Zur Farbenlehre . von Goethe . Erster Band . Nebst einem Hefte mit sechzehn Kupfertafeln. Tuͤbingen , in der J. G. Cotta’schen Buchhandlung. 1810 . Der Durchlauchtigsten Herzoginn und Frauen Luisen Regierenden Herzoginn von Sachsen-Weimar und Eisenach. Durchlauchtigste Herzoginn, Gnaͤdigste Frau. W aͤre der Inhalt des gegenwaͤrtigen Werkes auch nicht durchaus geeignet Ew. Durchlaucht vorgelegt zu werden, koͤnnte die Behandlung des Gegebenen bey schaͤrferer Pruͤfung kaum genug thun; so gehoͤren doch diese Baͤnde Ew. Durchlaucht ganz eigentlich an, und sind seit ihrer fruͤheren Entstehung Hoͤchstde- nenselben gewidmet geblieben. Denn haͤtten Ew. Durchlaucht nicht die Gnade gehabt, uͤber die Farbenlehre so wie uͤber verwandte Naturerscheinungen einem muͤnd- lichen Vortrag Ihre Aufmerksamkeit zu schen- ken; so haͤtte ich mich wohl schwerlich im Stande gefunden, mir selbst manches klar zu machen, manches auseinander liegende zusam- menzufassen und meine Arbeit, wo nicht zu vollenden, doch wenigstens abzuschließen. Wenn es bey einem muͤndlichen Vortrage moͤglich wird die Phaͤnomene sogleich vor Au- gen zu bringen, manches in verschiedenen Ruͤcksichten wiederkehrend darzustellen; so ist dieses freylich ein großer Vortheil, welchen das geschriebene, das gedruckte Blatt vermißt. Moͤge jedoch dasjenige, was auf dem Papier mitgetheilt werden konnte, Hoͤchstdieselben zu einigem Wohlgefallen an jene Stunden er- innern, die mir unvergeßlich bleiben, so wie mir ununterbrochen alles das mannigfaltige Gute vorschwebt, das ich seit laͤngerer Zeit und in den bedeutendsten Augenblicken meines Lebens mit und vor vielen andern Ew. Durch- laucht verdanke. Mit innigster Verehrung mich unter- zeichnend Ew. Durchlaucht Weimar den 30. Januar 1808. unterthaͤnigster J. W. v. Goethe . Vorwort . O b man nicht, indem von den Farben gesprochen werden soll, vor allen Dingen des Lichtes zu er- waͤhnen habe, ist eine ganz natuͤrliche Frage, auf die wir jedoch nur kurz und aufrichtig erwiedern: es scheine bedenklich, da bisher schon so viel und mancherley von dem Lichte gesagt worden, das Ge- sagte zu wiederholen oder das oft Wiederholte zu vermehren. Denn eigentlich unternehmen wir umsonst, das Wesen eines Dinges auszudruͤcken. Wirkungen werden wir gewahr, und eine vollstaͤndige Ge- schichte dieser Wirkungen umfaßte wohl allenfalls das Wesen jenes Dinges. Vergebens bemuͤhen wir uns, den Charakter eines Menschen zu schil- dern; man stelle dagegen seine Handlungen, seine Thaten zusammen, und ein Bild des Charakters wird uns entgegentreten. Die Farben sind Thaten des Lichts, Thaten und Leiden. In diesem Sinne koͤnnen wir von denselben Aufschluͤsse uͤber das Licht erwarten. Far- ben und Licht stehen zwar unter einander in dem ge- nausten Verhaͤltniß, aber wir muͤssen uns beyde als der ganzen Natur angehoͤrig denken: denn sie ist es ganz, die sich dadurch dem Sinne des Auges besonders offenbaren will. Eben so entdeckt sich die ganze Natur einem anderen Sinne Man schließe das Auge, man oͤffne, man schaͤrfe das Ohr, und vom leisesten Hauch bis zum wildesten Geraͤusch, vom einfachsten Klang bis zur hoͤchsten Zusammenstimmung, von dem hef- tigsten leidenschaftlichen Schrey bis zum sanftesten Worte der Vernunft ist es nur die Natur, die spricht, ihr Daseyn, ihre Kraft, ihr Leben und ihre Verhaͤltnisse offenbart, so daß ein Blinder, dem das unendlich Sichtbare versagt ist, im Hoͤr- baren ein unendlich Lebendiges fassen kann. So spricht die Natur hinabwaͤrts zu andern Sinnen, zu bekannten, verkannten, unbekannten Sinnen; so spricht sie mit sich selbst und zu uns durch tausend Erscheinungen. Dem Aufmerksa- men ist sie nirgends todt noch stumm; ja dem starren Erdkoͤrper hat sie einen Vertrauten zugege- ben, ein Metall, an dessen kleinsten Theilen wir dasjenige, was in der ganzen Masse vorgeht, ge- wahr werden sollten. So mannigfaltig, so verwickelt und unver- staͤndlich uns oft diese Sprache scheinen mag, so bleiben doch ihre Elemente immer dieselbigen. Mit leisem Gewicht und Gegengewicht waͤgt sich die Natur hin und her, und so entsteht ein Huͤben und Druͤben, ein Oben und Unten, ein Zuvor und Hernach, wodurch alle die Erscheinungen be- dingt werden, die uns im Raum und in der Zeit entgegentreten. Diese allgemeinen Bewegungen und Bestim- mungen werden wir auf die verschiedenste Weise ge- wahr, bald als ein einfaches Abstoßen und Anzie- hen, bald als ein aufblickendes und verschwinden- des Licht, als Bewegung der Luft, als Erschuͤtte- rung des Koͤrpers, als Saͤurung und Entsaͤurung; jedoch immer als verbindend oder trennend, das Daseyn bewegend und irgend eine Art von Leben befoͤrdernd. Indem man aber jenes Gewicht und Gegen- gewicht von ungleicher Wirkung zu finden glaubt, so hat man auch dieses Verhaͤltniß zu bezeichnen versucht. Man hat ein Mehr und Weniger, ein Wirken ein Widerstreben, ein Thun ein Leiden, ein Vordringendes ein Zuruͤckhaltendes, ein Hefti- ges ein Maͤßigendes, ein Maͤnnliches ein Weibli- ches uͤberall bemerkt und genannt; und so entsteht eine Sprache, eine Symbolik, die man auf aͤhn- liche Faͤlle als Gleichniß, als nahverwandten Aus- druck, als unmittelbar passendes Wort anwenden und benutzen mag. Diese universellen Bezeichnungen, diese Na- tursprache auch auf die Farbenlehre anzuwenden, diese Sprache durch die Farbenlehre, durch die Mannigfaltigkeit ihrer Erscheinungen zu bereichern, zu erweitern und so die Mittheilung hoͤherer An- schauungen unter den Freunden der Natur zu erleich- tern, war die Hauptabsicht des gegenwaͤrtigen Werkes. Die Arbeit selbst zerlegt sich in drey Theile. Der erste giebt den Entwurf einer Farbenlehre. In demselben sind die unzaͤhligen Faͤlle der Erschei- nungen unter gewisse Hauptphaͤnomene zusammen- gefaßt, welche nach einer Ordnung aufgefuͤhrt werden, die zu rechtfertigen der Einleitung uͤber- lassen bleibt. Hier aber ist zu bemerken, daß, ob man sich gleich uͤberall an die Erfahrungen ge- halten, sie uͤberall zum Grunde gelegt, doch die theoretische Ansicht nicht verschwiegen werden konn- te, welche den Anlaß zu jener Aufstellung und Anordnung gegeben. Ist es doch eine hoͤchst wunderliche Forderung, die wohl manchmal gemacht, aber auch selbst von denen, die sie machen, nicht erfuͤllt wird: Erfah- rungen solle man ohne irgend ein theoretisches Band vortragen, und dem Leser, dem Schuͤler uͤberlas- sen, sich selbst nach Belieben irgend eine Ueber- zeugung zu bilden. Denn das bloße Anblicken ei- ner Sache kann uns nicht foͤrdern. Jedes Anse- hen geht uͤber in ein Betrachten, jedes Betrachten in ein Sinnen, jedes Sinnen in ein Verknuͤpfen, und so kann man sagen, daß wir schon bey jedem aufmerksamen Blick in die Welt theoretisiren. Die- ses aber mit Bewußtseyn, mit Selbstkenntniß, mit Freyheit, und um uns eines gewagten Wor- tes zu bedienen, mit Ironie zu thun und vorzu- nehmen, eine solche Gewandtheit ist noͤthig, wenn die Abstraction, vor der wir uns fuͤrchten, un- schaͤdlich, und das Erfahrungsresultat, das wir hoffen, recht lebendig und nuͤtzlich werden soll. Im zweyten Theil beschaͤftigen wir uns mit Enthuͤllung der Newtonischen Theorie, welche ei- ner freyen Ansicht der Farbenerscheinungen bisher mit Gewalt und Ansehen entgegengestanden; wir bestreiten eine Hypothese, die, ob sie gleich nicht mehr brauchbar gefunden wird, doch noch immer eine herkoͤmmliche Achtung unter den Menschen be- haͤlt. Ihr eigentliches Verhaͤltniß muß deutlich werden, die alten Irrthuͤmer sind wegzuraͤumen, wenn die Farbenlehre nicht, wie bisher, hinter so manchem anderen besser bearbeiteten Theile der Naturlehre zuruͤckbleiben soll. Da aber der zweyte Theil unsres Werkes sei- nem Inhalte nach trocken, der Ausfuͤhrung nach vielleicht zu heftig und leidenschaftlich scheinen moͤch- te; so erlaube man uns hier ein heiteres Gleich- niß, um jenen ernsteren Stoff vorzubereiten, und jene lebhafte Behandlung einigermaßen zu entschul- digen. Wir vergleichen die Newtonische Farbentheorie mit einer alten Burg, welche von dem Erbauer anfangs mit jugendlicher Uebereilung angelegt, nach dem Beduͤrfniß der Zeit und Umstaͤnde jedoch nach und nach von ihm erweitert und ausgestattet, nicht weniger bey Anlaß von Fehden und Feindseligkei- ten immer mehr befestigt und gesichert worden. So verfuhren auch seine Nachfolger und Er- ben. Man war genoͤthigt, das Gebaͤude zu ver- groͤßern, hier daneben, hier daran, dort hin- aus zu bauen; genoͤthigt durch die Vermehrung innerer Beduͤrfnisse, durch die Zudringlichkeit aͤuße- rer Widersacher und durch manche Zufaͤlligkeiten. Alle diese fremdartigen Theile und Zuthaten mußten wieder in Verbindung gebracht werden durch die seltsamsten Galerien, Hallen und Gaͤnge. Alle Beschaͤdigungen, es sey von Feindes Hand, oder durch die Gewalt der Zeit, wurden gleich wieder hergestellt. Man zog, wie es noͤthig ward, tiefere Graͤben, erhoͤhte die Mauern, und ließ es nicht an Thuͤrmen, Erkern und Schießscharten fehlen. Diese Sorgfalt, diese Bemuͤhungen brach- ten ein Vorurtheil von dem hohen Werthe der Fe- stung hervor und erhielten’s, obgleich Bau- und Befestigungskunst die Zeit uͤber sehr gestiegen wa- ren, und man sich in andern Faͤllen viel bessere Wohnungen und Waffenplaͤtze einzurichten gelernt hatte. Vorzuͤglich aber hielt man die alte Burg in Ehren, weil sie niemals eingenommen worden, weil sie so manchen Angriff abgeschlagen, manche Befehdung vereitelt und sich immer als Jungfrau gehalten hatte. Dieser Name, dieser Ruf dau- ert noch bis jetzt. Niemanden faͤllt es auf, daß der alte Bau unbewohnbar geworden. Immer wird von seiner vortrefflichen Dauer, von seiner koͤstli- chen Einrichtung gesprochen. Pilger wallfahrten I. ** dahin; fluͤchtige Abrisse zeigt man in allen Schu- len herum und empfiehlt sie der empfaͤnglichen Ju- gend zur Verehrung, indessen das Gebaͤude bereits leer steht, nur von einigen Invaliden bewacht, die sich ganz ernsthaft fuͤr geruͤstet halten. Es ist also hier die Rede nicht von einer lang- wierigen Belagerung oder einer zweifelhaften Fehde. Wir finden vielmehr jenes achte Wunder der Welt schon als ein verlassenes, Einsturz drohendes Al- terthum, und beginnen sogleich von Giebel und Dach herab es ohne weitere Umstaͤnde abzutragen, damit die Sonne doch endlich einmal in das alte Ratten- und Eulennest hineinscheine und dem Auge des verwunderten Wanderers offenbare jene laby- rinthisch unzusammenhaͤngende Bauart, das enge Nothduͤrftige, das zufaͤllig Aufgedrungene, das absichtlich Gekuͤnstelte, das kuͤmmerlich Geflickte. Ein solcher Einblick ist aber alsdann nur moͤglich, wenn eine Mauer nach der andern, ein Gewoͤlbe nach dem andern faͤllt und der Schutt, soviel sich thun laͤßt, auf der Stelle hinweggeraͤumt wird. Dieses zu leisten und wo moͤglich den Platz zu ebnen, die gewonnenen Materialien aber so zu ordnen, daß sie bey einem neuen Gebaͤude wieder benutzt werden koͤnnen, ist die beschwerliche Pflicht, die wir uns in diesem zweyten Theile auferlegt ha- ben. Gelingt es uns nun, mit froher Anwen- dung moͤglichster Kraft und Geschickes, jene Ba- stille zu schleifen und einen freyen Raum zu gewin- nen; so ist keinesweges die Absicht, ihn etwa so- gleich wieder mit einem neuen Gebaͤude zu uͤber- bauen und zu belaͤstigen; wir wollen uns vielmehr desselben bedienen, um eine schoͤne Reihe mannig- faltiger Gestalten vorzufuͤhren. Der dritte Theil bleibt daher historischen Un- tersuchungen und Vorarbeiten gewidmet. Aeußer- ten wir oben, daß die Geschichte des Menschen den Menschen darstelle, so laͤßt sich hier auch wohl ** 2 behaupten, daß die Geschichte der Wissenschaft die Wissenschaft selbst sey. Man kann dasjenige, was man besitzt, nicht rein erkennen, bis man das, was andre vor uns besessen, zu erkennen weiß. Man wird sich an den Vorzuͤgen seiner Zeit nicht wahr- haft und redlich freuen, wenn man die Vorzuͤge der Vergangenheit nicht zu wuͤrdigen versteht. Aber eine Geschichte der Farbenlehre zu schreiben oder auch nur vorzubereiten war unmoͤglich, so lange die Newtonische Lehre bestand. Denn kein aristokratischer Duͤnkel hat jemals mit solchem un- ertraͤglichen Uebermuthe auf diejenigen herabgesehen, die nicht zu seiner Gilde gehoͤrten, als die New- tonische Schule von jeher uͤber alles abgesprochen hat, was vor ihr geleistet war und neben ihr ge- leistet ward. Mit Verdruß und Unwillen sieht man, wie Priestley in seiner Geschichte der Optik, und so manche vor und nach ihm, das Heil der Farbenwelt von der Epoche eines gespalten seyn sol- lenden Lichtes herdatiren, und mit hohem Aug- braun auf die aͤltern und mittleren herabsehen, die auf dem rechten Wege ruhig hingingen und im Einzelnen Beobachtungen und Gedanken uͤberliefert haben, die wir nicht besser anstellen koͤnnen, nicht richtiger fassen werden. Von demjenigen nun, der die Geschichte ir- gend eines Wissens uͤberliefern will, koͤnnen wir mit Recht verlangen, daß er uns Nachricht gebe, wie die Phaͤnomene nach und nach bekannt gewor- den, was man daruͤber phantasirt, gewaͤhnt, ge- meynt und gedacht habe. Dieses alles im Zusam- menhange vorzutragen, hat große Schwierigkeiten, und eine Geschichte zu schreiben ist immer eine be- denkliche Sache. Denn bey dem redlichsten Vor- satz kommt man in Gefahr unredlich zu seyn; ja wer eine solche Darstellung unternimmt erklaͤrt zum voraus, daß er manches ins Licht, manches in Schatten setzen werde. Und doch hat sich der Verfasser auf eine solche Arbeit lange gefreut. Da aber meist nur der Vorsatz als ein Ganzes vor unserer Seele steht, das Vollbringen aber gewoͤhnlich nur stuͤckweise ge- leistet wird; so ergeben wir uns darein, statt der Geschichte, Materialien zu derselben zu liefern. Sie bestehen in Uebersetzungen, Auszuͤgen, eige- nen und fremden Urtheilen, Winken und Andeu- tungen, in einer Sammlung, der, wenn sie nicht allen Forderungen entspricht, doch das Lob nicht mangeln wird, daß sie mit Ernst und Liebe ge- macht sey. Uebrigens moͤgen vielleicht solche Ma- terialien, zwar nicht ganz unbearbeitet, aber doch unverarbeitet, dem denkenden Leser um desto an- genehmer seyn, als er selbst sich, nach eigener Art und Weise, ein Ganzes daraus zu bilden die Bequemlichkeit findet. Mit gedachtem dritten historischen Theil ist je- doch noch nicht alles gethan. Wir haben daher noch einen vierten supplementaren hinzugefuͤgt. Dieser enthaͤlt die Revision, um derentwillen vor- zuͤglich die Paragraphen mit Nummern versehen worden. Denn indem bey der Redaction einer sol- chen Arbeit einiges vergessen werden kann, einiges beseitigt werden muß, um die Aufmerksamkeit nicht abzuleiten, anderes erst hinterdrein erfahren wird, auch anderes einer Bestimmung und Berichtigung bedarf; so sind Nachtraͤge, Zusaͤtze und Verbes- serungen unerlaͤßlich. Bey dieser Gelegenheit ha- ben wir denn auch die Citate nachgebracht. So- dann enthaͤlt dieser Band noch einige einzelne Auf- saͤtze, z. B. uͤber die atmosphaͤrischen Farben, welche, indem sie in dem Entwurf zerstreut vorkom- men, hier zusammen und auf einmal vor die Phan- tasie gebracht werden. Fuͤhrt nun dieser Aufsatz den Leser in das freye Leben, so sucht ein anderer das kuͤnstliche Wissen zu befoͤrdern, indem er den zur Farbenlehre kuͤnf- tig noͤthigen Apparat umstaͤndlich beschreibt. Schließlich bleibt uns nur noch uͤbrig der Ta- feln zu gedenken, welche wir dem Ganzen beyge- fuͤgt. Und hier werden wir freylich an jene Un- vollstaͤndigkeit und Unvollkommenheit erinnert, wel- che unser Werk mit allen Werken dieser Art ge- mein hat. Denn wie ein gutes Theaterstuͤck eigentlich kaum zur Haͤlfte zu Papier gebracht werden kann, vielmehr der groͤßere Theil desselben dem Glanz der Buͤhne, der Persoͤnlichkeit des Schauspielers, der Kraft seiner Stimme, der Eigenthuͤmlichkeit seiner Bewegungen, ja dem Geiste und der guten Laune des Zuschauers anheim gegeben bleibt; so ist es noch viel mehr der Fall mit einem Buche, das von natuͤrlichen Erscheinungen handelt. Wenn es genossen, wenn es genutzt werden soll, so muß dem Leser die Natur entweder wirklich oder in leb- hafter Phantasie gegenwaͤrtig seyn. Denn eigent- lich sollte der Schreibende sprechen, und seinen Zuhoͤrern die Phaͤnomene, theils wie sie uns unge- sucht entgegenkommen, theils wie sie durch absicht- liche Vorrichtungen nach Zweck und Willen darge- stellt werden koͤnnen, als Text erst anschaulich ma- chen; alsdann wuͤrde jedes Erlaͤutern, Erklaͤren, Auslegen einer lebendigen Wirkung nicht erman- geln. Ein hoͤchst unzulaͤngliches Surrogat sind hiezu die Tafeln, die man dergleichen Schriften beyzu- legen pflegt. Ein freyes physisches Phaͤnomen, das nach allen Seiten wirkt, ist nicht in Linien zu sassen, und im Durchschnitt anzudeuten. Nie- mand faͤllt es ein, chemische Versuche mit Figuren zu erlaͤutern; bey den physischen nah verwandten ist es jedoch hergebracht, weil sich eins und das andre dadurch leisten laͤßt. Aber sehr oft stellen diese Figuren nur Begriffe dar; es sind symboli- sche Huͤlfsmittel, hieroglyphische Ueberlieferungswei- sen, welche sich nach und nach an die Stelle des Phaͤnomens, an die Stelle der Natur setzen und die wahre Erkenntniß hindern, anstatt sie zu be- foͤrdern. Entbehren konnten auch wir der Tafeln nicht; doch haben wir sie so einzurichten gesucht, daß man sie zum didaktischen und polemischen Ge- brauch getrost zur Hand nehmen, ja gewisse der- selben als einen Theil des noͤthigen Apparats an- sehen kann. Und so bleibt uns denn nichts weiter uͤbrig, als auf die Arbeit selbst hin zu weisen, und nur vorher noch eine Bitte zu wiederholen, die schon so mancher Autor vergebens gethan hat, und die besonders der deutsche Leser neuerer Zeit so selten gewaͤhrt: Si quid novisti rectius istis Candidus imperti; si non, his utere mecum. Entwurf einer Farbenlehre. Si vera nostra sunt aut falsa, erunt talia, licet nostra per vitam defendimus. Post fata nostra pueri qui nunc ludunt nostri judices erunt. Des Ersten Bandes Erster, didaktischer Theil . Inhalt . Erste Abtheilung. Physiologische Farben . §. 1 I. Licht und Finsterniß zum Auge — 5 II. Schwarze und weiße Bilder zum Auge — 15 III. Graue Flaͤchen und Bilder — 35 IV. Blendendes farbloses Bild — 39 V. Farbige Bilder — 47 VI. Farbige Schatten — 62 VII. Schwachwirkende Lichter — 81 VIII. Subjective Hoͤfe — 89 Pathologische Farben. Anhang — 101 Zweyte Abtheilung. Physische Farben . — 136 IX. Dioptrische Farben — 143 X. Dioptrische Farben der ersten Classe — 145 XI. Dioptrische Farben der zweyten Classe, Re- sraction — 178 Subjective Versuche §. 194 XII. Refraction ohne Farbenerscheinung — 195 XIII. Bedingungen der Farbenerscheinung — 197 XIV. Bedingungen unter welchen die Far- benerscheinung zunimmt — 209 XV. Ableitung der angezeigten Phaͤnomene — 218 XVI. Abnahme der farbigen Erscheinung — 243 XVII. Graue Bilder durch Brechung verruͤckt — 248 XVIII. Farbige Bilder durch Brechung verruͤckt — 258 XIX. Achromasie und Hyperchromasie — 285 XX. Vorzuͤge der subjectiven Versuche. Ue- bergang zu den objectiven — 299 Objective Versuche — 303 XXI. Refraction ohne Farbenerscheinung — 306 XXII. Bedingungen der Farbenerscheinung — 309 XXIII. Bedingungen des Zunehmens der Er- scheinung — 323 XXIV. Ableitung der angezeigten Phaͤnomene — 335 XXV. Abnahme der farbigen Erscheinung — 339 XXVI. Graue Bilder — 341 XXVII. Farbige Bilder — 342 XXVIII. Achromasie und Hyperchromasie — 345 XXIX. Verbindung objectiver und subjectiver Versuche — 350 XXX. Uebergang — 357 XXXI. Katoptrische Farben — 366 XXXII. Paroptische Farben — 389 XXXIII. Epoptische Farben — 429 Dritte Abtheilung. Chemische Farben . §. 486 XXXIV. Chemischer Gegensatz — 491 XXXV. Ableitung des Weißen — 494 XXXVI. Ableitung des Schwarzen — 468 XXXVII. Erregung der Farbe — 501 XXXVIII. Steigerung — 517 XXXIX. Culmination — 523 XL. Balan ç iren — 531 XLI. Durchwandern des Kreises — 534 XLII. Umkehrung — 541 XLIII. Fixation — 545 XLIV. Mischung, Reale — 551 XLV. Mischung, Scheinbare — 560 XLVI. Mittheilung, Wirkliche — 572 XLVII. Mittheilung, Scheinbare — 588 XLVIII. Entziehung — 593 XLIX. Nomenclatur — 605 L. Mineralien — 613 LI. Pflanzen — 617 LII. Wuͤrmer, Insecten, Fische — 636 LIII. Voͤgel — 653 LIV. Saͤugethiere und Menschen — 662 LV. Physische und chemische Wirkungen farbiger Beleuchtung — 673 LVI. Chemische Wirkung bey der dioptri- schen Achromasie — 682 Vierte Abtheilung. Allgemeine Ansichten nach innen . §. 688 Wie leicht die Farbe entsteht — 690 Wie energisch die Farbe sey — 693 Wie entschieden die Farbe sey — 695 Mischung der beiden Seiten — 697 Steigerung ins Rothe — 699 Verbindung der gesteigerten Enden — 702 Vollstaͤndigkeit der mannigfaltigen Erscheinung — 706 Uebereinstimmung der vollstaͤndigen Erscheinung — 708 Wie leicht die Farbe verschwindet — 712 Wie fest die Farbe bleibt — 714 Fuͤnfte Abtheilung. Nachbarliche Verhaͤltnisse . Verhaͤltniß zur Philosophie — 716 Verhaͤltniß zur Mathematik — 722 Verhaͤltniß zur Technik des Faͤrbers — 730 Verhaͤltniß zur Physiologie und Pathologie — 733 Verhaͤltniß zur Naturgeschichte — 735 Verhaͤltniß zur allgemeinen Physik — 737 Verhaͤltniß zur Tonlehre — 747 Schlußbetrachtung uͤber Sprache und Termino- logie — 751 Sechste Abtheilung. Sinnlich-sittliche Wirkung der Farbe . §. 758 Gelb — 765 Rothgelb — 772 Gelbroth — 774 Blau — 778 Rothblau — 786 Blauroth — 790 Roth — 792 Gruͤn — 801 Totalitaͤt und Harmonie — 803 Charakteristische Zusammenstellungen — 816 Gelb und Blau — 819 Gelb und Purpur — 820 Blau und Purpur — 821 Gelbroth und Blauroth — 822 Charakterlose Zusammenstellungen — 826 Bezug der Zusammenstellungen zu Hell und Dunkel — 830 Historische Betrachtungen — 833 Aesthetische Wirkung — 848 Helldunkel — 849 Streben zur Farbe — 862 Haltung — 867 Colorit — 871 Colorit des Orts — 872 Colorit der Gegenstaͤnde — 873 I. *** Charakteristisches Colorit §. 880 Harmonisches Colorit — 885 Echter Ton — 889 Falscher Ton — 891 Schwaches Colorit — 894 Das Bunte — 896 Furcht vor dem Theoretischen — 900 Letzter Zweck — 190 Gruͤnde — 902 Pigmente — 911 Allegorischer, symbolischer, mystischer Gebrauch der Farbe — 915 Zugabe. Schlußwort. Einleitung . D ie Lust zum Wissen wird bey dem Menschen zu- erst dadurch angeregt, daß er bedeutende Phaͤno- mene gewahr wird, die seine Aufmerksamkeit an sich ziehen. Damit nun diese dauernd bleibe, so muß sich eine innigere Theilnahme finden, die uns nach und nach mit den Gegenstaͤnden bekannter macht. Alsdann bemerken wir erst eine große Mannigfaltigkeit, die uns als Menge entgegendringt. Wir sind genoͤthigt, zu sondern, zu unterscheiden und wieder zusammenzustellen; wodurch zuletzt eine Ordnung entsteht, die sich mit mehr oder weniger Zufriedenheit uͤbersehen laͤßt. Dieses in irgend einem Fache nur einigerma- ßen zu leisten, wird eine anhaltende strenge Be- schaͤftigung noͤthig. Deswegen finden wir, daß die Menschen lieber durch eine allgemeine theoretische Ansicht, durch irgend eine Erklaͤrungsart die Phaͤ- nomene bey Seite bringen, anstatt sich die Muͤhe *** 2 zu geben, das Einzelne kennen zu lernen und ein Ganzes zu erbauen. Der Versuch, die Farbenerscheinungen auf- und zusammenzustellen ist nur zweymal gemacht worden, das erstemal von Theophrast, sodann von Boyle. Dem gegenwaͤrtigen wird man die dritte Stelle nicht streitig machen. Das naͤhere Verhaͤltniß erzaͤhlt uns die Ge- schichte. Hier sagen wir nur so viel, daß in dem verflossenen Jahrhundert an eine solche Zusammen- stellung nicht gedacht werden konnte, weil Newton seiner Hypothese einen verwickelten und abgeleiteten Versuch zum Grund gelegt hatte, auf welchen man die uͤbrigen zudringenden Erscheinungen, wenn man sie nicht verschweigen und beseitigen konnte, kuͤnst- lich bezog und sie in aͤngstlichen Verhaͤltnissen um- herstellte; wie etwa ein Astronom verfahren muͤßte, der aus Grille den Mond in die Mitte unseres Systems setzen moͤchte. Er waͤre genoͤthigt, die Erde, die Sonne mit allen uͤbrigen Planeten um den subalternen Koͤrper herum zu bewegen, und durch kuͤnstliche Berechnungen und Vorstellungs- weisen das Irrige seines ersten Annehmens zu ver- stecken und zu beschoͤnigen. Schreiten wir nun in Erinnerung dessen, was wir oben vorwortlich beygebracht, weiter vor. Dort setzten wir das Licht als anerkannt voraus, hier thun wir ein gleiches mit dem Auge. Wir sagten: die ganze Natur offenbare sich durch die Farbe dem Sinne des Auges. Nunmehr behaup- ten wir, wenn es auch einigermaßen sonderbar klin- gen mag, daß das Auge keine Form sehe, indem Hell, Dunkel und Farbe zusammen allein dasjenige ausmachen, was den Gegenstand vom Gegenstand, die Theile des Gegenstandes von einander, fuͤrs Auge unterscheidet. Und so erbauen wir aus die- sen Dreyen die sichtbare Welt und machen dadurch zugleich die Malerey moͤglich, welche auf der Tafel eine weit vollkommner sichtbare Welt als die wirk- liche seyn kann, hervorzubringen vermag. Das Auge hat sein Daseyn dem Licht zu dan- ken. Aus gleichguͤltigen thierischen Huͤlfsorganen ruft sich das Licht ein Organ hervor, das seines gleichen werde; und so bildet sich das Auge am Lichte fuͤrs Licht, damit das innere Licht dem aͤuße- ren entgegentrete. Hierbey erinnern wir uns der alten ionischen Schule, welche mit so großer Bedeutsamkeit immer wiederholte: nur von Gleichem werde Gleiches erkannt; wie auch der Worte eines alten Mysti- kers, die wir in deutschen Reimen folgendermaßen ausdruͤcken moͤchten: Waͤr’ nicht das Auge sonnenhaft, Wie koͤnnten wir das Licht erblicken? Lebt’ nicht in uns des Gottes eigne Kraft, Wie koͤnnt’ uns Goͤttliches entzuͤcken? Jene unmittelbare Verwandtschaft des Lichtes und des Auges wird niemand laͤugnen, aber sich beyde zugleich als eins und dasselbe zu denken hat mehr Schwierigkeit. Indessen wird es faßlicher, wenn man behauptet, im Auge wohne ein ruhendes Licht, das bey der mindesten Veranlassung von in- nen oder von außen erregt werde. Wir koͤnnen in der Finsterniß durch Forderungen der Einbildungs- kraft uns die hellsten Bilder hervorrufen. Im Traume erscheinen uns die Gegenstaͤnde wie am vollen Tage. Im wachenden Zustande wird uns die leiseste aͤußere Lichteinwirkung bemerkbar; ja wenn das Organ einen mechanischen Anstoß erlei- det, so springen Licht und Farben hervor. Vielleicht aber machen hier diejenigen, welche nach einer gewissen Ordnung zu verfahren pflegen, bemerklich, daß wir ja noch nicht einmal entschieden erklaͤrt, was denn Farbe sey? Dieser Frage moͤch- ten wir gar gern hier abermals ausweichen und uns auf unsere Ausfuͤhrung berufen, wo wir um- staͤndlich gezeigt, wie sie erscheine. Denn es bleibt uns auch hier nichts uͤbrig, als zu wiederholen: die Farbe sey die gesetzmaͤßige Natur in Bezug auf den Sinn des Auges. Auch hier muͤssen wir an- nehmen, daß Jemand diesen Sinn habe, daß Je- mand die Einwirkung der Natur auf diesen Sinn kenne: denn mit dem Blinden laͤßt sich nicht von der Farbe reden. Damit wir aber nicht gar zu aͤngstlich eine Er- klaͤrung zu vermeiden scheinen, so moͤchten wir das erstgesagte folgendermaßen umschreiben. Die Farbe sey ein elementares Naturphaͤnomen fuͤr den Sinn des Auges, das sich, wie die uͤbrigen alle, durch Trennung und Gegensatz, durch Mischung und Vereinigung, durch Erhoͤhung und Neutralisation, durch Mittheilung und Vertheilung und so weiter manifestirt, und unter diesen allgemeinen Natur- formeln am besten angeschaut und begriffen werden kann. Diese Art sich die Sache vorzustellen, koͤnnen wir Niemand aufdringen. Wer sie bequem findet, wie wir, wird sie gern in sich aufnehmen. Eben so wenig haben wir Lust, sie kuͤnftig durch Kampf und Streit zu vertheidigen. Denn es hatte von jeher etwas gefaͤhrliches, von der Farbe zu handeln, dergestalt daß einer unserer Vorgaͤnger gelegentlich gar zu aͤußern wagt: Haͤlt man dem Stier ein ro- thes Tuch vor, so wird er wuͤthend; aber der Phi- losoph, wenn man nur uͤberhaupt von Farbe spricht, faͤngt an zu rasen. Sollen wir jedoch nunmehr von unserem Vor- trag, auf den wir uns berufen, einige Rechenschaft geben, so muͤssen wir vor allen Dingen anzeigen, wie wir die verschiedenen Bedingungen, unter wel- chen die Farbe sich zeigen mag, gesondert. Wir fanden dreyerley Erscheinungsweisen, dreyerley Ar- ten von Farben, oder wenn man lieber will, drey- erley Ansichten derselben, deren Unterschied sich aus- sprechen laͤßt. Wir betrachteten also die Farben zuerst, in so- fern sie dem Auge angehoͤren und auf einer Wir- kung und Gegenwirkung desselben beruhen; ferner zogen sie unsere Aufmerksamkeit an sich, indem wir sie an farblosen Mitteln oder durch deren Beyhuͤlfe gewahrten; zuletzt aber wurden sie uns merkwuͤrdig, indem wir sie als den Gegenstaͤnden angehoͤrig den- ken konnten. Die ersten nannten wir physiologi- sche, die zweyten physische, die dritten chemische Farben. Jene sind unaufhaltsam fluͤchtig, die an- dern voruͤbergehend, aber allenfalls verweilend, die letzten festzuhalten bis zur spaͤtesten Dauer. Indem wir sie nun in solcher naturgemaͤßen Ordnung, zum Behuf eines didaktischen Vortrags, moͤglichst sonderten und aus einander hielten, ge- lang es uns zugleich, sie in einer stetigen Reihe darzustellen, die fluͤchtigen mit den verweilenden und diese wieder mit den dauernden zu verknuͤpfen, und so die erst sorgfaͤltig gezogenen Abtheilungen fuͤr ein hoͤheres Anschauen wieder aufzuheben. Hierauf haben wir in einer vierten Abtheilung unserer Arbeit, was bis dahin von den Farben un- ter mannigfaltigen besondern Bedingungen bemerkt worden, im Allgemeinen ausgesprochen und dadurch eigentlich den Abriß einer kuͤnftigen Farbenlehre entworfen. Gegenwaͤrtig sagen wir nur so viel vor- aus, daß zur Erzeugung der Farbe Licht und Fin- sterniß, Helles und Dunkles, oder, wenn man sich einer allgemeineren Formel bedienen will, Licht und Nichtlicht gefordert werde. Zunaͤchst am Licht ent- steht uns eine Farbe, die wir Gelb nennen, eine andere zunaͤchst an der Finsterniß, die wir mit dem Worte Blau bezeichnen. Diese beyden, wenn wir sie in ihrem reinsten Zustand dergestalt vermischen, daß sie sich voͤllig das Gleichgewicht halten, brin- gen eine Dritte hervor, welche wir Gruͤn heißen. Jene beyden ersten Farben koͤnnen aber auch jede an sich selbst eine neue Erscheinung hervorbringen, indem sie sich verdichten oder verdunkeln. Sie er- halten ein roͤthliches Ansehen, welches sich bis auf einen so hohen Grad steigern kann, daß man das urspruͤngliche Blau und Gelb kaum darin mehr erkennen mag. Doch laͤßt sich das hoͤchste und reine Roth, vorzuͤglich in physischen Faͤllen, dadurch hervorbringen, daß man die beyden Enden des Gelbrothen und Blaurothen vereinigt. Dieses ist die lebendige Ansicht der Farbenerscheinung und Erzeugung. Man kann aber auch zu dem specifi- cirt fertigen Blauen und Gelben ein fertiges Roth annehmen, und ruͤckwaͤrts durch Mischung hervor- bringen, was wir vorwaͤrts durch Intensiren be- wirkt haben. Mit diesen drey oder sechs Farben, welche sich bequem in einen Kreis einschließen las- sen, hat die Elementare Farbenlehre allein zu thun. Alle uͤbrigen ins Unendliche gehenden Abaͤnderun- gen gehoͤren mehr in das Angewandte, gehoͤren zur Technik des Malers, des Faͤrbers, uͤberhaupt ins Leben. Sollen wir sodann noch eine allgemeine Eigen- schaft aussprechen, so sind die Farben durchaus als Halblichter, als Halbschatten anzusehen, wes- halb sie denn auch, wenn sie zusammengemischt ihre specifischen Eigenschaften wechselseitig aufheben, ein Schattiges, ein Graues hervorbringen. In unserer fuͤnften Abtheilung sollten sodann jene nachbarlichen Verhaͤltnisse dargestellt werden, in welchen unsere Farbenlehre mit dem uͤbrigen Wissen, Thun und Treiben zu stehen wuͤnschte. So wichtig diese Abtheilung ist, so mag sie vielleicht gerade eben deswegen nicht zum besten gelungen seyn. Doch wenn man bedenkt, daß eigentlich nachbarliche Ver- haͤltnisse sich nicht eher aussprechen lassen, als bis sie sich gemacht haben, so kann man sich uͤber das Mißlingen eines solchen ersten Versuches wohl troͤ- sten. Denn freylich ist erst abzuwarten, wie diejeni- gen, denen wir zu dienen suchten, denen wir etwas Gefaͤlliges und Nuͤtzliches zu erzeigen dachten, das von uns moͤglichst Geleistete aufnehmen werden, ob sie sich es zueignen, ob sie es benutzen und wei- ter fuͤhren, oder ob sie es ablehnen, wegdraͤngen und nothduͤrftig fuͤr sich bestehen lassen. Indessen duͤrfen wir sagen, was wir glauben und was wir hoffen. Vom Philosophen glauben wir Dank zu ver- dienen, daß wir gesucht die Phaͤnomene bis zu ih- ren Urquellen zu verfolgen, bis dorthin, wo sie blos erscheinen und sind, und wo sich nichts weiter an ihnen erklaͤren laͤßt. Ferner wird ihm willkommen seyn, daß wir die Erscheinungen in eine leicht uͤber- sehbare Ordnung gestellt, wenn er diese Ordnung selbst auch nicht ganz billigen sollte. Den Arzt, besonders denjenigen, der das Or- gan des Auges zu beobachten, es zu erhalten, des- sen Maͤngeln abzuhelfen und dessen Uebel zu heilen berufen ist, glauben wir uns vorzuͤglich zum Freunde zu machen. In der Abtheilung von den physiolo- gischen Farben, in dem Anhange, der die patholo- gischen andeutet, findet er sich ganz zu Hause. Und wir werden gewiß durch die Bemuͤhungen je- ner Maͤnner, die zu unserer Zeit dieses Fach mit Gluͤck behandeln, jene erste, bisher vernachlaͤssigte und man kann wohl sagen wichtigste Abtheilung der Farbenlehre ausfuͤhrlich bearbeitet sehen. Am freundlichsten sollte der Physiker uns ent- gegenkommen, da wir ihm die Bequemlichkeit ver- schaffen, die Lehre von den Farben in der Reihe aller uͤbrigen elementaren Erscheinungen vorzutra- gen und sich dabey einer uͤbereinstimmenden Spra- che, ja fast derselbigen Worte und Zeichen, wie unter den uͤbrigen Rubriken, zu bedienen. Frey- lich machen wir ihm, insofern er Lehrer ist, etwas mehr Muͤhe: denn das Capitel von den Farben laͤßt sich kuͤnftig nicht wie bisher mit wenig Paragraphen und Versuchen abthun; auch wird sich der Schuͤler nicht leicht so frugal, als man ihn sonst bedienen moͤgen, ohne Murren abspeisen lassen. Dagegen findet sich spaͤterhin ein anderer Vortheil. Denn wenn die Newtonische Lehre leicht zu lernen war, so zeigten sich bey ihrer Anwendung unuͤberwindliche Schwierigkeiten. Unsere Lehre ist vielleicht schwerer zu fassen, aber alsdann ist auch alles gethan: denn sie fuͤhrt ihre Anwendung mit sich. Der Chemiker, welcher auf die Farben als Kri- terien achtet, um die geheimern Eigenschaften koͤr- perlicher Wesen zu entdecken, hat bisher bey Be- nennung und Bezeichnung der Farben manches Hin- derniß gefunden; ja man ist nach einer naͤheren und feineren Betrachtung bewogen worden, die Farbe als ein unsicheres und truͤgliches Kennzeichen bey chemischen Operationen anzusehen. Doch hoffen wir sie durch unsere Darstellung und durch die vorge- schlagene Nomenclatur wieder zu Ehren zu bringen, und die Ueberzeugung zu erwecken, daß ein Werden- des, Wachsendes, ein Bewegliches, der Umwen- dung Faͤhiges nicht betruͤglich sey, vielmehr geschickt, die zartesten Wirkungen der Natur zu offenbaren. Blicken wir jedoch weiter umher, so wandelt uns eine Furcht an, dem Mathematiker zu miß- fallen. Durch eine sonderbare Verknuͤpfung von Umstaͤnden ist die Farbenlehre in das Reich, vor den Gerichtsstuhl des Mathematikers gezogen wor- den, wohin sie nicht gehoͤrt. Dieß geschah we- gen ihrer Verwandtschaft mit den uͤbrigen Gesetzen des Sehens, welche der Mathematiker zu behan- deln eigentlich berufen war. Es geschah ferner dadurch, daß ein großer Mathematiker die Far- benlehre bearbeitete, und da er sich als Physiker geirrt hatte, die ganze Kraft seines Talents auf- bot, um diesem Irrthum Consistenz zu verschaffen. Wird beydes eingesehen, so muß jedes Mißver- staͤndniß bald gehoben seyn, und der Mathemati- ker wird gern, besonders die physische Abtheilung der Farbenlehre, mit bearbeiten helfen. Dem Techniker, dem Faͤrber hingegen, muß unsre Arbeit durchaus willkommen seyn. Denn gerade diejenigen, welche uͤber die Phaͤnomene der Faͤrberey nachdachten, waren am wenigsten durch die bisherige Theorie befriedigt. Sie waren die ersten, welche die Unzulaͤnglichkeit der Newtonischen Lehre gewahr wurden. Denn es ist ein großer Un- terschied, von welcher Seite man sich einem Wissen, einer Wissenschaft naͤhert, durch welche Pforte man herein kommt. Der echte Praktiker, der Fabrikant, dem sich die Phaͤnomene taͤglich mit Gewalt auf- dringen, welcher Nutzen oder Schaden von der Ausuͤbung seiner Ueberzeugungen empfindet, dem Geld- und Zeitverlust nicht gleichguͤltig ist, der vorwaͤrts will, von anderen Geleistetes erreichen, uͤbertreffen soll; er empfindet viel geschwinder das Hohle, das Falsche einer Theorie, als der Gelehrte, dem zuletzt die hergebrachten Worte fuͤr baare Muͤn- ze gelten, als der Mathematiker, dessen Formel immer noch richtig bleibt, wenn auch die Unter- lage nicht zu ihr paßt, auf die sie angewendet worden. Und so werden auch wir, da wir von der Seite der Malerey, von der Seite aͤsthetischer Faͤrbung der Oberflaͤchen, in die Farbenlehre her- eingekommen, fuͤr den Maler das Dankenswer- theste geleistet haben, wenn wir in der sechsten Abtheilung die sinnlichen und sittlichen Wirkungen der Farbe zu bestimmen gesucht, und sie dadurch dem Kunstgebrauch annaͤhern wollen. Ist auch hierbey, wie durchaus, manches nur Skitze ge- blieben, so soll ja alles Theoretische eigentlich nur die Grundzuͤge andeuten, auf welchen sich hernach die That lebendig ergehen und zu gesetzlichem Her- vorbringen gelangen mag. Erste Abtheilung. Physiologische Farben . 1. D iese Farben, welche wir billig oben an setzen, weil sie dem Subject, weil sie dem Auge, theils voͤllig, theils groͤßtens zugehoͤren, diese Farben, welche das Funda- ment der ganzen Lehre machen und uns die chromatische Harmonie, woruͤber so viel gestritten wird, offenbaren, wurden bisher als außerwesentlich, zufaͤllig, als Taͤu- schung und Gebrechen betrachtet. Die Erscheinungen der- selben sind von fruͤhern Zeiten her bekannt, aber weil man ihre Fluͤchtigkeit nicht haschen konnte, so verbannte man sie in das Reich der schaͤdlichen Gespenster und be- zeichnete sie in diesem Sinne gar verschiedentlich. 2. Also heißen sie colores adventicii nach Boyle, ima- ginarii und phantastici nach Rizetti, nach Buͤffon cou- leurs accidentelles , nach Scherfer Scheinfarben; Au- gentaͤuschungen und Gesichtsbetrug nach mehreren, nach Hamberger vitia fugitiva, nach Darwin ocular spectra. I. 1 3. Wir haben sie physiologische genannt, weil sie dem gesunden Auge angehoͤren, weil wir sie als die nothwen- digen Bedingungen des Sehens betrachten, auf dessen lebendiges Wechselwirken in sich selbst und nach außen sie hindeuten. 4. Wir fuͤgen ihnen sogleich die pathologischen hinzu, welche, wie jeder abnorme Zustand auf den gesetzlichen, so auch hier auf die physiologischen Farben eine vollkom- menere Einsicht verbreiten. I. Licht und Finsterniß zum Auge . 5. Die Retina befindet sich, je nachdem Licht oder Fin- sterniß auf sie wirken, in zwey verschiedenen Zustaͤnden, die einander voͤllig entgegenstehen. 6. Wenn wir die Augen innerhalb eines ganz finstern Raums offen halten, so wird uns ein gewisser Mangel empfindbar. Das Organ ist sich selbst uͤberlassen, es zieht sich in sich selbst zuruͤck, ihm fehlt jene reizende be- friedigende Beruͤhrung, durch die es mit der aͤußern Welt verbunden und zum Ganzen wird. 7. Wenden wir das Auge gegen eine stark beleuchtete weiße Flaͤche, so wird es geblendet und fuͤr eine Zeit lang unfaͤhig, maͤßig beleuchtete Gegenstaͤnde zu unterscheiden. 8. Jeder dieser aͤußersten Zustaͤnde nimmt auf die ange- gebene Weise die ganze Netzhaut ein, und in so fern wer- den wir nur einen derselben auf einmal gewahr. Dort (6) fanden wir das Organ in der hoͤchsten Abspannung und Empfaͤnglichkeit, hier (7) in der aͤußersten Ueberspan- nung und Unempfindlichkeit. 9. Gehen wir schnell aus einem dieser Zustaͤnde in den andern uͤber, wenn auch nicht von einer aͤußersten Graͤn- ze zur andern, sondern etwa nur aus dem Hellen ins Daͤm- mernde; so ist der Unterschied bedeutend und wir koͤnnen bemerken, daß die Zustaͤnde eine Zeit lang dauern. 10. Wer aus der Tageshelle in einen daͤmmrigen Ort uͤbergeht, unterscheidet nichts in der ersten Zeit, nach und nach stellen sich die Augen zur Empfaͤnglichkeit wieder her, starke fruͤher als schwache, jene schon in einer Minute, wenn diese sieben bis acht Minuten brauchen. 1 * 11. Bey wissenschaftlichen Beobachtungen kann die Unem- pfaͤnglichkeit des Auges fuͤr schwache Lichteindruͤcke, wenn man aus dem Hellen ins Dunkle geht, zu sonderbaren Irrthuͤmern Gelegenheit geben. So glaubte ein Beobach- ter, dessen Auge sich langsam herstellte, eine ganze Zeit, das faule Holz leuchte nicht um Mittag, selbst in der dun- keln Kammer. Er sah naͤmlich das schwache Leuchten nicht, weil er aus dem hellen Sonnenschein in die dunkle Kammer zu gehen pflegte und erst spaͤter einmal so lange darin verweilte, bis sich das Auge wieder hergestellt hatte. Eben so mag es dem Doctor Wall mit dem electri- schen Scheine des Bernsteins gegangen seyn, den er bey Tage, selbst im dunkeln Zimmer, kaum gewahr werden konnte. Das Nichtsehen der Sterne bey Tage, das Besser- sehen der Gemaͤlde durch eine doppelte Roͤhre ist auch hieher zu rechnen. 12. Wer einen voͤllig dunkeln Ort mit einem, den die Sonne bescheint, verwechselt, wird geblendet. Wer aus der Daͤmmrung ins nicht blendende Helle kommt, bemerkt alle Gegenstaͤnde frischer und besser; daher ein ausgeruh- tes Auge durchaus fuͤr maͤßige Erscheinungen empfaͤngli- cher ist. Bey Gefangenen, welche lange im Finstern gesessen, ist die Empfaͤnglichkeit der Retina so groß, daß sie im Finstern (wahrscheinlich in einem wenig erhellten Dun- kel) schon Gegenstaͤnde unterscheiden. 13. Die Netzhaut befindet sich bey dem, was wir sehen heißen, zu gleicher Zeit in verschiedenen, ja in entgegen- gesetzten Zustaͤnden. Das hoͤchste nicht blendende Helle wirkt neben dem voͤllig Dunkeln. Zugleich werden wir alle Mittelstufen des Helldunkeln und alle Farbenbestim- mungen gewahr. 14. Wir wollen gedachte Elemente der sichtbaren Welt nach und nach betrachten und bemerken, wie sich das Organ gegen dieselben verhalte, und zu diesem Zweck die einfachsten Bilder vornehmen. II. Schwarze und weiße Bilder zum Auge . 15. Wie sich die Netzhaut gegen Hell und Dunkel uͤber- haupt verhaͤlt, so verhaͤlt sie sich auch gegen dunkle und helle einzelne Gegenstaͤnde. Wenn Licht und Finsterniß ihr im Ganzen verschiedene Stimmungen geben; so wer- den schwarze und weiße Bilder, die zu gleicher Zeit ins Auge fallen, diejenigen Zustaͤnde neben einander bewirken, welche durch Licht und Finsterniß in einer Folge hervor- gebracht wurden. 16. Ein dunkler Gegenstand erscheint kleiner, als ein hel- ler von derselben Groͤße. Man sehe zugleich eine weiße Rundung auf schwarzem, eine schwarze auf weißem Grunde, welche nach einerley Zirkelschlag ausgeschnitten sind, in einiger Entfernung an, und wir werden die letztere etwa um ein Fuͤnftel kleiner, als die erste halten. Man mache das schwarze Bild um soviel groͤßer, und sie werden gleich erscheinen. 17. So bemerkte Tycho de Brahe, daß der Mond in der Conjunction (der finstere) um den fuͤnften Theil klei- ner erscheine, als in der Opposition (der volle helle). Die erste Mondsichel scheint einer groͤßern Scheibe anzu- gehoͤren, als der an sie graͤnzenden dunkeln, die man zur Zeit des Neulichtes manchmal unterscheiden kann. Schwarze Kleider machen die Personen viel schmaͤler aus- sehen, als helle. Hinter einem Rand gesehene Lichter machen in den Rand einen scheinbaren Einschnitt. Ein Lineal, hinter welchem ein Kerzenlicht hervorblickt, hat fuͤr uns eine Scharte. Die auf- und untergehende Son- ne scheint einen Einschnitt in den Horizont zu machen. 18. Das Schwarze, als Repraͤsentant der Finsterniß, laͤßt das Organ im Zustande der Ruhe, das Weiße, als Stellvertreter des Lichts, versetzt es in Thaͤtigkeit. Man schloͤsse vielleicht aus gedachtem Phaͤnomen (16), daß die ruhige Netzhaut, wenn sie sich selbst uͤberlassen ist, in sich selbst zusammengezogen sey, und einen kleinern Raum einnehme, als in dem Zustande der Thaͤtigkeit, in den sie durch den Reiz des Lichtes versetzt wird. Kepler sagt daher sehr schoͤn: certum est vel in re- tina caussâ picturae, vel in spiritibus caussâ impres- sionis exsistere dilatationem lucidorum. Paralip. in Vitellionem p. 220. Pater Scherfer hat eine aͤhnliche Muthmaßung. 19. Wie dem auch sey, beyde Zustaͤnde, zu welchen das Organ durch ein solches Bild bestimmt wird, bestehen auf demselben oͤrtlich, und dauern eine Zeit lang fort, wenn auch schon der aͤußre Anlaß entfernt ist. Im gemeinen Leben bemerken wir es kaum: denn selten kommen Bilder vor, die sehr stark von einander abstechen. Wir vermei- den diejenigen anzusehn, die uns blenden. Wir blicken von einem Gegenstand auf den andern, die Succession der Bilder scheint uns rein, wir werden nicht gewahr, daß sich von dem vorhergehenden etwas ins nachfolgende hinuͤberschleicht. 20. Wer auf ein Fensterkreuz, das einen daͤmmernden Himmel zum Hintergrunde hat, morgens beym Erwa- chen, wenn das Auge besonders empfaͤnglich ist, scharf hinblickt und sodann die Augen schließt, oder gegen einen ganz dunkeln Ort hinsieht, wird ein schwarzes Kreuz auf hellem Grunde noch eine Weile vor sich sehen. 21. Jedes Bild nimmt seinen bestimmten Platz auf der Netzhaut ein, und zwar einen groͤßern oder kleinern, nach dem Maße, in welchem es nahe oder fern gesehen wird. Schließen wir das Auge sogleich, wenn wir in die Son- ne gesehen haben; so werden wir uns wundern, wie klein das zuruͤckgebliebene Bild erscheint. 22. Kehren wir dagegen das geoͤffnete Auge nach einer Wand, und betrachten das uns vorschwebende Gespenst in Bezug auf andre Gegenstaͤnde; so werden wir es im- mer groͤßer erblicken, je weiter von uns es durch irgend eine Flaͤche aufgefangen wird. Dieses Phaͤnomen erklaͤrt sich wohl aus dem perspectivischen Gesetz, daß uns der kleine naͤhere Gegenstand den groͤßern entfernten zudeckt. 23. Nach Beschaffenheit der Augen ist die Dauer dieses Eindrucks verschieden. Sie verhaͤlt sich wie die Herstel- lung der Netzhaut bey dem Uebergang aus dem Hellen ins Dunkle (10), und kann also nach Minuten und Se- cunden abgemessen werden, und zwar viel genauer, als es bisher durch eine geschwungene, brennende Lunte, die dem hinblickenden Auge als ein Zirkel erscheint, gesche- hen konnte. 24. Besonders auch kommt die Energie in Betracht, wo- mit eine Lichtwirkung das Auge trifft. Am laͤngsten bleibt das Bild der Sonne, andre mehr oder weniger leuchtende Koͤrper lassen ihre Spur laͤnger oder kuͤrzer zuruͤck. 25. Diese Bilder verschwinden nach und nach, und zwar indem sie sowohl an Deutlichkeit als an Groͤße verlieren. 26. Sie nehmen von der Peripherie herein ab, und man glaubt bemerkt zu haben, daß bey viereckten Bildern sich nach und nach die Ecken abstumpfen, und zuletzt ein im- mer kleineres rundes Bild vorschwebt. 27. Ein solches Bild, dessen Eindruck nicht mehr be- merklich ist, laͤßt sich auf der Retina gleichsam wieder beleben, wenn wir die Augen oͤffnen und schließen und mit Erregung und Schonung abwechseln. 28. Daß Bilder sich bey Augenkrankheiten vierzehn bis siebzehn Minuten, ja laͤnger auf der Retina erhielten, deutet auf aͤußerste Schwaͤche des Organs, auf dessen Un- faͤhigkeit sich wieder herzustellen, so wie das Vorschwe- ben leidenschaftlich geliebter oder verhaßter Gegenstaͤnde aus dem Sinnlichen ins Geistige deutet. 29. Blickt man, indessen der Eindruck obgedachten Fen- sterbildes noch dauert, nach einer hellgrauen Flaͤche, so erscheint das Kreuz hell und der Scheibenraum dunkel. In jenem Falle (20) blieb der Zustand sich selbst gleich, so daß auch der Eindruck identisch verharren konnte; hier aber wird eine Umkehrung bewirkt, die unsere Aufmerk- samkeit aufregt und von der uns die Beobachter mehrere Faͤlle uͤberliefert haben. 30. Die Gelehrten, welche auf den Cordilleras ihre Be- obachtungen anstellten, sahen um den Schatten ihrer Koͤp- fe, der auf Wolken fiel, einen hellen Schein. Dieser Fall gehoͤrt wohl hieher: denn indem sie das dunkle Bild des Schattens fixirten und sich zugleich von der Stelle bewegten, so schien ihnen das geforderte helle Bild um das dunkle zu schweben. Man betrachte ein schwarzes Rund auf einer hellgrauen Flaͤche, so wird man bald, wenn man die Richtung des Blicks im ge- ringsten veraͤndert, einen hellen Schein um das dunkle Rund schweben sehen. Auch mir ist ein Aehnliches begegnet. Indem ich naͤmlich auf dem Felde sitzend mit einem Manne sprach, der, in einiger Entfernung vor mir stehend, einen grauen Himmel zum Hintergrund hatte, so erschien mir, nach- dem ich ihn lange scharf und unverwandt angesehen, als ich den Blick ein wenig gewendet, sein Kopf von einem blendenden Schein umgeben. Wahrscheinlich gehoͤrt hieher auch das Phaͤnomen, daß Personen, die bey Aufgang der Sonne an feuchten Wiesen hergehen, einen Schein um ihr Haupt erbli- cken, der zugleich farbig seyn mag, weil sich von den Phaͤ- nomenen der Refraction etwas einmischt. So hat man auch um die Schatten der Luftballone, welche auf Wolken fielen, helle und einigermaßen ge- faͤrbte Kreise bemerken wollen. Pater Beccaria stellte einige Versuche an uͤber die Wetterelectricitaͤt, wobey er den papiernen Drachen in die Hoͤhe steigen ließ. Es zeigte sich um diese Maschine ein kleines glaͤnzendes Woͤlkchen von abwechselnder Groͤße, ja auch um einen Theil der Schnur. Es verschwand zuwei- len, und wenn der Drache sich schneller bewegte, schien es auf dem vorigen Platze einige Augenblicke hin und wie- der zu schweben. Diese Erscheinung, welche die dama- ligen Beobachter nicht erklaͤren konnten, war das im Au- ge zuruͤckgebliebene, gegen den hellen Himmel in ein hel- les verwandelte Bild des dunkeln Drachen. Bey optischen, besonders chromatischen Versuchen, wo man oft mit blendenden Lichtern, sie seyen farblos oder farbig, zu thun hat, muß man sich sehr vorsehen, daß nicht das zuruͤckgebliebene Spectrum einer vorherge- henden Beobachtung sich mit in eine folgende Beobach- tung mische und dieselbe verwirrt und unrein mache. 31. Diese Erscheinungen hat man sich folgendermaßen zu erklaͤren gesucht. Der Ort der Retina, auf welchen das Bild des dunklen Kreuzes fiel, ist als ausgeruht und empfaͤnglich anzusehen. Auf ihn wirkt die maͤßig erhellte Flaͤche lebhafter, als auf die uͤbrigen Theile der Netzhaut, welche durch die Fensterscheiben das Licht em- pfingen, und nachdem sie durch einen so viel staͤrkern Reiz in Thaͤtigkeit gesetzt worden, die graue Flaͤche nur als dunkel gewahr werden. 32. Diese Erklaͤrungsart scheint fuͤr den gegenwaͤrtigen Fall ziemlich hinreichend; in Betrachtung kuͤnftiger Er- scheinungen aber sind wir genoͤthigt das Phaͤnomen aus hoͤhern Quellen abzuleiten. 33. Das Auge eines Wachenden aͤußert seine Leben- digkeit besonders darin, daß es durchaus in seinen Zu- staͤnden abzuwechseln verlangt, die sich am einfachsten vom Dunkeln zum Hellen und umgekehrt bewegen. Das Auge kann und mag nicht einen Moment in einem beson- dern, in einem durch das Object specificirten Zustande identisch verharren. Es ist vielmehr zu einer Art von Opposition genoͤthigt, die, indem sie das Extrem dem Extreme, das Mittlere dem Mittleren entgegensetzt, sogleich das Entgegengesetzte verbindet, und in der Suc- cession sowohl als in der Gleichzeitigkeit und Gleichoͤrt- lichkeit nach einem Ganzen strebt. 34. Vielleicht entsteht das außerordentliche Behagen, das wir bey dem wohlbehandelten Helldunkel farbloser Ge- maͤlde und aͤhnlicher Kunstwerke empfinden, vorzuͤglich aus dem gleichzeitigen Gewahrwerden eines Ganzen, das von dem Organ sonst nur in einer Folge mehr gesucht, als hervorgebracht wird, und wie es auch gelingen moͤge, niemals festgehalten werden kann. III. Graue Flaͤchen und Bilder . 35. Ein großer Theil chromatischer Versuche verlangt ein maͤßiges Licht. Dieses koͤnnen wir sogleich durch mehr oder minder graue Flaͤchen bewirken, und wir ha- ben uns daher mit dem Grauen zeitig bekannt zu machen, wobey wir kaum zu bemerken brauchen, daß in manchen Faͤllen eine im Schatten oder in der Daͤmmerung ste- hende weiße Flaͤche fuͤr eine graue gelten kann. 36. Da eine graue Flaͤche zwischen hell und dunkel innen steht, so laͤßt sich das, was wir oben (29) als Phaͤ- nomen vorgetragen, zum bequemen Versuch erheben. 37. Man halte ein schwarzes Bild vor eine graue Flaͤche und sehe unverwandt, indem es weggenommen wird, auf denselben Fleck; der Raum, den es einnahm, erscheint um vieles heller. Man halte auf eben diese Art ein wei- ßes Bild hin, und der Raum wird nachher dunkler als die uͤbrige Flaͤche erscheinen. Man verwende das Auge auf der Tafel hin und wieder; so werden in beyden Faͤl- len die Bilder sich gleichfalls hin und her bewegen. 38. Ein graues Bild auf schwarzem Grunde erscheint viel heller, als dasselbe Bild auf weißem. Stellt man beyde Faͤlle neben einander, so kann man sich kaum uͤber- zeugen, daß beyde Bilder aus Einem Topf gefaͤrbt seyen. Wir glauben hier abermals die große Regsamkeit der Netzhaut zu bemerken und den stillen Widerspruch, den jedes Lebendige zu aͤußern gedrungen ist, wenn ihm irgend ein bestimmter Zustand dargeboten wird. So setzt das Einathmen schon das Ausathmen voraus und umgekehrt; so jede Systole ihre Diastole. Es ist die ewige Formel des Lebens, die sich auch hier aͤußert. Wie dem Auge das Dunkle geboten wird, so fordert es das Helle; es fordert Dunkel, wenn man ihm Hell entgegenbringt und zeigt eben dadurch seine Lebendigkeit, sein Recht das Object zu fassen, indem es etwas, das dem Object ent- gegengesetzt ist, aus sich selbst hervorbringt. IV. Blendendes farbloses Bild . 39. Wenn man ein blendendes voͤllig farbloses Bild an- sieht, so macht solches einen starken dauernden Eindruck, und das Abklingen desselben ist von einer Farbenerschei- nung begleitet. 40. In einem Zimmer, das moͤglichst verdunkelt worden, habe man im Laden eine runde Oeffnung, etwa drey Zoll im Durchmesser, die man nach Belieben auf- und zude- cken kann; durch selbige lasse man die Sonne auf ein weißes Papier scheinen und sehe in einiger Entfernung starr das erleuchtete Rund an; man schließe darauf die Oeff- nung und blicke nach dem dunkelsten Orte des Zimmers; so wird man eine runde Erscheinung vor sich schweben se- hen. Die Mitte des Kreises wird man hell, farblos, einigermaßen gelb sehen, der Rand aber wird sogleich purpurfarben erscheinen. Es dauert eine Zeit lang, bis diese Purpurfarbe von außen herein den ganzen Kreis zudeckt, und endlich den hellen Mittelpunct voͤllig vertreibt. Kaum erscheint aber das ganze Rund purpurfarben, so faͤngt der Rand an blau zu werden, das Blaue verdraͤngt nach und nach hereinwaͤrts den Purpur. Ist die Erscheinung vollkom- men blau, so wird der Rand dunkel und unfaͤrbig. Es waͤhret lange, bis der unfaͤrbige Rand voͤllig das Blaue vertreibt und der ganze Raum unfaͤrbig wird. Das Bild nimmt sodann nach und nach ab und zwar dergestalt, daß es zugleich schwaͤcher und kleiner wird. Hier sehen wir abermals, wie sich die Netzhaut, durch eine Succession von Schwingungen, gegen den gewaltsamen aͤußern Ein- druck nach und nach wieder herstellt. (25. 26.) 41. Die Verhaͤltnisse des Zeitmaßes dieser Erscheinung habe ich an meinem Auge, bey mehrern Versuchen uͤber- einstimmend, folgendermaßen gefunden. Auf das blendende Bild hatte ich fuͤnf Secunden ge- sehen, darauf den Schieber geschlossen; da erblickt’ ich das farbige Scheinbild schwebend, und nach dreyzehn Secunden erschien es ganz purpurfarben. Nun vergingen wieder neun und zwanzig Secunden, bis das Ganze blau erschien, und acht und vierzig, bis es mir farblos vor- schwebte. Durch Schließen und Oeffnen des Auges be- lebte ich das Bild immer wieder (27), so daß es sich erst nach Verlauf von sieben Minuten ganz verlor. Kuͤnftige Beobachter werden diese Zeiten kuͤrzer oder laͤnger finden, je nachdem sie staͤrkere oder schwaͤchere Au- gen haben (23). Sehr merkwuͤrdig aber waͤre es, wenn man demungeachtet durchaus ein gewisses Zahlenverhaͤlt- niß dabey entdecken koͤnnte. 42. Aber dieses sonderbare Phaͤnomen erregt nicht sobald unsre Aufmerksamkeit, als wir schon eine neue Modifica- tion desselben gewahr werden. Haben wir, wie oben gedacht, den Lichteindruck im Auge aufgenommen und sehen in einem maͤßig erleuchte- ten Zimmer auf einen hellgrauen Gegenstand; so schwebt abermals ein Phaͤnomen vor uns, aber ein dunkles, das sich nach und nach von außen mit einem gruͤnen Ran- de einfaßt, welcher eben so, wie vorher der purpurne Rand, sich uͤber das ganze Rund hineinwaͤrts verbreitet. Ist dieses geschehen, so sieht man nunmehr ein schmutzi- ges Gelb, das, wie in dem vorigen Versuche das Blau, die Scheibe ausfuͤllt und zuletzt von einer Unfarbe ver- schlungen wird. 43. Diese beyden Versuche lassen sich combiniren, wenn man in einem maͤßig hellen Zimmer eine schwarze und weiße Tafel neben einander hinsetzt und, so lange das Auge den Lichteindruck behaͤlt, bald auf die weiße, bald auf die schwarze Tafel scharf hinblickt. Man wird als- dann im Anfange bald ein purpurnes, bald ein gruͤnes Phaͤ- nomen und so weiter das uͤbrige gewahr werden. Ja, wenn man sich geuͤbt hat, so lassen sich, indem man das schwe- bende Phaͤnomen dahin bringt, wo die zwey Tafeln an einander stoßen, die beyden entgegengesetzten Farben zu- gleich erblicken; welches um so bequemer geschehen kann, als die Tafeln entfernter stehen, indem das Spectrum alsdann groͤßer erscheint. 44. Ich befand mich gegen Abend in einer Eisenschmie- de, als eben die gluͤhende Masse unter den Hammer gebracht wurde. Ich hatte scharf darauf gesehen, wen- dete mich um und blickte zufaͤllig in einen offenstehenden Kohlenschoppen. Ein ungeheures purpurfarbnes Bild schwebte nun vor meinen Augen, und als ich den Blick von der dunkeln Oeffnung weg, nach dem hellen Bret- terverschlag wendete, so erschien mir das Phaͤnomen halb gruͤn, halb purpurfarben, je nachdem es einen dunklern oder hellern Grund hinter sich hatte. Auf das Abklingen dieser Erscheinung merkte ich damals nicht. 45. Wie das Abklingen eines umschriebenen Glanzbil- des verhaͤlt sich auch das Abklingen einer totalen Blen- I. 2 dung der Retina. Die Purpurfarbe, welche die vom Schnee Geblendeten erblicken, gehoͤrt hieher, so wie die ungemein schoͤne gruͤne Farbe dunkler Gegenstaͤnde, nach- dem man auf ein weißes Papier in der Sonne lange hingesehen. Wie es sich naͤher damit verhalte, werden diejenigen kuͤnftig untersuchen, deren jugendliche Augen, um der Wissenschaft willen, noch etwas auszustehen faͤhig sind. 46. Hieher gehoͤren gleichfalls die schwarzen Buchsta- ben, die im Abendlichte roth erscheinen. Vielleicht ge- hoͤrt auch die Geschichte hieher, daß sich Blutstropfen auf dem Tische zeigten, an den sich Heinrich der Vierte von Frankreich mit dem Herzog von Guise, um Wuͤr- fel zu spielen, gesetzt hatte. V. Farbige Bilder . 47. Wir wurden die physiologischen Farben zuerst beym Abklingen farbloser blendender Bilder, so wie auch bey abklingenden allgemeinen farblosen Blendungen gewahr. Nun finden wir analoge Erscheinungen, wenn dem Au- ge eine schon specificirte Farbe geboten wird, wobey uns alles, was wir bisher erfahren haben, immer ge- genwaͤrtig bleiben muß. 48. Wie von den farblosen Bildern, so bleibt auch von den farbigen der Eindruck im Auge, nur daß uns die zur Opposition aufgeforderte, und durch den Gegen- satz eine Totalitaͤt hervorbringende Lebendigkeit der Netzhaut anschaulicher wird. 49. Man halte ein kleines Stuͤck lebhaft farbigen Pa- piers, oder seidnen Zeuges, vor eine maͤßig erleuchtete weiße Tafel, schaue unverwandt auf die kleine farbige Flaͤche und hebe sie, ohne das Auge zu verruͤcken, nach einiger Zeit hinweg; so wird das Spectrum einer an- dern Farbe auf der weißen Tafel zu sehen seyn. Man kann auch das farbige Papier an seinem Orte lassen, und mit dem Auge auf einen andern Fleck der weißen Tafel hinblicken; so wird jene farbige Erscheinung sich auch dort sehen lassen: denn sie entspringt aus einem Bilde, das nunmehr dem Auge angehoͤrt. 50. Um in der Kuͤrze zu bemerken, welche Farben denn eigentlich durch diesen Gegensatz hervorgerufen werden, bediene man sich des illuminirten Farbenkrei- ses unserer Tafeln, der uͤberhaupt naturgemaͤß einge- richtet ist, und auch hier seine guten Dienste leistet, indem die in demselben diametral einander entgegenge- setzten Farben diejenigen sind, welche sich im Auge wechselsweise fordern. So fordert Gelb das Violette, Orange das Blaue, Purpur das Gruͤne, und umgekehrt. 2 * So fordern sich alle Abstufungen wechselsweise, die einfachere Farbe fordert die zusammengesetztere, und um- gekehrt. 51. Oefter, als wir denken, kommen uns die hieher ge- hoͤrigen Faͤlle im gemeinen Leben vor, ja der Aufmerk- same sieht diese Erscheinungen uͤberall, da sie hingegen von dem ununterrichteten Theil der Menschen, wie von unsern Vorfahren, als fluͤchtige Fehler angesehen wer- den, ja manchmal gar, als waͤren es Vorbedeutungen von Augenkrankheiten, sorgliches Nachdenken erregen. Einige bedeutende Faͤlle moͤgen hier Platz nehmen. 52. Als ich gegen Abend in ein Wirthshaus eintrat und ein wohlgewachsenes Maͤdchen mit blendendweißem Gesicht, schwarzen Haaren und einem scharlachrothen Mieder zu mir ins Zimmer trat, blickte ich sie, die in einiger Entfernung vor mir stand, in der Halbdaͤmme- rung scharf an. Indem sie sich nun darauf hinwegbe- wegte, sah ich auf der mir entgegenstehenden weißen Wand ein schwarzes Gesicht, mit einem hellen Schein umgeben, und die uͤbrige Bekleidung der voͤllig deutli- chen Figur erschien von einem schoͤnen Meergruͤn. 53. Unter dem optischen Apparat befinden sich Brust- bilder von Farben und Schattirungen, denen entgegengesetzt, welche die Natur zeigt, und man will, wenn man sie eine Zeit lang angeschaut, die Scheingestalt alsdann ziemlich natuͤrlich gesehen haben. Die Sache ist an sich selbst richtig und der Erfahrung gemaͤß: denn in obigem Falle haͤtte mir eine Mohrin mit weißer Binde, ein weißes Gesicht schwarz umgeben hervorgebracht; nur will es bey jenen gewoͤhnlich klein gemalten Bildern nicht Jedermann gluͤcken, die Thei- le der Scheinfigur gewahr zu werden. 54. Ein Phaͤnomen, das schon fruͤher bey den Natur- forschern Aufmerksamkeit erregt, laͤßt sich, wie ich uͤber- zeugt bin, auch aus diesen Erscheinungen ableiten. Man erzaͤhlt, daß gewisse Blumen im Sommer bey Abendzeit gleichsam blitzen, phosphoresciren oder ein augenblickliches Licht ausstroͤmen. Einige Beobach- ter geben diese Erfahrungen genauer an. Dieses Phaͤnomen selbst zu sehen hatte ich mich oft bemuͤht, ja sogar, um es hervorzubringen, kuͤnstliche Versuche angestellt. Am 19. Jun. 1799, als ich zu spaͤter Abendzeit, bey der in eine klare Nacht uͤbergehenden Daͤmmerung, mit einem Freunde im Garten auf- und abging, be- merkten wir sehr deutlich an den Blumen des orienta- lischen Mohns, die vor allen andern eine sehr maͤchtig rothe Farbe haben, etwas flammenaͤhnliches, das sich in ihrer Naͤhe zeigte. Wir stellten uns vor die Stau- den hin, sahen aufmerksam darauf, konnten aber nichts weiter bemerken, bis uns endlich, bey abermaligem Hin- und Wiedergehen, gelang, indem wir seitwaͤrts dar- auf blickten, die Erscheinung so oft zu wiederholen, als uns beliebte. Es zeigte sich, daß es ein physiologisches Farbenphaͤnomen, und der scheinbare Blitz eigentlich das Scheinbild der Blume, in der geforderten blaugruͤ- nen Farbe sey. Wenn man eine Blume gerad ansieht, so kommt die Erscheinung nicht hervor; doch muͤßte es auch ge- schehen, sobald man mit dem Blick wankte. Schielt man aber mit dem Augenwinkel hin, so entsteht eine momentane Doppelerscheinung, bey welcher das Schein- bild gleich neben und an dem wahren Bilde erblickt wird. Die Daͤmmerung ist Ursache, daß das Auge voͤllig ausgeruht und empfaͤnglich ist, und die Farbe des Mohns ist maͤchtig genug, bey einer Sommerdaͤmme- rung der laͤngsten Tage, noch vollkommen zu wirken und ein gefordertes Bild hervorzurufen. Ich bin uͤberzeugt, daß man diese Erscheinung zum Versuche erheben und den gleichen Effect durch Papier- blumen hervorbringen koͤnnte. Will man indessen sich auf die Erfahrung in der Natur vorbereiten, so gewoͤhne man sich, indem man durch den Garten geht, die farbigen Blumen scharf an- zusehen und sogleich auf den Sandweg hinzublicken; man wird diesen alsdann mit Flecken der entgegenge- setzten Farbe bestreut sehen. Diese Erfahrung gluͤckt bey bedecktem Himmel, aber auch selbst beym hellsten Sonnenschein, der, indem er die Farbe der Blume er- hoͤht, sie faͤhig macht die geforderte Farbe maͤchtig genug hervorzubringen, daß sie selbst bey einem blendenden Lichte noch bemerkt werden kann. So bringen die Paͤo- nien schoͤn gruͤne, die Calendeln lebhaft blaue Spec- tra hervor. 55. So wie bey den Versuchen mit farbigen Bildern auf einzelnen Theilen der Retina ein Farbenwechsel ge- setzmaͤßig entsteht, so geschieht dasselbe, wenn die ganze Netzhaut von Einer Farbe afficirt wird. Hievon koͤn- nen wir uns uͤberzeugen, wenn wir farbige Glasschei- ben vors Auge nehmen. Man blicke eine Zeit lang durch eine blaue Scheibe, so wird die Welt nachher dem befreyten Auge, wie von der Sonne erleuchtet er- scheinen, wenn auch gleich der Tag grau und die Ge- gend herbstlich farblos waͤre. Eben so sehen wir, in- dem wir eine gruͤne Brille weglegen, die Gegenstaͤnde mit einem roͤthlichen Schein uͤberglaͤnzt. Ich sollte da- her glauben, daß es nicht wohlgethan sey, zu Scho- nung der Augen sich gruͤner Glaͤser, oder gruͤnen Pa- piers zu bedienen, weil jede Farbspecification dem Au- ge Gewalt anthut, und das Organ zur Opposition noͤ- thigt. 56. Haben wir bisher die entgegengesetzten Farben sich einander successiv auf der Retina fordern sehen; so bleibt uns noch uͤbrig zu erfahren, daß diese gesetzliche Forderung auch simultan bestehen koͤnne. Malt sich auf einem Theile der Netzhaut ein farbiges Bild, so findet sich der uͤbrige Theil sogleich in einer Disposition, die bemerkten correspondirenden Farben hervorzubringen. Setzt man obige Versuche fort, und blickt z. B. vor einer weißen Flaͤche auf ein gelbes Stuͤck Papier; so ist der uͤbrige Theil des Auges schon disponiert, auf gedachter farbloser Flaͤche das Violette hervorzubringen. Allein das wenige Gelbe ist nicht maͤchtig genug jene Wirkung deutlich zu leisten. Bringt man aber auf ei- ne gelbe Wand weiße Papiere, so wird man sie mit einem violetten Ton uͤberzogen sehen. 57. Ob man gleich mit allen Farben diese Versuche anstellen kann, so sind doch besonders dazu Gruͤn und Purpur zu empfehlen, weil diese Farben einander auf- fallend hervorrufen. Auch im Leben begegnen uns die- se Faͤlle haͤufig. Blickt ein gruͤnes Papier durch ge- streiften oder gebluͤmten Musselin hindurch, so werden die Streifen oder Blumen roͤthlich erscheinen. Durch gruͤne Schaltern ein graues Haus gesehen, erscheint gleichfalls roͤthlich. Die Purpurfarbe an dem beweg- ten Meer ist auch eine geforderte Farbe. Der beleuch- tete Theil der Wellen erscheint gruͤn in seiner eigenen Farbe, und der beschattete in der entgegengesetzten pur- purnen. Die verschiedene Richtung der Wellen gegen das Auge bringt eben die Wirkung hervor. Durch ei- ne Oeffnung rother oder gruͤner Vorhaͤnge erscheinen die Gegenstaͤnde draußen mit der geforderten Farbe. Uebrigens werden sich diese Erscheinungen dem Auf- merksamen uͤberall, ja bis zur Unbequemlichkeit zeigen. 58. Haben wir das Simultane dieser Wirkungen bisher in den directen Faͤllen kennen gelernt; so koͤnnen wir solche auch in den umgekehrten bemerken. Nimmt man ein sehr lebhaft orange gefaͤrbtes Stuͤckchen Papier vor die weiße Flaͤche, so wird man, wenn man es scharf ansieht, das auf der uͤbrigen Flaͤche geforderte Blau schwerlich gewahr werden. Nimmt man aber das oran- ge Papier weg, und erscheint an dessen Platz das blaue Scheinbild; so wird sich in dem Augenblick, da dieses voͤllig wirksam ist, die uͤbrige Flaͤche, wie in einer Art von Wetterleuchten, mit einem roͤthlich gelben Schein uͤberziehen, und wird dem Beobachter die productive Forderung dieser Gesetzlichkeit zum lebhaften Anschauen bringen. 59. Wie die geforderten Farben, da wo sie nicht sind, neben und nach der fordernden leicht erscheinen; so werden sie erhoͤht, da wo sie sind. In einem Hofe, der mit grauen Kalksteinen gepflastert und mit Gras durchwachsen war, erschien das Gras von einer unend- lich schoͤnen Gruͤne, als Abendwolken einen roͤthlichen kaum bemerklichen Schein auf das Pflaster warfen. Im umgekehrten Falle sieht derjenige, der bey einer mittleren Helle des Himmels auf Wiesen wandelt, und nichts als Gruͤn vor sich sieht, oͤfters die Baumstaͤmme und Wege mit einem roͤthlichen Scheine leuchten. Bey Landschaftmahlern, besonders denjenigen, die mit Aqua- rellfarben arbeiten, kommt dieser Ton oͤfters vor. Wahr- scheinlich sehen sie ihn in der Natur, ahmen ihn un- bewußt nach und ihre Arbeit wird als unnatuͤrlich ge- tadelt. 60. Diese Phaͤnomene sind von der groͤßten Wichtig- keit, indem sie uns auf die Gesetze des Sehens hindeu- ten, und zu kuͤnftiger Betrachtung der Farben eine nothwendige Vorbereitung sind. Das Auge verlangt dabey ganz eigentlich Totalitaͤt und schließt in sich selbst den Farbenkreis ab. In dem vom Gelben geforderten Violetten liegt das Rothe und Blaue; im Orange das Gelbe und Rothe, dem das Blaue entspricht; das Gruͤ- ne vereinigt Blau und Gelb und fordert das Rothe, und so in allen Abstufungen der verschiedensten Mi- schungen. Daß man in diesem Falle genoͤthigt werde, drey Hauptfarben anzunehmen, ist schon fruͤher von den Beobachtern bemerkt worden. 61. Wenn in der Totalitaͤt die Elemente, woraus sie zusammenwaͤchst, noch bemerklich sind, nennen wir sie billig Harmonie, und wie die Lehre von der Harmonie der Farben sich aus diesen Phaͤnomenen herleite, wie nur durch diese Eigenschaften die Farbe faͤhig sey, zu aͤsthetischem Gebrauch angewendet zu werden, muß sich in der Folge zeigen, wenn wir den ganzen Kreis der Beobachtungen durchlaufen haben und auf den Punct, wovon wir ausgegangen sind, zuruͤckkehren. VI. Farbige Schatten . 62. Ehe wir jedoch weiter schreiten, haben wir noch hoͤchst merkwuͤrdige Faͤlle dieser lebendig geforderten, neben einander bestehenden Farben zu beobachten, und zwar indem wir unsre Aufmerksamkeit auf die far- bigen Schatten richten. Um zu diesen uͤberzugehen, wenden wir uns vorerst zur Betrachtung der farblosen Schatten. 63. Ein Schatten von der Sonne auf eine weiße Flaͤ- che geworfen giebt uns keine Empfindung von Farbe, so lange die Sonne in ihrer voͤlligen Kraft wirkt. Er scheint schwarz oder, wenn ein Gegenlicht hinzu dringen kann, schwaͤcher, halberhellt, grau. 64. Zu den farbigen Schatten gehoͤren zwey Bedingun- gen, erstlich, daß das wirksame Licht auf irgend eine Art die weiße Flaͤche faͤrbe, zweytens, daß ein Gegenlicht den geworfenen Schatten auf einen gewissen Grad er- leuchte. 65. Man setze bey der Daͤmmerung auf ein weißes Pa- pier eine niedrig brennende Kerze; zwischen sie und das abnehmende Tageslicht stelle man einen Bleystift auf- recht, so daß der Schatten, welchen die Kerze wirft, von dem schwachen Tageslicht erhellt, aber nicht aufge- hoben werden kann, und der Schatten wird von dem schoͤnsten Blau erscheinen. 66. Daß dieser Schatten blau sey, bemerkt man also- bald; aber man uͤberzeugt sich nur durch Aufmerksam- keit, daß das weiße Papier als eine roͤthlich gelbe Flaͤ- che wirkt, durch welchen Schein jene blaue Farbe im Auge gefordert wird. 67. Bey allen farbigen Schatten daher muß man auf der Flaͤche, auf welche er geworfen wird, eine erregte Farbe vermuthen, welche sich auch bey aufmerksamerer Betrachtung wohl erkennen laͤßt. Doch uͤberzeuge man sich vorher durch folgenden Versuch. 68. Man nehme zu Nachtzeit zwey brennende Kerzen und stelle sie gegen einander auf eine weiße Flaͤche; man halte einen duͤnnen Stab zwischen beyden aufrecht, so daß zwey Schatten entstehen; man nehme ein farbi- ges Glas und halte es vor das eine Licht, also daß die weiße Flaͤche gefaͤrbt erscheine, und in demselben Au- genblick wird der von dem nunmehr faͤrbenden Lichte geworfene, und von dem farblosen Lichte beleuchtete Schatten die geforderte Farbe anzeigen. 69. Es tritt hier eine wichtige Betrachtung ein, auf die wir noch oͤfters zuruͤckkommen werden. Die Far- be selbst ist ein Schattiges (σκιερόν); deswegen Kircher vollkommen recht hat, sie Lumen opacatum zu nen- nen; und wie sie mit dem Schatten verwandt ist, so verbindet sie sich auch gern mit ihm, sie erscheint uns gern in ihm und durch ihn, sobald der Anlaß nur ge- geben ist; und so muͤssen wir bey Gelegenheit der far- bigen Schatten zugleich eines Phaͤnomens erwaͤhnen, dessen Ableitung und Entwickelung erst spaͤter vorge- nommen werden kann. 70. Man waͤhle in der Daͤmmerung den Zeitpunct, wo das einfallende Himmelslicht noch einen Schatten zu werfen im Stande ist, der von dem Kerzenlichte nicht ganz aufgehoben werden kann, so daß vielmehr ein doppelter faͤllt, einmal vom Kerzenlicht gegen das Himmelslicht, und sodann vom Himmelslicht gegen das Kerzenlicht. Wenn der erstere blau ist, so wird der letztere hochgelb erscheinen. Dieses hohe Gelb ist aber eigentlich nur der uͤber das ganze Papier von dem Ker- zenlicht verbreitete gelbroͤthliche Schein, der im Schat- ten sichtbar wird. 71. Hievon kann man sich bey dem obigen Versuche mit zwey Kerzen und farbigen Glaͤsern am besten uͤber- zeugen, so wie die unglaubliche Leichtigkeit, womit der Schatten eine Farbe annimmt, bey der naͤhern Betrach- tung der Widerscheine und sonst mehrmals zur Spra- che kommt. 72. Und so waͤre denn auch die Erscheinung der farbi- gen Schatten, welche den Beobachtern bisher so viel zu schaffen gemacht, bequem abgeleitet. Ein jeder, der kuͤnftighin farbige Schatten bemerkt, beobachte nur, mit welcher Farbe die helle Flaͤche, worauf sie erscheinen, et- wa tingirt seyn moͤchte. Ja man kann die Farbe des Schattens als ein Chromatoscop der beleuchteten Flaͤ- chen ansehen, indem man die der Farbe des Schattens entgegenstehende Farbe auf der Flaͤche vermuthen und bey naͤherer Aufmerksamkeit in jedem Falle gewahr werden kann. 73. Wegen dieser nunmehr bequem abzuleitenden farbigen Schatten hat man sich bisher viel gequaͤlt und sie, weil sie meistentheils unter freyem Himmel beobachtet wurden und vorzuͤglich blau erschienen, einer gewissen heimlich blauen und blau faͤrbenden Eigenschaft der Luft zugeschrie- ben. Man kann sich aber bey jenem Versuche mit dem Kerzenlicht im Zimmer uͤberzeugen, daß keine Art von blauem Schein oder Widerschein dazu noͤthig ist, indem man den Versuch an einem grauen truͤben Tag, ja hin- ter zugezogenen weißen Vorhaͤngen anstellen kann, in einem Zimmer, wo sich auch nicht das mindeste Blaue befindet, und der blaue Schatten wird sich nur um desto schoͤner zeigen. 74. Saufsuͤre sagt in der Beschreibung seiner Reise auf den Montblanc: „Eine zweyte nicht uninteressante Bemerkung be- trifft die Farben der Schatten, die wir trotz der ge- nausten Beobachtung nie dunkelblau fanden, ob es gleich in der Ebene haͤufig der Fall gewesen war. Wir sahen sie im Gegentheil von neun und funfzigmal einmal gelblich, sechsmal blaßblaͤulich, achtzehnmal farbenlos oder schwarz, und vier und dreyßigmal blaßviolet. Wenn also einige Physiker annehmen, daß diese Farben mehr von zufaͤlligen in der Luft zerstreuten, den Schatten ihre eigenthuͤmlichen Nuͤancen mittheilenden Duͤnsten herruͤhren, nicht aber durch eine bestimmte Luft- oder reflectirte Himmelsfarbe verursacht werden; so scheinen jene Beobachtungen ihrer Meynung guͤnstig zu seyn.“ Die von de Saussuͤre angezeigten Erfahrungen werden wir nun bequem einrangiren koͤnnen. Auf der großen Hoͤhe war der Himmel meisten- theils rein von Duͤnsten. Die Sonne wirkte in ihrer ganzen Kraft auf den weißen Schnee, so daß er dem Auge voͤllig weiß erschien, und sie sahen bey dieser Ge- legenheit die Schatten voͤllig farbenlos. War die Luft mit wenigen Duͤnsten geschwaͤngert und entstand dadurch ein gelblicher Ton des Schnees, so folgten violette Schatten und zwar waren diese die meisten. Auch sa- hen sie blaͤuliche Schatten, jedoch seltener; und daß die blauen und violetten nur blaß waren, kam von der hellen und heiteren Umgebung, wodurch die Schatten- staͤrke gemindert wurde. Nur einmal sahen sie den Schatten gelblich, welches, wie wir oben (70.) gesehen haben, ein Schatten ist, der von einem farblosen Ge- genlichte geworfen und von dem faͤrbenden Hauptlichte erleuchtet worden. 75. Auf einer Harzreise im Winter stieg ich gegen Abend vom Brocken herunter, die weiten Flaͤchen auf- und abwaͤrts waren beschneit, die Heide von Schnee bedeckt, alle zerstreut stehenden Baͤume und vorragenden Klip- pen, auch alle Baum- und Felsenmassen voͤllig bereift, die Sonne senkte sich eben gegen die Oderteiche hin- unter. Waren den Tag uͤber, bey dem gelblichen Ton des Schnees, schon leise violette Schatten bemerklich gewe- sen, so mußte man sie nun fuͤr hochblau ansprechen, als ein gesteigertes Gelb von den beleuchteten Theilen wiederschien. Als aber die Sonne sich endlich ihrem Niedergang naͤherte, und ihr durch die staͤrkeren Duͤnste hoͤchst ge- maͤßigter Strahl die ganze mich umgebende Welt mit der schoͤnsten Purpurfarbe uͤberzog, da verwandelte sich die Schattenfarbe in ein Gruͤn, das nach seiner Klar- heit einem Meergruͤn, nach seiner Schoͤnheit einem Schmaragdgruͤn verglichen werden konnte. Die Er- scheinung ward immer lebhafter, man glaubte sich in einer Feenwelt zu befinden, denn alles hatte sich in die zwey lebhaften und so schoͤn uͤbereinstimmenden Farben gekleidet, bis endlich mit dem Sonnenuntergang die Prachterscheinung sich in eine graue Daͤmmerung, und nach und nach in eine mond- und sternhelle Nacht verlor. 76. Einer der schoͤnsten Faͤlle farbiger Schatten kann bey dem Vollmonde beobachtet werden. Der Kerzen- und Mondenschein lassen sich voͤllig ins Gleich- gewicht bringen. Beyde Schatten koͤnnen gleich stark und deutlich dargestellt werden, so daß beyde Farben sich vollkommen balanciren. Man setzt die Tafel dem Scheine des Vollmondes entgegen, das Kerzenlicht ein wenig an die Seite, in gehoͤriger Entfernung, vor die Tafel haͤlt man einen undurchsichtigen Koͤrper; alsdann entsteht ein doppelter Schatten, und zwar wird derjenige, den der Mond wirft und das Kerzen- licht bescheint, gewaltig rothgelb, und umgekehrt der, den das Licht wirft und der Mond bescheint, vom schoͤnsten Blau gesehen werden. Wo beyde Schatten zu- sammentreffen und sich zu einem vereinigen, ist er schwarz. Der gelbe Schatten laͤßt sich vielleicht auf keine Weise auffallender darstellen. Die unmittelbare Naͤhe des blauen, der dazwischentretende schwarze Schatten ma- chen die Erscheinung desto angenehmer. Ja, wenn der Blick lange auf der Tafel verweilt, so wird das geforderte Blau das fordernde Gelb wieder gegenseitig fordernd steigern und ins Gelbrothe treiben, welches denn wieder seinen Gegensatz, eine Art von Meergruͤn, hervorbringt. I. 3 77. Hier ist der Ort zu bemerken, daß es wahrschein- lich eines Zeitmomentes bedarf, um die geforderte Farbe hervorzubringen. Die Retina muß von der for- dernden Farbe erst recht afficirt seyn, ehe die gefor- derte lebhaft bemerklich wird. 78. Wenn Taucher sich unter dem Meere befinden und das Sonnenlicht in ihre Glocke scheint, so ist alles Be- leuchtete, was sie umgiebt, purpurfarbig (wovon kuͤnf- tig die Ursache anzugeben ist); die Schatten dagegen sehen gruͤn aus. Eben dasselbe Phaͤnomen, was ich auf ei- nem hohen Berge gewahr wurde (75.), bemerken sie in der Tiefe des Meers, und so ist die Natur mit sich selbst durchaus uͤbereinstimmend. 79. Einige Erfahrungen und Versuche, welche sich zwischen die Capitel von farbigen Bildern und von far- bigen Schatten gleichsam einschieben, werden hier nach- gebracht. Man habe an einem Winterabende einen weißen Papierladen inwendig vor dem Fenster eines Zimmers; in diesem Laden sey eine Oeffnung, wodurch man den Schnee eines etwa benachbarten Daches sehen koͤnne; es sey draußen noch einigermaßen daͤmmrig und ein Licht komme in das Zimmer; so wird der Schnee durch die Oeffnung vollkommen blau erscheinen, weil nehm- lich das Papier durch das Kerzenlicht gelb gefaͤrbt wird. Der Schnee, welchen man durch die Oeffnung sieht, tritt hier an die Stelle eines durch ein Gegenlicht erhellten Schattens, oder, wenn man will, eines grauen Bildes auf gelber Flaͤche. 80. Ein andrer sehr interessanter Versuch mache den Schluß. Nimmt man eine Tafel gruͤnen Glases von eini- ger Staͤrke und laͤßt darin die Fensterstaͤbe sich spie- geln; so wird man sie doppelt sehen, und zwar wird das Bild, das von der untern Flaͤche des Glases kommt, gruͤn seyn, das Bild hingegen, das sich von der obern Flaͤche herleitet und eigentlich farblos seyn sollte, wird purpurfarben erscheinen. An einem Gefaͤß, dessen Boden spiegelartig ist, welches man mit Wasser fuͤllen kann, laͤßt sich der Versuch sehr artig anstellen, indem man bey reinem Wasser erst die farblosen Bilder zeigen, und durch Faͤrbung desselben sodann die farbigen Bilder produ- ciren kann. VII. Schwachwirkende Lichter . 81. Das energische Licht erscheint rein weiß, und die- sen Eindruck macht es auch im hoͤchsten Grade der 3 * Blendung. Das nicht in seiner ganzen Gewalt wir- kende Licht kann auch noch unter verschiedenen Bedin- gungen farblos bleiben. Mehrere Naturforscher und Mathematiker haben die Stufen desselben zu messen ge- sucht. Lambert, Bouguer, Rumfort. 82. Jedoch findet sich bey schwaͤcher wirkenden Lichtern bald eine Farbenerscheinung, indem sie sich wie ab- klingende Bilder verhalten (39). 83. Irgend ein Licht wirkt schwaͤcher, entweder wenn seine Energie, es geschehe wie es wolle, gemindert wird, oder wenn das Auge in eine Disposition ge- raͤth, die Wirkung nicht genugsam erfahren zu koͤnnen. Jene Erscheinungen, welche objectiv genannt werden koͤnnen, finden ihren Platz bey den physischen Farben. Wir erwaͤhnen hier nur des Uebergangs vom Weiß- gluͤhen bis zum Rothgluͤhen des erhitzten Eisens. Nicht weniger bemerken wir, daß Kerzen, auch bey Nacht- zeit, nach Maßgabe wie man sie vom Auge entfernt, roͤther scheinen. 84. Der Kerzenschein bey Nacht wirkt in der Naͤhe als ein gelbes Licht; wir koͤnnen es an der Wirkung bemerken, welche auf die uͤbrigen Farben hervorgebracht wird. Ein Blaßgelb ist bey Nacht wenig von dem Weißen zu unterscheiden; das Blaue naͤhert sich dem Gruͤnen und ein Rosenfarb dem Orangen. 85. Der Schein des Kerzenlichts bey der Daͤmmrung wirkt lebhaft als ein gelbes Licht, welches die blauen Schatten am besten beweisen, die bey dieser Gelegen- heit im Auge hervorgerufen werden. 86. Die Retina kann durch ein starkes Licht dergestalt gereizt werden, daß sie schwaͤchere Lichter nicht erken- nen kann (11). Erkennt sie solche, so erscheinen sie farbig; daher sieht ein Kerzenlicht bey Tage roͤthlich aus, es verhaͤlt sich wie ein abklingendes; ja ein Kerzenlicht, das man bey Nacht laͤnger und schaͤrfer ansieht, erscheint immer roͤther. 87. Es giebt schwach wirkende Lichter, welche demun- geachtet eine weiße, hoͤchstens hellgelbliche Erscheinung auf der Retina machen, wie der Mond in seiner vollen Klarheit. Das faule Holz hat sogar eine Art von blaͤulichem Schein. Dieses alles wird kuͤnftig wieder zur Sprache kommen. 88. Wenn man nahe an eine weiße oder grauliche Wand Nachts ein Licht stellt, so wird sie von diesem Mittelpunct aus auf eine ziemliche Weite erleuchtet seyn. Betrachtet man den daher entstehenden Kreis aus einiger Ferne, so erscheint uns der Rand der erleuchteten Flaͤche mit einem gelben, nach außen roth- gelben Kreise umgeben, und wir werden aufmerksam gemacht, daß das Licht, wenn es scheinend oder wi- derscheinend nicht in seiner groͤßten Energie auf uns wirkt, unserm Auge den Eindruck vom Gelben, Roͤth- lichen, und zuletzt sogar vom Rothen gebe. Hier fin- den wir den Uebergang zu den Hoͤfen, die wir um leuchtende Punkte auf eine oder die andre Weise zu sehen pflegen. VIII. Subjective Hoͤfe . 89. Man kann die Hoͤfe in subjective und objective eintheilen. Die letzten werden unter den physischen Far- ben abgehandelt, nur die ersten gehoͤren hieher. Sie unterscheiden sich von den objectiven darin, daß sie ver- schwinden, wenn man den leuchtenden Gegenstand, der sie auf der Netzhaut hervorbringt, zudeckt. 90. Wir haben oben den Eindruck des leuchtenden Bil- des auf die Retina gesehen und wie es sich auf der- selben vergroͤßert; aber damit ist die Wirkung noch nicht vollendet. Es wirkt nicht allein als Bild, sondern auch als Energie uͤber sich hinaus; es verbreitet sich vom Mittelpuncte aus nach der Peripherie. 91. Daß ein solcher Nimbus um das leuchtende Bild in unserm Auge bewirket werde, kann man am besten in der dunkeln Kammer sehen, wenn man gegen eine maͤßig große Oeffnung im Fensterladen hinblickt. Hier ist das helle Bild von einem runden Nebelschein umgeben. Einen solchen Nebelschein sah ich mit einem gelben und gelbrothen Kreise umgeben, als ich mehrere Naͤchte in einem Schlafwagen zubrachte und Morgens bey daͤm- merndem Tageslichte die Augen aufschlug. 92. Die Hoͤfe erscheinen am lebhaftesten, wenn das Auge ausgeruht und empfaͤnglich ist. Nicht weniger vor einem dunklen Hintergrund. Beydes ist die Ursache, daß wir sie so stark sehen, wenn wir Nachts aufwachen und uns ein Licht entgegengebracht wird. Diese Be- dingungen fanden sich auch zusammen, als Descartes im Schiff sitzend geschlafen hatte und so lebhafte far- bige Scheine um das Licht bemerkte. 93. Ein Licht muß maͤßig leuchten, nicht blenden, wenn es einen Hof im Auge erregen soll, wenigstens wuͤrden die Hoͤfe eines blendenden Lichtes nicht bemerkt werden koͤnnen. Wir sehen einen solchen Glanzhof um die Sonne, welche von einer Wasserflaͤche ins Auge faͤllt. 94. Genau beobachtet ist ein solcher Hof an seinem Rande mit einem gelben Saume eingefaßt. Aber auch hier ist jene energische Wirkung noch nicht geendigt, son- dern sie scheint sich in abwechselnden Kreisen weiter fort zu bewegen. 95. Es giebt viele Faͤlle, die auf eine kreisartige Wir- kung der Retina deuten, es sey nun, daß sie durch die runde Form des Auges selbst und seiner verschiedenen Theile, oder sonst hervorgebracht werde. 96. Wenn man das Auge von dem innern Augenwinkel her nur ein wenig druͤckt, so entstehen dunklere oder hellere Kreise. Man kann bey Nachtzeit manchmal auch ohne Druck eine Succession solcher Kreise gewahr werden, von denen sich einer aus dem andern entwickelt, einer vom andern verschlungen wird. 97. Wir haben schon einen gelben Rand um den von einem nah gestellten Licht erleuchteten weißen Raum ge- sehen. Dieß waͤre eine Art von objectivem Hof (88). 98. Die subjectiven Hoͤfe koͤnnen wir uns als den Con- flict des Lichtes mit einem lebendigen Raume denken. Aus dem Conflict des Bewegenden mit dem Bewegten entsteht eine undulirende Bewegung. Man kann das Gleichniß von den Ringen im Wasser hernehmen. Der hineingeworfene Stein treibt das Wasser nach allen Sei- ten, die Wirkung erreicht eine hoͤchste Stufe, sie klingt ab und gelangt, im Gegensatz, zur Tiefe. Die Wir- kung geht fort, culminirt aufs neue und so wieder- holen sich die Kreise. Erinnert man sich der concentri- schen Ringe, die in einem mit Wasser gefuͤllten Trink- glase entstehen, wenn man versucht, einen Ton durch Reiben des Randes hervorzubringen, gedenkt man der intermittirenden Schwingungen beym Abklingen der Glocken; so naͤhert man sich wohl in der Vorstellung demjenigen, was auf der Retina vorgehen mag, wenn sie von einem leuchtenden Gegenstand getroffen wird, nur daß sie als lebendig schon eine gewisse kreisartige Disposition in ihrer Organisation hat. 99. Die um das leuchtende Bild sich zeigende helle Kreisflaͤche ist gelb mit Roth geendigt. Darauf folgt ein gruͤnlicher Kreis, der mit einem rothen Rande ge- schlossen ist. Dieß scheint das gewoͤhnliche Phaͤnomen zu seyn bey einer gewissen Groͤße des leuchtenden Koͤr- pers. Diese Hoͤfe werden groͤßer, je weiter man sich von dem leuchtenden Bilde entfernt. 100. Die Hoͤfe koͤnnen aber auch im Auge unendlich klein und vielfach erscheinen, wenn der erste Anstoß klein und maͤchtig ist. Der Versuch macht sich am besten mit einer auf der Erde liegenden, von der Sonne beschienenen Goldflinter. In diesen Faͤllen er- scheinen die Hoͤfe in bunten Strahlen. Jene farbige Erscheinung, welche die Sonne im Auge macht, indem sie durch Baumblaͤtter dringt, scheint auch hieher zu gehoͤren. Pathologische Farben. Anhang . 101. Die physiologischen Farben kennen wir nunmehr hinreichend, um sie von den pathologischen zu unter- scheiden. Wir wissen, welche Erscheinungen dem gesun- den Auge zugehoͤren und noͤthig sind, damit sich das Organ vollkommen lebendig und thaͤtig erzeige. 102. Die krankhaften Phaͤnomene deuten gleichfalls auf organische und physische Gesetze: denn wenn ein beson- deres lebendiges Wesen von derjenigen Regel abweicht, durch die es gebildet ist, so strebt es ins allgemeine Leben hin, immer auf einem gesetzlichen Wege, und macht uns auf seiner ganzen Bahn jene Maximen an- schaulich, aus welchen die Welt entsprungen ist und durch welche sie zusammengehalten wird. 103. Wir sprechen hier zuerst von einem sehr merkwuͤr- digen Zustande, in welchem sich die Augen mancher Personen befinden. Indem er eine Abweichung von der gewoͤhnlichen Art die Farben zu sehen anzeigt, so ge- hoͤrt er wohl zu den krankhaften; da er aber regel- maͤßig ist, oͤfter vorkommt, sich auf mehrere Familien- glieder erstreckt und sich wahrscheinlich nicht heilen laͤßt, so stellen wir ihn billig auf die Graͤnze. 104. Ich kannte zwey Subjecte, die damit behaftet wa- ren, nicht uͤber zwanzig Jahr alt; beyde hatten blau- graue Augen, ein scharfes Gesicht in der Naͤhe und Ferne, bey Tages- und Kerzenlicht, und ihre Art die Farben zu sehen war in der Hauptsache voͤllig uͤberein- stimmend. 105. Mit uns treffen sie zusammen, daß sie Weiß, Schwarz und Grau nach unsrer Weise benennen; Weiß sahen sie Beyde ohne Beymischung. Der Eine wollte bey Schwarz etwas Braͤunliches und bey Grau etwas Roͤthliches bemerken. Ueberhaupt scheinen sie die Ab- stufung von Hell und Dunkel sehr zart zu empfinden. 106. Mit uns scheinen sie Gelb, Rothgelb und Gelb- roth zu sehen; bey dem letzten sagen sie, sie saͤhen das Gelbe gleichsam uͤber dem Roth sch we ben, wie lasirt. Carmin in der Mitte einer Untertasse dicht aufgetrocknet nannten sie roth. 107. Nun aber tritt eine auffallende Differenz ein. Man streiche mit einem genetzten Pinsel den Carmin leicht uͤber die weiße Schale, so werden sie diese ent- stehende helle Farbe der Farbe des Himmels vergleichen und solche blau nennen. Zeigt man ihnen daneben eine Rose, so nennen sie diese auch blau, und koͤnnen bey allen Proben, die man anstellt, das Hellblau nicht von dem Rosenfarb unterscheiden. Sie verwechseln Rosenfarb, Blau und Violet durchaus; nur durch kleine Schattirungen des Helleren, Dunkleren, Lebhaf- teren, Schwaͤcheren scheinen sich diese Farben fuͤr sie von einander abzusondern. 108. Ferner koͤnnen sie Gruͤn von einem Dunkelorange, besonders aber von einem Rothbraun nicht unterscheiden. 109. Wenn man die Unterhaltung mit ihnen dem Zufall uͤberlaͤßt und sie bloß uͤber vorliegende Gegenstaͤnde be- fragt, so geraͤth man in die groͤßte Verwirrung und fuͤrchtet wahnsinnig zu werden. Mit einiger Methode hingegen kommt man dem Gesetz dieser Gesetzwidrigkeit schon um vieles naͤher. 110. Sie haben, wie man aus dem Obigen sehen kann, weniger Farben als wir; daher denn die Ver- wechselung von verschiedenen Farben entsteht. Sie nen- nen den Himmel rosenfarb und die Rose blau, oder umgekehrt. Nun fragt sich: sehen sie beydes blau, oder beydes rosenfarb? sehen sie das Gruͤn orange, oder das Orange gruͤn? 111. Diese seltsamen Raͤthsel scheinen sich zu loͤsen, wenn man annimmt, daß sie kein Blau, sondern an dessen Statt einen diluirten Purpur, ein Rosenfarb, ein hel- les reines Roth sehen. Symbolisch kann man sich diese Loͤsung einstweilen folgendermaßen vorstellen. 112. Nehmen wir aus unserm Farbenkreise das Blaue heraus, so fehlt uns Blau, Violet und Gruͤn. Das reine Roth verbreitet sich an der Stelle der beyden ersten, und wenn es wieder das Gelbe beruͤhrt, bringt es anstatt des Gruͤnen abermals ein Orange hervor. 113. Indem wir uns von dieser Erklaͤrungsart uͤber- zeugt halten, haben wir diese merkwuͤrdige Abweichung vom gewoͤhnlichen Sehen Akyanoblepsie genannt, und zu besserer Einsicht mehrere Figuren gezeichnet und illuminirt, bey deren Erklaͤrung wir kuͤnftig das Wei- tre beyzubringen gedenken. Auch findet man daselbst eine Landschaft, gefaͤrbt nach der Weise, wie diese Menschen wahrscheinlich die Natur sehen, den Himmel rosenfarb und alles Gruͤne in Toͤnen vom Gelben bis zum Braunrothen, ungefaͤhr wie es uns im Herbst erscheint. 114. Wir sprechen nunmehr von krankhaften sowohl als allen widernatuͤrlichen, außernatuͤrlichen, seltenen Af- fectionen der Retina, wobey, ohne aͤußres Licht, das Auge zu einer Lichterscheinung disponirt werden kann, und behalten uns vor, des galvanischen Lichtes kuͤnftig zu erwaͤhnen. 115. Bey einem Schlag aufs Auge scheinen Funken umher zu spruͤhen. Ferner, wenn man in gewissen koͤrperlichen Dispositionen, besonders bey erhitztem Blute und reger Empfindlichkeit, das Auge erst sachte, dann immer staͤrker druͤckt, so kann man ein blendendes un- ertraͤgliches Licht erregen. 116. Operirte Staarkranke, wenn sie Schmerz und Hitze im Auge haben, sehen haͤufig feurige Blitze und Fun- ken, welche zuweilen acht bis vierzehn Tage bleiben, oder doch so lange, bis Schmerz und Hitze weicht. 117. Ein Kranker, wenn er Ohrenschmerz bekam, sah jederzeit Lichtfunken und Kugeln im Auge, so lange der Schmerz dauerte. 118. Wurmkranke haben oft sonderbare Erscheinungen im Auge, bald Feuerfunken, bald Lichtgespenster, bald schreckhafte Figuren, die sie nicht entfernen koͤnnen. Bald sehen sie doppelt. 119. Hypochondristen sehen haͤufig schwarze Figuren als Faͤden, Haare, Spinnen, Fliegen, Wespen. Diese Erscheinungen zeigen sich auch bey anfangendem schwar- zen Staar. Manche sehen halbdurchsichtige kleine Roͤh- ren, wie Fluͤgel von Insecten, Wasserblaͤschen von verschiedener Groͤße, welche beym Heben des Auges niedersinken, zuweilen gerade so in Verbindung haͤn- gen, wie Froschlaich, und bald als voͤllige Sphaͤren, bald als Linsen bemerkt werden. 120. Wie dort das Licht ohne aͤußeres Licht, so ent- springen auch diese Bilder ohne aͤußre Bilder. Sie sind theils voruͤbergehend, theils lebenslaͤnglich dauernd. Hiebey tritt auch manchmal eine Farbe ein: denn Hy- pochondristen sehen auch haͤufig gelbrothe schmale Baͤn- der im Auge, oft heftiger und haͤufiger am Morgen, oder bey leerem Magen. 121. Daß der Eindruck irgend eines Bildes im Auge einige Zeit verharre, kennen wir als ein physiologisches Phaͤnomen (23), die allzulange Dauer eines solchen Eindrucks hingegen kann als krankhaft angesehen werden. 122. Je schwaͤcher das Auge ist, desto laͤnger bleibt das Bild in demselben. Die Retina stellt sich nicht sobald wieder her, und man kann die Wirkung als eine Art von Paralyse ansehen (28). 123. Von blendenden Bildern ist es nicht zu verwun- dern. Wenn man in die Sonne sieht, so kann man das Bild mehrere Tage mit sich herumtragen. Boyle erzaͤhlt einen Fall von zehn Jahren. 124. Das Gleiche findet auch verhaͤltnißmaͤßig von Bil- dern, welche nicht blendend sind, statt. Buͤsch erzaͤhlt von sich selbst, daß ihm ein Kupferstich vollkommen mit allen seinen Theilen bey siebzehn Minuten im Auge geblieben. 125. Mehrere Personen, welche zu Krampf und Voll- bluͤtigkeit geneigt waren, behielten das Bild eines hoch- rothen Cattuns mit weißen Muscheln viele Minuten lang im Auge und sahen es wie einen Flor vor allem schweben. Nur nach langem Reiben des Auges verlor sich’s. 126. Scherfer bemerkt, daß die Purpurfarbe eines ab- klingenden starken Lichteindrucks einige Stunden dauern koͤnne. 127. Wie wir durch Druck auf den Augapfel eine Licht- erscheinung auf der Retina hervorbringen koͤnnen, so entsteht bey schwachem Druck eine rothe Farbe und wird gleichsam ein abklingendes Licht hervorgebracht. 128. Viele Kranke, wenn sie erwachen, sehen alles in der Farbe des Morgenroths, wie durch einen rothen Flor; auch wenn sie am Abend lesen, und zwischendurch ein- nicken und wieder aufwachen, pflegt es zu geschehen. Dieses bleibt minutenlang und vergeht allenfalls, wenn das Auge etwas gerieben wird. Dabey sind zuweilen rothe Sterne und Kugeln. Dieses Rothsehen dauert auch wohl eine lange Zeit. 129. Die Luftfahrer, besonders Zambeccari und seine Gefaͤhrten, wollen in ihrer hoͤchsten Erhebung den Mond blutroth gesehen haben. Da sie sich uͤber die irdischen Duͤnste emporgeschwungen hatten, durch wel- che wir den Mond und die Sonne wohl in einer sol- chen Farbe sehen; so laͤßt sich vermuthen, daß diese Erscheinung zu den pathologischen Farben gehoͤre. Es moͤgen nehmlich die Sinne durch den ungewohnten Zu- stand dergestalt afficirt seyn, daß der ganze Koͤrper und besonders auch die Retina in eine Art von Unruͤhrbar- keit und Unreizbarkeit verfaͤllt. Es ist daher nicht un- moͤglich, daß der Mond als ein hoͤchst abgestumpftes Licht wirke, und also das Gefuͤhl der rothen Farbe hervorbringe. Den Hamburger Luftfahrern erschien auch die Sonne blutroth. Wenn die Luftfahrenden zusammen sprechen und sich kaum hoͤren, sollte nicht auch dieses der Unreizbar- keit der Nerven eben so gut als der Duͤnne der Luft zugeschrieben werden koͤnnen? I. 4 130. Die Gegenstaͤnde werden von Kranken auch manch- mal vielfaͤrbig gesehen. Boyle erzaͤhlt von einer Dame, daß sie nach einem Sturze, wobey ein Auge gequetscht worden, die Gegenstaͤnde, besonders aber die weißen, lebhaft bis zum Unertraͤglichen, schimmern gesehen. 131. Die Aerzte nennen Chrupsie, wenn in typhischen Krankheiten, besonders der Augen, die Patienten an den Raͤndern der Bilder, wo Hell und Dunkel an ein- ander graͤnzen, farbige Umgebungen zu sehen versichern. Wahrscheinlich entsteht in den Liquoren eine Veraͤnde- rung, wodurch ihre Achromasie aufgehoben wird. 132. Beym grauen Staar laͤßt eine starkgetruͤbte Kry- stalllinse den Kranken einen rothen Schein sehen. In einem solchen Falle, der durch Electricitaͤt behandelt wurde, veraͤnderte sich der rothe Schein nach und nach in einen gelben, zuletzt in einen weißen, und der Kranke fing an wieder Gegenstaͤnde gewahr zu werden; woraus man schließen konnte, daß der truͤbe Zustand der Linse sich nach und nach der Durchsichtigkeit naͤ- here. Diese Erscheinung wird sich, sobald wir mit den physischen Farben naͤhere Bekanntschaft gemacht, bequem ableiten lassen. 133. Kann man nun annehmen, daß ein gelbsuͤchtiger Kranker durch einen wirklich gelbgefaͤrbten Liquor hin- durchsehe; so werden wir schon in die Abtheilung der chemischen Farben verwiesen, und wir sehen leicht ein, daß wir das Capitel von den pathologischen Farben nur dann erst vollkommen ausarbeiten koͤnnen, wenn wir uns mit der Farbenlehre in ihrem ganzen Umfang bekannt gemacht; deßhalb sey es an dem gegenwaͤrtigen genug, bis wir spaͤter das Angedeutete weiter ausfuͤh- ren koͤnnen. 134. Nur moͤchte hier zum Schlusse noch einiger beson- dern Dispositionen des Auges vorlaͤufig zu erwaͤhnen seyn. Es giebt Maler, welche, anstatt daß sie die na- tuͤrliche Farbe wiedergeben sollten, einen allgemeinen Ton, einen warmen oder kalten uͤber das Bild verbrei- ten. So zeigt sich auch bey manchen eine Vorliebe fuͤr gewisse Farben, bey andern ein Ungefuͤhl fuͤr Har- monie. 135. Endlich ist noch bemerkenswerth, daß wilde Na- tionen, ungebildete Menschen, Kinder eine große Vor- liebe fuͤr lebhafte Farben empfinden, daß Thiere bey gewissen Farben in Zorn gerathen, daß gebildete Men- schen in Kleidung und sonstiger Umgebung die lebhaften Farben vermeiden und sie durchgaͤngig von sich zu ent- fernen suchen. 4 * Zweyte Abtheilung. Physische Farben . 136. Physische Farben nennen wir diejenigen, zu deren Hervorbringung gewisse materielle Mittel noͤthig sind, welche aber selbst keine Farbe haben, und theils durch- sichtig, theils truͤb und durchscheinend, theils voͤllig undurchsichtig seyn koͤnnen. Dergleichen Farben wer- den also in unserm Auge durch solche aͤußere bestimmte Anlaͤsse erzeugt, oder, wenn sie schon auf irgend eine Weise außer uns erzeugt sind, in unser Auge zuruͤckge- worfen. Ob wir nun schon hiedurch denselben eine Art von Objectivitaͤt zuschreiben, so bleibt doch das Voruͤbergehende, Nichtfestzuhaltende meistens ihr Kenn- zeichen. 