicht in lezter Instanz. Mit der Britischen Admiralitaͤt ist es fast eben so bewandt. In dem suͤdlichen Europa bestehen die sogenannten Consulats-Gerichte. Aber selbst in handelnden Staaten hat man grosse Muͤhe, ein ei- gentliches Handlungsgericht aus Kaufleuten zu sam- meln, so lange noch dem Kaufmann die Vorkennt nisse fehlen, und er die gewoͤhnliche Verachtung fuͤr sie hegt, ohne welche ein Richter in seiner Entschei- dung immer verlegen ist, er mag mit dem Geschaͤfte selbst so bekannt sein, als er will. §. 13. In den meisten Staaten gehen also die aus der Handlung entstehenden Streitigkeiten wenigstens in lezter Instanz zu den gewoͤhnlichen Gerichten, deren Mitglieder eigentliche Rechtsgelehrte sind. Wenn ich annehme, daß viele dieser Maͤnner um so viel ver- legener bei Handlungsvrocessen sind, je rechtschaffener sie sind, und je lebhafter ihr Wunsch ist, nach bestem Wissen und Gewissen uͤber solche Faͤlle zu entscheiden, so rechne ich auf deren Beistimmung. Ich wage es daher, solchen Maͤnnern, insonderheit den Referen- ten in solchen Haͤndeln, einen zwiefachen Raht zu geben: 5. Buch. Von der Handlungs-Politik. Der erste ist, daß sie in Durchlesung der Acten, so viel moͤglich, alle eigentlich juristische Ideen entfer- nen, und blos ihren gesunden Verstand benuzen, um die Natur des Geschaͤftes recht durchzuschauen und einzusehen, was der gute Glaube bei demselben vor- ausseze oder zur Folge habe. Vielleicht dient eben dieses mein Buch dazu, manchem in seinem Tribu- nalsort fern von Handelsplaͤzen lebenden Rechtsgelehr- ten diese richtigen Vorstellungen, wenigstens im All- gemeinen, zu geben. Der zweite: Um der Schikane recht auf die Spur zu kommen, welche bei der einen oder der andern Partei sich annehmen laͤßt, duͤrfen sie nur, nach wol durchgeschauter Natur des Geschaͤftes, sich einleuchtend machen, was sie selbst, wenn sie handelnde Partei in demselben waͤren, von dem guten Glauben der andern wuͤrden erwartet, oder, wenn sie die Sache umkehren, selbst getahn haben. Wenn nun in den Acten Tahtbeweise sich darlegen, daß der eine Teil diesem guten Glauben gemaͤß gehandelt habe, so tuhn sie gewiß dem Gegenteile nicht mehr Unrecht, wenn sie wider ihn entscheiden. Denn es wird ihnen aus eben diesen Acten einleuchten, daß er demselben nicht ganz gemaͤß gehandelt habe, und durch Aus- fluͤchte, die nicht in der Natur des Geschaͤfts liegen, sich loszuwinden suche, und waͤren diese auch aus den Winkeln der feinsten Jurisprudenz hervorgesucht. Durch diese beiden Regeln werden sie insonderheit sich in den Stand gesezt sehen, zwischen den in solchen Faͤllen vorkommenden Kaufmaͤnnischen Gutachten zu entscheiden, und sich durch deren Widerspruch nicht irre machen zu lassen, wenn sich dieselben auf entge- gen stehende Handelsusanzen berufen. Denn das ist zuverlaͤssig die wahre Usanz, die dem guten Glauben die gemaͤsseste ist . Zusaz zu B. 5. C. 4. §. 24. S. 235. und zu C. 8. §. 12. S. 344. G erade da ich die lezten Bogen zur Presse senden will, wird mir ein Abdruk der auch dem zweiten Stuͤk des 104ten Bandes der Allgem. deutschen Bi- bliothek eingeruͤkten Anmerkungen uͤber die Zukkersiedereien in den preussischen Staaten zur Erlaͤuterung meiner Urteile uͤber dieselben , von deren Herren Verfasser zuge- sandt. Ich widme diese wenigen Seiten einer jezt vorlaͤufigen, aber wahrscheinlich der einzigen Beant- wortung. Wuͤrde ich naͤher zu antworten Anlaß fin- den, so wuͤrde ich der Wahrheitsliebe gemaͤß, in wel- cher ich als Mensch und als Schriftsteller meine Ehre suche, gerne alles das gelten lassen, was ich fuͤr Taht- sachen erkenne, die der Herr Verf. unter Augen hatte. Aber manchem daraus gezogenen Resultat wuͤrde ich viele und wichtige Gruͤnde entgegensezen. Wenigstens fuͤhle ich mich nicht durch die Kraft der Wahrheit ge- drungen, gegen jene Resultate irgend eines derjenigen aufzugeben, welche