Johann Reinhold Forster’s Doctor der Rechte; Mitgl. der Gesellsch. der Wissensch. und der Antiq. zu London ; der Wissensch. zu Madrid , zu Goͤttingen , Upsal , der Naturf. Gesellsch. zu Danzig und zu Berlin ; correspond. Mitgl. der Academie der Wiss. und auch der Inscript. und schoͤnen Wissensch. zu Paris Reise um die Welt waͤhrend den Jahren 1772 bis 1775 in dem von Seiner itztregierenden Großbrittannischen Majestaͤt auf Entdeckungen ausgeschickten und durch den Capitain Cook gefuͤhrten Schiffe the Resolution unternommen . Beschrieben und herausgegeben von dessen Sohn und Reisegefaͤhrten George Forster der Gesellsch. der Wissensch. zu London und zu Madrid , imgl. der Naturf. Gesells. zu Berlin Mitglied; auch corresp. Mitgl. der Gesellsch. der Wiss. zu Goͤttingen . Vom Verfasser selbst aus dem Englischen uͤbersetzt, mit dem Wesentlichsten aus des Capitain Cooks Tagebuͤchern und andern Zusaͤtzen fuͤr den deutschen Leser vermehrt und durch Kupfer erlaͤutert. Erster Band . Mit allergnaͤdigsten Freyheiten . Berlin bey Haude und Spener. 1778 . An Se. Majestaͤt den Koͤnig von Preussen . Allergnaͤdigster, Großmaͤchtigster Koͤnig und Herr! I ch wagte mich nicht an den Thron des siegreichen Helden, und tief- schauenden Regenten, wenn ich nicht zugleich in Ihm den Menschen- freund und Weisen verehrte. Von diesem großen Character Eurer Ma- jestaͤt hoffe ich, daß auch jene entfernten Voͤlker, die noch in der Kindheit der Cultur sind, nicht ganz unwuͤrdige Gegenstaͤnde fuͤr Hoͤchst-Dero Be- trachtung seyn werden. Mit tiefster Ehrfurcht lege ich also Eurer Majestaͤt diese Reise- beschreibung zu Fuͤßen. Sie ist Geschichte und Arbeit eines Deutschen, der stolz auf sein Vaterland ist, und den Augenblick segnet, welcher ihm gestattet, den Monarchen vor aller Welt zu bewundern, dem dies Vaterland seinen je- tzigen Geist zu danken hat. Wie viele Vorurtheile druͤckten nicht Deutschland noch vor Funfzig Jahren nieder? Pedantische, frostige Gelehrsamkeit, Go- thischer Geschmack, zum Spruͤchwort gewordene rohe Lebensart, unvertraͤg- liche Religions-Secten, unweise Gesetze! Hingegen darf man jetzo fragen, wo liebt man die Wissenschaft ohne Eigennutz? Wo ist Gelehrsamkeit und gu- ter Geschmack verbunden? Wo denkt man gruͤndlich und frey? Wo sind er- finderischere, wo geschicktere, wo einsichtsvollere Kuͤnstler und Gelehrten? Wo ist ungezwungener Umgang und Toleranz? Wo wahre Hoͤflichkeit, Men- schenliebe, Freundschaft? Endlich, wo sind gluͤckliche Unterthanen und wohlthaͤtige Gesetze? Wo liebt man den Fuͤrsten als Vater? Wo stirbt man gern fuͤrs Vaterland? — Millionen, unter Eurer Majestaͤt Scepter beantworten diese Fragen dem lehrbegierigen Norden, und den fast neidischen Voͤlkern jenseits der Alpen und des Rheins . Das Beyspiel des groͤßesten Koͤnigs, Seine Gesetze tiefer Weisheit voll, Seine Großmuth, Seine unermuͤ- dete Sorge fuͤrs Volk; was haben sie nicht vermogt, in Deutschland das Gluͤck der Menschheit zu befoͤrdern, die verschiednen Staͤnde in naͤhere Ver- bindung zu bringen, freyere Denkungs-Art und wohlthaͤtige Philosophie zu erwecken, die Wissenschaft in bluͤhenden Stand zu setzen, aͤchtes Genie zu naͤhren, die Sitten zu veredeln, und den reinsten Geschmack zu bilden? Deutschland erkennt in Eurer Majestaͤt den Schutzgeist, der es belebt, wie das Herz den ganzen Koͤrper. Es dankt Eurer Majestaͤt auch seine Freyheit: und wenn die Nachwelt dereinst die Greuel der Polycratie wird uͤberlebt haben, denn wird jeder Deutscher Mann mit Bewundrung und Ehr- furcht, den Landes-Vater und Koͤnig der Deutschen nennen, dessen großes Beyspiel, gehoͤrig befolgt, selbst kleinern Fuͤrsten gelehrt haben wuͤrde, groß, geliebt und bewundert zu seyn! Ich opfere die feurigsten Wuͤnsche fuͤr Eurer Majestaͤt fortdauern- des hohes Wohlseyn, und gluͤckliche Regierung, zum Besten des Vaterlan- des, zum Gluͤck Hoch-Dero Unterthanen, und zur Ehre der Menschheit, und bin, Allergnaͤdigster Koͤnig und Herr! Eurer Majestaͤt London , den 1sten Sept. 1777. allerunterthaͤnigster, getreuester und gehorsamster Georg Forster . Vorrede . D ie Geschichte der Vorwelt zeigt uns kein Beyspiel solcher gemein- nuͤtzigen Bemuͤhungen zur Erweiterung menschlicher Kenntnisse, als die Britten waͤhrend der Regierung ihres jetzigen Koͤnigs unternom- men haben. Lange waͤre Amerika mit allen seinen Schaͤtzen unentdeckt geblieben, wenn sich nicht ein Columbus durch seine Standhaftigkeit und edle Schwaͤrmerey, trotz aller Hindernisse, die ihm Neid und Un- wissenheit in den Weg legten, zu Ferdinand und Isabellen , gleichsam hingedraͤngt haͤtte. Doch dieser unsterbliche Seemann, ward endlich nur darum in Schutz genommen, weil er eine neue, ohnfehlbare Quelle von Reichthuͤmern entdeckte. Umsonst hoft man, daß Plutus und die Musen ein dauerhaftes Buͤndniß schließen koͤnnen; nur so lange waͤhrt die Freundschaft, als die holden Goͤttinnen, wie Dana ï den, die Schatz- kammer des Unersaͤttlichen mit Golde fuͤllen. Es war spaͤtern Zeiten vorbehalten, die Wissenschaft als Siegerinn zu sehn! Drey verschiedne Seereisen hatte man schon gethan, aus der edlen Absicht Entdeckungen zu machen, als die vierte, auf Befehl eines erleuchteten Monarchen, nach einem vollkommnern Plan unternommen ward. Der erfahrenste Seemann dieser Zeiten, zween geschickte Stern- kundige, ein Gelehrter, der die Natur in ihrem Heiligthum studieren, und ein Maler der die schoͤnsten Formen derselben nachahmen sollte, wurden auf Kosten der Nation auserlesen. Sie vollbrachten ihre Reise und sind jetzt im Begrif Rechenschaft von ihren verschiednen Entdeckungen zu ge- ben, die wenigstens fuͤr ihre Beschuͤtzer ruͤhmlich seyn muß. Die Brittische Regierung schickte und unterhielt meinen Vater auf dieser Reise als einen Naturkundiger , aber nicht etwa blos dazu, daß er Un- kraut trocknen und Schmetterlinge fangen: Sondern, daß er alle seine Talente in diesem Fache anwenden und keinen erheblichen Gegenstand unbemerkt lassen sollte. Mit einem Wort, man erwartete von ihm eine philosophische Geschichte der Reise von Vorurtheil und gemeinen † Vorrede . Trugschluͤssen frey, worinnen er seine Entdeckungen in der Geschichte des Menschen und in der Naturkunde uͤberhaupt, ohne Ruͤcksicht auf willkuͤhrliche Systeme blos nach allgemeinen menschenfreundlichen Grundsaͤtzen darstellen sollte, das heißt, eine Reisebeschreibung, der- gleichen der gelehrten Welt bisher noch keine war vorgelegt worden. Ein solcher viel umfassender Auftrag entsprach der Geistes-Groͤße voll- kommen, durch welche sich alle Rathschlaͤge der brittischen Nation aus- zuzeichnen pflegen, und in der festen Ueberzeugung, daß mein Vater, ver- moͤge seiner eignen Liebe zur Wissenschaft, von selbst darauf bedacht seyn wuͤrde, der Gelehrsamkeit alle moͤgliche Vortheile durch diese Reise zu verschaffen, enthielt man sich auf die edelmuͤthigste Weise ihm deshalb besondere Maasregeln vorzuschreiben. Er unternahm also die Reise, und sammelte seine Bemerkun- gen, zufolge der Meynung, die man sich von ihm gemacht hatte. Fest entschloßen den Endzweck seiner Sendung auszufuͤhren und seine Entdeckun- gen dem Publiko mitzutheilen, nahm er sich nicht Zeit von den Muͤhselig- keiten der Reise zu ruhen; es waren nach seiner Ruͤckkunft kaum vier Mo- nath verstrichen als er dem Koͤnige schon die Erstlinge seiner Arbeit wid- mete und uͤberreichte Characteres Generum Plantarum quas in Insulis Maris Australis, collegg. \&c. Joannes Reinoldus Forster \& Georgius Forster . cum 78 tabb. an. 4 Lond. \& Berol. apud Haude \& Spener 1776. 8 thlr. . Die Reisegeschichte, das Hauptwerk, welches man von ihm verlangte, lies er darauf sein angelegentlichstes Geschaͤft seyn. An- faͤnglich wollte man, daß er aus seiner eignen und des Capitain Cooks Tagebuͤchern, nur Eine Erzaͤhlung machen sollte, worinn die wichtigen Bemerkungen eines jeden an ihrer Stelle, und zum Unterschied verschiedent- lich bezeichnet, erscheinen sollten. Mein Vater empfieng einen Theil des Cook- schen Tagebuchs, und setzte einige Bogen zur Probe auf; allein, da man bald darauf wieder andres Sinnes ward und jedes Tagebuch fuͤr sich wollte abdrucken lassen, so ward dieser Plan nicht weiter ausgefuͤhrt. Die Lords des Admiralitaͤts-Collegii beschlossen, die neue Reisegeschichte mit einer Menge Kupfer zu zieren, welche nach den Zeichnungen des Mahlers der mit am Bord gewesen, gestochen werden sollten; und schenkten die ganzen Unkosten Vorrede . des Stichs zu gleichen Theilen dem Capitain Cook und meinem Vater. Diese Unkosten belaufen sich auf mehr als 2000 ℔ Sterling, weil die Kupfer von den besten K ustlern gestochen worden. Am 13ten April 1776. ward ein Vergleich zwischen beyden getroffen, und von dem Grafen Sandwich (Praͤses des Collegii) unterzeichnet, darinn einem jeden sein Theil der Beschreibung angewiesen, und beyden das Geschenk der Platten, von Seiten des Admiralitaͤts-Collegii, ver- sichert ward. Dem zufolge uͤberreichte mein Vater dem großen Sand- wich eine zwote Probe seiner Reisebeschreibung, mußte aber auch diesen Versuch zu seiner nicht geringen Verwunderung von ihm gemißbilligt se- hen. Endlich ward er inne, daß, weil man in gedachtem Vergleich das Wort “Erzaͤhlung” geflissentlich vermieden hatte, er nicht berechtigt seyn sollte, eine zusammenhangende Geschichte der Reise zu schreiben, und man kuͤndigte ihm nun auch foͤrmlich an, daß er sich bey Verlust seines Antheils an den Kupfern strenge nach dem Buchstaben des Vergleichs richten muͤsse. Zwar hatte er immer geglaubt, er sey hauptsaͤchlich ausgeschickt worden, die Reise zu beschreiben ; indessen bequemte er sich jetzt zu obiger Vorschrift, und schraͤnkte seine Arbeit blos auf einzelne philosophische Bemerkungen ein, um nur seine Familie nicht von jenem glaͤnzenden Vortheil auszuschlies- sen: Allein, so viel Verlaͤugnung ihm dieser Schritt auch gekostet hatte, so fruchtlos blieb er doch. Man verwarf nemlich seine Arbeit von neuem und entzog ihm endlich das versprochne Anrecht auf die Kupferplatten, ganz und gar. Vielleicht wollte man ihm durch diese Begegnung fuͤhlen las- sen, daß er ein Auslaͤnder sey, vielleicht fand man, selbst in den weni- gen Reflexionen, die er vermoͤge des Vergleichs noch gewagt hatte, seine Denkart zu philosophisch-frey, vielleicht ist es auch das Interesse eines drit- ten gewesen, ihm das Geschenk des Admiralitaͤts-Collegii voͤllig zu entziehn. Ich gestehe, es gieng mir zu Herzen, den Hauptendzweck von meines Vaters Reise vereitelt, und das Publikum in seinen Erwartun- gen getaͤuscht zu sehen. Allein, da ich waͤhrend der Reise sein Gehuͤlfe ge- wesen, so hielt ich es fuͤr meine Schuldigkeit, wenigstens einen Versuch zu wagen, an seiner Stelle eine philosophische Reisebeschreibung zu ver- † 2 Vorrede . fertigen. Alles bestaͤrkte mich in diesem Unternehmen, welches nun nicht mehr in Seiner Willkuͤhr stand; ja ich sahe es als eine Pflicht an, die wir dem Publiko schuldig waren. Ich hatte hinreichende Materialien waͤhrend der Reise gesammelt, und fieng mit eben so gutem Muthe an, als je ein Reisender der selbst geschrieben, oder ein Stoppler der je bestochen worden, die Nachrichten andrer zu verstuͤmmeln. Kein Vergleich band mir die Haͤnde, und selbst derjenige, den mein Vater eingegangen, er- waͤhnte Meiner nicht mit einem Worte und entzog mir nicht im mindesten seinen Beystand. Bey jedem wichtigen Vorfall habe ich also seine Ta- gebuͤcher zu Rathe gezogen, und solchergestalt eine Erzaͤhlung, der ge- nauesten historischen Wahrheit gemaͤs, bewerkstelligt. Zween Ungenannte haben schon etwas von unsrer Reise geschrie- ben; allein in diesem erleuchteten Jahrhundert glaubt man keine Maͤhr- chen mehr, die nach der romantischen Einbildungskraft unsrer Vorfah- ren schmecken. Die Begebenheiten unsrer Reise sind so mannigfaltig und wichtig, daß sie keines erdichteten Zusatzes beduͤrfen. Unsre See- fahrt war wechselsweise reich und arm an Vorfaͤllen; doch wie der fleis- sige Landmann selbst das unfruchtbarste Feld zu nutzen weis, so kann auch die oͤdeste Wildniß einem forschenden Geiste Veranlassung zum Un- terricht geben. Eine andre Beschreibung eben dieser Reise um die Welt, ist aus den Papieren des Capitain Jacob Cook zusammengetragen, unter dessen Fuͤh- rung sie vollbracht ist. Die Admiralitaͤt hat diese Beschreibung mit einer gros- sen Anzahl Kupferstiche versehen lassen, welche theils Aussichten der Laͤnde- reyen, theils Abbildungen der Eingebohrnen, ihrer Boͤte, Waffen und Werkzeuge vorstellen, theils auch aus Special-Charten der verschiedenen Laͤnder bestehen; und eben diese Platten sind es, welche gedachtes Collegi- um meinem Vater und dem Capitain Cook ehemals gemeinschaftlich versprochen hatte. Beym ersten Anblick koͤnnen vielleicht zwo Nachrichten von einer und derselben Reise uͤberfluͤßig scheinen; allein man muß in Erwaͤgung ziehen, daß sie aus einer Reihe wichtiger Vorfaͤlle bestehen, welche immer durch Vorrede . die verschiedne Erzaͤhlung zwoer Personen in staͤrkeres Licht gesetzt wer- den. Auch waren unsre Beschaͤftigungen im Haven sehr verschieden; Capitain Cook hatte alle Haͤnde voll zu thun, um das Schiff mit Lebens- mitteln zu versehen und wieder in Stand zu setzen; dagegen ich den mannig- faltigen Gegenstaͤnden nach gieng, welche die Natur auf dem Lande aus- gestreuet hatte. Hieraus ergiebt sich von selbst, daß unsre Vorfaͤlle und Gegenstaͤnde sehr oft verschieden gewesen seyn muͤssen, und daß folglich auch unsre Beobachtungen oft nicht das mindeste mit einander gemein haben. Vor allen Dingen aber ist zu bemerken, daß man einerley Dinge oft aus verschiedenen Gesichtspuncten ansiehet und daß die- selben Vorfaͤlle oft ganz verschiedne Ideen hervorbringen. Dem Seefahrer, der von Kindesbeinen an mit dem rauhen Elemente be- kannt geworden, muß manches alltaͤglich und unbemerkenswerth duͤn- ken, was dem Landmann, der auf dem vesten Lande lebt, neu und un- terhaltend scheinen wird. Jener sieht am Lande manches mit bestaͤndiger Ruͤcksicht aufs Seewesen; dieser hingegen beobachtet es nur in so weit es ei- nen oͤconomischen Nutzen haben kan. Mit einem Wort, die Verschiedenheit unsrer Wissenschaften, unsrer Koͤpfe und unsrer Herzen haben nothwendiger weise eine Verschiedenheit in unsern Empfindungen, Betrachtungen und Ausdruͤcken hervorbringen muͤssen. Unsre Beschreibungen sind noch in ei- nem andern Umstande sehr wesentlich von einander verschieden; weil ich uͤber alles, was die innere Haushaltung des Schifs und der Matrosen be- trift, kurz weggegangen bin. Auch habe ich mich mit gutem Bedacht aller Erzaͤhlung der Schif-Manoͤvres enthalten, und nicht zu bestimmen gewagt, wie oft wir bey stuͤrmischen Wetter die Seegel einreften oder gar einbuͤßten, wie viel Wendungen wir machten, um eine Landspitze zu um- fahren, und wie oft das Schiff unserm Palinurus zum Trotz ungehorsam ward oder nicht folgen wollte. Die Winkel, Lage und Entfernung der Vorgebuͤrge, Bergspitzen, Huͤgel, Hoͤhen, Bayen, Haven und Buch- ten, nebst ihren Beobachtungen in verschiednen Stunden des Tages sind gleichfalls weggelassen; denn solche lehrreiche Kleinigkeiten gehoͤ- ren eigentlich blos fuͤr Seefahrer. Die Geschichte von Capitain † 3 Vorrede . Cooks erster Reise um die Welt, In der Endeavour in den Jahren 1768-1771. vollfuͤhrt und beschrieben von Dr. Haw- kesworth , drey Baͤnde in gros 4. mit 62 Kupf. u. Chart. Berlin bey Haude u. Spener . ward mit großer Begierde gelesen, sie ward aber, hier in England , mit allgemeinem Tadel, ich moͤgte fast sagen, mit Verachtung aufgenommen. Sie war von einem Manne aufgesetzt, der die Reise nicht mitgemacht hatte; und ihre uͤble Aufnah- me wurde seinen geringhaltigen Beobachtungen, seinen unnoͤthigen Ausschweifungen und seinen sophistischen Grundsaͤtzen zugeschrie- ben; obgleich wenig Leser zu bestimmen im Stande seyn moͤgten, mit wie vielem Recht oder Unrecht solches geschehen sey. Die Geschaͤftigkeit des Capitain Cook und sein unermuͤdeter Entdeckungs- geist haben ihn abermals gehindert, den Abdruck seines Tagebuchs selbst zu besorgen; er hat also auch jetzt wieder einen Dollmetscher annehmen muͤssen, der an seiner Statt mit dem Publicum reden koͤnnte. Außer dieser Unannehmlichkeit hat seine Beschreibung gegenwaͤrtiger Reise noch einen andern Fehler mit der vorigen gemein, diesen nemlich, daß aus derselben, auf gut franzoͤsisch, manche Umstaͤnde und Bemerkungen weggelassen worden, die man auf eine oder die andre Art fuͤr nachtheilig ansahe. Ein hoͤherer Befehl blies den Herrn von Bougainville von der Insel Juan Fernandez weg und brachte die englischen Canonen zum Stillschweigen, als die Endeavour die portugiesische Festung auf Ma- dera beschoß Die hier beruͤhrten Umstaͤnde sind notorische Facta aber in den bekanntgemachten Reisen unterdruͤckt. Herr von Bougainville hielt sich einige Zeit auf Juan Fernandez auf und nahm daselbst Erfrischungen ein, ob er gleich zu verstehen giebt, daß ihn widri- ge Winde gehindert, diese Insel zu beruͤhren. Capt. Cook in der Endeavour und eine englische Fregatte beschossen das Loo-Fort auf Madera , um die Ehre der brittischen Flagge aufrecht zu erhalten, ohne daß dieser Umstand in Hawkesworths Sammlung auch nur mit einem Worte beruͤhrt worden waͤre. . Ohne mich weiter in diese Vergleichung einzulassen, will ich nur bemerken, daß aus dem bishergesagten genugsam abzunehmen, wie die Authenthicitaͤt einer Reisebeschreibung beschaffen seyn kann, die vor dem Abdruck Censur und Verstuͤmmlung uͤber sich ergehen lassen muß! Vorrede . Die Philosophen dieses Jahrhunderts, denen die anscheinenden Widerspruͤche verschiedner Reisenden sehr misfielen, waͤhlten sich gewisse Schriftsteller, welche sie den uͤbrigen vorzogen, ihnen allen Glauben beymaßen, hingegen alle andre fuͤr fabelhaft ansahen. Ohne hinreichende Kenntniß warfen sie sich zu Richtern auf, nahmen gewisse Saͤtze fuͤr wahr an, (die sie noch dazu nach eignem Gutduͤnken verstellten), und bauten sich auf diese Art Systeme, die von fern ins Auge fallen, aber bey naͤherer Un- tersuchung, uns wie ein Traum mit falschen Erscheinungen betruͤgen. End- lich wurden es die Gelehrten muͤde, durch Declamation und sophistische Gruͤnde hingerissen zu werden, und verlangten uͤberlaut, daß man doch nur Thatsachen sammlen sollte. Ihr Wunsch ward erfuͤllt; in allen Weltthei- len trieb man Thatsachen auf, und bey dem Allem stand es um ihre Wissen- schaft nichts besser. Sie bekamen einen vermischten Haufen loser ein- zelner Glieder, woraus sich durch keine Kunst ein Ganzes hervorbrin- gen lies; und indem sie bis zum Unsinn nach factis jagten, ver- lohren sie jedes andre Augenmerk, und wurden unfaͤhig auch nur einen einzigen Satz zu bestimmen und zu abstrahiren; so wie jene Mikrologen, die ihr ganzes Leben auf die Anatomie einer Muͤcke verwenden, aus der sich doch fuͤr Menschen und Vieh nicht die geringste Folge ziehen laͤßt. Außerdem haben selten zween Reisende einerley Gegenstand auf gleiche Weise gesehen, sondern jeder gab nach Maaßgabe seiner Empfindung und Denkungsart eine besondere Nachricht davon. Man mußte also erst mit dem Beobachter bekannt seyn, ehe man von seinen Bemerkungen Gebrauch machen konnte. Ein Reisender, der nach meinem Begriff alle Erwartungen erfuͤllen wollte, muͤßte Rechtschaffenheit genug haben, ein- zelne Gegenstaͤnde richtig und in ihrem wahren Lichte zu beobachten, aber auch Scharfsinn genug dieselben zu verbinden, allgemeine Folgerungen daraus zu ziehen, um dadurch fich und seinen Lesern den Weg zu neuen Entdeckungen und kuͤnftigen Untersuchungen zu bahnen. Mit solchen Begriffen gieng ich zur letzten Reise um die Welt zu Schiffe und sammlete, so viel es Zeit, Umstaͤnde und Kraͤfte gestatten wollten den Stof zu gegenwaͤrtigem Werke. Ich habe mich immer be- Vorrede . muͤhet, die Ideen zu verbinden, welche durch verschiedne Vorfaͤlle ver- anlaßt wurden. Meine Absicht dabey war die Natur des Menschen so viel moͤglich in mehreres Licht zu setzen und den Geist auf den Standpunct zu erheben, aus welchem er einer ausgebreitetern Aussicht genießt und die Wege der Vorsehung zu bewundern im Stande ist. Nun kommt es frey- lich darauf an, wie fern mir dieser Versuch gelungen sey oder nicht; doch habe ich das Zutrauen, man werde meine gute Absicht nicht verkennen. Zuweilen folgte ich dem Herzen und ließ meine Empfindungen reden; denn da ich von menschlichen Schwachheiten nicht frey bin, so mußten meine Leser doch wissen, wie das Glas gefaͤrbt ist, durch welches ich gesehen habe. Wenigstens bin ich mir bewußt, daß es nicht finster und truͤbe vor meinen Augen gewesen ist. Alle Voͤlker der Erde haben gleiche Anspruͤche auf meinen guten Willen. So zu denken war ich im- mer gewohnt. Zugleich war ich mir bewußt, daß ich verschiedne Rechte mit jedem einzelnen Menschen gemein habe; und also sind meine Bemer- kungen mit bestaͤndiger Ruͤcksicht aufs allgemeine Beste gemacht worden, und mein Lob und mein Tadel sind unabhaͤngig von National-Vorur- theilen, wie sie auch Namen haben moͤgen. Nicht nur die Mannigfal- tigkeit der Gegenstaͤnde, sondern auch die Reinigkeit und Anmuth des Stils bestimmen unser Urtheil und unser Vergnuͤgen uͤber Werke der Lit- teratur; und wahrlich man muͤßte allem Anspruch auf Geschmack und Em- pfindung entsagen, wenn man nicht eine fließende Erzaͤhlung einer lahmen und langweiligen vorziehen wollte. Allein seit einiger Zeit ist die Achtung fuͤr einen zierlichen Stil so uͤbertrieben und so sehr gemisbraucht worden, daß sich einige Schriftsteller lediglich auf die Leichtigkeit und Fluͤßigkeit ihrer Sprache verlassen und um die Sache, welche sie vortragen wollten, gar nicht bekuͤmmert haben, wobey denn am Ende das Publikum mit trocknen seichten Werklein ohne Salbung, Geist und Unterricht betro- gen wurde. Solche Herrn moͤgen sich vielleicht den Beyfall einiger Vir- tuosen erwerben Who haunt Parnassus but to please their ear. Ich Vorrede . Ich bin aber uͤberzeugt, daß die mehresten und bessern Leser, in Ruͤcksicht auf neue oder nuͤtzliche Gegenstaͤnde, die Unvollkommenheiten des Styls gewissermaßen zu uͤbersehen geneigt seyn werden. Ich habe nicht elegant seyn wollen. Mein Zweck war deutlich und verstaͤndlich zu seyn. Nur darauf habe ich meine Aufmerksamkeit eingeschraͤnkt. Ich hoffe also Nachsicht zu finden, falls mir minder wichtige Fehler entwischt seyn sollten. Die Karte, worauf unsre Entdeckungen und die Um- seeglungs-Linie gezeichnet worden, habe ich mit dem groͤßten Fleis nach den richtigsten Materialien, die am Rande angezeigt sind, entworfen. Da- mit auch das deutsche Publikum, neben meiner Beschreibung gegenwaͤr- tiger Reise, zugleich des Capitains Cooks Nachrichten von derselben, ohne ausdruͤckliche Kosten, mit benutzen moͤgte; so habe ich aus letzteren das Wichtigste hier in der deutschen Ausgabe eingeschaltet. Diese Zusaͤtze betreffen jedoch, einen Theil der Einleitung ausgenommen, nur etliche we- nige Vorfaͤlle, von denen ich entweder nicht selbst Zeuge gewesen war, oder die ich aus einem andern Gesichtspunkt angesehen hatte. Zum Unter- schied sind alle diese Stellen mit folgendem Zeichen —“ bemerkt. (wie man bey Seite 4. 22. 74. ꝛc. sehen kann.) Durch diese Verfuͤgung habe ich meinen Landsleuten einen Dienst zu leisten gesucht, dessen das uͤber rei- che englische Publicum nicht bedurfte. Nunmehro koͤnnte ich diese Vor- rede fuͤglich schließen, wenn es mir nicht der Muͤhe werth duͤnkte, dem Le- ser noch einige Nachricht von der Erziehung und Ausstattung mitzuthei- len, welche man dem Tahitier O-Ma ï in England hat wieder- fahren lassen Man hat seinen Namen bisher unrichtig Omiah genannt. Capitain Fourneaux brachte ihn in der Adventure nach England , ein mehreres von ihm siehe man pag. 293. ꝛc. . In dem engen Bezirk einer Vorrede kann ich aber nur mit wenigen Worten andeuten, was allenfalls zu einem ganzen Bande Stoff gaͤbe, wenn es mir jemals einkommen sollte, das gute Korn der Philosophie von seiner Spreu zu schwingen! O-Mai ward in England fuͤr sehr dumm oder auch fuͤr besonders gescheut angesehen, je nachdem die Leute selbst beschaffen waren die von ihm ur- theilten. Seine Sprache, die keine rauhen Mitlauter hat, und in welcher sich alle Worte mit einem Vocal endigen, hatte seine Organe so †† Vorrede . wenig gelaͤufig gemacht, daß er ganz unfaͤhig war, die mehr zusammen- gesetzten englischen Toͤne hervorzubringen: dieser physische oder vielmehr Gewohnheits-Fehler ward aber oft unrecht ausgelegt. Kaum war er in England angekommen, so ward er in große Gesellschaften gefuͤhrt, mit den schimmernden Lustbarkeiten der wolluͤstigen Hauptstadt bekannt gemacht, und im glaͤnzenden Kreise des hoͤchsten Adels bey Hofe vorgestellt. Natuͤrlicherweise ahmte er jene ungezwungene Hoͤflich- keit nach, die an allen diesen Orten uͤblich und eine der groͤßten Zierden des geselligen Lebens ist; die Manieren, Beschaͤfftigungen und Ergoͤtz- lichkeiten seiner neuen Gesellschafter wurden auch die seinigen, und ga- ben ihm haͤufige Gelegenheit seinen schnellen Verstand und lebhafte Ein- bildungskraft sehen zu lassen. Um von seinen Faͤhigkeiten eine Probe anzufuͤhren, darf ich nur erwaͤhnen, daß er es im Schachspiel sehr weit gebracht. Er konnte aber seine Aufmerksamkeit nicht besonders auf Sachen richten, die ihm und seinen Landsleuten bey seiner Ruͤckkehr haͤtten nuͤtzlich werden koͤnnen: Die Mannigfaltigkeit der Gegenstaͤnde verhinderte ihn daran. Keine allgemeine Vorstellung unseres civili- sirten Systems wollte ihm in den Kopf; und folglich wußte er auch die Vor- zuͤge desselben nicht zum Nutzen und zur Verbesserung seines Vaterlandes anzuwenden. Schoͤnheit, Symmetrie, Wohlklang und Pracht bezauber- ten wechselsweise seine Sinne; diese wollten befriedigt seyn, und er war ge- wohnt ihrem Ruf zu gehorchen. Der bestaͤndige Schwindel des Genusses ließ ihm keinen Augenblick Zeit auf das Kuͤnftige zu denken; und da er nicht von wahrem Genie belebt war, wie Tupaia , der an seiner Stelle gewiß nach einem festgesetzten Plan gehandelt haͤtte, so blieb sein Verstand immer unbebauet. Zwar mag er wohl oͤfters gewuͤnscht haben, von un- serm Ackerbau, unsern Kuͤnsten und Manufacturen einige Kenntniß zu bekommen; allein es fand sich kein freundschaftlicher Mentor, der die- sen Wunsch zu befriedigen, ja was noch mehr, der seinen moralischen Charakter zu verbessern, ihm unsre erhabnen Begriffe von Tugend, und die goͤttlichen Grundsaͤtze der geoffenbarten Religion beyzubringen ge- sucht haͤtte. Nachdem er fast zwey Jahre in England zugebracht und Vorrede . die Blattern-Impfung gluͤcklich uͤberstanden hatte, kehrte er unter Fuͤhrung des Capitain Cook , der im Julius 1776 auf dem Schiffe Resolution von neuem aus Plymouth abseegelte, wieder nach Tahiti zuruͤck. Bey dieser Gelegenheit zeigte sichs, daß, aller der sittenlosen Vergnuͤgungen ohn- erachtet, denen er in unserm geselligen Welttheil nicht hatte ausweichen koͤn- nen, die guten Eigenschaften seines Herzens doch noch unverderbt geblieben waren. Beym Abschiede von seinen Freunden, entflossen ihm Thraͤnen; und sein ganzes aͤußeres Betragen verrieth eine große Gemuͤths-Bewegung. Man uͤberhaͤufte ihn bey seiner Abreise mit einer unsaͤglichen Menge Kleider, Zierrath und andren Kleinigkeiten, dergleichen taͤg- lich zu Befriedigung unsrer erkuͤnstelten Beduͤrfnisse erfunden werden. Seine Beurtheilungskraft war noch kindisch; daher verlangte er auch wie ein Kind nach allem was er sahe, und vorzuͤglich nach Dingen, die ihn durch irgend eine unerwartete Wuͤrkung vergnuͤgt hatten. Diese kindischen Triebe zu befriedigen, (denn aus bessern Absichten konnte es wohl nicht geschehen) gab man ihm eine Dreh-Orgel, eine Elektrisir- Maschine, ein Panzer-Hemd und eine Ritter-Ruͤstung. Vielleicht erwarten hier meine Leser, daß er nebst diesen auch einige Dinge von wahrem Nutzen fuͤr seine Insel mitgenommen. — Ich erwartete eben das- selbe, allein meine Hoffnung ward getaͤuscht! Sein Vaterland wird von den Englaͤndern keinen Buͤrger zuruͤcknehmen, dessen erweiterte Kennt- niß, oder mitgebrachte brauchbare Geschenke, ihn zum Wohlthaͤter, vielleicht zum Gesetzgeber seines Volks machen koͤnnten. In Ermangelung dessen koͤnnen wir uns jedoch einigermaßen damit troͤsten, daß das Schiff, auf welchem er zuruͤck geschickt worden, den harmlosen Tahitiern ein Geschenk von Hornvieh bringen soll. Diese guten Leute muͤssen ohnfehl- bar durch die Einfuͤhrung von Ochsen und Schaafen auf ihrer fruchtba- ren Insel, gluͤcklicher werden; ja durch viele auf einander folgende Umstaͤnde, kann dies Geschenk dereinst den Grund zu moralischen Ver- besserungen geben. Aus diesem Gesichtspuncte ist unsre vorige Reise wichtig, und wuͤrde unsern Beschuͤtzern Ehre bringen, wenn sie auch kein anderes Verdienst haͤtte, denn daß wir Ziegen auf Tahiti , Hunde auf †† 2 Vorrede . den freundschaftlichen Inseln und Neuen-Hebriden und Schweine auf Neu-Seeland und Neu-Caledonien zuruͤck gelassen haben. Es waͤre ge- wiß sehr zu wuͤnschen, daß dergleichen Entdeckungs-Reisen, mit so wohlthaͤ- tigen und wahrhaft nuͤtzlichen Absichten noch ferner fortgesetzt wuͤrden; Auch von Seiten der Unkosten stehen einem solchen Wunsche keine besondere Schwierigkei- ten im Wege; denn die ganze Ausruͤstung unsrer letzten Reise um die Welt, den Ankauf beyder Schiffe, und alle Nebenausgaben mitgerechnet, betrug nicht mehr als 25000 Pfund Sterling, welches fuͤr die englische Nation eine Kleinigkeit ist. zumal da noch selbst in der Suͤdsee viel zu thun ist: Allein wer weiß, ob Neid und Eigennutz nicht durchdringen, und die großmuͤthigen Unternehmungen eines Monarchen, der die Musen schuͤtzt, verei- teln werden. — Eine einzige Bemerkung, die von großem Nutzen fuͤr die Nachwelt ist; nur Ein Vorfall, der unsre Mitmenschen in jenem entfernten Welt-Theil gluͤcklich macht; vergilt warlich alle Muͤhselig- keiten der Seefahrt, und schenkt den großen Lohn, das Bewußtseyn gu- ter und edler Handlungen! London , den 24sten Maͤrz 1777. Georg Forster . Einlei- Einleitung . D er Antheil, den die gelehrte Welt an den neuesten Entdeckungen im Suͤd- Meer genommen, hat auch die aͤlteren, zum Theil schon vergeßnen Rei- sen, wiederum ins Andenken gebracht. Vermuthlich werden also meine Leser keiner weitlaͤuftigen Wiederholung derselben beduͤrfen. Doch koͤnnte es, fuͤr einige wenigstens, von Nutzen seyn, daß ich der bisherigen Entdeckungs-Reisen erwaͤhne, eh’ ich zur Beschreibung unsrer eignen schreite. Hiernaͤchst ist es auch der Muͤhe werth, daß ich von der Ausruͤstung unsrer Schiffe einige Nachricht voran- schicke, weil solche, theils wegen der Originalitaͤt unsers Reise-Plans, theils wegen der Erfahrungen und den Rathschlaͤgen unsrer Vorgaͤnger, ungleich vollkommner und in aller Absicht merkwuͤrdiger war, als sie bey dergleichen Expeditionen bisher je zu seyn pflegte. In Ansehung des erstern will ich mich so kurz als moͤg- lich fassen, um die Leser mit dieser trocknen Materie nicht zu ermuͤden; zu dem Ende werde ich auch nur allein die wuͤrklichen Entdeckungs-Reisen anfuͤhren, und keinesweges ein vollstaͤndiges Verzeichniß von allen nichtsbedeutenden Suͤd- Seefahrten liefern. Vorlaͤufig muß ich mich jedoch uͤber die Benennungen der Meere erklaͤ- ren, so wie ich sie in folgendem Werke gebraucht habe. Das Meer zwi- schen Afrika und Amerika behaͤlt den Namen des suͤdlichen atlantischen Oce- ans , von der Linie bis zum antarktischen Polar-Zirkel. — Das Meer zwi- schen Afrika und Neu-Holland haben wir, nach dem nordlich daruͤber liegen- den Meere, den suͤdlichen indianischen Ocean genannt; und diese Benen- nung koͤnnte vom Wende-Zirkel des Steinbocks bis zum Polar-Zirkel gelten. Das große oder eigentliche Suͤd-Meer erstreckt sich von Neu-Holland bis Suͤd-Amerika . Man pflegte ihm zwar in seinem ganzen Umfange den Namen des pacifischen Oceans oder stillen Meers beyzulegen. Allein diese Benen- nung kann nur innerhalb der Wende-Zirkel gelten, indem die See jenseit die- ser Graͤnzen wohl so stuͤrmisch als jede andre ist. Der Aequator theilt das stille Meer in zwey fast gleiche Theile, in das Noͤrdliche und Suͤdliche . Was †† 3 Einleitung . vom Krebs-Zirkel noͤrdlich liegt, hat bisher noch keinen eignen Namen. Was aber suͤdlich vom Steinbocks-Zirkel liegt, ist eigentlich das große Suͤd-Meer , bis zum antarktischen Zirkel. Innerhalb des gefrornen Erdguͤrtels wird das Meer nicht unrecht das suͤdliche Eismeer genannt. 1513. Nachdem der Spanier Vasco Nunnez im Jahr 1513. das Suͤd- Meer von den Gebuͤrgen in Panama entdeckt, und sich darinn gebadet hatte, um es in Besitz zu nehmen, war Hernando Magalhaens (oder Ferdi- nand Magellan ) ein portugiesischer Edelmann der erste, der es beschiffte. Er ver- 1519. ließ Sevilla in Spanien im August 1519. und kam durch die nach seinem Namen benannte Meerenge am 27sten November 1520 ins große Suͤd-Meer . Von da seegelte er nordwaͤrts, um bald aus dem kalten Clima zu kommen, und richtete seinen Lauf nicht eher nach Westen als bis er innerhalb des Wende-Zirkels, und nahe an die Linie gekommen war. Er entdeckte nur zwey ganz kleine un- bewohnte Inseln, deren Lage noch jetzt unbestimmt ist. Nachdem er die Linie paßirt, entdeckte er die Ladrones oder Diebs-Inseln und die Philippini- schen Inseln , wo er ums Leben kam. Weitlaͤuftigere und vollstaͤndigere Nachrichten trift man in der vortreflichen Sammlung von Reisen, die Herr Alexander Dalrymple herausgegeben hat; sie heißt: An histori- cal Collection of the several Voyages \& Discoveries in the South Pacifik Ocean . London Vol. II. 1771. Quarto mit Charten und Kupfern. 1536. Cortez , der Eroberer von Mexico , schickte im Jahr 1536. zween sei- ner besten Capitains, Pedro Alvarado und Hernando Grijalva nach den Molukkischen Inseln . Sie beseegelten das stille Meer unweit der Linie und ent- deckten einige Inseln gegen Westen in der Nachbarschaft von Neu-Guinea . 1567. Im Jahr 1567 ward Don Alvaro Mendanna de Neyra von Peru auf Entdeckungen ausgeschickt. Die Salomons Inseln , welche Herr Dalrym- ple mit Recht fuͤr die nachher sogenannten Inseln Neu-Britannien und Neu- 1575. Irrland haͤlt, wurden auf dieser Reise entdeckt. Im Jahr 1575 machte Men- danna eine zwote Reise von der aber nichts bekannt ist. Die dritte gieng 1595. 1595 Die Reisen der Englaͤnder, Sir Franz Drake 1577-1580. und Sir Thomas Candish 1586, 1 5 88 gehoͤren nicht hieher. Sie machten keine Entdeckung. Ihr Object war Raub und Beute. Drake kam jedoch schon damals an der N. W. Kuͤste von Amerika vor sich. Mendanna durchkreutzte diesmal das stille Meer , ohn- Einleitung . gefaͤhr im 10ten Grade der S. Breite. Zuerst fand er eine Gruppe von 4 Inseln, beinahe in der Mitte des Oceans, die er Marquesas nannte; weiter hin etliche niedrige kleine Eilande, und endlich ganz gegen Westen die große Insel Santa Cruz , die Capitain Carteret hernach wiedergefunden und Eg- mont genannt hat. Die hollaͤndischen Reisen eines Simon de Cordes , Olivier von Noorts und Georg Spielbergens , kommen wieder nicht in meinen Plan. Sie pluͤnderten nur die Spani- schen Colonien in Peru , und nahmen alsdenn den bekannten Curs nach den Ladronischen Inseln in der noͤrdlichen Halbkugel. Die Falklands -Inseln die Amerigo Vespucci wahrscheinlicher Weise 1594. schon im Jahr 1502 den 7ten April entdeckt hatte, Ramusio . Vol. I. p. 126. 4. wurden 1594 von Sir Richard Hawkins einem Engellaͤnder wiedergefunden, und zu Ehren der Jungfraͤulichen Koͤniginn Elisabeth , Hawkins’s Maiden-Land genannt. Capitain Strong , ein andrer Engellaͤnder, entdeckte 1689 die Durchfahrt zwischen beyden Inseln, und legte derselben Lord Falklands Namen bey; und auf diese Art bekamen die Inseln selbst ihre jetzige Benennung. Pedro Fernandez de Quiros hatte Mendanna’s letzter Reise beyge- wohnt, und nach dessen Tode, seine Wittwe nach Manilla zuruͤck gefuͤhrt. Er ward 1605 von Peru ausgeschickt, ein suͤdliches festes oder großes Land zu 1605. entdecken, dessen Existenz er vermuthlich zuerst behauptet hatte. Vor ihm hatte man sich immer nahe an der Linie gehalten; Er aber richtete seinen Lauf nach Suͤden, und entdeckte etliche Inseln im 25sten und 28sten Grad der Breite. Eine davon, la Encarnacion fand Capitain Carteret neulich wieder, und nannte sie Pitcairns Eyland . Der Mangel frischen Wassers, noͤthigte Quiros noͤrdlich zu steuern. Die neunte Insel die er entdeckte, und Sagittaria nannte, ist unstreitig die von Wallis wiedergefundne Insel Tahiti ( Otahiti ). Hernach lief er westwaͤrts, sahe einige kleine Inseln, und zuletzt das große Tierra del Espiritu Santo (Land des heil. Geistes) welches wir nebst Herrn von Bougainville wieder gesehn haben. Von da gieng er uͤber die Linie nach Mexico zuruͤck. Sein Reise-Gefaͤhrte aber, weiter als die Spanier sich seither (bis auf die letztverfloßnen zehn Jahre) gewagt haben, und nannte das Land nordwaͤrts von Californien Neu-Albion . Einleitung . Luis Vaez de Torres entdeckte die Durchfahrt zwischen Neu-Guinea und Neu-Holland , die Capitain Cook hernachmals Endeavours-Straße nannte. 1615. Cornelys Schouten und Jacob Le Maire verließen Holland 1615, und waren die ersten, die durch Le Maire’s Meer-Enge und ums Cap Horn schiften. Im stillen Ocean machten sie nicht betraͤchtliche Entdeckungen; gegen Osten von Tahiti warens etliche kleine niedrige Eylande und gegen Westen einige hohe Inseln. Sie blieben innerhalb dem 10ten und 20sten Grad der S. Breite, bis sie laͤngst der noͤrdlichen Kuͤste von Neu-Irrland und Neu-Guinea nach den Molukkischen Inseln zuruͤckkehrten. Die hollaͤndische Reise von Jacob L’Hermite und Hugho Schapenham 1623-1626 war keine Entdeckungs-Reise. Blos die Lage des Cap Horn und der umliegenden Eylande von Terra del Fuego , ward dadurch besser als zuvor bestimmt. 1642. Von Batavia ward 1642 Abel Jansen Tasman ausgeschickt. Er gieng zuerst nach der Insel Mauritius , und von da gen Suͤden bis zum 49° Grad. — Er seegelte queer uͤber den suͤdlichen indianischen Ocean , zwi- schen 40 und 50 Gr. S. Breite, entdeckte Van Diemens Land , oder die suͤdli- che Spitze von Neu-Holland ; einen betraͤchtlichen Theil der westlichen Kuͤste von Neu-Seeland , und einige Eylande nordwaͤrts von N. Seeland im stillen Meere . 1675. Anthon Roché ein Englaͤnder, kam 1675 von Peru , wo er Handlung getrieben hatte, um Cap Horn zuruͤck, und entdeckte im suͤdlichen atlanti- schen Ocean eine Insel, im 54 Grade suͤdlicher Breite, die wir auf unsrer Reise wieder gesehn haben, und im 45sten Grade eine zwote, die man seit der Zeit nicht wieder aufgesucht hat. 1699. Wilhelm Dampier , der erfahrenste und ungluͤcklichste Seemann sei- ner Zeit, machte 1699 verschiedne Entdeckungen an den Kuͤsten von Neu- Guinea , und nannte die Salomons -Inseln des Mendanna Neu-Britannien . Der beruͤhmte Sternkundige, Edmund Halley , ward in eben dem Jahr zum Capitain des englischen Schiffs Paramour ernannt, womit er im suͤdlichen atlantischen Ocean auf Entdeckungen ausgieng, und bis uͤber den 51sten Grad Suͤder Breite kam, ohne irgend ein neues Land zu finden. Einige Einleitung . Einige Hollaͤnder schickten 1721, Jacob Roggewein ins Suͤd- 1721 Meer, dieser steuerte vom Cap Horn aus gerade nach Norden hinauf, bis er im 27sten Grad der Suͤder-Breite Oster -Eiland entdeckte. Von da gieng er inner- halb dem Wendezirkel, verlohr eines seiner Schiffe auf einer niedrigen In- sel unweit Tahiti , und entdeckte noch verschiedne andre unbetraͤchtliche Ei- lande zwischen den 13ten und 15ten Grad der S. Breite. Herr von Loziers Bouvet ward im Jahr 1738 von der franzoͤsi- 1738 schen ostindischen Compagnie ausgesandt, den suͤdlichen atlantischen Ocean zu un- tersuchen. Am 1sten Januar 1789 glaubte er Land im 54sten Grad Suͤ- der-Breite und 11ten Grad oͤstlicher Laͤnge von Greenwich Greenwich ist die Koͤnigl. Grosbrittannische Sternwarte 4′, oͤstlich von London . gesehn zu haben, und kehrte hierauf gleich wieder nach Europa zuruͤck. Herr Duclos Guyot , in einem spanischen Schiffe, der Loͤwe ge- 1756. nannt, erblickte auf seiner Ruͤckreise von Peru eben das Land im suͤdlichen atlantischen Ocean , welches Anthon Roché schon 1675 entdeckt hatte. Er nannte es Isle de St. Pierre . Eben diese Insel ward auf unsrer Reise Suͤd-Georgien genannt. Commodore Iohann Byron , der auf der Ansonschen Escadre als Mid- 1764 shipman gedient hatte, gieng 1764 mit zwey Schiffen aus, nahm die Falklands -Inseln in Augenschein, lief durch die Magellanische Meer-Enge , und entdeckte zwischen dem 15ten Grad der Suͤder-Breite und der Linie etliche kleine Inseln im stillen Meer . Ihm folgten Capitain Wallis und Capitain Carteret , die sich aber 1766 schon in der Magellanischen Meer-Enge von einander trennten. Wallis sahe einige niedrige Eylande, und fand die Insel Tahiti , die Quiros schon 1606 entdeckt und Sagittaria genannt hatte; ferner die Boscawen- und Kep- pels -Eylande , denen Le Maire und Schouten 1616 die Namen Cocos- und Verraͤthers Eylande gegeben; endlich einige noch ganz neue Eylande. — Car- ††† Einleitung . teret richtete seinen Lauf mehr gen Suͤden, und fand des Quiros erste Insel Encarnacion , und hernach des Mendanna Santa-Cruz denen er neue Namen gab. 1766 Herr von Boungainville ward vom franzoͤsischen Hofe im Jahr 1766. auf Entdeckungen ausgeschickt. Er fand, so wie viele vorige Seefahrer, einige nie- drige aus Corallen-Klippen entstandene Eylande ostwaͤrts von Tahiti , und traf auch diese letztere Insel neun Monathe nach Capitain Wallis an. Nachdem seine Leute sich einige Tage lang erfrischt hatten, seegelte er weiter und entdeckte noch einige kleine Eylande gegen Westen, sahe des Quiros Tierra del Espi- ritu Santo , und fand neue Laͤnder um Neu-Guinea . 1768 Im Jahr 1768 hielt die Koͤnigl. Societaͤt der Wissenschaften zu London , bey Sr. Grosbrittannischen Majestaͤt, um die Ausruͤstung eines Schiffes an, damit der bevorstehende Durchgang der Venus gehoͤrig beobachtet werden moͤgte. Capitain Iacob (James) Cook , ward also zum Befehlshaber, der zu dem Ende erwaͤhlten Barke Endeavour ernannt, und ihm, nebst Herrn Carl Green , von der Koͤnigl. Societaͤt die Beobachtung des Durchgangs aufge- tragen. Herr Ioseph Banks , ein wohlhabender junger Mann, ging aus Liebe zur Naturgeschichte mit auf diese Reise, und unterhielt auf eigne Kosten einen Lehrling des beruͤhmten Ritters von Linné , Namens Solander , als seinen Gefaͤhrten. Der Durchgang der Venus ward zu Tahiti beobachtet. Hernach gieng Capitain Cook auf Entdeckungen aus. Er fand die sogenannten Societaͤts - Inseln , und lief von da, bis zum 40sten Grad Suͤder-Breite, wohin, vor ihm noch kein Seefahrer im Suͤd-Meer gekommen war. Die voͤllige Entde- ckung des von Tasman gesehenen Neu-Seelands , die gefaͤhrliche Fahrt an der noch ganz unbekannten oͤstlichen Kuͤste von Neu-Holland , und die wieder- gefundne Durchfahrt des Torres zwischen Neu-Holland und Neu-Guinea , wa- ren die sehr merkwuͤrdigen Begebenheiten dieser Reise. Herr Banks fand zwischen zwoͤlf und funfzehnhundert verschiedene noch unbekannte Pflanzen-Gat- tungen, nebst einer sehr betraͤchtlichen Anzahl Voͤgel, Fische, Amphibien, In- secten und Gewuͤrme. Einleitung . Im Jahr 1769. seegelte Herr von Surville , in Diensten der franzoͤ- 1769 sischen ostindischen Compagnie von Pondichery uͤber die Philippinischen Inseln nach Neu-Seeland . Er lag daselbst in Doubtfull -Bay , und sahe am 9ten De- cember den Capitain Cook in der Endeavour vorbeyseegeln. Hernach stach er zwi- schen 30°. und 40°. Suͤder-Breite queer uͤber das Suͤd-Meer und kam zu Calao in Peru bey der Landung ums Leben. Im Jahr 1772. fand Herr von Kerguelen , nebst Herrn von St. Al- 1772 louarn, eine Insel im suͤdlichen indianischen Ocean , die fast unter einerley Me- ridian mit der Mauritius -Insel , und unter dem 48°. Suͤder-Breite lag. Noch in demselben Jahr ward er zum zweytenmal von Frankreich ausgeschickt; allein er kam unverrichteter Sachen zuruͤck. Waͤhrend Kerguelen’s ersten Reise, seegelte Herr Dufresne Marion , nebst Herrn Crozet , zwischen 40°. und 50°. Suͤder-Breite vom Cap der guten Hoff- nung uͤber den suͤdlichen indianischen Ocean , nach Van Diemens Land und Neu-Seeland , und entdeckte, Suͤdwaͤrts von Madagascar , einige kleine oͤde Inseln. Die Neu-Seelaͤnder in der Bay der Eylande, brachten Herrn Ma- rion ums Leben, worauf Herr Crozet die Reise fortsetzte, und anfangs Tas- mans Lauf folgte, hernach aber nach Manilla gieng. Bey unsrer Abreise kamen uns nur die Entdeckungen bis auf Cooks erste Reise ( inclusive ) zu statten, weil wir damals von den letzteren franzoͤsischen Expeditionen noch keine, oder doch nur hoͤchst unzuverlaͤßige Nachricht hatten. Vor Capitain Cooks Ruͤckkunft in der Endeavour hatte man noch be- hauptet, daß sich das feste Land im Suͤd-Meer bis zum 30sten Grad der Breite erstrecke, mithin unter einem guͤnstigen Himmelsstrich belegen, und um deswillen ein wichtiger Gegenstand der europaͤischen Politik seyn muͤsse. Zwar hatte diese Meynung einen gefaͤhrlichen Stoß dadurch erhalten, daß er auf seiner ersten Reise bis zum 40sten Grad gekommen, und gleichwohl kein solches Land gesunden hatte. Man ließ sich aber dadurch noch immer nicht irre machen. Das feste Land hieß es, erstrecke sich vielleicht nur nicht in dem Puncte so weit gegen ††† 2 Einleitung . Norden; Capitain Cook sey in einen großen Meerbusen gerathen; oder wenn man ja etwas zugeben muͤsse, so duͤrfe das feste Land nur um 10 Grade weiter zuruͤckgelegt werden. Ueberdem waͤre ja auch das Meer um den Suͤdpol nach allen Himmelsgegenden bis zum 50sten, und an einigen Orten bis zum 40sten Grad der Breite, zur Zeit noch immer ganz unberuͤhrt gebliebes und noch von keinem Schiffe befahren! Um nun diesem Streit wegen eines solchen festen Landes ein Ende zu machen, gieng unsre Reise auf Befehl Sr. Koͤnigl. Gros- brittannischen Majestaͤt vor sich. Capitain Cook erhielt Befehl, die Sommer-Mo- nathe Es versteht sich, daß hier vom Sommer der suͤdlichen Halbkugel die Rede ist, der un- serm Winter entspricht. zu Entdeckungen, gegen den Suͤdpol hin, anzuwenden; sobald aber die Jah- reszeit kalt, stuͤrmisch, neblicht und unsicher wuͤrde, nach den Wendezirkeln zuruͤck- zukehren und die Lage der ehemals entdeckten Inseln, vermittelst unsrer jetzigen astro- nomischen Instrumente und neuen Berechnungen genauer zu bestimmen. Faͤnde er kein großes festes Land, so sollte er, so nahe am Suͤdpol als immer moͤglich, ostwaͤrts laufen, bis er die Erdkugel umseegelt haͤtte. Unter allen Reisen um die Welt ist die unsrige auch wuͤrklich die erste, die von Westen nach Osten gerichtet worden. Man hatte auf Capitain Byrons , Wallis und Carterets Reisen er- fahren, daß die dazu gebrauchten Kriegs-Schiffe, der Delphin und die (Swal- low) Schwalbe, uͤbel gewaͤhlt waͤren, vornemlich weil sie keinen hinlaͤnglichen Vorrath von Lebensmitteln und Geraͤthschaften einnehmen konnten. Capitain Cook suchte sich also, schon bey seiner ersten Reise, ein Fahrzeug von ganz anderer Bauart, nemlich eins von denen Schiffen aus, die in England zum Transport der Steinkohlen gebraucht werden. Ein Schiff, das zu Entdeckungs-Reisen recht tauglich seyn soll, muß, sagte er, nach Verhaͤltniß seiner Bemannung, Lebensmit- tel und andere Vorraͤthe, wenigstens fuͤr drey Jahr lang, fuͤglich in sich fassen koͤnnen, aber bey alledem weder sehr große seyn, noch sehr tief im Wasser gehen, damit es zur Noth in den engsten und seichtesten Haven einlaufen koͤnne. Auch muß es nicht leicht auf dem Grunde sitzen bleiben, am Boden allenfalls ei- nen Stos aushalten, und wenn ja eine Ausbesserung noͤthig seyn sollte, mit leich- Einleitung . ter Muͤhe ans Ufer gelegt werden koͤnnen. In einem solchen Schiffe kann ein tuͤchtiger Seemann sich uͤberall hinwagen, unverzagt an jede unbekannte Kuͤste laufen und seinen Verhaltungsbefehlen volles Genuͤge leisten. Von dieser Art waren nun auch die beyden Schiffe, mit welchen wir die Reise um die Welt un- ternahmen, und ich bin uͤberzeugt, daß sie, bey allen ihren Fehlern und Unbequem- lichkeiten, zu einer so gefaͤhrlichen Reise immer noch die tauglichsten und besten waren. Das groͤßere von 462 Tonnen und 16 vierpfuͤndigen Kanonen, ward die Resolution genannt, und von Capitain Cook commandirt, das kleinere hingegen von 336 Tonnen, oder die Adventure, von Capitain Tobias Fourneaux . Er- steres fuͤhrte 112 Mann, letzteres nur 81; die Sternkundigen, Naturforscher, Mahler und ihre Bedienten abgerechnet. Bey unsrer Abreise vom Cap waren wir 118 Mann, (Doct. Sparrman mitgerechnet.) Verschiedne Officiere und Unter-Of- ficiere, nebst einigen Matrosen hatten schon eine oder die andere Reise um die Welt mitgemacht, und waren um so mehr geschickt abermals dazu gebraucht zu werden. In jedem Schiffe befand sich ein Sternkundiger, den die Commißion der Meeres-Laͤnge The Board of Longitude. besoldete. Im groͤßern Schiffe war es Herr Wilhelm Wales , der neulich die waͤhrend der Reise gemachten Bemerkungen in einem Bande herausgegeben hat; in der Adventure Herr Wilhelm Bailey , der jetzo wieder auf einer neuen Reise mit Capitain Cook begriffen ist. Auf diese Reise sind zwey Schiffe ausgeschickt. Das groͤßte, die Resolution, com- mandirt Capitain Cook ; das kleinere die Discovery (Entdeckung,) Capitain Clerke . — Am 13ten Jul. verließ Capitaln Cook den Haven Plymouth ; Capitain Clerke seegelte einige Wochen spaͤter. Sie vereinigten sich am Cap der guten Hoffnung , und seegelten von dannen am 29sten November. Die Absicht ist, O-Mai nach seinem Vaterlande zu- ruͤckzufuͤhren, und von Tahiti nach der nordwestlichen Kuͤste von Amerika , oder Sir Franz Drakens Neu-Albion , auf Entdeckung zu gehn. Das Parlement hat eine Belohnung von 20000 ℔ Sterl. auf die Entdeckung einer Nord-West, oder auch nord- oͤstlichen Durchfahrt gesetzt, und 5000 ℔, wenn ein englischer Seefahrer bis auf einen Grad vom Pol dringen sollte. Dies sind wichtige Bewegungs-Gruͤnde. Sie hatten alle noͤthige astronomische und nautische Instrumente, besonders vier Laͤngen- ††† 3 Einleitung . Uhren, drey von Arnold , und eine nach dem Modell der Harrisonschen von Kendal verfertigt. In der Resolution ward auch Herr Wilhelm Hodges , ein Landschafts- Mahler vom Admiralitaͤts-Collegio ausgeschickt, der nicht nur Aussichten von den verschiednen Gegenden, sondern auch, so weit seine Kenntniß von der menschli- chen Figur reichen wollte, die Einwohner gezeichnet hat. Die Herren Banks und Solander , Capitain Cooks Gefaͤhrten auf seiner ersten Reise, hatten sich vorgenommen, zum zweytenmal mit ihm zu ge- hen. Herr Banks hatte sich zu dem Ende in große Kosten gesetzt und mit allen Nothwendigkeiten versehen. Zween junge Leute sollten ihm (noch außer So- landern ) in botanischen und zoologischen Beschreibungen Huͤlfe leisten, und drey andre die neuentdeckten Thiere und Pflanzen zeichnen. Sogar Zoffani , ein geschickter deutscher Mahler, hatte versprochen ihn zu begleiten, und die ver- schiednen Landschaften, nebst ihren Einwohnern, zu schildern. Herr Banks ver- langte nur noch einige Aenderungen im Schiffe um etwas mehr Bequemlichkeit auf der Reise zu haben. Allein der Minister vom Seewesen hatte keine Achtung fuͤr diese Foderungen, die er doch einem so uneigennuͤtzigen Eiferer fuͤr die Wissenschaf- ten wohl haͤtte zugestehn sollen. Nachdem Herr Banks lange genug verge- bens auf guͤnstigern Bescheid gewartet hatte; so erklaͤrte er sich endlich, zehen Tage vor dem zur Abreise angesetzten Termin, daß er mit seiner ganzen Gesellschaft die Reise nicht antreten wolle. Daruͤber ward der Minister aufgebracht; er wollte sich raͤchen und Herrn Banks fuͤhlen lassen, daß die Wissenschaft auch ohne ihn erweitert werden koͤnne. Von der Summe, die das Parlement zum Besten dieser Reise ausgesetzt hatte, waren gerade noch 4000 Pf. Sterling uͤbrig. Nichts konnte fuͤr die Leidenschaft des Ministers erwuͤnschter seyn. Man forderte meinen Vater auf, als Naturforscher mit Capitain Cook zu gehn, huͤtete sich aber sorgfaͤltig, ihm etwas von der Schikane merken zu lassen, die diesen Ruf veranlaßt hatte. Das Parlement gestund ihm und mir obgedachte Summe zu, man that noch obenein glatte Versprechungen, und wir traten die Reise an, in Hoffnung, den Verlust wenigstens einigermaßen zu ersetzen, der durch Herrn Banks Weigerung fuͤr die Wissenschaft zu befuͤrchten stand. Die Einleitung . Rachsucht eines einzigen Mannes konnte also in diesem Fall ihren Nutzen haben. Bey Gelegenheit Capitain Cooks dritter Reise hatte sie sich aber schon abgekuͤhlt. Es ward zu wiederholtenmalen vorgeschlagen, auch diesmal wieder Naturforscher auszuschicken, allein die Wissenschaft war nie des Mini- sters Object gewesen. Sie war ihm vor wie nach veraͤchtlich, und folglich ward auf der neuen Reise kein Gelehrter geduldet. Das Beyspiel des Vorgesetzten, hat zuweilen auf die Untergebnen großen Einfluß. Ca- pitain Cook war hier, und gewiß nicht zu seiner Ehre, das Echo des Ministers. In jedem Schiffe wurden die Bestandtheile eines kleinen Fahrzeugs von 20 Tonnen mitgenommen, die bey Gelegenheit zusammengesetzt werden konn- ten, im Fall die Schiffe verloren giengen, oder wir etwas zu verschicken haͤtten. Sie wurden aber nicht gebraucht, bis gegen das Ende der Reise, da wir Mangel an Brennholz litten. Mit Netzen, Angeln und dergleichen Geraͤthen zur Fischerey, waren wir ebenfalls versehen, und um Lebensmittel von den Wilden zu erhandeln, hatte man dem Capitain allerley grobe Tuͤcher, Eisengeraͤth und andre Waaren mitgegeben. Auch wurden auf Befehl des Admiralitaͤts-Collegii etliche Hundert verguldete Schaumuͤnzen, mit dem Brustbilde des Koͤnigs ausge- praͤgt, um zum Denkmal der Reise unter die Wilden vertheilt zu werden. Die Gesundheit des Schiffsvolks ist ein so wichtiger Gegenstand bey lan- gen beschwerlichen See-Reisen, daß man zu Befoͤrderung und Erhaltung derselben diesmal auf außerordentliche Mittel bedacht war. Zu dem Ende hatte man ver- schiedne Lebensmittel an die Stelle andrer ausfindig gemacht, und vor allen Din- gen unser deutsches Sauerkraut, nebst gallert-artig eingekochter Fleischbruͤhe (mehreres hievon siehe pag. 79) in großer Menge an Bord geschickt. Wir hatten in der Resolution sechzig große Faͤsser Sauerkraut, die vor unsrer Ruͤckkehr ans Vorgebuͤrge der guten Hoffnung ganz ausgeleert wur- den. Die vielen Veraͤnderungen des Clima, denen wir unterworfen gewesen, Einleitung . hatten ihm nichts geschadet. Ohngefaͤhr vierzehn Tage vor unserer Ankunft in Engelland , fanden wir die letzte Tonne, die man bis dahin durch einen Zufall im Schiffsraum uͤbersehen hatte; und auch diese enthielt’ so frisches und schmack- haftes Sauerkraut, daß verschiedene portugiesische Herren, die auf der Rheede von Fayal mit uns speiseten, nicht nur mit außerordentlichem Appetit davon aßen, sondern sich den im Fasse gebliebnen Rest ausbaten, um ihre Freunde am Lande damit zu bewirthen. Es ward mehrentheils zweymal die Woche, zur See aber, und besonders in den suͤdlichsten Gegenden, auch oͤfter gereichet. Die Por- tion auf jeden Kopf war ein Pfund. Dem deutscher Leser die guten Eigenschaften dieses Gerichts anzuruͤhmen, waͤre uͤberfluͤßig. Doch kann ich nicht umhin zu sagen, daß es vielleicht das allerbeste Praͤservativ gegen den Scharbock ist, weil es in Menge mitgenommen, und nicht als Medicin, sondern in großen Portionen als nahrhafte Speise gebraucht werden kann. Die Taͤfelchen oder Kuchen von gallertartig eingekochter Fleischbruͤhe verdie- nen den naͤchsten Platz, als bewaͤhrte gesunde Nahrungsmittel. Wir hatten ihrer an 5000 Pfund. Woͤchentlich kochte man dreymal Erbsen Ungluͤcklicherweise waren unsre Erbsen sehr schlecht, und blieben, ohnerachtet alles Kochens, hart und unverdaulich. Die oben angefuͤhrten Sachen, hielten uns aber zum Theil schadlos und verhinderten die uͤble Wuͤrkung, die diese harte Speise, nebst dem Poͤckel- Fleisch haͤtte verursachen koͤnnen. zu Mittage, und jedesmal ward ohngefaͤhr zwey Loth solcher Fleischbruͤhe auf den Mann, darinn zerlassen. Auch ward es bisweilen zum Fruͤhstuͤck mit Weizen-Graupen oder Habermehl verdickt zugerichtet. Ein und dreyßig kleine Faͤsser mit eingekochter Wuͤrze (Maische) oder Bier, das bis zu einer Syrup aͤhnlichen Consistenz eingekocht war, wurden ebenfalls auf dieser Reise mitgenommen, um gelegentlich durch den Zusatz von Wasser und neuer Gaͤhrung zu gesundem Getraͤnke bereitet zu werden, Allein, aus Mangel von Vorsichtigkeit, verloren wir diesen Vorrath, der im heißen Clima in Gaͤhrung gerieth und die Faͤsser sprengte. Fuͤr Einleitung . Fuͤr die Kranken hatte man bey Ausruͤstung unsrer Schiffe ebenfalls be- sonders gesorgt. Salup, ein Gallert, der aus der Wurzel eines Zweyblatts ( Or- chis ) bereitet, sehr nahrhaft und leicht verdaulich ist, ward dem Wundarzte zur Abwechselung mit dem gewoͤhnlichen Sayo, fuͤr die scorburischen Kranken anvertraut. Robb oder dick eingekochter Saft von Citronen und Orangen, ward zur Arzney gegen den Scharbock mitgegeben; allein, weil man wegen der Kostbarkeit des Mittels die Dosin viel zu geringe vorgeschrieben hatte, so ließ sich keine vollstaͤn- dige Cur davon erwarten. Ueberdem hielt sich unser rechtschaffener Wundarzt, Herr Patton , auch nicht fuͤr berechtigt, mit seinen Kranken Experimente zu ma- chen, so lange er noch wuͤrklich bewaͤhrte Genesungs-Mittel in Haͤnden hatte. Doch versichert er, daß der Robb von großem Nutzen sey. Eine Marmelade von gelben Moͤhren oder Carotten, ( Daucus Carota ) die dem gewoͤhnlichen schwarzen Zucker-Syrup an Farbe und Geschmack sehr aͤhnlich ist, hatte der Herr Baron von Muzel Stosch in Berlin zur Probe gegen den Scharbock vorgeschlagen. Sie laxirt gelinde, und kann als ein Huͤlfs- mittel angesehn werden; eine Cur aber wird sie schwerlich zuwege bringen. Das schaͤtzbarste Mittel gegen den Scharbock, welches nach vielen wiederholten Erfahrungen selbst den gefaͤhrlichsten Grad dieser Krankheit curirt, ist die frische Infusion von Malz. Wir hatten dreyßig Tonnen mit Malz an Bord, und so bald sich der Schaarbock merken ließ, ja in kalten Gegenden noch eher, ward taͤglich eine frische Infusion gemacht, und denen die zum Scharbock geneigt waren, als ein Praͤservativ gereicht. Die wuͤrklichen Kranken, deren wir sehr wenige hatten, mußten jeden Tag bis drey Quart trinken. Bey ge- schwollnen Gliedern oder Beulen, wurden die Trebern, als warme Umschlaͤge, mit dem besten Erfolg gebraucht. Doctor Macbride in Irrland , war der erste, der das Malz als ein antiscorbutisches Mittel angab; und nunmehro ist es auf der engli- schen Flotte als unentbehrlich eingefuͤhrt, so daß ein jedes Schiff einen gewissen †††† Einleitung . Vorrath davon an Bord fuͤhrt. Zu Bestaͤtigung des obigen kann ich hier aus unsers Wundarzts Tagebuch noch folgende Stelle anfuͤhren. “Ich habe, sagt er, die “Malz-Infusion ( wort, Wuͤrze, Maische,) auf der ganzen Reise, in allen scorbu- “tischen Faͤllen, aͤußerst nuͤtzlich befunden. Zwar habe ich sie nur selten recht auf die “Probe stellen koͤnnen, weil viele sie tranken, um die Krankheit zu verhuͤten; allein “schon die wenigen Faͤlle, in welchen sie mir gute Dienste geleistet hat, sind meines “Erachtens, hinlaͤnglich, jedem Unpartheyischen zu beweisen, daß dies das beste “bisher erfundne Mittel gegen den See-Scharbock ist. Auch bin ich, nach “allem, was ich von den Heilkraͤften der Malz-Infusion und von ihrer Art zu “wuͤrken erfahren habe, ganz uͤberzeugt, daß mit Huͤlfe der Suppen-Taͤfelchen, “des Sauerkrauts, Zuckers, Sayo’s, und der Corinthen, jene Pest des Mee- “res, der Schaarbock, selten oder gar nicht unter dem Schiffsvolke selbst auf “den laͤngsten Reisen erscheinen wird.” Hiernaͤchst ward die Gesundheit unsers Schiffsvolk noch durch ver- schiedne andere Veranstaltungen befoͤrdert. Die wichtigste und’nuͤtzlichste war, daß man die Leute bey ihrer gesalznen Speise, so viel Wasser trinken ließ als sie nur im- mer mogten. Nur selten fanden wir uns genoͤthigt, sie auf gewisse bestimte und noch seltener auf knappe Portionen von Trinkwasser einzuschraͤnken. Zu dem Ende ward auch keine Gelegenheit versaͤumt, frisches Wasser zu fuͤllen, wenn wir gleich noch Vorrath davon hatten; weil es unstreitig besser frisch vom Lande koͤmmt als es in den Faͤssern wird, nachdem es eine Zeitlang aufbewahrt worden. Reinlichkeit ist eine andre nothwendige Vorsicht. Es ward bey uns nicht nur scharf darauf gesehen, daß die Matrosen sich selbst, ihre Kleider, Hem- den u. s. w. rein hielten, sondern auch die Kuͤchengeraͤthe wurden fleißig unter- sucht, damit von der Nachlaͤßigkeit der Koͤche nichts zu befuͤrchten waͤre. Ihre Betten mußten bey trocknem Wetter des Tages aufs Verdeck gebracht werden. Am wichtigsten aber war das Naͤuchern mit einer Mischung von Schießpulver und Eßig, oder auch Wasser, und die fast woͤchentlichen Feuer, die im Schlaf- Raum des Volks, in den Cajuͤtten der Officiere und selbst im untersten Raum, wohin die Pumpen reichen, angezuͤndet wurden. Ungesunde, faule Ausduͤnstun- gen und Feuchtigkeiten wurden auf diese Art zertheilt und unschaͤdlich gemacht, und die Luft durchaus gereinigt. Dazu kam noch die Eintheilung der Mann- Einleitung . schaft in drey, nicht wie sonst auf Kriegsschiffen gebraͤuchlich ist, in zwo Wachen. Dadurch wurden die Leute den Veraͤnderungen des Wetters minder ausgesetzt, und hatten Zeit, ihre Kleider, wenn sie naß wurden, zu trocknen. Es wurden auch auf oͤffentliche Kosten, waͤhrend unserm Aufenthalt in kalten Gegenden, warme Kleidungsstuͤcke ausgetheilt, die der Mannschaft treflich zu statten kamen. Erfahrne Aerzte, Seeleute und Menschenfreunde, hatten diese Huͤlfsmit- tel vorgeschlagen; der Wundarzt, mein Vater und einige andere Personen im Schiff, hatten den fleißigen Gebrauch derselben unauf hoͤrlich angerathen; auch zeig- ten sich die vortreflichen Wirkungen davon bald so deutlich, daß man sie in der Folge fuͤr ganz unentbehrlich ansahe. Alle diese Ursachen und eigne Erfahrung, bewogen Capitain Cook sie bey jeder Gelegenheit anzuwenden. Unter goͤttlicher Fuͤhrung blieben wir auf diese Art, ohnerachtet aller Beschwerlich- keiten einer harten, ungewohnten Lebensart, und oͤfterer Abwechselung des Clima’s bey guter Gsundheit. Der Praͤsident der koͤniglichen Gesellschaft der Wissenschaften in London , Sir John Pringle , spricht davon ausfuͤhrlich als ein erfahrner Arzt in seiner am 30sten November 1776 vor der Societaͤt gehaltenen Rede, bey Verschenkung der Copleyschen Denkmuͤnze an Capitain Cook . Die Lob- spruͤche, die er unserm geschickten und beruͤhmten Seemanne giebt, muß man dem Styl des Redners und den Umstaͤnden zu Gute halten. Freylich laͤßt sich nicht leicht begreifen, wie man einen Mann deswegen ruͤhmen koͤnne, daß er die dargebothnen Huͤlfsmittel gebraucht, vermoͤge welcher er allein seinen End- zweck, die Vollendung seiner Reise, erreichen konnte? Allein, dies mußte in Ruͤcksicht auf die Gesetze der Koͤniglichen Gesellschaft geschehen; als vermoͤge welcher die Me- daille nur dem Mitgliede zuerkannt wird, der die beste Abhandlung einreicht. Also belohnte man nicht den beruͤhmten Entdecker, den Welt- Umseegler, der den guͤltig- sten Anspruch auf Belohnungen hatte, sondern den Mann, der das negative Ver- dienst besaß, die dargebotnen Mittel, worauf seine Erhaltung, sein Ruhm, sein Gluͤck beruhte, ergriffen zu haben! Bis auf den Grad handelt man mit Chinesischer Formalitaͤt in Engelland , diesem Lande der gesunden Vernunft und freyen Den- kungsart! Doch, was sage ich? Ist’s nicht genug, daß der stolze, reiche Britte, der Herr, der Raͤuber und Pluͤnderer beyder Indien , zuweilen das Verdienst be- †††† 2 Einleitung . lohnt, es sey der Beweggrund, Rache, Ehrgeiz, Eitelkeit, Schlendrian — kurz, was er wolle? — — Bleib’ immer minder reich, mein deutsches Vaterland, und beschaͤme mit Tugenden deine uͤppigen glaͤnzenden Nachbaren, die sich ihre eigne Grube graben und dem Untergang entgegen eilen! Quo Musa tendis? Desine pervicax Referre Sermones Deorum. Dr. Johann Reinhold Forster’s und seines Sohnes Georg Forster’s Reise um die Welt auf Kosten der Grosbrittannischen Regierung zu Erweiterung der Naturkenntniß unternommen und waͤhrend den Jahren 1772 bis 1775. in dem vom Capitain J. Cook commandirten Schiffe the Resolution ausgefuͤhrt. Erstes Hauptstuͤck . Abreise — Fahrt von Plymouth nach Madera — Beschreibung dieser Insel. Ubi animus ex multis miseriis atque periculis requievit, — statui res gestas — perscribere; tamen (hoc) imprimis arduum videtur, — quia plerique, quæ delicta reprehenderis, malivolentia et invidia putant, ubi de magna virtute et gloria bonorum memores, quæ sibi quisque facilia factu putat, æquo animo accipit; supra ea, veluti ficta, pro falsis ducit. Sallust . K aum war das Schiff Endeavour im Jahre 1771. wieder nach England zuruͤckgekommen, als man schon den Entwurf zu einer neuen Reise mach- te, auf welcher die suͤdlichen Gegenden unsrer Erdkugel weiter erforscht und untersucht werden sollten. Zwey tuͤchtige, starke Schiffe, die Resolution und die Adventure wurden zu dem Ende als Koͤnigliche Schiffe vom sechsten Range ( Sloops ) ausgeruͤstet, und die Capitaͤne Jacob Cook und Tobias Furneaux zu Befehls- habern ernannt. Am eilften Junius erhielten mein Vater und ich Befehle, diese Reise gleichfalls zu unternehmen, um Gegenstaͤnde der Naturgeschichte, zu sammlen, zu beschreiben und zu zeichnen. In moͤglichster Geschwindigkeit ruͤsteten wir uns zu diesem wichtigen Vorhaben, und schickten innerhalb neun Tagen alle unsere Reise-Geraͤthschaft an Bord der Resolution, welche damals noch bey Sheerneß lag, am 22sten aber bereits nach Plymouth abgieng. Am 26ten verließen auch wir London , und kamen, weil wir zu Lande reisten, schon in zween Tagen nach Plymouth , woselbst aber unser Schif noch nicht eingetroffen war. Den ersten Julius verfuͤgten wir uns am Bord der Jagd Augusta, und machten dem damaligen Praͤsidenten des Admiralitaͤts-Col- A 2 Forster’s Reise um die Welt 1772. Julius. legii, dem Grafen Sandwich , unsre Aufwartung. Seine Herrlichkeit (Mylord) glaubten, die Resolution wuͤrde noch denselben Tag auf der Rheede ankom- men, und verlangten, daß wir uns Abends zwischen fuͤnf und sechs Uhr an Bord derselben begeben moͤchten. Allein, zu unsrem großen Misvergnuͤgen erschien das Schif nicht, und der Graf verlies Plymouth am folgenden Morgen. Dieser Umstand scheint beym ersten Anblick ziemlich unbedeutend und die Erwaͤhnung des- selben uͤberfluͤßig zu seyn: Allein fuͤr die Reisenden war er wichtig. Waͤre das Schif noch vor der Abreise des Grafen Sandwich in Plymouth eingetroffen so haͤtte es dieser Herr, billiger weise, selbst in Augenschein nehmen muͤssen, und dann wuͤrden zur Bequemlichkeit und zum Nutzen der Herren Forster in den Cajuͤtten und andern Dingen gewisse Einrich- tungen getroffen worden seyn, die jetzt, weil Mylord Sandwich die Sachen nicht mit eige- nen Augen gesehen hatte, entweder ganz unterblieben, oder doch nur unvollkommen vorge- nommen wurden, und uͤber deren Mangel unsre Reisenden, in der Folge, sich mit Recht zu beklagen hatten A. d. V. Fruͤhe am dritten Julius sahen wir die Resolution auf der Rheede vor Anker, wo sie in voriger Nacht angelangt war. Capitain Cook gedachte, etwa acht bis zehen Tage hier zuzubringen, und befahl, mitlerweile in unsern Cajuͤtten noch einige schlechterdings nothwendige Einrichtungen zu treffen. Da wir inzwischen keine Gelegenheit zu Erweiterung der Wissenschaft, oder zu un- srer Belehrung versaͤumen wollten, so bedienten wir uns dieser Zeit, um die Zinn- Bergwerke in Cornwall zu besuchen, und nachdem wir in den großen und reich- haltigen Gruben zu Poldyre und Kenwyn Vergnuͤgen und Unterricht gefunden hatten, so kehrten wir am achten Julius nach Plymouth wieder zuruͤck. — „Capitain Cook bekam in Plymouth Verhaltungsbefehle, vom 25sten Junius datirt. Man sehe Cooks Reisebeschreibung im Englischen, 1ster Band: pag. 2. woraus ich die obenangefuͤhrte Instruction zu Ergaͤnzung meines Werks dem deutschen Publikum vor- trage. Diesen zufolge sollte er die Adventure unter sein Com- mando nehmen, nach Madera seegeln, sich dort mit Wein versehen, und sodann zu Erfrischung seiner Leute und um beyde Schiffe mit Lebensmitteln zu versorgen, am Vorgebuͤrge der guten Hofnung anlegen. Von da aus sollte er suͤdlich lau- fen, und wo moͤglich das Cap de la Circoncision entdecken, welches Herr Bou- vet unter dem 54 Grad Suͤder Breite und ohngefaͤhr 11°-20′ oͤstlicher Laͤnge, von in den Jahren 1772 bis 1775. Greenwich , angiebt. Entdeckte er dieses, so sollte er untersuchen, ob es zum 1772. Julius. festen Lande gehoͤre, welches aller Geographen und voriger Seefahrer Aufmerk- samkeit erregt hatte, oder ob es nur ein Theil einer Insel sey? Im ersten Fall sollte so viel als moͤglich von der Kuͤste befahren und untersucht, zugleich auch Bemerkungen zum Vortheil der Handlung, der Seefahrt und der Naturgeschichte gemacht werden. Traͤfe man Einwohner an, so sollte Capitain Cook ihren Character, Temperament, Genie und Anzahl bemerken, und wo moͤglich freund- schaftlichen Umgang mit ihnen zu haben suchen. So lange die Schiffe in gutem Stande, die Leute gesund, und die Lebensmittel brauchbar blieben, sollte er diese Entdeckungen fortsetzen, und, je nachdem es die Umstaͤnde erforderten, nach Osten oder Westen laufen, dabey aber so weit gegen den Suͤdpol als nur im- mer moͤglich zu dringen suchen. Waͤre aber das Vorgebuͤrge de la Circoncision nur ein Theil einer Insel, oder koͤnnte er es gar nicht antreffen, so blieb ihm uͤbrig, solange als er noch Hofnung haͤtte ein großes oder festes Land zu finden, suͤdwaͤrts zu steuern, alsdenn aber seinen Lauf nach Osten zu richten, und in hohen suͤdlichen Breiten, so nah am Pol als thunlich seyn wuͤrde, rund um die Welt zu see- geln, zuletzt am Vorgebuͤrge der guten Hofnung wieder zu ankern und von dort nach Spithead bey Portsmouth zuruͤckzukehren. So oft die Jahrszeit den ferne- ren Aufenthalt in hohen Breiten gefaͤhrlich machen wuͤrde, sollte er sich nach irgend einem bekannten Orte weiter gegen Norden, unter mildere Himmelsstriche zuruͤck ziehen, um seine Leute zu erfrischen, und die Schiffe wieder in Stand zu setzen. In allen Faͤllen, welche man nicht vorhergesehn, konnte er uͤbrigens nach eignem Gutduͤnken verfahren, und gienge ungluͤcklicher Weise die Reso- lution verlohren, so sollte er dennoch die Fahrt im kleinern Schiffe fortsetzen. Eine Abschrift dieser Befehle theilte er dem Capitain Furneaux mit, und zeigte ihm zugleich die Sammelplaͤtze, im Fall der Trennung an.“ “Die Sternkundige, der beyden Schiffe, Herren Wales und Bay- ley , machten, waͤhrend daß wir nach Cornwall gereiset waren, ihre Beobach- tungen auf einem kleinen Eyland ( Drake’s Island ) im Haven von Plymouth . Die Laͤnge dieses Orts mußte astronomisch bestimt werden, weil man hier die Laͤn- gen-Uhren in Gang bringen sollte, welche diese Herren mit sich am Bord hatten. Herr Arnold hatte deren drey verfertigt, davon zwo in der Adventure bleiben A 3 Forster’s Reise um die Welt 1772. Julius. sollten. Die dritte mit noch einer andern, welche Herr Kendal nach der Harrisonschen Uhr genau nachgemacht hatte, kam auf das andre Schiff. Alle insgesammt wur- den am 10ten Julius in Gang gesetzt, und in viereckigten hoͤlzernen Kasten auf- bewahrt. Den genausten Berechnungen zufolge ist die Koͤnigliche Sternwarte in Greenwich , welche wir hier bestaͤndig als die erste Mittagslinie annehmen werden, von dem kleinen Eyland in Plymouth -Haven , 4° 20′ ostwaͤrts ent- fernt“ —. Sonnabend den eilften begaben wir uns an Bord, um mit dem ersten guͤnstigen Winde abzusegeln. Am folgenden Tage aber, da der Wind ziemlich heftig bließ und mein Vater zufaͤlliger Weise auf dem Verdeck herum gieng, be- merkte derselbe nicht nur eine Aenderung in der gewoͤnlichen Lage unsers Schiffs gegen die Adventure und ein anderes Schiff, welche beide vor Anker lagen, son- dern ihn duͤnkte auch, als wenn es auf die Klippen unter der Festung zutriebe. Er aͤußerte diese Vermuthung dem Lootsen ( Master ) Herrn Gilbert , der sich bey ihm auf dem Verdeck befand und sogleich gewahr ward, daß die Kette eines der bestaͤndigen Boys, woran man das Schif befestigt hatte, gebrochen sey. Zur Fort-Arbeitung eines Schifs, wozu diese Boys zu Plymouth gebraucht werden, moͤchte sie stark genug gewesen seyn; aber der bestaͤndigen und man- nichfaltigen Bewegung eines schwergeladnen Schifs konnte sie nicht widerstehn; und also haͤtte man auch, meines Erachtens, kein solches Schiff daran legen sollen. Gleich auf den ersten Lerm waren alle Matrosen in Bewegung; die See- gel wurden aufgespannt, und die Kabel in Bereitschaft gesetzt: Nun liefen wir die Adventure und das andere Schif vorbey, und entgiengen auf solche Art der groͤsten Gefahr an den Felsen unter der Festung zu scheitern. Unsre Seeleute schlossen aus diesem bedenklichen und gluͤcklichen Vorfall auf den guͤnstigen Fort- gang der ganzen Reise, und wir konnten nicht umhin die Leitung der goͤttlichen Vorsehung in diesem wichtigen Augenblick zu erkennen, der alle unsre Hofnun- gen beynahe auf einmal vereitelt haͤtte. Es ist nichts ungewoͤhnliches, daß Schiffe bey aͤhnlichen Gelegenheiten zu Schaden kom- men. Das Kriegs-Schif Aldborough, ward am 16ten May 1776. von eben solchem Boy losgerissen, und trieb auf die Felsen von Drake-Eyland , wo es die Wellen zer- schmetterten. Und wie oft haben wir uns nicht im in den Jahren 1772 bis 1775. Verfolg dieser Reise in so gefaͤhrlichen Umstaͤnden befunden, wo alle menschli- 1772. Julius. che Huͤlfe vergeblich gewesen seyn wuͤrde, wenn unser besseres Schicksal nicht unter einer hoͤhern Aufsicht gestanden haͤtte, ohne welche kein Haar von unserm Haupte faͤllt? Zwar sind wir geneigt, der Vortreflichkeit und dem wachsamen Auge unsrer erfahrnen Welt-Umseegler die billigste und ruͤhmlichste Gerechtig- keit wiederfahren zu lassen; allein im Grunde werden wir uns nie enthalten, al- les auf seinen wahren Ursprung, fuͤrnemlich aber solche Vorfaͤlle auf eine hoͤhere Macht zuruͤckzufuͤhren, wovon keine menschliche Kunst, waͤre sie auch mit fre- cher Religions-Verachtung gewaffnet, die Ehre sich anmaßen darf. Montags fruͤh, am 13ten, seegelten wir in Begleitung der Adventure von Plymouth ab. Ich kehrte einen Abschieds-Blick gegen Englands frucht- bare Huͤgel zuruͤck, und lies dem natuͤrlichen Gefuͤhl der Verbindungen, woran mich diese Aussicht erinnerte, freyen Lauf; bis endlich die Heiterkeit des schoͤ- nen Morgens, und die Neuheit unsrer Fahrt, durch die noch glatte See, die Oberhand gewannen und jene truͤben Gedanken zerstreuten. Bald blieb nun hin- ter uns der beruͤhmte hohe Leucht-Thurm, der mitten im Meer auf dem Felsen Eddistone , zum Besten der Schiffahrt, gebauet ist, und den man unmoͤglich an- sehen kann, ohne fuͤr die einsamen Waͤchter zu zittern, die oft drey Monathe lang, von aller Gemeinschaft mit dem festen Lande abgeschnitten, daselbst zu- bringen muͤssen. Denn das Schicksal eines gewissen Winstanley , der unter dem Schutt eines aͤhnlichen Gebaͤndes, das er selbst auf dieser Klippe angelegt hatte, vergraben wurde, und die schwankende Bewegung des jetzigen Thurms, wenn Wind und Wetter ihn bestuͤrmen, muͤssen sie unaufhoͤrlich mit einem schleu- nigen und schreckenvollen Untergange bedrohen. In eben dem Maaße als wir uns vom Lande entfernten, ward der Wind heftiger; die Wellen wuchsen an, das Schif rollte von einer Seite zur andern und die der See nicht gewohnt waren, ja selbst einige der aͤltesten See- leute, litten nunmehr, doch in verschiedenem Grade, von der Seekrankheit. Auch war diese Uebelkeit nicht bey allen von gleicher Dauer, und nachdem sie drey Tage lang angehalten hatte, fanden wir uns groͤstentheils durch gewaͤrmten- rothen Oporto-Wein mit Zucker und Gewuͤrzen wieder hergestellt. Forster’s Reise um die Welt 1772. Julius. Am 20ten bekamen wir das Vorgebuͤrge Ortegal an der Gallicischen Kuͤste in Spanien zu Gesicht; welches die Einwohner Ortiguera nennen und vermuthlich das Promontorium trileucum der Alten ist. Das Land ist in dieser Gegend bergigt und, an denen Orten, wo man den nackten Felsen sahe, von weißlichter Farbe; die Gipfel der Berge aber waren mit Waldung bedeckt. Ich bemerkte auch einige beynahe reife Kornfelder, und etliche Stellen die mit Haide bedeckt zu seyn schienen. Jedermann am Bord schaute dies Land mit solcher Sehnsucht an, daß man deutlich abnehmen konnte, der Mensch sey kein Amphibium. Diesen Gedanken scheint Horaz gefuͤhlt zu haben, wenn er sagt: Necquicquam Deus abscidit Prudens Oceano dissociabili Terras: si tamen impiœ Non tangenda rates transiliunt vada. Hor . Am 22sten sahen wir den Leucht-Thurm bey Corunna , oder, wie es unsre Seeleute nach ihrer Weise verstuͤmmeln, the Groyn . Wir hatten eine voͤllige Windstille; die See war so eben als ein Spiegel, und Kornfelder, um- zaͤunte Gruͤnde, kleine Doͤrfer und adeliche Hoͤfe verschoͤnerten die bergigte Landschaft: Alles vereinigte sich, die Ueberbleibsel der Seekrankheit zu ver- treiben und erfuͤllte uns mit gutem Muth, der freylich bey leerem Magen und stuͤrmenden Wellen nicht hatte Stand halten koͤnnen. Des Abends sahen wir nicht weit von uns eine kleine Taxtane, die uns ein Fischer-Boot von der spanischen Kuͤste zu seyn schien und in dieser Meinung setzten wir ein Boot aus um frische Fische einzukaufen. Die ganze Oberflaͤche des Meeres war mit Tau- senden von kleinen Krabben bedeckt, die nicht uͤber einen Zoll im Durchschnitt hatten, und von der Art waren, welche Linnaͤus Cancer depurator nennt. Das kleine Fahrzeug selbst war eine franzoͤsische Tartane, aus Marseille , von ohngefaͤhr 100 Tonnen, mit Mehl fuͤr Ferrol und Corunna beladen. Die Leute am Bord baten uns um etwas frisches Wasser, weil sie durch widrige Winde seit zween Monathen verschlagen worden, ihren ganzen Vorrath schon seit in den Jahren 1772 bis 1775. seit vierzehn Tagen verbraucht und sich seitdem nur von Brod und einer kleinen 1772. Julius. Portion Wein genaͤhrt haͤtten. In diesem elenden Zustande, waren ihnen ver- schiedene Schiffe und besonders etliche spanische Kriegs-Schiffe begegnet, nie- mand aber war menschlich genug gewesen, ihrer Noth abzuhelfen. Der Offi- cier, welcher unser Boot commandirte, schickte sogleich die ledigen Faͤsser an das Schiff um sie anfuͤllen zu lassen, und die armen Leute nahmen sie alsdenn mit solchen Minen wieder in Empfang, aus welchen die lebhafteste Freude stralte. Sie dankten dem Himmel und uns, und freuten sich, daß sie endlich wieder Feuer ma- chen und nach langem Fasten etwas warmes genießen koͤnnten. So wahr ists, daß ein gefuͤhlvolles Herz oft Gelegenheit hat seine Wohlthaͤtigkeit ohne Kosten zu uͤben. Des folgenden Nachmittags seegelten drey spanische Kriegs-Schiffe nach dem Hafen Ferrol vorbey. Eines schien 74 Kanonen, die andern zwey aber nur 60 zu fuͤhren. Das letzte zog anfaͤnglich Englische Flaggen auf, nachdem wir aber die unsrige gezeigt, lies es diese wieder herunter, feuerte eine Kanone unter dem Winde ab, und steckte die spanische Flagge auf. Bald darnach feuerte es eine Kugel nach der Adventure; weil wir aber fortseegelten ohne uns an sein Feuern zu kehren, so kam das Spanische Schiff zuruͤck, und schoß noch eine Kugel, welche dicht vor der Adventure vorbeygieng. Als Capitain Cook dies sahe lies er unser Schiff in den Wind legen, (d. i. wir hielten mit seegeln inne) und die Adventure that nun ein gleiches, doch schien es als ob sie sich hierinn blos nach unserm Beyspiel richtete. Der Spanier rief dies Schif auf Englisch an, und frug “was fuͤr eine Fregatte die vor ihnen waͤre?