137. Sie heißen daher auch bey den fruͤhern Naturfor- schern Colores apparentes, fluxi, fugitivi, phanta- stici, falsi, variantes. Zugleich werden sie speciosi und emphatici, wegen ihrer auffallenden Herrlichkeit, genannt. Sie schließen sich unmittelbar an die physio- logischen an, und scheinen nur um einen geringen Grad mehr Realitaͤt zu haben. Denn wenn bey jenen vorzuͤglich das Auge wirksam war, und wir die Phaͤ- nomene derselben nur in uns, nicht aber außer uns darzustellen vermochten; so tritt nun hier der Fall ein, daß zwar Farben im Auge durch farblose Gegenstaͤnde erregt werden, daß wir aber auch eine farblose Flaͤche an die Stelle unserer Retina setzen und auf derselben die Erscheinung außer uns gewahr werden koͤnnen; wo- bey uns jedoch alle Erfahrungen auf das bestimmteste uͤberzeugen, daß hier nicht von fertigen, sondern von werdenden und wechselnden Farben die Rede sey. 138. Wir sehen uns deßhalb bey diesen physischen Far- ben durchaus im Stande, einem subjectiven Phaͤnomen ein objectives an die Seite zu setzen, und oͤfters, durch die Verbindung beyder, mit Gluͤck tiefer in die Natur der Erscheinung einzudringen. 139. Bey den Erfahrungen also, wobey wir die physi- schen Farben gewahr werden, wird das Auge nicht fuͤr sich als wirkend, das Licht niemals in unmittelba- rem Bezuge auf das Auge betrachtet; sondern wir rich- ten unsere Aufmerksamkeit besonders darauf, wie durch Mittel, und zwar farblose Mittel, verschiedene Bedin- gungen entstehen. 140. Das Licht kann auf dreyerley Weise unter diesen Umstaͤnden bedingt werden. Erstlich, wenn es von der Oberflaͤche eines Mittels zuruͤckstrahlt, da denn die katoptrischen Versuche zur Sprache kommen. Zwey- tens, wenn es an dem Rande eines Mittels herstrahlt. Die dabey eintretenden Erscheinungen wurden ehmals perioptische genannt, wir nennen sie paroptische . Drittens, wenn es durch einen durchscheinenden oder durch- sichtigen Koͤrper durchgeht, welches die dioptrischen Versuche sind. Eine vierte Art physischer Farben ha- ben wir epoptische genannt, indem sich die Erschei- nung, ohne vorgaͤngige Mittheilung (βαφή), auf ei- ner farblosen Oberflaͤche der Koͤrper unter verschiedenen Bedingungen sehen laͤßt. 141. Beurtheilen wir diese Rubriken in Bezug auf die von uns beliebten Hauptabtheilungen, nach welchen wir die Farben in physiologischer, physischer und che- mischer Ruͤcksicht betrachten; so finden wir, daß die katoptrischen Farben sich nahe an die physiologischen anschließen, die paroptischen sich schon etwas mehr abloͤsen und gewissermaßen selbststaͤndig werden, die dioptrischen sich ganz eigentlich physisch erweisen und eine entschieden objective Seite haben; die epopti- schen, obgleich in ihren Anfaͤngen auch nur apparent, machen den Uebergang zu den chemischen Farben. 142. Wenn wir also unsern Vortrag stetig nach Anlei- tung der Natur fortfuͤhren wollten, so duͤrften wir nur in der jetzt eben bezeichneten Ordnung auch fernerhin verfahren; weil aber bey didaktischen Vortraͤgen es nicht sowohl darauf ankommt, dasjenige, wovon die Rede ist, an einander zu knuͤpfen, vielmehr solches wohl aus einander zu sondern, damit erst zuletzt, wenn alles Einzelne vor die Seele gebracht ist, eine große Einheit das Besondere verschlinge: so wollen wir uns gleich zu den dioptrischen Farben wenden, um den Leser als- bald in die Mitte der physischen Farben zu versetzen, und ihm ihre Eigenschaften auffallender zu machen. IX. Dioptrische Farben . 143. Man nennt dioptrische Farben diejenigen, zu de- ren Entstehung ein farbloses Mittel gefordert wird, dergestalt daß Licht und Finsterniß hindurchwirken, entweder aufs Auge, oder auf entgegenstehende Flaͤ- chen. Es wird also gefordert, daß das Mittel durch- sichtig oder wenigstens bis auf einen gewissen Grad durchscheinend sey. 144. Nach diesen Bedingungen theilen wir die dioptri- schen Erscheinungen in zwey Classen, und setzen in die erste diejenigen, welche bey durchscheinenden truͤben Mitteln entstehen, in die zweyte aber solche, die sich alsdann zeigen, wenn das Mittel in dem hoͤchst moͤgli- chen Grade durchsichtig ist. X. Dioptrische Farben . Der ersten Classe . 145. Der Raum, den wir uns leer denken, haͤtte durch- aus fuͤr uns die Eigenschaft der Durchsichtigkeit. Wenn sich nun derselbe dergestalt fuͤllt, daß unser Auge die Ausfuͤllung nicht gewahr wird; so entsteht ein ma- terielles, mehr oder weniger koͤrperliches, durchsichti- ges Mittel, das luft- und gasartig, fluͤssig oder auch fest seyn kann. 146. Die reine durchscheinende Truͤbe leitet sich aus dem Durchsichtigen her. Sie kann sich uns also auch auf gedachte dreyfache Weise darstellen. 147. Die vollendete Truͤbe ist das Weiße, die gleichguͤl- tigste, hellste, erste undurchsichtige Raumerfuͤllung. 148. Das Durchsichtige selbst, empirisch betrachtet, ist schon der erste Grad des Truͤben. Die ferneren Grade des Truͤben bis zum undurchsichtigen Weißen sind un- endlich. 149. Auf welcher Stufe wir auch das Truͤbe vor seiner Undurchsichtigkeit festhalten, gewaͤhrt es uns, wenn wir es in Verhaͤltniß zum Hellen und Dunkeln setzen, einfache und bedeutende Phaͤnomene. 150. Das hoͤchstenergische Licht, wie das der Sonne, des Phosphors in Lebensluft verbrennend, ist blendend und farblos. So kommt auch das Licht der Fixsterne meistens farblos zu uns. Dieses Licht aber durch ein auch nur wenig truͤbes Mittel gesehen, erscheint uns gelb. Nimmt die Truͤbe eines solchen Mittels zu, oder wird seine Tiefe vermehrt, so sehen wir das Licht nach und nach eine gelbrothe Farbe annehmen, die sich end- lich bis zum Rubinrothen steigert. 151. Wird hingegen durch ein truͤbes, von einem dar- auffallenden Lichte erleuchtetes Mittel die Finsterniß ge- sehen, so erscheint uns eine blaue Farbe, welche immer heller und blaͤsser wird, jemehr sich die Truͤbe des Mit- tels vermehrt, hingegen immer dunkler und satter sich zeigt, je durchsichtiger das Truͤbe werden kann, ja bey dem mindesten Grad der reinsten Truͤbe, als das schoͤnste Violet dem Auge fuͤhlbar wird. 152. Wenn diese Wirkung auf die beschriebene Weise in unserm Auge vorgeht und also subjectiv genannt wer- den kann; so haben wir uns auch durch objective Er- scheinungen von derselben noch mehr zu vergewissern. Denn ein so gemaͤßigtes und getruͤbtes Licht wirft auch auf die Gegenstaͤnde einen gelben, gelbrothen oder pur- purnen Schein; und ob sich gleich die Wirkung der Finsterniß durch das Truͤbe nicht eben so maͤchtig aͤußert; so zeigt sich doch der blaue Himmel in der Camera ob- scura ganz deutlich auf dem weißen Papier neben jeder andern koͤrperlichen Farbe. 153. Wenn wir die Faͤlle durchgehn, unter welchen uns dieses wichtige Grundphaͤnomen erscheint, so erwaͤhnen wir billig zuerst der atmosphaͤrischen Farben, deren meiste hieher geordnet werden koͤnnen. 154. Die Sonne, durch einen gewissen Grad von Duͤn- sten gesehen, zeigt sich mit einer gelblichen Scheibe. Oft ist die Mitte noch blendend gelb, wenn sich die Raͤnder schon roth zeigen. Beym Heerrauch, (wie 1794 auch im Norden der Fall war) und noch mehr bey der Disposition der Atmosphaͤre, wenn in suͤdlichen Gegen- den der Scirocco herrscht, erscheint die Sonne rubin- roth mit allen sie im letzten Falle gewoͤhnlich umgeben- den Wolken, die alsdann jene Farbe im Wiederschein zuruͤckwerfen. Morgen- und Abendroͤthe entsteht aus derselben Ursache. Die Sonne wird durch eine Roͤthe verkuͤn- digt, indem sie durch eine groͤßere Masse von Duͤnsten zu uns strahlt. Je weiter sie herauf kommt, desto hel- ler und gelber wird der Schein. 155. Wird die Finsterniß des unendlichen Raums durch atmosphaͤrische vom Tageslicht erleuchtete Duͤnste hin- durch angesehen, so erscheint die blaue Farbe. Auf hohen Gebirgen sieht man am Tage den Himmel koͤ- nigsblau, weil nur wenig feine Duͤnste vor dem un- endlichen finstern Raum schweben; sobald man in die Thaͤler herabsteigt, wird das Blaue heller, bis es end- lich, in gewissen Regionen und bey zunehmenden Duͤn- sten, ganz in ein Weißblau uͤbergeht. 156. Eben so scheinen uns auch die Berge blau: denn indem wir sie in einer solchen Ferne erblicken, daß wir die Lokalfarben nicht mehr sehen, und kein Licht von ihrer Oberflaͤche mehr auf unser Auge wirkt; so gelten sie als ein reiner finsterer Gegenstand, der nun durch die dazwischen tretenden truͤben Duͤnste blau er- scheint. 157. Auch sprechen wir die Schattentheile naͤherer Gegenstaͤnde fuͤr blau an, wenn die Luft mit feinen Duͤnsten gesaͤttigt ist. 158. Die Eisberge hingegen erscheinen in großer Ent- fernung noch immer weiß und eher gelblich, weil sie immer noch als hell durch den Dunstkreis auf unser Auge wirken. 159. Die blaue Erscheinung an dem untern Theil des Kerzenlichtes gehoͤrt auch hieher. Man halte die Flam- me vor einen weißen Grund, und man wird nichts blaues sehen; welche Farbe hingegen sogleich erscheinen wird, wenn man die Flamme gegen einen schwarzen Grund haͤlt. Dieses Phaͤnomen erscheint am lebhafte- sten bey einem angezuͤndeten Loͤffel Weingeist. Wir koͤnnen also den untern Theil der Flamme fuͤr einen Dunst ansprechen, welcher obgleich unendlich fein, doch vor der dunklen Flaͤche sichtbar wird: er ist so fein, daß man bequem durch ihn lesen kann; dahingegen die Spitze der Flamme, welche uns die Gegenstaͤnde ver- deckt, als ein selbstleuchtender Koͤrper anzusehen ist. 160. Uebrigens ist der Rauch gleichfalls als ein truͤbes Mittel anzusehen, das uns vor einem hellen Grunde gelb oder roͤthlich, vor einem dunklen aber blau er- scheint. 161. Wenden wir uns nun zu den fluͤssigen Mitteln, so finden wir, daß ein jedes Wasser, auf eine zarte Weise getruͤbt, denselben Effect hervorbringe. 162. Die Infusion des nephritischen Holzes, (der Gui- landina Linnaei, ) welche fruͤher so großes Aufsehen machte, ist nur ein truͤber Liquor, der im dunklen hoͤlzernen Becher blau aussehen, in einem durchsichti- gen Glase aber gegen die Sonne gehalten, eine gelbe Erscheinung hervorbringen muß. 163. Einige Tropfen wohlriechender Wasser, eines Wein- geistfirnisses, mancher metallischen Solutionen koͤnnen das Wasser zu solchen Versuchen in allen Graden truͤbe machen. Seifenspiritus thut fast die beste Wirkung. 164. Der Grund des Meeres erscheint den Tauchern bey hellem Sonnenschein purpurfarb, wobey das Meer- wasser als ein truͤbes und tiefes Mittel wirkt. Sie bemerken bey dieser Gelegenheit die Schatten gruͤn, wel- ches die geforderte Farbe ist. (78.) 165. Unter den festen Mitteln begegnet uns in der Na- tur zuerst der Opal, dessen Farben wenigstens zum Theil daraus zu erklaͤren sind, daß er eigentlich ein truͤbes Mittel sey, wodurch bald helle, bald dunkle Unterlagen sichtbar werden. 166. Zu allen Versuchen aber ist das Opalglas (vitrum astroides, girasole) der erwuͤnschteste Koͤrper. Es wird auf verschiedene Weise verfertigt und seine Truͤbe durch Metallkalke hervorgebracht. Auch truͤbt man das Glas dadurch, daß man gepuͤlverte und calcinirte Kno- chen mit ihm zusammenschmelzt, deßwegen man es auch Beinglas nennt; doch geht dieses gar zu leicht ins Un- durchsichtige uͤber. 167. Man kann dieses Glas zu Versuchen auf vieler- ley Weise zurichten: denn entweder man macht es nur wenig truͤb, da man denn durch mehrere Schichten uͤber einander das Licht vom hellsten Gelb bis zum tiefsten Purpur fuͤhren kann; oder man kann auch stark ge- truͤbtes Glas in duͤnnern und staͤrkeren Scheiben an- wenden. Auf beyde Arten lassen sich die Versuche an- stellen; besonders darf man aber, um die hohe blaue Farbe zu sehen, das Glas weder allzutruͤb noch allzu- stark nehmen. Denn da es natuͤrlich ist, daß das Finstere nur schwach durch die Truͤbe hindurch wirke, so geht die Truͤbe, wenn sie zu dicht wird, gar schnell in das Weiße hinuͤber. 168. Fensterscheiben durch die Stellen, an welchen sie blind geworden sind, werfen einen gelben Schein auf die Gegenstaͤnde, und eben diese Stellen sehen blau aus, wenn wir durch sie nach einem dunklen Gegen- stande blicken. 169. Das angerauchte Glas gehoͤrt auch hieher, und ist gleichfalls als ein truͤbes Mittel anzusehen. Es zeigt uns die Sonne mehr oder weniger rubinroth; und ob man gleich diese Erscheinung der schwarzbraunen Farbe des Rußes zuschreiben koͤnnte, so kann man sich doch uͤberzeugen, daß hier ein truͤbes Mittel wirke, wenn man ein solches maͤßig angerauchtes Glas, auf der vor- dern Seite durch die Sonne erleuchtet, vor einen dunk- len Gegenstand haͤlt, da wir denn einen blaulichen Schein gewahr werden. 170. Mit Pergamentblaͤttern laͤßt sich in der dunkeln Kammer ein auffallender Versuch anstellen. Wenn man vor die Oeffnung des eben von der Sonne beschienenen Fensterladens ein Stuͤck Pergament befestigt, so wird es weißlich erscheinen; fuͤgt man ein zweytes hinzu, so entsteht eine gelbliche Farbe, die immer zunimmt und endlich bis ins Rothe uͤbergeht, je mehr man Blaͤt- ter nach und nach hinzufuͤgt. 171. Einer solchen Wirkung der getruͤbten Krystalllinse beym grauen Staar ist schon oben gedacht. (131.) 172. Sind wir nun auf diesem Wege schon bis zu der Wirkung eines kaum noch durchscheinenden Truͤben ge- langt; so bleibt uns noch uͤbrig, einer wunderbaren Er- scheinung augenblicklicher Truͤbe zu gedenken. Das Portrait eines angesehenen Theologen war von einem Kuͤnstler, welcher praktisch besonders gut mit der Farbe umzugehen wußte, vor mehrern Jahren, gemalt worden. Der hochwuͤrdige Mann stand in ei- nem glaͤnzenden Sammtrocke da, welcher fast mehr als das Gesicht die Augen der Anschauer auf sich zog und Bewunderung erregte. Indessen hatte das Bild nach und nach durch Lichterdampf und Staub von seiner ersten Lebhaftigkeit vieles verloren. Man uͤbergab es daher einem Maler, der es reinigen und mit einem neuen Firniß uͤberziehen sollte. Dieser faͤngt nun sorg- faͤltig an zuerst das Bild mit einem feuchten Schwamm abzuwaschen; kaum aber hat er es einigemal uͤberfah- ren und den staͤrksten Schmutz weggewischt, als zu sei- nem Erstaunen der schwarze Sammtrock sich ploͤtzlich in einen hellblauen Pluͤschrock verwandelt, wodurch der geistliche Herr ein sehr weltliches, obgleich altmodisches Ansehn gewinnt. Der Maler getraut sich nicht weiter zu waschen, begreift nicht, wie ein Hellblau zum Grunde des tiefsten Schwarzen liegen, noch weniger wie er eine Lasur so schnell koͤnne weggescheuert haben, welche ein solches Blau, wie er vor sich sah, in Schwarz zu verwandeln im Stande gewesen waͤre. Genug er fuͤhlte sich sehr bestuͤrzt, das Bild auf diesen Grad verdorben zu haben: es war nichts Geist- liches mehr daran zu sehen, als nur die vielgelockte, runde Peruͤcke, wobey der Tausch eines verschossenen Pluͤschrocks gegen einen trefflichen neuen Sammtrock durchaus unerwuͤnscht blieb. Das Uebel schien indessen unheilbar, und unser guter Kuͤnstler lehnte mißmuthig das Bild gegen die Wand und legte sich nicht ohne Sorgen zu Bette. Wie erfreut aber war er den andern Morgen, als er das Gemaͤlde wieder vornahm und den schwarzen Sammtrock in voͤlligem Glanze wieder erblickte. Er konnte sich nicht enthalten, den Rock an einem Ende abermals zu benetzen, da denn die blaue Farbe wieder erschien, und nach einiger Zeit verschwand. Als ich Nachricht von diesem Phaͤnomen erhielt, begab ich mich sogleich zu dem Wunderbilde. Es ward in meiner Gegenwart mit einem feuchten Schwamme uͤberfahren, und die Veraͤnderung zeigte sich sehr schnell. Ich sah einen zwar etwas verschossenen aber voͤllig hell- blauen Pluͤschrock, auf welchem an dem Aermel einige braune Striche die Falten andeuteten. Ich erklaͤrte mir dieses Phaͤnomen aus der Lehre von den truͤben Mitteln. Der Kuͤnstler mochte seine schon gemalte schwarze Farbe, um sie recht tief zu machen, mit einem besondern Firniß lasiren, welcher beym Waschen einige Feuchtigkeit in sich sog und da- durch truͤbe ward, wodurch das unterliegende Schwarz sogleich als Blau erschien. Vielleicht kommen diejeni- gen, welche viel mit Firnissen umgehen, durch Zufall oder Nachdenken, auf den Weg, diese sonderbare Er- scheinung, den Freunden der Naturforschung, als Ex- periment darzustellen. Mir hat es nach mancherley Proben nicht gelingen wollen. 173. Haben wir nun die herrlichsten Faͤlle atmosphaͤri- scher Erscheinungen, so wie andre geringere, aber doch immer genugsam bedeutende, aus der Haupterfahrung I. 5 mit truͤben Mitteln hergeleitet; so zweifeln wir nicht, daß aufmerksame Naturfreunde immer weiter gehen und sich uͤben werden, die im Leben mannigfaltig vorkom- menden Erscheinungen auf eben diesem Wege abzuleiten und zu erklaͤren; so wie wir hoffen koͤnnen, daß die Naturforscher sich nach einem hinlaͤnglichen Apparat um- sehen werden, um so bedeutende Erfahrungen den Wiß- begierigen vor Augen zu bringen. 174. Ja wir moͤchten jene im Allgemeinen ausgespro- chene Haupterscheinung ein Grund- und Urphaͤnomen nennen, und es sey uns erlaubt, hier, was wir dar- unter verstehen, sogleich beyzubringen. 175. Das was wir in der Erfahrung gewahr werden, sind meistens nur Faͤlle, welche sich mit einiger Auf- merksamkeit unter allgemeine empirische Rubriken brin- gen lassen. Diese subordiniren sich abermals unter wis- senschaftliche Rubriken, welche weiter hinaufdeuten, wobey uns gewisse unerlaͤßliche Bedingungen des Er- scheinenden naͤher bekannt werden. Von nun an fuͤgt sich alles nach und nach unter hoͤhere Regeln und Ge- setze, die sich aber nicht durch Worte und Hypothesen dem Verstande, sondern gleichfalls durch Phaͤnomene dem Anschauen offenbaren. Wir nennen sie Urphaͤno- mene, weil nichts in der Erscheinung uͤber ihnen liegt, sie aber dagegen voͤllig geeignet sind, daß man stufen- weise, wie wir vorhin hinaufgestiegen, von ihnen her- ab bis zu dem gemeinsten Falle der taͤglichen Erfahrung niedersteigen kann. Ein solches Urphaͤnomen ist dasje- nige, das wir bisher dargestellt haben. Wir sehen auf der einen Seite das Licht, das Helle, auf der andern die Finsterniß, das Dunkle, wir bringen die Truͤbe zwischen beyde, und aus diesen Gegensaͤtzen, mit Huͤlfe gedachter Vermittlung, entwickeln sich, gleichfalls in einem Gegensatz, die Farben, deuten aber alsbald, durch einen Wechselbezug, unmittelbar auf ein Ge- meinsames wieder zuruͤck. 176. In diesem Sinne halten wir den in der Naturfor- schung begangenen Fehler fuͤr sehr groß, daß man ein abgeleitetes Phaͤnomen an die obere Stelle, das Ur- phaͤnomen an die niedere Stelle setzte, ja sogar das abgeleitete Phaͤnomen wieder auf den Kopf stellte, und an ihm das Zusammengesetzte fuͤr ein Einfaches, das Einfache fuͤr ein Zusammengesetztes gelten ließ; durch welches Hinterstzuvoͤrderst die wunderlichsten Verwick- lungen und Verwirrungen in die Naturlehre gekommen sind, an welchen sie noch leidet. 177. Waͤre denn aber auch ein solches Urphaͤnomen ge- funden, so bleibt immer noch das Uebel, daß man es nicht als ein solches anerkennen will, daß wir hinter ihm und uͤber ihm noch etwas weiteres aufsuchen, da wir doch hier die Graͤnze des Schauens eingestehen sollten. Der Naturforscher lasse die Urphaͤnomene in 5 * ihrer ewigen Ruhe und Herrlichkeit dastehen, der Phi- losoph nehme sie in seine Region auf, und er wird finden, daß ihm nicht in einzelnen Faͤllen, allgemeinen Rubriken, Meynungen und Hypothesen, sondern im Grund- und Urphaͤnomen ein wuͤrdiger Stoff zu wei- terer Behandlung und Bearbeitung uͤberliefert werde. XI. Dioptrische Farben . Der zweyten Classe . Refraction . 178. Die dioptrischen Farben der beyden Classen schlie- ßen sich genau an einander an, wie sich bey einiger Betrachtung sogleich finden laͤßt. Die der ersten Classe erschienen in dem Felde der truͤben Mittel, die der zweyten sollen uns nun in durchsichtigen Mitteln er- scheinen. Da aber jedes empirisch Durchsichtige an sich schon als truͤb angesehen werden kann, wie uns jede vermehrte Masse eines durchsichtig genannten Mittels zeigt; so ist die nahe Verwandtschaft beyder Arten ge- nugsam einleuchtend. 179. Doch wir abstrahiren vorerst, indem wir uns zu den durchsichtigen Mitteln wenden, von aller ihnen ei- nigermaßen beywohnenden Truͤbe, und richten unsre ganze Aufmerksamkeit auf das hier eintretende Phaͤno- men, das unter dem Kunstnamen der Refraction be- kannt ist. 180. Wir haben schon bey Gelegenheit der physiologi- schen Farben dasjenige, was man sonst Augentaͤuschun- gen zu nennen pflegte, als Thaͤtigkeiten des gesunden und richtig wirkenden Auges gerettet (2.) und wir kommen hier abermals in den Fall, zu Ehren unserer Sinne und zu Bestaͤtigung ihrer Zuverlaͤssigkeit einiges auszufuͤhren. 181. In der ganzen sinnlichen Welt kommt alles uͤber- haupt auf das Verhaͤltniß der Gegenstaͤnde untereinan- der an, vorzuͤglich aber auf das Verhaͤltniß des be- deutendsten irdischen Gegenstandes, des Menschen, zu den uͤbrigen. Hierdurch trennt sich die Welt in zwey Theile, und der Mensch stellt sich als ein Subject dem Object entgegen. Hier ist es, wo sich der Praktiker in der Erfahrung, der Denker in der Speculation abmuͤ- det und einen Kampf zu bestehen aufgefordert ist, der durch keinen Frieden und durch keine Entscheidung ge- schlossen werden kann. 182. Immer bleibt es aber auch hier die Hauptsache, daß die Beziehungen wahrhaft eingesehen werden. Da nun unsre Sinne, in so fern sie gesund sind, die aͤu- ßern Beziehungen am wahrhaftesten aussprechen; so koͤn- nen wir uns uͤberzeugen, daß sie uͤberall, wo sie dem Wirklichen zu widersprechen scheinen, das wahre Ver- haͤltniß desto sichrer bezeichnen. So erscheint uns das Entfernte kleiner, und eben dadurch werden wir die Entfernung gewahr. An farblosen Gegenstaͤnden brach- ten wir durch farblose Mittel farbige Erscheinungen hervor, und wurden zugleich auf die Grade des Truͤ- ben solcher Mittel aufmerksam. 183. Eben so werden unserm Auge die verschiedenen Grade der Dichtigkeit durchsichtiger Mittel, ja sogar noch andre physische und chemische Eigenschaften dersel- ben, bey Gelegenheit der Refraction, bekannt, und fordern uns auf, andre Pruͤfungen anzustellen, um in die von einer Seite schon eroͤffneten Geheimnisse auf physischem und chemischem Wege voͤllig einzudringen. 184. Gegenstaͤnde durch mehr oder weniger dichte Mit- tel gesehen, erscheinen uns nicht an der Stelle, an der sie sich, nach den Gesetzen der Perspective, befin- den sollten. Hierauf beruhen die dioptrischen Erschei- nungen der zweyten Classe. 185. Diejenigen Gesetze des Sehens, welche sich durch mathematische Formeln ausdruͤcken lassen, haben zum Grunde, daß, so wie das Licht sich in gerader Linie bewegt, auch eine gerade Linie zwischen dem sehenden Organ und dem gesehenen Gegenstand muͤsse zu ziehen seyn. Kommt also der Fall, daß das Licht zu uns in einer gebogenen oder gebrochenen Linie anlangt, daß wir die Gegenstaͤnde in einer gebogenen oder gebroche- nen Linie sehen; so werden wir alsbald erinnert, daß die dazwischen liegenden Mittel sich verdichtet, daß sie diese oder jene fremde Natur angenommen haben. 186. Diese Abweichung vom Gesetz des geradlinigen Se- hens wird im Allgemeinen die Refraction genannt, und ob wir gleich voraussetzen koͤnnen, daß unsre Leser da- mit bekannt sind; so wollen wir sie doch kuͤrzlich von ihrer objectiven und subjectiven Seite hier nochmals darstellen. 187. Man lasse in ein leeres kubisches Gefaͤß das Son- nenlicht schraͤg in der Diagonale hineinscheinen, derge- stalt daß nur die dem Licht entgegengesetzte Wand, nicht aber der Boden erleuchtet sey; man gieße sodann Was- ser in dieses Gefaͤß und der Bezug des Lichtes zu dem- selben wird sogleich veraͤndert seyn. Das Licht zieht sich gegen die Seite, wo es herkommt, zuruͤck, und ein Theil des Bodens wird gleichfalls erleuchtet. An dem Puncte, wo nunmehr das Licht in das dichtere Mittel tritt, weicht es von seiner geradlinigen Richtung ab und scheint gebrochen, deswegen man auch dieses Phaͤ- nomen die Brechung genannt hat. So viel von dem objectiven Versuche. 188. Zu der subjectiven Erfahrung gelangen wir aber folgendermaßen. Man setze das Auge an die Stelle der Sonne; das Auge schaue gleichfalls in der Dia- gonale uͤber die eine Wand, so daß es die ihm entge- genstehende jenseitige innre Wand-Flaͤche vollkommen, nichts aber vom Boden sehen koͤnne. Man gieße Was- ser in das Gefaͤß und das Auge wird nun einen Theil des Bodens gleichfalls erblicken, und zwar geschieht es auf eine Weise, daß wir glauben, wir sehen noch im- mer in gerader Linie: denn der Boden scheint uns her- aufgehoben, daher wir das subjective Phaͤnomen mit dem Namen der Hebung bezeichnen. Einiges, was noch besonders merkwuͤrdig hiebey ist, wird kuͤnftig vorgetragen werden. 189. Sprechen wir dieses Phaͤnomen nunmehr im All- gemeinen aus, so koͤnnen wir, was wir oben ange- deutet, hier wiederholen: daß nehmlich der Bezug der Gegenstaͤnde veraͤndert, verruͤckt werde. 190. Da wir aber bey unserer gegenwaͤrtigen Darstel- lung die objectiven Erscheinungen von den subjectiven zu trennen gemeint sind; so sprechen wir das Phaͤno- men vorerst subjectiv aus, und sagen: es zeige sich eine Verruͤckung des Gesehenen, oder des zu Sehenden. 191. Es kann nun aber das unbegraͤnzt Gesehene ver- ruͤckt werden, ohne daß uns die Wirkung bemerklich wird. Verruͤckt sich hingegen das begraͤnzt Gesehene, so haben wir Merkzeichen, daß eine Verruͤckung ge- schieht. Wollen wir uns also von einer solchen Ver- aͤnderung des Bezuges unterrichten; so werden wir uns vorzuͤglich an die Verruͤckung des begraͤnzt Gesehenen, an die Verruͤckung des Bildes zu halten haben. 192. Diese Wirkung uͤberhaupt kann aber geschehen durch parallele Mittel: denn jedes parallele Mittel verruͤckt den Gegenstand und bringt ihn sogar im Perpendikel dem Auge entgegen. Merklicher aber wird dieses Ver- ruͤcken durch nicht parallele Mittel. 193. Diese koͤnnen eine voͤllig sphaͤrische Gestalt haben, auch als convexe, oder als concave Linsen angewandt werden. Wir bedienen uns derselben gleichfalls bey unsern Erfahrungen. Weil sie aber nicht allein das Bild von der Stelle verruͤcken, sondern dasselbe auch auf mancherley Weise veraͤndern; so gebrauchen wir lieber solche Mittel, deren Flaͤchen zwar nicht paral- lel gegen einander, aber doch saͤmmtlich eben sind, nehmlich Prismen, die einen Triangel zur Base haben, die man zwar auch als Theile einer Linse betrachten kann, die aber zu unsern Erfahrungen deßhalb beson- ders tauglich sind, weil sie das Bild sehr stark von der Stelle verruͤcken, ohne jedoch an seiner Gestalt eine bedeutende Veraͤnderung hervorzubringen. 194. Nunmehr, um unsre Erfahrungen mit moͤglichster Genauigkeit anzustellen und alle Verwechslung abzuleh- nen, halten wir uns zuerst an Subjective Versuche , bey welchen nehmlich der Gegenstand durch ein brechen- des Mittel von dem Beobachter gesehen wird. Sobald wir diese der Reihe nach abgehandelt, sollen die ob- jectiven Versuche in gleicher Ordnung folgen. XII. Refraction ohne Farbenerscheinung. 195. Die Refraction kann ihre Wirkung aͤußern, ohne daß man eine Farbenerscheinung gewahr werde. So sehr auch durch Refraction das unbegraͤnzt Gesehene, eine farblose oder einfach gefaͤrbte Flaͤche verruͤckt werde, so entsteht innerhalb derselben doch keine Farbe. Man kann sich hievon auf mancherley Weise uͤberzeugen. 196. Man setze einen glaͤsernen Kubus auf irgend eine Flaͤche und schaue im Perpendikel oder im Winkel dar- auf; so wird die reine Flaͤche dem Auge voͤllig entge- gen gehoben, aber es zeigt sich keine Farbe. Wenn man durchs Prisma einen rein grauen oder blauen Him- mel, eine rein weiße oder farbige Wand betrachtet; so wird der Theil der Flaͤche, den wir eben ins Auge ge- faßt haben, voͤllig von seiner Stelle geruͤckt seyn, ohne daß wir deßhalb die mindeste Farbenerscheinung darauf bemerken. XIII. Bedingungen der Farbenerscheinung. 197. Haben wir bey den vorigen Versuchen und Beob- achtungen alle reinen Flaͤchen, groß oder klein, farb- los gefunden; so bemerken wir an den Raͤndern, da wo sich eine solche Flaͤche gegen einen hellern oder dunk- lern Gegenstand abschneidet, eine farbige Erscheinung. 198. Durch Verbindung von Rand und Flaͤche entstehen Bilder. Wir sprechen daher die Haupterfahrung derge- stalt aus: es muͤssen Bilder verruͤckt werden, wenn eine Farbenerscheinung sich zeigen soll. 199. Wir nehmen das einfachste Bild vor uns, ein helles Rund auf dunklem Grunde A. An diesem fin- det eine Verruͤckung statt, wenn wir seine Raͤnder von dem Mittelpuncte aus scheinbar nach außen dehnen, in- dem wir es vergroͤßern. Dieses geschieht durch jedes convexe Glas, und wir erblicken in diesem Falle einen blauen Rand B. 200. Den Umkreis eben desselben Bildes koͤnnen wir nach dem Mittelpuncte zu scheinbar hineinbewegen, in- dem wir das Rund zusammenziehen; da alsdann die Raͤnder gelb erscheinen C. Dieses geschieht durch ein concaves Glas, das aber nicht, wie die gewoͤhnlichen Lorgnetten, duͤnn geschliffen seyn darf, sondern einige Masse haben muß. Damit man aber diesen Versuch auf einmal mit dem convexen Glas machen koͤnne, so bringe man in das helle Rund auf schwarzem Grunde eine kleinere schwarze Scheibe. Denn vergroͤßert man durch ein convexes Glas die schwarze Scheibe auf wei- ßem Grund, so geschieht dieselbe Operation, als wenn man ein weißes Rund verkleinerte: denn wir fuͤhren den schwarzen Rand nach dem weißen zu; und wir erblicken also den gelblichen Farbenrand zugleich mit dem blauen D. 201. Diese beyden Erscheinungen, die blaue und gelbe, zeigen sich an und uͤber dem Weißen. Sie nehmen, in so fern sie uͤber das Schwarze reichen, einen roͤthli- chen Schein an. 202. Und hiermit sind die Grundphaͤnomene aller Far- benerscheinung bey Gelegenheit der Refraction ausge- sprochen, welche denn freylich auf mancherley Weise wiederholt, variirt, erhoͤht, verringert, verbunden, verwickelt, verwirrt, zuletzt aber immer wieder auf ihre urspruͤngliche Einfalt zuruͤckgefuͤhrt werden koͤnnen. 203. Untersuchen wir nun die Operation, welche wir vorgenommen, so finden wir, daß wir in dem einen Falle den hellen Rand gegen die dunkle, in dem an- dern den dunkeln Rand gegen die helle Flaͤche scheinbar gefuͤhrt, eins durch das andre verdraͤngt, eins uͤber das andre weggeschoben haben. Wir wollen nunmehr saͤmmtliche Erfahrungen schrittweise zu entwickeln suchen. 204. Ruͤckt man die helle Scheibe, wie es besonders durch Prismen geschehen kann, im Ganzen von ihrer Stelle; so wird sie in der Richtung gefaͤrbt, in der sie scheinbar bewegt wird, und zwar nach jenen Ge- setzen. Man betrachte durch ein Prisma die in a be- findliche Scheibe dergestalt, daß sie nach b verruͤckt erscheine; so wird der obere Rand, nach dem Gesetz der Figur c , blau und blauroth erscheinen, der untere, nach dem Gesetz der Scheibe b , gelb und gelbroth. Denn im ersten Fall wird das helle Bild in den dunk- len Rand hinuͤber, und in dem andern der dunkle Rand uͤber das helle Bild gleichsam hineingefuͤhrt. Ein gleiches gilt, wenn man die Scheibe von a nach c , von a nach d , und so im ganzen Kreise scheinbar her- umfuͤhrt. 205. Wie sich nun die einfache Wirkung verhaͤlt, so ver- haͤlt sich auch die zusammengesetzte. Man sehe durch das horizontale Prisma a b nach einer hinter demselben in einiger Entfernung befindlichen weißen Scheibe in e ; so wird die Scheibe nach f erhoben und nach dem obigen Gesetz gefaͤrbt seyn. Man hebe dieß Prisma weg und schaue durch ein verticales c d nach eben dem Bilde; so wird es in h erscheinen, und nach eben demselben Gesetze gefaͤrbt. Man bringe nun beyde Pris- men uͤber einander, so erscheint die Scheibe, nach ei- nem allgemeinen Naturgesetz, in der Diagonale ver- ruͤckt und gefaͤrbt, wie es die Richtung e g mit sich bringt. 206. Geben wir auf diese entgegengesetzten Farbenraͤn- der der Scheibe wohl Acht; so finden wir, daß sie nur in der Richtung ihrer scheinbaren Bewegung ent- stehen. Ein rundes Bild laͤßt uns uͤber dieses Verhaͤlt- niß einigermaßen ungewiß; ein vierecktes hingegen be- lehrt uns klaͤrlich daruͤber. 207. Das viereckte Bild a, in der Richtung a b oder a d verruͤckt, zeigt uns an den Seiten, die mit der Richtung parallel gehen, keine Farben; in der Rich- tung a c hingegen, da sich das Quadrat in seiner eig- nen Diagonale bewegt, erscheinen alle Graͤnzen des Bildes gefaͤrbt. 208. Hier bestaͤtigt sich also jener Ausspruch (203. f.), ein Bild muͤsse dergestalt verruͤckt werden, daß seine helle Graͤnze uͤber die dunkle, die dunkle Graͤnze aber uͤber die helle, das Bild uͤber seine Begraͤnzung, die Begraͤnzung uͤber das Bild scheinbar hingefuͤhrt werde. Bewegen sich aber die geradlinigen Graͤnzen eines Bildes durch Refraction immerfort, daß sie nur neben einan- der, nicht aber uͤber einander ihren Weg zuruͤcklegen; so entstehen keine Farben, und wenn sie auch bis ins Unendliche fortgefuͤhrt wuͤrden. XIV. Bedingungen unter welchen die Far- benerscheinung zunimmt . 209. Wir haben in dem Vorigen gesehen, daß alle Farbenerscheinung bey Gelegenheit der Refraction dar- auf beruht, daß der Rand eines Bildes gegen das Bild selbst oder uͤber den Grund geruͤckt, daß das Bild gleichsam uͤber sich selbst oder uͤber den Grund hingefuͤhrt werde. Und nun zeigt sich auch, bey ver- mehrter Verruͤckung des Bildes, die Farbenerscheinung in einem breitern Maße, und zwar bey subjectiven Versuchen, bey denen wir immer noch verweilen, unter folgenden Bedingungen. 210. Erstlich, wenn das Auge gegen parallele Mittel eine schiefere Richtung annimmt. Zweytens, wenn das Mittel aufhoͤrt, parallel zu seyn, und einen mehr oder weniger spitzen Winkel bildet. Drittens, durch das verstaͤrkte Maß des Mittels; es sey nun, daß parallele Mittel am Volumen zuneh- men, oder die Grade des spitzen Winkels verstaͤrkt werden, doch so, daß sie keinen rechten Winkel errei- chen. Viertens, durch Entfernung des mit brechenden Mit- teln bewaffneten Auges von dem zu verruͤckenden Bilde. Fuͤnftens, durch eine chemische Eigenschaft, welche dem Glase mitgetheilt, auch in demselben erhoͤht wer- den kann. 211. Die groͤßte Verruͤckung des Bildes, ohne daß des- selben Gestalt bedeutend veraͤndert werde, bringen wir durch Prismen hervor, und dieß ist die Ursache, warum durch so gestaltete Glaͤser die Farbenerscheinung hoͤchst maͤchtig werden kann. Wir wollen uns jedoch bey dem Gebrauch derselben von jenen glaͤnzenden Erscheinungen nicht blenden lassen, vielmehr die oben festgesetzten ein- fachen Anfaͤnge ruhig im Sinne behalten. 212. Diejenige Farbe, welche bey Verruͤckung eines Bildes vorausgeht, ist immer die breitere, und wir nennen sie einen Saum; diejenige Farbe, welche an der Graͤnze zuruͤckbleibt, ist die schmaͤlere, und wir nen- nen sie einen Rand. 213. Bewegen wir eine dunkle Graͤnze gegen das Helle, so geht der gelbe breitere Saum voran, und der schmaͤ- lere gelbrothe Rand folgt mit der Graͤnze. Ruͤcken wir eine helle Graͤnze gegen das Dunkle, so geht der brei- tere violette Saum voraus und der schmaͤlere blaue Rand folgt. 214. Ist das Bild groß, so bleibt dessen Mitte unge- faͤrbt. Sie ist als eine unbegraͤnzte Flaͤche anzusehen, die verruͤckt, aber nicht veraͤndert wird. Ist es aber so schmal, daß unter obgedachten vier Bedingungen der gelbe Saum den blauen Rand erreichen kann; so wird die Mitte voͤllig durch Farben zugedeckt. Man mache diesen Versuch mit einem weißen Streifen auf schwarzem Grunde; uͤber einem solchen werden sich die beyden Extreme bald vereinigen und das Gruͤn erzeu- gen. Man erblickt alsdann folgende Reihe von Farben: Gelbroth Gelb Gruͤn Blau Blauroth I. 6 215. Bringt man auf weiß Papier einen schwarzen Streifen; so wird sich der violette Saum daruͤber hin- breiten, und den gelbrothen Rand erreichen. Hier wird das dazwischen liegende Schwarz, so wie vorher das dazwischen liegende Weiß aufgehoben, und an sei- ner Stelle ein praͤchtig reines Roth erscheinen, das wir oft mit dem Namen Purpur bezeichnet haben. Nunmehr ist die Farbenfolge nachstehende: Blau Blauroth Purpur Gelbroth Gelb. 216. Nach und nach koͤnnen in dem ersten Falle (214.) Gelb und Blau dergestalt uͤber einander greifen, daß diese beyden Farben sich voͤllig zu Gruͤn verbinden, und das farbige Bild folgendermaßen erscheint: Gelbroth Gruͤn Blauroth. Im zweyten Falle (215) sieht man unter aͤhnlichen Umstaͤnden nur: Blau Purpur Gelb. Welche Erscheinung am schoͤnsten sich an Fenster- staͤben zeigt, die einen grauen Himmel zum Hinter- grunde haben. 217. Bey allem diesem lassen wir niemals aus dem Sinne, daß diese Erscheinung nie als eine fertige, voll- endete, sondern immer als eine werdende, zunehmende, und in manchem Sinn bestimmbare Erscheinung anzu- sehen sey. Deßwegen sie auch bey Negation obiger fuͤnf Bedingungen (210.) wieder nach und nach ab- nimmt, und zuletzt voͤllig verschwindet. XV. Ableitung der angezeigten Phaͤnomene. 218. Ehe wir nun weiter gehen, haben wir die erstge- dachten ziemlich einfachen Phaͤnomene aus dem Vorher- gehenden abzuleiten, oder wenn man will, zu erklaͤ- ren, damit eine deutliche Einsicht in die folgenden mehr zusammengesetzten Erscheinungen dem Liebhaber der Natur werden koͤnne. 219. Vor allen Dingen erinnern wir uns, daß wir im Reiche der Bilder wandeln. Beym Sehen uͤberhaupt ist das begraͤnzt Gesehene immer das, worauf wir vor- zuͤglich merken; und in dem gegenwaͤrtigen Falle, da wir von Farbenerscheinung bey Gelegenheit der Refrac- 6 * tion sprechen, kommt nur das begraͤnzt Gesehene, kommt nur das Bild in Betrachtung. 220. Wir koͤnnen aber die Bilder uͤberhaupt zu unsern chromatischen Darstellungen in primaͤre und secun- daͤre Bilder eintheilen. Die Ausdruͤcke selbst bezeich- nen, was wir darunter verstehen, und nachfolgendes wird unsern Sinn noch deutlicher machen. 221. Man kann die primaͤren Bilder ansehen, erstlich als urspruͤngliche , als Bilder, die von dem anwe- senden Gegenstande in unserm Auge erregt werden, und die uns von seinem wirklichen Daseyn versichern. Diesen kann man die secundaͤren Bilder entgegensetzen, als abgeleitete Bilder, die, wenn der Gegenstand weggenommen ist, im Auge zuruͤckbleiben, jene Schein- und Gegenbilder, welche wir in der Lehre von physio- logischen Farben umstaͤndlich abgehandelt haben. 222. Man kann die primaͤren Bilder zweytens auch als directe Bilder ansehen, welche wie jene urspruͤngli- chen unmittelbar von dem Gegenstande zu unserm Auge gelangen. Diesen kann man die secundaͤren, als in- directe Bilder entgegensetzen, welche erst von einer spiegelnden Flaͤche aus der zweyten Hand uns uͤberlie- fert werden. Es sind dieses die katoptrischen Bilder, welche auch in gewissen Faͤllen zu Doppelbildern wer- den koͤnnen. 223. Wenn nehmlich der spiegelnde Koͤrper durchsichtig ist und zwey hinter einander liegende parallele Flaͤchen hat; so kann von jeder Flaͤche ein Bild ins Auge kom- men, und so entstehen Doppelbilder, in so fern das obere Bild das untere nicht ganz deckt, welches auf mehr als eine Weise der Fall ist. Man halte eine Spielkarte nahe vor einen Spie- gel. Man wird alsdann zuerst das starke lebhafte Bild der Karte erscheinen sehen; allein den Rand des gan- zen sowohl als jedes einzelnen darauf befindlichen Bil- des mit einem Saume verbraͤmt, welcher der Anfang des zweyten Bildes ist. Diese Wirkung ist bey ver- schiedenen Spiegeln, nach Verschiedenheit der Staͤrke des Glases und nach vorgekommenen Zufaͤlligkeiten beym Schleifen, gleichfalls verschieden. Tritt man mit einer weißen Weste auf schwarzen Unterkleidern vor manchen Spiegel, so erscheint der Saum sehr stark, wobey man auch sehr deutlich die Doppelbilder der Metallknoͤpfe auf dunklem Tuche erkennen kann. 224. Wer sich mit andern, von uns fruͤher angedeute- ten Versuchen (80.) schon bekannt gemacht hat, der wird sich auch hier eher zurecht finden. Die Fenster- staͤbe von Glastafeln zuruͤckgeworfen zeigen sich doppelt und lassen sich, bey mehrerer Staͤrke der Tafel und ver- groͤßertem Zuruͤckwerfungswinkel gegen das Auge, voͤllig trennen. So zeigt auch ein Gefaͤß voll Wasser mit fla- chem spiegelndem Boden die ihm vorgehaltnen Gegen- staͤnde doppelt, und nach Verhaͤltniß mehr oder weni- ger von einander getrennt; wobey zu bemerken ist, daß da, wo beyde Bilder einander decken, eigentlich das vollkommen lebhafte Bild entsteht, wo es aber aus einander tritt und doppelt wird, sich nun mehr schwa- che, durchscheinende und gespensterhafte Bilder zeigen. 225. Will man wissen, welches das untere, und wel- ches das obere Bild sey; so nehme man gefaͤrbte Mit- tel, da denn ein helles Bild, das von der untern Flaͤ- che zuruͤckgeworfen wird, die Farbe des Mittels, das aber von der obern zuruͤckgeworfen wird, die geforderte Farbe hat. Umgekehrt ist es mit dunklen Bildern; weswegen man auch hier schwarze und weiße Tafeln sehr wohl brauchen kann. Wie leicht die Doppelbilder sich Farbe mittheilen lassen, Farbe hervorrufen, wird auch hier wieder auffallend seyn. 226. Drittens kann man die primaͤren Bilder auch als Hauptbilder ansehen und ihnen die secundaͤren als Nebenbilder gleichsam anfuͤgen. Ein solches Ne- benbild ist eine Art von Doppelbild, nur daß es sich von dem Hauptbilde nicht trennen laͤßt, ob es sich gleich immer von demselben zu entfernen strebt. Von solchen ist nun bey den prismatischen Erscheinungen die Rede. 227. Das unbegraͤnzt durch Refraction Gesehene zeigt keine Farbenerscheinung (195.) Das Gesehene muß be- graͤnzt seyn. Es wird daher ein Bild gefordert; die- ses Bild wird durch Refraction verruͤckt, aber nicht vollkommen, nicht rein, nicht scharf verruͤckt, sondern unvollkommen, dergestalt, daß ein Nebenbild entstehet. 228. Bey einer jeden Erscheinung der Natur, besonders aber bey einer bedeutenden, auffallenden, muß man nicht stehen bleiben, man muß sich nicht an sie heften, nicht an ihr kleben, sie nicht isolirt betrachten; sondern in der ganzen Natur umhersehen, wo sich etwas Aehn- liches, etwas Verwandtes zeigt: denn nur durch Zusam- menstellen des Verwandten entsteht nach und nach eine Totalitaͤt, die sich selbst ausspricht und keiner weitern Erklaͤrung bedarf. 229. Wir erinnern uns also hier, daß bey gewissen Faͤllen Refraction unlaͤugbare Doppelbilder hervorbringt, wie es bey dem sogenannten Islaͤndischen Krystalle der Fall ist. Dergleichen Doppelbilder entstehen aber auch bey Refraction durch große Bergkrystalle und sonst; Phaͤnomene, die noch nicht genugsam beobachtet sind. 230. Da nun aber in gedachtem Falle (227.) nicht von Doppel-, sondern von Nebenbildern die Rede ist; so gedenken wir einer von uns schon dargelegten, aber noch nicht vollkommen ausgefuͤhrten Erscheinung. Man erinnere sich jener fruͤhern Erfahrung, daß ein helles Bild mit einem dunklen Grunde, ein dunkles mit ei- nem hellen Grunde schon in Absicht auf unsre Retina in einer Art von Conflict stehe. (16.) Das Helle er- scheint in diesem Falle groͤßer, das Dunkle kleiner. 231. Bey genauer Beobachtung dieses Phaͤnomens laͤßt sich bemerken, daß die Bilder nicht scharf vom Grunde abgeschnitten, sondern mit einer Art von grauem, eini- germaßen gefaͤrbtem Rande, mit einem Nebenbild er- scheinen. Bringen nun Bilder schon in dem nackten Auge solche Wirkungen hervor, was wird erst gesche- hen, wenn ein dichtes Mittel dazwischen tritt. Nicht das allein, was uns im hoͤchsten Sinne lebendig er- scheint, uͤbt Wirkungen aus und erleidet sie; sondern auch alles, was nur irgend einen Bezug auf einander hat, ist wirksam auf einander und zwar oft in sehr hohem Maße. 232. Es entstehet also, wenn die Refraction auf ein Bild wirkt, an dem Hauptbilde ein Nebenbild, und zwar scheint es, daß das wahre Bild einigermaßen zu- ruͤckbleibe und sich dem Verruͤcken gleichsam widersetze. Ein Nebenbild aber in der Richtung, wie das Bild durch Refraction uͤber sich selbst und uͤber den Grund hin bewegt wird, eilt vor und zwar schmaͤler oder brei- ter, wie oben schon ausgefuͤhrt worden. (212—216.) 233. Auch haben wir bemerkt (224.), daß Doppelbilder als halbirte Bilder, als eine Art von durchsichtigem Gespenst erscheinen, so wie sich die Doppelschatten je- desmal als Halbschatten zeigen muͤssen. Diese nehmen die Farbe leicht an und bringen sie schnell hervor. (69.) Jene gleichfalls. (80.) Und eben der Fall tritt auch bey den Nebenbildern ein, welche zwar von dem Haupt- bilde nicht ab, aber auch als halbirte Bilder aus dem- selben hervortreten, und daher so schnell, so leicht und so energisch gefaͤrbt erscheinen koͤnnen. 234. Daß nun die prismatische Farbenerscheinung ein Nebenbild sey, davon kann man sich auf mehr als eine Weise uͤberzeugen. Es entsteht genau nach der Form des Hauptbildes. Dieses sey nun gerade oder im Bo- gen begraͤnzt, gezackt oder wellenfoͤrmig, durchaus haͤlt sich das Nebenbild genau an den Umriß des Haupt- bildes. 235. Aber nicht allein die Form des wahren Bildes, sondern auch andre Bestimmungen desselben theilen sich dem Nebenbilde mit. Schneidet sich das Hauptbild scharf vom Grunde ab, wie Weiß auf Schwarz, so er- scheint das farbige Nebenbild gleichfalls in seiner hoͤch- sten Energie. Es ist lebhaft, deutlich und gewaltig. Am allermaͤchtigsten aber ist es, wenn ein leuchtendes Bild sich auf einem dunkeln Grunde zeigt, wozu man verschiedene Vorrichtungen machen kann. 236. Stuft sich aber das Hauptbild schwach von dem Grunde ab, wie sich graue Bilder gegen Schwarz und Weiß, oder gar gegen einander verhalten; so ist auch das Nebenbild schwach, und kann bei einer geringen Differenz von Tinten beynahe unmerklich werden. 237. So ist es ferner hoͤchst merkwuͤrdig, was an far- bigen Bildern auf hellem, dunklem oder farbigem Grun- de beobachtet wird. Hier entsteht ein Zusammentritt der Farbe des Nebenbildes mit der realen Farbe des Hauptbildes, und es erscheint daher eine zusammenge- setzte, entweder durch Uebereinstimmung beguͤnstigte oder durch Widerwaͤrtigkeit verkuͤmmerte Farbe. 238. Ueberhaupt aber ist das Kennzeichen des Doppel- und Nebenbildes die Halbdurchsichtigkeit. Man denke sich daher innerhalb eines durchsichtigen Mittels, dessen innre Anlage nur halbdurchsichtig, nur durchscheinend zu werden schon oben ausgefuͤhrt ist (147); man denke sich innerhalb desselben ein halbdurchsichtiges Schein- bild, so wird man dieses sogleich fuͤr ein truͤbes Bild ansprechen. 239. Und so lassen sich die Farben bey Gelegenheit der Refraction aus der Lehre von den truͤben Mitteln gar bequem ableiten. Denn wo der voreilende Saum des truͤben Nebenbildes sich vom Dunklen uͤber das Helle zieht, erscheint das Gelbe; umgekehrt wo eine helle Graͤnze uͤber die dunkle Umgebung hinaustritt, erscheint das Blaue. (150. 151.) 240. Die voreilende Farbe ist immer die breitere. So greift die gelbe uͤber das Licht mit einem breiten Sau- me; da wo sie aber an das Dunkle graͤnzt, entsteht, nach der Lehre der Steigerung und Beschattung, das Gelbrothe als ein schmaͤlerer Rand. 241. An der entgegengesetzten Seite haͤlt sich das ge- draͤngte Blau an der Graͤnze, der vorstrebende Saum aber, als eiu leichtes Truͤbes uͤber das Schwarze ver- breitet, laͤßt uns die violette Farbe sehen, nach eben denselben Bedingungen, welche oben bey der Lehre von den truͤben Mitteln angegeben worden, und welche sich kuͤnftig in mehreren andern Faͤllen gleichmaͤßig wirksam zeigen werden. 242. Da eine Ableitung wie die gegenwaͤrtige sich ei- gentlich vor dem Anschauen des Forschers legitimiren muß; so verlangen wir von jedem, daß er sich nicht auf eine fluͤchtige, sondern gruͤndliche Weise mit dem bisher Vorgefuͤhrten bekannt mache. Hier werden nicht willkuͤhrliche Zeichen, Buchstaben und was man sonst belieben moͤchte, statt der Erscheinungen hingestellt; hier werden nicht Redensarten uͤberliefert, die man hundert- mal wiederholen kann, ohne etwas dabey zu denken, noch Jemanden etwas dadurch denken zu machen; son- dern es ist von Erscheinungen die Rede, die man vor den Augen des Leibes und des Geistes gegenwaͤrtig ha- ben muß, um ihre Abkunft, ihre Herleitung sich und andern mit Klarheit entwickeln zu koͤnnen. XVI. Abnahme der farbigen Erscheinung. 243. Da man jene vorschreitenden fuͤnf Bedingungen, (210.) unter welchen die Farbenerscheinung zunimmt, nur ruͤckgaͤngig annehmen darf, um die Abnahme des Phaͤnomens leicht einzusehen und zu bewirken; so waͤre nur noch dasjenige, was dabey das Auge gewahr wird, kuͤrzlich zu beschreiben und durchzufuͤhren. 244. Auf dem hoͤchsten Puncte wechselseitiger Deckung der entgegengesetzten Raͤnder erscheinen die Farben fol- gendermaßen (216): Gelbroth Gruͤn Blauroth Blau Purpur. Gelb. 245. Bey minderer Deckung zeigt sich das Phaͤnomen folgendermaßen (214. 215): Gelbroth Blau Gelb Blauroth Gruͤn Purpur Blau Gelbroth Blauroth Gelb. Hier erscheinen also die Bilder noch voͤllig gefaͤrbt, aber diese Reihen sind nicht als urspruͤngliche, stetig sich auseinander entwickelnde stufen- und scalenartige Reihen anzusehen; sie koͤnnen und muͤssen vielmehr in ihre Elemente zerlegt werden, wobey man denn ihre Natur und Eigenschaft besser kennen lernt. 246. Diese Elemente aber sind (199. 200. 201): Gelbroth Blau Gelb Blauroth Weißes Schwarzes Blau Gelbroth Blauroth Gelb. Hier tritt nun das Hauptbild, das bisher ganz zugedeckt und gleichsam verloren gewesen, in der Mitte der Erscheinung wieder hervor, behauptet sein Recht und laͤßt uns die secundaͤre Natur der Nebenbilder, die sich als Raͤnder und Saͤume zeigen, voͤllig erkennen. 247. Es haͤngt von uns ab, diese Raͤnder und Saͤume so schmal werden zu lassen, als es uns beliebt, ja noch Refraction uͤbrig zu behalten, ohne daß uns deßwegen eine Farbe an der Graͤnze erschiene. Dieses nunmehr genugsam entwickelte farbige Phaͤ- nomen lassen wir denn nicht als ein urspruͤngliches gel- ten; sondern wir haben es auf ein fruͤheres und ein- facheres zuruͤckgefuͤhrt, und solches aus dem Urphaͤno- men des Lichtes und der Finsterniß durch die Truͤbe vermittelt, in Verbindung mit der Lehre von den secun- daͤren Bildern abgeleitet, und so geruͤstet werden wir die Erscheinungen, welche graue und farbige Bilder durch Brechung verruͤckt hervorbringen, zuletzt umstaͤnd- lich vortragen und damit den Abschnitt subjectiver Er- scheinungen voͤllig abschließen. XVII. Graue Bilder durch Brechung verruͤckt. 248. Wir haben bisher nur schwarze und weiße Bilder auf entgegengesetztem Grunde durchs Prisma betrachtet, weil sich an denselben die farbigen Raͤnder und Saͤu- me am deutlichsten ausnehmen. Gegenwaͤrtig wieder- holen wir jene Versuche mit grauen Bildern und fin- den abermals die bekannten Wirkungen. 249. Nannten wir das Schwarze den Repraͤsentanten der Finsterniß, das Weiße den Stellvertreter des Lichts (18); so koͤnnen wir sagen, daß das Graue den Halb- schatten repraͤsentire, welcher mehr oder weniger an Licht und Finsterniß Theil nimmt und also zwischen beyden inne steht (36). Zu unserm gegenwaͤrtigen Zwecke ru- fen wir folgende Phaͤnomene ins Gedaͤchtniß. 250. Graue Bilder erscheinen heller auf schwarzem als auf weißem Grunde (33), und erscheinen in solchen Faͤl- len, als ein Helles auf dem Schwarzen, groͤßer; als ein Dunkles auf dem Weißen, kleiner (16.) 251. Je dunkler das Grau ist, desto mehr erscheint es als ein schwaches Bild auf Schwarz, als ein starkes Bild auf Weiß, und umgekehrt; daher giebt Dunkel- grau auf Schwarz nur schwache, dasselbe auf Weiß star- ke, Hellgrau auf Weiß schwache, auf Schwarz starke Nebenbilder. 252. Grau auf Schwarz wird uns durchs Prisma jene Phaͤnomene zeigen, die wir bisher mit Weiß auf Schwarz hervorgebracht haben; die Raͤnder werden nach eben der Regel gefaͤrbt, die Saͤume zeigen sich nur schwaͤ- cher. Bringen wir Grau auf Weiß, so erblicken wir eben die Raͤnder und Saͤume, welche hervorgebracht wurden, wenn wir Schwarz auf Weiß durchs Prisma betrachteten. 253. Verschiedene Schattirungen von Grau, stufenweise an einander gesetzt, werden, je nachdem man das Dunk- lere oben oder untenhin bringt, entweder nur Blau und Violett, oder nur Roth und Gelb an den Raͤndern zeigen. 254. Eine Reihe grauer Schattirungen, horizontal an einander gestellt, wird, wie sie oben oder unten an ei- ne schwarze oder weiße Flaͤche stoͤßt, nach den bekann- ten Regeln gefaͤrbt. 255. Auf der zu diesem Abschnitt bestimmten, von jedem Naturfreund fuͤr seinen Apparat zu vergroͤßernden Ta- fel kann man diese Phaͤnomene durchs Prisma mit ei- nem Blicke gewahr werden. 256. Hoͤchst wichtig aber ist die Beobachtung und Be- trachtung eines grauen Bildes, welches zwischen einer schwarzen und einer weißen Flaͤche dergestalt ange- bracht ist, daß die Theilungslinie vertical durch das Bild durchgeht. 257. An diesem grauen Bilde werden die Farben nach der bekannten Regel, aber nach dem verschiedenen Ver- haͤltnisse des Hellen zum Dunklen, auf einer Linie ent- gegengesetzt erscheinen. Denn indem das Graue zum Schwarzen sich als hell zeigt; so hat es oben das Ro- the und Gelbe, unten das Blaue und Violette. In- dem es sich zum Weißen als dunkel verhaͤlt; so sieht man oben den blauen und violetten, unten hingegen den rothen und gelben Rand. Diese Beobachtung wird fuͤr die naͤchste Abtheilung hoͤchst wichtig. XVIII. Farbige Bilder durch Brechung verruͤckt. 258. Eine farbige große Flaͤche zeigt innerhalb ihrer selbst, so wenig als eine schwarze, weiße oder graue, irgend eine prismatische Farbe; es muͤßte denn zufaͤllig oder vorsaͤtzlich auf ihr Hell und Dunkel abwechseln. Es sind also auch nur Beobachtungen durchs Prisma an farbigen Flaͤchen anzustellen, in so fern sie durch einen Rand von einer andern verschieden tingirten Flaͤ- che abgesondert werden, also auch nur an farbigen Bildern. 259. Es kommen alle Farben, welcher Art sie auch seyn moͤgen, darin mit dem Grauen uͤberein, daß sie dunk- ler als Weiß, und heller als Schwarz erscheinen. Die- ses Schattenhafte der Farbe (σκιεϱόν) ist schon fruͤher angedeutet worden, (69.) und wird uns immer bedeu- tender werden. Wenn wir also vorerst farbige Bilder auf schwarze und weiße Flaͤchen bringen, und sie durchs I. 7 Prisma betrachten; so werden wir alles, was wir bey grauen Flaͤchen bemerkt haben, hier abermals finden. 260. Verruͤcken wir ein farbiges Bild, so entsteht, wie bey farblosen Bildern, nach eben den Gesetzen, ein Ne- benbild. Dieses Nebenbild behaͤlt, was die Farbe be- trifft, seine urspruͤngliche Natur bey und wirkt auf der einen Seite als ein Blaues und Blaurothes, auf der entgegengesetzten als ein Gelbes und Gelbrothes. Da- her muß der Fall eintreten, daß die Scheinfarbe des Randes und des Saumes mit der realen Farbe eines farbigen Bildes homogen sey; es kann aber auch im andern Falle das mit einem Pigment gefaͤrbte Bild mit dem erscheinenden Rand und Saum sich heterogen finden. In dem ersten Falle identificirt sich das Schein- bild mit dem wahren und scheint dasselbe zu vergroͤßern; dahingegen in dem zweyten Falle das wahre Bild durch das Scheinbild verunreinigt, undeutlich gemacht und verkleinert werden kann. Wir wollen die Faͤlle durch- gehen, wo diese Wirkungen sich am sonderbarsten zeigen. 261. Man nehme die zu diesen Versuchen vorbereitete Tafel vor sich, und betrachte das rothe und blaue Viereck auf schwarzem Grunde neben einander, nach der gewoͤhnlichen Weise durchs Prisma; so werden, da beyde Farben heller sind als der Grund, an beyden, sowohl oben als unten, gleiche farbige Raͤnder und Saͤu- me entstehen, nur werden sie dem Auge des Beobach- ters nicht gleich deutlich erscheinen. 262. Das Rothe ist verhaͤltnißmaͤßig gegen das Schwarze viel heller als das Blaue. Die Farben der Raͤnder werden also an dem Rothen staͤrker als an dem Blauen erscheinen, welches hier wie ein Dunkelgraues wirkt, das wenig von dem Schwarzen unterschieden ist. (251.) 263. Der obere rothe Rand wird sich mit der Zinnober- farbe des Vierecks identificiren und so wird das rothe Viereck hinaufwaͤrts ein wenig vergroͤßert erscheinen; der gelbe herabwaͤrtsstrebende Saum aber giebt der ro- then Flaͤche nur einen hoͤhern Glanz und wird erst bey genauerer Aufmerksamkeit bemerkbar. 264. Dagegen ist der rothe Rand und der gelbe Saum mit dem blauen Viereck heterogen; es wird also an dem Rande eine schmutzig rothe, und hereinwaͤrts in das Viereck eine schmutzig gruͤne Farbe entstehen, und so wird beym fluͤchtigen Anblick das blaue Viereck von dieser Seite zu verlieren scheinen. 265. An der untern Graͤnze der beyden Vierecke wird ein blauer Rand und ein violetter Saum entstehen und die entgegengesetzte Wirkung hervorbringen. Denn der blaue Rand, der mit der Zinnoberflaͤche heterogen ist, wird das Gelbrothe beschmutzen und eine Art von Gruͤn 7 * hervorbringen, so daß das Rothe von dieser Seite ver- kuͤrzt und hinaufgeruͤckt erscheint, und der violette Saum nach dem Schwarzen zu kaum bemerkt wird. 266. Dagegen wird der blaue Scheinrand sich mit der blauen Flaͤche identificiren, ihr nicht allein nichts neh- men, sondern vielmehr noch geben; und dieselbe wird also dadurch und durch den violetten benachbarten Saum, dem Anscheine nach, vergroͤßert und scheinbar herunter geruͤckt werden. 267. Die Wirkung der homogenen und heterogenen Raͤn- der, wie ich sie gegenwaͤrtig genau beschrieben habe, ist so maͤchtig und so sonderbar, daß einem fluͤchtigen Beschauer beym ersten Anblicke die beyden Vierecke aus ihrer wechselseitig horizontalen Lage geschoben und im entgegengesetzten Sinne verruͤckt scheinen, das Rothe hinaufwaͤrts, das Blaue herabwaͤrts. Doch Niemand, der in einer gewissen Folge zu beobachten, Versuche an einander zu knuͤpfen, aus einander herzuleiten ver- steht, wird sich von einer solchen Scheinwirkung taͤu- schen lassen. 268. Eine richtige Einsicht in dieses bedeutende Phaͤno- men wird aber dadurch erleichtert, daß gewisse scharfe, ja aͤngstliche Bedingungen noͤthig sind, wenn diese Taͤuschung statt finden soll. Man muß nehmlich zu dem rothen Viereck ein mit Zinnober oder dem besten Mennig, zu dem blauen ein mit Indig recht satt ge- faͤrbtes Papier besorgen. Alsdann verbindet sich der blaue und rothe prismatische Rand, da wo er homo- gen ist, unmerklich mit dem Bilde, da wo er heterogen ist, beschmutzt er die Farbe des Vierecks, ohne eine sehr deutliche Mittelfarbe hervorzubringen. Das Roth des Vierecks darf nicht zu sehr ins Gelbe fallen, sonst wird oben der dunkelrothe Scheinrand zu sehr bemerk- lich; es muß aber von der andern Seite genug vom Gelben haben, sonst wird die Veraͤnderung durch den gelben Saum zu deutlich. Das Blaue darf nicht hell seyn, sonst wird der rothe Rand sichtbar, und der gelbe Saum bringt zu offenbar ein Gruͤn hervor, und man kann den untern violetten Saum nicht mehr fuͤr die ver- ruͤckte Gestalt eines hellblauen Vierecks ansehen oder ausgeben. 269. Von allem diesem wird kuͤnftig umstaͤndlicher die Rede seyn, wenn wir vom Apparate zu dieser Abthei- lung handeln werden. Jeder Naturforcher bereite sich die Tafeln selbst, um dieses Taschenspielerstuͤckchen her- vorbringen zu koͤnnen, und sich dabey zu uͤberzeugen, daß die farbigen Raͤnder selbst in diesem Falle einer ge- schaͤrften Aufmerksamkeit nicht entgehen koͤnnen. 270. Indessen sind andere mannigfaltige Zusammenstel- lungen, wie sie unsre Tafel zeigt, voͤllig geeignet, allen Zweifel uͤber diesen Punct jedem Aufmerksamen zu be- nehmen. 271. Man betrachte dagegen ein weißes, neben dem blauen stehendes Viereck auf schwarzem Grunde; so wer- den an dem weißen, welches hier an der Stelle des rothen steht, die entgegengesetzten Raͤnder in ihrer hoͤch- sten Energie sich zeigen. Es erstreckt sich an demselben der rothe Rand fast noch mehr als oben am rothen selbst uͤber die Horizontallinie des blauen hinauf; der untere blaue Rand aber ist an dem weißen in seiner gan- zen Schoͤne sichtbar; dagegen verliert er sich in dem blauen Viereck durch Identification. Der violette Saum hinabwaͤrts ist viel deutlicher an dem weißen, als an dem blauen. 272. Man vergleiche nun die mit Fleiß uͤber einander gestellten Paare gedachter Vierecke, das rothe mit dem weißen, die beyden blauen Vierecke mit einander, das blaue mit dem rothen, das blaue mit dem weißen, und man wird die Verhaͤltnisse dieser Flaͤchen zu ihren far- bigen Raͤndern und Saͤumen deutlich einsehen. 273. Noch auffallender erscheinen die Raͤnder und ihre Verhaͤltnisse zu den farbigen Bildern, wenn man die far- bigen Vierecke und das schwarze auf weißem Grunde be- trachtet. Denn hier faͤllt jene Taͤuschung voͤllig weg, und die Wirkungen der Raͤnder sind so sichtbar, als wir sie nur in irgend einem andern Falle bemerkt haben. Man be- trachte zuerst das blaue und rothe Viereck durchs Prisma. An beyden entsteht der blaue Rand nunmehr oben. Dieser, homogen mit dem blauen Bilde, verbindet sich demselben und scheint es in die Hoͤhe zu heben; nur daß der hellblaue Rand oberwaͤrts zu sehr absticht. Der vio- lette Saum ist auch herabwaͤrts ins blaue deutlich genug. Ebendieser obere blaue Scheinrand ist nun mit dem rothen Viereck heterogen, er ist in der Gegenwirkung begriffen und kaum sichtbar. Der violette Saum indessen bringt, verbunden mit dem Gelbrothen des Bildes, eine Pfirsich- bluͤthfarbe zu Wege. 274. Wenn nun aus der angegebenen Ursache die oberen Raͤnder dieser Vierecke nicht horizontal erscheinen, so erscheinen die untern desto gleicher: denn indem beyde Farben, die rothe und die blaue, gegen das Weiße ge- rechnet, dunkler sind, als sie gegen das Schwarze hell waren, welches besonders von der letztern gilt; so ent- steht unter beyden der rothe Rand mit seinem gelben Saume sehr deutlich. Er zeigt sich unter dem gelbro- then Bilde in seiner ganzen Schoͤnheit, und unter dem dunkelblauen beynahe wie er unter dem schwarzen er- schien; wie man bemerken kann, wenn man abermals die uͤbereinandergesetzten Bilder und ihre Raͤnder und Saͤume vergleicht. 275. Um nun diesen Versuchen die groͤßte Mannigfal- tigkeit und Deutlichkeit zu geben, sind Vierecke von ver- schiedenen Farben in der Mitte der Tafel dergestalt an- gebracht, daß die Graͤnze des Schwarzen und Weißen vertical durch sie durchgeht. Man wird sie, nach je- nen uns uͤberhaupt und besonders bey farbigen Bildern genugsam bekannt gewordenen Regeln, an jedem Rand zwiefach gefaͤrbt finden, und die Vierecke werden in sich selbst entzwey gerissen und hinauf- oder herunter- waͤrts geruͤckt erscheinen. Wir erinnern uns hiebey je- nes grauen, gleichfalls auf der Graͤnzscheidung des Schwarzen und Weißen beobachteten Bildes. (257.) 276. Da nun das Phaͤnomen, das wir vorhin an ei- nem rothen und blauen Viereck auf schwarzem Grunde bis zur Taͤuschung gesehen haben, das Hinauf- und Hinabruͤcken zweyer verschieden gefaͤrbten Bilder uns hier an zwey Haͤlften eines und desselben Bildes von einer und derselben Farbe sichtbar wird; so werden wir dadurch abermals auf die farbigen Raͤnder, ihre Saͤume und auf die Wirkungen ihrer homogenen und heteroge- nen Natur hingewiesen, wie sie sich zu den Bildern verhaͤlt, an denen die Erscheinung vorgeht. Ich uͤberlasse den Beobachtern die mannigfaltigen Schattirungen der halb auf Schwarz, halb auf Weiß angebrachten farbigen Vierecke selbst zu vergleichen, und bemerke nur noch die widersinnige scheinbare Verzerrung, da Roth und Gelb auf Schwarz hinaufwaͤrts, auf Weiß herunterwaͤrts, Blau auf Schwarz herunterwaͤrts, und auf Weiß hinaufwaͤrts gezogen scheinen; welches doch alles dem bisher weitlaͤuftig Abgehandelten ge- maͤß ist. 277. Nun stelle der Beobachter die Tafel dergestalt vor sich, daß die vorgedachten, auf der Graͤnze des Schwar- zen und Weißen stehenden Vierecke sich vor ihm in ei- ner horizontalen Reihe befinden, und daß zugleich der schwarze Theil oben, der weiße aber unten sey. Er betrachte durchs Prisma jene Vierecke, und er wird bemerken, daß das rothe Viereck durch den Ansatz zweyer rothen Raͤnder gewinnt; er wird bey genauer Aufmerksamkeit den gelben Saum auf dem rothen Bilde bemerken, und der untere gelbe Saum nach dem Wei- ßen zu wird voͤllig deutlich seyn. 278. Oben an dem gelben Viereck ist der rothe Rand sehr merklich, weil das Gelbe als hell gegen das Schwarz genugsam absticht. Der gelbe Saum identificirt sich mit der gelben Flaͤche, nur wird solche etwas schoͤner dadurch; der untere Rand zeigt nur wenig Roth, weil das helle Gelb gegen das Weiße nicht genugsam ab- sticht. Der untere gelbe Saum aber ist deutlich genug. 279. An dem blauen Viereck hingegen ist der obere rothe Rand kaum sichtbar; der gelbe Saum bringt herunter- waͤrts ein schmutziges Gruͤn im Bilde hervor; der un- tere rothe Rand und der gelbe Saum zeigen sich in lebhaften Farben. 280. Bemerkt man nun in diesen Faͤllen, daß das rothe Bild durch einen Ansatz auf beyden Seiten zu gewin- nen, das dunkelblaue von einer Seite wenigstens zu verlieren scheint; so wird man, wenn man die Pappe umkehrt, so daß der weiße Theil sich oben, der schwarze sich unten befindet, das umgekehrte Phaͤnomen erblicken. 281. Denn da nunmehr die homogenen Raͤnder und Saͤume an den blauen Vierecken oben und unten ent- stehen; so scheinen diese vergroͤßert, ja ein Theil der Bilder selbst schoͤner gefaͤrbt, und nur eine genaue Be- obachtung wird die Raͤnder und Saͤume von der Far- be der Flaͤche selbst unterscheiden lehren. 282. Das gelbe und rothe dagegen werden in dieser Stellung der Tafel von den heterogenen Raͤndern ein- geschraͤnkt und die Wirkung der Localfarbe verkuͤmmert. Der obere blaue Rand ist an beyden fast gar nicht sicht- bar. Der violette Saum zeigt sich als ein schoͤnes Pfirsichbluͤth auf dem rothen, als ein sehr blasses auf dem gelben; die beyden untern Raͤnder sind gruͤn; an dem rothen schmutzig, lebhaft an dem gelben; den violetten Saum bemerkt man unter dem rothen wenig, mehr unter dem gelben. 283. Ein jeder Naturfreund mache sich zur Pflicht, mit allen den vorgetragenen Erscheinungen genau bekannt zu werden, und halte es nicht fuͤr laͤstig, ein einziges Phaͤnomen durch so manche bedingende Umstaͤnde durch- zufuͤhren. Ja diese Erfahrungen lassen sich noch ins Unendliche durch Bilder von verschiedenen Farben, auf und zwischen verschiedenfarbigen Flaͤchen, vervielfaͤlti- gen. Unter allen Umstaͤnden aber wird jedem Aufmerk- samen deutlich werden, daß farbige Vierecke neben ein- ander nur deßwegen durch das Prisma verschoben er- scheinen, weil ein Ansatz von homogenen und hetero- genen Raͤndern eine Taͤuschung hervorbringt. Diese ist man nur alsdann zu verbannen faͤhig, wenn man eine Reihe von Versuchen neben einander zu stellen und ih- re Uebereinstimmung darzuthun genugsame Geduld hat. Warum wir aber vorstehende Versuche mit farbi- gen Bildern, welche auf mehr als eine Weise vorge- tragen werden konnten, gerade so und so umstaͤndlich dargestellt, wird in der Folge deutlicher werden. Ge- dachte Phaͤnomene waren fruͤher zwar nicht unbekannt; aber sehr verkannt, deßwegen wir sie, zu Erleichterung eines kuͤnftigen historischen Vortrags, genau entwickeln mußten. 284. Wir wollen nunmehr zum Schlusse den Freunden der Natur eine Vorrichtung anzeigen, durch welche diese Erscheinungen auf einmal deutlich, ja in ihrem groͤßten Glanze, gesehen werden koͤnnen. Man schneide aus einer Pappe fuͤnf, ungefaͤhr ei- nen Zoll große, voͤllig gleiche Vierecke neben einander aus, genau in horizontaler Linie. Man bringe dahin- ter fuͤnf farbige Glaͤser, in der bekannten Ordnung, Orange, Gelb, Gruͤn, Blau, Violett. Man befestige diese Tafel in einer Oeffnung der Camera obscura, so daß der helle Himmel durch sie gesehen wird, oder daß die Sonne darauf scheint, und man wird hoͤchst ener- gische Bilder vor sich haben. Man betrachte sie nun durchs Prisma und beobachte die durch jene Ver- suche an gemalten Bildern schon bekannten Phaͤnomene, nehmlich die theils beguͤnstigenden, theils verkuͤmmern- den Raͤnder und Saͤume, und die dadurch bewirkte scheinbare Verruͤckung der specifisch gefaͤrbten Bilder aus der horizontalen Linie. Das was der Beobachter hier sehen wird, folgt genugsam aus dem fruͤher Abgeleiteten; daher wir es auch nicht einzeln abermals durchfuͤhren, um so weni- ger, als wir auf diese Erscheinungen zuruͤckzukehren noch oͤfteren Anlaß finden werden. XIX. Achromasie und Hyperchromasie. 285. In der fruͤhern Zeit, da man noch manches, was in der Natur regelmaͤßig und constant war, fuͤr ein bloßes Abirren, fuͤr zufaͤllig hielt, gab man auf die Farben weniger Acht, welche bey Gelegenheit der Re- fraction entstehen, und hielt sie fuͤr eine Erscheinung, die sich von besondern Nebenumstaͤnden herschreiben moͤchte. 286. Nachdem man sich aber uͤberzeugt hatte, daß diese Farbenerscheinung die Refraction jederzeit begleite; so war es natuͤrlich, daß man sie auch als innig und einzig mit der Refraction verwandt ansah, und nicht anders glaubte, als daß das Maß der Farbenerscheinung sich nach dem Maße der Brechung richten und beyde gleichen Schritt mit einander halten muͤßten. 287. Wenn man also nicht gaͤnzlich, doch einigermaßen, das Phaͤnomen einer staͤrkeren oder schwaͤcheren Brechung der verschiedenen Dichtigkeit der Mittel zuschrieb; wie denn auch reinere atmosphaͤrische Luft, mit Duͤnsten an- gefuͤllte, Wasser, Glas, nach ihren steigenden Dichtig- keiten, die sogenannte Brechung, die Verruͤckung des Bildes vermehren: so mußte man kaum zweifeln, daß auch in selbiger Maße die Farbenerscheinung sich stei- gern muͤsse, und man glaubte voͤllig gewiß zu seyn, daß bey verschiedenen Mitteln, welche man im Gegensinne der Brechung zu einander brachte, sich, so lange Bre- chung vorhanden sey, die Farbe zeigen, so bald aber die Farbe verschwaͤnde, auch die Brechung aufgehoben seyn muͤsse. 288. In spaͤterer Zeit hingegen ward entdeckt, daß die- ses als gleich angenommene Verhaͤltniß ungleich sey, daß zwey Mittel das Bild gleich weit verruͤcken, und doch sehr ungleiche Farbensaͤume hervorbringen koͤnnen. 289. Man fand, daß man zu jener physischen Eigen- schaft, welcher man die Refraction zuschrieb, noch eine chemische hinzu zu denken habe (210); wie wir solches kuͤnftig, wenn wir uns chemischen Ruͤcksichten naͤhern, weiter auszufuͤhren denken, so wie wir die naͤhern Um- staͤnde dieser wichtigen Entdeckung in der Geschichte der Farbenlehre aufzuzeichnen haben. Gegenwaͤrtig sey fol- gendes genug. 290. Es zeigt sich bey Mitteln von gleicher, oder we- nigstens nahezu gleicher, Brechungskraft der merkwuͤr- dige Umstand, daß ein Mehr und Weniger der Far- benerscheinung durch eine chemische Behandlung hervor- gebracht werden kann; das Mehr wird nehmlich durch Saͤuren, das Weniger durch Alcalien bestimmt. Bringt man unter eine gemeine Glasmasse Metalloxyde, so wird die Farbenerscheinung solcher Glaͤser, ohne daß die Re- fraction merklich veraͤndert werde, sehr erhoͤht. Daß das Mindere hingegen auf der alcalischen Seite liege, kann leicht vermuthet werden. 291. Diejenigen Glasarten, welche nach der Entdeckung zuerst angewendet worden, nennen die Englaͤnder Flint- und Crownglas, und zwar gehoͤrt jenem ersten die staͤrkere, diesem zweyten die geringere Farbenerschei- nung an. 292. Zu unserer gegenwaͤrtigen Darstellung bedienen wir uns dieser beyden Ausdruͤcke als Kunstwoͤrter, und neh- men an, daß in beyden die Refraction gleich sey, das Flintglas aber die Farbenerscheinung um ein Drittel staͤrker als das Crownglas hervorbringe; wobey wir un- serm Leser eine, gewissermaßen symbolische, Zeichnung zur Hand geben. 293. Man denke sich auf einer schwarzen Tafel, welche hier, des bequemeren Vortrags wegen, in Casen getheilt ist, zwischen den Parallellinien a b und c d fuͤnf weiße Vierecke. Das Viereck Nr. 1. stehe vor dem nackten Auge unverruͤckt auf seinem Platz. 294. Das Viereck Nr. 2. aber sey, durch ein vor das Auge gehaltenes Prisma von Crownglas g, um drey Casen verruͤckt und zeige die Farbensaͤume in einer ge- wissen Breite; ferner sey das Viereck Nr. 3., durch ein Prisma von Flintglas, gleichfalls um drey Casen her- untergeruͤckt, dergestalt daß es die farbigen Saͤume nunmehr um ein Drittel breiter als Nr. 2. zeige. 295. Ferner stelle man sich vor, das Viereck Nr. 4. sey eben wie das Nr. 2., durch ein Prisma von Crown- glas, erst drey Casen verruͤckt gewesen, dann sey es aber, durch ein entgegengestelltes Prisma h von Flint- glas, wieder auf seinen vorigen Fleck, wo man es nun sieht, gehoben worden. 296. Hier hebt sich nun die Refraction zwar gegen ein- ander auf; allein da das Prisma h bey der Verruͤckung durch drey Casen um ein Drittel breitere Farbensaͤume, als dem Prisma g eigen sind, hervorbringt; so muß, bey aufgehobener Refraction, noch ein Ueberschuß von Farbensaum uͤbrig bleiben, und zwar im Sinne der scheinbaren Bewegung, welche das Prisma h dem Bil- de ertheilt, und folglich umgekehrt, wie wir die Far- ben an den herabgeruͤckten Nummern 2. und 3. erbli- cken. Dieses Ueberschießende der Farbe haben wir Hy- perchromasie genannt, woraus sich denn die Achromasie unmittelbar folgern laͤßt. 297. Denn gesetzt es waͤre das Viereck Nr. 5. von sei- nem ersten supponirten Platze, wie Nr. 2., durch ein Prisma von Crownglas g, um drey Casen herunter ge- ruͤckt worden; so duͤrfte man nur den Winkel eines Prisma’s von Flintglas h verkleinern, solches im um- gekehrten Sinne an das Prisma g anschließen, um das Viereck Nr. 5. zwey Casen scheinbar hinauf zu heben; wobey die Hyperchromasie des vorigen Falles wegfiele, das Bild nicht ganz an seine erste Stelle gelangte und doch schon farblos erschiene. Man sieht auch an den fortpunctirten Linien der zusammengesetzten Prismen un- ter Nr. 5. daß ein wirkliches Prisma uͤbrig bleibt, und also auch auf diesem Wege, so bald man sich die Linien krumm denkt, ein Ocularglas entstehen kann; wodurch denn die achromatischen Fernglaͤser abgeleitet sind. 298. Zu diesen Versuchen, wie wir sie hier vortragen, ist ein kleines aus drey verschiedenen Prismen zusam- mengesetztes Prisma, wie solche in England verfertigt werden, hoͤchst geschickt. Hoffentlich werden kuͤnftig unsre inlaͤndischen Kuͤnstler mit diesem nothwendigen Instrumente jeden Naturfreund versehen. XX. Vorzuͤge der subjectiven Versuche. Uebergang zu den objectiven. 299. Wir haben die Farbenerscheinungen, welche sich bey Gelegenheit der Refraction sehen lassen, zuerst durch subjective Versuche dargestellt, und das Ganze in sich dergestalt abgeschlossen, daß wir auch schon jene Phaͤ- nomene aus der Lehre von den truͤben Mitteln und Doppelbildern ableiteten. 300. Da bey Vortraͤgen, die sich auf die Natur beziehen, doch alles auf Sehen und Schauen ankommt, so sind I. 8 diese Versuche um desto erwuͤnschter, als sie sich leicht und bequem anstellen lassen. Jeder Liebhaber kann sich den Apparat, ohne große Umstaͤnde und Kosten, an- schaffen; ja wer mit Papparbeiten einigermaßen umzu- gehen weiß, einen großen Theil selbst verfertigen. We- nige Tafeln, auf welchen schwarze, weiße, graue und farbige Bilder auf hellem und dunkelm Grunde abwech- seln, sind dazu hinreichend. Man stellt sie unverruͤckt vor sich hin, betrachtet bequem und anhaltend die Er- scheinungen an dem Rande der Bilder; man entfernt sich, man naͤhert sich wieder und beobachtet genau den Stufengang des Phaͤnomens. 301. Ferner lassen sich auch durch geringe Prismen, die nicht von dem reinsten Glase sind, die Erscheinungen noch deutlich genug beobachten. Was jedoch wegen die- ser Glasgeraͤthschaften noch zu wuͤnschen seyn moͤchte, wird in dem Abschnitt, der den Apparat abhandelt, umstaͤndlich zu finden seyn. 302. Ein Hauptvortheil dieser Versuche ist sodann, daß man sie zu jeder Tageszeit anstellen kann, in jedem Zimmer, es sey nach einer Weltgegend gerichtet nach welcher es wolle; man braucht nicht auf Sonnenschein zu warten, der einem nordischen Beobachter uͤberhaupt nicht reichlich gewogen ist. Die objectiven Versuche 303. verlangen hingegen nothwendig den Sonnenschein, der, wenn er sich auch einstellt, nicht immer den wuͤn- schenswerthen Bezug auf den ihm entgegengestellten Ap- parat haben kann. Bald steht die Sonne zu hoch, bald zu tief, und doch auch nur kurze Zeit in dem Meridian des am besten gelegenen Zimmers. Unter dem Beobach- ten weicht sie; man muß mit dem Apparat nachruͤcken, wodurch in manchen Faͤllen die Versuche unsicher wer- den. Wenn die Sonne durchs Prisma scheint, so of- fenbart sie alle Ungleichheiten, innere Faͤden und Blaͤs- chen des Glases, wodurch die Erscheinung verwirrt, ge- truͤbt und mißfaͤrbig gemacht wird. 304. Doch muͤssen die Versuche beyder Arten gleich ge- nau bekannt seyn. Sie scheinen einander entgegenge- setzt und gehen immer mit einander parallel; was die einen zeigen, zeigen die andern auch, und doch hat je- de Art wieder ihre Eigenheiten, wodurch gewisse Wir- kungen der Natur auf mehr als eine Weise offenbar werden. 305. Sodann giebt es bedeutende Phaͤnomene, wel- che man durch Verbindung der subjectiven und objec- tiven Versuche hervorbringt. Nicht weniger gewaͤhren uns die objectiven den Vortheil, daß wir sie meist 8 * durch Linearzeichnungen darstellen und die innern Ver- haͤltnisse des Phaͤnomens auf unsern Tafeln vor Augen legen koͤnnen. Wir saͤumen daher nicht die objectiven Versuche sogleich dergestalt vorzutragen, daß die Phaͤ- nomene mit den subjectiv vorgestellten durchaus glei- chen Schritt halten; deßwegen wir auch neben der Zahl eines jeden Paragraphen die Zahl der fruͤheren in Pa- renthese unmittelbar anfuͤgen. Doch setzen wir im Gan- zen voraus, daß der Leser sich mit den Tafeln, der For- scher mit dem Apparat bekannt mache, damit die Zwil- lings-Phaͤnomene, von denen die Rede ist, auf ei- ne oder die andere Weise, dem Liebhaber vor Augen seyen. XXI. Refraction ohne Farbenerscheinung. 306. (195. 196.) Daß die Refraction ihre Wirkung aͤußre, ohne eine Farbenerscheinung hervorzubringen, ist bey objectiven Versuchen nicht so vollkommen als bey subjectiven dar- zuthun. Wir haben zwar unbegraͤnzte Raͤume, nach welchen wir durchs Prisma schauen und uns uͤberzeu- gen koͤnnen, daß ohne Graͤnze keine Farbe entstehe; aber wir haben kein unbegraͤnzt Leuchtendes, welches wir koͤnnten aufs Prisma wirken lassen. Unser Licht kommt uns von begraͤnzten Koͤrpern, und die Sonne, welche unsre meisten objectiven prismatischen Erschei- nungen hervorbringt, ist ja selbst nur ein kleines be- graͤnzt leuchtendes Bild. 307. Indessen koͤnnen wie jede groͤßere Oeffnung, durch welche die Sonne durchscheint, jedes groͤßere Mittel, wodurch das Sonnenlicht aufgefangen und aus seiner Richtung gebracht wird, schon in sofern als unbegraͤnzt ansehen, indem wir bloß die Mitte der Flaͤchen, nicht aber ihre Graͤnzen betrachten. 308. (197.) Man stelle ein großes Wasserprisma in die Sonne, und ein heller Raum wird sich in die Hoͤhe gebrochen an einer entgegengesetzten Tafel zeigen und die Mitte dieses erleuchteten Raumes farblos seyn. Eben dasselbe erreicht man, wenn man mit Glasprismen, welche Winkel von wenigen Graden haben, den Versuch an- stellt. Ja diese Erscheinung zeigt sich selbst bey Glas- prismen, deren brechender Winkel sechzig Grad ist, wenn man nur die Tafel nahe genug heran bringt. XXII. Bedingungen der Farbenerscheinung. 309. (198.) Wenn nun gedachter erleuchteter Raum zwar ge- brochen, von der Stelle geruͤckt, aber nicht gefaͤrbt er- scheint; so sieht man jedoch an den horizontalen Graͤn- zen desselben eine farbige Erscheinung. Daß auch hier die Farbe bloß durch Verruͤckung eines Bildes entstehe, ist umstaͤndlicher darzuthun. Das Leuchtende, welches hier wirkt, ist ein Be- graͤnztes, und die Sonne wirkt hier, indem sie scheint und strahlt, als ein Bild. Man mache die Oeffnung in dem Laden der Camera obscura so klein als man kann, immer wird das ganze Bild der Sonne herein- dringen. Das von ihrer Scheibe herstroͤmende Licht wird sich in der kleinsten Oeffnung kreuzen und den Winkel machen, der ihrem scheinbaren Diameter gemaͤß ist. Hier kommt ein Conus mit der Spitze außen an und inwendig verbreitert sich diese Spitze wieder, bringt ein durch eine Tafel aufzufassendes rundes, sich durch die Entfernung der Tafel auf immer vergroͤßerndes Bild hervor, welches Bild nebst allen uͤbrigen Bildern der aͤu- ßeren Landschaft auf einer weißen gegengehaltenen Flaͤ- che im dunklen Zimmer umgekehrt erscheint. 310. Wie wenig also hier von einzelnen Sonnenstrah- len, oder Strahlenbuͤndeln und Buͤscheln, von Strah- lencylindern, Staͤben und wie man sich das alles vor- stellen mag, die Rede seyn kann, ist auffallend. Zu Bequemlichkeit gewisser Lineardarstellungen nehme man das Sonnenlicht als parallel einfallend an; aber man wisse, daß dieses nur eine Fiction ist, welche man sich gar wohl erlauben kann, da wo der zwischen die Fic- tion und die wahre Erscheinung fallende Bruch unbe- deutend ist. Man huͤte sich aber, diese Fiction wieder zum Phaͤnomen zu machen, und mit einem solchen fingir- ten Phaͤnomen weiter fort zu operiren. 311. Man vergroͤßre nunmehr die Oeffnung in dem Fensterladen so weit man will, man mache sie rund oder viereckt, ja man oͤffne den Laden ganz und lasse die Sonne durch den voͤlligen Fensterraum in das Zim- mer scheinen; der Raum, den sie erleuchtet, wird immer so viel groͤßer seyn, als der Winkel, den ihr Durch- messer macht, verlangt; und also ist auch selbst der ganze durch das groͤßte Fenster von der Sonne erleuch- tete Raum nur das Sonnenbild plus der Weite der Oeffnung. Wir werden hierauf zuruͤckzukehren kuͤnftig Gelegenheit finden. 312. (199.) Fangen wir nun das Sonnenbild durch convexe Glaͤser auf, so ziehen wir es gegen den Focus zusam- men. Hier muß, nach den oben ausgefuͤhrten Regeln, ein gelber Saum und ein gelbrother Rand entstehen, wenn das Bild auf einem weißen Papiere aufgefangen wird. Weil aber dieser Versuch blendend und unbe- quem ist, so macht er sich am schoͤnsten mit dem Bilde des Vollmonds. Wenn man dieses durch ein convexes Glas zusammenzieht, so erscheint der farbige Rand in der groͤßten Schoͤnheit: denn der Mond sendet an sich schon ein gemaͤßigtes Licht, und er kann also um desto eher die Farbe, welche aus Maͤßigung des Lichts ent- steht, hervorbringen; wobey zugleich das Auge des Be- obachters nur leise und angenehm beruͤhrt wird. 313. (200.) Wenn man ein leuchtendes Bild durch concave Glaͤser auffaßt, so wird es vergroͤßert und also ausge- dehnt. Hier erscheint das Bild blau begraͤnzt. 314. Beyde entgegengesetzten Erscheinungen kann man durch ein convexes Glas sowohl simultan als successiv hervorbringen, und zwar simultan, wenn man auf das convexe Glas in der Mitte eine undurchsichtige Scheibe klebt, und nun das Sonnenbild auffaͤngt. Hier wird nun sowohl das leuchtende Bild als der in ihm befind- liche schwarze Kern zusammengezogen, und so muͤssen auch die entgegengesetzten Farberscheinungen entstehen. Ferner kann man diesen Gegensatz successiv gewahr wer- den, wenn man das leuchtende Bild erst bis gegen den Focus zusammenzieht; da man denn Gelb und Gelb- roth gewahr wird: dann aber hinter dem Focus das- selbe sich ausdehnen laͤßt; da es denn sogleich eine blaue Graͤnze zeigt. 315. (201.) Auch hier gilt, was bey den subjectiven Erfah- rungen gesagt worden, daß das Blaue und Gelbe sich an und uͤber dem Weißen zeige, und daß beyde Farben einen roͤthlichen Schein annehmen in sofern sie uͤber das Schwarze reichen. 316. (202. 203.) Diese Grunderscheinungen wiederhohlen sich bey allen folgenden objectiven Erfahrungen, so wie sie die Grundlage der subjectiven ausmachten. Auch die Ope- ration, welche vorgenommen wird, ist eben dieselbe; ein heller Rand wird gegen eine dunkle Flaͤche, eine dunkle Flaͤche gegen eine helle Graͤnze gefuͤhrt. Die Graͤnzen muͤssen einen Weg machen und sich gleichsam uͤber ein- ander draͤngen, bey diesen Versuchen wie bey jenen. 317. (204.) Lassen wir also das Sonnenbild durch eine groͤßere oder kleinere Oeffnung in die dunkle Kammer, fangen wir es durch ein Prisma auf, dessen brechender Win- kel hier wie gewoͤhnlich unten seyn mag; so kommt das leuchtende Bild nicht in gerader Linie nach dem Fuß- boden, sondern es wird an eine vertical gesetzte Tafel hinaufgebrochen. Hier ist es Zeit, des Gegensatzes zu gedenken, in welchem sich die subjective und objective Verruͤckung des Bildes befindet. 318. Sehen wir durch ein Prisma, dessen brechender Winkel sich unten befindet, nach einem in der Hoͤhe be- findlichen Bilde; so wird dieses Bild heruntergeruͤckt, anstatt daß ein einfallendes leuchtendes Bild von dem- selben Prisma in die Hoͤhe geschoben wird. Was wir hier der Kuͤrze wegen nur historisch angeben, laͤßt sich aus den Regeln der Brechung und Hebung ohne Schwie- rigkeit ableiten. 319. Indem nun also auf diese Weise das leuchtende Bild von seiner Stelle geruͤckt wird; so gehen auch die Farbensaͤume nach den fruͤher ausgefuͤhrten Regeln ih- ren Weg. Der violette Saum geht jederzeit voraus, und also bey objectiven hinaufwaͤrts, wenn er bey sub- jectiven herunterwaͤrts geht. 320. (205.) Eben so uͤberzeuge sich der Beobachter von der Faͤrbung in der Diagonale, wenn die Verruͤckung durch zwey Prismen in dieser Richtung geschieht, wie bey dem subjectiven Falle deutlich genug angegeben; man schaffe sich aber hiezu Prismen mit Winkeln von wenigen, etwa funfzehn Graden. 321. (206. 207.) Daß die Faͤrbung des Bi des auch hier nach der Rich- tung seiner Bewegung geschehe, wird man einsehen, wenn man eine Oeffnung im Laden von maͤßiger Groͤße vier- eckt macht, und das leuchtende Bild durch das Wasser- prisma gehen laͤßt, erst die Raͤnder in horizontaler und verticaler Richtung, sodann in der diagonalen. 322. (208.) Wobey sich denn abermals zeigen wird, daß die Graͤnzen nicht neben einander weg, sondern uͤber einan- der gefuͤhrt werden muͤssen. XXIII. Bedingungen des Zunehmens der Erscheinung. 323. (209.) Auch hier bringt eine vermehrte Verruͤckung des Bildes eine staͤrkere Farbenerscheinung zu Wege. 324. (210.) Diese vermehrte Verruͤckung aber hat Statt 1) durch schiefere Richtung des auffallenden leuchten- den Bildes auf parallele Mittel. 2) Durch Veraͤnderung der parallelen Form in eine mehr oder weniger spitzwinklige. 3) Durch verstaͤrktes Maß des Mittels, des paral- lelen oder winkelhaften, theils weil das Bild auf die- sem Wege staͤrker verruͤckt wird, theils weil eine der Masse angehoͤrige Eigenschaft mit zur Wirkung gelangt. 4) Durch die Entfernung der Tafel von dem bre- chenden Mittel, so daß das heraustretende gefaͤrbte Bild einen laͤngeren Weg zuruͤcklegt. 5) Zeigt sich eine chemische Eigenschaft unter allen diesen Umstaͤnden wirksam, welche wir schon unter den Rubriken der Achromasie und Hyperchromasie naͤher an- gedeutet haben. 325. (211.) Die objectiven Versuche geben uns den Vortheil, daß wir das Werdende des Phaͤnomens, seine successive Genese außer uns darstellen und zugleich mit Linear- zeichnungen deutlich machen koͤnnen, welches bey sub- jectiven der Fall nicht ist. 326. Wenn man das aus dem Prisma heraustretende leuchtende Bild und seine wachsende Farbenerschei- nung auf einer entgegengehaltenen Tafel stufenweise beobachten, und sich Durchschnitte von diesem Conus mit elliptischer Base vor Augen stellen kann; so laͤßt sich auch das Phaͤnomen auf seinem ganzen Wege zum schoͤnsten folgendermaßen sichtbar machen. Man errege nehmlich in der Linie, in welcher das Bild durch den dunklen Raum geht, eine weiße feine Staub- wolke, welche durch feinen recht trocknen Haarpuder am besten hervorgebracht wird. Die mehr oder weni- ger gefaͤrbte Erscheinung wird nun durch die weißen Atomen aufgefangen und dem Auge in ihrer ganzen Breite und Laͤnge dargestellt. 327. Eben so haben wir Linearzeichnungen bereitet und solche unter unsre Tafeln aufgenommen, wo die Er- scheinung von ihrem ersten Ursprunge an dargestellt ist, und an welchen man sich deutlich machen kann, warum das leuchtende Bild durch Prismen so viel staͤrker als durch parallele Mittel gefaͤrbt wird. 328. (212.) An den beyden entgegengesetzten Graͤnzen steht eine entgegengesetzte Erscheinung in einem spitzen Winkel auf, die sich, wie sie weiter in dem Raume vorwaͤrts geht, nach Maßgabe dieses Winkels verbreitert. So strebt in der Richtung, in welcher das leuchtende Bild verruͤckt worden, ein violetter Saum in das Dunkle hinaus, ein blauer schmalerer Rand bleibt an der Graͤnze. Von der andern Seite strebt ein gelber Saum in das Helle hinein und ein gelbrother Rand bleibt an der Graͤnze. 329. (213.) Hier ist also die Bewegung das Dunklen gegen das Helle, des Hellen gegen das Dunkle wohl zu be- achten. 330. (214.) Eines großen Bildes Mitte bleibt lange ungefaͤrbt, besonders bey Mitteln von minderer Dichtigkeit und ge- ringerem Maße, bis endlich die entgegengesetzten Saͤu- me und Raͤnder einander erreichen, da alsdann bey dem leuchtenden Bild in der Mitte ein Gruͤn entsteht. 331. (215.) Wenn nun die objectiven Versuche gewoͤhnlich nur mit dem leuchtenden Sonnenbilde gemacht wurden, so ist ein objectiver Versuch mit einem dunklen Bilde bis- her fast gar nicht vorgekommen. Wir haben hierzu aber auch eine bequeme Vorrichtung angegeben. Jenes gro- ße Wasserprisma nehmlich stelle man in die Sonne und klebe auf die aͤußere oder innere Seite eine runde Pap- penscheibe; so wird die farbige Erscheinung abermals an den Raͤndern vorgehen, nach jenem bekannten Ge- setz entspringen, die Raͤnder werden erscheinen, sich in jener Maße verbreitern und in der Mitte der Purpur entstehen. Man kann neben das Rund ein Viereck in beliebiger Richtung hinzufuͤgen und sich von dem oben mehrmals angegebenen und ausgesprochenen von neuen uͤberzeugen. 332. (216.) Nimmt man von dem gedachten Prisma diese dunk- len Bilder wieder hinweg, wobey jedoch die Glastafeln jedesmal sorgfaͤltig zu reinigen sind, und haͤlt einen schwachen Stab, etwa einen starken Bleystift, vor die Mitte des horizontalen Prisma; so wird man das voͤl- lige Uebereinandergreifen des violetten Saums und des rothen Randes bewirken und nur die drey Farben, die zwey aͤußern und die mittlere, sehen. 333. Schneidet man eine vor das Prisma zu schiebende Pappe dergestalt aus, daß in der Mitte derselben eine horizontale laͤngliche Oeffnung gebildet wird, und laͤßt alsdann das Sonnenlicht hindurchfallen; so wird man die voͤllige Vereinigung des gelben Saumes und des blauen Randes nunmehr uͤber das Helle bewirken und nur Gelbroth, Gruͤn und Violett sehen; auf welche Art und Weise, ist bey Erklaͤrung der Tafeln weiter aus einander gesetzt. 334. (217.) Die prismatische Erscheinung ist also keinesweges fertig und vollendet, indem das leuchtende Bild aus dem Prisma hervortritt. Man wird alsdann nur erst ihre Anfaͤnge im Gegensatz gewahr; dann waͤchst sie, das Entgegengesetzte vereinigt sich und verschraͤnkt sich zu- letzt aufs innigste. Der von einer Tafel aufgefangene Durchschnitt dieses Phaͤnomens ist in jeder Entfernung vom Prisma anders, so daß weder von einer stetigen Folge der Farben, noch von einem durchaus gleichen Maß derselben die Rede seyn kann; weßhalb der Lieb- haber und Beobachter sich an die Natur und unsre na- turgemaͤßen Tafeln wenden wird, welchen zum Ueber- fluß eine abermalige Erklaͤrung, so wie eine genugsame Anweisung und Anleitung zu allen Versuchen, hinzu- gefuͤgt ist. XXIV. Ableitung der angezeigten Phaͤnomene. 335. (218.) Wenn wir diese Ableitung schon bey Gelegenheit der subjectiven Versuche umstaͤndlich vorgetragen, wenn alles, was dort gegolten hat, auch hier gilt; so bedarf es keiner weitlaͤufigen Ausfuͤhrung mehr, um zu zeigen, daß dasjenige, was in der Erscheinung voͤllig parallel geht, sich auch aus eben denselben Quellen ableiten lasse. 336. (219.) Daß wir auch bey objectiven Versuchen mit Bil- dern zu thun haben, ist oben umstaͤndlich dargethan worden. Die Sonne mag durch die kleinste Oeffnung hereinscheinen, so dringt doch immer das Bild ihrer ganzen Scheibe hindurch. Man mag das groͤßte Pris- ma in das freye Sonnenlicht stellen, so ist es doch immer wieder das Sonnenbild, das sich an den Raͤn- dern der brechenden Flaͤchen selbst begraͤnzt und die Ne- benbilder dieser Begraͤnzung hervorbringt. Man mag eine vielfach ausgeschnittene Pappe vor das Wasserprisma schieben, so sind es doch nur die Bilder aller Art, wel- che, nachdem sie durch Brechung von ihrer Stelle ge- ruͤckt worden, farbige Raͤnder und Saͤume, und in denselben durchaus vollkommene Nebenbilder zeigen. 337. (235.) Haben uns bey subjectiven Versuchen stark von ein- ander abstechende Bilder eine hoͤchst lebhafte Farbener- scheinung zu Wege gebracht; so wird diese bey objecti- ven Versuchen noch viel lebhafter und herrlicher seyn, weil das Sonnenbild von der hoͤchsten Energie ist, die wir kennen, daher auch dessen Nebenbild maͤch- tig und, ungeachtet seines secundaͤren getruͤbten und verdunkelten Zustandes, noch immer herrlich und glaͤn- zend seyn muß. Die vom Sonnenlicht durchs Prisma auf irgend einen Gegenstand geworfenen Farben brin- gen ein gewaltiges Licht mit sich, indem sie das hoͤchst energische Urlicht gleichsam im Hintergrunde haben. 338. (238.) In wiefern wir auch diese Nebenbilder truͤb nen- nen und sie aus der Lehre von den truͤben Mitteln ab- leiten duͤrfen, wird jedem, der uns bis hieher aufmerk- sam gefolgt, klar seyn, besonders aber dem, der sich den noͤthigen Apparat verschafft, um die Bestimmtheit und Lebhaftigkeit, womit truͤbe Mittel wirken, sich je- derzeit vergegenwaͤrtigen zu koͤnnen. XXV. Abnahme der farbigen Erscheinung. 339. (243.) Haben wir uns bey Darstellung der Abnahme unse- rer farbigen Erscheinung in subjectiven Faͤllen kurz fas- sen koͤnnen, so wird es uns erlaubt seyn, hier noch kuͤrzer zu verfahren, indem wir uns auf jene deutliche Darstellung berufen. Nur eines mag wegen seiner gro- ßen Bedeutung, als ein Hauptmoment des ganzen Vor- trags, hier dem Leser zu besonderer Aufmerksamkeit em- pfohlen werden. 340. (244—247.) Der Abnahme der prismatischen Erscheinung muß erst eine Entfaltung derselben vorangehen. Aus dem gefaͤrbten Sonnenbilde verschwinden, in gehoͤriger Ent- fernung der Tafel vom Prisma, zuletzt die blaue und gelbe Farbe, indem beyde uͤber einander greifen, voͤllig, und man sieht nur Gelbroth, Gruͤn und Blauroth. I. 9 Naͤhert man die Tafel dem brechenden Mittel, so er- scheinen Gelb und Blau schon wieder, und man erblickt die fuͤnf Farben mit ihren Schattirungen. Ruͤckt man mit der Tafel noch naͤher, so treten Gelb und Blau voͤllig aus einander, das Gruͤne verschwindet und zwi- schen den gefaͤrbten Raͤndern und Saͤumen zeigt sich das Bild farblos. Je naͤher man mit der Tafel gegen das Prisma zuruͤckt, desto schmaͤler werden gedachte Raͤn- der und Saͤume, bis sie endlich an und auf dem Pris- ma null werden. XXVI. Graue Bilder . 341. (248.) Wir haben die grauen Bilder als hoͤchst wichtig bey subjectiven Versuchen dargestellt. Sie zeigen uns durch die Schwaͤche der Nebenbilder, daß eben diese Nebenbilder sich jederzeit von dem Hauptbilde herschrei- ben. Will man nun die objectiven Versuche auch hier parallel durchfuͤhren; so koͤnnte dieses auf eine bequeme Weise geschehen, wenn man ein mehr oder weniger matt geschliffenes Glas vor die Oeffnung hielte, durch welche das Sonnenbild hereinfaͤllt. Es wuͤrde dadurch ein gedaͤmpftes Bild hervorgebracht werden, welches nach der Refraction viel mattere Farben, als das von der Sonnenscheibe unmittelbar abgeleitete, auf der Ta- fel zeigen wuͤrde; und so wuͤrde auch von dem hoͤchst energischen Sonnenbilde nur ein schwaches, der Daͤm- pfung gemaͤßes Nebenbild entstehen; wie denn freylich durch diesen Versuch dasjenige, was uns schon genug- sam bekannt ist, nur noch aber und abermal bekraͤftigt wird. XXVII. Farbige Bilder . 342. (260.) Es giebt mancherley Arten, farbige Bilder zum Behuf objectiver Versuche hervorzubringen. Erstlich kann man farbiges Glas vor die Oeffnung halten, wo- durch sogleich ein farbiges Bild hervorgebracht wird. Zweytens kann man das Wasserprisma mit farbigen Liquoren fuͤllen. Drittens kann man die von einem Prisma schon hervorgebrachten emphatischen Farben durch proportionirte kleine Oeffnungen eines Bleches durch- lassen, und also kleine Bilder zu einer zweyten Refrac- tion vorbereiten. Diese letzte Art ist die beschwerlichste, indem, bei dem bestaͤndigen Fortruͤcken der Sonne, ein solches Bild nicht fest gehalten, noch in beliebiger Rich- tung bestaͤtigt werden kann. Die zweyte Art hat auch ihre Unbequemlichkeiten, weil nicht alle farbige Liquo- 9 * ren schoͤn hell und klar zu bereiten sind. Daher die erste um so mehr den Vorzug verdient, als die Physiker schon bisher die von dem Sonnenlicht durchs Prisma hervorgebrachten Farben, diejenigen, welche durch Liquo- ren und Glaͤser erzeugt werden, und die, welche schon auf Papier oder Tuch fixirt sind, bey der Demonstration als gleichwirkend gelten lassen. 343. Da es nun also bloß darauf ankommt, daß das Bild gefaͤrbt werde; so gewaͤhrt uns das schon einge- fuͤhrte große Wasserprisma hierzu die beste Gelegenheit: denn indem man vor seine großen Flaͤchen, welche das Licht ungefaͤrbt durchlassen, eine Pappe vorschieben kann, in welche man Oeffnungen von verschiedener Figur ge- schnitten, um unterschiedene Bilder und also auch un- terschiedene Nebenbilder hervorzubringen; so darf man nur vor die Oeffnungen der Pappe farbige Glaͤser be- festigen, um zu beobachten, welche Wirkung die Re- fraction im objectiven Sinne auf farbige Bilder her- vorbringt. 344. Man bediene sich nehmlich jener schon beschriebenen Tafel (281.) mit farbigen Glaͤsern, welche man genau in der Groͤße eingerichtet, daß sie in die Falzen des großen Wasserprismas eingeschoben werden kann. Man lasse nunmehr die Sonne hindurchscheinen, so wird man die hinaufwaͤrts gebrochenen farbigen Bilder, jedes nach seiner Art, gesaͤumt und geraͤndert sehen, indem sich diese Saͤume und Raͤnder an einigen Bildern ganz deutlich zeigen, an andern sich mit der specifischen Far- be des Glases vermischen, sie erhoͤhen oder verkuͤmmern; und jedermann wird sich uͤberzeugen koͤnnen, daß hier abermals nur von diesem von uns subjectiv und objec- tiv so umstaͤndlich vorgetragenen einfachen Phaͤnomen die Rede sey. XXVIII. Achromasie und Hyperchromasie. 345. (285 — 290.) Wie man die hyperchromatischen und achromati- schen Versuche auch objectiv anstellen koͤnne, dazu brau- chen wir nur, nach allem was oben weitlaͤuftig ausge- fuͤhrt worden, eine kurze Anleitung zu geben, besonders da wir voraussetzen koͤnnen, daß jenes erwaͤhnte zusam- mengesetzte Prisma sich in den Haͤnden des Naturfreun- des befinde. 346. Man lasse durch ein spitzwinkliges Prisma von wenigen Graden, aus Crownglas geschliffen, das Son- nenbild dergestalt durchgehen, daß es auf der entgegen- gesetzten Tafel in die Hoͤhe gebrochen werde; die Raͤn- der werden nach dem bekannten Gesetz gefaͤrbt erschei- nen, das Violette und Blaue nehmlich oben und au- ßen, das Gelbe und Gelbrothe unten und innen. Da nun der brechende Winkel dieses Prismas sich unten befindet; so setze man ihm ein andres proportionirtes von Flintglas entgegen, dessen brechender Winkel nach oben gerichtet sey. Das Sonnenbild werde dadurch wieder an seinen Platz gefuͤhrt, wo es denn durch den Ueberschuß der farberregenden Kraft des herabfuͤhrenden Prismas von Flintglas, nach dem Gesetze dieser Her- abfuͤhrung, wenig gefaͤrbt seyn, das Blaue und Vio- lette unten und außen, das Gelbe und Gelbrothe oben und innen zeigen wird. 347. Man ruͤcke nun durch ein proportionirtes Prisma von Crownglas das ganze Bild wieder um weniges in die Hoͤhe; so wird die Hyperchromasie aufgehoben, das Sonnenbild vom Platze geruͤckt und doch farblos er- scheinen. 348. Mit einem aus drey Glaͤsern zusammengesetzten achromatischen Objectivglase kann man eben diese Ver- suche stufenweise machen, wenn man es sich nicht reuen laͤßt, solches aus der Huͤlse, worein es der Kuͤnstler eingenietet hat, herauszubrechen. Die beyden convexen Glaͤser von Crownglas, indem sie das Bild nach dem Focus zusammenziehen, das concave Glas von Flint- glas, indem es das Sonnenbild hinter sich ausdehnt, zeigen an dem Rande die hergebrachten Farben. Ein Convexglas mit dem Concavglase zusammengenommen zeigt die Farben nach dem Gesetz des letztern. Sind alle drey Glaͤser zusammengelegt, so mag man das Son- nenbild nach dem Focus zusammenziehen, oder sich das- selbe hinter dem Brennpuncte ausdehnen lassen, niemals zeigen sich farbige Raͤnder, und die von dem Kuͤnstler intendirte Achromasie bewaͤhrt sich hier abermals. 349. Da jedoch das Crownglas durchaus eine gruͤnliche Farbe hat, so daß besonders bey großen und starken Objectiven etwas von einem gruͤnlichen Schein mit un- ter laufen, und sich daneben die geforderte Purpurfarbe unter gewissen Umstaͤnden einstellen mag; welches uns jedoch, bey wiederholten Versuchen mit mehreren Ob- jectiven, nicht vorgekommen: so hat man hierzu die wunderbarsten Erklaͤrungen ersonnen und sich, da man theoretisch die Unmoͤglichkeit achromatischer Fernglaͤser zu beweisen genoͤthigt war, gewissermaßen gefreut, eine solche radicale Verbesserung laͤugnen zu koͤnnen; wovon jedoch nur in der Geschichte dieser Erfindungen um- staͤndlich gehandelt werden kann. XXIX. Verbindung objectiver und subjectiver Versuche. 350. Wenn wir oben angezeigt haben, daß die objectiv und subjectiv betrachtete Refraction im Gegensinne wir- ken muͤsse (318); so wird daraus folgen, daß wenn man die Versuche verbindet, entgegengesetzte und ein- ander aufhebende Erscheinungen sich zeigen werden. 