ich in meiner bekannten Schrift in besonderer Ruͤcksicht auf die Hamburgischen Zuckersie- dereien, und S. 235 und 344 dieses Buchs im allge- meinen dargestellt habe. Wer wird es leugnen, wer 2ter Teil. A a Zusaz. wird es widerlegen wollen, daß, wenn eine Ma- nufactur nur durch gaͤnzliches Verbot des fremden Fabrikats sich erhalten kann, blos dadurch erhelle, daß die auslaͤndische von ihr gefuͤrchtete Fabrik so wolfeil ar- beite, daß auch grosse Beguͤnstigungen im Zoll sie noch nicht vor fremder Einfuhr sicher stellen koͤnnen ? Das aber habe ich haupt- saͤchlich beweisen wollen, und glaube es bewiesen zu haben, daß die Hamburgischen Zukkersiedereien, beguͤn- stigt durch einen Zusammenfluß von Umstaͤnden, auch ohne Contrabande noch ihren Vertrieb in jedes Land finden, wo man ihnen nur betraͤchtliche Zoͤlle entgegen sezt. Nun sei (um die Sache ausser den Grenzen eines besondern Streitfalles zu stellen) nicht mehr die Rede von Zukkersiedereien, nicht von einem bestimmten Staate; und dann sei es mir erlaubt, mich eine Weile in die Stelle eines Regenten zu sezzen, und meine Manufacturisten zu fragen: Auf wie viele Procente wollt ihr die Beguͤnstigung im Zolle gesezt wissen, um bestehen zu koͤnnen? In Rußland wuͤrden mir die Zukkersieder antworten: Wenigstens 20 p. C. In andern Staaten weniger, welche schon ein betraͤcht- liches von denen Vortheilen mit geniessen, welche Ham- burg in der Zufuhr und dem Ankauf des Materials zu Statten kommen. Ich nehme an, sie verlangen 10 p. C. Die sollt ihr haben, wuͤrde ich sagen, aber vor- Zusaz. her will ich meine Ueberlegungen fuͤr meine uͤbrigen Untertahnen und fuͤr mich machen. Von dem Material muß ich das Meinige haben. Diese Abgabe vom Ge- nuß kann ich nicht entbehren. Dies sollen gleichfalls nur 10 Procent vom Wehrt sein, damit nicht ein zu grosser Reiz fuͤr die Contrabande entstehe, die nun 20 p. C. gewinnen kann. Wenn aber nun der Aus- laͤnder 10 p. C. mehr bezahlt, wo koͤmmt das her, als von euren Mituntertahnen, welche jene 10 Procente doch ebenfalls schon mir zahlen muͤssen? Jezt koͤmmt es aber mir zu, zu uͤberlegen, ob mit diesen 10 Procen- ten mehr der Nuzen geschaft wird, der dieser Auflage wehrt ist. Ich will also wissen 1) wie viele Menschen von eurer Manufactur insbesondere ihr Brod haben. 2) Ich will uͤberlegen, ob eben diese Menschen sonst gar kein Brod in meinem Lande finden wuͤrden. Wenn ich dann erfuͤhre, daß die Manufactur etwa 1000 Menschen ernaͤhrte und fuͤr 1100000 Rthlr. Waare auslieferte, so wuͤrde ich diesen Fabrikanten sagen: Seht Leute! so geht es nicht. Diese 100000 Rthlr. muͤssen eure Mitbuͤrger noch zu jenen 10 p. C. die ich ohnehin als einen Consumtionszoll bekommen kann, zahlen, blos damit ihr mit euren 1000 Men- schen leben koͤnnt. So viel kosten mir nicht 1000 Soldaten, die ich aus Noht halten und dazu das Geld von meinen Untertahnen aufbringen muß. Denkt einmal, was das fuͤr eine Staatswirtschaft sein A a 2 Zusaz. wuͤrde, wenn ich um jeder tausend Menschen willen, meinen Untertahnen 100000 Rthlr. zur Last bringen wollte, blos damit sie von diesem oder jenem bestimm- ten Gewerbe leben koͤnnen. Wuͤrde es also nicht besser sein, wenn ihr mit euren tausend Arbeitern an an- dern Gewerben Teil naͤhmet, die ihr in meinen Staa- ten findet, und welche durch Preis und Guͤte sich so empfehlen, daß sie eines starken auswaͤrtigen Ver- triebs faͤhig werden. Von eurer Manufactur aber glaube ich nunmehro, daß sie sich eben so we- nig in meinen Staat verflanzen lasse, als dies mit so vielen andern Producten der Natur moͤglich ist . So ungefaͤhr dachte Leopold II. , als er im vori- gen Jahre das Verbot des Hamburgischen Zukkers, ohngeachtet der lebhaften Gegenvorstellung der bis dahin privilegiirten Fabrikanten, aufhob und ihnen bloß einen billigen Vorteil im Zoll uͤbrig ließ. In jener mir entgegengesezten Schrift wird aber