“ indem er auf uns zeigte. Sobald er hierauf Antwort bekommen hatte, wollte er eine aͤhnliche Frage, die man ihm vorlegte, nicht beantworten, sondern erwiderte bestaͤndig: “Ich wuͤnsch’ euch gluͤckliche Reise.“ Nach diesem Auftritte, der fuͤr die “Herren der See“ eben nicht schmeichelhaft war, setzten wir unsre Reise fort und paßirten das Vor- gebuͤrge Finisterre in der Nacht. Zum Besten mancher Leser auf dem festen Lande, wird vielleicht die nachstehende Erlaͤu- terung obiger Stelle nicht ganz uͤberfluͤßig seyn. Wenn ein Kriegesschiff, ein Kaufsar- they- oder ein kleineres Kriegsschiff anhalten will, um dasselbe entweder auszufragen oder gar zu durchsuchen, so geschiehet das gewoͤhnliche Zeichen dazu, durch Abfeurung einer Forsters Reise u. d. W., erster Th. B Forster’s Reise um die Welt 1772. Julius. Verschiedene Meerschweine schwammen am 25sten, gegen den Wind, vor- bey, der, seit dem wir das Cap Finisterre verlassen, nord-oͤstlich geblieben war. Des Nachts leuchtete das Meerwasser, besonders schienen die Spitzen der Wellen, und ein Theil des Kielwassers hinter dem Schiff, aus einer Masse von lauter Licht zu bestehen; doch sahe man auch noch ohnedies eine Menge kleiner Fun- ken, die heller als alles uͤbrige waren. Am 28sten um 6 Uhr des Morgens erblickten wir die Insel Porto-San- to , welche ohngefaͤhr vier bis fuͤnftehalb deutsche Meilen lang, unfruchtbar, und schlecht bewohnt ist. Sie hat nur eine Villa oder Flecken, die eben so heißt und am oͤstlichen Ufer in einem Thal liegt, welches ganz angebaut, und dem Ansehn nach, voller Weinberge ist. Uebrigens steht diese kleine Insel unter dem Gouverneur von Madera und die Zahl ihrer Einwohner belaͤuft sich ohn- gefaͤhr auf 700 Koͤpfe. Kurz nachher kamen wir auf die Hoͤhe von Madera und der Ilhas de- sertas , welche unsre Seefahrer die Deserteurs zu nennen pflegen. Die Stadt Santa Cruz auf Madera lag Nachmittags um 6 Uhr gerade vor uns. Hier sahen wir die Berge von einer Menge tiefer Kluͤste und Thaͤler durch- schnitten und auf den Ruͤcken derselben verschiedene Landhaͤuser, deren uͤberaus anmuthige Lage zwischen Weinbergen und hohen Cypressen, der Gegend ein sehr romantisches Ansehen gab. Wir wurden mit Booten in die Rheede von Fun- Kanonenkugel, welche jedoch so gerichtet wird, daß sie das Schiff nicht trifft, sondern nur bey demselben vorbey streicht. Wenn ein solchergestalt angehaltenes Schiff die Superiori- taͤt des andern und die Rechtmaͤßigkeit eines solchen Verfahrens nicht anerkennt, so setzt es entweder seinen Lauf fort, ohne sich an die Aufforderung des andern zu kehren, oder es erwidert die Unbescheidenheit des Fremden wohl gar durch eine ernstliche Antwort aus seinen eigenen Canonen. Haͤlt es sich im Gegentheil fuͤr verbunden, dem andern zu ge- horchen, so nimmt es zum Zeichen seiner Unterthaͤnigkeit die Seegel ein, laͤßt auch wohl seine Flagge nieder, kurz, es haͤlt still oder schickt gar Leute im Boote ab, um auf die vorgelegten Fragen des andern zu antworten. In dem Text wird daher geruͤget, daß die Capitains Cook und Furneaux , und zwar ersterer durch sein Beyspiel, der Ehre der drittischen Nation, (die seit der Koͤnigin Elisabeth Zeiten her den stolzen Titel von Herren der See gegen alle Maͤchte behauptet), hier etwas vergeben haͤtten, indem sie den Spaniern eine bis hieher von keinem Englaͤnder eingestandene Oberherrschaft, in diesen Gewaͤssern ein- raͤumten. A. d. V. in den Jahren 1772 bis 1775. chal boogsirt, weil es voͤllig Windstill war, und erst in dunkler Nacht kamen wir 1772. Julius. vor Anker. Fruͤhe am 29sten wurden wir durch den malerischen Anblick der Stadt Funchal sehr angenehm uͤberrascht. Sie liegt rund um die Rheede, auf einem sanft anlaufenden Grunde der Vorberge, und hat die Gestalt eines Amphitea- ters. Vermittelst dieser Lage fallen saͤmtliche Gebaͤude und Haͤuser um so viel vortheilhafter ins Gesicht; sie sind fast durchgehends weiß angestrichen; viele sind zwey Stock hoch, und haben flache Daͤcher, welches ihnen eine Aehnlich- keit mit der morgenlaͤndischen Bauart und eine Simplicitaͤt giebt, die hier in Eng- land , unsern schmalen Haͤusern mit hohen, schraͤg zusammenlaufenden und mit einer ganzen Reihe von Schornsteinen bepflanzten Daͤchern, gaͤnzlich zu fehlen pflegt. Am Ufer sieht man verschiedene Batterien und Plattformen mit Ka- nonen, auch wird die Rheede von einem alten Kastell bestrichen, welches auf einem steilen schwarzen Felsen liegt, der bey hohem Wasser von der See umge- ben ist, und von den Englaͤndern the Loo-Rock genannt wird. Hinter der Stadt ist noch ein andres Kastell, St. Joanno do Pico genannt. Die nah- gelegnen Hoͤhen, auf welchen man uͤberall Weinberge, umzaͤunte Gruͤnde, Plan- tagen und Buschwerk nebst Landhaͤusern und verschiedenen Kirchen erblickt, ma- chen die Schoͤnheit der Landschaft vollkommen. Alles erweckte den Begrif einer bezauberten Jusul, und gab uns eine Idee von den haͤngenden Gaͤrten der Se- miramis. Um 7 Uhr kam ein Boot zu uns, welches das Prattique-Boot genannt wird und einen Capitain do Sal am Boord hatte. Dieser Officier ist einer von den zween Guarda-Mores des Gesundheits-Collegii, welche die Quaran- taine der Schiffe bestimmen, die aus der Barbarey oder Levante oder aus an- dern verdaͤchtigen, der Pest unterworfnen, Gegenden ankommen. Er erkundigte sich nach unserm Gesundheitszustande und dem Lande woher wir kaͤmen, und erfuhr was er zu wissen verlangte. Kurz nachher landeten wir und giengen mit unsern Capitains zu Herrn Loughnan , einem englischen Kaufmann, der, vermoͤge Contracts, alle hier ein- laufende Koͤnigliche Schiffe mit den erforderlichen Nothwendigkeiten versiehet. Der juͤngst ernannte Consul, Herr Murray war noch nicht angekommen; Herr B 2 Forster’s Reise um die Welt 1772. Julius. Loughnan aber empfing uns mit einer Gastfreyheit und einem Anstande, der ihm und der Nation Ehre macht. Die Stadt entspricht bey weiten dem Begriffe nicht, den ihr aͤußeres An- sehen von der Rhede aus erregt; denn die Straßen sind eng und schlecht gepflastert und schmutzig; die Haͤuser sind zwar von gehauenen oder gebacknen Steinen, aber innerhalb dunkel. Nur diejenigen sind mit Glasfenstern versehen, welche den engli- schen Kaufleuten oder andern vornehmern Einwohnern gehoͤren, die uͤbrigen haben gemeiniglich Laden von Lattenwerk, welche oben an Hespen befestigt sind, und als Fenster geoͤfnet, auch erforderlichen Falls ausgehoben werden koͤnnen. Die untern Zimmer sind mehrentheils zu Wohnungen fuͤr Bediente, oder zu Kram- laͤden und Waarenlagern bestimmt. Was die Kirchen und Kloͤster betrift, so sind es schlechte Gebaͤude, die keine sonderliche Kenntniß der Architectur verrathen. Ihr Inneres ist ohne Ge- schmack, denn das wenige Licht, welches von außen herein faͤllt, macht dem Auge nichts als eine Menge von Flitter-Zierrathen sichtbar, die in aller Absicht gothisch sind. Das Franciscaner-Kloster ist nett und raͤumlich; aber ihr Garten schien in keiner guten Ordnung zu seyn. Die Nonnen von St. Clara empfiengen uns sehr hoͤflich am Gitter ih- res Sprachzimmers, sandten aber hernach einige alte Weiber ab, um ihre verfer- tigte Blumen auszubiethen. Wir machten hierauf mit Herrn Loughnan einen Spatziergang nach seinem Landhause, welches eine englische Meile von der Stadt auf einer Anhoͤhe gelegen ist, und fanden daselbst eine angenehme Gesellschaft, von den vornehmsten englischen Kaufleuten auf Madera . Unsre Capitains giengen Abends wieder an Boord; wir aber machten uns Herrn Loughnans hoͤfliches Anerbieten, waͤhrend unsers kurzen Aufenthalts zu Madera in seinem Hause Platz zu nehmen, mit Vergnuͤgen zu Nutze. Am folgenden Morgen fiengen wir an, die landeinwaͤrts gelegenen Ge- genden der Insel zu untersuchen, und setzten diese Beschaͤftigung den folgenden Tag fort. Um 5 Uhr Morgens giengen wir bergauf laͤngst einem Bach, der uns in die innern bergigten Gegenden fuͤhrte. Um 1 Uhr Nachmittags kamen wir zu einem Castanienwalde, der nicht weit unterhalb der hoͤchsten Bergspitze in den Jahren 1772 bis 1775. dieser Insel, ohngefaͤhr 6 englische Meilen weit von Herrn Loughnans Gute 1772. August. liegt. Hier war die Luft merklich kuͤhler; und da wir gern den kuͤrzesten Ruͤckweg nehmen wollten, so mietheten wir einen Schwarzen, der uns nach anderthalb Stunden zu unserm guͤtigen Wirthe zuruͤck brachte. Am folgenden Tage wurden Anstalten zu unsrer Abreise gemacht und ich verließ nun mit geruͤhrrem Herzen dies reizende Land und diese edelmuͤthigen Freunde, welche die Wonne, daß sie ihren Nebenmenschen froh sehen, zu schaͤtzen, zu empfinden und zu genießen wissen. Noch immer wallet mein Herz von jenen Regungen der Dankbarkeit und Hochachtung, die mir damals den Abschied so schwer machten; und es bleibt mir ein wahrhaftes Vergnuͤgen, brittische Gast- freyheit noch außerhalb Landes gefunden zu haben, von der Smollet in seinem Humphrey Klinker ꝛc. in Eng- land selbst keine Spuhr mehr zu entdecken wußte. Ehe ich diese Insel ganz verlasse, will ich die Anmerkungen einruͤcken, welche ich daselbst zu machen und zu sammlen Gelegenheit hatte; und ich hoffe sie sollen mei- nen Lesern willkommen seyn, weil sie sich groͤßtentheils von verstaͤndigen Englaͤn- dern herschreiben, die lange dort gewohnt haben. Freylich kann ich mir vorstellen, daß Nachrichten von Madera einigen meiner Leser uͤberfluͤßig scheinen werden; wenn sie sich aber in den zahlreichen Reisen so vieler Seefahrer, welche die Welt umschift haben, nicht finden sollten, wie dies vielleicht der Fall seyn moͤgte, so be- duͤrfen sie wohl keiner weitern Schutzrede. Nur gar zu leicht uͤbersieht man Dinge, die uns gleichsam vor der Thuͤr sind, vornemlich wenn man “auf Entde- ckungen ausgeht,“ die gemeiniglich in eben dem Maaße fuͤr wichtiger gehalten werden als sie weit entferntere Laͤnder betreffen. Die Insel Madera ist ohngefaͤhr 55 englische Meilen lang und 10 Mei- len breit. Sie ward am 2ten Julius 1419. zuerst entdeckt von Joao Gonzales Zarco ; denn die fabelhafte Erzaͤhlung, daß sie von einem gewissen Englaͤnder Machin gefunden seyn soll, hat keinen historisch erweislichen Grund. Sie wird in zwey Capitaneas getheilt, welche nach den darinn gelegnen Staͤdten, Funchal und Maxico ( Maschiko ) heißen. Die erstere Capitanea enthaͤlt zween Gerichtshoͤfe ( Iudicaturas ) davon der eine zu Funchal , der andre zu Cal- B 3 Forster’s Reise um die Welt 1772. August. hetta ist; dies letztere ist ein Staͤdtchen, deren Gebiet den Titel einer Grafschaft hat, und der Familie Castello Melhor gehoͤrt. Auch in der andern Capitanea befinden sich zwey Gerichte, eines zu Maxico und eins in San Vincente . Funchal , welches die einzige Stadt, ( cidade ) in dieser Iusel ist, — “liegt an der suͤdlichen Kuͤste derselben unter der noͤrdlichen Breite von 32. 33′. 34″ und in 17°. 12′.7″ westlicher Laͤnge von Greenwich ; —“ außer dieser Stadt giebt es noch sieben Staͤdtgen (oder Villas ) darauf. Viere derselben, als Cal- hetta , Camara de Lobos , Ribeira braba , und Ponta de Sol , sind in der Hauptmannschaft Funchal , welche in sechs und zwanzig Kirchspiele getheilt ist. Die uͤbrigen drey, namentlich: Maschicko , San Vincente und Santa Cruz , liegen in der Hauptmannschaft Maschiko , die uͤberhaupt siebenzehn Kirchspiele hat. Der Gouverneur ist das Oberhaupt aller buͤrgerlichen und Militaͤr-De- partements auf dieser Insel, auf Porto Santo , auf den Salvages und auf den Ilhas desertas . Don Joao Antonio de Saa Pereira bekleidete diese Stelle als ich zu Madera war. Man hielt ihn fuͤr einen sehr verstaͤndigen und einsichtsvollen, dabey aber sehr zuruͤckhaltenden und bis zur Bedenklichkeit vor- sichtigen Herrn. Das Justitz-Departement steht unter dem Corregidor, an welchen auch alle Appellationen von den niedrigen Gerichtshoͤfen gerichtet werden. Der Koͤ- nig, welcher diese Stelle nach Gutbefinden vergeben und wiederum nehmen kann, pflegt gemeiniglich Personen aus Lissabon zu diesem Posten zu ernennen. Jeder Gerichtshof, ( Iudicatura ) besteht aus einen Senat, dessen Mitglieder sich einen Juiz oder Richter zu ihrem Vorsitzer waͤhlen. Zu Funchal heißt er Juiz da Fora, und dieser wird, in Abwesenheit oder bey Absterben des Corregi- dors, als desselben Repraͤsentant angesehen. Die auslaͤndischen Kaufleute waͤh- len ihren eignen Richter, Providor genannt, welcher zugleich die Koͤniglichen Zoͤlle und Einkuͤnfte einzunehmen hat. Diese belaufen sich in allem ohngefaͤhr auf 120,000 Pfund Sterling, und werden groͤßtentheils auf Besoldung der Koͤniglichen Bedienten und Truppen, wie auch zu Unterhaltung der oͤffentlichen Gebaͤude wiederum verwendet. Sie bestehen im Frucht-Zehnten, welcher dem Koͤnige als Grosmeister des Christ-Ordens gehoͤrt; ferner in einer Auflage von zehn Procent auf alle einkommende Waaren, Lebensmittel allein ausgenom- in den Jahren 1772 bis 1775. men, und endlich in einer Auflage von eilf Procent von allen ausgehenden Guͤ- 1772. August. tern. Es giebt nur eine Compagnie regulairer Truppen von hundert Mann auf der Infel ; die Miliz hingegen ist an dreytausend Mann stark und in Com- pagnien eingetheilt, deren jede ihren Capitain, einen Lieutenant und einen Faͤhn- rich hat. Weder Officier noch Gemeine dieser Miliz werden besoldet, weil man aber einen gewissen Rang durch sie bekommt, so bemuͤht sich ein jeder darinn aufgenommen zu werden. Sie stoͤßt jaͤhrlich einmal zusammen, und wird einen Monath lang exercirt. Das ganze Militaͤr steht unter dem Serjeante Môr , und die beyden Capitanos de Sal , welche der Gouverneur um sich hat, thun Adjudanten-Dienste. Die Anzahl der Welt-Geistlichen auf dieser Insel belaͤuft sich auf 1200, wovon viele als Haus-Informators gebraucht werden. Seit Vertreibung der Jesuiten giebts hier keine ordentliche oͤffentliche Schule, außer einem Semi- nario, darin auf Kosten des Koͤnigs, von einem dazu gesetzten Priester, zehen Studenten unterrichtet werden, welche uͤber die gewoͤhnliche schwarze Stu- denten-Tracht noch einen rothen Mantel haben. Wer die Priesterweihe haben will, muß aber auf der neueingerichteten Universitaͤt Coimbra in Portugal studi- ren. Hiernaͤchst ist zu Madera ein Capittel unter einem Bischof, dessen Ein- kuͤnfte betraͤchtlicher sind als des Gonverneurs, denn sie bestehen aus einhundert und zehn Pipen Wein und aus vierzig Muys Weitzen, wovon jedes vier und zwanzig englische Buschel haͤlt. Dies bringt ihm in gewoͤhnlichen Jahren, nach Gelde gerechnet, ohngefaͤhr dreytausend Pfund Sterling ein. Auch giebt es sechzig bis siebenzig Franciscaner in vier Kloͤstern, wovon eins zu Funchal ist, und in eben so viel Kloͤstern, ohngefaͤhr dreyhundert Nonnen, welche zu den Orden Mercy, S. Clara, Incarnacao und Bom Jesus gehoͤren. Die Nonnen des letztgenannten Ordens duͤrfen das Kloster verlassen und heyrathen. Im Jahr 1768. bestanden die gesammten Einwohner der drey und vierzig Kirchspiele zu Madera aus 63,913 Koͤpfen, oder 31341 Personen maͤnnlichen und 32572, weiblichen Geschlechts. Allein in gedachtem Jahre star- ben 5243 Personen, und nur 2198 Kinder wurden dagegen geboren; so daß 3045 Todessaͤlle mehr waren als Geburten. Es ist sehr wahrscheinlich, daß Forster’s Reise um die Welt 1772. August. dies von einer epidemischen Krankheit hergeruͤhrt hat, denn sonst muͤßte die Insel laͤngst entvoͤlkert seyn, deren Clima doch vortreflich ist, indem das Wetter gemeinig- lich gelinde und die Hitze selbst im Sommer in den hoͤhern Gegenden sehr gemaͤs- sigt ist, weshalb auch die Vornehmern dort ihren Sommeraufenthalt nehmen. Im Winter sind diese Berggegenden wohl mehrere Tage lang mit Schnee bedeckt, in den niedrigern Gegenden aber, bleibt er niemals laͤnger als einen oder zwey Tage hindurch liegen. Auf die Richtigkeit unsrer Angabe von den Gebohrnen und Gestorbnen kann man sich uͤbrigens verlassen, weil wir Gelegenheit hatten durch einen Secretair des Gouverneurs einen Auszug aus den Kirchenbuͤchern zu er- halten. Das gemeine Volk ist schwaͤrzlich von Farbe und wohl gebildet, doch haben sie große Fuͤße, welches vermuthlich von Ersteigung der steilen und stei- nigten Wege auf den Bergen, herkommen mag. Sie sind von laͤnglicher Ge- sichtsbildung, haben schwarze Augen und schwarzes Haar, welches von Natur in Locken faͤllt, bey einigen aber anfaͤngt sich wollartig zu kraͤuseln, eine Eigen- schaft, die man vielleicht ihrer Vermischung mit Negern zuschreiben koͤnnte. Im Ganzen sind sie plump doch nicht widerlich gebildet. Die Frauenspersonen sind haͤßlich; es fehlt ihnen die bluͤhende Farbe, welche, nebst der gefaͤlligen re- gelmaͤßigen Gestalt, dem weiblichen Geschlecht unserer noͤrdlichen Gegenden den Vorzug uͤber alles andre Frauenzimmer giebt. Hier in Madera sind sie klein und stark von Knochen, selbst im Gesicht, besonders aber am Fuswerk. Dabey ist nichts gefaͤlliges in ihrer Art sich zu tragen und in ihrem Anstande; und der Farbe nach gehoͤren sie zu den dunkelsten Brunetten. Allein, die richtigen Ver- haͤltnisse ihres Wuchses, die schoͤne Gestalt ihrer Haͤnde, und ihre großen leb- haften Augen entschaͤdigen sie einigermaßen fuͤr jene Maͤngel. Die Arbeits- leute tragen Sommers leinene Schifferhosen, ein grobes Hembd, einen großen Hut und Stiefeln. Außerdem hatten einige noch ein kurzes Camisol von Tuch und einen langen Mantel, den sie zuweilen uͤber den Arm schlugen. Die Frauenspersonen tragen Roͤcke und kurze enge Leibchen, eine Tracht, die zwar sehr einfach ist, aber manche Personen gar nicht uͤbel kleidet. Hiernaͤchst tragen sie auch wohl einen kurzen weiten Mantel, der Kopf aber bleibt voͤllig unbedeckt, und die Unverhey- ratheten binden die Haare oben auf dem Wirbel des Haupts zusammen. Die in den Jahren 1772 bis 1775. Die Leute auf dem Lande sind ausnehmend maͤßig, und leben schlecht. 1772. August. Sie naͤhren sich mehrentheils nur von Brod und Zwiebeln oder anderm Wur- zelwerk und etwas Fleisch. So elend sie sich aber auch behelfen muͤssen, so essen sie doch nicht leicht Eingeweide oder sonst andern Abgang von Fleisch, weil die aͤrmsten Bettler Caldaunen-Schlucker bey ihnen genannt werden. Ihr ge- woͤhnlicher Trunk ist Wasser, oder auch (Lurike) ein duͤnnes Getraͤnk, welches sie aus Weintraͤbern und Wasser zubereiten, und durch die Gaͤhrung etwas scharf und saͤuerlich werden lassen; es kann aber nicht lange aufbewahrt werden. Der Wein selbst, der diese Insel so beruͤhmt gemacht hat, und der ihrer Haͤnde Arbeit ist, kommt selten vor ihren Mund. Ihre Hauptbeschaͤftigung ist Wein- bau; da solcher aber den groͤßten Theil des Jahrs keiner Wartung bedarf, so koͤnn- nen sie sich ihrer Neigung zum Muͤßiggang, welche in warmen und fruchtbaren Laͤndern so natuͤrlich ist, desto eher uͤberlassen. Die portugiesische Regierung scheint bis jetzo noch nicht die besten Mittel dagegen ergriffen zu haben: Zwar ist neuerlich Befehl ergangen, daß Oelbaͤume angepflanzt werden sollen, wo der Boden fuͤr den Weinwachs zu trocken und unfruchtbar ist; aber noch ist man nicht bedacht gewesen, den Landmann fuͤrs erste unter die Arme zu greifen, oder Be- lohnungen zu versprechen, die ihn geneigt zu Neuerungen und willig zur Arbeit machen koͤnnten. Die Weinberge werden Pachtweise und immer nur auf ein Jahr lang ausgethan. Die Paͤchter bekommen vier Zehntheile vom Gewaͤchs; vier andre Zehntheile muͤssen dem Grundherrn, ein Zehntheil an den Koͤnig und einer an die Geistlichkeit entrichtet werden. Ein so geringer Gewinn und die Aussicht, daß sie mehr fuͤr andre als fuͤr sich selbst arbeiten, muß natuͤrlicherweise Muth und Hofnung niederschlagen. Dennoch sind sie bey aller Unterdruͤckung lustig und ver- gnuͤgt, singen bey der Arbeit und versammlen sich des Abends, um nach dem Schall einer einschlaͤfernden Guitarre zu tanzen und zu springen. Die Einwohner der Staͤdte sind noch haͤßlicher als die Landleute, und dabey oft blaß und mager. Die Maͤnner gehen franzoͤsisch und mehrentheils schwarz gekleidet; aber gemeiniglich passen die Kleider nicht, und scheinen we- nigstens seit funfzig Jahren schon aus der Mode gewesen zu seyn. Die Damen sind feiner und angenehm gebildet; aber die Eifersucht, welche den Maͤnnern Forsters Reise um die Welt, erster Th. C Forster’s Reise um die Welt 1772. August. hier gleichsam angeboren ist, haͤlt sie stets eingeschlossen und beraubt sie einer Gluͤck- seligkeit, welche den aͤrmern Landweibern unbenommen bleibt. Die Vorneh- mern machen eine Art von Adel aus; aber ihr Ahnen-Stolz macht sie ungesellig und unwissend, und verleitet sie zu einem laͤcherlich-affectirten, vornehmen We- sen. Die Landguͤther gehoͤren einigen alten Familien, die zu Funchal und in den uͤbrigen Staͤdten der Insel wohnhaft sind. Madera besteht aus einem einzigen großen Berge, der sich von allen Seiten von der See gegen die Mitte der Insel erhebt, und daselbst in eine Spitze zusammen laͤuft, auf der sich eine Vertiefung finden soll, welche von den Ein- wohnern Val genannt wird, und, ihrer Aussage nach, mit einem feinen, im- mer gruͤnen Grase bewachsen ist. Die Steine, welche wir zu untersuchen Gelegenheit hatten, schienen alle im Feuer gewesen zu seyn, waren loͤchericht und von schwarzer Farbe; kurz, der groͤßte Theil derselben war Lava. Einige glichen jener Steinart, welche von den Bergleuten in Derbyshire , Dunstone genannt wird. Auf der ganzen Insel besteht das Erdreich aus einem Tras, welcher mit Thon und Sand gemischt und gewissen Erdarten aͤhnlich ist, die wir nachher auch auf der Insel Ascension antrafen. Aus allen diesen Umstaͤnden glaube ich mit Recht schließen zu koͤnnen, daß ein Feuerspeyender Berg diese Laven und Ocher- Erden hervorgebracht habe, und daß die oberwaͤhnte Vertieffung auf der Bergspitze der Insel, der Crater, oder die Muͤndung des Vulcans gewesen sey. Beym ersten Anblick von Madera war ich zwar andrer Meynung; allein der schwarze Loo- Felsen, imgleichen jener, auf welchem das Castel S. John steht, ferner die Beschaffenheit der Erd- und Steinarten und endlich die Lage vorgedachter Ver- tiefung uͤberzeugten mich, daß hier alles eine gewaltsame Veraͤnderung vom Feuer erlitten haben muͤsse. Verschiedne Baͤche, welche von den hoͤchsten Gegenden in tiefen Schluch- ten herab stroͤhmen, machen große Abtheilungen auf der Insel; allein Ebenen, dergleichen andre Reisende vor uns bemerkt haben wollen, S. Hawkesworth’s Geschichte der engl. See-Reisen um die Welt. konnten wir hier nir- gends finden. In den Flußbeeten jener Baͤche giebt es an manchen Stellen eine Menge groͤßerer und kleinerer Steine, welche das Wasser aus den hoͤheren Ge- genden, hauptsaͤchlich zur Winterszeit, bey heftigem Regen oder bey aufgehen- in den Jahren 1772 bis 1775. dem Schnee herabfuͤhrt. Zu Beguͤnstigung des Weinbaues wird das Wasser durch 1772. August. Eindaͤmmungen und Canaͤle in die Weinberge geleitet, damit jeder Inhaber auf eine bestimte Zeit Gebrauch davon machen koͤnne. Einige haben es fuͤrs gan- ze Jahr; andre woͤchentlich dreimal, andre zweymal, und noch andre gar nur ein- mal. Da des heißen Himmelsstrichs wegen kein Weinberg ohne Waͤsserung beste- hen kann, so kann auch dergleichen nicht ohne große Kosten, und dazu nur in sol- chen Gegenden angelegt werden, wo Wasser von denen zu erhalten steht, die es fuͤrs ganze Jahr und uͤbrig haben. Wo in den hoͤhern Gegenden nur auf irgend eine Weise ein Stuͤckchen ebenes Land anzutreffen ist oder durch Handarbeit dazu ge- macht werden kann, da pflanzen sie Zehr-Wurzeln ( arum esculentum Linn. ) und umziehen es, der Waͤsserung wegen, mit einem Aufwurf von Erde, weil diese Pflanze in feuchten Gruͤnden am besten fortkommt. Die Blaͤtter brauchen sie zum Futter fuͤr die Schweine; die Wurzel hingegen wird von den Leuten auf dem Lande selbst genossen. Suͤße Kartoffeln ( convolvulus batatas ) werden zu eben diesem Behuf gepflanzt und machen, nebst den Castanien, die Hauptartikel ihrer Kost aus. Von leztern findet man große Waͤlder in den hoͤhern Gegen- den des Landes, wo der Weinstock nicht fortkommt; Weitzen und Gerste wird auch gesaͤet, vornemlich an solchen Stellen, wo die Reben vor Alter ausgehen wollen oder wo dergleichen erst neuerlich gepflanzt worden. Indessen reicht ihre ganze Getreide-Erndte doch kaum auf drei Monathe hin; weshalb die Einwohner sich auch andrer Nahrungsmittel, besonders des Nord-Amerikanischen Korns bedienen muͤssen, als wovon jaͤhrlich große Ladungen eingefuͤhret und gegen Wein eingetauscht werden. Hieran ist nun freylich, theils der Mangel an Duͤn- ger, theils die Faulheit des Volks, schuld; allein, wenn auch gleich der Ackerbau allhier zur hoͤchsten Vollkommenheit gebracht waͤre, so wuͤrde dem Anscheine nach dennoch nicht Korn genug gewonnen werden koͤnnen. Ihre Dresch-Tennen machen sie zirkelrund, und legen solche in einer Ecke ihres Feldes an, zu welchem Ende der Boden dort gereinigt und festgestampft wird. Die Garben werden rund darauf herum geschichtet, und ein viereckigtes Brett, das unten mit scharfen Feuerstei- nen besezt ist, wird durch ein Paar Ochsen daruͤber hergezogen. Um das Brett schwerer zu machen stellet sich der Ochsen-Treiber oben drauf; hiedurch wird das Stroh zu Haͤckerling gerissen und das Korn zugleich aus den Aehren gebracht. C 2 Forster’s Reise um die Welt 1772. August. Die groͤßte und eintraͤglichste Erndte zu Madera bestehet in Wein, von welchem die Insel auch beruͤhmt ist. Wo das Erdreich, die Lage und Wasser es erlauben, wird Wein gebauet. Jeder Weinberg wird durch einen oder mehrere Gaͤnge, von drey bis sechs Fuß breit, durchschnitten, und diese sind mit zwey Fuß hohen Mauren eingeschlossen. Laͤngst den Gaͤngen, welche mit sieben Fuß hohem Lattenwerk uͤberwoͤlbt oder bedeckt sind, werden in gleich weiter Entfer- nung von einander Pfaͤhle aufgerichtet, auf welche man ein Gitterwerk von Bam- bus-Rohr befestiget, das von beyden Seiten des bedeckten Ganges bis ohn- gefaͤhr zween Fuß von der Erde herabgeht und in dieser Hoͤhe den ganzen Grund des Weinbergs bedeckt. Auf diese Weise werden die Ranken in die Hoͤhe ge- halten und die Arbeiter haben Platz das Unkraut, welches zwischen den Stoͤcken hervorkommt, auszujaͤten. In der Weinlese kriechen sie unter das Lattenwerk, schneiden die Trauben ab und sammlen sie in Koͤrbe. Ich sahe hier Trauben, die uͤber sechs Pfund wogen. Diese Art den Grund von Unkraut rein und feucht zu erhalten, und die Trauben im Schatten reiffen zu lassen, giebt dem Madera-Wein jenen vortreflichen Geschmack und die Eigenschaft den Mund recht zu fuͤllen, ( corps ) welche ihm so eigenthuͤmlich ist. Es entsteht aber aus dieser Behandlung des Rebenbaues die Nothwendigkeit, daß gewisse Plaͤtze zu Bamboo-Pflanzungen angewandt werden muͤssen, weil das Lattenwerk nicht ohne Bambus-Rohr gemacht werden kann. Wenn es daher einem oder dem andern Weinberge, seiner Lage nach, an diesem unentbehrlichen Rohre fehlt, so kann er nicht gehoͤrig gebauet werden und bleibt deshalb oft gaͤnzlich braache liegen. Der Wein ist von verschiedner Guͤte und ungleichen Preise. Der beste wird von einer Art Trauben gemacht, davon die Reben auf Befehl des Infanten von Portugal Don Henrich , aus Candia hieher gebracht und angepflanzt worden sind. Er heißet Madera-Malvasier ( Madeira Malmsey ). Die Pipe kann auf der Stelle nicht unter vierzig bis zwey und vierzig Pfund Sterling einge- kauft werden. Es ist ein koͤstlicher suͤßer Wein; faͤllt aber nur sparsam. Die naͤchste Sorte ist ein trocken Beeren-Wein, welche Art nach London verfahren wird; von diesem gilt die Pipe dreyßig bis ein und dreyßig Pfund. Geringere Sorten fuͤr Ost- und West-Indien und fuͤr Nord-Amerika kosten nach Be- in den Jahren 1772 bis 1775. schaffenheit ihrer Guͤte von 28 zu 20 Pfund Sterling. Es werden, ein Jahr in das 1772. August. andre gerechnet, jaͤhrlich ohngefaͤhr 30,000 Pipen geerndtet, jede zu ein hundert und zehn Gallons. Von den besten Sorten werden 13000 Pipen aus- gefuͤhrt; das uͤbrige wird theils zur eignen Consumtion auf der Insel gebraucht, theils zu Brandtewein gebrannt, der nach Brasilien gehet, und theils wird Wein- Eßig daraus gemacht. Die Weinberge sind entweder mit Mauerwerk oder mit Hecken von Gra- naten, Myrten, Brombeer und wilden Rosenstauden umzogen. In den Gaͤrten wer- den Pfirsichen, Apricosen, Quitten, Aepfel, Birnen, waͤlsche Nuͤße, Casta- nien und andre Europaͤische Fruͤchte gezogen; zuweilen auch einige tropische Ge- waͤchse, als Pisangs, Goaven und Ananas. Die zahmen Thiere welche wir in Europa haben, sind gleichfals auf Ma- dera anzutreffen; und obgleich die dasigen Hammel und Ochsen nur klein sind, so ist ihr Fleisch doch wohlschmeckend. Die Pferde sind ebenfalls klein, aber sicher auf den Knochen. Sie klettern mit groͤster Fertigkeit die steilsten Fußsteige hin- auf, denn andre Wege giebts hier nicht. Von Raͤder-Fuhrwerk weiß man hier zu Lande gar nichts; in der Stadt aber giebt es eine Art Schleifen oder Schlitten die aus zween, durch Queer-Hoͤlzer verbundnen Brettern bestehen, welche vorne einen spitzen Winkel machen; man spannt Ochsen davor und bedient sich derselben um Weinfaͤsser oder andere schwere Waaren fortzubringen. Von wildem Gefluͤgel giebt es hier mehrere Arten als von anderm Wild- pret, von dessen sonst zahlreichen Geschlecht, hier nur das Caninchen allein, der einzige Repraͤsentant ist. Wir sahen vornemlich den Sperber ( falco nisus ) ver- schiedne Kraͤhen ( corvus corone ) Elstern ( corvus pica ) Wald- und Feld-Ler- chen alauda arvensis \& arborea ) Staare ( sturnus vulgaris ) Goldammers ( Emberiza citrinella ) gemeine und Berg-Sperlinge ( fringilla domestica \& montana ) gelbe Bachstelzen und Rothkehlchen ( motacilla flava \& ru- becula ) und wilde Tauben, deren Gattung wir nicht bestimmen konten; es kam uns auch die Haus- und die Uferschwalbe, ( hirundo rustica \& apus ) zu Gesicht und einige Herren von der Englischen Factorey versicherten uns, daß sie uͤberdem noch die Rauchschwalbe ( hirundo urbica ) gesehen haͤtten. Die Schwalben bleiben den ganzen Winter uͤber hier und verlieren sich bey kaltem Wetter nur auf C 3 Forster’s Reise um die Welt 1772. August. ein Paar Tage, waͤhrend welcher sie sich in die Felsen-Kluͤfte verkriechen und beym ersten warmen Tage wieder zum Vorschein kommen. Das rothbeinigte Rebhuhn ( tetrao rufus ) ist in den innern Theilen der Insel gleichfals gemein, vermuth- lich weil es dort weniger als in andern Gegenden derselben gestoͤhrt wird. In Herrn Loughnans Vogel-Hause sahe ich den rothschnaͤblichten Sperling ( Loxia astrild ) Buchfinken, Diestel-Finken, Butterfinken und Canarienvoͤgel ( Frin- gilla coelebs, carduelis, butyracea und canaria ) welche alle auf der Insel gefangen waren. Zahm Feder-Vieh, als Truthuͤner, Gaͤnse, Endten und Huͤh- ner sind selten, vielleicht weil es an Korn fehlt. Es giebt hier keine einzige Schlangen-Art; aber alle Haͤuser, Wein- berge und Gaͤrten wimmeln von Eidechsen. Die Moͤnche eines hiesigen Klo- sters klagten, daß ihnen solche viel Schaden im Garten thaͤten; um derselben los zu werden hatten sie einen großen meßingenen Kessel in die Erde gegraben, in welchem sich diese Thiere, die bestaͤndig nach Fraß herum laufen, bey Hunderten fiengen und umkommen mußten, weil sie wegen der Glaͤtte des Metals nicht wie- der herausklettern konnten. Laͤngst den Kuͤsten von Madera und den benachbarten Salvages und Ilhas desertas fehlt es zwar der See nicht an Fischen, aber da sie zu Be- obachtung der Fasttage dennoch nicht hinreichen, so fuͤhren ihnen die englischen Schiffe, von Gothenburg , Heeringe, desgleichen, von Neu-York und andern Orten in Amerika , gesalznen und trocknen Stockfisch zu. Wir sahen wenig Insecten, moͤgten aber vielleicht mehr gefunden haben, wenn wir laͤnger hier geblieben waͤren. Sie waren alle bekannt und eben nicht von viel verschiedenen Arten. Ich muß bey dieser Gelegenheit eine Anmerkung machen, die auf alle Inseln paßt, welche wir auf dieser Reise beruͤhrt haben. Vier- fuͤßige Thiere, Amphibien und Insecten sind in solchen Inseln, die weit vom fe- sten Lande liegen, nicht haͤufig; und erstere finden sich gar nicht darauf, wenn sie nicht durch Menschen hingebracht worden. Fische und Voͤgel aber, die ohne fremde Beyhuͤlfe durch Luft und Wasser den Weg dazu finden koͤnnen, sind haͤufiger und in mehr verschiedenen Gattungen anzutreffen. Große feste Laͤn- der hingegen sind reich an allen obbenannten Thier-Arten, so auch an Voͤgeln und Fischen, die, wie schon gesagt, uͤberall gemeiner sind. Africa , lieferte uns in den Jahren 1772 bis 1775. auf dieser Reise, in wenig Wochen, eine Menge verschiedener Arten von vierfuͤßi- 1772. August. gen Thieren, Amphibien und Insecten, wovon wir doch in allen uͤbrigen Laͤndern nicht eine einzige neue Entdeckung hatten machen koͤnnen. Zweytes Hauptstuͤck . Reise von Madera nach den Inseln des gruͤnen Vorge- buͤrges und von da nach dem Vorgebuͤrge der guten Hofnung . A m ersten August giengen wir nebst der Adventure bey spaͤtem Abend wie- der unter Seegel. Ein Nordostwind beguͤnstigte unsre Fahrt dermaßen, daß wir bereits am vierten fruͤh Morgens, Palma zu Gesicht kriegten. Dies Ey- land, “— welches unsern astronomischen Berechnungen zufolge unter dem 28°.38′. Noͤrdlicher Breite und unter dem 17°.58′. westlicher Laͤnge liegt, —” gehoͤrt zu den- jenigen, welche den Alten unter dem Namen der gluͤcklichen Inseln ( Insulæ fortunatæ ) bekannt waren, und eine derselben hies damals schon Canaria . Es ist wahrscheinlich, daß nicht nur die Kanarischen Inseln , sondern auch Madera und Porto-Santo den Alten bekannt gewesen, und wenn man dies annimmt, so lassen sich ihre verschtednen Nachrichten von der Anzahl dieser Inseln gar wohl erklaͤren. Plin. Hist. Nat. VI. 37. Die Beschreibungen der Alten stimmen auch mit den neuern uͤberein. Vossius ad Melam cap. X. 20. “Ex iisdem quoque insulis \&c. d. i. “Auch ward von diesen “Inseln Einnober nach Rom gebracht; und noch jetzo findet sich auf selbigen der Baum, “welcher den Cinnober hervorbringt. Er wird Drachenblut genaunt.“ Auch haben wir vom Plinius die Nachricht VI. 36. daß Juba Koͤnig von Mauretanien auf diesen Inseln, gegenuͤber dem Lande der Autololier, Purpur faͤrben lies. Sie waren in Europa ganz vergessen, bis gegen das Ende des vierzehnten Jahr- hunderts der Geist der Schiffahrt und der Entdeckungen wieder erwachte. Um diese Zeit fanden einige Abentheurer sie von neuem und Biscayische Seefahrer lan- deten, namentlich, auf der Insel Lancerota , aus welcher sie hundert und sieben- zig Eingebohrne mit sich fortschleppten. Louis de la Cerda , ein spanischer Edel- mann von der Koͤniglichen Familie in Castilien , erhielt ein Eigenthumsrecht auf Forster’s Reise um die Welt 1772. August. diese Inseln vermittelst einer paͤbstlichen Bulle und fuͤhrte derselben zufolge, vom Jahr 1344 an, den Titel eines Prinzen der gluͤcklichen Inseln ohne jedoch von diesen seinen Staaten wuͤrklich Besitz zu nehmen. Hierauf wurden sie im Jahr 1402 abermals von Johann Baron von Bethencourt aus der Normandie besucht. Dieser nahm einige derselben in Besitz und nannte sich Koͤnig der Kana- rischen Inseln . Sein Enkel aber trat alles Anrecht auf selbige dem Don Hen- rich , Infanten von Portugall ab; und endlich wurden sie den Spaniern uͤber- lassen, welche sie auch noch jetzt besitzen. Am folgenden Tag um 5 Uhr des Morgens, paßirten wir die Insel Ferro , die deshalb merkwuͤrdig ist, weil einige Geographen die erste Mittags- linie durchs westliche Ende derselben ziehen. Nach einer vom Capitain Cook angestellten astronomischen Beobachtung, liegt diese westliche Spitze der Insel im 27°. 42′ noͤrdlicher Breite und im 18°.9′ westlicher Laͤnge. An eben dem Tage, als wir ohngefaͤhr unterm 27 sten Grad noͤrdlicher Breite waren, sahen wir verschiedne fliegende Fische, die, von Bonniten und Doraden verfolgt, sich uͤber die Oberflaͤche des Wassers erhoben. Sie flogen nach allen Richtungen, bald hier bald dorthin und nicht etwa bloß gegen den Wind allein, wie Kalm ausschließenderweise zu glauben scheint. Auch flogen sie nicht immer in gera- den, sondern auch in krummen Linien. Wenn sie im Fluge uͤber die Oberflaͤche der See die Spitze einer Welle antrafen, so giengen sie durch selbige gerade durch und flogen an der andern Seite weiter fort. Von dieser Zeit an bis wir den heißen Himmels-Strich ( zona torrida ) verließen, hatten wir fast taͤglich das Schauspiel unabsehliche Zuͤge und Heere dieser Fische um uns her zu sehen. Zuweilen wurden auch wohl einige auf dem Verdeck gefangen, wenn sie zu ihrem Ungluͤck zu weit geflogen oder sich zu hoch erhoben und abgemattet hatten. Bey dem einfoͤrmigen Leben das wir zwischen den Wende-Zirkeln fuͤhrten, wo Wet- ter, Wind und See stets angenehm und guͤnstig waren, gab jeder kleine Umstand Gelegenheit zu Betrachtungen. Wenn wir zum Beyspiel jene schoͤnen Fische der See, die Bonniten und Doraden, auf der Jagd der kleinern, fliegenden Fische antrafen, und bemerkten, wie diese ihr Element verließen, um in der Luft Sicherheit zu suchen; so war die Anwendung auf den Menschen nur gar zu natuͤrlich. Denn wo ist wohl ein Reich, das nicht dem brausenden Ocean gliche, in den Jahren 1772 bis 1775. gliche, und in welchem die Großen, in allem Pomp und Pracht ihrer Groͤße, 1772. August. nicht immer die Unterdruͤckung der Kleinern und Wehrlosen suchen sollten? Zu- weilen ward das Gemaͤhlde noch weiter ausgefuͤhrt, wenn die armen Fluͤchtlinge auch in der Luft neue Feinde antrafen und ein Raub der Voͤgel Dergleichen Raubvoͤgel sind der Toͤlpel, ( Pelecanus piscator. Boobies ) die Fregatten, ( Pelecanus aquitus. Man of war bird . ) und Tropic-Voͤgel ( Phaeton æthereus. ) wurden. Am 8ten hatte das Seewasser eine weisliche Farbe, und da diese ver- aͤnderte Farbe des Meerwassers oft von einer Untiefe, einer Sandbank, oder ei- nem Felsen herzuruͤhren pflegt, so warfen wir, Sicherheits halber, das Senkbley aus, fanden aber mit funfzig Faden keinen Grund. Abends paßirten wir den Wende- Zirkel des Krebses. Um diese Zeit beschlugen unsre Buͤcher und Geraͤthschaften mit Schimmel, und Eisen und Stahl fieng in freyer Luft an zu rosten. Wegen dieser Beschaffenheit der Luft ließ der Capitain das Schif fleißig mit Pulver und Wein-Eßig ausraͤuchern. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Luft Salz-Theilchen enthalten mußte, denn bloße Naͤße oder feuchte Duͤnste verursachen keine solche Wuͤrkung. Diese Meynung ist von Herrn Ellis , in seiner Reise nach der Hudsons-Bay , mit vie- lem Scharfsinn untersucht. Wie aber die schwerern Salz-Theilchen, in Duͤnste aufgeloͤ- set, in die Luft empor gehoben werden koͤnnen? das moͤgen die Philosophen aus- machen. Es duͤrfte indessen vornemlich zu untersuchen seyn, ob nicht die vielen ani- malischen Substanzen, welche taͤglich in der See verfaulen, eine, zu Erklaͤrung der obigen Erscheinung, hinreichende Menge von fluͤchtigen Alcali hervorbringen? Die große Hitze zwischen den Wende-Zirkeln scheint die See-Salz-Saͤure, welche im Salzwasser so wie im Kuͤchen-Salzenthalten ist, fluͤchtig zu machen; denn man hat angemerkt, daß z. E. an Tuͤcher, welche, in aufgeloͤßtes Alcali getunkt, uͤber die gewoͤhnlichen Salz-Pfannen gehangen worden, sich in kurzer Zeit Cristallen eines Mittel-Salzes ansetzten, das aus Salz-Saͤure und jenem Alcali bestand mit welchem die Tuͤcher zuvor waren getraͤnkt worden. Hieraus scheint zu folgen, daß die See-Salz-Saͤure durch die Hitze dieser Gegenden fluͤchtig gemacht wird und alsdenn, in den Duͤnsten der Luft befindlich, die Oberflaͤche von Eisen und Stahl angreift; dem menschlichen Koͤrper hingegen, der durch die Hitze des heißen Himmelsstrichs sehr geschwaͤcht wird, muß solche ungemein zutraͤglich seyn, in Forsters Reise um die Welt, erster Th. D Forster’s Reise um die Welt 1772. August. so fern sie beym Einathmen die Lunge staͤrkt und vermittelst ihrer gelind zusam- menziehenden Wuͤrkung auf die Haut, der allzuheftigen Ausduͤnstung vorbeugt. Zu den Vorbauungs- und Heilmitteln gegen den See-Scharbock, welche wir von England aus mit genommen hatten, gehoͤrte auch eine verdickte Essenz von Bier Bier-Wuͤrze oder Maisch war so lange eingekocht worden bis dies Getraͤnke die Consistenz von Syrup bekommen hatte; dies nannte man Bier-Essenz oder Wuͤrz-Essenz . ( Weert oder Woort ). Von dieser fuͤhrten wir verschiedne Faͤs- ser am Bord; allein, noch ehe wir Madera verließen, war sie bereits in Gaͤhrung gerathen und jetzt sprengte sie gar die Faͤsser und lief aus. Der Capi- tain glaubte dem Uebel abzuhelfen, wenn er sie aus ihrem unteren, heißen Lager aufs Verdeck bringen ließe wo es kuͤhler war; allein die freye Luft vermehrte die Gaͤhrung dergestalt, daß sie manchem Fasse den Boden ausstieß: dies geschah allemahl mit einem Knall, als wenn eine Flinte abgeschossen wurde, und ein Dunst oder Dampf gieng gemeiniglich vor dem Knalle her. Auf Anrathen meines Vaters ward eine gaͤhrende Tonne dieser Essenz auf ein Faß umgefuͤllet, welches zuvor tuͤchtig war ausgeschwefelt worden. Dies stillte nun zwar die Gaͤhrung auf einige Tage lang; nach deren Verlaufaber kam sie dennoch wieder, vornemlich in den Faͤssern, welche der freyen Luft ausgesetzt waren. Einige Tonnen, die unten in den kleinen Ballast-Steinen vergraben lagen, hielten sich besser, wenigstens sprungen sie nicht; vielleicht wuͤrde auch eine Beymischung von doppelt abgezognen Brantwein den Fortgang der Gaͤhrung gehindert haben. Uebrigens war das Bier welches aus dieser Wuͤrze, blos durch Beygießung von warmen Wasser, gemacht ward, sehr gut und lies sich trinken; nur hatte es einen etwas empyrevmati- schen Geschmack, der durchs Einkochen entstanden war. Am 11. August entdeckten wir Bonavista , eine von den Inseln des gruͤnen Vorgebuͤrges ; und als sich am folgenden Morgen das Wetter, nach ei- nem Regenschauer, aufgeheitert hatte, erblickten wir auch die Insel Mayo . Ge- gen Mittag naͤherten wir uns endlich der Insel San Jago und ankerten um drey Uhr Rachmittags in der Bay von Porto-Praya , —“welche an der Suͤd- seite der Insel im 14°. 53′. 30″. noͤrdlicher Breite, und unter 23. 30′. westli- cher Laͤnge liegt.“ — in den Jahren 1772 bis 1775. Fruͤh am folgenden Tage giengen wir aus Land und besuchten den Com- 1772. August. mandanten im Fort, Don Joseph de Sylva , einen gutherzigen Mann, der et- was franzoͤsisch sprach und uns beym General-Gouverneur der Cap-Verdischen Inseln einfuͤhrte. Dieser Herr hies Don Joachim Salama Saldancha de Lobos . Er residirt sonst gemeiniglich zu S. Jago , als der Hauptstadt dieser Insel; weil er aber kraͤnklich war, wie seine blaße Gesichtsfarbe verrieth, so hatte er sich vor zween Monathen hieher begeben, als woselbst die Luft gesun- der seyn soll. Er wohnte in den Zimmern des Commendanten, der sich unter- dessen in einer elenden Huͤtte behelfen mußte und uns einige Nachricht von diesen Inseln gab. Antonio Nolli , wahrscheinlicherweise ebender, welchen andre auch An- toniotto nennen, ein Genueser, der beym Infanten von Portugal Don Hen- rich in Diensten stand, entdeckte im Jahr 1449. einige dieser Inseln und lan- dete am 1. May auf einer derselben, die auch, ihrem Entdeckungstage zu Ehren, den Nahmen Mayo erhielt. S. Jago erblickte er zu gleicher Zeit. Im Jahr 1460. ward abermahls eine Reise dahin angestellt um Besitz davon zu nehmen, eine Colonie dort anzulegen, und sich foͤrmlich darauf niederzulassen, bey wel- cher Gelegenheit dann auch die uͤbrigen Inseln vollends entdeckt wurden. St. Jago ist die groͤßte und ohngefaͤhr siebenzehn Stunden ( leagues ) lang. Die Hauptstadt gleiches Nahmens liegt im Innern des Landes und ist der Sitz des Bi- schofes, zu dessen Sprengel alle Inseln des gruͤnen Vorgebuͤrges gehoͤren; die ganze Insel aber ist in eilf Kirchspiele getheilt, wovon das volkreichste ohngefaͤhr vier tau- send Haͤuser enthaͤlt, so daß sie im Ganzen genommen nur schlecht bevoͤlkert ist. Porto-Praya liegt auf einem steilen Felsen, den wir auf einen schlaͤn- gelnden Fußsteig hinangiengen. An der See-Seite bestehen die Festungswerke aus alten verfallnen Mauren, und gegen die Land-Seite hin nur aus einem Aufwurff von losen Steinen, der kaum halb Manns hoch ist. Nahe beym Fort steht ein ziemlich ansehnliches Gebaͤude, welches einer Gesellschaft von Kaufleu- ten zu Lissabon gehoͤrt, die ein Handlungs-Monopolium fuͤr diese Inseln haben und zu dem Ende hier einen Agenten halten. Da wir einige frische Lebens- mittel alhier einkaufen wollten, verwieß uns der Gouverneur desfalls an diesen Agenten; allein es war ein sehr bequemer Herr, der uns zwar alles versprach D 2 Forster’s Reise um die Welt 1772. August was wir nur verlangten, am Ende aber doch nichts weiter verschafte, als einen einzigen magern Ochsen. Die vorgedachte Handlungsgesellschaft tyrannisirt uͤber die armen Einwohner und verkauft ihnen die elendesten Waaren zu ganz un- erhoͤrten Preisen. S. Jago hat wenig Einwohner. Sie sind von mittlerer Groͤße, haͤß- lich und fast ganz schwarz, haben wollicht krauses Haar und aufgeworfne Lip- pen, kurz sie sehen wie die haͤßlichsten Neger aus. Der Herr Canonicus Pauw zu Xanten Recherches philosophiques sur les Americains Vol. I. p. 186. scheint es fuͤr ausgemacht zu halten, daß sie von den ersten Portu- giesischen Colonisten abstammen, und nach und nach, durch neun Generatio- nen, das ist, in ohngefaͤhr dreyhundert Jahren, ihre jetzige schwarze Farbe be- kommen haben, welche wir jedoch noch weit dunkler fanden als Er sie beschrieben hat. Ob diese aber, nach seiner und des Abts de Manet Nouvelle histoire de l’ Afrique françoise. Paris 1767 12mo. Vol. II. p. 224. Meynung, lediglich durch die Hitze des heißen Erdstrichs hervorgebracht worden, oder ob sie nicht vielmehr durch ihre Verheyrathung mit Schwarzen von der benachbarten africa- nischen Kuͤste entstanden sey? daruͤber will ich nichts entscheiden, wenn gleich der Graf Buͤffon Hist. nat. 12mo Vol. VI. p. 260. geradezu behauptet “daß die Farbe der Menschen vornemlich vom Clima abhaͤngt“ Dem sey wie ihm wolle, so sind doch jetzt hoͤchst wenig Weiße unter ihnen, und ich glaube, daß wir deren, den Gouverneur, den Commendan- ten und den Handlungs-Agenten mitgerechnet, wohl nicht uͤber 5 bis 6 gesehen haben. In einigen dieser Inseln sind selbst die Gouverneurs und die Priester, Schwartze. Die Vornehmern gehen in alten, abgetragenen, europaͤischen Kleidun- gen einher, welche sie noch vor Errichtung der monopolisirenden Handlungsge- sellschaft eingetauscht haben. Die uͤbrigen begnuͤgen sich mit einzelnen Kleidungs- stuͤcken, als einem Hemde, einem Camisol, einer Hose oder einem Huth, und scheinen sich in ihrem Aufzuge, wie er auch ist, wohl zu gefallen. Die Wei- ber sind haͤßlich und tragen bloß ein Stuͤck gestreiftes baumwollnes Zeug uͤber die Schultern, das bis auf die Knie vorn und hinten herabhaͤngt; die Kinder aber gehen, bis sie zu mannbaren Jahren kommen, gaͤnzlich nackend. Durch den Despotismus der Gouverneurs, durch die Leitung der aberglaͤubischen und blinden in den Jahren 1772 bis 1775. Pfaffen, und durch die Nachlaͤßigkeit der portugiesischen Regierung, ist dies Volk 1772. August. wuͤrklich in fast noch elendern Umstaͤnden, als selbst die schwarzen Voͤlkerschaf- ten in Africa sind, und eben jene Hindernisse werden es auch in der Folge stets abhalten, sich auszubreiten und zu vermehren, worinn doch der wahre Reich- thum eines Landes besteht. Es ist natuͤrlich, daß die Bewohner des heißen Erd- strichs eine Neigung zur Faulheit haben; aber darinn werden sie bestaͤrkt und muͤssen nothwendigerweise gegen jede, mit Muͤhe verknuͤpfte, Verbesserung ihres Zustandes gleichguͤltig werden, wenn sie zum voraus wissen, daß alle dahin ge- richtete Versuche sie nur noch geplagter und ungluͤcklicher machen. Mit duͤsterer Fuͤhllosigkeit uͤberlassen sie sich daher der Betteley, als dem ein- zigen Zustande, der sie gegen die gierigen Klauen ihrer tyrannischen Herren schuͤ- tzen kann. Und warum sollten sie auch wohl auf Kosten ihrer Ruhe und ihres Schlafs, dieser einzigen Erquickung in ihren Beschwerden, arbeiten? da sie wis- sen, daß der Lohn dafuͤr nicht ihnen zu gute kommen, sondern bloß den Reichthum anderer vermehren werde. Truͤbe Aussichten, die nicht einmal Hofnung zum Gluͤck zeigen, sind wahrlich keine Anlockungen zum heyrathen, und die Schwuͤrigkeiten, auch einen nur kaͤrglichen Unterhalt zu finden, sind eben so viel hinreichen- de Gruͤnde den Haus- und Familien-Sorgen aus dem Wege zu gehn. Hiezu kommt noch, daß die Fruchtbarkeit und der Ertrag des duͤrren Erdreichs, lediglich davon abhaͤngt, daß zu gewissen Zeiten des Jahres das erforderliche Regenwetter richtig einfalle; bleibt nun dieses ungluͤcklicherweise auch nur im ge- ringsten aus, so muß auf Feld und Wiesen alles verdorren und verbrennen und die Hungersnoth ist unvermeidlich. Es laͤßt sich daher begreifen und annehmen, daß dergleichen Ungluͤcksfaͤlle die Einwohner ebenfalls abschrecken, dem Vergnuͤgen der ehelichen Verbindung nachzuhaͤngen, weil sie besorgen muͤssen, daß Elend und Sclaverey das Loos ihrer ungluͤcklichen Kinder seyn werde Als wir im Jahr 1775. auf unserer Ruͤckkehr nach England wieder an das Vorgebuͤrge der guten Hofnung kamen, erzaͤhlte man uns, daß diese Inseln in den beyden vor- hergehenden Jahren von einer allgemeinen Hungersnoth betroffen worden waͤren. Hun- derte der Einwohner waren damals Hungers gestorben, und der Capitain eines hollaͤn- D 3 Forster’s Reise um die Welt 1772. August. Die Inseln des gruͤnen Vorgebuͤrges sind zwar gebuͤrgigt, doch ist auf den niedrigern Bergen, die sich sanft gegen das Ufer verlaufen und geraͤumige Thaͤ- ler zwischen sich inne haben, alles schoͤn gruͤn. Im Ganzen fehlt es diesen Inseln aber an Wasser, denn, S. Jago ausgenommen, welches einen ziemlichen Fluß hat, der sich bey Ribeira grande , einem darnach benannten Flecken, ins Meer ergießt, giebt es auf einigen derselben nur allein Brunnen- wasser. So ist z. B. zu Porto-Praya nicht mehr als ein einziger Brun- nen, der bloß mit Feldsteinen, ohne Mauerwerk schlecht ausgelegt war und nicht nur truͤbes und salziges, sondern auch so wenig Wasser gab, daß wir ihn taͤglich zweymal trocken schoͤpften. Das Thal neben dem Fort scheint einen etwas feuchten Grund zu haben und ist hie und da mit Coconus-Palmen, Zuckerrohr, Bananen, Baumwolle, Goaven und Papao Baͤumen bepflanzet; der groͤßte Theil desselben aber ist mit Buschwerk uͤberwachsen oder besteht aus Hutungen. Diese letztern Umstaͤnde wuͤrden vielleicht hoffen lassen, daß diese Inseln wichtig und eintraͤglich gemacht werden koͤnnten, wenn sie einem arbeitsamen, unternehmenden und Handlung-treibenden Volke zugehoͤrten. Die Cochenill- Pflanze, Indigo, einige Gewuͤrze und vielleicht auch Coffee, wuͤrden dem An- scheine nach, in diesem brennend heißen Clima wohl fortkommen, und gewiß voͤllig hinreichen, den Pflanzern und uͤbrigen Einwohnern nicht nur die noth- wendigsten Beduͤrfnisse, sondern auch alle Bequemlichkeiten des Lebens zu ver- schaffen, wenn diese nemlich einer so wohlthaͤtigen und freyen Regierung genoͤs- sen als die englische ist. Alsdann wuͤrde, statt des jetzigen kuͤmmerlichen Unter- halts von Wurzelwerk, ihr Tisch mit Ueberfluß besetzt und ihre elenden Huͤtten in bequeme Haͤuser umgeschaffen werden. dischen Schiffs, der um diese Zeit bey St. Jago vor Anker lag, hatte eine ganze Anzahl derselben mit Weib und Kindern an Bord genommen, die sich ihm zu Leibeigen uͤbergeben hatten, nur um dem Hunger zu entgehen. Er machte sich ihrer Noth zu Nutze, brachte sie an das Vorgebuͤrge der guten Hofnung und verkaufte sie daselbst. So bald indessen die hollaͤndische Regierung am Cap Nachricht von diesem schaͤndlichen Handel bekam, erhielt er Befehl, diese Ungluͤcklichen auf seine eigne Kosten wieder einzuloͤsen, sie in ihr Vater- land zuruͤckzufuͤhren, und vom portugiesischen Gouvernement Bescheinigung beyzu- bringen, daß solches geschehen sey. in den Jahren 1772 bis 1775. Einige der niedrigen Huͤgel waren duͤrr und unfruchtbar, dergestalt, 1772. August. daß man kaum hie und da etwas gruͤnes darauf erblickte; auf andern hingegen sahen wir noch einige Pflanzen, ob es gleich schon gegen das Ende der trocknen Jahrszeit gieng. In den Thaͤlern ist der Boden fruchtbar genug und besteht aus ausgebrannten, verwitterten Schlacken und okerfarbner Asche; aber uͤberall ist das Erdreich mit einer Menge von Steinen bedeckt, die verbrannt, und eine Lava-Art zu seyn scheinen; auch die Felsen an der Kuͤste sind von schwarzer Farbe und sehen ebenfalls verbrannt aus. Aus dem allen ist wahrscheinlich, daß diese Insel große Veraͤndrungen von volcanischen Ausbruͤchen erlitten hat, und von den uͤbrigen nah gelegnen Inseln laͤßt sich vielleicht ein gleiches sagen, zumal da eine derselben, nemlich Fuogo , noch bis auf diesen Tag aus einem wuͤrklich feuerspeyenden Berge besteht. Die im Innern des Landes gelegnen Berge sind hoch, auch einige derselben, dem Ansehen nach, sehr steil, und moͤgen wohl aͤltern Ursprungs seyn als die volcanischen Theile an der Kuͤste, welche allein wir zu untersuchen Gelegenheit hatten. Am Abend giengen wir an Bord zuruͤck; da aber die Brandung am Ufer jetzt hoͤher war als am Morgen, so mußten wir uns nackend ausziehen, um zu dem Boote zu waden, welches unsre besten Schwimmer unterdessen mit Wasser- faͤssern und solchen Erfrischungen beladen hatten, als am Lande zu bekommen gewesen waren; doch geschahe es nicht ohne Furcht und Besorgniß fuͤr den Hay-Fischen ( Sharks ) deren es in diesem Haven eine große Menge giebt. Die Capitains, Sternseher und Lootsen hatten den Tag mit astronomi- schen Beobachtungen zugebracht, und solche auf einer im Haven belegnen, kleinen Insel angestellt, die wegen der haͤufigen Wachteln, Ilha dos Codornizes oder die Wachtel-Insel , genannt wird; wie denn auch der Commandant im Fort, uns erzaͤhlte, daß ver einiger Zeit die Officiers einer franzoͤsischen Fregatte an eben diesem Orte Beobachtungen angestellt und verschiedne Uhren von neuer Erfindung bey sich gehabt haͤtten. Dies war die Fregatte Isis unter Commando des Herrn Fleurieu , an deren Boord sich Herr Pingre’ mit verschiednen Laͤngen-Uhren ( Time Keepers ) befand. Das Journal von der Reise dieses Schiffs, und die auf demselben angestellten Beobachtungen sind in zween Quartbaͤnden herausgegeben. Forster’s Reise um die Welt 1772. August. Am folgenden Tage bath Capitain Cook den General-Gouverneur und den Commendanten zum Mittag-Essen und wir blieben am Boord um Dolmet- scher-Stelle zu vertreten. Der Capitain sandte sein eignes Boot, um sie vom Lande abzuholen, allein, es kam ohne die erwarteten Gaͤste zuruͤck, und der Gouverneur ließ sein Aussenbleiben damit entschuldigen, daß ihm an Boord eines Schiffes immer uͤbel werde. Der Commendant versprach zu kommen; da er aber vergessen hatte den Gouverneur sogleich auf der Stelle um Urlaub zu bit- ten, so war letzterer unterdessen zu seiner Siesta oder Mittagsruhe gegangen, und niemand wagte es, ihn darinn zu stoͤhren. Da nicht viel frische Lebensmittel in Porto Praya zu bekommen waren; so mogten wir uns auch nicht laͤnger dort auf halten. Etliche Tonnen halb salzi- ges Wasser, ein einziger abgehungerter Ochse, einige langbeinige Ziegen, die, beylaͤufig gesagt, gerad emporstehende Hoͤrner und niederhaͤngende Ohren hat- ten, etliche magere Schweine, Truthuͤhner, Huͤhner, nebst ein paar hundert un- reifen Orangen und schlechten Pisangfruͤchten war alles was wir erlangen konn- ten. Auf unsern botanischen Spatziergaͤngen hatten wir am vorigen Tage ei- nige tropische Pflanzen, aber mehrentheils von bekannten Arten gefunden, unter den Insecten, Fischen und Voͤgeln hingegen, gab es einige neue. Zu den letzte- ren gehoͤrte vorzuͤglich eine Gattung Perlhuͤhner ( Guinea hens ) die selten fliegen, aber desto schneller laufen, und wenn sie alt sind, ein sehr hartes, trocknes Fleisch haben. Wachteln und rothbeinigte Rebhuͤhner sollen, nach dem Bericht der Einwohner, auch gemein seyn; der merkwuͤrdigste Vogel aber, den wir hier fan- nden, war eine Art von Eisvogel Eben diese Art findet sich im gluͤcklichen Arabien . S. Forskals Fauna Arabica. So auch in Abyßinien . S. die vortreflichen und schaͤtzbaren Zeichnungen des Herrn James Bruce . Er naͤhrt sich von großen blauen und ro- then Landkrabben, die sich in Menge allhier auf halten und in dem trocknen, aus- gedorrten Erdreich, runde und tiefe Loͤcher zu ihren Wohnungen machen. Da den Matrosen alles willkommen ist, was Zeitvertreib schaft, so kauf- ten die unsrigen hier ohngefaͤhr funfzehn bis zwanzig Affen, die S. Jago- oder gruͤne Affen genannt werden ( Simia Sabæa. ). Sie waren etwas kleiner als Katzen in den Jahren 1772 bis 1775. Katzen, und von einer gruͤnlich-braunen Farbe mit schwarzen Koͤpfen und Tatzen. 1772. August. An jeder Seite des Mauls hatten sie, gleich mancher andern Affenart, einen Sack, den sowohl die Englaͤnder in den westindischen Colonien als auch die Spanier, alforjes nennen. Die Possen dieser Creaturen waren unterhaltend genug, so lange das Spielwerk noch neu war. Allein es dauerte nicht lange, so ward man ihrer uͤberdruͤßig; man pruͤgelte die armen Thiere oft auf eine grausame Weise aus einer Ecke des Schiffs in die andere, und ließ sie endlich aus Mangel frischen Futters gar verhungern, so daß nur drey davon noch lebendig nach dem Cap kamen. Diese unschaͤdlichen Thiere, aus dem ruhigen Aufenthalt in ihren schattichten Waͤldern wegzuschleppen, um sie in unablaͤßiger Angst und Quaal jaͤmmerlich umkommen zu lassen, das ist muthwillige Grausamkeit und ein lau- ter Beweis der haͤrtesten Fuͤhllosigkeit, die ich mit theilnehmendem Mitleiden be- merkte und auch noch jetzt nicht mit Stillschweigen uͤbergehen kann, ob ich gleich sonst alles dieser Art gern mit dem Mantel der Liebe zudecken moͤchte. Am Abend giengen wir unter Seegel und steuerten nach Suͤden. Das Wetter war die folgenden Tage uͤber gelinde, mit Regenschauern untermengt, und der Wind ging Nordost, Nord und N. Nordost. Am 16ten um 8 Uhr Abends sahen wir ein helles, feuriges Meteor, von laͤnglichter Gestalt und blaͤulichter Farbe. Es bewegte sich sehr schnell gegen den Horizont herab, lief Nordwest- waͤrts und verschwand nach wenig Augenblicken unterhalb dem Gesichtskreise. Am Mittage waren wir wenigstens 55 gute englische Seemeilen ( leagues ) von S. Jago entfernt, und doch folgte eine Schwalbe dem Schiff noch immer nach. Gegen Abend setzte sie sich auf eines von den Schießloͤchern; weil sie aber dort allemahl beunruhigt ward, so oft die Seegel gerichtet oder eingenommen wur- den; so suchte sie in der Folge ihr Nachtquartier in dem am Hintertheil des Schiffs befindlichen Schnitzwerk, und folgte auch die beyden naͤchsten Tage uͤber, dem Schiffe unablaͤßig. Waͤhrend dieser ganzen Zeit sahen wir viele Bon- niten um uns herum. Oft schossen sie mit der groͤßten Geschwindigkeit, neben uns vorbey, vor dem Schiff her, aber alle Versuche sie mit Angeln oder Harpunen zu fangen, waren vergebens; dagegen gluͤckte es unsern Matrosen einen Hayfisch ( Shark ) der fuͤnf Fus lang war, an der Angel zu fangen. Seine gewoͤhnlichen Begleiter, den Piloten ( gasterosteus ductor ) und den Saugefisch oder Forster’s Reise u. d. W. erster Th. E Forster’s Reise um die Welt 1772. August. Remora ( echeneis remora ) sahen wir zwar bey ihm, aber mit dem Unter- schiede, daß ersterer sich sorgfaͤltig huͤtete gefangen zu werden, letzterer hingegen am Coͤrper des Hayes so fest saß, daß mit ihm zugleich vier Stuͤck aufs Verdeck gezogen wurden. Am folgenden Tage aßen wir etwas vom Hay, und fanden es, gebraten, von ganz ertraͤglichen Geschmack, aber wegen des Fettes unverdaulich. Zwey Tage nachher ward Henry Smock , einer von den Zimmerleuten vermißt. Er hatte an der Aussenseite des Schiffes etwas zu arbeiten gehabt, und war allem Anschein nach ins Wasser gefallen. Wegen seiner Gutherzigkeit und gesetzten Wesens ward er sogar von seinen Cameraden beklagt; eine sichere Gewaͤhrschaft, daß sein Verlust den Seinigen noch schmerzlicher gewesen seyn muß. Hie und da zeigte sich in den Augen der Empfindsamen eine verstohlne Traͤhne, als ein freywilliger, schaͤtzbarer Tribut fuͤr einen vernuͤnftigen Mitmen- schen, der gut und liebreich gesinnt war. Seitdem wir S. Jago verlassen, hatten wir oft Regen, vornemlich aber regnete es am 21sten ganz ausserordentlich stark. Der Capitain ließ uͤber das ganze Schiff Zelt-Tuͤcher und Decken ausspannen um das Regenwasser aufzu- fangen, und wir bekamen auf diese Weise eine solche Menge davon, daß sieben Faͤsser damit angefuͤllt werden konnten. Ob wir gleich keinen Mangel an Was- ser hatten, so war uns doch dieser frische Vorrath sehr willkommen, weil es den Matrosen nun desto reichlicher gegeben werden konnte. Unser Capitain hatte aus vieljaͤhriger Erfahrung angemerkt, daß auf langen See-Reisen eine reichli- che Vertheilung und Genuß von frischen Wasser, zur Erhaltung der Gesundheit ungemein vieles beytrage. Die Ursach hievon laͤßt sich auch leicht erklaͤren denn, wenn es reichlich getrunken, zum Theil auch zum Waschen des Coͤrpers und des leinenen Zeuges gebraucht wird, so verduͤnnet es nicht nur das Blut, sondern durch die Reinlichkeit und oͤftere Veraͤnderung der Waͤsche bleiben auch die Schweißloͤcher der Haut stets offen, mithin wird die zur Gesundheit noͤthige, unmerkliche Ausduͤnstung nicht unterbrochen. Solchergestalt wird der Gefahr fauler Krankheiten auf zwiefache Art vorgebeugt, einmahl weil die Ausduͤnstun- gen des Coͤrpers nicht wieder durch die Haut eingesaugt werden koͤnnen, und weil andrer Seits die vom bestaͤndigen Schwitzen verlohren gegangene Feuchtig- keiten durch haͤufiges Trinken wieder ersetzt werden, in dessen Ermangelung die ver- in den Jahren 1772 bis 1775. dickten Saͤfte leicht salzig und caustisch werden, welches man eigentlich als 1772. August. Ursachen der Entzuͤndungsfieber anzugeben pflegt. Der heutige Regen hatte unsre arme Schwalbe durchaus naß gemacht. Sie setzte sich also auf das Gelender des Verdecks am Hintertheil des Schiffes und ließ sich geduldig fangen. Ich trocknete sie und lies sie, sobald sie sich erholt, im Steuer-Raum fliegen, wo sie, unbekuͤmmert uͤber ihre Einsperrung, so gleich uͤber die Fliegen herfiel, welche daselbst sehr haͤufig waren. Beym Mittags- Essen oͤfneten wir die Fenster und sie setzte sich wieder in Freyheit; um sechs Uhr des Abends aber kam sie in den Steuer-Raum und in die Cajuͤtte zuruͤck, gleich- sam uͤberzeugt, daß wir ihr nichts Uebles wolten. Nach einer abermaligen Flie- gen-Collation, flog sie wieder fort und blieb die Nacht uͤber auf der Außenseite des Schiffes. Fruͤh Morgens kam sie nochmals in die Cajuͤte und fruͤhstuͤckte Fliegen. Da sie gutes Obdach bey uns fand und wenig oder gar nicht gestoͤhrt wurde, so ward das arme Thierchen dreister und wagte sich endlich durch jedes Schießloch, Fenster oder andre Oefnung herein ins Schiff. Einen Theil des heutigen Vormittags brachte sie in der Cajuͤtte des Herrn Wales sehr munter zu, aber nachher war sie fort. Es ist mehr als wahrscheinlich, daß sie einem Fuͤhl- losen in die Faͤuste gefallen und so gefangen worden, um ein Tractament fuͤr eine geliebtere Katze zu werden. In den einsamen Stunden einer einfoͤrmigen See- fahrt intereßirt den Reisenden jeder kleine Vorfall; man muß sich also nicht wun- dern, daß ein so geringer Umstand als der Mord eines unschuldigen Vogels dem Herzen dererjenigen doppelt wehe that, die noch nicht unempfindlich ge- worden waren. Die Geschichte dieses Vogels, welches eine gewoͤhnliche Haus-Schwalbe war, ( hirundo rustica Linn. ) zeigt zugleich sehr deutlich: wie einzelne Land- voͤgel so weit hinaus in die See gebracht werden koͤnnen. Es scheint sie folgen den Schiffen, wenn diese vom Lande abgehen, gerathen hernach unvermerkt auf die ofne See, und muͤssen alsdann nahe beym Schiffe, als der einzigen festen Masse bleiben, welche ihnen die unabsehliche Flaͤche des Meeres darbietet. Hieraus erhellet, “daß man, weit vom Lande, Landvoͤgel antreffen koͤnne,” ohne daß deshalb irgendwo eine Kuͤste in der Naͤhe seyn darf, welches gleichwohl oft ganz unbedingt daraus gefolgert worden ist. Indeß verdient ein solcher Irr- E 2 Forster’s Reise um die Welt 1772. August. thum Nachsicht, weil er manchmal mit Umstaͤnden begleitet seyn kann, unter denen er nicht leicht zu entdecken ist. Wenn z. B. zwey oder mehrere Schiffe mit einander in Gesellschaft seegelten, so war vielleicht ein solcher Vogel dem einen vom Lande aus gefolgt, ohne daß jemand darauf Acht gegeben hatte, her- nach aber, auf der ofnen See, gerieth er an ein andres Schiff, wo ein aufmerk- samer Beobachter ihn wahrnahm und zu einem Trugschlusse obiger Art verleitet wurde, weil ihm der wahre Verlauf der Sache unbekannt blieb. Aber außer diesem Fall lehrt die Erfahrung, daß nicht nur einzelne Voͤgel sondern wohl ganze Schaaren und Zuͤge derselben auch durch heftige Stuͤrme weit vom Lande hin- weg und bis auf die ofne See gejagt werden, da sie denn ebenfals auf Schiffen Ruhe suchen Capitain Cook bestaͤtigte mir dies aus eigner Erfahrung. Er befand sich einst zwischen Nor- wegen und England in einem heftigen Sturme waͤhrend dessen eine Flucht von viel hundert Voͤgeln sich ins Tau- und Takelwerk des Schiffs setzte. Außer einer Menge kleiner Voͤgel waren auch einige Habichte darunter die uͤber die kleinern herfielen und ein reich- liches Mahl hielten. . Am 23. sahen wir einige Wallfische von funfzehn bis zwanzig Fuß lang nach Norden und Nordwest am Schiff vorbey gehen. Man hielt sie fuͤr Nord- Caper ( Delphinus Orca ). Zwey Tage darauf sahen wir Fische von eben der Art, nebst einigen kleineren von brauner Farbe, die von ihrem Springen aus dem Wasser, Springer (oder Skip-Jacks ) genannt werden. Der Wind war seit einigen Tagen Nordwest und noͤthigte uns nach Suͤdost zu laufen, so daß wir nun suͤdwaͤrts von der Kuͤste von Guinea waren. Einige unsrer Seeleute, die oft uͤbers atlantische Meer gekommen waren, sahen dies als etwas besonders an; und wuͤrklich ist es besonders, daß obgleich der Wind zwischen den Wende-Zirkeln fuͤr sehr bestaͤndig ja fast unveraͤnderlich gehalten wird, derselbe dennoch zuweilen von der Regel abweicht. Auf diesem Striche bemerkten wir auch einige Fregatten- voͤgel ( pelecanus aquilus. ) Die Matrosen halten sie fuͤr ein Merkmal nahen Landes, wir waren aber jetzt uͤber 100 Seemeilen von der naͤchsten Kuͤste, und folg- lich hat diese Meynung eben so wenig Grund, als viel andre alte Vorurtheile. Jede Wiederlegung eines Vorurtheils ist Gewinn fuͤr die Wissenschaft; und je- der Beweis, daß eine herrschende Meynung des gemeinen Mannes irrig sey, ist in den Jahren 1772 bis 1775. ein Schritt zur Wahrheit , die allein verdient zum Besten der Menschen aufge- 1772. Septem- ber. zeichnet und aufbehalten zu werden. Am ersten September zeigten sich verschiedne Doraden, ( coryphæna hippurus ) Auch sahen wir nicht weit vom Schiffe einen großen Fisch, den Wil- loughby , aus J. Nieuhofs Nachrichten entlehnt, in dem Anhange zu seiner Geschichte der Fische p. 5. auf der neunten Platte Fig. 3. hat abbilden lassen. Von den Hollaͤndern wird er Zee-duyvel oder See-Teufel genannt, und scheint, seiner aͤußern Gestalt nach, zu dem Geschlecht der Rochen ( raja ) zu ge- hoͤren, aber von einer neuen Gattung zu seyn; ein Beweiß, daß selbst die be- kanntesten Meere, dergleichen das Atlantische ist, zu neuen Entdeckungen Stoff liefern, wenn diejenigen, die das Bekannte vom Unbekannten zu unterscheiden wissen, nur Gelegenheit haͤtten, die noͤthigen Untersuchungen anzustellen. Am 3ten sahen wir große Haufen von fliegenden Fischen und fiengen ei- nen Bonito ( Scomber pelamys ) der gleich zugerichtet ward, aber ein trockneres und unschmackhafteres Fleisch hatte, als man ihm gemeiniglich beyzulegen pflegt. Zween Tage nachher gluͤckte es uns eine Dorade ( coryphæna hippurus ) zu er- haschen. Allein fuͤr die Tafel ist auch dieser Fisch, seines trocknen Fleisches wegen, von keinem sonderlichen Werth, desto mehr aber ergoͤtzt er, wenn man ihn schlach- ten sieht, die Augen, durch das unbeschreiblich schoͤne Farben-Spiel seiner Haut. Diese veraͤndert sich alsdenn unaufhoͤrlich und eine herrliche Farben-Mischung wechselt immer mit der andern ab, so lange der Fisch nur noch eine Spur von Le- ben in sich hat. Meiner Empfindung nach, ist dies eins von den praͤchtigsten Schauspielen, die ein Reisender in den Seen des heißen Erdstrichs antreffen kann But here description clouds each shinig ray; What terms of art can Nature’s powr’s display? Falconer . Unter andern ward heute auch ein Boot ausgesetzt um die Richtung der See-Stroͤhmung ausfuͤndig zu machen und um die Waͤrme des See-Wassers in großer Tiefe zu bestimmen. Wir sondirten mit 250 Faden, fanden aber keinen Grund. Das Thermometer stand in freyer Luft 75½ Grad; gleich unter der E 3 Forster’s Reise um die Welt 1772. Septem- ber. Oberslaͤche des Wassers fiel es auf 74; und in einer Tiefe von 85 Faden war es bis auf 66 gefallen. Wir ließen es 30 Minuten unter Wasser und es wurden zum Wiederheraufziehen 27½ Minute Zeit erfordert. Auf unsrer Fahrt im Boot ereignete sich Gelegenheit eine Art von Blubbers oder See-Nesseln zu untersuchen, die Linnaͤus , Medusa Pelagica genant hat. Auch fingen wir ein anders See-Thier Doris laͤvis genannt; und machten getreuere Zeichnungen von demselben, als die bisherigen gewesen sind. Mittags hatten wir 0°. 52 Minuten noͤrdlicher Breite. Am 9ten paßirten wir die Linie bey einer gelind wehenden Luft. Unsre Matrosen tauften ihre Cameraden, welche sie noch nie paßirt hatten und sich nicht durch Trankgelder loskaufen wollten. Wer die Saltz-Taufe uͤber sich er- gehen ließ, zog, so bald die Operation vorbey war, frische Waͤsche und Kleider an; und da das auf der See, besonders bey heißem Wetter, nicht zu oft ge- schehen kann, so war ihnen das Untertauchen, anstatt eine Art von Strafe zu seyn, vielmehr heilsam und gesund. Fuͤr die Trankgelder der uͤbrigen wurden starke Getraͤnke angeschaft und diese vermehrten die Lustigkeit und Laune, welche den herrschenden Character der Matrosen ausmacht. Der Wind drehte sich heute nach Suͤden, wandte sich nach und nach durch Suͤden nach Osten und Suͤd-Suͤd- Osten herum und setzte sich endlich in den gewoͤhnlichen Paßat-Wind fest. Wir fiengen heute verschiedne Doraden und ein fliegender Fisch, der voͤllig einen Fus lang war, fiel aufs Verdeck. Seit dem 8ten hatten sich be- staͤndig mehrere Arten von See-Voͤgeln als, Fregatten ( pelecanus aquilus \& sula ) Sturmvoͤgel, Mewen, und Tropic-Voͤgel ( phaëton æthereus ) sehen lassen. Auch war einigemal die See mit Molluscis bedeckt. Unter diesen letztern gab es eine Art die blau, ohngefaͤhr als eine Acker-Schnecke gestaltet, und mit vier Aermen versehen war, die sich in viele Aeste theilten. Wir nannten sie Glaucus atlanticus. Eine andre Art war durchsichtig als Glas, und von die- ser hiengen oft ihrer viele, wie an einer langen Schnur aufgereihet, aneinander. Wir rechneten sie zu dem Geschlecht Dagysa, dessen auch in Herrn Cooks Reise in der Endeavour Erwaͤhnung geschieht. Siehe Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen in 4. zweyter Band, p. 2. Zwey andre Arten von Mollus- cis , welche von den Matrosen Salee- und Portugiesische Men of war, von den in den Jahren 1772 bis 1775. Hollaͤndern aber besaantjes ( medusa velella \& holuthuria physalis ) ge- 1772. Septem- ber. nannt werden, waren auf allen Seiten des Schifs in großer Menge zu sehen. Am 27. untersuchten wir abermals die Stroͤhmung und Waͤrme des Wassers, mit ohngefaͤhr gleichem Erfolge als zuvor. Das Thermometer stand in freyer Luft auf 72½ gleich unter der Oberflaͤche des Wassers fiel es auf 70°. und in einer Tiefe von 80 Faden sank es auf 68°. Es blieb 15 Minuten unter Wasser, und 7 Minuten wurden zum Heraufziehen erfordert. Unter an- dern fiel uns heute auch eine neue Art von Blubbers ( Medusa ) in die Haͤnde und eben so bekamen wir Gelegenheit, einen Vogel, der sich seit zween Tagen hatte sehen lassen, jetzt naͤher zu betrachten, da sich denn zeigte, daß es der ge- woͤhnliche große Sturmvogel ( procellaria puffinus ) war. Wir hatten nun- mehro den fuͤnf und zwanzigsten Grad suͤdlicher Breite erreicht, und da wir fanden, daß in dieser Gegend der Wind nach und nach aus Ost zu Suͤden, uͤber Ost zu Nord, in Nordost sich herum setzte, so machten wir uns diese Gelegenheit zu Nutze, Suͤdwaͤrts zu steuern. Waͤhrend unsrer Fahrt innerhalb des heißen Himmelsstrichs, den wir nunmehro verließen, waren wir dermaßen an die Waͤr- me gewoͤhnt worden, daß wir jezt schon eine große Veraͤndrung im Clima fanden, ob es gleich nach Angabe des Thermometers, kaum um zehen Grade kaͤlter war als zuvor. Ich ward diesen Unterschied der Luft am nachdruͤcklichsten inne, denn mir brachte derselbe einen heftigen Schnupfen, Zahnweh und geschwollne Backen zuwege. Am vierten Oetober sahen wir, bey kaltem Wetter und scharfer Luft, große Haufen der gewoͤhnlichen kleinen Sturmvoͤgel ( procellaria pelagica ) die von rußbrauner Farbe sind und weiße Steiße haben. Am folgenden Tage zeigten sich auch die ersten Albatroße ( diomedea exulans ) und Pintaden ( procellaria capensis. ) Am 11ten wars gelinde und fast Meerstill, hingegen war es einige Tage zuvor neblig und stuͤrmisch gewesen; diese Witterung mußte die Seevoͤgel, vor- nemlich die Pintaden, ganz heißhungrig gemacht haben, denn letztere schluckten so gierig nach unsren mit etwas Schweins- oder Hammelfleisch besteckten Angeln, daß wir ihrer mehr als acht Stuͤck in kurzer Zeit fiengen. Am Abend beobach- teten wir eine Mondfinsternis, deren Ende Nachmittags ohngefaͤhr um 6 Uhr Forster’s Reise um die Welt 1772. October. 