351. Durch ein horizontal gestelltes Prisma werde das Sonnenbild an eine Wand hinaufgeworfen. Ist das Prisma lang genug, daß der Beobachter zugleich hin- durch sehen kann; so wird er das durch die objective Refraction hinaufgeruͤckte Bild wieder heruntergeruͤckt und solches an der Stelle sehen, wo es ohne Refrac- tion erschienen waͤre. 352. Hierbey zeigt sich ein bedeutendes, aber gleichfalls aus der Natur der Sache herfließendes Phaͤnomen. Da nehmlich, wie schon so oft erinnert worden, das objectiv an die Wand geworfene gefaͤrbte Sonnenbild keine fertige noch unveraͤnderliche Erscheinung ist; so wird bey obgedachter Operation das Bild nicht al- lein fuͤr das Auge heruntergezogen, sondern auch sei- ner Raͤnder und Saͤume voͤllig beraubt und in eine farblose Kreisgestalt zuruͤckgebracht. 353. Bedient man sich zu diesem Versuche zweyer voͤllig gleichen Prismen; so kann man sie erst neben einan- der stellen, durch das eine das Sonnenbild durchfallen lassen, durch das andre aber hindurchsehen. 354. Geht der Beschauer mit dem zweyten Prisma nun- mehr weiter vorwaͤrts; so zieht sich das Bild wieder hinauf und wird stufenweise nach dem Gesetz des ersten Prismas gefaͤrbt. Tritt der Beschauer nun wieder zu- ruͤck, bis er das Bild wieder auf den Nullpunkt ge- bracht hat und geht sodann immer weiter von dem Bilde weg; so bewegt sich das fuͤr ihn rund und farb- los gewordene Bild immer weiter herab und faͤrbt sich im entgegengesetzten Sinne, so daß wir dasselbe Bild, wenn wir zugleich durch das Prisma hindurch und daran hersehen, nach objectiven und subjectiven Gesetzen gefaͤrbt erblicken. 355. Wie dieser Versuch zu vermannigfaltigen sey, er- giebt sich von selbst. Ist der brechende Winkel des Prismas, wodurch das Sonnenbild objectiv in die Hoͤhe gehoben wird, groͤßer als der des Prismas, wodurch der Beobachter blickt; so muß der Beobachter viel wei- ter zuruͤcktreten, um das farbige Bild an der Wand so weit herunterzufuͤhren, daß es farblos werde, und umgekehrt. 356. Daß man auf diesem Wege die Achromasie und Hyperchromasie gleichfalls darstellen koͤnne, faͤllt in die Augen; welches wir weiter auseinander zu setzen und auszufuͤhren dem Liebhaber wohl selbst uͤberlassen koͤn- nen, so wie wir auch andere complicirte Versuche, wobey man Prismen und Linsen zugleich anwendet, auch die objectiven und subjectiven Erfahrungen auf mancherley Weise durch einander mischt, erst spaͤterhin darlegen und auf die einfachen, uns nunmehr genug- sam bekannten Phaͤnomene zuruͤckfuͤhren werden. XXX. Uebergang . 357. Wenn wir auf die bisherige Darstellung und Ab- leitung der dioptrischen Farben zuruͤcksehen; koͤnnen wir keine Reue empfinden, weder daß wir sie so umstaͤnd- lich abgehandelt, noch daß wir sie vor den uͤbrigen physischen Farben, außer der von uns selbst angegebe- nen Ordnung, vorgetragen haben. Doch gedenken wir hier an der Stelle des Uebergangs unsern Lesern und Mitarbeitern deßhalb einige Rechenschaft zu geben. 358. Sollten wir uns verantworten, daß wir die Lehre von den dioptrischen Farben, besonders der zweyten Classe, vielleicht zu weitlaͤuftig ausgefuͤhrt; so haͤtten wir folgendes zu bemerken. Der Vortrag irgend eines Gegenstandes unsres Wissens kann sich theils auf die innre Nothwendigkeit der abzuhandelnden Materie, theils aber auch auf das Beduͤrfniß der Zeit, in welcher der Vortrag geschieht, beziehen. Bey dem unsrigen waren wir genoͤthigt, beyde Ruͤcksichten immer vor Augen zu haben. Einmal war es die Absicht, unsre saͤmmtlichen Erfahrungen so wie unsre Ueberzeugungen, nach einer lange gepruͤften Methode, vorzulegen; sodann aber muß- ten wir unser Augenmerk darauf richten, manche zwar bekannte, aber doch verkannte, besonders auch in falschen Verknuͤpfungen aufgestellte Phaͤnomene in ihrer natuͤr- lichen Entwicklung und wahrhaft erfahrungsmaͤßigen Ordnung darzustellen, damit wir kuͤnftig, bey polemi- scher und historischer Behandlung, schon eine vollstaͤn- dige Vorarbeit zu leichterer Uebersicht ins Mittel brin- gen koͤnnten. Daher ist denn freylich eine groͤßere Um- staͤndlichkeit noͤthig geworden, welche eigentlich nur dem gegenwaͤrtigen Beduͤrfniß zum Opfer gebracht wird. Kuͤnftig, wenn man erst das Einfache als einfach, das Zusammengesetzte als zusammengesetzt, das Erste und Obere als ein solches, das Zweyte, Abgeleitete auch als ein solches anerkennen und schauen wird; dann laͤßt sich dieser ganze Vortrag ins Engere zusammen- ziehen, welches, wenn es uns nicht selbst noch gluͤcken sollte, wir einer heiter thaͤtigen Mit- und Nachwelt uͤberlassen. 359. Was ferner die Ordnung der Capitel uͤberhaupt betrifft, so mag man bedenken, daß selbst verwandte Naturphaͤnomene in keiner eigentlichen Folge oder steti- gen Reihe sich an einander schließen; sondern daß sie durch Thaͤtigkeiten hervorgebracht werden, welche ver- schraͤnkt wirken, so daß es gewissermaßen gleichguͤltig ist, was fuͤr eine Erscheinung man zuerst, und was fuͤr eine man zuletzt betrachtet: weil es doch nur dar- auf ankommt, daß man sich alle moͤglichst vergegenwaͤr- tige, um sie zuletzt unter einem Gesichtspunct, theils nach ihrer Natur, theils nach Menschen-Weise und Bequemlichkeit, zusammenzufassen. 360. Doch kann man im gegenwaͤrtigen besondern Falle behaupten, daß die dioptrischen Farben billig an die Spitze der physischen gestellt werden, so wohl wegen ihres auf- fallenden Glanzes und uͤbrigen Bedeutsamkeit, als auch weil, um dieselben abzuleiten, manches zur Sprache kommen mußte, welches uns zunaͤchst große Erleichte- rung gewaͤhren wird. 361. Denn man hat bisher das Licht als eine Art von Abstractum, als ein fuͤr sich bestehendes und wirken- des, gewissermaßen sich selbst bedingendes, bey geringen Anlaͤssen aus sich selbst die Farben hervorbringendes Wesen angesehen. Von dieser Vorstellungsart jedoch die Naturfreunde abzulenken, sie aufmerksam zu machen, daß, bey prismatischen und andern Erscheinungen, nicht von einem unbegraͤnzten bedingenden, sondern von ei- nem begraͤnzten bedingten Lichte, von einem Lichtbilde, ja von Bildern uͤberhaupt, hellen oder dunklen, die Rede sey. Dieß ist die Aufgabe, welche zu loͤsen, das Ziel, welches zu erreichen waͤre. 362. Was bey dioptrischen Faͤllen, besonders der zwey- ten Classe, naͤmlich bey Refractionsfaͤllen vorgeht, ist uns nunmehr genugsam bekannt, und dient uns zur Einleitung ins Kuͤnftige. 363. Die katoptrischen Faͤlle erinnern uns an die phy- siologischen, nur daß wir jenen mehr Objectivitaͤt zu- schreiben, und sie deßhalb unter die physischen zu zaͤh- len uns berechtigt glauben. Wichtig aber ist es, daß wir hier abermals nicht ein abstractes Licht, sondern ein Lichtbild zu beachten finden. 364. Gehen wir zu den paroptischen uͤber, so werden wir, wenn das fruͤhere gut gefaßt worden, uns mit Verwundrung und Zufriedenheit abermals im Reiche der Bilder finden. Besonders wird uns der Schatten eines Koͤrpers, als ein secundaͤres, den Koͤrper so ge- nau begleitendes Bild, manchen Aufschluß geben. 365. Doch greifen wir diesen fernern Darstellungen nicht vor, um, wie bisher geschehen, nach unserer Ueberzeu- gung regelmaͤßigen Schritt zu halten. XXXI. Katoptrische Farben . 366. Wenn wir von katoptrischen Farben sprechen, so deuten wir damit an, daß uns Farben bekannt sind, welche bey Gelegenheit einer Spiegelung erscheinen. Wir setzen voraus, daß das Licht sowohl, als die Flaͤ- che, wovon es zuruͤckstrahlt, sich in einem voͤllig farblo- sen Zustand befinde. In diesem Sinne gehoͤren diese Er- scheinungen unter die physischen Farben. Sie entstehen bey Gelegenheit der Reflexion, wie wir oben die diop- trischen der zweyten Classe, bey Gelegenheit der Refrac- tion, hervortreten sahen. Ohne jedoch weiter im All- gemeinen zu verweilen, wenden wir uns gleich zu den besondern Faͤllen, und zu den Bedingungen, welche noͤthig sind, daß gedachte Phaͤnomene sich zeigen. 367. Wenn man eine feine Stahlsaite vom Roͤllchen abnimmt, sie ihrer Elasticitaͤt gemaͤß verworren durch einander laufen laͤßt, und sie an ein Fenster in die Tageshelle legt; so wird man die Hoͤhen der Kreise und Windungen erhellt, aber weder glaͤnzend noch farbig sehen. Tritt die Sonne hingegen hervor; so zieht sich diese Hellung auf einen Punct zusammen, und das Auge erblickt ein kleines glaͤnzendes Sonnenbild, das, wenn man es nahe betrachtet, keine Farbe zeigt. Geht man aber zuruͤck und faßt den Abglanz in einiger Ent- fernung mit den Augen auf; so sieht man viele kleine, auf die mannigfaltigste Weise gefaͤrbte Sonnenbilder, und ob man gleich Gruͤn und Purpur am meisten zu sehen glaubt, so zeigen sich doch auch, bey genauerer Auf- merksamkeit, die uͤbrigen Farben. 368. Nimmt man eine Lorgnette, und steht dadurch auf die Erscheinung; so sind die Farben verschwunden, so wie der ausgedehntere Glanz, in dem sie erscheinen, und man erblickt nur die kleinen leuchtenden Puncte, die wiederholten Sonnenbilder. Hieraus erkennt man, daß die Erfahrung subjectiver Natur ist, und daß sich die Erscheinung an jene anschließt, die wir unter dem Na- men der strahlenden Hoͤfe eingefuͤhrt haben (100). 369. Allein wir koͤnnen dieses Phaͤnomen auch von der objectiven Seite zeigen. Man befestige unter eine maͤßige Oeffnung in dem Laden der Camera obscura ein weißes Papier, und halte, wenn die Sonne durch die Oeff- nung scheint, die verworrene Drathsaite in das Licht, so daß sie dem Papiere gegenuͤber steht. Das Sonnen- licht wird auf und in die Ringe der Drathsaite fallen, sich aber nicht, wie im concentrirenden menschlichen Auge, auf einem Puncte zeigen; sondern, weil das Papier auf jedem Theile seiner Flaͤche den Abglanz des Lichtes aufnehmen kann, in haarfoͤrmigen Streifen, wel- che zugleich bunt sind, sehen lassen. 370. Dieser Versuch ist rein katoptrisch: denn da man sich nicht denken kann, daß das Licht in die Oberflaͤche des Stahls hineindringe und etwa darin veraͤndert wer- de; so uͤberzeugen wir uns leicht, daß hier bloß von einer reinen Spiegelung die Rede sey, die sich, in so fern sie subjectiv ist, an die Lehre von den schwachwir- kenden und abklingenden Lichtern anschließt, und in so fern sie objectiv gemacht werden kann, auf ein außer dem Menschen Reales, sogar in den leisesten Erschei- nungen hindeutet. 371. Wir haben gesehen, daß hier nicht allein ein Licht, sondern ein energisches Licht, und selbst dieses nicht im Abstracten und Allgemeinen, sondern ein begraͤnztes Licht, ein Lichtbild noͤthig sey, um diese Wirkung hervorzu- bringen. Wir werden uns hiervon bey verwandten Faͤllen noch mehr uͤberzeugen. 372. Eine polirte Silberplatte gibt in der Sonne einen blendenden Schein von sich; aber es wird bey dieser Gelegenheit keine Farbe gesehen. Ritzt man hingegen die Oberflaͤche leicht, so erscheinen bunte, besonders gruͤne und purpurne Farben, unter einem gewissen Win- kel, dem Auge. Bey ciselirten und guilloschirten Me- tallen tritt auch dieses Phaͤnomen auffallend hervor; doch laͤßt sich durchaus bemerken, daß wenn es erschei- nen soll, irgend ein Bild, eine Abwechselung des Dunk- len und Hellen, bey der Abspiegelung mitwirken muͤsse, so daß ein Fensterstab, der Ast eines Baumes, ein zu- faͤlliges oder mit Vorsatz aufgestelltes Hinderniß, eine merkliche Wirkung hervorbringt. Auch diese Erschei- nung laͤßt sich in der Camera obscura objectiviren. 373. Laͤßt man ein polirtes Silber durch Scheidewasser dergestalt anfressen, daß das darin befindliche Kupfer aufgeloͤst und die Oberflaͤche gewissermaßen rauh wer- de, und laͤßt alsdann das Sonnenbild sich auf der Platte spiegeln; so wird es von jedem unendlich klei- nen erhoͤhten Puncte einzeln zuruͤckglaͤnzen, und die Oberflaͤche der Platte in bunten Farben erscheinen. Eben so, wenn man ein schwarzes ungeglaͤttetes Papier in die Sonne haͤlt und aufmerksam darauf blickt, sieht man es in seinen kleinsten Theilen bunt in den lebhaf- testen Farben glaͤnzen. 374. Diese saͤmmtlichen Erfahrungen deuten auf eben die- selben Bedingungen hin. In dem ersten Falle scheint das Lichtbild von einer schmalen Linie zuruͤck; in dem zwey- ten wahrscheinlich von scharfen Kanten; in dem dritten von sehr kleinen Puncten. Bey allen wird ein lebhaf- tes Licht und eine Begraͤnzung desselben verlangt. Nicht weniger wird zu diesen saͤmmtlichen Farberscheinungen I. 10 erfordert, daß sich das Auge in einer proportionirten Ferne von den reflectirenden Puncten befinde. 375. Stellt man diese Beobachtungen unter dem Mikro- skop an, so wird die Erscheinung an Kraft und Glanz unendlich wachsen: denn man sieht alsdann die klein- sten Theile der Koͤrper, von der Sonne beschienen, in diesen Reflexionsfarben schimmern, die, mit den Re- fractionsfarben verwandt, sich nun auf die hoͤchste Stu- fe ihrer Herrlichkeit erheben. Man bemerkt in solchem Falle ein wurmfoͤrmig Buntes auf der Oberflaͤche orga- nischer Koͤrper, wovon das Naͤhere kuͤnftig vorgelegt werden soll. 376. Uebrigens sind die Farben, welche bey der Reflexion sich zeigen, vorzuͤglich Purpur und Gruͤn; woraus sich vermuthen laͤßt, daß besonders die streifige Erscheinung aus einer zarten Purpurlinie bestehe, welche an ihren beyden Seiten theils mit Blau, theils mit Gelb einge- faßt ist. Treten die Linien sehr nahe zusammen, so muß der Zwischenraum gruͤn erscheinen; ein Phaͤnomen, das uns noch oft vorkommen wird. 377. In der Natur begegnen uns dergleichen Farben oͤfters. Die Farben der Spinneweben setzen wir denen, die von Stahlsaiten wiederscheinen, voͤllig gleich, ob sich schon daran nicht so gut als an dem Stahl die Undurchdringlichkeit beglaubigen laͤßt, weßwegen man auch diese Farben mit zu den Refractionserscheinungen hat ziehen wollen. 378. Beym Perlemutter werden wir unendlich feine, nebeneinanderliegende organische Fibern und Lamellen gewahr, von welchen, wie oben beym geritzten Silber, mannigfaltige Farben, vorzuͤglich aber Purpur und Gruͤn, entspringen moͤgen. 379. Die changeanten Farben der Vogelfedern werden hier gleichfalls erwaͤhnt, obgleich bey allem Organischen eine chemische Vorbereitung und eine Aneignung der Farbe an den Koͤrper gedacht werden kann; wovon bey Gelegenheit der chemischen Farben weiter die Rede seyn wird. 380. Daß die Erscheinungen der objectiven Hoͤfe auch in der Naͤhe katoptrischer Phaͤnomene liegen, wird leicht zugegeben werden, ob wir gleich nicht laͤugnen, daß auch Refraction mit im Spiele sey. Wir wollen hier nur Einiges bemerken, bis wir, nach voͤllig durch- laufenem theoretischen Kreise, eine vollkommnere Anwen- dung des uns alsdann im Allgemeinen Bekannten auf die einzelnen Naturerscheinungen zu machen im Stand- seyn werden. 381. Wir gedenken zuerst jenes gelben und rothen Krei- ses an einer weißen oder graulichen Wand, den wir 10 * durch ein nah gestelltes Licht hervorgebracht (88). Das Licht, indem es von einem Koͤrper zuruͤckscheint, wird gemaͤßigt, das gemaͤßigte Licht erregt die Empfindung der gelben und ferner der rothen Farbe. 382. Eine solche Kerze erleuchte die Wand lebhaft in un- mittelbarer Naͤhe. Je weiter der Schein sich verbreitet, desto schwaͤcher wird er; allein er ist doch immer die Wirkung der Flamme, die Fortsetzung ihrer Energie, die ausgedehnte Wirkung ihres Bildes. Man koͤnnte diese Kreise daher gar wohl Graͤnzbilder nennen, weil sie die Graͤnze der Thaͤtigkeit ausmachen und doch auch nur ein erweitertes Bild der Flamme darstellen. 383. Wenn der Himmel um die Sonne weiß und leuch- tend ist, indem leichte Duͤnste die Atmosphaͤre er- fuͤllen, wenn Duͤnste oder Wolken um den Mond schweben; so spiegelt sich der Abglanz der Scheibe in denselben. Die Hoͤfe, die wir alsdann erblicken, sind einfach oder doppelt, kleiner oder groͤßer, zuweilen sehr groß, oft farblos, manchmal farbig. 384. Einen sehr schoͤnen Hof um den Mond sah ich den 15. November 1799 bey hohem Barometerstande und dennoch wolkigem und dunstigem Himmel. Der Hof war voͤllig farbig, und die Kreise folgten sich wie bey subjectiven Hoͤfen ums Licht. Daß er objectiv war, konnte ich bald einsehen, indem ich das Bild des Mondes zuhielt und der Hof dennoch vollkommen ge- sehen wurde. 385. Die verschiedene Groͤße der Hoͤfe scheint auf die Naͤhe oder Ferne des Dunstes von dem Auge des Be- obachters einen Bezug zu haben. 386. Da leicht angehauchte Fensterscheiben die Lebhaf- tigkeit der subjectiven Hoͤfe vermehren, und sie gewis- sermaßen zu objectiven machen; so ließe sich vielleicht mit einer einfachen Vorrichtung, bey recht rasch kalter Winterzeit, hiervon die naͤhere Bestimmung auffinden. 387. Wie sehr wir Ursache haben, auch bey diesen Krei- sen auf das Bild und dessen Wirkung zu dringen, zeigt sich bey dem Phaͤnomen der sogenannten Neben- sonnen. Dergleichen Nachbarbilder finden sich immer auf gewissen Puncten der Hoͤfe und Kreise, und stel- len das wieder nur begraͤnzter dar, was in dem gan- zen Kreise immerfort allgemeiner vorgeht. An die Er- scheinung des Regenbogens wird sich dieses alles be- quemer anschließen. 388. Zum Schlufse bleibt uns nichts weiter uͤbrig, als daß wir die Verwandtschaft der katoptrischen Farben mit den paroptischen einleiten. Die paroptischen Farben werden wir diejenigen nennen, welche entstehen, wenn das Licht an einem undurchsichtigen farblosen Koͤrper herstrahlt. Wie nahe sie mit den dioptrischen der zweyten Classe verwandt sind, wird Jedermann leicht einsehen, der mit uns uͤber- zeugt ist, daß die Farben der Refraction bloß an den Raͤndern entstehen. Die Verwandtschaft der katoptri- schen und paroptischen aber wird uns in dem folgen- den Capitel klar werden. XXXII. Paroptische Farben . 389. Die paroptischen Farben wurden bisher periopti- sche genannt, weil man sich eine Wirkung des Lichts gleichsam um den Koͤrper herum dachte, die man ei- ner gewissen Biegbarkeit des Lichtes nach dem Koͤrper hin und vom Koͤrper ab zuschrieb. 390. Auch diese Farben kann man in objective und subjective eintheilen, weil auch sie theils außer uns, gleichsam wie auf der Flaͤche gemalt, theils in uns, unmittelbar auf der Retina, erscheinen. Wir finden bey diesem Capitel das vortheilhafteste, die objectiven zuerst zu nehmen, weil die subjectiven sich so nah an andre uns schon bekannte Erscheinungen anschließen, daß man sie kaum davon zu trennen vermag. 391. Die paroptischen Farben werden also genannt, weil, um sie hervorzubringen, das Licht an einem Rande herstrahlen muß. Allein nicht immer, wenn das Licht an einem Rande herstrahlt, erscheinen sie; es sind dazu noch ganz besondre Nebenbedingungen noͤthig. 392. Ferner ist zu bemerken, daß hier abermals das Licht keinesweges in Abstracto wirke (361); sondern die Sonne scheint an einem Rande her. Das ganze von dem Sonnenbild ausstroͤmende Licht wirkt an ei- ner Koͤrpergraͤnze vorbey und verursacht Schatten. An diesen Schatten, innerhalb derselben, werden wir kuͤnftig die Farbe gewahr werden. 393. Vor allen Dingen aber betrachten wir die hieher gehoͤrigen Erfahrungen in vollem Lichte. Wir setzen den Beobachter ins Freye, ehe wir ihn in die Be- schraͤnkung der dunklen Kammer fuͤhren. 394. Wer im Sonnenschein in einem Garten oder sonst auf glatten Wegen wandelt, wird leicht bemerken, daß sein Schatten nur unten am Fuß, der die Erde be- tritt, scharf begraͤnzt erscheint, weiter hinauf, be- sonders um das Haupt, verfließt er sanft in die helle Flaͤche. Denn indem das Sonnenlicht nicht allein aus der Mitte der Sonne herstroͤmt, sondern auch von den beyden Enden dieses leuchtenden Gestir- nes uͤbers Kreuz wirkt; so entsteht eine objective Pa- rallaxe, die an beyden Seiten des Koͤrpers einen Halbschatten hervorbringt. 395. Wenn der Spaziergaͤnger seine Hand erhebt, so sieht er an den Fingern deutlich das Auseinanderwei- chen der beyden Halbschatten nach außen, die Ver- schmaͤlerung des Hauptschattens nach innen, beydes Wirkungen des sich kreuzenden Lichtes. 396. Man kann vor einer glatten Wand diese Ver- suche mit Staͤben von verschiedener Staͤrke, so wie auch mit Kugeln wiederhohlen und vervielfaͤltigen; immer wird man finden, daß je weiter der Koͤrper von der Tafel entfernt wird, desto mehr verbreitet sich der schwache Doppelschatten, desto mehr verschmaͤ- lert sich der starke Hauptschatten, bis dieser zuletzt ganz aufgehoben scheint, ja die Doppelschatten endlich so schwach werden, daß sie beynahe verschwinden; wie sie denn in mehrerer Entfernung unbemerklich sind. 397. Daß dieses von dem sich kreuzenden Lichte her- ruͤhre, davon kann man sich leicht uͤberzeugen; so wie denn auch der Schatten eines zugespitzten Koͤrpers zwey Spitzen deutlich zeigt. Wir duͤrfen also niemals außer Augen lassen, daß in diesem Falle das ganze Sonnenbild wirke, Schatten hervorbringe, sie in Dop- pelschatten verwandle und endlich sogar aufhebe. 398. Man nehme nunmehr, statt der festen Koͤrper, ausgeschnittene Oeffnungen von verschiedener bestimm- ter Groͤße neben einander, und lasse das Sonnenlicht auf eine etwas entfernte Tafel hindurch fallen; so wird man finden, daß das helle Bild, welches auf der Tafel von der Sonne hervorgebracht wird, groͤßer sey als die Oeffnung; welches daher kommt, daß der eine Rand der Sonne durch die entgegengesetzte Seite der Oeffnung noch hindurch scheint, wenn der andre durch sie schon verdeckt ist. Daher ist das helle Bild an seinen Raͤndern schwaͤcher beleuchtet. 399. Nimmt man viereckte Oeffnungen von welcher Groͤße man wolle, so wird das helle Bild auf einer Tafel, die neun Fuß von den Oeffnungen steht, um einen Zoll an jeder Seite groͤßer seyn als die Oeff- nung; welches mit dem Winkel des scheinbaren Son- nendiameters ziemlich uͤbereinkommt. 400. Daß eben diese Randerleuchtung nach und nach abnehme, ist ganz natuͤrlich, weil zuletzt nur ein Minimum des Sonnenlichtes vom Sonnenrande uͤbers Kreuz durch den Rand der Oeffnung einwirken kann. 401. Wir sehen also hier abermals, wie sehr wir Ur- sache haben, uns in der Erfahrung vor der Annahme von parallelen Strahlen, Strahlenbuͤscheln- und Buͤn- deln und dergleichen hypothetischen Wesen zu huͤten (309. 310.) 402. Wir koͤnnen uns vielmehr das Scheinen der Sonne, oder irgend eines Lichtes, als eine unendliche Ab- spiegelung des beschraͤnkten Lichtbildes vorstellen; wor- aus sich denn wohl ableiten laͤßt, wie alle viereckte Oeffnungen, durch welche die Sonne scheint, in ge- wissen Entfernungen, je nachdem sie groͤßer oder klei- ner sind, ein rundes Bild geben muͤssen. 403. Obige Versuche kann man durch Oeffnungen von mancherley Form und Groͤße wiederholen, und es wird sich immer dasselbe in verschiedenen Abweichun- gen zeigen; wobey man jedoch immer bemerken wird, daß im vollen Lichte, und bey der einfachen Opera- tion des Herscheinens der Sonne an einem Rand, keine Farbe sich sehen lasse. 404. Wir wenden uns daher zu den Versuchen mit dem gedaͤmpften Lichte, welches noͤthig ist, damit die Far- benerscheinung eintrete. Man mache eine kleine Oeff- nung in den Laden der dunklen Kammer, man fange das uͤbers Kreuz eindringende Sonnenbild mit einem weißen Papiere auf, und man wird, je kleiner die Oeffnung ist, ein desto matteres Licht erblicken; und zwar ganz natuͤrlich, weil die Erleuchtung nicht von der ganzen Sonne, sondern nur von einzelnen Punc- ten, nur theilweise gewirkt wird. 405. Betrachtet man dieses matte Sonnenbild genau, so findet man es gegen seine Raͤnder zu immer matter und mit einem gelben Saume begraͤnzt, der sich deut- lich zeigt, am deutlichsten aber, wenn sich ein Nebel, oder eine durchscheinende Wolke vor die Sonne zieht, ihr Licht maͤßiget und daͤmpft. Sollten wir uns nicht gleich hiebey jenes Hofes an der Wand und des Scheins eines nahe davorstehenden Lichtes erinnern? (88.) 406. Betrachtet man jenes oben beschriebene Sonnen- bild genauer, so sieht man, daß es mit diesem gel- ben Saume noch nicht abgethan ist; sondern man be- merkt noch einen zweyten blaulichen Kreis, wo nicht gar eine hofartige Wiederholung des Farbensaums. Ist das Zimmer recht dunkel, so sieht man, daß der zunaͤchst um die Sonne erhellte Himmel gleichfalls ein- wirkt, man sieht den blauen Himmel, ja sogar die ganze Landschaft auf dem Papiere und uͤberzeugt sich abermals, daß hier nur von dem Sonnenbilde die Rede sey. 407. Nimmt man eine etwas groͤßere, viereckte Oeff- nung, welche durch das Hineinstrahlen der Sonne nicht gleich rund wird; so kann man die Halbschatten von jedem Rande, das Zusammentreffen derselben in den Ecken, die Faͤrbung derselben, nach Maßgabe obge- meldeter Erscheinung der runden Oeffnung, genau be- merken. 408. Wir haben nunmehr ein parallaktisch scheinendes Licht gedaͤmpft, indem wir es durch kleine Oeffnun- gen scheinen ließen, wir haben ihm aber seine paral- laktische Eigenschaft nicht genommen, so daß es aber- mals Doppelschatten der Koͤrper, wenn gleich mit ge- daͤmpfter Wirkung, hervorbringen kann. Diese sind nunmehr diejenigen, auf welche man bisher aufmerk- sam gewesen, welche in verschiedenen hellen und dun- keln, farbigen und farblosen Kreisen auf einander fol- gen, und vermehrte, ja gewissermaßen unzaͤhlige Hoͤfe hervorbringen. Sie sind oft gezeichnet und in Kupfer gestochen worden, indem man Nadeln, Haare und andre schmale Koͤrper in das gedaͤmpfte Licht brachte, die vielfachen, hofartigen Doppelschatten bemerkte und sie einer Aus- und Einbiegung des Lichtes zuschrieb, und dadurch erklaͤren wollte, wie der Kernschatten aufgehoben, und wie ein Helles an der Stelle des Dunkeln erscheinen koͤnne. 409. Wir aber halten vorerst daran fest, daß es aber- mals parallaktische Doppelschatten sind, welche mit farbigen Saͤumen und Hoͤfen begraͤnzt erscheinen. 410. Wenn man alles dieses nun gesehen, untersucht und sich deutlich gemacht hat; so kann man zu dem Versuche mit den Messerklingen schreiten, welches nur ein Aneinanderruͤcken und parallaktisches Uebereinander- greifen der uns schon bekannten Halbschatten und Hoͤfe genannt werden kann. 411. Zuletzt hat man jene Versuche mit Haaren, Nadeln und Draͤhten in jenem Halblichte, das die Sonne wirkt, so wie im Halblichte, das sich vom blauen Himmel herschreibt und auf dem Papiere zeigt, anzu- stellen und zu betrachten; wodurch man der wahren Ansicht dieser Phaͤnomene sich immer mehr bemeistern wird. 412. Da nun aber bey diesen Versuchen alles darauf ankommt, daß man sich von der parallaktischen Wir- kung des scheinenden Lichtes uͤberzeuge; so kann man sich das, worauf es ankommt, durch zwey Lichter deut- licher machen, wodurch sich die zwey Schatten uͤber einander fuͤhren und voͤllig sondern lassen. Bey Tage kann es durch zwey Oeffnungen am Fensterladen ge- schehen, bey Nacht durch zwey Kerzen; ja es giebt manche Zufaͤlligkeiten in Gebaͤuden beym Auf- und Zu- schlagen von Laͤden, wo man diese Erscheinungen bes- ser beobachten kann, als bey dem sorgfaͤltigsten Appa- rate. Jedoch lassen sich alle und jede zum Versuch er- heben, wenn man einen Kasten einrichtet, in den man oben hineinsehen kann, und dessen Thuͤre man sachte zulehnt, nachdem man vorher ein Doppellicht einfallen lassen. Daß hierbey die von uns unter den physiologischen Farben abgehandelten farbigen Schat- ten sehr leicht eintreten, laͤßt sich erwarten. 413. Ueberhaupt erinnre man sich, was wir uͤber die Natur der Doppelschatten, Halblichter und dergleichen fruͤher ausgefuͤhrt haben, besonders aber mache man Versuche mit verschiedenen neben einander gestellten Schat- tirungen von Grau, wo jeder Streif an seinem dunk- len Nachbar hell, am hellen dunkel erscheinen wird. Bringt man Abends mit drey oder mehreren Lichtern Schatten hervor, die sich stufenweise decken; so kann man dieses Phaͤnomen sehr deutlich gewahr werden, und man wird sich uͤberzeugen, daß hier der physio- logische Fall eintritt, den wir oben weiter ausgefuͤhrt haben. (38.) 414. Inwiefern nun aber alles, was von Erschei- nungen die paroptischen Farben begleitet, aus der Lehre vom gemaͤßigten Lichte, von Halbschatten und von physiologischer Bestimmung der Retina sich ableiten lasse, oder ob wir genoͤthigt seyn werden, zu gewis- sen innern Eigenschaften des Lichts unsere Zuflucht zu nehmen, wie man es bisher gethan, mag die Zeit lehren. Hier sey es genug, die Bedingungen ange- zeigt zu haben, unter welchen die paroptischen Farben entstehen, so wie wir denn auch hoffen koͤnnen, daß unsre Winke auf den Zusammenhang mit dem bisheri- gen Vortrag von Freunden der Natur nicht unbeach- tet bleiben werden. 415. Die Verwandtschaft der paroptischen Farben mit den dioptrischen der zweyten Classe wird sich auch jeder Denkende gern ausbilden. Hier wie dort ist von Raͤn- dern die Rede; hier wie dort von einem Lichte, das an dem Rande herscheint. Wie natuͤrlich ist es also, daß die paroptischen Wirkungen durch die dioptrischen erhoͤht, verstaͤrkt und verherrlicht werden koͤnnen. Doch kann hier nur von den objectiven Refractionsfaͤllen die Rede seyn, da das leuchtende Bild wirklich durch das Mittel durchscheint: denn diese sind eigentlich mit den paroptischen verwandt. Die subjectiven Refractions- faͤlle, da wir die Bilder durchs Mittel sehen, stehen aber von den paroptischen voͤllig ab, und sind auch schon wegen ihrer Reinheit von uns gepriesen worden. 416. Wie die paroptischen Farben mit den katoptrischen zusammenhaͤngen, laͤßt sich aus dem Gesagten schon vermuthen: denn da die katoptrischen Farben nur an Ritzen, Puncten, Stahlsaiten, zarten Faͤden sich zeigen, so ist es ungefaͤhr derselbe Fall, als wenn das Licht an einem Rande herschiene. Es muß jeder Zeit von einem Rande zuruͤck scheinen, damit unser Auge eine Farbe gewahr werde. Wie auch hier die Beschraͤnkung des leuchtenden Bildes, so wie die Maͤ- ßigung des Lichtes, zu betrachten sey, ist oben schon angezeigt worden. 417. Von den subjectiven paroptischen Farben fuͤhren wir nur noch weniges an, weil sie sich theils mit den physiologischen, theils mit den dioptrischen der zwey- ten Classe in Verbindung setzen lassen, und sie groͤß- tentheils kaum hieher zu gehoͤren scheinen, ob sie gleich, wenn man genau aufmerkt, uͤber die ganze Lehre und ihre Verknuͤpfung ein erfreuliches Licht verbreiten. 418. Wenn man eine Lineal dergestalt vor die Augen haͤlt, daß die Flamme des Lichts uͤber dasselbe hervor- scheint; so sieht man das Lineal gleichsam eingeschnit- ten und schartig an der Stelle, wo das Licht hervor- ragt. Es scheint sich dieses aus der ausdehnenden Kraft des Lichtes auf der Retina ableiten zu lassen. (18). 419. Dasselbige Phaͤnomen im Großen zeigt sich beym Aufgang der Sonne, welche, wenn sie rein, aber nicht allzu maͤchtig, aufgeht, also daß man sie noch anblik- ken kann, jederzeit einen scharfen Einschnitt in den Horizont macht. 420. Wenn man bey grauem Himmel gegen ein Fen- ster tritt, so daß das dunkle Kreuz sich gegen densel- ben abschneidet, wenn man die Augen alsdann auf das horizontale Holz richtet, ferner den Kopf etwas vorzubiegen, zu blinzen und aufwaͤrts zu sehen an- faͤngt; so wird man bald unten an dem Holze einen schoͤnen gelbrothen Saum, oben uͤber demselben einen schoͤnen hellblauen entdecken. Je dunkelgrauer und gleicher der Himmel, je daͤmmernder das Zimmer und folglich je ruhiger das Auge, desto lebhafter wird sich die Erscheinung zeigen, ob sie sich gleich einem auf- merksamen Beobachter auch bey hellem Tage darstellen wird. 421. Man biege nunmehr den Kopf zuruͤck und blinzle mit den Augen dergestalt, daß man den horizontalen Fensterstab unter sich sehe, so wird auch das Phaͤno- men umgekehrt erscheinen. Man wird nehmlich die obere Kante gelb und die untre blau sehen. 422. In einer dunkeln Kammer stellen sich die Beob- achtungen am besten an. Wenn man vor die Oeff- nung, vor welche man gewoͤhnlich das Sonnen-Mi- kroskop schraubt, ein weißes Papier heftet, wird man den untern Rand des Kreises blau, den obern gelb erblicken, selbst indem man die Augen ganz offen hat, oder sie nur in so fern zublinzt, daß kein Hof sich mehr um das Weiße herum zeigt. Biegt man den Kopf zuruͤck, so sieht man die Farben umgekehrt. I. 11 423. Diese Phaͤnomene scheinen daher zu entstehen, daß die Feuchtigkeiten unsres Auges eigentlich nur in der Mitte, wo das Sehen vorgeht, wirklich achroma- tisch sind, daß aber gegen die Peripherie zu, und in unnatuͤrlichen Stellungen, als Auf- und Nieder- biegen des Kopfes, wirklich eine chromatische Eigen- schaft, besonders wenn scharf absetzende Bilder be- trachtet werden, uͤbrig bleibe. Daher diese Phaͤno- mene zu jenen gehoͤren moͤgen, welche mit den diop- trischen der zweyten Classe verwandt sind. 424. Aehnliche Farben erscheinen, wenn man gegen schwarze und weiße Bilder durch den Nadelstich einer Charte sieht. Statt des weißen Bildes kann man auch den lichten Punct im Bleche des Ladens der Ca- mera obscura waͤhlen, wenn die Vorrichtung zu den paroptischen Farben gemacht ist. 425. Wenn man durch eine Roͤhre durchsieht, deren untre Oeffnung verengt, oder durch verschiedene Aus- schnitte bedingt ist, erscheinen die Farben gleichfalls. 426. An die paroptischen Erscheinungen aber schließen sich meines Beduͤnkens folgende Phaͤnomene naͤher an. Wenn man eine Nadelspitze nah vor das Auge haͤlt, so entsteht in demselben ein Doppelbild. Besonders merkwuͤrdig ist aber, wenn man durch die zu parop- tischen Versuchen eingerichteten Messerklingen hindurch und gegen einen grauen Himmel sieht. Man blickt nehmlich wie durch einen Flor, und es zeigen sich im Auge sehr viele Faͤden, welches eigentlich nur die wie- derholten Bilder der Klingenschaͤrfen sind, davon das eine immer von dem folgenden successiv, oder wohl auch von dem gegenuͤber wirkenden parallaktisch bedingt und in eine Fadengestalt verwandelt wird. 427. So ist denn auch noch schließlich zu bemerken, daß, wenn man durch die Klingen nach einem lichten Punct im Fensterladen hinsieht, auf der Retina die- selben farbigen Streifen und Hoͤfe, wie auf dem Pa- piere, entstehen. 428. Und so sey dieses Kapitel gegenwaͤrtig um so mehr geschlossen, als ein Freund uͤbernommen hat, dasselbe nochmals genau durch zu experimentiren, von dessen Bemerkungen wir, bey Gelegenheit der Revision, der Tafeln und des Apparats, in der Folge weitere Rechen- schaft zu geben hoffen. 11 * XXXIII. Epoptische Farben . 429. Haben wir bisher uns mit solchen Farben abge- geben, welche zwar sehr lebhaft erscheinen, aber auch, bey aufgehobener Bedingung, sogleich wieder ver- schwinden; so machen wir nun die Erfahrung von solchen, welche zwar auch als voruͤbergehend beobach- tet werden, aber unter gewissen Umstaͤnden sich der- gestalt fixiren, daß sie, auch nach aufgehobenen Be- dingungen, welche ihre Erscheinung hervorbrachten, bestehen bleiben, und also den Uebergang von den phy- sischen zu den chemischen Farben ausmachen. 430. Sie entspringen durch verschiedene Veranlassun- gen auf der Oberflaͤche eines farblosen Koͤrpers, ur- spruͤnglich, ohne Mittheilung, Faͤrbe, Taufe (βαφή); und wir werden sie nun, von ihrer leisesten Erschei- nung bis zu ihrer hartnaͤckigsten Dauer, durch die verschiedenen Bedingungen ihres Entstehens hindurch verfolgen, welche wir zu leichterer Uebersicht hier so- gleich summarisch anfuͤhren. 431. Erste Bedingung. Beruͤhrung zweyer glatten Flaͤ- chen harter durchsichtiger Koͤrper. Erster Fall, wenn Glasmassen, Glastafeln, Lin- sen an einander gedruͤckt werden. Zweyter Fall, wenn in einer soliden Glas- Kry- stall- oder Eismasse ein Sprung entsteht. Dritter Fall, indem sich Lamellen durchsichtiger Steine von einander trennen. Zweyte Bedingung. Wenn eine Glasflaͤche oder ein geschliffner Stein angehaucht wird. Dritte Bedingung. Verbindung von beyden obi- gen, daß man nehmlich die Glastafel anhaucht, eine andre drauf legt, die Farben durch den Druck erregt, dann das Glas abschiebt, da sich denn die Farben nachziehen und mit dem Hauche verfliegen. Vierte Bedingung. Blasen verschiedener Fluͤssig- keiten, Seife, Chocolade, Bier, Wein, feine Glas- blasen. Fuͤnfte Bedingung. Sehr feine Haͤutchen und Lamellen mineralischer und metallischer Aufloͤsungen; das Kalkhaͤutchen, die Oberflaͤche stehender Wasser, besonders eisenschuͤssiger; ingleichen Haͤutchen von Oel auf dem Wasser, besonders von Firniß auf Scheide- wasser. Sechste Bedingung. Wenn Metalle erhitzt wer- den. Anlaufen des Stahls und andrer Metalle. Siebente Bedingung. Wenn die Oberflaͤche des Glases angegriffen wird. 432. Erste Bedingung , Erster Fall. Wenn zwey convexe Glaͤser, oder ein Convex- und Planglas, am besten ein Convex- und Hohlglas sich einander beruͤh- ren, so entstehn concentrische farbige Kreise. Bey dem gelindesten Druck zeigt sich sogleich das Phaͤno- men, welches nach und nach durch verschiedene Stu- fen gefuͤhrt werden kann. Wir beschreiben sogleich die vollendete Erscheinung, weil wir die verschiedenen Grade, durch welche sie durchgeht, ruͤckwaͤrts alsdann desto besser werden einsehen lernen. 433. Die Mitte ist farblos; daselbst, wo die Glaͤser durch den staͤrksten Druck gleichsam zu einem vereinigt sind, zeigt sich ein dunkelgrauer Punct, um densel- ben ein silberweißer Raum, alsdann folgen in abneh- menden Entfernungen verschiedene isolirte Ringe, welche saͤmmtlich aus drey Farben, die unmittelbar mit ein- ander verbunden sind, bestehen. Jeder dieser Ringe, deren etwa drey bis vier gezaͤhlt werden koͤnnen, ist inwendig gelb, in der Mitte purpurfarben und auswen- dig blau. Zwischen zwey Ringen findet sich ein silber- weißer Zwischenraum. Die letzten Ringe gegen die Peripherie des Phaͤnomens stehen immer enger zusam- men. Sie wechseln mit Purpur und Gruͤn, ohne ei- nen dazwischen bemerklichen silberweißen Raum. 434. Wir wollen nunmehr die successive Entstehung des Phaͤnomens vom gelindesten Druck an beobachten. 435. Beym gelindesten Druck erscheint die Mitte selbst gruͤn gefaͤrbt. Darauf folgen bis an die Peripherie saͤmmtlicher concentrischen Kreise purpurne und gruͤne Ringe. Sie sind verhaͤltnißmaͤßig breit und man sieht keine Spur eines silberweißen Raums zwischen ihnen. Die gruͤne Mitte entsteht durch das Blau eines unent- wickelten Cirkels, das sich mit dem Gelb des ersten Kreises vermischt. Alle uͤbrigen Kreise sind bey dieser gelinden Beruͤhrung breit, ihre gelben und blauen Raͤnder vermischen sich und bringen das schoͤne Gruͤn hervor. Der Purpur aber eines jeden Ringes bleibt rein und unberuͤhrt, daher zeigen sich saͤmmtliche Kreise von diesen beyden Farben. 436. Ein etwas staͤrkerer Druck entfernt den ersten Kreis von dem unentwickelten um etwas weniges und isolirt ihn, so daß er sich nun ganz vollkommen zeigt. Die Mitte erscheint nun als ein blauer Punct: denn das Gelbe des ersten Kreises ist nun durch einen silberwei- ßen Raum von ihr getrennt. Aus dem Blauen ent- wickelt sich in der Mitte ein Purpur, welcher jeder- zeit nach außen seinen zugehoͤrigen blauen Rand behaͤlt. Der zweyte, dritte Ring, von innen gerechnet, ist nun schon voͤllig isolirt. Kommen abweichende Faͤlle vor, so wird man sie aus dem gesagten und noch zu sagenden zu beurtheilen wissen. 437. Bey einem staͤrkern Druck wird die Mitte gelb, sie ist mit einem purpurfarbenen und blauen Rand umgeben. Endlich zieht sich auch dieses Gelb voͤllig aus der Mitte. Der innerste Kreis ist gebildet und die gelbe Farbe umgiebt dessen Rand. Nun erscheint die ganze Mitte silberweiß, bis zuletzt bey dem staͤrksten Druck sich der dunkle Punct zeigt und das Phaͤnomen, wie es zu Anfang beschrieben wurde, vollendet ist. 438. Das Maß der concentrischen Ringe und ihrer Entfernungen bezieht sich auf die Form der Glaͤser, welche zusammen gedruͤckt werden. 439. Wir haben oben bemerkt, daß die farbige Mitte aus einem unentwickelten Kreise bestehe. Es findet sich aber oft bey dem gelindesten Druck, daß mehrere un- entwickelte Kreise daselbst gleichsam im Keime liegen, welche nach und nach vor dem Auge des Beobachters entwickelt werden koͤnnen. 440. Die Regelmaͤßigkeit dieser Ringe entspringt aus der Form des Convex-Glases, und der Durchmesser des Phaͤnomens richtet sich nach dem groͤßern oder kleinern Kugelschnitt, wornach eine Linse geschliffen ist. Man schließt daher leicht, daß man durch das Aneinander- druͤcken von Planglaͤsern nur unregelmaͤßige Erschei- nungen sehen werde, welche wellenfoͤrmig nach Art der gewaͤsserten Seidenzeuge erscheinen und sich von dem Puncte des Drucks aus nach allen Enden verbrei- ten. Doch ist auf diesem Wege das Phaͤnomen viel herrlicher als auf jenem und fuͤr einen jeden auffallend und reizend. Stellt man nun den Versuch auf diese Weise an, so wird man voͤllig wie bey dem oben beschriebenen bemerken, daß bey gelindem Druck die gruͤnen und purpurnen Wellen zum Vorschein kommen, beym staͤrkeren aber Streifen, welche blau, purpurn und gelb sind, sich isoliren. In dem ersten Falle be- ruͤhren sich ihre Außenseiten, in dem zweyten sind sie durch einen silberweißen Raum getrennt. 441. Ehe wir nun zur fernern Bestimmung dieses Phaͤ- nomens uͤbergehen, wollen wir die bequemste Art, das- selbe hervorzubringen, mittheilen. Man lege ein großes Convexglas vor sich auf den Tisch gegen ein Fenster, und auf dasselbe eine Tafel wohlgeschliffenen Spiegelglases, ungefaͤhr von der Groͤße einer Spielcharte; so wird die bloße Schwere der Ta- fel sie schon dergestalt andruͤcken, daß eins oder das andre der beschriebenen Phaͤnomene entsteht, und man wird schon durch die verschiedene Schwere der Glas- tafel, durch andre Zufaͤlligkeiten, wie z. B. wenn man die Glastafel auf die abhaͤngende Seite des Con- vexglases fuͤhrt, wo sie nicht so stark aufdruͤckt als in der Mitte, alle von uns beschriebenen Grade nach und nach hervorbringen koͤnnen. 442. Um das Phaͤnomen zu bemerken, muß man schief auf die Flaͤche sehen, auf welcher uns dasselbe er- scheint. Aeußerst merkwuͤrdig ist aber, daß, wenn man sich immer mehr neigt, und unter einem spitzeren Winkel nach dem Phaͤnomen sieht, die Kreise sich nicht allein erweitern; sondern aus der Mitte sich noch an- dre Kreise entwickeln, von denen sich, wenn man per- pendiculaͤr auch durch das staͤrkste Vergroͤßerungsglas darauf sah, keine Spur entdecken ließ. 443. Wenn das Phaͤnomen gleich in seiner groͤßten Schoͤnheit erscheinen soll, so hat man sich der aͤußer- sten Reinlichkeit zu befleißigen. Macht man den Ver- such mit Spiegelglasplatten, so thut man wohl, lederne Handschuh anzuziehen. Man kann bequem die innern Flaͤchen, welche sich auf das genaueste beruͤhren muͤs- sen, vor dem Versuche reinigen, und die aͤußern, bey dem Versuche selbst, unter dem Druͤcken rein erhalten. 444. Man sieht aus obigem, daß eine genaue Beruͤh- rung zweyer glatten Flaͤchen noͤthig ist. Geschliffene Glaͤser thun den besten Dienst. Glasplatten zeigen die schoͤnsten Farben, wenn sie an einander festhaͤngen; und aus eben dieser Ursache soll das Phaͤnomen an Schoͤn- heit wachsen, wenn sie unter die Luftpumpe gelegt werden, und man die Luft auspumpt. 445. Die Erscheinung der farbigen Ringe kann am schoͤnsten hervorgebracht werden, wenn man ein con- vexes und concaves Glas, die nach einerley Kugel- schnitt geschliffen sind, zusammenbringt. Ich habe die Erscheinung niemals glaͤnzender gesehen, als bey dem Objectivglase eines achromatischen Fernrohrs, bey wel- chem das Crownglas mit dem Flintglase sich allzu ge- nau beruͤhren mochte. 446. Merkwuͤrdig ist die Erscheinung, wenn ungleich- artige Flaͤchen, z. B. ein geschliffner Krystall an eine Glasplatte gedruͤckt wird. Die Erscheinung zeigt sich keinesweges in großen fließenden Wellen, wie bey der Verbindung des Glases mit dem Glase, sondern sie ist klein und zackig und gleichsam unterbrochen, so daß es scheint, die Flaͤche des geschliffenen Krystalls, die aus unendlich kleinen Durchschnitten der Lamellen be- steht, beruͤhre das Glas nicht in einer solchen Conti- nuitaͤt, als es von einem andern Glase geschieht. 447. Die Farbenerscheinung verschwindet durch den staͤrk- sten Druck, der die beyden Flaͤchen so innig verbindet, daß sie nur einen Koͤrper auszumachen scheinen. Da- her entsteht der dunkle Punct in der Mitte, weil die gedruckte Linse auf diesem Puncte kein Licht mehr zu- ruͤckwirft, so wie eben derselbe Punct, wenn man ihn gegen das Licht sieht, voͤllig hell und durchsichtig ist. Bey Nachlassung des Drucks verschwinden die Farben allmaͤhlich, und voͤllig, wenn man die Flaͤchen von einander schiebt. 448. Eben diese Erscheinungen kommen noch in zwey aͤhnlichen Faͤllen vor. Wenn ganze durchsichtige Mas- sen sich von einander in dem Grade trennen, daß die Flaͤchen ihrer Theile sich noch hinreichend beruͤhren; so sieht man dieselben Kreise und Wellen mehr oder we- niger. Man kann sie sehr schoͤn hervorbringen, wenn man eine erhitzte Glasmasse ins Wasser taucht, in de- ren verschiedenen Rissen und Spruͤngen man die Far- ben in mannigfaltigen Zeichnungen bequem beobachten kann. Die Natur zeigt uns oft dasselbe Phaͤnomen an gesprungenem Bergkrystall. 449. Haͤufig aber zeigt sich diese Erscheinung in der mi- neralischen Welt an solchen Steinarten, welche ihrer Natur nach blaͤttrig sind. Diese urspruͤnglichen Lamel- len sind zwar so innig verbunden, daß Steine dieser Art auch voͤllig durchsichtig und farblos erscheinen koͤn- nen; doch werden die innerlichen Blaͤtter durch manche Zufaͤlle getrennt, ohne daß die Beruͤhrung aufgehoben werde; und so wird die uns nun genugsam bekannte Erscheinung oͤfters hervorgebracht, besonders bey Kalk- spaͤthen, bey Fraueneis, bey der Adularia und meh- rern aͤhnlich gebildeten Mineralien. Es zeigt also eine Unkenntniß der naͤchsten Ursachen einer Erscheinung, welche zufaͤllig so oft hervorgebracht wird, wenn man sie in der Mineralogie fuͤr so bedeutend hielt und den Exemplaren, welche sie zeigten, einen besondern Werth beylegte. 450. Es bleibt uns nur noch uͤbrig, von der hoͤchst merk- wuͤrdigen Umwendung dieses Phaͤnomens zu sprechen, wie sie uns von den Naturforschern uͤberliefert worden. Wenn man nehmlich, anstatt die Farben bey reflectir- tem Lichte zu betrachten, sie bey durchfallendem Licht beobachtet; so sollen an derselben Stelle die entgegen- gesetzten, und zwar auf eben die Weise, wie wir solche oben physiologisch, als Farben, die einander for- dern, angegeben haben, erscheinen. An der Stelle des Blauen soll man das Gelbe, und umgekehrt; an der Stelle des Rothen das Gruͤne u. s. w. sehen. Die naͤheren Versuche sollen kuͤnftig angegeben werden, um so mehr, als bey uns uͤber diesen Punct noch einige Zweifel obwalten. 451. Verlangte man nun von uns, daß wir uͤber diese bisher vorgetragenen epoptischen Farben, die unter der ersten Bedingung erscheinen, etwas Allgemeines aus- sprechen und diese Phaͤnomene an die fruͤhern physi- schen Erscheinungen anknuͤpfen sollten; so wuͤrden wir folgendermaßen zu Werke gehen. 452. Die Glaͤser, welche zu den Versuchen gebraucht werden, sind als ein empirisch moͤglichst Durchsichtiges anzusehen. Sie werden aber, nach unsrer Ueberzeugung, durch eine innige Beruͤhrung, wie sie der Druck ver- ursacht, sogleich auf ihren Oberflaͤchen, jedoch nur auf das leiseste, getruͤbt. Innerhalb dieser Truͤbe ent- stehn sogleich die Farben, und zwar enthaͤlt jeder Ring das ganze System: denn indem die beyden entgegen- gesetzten, das Gelb und Blau, mit ihren rothen En- den verbunden sind, zeigt sich der Purpur. Das Gruͤne hingegen, wie bey dem prismatischen Versuch, wenn Gelb und Blau sich erreichen. 453. Wie durchaus bey Entstehung der Farbe das ganze System gefordert wird, haben wir schon fruͤher mehr- mals erfahren, und es liegt auch in der Natur jeder physischen Erscheinung, es liegt schon in dem Begriff von polarischer Entgegensetzung, wodurch eine elemen- tare Einheit zur Erscheinung kommt. 454. Daß bey durchscheinendem Licht eine andre Farbe sich zeigt, als bey reflectirtem, erinnert uns an jene dioptrischen Farben der ersten Classe, die wir auf eben diese Weise aus dem Truͤben entspringen sahen. Daß aber auch hier ein Truͤbes obwalte, daran kann fast kein Zweifel seyn: denn das Ineinandergreifen der glaͤttesten Glasplatten, welches so stark ist, daß sie fest an einander haͤngen, bringt eine Halbvereinigung hervor, die jeder von beyden Flaͤchen etwas an Glaͤtte und Durchsichtigkeit entzieht. Den voͤlligen Ausschlag aber moͤchte die Betrachtung geben, daß in der Mitte, wo die Linse am festesten auf das andre Glas aufge- druͤckt und eine vollkommene Vereinigung hergestellt wird, eine voͤllige Durchsichtigkeit entstehe, wobey man keine Farbe mehr gewahr wird. Jedoch mag alles die- ses seine Bestaͤtigung erst nach vollendeter allgemei- ner Uebersicht des Ganzen erhalten. 455. Zweyte Bedingung . Wenn man eine ange- hauchte Glasplatte mit dem Finger abwischt und so- gleich wieder anhaucht, sieht man sehr lebhaft durch einander schwebende Farben, welche, indem der Hauch ablaͤuft, ihren Ort veraͤndern und zuletzt mit dem Hau- che verschwinden. Wiederholt man diese Operation, so werden die Farben lebhafter und schoͤner, und scheinen auch laͤnger als die ersten Male zu bestehen. 456. So schnell auch dieses Phaͤnomen voruͤbergeht und so confus es zu seyn scheint, so glaub’ ich doch fol- gendes bemerkt zu haben. Im Anfange erscheinen alle Grundfarben und ihre Zusammensetzungen. Haucht man staͤrker, so kann man die Erscheinung in einer Folge gewahr werden. Dabey laͤßt sich bemerken, daß, wenn der Hauch im Ablaufen sich von allen Seiten ge- gen die Mitte des Glases zieht, die blaue Farbe zu- letzt verschwindet. 457. Das Phaͤnomen entsteht am leichtesten zwischen den zarten Streifen, welche der Strich des Fingers auf der klaren Flaͤche zuruͤcklaͤßt, oder es erfordert eine sonstige gewissermaßen rauhe Disposition der Oberflaͤche des Koͤrpers. Auf manchen Glaͤsern kann man durch den bloßen Hauch schon die Farbenerscheinung hervor- bringen, auf andern hingegen ist das Reiben mit dem Finger noͤthig; ja ich habe geschliffene Spiegelglaͤser gefunden, von welchen die eine Seite angehaucht so- gleich die Farben lebhaft zeigte, die andre aber nicht. Nach den uͤberbliebenen Facetten zu urtheilen, war jene ehmals die freye Seite des Spiegels, diese aber die innere durch das Quecksilber bedeckte gewesen. 458. Wie nun diese Versuche sich am besten in der Kaͤlte anstellen lassen, weil sich die Platte schneller und reiner anhauchen laͤßt und der Hauch schneller wieder ab- laͤuft; so kann man auch bey starkem Frost, in der Kut- sche fahrend, das Phaͤnomen im Großen gewahr werden, wenn die Kutschfenster sehr rein geputzt und saͤmmtlich aufgezogen sind. Der Hauch der in der Kutsche sitzen- den Personen schlaͤgt auf das zarteste an die Scheiben und erregt sogleich das lebhafteste Farbenspiel. In wie fern eine regelmaͤßige Succession darin sey, habe ich nicht bemerken koͤnnen. Besonders lebhaft aber erscheinen die Farben, wenn sie einen dunklen Gegen- stand zum Hintergrunde haben. Dieser Farbenwechsel dauert aber nicht lange: denn sobald sich der Hauch in staͤrkere Tropfen sammelt oder zu Eisnadeln gefriert, so ist die Erscheinung alsbald aufgehoben. 459. Dritte Bedingung . Man kann die beyden vorhergehenden Versuche des Druckes und Hauches ver- binden, indem man nehmlich eine Glasplatte anhaucht und die andre sogleich darauf druͤckt. Es entstehen alsdann die Farben, wie beym Drucke zweyer unan- gehauchten, nur mit dem Unterschiede, daß die Feuch- tigkeit hie und da einige Unterbrechung der Wellen ver- ursacht. Schiebt man eine Glasplatte von der andern weg, so laͤuft der Hauch farbig ab. 460. Man koͤnnte jedoch behaupten, daß dieser ver- bundene Versuch nichts mehr als die einzelnen sage: denn wie es scheint, so verschwinden die durch den Druck erregten Farben in dem Maße, wie man die Glaͤser von einander abschiebt, und die behauchten Stellen laufen alsdann mit ihren eignen Farben ab. 461. Vierte Bedingung . Farbige Erscheinungen lassen sich fast an allen Blasen beobachten. Die Sei- fenblasen sind die bekanntesten und ihre Schoͤnheit ist am leichtesten darzustellen. Doch findet man sie auch beym Weine, Bier, bey geistigen reinen Liquoren, be- sonders auch im Schaume der Chocolade. 462. Wie wir oben einen unendlich schmalen Raum zwischen zwey Flaͤchen, welche sich beruͤhren, erfor- derten, so kann man das Haͤutchen der Seifenblase als ein unendlich duͤnnes Blaͤttchen zwischen zwey elasti- schen Koͤrpern ansehen: denn die Erscheinung zeigt sich doch eigentlich zwischen der innern, die Blase auftrei- benden Luft und zwischen der atmosphaͤrischen. 463. Die Blase, indem man sie hervorbringt, ist farblos; dann fangen farbige Zuͤge, wie des Marmorpapieres, I. 12 an sich sehen zu lassen, die sich endlich uͤber die ganze Blase verbreiten, oder vielmehr um sie herumgetrieben werden, indem man sie aufblaͤst. 464. Es giebt verschiedene Arten, die Blase zu machen; frey, indem man den Strohhalm nur in die Aufloͤ- sung taucht und die haͤngende Blase durch den Athem auftreibt. Hier ist die Entstehung der Farbenerscheinung schwer zu beobachten, weil die schnelle Rotation keine genaue Bemerkung zulaͤßt, und alle Farben durch ein- ander gehen. Doch laͤßt sich bemerken, daß die Far- ben am Strohhalm anfangen. Ferner kann man in die Aufloͤsung selbst blasen, jedoch vorsichtig, damit nur eine Blase entstehe. Sie bleibt, wenn man sie nicht sehr auftreibt, weiß; wenn aber die Aufloͤsung nicht allzu waͤßrig ist, so setzen sich Kreise um die perpendi- culare Achse der Blase, die gewoͤhnlich gruͤn und pur- purn abwechseln, indem sie nah an einander stoßen. Zuletzt kann man auch mehrere Blasen neben einander hervorbringen, die noch mit der Aufloͤsung zusammen- hangen. In diesem Falle entstehen die Farben an den Waͤnden, wo zwey Blasen einander platt gedruͤckt haben. 465. An den Blasen des Chocoladenschaums sind die Farben fast bequemer zu beobachten, als an den Sei- fenblasen. Sie sind bestaͤndiger, obgleich kleiner. In ihnen wird durch die Waͤrme ein Treiben, eine Bewe- gung hervorgebracht und unterhalten, die zur Entwick- lung, Succession und endlich zum Ordnen des Phaͤ- nomens noͤthig zu seyn scheinen. 466. Ist die Blase klein, oder zwischen andern ein- geschlossen, so treiben sich farbige Zuͤge auf der Ober- flaͤche herum, dem marmorirten Papiere aͤhnlich; man sieht alle Farben unsres Schema’s durch einander zie- hen, die reinen, gesteigerten, gemischten, alle deutlich hell und schoͤn. Bey kleinen Blasen dauert das Phaͤ- nomen immer fort. 467. Ist die Blase groͤßer, oder wird sie nach und nach isolirt, dadurch daß die andern neben ihr zerspringen; so bemerkt man bald, daß dieses Treiben und Ziehen der Farben auf etwas abzwecke. Wir sehen nehmlich auf dem hoͤchsten Puncte der Blase einen kleinen Kreis entstehen, der in der Mitte gelb ist; die uͤbrigen far- bigen Zuͤge bewegen sich noch immer wurmfoͤrmig um ihn her. 468. Es dauert nicht lange, so vergroͤßert sich der Kreis und sinkt nach allen Seiten hinab. In der Mitte be- haͤlt er sein Gelb, nach unten und außen wird er pur- purfarben und bald blau. Unter diesem entsteht wieder ein neuer Kreis von eben dieser Farbenfolge. Stehen sie nahe genug beysammen, so entsteht aus Vermi- schung der Endfarben ein Gruͤn. 12 * 469. Wenn ich drey solcher Hauptkreise zaͤhlen konnte, so war die Mitte farblos und dieser Raum wurde nach und nach groͤßer, indem die Kreise mehr niedersanken, bis zuletzt die Blase zerplatzte. 470. Fuͤnfte Bedingung . Es koͤnnen auf verschie- dene Weise sehr zarte Haͤutchen entstehen, an welchen man ein sehr lebhaftes Farbenspiel entdeckt, indem nehmlich saͤmmtliche Farben entweder in der bekannten Ordnung, oder mehr verworren durch einander laufend gesehen werden. Das Wasser, in welchem ungeloͤschter Kalk aufgeloͤst worden, uͤberzieht sich bald mit einem farbigen Haͤutchen. Ein Gleiches geschieht auf der Oberflaͤche stehender Wasser, vorzuͤglich solcher, welche Eisen enthalten. Die Lamellen des feinen Weinsteins, die sich, besonders von rothem franzoͤsischen Weine, in den Bouteillen anlegen, glaͤnzen von den schoͤnsten Farben, wenn sie auf sorgfaͤltige Weise losgeweicht und an das Tageslicht gebracht werden. Oeltropfen auf Wasser, Branntwein und andern Fluͤssigkeiten brin- gen auch dergleichen Ringe und Flaͤmmchen hervor. Der schoͤnste Versuch aber, den man machen kann, ist folgender. Man gieße nicht allzustarkes Scheidewasser in eine flache Schale und tropfe mit einem Pinsel von jenem Firniß darauf, welchen die Kupferstecher brau- chen, um waͤhrend des Aetzens gewisse Stellen ihrer Platten zu decken. Sogleich entsteht unter lebhafter Bewegung ein Haͤutchen, das sich in Kreise ausbrei- tet, und zugleich die lebhaftesten Farbenerscheinungen hervorbringt. 471. Sechste Bedingung . Wenn Metalle erhitzt werden, so entstehen auf ihrer Oberflaͤche fluͤchtig auf einander folgende Farben, welche jedoch nach Belieben fest gehalten werden koͤnnen. 472. Man erhitze einen polirten Stahl, und er wird in einem gewissen Grad der Waͤrme gelb uͤberlaufen. Nimmt man ihn schnell von den Kohlen weg, so bleibt ihm diese Farbe. 473. Sobald der Stahl heißer wird, erscheint das Gelbe dunkler, hoͤher und geht bald in den Purpur hinuͤber. Dieser ist schwer fest zu halten, denn er eilt sehr schnell ins Hochblaue. 474. Dieses schoͤne Blau ist fest zu halten, wenn man schnell den Stahl aus der Hitze nimmt und ihn in Asche steckt. Die blau angelaufnen Stahlarbeiten wer- den auf diesem Wege hervorgebracht. Faͤhrt man aber fort, den Stahl frey uͤber dem Feuer zu halten, so wird er in kurzem hellblau und so bleibt er. 475. Diese Farben ziehen wie ein Hauch uͤber die Stahl- platte, eine scheint vor der andern zu fliehen; aber eigentlich entwickelt sich immer die folgende aus der vorhergehenden. 476. Wenn man ein Federmesser ins Licht haͤlt, so wird ein farbiger Streif quer uͤber die Klinge entstehen. Der Theil des Streifes, der am tiefsten in der Flamme war, ist hellblau, das sich ins Blaurothe verliert. Der Purpur steht in der Mitte, dann folgt Gelbroth und Gelb. 477. Dieses Phaͤnomen leitet sich aus dem vorhergehen- den ab; denn die Klinge nach dem Stile zu ist we- niger erhitzt, als an der Spitze, welche sich in der Flamme befindet; und so muͤssen alle Farben, die sonst nach einander entstehen, auf einmal erscheinen, und man kann sie auf das beste figirt aufbewahren. 478. Robert Boyle giebt diese Farbensuccession folgender- maßen an: a florido flavo ad flavum saturum et ru- bescentem (quem artifices sanguineum vocant) inde ad languidum, postea ad saturiorem cyaneum. Die- ses waͤre ganz gut, wenn man die Worte languidus und saturior ihre Stellen verwechseln ließe. Inwiefern die Bemerkung richtig ist, daß die verschiedenen Far- ben auf die Grade der folgenden Haͤrtung Einfluß ha- ben, lassen wir dahingestellt seyn. Die Farben sind hier nur Anzeichen der verschiedenen Grade der Hitze. 479. Wenn man Bley calcinirt, wird die Oberflaͤche erst graulich. Dieses grauliche Pulvur wird durch groͤ- ßere Hitze gelb, und sodann orange. Auch das Sil- ber zeigt bey der Erhitzung Farben. Der Blick des Silbers beym Abtreiben gehoͤrt auch hieher. Wenn metallische Glaͤser schmelzen, entstehen gleichfalls Farben auf der Oberflaͤche. 480. Siebente Bedingung . Wenn die Oberflaͤche des Glases angegriffen wird. Das Blindwerden des Glases ist uns oben schon merkwuͤrdig gewesen. Man bezeichnet durch diesen Ausdruck, wenn die Oberflaͤche des Glases dergestalt angegriffen wird, daß es uns truͤb erscheint. 481. Das weiße Glas wird am ersten blind, desglei- chen gegossenes und nachher geschliffenes Glas, das blauliche weniger, das gruͤne am wenigsten. 482. Eine Glastafel hat zweyerley Seiten, davon man die eine die Spiegelseite nennt. Es ist die, welche im Ofen oben liegt, an der man rundliche Erhoͤhungen bemerken kann. Sie ist glaͤtter als die andere, die im Ofen unten liegt und an welcher man manchmal Kritzen bemerkt. Man nimmt deswegen gern die Spie- gelseite in die Zimmer, weil sie durch die von innen anschlagende Feuchtigkeit weniger als die andre ange- griffen, und das Glas daher weniger blind wird. 483. Dieses Blindwerden oder Truͤben des Glases geht nach und nach in eine Farbenerscheinung uͤber, die sehr lebhaft werden kann, und bey welcher vielleicht auch eine gewisse Succession, oder sonst etwas Ord- nungsgemaͤßes zu entdecken waͤre. 484. Und so haͤtten wir denn auch die physischen Far- ben von ihrer leisesten Wirkung an bis dahin gefuͤhrt, wo sich diese fluͤchtigen Erscheinungen an die Koͤrper festsetzen, und wir waͤren auf diese Weise an die Graͤnze gelangt, wo die chemischen Farben eintreten, ja ge- wissermaßen haben wir diese Graͤnze schon uͤberschrit- ten; welches fuͤr die Staͤtigkeit unsres Vortrags ein gutes Vorurtheil erregen mag. Sollen wir aber noch zu Ende dieser Abtheilung etwas Allgemeines ausspre- chen und auf ihren innern Zusammenhang hindeuten; so fuͤgen wir zu dem, was wir oben (451—454.) ge- sagt haben, noch folgendes hinzu. 485. Das Anlaufen des Stahls und die verwandten Erfahrungen koͤnnte man vielleicht ganz bequem aus der Lehre von den truͤben Mitteln herleiten. Polirter Stahl wirft maͤchtig das Licht zuruͤck. Man denke sich das durch die Hitze bewirkte Anlaufen als eine gelinde Truͤbe; sogleich muͤßte daher ein Hellgelb erscheinen, welches bey zunehmender Truͤbe immer verdichteter, ge- draͤngter und roͤther, ja zuletzt Purpur- und Rubin- roth erscheinen muß. Waͤre nun zuletzt diese Farbe auf den hoͤchsten Punct des Dunkelwerdens gesteigert, und man daͤchte sich die immer fortwaltende Truͤbe; so wuͤrde diese nunmehr sich uͤber ein Finsteres verbreiten und zuerst ein Violett, dann ein Dunkelblau und end- lich ein Hellblau hervorbringen, und so die Reihe der Erscheinungen beschließen. Wir wollen nicht behaupten, daß man mit dieser Erklaͤrungsart voͤllig auslange, unsre Absicht ist viel- mehr, nur auf den Weg zu deuten, auf welchem zu- letzt die alles umfassende Formel, das eigentliche Wort des Raͤthsels gefunden werden kann. Dritte Abtheilung. Chemische Farben . 486. So nennen wir diejenigen, welche wir an gewissen Koͤrpern erregen, mehr oder weniger fixiren, an ih- nen steigern, von ihnen wieder wegnehmen und an- dern Koͤrpern mittheilen koͤnnen, denen wir denn auch deshalb eine gewisse immanente Eigenschaft zuschreiben. Die Dauer ist meist ihr Kennzeichen. 487. In diesen Ruͤcksichten bezeichnete man fruͤher die chemischen Farben mit verschiedenen Beywoͤrtern. Sie hießen colores proprii, corporei, materiales, veri, permanentes, fixi. 488. Wie sich das Bewegliche und Voruͤbergehende der physischen Farben nach und nach an den Koͤrpern fixire, haben wir in dem Vorhergehenden bemerkt, und den Uebergang eingeleitet. 489. Die Farbe fixirt sich an den Koͤrpern mehr oder weniger dauerhaft, oberflaͤchlich oder durchdringend. 490. Alle Koͤrper sind der Farbe faͤhig, entweder daß sie an ihnen erregt, gesteigert, stufenweise fixirt, oder wenigstens ihnen mitgetheilt werden kann. XXXIV. Chemischer Gegensatz . 491. Indem wir bey Darstellung der farbigen Erschei- nung auf einen Gegensatz durchaus aufmerksam zu ma- chen Ursache hatten, so finden wir, indem wir den Boden der Chemie betreten, die chemischen Gegensaͤtze uns auf eine bedeutende Weise begegnend. Wir spre- chen hier zu unsern Zwecken nur von demjenigen, den man unter dem allgemeinen Namen von Saͤure und Alcali zu begreifen pflegt. 492. Wenn wir den chromatischen Gegensatz nach An- leitung aller uͤbrigen physischen Gegensaͤtze durch ein Mehr oder Weniger bezeichnen, der gelben Seite das Mehr, der blauen das Weniger zuschreiben; so schlie- ßen sich diese beyden Seiten nun auch in chemischen Faͤllen an die Seiten des chemisch Entgegengesetzten an. Das Gelb und Gelbrothe widmet sich den Saͤuern, das Blau und Blaurothe den Alcalien; und so lassen sich die Erscheinungen der chemischen Farben, freylich mit noch manchen andern eintretenden Betrachtungen, auf eine ziemlich einfache Weise durchfuͤhren. 493. Da uͤbrigens die Hauptphaͤnomene der chemischen Farben bey Saͤuerungen der Metalle vorkommen, so sieht man, wie wichtig diese Betrachtung hier an der Spitze sey. Was uͤbrigens noch weiter zu bedenken eintritt, werden wir unter einzelnen Rubriken naͤher bemerken; wobey wir jedoch ausdruͤcklich erklaͤren, daß wir dem Chemiker nur im allgemeinsten vorzuarbeiten gedenken, ohne uns in irgend ein Besondres, ohne uns in die zartern chemischen Aufgaben und Fragen mischen oder sie beantworten zu wollen. Unsre Absicht kann nur seyn, eine Skizze zu geben, wie sich allenfalls nach unserer Ueberzeugung die chemische Farbenlehre an die allgemeine physische anschließen koͤnnte. XXXV. Ableitung des Weißen . 494. Wir haben hiezu schon oben bey Gelegenheit der dioptrischen Farben der ersten Classe (155 ff.) einige Schritte gethan. Durchsichtige Koͤrper stehen auf der hoͤchsten Stufe unorganischer Materialitaͤt. Zunaͤchst daran fuͤgt sich die reine Truͤbe, und das Weiße kann als die vollendete reine Truͤbe angesehen werden. 495. Reines Wasser zu Schnee krystallisirt erscheint weiß, indem die Durchsichtigkeit der einzelnen Theile kein durchsichtiges Ganzes macht. Verschiedene Salz- krystalle, denen das Krystallisationswasser entweicht, erscheinen als ein weißes Pulver. Man koͤnnte den zu- faͤllig undurchsichtigen Zustand des rein Durchsichtigen Weiß nennen; so wie ein zermalmtes Glas als ein weißes Pulver erscheint. Man kann dabey die Aufhe- bung einer dynamischen Verbindung und die Darstel- lung der atomistischen Eigenschaft der Materie in Be- tracht ziehn. 496. Die bekannten unzerlegten Erden sind in ihrem reinen Zustand alle weiß. Sie gehn durch natuͤrliche Krystallisation in Durchsichtigkeit uͤber; Kieselerde in den Bergkrystall, Tonerde in den Glimmer, Bitter- erde in den Talk, Kalkerde und Schwererde erscheinen in so mancherley Spaͤthen durchsichtig. 497. Da uns bey Faͤrbung mineralischer Koͤrper die Metallkalke vorzuͤglich begegnen werden, so bemerken wir noch zum Schlusse, daß angehende gelinde Saͤu- rungen weiße Kalke darstellen, wie das Bley durch die Essigsaͤure in Bleyweiß verwandelt wird. XXXVI. Ableitung des Schwarzen . 498. Das Schwarze entspringt uns nicht so uranfaͤng- lich, wie das Weiße. Wir treffen es im vegetabili- schen Reiche bey Halbverbrennungen an, und die Koh- le, der auch uͤbrigens hoͤchst merkwuͤrdige Koͤrper, zeigt uns die schwarze Farbe. Auch wenn Holz, z. B. Bre- ter, durch Licht, Luft und Feuchtigkeit seines Brenn- lichen zum Theil beraubt wird; so erscheint erst die graue, dann die schwarze Farbe. Wie wir denn auch animalische Theile durch eine Halbverbrennung in Kohle verwandeln koͤnnen. 499. Eben so finden wir auch bey den Metallen, daß oft eine Halboxydation statt findet, wenn die schwarze Farbe erregt werden soll. So werden durch schwache Saͤuerung mehrere Metalle, besonders das Eisen, schwarz, durch Essig, durch gelinde saure Gaͤhrungen, z. B. eines Reißdecocts u. s. w. 500. Nicht weniger laͤßt sich vermuthen, daß eine Ab- oder Ruͤcksaͤuerung die schwarze Farbe hervorbringe. Dieser Fall ist bey der Entstehung der Tinte, da das in der starken Schwefelsaͤure aufgeloͤste Eisen gelblich wird, durch die Gallusinfusion aber zum Theil ent- saͤuert nunmehr schwarz erscheint. XXXVII. Erregung der Farbe . 501. Als wir oben in der Abtheilung von physischen Farben truͤbe Mittel behandelten, sahen wir die Farbe eher, als das Weiße und Schwarze. Nun setzen wir ein gewordnes Weißes, ein gewordnes Schwarzes fixirt voraus, und fragen, wie sich an ihm die Farbe erre- gen lasse. 502. Auch hier koͤnnen wir sagen, ein Weißes, das sich verdunkelt, das sich truͤbt, wird gelb; das Schwarze, das sich erhellt, wird blau. 503. Auf der activen Seite, unmittelbar am Lichte, am Hellen, am Weißen entsteht das Gelbe. Wie leicht vergilbt alles, was weiße Oberflaͤchen hat, das Papier, die Leinwand, Baumwolle, Seide, Wachs; besonders auch durchsichtige Liquoren, welche zum Bren- nen geneigt sind, werden leicht gelb, d. h. mit andern Worten, sie gehen leicht in eine gelinde Truͤbung uͤber. 504. So ist die Erregung auf der passiven Seite am Finstern, Dunkeln, Schwarzen sogleich mit der blauen, oder vielmehr mit einer roͤthlich blauen Erscheinung begleitet. Eisen in Schwefelsaͤure aufgeloͤst und sehr mit Wasser diluirt bringt in einem gegen das Licht ge- haltnen Glase, sobald nur einige Tropfen Gallus dazu kommen, eine schoͤne violette Farbe hervor, welche die Eigenschaften des Rauchtopases, das Orphninon ei- nes verbrannten Purpurs, wie sich die Alten ausdruͤ- cken, dem Auge darstellt. 505. Ob an den reinen Erden durch chemische Opera- tionen der Natur und Kunst, ohne Beymischung von Metallkalken eine Farbe erregt werden koͤnne, ist eine wichtige Frage, die gewoͤhnlich mit Nein beantwortet wird. Sie haͤngt vielleicht mit der Frage zusammen, inwiefern sich durch Oxydation den Erden etwas ab- gewinnen lasse. 506. Fuͤr die Verneinung der Frage spricht allerdings der Umstand, daß uͤberall, wo man mineralische Far- ben findet, sich eine Spur von Metall, besonders von Eisen zeigt; wobey man freylich in Betracht zieht, wie leicht sich das Eisen oxydire, wie leicht der Eisenkalk verschiedene Farben annehme, wie unendlich theilbar derselbe sey und wie geschwind er seine Farbe mittheile. Demungeachtet waͤre zu wuͤnschen, daß neue Versuche hieruͤber angestellt, und die Zweifel entweder bestaͤrkt oder beseitigt wuͤrden. 507. Wie dem auch seyn mag, so ist die Receptivitaͤt der Erden gegen schon vorhandne Farben sehr groß, worunter sich die Alaunerde besonders auszeichnet. 508. Wenn wir nun zu den Metallen uͤbergehen, welche sich im unorganischen Reiche beynahe privativ das Recht farbig zu erscheinen zugeeignet haben, so finden wir, daß sie sich in ihrem reinen, selbstaͤndigen, regulinischen Zustande schon dadurch von den reinen Erden unterscheiden, daß sie sich zu irgend einer Farbe hinneigen. 509. Wenn das Silber sich dem reinen Weißen am mei- sten naͤhert, ja das reine Weiß, erhoͤht durch metalli- schen Glanz, wirklich darstellt, so ziehen Stahl, Zinn, Bley u. s. w. ins bleiche Blaugraue hinuͤber; dagegen das Gold sich zum reinen Gelben erhoͤht, das Kupfer zum Rothen hinanruͤckt, welches unter gewissen Um- staͤnden sich fast bis zum Purpur steigert, durch Zink hin- gegen wieder zur gelben Goldfarbe hinabgezogen wird. 510. Zeigen Metalle nun im gediegenen Zustande solche specifische Determinationen zu diesem oder jenem Far- benausdruck, so werden sie durch die Wirkung der Oxydation gewissermaßen in eine gemeinsame Lage ver- I. 13 setzt. Denn die Elementarfarben treten nun rein her- vor, und obgleich dieses und jenes Metall zu dieser oder jener Farbe eine besondre Bestimmbarkeit zu haben scheint, so wissen wir doch von einigen, daß sie den ganzen Farbenkreis durchlaufen koͤnnen, von andern, daß sie mehr als eine Farbe darzustellen faͤhig sind; wobey sich jedoch das Zinn durch seine Unfaͤrblichkeit auszeichnet. Wir geben kuͤnftig eine Tabelle, in wie- fern die verschiedenen Metalle mehr oder weniger durch die verschiedenen Farben durchgefuͤhrt werden koͤnnen. 511. Daß die reine glatte Oberflaͤche eines gediegenen Metalles bey Erhitzung von einem Farbenhauch uͤber- zogen wird, welcher mit steigender Waͤrme eine Reihe von Erscheinungen durchlaͤuft, deutet nach unserer Ueber- zeugung auf die Faͤhigkeit der Metalle, den ganzen Far- benkreis zu durchlaufen. Am schoͤnsten werden wir die- ses Phaͤnomen am polirten Stahl gewahr; aber Sil- ber, Kupfer, Messing, Bley, Zinn lassen uns leicht aͤhnliche Erscheinungen sehen. Wahrscheinlich ist hier eine oberflaͤchliche Saͤurung im Spiele, wie man aus der fortgesetzten Operation, besonders bey den leichter verkalklichen Metallen schließen kann. 512. Daß ein gegluͤhtes Eisen leichter eine Saͤurung durch saure Liquoren erleidet, scheint auch dahin zu deuten, indem eine Wirkung der andern entgegenkommt. Noch bemerken wir, daß der Stahl, je nachdem er in verschiedenen Epochen seiner Farbenerscheinung gehaͤrtet wird, einigen Unterschied der Elasticitaͤt zeigen soll; welches ganz naturgemaͤß ist, indem die verschiede- nen Farbenerscheinungen die verschiedenen Grade der Hitze andeuten. 513. Geht man uͤber diesen oberflaͤchlichen Hauch, uͤber dieses Haͤutchen hinweg, beobachtet man, wie Metalle in Massen penetrativ gesaͤuert werden, so erscheint mit dem ersten Grade, Weiß oder Schwarz, wie man beym Bleyweiß, Eisen und Quecksilber bemerken kann. 514. Fragen wir nun weiter nach eigentlicher Erregung der Farbe, so finden wir sie auf der Plusseite am haͤufigsten. Das oft erwaͤhnte Anlaufen glatter metal- lischer Flaͤchen geht von dem Gelben aus. Das Eisen geht bald in den gelben Ocher, das Bley aus dem Bleyweiß in den Massicot, das Quecksilber aus dem Aethiops in den gelben Turbith hinuͤber. Die Aufloͤ- sungen des Goldes und der Platina in Saͤuren sind gelb. 515. Die Erregungen auf der Minusseite sind seltner. Ein wenig gesaͤuertes Kupfer erscheint blau. Bey Be- reitung des Berlinerblau sind Alcalien im Spiele. 516. Ueberhaupt aber sind diese Farbenerscheinungen von so beweglicher Art, daß die Chemiker selbst, sobald sie ins Feinere gehen, sie als truͤgliche Kennzeichen 13 * betrachten. Wir aber koͤnnen zu unsern Zwecken diese Materie nur im Durchschnitt behandeln, und wollen nur so viel bemerken, daß man vielleicht die metalli- schen Farbenerscheinungen, wenigstens zum didaktischen Behuf, einstweilen ordnen koͤnne, wie sie durch Saͤu- rung, Aufsaͤurung, Absaͤurung und Entsaͤurung entste- hen, sich auf mannigfaltige Weise zeigen und ver- schwinden. XXXVIII. Steigerung . 517. Die Steigerung erscheint uns als eine in sich selbst Draͤngung, Saͤttigung, Beschattung der Farben. So haben wir schon oben bey farblosen Mitteln gesehen, daß wir durch Vermehrung der Truͤbe einen leuchten- den Gegenstand vom leisesten Gelb bis zum hoͤchsten Rubinroth steigern koͤnnen. Umgekehrt steigert sich das Blau in das schoͤnste Violett, wenn wir eine erleuch- tete Truͤbe vor der Finsterniß verduͤnnen und vermin- dern (150. 151.) 518. Ist die Farbe specificirt, so tritt ein Aehnliches hervor. Man lasse nehmlich Stufengefaͤße aus weißem Porcellan machen, und fuͤlle das eine mit einer reinen gelben Feuchtigkeit, so wird diese von oben herunter bis auf den Boden stufenweise immer roͤther und zu- letzt orange erscheinen. In das andre Gefaͤß gieße man eine blaue reine Solution, die obersten Stufen werden ein Himmelblau, der Grund des Gefaͤßes ein schoͤnes Violett zeigen. Stellt man das Gefaͤß in die Sonne, so ist die Schattenseite der obern Stufen auch schon violett. Wirft man mit der Hand, oder einem andern Gegenstande, Schatten uͤber den erleuchteten Theil des Gefaͤßes, so erscheint dieser Schatten gleich- falls roͤthlich. 519. Es ist dieses eine der wichtigsten Erscheinungen in der Farbenlehre, indem wir ganz greiflich erfahren, daß ein quantitatives Verhaͤltniß einen qualitativen Ein- druck auf unsre Sinne hervorbringe. Und indem wir schon fruͤher, bey Gelegenheit der letzten epoptischen Farben (452), unsre Vermuthungen eroͤffnet, wie man das Anlaufen des Stahls vielleicht aus der Lehre von truͤben Mitteln herleiten koͤnnte; so bringen wir dieses hier abermals ins Gedaͤchtniß. 520. Uebrigens folgt alle chemische Steigerung unmit- telbar auf die Erregung. Sie geht unaufhaltsam und stetig fort; wobey man zu bemerken hat, daß die Stei- gerung auf der Plusseite die gewoͤhnlichste ist. Der gelbe Eisenocher steigert sich sowohl durchs Feuer, als durch andre Operationen zu einer sehr hohen Roͤthe. Massicot wird in Mennige, Turbith in Zinnober gestei- gert; welcher letztere schon auf eine sehr hohe Stufe des Gelbrothen gelangt. Eine innige Durchdringung des Metalls durch die Saͤure, eine Theilung desselben ins empirisch Unendliche geht hierbey vor. 521. Die Steigerung auf der Minusseite ist seltner, ob wir gleich bemerken, daß je reiner und gedraͤngter das Berlinerblau oder das Kobaltglas bereitet wird, es immer einen roͤthlichen Schein annimmt und mehr ins Violette spielt. 522. Fuͤr diese unmerkliche Steigerung des Gelben und Blauen ins Rothe haben die Franzosen einen artigen Ausdruck, indem sie sagen, die Farbe habe einen Oeil de Rouge, welches wir durch einen roͤthlichen Blick ausdruͤcken koͤnnten. XXXIX. Culmination . 523. Sie erfolgt bey fortschreitender Steigerung. Das Rothe, worin weder Gelb noch Blau zu entdecken ist, macht hier den Zenith. 524. Suchen wir ein auffallendes Beyspiel einer Cul- mination von der Plusseite her; so finden wir es aber- mals beym anlaufenden Stahl, welcher bis in den Purpurzenith gelangt und auf diesem Puncte festgehal- ten werden kann. 525. Sollen wir die vorhin (516) angegebene Termi- nologie hier anwenden, so wuͤrden wir sagen, die erste Saͤuerung bringe das Gelbe hervor, die Aufsaͤurung das Gelbrothe; hier entstehe ein gewisses Summum, da denn eine Absaͤurung und endlich eine Entsaͤurung eintrete. 526. Hohe Puncte von Saͤuerung bringen eine Purpur- farbe hervor. Gold aus seiner Aufloͤsung durch Zinn- aufloͤsung gefaͤllt, erscheint purpurfarben. Das Oxyd des Arseniks mit Schwefel verbunden bringt eine Ru- binfarbe hervor. 527. Wiefern aber eine Art von Absaͤurung bey man- cher Culmination mitwirke, waͤre zu untersuchen: denn eine Einwirkung der Alcalien auf das Gelbrothe scheint auch die Culmination hervorzubringen, indem die Farbe gegen das Minus zu in den Zenith genoͤthigt wird. 528. Aus dem besten ungarischen Zinnober, welcher das hoͤchste Gelbroth zeigt, bereiten die Hollaͤnder eine Farbe, die man Vermillon nennt. Es ist auch nur ein Zinnober, der sich aber der Purpurfarbe naͤhert, und es laͤßt sich vermuthen, daß man durch Alcalien ihn der Culmination naͤher zu bringen sucht. 529. Vegetabilische Saͤfte sind, auf diese Weise behan- delt, ein in die Augen fallendes Beyspiel. Gurcuma, Orlean, Safflor und andre, deren faͤrbendes Wesen man mit Weingeist ausgezogen, und nun Tincturen von gelber, gelb- und hyacinthrother Farbe vor sich hat, gehen durch Beymischung von Alcalien in den Zenith, ja druͤber hinaus nach dem Blaurothen zu. 530. Kein Fall einer Culmination von der Minus- seite ist mir im mineralischen und vegetabilischen Reiche bekannt. In dem animalischen ist der Saft der Pur- purschnecke merkwuͤrdig, von dessen Steigerung und Culmination von der Minusseite her, wir kuͤnftig spre- chen werden. XL. Balanciren . 531. Die Beweglichkeit der Farbe ist so groß, daß selbst diejenigen Pigmente, welche man glaubt specificirt zu haben, sich wieder hin und her wenden lassen. Sie ist in der Naͤhe des Culminationspunctes am merkwuͤr- digsten, und wird durch wechselsweise Anwendung der Saͤuren und Alcalien am auffallendsten bewirkt. 532. Die Franzosen bedienen sich, um diese Erscheinung bey der Faͤrberey auszudruͤcken, des Wortes virer, welches von einer Seite nach der andern wenden heißt, und druͤcken dadurch auf eine sehr geschickte Weise das- jenige aus, was man sonst durch Mischungsverhaͤlt- nisse zu bezeichnen und anzugeben versucht. 533. Hievon ist diejenige Operation, die wir mit dem Lacmus zu machen pflegen, eine der bekanntesten und auffallendsten. Lacmus ist ein Farbematerial, das durch Alcalien zum Rothblauen specificirt worden. Es wird dieses sehr leicht durch Saͤuren ins Rothgelbe hinuͤber und durch Alcalien wieder heruͤber gezogen. In wie fern in diesem Fall durch zarte Versuche ein Culminations- punct zu entdecken und festzuhalten sey, wird denen, die in dieser Kunst geuͤbt sind, uͤberlassen, so wie die Faͤrbekunst, besonders die Scharlachfaͤrberey, von diesem Hin- und Herwenden mannigfaltige Beyspiele zu liefern im Stande ist. XLI. Durchwandern des Kreises . 534. Die Erregung und Steigerung kommt mehr auf der Plus- als auf der Minus-Seite vor. So geht auch die Farbe, bey Durchwanderung des ganzen Wegs, meist von der Plus-Seite aus. 535. Eine staͤtige in die Augen fallende Durchwande- rung des Wegs, vom Gelben durchs Rothe zum Blauen, zeigt sich beym Anlaufen des Stahls. 536. Die Metalle lassen sich durch verschiedene Stufen und Arten der Oxydation auf verschiedenen Puncten des Farbenkreises specificiren. 537. Da sie auch gruͤn erscheinen, so ist die Frage, ob man eine staͤtige Durchwandrung aus dem Gelben durchs Gruͤne ins Blaue, und umgekehrt, in dem Mi- neralreiche kennt. Eisenkalk mit Glas zusammenge- schmolzen bringt erst eine gruͤne, bey verstaͤrktem Feuer eine blaue Farbe hervor. 538. Es ist wohl hier am Platz, von dem Gruͤnen uͤber- haupt zu sprechen. Es entsteht vor uns vorzuͤglich im atomistischen Sinne und zwar voͤllig rein, wenn wir Gelb und Blau zusammenbringen; allein auch schon ein unreines beschmutztes Gelb bringt uns den Eindruck des Gruͤnlichen hervor. Gelb mit Schwarz macht schon Gruͤn; aber auch dieses leitet sich davon ab, daß Schwarz mit dem Blauen verwandt ist. Ein unvoll- kommnes Gelb, wie das Schwefelgelb, giebt uns den Eindruck von einem Gruͤnlichen. Eben so werden wir ein unvollkommenes Blau als gruͤn gewahr. Das Gruͤne der Weinflaschen entsteht, so scheint es, durch eine unvollkommene Verbindung des Eisenkalks mit dem Glase. Bringt man durch groͤßere Hitze eine voll- kommenere Verbindung hervor, so entsteht ein schoͤnes blaues Glas. 539. Aus allem diesem scheint so viel hervorzugehen, daß eine gewisse Kluft zwischen Gelb und Blau in der Natur sich findet, welche zwar durch Verschraͤnkung und Vermischung atomistisch gehoben, und zum Gruͤ- nen verknuͤpft werden kann, daß aber eigentlich die wahre Vermittlung vom Gelben und Blauen nur durch das Rothe geschieht. 540. Was jedoch dem Unorganischen nicht gemaͤß zu seyn scheint, das werden wir, wenn von organischen Naturen die Rede ist, moͤglich finden, indem in diesem letzten Reiche eine solche Durchwandrung des Kreises vom Gelben durchs Gruͤne und Blaue bis zum Purpur wirklich vorkommt. XLII. Umkehrung . 541. Auch eine unmittelbare Umkehrung in den gefor- derten Gegensatz zeigt sich als eine sehr merkwuͤrdige Erscheinung, wovon wir gegenwaͤrtig nur folgendes anzugeben wissen. 542. Das mineralische Chamaͤleon, welches eigentlich ein Braunsteinoxyd enthaͤlt, kann man in seinem ganz trocknen Zustande als ein gruͤnes Pulver ansehen. Streut man es in Wasser, so zeigt sich in dem ersten Augenblick der Aufloͤsung die gruͤne Farbe sehr schoͤn; aber sie verwandelt sich sogleich in die dem Gruͤnen entgegengesetzte Purpurfarbe, ohne daß irgend eine Zwischenstufe bemerklich waͤre. 543. Derselbe Fall ist mit der sympathetischen Tinte, welche auch als ein roͤthlicher Liquor angesehen wer- den kann, dessen Austrocknung durch Waͤrme die gruͤne Farbe auf dem Papiere zeigt. 544. Eigentlich scheint hier der Conflict zwischen Trockne und Feuchtigkeit dieses Phaͤnomen hervorzubringen, wie, wenn wir uns nicht irren, auch schon von den Scheidekuͤnstlern angegeben worden. Was sich weiter daraus ableiten, woran sich diese Phaͤnomene anknuͤp- fen lassen, daruͤber koͤnnen wir von der Zeit hinlaͤng- liche Belehrung erwarten. XLIII. Fixation . 545. So beweglich wir bisher die Farbe, selbst bey ih- rer koͤrperlichen Erscheinung gesehen haben, so fixirt sie sich doch zuletzt unter gewissen Umstaͤnden. 546. Es giebt Koͤrper, welche faͤhig sind ganz in Far- bestoff verwandelt zu werden, und hier kann man sa- gen, die Farbe fixire sich in sich selbst, beharre auf ei- ner gewissen Stufe und specificire sich. So entstehen Faͤrbematerialien aus allen Reichen, deren besonders das vegetabilische eine große Menge darbietet, worun- ter doch einige sich besonders auszeichnen und als die Stellvertreter der andern angesehen werden koͤnnen; wie auf der activen Seite der Krapp, auf der passi- ven der Indig. 547. Um diese Materialien bedeutend und zum Gebrauch vortheilhaft zu machen, gehoͤrt, daß die faͤrbende Ei- genschaft in ihnen innig zusammengedraͤngt und der faͤrbende Stoff zu einer unendlichen empirischen Theil- barkeit erhoben werde, welches auf allerley Weise und besonders bey den genannten durch Gaͤhrung und Faͤul- niß hervorgebracht wird. 548. Diese materiellen Farbenstoffe fixiren sich nun wie- der an andern Koͤrpern. So werfen sie sich im Mine- ralreich an Erden und Metallkalke, sie verbinden sich durch Schmelzung mit Glaͤsern und erhalten hier bey durchscheinendem Licht die hoͤchste Schoͤnheit, so wie man ihnen eine ewige Dauer zuschreiben kann. 549. Vegetabilische und animalische Koͤrper ergreifen sie mit mehr oder weniger Gewalt und halten daran mehr oder weniger fest, theils ihrer Natur nach, wie denn Gelb vergaͤnglicher ist als Blau, oder nach der Natur der Unterlagen. An vegetabilischen dauern sie weniger als an animalischen, und selbst innerhalb dieser Reiche giebt es abermals Verschiedenheit. Flachs- oder baum- wollnes Garn, Seide oder Wolle zeigen gar verschie- dene Verhaͤltnisse zu den Faͤrbestoffen. 550. Hier tritt nun die wichtige Lehre von den Beizen hervor, welche als Vermittler zwischen der Farbe und dem Koͤrper angesehen werden koͤnnen. Die Faͤrbebuͤ- cher sprechen hievon umstaͤndlich. Uns sey genug dahin gedeutet zu haben, daß durch diese Operationen die Farbe eine nur mit dem Koͤrper zu verwuͤstende Dauer erhaͤlt, ja sogar durch den Gebrauch an Klarheit und Schoͤnheit wachsen kann. XLIV. Mischung . Reale . 551. Eine jede Mischung setzt eine Specification voraus, und wir sind daher, wenn wir von Mischung reden, im atomistischen Felde. Man muß erst gewisse Koͤrper auf irgend einem Puncte des Farbenkreises specificirt vor sich sehen, ehe man durch Mischung derselben neue Schattirungen hervorbringen will. 552. Man nehme im Allgemeinen Gelb, Blau und Roth als reine, als Grundfarben, fertig an. Roth und Blau wird Violett, Roth und Gelb Orange, Gelb und Blau Gruͤn hervorbringen. 553. Man hat sich sehr bemuͤht, durch Zahl-Maaß- und Gewichtsverhaͤltnisse diese Mischungen naͤher zu bestim- men, hat aber dadurch wenig Ersprießliches geleistet. 554. Die Malerey beruht eigentlich auf der Mischung solcher specificirten, ja individualisirten Farbenkoͤrper und ihrer unendlichen moͤglichen Verbindungen, welche allein durch das zarteste, geuͤbteste Auge empfunden und unter dessen Urtheil bewirkt werden koͤnnen. 555. Die innige Verbindung dieser Mischungen ge- schieht durch die reinste Theilung der Koͤrper durch Reiben, Schlemmen u. s. w. nicht weniger durch Saͤfte, welche das Staubartige zusammenhalten, und das Unorganische gleichsam organisch verbinden; der- gleichen sind die Oele, Harze u. s. w. 556. Saͤmmtliche Farben zusammengemischt behalten ih- ren allgemeinen Charakter als σκιερόν, und da sie nicht mehr neben einander gesehen werden, wird keine Totalitaͤt, keine Harmonie empfunden, und so ent- steht das Grau, das, wie die sichtbare Farbe, immer etwas dunkler als Weiß, und immer etwas heller als Schwarz erscheint. 557. Dieses Grau kann auf verschiedene Weise hervor- gebracht werden. Einmal, wenn man aus Gelb und Blau ein Smaragdgruͤn mischt und alsdann so viel reines Roth hinzubringt, bis sich alle drey gleichsam neutralisirt haben. Ferner entsteht gleichfalls ein Grau, wenn man eine Scala der urspruͤnglichen und abgelei- teten Farben in einer gewissen Proportion zusammen- stellt und hernach vermischt. 558. Daß alle Farben zusammengemischt weiß machen, ist eine Absurditaͤt, die man nebst andern Absurditaͤ- ten schon ein Jahrhundert glaͤubig und dem Augen- schein entgegen zu wiederholen gewohnt ist. 559. Die zusammengemischten Farben tragen ihr Dunk- les in die Mischung uͤber. Je dunkler die Farben sind, desto dunkler wird das entstehende Grau, wel- ches zuletzt sich dem Schwarzen naͤhert. Je heller die Farben sind, desto heller wird das Grau, welches zuletzt sich dem Weißen naͤhert. I. 14 XLV. Mischung . Scheinbare . 560. Die scheinbare Mischung wird hier um so mehr gleich mit abgehandelt, als sie in manchem Sinne von großer Bedeutung ist, und man sogar die von uns als real angegebene Mischung fuͤr scheinbar hal- ten koͤnnte. Denn die Elemente, woraus die zusam- mengesetzte Farbe entsprungen ist, sind nur zu klein, um einzeln gesehen zu werden. Gelbes und blaues Pulver zusammengerieben erscheint dem nackten Auge gruͤn, wenn man durch ein Vergroͤßerungsglas noch Gelb und Blau von einander abgesondert bemerken kann. So machen auch gelbe und blaue Streifen in der Entfernung eine gruͤne Flaͤche, welches alles auch von der Vermischung der uͤbrigen specificirten Farben gilt. 561. Unter dem Apparat wird kuͤnftig auch das Schwung- rad abgehandelt werden, auf welchem die scheinbare Mischung durch Schnelligkeit hervorgebracht wird. Auf einer Scheibe bringt man verschiedene Farben im Kreise neben einander an, dreht dieselben durch die Ge- walt des Schwunges mit groͤßter Schnelligkeit herum, und kann so, wenn man mehrere Scheiben zuberei- tet, alle moͤglichen Mischungen vor Augen stellen, so wie zuletzt auch die Mischung aller Farben zum Grau naturgemaͤß auf oben angezeigte Weise. 562. Physiologische Farben nehmen gleichfalls Mischung an. Wenn man z. B. den blauen Schatten (65) auf einem leicht gelben Papiere hervorbringt, so erscheint derselbe gruͤn. Ein gleiches gilt von den uͤbrigen Far- ben, wenn man die Vorrichtung darnach zu machen weiß. 563. Wenn man die im Auge verweilenden farbigen Scheinbilder (39 ff.) auf farbige Flaͤchen fuͤhrt, so entsteht auch eine Mischung und Determination des Bildes zu einer andern Farbe, die sich aus beyden herschreibt. 564. Physische Farben stellen gleichfalls eine Mischung dar. Hieher gehoͤren die Versuche, wenn man bunte Bilder durchs Prisma sieht, wie wir solches oben (258—284.) umstaͤndlich angegeben haben. 565. Am meisten aber machten sich die Physiker mit jenen Erscheinungen zu thun, welche entstehen, wenn man die prismatischen Farben auf gefaͤrbte Flaͤchen wirft. 14 * 566. Das was man dabey gewahr wird, ist sehr ein- fach. Erstlich muß man bedenken, daß die prismati- schen Farben viel lebhafter sind, als die Farben der Flaͤche, worauf man sie fallen laͤßt. Zweytens kommt in Betracht, daß die prismatische Farbe entweder ho- mogen mit der Flaͤche, oder heterogen seyn kann. Im ersten Fall erhoͤht und verherrlicht sie solche und wird dadurch verherrlicht, wie der farbige Stein durch eine gleichgefaͤrbte Folie. Im entgegengesetzten Falle be- schmutzt, stoͤrt und zerstoͤrt eine die andre. 567. Man kann diese Versuche durch farbige Glaͤser wiederholen, und das Sonnenlicht durch dieselben auf farbige Flaͤchen fallen lassen; und durchaus werden aͤhnliche Resultate erscheinen. 568. Ein Gleiches wird bewirkt, wenn der Beobach- ter durch farbige Glaͤser nach gefaͤrbten Gegenstaͤnden hinsieht, deren Farben sodann nach Beschaffenheit er- hoͤht, erniedrigt oder aufgehoben werden. 569. Laͤßt man die prismatischen Farben durch farbige Glaͤser durchgehen, so treten die Erscheinungen voͤllig analog hervor; wobey mehr oder weniger Energie, mehr oder weniger Helle und Dunkle, Klarheit und Reinheit des Glases in Betracht kommt, und man- chen zarten Unterschied hervorbringt, wie jeder genaue Beobachter wird bemerken koͤnnen, der diese Phaͤno- mene durchzuarbeiten Lust und Geduld hat. 570. So ist es auch wohl kaum noͤthig zu erwaͤhnen, daß mehrer e farbige Glaͤser uͤber einander, nicht weni- ger oͤlgetraͤnkte, durchscheinende Papiere, alle und jede Arten von Mischung hervorbringen, und dem Auge, nach Belieben des Experimentirenden, darstellen. 571. Schließlich gehoͤren hieher die Lasuren der Ma- ler, wodurch eine viel geistigere Mischung entsteht, als durch die mechanisch atomistische, deren sie sich ge- woͤhnlich bedienen, hervorgebracht werden kann. XLVI. Mittheilung , wirkliche . 572. Wenn wir nunmehr auf gedachte Weise uns Far- bematerialien verschafft haben, so entsteht ferner die Frage, wie wir solche farblosen Koͤrpern mittheilen koͤnnen, deren Beantwortung fuͤr das Leben, den Ge- brauch, die Benutzung, die Technik von der groͤßten Bedeutung ist. 573. Hier kommt abermals die dunkle Eigenschaft einer jeden Farbe zur Sprache. Von dem Gelben, das ganz nah am Weißen liegt, durchs Orange und Mennigfarbe zum Reinrothen und Carmin, durch alle Abstufungen des Violetten bis in das satteste Blau, das ganz am Schwarzen liegt, nimmt die Farbe immer an Dunkel- heit zu. Das Blaue einmal specificirt laͤßt sich ver- duͤnnen, erhellen, mit dem Gelben verbinden, wodurch es Gruͤn wird und sich nach der Lichtseite hinzieht. Keinesweges geschieht dieß aber seiner Natur nach. 574. Bey den physiologischen Farben haben wir schon gesehen, daß sie ein Minus sind als das Licht, in- dem sie beym Abklingen des Lichteindrucks entstehen, ja zuletzt diesen Eindruck ganz als ein Dunkles zuruͤck- lassen. Bey physischen Versuchen belehrt uns schon der Gebrauch truͤber Mittel, die Wirkung truͤber Neben- bilder, daß hier von einem gedaͤmpften Lichte, von ei- nem Uebergang ins Dunkle die Rede sey. 575. Bey der chemischen Entstehung der Pigmente wer- den wir dasselbe bey der ersten Erregung gewahr. Der gelbe Hauch, der sich uͤber den Stahl zieht, ver- dunkelt schon die glaͤnzende Oberflaͤche. Bey der Ver- wandlung des Bleyweißes in Massicot ist es deutlich, daß das Gelbe dunkler als Weiß sey. 576. Diese Operation ist von der groͤßten Zartheit, und so auch die Steigerung, welche immer fortwaͤchst, die Koͤrper, welche bearbeitet werden, immer inniger und kraͤftiger faͤrbt, und so auf die groͤßte Feinheit der be- handelten Theile, auf unendliche Theilbarkeit hinweist. 577. Mit den Farben, welche sich gegen das Dunkle hinbegeben, und folglich besonders mit dem Blauen koͤn- nen wir ganz an das Schwarze hinanruͤcken; wie uns denn ein recht vollkommnes Berlinerblau, ein durch Vi- triolsaͤure behandelter Indig fast als Schwarz erscheint. 578. Hier ist es nun der Ort, einer merkwuͤrdigen Er- scheinung zu gedenken, daß nehmlich Pigmente in ih- rem hoͤchst gesaͤttigten und gedraͤngten Zustande, be- sonders aus dem Pflanzenreiche, als erstgedachter In- dig, oder auf seine hoͤchste Stufe gefuͤhrter Krapp, ihre Farbe nicht mehr zeigen; vielmehr erscheint auf ihrer Oberflaͤche ein entschiedener Metallglanz, in wel- chem die physiologisch geforderte Farbe spielt. 579. Schon jeder gute Indig zeigt eine Kupferfarbe auf dem Bruch; welches im Handel ein Kennzeichen aus- macht. Der durch Schwefelsaͤure bearbeitete aber, wenn man ihn dick aufstreicht, oder eintrocknet, so daß weder das weiße Papier noch die Porcellanschale durchwirken kann, laͤßt eine Farbe sehen, die dem Orange nahkommt. 580. Die hochpurpurfarbne spanische Schminke, wahr- scheinlich aus Krapp bereitet, zeigt auf der Oberflaͤche einen vollkommnen gruͤnen Metallglanz. Streicht man beyde Farben, die blaue und rothe, mit einem Pin- sel auf Porcellan oder Papier aus einander; so hat man sie wieder in ihrer Natur, indem das Helle der Unterlage durch sie hindurchscheint. 581. Farbige Liquoren erscheinen schwarz, wenn kein Licht durch sie hindurchfaͤllt, wie man sich in paral- lelepipedischen Blechgefaͤßen mit Glasboden sehr leicht uͤberzeugen kann. In einem solchen wird jede durch- sichtige, farbige Infusion, wenn man einen schwar- zen Grund unterlegt, schwarz und farblos erscheinen. 582. Macht man die Vorrichtung, daß das Bild einer Flamme von der untern Flaͤche zuruͤckstrahlen kann; so erscheint diese gefaͤrbt. Hebt man das Gefaͤß in die Hoͤhe und laͤßt das Licht auf druntergehaltenes weißes Papier fallen; so erscheint die Farbe auf diesem. Jede helle Unterlage durch ein solches gefaͤrbtes Mittel gesehen zeigt die Farbe desselben. 583. Jede Farbe also, um gesehen zu werden, muß ein Licht im Hinterhalte haben. Daher kommt es, daß je heller und glaͤnzender die Unterlagen sind, desto schoͤner erscheinen die Farben. Zieht man Lackfarben auf einen metallisch glaͤnzenden weißen Grund, wie unsre sogenannten Folien verfertigt werden; so zeigt sich die Herrlichkeit der Farbe bey diesem zuruͤckwirken- den Licht so sehr als bey irgend einem prismatischen Versuche. Ja die Energie der physischen Farben be- ruht hauptsaͤchlich darauf, daß mit und hinter ihnen das Licht immerfort wirksam ist. 584. Lichtenberg, der zwar seiner Zeit und Lage nach der hergebrachten Vorstellung folgen mußte, war doch zu ein guter Beobachter, und zu geistreich, als daß er das, was ihm vor Augen erschien, nicht haͤtte bemerken und nach seiner Weise erklaͤren und zurecht legen sollen. Er sagt in der Vorrede zu Delavalle: „Auch scheint es mir aus andern Gruͤnden — wahr- scheinlich, daß unser Organ, um eine Farbe zu em- pfinden, etwas von allem Licht (weißes) zugleich mit empfinden muͤsse.“ 585. Sich weiße Unterlagen zu verschaffen, ist das Haupt- geschaͤft des Faͤrbers. Farblosen Erden, besonders dem Alaun, kann jede specificirte Farbe leicht mitgetheilt werden. Besonders aber hat der Faͤrber mit Produk- ten der animalischen und der Pflanzenorganisation zu schaffen. 586. Alles Lebendige strebt zur Farbe, zum Besondern, zur Specification, zum Effect, zur Undurchsichtigkeit bis ins Unendlichfeine. Alles Abgelebte zieht sich nach dem Weißen, zur Abstraction, zur Allgemeinheit, zur Verklaͤrung, zur Durchsichtigkeit. 587. Wie dieses durch Technik bewirkt werde, ist in dem Kapitel von Entziehung der Farbe anzudeuten. Hier bey der Mittheilung haben wir vorzuͤglich zu be- denken, daß Thiere und Vegetabilien im lebendigen Zustande Farbe an ihnen hervorbringen, und solche daher, wenn sie ihnen voͤllig entzogen ist, um desto leichter wieder in sich aufnehmen. XLVII. Mittheilung , scheinbare . 588. Die Mittheilung trifft, wie man leicht sehen kann, mit der Mischung zusammen, sowohl die wahre als die scheinbare. Wir wiederholen deswegen nicht, was oben so viel als noͤthig ausgefuͤhrt worden. 589. Doch bemerken wir gegenwaͤrtig umstaͤndlicher die Wichtigkeit einer scheinbaren Mittheilung, welche durch den Widerschein geschieht. Es ist dieses zwar sehr be- kannte, doch immer ahndungsvolle Phaͤnomen dem Physiker wie dem Maler von der groͤßten Bedeutung. 590. Man nehme eine jede specificirte farbige Flaͤche, man stelle sie in die Sonne und lasse den Widerschein auf andre farblose Gegenstaͤnde fallen. Dieser Wider- schein ist eine Art gemaͤßigten Lichts, ein Halblicht, ein Halbschatten, der außer seiner gedaͤmpften Natur die specifische Farbe der Flaͤche mit abspiegelt. 591. Wirkt dieser Widerschein auf lichte Flaͤchen, so wird er aufgehoben, und man bemerkt die Farbe wenig, die er mit sich bringt. Wirkt er aber auf Schattenstellen, so zeigt sich eine gleichsam magische Verbindung mit dem σκιερῷ. Der Schatten ist das ei- gentliche Element der Farbe, und hier tritt zu demsel- ben eine schattige Farbe beleuchtend, faͤrbend und be- lebend. Und so entsteht eine eben so maͤchtige als an- genehme Erscheinung, welche dem Maler, der sie zu benutzen weiß, die herrlichsten Dienste leistet. Hier sind die Vorbilder der sogenannten Reflexe, die in der Geschichte der Kunst erst spaͤter bemerkt werden, und die man seltner als billig in ihrer ganzen Man- nigfaltigkeit anzuwenden gewußt hat. 592. Die Scholastiker nannten diese Farben colores notionales und intentionales; wie uns denn uͤber- haupt die Geschichte zeigen wird, daß jene Schule die Phaͤnomene schon gut genug beachtete, auch sie gehoͤrig zu sondern wußte, wenn schon die ganze Be- handlungsart solcher Gegenstaͤnde von der unsrigen sehr verschieden ist. XLVIII. Entziehung . 593. Den Koͤrpern werden auf mancherley Weise die Farben entzogen, sie moͤgen dieselben von Natur be- sitzen, oder wir moͤgen ihnen solche mitgetheilt haben. Wir sind daher im Stande, ihnen zu unserm Vortheil zweckmaͤßig die Farbe zu nehmen, aber sie entflieht auch oft zu unserm Nachtheil gegen unsern Willen. 594. Nicht allein die Grunderden sind in ihrem natuͤr- lichen Zustande weiß, sondern auch vegetabilische und animalische Stoffe koͤnnen, ohne daß ihr Gewebe zer- stoͤrt wird, in einen weißen Zustand versetzt werden. Da uns nun zu mancherley Gebrauch ein reinliches Weiß hoͤchst noͤthig und angenehm ist, wie wir uns besonders gern der leinenen und baumwollenen Zeuge ungefaͤrbt bedienen; auch seidene Zeuge, das Papier und anderes uns desto angenehmer sind, je weißer sie gefunden werden; weil auch ferner, wie wir oben gesehen, das Hauptfundament der ganzen Faͤrberey weiße Unterlagen sind: so hat sich die Technik, theils zufaͤllig, theils mit Nachdenken, auf das Entziehen der Farbe aus diesen Stoffen so emsig geworfen, daß man hieruͤber unzaͤhlige Versuche gemacht und gar manches Bedeutende entdeckt hat. 595. In dieser voͤlligen Entziehung der Farbe liegt ei- gentlich die Beschaͤftigung der Bleichkunst, welche von mehreren empirischer oder methodischer abgehandelt wor- den. Wir geben die Hauptmomente hier nur kuͤrzlich an. 596. Das Licht wird als eines der ersten Mittel, die Farbe den Koͤrpern zu entziehen, angesehen, und zwar nicht allein das Sonnenlicht, sondern das bloße ge- waltlose Tageslicht. Denn wie beyde Lichter, sowohl das directe von der Sonne, als auch das abgeleitete Himmelslicht, die Bonnonischen Phosphoren entzuͤn- den, so wirken auch beyde Lichter auf gefaͤrbte Flaͤchen. Es sey nun, daß das Licht die ihm verwandte Farbe ergreife, sie, die so viel Flammenartiges hat, gleichsam entzuͤnde, verbrenne, und das an ihr Spe- cificirte wieder in ein Allgemeines aufloͤse, oder daß eine andre uns unbekannte Operation geschehe, genug das Licht uͤbt eine große Gewalt gegen farbige Flaͤchen aus und bleicht sie mehr oder weniger. Doch zeigen auch hier die verschiedenen Farben eine verschiedene Zerstoͤrlichkeit und Dauer; wie denn das Gelbe, be- sonders das aus gewissen Stoffen bereitete hier zuerst davon fliegt. 