behauptet, daß, wenn auch die Preussischen Zuckersiedereien 20 p. C. teurer als die Hamburgi- schen arbeiteten, sie dennoch wegen ihrer vorteilhaf- ten Einwirkung in den Geldesumlauf dem Staate zu- traͤglich sein. So auffallend dies fuͤr jeden unbefan- genen Leser sein moͤgte, so kann es doch nicht so ei- Zusaz. nem Leser werden, der in Friedrichs des Grossen Handlungspolitik alles fuͤr richtig und unbestreitbar gelten laͤßt. Denn dieser nahm alles so genau, daß die Preussischen Muͤhlen nur Schlesische Steine neh- men durften, welche ihnen viermal so viel kosten, und kaum so viele Monate dauern, als die Englischen Jahre. M. s. Bocks wirtschaftliche Natur- Geschichte Preussens im 5ten Bande. Aber, weil ich doch auch etwas von den Vorteilen des Gel- desumlaufs verstehe, so fallen mir selbst diese 20 p. C. noch nicht auf. Doch muß ich wieder die Sprache eines Regenten reden, der den Gang des Geldesum- laufs deutlich durchschauet, und welchem nicht als alleiniger Grundsaz gilt, daß das Geld im Lande er- halten werden muͤsse, sondern der noch immer unter- sucht, ob es in diesem oder jenem einzelnen Fall mit Vorteil fuͤrs Ganze erhalten werden koͤnne. Ich wuͤrde meinen Manufacturisten sagen: 20 p. C. Auf- lage mehr auf den Wehrt einer Million eures Fabri- kats, in welcher schon 8 p. C. Auflage auf das Ma- terial begriffen sind, machen 200000 Thlr. Ich will sie einwilligen, wenn ihr mir folgende drei Dinge beweiset: 1) daß nicht die Contrabande zu hoch stei- gen werde. Denn nun entstehen 28 p. C. Vorteil fuͤr die Contrabande mit dem auslaͤndischen Fabrikat, und ausserdem verliere ich um eurentwillen so viel von dem Transitzoll. 2) Daß dadurch fuͤr wenigstens Zusaz. 200000 Thlr. Verdienst fuͤr eure Mituntertahnen in dem natuͤrlichen Geldesumlauf entstehe. Aber das muß rein sein; und deswegen muͤßt ihr mir 3) auch noch beweisen, daß andern euren Mituntertahnen ein hinlaͤnglicher Ersaz ihres bisherigen billigen Gewinns aus dem freien Verkauf des auslaͤndischen Fabrikats entstehe. Da moͤgte dann bei einem denkenden Fuͤrsten das- jenige sehr in Betracht kommen, was ich S. 99 ff. von den Vorteilen derer Umsaͤze der strengsten Wahr- heit noch gesagt habe, welche die Deutschen und ein grosser Teil der Nordischen Kaufleute mit dem Ham- burger in Zukkern machen, die ihnen wichtiger sind, als wenn sie baares Geld zu den billigsten Zinsen in ihre Handlung nehmen. Man erkundige sich doch in dem jezt so bluͤhenden Sachsen und laͤngst dem Rhein, wo die Kaufleute aͤhnliche Vorteile aus ihren Umsaͤzen mit den Hollaͤndern geniessen. Wenn ich behaupte, daß wenigstens zwei Millionen Thlr. Bco. creditir- ten Hamburgischen Zuckers, nicht baaren Geldes, die Handlung und die Circulation in den an Hamburg sich haltenden Laͤndern beleben, so bin ich so gewiß da- von, als der Herr Verf. jener Schrift es von Einer seiner Behauptungen sein kann. Und das ist doch wol einer Ueberlegung der Fuͤrsten wehrt! Inhalt des zweiten Teils . Viertes Buch . Von den Huͤlfsgeschaͤften der Handlung. Erstes Capitel. Von der Schiffahrt. §. 1. D ie Schiffahrt ist keine Handlung, wol aber ein Huͤlfsgeschaͤfte derselben. S. 1. — 2. Vormals beschaͤftigte bloß der Eigenhan- del die Schiffahrt. Noch jezt sieht der Kaufmann sein Schiff als ein auf Ge- winn und Verlust laufendes Capital an. — 2. — 3. Gebrauch der Schiffe in dem Colonie- handel, in der Kuͤstenfahrt, — 3. — 4. und in der Fischerei. — 4. — 5. Vermietung der Schiffe durch Certepar- tien oder Fracht-Contracte. — 6. — 6. Ladung auf Stuͤckguͤter gegen Connosse- mente. — 7. — 7. 8. Jeziger Gang dieser Frachtfahrt. — 8. — 9. Natuͤrliche — 12. — 10. und oͤkonomische Vorteile eines Volks im Schiffsbau. — 15. Inhalt. §. 