58 Minuten 45 Secunden eintraf. Am Mittage war unsre Breite 34 Grad 45 Minuten suͤdlich gewesen. Des folgenden Tages untersuchten wir die Stroͤhmung und die Waͤrme des Wassers zum drittenmahl. Wir ließen das Thermometer zwanzig Minuten lang in einer Tieffe von einhundert Faden und nachdem es inuerhalb 7 Minuten wieder heraufgezogen worden war, fanden wir, daß es auf 58 Grad stand. Dicht unter der Oberflaͤche des Wassers hatte es 59 und in freyer Luft 60 Grad an- gegeben. Da es Windstill war, so machten wir uns das Vergnuͤgen vom Boot aus See-Voͤgel zu schießen, worunter eine kleine Meer-Schwalbe, ein großer Sturmvogel oder Puffin, eine neue Art von Albatroßen und ein neuer Sturmvogel war. Auch fielen uns einige Molluscaͤ , nebst einer violetten Schnecke, ( he- lix janthina ) in die Haͤnde, welche letztere wegen ihrer außerordentlich duͤnnen Schale merkwuͤrdig ist. Aus dieser ihrer so zerbrechlichen Wohnung laͤßt sich schließen, daß sie fuͤr die ofne See geschaffen sey, wenigstens wuͤrde sie sich einer felsigten Kuͤste nicht ohne Gefahr naͤhern koͤnnen, wie schon in der Beschreibung von Capitain Cooks erster Reise um die Welt, richtig angemerkt ist. Hawkesworths Gesch. d. engl. See-Reis. B. 2. S. 13. Wir finden am Ende dieser Stelle eine Anmerkung die weit geringhaltiger ist und zu beweisen scheint, daß man die Alten nicht nachgeschlagen. Wer nur je in den Plinius gekuckt hat, kann nicht die geringste Vermu- thung hegen, daß obbenannte duͤnnschalichte Muschel, die Purpur-Schnecke der Alten seyn koͤnne. Sie kannten verschiedne Schnecken, die Parpur gaben, aber dieses waren lauter Klippen-Schnecken ( rockshells ) Earum genera plura, pabulo \& SOLO discreta IX. 61. Exquiruntur omnes scopuli gætuli muricibus ac purpuris. V. 1. Eben so deutlich und unleugbar ists, daß die Gestalt und Haͤrte ihrer Purpur-Schnecken von der kleinen helix janthina ganz verschieden waren. PVRPVRA vocatur, cunicula- tim procurrente rostro \& cuniculi latere introrsus tabulato qua proferatur lingua. IX. 61. — Lingua purpuræ longitudine digitalis qua pascitur, perforando reli- qua conchyha, tanta DVRITIA aculeo est. IX. 60. — Præterea clavatum est ad turbinem usque aculeis in orbem septenis fere. IX. 61. D. Ant. Ulloa’s Reisen nach Suͤd Amerika verdienen hieruͤber nachgelesen zu werden. Alba- troße, Pintaden, und Sturmvoͤgel aller Art, worunter auch der Malmuck ( procellaria glacialis ) war, ließen sich in diesen Gegenden taͤglich sehen. Am in den Jahren 1772 bis 1775. Am 17. entstand ploͤtzlich Laͤrm. Es hieß einer unsrer Leute sey uͤber 1772. October. Bord gefallen. Wir wandten das Schiff sogleich, um ihm zu Huͤlfe zu kom- men; da wir aber in der See nirgend etwas gewahr werden konnten, so wurde die Namenliste abgerufen und zu unsrer großen Freude zeigte sich, daß keiner fehlte. Unsre Freunde an Bord der Adventure, welche wir einige Tage nachher be- suchten, erzaͤhlten uns sie haͤtten aus unserm Manoͤvre die Ursach unsrer Besorg- niß errathen, aber zugleich ganz deutlich einen See-Loͤwen gesehen, der zu diesem falschen Lerm Anlaß gegeben hatte. Am 19ten gieng die See sehr hoch aus Suͤden, und ein großer Wallfisch, desgleichen ein Hay-Fisch der 18 bis 20 Fuß lang war, schwammen bey dem Schiffe voruͤber; letzterer war von weislichter Farbe und hatte zwo Floßfedern auf dem Ruͤcken. Da wir schon lange in See waren, so hatte der Capitain seit einigen Wochen, an den Fleischtagen, das ist, viermal die Woche, Sauer-Kraut unter die Leute austheilen lassen, wovon der Mann jedesmal ein halbes Quart ( pint ) bekam. Aus Vorsorge fuͤr die Gesundheit der See-Leute war, auf Befehl der Admiralitaͤt, ein großer Vorrath dieses gesunden und wohlschmeckenden Ge- muͤses mit an Bord beyder Schiffe genommen worden; und der Erfolg hat ge- zeigt, daß es eins der besten Verwahrungsmittel wieder den Scorbut sey. Am 24sten da die Adventure weit zuruͤck war, lies der Capitain ein Boot aussetzen, in welchem verschiedne Officier und Reisende aufs Vogelschießen aus- giengen. Dies gab uns wiederum Gelegenheit die beyden Arten von Alba- troßen, imgleichen eine große schwarze Art von Sturmvoͤgeln ( procellaria æquinoctialis ) zu untersuchen. Wir hatten nun seit neun Wochen kein Land gesehen und das Reisen zur See fieng an denenjenigen unter uns verdrießlich und laͤstig zu werden, die eben so wenig an das einfoͤrmige eingeschloßne Leben am Bord eines Schiffs, als an das ewige Einerley der Lebensmittel und uͤbrigen Gegenstaͤnde gewoͤhnt waren. Auch uns wuͤrde dies zweifelsohne eben so un- angenehm vorgekommen seyn, wenn wir nicht von Zeit zu Zeit Beschaͤftigung ge- funden und uns mit der Hofnung ermuntert haͤtten, daß noch manche wichtige Entdeckung in der Natur-Geschichte auf uns warte. Am 29sten fruͤh Morgens entdeckten wir das aͤußerste Ende von Africa . Es war mit Wolken und Nebel bedeckt, und einige Solandgaͤnse, imgleichen Forster’s Reise u. d. W. erster Th . F Forster’s Reise um die Welt 1772. October. kleine Sturm-Taucher ( diving petrels ) nebst verschiedenen wilden Enten kamen von da in See. Der zunehmende Nebel entzog uns den Anblick des Landes bald wieder, bis sich endlich um drey Uhr Nachmittags die Luft aushellte und uns die Kuͤste von neuem, zwar nicht ganz wolkenfrey, jedoch ungleich deutlicher als zu- vor, sehen ließ. Da der Wind sehr frisch und die Adventure weit zuruͤck war; so durften wir es nicht wagen, noch diese Nacht in die Tafel-Bay einzulaufen. Wir nahmen daher bey einbrechendem Abend die Seegel ein, zumahl da das Wet- ter sehr finster wurde und harter Regen mit Stoßwinden bestaͤndig abwechselten. Kaum wars Nacht worden, als die See rund um uns her einen gros- sen, bewundrungswuͤrdigen Anblick darboth. So weit wir sehen konnten schien der ganze Ocean in Feuer zu seyn. Jede brechende Welle war an der Spitze von einem hellen Glanz erleuchtet, der dem Lichte des Phosphorus glich, und laͤngst den Seiten des Schiffs verursachte das Anschlagen der Wellen eine feuer- helle Linie. Hiernaͤchst konnten wir auch große leuchtende Coͤrper im Wasser unterscheiden, die sich bald geschwind, bald langsam, jetzt in einerley Richtung mit dem Schiff, dann wieder von uns weg, bewegten. Zuweilen sahen wir ganz deutlich, daß diese Massen als Fische gestaltet waren, und daß die kleinern den groͤßern aus dem Wege giengen. Um dies wunderbare Phaͤnomen genauer zu un- tersuchen, ließen wir einen Eymer solchen leuchtenden See-Wassers aufs Ver- deck holen; und es fand sich, daß unzaͤhlbare leuchtende Coͤrperchen von rundli- cher Gestalt, die mit großer Geschwindigkeit darin herumschwommen, jenen glaͤn- zenden Schein hervorbrachten. Nachdem das Wasser eine Weile gestanden hatte, so schien die Zahl der Funken sich zu vermindern; so bald wirs aber von neuen ruͤhrten, so ward es wieder so leuchtend als zuvor. Auch bemerkten wir, wenn das Wasser nach und nach ruhig ward, daß die hellen Koͤrper wieder die zit- ternde Bewegung oder den Strohm desselben schwammen; ob sie gleich bey staͤr- kerem Ruͤhren der Richtung, nach welcher sich das Wasser alsdenn bewegte, nicht widerstehen konnten, sondern mit derselben fortgerissen wurden. Um noch naͤ- her zu bestimmen, ob diese Thierchen ein eigenthuͤmliches Vermoͤgen haͤtten sich zu bewegen, oder ob ihre Bewegung vielleicht blos vom Schwanken des Schif- fes herruͤhre, durch welche das Wasser im Eymer unablaͤßig geruͤttelt ward, ließen wir diesen freyschwebend aufhaͤngen. Dieser Versuch setzte ihre selbst- in den Jahren 1772 bis 1775. staͤndige Bewegungskraft durch den Augenschein außer Zweifel, und bewieß zu- 1772. October. gleich, daß die aͤußere Bewegung des Wassers das Leuchten zwar nicht hervorbringe, aber doch befoͤrdere; denn wenn das Wasser ganz still war, so verminderte sich das Funkeln nach und nach, aber bey der geringsten Bewegung kam es wieder und nahm in eben dem Maaße zu als jene verstaͤrkt wurde. Als ich das Wasser mit der Hand umruͤhrte, blieb eins von den hellen Coͤrperchen daran haͤngen; und ich machte mir diesen Umstand zu Nutze um es mit dem ge- woͤhnlichen Glase des verbesserten Ramsdenschen Microscops zu untersuchen. Hier zeigte es sich in einer kugelfoͤrmigen Gestalt, etwas braͤunlich und durch- sichtig als Gallert; mit dem staͤrksten Glase aber entdeckten wir an diesem Atom die Muͤndung einer kleinen Oefnung, und in selbigem vier bis fuͤnf Darm-Saͤcke die unter sich selbst und mit jener Oefnung zusammenhiengen. Nachdem ich auf diese Art verschiedene betrachtet hatte, die alle von gleicher Bildung waren, so versuch- te ichs, einige in einem Tropfen Wasser zu fangen, um sie vermittelst eines hohlen Glases, in ihrem Element unters Microscop zu bringen, da sich denn ihre Natur und Organe besser haͤtten bestimmen lassen: aber sie wurden durch die geringste Beruͤhrung gemeiniglich sehr beschaͤdigt, und sobald sie todt waren, sahe man nichts mehr an ihnen als eine unzusammenhaͤngende Masse von Fasern. Nach ohngefaͤhr zwo Stunden hoͤrte das Meer gaͤnzlich auf zu leuchten, und ob wir gleich noch vor Verlauf dieser Zeit einen zweyten Eymer hatten schoͤpfen lassen, so wa- ren doch alle wiederholte Versuche, eins dieser Atomen lebendig unters Glas zu bringen, stets vergebens. Wir saͤumten daher nicht laͤnger, von dem erst unter- suchten Kuͤgelchen eine Zeichnung zu machen und unsre Beobachtung nieder zu schreiben, aus der sich mit Wahrscheinlichkeit vermuthen laͤßt, daß diese kleinen Thiere vielleicht die Bruth einer Medusen-Art sind; doch koͤnnen sie auch wohl ein eignes Geschlecht ausmachen. Ein Freund hat im Julius und August ein aͤhnliches Schauspiel bey warmen suͤdwestlichen Wind und Wetter in der Nord See gesehen. Medusen, Blubbers und Molluscaͤ hatten sich Tages zuvor sehr haͤuffig gezeigt; und alle Umstaͤnde waren mit obigen uͤbereinstim- mend. Die Gestalt dieser leuchtenden Thierchen scheint durchaus mit den Infusions- thierchen der May-Blumen uͤbereinzukommen. Aber, leuchten leztere? Quis scruta- tus est? F 2 Forster’s Reise um die Welt 1772. October. Es war in diesem Phaͤnomen so etwas Sonderbares und Großes, daß man sich nicht enthalten konnte, mit ehrfurchtsvoller Verwunderung an den Schoͤpfer zu denken, dessen Allmacht dieses Schauspiel bereitet hatte. Der Ocean weit und breit mit Tausend Millionen dieser kleinen Thierchen bedeckt! Alle organisirt zum Leben; Alle mit einem Vermoͤgen begabt sich zu bewegen, nach Willkuͤhr zu glaͤnzen, andre Coͤrper durch bloße Beruͤhrung zu erleuchten, und ihre eigne leuchtende Eigenschaft abzulegen so bald sie wollen! — Diese Betrach- tungen draͤngten sich aus dem innersten unsers Herzens empor und gebothen uns den Schoͤpfer in seinen kleinsten Werken zu ehren; eine Empfindung, die ich bey dieser Gelegenheit auch allen meinen Lesern zutraue. Zwar soll man sich, in meinem Alter, gemeiniglich noch einen allzuguͤnstigen Begriff von seinem Ne- benmenschen machen, allein, so verderbt und unwissend kann ich mir doch nicht leicht jemand vorstellen, daß ihm bey dieser Veranlassung, ein religioͤser Ge- danke am unrechten Ort oder geringschaͤtzig vorkommen sollte. Turrigeros elephantorum miramus humeros, taurorumque colla \& truces in sublime jactus, tigrium rapinas, leonum jubas; Quum rerum natura nusquam magis quam in minimis tota sit. Quapra- pter quæso, ne nostra legentes, quoniam ex his spernent multa, etiam relata fastidio damnent, quum in contemplatione naturæ nihil possit videri supervacaneum . Plin. Hist. Nat. XI. c. 2. Nach einer sehr regnigten Nacht liefen wir endlich mit Tages Anbruch in die Tafel -Bay ein. Die im Hinter-Grunde derselben liegenden Berge waren nun ohne Wolken und setzten uns durch ihren steilen, felsigten und duͤrren Anblick in Erstaunen. Als wir tiefer in die Bay kamen, entdeckten wir die Stadt, am Fuß des schwarzen Tafelberges , und gelangten bald darauf vor An- ker. Nachdem wir das Fort begruͤßt und von verschiednen hiesigen Bedienten der Hollaͤndisch-Ostindischen Companie, an Bord unsers Schiffes Zuspruch be- kommen hatten, giengen wir in Begleitung unsrer beyden Capitains, Cook und Furneaux , mit der frohen Erwartung ans Land, daß wir in einem von dem unsrigen so weit entfernten und auf der andern Haͤlfte der Erdkugel gelegenen Welttheile, viel Neues fuͤr die Wissenschaften finden wuͤrden. Drit- in den Jahren 1772 bis 1775. Drittes Hauptstuͤck . Aufenthalt am Cap . Nachricht von der dortigen Colonie. K aum waren wir aus unsren Booten gestiegen, so machten wir dem Gou- 1772. October. verneur, Baron Joachim von Plettenberg , unsre Aufwartung. Er ist ein Herr von Wissenschaft und großer Kenntniß, dessen Hoͤflichkeit und Gespraͤ- chigkeit uns gleich einen guten Begrif von ihm beybrachte. Hiernaͤchst verfuͤgten wir uns auch zu den andern Rathspersonen und sodann zu dem gegenwaͤr- tigen Befehlshaber in False-Bay , Herrn Brand , in dessen hier belegenen Hause die Capitains der englischen Schiffe gemeiniglich einzukehren pflegen, und wo auch wir unser Quartier zu nehmen gedachten. Fast alle hiesige Unterbedien- ten des Compagnie-Gouvernements, die Glieder des Raths allein ausgenom- men, vermiethen Zimmer an die Officiers und Reisenden der Englischen, Fran- zoͤsischen, Daͤnischen und Schwedischen Schiffe, die auf ihrer Fahrt, von oder nach Indien , hier anlegen. Der merkliche Unterschied zwischen dieser Colonie und der Portugiesi- schen Insel S. Jago war uns anffallend und angenehm. Dort hatten wir ein Land gesehen, das zwischen den Wende-Zirkeln, unter dem gluͤcklichsten Himmels- Strich gelegen ist, ein ziemlich gutes Ansehen hat und sehr verbessert werden koͤnn- te; aber es war durch seine traͤge, unterdruͤckte Bewohner ganz vernachlaͤßigt. Hier im Gegentheil, fanden wir mitten in einer Wuͤste, die von gebrochnen Massen schwarzer fuͤrchterlicher Berge umgeben war, eine nette Stadt aufge- baut; mit einem Wort, wir sahen hier uͤberall Fleiß und Arbeitsamkeit vom Gluͤcke gekroͤnt. Das aͤußere Ansehen des Ortes nach der See-Seite ist nicht so mahlerisch als zu Funchal . Die Packhaͤuser der Compagnie stehen alle nahe am Wasser, die Wohnungen der Privatpersonen aber liegen hinter selbigen an ei- ner sanften Anhoͤhe. Das Fort, welches die Rhede bestreicht, befindet sich an der Ost-Seite der Stadt, es scheint aber nicht stark zu seyn, doch sind noch aus- serdem an beyden Seiten einige Batterien angelegt. Die Straßen sind breit und regelmaͤßig, die vornehmsten derselben mit Eichen bepflanzt, und einige ha- F 3 Forster’s Reise um die Welt 1772. October. ben in der Mitte einen Canal; da es ihnen aber, zu Waͤsserung derselben, an der erforderlichen Quantitaͤt fließenden Wassers fehlt, so koͤnnen sie, ohngeachtet der vielfaͤltig angebrachten Schleusen, dennoch nicht verhindern, daß nicht ein- zelne Theile des Canals oft ganz ohne Wasser seyn sollten, die denn eben keinen angenehmen Geruch ausduften. Der hollaͤndische Natlonal-Character offenbart sich hierin sehr deutlich. Ihre Staͤdte sind durchgehends mit Canaͤlen versehen, obgleich Vernunft und Erfahrung augenscheinlich zeigen, daß die Ausduͤnstungen derselben den Einwohnern, besonders zu Batavia , hoͤchst nachtheilig werden muͤssen Quanto præstantius esset — viridi si margine clauderet undas Herba, nec ingenuum violarent marmora tophum! Juvenal . Die Haͤuser sind von Backsteinen und an der Außenseite mehrentheils mit Kalk beworfen, die Zimmer auch gemeiniglich hoch, raͤumlich und luftig, wie das heiße Clima solches erfordert. In der ganzen Stadt ist nur eine Kirche, und auch diese nicht allein von schlechter Bauart, sondern dem Ansehen nach, fuͤr die Gemeine auch zu klein. Der Duldungs-Geist, welcher den Hollaͤn- dern in Europa so viel Nutzen verschaft hat, ist in ihren Colonien nicht zu finden. Nur erst seit ganz kurzer Zeit haben sie den Lutheranern erlaubt hier und zu Batavia Kirchen zu bauen; und selbst gegenwaͤrtig haben diese noch keinen eignen Prediger am Cap , sondern muͤssen sich mit den Schifs-Predigern der Daͤnischen oder Schwedischen Ost-Indienfahrer begnuͤgen, die, gegen gute Bezahlung, ein bis zweymahl des Jahrs alhier predigen und das Abendmahl austheilen. Die Sclaven sind in diesem Stuͤck noch viel uͤbler dran; denn weder die Regierung uͤberhaupt, noch die einzelnen Eigenthumsherren insbeson- dre, bekuͤmmern sich um einen so geringfuͤgigen Umstand, als ihnen die Reli- gion ihrer Leibeignen zu seyn duͤnkt, im allergeringsten; daher denn auch diese, im Ganzen genommen, gar keine zu haben scheinen. Einige wenige derselben sind dem Mohamedanischen Glauben zugethan, und versammlen sich woͤchentlich ein- in den Jahren 1772 bis 1775. mal in dem Hause eines freyen Mohamedaners, um einige Gebethe und Capitel 1772. October. aus dem Coran zu lesen und abzusingen, als worauf sich ihr ganzer aͤußerlicher Gottesdienst alhier einschraͤnkt, weil sie keine Priester haben. Wir sind nicht gemeinet dies den Hollaͤndern allein schuld zu geben; denn es ist zu be- kannt, daß alle Neger in Englischen und Franzoͤsischen Colonien, in diesem Punkt eben so vernachlaͤßigt sind. Wir wuͤnschten nur unter den Colonisten aller Nationen ein mit- leidiges Gefuͤhl gegen diese Ungluͤcklichen rege zu machen; und sie, die das unschaͤtzbare Gluͤck der Freyheit selbst genießen oder wenigstens darnach streben, — zu erinnern, daß sie menschlich und guͤtig gegen Elende seyn sollen, denen sie den Seegen der Freiheit, viel leicht ohne alles Mitleid vorenthalten. Die Anzahl der Sclaven, welche die Compagnie allhier zu ihrem Dienst haͤlt, belaͤuft sich auf etliche hundert, die saͤmmtlich in einem geraͤnmigen Hause wohnen, in welchem sie auch zur Arbeit angehalten werden. Ein anderes gros- ses Gebaͤude ist zum Hospital fuͤr die Matrosen der Compagnie-Schiffe bestimmt, die hier anzulegen pflegen und auf ihren Reisen von Europa nach Indien gemei- niglich eine ungeheure Menge von Kranken an Bord haben. Ein solcher Ost- Indienfahrer fuͤhrt oft sechs bis achthundert Mann Recruten nach Batavia und da sie auf der langen Reise durch den heißen Himmelsstrich, sehr eng zusammenge- steckt, auch an Wasser sehr knap gehalten werden, und nichts als Eingesalznes zu essen bekommen, so ist kein Wunder, daß ihrer so viele drauf gehen. Es ist was sehr gewoͤhnliches, daß ein Hollaͤndisches Schiff, von Europa bis hierher 80, oder gar 100. Mann Todte zaͤhlt und bey seiner Ankunft alhier noch uͤberdies zwey bis drey hundert gefaͤhrlich Kranke ins Hospital schickt. Die geringen Kosten und große Leichtigkeit, womit die Hollaͤndischen Ziel-verkoopers ihren, die Menschheit entehrenden, Recruten-Handel fuͤr die Ostindische Compagnie zu treiben im Stande sind, macht sie gegen die Erhaltung der armen Menschen so gleichguͤltig. Nichts ist hier und in andern Hollaͤndischen Colonien gemeiner, als Soldaten in der Compagnie Diensten zu finden, die oͤffentlich gestehen, daß sie in Holland „ weggestohlen „ sind. In der zum Hospital gehoͤrenden Apo- thecke werden die noͤthigen Arzeneyen zubereitet; aber kein einziges etwas theu- res Medicament ist darin anzutreffen, und da zwo oder drey große Bouteillen ohne Unterschied fuͤr alle Patienten dienen muͤssen, so scheint wohl die gesunde Land-Luft nebst den frischen Lebensmitteln zur Genesung der Kranken mehr bey- Forster’s Reise um die Welt 1772. Novem- ber. zutragen als die Geschicklichkeit der Aerzte. Kranke die gehen koͤnnen, muͤssen des Morgens bey gutem Wetter in den Straßen auf und nieder spazieren; und der benachbarte Garten der Compagnie, liefert ihnen alle Arten von Gar- tengewaͤchs und antiscorbutischen Kraͤutern. Verschiedne Reisende haben die- sen Garten bald gelobt und bald verachtet, je nachdem der Gesichtspunkt ver- schieden war, aus dem sie solchen betrachteten. Ein Paar regelmaͤßige Alleen von gemeinen Eichen-Baͤumen, mit Ulmen- und Myrten-Hecken eingeschlossen, ist das beste, was er aufzuweisen hat. Daran wird nun freylich derjenige wenig Geschmack finden, der an die Vollkommenheit der englischen Gaͤrtnerey gewoͤhnt ist, oder gelernt hat, in Holland und Frankreich Cypressen, Buchsbaum und Eyben zu bewundern, die in Gestalt von Vasen, Pyramiden und Statuͤen ge- schnitten sind, oder wo das gruͤne Heckenwerk, gar Haͤuser und Pallaͤste vorstellt. Wenn man aber auf der andern Seite erwaͤgt, daß diese Baͤume im Anfang ge- genwaͤrtigen Jahrhunderts und mehr zum Nutzen als zum Staat gepflanzt sind; daß sie zugleich den Kuͤchen-Garten des Hospitals gegen die Stuͤrme schuͤtzen, welche hier zu Lande sehr heftig sind, und endlich, daß sie die einzigen schattich- ten und kuͤhlen Spatziergaͤnge fuͤr Reisende und Kranke in dieser heißen Gegend ausmachen, so ist es wohl nicht zu verwundern, daß ihn einige einen reitzen- den Lustort S. Commodore (Admiral) Byrons Reise in Hawkesworth Geschichte der engl. See-Reisen in 4. erster Band, pag. 133. und andre mit stolzer Verachtung einen Bettelmoͤnchs-Gar- ten S. Bougainville’s Reise um die Welt. nennen. Den Tag nach unsrer Ankunft richteten die Astronomen beyder Schiffe, Herren Wales und Baily , ihre Instrumente am Ufer auf, und zwar wenig Fus weit von demselbigen Fleck, wo die Herren Mason und Dixon vorher ihre astronomische Beobachtungen gleichfalls gemacht hatten. An eben dem Tage fiengen auch wir unsre botanischen Spatziergaͤnge in diesen Gegenden an. Der Boden erhebt sich von der Stadt nach und nach an allen Seiten gegen die drey Berge, die hinter der Bay liegen. An der See ist er niedrig und flach; zwi- schen False-Bay und der Tafel-Bay aber, wo ein kleiner Bach salzigen Was- sers in den Jahren 1772 bis 1775. sers in letztere faͤllt, ist das Erdreich morastig. Dieser morastige Grund ist hin 1772. Novem- ber. und wieder mit etwas Gruͤn bewachsen, jedoch dem groͤßtentheil nach mit Sand bedeckt. Die hoͤheren Gegenden aber sind, so duͤrr und oͤde sie auch von der See her aussehen, dennoch mit einer Menge unendlich verschiedener Pflanzen uͤberwachsen. Auch giebt es eine ungeheure Menge von Buschwerk allhier, doch verdienen kaum zwey oder drey Arten desselben den Namen der Baͤume. An den kleinen Baͤchen haben die Einwohner uͤberall Landsitze angelegt, welches der Gegend ein sehr lebhaftes Ansehen giebt. Insecten von allerhand Arten, meh- rere Sorten von Eidechsen, Land-Schildkroͤten und Schlangen finden sich unter dem trocknen Gebuͤsch, in welchem sich auch eine große Menge verschiedener klei- nen Voͤgel auf haͤlt. Wir brachten daher Tag fuͤr Tag reiche Erndten von Kraͤutern und Thieren zuruͤck, und wunderten uns, daß, besonders von letztern, so viele den Naturkundigen ganz unbekannt waren, da sie sich doch hart an den Mauern einer Stadt finden, von woher die Cabinette und Sammlungen des ganzen Eu- ropa bestaͤndig versehen worden sind. Einer unsrer Spatziergaͤnge war nach dem Tafelberge gerichtet. Er ist steil und, wegen der vielen losen Steine die unter des Wanderers Fuͤßen weg- rollen, muͤhsam und schwer zu ersteigen. Gegen die mittlere Hoͤhe des Ber- ges kamen wir an eine tiefe Schlucht, deren Seiten aus senkrechtstehenden und oft uͤberhaͤngenden Felsen-Schichten bestanden, aus deren Rissen kleine Quellen hervorsprudelten oder von den Felsen herab traͤufelten, und in der Tiefe ganzen Hunderten von Pflanzen und Straͤuchern Leben und Nahrung gaben. Andre Pflanzen, die an trockneren Stellen standen und aus denselben mehr verdickte Nahrungssaͤfte zu ihrem Wachsthum zogen, verbreiteten aromatische Geruͤche, welche uns durch eine sanftwehende Luft von den Seiten dieses Erdrisses zugefuͤhrt wurden. Nach einem dreystuͤndigen Marsch erreichten wir endlich den Gipfel des Berges, der fast ganz eben, sehr unfruchtbar und beynahe voͤllig von Erd- reich entbloͤßt ist. Hie und da gab es Vertiefungen auf demselben, die theils mit Regenwasser, theils mit guter fruchtbarer Erde angefuͤllt waren, in welcher allerhand wohlriechende Kraͤuter wuchsen. Von Thieren trift man manchmal Ant e lopen, heulende Bavians, einsame Geier und Kroͤten auf diesem Berge an. Die Aussicht, welche man von der Hoͤhe desselben genießt, ist groß und mah- Forsters Reise u. d. Wt, erster Th. G Forster’s Reise um die Welt 1772. Novem- ber. lerisch. Die Bay schien ein kleiner Fischteich und die darinn liegenden Schiffe kleine Boote zu seyn. Die Stadt unter unsern Fuͤßen und die regelmaͤßigen Ab- theilungen der dabey liegenden Gaͤrten sahen wie Kinderspielwerke aus. Der Loͤwenberg ward zu einem unbetraͤchtlichen, niedrigen Bergruͤcken, gleichwie auch ein andrer Berg, der Loͤwenkopf genannt, der von unten aus hoch genug zu seyn scheint, weit unter uns blieb, und nur der einzige Carlsberg stieg neben dem Tafelberge bis in eine etwas betraͤchtliche Hoͤhe empor. Ge- gen Norden ward die Aussicht durch Robben-Eyland , die blauen Berge , die Tiegerberge und, uͤber diese hinaus, von einer noch hoͤhern, majestaͤtischen Kette von Bergen beschraͤnkt. Eine Gruppe gebrochner Felsen-Massen schloß Hout-Bay oder die Holz-Bay gegen Westen ein und lief von da gegen Suͤ- den fort, woselbst sie die eine Seite von Tafelbay ausmachte und zuletzt sich in dem beruͤhmten stuͤrmichten Cap endigte, welches Koͤnig Emanuel von Portugal das Vorgebuͤrge der guten Hofnung genannt hat. Gegen Suͤdost hatten wir eine Aussicht uͤber die niedrige Erdzunge, welche zwischen den beyden Bayen inne liegt; und jenseits derselben konnten wir die Colonie von Hottentot-Hol- land und die Berge bey Stellenbosch erkennen. Auch vergnuͤgte uns an dieser Seite der Anblick einer Menge von angebauten Grundstuͤcken, die auf der Haide einzeln zerstreut lagen, und durch ihr schoͤnes Gruͤn vom uͤbrigen Lande sehr gut abstachen. Hierunter zeichnete sich, vor andern, das unter den neuern Epikurern so beruͤhmte Constantia aus. Nachdem wir uns zwey Stunden lang an diesen Schoͤnheiten ergoͤtzt hatten, und die Luft sehr kalt und scharf zu werden anfieng, so dachten wir an unsre Ruͤckkehr, mit dieser Ausflucht sehr vergnuͤgt und durch die Vortreflichkeit und Groͤße der Aussicht reichlich fuͤr unsre Muͤhe belohnt. Unter allen hier umher liegenden Gegenden zog keine unsre Aufmerksam- keit mehr auf sich, als die an der suͤdoͤstlichen Seite des Tafelberges befindliche, denn diese zeichnete sich durch die Menge der Plantagen und durch die Mannig- faltigkeit von Pflanzen, welche sie hervorbrachte, vorzuͤglich aus. Nahe bey den Bergen, disseits der Erdzunge, ist der Anblick dieser Gegend am angenehm- sten. An jedem kleinen Bache siehet man eine Plantage, die aus Weinbergen, Kornfeldern und Gaͤrten besteht, welche gemeiniglich mit Eichen von zehen bis zwanzig Fus hoch, umgeben sind, deren dickbelaubte Zweige dem Lande ein in den Jahren 1772 bis 1775. schoͤnes Ansehen geben und zugleich die Plantagen gegen die Stuͤrme decken. 1772. Novem- ber. Der letzte Gouverneur Tulbagh , den man als den Vater dieser Colonie betrachtet, bauete hier, zu Rondebosch und Niewlandt , zum Besten seiner Nachfolger, einige Haͤuser und Gaͤrten von neuem auf. Sie bestehen groͤßtentheils nur aus schattigen Alleen, sind uͤbrigens ohne alle kuͤnstliche Verzierungen angelegt, aber wohl mit Wasser versehen, und verdienen wegen der großen Ordnung, worinn sie gehalten werden, hier einer Erwaͤhnung. In dieser Gegend befinden sich auch die Scheuern der Compagnie, und etwas weiter hin ist eine Brauerey, die ei- nem Privatmann zugehoͤrt, der ein ausschließendes Recht hat, Bier fuͤrs Cap zu brauen; ferner liegt in einem schoͤnen Thale, an dieser Seite des Berges, eine Plan- tage, das Paradies genannt, die wegen ihres schoͤnen Gehoͤlzes und auch des- wegen merkwuͤrdig ist, weil sie einige Fruͤchte hervorbringt, welche eigentlich nur zwischen den Wendezirkeln wachsen, aber auch hier außerordentlich gut gerathen. Alphen , die Wohnung des Herrn Kersten , damaligen Commandeurs in False- bay , war der letzte Ort, den wir an dieser Seite besuchten. Hier wurden wir mit wahrhafter Gastfreyheit aufgenommen, welche der wuͤrdige Besitzer dieser Plantage aus Deutschland , seinem Vaterlande, mit hieher gebracht und unveraͤndert beybehalten hatte. Es war daher kein Wunder, daß wir die we- nigen Tage uͤber, welche wir in hiesiger Gegend verblieben, diesen Ort zum Mit- telpunct unsrer botanischen Creutzzuͤge machten. Wir waren auf diesen letztern sehr gluͤcklich und brachten immer so ansehnliche Ladungen mit nach Hause, daß wir im Ernste besorgt wurden, es moͤchte, alles unermuͤdeten Fleißes ohner- achtet, uns beyden allein, dennoch nicht moͤglich seyn, eine solche Menge von Pflan- zen zu sammlen, zu beschreiben, zu zeichnen und aufzubewahren, als wir in jenen unbesuchten Laͤndern zu finden hoften, und die dem Anschein nach groͤßtentheils noch neu und unbeschrieben seyn mußten. Wenn wir also keinen Theil der Naturhisto- rie vernachlaͤßigen wollten, so war es sehr wichtig fuͤr uns, einen geschickten Ge- huͤlfen zu finden; und wir sahen es daher als einen sehr gluͤcklichen Zufall an, einen Gelehrten, den Dr. Sparrmann , hier anzutreffen. Er hatte unter dem Vater der Kraͤuterkunde, dem großen Ritter Carl von Linné studirt, darauf eine Reise nach China , und eine zweyte nach dem Cap unternommen, um seine Erkaͤnntniß zu erweitern, Der Gedanke, in voͤllig unbekannten Laͤndern neue G 2 Forster’s Reise um die Welt 1772. Novem- ber. Schaͤtze der Natur einzusammlen, nahm ihn so ganz ein, daß er sich alsbald an- heischig machte mit uns um die Welt zu gehn, und wir haben, ich bin stolz darauf es zu sagen, diese ganze Zeit uͤber, einen warmen Freund der Naturge- schichte, einen erfahrnen Arzt und ein Herz an ihm gefunden, das der edelsten Gefuͤhle faͤhig und eines Philosophen wuͤrdig ist. Aber, statt der betraͤchtlichen physicalischen Entdeckungen, die bey Herrn Cooks erster Reise in einem neuen und so großen Lande als Neuholland ist, gemacht wurden, mußten wir uns, in Absicht der Naturgeschichte, mit einer ungleich eingeschraͤnktern Erndte auf einigen kleineren Inseln begnuͤgen, deren Producte wir noch dazu, theils wegen unsres kur- zen Aufenthalts, der oft nur wenige Stunden, Tage oder hoͤchstens Wochen dauerte, theils wegen der unschicklichen Jahrszeit, in welche derselbe fiel, sel- ten hinlaͤnglich untersuchen konnten. Waͤhrend unsers Hierseyns setzten unsre Leute neues Takelwerk auf, rei- nigten und besserten die Außenseiten des Schiffs aus, und nahmen Branntewein nebst andern Beduͤrfnissen fuͤr die Mannschaft, imgleichen etwas Schaafvieh fuͤr die Capitains und andre Officiers an Bord. Auch wurden etliche Widder und Mutter-Schaafe eingeschifft, die zu Geschenken fuͤr die Einwohner in der Suͤd-See bestimmt waren; allein die lange Dauer unsrer Reise und die Fahrt gegen den kalten Suͤd-Pol , brachten diese Thiere so herunter, daß jenes gute Vorhaben gaͤnzlich vereitelt ward. Um unsre Untersuchungen in der natuͤrlichen Geschichte zu erleichtern, und so viel moͤglich auf keinen Fall in Verlegenheit zu seyn, schafften wir uns hier auch einen Huͤnerhund an, damit, wenn auf der Jagd etwa ein Stuͤck Feder- oder andres Wildprett geschossen wuͤrde, und ins Wasser oder Buschwerk fiele, dieser Hund es heraus holen sollte. Es kostete indes- sen viel Muͤhe, ein solches Thier aufzutreiben, und wir mußten einen ungeheuren Preis dafuͤr bezahlen, ob er uns gleich hernachmals wenig Dienste that. Dieser Umstand moͤgte an und fuͤr sich sehr uͤberfluͤßig und geringfuͤgig scheinen; aber er beweiset wenigstens auf wie viele Kleinigkeiten, die dem Leser kaum beyfallen, ein Reisender achten muͤsse, der seine Zeit vollkommen nuͤtzen und auf alles vorbereitet seyn will. Am 22sten ward unser Gepaͤck an Bord gebracht, und auch noch dessel- ben Tages verließen wir die Tafel-Bay . Ehe ich in der Geschichte unsrer in den Jahren 1772 bis 1775. Begebenheiten fortfahre, will ich versuchen, eine kurze Nachricht von dem der- 1772. Novem- ber. maligen Zustande dieser hollaͤndischen Colonie zu geben; in Hoffnung, sie werde meinen Lesern Genuͤge thun, und gute Auskunft geben. Die suͤdlichste Spitze von Africa ward schon in den Zeiten des egyptischen Koͤnigs Necho und auch spaͤter, unter der Regierung von P t olomaͤus La- thyrus Siehe Schmidt Opusc. Diss. IV. de commerc. \& navig. Aegyptiorum pag. 160. vornemlich aber Schloͤtzers Handlungs-Geschichte S. 300. Herodotus sagt ausdruͤcklich: Afrika sey mit Wasser umgeben, und das sey durch Phoͤnicische Seeleute ausgefunden, wel- che Pharao Necho , von der rothen See abschickte und die hernach durchs mittellaͤndische Meer zuruͤck kamen. IV. 42. Strabo im zweyten Buche erwaͤhnt einer Expedition des Eudo- xus , um Africa , unter Ptolomaͤus Lathyrus ; und nach dem Plinius haben auch die Carthaginenser die Kuͤsten dieses großen Landes untersucht. Hist. nat. 11. 67. “Et Hanno Carthaginis potentia florente, circumvectus a Gadibus ad finem Ara- biæ , navigationem eam prodidit scripto.” Ob man gleich glauben muß, daß Hanno nie Africa umseegelt, weil das Gegentheil aus seinem Periplus erhellet. umschifft. In der Folge aber vergaß man sogar ihre Lage, dergestalt, daß sie durch Bartholomaͤus Diaz , einen portugiesischen Seemann im Jahr 1487. erst von neuem wieder entdeckt werden mußte. Vabio de Gama um- schiffte dieses Vorgebuͤrge im Jahr 1497. zuerst und fand diesen Weg nach In- dien , welches man damals beynahe fuͤr ein Wunder ansahe. Indessen blieb diese Entdeckung doch von den Europaͤern ungenutzt, bis im Jahr 1650, van Riebeck , ein hollaͤndischer Wundarzt, den Vortheil einsahe, welcher der hol- laͤndischen Compagnie zuwachsen muͤßte, wenn an diesem zwischen Europa und Indien sowohl gelegenen Orte eine Colonie angelegt wuͤrde. Er stiftete daher diesen Pflanz-Ort, der seitdem immer in den Haͤnden der Hollaͤnder und noch lange nach seinem Tode in bestaͤndigem Wachsthum und Flor geblieben ist. Der Gouverneur haͤngt unmittelbar von der Compagnie ab, und hat den Rang eines Edlen Herren , welcher Titel den Gliedern des obersten Raths zu Batavia gegeben wird. Er hat den Vorsitz in einem Rath, welcher aus dem Unter-Gouverneur, dem Fiscal, dem im Fort commandirenden Major, dem Secretair, dem Schatzmeister, dem Kellermeister und dem Buchhalter besteht. Jedes dieser Mitglieder hat einen Zweig von der Compagnie-Handlungsgeschaͤf- ten in besondrer Aufsicht. Von dem gesammten Rath haͤngen alle Civil- und G 3 Forster’s Reise um die Welt 1772. Novem- ber. Militaͤr-Sachen ab; doch hat der Unter Gouverneur noch ein Collegium, nem- lich den Justitz-Rath, unter sich, der aus den Mitgliedern der andern Departe- ments besteht, und die Criminal-Sachen untersucht. Um gar zu großen Einfluß oder Partheylichkeit so viel moͤglich zu vermeiden, duͤrfen in keinem Rath zwey Verwandte zugleich Sitz haben. Die Einkuͤnfte des Gouverneurs sind sehr ansehnlich, denn außer einem Fixo an Gehalt, freyer Wohnung, Ammeublement und allem was zum Haus- halt und zur Tafel gehoͤrt, hat er zehen Reichsthaler von jedem Faß ( Legger ) Wein, welches die Compagnie von den Landleuten kauft und nach Batavia fuͤhrt. Fuͤr ein solches Faß zahlt die Compagnie vierzig Thaler; davon aber bekommt der Landmann nur vier und zwanzig, das uͤbrige faͤllt den beyden Gouverneurs, und zwar zwey Drittheile dem ersten zu, deren jaͤhrlicher Ertrag sich zuweilen auf 4000 Thaler belaufen soll. Der Unter-Gouverneur hat alles zu besorgen, was der Compagnie-Handlungsgeschaͤfte allhier angeht, auch muß er alle Befehle un- terschreiben, welche an die unter ihm stehenden Departements ergehen. Er und der Fiscal haben den Rang von Ober-Kaufmann. Der Fiscal verwal- tet die Policey und laͤßt die Straf-Gesetze in Execution bringen. Sein Einkom- men besteht in Geldstrafen und in Auflagen auf gewisse Handlungs-Artikel; wenn er aber in Beytreibung derselben etwas zu scharf ist, so zieht er sich allge- meinen Haß zu. Die gesunde Politik der Hollaͤnder hat es gleichfalls fuͤr noͤ- thig befunden, den Fiscal zum Oberaufseher der andern Compagnie-Bedienten zu machen, damit diese dem Nutzen ihrer Herren nicht entgegen handeln, noch die Gesetze des Vaterlands aus den Augen setzen. Zu dem Ende ist er in Rechts- sachen gemeiniglich wohl erfahren und haͤngt lediglich von Holland ab. Der Ma- jor, (welche Stelle jetzt ein Herr von Prehn bekleidet, der uns uͤberaus viel Hoͤflichkeit erwieß,) hat den Rang eines Kaufmanns — ein Umstand, der uns sonderbar scheint, weil wir in allen europaͤischen Staaten daran gewohnt sind, daß das Militaͤr einen selbststaͤndigen Rang giebt, und der denen noch befrem- dender vorkommen muß, die den besondern Contrast kennen, welcher in diesem Stuͤck zwischen Holland und Rußland obwaltet, wo nemlich alle Staatsbedienten ohne Unterschied, sogar die Professoren auf den Universitaͤten, einen Militaͤr-Rang haben. Die Zahl der hiesigen regulaͤren Truppen besteht ohngefaͤhr aus 700 in den Jahren 1772 bis 1775. Mann, wovon 400 in dem bey der Stadt befindlichen Fort zur Besatzung lie- 1772. Novem- ber. gen. Die Einwohner, welche Waffen tragen koͤnnen, machen eine Militz von 4000 Mann aus, die, vermittelst einiger Signale groͤßtentheils in Zeit von we- nig Stunden, auf ihren angewiesenen Laͤrmplaͤtzen, zusammengebracht werden kann. Aus der vorgedachten Anzahl laͤßt sich ohngefaͤhr die Volksmenge der weißen Einwohner auf dieser Colonie bestimmen, die sich gegenwaͤrtig so weit ausge- breitet hat, daß die entferntesten Colonisten uͤber vier Wochen reisen muͤssen, ehe sie das Cap erreichen koͤnnen. Man darf aber von dem großen Umfang, worinn sich diese Plantagen ausgebreitet haben, keinesweges auf ihre Anzahl schlies- sen, denn zumal die aͤußersten derselben, liegen bisweilen ganze Tagereisen weit von einander, und sind von verschiedenen hottentottischen Nationen umgeben, daher sie denn auch nur gar zu oft empfinden, daß ihre eigne Regierung sie in so weiter Entlegenheit nicht schuͤtzen kann. Gegen einen weißen Einwohner zaͤh- let man hier fuͤnf und mehr Sclaven, und die vornehmsten Personen am Cap halten deren oft zwanzig bis dreyßig. Im Gantzen haben es diese Leibeignen gut genug, und wenn ihre Herren Gefallen an ihnen finden, so bekommen sie recht gute Kleider, doch muͤssen sie alle, ohne Ausnahme, barfuß einher gehen, indem ihre Herren sich Schuh und Struͤmpfe zu einem Unterscheidungs-Zeichen vorbehalten. Diese Sclaven werden hauptsaͤchlich von Madagascar gebracht, wohin gemeiniglich alle Jahre ein kleines Schiff von hier aus auf diesen Handel abgeschickt wird. Doch giebt es auch außer diesen eine Menge von Malayen, Bengalesen und einige Negers unter ihnen. Die Colonisten bestehen aus hollaͤn- dischen Familien, aus franzoͤsischen Protestanten, groͤßtentheils aber aus Deut- schen. Der Character der Einwohner in der Stadt ist sehr gemischt. Sie sind fleißig, aber leben dabey gut; gesellig und gastfrey, aber ohne sich dadurch hin- dern zu lassen, mit Vermiethung ihrer Zimmer eine Art von Wucher zu trei- ben Die Bedingungen finden sich in Cooks voriger Reise, S. Hawkesworths Geschichte der engl. See Reisen in 4. dritter Band, pag. 401. Die Glieder des Raths machen hier- inn eine Ausnahme. , und von den Officiers der Kanffarthey-Schiffe ansehnliche Geschenke an fremden Zeugen und andern Waaren zu erwarten. Es fehlt ihnen gewisser- maßen an Gelegenheit, sich Kenntnisse zu erwerben, denn auf dem ganzen Cap Forster’s Reise um die Welt 1772. Novem- ber. ist keine einzige Schule von einiger Bedeutung. Die Soͤhne werden daher ge- meiniglich nach Holland geschickt; die Erziehung der Tochter aber ist fast ganz ver- nachlaͤßigt. Ihre Abneigung gegen das Lesen und der Mangel oͤffentlicher Ver- aͤnderungen, macht, daß ihre Gespraͤche nichts weniger als unterhaltend ausfallen und gemeiniglich auf Klatschereyen hinaus laufen, die hier so bitter sind als sie in allen kleinen Staͤdten zu seyn pflegen. Franzoͤsisch, Englisch, Portugiesisch und Malayisch wird hier haͤufig gesprochen und viele Frauenzimmer wissen alle diese Sprachen. Dies und ihre Geschicklichkeit im Singen, Lautenspielen und Tan- zen, nebst einer angenehmen Bildung, die hier nicht selten ist, tritt einigermas- sen an die Stelle feiner Sitten und Sentiments, die ihnen gemeiniglich fehlen. Doch giebts unter den Vornehmern, sowohl des einen als des andern Ge- schlechts, Personen, deren Betragen, weitlaͤuftige Lectuͤr und großer Verstand selbst in Europa nicht unbemerkt und unbewundert bleiben wuͤrde Ohne Ungerechtigkeit duͤrfen wir nicht vergessen, hier vorzuͤglich zu nennen, den Gou- verneur Baron Joachim von Plettenberg , einen Herrn, der durch seine Gastfrey- heit und Gespraͤchigkeit seiner Nation Ehre macht; Herrn Hemmy , den zweyten Gou- verneur, und seine Familie; Herrn von Prehn , den Major; den Herrn Secretarius Bergh , einen Mann von Wissenschaft und edler philosophischer Denkungsart, dessen Fa- milie durch Schoͤnheit und Verstand sich von der ganzen Capischen Jugend auszeichnet; Herrn Kersten ; Herrn de Wit , und unsern wuͤrdigen Hauswirth, Herrn Christoph Brandt , Commandeur von Falsebay — alle insgesammt mit ihren Familien. Es ist eine wahre Freude, so vieler schaͤtzbaren Glieder der Gesellschaft und so vieler Menschen- freunde Andenken zu erhalten. Da alle Lebensmittel außerordentlich wohlfeil sind, so befinden sich die Leute fast durchgaͤngig in guten Gluͤcksumstaͤnden, doch giebt es hier keine so großen Reichthuͤmer als in Batavia zu erwerben; denn wie man mir sagte, so hat am Cap der reichste Mann nicht uͤber 100,000 Thaler (oder uͤber 20,000 Pfund Sterling) im Vermoͤgen. Auf dem Lande sind die Leute schlicht und recht und gastfrey. In den entferntesten Gegenden, von daher sie selten zur Stadtkommen, sollen sie sehr un- wissend seyn; welches sich leicht begreifen laͤßt, weil sie keine Gesellschaft als Hottentotten haben, und oft etliche Tagereisen weit auseinander wohnen. Wein- bau in den Jahren 1772 bis 1775. bau wird nur in denjenigen Plantagen getrieben, die innerhalb einiger Tagerei- 1772. Novem- ber. sen von der Stadt entfernt liegen. Hier wurden sie bereits von den ersten Co- lonisten angelegt, deren Familien sie auch erb- und eigenthuͤmlich zugehoͤren. Jetzt aber giebt die Compagnie nichts mehr auf Erbe, sondern verpachtet die Laͤndereyen nur jahrweise, und obgleich der Pachtzins sehr maͤßig ist, indem fuͤr 60 Aecker oder Morgen Landes nicht mehr als 25 Thaler entrichtet werden, Der Acker oder Morgen Landes besteht hier aus 666 rheinischen Quadrat-Ruthen, und die Ruthe haͤlt 12 Fus. Das Verhaͤltniß des rheinischen zum englischen Fus ist wie 116. zu 120. so hindert dies dennoch die Anlage neuer Weinberge. In den entfernteren Plautagen wird daher auch nur Korn und Vieh gezogen, und einige Colonisten geben sich bloß mit der Viehzucht allein ab. Diese muß oft sehr ins Große gehen, denn wir hoͤrten von zween Paͤchtern, deren jeder 15000 Schaafe und verhaͤltnißmaͤßige Heerden von Hornvieh halten soll. Naͤchst diesen giebt es viele die 6 bis 8000 Schaafe haben und große Heerden davon zur Stadt trei- ben; aber Loͤwen, Buͤffels und die Beschwerlichkeiten einer so weiten Reise, vermindern diese Triften oft, ehe sie solche bis auf den Marktplatz bringen koͤnnen. Sie nehmen bey dergleichen Gelegenheiten gemeiniglich ihre Familien mit sich, und bedienen sich hiezu großer Wagen, die mit Leinewand oder Leder, uͤber Ton- nenbaͤnder ausgespannt, bedeckt sind und von 8. 10 oder gar 12 Paar Ochsen gezogen werden. Außer dem Schlachtvieh bringen sie auch Butter und Schaaf- talg; imgleichen das Fleisch und die Haut vom Flußpferd oder Hippopotamus, nebst Loͤwen und Rhinoceros-Fellen zu Markte. Zu Bestellung ihrer Feld- und Viehwirthschaft, halten sie sich zum Theil Sclaven, miethen sich auch gemei- niglich noch einige aͤrmere Hottentotten dazu, und zwar, wie man uns sagte, von dem Stamm der sogenannten Boschmans oder Waldmenschen, die kein eignes Zuchtvieh haben, sondern sich von Jagd und Raub naͤhren. Reiche Paͤchter helfen Anfaͤngern dadurch auf, daß sie ihnen eine Heerde von 4 bis 500 Schaa- fen anvertrauen, um solche auf entlegene, gute Weiden zu treiben; dafuͤr lassen sie ihnen die Haͤlfte der Laͤmmer, und so werden sie in kurzem eben so reich als ihre Wohlthaͤter. Ob gleich die Compagnie dadurch, daß sie sich das Grundrecht und Ei- genthum der Laͤndereyen allein vorbehaͤlt, den neuen Colonisten offenbar keine Forster’s Reise u. d. W. erster Th. H Forster’s Reise um die Welt 1772. Novem- ber. Ermunterung giebt, so hat es der Fleiß dieser letztern dennoch so weit gebracht, daß sie seit einiger Zeit Isle de France und Bourbon mit Korn versehen, ja fogar verschiedne Ladungen nach Holland geschickt haben. Diese Ausfuhr wuͤrde ohne Zweifel zu bessern Preisen geschehen koͤnnen, wenn die Plantagen nicht so weit ins Land hinein laͤgen; denn alles Korn muß zur Axe und auf sehr boͤsen Wegen bis nach Tafelbay gebracht werden. Man darf sich indessen nicht wundern, daß die Plantagen so tief ins Land und so weit auseinander liegen, und daß es zwischen denselben große Bezirke giebt, die ganz wuͤste sind, da sie doch zum Theil angebauet werden koͤnnten. Die Compagnie will es gerade so haben; denn sie hat ausdruͤcklich verordnet, daß kein Colonist sich innerhalb ei- ner deutschen Meile von der naͤchsten Plantage anbauen solle. Staͤnde diese Co- lonie unmittelbar unter den General-Staaten, so wuͤrde sie zweifelsohne ungleich volkreicher seyn und sich laͤngst großen Reichthum und Ansehen erworben haben, wozu jetzt keine Aussicht ist; aber eine Handlungsgesellschaft von ostindischen Kaufleuten findet ihre Rechnung besser dabey, das Land-Eigenthum fuͤr sich zu behalten und dem Colonisten die Fluͤgel zu beschneiden, damit er nicht zu groß und zu maͤchtig werden moͤge. Der Wein, welcher auf dem Cap gebauet wird, ist von unendlich verschie- denen Sorten. Der beste faͤllt auf Herrn Van der Spy’s Plantage zu Con- stantia , und den kennt man in Europa groͤßtentheils wohl nur vom Hoͤrensagen, denn es werden jaͤhrlich, hoͤchstens nur 30 Faß (Legger Ein Legger ist ohngefaͤhr 108 Gallons englisches Maßes, davon jedes 4 ordinaire Bou- teillen giebt. ) davon eingeerndtet, und jedes wird auf der Stelle zu ohngefaͤhr 50 Pfund Sterling, das ist, 300 Thaler verkauft. Die Stoͤcke von denen er kommt, sind urspruͤnglich von Schi- ras , in Persien , hieher gebracht. Was wir in Europa fuͤr aͤchten Constantia trin- ken, sind andere suͤße Weine, die in denen zunaͤchst an der Constantia gelegenen Weinbergen wachsen. Man hat auch versucht, Reben vom Burgunder-Wein aus Frankreich , desgleichen Frontingac und Muscatellerstoͤcke von eben daher, hier anzupflanzen, und die sind alle so gut eingeschlagen, daß das Gewaͤchs zuwei- len das franzoͤsische uͤbertrifft. In den vornehmern Haͤusern ist der gewoͤhnliche Tischwein, eine Art von Sect oder trocken Beerenwein, der von Madera-Reben in den Jahren 1772 bis 1775. hier gezogen wird und eine leichte, angenehme Schaͤrfe hat. Geringere, nicht 1772. Novem- ber. unangenehme Sorten, fallen in großer Menge und sind sehr wohlfeil, so, daß die Matrosen der Ostindienfahrer sich gemeiniglich etwas rechtes damit zu gut thun. Das Land versieht die Schiffe aller Nationen die hier anlegen, mit Lebens- mitteln. Korn, Mehl, Schiffs-Zwieback, gepoͤkelt Rindfleisch, Branntewein und Wein sind im Ueberfluß und zu billigen Preisen zu haben, und das frische Gar- tengewaͤchs, Vornemlich sind die Weintrauben und Orangen hier ganz unvergleichlich. imgleichen das Obst, welches hier gezogen wird, sind, nebst dem guten Hammel- und Rindfleisch, vortrefliche Erfrischungsmittel fuͤr diejenigen, die von weiten Reisen kommen. Das Clima ist dabey so gesund, daß die Ein- wohner selten kranken, und daß Fremde, vom Scorbut und andern Krankheiten, sich sehr leicht erholen. Der Winter ist so gelinde, daß bey der Stadt fast nie- mals Eis zu sehen ist; auf den Bergen aber, vornemlich weit ins Land, giebts harten Frost mit Schnee- oder Hagelstuͤrmen, und die scharfen Suͤdost- winde bringen ihnen sogar im November, welches hier Fruͤhling ist, manchmal noch Nachtfroͤste zuwege. Schnupfen und Verkaͤltungen sind die einzigen gewoͤhnli- chen Plagen und entstehen von der schnellen Veraͤnderung der Luft bey starken Win- den, denen das Cap zu allen Jahrszeiten unterworfen ist. Der Hitze ohnerachtet, welche zuweilen ausnehmend ist, haben die Ein- wohner hollaͤndischer Herkunft ihre angebohrne, eigenthuͤmliche Gestalt und Bil- dung beybehalten. Sie sind durchgehends dick und fett, wozu ihr gutes Leben nicht wenig beytragen mag. Die Hottentotten oder urspruͤnglichen Landes-Einwohner, haben sich in die innern Gegenden des Landes zuruͤckgezogen, so daß ihr naͤchstes Kraal oder Dorf fast hundert englische Meilen von der Stadt am Cap entfernt ist. Dennoch kommen sie bisweilen hieher, theils um ihr eignes Vieh zum Verkauf zu bringen, theils um den hollaͤndischen Paͤchtern, ihre Heerden zu Markt treiben zu helfen. Wir hatten keine Gelegenheit, neue Beobachtungen uͤber dies Volk zu machen; denn wir sahen nur einige wenige einzelne Personen von ihnen, an deren kei- ner wir etwas fanden, das Peter Kolbe nicht schon bemerkt haben sollte. Daß die ausfuͤhrlichen Nachrichten dieses einsichtsvollen Mannes der Wahrheit gemaͤß H 2 Forster’s Reise um die Welt 1772. Novem- ber. waͤren, bestaͤtigten nicht nur die vornehmsten hiesigen Einwohner durch ihr Zeug- niß, sondern wir fanden auch Gelegenheit, uns zum Theil durch eigne Unter- suchungen, von der Richtigkeit seiner Beobachtungen zu uͤberzeugen. In man- cher Absicht war auch schon auf Cooks erster Reise ein gleiches geschehen, woruͤber man Hawkesworth’s Gesch. der engl. See-Reisen in 4. dritter Band p. 405 ꝛc. nachlesen kann. Zwar ist Kolbe von einigen Sachen uͤbel unterrichtet gewe- sen, und manches, was die Colonie betrifft, scheint jetzo ganz anders zu seyn als es zu seiner Zeit war; aber bey dem allen ist er noch immer der beste unter den Geschichtschreibern des Caps , und also verweisen wir unsere Leser auf ihn. Der Abt la Caille , ein franzoͤsischer Astronom, haͤtte daher auch in der Be- schreibung seiner Reise (die kurz nach ihres Verfassers Tode bekannt gemacht wor- den ist) den Credit von Kolbens Nachrichten nicht zu schwaͤchen suchen sollen, zu- mal da er uns an ihrer Stelle nichts besseres geliefert hat. Sein Werkchen ist uͤbrigens so seicht abgefaßt, daß wir desselben hier gar nicht erwaͤhnt haben wuͤrden, wenn Recht und Billigkeit nicht forderten, Kolben als einen treuen und genauen Beobachter zu rechtfertigen. Der Abt wohnte am Cap unter einer Fa- milie, die nicht zu jenen gehoͤrte, welche es ehemals mit Kolben gehalten und ihm wohl gewollt hatten. Er hoͤrte ihn also herabsetzen, so oft sich die Gelegenheit dazu ereignete, und schrieb getreulich alles nieder, um sich auf seine Kosten wichtig zu machen — Nul n’aura d’esprit, Hors nous \& nos amis. Boileau . — Die suͤdliche Spitze von Africa , bestehet aus einer Masse hoher Berge; davon die zunaͤchst am Meere gelegenen, schwarze, steile und unfruchtbare Granit- felsen sind, in denen man weder fremde Coͤrper, als versteinerte Muscheln und dergleichen, noch Laven-Arten oder andere Spuhren von ehemaligen Vulcanen findet. An den angebaueten Orten bestand das Erdreich aus Thon mit etwas Sand und kleinen Steinen vermischt; aber gegen False-Bay hin, haben fast alle Plantagen sandigen Boden. In der Colonie Stellenbusch soll das Erd- reich unter allen am fruchtbarsten seyn, und die Pflanzungen dort besser als an- in den Jahren 1772 bis 1775. drer Orten gerathen. Besonders ruͤhmte man, daß die europaͤischen Eichen 1772. Novem- ber. dort gut fortkaͤmen, und nebst einem stattlichen Ansehen auch eine betraͤchtliche Hoͤhe erreicht haͤtten. Bey der Stadt hingegen wollen sie nicht recht fort; denn die groͤßten, die wir daselbst sahen, waren nicht uͤber dreyßig Fuß hoch. In den weiter Land-einwaͤrts gelegenen Bergen giebt es ohne Zweifel Metall, be- sonders Eisen und Kupfer; von diesen beyden Erzarten zeigte uns Herr Hemmy etliche Stufen vor, und da verschiedene Staͤmme der Hottentotten sie zu schmel- zen wissen, so muͤssen sie reichhaltig und leicht in Fluß zu bringen seyn. Man findet auch im Innern des Landes heiße Quellen, darunter vorzuͤglich eine ist, deren sich die Einwohner am Cap bedienen, weil sie nur drey Tagereisen weit von der Stadt liegt. Sie soll gegen Krankheiten der Haut und andre Zufaͤlle gut seyn, und muß also wohl viel Schwefel enthalten. In dem Pflanzenreiche herrscht hier eine verwundernswuͤrdige Man- nigfaltigkeit. Ohngeachtet wir uns gar nicht lange allhier auf hielten, fanden wir dennoch verschiedne neue Arten, und zwar nahe bey der Stadt, wo wir sie gerade am wenigsten vermuthet haͤtten. So betraͤchtlich daher auch die Samm- lungen unsrer bisherigen Kraͤuterkenner in diesem Lande ausgefallen sind, so ha- ben Dr. Sparrmann und der gelehrte Dr. Thunberg Ein geschickter Schuͤler des Herrn von Linné , der zuerst D. Burmans Kraͤuter- sammlung zu Leyden in Ordnung brachte, darauf drey Jahre lang am Kap botanisirte, und, nach mancher daselbst gemachten neuen Entdeckung, auf Kosten der Ostindischen Com- pagnie nach Batavia geschickt ward, um von da im Jahr 1775 nach Japan zu gehen. Auf D. Sparrmanns Bitte nahm er Herrn Franz Masson , einen Unter-Gaͤrtner des Koͤniglichen Gartens zu Kew , mit auf seine botanischen Reisen am Cap . Dieser Masson war an Bord der Resolution nach dem Cap gesandt worden, um sowohl frische Pflan- zen als auch Gesaͤme fuͤr den Koͤniglichen botanischen Garten, nach England zu bringen. D. Thunberg lehrte ihn was merkwuͤrdig war, und er ist mit einer reichen Erndte nach England zuruͤckgekommen. doch noch mehr als Tau- send ganz neue Arten hier augetroffen . Das Thierreich ist verhaͤltnißmaͤßig eben so reich. Die groͤßten vierfuͤßigen Thiere, der Elephant, das Rhinoceros und die Giraffe oder das Camelopardalis sind in dieser Spitze von Africa zu Haus. Die beyden ersten Arten fanden sich sonst innerhalb der naͤchsten funfzig Meilen von der Stadt; sie sind aber so haͤufig gejagt und verfolgt worden, daß sie jetzt, H 3 Forster’s Reise um die Welt 1772. Novem- ber. viele Tagereisen weit jenseits der Stadt, nur noch selten zum Vorschein kommen. Das Nashorn besonders ist so rar geworden, daß das Gouvernement sogar eine Verordnung hat ergehen lassen muͤssen, um desselben gaͤnzliche Ausrottung zu verhindern. Das Flußpferd (Hippopotamus) wird hier Seekuh genannt und war ehedem ohnweit der Stadt, schon in Saldanha-Bay anzutreffen, jetzt aber ist es ebenfalls so selten geworden, daß, kraft obrigkeitlichen Verboths, innerhalb einer großen Entfernung vom Cap keines mehr geschossen werden darf. Ohner- achtet dies Thier, seinem Nahmen nach, im Wasser leben sollte, so naͤhrt es sich doch blos von Kraͤutern, und soll nur auf kurze Zeit, auch nie auf groͤßere Strecken als ohngefaͤhr auf dreyßig Schritt weit, untertauchen koͤnnen. Das Fleisch wird hier zu Lande gegessen und fuͤr einen Leckerbissen gehalten, gleichwohl schmeckte es mir nicht besser als festes Rindfleisch, das Fett aber hat mit Mark viel Aehnlich- keit. Zu den uͤbrigen großen Thieren, die es allhier giebt, gehoͤrt auch der Wil- de Buͤffel , dessen Hoͤrner fast wie die vom americanischen wilden Ochsen ( bison ) aussehen, woruͤber man die im neunten Theile von Buͤffons Naturgeschichte be- findliche Abbildung vergleichen kann. Sie halten sich jetzt ebenfalls nur in den entlegnern Gegenden auf und sollen von ausnehmender Staͤrke und Wildheit seyn. Die Bauern werden dies zu ihrem Schaden inne, denn sie fallen die Heerden oͤfters an, und bringen das Vieh um, indem sie es mit den Fuͤßen zertreten. Dr. Thunberg verlohr durch einen Anfall dieser Thiere seine Pferde, und sein Begleiter, der hollaͤndische Compagnie-Gaͤrtner, hatte kaum noch Zeit, sich zwi- schen zwey Baͤume zu retten. Ein junger dreyjaͤhriger Ochs dieser Art, wel- cher dem Unter-Gouverneur zugehoͤrte, ward mit sechs zahmen Ochsen vor einen Wagen gespannt, aber sie waren zusammen genommen nicht vermoͤgend ihn aus der Stelle zu bringen. Außer diesem Buͤffel-Geschlecht giebt es noch eine andre Art wilder Ochsen, welche von den Eingebohrnen Gnu genannt werden. Sie haben duͤnne kleine Hoͤrner, Maͤhnen, und Haarbersten an der Nase und den Wammen; und scheinen wegen ihres feinen Baues eher zum Pferde- und Ante- lopen- als zum Ochsen-Geschlecht zu gehoͤren. Wir haben Zeichnungen und Be- schreibungen von diesem Thiere gemacht, davon auch eins fuͤr die Menagerie des Prinzen von Oranien lebendig nach Europa verschickt worden ist. Naͤchst allen vorgedachten Thieren ist dieser Welttheil auch von jeher als das Vaterland des in den Jahren 1772 bis 1775. schoͤnen Gazellen- oder Antelopen-Geschlechts Nur wenige Arten, die sich in Indien und andern Theilen von Asien finden, und eine einzige, die in Europa anzutreffen, sind hiervon auszunehmen. Die verschiedenen Ar- ten derselben, welche es am Cap giebt, sind alle vorzuͤglich, entweder wegen der zierlichen Bildung, oder wegen der Farbe, oder wegen der Hoͤrner oder auch wegen der Groͤße. Der Cuhduh oder Kolbens Bock ohne Namen , wovon dem Anschein nach Buͤffons Condoma entstanden, ist der Strepsiceros des Linnaͤus und Pallas . Er ist so groß als ein Pferd und soll ungemein hoch springen koͤnnen. Das Cap-Elendthier des Kolbe , oder Pallas Antelope oryx, ist ohngefaͤhr von der Groͤße eines Hirsches. Der bonte bock (oder der bunte Bock ) ist die Antelope scripta beym Pallas . Die Antelope, welche am Cap sehr uneigentlich Hirsch genannt wird, ist des Pallas Antelope bubalis. Die egyptische Antelope oder Gazella des Linnaͤus und Pallas , oder Buͤffons pasan, wird hier Gemsbock genannt, mit welchem sie doch nicht die mindeste Aehnlichkeit hat. Die blaue Antelope ( blauwe bock ) ist wirklich blauer Farbe, verliert aber den blauen, sam- metartigen Schein der Haare so bald sie todt ist. Der Springbock , welches eine schoͤne Art ist und beym Pallas pygargus heißt, haͤlt sich in den innern Theilen von Africa auf. Man findet sie in großen Heerden bey einander, die im Sommer, des Wassers und des Futters wegen, nach Suͤden ziehen, aber von ganzen Haufen Loͤwen, Panthern, Hyaͤ- nen und Jackals verfolgt werden. Ein Thier dieser Art hatten wir bey unserer Ruͤck- kunft nach England die Ehre Ihro Majestaͤt der Koͤnigin lebendig zu uͤberreichen Zwey kleine Arten, ohngefaͤhr so groß als Dannhirsche, nebst verschiedenen noch nicht genug beschriebnen Spiel-Arten geben fuͤr die hiesigen vornehmen Einwohner ein wohlschme- ckendes Wildpret ab. Der Duyker oder die Tauch-Antilope wird so genannt, weil sie sich auf der Jagd im Buschwerk niederduckt und nur von Zeit zu Zeit wieder hervor- kommt; auch diese ist noch nicht hinlaͤnglich bekannt, und der hiesige Rehbock verdient ebenfalls noch genauer untersucht zu werden. angesehn worden, von des- 1772. Novem- ber. sen vielfachen Arten, wir laͤngst eine richtigere Kenntniß wuͤrden bekommen haben, wenn die verschiedenen, zum Theil unschicklichen Nahmen, die man ihnen hin und wieder beygelegt hat, solches nicht verhindert und erschweret haͤtten. An reise senden Raubthieren fehlt es dem Cap auch nicht, und die Colonisten koͤnnen sich nicht Muͤhe genug geben sie anszurotten . Loͤwen, Leoparden, Tieger-Katzen, ge- streifte und fleckichte Hyaͤnen, (S. Pennants Synopsis Quadr. ) Jackals und andre dergleichen Thiere, naͤhren sich hauptsaͤchlich von Antelopen, Hasen, Jer- bua’s, Cavia’s und kleinen viersuͤßigen Thieren, wovon das Land uͤberall voll ist. Die Anzahl der Voͤgel ist ebenfalls sehr groß und viele derselben sind mit den schoͤnsten Farben gezeichnet. Forster’s Reise um die Welt 1772. Novem- ber. Ich habe hier eine Veranlassung noch einmal auf Kolben zuruͤckzukom- men. Er sagt unter andern, daß es Schwalben allhier gebe, und das ist ohn- laͤugbar, denn wir haben selbst zweyerley Arten davon gesehen. Der Abt la Caille hingegen findet fuͤr gut, Kolben in diesem Punkt zu widersprechen, wahr- scheinlicherweise bloß darum, weil ihm selbst keine zu Gesicht gekommen sind. Eben so irrt sich der Abt auch in Ansehung des Knorrhahns ; dieser gehoͤrt keinesweges zu den gelinottes oder grous, d. i. Birkhaͤhnen, wie er behau- pten will; sondern es ist eine africanische Trappe ( bustard. ) Ueberhaupt wuͤrde es sehr leicht seyn, fast jeden Urtheilsspruch des Abts gegen Kolben , zu ent- kraͤften, wenn sein unbedeutendes Werklein so viel Achtung verdiente. Von kriechenden Insecten allerley Art, von Schlangen, worunter einige deren Biß toͤdtlich ist, und von unterschiedlichen anderm Gewuͤrm, wimmelt es gleich- sam am Cap ; auch sind die Kuͤsten reich an wohlschmeckenden Fischen, davon viele den Naturkuͤndigern noch unbekannt sind. Mit einem Wort, so große Reichthuͤmer des Pflanzen- und Thierreiches auch jetzt schon aus Africa ge- bracht sind, so giebt es doch in dessen inneren, fast noch ganz unbekannten Theilen noch große Schaͤtze fuͤr die Natur-Wissenschaft, und fuͤr den Beobachtungs- geist eines zweyten Thunbergs oder zweyten Bruces . Viertes in den Jahren 1772 bis 1775. Viertes Hauptstuͤck. Reise vom Cap nach dem antarctischen Zirkel; erste Fahrt in hoͤhere suͤdliche Breiten; Ankunft auf der Kuͤste von Neu-Seeland . A m 22sten November Nachmittags um 4 Uhr, seegelten wir aus Tafelbay 1772. Novem- ber. und begruͤßten beym Abschiede das Fort. Das unruhige Element, dem wir uns nunmehro von neuem anvertrauten, bewillkommte uns auf keine ange- nehme Art, denn wir hatten die ganze Nacht uͤber mit heftigen Stoßwinden zu kaͤmpfen. Die See leuchtete jetzt auf eben die Art, als wir bey unsrer Ankunft gesehen hatten, aber nicht so stark als damals. Am folgenden Tage um 8 Uhr des Morgens verlohren wir das Cap aus dem Gesicht und liefen gegen Suͤden. Da wir jetzt auf einer Reise begriffen waren, die noch Niemand vor uns unter- nommen hatte, auch nicht wußten, wenn, oder wo wir einen Erfrischungs-Ort finden wuͤrden, so gab der Capitain die gemessensten Befehle, daß mit dem Trink- wasser gut hausgehalten werden sollte. Zu dem Ende ward eine Schildwache an das Wasserfaß gestellt und von dem Schiffsvolk bekam der Mann taͤglich ein gewisses Maas zugetheilt. Außerdem durfte ein jeder auch noch beym Faß trinken, aber nichts mit sich nehmen. Der Capitain selbst wusch sich mit See- wasser und unsre ganze Reisegesellschaft mußte sich ein gleiches gefallen lassen. Auch ward die von Herrn Irving verbesserte Destillir-Maschine bestaͤndig im Gange erhalten, um die taͤgliche Abnahme des suͤßen Wassers wenigstens in et- was wieder zu ersetzen. Den 24sten Nachmittags fiengen wir bey schoͤnem gemaͤßigtem Wetter, nach vorhergegangenen harten Sturm, neun Albatrosse an Schnur und Angeln, welche man mit einem Stuͤckchen Schaafs-Fell besteckt hatte. Einige dieser Voͤ- gel maaßen, von einer Spitze des ausgebreiteten Fluͤgels zum andern, uͤber zehen Fuß. Das Gefieder der juͤngern war mit vielen braunen Federn vermischt; die ausgewachsenen aber waren ganz weiß, bis auf die Fluͤgel, die schwaͤrzlich und an dem obern Gelenke mit schwarzen Strichen gestreift auch mit einzelnen Federn schwarz gesprenkelt waren. An eben diesem Tage ließ sich, eine kleine Weile uͤber, Forsters Reise u. d. W., erster Th. J Forster’s Reise um die Welt 1772. Novem- ber. ein großer brauner Fisch, der mit dem Sonnen-Fisch ( tetrodon mola ) viel Aehnlichkeit hatte, neben dem Schiffe sehen. Am 29sten ward der Wind, welcher seit den drey vorhergehenden Tagen sehr stuͤrmisch gewesen war, so heftig, daß wir vier und zwanzig Stunden lang nur allein das Fock-Seegel fuͤhren konnten. Zugleich gieng die See fuͤrchterlich hoch und brach oft uͤber dem Schiffe. Wer kein Seemann war, wußte sich in diese neue Lage gar nicht zu schicken, und da wir auf der Ueberfahrt von England bis zum Cap ganz besonders gutes Wetter gehabt hatten, so waren auch jetzt noch in keiner Cajuͤtte Anstalten gegen solche Stuͤrme vorgekehrt worden. Das hef- tige Hin und Herschwanken des Schifs richtete daher taͤglich schreckliche Verwuͤ- stungen unter unsern Tassen, Glaͤsern, Bouteillen, Tischen, Schuͤsseln und an- dern Geschirr an; allein, die lustigen Auftritte, welche bey dieser allgemeinen Berwirrung vorfielen, und bey denen man sich des Lachens ohnmoͤglich enthalten konnte, machten uns, gegen diesen in unsrer Lage unersetzlichen Verlust, gelaßner als wir ohne dies wohl nicht geblieben seyn moͤchten. Das uͤbelste dabey war, daß die Decken und Fußboͤden in allen Cajuͤtten gar nicht trocken wurden, und das Heulen des Sturms im Tauwerk, das Brausen der Wellen, nebst dem ge- waltigen Hin- und Herwerfen des Schifs, welches fast keine Beschaͤftigung ver- stattete, waren neue und fuͤrchterliche Scenen, aber zugleich hoͤchstbeschwerlich und hoͤchst unangenehm. Hiezu kam noch, daß, ohnerachtet wir uns erst im 42 Grade suͤdlicher Breite befanden, die Luft doch schon sehr kalt und scharf zu wer- den anfieng, gleichwie auch der haͤufige Regen dem Schiffsvolk den Dienst noch schwerer machte. Um nun die Leute einiger maßen gegen die rauhe Witterung zu schuͤtzen, ließ der Capitain die Kleider unter sie austheilen, welche zu dem Ende, auf Kosten der Admiralitaͤt, ausdruͤcklich waren angeschaft worden. Ein jeder, der, im Dieust des Schiffs, dem Ungestuͤm des suͤdlichen Clima ausgesetzt seyn mußte, vom Lientenant an bis zum gemeinsten Matrosen, bekam ein Wamms und ein Paar lange Schifferhosen vom dicksten wollnen Zeuge oder starken Flannel, fearnought genannt, welche die Naͤsse lange abhielten, und eben so wie alle uͤbrige Artikel, welche die Admiralitaͤt von Lieferanten schaffen laͤßt, nur den ein- zigen Fehler hatten, daß sie fast durchgehends zu kurz oder zu knapp waren. Das Elend, womit das arme Schiffsvolk des Herrn von Bougainville , aus Man- in den Jahren 1772 bis 1775. gel gehoͤriger Kleidung kaͤmpfen mußte, zeiget augenscheinlich, daß die englischen 1772. Novem- ber. Seeleute auch in dieser Absicht ungleich besser dran sind. Von ihrer billig und menschenfreundlichgesinnten Landesregierung, koͤnnen sie sich uͤberall, besonders bey gefaͤhrlichen Expeditionen darauf verlassen, mit allem versorgt zu werden, was sie gegen die Gefahren der See schuͤtzen und was in Widerwaͤrtigkeiten ihren Muth aufrecht erhalten kann. Wenn hingegen in einem Staate diese Aufmerk- samkeit fehlt und der Matrose gewahr wird, daß man sich nicht mit einer Art von Theilnehmung um ihn bekuͤmmert; so wird er unwillig und muthlos im Dienst werden und sich der Verzweiflung mit allen ihren schrecklichen Folgen uͤber- lassen, so bald eine Pruͤfungsstunde einfaͤllt, die auf diesem Elemente doch so selten ausbleiben, und aus denen der entschlossene Muth und der gute Wille des Schiffsvolks oft nur allein retten koͤnnen. Einen solchen critischen Augenblick erlebten wir diese Nacht. Ein Unterofficier, der in dem Vordertheile des Schiffraums schlief, erwachte von ohngefaͤhr und hoͤrte Wasser durch seine Schlafstelle rauschen, das gegen seine und seiner Cameraden Kisten heftig an- stieß; er sprang sogleich zum Bette heraus und fand sich bis an die Waden im Wasser. Augenblicklich gab er dem Officier auf der Hinterdecke Nachricht von diesem fuͤrchterlichen Umstande und in wenig Minuten war im ganzen Schiffe al- les wach und in Bewegung. Man fieng an zu pumpen und die Officiers redeten den Leuten mit einer ungewohnten und daher bedenklichen Guͤtlichkeit Muth ein, daß sie nicht nachlassen sollten, aus allen Kraͤften zu arbeiten. Dennoch schien das Wasser uͤberhand zu nehmen. Jedermann war in Furcht und Schrecken und die Dunkelheit der Nacht vergroͤßerte nur die Abscheulichkeit unsrer Lage Ponto nox incubat atra Præsentemque viris intentant omnia mortem Virgil . For what obscured light the heav’ns did grant Did but convey unto their fearfull minds A doubtfull warrant of immediate death . Shakespear . J 2 Forster’s Reise um die Welt 1772. Decem- ber. Die Schoͤpf- und Ketten-Pumpen wurden in Gang gebracht und die Leute ar- beiteten mit dem lebhaftesten Eifer. Endlich entdeckte man zum großen Gluͤck, daß das Wasser nicht durch ein verborgnes und unzugaͤngliches Leck eindrang, wie jedermann besorgt hatte, sondern daß es in die Vorraths-Cammer des Boots- manns, zu einem Fenster oder Luftloch hereinkam, welches gegen die stuͤrmische See dieser Gegenden nicht fest genug zugemacht und durch die Gewalt der Wel- len eingeschlagen worden war. Nunmehro war keine Gefahr weiter dabey; es ward augenblicklich wieder vermacht und so entkamen wir diesmal ohne andern Schaden, als daß die Kleider und das Gepaͤck der Matrosen und Officier von dem eingedrungnen Seewasser ganz durchnaͤsset worden waren. Es wuͤrde uns indessen schwer wo nicht unmoͤglich gewesen seyn, das Schiff uͤber Wasser zu hal- ten, wenn der Unterofficier nicht gleichsam durch eine besondre Schickung erwacht waͤre, ehe das Uebel uͤberhand genommen hatte. Alle Gegenwart des Geistes unsrer Officiers sammt dem Muth unsers Schiffvolks, wuͤrde alsdenn ver- gebens gewesen seyn, und wir haͤtten zu Grund und Boden gehen muͤssen, ohne daß uns wegen der sehr finstern Nacht und stuͤrmenden Wellen von dem andern Schiffe aus die geringste Huͤlfe haͤtte geleistet werden koͤnnen. Ohngefaͤhr um diese Zeit wurden an alle Leute am Bord Fisch-Angeln und Leinen ausgetheilt, damit, so bald wir Land antreffen wuͤrden, ein jeder so- gleich Gebrauch davon machen koͤnnte. Das stuͤrmische Wetter dauerte inzwischen, abwechselnd mit Regen und Nebel vermischt, bis zum 5ten December Wir hatten in dem bisherigen stuͤrmischen Wetter sechs greße Schweine und einige Schafe verlohren. fort, an welchem Tage der Wind zum erstenmale, nachdem wir das Cap verlassen hatten, wieder so gemaͤßigt war, daß die hoͤchsten Braam-Seegel aufgesetzt werden konnten. Um Mittag befanden wir uns unter dem 47°. 10 Minuten suͤdlicher Breite. Die Freude uͤber das gute Wetter war von kurzer Dauer, denn noch heute Nachmittag fiel schon wie- der Regenwetter ein und die Wellen, welche sich sehr hoch aus Westen her waͤlz- ten, verkuͤndigten uns, daß wir aus diesem Striche Wind zu gewarten haͤtten. Er stellte sich auch wuͤrklich noch in derselben Nacht und zwar aus Suͤdwest ein, wodurch die Luft so kalt wurde, daß das Thermometer in eben dieser Nacht von in den Jahren 1772 bis 1775. 44 auf 38 Grad herabfiel und daß wir mit Tages Anbruch etwas Schnee be- 1772. Decem- ber. kamen. Der Wind nahm dabey zu und am 7ten stuͤrmte er dermaaßen, daß wir Nachmittags nur noch ein Seegel fuͤhren konnten. Eine Menge von Petrels oder Sturmvoͤgeln verschiedner Art und See-Schwalben ( terns ) waren uns, bald in kleinen bald großen Hauffen, vom Cap gefolgt ohne sich an das Stuͤrmen des Windes und der See zu kehren, welches im Gegentheil sie nur in immer groͤße- rer Anzahl herbeyzufuͤhren schien. Die vornehmsten Arten waren der Cap- Sturmvogel oder Pintada ( Cape petrel. Procellaria capensis ) und der blaue, der so genannt wird, weil er ein blaulichtgraues Gefieder hat und queer uͤber die Fluͤgel mit einem schwaͤrzlichen Streif gezeichnet ist. Auch ließen sich von Zeit zu Zeit die beyden obbenannten Arten von Albatrossen Siehe oben S. 39. imgleichen, wiewohl selten, noch eine dritte Gattung sehen, welche wir die rußfarbigten ( sooty ) unsre Matrosen hingegen, wegen der graubraunen Farbe, den Quaker nannten. Am 8ten, da die See noch immer sehr unruhig und der Wind sehr heftig war, hatten wir auf allen Seiten um uns her eine Menge Voͤgel von den vorgedachten Arten, auch ließen sich heute zum erstenmal Pinguins Diesen Vogel hat, seit Sir John Narboroughs Zeit, fast ein jeder Seefahrer erwaͤhnt, der das suͤdliche Ende von Amerika beruͤhrt hat; und sie sind den Lesern aus Ansons , By- rons , Bougainvilles , Pernetty’s und andern Nachrichten so bekannt, daß es kaum noͤthig seyn moͤgte, sie hier zu beschreiben. Man k a nn sie auf gewisse Weise als Amphibia anse- hen, denn ihre Fluͤgel sind nicht zum Fliegen, sondern bestehen nur aus starken fleischig- ten Membranen, welche sie zugleich als Flos-Federn gebrauchen. Den Naturkuͤndigern sind jetzt schon zehn verschiedene Arten bekannt worden. und Hau- fen von See-Gras, welches See-Bambu genannt wird ( fucus buccinalis Linn. ) ohnweit dem Schiffe sehen. Diese Umstaͤnde beguͤnstigten unsre Hof- nung Land zu finden, denn bishero wards fuͤr ausgemacht gehalten, daß See- Gras, besonders solch Felsenkraut als dieses, und Pinguins , niemals fern von der Kuͤste angetroffen wuͤrden. Die Erfahrung aber hat gelehrt, daß man sich auf diese Zeichen nicht verlassen kann, sondern daß sie ihren Credit nur einzelnen, zufaͤlligerweise guͤnstig gewesenen Proben und dem Zeugniß eines oder des andern beruͤhmten Seefahrers zu danken haben. Wenn man indessen auf die Erschei- J 3 Forster’s Reise um die Welt 1772. Decem- ber. nung und Beschaffenheit des See-Grases und Treibholzes fernerhin genau Acht geben wollte, so koͤnnte solches vielleicht dereinst zu bestimmtern Schluͤssen leiten; denn da diese Kraͤuter nicht in der See erzeugt werden, sondern urspruͤnglich auf Felsen wachsen und von da durch die Wellen oder eine andere aͤußere Gewalt aus- gewurzelt werden, so muͤssen sie in diesem widernatuͤrlichen Zustande in Faͤulniß uͤbergehen, aus deren groͤßeren oder geringern Grade sich die Zeit, wie lange sie in See herumgeschwommen, ja in einzelnen, seltnen Faͤllen vielleicht auch die Entfernung des Landes, von welchem sie herkommen, muthmaßlich wuͤrde erra- then lassen; der Strich und die Staͤrke von Wind und Wellen nebst andern Um- staͤnden muͤßten aber in diesem Fall freylich mit in Anschlag gebracht werden. Am 9ten Morgens konnten wir endlich unsre große Seegel wiederum aufsetzen, weil der Sturm etwas nachgelassen hatte. Das Thermometer hinge- gen war, des gelindern Wetters ohngeachtet, heute fruͤh um 9 Uhr, auf 35 Grad gesunken, und stieg Mittags nicht mehr als um einen Grad hoͤher, ob wir uns damals gleich erst unter 49 Grad 45 Minuten suͤdlicher Breite befanden. Gegen die Nacht wards wieder kaͤlter und um halb Zehn stand das Thermometer auf dem Verdeck nahe bey 32. Grad, auch fieng das Wasser in unserm Trinkfasse, am Rande des Gefaͤßes, an zu frieren. Diese Kaͤlte war gleichsam der Vorbothe des Treib-Eises, welches wir am folgenden Morgen in der See antrafen. Das erste was wir davon zu sehen bekamen war ein großer Klumpen, dem wir eilfertigst ausweichen mußten. Ein anderer von gleicher Groͤße war dichte vor uns und einen dritten erblickten wir ohngefaͤhr zwey See-Meilen weit gegen den Wind hin, wo er, gleich einem weißen Vorgebuͤrge oder einer Kreiden-Klippe, aus dem Meer empor ragte. Nachmittags fuhren wir bey einer andern viereckigten, ungeheuren Eiß- Masse vorbey, die ohngefaͤhr zweytausend Fuß lang, vierhundert breit, und wenig- stens noch einmal so hoch als unser hoͤchster mittelster Braam-Mast, das ist, ohn- gefaͤhr zweyhundert Fuß hoch war. Da sich nach Boylens und Mairans Mairan’s Dissertation sur la Glace . Paris 1749. p. 261. Versuchen die Masse des Eises zum Seewasser ohngefaͤhr wie 10. zu 9: verhaͤlt; so muß, nach bekannten Hydrostatischen Gesetzen, die Masse des Eises uͤber dem Wasser zu jener, die sich unterm Wasser befindet, wie 1 zu 9 seyn. Wenn nun in den Jahren 1772 bis 1775. das Stuͤck Eis, welches wir vor uns fahen , von ganz regelmaͤßiger Gestalt ge- 1772. Decem- ber. wesen ist, welches wir einmahl annehmen wollen, so muß es 1800 Fuß tief ins Wasser gegangen und im Ganzen 2000 Fuß hoch gewesen seyn. Rechnen wir nun seine Breite auf obige 400 Fuß und fuͤr seine Laͤnge 2000; so muß dieser einzige Klumpen ein tausend sechs hundert Millionen Cubic-Fuß Eis ent- halten haben. Dergleichen ungeheure Eis-Massen treiben allem Anschein nach nur sehr langsam und unmerklich; denn da der groͤßte Theil derselben unter Wasser ist, so kann die Gewalt des Windes und der Wellen wenig Eindruck auf sie machen. Stroͤhmungen in der See sind vielleicht die Haupt-Kraͤfte, wodurch sie in Bewe- gung gesetzt werden, doch mag die schnellste dieser Stroͤhmungen nie stark genug seyn, sie in vier und zwanzig Stunden zwey Englische Meilen weit fort zu fuͤhren. Was wir uns auf dieser ersten Fahrt gegen den Suͤdpol , von dem Ur- sprung des Treibeises vorstellten, das lief zwar damahls nur auf bloße Muth- maßungen hinaus, die ohne weitere Erfahrung hoͤchstens fuͤr wahrscheinlich haͤtten koͤnnen ausgegeben werden, nachdem wir aber unsre Reise um die Welt ganz vollbracht haben, ohne das Suͤdliche feste Land zu finden, dessen Wirklichkeit man in Europa durchgehends geglaubt hat: So sind wir in unseren ehemaligen Vermuthungen bestaͤrkt worden, und halten es jetzt fuͤr mehr als wahrscheinlich, daß dies Treib-Eis unmittelbar in freyer See hervorgebracht werde , zumal da, wiederholten und entscheidenden Versuchen zufolge, ausgemacht ist, daß Seewasser gefrieren koͤnne . Herr Adanson hatte auf seiner Zuruͤckkunst vom Senegal einige Flaschen mit Seewasser unter verschiedenen Polhoͤhen angefuͤllt, und als er sie mitten im Winter von Brest nach Paris mit sich genommen, so waren sie unterwegens durchaus zu Eis gefroren, und die Flaschen gesprungen. Das Eis gab suͤßes Wasser; das wenige concentrirte Salz- wasser, welches nicht zu Eis hatte verwandelt werden koͤnnen, war ausgelaufen. Siehe dessen Reise nach Senegal . S. 190. Herr Edw. Nairne , Mitglied der Londner Academie, hat in dem harten Frost des Jahres 1776 Versuche mit Seewasser angestellt, davon im LXVI. Theile der englischen Transactionen Nachricht zu finden ist. Sie be- weisen unleugbar, daß Seewasser zu dichtem Eise gefrieren kann, und hernach beym Auf- thauen suͤßes Wasser giebt. Forster’s Reise um die Welt 1772. Decem- ber. Dies Treib-Eis bewies uns gleichfals, daß zwischen dem Clima der nordlichen und suͤdlichen Halbkugel ein großer Unterschied sey. Wir waren mitten im December-Monath, welcher auf dieser suͤdlichen Halbkugel mit un- serm Junius uͤbereinkommt; Unsre beobachtete Breite war Mittags nur 51 Grad 5 Minuten suͤdlich (welches mit der Polhoͤhe von London ohngefaͤhr uͤbereinstimmt) gleichwol hatten wir schon verschiedne Berge von Treib-Eis angetroffen und un- ser Thermometer stand auf 36 Grad. Der Mangel eines festen Landes auf der suͤdlichen Halbkugel scheint die verhaͤltnißwiedrige Kaͤlte dieser Weltgegend zu ver- anlassen, in so fern nemlich hier nichts als See ist, die, als ein durchsichtiger fluͤs- siger Coͤrper, die Strahlen der Sonne verschluckt und nicht zuruͤck wirft, wie auf der noͤrdlichen Halbkugel von dem Erdreich geschiehet. Am 11ten December um drey Uhr Nachmittags liefen wir an einer Eis- Insel vorbey, die wenigstens eine halbe Englische Meile lang war, und uns zu derjenigen Seite lag, von welcher der Wind her kam. Das Thermometer auf dem Verdeck, welches um zwey Uhr ohngefaͤhr auf 36 Grad gestanden hatte, war wegen des schoͤnen Sonnenscheins auf 41 Grad gestiegen; als wir aber dem Eise gegenuͤber kamen, sunk es nach und nach auf 37½ herab, und sobald wir daran vor- bey waren kam es wieder zu dem vorigen Standpunkt von 41 Graden. Dieser Unterschied von vier Graden lies sich auch am Coͤrper empfinden und wir sahen hieraus augenscheinlich, daß, naͤchst der bereits angefuͤhrten Ursach, diese große Eis-Massen ebenfalls das ihrige beytragen, die Luft dieser unfreundlichen Seen so kalt zu machen. Die Wellen brachen sich mit solchem Ungestuͤm gegen die nur ge- dachte Eis-Insel, als ob es ein unbeweglich feststehender Felsen gewesen waͤre, und schlugen, ohnerachtet sie nicht viel niedriger war als die zuerst beschriebene Eis-Masse, dennoch so hoch hinan, daß der Schaum oft weit daruͤber hinaus spruͤtzte, welches bey dem schoͤnen heitern Wetter einen ganz vortreflichen An- blick gab. Das Seewasser, welches solchergestalt aufs Eis gejagt wird, frieret daselbst wahrscheinlicherweise fest, ein Umstand, der ungemein dienlich ist die Entstehungsart und die Anhaͤufung desselben zu erklaͤren. Der Kaͤlte des Himmelsstrichs ohnerachtet waren unsre Schisse noch im- mer mit Sturmvoͤgeln, Albatrossen und Pinguins umgeben. Besonders be- merkten wir einen Sturmvogel von der Groͤße einer Taube, ganz weis, mit schwar- in den Jahren 1772 bis 1775. schwarzem Schnabel und blaͤulichen Fuͤssen, der allemal um die Eis-Massen 1772. Decem- ber. her schwaͤrmte und deshalb als ein Vorbothe des Eises angesehen werden kann. Der Farbe wegen nannten wir ihn, die Schnee-Petrell. Ein Nordcaper und verschiedne Wallfische, welche sich zwischen dem Eise zeigten und die traurigen Seegegenden in diesem eiskalten Clima einigermaßen belebten, brachten uns auf den Gedanken, daß wir, wo nicht etwas besseres, doch vielleicht noch ein suͤdli- ches Groͤnland zu gewarten haͤtten. Unterdessen nahm die Menge der Eis-Mas- sen alle Tage zu, so daß wir am 13ten Nachmittags ohngefaͤhr 20 derselben und zwar von betraͤchtlichem Umfang im Gesicht hatten. Eine war voller schwarzen Flecke, welche von einigen fuͤr Seehunde, von andern fuͤr Wasser-Voͤgel ange- sehen wurden, ob sie gleich unbeweglich auf einer Stelle blieben. Da nun See- hunde bis jetzo noch fuͤr untruͤgliche Zeichen nahen Landes galten, so sondirten wir Abends mit einer Leine von hundert und funfzig Faden, fanden aber keinen Grund. Wir waren jetzt gerade unter eben der Polhoͤhe, in welcher der Capitain Lozier Bouvet das Cap Circoncision gefunden haben will, und der Meeres-Laͤnge nach, befanden wir uns nur um wenige Grade davon, weiter gegen Osten. Je- dermann erwartete daher mit großer Ungeduld Land zu erblicken und der geringste Umstand, wenn es auch gleichsam nur ein schwarzer Fleck am Eise war, machte unsre ganze Aufmerksamkeit rege. Die vor uns liegenden Wolken wurden alle Augenblick sorgfaͤltig betrachtet, ob nicht irgendwo eine Bergspitze zum Vorschein kaͤme, denn jedweder wollte gern der erste seyn Land ! auszurufen. Die truͤgliche Gestalt der Nebelbaͤnke oder der in Schnee-Gestoͤber gehuͤllten Eis-Inseln hatte schon manchen falschen Laͤrm veranlaßt, und die Adventure , unser Reise-Ge- faͤhrte, ward durch solche Taͤuschungen oft verleitet uns Signale zu geben, daß sie Land saͤhe. Unter andern hatte die Idee von Bouvets Entdeckung die Ein- bildungskraft eines unsrer Lieutnants dergestalt erhitzt, daß er einmal uͤber das andre auf den Mastkorb kletterte und endlich am 14ten des Morgens um 6 Uhr, dem Capitain sehr ernsthaft entdeckte: Er sehe ganz deutlich Land. Diese Neuig- keit brachte uns alle aufs Verdeck. Wir sahen aber nichts weiter als ein unge- heures flaches Eisfeld vor uns, das am Rande in viele kleinere Stuͤcken gebrochen war; und eine große Menge von Eis-Inseln aller Gestalt und Groͤße stieg, so weit das Auge nur reichen konnte, hinter demselben empor. Einige der entfern- Forster’s Reise u. d. W. erster Th. K Forster’s Reise um die Welt 1772. Decem- ber. tern schienen, vermittelst der Strahlenbrechung in den Duͤnsten des Horizonts, weit hoͤher als sie in der That waren, und sahen wuͤrklichen Bergen aͤhnlich. Die- ser Anblick war so taͤuschend, daß viele unsrer Officiers dabey blieben, sie haͤtten hier Land gesehen, bis endlich Capitain Cook zwey Jahr und zwey Monath nach- her (nemlich im Februar 1775), auf seiner Fahrt vom Cap Horn nach dem Vorgebuͤrge der guten Hofnung , gerade uͤber denselbigen Fleck wegseegelte wo es haͤtte liegen muͤssen, wo aber damals weder Land noch Eis mehr zu sehen war. Ganze Haufen von Pinguins, Pintaden, Mallemucken, Schnee- und blauen Petrels Aptenodytes antarctica; Procellaria capensis, glacialis, nivea et vittata. fanden sich bey diesem weit verbreiteten Eise und verschiedne Wall- fischarten bliesen rund um uns her Wasser in die Hoͤhe. Zween derselben, die kuͤrzer als der gewoͤhnliche Wallfisch waren, kamen uns ihrer besondern Dicke und ihrer weißen, oder vielmehr ihrer Fleischfarbe wegen, bemerkenswerth vor. Die große Kaͤlte, welche wir in diesen eisigten Seen antrafen, machte, daß wir nicht nur die Hofuung sondern sogar alle Gedanken an den Sommer fahren las- sen mußten, den wir, der Jahrszeit nach, bisher noch immer erwartet hatten. Un- ser Thermometer stand des Morgens auf 31 Grad und stieg Mittags nicht uͤber 33 obgleich die heute beobachtete Polhoͤhe nur 54. Grad 55 Minuten suͤdlicher Breite war. — „Die Kaͤlte war uͤberdem noch weit empfindlicher als der Grad des Thermometers angab, so daß die ganze Mannschaft sich sehr daruͤber beklagte. Ob dies daher ruͤhrte, daß wir aus einem warmen Himmelsstrich kamen, oder ob es irgend eine andre Bewandnis damit hat, will ich nicht entscheiden.