597. Aber nicht allein das Licht, sondern auch die Luft und besonders das Wasser wirken gewaltig auf die Entziehung der Farbe. Man will sogar bemerkt haben, daß wohl befeuchtete, bey Nacht auf dem Rasen aus- gebreitete Garne besser bleichen, als solche, welche, gleichfalls wohl befeuchtet, dem Sonnenlicht ausgesetzt werden. Und so mag sich denn freylich das Wasser auch hier als ein Aufloͤsendes, Vermittlendes, das Zufaͤllige Aufhebendes, und das Besondre ins Allge- meine Zuruͤckfuͤhrendes beweisen. 598. Durch Reagentien wird auch eine solche Entziehung bewirkt. Der Weingeist hat eine besondre Neigung, dasjenige, was die Pflanzen faͤrbt, an sich zu ziehen und sich damit, oft auf eine sehr bestaͤndige Weise, zu faͤr- ben. Die Schwefelsaͤure zeigt sich, besonders gegen Wolle und Seide, als farbentziehend sehr wirksam; und wem ist nicht der Gebrauch des Schwefeldampfes da bekannt, wo man etwas vergilbtes oder beflecktes Weiß herzustellen gedenkt. 599. Die staͤrksten Saͤuren sind in der neuren Zeit als kuͤrzere Bleichmittel angerathen worden. 600. Eben so wirken im Gegensinne die alcalischen Rea- gentien, die Laugen an sich, die zu Seife mit Lauge verbundenen Oele und Fettigkeiten u. s. w. wie dieses alles in den ausdruͤcklich zu diesem Zwecke verfaßten Schriften umstaͤndlich gefunden wird. 601. Uebrigens moͤchte es wohl der Muͤhe werth seyn, gewisse zarte Versuche zu machen, inwiefern Licht und Luft auf das Entziehen der Farbe ihre Thaͤtigkeit aͤußern. Man koͤnnte vielleicht unter luftleeren, mit gemeiner Luft oder besondern Luftarten gefuͤllten Glocken solche Farbstoffe dem Licht aussetzen, deren Fluͤchtig- keit man kennt, und beobachten, ob sich nicht an das Glas wieder etwas von der verfluͤchtigten Farbe ansetzte, oder sonst ein Niederschlag sich zeigte; und ob alsdann dieses Wiedererscheinende dem Unsichtbar- gewordnen voͤllig gleich sey, oder ob es eine Veraͤn- derung erlitten habe. Geschickte Experimentatoren er- sinnen sich hierzu wohl mancherley Vorrichtungen. 602. Wenn wir nun also zuerst die Naturwirkungen betrachtet haben, wie wir sie zu unsern Absichten an- wenden, so ist noch einiges zu sagen von dem, wie sie feindlich gegen uns wirken. 603. Die Malerey ist in dem Falle, daß sie die schoͤn- sten Arbeiten des Geistes und der Muͤhe durch die Zeit auf mancherley Weise zerstoͤrt sieht. — Man hat da- her sich immer viel Muͤhe gegeben, dauernde Pigmente zu finden, und sie auf eine Weise unter sich, so wie mit der Unterlage zu vereinigen, daß ihre Dauer da- durch noch mehr gesichert werde; wie uns hiervon die Technik der Malerschulen genugsam unterrichten kann. 604. Auch ist hier der Platz, einer Halbkunst zu ge- denken, welcher wir in Absicht auf Faͤrberey sehr vie- les schuldig sind, ich meyne die Tapetenwirkerey. In- dem man nehmlich in den Fall kam, die zartesten Schattirungen der Gemaͤlde nachzuahmen, und daher die verschiedenst gefaͤrbten Stoffe oft neben einander zu bringen; so bemerkte man bald, daß die Farben nicht alle gleich dauerhaft waren, sondern die eine eher als die andre dem gewobenen Bilde entzogen wurde. Es entsprang daher das eifrigste Bestreben, den saͤmmtlichen Farben und Schattirungen eine gleiche Dauer zu versichern, welches besonders in Frankreich unter Colbert geschah, dessen Verfuͤgungen uͤber diesen Punct in der Geschichte der Faͤrbekunst Epoche machen. Die sogenannte Schoͤnfaͤrberey, welche sich nur zu ei- ner vergaͤnglichen Anmuth verpflichtete, ward eine besondre Gilde; mit desto groͤßerm Ernst hingegen suchte man diejenige Technik, welche fuͤr die Dauer stehn sollte, zu begruͤnden. So waͤren wir, bey Betrachtung des Entziehens, der Fluͤchtigkeit und Vergaͤnglichkeit glaͤnzender Farben- erscheinungen, wieder auf die Forderung der Dauer zuruͤckgekehrt, und haͤtten auch in diesem Sinne un- sern Kreis abermals abgeschlossen. XLIX. Nomenclatur . 605. Nach dem, was wir bisher von dem Entstehen, dem Fortschreiten und der Verwandtschaft der Farben ausgefuͤhrt, wird sich besser uͤbersehen lassen, welche Nomenclatur kuͤnftig wuͤnschenswerth waͤre, und was von der bisherigen zu halten sey. 606. Die Nomenclatur der Farben ging, wie alle No- menclaturen, besonders aber diejenigen, welche sinnliche Gegenstaͤnde bezeichnen, vom Besondern aus ins All- gemeine und vom Allgemeinen wieder zuruͤck ins Be- sondre. Der Name der Species ward ein Geschlechts- name, dem sich wieder das Einzelne unterordnete. 607. Dieser Weg konnte bey der Beweglichkeit und Un- bestimmtheit des fruͤhern Sprachgebrauchs zuruͤckgelegt werden, besonders da man in den ersten Zeiten sich auf ein lebhafteres sinnliches Anschauen verlassen durfte. Man bezeichnete die Eigenschaften der Gegenstaͤnde un- bestimmt, weil sie Jedermann deutlich in der Imagi- nation festhielt. I. 15 608. Der reine Farbenkreis war zwar enge, er schien aber an unzaͤhligen Gegenstaͤnden specificirt und indivi- dualisirt und mit Nebenbestimmungen bedingt. Man sehe die Mannigfaltigkeit der griechischen und roͤmischen Ausdruͤcke (2r Band. S. 54—59.) und man wird mit Vergnuͤgen dabey gewahr werden, wie beweglich und laͤßlich die Worte beynahe durch den ganzen Far- benkreis herum gebraucht worden. 609. In spaͤteren Zeiten trat durch die mannigfaltigen Operationen der Faͤrbekunst manche neue Schattirung ein. Selbst die Modefarben und ihre Benennungen stellten ein unendliches Heer von Farbenindividualitaͤten dar. Auch die Farbenterminologie der neuern Spra- chen werden wir gelegentlich auffuͤhren; wobey sich denn zeigen wird, daß man immer auf genauere Be- stimmungen ausgegangen, und ein Fixirtes, Specificir- tes auch durch die Sprache festzuhalten und zu verein- zelnen gesucht hat. 610. Was die deutsche Terminologie betrifft, so hat sie den Vortheil, daß wir vier einsylbige, an ihren Ur- sprung nicht mehr erinnernde Namen besitzen, nehm- lich Gelb, Blau, Roth, Gruͤn. Sie stellen nur das Allgemeinste der Farbe der Einbildungskraft dar, ohne auf etwas Specifisches hinzudeuten. 611. Wollten wir in jeden Zwischenraum zwischen die- sen vieren noch zwey Bestimmungen setzen, als Roth- gelb und Gelbroth, Rothblau und Blauroth, Gelbgruͤn und Gruͤngelb, Blaugruͤn und Gruͤnblau; so wuͤr- den wir die Schattirungen des Farbenkreises bestimmt genug ausdruͤcken; und wenn wir die Bezeichnungen von Hell und Dunkel hinzufuͤgen wollten, ingleichen die Beschmutzungen einigermaßen andeuten, wozu uns die gleichfalls einsylbigen Worte Schwarz, Weiß, Grau und Braun zu Diensten stehn; so wuͤrden wir ziemlich auslangen, und die vorkommenden Erscheinungen aus- druͤcken, ohne uns zu bekuͤmmern, ob sie auf dyna- mischem oder atomistischem Wege entstanden sind. 612. Man koͤnnte jedoch immer hiebey die specifischen und individuellen Ausdruͤcke vortheilhaft benutzen; so wie wir uns auch des Worts Orange und Violett bedienten. Ingleichen haben wir das Wort Purpur gebraucht, um das reine in der Mitte stehende Roth zu bezeichnen, weil der Saft der Purpurschnecke, be- sonders wenn er seine Leinwand durchdrungen hat, vorzuͤglich durch das Sonnenlicht zu dem hoͤchsten Puncte der Culmination zu bringen ist. 15 * L. Mineralien . 613. Die Farben der Mineralien sind alle chemischer Natur, und so kann ihre Entstehungsweise aus dem, was wir von den chemischen Farben gesagt haben, ziemlich entwickelt werden. 614. Die Farbenbenennungen stehn unter den aͤußern Kennzeichen oben an, und man hat sich, im Sinne der neuern Zeit, große Muͤhe gegeben, jede vorkom- mende Erscheinung genau zu bestimmen und festzuhal- ten; man hat aber dadurch, wie uns duͤnkt, neue Schwierigkeiten erregt, welche beym Gebrauch manche Unbequemlichkeit veranlassen. 615. Freylich fuͤhrt auch dieses, sobald man bedenkt, wie die Sache entstanden, seine Entschuldigung mit sich. Der Maler hatte von jeher das Vorrecht, die Farbe zu handhaben. Die wenigen specificirten Far- ben standen fest, und dennoch kamen durch kuͤnstliche Mischungen unzaͤhlige Schattirungen hervor, welche die Oberflaͤche der natuͤrlichen Gegenstaͤnde nachahmten. War es daher ein Wunder, wenn man auch diesen Mi- schungsweg einschlug und den Kuͤnstler aufrief, ge- faͤrbte Musterflaͤchen aufzustellen, nach denen man die natuͤrlichen Gegenstaͤnde beurtheilen und bezeichnen koͤnnte. Man fragte nicht, wie geht die Natur zu Werke, um diese und jene Farbe auf ihrem innern lebendigen Wege hervorzubringen, sondern wie belebt der Maler das Todte, um ein dem Lebendigen aͤhn- liches Scheinbild darzustellen. Man ging also immer von Mischung aus und kehrte auf Mischung zuruͤck, so daß man zuletzt das Gemischte wieder zu mischen vornahm, um einige sonderbare Specificationen und Individualisationen auszudruͤcken und zu unterscheiden. 616. Uebrigens laͤßt sich bey der gedachten eingefuͤhrten mineralischen Farbenterminologie noch manches erin- nern. Man hat nehmlich die Benennungen nicht, wie es doch meistens moͤglich gewesen waͤre, aus dem Mi- neralreich, sondern von allerley sichtbaren Gegenstaͤnden genommen, da man doch mit groͤßerem Vortheil auf eigenem Grund und Boden haͤtte bleiben koͤnnen. Fer- ner hat man zu viel einzelne, specifische Ausdruͤcke aufgenommen, und indem man, durch Vermischung dieser Specificationen, wieder neue Bestimmungen hervorzubringen suchte, nicht bedacht, daß man da- durch vor der Imagination das Bild und vor dem Verstand den Begriff voͤllig aufhebe. Zuletzt stehen denn auch diese gewissermaßen als Grundbestimmungen gebrauchten einzelnen Farbenbenennungen nicht in der besten Ordnung, wie sie etwa von einander sich ab- leiten; daher denn der Schuͤler jede Bestimmung ein- zeln lernen und sich ein beynahe todtes Positives ein- praͤgen muß. Die weitere Ausfuͤhrung dieses Angedeu- teten stuͤnde hier nicht am rechten Orte. LI. Pflanzen . 617. Man kann die Farben organischer Koͤrper uͤber- haupt als eine hoͤhere chemische Operation ansehen, weswegen sie auch die Alten durch das Wort Kochung (πέψις) ausgedruͤckt haben. Alle Elementarfarben sowohl als die gemischten und abgeleiteten kommen auf der Oberflaͤche organischer Naturen vor; dahingegen das Innere, man kann nicht sagen, unfaͤrbig, doch eigentlich mißfaͤrbig erscheint, wenn es zu Tage ge- bracht wird. Da wir bald an einem andern Orte von unsern Ansichten uͤber organische Natur einiges mitzu- theilen denken; so stehe nur dasjenige hier, was fruͤ- her mit der Farbenlehre in Verbindung gebracht war, indessen wir zu jenen besondern Zwecken das weitre vorbereiten. Von den Pflanzen sey also zuerst ge- sprochen. 618. Die Saamen, Bulben, Wurzeln und was uͤber- haupt vom Lichte ausgeschlossen ist, oder unmittelbar von der Erde sich umgeben befindet, zeigt sich mei- stentheils weiß. 619. Die im Finstern aus Saamen erzogenen Pflanzen sind weiß oder ins Gelbe ziehend. Das Licht hinge- gen, indem es auf ihre Farben wirkt, wirkt zugleich auf ihre Form. 620. Die Pflanzen, die im Finstern wachsen, setzen sich von Knoten zu Knoten zwar lange fort; aber die Stengel zwischen zwey Knoten sind laͤnger als billig; keine Seitenzweige werden erzeugt und die Metamor- phose der Pflanzen hat nicht statt. 621. Das Licht versetzt sie dagegen sogleich in einen thaͤtigen Zustand, die Pflanze erscheint gruͤn und der Gang der Metamorphose bis zur Begattung geht un- aufhaltsam fort. 622. Wir wissen, daß die Stengelblaͤtter nur Vorberei- tungen und Vorbedeutungen auf die Blumen- und Fruchtwerkzeuge sind; und so kann man in den Sten- gelblaͤttern schon Farben sehen, die von weiten auf die Blume hindeuten, wie bey den Amaranthen der Fall ist. 623. Es gibt weiße Blumen, deren Blaͤtter sich zur groͤßten Reinheit durchgearbeitet haben; aber auch far- bige, in denen die schoͤne Elementarerscheinung hin und wieder spielt. Es gibt deren, die sich nur theil- weise vom Gruͤnen auf eine hoͤhere Stufe losgearbeitet haben. 624. Blumen einerley Geschlechts, ja einerley Art, fin- den sich von allen Farben. Rosen und besonders Mal- ven z. B. gehen einen großen Theil des Farbenkreises durch, vom Weißen ins Gelbe, sodann durch das Rothgelbe in den Purpur, und von da in das dun- kelste, was der Purpur, indem er sich dem Blauen naͤhert, ergreifen kann. 625. Andere fangen schon auf einer hoͤhern Stufe an, wie z. B. die Mohne, welche von dem Gelbrothen aus- gehen und sich in das Violette hinuͤberziehen. 626. Doch sind auch Farben bey Arten, Gattungen, ja Familien und Classen, wo nicht bestaͤndig, doch herr- schend, besonders die gelbe Farbe: die blaue ist uͤber- haupt seltner. 627. Bey den saftigen Huͤllen der Frucht geht etwas aͤhnliches vor, indem sie sich von der gruͤnen Farbe durch das Gelbliche und Gelbe bis zu dem hoͤchsten Roth erhoͤhen, wobey die Farbe der Schale die Stu- fen der Reife andeutet. Einige sind ringsum gefaͤrbt, einige nur an der Sonnenseite, in welchem letzten Falle man die Steigerung des Gelben ins Rothe durch groͤßere An- und Uebereinanderdraͤngung sehr wohl beobachten kann. 628. Auch sind mehrere Fruͤchte innerlich gefaͤrbt, be- sonders sind purpurrothe Saͤfte gewoͤhnlich. 629. Wie die Farbe sowohl oberflaͤchlich auf der Blume, als durchdringend in der Frucht sich befindet, so ver- breitet sie sich auch durch die uͤbrigen Theile, indem sie die Wurzeln und die Saͤfte der Stengel faͤrbt, und zwar mit sehr reicher und maͤchtiger Farbe. 630. So geht auch die Farbe des Holzes vom Gelben durch die verschiedenen Stufen des Rothen bis ins Pur- purfarbene und Braune hinuͤber. Blaue Hoͤlzer sind mir nicht bekannt; und so zeigt sich schon auf dieser Stufe der Organisation die active Seite maͤchtig, wenn in dem allgemeinen Gruͤn der Pflanzen beyde Seiten sich balanciren moͤgen. 631. Wir haben oben gesehen, daß der aus der Erde dringende Keim sich mehrentheils weiß und gelblich zeigt, durch Einwirkung von Licht und Luft aber in die gruͤne Farbe uͤbergeht. Ein aͤhnliches geschieht bey jungen Blaͤttern der Baͤume, wie man z. B. an den Birken sehen kann, deren junge Blaͤtter gelblich sind und beym Auskochen einen schoͤnen gelben Saft von sich geben. Nachher werden sie immer gruͤner, so wie die Blaͤtter von andern Baͤumen nach und nach in das Blaugruͤne uͤbergehen. 632. So scheint auch das Gelbe wesentlicher den Blaͤt- tern anzugehoͤren, als der blaue Antheil: denn die- ser verschwindet im Herbste, und das Gelbe des Blat- tes scheint in eine braune Farbe uͤbergegangen. Noch merkwuͤrdiger aber sind die besonderen Faͤlle, da die Blaͤtter im Herbste wieder rein gelb werden, und an- dre sich bis zu dem hoͤchsten Roth hinaufsteigern. 633. Uebrigens haben einige Pflanzen die Eigenschaft, durch kuͤnstliche Behandlung fast durchaus in ein Far- bematerial verwandelt zu werden, das so fein, wirk- sam und unendlich theilbar ist, als irgend ein anderes. Beyspiele sind der Indigo und Krapp, mit denen so viel geleistet wird. Auch werden Flechten zum Faͤrben benutzt. 634. Diesem Phaͤnomen steht ein anderes unmittelbar entgegen, daß man nehmlich den faͤrbenden Theil der Pflanzen ausziehen und gleichsam besonders darstellen kann, ohne daß ihre Organisation dadurch etwas zu leiden scheint. Die Farben der Blumen lassen sich durch Weingeist ausziehen und tingiren denselben; die Blumenblaͤtter dagegen erscheinen weiß. 635. Es gibt verschiedene Bearbeitungen der Blumen und ihrer Saͤfte durch Reagentien. Dieses hat Boyle in vielen Experimenten geleistet. Man bleicht die Ro- sen durch Schwefel und stellt sie durch andre Saͤuern wieder her. Durch Tobaksrauch werden die Rosen gruͤn. LII. Wuͤrmer, Insecten, Fische . 636. Von den Thieren, welche auf den niedern Stufen der Organisation verweilen, sey hier vorlaͤufig folgen- des gesagt. Die Wuͤrmer, welche sich in der Erde aufhalten, der Finsterniß und der kalten Feuchtigkeit gewidmet sind, zeigen sich mißfaͤrbig; die Eingewei- dewuͤrmer von warmer Feuchtigkeit im Finstern aus- gebruͤtet und genaͤhrt, unfaͤrbig; zu Bestimmung der Farbe scheint ausdruͤcklich Licht zu gehoͤren. 637. Diejenigen Geschoͤpfe, welche im Wasser wohnen, welches als ein obgleich sehr dichtes Mittel dennoch hinreichendes Licht hindurch laͤßt, erscheinen mehr oder weniger gefaͤrbt. Die Zoophyten, welche die reinste Kalkerde zu beleben scheinen, sind meistentheils weiß; doch finden wir die Corallen bis zum schoͤnsten Gelb- roth hinaufgesteigert, welches in andern Wurmgehaͤu- sen sich bis nahe zum Purpur hinanhebt. 638. Die Gehaͤuse der Schalthiere sind schoͤn gezeich- net und gefaͤrbt; doch ist zu bemerken, daß weder die Landschnecken, noch die Schale der Muscheln des suͤßen Wassers mit so hohen Farben geziert sind, als die des Meerwassers. 639. Bey Betrachtung der Muschelschalen, besonders der gewundenen, bemerken wir, daß zu ihrem Ent- stehen eine Versammlung unter sich aͤhnlicher, thieri- scher Organe sich wachsend vorwaͤrts bewegte, und, indem sie sich um eine Axe drehten, das Gehaͤuse durch eine Folge von Riefen, Raͤndern, Rinnen und Erhoͤhungen, nach einem immer sich vergroͤßernden Maaßstab, hervorbrachten. Wir bemerken aber auch zugleich, daß diesen Organen irgend ein mannigfaltig faͤrbender Saft beywohnen mußte, der die Oberflaͤche des Gehaͤuses, wahrscheinlich durch unmittelbare Ein- wirkung des Meerwassers, mit farbigen Linien, Punc- ten, Flecken und Schattirungen, Epochenweis be- zeichnete, und so die Spuren seines steigenden Wachs- thums auf der Außenseite dauernd hinterließ, indeß die innre meistens weiß oder nur blaßgefaͤrbt angetrof- fen wird. 640. Daß in den Muscheln solche Saͤfte sich befinden, zeigt uns die Erfahrung auch außerdem genugsam, in- dem sie uns dieselben noch in ihrem fluͤssigen und faͤr- benden Zustande darbietet; wovon der Saft des Tin- tenfisches ein Zeugniß gibt; ein weit staͤrkeres aber derjenige Purpursaft, welcher in mehreren Schnecken gefunden wird, der von Alters her so beruͤhmt ist und in der neuern Zeit auch wohl benutzt wird. Es gibt nehmlich unter den Eingeweiden mancher Wuͤr- mer, welche sich in Schalgehaͤusen aufhalten, ein gewisses Gefaͤß, das mit einem rothen Safte gefuͤllt ist. Dieser enthaͤlt ein sehr stark und dauerhaft faͤr- bendes Wesen, so daß man die ganzen Thiere zer- knirschen, kochen und aus dieser animalischen Bruͤhe doch noch eine hinreichend faͤrbende Feuchtigkeit heraus- nehmen konnte. Es laͤßt sich aber dieses farbgefuͤllte Gefaͤß auch von dem Thiere absondern, wodurch denn freylich ein concentrirterer Saft gewonnen wird. 641. Dieser Saft hat das Eigene, daß er, dem Licht und der Luft ausgesetzt, erst gelblich, dann gruͤnlich er- scheint, dann ins Blaue, von da ins Violette uͤber- geht, immer aber ein hoͤheres Roth annimmt, und zuletzt durch Einwirkung der Sonne, besonders wenn er auf Battist aufgetragen worden, eine reine hohe rothe Farbe annimmt. 642. Wir haͤtten also hier eine Steigerung von der Minusseite bis zur Culmination, die wir bey den un- organischen Faͤllen nicht leicht gewahr wurden; ja wir koͤnnen diese Erscheinung beynahe ein Durchwandern des ganzen Kreises nennen, und wir sind uͤberzeugt, daß durch gehoͤrige Versuche wirklich die ganze Durch- wanderung des Kreises bewirkt werden koͤnne: denn es ist wohl kein Zweifel, daß sich durch wohl ange- wendete Saͤuern der Purpur vom Culminationspuncte heruͤber nach dem Scharlach fuͤhren ließe. 643. Diese Feuchtigkeit scheint von der einen Seite mit der Begattung zusammenzuhaͤngen, ja sogar finden sich Eier, die Anfaͤnge kuͤnftiger Schalthiere, welche ein solches faͤrbendes Wesen enthalten. Von der an- dern Seite scheint aber dieser Saft auf das bey hoͤher stehenden Thieren sich entwickelnde Blut zu deuten. Denn das Blut laͤßt uns aͤhnliche Eigenschaften der Farbe sehen. In seinem verduͤnntesten Zustande er- scheint es uns gelb, verdichtet, wie es in den Adern sich befindet, roth, und zwar zeigt das arterielle Blut ein hoͤheres Roth, wahrscheinlich wegen der Saͤurung, die ihm beym Athemholen widerfaͤhrt; das venoͤse Blut geht mehr nach dem Violetten hin, und zeigt durch diese Beweglichkeit auf jenes uns genug- sam bekannte Steigern und Wandern. 644. Sprechen wir, ehe wir das Element des Was- sers verlassen, noch einiges von den Fischen, deren schuppige Oberflaͤche zu gewissen Farben oͤfters theils im Ganzen, theils streifig, theils fleckenweis specifi- cirt ist, noch oͤfter ein gewisses Farbenspiel zeigt, das auf die Verwandtschaft der Schuppen mit den Gehaͤu- sen der Schalthiere, dem Perlemutter, ja selbst der Perle hinweist. Nicht zu uͤbergehen ist hierbey, daß heißere Himmelsstriche, auch schon in das Wasser wirk- sam, die Farben der Fische hervorbringen, verschoͤ- nern und erhoͤhen. 645. Auf Otahiti bemerkte Forster Fische, deren Ober- flaͤchen sehr schoͤn spielten, besonders im Augenblick, da der Fisch starb. Man erinnre sich hierbey des Chamaͤleons und andrer aͤhnlichen Erscheinungen, wel- che dereinst zusammengestellt diese Wirkungen deutlicher erkennen lassen. 646. Noch zuletzt, obgleich außer der Reihe, ist wohl noch das Farbenspiel gewisser Molusken zu erwaͤhnen, so wie die Phosphorescenz einiger Seegeschoͤpfe, welche sich auch in Farben spielend verlieren soll. 647. Wenden wir nunmehr unsre Betrachtung auf die- jenigen Geschoͤpfe, welche dem Licht und der Luft und der trocknen Waͤrme angehoͤren; so finden wir uns freylich erst recht im lebendigen Farbenreiche. Hier erscheinen uns an trefflich organisirten Theilen die Ele- mentarfarben in ihrer groͤßten Reinheit und Schoͤnheit. Sie deuten uns aber doch, daß eben diese Geschoͤpfe noch auf einer niedern Stufe der Organisation stehen, eben weil diese Elementarfarben noch unverarbeitet bey ihnen hervortreten koͤnnen. Auch hier scheint die Hitze viel zu Ausarbeitung dieser Erscheinung beyzutragen. 648. Wir finden Insecten, welche als ganz concentrir- ter Farbenstoff anzusehen sind, worunter besonders die Coccusarten beruͤhmt sind; wobey wir zu bemer- ken nicht unterlassen, daß ihre Weise, sich an Vegeta- bilien anzusiedeln, ja in dieselben hineinzunisten, auch zugleich jene Auswuͤchse hervorbringt, welche als Bei- zen zu Befestigung der Farben so große Dienste leisten. 649. Am auffallendsten aber zeigt sich die Farbengewalt, verbunden mit regelmaͤßiger Organisation, an denjeni- gen Insecten, welche eine vollkommene Metamorphose zu ihrer Entwicklung beduͤrfen, an Kaͤfern, vorzuͤg- lich aber an Schmetterlingen. 650. Diese letztern, die man wahrhafte Ausgeburten des Lichtes und der Luft nennen koͤnnte, zeigen schon in ihrem Raupenzustand oft die schoͤnsten Farben, welche, specificirt wie sie sind, auf die kuͤnftigen Farben des Schmetterlings deuten; eine Betrachtung, die wenn sie kuͤnftig weiter verfolgt wird, gewiß in manches Geheimniß der Organisation eine erfreuliche Einsicht gewaͤhren muß. 651. Wenn wir uͤbrigens die Fluͤgel des Schmetterlings naͤher betrachten und in seinem netzartigen Gewebe die Spuren eines Armes entdecken, und ferner die Art, wie dieser gleichsam verflaͤchte Arm durch zarte Federn bedeckt und zum Organ des Fliegens bestimmt wor- den; so glauben wir ein Gesetz gewahr zu werden, wo- nach sich die große Mannigfaltigkeit der Faͤrbung rich- tet, welches kuͤnftig naͤher zu entwickeln seyn wird. 652. Daß auch uͤberhaupt die Hitze auf Groͤße des Ge- schoͤpfes, auf Ausbildung der Form, auf mehrere Herrlichkeit der Farben Einfluß habe, bedarf wohl kaum erinnert zu werden. LIII. Voͤgel . 653. Je weiter wir nun uns gegen die hoͤhern Orga- nisationen bewegen, desto mehr haben wir Ursache, fluͤchtig und voruͤbergehend, nur einiges hinzustreuen. I. 16 Denn alles, was solchen organischen Wesen natuͤrlich begegnet, ist eine Wirkung von so vielen Praͤmissen, daß ohne dieselben wenigstens angedeutet zu haben, nur etwas Unzulaͤngliches und Gewagtes ausgesprochen wird. 654. Wie wir bey den Pflanzen finden, daß ihr Hoͤhe- res, die ausgebildeten Bluͤten und Fruͤchte auf dem Stamme gleichsam gewurzelt sind, und sich von voll- kommneren Saͤften naͤhren, als ihnen die Wurzel zuerst zugebracht hat; wie wir bemerken, daß die Schmarotzerpflanzen, die das Organische als ihr Ele- ment behandeln, an Kraͤften und Eigenschaften sich ganz vorzuͤglich beweisen, so koͤnnen wir auch die Fe- dern der Voͤgel in einem gewissen Sinne mit den Pflanzen vergleichen. Die Federn entspringen als ein Letztes aus der Oberflaͤche eines Koͤrpers, der noch viel nach außen herzugeben hat, und sind deswegen sehr reich ausgestattete Organe. 655. Die Kiele erwachsen nicht allein verhaͤltnißmaͤßig zu einer ansehnlichen Groͤße, sondern sie sind durchaus geaͤstet, wodurch sie eigentlich zu Federn werden, und manche dieser Ausaͤstungen, Befiederungen sind wieder subdividirt, wodurch sie abermals an die Pflanzen erinnern. 656. Die Federn sind sehr verschieden an Form und Groͤße, aber sie bleiben immer dasselbe Organ, das sich nur nach Beschaffenheit des Koͤrpertheiles, aus welchem es entspringt, bildet und umbildet. 657. Mit der Form verwandelt sich auch die Farbe, und ein gewisses Gesetz leitet sowohl die allgemeine Faͤrbung, als auch die besondre, wie wir sie nennen moͤchten, diejenige nehmlich, wodurch die einzelne Feder scheckig wird. Dieses ist es, woraus alle Zeich- nung des bunten Gefieders entspringt, und woraus zuletzt das Pfauenauge hervorgeht. Es ist ein aͤhnli- ches mit jenem, das wir bey Gelegenheit der Meta- morphose der Pflanzen fruͤher entwickelt, und welches darzulegen wir die naͤchste Gelegenheit ergreifen werden. 658. Noͤthigen uns hier Zeit und Umstaͤnde uͤber dieses organische Gesetz hinauszugehen, so ist doch hier unsre Pflicht, der chemischen Wirkungen zu gedenken, welche sich bey Faͤrbung der Federn auf eine uns nun schon hinlaͤnglich bekannte Weise zu aͤußern pflegen. 659. Das Gefieder ist allfarbig, doch im Ganzen das gelbe, das sich zum Rothen steigert, haͤufiger als das blaue. 660. Die Einwirkung des Lichts auf die Federn und ihre Farben ist durchaus bemerklich. So ist zum Bey- spiel auf der Brust gewisser Papageyen die Feder ei- 16 * gentlich gelb. Der schuppenartig hervortretende Theil, den das Licht bescheint, ist aus dem Gelben ins Ro- the gesteigert. So sieht die Brust eines solchen Thiers hochroth aus, wenn man aber in die Federn blaͤst, erscheint das Gelbe. 661. So ist durchaus der unbedeckte Theil der Federn von dem im ruhigen Zustand bedeckten hoͤchlich unter- schieden, so daß sogar nur der unbedeckte Theil, z. B. bey Raben, bunte Farben spielt, der bedeckte aber nicht; nach welcher Anleitung man die Schwanzfe- dern, wenn sie durch einander geworfen sind, sogleich wieder zurecht legen kann. LIV. Saͤugethiere und Menschen . 662. Hier fangen die Elementarfarben an uns ganz zu verlassen. Wir sind auf der hoͤchsten Stufe, auf der wir nur fluͤchtig verweilen. 663. Das Saͤugthier steht uͤberhaupt entschieden auf der Lebensseite. Alles, was sich an ihm aͤußert, ist le- bendig. Von dem Innern sprechen wir nicht, also hier nur einiges von der Oberflaͤche. Die Haare un- terscheiden sich schon dadurch von den Federn, daß sie der Haut mehr angehoͤren, daß sie einfach, faden- artig, nicht geaͤstet sind. An den verschiedenen Thei- len des Koͤrpers sind sie aber auch, nach Art der Fe- dern, kuͤrzer, laͤnger, zarter und staͤrker, farblos oder gefaͤrbt, und dieß alles nach Gesetzen, welche sich aus- sprechen lassen. 664. Weiß und Schwarz, Gelb, Gelbroth und Braun wechseln auf mannigfaltige Weise, doch erscheinen sie niemals auf eine solche Art, daß sie uns an die Ele- mentarfarben erinnerten. Sie sind alle vielmehr ge- mischte, durch organische Kochung bezwungene Farben, und bezeichnen mehr oder weniger die Stufenhoͤhe des Wesens, dem sie angehoͤren. 665. Eine von den wichtigsten Betrachtungen der Mor- phologie, in sofern sie Oberflaͤchen beobachtet, ist diese, daß auch bey den vierfuͤßigen Thieren die Flecken der Haut auf die innern Theile, uͤber welche sie gezogen ist, einen Bezug haben. So willkuͤhrlich uͤbrigens die Natur dem fluͤchtigen Anblick hier zu wirken scheint, so consequent wird dennoch ein tiefes Gesetz beobachtet, dessen Entwicklung und Anwendung freylich nur einer genauen Sorgfalt und treuen Theilnehmung vorbe- halten ist. 666. Wenn bey Affen gewisse nackte Theile bunt, mit Elementarfarben, erscheinen, so zeigt dieß die weite Entfernung eines solchen Geschoͤpfs von der Vollkom- menheit an: denn man kann sagen, je edler ein Ge- schoͤpf ist, je mehr ist alles Stoffartige in ihm verar- beitet; je wesentlicher seine Oberflaͤche mit dem In- nern zusammenhaͤngt, desto weniger koͤnnen auf dersel- ben Elementarfarben erscheinen. Denn da, wo alles ein vollkommenes Ganzes zusammen ausmachen soll, kann sich nicht hier und da etwas Specifisches abson- dern. 667. Von dem Menschen haben wir wenig zu sagen, denn er trennt sich ganz von der allgemeinen Naturlehre los, in der wir jetzt eigentlich wandeln. Auf des Men- schen Inneres ist so viel verwandt, daß seine Oberflaͤche nur sparsamer begabt werden konnte. 668. Wenn man nimmt, daß schon unter der Haut die Thiere mit Intercutanmuskeln mehr belastet als be- guͤnstigt sind; wenn man sieht, daß gar manches Ueberfluͤssige nach außen strebt, wie zum Beyspiel die großen Ohren und Schwaͤnze, nicht weniger die Haare, Maͤhnen, Zotten: so sieht man wohl, daß die Natur vieles abzugeben und zu verschwenden hatte. 669. Dagegen ist die Oberflaͤche des Menschen glatt und rein, und laͤßt, bey den vollkommensten, außer wenigen mit Haar mehr gezierten als bedeckten Stel- len, die schoͤne Form sehen: denn im Vorbeygehen sey es gesagt, ein Ueberfluß der Haare an Brust, Ar- men, Schenkeln deutet eher auf Schwaͤche als auf Staͤrke; wie denn wahrscheinlich nur die Poeten, durch den Anlaß einer uͤbrigens starken Thiernatur ver- fuͤhrt, mit unter solche haarige Helden zu Ehren ge- bracht haben. 670. Doch haben wir hauptsaͤchlich an diesem Ort von der Farbe zu reden. Und so ist die Farbe der mensch- lichen Haut, in allen ihren Abweichungen, durchaus keine Elementarfarbe, sondern eine durch organische Kochung hoͤchst bearbeitete Erscheinung. 671. Daß die Farbe der Haut und Haare auf einen Unterschied der Charaktere deute, ist wohl keine Frage, wie wir ja schon einen bedeutenden Unterschied an blonden und braunen Menschen gewahr werden; wo- durch wir auf die Vermuthung geleitet worden, daß ein oder das andre organische System vorwaltend eine solche Verschiedenheit hervorbringe. Ein gleiches laͤßt sich wohl auf Nationen anwenden; wobey vielleicht zu bemerken waͤre, daß auch gewisse Farben mit ge- wissen Bildungen zusammentreffen, worauf wir schon durch die Mohrenphysiognomien aufmerksam geworden. 672. Uebrigens waͤre wohl hier der Ort, der Zweifler- frage zu begegnen, ob denn nicht alle Menschenbil- dung und Farbe gleich schoͤn, und nur durch Gewohn- heit und Eigenduͤnkel eine der andern vorgezogen werde. Wir getrauen uns aber in Gefolg alles dessen, was bisher vorgekommen, zu behaupten, daß der weiße Mensch, d. h. derjenige, dessen Oberflaͤche vom Wei- ßen ins Gelbliche, Braͤunliche, Roͤthliche spielt, kurz dessen Oberflaͤche am gleichguͤltigsten erscheint, am wenigsten sich zu irgend etwas Besondrem hinneigt, der schoͤnste sey. Und so wird auch wohl kuͤnftig, wenn von der Form die Rede seyn wird, ein solcher Gip- fel menschlicher Gestalt sich vor das Anschauen bringen lassen; nicht als ob diese alte Streitfrage hierdurch fuͤr immer entschieden seyn sollte: denn es gibt Men- schen genug, welche Ursache haben, diese Deutsamkeit des Aeußern in Zweifel zu setzen; sondern daß dasjenige ausgesprochen werde, was aus einer Folge von Beob- achtung und Urtheil einem Sicherheit und Beruhigung suchenden Gemuͤthe hervorspringt. Und so fuͤgen wir zum Schluß noch einige auf die elementarchemische Farbenlehre sich beziehende Betrachtungen bey. LV. Physische und chemische Wirkungen farbiger Beleuchtung . 673. Die physischen und chemischen Wirkungen farblo- ser Beleuchtung sind bekannt, so daß es hier unnoͤ- thig seyn duͤrfte, sie weitlaͤuftig aus einander zu setzen. Das farblose Licht zeigt sich unter verschiedenen Bedin- gungen, als Waͤrme erregend, als ein Leuchten ge- wissen Koͤrpern mittheilend, als auf Saͤurung und Entsaͤurung wirkend. In der Art und Staͤrke dieser Wirkungen findet sich wohl mancher Unterschied, aber keine solche Differenz, die auf einen Gegensatz hin- wiese, wie solche bey farbigen Beleuchtungen erscheint, wovon wir nunmehr kuͤrzlich Rechenschaft zu geben ge- denken. 674. Von der Wirkung farbiger Beleuchtung als Waͤrme erregend wissen wir folgendes zu sagen: An einem sehr sensiblen, sogenannten Luftthermometer beobachte man die Temperatur des dunklen Zimmers. Bringt man die Kugel darauf in das direct hereinscheinende Sonnenlicht, so ist nichts natuͤrlicher, als daß die Fluͤssigkeit einen viel hoͤhern Grad der Waͤrme anzeige. Schiebt man alsdann farbige Glaͤser vor, so folgt auch ganz natuͤrlich, daß sich der Waͤrmegrad vermindre, erstlich weil die Wirkung des directen Lichts schon durch das Glas etwas gehindert ist, sodann aber vor- zuͤglich, weil ein farbiges Glas, als ein Dunkles, ein wenigeres Licht hindurchlaͤßt. 675. Hiebey zeigt sich aber dem aufmerksamen Beobach- ter ein Unterschied der Waͤrmerregung, je nachdem diese oder jene Farbe dem Glase eigen ist. Das gelbe und gelbrothe Glas bringt eine hoͤhere Temperatur, als das blaue und blaurothe hervor, und zwar ist der Un- terschied von Bedeutung. 676. Will man diesen Versuch mit dem sogenannten prismatischen Spectrum anstellen, so bemerke man am Thermometer erst die Temperatur des Zimmers, lasse alsdann das blaufaͤrbige Licht auf die Kugel fallen; so wird ein etwas hoͤherer Waͤrmegrad angezeigt, wel- cher immer waͤchst, wenn man die uͤbrigen Farben nach und nach auf die Kugel bringt. In der gelbro- then ist die Temperatur am staͤrksten, noch staͤrker aber unter dem Gelbrothen. Macht man die Vorrichtung mit dem Wasser- prisma, so daß man das weiße Licht in der Mitte vollkommen haben kann, so ist dieses zwar gebrochne, aber noch nicht gefaͤrbte Licht das waͤrmste; die uͤbri- gen Farben verhalten sich hingegen wie vorher gesagt. 677. Da es hier nur um Andeutung, nicht aber um Ableitung und Erklaͤrung dieser Phaͤnomene zu thun ist, so bemerken wir nur im Vorbeygehen, daß sich am Spectrum unter dem Rothen keinesweges das Licht vollkommen abschneidet, sondern daß immer noch ein gebrochnes, von seinem Wege abgelenktes, sich hin- ter dem prismatischen Farbenbilde gleichsam herschlei- chendes Licht zu bemerken ist; so daß man bey naͤhe- rer Betrachtung wohl kaum noͤthig haben wird zu un- sichtbaren Strahlen und deren Brechung seine Zuflucht zu nehmen. 678. Die Mittheilung des Lichtes durch farbige Beleuch- tung zeigt dieselbige Differenz. Den Bononischen Phosphoren theilt sich das Licht mit durch blaue und violette Glaͤser, keinesweges aber durch gelbe und gelb- rothe; ja man will sogar bemerkt haben, daß die Phosphoren, welchen man durch violette und blaue Glaͤser den Gluͤhschein mitgetheilt, wenn man solche nachher unter die gelben und gelbrothen Scheiben ge- bracht, fruͤher verloͤschen, als die, welche man im dunklen Zimmer ruhig liegen laͤßt. 679. Man kann diese Versuche wie die vorhergehenden auch durch das prismatische Spectrum machen, und es zeigen sich immer dieselben Resultate. 680. Von der Wirkung farbiger Beleuchtung auf Saͤu- rung und Entsaͤurung kann man sich folgendermaßen unterrichten. Man streiche feuchtes, ganz weißes Horn- silber auf einen Papierstreifen; man lege ihn ins Licht, daß er einigermaßen grau werde und schneide ihn als- denn in drey Stuͤcke. Das eine lege man in ein Buch, als bleibendes Muster, das andre unter ein gelbrothes, das dritte unter ein blaurothes Glas. Dieses letzte Stuͤck wird immer dunkelgrauer werden und eine Entsaͤurung anzeigen. Das unter dem gelb- rothen befindliche wird immer heller grau, tritt also dem ersten Zustand vollkommnerer Saͤurung wieder naͤher. Von beyden kann man sich durch Vergleichung mit dem Musterstuͤcke uͤberzeugen. 681. Man hat auch eine schoͤne Vorrichtung gemacht, diese Versuche mit dem prismatischen Bilde anzustellen. Die Resultate sind denen bisher erwaͤhnten gemaͤß, und wir werden das naͤhere davon spaͤterhin vortragen und dabey die Arbeiten eines genauen Beobachters be- nutzen, der sich bisher mit diesen Versuchen sorgfaͤltig beschaͤftigte. LVI. Chemische Wirkung bey der dioptrischen Achromasie . 682. Zuerst ersuchen wir unsre Leser, dasjenige wieder nachzusehen, was wir oben (285—298) uͤber diese Materie vorgetragen, damit es hier keiner weitern Wie- derholung beduͤrfe. 683. Man kann also einem Glase die Eigenschaft geben, daß es, ohne viel staͤrker zu refrangiren als vorher, d. h. ohne das Bild um ein sehr merkliches weiter zu verruͤcken, dennoch viel breitere Farbensaͤume hervor- bringt. 684. Diese Eigenschaft wird dem Glase durch Metall- kalke mitgetheilt. Daher Mennige mit einem reinen Glase innig zusammengeschmolzen und vereinigt, diese Wirkung hervorbringt. Flintglas (291) ist ein solches mit Bleykalk bereitetes Glas. Auf diesem Wege ist man weiter gegangen und hat die sogenannte Spieß- glanzbutter, die sich nach einer neuern Bereitung als reine Fluͤssigkeit darstellen laͤßt, in linsenfoͤrmigen und prismatischen Gefaͤßen benutzt, und hat eine sehr starke Farbenerscheinung bey maͤßiger Refraction hervorge- bracht, und die von uns sogenannte Hyperchromasie sehr lebhaft dargestellt. 685. Bedenkt man nun, daß das gemeine Glas, we- nigstens uͤberwiegend alcalischer Natur sey, indem es vorzuͤglich aus Sand und Laugensalzen zusammenge- schmolzen wird; so moͤchte wohl eine Reihe von Ver- suchen belehrend seyn, welche das Verhaͤltniß voͤllig alcalischer Liquoren zu voͤlligen Saͤuren auseinander- setzten. 686. Waͤre nun das Maximum und Minimum gefun- den; so waͤre die Frage, ob nicht irgend ein brechend Mittel zu erdenken sey, in welchem die von der Re- fraction beynah unabhaͤngig auf- und absteigende Far- benerscheinung, bey Verruͤckung des Bildes, voͤllig Null werden koͤnnte. 687. Wie sehr wuͤnschenswerth waͤre es daher fuͤr die- sen letzten Punct sowohl, als fuͤr unsre ganze dritte Abtheilung, ja fuͤr die Farbenlehre uͤberhaupt, daß die mit Bearbeitung der Chemie, unter immer fortschrei- tenden neuen Ansichten, beschaͤftigten Maͤnner auch hier eingreifen, und das, was wir beynahe nur mit ro- hen Zuͤgen angedeutet, in das Feinere verfolgen und in einem allgemeinen, der ganzen Wissenschaft zusa- genden Sinne bearbeiten moͤchten. Vierte Abtheilung. Allgemeine Ansichten nach innen . 688. Wir haben bisher die Phaͤnomene fast gewaltsam aus einander gehalten, die sich theils ihrer Natur nach, theils dem Beduͤrfniß unsres Geistes gemaͤß, immer wieder zu vereinigen strebten. Wir haben sie, nach einer gewissen Methode, in drey Abtheilungen vorge- tragen, und die Farben zuerst bemerkt als fluͤchtige Wirkung und Gegenwirkung des Auges selbst, ferner als voruͤbergehende Wirkung farbloser, durchscheinen- der, durchsichtiger, undurchsichtiger Koͤrper auf das Licht, besonders auf das Lichtbild; endlich sind wir zu dem Puncte gelangt, wo wir sie als dauernd, als den Koͤrpern wirklich einwohnend zuversichtlich anspre- chen konnten. 689. In dieser staͤtigen Reihe haben wir, so viel es moͤglich seyn wollte, die Erscheinungen zu bestimmen, zu sondern, und zu ordnen gesucht. Jetzt, da wir nicht mehr fuͤrchten, sie zu vermischen, oder zu verwir- ren, koͤnnen wir unternehmen, erstlich das Allgemeine, was sich von diesen Erscheinungen innerhalb des ge- schlossenen Kreises praͤdiciren laͤßt, anzugeben, zweytens, anzudeuten, wie sich dieser besondre Kreis an die uͤbri- gen Glieder verwandter Naturerscheinungen anschließt und sich mit ihnen verkettet. Wie leicht die Farbe entsteht . 690. Wir haben beobachtet, daß die Farbe unter man- cherley Bedingungen sehr leicht und schnell entstehe. Die Empfindlichkeit des Auges gegen das Licht, die gesetzliche Gegenwirkung der Retina gegen dasselbe brin- gen augenblicklich ein leichtes Farbenspiel hervor. Je- des gemaͤßigte Licht kann als farbig angesehen werden, ja wir duͤrfen jedes Licht, insofern es gesehen wird, farbig nennen. Farbloses Licht, farblose Flaͤchen sind gewissermaßen Abstractionen; in der Erfahrung wer- den wir sie kaum gewahr. 691. Wenn das Licht einen farblosen Koͤrper beruͤhrt, von ihm zuruͤckprallt, an ihm her, durch ihn durch- geht, so erscheinen die Farben sogleich; nur muͤssen wir hierbey bedenken, was so oft von uns urgirt worden, daß nicht jene Hauptbedingungen der Refraction, der Reflexion u. s. w. hinreichend sind, die Erscheinung hervorzubringen. Das Licht wirkt zwar manchmal da- bey an und fuͤr sich, oͤfters aber als ein bestimmtes, begraͤnztes, als ein Lichtbild. Die Truͤbe der Mittel ist oft eine nothwendige Bedingung, so wie auch Halb- und Doppelschatten zu manchen farbigen Er- scheinungen erfordert werden. Durchaus aber entsteht die Farbe augenblicklich und mit der groͤßten Leichtig- keit. So finden wir denn auch ferner, daß durch Druck, Hauch, Rotation, Waͤrme, durch mancherley Arten von Bewegung und Veraͤnderung an glatten rei- nen Koͤrpern, so wie an farblosen Liquoren, die Farbe sogleich hervorgebracht werde. 692. In den Bestandtheilen der Koͤrper darf nur die geringste Veraͤnderung vor sich gehen, es sey nun durch Mischung mit andern, oder durch sonstige Be- stimmungen; so entsteht die Farbe an den Koͤrpern, oder veraͤndert sich an denselben. Wie energisch die Farbe sey . 693. Die physischen Farben und besonders die prisma- tischen wurden ehemals wegen ihrer besondern Herr- I. 17 lichkeit und Energie colores emphatici genannt. Bey naͤherer Betrachtung aber kann man allen Farber- scheinungen eine hohe Emphase zuschreiben; vorausge- setzt, daß sie unter den reinsten und vollkommensten Bedingungen dargestellt werden. 694. Die dunkle Natur der Farbe, ihre hohe gesaͤt- tigte Qualitaͤt ist das, wodurch sie den ernsthaften und zugleich reizenden Eindruck hervorbringt, und indem man sie als eine Bedingung des Lichtes ansehen kann, so kann sie auch das Licht nicht entbehren als der mit- wirkenden Ursache ihrer Erscheinung, als der Unterlage ihres Erscheinens, als einer aufscheinenden und die Farbe manifestirenden Gewalt. Wie entschieden die Farbe sey . 695. Entstehen der Farbe und sich entscheiden ist eins. Wenn das Licht mit einer allgemeinen Gleichguͤltigkeit sich und die Gegenstaͤnde darstellt, und uns von einer bedeutungslosen Gegenwart gewiß macht, so zeigt sich die Farbe jederzeit specifisch, charakteristisch, bedeutend. 696. Im Allgemeinen betrachtet entscheidet sie sich nach zwey Seiten. Sie stellt einen Gegensatz dar, den wir eine Polaritaͤt nennen und durch ein + und — recht gut bezeichnen koͤnnen. Plus. Minus. Gelb. Blau. Wirkung. Beraubung. Licht. Schatten. Hell. Dunkel. Kraft. Schwaͤche. Waͤrme. Kaͤlte. Naͤhe. Ferne. Abstoßen. Anziehen. Verwandtschaft Verwandtschaft mit Saͤuren. mit Alkalien. Mischung der beyden Seiten . 697. Wenn man diesen specificirten Gegensatz in sich vermischt, so heben sich die beyderseitigen Eigenschaften nicht auf; sind sie aber auf den Punct des Gleichge- wichts gebracht, daß man keine der beyden besonders erkennt, so erhaͤlt die Mischung wieder etwas Speci- fisches fuͤrs Auge, sie erscheint als eine Einheit, bey der wir an die Zusammensetzung nicht denken. Diese Einheit nennen wir Gruͤn. 698. Wenn nun zwey aus derselben Quelle entsprin- gende entgegengesetzte Phaͤnomene, indem man sie zu- 17 * sammenbringt, sich nicht aufheben, sondern sich zu ei- nem dritten angenehm Bemerkbaren verbinden; so ist dieß schon ein Phaͤnomen, das auf Uebereinstimmung hindeutet. Das Vollkommnere ist noch zuruͤck. Steigerung ins Rothe . 699. Das Blaue und Gelbe laͤßt sich nicht verdichten, ohne daß zugleich eine andre Erscheinung mit eintrete. Die Farbe ist in ihrem lichtesten Zustand ein Dunkles, wird sie verdichtet, so muß sie dunkler werden; aber zugleich erhaͤlt sie einen Schein, den wir mit dem Worte roͤthlich bezeichnen. 700. Dieser Schein waͤchst immer fort, so daß er auf der hoͤchsten Stufe der Steigerung praͤvalirt. Ein ge- waltsamer Lichteindruck klingt purpurfarben ab. Bey dem Gelbrothen der prismatischen Versuche, das un- mittelbar aus dem Gelben entspringt, denkt man kaum mehr an das Gelbe. 701. Die Steigerung entsteht schon durch farblose truͤbe Mittel, und hier sehen wir die Wirkung in ihrer hoͤch- sten Reinheit und Allgemeinheit. Farbige specificirte durchsichtige Liquoren zeigen diese Steigerung sehr auf- fallend in den Stufengefaͤßen. Diese Steigerung ist unaufhaltsam schnell und staͤtig; sie ist allgemein und kommt sowohl bey physiologischen als physischen und chemischen Farben vor. Verbindung der gesteigerten Enden. 702. Haben die Enden des einfachen Gegensatzes durch Mischung ein schoͤnes und angenehmes Phaͤnomen be- wirkt; so werden die gesteigerten Enden, wenn man sie verbindet, noch eine anmuthigere Farbe hervorbrin- gen, ja es laͤßt sich denken, daß hier der hoͤchste Punct der ganzen Erscheinung seyn werde. 703. Und so ist es auch: denn es entsteht das reine Roth, das wir oft, um seiner hohen Wuͤrde willen, den Purpur genannt haben. 704. Es gibt verschiedene Arten, wie der Purpur in der Erscheinung entsteht; durch Uebereinanderfuͤhrung des violetten Saums und gelbrothen Randes bey prisma- tischen Versuchen; durch fortgesetzte Steigerung bey chemischen; durch den organischen Gegensatz bey phy- siologischen Versuchen. 705. Als Pigment entsteht er nicht durch Mischung oder Vereinigung; sondern durch Fixirung einer Koͤrperlich- keit auf dem hohen culminirenden Farbenpuncte. Da- her der Maler Ursache hat, drey Grundfarben anzuneh- men, indem er aus diesen die uͤbrigen saͤmmtlich zu- sammensetzt. Der Physiker hingegen nimmt nur zwey Grundfarben an, aus denen er die uͤbrigen entwickelt und zusammensetzt. Vollstaͤndigkeit der mannigfalti- gen Erscheinung . 706. Die mannigfaltigen Erscheinungen auf ihren ver- schiedenen Stufen fixirt und neben einander betrachtet bringen Totalitaͤt hervor. Diese Totalitaͤt ist Harmonie fuͤrs Auge. 707. Der Farbenkreis ist vor unsern Augen entstanden, die mannigfaltigen Verhaͤltnisse des Werdens sind uns deutlich. Zwey reine urspruͤngliche Gegensaͤtze sind das Fundament des Ganzen. Es zeigt sich sodann eine Steigerung, wodurch sie sich beyde einem dritten naͤ- hern; dadurch entsteht auf jeder Seite ein Tiefstes und ein Hoͤchstes, ein Einfachstes und Bedingtestes, ein Gemeinstes und ein Edelstes. Sodann kommen zwey Vereinungen, (Vermischungen, Verbindungen, wie man es nennen will,) zur Sprache; einmal der ein- fachen anfaͤnglichen, und sodann der gesteigerten Ge- gensaͤtze. Uebereinstimmung der vollstaͤndi- gen Erscheinung . 708. Die Totalitaͤt neben einander zu sehen macht einen harmonischen Eindruck aufs Auge. Man hat hier den Unterschied zwischen dem physischen Gegensatz und der harmonischen Entgegenstellung zu bedenken. Der erste beruht auf der reinen nackten urspruͤnglichen Dualitaͤt, insofern sie als ein Getrenntes angesehen wird; die zweyte beruht auf der abgeleiteten, entwickelten und dargestellten Totalitaͤt. 709. Jede einzelne Gegeneinanderstellung, die harmonisch seyn soll, muß Totalitaͤt enthalten. Hievon werden wir durch die physiologischen Versuche belehrt. Eine Entwicklung der saͤmmtlichen moͤglichen Entgegenstellun- gen um den ganzen Farbenkreis wird naͤchstens ge- leistet. Wie leicht die Farbe von einer Seite auf die andre zu wenden . 710. Die Beweglichkeit der Farbe haben wir schon bey der Steigerung und bey der Durchwanderung des Krei- ses zu bedenken Ursache gehabt; aber auch sogar hin- uͤber und heruͤber werfen sie sich nothwendig und ge- schwind. 711. Physiologische Farben zeigen sich anders auf dunk- lem als auf hellem Grund. Bey den physikalischen ist die Verbindung des objectiven und subjectiven Versuchs hoͤchst merkwuͤrdig. Die epoptischen Farben sollen beym durchscheinenden Licht und beym aufscheinenden entge- gengesetzt seyn. Wie die chemischen Farben durch Feuer und Alcalien umzuwenden, ist seines Orts hin- laͤnglich gezeigt worden. Wie leicht die Farbe verschwindet. 712. Was seit der schnellen Erregung und ihrer Ent- scheidung bisher bedacht worden, die Mischung, die Steigerung, die Verbindung, die Trennung, so wie die harmonische Forderung, alles geschieht mit der groͤßten Schnelligkeit und Bereitwilligkeit; aber eben so schnell verschwindet auch die Farbe wieder gaͤnzlich. 713. Die physiologischen Erscheinungen sind auf keine Weise festzuhalten; die physischen dauern nur so lange, als die aͤußre Bedingung waͤhrt; die chemischen selbst haben eine große Beweglichkeit und sind durch entge- gengesetzte Reagentien heruͤber und hinuͤber zu werfen, ja sogar aufzuheben. Wie fest die Farbe bleibt . 714. Die chemischen Farben geben ein Zeugniß sehr langer Dauer. Die Farben durch Schmelzung in Glaͤ- sern fixirt, so wie durch Natur in Edelsteinen, trotzen aller Zeit und Gegenwirkung. 715. Die Faͤrberey fixirt von ihrer Seite die Farben sehr maͤchtig. Und Pigmente, welche durch Reagen- tien sonst leicht heruͤber und hinuͤbergefuͤhrt werden, lassen sich durch Beizen zur groͤßten Bestaͤndigkeit an und in Koͤrper uͤbertragen. Fuͤnfte Abtheilung. Nachbarliche Verhaͤltnisse . Verhaͤltniß zur Philosophie. 716. Man kann von dem Physiker nicht fordern, daß er Philosoph sey; aber man kann von ihm erwarten, daß er so viel philosophische Bildung habe, um sich gruͤndlich von der Welt zu unterscheiden und mit ihr wieder im hoͤhern Sinne zusammenzutreten. Er soll sich eine Methode bilden, die dem Anschauen gemaͤß ist; er soll sich huͤten, das Anschauen in Begriffe, den Begriff in Worte zu verwandeln, und mit diesen Worten, als waͤren’s Gegenstaͤnde, umzugehen und zu verfahren; er soll von den Bemuͤhungen des Philo- sophen Kenntniß haben, um die Phaͤnomene bis an die philosophische Region hinanzufuͤhren. 717. Man kann von dem Philosophen nicht verlangen, daß er Physiker sey; und dennoch ist seine Einwirkung auf den physischen Kreis so nothwendig und so wuͤn- schenswerth. Dazu bedarf er nicht des Einzelnen, son- dern nur der Einsicht in jene Endpuncte, wo das Ein- zelne zusammentrifft. 718. Wir haben fruͤher (175. ff.) dieser wichtigen Betrach- tung im Vorbeygehen erwaͤhnt, und sprechen sie hier, als am schicklichen Orte, nochmals aus. Das schlimm- ste, was der Physik, so wie mancher andern Wissen- schaft, widerfahren kann, ist, daß man das Abge- leitete fuͤr das Urspruͤngliche haͤlt, und da man das Urspruͤngliche aus Abgeleitetem nicht ableiten kann, das Urspruͤngliche aus dem Abgeleiteten zu erklaͤren sucht. Dadurch entsteht eine unendliche Verwirrung, ein Wortkram und eine fortdauernde Bemuͤhung, Aus- fluͤchte zu suchen und zu finden, wo das Wahre nur irgend hervortritt und maͤchtig werden will. 719. Indem sich der Beobachter, der Naturforscher auf diese Weise abquaͤlt, weil die Erscheinungen der Meynung jederzeit widersprechen; so kann der Philo- soph mit einem falschen Resultate in seiner Sphaͤre noch immer operiren, indem kein Resultat so falsch ist, daß es nicht, als Form ohne allen Gehalt, auf irgend eine Weise gelten koͤnnte. 720. Kann dagegen der Physiker zur Erkenntniß desje- nigen gelangen, was wir ein Urphaͤnomen genannt haben; so ist er geborgen und der Philosoph mit ihm; Er, denn er uͤberzeugt sich, daß er an die Graͤnze seiner Wissenschaft gelangt sey, daß er sich auf der empirischen Hoͤhe befinde, wo er ruͤckwaͤrts die Erfah- rung in allen ihren Stufen uͤberschauen, und vor- waͤrts in das Reich der Theorie, wo nicht eintreten, doch einblicken koͤnne. Der Philosoph ist geborgen: denn er nimmt aus des Physikers Hand ein Letztes, das bey ihm nun ein Erstes wird. Er bekuͤmmert sich nun mit Recht nicht mehr um die Erscheinung, wenn man darunter das Abgeleitete versteht, wie man es entweder schon wissenschaftlich zusammengestellt findet, oder wie es gar in empirischen Faͤllen zerstreut und verworren vor die Sinne tritt. Will er ja auch die- sen Weg durchlaufen und einen Blick ins Einzelne nicht verschmaͤhen; so thut er es mit Bequemlichkeit, an- statt daß er bey anderer Behandlung sich entweder zu lange in den Zwischenregionen aufhaͤlt, oder sie nur fluͤchtig durchstreift, ohne sie genau kennen zu lernen. 721. In diesem Sinne die Farbenlehre dem Philosophen zu naͤhern, war des Verfassers Wunsch, und wenn ihm solches in der Ausfuͤhrung selbst aus mancherley Ursa- chen nicht gelungen seyn sollte; so wird er bey Revi- sion seiner Arbeit, bey Recapitulation des Vorgetra- genen, so wie in dem polemischen und historischen Theile, dieses Ziel immer im Auge haben, und spaͤ- ter, wo manches deutlicher wird auszusprechen seyn, auf diese Betrachtung zuruͤckkehren. Verhaͤltniß zur Mathematik . 722. Man kann von dem Physiker, welcher die Na- turlehre in ihrem ganzen Umfange behandeln will, ver- langen, daß er Mathematiker sey. In den mittleren Zeiten war die Mathematik das vorzuͤglichste unter den Organen, durch welche man sich der Geheimnisse der Natur zu bemaͤchtigen hoffte; und noch ist in gewissen Theilen der Naturlehre die Meßkunst, wie billig, herrschend. 723. Der Verfasser kann sich keiner Cultur von dieser Seite ruͤhmen, und verweilt auch deshalb nur in den von der Meßkunst unabhaͤngigen Regionen, die sich in der neuern Zeit weit und breit aufgethan haben. 724. Wer bekennt nicht, daß die Mathematik, als eins der herrlichsten menschlichen Organe, der Physik von ei- ner Seite sehr vieles genutzt; daß sie aber durch falsche Anwendung ihrer Behandlungsweise dieser Wissenschaft gar manches geschadet, laͤßt sich auch nicht wohl laͤug- nen, und man findet’s, hier und da, nothduͤrftig eingestanden. 725. Die Farbenlehre besonders hat sehr viel gelitten, und ihre Fortschritte sind aͤußerst gehindert worden, daß man sie mit der uͤbrigen Optik, welche der Meß- kunst nicht entbehren kann, vermengte, da sie doch eigentlich von jener ganz abgesondert betrachtet werden kann. 726. Dazu kam noch das Uebel, daß ein großer Ma- thematiker uͤber den physischen Ursprung der Farben eine ganz falsche Vorstellung bey sich festsetzte, und durch seine großen Verdienste als Meßkuͤnstler die Feh- ler, die er als Naturforscher begangen, vor einer in Vorurtheilen stets befangnen Welt auf lange Zeit sanctionirte. 727. Der Verfasser des Gegenwaͤrtigen hat die Farben- lehre durchaus von der Mathematik entfernt zu halten gesucht, ob sich gleich gewisse Puncte deutlich genug ergeben, wo die Beyhuͤlfe der Meßkunst wuͤnschens- werth seyn wuͤrde. Waͤren die vorurtheilsfreyen Ma- thematiker, mit denen er umzugehen das Gluͤck hatte und hat, nicht durch andre Geschaͤfte abgehalten ge- wesen, um mit ihm gemeine Sache machen zu koͤnnen; so wuͤrde der Behandlung von dieser Seite einiges Verdienst nicht fehlen. Aber so mag denn auch dieser Mangel zum Vortheil gereichen, indem es nunmehr des geistreichen Mathematikers Geschaͤft werden kann, selbst aufzusuchen, wo denn die Farbenlehre seiner Huͤlfe bedarf, und wie er zur Vollendung dieses Theils der Naturwissenschaft das Seinige beytragen kann. 728. Ueberhaupt waͤre es zu wuͤnschen, daß die Deut- schen, die so vieles Gute leisten, indem sie sich das Gute fremder Nationen aneignen, sich nach und nach gewoͤhnten, in Gesellschaft zu arbeiten. Wir leben zwar in einer diesem Wunsche gerade entgegengesetzten Epoche. Jeder will nicht nur original in seinen Ansichten, son- dern auch im Gange seines Lebens und Thuns, von den Bemuͤhungen anderer unabhaͤngig, wo nicht seyn, doch daß er es sey, sich uͤberreden. Man bemerkt sehr oft, daß Maͤnner, die freylich manches geleistet, nur sich selbst, ihre eigenen Schriften, Journale und Compendien citiren; anstatt daß es fuͤr den Einzelnen und fuͤr die Welt viel vortheilhafter waͤre, wenn meh- rere zu gemeinsamer Arbeit gerufen wuͤrden. Das Be- tragen unserer Nachbarn, der Franzosen, ist hierin muster- haft, wie man z. B. in der Vorrede Cuvier’s zu sei- nem Tableau élémentaire de l’Histoire naturelle des animaux mit Vergnuͤgen sehen wird. 729. Wer die Wissenschaften und ihren Gang mit treuem Auge beobachtet hat, wird sogar die Frage aufwerfen: ob es denn vortheilhaft sey? so manche, obgleich ver- wandte, Beschaͤftigungen und Bemuͤhungen in Einer Person zu vereinigen; und ob es nicht bey der Be- schraͤnktheit der menschlichen Natur gemaͤßer sey, z. B. den aufsuchenden und findenden von dem behandeln- den und anwendenden Manne zu unterscheiden. Haben sich doch die Himmelbeobachtenden und Sternaufsuchen- den Astronomen von den Bahnberechnenden, das Ganze umfassenden und naͤher bestimmenden, in der neuern Zeit, gewissermaßen getrennt. Die Geschichte der Farbenlehre wird uns zu diesen Betrachtungen oͤf- ter zuruͤckfuͤhren. Verhaͤltniß zur Technik des Faͤrbers. 730. Sind wir bey unsern Arbeiten dem Mathematiker aus dem Wege gegangen; so haben wir dagegen ge- sucht, der Technik des Faͤrbers zu begegnen. Und ob- gleich diejenige Abtheilung, welche die Farben in che- mischer Ruͤcksicht abhandelt, nicht die vollstaͤndigste und umstaͤndlichste ist; so wird doch sowohl darin, als in dem, was wir Allgemeines von den Farben aus- gesprochen, der Faͤrber weit mehr seine Rechnung fin- den, als bey der bisherigen Theorie, die ihn ohne allen Trost ließ. 731. Merkwuͤrdig ist es, in diesem Sinne die Anleitun- gen zur Faͤrbekunst zu betrachten. Wie der katholische Christ, wenn er in seinen Tempel tritt, sich mit Weih- wasser besprengt und vor dem Hochwuͤrdigen die Kniee beugt und vielleicht alsdann, ohne sonderliche Andacht, seine Angelegenheiten mit Freunden bespricht, oder Lie- besabenteuern nachgeht; so fangen die saͤmmtlichen Faͤrbelehren mit einer respectvollen Erwaͤhnung der Theorie geziemend an, ohne daß sich auch nachher nur eine Spur faͤnde, daß etwas aus dieser Theorie herfloͤsse, daß diese Theorie irgend etwas erleuchte, erlaͤutere und zu praktischen Handgriffen irgend einen Vortheil gewaͤhre. 732. Dagegen finden sich Maͤnner, welche den Um- fang des praktischen Faͤrbewesens wohl eingesehen, in dem Falle sich mit der herkoͤmmlichen Theorie zu ent- zweyen, ihre Bloͤßen mehr oder weniger zu entdecken, und ein der Natur und Erfahrung gemaͤßeres Allge- meines aufzusuchen. Wenn uns in der Geschichte die Namen Castel und Guͤlich begegnen, so werden wir hieruͤber weitlaͤuftiger zu handeln Ursache haben; wo- bey sich zugleich Gelegenheit finden wird zu zeigen, wie eine fortgesetzte Empirie, indem sie in allem Zufaͤlligen umhergreift, den Kreis, in den sie gebannt ist, wirk- lich auslaͤuft und sich als ein hohes Vollendetes dem Theoretiker, wenn er klare Augen und ein redliches I. 18 Gemuͤth hat, zu seiner großen Bequemlichkeit uͤberlie fert. Verhaͤltniß zur Physiologie und Pathologie. 733. Wenn wir in der Abtheilung, welche die Farben in physiologischer und pathologischer Ruͤcksicht betrach- tet, fast nur allgemein bekannte Phaͤnomene uͤberlie- fert; so werden dagegen einige neue Ansichten dem Physiologen nicht unwillkommen seyn. Besonders hof- fen wir seine Zufriedenheit dadurch erreicht zu haben, daß wir gewisse Phaͤnomene, welche isolirt standen, zu ihren aͤhnlichen und gleichen gebracht und ihm da- durch gewissermaßen vorgearbeitet haben. 734. Was den pathologischen Anhang betrifft, so ist er freylich unzulaͤnglich und incohaͤrent. Wir besitzen aber die vortrefflichsten Maͤnner, die nicht allein in diesem Fache hoͤchst erfahren und kenntnißreich sind; sondern auch zugleich wegen eines so gebildeten Geistes verehrt werden, daß es ihnen wenig Muͤhe machen kann, diese Rubriken umzuschreiben, und das, was ich ange- deutet, vollstaͤndig auszufuͤhren und zugleich an die hoͤheren Einsichten in den Organismus anzuschließen. Verhaͤltniß zur Naturgeschichte. 735. Insofern wir hoffen koͤnnen, daß die Naturge- schichte auch nach und nach sich in eine Ableitung der Naturerscheinungen aus hoͤhern Phaͤnomenen umbilden wird, so glaubt der Verfasser auch hierzu einiges an- gedeutet und vorbereitet zu haben. Indem die Farbe in ihrer groͤßten Mannigfaltigkeit sich auf der Ober- flaͤche lebendiger Wesen dem Auge darstellt, so ist sie ein wichtiger Theil der aͤußeren Zeichen, wodurch wir gewahr werden, was im Innern vorgeht. 736. Zwar ist ihr von einer Seite, wegen ihrer Un- bestimmtheit und Versatilitaͤt nicht allzu viel zu trauen; doch wird eben diese Beweglichkeit, insofern sie sich uns als eine constante Erscheinung zeigt, wieder ein Kriterion des beweglichen Lebens; und der Verfasser wuͤnscht nichts mehr, als daß ihm Frist gegoͤnnt sey, das, was er hieruͤber wahrgenommen, in einer Folge, zu der hier der Ort nicht war, weitlaͤuftiger ausein- ander zu setzen. 18 * Verhaͤltniß zur allgemeinen Physik. 737. Der Zustand, in welchem sich die allgemeine Physik gegenwaͤrtig befindet, scheint auch unserer Arbeit be- sonders guͤnstig, indem die Naturlehre durch rastlose, mannigfaltige Behandlung sich nach und nach zu einer solchen Hoͤhe erhoben hat, daß es nicht unmoͤglich scheint, die graͤnzenlose Empirie an einen methodischen Mittelpunct heranzuziehen. 738. Dessen, was zu weit von unserm besondern Kreise abliegt, nicht zu gedenken, so finden sich die For- meln, durch die man die elementaren Naturerschei- nungen, wo nicht dogmatisch, doch wenigstens zum didaktischen Behufe ausspricht, durchaus auf dem Wege, daß man sieht, man werde durch die Uebereinstimmung der Zeichen bald auch nothwendig zur Uebereinstimmung im Sinne gelangen. 739. Treue Beobachter der Natur, wenn sie auch sonst noch so verschieden denken, werden doch darin mit einander uͤbereinkommen, daß alles, was erscheinen, was uns als ein Phaͤnomen begegnen solle, muͤsse ent- weder eine urspruͤngliche Entzweyung, die einer Ver- einigung faͤhig ist, oder eine urspruͤngliche Einheit, die zur Entzweyung gelangen koͤnne, andeuten, und sich auf eine solche Weise darstellen. Das Geeinte zu entzweyen, das Entzweyte zu einigen, ist das Leben der Natur; dieß ist die ewige Systole und Diastole, die ewige Synkrisis und Diakrisis, das Ein- und Ausathmen der Welt, in der wir leben, weben und sind. 740. Daß dasjenige, was wir hier als Zahl, als Eins und Zwey aussprechen, ein hoͤheres Geschaͤft sey, ver- steht sich von selbst; so wie die Erscheinung eines Drit- ten, Vierten sich ferner entwickelnden immer in einem hoͤhern Sinne zu nehmen, besonders aber allen diesen Ausdruͤcken eine echte Anschauung unterzulegen ist. 741. Das Eisen kennen wir als einen besondern von andern unterschiedenen Koͤrper; aber es ist ein gleich- guͤltiges, uns nur in manchem Bezug und zu man- chem Gebrauch merkwuͤrdiges Wesen. Wie wenig aber bedarf es, und die Gleichguͤltigkeit dieses Koͤrpers ist aufgehoben. Eine Entzweyung geht vor, die, indem sie sich wieder zu vereinigen strebt und sich selbst auf- sucht, einen gleichsam magischen Bezug auf ihres Gleichen gewinnt, und diese Entzweyung, die doch nur wieder eine Vereinigung ist, durch ihr ganzes Geschlecht fortsetzt. Hier kennen wir das gleichguͤltige Wesen, das Eisen; wir sehen die Entzweyung an ihm entstehen, sich fortpflanzen und verschwinden, und sich leicht wieder aufs neue erregen: nach unserer Meynung ein Urphaͤnomen, das unmittelbar an der Idee steht und nichts Irdisches uͤber sich erkennt. 742. Mit der Electricitaͤt verhaͤlt es sich wieder auf eine eigne Weise. Das Electrische, als ein Gleich- guͤltiges, kennen wir nicht. Es ist fuͤr uns ein Nichts, ein Null, ein Nullpunct, ein Gleichguͤltigkeitspunct, der aber in allen erscheinenden Wesen liegt, und zu- gleich der Quellpunct ist, aus dem bey dem gering- sten Anlaß eine Doppelerscheinung hervortritt, welche nur insofern erscheint, als sie wieder verschwindet. Die Bedingungen, unter welchen jenes Hervortreten erregt wird, sind, nach Beschaffenheit der besondern Koͤrper, unendlich verschieden. Von dem groͤbsten mechanischen Reiben sehr unterschiedener Koͤrper an ein- ander bis zu dem leisesten Nebeneinanderseyn zweyer voͤllig gleichen, nur durch weniger als einen Hauch anders determinirten Koͤrper, ist die Erscheinung rege und gegenwaͤrtig, ja auffallend und maͤchtig, und zwar dergestalt bestimmt und geeignet, daß wir die Formeln der Polaritaͤt, des Plus und Minus, als Nord und Suͤd, als Glas und Harz, schicklich und naturgemaͤß anwenden. 743. Diese Erscheinung, ob sie gleich der Oberflaͤche besonders folgt, ist doch keinesweges oberflaͤchlich. Sie wirkt auf die Bestimmung koͤrperlicher Eigenschaften, und schließt sich an die große Doppelerscheinung, welche sich in der Chemie so herrschend zeigt, an Oxydation und Desoxydation unmittelbar wirkend an. 744. In diese Reihe, in diesen Kreis, in diesen Kranz von Phaͤnomenen auch die Erscheinungen der Farbe heranzubringen und einzuschließen, war das Ziel unseres Bestrebens. Was uns nicht gelungen ist, werden an- dre leisten. Wir fanden einen uranfaͤnglichen unge- heuren Gegensatz von Licht und Finsterniß, den man allgemeiner durch Licht und Nichtlicht ausdruͤcken kann; wir suchten denselben zu vermitteln und dadurch die sichtbare Welt aus Licht, Schatten und Farbe herauszu- bilden, wobey wir uns zu Entwickelung der Phaͤno- mene verschiedener Formeln bedienten, wie sie uns in der Lehre des Magnetismus, der Electricitaͤt, des Chemismus uͤberliefert werden. Wir mußten aber wei- ter gehen, weil wir uns in einer hoͤhern Region be- fanden und mannigfaltigere Verhaͤltnisse auszudruͤcken hatten. 745. Wenn sich Electricitaͤt und Galvanitaͤt in ihrer All- gemeinheit von dem Besondern der magnetischen Erschei- nungen abtrennt und erhebt; so kann man sagen, daß die Farbe, obgleich unter eben den Gesetzen stehend, sich doch viel hoͤher erhebe und, indem sie fuͤr den edlen Sinn des Auges wirksam ist, auch ihre Natur zu ihrem Vortheile darthue. Man vergleiche das Man- nigfaltige, das aus einer Steigerung des Gelben und Blauen zum Rothen, aus der Verknuͤpfung dieser beyden hoͤheren Enden zum Purpur, aus der Ver- mischung der beyden niedern Enden zum Gruͤn ent- steht. Welch ein ungleich mannigfaltigeres Schema entspringt hier nicht, als dasjenige ist, worin sich Magnetismus und Electricitaͤt begreifen lassen. Auch stehen diese letzteren Erscheinungen auf einer niedern Stufe, so daß sie zwar die allgemeine Welt durch- dringen und beleben, sich aber zum Menschen im hoͤ- heren Sinne nicht heraufbegeben koͤnnen, um von ihm aͤsthetisch benutzt zu werden. Das allgemeine ein- fache physische Schema muß erst in sich selbst erhoͤht und vermannigfaltigt werden, um zu hoͤheren Zwecken zu dienen. 746. Man rufe in diesem Sinne zuruͤck, was durch- aus von uns bisher sowohl im Allgemeinen als Beson- dern von der Farbe praͤdicirt worden, und man wird sich selbst dasjenige, was hier nur leicht angedeutet ist, ausfuͤhren und entwickeln. Man wird dem Wissen, der Wissenschaft, dem Handwerk und der Kunst Gluͤck wuͤnschen, wenn es moͤglich waͤre, das schoͤne Kapi- tel der Farbenlehre aus seiner atomistischen Beschraͤnkt- heit und Abgesondertheit, in die es bisher verwiesen, dem allgemeinen dynamischen Flusse des Lebens und Wirkens wieder zu geben, dessen sich die jetzige Zeit erfreut. Diese Empfindungen werden bey uns noch leb- hafter werden, wenn uns die Geschichte so manchen wak- kern und einsichtsvollen Mann vorfuͤhren wird, dem es nicht gelang, von seinen Ueberzeugungen seine Zeit- genossen zu durchdringen. Verhaͤltniß zur Tonlehre . 747. Ehe wir nunmehr zu den sinnlich-sittlichen und daraus entspringenden aͤsthetischen Wirkungen der Farbe uͤbergehen, ist es der Ort, auch von ihrem Verhaͤlt- nisse zu dem Ton einiges zu sagen. Daß ein gewisses Verhaͤltniß der Farbe zum Ton statt finde, hat man von jeher gefuͤhlt, wie die oͤftern Vergleichungen, welche theils voruͤbergehend, theils umstaͤndlich genug angestellt worden, beweisen. Der Fehler, den man hiebey begangen, beruhet nur auf folgendem. 748. Vergleichen lassen sich Farbe und Ton unter einan- der auf keine Weise; aber beyde lassen sich auf eine hoͤhere Formel beziehen, aus einer hoͤhern Formel beyde, jedoch jedes fuͤr sich, ableiten. Wie zwey Fluͤsse, die auf einem Berge entspringen, aber unter ganz verschiedenen Bedingungen in zwey ganz entge- gengesetzte Weltgegenden laufen, so daß auf dem bey- derseitigen ganzen Wege keine einzelne Stelle der an- dern verglichen werden kann; so sind auch Farbe und Ton. Beyde sind allgemeine elementare Wirkungen nach dem allgemeinen Gesetz des Trennens und Zusam- menstrebens, des Auf- und Abschwankens, des Hin- und wiederwaͤgens wirkend, doch nach ganz verschiede- nen Seiten, auf verschiedene Weise, auf verschiedene Zwischenelemente, fuͤr verschiedene Sinne. 749. Moͤchte Jemand die Art und Weise, wie wir die Far- benlehre an die allgemeine Naturlehre angeknuͤpft, recht fassen, und dasjenige, was uns entgangen und abge- gangen durch Gluͤck und Genialitaͤt ersetzen; so wuͤrde die Tonlehre, nach unserer Ueberzeugung, an die allge- meine Physik vollkommen anzuschließen seyn, da sie jetzt innerhalb derselben gleichsam nur historisch abge- sondert steht. 750. Aber eben darin laͤge die groͤßte Schwierigkeit, die fuͤr uns gewordene positive, auf seltsamen empi- rischen, zufaͤlligen, mathematischen, aͤsthetischen, genia- lischen Wegen entsprungene Musik zu Gunsten einer physikalischen Behandlung zu zerstoͤren und in ihre er- sten physischen Elemente aufzuloͤsen. Vielleicht waͤre auch hierzu, auf dem Puncte, wo Wissenschaft und Kunst sich befinden, nach so manchen schoͤnen Vorar- beiten, Zeit und Gelegenheit. Schlußbetrachtung uͤber Sprache und Terminologie . 751. Man bedenkt niemals genug, daß eine Sprache eigentlich nur symbolisch, nur bildlich sey und die Ge- genstaͤnde niemals unmittelbar, sondern nur im Wider- scheine ausdruͤcke. Dieses ist besonders der Fall, wenn von Wesen die Rede ist, welche an die Erfahrung nur herantreten und die man mehr Thaͤtigkeiten als Gegenstaͤnde nennen kann, dergleichen im Reiche der Naturlehre immerfort in Bewegung sind. Sie lassen sich nicht festhalten, und doch soll man von ihnen re- den; man sucht daher alle Arten von Formeln auf, um ihnen wenigstens gleichnißweise beyzukommen. 752. Metaphysische Formeln haben eine große Breite und Tiefe, jedoch sie wuͤrdig auszufuͤllen, wird ein rei- cher Gehalt erfordert, sonst bleiben sie hohl. Mathema- tische Formeln lassen sich in vielen Faͤllen sehr bequem und gluͤcklich anwenden; aber es bleibt ihnen immer etwas steifes und ungelenkes, und wir fuͤhlen bald ihre Unzulaͤnglichkeit, weil wir, selbst in Elementar- faͤllen, sehr fruͤh ein Incommensurables gewahr wer- den; ferner sind sie auch nur innerhalb eines gewissen Kreises besonders hiezu gebildeter Geister verstaͤndlich. Mechanische Formeln sprechen mehr zu dem gemeinen Sinn, aber sie sind auch gemeiner, und behalten immer etwas Rohes. Sie verwandlen das Lebendige in ein Todtes; sie toͤdten das innre Leben, um von außen ein unzulaͤngliches heranzubringen. Corpuscular- Formeln sind ihnen nahe verwandt; das Bewegliche wird starr durch sie, Vorstellung und Ausdruck unge- schlacht. Dagegen erscheinen die moralischen Formeln, welche freylich zartere Verhaͤltnisse ausdruͤcken, als bloße Gleichnisse und verlieren sich denn auch wohl zu- letzt in Spiele des Witzes. 753. Koͤnnte man sich jedoch aller dieser Arten der Vor- stellung und des Ausdrucks mit Bewußtseyn bedienen, und in einer mannigfaltigen Sprache seine Betrachtun- gen uͤber Naturphaͤnomene uͤberliefern; hielte man sich von Einseitigkeit frey, und faßte einen lebendigen Sinn in einen lebendigen Ausdruck, so ließe sich man- ches Erfreuliche mittheilen. 754. Jedoch wie schwer ist es, das Zeichen nicht an die Stelle der Sache zu setzen, das Wesen immer le- bendig vor sich zu haben und es nicht durch das Wort zu toͤdten. Dabey sind wir in den neuern Zeiten in eine noch groͤßere Gefahr gerathen, indem wir aus allem Erkenn- und Wißbaren Ausdruͤcke und Termino- logien heruͤbergenommen haben, um unsre Anschauun- gen der einfacheren Natur auszudruͤcken. Astronomie, Kosmologie, Geologie, Naturgeschichte, ja Religion und Mystik werden zu Huͤlfe gerufen; und wie oft wird nicht das Allgemeine durch ein Besonderes, das Elementare durch ein Abgeleitetes mehr zugedeckt, und verdunkelt, als aufgehellt und naͤher gebracht. Wir kennen das Beduͤrfniß recht gut, wodurch eine solche Sprache entstanden ist und sich ausbreitet; wir wissen auch, daß sie sich in einem gewissen Sinne unent- behrlich macht: allein nur ein maͤßiger, anspruchs- loser Gebrauch mit Ueberzeugung und Bewußtseyn kann Vortheil bringen. 755. Am wuͤnschenswerthesten waͤre jedoch, daß man die Sprache, wodurch man die Einzelnheiten eines gewissen Kreises bezeichnen will, aus dem Kreise selbst naͤhme; die einfachste Erscheinung als Grundformel behandelte, und die mannigfaltigern von daher ableitete und entwickelte. 756. Die Nothwendigkeit und Schicklichkeit einer sol- chen Zeichensprache, wo das Grundzeichen die Er- scheinung selbst ausdruͤckt, hat man recht gut gefuͤhlt, indem man die Formel der Polaritaͤt, dem Magneten abgeborgt, auf Electricitaͤt u. s. w. hinuͤber gefuͤhrt hat. Das Plus und Minus, was an dessen Stelle gesetzt werden kann, hat bey so vielen Phaͤnomenen eine schickliche Anwendung gefunden; ja der Tonkuͤnstler ist, wahrscheinlich ohne sich um jene andern Faͤcher zu bekuͤmmern, durch die Natur veranlaßt worden, die Haupt-Differenz der Tonarten durch Majeur und Mineur auszudruͤcken. 757. So haben auch wir seit langer Zeit den Ausdruck der Polaritaͤt in die Farbenlehre einzufuͤhren gewuͤnscht; mit welchem Rechte und in welchem Sinne, mag die gegenwaͤrtige Arbeit ausweisen. Vielleicht finden wir kuͤnftig Raum, durch eine solche Behandlung und Symbolik, welche ihr Anschauen jederzeit mit sich fuͤh- ren muͤßte, die elementaren Naturphaͤnomene nach unsrer Weise an einander zu knuͤpfen, und dadurch dasjenige deutlicher zu machen, was hier nur im Allge- meinen, und vielleicht nicht bestimmt genug ausge- sprochen worden. Sechste Abtheilung. Sinnlich-sittliche Wirkung der Farbe . 758. Da die Farbe in der Reihe der uranfaͤnglichen Naturerscheinungen einen so hohen Platz behauptet, in- dem sie den ihr angewiesenen einfachen Kreis mit ent- schiedener Mannigfaltigkeit ausfuͤllt; so werden wir uns nicht wundern, wenn wir erfahren, daß sie auf den Sinn des Auges, dem sie vorzuͤglich zugeeignet ist, und durch dessen Vermittelung, auf das Gemuͤth, in ihren allgemeinsten elementaren Erscheinungen, ohne Bezug auf Beschaffenheit oder Form eines Materials, an dessen Oberflaͤche wir sie gewahr werden, einzeln eine specifische, in Zusammenstellung eine theils har- monische, theils charakteristische, oft auch unharmo- nische, immer aber eine entschiedene und bedeutende Wirkung hervorbringe, die sich unmittelbar an das Sittliche anschließt. Deshalb denn Farbe, als ein Element der Kunst betrachtet, zu den hoͤchsten aͤstheti- schen Zwecken mitwirkend genutzt werden kann. 759. Die Menschen empfinden im Allgemeinen eine große Freude an der Farbe. Das Auge bedarf ihrer, wie es des Lichtes bedarf. Man erinnre sich der Erquik- kung, wenn an einem truͤben Tage die Sonne auf einen einzelnen Theil der Gegend scheint und die Far- ben daselbst sichtbar macht. Daß man den farbigen Edelsteinen Heilkraͤfte zuschrieb, mag aus dem tiefen Gefuͤhl dieses unaussprechlichen Behagens entstanden seyn. 760. Die Farben, die wir an den Koͤrpern erblicken, sind nicht etwa dem Auge ein voͤllig Fremdes, wo- durch es erst zu dieser Empfindung gleichsam gestem- pelt wuͤrde; Nein. Dieses Organ ist immer in der Disposition, selbst Farben hervorzubringen, und genießt einer angenehmen Empfindung, wenn etwas der eig- nen Natur gemaͤßes ihm von außen gebracht wird; wenn seine Bestimmbarkeit nach einer gewissen Seite hin bedeutend bestimmt wird. 761. Aus der Idee des Gegensatzes der Erscheinung, aus der Kenntniß, die wir von den besondern Bestim- mungen desselben erlangt haben, koͤnnen wir schließen, daß die einzelnen Farbeindruͤcke nicht verwechselt wer- den koͤnnen, daß sie specifiisch wirken, und entschie- den specifische Zustaͤnde in dem lebendigen Organ her- vorbringen muͤssen. 762. Eben auch so in dem Gemuͤth. Die Erfahrung lehrt uns, daß die einzelnen Farben besondre Ge- muͤthsstimmungen geben. Von einem geistreichen Fran- zosen wird erzaͤhlt: Il prétendoit que son ton de conversation avec Madame étoit changé depuis qu’elle avoit changé en cramoisi le meuble de son cabinet qui étoit bleu. 763. Diese einzelnen bedeutenden Wirkungen vollkom- men zu empfinden, muß man das Auge ganz mit ei- ner Farbe umgeben, z. B. in einem einfarbigen Zim- mer sich befinden, durch ein farbiges Glas sehen. Man identificirt sich alsdann mit der Farbe; sie stimmt Auge und Geist mit sich unisono. 764. Die Farben von der Plusseite sind Gelb, Roth- gelb (Orange), Gelbroth (Mennig, Zinnober). Sie stimmen regsam, lebhaft, strebend. I. 19 Gelb . 765. Es ist die naͤchste Farbe am Licht. Sie entsteht durch die gelindeste Maͤßigung desselben, es sey durch truͤbe Mittel, oder durch schwache Zuruͤckwerfung von weißen Flaͤchen. Bey den prismatischen Versuchen er- streckt sie sich allein breit in den lichten Raum, und kann dort, wenn die beyden Pole noch abgesondert von einander stehen, ehe sie sich mit dem Blauen zum Gruͤnen vermischt, in ihrer schoͤnsten Reinheit gesehen werden. Wie das chemische Gelb sich an und uͤber dem Weißen entwickelt, ist gehoͤrigen Orts um- staͤndlich vorgetragen worden. 766. Sie fuͤhrt in ihrer hoͤchsten Reinheit immer die Natur des Hellen mit sich, und besitzt eine heitere, muntere, sanft reizende Eigenschaft. 767. In diesem Grade ist sie als Umgebung, es sey als Kleid, Vorhang, Tapete, angenehm. Das Gold in seinem ganz ungemischten Zustande gibt uns, be- sonders wenn der Glanz hinzukommt, einen neuen und hohen Begriff von dieser Farbe; so wie ein star- kes Gelb, wenn es auf glaͤnzender Seide, z. B. auf Atlas erscheint, eine praͤchtige und edle Wirkung thut. 768. So ist es der Erfahrung gemaͤß, daß das Gelbe einen durchaus warmen und behaglichen Eindruck mache. Daher es auch in der Malerey der beleuchte- ten und wirksamen Seite zukommt. 769. Diesen erwaͤrmenden Effect kann man am lebhaf- testen bemerken, wenn man durch ein gelbes Glas, besonders in grauen Wintertagen, eine Landschaft an- sieht. Das Auge wird erfreut, das Herz ausgedehnt, das Gemuͤth erheitert; eine unmittelbare Waͤrme scheint uns anzuwehen. 770. Wenn nun diese Farbe, in ihrer Reinheit und hellem Zustande angenehm und erfreulich, in ihrer gan- zen Kraft aber etwas Heiteres und Edles hat; so ist sie dagegen aͤußerst empfindlich und macht eine sehr un- angenehme Wirkung, wenn sie beschmutzt, oder einiger- maßen ins Minus gezogen wird. So hat die Farbe des Schwefels, die ins Gruͤne faͤllt, etwas Unange- nehmes. 771. Wenn die gelbe Farbe unreinen und unedlen Ober- flaͤchen mitgetheilt wird, wie dem gemeinen Tuch, dem Filz und dergleichen, worauf sie nicht mit ganzer 19 * Energie erscheint, entsteht eine solche unangenehme Wirkung. Durch eine geringe und unmerkliche Bewe- gung wird der schoͤne Eindruck des Feuers und Gol- des in die Empfindung des Kothigen verwandelt, und die Farbe der Ehre und Wonne zur Farbe der Schande, des Abscheu’s und Mißbehagens umgekehrt. Daher moͤgen die gelben Huͤte der Bankerottirer, die gelben Ringe auf den Maͤnteln der Juden entstanden seyn; ja die sogenannte Hahnreihfarbe ist eigentlich nur ein schmutziges Gelb. Rothgelb . 772. Da sich keine Farbe als stillstehend betrachten laͤßt, so kann man das Gelbe sehr leicht durch Verdichtung und Verdunklung ins Roͤthliche steigern und erheben. Die Farbe waͤchst an Energie und erscheint im Roth- gelben maͤchtiger und herrlicher. 773. Alles was wir vom Gelben gesagt haben, gilt auch hier, nur im hoͤheren Grade. Das Rothgelbe gibt eigentlich dem Auge das Gefuͤhl von Waͤrme und Wonne, indem es die Farbe der hoͤhern Glut, so wie den mildern Abglanz der untergehenden Sonne repraͤsentirt. Deswegen ist sie auch bey Umgebungen angenehm, und als Kleidung in mehr oder minderm Grade erfreulich oder herrlich. Ein kleiner Blick ins Rothe gibt dem Gelben gleich ein ander Ansehn; und wenn Englaͤnder und Deutsche sich noch an blaßgelben hellen Lederfarben genuͤgen lassen, so liebt der Fran- zose, wie Pater Castel schon bemerkt, das ins Roth gesteigerte Gelb; wie ihn uͤberhaupt an Farben alles freut, was sich auf der activen Seite befindet. Gelbroth . 774. Wie das reine Gelb sehr leicht in das Rothgelbe hinuͤbergeht, so ist die Steigerung dieses letzten ins Gelbrothe nicht aufzuhalten. Das angenehme heitre Gefuͤhl, das uns das Rothgelbe noch gewaͤhrt, stei- gert sich bis zum unertraͤglich Gewaltsamen im hohen Gelbrothen. 775. Die active Seite ist hier in ihrer hoͤchsten Energie, und es ist kein Wunder, daß energische, gesunde, rohe Menschen sich besonders an dieser Farbe erfreuen. Man hat die Neigung zu derselben bey wilden Voͤlkern durchaus bemerkt. Und wenn Kinder, sich selbst uͤber- lassen, zu illuminiren anfangen, so werden sie Zin- nober und Mennig nicht schonen. 776. Man darf eine vollkommen gelbrothe Flaͤche starr ansehen, so scheint sich die Farbe wirklich ins Organ zu bohren. Sie bringt eine unglaubliche Erschuͤtterung hervor und behaͤlt diese Wirkung bey einem ziemlichen Grade von Dunkelheit. Die Erscheinung eines gelbrothen Tuches beunru- higt und erzuͤrnt die Thiere. Auch habe ich gebildete Menschen gekannt, denen es unertraͤglich fiel, wenn ihnen an einem sonst grauen Tage Jemand im Schar- lachrock begegnete. 777. Die Farben von der Minusseite sind Blau, Roth- blau, und Blauroth. Sie stimmen zu einer unruhi- gen, weichen und sehnenden Empfindung. Blau . 778. So wie Gelb immer ein Licht mit sich fuͤhrt, so kann man sagen, daß Blau immer etwas Dunkles mit sich fuͤhre. 779. Diese Farbe macht fuͤr das Auge eine sonderbare und fast unaussprechliche Wirkung. Sie ist als Farbe eine Energie; allein sie steht auf der negativen Seit- und ist in ihrer hoͤchsten Reinheit gleichsam ein reizen- des Nichts. Es ist etwas Widersprechendes von Reiz und Ruhe im Anblick. 780. Wie wir den hohen Himmel, die fernen Berge blau sehen, so scheint eine blaue Flaͤche auch vor uns zuruͤckzuweichen. 781. Wie wir einen angenehmen Gegenstand, der vor uns flieht, gern verfolgen, so sehen wir das Blaue gern an, nicht weil es auf uns dringt, sondern weil es uns nach sich zieht. 782. Das Blaue gibt uns ein Gefuͤhl von Kaͤlte, so wie es uns auch an Schatten erinnert. Wie es vom Schwarzen abgeleitet sey, ist uns bekannt. 783. Zimmer, die rein blau austapezirt sind, erscheinen gewissermaßen weit, aber eigentlich leer und kalt. 784. Blaues Glas zeigt die Gegenstaͤnde im traurigen Licht. 785. Es ist nicht unangenehm, wenn das Blau einiger- maßen vom Plus participirt. Das Meergruͤn ist viel- mehr eine liebliche Farbe. Rothblau . 786. Wie wir das Gelbe sehr bald in einer Steigerung gefunden haben, so bemerken wir auch bey dem Blauen dieselbe Eigenschaft. 787. Das Blaue steigert sich sehr sanft ins Rothe und erhaͤlt dadurch etwas Wirksames, ob es sich gleich auf der passiven Seite befindet. Sein Reiz ist aber von ganz andrer Art, als der des Rothgelben. Er belebt nicht sowohl, als daß er unruhig macht. 788. So wie die Steigerung selbst unaufhaltsam ist, so wuͤnscht man auch mit dieser Farbe immer fortzu- gehen, nicht aber, wie beym Rothgelben, immer thaͤtig vorwaͤrts zu schreiten, sondern einen Punct zu finden, wo man ausruhen koͤnnte. 789. Sehr verduͤnnt kennen wir die Farbe unter dem Namen Lila; aber auch so hat sie etwas Lebhaftes ohne Froͤhlichkeit. Blauroth . 790. Jene Unruhe nimmt bey der weiter schreitenden Steigerung zu, und man kann wohl behaupten, daß eine Tapete von einem ganz reinen gesaͤttigten Blau- roth eine Art von unertraͤglicher Gegenwart seyn muͤsse. Deswegen es auch, wenn es als Kleidung, Band, oder sonstiger Zierath vorkommt, sehr verduͤnnt und hell angewendet wird; da es denn seiner bezeichneten Natur nach einen ganz besondern Reiz ausuͤbt. 791. Indem die hohe Geistlichkeit diese unruhige Farbe sich angeeignet hat; so duͤrfte man wohl sagen, daß sie auf den unruhigen Staffeln einer immer vordrin- genden Steigerung unaufhaltsam zu dem Cardinalpur- pur hinaufstrebe. Roth . 792. Man entferne bey dieser Benennung alles, was im Rothen einen Eindruck von Gelb oder Blau machen koͤnnte. Man denke sich ein ganz reines Roth, einen vollkommenen, auf einer weißen Porzellanschale auf- getrockneten Carmin. Wir haben diese Farbe, ihrer hohen Wuͤrde wegen, manchmal Purpur genannt, ob wir gleich wohl wissen, daß der Purpur der Alten sich mehr nach der blauen Seite hinzog. 793. Wer die prismatische Entstehung des Purpurs kennt, der wird nicht paradox finden, wenn wir be- haupten, daß diese Farbe theils actu, theils potentia alle andern Farben enthalte. 794. Wenn wir beym Gelben und Blauen eine stre- bende Steigerung ins Rothe gesehen und dabey unsre Gefuͤhle bemerkt haben; so laͤßt sich denken, daß nun in der Vereinigung der gesteigerten Pole eine eigent- liche Beruhigung, die wir eine ideale Befriedigung nennen moͤchten, statt finden koͤnne. Und so entsteht, bey physischen Phaͤnomenen, diese hoͤchste aller Far- benerscheinungen aus dem Zusammentreten zweyer entge- gengesetzten Enden, die sich zu einer Vereinigung nach und nach selbst vorbereitet haben. 795. Als Pigment hingegen erscheint sie uns als ein Fertiges und als das vollkommenste Roth in der Co- chenille; welches Material jedoch durch chemische Be- handlung bald ins Plus, bald ins Minus zu fuͤhren ist, und allenfalls im besten Carmin als voͤllig im Gleichgewicht stehend angesehen werden kann. 796. Die Wirkung dieser Farbe ist so einzig wie ihre Natur. Sie gibt einen Eindruck sowohl von Ernst und Wuͤrde, als von Huld und Anmuth. Jenes leistet sie in ihrem dunklen verdichteten, dieses in ih- rem hellen verduͤnnten Zustande. Und so kann sich die Wuͤrde des Alters und die Liebenswuͤrdigkeit der Ju- gend in Eine Farbe kleiden. 797. Von der Eifersucht der Regenten auf den Purpur erzaͤhlt uns die Geschichte manches. Eine Umgebung von dieser Farbe ist immer ernst und praͤchtig. 798. Das Purpurglas zeigt eine wohlerleuchtete Land- schaft in furchtbarem Lichte. So muͤßte der Farbeton uͤber Erd’ und Himmel am Tage des Gerichts ausge- breitet seyn. 799. Da die beyden Materialien, deren sich die Faͤr- berey zur Hervorbringung dieser Farbe vorzuͤglich be- dient, der Kermes und die Cochenille, sich mehr oder weniger zum Plus und Minus neigen; auch sich durch Behandlung mit Saͤuern und Alcalien heruͤber und hin- uͤber fuͤhren lassen: so ist zu bemerken, daß die Franzo- sen sich auf der wirksamen Seite halten, wie der fran- zoͤsische Scharlach zeigt, welcher ins Gelbe zieht; die Italiaͤner hingegen auf der passiven Seite verharren, so daß ihr Scharlach eine Ahndung von Blau behaͤlt. 800. Durch eine aͤhnliche alcalische Behandlung entsteht das Karmesin, eine Farbe, die den Franzosen sehr verhaßt seyn muß, da sie die Ausdruͤcke sot en cra- moisi, méchant en cramoisi als das Aeußerste des Abgeschmackten und Boͤsen bezeichnen. Gruͤn . 801. Wenn man Gelb und Blau, welche wir als die ersten und einfachsten Farben ansehen, gleich bey ih- rem ersten Erscheinen, auf der ersten Stufe ihrer Wir- kung zusammenbringt, so entsteht diejenige Farbe, wel- che wir Gruͤn nennen. 802. Unser Auge findet in derselben eine reale Befrie- digung. Wenn beyde Mutterfarben sich in der Mi- schung genau das Gleichgewicht halten, dergestalt, daß keine vor der andern bemerklich ist, so ruht das Auge und das Gemuͤth auf diesem Gemischten wie auf einem Einfachen. Man will nicht weiter und man kann nicht weiter. Deswegen fuͤr Zimmer, in denen man sich immer befindet, die gruͤne Farbe zur Tapete meist gewaͤhlt wird. Totalitaͤt und Harmonie . 803. Wir haben bisher zum Behuf unsres Vortrages angenommen, daß das Auge genoͤthigt werden koͤnne, sich mit irgend einer einzelnen Farbe zu identificiren; allein dieß moͤchte wohl nur auf einen Augenblick moͤg- lich seyn. 804. Denn wenn wir uns von einer Farbe umgeben sehen, welche die Empfindung ihrer Eigenschaft in unserm Auge erregt und uns durch ihre Gegenwart noͤthigt, mit ihr in einem identischen Zustande zu verharren; so ist es eine gezwungene Lage, in wel- cher das Organ ungern verweilt. 805. Wenn das Auge die Farbe erblickt, so wird es gleich in Thaͤtigkeit gesetzt, und es ist seiner Natur gemaͤß, auf der Stelle eine andre, so unbewußt als nothwendig, hervorzubringen, welche mit der gege- benen die Totalitaͤt des ganzen Farbenkreises enthaͤlt. Eine einzelne Farbe erregt in dem Auge, durch eine specifische Empfindung, das Streben nach Allgemein- heit. 806. Um nun diese Totalitaͤt gewahr zu werden, um sich selbst zu befriedigen, sucht es neben jedem far- bigen Raum einen farblosen, um die geforderte Farbe an demselben hervorzubringen. 807. Hier liegt also das Grundgesetz aller Harmonie der Farben, wovon sich jeder durch eigene Erfahrung uͤberzeugen kann, indem er sich mit den Versuchen, die wir in der Abtheilung der physiologischen Farben angezeigt, genau bekannt macht. 808. Wird nun die Farbentotalitaͤt von außen dem Auge als Object gebracht, so ist sie ihm erfreulich, weil ihm die Summe seiner eignen Thaͤtigkeit als Rea- litaͤt entgegen kommt. Es sey also zuerst von diesen harmonischen Zusammenstellungen die Rede. 809. Um sich davon auf das leichteste zu unterrichten, denke man sich in dem von uns angegebenen Farben- kreise einen beweglichen Diameter und fuͤhre denselben im ganzen Kreise herum; so werden die beyden En- den nach und nach die sich fordernden Farben bezeich- nen; welche sich denn freylich zuletzt auf drey einfache Gegensaͤtze zuruͤckfuͤhren lassen. 810. Gelb fordert Rothblau Blau fordert Rothgelb Purpur fordert Gruͤn und umgekehrt. 811. Wie der von uns supponirte Zeiger von der Mitte der von uns naturmaͤßig geordneten Farben wegruͤckt; eben so ruͤckt er mit dem andern Ende in der entge- gengesetzten Abstufung weiter, und es laͤßt sich durch eine solche Vorrichtung zu einer jeden fordernden Farbe die geforderte bequem bezeichnen. Sich hiezu einen Farbenkreis zu bilden, der nicht wie der unsre abge- setzt, sondern in einem stetigen Fortschritte die Farben und ihre Uebergaͤnge zeigte, wuͤrde nicht unnuͤtz seyn: denn wir stehen hier auf einem sehr wichtigen Punct, der alle unsre Aufmerksamkeit verdient. 812. Wurden wir vorher bey dem Beschauen einzelner Farben gewissermaßen pathologisch afficirt, indem wir zu einzelnen Empfindungen fortgerissen, uns bald leb- haft und strebend, bald weich und sehnend, bald zum Edlen emporgehoben, bald zum Gemeinen herabgezo- gen fuͤhlten; so fuͤhrt uns das Beduͤrfniß nach Tota- litaͤt, welches unserm Organ eingeboren ist, aus die- ser Beschraͤnkung heraus; es setzt sich selbst in Frey- heit, indem es den Gegensatz des ihm aufgedrungenen Einzelnen und somit eine befriedigende Ganzheit her- vorbringt. 813. So einfach also diese eigentlich harmonischen Ge- gensaͤtze sind, welche uns in dem engen Kreise gege- ben werden, so wichtig ist der Wink, daß uns die Natur durch Totalitaͤt zur Freyheit heraufzuheben an- gelegt ist, und daß wir dießmal eine Naturerscheinung zum aͤsthetischen Gebrauch unmittelbar uͤberliefert er- halten. 814. Indem wir also aussprechen koͤnnen, daß der Far- benkreis, wie wir ihn angegeben, auch schon dem Stoff nach eine angenehme Empfindung hervorbringe, ist es der Ort zu gedenken, daß man bisher den Re- genbogen mit Unrecht als ein Beyspiel der Farbentota- litaͤt angenommen: denn es fehlt demselben die Haupt- farbe, das reine Roth, der Purpur, welcher nicht entstehen kann, da sich bey dieser Erscheinung so wenig als bey dem hergebrachten prismatischen Bilde das Gelbroth und Blauroth zu erreichen vermoͤgen. 815. Ueberhaupt zeigt uns die Natur kein allgemeines Phaͤnomen, wo die Farbentotalitaͤt voͤllig beysammen waͤre. Durch Versuche laͤßt sich ein solches in seiner vollkommnen Schoͤnheit hervorbringen. Wie sich aber die voͤllige Erscheinung im Kreise zusammenstellt, ma- chen wir uns am besten durch Pigmente auf Papier begreiflich, bis wir, bey natuͤrlichen Anlagen und nach mancher Erfahrung und Uebung, uns endlich von der Idee dieser Harmonie voͤllig penetrirt und sie uns im Geiste gegenwaͤrtig fuͤhlen. Charakteristische Zusammenstellungen. 816. Außer diesen rein harmonischen, aus sich selbst entspringenden Zusammenstellungen, welche immer To- talitaͤt mit sich fuͤhren, gibt es noch andre, welche durch Willkuͤhr hervorgebracht werden, und die wir dadurch am leichtesten bezeichnen, daß sie in unserm Farbenkreise nicht nach Diametern, sondern nach Chor- den aufzufinden sind, und zwar zuerst dergestalt, daß eine Mittelfarbe uͤbersprungen wird. 817. Wir nennen diese Zusammenstellungen charakteri- stisch, weil sie saͤmmtlich etwas Bedeutendes haben, das sich uns mit einem gewissen Ausdruck aufdringt, aber uns nicht befriedigt, indem jedes Charakteristi- sche nur dadurch entsteht, daß es als ein Theil aus einem Ganzen heraustritt, mit welchem es ein Ver- haͤltniß hat, ohne sich darin aufzuloͤsen. 818. Da wir die Farben in ihrer Entstehung, so wie deren harmonische Verhaͤltnisse kennen, so laͤßt sich er- I. 20 warten, daß auch die Charaktere der willkuͤhrlichen Zusammenstellungen von der verschiedensten Bedeutung seyn werden. Wir wollen sie einzeln durchgehen. Gelb und Blau . 819. Dieses ist die einfachste von solchen Zusammenstel- lungen. Man kann sagen, es sey zu wenig in ihr: denn da ihr jede Spur von Roth fehlt, so geht ihr zu viel von der Totalitaͤt ab. In diesem Sinne kann man sie arm und, da die beyden Pole auf ihrer nie- drigsten Stufe stehn, gemein nennen. Doch hat sie den Vortheil, daß sie zunaͤchst am Gruͤnen und also an der realen Befriedigung steht. Gelb und Purpur . 820. Hat etwas Einseitiges, aber Heiteres und Praͤch- tiges. Man sieht die beyden Enden der thaͤtigen Seite neben einander, ohne daß das stetige Werden ausge- druͤckt sey. Da man aus ihrer Mischung durch Pigmente das Gelbrothe erwarten kann, so stehn sie gewissermaßen anstatt dieser Farbe. Blau und Purpur . 821. Die beyden Enden der passiven Seite mit dem Uebergewicht des obern Endes nach dem activen zu. Da durch Mischung beyder das Blaurothe entsteht, so wird der Effect dieser Zusammenstellung sich auch gedachter Farbe naͤhern. Gelbroth und Blauroth . 822. Haben zusammengestellt, als die gesteigerten En- den der beyden Seiten, etwas Erregendes Hohes. Sie geben uns die Vorahndung des Purpurs, der bey physikalischen Versuchen aus ihrer Vereinigung entsteht. 20 * 823. Diese vier Zusammenstellungen haben also das Ge- meinsame, daß sie, vermischt, die Zwischenfarben un- seres Farbenkreises hervorbringen wuͤrden; wie sie auch schon thun, wenn die Zusammenstellung aus kleinen Theilen besteht und aus der Ferne betrachtet wird. Eine Flaͤche mit schmalen blau und gelben Streifen erscheint in einiger Entfernung gruͤn. 824. Wenn nun aber das Auge Blau und Gelb neben einander sieht, so befindet es sich in der sonderbaren Bemuͤhung, immer Gruͤn hervorbringen zu wollen, ohne damit zu Stande zu kommen, und ohne also im Einzelnen Ruhe, oder im Ganzen Gefuͤhl der Totalitaͤt bewirken zu koͤnnen. 825. Man sieht also, daß wir nicht mit Unrecht diese Zusammenstellungen charakteristisch genannt haben, so wie denn auch der Charakter einer jeden sich auf den Charakter der einzelnen Farben, woraus sie zusammen- gestellt ist, beziehen muß. Charakterlose Zusammenstellungen. 826. Wir wenden uns nun zu der letzten Art der Zu- sammenstellungen, welche sich aus dem Kreise leicht herausfinden lassen. Es sind nehmlich diejenigen, welche durch kleinere Chorden angedeutet werden, wenn man nicht eine ganze Mittelfarbe, sondern nur den Ueber- gang aus einer in die andere uͤberspringt. 827. Man kann diese Zusammenstellungen wohl die charakterlosen nennen, indem sie zu nahe an einander liegen, als daß ihr Eindruck bedeutsam werden koͤnnte. Doch behaupten die meisten immer noch ein gewisses Recht, da sie ein Fortschreiten andeuten, dessen Ver- haͤltniß aber kaum fuͤhlbar werden kann. 828. So drucken Gelb und Gelbroth, Gelbroth und Purpur, Blau und Blauroth, Blauroth und Purpur die naͤchsten Stufen der Steigerung und Culmination aus, und koͤnnen in gewissen Verhaͤltnissen der Mas- sen keine uͤble Wirkung thun. 829. Gelb und Gruͤn hat immer etwas Gemein-heiteres, Blau und Gruͤn aber immer etwas Gemein-widerliches; deswegen unsre guten Vorfahren diese letzte Zusammen- stellung auch Narrenfarbe genannt haben. Bezug der Zusammenstellungen zu Hell und Dunkel . 830. Diese Zusammenstellungen koͤnnen sehr vermannich- faltigt werden, indem man beyde Farben hell, beyde Farben dunkel, eine Farbe hell die andre dunkel zu- sammenbringen kann; wobey jedoch, was im Allge- meinen gegolten hat, in jedem besondern Falle gelten muß. Von dem unendlich Mannigfaltigen, was dabey statt findet, erwaͤhnen wir nur folgendes. 831. Die active Seite mit dem Schwarzen zusammen- gestellt, gewinnt an Energie; die passive verliert. Die active mit dem Weißen und Hellen zusammengebracht, verliert an Kraft; die passive gewinnt an Heiterkeit. Purpur und Gruͤn mit Schwarz sieht dunkel und duͤster, mit Weiß hingegen erfreulich aus. 832. Hierzu kommt nun noch, daß alle Farben mehr oder weniger beschmutzt, bis auf einen gewissen Grad unkenntlich gemacht, und so theils unter sich selbst, theils mit reinen Farben zusammengestellt werden koͤn- nen; wodurch zwar die Verhaͤltnisse unendlich variirt werden, wobey aber doch alles gilt, was von dem reinen gegolten hat. Historische Betrachtungen . 833. Wenn in dem Vorhergehenden die Grundsaͤtze der Farbenharmonie vorgetragen worden; so wird es nicht zweckwidrig seyn, wenn wir das dort Ausgesprochene in Verbindung mit Erfahrungen und Beyspielen noch- mals wiederholen. 834. Jene Grundsaͤtze waren aus der menschlichen Na- tur und aus den anerkannten Verhaͤltnissen der Far- benerscheinungen abgeleitet. In der Erfahrung be- gegnet uns manches, was jenen Grundsaͤtzen gemaͤß, manches, was ihnen widersprechend ist. 835. Naturmenschen, rohe Voͤlker, Kinder haben große Neigung zur Farbe in ihrer hoͤchsten Energie, und also besonders zu dem Gelbrothen. Sie haben auch eine Neigung zum Bunten. Das Bunte aber entsteht, wenn die Farben in ihrer hoͤchsten Energie ohne har- monisches Gleichgewicht zusammengestellt worden. Fin- det sich aber dieses Gleichgewicht durch Instinct, oder zufaͤllig beobachtet, so entsteht eine angenehme Wir- kung. Ich erinnere mich, daß ein hessischer Officier, der aus Amerika kam, sein Gesicht nach Art der Wil- den mit reinen Farben bemalte, wodurch eine Art von Totalitaͤt entstand, die keine unangenehme Wir- kung that. 836. Die Voͤlker des suͤdlichen Europa’s tragen zu Klei- dern sehr lebhafte Farben. Die Seidenwaaren, welche sie leichten Kaufs haben, beguͤnstigen diese Neigung. Auch sind besonders die Frauen mit ihren lebhaftesten Miedern und Baͤndern immer mit der Gegend in Har- monie, indem sie nicht im Stande sind, den Glanz des Himmels und der Erde zu uͤberscheinen. 837. Die Geschichte der Faͤrberey belehrt uns, daß bey den Trachten der Nationen gewisse technische Bequem- lichkeiten und Vortheile sehr großen Einfluß hatten. So sieht man die Deutschen viel in Blau gehen, weil es eine dauerhafte Farbe des Tuches ist; auch in manchen Gegenden, alle Landleute in gruͤnem Zwillich, weil dieser gedachte Farbe gut annimmt. Moͤchte ein Reisender hierauf achten, so wuͤrden ihm bald ange- nehme und lehrreiche Beobachtungen gelingen. 838. Farben, wie sie Stimmungen hervorbringen, fuͤ- gen sich auch zu Stimmungen und Zustaͤnden. Leb- hafte Nationen, z. B. die Franzosen, lieben die ge- steigerten Farben, besonders der activen Seite; ge- maͤßigte, als Englaͤnder und Deutsche, das Stroh- oder Ledergelb, wozu sie Dunkelblau tragen. Nach Wuͤrde strebende Nationen, als Italiaͤner und Spa- nier, ziehen die rothe Farbe ihrer Maͤntel auf die passive Seite hinuͤber. 839. Man bezieht bey Kleidungen den Charakter der Farbe auf den Charakter der Person. So kann man das Verhaͤltniß der einzelnen Farben und Zusammen- stellungen zu Gesichtsfarbe, Alter und Stand be- obachten. 840. Die weibliche Jugend haͤlt auf Rosenfarb und Meergruͤn; das Alter auf Violett und Dunkelgruͤn. Die Blondine hat zu Violett und Hellgelb, die Bruͤ- nette zu Blau und Gelbroth Neigung, und saͤmmtlich mit Recht. Die roͤmischen Kaiser waren auf den Purpur hoͤchst eifersuͤchtig. Die Kleidung des chinesischen Kai- sers ist Orange mit Purpur gestickt. Citronengelb duͤr- fen auch seine Bedienten und die Geistlichen tragen. 841. Gebildete Menschen haben einige Abneigung vor Farben. Es kann dieses theils aus Schwaͤche des Organs, theils aus Unsicherheit des Geschmacks ge- schehen, die sich gern in das voͤllige Nichts fluͤchtet. Die Frauen gehen nunmehr fast durchgaͤngig weiß, und die Maͤnner schwarz. 842. Ueberhaupt aber steht hier eine Beobachtung nicht am unrechten Platze, daß der Mensch, so gern er sich auszeichnet, sich auch eben so gern unter seines Glei- chen verlieren mag. 843. Die schwarze Farbe sollte den venetianischen Edel- mann an eine republicanische Gleichheit erinnern. 