11. Politische Voraussezungen dabei. S. 18. — 12. Von dem Schiffsbau als einer Kunst- Arbeit und Manufactur-Gewerbe. — 19. Anmerk . In Ansehung der Pflichten und Verrichtungen des Schiffers wird auf ein bekanntes Buch verwiesen. — 22. — 13. Von der Flußfahrt, der Stapelgerech- tigkeit und den Zoͤllen. — 24. — 14. Von Canaͤlen und dem Fortgang der zu deren Grabung erfoderlichen Kunst. — 26. — 15. Von deren grossem Nuzen und Vor- zuge selbst vor der natuͤrlichen Fluß- Fahrt. — 28. Zweites Capitel. Von Verlust bei der Seefahrt oder von Avereien. §. 1. Von den gewissen Kosten der Schiffahrt im allgemeinen. S. 32. — 2. Jede Seereise hat ihre gemeine Kosten. — 33. — 3. Grund der Benennung: Averei, d. i. Durchschnitts-Rechnung. — 34. — 4. Ursprung der Grossen oder gemeinen Averei. — 34. — 5. Die particulaire Averei entstehe aus der Grossen Averei. — 36. Inhalt. §. 6. Unterscheidendes Kennzeichen der gros- sen Averei. S. 37. — 7. Von dem dabei zum Grunde liegenden Zeugnis der Verklarung. — 39 — 8. Von der Berechnung daruͤber in der sogenannten Dispache. — 40. — 9. Wie in der Dispache der Wehrt be- rechnet werde. — 41. — 10. Daß und warum die von dem Schiff verdiente Fracht in diese Rechnung komme. — 44. Drittes Capitel. Von den Assecuranzen. §. 1. Diese sind allemal als das Geschaͤft eines Privatmanns zu betrachten. S. 45. — 2. Von den Benennungen: Assecuranz, Assecuradoͤr und Praͤmie. — — — 3. Wesentlicher Zwek des Assecuranzcon- tractes. — 46. — 4 Hamburgisches Formular einer Polize auf Guͤter. 48. — 5. Anmerkungen zu den Ausdruͤkken der Polize I. Wir unterschriebene. 51. — 6. II. Fuͤr eigene oder fremde Rechnung. 52. Von dem Del Credere bei Asse- curanzen. — 7. III. uͤber die Taxe in der Polize und Bedenklichkeiten dabei. 54. Inhalt. §. 8. IV. uͤber die Benennung des Schif- fers mit dem Zusaz: oder ein anderer. S. 58. — 9. V. Ueber die Bestimmung des Schiffes. — 59. — 10. VI. Ueber das Bekenntnis, die Praͤmie empfangen zu haben, und die Zoͤgerung von deren Auszahlung. — 60. — 11. VII. Ueber den Ausdruk: wir sezen uns voͤllig in den Plaz des Asse- curirten. — 64. — 12. VIII. Ueber den Anfang und das Ende der versicherten Gefahr. — 66. — 13. IX. Warum die Zeit der Reise un- bestimmt gelassen wird. — 68. — 14. X. Von der Ankuͤndigung des Schadens, wie sich der Ver- sicherte desselben anzunehmen habe, und vom Abandonniren. — 71. — 15. XI. Von der Frist der Bezahlung des Schadens. — 73. — 16. XII. Von den Diensten des Mak- lers bei den Assecuranzen. — 74. — 17. XIII. Ueber das Datum der Zeich- nung. — 75. Inhalt. §. 18. XIV. Ueber den Zusaz bei der Un- terzeichnung des Bevollmaͤch- tigten einer Companie. S. 76. — 19. Von den Polizen aufs Schiff oder aufs Casko. Deren Ausdruͤkke ver- sprechen mehr als gehalten werden kann. — 77. — 20. Von der Einstimmigkeit der Seerechte in Ansehung der Assecuranzen. — 80. — 21. Von den Assecuranzen auf Interesse und Non-Interesse, deren Unzu- laͤssigkeit und Zulaͤssigkeit. — 81. — 22. Von Assecuranzen auf imaginairen Gewinn. — 85. — 23. Von dem Nuzen der Assecuranzen. — 87. — 24. Von deren anscheinender Schaͤdlich- keit. — 88. — 25. Ob und wie es mit dem Assecuriren zu weit gehen koͤnne. — 90. Viertes Capitel. Von der Bodmerei. §. 1. Vom Consigniren der Schiffe in ent- fernten Haͤven S. 91. — 2. Warum in alten Zeiten nicht eben so fuͤr ein Schif gesorgt werden konnte 93. Inhalt. §. 3. Von dem Schiffahrtswucher ( Foenus nauticum ) der Alten. S. 95. — 4. Von der diesem aͤhnlichen Bodmerei. 97. — 5. Deren Uebereinstimmung mit der Groß-Aventure. 98. — 6. Veranlassung der Bodmerei in unsern Zeiten. 99. — 7. Von der Befugniß des Schiffers, in einem Nohthaven Waaren zu Gelde zu machen. 102. — 8. Wo dies nicht geschehen kann, ist er zur Bodmerei genoͤtigt. 103. — 9. Die Bodmereischuld wird zur grossen Averei geschlagen 105. — 10. Wie die Versicherer und Assecuranz- compagnien die Bodmerei abzuwen- den suchen. 