„ — Am Nachmittage kamen wir durch viel gebrochnes Eis, und sahen ein zweytes großes Eisfeld, jenseit dessen verschiedne unsrer Leute noch immer Land zu sehen behaupteten, ohngeachtet auch dies, so wie das vorige, im Grunde, aus nichts als Nebelbaͤnken bestand. In der Nacht schneite es stark, und bey Anbruch des Tages ward es sehr neblicht aber zugleich fast Meerstill; den letztern Umstand nutzte man zu Untersuchung der Stroͤhmung, und Herr Wales nebst meinem Vater bedienten sich dieser Gelegenheit ebenfalls, um in einem kleinen Boote die Versuche uͤber die Waͤrme der See in großer Tiefe, zu wiederhohlen. Indem sie aber damit beschaͤftigt waren ward der Nebel so dick, daß sie beyde Schiffe aus den Augen verlohren und wie Ihnen nunmehro zu Muthe seyn mochte, laͤßt sich in den Jahren 1772 bis 1775. leicht erachten! In einem kleinen Boote in welchem sie zum Ungluͤck weder Mast 1772. Decem- ber. noch Seegel, sondern nur zwey Ruder hatten, befanden sie sich auf dem uner- meßlichen Ocean, fern von irgend einer bewohnten Kuͤste, uͤberall mit Eis um- geben und ohne Lebensmittel! mithin in einer Lage, die an sich erschrecklich war, und durch den Gedanken an die Zukunft noch fuͤrchterlicher gemacht wurde. Un- ter bestaͤndigem Rufen ruderten sie eine Weile bald hier bald dorthin, aber um- sonst; alles war todt still um sie her, und sie konnten keine Boots-Laͤnge weit vor Nebel sehen. In dieser Ungewißheit hielten sie es fuͤr das beste, still zu lie- gen, und hofften, daß wenn sie auf einer Stelle blieben, die Schiffe wegen der Meeres-Stille nicht wuͤrden aus dem Gesicht getrieben werden. Endlich hoͤrten sie in großer Entfernung eine Glocke laͤuten. Das war ihren Ohren himmlische Musik. Sie ruderten also gleich darnach zu, und erhielten auf stetes Rufen end- lich von der Adventure aus Antwort. Nunmehro eilten sie an Bord derselben, hoͤchsterfreut der augenscheinlichen Gefahr eines langsamen und fuͤrchterlichen To- des so gluͤcklich entkommen zu seyn. Nachdem sie eine Weile am Bord gewe- sen, ließen sie zum Signal eine Canone abfeuern, und als sich bey dem Ant- wort-Schusse fand, die Resolution sey so nahe, daß sich beyde Schiffe abrufen konnten, so kehrten sie in dem Boote wieder nach ihren feuchten Bet- ten und baufaͤlligen Cajuͤtten zuruͤck, die ihnen nun noch einmal so viel werth wa- ren, als zuvor. Man siehet bey dieser Gelegenheit, einerseits, wie unzaͤhlig vielen Unfaͤllen der Seefahrer ausgesetzt ist, und wie oft selbst da Gefahren entstehen, wo man sie am wenigsten besorgt; andrerseits aber auch, wie die alles lenkende Vorsehung stets uͤber unser Schicksal wacht. Sie ist nicht nur im Sturm sicht- bar, wenn sie uns zwischen verborgene Klippen und Sandbaͤnke gluͤcklich hindurch fuͤhrt, oder wenn sie uns von der Wuth der Wellen und des Feuers rettet, son- dern auch bey jenen kleinen, weniger auffallenden Begebenheiten muͤssen wir sie erkennen und verehren, welche Reisende und Leser gemeiniglich nicht zu bemerken oder wenigstens schnell zu vergessen pflegen, so bald sie uͤbrigens nur gluͤcklich abgelaufen sind. Da wir nunmehro gegen Suͤden hin lauter feste, große Eisfelder vor uns fanden, so konnten wir auf diesem Striche nicht weiter vordringen, und nachdem wir zu verschiedenen mahlen, aber immer fruchtlos, versucht hatten, uns durch das K 2 Forster’s Reise um die Welt 1772. Decem- ber. dichte Eiß einen Weg zu bahnen; so aͤnderten wir unsern Lauf und steuerten laͤngst demselben, oftmals mitten durch große Strecken gebrochnen Eises, welches die Nordfahrer Pack-Eis nennen, hindurch, gegen Osten. Schwere Hagel- und Schnee-Schauer verdunkelten die Luft bestaͤndig und ließen uns den belebenden Blick der Sonne nur immer auf kurze Zeit genießen. Wir sahen stuͤndlich große Eis-Inseln in allen Gegenden um uns her, so daß ihr Anblick uns nun schon eben so bekannt und gemein wurde als Wolken und See. Die Menge derselben ver- anlaßte noch immer neue Beobachtungen, die wir hernach, durch eine noch laͤn- gere Bekanntschaft mit ihnen, bald zu bestaͤtigen, bald zu berichtigen Gelegenheit fanden. So hatten wir zum Beyspiel ißt schon gelernt, daß in solchen Gegen- den ohnfehlbar Eis anzutreffen sey, aus welcher man bereits in der Ferne einen starken weißen Wiederschein am Horizont hatte bemerken koͤnnen. Gleichwohl ist das Eis nicht immer weißer Farbe, sondern oft, gemeiniglich aber gegen die Oberflaͤche der See, mit einem schoͤnen Sapphyr- oder vielmehr Beryll-Blau gefaͤrbt, welches jedoch zweifels-ohne nichts anders als blos der Widerschein des Wassers ist. Zwar zeigte sich diese Farbe zuweilen wohl zwanzig bis dreyßig Fuß hoch uͤber der See, allein dann ruͤhrte sie wahrscheinlicherweise von einigen Seewas- sertheilchen her, die bey stuͤrmischen Wettec so hoch auf das Eis hinaufgeschleu- dert und in die Zwischenraͤumchen desselben durch neuen Frost eingeschlossen wor- den waren. Oftmals konnten wir auch an großen Eis-Inseln verschiedne Arten von Weiß unterscheiden, die in Schichten von sechs zu zwoͤlf Zoll dick uͤber ein- ander lagen. Dieser Umstand beweiset meines Erachtens, daß dergleichen große Eis-Massen zum Theil auch durch Schnee nach und nach vergroͤßert wer- den; denn da dieser von verschiedner Art ist, bald klein bald grobkoͤrnicht, bald in leichten federichten Flocken herabfaͤllt u. d. g. so muͤssen die besondere Schich- ten desselben von verschiedner Dichtigkeit seyn, und folglich auch eine verschiedne Farbe annehmen. Ob wir gleich, wie im vorhergehenden gemeldet worden, der großen Eis- felder wegen, unsern Lauf nach Osten hatten richten muͤssen, so verlohren wir unsre Bestimmung, den kalten Erdzirkel zu untersuchen, dennoch nie aus den Augen, und steuerten daher, so bald die See nur irgendwo etwas freyer und ofner war, gleich wieder mehr nach Suͤden. Anfaͤnglich ruͤckten wir des gerin- in den Jahren 1772 bis 1775. gen Windes wegen, nur wenig fort, und da bey Anbruch des folgenden Tages 1772. Decem- ber. fast gar keiner zu spuͤhren war; so bedienten wir uns dieser Gelegenheit von neuem ein Boot auszusetzen und in unsern Untersuchungen uͤber die Stroͤmung und Waͤr- me der See fortzufahren. Auch verabsaͤumten wir nicht die Sturmvoͤgel, die haͤufig um uns her schwaͤrmten, naͤher zu untersuchen, zu beschreiben und abzu- zeichnen, welches heute desto besser geschehen konnte, weil wir mehrere derselben schossen, die mit einer Art von Neugierde uͤber dem Boot herschwebten. Wir such- ten uns zwar so viel moͤglich Suͤdwaͤrts zu halten, mußten aber, weil der Wind sich ganz in Suͤd-Suͤd-Ost herum setzte, heute eine gute Strecke gegen Westen zu- ruͤckmachen. Am folgenden Morgen fuͤhrte uns ein ziemlich frischer Wind an ver- schiednen Eis-Infeln vorbey, und außer unserer gewoͤhnlichen Begleitung von Voͤgeln, ließen sich auch etliche Wallfische sehen. Wir Passagiers feyerten den heutigen ersten Christtag in Gesellschaft unsrer See-Officiere, dem alten Herkom- men nach, recht vergnuͤgt, und die Matrosen ließen sich durch die gefaͤhrliche Nachbarschaft der Eisberge, womit wir gleichsam umringt waren, im geringsten nicht abhalten, diesen Festtag unter wilden Laͤrm und Trunkenheit hinzubrin- gen, wozu sie denselben besonders bestimmt zu haben scheinen. Am folgenden Morgen seegelten wir durch viel gebrochenes oder soge- nanntes Pack-Eis, darunter manches ganz schmutzig und thauend aussahe. Die untergehende Sonne verschaffte uns heute Abend einen uͤber alle maaßen herrlichen Anblick, denn sie faͤrbte die Spitzen einer in Westen liegenden Eis-In- sel mit funkelndem Golde und theilte der ganzen Masse einen blendenden Pur- purglanz mit. Eine voͤllige Windstille, welche am 27sten erfolgte, verstattete uns, in einem Boot auf die Pinguins- und Petrell-Jagd auszugehen; ob es uns nun gleich mit den ersteren nicht sonderlich gluͤcken wollte, so belustigten sie uns doch wenigstens durch die Geschwindigkeit und Verschiedenheit ihrer Bewegun- gen. Sie tauchten zum Beyspiel, blieben eine ganze Weile lang unter Wasser, kamen wieder herauf, tauchten von neuem unglaublich oft und schnell hintereinan- der, und schossen zuletzt in gerader Linie fort, so, daß sie mit einemmahl außer Schuß waren, und wir die Jagd aufgeben mußten. Endlich kamen wir doch einem nahe genug, ihn anzuschießen; allein, ohnerachtet wir ihn scharf verfolgten, K 3 Forster’s Reise um die Welt 1772. Decem- ber. und mehr als zehenmal mit Hagel trafen, so mußten wir ihn doch noch zuletzt mit einer Kugel todt schießen. Als wir ihn aufnahmen, zeigte sich, daß das Schroot auf den harten, glatten Federn abgeprellt war; denn dieses Thier, welches gleich- sam ein Mittelding zwischen Vogel und Amphibio ist, hat ein sehr dickes Gefieder, das aus langen schmalen Federn besteht, die Schuppen-artig, eine dicht uͤber die andre liegen, und den Pinguin gegen die Naͤsse und Kaͤlte des Wassers, wor- inn er sich groͤßtentheils aufhaͤlt, hinlaͤnglich schuͤtzen. Ueberdem hat ihm die Na- tur noch eine dicke Haut gegeben, welche ihm, nebst dem vielen Fette womit er gleichsam uͤbergossen ist, den bestaͤndigen Winter dieses unfreundlichen Clima desto ertraͤglicher macht. Der ganze uͤbrige Bau seines Coͤrpers verraͤth eben so viel weise Absichten der Natur. Er hat einen breiten Bauch, mit weit hinterwaͤrts liegenden Fuͤßen und Floßfedern, welche ihm statt der Fluͤgel dienen; alles vortrefliche Werkzeuge, seinen plumpen Coͤrper desto leichter im Wasser fort zu bewegen. Derjenige, den wir nun endlich erlegt hatten, wog eilf und ein halb Pfund. Auch die blauen Sturnwoͤgel, welche sich auf diesem ganzen ungeheuren Ocean uͤberall finden, und vornehmlich in dieser Gegend anfingen, sich in großen Schaaren von vielen Hunderten auf die glatte Oberflaͤche der See nie- derzulassen, waren um nichts schlechter gegen die Kaͤlte ausgeruͤstet. Sie ha- ben gleich den Pinguins ein sehr dichtes und dickes Gefieder. Aus jeder Wurzel wuchsen statt einer Feder ihrer zwo, nemlich eine gewoͤhnliche Feder und eine Duhne oder Pflaumfeder, davon eine in der andern lag, und solchergestalt eine sehr warme Decke ausmachten. Da diese Voͤgel fast immer in der Luft sind, so hat ihnen die Natur sehr starke und lange Fluͤgel gegeben. Wir haben sie auf der See zwischen Neu-Seeland und America uͤber 700 gute englische See-Mei- len fern vom Lande angetroffen, eine Weite, die sie unmoͤglich haͤtten erreichen koͤn- nen, wenn ihnen nicht eine besondere Staͤrke der Knochen und Muskeln nebst der Laͤnge ihrer Fluͤgel dazu behuͤlflich gewesen waͤre. Da sie sich so weit vom Lande uͤber das ganze Meer verbreiten, so muͤssen sie dem Anschein nach, wie viele andre Raubthiere sowohl unter den Voͤgeln als unter den vierfuͤßigen Thieren auch thun, lange Zeit ohne frisches Futter leben koͤnnen, obgleich das, was wir hierinn von ihnen bemerkt haben, diese Meynung fast eben so sehr zu entkraͤften scheint als es dieselbe auf der andern Seite wiederum bestaͤtigt. So in den Jahren 1772 bis 1775. bald wir nemlich einen anschossen, so spieen sie eine Menge von zaͤhem schlei- 1772. Decem- ber. michten Fras aus, der dem Ansehen nach erst frisch verdauet war, und den die uͤbrigen gleichwohl mit einer Gierigkeit verschlungen, die langes Fasten und gros- sen Hunger anzudeuten schien. Es muß daher wohl allerhand Blubber-Arten (Molluscaͤ) in diesen Eis-Seen geben, die bey schoͤnem Wetter an die Oberflaͤche herauf kommen und dann dem gefraͤßigen Vogel zum Futter dienen. Uebrigens war es uns angenehm, Gegenstaͤnde zu finden, die zu solchen kleinen Betrachtungen Anlaß gaben, wenigstens dienten sie uns bey der traurigen Einfoͤrmigkeit, womit wir sehr lange unangenehme Stunden, Tage und Monathe in diesem oͤden Theil der Welt zubringen mußten, dann und wann zu einer kleinen Ab- wechselung. Fast immer in dicke Nebel eingehuͤllt; Regen, Hagel und Schnee, die um die Wette mit einander abwechselten; der Mitte des Sommers ohnge- achtet eine bis zum Gefrier-Punct des Thermometers kalte Luft; rund um uns her unzaͤhlbare Eis-Inseln, gegen welche wir stets Gefahr liefen zu scheitern; unsre taͤgliche Kost nichts als Eingesalzenes, wodurch, nebst Frost und Naͤsse, unser ganzes Blut in Unordnung gerieth. … Dies zusammengenommen, waren Un- annehmlichkeiten, die uns allen den sehnlichen Wunsch abnoͤthigten, daß wir end- lich in eine bessere Lage und mildere Himmelsgegend kommen moͤgten. Zum Gluͤck waren unsre Matrosen, die bey der Abreise von England aus lauter gesunden frischen Leuten bestanden, aller Muͤhseligkeiten ohnerachtet noch immer guten Muthes und vom Scorbute frey. Dies letztere hatten sie sonder Zweifel den Vorbauungs- oder sogenannten prophylactischen Mitteln, vornemlich den Bouil- lon-Kuchen oder Gallert-artig eingekochter Fleischbruͤhe Dergleichen Bouillon-Kuchen werden zu London und in andern See-Haͤven Englands , unter dem Namen portable Soup in erstaunender Menge aus frischem Fleisch, be- sonders Rindfleisch, Knochen und andern Abfall verfertigt, zur Dicke eines braunen Gal- lerts oder Leims eingekocht, und denn in kleine Kuchenformen gegossen. Sie hatten die Farbe und Haͤrte von Tischler-Leim, wozu sie auch gebraucht werden koͤnnen. Sie halten sich viele Jahre lang, wenn sie gegen Naͤsse und Schimmel verwahrt werden, und von auf langen, besonders See Reisen, wo es am frischen Fleisch fehlt, sehr bequem und von großen Nutzen. Ein oder zwey Loth davon, zerschnitten und in heißen Wasser zerlassen oder aufgekocht, geben fuͤr eine Person eine gute und kraͤftige Bruͤhe oder Suppe. Sie werden Pfundweis und zu sehr billigen Preisen verkauft, weil Knochen und Abfall dazu gebraucht werden koͤnnen. und dem Sauerkraute Forster’s Reise um die Welt 1772. Decem- ber. zu danken, die wir in großer Menge an Bord fuͤhrten, und davon ein jeder seine gemessene Portion bekam. Nur zwey bis drey von unsern Leuten, die eine un- gesunde Anlage hatten, konnten dem Scorbut nicht entgehen; insbesondere ward ein Zimmermann, Nahmens Georg Jackson , schon am zehenten Tage nach un- srer Abreise von Cap damit befallen. Das Zahnfleisch gieng bey ihm in Faͤul- niß uͤber und die Zaͤhne waren so los, daß sie ganz seitwaͤrts lagen. Man machte mit einer Marmelade von gelben Ruͤben oder Carotten, die uns gegen den Scor- but vorzuͤglich war empfohlen worden, und davon wir ebenfalls Vorrath hatten, einen Versuch bey ihm; allein sie half zu weiter nichts als daß sie den Leib offen hielt. Unser Wundarzt, Herr Patton , fieng hierauf die Cur mit frischem Maisch oder der gekochten Malz-Infusion an; und diese brachte den Kranken nach und nach, in wenig Wochen vollkommen wieder zurechte; seine Zaͤhne wurden wieder fest, und er bekam gleichsam ganz neues Zahnfleisch. Da indessen die Ursach seines Uebels, nemlich eine kraͤnkliche Anlage, nach wie vor blieb, so mußte er mit dem Gebrauch der Bierwuͤrze noch nach geendigter Cur fortfahren, und ward auf die Weise vor allen ferneren scorbutischen Zufaͤllen bewahrt. Wir koͤn- nen die Wuͤrksamkeit des Malzes nicht genug ruͤhmen; und von rechtswegen sollte ein so nuͤtzliches Mittel auf langen See-Reisen uͤberall in Vorrath mitgenommen wer- den, allein man kann auch nicht sorgfaͤltig genug seyn, es fuͤr dem Naßwerden und dem Schimmel zu bewahren, weil dieses die Heilkraͤfte desselben schwaͤcht, wie wir am Ende unsrer Reise haben erfahren muͤssen. Das neue Jahr (1773) fieng sich mit Schnee und frischen kalten Stuͤr- men an, die uns gegen Westen zuruͤck und bis nach dem Meridian hintrieben, unter welchen das von Bouvet angeblich entdeckte Cap Circoncision liegen sollte. Da sich in dieser Gegend abermahls Seehunde und Pinguins zeigten, so faßten verschiedene von unsrer Gesellschaft neue Hofnung, hier Land zu erblicken, und ließen es an fleißigen Umsehen danach nicht fehlen. Nachdem wir aber eine gute Strecke weit auf diesem Striche fortgeseegelt waren, fanden sie sich in ihren Erwartungen schmerzlich betrogen, und jene vermeinte Anzeigen verlohren bey dieser Gelegenheit aufs neue etwas von ihrem bisherigen Credit. Da Die Kunst der Koͤche hat gewiß nie eine bessere Erfindung hervorgebracht. Wir hatten fuͤr unser Schiff allein 3000 Pfund in blechernen Buͤchsen, jede von 25 Pfund, mit- genommen. in den Jahren 1772 bis 1775. Da wir uns nunmehro schon jenseit des Meridians der Bouvetschen 1773. Januar. Entdeckung gen Westen hin befanden, und der Wind sich waͤhrend der Nacht in Nordwesten umsetzte, so richteten auch wir unsern Lauf wieder nach Osten. Bey dieser Gelegenheit kamen wir von neuem an eben die Stelle, wo wir am 31sten December viel Eis gefunden hatten; es war aber jetzt weggetrieben, und wir setzten nun unsern Lauf nach Suͤd-Osten fort. Am 9ten des Morgens war eine große Insel von Eis, mit vielen Bruchstuͤcken umgeben, zu sehen, und da wir eben gelindes Wetter hatten, so ward beygelegt und ein Boot ausgesetzt, um von dem losen Eise so viel als moͤg- lich aufzufischen. Diese Eisschollen wurden hernach auf das Hinterdeck des Schiffs geworfen, daselbst in Stuͤcken zerschlagen und alsdenn in Faͤsser gepackt. Nach Tische ließen wir etwas davon in Kesseln schmelzen, und auf das uͤbrige in Faͤsser gepackte Eis ganz warm ausgießen, damit dieses desto eher zergehen moͤchte. Auf solche Art bekamen wir heute in ofner See, und unter einem un- bewohnten Himmelsstrich, im 61 Grad 36 Minuten suͤdlicher Breite, einen fuͤr dreyßig Tage hinreichenden Vorrath an frischen Wasser. In Capitains Cooks gedruckter Beschreibung dieser Reise findet man eine malerische Abbildung von solchen Eis-Inseln, in deren Nachbarschaft das Schiff und die Boote, mit Einsammlung des Eises beschaͤftiget, zu sehen sind. Zwey Tage nachher ließen sich einige große Wallfische sehen, die dem Augenmaaße nach sechzig Fus lang seyn mochten, und viele Pinguins trieben auf kleinen Eisstuͤcken neben uns vorbey, auch hatten wir wiederum Gelegenheit uns mit Eis zu versehen; und unser Volk that diese saure Arbeit mit frohem Muth, ob ihnen gleich, wegen Kaͤlte und Schaͤrfe des Seewassers, die Haͤnde wund dabey wurden. Das Wasser, welches wir aus dem geschmolznen Eise erhielten, war voͤllig suͤß und schmeckte reiner als das vom Cap aus annoch vorraͤthige. Der einzige Fehler den man ihm schuld geben konnte war dieser, daß es die fixirte Luft im Frieren ver- lohren hatte, daher auch ein jeder von uns, der es zum Getraͤnk brauchte, mit geschwollnen Druͤsen am Halse heimgesucht ward. Schnee oder Eiswasser hat indes- sen immer diese Eigenschaft, und eben dies ist die Ursach, warum man unter denen auf Gebuͤrgen wohnenden Voͤlkerschaften, die gemeiniglich kein anderes Trink- wasser haben, als was aus Schnee oder Eis aufthauet, so viel Leute mit großen Forster’s Reise u. d. W. erster Th. L Forster’s Reise um die Welt 1773. Januar. Kroͤpfen antrift, welche sie, wie man versichern will, fuͤr eine Schoͤnheit hal- ten, die sie vor andern Nationen voraus haͤtten. Einige Leute am Bord, die keine Kenntniß von der Naturkunde hatten, besorgten in rechtem Ernste, daß das Eis, so bald es schmoͤlze, die Faͤsser, worinn es gepackt war, sprengen wuͤrde. Sie bedachten nicht, daß da es auf dem Wasser schwimmt es folglich auch mehr Raum als das Wasser einnehmen muͤsse. Um ihnen die Au- gen zu oͤfnen, ließ der Capitain ein Gefaͤs voller kleinen Eisstuͤcken in eine war- me Cajuͤtte stellen, wo es nach und nach schmolz und sodann ungleich weniger Raum als zuvor einnahm. Augenschein geht uͤber die deutlichsten Vernunft- schluͤsse und Raͤsonnement vermag uͤber Niemand weniger als uͤber das Seevolk. Am 17ten Vormittags paßirten wir den Antarctischen Zirkel und traten nunmehro in den eigentlich kalten Himmelsstrich der sudlichen Hemisphaͤre, der bis dahin noch allen Seefahrern verschlossen geblieben war. Einige Tage zuvor hatten wir eine neue Art Sturmvoͤgel ( petrels ) von brauner Farbe, mit weißem Bauch und Rumpf, und mit einem großen weißen Fleck auf den Fluͤgeln gezeichnet, angetroffen. Da es schien als gehoͤrten sie hier zu Hause, indem wir sie jetzt nicht mehr einzeln, sondern bey zwanzigen und dreyßigen sahen; so nannten wir sie die antarctischen Sturmvoͤgel. Wir haͤtten sie gern naͤher untersucht, und schossen deshalb auch verschiedene, allein zum Ungluͤck fiel keiner dem Schiff so nahe, daß man desselben fuͤglich haͤtte koͤnnen habhast werden. Um 5 Uhr Nach- mittags sahen wir mehr als dreyßig große Eis-Inseln vor uns, und am Ge- sichtskreise einen starken weißen Schein in der Luft, der noch mehr Eis prophe- zeihte. Kurz nachher paßirten wir durch viel kleines Bruch-Eis, welches loͤche- richt, schwammigt und schmutzig aussah e , und sich endlich so sehr anhaͤufte, daß die wellenfoͤrmige Bewegung des Meeres dadurch gehemmt ward, und die See nun ganz eben zu seyn schien, ohnerachtet der Wind noch so frisch blies als zu- vor. Ueber dieses Bruch-Eis hinaus aber, erstreckte sich, so weit das Auge vom Mast reichen konnte, ein unabsehliches Feld von festem Eise gegen Suͤden. Da es solchergestalt unmoͤglich war auf diesem Striche weiter zu gehen, so ließ Ca- pitain Cook itzt, da wir 67 Grad 15 Minuten suͤdlicher Breite erreicht hatten, beyde Schiffe umwenden und gegen Nordost zu Nord steuern. Auf dieser ganzen suͤdlichen Fahrt hatten wir nun bisher nirgends Land, aber aller Orten in den Jahren 1772 bis 1775. Orten viel Wallfische, Schnee- graue- und antarctische-Sturmvoͤgel ange- 1773. Januar. troffen. Am 19. und 20sten erblickten wir einen Vogel, welchen einer von un- sern Mitreisenden, der auf den Falklands-Inseln gewesen war, Port Eg- mont’s hen Eben dieses Vogels wird auch in Herrn Cooks erster Reise in der Endeavour gedacht. Siehe Hawkesworths Geschichte der englischen See-Reisen, in 4. zweyter Band, pag. 279. nannte. Eigentlich war es die große nordliche Mewe, ( larus catarractes ) welche man in hoͤhern Breiten, sowohl gegen den Suͤd- als Nord- pol zu, haͤufig antrifft. Auch dieser Vogel sollte fuͤr einen Vorbothen von Lande gelten; allein, wir waren durch dergleichen vermeynte Zeichen schon so oft in unsern Erwartungen getaͤuscht worden, daß wir anfiengen wenig mehr darauf zu bauen. Am 27. sahen wir, naͤchst einer Menge verschiedener Arten von Sturm- voͤgeln und Albatrossen, wiederum eine solche Mewe; sie stieg gerade in die Hoͤhe, schwebte hoch uͤber dem Schiff, und drehte den Kopf bald auf diese bald auf jene Seite, als ob sie uns mit großer Aufmerksamkeit betrachtete. Dies war etwas neues fuͤr uns, denn alle andere Seevoͤgel dieses Himmelsstriches, blieben nahe an der Oberflaͤche des Wassers. Am folgenden Abend den 29sten schwam- men verschiedne Meerschweine, bald hier bald dorthin, neben uns vorbey, und zwar mit unglaublicher Geschwindigkeit, denn sie giengen wenigstens dreymal so schnell als das Schiff seegelte, ohnerachtet wir damals guten Wind hatten und in einer Stunde achtehalb englische See-Meilen zuruͤck legten. Uebrigens waren sie elsterbunt und hatten einen großen weißen Fleck an der Seite, der fast ganz bis auf den Ruͤcken an die oberste Floßfeder reichte. Nachmittags sahen wir einen klei- nen schwarz und weißen Vogel, der von einigen fuͤr eine Art von Eisvogel gehal- ten, von andern Murre , Martens , in seiner Beschreibung von Spitzbergen , nennt diese Art Voͤgel Rotges. ( Alca Alle. Linn. ) genannt ward, auch selten oder niemals weiter als man das Land erblicken kann, hinaus in See geht: Da wir ihm aber nicht nahe genug kamen, um ihn genauer zu betrachten, so kann es auch wohl nur ein Sturmvogel gewesen seyn. Indessen hatten wir doch noch ein an- dres weniger zweydeutiges Merkmal, daß es hier herum Land geben koͤnne; die See war nemlich, des frischen Windes ohnerachtet, ziemlich ruhig und eben. L 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. Januar. Weil wir nun uͤberdem auch am Cap der guten Hofnung erfahren hatten, daß in dieser Gegend durch zwey franzoͤsische Schiffs-Capitains, den Herren von Ker- guelen und von St. Allouarn im Januar 1772. Land entdeckt worden sey; so legten wir Sicherheitshalber, diese und die folgende Nacht uͤber, das Schiff bey. Da von dem Reise-Journal vorgedachter Herren in Frankreich geflissentlich nichts be- kannt gemacht worden ist, so will ich hier einige Nachrichten mittheilen, welche ich am Cap von einigen franzoͤsischen Officiers erfahren habe. Herr von Kerguelen , Lieutenant bey dem franzoͤsischen Seewesen, commandirte das Schiff Fortune und hatte ein kleineres, le gros ventre , bey sich, welches unter dem Befehl des Herrn von St. Allouarn stand. Sie seegelten beyde am Ende 1771. von Isle de France oder Mauritius ab. Am 13ten Januar 1772. sahe letzterer zwey Inseln, und nannte solche die Inseln des Gluͤcks ( Isles de fortune ;) am naͤchsten Morgen erblickte er noch eine andre, die ihrer runden Gestalt wegen den Na- men Isle ronde erhielt. Ohngefaͤhr um dieselbige Zeit entdeckte auch Herr von Kerguelen Land, das sehr hoch war und von ziemlichen Umfang zu seyn schien; er schickte deshalb einen seiner Officier in dem sechsrudrigen Boote vor dem Schiff her und ließ sondiren. Des frischen Windes wegen aber kam der Herr von St. Allouarn dem Boot des Herrn von Kerguelen zuvor, und fand eine Bay, die er nach seinem Schiffe gros Ventre- Bay nannte. So bald er in dieselbe ein- gelaufen war, fertigte er in seiner Joͤlle einige Leute ab, um die franzoͤsische Flagge am Lande aufpflanzen und solchergestalt foͤrmlich Besitz von demselben nehmen zu lassen. Nachdem sie nun das Ufer der hohen Wellen wegen, mit Muͤhe erreicht, und ihren Auftrag ausgerichtet hatten, kehrten sie an Bord des gros Ventre zuruͤck, wohin ihnen auch die Mannschaft des von dem Herrn von Kergue- len abgeschickten Bootes folgte. Mittlerweile daß dieses vorgieng, war das andre Schiff, die Fortune , dessen schwache Masten dem Sturme nicht hin- laͤnglichen Widerstand leisten konnten, wenigstens 60 englische See-Meilen weit vom Lande verschlagen worden, und der Befehlshaber desselben, Herr von Ker- guelen hatte sich dieserhalb kurz und gut entschlossen, geradesweges wieder nach Isle de France zuruͤckzugehen. Der Herr von St. Allouarn , der dies weder wußte noch auch vermuthen konnte, suchte seinen Gefaͤhrten drey Tage lang in der See auf, und fuhr hernach, da er ihn nicht fand, noch eine Zeit lang fort, in den Jahren 1772 bis 1775. die Lage dieses Landes aufzunehmen, bey welcher Gelegenheit er durch einen 1773. Januar. Sturm, das der Fortune zugehoͤrige Boot einbuͤßte, welches die Mannschaft desselben an sein Schiff befestigt hatte. Als er um das noͤrdliche Ende der In- sel herum kam, fand sich, daß die Kuͤste nach Suͤd-Osten herab lief und nach- dem er auf dieser Seite ohngefaͤhr 20 englische See-Meilen laͤngst daran hinge- seegelt war, das Land aber uͤberall bergig, unzugaͤnglich und ganz von Holz entbloͤßt fand; so richtete er seinen Lauf nach Neuholland und kam endlich uͤber Timor und Batavia ebenfalls nach Isle de France wieder zuruͤck, starb aber daselbst bald nachher. So bald Herr von Kerguelen nach Europa zuruͤck kam, ward er gleich von neuem mit einem Schiffe von 64 Canonen, der Roland genannt, und einer Fregatte l’Oiseau , Capitain Rosnevet , wieder ausgesandt. Er machte aber auf dieser zweyten Reise keine neuen Entdeckungen; denn kaum hatte er das auf der vorigen Fahrt entdeckte Land wiederum zu Gesicht bekommen, so mußte er, gewisser Umstaͤnde halber geraden Weges um, und wieder zuruͤck kehren. Die noͤrd- liche Kuͤste desselben liegt im 48sten Grade suͤdlicher Breite und ohngefaͤhr unterm 82sten Grade oͤstlicher Laͤnge von Ferro , welches 6 Grad oͤstlich von Isle de France und ohngefaͤhr 64 Grad 20 Minuten oͤstlich von Greenwich ist. Auch Herr von Marion , den die franzoͤsische Regierung als Chef der beyden Schiffe le Mascarin und le Castrie , jenes vom Capitain Crozet , dieses vom Capitain Clesmure gefuͤhrt, im Jahr 1772. auf eine Entdeckungs-Reise aus- schickte, fand im Monath Januar gedachten Jahres an drey verschiednen Stel- len, nemlich unter 46½. und 47½. Grad suͤdlicher Breite, und 37. 46½. und 48½ Grad oͤstlich von Greenwich , einige kleine Inseln, die aber allesamt nur von unbetraͤchtlichem Umfange, hoch, felsig, ohne Baͤume und fast ganz unfrucht- bar waren. Beyde Schiffe gingen von hier nach dem suͤdlichen Ende von Neu- Holland , oder van Diemens Land , welches Tasmann zuerst entdeckt hat, und von da nach der Insel-Bay in Neu-Seeland , wo Herr von Marion das Un- gluͤck hatte, nebst acht und zwanzig seiner Leute von den Einwohnern erschlagen zu werden, wie ich in der Folge mit mehrerem erzaͤhlen will. Nach diesem Ver- lust seegelte Herr von Crozet , auf den nunmehro das Commando gefallen war, durch den westlichen Theil der Suͤd-See nach den Philippinischen Inseln hinauf, und kehrte von dort aus nach Isle de France zuruͤck. Diesen Nach- L 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. Januar. richten gemaͤß sind die Entdeckungen der franzoͤsischen Seefahrer in jene vortrefliche Charte von der suͤdlichen Halbkugel eingetragen worden, welche der Herr von Vaugondy unter Aufsicht des Herzogs von Croy gezeichnet und zu Anfang des Jahres 1773. oͤffentlich herausgegeben hat. Am 31sten, Abends, da wir ohngefaͤhr im 50sten Grade suͤdlicher Breite waren, paßirten wir bey einer großen Eis-Insel, die eben in demselbigen Augenblicke als wir an derselben vorbey kamen, mit schrecklichem Krachen in Stuͤcken zerfiel. Am folgenden Morgen trieb ein großer Haufen. See-Gras bey dem Schiffe voruͤber; und Nachmittags rief uns der Capitain Furneaux von der Adventure aus zu, er sey bey einem großen Beet von treibenden Seegrase vor- bey gekommen, und habe eine Menge Taucher gesehen, die denen im englischen Meer aͤhnlich waͤren. In der Ungewißheit, ob dieser Anzeigen wegen nicht Land in der Naͤhe seyn moͤchte, legten wir die Nacht uͤber bey, und seegelten erst mit Anbruch des Tages wiederum fort nach Osten, auf welchem Striche uns mancherley Arten, besonders schwarze Sturmvoͤgel ( Shearwaters ) begleiteten. Auch zeigte sich etwas Seegras, imgleichen eine einzelne Seeschwalbe ( sterna; tern . ) die einen gabelfoͤrmigen Schwanz hatte und von den Matrosen gemei- niglich der Ey-Vogel ( egg-bird ) genannt wird. Mittags befanden wir uns unter dem 48sten Grad 36 Minuten suͤdlicher Breite; da nun dies ohngefaͤhr die Polhoͤhe ist, unter welcher die franzoͤsischen Entdeckungen liegen sollen; so richteten wir, zu Aufsuchung derselben, am Nachmittag unsern Lauf gegen Suͤd- Suͤd-Westen, bekamen aber auf diesem Striche am folgenden Tage so heftigen Wind, daß wir die Bram-Seegel einnehmen mußten, und bis des andern Morgens den 4ten um 8 Uhr nur allein die großen, unteren Seegel fuͤhren konn- ten. Nachdem wir in vorgedachter Richtung bis zu Mittage fortgeseegelt waren, ohne irgend etwas vom Lande ansichtig zu werden; so wandten wir nunmehro das Schiff gen Nord-westen, um in dieser Gegend nach Land zu suchen. Auf diesem Striche gelangten wir am 6ten bis unter den 48sten Grad suͤdlicher Breite und ohngefaͤhr 60 Grad weit ostwaͤrts von Greenwich ; da nun auch hier nirgends Land zu finden war; so gaben wir alle fernere Nachsuchungen auf und giengen, der Hauptabsicht unsrer Reise gemaͤß, von neuem nach Suͤdost. Der in den Jahren 1772 bis 1775. Wind kam uns ziemlich heftig aus Osten entgegen, weil aber gleichwohl die See 1773. Januar. ruhig blieb, so glaubten wir, daß gegen Osten hin Land seyn muͤsse, in so fern nemlich hohe Berge den Wind abhalten, daß er nicht auf die Oberflaͤche der See wuͤrken, das ist, keine Wellen verursachen kann. A. d. V. in wel- cher Meynung wir jetzt, durch die vom Herrn Vaugondy herausgegebene Char- te, noch mehr bestaͤrkt worden sind, denn der Lage zufolge, welche man den fran- zoͤsischen Entdeckungen in vorgedachter Charte angewiesen hat, koͤnnen wir am 2ten Februar, an welchem Tage wir uns in der fuͤr diese Inseln angegebenen Breite, am weitesten gegen Osten befunden haben, hoͤchstens nur noch zwey Laͤn- gen-Grade westwaͤrts davon gewesen seyn. Ob wir nun gleich das Land selbst nicht fanden, so haben wir dennoch der Geographie durch unser hin und her kreutzen in dieser Gegend einen Dienst gethan, indem daraus unlaͤugbar erhel- let, daß die franzoͤsische Entdeckung nichts weiter als eine kleine Insel, keines- weges aber, wie man anfaͤnglich geglaubt, das noͤrdliche Ende eines unter diesem Himmelsstrich belegenen großen festen Landes sey. Am 8ten des Morgens bekamen wir einen außerordentlich dicken Nebel, in welchem wir unsre Begleiterinn, die Adventure, aus dem Gesicht verlohren. Dieses Vorfalls wegen ließ unser Capitain den ganzen heutigen und auch den folgenden Tag hindurch, erst alle halbe Stunden, und hernach alle Stunden eine Canone abfeuern, allein es erfolgte keine Antwort, und auch die Leucht-Feuer, welche wir diese beyden Naͤchte unterhielten, halfen zu nichts. Da nun alle Versuche unsre Begleiterinn wieder zu finden umsonst wa- ren, so sahen wir uns am 10ten fruͤh Morgens in die traurige Nothwendigkeit versetzt, in dem unangenehmen Lauf nach Suͤden allein fortzufahren und uns den Gefahren dieses eiskalten Himmelsstrichs von neuem bloszustellen, wiewohl ohne die bisherige einzige Hofnung, von unsern Gefaͤhrten Huͤlfe und Rettung zu erlan- gen, falls unser eignes Schiff ungluͤcklicherweise verlohren gehen sollte. Jeder- mann fuͤhlte dies so innig, daß ein Matrose selten in die weite See hinaus sahe, ohne zugleich seine Betruͤbniß uͤber unsre Trennung von der Adventure zu aͤus- sern, und daruͤber zu klagen, daß wir nunmehro auf diesem ungemeßnen, un- befahrnen Ocean, allein seegeln muͤßten, wo der Anblick eines treuen Gefaͤhrten un- sern Muth ehedem wechselseitig gestaͤrkt, und die Muͤhseligkeiten der Reise Forster’s Reise um die Welt 1773. Januar. ertraͤglicher gemacht hatte. Die Pinguins, die kleinen Sturm-Taucher, ( di- ving petrels ) besonders aber eine Art von rechten Tauchern, ( colymbi ) verlei- teten uns zu dem nicht weniger kraͤnkenden Gedanken, daß, indeß wir mit Eis und Sturm zu kaͤmpfen hatten, die Adventure vielleicht hier in der Nachbarschaft Land getroffen haben koͤnne, und wuͤrklich muͤssen wir, nach Vaugondy’s Char- te, damals nur um ein weniges suͤdwaͤrts davon entfernt gewesen seyn. Am 17ten nahmen wir ohngefaͤhr unter dem 58sten Grad suͤdlicher Brei- te, viel Eisschollen ein und fuͤllten unsre Wasserfaͤsser damit an. Eine Menge verschiedener Arten von Sturmvoͤgeln und Albatrossen, hatte uns bestaͤndig be- gleitet, gleichwie sich auch von Zeit zu Zeit die große nordliche Mewe, ( larus catarractes ) welche unsre Leute port-Egmont-hens nannten; ferner viel Pinguins, einige Seehunde und Wallfische sehen ließen. In vergangner Nacht hatten wir ein schoͤnes Phaͤnomenon bemerkt, welches sich auch heut und ver- schiedene folgende Naͤchte uͤber von neuem zeigte. Es bestand in langen Saͤu- len eines hellen weißen Lichts, die sich am oͤstlichen Horizont fast bis zum Zenith herauf erhoben, und nach und nach uͤber den ganzen suͤdlichen Theil des Him- mels verbreiteten. Zuweilen waren sie am obern Ende seitwaͤrts gebogen und den Nordlichtern unsres Welttheils zwar in den mehresten Stuͤcken aͤhnlich, aber doch darinn von selbigen verschieden, daß sie nie eine andre als weißlichte Farbe hatten, da unsre Nordlichter hingegen unterschiedliche, besonders die Feuer- und Purpur-Farbe anzunehmen pflegen. Bisweilen konnte man vor dem Schein dieser Suͤd-Lichter ( aurora australis ) deren meines Wissens noch kein Reisen- der gedacht hat, die darunter verborgenen Sterne nicht entdecken, und zu andern Zeiten sahe man sie hoͤchstens nur ganz blaß hindurch schimmern. Der Himmel war mehrentheils klar, wenn dies Phaͤnomen sich zeigte, und die Luft so scharf und kalt, daß das Thermometer gemeiniglich auf dem Gefrierpunkt stand. Am 24. da wir ohngefaͤhr im 62. Grad suͤdlicher Breite waren, und abermals auf ein festes Eisseld trafen, beschloß der Capitain endlich, zur groͤß- ten Zufriedenheit eines jeden unter uns, fuͤr diesmal nicht weiter nach Suͤden zu gehen. Wir waren nun auch lange genug ohne Erfrischung in See gewesen; die Jahrszeit in welcher es angieng, unter dieser kalten Himmelsgegend Entde- ckungen zu machen, war beynahe verstrichen; das Wetter ward taͤglich rauher und in den Jahren 1772 bis 1775. und ließ uns gleichsam schon zum voraus empfinden, wie schrecklich in diesen 1773. Februar. Seen der Winter seyn muͤsse; auch wurden die Naͤchte bereits ungleich laͤnger, und unsre Schiffarth dadurch immer gefaͤhrlicher. Es war also wohl sehr natuͤr- lich, daß unsre Matrosen, durch eine so muͤhselige Fahrt und aus Mangel gesun- der Speisen ganz entkraͤftet, anfiengen sich nach einem Ruhe- und Erfrischungs- Orte zu sehnen, und herzlich froh seyn mußten, einen Welttheil zu verlassen, in welchem sie dergleichen zu finden sich keine Hoffnung machen konnten. Indessen waͤhrte es doch noch bis zum 17ten des folgenden Monats, ehe wirkliche Anstalt ge- macht wurde aus diesen kalten Gegenden Abschied zu nehmen, denn bis zu ge- dachtem Tage steuerten wir abwechselnd zwischen dem 61. und 58sten Grade suͤd- licher Breite noch immer gegen Osten. Waͤhrend dieser Zeit hatten wir viel Ostwind, der gemeiniglich Nebel und Regen brachte, und uns mehr als ein- mal in augenscheinliche Gefahr setzte, an den hohen Eis-Inseln zu scheitern. Die Gestalt derselben war mehrentheils sonderbar und, des zertruͤmmerten Ansehens we- gen, oft mahlerisch genug. Unter andern kamen wir an einer vorbey die von außerordentlicher Groͤße war, und in der Mitte ein Grottenaͤhnliches Loch hatte, das durch und durch gieng, dergestalt, daß man das Tageslicht an der andern Seite sehen konnte. Einige waren wie Kirchthuͤrme gestaltet; noch andre ga- ben unsrer Einbildungskraft freyes Spiel, daraus zu machen was sie wollte, und dienten uns die Langeweile zu vertreiben, die nunmehro sehr uͤberhand zu nehmen anfieng, weil der taͤgliche Anblick von See-Voͤgeln, Meerschweinen, See-Hunden und Wallfischen, den Reitz der Neuheit laͤngst verlohren hatte. Unsrer guten Praͤservative und namentlich des Sauerkrautes ohnerachtet, zeigten sich bey einigen unsrer Leute nunmehro starke Symptome vom Scorbut, das ist, manche hatten boͤses Zahnfleisch, schweres Othemhohlen , blaue Flecke, Aus- schlag, Laͤhmung der Glieder, und gruͤne fettichte Filamente im Urin. Es ward ihnen also frische Bier-Wuͤrze verordnet, wodurch einige von dieser schrecklichen Krankheit ganz, andere wenigstens zum Theil, befreyet wurden. Das rauhe Clima ward auch den Schaafen, die wir vom Vorgebirge der guten Hoffnung mitgenommen hatten, sehr nachtheilig. Sie wurden kraͤtzig, fielen zu Haut und Knochen zusammen, und wollten fast gar nicht mehr fressen. Unsre Ziegen und Schweine warfen, aber die Jungen kamen in dem stuͤrmischen Wetter entweder Forsters Reise u. d. W. erster Th. M Forster’s Reise um die Welt 1773. Maͤrz. todt zur Welt oder verklammten doch bald darauf vor Kaͤlte. Kurz wir sahen aus so vielen zusammenstimmenden Umstaͤnden, daß es Zeit sey die hoͤhern suͤdli- chen Breiten zu verlassen, und nach einem Haven zu eilen, wo wir unsre Leute erfrischen und die noch wenigen uͤbrigen Schafe retten koͤnnten, welche den Ein- wohnern der Suͤd-See-Inseln zum Geschenk bestimmt waren. Am 16ten da wir uns ohngefaͤhr unterm 58. Grade suͤdlicher Breite befanden, leuchtete des Nachts die See, welches uns, der angezeigten hohen Breite und der Kaͤlte des Himmelsstrichs wegen, merkwuͤrdig duͤnkte, obgleich das Lench- ten hier nicht so stark als am Cap , sondern nur in einzelnen Funken zu sehen war. Das Thermometer stand am Mittag auf 33 ½ Grad, und in der Nacht vom 16ten und 19ten ließ sich das Suͤdlicht wiederum sehen; das letztemal mach- ten die Licht-Saͤulen einen Bogen uͤber den ganzen Himmel und waren leuch- tender als wir sie zuvor je gesehen hatten. Nunmehro fingen wir auch, wie bereits gemeldet, endlich an nach Nordosten hinauf zu steuern, um das Suͤd- Ende von Neu-Seeland zu erreichen. Auf diesem ganzen Strich hatten wir starke Winde, und sahen oft Seegras, besonders Felskraut, imgleichen eine große Menge von Sturm- und andern Seevoͤgeln. Von den letztern belustigten uns vornehmlich einige große graue Mewen die auf einen großen weißen Albatros Jagd machten. Der Laͤnge seiner Fluͤgel ohngeachtet konnte er ihnen doch nicht entgehen, und wenn sie ihn eingehohlt hatten suchten sie ihm vornehmlich von unten unterm Bauche beyzukommen, wo er, wie sie wißen mußten, am wehr- losesten seyn mag. Der Albatros hatte alsdenn kein andres Mittel ihrer los zu werden, als daß er sich aufs Wasser setzte, da sein fuͤrchterlicher Schnabel sie denn in Respect zu halten schien. Diese Mewen sind stark und raubsuͤchtig, wie sie denn auf den Faͤrroer- Inseln oftmals Laͤmmer in Stuͤcken reißen und solche in ihre Ne- ster bringen. Die Albatrosse hingegen sind dem Anschein nach weniger raubsuͤchtig und leben mehrentheils von kleinen Seethieren besonders von den Mollusca - und Medusen Arten. Sobald wir uͤber den funfzigsten Grad der suͤdlichen Breite nach Norden hinauf kamen, hatten wir ihrer eine große Menge um uns, dagegen wa- ren nur wenige einzelne so weit gen Suͤden vorgedrungen als wir, und folglich muͤssen sie eigentlich wohl nur unter dem gemaͤßigten Himmelsstrich wohnen. in den Jahren 1772 bis 1775. Je weiter wir nun nach Norden hin gelangten, je mehr Seehunde ka- 1773. Maͤrz. men uns von der Kuͤste von Neu-Seeland her entgegen, und am 25ten sahe man den Stamm eines Baumes und verschiedene Klumpen Gras voruͤber schwim- men, deren Anblick unsre Matrosen mit neuem Muthe belebte. Kurz nachher erblickte man in Nord-Ost zu Ost, Land, und ohnerachtet solches damahls noch weit entfernt zu seyn schien; so befanden wir uns doch, mit Huͤlfe eines guͤnsti- gen Windes, am Nachmittag um 5 Uhr nur noch wenig Meilen weit von einer gebrochenen, felsigen Kuͤste, wo verschiedne Oefnungen uns eine geraͤumige Bay oder Sund erwarten ließen, und hinter welcher, im Innern des Landes, hohe Berge empor ragten. Da wir der Kuͤste so nahe waren, wurde das Senkbley ausgeworfen, man fand aber mit 30 Faden keinen Grund; desto unvermutheter war es uns, als die Schildwache ploͤtzlich vom Mastbaum herabrief, daß wir dicht an einigen Felsenklippen waͤren. Das Schiff ward dieserwegen in groͤßter Eil umgewandt, und da das Wetter zu gleicher Zeit dunkel und regnicht ward, so entfernten wir uns Sicherheitshalber vom Lande. Am folgenden Morgen fand sich, daß der vor uns liegende Theil von Reu-Seeland gerade die vom Cap West suͤdwaͤrts gelegene aͤußerste Spitze dieses Landes war, welche Capitain Cook auf seiner vorigen Reise, in der Endeavour, noch nicht untersucht hatte. Hier endigte sich nun unsre erste Fahrt, in die hohen suͤdlichen Breiten, auf welcher wir vier Monath und zween Tage ohne Land zu sehen zugebracht hat- ten, gleichwohl diese ganze Zeit uͤber von der allwaltenden Vorsehung vor besonderen Ungluͤcksfaͤllen bewahrt, durch mancherley Gefahren sicher hindurch gefuͤhrt und, einige wenige ausgenommen, allerseits bey bestaͤndig guter Gesundheit erhalten worden waren. Dies war um so viel mehr zu verwundern, als wir auf der gan- zen Reise vom Vorgebuͤrge der guten Hofnung an, bis nach Neu-Seeland , un- aufhoͤrlich mit Muͤhseeligkeiten zu kaͤmpfen gehabt hatten, die uns desto mehr befuͤrchten ließen, je weniger sie irgend jemand, vor uns, versucht und erfahren hatte. Unsre Seegel waren zerrißen, unser Tauwerk in Stuͤcken, das Schiff ward entweder durch die Wellen auf das heftigste hin und her gewor- fen, oder wenn das nicht geschahe, so legte es der Wind ganz schief auf die Seite, wodurch, nebst dem bestaͤndigen Handthieren der Matrosen im Takelwerk, die Ca- juͤtten und das oberste Verdeck uͤberall wandelbar wurden; die schrecklichen Wuͤr- M 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. Maͤrz. kungen und Folgen fuͤrchterlicher Stuͤrme, die der trefliche Geschichtschreiber von Anson’s Reise, mit so natuͤrlichen, schwarzen Farben geschildert hat — das alles waren gewißermaßen nur die geringsten unsrer Plagen. — Noch außer diesen mußten wir mit der Strenge eines ungewoͤhnlich rauhen Clima’s kaͤmpfen; Ma- trosen und Officier waren bestaͤndig Regen, Hagel oder Schnee ausgesetzt; das Tau und Takelwerk war durchaus mit Eis uͤberzogen und wehe den Haͤnden, welche daran arbeiten mußten; unser Vorrath von frischen Waßer konnte nicht anders als mit Treibeis ersetzt werden, und das Aufnehmen desselben aus eis- kaltem. Seewaßer ging ohne erfrohrne und blutige Haͤnde nicht ab; unaufhoͤr- lich mußten wir befuͤrchten gegen die hohen Eismassen anzulaufen, womit der un- exmeßliche suͤdliche Ocean gleichsam angefuͤllet ist; und dergleichen Gefahr kam oft so schnell und so vielfaͤltig, daß die Leute selten ihre gewoͤhnlichen Ruhestunden ge- nießen konnten, sondern denen Wachthabenden alle Augenblick zu Huͤlfe kommen und das Schif mit unablaͤßiger Vorsicht regieren, oder in der aͤußersten Geschwin- digkeit wenden mußten. Zu diesen Unannehmlichkeiten gesellte sich noch die duͤstere Traurigkeit, welche unter dem antarctischen Himmel herrscht, wo wir oft ganze Wochen lang in undurchdringliche Nebel verhuͤllt zubringen mußten, und den erfreulichen Anblick der Sonne nur selten zu sehen bekamen, ein Umstand, der schon allein vermoͤgend ist den Entschlossensten und Lebhaftesten niedergeschla- gen zu machen. Endlich so hatten auch die Angeln und Leinen, welche bereits im November waren ausgetheilt worden, bis jetzt noch zu nichts gedient, weil in diesen hoͤhern Breiten das Meer uͤberall grundlos war, und nirgends andre als Wallfische zum Vorschein kamen. Doch ließ sich freylich, da wir nun ein- mal nicht so gluͤcklich waren Land zu treffen, nichts besseres erwarten; denn es ist bekannt, daß man nur im heißen Himmelsstriche allein, fern vom Ufer und Sand- baͤnken, in unergruͤndlichen Gegenden der See mit der Angel Fische zu fangen hoffen kann Atrum Defendens pisces hiemat mare. Horatius . Auf solche Weise war denn die lange Zeit, welche wir in ofner See ohne Land zu sehen und ohne irgend eine Art von Erfrischungen zu genießen zubringen in den Jahren 1772 bis 1775. mußten, wohl in der That nicht anders als eine stete Reihe von Muͤhseeligkeit 1773. Maͤrz. und Elend zu nennen, und es verdient wahrlich als ein deutliches Merkmahl der goͤttlichen Obhut angesehen zu werden, daß wir von alle den Folgen nichts er- litten, welche von so mannigfaltigem und gehaͤuften Elende zu gewarten und zu befuͤrchten waren. Fuͤnftes Hauptstuͤck . Aufenthalt in Dusky-Bay . Beschreibung derselben. Nachricht von unsern Verrichtungen. N ach einer Fahrt von einhundert und zwei und zwanzig Tagen, auf welcher wir ohngefaͤhr dreytausend fuͤnfhundert Seemeilen in ofner See zuruͤckge- legt hatten, kahmen wir endlich am 26sten Maͤrz zu Mittage in Dusky Bay an. Diese Bay, welche an der Nordseite des Cap West liegt, hatte Capitain Cook auf seiner vorigen Reise in der Endeavour bereits entdeckt, ihr auch da- mahls schon einen Nahmen gegeben, ohne sie jedoch selbst zu besuchen. Siehe Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen in 4. dritter Band, pag. 15. Aus großer Ungedult bald vor Anker zu konnnen , wuͤnschten wir, daß solches gleich an der Muͤndung der Bay thunlich seyn moͤchte: Allein, da das Senkbley dort eine allzu große Tiefe, nemlich von vierzig Faden anzeigte, und etwas weiter hin gar mit sechzig Faden kein Grund mehr zu finden war, so mußten wirs uns ge- fallen laßen, noch ungleich weiter hinein zu seegeln. Das Wetter war indes- sen schoͤn und in Verhaͤltniß zu demjenigen, das wir bisher hatten empfinden muͤs- sen, recht erquickend warm. Sanft wehende Winde fuͤhrten uns nach und nach bey vielen felsichten Inseln vorbei, die alle mit Baͤumen und Buschwerk uͤber- wachsen waren, deren mannigfaltiges, dunkleres Immergruͤn, ( evergreen ) mit dem durch die Herbstzeit verschiedentlich schattirten Gruͤn des uͤbrigen Laubes malerisch vermischt war und sehr angenehm gegen einander abstach. Ganze M 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. Maͤrz. Schaaren von Wasservoͤgeln belebten die felsigten Kuͤsten und das Land ertoͤnte uͤberall vom wilden Gesang der gefiederten Waldbewohner. Je laͤnger wir uns nach Land und frischen Gewaͤchsen gesehnt hatten, desto mehr entzuͤckte uns nun dieser Prospect, und die Regungen der innigsten Zufriedenheit, welche der Anblick dieser neuen Scene durchgaͤngig veranlaßte, waren in eines jeglichen Augen deutlich zu lesen. Um drey Uhr Nachmittags kamen wir endlich unter der Spitze einer In- sel vor Anker, woselbst wir einigermaßen gegen die See gedeckt und der Kuͤste so nahe waren, daß man sie mit einem kleinen Taue erreichen konnte. Kaum war das Schiff in Sicherheit, als unsre Matrosen ihre Angeln auswarffen; und in wenig Augenblicken sahe man an allen Seiten des Schifs eine Menge vortreflicher Fi- sche aus dem Wasser ziehen, deren viel versprechender Anblick die Freude uͤber unsre gluͤckliche Ankunft in der Bay ungemein vermehrte. Wir fanden sie von vor- treflichen Geschmack und da wir zumahl so lange darauf gefastet hatten, so war es kein Wunder, daß uns diese erste Neu- Seelaͤndische Mahlzeit als die herr- lichste in unserm ganzen Leben vorkam. Zum Nachtisch ergoͤtzte sich das Auge an der vor uns liegenden, wildnißartigen Landschaft, die Salvator Rosa nicht schoͤner haͤtte mahlen koͤnnen. Sie war ganz im Geschmack dieses Kuͤnstlers und bestand aus Felsen, mit Waͤldern gekroͤnt, deren Alter in die Zeiten vor der Suͤndfluth hinauf zu reichen schien, und zwischen welche sich aller Orten Wasser- baͤche mit schaͤumenden Ungestuͤm herabstuͤrzten. Zwar haͤtte es bey weitem nicht so vieler Schoͤnheiten bedurft um uns zu entzuͤcken, denn nach einer langen Ent- fernung vom Lande ist es warlich sehr leicht, selbst die oͤdeste Kuͤste fuͤr das herr- lichste Land in der Schoͤpfung anzusehen. Und aus diesem Gesichtspuncte muß man auch die feurigen Beschreibungen der wilden Klippen von Juan Fer- nandez und der undurchdringlichen Waͤlder von Tinian betrachten. Gleich nach Tische wurden zwei Boote ausgesetzt, um verschiedne Gegen- den der Bay zu untersuchen, hauptsaͤchlich aber um fuͤr unser Schif einen sichern Haven ausfindig zu machen, indem unser jetziger Ankerplatz offen, unbequem und nur fuͤrs erste gut genug war. Wir machten uns diese Gelegenheit zu Nutze Untersuchungen in der natuͤrlichen Geschichte anzustellen, und trennten uns, um von beiden Booten und ihren verschiedenen Entdeckungen zu gleicher in den Jahren 1772 bis 1775. Zeit Gebrauch zu machen. Beide Partheien fanden bequeme und wohlgedeckte 1773. Maͤrz. Haven, nebst Ueberfluß an Holz und Waßer; auch trafen sie allenthalben so viel Fische und Wasser-Voͤgel an, daß man nicht leicht einen Mangel an Le- bensmitteln dieser Art besorgen durfte, wenn wir gleich noch so lange hier ver- bleiben wollten. So guͤnstige Aussichten bewogen den Capitain Cook , einige Zeit hier zuzubringen, zumahl da er auf seiner ersten Reise das suͤdliche Ende von Neu-Seeland nur fluͤchtig untersucht hatte. Unsrer Seits fanden wir, so wohl in dem Thier- als Pflanzenreiche, neue Reichthuͤmer, und es gab kaum eine einzige Gattung, die mit den bekannten voͤllig uͤbereinstimmte, ja viele wollten sich gar nicht einmal unter die bekannten Geschlechter bringen laßen. Hieran glaubten wir nun waͤhrend unsers Aufenthalts hinlaͤnglich Beschaͤftigung zu finden, obgleich der Herbst dem Pflanzenreiche schon den Untergang anzukuͤndigen schien. Am folgenden Morgen ward in aller Fruͤhe, ein kleines Boot gegen die Kuͤste geschickt und nach Verlauf dreyer Stunden brachte es bereits so viele Fi- sche, die blos mit Angeln gefangen waren, zuruͤck, daß das ganze Schiffsvolk eine Mahlzeit davon halten konnte. Der beste und wohlschmeckendste darunter war eine Art von Cabeljau ( cod ) den die Matrosen, der Farbe wegen, den Koh- lenfisch nannten. Außerdem bekamen wir auch verschiedne Arten von vortrefli- chen duͤnnen See-Rappen ( Sciœnœ ) Meer-Scorpionen ( Scorpens ) Dick-Koͤ- pfe ( mugil . mullet ) Bastard-Mackrelen ( Scomber Trachurus ) und andre wohlschmeckende Fische mehr, die in Europa ganz unbekannt sind. Um 9 Uhr giengen wir von unserm bisherigen, unzulaͤnglichen Anckerplatz unter Seegel, und liefen in den gestern ausfindig gemachten und Pickersgill genannten Hafen ein. Hier lagen wir in einer kleinen Bucht, und so nahe am Ufer, daß wirs mit ei- nem Geruͤste von wenigen Planken erreichen konnten. Die Natur kam uns dabey mit einem großen Baum zu Huͤlfe, der vom Lande aus in horizontaler Richtung schief uͤber das Wasser hingewachsen war. Das aͤußerste Ende befestig- ten wir mitten aufs Schiff und machten laͤngst dem Baume einen Steg von Bret- tern. Am Ufer selbst fanden wir fuͤr unsre Beduͤrfnisse nicht weniger Bequem- lichkeiten. Die Baͤume standen so nahe am Schiffe, daß die Aeste bis an unsre Masten hinreichten und ein schoͤner Strohm frischen Waßers floß nur einen Pi- Forster’s Reise um die Welt 1773. Maͤrz. stolenschuß weit hinter dem Schiffe. Da nun Holz und Waßer die Hauptartickel waren, welche wir vom Lande aus an Bord zu schaffen hatten, so gereichte uns die nahe Nachbarschaft derselben zu einer großen Erleichterung. Wir lies- sen es unsre erste Arbeit seyn einen nahgelegenen Huͤgel, vom Holz kahl zu ma- chen, um die Sternwarthe und Schmiede daselbst aufzustellen, denn unser Ei- senwerk hatte einer schleunigen Ausbesserung noͤthig. Zu gleicher Zeit wurden fuͤr die Seegelmacher, Boͤttiger, Wassertraͤger und Holzhauer am Wasserplatze Zelte aufgeschlagen. Bey Gelegenheit dieser Arbeiten verringerte sich schon die hohe Meynung, welche unsre Leute von diesem Lande gefaßt hatten; denn die ungeheure Menge von Schling-Stauden ( climbers ) Dornen, Strauchwerk und Farrnkraut, womit die Waͤlder durchwachsen und uͤberlaufen waren, machte es ungemein muͤhsam ein Stuͤck Land zu reinigen, und ließ uns schon zum voraus sehen, daß es aͤußerst schwer, wo nicht unmoͤglich seyn wuͤrde, tief in das Inn- re des Landes einzudringen. Und in der That ist es nicht nur historisch wahr- scheinlich, daß in diesem suͤdlichen Theile von Neu Seeland die Waͤlder noch unan- getastet, in ihrem urspruͤnglich wilden, ersten Stande der Natur geblieben sind, sondern der Augenschein beweiset solches beynahe unleugbar. Wir fanden es z. E. nicht nur des obgedachten uͤberhand genommenen Unkrauts wegen, fast un- moͤglich darin fortzukommen, sondern es lag auch uͤberall eine Menge von ver- faulten Baͤumen im Wege, die entweder vom Winde umgeworfen oder vor Al- ter umgefallen, und durch die Laͤnge der Zeit zu einer fetten Holzerde geworden waren, aus welcher bereits neue Generationen von jungen Baͤumen, parasitischen Pflanzen, Farn-Kraͤutern und Moosen reichlich wieder aufsproßten. Oft bedeckte eine taͤuschende Rinde, das innere verfaulte Holz eines solchen umgefallnen Stammes und wer es wagte darauf zu treten, fiel gemeiniglich bis mitten an den Leib hinein. Das Thierreich lieferte seiner Seits auch einen Beweis, daß dieser Theil des Landes, bis jetzt wohl noch keine Veraͤndrung von Menschen erlitten haben koͤnne, und ließ uns beym ersten Anblick vermuthen, daß Dusky-Bay gaͤnzlich unbewohnt seyn muͤße; denn eine Menge kleiner Voͤgel schienen noch nie eine menschliche Gestalt gesehen zu haben, so unbesorgt blieben sie auf den naͤchsten Zweigen sitzen, oder huͤpften wohl gar auf dem aͤußersten Ende unsrer Vogelflinten herum, und betrachteten uns als fremde Gegenstaͤnde mit einer Neu- in den Jahren 1772 bis 1775. Neugierde, die der unsrigen einigermaßen gleich kam. Diese unschuldige Drei- 1773. Maͤrz. stigkeit schuͤtzte sie anfaͤnglich, denn wer haͤtte hartherzig genug seyn koͤnnen sie zu schießen, wenn sie so nahe waren; aber in wenig Tagen ward sie ihnen sehr nach- theilig und verderblich, weil eine Katze aus unserm Schiff nicht so bald ausfindig gemacht hatte, daß hier so trefliche Gelegenheit zu einem herrlichen Fraße sey, als sie richtig alle Morgen einen Spatziergang ins Holz vornahm, und eine schreckliche Niederlage unter den kleinen Voͤgeln anrichtete, die sich vor diesem so hinterlistigen Feinde nicht huͤteten, weil sie nichts Arges von ihm vermutheten. Bey dem Ueberfluß an Fischen und der Menge von Waßervoͤgeln, die uns mehrere Arten von Fleischspeisen zu versprechen schien, fehlte es unsrer Tafel gleichsam nur noch allein an frischem Gemuͤse. Diesem Mangel suchten wir da- her auf unsren ersten botanischen Spatziergaͤngen abzuhelfen, und fanden auch gleich den Tag nach unsrer Ankunft, einen zum Myrthen-Geschlecht gehoͤrigen, schoͤnen Baum, der eben in Bluͤthe stand, und davon auf Capitain Cook’s erster Reise eine Infusion, statt Thees, war getrunken worden. Ohngeachtet uns dies noch keine Schuͤssel gab; so war es uns doch, als ein frisches Krant, willkommen, und ward daher auch gleich versucht. Die Blaͤtter waren angenehm aromatisch, etwas zusammenziehend und gaben beym ersten Aufguß dem Wasser einen ganz besonders lieblichen Geschmack, allein, wenn zum zweytenmahl siedendes Wasser aufgegossen ward, so verschwand dieser angenehme Geschmack, und statt dessen be- kam die Infusion eine ungemeine Bitterkeit, daher wir es auch nie zum zwey- tenmahle ziehen ließen. Der Gebrauch dieser Pflanze, ward unter unsern Leu- ten bald allgemein, und trug dem Ansehn nach viel dazu bey, das Blut zu rei- nigen und alle scorbutische Symptomen zu vertreiben. Da diese Pflanze kuͤnfti- gen Seefahrern sehr nuͤtzlich werden kann, so verdiente sie bekannter und folg- lich gezeichnet zu werden. Wir haben daher dem Capitain Cook sehr gern er- laubt, von unsrer Zeichnung Gebrauch zu machen; und sie ist auf Befehl der Ad- miralitaͤt gestochen und seiner Reisebeschreibung beygefuͤgt. Auch in gegenwaͤrti- ger deutschen Ausgabe unsrer Reisegeschichte wird sie der naturkundige Leser, hof- fentlich mit Vergnuͤgen, antreffen. In gutem Boden und dicken Waͤldern waͤchst sie bis zur Groͤße eines ansehnlichen Baums, der oft dreißig bis vierzig Fus hoch ist, und einen Fus im Durchschnitt haͤlt. In bergichten trocknen Forster’s Reise u. d. W. erster Th. N Forster’s Reise um die Welt 1773. Maͤrz. Erdreich hingegen, habe ich sie als eine kleine Staude ohngefaͤhr nur sechs Zoll hoch gefunden, und daß sie, dieser geringen Groͤße ohnerachtet, gesund und voll- kommen war, bezeugten Frucht und Bluͤthe. Gewoͤhnlicher Weise wird sie aber acht bis zehen Fus hoch, und ohngefaͤhr drey Zoll im Durchschnitt stark. In diesem Fall ist der Stamm unregelmaͤßig und ungleich, treibt kurz uͤber der Erde schon Zweige aus, die mit dem Stamm gemeiniglich spitze Winkel ausmachen, und nur allein an den aͤußersten Enden Blaͤtter und Bluͤthen haben. Die Blu- men sind weis und geben der Pflanze eine große Zierde. Man versuchte es auch die Blaͤtter eines andern Baumes, der in dieser Gegend sehr haͤufig wuchs, Dieser nuͤzliche Baum verdiente zwar ebenfalls fuͤr die Seefahrer genauer beschrieben zu werden; wir konnten aber der spaͤten Jahrszeit wegen weder Bluͤthen noch Fruͤchte da von austreiben. zur In- fusion zu gebrauchen; allein, seiner Aehnlichkeit mit dem Fichtengeschlecht und ei- nes gewissen harzichten Geschmacks wegen, fanden wir bald, daß er sich zwar nicht zum Thee, hingegen zu jenem gesunden und angenehmen Getraͤnk, das in West- indien unter dem Namen Spruce - oder Sprossen Bier bekannt ist, noch besser als der americanische Spruce -Baum ( Spruce-tree ) schicken wuͤrde. Wir braueten auch wuͤrklich, mit einem Zusatz von etwas Bier- Wuͤrz- Eßenz und Syrup, eine sehr gute Art von Bier daraus, und machten dieses in der Folge durch eine Beymischung von Bluͤthen und Blaͤttern des neuen Theebaums noch angeneh- mer und beßer. Der Geschmack war lieblich aber etwas bitter; und der einzige Fehler, den wir daran finden konnten, bestand darinn, daß es fruͤh, bey nuͤchter- nem Magen getrunken, zuweilen Uebelkeit verursachte. In jedem andern Betracht hingegen war es vortreflich und gesund. Der Neu-Seelaͤndische Spruce- Baum ist von schoͤnem Gewaͤchs und Ansehn, denn er schießt bisweilen zu einer Hoͤhe von hundert Fuß auf und hat alsdenn wohl zehn Fuß im Umfange. Wegen seiner niederhaͤngenden Aeste faͤllt er sehr in die Augen, und sein Laub besteht aus einer Menge langer, hellgruͤner Blaͤtter, die den Kiehn-Nadeln gleichen und als Faden von den Zweigen herabhaͤngen, wie aus der hier beyge- fuͤgten Abbildung zu ersehen ist. Ohngeachtet sich in den hiesigen Waͤldern nur allein der Spruce- und der Theebaum fand, von welchen man etwas genießen konnte, so waren doch die uͤbrigen, in großer Menge und Verschiedenheit vor- handenen Baͤume, theils zum Schiffbau, theils zu Tischler- und andrer Holz- in den Jahren 1772 bis 1775. arbeit gut zu brauchen; und Capitain Cook mußte gestehen, daß er auf ganz Neu- 1773. Maͤrz. Seeland keine bessere Waldung als hier in Dusky-Bay angetroffen habe, aus- genommen laͤngst den Ufern des Flusses Thames ( Themse ), der die noͤrdliche Insel dieses Landes durchstroͤhmt und den er auf seiner vorigen Reise befahren hatte. Siehe Hawkesworths Geschichte der englischen Seereisen in 4. zweyter Band, pag. 349. 352. und dritter Band, pag. 32. Wir waren nicht uͤber zween Tage in dieser Bay gewesen, so wurden wir bereits uͤberzeugt, daß sie nicht unbewohnt seyn muͤsse. Als nehmlich am 28sten Morgens einige unsrer Officier in einem kleinen Boote auf die Jagd gingen, und etwa zwei oder drey englische Meilen weit vom Schiffe in eine Bucht hineinru- derten, wurden sie am Strande einige Einwohner gewahr, die ein Ca- not Wir werden uns allezeit dieses Worts bedienen, um ein indianisches Fahrzeug anzu- deuten, es sey denn, daß bey einer oder der andern Gelegenheit dieser allgemeine Ausdruck fuͤr unsre Absicht nicht zureichend waͤrt. (Kahn) ins Wasser setzen wollten. Bey ihrer Annaͤherung fiengen die Neu-Seelaͤnder an uͤberlaut zu rufen; und da man sie ihrem Schreyen nach fuͤr zahlreicher hielt als sie wuͤrklich waren, so giengen die Officiers zuruͤck und gaben dem Capitain Nachricht von dieser Entdeckung; eine Vorsicht, die ihnen desto noͤthiger duͤnkte, weil das Wetter sehr regnicht war und ihr Schießgewehr leicht haͤtte hindern koͤnnen Feuer zu geben. Kaum waren sie am Boord zuruͤck, als sich neben einer hervorragenden Land-Ecke, die ohngefaͤhr eine englische Meile weit vom Schiff entfernt seyn mochte, ein Canot sehen ließ. Es war mit sieben oder acht Leuten besetzt, die uns eine Zeitlang anguckten, aber durch keine Zeichen der Freundschaft als Zurufen, Aushaͤngen von weißen Tuͤchern, Vorzeigung von Glas-Corallen und dergleichen, sich wollten bewegen lassen, naͤher zu kommen; sondern nach einer Weile den Weg zuruͤck ruderten, den sie gekommen waren. So viel sich in der Entfernung unterscheiden ließ, giengen sie in Matten gekleidet und hatten breite Ruder, mit welchen sie ihr Canot, eben so wie die Einwohner des noͤrdlichen Theils von Neu-Seeland , fortarbeiteten. Capitain Cook nahm sich vor sie noch heute Nachmittag am Lande zu besuchen, um ihnen die Besorg- niß zu benehmen, worinn sie unserntwegen zu seyn schienen. Er ließ zu dem Ende zween Boote aussetzen und fuhr nebst uns und verschiednen Officiers nach der N 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. Maͤrz. Bucht hin, wo sich die Wilden zuerst hatten sehen lassen. Hier fanden wir ein doppeltes Canot, das ohnweit etlicher alten niedrigen Huͤtten aufs Land gezo- gen war, und in der Nachbarschaft sahe man einige Stellen wo Feuer ge- brannt hatte, auch lagen Fischnetze und Fische umher. Das Canot war alt und in schlechtem Stande. Es bestand aus zween Troͤgen oder Booten, die in der Mitte durch Queerhoͤlzer verbunden und mit Stricken von der Neu-Seelaͤn- dischen, hier abgebildeten Flachs-Pflanze Siehe Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen in 4. dritter Band, pag. 34. u. f. zusammen gekoppelt waren. Ein Je- des einzelne dieser beyden Boote, war fuͤr sich aus Planken verfertigt, die mit Schnuͤren aneinander genaͤhet und am Vordertheil durch ein grobgeschnitztes Menschengesicht verzieret waren, in welchem sie statt der Augen kleine Stuͤcken von perlmutterartigen Seeohr-Muscheln eingesetzt hatten. In diesem Canot fanden wir zween Ruder, einen Korb voll Beeren von der coriaria ruscifolia Linnæi, und einige Fische. Von den Leuten aber bekamen wir nichts zu hoͤren und zu sehen, weil sie, allem Anschein nach, in den Wald gefluͤchtet waren. Um uns ihr Vertrauen und Zuneigung zu erwerben, legten wir ihnen einige Schau- muͤnzen, Spiegel, Glas-Corallen und andre Kleinigkeiten in das Canot und giengen, ohne weitern Aufenthalt, wieder zu unserm Boot, um tiefer in die Bucht hinein zu rudern und einen Plan von derselben aufzunehmen. Bey dieser Ge- legenheit fanden wir einen schoͤnen Bach, der sich uͤber den flachen Strand ins Meer ergoß, welches hier eine ganze Strecke lang so seicht war, daß wir mit dem Boote einigemal auf den Grund stießen. Endten, See-Raben ( Shags ) schwarze Austerfaͤnger ( Oyster catcher ) und Kybits-Arten ( ployers ) gab es hier in großer Menge. Auf dem Ruͤckwege konnten wir uns nicht enthalten, noch einmal nach dem Canot hinzusehen; fanden aber noch alles wie wir es verlassen hatten. Den Werth, der bereits vorher zuruͤckgelaßnen Geschenke zu erhoͤhen, fuͤgten wir jetzt noch ein Beil hinzu, und um ihnen den Gebrauch desselben be- greiflich zu machen, hieben wir einige Spaͤhne von einem Baume ab, und lies- sen es alsdenn in dem Stamm stecken. Allein unsre Hauptabsicht erreichten wir bey diesem zweyten Besuch eben so wenig als bey dem vorhergehenden, denn wir bekamen abermals keinen von den Einwohnern zu sehen, ohnerachtet sie, unserm in den Jahren 1772 bis 1775. Beduͤnken nach, nicht weit weg seyn konnten, und wir so gar den Rauch von ih- 1773. April. ren Feuern zu riechen glaubten. Vermuthlich waͤren sie in dem nah gelegenen Walde leicht zu entdecken gewesen; da sie uns aber so geflissentlich aus dem Wege gegangen zu seyn schienen, so wollte sie der Capitain nicht aufsuchen lassen, sondern es lieber der Zeit und ihrem freyen Willen anheim stellen, ob sie naͤher mit uns bekannt werden wollten oder nicht. Unterdessen war die Zeit so weit verstrichen, daß wir erst am spaͤten Abend wieder an das Schiff zuruͤck kamen. Den ganzen folgenden Morgen regnete es heftig; Nachmittags aber klaͤrte sich das Wetter auf und verstattete uns, in das auf dem jenseitigen Ufer der Bucht gelegene Holz zu gehen; Doch fanden wir es jetzt doppelt muͤhsam darinn fortzukommen, denn außer den bereits angezeigten Schwuͤrigkeiten sich durch die Schling-Stauden und durch die umgefallenen Baͤume hindurch zu arbeiten, hatte der heutige Regen das Erdreich dermaßen durchgeweicht und schluͤpfrig gemacht, daß man fast bey jedem Schritt ausgleitete. Indessen ward unsre Muͤhe wenig- stens dadurch belohnt, daß wir noch einige Pflanzen in der Bluͤthe antrafen, ohn- erachtet es hier zu Lande sch o n sehr spaͤt im Jahre war. Außerdem erregte eine Menge von unbekannten Baͤumen und Straͤuchern unsre Verwunderung uͤber den Reichthum dieses Landes an neuen Pflanzen, allein dabey mußten wir es auch bewenden lassen, denn es waren weder Bluͤthen noch Frucht mehr daran vorhan- den, und folglich keine naͤhere botanische Untersuchung moͤglich. Die beyden folgenden Tage uͤber hielt uns das regnichte und stuͤrmische Wetter am Bord eingeschlossen, und benahm uns fast den Muth; denn wenn diese Witterung so anhielt, welches der Jahreszeit nach allerdings zu befuͤrchten stand, so ließ sich voraus sehen, wie unangenehm wir die Zeit unsers uͤbrigen Auf- enthalts allhier zubringen wuͤrden. In dieser Besorgniß wandten wir, am 1sten April Nachmittags, den ersten heitern Augenblick dazu an, die Bucht wieder zu besuchen, in welcher wir die Indianer gesehen hatten. Wir fanden daselbst noch alles, wie wir es gelassen, und es schien die ganze Zeit uͤber Niemand bey dem Canot gewesen zu seyn. Da das Wetter sehr hell war, so konnte man diese Bucht heute nach allen Seiten hin uͤbersehen. Sie ist so geraͤumig, daß eine ganze Flort: darinn vor Anker liegen kann, und hat an der Suͤdwest-Seite ei- nige hohe Berge, die beynahe von dem Gipfel an bis ganz an das Ufer herab N 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. April. mit Holz bewachsen sind. Die verschiednen Landspitzen, die in die See hinaus laufen, und die Inseln in der Bay, bieten von hier aus einen schoͤnen, mahleri- schen Anblick dar. Die Spiegelflaͤche des Wassers, welche beym Untergang der Sonne herrlich erleuchtet ward, die Mannigfaltigkeit des Gruͤns und der Gesang der Voͤgel, welche sich an diesem stillen Abende um die ganze Bay herum hoͤren ließen, milderten die rauhen und wilden Umrisse dieser Landschaft auf eine sehr angenehm contrastirende Weise. Das Vergnuͤgen dieses Abends, lockte uns, bey dem schoͤnen hellen Wetter des folgenden Tages, schon mit Sonnen-Aufgang wiederum nach dieser Bucht und hielt uns bis am spaͤten Abend dort zuruͤck, da wir mit einer ganzen La- dung von neuen Voͤgeln und Pflanzen wieder auf dem Schiffe anlangten. Wir hatten einen jungen Hund, den sich einige Officier am Vorgebuͤrge der guten Hofnung angeschaft, mit uns genommen, um zu versuchen, ob er sich nicht an das Schießen gewoͤhnen und zur Jagd abrichten ließe. Aber kaum ward die erste Flinte abgefeuert, als er davon und ins Holz lief, auch allem Rufen und Locken ohnerachtet nicht zu uns zuruͤck kommen wollte. In unsrer Abwesen- heit hatte Capitain Cook sich das schoͤne Wetter ebenfalls zu Nutze gemacht, um verschiedene Gegenden der Bay genauer zu untersuchen. Er kam bey dieser Gelegenheit an einem kleinen Felsen, ohnweit unserm ersten Ankerplatz vorbey, den wir damals schon Seal rock oder Seehund-Felsen genannt hatten, weil eine Menge von diesen Thieren ihr gewoͤhnliches Nachtlager dort zu nehmen pfleg- ten. Auch heute fand er ihrer eine große Anzahl daselbst und erlegte drey Stuͤck. Einer von diesen Seehunden, der zu wiederholtenmalen angeschossen war, ward zuletzt ganz wuͤtend, und fiel das Boot an, welches ihm denn vollends das Le- ben kostete. Er war ohngefaͤhr 6 Fus lang, und wog, ohnerachtet er nur sehr ma- ger war, doch 220 Pfund. Von hier aus lief der Capitain an verschiedenen kleinen Inseln vorbey und gelangte zuletzt an das Nord-West-Ende der Bay, wel- ches die Point five finger genannte Landspitze ausmacht. Allda fand er in einer schoͤnen Bucht, eine Menge verschiedener Wasservoͤgel, von denen er viele schoß und an Boord brachte. Nach dieser kleinen Lustreise mußten wir, des von neuem einfallenden Re- gens halber, wiederum eine Pause machen und an Bord bleiben, wo eine Art klei- in den Jahren 1772 bis 1775. ner Erd Muͤcken ( tipula alis incumbentibus ), die uns schon vom ersten Eintritt 1773. April. in Dusky-Bay an gepeinigt hatten, jetzt, bey dem nassen Wetter, ungemein be- schwerlich fiel. Am Lande waren sie beym Eingange in die Waͤlder besonders haͤufig anzutreffen, und unsre Matrosen nannten sie Sandfliegen . Ohnerachtet sie kaum halb so groß als Muͤcken oder Muskito’s seyn mochten; so war ihr Stich gleich- wohl sehr schmerzhaft, und, sobald die gestochene Hand oder das Gesicht warm ward, erfolgte ein unertraͤgliches Jucken, welches beym geringsten Reiben oder Kratzen eine starke Geschwulst und große Schmerzen nach sich zog. Jedoch hatten wir nicht alle gleich viel von ihnen auszustehen: Ich fuͤr mein Theil empfand keine besondre Ungelegenheit davon; andre hingegen wurden abscheulich von ihnen gequaͤlt, insbesondre hatten sie meinen Vater so uͤbel zugerichtet, daß er nicht im Stande war die Feder zu halten, um nur die taͤglichen Vorfaͤlle in seinem Journal nie- derzuschreiben, und die Nacht fiel er sogar in ein heftiges Wundfieber. Zwar versuchte man allerhand Mittel dagegen, aber ohne Nutzen. Das Beste war, die Haͤnde und das Gesicht mit weicher Pomade einzureiben und bestaͤndig Hand- schuh zu tragen. Fruͤh am 6ten giengen einige Officier nach der Bucht, welche der Capi- tain am 2ten entdeckt hatte; der Capitain selbst aber nahm ein andres Boot und gieng nebst Herrn Hodges , Dr. Sparrman , meinem Vater und mir, nach der Nordseite, um fuͤr seine Person in Abzeichnung der Bay fortzufahren, Herr Hodges , um Aussichten nach der Natur aufzunehmen, und wir, um die natuͤr- lichen Merkwuͤrdigkeiten des Landes zu untersuchen. In dieser Gegend trafen wir eine schoͤne geraͤumige Bucht an, die so tief und schraͤg ins Land hinein ragte, daß man von dort aus die See gar nicht sehen konnte. Das Ufer derselben war steil und von demselben stuͤrzten sich verschiedene kleine Wasserfaͤlle aus großen Hoͤhen herab, welches eine uͤberaus herrliche Scene darstellte. Sie stroͤhmten mitten aus dem Walde hervor und fielen alsdenn in durchsichtig hellen Wasser- Saͤulen so senkrecht herunter, daß ein Schiff ganz nahe bey denselben sich haͤtte ans Ufer legen, und vermittelst eines Schlauchs von Seegeltuche ( hose ) seine Wasserfaͤsser allenfalls an Boord selbst, in aller Sicherheit anfuͤllen koͤnnen. Im Hintergrunde gab es einen Fleck, wo das Wasser seicht und morastig war, das Ufer aber aus Muschel-Sand bestand, uͤber welches hier, so wie in allen Buch- Forster’s Reise um die Welt 1773. April. ten dieser Bay, ein kleiner Bach herabrieselte. An dieser Stelle fanden wir viel Federwildpret, besonders wilde Endten, davon wir vierzehn Stuͤck erlegten, und daher den Ort auch Duck-Cove , das ist, Endten-Bucht nannten. Auf dem Ruͤckwege kamen wir an einer Insel vorbey, die eine weit hervorragende Fel- senspitze hatte, auf welcher wir einen Menschen sehr laut rufen hoͤrten. Da dies niemand anders als einer von den Eingebohrnen seyn konnte, so nannten wir diese Insel Indian-Island , d. i. Indianer-Insel , und naͤherten uns dem Ufer derselben, um zu erfahren, von wem die Stimme herkaͤme. Als wir wei- ter heran kamen, entdeckte man, daß es ein Indianer war, der mit einer Keule oder Streit-Art bewafnet, auf der Felsenspitze stand, und hinter ihm erblickte man in der Ferne, am Eingang des Waldes, zwo Frauenspersonen, deren jede ei- nen Spieß in der Hand hielt. Sobald wir mit dem Boot bis an den Fus des Felsen hingekommen waren, rief man ihm in der Sprache von Taheiti zu: Tay o Harre ma ï , d. i. Freund komm hier! Allein das that er nicht, sondern blieb an seinem Posten, auf seine Keule gelehnt stehen und hielt in dieser Stellung eine lange Rede, die er bey verschiednen Stellen mit großem Nachdruck und Heftigkeit aussprach, und alsdenn zugleich die Keule um den Kopf schwenkte. Da er nicht zu bewegen war naͤher zu kommen, so gieng Capitain Cook vorn ins Boot, rief ihm freundlich zu und warf ihm sein und andrer Schnupftuͤcher hin, die er jedoch nicht auflangen wollte. Der Capitain nahm also etliche Bogen weiß Papier in die Hand, stieg unbewaffnet auf dem Felsen aus und reichte dem Wilden das Papier zu. Nunmehro zitterte der gute Kerl sichtbarer Weise uͤber und uͤber, nahm aber endlich, wiewohl noch immer mit vielen deut- lichen Merkmalen von Furcht, das Papier hin. Da er dem Capitain jetzt so nahe war, so ergrif ihn dieser bey der Hand und umarmete ihn, indem er des Wil- den Nase mit der seinigen beruͤhrte, welches ihre Art ist sich unter einander zu begruͤßen. Dieses Freundschaftszeichen benahm ihm mit einemmale alle Furcht, denn er rief die beyden Weiber zu sich, die auch ungesaumt herbey kamen, in- deß daß von unsrer Seite ebenfalls verschiedne aus Land stiegen, um dem Capi- tain Gesellschaft zu leisten. Hierauf erfolgte zwischen uns und den India- nern eine kleine Unterredung, wovon aber Niemand etwas rechtes verstand, weil keiner in des andern Sprache hinreichend erfahren war. Herr Hodges zeichnete gleich in den Jahren 1772 bis 1775. gleich auf der Stelle einen Umriß von ihrer Gesichtsbildung und aus ihren 1773. April. Minen ließ sich abnehmen, daß sie begriffen was er vor hatte. Sie nann- ten ihn desfalls tóa-tóa, welches Wort vermuthlich eine Beziehung auf die bildenden Kuͤnste haben mußte. Der Mann hatte ein ehrliches gefaͤlliges An- sehen, und die eine von den beyden Frauenspersonen, die wir fuͤr seine Tochter hielten, sahe gar nicht so unangenehm aus, als man in Neu-Seeland wohl haͤtte vermuthen sollen, die andre hingegen war ausnehmend haͤßlich und hatte an der Ober-Lippe ein ungeheures garstiges Gewaͤchs. Sie waren alle dunkelbraun oder Olivenfarbicht, hatten schwarzes und lockichtes Haar, das mit Oehl und Rothstein eingeschmiert, bey dem Mann oben auf dem Wirbel in einen Schopf zusammen gebunden, bey den Weibern aber kurz abgeschnitten war. Den Ober- theil des Coͤrpers fanden wir wohl gebildet; die Beine hingegen außerordentlich duͤnne, uͤbel gestaltet und krumm. Ihre Kleidung bestand aus Matten von Neu- Seelaͤndischen Flachs Hawkesworths Gesch. der engl. See-Reisen in 4. dritter Band, S. 34. und war mit Federn durchwebt. In den Ohren tru- gen sie kleine Stuͤcke von Albatros-Haut, mit Roͤthel oder Ocher gefaͤrbt. Wir boten ihnen einige Fische und Endten an, sie warfen solche aber zuruͤck und ga- ben uns zu verstehen, daß sie keinen Mangel an Lebensmitteln haͤtten. Die einbrechende Nacht noͤthigte uns von unsern neuen Freunden Abschied zu neh- men, wir versprachen ihnen aber, sie morgen wieder zu besuch e n. Bey der Ab- fahrt sahe uns der Mann in ernsthafter Stille und mit einer Aufmerksamkeit nach, welche tiefes Nachdenken anzuzeigen schien; die juͤngste Frauensperson hin- gegen, die waͤhrend unsrer Anwesenheit in einem fort und mit so gelaͤufiger Zunge geplaudert hatte, als keiner von uns je gehoͤrt zu haben, sich erinnern konn- te, sieng nunmehro an zu tanzen, und fuhr fort eben so laut zu seyn als vorher. Unsre Seeleute erlaubten sich dieses Umstandes halber einige grobe Einfaͤlle auf Ko- sten des weiblichen Geschlechts, wir aber fanden durch dieses Betragen die Bemer- kung bestaͤtigt, daß die Natur sich nicht begnuͤgt habe, dem Manne zu Erleichterung seiner Sorgen und Muͤhseligkeiten eine Gehuͤlfin zu geben, sondern daß sie dieser auch, durchgehends, die Begierde eingepflanzt habe, vermittelst eines hoͤhern Grades von Lebhaftigkeit und Gespraͤchigkeit zu gefallen. In Capitain Cooks gedruckter Reise- Forsters Reise u. d. W. erster Th. O Forster’s Reise um die Welt 1773. April. Geschichte findet man diese kleine Familie nebst der Gegend, in welcher sich die vorgedachte Scene zutrug, schoͤn und richtig abgebildet. Am folgenden Morgen kehrten wir zu den Indianern zuruͤck und brachten ihnen allerhand Sachen, die wir zu Geschenken, vom Schiffe aus, mit uns genommen hatten. Der Mann bewieß bey dieser Gelegenheit ungleich mehr Ver- stand und Beurtheilungskraft als man bisher unter seinen uͤbrigen Landsleuten und unter den mehresten Einwohnern der Suͤd-See-Inseln angetroffen hat- te, G. vielfaͤltig in Hawkesworths Gesch. der engl. See Reisen. denn er begrif nicht nur, gleich beym ersten Anblick, den vorzuͤglichen Werth und Gebrauch der Beile und großen Naͤgel, sondern er s ahe auch uͤber- haupt alles mit Gleichguͤltigkeit an, was ihm keinen wahren Nutzen zu haben schien. Bey diesem Besuch machte er uns mit seiner ganzen Familie bekannt. Sie bestand aus zwo Frauenspersonen, die wir fuͤr seine Weiber hielten; dem ob- gedachten jungen Maͤdchen; einem Knaben von ohngefaͤhr funfzehen Jahren und drey kleinen Kindern, wovon das juͤngste noch an der Brust lag. Man konnte es sehr deutlich merken, daß der Mann die Frau mit dem Gewaͤchs an der Oberlippe gar nicht achtete, welches vermuthlich wegen ihrer unangenehmen Gestalt ge- schahe. Sie fuͤhrten uns bald darauf nach ihrer Wohnung, welche nur wenige Schritt weit im Walde, auf einem kleinen Huͤgel lag und in zwo schlechten Huͤt- ten bestand, die aus etlichen an einander gelehnten Stangen aufgebauet und mit trocknen Blaͤttern der Flachspflanze gedeckt waren, uͤber welche sie Baum-Rin- den hergelegt hatten. Um uns Gegengeschenke zu machen, ließen sie es sich verschiedne Zierrathen und Waffen, vornemlich einige Streit-Aexte kosten, doch erstreckte sich ihre Freygebigkeit nicht bis auf die Speere, die ihnen folglich wohl das liebste und kostbarste seyn muͤssen. Als wir abfahren wollten, kam der Mann an den Strand herab und schenkte dem Capitain Cook eine Kleidung von