844. In wiefern der truͤbe nordische Himmel die Far- ben nach und nach vertrieben hat, ließe sich vielleicht auch noch untersuchen. 845. Man ist freylich bey dem Gebrauch der ganzen Farben sehr eingeschraͤnkt; dahingegen die beschmuzten, getoͤdteten, sogenannten Modefarben unendlich viele abweichende Grade und Schattirungen zeigen, wovon die meisten nicht ohne Anmuth sind. 846. Zu bemerken ist noch, daß die Frauenzimmer bey ganzen Farben in Gefahr kommen, eine nicht ganz lebhafte Gesichtsfarbe noch unscheinbarer zu machen; wie sie denn uͤberhaupt genoͤthigt sind, sobald sie einer glaͤnzenden Umgebung das Gleichgewicht halten sollen, ihre Gesichtsfarbe durch Schminke zu erhoͤhen. 847. Hier waͤre nun noch eine artige Arbeit zu machen uͤbrig, naͤmlich eine Beurtheilung der Uniformen, Livreen, Cocarden und andrer Abzeichen, nach den oben aufgestellten Grundsaͤtzen. Man koͤnnte im Allge- meinen sagen, daß solche Kleidungen oder Abzeichen keine harmonischen Farben haben duͤrfen. Die Unifor- men sollten Charakter und Wuͤrde haben; die Livreen koͤnnen gemein und ins Auge fallend seyn. An Bey- spielen von guter und schlechter Art wuͤrde es nicht fehlen, da der Farbenkreis eng und schon oft genug durchprobirt worden ist. Aesthetische Wirkung . 848. Aus der sinnlichen und sittlichen Wirkung der Farben, sowohl einzeln als in Zusammenstellung, wie wir sie bisher vorgetragen haben, wird nun fuͤr den Kuͤnstler die aͤsthetische Wirkung abgeleitet. Wir wol- len auch daruͤber die noͤthigsten Winke geben, wenn wir vorher die allgemeine Bedingung malerischer Dar- stellung, Licht und Schatten, abgehandelt, woran sich die Farbenerscheinung unmittelbar anschließt. Helldunkel . 849. Das Helldunkel, clair-obscur, nennen wir die Erscheinung koͤrperlicher Gegenstaͤnde, wenn an densel- ben nur die Wirkung des Lichtes und Schattens be- trachtet wird. 850. Im engern Sinne wird auch manchmal eine Schat- tenpartie, welche durch Reflexe beleuchtet wird, so ge- nannt; doch wir brauchen hier das Wort in seinem er- sten allgemeinern Sinne. 851. Die Trennung des Helldunkels von aller Farben- erscheinung ist moͤglich und noͤthig. Der Kuͤnstler wird das Raͤthsel der Darstellung eher loͤsen, wenn er sich zuerst das Helldunkel unabhaͤngig von Farben denkt, und dasselbe in seinem ganzen Umfange kennen lernt. 852. Das Helldunkel macht den Koͤrper als Koͤrper er- scheinen, indem uns Licht und Schatten von der Dich- tigkeit belehrt. 853. Es kommt dabey in Betracht das hoͤchste Licht, die Mitteltinte, der Schatten, und bey dem letzten wieder der eigene Schatten des Koͤrpers, der auf andre Koͤrper geworfene Schatten, der erhellte Schatten oder Reflex. 854. Zum natuͤrlichsten Beyspiel fuͤr das Helldunkel waͤre die Kugel guͤnstig, um sich einen allgemeinen Begriff zu bilden, aber nicht hinlaͤnglich zum aͤsthetischen Ge- brauch. Die verfließende Einheit einer solchen Run- dung fuͤhrt zum Nebulistischen. Um Kunstwirkungen zu erzwecken, muͤssen an ihr Flaͤchen hervorgebracht werden, damit die Theile der Schatten- und Lichtseite sich mehr in sich selbst absondern. 855. Die Italiaͤner nennen dieses il piazzoso; man koͤnnte es im Deutschen das Flaͤchenhafte nennen. Wenn nun also die Kugel ein vollkommenes Beyspiel des natuͤrlichen Helldunkels waͤre; so wuͤrde ein Vieleck ein Beyspiel des kuͤnstlichen seyn, wo alle Arten von Lichtern, Halblichtern, Schatten und Reflexen bemerk- lich waͤren. 856. Die Traube ist als ein gutes Beyspiel eines ma- lerischen Ganzen im Helldunkel anerkannt, um so mehr als sie ihrer Form nach eine vorzuͤgliche Gruppe dar- zustellen im Stande ist; aber sie ist bloß fuͤr den Mei- ster tauglich, der das, was er auszuuͤben versteht, in ihr zu sehen weiß. 857. Um den ersten Begriff faßlich zu machen, der selbst von einem Vieleck immer noch schwer zu abstrahiren ist, schlagen wir einen Cubus vor, dessen drey gesehene Seiten das Licht, die Mitteltinte und den Schatten, abgesondert neben einander vorstellen. 858. Jedoch um zum Helldunkel einer zusammengesetz- tern Figur uͤberzugehen, waͤhlen wir das Beyspiel ei- nes aufgeschlagenen Buches, welches uns einer groͤßern Mannigfaltigkeit naͤher bringt. 859. Die antiken Statuen aus der schoͤnen Zeit findet man zu solchen Wirkungen hoͤchst zweckmaͤßig gearbeitet. Die Lichtpartieen sind einfach behandelt, die Schatten- seiten desto mehr unterbrochen, damit sie fuͤr mannigfal- tige Reflexe empfaͤnglich wuͤrden; wobey man sich des Beyspiels vom Vieleck erinnern kann. 860. Beyspiele antiker Malerey geben hierzu die her- kulanischen Gemaͤlde und die aldobrandinische Hochzeit. 861. Moderne Beyspiele finden sich in einzelnen Figu- ren Raphaels, an ganzen Gemaͤlden Correggios, der niederlaͤndischen Schule, besonders des Rubens. Streben zur Farbe . 862. Ein Kunstwerk schwarz und weiß kann in der Malerey selten vorkommen. Einige Arbeiten von Po- lydor geben uns davon Beyspiele, so wie unsre Kup- ferstiche und geschabten Blaͤtter. Diese Arten, in so- fern sie sich mit Formen und Haltung beschaͤftigen, sind schaͤtzenswerth; allein sie haben wenig Gefaͤlliges fuͤrs Auge, indem sie nur durch eine gewaltsame Abstraction entstehen. 863. Wenn sich der Kuͤnstler seinem Gefuͤhl uͤberlaͤßt, so meldet sich etwas farbiges gleich. So bald das Schwarze ins Blauliche faͤllt, entsteht eine Forderung des Gelben, das denn der Kuͤnstler instinctmaͤßig vertheilt und theils rein in den Lichtern, theils geroͤthet und beschmutzt als Braun in den Reflexen, zu Belebung des Ganzen an- bringt, wie es ihm am raͤthlichsten zu seyn scheint. 864. Alle Arten von Camayeu, oder Farb’ in Farbe, laufen doch am Ende dahin hinaus, daß ein geforderter Gegensatz oder irgend eine farbige Wirkung angebracht wird. So hat Polydor in seinen schwarz und weißen Frescogemaͤlden ein gelbes Gefaͤß, oder sonst etwas der Art eingefuͤhrt. 865. Ueberhaupt strebten die Menschen in der Kunst in- stinctmaͤßig jederzeit nach Farbe. Man darf nur taͤg- lich beobachten, wie Zeichenlustige von Tusche oder schwarzer Kreide auf weiß Papier zu farbigem Papier sich steigern; dann verschiedene Kreiden anwenden und endlich ins Pastell uͤbergehen. Man sah in un- sern Zeiten Gesichter mit Silberstift gezeichnet, durch rothe Baͤckchen belebt und mit farbigen Kleidern ange- than; ja Silhouetten in bunten Uniformen. Paolo Uccello malte farbige Landschaften zu farblosen Fi- guren. 866. Selbst die Bildhauerey der Alten konnte diesem Trieb nicht widerstehen. Die Aegypter strichen ihre Basreliefs an. Den Statuen gab man Augen von farbigen Steinen. Zu marmornen Koͤpfen und Extre- mitaͤten fuͤgte man porphyrne Gewaͤnder, so wie man bunte Kalksinter zum Sturze der Brustbilder nahm. Die Jesuiten verfehlten nicht, ihren heiligen Aloysius in Rom auf diese Weise zusammen zu setzen, und die neuste Bildhauerey unterscheidet das Fleisch durch eine Tinc- tur von den Gewaͤndern. Haltung . 867. Wenn die Linearperspective die Abstufung der Ge- genstaͤnde in scheinbarer Groͤße durch Entfernung zeigt; so laͤßt uns die Luftperspective die Abstufung der Ge- genstaͤnde in mehr oder minderer Deutlichkeit durch Entfernung sehen. 868. Ob wir zwar entfernte Gegenstaͤnde nach der Na- tur unsres Auges nicht so deutlich sehen als naͤhere; so ruht doch die Luftperspective eigentlich auf dem wich- tigen Satz, daß alle durchsichtigen Mittel einigermaßen truͤbe sind. 869. Die Atmosphaͤre ist also immer mehr oder weniger truͤb. Besonders zeigt sie diese Eigenschaft in den suͤd- lichen Gegenden bey hohem Barometerstand, trocknem Wetter und wolkenlosem Himmel, wo man eine sehr merkliche Abstufung wenig auseinanderstehender Gegen- staͤnde beobachten kann. 870. Im Allgemeinen ist diese Erscheinung jedermann be- kannt; der Maler hingegen sieht die Abstufung bey den geringsten Abstaͤnden, oder glaubt sie zu sehen. Er I. 21 stellt sie praktisch dar, indem er die Theile eines Koͤr- pers, z. B. eines voͤllig vorwaͤrts gekehrten Gesichtes, von einander abstuft. Hiebey behauptet Beleuchtung ihre Rechte. Diese kommt von der Seite in Betracht, so wie die Haltung von vorn nach der Tiefe zu. Colorit . 871. Indem wir nunmehr zur Farbengebung uͤbergehen, setzen wir voraus, daß der Maler uͤberhaupt mit dem Entwurf unserer Farbenlehre bekannt sey und sich ge- wisse Kapitel und Rubriken, die ihn vorzuͤglich beruͤh- ren, wohl zu eigen gemacht habe: denn so wird er sich im Stande befinden, das Theoretische sowohl als das Praktische, im Erkennen der Natur und im An- wenden auf die Kunst, mit Leichtigkeit zu behan- deln. Colorit des Orts . 872. Die erste Erscheinung des Colorits tritt in der Natur gleich mit der Haltung ein: denn die Luftper- spective beruht auf der Lehre von den truͤben Mitteln. Wir sehen den Himmel, die entfernten Gegenstaͤnde, ja die nahen Schatten blau. Zugleich erscheint uns das Leuchtende und Beleuchtete stufenweise Gelb bis zur Purpurfarbe. In manchen Faͤllen tritt sogleich die physiologische Forderung der Farben ein, und eine ganz farblose Landschaft wird durch diese mit und ge- gen einander wirkenden Bestimmungen vor unserm Auge voͤllig farbig erscheinen. Colorit der Gegenstaͤnde . 873. Localfarben sind die allgemeinen Elementarfarben, aber nach den Eigenschaften der Koͤrper und ihrer Oberflaͤchen, an denen wir sie gewahr werden, specifi- cirt. Diese Specification geht bis ins Unendliche. 874. Es ist ein großer Unterschied, ob man gefaͤrbte Seide oder Wolle vor sich hat. Jede Art des Berei- tens und Webens bringt schon Abweichungen hervor. Rauhigkeit, Glaͤtte, Glanz kommen in Betrachtung. 875. Es ist daher ein der Kunst sehr schaͤdliches Vorurtheil, daß der gute Maler keine Ruͤcksicht auf den Stoff der 21 * Gewaͤnder nehmen, sondern nur immer gleichsam ab- stracte Falten malen muͤsse. Wird nicht hierdurch alle charakteristische Abwechslung aufgehoben, und ist das Portraͤt von Leo X. deshalb weniger trefflich, weil au diesem Bilde Sammt, Atlas und Mohr neben einander nachgeahmt ward? 876. Bey Naturproducten erscheinen die Farben mehr oder weniger modificirt, specificirt, ja individualisirt; welches bey Steinen und Pflanzen, bey den Federn der Voͤgel und den Haaren der Thiere wohl zu beob- achten ist. 877. Die Hauptkunst des Malers bleibt immer, daß er die Gegenwart des bestimmten Stoffes nachahme und das Allgemeine, Elementare der Farbenerscheinung zerstoͤre. Die hoͤchste Schwierigkeit findet sich hier bey der Ober- flaͤche des menschlichen Koͤrpers. 878. Das Fleisch steht im Ganzen auf der activen Sei- te; doch spielt das Blauliche der passiven auch mit herein. Die Farbe ist durchaus ihrem elementaren Zustande entruͤckt und durch Organisation neutra- lisirt. 879. Das Colorit des Ortes und das Colorit der Ge- genstaͤnde in Harmonie zu bringen, wird nach Betrach- tung dessen, was von uns in der Farbenlehre abgehan- delt worden, dem geistreichen Kuͤnstler leichter werden, als bisher der Fall war, und er wird im Stande seyn, unendlich schoͤne, mannigfaltige und zugleich wah- re Erscheinungen darzustellen. Charakteristisches Colorit . 880. Die Zusammenstellung farbiger Gegenstaͤnde sowohl als die Faͤrbung des Raums, in welchem sie enthalten sind, soll nach Zwecken geschehen, welche der Kuͤnstler sich vorsetzt. Hiezu ist besonders die Kenntniß der Wir- kung der Farben auf Empfindung, sowohl im Einzel- nen als in Zusammenstellung, noͤthig. Deshalb sich denn der Maler von dem allgemeinen Dualism so- wohl als von den besondern Gegensaͤtzen penetriren soll; wie er denn uͤberhaupt wohl inne haben muͤßte, was wir von den Eigenschaften der Farben gesagt haben. 881. Das Charakteristische kann unter drey Hauptrubri- ken begriffen werden, die wir einstweilen durch das Maͤchtige, das Sanfte und das Glaͤnzende bezeichnen wollen. 882. Das erste wird durch das Uebergewicht der activen, das zweyte durch das Uebergewicht der passiven Seite, das dritte durch Totalitaͤt und Darstellung des ganzen Farbenkreises im Gleichgewicht hervorgebracht. 883. Der maͤchtige Effect wird erreicht durch Gelb, Gelbroth und Purpur, welche letzte Farbe auch noch auf der Plusseite zu halten ist. Wenig Violett und Blau, noch weniger Gruͤn ist anzubringen. Der sanfte Effect wird durch Blau, Violett und Purpur, welcher jedoch auf die Minusseite zu fuͤhren ist, hervorgebracht. Wenig Gelb und Gelbroth, aber viel Gruͤn, kann statt finden. 884. Wenn man also diese beyden Effecte in ihrer vol- len Bedeutung hervorbringen will, so kann man die geforderten Farben bis auf ein Minimum ausschließen und nur so viel von ihnen sehen lassen, als eine Ahn- dung der Totalitaͤt unweigerlich zu verlangen scheint. Harmonisches Colorit . 885. Obgleich die beyden charakteristischen Bestimmungen, nach der eben angezeigten Weise, auch gewissermaßen harmonisch genannt werden koͤnnen; so entsteht doch die eigentliche harmonische Wirkung nur alsdann, wenn alle Farben neben einander im Gleichgewicht angebracht sind. 886. Man kann hiedurch das Glaͤnzende sowohl als das Angenehme hervorbringen, welche beyde jedoch immer etwas Allgemeines und in diesem Sinne etwas Charak- terloses haben werden. 887. Hierin liegt die Ursache, warum das Colorit der meisten Neuern charakterlos ist; denn indem sie nur ihrem Instinct folgen, so bleibt das Letzte, wohin er sie fuͤhren kann, die Totalitaͤt, die sie mehr oder weni- ger erreichen, dadurch aber zugleich den Charakter ver- saͤumen, den das Bild allenfalls haben koͤnnte. 888. Hat man hingegen jene Grundsaͤtze im Auge, so sieht man, wie sich fuͤr jeden Gegenstand mit Sicher- heit eine andre Farbenstimmung waͤhlen laͤßt. Freylich fordert die Anwendung unendliche Modificationen, wel- che dem Genie allein, wenn es von diesen Grundsaͤtzen durchdrungen ist, gelingen werden. Aechter Ton . 889. Wenn man das Wort Ton, oder vielmehr Ton- art, auch noch kuͤnftig von der Musik borgen und bey der Farbengebung brauchen will; so wird es in einem bessern Sinne als bisher geschehen koͤnnen. 890. Man wuͤrde nicht mit Unrecht ein Bild von maͤch- tigem Effect, mit einem musikalischen Stuͤcke aus dem Durton; ein Gemaͤlde von sanftem Effect, mit einem Stuͤcke aus dem Molton vergleichen; so wie man fuͤr die Modification dieser beyden Haupteffecte andre Ver- gleichungen finden koͤnnte. Falscher Ton . 891. Was man bisher Ton nannte, war ein Schleyer von einer einzigen Farbe uͤber das ganze Bild gezogen. Man nahm ihn gewoͤhnlich gelb, indem man aus In- stinct das Bild auf die maͤchtige Seite treiben wollte. 892. Wenn man ein Gemaͤlde durch ein gelbes Glas ansieht, so wird es uns in diesem Ton erscheinen. Es ist der Muͤhe werth, diesen Versuch zu machen und zu wiederholen, um genau kennen zu lernen, was bey ei- ner solchen Operation eigentlich vorgeht. Es ist eine Art Nachtbeleuchtung, eine Steigerung, aber zugleich Verduͤsterung der Plusseite, und eine Beschmutzung der Minusseite. 893. Dieser unechte Ton ist durch Instinct aus Unsi- cherheit dessen, was zu thun sey, entstanden; so daß man anstatt der Totalitaͤt eine Uniformitaͤt hervor- brachte. Schwaches Colorit . 894. Eben diese Unsicherheit ist Ursache, daß man die Farben der Gemaͤlde so sehr gebrochen hat, daß man aus dem Grauen heraus, und in das Graue hinein malt, und die Farbe so leise behandelt als moͤglich. 895. Man findet in solchen Gemaͤlden oft die harmoni- schen Gegenstellungen recht gluͤcklich, aber ohne Muth, weil man sich vor dem Bunten fuͤrchtet. Das Bunte . 896. Bunt kann ein Gemaͤlde leicht werden, in welchem man bloß empirisch, nach unsichern Eindruͤcken, die Farben in ihrer ganzen Kraft neben einander stellen wollte. 897. Wenn man dagegen schwache, obgleich widrige Farben neben einander setzt, so ist freylich der Effect nicht auffallend. Man traͤgt seine Unsicherheit auf den Zuschauer hinuͤber, der denn an seiner Seite weder lo- ben noch tadeln kann. 898. Auch ist es eine wichtige Betrachtung, daß man zwar die Farben unter sich in einem Bilde richtig auf- stellen koͤnne, daß aber doch ein Bild bunt werden muͤsse, wenn man die Farben in Bezug auf Licht und Schatten falsch anwendet. 899. Es kann dieser Fall um so leichter eintreten, als Licht und Schatten schon durch die Zeichnung gegeben und in derselben gleichsam enthalten ist, dahingegen die Farbe der Wahl und Willkuͤhr noch unterworfen bleibt. Furcht vor dem Theoretischen. 900. Man fand bisher bey den Malern eine Furcht, ja eine entschiedene Abneigung gegen alle theoretische Betrachtungen uͤber die Farbe und was zu ihr gehoͤrt; welches ihnen jedoch nicht uͤbel zu deuten war. Denn das bisher sogenannte Theoretische war grundlos, schwankend und auf Empirie hindeutend. Wir wuͤn- schen, daß unsre Bemuͤhungen diese Furcht einigermaßen vermindern und den Kuͤnstler anreizen moͤgen, die auf- gestellten Grundsaͤtze praktisch zu pruͤfen und zu be- leben. Letzter Zweck . 901. Denn ohne Uebersicht des Ganzen wird der letzte Zweck nicht erreicht. Von allem dem, was wir bisher vorgetragen, durchdringe sich der Kuͤnstler. Nur durch die Einstimmung des Lichtes und Schattens, der Hal- tung, der wahren und charakteristischen Farbengebung kann das Gemaͤlde von der Seite, von der wir es ge- genwaͤrtig betrachten, als vollendet erscheinen. Gruͤnde . 902. Es war die Art der aͤltern Kuͤnstler, auf hellen Grund zu malen. Er bestand aus Kreide und wurde auf Leinwand oder Holz stark aufgetragen und polirt. Sodann wurde der Umriß aufgezeichnet und das Bild mit einer schwaͤrzlichen oder braͤunlichen Farbe ausge- tuscht. Dergleichen auf diese Art zum Coloriren vorbe- reitete Bilder sind noch uͤbrig von Leonardo da Vin- ci, Fra Bartolomeo und mehrere von Guido. 903. Wenn man zur Colorirung schritt und weiße Ge- waͤnder darstellen wollte; so ließ man zuweilen diesen Grund stehen. Tizian that es in seiner spaͤtern Zeit, wo er die große Sicherheit hatte, und mit wenig Muͤ- he viel zu leisten wußte. Der weißliche Grund wurde als Mitteltinte behandelt, die Schatten aufgetragen und die hohen Lichter aufgesetzt. 904. Beym Coloriren war das untergelegte gleichsam getuschte Bild immer wirksam. Man malte z. B. ein Gewand mit einer Lasurfarbe, und das Weiße schien durch und gab der Farbe ein Leben, so wie der schon fruͤher zum Schatten angelegte Theil die Farbe gedaͤmpft zeigte, ohne daß sie gemischt oder beschmutzt gewesen waͤre. 905. Diese Methode hatte viele Vortheile. Denn an den lichten Stellen des Bildes hatte man einen hel- len, an den beschatteten einen dunkeln Grund. Das ganze Bild war vorbereitet; man konnte mit leichten Farben malen, und man war der Uebereinstimmung des Lichtes mit den Farben gewiß. Zu unsern Zeiten ruht die Aquarellmalerey auf diesen Grundsaͤtzen. 906. Uebrigens wird in der Oelmalerey gegenwaͤrtig durchaus ein heller Grund gebraucht, weil Mitteltin- ten mehr oder weniger durchsichtig sind, und also durch einen hellen Grund einigermaßen belebt, so wie die Schatten selbst nicht so leicht dunkel werden. 907. Auf dunkle Gruͤnde malte man auch eine Zeit- lang. Wahrscheinlich hat sie Tintoret eingefuͤhrt; ob Giorgione sich derselben bedient, ist nicht bekannt. Ti- zians beste Bilder sind nicht auf dunkeln Grund ge- malt. 908. Ein solcher Grund war rothbraun, und wenn auf denselben das Bild aufgezeichnet war, so wurden die staͤrksten Schatten aufgetragen, die Lichtfarben im- pastirte man auf den hohen Stellen sehr stark und ver- trieb sie gegen den Schatten zu; da denn der dunkle Grund durch die verduͤnnte Farbe als Mitteltinte durch- sah. Der Effect wurde beym Ausmalen durch mehr- maliges Uebergehen der lichten Partieen und Aufsetzen der hohen Lichter erreicht. 909. Wenn diese Art sich besonders wegen der Ge- schwindigkeit bey der Arbeit empfielt, so hat sie doch in der Folge viel Schaͤdliches. Der energische Grund waͤchst und wird dunkler; was die hellen Farben nach und nach an Klarheit verlieren, giebt der Schattenseite immer mehr und mehr Uebergewicht. Die Mitteltinten werden immer dunkler und der Schatten zuletzt ganz finster. Die stark aufgetragenen Lichter bleiben allein hell und man sieht nur lichte Flecken auf dem Bilde; wo- von uns die Gemaͤlde der bolognesischen Schule und des Caravaggio genugsame Beyspiele geben. 910. Auch ist nicht unschicklich, hier noch zum Schlusse des Lasirens zu erwaͤhnen. Dieses geschieht, wenn man eine schon aufgetragene Farbe als hellen Grund be- trachtet. Man kann eine Farbe dadurch fuͤrs Auge mischen, sie steigern, ihr einen sogenannten Ton geben; man macht sie dabey aber immer dunkler. Pigmente . 911. Wir empfangen sie aus der Hand des Chemikers und Naturforschers. Manches ist daruͤber aufgezeichnet und durch den Druck bekannt geworden; doch ver- diente dieses Capitel von Zeit zu Zeit neu bearbeitet zu werden. Indessen theilt der Meister seine Kennt- nisse hieruͤber dem Schuͤler mit, der Kuͤnstler dem Kuͤnstler. 912. Diejenigen Pigmente, welche ihrer Natur nach die dauerhaftesten sind, werden vorzuͤglich ausgesucht; aber auch die Behandlungsart traͤgt viel zur Dauer des Bildes bey. Deswegen sind so wenig Farbenkoͤrper als moͤglich anzuwenden, und die simpelste Methode des Auftrags nicht genug zu empfehlen. 913. Denn aus der Menge der Pigmente ist manches Uebel fuͤr das Colorit entsprungen. Jedes Pigment hat sein eigenthuͤmliches Wesen in Absicht seiner Wir- kung aufs Auge; ferner etwas Eigenthuͤmliches, wie es technisch behandelt seyn will. Jenes ist Ursache, daß die Harmonie schwerer durch mehrere als durch wenige Pigmente zu erreichen ist; dieses, daß chemische Wir- kung und Gegenwirkung unter den Farbekoͤrpern statt finden kann. 914. Ferner gedenken wir noch einiger falschen Rich- tungen, von denen sich die Kuͤnstler hinreißen lassen. Die Maler begehren immer nach neuen Farbekoͤr- pern, und glauben, wenn ein solcher gefunden wird, einen Vorschritt in der Kunst gethan zu haben. Sie tragen großes Verlangen, die alten mecha- nischen Behandlungsarten kennen zu lernen, wodurch sie viel Zeit verlieren; wie wir uns denn zu Ende des vorigen Jahrhunderts mit der Wachsmalerey viel zu lange gequaͤlt haben. Andre gehen darauf aus, neue Behandlungsarten zu erfinden; wodurch denn auch weiter nichts gewonnen wird. Denn es ist zuletzt doch nur der Geist, der jede Technik lebendig macht. Allegorischer, symbolischer, mystischer Gebrauch der Farbe . 915. Es ist oben umstaͤndlich nachgewiesen worden, daß eine jede Farbe einen besondern Eindruck auf den Menschen mache, und dadurch ihr Wesen sowohl dem Auge als Gemuͤth offenbare. Daraus folgt sogleich, daß die Farbe sich zu gewissen sinnlichen, sittlichen, aͤsthetischen Zwecken anwenden lasse. 916. Einen solchen Gebrauch also, der mit der Na- tur voͤllig uͤbereintraͤfe, koͤnnte man den symbolischen nennen, indem die Farbe ihrer Wirkung gemaͤß an- gewendet wuͤrde, und das wahre Verhaͤltniß sogleich die Bedeutung ausspraͤche. Stellt man z. B. den Purpur als die Majestaͤt bezeichnend auf, so wird wohl kein Zweifel seyn, daß der rechte Ausdruck ge- funden worden; wie sich alles dieses schon oben hin- reichend auseinandergesetzt findet. 917. Hiermit ist ein anderer Gebrauch nahe verwandt, den man den allegorischen nennen koͤnnte. Bey diesem ist mehr zufaͤlliges und willkuͤhrliches, ja man kann sagen etwas Conventionelles, indem uns erst der Sinn des Zeichens uͤberliefert werden muß, ehe wir wissen, was es bedeuten soll, wie es sich z. B. mit der gruͤnen Farbe verhaͤlt, die man der Hoff- nung zugetheilt hat. 918. Daß zuletzt auch die Farbe eine mystische Deu- tung erlaube, laͤßt sich wohl ahnden. Denn da jenes Schema, worin sich die Farbenmannigfaltigkeit dar- stellen laͤßt, solche Urverhaͤltnisse andeutet, die sowohl der menschlichen Anschauung als der Natur angehoͤren, so ist wohl kein Zweifel, daß man sich ihrer Bezuͤge, gleichsam als einer Sprache, auch da bedienen koͤnne, wenn man Urverhaͤltnisse ausdruͤcken will, die nicht eben so maͤchtig und mannigfaltig in die Sinne fallen. Der Mathematiker schaͤtzt den Werth und Gebrauch des Triangels; der Triangel steht bey dem Mystiker in großer Verehrung; gar manches laͤßt sich im Tri- angel schematisiren und die Farbenerscheinung gleich- falls, und zwar dergestalt, daß man durch Verdopp- lung und Verschraͤnkung zu dem alten geheimnißvollen Sechseck gelangt. 919. Wenn man erst das Auseinandergehen des Gelben und Blauen wird recht gefaßt, besonders I. 22 aber die Steigerung ins Rothe genugsam betrach- tet haben, wodurch das Entgegengesetzte sich ge- gen einander neigt, und sich in einem Dritten verei- nigt; dann wird gewiß eine besondere geheimnißvolle Anschauung eintreten, daß man diesen beyden getrenn- ten, einander entgegengesetzten Wesen eine geistige Bedeutung unterlegen koͤnne, und man wird sich kaum enthalten, wenn man sie unterwaͤrts das Gruͤn, und oberwaͤrts das Roth hervorbringen sieht, dort an die irdischen, hier an die himmlischen Ausgeburten der Elohim zu gedenken. 920. Doch wir thun besser, uns nicht noch zum Schlusse dem Verdacht der Schwaͤrmerey auszusetzen, um so mehr als es, wenn unsre Farbenlehre Gunst gewinnt, an allegorischen symbolischen und mystischen Anwen- dungen und Deutungen, dem Geiste der Zeit gemaͤß, gewiß nicht fehlen wird. Zugabe . Das Beduͤrfniß des Malers, der in der bisheri- gen Theorie keine Huͤlfe fand, sondern seinem Gefuͤhl, seinem Geschmack, einer unsichern Ueberlieferung in Absicht auf die Farbe voͤllig uͤberlassen war, ohne ir- gend ein physisches Fundament gewahr zu werden, worauf er seine Ausuͤbung haͤtte gruͤnden koͤnnen, dieses Beduͤrfniß war der erste Anlaß, der den Verfasser ver- mochte, in eine Bearbeitung der Farbenlehre sich ein- zulassen. Da nichts wuͤnschenswerther ist, als daß diese theoretische Ausfuͤhrung bald im Praktischen ge- nutzt und dadurch gepruͤft und schnell weiter gefuͤhrt werde; so muß es zugleich hoͤchst willkommen seyn, wenn wir finden, daß Kuͤnstler selbst schon den Weg einschlagen, den wir fuͤr den rechten halten. Ich lasse daher zum Schluß, um hiervon ein Zeugniß abzugeben, den Brief eines talentvollen Ma- lers, des Herrn Philipp Otto Runge , mit Ver- gnuͤgen abdrucken, eines jungen Mannes, der ohne von meinen Bemuͤhungen unterrichtet zu seyn, durch Naturel, Uebung und Nachdenken sich auf die glei- chen Wege gefunden hat. Man wird in diesem Briefe, den ich ganz mittheile, weil seine saͤmmtlichen Glie- der in einem innigen Zusammenhange stehen, bey auf- merksamer Vergleichung gewahr werden, daß mehrere Stellen genau mit meinem Entwurf uͤbereinkommen, 22 * daß andere ihre Deutung und Erlaͤuterung aus mei- ner Arbeit gewinnen koͤnnen, und daß dabey der Ver- fasser in mehreren Stellen mit lebhafter Ueberzeugung und wahrem Gefuͤhle mir selbst auf meinem Gange vorgeschritten ist. Moͤge sein schoͤnes Talent praktisch bethaͤtigen, wovon wir uns beyde uͤberzeugt halten, und moͤchten wir bey fortgesetzter Betrachtung und Aus- uͤbung mehrere gewogene Mitarbeiter finden. Wollgast den 3. Julii 1806. Nach einer kleinen Wanderung, die ich durch un- sere anmuthige Insel Ruͤgen gemacht hatte, wo der stille Ernst des Meeres von den freundlichen Halbinseln und Thaͤlern, Huͤgeln und Felsen, auf mannigfaltige Art unterbrochen wird, fand ich zu dem freundlichen Willkommen der Meinigen, auch noch Ihren werthen Brief; und es ist eine große Beruhigung fuͤr mich, meinen herzlichen Wunsch in Erfuͤllung gehen zu sehen, daß meine Arbeiten doch auf irgend eine Art anspre- chen moͤchten. Ich empfinde es sehr, wie Sie ein Bestreben, was auch außer der Richtung, die Sie der Kunst wuͤnschen, liegt, wuͤrdigen; und es wuͤrde eben so albern seyn, Ihnen meine Ursachen, warum ich so arbeite, zu sagen, als wenn ich bereden wollte, die meinige waͤre die rechte. Wenn die Praktik fuͤr Jeden mit so großen Schwierigkeiten verbunden ist, so ist sie es in unsern Zeiten im hoͤchsten Grade. Fuͤr den aber, der in ei- nem Alter, wo der Verstand schon eine große Ober- hand erlangt hat, erst anfaͤngt, sich in den Anfangs- gruͤnden zu uͤben, wird es unmoͤglich, ohne zu Grunde zu gehen, aus seiner Individualitaͤt heraus sich in ein allgemeines Bestreben zu versetzen. Derjenige, der, indem er sich in der unendlichen Fuͤlle von Leben, die um ihn ausgebreitet ist, ver- liert, und unwiderstehlich dadurch zum Nachbilden an- gereizt wird, sich von dem totalen Eindrucke eben so gewaltig ergriffen fuͤhlt, wird gewiß auf eben die Weise, wie er in das Charakteristische der Einzelnhei- ten eingeht, auch in das Verhaͤltniß, die Natur und die Kraͤfte der großen Massen einzudringen suchen. Wer in dem bestaͤndigen Gefuͤhl, wie alles bis ins kleinste Detail lebendig ist, und auf einander wirkt, die großen Massen betrachtet, kann solche nicht ohne eine besondere Connexion oder Verwandtschaft sich denken, noch viel weniger darstellen, ohne sich auf die Grundursachen einzulassen. Und thut er dieß, so kann er nicht eher wieder zu der ersten Freyheit ge- langen, wenn er sich nicht gewissermaßen bis auf den reinen Grund durchgearbeitet hat. Um es deutlicher zu machen, wie ich es meyne: ich glaube, daß die alten deutschen Kuͤnstler, wenn sie etwas von der Form gewußt haͤtten, die Unmit- telbarkeit und Natuͤrlichkeit des Ausdrucks in ihren Figuren wuͤrden verloren haben, bis sie in dieser Wis- senschaft einen gewissen Grad erlangt haͤtten. Es hat manchen Menschen gegeben, der aus freyer Faust Bruͤcken und Haͤngewerke und gar kuͤnstliche Sa- chen gebaut hat. Es geht auch wohl eine Zeit lang, wann er aber zu einer gewissen Hoͤhe gekommen und er von selbst auf mathematische Schluͤsse verfaͤllt, so ist sein ganzes Talent fort, er arbeite sich denn durch die Wissenschaft durch wieder in die Freyheit hinein. So ist es mir unmoͤglich gewesen, seit ich zuerst mich uͤber die besondern Erscheinungen bey der Mi- schung der drey Farben verwunderte, mich zu beru- higen, bis ich ein gewisses Bild von der ganzen Far- benwelt hatte, welches groß genug waͤre, um alle Verwandlungen und Erscheinungen in sich zu schließen. Es ist ein sehr natuͤrlicher Gedanke fuͤr einen Ma- ler, wenn er zu wissen begehrt, indem er eine schoͤne Gegend sieht, oder auf irgend eine Art von einem Effect in der Natur angesprochen wird, aus welchen Stoffen gemischt dieser Effect wieder zu geben waͤre. Dieß hat mich wenigstens angetrieben, die Eigenhei- ten der Farben zu studiren, und ob es moͤglich waͤre, so tief einzudringen in ihre Kraͤfte, damit es mir deut- licher wuͤrde, was sie leisten, oder was durch sie ge- wirkt wird, oder was auf sie wirkt. Ich hoffe, daß Sie mit Schonung einen Versuch ansehen, den ich bloß aufschreibe, um Ihnen meine Ansicht deutlich zu machen, die, wie ich doch glaube, sich praktisch nur ganz auszusprechen vermag. Indeß hoffe ich nicht, daß es fuͤr die Malerey unnuͤtz ist, oder nur entbehrt werden kann, die Farben von dieser Seite anzusehen; auch wird diese Ansicht den physikalischen Versuchen, et- was vollstaͤndiges uͤber die Farben zu erfahren, weder widersprechen, noch sie unnoͤthig machen. Da ich Ihnen hier aber keine unumstoͤßlichen Be- weise vorlegen kann, weil diese auf eine vollstaͤndige Erfahrung begruͤndet seyn muͤssen, so bitte ich nur, daß Sie auf Ihr eignes Gefuͤhl sich reduciren moͤchten, um zu verstehen, wie ich meynte, daß ein Maler mit keinen andern Elementen zu thun haͤtte, als mit de- nen, die Sie hier angegeben finden. 1) Drey Farben, Gelb, Roth und Blau , gibt es bekanntlich nur, wenn wir diese in ihrer ganzen Kraft annehmen, und stellen sie uns wie einen Cirkel vor, z. B. (siehe die Tafeln). so bilden sich aus den drey Farben, Gelb, Roth und Blau drey Uebergaͤnge, Orange, Violett und Gruͤn (ich heiße alles Orange, was zwischen Gelb und Roth faͤllt, oder was von Gelb oder Roth aus sich nach diesen Seiten hinneigt) und diese sind in ihrer mittleren Stellung am brillantesten und die reinen Mi- schungen der Farben. 2) Wenn man sich ein blaͤuliches Orange, ein roͤthliches Gruͤn oder ein gelbliches Violett denken will, wird einem so zu Muthe wie bey einem suͤdwestlichen Nordwinde. Wie sich aber ein warmes Violett erklaͤ- ren laͤßt, gibt es im Verfolg vielleicht Materie. 3) Zwey reine Farben wie Gelb und Roth geben eine reine Mischung Orange. Wenn man aber zu sol- cher Blau mischt, so wird sie beschmutzt, also daß wenn sie zu gleichen Theilen geschieht, alle Farbe in ein unscheinendes Grau aufgehoben ist. Zwey reine Farben lassen sich mischen, zwey Mit- telfarben aber heben sich einander auf oder beschmutzen sich, da ein Theil von der dritten Farbe hinzugekom- men ist. Wenn die drey reinen Farben sich einander aufhe- ben in Grau, so thun die drey Mischungen, Oran- ge, Violett und Gruͤn dasselbe in ihrer mittlern Stel- lung, weil die drey Farben wieder gleich stark darin sind. Da nun in diesem ganzen Kreise nur die reinen Uebergaͤnge der drey Farben liegen und sie durch ihre Mischung nur den Zusatz von Grau erhalten, so liegt außer ihnen zur groͤßern Vervielfaͤltigung noch Weiß und Schwarz. 4) Das Weiß macht durch seine Beymischung alle Farben matter, und wenn sie gleich heller wer- den, so verlieren sie doch ihre Klarheit und Feuer. 5) Schwarz macht alle Farben schmutzig, und wenn es solche gleich dunkler macht, so verlieren sie eben so wohl ihre Reinheit und Klarheit. 6) Weiß und Schwarz mit einander gemischt gibt Grau. 7) Man empfindet sehr leicht, daß in dem Um- fang von den drey Farben nebst Weiß und Schwarz der durch unsre Augen empfundene Eindruck der Na- tur in seinen Elementen nicht erschoͤpft ist. Da Weiß die Farben matt, und Schwarz sie schmutzig macht, werden wir daher geneigt, ein Hell und Dunkel anzu- nehmen. Die folgenden Betrachtungen werden uns aber zeigen, in wiefern sich hieran zu halten ist. 8) Es ist in der Natur außer dem Unterschied von Heller und Dunkler in den reinen Farben noch ein an- drer wichtiger auffallend. Wann wir z. B. in einer Helligkeit und in einer Reinheit rothes Tuch, Papier, Taft, Atlas oder Sammet, das Rothe des Abend- roths oder rothes durchsichtiges Glas annehmen, so ist da noch ein Unterschied, der in der Durchsichtig- keit oder Undurchsichtigkeit der Materie liegt. 9) Wenn wir die drey Farben, Roth Blau und Gelb undurchsichtig zusammen mischen, so entsteht ein Grau, welches Grau eben so aus Weiß und Schwarz gemischt werden kann. 10) Wenn man diese drey Farben durchsichtig also mischt, daß keine uͤberwiegend ist, so erhaͤlt man eine Dunkelheit, die durch keine von den andern Thei- len hervorgebracht werden kann. 11) Weiß sowohl als Schwarz sind beyde un- durchsichtig oder koͤrperlich. Man darf sich an den Ausdruck weißes Glas nicht stosten , womit man kla- res meynt. Weißes Wasser wird man sich nicht den- ken koͤnnen, was rein ist, so wenig wie klare Milch. Wenn das Schwarze bloß dunkel machte, so koͤnnte es wohl klar seyn, da es aber schmutzt, so kann es solches nicht. 12) Die undurchsichtigen Farben stehen zwischen dem Weißen und Schwarzen; sie koͤnnen nie so hell wie Weiß und nie so dunkel wie Schwarz seyn. 13) Die durchsichtigen Farben sind in ihrer Er- leuchtung wie in ihrer Dunkelheit graͤnzenlos, wie Feuer und Wasser als ihre Hoͤhe und ihre Tiefe ange- sehen werden kann. 14) Das Product der drey undurchsichtigen Far- ben, Grau, kann durch das Licht nicht wieder zu einer Reinheit kommen, noch durch eine Mischung dazu gebracht werden; es verbleicht entweder zu Weiß oder verkohlt sich zu Schwarz. 15) Drey Stuͤcken Glas von den drey reinen durchsichtigen Farben wuͤrden auf einander gelegt eine Dunkelheit hervorbringen, die tiefer waͤre als jede Farbe einzeln, nehmlich so: Drey durchsichtige Far- ben zusammen geben eine farblose Dunkelheit, die tie- fer ist, als irgend eine von den Farben. Gelb ist z. E. die hellste und leuchtendste unter den drey Far- ben, und doch, wenn man zu ganz dunklem Violett so viel Gelb mischt, bis sie sich einander aufheben, so ist die Dunkelheit in hohem Grade verstaͤrkt. 16) Wenn man ein dunkles durchsichtiges Glas, wie es allenfalls bey den optischen Glaͤsern ist, nimmt, und von der halben Dicke eine polirte Steinkohle, und legt beyde auf einen weißen Grund, so wird das Glas heller erscheinen; verdoppelt man aber beyde, so muß die Steinkohle stille stehen, wegen der Undurchsichtig- keit; das Glas wird aber bis ins Unendliche sich ver- dunkeln, obwohl fuͤr unsre Augen nicht sichtbar. Eine solche Dunkelheit koͤnnen eben sowohl die einzelnen durchsichtigen Farben erreichen, so daß Schwarz da- gegen nur wie ein schmutziger Fleck erscheint. 17) Wenn wir ein solches durchsichtiges Product der drey durchsichtigen Farben auf die Weise verduͤn- nen und das Licht durchscheinen ließen, so wird es auch eine Art Grau geben, die aber sehr verschieden von der Mischung der drey undurchsichtigen Farben seyn wuͤrde. 18) Die Helligkeit an einem klaren Himmel bey Sonnenaufgang dicht um die Sonne herum, oder vor der Sonne her kann so groß seyn, daß wir sie kaum ertragen koͤnnen. Wenn wir nun von dieser dort vor- kommenden farblosen Klarheit, als einem Product von den drey Farben auf diese schließen wollten, so wuͤr- den diese so hell seyn muͤssen, und so sehr uͤber un- sere Kraͤfte weggeruͤckt, daß sie fuͤr uns dasselbe Ge- heimniß blieben, wie die in der Dunkelheit versunke- nen. 19) Nun merken wir aber auch, daß die Hel- ligkeit oder Dunkelheit nicht in den Vergleich oder Verhaͤltniß zu den durchsichtigen Farben zu setzen sey, wie das Schwarz und Weiß zu den undurchsichtigen. Sie ist vielmehr eine Eigenschaft und eins mit der Klarheit und mit der Farbe. Man stelle sich einen reinen Rubin vor, so dick oder so duͤnn man will, so ist das Roth eins und dasselbe, und ist also nur ein durchsichtiges Roth, welches hell oder dunkel wird, je nachdem es vom Licht erweckt oder verlassen wird. Das Licht entzuͤndet natuͤrlich eben so das Product die- ser Farben in seiner Tiefe und erhebt es zu einer leuch- tenden Klarheit, die jede Farbe durchscheinen laͤßt. Diese Erleuchtung, der sie faͤhig ist, indem das Licht sie zu immer hoͤherem Brand entzuͤndet, macht, daß sie oft unbemerkt um uns wogt und in tausend Ver- wandlungen die Gegenstaͤnde zeigt, die durch eine ein- fache Mischung unmoͤglich waͤren, und alles in seiner Klarheit laͤßt und noch erhoͤht. So koͤnnen wir uͤber die gleichguͤltigsten Gegenstaͤnde oft einen Reiz verbrei- tet sehen, der meist mehr in der Erleuchtung der zwi- schen uns und dem Gegenstand befindlichen Luft liegt, als in der Beleuchtung seiner Formen. 20) Das Verhaͤltniß des Lichts zur durchsichtigen Farbe ist, wenn man sich darein vertieft, unendlich reizend, und das Entzuͤnden der Farben und das Verschwimmen in einander und Wiederentstehen und Verschwinden ist wie das Odemhohlen in großen Pau- sen von Ewigkeit zu Ewigkeit vom hoͤchsten Licht bis in die einsame und ewige Stille in den allertiefsten Toͤnen. 21) Die undurchsichtigen Farben stehen wie Blu- men dagegen, die es nicht wagen, sich mit dem Him- mel zu messen, und doch mit der Schwachheit von der einen Seite, dem Weißen, und dem Boͤsen, dem Schwarzen, von der andern zu thun haben. 22) Diese sind aber gerade faͤhig, wenn sie sich nicht mit Weiß noch Schwarz vermischen, sondern duͤnn daruͤber gezogen werden, so anmuthige Varia- tionen und so natuͤrliche Effecte hervorzubringen, daß sich an ihnen gerade der praktische Gebrauch der Ideen halten muß, und die durchsichtigen am Ende nur wie Geister ihr Spiel daruͤber haben, und nur dienen, um sie zu heben und zu erhoͤhen in ihrer Kraft. Der feste Glaube an eine bestimmte geistige Ver- bindung in den Elementen kann dem Maler zuletzt ei- nen Trost und Heiterkeit mittheilen, den er auf keine andre Art zu erlangen im Stande ist; da sein eignes Leben sich so in seiner Arbeit verliert und Materie, Mittel und Ziel in eins zuletzt in ihm eine Vollendung hervorbringt, die gewiß durch ein stets fleißiges und getreues Bestreben hervorgebracht werden muß, so daß es auch auf andere nicht ohne wohlthaͤtige Wirkung bleiben kann. Wenn ich die Stoffe, womit ich arbeite, betrachte, und ich halte sie an den Maßstab dieser Qualitaͤten, so weiß ich bestimmt wo und wie ich sie anwenden kann, da kein Stoff, den wir verarbeiten, ganz rein ist. Ich kann mich hier nicht uͤber die Praktik ausbreiten, weil es erstlich zu weitlaͤuftig waͤre, auch ich bloß im Sinne gehabt habe, Ihnen den Standpunct zu zeigen, von welchem ich die Farben betrachte. Schlußwort . Indem ich diese Arbeit, welche mich lange genug beschaͤftigt, doch zuletzt nur als Entwurf gleichsam aus dem Stegreife herauszugeben im Falle bin, und nun die vorstehenden gedruckten Bogen durchblaͤttere, so er- innere ich mich des Wunsches, den ein sorgfaͤltiger Schriftsteller vormals geaͤußert, daß er seine Werke lie- ber zuerst ins Concept gedruckt saͤhe, um alsdann aufs neue mit frischem Blick an das Geschaͤft zu gehen, weil alles Mangelhafte uns im Drucke deutlicher entgegen komme, als selbst in der saubersten Handschrift. Um wie lebhafter mußte bey mir dieser Wunsch ent- stehen, da ich nicht einmal eine voͤllig reinliche Abschrift vor dem Druck durchgehen konnte, da die successive Redaction dieser Blaͤtter in eine Zeit fiel, welche eine ru- hige Sammlung des Gemuͤths unmoͤglich machte. Wie vieles haͤtte ich daher meinen Lesern zu sagen, wovon sich doch manches schon in der Einleitung findet. Ferner wird man mir vergoͤnnen, in der Geschichte der Farbenlehre auch meiner Bemuͤhungen und der Schicksale zu gedenken, welche sie erduldeten. Hier aber stehe wenigstens eine Betrachtung vielleicht nicht am unrechten Orte, die Beantwortung der Frage, was kann derjenige, der nicht im Fall ist, sein ganzes Leben den Wissenschaften zu widmen, doch fuͤr die Wis- senschaften leisten und wirken? was kann er als Gast in einer fremden Wohnung zum Vortheile der Besitzer aus- richten? Wenn man die Kunst in einem hoͤhern Sinne be- trachtet, so moͤchte man wuͤnschen, daß nur Meister sich damit abgaͤben, daß die Schuͤler auf das strengste gepruͤft wuͤrden, daß Liebhaber sich in einer ehrfurchtsvollen An- naͤherung gluͤcklich fuͤhlten. Denn das Kunstwerk soll aus dem Genie entspringen, der Kuͤnstler soll Gehalt und Form aus der Tiefe seines eigenen Wesens hervorrufen, sich gegen den Stoff beherrschend verhalten, und sich der aͤußern Einfluͤsse nur zu seiner Ausbildung bedienen. Wie aber dennoch aus mancherley Ursachen schon der Kuͤnstler den Dilettanten zu ehren hat, so ist es bey wis- senschaftlichen Gegenstaͤnden noch weit mehr der Fall, daß der Liebhaber etwas erfreuliches und nuͤtzliches zu leisten im Stande ist. Die Wissenschaften ruhen weit mehr auf der Erfahrung als die Kunst, und zum Erfah- ren ist gar mancher geschickt. Das Wissenschaftliche wird von vielen Seiten zusammengetragen, und kann vieler Haͤnde, vieler Koͤpfe nicht entbehren. Das Wissen laͤßt sich uͤberliefern, diese Schaͤtze koͤnnen vererbt werden; und das von Einem Erworbene werden manche sich zu- eignen. Es ist daher Niemand, der nicht seinen Beytrag den Wissenschaften anbieten duͤrfte. Wie vieles sind wir nicht dem Zufall, dem Handwerk, einer augenblicklichen Aufmerksamkeit schuldig. Alle Naturen, die mit einer gluͤcklichen Sinnlichkeit begabt sind, Frauen, Kinder sind faͤhig, uns lebhafte und wohlgefaßte Bemerkungen mit- zutheilen. In der Wissenschaft kann also nicht verlangt wer- den, daß derjenige, der etwas fuͤr sie zu leisten gedenkt, ihr das ganze Leben widme, sie ganz uͤberschaue und umgehe; welches uͤberhaupt auch fuͤr den Eingeweihten eine hohe Forderung ist. Durchsucht man jedoch die Geschichte der Wissenschaften uͤberhaupt, besonders aber die Geschichte der Naturwissenschaft; so findet man, daß manches Vorzuͤglichere von Einzelnen in einzelnen Faͤchern, sehr oft von Laien geleistet worden. Wohin irgend die Neigung, Zufall oder Gelegen- heit den Menschen fuͤhrt, welche Phaͤnomene besonders ihm auffallen, ihm einen Antheil abgewinnen, ihn fest- halten, ihn beschaͤftigen, immer wird es zum Vortheil der Wissenschaft seyn. Denn jedes neue Verhaͤltniß, das an den Tag kommt, jede neue Behandlungsart, selbst das Unzulaͤngliche, selbst der Irrthum ist brauch- bar, oder aufregend und fuͤr die Folge nicht verloren. In diesem Sinne mag der Verfasser denn auch mit einiger Beruhigung auf seine Arbeit zuruͤcksehen; in dieser Betrachtung kann er wohl einigen Muth schoͤpfen zu dem, was zu thun noch uͤbrig bleibt, und, zwar nicht mit sich selbst zufrieden, doch in sich selbst getrost, das Geleistete und Zu-leistende einer theilneh- menden Welt und Nachwelt empfehlen. Multi pertransibunt et augebitur scientia. Enthuͤllung der Theorie Newtons . Dico ego, tu dicis, sed denique dixit et ille, Dictaque post toties non nisi dicta vides. Des Ersten Bandes Zweyter, polemischer Theil . I. 23 Einleitung . 1. W enn wir in dem ersten Theile den didaktischen Schritt so viel als moͤglich gehalten und jedes eigentlich polemische vermieden haben, so konnte es doch hie und da an mancher Misbilligung der bis jetzt herrschenden Theorie nicht fehlen. Auch ist jener Entwurf unserer Farbenlehre, seiner in- nern Natur nach, schon polemisch, indem wir eine Vollstaͤndigkeit der Phaͤnomene zusammenzu- bringen und diese dergestalt zu ordnen gesucht haben, daß Jeder genoͤthigt sey, sie in ihrer wahren Folge und in ihren eigentlichen Verhaͤlt- nissen zu betrachten, daß ferner kuͤnftig denjenigen, denen es eigentlich nur darum zu thun ist, ein- zelne Erscheinungen herauszuheben, um ihre hy- 23 * pothetischen Ausspruͤche dadurch aufzustutzen, ihr Handwerk erschwert werde. 2. Denn so sehr man auch bisher geglaubt, die Natur der Farbe gefaßt zu haben, so sehr man sich einbildete, sie durch eine sichre Theorie auszuspre- chen; so war dieß doch keinesweges der Fall, son- dern man hatte Hypothesen an die Spitze gesetzt, nach welchen man die Phaͤnomene kuͤnstlich zu ord- nen wußte, und eine wunderliche Lehre kuͤmmerli- chen Inhalts mit großer Zuversicht zu uͤberliefern verstand. 3. Wie der Stifter dieser Schule, der außeror- dentliche Newton, zu einem solchen Vorurtheile ge- langt, wie er es bey sich festgesetzt und andern ver- schiedentlich mitgetheilt, davon wird uns die Ge- schichte kuͤnftig unterrichten. Gegenwaͤrtig nehmen wir sein Werk vor, das unter dem Titel der Optik bekannt ist, worin er seine Ueberzeugungen schließ- lich niederlegte, indem er dasjenige, was er vorher geschrieben, anders zusammenstellte und auffuͤhrte. Dieses Werk, welches er in spaͤten Jahren heraus- gab, erklaͤrt er selbst fuͤr eine vollendete Darstellung seiner Ueberzeugungen. Er will davon kein Wort ab, keins dazu gethan wissen, und veranstaltet die lateinische Uebersetzung desselben unter seinen Augen. 4. Der Ernst, womit diese Arbeit unternommen, die Umstaͤndlichkeit, womit sie ausgefuͤhrt war, er- regte das groͤßte Zutrauen. Eine Ueberzeugung, daß dieses Buch unumstoͤßliche Wahrheit ent- halte, machte sich nach und nach allgemein; und noch gilt es unter den Menschen fuͤr ein Meister- stuͤck wissenschaftlicher Behandlung der Naturer- scheinungen. 5. Wir finden daher zu unserm Zwecke dienlich und nothwendig, dieses Werk theilweise zu uͤberse- tzen, auszuziehen und mit Anmerkungen zu begleiten, damit denjenigen, welche sich kuͤnftig mit dieser Angelegenheit beschaͤftigen, ein Leitfaden gesponnen sey, an dem sie sich durch ein solches Labyrinth durchwinden koͤnnen. Ehe wir aber das Geschaͤft selbst antreten, liegt uns ob, einiges vorauszu- schicken. 6. Daß bey einem Vortrag natuͤrlicher Dinge der Lehrer die Wahl habe, entweder von den Erfahrun- gen zu den Grundsaͤtzen, oder von den Grundsaͤtzen zu den Erfahrungen seinen Weg zu nehmen, ver- steht sich von selbst; daß er sich beyder Methoden wechselsweise bediene, ist wohl auch vergoͤnnt, ja manchmal nothwendig. Daß aber Newton eine solche gemischte Art des Vortrags zu seinem Zweck advocatenmaͤßig misbraucht, indem er das, was erst eingefuͤhrt, abgeleitet, erklaͤrt, bewiesen werden sollte, schon als bekannt annimmt, und sodann aus der großen Masse der Phaͤnomene nur diejenigen her- aussucht, welche scheinbar und nothduͤrftig zu dem einmal ausgesprochenen passen, dieß liegt uns ob, anschaulich zu machen, und zugleich darzuthun, wie er diese Versuche, ohne Ordnung, nach Belieben anstellt, sie keinesweges rein vortraͤgt, ja sie viel- mehr nur immer vermannigfaltigt und uͤber einander schichtet, so daß zuletzt der beste Kopf ein solches Chaos lieber glaͤubig verehrt, als daß er sich zur unabsehlichen Muͤhe verpflichtete, jene streitenden Elemente versoͤhnen und ordnen zu wollen. Auch wuͤrde dieses voͤllig unmoͤglich seyn, wenn man nicht vorher, wie von uns mit Sorgfalt geschehen, die Farbenphaͤnomene in einer gewissen natuͤrlichen Ver- knuͤpfung nach einander aufgefuͤhrt und sich dadurch in den Stand gesetzt haͤtte, eine kuͤnstliche und will- kuͤhrliche Stellung und Entstellung derselben an- schaulicher zu machen. Wir koͤnnen uns nunmehr auf einen natuͤrlichen Vortrag sogleich beziehen, und so in die groͤßte Verwirrung und Verwicklung ein heilsames Licht verbreiten. Dieses ganz allein ist’s, wodurch die Entscheidung eines Streites moͤglich wird, der schon uͤber hundert Jahre dauert, und so oft er erneuert worden, von der triumphi- renden Schule als verwegen, frech, ja als laͤ- cherlich und abgeschmackt weggewiesen und unter- druͤckt wurde. 7. Wie nun eine solche Hartnaͤckigkeit moͤglich war, wird sich unsern Lesern nach und nach aufklaͤren. Newton hatte durch eine kuͤnstliche Methode seinem Werk ein dergestalt strenges An- sehn gegeben, daß Kenner der Form es bewun- derten und Laien davor erstaunten. Hiezu kam noch der ehrwuͤrdige Schein einer mathematischen Behandlung, womit er das Ganze aufzustutzen wußte. 8. An der Spitze naͤmlich stehen Definitionen und Axiome, welche wir kuͤnftig durchgehen werden, wenn sie unsern Lesern nicht mehr imponiren koͤnnen. Sodann finden wir Propositionen, welche das im- mer wiederholt festsetzen, was zu beweisen waͤre; Theoreme, die solche Dinge aussprechen, die Nie- mand schauen kann; Experimente, die unter veraͤn- derten Bedingungen immer das Vorige wiederbrin- gen, und sich mit großem Aufwand in einem ganz kleinen Kreise herumdrehen; Probleme zuletzt, die nicht zu loͤsen sind, wie das alles in der weiteren Ausfuͤhrung umstaͤndlich darzuthun ist. 9. Im Englischen fuͤhrt das Werk den Titel: Op- ticks, or a Treatise of the Reflections, Refractions, In- flections and Colours of Light. Obgleich das englische Wort Optics ein etwas naiveres Ansehen haben mag, als das lateinische Optice und das deutsche Optik; so druͤckt es doch, ohne Frage, einen zu großen Umfang aus, den das Werk selbst nicht ausfuͤllt. Dieses han- delt ausschließlich von Farbe, von farbigen Erschei- nungen. Alles uͤbrige, was das natuͤrliche oder kuͤnst- liche Sehen betrifft, ist beynahe ausgeschlossen, und man darf es nur in diesem Sinne mit den opti- schen Lectionen vergleichen, so wird man die gro- ße Masse eigentlich mathematischer Gegenstaͤnde, welche sich dort findet, vermissen. 10. Es ist noͤthig, hier gleich zu Anfang diese Be- merkung zu machen: denn eben durch den Titel ist das Vorurtheil entstanden, als wenn der Stoff und die Ausfuͤhrung des Werkes mathematisch sey, da jener bloß physisch ist und die mathematische Be- handlung nur scheinbar; ja, beym Fortschritt der Wissenschaft hat sich schon laͤngst gezeigt, daß, weil Newton als Physiker seine Beobachtungen nicht ge- nau anstellte, auch seine Formeln, wodurch er die Erfahrungen aussprach, unzulaͤnglich und falsch be- funden werden mußten; welches man uͤberall, wo von der Entdeckung der achromatischen Fernroͤhre gehandelt wird, umstaͤndlich nachlesen kann. 11. Diese sogenannte Optik, eigentlicher Chroma- tik, besteht aus drey Buͤchern, von welchen wir gegenwaͤrtig nur das erste, das in zwey Theile ge- theilt ist, polemisch behandeln. Wir haben uns bey der Uebersetzung meistens des englischen Originals in der vierten Ausgabe, London 1730, bedient, das in einem natuͤrlichen naiven Stil geschrieben ist. Die lateinische Uebersetzung ist sehr treu und genau, wird aber durch die roͤmische Sprachweise etwas pomphafter und dogmatischer. 12. Da wir jedoch nur Auszuͤge liefern, und die saͤmmtlichen Newtonischen Tafeln nachstechen zu lassen keinen Beruf fanden, so sind wir genoͤ- thigt, uns oͤfters auf das Werk selbst zu bezie- hen, welches diejenigen unserer Leser, die bey der Sache wahrhaft interessirt sind, entweder im Original oder in der Uebersetzung zur Seite ha- ben werden. 13. Die woͤrtlich uͤbersetzten Stellen, in denen der Gegner selbst spricht, haben wir mit kleinerer Schrift, unsre Bemerkungen aber mit der groͤ- ßern, die unsre Leser schon gewohnt sind, abdrucken lassen. 14. Uebrigens haben wir die Saͤtze, in welche unsre Arbeit sich theilen ließ, mit Nummern bezeichnet. Es geschieht dieses hier, so wie im Entwurf der Far- benlehre, nicht um dem Werke einen Schein hoͤherer Consequenz zu geben, sondern bloß um jeden Bezug, jede Hinweisung zu erleichtern, welches dem Freunde sowohl als dem Gegner angenehm seyn kann. Wenn wir kuͤnftig den Entwurf citiren, so setzen wir ein E. vor die Nummer des Paragraphen. Zwischenrede . 15. V orstehendes war geschrieben und das Nachste- hende zum groͤßten Theil, als die Frage entstand, ob es nicht raͤthlich sey, mit wenigem gleich hier anzugeben, worin sich denn die Meynung, welcher wir zugethan sind, von derjenigen unterscheidet, die von Newton herstammend sich uͤber die gelehrte und ungelehrte Welt verbreitet hat. 16. Wir bemerken zuerst, daß diejenige Denkweise, welche wir billigen, uns nicht etwa eigenthuͤmlich angehoͤrt, oder als eine neue nie vernommene Lehre vorgetragen wird. Es finden sich vielmehr von der- selben in den fruͤhern Zeiten deutliche Spuren, ja sie hat sich immer, durch alle schwankenden Mey- nungen hindurch, so manche Jahrhunderte her le- bendig erhalten, und ist von Zeit zu Zeit wieder ausgesprochen worden, wovon uns die Geschichte weiter unterrichten wird. 17. Newton behauptet, in dem weißen farblosen Lichte uͤberall, besonders aber in dem Sonnenlicht, seyen mehrere farbige, (die Empfindung der Farbe erregende,) verschiedene Lichter wirklich enthalten, de- ren Zusammensetzung das weiße Licht (die Empfin- dung des weißen Lichts) hervorbringe. 18. Damit aber diese Lichter zum Vorschein kom- men, setzt er dem weißen Licht gar mancherley Be- dingungen entgegen, durchsichtige Koͤrper, welche das Licht von seiner Bahn ablenken, undurchsichtige, die es zuruͤckwerfen, andre, an denen es hergeht; aber diese Bedingungen sind ihm nicht einmal ge- nug. Er gibt den brechenden Mitteln allerley For- men, den Raum, in dem er operirt, richtet er auf mannigfaltige Weise ein, er beschraͤnkt das Licht durch kleine Oeffnungen, durch winzige Spalten, und bringt es auf hunderterley Art in die Enge. Dabey behauptet er nun, daß alle diese Bedingun- gen keinen andern Einfluß haben, als die Eigen- schaften, die Fertigkeiten (fits) des Lichtes rege zu machen, so daß dadurch sein Innres aufgeschlossen werde, und was in ihm liegt, an den Tag komme. 19. Jene farbigen Lichter sind die integrirenden Theile seines weißen Lichtes. Es kommt durch alle obgemeldeten Operationen nichts zu dem Licht hinzu, es wird ihm nichts genommen, sondern es werden nur seine Faͤhigkeiten, sein Inhalt geoffenbart. Zeigt es nun bey der Refraction verschiedene Farben, so ist es divers refrangibel; auch bey der Reflexion zeigt es Farben, deßwegen ist es divers reflexibel, u. s. w. Jede neue Erscheinung deutet auf eine neue Faͤhigkeit des Lichtes, sich aufzuschließen, seinen Inhalt herzugeben. 20. Die Lehre dagegen, von der wir uͤberzeugt sind, und von der wir dießmal nur insofern sprechen, als sie der Newtonischen entgegensteht, beschaͤftigt sich auch mit dem weißen Lichte. Sie bedient sich auch aͤußerer Bedingungen, um farbige Erscheinungen hervorzubringen. Sie gesteht aber diesen Bedin- gungen Werth und Wuͤrde zu, sie bildet sich nicht ein, Farben aus dem Licht zu entwickeln, sie sucht uns vielmehr zu uͤberzeugen, daß die Farbe zugleich von dem Lichte und von dem, was sich ihm entge- genstellt, hervorgebracht werde. 21. Also, um nur des Refractionsfalles, mit dem sich Newton in der Optik vorzuͤglich beschaͤftigt, hier zu gedenken, so ist es keinesweges die Bre- chung, welche die Farben aus dem Licht hervorlockt, vielmehr bleibt eine zweyte Bedingung unerlaͤßlich, daß die Brechung auf ein Bild wirke, und solches von der Stelle wegruͤcke. Ein Bild entsteht nur durch Graͤnzen, diese Graͤnzen uͤbersieht Newton ganz, ja er laͤugnet ihren Einfluß. Wir aber schrei- ben dem Bilde sowohl als seiner Umgebung, der hellen Mitte sowohl als der dunkeln Graͤnze, der Thaͤtigkeit sowohl als der Schranke, in diesem Falle vollkommen gleiche Wirkung zu. Alle Versuche stimmen uns bey, und jemehr wir sie vermannigfal- tigen, desto mehr wird ausgesprochen, was wir be- haupten, desto planer, desto klarer wird die Sache. Wir gehen vom Einfachen aus, indem wir einen sich wechselseitig entsprechenden Gegensatz zugestehen, und durch Verbindung desselben die farbige Welt her- vorbringen. 22. Newton scheint vom Einfacheren auszugehen, indem er sich bloß ans Licht halten will; allein er setzt ihm auch Bedingungen entgegen so gut wie wir, nur daß er denselben ihren integrirenden Antheil an dem Hervorgebrachten ablaͤugnet. Seine Lehre hat nur den Schein, daß sie monadisch oder unitarisch sey. Er legt in seine Einheit schon die Mannigfal- tigkeit, die er heraus bringen will, welche wir aber viel besser aus der eingestandenen Dualitaͤt zu ent- wickeln und zu construiren glauben. 23. Wie er nun zu Werke geht, um das Unwahre wahr, das Wahre unwahr zu machen, das ist jetzt unser Geschaͤft zu zeigen und der eigentliche Zweck des gegenwaͤrtigen polemischen Theils. Der Newtonischen Optik erstes Buch. Erster Theil . Erste Proposition. Erstes Theorem . Lichter welche an Farbe verschieden sind, dieselben sind auch an Refrangibilitaͤt verschieden und zwar gradweise. 24. W enn wir gleich von Anfang willig zugestehen, das Werk, welches wir behandeln, sey voͤllig aus einem Gusse, so duͤrfen wir auch bemerken, daß in den vorstehenden ersten Worten, in dieser Proposition, die uns zum Eintritt begegnet, schon die ganze Lehre wie in einer Ruß vorhanden sey, und daß auch zugleich jene captioͤse Methode voͤllig eintrete, wodurch uns der Verfasser das ganze Buch hindurch zum Besten hat. Dieses zu zeigen, dieses anschaulich und deutlich zu machen, duͤrfen wir ihm nicht leicht ein Wort, eine Wendung hingehen lassen; und wir ersuchen unsre Leser um die vollkommenste Aufmerksamkeit, dafuͤr sie sich I. 24 denn aber auch von der Knechtschaft dieser Lehre auf ewige Zeiten befreyt fuͤhlen werden. 25. Lichter — Mit diesem Plural kommt die Sub- und Obreption, deren sich Newton durch das ganze Werk schuldig macht, gleich recht in den Gang. Lichter, meh- rere Lichter! und was denn fuͤr Lichter? welche an Farbe verschieden sind — In dem ersten und zweyten Versuche, welche zum Beweis dienen sollen, fuͤhrt man uns farbige Papiere vor, und diejenigen Wirkungen, die von dorther in unser Auge kommen, werden gleich als Lichter behandelt. Offenbar ein hy- pothetischer Ausdruck: denn der gemeine Sinn beobach- tet nur, daß uns das Licht mit verschiedenen Eigen- schaften der Oberflaͤchen bekannt macht; daß aber das- jenige, was von diesen zuruͤckstrahlt, als ein verschie- denartiges Licht angesehen werden koͤnne, darf nicht vorausgesetzt werden. Genug wir haben schon farbige Lichter fertig, ehe noch von einem farblosen die Rede gewesen. Wir ope- riren schon mit farbigen Lichtern, und erst hinterdrein vernehmen wir, wie und wo etwa ihr Ursprung seyn moͤchte. Daß aber hier von Lichtern die Rede nicht seyn koͤnne, davon ist jeder uͤberzeugt, der den Entwurf unserer Farbenlehre wohl erwogen hat. Wir haben naͤmlich genugsam dargethan, daß alle Farbe einem Licht und Nicht-Licht ihr Daseyn schuldig sey, daß die Farbe sich durchaus zum Dunkeln hinneige, daß sie ein σκιερὸν sey, daß wenn wir eine Farbe auf einen hellen Gegenstand hinwerfen, es sey auf welche Weise es wolle, wir denselben nicht beleuchten, sondern beschat- ten. Mit solchem Schattenlicht, mit solcher Halbfinster- niß faͤngt Newton sehr kuͤnstlich seinen ganzen Vortrag an, und kein Wunder, daß er diejenigen, die ihm sein Erstes zugeben, von nun an im Dunkeln oder Halbdun- keln zu erhalten weiß. 26. dieselben sind auch an Refrangibilitaͤt — Wie springt doch auf einmal dieses abstracte Wort hervor! Freylich steht es schon in den Axiomen, und der auf- merksam glaͤubige Schuͤler ist bereits von diesen Wundern durchdrungen, und hat nicht mehr die Freyheit, dasjenige, was ihm vorgefuͤhrt wird, mit einigem Mistrauen zu untersuchen. 27. verschieden — Die Refrangibilitaͤt macht uns also mit einem großen Geheimniß bekannt. Das Licht, je- nes Wesen, das wir nur als eine Einheit, als einfach wirkend gewahr werden, wird uns nun als ein Zusam- mengesetztes, aus verschiedenartigen Theilen Bestehendes, auf eine verschiedene Weise Wirkendes dargestellt. Wir geben gern zu, daß sich aus einer Einheit, an einer Einheit ein Diverses entwickeln, eine Differenz ent- stehen koͤnne; allein es gibt gar verschiedene Arten, wie dieses geschehen mag. Wir wollen hier nur zweyer geden- 24 * ken: Erstens daß ein Gegensatz hervortritt, wodurch die Einheit sich nach zwey Seiten hin manifestirt und dadurch großer Wirkungen faͤhig wird; Zweytens daß die Ent- wickelung des Unterschiedenen staͤtig in einer Reihe vor- geht. Ob jener erste Fall etwa bey den prismatischen Erscheinungen eintreten koͤnne, davon hat Newton nicht die mindeste Vermuthung, ob ihn gleich das Phaͤnomen oft genug zu dieser Auslegungsart hindraͤngt. Er be- stimmt sich vielmehr ohne Bedenken fuͤr den zweyten Fall. Es ist nicht nur eine diverse Refrangibilitaͤt, sondern sie wirkt auch 28. gradweise — Und so ist denn gleich ein auf- und aus einander folgendes Bild, eine Scala, ein aus verschiedenen Theilen, aber aus unendlichen bestehendes, in einander fließendes und doch separables, zugleich aber auch inseparables Bild fertig, ein Gespenst, das nun schon hundert Jahre die wissenschaftliche Welt in Ehr- furcht zu erhalten weiß. 29. Sollte in jener Proposition etwas Erfahrungsge- maͤßes ausgesprochen werden, so konnte es allenfalls heißen: Bilder, welche an Farbe verschieden sind, er- scheinen durch Refraction auf verschiedene Weise von der Stelle bewegt. Indem man sich dergestalt aus- druͤckte, spraͤche man denn doch das Phaͤnomen des er- sten Versuchs allenfalls aus. Man koͤnnte die Erschei- nung eine diverse Refraction nennen, und alsdann ge- nauer nachforschen, wie es denn eigentlich damit aus- sehe. Aber daß wir sogleich zu den Ibilitaͤten, zu den Keiten gefuͤhrt werden, daß wir den Beweis derselben mit Gefallen aufnehmen sollen, ja daß wir nur darauf eingehen sollen, sie uns beweisen zu lassen, ist eine starke Forderung. Beweis durch Experimente. 30. Wir moͤchten nicht gern gleich von Anfang unsre Leser durch irgend eine Paradoxie scheu machen, wir koͤnnen uns aber doch nicht enthalten, zu behaupten, daß sich durch Erfahrungen und Versuche eigentlich nichts beweisen laͤßt. Die Phaͤnomene lassen sich sehr genau beobachten, die Versuche lassen sich reinlich anstellen, man kann Erfahrungen und Versuche in einer gewissen Ordnung auffuͤhren, man kann eine Erscheinung aus der andern ableiten, man kann einen gewissen Kreis des Wissens darstellen, man kann seine Anschauungen zur Gewißheit und Vollstaͤndigkeit erheben, und das, daͤchte ich, waͤre schon genug. Folgerungen hingegen zieht je- der fuͤr sich daraus; beweisen laͤßt sich nichts dadurch, besonders keine Ibilitaͤten und Keiten. Alles, was Mey- nungen uͤber die Dinge sind, gehoͤrt dem Individuum an, und wir wissen nur zu sehr, daß die Ueberzeugung nicht von der Einsicht, sondern von dem Willen abhaͤngt; daß Niemand etwas begreift, als was ihm gemaͤß ist und was er deßwegen zugeben mag. Im Wissen wie im Han- deln entscheidet das Vorurtheil alles, und das Vorurtheil wie sein Name wohl bezeichnet, ist ein Urtheil vor der Untersuchung. Es ist eine Bejahung oder Verneinung dessen, was unsre Natur anspricht oder ihr widerspricht; es ist ein freudiger Trieb unsres lebendigen Wesens nach dem Wahren wie nach dem Falschen, nach allem was wir mit uns im Einklang fuͤhlen. 31. Wir bilden uns also keinesweges ein, zu beweisen, daß Newton unrecht habe; denn jeder Atomistisch- ge- sinnte, jeder am Hergebrachten Festhaltende, jeder vor einem großen alten Namen mit heiliger Scheu Zuruͤck- tretende, jeder Bequeme wird viel lieber die erste Pro- position Newtons wiederholen, darauf schwoͤren, ver- sichern, daß alles erwiesen und bewiesen sey und unsere Bemuͤhungen verwuͤnschen. Ja wir gestehen es gerne, daß wir seit mehreren Jahren oft mit Widerwillen dieses Geschaͤft aufs neue vorgenommen haben. Denn man koͤnnte sich’s wirklich zur Suͤnde rechnen, die selige Ueberzeugung der New- tonischen Schule, ja uͤberhaupt die himmlische Ruhe der ganzen halb unterrichteten Welt in und an dem Credit dieser Schule zu stoͤren und in Unbehaglichkeit zu setzen. Denn wenn die saͤmmtlichen Meister die alte starre Con- fession immer auf ihren Lehrstuͤhlen wiederholen, so im- primiren sich die Schuͤler jene kurzen Formeln sehr ger- ne, womit das Ganze abgethan und bey Seite gebracht wird; indessen das uͤbrige Publicum diese selige Ueber- zeugung gleichsam aus der Luft aufschnappt; wie ich denn die Anekdote hier nicht verschweigen kann, daß ein solcher Gluͤcklicher, der von den neueren Bemuͤhun- gen etwas vernahm, versicherte: Newton habe das alles schon gesagt und besser; er wisse nur nicht wo. 32. Indem wir uns nun also zu den Versuchen wen- den, so bitten wir unsre Leser, auf den ersten sogleich alle Aufmerksamkeit zu richten, den der Verfasser durch einen Salto mortale gleich zu Anfang wagt, und uns ganz unerwartet in medias res hineinreißt; wobey wir, wenn wir nicht wohl Acht haben, uͤberrascht werden, uns verwirren und sogleich die Freyheit des Urtheils verlieren. 33. Diejenigen Freunde der Wissenschaft, die mit den subjectiven dioptrischen Versuchen der zweyten Classe, die wir umstaͤndlich genug vorgetragen und abgeleitet, gehoͤrig bekannt sind, werden sogleich einsehen, daß Newton hier nicht auf eine Weise verfaͤhrt, die dem Mathematiker geziemt. Denn dieser setzt, wenn er be- lehren will, das Einfachste voraus, und baut aus den begreiflichsten Elementen sein bewundernswuͤrdiges Ge- baͤude zusammen. Newton hingegen stellt den compli- cirtesten subjectiven Versuch, den es vielleicht gibt, an die Spitze, verschweigt seine Herkunft, huͤtet sich, ihn von mehreren Seiten darzustellen, und uͤberrascht den unvorsichtigen Schuͤler, der wenn er einmal Beyfall ge- geben, sich in dieser Schlinge gefangen hat, nicht mehr weiß, wie er zuruͤck soll. Dagegen wird es demjenigen, der die wahren Ver- haͤltnisse dieses ersten Versuchs einsieht, leicht seyn, sich auch vor den uͤbrigen Fesseln und Banden zu huͤten, und wenn sie ihm fruͤher durch Ueberlieferung umge- worfen worden, sie mit freudiger Energie abzuschuͤtteln. Erster Versuch . 34. Ich nahm ein schwarzes laͤnglichtes steifes Papier, das von parallelen Seiten begraͤnzt war, und theilte es durch eine per- pendiculaͤre Linie, die von einer der laͤngern Seiten zu der an- dern reichte, in zwey gleiche Theile. Einen dieser Theile strich ich mit einer rothen, den andern mit einer blauen Farbe an; das Papier war sehr schwarz und die Farben stark und satt aufgetragen, damit die Erscheinung desto lebhafter seyn moͤchte. 35. Daß hier das Papier schwarz seyn muͤsse, ist eine ganz unnoͤthige Bedingung. Denn wenn das Blaue und Rothe stark und dick genug aufgetragen ist, so kann der Grund nicht mehr durchblicken, er sey von welcher Farbe er will. Wenn man jedoch die Newto- nische Hypothese kennt, so sieht man ungefaͤhr, was es heißen soll. Er fordert hier einen schwarzen Grund, damit ja nicht etwas von seinem supponirten unzerleg- ten Licht durch die aufgetragenen Farben als durchfal- lend vermuthet werden koͤnne. Allein, wie schon gezeigt ist, steht die Bedingung hier ganz unnuͤtz, und nichts verhindert mehr die wahre Einsicht in ein Phaͤnomen, oder einen Versuch, als uͤberfluͤssige Bedingungen. Ei- gentlich heißt alles nichts weiter, als man verschaffe sich zwey gleiche Vierecke von rothem und blauem steifen Papier und bringe sie genau neben einander. Wollte nun der Verfasser fortfahren, seinen Versuch richtig zu beschreiben, so mußte er vor allen Dingen die Lage, Stellung, genug die Localitaͤt dieses zweyfar- bigen Papiers genau angeben, anstatt daß sie jetzt der Leser erst aus dem spaͤter folgenden nach und nach, muͤhsam und nicht ohne Gefahr sich zu vergreifen, ein- zeln zusammen suchen muß. 36. Dieses Papier betrachtete ich durch ein glaͤsernes massives Prisma, dessen zwey Seiten, durch welche das Licht zum Auge gelangte, glatt und wohl polirt waren, und in einem Winkel von ungefaͤhr sechzig Graden zusammenstießen, den ich den brechenden Winkel nenne. Und indem ich also nach dem Papier schaute, hielt ich das Prisma gegen das Fenster dergestalt, daß die langen Seiten des Papiers und das Pris- ma sich parallel gegen den Horizont verhielten, da denn jene Durchschnittslinie, welche die beiden Farben trennte, gegen denselben rechtwinklicht gerichtet war. 37. Im Englischen steht anstatt rechtwinklicht paral- lel , welches offenbar ein Druckfehler ist. Denn die langen Seiten des farbigen Papiers und die Durch- schnittslinie koͤnnen nicht zugleich parallel mit dem Ho- rizont seyn. Im Lateinischen steht perpendicular , welches an sich ganz richtig ist; da aber nicht von einem Grundrisse, sondern einem raͤumlichen Verhaͤltnisse die Rede ist, so versteht man leicht vertical darunter: wo- durch der Versuch in Confusion geriethe. Denn das far- bige Papier muß flach liegen, und die kurzen Seiten muͤssen, wie wir angeben, mit dem Horizont, oder wenn man will, mit der Fensterbank, einen rechten Winkel machen. 38. Und das Licht, das von dem Fenster auf das Papier fiel, einen Winkel mit dem Papier machte, demjenigen gleich, in welchem das Papier das Licht nach dem Auge zuruͤckwarf. 39. Wie kann man sagen, daß das allgemeine Tages- licht, denn hier scheint nicht vom Sonnenlichte die Re- de zu seyn, einen Winkel mit dem Papier mache, da es von allen Enden hier darauf faͤllt? Auch ist die Bedingung ganz unnoͤthig; denn man koͤnnte die Vor- richtung eben so gut an der Seite des Fensters machen. 40. Jenseits des Prismas war die Fensterbruͤstung mit schwar- zem Tuche beschlagen, welches also sich im Dunkeln befand, damit kein Licht von daher kommen konnte, das etwa an den Kanten des Papiers vorbey zu dem Auge gelangt waͤre, sich mit dem Lichte des Papiers vermischt und das Phaͤnomen un- sicher gemacht haͤtte. 41. Warum sagt er nicht lieber jenseits des farbigen Papiers? Denn dieses kommt ja naͤher an das Fenster zu stehen, und das schwarze Tuch soll nur dazu dienen, um dem farbigen Papier einen dunkeln Hintergrund zu verschaffen. Wollte man diese Vorrichtung gehoͤrig und deutlich angeben, so wuͤrde es auf folgende Weise ge- schehen: man beschlage den Wandraum unter einer Fen- sterbank bis an den Fußboden mit schwarzem Tuche; man verschaffe sich ein Parallelogramm von Pappe, und uͤberziehe es zur Haͤlfte mit rothem, zur Haͤlfte mit blauem Papier, welche beyde an der kurzen Durch- schnittslinie zusammenstoßen. Diese Pappe bringe man flachliegend, etwa in der halben Hoͤhe der schwarzbe- schlagenen Fensterbruͤstung vor derselben dergestalt an, daß sie dem etwas weiter abstehenden Beobachter wie auf schwarzem Grunde erscheine, ohne daß von dem Gestell, worauf man sie angebracht, etwas zu sehen sey. Ihre laͤngeren Seiten sollen sich zur Fensterwand parallel verhalten, und in derselben Richtung halte der Beobachter auch das Prisma, wodurch er nach gedach- tem Papier hinblickt, einmal den brechenden Winkel aufwaͤrts und sodann denselben unterwaͤrts gekehrt. Was heißt nun aber diese umstaͤndliche Vorrichtung anders, als man bringe das oben beschriebene doppel- farbige Papier auf einen schwarzen Grund, oder man klebe ein rothes und ein blaues Viereck horizontal ne- ben einander auf eine schwarzgrundirte Tafel, und stelle sie vor sich hin; denn es ist ganz gleichguͤltig, ob dieser schwarze Grund auch einigermaßen erleuchtet sey, und allenfalls ein dunkles Grau vorstelle, das Phaͤno- men wird immer dasselbe seyn. Durch die saͤmmtlichen Newtonischen Versuche jedoch geht eine solche pedanti- sche Genauigkeit, alles nach seiner Hypothese unzerlegte Licht zu entfernen, und dadurch seinen Experimenten eine Art von Reinlichkeit zu geben, welche, wie wir noch genugsam zeigen werden, durchaus nichtig ist, und nur zu unnuͤtzen Forderungen und Bedingungen die Veranlassung gibt. 42. Als diese Dinge so geordnet waren, fand ich, indem ich den brechenden Winkel des Prismas aufwaͤrts kehrte, und das farbige Papier scheinbar in die Hoͤhe hob, daß die blaue Haͤlfte durch die Brechung hoͤher gehoben wurde, als die ro- the Haͤlfte. Wenn ich dagegen den brechenden Winkel unter- waͤrts kehrte, so daß das Papier durch die Brechung herabge- zogen schien; so war die blaue Haͤlfte tiefer heruntergefuͤhrt als die rothe. 43. Wir haben in unserm Entwurf der Farbenlehre die dioptrischen Farben der zweyten Classe und besonders die subjectiven Versuche umstaͤndlich genug ausgefuͤhrt, besonders aber im 18. Capitel von Paragraph 258. bis 284., auf das genaueste dargethan, was eigentlich vor- geht, wenn farbige Bilder durch Brechung verruͤckt werden. Es ist dort auf das klaͤrste gezeigt, daß an farbigen Bildern, eben wie an farblosen, farbige Raͤn- der entstehen, welche mit der Flaͤche entweder gleich- namig oder ungleichnamig sind, in dem ersten Falle aber die Farbe der Flaͤche beguͤnstigen, in dem andern sie beschmutzen und unscheinbar machen; und dieses ist es, was einem leichtsinnigen oder von Vorurtheilen be- nebelten Beobachter entgeht, und was auch den Autor zu der uͤbereilten Folgerung verfuͤhrte, wenn er aus- ruft: 44. Deßhalb in beyden Faͤllen das Licht, welches von der blauen Haͤlfte des Papiers durch das Prisma zum Auge kommt, unter denselben Umstaͤnden eine groͤßere Refraction er- leidet, als das Licht, das von der rothen Haͤlfte kommt, und folglich refrangibler ist als dieses. 45. Dieß ist nun der Grund- und Eckstein des Newto- nischen optischen Werks; so sieht es mit einem Experi- ment aus, das dem Verfasser so viel zu bedeuten schien, daß er es aus hunderten heraushob, um es an die Spitze aller chromatischen Erfahrungen zu setzen. Wir haben schon (E. 268.) bemerkt, wie captioͤs und taschen- spielerisch dieser Versuch angegeben worden: denn wenn die Erscheinung einigermaßen taͤuschen soll; so muß das Rothe ein Zinnoberroth, und das Blaue sehr dunkelblau seyn. Nimmt man Hellblau, so wird man die Taͤu- schung gleich gewahr. Und warum ist denn Niemanden eingefallen, noch eine andre verfaͤngliche Frage zu thun? Nach der Newtonischen Lehre ist das Gelbroth am we- nigsten refrangibel, das Blauroth am meisten; warum nimmt er denn also nicht ein violettes Papier neben das rothe, sondern ein dunkelblaues? Waͤre die Sache wahr, so muͤßte die Verschiedenheit der Refrangibilitaͤt bey Gelbroth und Violett weit staͤrker seyn, als bey Gelbroth und Blau. Allein hier findet sich der Um- stand, daß ein violettes Papier die prismatischen Raͤn- der weniger versteckt, als ein dunkelblaues; wovon sich jeder Beobachter nunmehr, nach unsrer umstaͤndlichen Anleitung, leicht uͤberzeugen kann. Wie es dagegen um die Newtonische Beobachtungsgabe und um die Ge- nauigkeit seiner Experimente stehe, wird jeder, der Au- gen und Sinn hat, mit Verwunderung gewahr wer- den; ja man darf dreist sagen, wer haͤtte einen Mann von so außerordentlichen Gaben, wie Newton war, durch ein solches Hocus pocus betruͤgen koͤnnen, wenn er sich nicht selbst betrogen haͤtte? Nur derjenige, der die Gewalt des Selbstbetruges kennt, und weiß, daß er ganz nahe an die Unredlichkeit graͤnzt, wird allein das Verfahren Newtons und seiner Schule sich erklaͤren koͤnnen. 46. Wir wollen nur noch mit wenigem auf die New- tonische Figur, die eilfte seiner zweyten Tafel, welche bey ihm selbst nachzusehen waͤre, die Aufmerksamkeit erregen. Sie ist perspectivisch confus gezeichnet, und hat nebenher noch etwas merkwuͤrdig captioͤses. Die zweyfarbige Pappe ist hier durch Dunkel und Hell un- terschieden, die rechtwinklichte Lage ihrer Flaͤche gegen das Fenster ist ziemlich deutlich angegeben; allein das durchs Prisma bewaffnete Auge steht nicht an der rech- ten Stelle; es muͤßte in Einer Linie mit der Durch- schnittslinie der gefaͤrbten Pappe stehen. Auch ist die Verruͤckung der Bilder nicht gluͤcklich angegeben, denn es sieht aus, als wenn sie in der Diagonale verruͤckt wuͤrden, welches doch nicht ist: denn sie werden nur, je nachdem der brechende Winkel gehalten wird, vom Beobachter ab, oder zum Beobachter zu geruͤckt. Was aber hoͤchst merkwuͤrdig ist, darf Niemanden entgehen. Die verruͤckten, nach der Newtonischen Lehre divers refrangirten Bilder sind mit Saͤumen vorgestellt, die im Original an dem dunkeln Theil undeutlich, an dem hellen Theil sehr deutlich zu sehen sind, welches letzte auch die Tafeln zur lateinischen Uebersetzung zeigen. Wenn also bey diesem Experimente nichts weiter ge- schieht, als daß ein Bild weiter geruͤckt werde, als das andre, warum laͤßt er denn die Bilder nicht in ihren Linien eingeschlossen, warum macht er sie breiter, warum gibt er ihnen verfließende Saͤume? Er hat also diese Saͤume wohl gesehen; aber er konnte sich nicht uͤberzeugen, daß diesen Saͤumen, und keinesweges einer diversen Refrangibilitaͤt, das Phaͤnomen zuzuschrei- ben sey. Warum erwaͤhnt er denn im Texte dieser Er- scheinung nicht, die er doch sorgfaͤltig, obgleich nicht ganz richtig, in Kupfer stechen laͤßt? Wahrscheinlich wird ein Newtonianer darauf antworten: das ist eben noch von dem undecomponirten Lichte, das wir niemals ganz los werden koͤnnen und das hier sein Unwesen treibt. Zweyter Versuch . 47. Inwiefern auch dieser Versuch auf einer Taͤuschung beruhe, wie der vorige, ist nunmehr unsre Pflicht klar zu machen. Wir finden aber dießmal gerathener, den Verfasser nicht zu unterbrechen, sondern ihn ausreden zu lassen, alsdann aber unsre Gegenrede im Zusammen- hange vorzutragen. 48. Um das vorgemeldete Papier, dessen eine Haͤlfte blau, die andre roth angestrichen und welches steif wie Pappe war, wickelte ich einen Faden schwarzer Seide mehrmals um, der- gestalt, daß es aussah, als wenn schwarze Linien uͤber die Farbe gezogen waͤren, oder als wenn schmale schwarze Schat- ten darauf fielen. Ich haͤtte eben so gut schwarze Linien mit einer Feder ziehen koͤnnen, aber die Seide bezeichnete feinere Striche. 49. Dieses so gefaͤrbte und liniirte Papier befestigte ich an eine Wand, so daß eine Farbe zur rechten, die andere zur linken Hand zu stehen kam. Genau vor das Papier, unten wo die beyden Farben zusammentrafen, stellte ich ein Licht, um das Papier stark zu beleuchten, denn das Experiment war bey Nacht angestellt. 50. Die Flamme der Kerze reichte bis zum untern Rande des Papiers, oder um ein weniges hoͤher. Dann, in der Entfer- nung von sechs Fuß und ein oder zwey Zoll von dem Papier an der Wand, richtete ich eine Glaslinse auf, welche vier und einen Viertelzoll breit war, welche die Strahlen, die von den verschiedenen Puncten des Papiers herkaͤmen, auffassen und, in der Entfernung von sechs Fuß, ein oder zwey Zoll auf der andern Seite der Linse, in so viel andern Puncten zusammen- bringen, und das Bild des farbigen Papiers auf einem wei- ßen Papier, das dorthin gestellt war, abbilden sollte, auf die Art, wie die Linse in einer Ladenoͤffnung die Bilder der Ob- jecte raußen auf einen weißen Bogen Papier in der dunkeln Cammer werfen mag. 51. Das vorgedachte weiße Papier stand vertical zu dem Ho- rizont und parallel mit der Linse. Ich bewegte dasselbe manchmal gegen die Linse, manchmal von ihr weg, um die Plaͤtze zu finden, wo die Bilder der blauen und rothen Theile des Papiers am deutlichsten erscheinen wuͤrden. Diese Plaͤtze konnte ich leicht erkennen an den Bildern der schwarzen Linien, die ich hervorgebracht hatte, indem ich die Seide um das Pa- pier wand. Denn die Bilder dieser feinen und zarten Linien, die sich wegen ihrer Schwaͤrze wie ein Schatten auf der Farbe absetzten, waren dunkel und kaum sichtbar, außer wenn die Farbe an jeder Seite einer jeden Linie ganz deutlich be- graͤnzt war. Deßwegen bezeichnete ich so genau als moͤglich die Plaͤtze, wo die Bilder der blauen und rothen Haͤlfte des I. 25 farbigen Papiers am deutlichsten erschienen. Ich fand, daß wo die rothe Haͤlfte ganz deutlich war, die blaue Haͤlfte ver- worren erschien, so daß ich die darauf gezogenen schwarzen Linien kaum sehen konnte; im Gegentheil, wo man die blaue Haͤlfte deutlich unterscheiden konnte, erschien die rothe verwor- ren, so daß die schwarzen Linien darauf kaum sichtbar waren. Zwischen den beiden Orten aber, wo diese Bilder sich deutlich zeigten, war die Entfernung ein und ein halber Zoll. Denn die Entfernung des weißen Papiers von der Linse, wenn das Bild der rothen Haͤlfte sehr deutlich erschien, war um einen und einen halben Zoll groͤßer, als die Entfernung des weißen Papiers von der Linse, wenn das Bild der blauen Haͤlfte sehr deutlich war. Daraus folgern wir, daß indem das Blaue und Rothe gleichmaͤßig auf die Linse fiel, doch das Blaue mehr durch die Linse gebrochen wurde, als das Rothe, so daß es um anderthalb Zoll fruͤher convergirte, und daß es deßwe- gen refrangibler seyn muͤsse. 52. Nachdem wir den Verfasser angehoͤrt, seine Vor- richtung wohl kennen gelernt, und das, was er da- durch zu bewirken glaubt, vernommen haben, so wollen wir unsre Bemerkungen zu diesem Versuche unter ver- schiedenen Rubriken vorbringen, und denselben in seine Elemente zu zerlegen suchen, worin der Hauptvortheil aller Controvers mit Newton bestehen muß. 53. Unsre Betrachtungen beziehen sich also 1) auf das Vorbild, 2) auf die Beleuchtung, 3) auf die Linse, 4) auf das gewirkte Abbild und 5) auf die aus den Erscheinungen gezogene Folgerung. 54. 1) Das Vorbild . Ehe wir mit der aus dem vorigen Versuch uns schon bekannten doppelfarbigen Pappe weiter operiren, so muͤssen wir sie und ihre Ei- genschaften uns erst naͤher bekannt machen. 55. Man bringe mennigrothes und sattblaues Papier neben einander, so wird jenes hell, dieses aber dunkel und, besonders bey Nacht, dem Schwarzen fast aͤhnlich erscheinen. Wickelt man nun schwarze Faͤden um beyde, oder zieht man schwarze Linien daruͤber her, so ist offen- bar, daß man mit bloßem Auge die schwarzen Linien auf dem hellrothen in ziemlicher Entfernung erkennen wird, wo man eben diese Linien auf dem blauen noch nicht erkennen kann. Man denke sich zwey Maͤnner, den einen im scharlachrothen, den andern im dunkel- blauen Rocke, beyde Kleider mit schwarzen Knoͤpfen; man lasse sie beyde neben einander eine Straße heran gegen den Beobachter kommen; so wird dieser die Knoͤpfe des rothen Rocks viel eher sehen, als die des blauen, und die beyden Personen muͤssen schon nahe seyn, wenn beyde Kleider mit ihren Knoͤpfen gleich deutlich dem Auge erscheinen sollen. 56. Um daher das richtige Verhaͤltniß jenes Versuches einzusehen, vermannigfaltige man ihn. Man theile eine 25 * viereckte Flaͤche in vier gleiche Quadrate, man gebe einem jeden eine besondre Farbe, man ziehe schwarze Striche uͤber sie alle hin, man betrachte sie in gewisser Entfernung mit bloßem Auge, oder mit einer Lorgnette, man veraͤndre die Entfernung und man wird durchaus finden, daß die schwarzen Faͤden dem Sinne des Au- ges fruͤher oder spaͤter erscheinen, keinesweges weil die verschiedenen farbigen Gruͤnde besondre Eigenschaften haben, sondern bloß insofern als der eine heller ist als der andre. Nun aber, um keinen Zweifel uͤbrig zu lassen, wickle man weiße Faͤden um die verschiedenen farbigen Papiere, man ziehe weiße Linien darauf und die Faͤlle werden nunmehr umgekehrt seyn. Ja, um sich voͤllig zu uͤberzeugen, so abstrahire man von aller Farbe und wiederhole das Experiment mit weißen, schwarzen, grauen Papieren; und immer wird man se- hen, daß bloß der Abstand des Hellen und Dunkeln Ur- sache der mehrern oder wenigern Deutlichkeit sey. Und so werden wir es auch bey dem Versuche, wie Newton ihn vorschlaͤgt, durchaus antreffen. 57. 2) Die Beleuchtung . Man kann das aufge- stellte Bild durch eine Reihe angezuͤndeter Wachskerzen, welche man gegen die Linse zu verdeckt, sehr stark be- leuchten, oder man bringt drey Wachskerzen unmittel- bar an einander, so daß ihre drey Dochte gleichsam nur eine Flamme geben. Diese verdeckt man gegen die Linse zu und laͤßt, indem man beobachtet, einen Gehuͤlfen die Flamme ganz nahe an dem Bilde sachte hin und wiederfuͤhren, daß alle Theile desselben nach und nach lebhaft erleuchtet werden. Denn eine sehr starke Er- leuchtung ist noͤthig, wenn der Versuch einigermaßen deutlich werden soll. 58. 3) Die Linse . Wir sehen uns hier genoͤthigt, einiges Allgemeine vorauszuschicken, was wir sowohl an diesem Orte, als auch kuͤnftig zur richtigen Einsicht in die Sache beduͤrfen. 59. Jedes Bild bildet sich ab auf einer entgegengesetzten glatten Flaͤche, wohin seine Wirkung in gerader Linie gelangen kann. Auch erscheint es auf einer rauhen Flaͤche, wenn die einzelnen Theile des Bildes aus- schließlich von einzelnen Theilen der entgegengesetzten Flaͤche zuruͤckgesendet werden. Bey einer kleinen Oeff- nung in der Camera obscura bilden sich die aͤußern Gegenstaͤnde auf einer weißen Tafel umgekehrt ab. 60. Bey einer solchen Abbildung wird der Zwischen- raum als leer gedacht; der ausgefuͤllte, aber durchsich- tige Raum, verruͤckt die Bilder. Die Phaͤnomene, welche, bey Verruͤckung der Bilder durch Mittel, sich aufdringen, besonders die farbigen Erscheinungen, sind es, die uns hier besonders interessiren. 61. Durch Prismen von dreyseitiger Base und durch Linsen werden diejenigen Operationen vollbracht, mit denen wir uns besonders beschaͤftigen. 62. Die Linsen sind gleichsam eine Versammlung un- endlicher Prismen; und zwar convexe eine Versammlung von Prismen, die mit dem Ruͤcken aneinanderstehen; concave eine Versammlung von Prismen, die mit der Schneide aneinanderstehen, und in beyden Faͤllen um ein Centrum versammelt mit krummlinigen Oberflaͤchen. 63. Das gewoͤhnliche Prisma, mit dem brechenden Winkel nach unten gekehrt, bewegt die Gegenstaͤnde nach dem Beobachter zu; das Prisma mit dem brechen- den Winkel nach oben gekehrt, ruͤckt die Gegenstaͤnde vom Beobachter ab. Wenn man sich diese beyden Ope- rationen im Kreise herumdenkt, so verengt das erste den Raum um den Beobachter her, das zweyte erweitert ihn. Daher muß ein convexes Glas im subjectiven Fall vergroͤßern, ein concaves verkleinern; bey der Operation hingegen, die wir die objective nennen, ge- schieht das Gegentheil. 64. Die convexe Linse, mit der wir es hier eigentlich zu thun haben, bringt die Bilder, welche durch sie hin- einfallen, ins Enge. Das bedeutendste Bild ist das Sonnenbild. Laͤßt man es durch die Linse hindurchfal- len, und faͤngt es bald hinter derselben mit einer Tafel auf; so sieht man es zuerst bey wachsender Entfernung der Tafel immer mehr sich verkleinern, bis es auf eine Stelle kommt, wo es nach Verhaͤltniß der Linse seine groͤßte Kleinheit erreicht und am deutlichsten gesehen wird. 65. Schon fruͤher zeigt sich bey diesen Versuchen eine starke Hitze, und eine Entzuͤndung der entgegengehalte- nen Tafel, besonders einer schwarzen. Diese Wirkung aͤußert sich eben so gut hinter dem Bildpuncte der Sonne als vor demselben; doch kann man sagen, daß ihr Bildpunct und der maͤchtigste Brennpunct zusam- menfalle. 66. Die Sonne ist das entfernteste Bild, das sich bey Tage abbilden kann. Darum kommt es auch zuerst durch die Operation der Linse entschieden und genau begraͤnzt zusammen. Will man die Wolken auf der Tafel deutlich sehen, so muß man schon weiter ruͤcken. Die Berge und Waͤlder, die Haͤuser, die zunaͤchst ste- henden Baͤume, alle bilden sich stufenweise spaͤter ab, und das Sonnenbild hat sich hinter seiner Bildstelle schon wieder sehr stark ausgedehnt, wenn die nahen Gegenstaͤnde sich erst an ihrer Bildstelle zusammendraͤn- gen. So viel sagt uns die Erfahrung in Absicht auf Abbildung aͤußerer Gegenstaͤnde durch Linsen. 67. Bey dem Versuche, den wir gegenwaͤrtig beleuch- ten, sind die verschiedenfarbigen Flaͤchen, welche mit ihren schwarzen Faͤden hinter der Linse abgebildet wer- den sollen, neben einander. Sollte nun eine fruͤher als die andre deutlich erscheinen, so kann die Ursache nicht in der verschiedenen Entfernung gesucht werden. 68. Newton wuͤnscht seine diverse Refrangibilitaͤt da- durch zu beweisen; wir haben aber schon oben, bey Be- trachtung des Vorbildes, auseinandergesetzt, daß eigent- lich nur die verschiedene Deutlichkeit der auf verschieden- farbigen Gruͤnden angebrachten Bilder die Ursache der verschiedenen Erscheinungen hinter der Linse sey. Daß dieses sich also verhalte, haben wir naͤher zeigen. 69. Wir beschreiben zuerst die Vorrichtung, welche wir gemacht, um bey dem Versuche ganz sicher zu gehen. Auf einem horizontalgelegten Gestelle findet sich an einem Ende Gelegenheit, das Vorbild einzuschieben. Vor dem- selben in einer Vertiefung koͤnnen die Lichter angebracht werden. Die Linse ist in einem verticalen Brett befe- stigt, welches sich auf dem Gestelle hin und wieder be- wegen laͤßt. Innerhalb des Gestells ist ein beweglicher Rahmen, an dessen Ende eine Tafel aufgerichtet ist, worauf die Abbildung vor sich geht. Auf diese Weise kann man die Linse gegen das Vorbild, oder gegen die Tafel, und die Tafel entweder gegen beyde zu, oder von beyden abruͤcken, und die drey verschiedenen Theile, Vorbild, Linse und Tafel stehn vollkommen parallel ge- gen einander. Hat man den Punct, der zur Beobach- tung guͤnstig ist, gefunden; so kann man durch eine Schraube den innern Rahmen festhalten. Diese Vor- richtung ist bequem und sicher, weil alles zusammen- steht und genau auf einander paßt. Man sucht nun den Punct, wo das Abbild am deutlichsten ist, indem man Linse und Tafel hin und her bewegt. Hat man diesen gefunden; so faͤngt man die Beobachtung an. 70. 4) Das Abbild . Newton fuͤhrt uns mit seiner hellrothen und dunkelblauen Pappe, wie er pflegt, in medias res; und wir haben schon oben bemerkt, daß erst das Vorbild vermannigfaltigt und untersucht wer- den muͤsse, um zu erfahren, was man von dem Abbild erwarten koͤnne. Wir gehen daher folgendermaßen zu Werke. Wir bringen auf eine Pappe vier Vierecke in ein groͤßeres Viereck zusammen, ein schwarzes, ein weißes, ein dunkelgraues und ein hellgraues. Wir zie- hen schwarze und weiße Striche daruͤber hin und be- merken sie schon mit bloßem Auge nach Verschiedenheit des Grundes mehr oder weniger. Doch da Newton selbst seine schwarzen Faͤden Bilder nennt, warum macht er denn den Versuch nicht mit wirklichen kleinen Bil- dern? Wir bringen daher auf die vier oben benannten Vierecke helle und dunkle kleine Bilder, gleichfalls Vier- ecke, oder Scheiben, oder Figuren wie die der Spiel- charten an, und diese so ausgeruͤstete Pappe machen wir zum Vorbilde. Nun koͤnnen wir zuerst zu einer sichern Pruͤfung desjenigen fortschreiten, was wir von dem Abbilde zu erwarten haben. 71. Ein jedes von Kerzen erleuchtetes Bild zeigt sich weniger deutlich, als es beym Sonnenschein geschehen wuͤrde, und ein solches von Kerzen erleuchtetes Bild soll hier gar noch durch eine Linse gehen, soll ein Ab- bild hergeben, das deutlich genug sey, um eine bedeu- tende Theorie darauf zu gruͤnden. 72. Erleuchten wir nun jene unsere bemeldete Pappe so stark als moͤglich, und suchen ih Abbild auch moͤglichst genau durch die Linse auf die weiße Tafel zu bringen, so sehen wir immer doch nur eine stumpfe Abbildung. Das Schwarze erscheint als ein dunkles Grau, das Weiße als ein helles Grau, das dunkle und helle Grau der Pappe sind auch weniger zu unterscheiden als mit bloßem Auge. Eben so verhaͤlt es sich mit den Bildern. Diejenigen, welche sich, dem Hellen und Dunkeln nach, am staͤrksten entgegensetzen, diese sind auch die deutlich- sten. Schwarz auf Weiß, Weiß auf Schwarz laͤßt sich gut unterscheiden; Weiß und Schwarz auf Grau er- scheint schon matter, obgleich noch immer in einem ge- wissen Grade von Deutlichkeit. 73. Bereiten wir uns nun ein Vorbild von farbigen Quadraten an einander, so muß uns zum Voraus ge- genwaͤrtig bleiben, daß wir im Reich der halbbeschatte- ten Flaͤchen sind, und daß das farbige Papier sich ge- wissermaßen verhalten wird wie das graue. Dabey haben wir uns zu erinnern, daß die Farben beym Ker- zenlicht anders als bey Tage erscheinen. Das Violette wird grau, das Hellblaue gruͤnlich, das Dunkelblaue fast schwarz, das Gelbe naͤhert sich dem Weißen, weil auch das Weiße gelb wird, und das Gelbrothe waͤchst auch nach seiner Art, so daß also die Farben der acti- ven Seite auch hier die helleren und wirksameren, die der passiven hingegen die dunkleren und unwirksameren bleiben. Man hat also bey diesem Versuch besonders die Farben der passiven Seite hell und energisch zu nehmen, damit sie bey dieser Nachtoperation etwas ver- lieren koͤnnen. Bringt man nun auf diese farbigen Flaͤchen kleine schwarze, weiße und graue Bilder, so werden sie sich verhalten, wie es jene angezeigten Ei- genschaften mit sich bringen. Sie werden deutlich seyn, insofern sie als Hell und Dunkel von den Farben mehr oder weniger abstechen. Eben dasselbe gilt, wenn man auf die schwarzen, weißen und grauen, so wie auf die farbigen Flaͤchen, farbige Bilder bringt. 74. Wir haben diesen Apparat der Vorbilder, um zur Gewißheit zu gelangen, bis ins Ueberfluͤssige vervielfaͤl- tigt. Denn dadurch unterscheidet sich ja bloß der Ex- perimentirende von dem, der zufaͤllige Erscheinungen, als waͤren’s unzusammenhaͤngende Begebenheiten, an- blickt und anstaunt. Newton sucht dagegen seinen Schuͤler immer nur an gewissen Bedingungen festzuhal- ten, weil veraͤnderte Bedingungen seiner Meynung nicht guͤnstig sind. Man kann daher die Newtonische Dar- stellung einer perspectivisch gemalten Theaterdecoration vergleichen, an der nur aus einem einzigen Standpuncte alle Linien zusammentreffend und passend gesehen wer- den. Aber Newton und seine Schuͤler leiden nicht, daß man ein wenig zur Seite trete, um in die offnen Cou- lissen zu sehen. Dabey versichern sie dem Zuschauer, den sie auf seinem Stuhle festhalten, es sey eine wirk- lich geschlossene und undurchdringliche Wand. 75. Wir haben bisher referirt, wie wir die Sache bey genauer Aufmerksamkeit gefunden; und man sieht wohl, daß einerseits die Taͤuschung dadurch moͤglich ward, daß Newton zwey farbige Flaͤchen, eine helle und eine dunkle mit einander vergleicht, und verlangt, daß die dunkle leisten soll, was die helle leistet. Er fuͤhrt sie uns vor, nur als an Farbe verschieden, und macht uns nicht aufmerksam, daß sie auch am Helldunkel verschie- den sind. Wie er aber andrerseits sagen kann, Schwarz auf Blau sey alsdann sichtbar gewesen, wenn Schwarz auf Roth nicht mehr erschien, ist uns ganz und gar unbegreiflich. 76. Wir haben zwar bemerkt, daß, wenn man fuͤr die weiße Tafel die Stelle gefunden hat, wo sich das Ab- bild am deutlichsten zeigt, man mit derselben noch etwas weniges vor und ruͤckwaͤrts gehen kann, ohne der Deut- lichkeit merklich Abbruch zu thun. Wenn man jedoch etwas zu weit vor oder zu weit zuruͤckgeht, so nimmt die Deutlichkeit der Bilder ab, und wenn man sie un- ter sich vergleicht, geschieht es in der Maße, daß die stark vom Grunde abstechenden sich laͤnger als die schwach abstechenden erhalten. So sieht man Welß auf Schwarz noch ziemlich deutlich, wenn Weiß auf Grau undeutlich wird. Man sieht Schwarz auf Mennigroth noch einigermaßen, wenn Schwarz auf Indigblau schon verschwindet, und so verhaͤlt es sich mit den uͤbrigen Farben durch alle Bedingungen unserer Vorbilder. Daß es aber fuͤr das Abbild eine Stelle geben koͤnne, wo das weniger abstechende deutlich, das mehr abstechende undeutlich sey, davon haben wir noch keine Spur ent- decken koͤnnen, und wir muͤssen also die Newtonische Assertion bloß als eine beliebige, aus dem vorgefaßten Vorurtheil entsprungene, bloß mit den Augen des Gei- stes gesehene Erscheinung halten und angeben. Da der Apparat leicht ist, und die Versuche keine großen Um- staͤnde erfordern, so sind andre vielleicht gluͤcklicher, etwas zu entdecken, was wenigstens zu des Beobachters Ent- schuldigung dienen koͤnne. 77. 5) Folgerung . Nachdem wir gezeigt, wie es mit den Praͤmissen stehe, so haben wir unsres Beduͤn- kens das vollkommenste Recht, die Folgerung ohne wei- teres zu laͤugnen. Ja wir ergreifen diese Gelegenheit, den Leser auf einen wichtigen Punct aufmerksam zu machen, der noch oͤfters zur Sprache kommen wird. Es ist der, daß die Newtonische Lehre durchaus zu- viel beweist. Denn wenn sie wahr waͤre, so koͤnnte es eigentlich gar keine dioptrischen Fernroͤhre geben; wie denn auch Newton aus seiner Theorie die Unmoͤglichkeit ihrer Verbesserung folgerte: ja selbst unserm bloßen Auge muͤßten farbige Gegenstaͤnde neben einander durch- aus verworren erscheinen, wenn sich die Sache wirklich so verhielte. Denn man denke sich ein Haus, das in vollem Sonnenlicht stuͤnde; es haͤtte ein rothes Ziegel- dach, waͤre gelb angestrichen, haͤtte gruͤne Schaltern, hinter den offnen Fenstern blaue Vorhaͤnge, und ein Frauenzimmer ginge im violetten Kleide zur Thuͤre heraus. Betrachteten wir nun das Ganze mit seinen Theilen aus einem gewissen Standpuncte, wo wir es auf einmal ins Auge fassen koͤnnten, und die Ziegel waͤren uns recht deutlich, wir wendeten aber das Auge sogleich auf das Frauenzimmer, so wuͤrden wir die Form und die Falten ihres Kleides keinesweges be- stimmt erblicken, wir muͤßten vorwaͤrts treten, und saͤ- hen wir das Frauenzimmer deutlich, so muͤßten uns die Ziegel wie im Nebel erscheinen, und wir haͤtten dann auch, um die Bilder der uͤbrigen Theile ganz bestimmt im Auge zu haben, immer etwas vor- und etwas zu- ruͤckzutreten, wenn die praͤtendirte, im zweyten Experi- ment erwiesen seyn sollende diverse Refrangibilitaͤt statt faͤnde. Ein gleiches gilt von allen Augenglaͤsern, sie moͤgen einfach oder zusammengesetzt seyn, nicht weniger von der Camera obscura. 78. Ja daß wir eine dem zweyten Newtonischen Expe- riment unmittelbar verwandte Instanz beybringen, so erinnern wir unsre Leser an jenen optischen Kasten, in welchem stark erleuchtete Bilder von Hauptstaͤdten, Schloͤssern und Plaͤtzen durch eine Linse angesehen und verhaͤltnißmaͤßig vergroͤßert, zugleich aber auch sehr klar und deutlich erblickt werden. Man kann sagen, es sey hier der Newtonische Versuch selbst, nur in groͤßerer Mannigfaltigkeit subjectiv wiederholt. Waͤre die New- tonische Hypothese wahr, so koͤnnte man unmoͤglich den hellblauen Himmel, das hellgruͤne Meer, die gelb- und blaugruͤnen Baͤume, die gelben Haͤuser, die rothen Zie- geldaͤcher, die bunten Kutschen, Livreen und Spazier- gaͤnger neben einander zugleich deutlich erblicken. 79. Noch einiger andern wunderlichen Consequenzen, die aus der Newtonischen Lehre herfließen, muͤssen wir erwaͤhnen. Man gedenke der schwarzen Bilder auf ver- schiedenfarbigen, an Hellung nicht allzusehr von einan- der unterschiedenen Flaͤchen. Nun fragen wir, ob das schwarze Bild denn nicht auch das Recht habe, seine Graͤnze zu bestimmen, wenn es durch die Linse durchge- gangen ist? Zwey schwarze Bilder, eins auf rothem, das andre auf blauem Grunde, werden beyde gleich gebrochen: denn dem Schwarzen schreibt man doch keine diverse Refrangibilitaͤt zu. Kommen aber beyde schwarze Bilder mit gleicher Deutlichkeit auf der entgegengehalte- nen weißen Tafel an, so moͤchten wir doch wissen, wie sich der rothe und blaue Grund gebaͤhrden wollten, um ihnen die einmal scharfbezeichneten Graͤnzen streitig zu machen. Und so stimmt denn auch die Erfahrung mit dem, was wir behaupten, vollkommen uͤberein; so wie das Unwahre und Ungehoͤrige der Newtonischen Lehre immer maͤchtiger in die Augen springt, je laͤnger man sich damit, es sey nun experimentirend oder nachden- kend, beschaͤftigt. 80. Fragt man nun gar nach farbigen Bildern auf far- bigem Grund, so wird der praͤtendirte Versuch und die daraus gezogene Folgerung ganz laͤcherlich: denn ein rothes Bild auf blauem Grunde koͤnnte niemals erschei- nen und umgekehrt. Denn wenn es der rothen Graͤnze beliebte, deutlich zu werden, so haͤtte die blaue keine Lust, und wenn diese sich endlich bequemte, so waͤr’ es jener nicht gelegen. Fuͤrwahr, wenn es mit den Ele- menten der Farbenlehre so beschaffen waͤre, so haͤtte die Natur dem Sehen, dem Gewahrwerden der sichtbaren Erscheinungen, auf eine saubre Weise vor- gearbeitet. 