106. Anhang vom Strandrechte. — 11. Billigkeit eines ungewoͤhnlichen Lohns der Huͤlfe bei Strandungsfaͤllen. 108. — 12. Kein Regent sollte sich eines Anteils an demselben anmaassen; wie diese Anmaassung entstanden, von den Regenten aufgegeben, izt aber von Daͤnemark zu strenge behauptet werde. 110. Inhalt. Fuͤnftes Capitel. Von der Makelei. §. 1. Nohtwendigkeit des Maklers. Aus- laͤndische und alte Benennungen desselben. S. 114. — 2. Der Makler dient dem Kaufmann: 1) als Unterhaͤndler. 116. — 3. 2) als Zeuge. 118. — 4. 3) Durch seine Waarenkenntnis. 120. — 5. 4) auch wol in Besorgung kleiner Ge- schaͤfte und Zahlungen. 122. — 6. Dem jungen Kaufmann dient er, indem er ihm Credit verschaft. 123. — 7. Der Makler soll nicht selbst handeln; wie aber mancher es dennoch tuhe — — 8. Von dem Lohn des Maklers oder der Courtage. Wie der Kaufmann ver- fahre, wenn er ohne Makler handelt. 125. — 9. Geschaͤfte der Makler bey oͤffentlichen Waarenverkaͤufen. 127. — 10. Der Kaufmann muß nicht zu viel durch den Makler tuhn. Von an- dern Unterhaͤndlern. 129. Sechstes Capitel. Vom Buchhalten. §. 1. Nothwendigkeit richtiger Rechnung in Handelsgeschaͤften. 130. Inhalt. §. 2. Wesentlicher Zwek des Buchhaltens, dem durch das Memorial vorgear- beitet wird. S. 132. — 3. Aus diesem allein kann die deutsche Buchhaltung gefuͤhrt werden. 132. — 4. Grund des italiaͤnischen Buchhaltens. 133. — 5. 6. 7. Darstellung desselben unter der Voraussezzung, wie ein Kaufmann zuerst darauf gerahten sein moͤge, und jeden seiner Bedienten seine Rechnung zu fuͤhren angewiesen haben moͤge. 134. — 8. Wie die Rechnungen oder Conti perso- nificirt werden. 140. — 9. Grund der Bestimmung des Debitors und Creditors im Buchhalten. 142. — 10. Von dem Hauptbuch. 144. — 11. Was ins Memorial oder Kladde ge- hoͤre. 145. — 12. Von dem Journal 146 — 13. Von dem Lagerbuch und Cassabuch, als Nebenbuͤchern von allgemeiner Nohtwendigkeit. 147. — 14. Von Buͤchern nicht allgemeiner Nohtwendigkeit. 149. — 15. Vom Agioconto. 150. — 16. Vom Riscontro. 151. Inhalt. Siebentes Capitel. Von Bankerotten. Zur Einleitung, warum in diesen Buch von Banke- rotten gehandelt werde. S. 152. §. 1. Beschreibung eines Bankerotts. 153. — 2. Von dem sonst in Rechten gewoͤhnlichen strengen Verfahren gegen den nicht zahlungsfaͤhigen Schuldner. 154. — 3. Von der Cessione bonorum im allge- meinen. 156. — 4. Verbindung des Bankerotts mit dem Wechselrecht. 157. — 5. In aͤltern Zeiten war Seeverlust die gewoͤhnlichere Ursache des Bankerotts und der fuͤr den Ungluͤcklichen fruͤhe entstandenen Nachsicht. 159. — 6. Die Hauptwoltaht beim Bankerott ist, die Beendigung desselben durch einen Vergleich, oder Accord. Gruͤnde dazu. 161. — 7. Die Woltahten eines Bankerotts sollten nur Kaufleuten zu Gute kommen. 164. — 8. Abweichung der Geseze uͤber Banke- rotte in Absicht auf die Gemeinschaft der Guͤter zwischen Eheleuten, und was daͤrunter als allgemein billig gel- ten sollte. 167. Inhalt. §. 9. Maͤngel der Fallitenordnungen, 1) in zu grosser Langsamkeit in Been- digung der Concurse. S. 169. — 10. 2) sie ahnden nicht den Betrug des Falliten, den er noch zulezt durch Misbrauch seines Credits macht. 171. — 11. 3) Sie wehren nicht dem sogenannten dekken . 173. Fuͤnftes Buch. Von der Handlungspolitik . Erstes Capitel. Ueber die Veraͤnderungen der Handlungspolitik bis zu unsern Zeiten. §. 1. Vor Alters sahen die Regenten nur die Handlung, als eine Quelle ihrer eige- nen Bereicherung an. 174. — 2. In den aͤltesten Handelsstaͤdten dachte man weiter. 175. — 3. Carthago verband mit seiner Hand- lungspolitik den Geist der Eroberung — — 4. Rom kannte keine Handlungspolitik. 176. — 5. Noch weniger die Staaten mittlerer Zeit — Inhalt. §. 6. Von der Handlungspolitik der Hanse. S. 178. — 7. Entstehen einer Handlungspolitik bei den Regenten des XVI. Jahrhun- derts. 179. — 8. Grosse Veraͤnderung derselben in dem jezigen Jahrhundert. 181. — 9. Nohtwendigkeit einer Kenntniß dersel- ben fuͤr den Kaufmann. 