Matten, aus Flachs gewebt, einen Guͤrtel, der von Gras geflochten war, ei- nige aufgereihete corallenfoͤrmige Kuͤgelchen, die aus kleinen Vogelknochen ge- macht waren, und verschiedne Albatros-Haͤute. Wir glaubten anfaͤnglich, daß dies alles noch Gegengeschenke seyn sollten, allein, er zog uns bald aus dem Irrthum, indem er ein großes Verlangen aͤußerte, einen von unsern Boot in den Jahren 1772 bis 1775. Maͤnteln Dergleichen sogenannte Boot-Maͤntel sind so groß und weit, daß man sie einigemal um den Leib schlagen kann. zu haben. Indessen waren wir nicht gefaͤllig genug, Kleidungs- 1773. April. stuͤcke weg zu geben, welche wir nicht wieder anschaffen konnten, doch ließ der Capitain, so bald wir an Boord zuruͤck kamen, gleich einen großen Mantel von rothen Boy ( baize ) in Arbeit nehmen, um dem Manne bey unserm naͤchsten Be- such ein Geschenk damit zu machen. Am folgenden Morgen hinderte uns der Regen zu ihm zu kommen als sich aber Nachmittags das Wetter aufzuklaͤren schien, fuhren wir nach der Indianer-Insel hin. Da sie wußten, daß wir sie besuchen wollten, so befremdete es uns, daß sich keiner von ihnen zur Bewillkommung am Strande sehen ließ, noch mehr aber, daß so gar auf unser Rufen nicht einmal Antwort erfolgte. Wir stiegen indessen ans Land, und wanderten unter allerhand Muth- maßungen nach ihrer Wohnung, woselbst wir die Ursach dieses unerwarteten Betragens bald gewahr wurden. Sie bereiteten sich nemlich, uns in allem ihrem Schmuck und Staat zu empfangen. Einige waren schon voͤllig geputzt; andere hingegen noch damit beschaͤftigt. Sie hatten sich gekaͤmmt und die Haare mit Oel oder Fett eingeschmiert, auf der Scheitel zusammen gebunden, auch weiße Federn oben in den Schopf gesteckt. Einige trugen dergleichen Federn, an einer Schnur aufgereihet, um die Stirn gebunden; und andre hatten Stuͤcke von Albatros-Fell, auf welchen noch die weißen Dunen saßen, in den Ohren. In diesem Staate erhoben sie bey unsrer Ankunft ein Freudengeschrey und empfingen uns stehend mit mannigfaltigen Zeichen von Freundschaft und geselligem Wesen. Der Capitain, welcher den neuen Mantel von rothen Boy selbst umgenommen hat- ten, legte ihn ab und uͤbereichte ihn dem Manne, der so hoͤchlich daruͤber er- freut war, daß er sogleich ein Pattu-Pattu oder eine kurze, flache Streit-Axt, von einem großen Fischknochen verfertigt, aus seinem Guͤrtel zog, und dem Ca- pitain ein Gegengeschenk damit machte. Wir versuchten es, uns in eine Unter- redung mit ihnen einzulassen, und hatten zu dem Ende den Corporal Gibson von den See-Soldaten mit uns genommen, weil dieser von der Landes-Spra- O 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. April. che Er war in der Sprache von O-Taheiti besonders erfahren; und zwischen dieser und der Sprache von Neu-Seeland , ist nur ein solcher Unterschied als zwischen zwey Dialecten zu seyn pflegt. mehr als sonst Jemand an Boord verstehen sollte; allein, wir konnten demohngeachtet nicht zu Stande kommen, weil diese Familie eine besonders harte, und daher unverstaͤndliche Aussprache zu haben schien. Wir nahmen also Abschied von ihnen und beschaͤftigten uns den Rest des Tages uͤber, ver- schiedne Theile der Bay in einen Riß zu bringen, neben her ein wenig zu fischen oder Voͤgel zu schießen, und Muscheln nebst andern See-Coͤrpern zwischen den Fel- sen aufzulesen. Das Wetter war die ganze Zeit uͤber wolkicht, doch kam es, in den Gegenden wo wir waren, nicht zum Regen. Als wir aber nach der Bucht zuruͤck gelangten, wo das Schiff vor Anker lag, sagte man, daß es in unsrer Ab- wesenheit bestaͤndig geregnet haͤtte, und in der That bemerkten wir auch in der Folge, daß es in Dusky-Bay mehrmalen an einer Stelle regnete, indeß daß nicht weit davon kein Tropfen fiel. Dieses veranlassen wahrscheinlicherweise die laͤngst der suͤdlichen Kuͤste der Bay, gegen die westliche Landspitze hinlaufenden Berge, welche ihrer Hoͤhe wegen, fast bestaͤndig mit Wolken bedeckt sind. Da nun unsre Bucht gerade unterhalb denselben lag, und so zu sagen, uͤberall damit umgeben war, so ward sie gleichsam der Sammelplatz der Duͤnste, die be- staͤndig aus dem Wasser aufstiegen, und an den Seiten der Berge so sichtbarlich hinzogen, daß die Gipfel der Baͤume stets in eine Art von weißen halbdurchsich- tigen Nebel eingehuͤllt waren, der zuletzt wie ein starker Thau oder Regen herab- fiel und uns bis auf die Haut naß machte. An der noͤrdlichen Seite der Bay hin- gegen ist dies anders, denn dort liegen lauter flache Inseln, und uͤber diese giengen die Ausduͤnstungen der See gerade weg nach denen im Hintergrunde der Bay ge- legenen Alpen , die bestaͤndig mit Schnee bedeckt sind. Die beyden folgenden Tage uͤber war der Regen so heftig, daß nichts vorgenommen werden konnte. Da sol- chergestalt die Luft in unsrer Bucht bestaͤndig feucht war, so ward es im Schiff aller Orten dunstig, welches freylich ungesund seyn mußte, und zugleich auch die Sammlungen von Pflanzen, die wir bis jetzt gemacht hatten, in den Grund verdarb. Das Schiff lag so nahe an einem steilen und mit uͤber- haͤngendem Baum und Buschwerk bewachsenen Ufer, daß es in den Cajuͤtten, in den Jahren 1772 bis 1775. selbst bey hellem Wetter, vornemlich aber bey Nebel und Regen, bestaͤndig dun- 1773. April. kel war, und daß wir sogar zu Mittage oft Licht anstecken mußten. Doch lies- sen wir uns diese Unannehmlichkeiten noch gern genug gefallen, weil in dieser Gegend immer frische Fische zu haben waren, und wir vermittelst einer so ge- sunden Kost, desgleichen bey Sprossen-Bier ( spruce-beer ) und Myrten- Thee, wenigstens immer frisch und munter blieben. Seit unserm Hier- serm Hierseyn waren wir wuͤrkliche Fischfresser ( Ichthyophagi ) geworden; denn viele von uns aßen schlechterdings nichts als Fisch. Aus Besorgniß, daß wir dieser treflichen Speise in der Folge uͤberdruͤßig werden koͤnnten, suchten wir oft neue Zubereitungs-Arten hervor. Wir machten Fisch-Suppen und Fisch-Pa- steten, wir kochten, wir brateten, wir roͤsteten, wir stobten sie: Aber es war besonders, daß alle Kuͤnsteleyen der Kochkunst, den Ekel, den wir damit ver- huͤten wollten, nur desto geschwinder hervor brachten, denn diejenigen, die sich weißlich begnuͤgten, ihre Fische schlechtweg aus See-Wasser gekocht zu essen, blieben nur allein bey recht exemplarischem Appetit: As if increase of appetite had grown By what it fed on — Shakespear . Noch sonderbarer war es, daß um keinen Ekel gegen das Fischessen zu bekommen, wir uns bey der so großen Mannigfaltigkeit, gleichwohl nur auf eine einzige Art von Fischen einschraͤnkten, die unsre Matrosen, der schwarzen Farbe wegen, Kohlsische nannten, und in Geschmack und Art dem englischen Cabeljau aͤhn- lich waren. Sie haben ein festes saftiges und nahrhaftes, aber nicht so delicates Fleisch als wohl einige andre hiesige Fischarten, die wir jedoch nicht zu unserm bestaͤndigen Essen machen mogten, weil sie, ihres Fettes wegen, gemeiniglich eine sehr weichliche Speise waren. Eine schoͤne aber groͤßere Art von Hummern ( cancer homarus Linnæi ) als der gewoͤhnliche Seekrebs, einige Schaalfische und zu- weilen ein Seerabe ( Corvorant ), eine Endte, Taube oder Papagay, machten dann und wann eine angenehme Abwechselung in unsrer taͤglichen Kost, welche in Vergleich dessen was sie zur See gewesen, nun uͤppig und verschwenderisch zu nennen war. O 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. April. Unsre ganze Reisegesellschaft vom Capitain bis zum geringsten Matrosen empfand die guten Wuͤrkungen dieser veraͤnderten und verbesserten Diaͤt; so gar jedes Thier am Boord schien sich dabey zu erholen, nur unsre Schaafe nicht; doch konnten diese auch, vermoͤge der Natur des Landes, bey weitem nicht so gut dran seyn als wir, weil das ganze suͤdliche Ende von Tamai-poe-namu , (wie die suͤdliche Insel von Neu-Seeland , in der Landessprache heißt,) und besonders das Land um Dusky-Bay herum, uͤberall aus steilen, felsichten Bergen besteht, die durch tiefe Kluͤfte von einander abgesondert und unterhalb mit dicken Waͤldern bewachsen, an den Gipfeln aber entweder unfruchtbar oder mit Schnee bedeckt sind, dergestalt, daß es nirgends, weder Wiesen, noch flache Gruͤnde giebt. Die einzigen Stellen, wo ein Fleck flaches Land anzutreffen war, fanden sich im Hinter- grunde der Buchten, da, wo irgend ein Bach ins Meer floß. Dergleichen Baͤche hat- ten allem Anscheine nach Erde und Steine aus den Hoͤhen herabgefuͤhrt und solche an ihren Ufern abgesetzt, wodurch nach und nach ein niedriger, flacher Grund entstan- den war; allein auch dort wuchsen mehrentheils Stauden und Dornengebuͤsch, oder wenn es ja nahe am Wasser etwas Riedgras gab, so war es doch zu wenig, auch so hart und grob, daß es nicht zur Weide dienen konnte. Was das aͤrgste war, so mußten wir sehen, daß selbst unsre Muͤhe, die juͤngsten Grassprossen zum Futter aufzusuchen, zu nichts diente, denn auch dieses wollten die Schaafe, zu je- dermanns Verwundrung, nicht anruͤhren. Bey genanerer Untersuchung fand sich, daß ihre Zaͤhne los waren, und daß sie alle Anzeigen eines recht boͤsar- tigen Scorbuts an sich hatten. Von vier Mutter-Schaafen und zweyen Boͤ- cken, die Capitain Cook vom Vorgebuͤrge der guten Hofnung mitgenommen, um sie an der Kuͤste von Neu -Seeland auszusetzen, hatten wir nur zwey Stuͤcke, nemlich ein Schaaf und einen Widder erhalten koͤnnen, und auch diese waren in so elenden Umstaͤnden, daß es noch sehr dahin stand, ob sie am Leben bleiben oder gleich den andern ebenfalls drauf gehen wuͤrden. Wenn daher in der Folge irgend ein Seefahrer, so schaͤtzbare Geschenke als Vieh, unter die Einwohner der Suͤd-See auszutheilen willens ist, so wird er diese wohlthaͤtige Absicht nicht anders erreichen und das Vieh gesund dahin bringen koͤnnen, als wenn er die Ueberfahrt auf das geschwindeste zuruͤckzulegen und der Kaͤlte auszuweichen sucht, zu welchem Ende er in der besten Jahreszeit den kuͤrzesten Weg vom Cap nach in den Jahren 1772 bis 1775. Neu-Seeland nehmen, und sich bestaͤndig in mittlern, temperirten Breiten hal- 1773. April. ten muß. Am 11ten schien uns die klar und helle Luft einen schoͤnen Tag zu ver- sprechen, der uns so viel erwuͤnschter war, weil wir seit unsrer Ankunft in Dusky- Bay , des nassen Wetters halber, die Seegel und das Leinen-Zeug noch nicht hatten trocknen koͤnnen. Da die Boote heute zu missen waren, so ließen wir uns, um Naturalien aufzusuchen, nach der Bucht uͤbersetzen, wo wir das erste indiani- sche Boot angetroffen, und von weitem auch einen Wasserfall gesehen hatten, von welchem diese Bucht Cascade Cove oder Cascaden-Bucht war benannt wor- den. Dieser Wasserfall scheint in einer Entfernung von anderthalb englischen Meilen eben nicht betraͤchtlich zu seyn, dies ruͤhrt aber von seiner sehr hohen Lage her. Denn nachdem wir angelangt waren, mußten wir den Berg, auf wel- chem er gelegen ist, wenigstens 600 Fus hoch hinan klettern, ehe wir ihn voͤl- lig zu Gesicht bekamen. Von dort her ist die Aussicht groß und praͤchtig. Der Gegenstand, der zuerst in die Augen faͤllt, ist eine klare Wassersaͤule, die ge- gen 24 bis 30 Fus im Umfange haͤlt, und sich mit reißendem Ungestuͤm uͤber einen senkrechtstehenden Felsen, aus einer Hoͤhe von ohngefaͤhr 300 Fuß, herab- stuͤrzt. Am vierten Theile der Hoͤhe trift diese Wassersaͤule auf ein hervortre- tendes Stuͤck desselbigen Felsens, der von da an etwas abhaͤngig zu werden an- faͤngt, und schießt alsdann, in Gestalt einer durchsichtigen, ohngefaͤhr 75 Fus breiten Wasser-Wand, uͤber den hindurchscheinenden flachen Felsen-Ruͤcken hinweg. Waͤhrend des schnellen Herabstroͤmens faͤngt das Wasser an zu schaͤumen und bricht sich an jeder hervorragenden Ecke der Klippe, bis es unterhalb in ein schoͤnes Becken stuͤrzt, das ohngefaͤhr 180 Fuß im Umfange halten mag und an drey Seiten durch eine ziemlich senkrechte Felsenwand eingefaßt, vorn aber von großen und unordentlich uͤber einander gestuͤrzten Stein-Massen eingeschlossen ist. Zwischen diesen draͤngt es sich wieder heraus und faͤllt schaͤumend und schnell am Abhange des Berges in die See herab. Mehr als 300 Fus weit umher fanden wir die Luft mit Wasser-Dampf und Dunst angefuͤllt, der von dem heftigen Falle entstehet, und so dicht war, daß er unsre Kleider in wenig Minuten dermaßen durchnaͤßte, als ob wir in dem heftigsten Regen gewesen waͤren. Wir ließen uns indessen durch diese kleine Unannehmlichkeit im geringsten nicht abhalten, dies Forster’s Reise um die Welt 1773. April. schoͤne Schauspiel noch von mehrern Seiten her zu betrachten, und stiegen zu dem Ende auf die hoͤchsten Steine vor dem Bassin. Wenn man von hier aus in dasselbe herab sahe, so zeigte sich ein vortreflicher Regenbogen, der bey hoch- stehender Mittags-Sonne in den Duͤnsten der Cascade voͤllig cirkelrund und sowohl vor, als unter uns, zu sehen war. Außer und neben diesem Licht- und Farben- Cirkel war der Wasserstanb mit prismatischen Farben, aber in verkehrter Ord- nung, gefaͤrbt. Zur Linken dieser herrlichen Scene stiegen schroffe braune Felsen empor, deren Gipfel mit uͤberhaͤngendem Buschwerk und Baͤumen gekroͤnt waren. Zur Rechten lag ein Haufen großer Steine, den, allem Anschein nach, die Ge- walt des vom Berge herabstroͤmenden Wassers zusammengethuͤrmt hatte; uͤber diesem hinaus erhob sich eine abhaͤngige Felsen-Schicht zu einer Hoͤhe von etwa 150 Fus, und auf diese war eine 75 Fuß hohe, senkrechte Felsenwand mit Gruͤn- und Buschwerk uͤberwachsen, aufgesetzt. Weiter zur Rechten sahe man Gruppen von gebrochenen Felsen, durch Moos, Farnkraut, Gras und aller- hand Blumen verschiedentlich schattirt, den dort herkommenden Strohm aber zu beyden Seiten mit Baͤumen eingefaßt, die, vermoͤge ihrer Hoͤhe von ohnge- faͤhr 40 Fus, das Wasser gegen die Strahlen der Sonne decken. Das Getoͤse des Wasserfalls war so heftig, und schallte von den benachbarten, wiedertoͤnenden Felsen so stark zuruͤck, daß man keinen andern Laut dafuͤr unterscheiden konnte. Die Voͤgel schienen sich deshalb auch etwas davon entfernt zu halten, weiter hin aber ließ sich die durchdringend helle Kehle der Drosseln ( thrushes ), die tiefere Stimme des Barth-Vogels ( wattle-bird ) und der bezaubernde Gesang ver- schiedner Baumlaͤufer oder Baumklettrer ( creepers ) an allen Seiten hoͤren, und machte die Schoͤnheit dieser wilden, romantischen Gegend vollkommen. Als wir uns um- und dem Wasserfall den Ruͤcken zuwandten, sahen wir die weite Bay, mit kleinen hochbewachsnen waldichten Inseln besaͤet, unter uns, und uͤber sel- bige hinaus, an der einen Seite das feste Land, dessen hohe, mit Schnee be- deckte Berge bis in die Wolken reichten; an der andern aber, begraͤnzte der un- absehlich weite Ocean die Aussicht. Dieser Prospect ist so bewundernswuͤrdig groß, daß es der Sprache an Ausdruͤcken fehlt, die Majestaͤt und Schoͤnheit desselben, der Natur gemaͤß zu beschreiben, und daß nur der kuͤnstliche Pinsel des auf diese Reise mit ausgeschickten Mahlers, Herrn Hodges , allein im Stande war, in den Jahren 1772 bis 1775. war, dergleichen Scenen mit meisterhafter Taͤuschung nachz u ahmen. Die Stuͤcke 1773. April. dieses Kuͤnstlers machen seinen Talenten und seiner Beurtheilungskraft, so wie dem Geschmack und der Wahl seiner Befoͤrderer ungemein viel Ehre. Nachdem wir uns an diesem praͤchtigen Schauspiel lange genug vergnuͤgt hatten, wandten wir unsre Aufmerksamkeit auf die Blumen, welche in dieser Ge- gend den Boden belebten, und auf die Voͤgel, die so lustig um uns her sungen. Bis jetzt hatten wir noch an keinem Ort der Bay die Natur im Pflanzen- und Thierreiche so schoͤn und reich gefunden, als hier. Vielleicht machte die staͤrkere Brechung der Sonnenstrahlen an den steilen Felsenwaͤnden und die bedeckte Lage gegen die Stuͤrme, das Clima hier milder als anderer Orten, denn der Boden an und fuͤr sich war um nichts besser als an andern Stellen der Bay. Er bestand hier, wie uͤberall, aus guter fruchtbarer Erde, und die Felsen und Steine um die Cascade waren theils Granit-Massen ( Saxum ), theils eine Art von gelblichen talkichten Thonstein in Schichten, der durch ganz Reu-Seeland sehr gemein ist. Gegen Abend kehrten wir, mit unsern heutigen Entdeckungen uͤberaus zufrieden, an Bord zuruͤck. Bey der Ankunft daselbst erzaͤhlte man uns, daß die indianische Familie, welche wir des Morgens in ihrem groͤßten Staat nach der Bucht hatten hineinrudern sehen, sich nach und nach, aber mit großer Be- hutsamkeit, dem Schiffe genaͤhert habe. Capitain Cook war ihnen in einem Boot entgegen gegangen, hatte sie aber nicht bewegen koͤnnen an Bord des Schiffs zu kommen, und mußte sie daher ihrem eignen Willen uͤberlassen. Die- ser fuͤhrte sie, nicht lange nachher, in eine kleine Bucht nahe bey der unsrigen, allwo sie sich, dem Schiffe gegenuͤber, aus Ufer setzten, und so nahe waren, daß man sie hoͤren und mit ihnen sprechen konnte. Der Capitain ließ die Queerpfeife und den Dudelfack spielen und dazu trommeln, allein auch dies konnte sie nicht naͤher locken, denn aus dem Pfeifen schienen sie sich gar nichts zu machen, und auf das Trommeln achteten sie eben so wenig. Da solchergestalt nichts vermoͤgend war sie an das Schiff zu bringen, so ruderten verschiedne Officiere und Seeleute zu ihnen heruͤber. Die Wilden nahmen sie mit treuherzigem Wesen auf, aber alle Versuche durch Zeichen mit ihnen zu reden, waren vergebens, denn keiner von beyden Theilen konnte sie dem andern verstaͤndlich genug machen. Das Maͤd- chen hatte anfaͤnglich eine besondre Neigung und Zudringlichkeit zu einem jungen Forsters Reise u. d. W., erster Th. P Forster’s Reise um die Welt 1773. April. Matrosen gezeigt, den sie, ihrem Betragen nach, fuͤr eine Person ihres Ge- schlechts zu halten schien. Ob er sich aber in der Folge unschickliche Freyheiten genommen, oder ob sie eine andre Ursach zur Unzufriedenheit uͤber ihn gehabt, wissen wir nicht; genug sie wollte ihm nachher nie erlauben ihr wieder nahe zu kommen. Da die Indianer bey unsrer Zuruͤckkunst noch an dem angezeigten Ort ohnweit dem Schiffe waren, so giengen auch wir zu ihnen ans Land. Der Mann verlangte, daß wir uns neben ihn setzen sollten, und zeigte mehrmahlen auf unsre Boote, die zwischen dem Schiff und dem Lande ab- und zu giengen, als ob er Lust haͤtte, auch eins zu besitzen. Da ihm aber hierinn nicht gewillfahret werden konnte, so gaben wir uns eben keine besondre Muͤhe zu erfahren, ob sein Deuten diese oder eine andere Meynung gehabt habe. Nach einiger Zeit mach- ten sie, ohngefaͤhr 100 Schritte weit von unserm Wasserplatz, ein Feuer an, und bereiteten sich einige Fische zum Abendbrod, blieben auch die ganze Nacht uͤber auf dieser Stelle, welches uns, als ein deutliches Merkmahl ihres gaͤnzlich un- besorgten Vertrauens zu uns, nicht wenig gefiel. Eine Parthey Officier die den morgenden Tag zur Jagd bestimmt hatten, giengen noch heut Abend in einem klei- nen Boote nach der Nordseite der Bay ab, um die Nacht daselbst zuzubringen, und morgen gleich mit Tages Anbruch auf dem Platz zu seyn. Am folgenden Morgen ließ Capitain Cook ein Boot bemannen, und fuhr in Begleitung meines Vaters nach der Muͤndung der Bay, um die dort ge- legenen Klippen und Inseln aufzunehmen. An der Suͤdost-Seite jener Insel, wo wir zuerst geankert, und solche desfalls die Anker-Insel genannt hatten, fanden sie eine kleine artige Bucht, und in derselben einen angenehmen Bach, an dessen Ufer sie sich niederließen, um von einigen mitgenommenen Krebsen, ein zweytes Fruͤhstuͤck zu halten, dem zu Ehren diese Bucht Luncheon-cove genannt wurde. Nach dieser kleinen Erfrischung setzten sie ihre Fahrt nach den entlegensten Inseln fort, und trafen auf den dortigen Klippen eine Menge Seehunde, von denen sie vierzehn Stuͤck mit Kugeln schossen, und an Boord brachten. Es waͤre ihnen leicht gewesen, noch mehrere zu erlegen, wenn sie der Braudung wegen auf allen Klippen haͤtten landen koͤnnen. Die See-Hunde in dieser Bay sind alle von der Art, welche man See-Baͤren Phoca ursina Linn . Visine Seal. Pennants Syn. Quadr . 271. nennt in den Jahren 1772 bis 1775. und vom Professor Steller auf Berings-Eyland bey Kamtschatka zuerst aus- 1773. April. findig gemacht und beschrieben worden. Sie sind folglich eben so wohl auf der noͤrd- lichen als auf der suͤdlichen Halbkugel der Erde anzutreffen. An den suͤdlichen Spitzen von America und Africa , desgleichen bey Neu-Seeland und auf van Diemens- Land findet man sie haͤufig. Der einzige Unterschied zwischen denen, welche sich in Dusky-Bay , und jenen, die sich bey Kamtschatka auf- halten, besteht in der Groͤße, wornach die hiesigen kleiner sind. Bey Gelegenheit dieser Jagd zeigte sich, daß sie ein sehr hartes Leben haben: denn manche, die schwer verwundet waren, entwischten in die See, ob sie gleich soviel Blut verlohren hatten, daß Fels und Meer damit gefaͤrbt war. Fuͤr die Tafel sind sie nicht sonder- lich zu nutzen, indem das Fleisch fast ganz schwarz und nicht zu genießen ist. Herz und Leber hingegen lassen sich essen. Ersteres konnte man bey starken Appetit und etwas Einbildung fuͤr Rindfleisch halten; und die Leber schmeckt vollkommen wie Kaͤlber- Geschlinge. Nur mußte alles Fett sorgfaͤltig weggeschnitten werden ehe man es kochte, denn sonst hatte es einen unertraͤglich thranichten Geschmack. Der Ca- pitain machte sich dies zu Nutze und ließ aus dem Fett einen Vorrath von Brenn- Oel kochen, auch die Felle sorgfaͤltig aufbewahren, weil sie zum Ausflicken des Takelwerks gut zu brauchen waren. Der gluͤckliche Fang des vorigen Tages, bewog ihn eine abermalige Reise nach den Seehund-Inseln vorzunehmen, und mein Vater begleitete ihn, wie ge- stern; allein heute war ihnen die See zuwider, denn sie gieng so hoch, daß es unmoͤg- lich war, sich den Klippen zu naͤhern, viel weniger darauf zu landen. Mit vieler Muͤhe arbeiteten sie sich zwar um die suͤdwestliche Spitze der Anker-Insel herum, fanden es aber dort noch aͤrger, denn die Wellen stuͤrzten ihnen mit so großen Un- gestuͤm entgegen, und thuͤrmten sich so hoch, daß selbst die Matrosen Seekrank davon wurden. Gleichwohl ließ sich der Capitain dadurch nicht zuruͤck halten, vollends bis an die noͤrdliche Kuͤste der Insel und laͤngst derselben hinzuru- dern, um die Lage verschiedner Land-Ecken aufzunehmen. Es war ein Gluͤck, daß sie diesen Weg genommen hatten, denn das kleine Boot, in welchen am elften des Abends etliche Officiers auf die Jagd ausgegangen waren, hatte sich bey dem ungestuͤmen Wetter vom Ufer losgerissen und trieb eben auf eine Klippe hin, an welcher es zerschmettert worden waͤre, wenn des Capitains Boot nicht gluͤck- P 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. April. licherweise dazu gekommen und die Leute es noch zu rechter Zeit ergriffen haͤtten. Man brachte es sogleich nach einer kleinen Bucht in Sicherheit, und die Matrosen machten sich fuͤr ihre Muͤhe durch die Lebensmittel bezahlt, welche die Officiers noch darinn vorraͤthig hatten. Als sie eine kleine Mahlzeit davon gehalten, ließ der Capitain nach der Stelle hinsteuern, wo seiner Meynung nach, die Herren seyn mußten, denen das Boot weggeschwommen war. Zwischen 7 und 8 Uhr Abends, erreichten sie die Bucht, und fanden ihre Jaͤger auf einer kleinen In- sel, an welche sie aber nicht heran kommen konnten, weil der Ebbe-Zeit wegen das Wasser nicht tief genug war. Sie mußten daher auf einer benachbarten Landspitze aussteigen und des bereits verstrichnen Tages wegen sich gefallen las- sen, die Nacht daselbst zuzubringen. Mit vieler Muͤhe brachten sie endlich ein Feuer zuwege, brateten an demselben einige Fische und legten sich nach gehaltner Mahl- zeit, unbequem genug, schlafen, denn der steinichte Strand war ihr Bette und der Himmel ihre Decke. Um 3 Uhr Morgens, als die Fluth hinlaͤnglich angewachsen, machten sie sich auf und brachten die Officiers von jener unwirthbaren Insel, auf welcher sie von ihrem Boote abgeschnitten, so lange hatten aushalten muͤssen, nach der Bucht hin, wo dieses gestern war zuruͤck gelassen worden. Hier fanden sie bey dem regnigten und windigen Wetter eine unendliche Menge Sturm- voͤgel von der blaͤulichten Art, die auf dem ganzen suͤdlichen Ocean so gemein ist. S. oben, Seite 69. ꝛc. Einige flogen herum, andere aber steckten im Walde zwischen den Baum- wurzeln in Hoͤhlen oder in Fels-Ritzen, wo man ihnen nicht gut beykommen konnte und wo sie dem Anschein nach ihre Nester und Jungen hatten. Diese lies- fen sich laͤngst den Seiten des Berges mit mannigfaltigem Geschrey hoͤren, denn ei- nige hatten eine durchdringend helle, andre eine quaͤkende Stimme, welche wie das Coaxen der Froͤsche klang. Bey dieser Gelegenheit erinnere ich mich, daß wir ein andermahl unzaͤhlige Hoͤhlen auf der Spitze einer von den Seehund-In- seln fanden, und in selbigen ebenfalls die jungen Sturmvoͤgel hoͤrten; da aber diese Hoͤhlen unter einander zusammen hiengen, und die Jungen sich aus einer in die andre verkriechen konnten, so wars nicht moͤglich ihnen beyzukommen. Den Tag uͤber ließ sich von den Alten nicht ein einziger sehen, weil sie alsdenn in See in den Jahren 1772 bis 1775. waren um Futter zu holen, wenigstens hatte man sie des Morgens ausfliegen, 1773. April. und des Abends wieder kommen sehen, vermuthlich um die Jungen zu fuͤttern. Da wir um diese Zeit von unsern Creuzzuͤgen zuruͤckzukehren pflegten, so sahen wir sie gemeiniglich um und neben uns her fliegen, man hatte sie aber, der Daͤmmerung wegen, eine ganze Zeitlang fuͤr Fledermaͤuse gehalten. Sie haben einen breiten Schnabel und einen schwaͤrzlichen Strich uͤber die Fluͤgel und den Leib, sind aber nicht so groß als die gewoͤhnlichen Puffins oder Mank petrels unsrer Seen. Der Instinct dieser Thiere, sich fuͤr ihre Jungen Loͤcher in die Erde zu graben, uͤber den ganzen Ocean her zu schwaͤrmen, um Futter fuͤr sie zu suchen, und alsdenn viele hundert Meilen weit ihren Ruͤckweg nach der Kuͤste zu finden, ist in der That sehr bewundrungswuͤrdig. Nachdem die Gesellschaft einige Augenblicke lang bey dieser Untersuchung verweilt hatte, so stiegen die Officiers in ihr wiederge- fundnes Boot und kamen nebst dem Capitain, des Morgens um sieben Uhr, von der unruhig zugebrachten Nacht nicht wenig ermuͤdet, bey dem Schiffe an. Die Indianer mochten das heutige boͤse Wetter vorhergesehen haben; wenigstens wa- ren sie von dem Platze, wo sie die vorhergehende Nacht ohnweit dem Schiff campirt hatten, weg, und nach ihren auf der Indianer-Insel belegenen Woh- nungen zuruͤckgegangen. Am 15. des Morgens klaͤrte sich das Wetter etwas auf. Der Capitain ging also von neuem aus um in Abzeichnung der nordwestlichen Seite der Bay fortzufahren, wir aber gesellten uns zu einigen Officiers, welche die folgende Nacht in einer Bucht am Lande zuzubringen gedachten. Auf der Hinfahrt kamen wir an dem Fischerboot vorbey, welches alle Morgen ausgieng, um das ganze Schiff mit einer Mittagsmahlzeit zu versorgen. Wir wunderten uns nicht wenig in dem- selben den jungen schwarzen Hund wahrzunehmen, der uns am 2ten dieses ent- laufen war. Die Leute erzaͤhlten, daß sich bey Tages Anbruch, als sie nicht weit vom Ufer gewesen, ein jaͤmmerliches Heulen auf der naͤchsten Landspitze habe hoͤren lassen, und als sie sich darnach umgesehen, sey ihnen der Hund entgegen ge- kommen, auch bey ihrer Annaͤherung sogleich ins Boot gesprungen. Ob er gleich vierzehn Tage lang im Walde geblieben, so war er doch keinesweges aus- gehungert, sondern im Gegentheil gut bey Leibe und sahe ganz glatt aus. Vermuth- lich hatte er sich diese Zeit uͤber von einer großen Art von Wachtelkoͤnigen die P 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. April. wir Wasserhuͤhner nannten und in diesem Theile von Neu Seeland sehr haͤufig antrafen, vielleicht auch von Seemuscheln oder todten Fischen genaͤhret, derglei- chen die See auszuwerfen pflegt. Wenn es daher in Neu-Seeland uͤberhaupt fleischfressende Thiere gaͤbe, so muͤßten sie, der vorhandnen Menge des Futters nach zu urtheilen, und besonders wenn sie so schlau zum Raube waͤren als die Fuchs- und Katzen-Arten, ohnfehlbar sehr zahlreich seyn. In diesem Fall wuͤr- den sie aber, theils von unsern vielfaͤltig und in verschiedene Gegenden ausge- schickten Partheyen nicht unbemerkt, theils auch den Landes-Einwohnern selbst nicht unbekannt geblieben seyn; und die letzteren wuͤrden die Baͤlge von derglei- chen Thieren in diesem feuchten und rauhen Clima, gewiß zur Kleidung genutzt haben, anstatt sich, wie sie wirklich thun, bloß mit Hund und Vogelfellen zu behelfen. Auch wir insonderheit, hatten seit dem ersten Augenblick unsrer An- kunst allhier alle moͤgliche Aufmerksamkeit angewendet um ausfindig zu machen, ob es wilde vierfuͤßige Thiere in Neu-Seeland gebe; allein wir fanden keine Spur. Zwar wollte einer unsrer Leute, der sich gar nicht einbilden konnte, daß es einem so großen Lande an neuen und unbekannten Thieren fehlen sollte, zu zweyenmahlen ein braunes Thier gesehen haben, das dem Ansehen nach etwas kleiner als ein Jackal oder kleiner Fuchs, mit Anbruch des Tages ohnweit un- sern Zelten auf einer Baumstubbe gesessen, bey seiner Annaͤherung aber davon gelau- fen sey. Allein, da es außer ihm niemand anders wahrgenommen hat, so scheint’s wohl, daß er sich in der Dunkelheit geirrt, und entweder eins von den Wasserhuͤh- nern, ( woodhen ) welche brauner Farbe sind und oft unter den Buͤschen herum kriechen, oder eine unsrer Katzen, die gemeiniglich hinter den Voͤgeln her zu seyn pflegte, fuͤr ein neues vierfuͤßiges Thier angesehen habe. Nachdem wir von den Fischern die Geschichte des Hundes vernommen hatten, seegelten wir weiter und in eine Bucht, in welcher wir eine Menge Enten von vier verschiednen Arten antrafen und von jeglicher etliche schossen. Eine war so groß als die Eyder-Ente, und hatte ein vorzuͤglich schoͤnes, schwarzbrau- nes, mit weis gesprenkeltes Gefieder; der Rumpf und Steis war eisenfarbigt, auf den Fluͤgeln hatte sie einen weißen, schildfoͤrmigen Fleck, die Schwing- und Schwanzfedern hingegen waren schwarz und die Mittelfedern gruͤn. Eine andre Art war ohngefaͤhr so groß, als unsre Stock-Ente ( mallard ) aber ganz hellbraun. in den Jahren 1772 bis 1775. Jede Feder hatte eine gelblich weiße Einfassung, von welcher Farbe auch an den 1773. April. Seiten des Kopfs und um die Augbraunen ein Streif zu sehen war. Die Iris des Auges fanden wir schoͤn gelb und auf den Fluͤgeln einen glaͤnzenden, blau-gruͤnen Fleck in schwarzen Linien eingeschlossen. Die dritte Art war eine blaͤulicht-graue Pfeif- Ente ( whistling duck ) ohngefaͤhr so groß als die Bles-Ente ( wigeon ) und an beyden Seiten des Schnabels mit einer membranoͤsen Substanz versehen, um die Seewuͤrmer, wovon sie sich naͤhret, und welche vornemlich zur Ebbezeit in dem zuruͤck- gebliebenen Schlamm des Meeres zu finden sind, desto leichter einzusaugen. Die Brust war mit eisenfarbichten Federn gesprengt und auf den Fluͤgeln ein großer weisser Fleck. Die vierte und gemeinste Art ist eine kleine braune Endte, der englischen Knarr-Ente ( gadwall ) fast in allen Stuͤcken aͤhnlich. Nachdem wir mit Untersuchung aller hier umher liegenden Haven fertig waren, auch genug Fische und Endten zum Abendessen fuͤr uns alle, theils gefangen theils erlegt hatten, eilte ein jeder nach dem verabredeten Sammelplatz, wo wir kurz vorm Dunkelwerden anlangten und von unsern Seegeln und Rudern eine Art von Zelt aufschlugen. Wir hatten so guten Appetit, daß wirs mit der Kuͤche so genau nicht nahmen, und unsre Fische die ganz à l’indienne zugerichter, das ist, an hoͤlzerne Speiler gesteckt und bey einem großen Feuer gebraten wurden, schmeckten vortreflich. Nach dieser Mahlzeit und einem Trunk Sprossen-Bier ( spruce- beer ), wovon wir ein Toͤnnchen mitgenommen, legten wir uns zur Ru- he, freylich nicht so bequem als in unsern Betten, doch brachten wir die Nacht hin. Am folgenden Morgen ward ein Boot in die Bucht hinauf geschickt um das Wildpret aufzujagen; und das gelung auch vortreflich, nur ereignete sich der einzige kleine Nebenumstand, daß uns wegen des naßgewordnen Schießge- wehrs fast alle Endten entwischten. Nach diesem mislungenen Manoͤvre stieg der Capitain in der Bucht aus und gieng zu Fus uͤber eine schmale Erdzunge, wodurch diese Bucht von einer andern, an der Nordseite von Five-Finger -Land gelegnen, abgesondert wird. Hier fand er eine erstaunliche Menge von Wasserhuͤh- nern, an denen er sich fuͤr die fehlgeschlagne Endten-Jagd erholte und zehen Paar davon mit zuruͤck brachte, doch war ihm diese Schadloshaltung sauer genug gewor- den, denn er hatte sich ihrentwegen durch verwachsenes Holz und Buschwerk, oftmals bis halb an den Leib im Wasser, durcharbeiten muͤssen. Um 9 Uhr waren alle Forster’s Reise um die Welt 1773. April. unsre zerstreute Partheyen wiederum beysammen und wir dachten nunmehro an den Ruͤckweg nach dem Schiffe. Da man aber unterwegens uͤberall an- hielt, um jeden Winkel, Bucht und Haven durchzusuchen und Endten zu schies- sen, so ward es sieben Uhr Abends ehe wir an Bord zuruͤck kamen. Von die- ser zweytaͤgigen Jagd brachten wir sieben Dutzend verschiedenes Gefluͤgel mit, worunter ohngefaͤhr dreyßig Endten waren, und die ganze Ausbeute ward, so weit sie zureichen wollte, unter die verschiedenen Tischgesellschaften der Officiers, Unterofficiers und Matrosen ausgetheilt. Wir haben hier eine schickliche Gele- genheit anzumerken, daß kein Theil von Neu-Seeland so reichlich mit Gefluͤgel versehen ist als Dusky-Bay , denn außer verschiedenen Arten wilder Endten, gab es hier auch Seeraben ( Shags ) rechte Seeraben ( corvorants ) Austersaͤnger oder See-Elstern, Wasser oder Waldhuͤhner ( water-or wood-hens ) Albatrosse, Solandgaͤnse ( gannets ) Mewen, Pinguins und andre Wasservoͤgel mehr. Von Landvoͤgeln fanden wir Habichte, Papagayen, Tauben, nebst viel kleinen neuen und unbekannten Arten. Die Papagayen waren von zwey Sorten, eine kleine gruͤnliche, und eine sehr große graulicht-gruͤne mit roͤthlicher Brust. Da diese Voͤgel mehrentheils nur in waͤrmern Laͤndern wohnen, so wunderten wir uns nicht wenig, sie hier unter einer Polhoͤhe von 46 Graden und in einem so un- freundlichen und nassen Clima zu finden, als dieses, der hohen Berge wegen, in Dusky-Bay gemeiniglich zu seyn pflegt. Am folgenden Tage wars so regnicht, daß Niemand vom Schiff kommen konnte; da es aber am Montage vortreflich Wetter wurde, so stieg mein Vater auf den an unserm Wasserplatz gelegenen Berg. Eine halbe Meile aufwaͤrts kam er durch Farnkraut, verfaultes Holz und dicke Waldung zu einem schoͤnen See suͤßen Wassers, der ohngefaͤhr eine halbe englische Meile im Durchschnitt halten mogte. Das Wasser war klar und wohlschmeckend, hatte aber von den hinein- gefallnen Baumblaͤttern eine braune Farbe angenommen. Von Fischen fand sich nur eine einzige, kleine, Forellen-aͤhnliche Art ( esox ) darinn, die keine Schup- pen hatten. Sie waren braun und mit gelblichen Flecken gesprengt, welche wie alte orientalische Buchstaben aussahen. Der ganze See war mit einem dicken Walde umgeben, der aus den groͤßten Baͤumen bestand, und die Berge rund umher ragten in mancherley Gestalten empor. Alles war oͤde und still. Nirgends ver- in den Jahren 1772 bis 1775. vernahm man einen Laut; selbst die hier zu Lande gemeinsten Voͤgel ließen sich 1773. April. nicht hoͤren, denn es war auf dieser Hoͤhe sehr kalt. Keine Pflanze bluͤhete. Kurz, die ganze Gegend war fuͤr ernste Melancholie geschaffen und sehr ge- schickt Einsiedlers-Betrachtungen zu erregen. Das schoͤne Wetter veranlaßte unsre guten Freunde, die Wilden, uns ei- nen abermaligen Besuch zu machen. Sie schlugen ihr Quartier auf demselbigen Platze auf, wo sie sich vor acht Tagen hingelagert hatten; und als man sie von neuem bat an Boord zu kommen, so versprachen sie es auf folgenden Tag. Mittler- weile aber zankten sie sich untereinander. Der Mann schlug die beyden Frauens- personen, welche wir fuͤr seine Weiber hielten; das Maͤdchen hingegen schlug ihn und fieng darauf an zu heulen. Die Ursach ihres Gezaͤnks konnten wir nicht aus- machen; wenn aber das Maͤdchen des Mannes Tochter war, welches wir eben so wenig zu entscheiden vermogten, so muß man in Neu-See- land sehr verworrene Begriffe von den Pflichten der Kinder haben; oder, wel- ches vielleicht der Wahrheit am naͤchsten kommt, diese einsam lebende Familie handelte vielmehr gar nicht nach Grundsaͤtzen und uͤberlegter Ordnung, welche ge- meiniglich nur das Werk gesitteter Gesellschaften sind; sondern sie folgte in allen Stuͤcken geradezu der Stimme der Natur, die sich gegen jede Art von Unter- druͤckung empoͤrt. Des Morgens schickte der Mann die beyden Weiber mit den Kindern im Canot auf den Fischfang aus; fuͤr seine Person aber machte er Anstalt, mit dem Maͤdchen, uns an Bord zu besuchen. In dieser Absicht kamen sie beyde von jener Seite der Bucht nach dem Geruͤst oder der Bruͤcke hin, die zum Schiffe her- auf fuͤhrte. Von hieraus brachte man sie zuerst nach einem nahe gelegenen um- zaͤunten Fleck auf dem Berge, um ihnen die Ziegen und Schaafe zu zeigen. Bey dem Anblick dieser Thiere schienen sie sehr erstaunt und wuͤnschten solche zu be- sitzen; da wir aber wußten, daß es hier nirgends Futter fuͤr sie gab, so konnte man ihnen darinn nicht willfahren, ohne das Vieh getadezu hinzuopfern. Als sie von dort zuruͤck kamen, gieng ihnen Capitain Cook und mein Vater auf der Bruͤcke entgegen; und der Mann schenkte beyden, nachdem er sie, wie gewoͤhn- lich, bey der Nase begruͤßt hatte, eine neue Kleidung oder vielmehr ein Stuͤck Zeug, das aus Fibern von der Flachs-Pflanze geflochten, auch mit Papageyen- Forster’s Reise u. d. W. erster Th. Q Forster’s Reise um die Welt 1773. April. Federn artig durchwebt war; dem Capitain aber gab er noch uͤberdies ein Stuͤck Lapis nephriticus, oder Neu-Seelaͤndischen gruͤnen Talkstein, S. Hawkesworths Gesch. der engl. See-Reisen in 4. dritter Band, pag. 54. der wie die Klinge eines Beils geschliffen war. Ehe er einen Fus auf die Bruͤcke setzte, trat er seitwaͤrts, steckte ein Stuͤck von einer Vogelhaut, an welcher noch weiße Fe- dern saßen, statt eines Gehaͤnges, in das eine Ohr, und brach von einem Busche einen gruͤnen Zweig ab. Mit diesem in der Hand gieng er nunmehro vorwaͤrts; stand aber still, als er so weit gekommen war, daß er die Seitenwaͤnde des Schiffes eben erreichen konnte und schlug an diese, so wie an das daran befe- stigte Tauwerk des Hauptmastes, zu wiederholtenmalen mit dem gruͤnen Zweige. Hierauf fieng er an, eine Art von Anrede- oder Gebeths- oder Beschwoͤrungs- Formel, gleichsam im Tacte, als nach einem poetischen Sylbenmaaß, herzusagen, und hielt die Augen unverruͤckt auf die Stelle geheftet, welche er zuvor mit dem Zweige beruͤhrt hatte. Er redete lauter als gewoͤhnlich und sein ganzes Betragen war ernsthaft und feyerlich. Waͤhrend dieser Ceremonie, welche ohngefaͤhr 2 bis 3 Minuten dauerte, blieb das Maͤdchen, die sonst immer lachte und tanzte, ganz still und ernsthaft neben ihm stehen, ohne ein Wort dazwischen zu sprechen. Bey Endigung der Rede schlug er die Seiten des Schiffs nochmals, warf seinen Zweig zwischen die Wandketten und stieg an Bord. Diese Art feyerliche Anreden zu halten und, wie wir’s auslegten, Frieden zu stiften, ist bey allen Voͤlkern der Suͤdsee uͤblich. Beyde, der Mann und das Maͤdchen, welche Speere in den Haͤnden hatten, wurden sodann aufs Berdeck des Hintertheils ( Quarter deck ) gebracht. Hier bewunderten sie alles was ihnen vorkam, besonders zogen etliche Gaͤnse, die in einem Gegitter eingesperrt waren, ihre ganze Aufmerksamkeit an sich. Auch machten sie sich viel mit einer schoͤnen Katze zu schaffen, streichelten sie aber immer verkehrt, daß die Haare in die Hoͤhe zu stehen kamen, ob ihnen gleich gezeigt wurde, wie man sie eigentlich streichen muͤsse. Doch thaten sie es vermuthlich, um das schoͤne dickgewachsene Haar dieses Thieres zu bewundern. Der Mann sahe alles, was ihm neu war, mit Erstaunen an; allein seine Auf- merksamkeit verweilte nie laͤnger als einen einzigen Augenblick bey einem und dem- selben Gegenstande, daher ihm auch viele unsrer Kunstwerke eben so unbegreiflich, als die Werke der Natur vorgekommen seyn muͤssen. Die vielfach auf einander in den Jahren 1772 bis 1775. gebauten Verdecke (Stockwerke) unsres Schiffs und die feste Bauart dieser und 1773. April. andrer Theile desselben erregten seine Bewundrung mehr denn alles uͤbrige. Als das Maͤdchen Herrn Hodges antraf, dessen Arbeit ihr bey der ersten Zusam- menkunft (s. S. 105.) so wohlgefallen, schenkte sie ihm ein Stuͤck Zeug von eben der Art als der Capitain und mein Vater von dem Manne bekommen hatten. Die Gewohnheit, Geschenke zu machen, ist sonst, in andern Gegenden von Neu- Seeland nicht so gemein, als in den kleinern Inseln zwischen den Wende-Zirkeln; es schien aber diese Familie sich uͤberhaupt weniger nach den allgemeinen Gebraͤu- chen ihrer Nation zu richten, als vielmehr sich in jedem einzelnen Fall so zu betragen, wie es ihnen ihre ehrliche Gemuͤthsart und eine kluge Ruͤcksicht auf ihre Lage eingab, vermoͤge welcher sie sich in unsrer Gewalt sahen. Wir noͤ- thigten sie in die Cajuͤtte, und nach langer Berathschlagung ließen sie sichs end- lich gefallen die Treppe herunter zu steigen. Hier bewunderten sie nun alles und jedes, vornemlich aber den Gebrauch der Stuͤhle, und daß sie von einer Stelle an die andre gebracht werden konnten. Der Capitain und mein Vater schenkten ihnen Beile und andre Dinge von geringerm Werth. Letztere legte der Mann auf einen Haufen beysammen und wuͤrde sie auch beym Abschiede dort haben liegen lassen, wenn man ihn nicht daran erinnert haͤtte; Beile und große Naͤgel hin- gegen ließ er nie aus den Haͤnden, so bald man sie ihm einmal gegeben hatte. Als sie sahen, daß wir uns zum Fruͤhstuͤck niederließen, setzten sie sich neben uns, waren aber durch kein Bitten zu bewegen, das geringste von unserm Essen zu ko- sten. Sie erkundigten sich vornemlich wo wir schliefen; der Capitain fuͤhrte sie deshalb nach seiner Hangmatte ( cot ) die noch ausgespannt da hing und ihnen viel Freude machte. Aus der Cajuͤtte giengen sie nach dem zweyten Verdeck herab in des Constabels-Cammer; und als sie auch da einige Geschenke erhalten hatten, kamen sie zum Capitain zuruͤck. Nun zog der Mann ein kleines ledernes Beutel- chen, vermuthlich von Seehund-Fell, hervor, und steckte unter vielen Ceremonien die Finger hinein, um dem Capitain mit Oehl oder Fett den Kopf zu salben; diese Ehre ward aber verbethen, weil die Salbe unsern Nasen sehr zuwider war, ob sie gleich von dem ehrlichen Mann fuͤr ungemein wohlriechend und als seine koͤstlichste Gabe angesehen werden mogte. Der schmutzige Beutel machte sie noch ekelhafter. Herr Hodges kam indessen so gut nicht weg; denn das Maͤd- Q 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. April. chen, welches einen in Oehl getauchten Federbusch an einer Schnur vom Halse herabhaͤngen hatte, bestand darauf, ihn damit auszuputzen und aus Hoͤflichkeit gegen ihr Geschlecht konnte er das wohlriechende Geschenk ohnmoͤglich von sich weisen. Wir uͤberließen es ihnen nunmehro, sich in den uͤbrigen Theilen des Schiffes nach eignem Gefallen umzusehen, und giengen mit dem Capitain und einigen andern Officiers in zween Booten aus, um einen Arm von der See zu untersuchen, dessen Muͤndung von hier aus gegen Osten hin vor uns lag. Je tiefer wir in denselben hinein kamen, desto hoͤher, steiler und unfruchtbarer fanden wir die Berge. Die Baͤume wurden nach und nach niedriger und duͤnner, so daß sie zuletzt nicht viel besser als Strauchwerk waren, welches in andern Laͤn- dern ganz umgekehrt ist, wo die besten Waͤlder und das staͤrkste Holz gemeinig- lich am weitesten von der See und in den mehr landeinwaͤrts gelegnen Gegenden anzutreffen sind. Die innere Kette von Bergen, welche wir die suͤdlichen Alpen zu nennen pflegten, konnte man von hier aus, ihrer betraͤchtlichen Hoͤhe und den Schnee bedeckten Gipfeln nach, sehr deutlich erkennen. Vermoͤge der vielen schat- tichten Inseln, bey denen wir voruͤber kamen, und an welchen es allenthalben klei- ne Buchten und Wasserfaͤlle gab, war die Fahrt auf diesem Arm der See unge- mein angenehm und noch mehr verschoͤnert ward die Aussicht durch einen praͤchtigen Wasserfall der sich der letzten Insel gegenuͤber von einem steilen, mit Buͤschen und Baͤumen bewachsenen Felsen herabstuͤrzte. Das Wasser war in diesem Canal ganz ruhig und so klar, daß der Wiederschein der Landschaft sich auf der Spiegelflaͤche desselben mahlte, wobey die Menge der romantisch-gestalteten steilen Felsen-Gebuͤrge ihrer verschiedenen Form und Beleuchtung wegen, eine vor- trefliche Wuͤrkung machten. Zu Mittage liefen wir in eine kleine Bucht ein, um Fische zu fangen und Voͤgel zu schießen, und ruderten von hier aus bis gegen die Abenddaͤmmerung, da wir das Ende dieses langen Seearms, und an dem- selben eine schoͤne Bucht erreichten, in welcher das Wasser so seicht ward, daß wir nicht ganz hineinrudern konnten, sondern unser Quartier auf dem ersten Strande, wo sichs anlanden ließ, aufschlagen mußten. Es duͤnkte uns, wir saͤhen hier Rauch; da sich aber nichts weiter zeigte, das uns in dieser Meynung bestaͤrken konnte, auch als es dunkel wurde, nirgends Feuer zu sehen war, so beruhigten wir uns gar bald mit dem Gedanken, daß Nebel oder sonst etwas in den Jahren 1772 bis 1775. dergleichen uns in der Daͤmmerung leichtlich koͤnne hintergangen haben und wa- 1773. April. ren nun lustig daruͤber her, die Einrichtungen zu unserm Nachtlager zu machen, wobey Jeder sein Stuͤck Arbeit bekam. Damit man sich von dergleichen Strei- fereyen, als wir jetzt, und sonst oft vornahmen, einen desto bessern Be- griff machen koͤnne, wird es nicht undienlich seyn, hier zu erzaͤhlen, wie es dabey herzugehen pflegte. So bald wir eine Stelle am Ufer gefunden hatten, wo man bequem ans Land steigen konnte, und wo ein Bach nebst Hol- zung in der Naͤhe war, gieng unsre erste Sorge dahin, die Ruder, Seegel, Maͤntel, Flinten, Beile u. s. w. ans Land zu schaffen. Ein Faͤßchen mit Spros- sen-Bier, vielleicht auch eine Flasche Branntewein wurden dabey nicht verges- sen. Alsdenn legten die Matrosen die Boote vor einen kleinen Anker und mach- ten sie vermittelst eines Stricks am naͤchsten Baume auf dem Ufer fest. Waͤh- rend dieser Zeit suchten einige von uns trocknes Feuerholz, welches in einer so nas- sen Gegend, als Dusky-Bay ist, oft schwer genug zu finden war; andre rich- teten an einer Stelle, die trocken, und wo moͤglich, gegen Wind und Regen gedeckt war, ein Zelt oder Wetter-Schirm von Rudern, Seegeln und starken Baum- Aesten auf, und noch andre machten ein Feuer vor dem Zelt, welches mehren- theils durch Werk und Schieß-Pulver angezuͤndet ward. Bey der Bereitung des Abendessens faßten wir uns gemeiniglich kurz. Einige Matrosen nahmen die Fische aus, zogen den Wasservoͤgeln die Haut ab, reinigten und brateten beydes. Unterdessen ward der Tisch herbey geholt. Dies pflegte eine Queerbank aus dem Boot zu seyn, welche rein gewaschen wurde, und alsdann statt Schuͤssel und Teller dienen mußte; so wie statt der Messer und Gabeln oft mit Fingern und Zaͤhnen vorge- legt ward. Eine solche Lebensart, wird zwar dem gesitteten Leser, schon der Beschrei- bung nach, unreinlich und ekelhaft vorkommen, uns aber lehrte dazumahl der ge- sunde Appetit, den wir der starken Leibes-Uebung und der frischen Luft zu danken hatten, dergleichen Begriffe bald genug uͤberwinden, und nie empfanden wir staͤrker denn bey dergleichen Gelegenheiten, mit wie wenigem die Natur zur Er- haltung des Menschen zufrieden ist. Nach dem Essen hoͤrte man eine Weile der originalen comischen Laune der Matrosen zu, die ums Feuer herum lagen, ihr Abendbrod machten und manches lustige Geschichtgen mit Fluchen, Schwuͤren und schmutzigen Ausdruͤcken aufgestutzt, selten aber ohne wuͤrkliche Laune Q 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. April. zum Besten gaben; denn ward das Zelt mit Farnkraut ausgestreuet; man wickelte sich in die Boot-Maͤntel, mit Flinte und Schieß-Tasche unterm Kopfe statt des Kuͤssens, und jeder legte sich zum Schlaf zurecht so gut er konnte. Nachdem wir auch diese Nacht so hingebracht hatten, gieng Capitain Cook und mein Vater, bey Tages Anbruch von zween Leuten begleitet, in ei- nem kleinen Boote ab, um das aͤußerste Ende der Bucht zu untersuchen. Dort trafen sie einen ziemlichen Fleck flaches Land an, auf welchem sie ausstiegen und das Boot nach der andern Seite hinrudern ließen, um sich dort wieder einzusetzen. Indessen waren sie nicht weit gegangen, als ihnen einige wilde Endten auf- stießen, denen sie durch das Gebuͤsch nachkrochen und eine davon schossen; allein kaum hatten sie losgefeuert, als sich von mehreren Seiten um sie her ein fuͤrch- terliches Geschrey erhob. Sie beanworteten solches auf gleiche Art, und eil- ten der Klugheit gemaͤß, ohne jedoch die Ente im Stich zu lassen, mit starken Schritten nach dem Boot hin, das jetzt wenigstens eine halbe englische Meile von ihnen entfernt war. Die Wilden, die das Geschrey erregt hatten, ließen sich noch immer hoͤren, kamen aber nirgends zum Vorschein, denn wie wir nach- her erfuhren, so befand sich zwischen beyden Partheyen ein tiefer Fluß, und die Eingebohrnen waren auch nicht zahlreich genug, um Feindseeligkeiten anzufan- gen. Unterdessen daß dieses vorfiel, waren wir uͤbrigen nicht weit von dem Ort an welchem wir die Nacht zugebracht hatten, ins Holz gegangen, um Pflan- zen zu suchen. So bald wir daselbst das Geschrey der Wilden hoͤrten, warfen wir uns in das andre zuruͤckgebliebne Boot, und ruderten dem erstern nach, um den Capitain und meinen Vater zu unterstuͤtzen. Da wir sie aber bey unsrer Ankunft wohlbehalten und schon wieder in ihrem Boote antrafen, auch nirgends ein Feind zum Vorschein kam, so liefen wir mit einander den Fluß hinauf, und schossen ganz vergnuͤgt Endten, deren es hier die Menge gab. Endlich ließ sich ein Mann, nebst seinem Weibe und einem Kinde auf dem linken Ufer sehen, und das Weib winkte uns mit einem weißen Vogel-Fell, wahrscheinlicherweise zum Zeichen des Friedens und der Freundschaft. Da das Boot, in welchem ich mich befand, den Wilden am naͤchsten war, so rief Capitain Cook , dem darinn commandirenden Officier zu, daß er ans Land steigen, und ihre dargebothne Freundschaft annehmen solle, indessen daß Er, seiner Seits, dem Lauf des Flusses so in den Jahren 1772 bis 1775. weit als moͤglich nachspuͤhren wolle. Ob der Officier, Capitain Cooks Meynung 1773. April. nicht verstand, oder ob er aufs Endten-Schießen zu sehr erpicht war, will ich dahin gestellt seyn lassen. Genug, wir landeten nicht, und die armen Leute, die sich allem Anschein nach, nichts Gutes von Unbekannten versprachen, welche ihre Friedens- Anerbietungen gering schaͤtzten, flohen eiligst in den Wald zuruͤck. Bey dieser Gelegenheit war es mir besonders auffallend, daß auch diese Nation, gleich wie fast alle Voͤlker der Erden, als haͤtten sie es abgeredet, die weiße Farbe oder gruͤne Zweige fuͤr Zeichen des Friedens ansieht, und daß sie, mit einem oder dem andern versehen, den Fremden getrost entgegen gehen. Eine so durchgaͤngige Uebereinstimmung muß gleichsam noch vor der allgemeinen Zerstreuung des menschlichen Geschlechts getroffen worden seyn, wenigstens siehet es einer Ver- abredung sehr aͤhnlich, denn an und fuͤr sich haben weder die weiße Farbe, noch gruͤne Zweige, eine selbststaͤndige unmittelbare Beziehung auf den Begrif von Freundschaft. Der Capitain, der unterdessen noch eine halbe Meile hoͤher hin- auf gerudert war, hernach aber, wegen der Heftigkeit des Strohms, und einiger großen Felsen, die im Flusse lagen, nicht weiter hatte kommen koͤnnen, brachte uns von dort eine neue Art von Endten mit, welche unter denen, die wir in Dusky-Bay angetroffen hatten, nunmehro schon die fuͤnfte Sorte und etwas kleiner als eine Kriek-Endte, ( teal ) auf dem Ruͤcken glaͤnzend und schwarz- gruͤnlich; unterm Bauche hingegen von einem dunklen ruß-grau war. Am Kopfe glaͤnzten die Federn purpurfarbig, Schnabel und Fuͤße waren bleyfarben, die Augen goldgelb, und uͤber die kleinern Schwungfedern hatte sie einen weißen Strich. Kaum war der Capitain in seinem Boote wiederum zu uns gestoßen, als auf der andern Seite des Flusses, der Stelle gegen uͤber, wo sich die friedfer- tige Familie hatte sehen lassen, zwey Maͤnner aus dem Walde zum Vorschein ka- men. Der Capitain, dem es darum zu thun war, Bekanntschaft mit ihnen zu machen, ruderte dem Ufer zu; allein, bey Annaͤherung des Boots wichen sie ins Gehoͤlz zuruͤck, und dies war hier so dick, daß man sie darinn weder se- hen noch ohne offenbare Unvorsichtigkeit ihnen dahin nachfolgen konnte. Da auch uͤberdem die Fluthzeit eben verstrichen war, so kehrten wir mit Huͤlfe der Ebbe aus dem Flusse nach jenen Platz zuruͤck, wo wir die Nacht uͤber campirt hatten, fruͤh- stuͤckten daselbst ein wenig, und setzten uns alsdenn in die Boote, um nach dem Forster’s Reise um die Welt 1773. April. Schiffe wiederum zuzueilen. Kaum waren wir vom Lande, als die beyden Wilden die von jener Seite her durch den Wald gegangen seyn mußten, hier auf einem freyen Platze hervorkamen, und uns zuriefen. Der Capitain ließ sogleich beyde Boote zu ihnen hinrudern, und da das seinige an einer seichten Stelle auf den Grund sitzen blieb, so stieg er unbewaffnet, einen Bogen weiß Papier in der Hand haltend, aus, und wadete in Begleitung zweyer Leute bis ans Land. Die Wilden standen ohngefaͤhr hundert Schritt weit vom Ufer, und waren beyde mit Speeren bewaffnet. Als der Capitain mit seinen beyden Leuten auf sie zu kam, wichen sie zuruͤck. Da dies vermuthlich der groͤßern Anzahl wegen geschahe, so ließ er seine Begleitung Halte machen, und gieng allein vorwaͤrts, konnte es aber dennoch nicht dahin bringen, daß die Wilden ihre Speere von sich legten. Endlich faßte der eine Herz, steckte seine Lanze in die Erde, und kam dem Capitain mit etwas Gras in der Hand entgegen; ein Ende davon ließ er den Capitain anfassen, das andre behielt er in den Haͤnden, und hielt in dieser Stellung mit lauter Stimme eine feyerliche Anrede, die ohn- gefaͤhr zwey Minuten dauren mochte, und in welcher er einige mahl inne hielt, wahrscheinlicherweise um eine Antwort zu erwarten. Nach Endigung dieser Ceremonie begruͤßten sie sich, und der Neu-Seelaͤnder nahm einen neuen Mantel von seinen Schultern, womit er dem Capitain ein Geschenk machte, und ein Beil dagegen bekam. Als solchergestalt Friede und Freundschaft aufgerichtet waren, wagte sich auch der zweyte Wilde heran und begruͤßte den Capitain, von welchem er, gleich seinem Cameraden mit einem Beil beschenket ward. Run- mehro stiegen aus unsern Booten mehrere ans Land, doch waren die Eingebohr- nen uͤber den Anwachs unserer Anzahl nicht im mindesten beunruhigt, sondern begruͤßten Jeden, der herbey kam, mit vieler Treuherzigkeit. Zwar ließen sich itzt auch von ihrer Seite im Hintergrunde des Waldes noch mehrere sehen, dem Anschein nach waren es jedoch nur Weiber. Die beyden Maͤnner baten uns hierauf durch wiederholte Zeichen, daß wir mit zu ihren Wohnungen gehen moͤgten, und gaben uns zu verstehen, daß wir daselbst zu Essen haben sollten; allein die Ebbe und andre Umstaͤnde erlaubten uns nicht von ihrer Einladung Gebrauch zu machen. Wir schieden daher von einander, und sie begleiteten uns bis an die Boote; als sie aber, queer uͤber dieselben, unsre Flinten liegen sahen, getraue- ten in den Jahren 1772 bis 1775. ueten sie sich nicht naͤher, sondern baten, daß wir das Gewehr weglegen soll- 1773. April. ten; so bald dieses geschehen, kamen sie heran, und halfen uns die Boote wie- der ins Wasser schieben, welches damals der Ebbe wegen vom Ufer zuruͤckgetreten war. Wir mußten indessen auf alle unsre Sachen genau Acht haben, denn es schien ihnen alles anzustehen was sie nur sahen und erreichen konnten; blos an das Schießgewehr wollten sie sich nicht wagen, ohne Zweifel, weil sie die toͤdtliche Wuͤrkung desselben, vom Walde aus, bemerkt haben mußten als wir Endten da- mit erlegten. So viel wir sahen, hatten sie keine Canots, sondern statt alles Fahr- zeugs nur etliche, in Form einer Floͤße aneinander gebundene Stuͤcken Holz, die freylich vollkommen hinreichend waren, damit uͤber die Fluͤsse zu setzen, und dies ist auch wohl der ganze Gebrauch, den sie davon machen, denn Fische und Feder- Wildpret gab es in so großem Ueberfluß, daß sie darnach nicht weit gehen durften, zu- mal da ihre ganze Anzahl hoͤchstens aus drey Familien bestehen mochte. Da nun außer einer einzigen andern Familie keine Einwohner weiter in Dusky-Bay sind, so haben sie auch keine Ueberlast von boͤsen Nachbarn zu befuͤrchten, mit- hin auch aus diesem Grunde keine Fahrzeuge noͤthig, um dem Feinde etwa schnell entfliehen oder ihren Wohnplatz oft veraͤndern zu koͤnnen. Die Gesichts- bildung dieser Leute duͤnkte uns etwas wild, jedoch nicht haͤßlich. Sie hatten dickes Haar und schwarze krause Baͤrte. Sonst aber waren sie, sowohl in Ansehung der Mahogany-braunen Gesichtsfarbe, als auch der Kleidung und des uͤbrigen Betra- gens, jener Familie, auf der Indianer-Insel , voͤllig aͤhnlich; von mittle- rer Statur und stark, Schenkel und Beine aber sehr duͤnne, die Knie hingegen, verhaͤltnißweise zu dick. Der Muth dieses Volks ist von sonderbarer Art. Ihrer Schwaͤche und geringen Anzahl ohnerachtet scheinen sie den Gedanken nicht ertragen zu koͤnnen, “daß sie sich verkriechen muͤßten”; wenigstens verste- cken sie sich nicht ohne versucht zu haben, ob sie mit den Fremden in Verbindung kommen und erfahren koͤnnen, wie sie gesinnet sind. Bey der Menge von In- seln und Buchten, imgleichen der dicken Waͤlder wegen, die es hier herum uͤberall giebt, wuͤrde es uns unmoͤglich gewesen seyn, die Familie ausfindig zu machen, welche wir auf Indian-Eyland sahen; wenn sie sich nicht selbst entdeckt und die ersten Schritte zur Bekanntschaft gethan haͤtte. Auch wuͤr- den wir diese Bucht hier verlassen haben, ohne zu wissen daß sie bewohnt sey, Forsters Reise u. d. W. erster Th. R Forster’s Reise um die Welt 1773. April. wenn die Einwohner, bey Abfeurung unsers Gewehrs, uns nicht zugerufen haͤt- ten. In beyden Faͤllen ließen sie, meines Erachtens, eine offenherzige Drei- stigkeit und Ehrlichkeit blicken, die ihrem Character zur Empfehlung gereicht; denn haͤtte selbiger die mindeste Beymischung von verraͤtherischen heimtuͤckischen Wesen, so wuͤrden sie gesucht haben uns unversehens zu uͤberfallen, wozu es ihnen auch keinesweges an Gelegenheit fehlte, denn sie haͤtten ja unsre klei- nen Partheyen, die aller Orten einzeln in den Waͤldern herumschwaͤrmten, oft und leicht genug abschneiden koͤnnen. Ueber dieser Unterhandlung mit den Wilden war es Mittag geworden als wir sie verließen und nordwaͤrts den langen See-Arm wieder herabgiengen, wo- von Capitain Cook unterwegens eine Zeichnung aufnahm. Die Nacht uͤbereilte uns ehe er damit fertig war; wir mußten daher einen andern aͤhnlichen Arm der See ununtersucht lassen und nur eilen, daß wir zum Schiffe zuruͤck kamen, wo- selbst wir erst Abends um 8 Uhr anlangten. Man erzaͤhlte uns, daß der Wilde mit dem Maͤdchen bis Mittags an Bord geblieben sey; und als man ihm zu verste- hen gegeben, daß in seinem doppelten Canot, in Cascade-Bucht , einige Ge- schenke fuͤr ihn waͤren hingelegt worden; habe er etliche seiner Leute abge- schickt, sie von dort zu holen, sey auch mit seiner ganzen Familie bis diesen Morgen in der Nachbarschaft des Schiffes verblieben. Seit der Zeit aber ha- ben wir sie nicht wieder zu sehen bekommen, und das war um so außerordentli- cher, da wir sie nie mit leerer Hand hatten von uns gehen lassen, sondern ihnen, nach und nach, ohngefaͤhr neun oder zehen Beile und wenigstens viermal so viel große Naͤgel, nebst andern Dingen geschenkt hatten. In so fern diese Artikel als Reichthuͤmer unter ihnen angesehen werden, in sofern ist dieser Mann der reichste in ganz Neu-Seeland ; denn vor der zweyten Ankunft englischer Schiffe war auf der ganzen Insel zusammen genommen, nicht so viel Eisen-Geraͤthe anzutref- fen. Da Dusky-Bay so wenig bewohnt ist, so fuͤhren die einzelnen Fami- lien in derselben wahrscheinlicherweise ein unstaͤtes, nomadisches Leben und ziehen, vielleicht der Fischerey, vielleicht anderer Umstaͤnde wegen, in verschied- nen Jahrszeiten aus einer Gegend nach der andern. Wir vermutheten daher auch, daß unsre Freunde bloß aus diesem Grunde weggezogen waͤren; allein in den Jahren 1772 bis 1775. es hieß: der Wilde habe vor seinem Abzuge durch Zeichen zu verstehen gegeben, 1773. April. er wolle aufs Todtschlagen ausgehen und dazu die Beile gebrauchen. Hat man ihn recht verstanden, so war damit unsre angenehme Hoffnung, den Ackerbau und andre nuͤtzliche Arbeiten, durch Austheilung von brauchbaren Werkzeugen gewissermaßen zu befoͤrdern und zu erleichtern, auf einmahl vernichtet. Gleich- wohl waͤre es sehr seltsam, ja beynahe unbegreiflich, daß eine einzelne Familie, die von der ganzen Welt getrennt, in einer geraͤumigen Bay wohnte, wo sie we- gen ihrer geringen Anzahl und wenigen Beduͤrfnisse, weder an Lebensmitteln noch an andern Nothwendigkeiten, jemals Mangel leiden, mithin in ihrer Einsam- keit friedlich und gluͤcklich leben konnte, — daß die dennoch auf Krieg mit ihren Nebenmenschen, auf Mord und Todtschlag bedacht seyn sollte! Indessen mag die tiefe Barbarey, in welcher sich die Neu-Seelaͤnder befinden, und die immer nur das Gesetz des Staͤrkern erkennt, vielleicht schuld daran seyn, daß sie mehr als jedes andre Volk der Erden geneigt sind, ihren Mitmen- schen bey der ersten Gelegenheit umzubringen, so bald Rachsucht oder Beleidigung sie dazu auffordert, und ihr angebohrner wilder Muth laͤßt es denn auch wohl selten an der wuͤrklichen Ausfuͤhrung eines so grausamen Vorhabens fehlen. Ich darf hier nicht vergessen, ein ganz besondres Merkmahl von der Herzhaftigkeit des alten Mannes anzufuͤhren, der jetzt von uns weggezogen war. Unsre Officiers hatten in seiner Gegenwart zu wiederholtenmalen Schießgewehre abgefeuert. Eines Tages verlangte er es selbst zu versuchen und man gab ihm ein Gewehr. Das Maͤdchen, welche wir fuͤr seine Tochter hielten, bath ihn fusfaͤllig, mit den deutlichsten Zeichen von Furcht und Vorsorge, es nicht zu thun. Aber, er war von seinem Vorhaben nicht abzubringen, sondern feuerte das Gewehr drey oder vier- mal hintereinander los. Diese kriegrische Neigung und das jaͤhzornige Tempera- ment des ganzen Volks, das nicht die geringste Beleidigung ertragen kann, scheint diese einzelne Familie und die wenigen uͤbrigen, die wir an den Ufern jenes lan- gen See-Arms antrafen, zur Trennung von ihren Landsleuten gezwungen zu ha- ben. Wenn wilde Voͤlker einander bekriegen, so ruhet die eine Parthey ge- meiniglich nicht eher, als bis die andre gaͤnzlich vertilgt ist, es sey denn, daß diese sich noch zu rechter Zeit mit der Flucht rettet. Auch dies kann der Fall bey den Einwohnern in Dusky-Bay seyn, und wenn er es wuͤrklich ist, so sind sie R 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. April. außer allem Zweifel blos in der Absicht von hier wegzogen, um sich an ihren Fein- den und Unterdruͤckern zu raͤchen. Am 23sten fruͤhe giengen verschiedne Officiers nebst Dr. Sparrmann , nach Cascade-Bucht , um daselbst einen der hoͤchsten Berge in der ganzen Bay zu besteigen. Um 2 Uhr erreichten sie die Spitze, und gaben uns solches durch An- zuͤndung eines großen Feuers zu erkennen. Wir haͤtten sie gern begleitet; aber Durchlauf und Colik hielten uns am Bord zuruͤck. Beydes kam von der Sorglosigkeit des Kochs her, der unser kupfernes Kuͤchen-Geschirr ganz von Gruͤnspan hatte anlaufen lassen. Doch befanden wir uns gegen Abend wieder so weit besser, daß wir unsern Spatziergaͤngern bis nach Cascaden-Bucht entgegen gehen konnten, und kamen hernach mit verschiednen Pflanzen und Voͤgeln beladen, in ihrer Gesellschaft an Bord zuruͤck. Unterdessen hatte das zum Signal ange- zuͤndete Feuer, auf der Spitze des Berges, das Gestraͤuch ergriffen, und sich rund um den Gipfel in einen Flammen-Cirkel verbreitet, der fuͤr das heutige Georgen- Fest eine schoͤne Illumination ausmachte. Die Gesellschaft, welche dort gewe- sen war, sagte, man koͤnne von der Hoͤhe die ganze Bay und die See jenseits der Berge, in Suͤden, Suͤdwest und Nordwest, mehr als zwanzig See-Meilen in die Ruͤnde, uͤbersehen, wozu ihnen das heutige helle und schoͤne Wetter aus- nehmend behuͤlflich gewesen; die Berge im Innern des Landes schienen sehr un- fruchtbar zu seyn, indem sie aus großen wildgebrochnen Felsen-Massen bestaͤnden und an der Spitze mit Schnee bedeckt waͤren. Aber auf dem Gipfel desjenigen Berges den sie bestiegen, hatte es allerhand kleines Strauchwerk und Alpen- Kraͤuter gegeben, welche sonst nirgends anzutreffen waren. Etwas niedriger stand hoͤheres Buschwerk; noch weiter herab fanden sie einen Fleck, auf welchem die Baͤume alle ausgegangen und abgestorben waren; und denn ging ein gruͤner Wald an, der in eben der Maaße hoͤher und schoͤner ward als sie tiefer herab kamen. Das Hinaufsteigen war wegen der verwickelten Schling-Stauden und Dornen muͤhsam; das Heruntersteigen aber, wegen der Abgruͤnde gefaͤhrlich, denn sie mußten mehrentheils laͤngst denselben herabrutschen und sich an Baͤumen und Buͤschen festzuhalten suchen. Ziemlich weit auf dem Berg hinauf, fanden sie drey bis vier Baͤume, die ihnen Palmen zu seyn duͤnkten, von diesen faͤllten sie einen und ließen sich den mittelsten Schoͤßling zur Erfrischung dienen. Im in den Jahren 1772 bis 1775. Grunde gehoͤrten aber diese Baͤume nicht zu den rechten Kohl-Palmen, ( Cab- 1773. April. bage-palms ) ja uͤberhaupt nicht zu den Palmen, denn die wachsen nur un- ter mildern Himmelsstrichen, sondern eigentlich war es eine neue Art von Drachen-Baum mit breiten Blaͤttern, ( dracæna australis, ) dergleichen wir nachher noch mehrere in dieser Bay antrafen, und deren Kernschuß, so lang er zart ist, ohngefaͤhr als ein Mandelkern, jedoch etwas kohlartig schmeckt. Am folgenden Morgen begleitete ich Capitain Cook zu einer an der nord- westlichen Seite der Bay gelegenen Bucht, die, unsrer dortigen Verrichtung we- gen, die Gaͤnse-Bucht genannt ward. Wir hatten nemlich noch fuͤnf lebendige Gaͤnse von denen am Vorgebuͤrge der guten Hofnung mitgenommenen uͤbrig, und waren willens sie auf Neu-Seeland zu lassen, um sich daselbst zu vermehren und wild zu werden. Hiezu duͤnkte uns diese Bucht am bequemsten, denn es gab daselbst keine Einwohner, dagegen aber reichliches Futter. Wir setzten sie also ans Ufer und sprachen zum Besten kuͤnftiger Seefahrer und Bewohner von Neu-Seeland , das: “Seyd fruchtbar und mehret euch und fuͤllet die Erde!” uͤber sie aus. So bald sie am Lande waren, liefen sie im Schlamm ihrem Fraße nach, und werden ohne Zweifel in diesem abgelegenen Winkel gut fortkommen, ja sich hoffentlich mit der Zeit, unsrer Absicht gemaͤß, uͤber das ganze Land aus- breiten. Den Ueberrest des Tages brachten wir mit Vogelschießen hin, und er- legten unter andern auch einen weißen Reyher ( ardea alba ) der in Europa ge- mein ist. Das schoͤne Wetter, welches sich nun volle acht Tage hintereinander ge- halten hatte, war am 25sten ganz zu Ende. Es fieng Abends an zu regnen und regnete in eins fort bis folgenden Mittag. Wahrscheinlicherweise ist das gute Wetter in Dusky-Bay , vornemlich in dieser Jahrszeit, selten so anhal- tend, wenigstens blieb es weder vor noch nachher, jemals zwey Tage hinter ein- ander schoͤn. Wir hatten uns daher auch vorgesehen und diese Zeit zu Ergaͤn- zung des Holz- und Wasser-Vorraths genutzt, imgleichen das Schiff wieder in seegelfertigen Stand gesetzt. Alle unsre Leute stellten sich an Bord ein; die Bruͤcke ward abgeworfen und wir giengen aus unserm Winkel mitten in die Bucht heraus, um mit erstem guten Winde abzuseegeln. Die Vorzuͤge einer civilisirten Verfassung uͤber den rohen Zustand des Menschen, fielen durch nichts deutlicher in R 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. April. die Augen, als durch die Veraͤnderungen und Verbesserungen, die auf dieser Stelle vorgenommen worden waren. In wenig Tagen hatte eine geringe An- zahl unserer Leute, das Holz von mehr als einem Morgen Landes wegge- schafft, welches funfzig Neu-Seelaͤnder, mit ihren steinernen Werkzeugen, in drey Monathen nicht wuͤrden zu Stande gebracht haben. Den oͤden und wilden Fleck, wo sonst unzaͤhlbare Pflanzen, sich selbst uͤberlassen, wuchsen und wieder vergiengen, hatten wir zu einer lebendigen Gegend umgeschaffen, in welcher hundert und zwanzig Mann unablaͤßig auf verschiedne Weise beschaͤftigt waren Quales apes œstate nova per florea rura Exercet sub sole labor. Virgil . Wir faͤllten Zimmer-Holz, das ohne uns durch Zeit und Alter umgefallen und verfault seyn wuͤrde und unsre Brett-Schneider saͤgten Planken daraus oder es ward zu Brennholz gehauen. Hier, an einem rauschenden Bach, dem wir einen bequeme- ren Ausfluß in die See verschafften, stand die Arbeit unsrer Boͤttcher, ganze Rei- hen von neuen oder ausgebesserten Faͤssern, um mit Wasser gefuͤllt zu werden. Dort, dampfte ein großer Kessel, in welchem aus einlaͤndischen, bisher nicht ge- achteten Pflanzen, ein gesundes, wohlschmeckendes Getraͤnk fuͤr unsre Arbeiter ge- brauet ward. Ohnweit davon kochten unsre Leute vortrefliche Fische fuͤr ihre Ca- meraden, die zum Theil an den Außenseiten und Masten des Schiffes arbeite- ten, um solches zu reinigen, zu kalfatern und das Tauwerk wieder in Stand zu setzen. So verschiedene Geschaͤfte belebten die Scene und ließen sich mit mannichfal- tigem Geraͤusche hoͤren, indeß der benachbarte Berg von den abgemeßnen Schlaͤgen der Schmiedehaͤmmer laut wiederschallte. Selbst die schoͤnen Kuͤnste bluͤhten in dieser neuen Colonie auf. Ein Anfaͤnger in der Kunst, Unter diesem bescheidenen Namen meynt sich der Verfasser dieser Reisebeschreibung, Herr Georg Forster , selbst. Mit vielen andern seltnen Talenten verbindet er nemlich eine große Fertigkeit im Zeichnen, davon Er hier, gleichsam zum erstenmal, oͤffentliche Proben ab- legt ( Anmerkung des Verlegers . zeichnete hier in seinem Noviciat die verschiednen Thiere und Pflanzen dieser unbesuchten Waͤlder; die romantischen Prospecte des wilden, rauhen Landes hingegen, standen in den Jahren 1772 bis 1775. mit den gluͤhenden Farben der Schoͤpfung geschildert da, und die Natur wunderte 1773. April. sich gleichsam, auf des Kuͤnstlers (Herrn Hodges ) Staffeley, so richtig nachge- ahmt zu erscheinen. Auch die hoͤheren Wissenschaften hatten diese wilde Einoͤde mit ihrer Gegenwart beehrt. Mitten unter den mechanischen Werkstaͤtten ragte eine Sternwarte empor, die mit den besten Instrumenten versehen war, durch welche der Sternkundigen wachender Fleis den Gang der Gestirne beobachtete. Die Pflanzen, die der Boden hervor brachte, und die Wunder des Thierreichs in Waͤldern und Seen, beschaͤfftigten die Weltweisen, deren Stunden bestimmt waren, ihren Unterschied und Nutzen auszuspuͤhren. Kurz uͤberall, wo wir nur hin blickten, sahe man die Kuͤnste auf bluͤhen, und die Wissenschaften tagten in ei- nem Lande, das bis jetzt noch eine lange Nacht von Unwissenheit und Barbarey bedeckt hatte! Allein, dies schoͤne Bild der erhoͤhten Menschheit und Natur war von keiner Dauer. Gleich einem Meteor verschwand es fast so geschwind als es entstanden war. Wir brachten unsre Instrumente und Werkzeuge wieder zu Schiffe, und ließen kein Merkmahl unsers Hierseyns, als ein Stuͤck Land, das von Holz entbloͤßt war. Zwar hatten wir eine Menge von europaͤischem Garten- Gesaͤme der besten Art daselbst ausgestreuet, allein das Unkraut umher wird jede nuͤtzliche Pflanze bald genug wieder ersticken und in wenig Jahren wird der Ort unsers Aufenthalts nicht mehr zu kennen, sondern zu dem urspruͤnglichen, ehao- tischen Zustande des Landes wiederum herabgesimken seyn. Sic transit glo- ria mundi! Augenblicke oder Jahrhunderte der Cultur machen in Betracht der vernichtenden Zukunft keinen merklichen Unterschied! Ehe ich diesen Ort unsers bisherigen Aufenthalts ganz verlasse, will ich aus Capitain Cook’s Tagebuch noch folgende astronomische Bemerkungen ein- ruͤcken: — “Die Sternwarte, welche wir in Pickersgill -Haven errichtet hatten, war unterm 45° 47′ 26½″ suͤdlicher Breite, und dem 166° 18′ oͤstlicher Laͤnge von Greenwich gelegen. Hier fand sichs, daß Kendals Laͤngen-Uhr 1° 48′ Arnolds hingegen nur 39′ 25″ weniger als die wahre Laͤnge angab. Am Vorgebuͤrge der guten Hoffnung hatte Kendals Uhr zum Erstaunen die wahre Laͤnge, bis auf eine Minute angezeigt, so wie die Herren Mason und Dixon solche dort astronomisch observirt und berechnet hatten. Es ist aber zu merken, Forster’s Reise um die Welt 1773. May. daß diese Uhren nicht immer gleichfoͤrmig giengen, und daher mußten an jedem Orte wo wir anlegten, Beobachtungen gemacht werden, um ihren wah- ren Gang zu bestimmen. Die große Abweichung die wir in Dusky Bay fan- den, kam zum Theil daher, weil wir zum Grunde gelegt, Kendals Uhr habe bestaͤndig die mittlere Zeit ( mean time ) angezeigt, da wir doch am Cap ge- funden daß dies nicht mehr der Fall sey. Jetzt hatte der Astronomus, Herr Wales bemerkt, daß Kendals Uhr taͤglich 6″ 461 uͤber die mittlere Zeit gewoͤn- ne, Arnolds hingegen, als welche immer groͤßern Ausschweifungen unterwor- fen war, 99″, 361 verloͤre. —“ Am 27sten hatte man eine neue Ausfahrt in die See, gegen Norden, ent- deckt; und da diese bequemer zu paßiren war, als jene, durch welche wir in die Bay eingelaufen waren; so gedachten wir uns derselben zu bedienen und ho- ben am 29sten Nachmittags den Anker, um die Bay hinauf darnach hinzusee- geln; allein es ward mit einemmale windstill, weshalb wir in einer Tiefe von 43 Faden, an der Nordseite einer Insel die wir Long-Eyland nannten, und ohngefaͤhr zwey Meilen von der Bucht wo wir bisher gelegen hatten, wie- derum vor Anker kommen mußten. Am folgenden Tage giengen wir fruͤh um 9 Uhr mit einem gelinden Winde aus Westen wieder vorwaͤrts, allein er war so schwach, daß wir wenig gegen den Strohm ausrichten konnten, denn ohnge- achtet uns noch außerdem alle unsre Boote boogsiren mußten, so hatten wir um 6 Uhr Abends doch mit der groͤßten Muͤhe nicht mehr als fuͤnf Meilen gewonnen, und mußten um diese Zeit an eben derselben Insel, ohngefaͤhr hundert Schritte weit vom Ufer, die Anker aufs Neue fallen lassen. Bey Tages Anbruch versuchten wir gegen den Wind zu laviren, denn es gieng ein sanftes Luͤftchen die Bay hinab; da es aber bald gaͤnzlich still ward, so trieb uns die Stroͤhmung des Wassers ruͤckwaͤrts, und wir geriethen mit dem Hintertheil des Schiffs an einem senkrechtstehenden Felsen, wo kein Grund zu finden war, so nahe ans Ufer, daß der Flaggen-Stock sich in die Baum-Zweige verwickelte. Indessen wurden wir mit Huͤlfe unsrer Boote ohne Schaden wie- der davon wegboogsirt, und ließen unterhalb jener Stelle, auf welcher wir die vergangne Nacht uͤber geankert hatten, in einer kleinen Bucht an der Nordseite von Long-Eyland , abermals den Anker fallen. Wir trafen hier zwey Huͤtten und in den Jahren 1772 bis 1775. und Feuerstellen an, woraus sich abnehmen ließ, daß der Ort noch vor kur- 1773. May. zem muͤsse bewohnt gewesen seyn. Wir fanden auch waͤhrend unsers Aufent- halts in dieser Bucht verschiedene neue Voͤgel und Fische; desgleichen einige europaͤische Fischarten, als die Bastard-Mackrele, nebst dem gefleckten und schlichten Hayfisch. ( Scomber trachurus, Squalus canicula \& Squalus mustelus Linnæi. ) Der Capitain ward von einem Fieber und heftigen Ruͤcken-Schmerzen befallen, die sich mit einer rhevmatischen Geschwulst des rechten Fußes endigten, und vermuthlich davon herruͤhrten, daß er so viel im Wasser gewadet, hernach aber, mit den nassen Kleidern auf dem Leibe, im Boote lange still gesessen hatte. Nachdem uns Windstillen mit bestaͤndigem Regen begleitet, in dieser Bucht bis zum 4ten Nachmittags aufgehalten hatten, so erhob sich endlich ein leichter Wind aus Suͤdwesten, mit dessen Huͤlfe wir jedoch kaum bis in den Durchgang zur See gelangt waren, als er sich schon wieder umsetzte und uns derge- stalt entgegen zu blasen anfieng, daß wir an der Ostseite des Einganges, vor einem sandichten Strande, abermals die Anker auswerfen mußten. Dieser mehrmalige Aufschub gab uns Gelegenheit die Kuͤsten zu untersuchen, und nie kamen wir ohne neue Reichthuͤmer aus dem Thier- und Pflanzenreiche zuruͤck. Des Nachts hatten wir schwere Windstoͤße mit Regen, Hagel, Schnee, auch einigen harten Donnerschlaͤgen auszustehen, und fanden bey anbrechendem Tage, alle Spitzen der Berge um uns her mit Schnee bedeckt. Um 2 Uhr Nachmittags, erhob sich ein gelinder Wind aus Suͤd-Suͤdwest, der uns mit Beyhuͤlfe unsrer Boote durch den Paß bis vor die ofne See herunter brachte, woselbst wir um 8 Uhr Abends, an der aͤußersten Land-Ecke die Anker fallen ließen. In dem Durch- gang waren die Kuͤsten zu beyden Seiten steiler, als wir sie jemals gesehen hatten, und formirten wilde Landschafts-Prospecte, die an manchen Stellen mit unzaͤhligen Cascaden und viel Drachenbaͤumen ( dracæna ) geziert waren. Da der Capitain wegen seines Rhevmatismus nicht aus der Cajuͤtte kom- men durfte, so schickte er einen Officier ab, um den zunaͤchst gen Suͤden liegenden See-Arm, der aus diesem neuen Durchgange, ostwaͤrts, in das Innere des Lan- des hinein lief, untersuchen zu lassen, und mein Vater sowohl als ich, giengen mit auf diese Expedition aus. In unsrer Abwesenheit ward auf des Capitains Forsters Reise u. d. W. erster Th. S Forster’s Reise um die Welt 1773. May. Befehl, das ganze Schiff zwischen den Verdecken gesaͤubert, und die Luft durch angezuͤndete Feuer uͤberall gereinigt und erneuert; eine Vorsicht, die man in einem feuchten und rauhen Clima nie unterlassen sollte. Mittlerweile ru- derten wir diese neue Oefnung hinauf und vergnuͤgten uns an den schoͤnen Casca- den, die auf beyden Seiten zu sehen waren, wir fanden auch uͤberall gute Anker- plaͤtze, desgleichen Fische und wildes Gefluͤgel in Menge. Der Wald hinge- gen, der mehrentheils aus Buschwerk bestand, fieng bereits an sehr oͤde aus- zusehen, denn das Laub war groͤßtentheils abgefallen und was etwa noch an den Zweigen saß, sahe verwelkt und blaßgelb aus. Dergleichen Vorbothen des herannahenden Winters, waren in diesem Theile der Bay besonders in die Au- gen fallend; doch ist es wahrscheinlich, daß an einem so fruͤhzeitigen winter- maͤßigen Ansehen, bloß die Nachbarschaft der hohen Berge, welche schon mit Schnee bedeckt waren, Schuld seyn mogte. Um 2 Uhr lenkten wir in eine Bucht ein, um ein kleines Mittagbrod von Fischen zu bereiten, und nachdem wir solche verzehret, ruderten wir bis zu einbrechendem Abend weiter, um nicht fern von dem aͤußersten Ende dieses See-Armes, auf einem kleinen flachen Ufer das Nachtquartier zu nehmen. Hier ward Feuer angemacht, doch konnten wir wenig schlafen, weil die Nacht sehr kalt, und unsre Schlafstellen sehr hart waren. Am folgenden Morgen liefen wir nordwaͤrts in eine kleine Bucht, allwo sich dieser See-Arm, nach einem Laufe von ohngefaͤhr 8 Meilen endigte. Wir hielten uns daselbst eine Weile mit Vogelschießen auf, und fiengen bereits an nach der Resolution zuruͤckzukehren, als das schoͤne Wetter auf einmal um- schlug, und statt desselben