81. So sieht es also mit den beyden Experimenten aus, auf welche Newton einen so großen Werth legte, daß er sie als Grundpfeiler seiner Theorie an die erste Stelle des Werkes brachte, welches zu ordnen er sich uͤber dreyßig Jahre Zeit nahm. So beschaffen sind zwey Versuche, deren Ungrund die Raturforscher seit hundert Jahren nicht einsehn wollten, obgleich das, was wir vorgebracht und eingewendet haben, schon oͤfters in Druckschriften dargelegt, behauptet und eingeschaͤrft wor- den, wie uns davon die Geschichte umstaͤndlicher beleh- ren wird. Zweyte Proposition. Zweytes Theorem . Das Licht der Sonne besteht aus Strahlen von verschiedener Refrangibilitaͤt. 82. Nachdem wir also schon farbige Lichter kennen ge- lernt, welche sogar durch das matte Kerzenlicht aus den Oberflaͤchen farbiger Koͤrper herausgelockt werden, nach- dem man uns das Abgeleitete oder erst Abzuleitende I. 26 schon bekannt gemacht; so wendet sich der Verfasser an die rechte Quelle, zur Sonne nehmlich, als demjenigen Lichte, das wir gern fuͤr ein Urlicht annehmen. 83. Das Licht der Sonne also, heißt es, besteht aus Strahlen von verschiedener Refrangibilitaͤt. Warum wird denn aber hier der Sonne vorzuͤglich erwaͤhnt? Das Licht des Mondes, der Sterne, einer jeden Kerze, eines jeden hellen Bildes auf dunklem Grunde ist in dem Fall, uns die Phaͤnomene zu zeigen, die man hier der Sonne als eigenthuͤmlich zuschreibt. Sey es auch, daß man sich der Sonne zu den Versuchen, welche wir die objectiven genannt haben, wegen ihrer maͤchtigen Wir- kung bediene, so ist dieß ein Umstand, der fuͤr den Ex- perimentator guͤnstig ist, aber keinesweges eine Grund- erscheinung, an die man eine Theorie anlehnen koͤnnte. 84. Wir haben deßwegen in unserm Entwurfe, bey den dioptrischen Versuchen der zweyten Classe, die subjectiven vorangestellt, weil sich aus denselben deutlich machen laͤßt, daß hier keinesweges von Licht, noch Lichtern, sondern von einem Bilde und dessen Graͤnzen die Rede sey; da denn die Sonne vor keinem andern Bilde, ja nicht vor einem hell- oder dunkelgrauen auf schwarzem Grunde, den mindesten Vorzug hat. 85. Jedoch, nach der Newtonischen Lehre, sollen ja die Farben im Lichte stecken, sie sollen daraus entwickelt werden. Schon der Titel des Werkes deutet auf diesen Zweck hin. Schon dort werden wir auf die Colours of Light hingewiesen, auf die Farben des Lichtes, wie sie denn auch die Newtonianer bis auf den heutigen Tag zu nennen pflegen. Kein Wunder also, daß dieser Satz auch hier also gestellt wird. Lasset uns jedoch untersuchen, wie der Verfasser dieses Fundament seiner chromatischen Lehre mit acht Experimenten zu beweisen denkt, indem er das dritte bis zum zehnten diesem End- zwecke widmet, welche wir nunmehr der Reihe nach durchgehen. Dritter Versuch . 86. Wir verfolgen des Verfassers Vortrag hier nicht von Wort zu Wort: denn es ist dieses der allgemein bekannte Versuch, da man durch eine kleine Oeffnung des Fensterladens das Sonnenbild in eine dunkle Kam- mer fallen laͤßt, solches durch ein horizontal gestelltes Prisma, dessen brechender Winkel nach unten gerichtet ist, auffaͤngt; da denn das Bild an die entgegengesetzte 26 * Wand in die Hoͤhe gebrochen nicht mehr farblos und rund, sondern laͤnglich und farbig erscheint. 87. Wie es eigentlich mit diesem Phaͤnomen beschaffen sey, wissen alle Theilnehmende nunmehr genau, welche dasjenige wohl inne haben, was von uns uͤber die dioptrischen Farben der zweyten Classe uͤberhaupt, vor- zuͤglich aber uͤber die objectiven vom 20 bis 24 Capitel umstaͤndlich vorgetragen worden; so wie wir uns deßhalb noch besonders auf unsre zweyte, fuͤnfte und sechste Ta- fel berufen. Es ist daraus klar, daß die Erscheinung, wie sie aus dem Prisma tritt, keinesweges eine fertige sey, sondern daß sie, je naͤher und je weiter man die Tafel haͤlt, worauf sie sich abbilden soll, immer neue Verhaͤltnisse zeigt. Sobald man dieses eingesehen hat, so bedarf es gegen dieses dritte Experiment, ja gegen die ganze Newtonische Lehre, keines Streites mehr: denn der Meister sowohl als die Schuͤler stellen den Versuch, auf den sie ihr groͤßtes Gewicht legen, voͤl- lig falsch vor, wie wir solches auf unserer Tafel, welche mit VI. a. bezeichnet ist, vor die Angen bringen. 88. Sie geben nehmlich, der Wahrheit ganz zuwider, vor, das Phaͤnomen sey, wie es aus dem Prisma her- auskomme, fertig, man sehe die Farben in dem verlaͤn- gerten Bilde gleich in derselben Ordnung und Propor- tion; in dieser Ordnung und Proportion wachse nun das Bild, bey mehr entfernter Tafel, immer an Laͤnge, bis es, da wo sie es endlich fest zu halten belieben, un- gefaͤhr um fuͤnfmal laͤnger ist als breit. Wenn sie nun dieß Bild auf diese Stelle fixirt, beobachtet, gemessen und auf allerley Weise gehandhabt haben, so ziehen sie den Schluß, wenn in dem runden Bilde, das sie den Abglanz eines Strahls nennen, alle Theile gleich refran- gibel waͤren, so muͤßten sie nach der Refraction alle an dem gleichen Orte anlangen und das Bild also noch immer erscheinen wie vorher. Nun aber ist das Bild laͤnglicht, es bleiben also einige Theile des sogenannten Strahls zuruͤck, andre eilen vor, und also muͤssen sie in sich eine verschiedene Determinabilitaͤt durch Refrac- tion und folglich eine diverse Refrangibilitaͤt haben. Ferner ist dieses Bild nicht weiß, sondern vielfarbig und laͤßt eine aufeinander folgende bunte Reihe sehen; daher sie denn auch schließen, daß jene angenomme- nen divers refrangiblen Strahlen auch diverse Farben haben muͤssen. 89. Hierauf antworten wir gegenwaͤrtig nichts weiter, als daß das ganze Raͤsonnement auf einen falsch dar- gestellten Versuch gebaut ist, der sich in der Natur an- ders zeigt als im Buche; wobey hauptsaͤchlich in Be- trachtung kommt, daß das prismatische Bild, wie es aus dem Prisma tritt, keinesweges eine staͤtige farbige Reihe, sondern eine durch ein weißes Licht getrennte farbige Erscheinung darstellt. Indem nun also Newton und seine Schuͤler dieses Phaͤnomen keinesweges, wie sie es haͤtten thun sollen, entwickelten, so mußte ihnen auch seine eigentliche Natur verborgen bleiben und Irrthum uͤber Irrthum sich anhaͤufen. Wir machen be- sonders auf das, was wir jetzt vortragen werden, den Leser aufmerksam. 90. Newton, nachdem er die Erscheinung sorgfaͤltig gemessen und mancherley dabey vorkommende Umstaͤnde, nur die rechten nicht, beobachtet, faͤhrt fort: Die verschiedene Groͤße der Oeffnung in dem Fensterladen und die verschiedene Staͤrke der Prismen, wodurch die Strah- len hindurchgehen, machen keine merkliche Veraͤnderung in der Laͤnge des Bildes. 91. Diese beyden Assertionen sind voͤllig unwahr, weil gerade die Groͤße des Bildes, so wie die Groͤße des Winkels des gebrauchten Prismas, vorzuͤglich die Aus- dehnung der Laͤnge des Bildes gegen seine Breite be- stimmt und verschieden macht. Wir werden der ersten dieser beyden Wirkungen eine Figur auf unsern Tafeln widmen, und hier das Noͤthige zur naͤheren Einsicht des Verhaͤltnisses aussprechen. 92. Unsern aufmerksamen Lesern ist bekannt, daß wenn ein helles Bild verruͤckt wird, der gelbrothe Rand und der gelbe Saum in das Bild hinein, der blaue Rand und der violette Saum hingegen aus dem Bilde hin- ausstrebe. Der gelbe Saum kann niemals weiter ge- langen als bis zum entgegengesetzten blauen Rande, mit dem er sich zum Gruͤn verbindet; und hier ist eigentlich das Ende des innern Bildes. Der violette Saum geht aber immer seiner Wege fort und wird von Schritt zu Schritt breiter. Nimmt man also eine kleine Oeffnung und verruͤckt das Lichtbild so lange, daß es nunmehr um fuͤnf Theile laͤnger als breit erscheint, so ist dieß keinesweges die Normallaͤnge fuͤr groͤßere Bilder unter gleicher Bedingung. Denn man bereite sich eine Pappe oder ein Blech, in welchem mehrere Oeffnungen von verschiedener Groͤße oben an einer Horizontallinie anste- hen; man schiebe diese Vorrichtung vor das Wasser- prisma und lasse auf diese saͤmmtlichen Oeffnungen nun das Sonnenlicht fallen, und die durch das Prisma ge- brochenen Bilder werden sich an der Wand in jeder beliebigen Entfernung zeigen, jedoch so, daß weil sie alle an einer Horizontallinie oben anstehen, der violette Saum bey keinem Bilde laͤnger seyn kann als beym andern. Ist nun das Bild groͤßer, so hat es ein an- dres Verhaͤltniß zu diesem Saume, und folglich ist seine Breite nicht so oft in der Laͤnge enthalten, als am kleinen Bilde. Man kann diesen Versuch auch subjectiv sehr bequem machen, wenn man auf eine schwarze Ta- fel weiße Scheiben von verschiedener Groͤße neben ein- ander klebt, die aber, weil man gewoͤhnlich den bre- chenden Winkel unterwaͤrts haͤlt, unten auf einer Hori- zontallinie aufstehen muͤssen. 93. Daß ferner die Staͤrke des Prismas, d. h. die Vergroͤßerung seines Winkels, eine Differenz in der Laͤnge des Bildes zur Breite machen muͤsse, wird jeder- mann deutlich seyn, der das, was wir im 210. und 324. Paragraph und zwar im dritten Puncte angedeu- tet, und im Gange des Vortrags weiter ausgefuͤhrt haben, gegenwaͤrtig hat, daß nehmlich eine Hauptbedin- gung einer staͤrkern Faͤrbung sey, wenn das Bild mehr verruͤckt werde. Da nun ein Prisma von einem groͤ- ßern Winkel das Bild staͤrker verruͤckt, als ein anderes von einem kleinern, so wird auch die Farbenerscheinung, unter uͤbrigens gleichen Bedingungen, sehr verschieden seyn. Wie es also mit diesem Experiment und seiner Beweiskraft beschaffen sey, werden unsre Leser nun wohl ohne weitres vollkommen einsehen. Vierter Versuch . 94. Der Beobachter blickt nun durch das Prisma gegen das einfallende Sonnenbild, oder gegen die bloß durch den Himmel erleuchtete Oeffnung, und kehrt also den vorigen objectiven Versuch in einen subjectiven um; wo- gegen nichts zu sagen waͤre, wenn wir dadurch nur einigermaßen gefoͤrdert wuͤrden. Allein das subjective Bild wird hier so wenig auf seine Anfaͤnge zuruͤckgefuͤhrt, als vorher das objective. Der Beobachter sieht nur das verlaͤngerte staͤtig gefaͤrbte Bild, an welchem der violette Theil abermals der laͤngste bleibt. 95. Leider verhehlt uns der Verfasser bey dieser Gele- genheit abermals einen Hauptpunct, daß nehmlich die Erscheinung geradezu die umgekehrte sey von der, die wir bisher an der Wand erblickten. Bemerkt man dieses, so kann man die Frage aufwerfen, was wuͤrde denn geschehen, wenn das Auge sich an die Stelle der Tafel setzte? wuͤrde es denn die Farben in eben der Ordnung sehen, wie man sie auf der Tafel erblickt, oder umgekehrt? und wie ist denn eigentlich im Ganzen das Verhaͤltniß? 96. Diese Frage ist schon zu Newtons Zeiten aufge- worfen worden, und es fanden sich Personen, die gegen ihn behaupteten, das Auge sehe gerade die entgegenge- setzte Farbe, wenn es hinwaͤrts blicke, von der, welche herwaͤrts auf die Tafel oder auch auf ein Auge falle, das sich an die Stelle der Tafel setzte. Newton lehnt nach seiner Weise diesen Einwurf ab, anstatt ihn zu heben. 97. Das wahre Verhaͤltniß aber ist dieses. Beyde Bilder haben nichts mit einander gemein. Es sind zwey ganz verschiedene Bilder, das eine heraufwaͤrts, das an- dere herunterwaͤrts bewegt, und also gesetzmaͤßig ver- schieden gefaͤrbt. 98. Von der Coexistenz dieser zwey verschiedenen Bil- der, wovon das objective heraufwaͤrts, das subjective herunterwaͤrts gefaͤrbt ist, kann man sich auf mancherley Weise uͤberzeugen. Jedoch ist folgender Versuch wohl der bequemste und vollkommenste. Man lasse mittelst einer Oeffnung des Fensterladens von etwa zwey bis drey Zoll das Sonnenbild durch das große Wasser- prisma auf ein weißes feines uͤber einen Rahmen ge- spanntes Papier hinaufwaͤrts gebrochen in der Entfer- nung anlangen, daß die beyden gefaͤrbten Raͤnder noch von einander abstehen, das Gruͤn noch nicht entstanden, sondern die Mitte noch weiß sey. Man betrachte die- ses Bild hinter dem Rahmen; man wird das Blaue und Violette ganz deutlich oben, das Gelbrothe und Gelbe unten sehen. Nun schaue man neben dem Rah- men hervor, und man wird durch das Prisma das hin- untergeruͤckte Bild der Fensteroͤffnung umgekehrt gefaͤrbt sehen. Damit man aber beyde Bilder uͤber- und mit ein- ander erblicke, so bediene man sich folgenden Mittels. Man mache das Wasser im Prisma durch einige Trop- fen Seifenspiritus dergestalt truͤbe, daß das Bild auf dem Papierrahmen nicht undeutlich, das Sonnenlicht aber dergestalt gemaͤßigt werde, daß es dem Auge er- traͤglich sey. Man mache alsdann, indem man sich hin- ter den Rahmen stellt, an dem Ort, wo sich das ge- brochene und gefaͤrbte Bild abbildet, ins Papier eine kleine Oeffnung, und schaue hindurch; und man wird wie vorher das Sonnenbild hinabgeruͤckt sehen. Nun kann man, wenn die in das Papier gemachte Oeffnung groß genug ist, etwas zuruͤcktreten, und zugleich das objective durchscheinende aufwaͤrts gefaͤrbte Bild und das subjective, das sich im Auge darstellt, erbli- cken; ja man kann mit einiger Auf- und Abbewegung des Papiers die gleichnamigen und ungleichnamigen Raͤnder beyder Erscheinungen zusammenbringen, wie es beliebig ist; und indem man sich von der Coexistenz der beyden Erscheinungen uͤberzeugt, uͤberzeugt man sich zu- gleich von ihrem ewig beweglichen und werdend wirksa- men Wesen. Man erinnere sich hierbey jenes hoͤchst merkwuͤrdigen Versuchs (E. 350—354.) und familia- risire sich mit demselben, weil wir noch oͤfters auf ihn zuruͤckkommen muͤssen. Fuͤnfter Versuch . 99. Auch diesen Versuch betrachtet Newton nur durch den Nebel des Vorurtheils. Er weiß nicht recht, was er sieht, noch was aus dem Versuche folgt. Doch ist ihm die Erscheinung zum Behuf seiner Beweise außer- ordentlich willkommen, und er kehrt immer wieder auf dieselbe zuruͤck. Es wird nehmlich das Spectrum, das heißt jenes verlaͤngerte farbige Bild der Sonne, welches durch ein horizontales Prisma im dritten Experiment hervorgebracht worden, durch ein verticalstehendes Pris- ma aufgefangen, und durch selbiges nach der Seite ge- brochen, da es denn voͤllig wie vorher, nur etwas vor- waͤrts gebogen, erscheint, so nehmlich, daß der violette Theil vorausgeht. 100. Newton schließt nun daraus folgendermaßen: Laͤge die Ursache der Verlaͤngerung des Bildes in der Bre- chung etwa dergestalt, daß die Sonnenstrahlen durch sie zer- streut, zersplittert und ausgeweitet wuͤrden, so muͤßte ein sol- cher Effect durch eine zweyte Refraction abermals hervorge- bracht und das lange Bild, wenn man seine Laͤnge durch ein zweytes Prisma, parallel mit dessen Axe auffaͤngt, abermals in die Breite gezogen, und wie vorher aus einander geworfen werden. Allein dieses geschieht nicht, sondern das Bild geht lang, wie es war, heraus und neigt sich nur ein wenig; da- her sich folgern laͤßt, daß die Ursache der Erscheinung auf einer Eigenschaft des Lichtes beruhe, und daß diese Eigen- schaft, da sie sich nun in so viel farbigen Lichtern einmal manifestirt, nun keine weitere Einwirkung annehme, son- dern daß das Phaͤnomen nunmehr unveraͤnderlich bleibe, nur daß es sich bey einer zweyten Refraction etwas niederbuͤckt, je- doch auf eine der Natur sehr gemaͤße Weise, indem auch hier die mehr refrangibeln Strahlen, die violetten, vorausgehen und also auch ihre Eigenheit vor den uͤbrigen sehen lassen. 101. Newton begeht hierbey den Fehler, den wir schon fruͤher geruͤgt haben, und den er durch sein ganzes Werk begeht, daß er nehmlich das prismatische Bild als ein fertiges unveraͤnderliches ansieht, da es doch eigentlich immer nur ein werdendes und immer abaͤnderliches bleibt. Wer diesen Unterschied wohl gefaßt hat, der kennt die Summe des ganzen Streites und wird unsre Einwen- dungen nicht allein einsehen und ihnen beypflichten, son- dern er wird sie sich selbst entwickeln. Auch haben wir schon in unserm Entwurfe dafuͤr gesorgt (205—207.) daß man das Verhaͤltniß dieses gegenwaͤrtigen Phaͤno- mens bequem einsehen koͤnne; wozu auch unsre zweyte Tafel das ihrige beytragen wird. Man muß nehmlich Prismen von wenigen Graden, z. B. von funfzehn an- wenden; wobey man das Werden des Bildes deutlich beobachten kann. Verruͤckt man subjectiv nun durch ein Prisma das Bild dergestalt, daß es in die Hoͤhe geho- ben erscheint, so wird es in dieser Richtung gefaͤrbt. Man sehe nun durch ein andres Prisma, daß das Bild im rechten Winkel nach der Seite geruͤckt erscheint, so wird es in dieser Richtung gefaͤrbt seyn; man bringe beyde Prismen nunmehr kreuzweise uͤbereinander, so muß das Bild nach einem allgemeinen Gesetze sich in der Diagonale verruͤcken und sich in dieser Richtung faͤrben: denn es ist, in einem wie in dem andern Falle, ein werdendes erst entstehendes Gebilde. Denn die Raͤnder und Saͤume entstehen bloß in der Linie des Verruͤckens. Jenes gebuͤckte Bild Newtons aber ist keinesweges das aufgefangene erste, das nach der zweyten Refraction einen Reverenz macht, sondern ein ganz neues, das nunmehr in der ihm zugenoͤthigten Richtung gefaͤrbt wird. Man kehre uͤbrigens zu unsern angefuͤhrten Para- graphen und Tafeln nochmals zuruͤck, und man wird die voͤllige Ueberzeugung dessen, was wir sagen, zum Gewinn haben. Und auf diese Weise vorbereitet, gehe man nun bey Newton selbst die sogenannte Illustration dieses Ex- periments und die derselben gewidmeten Figuren und Beschreibungen durch, und man wird einen Fehlschluß nach dem andern entdecken, und sich uͤberzeugen, daß jene Proposition keinesweges durch dieses Experiment irgend ein Gewicht erhalten habe. 102. Indem wir nun, ohne unsre Leser zu begleiten, ihnen das Geschaͤft fuͤr einen Augenblick selbst uͤberlas- sen, muͤssen wir auf die sonderbaren Wege aufmerksam machen, welche der Verfasser nunmehr einzuschlagen ge- denkt. 103. Bey dem fuͤnften Versuche erscheint das prismati- sche Bild nicht allein gesenkt, sondern auch verlaͤngert. Wir wissen dieses aus unsern Elementen sehr gut abzu- leiten: denn indem wir, um das Bild in der Diago- nale erscheinen zu lassen, ein zweytes Prisma noͤthig haben, so heißt das eben so viel, als wenn die Erschei- nung durch ein gedoppeltes Prisma hervorgebracht waͤre. Da nun eine der vorzuͤglichsten Bedingungen der zu verbreiternden Farbenerscheinung das verstaͤrkte Maß des Mittels ist (E. 210.), so muß also auch dieses Bild, nach dem Verhaͤltniß der Staͤrke der angewende- ten Prismen, mehr in die Laͤnge gedehnt erscheinen. Man habe diese Ableitung bestaͤndig im Auge, indem wir deutlich zu machen suchen, wie kuͤnstlich Newton es anlegt, um zu seinem Zwecke zu gelangen. Unsern Lesern ist bekannt, wie man das bey der Refraction entstehende farbige Bild immer mehr verlaͤn- gern koͤnne, da wir die verschiedenen Bedingungen hier- zu umstaͤndlich ausgefuͤhrt. Nicht weniger sind sie uͤber- zeugt, daß, weil bey der Verlaͤngerung des Bildes die farbigen Raͤnder und Saͤume immer breiter werden und die gegen einander gestellten sich immer inniger zusam- mendraͤngen, daß durch eine Verlaͤngerung des Bildes zugleich eine groͤßere Vereinigung seiner entgegengesetzten Elemente vorgehe. Dieses erzaͤhlen und behaupten wir gerne, ganz einfach, wie es der Natur gemaͤß ist. Newton hingegen muß sich mit seiner ersonnenen Unnatur viel zu schaffen machen, Versuche uͤber Versu- che, Fictionen uͤber Fictionen haͤufen, um zu blenden, wo er nicht uͤberzeugen kann. Seine zweyte Proposition, mit deren Beweis er sich gegenwaͤrtig beschaͤftigt, lautet doch, das Son- nenlicht bestehe aus verschiedenrefrangiblen Strahlen. Da diese verschiedenen Lichtstrahlen und Lichter integri- rende Theile des Sonnenlichtes seyn sollen, so begreift der Verfasser wohl, daß die Forderung entstehen koͤnne und muͤsse, diese verschiedenen Wesen doch auch abge- sondert und deutlich vereinzelt neben einander zu sehen. Schon wird das Phaͤnomen des dritten Experiments, das gewoͤhnliche Spectrum, so erklaͤrt, daß es die ausein- andergeschobenen verschiedenen Lichter des Sonnenlichts, die aus einandergezogenen verschiedenfarbigen Bilder des Sonnenbildes zeige und manifestire. Allein bis zur Ab- sonderung ist es noch weit hin. Eine staͤtige Reihe in einander greifender, aus einander gleichsam quellender Far- ben zu trennen, zu zerschneiden, zu zerreißen, ist eine schwere Aufgabe; und doch wird Newton in seiner vier- ten Proposition mit dem Problem hervortreten: Man solle die heterogenen Strahlen des zusammengesetzten Lichtes von einander absondern. Da er sich hierdurch etwas Unmoͤgliches aufgibt, so muß er freylich bey Zei- ten anfangen, um den unaufmerksamen Schuͤler nach und nach uͤberlisten zu koͤnnen. Man gebe wohl Acht, wie er sich hierbey benimmt. 104. Aber daß man den Sinn dieses Experiments desto deutli- cher einsehe, muß man bedenken, daß die Strahlen, welche von gleicher Brechbarkeit sind, auf einen Cirkel fallen, der der Sonnenscheibe entspricht, wie es im dritten Experiment bewiesen worden. 105. Wenn es bewiesen waͤre, ließe sich nichts dagegen sagen: denn es waͤre natuͤrlich, wenn die Theile, die von der Sonne herfließen, verschieden refrangibel waͤ- ren, so muͤßten einige, ob sie gleich von einer und der- selben Sonnenscheibe herkommen, nach der Refraction zuruͤckbleiben, wenn die andern vorwaͤrts gehen. Daß die Sache sich aber nicht so verhalte, ist uns schon be- kannt. Nun hoͤre man weiter. 106. Unter einem Cirkel verstehe ich hier nicht einen vollkomme- nen geometrischen Cirkel, sondern irgend eine Kreisfigur, deren Laͤnge der Breite gleich ist, und die den Sinnen allen- falls wie ein Cirkel vorkommen koͤnnte. 107. Diese Art von Vor- und Nachklage, wie man es nennen moͤchte, geht durch die ganze Newtonische Optik. Denn erst spricht er etwas aus, und setzt es fest; weil es aber mit der Erfahrung nur scheinbar zusammentrifft, so limitirt er seine Proposition wieder so lange, bis er sie ganz aufgehoben hat. Diese Verfahrungsart ist schon oft von den Gegnern relevirt worden; doch hat sie die Schule weder einsehen koͤnnen, noch eingestehen wollen. Zu mehrerer Einsicht der Frage nehme man nun die Figuren 4. 5. 6. 7. unserer siebenten Tafel vor sich. In der vierten Figur wird das Spectrum darge- stellt, wie es Newton und seine Schuͤler, oft captioͤs genug, als eine zwischen zwey Parallellinien eingefaßte, oben und unten abgerundete lange Figur vorstellen, ohne auf irgend eine Farbe Ruͤcksicht zu nehmen. Fi- I. 27 gur 5. ist dagegen die Figur, welche zu der gegenwaͤr- tigen Darstellung gehoͤrt. 108. Man lasse also den obern Kreis fuͤr die brechbarsten Strahlen gelten, welche von der ganzen Scheibe der Sonne herkommen und auf der entgegengesetzten Wand sich also er- leuchtend abmalen wuͤrden, wenn sie allein waͤren. Der un- tre Kreis bestehe aus den wenigst brechbaren Strahlen, wie er sich, wenn er allein waͤre, gleichfalls erleuchtend abbilden wuͤrde. Die Zwischenkreise moͤgen sodann diejenigen seyn, de- ren Brechbarkeit zwischen die beyden aͤußern hineinfaͤllt, und die sich gleichfalls an der Wand einzeln zeigen wuͤrden, wenn sie einzeln von der Sonne kaͤmen, und aufeinander folgen koͤnnten, indem man die uͤbrigen auffinge. Nun stelle man sich vor, daß es noch andre Zwischencirkel ohne Zahl gebe, die vermoͤge unzaͤhliger Zwischenarten der Strahlen sich nach und nach auf der Wand zeigen wuͤrden, wenn die Sonne nach und nach jede besondre Art herunterschickte. Da nun aber die Sonne sie alle zusammen von sich sendet, so muͤssen sie zusammen als unzaͤhlige gleiche Cirkel sich auf der Wand erleuchtend abbil- den, aus welchen, indem sie nach den verschiedenen Graden der Refrangibilitaͤt ordnungsgemaͤß in einer zusammenhaͤngen- den Reihenfolge ihren Platz einnehmen, jene laͤnglichte Erschei- nung zusammengesetzt ist, die ich in dem dritten Versuche be- schrieben habe. 109. Wie der Verfasser diese hypothetische Darstellung, die Hieroglyphe seiner Ueberzeugung, keinesweges aber ein Bild der Natur, benutzt, um die Buͤcklinge seines Spectrums deutlicher zu machen, mag der wißbegierige Leser bey ihm selbst nachsehen. Uns ist gegenwaͤrtig nur darum zu thun, das Unstatthafte dieser Vorstellung deut- lich zu machen. Hier sind keinesweges Kreise, die in einander greifen; eine Art von Taͤuschung kann bloß entstehen, wenn das refrangirte Bild rund ist; wo- durch denn auch die Graͤnzen des farbigen Bildes, als eines Nebenbildes, rundlich erscheinen, da doch eigentlich der Fortschritt der verschiedenen Abtheilungen des farbigen Bildes bey den prismatischen Versuchen immer in Parallellinien geschieht, welche die Linie des Vorschreitens jederzeit in einem rechten Winkel durch- schneiden. Wir haben, um dieses deutlich zu machen, auf unserer fuͤnften und sechsten Tafel angenommen, daß ein vierecktes Bild verruͤckt werde; da man sich denn von dem parallelen Vorruͤcken der verschiedenen farbigen Reihen einen deutlichen Begriff machen kann. Wir muͤssen es daher abermals wiederholen, hier kann weder von ineinandergreifenden fuͤnf, noch sieben, noch unzaͤhligen Kreisen die Rede seyn; sondern an den Graͤnzen des Bildes entstehet ein rother Rand, der sich in den gelben verliert, ein blauer Rand, der sich in den violetten verliert. Erreicht bey der Schmaͤle des Bildes, oder der Staͤrke der Re- fraction, der gelbe Saum den blauen Rand uͤber das weiße Bild, so entsteht Gruͤn; erreicht der violette Saum den gelbrothen Rand uͤber das schwarze Bild, so entsteht Purpur. Das kann man mit Augen sehen, ja man moͤchte sagen, mit Haͤnden greifen. 27 * 110. Nicht genug aber, daß Newton seine verschieden refrangibeln Strahlen zwar auseinander zerrt, aber doch ihre Kreise noch ineinander greifen laͤßt; er will sie, weil er wohl sieht, daß die Forderung entsteht, noch weiter auseinander bringen. Er stellt sie auch wirklich in einer zweyten Figur abgesondert vor, laͤßt aber immer noch die Graͤnzlinien stehen, so daß sie ge- trennt und doch zusammenhaͤngend sind. Man sehe die beyden Figuren, welche Newton auf seiner dritten Tafel mit 15 bezeichnet. Auf unsrer siebenten gibt die sechste Figur die Vorstellung dieser vorgeblichen Auseinander- zerrung der Kreise, worauf wir kuͤnftig abermals zuruͤck- kommen werden. 111. Worauf wir aber den Forscher aufmerksam zu ma- chen haben, ist die Stelle, womit der Autor zu dem folgenden Experiment uͤbergeht. Er hatte nehmlich zwey Prismen uͤbereinander gestellt, ein Sonnenbild durch jedes durchfallen lassen, um beyde zugleich durch ein verticales Prisma aufzufangen und nach der Seite zu biegen. Wahrscheinlich war dieses letztere nicht lang genug, um zwey vollendete Spectra aufzufassen; er ruͤckte also damit nahe an die ersten Prismen heran, und findet, was wir lange kennen und wissen, auch nach der Refraction zwey runde und ziemlich farblose Bilder. Dieß irrt ihn aber gar nicht: denn anstatt einzusehen und einzugestehen, daß seine bisherige Dar- stellung durchaus falsch sey, sagte er ganz naiv und un- bewunden: 112. Uebrigens wuͤrde dieses Experiment einen voͤllig gleichen Erfolg haben, man mag das dritte Prisma gleich hinter die beyden ersten, oder auch in groͤßere Entfernung stellen, so daß das Licht im ersten Falle, nachdem es durch die beyden vordern Prismen gebrochen worden, von dem dritten entweder weiß und rund, oder gefaͤrbt und laͤnglicht aufgenommen werde. 113. Wir haben also hier auf einmal ein durch das Prisma durchgegangenes und gebrochenes Farbenbild, das noch weiß und rund ist, da man uns doch bisher dasselbe durchaus als laͤnglicht auseinander gezogen und voͤllig gefaͤrbt dargestellt hatte. Wie kommt nun auf einmal das Weiße durch die Hinterthuͤr herein? wie ist es abgeleitet? ja, wie ist es, nach dem bisher vorge- tragenen, nur moͤglich? Dieß ist einer von den sehr schlimmen Advocatenstreichen, wodurch sich die Newto- nische Optik so sehr auszeichnet. Ein gebrochnes und doch weißes, ein zusammengesetztes und durch Brechung in seine Elemente nicht gesondertes Licht, haben wir nun auf einmal durch eine beylaͤufige Erwaͤhnung er- halten. Niemand bemerkt, daß durch die Erscheinung dieses Weißen der ganze bisherige Vortrag zerstoͤrt ist, daß man ganz wo anders ausgehen, ganz wo anders anfangen muͤsse, wenn man zur Wahrheit gelangen will. Der Verfasser faͤhrt vielmehr auf seinem einmal einge- schlagenen Wege ganz geruhig fort, und hat nun außer seiner gruͤnen Mitte des fertigen Gespenstes auch noch eine weiße Mitte des erst werdenden noch unfarbigen Gespenstes, er hat ein langes Gespenst, er hat ein run- des, und operirt nun mit beyden wechselsweise, wie es ihm beliebt, ohne daß die Welt, die hundert Jahre seine Lehre nachbetet, den Taschenspielerstreich gewahr wird, vielmehr diejenigen, die ihn aus Licht bringen wollen, verfolgt und uͤbel behandelt. Denn sehr kuͤnstlich ist diese Bemerkung hier ange- bracht, indem der Verfasser diese weiße Mitte, welche hier auf einmal in den Vortrag hereinspringt, bey dem naͤchsten Versuch hoͤchst noͤthig braucht, um sein Hocus Pocus weiter fortzusetzen. Sechster Versuch . 114. Haben wir uns bisher lebhaft, ja mit Heftigkeit, vorgesehen und verwahrt, wenn uns Newton zu solchen Versuchen berief, die er vorsaͤtzlich und mit Bewußtseyn ausgesucht zu haben schien, um uns zu taͤuschen, und zu einem uͤbereilten Beyfall zu verfuͤhren; so haben wir es gegenwaͤrtig noch weit ernstlicher zu nehmen, indem wir an jenen Versuch gelangen, durch welchen sich Newton selbst zuerst von der Wahrheit seiner Erklaͤ- rungsart uͤberzeugte, und welcher auch wirklich unter allen den meisten Schein vor sich hat. Es ist dieses das sogenannte. Experimentum crucis, wobey der For- scher die Natur auf die Folter spannte, um sie zu dem Bekenntniß dessen zu noͤthigen, was er schon vorher bey sich festgesetzt hatte. Allein die Natur gleicht einer stand- haften und edelmuͤthigen Person, welche selbst unter allen Qualen bey der Wahrheit verharrt. Steht es anders im Protocoll, so hat der Inquisitor falsch ge- hoͤrt, der Schreiber falsch niedergeschrieben. Sollte darauf eine solche untergeschobene Aussage fuͤr eine kleine Zeit gelten, so findet sich doch wohl in der Fol- ge noch Jemand, welcher sich der gekraͤnkten Unschuld annehmen mag; wie wir uns denn gegenwaͤrtig geruͤ- stet haben, fuͤr unsere Freundinn diesen Ritterdienst zu wagen. Wir wollen nun zuerst vernehmen, wie New- ton zu Werke geht. 115. In der Mitte zweyer duͤnnen Bretter machte ich runde Oeffnungen, ein drittel Zoll groß, und in den Fensterladen eine viel groͤßere. Durch letztere ließ ich in mein dunkles Zim- mer einen breiten Strahl des Sonnenlichtes herein, ich setzte ein Prisma hinter den Laden in den Strahl, damit er auf die entgegengesetzte Wand gebrochen wuͤrde, und nahe hinter das Prisma befestigte ich eines der Bretter dergestalt, daß die Mitte des gebrochnen Lichtes durch die kleine Oeffnung hin- durchging und das uͤbrige von dem Rande aufgefangen wurde. 116. Hier verfaͤhrt Newton nach seiner alten Weise. Er giebt Bedingungen an, aber nicht die Ursache der- selben. Warum ist denn hier auf einmal die Oeffnung im Fensterladen groß? und wahrscheinlich das Prisma auch groß, ob er es gleich nicht meldet. Die Groͤße der Oeffnung bewirkt ein großes Bild, und ein großes Bild faͤllt, auch nach der Refraction, mit weißer Mitte auf eine nah hinter das Prisma gestellte Tafel. Hier ist also die weiße Mitte, die er am Schluß des vori- gen Versuches (112.) heimlich hereingebracht. In die- ser weißen Mitte operirt er; aber warum gesteht er denn nicht, daß sie weiß ist? warum laͤßt er diesen wichtigen Umstand errathen? Doch wohl darum, weil seine ganze Lehre zusammenfaͤllt, sobald dieses ausge- sprochen ist. 117. Dann in einer Entfernung von zwoͤlf Fuß von dem ersten Brett befestigte ich das andre dergestalt, daß die Mitte des gebrochenen Lichtes, welche durch die Oeffnung des ersten Brettes hindurch fiel, nunmehr auf die Oeffnung dieses zwey- ten Brettes gelangte, das uͤbrige aber, welches von der Flaͤche des Brettes aufgefangen wurde, das farbige Spectrum der Sonne daselbst zeichnete. 118. Wir haben also hier abermals eine Mitte des ge- brochenen Lichtes und diese Mitte ist, wie man aus dem Nachsatz deutlich sieht, gruͤn: denn das uͤbrige soll ja das farbige Bild darstellen. Uns werden zwey- erley Mitten, eine farblose und eine gruͤne, gegeben, in denen und mit denen wir nach Belieben operiren, ohne daß man uns den Unterschied im mindesten anzeigt, und einen so bedeutenden Unterschied, auf den alles an- kommt. Wem hier uͤber die Newtonische Verfahrungs- weise die Augen nicht aufgehn, dem moͤchten sie wohl schwerlich jemals zu oͤffnen seyn. Doch wir brechen ab: denn die angegebene genaue Vorrichtung ist nicht einmal noͤthig, wie wir bald sehen werden, wenn wir die Illustration dieses Versuchs durchgehen, zu welcher wir uns sogleich hinwenden und eine Stelle des Textes uͤberschlagen, deren Inhalt ohnehin in dem folgenden wiederholt wird. Dem bessern Verstaͤndniß dieser Sa- che widmen wir unsre zwoͤlfte Tafel, welche daher un- sere Leser zur Hand nehmen werden. Sie finden auf der- selben unter andern zwey Figuren, die eine falsch, wie sie Newton angiebt, die andre wahr, so daß sie das Ex- periment rein darstellt. Beyden Figuren geben wir ei- nerley Buchstaben, damit man sie unmittelbar verglei- chen koͤnne. 119. Es soll F eine etwas große Oeffnung im Fensterladen vor- stellen, wodurch das Sonnenlicht zu dem ersten Prisma A B C gelange, worauf denn das gebrochne Licht auf den mittlern Theil der Tafel D E fallen wird. Dieses Lichtes mittlerer Theil gehe durch die Oeffnung G durch und falle auf die Mit- te der zweyten Tafel d e und bilde dort das laͤnglichte Son- nenbild, wie wir solches oben im dritten Experimente beschrie- ben haben. 120. Das erstemal ist also, wie oben schon bemerkt worden, der mittlere Theil weiß, welches hier abermals vom Verfasser nicht angezeigt wird. Nun fragen wir, wie geht es denn zu, daß jener auf der Tafel D E an- langende weiße Theil, indem er durch die Oeffnung G durchgeht, auf der zweyten Tafel d e ein voͤllig ge- faͤrbtes Bild hervorbringt? Darauf muͤßte man denn doch antworten: es geschaͤhe durch die Beschraͤnkung, wel- che nach der Refraction das Lichtbild in der kleinen Oeff- nung G erleidet. Dadurch aber waͤre auch zugleich schon eingestanden, daß eine Beschraͤnkung, eine Begraͤnzung zur prismatischen Farbenerscheinung nothwendig sey; wel- ches jedoch in dem zweyten Theile dieses Buches hartnaͤ- ckig gelaͤugnet werden soll. Diese Verhaͤltnisse, diese noth- wendigen und unerlaͤßlichen Bedingungen muß Newton verschweigen, er muß den Leser, den Schuͤler im Dun- keln erhalten, damit ihr Glaube nicht wankend werde. Unsre Figur setzt dagegen das Factum aufs deutlichste auseinander, und man sieht recht wohl, daß so gut durch Wirkung des Randes der ersten Oeffnung als des Randes der zweyten, gefaͤrbte Saͤume entstehen, welche, da die zweyte Oeffnung klein genug ist, indem sie sich verbreitern, sehr bald uͤbereinander greifen und das voͤllig gefaͤrbte Bild darstellen. Nach dieser Vor- richtung schreitet Newton zu seinem Zweck. 121. Nun kann man jenes farbige Bild, wenn man das erste Prisma A B C langsam auf seiner Achse hin und her bewegt, auf der Tafel d e nach Belieben herauf und herabfuͤhren, und wenn man auf derselben gleichfalls eine Oeffnung g anbringt, jeden einzelnen farbigen Theil des gedachten Bildes der Ord- nung nach hindurchlassen. Inzwischen stelle man ein zweytes Prisma a b c hinter die zweyte Oeffnung g und lasse das durchgehende farbige Licht dadurch abermals in die Hoͤhe ge- brochen werden. Nachdem dieses also gethan war, bezeichnete ich an der aufgestellten Wand die beyden Orte M und N, wohin die verschiedenen farbigen Lichter gefuͤhrt wurden, und bemerkte, daß, wenn die beyden Tafeln und das zweyte Pris- ma fest und unbeweglich blieben, jene beyden Stellen, indem man das erste Prisma um seine Achse drehte, sich immerfort veraͤnderten. Denn wenn der untre Theil des Bildes, das sich auf der Tafel d e zeigte, durch die Oeffnung g gefuͤhrt wur- de, so gelangte er nach einer untern Stelle der Wand M; ließ man aber den obern Theil desselben Lichtes durch gedachte Oeffnung g fallen, so gelangte derselbe nach einer obern Stelle der Wand N; und wenn ein mittlerer Theil hindurch ging, so nahm er auf der Wand gleichfalls die Mitte zwischen M und N ein; wobey man zu bemerken hat, daß, da an der Stellung der Oeffnungen in den Tafeln nichts veraͤndert wurde, der Einfallswinkel der Strahlen auf das zweyte Pris- ma in allen Faͤllen derselbige blieb. Dem ungeachtet wurden bey gleicher Incidenz einige Strahlen mehr gebrochen als die andern, und die im ersten Prisma durch eine groͤßere Refrac- tion weiter vom Wege abgenoͤthigt waren, auch diese wurden durch das zweyte Prisma abermals am meisten gebrochen. Da das nun auf eine gewisse und bestaͤndige Weise geschah, so muß man die einen fuͤr refrangibler als die andern ansprechen. 122. Die Ursache, warum sich Newton bey diesem Ver- suche zweyer durchloͤcherten Bretter bedient, spricht er selbst aus, indem er nehmlich dadurch zeigen will, daß der Einfallswinkel der Strahlen auf das zweyte Pris- ma, bey jeder Bewegung des ersten, derselbige blieb; allein er uͤbersieht oder verbirgt uns, was wir schon oben bemerkt, daß das farbige Bild erst hinter der Oeffnung des ersten Brettes entstehe, und daß man sei- nen verschiedenen Theilen, indem sie durch die Oeffnung des zweyten Brettes hindurchgehen, immer noch den Vorwurf einer verschiedenen Incidenz auf das zweyte Prisma machen koͤnne. 123. Allein wir gehoͤren nicht zu denjenigen, welche der Incidenz bey diesen Versuchen bedeutende Wirkung zu- schreiben, wie es mehrere unter Newtons fruͤhern Geg- nern gethan haben; wir erwaͤhnen dieses Umstands nur, um zu zeigen, daß man sich bey diesem Versuche, wie bey andern, gar wohl von aͤngstlichen Bedingungen losmachen koͤnne. Denn die doppelten Bretter sind in gegenwaͤrtigem Falle sehr beschwerlich; sie geben ein kleineres schwaͤcheres Bild, mit welchem nicht gut noch scharf zu operiren ist. Und ob gleich das Resultat zu- letzt erscheint, so bleibt es doch oft, wegen der Compli- cation der Vorrichtung schwankend, und der Experi- mentirende ist nicht leicht im Fall, die ganze Anstalt mit vollkommener Genauigkeit einzurichten. 124. Wir suchen daher der Erscheinung, welche wir nicht laͤugnen, auf einem andern Wege beyzukommen, um sowohl sie als das, was uns der folgende Versuch darstellen wird, an unsere fruͤher begruͤndeten Erfahrun- gen anzuknuͤpfen; wobey wir unsre Leser um besondre Aufmerksamkeit bitten, weil wir uns zunaͤchst an der Achse befinden, um welche sich der ganze Streit um- dreht, weil hier eigentlich der Punct ist, wo die New- tonische Lehre entweder bestehen kann, oder fallen muß. 125. Die verschiedenen Bedingungen, unter welchen das prismatische Bild sich verlaͤngert, sind unsern Lesern, was sowohl subjective als objective Faͤlle betrifft, hin- laͤnglich bekannt. (E. 210. 324.) Sie lassen sich meist unter eine Hauptbedingung zusammenfassen, daß nehm- lich das Bild immer mehr von der Stelle geruͤckt werde. 126. Wenn man nun das durch das erste Prisma ge- gangene, und auf der Tafel farbig erscheinende Bild, ganz, mit allen seinen Theilen auf einmal, durch ein zweytes Prisma im gleichen Sinne hindurchlaͤßt und es auf dem Wege abermals verruͤckt; so hebt man es in die Hoͤhe und zugleich verlaͤngert man es. Was geschieht aber bey Verlaͤngerung des Bildes? Die Distanzen der verschiedenen Farben erweitern sich, die Farben ziehen sich in gewissen Proportionen weiter aus- einander. 127. Da bey Verruͤckung des hellen Bildes der gelb- rothe Rand keinesweges in der Maße nachfolgt, in welcher der violette Saum vorausgeht; so ist es eigent- lich dieser, der sich von jenem entfernt. Man messe das ganze, durch das erste Prisma bewirkte Spectrum; es habe z. B. drey Zoll, und die Mitte der gelbrothen Farbe sey etwa von der Mitte der violetten um zwey Zoll entfernt; man refrangire nun dieses ganze Spec- trum abermals durch das zweyte Prisma, und es wird eine Laͤnge von etwa neun Zoll gewinnen. Daher wird die Mitte der gelbrothen und violetten Farbe auch viel weiter von einander abstehen, als vor- her. 128. Was von dem ganzen Bilde gilt, das gilt auch von seinen Theilen. Man fange das durchs erste Pris- ma hervorgebrachte farbige Bild mit einer durchloͤcher- ten Tafel auf, und lasse dann die aus verschiedenen farbigen isolirten Bildern bestehende Erscheinung auf die weiße Tafel fallen; so werden diese einzelnen Bilder, welche ja nur ein unterbrochenes ganzes Spectrum sind, den Platz einnehmen, den sie vorher in der Folge des Ganzen behauptet hatten. 129. Nun fange man dieses unterbrochene Bild gleich hin- ter der durchloͤcherten Tafel mit einem Prisma auf, und refrangire es zum zweytenmal; so werden die einzelnen Bilder, indem sie weiter in die Hoͤhe steigen, ihre Di- stanzen veraͤndern, und besonders das Violette, als der vorstrebende Saum, sich in staͤrkerer Proportion als die andern entfernen. Es ist aber weiter nichts, als daß das ganze Bild gesetzmaͤßig verlaͤngert worden, von welchem im letztern Fall nur die Theile gesehen werden. 130. Bey der Newtonischen Vorrichtung ist dieses nicht so deutlich; doch bleiben Ursache und Resultat immer dieselbigen, er mag die Bilder einzeln, indem er das erste Prisma bewegt, durchs zweyte hindurchfuͤhren; es sind immer Theile des ganzen farbigen Bildes, die ihrer Natur getreu bleiben. 131. Hier ist also keine diverse Refrangibilitaͤt, es ist nur eine wiederholte Refraction, eine wiederholte Verruͤckung, eine vermehrte Verlaͤngerung, nichts mehr und nichts weniger. 132. Zu voͤlliger Ueberzeugung mache man den Versuch mit einem dunklen Bilde. Bey demselben ist der gelbe Saum vorstrebend und der blaue Rand zuruͤckbleibend. Alles, was bisher vom violetten Theile praͤdicirt worden, gilt nunmehr vom gelben, was vom gelbrothen gesagt worden, gilt vom blauen. Wer dieses mit Augen ge- sehen und recht erwogen hat, dem wird nun wohl die vermeynte Bedeutsamkeit dieses Hauptversuches wie ein Nebel verschwinden. Wir wollen auf unsrer zwoͤlf- ten Tafel, und bey Erlaͤuterung derselben noch alles nachholen, was zu mehrerer Deutlichkeit noͤthig schei- nen moͤchte; so wie wir auch den zu diesem Ver- suche noͤthigen Apparat noch besonders beschreiben wer- den. 133. Wir fuͤgen hier nur noch die Bemerkung hinzu, wie captios Newton die Sache vortraͤgt, (121.) wenn er sagt: bey der zweyten Refraction sey das ro- the Bildchen nach dem untern Theil der Wand, das violette nach dem obern gelangt. (Im Englischen steht went, im Lateinischen pergebat. ) Denn es verhaͤlt sich keinesweges also. Sowohl der gelbrothe Theil als der violette steigen beyde nach der zweyten Refraction in die Hoͤhe, nur entfernt sich der letzte von dem ersten in der Maße, wie das Bild gewachsen waͤre, wenn man es ganz und nicht in seinen Theilen refrangirt haͤtte. 134. Da nun aber dieser Versuch gar nichts im Hinter- halte hat, nichts beweist, nicht einmal abgeleitet oder erklaͤrt zu werden braucht, sondern nichts als ein schon bekanntes Phaͤnomen selbst ist; da die Sache sich nach dem, was wir in unserm Entwurfe dargelegt, leicht abthun laͤßt: so koͤnnte man uns den Einwurf machen und die Frage erregen, warum wir denn nicht direct auf diesen eingebildeten Haupt- und Grundversuch zu- gegangen, das Unstatthafte der daraus gezogenen Argu- mente nachgewiesen, anstatt mit so vielen Umstaͤnden der Newtonischen Deduction Schritt vor Schritt zu fol- gen und den Verfasser durch seine Irrwege zu be- gleiten. Hierauf antworten wir, daß, wenn davon die Rede ist, ein eingewurzeltes Vorurtheil zu zerstoͤren, man keinesweges seinen Zweck erreicht, indem man bloß das Hauptaper ç uͤ uͤberliefert. Es ist nicht genug, daß man zeigt, das Haus sey baufaͤllig und unbewohn- bar: denn es koͤnnte doch immer noch gestuͤtzt und nothduͤrftig eingerichtet werden; ja es ist nicht genug, daß man es einreißt und zerstoͤrt, man muß auch den Schutt wegschaffen, den Platz abraͤumen und ebnen. Dann moͤchten sich allenfalls wohl Liebhaber finden, einen neuen kunstgemaͤßen Bau aufzufuͤhren. 135. In diesem Sinne fahren wir fort, die Versuche zu vermannigfaltigen. Will man das Phaͤnomen, von welchem die Rede ist, recht auffallend machen, so be- diene man sich folgender Anstalt. Man bringe zwey gleiche Prismen hart nebeneinander und stelle ihnen eine Tafel entgegen, auf welcher zwey kleine runde Oeffnungen horizontal neben einander in einiger Ent- fernung eingeschnitten sind; man lasse aus dem einen Prisma auf die eine Oeffnung den gelbrothen Theil des Bildes, und aus dem andern Prisma den violetten Theil auf die andere Oeffnung fallen; man fange die beyden verschiedenfarbigen Bilder auf einer dahinter stehenden weißen Tafel auf, und man wird sie horizontal neben- einander sehen. Nun ergreife man ein Prisma, das groß und lang genug ist, beyde Bildchen aufzufassen, I. 28 und bringe dasselbe horizontal nahe hinter die durchloͤ- cherte Tafel, und breche beyde Bildchen zum zweyten- mal, so daß sie sich auf der weißen Tafel abermals abbilden. Beyde werden in die Hoͤhe geruͤckt erschei- nen, aber ungleich, das violette weit hoͤher als das gelbrothe; wovon uns die Ursache aus dem vorigen bekannt ist. Wir empfehlen diesen Versuch allen uͤbrig bleibenden Newtonianern, um ihre Schuͤler in Erstau- nen zu setzen und im Glauben zu staͤrken. Wer aber unserer Darstellung ruhig gefolgt ist, wird erkennen, daß hier an einzelnen Theilen auch nur das gesche- he, was an den ganzen Bildern geschehen wuͤrde, wenn zwey derselben, wovon das eine tiefer als das andere stuͤnde, eine zweyte Refraction erlitten. Es ist dieses letzte ein Versuch, den man mit dem großen Wasserprisma recht gut anstellen kann. 136. Genoͤthigt finden wir uns uͤbrigens, noch eines Umstandes zu erwaͤhnen, welcher besonders bey dem folgenden Versuch zur Sprache kommen wird, und der auch bey dem gegenwaͤrtigen mit eintritt, ob er hier gleich nicht von so großer Bedeutung ist. Man kann nehmlich die durch die objective prismatische Wirkung entstandenen Bilder als immer werdende und bewegliche ansehen, so wie wir es durchaus gethan haben. Mit diesen kann man nicht operiren, ohne sie zu veraͤndern. Man kann sie aber auch, wie besonders Newton thut, wie wir aber nur mit der groͤßten Einschraͤnkung und fuͤr einen Augenblick thun, als fertig ansehen und mit ih- nen operiren. 137. Sehen wir nun die einzelnen durch eine durchloͤ- cherte Tafel durchgegangenen Bilder als fertig an, ope- riren mit denselben und verruͤcken sie durch eine zweyte Refraction, so muß das eintreten, was wir uͤberhaupt von Verruͤckung farbiger Bilder dargethan haben: Es muͤssen nehmlich an ihnen abermals Raͤnder und Saͤu- me entstehen, aber entweder durch die Farbe des Bil- des beguͤnstigte oder verkuͤmmerte. Das isolirte gelbro- the Bild nehmen wir aus dem einwaͤrts strebenden gelbrothen Rande; an seiner untern Graͤnze wird es durch einen gleichnamigen neuen Rand an Farbe ver- staͤrkt, das allenfalls entspringende Gelb verliert sich und an der entgegengesetzten Seite kann wegen des Widerspruchs kein Blau und folglich auch kein Violett entstehen. Das Gelbrothe bleibt also gleichsam in sich selbst zuruͤckgedraͤngt, erscheint kleiner und geringer als es seyn sollte. Das violette Bild hingegen ist ein Theil des aus dem ganzen Bilde hinausstrebenden vio- letten Saumes. Es wird allenfalls an seiner untern Graͤnze ein wenig verkuͤmmert und hat oben die voͤllige Freyheit, vorwaͤrts zu gehen. Dieses mit jenen obigen Betrachtungen zusammengenommen, laͤßt auf ein weite- res Vorruͤcken des Violetten auch durch diesen Umstand schließen. Jedoch legen wir hierauf keinen allzugroßen Werth, sondern fuͤhren es nur an, damit man sich bey einer so complicirten Sache eines jeden Nebenumstan- 28 * des erinnere; wie man denn, um sich von der Entste- hung dieser neuen Raͤnder zu uͤberzeugen, nur den gelben Theil des Bildes durch eine Oeffnung im Brette durch- fuͤhren und alsdann zum zweytenmal hinter demselben refrangiren mag. Siebenter Versuch . 138. Hier laͤßt der Verfasser durch zwey nebenein- ander gestellte Prismen zwey Spectra in die dunk- le Kammer fallen. Auf einen horizontalen schma- len Streifen Papier trifft nun die rothe Farbe des einen Spectrums und gleich daneben die vio- lette Farbe des andern. Nun betrachtet er diesen doppelt prismatisch gefaͤrbten Streifen durch ein zweytes Prisma und findet das Papier gleichsam auseinander gerissen. Die blaue Farbe des Streifens hat sich nehm- lich viel weiter herunter begeben, als die rothe; es ver- steht sich, daß der Beobachter durch ein Prisma blickt, dessen brechender Winkel nach unten gekehrt ist. 139. Man sieht, daß dieß eine Wiederholung des er- sten Versuches werden soll, welcher dort mit koͤrperli- chen Farben angestellt war, hier aber mit Flaͤchen an- gestellt wird, die eine scheinbare Mittheilung durch ap- parente Farben erhalten haben. Der gegenwaͤrtige Fall, die gegenwaͤrtige Vorrichtung ist doch von jenen him- melweit unterschieden, und wir werden, da wir das Phaͤnomen nicht laͤugnen, es abermals auf mancherley Weise darzustellen, aus unsern Quellen abzuleiten und das Hohle der Newtonischen Erklaͤrung darzuthun su- chen. 140. Wir koͤnnen unsre erstgemeldete (135.) Vor- richtung mit zwey Prismen nebeneinander beybehalten. Wir lassen das rothe und violette Bildchen nebeneinan- der auf die hintere weiße Tafel fallen, so daß sie voͤl- lig horizontal stehen. Man nehme nun das horizontale Prisma vor die Augen, den brechenden Winkel gleich- falls unterwaͤrts gekehrt, und betrachte jene Tafel; sie wird auf die bekannte Weise verruͤckt seyn, allein zu- gleich wird man einen bedeutenden Umstand eintreten sehen: das rothe Bild nehmlich ruͤckt nur in sofern von der Stelle, als die Tafel verruͤckt wird; seine Stelle auf der Tafel hingegen behaͤlt es genau. Mit dem violetten Bilde verhaͤlt es sich nicht so; dieses veraͤndert seine Stelle, es zieht sich viel weiter herunter, es steht nicht mehr mit dem rothen Bilde auf Einer horizonta- len Linie. 141. Sollte es den Newtonianern moͤglich seyn, auch kuͤnftig noch die Farbenlehre in die dunkle Kammer ein- zusperren, ihre Schuͤler in die Gaͤngelbank einzuzwaͤngen und ihnen jeden Schritt freyer Beobachtung zu versagen; so wollen wir ihnen auch diesen Versuch besonders em- pfohlen haben, weil er etwas Ueberraschendes und Im- ponirendes mit sich fuͤhrt. Uns aber muß angelegen seyn, die Verhaͤltnisse des Ganzen deutlich zu machen und bey dem gegenwaͤrtigen Versuche zu leisten, was bey dem vorigen bestanden worden. 142. Newton verbindet hier zum erstenmal die objecti- ven Versuche mit den subjectiven. Es haͤtte ihm also geziemt, den Hauptversuch (E. 350 — 356) zuerst aufzustellen und vorzutragen, dessen er, nach seiner Unmethode, erst viel spaͤter erwaͤhnt, wo das Phaͤnomen, weit entfernt zur wahren Einsicht in die Sache etwas beyzutragen, nur wieder neue Verwirrungen anzurichten im Fall ist. Wir setzen voraus, daß jedermann diesen Versuch gesehen habe, daß jedermann, den die Sache interessirt, so eingerichtet sey, um ihn, so oft die Sonne scheint, wiederholen zu koͤnnen. 143. Dort wird also das laͤnglichte Farbenbild durch ein Prisma an die Wand in die Hoͤhe geworfen; man nimmt sodann ein voͤllig gleiches Prisma, den bre- chenden Winkel unterwaͤrts gekehrt, haͤlt es vor die Augen und tritt nahe vor das Bild auf der Tafel. Man sieht es wenig veraͤndert, aber je weiter man zu- ruͤcktritt, desto mehr zieht es sich, nicht allein herab- waͤrts, sondern auch in sich selbst zusammen, dergestalt, daß der violette Saum immer kuͤrzer wird. Endlich erscheint die Mitte weiß und nur die Graͤnzen des Bildes gefaͤrbt. Steht der Beobachter genau so weit als das erste Prisma, wodurch das farbige Bild ent- stand, so erscheint es ihm nunmehr subjectiv farblos. Tritt er weiter zuruͤck, so faͤrbt es sich im umgekehrten Sinne herabwaͤrts. Ist man doppelt soweit zuruͤckge- treten, als das erste Prisma von der Wand steht, so sieht man mit freyem Auge das aufstrebende, durch das zweyte Prisma aber das herabstrebende umgekehrte gleich stark gefaͤrbte Bild; woraus soviel abermals erhellt, daß jenes erste Bild an der Wand keinesweges ein fertiges, im Ganzen und in seinen Theilen unveraͤnderliches We- sen sey, sondern daß es seiner Natur nach zwar be- stimmt, aber doch wieder bestimmbar und zwar bis zum Gegensatz bestimmbar, gefunden werde. 144. Was nun von dem ganzen Bilde gilt, das gilt auch von seinen Theilen. Man fasse das ganze Bild, ehe es zur gedachten Tafel gelangt, mit einer durchloͤ- cherten Zwischentafel auf, und man stelle sich so, daß man zugleich das ganze Bild auf der Zwischentafel und die einzelnen verschiedenfarbigen Bilder auf der Haupt- tafel sehen koͤnne. Nun beginne man den vorigen Ver- such. Man trete ganz nahe zur Haupttafel und betrachte durchs horizontale Prisma die vereinzelt uͤbereinander stehenden farbigen Bilder; man wird sie, nach Verhaͤlt- niß der Naͤhe, nur wenig vom Platze geruͤckt finden. Man entferne sich nunmehr nach und nach, und man wird mit Bewunderung sehen, daß das rothe Bild sich nur insofern verruͤckt, als die Tafel verruͤckt scheint, daß sich hingegen die obern Bilder, das violette, blaue, gruͤne, nach und nach herab gegen das rothe ziehen und sich mit diesem verbinden, welches denn zugleich seine Farbe, doch nicht voͤllig, verliert und als ein ziemlich rundes einzelnes Bild dasteht. 145. Betrachtet man nun, was indessen auf der Zwischen- tafel vorgegangen, so sieht man, daß sich das verlaͤn- gerte farbige Bild fuͤr das Auge gleichfalls zusammen- gezogen, daß der violette Saum scheinbar die Oeffnung verlassen, vor welcher diese Farbe sonst schwebte, daß die blaue, gruͤne, gelbe Farbe gleichfalls verschwunden, daß die rothe zuletzt auch voͤllig aufgehoben ist, und fuͤrs Auge nur ein weißes Bild auf der Zwischentafel steht. Entfernt man sich noch weiter, so faͤrbt sich die- ses weiße Bild umgekehrt, wie schon weitlaͤuftig aus- gefuͤhrt worden (143.). 146. Man beobachte nun aber, was auf der Hauptta- fel geschieht. Das einzige, dort uͤbrige, noch etwas roͤthliche Bild faͤngt nun auch an, sich am obern Theile stark roth, am untern blau und violett zu faͤrben. Bey dieser Umkehrung vermoͤgen die verschwundenen Bilder des obern Theils nicht sich einzeln wiederherzustellen. Die Faͤrbung geschieht an dem einzig uͤbrig geblie- benen untern Theil, an der Base, an dem Kern des Ganzen. 147. Wer diese sich einander entsprechenden Versuche genau kennt, der wird sogleich einsehen, was es fuͤr eine Bewandniß mit den zwey horizontal nebeneinan- der gebrachten Bildern (140.) und deren Verru- ckung habe, und warum sich das Violette von der Linie des Rothen entfernen muͤssen, ohne deßhalb eine diverse Refrangibilitaͤt zu beweisen. Denn wie alles dasjenige, was vom ganzen Bilde gilt, auch von den einzelnen Theilen gelten muß, so gilt von zwey Bildern neben- einander und von ihren Theilen eben dasselbe; welches wir nun durch Darstellung und Entwickelung der Newtonischen Vorrichtung noch umstaͤndlicher und un- widersprechlicher zeigen wollen. 148. Man stelle einen schmalen, etwa fingerbreiten Streifen weiß Papier, quer uͤber einen Rahmen befestigt, in der dunklen Kammer dergestalt auf, daß er einen dunklen Hintergrund habe, und lasse nun von zwey nebeneinander gestellten Prismen, von einem die rothe Farbe, vom andern die violette oder auch wohl blaue auf diesen Streifen fallen; man nehme alsdann das Prisma vors Auge und sehe nach diesem Streifen: das Rothe wird an demselben verharren, sich mit dem Streifen verrucken und nur noch feuriger roth wer- den. Das Violette hingegen wird das Papier verlassen und als ein geistiger, jedoch sehr deutlicher Streif, tie- fer unten, uͤber der Finsterniß schweben. Abermals eine sehr empfehlenswerthe Erscheinung fuͤr diejenigen, welche die Newtonische Taschenspielerey fortzusetzen ge- denken; hoͤchlich bewundernswerth fuͤr die Schuͤler in der Laufbank. 149. Aber damit man vom Staunen zum Schauen uͤber- gehen moͤge, geben wir folgende Vorrichtung an. Man mache den gedachten Streifen nicht sehr lang, nicht laͤnger, als daß beyde Bildertheile jedes zur Haͤlfte darauf Platz haben. Man mache die Wangen des Rahmens, an die man den Streifen befestigt, etwas breit, so daß die andre Haͤlfte der Bilder, der Laͤnge nach getheilt, darauf erscheinen koͤnne. Man sieht nun also beyde Bilder zugleich, mit allen ihren Schattirun- gen, das eine hoͤher, das andre tiefer, zu beyden Sei- ten des Rahmens. Man sieht nun auch einzelne Theile nach Belieben, z. B. Gelbroth und Blauroth von beyden Seiten auf dem Papierstreifen. Nun er- greife man jene Versuchsweise. Man blicke durchs Prisma nach dieser Vorrichtung; so wird man zugleich die Veraͤnderung der ganzen Bilder und die Veraͤnde- rung der Theile gewahr werden. Das hoͤhere Bild, welches dem Streifen die rothe Farbe mittheilt, zieht sich zusammen, ohne daß das Rothe seine Stelle auf dem Rahmen, ohne daß die rothe Farbe den Strei- sen verlasse. Das niedrigere Bild aber, welches die violette Farbe dem Streifen mittheilt, kann sich nicht zusammenziehen, ohne daß das Violette seine Stelle auf dem Rahmen und folglich auch auf dem Papier ver- lasse. Auf dem Rahmen wird man sein Verhaͤltniß zu den uͤbrigen Farben noch immer erblicken, neben dem Rahmen aber wird der vom Papier sich herunterbewe- gende Theil wie in der Luft zu schweben scheinen. Denn die hinter ihm liegende Finsterniß ist fuͤr ihn eben so gut eine Tafel, als es der Rahmen fuͤr das auf ihn geworfene und auf ihm sich veraͤndernde objective Bild ist. Daß dem also sey, kann man daraus aufs genau- ste erkennen, daß der herabschwebende isolirte Farben- streif immer mit seiner gleichen Farbe im halben Spec- trum an der Seite Schritt haͤlt, mit ihr horizontal steht, mit ihr sich herabzieht und endlich, wenn jene verschwunden ist, auch verschwindet. Wir werden die- ser Vorrichtung und Erscheinung eine Figur auf unsrer zwoͤlften Tafel widmen, und so wird demjenigen, der nach uns experimentiren, nach uns die Sache genau be- trachten und uͤberlegen will, wohl kein Zweifel uͤbrig bleiben, daß dasjenige was wir behaupten das Wah- re sey. 150. Sind wir so weit gelangt, so werden wir nun auch diejenigen Versuche einzusehen und einzuordnen wissen, welche Newton seinem siebenten Versuche, ohne ihnen jedoch eine Zahl zu geben, hinzufuͤgt. Doch wol- len wir selbige sorgfaͤltig bearbeiten und sie zu Be- quemlichkeit kuͤnftigen Allegirens mit Nummern ver- sehen. 151. Man erinnere sich vor allen Dingen jenes fuͤnften Versuches, bey welchem zwey uͤbers Kreuz gehaltene Prismen dem Spectrum einen Buͤckling abzwangen; wodurch die diverse Refrangibilitaͤt der verschiedenen Strahlen erwiesen werden sollte, wodurch aber nach uns bloß ein allgemeines Naturgesetz, die Wirkung in der Diagonale bey zwey gleichen im rechten Winkel anregenden Kraͤften, ausgesprochen wird. 152. Gedachten Versuch koͤnnen wir nun gleichfalls durch Verbindung des Subjectiven mit dem Objectiven anstellen und geben folgende Vorrichtung dazu an, welche so wohl dieses als die nachstehenden Experi- mente erleichtert. Man werfe zuerst durch ein verti- cal stehendes Prisma das verlaͤngerte Sonnenbild seit- waͤrts auf die Tafel, so daß die Farben horizontal ne- beneinander zu stehen kommen; man halte nunmehr das zweyte Prisma horizontal wie gewoͤhnlich vor die Augen: so wird, indem das rothe Ende des Bildes an seinem Platze verharrt, die violette Spitze ihren Ort auf der Tafel scheinbar verlassen und sich in der Dia- gonale herunterneigen. Also vorbereitet, schreite man zu den zwey von Newton vorgeschlagenen Versuchen. 153. VII a. Jenem von uns angegebenen vertikalen Prisma, fuͤge man ein andres gleichfalls verticales hinzu dergestalt, daß zwey laͤnglichte farbige Bilder in einer Reihe liegen. Diese beyden zusammen betrachte man nun abermals durch ein horizontales Prisma; so werden sie sich beyde in der Diagonale neigen, dergestalt, daß das rothe Ende fest steht und gleichsam die Axe ist, worum sich das Bild herumdreht; wodurch aber weiter nichts ausgesprochen wird, als was wir schon wissen. 154. VII b. Aber eine Vermannigfaltigung des Versuches ist demungeachtet noch angenehm. Man stelle die beyden verticalen Prismen dergestalt, daß die Bilder uͤberein- ander fallen, jedoch im umgekehrten Sinne, so daß das gelbrothe des einen auf das violette des andern, und umgekehrt, falle; man betrachte nun durch das horizontale Prisma diese beyden fuͤrs nackte Auge sich deckenden Bilder, und sie werden sich fuͤr das bewaff- nete nunmehr kreuzweise uͤbereinander neigen, weil je- des in seinem Sinn diagonal bewegt wird. Auch die- ses ist eigentlich nur ein curioser Versuch, denn es bleibt unter einer wenig verschiedenen Bedingung im- mer dasselbe, was wir gewahr werden. Mit den fol- genden beyden verhaͤlt es sich eben so. 155. VII c. Man laͤsse auf jenen weißen Papierstreifen (148.) den rothen und violetten Theil der beyden prismati- schen farbigen Bilder aufeinander fallen; sie werden sich vermischen und eine Purpurfarbe hervorbringen. Nimmt man nunmehr ein Prisma vor die Augen, betrachtet diesen Streifen, so wird das Violette sich von dem Gelbrothen abloͤsen, herunter steigen, die Purpurfarbe verschwinden, das Gelbrothe aber stehen zu bleiben schei- nen. Es ist dieses dasselbige, was wir oben (149.) nebeneinander gesehen haben, und fuͤr uns kein Be- weis fuͤr die diverse Refraction, sondern nur fuͤr die Determinabilitaͤt des Farbenbildes. 156. VII d. Man stelle zwey kleine runde Papierscheiben in geringer Entfernung nebeneinander, und werfe den gelbrothen Theil des Spectrums durch ein Prisma auf die eine Scheibe, den blaurothen auf die andre, der Grund dahinter sey dunkel. Diese so erleuchteten Scheiben betrachte man durch ein Prisma, welches man dergestalt haͤlt, daß die Refraction sich gegen den rothen Cirkel bewegt; je weiter man sich entfernt, je naͤher ruͤckt das Violette zum Rothen hin, trifft endlich mit ihm zusammen, und geht sogar daruͤber hinaus. Auch dieses Phaͤnomen wird Jemand, der mit dem bisher beschriebenen Apparat umzugehn weiß, leicht hervorbringen und abzuleiten verstehen. Alle diese dem siebenten Versuche angehaͤngte Ver- suche sind, so wie der siebente selbst, nur Variationen jenes ob- und subjectiven Hauptversuches (E. 350—356.) Denn es ist ganz einerley, ob ich das objectiv an die Wand geworfene prismatische Bild, im Ganzen oder theilweise, in sich selbst zusammenziehe, oder ob ich ihm einen Buͤckling in der Diagonale abzwinge. Es ist ganz einerley, ob ich dieß mit einem oder mit mehre- ren prismatischen objectiven Bildern thue, ob ich es mit den ganzen Bildern, oder mit den Theilen vor- nehme, ob ich sie nebeneinander, uͤbereinander, ver- schraͤnkt oder sich theilweise deckend, richte und schiebe: immer bleibt das Phaͤnomen eins und dasselbe und spricht nichts weiter aus, als daß ich das in einem Sinn, z. B. aufwaͤrts, hervorgebrachte objective Bild, durch subjective, im entgegengesetzten Sinn, z. B. her- abwaͤrts angewendete Refraction, zusammenziehen, auf- heben und im Gegensatze faͤrben kann. 157. Man sieht also hieraus, wie sich eigentlich die Theile des objectiv entstandenen Farbenbildes zu subjec- tiven Versuchen keinesweges gebrauchen lassen, weil in solchem Falle, sowohl die ganzen Erscheinungen als die Theile derselben veraͤndert werden, und nicht einen Augenblick dieselbigen bleiben. Was bey solchen Ver- suchen fuͤr eine Complication obwalte, wollen wir durch ein Beyspiel anzeigen, und etwas oben geaͤußertes da- durch weiter ausfuͤhren und voͤllig deutlich machen. 158. Wenn man jenen Papierstreifen in der dunklen Kammer mit dem rothen Theile des Bildes erleuchtet, und ihn alsdann durch ein zweytes Prisma in ziemli- cher Naͤhe betrachtet; so verlaͤßt die Farbe das Papier nicht, vielmehr wird sie an dem obern Rande sehr viel lebhafter. Woher entspringt aber diese lebhaftere Farbe? Blos daher, weil der Streifen nunmehr als ein helles rothes Bild winkt, welches durch die subjective Bre- chung oben einen gleichnamigen Rand gewinnt, und also erhoͤht an Farbe erscheint. Ganz anders verhaͤlt sichs, wenn der Streifen mit dem violetten Theile des Bildes erleuchtet wird. Durch die subjective Wirkung zieht sich zwar die violette Farbe von dem Streifen weg, (148. 149.) aber die Hellung bleibt ihm einigerma- ßen. Dadurch erscheint er in der dunklen Kammer, wie ein weißer Streif auf schwarzem Grunde und faͤrbt sich nach dem bekannten Gesetz, indessen das herabgesunkene violette Schemen dem Auge gleichfalls ganz deutlich vorschwebt. Hier ist die Natur abermals durchaus con- sequent, und wer unsern didactischen und polemischen Darstellungen gefolgt ist, wird hieran nicht wenig Ver- gnuͤgen finden. Ein Gleiches bemerkt man bey dem Versuche VII d. 159. Eben so verhaͤlt es sich in dem oben beschriebe- nen Falle, (144) da wir die einzelnen uͤbereinan- der erscheinenden farbigen Bilder subjectiv herabziehen. Die farbigen Schemen sind es nur, die den Platz ver- lassen, aber die Hellung, die sie auf der weißen Tafel erregt haben, kann nicht aufgehoben werden. Diese farblosen hellen zuruͤckbleibenden Bilder werden nunmehr nach den bekannten subjectiven Gesetzen gefaͤrbt und bringen dem, der mit dieser Erscheinung nicht bekannt ist, eine ganz besondere Confusion in das Phaͤno- men. 160. Auf das vorhergehende, vorzuͤglich aber auf un- sern hundert und fuͤnf und dreyßigsten Paragraph, be- zieht sich ein Versuch, den wir nachbringen. Man habe im Fensterladen, horizontal nahe neben einander, zwey kleine runde Oeffnungen. Vor die eine schiebe man ein blaues, vor die andere ein gelbrothes Glas, wodurch die Sonne hereinscheint. Man hat also hier wie dort (135) zwey verschiedenfarbige Bilder neben einander. Nun fasse man sie mit einem Prisma auf und werfe sie auf eine weiße Tafel. Hier werden sie nicht ungleich in die Hoͤhe geruͤckt, sondern sie bleiben unten auf Einer Linie; aber genau besehen sind es zwey prismatische Bilder, welche unter dem Einfluß der verschiedenen farbigen Glaͤser stehen, und also in so fern veraͤndert sind, wie es nach der Lehre der scheinbaren Mischung und Mittheilung nothwendig ist. 161. Das eine durch das gelbe Glas fallende Spectrum hat seinen obern violetten Schweif fast gaͤnzlich eingebuͤßt; der untere gelbrothe Saum hingegen erscheint mit ver- doppelter Lebhaftigkeit; das Gelbe der Mitte erhoͤht sich auch zu einem Gelbrothen und der obere blaue Saum wird in einen gruͤnlichen verwandelt. Dagegen behaͤlt jenes durch das blaue Glas gehende Spectrum I. 29 seinen violetten Schweif voͤllig bey; das Blaue ist deutlich und lebhaft; das Gruͤne zieht sich herunter, und statt des Gelbrothen erscheint eine Art Purpur. 162. Stellt man die gedachten beyden Versuche entwe- der neben einander, oder doch unmittelbar nach einan- der an; so uͤberzeugt man sich, wie Unrecht Newton gehandelt habe, mit den beweglichen physischen Far- ben und den fixirten chemischen ohne Unterschied zu operiren, da sie doch ihrer verschiedenen Natur nach ganz verschiedene Resultate hervorbringen muͤssen, wie wir wohl hier nicht weiter auseinander zu setzen brauchen. 163. Auch jenen objectiv-subjectiven Versuch (E. 350— 354.) mit den eben gedachten beyden verschiedenen pris- matischen Farbenbildern vorzunehmen, wird belehrend seyn. Man nehme wie dort das Prisma vor die Au- gen, betrachte die Spectra erst nahe, dann entferne man sich von ihnen nach und nach; sie werden sich beyde, besonders das blaue, von oben herein zusam- menziehen, das eine endlich ganz gelbroth, das an- dere ganz blau erscheinen, und indem man sich weiter entfernt, umgekehrt gefaͤrbt werden. 164. So moͤchte denn auch hier der Platz seyn, jener Vorrichtung abermals zu gedenken, welche wir schon fruͤher (E. 284.) beschrieben haben. In einer Pappe sind mehrere Quadrate farbigen Glases angebracht; man erhellet sie durch das Sonnen-, auch nur durch das Tageslicht, und wir wollen hier genau anzeigen, was gesehen wird, wenn man an ihnen den subjecti- ven Versuch macht, indem man sie durch das Prisma betrachtet. Wir thun es um so mehr, als diese Vor- richtung kuͤnftig bey subjectiver Verruͤckung farbiger Bil- der den ersten Platz einnehmen, und mit einiger Veraͤn- derung und Zusaͤtzen, beynahe allen uͤbrigen Apparat ent- behrlich machen wird. 165. Zuvoͤrderst messe man jene Quadrate, welche aus der Pappe herausgeschnitten werden sollen, sehr genau ab und uͤberzeuge sich, daß sie von einerley Groͤße sind. Man bringe alsdann die farbigen Glaͤser dahinter, stelle sie gegen den grauen Himmel und betrachte sie mit bloßem Auge. Das gelbe Quadrat als das hellste wird am groͤßten erscheinen. (E. 16.) Das gruͤne und blaue wird ihm nicht viel nachgeben, hingegen das gelbrothe und violette als die dunkelsten werden sehr viel kleiner erscheinen. Diese physiologische Wirkung der Farben, insofern sie heller oder dunkler sind, nur beylaͤufig zu Ehren der großen Consequenz natuͤrlicher Erscheinungen. 166. Man nehme sodann ein Prisma vor die Augen und betrachte diese nebeneinander gestellten Bilder. Da 29 * sie specificirt und chemisch fixirt sind, so werden sie nicht, wie jene des Spectrums, veraͤndert oder gar aufgehoben; sondern sie verharren in ihrer Natur und nur die beguͤnstigende oder verkuͤmmernde Wirkung der Raͤnder findet statt. 167. Obgleich jeder diese leichte Vorrichtung sich selbst anschaffen wird, ob wir schon dieser Phaͤnomene oͤf- ters gedacht haben; so beschreiben wir sie doch wegen eines besondern Umstands hier kuͤrzlich, aber genau. Am gelben Bilde sieht man deutlich den obern hochrothen Rand, der gelbe Saum verliert sich in der gelben Flaͤche; am untern Rande entsteht ein Gruͤn, doch sieht man das Blaue so wie ein maͤßig herausstrebendes Violett ganz deutlich. Beym gruͤnen ist alles unge- faͤhr dasselbige, nur matter, gedaͤmpfter, weniger Gelb, mehr Blau. Am blauen erscheint der rothe Rand braͤunlich und stark abgesetzt, der gelbe Saum macht eine Art von schmutzigem Gruͤn, der blaue Rand ist sehr beguͤnstigt und erscheint fast in der Groͤße des Bildes selbst. Er endigt in einen lebhaften violetten Saum. Diese drey Bilder, gelb, gruͤn und blau, schei- nen sich stufenweise herabzusenken und einem Unauf- merksamen die Lehre der diversen Refrangibilitaͤt zu beguͤnstigen. Nun tritt aber die merkwuͤrdige Erschei- nung des Violetten ein, welche wir schon oben (45) angedeutet haben. Verhaͤltnißmaͤßig zum Violetten ist der gelbrothe Rand nicht widersprechend: denn Gelb- roth und Blauroth bringen bey apparenten Farben Purpur hervor. Weil nun hier die Farbe des durch- scheinenden Glases auch auf einem hohen Grade von Reinheit steht, so verbindet sie sich mit dem an ihr entspringenden gelbrothen Rand, es entsteht eine Art von braͤunlichem Purpur und das Violette bleibt mit seiner obern Graͤnze unverruckt, indeß der untere vio- lette Saum sehr weit und lebhaft herabwaͤrts strebt. Daß ferner das gelbrothe Bild an der obern Graͤnze beguͤnstigt wird und also auf der Linie bleibt, versteht sich von selbst, so wie daß an der untern, wegen des Wi- derspruchs kein Blau und also auch kein daraus ent- springendes Violett entstehen kann, sondern vielmehr etwas schmutziges daselbst zu sehen ist. 168. Will man diese Versuche noch mehr vermannigfal- tigen, so nehme man farbige Fensterscheiben und klebe Bilder von Pappe auf dieselben. Man stelle sie gegen die Sonne, so daß diese Bilder dunkel auf farbigem Grund erscheinen; und man wird die umgekehrten Raͤn- der, Saͤume und ihre Vermischung mit der Farbe des Glases abermals gewahr werden. Ja, man mag die Vorrichtung vermannigfaltigen so viel man will, so wird das Falsche jenes ersten Newtonischen Versuchs und aller der uͤbrigen, die sich auf ihn beziehen, dem Freunde des Wahren, Geraden und Folgerechten im- mer deutlicher werden. Achter Versuch . 169. Der Verfasser laͤßt das prismatische Bild auf ein ge- drucktes Blatt fallen, und wirft sodann durch die Linse des zweyten Experiments diese farbig erleuchtete Schrift auf eine weiße Tafel. Hier will er denn auch, wie dort, die Buchstaben im blauen und violetten Licht naͤher an der Linse, die im rothen aber weiter von der Linse, deutlich gesehen haben. Der Schluß, den er daraus zieht, ist uns schon be- kannt, und wie es mit dem Versuche, welcher nur der zweyte, jedoch mit apparenten Farben, wiederholt ist, beschaffen seyn mag, kann sich Jeder im Allgemeinen vorstellen, dem jene Ausfuͤhrung gegenwaͤrtig geblie- ben. Allein es treten noch besondere Umstaͤnde hinzu, die es raͤthlich machen, auch den gegenwaͤrtigen Ver- such genau durchzugehen, und zwar dabey in der Ord- nung zu verfahren, welche wir bey jenem zweyten der Sache gemaͤß gefunden; damit man voͤllig einsehe, in wiefern diese beyden Versuche parallel gehen, und in wiefern sie von einander abweichen. 170. 1) Das Vorbild (54—57.) In dem gegen- waͤrtigen Falle stehen die Lettern der Druckschrift an- statt jener schwarzen Faͤden; und nicht einmal so vor- theilhaft: denn sie sind von den apparenten Farben mehr oder weniger uͤberlasirt. Aber der von Newton hier wie dort vernachlaͤssigte Hauptpunkt ist dieser: daß die verschiedenen Farben des Spectrums an Hellung ungleich sind. Denn das prismatische Sonnenbild zer- faͤllt in zwey Theile, in eine Tag- und Nachtseite. Gelb und Gelbroth stehen auf der ersten, Blau und Blauroth auf der zweyten. Die unterliegende Druck- schrift ist in der gelben Farbe am deutlichsten; im Gelbrothen weniger: denn dieses ist schon gedraͤngter und dunkler. Blauroth ist durchsichtig, verduͤnnt, aber beleuchtet wenig. Blau ist gedraͤngter, dichter, macht die Buchstaben truͤber; oder vielmehr seine Truͤbe verwandelt die Schwaͤrze der Buchstaben in ein schoͤnes Blau, deswegen sie vom Grunde weniger ab- stechen. Und so erscheint, nach Maßgabe so verschie- dener Wirkungen, diese farbig beleuchtete Schrift, dieses Vorbild, an verschiedenen Stellen verschieden deutlich. 171. Außer diesen Maͤngeln des hervorgebrachten Bil- des ist die Newtonische Vorrichtung in mehr als einem Sinne unbequem. Wir haben daher eine neue ersonnen, die in folgendem besteht. Wir nehmen einen Rahmen, der zu unserm Gestelle (69) paßt, uͤberzie- hen denselben mit Seidenpapier, worauf wir mit starker Tusche verschiedene Zuͤge, Punkte und dergl. calligraphisch anbringen, und sodann den Grund mit feinem Oel durchsichtig machen. Diese Tafel kommt voͤllig an die Stelle des Vorbildes zum zweyten Ver- suche. Das prismatische Bild wird von hinten dar- auf geworfen, die Linse ist nach dem Zimmer zu ge- richtet und in gehoͤriger Entfernung steht die zweite Tafel, worauf die Abbildung geschehen soll. Eine solche Vorrichtung hat große Bequemlichkeiten, indem sie diesen Versuch dem zweyten gleichstellt; auch sogar darin, daß die Schattenstriche rein schwarz dastehen und nicht von den prismatischen Farben uͤberlasirt sind. 172. Hier draͤngt sich uns abermals auf, daß durchaus das experimentirende Verfahren Newtons deshalb tadel- haft ist, weil er seinen Apparat mit auffallender Un- gleichheit einmal zufaͤllig ergreift, wie ihm irgend et- was zur Hand kommt, dann aber mit Complication und Ueberkuͤnstelung nicht fertig werden kann. 173. Ferner ist hier zu bemerken, daß Newton sein Vorbild behandelt als waͤr’ es unveraͤnderlich, wie das Vorbild des zweyten Versuchs, da es doch wan- delbar ist. Natuͤrlicher Weise laͤßt sich das hier auf der Ruͤckseite des durchsichtigen Papiers erscheinende Bild, durch ein entgegengesetztes Prisma angesehen, auf den Nullpunkt reduciren und sodann voͤllig umkehren. Wie sich durch Linsen das prismatische Bild veraͤndern laͤßt, erfahren wir kuͤnftig, und wir halten uns um so weniger bey dieser Betrachtung auf, als wir zum Zwecke des gegenwaͤrtigen Versuchs dieses Bild einst- weilen als ein fixes annehmen duͤrfen. 174. 2) Die Beleuchtung (57.) Die apparenten Farben bringen ihr Licht mit; sie haben es in und hinter sich. Aber doch sind die verschiedenen Stellen des Bildes, nach der Natur der Farben, mehr oder weniger beleuchtet, und daher jenes Bild der uͤber- faͤrbten Druckschrift hoͤchst ungleich und mangelhaft. Ueberhaupt gehoͤrt dieser Versuch, so wie der zweyte, ins Fach der Camera obscura. Man weiß, daß alle Gegenstaͤnde, welche sich in der dunklen Kammer ab- bilden sollen, hoͤchst erleuchtet seyn muͤssen. Bey der Newtonischen, so wie bey unserer Vorrichtung aber, ist es keine Beleuchtung des Gegenstandes, der Buch- staben oder der Zuͤge, sondern eine Beschattung der- selben und zwar eine ungleiche; deshalb auch Buch- staben und Zuͤge als ganze Schatten in helleren oder dunkleren Halbschatten und Halblichtern sich ungleich darstellen muͤssen. Doch hat auch in diesem Betracht die neuere Vorrichtung große Vorzuͤge, wovon man sich leicht uͤberzeugen kann. 175. 3) Die Linse (58 — 69.) Wir bedienen uns eben derselben, womit wir den zweyten Versuch an- stellten, wie uͤberhaupt des ganzen dort beschriebenen Apparates. 176. 4) Das Abbild (70 — 76.) Da nach der New- tonischen Weise schon das Vorbild sehr ungleich und undeutlich ist, wie kann ein deutliches Abbild entste- hen? Auch legt Newton, unsern angegebenen Bestim- mungen gemaͤß, ein Bekenntniß ab, wodurch er, wie oͤfters geschieht, das Resultat seines Versuches wieder aufhebt. Denn ob er gleich zu Anfang versichert, er habe sein Experiment im Sommer bey dem hellsten Sonnenschein angestellt, so kommt er doch zuletzt mit einer Nachklage und Entschuldigung, damit man sich nicht wundern moͤge, wenn die Wiederholung des Versuchs nicht sonderlich gelaͤnge. Wir hoͤren ihn selbst: 177. Das gefaͤrbte Licht des Prismas war aber doch noch sehr zusammengesetzt, weil die Kreise, die ich in der zweyten Figur des fuͤnften Experiments beschrieben habe, sich in ein- ander schoben, und auch das Licht von glaͤnzenden Wolken, zunaͤchst bey der Sonne, sich mit diesen Farben vermischte; ferner weil das Licht durch die Ungleichheiten in der Politur des Prismas unregelmaͤßig zersplittert wurde. Um aller die- ser Nebenumstaͤnde willen war das farbige Licht, wie ich sagte, noch so mannigfaltig zusammengesetzt, daß der Schein von jenen schwachen und dunklen Farben, dem Blauen und Violetten, der auf das Papier fiel, nicht so viel Deut- lichkeit gewaͤhrte, um eine gute Beobachtung zuzulassen. 178. Das Unheil solcher Reservationen und Restrictionen geht durch das ganze Werk. Erst versichert der Ver- fasser: er habe bey seinen Vorrichtungen die groͤßte Vorsicht gebraucht, die hellsten Tage abgewartet, die Kammer hermetisch verfinstert, die vortrefflichsten Prismen ausgewaͤhlt; und dann will er sich hinter Zufaͤlligkeiten fluͤchten, daß Wolken vor der Sonne gestanden, daß durch eine schlechte Politur das Prisma unsicher geworden sey. Der homogenen nie zu homo- genisirenden Lichter nicht zu gedenken, welche sich ein- ander verwirren, verunreinigen, in einander greifen, sich stoͤren und niemals das sind noch werden koͤnnen, was sie seyn sollen. Mehr als einmal muß uns daher jener beruͤhmte theatralische Hetmann der Cosacken ein- fallen, welcher sich ganz zum Newtonianer geschickt haͤtte. Denn ihn wuͤrde es vortrefflich kleiden, mit großer Behaglichkeit auszurufen: wenn ich Zirkel sage, so meyn’ ich eben, was nicht rund ist; sage ich gleich- artig, so heißt das immer noch zusammengesetzt; und sag’ ich Weiß, so kann es fuͤrwahr nichts anders hei- ßen als schmutzig. 179. Betrachten wir nunmehr die Erscheinung nach un- serer Anstalt, so finden wir die schwarzen Zuͤge deutli- cher oder undeutlicher, nicht in Bezug auf die Farben, sondern aufs Hellere oder Dunklere derselben; und zwar sind die Stufen der Deutlichkeit folgende: Gelb, Gruͤn, Blau, Gelbroth und Blauroth; da denn die beyden letztern, je mehr sie sich dem Rande, dem Dunklen naͤ- hern, die Zuͤge immer undeutlicher darstellen. 180. Ferner ist hierbey ein gewisser Bildpunct offenbar, in welchem, so wie auf der Flaͤche, die ihn parallel mit der Linse durchschneidet, die saͤmmtlichen Abbildun- gen am deutlichsten erscheinen. Indessen kann man die Linse von dem Vorbilde ab und zu dem Vorbilde zu- ruͤcken, so daß der Unterschied beynahe einen Fuß be- traͤgt, ohne daß das Abbild merklicher undeutlich werde. 181. Innerhalb dieses Raumes hat Newton operirt; und nichts ist natuͤrlicher, als daß die von den helle- ren prismatischen Farben erleuchteten Zuͤge, auch da schon oder noch sichtbar sind, wenn die von den dunk- leren Farben erleuchteten, oder vielmehr beschatteten Zuͤge verschwinden. Daß aber, wie Newton behaup- tet, die von den Farben der Tagseite beleuchteten Buchstaben alsdann undeutlich werden, wenn die von der Nachtseite her beschienenen deutlich zu sehen sind, ist ein fuͤr allemal nicht wahr, so wenig wie beym zweyten Experimente, und alles, was Newton daher behaupten will, faͤllt zusammen. 182. 5) Die Folgerung . Gegen diese bleibt uns, nach allem dem was bisher ausgefuͤhrt und dargethan worden, weiter nichts zu wirken uͤbrig. 183. Ehe wir aber uns aus der Gegend dieser Versuche entfernen, so wollen wir noch einiger andern erwaͤh- nen, die wir bey dieser Gelegenheit anzustellen veran- laßt worden. Das zweyte Experiment so energisch als moͤglich darzustellen, brachten wir verschiedenfar- bige von hinten wohl erleuchtete Scheiben an die Stelle des Vorbildes, und fanden, was voraus zu sehen war, daß sich die durch ausgeschnittene Pappe oder sonst auf denselben abzeichnenden dunklen Bilder auch nur nach der verschiedenen Helle oder Dunkelheit des Grundes mehr oder weniger auszeichneten. Dieser Versuch fuͤhrte uns auf den Gedanken, gemalte Fensterscheiben an die Stelle des Vorbildes zu setzen, und alles fand sich einmal wie das andremal. 184. Hievon war der Uebergang zur Zauberlaterne ganz natuͤrlich, deren Erscheinungen mit dem zweyten und achten Versuche Newtons im Wesentlichen zusammen- treffen; uͤberall spricht sich die Wahrheit der Natur und unserer naturgemaͤßen Darstellung, so wie das Falsche der Newtonischen verkuͤnstelten Vorstellungsart, energisch aus. 185. Nicht weniger ergriffen wir die Gelegenheit in ei- ner portativen Camera obscura an einem Festtage, bey dem hellsten Sonnenschein, die buntgeputzten Leute auf dem Spaziergange anzusehen. Alle nebeneinander sich befindenden variegirten Kleider waren deutlich, sobald die Personen in den Bildpunct oder in seine Region kamen; alle Muster zeigten sich genau, es mochte bloß Hell und Dunkel, oder beydes mit Farbe, oder Farbe mit Farbe wechseln. Wir koͤnnen also hier abermals kuͤhn wiederholen, daß alles natuͤrliche und kuͤnstliche Sehen unmoͤglich waͤre, wenn die Newioni- sche Lehre wahr seyn sollte. 186. Der Hauptirrthum, dessen Beweis man durch den achten so wie durch die zwey ersten Versuche erzwingen will, ist der: daß man farbigen Flaͤchen, Farben, wenn sie als Massen im Malersinne erscheinen und wirken, eine Eigenschaft zuschreiben moͤchte, vermoͤge welcher sie, nach der Refraction, fruͤher oder spaͤter in irgend einem Bildpunct anlangen; da es doch kei- nen Bildpunct ohne Bild gibt, und die Aberration, die bey Verruͤckung des Bildes durch Brechung sich zeigt, bloß an den Raͤndern vorgeht, die Mitte des Bildes hingegen nur in einem aͤußersten Falle afficirt wird. Die diverse Refrangibilitaͤt ist also ein Maͤhr- chen. Wahr aber ist, daß Refraction auf ein Bild nicht rein wirkt, sondern ein Doppelbild hervorbringt, dessen Eigenschaft wir in unserm Entwurf genugsam klar gemacht haben. Recapitulation der acht ersten Versuche . 187. Da wir nunmehr auf einen Punct unserer polemi- schen Wanderung gekommen sind, wo es vortheilhaft seyn moͤchte, still zu stehen, und sich umzuschauen nach dem Weg, welchen wir zuruͤckgelegt haben; so wollen wir das bisherige zusammenfassen und mit wenigen Worten die Resultate darstellen. 188. Newtons bekannte, von andern und uns bis zum Ueberdruß wiederholte Lehre soll durch jene acht Ver- suche bewiesen seyn. Und gewiß, was zu thun war, hat er gethan: denn im folgenden findet sich wenig Neues; vielmehr sucht er nur von andern Seiten her seine Argumente zu bekraͤftigen. Er vermannigfal- tigt die Experimente und noͤthigt ihnen immer neue Bedingungen auf. Aus dem schon Abgehandelten zieht er Folgerungen, ja er geht polemisch gegen An- dersgesinnte zu Werke. Doch immer dreht er sich nur in einem engen Kreise und stellt seinen kuͤmmerlichen Hausrath bald so, bald so zurechte. Kennen wir den Werth der hinter uns liegenden acht Experimente, so ist uns in dem Folgenden weniges mehr fremd. Daher kommt es auch, daß die Ueberlieferung der Newtoni- schen Lehre in den Compendien unserer Experimental- physik so laconisch vorgetragen werden konnte. Mehr gedachte Versuche gehen wir nun einzeln durch. 189. In dem dritten Versuche wird das Hauptphaͤno- men, das prismatische Spectrum, unrichtig als Scale dargestellt; da es urspruͤnglich aus einem Entgegenge- setzten, das sich erst spaͤter vereinigt, besteht. Der vierte Versuch zeigt uns eben diese Erscheinung subjec- tiv, ohne daß wir mit ihrer Natur tiefer bekannt wuͤr- den. Im fuͤnften neigt sich gedachtes Bild durch wie- derholte Refraction etwas verlaͤngert zur Seite. Wo- her diese Neigung in der Diagonale so wie die Ver- laͤngerung sich herschreibe, wird von uns umstaͤndlich dargethan. 190. Der sechste Versuch ist das sogenannte Experimen- tum Crucis, und hier ist wohl der Ort anzuzeigen, was eigentlich durch diesen Ausdruck gemeynt sey. Crux bedeutet hier einen in Kreuzesform an der Land- straße stehenden Wegweiser, und dieser Versuch soll also fuͤr einen solchen gelten, der uns vor allem Irr- thum bewahrt und unmittelbar auf das Ziel hindeutet. Wie es mit ihm beschaffen, wissen diejenigen, die unse- rer Ausfuͤhrung gefolgt sind. Eigentlich gerathen wir dadurch ganz ins Stecken und werden um nichts wei- ter gebracht, nicht einmal weiter gewiesen. Denn im Grunde ist es nur ein Idem per Idem. Refrangirt man das ganze prismatische Bild in derselben Richtung zum zweytenmal, so verlaͤngert es sich, wobey aber die verschiedenen Farben ihre vorigen Entfernungen nicht behalten. Was auf diese Weise am Ganzen ge- schieht, geschieht auch an den Theilen. Im Ganzen ruckt das Violette viel weiter vor als das Rothe, und eben dasselbe thut das abgesonderte Violette. Dieß ist das Wort des Raͤthsels, auf dessen falsche Aufloͤsung man sich bisher so viel zu gute gethan hat. In dem siebenten Versuche werden aͤhnliche subjective Wirkun- gen gezeigt und von uns auf ihre wahren Elemente zuruͤckgefuͤhrt. 191. Hatte sich nun der Verfasser bis dahin beschaͤftigt, die farbigen Lichter aus dem Sonnenlichte herauszu- zwingen; so war schon fruͤher eingeleitet, daß auch koͤrperliche Farben eigentlich solche farbige Lichttheile von sich schicken. Hiezu war der erste Versuch be- stimmt, der eine scheinbare Verschiedenheit in Verru- ckung bunter Quadrate auf dunklem Grund vors Auge brachte. Das wahre Verhaͤltniß haben wir umstaͤnd- lich gezeigt, und gewiesen, daß hier nur die Wirkung der prismatischen Raͤnder und Saͤume an den Graͤn- zen der Bilder die Ursache der Erscheinung sey. 192. Im zweyten Versuche wurden auf gedachten bun- ten Flaͤchen kleinere Bilder angebracht, welche, durch eine Linse auf eine weiße Tafel geworfen, ihre Um- I. 30 risse fruͤher oder spaͤter daselbst genauer bezeichnen soll- ten. Auch hier haben wir das wahre Verhaͤltniß um- staͤndlich auseinander gesetzt, so wie bey dem achten Versuch, welcher, mit prismatischen Farben angestellt, dem zweyten zu Huͤlfe kommen und ihn außer Zweifel setzen sollte. Und so glauben wir durchaus das Ver- faͤngliche und Falsche der Versuche, so wie die Nich- tigkeit der Folgerungen, enthuͤllt zu haben. 193. Um zu diesem Zwecke zu gelangen, haben wir immerfort auf unsern Entwurf hingewiesen, wo die Phaͤnomene in naturgemaͤßerer Ordnung aufgefuͤhrt sind. Ferner bemerkten wir genau, wo Newton etwas Unvorbereitetes einfuͤhrt, um den Leser zu uͤberraschen. Nicht weniger suchten wir zugleich die Versuche zu ver- einfachen und zu vermannigfaltigen, damit man sie von der rechten Seite und von vielen Seiten sehen moͤge, um sie durchaus beurtheilen zu koͤnnen. Was wir sonst noch gethan und geleistet, um zu unserm Endzweck zu gelangen, daruͤber wird uns der guͤn- stige Leser und Theilnehmer selbst das Zeugniß geben. Dritte Proposition. Drittes Theorem . Das Licht der Sonne besteht aus Strahlen, die verschieden reflexibel sind, und die am meisten refrangiblen Strahlen sind auch die am meisten reflexiblen. 194. Nachdem der Verfasser uns genugsam uͤberzeugt zu haben glaubt, daß unser weißes reines einfaches helles Licht aus verschiedenen farbigen dunklen Lich- tern insgeheim gemischt sey, und diese innerlichen Theile durch Refraction hervorgenoͤthigt zu haben waͤhnt; so denkt er nach, ob nicht auch noch auf andere Weise diese Operation gluͤcken moͤchte, ob man nicht durch andere verwandte Bedingungen das Licht noͤthigen koͤnne, seinen Busen aufzuschließen. 195. Der Refraction ist die Reflexion nahe verwandt, so daß die erste nicht ohne die letzte vorkommen kann. Warum sollte Reflexion, die sonst so maͤchtig ist, nicht auch dießmal auf das unschuldige Licht ihre Gewalt ausuͤben? Wir haben eine diverse Refrangibilitaͤt, es waͤre doch schoͤn, wenn wir auch eine diverse Reflexibi- litaͤt haͤtten. Und wer weiß, was sich nicht noch alles fernerhin daran anschließen laͤßt. Daß nun dem Ver- fasser der Beweis durch Versuche, wozu er sich nun- mehr anschickt, vor den Augen eines gewarnten Beob- 30 * achters eben so wenig als seine bisherigen Beweise gelingen werde, laͤßt sich voraus sehen; und wir wol- len von unserer Seite zur Aufklaͤrung dieses Fehlgriffs das moͤglichste beytragen. Neunter Versuch . 196. Wie der Verfasser hierbey zu Werke geht, ersu- chen wir unsere Leser in der Optik selbst nachzusehen: denn wir gedenken, anstatt uns mit ihm einzulassen, anstatt ihm zu folgen und ihn Schritt vor Schritt zu widerlegen, uns auf eigenem Wege um die wahre Darstellung des Phaͤnomens zu bemuͤhen. Wir haben zu diesem Zweck auf unserer achten Tafel die ein und zwanzigste Figur der vierten Newtonischen Tafel zum Grunde gelegt, jedoch eine naturgemaͤßere Abbildung linearisch ausgedruckt, auch zu besserer Ableitung des Phaͤnomens die Figur fuͤnfmal nach ihren steigenden Verhaͤltnissen wiederholt, wodurch die in dem Versuch vorgeschriebene Bewegung gewissermaßen vor Augen ge- bracht, und was eigentlich vorgehe dem Beschauenden offenbar wird. Uebrigens haben wir zur leichtern Ueber- sicht des Ganzen die Buchstaben der Newtonischen Ta- feln beybehalten, so daß eine Vergleichung sich be- quem anstellen laͤßt. Wir beziehen uns hierbey auf die Erlaͤuterung unserer Kupfertafeln, wo wir noch manches, uͤber die Unzulaͤnglichkeit und Verfaͤnglich- keit der Newtonischen Figuren uͤberhaupt, beyzubringen gedenken. 197. Man nehme nunmehr unsere achte Tafel vor sich und betrachte die erste Figur. Bey F trete das Son- nenbild in die finstre Kammer, gehe durch das recht- winklichte Prisma ABC bis auf dessen Base M , von da an gehe es weiter durch, werde gebrochen, ge- faͤrbt und male sich, auf die uns bekannte Weise, auf einer unterliegenden Tafel als ein laͤngliches Bild GH. Bey dieser ersten Figur erfahren wir weiter nichts, als was uns schon lange bekannt ist. 198. In der zweyten Figur trete das Sonnenbild gleich- falls bey F in die dunkle Kammer, gehe in das recht- winklichte Prisma ABC , und spiegle sich auf dessen Bo- den M dergestalt ab, daß es durch die Seite AC her- aus nach einer unterliegenden Tafel gehe, und daselbst das runde und farblose Bild N aufwerfe. Dieses runde Bild ist zwar ein abgeleitetes aber ein voͤllig un- veraͤndertes; es hat noch keine Determination zu ir- gend einer Farbe erlitten. 199. Man lasse nun, wie die dritte Figur zeigt, die- ses Bild N auf ein zweytes Prisma VXY fallen, so wird es beym Durchgehen eben das leisten, was ein originaͤres oder von jedem Spiegel zuruͤckgeworfenes Bild leistet; es wird nehmlich, nach der uns genug- sam bekannten Weise, auf der entgegengestellten Tafel das laͤngliche gefaͤrbte Bild p t abmalen. 200. Man lasse nun, nach unsrer vierten Figur, den Apparat des ersten Prismas durchaus wie bey den drey ersten Faͤllen, und fasse mit einem zweyten Prisma VXY auf eine behutsame Weise nur den obern Rand des Bildes N auf; so wird sich zuerst auf der entgegen- gesetzten Tafel der obere Rand p des Bildes p t blau und violett zeigen, dahingegen der untere t sich erst etwas spaͤter sehen laͤßt, nur dann erst, wenn man das ganze Bild N durch das Prisma VXY aufgefaßt hat. Daß man eben diesen Versuch mit einem directen oder von einem Planspiegel abgespiegelten Sonnenbilde ma- chen koͤnne, versteht sich von selbst. 201. Der grobe Irrthum, den hier der Verfasser be- geht, ist der, daß er sich und die Seinigen uͤberredet, das bunte Bild GH der ersten Figur habe mit dem farblosen Bilde N der zweyten, dritten und vierten Fi- gur den innigsten Zusammenhang, da doch auch nicht der mindeste statt findet. Denn wenn das bey der ersten Figur in M anlangende Sonnenbild durch die Seite BC hindurchgeht und nach der Refraction in GH gefaͤrbt wird; so ist dieses ein ganz anderes Bild als jenes, das in der zweyten Figur von der Stelle M nach N zuruͤckgeworfen wird und farblos bleibt, bis es, wie uns die dritte Figur uͤberzeugt, in p t auf der Tafel, bloß als kaͤme es von einem directen Lichte, durch das zweyte Prisma gefaͤrbt abgebildet wird. 202. Bringt man nun, wie in der vierten Figur ge- zeichnet ist, ein Prisma sehr schief in einen Theil des Bildes (200); so geschieht dasselbe, was Newton durch eine langsame Drehung des ersten Prismas um seine Axe bewirkt: eine von den scheinbaren Feinhei- ten und Accuratessen unseres Experimentators. 203. Denn wie wenig das Bild, das bey M durchgeht und auf der Tafel das Bild GH bildet, mit dem Bilde, das bey M zuruͤckgeworfen und farblos bey N abgebil- det wird, gemein habe, wird nun Jedermann deut- lich seyn. Allein noch auffallender ist es, wenn man bey der fuͤnften Figur den Gang der Linien verfolgt. Man wird alsdann sehen, daß da, wo das Bild M nach der Refraction den gelben und gelbrothen Rand G erzeugt, das Bild N nach der Refraction den vio- letten p erzeuge; und umgekehrt, wo das Bild M den blauen und blaurothen Rand H erzeugt, das Bild N , wenn es die Refraction durchgegangen, den gelben und gelbrothen Rand t erzeuge: welches ganz natuͤrlich ist, da einmal das Sonnenbild F in dem ersten Prisma herunterwaͤrts und das abgeleitete Bild M in N hinaufwaͤrts gebrochen wird. Es ist also nichts als die alte, uns bis zum Ueberdruß bekannte Regel, die sich hier wiederholt und welche nur durch die Newtonischen Subtilitaͤten, Verworrenheiten und falschen Darstellungen dem Beobachter und Denker aus den Augen geruͤckt wird. Denn die Newtonische Dar- stellung auf seiner vierten Tafel Figur 21. giebt bloß das Bild mit einer einfachen Linie an, weil der Ver- fasser, wie es ihm beliebt, bald vom Sonnenbild, bald vom Licht, bald vom Strahle redet; und ge- rade im gegenwaͤrtigen Falle ist es hoͤchst bedeutend, wie wir oben bey der vierten Figur unserer achten Tafel gezeigt haben, die Erscheinung als Bild, als einen gewissen Raum einnehmend, zu betrachten. Es wuͤrde leicht seyn, eine gewisse Vorrichtung zu machen, wo alles das erforderliche auf einem Gestelle fixirt bey- sammen stuͤnde; welches noͤthig ist, damit man durch eine sachte Wendung das Phaͤnomen hervorbringen, und das Verfaͤngliche und Unzulaͤngliche des Newtoni- schen Versuchs dem Freunde der Wahrheit vor Augen stellen koͤnne. Zehnter Versuch . 204. Auch hier waͤre es Noth, daß man einige Figu- ren und mehrere Blaͤtter Widerlegung einem Versuch widmete, der mit dem vorigen in genauem Zusammen- hang steht. Aber es wird nun Zeit, daß wir dem Leser selbst etwas zutrauen, daß wir ihm die Freude goͤnnen, jene Verworrenheiten selbst zu entwickeln. Wir uͤbergeben ihm daher Newtons Text und die da- selbst angefuͤhrte Figur. Er wird eine umstaͤndliche Darstellung, eine Illustration, ein Scholion finden, welche zusammen weiter nichts leisten, als daß sie den neunten Versuch mit mehr Bedingungen und Umstaͤnd- lichkeiten belasten, den Hauptpunct unfaßlicher machen, keinesweges aber einen bessern Beweis gruͤnden. 205. Dasjenige worauf hierbey alles ankommt, haben wir schon umstaͤndlich herausgesetzt (201), und wir duͤrfen also hier dem Beobachter, dem Beurtheiler nur kuͤrzlich zur Pflicht machen, daran festzuhalten, daß die beyden prismatischen Bilder, wovon das eine nach der Spiegelung, das andere nach dem Durch- gang durch das Mittel hervorgebracht wird, in keiner Verbindung, in keinem Verhaͤltniß zusammen stehen, jedes vielmehr fuͤr sich betrachtet werden muß, jedes fuͤr sich entspringt, jedes fuͤr sich aufgehoben wird; so daß alle Beziehung unter einander, von welcher uns Newton so gern uͤberreden moͤchte, als ein leerer Wahn, als ein beliebiges Maͤhrchen anzusehen ist. Newtons Recapitulation der Zehn ersten Versuche . 206. Wenn wir es von unserer Seite fuͤr noͤthig und vortheilhaft hielten, nach den acht ersten Versuchen eine Uebersicht derselben zu veranlassen, so thut New- ton dasselbige auf seine Weise, nach dem zehnten; und indem wir ihn hier zu beobachten alle Ursache ha- ben, finden wir uns in dem Falle, unsern Widerspruch abermals zu articuliren. In einem hoͤchst verwickelten Perioden draͤngt er das nicht Zusammengehoͤrende neben und uͤbereinander dergestalt, daß man nur mit inner- ster Kenntniß seines bisherigen Verfahrens und mit genauester Aufmerksamkeit dieser Schlinge entgehen kann, die er hier, nachdem er sie lange zurecht gelegt, endlich zusammenzieht. Wir ersuchen daher unsere Le- ser dasjenige nochmals mit Geduld in anderer Verbin- dung anzuhoͤren, was schon oͤfter vorgetragen worden: denn es ist kein ander Mittel, seinen bis zum Ueber- druß wiederholten Irrthum zu vertilgen, als daß man das Wahre gleichfalls bis zum Ueberdruß wiederhole. 207. Findet man nun bey allen diesen mannigfaltigen Experi- menten, man mache den Versuch mit reflectirtem Licht, und zwar sowohl mit solchem, das von natuͤrlichen Koͤrpern (Exper. 1. 2.) als auch mit solchem, das von spiegelnden (Exper. 9.) zuruͤckstrahlt; 208. Hier bringt Newton unter der Rubrik des reflec- tirten Lichtes Versuche zusammen, welche nichts ge- mein mit einander haben, weil es ihm darum zu thun ist, die Reflexion in gleiche Wuͤrde und Wirkung mit der Refraction, was Farbenhervorbringen betrifft, zu setzen. Das spiegelnde Bild im neunten Experiment wirkt nicht anders als ein directes, und sein Spiegeln hat mit Hervorbringung der Farbe gar nichts zu thun. Die natuͤrlichen gefaͤrbten Koͤrper des ersten und zwey- ten Experiments hingegen kommen auf eine ganz an- dere Weise in Betracht. Ihre Oberflaͤchen sind speci- ficirt, die Farbe ist an ihnen fixirt, das daher re- flectirende Licht macht diese ihre Eigenschaften sichtbar, und man will nur, wie auch schon fruͤher geschehen, durch das Spiel der Terminologie, hier abermals an- deuten, daß von den natuͤrlichen Koͤrpern farbige Lich- ter, aus dem farblosen Hauptlicht durch gewisse Eigen- schaften der Oberflaͤche herausgelockte Lichter, reflectiren, welche sodann eine diverse Refraction erdulden sollen. Wir wissen aber besser, wie es mit diesem Phaͤnomen steht, und die drey hier angefuͤhrten Experimente im- poniren uns weder in ihrer einzelnen falschen Darstel- lung, noch in ihrer gegenwaͤrtigen erzwungenen Zu- sammenstellung. 