182. Zweites Capitel. Allgemeine Grundsaͤze der Handlungspolitik in Absicht auf den Produktenhandel. §. 1. Der Productenhandel ist der gewisseste fuͤr jedes Volk. 184. — 2. Voraussezung bei der Gewinnung vie- ler Producte. — — 3. Einwirkung 1) Des Zwanges. 185. — 4. 2) Des Geldgewins. — — 5. Woher die Laͤnder, in denen der Land- bau sich auf Knechtschaft und Zwang gruͤndet, so viele Producten uͤbrig haben. 186. — 6. Der Reichtuhm an Producten verliert sich nicht leicht wieder aus einem Lande. 188 — 7. Jezt traͤgt der stehende Soldat und eine durch Manufacturen oder durch 2ter Teil. B b Inhalt. Bergbau volkreiche Gegend viel zum Productengewerbe bei. S. 190. §. 8. Ueber die Freiheit der Kornausfuhr. 191. — 9. Von den Mineralien, als einem Lan- desproduct. 192. — 10. Reichtuhm an edlen Metallen wirket der Cultur entgegen. 192. Drittes Capitel. Von der Handlungspolitik in Ansehung des Coloniehandels. §. 1. Von den Colonien im Allgemeinen, und denen der Alten insbesondere. Diese hatten keine eigentliche Hand- lungscolonien. 194. — 2. Wie leztere in neueren Zeiten entstan- den sind. 197. — 3. Wahre Handlungscolonien muͤssen 1) Producte haben, die dem Mutter- lande fehlen. 198. — 4. 2) Beduͤrfnisse, die das Mutterland er- fuͤllen kann. 200. — 5. 3) sie muͤssen sich aus dem Mutterlan- de bevoͤlkern. 201. — 6. In wie fern das Spanische America als eine Handlungscolonie anzusehen sei. 202. Inhalt. §. 7. Ein jedes Mutterland haͤlt mit Recht die Handlung mit den Colonien an sich. S. 203. — 8. Eben dies ist der Handlung im Allge- meinen zutraͤglich. 204. — 9. Von dem Negerhandel. 205. — 10. Von dem Negerhandel unter Hand- lungscompanien und deren Betrei- bung durch Privatinduͤstrie. 207. — 11. Von dem wahrscheinlich nahen Ende des Negerhandels. 208. Viertes Capitel. Von der Handlungspolitik in Ansehung des Manufacturhandels. §. 1. Grosse Vorteile der Manufacturen fuͤr den inlaͤndischen Geldsumlauf, 212. — 2. und fuͤr den auslaͤndischen Handel. 213. — 3. Lezterer wird von den Fuͤrsten zu sehr geachtet. 213. — 4. Doch ist der Bestand von jenem siche- rer, als von diesem. 214. — 5. Indessen erhaͤlt sich der inlaͤndische Ver- trieb der Manufacturen gewisser, wenn ein auslaͤndischer daneben ent- standen ist. 215. B b 2 Inhalt. §. 6. Erstes Erfodernis: wolfeiler Preis. Dieser haͤngt ab: a) von dem wolfeilen Preise der Lebensmittel. S. 216. — 7. b) von dem Muͤnzfus. 218. — 8. c) von den Auflagen. 219. — 9. d) von dem Zinsfuß im Privatcredit. — — 10. e) von dem Lohn vieler und man- cherlei Arbeiten. 220. — 11. Zweites Erfordernis: Guͤte der Ma- nufacturwaaren, haͤngt ab: a) von deren Materialien, ob ein Volk dieselben produçiren oder mit Vorteil erhandeln koͤnne. 221. — 12. b) von gehoͤriger Verteilung der Arbeit. 222. — 13. c) von sorgfaͤltiger Aufsicht. 223. — 14. d) von der Ehrlichkeit und gutem Einverstaͤndnisse der Manufa- cturisten. 225. — 15. e) von Maschinen. — — 16. f) von einer gewissen Freiheit der Arbeit. — — 17. Die wichtigsten Manufacturen sind die, welche fuͤr den Gebrauch des gros- sen Haufens arbeiten. 226 Inhalt. §. 18. Anteil des Landmanns an der Manu- facturarbeit. S. 227. — 19. Von den Manufacturen fuͤr das hohe Wolleben. 228. — 20. Nebenumstaͤnde, auf welchen der Be- stand einzelner Manufacturen beruht. 229. — 21. Von den gewoͤhnlichen Zwangsmit- teln bei Manufacturen, insbesondere von Zoͤllen. 232. — 22. Vom Verbote der fremden Manu- facturen. 234. — 23. Von Monopolien. — — 24. Von einigen Beispielen ganz mislun- gener Manufacturen. 235. — 25. Es gibt Manufacturen, die ein jedes Volk muß haben koͤnnen, wenn es will. 237. — 26. Misgrif vieler Regenten, da sie den Manufacturen fuͤr das hohe Wolle- ben den Vorzug geben. 239. — 27. Auch auf die Wahl des Orts koͤmmt es sehr an bei Anlegung der Ma- nufacturen. 240. Inhalt. Fuͤnftes Capitel. Von der Handlungspolitik in Ansehung des Zwischenhandels. §. 