ein Sturm aus Nordwesten mit harten Windstoͤßen und heftigem Regen einbrach. Wir ruderten dieserhalb in moͤglichster Eil den See-Arm herunter; und als wir bis an die Einfahrt in den Canal gelangt wa- ren, in welchem das Schiff vor Anker lag, theilten wir den Ueberrest einer Fla- sche Rum mit unsern Bootsleuten, um ihnen Muth zu machen, denn von hier aus bis zum Schiffe hin war noch das schwerste Stuͤck Arbeit uͤbrig. Nach dieser Herzstaͤrkung wagten wir uns nun getrost weiter; allein die Wellen, wel- che hier von der ofnen See her eindringen konnten, giengen erstaunlich schnell und hoch, und der Wind, gegen den wir jetzt gar keinen Schutz mehr vom Lande hatten, war so heftig, daß er uns, aller angewandten Muͤhe ohnerachtet, in- in den Jahren 1772 bis 1775. nerhalb wenig Minuten, eine halbe Meile weit vor sich her trieb. Bey so gefaͤhr- 1773. May. lichen Umstaͤnden mußten wir alle Augenblick gewaͤrtig seyn, daß das Boot um- schlagen oder versinken wuͤrde, und also war es unser sehnlichster Wunsch, wieder in den See-Arm zu gelangen, welchen wir kurz zuvor so dreist verlassen hatten. Mit unsaͤglicher Muͤhe gelang uns dies endlich und ohngefaͤhr um 2 Uhr Nachmit- tags, liefen wir, an der Nordseite desselben, in eine kleine huͤbsche Bucht ein. Hier ward das Boot, so gut sichs thun ließ, in Sicherheit gebracht und Anstalt zum Mittagbrod getroffen. In dieser Absicht kletterten wir einen oͤden Felsen hinauf, und zuͤndeten ein Feuer an, um einige Fische zu braten; allein, ob wir gleich bis auf die Knochen naß waren und wegen des schneidenden Windes jaͤmmerlich froren, so war es uns doch unmoͤglich, nahe beym Feuer zu blei- ben, denn der Sturm wirbelte die Flamme bestaͤndig umher und noͤthigte uns alle Augenblicke eine andre Stelle zu nehmen, um nicht verbrannt zu werden. Endlich ward er vollends so heftig, daß man auf diesem gaͤnzlich freyen Platze kaum aufrecht stehen bleiben konnte; wir beschlossen also, zu unsrer und des Boots groͤßerer Sicherheit, an der andern Seite der Bucht Schutz zu suchen und das Nachtquartier im Gehoͤlze aufzuschlagen. Zu dem Ende ergrif ein je- der einen Feuer-Brand, und in diesem fuͤrchterlichen Aufzuge eilten wir ins Boot, wo man uns, dem Ansehn nach, fuͤr eine Parthey verzweifelter Leute haͤtte nehmen sollen, die auf irgend eine heillose Unternehmung ausgiengen. Zu unsrer groͤßten Verlegenheit fanden wir es aber im Gehoͤlz fast noch aͤrger als auf dem Felsen, von welchem uns der Sturm vertrieben hatte, denn hier war es so naß, daß wir kaum das Feuer brennend erhalten konnten. Wir hatten kein Obdach gegen den heftigen Regen, der von den Baͤumen doppelt auf uns herab goß, und da der Rauch, des Windes wegen, nicht in die Hoͤhe steigen konnte, so haͤtten wir dabey ersticken moͤgen. Auf solche Weise war weder an Abendbrod noch an Erwaͤrmen zu gedenken, sondern wir mußten uns hungrig und halb erfro- ren, in unsre nassen Maͤntel gehuͤllt, auf den feuchten Boden niederlegen. So er- baͤrmlich indessen auch diese Lage, besonders fuͤr diejenigen unter uns war, die sich durch die Erkaͤltung Reißen in den Gliedern zugezogen hatten, so war gleichwohl jedermann dermaßen abgemattet, daß wir auf einige Augenblicke in Schlaf fielen. Doch ohngefaͤhr um zwey Uhr des Nachts wurden wir durch einen harten Don- S 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. May. nerschlag wieder auf die Beine gebracht. Um diese Zeit war der Sturm aufs hoͤchste gestiegen und zu einem vollkommnen Orcan geworden. Er riß um uns her die groͤßten Baͤume aus, warf sie mit fuͤrchterlichem Krachen zu Boden und brauste in den dickbelaubten Gipfeln des Waldes so laut, daß das schreckliche Getoͤse der Wellen manchmal kaum dafuͤr zu hoͤren war. Aus Besorgniß fuͤr unser Boot wagten wir uns in der dicksten Finsterniß der Nacht nach dem Stran- de hin, als ein flammender Blitz den ganzen See-Arm mit einmahl erhellete und uns die aufgethuͤrmten Fluthen sehen ließ, die in blauen Bergen , schaͤumend uͤber einander herstuͤrzten. Mit einem Wort alle Elemente schienen der Natur den Untergang zu drohen Non han piu gli elementi ordine o segno S’odono orrendi tuoni, ognor più cresce De’ fieri venti il furibondo sdegno. Increspa e inlividisce il mar la faccia E s’alza contra il cìel che lo minaccia. Tassone . Unmittelbar auf den Blitz folgte der heftigste Donnerschlag den wir jemals ge- hoͤrt, und dessen langes fuͤrchterliches Rollen von den gebrochnen Felsen rund umher siebenfach wiederhallte. Wie betaͤubt standen wir da und das Herz bebte uns bey dem Gedanken, daß dieser Sturm oder der Blitz das Schiff vernichtet haben koͤnne und daß wir dann in diesem oͤden Theil der Welt wuͤrden zuruͤckbleiben und umkommen muͤssen. Unter dergleichen aͤngstlichen Vermuthungen brachten wir den Rest der Nacht hin, die uns die laͤngste unsers Lebens zu seyn duͤnkte. Endlich ließ der Sturm ohngefaͤhr um 6 Uhr des Morgens nach, und so bald der Tag graute, begaben wir uns wieder ins Boot und erreichten nicht lange nachher das Schiff, welches gluͤcklicherweise noch unbeschaͤdigt war, aber des Sturmes wegen die Segelstangen und die Stengen hatte herunter nehmen muͤssen. Der See-Arm, davon wir jetzt eine Zeichnung aufgenommen, ward wegen der abscheulichen Nacht, die wir darin ausgestanden, und wegen der nassen Jacken, die wir uns da ge- holt hatten, Wet-Jacket-arm genannt. Nunmehro war nur noch ein einzi- ger See-Arm, dem vorigen gegen Norden hin, zu untersuchen uͤbrig; und da in den Jahren 1772 bis 1775. der Capitain sich jetzt wieder ziemlich erholt hatte, so gieng er gleich nach unsrer 1773. May. Zuruͤckkunft ab, um diese letzte Arbeit in hiesigen Gegenden selbst zu uͤberneh- men. Ohngefaͤhr zehen Meilen weit von der Muͤndung konnte man beynahe das aͤußerste Ende dieses Arms sehen und es fanden sich hier, eben so wie in dem zuvorgenannten, viele gute Haven, frisches Wasser, Holz, Fische und Federwild- pret. Auf der Ruͤckkehr hatten die Leute bey heftigem Regen gegen den Wind zu arbeiten und kamen erst um 9 Uhr Abends durchaus naß an Bord zuruͤck. Am folgenden Morgen war die Luft hell, der Wind blieb uns aber entgegen; Da wir solchergestalt nicht in See gehen konnten, so bekam der Capitain Lust nach dem neuen See-Arm zuruͤck zu kehren um Voͤgel zu schießen, und wir begleiteten ihn dahin. Die Jagd waͤhrte den ganzen Tag und fiel ergiebig genug aus, dahin- gegen einige Officiers, die in einer andern Gegend hatten jagen wollen, fast mit ganz leerer Hand zuruͤck kamen. Des Windes wegen, der am naͤchsten Tage noch immer aus Westen, und ziemlich hart blies, hielts der Capitain nicht fuͤr rathsam in See zu gehn. Dagegen ließ er sich am Nachmittage, als das Wetter etwas gelinder ward, nach einer Insel uͤbersetzen, die vor dem Eingange des Canals lag und auf welcher sich eine Menge Seehunde befanden. Von diesen schoß er mit Huͤlfe seiner Mann- schaft zehen Stuͤck, sie konnten aber, des Raums wegen, nicht mehr als fuͤnfe mit an Bord bringen, und mußten die uͤbrigen vor der Hand daselbst liegen lassen. In der Nacht bekamen wir so viel Schnee, daß am folgenden Mor- gen die Berge fast bis zur Haͤlfte bedeckt waren, und folglich allem An- sehen nach, der Winter nunmehro voͤllig da zu seyn schien. Das Wetter war hell, die Luft aber scharf und kalt; da indessen der Wind guͤnstig ward, so ließ der Capitain die Anker lichten und schickte mittlerweile ein Boot ab, um die ge- stern zuruͤckgelaßnen Seehunde abzuholen. So bald diese an Bord waren, see- gelten wir aus Dusky-Bay ab und befanden uns um Mittagszeit bereits ganz außerhalb Landes in ofner See. Wir hatten nun sechs Wochen und vier Tage lang allhier zugebracht, stets Ueberfluß an frischen Lebensmitteln gehabt, dabey fleißig gearbeitet und es nicht an Bewegung fehlen lassen. Dies zusammengenommen hatte zur Wieder- herstellung dererjenigen, welche bey unsrer Ankunft scorbutisch gewesen waren, und S 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. May. zur Staͤrkung der uͤbrigen ohnleugbar viel beygetragen. Doch moͤchten wir ohne das Sprossenbier wohl schwerlich so gesund und frisch geblieben seyn; denn das Clima ist, die Wahrheit zu gestehen, in Dusky-Bay nicht das beste. Fuͤr gesund kann man es wenigstens nicht ausgeben, in so fern wir nemlich waͤhrend un- sers Hierseyns nur eine einzige Woche hindurch anhaltend gutes Wetter, die ganze uͤbrige Zeit aber fast bestaͤndig Regen hatten. Indessen mochte diese Witterung un- sern Leuten freylich weniger schaden als irgend einer andern Nation, denn der Eng- laͤnder ist von seinem Vaterlande her einer mehrentheils feuchten Luft gewohnt. Ein andrer Fehler von Dusky-Bay ist dieser, daß es weder wilden Sellery, noch Loͤffelkraut, noch sonst einige antiscorbutische Kraͤuter daselbst giebt, die hingegen im Charlotten-Sunde und andern Gegenden von Neu-Seeland so haͤuffig an- zutreffen sind. Nicht minder unangenehm ist es, daß die Erd-Muͤcken hier so schlimm sind, indem sie mit ihrem giftigen Biß wirklich blatternaͤhnliche Ge- schwuͤre verursachen; ferner, daß hier herum nichts denn Waldung und diese uͤberall verwachsen und undurchdringlich ist; endlich, daß die Berge entsetzlich steil sind und folglich nicht angebauet werden koͤnnen. Indessen fallen diese Unan- nehmlichkeiten, wenigstens die letztern beyden, mehr den Einwohnern des Lan- des zur Last als den Seefahrern, die blos auf eine kurze Zeit hier vor Anker gehen wollen um sich zu erfrischen. Fuͤr solche Reisende wird Dusky-Bay , aller dieser Unannehmlichkeiten ohnerachtet, immer einer der besten Zufluchts-Oerter seyn, zumal wenn sie, so wie wir lange Zeit, ohne Land zu sehen, in ofner See und unter bestaͤndigen Muͤhseligkeiten zugebracht haben sollten. Die Ein- fahrt ist sicher und nirgends Gefahr dabey die man nicht uͤberm Wasser sehen koͤnn- te, auch giebts aller Orten so viel Haven und Buchten, daß man ohnmoͤglich wegen eines Anker-Platzes in Verlegenheit seyn kann, wo sich nicht Holz, Wasser, Fische und Feder-Wildprett in hinreichender Menge finden sollte. Sechstes in den Jahren 1772 bis 1775. Sechstes Hauptstuͤck . Reise von Dusky-Bay nach Charlotten-Sund . Wie- dervereinigung mit der Adventure. Verrichtungen daselbst. S obald das Boot mit den Seehunden wieder zuruͤckgekommen war, steuer- 1773. May. ten wir, bey hohen aus Suͤdwest gehenden Wellen und von ganzen Schaaren rußbrauner Albatroße und blauer Sturmvoͤgel begleitet, gegen Nor- den. Je weiter wir an der Kuͤste herauf kamen, je niedriger schienen die Berge zu werden, und in den ersten vier und zwanzig Stunden stieg das Thermome- ter schon 7½ Grad; denn als wir Dusky-Bay verließen, hatte es auf 46 Grad gestanden, und des andern Morgens um 8 Uhr wars 53½. In der Gegend von Cap Foul-Wind , (boͤser Wind) neben welchem wir uns am 14ten befanden, hoͤrte der gute Wind auf, und ward uns, gleich- sam um die Benennung des Caps wahr zu machen, voͤllig zuwider. Den 16ten stuͤrmte es den ganzen Tag und wir lagen diese Zeit uͤber dicht unter Rocks point still. Um 4 Uhr des folgenden Morgens giengen wir mit gutem Winde ost- waͤrts, und waren um 8 Uhr dem Cap Farewell gerade gegenuͤber. Das Land sahe hier an der Kuͤste flach und sandig aus; gegen das Innere des Landes aber ragten hohe Berge mit beschneiten Gipfeln hervor. Ganze Schaaren von klei- nen Sturm-Taͤuchern ( procellaria tridactyla , little diving petrels ) flatter- ten oder schwommen auf der See herum, und tauchten zum Theil mit bewun- dernswuͤrdiger Geschwindigkeit, auf große Strecken weit, unter. Sie schienen mit jenen von einerley Art zu seyn, die sich am 29sten Januar und am 8ten Fe- bruar hatten sehen lassen, als wir unterm 48 Grad suͤdlicher Breite nach Kergue- lens Inseln suchten. (s. weiter oben S. 86 und 88.) Nachmittags um vier Uhr, als wir uns ohngefaͤhr neben dem Cap Ste- phens befanden, war wenig oder gar kein Wind zu spuͤren. Um diese Zeit sa- hen wir in Suͤd-Westen dicke Wolken und an der Suͤd-Seite des Caps regnete es. Es waͤhrte nicht lange, so erblickte man dort ploͤtzlich einen weislichten Forster’s Reise um die Welt 1773. May. Fleck auf der See aus welchem eine Wasser-Saͤule empor stieg, die wie eine glaͤserne Roͤhre anzusehen war. Eine andre dergleichen Dunst-Saͤule senkte sich aus den Wolken herab und schien mit jener sich vereinigen zu wollen. Dies er- folgte auch wirklich, und so entstand das Meteor, welches Wasserhose , Trom- be, oder Waterspout genannt wird. Kurz nachher sahen wir noch drey andre dergleichen Saͤulen, die eben wie die erste entstanden. Die naͤchste war ohngefaͤhr drey englische Meilen von uns, und mochte unten am Fus, im Durchschnitt, ohngefaͤhr 70 Klafter dick seyn. Das Thermometer stand auf 56½° als dies Phaͤnomen sich zu formiren anfieng. Da die Natur und Ursach desselben bis jetzt noch so wenig bekannt ist, so waren wir auf alle, sogar auf die geringsten Umstaͤnde aufmerksam, welche sich dabey ereigneten. Die Basis der Saͤulen, woran sich das Wasser heftig bewegte und in gewundener Richtung (nach einer Spiral-Linie) gleich einem Dunst empor stieg, nahm einen großen Raum in der See ein, der, wenn die Sonne darauf schien, schoͤn und gelblich in die Augen fiel. Die Saͤulen selbst waren von cylindrischer Form, doch nach oben hin dicker als am untern Ende. Sie ruͤckten ziemlich schnell auf der Oberflaͤche der See fort; da ihnen aber die Wolken nicht mit gleicher Geschwindigkeit folg- ten, so bekamen sie eine gebogne und schiefe Richtung. Oft giengen sie neben einander vorbey, die eine hier die andre dorthin; da es nun windstill war, so schlossen wir aus dieser verschiedenen Bewegung der Wasserhosen, daß jede dersel- ben einen eignen Wind hervorbringen oder davon fortgetrieben werden muͤsse. Endlich brachen sie eine nach der andern, vermuthlich, weil der Obertheil sich gemeiniglich ungleich langsamer bewegte als der Untertheil und die Saͤule solcher- gestalt allzukrumm und zu weit in die Laͤnge gezogen ward. In eben dem Ver- haͤltniß als uns die schwarzen Wolken naͤher kamen, entstanden kurze krause Wel- len auf der See, und der Wind lief um den ganzen Compaß herum, ohne sich in einem Striche festzusetzen. Gleich nachher sahen wir, daß die See an einer Stelle ohngefaͤhr zweyhundert Klaftern weit von uns, in heftige Bewegung ge- rieth. Das Wasser kraͤuselte sich daselbst, aus einem Umfang von funfzig bis sechzig Faden, gegen den Mittelpunct hin zusammen, und zerstaͤnbte alsdenn in Dunst, der durch die Gewalt der wirblenden Bewegung, in Gestalt einer ge- wundnen Saͤule gegen die Wolken empor getrieben wurde. Um diese Zeit fiel etwas in den Jahren 1772 bis 1775. etwas Hagel aufs Schiff und die Wolken uͤber uns hatten ein schrecklich schwar- 1773. May. zes und schweres Ansehen. Gerade uͤber jenen Wasserwirbel senkte sich eine Wolke langsam herab, und nahm nach und nach die Gestalt einer langen, duͤn- nen Roͤhre an. Diese schien sich mit dem Dunst-Wirbel vereinigen zu wollen, der unterdessen hoch aus dem Wasser aufgestiegen war; es waͤhrete auch nicht lange, so hiengen sie wuͤrklich zusammen und machten eine gerade aufstehende, cylindrische Saͤule aus. Man konnte deutlich sehen, wie das Wasser innerhalb des Wirbels mit Gewalt aufwaͤrts gerissen ward; und es schien als ließe es in der Mitte einen hohlen Zwischenraum. Auch duͤnkte uns als wenn das Wasser keine dichte, sondern nur eine hohle Saͤule ausmachte; und in dieser Vermuthung wurden wir durch ihre Farbe bestaͤrkt, indem sie einer durchsichtigen glaͤsernen Roͤhre voͤllig aͤhnlich war. Kurz nachher beugte sich auch diese letzte Was- serhose und brach wie die andern, nur mit dem Unterschied, daß sich, bey ihrer Zertrennung ein Blitzstrahl sehen ließ, auf den jedoch kein Donnerschlag folgte. Diese ganze Zeit uͤber befanden wir uns in einer hoͤchstgefaͤhrlichen und beunru- higenden Lage. Die schreckenvolle Majestaͤt eines Meteors, welches See und Wolken vereinigte, machte unsre aͤltesten Seeleute verlegen. Sie wußten kaum was sie thun oder lassen sollten; denn ob gleich die mehresten solche Wassersaͤulen schon ehemals von ferne gesehen hatten, so waren sie doch noch nie so umringt damit gewesen als diesmal, und ein jeder wußte fuͤrchterliche Geschichten zu er- zaͤhlen, was fuͤr schreckliche Verwuͤstungen sie anrichteten, wenn sie uͤber ein Schiff weggingen oder sich gegen dasselbe braͤchen. Wir machten uns auch wuͤrk- lich aufs Schlimmste gefaßt und nahmen unsre Stengen-Seegel ein. Doch war jedermann der Meynung, daß uns dies wenig schuͤtzen sondern Masten und Seegelstangen drauf gehen wuͤrden, wenn wir in den Wirbel gerathen sollten. Zwar wollte man wissen, daß Canonen-Schuͤsse, vermittelst der starken Bebung in der Luft dergleichen Wassersaͤulen zu zertheilen pflegten, daher auch Be- fehl gegeben ward, daß ein Vierpfuͤnder in Bereitschaft gehalten werden sollte; da aber die Leute, wie gewoͤhnlich, lange damit zubrachten, so war die Gefahr uͤber, ehe der Versuch angestellt werden konnte. In wie fern die Ele- ctricitaͤt als eine Ursach dieses Phaͤnomens angesehen werden darf, konnten wir nicht eigentlich bestimmen; daß sie aber uͤberhaupt einigen Antheil daran haben Forster’s Reise u. d. W . erster Th. T Forster’s Reise um die Welt 1773. May. muͤsse, laͤßt sich wohl aus dem Blitze abnehmen, welcher beym Zerplatzen der letzten Wasser-Saͤule deutlich zu sehen war. Von Entstehung der ersten bis zum Auf- hoͤren der letzten, vergingen drey Viertelstunden. Als um 5 Uhr die letzte erschien, stand das Thermometer auf 54., mithin 2½ Grad niedriger als beym Anfang der ersten. Die See war an der Stelle, wo wir uns damals befanden, sechs und dreyßig Faden tief, und die Gegend von eben der Beschaffenheit als jene, in welchen andre Reisende solche Wasserhosen sonst angetroffen haben; nem- lich eine Art von Meer-Enge oder eine sogenannte See-Straße. Dr. Shaw und Thevenot , sahen dergleichen in der mittellaͤndischen und persischen See ; auch bey den westindischen Inseln , in der Straße von Malacca und in der chinesischen See sind sie gewoͤhnlich. So sehr wir auch gewuͤnscht haͤtten, bey dieser Gelegenheit einige besondre Entdeckungen uͤber dies Phaͤnomenon zu machen; so wenig gluͤckte uns solches doch. Indessen dienen unsre Bemerkungen wenigstens zu Bestaͤtigung dessen, was andre bereits beobachtet haben, und woruͤber sich Dr. Benjamin Frank- lin schon umstaͤndlich herausgelassen hat. Seine sinnreiche Hypothese, daß Wirbel- winde und Wasserhosen einerley Ursprung haben, ist durch unsre Bemerkungen im mindesten nicht geschwaͤcht; und wir verweisen unsre philosophischen Leser auf seine Schriften, Experiments on Electricity 4to. fifth Edition , London 1774. in welchen die vollstaͤndigste und beste Nachricht von diesem Phoͤno- men zu finden ist. Am folgenden Morgen, fruͤh um 5 Uhr erreichten wir die Muͤndung von Charlotten-Sund , und um sieben Uhr sahe man es von der Suͤd-Spitze von Motu Aro her, woselbst laut Capitain Cook’s voriger Reisebeschreibung ein Hippah oder festes Dorf liegt, S. Hawkesworths Gesch. der engl. See Reisen, in 4. zweyter Band, S. 383. 392. 401. dreymahl aufblitzen. Wir vermutheten gleich, daß dieses Signale von Europaͤern waͤren, und daß sie sich wohl von unsern Freunden in der Adventure herschreiben koͤnnten. Der Capitain ließ deshalb etliche Vierpfuͤnder abfeuern, die auch zu unserm Vergnuͤ- gen aus Schip-Cove , der Insel gegenuͤber, alsbald beantwortet wurden. Gegen Mittag konnten wir unsern alten Reise-Gefaͤhrten schon vor Anker liegen sehen, und kurz nachher kamen uns verschiedne Officiers mit einem Geschenk von frischen Fischen entgegen, und erzaͤhlten wie es ihnen seit unsrer Trennung in den Jahren 1772 bis 1775. ergangen sey. Nachmittags ward es windstill, daher wir uns in die Bucht 1773. May. boogsieren lassen mußten, und nicht eher als gegen 7 Uhr Abends vor Anker ge- langten. Mitlerweile kam auch Capitain Furneaux an Bord, und um seine Freude uͤber unsre Wiedervereinigung zu bezeugen, ließ er uns, von seinem Schiffe aus, mit dreyzehn Canonenschuͤssen begruͤßen, die unsere Leute mit Freuden erwiederten. Wer in aͤhnlichen Umstaͤnden gewesen ist, wird sich unsre gegenseitige Entzuͤckung vorstellen koͤnnen, zu welcher wir doppelte Ursach hatten, wenn wir an die vielfaͤltigen Gefahren zuruͤck dachten, denen wir, auf unserer ver- schiednen Fahrt, beyderseits ausgesetzt gewesen, aber unter goͤttlichen Schutz, gluͤcklich entgangen waren. Die Adventure hatte, nachdem sie uns aus dem Gesicht verlohren, ihren Lauf zwischen 50. und 54. Grad suͤdlicher Breite nach Norden hinauf genom- men, und bestaͤndig heftige Stuͤrme aus Westen gehabt. Am 28sten Februar, da sie ohngefaͤhr unterm 122. Grad westlicher Laͤnge von Greenwich war, fand Caytain Furneaux fuͤr gut, nach und nach bis gegen Van Diemens Land , als der von Abel Jansen Tasman im November 1642. entdeckten suͤd- lichen Spitze von Neu-Holland , heraufzugehn. Am 9ten Maͤrz gerieth er an den suͤdwestlichen Theil der Kuͤste und lief um das Suͤd-Ende nach der Ost-Seite des Landes herum, an welcher er am 11ten des Nachmittags in einer Bay vor Anker kam, die seinem Schiff zu Ehren Adventure-Bay genannt wurde, auch allem Anschein nach, eben dieselbige ist, in welcher sich Tasman einst auf hielt und die er Friedrich Henrichs-Bay nannte. Das suͤdliche Ende dieses Landes bestand aus großen, gebrochnen, unfruchtbaren und schwarzen Felsen-Massen, und sahe in dieser Absicht den aͤußersten Spitzen von Africa und Amerika aͤhnlich. Um die Adventure-Bay herum war der Boden sandig und bergigt, und auf den am weitesten von der See entlegenen Bergen gab es mancherley Baͤume, doch standen sie nur duͤnn, hatten auch kein Unter- holz. An der Westseite befand sich ein See von suͤßen Wasser, der mit wilden Endten und andren Wasser-Voͤgeln, haufenweise bedeckt war. Gegen Nord- Osten hin lagen ohnweit der Kuͤste mehrere ziemlich hohe und gleichfalls mit Holz bewachsene Eylande, welche Tasman nur fuͤr eine einzige große Insel angese- hen zu haben scheint und sie in seinen Charten unter dem Namen Marien-In- T 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. May. sel angezeigt hat. In dieser Bay lag die Adventure nur fuͤnf Tage lang, und Ca- pitain Furneaux nahm daselbst etwas frisch Wasser ein, sammlete auch einige merkwuͤrdige Thiere, worunter eine neue Marter- oder Viverra -Art und ein schoͤ- ner weißer Habicht war. Uebrigens sahen sie dort herum nirgends Einwohner, glaubten aber tief im Lande Rauch wahrgenommen zu haben. Am 15ten Abends seegelten sie aus der Adventure -Bay wiederum ab und steuerten gegen Norden laͤngst der Kuͤste hin, die hier sandig und bergigt war. Aus den inneren Gegenden des Landes ragten ungleich hoͤhere Berge empor, und an manchen Stellen lagen Inseln vor der Kuͤste, unter denen sie besonders diejenigen anmerkten, welche Tasman , Schoutens - und Van der Linds - Eylande genannt hat. Ohngefaͤhr im 41sten Grad 15 Minuten, suͤdlicher Breite, gelangten sie an die Muͤndung einer kleinen Bay, die wegen verschiedner, ohne Zweifel von den Wilden angezuͤndeten Feuer, den Namen der Feuer-Bay be- kam. Von hier aus fuhren sie bis zum 19ten Maͤrz fort die Kuͤste zu untersu- chen, welches jedoch, der Untiefen halber, oͤfters mit Gefahr verknuͤpft war. Als sie endlich an gedachtem Tage zu Mittage 29 Grad 20 Minuten suͤdlicher Breite erreicht hatten und das Land sich noch immer nach Nordwesten hin erstreckte, so schlossen sie hieraus, daß Van Diemens Land mit dem festen Lande von Neu- Holland zusammen haͤngen muͤsse. Da nun Capitain Furneaux bloß zur Ent- scheidung dieser bisher streitigen Frage hieher gegangen war, und seine vorge- dachte wahrscheinliche Vermuthung ihm zu Aufloͤsung derselben genug zu seyn duͤnkte; so ließ er das Schiff umwenden, und fing an, nach dem angewie- senen, auf Neu-Seeland belegenen Sammelplatz hinzusteuern. — Es bleibt in- dessen noch einigem Zweifel unterworfen, ob jene beyden Laͤnder wuͤrklich zusam- men haͤngen: Denn, einmal hatte sich Capitain Furneaux , der Untiefen wegen, oft so weit vom Lande entfernen muͤssen, daß er die Kuͤste gaͤnzlich aus dem Ge- sicht verlohr, und folglich koͤnnte es an einer oder der andern dieser Stellen, vielleicht eine Durchfahrt geben, ohne daß er solche haͤtte bemerken koͤnnen; zweytens ist von der letzten Land-Ecke, die er gegen Norden hin gesehen, bis zu Point-Hicks , als der suͤdlichsten Stelle, welche Capitain Cook auf seiner vorigen Reise im Jahr 1770. erreicht hatte, noch eine unbefahrne Strecke von 20 starken See-Meilen, mithin Raum genug zu einer Straße oder in den Jahren 1772 bis 1775. Durchgang zwischen dem festen Lande von Neu-Holland und van Diemens- 1773. May. Land , uͤbrig. Was hingegen diese moͤgliche Trennung beyder Laͤnder wieder- um unwahrscheinlich macht, ist dieses, daß man auf letzterem vierfuͤßige Thiere gefunden hat, dergleichen es doch sonst selten auf Inseln zu geben pflegt, wie be- reits S. 30. angemerkt worden. Dem sey wie ihm wolle, so verdient doch dem Anschein nach kein Theil der Welt mehr untersucht zu werden, als das große feste Land von Neu-Holland , weil wir dessen bloße Außenlinie kaum ganz kennen, und die natuͤrlichen Reichthuͤmer desselben uns gewissermaßen noch gaͤnz- lich unbekannt sind. Von den Einwohnern wissen wir nicht viel mehr, als daß sie, dem einstimmigen Bericht aller Reisenden zufolge, ungleich roher denn ir- gend ein anderes, unter dem heißen Himmelsstrich wohnendes, Volk sind und ganz nackend einhergehen; auch muͤssen sie eben nicht zahlreich seyn, weil dem Anschein nach bloß die Kuͤsten bewohnt sind. Solchergestalt ist dies Land fuͤr nichts anders als eine noch voͤllig unbekannte Wildniß zu achten, die aber um nichts kleiner seyn kann als ganz Europa , auch groͤßtentheils unter den Wende-Creysen gelegen ist, mithin, sowohl ihrer Groͤße, als ihres gluͤckli- chen, vortreflichen Himmelsstrichs wegen, vorzuͤgliche Aufmerksamkeit ver- dient und hohe Erwartungen erregt. Die Menge von Merkwuͤrdigkeiten aus dem Thier- und Pflanzenreich, welche auf Capitain Cooks voriger Reise, in der Endeavour , bloß an den See-Kuͤsten allhier gefunden worden, berechtigt uns zu dergleichen Erwartungen und macht es fast ohnfehlbar gewiß, daß die in- neren Gegenden unendliche Schaͤtze der Natur enthalten, die dem ersten civilisir- ten Volk zu Theil und nuͤtzlich werden muͤssen, welches sich die Muͤhe geben wird, sie aufzusuchen. An der suͤdwestlichen Ecke dieses so unbekannten festen Landes, moͤgte vielleicht ein Eingang zu den inneren Gegenden desselben vorhan- den seyn; denn es ist nicht wahrscheinlich, daß ein so großes Land zwischen den Wende-Cirkeln, ohne einem schiffbaren großen Flusse seyn sollte und vorgedachter Theil der Kuͤste scheint fuͤr den Ausfluß desselben in die See am besten gelegen zu seyn. — Doch ich kehre zu meiner Erzaͤhlung zuruͤck. Die Adventure brachte auf der Ueberfahrt von van Diemens-Land nach Neu-Seeland , widrigen Windes wegen, funfzehen Tage zu. Am 3ten April erreichte sie die suͤdliche Kuͤste dieses letzteren Landes in der Gegend von Rocks- T 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. May. Point , und kam hierauf am 7ten im Charlotten-Sunde , namentlich in Ship- Cove , gluͤcklich vor Anker. Die Mannschaft hatte waͤhrend ihres Hierseyns eben solche Einrichtungen am Lande getroffen als wir in Dusky-Bay ; doch war an keine Brauerey ge- dacht worden, weil sie davon gar nichts wußten. Sie fanden die auf der suͤd- lichen Spitze von Motu-Aro gelegene Hippah oder Festung der Einwohner verlassen, und ihr Astronom schlug daselbst sein Observatorium auf. Die Eingebohrnen, welche ohngefaͤhr aus einigen hundert Koͤpfen bestehen moͤgen und verschiedne unabhaͤngige Partheyen ausmachen, die untereinander oft Krieg fuͤhren, hatten mit ihnen zu handeln angefangen. Auch aus dem Innern des Lan- des waren einigemal Leute zu ihnen gekommen, und da sie allemal sehr wohl auf- genommen wurden, so hatten sie kein Bedenken getragen, an Bord zu gehen, son- dern im Gegentheil bey den Matrosen ganz unbesorgt, und mit großem Appetit geschmaußt, vornemlich aber am See-Zwieback und an Erbs-Suppen großen Ge- schmack gefunden. Kleidungs-Stuͤcke, Handwerks-Zeug und Waffen, der- gleichen sie in Menge mit sich brachten, hatten sie gegen Naͤgel, Beile und Zeug sehr gern und eifrig vertauscht. Am 11ten May als an demselben Tage, da wir aus Dusky-Bay see- gelten, hatten verschiedne Leute von der Adventure , die sich theils der Ar- beit, theils der Jagd wegen am Lande befanden, den Stos eines Erdbebens sehr merklich gefuͤhlt; die andern hingegen, welche auf dem Schiffe geblieben wa- ren, hatten nichts davon empfunden. Dieser Vorfall macht es fast mehr als wahrscheinlich, daß feuerspeyende Berge auf Neu-Seeland , entweder noch jetzt, oder doch ehemals gewesen sind, denn diese beyden großen Phoͤnomena scheinen bestaͤndig mit einander verbunden zu seyn. Wir kamen in Charlotten-Sund an, als die Leute der Adventure schon alle Hoffnung, uns jemals wieder zu finden, aufgegeben, und sich bereits darauf eingerichtet hatten, den ganzen Winter in diesem Haven zuzubrin- gen. Ihr Capitain sagte uns, er habe bis zu Eintritt des Fruͤhlings allhier verbleiben und alsdenn wiederum nach Osten, auf die Untersuchung der hoͤhern suͤdlichen Breiten ausgehen wollen. Capitain Cook hingegen war keinesweges gesonnen, hier so viele Monathe lang unthaͤtig zu liegen. Er wußte, in den Jahren 1772 bis 1775. daß auf den Societaͤts -Inseln , welche er auf voriger Reise besucht hatte, gute 1773. May. Erfrischungen zu haben waͤren. Er befahl also beyde Schiffe, so bald als moͤg- lich, in seegelfertigen Stand zu setzen; und da es dem unsrigen an nichts fehlte, so half die Mannschaft desselben den Leuten von der Adventure das Werk foͤrdern. Wir unsrer Seits fingen gleich den Tag nach unsrer Ankunft an, das Land zu untersuchen und fanden in den Waͤldern, an Baͤumen und Kraͤutern, ohngefaͤhr eben das was wir in Dusky-Bay angetroffen hatten; doch waren Witterung und Clima hier zum Botanisiren guͤnstiger, dergestalt, daß verschie- dene Pflanzen noch in der Bluͤthe standen; auch bekamen wir einige noch un- bekannte Voͤgel. Allein der groͤßte Vorzug dieses Havens vor unserm ehe- maligen Erfrischungs-Platze, bestand vornemlich darinn, daß es hier uͤberall antiscorbutische Kraͤuter gab, die uns in Dusky-Bay gefehlt hatten. Wir brachten bald einen großen Vorrath von wilden Sellery und wohlschmeckendem Loͤffelkraut ( lepidium ) zusammen, und beydes wurde hernach taͤglich in einer Suppe von Weitzen- oder Habermehl zum Fruͤhstuͤck gegeben, oder auch zum Mit- tags-Essen reichlich an die Erbssuppe gethan; und des Volk von der Adventure , welches bisher nicht gewußt hatte, daß diese Kraͤuter zu genießen waͤren, fieng bald an, sich derselben, so wie wir, zu Nutze zu machen. Naͤchst diesen fanden wir noch eine Art von Sau-Diesteln ( Sonchus oleraceus ) nebst einem andren Kraut, welches unsre Leute lambs quarters nannten ( tetragonia cornuta ); beyde ließen wir uns oftmals anstatt Salats gut schmecken. Hatten wir nun gleich nicht so viel Feder-Wildpret und Fische als in Dusky-Bay , so konnte man sich dagegen an diesen treflichen Gemuͤsen reichlich schadlos halten. Die Spros-Tanne ( spruce ) und der Theebaum von Neu-Seeland wuchsen hier ebenfalls in großer Menge, und wir lehrten unsre Freunde, auf welche Art auch diese zur Erfrischung zu gebrauchen waͤren. Am folgenden Tage giengen wir nach der Hippah oder Festung der In- dianer, wo Herr Bailey , der Astronom der Adventure, seine Sternwarte aufgeschlagen hatte. Sie liegt auf einem steilen, freystehenden Felsen, und ist nur von einer Seite, vermittelst eines unbequemen Fussteiges zugaͤnglich, in wel- chem kaum zwey Mann neben einander gehen koͤnnen. Der Gipfel war ehedem Forster’s Reise um die Welt 1773. May. mit Pallisaden umgeben gewesen; die Matrosen hatten sie aber schon mehren- theils ausgerissen und zu Brennholz verbraucht. Innerhalb dieser Schutzwehr standen die Wohnungen der Einwohner ohne Ordnung durch einander. Diese Huͤtten waren ohne Seitenwaͤnde aufgefuͤhrt, indem das ganze Haus nur aus ei- nem Dache bestand, welches oben in eine scharfe Spitze zusammen lief. Die inwen- dige Seite hatten sie mit Baumzweigen, wie ein Zaun oder Huͤrden-Werk aus- geflochten, alsdenn Baumrinde daruͤber hergelegt, und von außen mit den staͤrk- sten Fibern der hiesigen Flachspflanze gedeckt. Die Leute erzaͤhlten uns, daß diese Huͤtten voll Ungeziefers, besonders aber voll Floͤhe gewesen waͤren, und wun- derten sich gewissermaßen, daß sie diesen Anzeigen nach zu urtheilen, so ganz kuͤrz- lich noch bewohnt gewesen seyn sollten. Ich glaube aber uͤberhaupt, daß derglei- chen feste Plaͤtze den Einwohnern jedesmal nur auf kurze Zeit zur Wohnung die- nen, auf so lange nemlich, als sie etwa wegen Annaͤherung eines Feindes in Ge- fahr seyn moͤgen. Zu vorgedachtem Ungeziefer gehoͤrten auch Ratten, die un- sre Reisenden auf diesem Hippah -Felsen in so großer Anzahl fanden, daß sie, um derselben nur einigermaßen los zu werden, statt anderer Fallen etliche große Toͤpfe in den Boden eingruben, in welchen sich denn diese Thiere des Nachts haͤufig fingen. Ihrer Menge nach zu urtheilen, muͤssen sie entweder mit zu den urspruͤnglichen Bewohnern von Neu-Seeland gehoͤren, oder wenigstens schon fruͤher dahin gekommen seyn, als dies Land von Europaͤern entdeckt worden ist. Ca- pitain Furneaux zeigte uns einige Stuͤcke Land auf dem Felsen, die er hatte umgraben und mit Garten-Gewaͤchs besaͤen lassen. Es gerieth daselbst so wohl, daß oft Salat und andre Arten von europaͤischen Gemuͤse auf unsern Tisch kamen, ob es gleich hier zu Lande schon tief in den Winter hinein war. Diese Annehmlichkeit hatten wir aber dem Clima zu verdanken, welches hier ungleich besser als in Dusky-Bay , und so gelinde war, daß es, der nahgelegnen und mit Schnee bedeckten Berge ohnerachtet, in Charlotten-Sund nur selten hart frieren mag; wenigstens erlebten wir es nicht waͤhrend unsers Hierseyns, wel- ches gleichwohl bis zum 6ten Junius dauerte, der auf dieser Halbkugel, mit un- serm December uͤbereinkommt. Am 22sten giengen wir nach einer im Sunde gelegenen Insel, die Capi- tain Cook auf seiner vorigen Reise Long-Eyland genannt hatte. Sie be- steht in den Jahren 1772 bis 1775. steht aus einem langen Bergruͤcken, der an beyden Seiten zwar sehr steil, ober- 1773. May. waͤrts aber fast ganz eben, obschon an den mehresten Stellen nur schmal ist. Auf der Nordwestseite fanden wir einen schoͤnen Strand, und uͤberhalb demselben ein kleines Stuͤck flaches Land, das groͤßtentheils morastig und mit verschiednen Gras- Arten bewachsen war; das uͤbrige Land brachte allerhand antiscorbutische Kraͤu- ter, imgleichen den Neu-Seelaͤndischen Flachs ( phormium ) hervor, welcher letztere sich am haͤufigsten neben den alten verlaßnen Huͤtten der Einwohner fand. Wir ließen hier etliche Stuͤcken Land umgraben und zurecht machen und saͤeten eu- ropaͤisches Garten-Gesaͤme hinein das, allem Anschein nach, gut fortkommen wird. Hierauf erstiegen wir die Spitze dieser Insel, fanden aber nichts als tro- cknes, bereits verwelktes Gras und allerhand niedriges Strauchwerk darauf, unter welchem eine Menge Wachteln, die den Europaͤischen voͤllig aͤhnlich wa- ren, ihre Wohnung aufgeschlagen hatten. Einige tiefe und schmale Erdrisse, die von der Hoͤhe gegen die See herab liefen, waren mit Baͤumen, Stauden und Schliug-Pflanzen verwachsen und voll kleiner Voͤgel, darunter es auch Falken gab. Wo die Klippen ganz senkrecht aus dem Meer empor steigen, oder schief uͤber das Wasser hiengen, da hatten große Schaaren einer schoͤnen Seeraben-Art ( Shags ) genistet, entweder auf kleinen Felsenstuͤcken, oder wo moͤglich, in kleinen Hoͤhlungen, die ohngefaͤhr einen Fus ins Gevierte haben mogten, und manchmal von den Voͤgeln selbst erweitert zu seyn schienen. Hiezu ist der thonartige Stein, aus welchem die mehresten Berge in Charlotten-Sund bestehen, oft weich genug. Er liegt in schief haͤngenden Schichten, die sich gemeiniglich gegen Suͤden senken, ist theils gruͤnlich grauer, theils blauer, theils gelbbraͤunlicher Farbe, und enthaͤlt zuweilen Quarz-Adern. Auch findet man in selbigem den gruͤnen Talkstein, lapis nephriticus genant, der, wenn er die ge- hoͤrige Haͤrte hat, halb durchsichtig ist und eine feine Politur annimmt; doch giebt es ungleich mehr weichere, undurchsichtige und blaßgruͤne, als Feuerstein- harte und halbdurchsichtige. Die Einwohner machen Meißel, Beile, zuwei- len auch Pattu-Pattuhs oder Streit-Aexte daraus, und es ist eben dieselbige Stein- Art, welche bey den englischen Juwelierern, Jade heißt. Naͤchst diesem fanden wir, an verschiednen Stellen, auch Schichten eines schwarzen Felssteins ( Saxum Linn. ), der aus schwarzem dichten Glimmer ( mica ) und kleinen Quarz-Theilchen Forsters Reise u. d. W. erster Th. U Forster’s Reise um die Welt 1773. May. bestand. Von Hornsteinen und Thonschiefer findet man ebenfalls verschiedene Arten in maͤchtigen Schichten; besonders ist der Thonschiefer sehr haͤufig und gemeiniglich in gebrochenen Stuͤcken am See-Ufer anzutreffen. Die Seeleute nennen ihn Shingle und unter diesem Namen ist desselben auch in der Be- schreibung von Capitain Cooks voriger Reise gedacht worden. Er siehet oft rostfarben aus, welches offenbar von Eisentheilchen herkommt; und es laͤßt sich hieraus, gleichwie auch aus den vorbeschriebnen Mineralien, mit Grunde ver- muthen, daß dieser Theil von Neu-Seeland Eisen, ja vielleicht noch andre Erz- arten, enthalten muͤsse. Auf dem Strande sammleten wir verschiedne Feuerstein- und Kiesel-Arten; imgleichen einige Stuͤcke schwarzen, dichten und schweren Basalts ein, daraus die Eingebohrnen ebenfalls Streit-Aexte oder Pattu- Pattuhs verfertigen. Endlich fanden wir auch, kurz vor unsrer Abreise, noch einige Stuͤcke von weißlichten Bimsstein am See-Ufer, und diese, nebst der obgenanten Basalt-Lava, dienen zu untruͤglichen Beweisen, daß es in Neu-See- land , entweder noch jetzt Volcane geben oder doch ehemals vergleichen gegeben haben muͤsse. Am 23sten des Morgens kamen zwey kleine Canots und in denselben fuͤnf Indianer auf uns zu, welches die ersten waren, die sich seit unsrer Ankunft fehen ließen. Sie waren ohngefaͤhr von eben der Art als die Leute in Dusky- Bay , jedoch mit dem Unterschied, daß diese gleich von Anfang weniger miß- trauisch und besorgt gegen uns thaten als jene. Wir kauften ihnen Fische ab und machten ihnen auch einige Geschenke. So wenig sie Bedenken trugen aufs Schiff zu kommen, eben so wenig Umstaͤnde machten sie auch uns in die Ca- juͤtte zu folgen, und da wir uns gerade zu Tisch setzten, so aßen sie ganz getrost mit von unsern Speisen; im Trinken hingegen wollten sie uns nicht Gesell- schaft leisten, wenn es auf Wein oder Branntewein ankam, sondern gegen bey- des bezeugten sie einen unuͤberwindlichen Abscheu und tranken nichts als Wasser. Sie waren so unstaͤtt, daß sie von unserm Tische nach den Steuer-Raum hinab liefen und auch da, bey den Officieren, eine neue tuͤchtige Mahlzeit hielten, imgleichen eine Menge Wasser soffen, die ihnen mit Zucker suͤß gemacht wurde, weil man wußte, daß sie darnach ungemein luͤstern waren. Was sie sahen oder erreichen konnten, stand ihnen an; so bald man sie aber nur im mindesten in den Jahren 1772 bis 1775. bedeutete, daß wir es nicht missen koͤnnten oder wollten, so legten sie es willig 1773. May. wiederum hin. Glas-Bouteillen, welche sie Tawhaw nannten, mußten ihnen be- sonders schaͤtzbar seyn, denn wo sie dergleichen nur ansichtig wurden, da wiesen sie auch darauf hin, und sagten mokh , indem sie die Hand auf die Brust legten, wel- ches allemahl bedeutete, daß sie etwas zu haben wuͤnschten. Aus Corallen, Baͤn- dern, weißen Papier und andern solchen Kleinigkeiten machten sie sich nichts; aber Eisen, Naͤgel und Beile waren ihnen sehr angenehm; ein Beweis, daß sie den inneren Werth dieser Waaren nunmehro durch die Erfahrung hatten kennen und schaͤtzen lernen, und daß die Gleichguͤltigkeit, welche sie bey Capitain Cooks voriger Reise dagegen blicken ließen, blos daher ruͤhrte, weil sie von der Nutzbar- keit und Dauerhaftigkeit des Eisenwerks damals noch gar keinen Begriff hatten. Einige von unsern Leuten waren so frey gewesen, sich nach Tische ihrer Canots zu bedienen um damit ans Land zu fahren; allein die Indianer, denen mit einer solchen Vertraulichkeit eben nicht gedient seyn mochte, kamen gleich in die Ca- juͤtte, um sich beym Capitain daruͤber zu beschweren. Man sahe folglich, daß sie begriffen haben mußten, der Capitain habe den Leuten zu befehlen; und da er ihnen auch sogleich Gerechtigkeit wiederfahren, und die Canots wieder geben ließ, so kehrten sie alle hoͤchst vergnuͤgt ans Land zuruͤck. Am folgenden Morgen kamen sie schon bey Anbruch des Tages wieder und brachten noch vier andre Leute mit sich, worunter auch ein Weib nebst ver- schiednen Kindern war. Sie schienen des Handels wegen gekommen zu seyn, wor- inn wir sie auch nicht stoͤhren wollten, sondern gleich nach dem Fruͤhstuͤck mit den Capitains der beyden Schiffe nach einem sehr breiten See-Arm ausruderten, der an der Nord-Seite des Sundes gelegen und auf der vorigen Reise West-Bay genannt worden war. Unterwegens begegneten wir einem doppelten Canot, welches mit dreyzehen Mann besetzt, zu uns heran kam. Diese Leute schienen sich des Capitain Cook’s zu erinnern, denn sie wandten sich an ihn und fragten nach Tupaya , Dieser Mann ist den Lesern von Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen , unter dem Namen Tupia bekannt. Man kann aber versichert seyn, den Namen dessel- ben, gleich vielen andern Woͤrtern aus den Suͤdsee-Sprachen, hier richtiger als im vor- dem Indianer von O-Taheitti , welchen er auf seiner vorigen U 2 Forster’s Reise um die Welt 1773 May. Reise bey sich gehabt, und der bey des Schiffes Anwesenheit in Neu-Seeland noch am Leben gewesen war. Als sie hoͤrten, daß er todt sey, schienen sie ganz betruͤbt daruͤber und sagten einige Worte in einem klagenden Tone her. Wir machten ihnen Zeichen, daß sie an Bord des Schiffs nach Ship-Cove gehen moͤgten; als sie aber sahen, daß wir nach einer andern Gegend hinruderten, kehrten auch sie nach der Bucht zuruͤck, aus welcher sie gekommen waren. Wir fanden die Berge in dieser Gegend des Landes nicht voͤllig so steil als sie an dem suͤdlichen Ende von Neu-Seeland zu seyn pflegten, besonders waren sie an der Kuͤste hier alle niedriger als dort, aber fast durchgaͤngig mit Waldung be- wachsen, und diese war eben so dick und undurchdringlich als in Dusky-Bay . Dagegen gab es hier ungleich mehr Tauben, Papagayen und kleine Voͤgel, die zum Theil jene kalte Gegenden im Winter verlassen haben und nach diesem waͤrmern Theile gezogen seyn mochten. Austerfaͤnger oder See-Elstern und verschiedne See- raben-Arten machten es an den Kuͤsten lebhaft; aber Endten waren selten. Uebri- gens giebt es in West-Bay eine Menge schoͤner Buchten, die alle guten Anker- grund haben. Rund umher steigen die Berge in sanften Anhoͤhen empor und sind mit Buschwerk und Baͤumen besetzt, doch findet man auch einige die an der Spitze ohne Holz sind, und statt dessen nur eine Art von gemeinen Farnkraut ( acrostichum furcatum ) hervorbringen. Ohngefaͤhr eben so siehet das Land auf verschiednen Inseln im Sunde und auf einem großen Theil der suͤdoͤstlichen Kuͤste desselben, vom Cap Koamaru gegen Ost-Bay hin, aus. Nachdem wir eine Menge neuer Pflanzen, worunter auch eine fast wie Ingwer schmeckende Pfeffer-Art war, eingesammlet, imgleichen allerhand Voͤgel geschossen hatten, so kehrten wir des Abends spaͤt an Bord zuruͤck. In unsrer Abwesenheit war, aus Norden her, ein großes Canot mit zwoͤlf Indianern an Bord gekommen, die eine Menge von ihren Kleidungsstuͤcken, einige steinerne Streit-Aexte, Keulen, Speere, ja so gar ihre Ruder verhandelt hergehenden Werk ortographirt zu finden; denn der Verfasser des gegenwaͤrtigen ist ein Deutscher, die gemeiniglich nicht nur mehr Disposition haben fremde Sprachen zu lernen, sondern auch in der Aussprache und Rechtschreibung derselben ungleich genauer zu seyn pflegen als die Englaͤnder, Franzosen ꝛc. Es sind auch zum Behuf der Deutschen, alle fremde Woͤrter hier so geschrieben, wie sie der deutschen Aussprache nach eigentlich lauten. A. d. V. in den Jahren 1772 bis 1775. hatten. Das große Boot, welches am Morgen nach einer nahgelegnen Bucht 1773. May. hin geschickt worden war, um fuͤr unser Schiffsvolk Gemuͤse und fuͤr die Ziegen und Schaafe Gras zu holen, war bey unsrer Ruͤckkunft an Bord noch nicht wieder eingetroffen; und da es auch den folgenden Tag ausblieb, so wurden wir wegen der zwoͤlf Mann, womit es besetzt war, sehr unruhig. Unter diesen befan- den sich der dritte Schiffs-Lieutenant, der Lieutenant der See-Soldaten, Herr Hodges , der Zimmermann und der Constabel. Wir hatten um so viel mehr Ursach von ihrem Außenbleiben die schlimmsten Vermuthungen zu hegen, da Wind und Wetter nicht schuld daran haben konnten, indem beydes bis zum 25sten Morgens vollkommen gut gewesen war und alsdenn erst angefangen hatte, reg- nicht und stuͤrmisch zu werden. Am 26sten Nachmittags, als sich das Wetter etwas aufklaͤrte, kam das vermißte Boot endlich wieder, die Leute aber waren von Arbeit und Hunger aͤußerst erschoͤpft. Der ganze Vorrath von Lebensmitteln, den sie mitgenom- men, hatte aus drey Zwiebacken und einer Flasche Brantewein bestanden, und des stuͤrmischen Wetters wegen war auch nicht ein einziger Fisch zu fangen gewe- sen. Sie hatten aus allen Kraͤften gegen die Wellen gearbeitet, um wieder an das Schiff zu kommen, aber gegen das Ungestuͤm der See nichts auszurichten vermocht, und nachdem sie eine Zeitlang tuͤchtig herumgeschleudert worden, ihre Zuflucht nach einer Bucht genommen, wo ihnen einige von den India- nern verlaßne Huͤtten, zum Obdach dienen mußten. Indessen waͤren sie doch bey- nahe verhungert, denn ihr ganzer Unterhalt bestand nur aus einigen Muscheln, die hier und da an den Felsen klebten. Am folgenden Morgen spatzierten wir rund an dem Ufer der Bucht um- her, um Pflanzen und Voͤgel aufzusuchen; und Nachmittags giengen wir nach der felsichten Kuͤste von Point Jackson , um Meer-Raben ( Shags ) zu schießen, die wir nun statt wilder Enten zu essen gelernt hatten. In der Zwischenzeit be- kamen wir einen zweyten Besuch von der indianischen Familie, welche am 23sten schon bey uns gewesen war, doch schien es diesmal blos aufs Mitessen angese- hen zu seyn, denn zum Vertauschen hatten sie nichts mitgebracht. Wir frag- ten nach ihren Namen; es waͤhrte aber eine lange Zeit ehe sie unsre Meynung verstehen konnten. Endlich erfuhren wir, daß der aͤlteste unter ihnen Towa- U 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. May. hangha , die andern aber Kotughaͤ-a , Koghoaͤaͤ , Khoaͤaͤ , Kollaͤkh , und Taywaherua hießen. Dieser letztbenannte war ein Knabe von ohngefaͤhr vierzehen Jahren, der etwas sehr gefaͤlliges an sich hatte, auch der lebhafteste und verstaͤndigste von allen zu seyn schien. Wir nahmen ihn mit uns in die Ca- juͤtte, und behielten ihn zu Tische, wo er sichs tapfer schmecken ließ. Unter an- dern verzehrte oder verschlang er vielmehr, mit recht gefraͤßigein Appetit, ein Stuͤck von einer See-Raben-Pastete, ( Shag-pye ) und wider alle Erwartung war ihm der Teig davon lieber als das Fleisch. Der Capitain schenkte ihm Madera-Wein ein, wovon er etwas mehr als ein Glas trank, anfaͤnglich aber viel saure und schiefe Gesichter dabey machte. Als hierauf eine Flasche von ganz suͤßem Cap-Wein auf den Tisch kam, so ward ihm auch davon ein Glas vor- gesetzt; dieser schmeckte ihm so gut, daß er die Lippen ohne Aufhoͤren darnach leckte, und bald noch ein zweytes Glas verlangte, welches ihm auch gegeben ward. Nunmehro fieng er an uͤberaus lebhaft und gespraͤchig zu werden. Er tanzte in der Cajuͤte herum, und verfiel mit einemmal darauf des Capitains Boot-Mantel zu haben, der auf einem Stuhle lag. Als er eine abschlaͤgige Antwort hierauf bekam, ward er sehr verdruͤßlich. Es waͤhrte nicht lange, so forderte er eine ledige Bouteille, und da ihm auch diese versagt ward; so lief er im groͤßten Zorn zur Cajuͤtte hinaus. Auf dem Verdeck fand er einige un- srer Bedienten, die Leinenzeug zusammen legten, welches sie getrocknet hat- ten. Von diesem hatte er in einem Augenblick ein Tischtuch weggehascht; man nahm es ihm aber gleich wieder ab. Nun wußte er sich gar nicht mehr zu baͤndigen; er stampfte mit den Fuͤßen, drohte, brummte oder grunzte vielmehr etwas zwischen den Zaͤhnen her, und ward zuletzt so tuͤckisch, daß er kein Wort mehr sprechen wollte. Die empfindliche, leicht zu beleidigende Gemuͤthsart dieses Volks zeigte sich nirgends deutlicher als in dieses Knaben Auffuͤhrung; und wir sahen bey dieser Gelegenheit, welch ein Gluͤck es fuͤr sie ist, daß sie von berauschenden Getraͤnken nichts wissen, denn derglei- chen wuͤrde sie ohnfehlbar noch wilder und unbaͤndiger machen. Am folgenden Morgen hatten wir verschiedne Canots um uns her, in de- nen zusammen genommen etwa dreyßig Indianer seyn mochten. Sie brachten allerhand Werkzeuge und Waffen zu Markte, und bekamen eine Menge andrer in den Jahren 1772 bis 1775. Sachen dagegen, weil unsre Leute so eifrig aufs Eintauschen waren, daß einer 1773. May. den andern immer uͤberboth. Es befanden sich auch einige Weiber unter ihnen; diese hatten sich die Backen mit Rothstein und Oehl gefchminkt , die Lippen hin- gegen sahen, vom Puncktiren oder Taͤttowiren, welches hier zu Lande sehr Mode ist, ganz schwaͤrzlich blau aus. Wir fanden, daß sie, gleichden Leuten in Dusky-Bay , fast durchgaͤngig duͤnne krumme Beine, mit dicken Knieen hatten. Dies muß ohne Zweifel davon herruͤhren, daß sie solche wenig gebrauchen, in- dem sie eines theils am Lande die mehreste Zeit unthaͤtig liegen moͤgen, andern theils aber in den Canots stets mit untergeschlagnen Fuͤßen, zu sitzen pflegen. Uebrigens waren sie von ziemlich heller Farbe, die ohngefaͤhr zwischen Oliven- und Mahogany-braun das Mittel halten mochte; dabey hatten sie pechschwarzes Haar, runde Gesichter, und vielmehr dicke, als platte Nasen und Lippen. Auch hat- ten sie schwarze Augen, die oft lebhaft und nicht ohne Ausdruck waren, so wie der ganze Obertheil des Corpers wohl gebildet und ihre Gestalt uͤberhaupt gar nicht wiedrig ins Auge fiel. Unsre Matrosen hatten seit der Abreise vom Cap mit kei- nen Frauenspersonen Umgang gehabt; sie waren also sehr eifrig hinter diesen her, und aus der Art wie ihre Antraͤge aufgenommen wurden, sahe man wohl, daß es hier zu Lande mit der Keuschheit so genau nicht genommen wuͤrde, und daß die Eroberungen eben nicht schwer seyn muͤßten. Doch hiengen die Gunstbezeigun- gen dieser Schoͤnen nicht blos von ihrer Neigung ab, sondern die Maͤnner mußten, als unumschraͤnkte Herren, zuerst darum befragt werden. War deren Einwilli- gung durch einen großen Nagel, ein Hemd oder etwas dergleichen erkaust; so hat- ten die Frauenspersonen Freiheit mit ihren Liebhabern vorzunehmen was sie wollten, und konnten alsdenn auch noch ein Geschenk fuͤr sich selbst erbitten. Ich muß indessen gestehen, daß einige derselben sich nicht anders als mit dem aͤußersten Wiederwillen zu einem so schaͤndlichen Gewerbe mißbrauchen ließen, und die Maͤnner mußten oft ihre ganze Autoritaͤt ja sogar Drohungen anwenden, ehe sie zu bewegen waren, sich den Begierden solcher Kerl preis zu geben, die ohne Empfindung ihre Thraͤnen sehen und ihr Wehklagen hoͤren konnten. Ob unsre Leute, die zu einem gesitteten Volk gehoͤren wollten und doch so viehisch seyn konn- ten, oder ob jene Barbaren, die ihre eignen Weibsleute zu solcher Schande zwungen, den großten Abscheu verdienen? ist eine Frage, die ich nicht beantwor- Forster’s Reise um die Welt 1773. May. ten mag. Da die Neu Seelaͤnder fanden, daß sie nicht wohlfeiler und leichter zu eisernem Geraͤthe kommen konnten, als vermittelst dieses niedertraͤchtigen Ge- werbes; so liefen sie bald genug im ganzen Schiffe herum und bothen ihre Toͤchter und Schwestern ohne Unterschied feil. Den verheiratheten Weibern aber, ver- statteten sie, so viel wir sehen konnten, nie die Erlaubniß, sich auf aͤhnliche Weise mit unsern Matrosen abzugeben. Ihre Begriffe von weiblicher Keuschheit sind in diesem Betracht so sehr von den unsrigen verschieden, daß ein unverheirathetes Maͤdchen viele Liebhaber beguͤnstigen kann, ohne dadurch im mindesten an ihrer Ehre zu leiden. So bald sie aber heirathen, wird die unverbruͤchlichste Beob- achtung ehelicher Treue von ihnen verlangt. Da sie sich solchergestalt, aus der Enthaltsamkeit unverheyratheter Frauenspersonen nichts machen; so wird man vielleicht denken, die Bekanntschaft mit ausschweifenden Europaͤern koͤnne den moralischen Character dieses Volks eben nicht verschlimmert haben: Allein wir haben alle Ursach zu vermuthen, daß sich die Neu-Seelaͤnder zu einem der- gleichen schaͤndlichen Maͤdchen-Handel nur seitdem erst erniedrigt hatten, seit- dem vermittelst des Eisengeraͤthes neue Beduͤrfnisse unter ihnen waren veranlaßt worden. Nun diese einmal statt fanden, verfielen sie erst, zu Befriedigung derselben, auf Handlungen, an welche sie zuvor nie gedacht haben mochten und die nach unsern Begriffen auch nicht einmal mit einem Schatten von Ehre und Empfindsamkeit bestehen koͤnnen. Es ist schon Ungluͤcks genug, daß alle unsre Entdeckungen so viel unschuldigen Menschen haben das Leben kosten muͤssen. Allein, so hart das auch fuͤr die kleinen, un- gesitteten Voͤlkerschaften seyn mag, welche von Europaͤern aufgesucht worden sind, so ists doch warlich nur eine Kleinigkeit in Vergleich mit dem unersetzlichen Schaden, den ihnen diese durch den Umsturz ihrer sittlichen Grundsaͤtze zugefuͤgt haben. Waͤre jenes Uebel gewissermaßen dadurch wieder gut gemacht, daß man sie wahrhaft nuͤtzliche Dinge gelehret oder irgend eine unmoralische und ver- derbliche Gewohnheit unter ihnen ausgerottet haͤtte; so koͤnnten wir uns wenig- stens mit dem Gedanken troͤsten, daß sie auf einer Seite wieder gewonnen haͤtten, was sie auf der andern verlohren haben moͤgten. So aber besorge ich leyder, daß unsre Bekantschaft den Einwohnern der Suͤd-See durchaus nachtheilig ge- wesen ist; und ich bin der Meynung, daß gerade diejenigen Voͤlkerschaften am be- sten in den Jahren 1772 bis 1775. sten weggekommen sind, die sich immer von uns entfernt gehalten und aus Be- 1773. May. sorgniß und Mistrauen unserm Seevolk nie erlaubt haben, zu bekannt und zu vertraut mit ihnen zu werden. Haͤtten sie doch durchgaͤngig und zu jeder Zeit in den Minen und Gesichtszuͤgen desselben den Leichtsinn lesen und sich vor der Liederlichkeit fuͤrchten moͤgen, welche den See Leuten uͤberhaupt und mit Recht zur Last gelegt wird! — Man fuͤhrte einige von diesen Wilden in die Cajuͤtte, wo sichs Herr Hodges angelegen seyn lies diejenigen zu zeichnen in deren Gesicht der meh- reste Character war. Zu dem Ende gaben wir uns Muͤhe sie auf einige Au- genblicke zum Stillsitzen zu bringen, indem wir ihnen allerhand Kleinig- keiten vorzeigten und zum Theil auch schenkten. Vornemlich befanden sich ei- nige bejahrte Maͤnner mit grauen Koͤpfen, desgleichen etliche junge Leute darun- ter, in deren Physionomien vorzuͤglich viel Ausdruck war. Die letzteren hatten ungemein straubicht und dickgewachsenes Haar, das ihnen uͤber die Gesichter herhieng und ihr natuͤrlich wildes Ansehen noch vermehrte. Sie waren fast alle von mittlerer Statur; und, sowohl der Gestalt, als der Farbe und Tracht nach, den Leuten in Dusky-Bay beynahe vollkommen aͤhnlich. Ihre Kleidungen waren aus den Fibern der Flachs-Pflanze zusammen geflochten, aber nie mit Federn durchwebt, sondern an deren statt war der Mantel auf den vier Ecken mit Stuͤcken von Hundefell besetzt, eine Zierrath die man in Dusky-Bay nicht haben konnte, weil es daselbst keine Hunde giebt. Außerdem trugen auch die Leute, der spaͤten Jahreszeit wegen, in welcher das Wetter schon kalt und reg- nicht zu werden anfieng, fast bestaͤndig ihren Boghi-Boghi , welches ein rau- her Mantel ist, der als ein Bund zusammengewundnes Stroh vom Halse uͤber die Schultern herabhaͤngt. S. Hawkesworths Geschichte der englischen See-Reisen in 4. dritter Band, pag. 43. u. f. Ihre uͤbrigen Kleidungsstuͤcke von Zeug waren gemei- niglich alt, schmutzig und nicht so fein gearbeitet als sie in der Geschichte von Capitain Cooks voriger Reise beschrieben sind. Ebendaselbst, S. 45. Die Maͤnner hatten das Haar nachlaͤßig um den Kopf haͤngen; die Frauenspersonen hingegen trugen es kurz abgeschnitten und dieser Unterschied scheint durchgehends bey ihnen beobachtet zu werden. Auch hatten sie den Kopfputz oder die Muͤtze von braunen Federn, Forsters Reise u. d. W. erster Th. X Forster’s Reise um die Welt 1773. May. deren in Captain Cooks voriger Reisebeschreibung erwaͤhnt ist. Nachdem sie ein Paar Stunden an Bord gewesen, fiengen sie an zu stehlen und alles auf die Seite zu bringen, was ihnen in die Haͤnde fiel. Man ertappte einige die eben eine vierstuͤndige Sand-Uhr, eine Lampe, etliche Schnupftuͤcher und Messer fort- schleppen wollten. Dieses Diebes-Streichs wegen ließ sie der Capitain zum Schiffe hinaus werfen und ihnen andeuten, daß sie nie wieder an Bord kommen sollten. Sie fuͤhlten vollkommen, wie sehr ihnen eine solche Begegnung zur Schande gereiche, und ihr hitziges Temperament, das keine Kraͤnkung ertragen kann, gerieth daruͤber in Feuer und Flammen, so daß der eine sich nicht enthalten konnte von seinem Canot aus zu drohen, als wolle er zu Gewaltthaͤtigkeiten schreiten. Dazu kom es indessen nicht, sondern am Abend giengen sie alle ruhig ans Land und richteten, dem Schiffe gegenuͤber, aus Baumzweigen einige Huͤtten auf, um die Nacht darunter zuzubringen. Hierauf zogen sie die Ca- nots aufs Land, zuͤndeten ein Feuer an und bereiteten ihr Abendessen, das aus einigen Fischen bestand, welche sie in ihren Fahrzeugen, nicht weit vom Ufer, mit be- sonderer Geschicklichkeit in einem Reisen-Netz gefangen hatten. Beydes, so- wohl das Netz als die Art sich desselben zu bedienen, sind in Cook’s voriger Reise beschrieben. S. Hawkesworths Gesch. der engl. See-Reisen in 4. zweyter Band, pag. 389. Am folgenden Morgen fuhren wir, bey schoͤnem gelinden Wetter nach Long-Eyland , um nach dem Heu zu sehen, welches unsre Leute vor acht Tagen allda gemacht hatten. Auch wollten wir, in der Nachbarschaft ei- nes daselbst befindlichen aber verlaßnen indianischen Wohnplatzes, Gemuͤse fuͤr das Schiffsvolk einsammlen. Bey dieser Gelegenheit sanden wir wiederum ei- nige neue Pflanzen und schossen auch etliche kleine Voͤgel-, die von den bis- her bekannten verschieden waren. Nachmittags gab der Capitain mehreren Ma- trosen Erlaubniß ans Land zu gehen, woselbst sie von den Wilden allerhand Curiositaͤten einhandelten, und sich zu gleicher Zeit um die Gunst manches Maͤd- chens bewarben, ohne sich an die ekelhafte Unreinlichkeit derselben im geringsten zu kehren. Haͤtten sie indessen nicht gleichsam aller Empfindung entsagt gehabt; so wuͤrde die widrige Mode dieser Frauenspersonen, sich die Backen mit Oker und Oel zu beschmieren, sie schon allein von dergleichen vertrauten Verbindungen in den Jahren 1772 bis 1775. abgehalten haben. Außerdem stanken die Neu-Seelaͤnderinnen auch dermas- 1773. May. sen, daß man sie gemeiniglich schon von weitem riechen konnte und saßen uͤberdem so voll Ungeziefer, daß sie es oft von den Kleidern absuchten und nach Gelegenheit zwischen den Zaͤhnen knackten. Ists also nicht zum Erstaunen, daß sich Leute fanden, die sich auf eine viehische Art mit solchen ekelhaften Creaturen abzugeben im Stande waren, und daß weder ihr eignes Gefuͤhl noch die Neigung zur Rein- lichkeit, die dem Englaͤnder doch von Jugend auf beygebracht wird, ihnen einen Abscheu vor diesen Menschern erregte! ‒ ‒ ‒ Vnde Hæc tetigit, Gradive, tuos urtica nepotes? Juvenal . Ehe sie an Bord zuruͤck kamen, hatte eine von diesen Schoͤnen, einem Matrosen die Jacke weggestohlen und solche einem jungen Kerl von ihren Lands- leuten gegeben. Der Eigenthuͤmer fand sie in den Haͤnden dieses letztern und nahm sie ihm wieder ab. Dieser versetzte ihm dagegen einige Faustschlaͤge, die der Englaͤnder jedoch nur fuͤr Spas aufnahm; wie er sich aber umwandte und ins Boot steigen wollte, warf der Wilde mit großen Steinen nach ihm. Nun fieng der Matrose Feuer, gieng auf den Kerl los und sieng auf gut Englisch an, ihn tuͤchtig zusammen zu boxen. Im Augenblick hatte der Neu-See- laͤnder ein blaues Auge und eine blutige Nase weg, und dem Ansehn nach ge- nung; denn er gab in vollem Schrecken das Treffen auf und lief davon. Capitain Cook hatte sich vorgenommen, alle moͤgliche Sorgfalt anzu- wenden, daß die europaͤischen Garten-Gewaͤchse in diesem Lande fortkommen moͤchten. Zu dem Ende ließ er das Erdreich bestellen, streute allerley Saamen aus und versetzte hernach die jungen Pflanzen auf vier oder fuͤnf verschiedne Stel- len des Sundes. Einen dergleichen Fleck legte er am Ufer von Long-Eyland an, einen andern auf dem Hippah- Felsen, zwey auf Motu-Aro und hiernaͤchst einen fuͤnften auf einem ziemlich großen Platz im Hintergrunde von Ship-Cove , wo unsre Schiffe vor Anker lagen. Er richtete hiebey sein vornehm- stes Augenmerk auf nuͤtzliches, nahrhaftes Wurzelwerk, vornemlich auf Cartof- X 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. Junius. eln, wovon wir das Gluͤck gehabt, einige frisch zu erhalten. Auch hatte er verschied- ne Arten von Korn, imgleichen große Bohnen, Fasel-Bohnen und Erbsen ausgesaͤet, und sich die letzte Zeit unsers Hierseyns uͤber fast damit allein be- schaͤftiget. Am 1sten Junius kamen in der Fruͤhe verschiedne Canots mit Wilden zu uns, die wir noch nicht gesehen hatten. Ihre Fahrzeuge waren von ver- schiedner Groͤße und drey derselben mit Seegeln versehen, die man sonst eben nicht haͤufig unter ihnen antrift. Das Seegel bestand aus einer großen drey- eckigten Matte, und war auf einer Seite an dem Maste, auf der andern an einer Stange befestigt, welche beyde, unterwaͤrts, in einem scharfen Winkel zusammen sties- sen und sehr leicht losgemacht und niedergelassen werden konnten. Der obere oder breitere Theil des Seegels war an dem Saum mit fuͤnf braunen Federbuͤschen ausgeziert. Der Boden der Canots bestand aus einem ausgehoͤhlten Baum- stamm, die Seiten aber aus Brettern oder Planken. Von diesen hatten sie immer eine auf die andre gesetzt, vermittelst kleiner Loͤcher, durch Schnuͤre von der Neu-Seelaͤndischen Flachspflanze fest zusammen gebunden, und hernach die Fugen mit der Wolle von Schilf-Keulen ( typha latifolia ) dicht verstopft. Unter diesen Canots gab es etliche doppelte, das ist, zwey derselben waren alsdann mit Queerhoͤlzern und Stricken neben und aneinander befestigt; die uͤbrigen, ein- fachen, hatten einen sogenannten Ausleger ( outrigger ) oder ein schmales Bret, das an einer Seite des Canots an Queerhoͤlzer, parallel mit dem Fahrzeug befestigt war und dasselbe fuͤr dem sonst allzu leichten Umschlagen sichern sollte. Alle diese Canots waren alt und schienen beynahe ausgedient zu haben, auch keines derselben so reich mit Schnitzwerk und kuͤnstlicher Arbeit geziert, als jene, welche Capitain Cook bey seiner ersten Reise, an der noͤrdlichen Insel dieses Landes, angetroffen und beschrieben hat; doch waren sie im Ganzen eben so gebauet und hatten z. B. durchgehends ein unfoͤrmlich geschnitztes Menschen- Gesicht am Vordertheil, hohe Hintertheile, imgleichen scharfgespitzte Ruder- Schaufeln. Die Eigenthuͤmer derselben brachten verschiedne von ihren Zierra- then zum Verkauf, die mehrentheils aus Stuͤcken von gruͤnem Lapis ne- phriticus geschnitten, und uns der Form nach, zum Theil, neu waren. Ei- nige waren flach und hatten eine scharfe Schneide, als Beil- oder Axt- Klin- in den Jahren 1772 bis 1775. gen. Andre waren lang und duͤnn und dienten zu Ohrgehaͤnken, wieder andre 1773. Junius. waren zu kleinen Meißeln geschliffen und in hoͤlzerne Griffe gefaßt; und endlich gab es noch einige, mit vieler Muͤhe und Arbeit, in Form hockendsitzender Fi- guren geschnitzte, die zuweilen einer menschlichen Gestalt etwas aͤhnlich sahen, und mit eingesetzten, ungeheuer großen Augen von Perlmutter versehen zu seyn pflegten. Diesen Zierrath, e-Tighi genannt, trugen so wohl Maͤnner als Wei- ber, ohne Unterschied des Geschlechts, an einer auf die Brust herabhaͤngenden Halsschnur, und wir vermutheten, daß er eine oder die andre religioͤse Be- deutung haben muͤsse. Unter andern verkauften sie uns eine Knie-Schuͤrze, die aus dichtgeflochtnen Zeuge verfertigt, mit rothen Federn besetzt, an den Seiten mit weißen Hundefell verbraͤmt und mit Stuͤcken von See-Ohr-Muscheln geziert war; dergleichen die Weiber bey ihren Taͤnzen tragen sollen. Außerdem handelten wir auch eine Menge Fisch-Angeln ein; diese waren sehr unfoͤrmlich, aus Holz gemacht und an der Spitze mit einem Stuͤck ausgezackten Knochen versehen, welches ihrer Aussage nach, Menschen-Knochen seyn sollten. Neben dem Tighi oder anstatt desselben, trug mancher etliche Schnuren von aufge- reiheten Menschen-Zaͤhnen. Sie hielten solche aber keinesweges fuͤr so un- schaͤtzbar als in Capitain Cook’s voriger Reisebeschreibung angegeben wird; sondern verkauften sie ganz gern gegen Eisengeraͤthe oder andre Kleinigkeiten. Auch hatten sie eine Menge Hunde in ihren Canots und schienen viel auf diese Thiere zu halten, denn jeder hatte den seinigen mit einer Schnur mitten um den Leib ange- bunden. Es war eine langhaarichte Art mit zugespitzten Ohren, dem gemei- nen Schaͤfer-Hunde oder des Grafen Buͤffon’s chien de Berger , (Siehe dessen Hist. naturelle \&c. ) sehr aͤhnlich, und von allerhand Farben, nemlich einige gefleckt, einige schwarz; andre wiederum ganz weiß. Sie werden groͤßtentheils mit Fischen gefuttert, und leben folglich in dieser Absicht so gut als ihre Her- ren, dagegen muß ihr Fleisch diesen hinwiederum zur Speise, die Felle aber zu mancherley Zierrathen und Kleidungsstuͤcken dienen. Wir kauften ihnen etliche ab, allein die Alten wollten nicht bey uns gedeyhen, denn sie graͤmten sich und wollten nicht fressen; die Jungen hingegen gewoͤhnten sich sehr bald an unsre Speisen. Von den Neu-Seelaͤndern die mittlerweile ins Schiff gekommen wa- ten, wurden verschiedene in die Cajuͤtte gefuͤhrt, wo man ihnen einige Geschenke X 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. Junius. machte; doch ließ nicht ein einziger das Erstaunen, das Nachdenken und die Aufmerksamkeit blicken, welche man an unserm alten Freund in Dusky-Bay wahrgenommen hatte. Einige waren im Gesicht auf eine sonderbare Weise mit tief eingeritzten Schnecken-Linien gezeichnet; und insbesondre waren diese Merk- mahle bey einem langen, starken Mann von mittleren Alter, nach einer ganz regulaͤren Zeichnung an der Stirne, der Nase und dem Kinn so tief in die Haut eingepraͤgt, daß sein Bart, der sonst sehr dick und stark gewesen seyn muͤßte, nur aus einzelnen zerstreuten Haaren bestand. Er hieß Tringho-Waya und schien uͤber die andern ein gewisses Ausehn zu haben, dergleichen wir unter den kleinen Haufen, die bisher zu uns gekommen waren, noch nicht bemerkt hatten. Von allen unsern Waaren tauschten sie Hemden und Bouteillen am liebsten ein; aus letztern machten sie sich besonders viel, wahrscheinlicherweise, weil sie zu Aufbewahrung fluͤßiger Dinge keine andre Gefaͤße haben als eine kleine Art von Calabassen oder Kuͤrbissen ( gourds ), die nur in der noͤrdlichen Insel wachsen aber schon hier, in Charlotten-Sund , nur in weniger Leuten Haͤnden wa- ren. Uebrigens suchten sie es immer so einzurichten, daß sie bey keinem Tausch zu kurz kamen und forderten fuͤr jede Kleinigkeit, die sie ausbothen, sehr hohe Preise, ließen sich es aber nicht verdrießen, wenn man nicht so viel dafuͤr geben wollte als sie verlangten. Da einige dieser Leute in besonders guter Laune waren, so gaben sie uns auf dem Verdeck des Hintertheils einen Heiva oder Tanz zum Be- sten. Zu dem Ende legten sie ihre dicken zotigten Oberkleider ab und stellten sich in eine Reihe; alsdenn fing der eine an ein Lied anzustimmen, streckte dabey wechselsweise die Arme aus und stampfte gewaltig, ja fast wie rasend mit den Fuͤßen dazu. Die andern alle machten seine Bewegungen nach und wiederholten von Zeit zu Zeit die letzten Worte seines Gesanges, die man vielleicht als einen réfrain oder chorus ansehen muß. Wir konnten eine Art von Sylbenmaße darinn erkennen, waren aber nicht gewiß, ob es gereimte Verse waͤren. Die Stimme des Vorsaͤngers war schlecht genug, und die Melodie seines Liedes hoͤchst einfach, denn sie bestand nur in einer Abwechslung von etlichen wenigen Toͤnen. Gegen Abend giengen die Indianer alle nach dem obern Ende des Sundes, woher sie gekommen waren, wieder zuruͤck. in den Jahren 1772 bis 1775. Am folgenden Morgen begleiteten wir die Capitains Cook und Fur- 1773. Junius. neaux nach Ost-Bay und Gras-Cove , woselbst sie eine Boots-Ladung anti- scorbutischer Kraͤuter einzusammeln, und zugleich einen neuen Versuch zum Be- sten des Landes zu machen gedachten. Da wir uns nemlich, wie im vorhergehen- den gemeldet worden, bereits hatten angelegen seyn lassen, allerhand nuͤtzli- ches europaͤisches Kraͤuter- und Wurzelwerk allhier anzupflanzen; so wollten wir nunmehro auch die Wildnisse mit Thieren zu bereichern suchen, welche in der Folge den Eingebohrnen und auch kuͤnftigen Seefahrern zum Nutzen gereichen koͤnnten. In dieser Absicht hatte Capitain Furneaux bereits einen Eber und zwey Saͤue in Canibal-Cove ans Land und in Freyheit gesetzt, damit sie sich in den Waͤldern vermehren moͤgten, und auch wir ließen es uns einen Bock und eine Ziege kosten, welche an einer oͤden Stelle in Ost-Bay jetzt an Land gesetzt wurden. Diese Gegenden hatte man vor andern hiezu ausgewaͤhlt, weil unsre neuen Colonisten, dem Anschein nach, hier vor den Einwohnern am sicher- sten seyn konnten, als welches die einzigen Feinde sind, fuͤr denen sie sich zu fuͤrch- ten haben. Denn das war wohl nicht zu vermuthen, daß die unwissenden Neu- Seelaͤnder Ueberlegung genug haben wuͤrden, um einzusehen, was fuͤr Nutzen ihnen aus der ungestoͤhrten Vermehrung dieser nuͤtzlichen Thiere zuwachsen koͤnnte. — In der Gegend von Gras-Cove erblickten wir ein großes Thier im Wasser, wel- ches der Groͤße nach zu urtheilen, ein See-Loͤwe seyn mogte; doch konnten wir ihm nicht nahe genug kommen, um es zu schießen und zu untersuchen. Ist es aber wuͤrklich ein See-Loͤwe gewesen, so war vermittelst dieses Thieres und einer kleinen Art von Fledermaͤusen, die wir in den Waͤldern angetroffen hat- ten, desgleichen mit Innbegrif des hiesigen zahmen Hundes, die Liste der Neu- Seelaͤndischen Saͤugthiere nunmehro schon bis auf fuͤnf Geschlechter ange- wachsen; und viel hoͤher duͤrfte sich die Zahl derselben wohl uͤberhaupt schwer- lich belaufen, ja vielleicht bey allen kuͤnftigen Untersuchungen nicht ein einziges neues mehr zu entdecken uͤbrig seyn. Nachdem wir weit und breit im Walde herumgestreift, und nicht nur einen ziemlichen Vorrath von wilden Sellery und Loͤffelkraut zusammengebracht, sondern auch abermals etliche neue Pflanzen und Voͤgel gesunden hatten, so kehrten wir spaͤt an Bord zuruͤck. Forster’s Reise um die Welt 1773. Junius. Am dritten Junins wurden einige Boote nach Long-Eyland geschickt, um von dort her das Heu an Bord zu holen; und da man nunmehro die Schiffe in seegel- fertigen Stand gesetzt, und Holz und Wasser eingenommen hatte, auch das Volk, vermittelst der hiesigen gesunden Kraͤuterkost voͤllig erfrischt war; so hinderte uns nichts mehr, bey erster Gelegenheit wiederum abzusegeln. Eins von un- sern Booten sahe auf seinem Ruͤckwege nach dem Schiffe, ein gros- ses doppeltes und noch ein andres einfaches Canot, in welchen ohngefaͤhr funfzig Mann seyn mochten. Beyde Fahrzeuge machten sogleich Jagd auf das Boot, da aber unsre Leute nicht bewafnet waren, so spannten sie ein Seegel auf und befanden sich bald so weit von den Neu-Seelaͤndern, daß diese das Nach- setzen aufgaben und nach Ost-Bay umkehrten, woher sie gekommen waren. Wir koͤnnen zwar nicht behaupten, daß sie feindselige Absichten gehabt, allein es waͤre doch der Klugheit nicht gemaͤß gewesen, wenn es die Unsrigen gleichsam haͤt- ten darauf ankommen lassen wollen, unter eine ungleich uͤberlegne Anzahl von Leuten zu gerathen, die ohne Ueberlegung und Billigkeit, immer nur nach In- stinkt und Eigensinn zu Werke gehen. Am folgenden Morgen als den 4ten Junii ließen wir die St. Ge- orgen-Flagge, Fahnen und Wimpel wehen, um den Geburts-Tag Sr. Ma- jestaͤt des Koͤnigs mit den zur See gewoͤhnlichen Feyerlichkeiten zu begehen. Die indianische Familie, deren Namen ich oben S. 219 angegeben und die nun- mehro sehr bekannt mit uns geworden war, weil sie ihren Wohnplatz ohnweit dem Schiffe in einer Bucht aufgeschlagen hatte, kam heute sehr zeitig an Bord. Als wir uns mit ihnen im Steuer-Raum, eben zum Fruͤhstuͤck niedergesetzt hat- ten, meldete ein Officier dem Capitain, daß sich, von Norden her, ein großes doppeltes und stark bemanntes Canot naͤhere. Wir machten uns also aufs Ver- deck, und fanden, daß es ohngefaͤhr nur noch einen Buͤchsenschuß von uns entfernt und mit acht und zwanzig Mann besetzt war. Sie ruderten bey der Adventure vorbey und auf unser Schiff zu, vermuthlich, weil sie aus der Groͤße desselben schlossen, daß dies das Haupt-Schiff seyn muͤsse. Die In- dianer, welche sich bey uns an Bord befanden, behaupteten, daß die Neu-An- kommenden feindselige Absichten gegen uns haͤtten; und wollten deshalb, daß wir auf sie feuern sollten. Ja Towahanga , das Oberhaupt dieser Familie, sprang in den Jahren 1772 bis 1775. sprang auf den Gewehr-Kasten, der auf dem Hintertheil des Verdeckes stand, 1773. Junius. ergrif einen Pruͤgel, machte eine Menge kriegerischer und drohender Stellun- gen damit, und fieng alsdenn an mit vieler Heftigkeit, jedoch in einem feyerlichen Tone gegen sie herabzureden; zu gleicher Zeit schwenkte er, gleichsam herausfor- derungsweise, ein großes Beil von gruͤnen Neu-Seelaͤndischen Stein um den Kopf, welches wir vorher noch nie bey ihm gesehen hatten. Mittlerweile kam das Canot dicht heran, achtete aber im geringsten nicht auf unsern Freund und Vorredner, daher wir ihn auch bathen, er moͤgte es gut seyn lassen und still schwei- gen. Zwey Leute von einer schoͤnen Statur, standen aufrecht im Canot, der eine auf dem Vordertheil, der andre in der Mitte desselben; die uͤbrigen aber saßen alle. Der erstere hatte einen durchans schwarzgefaͤrbten Mantel an, der aus dickgewuͤrktem Zeuge gemacht und felderweise mit viereckigen Stuͤcken von Hundefell besetzt war. In der Hand hielt er eine gruͤne Neu-Seelaͤndische Flachspflanze und ließ von Zeit zu Zeit einzelne Worte von sich hoͤren. Der andre aber hielt eine vernehmlich articulirte, laute und feyerliche Anrede, wußte auch seine Stimme auf eine sehr mannichfaltige Weise bald zu erheben, bald sinken zu lassen. Aus dem verschiednen Tone, in welchem er sprach, und aus den Bewe- gungen, womit er seine Rede begleitete, schien er wechselsweise zu fragen, zu prahlen, zu drohen, herauszufordern und dann, uns wieder guͤtlich zuzureden. Zu- weilen blieb er lange in einem gemaͤßigten Tone, mit einem mahle aber ward er alsdann ungewoͤhnlich laut und schrie so heftig, daß er hernach gemei- niglich eine kleine Pause machen mußte um wieder zu Athem zu kommen. So bald er mit seiner Rede fertig war, noͤthigte ihn der Capitain an Bord zu kommen. Anfaͤnglich schien er unschluͤßig und besorgt zu seyn, doch waͤhrte es nicht lange, so gewann seine natuͤrliche Dreistigkeit uͤber alles Mißtrauen die Oberhand und er kam zum Schiff herauf. Alle seine Leute machten es bald eben so und ein jeder von ihnen begruͤßte, so wie er an Bord kam, die bey uns befindli- che indianische Familie, dem Landesgebrauch nach, durch gegenseitiges Aneinan- derhalten der Nasen, oder, wie unsre Matrosen sich auszudruͤcken beliebten: sie naseten sich untereinander ; und eben diese Ehre erwiesen sie uns allen so viel unserer auf dem Verdeck waren. Man noͤthigte hierauf die beyden Spre- cher, als die Hauptpersonen, in die Cajuͤtte. Der zweyte, welches der eigent- Forster’s Reise u. d. W. erster Th. Y Forster’s Reise um die Welt 1773. Junius. liche Redner war, hies Teiratu , und gehoͤrte, seiner Aussage nach, auf der noͤrdlichen Insel dieses Landes, Thira-Whittie genannt, zu Hause. Sie fragten gleich nach Tupaya , und als man ihnen sagte, daß er nicht mehr am Leben sey, scheinen sie, gleich den vorerwaͤhnten Indianern, ganz betruͤbt daruͤber, spra- chen auch, gleich jenen, einige Worte in einem traurigen und klagenden Ton her. So sehr hatte sich dieser Mann durch seine Naturgaben und durch seine Leutselig- keit der Achtung und Liebe dieses unwissenden und rohen Volks empfohlen. Ver- muthlich wuͤrde es ihm auch viel eher als irgend einem von uns gelungen seyn, dieser Nation mehr Cultur zu geben, weil er, nebst einer gruͤndlichen Kennt- niß der Landessprache, zugleich mehr Analogie mit ihrem Genie und Begriffen besaß als wir Europaͤer. Uns hindert in diesem Geschaͤft der allzu große Ab- stand, der sich zwischen unsern weit ausgedehnten Kenntnissen und ihren gar zu eingeschraͤnkten Begriffen befindet, und wir wissen gleichsam nicht, wo wir die Glieder zu der Kette hernehmen sollen, die ihre Einsichten mit den unsrigen ver- einigen koͤnnte. Teiratu und seine Begleiter waren eine groͤßere Art von Leuten, als wir bisher in Neu-Seeland gesehen hatten. Keiner unter ihnen war von kleiner, und viele von mehr denn mittlerer Statur. Auch waren ihre Kleidungen, Schmuck und Waffen, reicher als sie bey den Einwohnern von Charlotten- Sund zu seyn pflegten, und schienen eine Art des Wohlstandes und Ueber- flusses anzuzeigen, dergleichen wir hier zu Lande noch nirgends bemerkt hatten. Unter ihren Kleidungsstuͤcken waren einige Maͤntel durchaus mit Hundefell gefuͤttert. Auf diese schienen sie besonders viel zu halten, und in der That hatte ein solcher Pelz nicht nur ein stattliches Ansehen, sondern er mochte ihnen auch, bey dem kalten Wetter das sich jetzt empfinden ließ, gute Dienste leisten. Unter ihren uͤbrigen, aus den Fasern des Neu-Seelaͤndischen Flachses ( Phormium ) verfertigten Kleidern, gab es viele ganz neue, die mit eingewuͤrkten bunten Raͤndern verziert waren. Diese Raͤnder waren roth, schwarz und weiß, aber allemal nach einem so regulaͤren Muster gearbeitet, daß man sie fuͤglich fuͤr das Werk eines weit cultivirteren Volks haͤtte halten koͤnnen. S. Hawkesworths Gesch, der engl. See Reisen in 4. B. III. . . pag. 45. Die schwarze Farbe ihrer Zeuge ist so aͤcht und dauerhaft, daß sie die Aufmerksamkeit der englischen Manu- in den Jahren 1772 bis 1775. facturisten verdient, denen es bis jetzt noch an einer dauerhaften Farbe dieser Art 1773. Junius. fuͤr Stoffe aus dem Pflanzenreiche fehlt. Blos unsre mangelhafte Kenntniß ihrer Sprache hinderte uns hieruͤber naͤheren Unterricht von ihnen zu erlangen. Ihre Kleidung ist eine Art von Mantel, der aus einem viereckigen Stuͤck Zeug bestehet. Die beyden obersten Enden desselben binden sie vorn auf der Brust, entweder mit Baͤndern oder sie stechen solche mit einer Nadel von Knochen, Fisch- bein oder gruͤnem Stein, zusammen. Ohngefaͤhr in der Mitte des Mantels ist ein Guͤrtel, von