209. Oder man mache denselben mit gebrochenem Licht, es sey nun bevor die ungleich gebrochenen Strahlen durch Diver- genz von einander abgesondert sind, bevor sie noch die Weiße, welche aus ihrer Zusammensetzung entspringt, verloren haben, also bevor sie noch einzeln, als einzelne Farben erscheinen (Experiment 5.); 210. Bey dieser Gelegenheit kommen uns die Num- mern unserer Paragraphen sehr gut zu statten: denn es wuͤrde Schwierigkeit haben, am fuͤnften Versuche das was hier geaͤußert wird, aufzufinden. Es ist eigentlich nur bey Gelegenheit des fuͤnften Versuches angebracht, und wir haben schon dort auf das Einpaschen dieses contrebanden Punctes alle Aufmerksamkeit erregt. Wie kuͤnstlich bringt Newton auch hier das Wahre gedaͤmpft herein, damit es ja sein Falsches nicht uͤberleuchte. Man merke sein Bekenntniß. Die Brechung des Lichtes ist also nicht allein hinreichend, um die Farben zu sondern, ihnen ihre anfaͤngliche Weiße zu nehmen, die ungleichen Strahlen einzeln als einzelne Farben er- scheinen zu machen; es gehoͤrt noch etwas anderes dazu, und zwar eine Divergenz. Wo ist von dieser Divergenz bisher auch nur im mindesten die Rede ge- wesen? Selbst an der angefuͤhrten Stelle (112.) spricht Newton wohl von einem gebrochnen und weißen Lichte, das noch rund sey, auch daß es gefaͤrbt und laͤnglich erscheinen koͤnne; wie aber sich eins aus dem andern entwickele, eins aus dem andern herfließe, daruͤber ist ein tiefes Stillschweigen. Nun erst in der Recapi- tulation spricht der kluge Mann das Wort Divergenz als im Vorbeygehen aus, als etwas das sich von selbst versteht. Aber es versteht sich neben seiner Lehre nicht von selbst, sondern es zerstoͤrt solche unmittelbar. Es wird also oben (112.) und hier abermals zugestan- den, daß ein Licht, ein Lichtbild, die Brechung erlei- den und nicht voͤllig farbig erscheinen koͤnne. Wenn dem so ist, warum stellen denn Newton und seine Schuͤler Brechung und voͤllige Farbenerscheinung als einen und denselben Act vor? Man sehe die erste Fi- gur unserer siebenten Tafel, die durch alle Compen- dien bis auf den heutigen Tag wiederholt wird; man sehe so viele andere Darstellungen, sogar die ausfuͤhr- lichsten, z. B. in Martins Optik: wird nicht uͤberall Brechung und vollkommene Divergenz aller sogenannten Strahlen gleich am Prisma vorgestellt? Was heißt denn aber eine nach vollendeter Brechung eintretende spaͤtere Divergenz? Es heißt nur gestehen, daß man unred- lich zu Werke geht, daß man etwas einschieben muß, was man nicht brauchen und doch nicht laͤugnen kann. 211. Auch oben (112.) geht Newton unredlich zu Werke, indem er das gebrochene Lichtbild fuͤr weiß und rund angiebt, da es zwar in der Mitte weiß, aber doch an den Raͤndern gefaͤrbt und schon einigermaßen laͤng- lich erscheint. Daß die Farbenerscheinung bloß an den Raͤndern entstehe, daß diese Raͤnder divergiren, daß sie endlich uͤber einander greifen und das ganze Bild bedecken, daß hierauf alles ankomme, daß durch dieses simple Phaͤnomen die Newtonische Theorie zerstoͤrt werde, haben wir zu unserem eigenen Ueberdruß hun- dertmal wiederholt. Allein wir versaͤumen hier die Gelegenheit nicht, eine Bemerkung beyzubringen, wo- durch der Starrsinn der Newtonianer einigermaßen ent- schuldigt wird. Der Meister nehmlich kannte recht gut die Umstaͤnde, welche seiner Lehre widerstrebten. Er verschwieg sie nicht, er verhuͤllte, er versteckte sie nur; doch erwaͤhnt war derselben. Brachte man nun nach- her den Newtonianern einen solchen Umsiand als der Lehre widerstreitend vor, so versicherten sie: der Meister habe das alles schon gewußt, aber nicht darauf geach- tet, seine Theorie immerfort fuͤr gegruͤndet und unum- stoͤßlich gehalten; und so muͤßten denn doch wohl diese Dinge von keiner Bedeutung seyn. Was uns betrifft, so machen wir auf das Bekenntniß: Refraction thue es nicht allein, sondern es gehoͤre Divergenz dazu, aber und abermals aufmerksam, indem wir uns in der Folge des Streites noch manchmal darauf werden beziehen muͤssen. 212. Oder nachdem sie von einander gesondert worden und sich gefaͤrbt zeigen (Exper. 6. 7. 8.); 213. Wem durch unsere umstaͤndliche Ausfuͤhrung nicht klar geworden, daß durch gedachte drey Experimente nicht das mindeste geleistet und dargethan ist, mit dem haben wir weiter nichts mehr zu reden. 214. Man experimentire mit Licht, das durch parallele Oberflaͤ- chen hindurchgegangen, welche wechselseitig ihre Wirkung auf- heben (Exper. 10.): 215. Ein Sonnenbild, das rechtwinklicht durch parallele Oberflaͤchen hindurchgegangen ist, findet sich wenig veraͤndert und bringt, wenn es nachher durch ein Prisma hindurchgeht, voͤllig diejenige Erscheinung her- vor, welche ein unmittelbares leistet. Das zehnte Ex- periment ist wie so viele andere nichts als eine Ver- kuͤnstelung ganz einfacher Phaͤnomene, vermehrt nur die Masse dessen, was uͤberschaut werden soll, und steht auch hier in dieser Recapitulation ganz muͤßig. 216. Findet man, sage ich, bey allen diesen Experimenten immer Strahlen, welche bey gleichen Incidenzen auf dasselbe Mit- tel, ungleiche Brechungen erleiden, 217. Niemals findet man Strahlen, man erklaͤrt nur die Erscheinungen durch Strahlen; nicht eine ungleiche, sondern eine nicht ganz reine, nicht scharf abgeschnit- tene Brechung eines Bildes findet man, deren Ur- sprung und Anlaß wir genugsam entwickelt haben. Daß Newton und seine Schule dasjenige mit Augen zu sehen glauben, was sie in die Phaͤnomene hinein theoretisirt haben, das ist es eben, woruͤber man sich beschwert. 218. Und das nicht etwa durch Zersplitterung oder Erweite- rung der einzelnen Strahlen, 219. Hier wird eine ganz unrichtige Vorstellung aus- gesprochen. Newton behauptet naͤmlich, dem farbigen Lichte begegne das nicht, was dem weißen Lichte begeg- net; welches nur der behaupten kann, der unauf- merksam ist und auf zarte Differenzen nicht achtet. Wir haben umstaͤndlich genug gezeigt, daß einem far- bigen Bilde eben das bey der Brechung begegne, was einem weißen begegnet, daß es an den Raͤndern ge- setzmaͤßig prismatisch gefaͤrbt werde. 220. Noch durch irgend eine zufaͤllige Ungleichheit der Refrac- tion (Exper. 5 u. 6.); 221. Daß die Farbenerscheinung bey der Refraction nicht zufaͤllig, sondern gesetzmaͤßig sey, dieses hat New- ton ganz richtig eingesehen und behauptet. Die Ge- schichte wird uns zeigen, wie dieses wahre Aper ç uͤ sei- nem Falschen zur Base gedient; wie uns denn dort auch noch manches wird erklaͤrbar werden. 222. Findet man ferner, daß die an Brechbarkeit verschiedenen Strahlen von einander getrennt und sortirt werden koͤnnen, und zwar sowohl durch Refraction (Exper. 3) als durch Re- flexion (Exper. 10); 223. Im dritten Experiment sehen wir die Farbenreihe des Spectrums; daß das aber getrennte und sortirte Strahlen seyen, ist eine bloße hypothetische und, wie wir genugsam wissen, hochst unzulaͤngliche Erklaͤrungs- formel. Im zehnten Experiment geschieht nichts, als daß an der einen Seite ein Spectrum verschwindet, indem an der andern Seite ein neues entsteht, das sich jedoch weder im Ganzen noch im Einzelnem kei- nesweges von dem ersten herschreibt, nicht im mindesten mit demselben zusammenhaͤngt. 224. Und daß diese verschiedenen Arten von Strahlen jede be- sonders bey gleichen Incidenzen ungleiche Refraction erleiden, indem diejenigen welche vor der Scheidung mehr als die an- dern gebrochen wurden, auch nach der Scheidung mehr ge- brochen werden (Exper. 6 und ff.); 225. Wir haben das sogenannte Experimentum Crucis I. 31 und was Newton demselben noch irgend zur Seite stellen mag, so ausfuͤhrlich behandelt, und die dabey vorkommenden verfaͤnglichen Umstaͤnde und verdeckten Bedingungen so sorgfaͤltig ins Plane und Klare ge- bracht, daß uns hier nichts zu wiederholen uͤbrig bleibt, als daß bey jenem Experiment, welches uns den wah- ren Weg weisen soll, keine diverse Refrangibilitaͤt im Spiel ist; sondern daß eine wiederholte fortgesetzte Re- fraction nach ihren ganz einfachen Gesetzen immer fort und weiter wirkt. 226. Findet man endlich, daß wenn das Sonnenlicht durch drey oder mehrere kreuzweis gestellte Prismen nach und nach hindurchgeht, diejenigen Strahlen, welche in dem ersten Prisma mehr gebrochen waren als die andern, auf dieselbe Weise und in demselben Verhaͤltniß in allen folgenden Pris- men abermals gebrochen werden: 227. Hier ist abermals ein Kreuz, an das der einfache Menschensinn geschlagen wird: denn es ist auch hier derselbe Fall wie bey dem Experimentum Crucis. Bey diesem ist es eine wiederholte fortgesetzte Refraction auf geradem Wege im Sinne der ersten; beym fuͤnften Versuch aber ist es eine wiederholte fortgesetzte Refrac- tion nach der Seite zu, wodurch das Bild in die Diagonale und nachher zu immer weiterer Senkung genoͤthigt wird, wobey es denn auch, wegen immer weiterer Verruͤckung, an Laͤnge zunimmt. 228. So ist offenbar, daß das Sonnenlicht eine heterogene Mischung von Strahlen ist, deren einige bestaͤndig mehr re- frangibel sind als andre; welches zu erweisen war. 229. Uns ist nur offenbar, daß das Sonnenbild so gut wie jedes andre, helle oder dunkle, farbige oder farb- lose, in sofern es sich vom Grunde auszeichnet, durch Refraction an dem Rand ein farbiges Nebenbild er- haͤlt, welches Nebenbild unter gewissen Bedingungen wachsen und das Hauptbild zudecken kann; 230. Daß Newton aus lauter falschen Praͤmissen keine wahre Folgerung ziehen konnte, versteht sich von selbst. Daß er durch seine zehn Experimente nichts bewiesen, darin sind gewiß alle aufmerksame Leser mit uns einig. Der Gewinn, den wir von der zuruͤckgelegten Arbeit ziehen, ist erstlich: daß wir eine falsche hohle Mey- nung los sind; zweytens: daß wir die Consequenz ei- nes fruͤher (E. 178—356) abgeleiteten Phaͤnomens deutlich einsehen; und drittens: daß wir ein Muster von sophistischer Entstellung der Natur kennen lernten, das nur ein außerordentlicher Geist wie Newton, dessen Eigensinn und Hartnaͤckigkeit seinem Genie gleich kam, aufstellen konnte. Wir wollen nun, nachdem wir soweit gelangt, versuchen, ob wir zunaͤchst unsre Polemik uns und unsern Lesern bequemer machen koͤnnen. 31 * Uebersicht des Naͤchstfolgenden . 231. Wenn wir uns haͤtten durch die Newtonische Recapitulation uͤberzeugen lassen, wenn wir geneigt waͤren, seinen Worten Beyfall zu geben, seiner Theorie beyzutreten; so wuͤrden wir uns verwundern, warum er denn die Sache nicht fuͤr abgethan halte, warum er fortfahre zu beweisen, ja warum er wieder von vorn anfange? Es ist daher eine Uebersicht desto noͤ- thiger, was und wie er es denn eigentlich beginnen will, damit uns deutlich werde, zu welchem Ziele er nun eigentlich hinschreitet. 232. Im Allgemeinen sagen wir erst hieruͤber soviel. Newtons Lehre war der naturforschenden Welt lange Zeit nur aus dem Briefe an die Londner Societaͤt be- kannt; man untersuchte, man beurtheilte sie hiernach, mit mehr oder weniger Faͤhigkeit und Gluͤck. Der Hauptsatz, daß die aus dem weißen heterogenen Licht geschiedenen homogenen Lichter unveraͤnderlich seyen, und bey wiederholter Refraction keine andere Farbe als ihre eigene zeigten, ward von Mariotte bestritten, der wahrscheinlich, indem er das Experimentum Crucis untersuchte, bey der zweyten Refraction die fremden Farbenraͤnder der kleinen farbigen Bildchen bemerkt hatte. Newton griff also nach der Ausflucht: jene durch den einfachen prismatischen Versuch gesonderten Lichter seyen nicht genugsam gesondert; hierzu gehoͤre abermals eine neue Operation: und so sind die vier naͤchsten Versuche zu diesem Zweck ersonnen und gegen diesen Widersacher gerichtet, gegen welchen sie in der Folge auch durch Desaguliers gebraucht werden. 233. Zuerst also macht er aufs neue wunderbare An- stalten, um die verschiedenen, in dem heterogenen Licht steckenden homogenen Lichter, welche bisher nur ge- wissermaßen getrennt worden, endlich und schließlich voͤllig zu scheiden, und widmet diesem Zweck den elften Versuch. Dann ist er bemuͤht abermals vor Augen zu bringen und einzuschaͤrfen, daß diese nunmehr wirklich geschiedenen Lichter bey einer neuen Refraction keine weitre Veraͤnderung erleiden. Hiezu soll der zwoͤlfte, dreyzehnte und vierzehnte Versuch dienstlich und huͤlf- reich seyn. 234. Wie oft sind uns nicht schon jene beyden Propo- sitionen wiederholt worden, wie entschieden hat der Verfasser nicht schon behauptet, diese Aufgaben seyen geloͤst, und hier wird alles wieder von vorn vorge- nommen als waͤre nichts geschehen! Die Schule haͤlt sich deshalb um so sichrer, weil es dem Meister ge- lungen auf so vielerley Weise dieselbe Sache darzustel- len und zu befestigen. Allein genauer betrachtet, ist seine Methode die Methode der Regentraufe, die durch wiederholtes Tropfen auf dieselbige Stelle den Stein endlich aushoͤhlt; welches denn doch zuletzt eben soviel ist als wenn es gleich mit tuͤchtiger wahrer Gewalt eingepraͤgt waͤre. 235. Um sodann zu dem Praktischen zu gelangen, schaͤrft er die aus seinem Wahn natuͤrlich herzuleitende Folge- rung nochmals ein: daß, bey gleicher Incidenz des zu- sammengesetzten heterogenen Lichts, nach der Brechung jeder gesonderte homogene Strahl sein besonderes Rich- tungsverhaͤltniß habe, so daß also dasjenige was vor- her beysammen gewesen, nunmehr unwiederbringlich von einander abgesondert sey. 236. Hieraus leitet er nun zum Behuf der Praxis, wie er glaubt, unwiderleglich ab: daß die dioptrischen Fernroͤhre nicht zu verbessern seyen. Die dioptrischen Fernroͤhre sind aber verbessert worden, und nur wenige Menschen haben sogleich ruͤckwaͤrts geschlossen, daß eben deshalb die Theorie falsch seyn muͤsse; vielmehr hat die Schule, wie es uns in der Geschichte beson- ders interessiren wird, bey ihrer voͤlligen theoretischen Uberzeugung noch immer versichert: die dioptrischen Fernroͤhre seyen nicht zu verbessern, nachdem sie schon lange verbessert waren. 237. So viel von dem Inhalt des ersten Theils von hier bis ans Ende. Der Verfasser thut weiter nichts als daß er das Gesagte mit wenig veraͤnderten Wor- ten, das Versuchte mit wenig veraͤnderten Umstaͤnden wiederholt: weswegen wir uns denn abermals mit Aufmerksamkeit und Geduld zu waffnen haben. 238. Schließlich fuͤhrt Newton sodann das von ihm eingerichtete Spiegelteleskop vor, und wir haben ihm und uns Gluͤck zu wuͤnschen, daß er durch eine fal- sche Meynung beschraͤnkt einen so wahrhaft nuͤtzlichen Ausweg gefunden. Gestehen wir es nur! der Irrthum insofern er eine Noͤthigung enthaͤlt, kann uns auch auf das Wahre hindraͤngen, so wie man sich vor dem Wahren, wenn es uns mit allzu großer Gewalt er- greift, gar zu gern in den Irrthum fluͤchten mag. Vierte Proposition. Erstes Problem . Man soll die heterogenen Strahlen des zusammen- gesetzten Lichts von einander absondern. 239. Wie mag Newton hier abermals mit dieser Auf- gabe hervortreten? hat er doch oben schon versichert, daß die homogenen Strahlen von einander gesondert (212.), daß sie von einander getrennt und sortirt wor- den (222.). Nur zu wohl fuͤhlt er, bey den Einwen- dungen seines Gegners, daß er fruͤher nichts geleistet und gesteht nun auch, daß es nur gewißermaßen gesche- hen. Deshalb bemuͤht er sich aufs neue mit einem weitlaͤuftigen Vortrag, mit Aufgabe des Elften Versuchs , mit Illustration der zu demselben gehoͤrigen Figur, und bewirkt dadurch eben so wenig als vorher; nur ver- wickelt er die Sache, nach seiner Weise, dergestalt, daß nur der Wohlunterrichtete darin klar sehen kann. 240. Indem nun dieß alles nach schon abgeschlossener Recapitulation geschieht, so laͤßt sich denken, daß nur dasjenige wiederholt wird, was schon dagewesen. Woll- ten wir, wie bisher meist geschehen, Wort vor Wort mit dem Verfasser controvertiren; so wuͤrden wir uns auch nur wiederholen muͤssen und unsern Leser aufs neue in ein Labyrinth fuͤhren, aus dem er sich schon mit uns herausgewickelt hat. Wir erwaͤhlen daher eine andere Verfahrungsart; wir gedenken zu zeigen, daß jene Aufgabe unmoͤglich zu loͤsen sey, und brauchen hiezu nur an das zu erinnern, was von uns schon an mehreren Stellen, besonders zum fuͤnften Versuch, um- staͤndlich ausgefuͤhrt worden. 241. Alles kommt darauf an, daß man einsehe, die Sonne sey bey objectiven prismatischen Experimenten nur als ein leuchtendes Bild zu betrachten; daß man ferner gegenwaͤrtig habe, was vorgeht, wenn ein helles Bild verruͤckt wird. An der einen Seite erscheint naͤm- lich der gelbrothe Rand, der sich hineinwaͤrts, nach dem Hellen zu, ins Gelbe verliert, an der andern der blaue Rand, der sich hinauswaͤrts, nach dem Dunkeln zu, ins Violette verliert. 242. Diese beyden farbigen Seiten sind urspruͤnglich ge- trennt, gesondert und geschieden; dagegen ist das Gel- be nicht vom Gelbrothen, das Blaue nicht vom Blau- rothen zu trennen. Verbreitert man durch weitere Ver- ruͤckung des Bildes diese Raͤnder und Saͤume dergestalt, daß Gelb und Blau einander ergreifen; so mischt sich das Gruͤn, und die auf eine solche Weise nunmehr entstandene Reihe von Farben kann durch abermalige Verlaͤngerung des Bildes so wenig aus einander geschie- den werden, daß vielmehr die innern Farben, Gelb und Blau, sich immer mehr uͤber einander schieben und sich zuletzt im Gruͤnen voͤllig verlieren, da denn statt sieben oder fuͤnf Farben nur drey uͤbrig bleiben. 243. Wer diese von uns wiederholt vorgetragene Er- scheinung recht gefaßt hat, der wird das Newtonische Benehmen ohne Weiteres beurtheilen koͤnnen. Newton bereitet sich ein sehr kleines leuchtendes Bild und ver- ruͤckt es durch eine wunderliche Vorrichtung dergestalt, daß er es fuͤnfundsiebzigmal laͤnger als breit will ge- funden haben. Wir gestehen die Moͤglichkeit djeser Er- scheinung zu; allein was ist dadurch gewonnen? 244. Die eigentliche Verlaͤngerung eines hellen großen oder kleinen Bildes bewirkt nur der aͤußere violette Saum; der innre gelbe verbindet sich mit dem blauen Rande und geht aus dem Bilde nicht heraus. Daher folgt, daß bey gleicher Verruͤckung ein kleines Bild ein ander Verhaͤltniß seiner Breite zur Laͤnge habe, als ein großes; welches Newton gern laͤugnen moͤchte, weil es freylich seiner Lehre geradezn widerspricht (90—93). 245. Hat man den wahren Begriff recht gefaßt, so wird man das Falsche der Newtonischen Vorstellung gleich erkennen, die wir (P. 103—110) genugsam eroͤrtert haben. Gegenwaͤrtig bringen wir folgendes bey. Nach Newton besteht das verlaͤngerte Bild aus lauter in einander greifenden Kreisen, welche in dem weißen Sonnenbilde sich gleichsam deckend uͤber einander liegen und nun, wegen ihrer diversen Refrangibilitaͤt, durch die Refraction aus einander geschoben werden. Nun kommt er auf den Gedanken, wenn man die Diameter der Kreise verkleinerte und das prismatische Bild soviel als moͤglich verlaͤngerte; so wuͤrden sie nicht mehr, wie beym groͤßren Bilde uͤber einander greifen, sondern sich mehr von einander entfernen und aus einander treten. Um sich dieses zu versinnlichen, stelle man eine Saͤule von Speciesthalern und eine andere von eben soviel Groschen neben einander auf den Tisch, lege sie um, und schiebe sie in gleicher Richtung sacht aus einander, und zwar daß die Mittelpuncte der Thaler und Gro- schen jederzeit gegen einander uͤber liegen; und man wird bald sehen, daß die Groschen schon lange von einander abgesondert sind, wenn die Peripherieen der Thaler noch uͤber einander greifen. Auf eine so crude Weise hat sich Newton die diverse Refrangibilitaͤt seiner homogenen Strahlen gedacht, so hat er sie abgebildet; man sehe seine 15 und 23ste Figur und auf unserer siebenten Tafel Figur 5. 6. 7. Allein da er bey allem Zerren des Bildes, weder in dem vorigen Versuche noch beym gegenwaͤrtigen, die Farben aus einander sondern kann; so faßt er in der Zeichnung die Kreise immer noch mit punctirten Linien ein, so daß sie als gesondert und nicht gesondert, auf dem Papier ange- deutet sind. Da fluͤchtet man sich denn hinter eine andere Supposition; man versichert, daß es nicht etwa fuͤnf oder sieben, sondern unendliche homogene Strahlen gebe. Hat man also diejenigen die man erst fuͤr nach- barlich annahm, von einander abgesondert, so tritt immer ein Zwischenstrahl gleich hervor und macht die muͤhselige, schon als gluͤcklich gelungen angegebene Operation abermals unmoͤglich. 246. Auf dieses elfte Experiment hin, ohne solches im mindesten zu untersuchen, hat man die Moͤglichkeit einer vollkommnen Absonderung jener homogen supponirten Strahlen in Schulen fortgelehrt, und die Figuren nach der Hypothese, ohne die Natur oder den Versuch zu fragen, kecklich abgebildet. Wir koͤnnen nicht umhin, den 370sten Paragraph der Erxlebenschen Naturlehre hier Wort vor Wort abdrucken zu lassen, damit man an diesem Beyspiel sehe, wie verwegen ein compilirender Compendienschreiber seyn muß, um ein unbearbeitetes oder falschbearbeitetes Capitel fertig zu machen. „Das farbige Licht besteht aus soviel Kreisen als Farben darin sind, wovon der eine roth, der andre orangegelb u. s. w. der letzte violett ist, und die in einander in den farbigen Streifen zusammenfließen. Jeder dieser Kreise ist das Bild der Sonne, das von solchem Lichte, dessen Brechbarkeit verschieden ist, auch nicht an Einen Ort fallen kann. Weil aber diese Kreise so groß sind, daß sie nur deswegen in einander zusamenfließen, so kann man sie dadurch kleiner ma- chen, daß man ein erhobenes Glas zwischen das Prisma und das Loch im Fensterladen haͤlt; dann stellt sich jedes einfache Licht in Gestalt kleiner runder Scheiben einzeln vor, in einer Reihe uͤber einander, 75 Fig. a. ist das rothe, b. das violette Licht.“ In gedachter Figur nun sind die sieben Lichter als sieben Cirkelchen ganz rein und ruhig uͤber einander gesetzt, eben als wenn sie doch irgend Jemand einmal so gesehen haͤtte; die verbindenden Strichelchen sind weggelassen, welche Newton denselben kluͤglich doch im- mer beygegeben. Und so steht diese Figur ganz sicher zwischen andern mathematischen Linearzeichnungen und Abbildungen mancher zuverlaͤssigen Erfahrung, und so hat sie sich durch alle Lichtenbergische Ausgaben erhalten. 247. Daß wir uͤber dieses elfte Experiment schneller als uͤber die andern weggehen, dazu bewegt uns außer ob; gemeldeten Ursachen auch noch folgende. Newton ver- bindet hier zum erstenmal Prisma und Linse, ohne uns auch nur im mindesten belehrt zu haben, was denn eigentlich vorgehe, wenn man mit diesen so nahver- wandten und so sehr verschiedenen Instrumenten zusam- men operire. Dießmal will er durch ihre Verbindung seine maͤhrchenhaften Lichter sondern, in der Folge wird er sie auf eben dem Weg vereinigen und sein weißes Licht daraus wieder herstellen; welches letztere Experi- ment besonders mit unter diejenigen gehoͤrt, deren die Newtonianer immer im Triumph erwaͤhnen. Wir wer- den daher, sobald wir einen schicklichen Ruhepunct fin- den, deutlich machen, was eigentlich vorgeht, wenn man zu einem Versuche Prismen und Linsen vereinigt. Ist dieses geschehen, so koͤnnen wir das elfte Experi- ment wieder vorfuͤhren und sein wahres Verhaͤltniß an den Tag bringen; wie wir denn auch bey Gelegen- heit der Controvers des Desaguliers gegen Mariotte dieses Versuchs abermals zu gedenken haben. Fuͤnfte Proposition. Viertes Theorem . Das homogene Licht wird regelmaͤßig, ohne Er- weiterung, Spaltung oder Zerstreunng der Strah- len, refrangirt, und die verworrene Ansicht der Gegenstaͤnde, die man durch brechende Mittel im heterogenen Lichte betrachtet, kommt von der ver- schiedenen Refrangibilitaͤt mehrerer Arten von Strahlen. 248. Der erste Theil dieser Proposition ist schon fruͤher durch das fuͤnfte Experiment genugsam erwiesen worden; 249. Daß das fuͤnfte Experiment nichts bewies, haben wir umstaͤndlich dargethan. 250. Und die Sache wird durch nachstehende Versuche noch deutlicher werden. 251. Durch unsre Bemerkung wird noch deutlicher wer- den, daß die Behauptung grundlos und unerweis- lich ist. Zwoͤlfter Versuch . 252. Ein schwarzes Papier 253. Warum ein schwarzes Papier? Zu diesem Zweck ist jede durchloͤcherte Tafel von Holz, Pappe oder Blech vollkommen geeignet; vielleicht auch wieder ein schwar- zes Papier, um recht vorsichtig zu scheinen, daß kein stoͤrendes Licht mitwirke. 254. Ein schwarzes Papier, worin eine runde Oeffnung be- sindlich war, deren Durchmesser etwa den fuͤnften oder sech- sten Theil eines Zolls hatte, 255. Warum war die Oeffnung so klein? Doch nur daß die Beobachtung schwerer und jeder Unterschied unbemerklicher waͤre. 256. stellte ich so, daß es ein Bild aus homogenem Lichte, so wie wir es in der vorhergehenden Proposition beschrieben ha- ben, aufnahm, und ein Theil dieses Lichts durch die Oeff- nung durchging. Dann fing ich diesen durchgegangenen Theil mit einem hinter das Papier gesteilten Prisma dergestalt auf, daß es in der Entfernung von zwey bis drey Fuß auf eine weiße Tafel senkrecht auffiel. Nach dieser Vorrichtung be- merkte ich, daß jenes Bild, das auf der weißen Tafel durch Brechung jenes homogenen Lichtes abgemalt war, nicht laͤng- lich sey, wie jenes, als wir im dritten Experiment das zu- sammengesetzte Sonnenlicht gebrochen hatten. Vielmehr war es, in sofern ich mit bloßen Augen urtheilen konnte, an Laͤnge und Breite gleich und vollkommen rund. Woraus folgt, daß dieses Licht regelmaͤßig gebrochen worden sey, ohne weitre Verbreiterung der Strahlen. 257. Hier tritt abermals ein Kunstgriff des Verfassers hervor. Dieses Experiment ist voͤllig dem sechsten gleich, nur mit wenig veraͤnderten Umstaͤnden; hier wird es aber wieder als ein neues gebracht, die Zahl der Ex- perimente wird unnoͤthig vermehrt, und der Unauf- merksame, der eine Wiederholung vernimmt, glaubt eine Bestaͤtigung, einen neuen Beweis zu hoͤren. Das einmal gesagte Falsche druͤckt sich nur staͤrker ein und man glaubt in den Besitz neuer Ueberzeugungsgruͤnde zu gelangen. Was wir daher gegen den sechsten Versuch um- staͤndlich angefuͤhrt, gilt auch gegen diesen, und wir enthalten uns das oft wiederholte zu wiederholen. 258. Doch machen wir noch eine Bemerkung. Der I. 32 Verfasser sagt, daß er ein homogenes Licht durch die Oeffnung gelassen und sodann zum zweytenmal gebro- chen habe; er sagt aber nicht, welche Farbe. Gewiß war es die rothe, die ihm zu diesen Zwecken so ange- nehme gelbrothe, weil sie gleichsam mit ihm conspirirt und das verhehlt, was er gern verhehlen moͤchte. Ver- such’ er es doch mit den uͤbrigen Farben, und wie anders werden die Versuche, wenn er recht zu beob- achten Lust hat, ausfallen! 259. Die beyden folgenden Experimente sind nun pris- matisch subjective, von denen unsre Leser durch den Entwurf genugsam unterrichtet sind. Wir wollen jedoch nicht verschmaͤhen auch beyde hier nochmals zu entwickeln. Dreyzehnter Versuch . 260. Ins homogene Licht 261. Doch wohl wahrscheinlich wieder ins rothe. 262. stellte ich eine papierne Scheibe, deren Diameter ein Viertelszoll war. 263. Was soll nun wieder dieses winzige Scheibchen? Was ist fuͤr eine Bemerkung daran zu machen? Doch freylich sind wir mit winzigen Oeffnungen im Laden zu operiren gewohnt, warum nicht auch mit Papier- schnitzeln! 264. Dagegen stellte ich in das weiße heterogene Sonnenlicht 265. Man merke noch besonders, nun ist das homo- gene und heterogene Licht vollkommen fertig. Das was noch immer bewiesen werden soll, wird schon als ausgemacht, bestimmt, benamset ausgesprochen und druͤckt sich in das Gehirn des glaͤubigen Schuͤlers im- mer tiefer ein. 266. das noch nicht gebrochen war, eine andre papierne Scheibe von derselbigen Groͤße. 267. Wohl auch deshalb so klein, damit die ganze Flaͤche nachher durchs Prisma angeschaut, sogleich ge- faͤrbt wuͤrde. 268. Dann trat ich einige Schritte zuruͤck und betrachtete 32 * beyde Scheiben durch das Prisma. Die Scheibe welche von dem heterogenen Sonnenlicht erleuchtet war, erschien sehr verlaͤngt, wie jene helle Oeffnung im vierten Experiment, so daß die Breite von der Laͤnge vielmal uͤbertroffen wurde; die Scheibe aber vom homogenen Lichte erleuchtet, schien voͤllig rund und genau begraͤnzt, eben so als wenn man sie mit nackten Augen ansah. 269. Wahrscheinlich war also diese letzte, wie schon oben erwaͤhnt, im rothen Lichte, und wir koͤnnen, da Newton selbst im ersten Experiment gefaͤrbtes Papier an die Stelle der prismatischen Farben setzt, unsre Le- ser vollkommen auf das was theils bey Gelegenheit des sechsten Experiments, theils bey Gelegenheit des ersten gesagt worden, verweisen. Man nehme unsre dritte Tafel wieder zur Hand, worauf sich neben an- dern Vierecken auch ein rothes und weißes auf schwar- zem Grunde finden wird; man betrachte sie durch ein Prisma und lese dazu, was wir fruͤher ausge- fuͤhrt (271. 272.), und man wird begreifen, woher der Schein kam, durch welchen Newton sich taͤuschte, ja ein fuͤr allemal taͤuschen wollte. Wenn er nun fort- faͤhrt: 270. Mit welchem Versuch denn also beyde Theile dieser Pro- position bewiesen werden. 271. So wird wohl Niemand, der sich besser belehrte, mit ihm einstimmen, vielmehr den alten Irrthum er- kennen und, wenn er ihn je selbst gehegt haben sollte, auf immer von sich werfen. Vierzehnter Versuch . 272. Damit unsre Leser den Werth dieses Versuchs so- gleich beurtheilen koͤnnen, haben wir auf einer Tafel sechs Felder, mit den Hauptfarben illuminirt, ange- bracht und auf selbige verschiedene dunkle, helle und farbige Koͤrper gezeichnet. Man betrachte diese Tafeln nunmehr durchs Prisma, lese alsdann die Newtoni- sche Darstellung der eintretenden Erscheinung und be- merke wohl, daß er bloß dunkle Koͤrper in dem soge- nannten homogenen Licht beobachtet und beobachten kann, daß unser Versuch hingegen eine Mannigfaltig- keit von Faͤllen darbietet, wodurch wir allein uͤber das Phaͤnomen zu einer voͤlligen und reinen Einsicht gelan- gen moͤgen. 273. Wenn ich Fliegen und andre dergleichen kleine Koͤrper, vom homogenen Lichte beschienen, durchs Prisma betrachtete, so sah ich ihre Theile so genau begraͤnzt, als wenn ich sie mit bloßen Augen beschaute. 274. Das hier eintretende Verhaͤltniß muß unsern Le- sern, besonders denen auf die unser didactischer Vor- trag Eindruck gemacht, schon genugsam bekannt seyn. Es ist naͤmlich dieses, daß die Raͤnder eines farbigen Bildes auf dunklem Grunde, besonders wenn die Far- ben selbst dunkel sind, sich nur mit Aufmerksamkeit beobachten lassen. Hier ist der Fall umgekehrt. Newton bringt dunkle Bilder auf farbigen Grund, welche noch uͤberdieß von dem farbigen Lichte, das den Grund hervorbringt, selbst beschienen und einigermaßen tingirt werden. Daß die prismatischen Raͤnder sodann we- niger an diesen Gegenstaͤnden erscheinen, sondern sich mit ihnen vermischen oder am entgegengesetzten Ende aufgehoben werden, ist natuͤrlich, so daß sie also ziem- lich begraͤnzt und ohne merkliche Saͤume gesehen wer- den. Um aber das Phaͤnomen von allen Seiten auf einmal deutlich zu machen, so haben wir auf unserer zwoͤlften Tafel auf den farbigen Gruͤnden helle, dunkle und farbige Bilder angebracht. Der Beobach- ter kann sie sogleich durchs Prisma anschauen, und wird die Raͤnder und Saͤume nach den verschiedenen Verhaͤltnissen des Hellen und Dunklen, so wie nach den Eigenschaften der verschiedenen Farben, uͤberall erkennen und beobachten lernen. Er wird einsehen, wie ungluͤcklich der Newtonische Vortrag ist, der aus allen Phaͤnomenen immer nur eins, nur dasjenige heraus- hebt, was ihm guͤnstig seyn kann, alle die uͤbrigen aber verschweigt und verbirgt, und so von Anfang bis zu Ende seiner belobten Optik verfaͤhrt. Kaum waͤre es noͤthig den Ueberrest der sich auf dieses Experiment bezieht, zu uͤbersetzen und zu beleuch- ten; wir wollen uns aber diese kleine Muͤhe nicht reuen lassen. 275. Wenn ich aber dieselben Koͤrper im weißen, heteroge- nen, noch nicht gebrochenen Sonnenlicht 276. Man merke wohl: Schwarz auf Welß. 277. gleichfalls durch das Prisma ansah; so erschienen ihre Graͤnzen sehr verworren, so daß man ihre kleineren Theile nicht erkennen konnte. 278. Ganz recht! Denn die kleineren, schmaͤleren Theile wurden voͤllig von den Saͤumen uͤberstrahlt und also unkenntlich gemacht. 279. Gleichfalls, wenn ich kleine gedruckte Buchstaben erst im homogenen, dann im heterogenen Licht durchs Prisma ansah, erschienen sie in dem letztern so verworren und undeutlich, daß man sie nicht lesen konnte, in dem erstern aber so deut- lich, daß man sie bequem las und so genau erkannte, als wenn man sie mit bloßen Augen saͤhe. In beyden Faͤllen habe ich die Gegenstaͤnde in derselben Lage, durch dasselbe Prisma, in derselben Entfernung betrachtet. 280. Hier gebaͤrdet sich der Verfasser als wenn er recht genau auf die Umstaͤnde Acht gaͤbe, da er doch den Hauptumstand außer Acht gelassen. 281. Nichts war unterschieden als daß sie von verschiedenem Licht erleuchtet wurden, davon das eine einfach und das an- dre zusammengesetzt war. 282. Und nun haͤtten wir denn also das einfache und zusammengesetzte Licht voͤllig fertig, das freylich schon viel fruͤher fertig war: denn es stak schon in der er- sten Proposition und kam immer gleich unerwiesen in jeder Proposition und in jedem Experimente zuruͤck. 283. Deswegen also keine andre Ursache seyn kann, warum wir jene Gegenstaͤnde in einem Fall so deutlich, in dem an- dern so dunkel sehen, als die Verschiedenheit der Lichter. 284. Ja wohl der Lichter; aber nicht in sofern sie farbig oder farblos, einfach oder zusammengesetzt sind, sondern in sofern sie heller oder dunkler scheinen. 285. Wodurch denn zugleich die ganze Proposition bewiesen wird. 286. Wodurch denn aber, wie wir unter hoffentlicher Beystimmung aller unserer Leser ausrufen, nichts be- wiesen ist. 287. Ferner ist in diesen drey Experimenten das auch hoͤchst bemerkenswerth, daß die Farbe des homogenen Lichtes bey diesen Versuchen um nichts veraͤndert worden. 288. Es ist freylich hoͤchst bemerkenswerth, daß New- ton erst hier bemerkt, was zu dem ABC der prisma- tischen Erfahrungen gehoͤrt, daß naͤmlich eine farbige Flaͤche so wenig als eine schwarze, weiße oder graue durch Refraction veraͤndert werde, sondern daß allein die Graͤnzen der Bilder sich bunt bezeichnen. Betrach- tet man nun durch ein Prisma das farbige Spectrum in ziemlicher Naͤhe, so daß es nicht merklich vom Flecke geruͤckt und seine Versatilitaͤt (E. 350—356.) nicht offenbar werde; so kann man die von demselben be- schienene Flaͤche als eine wirklich gefaͤrbte zu diesem Zwecke annehmen. Und somit gedenken wir denn, da der Verfasser gluͤcklich ans Ende seines Beweises ge- langt zu seyn glaubt, wir hingegen uͤberzeugt sind, daß ihm seine Arbeit ungeachtet aller Bemuͤhung hoͤchst mißgluͤckt sey, seinen fernern Consequenzen auf dem Fuße zu folgen. Sechste Proposition. Fuͤnftes Theorem . Der Sinus der Incidenz eines jeden besondern Strahls ist mit dem Sinus der Refraction im gegebenen Verhaͤltniß. 289. Anstatt mit dem Verfasser zu controvertiren, legen wir die Sache wie sie ist, naturgemaͤß vor, und gehen daher bis zu den ersten Anfaͤngen der Erscheinung zu- ruͤck. Die Gesetze der Refraction waren durch Snel- lius entdeckt worden. Man hatte sodann gefunden, daß der Sinus des Einfalls-Winkels mit dem Sinus des Refractions-Winkels im gleichen Mittel jederzeit im gleichen Verhaͤltniß steht. 290. Dieses Gesundene pflegte man durch eine Line- arzeichnung vorzustellen, die wir in der ersten Figur unserer elften Tafel wiederholen. Man zog einen Cir- kel und theilte denselben durch eine Horizontallinie: der obere Halbzirkel stellt das duͤnnere Mittel, der un- tere das dichtere vor. Beyde theilt man wieder durch eine Perpendicularlinie; alsdann laͤßt man im Mittel- puncte den Winkel der Incidenz von oben, und den Winkel der Refraction von unten zusammenstoßen, und kann nunmehr ihr wechselseitiges Maaß ausdruͤcken. 291. Dieses ist gut und hinreichend, um die Lehre an- schaulich zu machen und das Verhaͤltniß in Abstracto darzustellen; allein, um in der Erfahrung die beyden Winkel gegen einander wirklich zu messen, dazu gehoͤrt eine Vorrichtung, auf die bey dieser Linearfigur nicht hingedeutet ist. 292. Die Sonne scheine in ein leeres Gefaͤß (E. 187.) sie werfe den Schatten genau bis an die gegenuͤber- stehende Wand und der Schatten bedecke den Boden ganz. Nun gieße man Wasser in das Gefaͤß, und der Schatten wird sich zuruͤckziehen gegen die Seite wo das Licht herkommt. Hat man in dem ersten Falle die Richtung des einfallenden Lichtes, so findet man im zweyten die Richtung des gebrochnen. Woraus erfaͤhrt man denn aber das Maaß dieser beyden Richtungen, als aus dem Schatten und zwar aus des Schattens Graͤnze? Um also in der Erfahrung das Maaß der Refraction zu finden, bedarf es eines begraͤnzten Mittels. 293. Wir schreiten weiter. Man hatte das oben aus- gesprochene Gesetz der Refraction entdeckt, ohne auf die bey dieser Gelegenheit eintretende Farbenerscheinung nur im mindesten zu achten, indem sie freylich bey parallelen Mitteln sehr gering ist; man hatte die Re- fraction des hellen, weißen, energischen Lichtes zu seiner Incidenz gemessen betrachtet und auf obige Weise ge- zeichnet: nun fand aber Newton, daß bey der Refrac- tion gesetzmaͤßig eine Farbenerscheinung eintrete; er er- klaͤrte sie durch verschiedenfarbige Lichter, welche in dem weißen stecken sollten, und sich, indem sie eine verschie- dene Brechbarkeit haͤtten, sonderten und nebeneinander erschienen. 294. Hieraus folgte natuͤrlich, daß wenn das weiße Licht einen gewissen einzigen Einfallswinkel, wie z. E. bey uns, 45 Grad hatte, der Refractionswinkel der nach der Brechung gesonderten Strahlen verschieden seyn mußte, indem einige mehr als andre ruͤckwaͤrts gingen, und daß also, wenn bey dem einfallenden Licht nur Ein Sinus in Betracht kam, bey den Refractions- winkeln fuͤnf, sieben, ja unzaͤhlige Sinus gedacht wer- den mußten. 295. Um dieses faßlich zu machen, bediente sich Newton einer Figur von derjenigen entlehnt, wie man das Verhaͤltniß der Refraction zur Incidenz bisher vorge- stellt hatte, aber nicht so vollstaͤndig und ausfuͤhrlich. 296. Man hatte einen Lichtstrahl, der Bequemlichkeit wegen, angenommen, weil die abstracte Linie die Stelle von Millionen Strahlen vertritt; auch hatte man, bey der gedachten Figur, der Schranke nicht erwaͤhnt, weil man sie voraussetzte: nun erwaͤhnt Newton der Schranke auch nicht, setzt sie auch nicht voraus, son- dern uͤbergeht, beseitigt sie und zeichnet seine Figur, wie man bey uns in Nr. 2. sehen kann. 297. Bedenke man aber, wie oben schon eingeleitet, selbst bey diesen Figuren den Erfahrungsfall. Man lasse unendliche Sonnenstrahlen durch den obern Halb- kreis des duͤnnern Mittels auf den untern Halbkreis des dichtern Mittels in einem Winkel von 45 Graden fallen; auf welche Weise soll man denn aber beobachten koͤnnen, welch ein Verhaͤltniß die auf die freye Hori- zontallinie oder Flaͤche des dichtern Mittels fallenden Lichtstrahlen nunmehr nach der Brechung haben? Wie will man den Bezug des Einfallswinkels zum Brechungswinkel auffinden? Man muß doch wohl erst einen Punct geben, an welchem beyde bemerkbar zusam- menstoßen koͤnnen. 298. Dieses ist auf keine Weise zu bewirken, als wenn man irgend ein Hinderniß, eine Bedeckung, uͤber die eine Seite bis an den Mittelpunct schiebt. Und dieses kann geschehen entweder an der Lichtseite, wie wir es in Nr. 4. oder an der entgegengesetzten, wie wir es Nr. 3. dargestellt haben. In beyden Faͤllen verhaͤlt sich der Sinus des Einfallswinkels zu dem Sinus des Refractionswinkels ganz gleich, nur daß im ersten Falle das Licht gegen die Finsterniß zuruͤckt, im zweyten die Finsterniß gegen das Licht. Daher denn im ersten der blaue und blaurothe Rand und Saum, im zweyten der gelbe und gelbrothe zum Vorschein kommen; wobey uͤbrigens keine Differenz ihrer Refraction, noch weniger also einer Refrangibilitaͤt eintritt. 299. Es steht also hier die Bemerkung wohl am rechten Platze, daß man zwar irgend ein durch Erfahrung aus- gemitteltes allgemeines Naturgesetz linearsymbolisch aus- druͤcken und dabey gar wohl die Umstaͤnde, wodurch das zum Grunde liegende Phaͤnomen hervorgebracht wird, voraussetzen koͤnne; daß man aber von solchen Figuren auf dem Papiere nicht gegen die Natur wei- ter operiren duͤrfe, daß man bey Darstellung eines Phaͤnomens, das bloß durch die bestimmtesten Bedingun- gen hervorgebracht wird, eben diese Bedingungen nicht ignoriren, verschweigen, beseitigen duͤrfe; sondern sich Muͤhe zu geben habe, diese gleichfalls im Allgemeinen auszusprechen und symbolisch darzustellen. Wir glauben dieses auf unsrer elften Tafel geleistet, dem was wir in unserm Entwurf muͤhsam auferbaut, hierdurch den Schlußstein eingesetzt und die Sache zur endlichen Ent- scheidung gebracht zu haben; und duͤrfen wohl hoffen, daß man besonders diese Figuren kuͤnftig in die Com- pendien aufnehmen werde, da man an ihnen Lehre und Controvers am besten und kuͤrzesten vortragen kann. 300. Um endlich alles auf einem Blatte uͤbersehen zu koͤnnen, haben wir in der fuͤnften Figur dasjenige Phaͤ- nomen dargestellt, woraus die Achromasie und sogar die Hyperchromasie entspringt. Wir nehmen an, daß ein mit dem vorigen gleich brechendes Mittel die chemi- sche Kraft und Gabe besitze, die Farbenerscheinung mehr zu verbreiten. Hier sieht man, daß bey gleicher Incidenz mit Nr. 1. und gleicher Refraction, dennoch eine ansehnliche Differenz in der Farbenerscheinung sey. Vielleicht ist dieses Phaͤnomen auch in der Natur dar- zustellen, wie es hier nur in Abstracto steht; wie man denn schon jetzt die Farbenerscheinung eines Mittels ver- mehren kann, ohne an seiner Refractionskraft merklich zu aͤndern. Auch wiederholen wir hier die Vermu- thung (E. 686.), daß es moͤglich seyn moͤchte, irgend einem refrangirenden Mittel die chemische Eigenschaft, farbige Raͤnder und Saͤume hervorzubringen, gaͤnzlich zu benehmen. 301. Wem nunmehr dieses bisher von uns Dargestellte deutlich und gelaͤufig ist, dem wird alles was Newton von Messung, Berechnung und Raͤsonnement bey dieser Proposition anbringt, weiter nicht imponiren, um so weniger als durch die neuern Erfahrungen jenes alte Sparrwerk laͤngst eingerissen ist. So bekriegen wir auch nicht den Funfzehnten Versuch . 302. Es wird in demselben die Seitenbewegung des Spectrums, die uns durch den fuͤnften Versuch bekannt geworden, durch mehrere Prismen wiederholt, dadurch aber weiter nichts geleistet, als daß das immer verlaͤn- gerte Spectrum sich immermehr buͤckt; welches alles uns nach dem, was wir schon genugsam kennen, wei- ter nicht interessirt. Siebente Proposition. Sechstes Theorem . Die Vollkommenheit der Teleskope wird verhindert durch die verschiedene Refrangibilitaͤt der Licht- strahlen. 303. Man kann von verschiedenen Seiten in eine Wis- senschaft herein oder auch zu einem einzelnen Phaͤno- men herankommen, und von dieser ersten Ansicht haͤngt sehr oft die ganze Behandlung des Gegenstandes ab. Giebt man hierauf in der Geschichte des Wissens wohl Acht, bemerkt man genau, wie gewisse Individuen, Gesellschaften, Nationen, Zeitgenossen an eine Entde- ckung, an die Bearbeitung eines Entdeckten herankom- men; so klaͤrt sich manches auf, was außerdem verbor- gen bliebe oder uns verwirrt machte. In der Geschichte der Chromatik werden wir diesen Leitfaden oͤfters an- knuͤpfen, und auch bey Beurtheilung des gegenwaͤrtigen Abschnittes soll er uns gute Dienste thun. Wir bemer- ken also vor allen Dingen, daß Newton sein Interesse fuͤr die Farbenlehre dadurch gewann, daß er die diop- trischen Fernroͤhre zu verbessern suchte. 304. Bey Entdeckung der Refractionsgesetze hatte man die Farbenerscheinung nicht beachtet und zwar mit Recht: denn bey Versuchen mit parallelen Mitteln ist sie von keiner Bedeutung. Als man aber geschliffene Glaͤser zu Brillen und Teleskopen anwendete, kam die- ses Phaͤnomen naͤher zur Sprache. Sobald die Telesko- pe einmal entdeckt waren, gingen Mathematiker und Techniker mit Ernst auf ihre Verbesserung los, der sich besonders zwey Maͤngel entgegenstellten, die man Aber- rationen, Abirrungen nannte. Die eine kam von der Form her: denn man bemerkte, daß die aus Kugel- schnitten bestehenden Linsen nicht alle Theile des Bildes rein in einen Punct versammelten, sondern die Strah- len (indem man sich dieser Vorstellung dabey bediente) I. 33 theils fruͤher, theils spaͤter zur Convergenz brachten. Man that daher den Vorschlag und machte Versuche, elliptische und parabolische Glaͤser anzuwenden, welche jedoch nicht vollkommen gelingen wollten. 305. Waͤhrend solcher Bemuͤhungen ward man auf die zweyte Abweichung, welche farbig war, aufmerksam. Es zeigte sich, daß der Deutlichkeit der Bilder sich eine Farbenerscheinung entgegensetzte, welche besonders die Graͤnzen, worauf es doch hauptsaͤchlich bey einem Bilde ankommt, unsicher machte. Lange hielt man diese Erschei- nung fuͤr zufaͤllig; man schob sie auf eine unregelmaͤ- ßige Brechung, auf Unrichtigkeiten des Glases, auf Umstaͤnde welche vorhanden und nicht vorhanden seyn konnten, und war indeß unablaͤssig bemuͤht, jene erste von der Form sich herschreibende Abweichung auszuglei- chen und aufzuheben. 306. Newton wendete hingegen seine Aufmerksamkeit auf die zweyte Art der Aberration. Er findet die Farbenerscheinung constant und, da er von prismati- schen Versuchen ausgeht, sehr maͤchtig; er setzt die Lehre von diverser Refrangibilitaͤt bey sich fest. Wie er sie begruͤndet, haben wir gesehen; wie er dazu ver- leitet worden, wird uns die Geschichte zeigen. 307. Nach seinen Erfahrungen, nach der Art wie er sie auslegt, nach der Weise wie er theoretisirt, ist die in der Proposition ausgesprochne Folgerung ganz richtig: denn wenn das farblose Licht divers refrangibel ist; so kann die Farbenerscheinung von der Refraction nicht getrennt werden, jene Aberration ist nicht ins Gleiche zu bringen, die dioptrischen Fernroͤhre sind nicht zu verbessern. 308. Jedoch nicht allein dieses, sondern weit mehr folgt aus der Hypothese der diversen Refrangibilitaͤt. Un- mittelbar folgt daraus, daß die dioptrischen Fernroͤhre ganz unbrauchbar seyn muͤssen, indem wenigstens alles was an den Gegenstaͤnden weiß ist, vollkommen bunt erscheinen muͤßte. 309. Ja, ganz abgesehen von dioptrischen Fernroͤhren, Brillen und Lorgnetten, muͤßte die ganze sichtbare Welt, waͤre die Hypothese wahr, in der hoͤchsten Verworren- heit erscheinen. Alle Himmelslichter sehen wir durch Refraction; Sonne, Mond und Sterne zeigen sich uns, indem sie durch ein Mittel hindurchblicken, an einer an- dern Stelle als an der sie sich wirklich befinden; wie bey ihrem Auf- und Untergang die Astronomen beson- ders zu bemerken wissen. Warum sehen wir denn diese saͤmmtlichen leuchtenden Bilder, diese groͤßern und kleinern Funken, nicht bunt, nicht in die sieben Far- ben aufgeloͤst? Sie haben die Refraction erlitten, und 33 * waͤre die Lehre von der diversen Refrangibilitaͤt unbe- dingt wahr; so muͤßte unsre Erde, bey Tag und bey Nacht, mit der wunderlichsten bunten Beleuchtung uͤberschimmert werden. 310. Newton fuͤhlt diese Folgerung wohl: denn da er in Gefolg obiger Proposition eine ganze Weile ge- messen und gerechnet hat, so bricht er sehr naiv in die bedeutenden Worte aus: „Wobey man sich denn ver- wundern muß, daß Fernroͤhre die Gegenstaͤnde noch so deutlich zeigen, wie sie es thun.“ Er rechnet wie- der fort und zeigt, daß die Aberration die aus der Form des Glases herkommt, beynahe sechstehalbtau- sendmal geringer sey als die welche sich von der Farbe herschreibt, und kann daher die Frage nicht unterlassen: „Wenn aber die Abweichungen die aus der verschiede- nen Refrangibilitaͤt der Strahlen entspringen, so un- geheuer sind, wie sehen wir durch Fernroͤhre die Gegen- staͤnde nur noch so deutlich wie es geschieht?“ Die Art wie er diese Frage beantwortet, wird der nunmehr unterrichtete Leser mit ziemlicher Bequemlichkeit im Ori- ginal wahrnehmen koͤnnen. Es ist auch hier hoͤchst merkwuͤrdig, wie er sich herumdruͤckt und wie seltsam er sich gebaͤrdet. 311. Waͤre er aber auch auf dem rechten Wege gewesen und haͤtte er, wie Descartes vor ihm, eingesehn, daß zu der prismatischen Farbenerscheinung nothwendig ein Rand gehoͤre; so haͤtte er doch immer noch behaupten koͤnnen und duͤrfen, daß jene Aberration nicht auszu- gleichen, jene Randerscheinung nicht wegzunehmen sey. Denn auch seine Gegner, wie Rizzetti und andre, konnten eben deshalb nicht recht Fuß fassen, weil sie jene Randerscheinung der Refraction allein zuschreiben mußten, sobald sie als constant anerkannt war. Nur erst die spaͤtere Entdeckung, daß die Farbenerscheinung nicht allein eine allgemeine physische Wirkung sey, son- dern eine besondre chemische Eigenschaft des Mittels voraussetze, konnte auf den Weg leiten, den man zwar nicht gleich einschlug, auf dem wir aber doch gegen- waͤrtig mit Bequemlichkeit wandeln. Sechzehnter Versuch . 312. Newton bemuͤht sich hier, die Farbenerscheinung wie sie durchs Prisma gegeben ist, mit der welche sich bey Linsen findet, zu vergleichen, und durch einen Ver- such zu beweisen, daß sie beyde voͤllig mit einander uͤbereintreffen. Er waͤhlt die Vorrichtung seines zwey- ten Versuches, wo er ein roth und blaues, mit schwar- zen Faͤden umwickeltes Bild durch eine Linse auf eine entgegengestellte Tafel warf. Statt jenes zwiefach ge- faͤrbten Bildes nimmt er ein gedrucktes, oder auch mit schwarzen Linien bezogenes weißes Blatt, auf welches er das prismatische Spectrum wirft, um die deutli- chere oder undeutlichere Erscheinung der Abbildung hinter der Linse zu beobachten. 313. Was uͤber die Sache zu sagen ist, haben wir weitlaͤuftig genug bey jenem zweyten Experiment aus- gefuͤhrt, und wir betrachten hier nur kuͤrzlich abermals sein Benehmen. Sein Zweck ist, auch an den pris- matischen Farben zu zeigen, daß die mehr refrangiblen ihren Bildpunct naͤher an der Linse, die weniger re- frangiblen weiter von der Linse haben. Indem man nun denkt, daß er hierauf los gehen werde, macht er, nach seiner scheinbaren großen Genauigkeit, die Be- merkung, daß bey diesem Versuche nicht das ganze prismatische Bild zu brauchen sey: denn das tiefste Violett sey so dunkel, daß man die Buchstaben oder Linien bey der Abbildung gar nicht gewahr werden koͤnne; und nachdem er hiervon umstaͤndlich gehandelt und das Rothe zu untersuchen anfaͤngt, spricht er, wie ganz im Vorbeygehen, von einem sensiblen Rothen; alsdann bemerkt er, daß auch an diesem Ende des Spectrums die Farbe so dunkel werde, daß sich die Buchstaben und Linien gleichfalls nicht erkennen ließen, und daß man daher in der Mitte des Bildes operiren muͤsse, wo die gedachten Buchstaben und Linien noch sichtbar werden koͤnnen. 314. Man erinnere sich alles dessen was wir oben an- gefuͤhrt, und bemerke, wie Newton durch diese Aus- flucht den ganzen Versuch aufhebt. Denn, wenn eine Stelle ist im Violetten, wo die Buchstaben unsichtbar werden, und eben so im Rothen eine, wo sie gleich- falls verschwinden; so folgt ja natuͤrlich, daß in die- sem Falle die Figuren auf der meist refrangiblen Far- benflaͤche zugleich mit denen auf der mindest refran- giblen verschwinden, und umgekehrt, daß wo sie sicht- bar sind, sie stufenweise zu gleicher Zeit sichtbar seyn muͤssen; daß also hier an keine diverse Refrangibilitaͤt der Farben zu denken, sondern daß allein der hellere oder dunklere Grund die Ursache der deutlichern oder undeutlichern Erscheinung jener Zuͤge seyn muͤsse. Um aber sein Spiel zu verdecken, druͤckt Newton sich hoͤchst unbestimmt aus: er spricht von sensiblem Roth, da es doch eigentlich die schwarzen Buchstaben sind, die im helleren Rothen noch sensibel bleiben. Sensibel ist das Roth noch ganz zuletzt am Spectrum in seiner groͤßten Tiefe und Dunkelheit, wenn es auch kein gedrucktes Blatt mehr erleuchten kann, und die Buchstaben darin nicht mehr sensibel sind. Eben so druͤckt sich Newton auch uͤber das Violette und die uͤbrigen Farben aus. Bald stehen sie wie in Abstracto da, bald als Lichter die das Buch erleuchten; und doch koͤnnen sie als leuchtend und scheinend fuͤr sich, bey diesem Versuche keineswegs gelten; sie muͤssen allein als ein heller oder dunkler Grund in Bezug auf die Buchstaben und Faͤ- den betrachtet werden. 315. Dieser Versuch also wird von dem zweyten, auf den er sich bezieht, zerstoͤrt und hilft dagegen auch den zweyten zerstoͤren, da wir das Bekenntniß Newtons vor uns haben, daß von beyden Seiten die Bemerk- barkeit der unterliegenden schwarzen Zuͤge aufhoͤre, und zwar wegen des eintretenden Dunklen; woraus denn folgt, daß bey zunehmender Hellung die Deut- lichkeit dieser Zuͤge durchaus mitwachsen wird, die Farbe mag seyn welche sie will. Alles was hieruͤber zu sagen ist, werden wir nochmals bey Beschreibung des Apparats zusammenfassen. Achte Proposition. Zweytes Problem . Die Fernroͤhre zu verkuͤrzen. 316. Hier fuͤhrt nun Newton sein katoptrisches Teleskop vor: eine Erfindung die auch nach Verbesserung der dioptrischen Fernroͤhre bey Ehren und Wuͤrden geblie- ben ist, und von der wir unsererseits, da wir uns nur mit den Farben beschaͤftigen, nichts zu sagen haben. Der Newtonischen Optik erstes Buch. Zweyter Theil . 317. Auch in diesem Theile sind falsche und captiose Versuche, confus genug aber doch absichtlich, zusam- mengestellt. Man kann sie in eine polemische und in eine didactische Masse sondern. 318. Polemisch faͤngt der Verfasser an: denn nachdem er unumstoͤßlich dargethan zu haben glaubt, die Far- ben seyen wirklich im Lichte enthalten; so muß er die aͤltere auf Erfahrung gegruͤndete Vorstellungsart, daß naͤmlich zu den Farbenerscheinungen in Refractions- faͤllen eine Graͤnze noͤthig sey, widerlegen, und er waͤhnt solches mit den vier ersten Versuchen geleistet zu haben. 319. Didactisch urgirt er sodann aufs neue die Unver- aͤnderlichkeit des einmal hervorgebrachten homogenen Lichtes und die verschiedenen Grade der Refrangibilitaͤt. Hiermit beschaͤftigt er sich vom fuͤnften bis zum achten Experiment. Spaͤterhin im siebzehnten limitirt er, ja hebt er wieder auf, was er im fuͤnften bewiesen hat. 320. Nun aber beschaͤftigt er sich vom neunten bis zum funfzehnten Versuch, etwas hervorzubringen und zu be- weisen, woran ihm sehr viel gelegen seyn muß. Wenn er naͤmlich aus dem farblosen Lichte und aus weißen Flaͤchen die Farben hervorgelockt, oder vielmehr das reine weiße Licht in Farben gespalten hat; so muß er ja auch, wenn er das Herausgebrachte wieder hinein- bringt, das Gesonderte wieder zusammendraͤngt, jenes reine koͤrperliche Weiß wieder herstellen. 321. Da wir aber genugsam uͤberzeugt sind, daß die Farbe nicht aus einer Theilung des Lichtes entstehe, sondern vielmehr durch den Zutritt einer aͤußeren Be- dingung, die unter mancherley empirischen Formen, als des Truͤben, des Schattens, der Graͤnze, sich aus- spricht; so erwarten wir wohl, Newton werde sich seltsam gebaͤrden muͤssen, um das bedingte, getruͤbte, uͤberschattete, beschattete Licht mit Inbegriff dieser Be- dingung als reines weißes Licht darzustellen, um aus dunklen Farben ein helles Weiß zu mischen. 322. Indem er also hier gleichsam die Probe auf sein erstes Rechnungsexempel machen will, zeigen will, daß dasjenige was er durch bloße Trennung hervorgebracht, abermals durch bloße Verbindung jenes erste Resultat geben muͤsse; so stellt sich ihm durchaus das Dritte, die aͤußere Bedingung, die er beseitigt zu haben glaubt, in den Weg, und so muß er Sinne, sinnlichen Ein- druck, Menschenverstand, Sprachgebrauch und alles verlaͤugnen, wodurch sich Jemand als Mensch, als Beob- achter, als Denker bethaͤtigt. 323. Wie dieß zugehen konnte, glauben wir im histori- schen Theil von der psychischen und ethischen Seite, unter der Rubrik: Newtons Persoͤnlichkeit, hinreichend entwickelt zu haben. Hier bleibt uns nichts uͤbrig, als unsre polemische Pflicht abermals im Besondern zu erfuͤllen. Erste Proposition. Erstes Theorem . Die Farbenphaͤnomene bey gebrochenem oder zuruͤck- geworfenem Lichte werden nicht durch neue Modi- ficationen des lichtes verursacht, welche nach der Verschiedenheit der Begraͤnzungen des Lichtes und Schattens verschiedentlich eingedruͤckt wuͤrden. 324. Da wir in unserm Entwurf gezeigt, daß bey der Refraction gar keine Farben entstehen, als da wo Licht und Dunkel an einander graͤnzen; so werden die- jenigen welche sich durch unsern Vortrag von der Wahrheit dieser Verhaͤltnisse uͤberzeugt haben, neugie- rig seyn, zu erfahren, wie sich Newton benehme, um nunmehr das Wahre unwahr zu machen. Er verfaͤhrt hierbey wie in dem ersten Falle, da er das Unwahre wahr zu machen gedachte, wie wir bald im Einzelnen einsehen werden. Erster Versuch . Siehe Fig. 4. Taf. XIII. 325. Lasset die Sonne in eine dunkle Cammer scheinen durch eine laͤngliche Oeffnung F. 326. Diese Oeffnung muß nothwendig in die Hoͤhe ge- hen, obgleich die Figur nur einen Punct vorstellt und also dadurch sogleich die Einsicht in die Sache er- schwert. 327. Die Breite kann sechs oder acht Theile eines Zolls seyn, auch weniger. 328. Diese erste Vorrichtung bestehe also in einer etwa sechs Zoll hohen und aͤußerst schmalen Spalte im Bleche des Fensterladens. 329. Nun gehe der Strahl FH 330. Nun ist es schon wieder ein Strahl, da es doch eigentlich nur ein von einer Seite sehr verschmaͤlertes, von der andern sehr verlaͤngertes Sonnenbild ist. 331. zuerst durch ein ziemlich großes Prisma ABC, das ohn- gefaͤhr zwanzig Fuß von der Oeffnung steht. 332. Warum denn nun wieder zwanzig Fuß? Ueber dieses Einfuͤhren von Bedingungen, ohne daß man die Ursachen davon entdeckt, haben wir uns oͤfters be- klagt und durchaus gefunden, daß sie entweder uͤber- fluͤssig oder captios sind. Hier ist die Bedingung cap- tios. Denn eigentlich will er nur ein ganz schwaches Licht haben, ganz schwache Farben hervorbringen, ja vielleicht gar den Versuch gleichsam unmoͤglich machen. Denn wer hat gleich eine dunkle Cammer von zwanzig Fuß Tiefe und druͤber, und wenn er sie hat, wie lange steht denn die Sonne niedrig genug, um in der Mittagszeit die dem Fenster entgegengesetzte Wand oder ein Prisma, das doch wenigstens in einiger Hoͤhe vom Boden stehn muß, zu bescheinen? 333. Wir erklaͤren daher diese Bedingung fuͤr ganz un- noͤthig, da der Versuch mit dem Prisma geschieht und keine Linse mit ins Spiel kommt, wo sich wegen der Brenn- und Bildweite die Bedingungen der Entfer- nung allenfalls nothwendig machen. 334. Dieses Prisma sey parallel zu der Oeffnung. 335. Das heißt parallel zur Tafel worin die Oeffnung sich befindet, parallel zur Fensterbank, eigentlich aber, wie bey allen prismatischen Versuchen, so, daß eine aus dem Mittelpunct des Sonnenbildes gedachte Linie rechtwinklig auf dem Prisma stehe. 336. Dann gehe dieser Strahl mit seinem weißen Theile 337. Hier haben wir also wieder einen weißen Theil eines schon gebrochnen Strahles. Es ist aber weiter nichts als die weiße Mitte des sehr verlaͤngerten Bildes. 338. durch eine laͤngliche Oeffnung H, 339. Diese laͤngliche Oeffnung ist auch wieder als ein Punct gezeichnet, wodurch die Darstellung ganz falsch wird; denn diese Oeffnung muß bey dem Versuch auch laͤng- lich seyn und vertical stehen wie die Oeffnung F im Fensterladen. 340. welche breit sey den vierten oder sechsten Theil eines Zolles. 341. Das heißt doch also nur eine schmale Ritze. Und warum soll denn diese Ritze so schmal seyn? Bloß damit man nicht sehe, was denn eigentlich vorgeht und was getrieben wird. 342. Diese Oeffnung H sey in einen schwarzen dunklen Koͤr- per GI gemacht. 343. Daß das Blech oder die Pappe GI schwarz sey, ist gar nicht noͤthig; daß sie aber undurchsichtig sey, versteht sich von selbst. 344. und stehe zwey oder drey Fuß vom Prisma 345. Diese Entfernung ist aber auch wieder gleichguͤltig oder zufaͤllig. 346. in einer parallelen Lage zu dem Prisma und zu der vor- dern Oeffnung. 347. Weil Newton seine Versuche nicht in einer na- tuͤrlichen Ordnung, sondern auf eine kuͤnstlich ver- schraͤnkte Weise vorbringt; so ist er genoͤthigt bey einem jeden Versuch den ganzen Apparat zu beschreiben, da derselbe Apparat doch schon oͤfter dagewesen ist und Newton sich, wenn er redlich waͤre, nur auf den vo- rigen beziehen koͤnnte. Allein bey ihm wird jeder Ver- such fuͤr sich aufgebaut und das Nothwendige mit un- noͤthigen Bedingungen durchwebt, so daß eben da- durch das Helldunkel entsteht, in dem er so gern operirt. 348. Wenn nun das weiße Licht durch die Oeffnung H durch- gegangen, so falle es auf ein weißes Papier p t, das hinter der Oeffnung ohngefaͤhr drey bis vier Fuß entfernt steht, damit sich die gewoͤhnlichen Farben des Prisma’s darauf ab- bilden moͤgen, naͤmlich Roth in t; Gelb in s, Gruͤn in r, Blau in q, und Violett in p. 349. Man gebe wohl Acht! Das Licht ist an der Spalte weiß angekommen und bildet hinter derselben das Spectrum. Auf das was folgt wende man nun aber alle Aufmerksamkeit. 350. Man nehme einen Eisendraht, oder sonst einen duͤnnen undurchsichtigen Koͤrper, dessen Staͤrke ohngefaͤhr der zehnte Theil eines Zolls ist; damit kann man die Strahlen in k l m n o auffangen. 351. Nun nehme man die Figur vor sich und sehe, wo sich denn diese Strahlen k l m n o finden sollen. Diese Buchstaben stehen vor dem Prisma, gegen die Sonne zu, und sollen also, wie auch die fuͤnf Linien bezeichnen, farbige Strahlen vorstellen, wo noch keine Farbe ist. In keiner Figur des ganzen Werkes, in keinem Experiment ist noch dergleichen vorgekommen, ist uns zugemuthet worden, etwas das selbst gegen den Sinn des Verfassers ist, anzunehmen und zu- zugeben. I. 34 352. Was thut denn also das Staͤbchen r, indem es an der Außenseite des Prisma’s herumfaͤhrt? Es schnei- det das farblose Bild in mehrere Theile, macht aus einem Bild mehrere Bilder. Dadurch wird freylich die Wirkung in p q r s t verwirrt und verunreinigt; aber Newton legt die Erscheinung dergestalt aus: 353. Sind die Strahlen k l m n o successiv aufgefangen, so werdet ihr auch die Farben t s r q oder p eine nach der andern dadurch wegnehmen, indessen die uͤbrigen auf dem Papier bleiben wie vorher; oder mit einem etwas staͤrkeren Hinderniß koͤnnt ihr zwey, drey oder vier Farben zusammen wegnehmen, so daß der Ueberrest bleibt. 354. Die drey ersten Figuren unserer 13ten Tafel stellen die Erscheinungen dieses ersten Versuchs der Wahrheit gemaͤß vor. Da wir bey Beschreibung und Erklaͤrung dieser Tafel die Sache umstaͤndlicher entwickeln, so er- lauben wir uns unsre Leser dorthin zu verweisen und fragen nur vorlaͤufig: was hat denn Newton vorge- nommen, um seinen Satz zu beweisen? 355. Er behauptet daß Raͤnder, daß Graͤnzen des Hel- len und Dunklen keinen Einfluß auf die Farbenerschei- nung bey der Refraction haben; und was thut er in seinem Experiment? Er bringt dreymal Graͤnzen hervor, damit er beweise, die Graͤnze sey ohne Bedeutung! 356. Die erste Graͤnze ist oben und unten an der Oeff- nung H im Fensterladen. Er behaͤlt noch weißes Licht in der Mitte, gesteht aber nicht, daß schon Farben an den beyden Enden sich zeigen. Die zweyte Graͤnze wird durch die Ritze H hervorgebracht. Denn warum wird denn das refrangirte Licht, das weiß auf der Ta- fel GI ankommt, farbig, als weil die Graͤnze der Ritze H oben und unten die prismatischen Farben her- vorbringt? Nun haͤlt er das dritte Hinderniß, einen Draht oder sonst einen andern cylindrischen Koͤrper, vor das Prisma und bringt also dadurch abermals Graͤnzen hervor, bringt im Bilde ein Bild, die Faͤr- bung an den Raͤndern des Staͤbchens umgekehrt her- vor. Besonders erscheint die Purpurfarbe in der Mitte, an der einen Seite das Blaue, an der andern das Gelbe. Nun bildet er sich ein, mit diesem Staͤbchen farbige Strahlen wegzunehmen, wirft aber dadurch nur ein ganz gefaͤrbtes schmales Bild auf die Ta- fel GI. Mit diesem Bilde operirt er denn auch in die Oeffnung H hinein; verdraͤngt, verschmutzt die dort abgebildeten Farben, ja verhindert sogar ihr Werden, indem sie in der Oeffnung H erst werdend sind, und setzt denjenigen der die Verhaͤltnisse einsehen lernt, in Erstaunen, wie man sich so viele unredliche Muͤhe ge- ben konnte, ein Phaͤnomen zu verwirren, und wie 34 * ein Mann von solchen Talenten in diesem Fall gerade dasjenige thun konnte was er laͤugnet. So ist denn auch das was hierauf folgt keinesweges der Erfahrung gemaͤß. 357. Auf diese Weise kann jede der Farben so gut als die vio- lette die letzte an der Graͤnze des Schattens, gegen p. zu, wer- den, und eine jede kann so gut als das Rothe die letzte an der Graͤnze des Schattens t seyn. 358. Einem unaufmerksamen Zuschauer koͤnnte man wohl dergleichen vorspiegeln, weil durch das Hinderniß r neue Farben entstehen, indem die alten verdraͤngt werden; aber man kann geradezu sagen, wie Newton die Sache ausdruͤckt, ist sie nicht wahr: bey den mitt- lern Farben kann er wohl eine Confusion hervorbrin- gen, doch nicht an der Graͤnze; weder in p noch in t wird man jemals Gruͤn sehen koͤnnen. Man beherzige genau die folgende Stelle, wo er wieder anfaͤngt wie Bileam das entgegengesetzte von dem zu sagen, was er sagen will. 359. Ja, einige Farben koͤnnen auch den Schatten begraͤnzen, welcher durch das Hinderniß r innerhalb des Farbenbildes hervorgebracht worden. 360. Nun gesteht er also, daß er durch sein Hinderniß r Schatten hervorbringt, daß an diesen Schatten Farben- saͤume gesehen werden, und dieß sagt er zum Beweis daß die Graͤnze des Lichtes und Schattens auf die Far- be nicht einfließe! Man gebe uns ein Beyspiel in der Geschichte der Wissenschaften, wo Hartnaͤckigkeit und Unverschaͤmtheit auf einen so hohen Grad getrieben worden. 361. Zuletzt kann jede Farbe, wenn man alle uͤbrigen wegge- nommen hat und sie allein bleibt, zugleich an beyden Seiten vom Schatten begraͤnzt seyn. 362. Daß die schon entstandene Farbe des prismatischen Bildes einzeln durch irgend eine Oeffnung gelassen und isolirt werden koͤnne, wird nicht gelaͤugnet; daß man durch das Staͤbchen etwas aͤhnliches hervorbrin- gen koͤnne, ist natuͤrlich: allein der aufmerksame Be- obachter wird selbst an dieser entstandenen Farbe die durch diese Einklemmung abgenoͤthigte entgegengesetzte Farbe entstehen sehen, die bey der Unreinlichkeit dieses Versuchs dem Unerfahrenen entgehen moͤchte. Ganz vergeblich also zieht er den Schluß: 363. Alle Farben verhalten sich gleichguͤltig zu den Graͤnzen des Schattens. 364. Daß die Graͤnzen des Schattens nach ganz be- stimmten Gesetzen bey der Refraction auf die Farben wirken, haben wir in dem Entwurf umstaͤndlich gezeigt. 365. Und deswegen entstehen die Unterschiede dieser Farben von einander nicht von den Graͤnzen des Schattens, wodurch das Licht verschiedentlich modificirt wuͤrde, wie es bisher die Meynung der Philosophen gewesen. 366. Da seine Praͤmissen falsch sind, seine ganze Dar- stellung unwahr, so ist seine Conclusion auch nichtig; und wir hoffen die Ehre der alten Philosophen wieder herzustellen, die bis auf Newton die Phaͤnomene in wahrer Richtung verfolgt, wenn auch gleich manchmal auf Seitenwege abgelenkt hatten. Der Schluß seiner Darstellung laͤßt uns noch etwas tiefer in die Charte sehen. 367. Wenn man diese Dinge versucht, so muß man bemerken, daß je schmaͤler die Oeffnungen F und H sind, je groͤßer die Intervalle zwischen ihnen und dem Prisma, je dunkler das Zimmer, um desto mehr werde das Experiment gelingen, vor- ausgesetzt, daß das Licht nicht so sehr vermindert sey, daß man die Farben bey p t nicht noch genugsam sehen koͤnne. 368. Daß also wegen der Entfernung vom Fenster, we- gen der Entfernung der Tafeln vom Prisma, die Lich- ter sehr schwach sind mit denen man operire, gesteht er Die Oeffnungen sollen kaum Ritzen seyn, so daß das Far- benbild auch nicht einmal einige Breite habe, und man soll denn doch genau beobachten koͤnnen, welche Farbe denn eigentlich die Graͤnze macht. Eigentlich aber ist es nur drauf angelegt, das Ganze den Sinnen zu entziehen, blasse Farben hervorzubringen, um innerhalb derselben mit dem Staͤbchen r desto besser operiren zu koͤnnen. Denn wer den Versuch, wie wir ihn nachher vortra- gen werden, beym energischen Lichte macht, der wird das Unwahre der Assertion auffallend genug finden. 369. Ein Prisma von massivem Glas, das groß genug zu die- sem Experiment waͤre, zu finden, wuͤrde schwer seyn, weswe- gen ein prismatisches Gefaͤß, von polirten Glasplatten zusam- mengefuͤgt und mit Salzwasser oder Oel gefuͤllt, noͤthig ist. 370. Wie wir Newton schon oben den Vorwurf ge- macht, daß er die Beschreibung seines Apparats bey jedem Experiment wiederholt, ohne daß man das Ver- haͤltniß der Experimente die mit gleichem Apparat her- vorgebracht werden, gewahr wird; so laͤßt sich auch hier bemerken, daß Newton immer sein Wasserprisma bringt, wenn er die weiße Mitte braucht und also ein großes Bild durch Refraction verruͤcken muß. 371. Merkwuͤrdig ist es, wie er erstlich diese weiße Mitte durch eine Hinterthuͤre hereinschiebt und sie nach und nach so uͤberhand nehmen laͤßt, daß von den sie begraͤnzenden Raͤndern gar die Rede nicht mehr ist; und das alles geht vor den Augen der gelehrten und experimentirenden Welt vor, die doch sonst genau und widersprechend genug ist! Zweyter Versuch . 372. Da dieser Versuch gleichfalls unter die zusammen- gesetzten gehoͤrt, wobey Prismen und Linsen vereinigt gebraucht werden; so koͤnnen wir denselben nur erst in unserm mehr erwaͤhnten supplementaren Aufsatz ent- wickeln. Auch duͤrfen wir ihn um so eher hier uͤber- gehen, als Newton einen voͤllig gleichgeltenden nach- bringt, der, wie er selbst gesteht, bequemer ist und genau betrachtet, den gegenwaͤrtigen voͤllig unnoͤthig macht. Dritter Versuch . Siehe Fig. 2. Taf. XIV. 373. Ein anderes aͤhnliches Experiment laͤßt sich leichter anstellen, wie folgt. Laßt einen breiten Sonnenstrahl 374. Nun ist der Sonnenstrahl breit. Es heißt aber weiter nichts, als man mache die Oeffnung groß, wo- durch das Licht herein faͤllt; ja, welches bey diesem Versuch ganz einerley ist, man stelle das Prisma ins freye Sonnenlicht. Hier aber soll es 375. in eine dunkle Kammer fallen durch eine Oeffnung im Fensterladen, und durch ein großes Prisma A B C gebrochen werden, 376. Unser gewoͤhnliches Wasserprisma ist zu diesem Versuche sehr geschickt. 377. dessen brechender Winkel C mehr als sechzig Grade hat, 378. Diese Vermehrung der Grade des Winkels ist, bey diesem Versuch besonders, ganz unnuͤtz, nur eine Be- dingung die einen sehr leichten Versuch erschwert, in- dem sie einen umstaͤndlicheren Apparat fordert als er sich gewoͤhlich findet. 379. und sobald es aus dem Prisma kommt, laßt es auf das weiße Papier D E , das auf eine Pappe gezogen ist, fallen, und dieses Licht, wenn das Papier perpendicular gegen dasselbe steht, wie es in D E gezeichnet ist, wird vollkommen weiß auf dem Papier erscheinen. 380. Hier haben wir nun also endlich ein durchs Pris- ma gegangnes, gebrochnes und voͤllig weißes Licht. Wir muͤssen hier abermals, und waͤre es unsern Lesern verdruͤßlich, aufmerksam machen, wie es herein ge- kommen. 381. Erstlich, im dritten Experiment des ersten Theils wird uns ein voͤllig farbiges Spectrum vorgefuͤhrt, und an demselben durch mancherley Versuche und Folgerungen die diverse Refrangibilitaͤt bewiesen. Ist der Verfasser damit zu Stande, so kommt am Ende der Illustration des fuͤnften Experiments ein zwar refrangirtes aber doch noch weißes Licht unangemeldet zum Vorschein. Nun bringt er auch bald das sonst staͤtig gefaͤrbte Vild mit einer weißen Mitte. Dann faͤngt er an in dieser weißen Mitte zu operiren, manchal sogar ohne es zu gestehen; und jetzt, weil er die Wirkung der Graͤnze zwischen Licht und Schatten nicht anerkennt, laͤugnet er auf der Tafel D E jede farbige Erscheinung. Warum sind denn aber die an den beyden Enden A C der in- nern Seite des Prisma’s hervortretenden farbigen Raͤn- der verschwiegen? Warum ist denn die Tafel D E nicht groͤßer angegeben? Doch wohl nur darum, weil er sonst, wenn sie groͤßer waͤre, nothwendig jener auf ihr erscheinenden Raͤnder gedenken muͤßte. 382. Man betrachte nun die Figur und sehe wie ein Linienstrom auf das Prisma herankommt, durch dasselbe durchgeht, und hinter demselben wieder heraustritt, und dieser Linienstrom soll einen durchaus weißen Raum vorstellen. Indessen werden uns durch diese fingirten Linien die hypothetischen Strahlen doch wie- der vor die Augen gebracht. Nun bemerke man aber wohl, was mit der Tafel D E vorgeht. Sie wird in die Stellung d e gebracht und was geschieht in e? Das gebrochene Licht gelangt weiß an den Rand der Tafel, und beginnt an diesem Rande sogleich die eine Seite der Farben hervorzubringen, und zwar in dieser Lage die gelbe und gelbrothe. Dieser hier entstehende Rand und Saum verbreitet sich uͤber die ganze Tafel wegen der schiefen Lage derselben; und also da, wo Newton einen Rand, eine Graͤnze laͤugnet, muß er gerade einen Rand hervorbringen, um das Phaͤnomen wovon er spricht darzustellen. In der Lage δ ε entsteht die umgekehrte Erscheinung, naͤmlich der violette Rand, und verbreitet sich gleichfalls uͤber die ganze Tafel, wie man sich dessen genugsam an unsrer wahrheitge- maͤßen Figur unterrichten kann. Da also Newton nicht einsehen konnte, daß hier der Rand der Tafel vollkommen wirksam sey, so bleibt er bey seiner starren Ueberzeugung, indem er fortfaͤhrt: 383. Und wenn das Licht, ehe es auf das Papier faͤllt, zwey- mal in derselben Richtung durch zwey parallele Prismen ge- brochen wird, so werden diese Farben viel deutlicher seyn. 384. Also ein Licht kann zweymal durch zwey hinter- einanderstehende Prismen gebrochen werden, und immer weiß bleiben und so auf der Tafel D E ankommen? Dieß merke man doch ja! Daß aber nachher, wenn man in diesem doppelt gebrochnen weißen Lichte operirt, die Farben lebhafter erscheinen, ist natuͤrlich, weil die Ver- ruͤckung des Bildes verdoppelt wird. Aber diese Vor- richtung, die keinesweges leicht zu machen ist, weil man nach seiner Forderung zwey Wasserprismen und beyde am Ende gar uͤber sechzig Grade haben sollte, diese Steigerung des Versuchs hier anzuempfehlen, ist abermals gaͤnzlich unnuͤtz: denn bey der Operation mit Einem Prisma sind die Farben schon deutlich genug, und wer da nicht sieht wo sie herkommen, der wird es durch das zweyte Prisma auch nicht lernen. In- dessen faͤhrt Newton fort: 385. Hier geschah es nun, daß alle die mittlern Theile des breiten Strahls vom weißen Lichte, das auf das Papier fiel, ohne eine Graͤnze von Schatten, die es haͤtte modificiren koͤn- nen, uͤber und uͤber mit einer gleichen Farbe gefaͤrbt wurden. 386. Wir haben oben gezeigt, daß der Rand der Pappe hier selbst die Graͤnze mache und seinen gefaͤrbten Halb- schatten uͤber das Papier hinwerfe. 387. Die Farbe aber war ganz dieselbe in der Mitte des Pa- piers wie an den Enden. 388. Keineswegs! denn der genaue Beobachter wird recht gut Einmal an der Graͤnze das Gelbrothe, aus dem das Gelbe sich entwickelt, das andremal das Blaue, von dem das Violette herstralt, bemerken koͤnnen. 389. Die Farbe wechselte nur nach der verschiedenen Schiefe der Tafel, ohne daß in der Refraction oder dem Schatten oder dem Licht etwas waͤre veraͤndert worden. 390. Er biegt seine Pappe hin und wieder und behaup- tet, es sey in den Umstaͤnden nichts veraͤndert worden. Dasselbe behauptete er mit eben so wenig Genauigkeit beym vorigen Experimente. Da er nun immer die Hauptmomente uͤbersieht und sich um seine Praͤmissen nichts bekuͤmmert, so ist sein ergo immer dasselbige. 391. Es faͤllt uns bey dieser Gelegenheit ein, daß Basedow, der ein starker Trinker war, und in seinen besten Jahren in guter Gesellschaft einen sehr erfreuli- chen Humor zeigte, stets zu behaupten pflegte: die Conclusion ergo bibamus passe zu allen Praͤmissen. Es ist schoͤn Wetter, ergo bibamus! Es ist ein haͤßli- cher Tag, ergo bibamus ! Wir sind unter Freunden, ergo bibamus! Es sind fatale Bursche in der Gesell- schaft, ergo bibamus! So setzt auch Newton sein ergo zu den verschiedensten Praͤmissen. Das gebrochne Lichtbild ist ganz und staͤtig gefaͤrbt; also ist das Licht divers refrangibel. Es hat eine weiße Mitte; und doch ist es divers refrangibel. Es ist einmal ganz weiß; und doch ist es divers refrangibel. Und so schließt er auch hier, nachdem er in diesen drey Experimenten dop- pelt und dreyfach Raͤnder und Graͤnzen des Lichts und Schattens gebraucht: 392. Deswegen muß man diese Farben aus einer andern Ursache herleiten, als von neuen Modificationen des Lichtes durch Refraction und Schatten. 393. Diese Art Logik hat er seiner Schule uͤberliefert und bis auf den heutigen Tag wiederholen sie ihr ewi- ges ergo bibamus , das eben so laͤcherlich und noch viel laͤstiger ist als das Basedowische manchmal wer- den konnte, wenn er denselben Spaß unaufhoͤrlich wie- derbrachte. 394. Daß der Verfasser nunmehr bereit seyn werde, die Ursache nach seiner Weise anzugeben, versteht sich von selbst. Denn er faͤhrt fort: 395. Fragt man nun aber nach ihrer Ursache, so antworte ich: das Papier in der Stellung d e ist schiefer gegen die mehr re- frangiblen Strahlen als gegen die weniger refrangiblen gerich- tet, und wird daher staͤrker durch die letzten als durch die ersten erleuchtet, und deswegen sind die weniger refrangiblen Strahlen in dem von der Tafel zuruͤckgeworfnen Lichte vor- herrschend. 396. Man bemerke, welche sonderbare Wendung er neh- men muß, um sein Phaͤnomen zu erklaͤren. Erst hatte er ein gebrochnes und doch voͤllig weißes Licht. In dem- selben sind keine Farben sichtbar, wenn die Tafel gerade steht; diese Farben aber kommen gleich zum Vorschein, sobald die Tafel eine schiefe Richtung erhaͤlt. Weil er von den Raͤndern und Saͤumen nichts wissen will, die nur einseitig wirken, so supponirt er, daß bey schieferer Lage der Tafel wirklich das ganze Spectrum entstehe, aber nur das eine Ende davon sichtbar werde. Warum wird denn aber das ans Gelbe stoßende Gruͤn niemals sichtbar? Warum kann man das Gelbe uͤber die wei- ße Tafel hin und her fuͤhren, so daß es immer im Weißen endigt? wobey niemals ein Gruͤn zum Vor- schein kommt, und dieses ganz naturgemaͤß, weil hier der gelbe und gelbrothe Rand nur einseitig wirkt, und ihm der andere nicht entgegen kommen kann. Im zwey- ten Falle aͤußert der Rand wieder seine einseitige Wir- kung; Blau und Violett entstehen, ohne daß Gelb und Gelbroth entspringen und entgegenstrahlen koͤnnen. 397. Um recht deutlich zu machen, daß diese Farben hier bloß von dem Rande entstehen, so haben wir zu diesem Versuch eine Tafel mit Erhoͤhungen, mit Stif- ten, mit Kugelsegmenten angegeben, damit man sich sogleich uͤberzeugen koͤnne, daß nur eine schattenwer- fende Graͤnze innerhalb des gebrochenen aber noch wei- ßen Lichtes, Farben hervorzubringen im Stande sey. 398. Und wo diese weniger refrangiblen Strahlen im Lichte praͤdominiren, so faͤrben sie es mit Roth oder Gelb, wie es einigermaßen aus der ersten Proposition des ersten Theils die- ses Buchs erscheint, 399. Dieses Newtonische einigermaßen heißt auch hier in der Hetmannischen Manier, gar nicht . Denn aus der Proposition kann nichts erscheinen oder hervortreten, als insofern sie bewiesen ist: nun haben wir umstaͤndlich gezeigt, daß sie nicht bewiesen ist, und sie laͤßt sich also zu keiner Bestaͤtigung anfuͤhren. 400. und wie kuͤnftig noch ausfuͤhrlicher erscheinen wird. 401. Mit dem Kuͤnftigen hoffen wir sowohl als mit dem Vergangenen fertig zu werden. Vierter Versuch . 402. Hier fuͤhrt Newton den Fall mit Seifenblasen an, welche ihre Farbe veraͤndern, ohne daß man sagen koͤnne, es trete dabey eine Veraͤnderung der Graͤnze des Lichts und Schattens ein. Diese Instanz paßt I. 35 hier gar nicht. Die Erscheinungen an den Seifenbla- sen gehoͤren in ein ganz andres Fach, wie in unserem Entwurfe genugsam auseinander gesetzt ist. 403. Wenn man zwar im Ganzen behauptet, daß zur Entstehung der Farbe ein Licht und Schatten, ein Licht und Nichtlicht noͤthig sey; so kann doch diese Be- dingung auf gar vielerley Weise eintreten. Beym Refractionsfall spricht sich aber jene allgemeine Be- dingung als eine besondre, als Verruͤckung der Graͤnze zwischen Licht und Schatten aus. 404. Zu diesen Versuchen kann man noch das zehnte Experi- ment des ersten Theils dieses Buchs hinzufuͤgen. 405. Wir koͤnnen das was hier gesagt ist, uͤbergehen, weil wir bey Auslegung jenes Versuches schon auf die gegenwaͤrtige Stelle Ruͤcksicht genommen. Zweyte Proposition. Zweytes Theorem . Alles homogene Licht hat seine eigene Farbe, die seinem Grade der Refrangibilitaͤt entspricht, und diese Farbe kann weder durch Reflexionen noch Refractionen veraͤndert werden. 406. Bey den Versuchen zu der vierten Proposition des ersten Theils dieses ersten Buchs, als ich die heterogenen Strahlen von einander geschieden hatte, 407. Wie reinlich diese Scheidung geschehen, ist unsern Freunden schon oben klar geworden, und Newton wird sogleich wieder selbst bekennen, wie es denn eigentlich mit dieser Absonderung aussehe. 408. erschien das Spectrum p t, welches durch die geschiede- nen Strahlen hervorgebracht war, im Fortschritt 409. Hier ist also ein Fortschritt! Doch wohl ein staͤtiger? 410. von dem Ende p, wohin die refrangibelsten Strahlen 35 * fielen, bis zu dem andern Ende t, wohin die wenigst refran- giblen Strahlen anlangten, gefaͤrbt mit den Reihen von Farben, 411. Man bemerke wohl: Reihen. 412. Violett, Dunkel- und Hellblau, Gruͤn, Gelb, Orange und Roth zugleich, 413. Man merke wohl: zugleich. 414. mit allen ihren Zwischenstufen 415. Die Reihen standen also nicht von einander ab, sondern sie hatten Stufen zwischen sich. Nun bemerke man was folgt. 416. in einer bestaͤndigen Folge, die immer abwechselte, 417. Also oben hatten wir separirte Farben, und hier haben wir eine bestaͤndige Folge derselben; und mit wie leisem Schritt, man moͤchte auch wohl sagen, in welcher staͤtigen Folge wird hier Luͤge mit Wahrheit verbunden: Luͤge, daß die Farben in jenem Experi- ment separirt worden, Wahrheit, daß sie in einer staͤti- gen Folge erscheinen. 418. dergestalt daß sie als eben so viele Stufen von Farben erschienen, als es Arten von Strahlen giebt, die an Refran- gibilitaͤt verschieden sind. 419. Hier sind es nun wieder Stufen. In einer nach Newtons Weise dargestellten staͤtigen Reihe giebt es keine natuͤrlichen Stufen, wohl aber kuͤnstliche; wie je- doch seinem kuͤnstlichen Stufenwesen die Natur, die er laͤugnet, heimlich zu Huͤlfe kommt, wissen theils unsre Leser schon, theils muͤssen wir spaͤter nochmals darauf zuruͤckkommen. Fuͤnfter Versuch . 420. Diese Farben also konnten durch Refraction nicht weiter veraͤndert werden. Ich erkannte das, als ich durch ein Prisma einen kleinen Theil bald dieses bald jenes Lichtes wieder der Brechung unterwarf: denn durch eine solche Bre- chung ward die Farbe des Lichtes niemals im mindesten veraͤndert. 421. Wie es sich damit verhaͤlt, haben wir schon oben gezeigt, und man gebe nur Acht, wohin diese absoluten Assertionen, niemals, im mindesten , sogleich hin- auslaufen werden. 422. Wir anticipiren hier eine Bemerkung die eigent- lich in die Geschichte der Farbenlehre gehoͤrt. Hauy in seinem Handbuch der Physik wiederholt obige Be- hauptung mit Newtons entschiedenen Worten; allein der deutsche Uebersetzer ist genoͤthigt in einer Note an- zufuͤgen: „Ich werde unten Gelegenheit nehmen zu sagen, von welchen Lichtarten des Farbenspectrums, meinen eigenen Versuchen zufolge, dieß eigentlich gilt und von welchen nicht.“ Dasjenige also, von dessen absoluter Behauptung ganz allein die Haltbarkeit der Newtonischen Lehre abhinge, gilt und gilt nicht. Hauy spricht die Newtonische Lehre unbedingt aus, und so wird sie im Lyceen-Unterricht jedem jungen Franzosen unbedingt in den Kopf gepraͤgt; der Deutsche muß mit Bedingungen hervortreten, und doch ist jene durch Bedingungen sogleich zerstoͤrte Lehre noch immer die guͤltige: sie wird gedruckt, uͤbersetzt und das Publicum muß diese Maͤhrchen zum tausendstenmal bezahlen. Aber in solchen Bedingungen ist Newton seinen Schuͤlern schon musterhaft vorgegangen, wie wir gleich wieder hoͤren werden. 423. Ward ein Theil des rothen Lichtes gebrochen, so blieb es voͤllig von derselben rothen Farbe wie vorher. 424. Er faͤngt mit seinem guͤnstigen Roth wieder an, damit ja jeder Experimentator auch wieder mit dem- selben anfange, und, wenn er sich genug damit herum- gequaͤlt, die uͤbrigen Farben entweder fahren lasse oder die Erscheinungen wenigstens mit Vorurtheil betrachte. Deswegen faͤhrt auch der Verfasser mit so bestimmter Sicherheit fort: 425. Weder Orange noch Gelb, weder Gruͤn noch Blau, noch irgend eine neue Farbe ward durch diese Brechung hervorge- bracht, auch ward die Farbe durch wiederholte Refractionen keineswegs veraͤndert, sondern blieb immer das voͤllige Roth wie zuerst. 426. Wie es sich damit verhalte, ist oben umstaͤndlich ausgefuhrt. 427. Die gleiche Bestaͤndigkeit und Unveraͤnderlichkeit fand ich ebenfalls in blauen, gruͤnen und andern Farben. 428. Wenn der Verfasser ein gut Gewissen hat, warum erwaͤhnt er denn der Farben hier außer der Ordnung? Warum erwaͤhnt er das Gelbe nicht, an welchem die entgegengesetzten Raͤnder so deutlich erscheinen? Warum erwaͤhnt er des Gruͤnen zuletzt, an dem sie doch auch nicht zu verkennen sind? 429. Eben so, wenn ich durch ein Prisma auf einen Koͤrper sah, der von einem Theil dieses homogenen Lichtes erleuchtet war, wie im vierzehnten Experiment des ersten Theils dieses Buchs beschrieben ist; so konnte ich keine neue Frabe, die auf diesem Weg erzeugt worden waͤre, gewahr werden. 430. Wie es sich damit verhalte, haben wir auch dort schon gewiesen. 431. Alle Koͤrper die mit zusammengesetztem Lichte erleuchtet sind, erscheinen durch Prismen verworren, wie schon oben gesagt ist, und mit verschiedenen neuen Farben gefaͤrbt; aber die, welche mit homogenem Lichte erleuchtet sind, schienen durch die Prismen weder undeutlicher noch anders gefaͤrbt als wenn man sie mit bloßen Augen sah. 432. Die Augen muͤssen aͤußerst schlecht, oder der Sinn muß ganz von Vorurtheil umnebelt seyn, wenn man so sehen, so reden will. 433. Die Farben dieser Koͤrper waren nicht im mindesten ver- aͤndert durch die Refraction des angewendeten Prisma’s. 434. Man halte dieses absolute nicht im mindesten nur einen Augenblick fest und hoͤre. 435. Ich spreche hier von einer merklichen ( seusibel ) Veraͤnde- rung der Farbe: 436. Merklich muß doch freylich etwas seyn, wenn man es bemerken soll. 437. denn das Licht, das ich homogen nenne, 438. Hier haben wir den Cosaken Hetmann wieder. 439. ist nicht absolut homogen, und es koͤnnte denn doch von seiner Heterogenitaͤt eine kleine Veraͤnderung der Farbe entspringen. Ist aber jene Heterogenitaͤt so klein, als sie bey jenen Experimenten zur vierten Proposition gemacht worden; so war diese Veraͤnderung nicht merklich. 440. Man gehe zu dem zuruͤck was wir bey jenen Ex- perimenten gesagt haben, wobey auch auf gegenwaͤrtige Stelle Ruͤcksicht genommen worden, und man wird sich uͤberzeugen, daß die sogenannte Newtonische Hete- rogenitaͤt gar nicht vermindert werden kann, und daß alles nur Spiegelfechtereyen sind was er zu seinen so- phistischen Zwecken vornimmt. Eben so schlecht ist es mit der Homogenitaͤt bestellt. Genug, alles was er erst in seinen Propositionen absolut ausspricht, bedingt er nachher und fluͤchtet sich entweder ins Unend- liche oder ins Indiscernible; wie er denn gegenwaͤrtig auch thut, indem er schließt: 441. Deswegen bey Experimenten, wo die Sinne Richter sind, 442. Auch ein eigner Ausdruck. Die Sinne sind kei- nesweges Richter, aber vortreffliche Zeugen, wenn sie außen gesund sind und von innen nicht bestochen. 443. jene allenfalls uͤbrige Heterogenitaͤt fuͤr gar nichts gerech- net werden darf. 444. Hier beißt sich die Schlange wieder in den Schwanz, und wir erleben zum hundertstenmal immer eben dieselbe Verfahrungsart. Erst sind die Farben voͤllig unveraͤnderlich, dann wird eine gewisse Veraͤn- derung doch merklich, dieses Merkliche wird so lange gequaͤlt bis es sich vermindert und wieder vermindert, aber doch den Sinnen nicht entzogen werden kann, und doch zuletzt fuͤr ganz und gar nichts erklaͤrt. Ich moͤchte wohl wissen, wie es mit der Physik anssaͤhe, wenn man durch alle Capitel so verfahren waͤre. Sechster Versuch . 445. Wie nun diese Farben durch Refraction nicht zu veraͤndern sind, so sind sie es auch nicht durch Reflexion. Denn alle wei- ße, graue, rothe, gelbe, gruͤne, blaue, violette Koͤrper, als Papier, Asche, Mennige, Auripigment, Indig, Bergblau, Gold, Silber, Kupfer, Gras, blaue Blumen, Veilchen, Was- serblasen mit verschiedenen Farben gefaͤrbt, Papageyen-Federn, die Tinetur der nephritischen Holzes u. dgl. erschienen im ro- then homogenen Lichte voͤllig roth, im blauen Licht voͤllig blau, im gruͤnen Licht voͤllig gruͤn, und so in den andern Farben. 446. Wenn wir nicht von Newton gewohnt waͤren, daß dasjenige was er angiebt, der Erfahrung geradezu widerspricht; so wuͤrde es unbegreiflich seyn, wie er hier etwas voͤllig Unwahres behaupten kann. Der Ver- such ist so einfach und laͤßt sich so leicht anstellen, daß die Falschheit dieser Angabe einem jeden leicht vor die Augen gebracht werden kann. Eigentlich gehoͤrt dieser Versuch in das Capitel der scheinbaren Mischung, wo wir ihn auch (E. 565. 566.) angefuͤhrt haben. 447. Warum nimmt denn aber Newton zu seinem Zwecke farbige Pulver, Blumen, kleine Koͤrper, die sich nicht gut handhaben lassen? da doch der Versuch sich sehr viel bequemer, und demjenigen dem es ums Rechte zu thun ist, sehr viel deutlicher auf groͤßern farbigen Flaͤchen, z. B. auf farbigem Papier, am deutlichsten zeigt. 448. Es versteht sich zuerst, daß die weiße Flaͤche die saͤmmtlichen Farben des Bildes am reinsten und maͤch- tigsten zeigen wird. Das Graue zeigt sie zwar auch rein, aber nicht so maͤchtig, und dieß immer weniger je mehr sich das Graue dem Schwarzen naͤhert. Nimmt man aber farbige Flaͤchen, so entsteht die scheinbare Mischung, und die Farben des Spectrums erscheinen entweder, in sofern sie mit der Farbe des Papiers uͤbereinkommen, maͤchtiger und schoͤner, oder, in sofern sie der Farbe des Papiers widersprechen, un- scheinbarer und undeutlicher; in sofern sie aber sich mit der Farbe des Papiers vermischen und eine dritte her- vorbringen koͤnnen, wird diese dritte Farve wirklich hervorgebracht. Dieses ist das wahre und naturgemaͤße Verhaͤltniß, von welchem sich Jedermann uͤberzeugen kann, der nur ein Prisma in die Sonne stellen und das Spectrum mit weißem, grauem oder farbigem Pa- pier der Reihe nach auffangen will. 449. Man bemerke nun, daß in dem naͤchstfolgenden der Verfasser auf seine alte Manier das erst ausge- sprochene wieder bedingt. 450. In dem homogenen Lichte einer jeden Farbe erschienen alle koͤrperlichen Farben voͤllig von jener einen Farbe, mit dem einzigen Unterschied, daß einige derselben das Licht staͤr- ker, andre schwaͤcher zuruͤckwarfen. 451. Mit stark und schwach laͤßt sich die Erscheinung nur bey Weiß und Grau und Schwarz ausdruͤcken; bey allen farbigen Flaͤchen aber muß, wie gesagt, auf die Mischung gesehen werden, da sich denn das ereignet was wir eben angezeigt haben. 452. Und doch fand ich niemals einen Koͤrper, der wenn er das homogene Licht zuruͤckwarf, merklich dessen Farbe veraͤn- dern konnte. 453. Hier haben wir das Wort merklich schon wieder, und doch ist es wohl sehr merklich, wenn das gelbrothe Ende des Spectrums auf ein blaues oder violettes Papier geworfen wird, da denn sogleich mehr oder weniger die Purpurfarbe entsteht: und so mit allen uͤbrigen Mischungen, wie sie uns bekannt sind. Doch ha- ben wir noch zu bemerken, daß die Art wie Newton den Versuch mit Koͤrpern oder koͤrperlichen Gegenstaͤnden, mit Pulvern u. dgl. anstellt, etwas captioses im Hinterhalte hat; weil alsdann nicht von einer reinen Flaͤche, sondern aus Hoͤhen und Tiefen, aus erleuchteten und beschatte- ten Stellen, das Licht zuruͤck ins Auge kommt und der Versuch unsicher und unrein wird. Wir bestehen daher darauf, daß man ihn mit schoͤnen farbigen, glatt auf Pappe gezogenen Papieren anstelle. Will man Taffent, Atlaß, seines Tuch zu dem Versuche nehmen, so wird er mehr oder weniger schoͤn und deutlich aus- fallen. Daß nunmehr Newton abermals mit seinem ergo bibamus schließen werde, laͤßt sich erwarten: denn er setzt sehr glorios hinzu: 454. Woraus denn klar ist, daß wenn das Sonnenlicht nur aus Einer Art Strahlen bestuͤnde, nur Eine Farbe in der gan- zen Welt seyn wuͤrde. Auch wird es nicht moͤglich seyn irgend eine neue Farbe durch Reflexionen und Refractionen hervorzu- bringen, und folglich haͤngt die Verschiedenheit der Farben von der Zusammensetzung des Lichtes ab. 455. Unsre Leser welche einsehen, wie es mit den Praͤ- missen steht, werden die Schlußfolge von selbst wuͤr- digen koͤnnen. Definition . 456. Das homogene Licht, die homogenen Strahlen, welche roth erscheinen oder vielmehr die Gegenstaͤnde so erscheinen machen, nenne ich rubrifik oder rothmachend, diejenigen durch welche die Gegenstaͤnde gelb, gruͤn, blau, violett erscheinen, nenne ich gelbmachend, gruͤnmachend, blaumachend, violett- machend und so mit den uͤbrigen. Denn, wenn ich manchmal von Licht und Strahlen rede, als wenn sie gefaͤrbt oder von Farben durchdrungen waͤren, so will ich dieses nicht philoso- phisch und eigentlich gesagt haben; sondern auf gemeine Weise, nach solchen Begriffen wie das gemeine Volk, wenn es diese Experimente saͤhe, sie sich vorstellen koͤnnte. Denn, eigentlich zu reden, sind die Strahlen nicht farbig, es ist nichts darin als eine gewisse Kraft und Disposition das Gefuͤhl dieser oder jener Farbe zu erregen: denn wie der Klang einer Glocke, ei- ner Musiksaite, eines andern klingenden Koͤrpes nichts als eine zitternde Bewegung ist, und in der Luft nichts als diese Bewegung, die von dem Object fortgepflanzt wird, und im Sensorium das Gefuͤhl dieser Bewegung, unter der Form des Klanges; eben so sind die Farben der Gegenstaͤnde nur eine Disposition diese oder jene Art Strahlen haͤufiger als die uͤbrigen zuruͤckzuwerfen, in den Strahlen aber ist nichts als ihre Dispositionen diese oder jene Bewegung bis zum Senso- rium fortzupflanzen, und im Sensorium sind es Empfindun- gen dieser Bewegungen, unter der Form von Farben. 457. Wie unter der Rubrik einer Definition diese wun- derliche theoretische Stelle hier eingeschaltet wird, eini- germaßen begreiflich zu machen, ist hier vor allen Dingen unsre Pflicht, weil wir allein dadurch zu einer bessern Einsicht in die Stelle selbst gelangen koͤnnen. Die Geschichte der Farbenlehre benachrichtigt uns, daß sogleich als Newton mit seiner Erklaͤrung des prismatischen Phaͤnomens hervortrat, die Naturforscher der damaligen Zeit, wohlbemerkend, daß nach dieser Art sich die Sache zu denken, die Farben koͤrperlich in dem Lichte enthalten seyn muͤßten, ihm die damals sehr in Gunst stehende Theorie der Schwingungen ent- gegen setzten und behaupteten, daß die Farben bequemer und besser auf diesem Wege erklaͤrt oder gedacht werden koͤnnten. Newton erwiederte, daß es ganz gleichguͤltig sey, was man fuͤr eine hoͤhere Theorie zu Erklaͤrung dieser Phaͤnomene anwenden wolle; ihm sey es nur um die Thatsache zu thun, daß diese farbebringenden Eigenschaften des Lichtes durch Refraction manifestirt wuͤrden, und sich eben auch so durch Reflexion, In- flexion u. s. w. manifestirten. Diese Schwingungslehre, diese Vergleichung der Farbe mit dem Ton, ward durch Malebranche abermals beguͤnstigt und man war also auch in Frankreich geneigt dazu. Gegenwaͤrtige Defi- nition oder Declaration steht also hier, um jene theore- tische Differenz aufzuheben und zu neutralisiren, das Atomistische der Newtonischen Vorstellungsart mit der dynamischen seiner Gegner zu amalgamiren, dergestalt daß es wirklich aussehe, als sey zwischen beyden Lehren kein Unterschied. Der Leser commentire sich die Stelle selbst und bemerke das Zusammenkneten dynamischer und atomistischer Ausdruͤcke. 458. In dieser unserer Erlaͤuterung liegt die Antwort fuͤr diejenigen welche die Frage aufwerfen, wie sich die Newtonische Farbenlehre noch habe allgemein erhalten koͤnnen, da spaͤterhin Euler die Schwingungslehre wie- der angeregt und in Gunst gebracht. Man ließ sich naͤmlich gefallen, daß die verschiedenen Schwingungs- moͤglichkeiten, die im Lichte sich heimlich befinden, durch Refraction und andere aͤußere Bestimmungen zur Er- scheinung gebracht wuͤrden; wodurch man denn auch nicht weiter kam, wie Newton selbst bey Gelegenheit seiner Controvers und in der oben angefuͤhrten Stelle anmerkt und behauptet. 459. Dieser Verhaͤltnisse aber hier zu erwaͤhnen, hat I. 36 Newton noch einen besondern Anlaß. Er bereitet sich vor, das Verhaͤltniß der Farben seines Spectrums zu messen, und diese Verhaͤltnisse mit denen des Tons zu vergleichen; wobey ihm denn jene Schwingungslehre zur Einleitung dient. Dritte Proposition. Erstes Problem . Die Refrangibilitaͤt der verschiedenen Arten des homogenen Lichts, wie sie den verschiedenen Arten Farben entspricht, zu bestimmen. Siebenter Versuch . 460. Der Verfasser, welcher wohl gefuͤhlt haben mag, daß seine Farbenlehre sich im physikalischen Kreise voͤl- lig isolire, daß seine Erklaͤrung der Phaͤnomene mit der Erklaͤrung andrer Naturerscheinungen sich nicht wohl verbinden lasse, geht nun darauf aus, die Maßverhaͤlt- nisse seines Spectrums an die Tonverhaͤltnisse anzuschlie- ßen und durch diese Verbindung seiner Meynung eini- gen Ruͤckenhalt zu verschaffen.. 461. Ganz vergeblicherweise knuͤpft er daher gegenwaͤrti- gen Versuch an den fuͤnften des ersten Theils und an dasjenige was bey Gelegenheit der vierten Proposition gesagt worden: denn eigentlich nimmt er sein gewoͤhn- lich Spectrum, laͤßt es aufs Papier fallen, auf wel- chem der Umriß gezeichnet ist, und zieht alsdann an der Graͤnze jeder Farbe Querlinien, um den Raum den eine jede einnimmt, und die Verhaͤltnisse der Distanzen von einander zu messen. 462. Nachdem er also im Vorhergehenden viele Zeit und Papier verdorben, um gegen die Natur zu bewei- sen, daß das Spectrum aus unendlichen in einander greifenden Farben-Cirkeln bestehe; so lassen sich nun auf einmal Querlinien ziehen durch die Graͤnzen, wo eine die andere beruͤhrt, eine von der andern zu un- terscheiden ist. 463. Wie nun bey dem Verfasser Wahrheit und Irr- thum innig mit einander verbunden sind, weswegen sein Amalgama sich um so schwerer beurtheilen laͤßt; so tritt auch hier das Wahre, daß die Farben im perpendi- cularen Spectrum sich ziemlich mit horizontalen Stri- chen bezeichnen lassen, zum erstenmal auf; allein der Irrthum, daß diese Farben unter sich ein feststehendes Maßverhaͤltniß haben, wird zugleich mit eingefuͤhrt 36 * und gewinnt durch Messungen und Berechnungen ein ernsthaftes und sichres Ansehen. 464. Wie es sich mit diesen beyden Puncten verhalte, ist unsern Lesern schon genugsam bekannt. Wollen sie sichs kuͤrzlich wiederholen, so duͤrfen sie nur nochmals unsre fuͤnfte Tafel vor sich nehmen. Wir haben auf derselben das verruͤckte helle Bild viereckt angenommen, wobey man am deutlichsten sehen kann, wie es sich mit der Sache verhaͤlt. Die Farben der gezeichneten Durch- schnitte erscheinen zwischen horizontalen parallelen Linien. Erst sind sie durch das Weiße getrennt, dann tritt das Gelbe und Blaue uͤber einander, so daß ein Gruͤnes erscheint. Dieses nimmt endlich uͤberhand, denn das Gelbe und Blaue verliert sich in demselben. Man sieht deutlich, indem man diese Tafel betrachtet, daß jeder Durchschnitt, den man durch die fortschreitende Erschei- nung macht, anders ausfaͤllt, und daß nur derjenige, uͤber den ein punctirtes Oval gezeichnet ist, mit dem Newtonischen Spectrum allenfalls uͤbereinkommt. Eben so verhaͤlt es sich mit dem verruͤckten dunklen Bilde auf der sechsten Tafel, wodurch die Sache vollkommen ins Klare gesetzt wird. 465. Uns scheint sie so außer allem Streit, daß wir die Messungen und die darauf gegruͤndeten Zahlen und Berechnungen ohne weiteres uͤbergehen, um somehr als man dieses Scheingebaͤude bey dem Autor selbst be- liebig nachsehen kann; behaupten aber ausdruͤcklich, daß diese hier ausgegruͤbelten Terzen, Quarten, Quinten bloß imaginaͤr seyen, und daß sich von dieser Seite keine Vergleichung der Farbe und des Tons denken lasse. Achter Versuch . 466. Wie nun in dem vorigen Versuche das durchs Glasprisma hervorgebrachte Spectrum angeblich gemes- sen und seine Verhaͤltnisse faͤlschlich berechnet worden, so geht der Verfasser auf Verbindung mehrerer Mittel uͤber, um die verschiedene Farbenerscheinung, nach dem einmal gefundenen Gesetz, zu bestimmen. 467. Zu diesem Zwecke nimmt er ein Wasserprisma mit unterwaͤrts gekehrtem brechenden Winkel, setzt in dasselbe ein Glasprisma, den brechenden Winkel oberwaͤrts ge- kehrt, und laͤßt alsdann das Sonnenlicht durchfallen. Nun versucht er so lange bis er ein Glasprisma findet, das bey geringerem Winkel als das Wasserprisma, durch staͤrkere Refraction die Refraction des Wasserpris- ma’s aufhebt, dergestalt daß die einfallenden und aus- fallenden Strahlen mit einander parallel werden; da denn auch, nach aufgehobener Brechung, die Farben- erscheinung verschwunden seyn soll. 468. Wir uͤbersetzen und bestreiten dieses Experiment nicht, indem dessen Unstatthaftigkeit von Jedermann anerkannt ist: denn daß Newton hier einen wichtigen Umstand uͤbersehen, mußte sogleich in die Augen fallen, als die Achromasie bey fortdauernder Refraction, oder umgekehrt die Chromasie bey aufgehobener Refraction, entdeckt war. 469. Indessen war es sehr verzeihlich, daß Newton hier nicht genau nachspuͤrte. Denn da er den Grund der Farbenerscheinung in die Refraction selbst legte, da er die Brechbarkeit, die verschiedene Brechbarkeit ausge- sprochen und festgesetzt hatte; so war nichts natuͤrlicher als daß er die Wirkung der Ursache gleich setzte, daß er glaubte und behauptete, ein Mittel das mehr breche, muͤsse auch die Farben staͤrker hervorbringen, und in- dem es die Brechung eines andern aufhebe, auch zu- gleich die Farbenerscheinung wegnehmen. Denn indem die Brechbarkeit aus der Brechung entspringt, so muß sie ja mit ihr gleichen Schritt halten. 470. Man hat sich verwundert, daß ein so genauer Experimentator, wofuͤr man Newton bisher gehalten, daß ein so vortrefflicher Beobachter ein solches Experi- ment anstellen und den Hauptumstand dabey uͤbersehen konnte. Aber Newton hat nicht leicht einen Versuch angestellt, als insofern er seiner Meynung guͤnstig war; wenigstens beharrt er nur auf solchen, welche seiner Hypothese schmeicheln. Und wie sollte er eine diverse Refrangibilitaͤt, die von der Refraction selbst wieder divers waͤre, auch nur ahnden? In der Geschichte der Farbenlehre werden wir die Sache weiter auseinander setzen, wenn von Dollonds Erfindung die Rede seyn wird, da wir in unserm Entwurf das Naturverhaͤltniß deutlich gemacht haben (682—687.). 