1. Einteilung dieses Capitels. S. 244. — 2. A) Von Staaten, welche durch den Zwischenhandel selbst bluͤhen oder ihn zu erwekken suchen. 245. — 3. Der Zwischenhandel sezt eine Menge und Mannigfaltigkeit von Waaren voraus, die an Einem Orte zusam- men kommen. 246. — 4. Dadurch wird ein Ort zu einem Markt- plaz. 247. — 5. Der Zwischenhandel vertraͤgt sich nicht mit hohen Zoͤllen. 248. — 6. In den Marktplaͤzen mischt sich der eigene Handel mit dem Commissions- und Speditionshandel. 249. — 7. Jahrmaͤrkte und Messen dienen jezt nicht mehr fuͤr einen grossen Marktplaz 250. — 8. Von dem Zwischenhandel, der nicht uͤber den Wohnsiz derer geht, die ihn betreiben. 251. — 9. Grosse Geldgeschaͤfte knuͤpfen sich an einen grossen Zwischenhandel. 253. — 10. B) In aͤltern Zeiten ward dem Zwi- schenhandel der Weg gerne frei gelassen. Inhalt. Von dem spaͤterhin entstandenen Nei- de wider den Zwischenhandel. S. 256. §. 11. Geographische Ursachen, die den Zwi- schenhandel an gewisse Plaͤzze halten. 259. — 12. 2) Politische. 261. — 13. 3) Vereinigung geographischer und politischer Gruͤnde. 262. — 14. Gruͤnde fuͤr den Kaufmann, den di- recten Handel dem Zwischenhandel vorzuziehen. 263. — 15. Dem Manufacturisten wird dies in- sonderheit schweer. 264. — 16. Doch nicht, wenn er hinlaͤngliche Kraͤfte zu dem directen Handel hat. 265. — 17. Die Schwierigkeit der Zahlung in und aus der Ferne erhaͤlt den Zwi- schenhandel an gewisse Plaͤzze. 266. — 18. Wie der Zwischenhandel den Manu- facturhandel in abgesonderten Staaten belebe und erwekke. 266. — 19. Aus dem Zwischenhandel entsteht der Transithandel. 269. — 20. I) Handlungspolitik fuͤr den Staat, durch welchen dieser Transithandel geht, und notwendig gehen muß. Ungefaͤhre Graͤnzen, bis zu welchen derselbe die Zoͤlle ertragen kann. 270. Inhalt. §. 21. II) Handlungspolitik des Staats, der den Transithandel an sich ziehen will. Er muß ihn mit starken Zoͤllen und mit genauer Durchsuchung verschonen. S. 273. — 22. Notwendigkeit guter Landstrassen in dieser Absicht. 275. — 23. Der Transithandel erfodert Ablager- plaͤzze. 276. — 24. Notwendige Vorsorge des Regenten fuͤr gute Ordnung in demselben. — 25. Verschiedenes Verhalten unabhaͤngiger Staͤdte in Absicht des Transithandels in dem Beispiel Luͤbeks und Ham- burgs. 280. Sechstes Capitel. Von der Handlungs-Polik in Absicht auf die Schiffahrt. §. 1. Von welcher Seite der Regent die Schiffahrt anzusehen habe. S. 282. — 2. Zwar muß vorzuͤglich dahin gesehen werden, daß ein Staat seine Hand- lung mit seinen eigenen Schiffen betreibe. — 283. — 3. Wie die Britten dies durch ihre Navigationsacte erzwingen. — 285. — 4. Andere Staaten koͤnnen ihnen darin nicht folgen. — 287. Inhalt. §. 5. Kriegs-Vorfaͤlle stoͤren sie in der Schiffahrt. S. 288. — 6. Auch den Colonie-Handel koͤnnen nicht alle ganz mit eigenen Schiffen betreiben. — 290. — 7. Ein Haupthindernis ist fuͤr manche die Afrikanische Seeraͤuberei. — 292. — 8. Staaten, die unter solchen Hinder- nissen leiden, wird also die Fracht- Fahrt anderer Nationen unent- behrlich. — 294. — 9. Hindernis eigener Schiffahrt fuͤr manches Volk in der Unkunde sei- ner Schiffer. — 295. — 10. Stoͤrung der Frachtfahrt feindlicher Nationen durch die Seekriege. — 297. — 11. Ueber die Herrschaft der See. — 298. — 12. Von dem Recht der neutralen Flagge. — 299. — 13. Von dem seltsamen Widerstreben der Britten dagegen. — 301. — 14. Von der diesen entgegengesezten be- wafneten Neutralitaͤt und deren un- vollkommenem Erfolg. — 303. — 15. Von der Kaperei und deren Unnuͤz- lichkeit. — 305. Inhalt. §. 