dichtgeflochtnen Grase, innerhalb befestigt, der mitten um den Leib gebunden werden kann, so daß der Mantel alsdenn auf den Huͤften fest an- liegt und die unteren Enden bis gegen die Knie, manchmal auch wohl bis auf die Waden herabhaͤngen. Mit dieser Beschreibung vergleiche man die Figur, eines so gekleideten Neu-Seelaͤnders, in der Kupfer-Zugabe zur Geschichte der engl. See-Reisen, 4. dritter Band, pag. 44. Ohnerachtet sie, dem Aeußern nach, so viel vor den Ein- wohnern von Charlotten-Sund voraus hatten; so waren sie denselben doch in der Unreinlichkeit vollkommen aͤhnlich, dergestalt, daß das Ungeziefer haufenwei- se auf ihren Kleidern herum kroch. Das Haar trugen sie, dem Landesgebrauch nach, mitten auf dem Kopf zusammen gebunden, mit Fett eingeschmiert und mit weißen Federn besteckt; auch hatten einige große Kaͤmme von Wallfischknochen hinter dem Haarschopfe eingesteckt, die gerade in die Hoͤhe standen. Viele von ihnen waren im Gesicht mit schneckenfoͤrmigen Linien punctirt, und einige auch mit rothem Oker und Oel geschminkt, wie sie denn durchgehends einen großen Gefallen daran hatten, wenn wir ihnen etwas rothes auf die Backen schmier- ten. Sie fuͤhrten einige kleine Calabassen bey sich, in welchen das Oel befind- lich war, womit sie sich einzubalsamiren pflegen; ob dieses aber aus dem Pflan- zen- oder Thierreiche seyn mochte? konnten wir nicht herausbringen. Alle Geraͤthschaften, die sie bey sich fuͤhrten, waren ungemein zierlich geschnitzt und uͤberhaupt mit großem Fleiße gearbeitet. Sie verkauften uns eine Art, de- ren Klinge aus dem feinsten gruͤnen Talk-Steine bestand und einen mit erhobe- ner Arbeit uͤberaus kuͤnstlich verzierten Stiel hatte. Auch fanden wir ei- nige musicalische Instrumente bey ihnen, nemlich eine Trompete oder vielmehr ein hoͤlzernes Rohr, das vier Fus lang und ziemlich duͤnn war. Das Mund- Y 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. Junius. stuͤck mochte hoͤchstens zwey, und das aͤußerste Ende ohngefaͤhr 5 Zoll im Durch- schnitt halten. Sie bliesen damit immer in einerley Ton, der ohngefaͤhr wie das Bloͤken eines Thieres klang, doch moͤchte ein Waldhornist vielleicht etwas mehre- res und besseres darauf herausgebracht haben. Eine andre Trompete war aus einem großen Tritons-Horn ( murex Tritonis ) gemacht, mit kuͤnstlich ausgeschnitztem Holz eingefaßt, und an demjenigen Ende, welches zum Mund- stuͤck dienen sollte, mit einer Oefnung versehen. Ein schrecklich boͤlkender Ton war alles was sich herausbringen ließ. Ein drittes Instrument, welches unsere Leute eine Floͤte nannten, bestand aus einem hohlen Rohr, das in der Mitte am weitesten war und in dieser Gegend, desgleichen an beyden Enden, eine Oeffnung hatte. Dies und das erste Instrument waren beyde, der Laͤnge nach, aus zwey hohlen Stuͤcken von Holz zusammengesetzt, welche eins fuͤr das andre so eben zu- recht geschnitten waren, daß sie genau auf einander paßten und eine vollkommne Roͤhre ausmachten. Das doppelte Canot, in welchem sie zum Theil gekommen waren, schien noch neu und ohngefaͤhr 50 Fuß lang zu seyn. Sowohl das vordere Ende, als das hohe Hintertheil, waren kuͤnstlich durchbrochen und mit schneckenfoͤrmigen, eingeschnittenen Zuͤgen verziert, so wie sie in der Geschich- te von Capitain Cooks voriger Reise, abgebildet und beschrieben sind. Ein ungestaltes Ding, an welchem man mit vieler Muͤhe eine Aehnlichkeit mit einem Menschenkopfe entdecken konnte, war mit ein Paar Augen von Perlmutter und mit einer langen Zunge versehen, die aus dem Rachen heraus hieng; diese Zier- rath machte das aͤußerste Ende des Vordertheils aus. Dergleichen Figuren bringen sie uͤberall zur Verzierung an, vornemlich an solchen Geraͤthschaften, die zum Kriege und zur Waffenruͤstung gehoͤren. Vermuthlich hat die hier zu Lande durch- gehends uͤbliche Gewohnheit, den Feind durch Ausstreckung der Zunge zu schim- pfen und auszufordern, zu so haͤufiger Abbildung solcher Fratzengesichter Gelegen- heit gegeben. Man siehet dergleichen nicht nur am Vordertheil ihrer Kriegs-Ca- nots und an den Griffen ihrer Streit-Aexte, sondern sie tragen solche auch an einer Schnur um den Hals auf der Brust haͤngend; ja sie schnitzen sie sogar auf die Schoͤpf-Schaufeln und an die Ruder, womit sie ihre Canots fortar- beiten. in den Jahren 1772 bis 1775. Sie verweilten nicht lange bey uns an Bord, denn da es anfieng sehr 1773. Junius. windig zu werden, so giengen sie insgesammt wieder in ihre Fahrzeuge und ruder- ten nach Motu Aro uͤber. Um Mittagszeit ließ sich auch der Capitain in Beglei- tung einiger Officiers nach dieser Insel uͤbersetzen, und fand daselbst sieben Ca- nots auf den Strand gezogen, in welchen ohngefaͤhr neunzig Indianer hier angekommen waren. Man sahe sie saͤmmtlich beschaͤftigt sich Huͤtten zu machen, und sie nahmen unsre Leute mit allen ersinnlichen Freundschafsbezeugungen auf. Der Capitain erwiederte solche durch Austheilung von mancherley Geschenken, darunter sich auch vergoldete kupferne Medaillen befanden, die einen und drey Viertel-Zoll im Durchschnitt dick, und zum Andenken dieser Reise waren geschla- gen worden, um sie unter die verschiedenen Voͤlker auszutheilen, welche wir auf dieser Reise antreffen wuͤrden. Auf einer Seite sahe man das Brustbild des Koͤnigs mit der Inschrift: George. III. king. of. great. britain. france. and. ireland . Auf der andern Seite zwey Krieges- Schiffe mit der Beyschrift ihres Namens resolution . und adventure . und unten im Abschnitt war zu lesen: sailed. from. england . march. mdcclxxii . Die Admiralitaͤt wollte anfaͤnglich, daß beyde Schiffe schon im Maͤrz seegeln sollten, doch geschah es erst im Junius, weil man mit der Ausruͤstung nicht fruͤher fertig werden konnte. Von vergleichen Schaustuͤcken waren auch bereits etliche unter die Einwohner von Dusky-Bay , desgleichen hier in Charlotten-Sund ausgetheilt worden. Die große Anzahl von Indianern, welche unsre Leute hier beysammen fanden, verschaffte ihnen eine gute Gelegenheit, gegen Eisen-Zeug und Glas-Corallen, eine große Menge von Waffen, Geraͤthschaften, Kleidern und Zierrathen einzutauschen, von welchen allen diese Neu-Seelaͤnder ungleich mehr besaßen, als wir sonst bey ihren Landsleuten angetroffen hatten. Der Ca- pitain und seine Gesellschaft bemerkten, daß Teiratu der Befehlshaber aller die- ser Leute seyn muͤsse, denn sie bezeigten ihm durchgehends viel Ehrfurcht. Was es aber mit dieser Art von Oberherrschaft eigentlich fuͤr eine Bewandniß habe, konnte man nicht ausfuͤndig machen. Bejahrte Leute pflegen sie durchgehends in Ehren zu halten, wahrscheinlicher Weise ihrer langen Erfahrung wegen; allein dies konnte hier der Fall nicht seyn, denn solche Anfuͤhrer dergleichen uns Tei- ratu einer zu seyn duͤnkte, sind starke, muntre Leute in der Bluͤthe der Jahre. Y 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. Junius. Vielleicht wissen aber die Neu-Seelaͤnder, so gut als die Nord-Amerikanischen Wilden, daß bey Entstehung eines Krieges ein großer Haufe von Menschen einen Anfuͤhrer haben muß, auf dessen groͤßere Geschicklichkeit und Talente die andern ihr Vertrauen und Hoffnung setzen koͤnnen, und zu einem solchen Po- sten taugen dann freylich keine andre als dergleichen junge Leute die noch Feuer haben. Je mehr wir die kriegerische Neigung dieser Nation und die vielen klei- nen Partheyen erwaͤgen, worin sie getheilt sind, desto nothwendiger scheint uns eine solche Art von Regierungsform zu seyn. Sie muͤssen ohne Zweifel erfahren oder eingesehen haben, daß die Faͤhigkeiten eines Anfuͤhrers nicht erblich sind, und folglich vom Vater nicht allemal auf den Sohn gebracht werden; viel- leicht haben sie auch Beweise unter sich erlebt, daß erbliches Regiment natuͤr- licher Weise zum Despotismus fuͤhrt. Capitain Cook fuͤrchtete, daß die Indianer unsern auf dieser Insel an- gelegten Garten finden und aus Unwissenheit verwuͤsten moͤgten. Er fuͤhrte also den Befehlshaber Teiratu selbst dahin, zeigte ihm alle die verschiedenen Pflanzen, besonders aber die Cartoffeln. Diese schien der Wilde sehr hoch zu schaͤtzen, und er kannte sie ohne Zweifel schon, weil ein aͤhnliches Gewaͤchs, naͤmlich die virginische suͤße Cartoffel ( convolvulus batatas ) in einigen Ge- genden der noͤrdlichen Insel, auf welcher er zu Hause gehoͤrte, gebauet wird. Er versprach dem Capitain auch, daß er den Garten nicht vernichten, son- dern alles unangeruͤhrt wolle stehen, wachsen und sich vermehren lassen; mit dieser Abrede schieden sie von einander. So bald der Capitain auf unser Schiff zuruͤck gekommen war, gaben die See-Soldaten, zur Ehre des Koͤniglichen Ge- burtsfestes, drey Salven, und unser Seevolk machte ein dreymaliges Huzzah ! Nachmittags ward der Wind sehr frisch und hielt die folgenden zwey Tage mit gleicher Hestigkeit an, so daß wir bis zum 7ten liegen bleiben mußten; alsdann aber hoben wir am Morgen den Anker und segelten nebst der Adven- ture aus Ship-Cove ab. Unser bisheriger Aufenthalt in Charlotten-Sund war unsern Leuten so wohl bekommen, daß sie jetzt wieder voͤllig so gesund waren, als bey der Abreise aus England . In unserm Schiffe hatten wir nur einen einzigen Kranken, einen See-Soldaten, der seit der Abreise von England immer schwindsuͤchtig und wassersuͤchtig gewesen war. in den Jahren 1772 bis 1775. Siebentes Hauptstuͤck. Reise von Neu-Seeland nach O-Tahiti . N achmittags gelangten wir in Cooks-Straße Die Besitzer von Hawkesworth Geschichte der englischen See Reisen, werden bey dieser und aͤhnlichen Stellen die in mehrgedachtem Werk befindlichen Charten mit Nutzen zu Rathe ziehen koͤnnen. liefen selbige nach 1773. Junius. Suͤden zu herab, und hatten nun den unermeßlichen Ocean vor uns, der unter dem Namen der Suͤd-See bekannt ist. Dieses große Meer war, demjenigen Theile nach der unter dem gluͤcklichern warmen Himmels-Strich belegen ist, bereits vielfaͤltig durchschifft worden; die kaͤltern Gegenden oder die sogenannten mittlern Breiten hingegen, hatte vor Capitain Cooks erster Reise in der Endeavour , das ist, bis im Jahr 1770, noch kein europaͤischer See- fahrer zu untersuchen gewagt. Gleichwohl glaubte man durchgehends, daß in selbigen ein großes Land liegen muͤsse, und die Erdbeschreiber, die es in ihren Landcharten das suͤdliche feste Land ( Terra australis ) nannten, hielten dafuͤr, daß auf der West-Seite, Neu-Seeland , auf der Ost-Seite aber ein Strich Landes, der dem Vorgeben nach gegen Amerika hin sollte entdeckt worden seyn, die Kuͤsten desselben ausmachten. Da aber Capitain Cook auf seiner vo- rigen Reise gefunden hatte, daß Neu-Seeland nichts mehr als zwey große In- seln waͤren, und daß auch weder gegen Osten, nach Amerika hin, noch bis zum 40sten Grade gegen Suͤden herab, Land vorhanden sey; so war das Suͤd-Land seitdem schon in engere Schranken gebracht; doch waren auch diese immer noch an- sehnlich und weitlaͤuftig genug um die Aufmerksamkeit kuͤnftiger Seefahrer zu verdienen. Wir sollten nun den noch unerforschten Theil dieser See befah- ren, und standen jetzo, ohnerachtet es mitten im Winter war, im Begriff, zwischen dem 50 und 40sten Grade suͤdlicher Breite, auf die Entdeckung neuer Laͤnder, nach Osten hin, aus zu gehen. Viele unsrer Mitreisenden unternahmen diese gefaͤhrliche Reise mit der gewissen Zuversicht, daß wir die Kuͤsten dieses Suͤd-Landes bald finden, und daß die Neuheit und Nutzbarkeit seiner Natur-Pro- dukte uns fuͤr alle deshalb ausgestandene Muͤhe und Gefahren, reichlich beloh- nen wuͤrde. Capitain Cook aber und verschiedene andere, die nach dem Er- Forster’s Reise um die Welt 1773. Junius. folge der vorigen Reise und nach dem was sie auf der jetzigen bereits erfah- ren und beobachtet hatten, urtheilten, machten sich wenig Hoffnung neue Laͤnder zu entdecken, ja sie zweifelten sogar, daß es uͤberhaupt ein solches Suͤd-Land gaͤbe. Am folgenden Morgen um acht Uhr waren wir noch in der Muͤndung der Straße und hatten die hohen mit Schnee bedeckten Berge der suͤdlichen Insel noch immer im Gesicht. Dieses wintermaͤßigen Ansehens ohnerachtet war in un- srer niedrigern Atmosphaͤre das Wetter hell und so gelinde, daß das Thermo- meter im Schatten auf 51 Grad stand. Große Zuͤge von verschiednen Wall- fisch-Arten giengen beym Schiff vorbey; sie waren mehrentheils ganz schwarz und hatten einen weißen Fleck vor der hintersten Ruͤcken-Finne. Wir feuerten auf sie, und trafen einen so nachdruͤcklich am Kopf, daß er nicht mehr tauchen konnte, sondern auf der blutgefaͤrbten Oberflaͤche des Wassers gewaltig um sich zu schlagen anfieng. Er schien ohngefaͤhr neun Fuß lang zu seyn, war schlank von Coͤrper hatte aber einen stumpf geformten Kopf, daher ihn unsre Matrosen botle-nose nannten. Diesen Namen fuͤhrt aber beym Dale ein ganz anderer Fisch, nemlich der Butskopf oder Schnabel-Wallfisch ( beaked whale ), des- sen Nase einem Bouteillen-Halse aͤhnlich sieht Pennant’s British Zoology . B. III. p. 53. der neuen vermehrten Edition in Quarto, von 1776. . Weil wir damals eben so guten Wind hatten, daß wir in einer Stunde drey und eine halbe englische Meile seegelten, so hielt es der Capitain nicht der Muͤhe werth beylegen zu lassen um den todten Fisch einzunehmen. “— Als heute zu Mittage der Capitain und der Astronomus die Laͤngen-Uhren aufziehen wollten, war keiner vermoͤgend die Spindel an Herrn Arnolds Uhr umzudrehen, und also mußte man sie ablau- fen lassen. —” So bald wir das Land aus dem Gesicht verlohren hatten, schwaͤrmte eine unendliche Menge Albatroßen, von drey verschiednen Arten, um uns her. Die gemeinste oder groͤßte Art war von unterschiedlichen Farben, die wir ihrem verschiednen Alter zuschrieben. Die Aeltesten waren fast ganz weiß, die juͤngern etwas mehr braun gesprenkelt, die juͤngsten aber ganz braun. Einige unserer Matro- in den Jahren 1772 bis 1775. Matrosen, die ehemals auf Ostindienfahrern gedient hatten, versicherten ihre Ca- 1773. Junius. meraden, daß eine Reise nach Ostindien , in Vergleich derer Muͤhseeligkeiten welche wir auf dieser hier auszustehen haͤtten, fuͤr gar nichts zu rechnen waͤre. Sie er- zaͤhlten hierauf wie gut und bequem sichs unter andern die Capitains auf derglei- chen Reisen zu machen pflegten, und nach mancher Anecdote und Spoͤtterey daruͤber, geriethen sie endlich auf den poßierlichen Einfall, daß die abgeschiede- nen Seelen aller dieser Capitains, zur Strafe fuͤr ihre ehemalige uͤppige Lebens- art zur See, hier in diese Albatroße wandern muͤßten, und nun auf die Suͤd- See gebannt waͤren, fuͤr die sie sich bey ihren Lebzeiten wohl zu huͤten ge- wußt haͤtten. Hier muͤßten sie sich, statt ihres vorigen Ueberflusses, kaͤrglich genug behelfen, und waͤren nun endlich ein Spiel der Stuͤrme und Wellen, wo- von sie sich sonst in ihren Cajuͤtten nicht viel haͤtten anfechten lassen. Dieser Ein- fall ist witzig und poetisch genug, um zu Bestaͤtigung dessen zu dienen, was ich schon weiter oben, von der originellen Laune der Seeleute, gesagt habe. Die Officiers, denen nach der Neu-Seelaͤndischen frischen Kost das eingesalzne Fleisch noch nicht wieder schmecken wollte, ließen ihren schwarzen Hund, dessen ich oben Seite 102. u. 117. erwaͤhnt habe, abschlachten, und schickten dem Capitain die Haͤlfte davon. Wir ließen die Keule braten und speisten solchergestalt heute zum erstenmale Hundefleisch. Es schmeckt vollkommen wie Hammelfleisch, so daß nicht der geringste Unterschied zu bemerken war. In unsern kalten Laͤndern, wo Fleisch-Speisen so uͤblich sind, und wo es vielleicht dem Menschen natuͤrlich oder unumgaͤnglich noͤthig ist von Fleisch zu leben, ist es warlich sonderbar, daß man einen juͤdischen Abscheu gegen Hundefleisch hat, da doch das Fleisch von dem unreinlichsten aller Thiere, naͤmlich vom Schwei- ne, ohne Bedenken gegessen wird. In Betracht seiner schnellen und haͤufi- gen Vermehrung, scheint die Natur den Hund ausdruͤcklich dazu geschaffen zu haben, daß er uns zur Speise dienen solle. Man koͤnnte vielleicht besorgen, daß es uns, wegen der natuͤrlichen Faͤhigkeiten unsrer Hunde, schwer ankom- men moͤchte sie umzubringen und zu essen Allein man bedenkt alsdenn nicht, daß ihre großen Faͤhigkeiten und ihre Anhaͤnglichkeit an uns blos Fol- gen der Erziehung sind die wir an sie wenden! In Neu-Seeland und, wie aͤltere Seefahrer melden, auch in den Inseln der Suͤd-See , zwischen den Wende- Forsters Reise u. d. W. erster Th. Z Forster’s Reise um die Welt 1773. Junius. Cirkeln, sind die Hunde das dummste und einfaͤltigste Thier das man sich vor- stellen kann. Sie scheinen daselbst um nichts kluͤger und gelehriger zu seyn als unsre Schaafe, die man fuͤr Sinnbilder der groͤßten Einfalt und Dumm- heit gelten laͤßt. In Neu-Seeland werden sie mit Fischen gefuttert; in den andern Inseln mit Fruͤchten und Kraͤutern. Vielleicht veraͤndert beydes ihre natuͤrliche Anlage; vielleicht bringt auch die Erziehung neue Instincte hervor. Die Neu-Seelaͤndischen Hunde kriegen was von ihrer Herren Mahlzeiten uͤbrig bleibt, mithin auch andre Hundeknochen abzunagen; und so werden die jungen Hunde, von Klein auf, Cannibalen. Wir hatten einen jungen Neu-Seelaͤndischen Hund an Bord, der, wie wir ihn kauften, wohl noch nichts als Muttermilch geschmekt hatte, gleichwohl fras er von dem heutigen Hundebraten, das Fleisch so gut als die Knochen, mit großer Gierigkeit, dahingegen andre, von europaͤi- scher Art, die wir vom Cap mitgenommen, beydes nicht anruͤhren, geschweige fressen mochten. Bis zum 16ten steuerten wir immer suͤdostwaͤrts und waren stets von Sturmvoͤgeln und Albatroßen, zuweilen auch wohl von einzelnen grauen Moͤven, ( larus catarractes ) umgeben, und große Haufen von See-Gras schwom- men vielfaͤltig in der See: Allein an alles dies waren wir schon zu sehr gewoͤhnt, als daß wirs haͤtten wagen sollen einige Folgerungen daraus herzuleiten. Das Thermometer, dessen Standpunkt allemahl des Morgens um 8 Uhr beobachtet wurde, und welches bey unsrer Abreise von Neu-Seeland 51. Grad angezeigt hatte, fiel, in eben dem Verhaͤltniß als wir gen Suͤden herab giengen, auf 48. zuweilen auch auf 47. Doch muß ich sagen, daß Waͤrme und Wetter uͤber- haupt sehr veraͤnderlich waren. Daher kams, daß wir alle Tage, und gemeinig- lich des Morgens, Regenbogen oder wenigstens Stuͤcke davon auf dem Hori- zont zu sehn bekamen. Auch der Wind war bisher immer sehr abwechselnd und lief rund um den Compas von Westen uͤber Norden nach Osten und so weiter, doch kam er die mehreste Zeit aus Osten, welches wir nicht nur keinesweges er- wartet hatten, sondern auch uͤbel damit zufrieden waren, weil er uns solchergestalt gerade entgegen blies und uͤberdem gemeiniglich mit Nebel, Regen und hoch- laufenden Wellen begleitet zu seyn pflegte. Nachdem wir 46 Grad 17 Minu- in den Jahren 1772 bis 1775. ten suͤdlicher Breite erreicht hatten, steuerten wir, so weit der Wind es gestat- 1773. Junius. ten wollte, nach Nord-Ost. Am 23sten waren Wind und Wetter gelinde. Capitain Furneaux machte sich dieses und die Nachbarschaft beyder Schiffe zu Nutz, um zu uns an Bord zu kommen und mit uns zu speisen. Er berichtete dem Capitain, daß seine Leute sich noch wohl befaͤnden, einen oder zwey Mann ausgenommen, wel- che von ihrem Umgange mit ungesunden Frauenspersonen ekelhafte Nachwehen ausstehen muͤßten. Diese Nachricht war uns in so fern sehr unangenehm, weil man daraus abnehmen konnte, daß jene haͤßliche Krankheit auch schon Neu-Seeland erreicht hatte, denn sonst nirgends konnten die Leute angesteckt wor- den seyn. In Betracht der schrecklichen Folgen, welche dies verderbliche Ue- bel auf die Neu-Seelaͤnder bringen mußte, hielten wir es der ernsthaftesten Un- tersuchung werth, ob, und bey welcher Gelegenheit sie es wohl von Europaͤern haͤtten bekommen koͤnnen? Der erste Entdecker des Landes, Abel Janßen Tasman , kam im Jahr 1642. dahin. Er hatte aber mit den Einwohnern nicht den mindesten freundschaftlichen Umgang, ja es ist wahrscheinlich, daß nicht ein einziger von seinen Leuten am Lande gewesen ist. Capitain Cook war der naͤchste Seefahrer, der nach dieser Zeit Neu-Seeland besuchte, ob er gleich laͤnger als hundert Jahre hernach, nemlich erst in den Jahren 1769. und 1770. an den Kuͤsten desselben anlangte. Er kam damals, in seinem Schiff Endeavour, von O-Tahiti und den Societaͤts-Inseln , wo verschiedne seiner Leute waren angesteckt worden. Da er aber auf der Ueberfahrt von diesen Inseln nach Neu- Seeland fast zwey Monathe unterwegens zubrachte, so hatte der Chirurgus Zeit ge- habt, die Leute gaͤnzlich zu heilen und bey der Ankunft auf dieser Kuͤste versicherte er den Capitain ausdruͤcklich, daß bey keinem dieser Kranken die geringste Spur des Uebels mehr zu merken sey. Dem ohnerachtet gebrauchte Capitain Cook die Vorsicht, niemanden ans Land gehen zu lassen, der unter der Cur gewesen war, aus Besorgniß, er moͤgte vielleicht noch verborgne Ueberreste dieses ansteckenden Uebels im Corper haben; ja um alle Moͤglichkeit abzuschneiden, daß diese Seuche einem schuldlosen Volke mitgetheilt wuͤrde, durften auch schlechterdings keine Frauenspersonen an Bord kommen. Der dritte Europaͤer, welcher Neu- Seeland besuchte, war ein franzoͤsischer Seefahrer, Herr von Surville . Dieser Z 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. Junius. seegelte in dem Schiffe St. Jean le Baptiste von Pondichery aus, durch die Straße von Malacca ; gieng an den Bashee ‒Inseln vor Anker, steuerte um Manilla herum; entdeckte Suͤdostwaͤrts von Neu-Brittannien , unter der Breite von 10¾ und unterm 158sten Grade oͤstlicher Laͤnge, Land, welchem er den Namen Port Surville gab und kam sodann nach Neu-Seeland . Von da gieng er, um Handlung zu treiben, nach Callao in Suͤd-Amerika , hatte aber, als er an diesem Orte ans Land gehen wollte, das Ungluͤck im Wasser umzu- kommen, und da mit ihm zugleich alle seine Empfehlungs-Schreiben verloren gegangen waren, so ward das Schiff fast zwey Jahre lang aufgehalten, nach deren Verlauf aber, mit allen Waaren wieder nach Frankreich zuruͤckgeschickt. Herr von Surville lag am 9ten December 1769. in Doubtles-Bay auf Neu- Seeland und sahe die Endeavour bey sich vorbey seegeln; Capitain Cook hingegen hatte das franzoͤsische Schiff nicht wahrnehmen koͤnnen, weil es gerade hinter einem Berge vor Anker lag. Was Herr von Surville daselbst ausge- richtet und wie er mit den Einwohnern gestanden habe, weis ich nicht: Allein Donbtles-Bay liegt so weit von Charlotten-Sund , daß die Einwohner dieser beyden Orte wohl schwerlich einigen Umgang mit einander pflegen, und folglich laͤßt sich nicht begreifen, wie die Krankheit von dorther schon so weit ge- gen Suͤden sollte um sich gegriffen haben, wenn man auch annehmen wollte, daß Herr von Survillens Schiff sie nach Donbtles-Bay gebracht haͤtte. Ein gleiches laͤßt sich von Herrn von Marion und dem Capitain Crozet , jenen bey- den franzoͤsischen Seefahrern sagen, deren Reise vom Jahr 1772. ich oben S. 85. u. f. erwaͤhnt habe; denn der Umgang den ihr Schiffs-Volk mit den Eingebohrnen hatte, schraͤnkte sich blos auf die Insel-Bay ein, und diese liegt am noͤrdlichsten Ende der noͤrdlichen Insel, mithin ebenfalls aͤußerst weit von Charlotten-Sund . Unmittelbar nach diesen beyden Schiffen kamen wir nach Neu-Seeland ; allein wir hatten nicht die mindeste Ursach zu vermu- then, daß unsere Leute etwas von dem venerischen Uebel mit hieher braͤchten. Es war bereits sechs Monat her, da wir das Vorgebirge der guten Hoffnung verlassen hatten, und das war der letzte Ort, wo die Matrosen es moͤglicher weise haͤtten bekommen koͤnnen. Seitdem waren sie fuͤnf Monate lang bestaͤn- dig in offner See gewesen, und innerhalb einer solchen Zeit haͤtte es von Grund in den Jahren 1772 bis 1775. aus geheilt werden muͤssen, es sey denn, daß die Krankheit aͤußerst boͤsartig 1773. Junius. und unheilbar gewesen waͤre. Wir hatten aber, ganz im Gegentheil, nicht einen einzigen venerischen Patienten am Bord, und man wird doch wohl nim- mermehr vermuthen, daß das Gift diese ganze Zeit uͤber habe verborgen bleiben koͤnnen, unter Leuten die nichts als eingesalzene Speisen zu essen und nichts als spirituoͤse Getraͤnke zu trinken hatten, dabey auch Naͤsse und Kaͤlte nebst allem uͤbrigen Ungemach des suͤdlichen Clima ausstehen mußten? Aus allen die- sen Umstaͤnden machten wir den Schluß, daß die venerischen Krankheiten in Neu-Seeland zu Hause, und nicht von Europaͤern herein gebracht sind; wir haben auch im Verfolg unserer Reise, und bis itzt noch, keine Ursach ge- funden, unsre Meynung hieruͤber zu aͤndern. Sollten jedoch, alles Anscheins ohnerachtet, unsre Vermuthungen irrig seyn, so koͤmmt alsdenn auf Rech- nung der gesittetern Europaͤischen Nationen eine Schandthat mehr, und das ungluͤckliche Volk, welches sie mit diesem Gifte angesteckt haben, wird und muß ihr Andenken dafuͤr verfluchen. Der Schaden den sie diesem Theile des menschlichen Geschlechts dadurch zugefuͤgt haben, kann nimmermehr und auf kei- ne Weise, weder entschuldigt noch wieder gut gemacht werden. Zwar sie haben die Befriedigung ihrer Luͤste erkauft und bezahlet, allein das kann um so we- niger fuͤr eine Entschaͤdigung des Unrechts gelten, weil selbst der Lohn den sie dafuͤr ausgetheilt, (das Eisenwerk) neue strafbare Folgen veranlaßt, und die moralischen Grundsaͤtze dieses Volks vernichtet hat, indeß die schaͤndliche Krank- heit doch nur den Koͤrper schwaͤcht und zu Grunde richtet. Ein Volk, das seiner rohen Wildheit, hitzigen Temperaments und grausamen Gewohnheiten ohnerach- tet, tapfer, edelmuͤthig, gastfrey und keiner Arglist faͤhig ist, verdient dop- pelt Mitleid, wenn selbst die Liebe, der suͤßesten und gluͤcklichsten Empfindun- gen Quelle, ihnen die schrecklichste Geissel des Lebens werden ohne ihr Ver- schulden werden muß. — Bis zum Anfang des Julius blieb der Wind immer so veraͤnderlich, als ich zuvor schon angezeigt habe. Er war wider den Lauf der Sonne mehr als vier- mal um den ganzen Compas herumgelaufen. Diese ganze Zeit uͤber sahen wir haͤufig Albatrosse, Sturmvoͤgel und Seekraut. Auch erblickten wir fast alle Z 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. Julius. Morgen Regenbogen; ja einmal sahen wir sogar einen starken Regenbogen des Nachts bey Mondschein. Am 9ten waren wir ohngefaͤhr in derselbigen Laͤnge, in welcher sich Ca- pitain Cook auf seiner voriger Reise unter dem 40 Grad 22 Minuten suͤdlicher Breite befunden hatte. Siehe Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen ꝛc. Diesmal aber waren wir 2¼ Grad weiter gegen Suͤden. Hier fiel uns ein junger Ziegenbock uͤber Bord, den man zwar wieder auffischte und alles moͤgliche an ihm versuchte, als Reiben, Tabaks-Clystiere u. d. gl. allein umsonst, er war nicht wieder zum Leben zu bringen. Am 17. da wir uͤber den 227. Grad oͤstlicher Laͤnge hinaus und ohnge- faͤhr im 40. Grade suͤdlicher Breite waren, ließ der Capitain endlich gerade gen Norden hinauf steuern. Bisher hatten wir uns nemlich, zu Aufsuchung des Suͤd-Landes, mehrentheils gegen Osten und zwar in den Breiten gehalten, wo dieses Land, dem allgemeinen Vorgeben nach, schlechterdings liegen sollte. Allein auf dieser ganzen Fahrt war uns allen die Zeit herzlich lang geworden, denn die Jahreszeit war unangenehm und rauh, der Wind uns mehrentheils zuwider und an keine Art von Abwechslung zu denken, sondern statt derselben hatten wir ein ewiges Einerley von laͤngst bekannten Gegenstaͤnden vor uns. Das einzige, was wir damit gewonnen, war die Gewißheit, “daß in den mittlern Breiten der Suͤd-See kein großes Land zu finden ist.“ In Zeit von fuͤnf Tagen erreich- ten wir bereits den 31sten Grad suͤdlicher Breite. Nunmehro verloren sich die Albatrosse und Sturmvoͤgel, das Thermometer stieg auf 61½, und wir konn- ten jetzt, seit unsrer Abreise vom Cap zum erstenmal, die Winterkleider able- gen. Je naͤher wir den Wende-Cirkeln kamen, desto bessern Muths ward unser Seevolk. Die Matrosen fingen schon an, sich des Abends auf dem Ver- deck mit mancherley Spielen zu belustigen. Die belebende Mildigkeit und Waͤrme der Luft war uns etwas ganz neues, und behagte uns sowohl, daß wir dem warmen Clima bald vor allen andern den Vorzug einraͤumten, und es der Natur des Menschen am zutraͤglichsten hielten. Am 25sten Nachmittags sa- hen wir einen tropischen Vogel, ein sicheres Zeichen, daß wir in das mildere Clima, uͤber 30 Grad suͤdlicher Breite, heraufgekommen waren. Die unterge- hende Sonne erleuchtete die Wolken mit den glaͤnzendsten Goldfarben, und be- in den Jahren 1772 bis 1775. staͤrkte uns in der Meynung, daß die Luft nirgends so schoͤn, der Himmel nir- 1773. Julius. gends so praͤchtig sey, als zwischen den Wende-Cirkeln. Am 28sten war die Adventure so nahe bey uns, daß wir mit den Leu- ten derselben sprechen konnten. Sie erzaͤhlten uns, daß vor drey Tagen ihr Koch gestorben und daß zwanzig Mann am Scorbute krank waͤren. Diese Nach- richt war uns desto unerwarteter, da in unserm Schiff kaum bey einem oder dem andern von unsern Leuten Anzeigen des Scorbuts vorhanden waren, und wir uͤber- haupt auch nur einen einzigen gefaͤhrlich Kranken an Bord hatten. Um jenen den Verlust zu ersetzen, schickte Capitain Cook gleich am folgenden Tage einen seiner Seeleute, mit der Bestallung als Koch, auf die Adventure; und verschiedne un- srer Herren Mitreisenden bedienten sich dieser Gelegenheit an Bord des gedach- ten Schiffs zu gehen und daselbst zu speisen. Sie fanden Capitain Furneaux , nebst andern, mit Gliederreissen, viele seiner Leute aber mit Fluͤssen geplagt. Un- ter den scorbutischen Patienten war der Zimmermann am uͤbelsten dran, denn er hatte schon große blaue Flecken auf den Beinen. Dieser Unterschied in den Ge- sundheits-Umstaͤnden unsers beyderseitigen Schiffsvolks ruͤhrte vermuthlich da- her, daß es auf der Adventure an frischer Luft fehlte. Unser Schiff war hoͤ- her uͤber dem Wasser, und daher konnten wir, selbst bey ungestuͤmen Wetter, mehr Luftloͤcher offen halten, als jene. Ueberdem aßen unsere Leute haͤufiger Sauerkraut, brauchten auch mehr Wohrt; vornemlich aber bedienten sie sich der Malzkoͤrner zu Umschlaͤgen auf die scorbutischen Flecke und geschwoll- nen Glieder, welches man dagegen in der Adventure nie zu thun pflegte. Bey dieser Gelegenheit wird es nicht unschicklich seyn zu bemerken, daß der Scorbut in warmen Laͤndern am gefaͤhrlichsten und boͤsartigsten ist. So lange wir uns in hoͤhern und kaͤltern Breiten befanden, zeigte er sich nicht, oder hoͤch- stens doch nur bey einzelnen Personen, die von Natur ungesund und dazu geneigt waren. Allein, kaum hatten wir zehen Tage lang warmes Wetter gehabt, als schon am Bord der Adventure ein Patient daran starb und viel andre von den schlimmsten Symptomen desselben befallen wurden. Die Hitze scheint also die Entzuͤndung und Faͤulniß zu befoͤrdern; und selbst bey denen, die am Scorbute eben nicht gefaͤhrlich krank waren, brachte sie große Mattigkeit und Schwaͤche hervor. Forster’s Reise um die Welt 1773. August. “— Am 1sten August waren wir im 25°. 1′. suͤdlicher Breite und folg- lich in der Gegend, wo Capitain Carterets Angabe nach, Pitcairns Insel liegen soll; wir sahen uns deshalb fleißig darnach um, konnten aber nicht das geringste davon entdecken. Zwar vermuthete Capitain Cook , daß sie, Car- terets Tagebuch nach zu urtheilen, ohngefaͤhr noch 15 englische See-Mei- len weiter gegen Osten liegen muͤsse: Da sich aber die Mannschaft des andern Schiffs in so mißlichen Gesundheits Umstaͤnden befand; so war es nicht rathsam, mit Aufsuchung dieser Insel Zeit zu verlieren —“ Am 4ten warf eine junge Dachs-Huͤndin vom Cap , welche von einem Pudel belegt war, zehen Junge, wovon eins todt zur Welt kam. Der junge Neu-Seelaͤndische Hund, dessen ich oben erwaͤhnt und der vom Hundebraten so begierig gefressen, fiel sogleich uͤber diesen jungen Hund her und fras davon mit dem groͤßten Appetit. Dies kann, duͤnkt mich, zu einem Beweise dienen, in wie fern die Erziehung, bey den Thieren, neue Instincte hervorzubringen und fortzupflanzen vermag. Europaͤische Hunde werden nie mit Hundefleisch gefuͤt- tert. Sie scheinen vielmehr einen Abscheu dafuͤr zu haben. Die Neu Seelaͤn- dischen hingegen bekommen wahrscheinlicherweise von jung auf die Ueberbleibsel von ihrer Herren Mahlzeit ohne Unterschied zu fressen, mithin sind sie zu Fisch- Hunde- und Menschen-Fleisch gewoͤhnt; und was anfaͤnglich, bey einzelnen Hun- den, nur Gewohnheit war, ist vielleicht durch Laͤnge der Zeit, allgemeiner In- stinct der ganzen Art geworden. Wenigstens war dies augenscheinlich der Fall mit unserm cannibalischen Hunde, denn er kam so jung aufs Schiff, daß er wohl kaum etwas anders als Muttermilch gekostet haben mochte, folglich we- der an Hunde- noch weniger aber an Menschen-Fleisch gewoͤhnt seyn konnte: Gleichwohl fras er, wie vorgesagt, Hundefleisch, gebraten und roh, und als ein Matrose sich in den Finger geschnitten und ihm solchen hin hielt, so war er nicht nur begierig daruͤber her, das Blut abzulecken, sondern versuchte es auch ohne Umstaͤnde ihm hinein zu beißen. Nachdem wir vielfaͤltig Windstillen gehabt hatten, so stellte sich endlich am 16ten Nachmittags, da wir eben 19½ Grad suͤdlicher Breite erreicht hat- ten, der oͤstliche Passatwind ein, und fing, nach einigen heftigen Regenschau- ern, an ganz frisch zu wehen. Von rechtswegen haͤtten wir ihn ungleich fruͤ- her, in den Jahren 1772 bis 1775. her, nemlich schon bey unserm Eintritt in die Wende-Cirkel bekommen sollen; 1773. August. denn diese Gegend wird eigentlich fuͤr die Graͤnze desselben angesehen: Vermuth- lich aber war blos die Jahreszeit Schuld daran, daß wir ihn erst um so viel spaͤter bekamen; weil nemlich die Sonne sich dazumal noch auf der andern Halbkugel befand, oder vielmehr, weil wir auf der suͤdlichen noch Winter hat- ten. Mit dieser Bemerkung stimmt uͤberein, was wir im August 1772 zu Madera erfuhren, denn auch da schon hatten wir den Passat-Wind, ob diese Insel gleich unterm 33sten Grade nordlicher Breite belegen ist. Am aller sonderbarsten aber war uns der Wind von unsrer Abreise aus Charlotten-Sund an bis zu der Zeit vorgekommen, da sich der aͤchte Passat- wind einstellte. Wir hatten nemlich erwartet, daß wir den groͤßten Theil dieser Zeit uͤber, den wir in den mittleren Breiten zwischen dem 50. und 40sten Grade suͤdlich zubrachten, staͤte Westwinde haben wuͤrden, so wie wir solche, im Winter, auf der noͤrdlichen Halbkugel zu haben pflegen. Statt dessen aber fan- den wir, daß der Wind in zwey oder drey Tagen um den ganzen Compaß herum lief, und nirgends als auf oͤstlichen Strichen einigermaßen bestaͤndig war, von da aus er auch zuweilen sehr heftig blies. Der Name des stillen Meeres , womit man bisher die ganze suͤdliche See belegt hat, paßt also, meinem Beduͤnken nach, nur allein auf denjenigen Theil derselben, der zwischen den Wendezirkeln gelegen ist, denn da allein ist der Wind bestaͤndig, das Wetter gemeiniglich schoͤn und ge- linde, und die See weniger unruhig als in den hoͤheren Breiten. Albekoren, Boniten und Doraden jagten hier nach fliegenden Fischen, eben so als wir es im atlantischen Meere gesehen hatten; einige große schwarze Voͤgel aber, mit langen Fluͤgeln und gabelfoͤrmigen Schwanze, welche Fregat- ten ( men of war, Pelecanus aquilus Linnæi ) genannt werden, und gemei- niglich hoch in der Luft schwebten, schossen zuweilen mit unglaublicher Geschwin- digkeit, gleich einem Pfeil auf die Fische, die unter ihnen schwammen, herab, und verfehlten mit ihrem Schnabel der Beute nie. Aufgleiche Art wissen die So- landgaͤnse in den englischen Seen, welche zu eben diesem Geschlecht gehoͤren, die Fische zu erhaschen. Die Fischer sind daher auf den Einfall gerathen, diese Voͤgel vermittelst eines Pilchards oder Herings zu fangen, den sie auf ein spitziges Messer stecken, welches auf einem kleinen, frey herumschwimmenden Forster’s Reise u. d. W. erster Th. A a Forster’s Reise um die Welt 1773. August. Bretchen befestigt ist; wenn nun der Vogel darauf herabschießt, so ist es um ihn geschehen, denn er spießt sich ohnfehlbar. Am 11ten Morgens erblickten wir, ohngefaͤhr 6 Meilen von uns, ge- gen Suͤden, eine niedrige Insel, die 4 Meilen lang und eben so flach wie die See zu seyn schien. Nur hie und da sahe man einzelne, gleichsam aus der See aufgewachsene Gruppen von Baͤumen, unter welchen die hohen Gipfel der Co- cos-Palme weit uͤber die andern empor ragten. Nach einer so verdrießlichen, langweiligen Fahrt als wir gehabt, war uns schon der bloße Anblick des Lan- des etwas sehr erfreuliches, ob wir gleich nicht das geringste davon zu gewar- ten hatten; und ohnerachtet an der ganzen Insel uͤberhaupt nichts besonders Schoͤnes zu sehen war, so gefiel sie doch dem Auge wegen ihres von Natur ein- fachen Ansehens. Das Thermometer hielt sich bestaͤndig zwischen 70 und 80 Graden, gleichwohl war die Hitze nicht uͤbermaͤßig; denn wir hatten, bey schoͤnem hellen Wetter, einen angenehm kuͤhlenden, starken Passatwind, und un- sre auf dem hintern Verdeck aufgeschlagne Zelt-Decken verschaften uns auch Schatten. Die Insel ward Resolution -Eyland genannt, und vermuthlich hat auch Herr von Bougainville , seinem Tagebuch nach zu urtheilen, dieselbe ge- sehen. Sie liegt unterm 17 Grade 24 Minuten suͤdlicher Breite und unterm 141 Grade 39 Minuten westlicher Laͤnge von Greenwich . Mittags befan- den wir uns im 17 Grad 17 Minuten suͤdlicher Breite und steuerten fast gerade nach Osten. Abends um halb 6 Uhr kam uns eine andre ’Insel von gleicher Art zu Gesicht, die etwa 4 See-Meilen weit entfernt seyn mochte und Doubtful- Eyland genannt wurde. Da die Sonne schon untergegangen war, so hielten wir uns so lange gegen Norden, bis wir ganz bey derselben voruͤber waren und nicht mehr besorgen durften, in der Finsterniß auf die Kuͤste zu stoßen. Am folgenden Morgen, vor Tages Anbruch, erschreckte uns das unerwartete Ge- raͤusch von Wellen die sich, kaum eine halbe Meile weit vor uns, schaͤumend in der See brachen. So gleich aͤnderten wir unsern Lauf, und nachdem wir der Adven- ture durch Signale Nachricht von der Gefahr gegeben, so steuerten wir rechts, laͤngst dem Ryf Ryf oder Rief heißt in vielen noͤrdlichen, von der deutschen abstammenden Sprachen, eine Bank oder Strecke von Felsen, oder sonst eine seichte Stelle in der See, die ent- hin. So bald es hell ward, entdeckten wir an der Stelle, wo sich in den Jahren 1772 bis 1775. die Wellen brachen, eine zirkelrunde Insel, und auf derselben ein großes 1773. August. Baßin oder einen großen Teich von Seewasser. An der Nordseite war die Kuͤste mit Palmen und andern Baͤumen besetzt, die in mehreren Gruppen, von ganz zier- lichem Ansehn, umherstanden; den uͤbrigen Theil der Insel aber machte nur eine schmale Reihe von niedrigen Felsen aus, uͤber welche die See in einer gewaltigen Brandung wegschlug. Der Farbe des Wassers nach zu urtheilen, mußte der Salz-See, inwaͤrts nach uns her, seicht, aber gegen die waldige noͤrdliche Kuͤste hin tiefer seyn, denn an jenem Ende sahe er weißlicht, an die- sem hingegen blau aus. Capitain Cook nannte diese Insel Furneaux -Eyland . Sie liegt unterm 17 Grad und 5 Minuten suͤdlicher Breite und unterm 143sten Grad 16 Minuten westlicher Laͤnge. Als wir vor der Suͤd-Seite des Riefs voruͤber waren, erblickte man am noͤrdlichen Ende der Insel ein Canot unter Seegel, und mit Huͤlfe der Fernglaͤser ließ sich erkennen, daß es etwa mit sechs bis sieben Leuten bemannt war, davon einer auf dem Vordertheil stand und mit einer Ruder-Schaufel steuerte. Sie schienen indessen nicht unserntwegen in See gegangen zu seyn; denn sie kamen nicht gegen das Schiff herab, sondern blie- ben oberhalb, dicht an der waldichten Kuͤste der Insel. Wir setzten unsern Lauf, den ganzen Tag uͤber, bey guͤnstigem Winde und schoͤnen Wetter bis ge- gen Untergang der Sonne fort. So bald es aber anfing dunkel zu werden, legten wir bey, weil die Menge von niedrigen Inseln und Klippen die hier uͤberall umher liegen, und gemeiniglich nicht ehe zu sehen sind, als bis man dicht bey ihnen ist, die Schifffahrt gefaͤhrlich machen. Fruͤh am folgenden Morgen gien- gen wir wieder unter Seegel und kamen bey einer andern solchen Insel vorbey, die zur Rechten des Schiffs liegen blieb und Adventure-Eyland genannt wurde. Sie liegt im 17 Grad 4 Minuten suͤdlicher Breite und im 144sten Grade 30 Minuten westlicher Laͤnge. Um eben diese Zeit sprachen wir mit der Adven- ture, und hoͤrten, daß sie dreyßig Mann auf der Kranken-Liste haͤtte, fast lau- ter scorbutische Patienten. In unserm Schiff hingegen waren die Leute fast noch A a 2 weder etwas unter Wasser stehet, so daß man noch, wenn gleich nicht mit großen Schiffen, daruͤber wegfahren kann, oder auch wohl so seicht ist, daß die See daruͤber wegbricht und Brandungen verursachet. Forster’s Reise um die Welt 1773. August. immer frey von dieser Krankheit; auch ward alles angewandt, um sie bey so guter Gesundheit zu erhalten. Sie aßen zu dem Ende fleißig Sauerkraut, ihre Hangmatten wurden alle Tage geluͤftet und das ganze Schiff ward oft mit Pulver und Wein Eßig ausgeraͤuchert. Nachmittags sahen wir eine Insel gerade vor uns, die aus einer Reihe von niedrigen Felsen bestand, welche vermittelst verschiedner Klumpen von Baͤu- men zusammen hiengen. Der Lage und dem Ansehen nach zu urtheilen, mußte es eben dieselbe seyn, welche Capitain Cook auf seiner vorigen Reise Chain-Island oder Ketten-Insel genannt hatte. S. Hawkesworths Gesch. der engl. See Reisen, in 4. B. II. S 78. Damit wir indessen diese Nacht nicht, wie in der vorigen, wiederum beylegen und dadurch in unserm Laufe aufgehalten werden moͤgten, ließ der Capitain ein Boot mit einer Laterne vor dem Schiffe her- s e egeln, und befahl den Leuten, uns, sobald sie irgendwo eine gefaͤhrliche Stelle antreffen sollten, durch Signale Nachricht davon zu geben. Diese Vorsicht war der vielen niedrigen Inseln wegen noͤthig, die man, wie ich schon gesagt habe, in der Suͤdsee , zwischen den WendeCirkeln antrift und die mehrentheils von ganz sonderbarer Bauart sind. Sie bestehen nemlich aus Felsen, die vom Grunde des Meeres auf, senkrecht, wie die Mauern, empor steigen, an den mehresten Stellen aber kaum uͤber dem Wasser hervorragen, und auch da, wo sie am hoͤchsten sind, doch nicht mehr als etwa 6 Fuß uͤber die Oberflaͤche der See hervorstehen. Oft sind sie von zirkelfoͤrmiger Gestalt und haben in der Mitte ein Baßin von Seewasser, und rings an den Ufern her ist das Meer uͤberall unergruͤndlich. Ohne Zweifel muß es auf denselben nur wenig Gewaͤchse ge- ben, und unter diesen mag der Coco-Nußbaum noch das beste und nutzbarste seyn. Einer so armseligen Beschaffenheit und ihres oft nur geringen Umfangs ohnerachtet, sind dennoch manche bewohnt. Wie sie aber moͤgen bevoͤlkert wor- den seyn? ist eben so schwer zu bestimmen, als wie die hoͤhern Inseln der Suͤd- See mit Einwohnern besetzt worden? Der Commodore, (jetzige Admiral) By- ron , und nach ihm Capitain Wallis schickten, als sie auf ihren Reisen um die Welt, hier an diesen niedrigen Inseln voruͤber kamen, einige ihrer Leute an die Kuͤste, gegen welche sich die Einwohner scheu und eifersuͤchtig bewiesen. Scheu sind sie vielleicht ihrer geringen Anzahl wegen, um deren willen sie fuͤrch- in den Jahren 1772 bis 1775. ten muͤssen, leicht uͤberwaͤltigt zu werden; eyfersuͤchtig aber, weil sie Muͤhe genug 1773. August. haben moͤgen auf ihren kleinen Felsen-Bezirken, fuͤr sich selbst den noͤthigen Un- terhalt zu finden, und folglich die Fremden nicht mit gleichguͤltigen Augen ansehen koͤnnen, da diese ihnen denselben zu schmaͤlern drohen. Bey so bewandten Umstaͤnden koͤnnen wir von ihrer Abstammung gar nichts sagen, weil ihre Spra- che und Gebraͤuche uns bis jetzt noch gaͤnzlich unbekannt, und dieses gleichwohl die einzigen Merkmale sind, aus welchen sich das Herkommen solcher Voͤlker errathen laͤßt, die keine Schriften und Urkunden besitzen. Fruͤh am 15ten August erblickten wir einen hohen Pik mit einer flachen Spitze. Capitain Wallis entdeckte solchen zuerst und nannte ihn Osnabruck- Eyland . Herr von Bougainville sahe ihn nachher, und in seiner Charte heißt er Pic de la Boudeuse oder le Boudoir . Der Berg schien ziemlich hoch und der Gipfel gleichsam abgebrochen, oder wie die Muͤndung eines Vulcans, der daselbst vor Zeiten gebrannt haben mag, ausgehoͤhlt zu seyn. Die Insel war beynahe zirkelrund, und der Berg, der an allen Seiten steil empor stieg, hatte die Gestalt eines Kegels. An der Kuͤste war wenig oder gar kein flaches Land zu sehen, wo es aber eine ebene Stelle am Ufer gab, da war das Erdreich, gleich wie uͤberhaupt der ganze Berg, mit anmuthigem Gruͤn bewachsen. Indem wir uns an dieser angenehmen Aussicht ergoͤtzten, erzaͤhlte uns einer von unseren Officiers, der vom Capitain Wallis vormals dicht an die Kuͤste war geschickt worden, daß auf diesen Baͤumen die Brodfrucht wuͤchse, die in Ansons , Byrons , Wal- lis und Cooks Reisen so sehr geruͤhmt worden. Er setzte hinzu, die Insel hieße in der Landessprache Maͤatua , In Hawkesworths Geschichte der engl. See Reisen, in 4. B. II. S. 78. steht faͤlschlich Maitea . und die Bewohner derselben waͤren eben eine solche Gattung von Leuten, als man auf den Societaͤts-Inseln , oder auf O-Tahiti antraͤfe; welche letztere nur eine halbe Tagereise von hier ent- fernt seyn sollte. Ein mehreres konnten wir von dieser Insel erfahren, denn wir blieben wenigstens 4 gute Seemeilen davon, und das mochte vermuthlich auch die Ursach seyn, warum von der Kuͤste her kein Canot zu uns heran kam. Da wir wenig Wind hatten, so ward ein Boot nach der Adventure geschickt, A a 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. August. welches den Capitain Furneaux zum Mittagessen zu uns heruͤber holte. Wir hatten das Vergnuͤgen von ihm zu vernehmen, daß der Durchlauf, der ohn- laͤngst unter seinen Leuten eingerissen war, bereits nachgelassen, und daß auch am Scorbut keiner sehr gefaͤhrlich krank sey; wir konnten also, der Nachbar- schaft von O-Tahiti wegen hoffen, daß dem Uebel durch frische Kraͤuterkost bald gaͤnzlich wuͤrde abzuhelfen seyn. Bey Untergang der Sonne sahe man be- reits die Berge dieser erwuͤnschten Insel aus den vergoldeten Wolken uͤber dem Horizont hervorragen. Jedermann an Bord, einen oder zwey ausgenommen, die sich nicht ruͤhren koͤnnten, eilte begierigst aufs vordere Verdeck, um die Au- gen an dem Anblick dieses Landes zu weiden, von dem man die groͤßten Erwar- tungen haben mußte, weil nach dem einstimmigen Zeugniß aller Seefahrer die da gewesen, nicht nur Ueberfluß an frischen Lebensmitteln daselbst vorhanden, sondern auch die Einwohner von besonders gutherzigem und gefaͤlligem Cha- racter seyn sollten. Aller Wahrscheinlichkeit nach, ist diese Insel von einem Spa- nier, nemlich von Pedro Fernandez de Quiros zuerst entdeckt worden. Die- ser war am 21sten December 1605. aus Lima in Peru abgeseegelt, und hatte am 10ten Februar 1606. eine Insel gefunden, welche er Sagittaria nannte, S. Historical collection of the several voyages and discoveries in the south pacific Ocean by Alex. Dalrymple Esq. Vol. I. pag. 109-117. die aber, nach allen Nebenumstaͤnden zu urtheilen, vermuthlich das heutige O-Ta- hiti gewesen ist. An der Suͤdseite derselben, wo er an die Kuͤste kam, war kein Haven anzutreffen, er begnuͤgte sich also einige seiner Leute, im Boote ans Land zu schicken, und diese wurden freundschaftlich und guͤtig aufgenommen. Nach ihm fand Capitain Wallis diese Insel am 18ten Junius 1767. und nannte sie Georg des dritten Insel . Eines ungluͤcklichen Mißverstaͤndnisses wegen, das bey seiner Ankunft zwischen ihm und den Eingebohrnen entstand, ließ er Feuer auf sie geben, wodurch funfzehen erschossen und eine große Zahl verwundet wurden; doch die gutartigen Leute vergaßen den Verlust und die Wun- den ihrer Bruͤder, machten gleich nachher Friede und versahen ihn mit einem Ueberflusse von Lebensmitteln, die groͤßtentheils aus allerhand Wurzelwerk, ver- schiedenen Arten von treflichen Baumfruͤchten, Huͤhnern und Schweinen be- standen. Herr von Bougainville kam am 2ten April 1768. oder ohngefaͤhr in den Jahren 1772 bis 1775. zehentehalb Monate nach des Capitain Wallis Abreise auf der oͤstlichen Kuͤste 1773. August. an, und entdeckte den wahren Namen der Insel. Er blieb zehen Tage lang auf derselben, genoß in dieser Zeit von den Einwohnern viel Achtung und Freund- schaft, welche er treulich erwiederte, gleich wie er uͤberhaupt dem liebenswuͤrdigen Character dieses Volks Gerechtigkeit wiederfahren ließ. Hierauf langte Capitain Cook mit dem Schiffe Endeavour im April 1769 allhier an, um den Durch- gang der Venus zu beobachten. Er hielt sich hieselbst drey Monathe lang auf, nahm, vermittelst eines Bootes, die ganze Insel rund umher in Augenschein, und hatte taͤglich Gelegenheit, die vorigen Bemerkungen und Nachrichten von die- sem Lande zu pruͤfen und zu bestaͤtigen. Wir steuerten nun die ganze Nacht uͤber gegen die Kuͤste hin und unter- hielten uns, in Erwartung des Morgens, mit den angenehmen Schilderungen, welche unsre Vorgaͤnger von diesem Lande gemacht hatten. Schon fingen wir an, die unter dem rauhen suͤdlichen Himmelsstriche ausgestandne Muͤhseligkeiten zu vergessen; der truͤbe Kummer, der bisher unsre Stirne umwoͤlkt hatte, ver- schwand; die fuͤrchterlichen Vorstellungen von Krankheit und Schrecken des To- des wichen zuruͤck, und alle unsre Sorgen entschliefen. Somno positi sub nocte silenti Lenibant curas \& corda oblita laborum. Virgil . Achtes Forster’s Reise um die Welt Achtes Hauptstuͤck . Aufenthalt im Haven O-Aitepieha auf der kleinen Halb- Insel O-Tahiti — Ankern in Matavai -Bay . Devenere locos lætos \& amæna vireta Fortunatorum nemorum, sedesque beatas. Largior hic campos aether \& lumine vestit Purpureo. Virgil . 1773. August. E in Morgen war’s! schoͤner hat ihn schwerlich je ein Dichter beschrieben, an welchem wir die Insel O-Tahiti , 2 Meilen vor uns sahen. Der Ostwind, der uns bis hieher begleitet, hatte sich gelegt; ein vom Lande wehendes Luͤftchen fuͤhrte uns die erfrischendsten und herrlichsten Wohlgeruͤche entgegen und kraͤuselte die Flaͤche der See. Waldgekroͤnte Berge erhoben ihre stolzen Gipfel in mancherley majestaͤtischen Gestalten und gluͤhten bereits im ersten Morgenstrahl der Sonne. Unterhalb denselben erblickte das Auge Reihen von niedrigern, sanft abhaͤngenden Huͤgeln, die den Bergen gleich, mit Waldung bedeckt, und mit ver- schiednem anmuthigen Gruͤn und herbstlichen Braun schattirt waren. Vor die- sen her lag die Ebene, von tragbaren Brodfrucht-Baͤumen und unzaͤhlbaren Pal- men beschattet, deren koͤnigliche Wipfel weit uͤber jene empor ragten. Noch erschien alles im tiefsten Schlaf; kaum tagte der Morgen und stille Schatten schwebten noch auf der Landschaft dahin. Allmaͤhlig aber konnte man unter den Baͤumen eine Menge von Haͤusern und Canots unterscheiden, die auf den sandichten Strand heraufgezogen waren. Eine halbe Meile vom Ufer lief eine Reihe niedriger Klippen parallel mit dem Lande hin, und uͤber diese brach sich die See in schaͤumender Brandung; hinter ihnen aber war das Wasser spiegelglatt und versprach den sichersten Ankerplatz. Nunmehro fing die Sonne an die Ebene zu beleuchten. Die Einwohner erwachten und die Aussicht begonn zu leben. Kaum bemerkte man die großen Schiffe an der Kuͤste, so eilte alles nach dem Strande herab und einige stießen Canots ins Wasser um zu uns herzuru- dern, in den Jahren 1772 bis 1775. dern. Es dauerte nicht lange, so waren sie durch die Oeffnung des Riefs, 1773. August. und eines kam uns so nahe, daß wir es abrufen konnten. Zwey fast ganz nackte Leute, mit einer Art von Turban auf dem Kopfe und mit einer Scherfe um die Huͤften, saßen darinn. Sie schwenkten ein großes gruͤnes Blatt in der Luft und kamen mit einem oft wiederholten lauten Tayo! heran, S. Bougainvilles Reisen. ein Ausruf, den wir ohne Muͤhe und ohne Woͤrterbuͤcher als einen Freundschafts-Gruß ausle- gen konnten. Das Canot ruderte dicht unter das Hintertheil des Schiffs, und wir ließen ihnen sogleich ein Geschenk von Glas-Corallen, Naͤgeln und Medail- len herab. Sie hinwiederum reichten uns einen gruͤnen Pisang-Schoß zu, der bey ihnen ein Sinnbild des Friedens ist, und baten solchen dergestalt ans Schiff zu befestigen, daß er einem jeden in die Augen fiele. Dem zufolge ward er an die Wand (das Tauwerk) des Hauptmasts fest gemacht; worauf unsre Freunde so- gleich nach dem Lande zuruͤckkehrten. Es waͤhrete nicht lange, so sahe man das Ufer mit einer Menge Menschen bedeckt, die nach uns hinguckten, indessen daß andere, voll Zutrauens auf das geschloßne Friedens-Buͤndniß, ihre Canots ins Wasser stießen und sie mit Landes-Producten befrachteten. In weniger als einer Stunde umgaben uns Hunderte von dergleichen Fahrzeugen, in deren jedem sich ein, zwey, drey, zuweilen auch vier Mann befanden. Ihr Vertrauen zu uns gieng so weit, daß sie saͤmmtlich unbewafnet kamen. Von allen Seiten erschallte das be- willkommende Tayo! und wir erwiederten es mit wahrhaftem und herzlichen Vergnuͤgen uͤber eine so guͤnstige Veraͤnderung unsrer Umstaͤnde. Sie brachten uns Coco-Nuͤsse und Pisangs in Ueberfluß, nebst Brodfrucht und andern Ge- waͤchsen, welche sie sehr eifrig gegen Glas-Corallen und kleine Naͤgel vertauschten. Stuͤcken Zeug, Fisch-Angeln, steinerne Aexte, und allerhand Arten von Werk- zeugen wurden gleichfalls zum Verkauf ausgeboten und leicht angebracht. Die Menge von Canots, welche zwischen uns und der Kuͤste ab- und zu giengen, stellæ ein schoͤnes Schauspiel, gewissermaßen eine neue Art von Messe, auf dem Wasser dar. Ich fing sogleich an durch die Cajuͤtten-Fenster, um Naturalien zu handeln, und in einer halben Stunde hatte ich schon zwey bis drey Arten unbekannter Voͤgel und eine große Anzahl neuer Fische beysammen. Die Farben der letztern waren, so lange sie lebten, von ausnehmender Schoͤnheit, Forster’s Reise u. d. W. erster Th. B b Forster’s Reise um die Welt 1773. August. daher ich gleich diesen Morgen dazu anwendete, sie zu zeichnen und die hellen Farben anzulegen, solche sie mit dem Leben verschwanden. Die Leute, welche uns umgaben, hatten so viel Sanftes in ihren Zuͤgen, als Gefaͤlliges in ihrem Betragen. Sie waren ohngefaͤhr von unsrer Groͤße, blaß mahogany-braun, hatten schoͤne schwarze Augen und Haare, und trugen ein Stuͤck Zeug von ihrer eignen Arbeit mitten um den Leib, ein andres aber in man- cherley mahlerischen Formen, als einen Turban um den Kopf gewickelt. Die Frauenspersonen, welche sich unter ihnen befanden, waren huͤbsch genug, um Europaͤern in die Augen zu fallen, die seit Jahr und Tag nichts von ihren Lands- maͤnninnen gesehen hatten. Die Kleidung derselben bestand in einem Stuͤck Zeug, welches in der Mitte ein Loch hatte um den Kopf durchzustecken und hinten und vornen bis auf die Knie herabhieng. Hieruͤber trugen sie ein anderes Stuͤck von Zeuge, das so fein als Nesseltuch und auf mannigfaltige, doch zierliche Weise, etwas unterhalb der Brust als eine Tunica um den Leib geschlagen war, so daß ein Theil davon, zuweilen mit vieler Grazie, uͤber die Schulter hieng. War diese Tracht gleich nicht vollkommen so schoͤn als jene an den griechischen Statuͤen bewunderten Draperien, so uͤbertraf sie doch unsre Erwartungen gar sehr und duͤnkte uns der menschlichen Bildung ungleich vortheilhafter als jede andre, die wir bis jetzt gesehen. Beyde Geschlechter waren durch die von an- dern Reisenden bereits beschriebenen, sonderbaren, schwarzen Flecke geziert oder vielmehr verstellt, die aus dem Punctiren der Haut und durch nachheriges Ein- reiben einer schwarzen Farbe in die Stiche entstehen. Bey den gemeinen Leu- ten, die mehrentheils nackt giengen, waren dergleichen, vornemlich auf den Lenden zu sehen, ein augenscheinlicher Beweis, wie verschieden die Menschen, in Ansehung des aͤußerlichen Schmuckes denken und wie einmuͤthig sie gleich- wohl alle darauf gefallen sind, ihre persoͤnlichen Vollkommenheiten auf eine oder die andre Weise zu erhoͤhen. Es dauerte nicht lange, so kamen verschiedne dieser guten Leute an Bord. Das ungewoͤhnlich sanfte Wesen, welches ein Hauptzug ihres National-Characters ist, leuchtete sogleich aus allen ihren Ge- behrden und Handlungen hervor, und gab einem jeden, der das menschliche Herz studierte, zu Betrachtungen Anlaß. Die aͤußern Merkmahle, durch wel- che sie uns ihre Zuneigung zu erkennen zu geben suchten, waren von verschiedener in den Jahren 1772 bis 1775. Art; einige ergriffen unsre Haͤnde, andre lehnten sich auf unsre Schultern, 1773. August. noch andre umarmten uns. Zu gleicher Zeit bewunderten sie die weiße Farbe un- srer Haut und schoben uns zuweilen die Kleider von der Brust, als ob sie sich erst uͤberzeugen wollten, daß wir eben so beschaffen waͤren als sie. Da sie merkten, daß wir Lust haͤtten ihre Sprache zu lernen, weil wie uns nach den Benennungen der gewoͤhnlichsten Gegenstaͤnde erkundigten, oder sie aus den Woͤrterbuͤchern voriger Reisenden hersagten, so gaben sie sich viel Muͤhe uns zu unterrichten, und freuten sich, wenn wir die rechte Aussprache eines Wortes treffen konnten. Was mich anlangt, so schien mir keine Sprache leich- ter als diese. Alle harte und zischende Consonanten sind daraus verbannt, und fast jedes Wort endigt sich mit einem Selbstlauter. Was dazu erfordert ward, war blos ein scharfes Ohr, um die mannichfaltigen Modificationen der Selbstlauter zu unterscheiden, welche natuͤrlicherweise in einer Sprache vor- kommen muͤssen, die auf so wenig Mitlauter eingeschraͤnkt ist, und die, wenn man sie einmal recht gefaßt hat, die Unterredung sehr angenehm und wohlklingend machen. Unter andern Eigenschaften der Sprache bemerkten wir sogleich, daß das O und E, womit sich die mehresten Nennwoͤrter und Namen in Herrn Cooks erster Reise anfangen, nichts als Artickel sind, welche in vielen morgen- laͤndischen Sprachen, vor den Nennwoͤrtern herzugehen pflegen, die ich aber im Verfolg dieser Erzaͤhlung entweder weglassen oder durch einen Strich von dem Nennwort trennen werde. Ich habe bereits im vorhergehenden angemerkt, daß Herr von Bougainville das Gluͤck hatte, den wahren Namen der Insel, ohne Artikel, sogleich ausfuͤndig zu machen, er hat ihn auch, so weit es die Beschaffenheit der franzoͤsischen Sprache erlauben will, in der Beschreibung seiner Reise, vermittelst des Worts Ta ï ti , ganz richtig ausgedruckt, doch sprechen es die Indianer mit einer leichten Aspiration, nemlich Tahiti aus. In dem vor uns liegenden Rief befand sich eine Oefnung, und dies war der Eingang zu dem auf der kleinern Halb-Insel von O-Tahiti gelegenen Haven Wha ï -Urua . Wir sandten deshalb ein Boot aus, um beydes, die Ein- fahrt und den Haven selbst, sondiren zu lassen. Die Leute fanden guten Anker- grund und giengen nach dieser Verrichtung vollends bis aus Land, wo sich so- gleich eine Menge Einwohner um sie her versammlete. Wir lagen der Kuͤste B b 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. August. so nahe, daß wir schon das Quiken junger Ferkel hoͤren konnten, und dieser Ton klang uns damals lieblicher als die herrlichste Music des groͤßten Virtuosen. Indessen waren unsre Leute nicht so gluͤcklich, einige davon zu erhandeln, viel- mehr weigerte man sich, sie ihnen zu verkaufen, unter dem Vorwande, daß sie insgesammt dem Erih oder Koͤnige zugehoͤrten. Mittlerweile, daß dies am Lande vorgieng, langte beym Schiff ein groͤße- res Canot an, in welchem sich ein schoͤner wohlgebildeter Mann befand, der ohngefaͤhr 6 Fus groß seyn mochte und drey Frauenspersonen bey sich hatte. Diese kamen allerseits an Bord, und der Mann meldete uns gleich beym Ein- tritt daß er O-Ta ï hieße. Er schien in dieser Gegend der Insel von einiger Bedeutung zu seyn und mochte wohl zu der Classe von Vasallen oder Freyen ge- hoͤren, welche in Capitain Cooks erster Reise Manahunaͤ’s genannt werden. Er gesellete sich alsbald zu den Officieren, die auf dem Verdeck beysammen waren, vermuthlich, weil er glaubte, daß sich diese Gesellschaft und dieser Platz am besten fuͤr ihn schickten. Er war um ein merkliches weißer als irgend einer von seinen Landsleuten, so viel wir deren noch gesehen, und gab in diesem Betracht den westindischen Mestizen wenig nach: Dabey hatte er wuͤrklich schoͤne und regelmaͤßige Zuͤge; die Stirn war hoch, die Augenbrauen gewoͤlbt, die großen schwarzen Augen voll Ausdrucks und die Nase wohl proportionirt. In der Bildung des Mundes lag etwas besonders angenehmes und gefaͤlliges; die Lip- pen waren zwar etwas dick, aber nicht unangenehm oder aufgeworfen. Der Bart war schwarz und fein gekraͤuselt und sein pechschwarzes, von Natur lockig- tes Haar hieng ihm, der Landesart nach, um den Hals. Da er aber sahe, daß wir unsre Haare im Nacken zusammen gebunden trugen, so war er gleich dar- uͤber her diese Mode nachzuahmen und bediente sich hiezu eines schwarzen seidnen Halstuches, welches ihm Herr Clerke geschenkt hatte. Im Ganzen war der Coͤr- per wohlgebildet, jedoch etwas zu dick; und auch die Fuͤße verhaͤltnißweise zu groß. Mit Huͤlfe unsrer Woͤrter-Buͤcher legten wir ihm verschiedne Fragen vor. Eine der ersten war, ob Tutahah In Hawkesworths Gesch der engl. See Reisen in 4. zweyter Band, pag. 85. ist die- ser Name, der engl. Schreibart nach, Tootahah ortographirt, weiches Tutahah aus- gesprochen wird Dieser Mann war damals Regent, oder doch Administrator der Landes- gierung, S. ebendas. Seite 105. 120. noch wohl sey? Wir in den Jahren 1772 bis 1775. erhielten zur Antwort: er sey todt und von den Einwohnern auf Teiarrabu 1773. August. oder der kleinen Halbinsel erschlagen; auf welcher letzterer Aheatua e- Erih oder Koͤnig sey. Diese Nachricht bestaͤtigte sich bald durch die einstimmige Aussage aller seiner Landesleute. Von den drey Weibern, die er bey sich hatte, war die eine seine Frau, und die beyden andern seine Schwestern. Letztere fanden ein besonderes Vergnuͤgen daran uns zu lehren, wie wir sie bey ihren Na- men nennen muͤßten, die wohlklingend genug waren; die eine hies nemlich Maroya und die andre Marora ï . Sie waren noch heller von Farbe als O-Ta ï , aber wenigstens um 9 bis 10 Zoll kleiner als er. Letzterwaͤhnte Marora ï war eine grazioͤse Figur, und besonders am Obertheil des Coͤrpers, von ungemein schoͤnem und zarten Bau. Zwar hatte sie bey weitem nicht so regelmaͤßige Zuͤge als ihr Bruder; aber dagegen ein angenehmes rundliches Ge- sicht, uͤber welches ein unaussprechlich holdes Laͤcheln verbreitet war. Es schien als waͤren sie noch nie auf einem Schiffe gewesen seyn, so sehr bewunderten sie alles was ihnen darauf vorkam; auch ließen sie es nicht dabey bewenden, sich auf dem Verdeck umzusehen; sondern giengen in Begleitung eines unsrer Herren Mitreisenden nach den Officier-Cajuͤtten hinab und besahen auch da alles mit der groͤßten Aufmerksamkeit. Marora ï fand an ein Paar Bett-Tuͤchern, wel- che sie auf einem Bette erblickte, besonderes Wohlgefallen, und versuchte es auf allerhand Art und Weise, sie von ihrem Begleiter geschenkt zu bekommen, allein umsonst. Er war zwar nicht abgeneigt, ihr solche zu uͤberlassen, ver- langte aber eine wesentliche Gunstbezeugung dafuͤr, zu welcher sich Marora ï an- faͤnglich nicht verstehen wollte. Als sie indessen sahe, daß kein anders Mittel sey zu ihrem Zweck zu gelangen, so ergab sie sich endlich nach einigem Widerstreben. Schon bereitete sich der Sieger seinen Triumph zu feyern, als das Schiff, zur ungelegensten Zeit von der Welt, gegen einen Felsen stieß, und ihm ungluͤcklicher- weise die ganze Freude verdarb. Der erschrockne Liebhaber, der die Ge- fahr des Schiffs deutlicher einsahe als seine Geliebte, flog sogleich aufs Verdeck, wohin auch alle uͤbrigen Seeleute, ein jeder an seinen Posten eilten, ohne sich weiter um die indianische Gesellschaft zu bekuͤmmern. Wir fanden bald, daß uns die Fluth, waͤhrend der gaͤnzlichen Windstille, unvermerkt ge- gen die Felsen hin getrieben hatte, und daß wir auch wuͤrklich schon auf denselben B b 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. August. fest saßen, ehe es noch moͤglich war, den Eingang des Havens zu erreichen, ohngeachtet wir kaum noch einen Steinwurf weit davon entfernt seyn moch- ten. Mittlerweile schlug das Schiff einmal uͤber das andre auf den Felsen an, so daß es allerdings mißlich um uns aussahe: Zum Gluͤck war die See eben nicht unruhig, mithin auch keine sonderliche Brandung an den Felsen; haͤtte sich indessen der sonst gewoͤhnliche Seewind eingestellt, so waͤre das Schiff un- moͤglich zu retten gewesen, allein auch der blieb diesen ganzen Tag uͤber aus. Officier und Passagier, ohne Unterschied, thaten bey dieser Gelegenheit ihr aͤußerstes. Es ward ungesaͤumt ein Boot ausgesetzt, auf selbigem nicht weit von uns ein Anker ausgeworfen, und vermittelst dessen das Schiff los gehoben und wiederum flott gemacht. Da die Indianer an Bord sahen, wie sauer wir es uns werden ließen, so legten sie mit Hand an; sie arbeiteten an der Win- de, halfen uns die Taue einnehmen und verrichteten andre dergleichen Arbeit mehr. Waͤren sie im mindesten verraͤtherisch gesinnt gewesen, so haͤtten sie jetzt die beste Gelegenheit gehabt, uns in Verlegenheit zu setzen; aber sie bezeigten sich, bey diesem gleichwie bey allen andern Vorfaͤllen, hoͤchstfreundschaftlich und gutherzig. Waͤhrend dieser muͤhsamen Arbeit hatten wir eine ausnehmende Hitze auszustehen, denn das Thermometer stand im Schatten auf 90 Grad, die Son- ne schien brennend heiß, und am ganzen Horizont war nirgends ein Woͤlkchen zu sehen, auch nicht das geringste Luͤftchen zu spuͤhren. Als uns dieser Unfall begegnete, war die Adventure dicht bey uns, sie entgieng aber der Gefahr dadurch, daß sie eilends die Anker auswarf. Zu den gluͤcklichen Umstaͤn- den, denen wir unsre Rettung zu danken hatten, gehoͤrte auch der, daß die Fel- sen, auf welche wir gerathen waren, Absaͤtze hatten, und der Anker folglich ir- gendwo fassen konnte, welches sonst selten der Fall ist, indem die Corallen-Felsen gemeiniglich ganz senkrecht zu seyn pflegen. Es war ohngefaͤhr um 3 Uhr, als wir nach anderthalbstuͤndigem Arbeiten wieder los kamen. Wir nah- men nun eiligst einige Erfrischungen zu uns, und da diese Gegend sehr ge- faͤhrlich war, im Fall sich ein Ostwind aufgemacht haͤtte; so bemanneten wir die Boote beyder Schiffe und ließen uns durch dieselben wieder in See boog- siren. Ohngefaͤhr um 5 Uhr kam uns eine leichtwehende Landluft zu Huͤlfe. Wir entließen daher die Boote sogleich ihres bisherigen Dienstes und schickten sie nach in den Jahren 1772 bis 1775. der Adventure hin, um dieser die Anker lichten zu helfen. Die Leute hatten 1773. August. aber dies nicht abgewartet, sondern das Cabel bereits laufen lassen, um den guͤnstigen Wind, ohne allen Aufschub zu nutzen, und uns zu folgen. Wir la- virten hierauf mit beyden Schiffen die ganze Nacht ab und zu, und sahen die ge- faͤhrlichen Felsen mit einer Menge von Feuern erleuchtet, bey deren Schein die Indianer fischten. Als einer der Officiers schlafen gehen wollte, fand er sein Bett ohne Bett-Tuͤcher, welche vermuthlich von der schoͤnen Marora ï waren mitgenommen worden, da sie sich von ihrem Liebhaber so schleunig verlassen sahe. Sie mußte indessen diese kleine Angelegenheit sehr behende und in aller Kuͤrze ausgefuͤhrt haben, denn sonst wuͤrde sie auf dem Verdeck vermißt worden und ihr Außenbleiben gleich verdaͤchtig gewesen seyn. Am folgenden Morgen naͤherten wir uns der Kuͤste von neuem und steu- reten laͤngst der Nordseite der kleinern Halbinsel hin. Es dauerte nicht lange, so waren wir, wie am vergangenen Tage, wieder mit Canots umgeben, in welchen uns die Eingebohrnen Erfrischungen in Menge, nur kein Fleisch, zubrachten und uns mit ihrem freundschaftlichen Zuruf bisweilen ganz betaͤubten. Die Fahrzeuge schlugen oft um, aber das war kein großer Unfall fuͤr die Leute die darinnen sas- fen , indem beydes Maͤnner und Weiber vortrefliche Schwimmer sind und die Canots in großer Geschwindigkeit wieder umzukehren wissen. Da sie fanden, daß ich mich nach Pflanzen und andern natuͤrlichen Merkwuͤrdigkeiten erkun- digte, so brachten sie mir dergleichen; aber oftmals nur die Blaͤtter ohne Bluͤthen, und umgekehrt zuweilen Blumen ohne Blaͤtter; doch erkannte ich unter denselben, dieser Verstuͤmmelung ohnerachtet, die gemeine Art des schwarzen Nacht-Schattens ( black night Shade ) und eine schoͤne Erythrina oder Coral-Blume. Auch bekam ich auf diese Weise allerhand Muscheln, Co- rallengewaͤchse, Voͤgel u. d. g. Um 11 Uhr ankerten wir in einem kleinen Haven O-Aitepieha ge- nannt, der am noͤrdlichen Ende der sudlichen oder kleinen Halbinsel von O- Tahiti liegt, die in der Landessprache Teiarrabu heißt. Nunmehro gieng der Zulauf des Volks erst recht an und die Canots kamen von allen Seiten her- bey. Die Leute waren auf unsere Corallen, Naͤgel und Messer so erpicht, daß wir gegen diese Waaren eine unglaubliche Menge ihres Zeuges, ihrer Matten, Forster’s Reise um die Welt 1773. August. Koͤrbe und andre Geraͤthschaften, desgleichen Coco-Nuͤsse, Brodfrucht, Yams und Pisangfruͤchte in großen Ueberfluß zusammen brachten. Die Verkaͤufer kamen zum Theil aufs Verdeck und nahmen der Gelegenheit wahr, allerhand Kleinigkeiten wegzustehlen; einige machten es gar so arg, daß sie unsre erhan- delten Coco-Nuͤsse wieder uͤber Bord und ihren Cameraden zu practicirten, und diese verkauften sie unsern Leuten alsdenn zum zweytenmal. Um nicht wieder so betrogen zu werden, wurden die Diebe vom Schiffe gejagt und mit einigen Peitschen-Hieben gezuͤchtigt, welche sie geduldig ertrugen. Die Hitze war heute eben so groß als gestern. Das Thermometer stand auf 90 im Schatten, wenn der Himmel mit Wolken bedeckt war; und um Mit- tag ward es wieder windstill. Ob wir gleich bey dieser Hitze heftig schwitzten, so war sie uns uͤbrigens doch gar nicht so empfindlich und zur Last, als man wohl denken moͤchte. Wir befanden uns im Gegentheil ungleich frischer und muntrer, als es, vornemlich der gestrigen abmattenden Arbeit nach, zu ver- muthen war. Diesen Vortheil hatten wir aber ohne Zweifel blos der Nachbar- schaft des Landes zu verdanken; die Brodfrucht und die Yams, welche man uns von dorther zubrachte, schmeckten und bekamen uns besser als unser wurm- stichigter Zwieback; und die Pisangs, nebst einer Apfel-Frucht, die von den Ein- wohnern E-vie genannt wird, gaben einen herrlichen Nachtisch ab. Das ein- zige, was wir uns an frischen Lebensmitteln noch wuͤnschen konnten, waren Huͤhner und Schweine, damit wir anstatt des taͤglichen Poͤckelfleisches eine Abwechslung haben moͤgten. Nachmittags giengen die Capitains, nebst einigen anderen Herren zum erstenmal ans Land, um den O-Aheatua zu besuchen, den alle Einwohner hie- siger Gegenden fuͤr ihren Erih oder Koͤnig erkannten. Waͤhrend dieser Zeit war das Schiff mit einer Menge von Canots umringt, die außer allerhand Kraͤuterwerk, auch große Quantitaͤten einlaͤndischen Zeugs verhandelten. So gar auf den Verdecken wimmelte es von Indianern, unter welchen es ver- schiedne Frauenspersonen gab, die sich ohne Schwierigkeiten den Wuͤnschen un- srer Matrosen uͤberließen. Einige von denen, die dieses Gewerbe trieben, mochten kaum neun oder zehen Jahr alt seyn und hatten noch nicht das geringste Zeichen der Mannbarkeit an sich. So fruͤhzeitige Ausschweifungen scheinen ei- nen in den Jahren 1772 bis 1775. nen sehr hohen Grad von Wollust anzudeuten und muͤssen im Ganzen allerdings 1773. August. Einfluß auf die Nation haben. Die natuͤrlichste Folge davon, die mir auch sogleich in die Augen fiel, bestand darinn, daß das gemeine Volk, zu welchem alle diese liederlichen Weibsbilder gehoͤren, durchgehends von kleiner Statur war. Nur wenige einzelne Leute aus demselben, waren von mehr als mitt- lerer Groͤße; die uͤbrigen alle unter diesem Maaße — ein Beweis, daß die Mey- nung des Grafen Buͤffon , uͤber die fruͤhzeitige Vermischung beyder Geschlech- ter (S. dessen Hist. naturelle ) sehr gegruͤndet ist. Sie hatten unregelmaͤßige, gemeine Gesichtszuͤge, aber schoͤne, große Augen, die durchgehends sehr lebhaft waren; naͤchst diesen ersetzte auch ein ungezwungnes Laͤcheln und ein bestaͤndiges Bemuͤhen zu gefallen, den Mangel der Schoͤnheit so vollkommen, daß unsre Matrosen ganz von ihnen bezaubert wurden und auf die leichtsinnigste Weise von der Welt, Hemder und Kleider weggaben, um sich diesen neuen Maͤtressen ge- faͤllig zu bezeigen. Die ungekuͤnstelte Einfalt der Landes-Tracht, die einen wohl- gebildeten Busen nebst schoͤnen Armen und Haͤnden unbedeckt ließ, mogte freylich das ihrige beytragen, unsre Leute in Flammen zu setzen; und der Anblick ver- schiedner solcher Nymphen, welche bald in dieser, bald in jener verfuͤhre- rischen Positur behend um das Schiff her schwammen, so nackt als die Natur sie gebildet hatte, war allerdings mehr denn hinreichend, das bischen Vernunft ganz zu blenden, das ein Matrose zu Beherrschung der Leidenschaften etwa noch uͤbrig haben mag. Eine Kleinigkeit hatte Veranlassung dazu gegeben, daß ihrer so viel neben uns herum schwammen. Einer von den Officiers, welcher seine Freude an einem Knaben von ohngefaͤhr 6 Jahren hatte, der dicht am Schiff in einem Canot war, wollte demselben vom hintern Verdeck herab, eine Schnur Corallen zuwerfen; der Wurf gieng aber fehl und ins Wasser; nun besann sich der Junge nicht lange, sondern plumpte hinter drein, tauchte und brachte die Corallen wieder herauf. Um diese Geschicklichkeit zu belohnen, warfen wir ihm mehrere zu, und das bewog eine Menge von Maͤnnern und Weibern, uns ihre Fertigkeit im Wasser ebenfalls zu zeigen. Sie holten nicht nur einzelne Corallen, davon wir mehrere auf einmal ins Wasser warfen, sondern auch große Naͤgel wieder herauf, ohngeachtet diese, ihrer Schwere wegen, sehr schnell in die Tiefe hinab funken. Manchmal blieben sie lange unter Wasser; was uns Forster’s Reise u. d. W. erster Th. C c Forster’s Reise um die Welt 1773. August. aber am bewundrungswuͤrdigsten duͤnkte, war die außerordentliche Geschwin- digkeit, womit sie gegen den Grund hinabschossen, und welche sich bey dem klaren Wasser sehr deutlich bemerken ließ. Da man hier zu Lande gewohnt ist sich vielfaͤltig zu baden, wie bereits Capitain Cook auf seiner vorigen Reise ange- merkt hat, so lernen die Leute ohne Zweifel schon von der fruͤhesten Kindheit an schwimmen, und besitzen daher auch eine solche Fertigkeit darinn, daß man sie der Behendigkeit im Wasser und der Biegsamkeit ihrer Glieder nach, fast fuͤr Amphibien halten sollte. Nachdem sie diese Schwimmer-Uebungen und andere Beschaͤfftigungen bis zu Untergang der Sonne fortgesetzt hatten, kehrten sie all- maͤhlig nach dem Ufer zuruͤck. Um diese Zeit kamen auch die Capitains mit ihrer Gesellschaft wieder an Bo r d, ohne den Koͤnig gesehn zu haben; der sie, wer weis aus was fuͤr mißtrauischer Besorgniß, nicht hatte vor sich kommen, sondern ihnen nur versichern lassen, daß er sie am folgenden Tage selbst besuchen wuͤrde. Um indessen nicht ganz vergebens am Lande gewesen zu seyn, nahmen sie laͤngst der Kuͤste, nach Osten hin, einen Spatziergang vor. Eine Menge von Einwohnern folgte ihnen uͤberall nach, und als sie unterwegens an einen Bach kamen, bo- ten sich die Leute um die Wette an, sie auf den Schultern heruͤber zu tragen. Jenseits desselben aber zerstreueten sich die Indianer nach und nach, so daß sie end- lich nur einen einzigen Mann bey sich hatten. Diesen ließen sie als Wegwei- ser vorauf gehen, und folgten ihm nach einer unbebaueten Landspitze, welche sich ins Meer erstreckte. Der Ort war mit wild aufgeschoßnen Pflanzen und Stau- den verwachsen; und als sie sich durch dieses Buschwerk hindurch gearbeitet hat- ten, stand ein pyramidenfoͤrmiges Gebaͤude von Steinen vor ihnen, dessen Ba- sis, vorn, ohngefaͤhr zwanzig Schritte (60 Fus) breit seyn mochte. Ihr Be- gleiter sagte ihnen, es sey eine Grabstelle oder ein heiliger Versammlungsplatz, Mara ï , und er nannte es, Mara ï no-Aheatua, den Begraͤbnißplatz des A- heatua , der jetzt Koͤnig auf Teiarrabu ist. Das ganze Gebaͤude war aus meh- reren Terrassen oder Stufen uͤbereinander aufgefuͤhrt, die aber, besonders gegen die Landseite hin, ziemlich verfallen und schon mit Gras und Buschwerk uͤber- wachsen waren. Rund um das Gebaͤude standen funfzehen duͤnne, fast senkrecht in die Erde gesteckte, hoͤlzerne Pfosten, die zum Theil 18 Fus lang seyn mochten, in den Jahren 1772 bis 1775. und an deren jeder man sechs bis acht kleine, theils maͤnnliche, theils weibliche Men- 1773. August. schen-Figuren, ziemlich kruͤpplicht eingeschnitten fand, die dem Geschlecht nach, ohne Unterschied eine uͤber die andre standen, jedoch so, daß die oberste immer eine maͤnnliche war. Durchgehends aber hatten sie das Gesicht gegen die See hinge- kehrt und dieses sahe den geschnitzten Menschen-Gesichtern aͤhnlich, die man an den Vordertheilen ihrer Canots wahrnimmt, und die e-tie oder e-tihi genannt werden. Etwas abwaͤrts von dem Marai, stand eine Art von Strohdach auf vier Pfosten, vor selbigem aber ein Spalierwerk oder Verzaͤunung von Latten errichtet, welches mit Pisangfruͤchten, desgleichen mit Cocosnuͤssen, no t’ Etua, fuͤr die Gottheit behangen war. Hier setzten sie sich nieder, um im Schatten dieses Obdachs auszuruhen, und ihr Begleiter both ihnen zur Erfrischung einige von den Pisangfruͤchten an, mit der Versicherung, sie waͤren m â a maitai, gut zu essen. Eine solche Einladung war nicht zu verschmaͤhen, und da das Obst auch wuͤrklich so gut war als ihr Fuͤhrer es ihnen angepriesen hatte; so trugen sie kein Bedenken, es sich recht tapfer schmecken zu lassen, ohnerachtet es auf Kosten der Goͤtter ging. Bey einbrechendem Abend kehrten sie, mit der von diesem gutherzigen Volke genoß- nen guten Aufnahme ungemein zufrieden, nach dem Schiff zuruͤck, und brachten uns einige Pflanzen mit, welche wir sogleich fuͤr Gewaͤchse erkannten, die nur zwischen den Wende-Cirkeln zu Hause sind. Als wir am folgenden Tage fruͤh aufs Verdeck kamen, um die kuͤhle Morgenluft zu genießen, fanden wir die herrlichste Aussicht vor uns; und der Morgenglanz der Sonne breitete gleich- sam doppelte Reitze uͤber die natuͤrlichen Schoͤnheiten der Landschaft aus. Der Haven, in welchem wir lagen, war nur klein, dergestalt, daß unsre bey- den Schiffe ihn fast gaͤnzlich ausfuͤllten; das Wasser aber war in selbigem so klar als Crystall, und so glatt als ein Spiegel, indeß sich um uns her, die See an den aͤußern Felsen in schneeweißschaͤumenden Wellen brach. Auf der Landseite erblickte das Auge vor den Bergen her, eine schmale Ebene, deren frucht- bares Ansehen, all ihren Bewohnern Ueberfluß und Gluͤckseligkeit zu gewaͤhren schien. Dem Schiffe gerade gegen uͤber oͤfnete sich, zwischen den Bergen, ein enges wohlbebauetes Thal, das voller Wohnungen und auf beyden Seiten mit Waldbedeckten Huͤgeln eingefaßt war, die laͤngst der ganzen weiten Strecke desselben in mannigfaltig gebrochnen Linien hinauf liefen und sich in verschiednen C c 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. August. Farben und Entfernungen zeigten. Ueber diese und das Thal hinaus, ragten aus dem Innern des Landes, mancherley romantisch-geformte, steile Berg-Gipfel hervor, davon besonders der eine auf eine mahlerisch-schoͤne, aber fuͤrchterliche Weise uͤberhieng und gleichsam den Einsturz drohte. Der Himmel war hei- ter und die Luft erquickend warm; kurz, alles floͤßte uns neues Leben und neuen Muth ein. Mittlerweile wurden die Boote beyder Schiffe nach o-Whai-urua geschickt um die Anker zu holen, welche wir daselbst im Grunde hatten sitzen las- sen als wir auf den Felsen stießen. Zu gleicher Zeit ward eine Parthey See- Soldaten und Matrosen beordert ans Land zu gehen, um Lebensmittel einzuhan- deln, und unsre ledigen Faͤsser mit frischem Wasser zu fuͤllen. Zu Ausfuͤhrung dieses Vorhabens faßten sie ohnweit dem Strande in einer verlassenen Wohnung Posto, die ihnen nicht nur Schatten gegen die Sonne, sondern auch, vermittelst der Umzaͤunung, Sicherheit gegen die Diebereyen des Volks verschaffte. Als wir eben im Begriff waren, mit dem Capitain ans Land zu gehen, bekam die- ser einen Besuch von einem angesehenen Manne, der o-Pue hies und seine bey- den Soͤhne bey sich hatte. Sie brachten dem Capitain etwas Zeug und einige andre Kleinigkeiten zum Geschenk, und erhielten dagegen Messer, Naͤgel, Co- rallen, und ein Hemde, welches letztere einer von ihnen anlegte, und in diesent Aufzuge begleiteten sie uns ans Land. So bald wir ausgestiegen waren, eilten wir von dem sandichten Stran- de, wo fuͤr unsre Wissenschaft keine Entdeckungen zu erwarten waren, weg, und nach den Plantagen hin, die uns vom Schiffe her so reizend ausgesehen hatten. Ohnerachtet der spaͤten Jahreszeit wegen Laub und Gras schon durchgehends mit herbstlichem Braun gefaͤrbt war, so bemerkten wir doch bald, daß diese Gegen- den in der Naͤhe nichts von ihren Reizen verloͤren, und daß Herr von Bougain- ville nicht zu weit gegangen sey, wenn er dies Land als ein Paradies beschrie- ben. Wir befanden uns in einem Wald von Brodfrucht-Baͤumen, auf denen aber bey dieser Jahrszeit keine Fruͤchte mehr waren, und beym Ausgang des Ge- hoͤlzes sahen wir einen schmalen, von Gras entbloͤßten Fuspfad vor uns, ver- mittelst dessen wir bald zu verschiednen Wohnungen gelangten, die unter man- cherley Buschwerk halb versteckt lagen. Hohe Cocos-Palmen ragten weit uͤber die andren Baͤume empor und neigten ihre haͤngenden Wipfel auf allen Seiten ge- in den Jahren 1772 bis 1775. gen einander hin. Der Pisang prangte mit seinen schoͤnen breiten Blaͤttern 1773. August. und zum Theil auch noch mit einzelnen traubenfoͤrmigen Fruͤchten. Eine schat- tenreiche Art von Baͤumen, mit dunkelgruͤnem Laube, trug goldgelbe Aepfel, die den wuͤrzhaften Geschmack und Saft der Ananas hatten. Der Zwischenraum war bald mit jungen chinesischen Maulbeerbaͤumen ( morus papyrifera ) be- pflanzt, deren Rinde von den Einwohnern zu Verfertigung der hiesigen Zeuge gebraucht wird, bald mit verschiednen Arten von Arum- oder Zehrwurzeln, ( Arum oder Eddoes ) mit Yams, Zuckerrohr und andern nutzbaren Pflanzen besetzt. Die Wohnungen der Indianer lagen einzeln, jedoch ziemlich dicht ne- ben einander, im Schatten der Brodfrucht-Baͤume, auf der Ebene umher, und waren mit mancherley wohlriechenden Stauben, als Gardenia, Guettarda und Calophyllum umpflanzt. Die einfache Bauart und die Reinlichkeit der- selben stimmte mit der kunstlosen Schoͤnheit des um sie her liegenden Waldes uͤber- aus gut zusammen. Sie bestanden nemlich mehrentheils nur aus einem Dach, das auf etlichen Pfosten ruhte und pflegten uͤbrigens, an allen Seiten offen, ohne Waͤnde zu seyn. Diese sind auch, bey dem vortreflichen Clima des Landes welches vielleicht eins der gluͤcklichsten auf Erden ist, vollkommen zu ent- behren; denn Tau und Regen, die einzigen Veraͤnderungen der Witterung, gegen welche die Einwohner Schutz noͤthig haben, werden in den mehresten Faͤllen durch ein bloßes Dach genugsam abgehalten. Zu diesen liefert ihnen der Pandang oder Palm-Nußbaum, Athrodactylis. Char. Gen. nov. Forster. London . 