471. Eigentlich war die Newtonische Lehre auf der Stelle todt, sobald die Achromasie entdeckt war. Geistreiche Maͤnner, z. B. unser Kluͤgel, empfanden es, druͤckten sich aber unentschieden daruͤber aus. Der Schule hingegen, welche sich schon lange gewoͤhnt hatte, an dieser Lehre zu leimen, zu flicken und zu verklei- stern, seh te es nicht an Wundaͤrzten welche den Leich- nam balsamirten, damit er auf aͤgyptische Weise, auch nach seinem Tode, bey physischen Gelagen praͤsidiren moͤge. 472. Man brauchte neben der verschiedenen Brechbarkeit auch noch den Ausdruck einer verschiedenen Zerstreu- barkeit, indem man das unbestimmte, schon von Gri- maldi, Rizzetti, Newton selbst und andern gebrauchte Wort Zerstreuen hier in einem ganz eigenen Sinne anwendete, und, so ungeschickt es auch war, der neu bekannt gewordenen Erscheinung anpaßte, ihm ein gro- ßes Gewicht gab, und eine Lehre durch Redensarten rettete, die eigentlich nur aus Redensarten bestand. 473. Uebergehen wir nun die bey dieser Gelegenheit vorgebrachten Messungen und Berechnungen, welche schon von der physischen und mathematischen Welt fuͤr falsch erklaͤrt worden, so uͤbersetzen und beleuchten wir doch die Schlußrede, welche den Uebergang zu neuen Kunststuͤcken macht, durch die wir nicht ins Licht, son- dern hinter das Licht gefuͤhrt werden sollen. Denn also spricht der Verfasser: 474. Nimmt man nun diese Theoreme in die Optik auf, 475. Es ist sehr wunderbar, daß er diese Empfehlung gerade an einer Stelle anbringt, welche nun schon durchaus fuͤr falsch anerkannt ist. 476. so haͤtte man Stoff genug, diese Wissenschaft weitlaͤuftig (voluminously) nach einer neuen Manier zu behandeln, nicht allein bey dem Vortrag alles dessen was zur Vollkommenheit des Sehens beytraͤgt, sondern auch indem man mathematisch alle Arten der Farbenphaͤnomene, welche durch Refraction entstehen koͤnnen, bestimmte. 477. Daß man aber eben dieses auf Newtons Weise, nach Anleitung des letzten Experiments that, dadurch ist die Verbesserung der dioptrischen Fernroͤhre, und die wahre Einsicht in die Natur der Farbe uͤberhaupt, besonders aber der Farbe in sofern sie durch Refrac- tion entsteht, auf lange Zeit unmoͤglich gemacht worden. Nun folgt ein ganz leiser Uebergang zu dem was wir uns zunaͤchst sollen gefallen lassen. 478. Denn hiezu ist nichts weiter noͤthig, als daß man die Absonderung der heterogenen Strahlen finde, 479. Welche wunderlichen Anstalten er hierzu gemacht, wie wenig er damit zu Stande gekommen, ist von uns au und weitlaͤuftig ausgefuͤhrt. Aber man merke was noch weiter noͤthig ist. 480. und ihre verschiedenen Mischungen und Proportionen in jeder Mischung. 481. Also erst soll man sie absondern und dann wieder mischen, ihre Proportion in der Absonderung, ihre Proportion in der Mischung finden. Und was hat man denn davon? Was aber der Autor darunter hat, wird sich bald zeigen, indem er uns mit den Mischun- gen in die Enge treiben will. Indessen faͤhrt er fort goldne Berge zu versprechen. 482. Auf diesem Wege zu denken und zu schließen (way of arguing) habe ich die meisten Phaͤnomene, die in diesem Buche beschrieben sind, erfunden, 483. Ja wohl hat er sie erfunden, oder sie vielmehr seinem Argutiren angepaßt. 484. und andre mehr, die weniger zu der gegenwaͤrtigen Ab- handlung gehoͤren. Und ich kann bey den Fortschritten, die ich in den Versuchen gemacht habe, wohl versprechen, daß derjenige der recht denken und folgern und alles mit guten Glaͤsern und hinreichender Vorsicht unternehmen wird, des erwarteten Erfolgs nicht ermangeln soll. 485. Der erwartete Erfolg wird nur der seyn, wie er es denn auch gewesen ist, daß eine Hypothese im- mer mehr ausgeputzt wird und die vorgefaßte Mey- nung im Sinn immer mehr erstarrt. 486. Aber man muß zuerst erkennen, was fuͤr Farben von an- dern, die man in bestimmter Proportion vermischt, entstehen koͤnnen. 487. Und so haͤtte uns der Verfasser ganz leise wieder an eine Schwelle hingefuͤhrt, uͤber die er uns in eine neue Concameration seines Wahnes hoͤflicherweise hineinnoͤthigt. Vierte Proposition. Drittes Theorem . Man kann Farben durch Zusammensetzung hervor- bringen, welche den Farben des homogenen Lichts gleich sind, dem Ansehn der Farben nach, aber keineswegs was ihre Unveraͤnderlichkeit und die Constitution des Lichtes betrifft. Und jemehr man diese Farben zusammensetzt, destoweniger satt und stark werden sie, ja sie koͤnnen, wenn man sie allzu sehr zusammensetzt, so diluirt und geschwaͤcht werden, daß sie verschwinden und sich in Weiß oder Grau verwandeln. Auch lassen sich Farben durch Zusammensetzung hervorbrin- gen, welche nicht vollkommen den Farben des ho- mogenen Lichtes gleich sind. 488. Was diese Proposition hier bedeuten solle, wie sie mit dem Vorhergehenden eigentlich zusammenhange und was sie fuͤr die Folge beabsichtige, muͤssen wir vor allen Dingen unsern Lesern deutlich zu machen su- chen. Die falsche Ansicht des Spectrums, daß es ur- spruͤnglich aus einer staͤtigen Farbenreihe bestehe, hatte Newton in dem Vorhergehenden noch mehr befestigt, indem er darin eine der Tonleiter aͤhnliche Scale ge- funden haben wollte. 489. Nun wissen wir aber, daß man, um der Erschei- nung auf den Grund zu kommen, zugleich ein verruͤck- tes helles und ein verruͤcktes dunkles Bild betrachten muß. Da finden sich nun zwey Farben, die man fuͤr einfach ansprechen kann, Gelb und Blau, zwey gestei- gerte, Gelbroth und Blauroth, und zwey gemischte, Gruͤn und Purpur. Auf diese Unterschiede hatte New- ton keine Acht, sondern betrachtete nur die bey starker Verruͤckung eines hellen Bildes vorkommenden Farben, unterschied, zaͤhlte sie, nahm ihrer fuͤnf oder sieben an, ja ließ deren, weil in einer staͤtigen Reihe sich unend- liche Einschnitte machen lassen, unzaͤhlige gelten; und diese alle sollten nun, so viel ihrer auch seyn moͤchten, primitive, primaͤre, in dem Licht fuͤr sich befindliche Urfarben seyn. 490. Bey genauerer Betrachtung mußte er jedoch fin- den, daß manche von diesen einfachen Urfarben gerade so aussahen wie andere, die man durch Mischung her- vorbringen konnte. Wie nun aber das Gemischte dem Urspruͤnglichen, und das Urspruͤngliche dem Gemischten aͤhnlich, ja gleich seyn koͤnne, dieß waͤre freylich in einem naturgemaͤßen Vortrag schwer genug darzustellen gewesen; in der Newtonischen Behandlung wird es jedoch moͤglich, und wir wollen, ohne uns weiter im Allgemeinen aufzuhalten, gleich zu dem Vortrag des Verfassers uͤbergehen, und in kurzen Anmerkungen, wie bisher, unsere Leser aufmerksam machen, worauf es denn eigentlich mit diesem Mischen und Wiedermischen am Ende hinausgeht. 491. Denn eine Mischung von homogenem Roth und Gelb bringt ein Orange hervor, gleich an Farbe dem Orange das in der Reihe von ungemischten prismatischen Farben zwischen- inne liegt, aber das Licht des einen Orange ist homogen, die Refrangibilitaͤt betreffend; das andere aber ist heterogen: denn die Farbe des ersten, wenn man sie durch ein Prisma ansieht, bleibt unveraͤndert, die von dem zweyten wird ver- aͤndert und in die Farben zerlegt die es zusammensetzen, naͤmlich Roth und Gelb. 492. Da uns der Verfasser mit so verschiedenen um- staͤndlichen Versuchen gequaͤlt hat, warum giebt er nicht auch hier den Versuch genau an? Warum bezieht er sich nicht auf einen der vorigen, an den man sich halten koͤnnte? Wahrscheinlicherweise ist er denjenigen aͤhnlich, die wir oben (154 und 155) mit eingefuͤhrt haben, wo ein Paar prismatische Bilder, entweder im Ganzen oder theilweise, objectiv uͤber einander gewor- fen und dann, durch ein Prisma angesehen, subjectiv auseinander geruͤckt werden. Newton’s Intention hier- bey ist aber keine andere, als eine Ausflucht sich zu bereiten, damit, wenn bey abermaliger Verruͤckung sei- ner homogenen Farbenbilder sich neue Farben zeigen, er sagen koͤnne, jene seyen eben nicht homogen gewe- sen; da denn freylich Niemand Einem der auf diese Weise lehrt und disputirt, etwas anhaben kann. 493. Auf dieselbe Weise koͤnnen andere benachbarte homogene Farben neue Farben hervorbringen, den homogenen gleich, welche zwischen ihnen liegen, z. B. Gelb und Gruͤn. 494. Man bemerke, wie listig der Verfasser auftritt. Er nimmt hier sein homogenes Gruͤn, da doch Gruͤn als eine zusammengesetzte Farbe durchaus aner- kannt ist. 495. Gelb und Gruͤn also bringen die Farbe hervor, die zwi- schen ihnen beyden liegt. 496. Das heißt also ungefaͤhr ein Papageygruͤn, das nach der Natur und in unserer Sprache durch mehr Gelb und weniger Blau hervorgebracht wird. Aber man gebe nur weiter Acht. 497. Und nachher wenn man Blau dazu thut, so wird es ein Gruͤn werden, von der mittlern Farbe der drey, woraus es zusammengesetzt ist. 498. Erst macht er also Gruͤn zur einfachen Farbe und erkennt das Gelb und Blau nicht an, woraus es zu- sammengesetzt ist; dann giebt er ihm ein Uebergewicht von Gelb, und dieses Uebergewicht von Gelb nimmt er durch eine Beymischung von Blau wieder weg, oder vielmehr er verdoppelt nur sein erstes Gruͤn, in- dem er noch eine Portion neues Gruͤn hinzubringt. Er weiß aber die Sache ganz anders auszulegen. 499. Denn das Gelbe und Blaue an jeder Seite, wenn sie in gleicher Menge sind, ziehen das mittlere Gruͤn auf gleiche Weise zu sich und halten es wie es war, im Gleichgewicht, so daß es nicht mehr gegen das Gelbe auf der einen, noch gegen das Blaue an der andern sich neigt, sondern durch ihre gemischten Wirkungen als eine Mittelfarbe erscheint. 500. Wie viel kuͤrzer waͤr’ er davon gekommen, wenn er der Natur die Ehre erzeigt und das Phaͤnomen, wie es ist, ausgesprochen haͤtte, daß naͤmlich das prisma- tische Blau und Gelb, die erst im Spectrum getrennt sind, sich in der Folge verbinden und ein Gruͤn ma- chen, und daß im Spectrum an kein einfaches Gruͤn zu denken sey. Was hilft es aber! Ihm und seiner Schule sind Worte lieber als die Sache. 501. Zu diesem gemischten Gruͤn kann man noch etwas Roth und Violett hinzuthun, und das Gruͤne wird nicht gleich verschwinden, sondern nur weniger voll und lebhaft werden. Thut man noch mehr Roth und Violett hinzu, so wird es immer mehr und mehr verduͤnnt, bis durch das Uebergewicht von hinzugethanen Farben es uͤberwaͤltigt und in Weiß oder in irgend eine andre Farbe verwandelt wird. 502. Hier tritt wieder das Hauptuͤbel der Newionischen Lehre herein, daß sie das σκιερὸν der Farbe verkennt, und immer glaubt mit Lichtern zu thun zu haben. Es sind aber keinesweges Lichter, sondern Halblichter, Halb- schatten, welche durch gewisse Bedingungen als ver- schiedenfarbig erscheinen. Bringt man nun diese ver- schiedenen Halblichter, diese Halbschatten uͤbereinander, so werden sie zwar nach und nach ihre Specification aufgeben, sie werden aufhoͤren, Blau, Gelb oder Roth zu seyn; aber sie werden keinesweges dadurch diluirt. Der Fleck des weißen Papiers auf den man sie wirft, wird dadurch dunkler; es entsteht ein Halb- licht, ein Halbschatten aus soviel andern Halblichtern, Halbschatten zusammengesetzt. 503. So wird, wenn man zu der Farbe von irgend einem homogenen Lichte das weiße Sonnenlicht, das aus allen Arten Strahlen zusammengesetzt ist, hinzuthut, diese Farbe nicht verschwinden, oder ihre Art veraͤndern, aber immer mehr und mehr verduͤnnt werden. I. 37 504. Man lasse das Spectrum auf eine weiße Tafel fallen, die im Sonnenlicht steht, und es wird bleich aus- sehen, wie ein anderer Schatten auch, auf welchen das Sonnenlicht wirkt ohne ihn ganz aufzuheben. 505. Zuletzt wenn man Roth und Violett mischt, so werden nach verschiedenen Proportionen verschiedene Purpurfarben zum Vorschein kommen, und zwar solche, die keiner Farbe irgend eines homogenen Lichtes gleichen. 506. Hier tritt denn endlich der Purpur hervor, das eigentliche wahre reine Roth, das sich weder zum Gelben noch zum Blauen hinneigt. Diese vornehmste Farbe, deren Entstehung wir im Entwurf, in physio- logischen, physischen und chemischen Faͤllen, hinreichend nachgewiesen haben, fehlt dem Newton, wie er selbst gesteht, in seinem Spectrum ganz, und das bloß des- wegen, weil er nur das Spectrum eines verruͤckten hellen Bildes zum Grunde seiner Betrachtung legt, und das Spectrum eines verruͤckten dunklen Bildes nicht zugleich auffuͤhrt, nicht mit dem ersten paralle- lisirt. Denn wie bey Verruͤckung des hellen Bildes endlich in der Mitte Gelb und Blau zusammenkommen und Gruͤn bilden, so kommen bey Verruͤckung des dunklen Bildes endlich Gelbroth und Blauroth zusam- men. Denn das was Newton am einen Ende seiner Farbenscale Roth nennt, ist eigentlich nur Gelbroth, und er hat also unter seinen primitiven Farben nicht einmal ein vollkommenes Roth. Aber so muß es allen ergehen, die von der Natur abweichen, welche das Hinterste zu voͤrderst stellen, das Abgeleitete zum Ur- spruͤnglichen erheben, das Urspruͤngliche zum Abgeleite- ten erniedrigen, das Zusammengesetzte einfach, das Einfache zusammengesetzt nennen. Alles muß bey ih- nen verkehrt werden, weil das erste verkehrt war; und doch finden sich Geister vorzuͤglicher Art, die sich auch am Verkehrten erfreuen. 507. Und aus diesen Purpurfarben, wenn man Gelb und Blau hinzumischt, koͤnnen wieder andre neue Farben erzeugt werden. 508. Und so haͤtte er denn sein Mischen und Mengen auf die confuseste Weise zu Stande gebracht; worauf es aber eigentlich angesehn ist, zeigt sich im folgenden. Durch diese Mischung der Farben sucht er ihre specifische Wirkung endlich zu neutralisiren, und moͤchte gar zu gern aus ihnen Weiß hervorbringen; welches ihm zwar in der Erfahrung nicht geraͤth, ob er gleich mit Worten immer versichert, daß es moͤglich und thu- lich sey. 37 * Fuͤnfte Proposition. Viertes Theorem . Das Weiße und alle graue Farben, zwischen Weiß und Schwarz, koͤnnen aus Farben zusammenge- setzt werden, und die Weiße des Sonnenlichts ist zusammengesetzt aus allen Urfarben ( primary ) in gehoͤrigem Verhaͤltniß vereinigt. 509. Wie es sich mit dem ersten verhalte, haben wir in den Capiteln der realen und scheinbaren Mischung genugsam dargelegt; und die zweyte Haͤlfte der Pro- position wissen unsre Leser auch zu schaͤtzen. Wir wol- len jedoch sehen, wie er das Vorgebrachte zu bewei- sen gedenkt. Neunter Versuch . 510. Die Sonne schien in eine dunkle Kammer durch eine kleine runde Oeffnung in dem Fensterladen, und warf das gefaͤrbte Bild auf die entgegengesetzte Wand. Ich hielt ein weißes Papier an die Seite, auf die Art, daß es durch das vom Bild zuruͤckgeworfene Licht erleuchtet wurde, ohne einen Theil des Lichtes auf seinem Wege vom Prisma zum Spec- trum aufzufangen; und ich fand, wenn man das Papier naͤher zu einer Farbe als zu den uͤbrigen hielt, so erschien es von dieser Farbe; wenn es aber gleich oder fast gleich von allen Farben entfernt war, so daß alle es erleuchteten, erschien es weiß. 511. Man bedenke was bey dieser Operation vorgeht. Es ist naͤmlich eine unvollkommene Reflexion eines farbigen halbhellen Bildes, welche jedoch nach den Gesetzen der scheinbaren Mittheilung geschieht. (E. 588 — 592.) Wir wollen aber den Verfasser ausreden lassen, um alsdann das wahre Verhaͤltniß im Zusam- menhang vorzubringen. 512. Wenn nun bey dieser letzten Lage des Papiers einige Far- ben aufgefangen wurden, verlor dasselbe seine weiße Farbe und erschien in der Farbe des uͤbrigen Lichtes das nicht aufgefan- gen war. Auf diese Weise konnte man das Papier mit Lich- tern von verschiedenen Farben erleuchten, namentlich mit Roth, Gelb, Gruͤn, Blau und Violett, und jeder Theil des Lichts behielt seine eigene Farbe bis er aufs Papier fiel und von da zum Auge zuruͤckgeworfen wurde, so daß er, wenn entweder die Farbe allein war, und das uͤbrige Licht aufge- fangen, oder wenn sie praͤdominirte, dem Papier seine eigene Farbe gab; war sie aber vermischt mit den uͤbrigen Farben in gehoͤrigem Verhaͤltniß, so erschien das Papier weiß, und brachte also diese Farbe in Zusammensetzung mit den uͤbrigen hervor. Die verschiedenen Theile des farbigen Lichtes, welche das Spectrum reflectirt, indem sie von daher durch die Luft fortgepflanzt werden, behalten bestaͤndig ihre eigenen Farben: denn wie sie auch auf die Augen des Zuschauers fallen, so erscheinen die verschiedenen Theile des Spectrums unter ih- ren eigenen Farben. Auf gleiche Weise behalten sie auch ihre eigenen Farben, wenn sie auf das Papier fallen; aber dort machen sie durch Verwirrung und vollkommene Mischung aller Farben die Weiße des Lichts, welche von dorther zuruͤck- geworfen wird. 513. Die ganze Erscheinung ist, wie gesagt, nichts als eine unvollkommene Reflexion. Denn erstlich bedenke man, daß das Spectrum selbst ein dunkles aus lauter Schattenlichtern zusammengesetztes Bild sey. Man bringe ihm nah an die Seite eine zwar weiße aber doch rauhe Oberflaͤche, wie das Papier ist, so wird jede Farbe des Spectrums von derselben obgleich nur schwach reflectiren, und der aufmerksame Beobachter wird die Farben noch recht gut unterscheiden koͤnnen. Weil aber das Papier auf jedem seiner Puncte von allen Farben zugleich erleuchtet ist, so neutralisiren sie sich gewissermaßen einander und es entsteht ein Daͤm- merschein, dem man keine eigentliche Farbe zuschreiben kann. Die Hellung dieses Daͤmmerscheins verhaͤlt sich wie die Daͤmmerung des Spectrums selbst, keineswe- ges aber wie die Hellung des weißen Lichtes, ehe es Farben annahm und sich damit uͤberzog. Und dieses ist immer die Hauptsache welcher Newton ausweicht. Denn man kann freylich aus sehr hellen Farben, auch wenn sie koͤrperlich sind, ein Grau zusammensetzen, das sich aber, von weißer Kreide z. B., schon genug- sam unterscheidet. Alles dieß ist in der Natur so ein- fach und so kurz, und nur durch diese falschen Theo- rieen und Sophistereyen hat man die Sache ins Weite, ja ins Unendliche gespielt. 514. Will man diesen Versuch mit farbigen Papieren, auf die man das Sonnenlicht gewaltig fallen und von da auf eine im Dunklen stehende Flaͤche reflectiren laͤßt, anstellen, in dem Sinne wie unsere Capitel von scheinbarer Mischung und Mittheilung der Sache er- waͤhnen; so wird man sich noch mehr von dem wah- ren Verhaͤltniß der Sache uͤberzeugen, daß naͤmlich durch Verbindung aller Farben ihre Specification zwar aufgehoben, aber das was sie alle gemein haben, das σκιερόν, nicht beseitigt werden kann. 515. In den drey folgenden Experimenten bringt New- ton wieder neue Kunststuͤckchen und Bosseleyen hervor, ohne das wahre Verhaͤltniß seines Apparats und der dadurch erzwungenen Erscheinung anzugeben. Nach gewohnter Weise ordnet er die drey Experimente falsch, indem er das complicirteste voransetzt, ein anderes das dieser Stelle gewissermaßen fremd ist, folgen laͤßt, und das einfachste zuletzt bringt. Wir werden daher, um uns und unsern Lesern die Sache zu erleichtern, die Ordnung umkehren, und wenden uns deshalb so- gleich zum Zwoͤlften Versuch . 516. Das Licht der Sonne gehe durch ein großes Prisma durch, falle sodann auf eine weiße Tafel und bilde dort einen wei- ßen Raum. 517. Newton operirt also hier wieder in dem zwar re- frangirten aber doch noch ungefaͤrbten Lichte. 518. Gleich hinter das Prisma setze man einen Kamm. 519. Man gebe doch Acht, auf welche rohe Weise Newton sein weißes Licht zusammenkraͤmpeln und fil- zen will. 520. Die Breite der Zaͤhne sey gleich ihren Zwischenraͤumen, und die sieben Zaͤhne 521. Doch als wenn fuͤr jeden Hauptlichtstrahl einer praͤparirt waͤre. 522. nehmen mit ihren Intervallen die Breite eines Zolles ein. Wenn nun das Papier zwey oder drey Zoll von dem Kamm entfernt stand, so zeichnete das Licht, das durch die ver- schiedenen Zwischenraͤume hindurchging, verschiedene Reihen Farben, 523. Warum sagt er nicht die prismatischen Farben- reihen? 524. die parallel unter sich waren und ohne eine Spur von Weiß. 525. Und diese Erscheinung kam doch wohl bloß daher, weil jeder Zahn zwey Raͤnder machte, und das ge- brochene ungefaͤrbte Licht sogleich an diesen Graͤnzen, durch diese Graͤnzen zur Farbe bestimmt wurde: wel- ches Newton in der ersten Proposition dieses Buchs so entschieden laͤugnete. Das ist eben das Unerhoͤrte bey diesem Vortrag, daß erst die wahren Verhaͤltnisse und Erscheinungen abgelaͤugnet werden, und daß, wenn sie zu irgend einem Zwecke brauchbar sind, man sie ohne weiteres hereinfuͤhrt, als waͤre gar nichts geschehen noch gesagt worden. 526. Diese Farbenstreifen, wenn der Kamm auf und abwaͤrts bewegt ward, stiegen auf und abwaͤrts. 527. Keinesweges dieselben Farbenstreifen; sondern wie der Kamm sich bewegte, entstunden an seinen Graͤnzen immer neue Farbenerscheinungen, und es waren ewig werdende Bilder. 528. Wenn aber die Bewegung des Kamms so schnell war, daß man die Farben nicht von einander unterscheiden konnte, so erschien das ganze Papier durch ihre Verwirrung und Mischung dem Sinne weiß. 529. So kardetscht unser gewandter Naturforscher seine homogenen Lichter dergestalt durcheinander, daß sie ihm abermals ein Weiß hervorbringen, welches wir aber auch nothwendig verkuͤmmern muͤssen. Wir haben zu diesem Versuche einen Apparat ersonnen, der seine Ver- haͤltnisse sehr gut an den Tag legt. Die Vorrichtung einen Kamm auf und abwaͤrts sehr schnell zu bewegen, ist unbequem und umstaͤndlich. Wir bedienen uns daher eines Rades mit zarten Speichen, das an die Walze unsers Schwungrades befestigt werden kann. Dieses Rad stellen wir zwischen das erleuchtete große Prisma und die weiße Tafel. Wir setzen es langsam in Bewegung, und wie eine Speiche vor dem wei- ßen Raum des refrangirten Bildes vorbeygeht, so bil- det sie dort einen farbigen Stab in der bekannten Fol- ge: Blau, Purpur und Gelb. Wie eine andre Speiche eintritt, so entstehen abermals diese farbigen Erscheinun- gen, die sich geschwinder folgen, wenn man das Rad schneller herumdreht. Giebt man nun dem Rade den voͤlligen Umschwung, so daß der Beobachtende wegen der Schnelligkeit die Speichen nicht mehr unterscheiden kann, sondern daß eine runde Scheibe dem Auge er- scheint; so tritt der schoͤne Fall ein, daß einmal das aus dem Prisma hervorkommende weiße, an seinen Graͤnzen gefaͤrbte Bild auf jener Scheibe voͤllig deutlich erscheint, und zugleich, weil diese scheinbare Scheibe doch noch immer als halbdurchsichtig angesehen werden kann, auf der hinteren weißen Pappe sich abbildet. Es ist dieses ein Versuch, der sogleich das wahre Verhaͤlt- niß vor Augen bringt, und welchen Jedermann mit Ver- gnuͤgen ansehn wird. Denn hier ist nicht von Kraͤm- peln, Filzen und Kardetschen fertiger Farbenlichter die Rede; sondern eben die Schnelligkeit, welche auf der scheinbaren Scheibe das ganze Bild auffaͤngt, laͤßt es auch hindurch auf die weiße Tafel fallen, wo eben wegen der Schnelligkeit der vorbeygehenden Speichen keine Farben fuͤr uns entstehen koͤnnen; und das hintre Bild auf der weißen Tafel ist zwar in der Mitte weiß, doch etwas truͤber und daͤmmernder, weil es ja ver- mittelst der fuͤr halbdurchsichtig anzunehmenden Scheibe gedaͤmpft und gemaͤßigt wird. 530. Noch angenehmer zeigt sich der Versuch, wenn man durch ein kleineres Prisma die Farbenerscheinung dergestalt hervorbringt, daß ein schon ganz fertiges Spectrum auf die Speichen des umzudrehenden Rades faͤllt. Es steht in seiner voͤlligen Kraft alsdann auf der schnell umgetriebenen scheinbaren Scheibe, und eben so unverwandt und unveraͤndert auf der hintern weißen Tafel. Warum geht denn hier keine Mischung, keine Confusion vor? warum quirlt denn das auf das schnellste herumgedrehte Speichenrad die fertigen Far- ben nicht zusammen? warum operirt denn dießmal Newton nicht mit seinen fertigen Farben? warum mit entstehenden? Doch bloß darum, daß er sagen koͤnne, sie seyen fertig geworden und durch Mischung ins Weiße verwandelt; da der Raum doch bloß darum vor unsern Augen weiß bleibt, weil die voruͤbereilenden Speichen ihre Graͤnze nicht bezeichnen und deshalb keine Farbe entstehn kann. 531. Da nun der Verfasser einmal mit seinem Kamme operirt, so haͤuft er noch einige Experimente, die er aber nicht numerirt, deren Gehalt wir nun auch kuͤrz- lich wuͤrdigen wollen. 532. Laßt nun den Kamm still stehn und das Papier sich weiter vom Prisma nach und nach entfernen, so werden die verschie- denen Farbenreihen sich verbreitern und eine uͤber die andre mehr hinausruͤcken, und indem sie ihre Farben mit einander vermischen, einander verduͤnnen; und dieses wird zuletzt so sehr geschehen, daß sie weiß werden. 533. Was vorgeht, wenn schmale schwarze und weiße Streifen auf einer Tafel wechseln, kann man sich am besten durch einen subjectiven Versuch bekannt machen. Die Raͤnder entstehen naͤmlich gesetzmaͤßig an den Graͤn- zen sowohl des Schwarzen als des Weißen, die Saͤu- me verbreiten sich sowohl uͤber das Weiße als das Schwarze, und so erreicht der gelbe Saum geschwind den blauen Rand und macht Gruͤn, der violette Rand den gelbrothen und macht Purpur, so daß wir sowohl das System des verruͤckten weißen, als des verruͤckten schwarzen Bildes zugleich gewahr werden. Entfernt man sich weiter von der Pappe, so greifen Raͤnder und Saͤume dergestalt in einander, vereinigen sich in- nigst, so daß man nur noch gruͤne und purpurne Strei- fen uͤbereinander sieht. 534. Dieselbe Erscheinung kann man durch einen Kamm, mit dem man vor einem großen Prisma operirt, objec- tiv hervorbringen und die abwechselnden purpurnen und gruͤnen Streifen auf der weißen Tafel recht gut gewahr werden. 535. Es ist daher ganz falsch was Newton andeutet, als wenn die saͤmmtlichen Farben in einander griffen, da sich doch nur die Farben der entgegengesetzten Raͤn- der vermischen koͤnnen, und gerade, indem sie es thun, die uͤbrigen aus einander halten. Daß also diese Far- ben, wenn man mit der Pappe sich weiter entfernt, indem es doch im Grunde lauter Halbschatten sind, verduͤnnter erscheinen, entsteht daher, weil sie sich mehr ausbreiten, weil sie schwaͤcher wirken, weil ihre Wir- kung nach und nach fast aufhoͤret, weil jede fuͤr sich unscheinbar wird, nicht aber weil sie sich vermischen und ein Weiß hervorbringen. Die Neutralisation, die man bey andern Versuchen zugesteht, findet hier nicht einmal statt. 536. Ferner nehme man durch irgend ein Hinderniß 537. Hier ist schon wieder ein Hinderniß, mit dem er bey dem ersten Experiment des zweyten Theils so un- gluͤcklich operirt hat, und das er hier nicht besser an- wendet. 538. das Licht hinweg, das durch irgend einen der Zwischen- raͤume der Kammzaͤhne durchgefallen war, so daß die Reihe Farben, welche daher entsprang, aufgehoben sey, und man wird bemerken, daß das Licht der uͤbrigen Reihen an die Stelle der weggenommenen Reihe tritt und sich daselbst faͤrbt. 539. Keinesweges ist dieses das Factum, sondern ein genauer Beobachter sieht ganz etwas anders. Wenn man naͤmlich einen Zwischenraum des Kammes zudeckt, so erhaͤlt man nur einen breitern Zahn, der, wenn die Intervalle und die Zaͤhne gleich sind, dreymal so breit ist wie die uͤbrigen. An den Graͤnzen dieses breitern Zahns geht nun gerade das vor, was an den Graͤnzen der schmaͤleren vorgeht: der violette Saum erstreckt sich hereinwaͤrts, der gelbrothe Rand bezeichnet die andre Seite. Nun ist es moͤglich, daß bey der gegebenen Distanz diese beyden Farben sich uͤber den breiten Zahn noch nicht erreichen, waͤhrend sie sich uͤber die schmalen Zaͤhne schon ergriffen haben; wenn man also bey den uͤbrigen Faͤllen schon Purpur sieht, so wird man hier noch das Gelbrothe vom Blaurothen getrennt sehen. 540. Laͤßt man aber diese aufgefangene Reihe wieder wie vor- her auf das Papier fallen; so werden die Farben derselben in die Farben der uͤbrigen Reihen einfallen, sich mit ihnen ver- mischen und wieder das Weiße hervorbringen. 541. Keineswegs; sondern, wie schon oben gedacht, werden die durch die schmalen Kammoͤffnungen durch- fallenden Farbenreihen in einer solchen Entfernung nur unscheinbar, so daß ein zweydeutiger, eher bunt als farblos zu nennender Schein hervorgebracht wird. 542. Biegt man nun die Tafel sehr schraͤg gegen die einfallenden Strahlen, so daß die am staͤrksten refrangiblen haͤufiger als die uͤbrigen zuruͤckgeworfen werden; so wird die Weiße der Tafel, weil gedachte Strahlen haͤufiger zuruͤckgeworfen wer- den als die uͤbrigen, sich in Blau und Violett verwandeln. Wird das Papier aber im entgegengesetzten Sinne gebeugt, daß die weniger refrangiblen Strahlen am haͤufigsten zu- ruͤckgeworfen werden, so wird das Weiße in Gelb und Roth verwandelt. 543. Dieses ist, wie man sieht, nur noch ein Septleva auf das dritte Experiment des zweyten Theils. Man kann, weil wir einmal diesen Spielausdruck gebraucht haben, Newton einem falschen Spieler ver- gleichen, der bey einem unaufmerksamen Banquier ein Paroli in eine Charte biegt, die er nicht gewonnen hat, und nachher, theils durch Gluͤck theils durch List, ein Ohr nach dem andern in die Charte knickt und ihren Werth immer steigert. Dort operirt er in dem weißen Lichte und hier nun wieder in einem durch den Kamm gegangenen Lichte, in einer solchen Ent- fernung, wo die Farbenwirkungen der Kammzaͤhne sehr geschwaͤcht sind. Dieses Licht ist aber immer noch ein refrangirtes Licht, und durch jedes Hinderniß nahe an der Tafel kann man wieder Schatten und Farben- saͤume hervorbringen. Und so kann man auch das dritte Experiment hier wiederholen, indem die Raͤnder, die Ungleichheit der Tafel selbst, entweder Violett und Blau, oder Gelb und Gelbroth hervorbringen und mehr oder weniger uͤber die Tafel verbreiten, je nachdem die Richtung ist, in welcher die Tafel gehalten wird. Bewies also jenes Experiment nichts, so wird auch ge- genwaͤrtiges nichts beweisen, und wir erlassen unsern Lesern das ergo bibamus, welches hier auf die ge- woͤhnliche Weise hinzugefuͤgt wird. Elfter Versuch . 544. Hier bringt der Verfasser jenen Hauptversuch, des- sen wir so oft erwaͤhnen, und den wir in dem neun- zehnten Capitel von Verbindung objectiver und sub- jectiver Versuche (E. 350 — 355) vorgetragen haben. Es ist naͤmlich derjenige, wo ein objectiv an die Wand geworfenes Bild subjectiv heruntergezogen, entfaͤrbt und wieder umgekehrt gefaͤrbt wird. Newton huͤ- thet sich wohl dieses Versuchs an der rechten Stelle zu erwaͤhnen: denn eigentlich gaͤbe es fuͤr denselben gar keine rechte Stelle in seinem Buche, indem seine Theorie vor diesem Versuch verschwindet. Seine fer- tigen, ewig unveraͤnderlichen Farben werden hier ver- I. 38 mindert, aufgehoben, umgekehrt, und stellen uns das Werdende, immerfort Entstehende und ewig Bewegliche der prismatischen Farben recht vor die Sinne. Nun bringt er diesen Versuch so nebenbey, als eine Gelegen- heit sich weißes Licht zu verschaffen und in demselben mit Kaͤmmen zu operiren. Er beschreibt den Versuch, wie wir ihn auch schon dargestellt, behauptet aber nach seiner Art, daß diese Weiße des subjectiv herunterge- fuͤhrten Bildes aus der Vereinigung aller farbigen Lichter entstehe, da die voͤllige Weiße doch hier, wie bey allen prismatischen Versuchen, den Indifferenzpunct und die nahe Umwendung der begraͤnzenden Farben in den Gegensatz andeutet. Nun operirt er in diesem subjectiv weiß gewordnen Bilde mit seinen Kammzaͤhnen und bringt also, durch neue Hindernisse, neue Farben- streifen von außen herbey, keineswegs von innen heraus. Zehnter Versuch . 545. Hier kommen wir nun an eine recht zerknickte Charte, an einen Versuch der aus nicht weniger als fuͤnf bis sechs Versuchen zusammengesetzt ist. Da wir sie aber alle schon ihrem Werth nach kennen, da wir schon uͤberzeugt sind, daß sie einzeln nichts beweisen; so werden sie uns auch in der gegenwaͤrtigen Verschraͤn- kung und Zusammensetzung keinesweges imponiren. Anstatt also dem Verfasser hier, wie wir wohl sonst gethan, Wort vor Wort zu folgen, so gedenken wir die verschiedenen Versuche, aus denen der gegen- waͤrtige zusammengesetzt ist, als Glieder dieses mon- strosen Ganzen, nur kuͤrzlich anzuzeigen, auf das was schon einzeln gesagt ist, zuruͤckzudeuten und auch so uͤber das gegenwaͤrtige Experiment abzuschließen. Glieder des zehnten Versuchs . 546. 1) Ein Spectrum wird auf die bekannte Weise hervor- gebracht. 2) Es wird auf eine Linse geworfen und von einer wei- ßen Tafel aufgefangen. Das farblose runde Bild entsteht im Focus. 3) Dieses wird subjectiv heruntergeruͤckt und gefaͤrbt. 4) Jene Tafel wird gebogen. Die Farben erscheinen wie beym zweyten Versuch dieses zweyten Theils. 38 * 5) Ein Kamm wird angewendet. S. den zwoͤlften Ver- such dieses Theils. 547. Wie Newton diesen complicirten Versuch beschreibt, auslegt und was er daraus folgert, werden diejenigen welche die Sache interessirt, bey ihm selbst nachsehen, so wie die welche sich in den Stand setzen, diese saͤmmtlichen Versuche nachzubilden, mit Verwunderung und Erstaunen das ganz Unnuͤtze dieser Aufhaͤufungen und Verwicklungen von Versuchen erkennen werden. Da auch hier abermals Linsen und Prismen verbunden werden, so kommen wir ohnehin in unserer supplemen- taren Abhandlung auch auf gegenwaͤrtigen Versuch zuruͤck. Dreyzehnter Versuch . Siehe Fig. 3. Taf. XIV. 548. Bey den vorerwaͤhnten Versuchen thun die verschiedenen Zwischenraͤume der Kammzaͤhne den Dienst verschiedener Pris- men, indem ein jeder Zwischenraum das Phaͤnomen eines Prisma’s hervorbringt. 549. Freylich wohl, aber warum? Weil innerhalb des weißen Raums, der sich im refrangirten Bilde des großen Prisma’s zeigte, frische Graͤnzen hervorgebracht werden, und zwar durch den Kamm oder Rechen wie- derholte Graͤnzen, da denn das gesetzliche Farbenspiel sein Wesen treibt. 550. Wenn ich nun also, anstatt dieser Zwischenraͤume, ver- schiedene Prismen gebrauchen und, indem ich ihre Farben ver- mischte, das Weiße hervorbringen wollte; so bediente ich mich dreyer Prismen, auch wohl nur zweyer. 551. Ohne uns weitlaͤuftig dabey aufzuhalten, bemer- ken wir nur mit Wenigem, daß der Versuch mit meh- reren Prismen und der Versuch mit dem Kamm kei- neswegs einerley sind. Newton bedient sich, wie seine Figur und deren Erklaͤrung ausweist, nur zweyer Prismen, und wir wollen sehen was durch dieselben, oder vielmehr zwischen denselben hervorgebracht wird. 552. Es moͤgen zwey Prismen ABC und abc, deren brechende Winkel B und b gleich sind, so parallel gegen einander ge- stellt seyn, daß der brechende Winkel B des einen, den Win- kel c an der Base des andern beruͤhre, und ihre beyden Seiten CB und cb, wo die Strahlen heraustreten, moͤgen gleiche Richtung haben; dann mag das Licht, das durch sie durchgehet, auf das Papier MN, etwa acht oder zwoͤlf Zoll von dem Prisma, hinfallen: alsdann werden die Farben, welche an den innern Graͤnzen B und c der beyden Prismen entstehen, an der Stelle PT vermischt und daraus das Weiße zusammengesetzt. 553. Wir begegnen diesem Paragraphen, welcher man- ches Bedenkliche enthaͤlt, indem wir ihn ruͤckwaͤrts analysiren. Newton bekennt hier, auch wieder nach seiner Art, im Vorbeygehen, daß die Farben an den Graͤnzen entstehen: eine Wahrheit die er so oft und hartnaͤckig gelaͤugnet hat. Sodann fragen wir billig: warum er denn dießmal so nahe an den Prismen operire? die Tafel nur acht oder zwoͤlf Zoll von den- selben entferne? Die verborgene Ursache ist aber keine andere, als daß er das Weiß, das er erst hervorbrin- gen will, in dieser Entfernung noch urspruͤnglich hat, indem die Farbensaͤume an den Raͤndern noch so schmal sind, daß sie nicht uͤbereinander greifen und kein Gruͤn hervorbringen koͤnnen. Faͤlschlich zeichnet also Newton an den Winkeln B und c fuͤnf Linien, als wenn zwey ganze Systeme des Spectrums hervortraͤten, anstatt daß nur in c der blaue und blaurothe, in B der gelbrothe und gelbe Rand entspringen koͤnnen. Was aber noch ein Hauptpunct ist, so ließe sich sagen, daß, wenn man das Experiment nicht nach der Newtoni- schen Figur, sondern nach seiner Beschreibung anstellt, so naͤmlich daß die Winkel B und c sich unmittelbar beruͤhren, und die Seiten CB und cb in Einer Linie liegen, daß alsdann an den Puncten B und c keine Farben entspringen koͤnnen, weil Glas an Glas un- mittelbar anstoͤßt, Durchsichtiges sich mit Durchsichtigem verbindet und also keine Graͤnze hervorgebracht wird. 554. Da jedoch Newton in dem Folgenden behauptet, was wir ihm auch zugeben koͤnnen, daß das Phaͤno- men statt finde, wenn die beyden Winkel B und c sich einander nicht unmittelbar beruͤhren; so muͤssen wir nur genau erwaͤgen, was alsdann vorgeht, weil hier die Newtonische falsche Lehre sich der wahren annaͤ- hert. Die Erscheinung ist erst im Werden; an dem Puncte c entspringt, wie schon gesagt, das Blaue und Blaurothe, an dem Puncte B das Gelbrothe und Gelbe. Fuͤhrt man diese nun auf der Tafel genau uͤbereinander, so muß das Blaue das Gelbrothe, und das Blaurothe das Gelbe aufheben und neutralisiren, und weil alsdann zwischen M und N, wo die andern Farbensaͤume erscheinen, das uͤbrige noch weiß ist, auch die Stelle wo jene farbigen Raͤnder uͤber einander fallen, farblos wird; so muß der ganze Raum weiß erscheinen. 555. Man gehe nun mit der Tafel weiter zuruͤck, so daß das Spectrum sich vollendet und das Gruͤne in der Mitte sich darstellt, und man wird sich vergebens bemuͤhen, durch Uebereinanderwerfen der Theile oder des Ganzen farblose Stellen hervorzubringen. Denn das durch Verruͤckung des hellen Bildes hervorge- brachte Spectrum kann weder fuͤr sich allein, noch durch ein zweytes gleiches Bild neutralisirt werden; wie sich kuͤrzlich darthun laͤßt. Man bringe das zweyte Spectrum von oben herein uͤber das erste; das Gelb- rothe mit dem Blaurothen verbunden bringt den Pur- pur hervor; das Gelbrothe mit dem Blauen verbunden sollte eine farblose Stelle hervorbringen: weil aber das Blaue schon meistens auf das Gruͤne verwandt ist, und das Ueberbliebene schon vom Violetten participirt; so wird keine entschiedene Neutralisation moͤglich. Das Gelbrothe uͤber das Gruͤne gefuͤhrt, hebt dieses auch nicht auf, weil es allenfalls nur dem darin enthalte- nen Blauen widerstrebt, von dem Gelben aber secun- dirt wird. Daß das Gelbrothe auf Gelb und Gelb- roth gefuͤhrt, nur noch maͤchtiger werde, versteht sich von selbst. Und hieraus ist also vollkommen klar, in wiefern zwey solche vollendete Spectra sich zusammen verhalten, wenn man sie theilweise oder im Ganzen uͤbereinander bringt. 556. Will man aber in einem solchen vollendeten Spec- txum die Mitte, d. h. das Gruͤne aufheben, so wird dieß bloß dadurch moͤglich, daß man erst durch zwey Prismen vollendete Spectra hervorbringt, durch Ver- einigung von dem Gelbrothen des einen mit dem Vio- letten des andern einen Purpur darstellt, und diesen nunmehr mit dem Gruͤnen eines dritten vollendeten Spectrums auf Eine Stelle bringt. Diese Stelle wird alsdann farblos, hell und, wenn man will, weiß er- scheinen, weil auf derselben sich die wahre Farbento- talitaͤt vereinigt, neutralisirt und jede Specification aufhebt. Daß man an einer solchen Stelle das σκιερὸν nicht bemerken werde, liegt in der Natur, indem die Farben welche auf diese Stelle fallen, drey Sonnen- bilder und also eine dreyfache Erleuchtung hinter sich haben. 557. Wir muͤssen bey dieser Gelegenheit des gluͤcklichen Gedankens erwaͤhnen, wie man das Lampenlicht, wel- ches gewoͤhnlich einen gelben Schein von sich wirft, farblos zu machen gesucht hat, indem man die bey der argandischen Lampe angewendeten Glascylinder maͤßig mit einer violetten Farbe tingirte. 558. Jenes ist also das Wahre an der Sache, Jenes ist die Erscheinung wie sie nicht gelaͤugnet wird; aber man halte unsere Erklaͤrung, unsere Ableitung gegen die Newtonische: die unsrige wird uͤberall und voll- kommen passen, jene nur unter kuͤmmerlich erzwunge- nen Bedingungen. Vierzehnter Versuch . 559. Bisher habe ich das Weiße hervorgebracht, indem ich die Prismen vermischte. 560. In wiefern ihm dieses Weiße gerathen, haben wir umstaͤndlich ausgelegt. 561. Nun kommen wir zur Mischung koͤrperlicher Farben, und da laßt ein duͤnnes Seifenwasser dergestalt in Bewegung se- tzen, daß ein Schaum entstehe, und wenn der Schaum ein wenig gestanden hat, so wird derjenige der ihn recht genau ansieht, auf der Oberflaͤche der verschiedenen Blasen lebhafte Farben gewahr werden. Tritt er aber so weit davon, daß er die Farben nicht mehr unterscheiden kann, so wird der Schaum weiß seyn und zwar ganz vollkommen. 562. Wer sich diesen Uebergang in ein ganz anderes Capitel gefallen laͤßt, von einem Refractionsfalle zu einem epoptischen, der ist freylich von einer Sinnes- und Verstandesart, die es auch mit dem Kuͤnftigen so genau nicht nehmen wird. Von dem Mannigfaltigen was sich gegen dieses Experiment sagen laͤßt, wollen wir nur bemerken, daß hier das Unterscheidbare dem Ununterscheidbaren entgegengesetzt ist, daß aber darum etwas noch nicht aufhoͤrt zu seyn, nicht aufhoͤrt innerhalb eines Dritten zu seyn, wenn es dem aͤußern Sinne unbe- merkbar wird. Ein Kleid das kleine Flecken hat, wird deswegen nicht rein, weil ich sie in einiger Entfernung nicht bemerke, das Papier nicht weiß, weil ich kleine Schriftzuͤge darauf in der Entfernung nicht unterscheide. Der Chemiker bringt aus den diluirtesten Infusionen durch seine Reagentien Theile an den Tag, die der gerade gesunde Sinn darin nicht entdeckte. Und bey Newton ist nicht einmal von geradem gesunden Sinn die Rede, sondern von einem verkuͤnstelten, in Vorurtheilen be- fangenen, dem Aufstutzen gewisser Voraussetzungen ge- widmeten Sinn, wie wir beym folgenden Experiment sehen werden. Funfzehnter Versuch . 563. Wenn ich nun zuletzt aus farbigen Pulvern, deren sich die Maler bedienen, ein Weiß zusammenzusetzen versuchte; so fand ich, daß alle diese farbigen Pulver einen großen Theil des Lichts, wodurch sie erleuchtet werden, in sich ver- schlingen und ausloͤschen. 564. Hier kommt der Verfasser schon wieder mit seiner Vorklage, die wir so wie die Nachklagen an ihm schon lange gewohnt sind. Er muß die dunkle Natur der Farbe anerkennen, er weiß jedoch nicht wie er sich recht dagegen benehmen soll, und bringt nun seine vorigen unreinen Versuche, seine falschen Folgerungen wieder zu Markte, wodurch die Ansicht immer truͤber und unerfreulicher wird. 565. Denn die farbigen Pulver erscheinen dadurch gefaͤrbt, daß sie das Licht der Farbe die ihnen eigen ist, haͤufiger und das Licht aller andern Farben spaͤrlicher zuruͤckwerfen; und doch werfen sie das Licht ihrer eigenen Farben nicht so haͤufig zuruͤck als weiße Koͤrper thun. Wenn Mennige z. B. und weißes Papier in das rothe Licht des farbigen Spectrums in der dunklen Kammer gelegt werden; so wird das Papier hel- ler erscheinen als die rothe Mennige, und deswegen die ru- brifiken Strahlen haͤufiger als die Mennige zuruͤckwerfen. 566. Die letzte Folgerung ist nach Newtonischer Weise wieder uͤbereilt. Denn das Weiße ist ein heller Grund, der von dem rothen Halblicht erleuchtet, durch dieses zuruͤckwirkt und das prismatische Roth in voller Klar- heit sehen laͤßt; die Mennige aber ist schon ein dunk- ler Grund, von einer Farbe die dem prismatischen Roth zwar aͤhnlich, aber nicht gleich specificirt ist. Dieser wirkt nun, indem er von dem rothen prisma- tischen Halblicht erleuchtet wird, durch dasselbe gleich- falls zuruͤck, aber auch schon als ein Halbdunkles. Daß daraus eine verstaͤrkte, verdoppelte, verduͤsterte Farbe hervorgehen muͤsse, ist natuͤrlich. 567 Und wenn man Papier und Mennige in das Licht ande- rer Farben haͤlt, so wird das Licht das vom Papier zuruͤck- strahlt, das Licht das von der Mennige kommt, in einem weit groͤßern Verhaͤltnisse uͤbertreffen. 568. Und dieses naturgemaͤß, wie wir oben genugsam auseinandergesetzt haben. Denn die saͤmmtlichen Far- ben erscheinen auf dem weißen Papier, jede nach ihrer eigenen Bestimmung, ohne gemischt, gestoͤrt, beschmutzt zu seyn, wie es durch die Mennige geschieht, wenn sie nach dem Gelben, Gruͤnen, Blauen, Violetten hin- geruͤckt wird. Und daß sich die uͤbrigen Farben eben so verhalten, ist unsern Lesern schon fruͤher deutlich ge- worden. Die folgende Stelle kann sie daher nicht mehr uͤberraschen, ja das Laͤcherliche derselben muß ihnen auffallend seyn, wenn er verdrießlich, aber ent- schlossen fortfaͤhrt: 569. Und deswegen, indem man solche Pulver vermischt, muͤs- sen wir nicht erwarten ein reines und vollkommenes Weiß zu erzeugen, wie wir etwa am Papier sehen; sondern ein gewisses duͤsteres dunkles Weiß, wie aus der Mischung von Licht und Finsterniß entstehen moͤchte, 570. Hier springt ihm endlich auch dieser so lang zu- ruͤckgehaltene Ausdruck durch die Zaͤhne; so muß er immer wie Bileam segnen, wenn er fluchen will, und alle seine Hartnaͤckigkeit hilft ihm nichts gegen den Daͤ- mon der Wahrheit, der sich ihm und seinem Esel so oft in den Weg stellt. Also aus Licht und Finsterniß! mehr wollten wir nicht. Wir haben die Entstehung der Farben aus Licht und Finsterniß abgeleitet, und was jeder einzelnen, jeder besonders specificirten als Hauptmerkmal, allen nebeneinander als gemeines Merk- mal zukommt, wird auch der Mischung zukommen, in welcher die Specificationen verschwinden. Wir neh- men also recht gerne an, weil es uns dient, wenn er fortfaͤhrt: 571. oder aus Weiß und Schwarz, naͤmlich ein graues, brau- nes, rothbraunes, dergleichen die Farbe der Menschennaͤgel ist; oder maͤusefarben, aschfarben, etwa steinfarben oder wie der Moͤrtel, Staub, oder Straßenkoth aussieht und dergleichen. Und so ein dunkles Weiß habe ich oft hervorgebracht, wenn ich farbige Pulver zusammenmischte. 572. Woran denn freylich Riemand zweifeln wird, nur wuͤnschte ich, daß die saͤmmtlichen Newtonianer der- gleichen Leibwaͤsche tragen muͤßten, damit man sie an diesem Abzeichen von andern vernuͤnftigen Leuten un- terscheiden koͤnnte. 573. Daß ihm nun sein Kunststuͤck gelingt, aus farbigen Pulvern ein Schwarzweiß zusammenzusetzen, daran ist wohl kein Zweifel; doch wollen wir sehen, wie er sich benimmt, um wenigstens ein so helles Grau als nur moͤglich hervorzubringen. 574. Denn so setzte ich z. B. aus Einem Theil Mennige und fuͤnf Theilen Gruͤnspan eine Art von Maͤusegrau zusammen. 575. Der Gruͤnspan pulverisirt erscheint hell und meh- lig, deshalb braucht ihn Newton gleich zuerst, so wie er sich durchaus huͤthet, satte Farben anzuwenden. 576. Denn diese zwey Farben sind aus allen andern zusam- mengesetzt, so daß sich in ihrer Mischung alle uͤbrigen be- finden. 577. Er will hier dem Vorwurf ausweichen, daß er ja nicht aus allen Farben seine Unfarbe zusammensetze. Welcher Streit unter den spaͤteren Naturforschern uͤber die Mischung der Farben uͤberhaupt und uͤber die end- liche Zusammensetzung der Unfarbe aus drey, fuͤnf oder sieben Farben entstanden, davon wird uns die Ge- schichte Nachricht geben. 578. Ferner mit Einem Theil Mennige und vier Theilen Berg- blau setzte ich eine graue Farbe zusammen, die ein wenig ge- gen den Purpur zog, und indem ich dazu eine gewisse Mi- schung von Opperment und Gruͤnspan in schicklichem Maße hinzufuͤgte, verlor die Mischung ihren Purpurschein und ward vollkommen grau. Aber der Versuch gerieth am besten ohne Mennige folgendermaßen. Zum Opperment that ich nach und nach satten glaͤnzenden Purpur hinzu, wie sich dessen die Maler bedienen, bis das Opperment aufhoͤrte gelb zu seyn und blaßroth erschien. Dann verduͤnnte ich das Roth, indem ich etwas Gruͤnspan und etwas mehr Bergblau als Gruͤn- span hinzuthat, bis die Mischung ein Grau oder blasses Weiß annahm, das zu keiner Farbe mehr als zu der andern hinneigte. Und so entstand eine Farbe an Weiße der Asche gleich, oder frisch gehauenem Holze, oder der Menschenhaut. 579. Auch in dieser Mischung sind Bergblau und Gruͤn- span die Hauptingredienzien, welche beyde ein mehliges kreidenhaftes Ansehen haben. Ja Newton haͤtte nur immer noch Kreide hinzumanschen koͤnnen, um die Far- ben immer mehr zu verduͤnnen, und ein helleres Grau hervorzubringen, ohne daß dadurch in der Sache im mindesten etwas gewonnen waͤre. 580. Betrachtete ich nun, daß diese grauen und dunklen Far- ben ebenfalls hervorgebracht werden koͤnnen, wenn man Weiß und Schwarz zusammenmischt, und sie daher vom vollkomme- nen Weißen nicht in der Art der Farbe, sondern nur in dem Grade der Hellung verschieden sind: 581. Hier liegt eine ganz eigene Tuͤcke im Hinterhalt, die sich auf eine Vorstellungsart bezieht, von der an einem andern Orte gehandelt werden muß, und von der wir gegenwaͤrtig nur so viel sagen. Man kann sich ein weißes Papier im voͤlligen Lichte denken, man kann es bey hellem Sonnenscheine in den Schatten le- gen, man kann sich ferner denken, daß der Tag nach und nach abnimmt, daß es Nacht wird, und daß das weiße Papier vor unsern Augen zuletzt in der Finster- niß verschwindet. Die Wirksamkeit des Lichtes wird nach und nach gedaͤmpft und so die Gegenwirkung des Papieres, und wir koͤnnen uns in diesem Sinne vor- stellen, daß das Weiße nach und nach in das Schwarze uͤbergehe. Man kann jedoch sagen, daß der Gang des Phaͤnomens dynamischer idealer Natur ist. 582. Ganz entgegengesetzt ist der Fall, wenn wir uns ein weißes Papier im Lichte denken und ziehen erst eine duͤnne schwarze Tinktur daruͤber. Wir verdopplen, wir verdreyfachen den Ueberzug, so daß das Papier immer dunkler Grau wird, bis wir es zuletzt so schwarz als moͤglich faͤrben, so daß von der weißen Unterlage nichts mehr hindurchscheint. Wir haben hier auf dem ato- mistischen, technischen Weg eine reale Finsterniß uͤber das Papier verbreitet, welche durch auffallendes Licht wohl einigermaßen bedingt und gemildert, keinesweges aber aufgehoben werden kann. Nun sucht sich aber unser I. 39 Sophist zwischen diesen beyden Arten die Sache darzu- stellen und zu denken einen Mittelstand, wo er, je nachdem es ihm nuͤtzt, eine von den beyden Arten braucht, oder vielmehr wo er sie beyde uͤbereinander schiebt, wie wir gleich sehen werden. 583. So ist offenbar, daß nichts weiter noͤthig ist, um sie voll- kommen weiß zu machen, als ihr Licht hinlaͤnglich zu vermeh- ren, und folglich, wenn man sie durch Vermehrung ihres Lichtes zur vollkommnen Weiße bringen kann, so sind sie von derselben Art Farbe, wie die besten Weißen, und unterschei- den sich allein durch die Quantitaͤt des Lichtes. 584. Es ist ein großes Unheil, das nicht allein durch die Newtonische Optik, sondern durch mehrere Schrif- ten, besonders jener Zeit durchgeht, daß die Verfasser sich nicht bewußt sind, auf welchem Standpunct sie stehen, daß sie erst mitten in dem Realen stecken, auf einmal sich zu einer idealen Vorstellungsart erheben, und dann wieder ins Reale zuruͤckfallen. Daher ent- stehn die wunderlichsten Vorstellungs- und Erklaͤrungs- weisen, denen man einen gewissen Gehalt nicht ab- sprechen kann, deren Form aber einen innern Wider- spruch mit sich fuͤhrt. Eben so ist es mit der Art, wie Newton nunmehr sein Hellgrau zum Weißen er- heben will. 585. Ich nahm die dritte der oben gemeldeten grauen Mi- schungen und strich sie dick auf den Fußboden meines Zim- mers, wohin die Sonne durch das offne Fenster schien, und daneben legte ich ein Stuͤck weißes Papier von derselbigen Groͤße in den Schatten. 586. Was hat unser Ehrenmann denn nun gethan? Um das reell dunkle Pulver weiß zu machen, muß er das reell weiße Papier schwaͤrzen; um zwey Dinge mit ein- ander vergleichen und sie gegen einander aufheben zu koͤnnen, muß er den Unterschied, der zwischen bey- den obwaltet, wegnehmen. Es ist eben als wenn man ein Kind auf den Tisch stellte, vor dem ein Mann stuͤnde, und behauptete nun, sie seyen gleich groß. 587. Das weiße Papier im Schatten ist nicht mehr weiß: denn es ist verdunkelt, beschattet; das graue Pulver in der Sonne ist doch nicht weiß: denn es fuͤhrt seine Finsterniß unausloͤschlich bey sich. Die laͤ- cherliche Vorrichtung kennt man nun; man sehe wie sich der Beobachter dabey benimmt. 588. Dann ging ich etwa zwoͤlf oder achtzehn Fuß hinweg, so daß ich die Unebenheiten auf der Oberflaͤche des Pulvers nicht sehen konnte, noch die kleinen Schatten, die von den ein- zelnen Theilen der Pulver etwa fallen mochten; da sah das Pulver vollkommen weiß aus, so daß es gar noch das Pa- pier an Weiße uͤbertraf, besonders wenn man von dem Pa- 39 * piere noch das Licht abhielt, das von einigen Wolken her dar- auf fiel. Dann erschien das Papier, mit dem Pulver vergli- chen, so grau als das Pulver vorher. 589. Nichts ist natuͤrlicher! Wenn man das Papier, womit das Pulver verglichen werden soll, durch ei- nen immer mehr entschiedenen Schatten nach und nach verdunkelt, so muß es freylich immer grauer werden. Er lege doch aber das Papier neben das Pulver in die Sonne, oder streue sein Pulver auf ein weißes Pa- pier das in der Sonne liegt, und das wahre Ver- haͤltniß wird hervortreten. 590. Wir uͤbergehen, was er noch weiter vorbringt, ohne daß seine Sache dadurch gebessert wuͤrde. Zu- letzt kommt gar noch ein Freund herein, welcher auch das graue in der Sonne liegende Pulver fuͤr weiß an- spricht, wie es einem jeden, der uͤberrascht in Dingen welche zweydeutig in die Sinne fallen, ein Zeugniß abgeben soll, gar leicht ergehen kann. 591. Wir uͤberschlagen gleichfalls sein triumphirendes ergo bibamus, indem fuͤr diejenigen, welche die wahre Ansicht zu fassen geneigt sind, schon im Vorhergehenden genugsam gesagt ist. Sechste Proposition. Zweytes Problem . In einer Mischung von urspruͤnglichen Farben, bey gegebener Quantitaͤt und Qualitaͤt einer jeden, die Farbe der zusammengesetzten zu bestimmen. 592. Daß ein Farbenschema sich bequem in einen Kreis einschließen lasse, daran zweifelt wohl Niemand, und die erste Figur unserer ersten Tafel zeigt solches auf eine Weise welche wir fuͤr die vortheilhafteste hielten. Newton nimmt sich hier dasselbige vor; aber wie geht er zu Werke? Das flammenartig vorschreitende, be- kannte Spectrum soll in einen Kreis gebogen und die Raͤume, welche die Farben an der Peripherie einneh- men, sollen nach jenen Tonmaßen bestimmt werden, welche Newton in dem Spectrum gefunden haben will. 593. Allein hier zeigt sich eine neue Unbequemlichkeit: denn zwischen seinem Violetten und Orange, indem alle Stufen von Roth angegeben werden muͤssen, ist er genoͤthigt das reine Roth, das ihm in seinem Spec- trum fehlt, in seinen Urfarbenkreis mit einzuschalten. Es bedarf freylich nur einer kleinen Wendung nach seiner Art, um auch dieses Roth zu intercaliren, ein- zuschwaͤrzen, wie er es fruͤher mit dem Gruͤnen und Weißen gethan. Nun sollen centra gravitatis ge- funden, kleine Cirkelchen in gewissen Proportionen be- schrieben, Linien gezogen, und so auf diejenige Farbe gedeutet werden, welche aus der Mischung mehrerer gegebenen entspringt. 594. Wir muͤssen einem jeden Leser uͤberlassen diese neue Quaͤkeley bey dem Verfasser selbst zu studiren. Wir halten uns dabey nicht auf, weil uns nur zu deutlich ist, daß die Raumeintheilung der Farben um gedach- ten Kreis nicht naturgemaͤß sey, indem keine Verglei- chung des Spectrums mit den Tonintervallen statt findet; wie denn auch die einander entgegenstehenden, sich fordernden Farben aus dem Newtonischen Kreise keineswegs entwickelt werden koͤnnen. Uebrigens nach- dem er genug gemessen und gebuchstabt, sagt er ja selbst: „Diese Regel finde ich genau genug fuͤr die Praktik, obgleich nicht mathematisch vollkommen.“ Fuͤr die Ausuͤbung hat dieses Schema und die Operation an demselben nicht den mindesten Nutzen; und wie wollte es ihn haben, da ihm nichts theoretisch wahres zum Grunde liegt. Siebente Proposition. Fuͤnftes Theorem . Alle Farben des Universums, welche durch Licht hervorgebracht werden, und nicht von der Gewalt der Einbildungskraft abhaͤngen, sind entweder die Farben homogener Lichter, oder aus diesen zu- sammengesetzt, und zwar entweder ganz genau oder doch sehr nahe der Regel des vorstehenden Problems gemaͤß. 595. Unter dieser Rubrik recapitulirt Newton was er in dem gegenwaͤrtigen zweyten Theile des ersten Buchs nach und nach vorgetragen, und schließt daraus, wie es die Proposition ausweist: daß alle Farben der Koͤr- per eigentlich nur integrirende Theile des Lichts seyen, welche auf mancherley Weise aus dem Licht heraus ge- zwaͤngt, geaͤngstigt, geschieden und sodann auch wohl wieder gemischt worden. Da wir den Inhalt des zweyten Theils Schritt vor Schritt gepruͤft, so brau- chen wir uns bey dieser Wiederholung nicht aufzu- halten. 596. Zuletzt erwaͤhnt er derjenigen Farben, welche wir unter der Rubrik der physiologischen und pathologi- schen bearbeitet haben. Diese sollen dem Lichte nicht angehoͤren, und er wird sie dadurch auf einmal los, daß er sie der Einbildungskraft zuschreibt. Achte Proposition. Drittes Problem . Durch die entdeckten Eigenschaften des Lichts die prismatischen Farben zu erklaͤren. 597. Sollte man nicht mit Verwunderung fragen, wie denn eigentlich dieses Problem hieher komme? Vom ersten Anfang seiner Optik an ist Newton bemuͤht, vermittelst der prismatischen Farben, die Eigenschaf- ten des Lichts zu entdecken. Waͤre es ihm gelungen, so wuͤrde nichts leichter seyn, als die Demonstration umzukehren, und aus den offenbarten Eigenschaften des Lichts die prismatischen Farben herzuleiten. 598. Allein es liegt diesem Problem abermals eine Tuͤcke zum Grunde. In der hieher gehoͤrigen Figur, welche zu seinem zweyten Theil die zwoͤlfte ist, und auf unserer siebenten Tafel mit Nr. 9 bezeichnet wor- den, bringt er zum erstenmal das zwischen den beyden farbigen Randerscheinungen unveraͤnderte Weiß ent- schieden vor, nachdem er solches fruͤher mehrmals, und zuletzt bey dem dreyzehnten Versuch, wo er zwey Prismen anwendete, stillschweigend eingefuͤhrt hatte. Dort wie hier bezeichnet er jede der beyden Rander- scheinungen mit fuͤnf Linien, wodurch er anzudeuten scheinen moͤchte, daß an beyden Enden jedesmal das ganze Farbensystem hervortrete. Allein genau besehen, laͤßt er die uns wohlbekannten Randerscheinungen end- lich einmal gelten; doch anstatt durch ihr einfaches Zu- sammenneigen das Gruͤn hervorzubringen, laͤßt er, wun- derlich genug, die Farben hintereinander aufmarschiren, sich einander decken, sich mischen, und will nun durch diese Wort- und Zeichenmengerey das Weiß hervorge- bracht haben, das freylich in der Erscheinung da ist, aber an und fuͤr sich, ohne erst durch jene farbigen Lichter zu entspringen, die er hypothetisch uͤber einan- der schiebt. 599. So sehr er sich nun auch bemuͤht, mit griechischen und lateinischen Buchstaben seine so falsche als unge- reimte und abstruse Vorstellungsart faßlich zu machen, so gelingt es ihm doch nicht, und seine treuen glaͤubi- gen Schuͤler fanden sich genoͤthigt, diese linearische Darstellung in eine tabellarische zu verwandeln. 600. Green in Halle hat, indem er sich unsern unschul- digen optischen Veytraͤgen mit pfaͤffischem Stolz und Heftigkeit widersetzte, eine solche tabellarische Darstel- lung mit Buchstaben ausgearbeitet, was die Verruͤ- ckung des hellen Bildes betrifft. Der Recensent un- serer Beytraͤge in der jenaischen Literaturzeitung hat die naͤmliche Bemuͤhung wegen Verruͤckung eines dunk- len Bildes uͤbernommen. Weil aber eine solche Buch- stabenkraͤmerey nicht von jedem an und durchgeschaut werden kann; so haben wir unsere neunte und zehnte Tafel einer anschaulichen Darstellung gewidmet, wo man die prismatischen Farbensysteme theils zusammen, theils in Divisionen und Detachements, en échelon hinter einander als farbige Quadrate vertical aufmar- schiren sieht, da man sie denn horizontal mit den Augen sogleich zusammensummiren und die laͤcherlichen Resultate, welche nach Newton und seiner Schule auf diese Weise entspringen sollen, mit bloßem Gerad- sinn beurtheilen kann. 601. Wir haben auf denselbigen Tafeln noch andere solche Farbenreihen aufgefuͤhrt, um zugleich des wun- derlichen Wuͤnsch seltsame Reduction der prismatischen Farbenerscheinung deutlich zu machen, der, um die Newtonische Darstellung zu retten, dieselbe epitomisirt, und mit der wunderlichsten Intrigue, indem er das Geschaͤft zu vereinfachen glaubte, noch mehr verun- naturt hat. 602. Wir versparen das Weitere hieruͤber bis zur Er- klaͤrung der Tafeln, da es uns denn mit Gunst unse- rer Leser wohl erlaubt seyn wird, uns uͤber diese Geg- ner und Halbgegner sowohl als ihren Meister, zur Entschaͤdigung fuͤr so viele Muͤhe, billigermaßen lustig zu machen. Sechzehnter Versuch . 603. Dieses aus der bloßen Empirie genommene und dem bisherigen hypothetischen Verfahren nur gleichsam angeklebte, durch eine ungeschickte Figur, die dreyzehnte des zweyten Theils, keinesweges versinnlichte Phaͤno- men muͤssen wir erst zum Versuch erheben, wenn wir verstehen wollen, worauf er eigentlich deute. 604. Man stelle sich mit einem Prisma an ein offnes Fenster, wie gewoͤhnlich den brechenden Winkel unter sich gekehrt; man lehne sich so weit vor, daß nicht et- wa ein oberes Fensterkreuz durch Refraction erscheine: alsdann wird man oben am Prisma unter einem dunk- len Rand einen gelben Bogen erblicken, der sich an dem hellen Himmel herzieht. Dieser dunkle Rand ent- springt von dem aͤußern oberen Rande des Prisma’s, wie man sich sogleich uͤberzeugen wird, wenn man ein Stuͤckchen Wachs uͤber denselben hinaus klebt; welches innerhalb des farbigen Bogens recht gut gesehen wer- den kann. Unter diesem gelben Bogen erblickt man sodann den klaren Himmel, tiefer den Horizont, er bestehe nun aus Haͤusern oder Bergen, welche nach dem Ge- setz blau und blauroth gesaͤumt erscheinen. Nun biege man das Prisma immer mehr nieder, indem man immer fortfaͤhrt hineinzusehen. Nach und nach werden die Gebaͤude, der Horizont, sich zuruͤck- legen, endlich ganz verschwinden und der gelbe und gelbrothe Bogen, den man bisher gesehen, wird sich sodann in einen blauen und blaurothen verwandeln, welches derjenige ist, von dem Newton spricht ohne des vorhergehenden und dieser Verwandlung zu er- waͤhnen. 605. Dieses ist aber auch noch kein Experiment, son- dern ein bloßes empirisches Phaͤnomen. Die Vorrich- tung aber, welche wir vorschlagen, um von dieser Er- scheinung das Zufaͤllige wegzunehmen und sie in ihren Bedingungen zugleich zu vermannigfaltigen und zu be- festigen, wollen wir sogleich angeben, wenn wir vor- her noch eine Bemerkung gemacht haben. Das Phaͤ- nomen, wie es sich uns am Fenster zeigt, entspringt indem der helle Himmel uͤber der dunklen Erde steht. Wir koͤnnen es nicht leicht umkehren und uns einen dunklen Himmel und eine helle Erde verschaffen. Eben dieses gilt von Zimmern, in welchen die Decken mei- stens hell und die Waͤnde mehr oder weniger dun- kel sind. 606. In diesem Sinne mache man in einem maͤßig großen und hohen Zimmer folgende Vorrichtung. In dem Winkel, da wo die Wand sich von der Decke scheidet, bringe man eine Bahn schwarzes Papier ne- ben einer Bahn weißen Papiers an; an der Decke da- gegen bringe man, in gedachtem Winkel zusammensto- ßend, uͤber der schwarzen Bahn eine weiße, uͤber der weißen eine schwarze an, und betrachte nun diese Bah- nen neben und uͤber einander auf die Weise wie man vorher zum Fenster hinaus sah. Der Bogen wird wieder erscheinen, den man aber freylich von allen andern, welche Raͤnder oder Leisten verursachen, un- terscheiden muß. Wo der Bogen uͤber die weiße Bahn der Decke geht, wird er wie vorher, als er uͤber den weißen Himmel zog, gelb, wo er sich uͤber die schwarze Bahn zieht, blau erscheinen. Senkt man nun wie- der das Prisma, so daß die Wand sich zuruͤckzulegen scheint; so wird der Bogen sich auf einmal umkehren, wenn er uͤber die umgekehrten Bahnen der Wand her- laͤuft: auf der weißen Bahn wird er auch hier gelb, und auf der schwarzen blau erscheinen. 607. Ist man hiervon unterrichtet, so kann man auch in der zufaͤlligen Empirie, beym Spazirengehn in be- schneiten Gegenden, bey hellen Sandwegen, die an dunklen Rasenpartieen herlaufen, dasselbige Phaͤnomen gewahr werden. Um diese Erscheinung, welche um- staͤndlich auszulegen, ein groͤßerer Aufsatz und eine ei- gene Tafel erfordert wuͤrde, vorlaͤufig zu erklaͤren, sagen wir nur soviel, daß bey diesem Refractionsfalle, welcher die gerade vor uns stehenden Gegenstaͤnde her- unterzieht, die uͤber uns sich befindenden Gegenstaͤnde oder Flaͤchen, indem sich wahrscheinlich eine Reflexion mit in das Spiel mischt, gegen den obern Rand des Prisma’s getrieben und an demselben, je nachdem sie hell oder dunkel sind, nach dem bekannten Gesetze ge- faͤrbt werden. Der Rand des Prisma’s erscheint als Bogen, wie alle vor uns liegende horizontale Linien durch das Prisma die Gestalt eines Bogens annehmen. Neunte Proposition. Viertes Problem . Durch die entdeckten Eigenschaften des Lichts die Farben des Regenbogens zu erklaͤren. 608. Daß alles was von den Prismen gilt, auch von den Linsen gelte, ist natuͤrlich; daß dasjenige was von den Kugelschnitten gilt, auch von den Kugeln selbst gelten werde, wenn auch einige andere Bestimmungen und Bedingungen miteintreten sollten, laͤßt sich gleich- falls erwarten. Wenn also Newton seine Lehre, die er auf Prismen und Linsen angewandt, nunmehr auch auf Kugeln und Tropfen anwendet, so ist dieses sei- nem theoretischen und hypothetischen Gange ganz gemaͤß. 609. Haben wir aber bisher alles anders gefunden als er, so werden wir natuͤrlicher Weise ihm auch hier zu widersprechen und das Phaͤnomen des Regenbogens auf unsere Art auszulegen haben. Wir halten uns jedoch bey diesem in die angewandte Physik gehoͤrigen Falle hier nicht auf, sondern werden was wir des- halb zu sagen noͤthig finden, in einer der supplementa- ren Abhandlungen nachbringen. Zehnte Proposition. Fuͤnftes Problem . Aus den entdeckten Eigenschaften des Lichtes die dauernden Farben der natuͤrlichen Koͤrper zu er- klaͤren. 610. Diese Farben entstehen daher, daß einige natuͤrliche Koͤr- per eine gewisse Art Strahlen haͤufiger als die uͤbrigen Strah- len zuruͤckwerfen, und daß andre natuͤrliche Koͤrper eben die- selbe Eigenschaft gegen andre Strahlen ausuͤben. 611. Man merke hier gleich haͤufiger ; also nicht et- wa allein, oder ausschließlich, wie es doch seyn muͤßte, wenigstens bey einigen ganz reinen Farben. Be- trachtet man ein reines Gelb, so koͤnnte man sich die Vorstellung gefallen lassen, daß dieses reine Gelb die gelben Strahlen allein von sich schickt; eben so mit ganz reinem Blau. Allein der Verfasser huͤtet sich wohl, dieses zu behaupten, weil er sich abermals eine Hinterthuͤre auflassen muß, um einem dringenden Gegner zu entgehen, wie man bald sehen wird. 612. Mennige wirft die am wenigsten refrangiblen Strahlen am haͤufigsten zuruͤck und erscheint deswegen roth. Veilchen werfen die refrangibelsten Strahlen am haͤufigsten zuruͤck und haben ihre Farbe daher; und so verhaͤlt es sich mit den uͤbrigen Koͤrpern. Jeder Koͤrper wirft die Strahlen seiner ei- genen Farbe haͤufiger zuruͤck, als die uͤbrigen Strahlen; und von ihrem Uebermaße und Vorherrschaft im zuruͤckgeworfenen Licht hat er seine Farbe. 613. Die Newtonische Theorie hat das Eigene, daß sie sehr leicht zu lernen und sehr schwer anzuwenden ist. Man darf nur die erste Proposition, womit die Optik anfaͤngt, gelten lassen oder glaͤubig in sich auf- nehmen; so ist man auf ewig uͤber das Farbenwesen beruhigt. Schreitet man aber zur naͤhern Untersu- chung, will man die Hypothese auf die Phaͤnomene anwenden; dann geht die Noth erst an; dann kom- men Vor- und Nachklagen, Limitationen, Restrictio- nen, Reservationen kommen zum Vorschein, bis sich jede Proposition erst im Einzelnen, und zuletzt die Lehre im Ganzen vor dem Blick des scharfen Beobachters voͤllig neutralisirt. Man gebe Acht, wie die es hier abermals der Fall ist. Siebzehnter Versuch . 614. Denn wenn ihr in die homogenen Lichter, welche ihr durch die Aufloͤsung des Problems, welches in der vierten Proposition des ersten Theiles aufgestellt wurde, erhaltet, 615. Daß wir auch dort durch alle Bemuͤhung keine homogeneren Lichter, als durch den gewoͤhnlichen pris- matischen Versuch erhielten, ist seines Ortes dargethan worden. 616. Koͤrper von verschiedenen Farben hineinbringt; so werdet ihr finden, daß jeder Koͤrper, in das Licht seiner eigenen Farbe gebracht, glaͤnzend und leuchtend erscheint. 617. Dagegen ist nichts zu sagen, nur wird derselbe Effect hervorgebracht, wenn man auch das ganz ge- I. 40 woͤhnliche und ungequaͤlte prismatische Bild bey diesem Versuche anwendet. Und nichts ist natuͤrlicher als wenn man Gleiches zu Gleichem bringt, daß die Wirkung nicht vermindert werde, sondern vielmehr verstaͤrkt, wenn das eine Homogene dem Grade nach wirksamer ist, als das andre. Man gieße concentrirten Essig zu gemeinem Essig und diese so verbundene Fluͤssigkeit wird staͤrker seyn, als die gemeine. Ganz anders ist es, wenn man das Heterogene dazu mischt, wenn man Alcali in den gemeinen Essig wirft. Die Wirkung beyder geht verloren bis zur Neutralisation. Aber von diesem Gleichnamigen und Ungleichnamigen will und kann Newton nichts wissen. Er quaͤlt sich auf seinen Graden und Stufen herum, und muß doch zu- letzt eine entgegengesetzte Wirkung gestehen. 618. Zinnober glaͤnzt am meisten im homogenen rothen Licht, weniger im gruͤnen, und noch weniger im blauen. 619. Wie schlecht ist hier das Phaͤnomen ausgedruͤckt, indem er bloß auf den Zinnober und sein Glaͤnzen Ruͤcksicht nimmt, und die Mischung verschweigt, wel- che die auffallende prismatische Farbe mit der unter- liegenden koͤrperlichen hervorbringt. 620. Indig im veilchenblauen Licht glaͤnzt am meisten. 621. Aber warum? Weil der Indig, der eigentlich nur eine dunkle satte blaue Farbe ist, durch das violette Licht einen Glanz, einen Schein, Hellung und Leben er- haͤlt; und sein Glanz wird stufenweise vermindert, wie man ihn gegen Gruͤn, Gelb und Roth bewegt. 622. Warum spricht denn der Verfasser nur vom Glanz der sich vermindern soll? warum spricht er nicht von der neuen gemischten Farbenerscheinung, welche auf die- sem Wege entsteht? Freylich ist das Wahre zu natuͤr- lich, und man braucht das Falsche, Halbe, um die Un- natur zu beschoͤnigen, in die man die Sache gezogen hat. 623. Ein Lauchblatt 624. Und was soll nun der Knoblauch im Experimente und gleich auf die Pulver? Warum bleibt er nicht bey gleichen Flaͤchen, Papier oder aufgezogenem Sei- denzeug? Wahrscheinlich soll der Knoblauch hier nur so viel heißen, daß die Lehre auch von Pflanzen gelte. 625. wirft das gruͤne Licht und das gelbe und blaue, woraus 40 * es zusammengesetzt ist, lebhafter zuruͤck als es das rothe und violette zuruͤckwirft. 626. Damit aber diese Versuche desto lebhafter erscheinen, so muß man solche Koͤrper waͤhlen, welche die vollsten und leb- haftesten Farben haben, und zwey solche Koͤrper muͤssen mit einander verglichen werden. Z. B. wenn man Zinnober und Ultramarinblau 627. Mit Pulvern sollte man, wie schon oft gesagt, nicht operiren; denn wie kann man hindern, daß ihre ungleichen Theile Schatten werfen? 628. zusammen (neben einander) in rothes homogenes Licht haͤlt, so werden sie beyde roth erscheinen; 629. Dieß sagt er hier auch nur, um es gleich wieder zuruͤckzunehmen. 630. aber der Zinnober wird von einem starken leuchtenden und glaͤnzenden Roth seyn, und der Ultramarin von einem schwachen dunklen und finstern Roth. 631. Und das von Rechtswegen: denn Gelbroth erhebt das Gelbrothe und zerstoͤrt das Blaue. 632. Dagegen wenn man sie zusammen in das blaue Licht haͤlt, so werden sie beyde blau erscheinen; nur wird der Ultrama- rin maͤchtig leuchtend und glaͤnzend seyn, das Blau des Zin- nobers aber schwach und finster. 633. Und zwar auch, nach unserer Auslegung, von Rechtswegen. Sehr ungern wiederholen wir diese Dinge, da sie oben schon so umstaͤndlich von uns ausgefuͤhrt worden. Doch muß man den Widerspruch wiederholen, da Newton das Falsche immer wiederholt, nur um es tie- fer einzupraͤgen. 634. Welches außer Streit setzt, daß der Zinnober das rothe Licht haͤufiger als der Ultramarin zuruͤckwirft, und der Ultra- marin das blaue Licht mehr als der Zinnober. 635. Dieses ist die eigene Art etwas außer Streit zu setzen, nachdem man erst eine Meynung unbedingt ausgesprochen, und bey den Beobachtungen nur mit Worten und deren Stellung sich jener Behauptung genaͤhert hat. Denn das ganze Newtonische Farben- wesen ist nur ein Wortkram, mit dem sich deshalb so gut kramen laͤßt, weil man vor lauter Kram die Na- tur nicht mehr sieht. 636. Dasselbe Experiment kann man nach und nach mit Men- nige, Indig oder andern zwey Farben machen, um die ver- schiedene Staͤrke und Schwaͤche ihrer Farbe und ihres Lichtes einzusehen. 637. Was dabey einzusehen ist, ist den Einsichtigen schon bekannt. 638. Und da nun die Ursache der Farben an natuͤrlichen Koͤr- pern durch diese Experimente klar ist; 639. Es ist nichts klar, als daß er die Erscheinung un- vollstaͤndig und ungeschickt ausspricht, um sie nach sei- ner Hypothese zu bequemen. 640. so ist diese Ursache ferner bestaͤtigt und außer allem Streit gesetzt, durch die zwey ersten Experimente des ersten Theils, da man an solchen Koͤrpern bewies, daß die reflectir- ten Lichter, welche an Farbe verschieden sind, auch an Graden der Refrangibilitaͤt verschieden sind. 641. Hier schließt sich nun das Ende an den Anfang kuͤnstlich an, und da man uns dort die koͤrperlichen Farben schon auf Treu und Glauben fuͤr Lichter gab; so sind diese Lichter endlich hier voͤllig fertige Farben geworden und werden nun abermals zu Huͤlfe gerufen. Da wir nun aber dort aufs Umstaͤndlichste darge- than haben, daß jene Versuche gar nichts beweisen, so werden sie auch hier weiter der Theorie nicht zu statten kommen. 642. Daher ist es also gewiß, daß einige Koͤrper die mehr, andre die weniger refrangiblen Strahlen haͤufiger zuruͤckwerfen. 643. Und uns ist gewiß, daß es weder mehr noch we- niger refrangible Strahlen giebt, sondern daß die Na- turerscheinungen auf eine aͤchtere und bequemere Weise ausgesprochen werden koͤnnen. 644. Und dieß ist nicht allein die wahre Ursache dieser Farben, sondern auch die einzige, wenn man bedenkt, daß die Farben des homogenen Lichtes nicht veraͤndert werden koͤnnen durch die Reflexion von natuͤrlichen Koͤrpern. 645. Wie sicher muß Newton von dem blinden Glau- ben seiner Leser seyn, daß er zu sagen wagt, die Far- ben des homogenen Lichtes koͤnnen durch Reflexion von natuͤrlichen Koͤrpern nicht veraͤndert werden, da er doch auf der vorhergehenden Seite zugiebt, daß das ro- the Licht ganz anders vom Zinnober als vom Ultrama- rin, das blaue Licht ganz anders vom Ultramarin als vom Zinnober zuruͤckgeworfen werde. Nun sieht man aber wohl, warum er dort seine Redensarten so kuͤnstlich stellt, warum er nur vom Glanz und Hellen oder vom Matten und Dunklen der Farbe, keineswegs aber von ihrem andern Bedingtwerden durch Mischung reden mag. Es ist unmoͤglich ein so deutliches und einfaches Phaͤnomen schiefer und unredlicher zu behandlen; aber freylich wenn er Recht haben wollte, so mußte er sich, ganz oder halb bewußt, mit Reineke Fuchs zurufen: Aber ich sehe wohl, Luͤgen bedarf’s, und uͤber die Maßen! Denn nachdem er oben die Veraͤnderung der pris- matischen Farben auf den verschiedenen Koͤrpern aus- druͤcklich zugestanden, so faͤhrt er hier fort: 646. Denn wenn Koͤrper durch Reflexion auch nicht im minde- sten die Farbe irgend einer Art von Strahlen veraͤndern koͤnnen; so koͤnnen sie nicht auf andre Weise gefaͤrbt erschei- nen, als indem sie diejenigen zuruͤckwerfen, welche entweder von ihrer eigenen Farbe sind, oder die durch Mischung sie hervorbringen koͤnnen. 647. Hier tritt auf einmal die Mischung hervor und zwar dergestalt, daß man nicht recht weiß, was sie sa- gen will; aber das Gewissen regt sich bey ihm, es ist nur ein Uebergang zum Folgenden, wo er wieder alles zuruͤcknimmt, was er behauptet hat. Merke der Leser auf, er wird den Verfasser bis zum Unglaublichen un- verschaͤmt finden. 648. Denn wenn man diese Versuche macht, so muß man sich bemuͤhen das Licht soviel als moͤglich homogen zu erhalten. 649. Wie es mit den Bemuͤhungen, die prismatischen farbigen Lichter homogener zu machen, als sie bey dem einfachen Versuch im Spectrum erscheinen, haben wir oben umstaͤndlich dargethan, und wir wiederholen es nicht. Nur erinnere sich der Leser, daß Newton die schwierigsten, ja gewissermaßen unmoͤgliche Vorrichtun- gen vorgeschrieben hat, um dieser beliebten Homogeni- taͤt naͤher zu kommen. Nun bemerke man, daß er uns die einfachen, einem jeden moͤglichen Versuche verdaͤch- tig macht, indem er fortfaͤhrt: 650. Denn wenn man Koͤrper mit den gewoͤhnlichen prisma- tischen Farben erleuchtet, so werden sie weder in ihrer eige- nen Tageslichts-Farbe, noch in der Farbe erscheinen, die man auf sie wirft, sondern in einer gewissen Mittelfarbe zwischen beyden, wie ich durch Erfahrung gefunden habe. 651. Es ist recht merkwuͤrdig, wie er endlich einmal eine Erfahrung eingesteht, die einzig moͤgliche, die ein- zig nothwendige, und sie sogleich wieder verdaͤchtig macht. Denn was von der einfachsten prismatischen Erscheinung, wenn sie auf koͤrperliche Farben faͤllt, wahr ist, das bleibt wahr, man mag sie durch noch so viel Oeffnungen, große und kleine, durch Linsen von nahem oder weitem Brennpunct quaͤlen und bedingen: nie kann, nie wird etwas anders zum Vorschein kommen. 652. Wie benimmt sich aber unser Autor, um diese Un- sicherheit seiner Schuͤler zu vermehren? Auf die ver- schmitzteste Weise. Und betrachtet man diese Kniffe mit redlichem Sinn, hat man ein lebendiges Gefuͤhl fuͤrs Wahre, so kann man wohl sagen, der Autor benimmt sich schaͤndlich: denn man hoͤre nur: 653. Dénn die Mennige, wenn man sie mit dem gewoͤhnlichen prismatischen Gruͤn erleuchtet, wird nicht roth oder gruͤn, son- dern orange oder gelb erscheinen, je nachdem das gruͤne Licht, wodurch sie erleuchtet wird, mehr oder weniger zusam- mengesetzt ist. 654. Warum geht er denn hier nicht grad- oder stu- fenweise? Er werfe doch das ganz gewoͤhnliche pris- matische Roth auf die Mennige, so wird sie eben so schoͤn und glaͤnzend roth erscheinen, als wenn er das gequaͤlteste Spectrum dazu anwendete. Er werfe das Gruͤn des gequaͤltesten Spectrums auf die Mennige und die Erscheinung wird seyn, wie er sie beschreibt, oder vielmehr wie wir sie oben, da von der Sache die Rede war, beschrieben haben. Warum macht er denn erst die moͤglichen Versuche verdaͤchtig, warum schiebt er alles ins Ueberfeine, und warum kehrt er dann zuletzt immer wieder zu den ersten Versuchen zu- ruͤck? Nur um die Menschen zu verwirren und sich und seiner Heerde eine Hinterthuͤr offen zu lassen. Mit Widerwillen uͤbersetzen wir die fratzenhafte Erklaͤrungsart, wodurch er, nach seiner Weise, die Zerstoͤrung der gruͤnen prismatischen auf die Mennige geworfenen Farbe auslegen will. 655. Denn wie Mennige roth erscheint, wenn sie vom weißen Licht erleuchtet wird, in welchem alle Arten Strahlen gleich gemischt sind; so muß bey Erleuchtung derselben mit dem gruͤnen Licht in welchem alle Arten von Strahlen ungleich ge- mischt sind, etwas anders vorgehen. 656. Man bemerke, daß hier im Gruͤnen alle Arten von Strahlen enthalten seyn sollen, welches jedoch nicht zu seiner fruͤheren Darstellung der Heterogenitaͤt der homogenen Strahlen paßt: denn indem er dort die supponirten Zirkel auseinander zieht, so greifen doch nur die naͤchsten Farben in einander; hier aber geht jede Farbe durchs ganze Bild und man sieht also gar die Moͤglichkeit nicht ein, sie auf irgend eine Weise zu separiren. Es wird kuͤnftig zur Sprache kommen, was noch alles fuͤr Unsinn aus dieser Vorstellungsart, in einem System fuͤnf bis sieben Systeme en échelon aufmarschiren zu lassen, hervorspringt. 657. Denn einmal wird das Uebermaß der gelbmachenden, gruͤn- machenden und blaumachenden Strahlen, das sich in dem auf- fallenden gruͤnen Lichte befindet, Ursache seyn, daß diese Strah- len auch in dem zuruͤckgeworfenen Lichte sich so haͤufig befinden, daß sie die Farbe vom Rothen gegen ihre Farbe ziehen. Weil aber die Mennige dagegen die rothmachenden Strahlen haͤu- figer in Ruͤcksicht ihrer Anzahl zuruͤckwirft, und zunaͤchst die orangemachenden und gelbmachenden Strahlen, so werden diese in dem zuruͤckgeworfenen Licht haͤufiger seyn, als sie es in dem einfallenden gruͤnen Licht waren, und werden deswe- gen das zuruͤckgeworfene Licht vom Gruͤnen gegen ihre Farbe ziehen; und deswegen wird Mennige weder roth noch gruͤn, sondern von einer Farbe erscheinen, die zwischen beyden ist. 658. Da das ganze Verhaͤltniß der Sache oben um- staͤndlich dargethan worden, so bleibt uns weiter nichts uͤbrig, als diesen baaren Unsinn der Nachwelt zum Musterbilde einer solchen Behandlungsart zu empfehlen. Er fuͤgt nun noch vier Erfahrungen hinzu, die er auf seine Weise erklaͤrt, und die wir nebst unsern Be- merkungen mittheilen wollen. 659. In gefaͤrbten durchsichtigen Liquoren laͤßt sich bemerken, daß die Farbe nach ihrer Masse sich veraͤndert. Wenn man z. B. eine rothe Fluͤssigkeit in einem konischen Glase zwischen das Licht und das Auge haͤlt; so scheint sie unten, wo sie we- niger Masse hat, als ein blasses und verduͤnntes Gelb, etwas hoͤher, wo das Glas weiter wird, erscheint sie orange, noch weiter hinauf roth, und ganz oben von dem tiefsten und dun- kelsten Roth. 660. Wir haben diese Erfahrung in Stufengefaͤßen dar- gestellt (E. 517. 518.) und an ihnen die wichtige Lehre der Steigerung entwickelt, wie naͤmlich das Gelbe durch Verdichtung und Beschattung, eben so wie das Blaue, zum Rothen sich hinneigt, und dadurch die Ei- genschaft bewaͤhret, welche wir bey ihrem ersten Ur- sprung in truͤben Mitteln gewahr wurden. Wir erkann- ten die Einfachheit, die Tiefe dieser Ur- und Grund- erscheinungen; desto sonderbarer wird uns die Qual vorkommen, welche sich Newton macht, sie nach seiner Weise auszulegen. 661. Hier muß man sich vorstellen, daß eine solche Feuchtigkeit die indigomachenden und violettmachenden Strahlen sehr leicht abhaͤlt, die blaumachenden schwerer, die gruͤninachenden noch schwerer und die rothmachenden am allerschwersten. Wenn nun die Masse der Feuchtigkeit nicht staͤrker ist, als daß sie nur eine hinlaͤngliche Anzahl von violettmachenden und blau- machenden Strahlen abhaͤlt, ohne die Zahl der uͤbrigen zu vermindern; so muß der Ueberrest (nach der sechsten Proposi- tion des zweyten Theils) ein blasses Gelb machen: gewinnt aber die Feuchtigkeit so viel an Masse, daß sie eine große Anzahl von blaumachenden Strahlen und einige gruͤnmachende abhalten kann, so muß aus der Zusammensetzung der uͤbrigen ein Orange entstehen; und wenn die Feuchtigkeit noch breiter wird um eine große Anzahl von den gruͤnmachenden und eine bedeutende Anzahl von den gelbmachenden abzuhalten, so muß der Ueberrest anfangen ein Roth zusammenzusetzen; und die- ses Roth muß tiefer und dunkler werden, wenn die gelbma- chenden und orangemachenden Strahlen mehr und mehr durch die wachsende Masse der Feuchtigkeit abgehalten werden, so daß wenig Strahlen außer den rothmachenden durchgelangen koͤnnen. 662. Ob wohl in der Geschichte der Wissenschaften etwas aͤhnlich naͤrrisches und laͤcherliches von Erklaͤ- rungsart zu finden seyn moͤchte? 663. Von derselben Art ist eine Erfahrung, die mir neulich Herr Halley erzaͤhlt hat; der, als er tief in die See in einer Taucherglocke hinabstieg, an einem klaren Sonnenscheinstag, bemerkte, daß wenn er mehrere Faden tief ins Wasser hinab- kam, der obere Theil seiner Hand, worauf die Sonne gerade durchs Wasser und durch ein kleines Glasfenster in der Glocke schien, eine rothe Farbe hatte, wie eine Damascener Rose, so wie das Wasser unten und die untere Seite seiner Hand, die durch das von dem Wasser reflectirte Licht erleuchtet war, gruͤn aussah. 664. Wir haben dieses Versuchs unter den physiologi- schen Farben, da wo er hingehoͤrt, schon erwaͤhnt. Das Wasser wirkt hier als ein truͤbes Mittel welches die Sonnenstrahlen nach und nach maͤßigt, bis sie aus dem Gelben ins Rothe uͤbergehen und endlich purpur- farben erscheinen; dagegen denn die Schatten in der geforderten gruͤnen Farbe gesehen werden. Man hoͤre nun, wie seltsam sich Newton benimmt, um dem Phaͤnomen seine Terminologie anzupassen. 665. Daraus laͤßt sich schließen, daß das Seewasser die violett- und blaumachenden Strahlen sehr leicht zuruͤckwirft und die rothmachenden Strahlen frey und haͤufig in große Tiefen hinunter laͤßt; deshalb das directe Sonnenlicht in allen gro- ßen Tiefen, wegen der vorwaltenden rothmachenden Strahlen, roth erscheinen muß, und je groͤßer die Tiefe ist, desto staͤr- ker und maͤchtiger muß das Roth werden. Und in solchen Tiefen, wo die violettmachenden Strahlen kaum hinkommen, muͤssen die blaumachenden, gruͤnmachenden, gelbmachenden Strahlen von unten haͤufiger zuruͤckgeworfen werden als die rothmachenden, und ein Gruͤn zusammensetzen. 666. Da uns nunmehr die wahre Ableitung dieses Phaͤ- nomens genugsam bekannt ist, so kann uns die New- tonische Lehre nur zur Belustigung dienen, wobey denn zugleich, indem wir die falsche Erklaͤrungsart einsehen, das ganze System unhaltbarer erscheint. 667. Nimmt man zwey Fluͤssigkeiten von starker Farbe, z. B. Roth und Blau, und beyde hinlaͤnglich gesaͤttigt; so wird man, wenn jede Fluͤssigkeit fuͤr sich noch durchsichtig ist, nicht durch beyde hindurchsehen koͤnnen, sobald sie zusammengestellt werden. Denn wenn durch die eine Fluͤssigkeit nur die rothma- chenden Strahlen hindurchkoͤnnen und nur die blaumachenden durch die andre, so kann kein Strahl durch beyde hindurch. Dieses hat Herr Hook zufaͤllig mit keilfoͤrmigen Glasgefaͤßen, die mit rothen und blauen Liquoren gefuͤllt waren, versucht, und wunderte sich uͤber die unerwartete Wirkung, da die Ursache damals noch unbekannt war. Ich aber habe alle Ursache an die Wahrheit dieses Experiments zu glauben, ob ich es gleich selbst nicht versucht habe. Wer es jedoch wieder- holen will, muß sorgen, daß die Fluͤssigkeiten von sehr guter und starker Farbe seyen. 668. Worauf beruht nun dieser ganze Versuch? Er sagt weiter nichts aus, als daß ein noch allenfalls durchscheinendes Mittel, wenn es doppelt genommen wird, undurchsichtig werde; und dieses geschieht, man mag einerley Farbe oder zwey verschiedene Farben, erst einzeln und dann an einander geruͤckt, be- trachten. 669. Um dieses Experiment, welches nun auch schon uͤber hundert Jahre in der Geschichte der Farbenlehre spukt, los zu werden, verschaffe man sich mehrere, aus Glastafeln zusammengesetzte keilfoͤrmige aufrechtste- hende Gefaͤße, die an einander geschoben Parallelepipe- den bilden, wie sie sollen ausfuͤhrlicher beschrieben werden, wenn von unserm Apparat die Rede seyn wird. Man fuͤlle sie erst mit reinem Wasser, und ge- woͤhne sich die Verruͤckung entgegengestellter Bilder und die bekannten prismatischen Erscheinungen dadurch zu beobachten; dann schiebe man zwey uͤber einander und troͤpfle in jedes Tinte, nach und nach, so lange bis endlich der Liquor undurchsichtig wird; nun schiebe man die beyden Keile aus einander, und jeder fuͤr sich wird noch genugsam durchscheinend seyn. 671. Dieselbe Operation mache man nunmehr mit far- bigen Liquoren, und das Resultat wird immer dasselbe bleiben, man mag sich nur Einer Farbe in den beyden Gefaͤßen oder zweyer bedienen. So lange die Fluͤssig- keiten nicht uͤbersaͤttigt sind, wird man durch das Pa- rallelepipedon recht gut hindurchsehen koͤnnen. 672. Nun begreift man also wohl, warum Newton wiederholt zu Anfang und zu Ende seines Perioden auf gesaͤttigte und reiche Farben dringt. Damit man aber sehe, daß die Farbe gar nichts zur Sache thut, so bereite man mit Lacmus in zwey solchen Keilglaͤsern I. 41 einen blauen Liquor dergestalt, daß man durch das Parallelepipedon noch durchsehen kann. Man lasse als- dann in das eine Gefaͤß, durch einen Gehuͤlfen, Essig troͤpfeln, so wird sich die blaue Farbe in eine rothe verwandeln, die Durchsichtigkeit aber bleiben, wie vor- her, ja wohl eher zunehmen, indem durch die Saͤure dem Blauen von seinem σκιερὸν etwas entzogen wird. Bey Vermannigfaltigung des Versuchs kann man auch alle die Versuche wiederholen, die sich auf scheinbare Farbenmischung beziehen. 673. Will man diese Versuche sich und andern recht anschaulich machen, so habe man vier bis sechs solcher Gefaͤße zugleich bey der Hand, damit man nicht durch Ausgießen und Umfuͤllen die Zeit verliere und keine Unbequemlichkeit und Unreinlichkeit entstehe. Auch lasse man sich diesen Apparat nicht reuen, weil man mit demselben die objectiven und subjectiven prismatischen Versuche, wie sie sich durch farbige Mittel modificiren, mit einiger Uebung vortheilhaft darstellen kann. Wir sprechen also was wir oben gesagt, nochmals aus: ein Durchscheinendes doppelt oder mehrfach genommen, wird undurchsichtig, wie man sich durch farbige Fen- sterscheiben, Opalglaͤser, ja sogar durch farblose Fen- sterscheiben uͤberzeugen kann. 674. Nun kommt Newton noch auf den Versuch mit truͤben Mitteln. Uns sind diese Urphaͤnomene aus dem Entwurf umstaͤndlich bekannt, und wir werden deshalb um desto leichter das Unzulaͤngliche seiner Erklaͤrungs- art einsehen koͤnnen. 675. Es giebt einige Feuchtigkeiten, wie die Tinctur des Lig- num nephriticum, und einige Arten Glas, welche eine Art Licht haͤufig durchlassen und eine andre zuruͤckwerfen, und deswegen von verschiedener Farbe erscheinen, je nachdem die Lage des Auges gegen das Licht ist. Aber wenn diese Feuch- tigkeiten oder Glaͤser so dick waͤren, so viel Masse haͤtten, daß gar kein Licht hindurch koͤnnte; so zweifle ich nicht, sie wuͤrden andern dunklen Koͤrpern gleich seyn und in allen Lagen des Auges dieselbe Farbe haben, ob ich es gleich nicht durch Experimente beweisen kann. 676. Und doch ist gerade in dem angefuͤhrten Falle das Experiment sehr leicht. Wenn naͤmlich ein truͤbes Mit- tel noch halbdurchsichtig ist, und man haͤlt es vor einen dunklen Grund, so erscheint es blau. Dieses Blau wird aber keinesweges von der Oberflaͤche zuruͤckgewor- fen, sondern es kommt aus der Tiefe. Reflectirten sol- che Koͤrper die blaue Farbe leichter als eine andre von ihrer Oberflaͤche, so muͤßte man dieselbe noch immer blau sehen, auch dann, wenn man die Truͤbe auf den hoͤchsten Grad, bis zur Undurchsichtigkeit ge- bracht hat. Aber man sieht Weiß, aus den von uns im Entwurf genugsam ausgefuͤhrten Ursachen. Newton 41 * macht sich aber hier ohne Noth Schwierigkeiten, weil er wohl fuͤhlt, daß der Boden, worauf er steht, nicht sicher ist. 677. Denn durch alle farbigen Koͤrper, so weit meine Bemerkung reicht, kann man hindurchsehen, wenn man sie duͤnn genug macht; sie sind deswegen gewissermaßen durchsichtig, und also nur in Graden der Durchsichtigkeit von gefaͤrbten durchsichti- gen Liquoren verschieden. Diese Feuchtigkeiten, so gut wie solche Koͤrper, werden bey hinreichender Masse undurchsichtig. Ein durchsichtiger Koͤrper, der in einer gewissen Farbe er- scheint wenn das Licht hindurchfaͤllt, kann bey zuruͤckgeworfe- nem Licht dieselbe Farbe haben, wenn das Licht dieser Farbe von der hinteren Flaͤche des Koͤrpers zuruͤckgeworfen wird, oder von der Luft die daran stoͤßt. Dann kann aber die zu- ruͤckgeworfene Farbe vermindert werden, ja aufhoͤren, wenn man den Koͤrper sehr dick macht, oder ihn auf der Ruͤckseite mit Pech uͤberzieht, um die Reflexion der hinteren Flaͤche zu vermindern, so daß das von den faͤrbenden Theilen zuruͤckge- worfene Licht vorherrschen mag. In solchen Faͤllen wird die Farbe des zuruͤckgeworfenen Lichtes von der des durchfallenden Lichtes wohl abweichen koͤnnen. 678. Alles dieses Hin- und Wiederreden findet man unnuͤtz, wenn man die Ableitung der koͤrperlichen Far- ben kennt, wie wir solche im Entwurf versucht haben; besonders wenn man mit uns uͤberzeugt ist, daß jede Farbe, um gesehen zu werden, ein Licht im Hinter- grunde haben muͤsse, und daß wir eigentlich alle koͤrper- liche Farbe mittelst eines durchfallenden Lichts gewahr werden, es sey nun, daß das einfallende Licht durch einen durchsichtigen Koͤrper durchgehe, oder daß es bey dem undurchsichtigen Koͤrper auf seine helle Grundlage dringe und von da wieder zuruͤckkehre. Das ergo bibamus des Autors uͤbergehen wir und eilen mit ihm zum Schlusse. Elfte Proposition. Sechstes Problem . Durch Mischung farbiger Lichter einen Lichtstrahl zu- sammenzusetzen, von derselben Farbe und Natur wie ein Strahl des directen Sonnenlichts, und dadurch die Wahrheit der vorhergehenden Propo- sitionen zu bestaͤtigen. 679. Hier verbindet Newton nochmals Prismen mit Linsen, und es gehoͤrt deshalb dieses Problem in jenes supplementare Capitel, auf welches wir abermals unsere Leser anweisen. Vorlaͤufig gesagt, so leistet er hier doch auch nichts: denn er bringt nur die durch ein Prisma auf den hoͤchsten Gipfel gefuͤhrte Farbenerschei- nung durch eine Linse auf den Nullpunct zuruͤck; hinter diesem kehrt sie sich um, das Blaue und Violette kommt nun unten, das Gelbe und Gelbrothe oben hin. Dieses so gesaͤumte Bild faͤllt abermals auf ein Pris- ma, das, weil es das umgekehrt anlangende Bild in die Hoͤhe ruͤckt, solches wieder umkehrt, die Raͤnder auf den Nullpunct bringt, wo denn abermals von einem dritten Prisma, das den brechenden Winkel nach oben richtet, das farblose Bild aufgefangen wird und nach der Brechung wieder gefaͤrbt erscheint. 680. Hieran koͤnnen wir nichts merkwuͤrdiges finden: denn daß man ein verruͤcktes und gefaͤrbtes Bild auf mancherley Weise wieder zurecht ruͤcken und farblos machen koͤnne, ist uns kein Geheimniß. Daß ferner ein solches entfaͤrbtes Bild auf mancherley Weise durch neue Verruͤckung wieder von vorn anfange gefaͤrbt zu werden, ohne daß diese neue Faͤrbung mit der ersten aufgehobenen auch nur in der mindesten Verbindung stehe, ist uns auch nicht verborgen, da wir, was ge- wisse Reflexionsfaͤlle betrifft, unsere achte Tafel mit ei- ner umstaͤndlichen Auslegung diesem Gegenstand gewid- met haben. 681. So ist denn auch aufmerksamen Lesern und Experi- mentatoren keineswegs unbekannt, wann solche gefaͤrbte, auf den Nullpunct entweder subjectiv oder objectiv zu- ruͤckgebrachte Bilder, nach den Gesetzen des ersten An- stoßes, oder durch entgegengesetzte Determination, ihre Eigenschaften behaupten, fortsetzen, erneuern oder um- kehren. Abschluß . Wir glauben nunmehr in polemischer Behandlung des ersten Buches der Optik unsre Pflicht erfuͤllt und ins Klare gesetzt zu haben, wie wenig Newtons hy- pothetische Erklaͤrung und Ableitung der Farbenerschei- nung beym Refractionsfall Stich halte. Die folgenden Buͤcher lassen wir auf sich beruhen. Sie beschaͤftigen sich mit den Erscheinungen, welche wir die epoptischen und paroptischen genannt haben. Was Newton gethan, um diese zu erklaͤren und auszulegen, hat eigentlich niemals großen Einfluß gehabt, ob man gleich in allen Geschichten und Woͤrterbuͤchern der Physik histori- sche Rechenschaft davon gab. Gegenwaͤrtig ist die Na- turforschende Welt, und mit ihr sogar des Verfassers eigene Landsleute, voͤllig davon zuruͤckgekommen, und wir haben also nicht Ursache uns weiter darauf einzulassen. Will Jemand ein Uebriges thun, der vergleiche unsere Darstellung der epoptischen Erscheinungen mit der Newtonischen. Wir haben sie auf einfache Elemente zu- ruͤckgefuͤhrt; er hingegen bringt auch hier wieder Noth- wendiges und Zufaͤlliges durch einander vor, mißt und berechnet, erklaͤrt und theoretisirt eins mit dem andern und alles durch einander, wie er es bey dem Refrac- tionsfalle gemacht hat; und so muͤßten wir denn auch nur unsere Behandlung des ersten Buches bey den fol- genden wiederholen. Blicken wir nun auf unsre Arbeit zuruͤck, so wuͤnsch- ten wir wohl in dem Falle jenes Cardinals zu seyn, der seine Schriften ins Concept drucken ließ. Wir wuͤr- den alsdann noch manches nachzuholen und zu bessern Ursache finden. Besonders wuͤrden wir vielleicht einige heftige Ansdruͤcke mildern, welche den Gegner auf- bringen, dem Gleichguͤltigen verdrießlich sind und die der Freund wenigstens verzeihen muß. Allein wir be- denken zu unserer Beruhigung, daß diese ganze Arbeit mitten in dem heftigsten Kriege der unser Vaterland er- schuͤtterte, unternommen und vollendet wurde. Das Gewaltsame der Zeit dringt leider bis in die friedli- chen Wohnungen der Musen, und die Sitten der Men- schen werden durch die naͤchsten Beyspiele, wo nicht bestimmt, doch modificirt. Wir haben mehrere Jahre erlebt und gesehen, daß es im Conflict von Meynungen und Thaten nicht darauf ankommt seinen Gegner zu schonen, sondern ihn zu uͤberwinden; daß Niemand sich aus seinem Vortheil herausschmeicheln oder heraus- complimentiren laͤßt, sondern daß er, wenn es ja nicht anders seyn kann, wenigstens herausgeworfen seyn will. Hartnaͤckiger als die Newtonische Partey hat sich kaum eine in der Geschichte der Wissenschaften bewiesen. Sie hat manchem wahrheitsliebenden Man- ne das Leben verkuͤmmert, sie hat auch mir eine fro- here und vortheilhaftere Benutzung mehrerer Jahre ge- raubt: man verzeihe mir daher, wenn ich von ihr und ihrem Urheber alles moͤgliche Boͤse gesagt habe. Ich wuͤnsche, daß es unsern Nachfahren zu Gute kom- men moͤge. Aber mit allem diesem sind wir noch nicht am Ende. Denn der Streit wird in dem folgenden historischen Theile gewissermaßen wieder aufgenommen, indem ge- zeigt werden muß, wie ein so außerordentlicher Mann zu einem solchen Irrthum gekommen, wie er bey dem- selben verharren und so viele vorzuͤgliche Menschen, ihm Beyfall zu geben, verfuͤhren koͤnnen. Hierdurch muß mehr als durch alle Polemik geleistet, auf diesem Wege muß der Urheber, die Schuͤler, das einstimmende und beharrende Jahrhundert nicht sowohl angeklagt als entschuldigt werden. Zu dieser milderen Behandlung also, welche zu Vollendung und Abschluß des Ganzen nothwendig erfordert wird, laden wir un- sere Leser hiermit ein und wuͤnschen, daß sie einen freyen Blick und guten Willen mitbringen moͤgen. Tafeln . Die sowohl auf die Farbenlehre uͤberhaupt als zu- naͤchst auf diesen ersten Band bezuͤglichen Tafeln hat man, des bequemeren Gebrauchs wegen, in einem be- sondern Heft gegeben und dazu eine Beschreibung ge- fuͤgt, welche bestimmt ist, den Hauptzweck derselben noch mehr vor Augen zu bringen und sie mit dem Werke selbst in naͤhere Verbindung zu setzen. Die Linearzeichnungen welche sie enthalten, stellen die Phaͤnomene, wie es gewoͤhnlich ist, in so fern es sich thun ließ, im Durchschnitte vor; in andern Faͤllen hat man die aufrechte Ansicht gewaͤhlt. Sie haben theils einen didactischen, theils einen polemi- schen Zweck. Ueber die didactischen belehrt der Ent- wurf selbst; was die polemischen betrifft, so stellen sie die unwahren und captiosen Figuren Newtons und seiner Schule theils wirklich nachgebildet dar, theils entwickeln sie dieselben auf mannigfaltige Weise, um was in ihnen verborgen liegt an den Tag zu bringen. Man hat ferner die meisten Tafeln illuminirt, weil bisher ein gar zu auffallender Schaden daraus ent- sprang, daß man eine Erscheinung wie die Farbe, die am naͤchsten durch sich selbst gegeben werden konnte, durch bloße Linien und Buchstaben bezeichnen wollte. Endlich sind auch einige Tafeln so eingerichtet, daß sie als Glieder eines anzulegenden Apparats mit Bequemlichkeit gebraucht werden koͤnnen. Inhalt des polemischen Theils . Seite. Einleitung 355 Zwischenrede 364 Der Newtonischen Optik Erstes Buch. Erster Theil. 369 Erste Proposition. Erstes Theorem 369 Beweis durch Experimente 373 Erster Versuch 376 Zweyter Versuch 384 Zweyte Proposition. Zweytes Theorem 401 Dritter Versuch 403 Seite. Vierter Versuch 408 Fuͤnfter Versuch 411 Sechster Versuch 422 Siebenter Versuch 436 Achter Versuch 454 Recapitulation der acht ersten Versuche 463 Dritte Proposition. Drittes Theorem 467 Neunter Versuch 468 Zehnter Versuch 472 Newtons Recapitulation der zehn ersten Versuche 474 Uebersicht des Naͤchstfolgenden 484 Vierte Proposition. Erstes Problem 488 Elfter Versuch 488 Fuͤnfte Proposition. Viertes Theorem 495 Zwoͤlfter Versuch 496 Dreyzehnter Versuch 498 Vierzehnter Versuch 501 Sechste Proposition. Fuͤnftes Theorem 506 Funfzehnter Versuch 512 Siebente Proposition. Sechstes Theorem 512 Sechzehnter Versuch 517 Achte Proposition. Zweytes Problem 520 Seite. Der Newtonischen Optik Erstes Buch. Zweyter Theil. 521 Erste Proposition. Erstes Theorem 523 Erster Versuch 524 Zweyter Versuch 536 Dritter Versuch 537 Vierter Versuch 545 Zweyte Proposition. Zweytes Theorem 547 Fuͤnfter Versuch 549 Sechster Versuch 555 Definition 559 Dritte Proposition. Erstes Problem 562 Siebenter Versuch 562 Achter Versuch 565 Vierte Proposition. Drittes Theorem 572 Fuͤnfte Proposition. Viertes Theorem 580 Neunter Versuch 580 Zwoͤlfter Versuch 584 Elfter Versuch 593 Zehnter Versuch 594 Glieder des zehnten Versuchs 595 Dreyzehnter Versuch 596 Seite. Vierzehnter Versuch 602 Funfzehnter Versuch 603 Sechste Proposition. Zweytes Problem 613 Siebente Proposition. Fuͤnftes Theorem 615 Achte Proposition. Drittes Problem 616 Sechzehnter Versuch 619 Neunte Proposition. Viertes Problem 622 Zehnte Proposition. Fuͤnftes Problem 623 Siebzehnter Versuch 625 Elfte Proposition. Sechstes Problem 645 Abschluß 647 Tafeln. 649