16. Nohtwendigkeit der Seemacht fuͤr ein Seefahrendes Volk, S. 307. — 17. insonderheit fuͤr dessen Coloniehan- del und — 308. — 18. fuͤr dessen Fischerei. — 309. — 19. Voraussezungen bei Erhaltung einer Seemacht — — — 20. Schwierigkeiten eben dabei. — 310. — 21. Wie ein blos zu Lande maͤchtiger Staat seine Flagge in Respect er- halten koͤnne, an dem Beispiel Frie- drichs des Grossen. — 311. — 22. Freistaaten, die durch den Zwischen- Handel bluͤhen, koͤnnen keine stren- ge Politik in Ansehung ihrer Schif- fahrt uͤben. — 313. Siebentes Capitel. Von der Handlungs-Politik in Ansehung verschiede- ner Huͤlfsmittel der Handlung. §. 1. Bei den meisten Banken ist der ur- spruͤngliche Zwek, der Handlung zu dienen, anderen Zwekken aufge- opfert. S. 316. — 2. Bedenklichkeiten vor Errichtung ei- ner Bank. — 318. Inhalt. §. 3. Kein Staat muß eine Bank errich- ten, um seinen Schulden abzuhel- fen, oder wenn sein Muͤnzfuß nicht in fester Ordnung ist. S. 319. — 4. Drei Klippen, an welchen schon er- richtete Banken scheitern. — 321. — 5. Von den Franzoͤsischen Assignaten. — 322. — 6. Von dem Entstehen des Postwe- sens. — 326. — 7. Wie weit man die Handlung mit dem Postgelde belasten koͤnne, und von dem Nuzen der fahrenden Po- sten fuͤr die Handlung. — 327. — 8. Von der noͤtigen Erleichterung der Kaufmaͤnnischen Reisen. — 329. Achtes Capitel. Von der Handlungs-Politik in Ansehung der Zoͤlle. §. 1. Nohtwendigkeit fuͤr den Kaufmann, sich uͤber die wichtige Materie von Abgaben uͤberhaupt recht zu unter- richten. S. 330. — 2. Die aͤlteste und einzige Absicht der Zoͤlle war deren Eintraͤglichkeit fuͤr den Staat. — 332. — 3. Schon damals Statt habende Er- Inhalt. schwerung der Handlung durch die- selben. S. 333. §. 4. Was davon noch bisher uͤbrig ge- blieben. 334. — 5. Befreiung der Handlung von Zoͤl- len ist nicht rahtsam, nicht moͤglich. — — 6. Erst in neuern Zeiten hat die Han- dlungspolitik die Zoͤlle als ein Mittel angewandt, um die Handlung zu eiten. 337 — 7. I) Was in Ansehung der Zoͤlle fuͤr den Productenhandel rahtsam sei. a) in Ansehung der Einfuhr. — — 8. b) in Ansehung der Ausfuhr der Producten. 339. — 9. II) In dem Coloniehandel. a) in Absicht auf die Coloniepro- ducte. 341. — 10. b) in Absicht auf die Zufuhr zu denselben. 341. — 11. III) In Ansehung des Manufaç- turhandels. 343. — 12. Wie die Zoͤlle zur Untersuchung helfen, ob eine Manufactur im Lan- de bestehen koͤnne. 344. — 13. Von den Zoͤllen auf die Materialien Inhalt. der Manufacturen und den Verbo- ten von der Ausfuhr. S. 345. §. 14. IV. In Ansehung des Zwischenhan- dels. Staaten, deren Wolstand auf demselben beruht, sollten ihre Zoͤlle, so viel moͤglich, simplificiren. 348. Neuntes Capitel. Allgemeine Anmerkungen uͤber die Handlungsrechte. §. 1. Bis jezt hat der Preussische Staat allein ein allgemeines Handlungsrecht. 350. — 2. Die Gesezbuͤcher der Staaten neuerer Zeit entstanden fruͤher, als deren Handlung. 350. — 3. Die Roͤmer kannten die Handlung zu wenig, um in ihrer Gesezgebung auf sie zu sehen. 351. — 4. Jezt werden die Geschaͤfte der Hand- lung immer verwikkelter, und die Rechtsgelehrten unserer Zeit sind darin zu unkundig. 352. Anmerkung, einige Umstaͤnde, die Vorar- beit zu dem neuen Preußischen Ge- sezbuche betreffend. 353. — 5. Was von andern handelnden Staaten zu erwarten sei, und wie dabei zu ver- fahren sein moͤgte. 356. Inhalt. §. 6. Wie die Handlungs-Usanzen natuͤrlich entstanden sein. S. 357. — 7. Kurzes Verfahren des Kaufmanns bei seinen Contrakten. 358. — 8. Von den Zeugen und Beweisen bei denselben. 359. — 9. In kaufmaͤnnischen Handlungen ent- stand das Recht fruͤher, als die Ge- seze. 359. — 10. Der gute Glaube veranlasste eine sehr allgemeine Uebereinstimmung in dem kaufmaͤnnischen Verfahren. Bei- spiele, wie weit es damit in einzelnen Voͤlkern gehe. 360. — 11. Was noch die gesezliche Kraft der Handlungsusanzen schwaͤche. 362. — 12. Etwas von Handlungsgerichten. 364. — 13. Raht fuͤr Richter, welche die Hand- lungsgeschaͤfte nicht in der Naͤhe ken- nen. 365. Zusaz zu B. 5. C. 4. §. 24. S. 235. und zu C. 8. §. 12. S. 344. Verthei- digung der darin behaupteten Saͤzze gegen eine ganz neulich erschienene Schrift. 367.