1776. Bromelia sylvestris Linn. Flora Ceyl. Keura . Forskal Flor. Arab. Pandanus . Rumph. Amboin. seine breiten Blaͤtter statt der Ziegel und die Pfeiler wer- den aus dem Stamm des Brodfrucht-Baums gemacht, der ihnen solchergestalt auf mehr denn einerley Art nutzbar wird. Indessen gab es doch mit unter einige Wohnungen, die, vermuthlich nur deswegen damit man innerhalb ver- borgner seyn moͤgte, mit einer Art von geflochtnen Rohr-Huͤrden eingeschlossen waren, und folglich einem großen Vogelbauer ziemlich aͤhnlich sahen. In diesem Wandwerk war eine Oeffnung zur Thuͤr gelassen, die mit einem Brette zugemacht werden konnte. Vor jeder Huͤtte sabe man eine kleine Gruppe von Leuten, die sich ins weiche Gras gelagert hatten oder mit kreuzweis uͤbereinan- dergeschlagnen Beinen beysammen saßen und ihre gluͤcklichen Stunden entweder C c 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. August. verplauderten oder ausruheten. Einige standen bey unsrer Annaͤherung auf und folg- ten dem Haufen der mit uns gieng; viele aber, besonders Leute von reiferem Alter, blieben unverruͤckt sitzen und begnuͤgten sich, uns im Voruͤbergehen, ein freundschaft- liches Tayo! zuzurufen. Da unsre Begleiter gewahr wurden, daß wir Pflanzen sammleten, so waren sie sehr emsig, dieselbigen Sorten zu pfluͤcken und herbey zu bringen, die sie von uns hatten abbrechen sehen. Es gab auch in diesen Plantagen in der That eine Menge von allerhand wilden Arten, die untereinander in jener schoͤ- nen Unordnung der Natur aufsproßten, welche uͤber das steife Putzwerk kuͤnstlicher Gaͤrten immer unendlich erhaben, aber alsdenn vollends bewundernswuͤrdig ist, wenn die Kunst ihr am rechten Ort aufzuhelfen weiß. Vornemlich fanden wir verschiedene Grasarten, die, ohnerachtet sie zarter und feiner als unsre noͤrdlichen waren, dennoch, weil sie im Schatten wuchsen, ein sehr frisches Ansehen hat- ten und einen weichen Rasen ausmachten. Sie dienten zugleich das Erdreich feucht zu erhalten, und solchergestalt den Baͤumen Nahrung zu verschaffen, die auch ihrer Seits im vortreflichsten Stande waren. Mancherley kleine Voͤgel wohnten auf den schattigen Zweigen der Brodfrucht- und andren Baͤume und sungen sehr angenehm, ob man gleich, ich weis nicht warum, in Europa den Wahn hegt, daß es in heißen Laͤndern den Voͤgeln an harmonischen Stimmen fehle. In den Gipfeln der hoͤchsten Cocosnuß-Baͤume pflegte sich eine Art klei- ner, schoͤner Saphir-blauer Papagayen aufzuhalten, und eine andre gruͤndlichte Art mit rothen Flecken, sahe man unter den Pisang-Baͤumen haͤufig, traf sie auch oft zahm in den Haͤusern an, wo die Einwohner sie der rothen Federn wegen, sehr gern zu haben schienen. Ein Eisvogel, von dunkelgruͤnem Gesieder und rings um die weiße Kehle mit einem ringfoͤrmigen Streif von vor- gedachter Farbe gezeichnet; ein großer Kuckuck und verschiedne Arten von Tauben, huͤpften froͤhlich auf den Zweigen herum, indeß ein blaͤulichter Rey- her gravitaͤtisch am See-Ufer einher trat, um Muscheln, Schnecken und Wuͤr- mer aufzulesen. Ein schoͤner Bach, der uͤber ein Bette von Kieseln rollte, kam in schlaͤngelndem Lauf das schmale Thal herab, und fuͤllte beym Ausfluß in die See unsre leeren Faͤsser mit silberhellem Wasser. Wir giengen laͤngst seinem krum- men Ufer eine gute Strecke weit hinauf, bis uns ein großer Haufen India- ner begegnete, der hinter dreyen Leuten herzog, die in verschiedne Stuͤcke ihres in den Jahren 1772 bis 1775. rothen und gelben Zeuges gekleidet waren und, von eben dergleichen, zierliche 1773 August. Turbans auf hatten. Sie trugen lange Stoͤcke oder Staͤbe in der Hand, und einer hatte eine Frauensperson bey sich, welches seine Frau seyn sollte. Wir fragten, was dieser Aufzug zu bedeuten habe, und erhielten zur Antwort: es waͤren die Te-apunie; da die Indianer aber merkten, daß wir noch nicht ge- nug von ihrer Sprache wußten, um diesen Ausdruck zu verstehen, so setzten sie hinzu, es waͤren Tata-no-t’ Eatua, das ist: Maͤnner, die der Gottheit und dem Mara ï oder Begraͤbniß- und Versammlungsplatze angehoͤrten. Man moͤgte sie also wohl Priester nennen duͤrfen. Wir blieben einige Zeit stehen, um abzuwarten, ob sie etwa eine Art von gottesdienstlicher Handlung oder andre besondre Ceremonien vornehmen wuͤrden, da aber nichts dergleichen erfolgte, so kehrten wir nach dem Strande zuruͤck. Um Mittagszeit gieng Capitain Cook mit uns und den beyden Soͤhnen des oberwaͤhnten O-Pue (S. 204) wieder an Bord, ohne den Aheatua gesehen zu haben, der, aus Ursachen die kein Mensch errathen konnte, uns noch immer nicht vor sich kommen lassen wollte. Unsre beyden indianischen Gaͤste setzten sich mit zu Tische und aßen von unsern Zugemuͤsen; das Poͤckelfleisch aber ließen sie unberuͤhrt. Nach Tische nahm einer der Gelegenheit wahr, ein Messer und einen zinnernen Loͤffel zu mau- sen, ob ihm gleich der Capitain, ohne alles Gegengeschenk, eine Menge von Sa- chen gegeben hatte, daran er sich allerdings haͤtte genuͤgen lassen und die Gesetze der Gastfreyheit nicht auf eine so haͤßliche Weise uͤbertreten sollen. So bald er sahe, daß die Dieberey entdeckt war, und daß man ihn deshalb vom Verdeck wegjagen wollte, besann er sich nicht lange, sondern sprang uͤber Bord, schwamm nach dem naͤchsten Canot hin, und setzte sich ruhig in demselben nieder, unsrer Uebermacht gleichsam zum Trotze. Capitain Cook konnte sich aus Unwillen uͤber das schaͤndliche Betragen dieses Kerls nicht enthalten, ihm eine Flinten- kugel uͤbern Kopf hinzufeuern, allein dies fruchtete nichts mehr, denn daß der Indianer von neuen ins Wasser sprang und das Canot umschlagen machte. Man feuerte zum zweytenmal nach ihm, allein, so bald er das Feuer von der Pfanne aufblitzen sahe, tauchte er unter, und eben so machte ers beym dritten Schuß. Nunmehro bemannte der Capitain sein Boot und ruderte nach dem Canot hin, Forster’s Reise um die Welt 1773. August. unter welches sich der Taucher versteckt hatte. Dieser aber wartete so lange nicht, sondern verließ sein Fahrzeug und schwamm nach einem doppelten Canot, das nicht weit von ihm war. Auch dem ward nachgesetzt. Es entkam aber durch die Brandung auf den Strand, und die Indianer fiengen von daher an mit Steinen nach unsren Leuten zu werfen, so daß diese es fuͤr rathsam hiel- ten, sich zuruͤckzuziehen. Endlich ward ein Vierpfuͤnder gegen das Land abge- feuert, und dieser machte dem Handel auf einmal ein Ende, denn er jagte jenen ein solches Schrecken ein, daß unsre Leute zwey doppelte Canots ohne Wider- stand wegnehmen und mit sich ans Schiff bringen konnten. Nachdem dieser Tumult uͤber war, giengen wir ans Land, um ohn- weit dem Orte, wo unsre Wasserfaͤsser gefuͤllt wurden, nach Tische einen Spatziergang zu machen und das Zutrauen des Volks wieder zu gewinnen, welches uns, der eben erzaͤhlten Feindseligkeiten wegen, mit einemmal verlassen hatte. Wir waͤhlten einen andern Weg, als den wir am Morgen genommen hatten, und fanden auf demselben eine Menge Pisange, Yams, Zehrwurzeln u. d. gl. um die Haͤuser herumgepflanzt. Die Bewohner waren freund- schaftliche, gutherzige Leute, jedoch des Vorgefallnen wegen, etwas scheuer und zuruͤckhaltender als zuvor. Endlich gelangten wir an ein großes mit Rohr- waͤnden versehenes Haus, welches ein artiges Ansehen hatte. Es sollte dem Ahea- tua angehoͤren, welcher sich jetzt, wie es hieß, in einer andern Gegend aufhielt. Wir fanden hier ein Schwein und etliche Huͤhner, die ers t en, welche uns die Einwohner zu Gesicht kommen ließen, indem sie solche bisher sorgfaͤltig versteckt und nie hatten verkaufen wollen, unter dem Vorwande, daß sie dem Erih oder Koͤnige zugehoͤrten. Sie machten jetzt eben die Entschuldigung, ohnerachtet wir ihnen ein Beil dafuͤr anboten, welches, ihren Meynungen und Beduͤrfnissen nach, gleichwohl das hoͤchste war was sie dagegen verlangen konnten. Nach einem kurzen Aufenthalte kehrten wir auf eben dem Wege wie- der zuruͤck und brachten eine kleine Parthey neuer Pflanzen mit an Bord. Ge- gen Untergang der Sonne ward ein Boot vor den Haven hinausgeschickt, um einen See-Soldaten, Namens Isaac Taylor , in der See zu begraben, der nach langem Kraͤnkeln heute Morgen gestorben war. Seitdem wir England verlassen, war er bestaͤndig fieberhaft, schwindsuͤchtig und asthmatisch gewesen. Diese in den Jahren 1772 bis 1775. Diese Zufaͤlle hatten je laͤnger je mehr uͤberhand genommen, und sich zuletzt in 1773. August. eine Wassersucht verwandelt, die seinem Leben ein Ende machte. Alle unsre uͤbri- gen Leute am Bord waren nun wohl, einen einzigen Mann ausgenommen, der seiner zum Scorbut geneigten Leibesbeschaffenheit wegen, allemal von neuem bettlaͤgerig wurde, so oft wir in See giengen, und mit genauer Noth beym Le- ben zu erhalten war, ohnerachtet man ihn bestaͤndig, die kraͤftigsten prophyla- ctischen Mittel und Worth gebrauchen ließ. Jedoch auch dieser Mann, sowohl als die am Scorbut kranken Leute von der Adventure, erholten sich außerordent- lich geschwind, durch bloßes Spatzierengehen am Ufer und durch den taͤglichen Genuß von frischer Kraͤuterkost. Fruͤh am folgenden Morgen kamen etliche Indianer in einem Canot zu uns und bathen um die Zuruͤckgabe der beyden groͤßern, die man ihnen Tages zu- vor weggenommen hatte. Da Capitain Cook inne geworden war, daß der Han- del des gestrigen Vorfalls wegen ins Stecken gerathen sey, weil seitdem niemand ans Schiff, und auch nur wenige an den Wasserplatz hin gekommen wa- ren; so ließ er ihnen die Canots alsbald zuruͤck geben, um das gute Vernehmen mit den Eingebohrnen so bald als moͤglich wieder herzustellen. Nun wuͤrkte zwar diese Probe von unsrer Billigkeit so schleunig nicht; als wir es wohl gewuͤnscht haͤtten; doch blieb der Erfolg davon wenigstens nicht lange aus, denn nach Verlauf zweyer oder dreyer Tage war der Handel wiederum voͤllig auf den vori- gen Fus hergestellt. Nach diesen Friedens-Vorkehrungen giengen wir aufs Botanisiren ans Land. Ein tuͤchtiger Regenschauer, der vorige Nacht gefallen, hatte die Luft merklich abgekuͤhlt, und machte unsern Spatziergang sehr angenehm, indem die Sonnenhitze heute nicht so fruͤh als sonst uͤberhand nehmen konnte. Das ganze Land war durch den Regen verschoͤnert. Baͤume und Pflanzen waren wie von neuem belebt und in den Waͤldern duftete das erfrischte Erdreich einen angeneh- men Wohlgeruch aus. Eine Menge von kleinen Voͤgeln begruͤßte uns mit ihrem lieblichen Morgengesang, den wir sonst noch nie so in ganzen Choͤren ge- hoͤrt hatten, vielleicht, weil wir bisher noch nie so fruͤh ausgegangen, vielleicht auch, weil oder Morgen vorzuͤglich schoͤn war. Kaum mochten wir etliche hun- dert Schritte weit gegangen seyn, so entstand im Walde ein lautes Klopfen, als Forster’s Reise u. d. W. erster Th. D d Forster’s Reise um die Welt 1773. August. ob Zimmerleute daselbst arbeiteten. Da dieser Schall unsre Neugier erregte, so spuͤrten wir ihm nach und gelangten endlich an einen kleinen Schoppen, unter welchen fuͤnf oder sechs Weibsleute zu beyden Seiten eines langen viereckigten Balkens saßen, auf welchem sie die faserichte Rinde vom Maulbeerbaume klo- pften, um Zeug daraus zu machen. Das Instrument, dessen sie sich hiezu be- dienten, war ein schmales vierseitiges Stuͤck Holz, in welchem der Laͤnge nach uͤber- all parallele Furchen eingeschnitten waren, die auf jeder von den vier verschiede- nen Seiten des Hammers, immer tiefer wurden S. Hawkesworths Gesch. der engl. See-Reisen in 4. B. II. pag 209. und immer dichter neben einander lagen. Sie hielten eine Weile mit Arbeiten inne, damit wir die Rin- de, die Haͤmmer und den Balken betrachten koͤnnten. Auch zeigten sie uns eine Art von Leimwasser in einer Cocos-Nußschaale, mit welchem sie waͤhrend des Klopfens die Rinde von Zeit zu Zeit besprengten, um die einzelnen Stuͤcken derselben, in eine zusammenhaͤngende Masse zu bringen. Dieser Leim, der, so viel wir verstehen konnten, vom Hibiscus esculentus gemacht war; ist zur Verfertigung der Arbeit unentbehrlich, weil die Stuͤcken Zeug zuweilen 6 bis 9 Fus breit und gegen 150 Fus lang sind, gleichwohl aber aus lauter kleinen ein- zelnen Stuͤcken Rinde zusammengeschlagen werden muͤssen. Es darf keine andre Rinde als von jungen Baͤumen dazu genommen werden; daher man auch in ih- ren Maulbeerpflanzungen nicht einen einzigen alten Stamm findet. So bald sie eines guten Daumens dick, das ist, ohngefaͤhr zwey Jahr alt sind, werden sie abgehauen, ohne daß dieser fruͤhen und haͤufigen Nutzung wegen Mangel daran zu besorgen waͤre; denn kaum ist der Bamu abgehauen, so sprossen schon wieder junge Schoͤßlinge aus der Wurzel auf, und ließe man ihn zu Bluͤthen und Fruͤchten kommen, so wuͤrde er, seinem schnellen Wachsthum nach zu ur- theilen, sich vielleicht uͤbers ganze Land verbreiten. Sie suchen die Baͤume durchgehends so gerade und so hochstaͤmmig als moͤglich zu ziehen, leiden auch unterhalb der Krone keinen Ast, damit die Rinde desto glaͤtter sey und beym Ab- schaͤlen recht lange Stuͤcken gebe. Wie sie aber zubereitet werde, ehe sie unter den Hammer kommt, war uns noch unbekannt. Die Weiber, weiche wir bey dieser Beschaͤftigung fanden, waren ganz duͤrftig in alte schmutzige Zeug- in den Jahren 1772 bis 1775. Lumpen gekleidet, und daß die Arbeit eben nicht leicht seyn muͤsse, konnte man 1773. August. aus der dicken hornharten Haut abnehmen, welche ihre Haͤnde davon bekommen hatten. Wir setzten nun unsern Weg weiter fort und gelangten bald in ein schma- les Thal. Ein wohlaussehender Mann, bey dessen Wohnung wir voruͤber ka- men, lag im Schatten da, und lud uns ein, neben ihm auszuruhen. So bald er sahe, daß wir nicht abgeneigt dazu waren, streute er Pisang-Blaͤtter auf einen mit Steinen gepflasterten Fleck vor dem Hause, und setzte einen kleinen aus Brodbaum-Holz verfertigten Stuhl hin, auf welchen er denjenigen von uns, den er fuͤr den Vornehmsten hielt, sich niederzulassen bath. Nachdem auch die uͤbrigen sich ins Gras gelagert hatten, lief er ins Haus, holte eine Menge ge- backne Brod-Frucht und setzte uns solche auf den Pisangblaͤttern vor. Naͤchst diesem brachte er noch einen Mattenkorb voll Vih oder Tahitischer Aepfel, wel- ches eine Frucht von der Spondias -Art und im Geschmack der Ananas aͤhnlich ist, und nunmehro bath er uns, zuzulangen. Es schmeckte uns allen herzlich wohl, denn der Spatziergang und die frische Morgenluft hatten uns guten Appetit ver- schaft und uͤberdies waren die Fruͤchte vortreflich. Wir fanden die Tahitische Zubereitung der Brodfrucht (die so wie alle andre Speisen, vermittelst heißer Steine in der Erde gebacken wird) unendlich besser als unsre Art sie zu kochen. Bey jener Bereitung bleibt aller Saft beysammen und wird durch die Hitze noch mehr verdickt; beym Kochen hingegen saugt sich viel Wasser in die Frucht und vom Geschmack und Saft geht viel verloren. Um das Tractament zu beschließen, brachte der Wirth fuͤnf Coco-Nuͤsse, die er auf eine sehr ungekuͤn- stelte Art oͤfnete, indem er die aͤußeren Faͤden mit den Zaͤhnen wegriß. Den kuͤh- len hellen Saft derselben goß er in eine reine Schaale einer reifen Coco-Nuß, und reichte sie einem jeden von uns nach der Reihe zu. Die Leute w ar n hier bey allen Gelegenheiten gutherzig und freundschaftlich gewesen, und hatten uns zuweilen, wenn wir es begehrten, Coco-Nuͤsse und andre Fruͤchte, fuͤr Glas- Corallen verkauft; allein so uneigennuͤtzig und wahrhaft gastfrey als dieser Mann, hatte sich waͤhrend unsers kurzen Hierseyns, noch keiner gegen uns be- wiesen. Wir hieltens daher fuͤr unsre Pflicht, ihn nach Vermoͤgen zu beloh- nen, und schenkten ihm das beste, was wir bey uns hatten, eine Menge durch- D d 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. August. sichtiger Glas-Corallen und Naͤgel, womit er aͤußerst vergnuͤgt und zufrie- den war. Ausgeruhet und erquickt schieden wir nunmehro von diesem friedlichen Sitze patriarchialischer Gastfreyheit und giengen noch weiter ins Land hinauf, ohne uns daran zu kehren, daß unter dem großen Haufen von Indianern, die uns begleiteten, viele waren, denen damit eben nicht gedient zu seyn schien. Wir hatten indessen von ihrem Mißvergnuͤgen weiter keinen Schaden, als daß sich un- ser Gefolge verminderte, indem die mehresten, jetzt nach ihren Wohnungen zuruͤckkehrten, welches wir uns gern gefallen ließen. Die wenigen, die noch bey uns blieben, uͤbernahmen es, die Stelle von Wegweisern zu vertreten, und so erreichten wir bald das Ende des Thals. Hier hoͤrten die Huͤtten und Pflanzun- gen der Indianer auf, und wir hatten nun die Berge vor uns, zu denen ein stark betretner Fussteig, der hie und da von hohen Baͤumen beschattet war, durch wil- des Gebuͤsch hinauf fuͤhrte. An den verwachsensten Stellen, die wir mit Fleis durchsuchten, fanden sich verschiedne Pflanzen, desgleichen einige Voͤgel, wel- che den Naturforschern, bis jetzt, noch unbekannt geblieben waren. Mit diesem kleinen Lohn fuͤr unsre Muͤhe, kehrten wir nach dem Ufer zuruͤck, woruͤber unsre indianischen Freunde und Begleiter herzlich froh waren. Am Strande trafen wir auf dem Handelsplatze einen großen Zusammenfluß von Landeseinwohnern an, und sahen, daß unsre Leute eine Menge von Zehrwurzeln ( eddoes ) und an- dern Gewaͤchsen, an Brodfruͤchten hingegen nur wenig zusammengebracht hat- ten. Dies letztere ruͤhrte von der spaͤten Jahreszeit her, in welcher nur auf wenig einzelnen Baͤumen hin und wieder noch eine Frucht hieng, die mehresten aber schon wieder fuͤr die naͤchste Erndte angesetzt hatten. Die ausnehmende Hitze reitzte uns zum baden, und ein Arm des nahgelegnen Flusses, der einen tiefen Teich von ziemlichen Umfang ausmachte, bot uns die bequemste Gelegen- heit hiezu an. Nachdem wir uns in diesem kuͤhlen Wasser genugsam erfrischt hatten, kehrten wir zum Mittagbrod an das Schiff zuruͤck. Nachmittags ward es sehr regnigt und stuͤrmisch; der Wind trieb die Adventure vom Anker, doch ward sie durch schleunige gute Anstalten ihrer Leute, bald wieder in die vorige Lage ge- bracht. Da dies schlimme Wetter uns an Bord eingeschlossen hielt; so beschaͤf- tigten wir uns diese Zeit uͤber, um die bisher gesammleten Pflanzen und Thiere in in den Jahren 1772 bis 1775. Ordnung zu bringen und die unbekannten zu zeichnen. Ohngeachtet wir aber be- 1773. August. reits drey Tage lang aufs Botanisiren ausgegangen waren, so belief sich die Anzahl der neuentdeckten Pflanzen doch noch gar nicht hoch, welches bey einer so bluͤhenden Insel als Tahiti , ein uͤberzeugender Beweis ihrer hohen Cultur ist. Waͤre sie weniger angebauet; so wuͤrde das Land, dem herrlichen Boden und Clima nach, uͤberall mit hunderterley Arten von Kraͤutern, wild uͤberwachsen gewesen seyn, anstatt daß jetzt dergleichen kaum hie und da einzeln aufsproßten. Auch von Thieren gab es nur wenige allhier, weil diese Insel nicht allein von geringem Umfange, sondern auch auf allen Seiten gar zu weit vom festen Lande entfernt ist. Außer einer ungeheuren Menge von Ratten, welche die Einge- bohrnen aller Orten ungehindert herum laufen ließen, ohne zur Vertilgung oder Verminderung derselben irgend ein Mittel vorzukehren, fanden wir kein andres vierfuͤßiges Thier allhier, als zahme Schweine und Hunde. Das Geschlecht der Voͤgel hingegen war schon ungleich zahlreicher, und von Fischen gab es vollends eine so große Menge neuer Arten, daß man fast jedesmal auf Entde- ckungen rechnen konnte; so oft den Indianern ein neuer, frischgefangner Vor- rath davon abgekaust ward. Die große Mannichfaltigkeit, welche wir in dieser Classe der Geschoͤpfe fanden, ruͤhrt natuͤrlicherweise daher, daß sie aus einem Theile des Oceans so leicht und ungehindert nach dem andern gelangen koͤnnen, und eben daher kommt es auch, daß man, zumal unter den Wende-Creysen, gewisse Arten derselben rund um die ganze Welt antrifft. Im Pflanzenreiche sahe es hier nur allein fuͤr die Botanik unange- nehm, in aller andern Absicht aber desto vortheilhafter aus. Von wilden Kraͤu- tern, die der Naturforscher in Menge zu finden wuͤnschte, gab es nemlich, wie gesagt, nur wenige, dagegen desto mehr eßbare Gewaͤchse und Fruͤchte, als Yams, Zehrwurzeln, ( eddoes ) Tahiti-Aepfel, Pisang- und Brodfruͤchte. Von allen diesen, besonders von den ersteren drey Arten, als fuͤr welches es gerade die rechte Jahreszeit war, brachten uns die Eingebohrnen so große Quantitaͤten zum Verkauf, daß die gesammte Mannschaft beyder Schiffe damit gespeiset werden konnte. Bey einer so gesunden Kost erholten sich unsre mit dem Scorbut be- hafteten Kranken gleichsam zusehends; ja wir alle befanden uns, bis auf einen Durchlauf, den die schleunige Veraͤnderung der Nahrungsmittel im Anfang ver- D d 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. August. ursachte, ungemein wohl dabey. Das einzige, woran es uns noch fehlte, war frisches Schweinefleisch, dessen Mangel uns desto haͤrter ankam, da wir dergleichen Thiere, auf allen unsern Spatziergaͤngen, in Menge an- trafen, ob sich gleich die Leute immer Muͤhe gaben, sie vor uns versteckt zu halten. Zu dem Ende sperrten sie solche in kleine Staͤlle ein, die ganz nie- drig gebauet und oben flach mit Brettern belegt waren, so daß eine Art von Platteform daraus entstand, auf welche sie sich selbst setzten oder niederlegten. Wir suchten sie durch alle ersinnliche Mittel dahin zu bewegen, daß sie uns wel- che ablassen moͤgten. Wir boten ihnen Beile, Hemden und andre Waaren an, die hier zu Lande in hohen Werth standen; aber alles war umsonst. Sie blieben dabey, die Schweine gehoͤrten dem Erih oder Koͤnig. Anstatt mit dieser Ant- wort zufrieden zu seyn und dem guten Willen der Leute Gerechtigkeit wiederfah- ren zu lassen, die uns, wenn gleich nicht mit Schweinen, doch mit andern Lebensmitteln versorgten, welchen unsre Kranken ihre Wiederherstellung, und wir alle unsre Erquickung zu verdanken hatten, ward den Capitains von einigen Leuten an Bord der Vorschlag gethan, eine hinlaͤngliche Anzahl Schweine zu unserm Gebrauche mit Gewalt wegzunehmen, und hernachmals den Ein- wohnern so viel an europaͤischen Waaren zu geben, als das geraubte Vieh, dem Gutduͤnken nach, werth seyn moͤgte. Da aber ein solches Verfahren ganz und gar tyrannisch, ja auf die niedertraͤchtigste Weise eigennuͤtzig gewesen waͤre; so ward der Antrag mit aller gebuͤhrenden Verachtung und Unwillen verworfen. Unsre Sammlung von Naturalien war bis jetzt noch immer so unbetraͤcht- lich, daß uns die Zeichnung und Beschreibung derselben wenig zu thun machte, und daß wir Muße genug uͤbrig hatten, taͤglich von neuem ans Land zu gehen, sowohl um mehrere zu suchen, als auch um den Character, die Sitten und den gegenwaͤrtigen Zustand der Einwohner genauer zu beobachten. Am 20sten nahm ich nebst verschiednen Officiers, um Mittagszeit, ei- nen Spatziergang nach der oͤstlichen Landspitze des Havens vor. Auf dem Wege dahin, fanden wir einen Bach vor uns, der zum durchwaden zu tief und zu breit war; wir wagten es also, uns in ein indianisch Canot einzuschiffen, und kamen auch gluͤcklich damit hinuͤber. Auf dem jenseitigen Ufer schimmerte aus dem Buschwerk ein ziemlich großes Gebaͤude hervor, und bey unsrer Annaͤ- in den Jahren 1772 bis 1775. herung fanden wir vor demselben, auf dem Grase, eine Menge des feineren Ta- 1773. August. hitischen Zeuges, ausgebreitet liegen, das nach der Indianer Aussage, in dem Fluß gewaschen war. Dicht neben dem Hause hieng auf einer Stange ein Brust- Schild von halb cirkelfoͤrmiger Gestalt, der aus Coco-Nußfasern, ohngefaͤhr so wie Korbmacher-Arbeit zusammengeflochten und auf der aͤußern oder rechten Seite mit den glaͤnzenden blaugruͤnen Federn einer Taubenart bedeckt, imglei- chen mit drey bogenfoͤrmigen Reihen von Haysisch-Zaͤhnen gezieret war. Ich frug, ob diese Ruͤstung zu verkaufen sey? Es hies aber Nein, und folglich mochte sie vielleicht da haͤngen um geluͤftet zu werden. Ein Mann von mitt- lern Alter, der in dieser Huͤtte seiner Ruhe pflegte, noͤthigte uns Platz bey ihm zu nehmen, und so bald dieses geschehen, untersuchte er meine Kleidung mit vieler Aufmerksamkeit. Er hatte sehr lange Naͤgel an den Fingern, worauf er sich nicht wenig zu gut that. Ich merkte auch bald, daß dies ein Ehrenzeichen sey, in so fern nemlich nur Leute die nicht arbeiten, die Naͤgel so lang wachsen lassen koͤnnen. Eben diese Gewohnheit findet man unter den Chinesern, und auch die sind sehr stolz darauf. Ob aber die Einwohner von Tahiti sie aus China her bekommen, oder ob zufaͤlligerweise beyde Voͤlker, ohne einige Ge- meinschaft mit einander zu haben, auf einerley Einfall gerathen seyn moͤgen: Das duͤnkt mich selbst fuͤr den Scharfsinn eines Needham und des Guignes zu hoch. In verschiednen Winkeln der Huͤtte saßen, hier die Mannsleute, dort die Frauenspersonen beysammen und nahmen, so von einander abgesondert, ihr Mittagsmahl zu sich, welches in Brodfrucht und Pisangen bestand. Beyde Par- theyen schienen, je nach dem wir uns einer oder der andern naͤherten, zu wuͤn- schen, daß wir mit essen moͤgten. Es ist allerdings eine sehr sonderbare Gewohnheit, daß sich hier zu Lande beyde Geschlechter beym Essen von einander trennen muͤssen; warum dies aber geschiehet, oder was Veranlassung zu diesem Gebrauch gege- ben haben mag? konnten wir eben so wenig als Capitain Cook auf seiner vori- gen Reise in Erfahrung bringen. Nachdem wir diese Huͤtte verlassen, so gelangten wir durch ein wohl- riechendes Gebuͤsch zu einer andern, in der sich O-Ta ï , nebst seiner Frau und Kindern, imgleichen seine beyden Schwestern, die Maroya und Marora ï befanden. Der Officier, welcher seine Bett-Tuͤcher eingebuͤßt, war bey uns, Forster’s Reise um die Welt 1773. August. hielt es aber fuͤr vergebliche Muͤhe darnach zu fragen, und suchte vielmehr seine Schoͤne durch neue Geschenke zu gewinnen. Corallen, Naͤgel und andre Kleinigkeiten wurden reichlich dran gewandt. Das Maͤdchen nahm sie auch freund- lich genug an, blieb aber bey den feurigsten Wuͤnschen ihres Liebhabers unerbitt- lich. Was ihr so sehr am Herzen gelegen und wofuͤr allein sie sich ihm ergeben haben wuͤrde, das mogten die Bett-Tuͤcher gewesen seyn, und die hatte sie ver- muthlich weg; nunmehro schien ihr folglich nichts mehr reizend genug zu seyn, um einen Liebhaber zu erhoͤren, den sie doch nur auf kurze Zeit gehabt haben wuͤrde. So erklaͤrten wir uns wenigstens ihr Betragen; dazu kam noch, daß sie zu einer angesehenen Familie gehoͤrte, und waͤhrend Capitain Cook’s vorigen langen Aufenthalt auf der Insel, hatte man wenig oder gar keine Beyspiele gefunden, daß Frauenzimmer von besserem Stande, sich so gemein gemacht haben sollten. Wir konnten uns diesmal nicht lange bey ih- nen aufhalten, weil der Tag Abschied zu nehmen anfieng. Es war wuͤrklich schon so spaͤt, daß unsre Boote bereits nach dem Schiffe zuruͤckgekehrt waren als wir wieder an den Strand kamen. Ich bedachte mich indessen nicht lange, sondern ward mit einem Indianer einig, daß er mich fuͤr eine einzige Glas-Co- ralle, die mir vom heutigen Spatziergang noch uͤbrig geblieben war, in sei- nem Canot nach dem Schiffe uͤbersetzen sollte, und so kam ich gluͤcklich an Bord, ohnerachtet das armselige Fahrzeug nicht einmal einen Ausleger ( outrigger ) hatte. Bey Anbruch des folgenden Tages, giengen wir wiederum ans Land und von neuem nach Osten hin. Je naͤher wir der oͤstlichen Spitze des Havens Aitepieha kamen, je breiter ward die Ebene; die Pflanzungen von Brodfrucht- und Coco-Nußbaͤumen, von Pisangen und andern Gewaͤchsen, an denen man schon durchgehends den Ansatz zur kuͤnftigen Erndte sahe, wurden immer ansehn- licher. Auch die Anzahl der Wohnhaͤuser nahm in dieser Gegend zu, und viele derselben schienen uns reinlicher und neuer zu seyn als beym Ankerplatze. Unter andern erblickten wir in einem dergleichen, welches mit Rohrwaͤnden versehen war, große Ballen von Zeug und eine Menge von Brustschild-Futteralen, die inwendig am Dache hiengen. Alles dieses, so wie das Haus selbst, gehoͤrte dem Koͤnig, Aheatua zu. Wir spatzierten ohngefaͤhr 2 Meilen weit bestaͤndig in den anmu- in den Jahren 1772 bis 1775. anmuthigsten Waͤldern und Pflanzungen von Brodfrucht-Baͤumen fort, und 1773. August. sahen, wie die Leute aller Orten wieder an ihr Tagewerk giengen, vornem- lich hoͤrten wir die Zeugarbeiter fleißig klopfen. Man muß sich indessen nicht vorstellen, daß die Leute eben durch Noth und Mangel genoͤthigt werden, so unablaͤßig zu arbeiten: denn wo wir nur hinkamen, versammlete sich gemeinig- lich bald ein großer Haufen um uns her und folgte uns den ganzen Tag uͤber, zum Theil so unermuͤdet nach, daß mancher das Mittagbrod daruͤber versaͤumte. Doch giengen sie nicht so ganz ohne Neben-Absicht mit. Im Ganzen war ihr Betragen allemal gutherzig, freundschaftlich und dienstfertig; aber sie paßten auch jede Gelegenheit ab, eine oder die andre Kleinigkeit zu entwenden und damit wußten sie ausnehmend gut Bescheid. Wenn wir sie freundlich ansa- hen oder ihnen zulaͤchelten, so hielten manche es fuͤr die rechte Zeit, von unserm guten Willen Gebrauch zu machen und in einem bittenden Ton ein: Tayo, poe! hoͤren zu lassen. Das bedeutete so viel als: Freund! ein Coralchen! Nun mogten wir ihnen hierinn willfahren oder nicht, so brachte dis doch niemals eine Aen- drung in ihrem Betragen hervor, sondern sie blieben so aufgeraͤumt und freund- lich als vorhin. Wenn sie mit diesem Anliegen zu haͤufig kamen, so zogen wir sie auf und wiederholten ihre kindische Betteley im nemlichen Tone, woruͤber denn unter dem ganzen Haufen immer ein lautes Gelaͤchter entstand. Sie redeten gemeiniglich sehr laut untereinander, und mehrentheils waren wir der Gegenstand ihrer Unterredung. Jedem neu Ankommenden, der die Zahl unsrer Begleiter vermehren half, wurden wir sogleich mit Namen genannt, die nach ihrer Aussprache auf wenige Vocalen und weichere Consonanten eingeschraͤnkt zu seyn pflegten; dann ward einem Jedem erzaͤhlt, was wir den ganzen Morgen uͤber gethan oder gesagt haͤtten. Die erste Bitte bestand gewoͤhnlich darinn, daß wir ein Gewehr abfeuern moͤgten; und das thaten wir unter der Bedingung, wenn sie uns einen Vogel zum Ziel zeigen koͤnnten. Doch waren wir dabey mehr als einmal in Verlegenheit, weil sie uns oft Voͤgel zeigten, welche vier bis fuͤnfhun- dert Schritte weit von uns saßen. Sie wußten nicht, daß die Wuͤrkung un- sers Gewehrs nur bis auf gewisse Entfernungen reicht; und da es eben nicht rath- sam war, sie das Geheimniß zu lehren, so stellten wir uns gemeiniglich als koͤnnten wir den Vogel nicht gewahr werden, bis wir unter diesem Vorwande so Forsters Reise u. d. W. erster Th. E e Forster’s Reise um die Welt 1773. August. nahe heran gekommen, daß er zu erreichen war. Der erste Schuß machte im- mer großes Schrecken; einige fielen daruͤber platt zur Erde oder rannten ohn- gefaͤhr zwanzig Schritt weit zuruͤck, bis wir ihnen durch freundliches Zureden die Furcht benommen, oder ihre herzhafteren Landsleute den geschoßnen Vogel auf- gelangt hatten. Sie gewoͤhnten sich indessen bald besser daran, und wenn sie gleich noch bey jedem neuen Schusse zusammen fuhren, so ließen sie ihre Furcht wenigstens zu keinem weitern Ausbruche kommen. So freundschaftlich wir nun auch aller Orten aufgenommen wurden, so suchte man gleichwohl uͤberall die Schweine vor uns zu verstecken; und wenn wir darnach frugen, so waren die Leute entweder verlegen, oder sagten, sie haͤt- ten keine, oder versicherten, sie gehoͤrten Aheatua’n zu. Wir hielten es also fuͤrs beste, uns gar nicht weiter darum zu bekuͤmmern, und ob wir gleich, fast in jeder Huͤtte, Schweine genug verborgen fanden, so stellten wir uns doch als merkten wir es nicht, oder als waͤre uns nichts darum zu thun. Dies Betragen machte ihr Vertrauen zu uns desto groͤßer. Nachdem wir etliche Meilen weit gegangen waren, setzten wir uns auf einige große Steine nieder, die vor einer Huͤtte eine Art von erhoͤhtem Pflaster ausmachten, und baten die Einwohner, daß sie uns, gegen baare Zahlung in Corallen, etwas Brodfrucht und Coco-Nuͤsse verschaffen moͤgten. Sie waren sehr willig dazu, brachten herbey was sie hatten und in der Geschwindigkeit stand das Fruͤhstuͤck aufgetischt vor uns. Um es desto ruhiger zu verzehren, ließen wir den ganzen Haufen unsrer Begleiter in einiger Entfernung von uns nie- dersitzen, damit sie keine Gelegenheit haben moͤgten, Gewehr oder andre Dinge zu erhaschen, die wir beym Essen von uns legen mußten. Die guten Leute ge- dachten unsre Collation recht vollstaͤndig und schoͤn zu machen; in dieser Absicht brachten sie uns eine Cocosnuß-Schaale voll kleiner Fische, welche sie in Salzwas- ser eingetunkt, roh zu essen pflegen. Wir kosteten davon und fanden sie gar nicht unangenehm, weil wir aber nicht an rohe Speisen solcher Art gewohnt waren, so vertheilten wir diese Leckerbissen nebst den uͤbriggebliebenen Fruͤchten unter die- jenigen von unsren Begleitern, die uns am liebsten waren. Als wir nach eingenommenem Fruͤhstuͤck weiter gegen die Berge zu gehen wollten, suchten uns die Indianer zu uͤberreden, daß wir lieber in der Ebne in den Jahren 1772 bis 1775. bleiben moͤgten. Da wir aber augenscheinlich sahen, daß diese Bitte blos aus 1773. August. Traͤgheit herkam, damit sie nemlich der Muͤhe uͤberhoben waͤren, die bergigten Gegenden zu ersteigen, Dies erklaͤrt einen aͤhnlichen Vorfall der, einige Seiten zuvor, pag. 212 erzaͤhlt worden. und es uns um ihre Begleitung eben nicht sehr zu thun war; so giengen wir ohngeachtet ihres dringenden Begehrens weiter, worauf denn der groͤßte Theil unseres Gefolges hinter uns drein gaffend stehen blieb, die uͤbri- gen aber ein jeder seine Straße zog. Nur ein Paar von ihnen, die weniger be- quem als die uͤbrigen seyn mogten, blieben bey uns, und erbothen sich zu Wegweisern. Sie fuͤhrten uns einen Erdriß zwischen zween Bergen hinauf, woselbst wir einige neue wilde Pflanzen und eine Menge kleiner Schwalben antrafen, die uͤber einen Bach hinstrichen, der auf einem Kieselgrunde herab rauschte. Das Ufer, dessen schlaͤngelnder Kruͤmmung wir aufwaͤrts folgten, brachte uns zu einem senkrecht stehenden und mit mancherley wohlriechendem Gebuͤsch behangenen Felsen, von welchem sich eine Crystallhelle Wasser-Saͤule in einen glatten klaren Teich herabstuͤrzte, dessen anmuthiges Gestade uͤberall mit bunten Blumen prangte. Dies war eine der schoͤnsten Gegenden die ich in meinem Leben gesehen. Kein Dichter kann sie so schoͤn mahlen. Wir sa- hen von oben herab auf die fruchtbare uͤberall angebaute und bewohnte Ebene, und jenseits dieser in das weite, blaue Meer hinaus! Die Baͤume, welche ihre dickbelaubten Zweige gegen den Teich hin ausbreiteten, gewaͤhrten uns kuͤh- len Schatten, und ein angenehmes Luͤftchen welches uͤber das Wasser her we- hete, milderte die Hitze des Tages noch mehr. Hier legten wir uns auf den weichen Rasen hin, um beym feyerlich einfoͤrmigen Geraͤusch des Wasserfalls, dazwischen dann und wann ein Vogel schlug, die eingesammelten Pflanzen zu beschreiben, ehe sie verwelkten. Unsre Tahitischen Begleiter lagerten sich ebenfalls unter das Gebuͤsch hin, und sahen uns mit stiller Aufmerksamkeit zu. Wir haͤtten den ganzen Tag in dieser reizenden Einoͤde zubringen moͤ- gen! allein unser Beruf gestattete keine Unthaͤtigkeit; so bald wir also mit den Beschreibungen fertig waren, begnuͤgten wir uns die romantische Gegend noch einmal zu betrachten, und kehrten alsdenn nach der Ebene zuruͤck. Hier kam uns ein großer Haufen Indianer entgegen, welche Herren Hodges und Grin- E e 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. August. dall begleiteten, zu denen auch wir uns geselleten. Herr Hodges hatte einem jungen Burschen von ungemein gluͤcklicher Bildung, der eine besondre Neigung zu ihm verrieth, sein Zeichnungs-Portefeuille anvertrauet. Keine Gunstbe- zeigung, glaub ich, haͤtte diesem jungen Menschen mehr Vergnuͤgen machen koͤn- nen, als dieser oͤffentliche Beweis des auf ihn gesetzten Vertrauens; wenigstens schien er ganz stolz darauf zu seyn, daß er im Angesicht aller seiner Landsleute, mit dem Portefeuille untern Arm, neben uns her gehen konnte. Ja auch die andern Indianer thaten heute insgesammt vertraulicher und zudringlicher als sonst, viel- leicht weil sie alle sich durch den Vorzug, der ihrem Landsmann wiederfuhr, fuͤr geehrt hielten, vielleicht auch weil es ihnen gefallen mogte Herrn Hodges und Grindall , so unbesorgt unter sich zu sehen, indem diese beyde Herren voͤllig unbewafnet waren. In diesem friedlichen Aufzuge gelangten wir nun an eine geraͤumige Huͤtte, in welcher eine zahlreiche Familie beysammen war. Ein alter Mann, aus dessen Blicken Friede und Ruhe hervorleuchtete, lag auf einer rei- nen Matte und sein Haupt ruhte auf einem Stuhle, der ihm zum Kuͤssen diente. Es war etwas sehr Ehrwuͤrdiges in seiner Bildung. Sein silber- graues Haar hieng in vollen Locken um das Haupt her, und ein dicker Bart, so weiß als Schnee, lag auf der Brust. In den Augen war Leben, und Gesund- heit sas auf den vollen Wangen. Der Runzeln, welche unter uns das An- theil der Greise sind, waren wenig; denn Kummer, Sorgen und Ungluͤck, die uns so fruͤhzeitig alt machen, scheinen diesem gluͤcklichen Volke gaͤnzlich unbe- kannt zu seyn. Einige Kinder, welche wir fuͤr seine Gros-Kinder ansahen, der Landesgewohnheit nach ganz nackend, spielten mit dem Alten, dessen Handlungen, Blicke und Minen augenscheinlich bewiesen, daß Einfalt des Lebens vermoͤgend sey, die Sinnen bis ins hohe Alter bey vollen Kraͤften zu erhalten. Einige wohlgebildete Maͤnner und kunstlose Dirnen hatten sich um ihn her gelagert und bey unserm Eintritt schien die ganze Gesellschaft, nach einer laͤndlich fruga- len Mahlzeit, im vertraulichen Gespraͤch begriffen zu seyn. Sie verlangten, daß wir uns an ihrer Seite auf den Matten niederlassen moͤgten, wozu wir uns nicht zwey- mal noͤthigen ließen. Es schien, als haͤtten sie noch keinen Europaͤer in der Naͤhe gesehen, wenigstens fiengen sie sogleich an, unsre Kleidungen und Waffen neu- gierigst zu untersuchen, doch ließ ihr angebohrnes flatterhaftes Wesen nicht zu, in den Jahren 1772 bis 1775. laͤnger als einen Augenblick bey einerley Gegenstande zu verweilen. Man bewun- 1773. August. derte unsre Farbe, man druͤckte uns die Haͤnde und konnte nicht begreifen, warum keine Puncturen darauf waren und daß wir keine lange Naͤgel haͤtten. Man er- kundigte sich sorgfaͤltig nach unsern Namen und machte sich eine Freude daraus, sie uns mehrmalen nachzusprechen. Dies kam aber, der indianischen Mundart nach, allemal so verstuͤmmelt heraus, daß selbst Etymologisten von Profeßion Muͤhe gehabt haben wuͤrden, sie wieder zu errathen. Forster ward in Mata- ra veraͤndert; Hodges in Oreo ; Grindall in Terino ; Sparman in Pa- mani , und George Der juͤngere Herr Forster ließ sich, zum Unterschied von seinem Herrn Vater bey diesem Vornahmen nennen. A. d. V. in Teori . An Gastfreyheit, die wir in jeder Huͤtte fanden, fehlte es auch hier nicht; man bot uns Cocos-Nuͤsse und E-vihs an, um den Durst zu loͤschen, und der Alte ließ uns oben drein eine Probe von den musicalischen Talenten seiner Familie hoͤren. Einer von den jungen Maͤnnern blies mit den Nasenloͤchern eine Floͤte von Bamburohr , die drey Loͤ- cher hatte Siehe Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen, in 4. 2ter Band, pag. 97 u. f. und ein andrer sang dazu. Die ganze Music war, sowohl von Seiten des Floͤtenspielers als auch des Saͤngers, nichts anders als eine einfoͤr- mige Abwechselung von drey bis vier verschiednen Toͤnen, die weder unsern gan- zen, noch den halben Toͤnen aͤhnlich klangen, und dem Werth der Noten nach, ein Mittelding zwischen unsern halben und Vierteln seyn mochten. Uebrigens war nicht eine Spur von Melodie darinn zu erkennen; eben so wenig ward auch eine Art von Tact beobachtet, und folglich hoͤrte man nichts als ein einschlaͤfern- des Summen. Auf die Art konnte die Music das Ohr freylich nicht durch falsche Toͤne beleidigen, aber das war auch das beste dabey, denn lieblich war sie weiter eben nicht zu hoͤren. Es ist sonderbar, daß, da der Geschmack an Music unter alle Voͤlker der Erde so allgemein verbreitet ist, dennoch die Be- griffe von Harmonie und Wohlklang bey verschiednen Rationen so verschieden seyn koͤnnen. — Wir sahen in dieser Huͤtte das Bild von wahrer Volks-Gluͤck- seligkeit realisirt, und Herr Hodges konnte sich nicht enthalten, von einem so seltnen Gemaͤhlde verschiedne Zeichnungen zu entwerfen, die der Nachwelt anschau- ende Begriffe von diesen Scenen geben werden, als welche sich besser fuͤhlen, denn E e 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. August. durch Worte ausdruͤcken lassen. Aller Indianer Augen waren auf sein Zeich- nen geheftet, aber wie groß war ihr Erstaunen und Vergnuͤgen, als sie zwischen seiner Arbeit und den Gesichtszuͤgen einiger ihrer anwesenden Landsleute eine auf- fallende Aenlichkeit gewahr wurden. Ohnerachtet wir uns seit unserm Hierseyn schon viel Muͤhe gegeben hatten die Sprache zu erlernen, so waren wir doch noch nicht weit darinn gekommen und mußten daher Verzicht auf das Vergnuͤgen thun, welches uns die Unterhaltung mit diesen gluͤcklichen Leuten ohne Zweifel ge- waͤhret haben wuͤrde. Einzelne Woͤrter und stumme Pantomime war alles, wo- durch wir uns ausdruͤcken konnten. Aber selbst das war hinreichend, die guten Leute zu vergnuͤgen, und unsre Gelehrigkeit und Bestreben ihnen zu gefallen, war ihnen wenigstens eben so angenehm als ihre Gefaͤlligkeit uns zu dienen und zu unterrichten. Der alte Mann aͤnderte unserntwegen seine Stellung nicht. Ohne sein Haupt vom Stuhl zu erheben, that er verschiedne kleine Fragen an uns: Z. E. wie der Erih oder Befehlshaber des Schiffs hieße? wie das Land genannt werde aus dem wir kaͤmen? wie lang wir bleiben wuͤrden? ob wir unsre Fran- ens bey uns haͤtten? u. d. gl. Er schien zwar von alle dem schon durch seine Lands- leute unterrichtet zu seyn, doch mochte er entweder von uns selbst die Bestaͤtigung ihrer Aussage hoͤren, oder uns blos durch das Gespraͤch unterhalten wollen. Wir beantworteten seine Fragen so gut wir konnten; theilten hierauf einige Corallen, Medaillen und andre Kleinigkeiten unter seine Familie aus, und giengen als- denn weiter. Auf diese Weise haͤtten wir zu Fuß um die ganze Insel wandern koͤnnen. Einerseits ließ uns die Gastfreyheit der Einwohner in jeder Huͤtte, wo wir haͤtten einkehren moͤgen, die noͤthigen Erfrischungen hoffen, und andern Theils wuͤr- de es sich auch in Absicht des Weges uͤberall haben gut fortkommen lassen, denn die Ebene zwischen den Bergen und der See, laͤuft um die ganze Insel ohnunter- brochen herum; der Boden ist auf diesem schmalen Landstrich voͤllig eben und der Weg an vielen Stellen mit feinem Grase bewachsen. Kein einziges schaͤd- liches Thier schreckte uns; nicht einmal Muͤcken oder Muskito-Fliegen summten um uns her. Die Brod Frucht-Waͤlder machten selbst gegen die Mittags-Sonne einen angenehmen Schatten und die Hitze ward noch uͤberdies durch eine kuͤhle Seeluft gemaͤßigt. Da aber die Einwohner gewohnt sind, waͤhrend den Mit- tags-Stunden zu ruhen, so verliefen sie sich auch jetzt einer nach dem andern in den Jahren 1772 bis 1775. in die Buͤsche und nur sehr wenige von ihnen blieben noch bey uns. Nachdem 1773. August. wir ohngefaͤhr noch 2 Meilen weiter gegen Suͤdost gegangen waren, befanden wir uns an der See, die hier ziemlich weit in die Kuͤste herein gieng und eine kleine Bucht ausmachte. Rings um uns her waren uͤberall Plantagen und mitten auf einem schoͤnen Grasplatze, trafen wir auch ein Marai oder Begraͤbniß an, das aus drey Reihen oder Stufen von Steinen uͤbereinander erbauet war. Jede Stufe mochte ohngefaͤhr viertehalb Fus hoch seyn, und alle waren mit Gras, Farnkraut und kleinem Strauchwerke bewachsen. Vor dem Marai war an der Landseite hin, eine Mauer von fest uͤbereinander gepackten Steinen aufgefuͤhrt, die ohngefaͤhr 3 Fus Hoͤhe hatte, und innerhalb dieser standen nach dem Gebaͤude zu, zwey bis drey einsam hingepflanzte Cocos-Palmen nebst verschiednen jungen Ca- suarinen, die mit ihren traurig herabhaͤngenden Zweigen der ganzen Scene ein feyerlich melancholisches Ansehen gaben. Nicht weit von diesem Marai , das mit dickem Buschwerk umgeben war, sahen wir eine kleine Huͤtte, ( Tupa- pau ) und unter dieser lag ein todter Coͤrper, mit einem Stuͤck weißen Zeuge be- deckt, welches auf den Seiten in langen Falten herabhieng. Junge Cocos-Palmen und Pisange sproßten hier aus der Erde und der Drachenbaum bluͤhte umher. Nahebey stand eine andre Huͤtte, darinn ein Vorrath von Lebensmitteln fuͤr die Gottheit ( Eatua ) befindlich, und ohnweit derselben ein Pfahl aufgerichtet war, an welchen ein in Matten eingewickelter Vogel hieng. In dieser letzteren Huͤtte, welche auf einer kleinen Anhoͤhe lag, erblickten wir eine Frauensperson, die in betruͤbter gedankenvoller Stellung da saß. Bey unsrer Annaͤherung stand sie auf und winkte, daß wir nicht naͤher kommen moͤgten. Wir boten ihr von fern ein kleines Geschenk, sie wollte es aber nicht annehmen, und wir erfuhren von unsern indianischen Begleitern, daß diese Person zu dem Marai gehoͤre, daß der todte Coͤrper eine Frauensperson sey, und daß erstere vermuthlich mit den Trauer-Ceremonien beschaͤftigt seyn wuͤrde. Wir ließen sie also ungestoͤrt, und so bald Herr Hodges mit einer Zeichnung von diesem Platz fertig war, giengen wir wiederum zuruͤck. Es war etwas Großes in dieser Scene, die in allen Stuͤcken zu Religions-Betrachtungen Anlaß geben konnte. Auf dem Ruͤckwege nach dem Wasserplatz, als woselbst wir gemeiniglich anzulanden und des Abends uns wiederum einzuschiffen pflegten, Forster’s Reise um die Welt 1773. August. kamen wir neben einem geraͤumigen Hause vorbey, das in der angenehmsten Lage unter einem Haufen niedriger Cocos-Palmen erbauet war, die voller Fruͤchte hiengen. Etliche kleine gebratene Fische, die man uns fuͤr ein Paar Corallen verkaufte, wurden hier zum Anbiß vorgelegt; Andre von unsrer Gesellschaft, denen es nicht ums Essen zu thun war, badeten unterdessen in der See und er- schienen alsdenn, anstatt in ihrer gewoͤhnlichen Tracht, nach Tahitischer Manier, in Ahaus von hiesigem Zeuge gekleidet, welches den Leuten um uns her zum groͤßten Vergnuͤgen gereichte. Von hier aus fuͤhrte uns der Weg laͤngst dem See-Ufer hin, neben einem andern Marai vorbey, das dem vorigen sehr aͤhn- lich war, und jenseits diesem kamen wir zu einem huͤbschen Hause, in welchem ein sehr fetter Mann ausgestreckt da lag, und in der nachlaͤßigsten Stellung, das Haupt auf ein hoͤlzernes Kopfkuͤssen gelehnt, faullenzte. Vor ihm waren zwey Bediente beschaͤftigt seinen Nachtisch zu bereiten. Zu dem Ende stießen sie et- was Brodfrucht und Pisange in einem ziemlich großen hoͤlzernen Troge klein, mischten etwas von dem gegohrnen, sauren Teige der Brodfrucht, welcher Mahei genannt wird, darunter, und gossen Wasser hinzu bis das Gemische so duͤnn als ein Trank war. Das Instrument, womit sie es durcheinander rieben, war eine Moͤrser-Keule von einem schwarzen polirten Steine, der eine Basalt-Art zu seyn schien. S. Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen, in 4. zweyter Band, pag. 199. Inmittelst setzte sich eine Frauensperson neben ihn und stopfte ihm von einem großen gebacknen Fische und von Brodfruͤchten jedesmal eine gute Hand voll ins Maul, welches er mit sehr gefraͤßigem Appetit verschlang. Man sahe offenbar, daß er fuͤr nichts als den Bauch sorgte, und uͤberhaupt war er ein vollkommnes Bild pflegmatischer Fuͤhllosigkeit. Kaum wuͤrdigte er uns eines Seitenblicks und einsylbigte Woͤrter, die er unterm Kauen zuweilen hoͤren ließ, waren nur eben so viel Befehle an seine Leute, daß sie uͤber dem Hingucken nach uns, das Futtern nicht vergessen moͤgten. Das große Vergnuͤgen, welches wir auf unsern bisherigen Spatziergaͤngen in der Insel, besonders aber heut, em- pfunden hatten, ward durch den Anblick und durch das Betragen dieses vorneh- men Mannes nicht wenig vermindert. Wir hatten uns bis dahin mit der ange- nehmen Hofnung geschmeichelt, daß wir doch endlich einen kleinen Winkel der Erde in den Jahren 1772 bis 1775. Erde ausfuͤndig gemacht, wo eine ganze Nation einen Grad von Civilisation 1773. August. zu erreichen und dabey doch eine gewisse frugale Gleichheit unter sich zu erhalten gewußt habe, dergestalt, daß alle Staͤnde mehr oder minder, gleiche Kost, gleiche Vergnuͤgungen, gleiche Arbeit und Ruhe mit einander gemein haͤtten. Aber wie verschwand diese schoͤne Einbildung beym Anblick jenes traͤgen Wolluͤstlings, der sein Leben in der uͤppigsten Unthaͤtigkeit ohne allen Nutzen fuͤr die menschliche Gesellschaft, eben so schlecht hinbrachte, als jene privilegirten Schmarotzer in gesitteten Laͤndern, die sich mit dem Fette und Ueberflusse des Landes maͤsten, indeß der fleißigere Buͤrger desselben im Schweiß seines Angesichts darben muß! Die traͤge Weichlichkeit dieses Insulaners glich gewissermaßen dem Luxus dieser Art, der in Indien und andern Morgenlaͤndern unter den Großen so allgemein im Schwange ist, und uͤber welchen sich Sir John Mandeville , in der Beschrei- bung seiner asiatischen Reisen, mit gerechtem Unwillen auslaͤßt. Dieser brave Rittersmann, dessen Denkungsart und Heldenmuth ganz auf den ritterhaften Ton seiner Zeiten gestimmt waren, brachte sein Leben in bestaͤndiger Thaͤtigkeit hin, und gerieth in nicht geringen Eifer, als er irgendwo ein Ungeheuer von Faulheit antraf, das seine Tage verstreichen ließ, “ohne einziges ritterliches Ebentheuer und “so immerfort faullenzte als ein Schwein, das auf dem Stalle gefuͤttert wird, “um gemaͤstet zu werden.“ Die Stelle ist im Alt Englischen ungemein naif und faͤngt sich also an: „ From that lond in “returuynge be ten jorneys thorge out the lond of the grete Chane, is another gode yle “and a grete Kyugdom, where the Kyng is fulle riche and myghty \&c . Wir wollen sie aber dem deutschen Leser zu gefallen lieber deutsch geben. “Von dem Lande zehen Tagerei- “sen ruͤckwaͤrts durchs Land des großen Kans ist ein andres gutes Eyland und ein großes “Koͤnigreich, dessen Koͤnig sehr reich und maͤchtig ist. Und unter den Großen des Lan- “des ist ein uͤberschwenglich reicher Mann, der nicht Prinz, nicht Herzog, nicht Graf ist; “aber er hat mehr Vasallen, die Land und Herrschaften von ihm zu Lehen tragen, denn “er ist reicher als Prinzen, Herzoge und Grafen seyn moͤgen. Hat jedes Jahr an Ren- “ten 300,000 Rosse mit Korn verschiedner Art und mit Reis beladen. Lebt nach Lan- “des Brauch als ein rechter Edelmann und koͤstlich. Hat jeden Tag funfzig schoͤne Maͤgd- “lein, die Jungfrauen sind, ihm aufzuwarten bey Tisch, und bey ihm zu liegen des “Nachts und zu thun mit ihnen was ihm wohlgefaͤllt. Und wenn er bey Tische ist, “so bringen sie die Speisen je fuͤnf und fuͤnf; und singen dabey ein Liedlein, und zerlegen “denn das Essen und steckens ihm ins Maul, denn er ruͤhrt nichts an und thut nichts “mit den Haͤnden, die er immer vor sich haͤlt auf dem Tische, weil er so lange Naͤgel an Forsters Reise u. d. W. erster Th. F f Forster’s Reise um die Welt 1773. August. Nachdem wir diesem Tahitischen Fresser eine Weile zugesehen hatten, so trennte sich unsre Gesellschaft. Ich meines Theils blieb bey Herrn Hodges und Grindall , und da diese von dem gutherzigen jungen Burschen, der ersterem das Portefeuille trug, gebeten worden waren, mit nach seiner Eltern Hause zu kom- men, so begleitete ich sie dahin. Es war 5 Uhr Abends, als wir daselbst an- kamen. Die Wohnung war klein, aber niedlich, und das vor demselben be- findliche Steinpflaster fanden wir mit frischem Laube bestreuet, auf welchem ein großer Vorrath der besten Coco-Nuͤsse und wohlbereiteter Brodfrucht in schoͤnster Ordnung aufgetragen war. Zwey aͤltliche Personen, welche die Rat- ten von den Speisen abzuhalten suchten, standen dabey; auf diese lief der junge Mensch zu und stellte sie uns, bey unserer Annaͤherung, als seine Eltern vor. Man konnte es ihnen augenscheinlich ansehen, wie herzlich verguuͤgt sie daruͤber waren, die Freunde ihres Sohnes bey sich zu sehen und sie bewirthen zu koͤn- nen. In dieser Absicht bathen sie, daß wir uns die veranstaltete Mahlzeit gefallen lassen moͤgten. Wir konnten anfaͤnglich nicht begreifen wie es zu- gehe, daß sie bey unseer Ankunft schon voͤllig bereitet war. Es fiel uns aber nachher bey, daß unser junge Begleiter etliche Stunden zuvor einen seiner Cameraden voraus geschickt, und durch diesen hatte er vermuthlich das Gastmahl bestellen lassen. Da dies heute die erste rechte Mahlzeit war, zu der wir uns niederließen, so kann man sich vorstellen, daß wir mit gutem Appetit dar- uͤber herfielen, was man sich aber vielleicht nicht so lebhaft wird verstellen koͤn- nen, war die Freude welche die gastfreyen Alten und ihr gutdenkender Sohn daruͤber bezeugten, daß uns ihr Mahl so wohl schmeckte. Bey diesem alten ehr- wuͤrdigen Paare, das uns bey Tisch bediente, haͤtten wir auf eine poetische “den Fingern hat, daß er dafuͤr nichts anruͤhren oder anfassen kann, und das Kennzei- “chen des Adels in diesem Lande besteht in langen Naͤgeln, so lang sie nur wachsen wollen. — “Und die Maͤgdlein singen so lang der reiche Mann isset; und wenn er vom ersten Gange “nicht mehr essen mag, so bringen fuͤnf und fuͤnf andre huͤbsche Jungfrauen den zweyten “Gang und singen wie bevor, bis das Mahl zu Ende ist. Und so bringt er sein Leben hin, “und so verlebtens seine Vaͤter, und so werdens diejenigen verleben, die aus seinen Lenden “entsprossen sind.“ S. The Voyage and Travayle of Sir Iohn Maundevile , Knight, which treateth of the way to Hierusalem \& of Marvayles of Inde , with other Haunds and Countryes. From an original MS. in the Cotton library. 8vo 1727. p. 376. in den Jahren 1772 bis 1775. Weise vergessen moͤgen, daß wir Menschen waͤren und auf den Gedanken kom- 1773. August. men koͤnnen, daß wir als Goͤtter von Philemon und Baucis bewirthet wuͤrden; allein, unser Unvermoͤgen sie zu belohnen, erinnerte uns nur zu sehr an unsre Sterblichkeit. Indessen suchten wir an eisernen Naͤgeln und Corallen zusammen was wir allerseits noch uͤbrig hatten, und schenkten ihnen diese Kleinigkeiten mehr zum Zeichen unsrer Dankbarkeit, als zur Vergeltung ihres guten Willens. Beym Abschied packte der Knabe alles, was wir nicht hatten verzehren koͤnnen, zusammen, und trug uns solches bis aus Schiff nach. Hier machten ihm seine Freunde ein Beil, ein Hemde und andre Artikel von geringerem Werthe zum Gegengeschenk, durch die er sich fuͤr weit reichlicher als er selbst es erwartet ha- ben mochte, belohnt zu halten schien, und noch desselben Abends ganz vergnuͤgt zu seinen Eltern zuruͤck kehrte. Waͤhrend unsrer Abwesenheit war, so wohl bey den Schiffen als am Strande, der Tauschhandel wie gewoͤhnlich fortgefuͤhrt wor- den, und nichts besonders vorgefallen, außer daß Capitain Cook einen seiner al- ten Bekannten, den Tuahau wieder angetroffen, der ihn auf der vori- gen Reise, als er die ganze Insel mit einem Boot umschiffte, sehr weit beglei- tet hatte. S. Hawkesworths Gesch. der engl. See-Reisen, in 4. zweyter Band, pag. 157 und 161. Bey unsrer Zuruͤckkunft fanden wir ihn nebst zween seiner Landsleute noch am Bord, indem sie allerseits gesonnen waren, die Nacht uͤber bey uns zu bleiben. Waͤhrend Capitain Cooks erster Anwesenheit, als er in Mata- vai -Bay vor Anker lag, hatten es die Indianer oͤfters so gemacht; seit unserm diesmaligen Hierseyn aber hatte es noch keiner wagen wollen. Tuahau dem unsre Lebensart und die Gegenstaͤnde im Schiffe schon bekannt waren, uͤberließ es seinen unerfahrnern beyden Landesleuten, solche mit Verwunderung in Augen- schein zu nehmen, dahingegen er fuͤr seine Person gleich eine sehr lebhafte Un- terredung mit uns anfieng. Er fragte nach Tabane , Herrn Banks , Tolano , Dr. Solander , Tupaya und verschiedneu andern Personen die er ehemals hier gesehen, und deren Namen er sich erinnerte. Es freute ihn zu hoͤren, daß Herr Banks und Dr. Solander noch wohl waͤren. Er wiederholte diese Frage oft, als ob sie ihm die angelegentlichste waͤre, und er bekam immer die- selbe Antwort. Endlich frug er mit einem Blick, worinn man seine Sehn- F f 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. August. sucht sie wieder zu sehn lesen konnte, ob sie nicht noch einmal nach Tahiti kom- men wuͤrden? Als er von Tupaya’s Ableben hoͤrte, verlangte er zu wissen, ob derselbe eines gewaltsamen oder natuͤrlichen Todes gestorben sey? und es war ihm angenehm, aus unsern gebrochnen Worten und Zeichen abnehmen zu koͤn- nen, daß Krankheit seinem Leben ein Ende gemacht habe. Wir unsrer Seits fragten auf was fuͤr Art denn Tutahah , der waͤhrend Capitain Cooks vormaligen Besuchs die Stelle eines hoͤchsten Befehlshabers zu bekleiden schien, ums Leben gekommen waͤre? Davon wußte er nun ein Langes und Breites zu erzaͤhlen, welches wir, wenn gleich nicht ganz im Detail, doch wenigstens der Hauptsache nach, deutlich verstanden, und darauf hinaus lief, daß zwischen dem- selben und dem alten Aheatua , Waheatua genannt, in Hawkesworths Gesch. B. II. p. 155. als dem Vater des jetzigen Koͤnigs auf Teiar- rabu , ein großes See-Treffen vorgefallen sey, welches auf keiner Seite ent- scheidend gewesen; Tutahah sey nachmals mit seinem Heer uͤber die Land-Enge gegangen, die beyde Halbinseln verbindet, daselbst habe er in einem ungluͤcklichen hartnaͤckigen Gefecht nebst Tuborai-Tamaide und andern ihm zugethanen Leuten von Stande, das Leben verloren. Bald nach Tutahahs Tode sey mit O-Tu Outou genannt, im Hawkesworth . der zuvor nur den Titel eines Regenten von Tahiti gehabt, nunmehro aber zur wuͤrklichen Verwaltung dieser Wuͤrde gelangt war, Friede gemacht worden. Der alte Aheatua habe indessen die Fruͤchte seiner Siege nicht lange genossen, in- dem er wenig Monath nach erfolgtem Frieden gestorben, und nunmehro sey ihm sein Sohn gleiches Namens, der bey des Vaters Lebzeiten, der Landes- gewohnheit nach, schon den Titel Te-Erih Beym Hawkeswoth wird dieser Titel stets fuͤr seinen Namen ausgegeben. gefuͤhrt und die damit verbund- nen Ehrenbezeugungen genossen, auch in dem wesentlichen Theil der koͤnigli- chen Wuͤrde, der Regierung selbst nachgefolgt. Als Tuahau mit Erzaͤhlung dieser Staatsgeschichte fertig war, nahmen wir die Charte von O-Tahiti zur Hand, die zu Capitain Cook’s voriger Reise- beschreibung in Kupfer gestochen worden, und legten ihm solche vor, ohne zu sagen was es sey. Er war aber ein viel zu erfahrner Pilote, als daß ers nicht in den Jahren 1772 bis 1775. sogleich sollte ausfuͤndig gemacht haben. In so fern ihm nemlich die Gestalt jeder Landspitze, Bay und anderer Theile der Kuͤste, als einem alten Schiffsmann genau bekannt seyn mußte, in so fern konnte er sie an ihrer Form auf dem Papier leicht erkennen. A. d. V. Voller Freuden eine Abbildung 1773. August. seines Vaterlandes zu sehn, zeigte er uns sogleich mit der Spitze des Fingers die Lage aller Whennua’s oder Districte, und nannte sie in derselben Ordnung her, als sie auf der Charte geschrieben waren. Als er an den District O- Whai-urua gekommen war, der von unsrer jetzigen Ankerstelle etwas suͤd- waͤrts lag, zog er uns beym Arm, um aufmerksam auf die Charte zu sehn, und erzaͤhlte uns, daß in dem daselbst befindlichen Haven, vor einiger Zeit, ein Schiff, welches er immer Pahie no Peppe nannte, angekommen und fuͤnf Tage allda vor Anker gelegen habe; die Mannschaft desselben haͤtte zehen Schweine von den Einlaͤndern bekommen; und einer von den Boots-Leuten, der von diesem Schiffe entlaufen sey, halte sich noch jetzt in der Insel auf. Wir vermutheten, daß dies ein spanisches Schiff gewesen seyn muͤsse, weil es gar nicht unwahrscheinlich war, daß die wiederholte Anwesenheit von englischen Schiffen die Spanier auf diese von ihrer Nation vermuthlich zuerst entdeckte Insel von neuem aufmerksam, und wegen ihrer benachbarten weitlaͤuftigen Besitzungen in Suͤd America , vielleicht auch besorgt gemacht haben moͤgte. In dieser Ver- muthung bestaͤtigte uns, so seltsam es auch beym ersten Anblick scheinen mag, der Name Peppe , der zwar, dem Klange nach, von Espanna sehr verschieden ist, aber uns schien doch davon abgeleitet zu seyn, weil wir schon wußten, daß die Einwohner von Tahiti fremde Namen noch aͤrger als Englaͤnder und Franzosen zu verstuͤm- meln pflegen. Um indessen mehr Licht in der Sache zu bekommen, legten wir dem Tuahau noch manche Frage wegen dieses Schiffes vor, konnten aber nichts weiter herausbringen, als daß der entlaufne Matrose immer bey Aheatua sey und ihm angerathen habe, uns keine Schweine zukommen zu lassen. Was fuͤr eigennuͤtzige oder bigotte, schwaͤrmerische Absichten dieser Mann hiezu auch ge- habt haben mag, so scheint es doch warlich der freundschaftlichste und beste Rath gewesen zu seyn, den er seinem Beschuͤtzer haͤtte geben koͤnnen. Der sicherste Weg die Reichthuͤmer seiner Unterthanen im Lande zu behalten, wozu hier fuͤr F f 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. August. allen Dingen auch die Schweine gehoͤren, und die beste Methode, zu hindern, daß keine neuen Beduͤrfnisse unter diesem gluͤcklichen Volke entstehen moͤgten, war ohnfehlbar, uns so bald als moͤglich zur Abreise zu noͤthigen, und hiezu war die Versagung der Erfrischungen, deren wir am mehresten bedurften, das dienlich- ste Mittel. Es ist wuͤrklich im Ernste zu wuͤnschen, daß der Umgang der Euro- paͤer mit den Einwohnern der Suͤd-See-Inseln in Zeiten abgebrochen werden moͤge, ehe die verderbten Sitten der civilisirtern Voͤlker diese unschuldigen Leute anstecken, welche hier in ihrer Unwissenheit und Einfalt so gluͤcklich leben. Aber es ist eine traurige Wahrheit, daß Menschenliebe und die politischen Systeme von Europa nicht mit einander harmoniren! Am folgenden Tage brachten einige unsrer Leute, die einen Spatziergang an der Kuͤste gemacht hatten, die Nachricht mit an Bord, daß sie Aheatua angetroffen, und daß er ausdruͤcklich in diesen District gekommen sey, um uns Audienz zu geben. Sie waren ohne Ceremonie vor ihn gelassen worden, und Se. Majestaͤt hatten, mitten in Dero Hofhaltung, die Haͤlfte ihres Stuhls einem unsrer Steuermaͤnner, Herrn Smith eingeraͤumt. Auch hatte er sich gnaͤdigst verlauten lassen, daß es ihm lieb seyn sollte, den Capitain Cook zu sehen, und daß er ihm eine beliebige Anzahl Schweine ablassen wolle, wenn dieser fuͤr jegli- ches ein Beil zu geben gesonnen sey. Das war nun allerdings die erfreulichste Neuigkeit, die wir seit langer Zeit gehoͤrt hatten. Unsre Leute wollten bey die- ser Gelegenheit auch einen Mann bemerkt haben, der der Farbe und Gesichtsbil- dung nach, einem Europaͤer aͤhnlich gewesen, auf ihre Anrede aber unter dem großen Haufen verschwunden sey. Ob es wuͤrklich ein Europaͤer gewesen, oder ob Tuahau’s Erzaͤhlung ihnen nur im Kopfe gesteckt? koͤnnen wir nicht be- stimmen. So viel aber ist gewiß, daß keiner von uns ihn jemals nachher zu sehen bekommen hat. Um von Aheatua’s guten Gesinnungen gleich auf frischer That Ge- brauch zu machen, begaben sich die Capitains mit verschiednen Officiers, imglei- chen Dr. Sparmann , mein Vater und ich, am folgenden Morgen fruͤh aus Land. Opao , einer der Indianer, welche uͤber Nacht am Bord geblieben waren, diente uns zum Fuͤhrer, und rieth uns an, laͤngst dem Flusse, aus dem die Wasserfaͤsser angefuͤllet wurden, hinauf zu gehen. Als wir auf diesem Wege in den Jahren 1772 bis 1775. ohngefaͤhr eine Meile zuruͤckgelegt hatten, trafen wir einen großen Hau- 1773. August. fen Menschen an, die, so viel wir erkennen konnten, allerseits ihre Ober- Kleider hatten herunter fallen lassen, um die Schultern zu entbloͤßen, welche Eh- renbezeigung nur allein dem Koͤnige wiederfaͤhrt. Wir vermutheten daher, daß er in der Naͤhe seyn muͤsse, und fanden ihn auch bald mitten unter diesem Hau- fen, wo er sich auf einen großen, aus festem Holz verfertigten Stuhl niedergesetzt hatte, der ihm bis dahin von einem seiner Leute war nachgetragen worden. Aheatua erinnerte sich Capitain Cooks sobald er ihn ansichtig wurde, und machte auch gleich Raum fuͤr ihn auf feinem Sessel, immittelst Capitain Furneaux und wir uͤbrigen uns auf große Steine niederließen. Kaum hatten wir Platz ge- nommen, so draͤngte sich von allen Seiten eine unzaͤhlbare Menge Indianer her- bey, und schloß uns in einen sehr engen Zirkel ein, worinn es bald so heiß ward, daß des Koͤnigs Bediente die Leute oft mit Schlaͤgen zuruͤcktreiben muß- ten um uns Luft zu schaffen. O-Aheatua , Koͤnig von O-Tahiti-iti ( Klein-Tahiti ) sonst Teiar- rabu genannt, war ein junger Mann von siebenzehn bis achtzehn Jahren, wohl gebaut, und bereits 5 Fuß 6 Zoll hoch, ohnerachtet er, dem Anschein nach, seine voͤllige Groͤße noch nicht erreicht hatte. In seiner Mine war et- was sanftes aber unbedeutendes und hatte sie ja einigen Ausdruck, so verrieth sie, wenigstens bey unserm ersten Besuche, nichts als Furcht und Mißtrauen, welches freylich zur Majestaͤt nicht paßt, sondern vielmehr oft das Kennzeichen eines boͤsen Gewissens und unrechtmaͤßiger Herrschaft ist. Er war heller von Farbe als alle seine Unterthanen, und hatte schlichtes, langes, lichtbraunes Haar, das an den Spitzen ins roͤthlichtgelbe fiel. Seine ganze Kleidung bestand fuͤr diesmal nur in einer breiten Scherfe ( Marro ) vom feinsten weissen Zeuge, die von den Huͤften bis auf die Knie herabreichte. Der Kopf und uͤbrige Theil des Leibes war unbedeckt. Neben ihm saßen zu beyden Seiten einige Be- fehlshaber und Adliche, die sich durch ihre große und dicke Statur auszeichne- ten, ein Vorzug, den diese Classe von Leuten ihrer traͤgen Lebensart und wohl- besetzten Tafel zn verdanken hat. Einer derselben war auf eine sonderbare Weise punctirt, dergleichen wir sonst noch nicht bemerkt; seine Arme, Beine, Schenkel und Seiten, waren naͤmlich fast uͤber und uͤber, mit großen schwar- Forster’s Reise um die Welt 1773. August. zen Flecken von allerhand Gestalt bedeckt. Eben dieser Mann, der E-Tith hieß, war auch wegen seiner ungeheuren Corpulenz fuͤr andern auffallend, und schien uͤberdies beym Koͤnige ( Erih ) in besondern Ansehn zu stehen, indem dieser ihn fast bey jedem Vorfalle um Rath frug. So lange der Koͤnig auf dem Stuhle oder seinem Throne sas, betrug er sich ungleich ernsthafter und steifer, als man es von seiner Jugend wohl haͤtte erwarten sollen. Es schien aber ein auswen- dig gelerntes, angenommenes Wesen zu seyn, wodurch unsre Audienz ein desto feyerlicheres Ansehen bekommen sollte. Bey einigen altfraͤnkischen Staats- maͤnnern moͤchte ihm das vielleicht zum Verdienst gerechnet werden; es war doch aber im Grunde nichts als eine Maskerade von Heucheley und Verstel- lung, die wir zu Tahiti kaum erwartet haͤtten. Nach der ersten Begruͤßung uͤberreichte Capitain Cook dem Aheatua ein Stuͤck rothen Boy ( baize ) ein Bett-Tuch, eine breite Zimmer-Art, ein Messer, Naͤgel, Spiegel und Corallen. Mein Vater gab ihm aͤhnliche Ge- schenke, und unter andern eine Aigrette von Scharlachroth gefaͤrbten Federn, die an einem gewundenen Drathe oder Zitter-Nadel befestigt waren. Diese schaͤtz- ten Se. Majestaͤt ungemein hoch und beym Anblick derselben brach die ganze Versammlung in ein lautes Au- waͤh aus, welcher Ausruf Erstaunen und Bewundrung andeutet. Der Koͤnig fragte nunmehro nach Herrn Banks , nach welchen vor ihm nur der einzige Tuahau gefragt hatte. Sodann erkun- digte er sich wie lange wir bleiben wuͤrden, und gab dabey zu verstehen, es sollte ihm lieb seyn, wenn wir fuͤnf Monath verweilen wollten. Capitain Cook antwortete, daß er im Gegentheil unverzuͤglich wieder absegeln muͤsse, weil nicht Lebensmittel genug zu bekommen waͤren. Der Koͤnig schraͤnkte also seine Bitte auf einen Monath, und endlich auf fuͤnf Tage ein. Da aber Capitain Cook immer bey seiner vorigen Erklaͤrung blieb; so versprach Ahea- tua uns am folgenden Tage Schweine zu schicken. Dergleichen Versprechun- gen waren uns indessen schon mehr als einmal gemacht worden, ohne daß je- doch etwas darauf erfolget waͤre. Wir rechneten also auch jetzt nicht darauf. Denn so wenig uͤbrigens Teiarrabu als ein hoch verfeinerter Staat angesehen werden kann, so hatten wir doch laͤngst gefunden, daß sich von der thaͤtigen Gutherzigkeit, welche uns der Mittelstand, durch Gastfreyheit und eine Menge dienst- in den Jahren 1772 bis 1775. dienstfertiger und edler Handlungen bezeigte, im geringsten nicht auf die 1773. August. Denkungsart des Hofes und der Hofleute schließen lasse, sondern daß es mit der scheinbaren und glaͤnzenden Hoͤflichkeit derselben blos darauf abgesehen sey, unsre Hoffnungen durch leere Versprechungen zu naͤhren und von einer Zeit zur andern aufzuhalten. Waͤhrend dieser Unterredung mit dem Koͤnige ward das umherstehende gemeine Volk, welches aus wenigstens fuͤnfhundert Menschen bestand, zuwei- len so uͤberlaut, daß man sein eigen Wort nicht hoͤren konnte. Des Koͤnigs Bediente mußten daher auch mehrmalen mit durchdringender Stimme Manu ! (still!) ausrufen und diesem Befehl mit tuͤchtigen Stockschlaͤgen Nachdruck ge- ben. Als der Erih sahe, daß Capitain Cook die Zeit seines Hierbleibens schlechterdings nicht verlaͤngern wollte, stand er auf und sagte, er wuͤrde uns nach dem Strande hinab begleiten, wohin ihm seine Bedienten den Stuhl und die empfangenen Geschenke nachtragen mußten. Nunmehro legte er die waͤhrend der Audienz angenommene Ernsthaftigkeit bey Seite, und unterhielt sich auf dem Wege mit unsern gemeinsten Matrosen ganz vertraut. Mich bat er, daß ich ihm alle diejenigen bey Namen nennen moͤchte, die von beyden Schiffen am Lande waren; auch verlangte er zu wissen, ob sie ihre Weiber am Bord haͤt- ten? und als ich mit Nein antwortete, rieth ihnen Se. Majestaͤt in einem Ausbruch guter Laune, sie moͤchten unter den Toͤchtern des Landes waͤh- len; man sahe aber diese Einladung fuͤr ein bloßes Compliment an. Als wir bald nachher bey einem Hause mit Rohrwaͤnden vorbey kamen, setzte er sich im Schatten desselben nieder, und wir suchten innerhalb demselben Schutz vor der Sonne, die bis jetzt hinter Gewoͤlken verborgen gewesen war. Er forderte einige Coco-Nuͤsse und sieng an von Pahie no Peppe oder dem spanischen Schiffe zu sprechen, wovon uns Tuahau die erste Nachricht gegeben hatte. Nach seiner Erzaͤhlung war das Schif fuͤnf Monathe vorher zu Whai-Urua gewe- sen, und hatte sich daselbst zehn Tage lang aufgehalten. Er setzte hinzu, der Capitain habe viere von seinen Schiffsleuten aufhaͤngen lassen, ein fuͤnfter aber sey dieser Strafe entlaufen. Wir fragten eine lange Weile nach diesem Europaͤer, den sie O-Pahutu nannten, konnten aber nichts von ihm heraus- bringen, und da endlich die Hofschranzen Sr. Majestaͤt merkten, daß wir uns Forsters Reise u. d. W. erster Th. G g Forster’s Reise um die Welt 1773. August. so genau und aͤngstlich nach diesem Mann erkundigten, versicherten sie uns, er sey todt. Wir haben nachher erfahren, daß um dieselbige Zeit, welche die Indianer angaben, Don Juan de Langara y Huarte , von Callao in Peru , ausgeschickt worden, und Tahiti besucht habe; von den besonderen Umstaͤnden seiner Reise aber ist bis itzt noch nichts kund geworden. Waͤhrend daß wir uns in diesem Hause allerseits ausruhten, fragte E-Tie ( Eti ) der dicke Mann, den wir fuͤr den vornehmsten Rath des Koͤnigs ansahen, ob wir in unserm Lande einen Gott ( Eatua ) haͤtten, und ob wir ihn anbeteten? ( Epuhre ?) Als wir ihm antworteten, daß wir einen Gott erkennten, der alles erschaf- fen habe, aber unsichtbar sey, und daß wir auch gewohnt waͤren, unsre Bitten und Gebete an ihn zu richten, schien er hoͤchlich daruͤber erfreuet und wie- derholte es mit einigen, vermuthlich erlaͤuternden, Zusaͤtzen gegen verschiedene von seinen Landesleuten, die zunaͤchst um ihn saßen. Hierauf wandte er sich wieder gegen uns und sagte, so viel wir verstehen konnten, daß seiner Landsleute Begriffe mit den unsrigen in diesem Stuͤck uͤbereinstimmten. Und in der That laͤßt sich aus mehreren Umstaͤnden abnehmen, daß dieser einfache und einzige richtige Begriff von der Gottheit, in allen Zeiten und Laͤndern bekannt gewesen ist, und daß jene verwickelten Lehrgebaͤude von ungereimter Vielgoͤtterey, die man fast bey allen Voͤlkern der Erden angetroffen hat, nur der Kunstgriff eini- ger verschlagenen Koͤpfe gewesen, die ihr Interesse dabey fanden dergleichen Irrthuͤmer allgemein zu machen. Herrschsucht, Wollust und Faulheit scheinen dem zahlreichen Haufen der heidnischen Pfaffen den teuflischen Gedanken ein- gegeben zu haben, den Geist der Voͤlker durch Aberglauben zu fesseln und zu blenden. Es ist ihnen auch nicht schwer geworden, diesen Entwurf durchzu- setzen, weil der Mensch von Natur so sehr zum Wunderbaren geneigt ist, und eben diese Neigung ist Schuld daran, wenn jene damit uͤbereinstimmende Vorurtheile sich so fest und so tief in die Systeme menschlicher Kenntniß hineingeschlungen haben, daß sie bis auf diesen Augenblick noch in Ehren gehalten werden, und daß der groͤßte Theil des menschlichen Geschlechts sich in dem Punkt noch immer auf die groͤbste Weise blindlings hintergehen laͤßt. Immittelst E-Tie von Religions-Sachen sprach, spielte Koͤnig Ahea- tua mit Capitain Cooks Taschen-Uhr. Er betrachtete die Bewegung der in den Jahren 1772 bis 1775. Raͤder, die sich von selbst zu bewegen schienen, mit großer Aufmerksamkeit. 1773. August. Erstaunt uͤber ihr Geraͤusch, welches er nicht begreifen und ausdruͤcken konn- te, gab er sie zuruͤck mit der Aeußerung „ sie spraͤche “ ( parau ) und fragte da- bey wozu das Ding gut sey? Mit vieler Schwierigkeit machte man ihm begreif- lich, daß wir sie gebrauchten um die Tageszeit daran zu erkennen, welche er und seine Landsleute, aus dem Fortruͤcken der Sonne am Horizont, zu schaͤtzen gewohnt waͤren. Nach dieser Erklaͤrung nannte ers eine kleine Sonne , um damit anzudeuten, daß er uns voͤllig verstanden. Wir waren eben im Begriff nach dem Strande zuruͤck zu kehren, als ein Mann mit einem Schweine ankam, welches der Koͤnig dem Capitain unter der Versicherung schenkte, daß er noch eins bekommen solle. Mit diesem klei- nen Anfange waren wir vor der Hand zufrieden und beurlaubten uns nunmehro von Se. Majestaͤt, zwar ohne langweilige Ceremonie, blos mit einem herzli- chen Tayo (Freund); doch war in diesem einzigen Ausdruck gewiß mehr Be- deutung als in mancher kuͤnstlichen Rede. Nachmittags giengen die Capitains abermals mit uns zum Koͤnige. Wir fanden ihn noch auf eben dem Platze, wo wir ihn beym Abschiede verlassen hat- ten, und bey diesem Besuch bat er uns von neuen, daß wir wenigstens noch ein Paar Tage laͤnger bleiben moͤgten. Man gab ihm aber eben die Antwort als zu- vor, und sagte gerade heraus, daß wir blos deswegen abreisen wuͤrden, weil er uns nicht mit lebendigem Vieh versehen wollte. Hierauf ließ er sogleich zwey Schweine herbey bringen und schenkte jedem Capitain eins, welche Frey- gebigkeit durch allerhand Eisen-Geraͤthschaften erwiedert ward. Zu Unterhaltung Sr. Majestaͤt ließen wir einen unsrer See-Soldaten, einen Bergschotten, auf dem Dudelsack spielen; und obgleich seine rauhe Musik unsern Ohren fast un- ausstehlich war, so fanden doch der Koͤnig und die ganze indianische Versamm- lung ein so ausnehmendes Vergnuͤgen daran, als man sich nicht vorstellen sollte. Das Mißtrauen, welches er bey unsrer ersten Unterredung hatte blicken lassen, war nun verschwunden; und waͤren wir laͤnger geblieben, so moͤgte es sich vielleicht in ein unbeschraͤnktes Vertrauen verwandelt haben, wenigstens schien er, seiner Jugend und gutherzigen Gemuͤthsart nach, von Natur geneigt dazu zu seyn. Das studierte und gezwungen-gravitaͤtische Wesen ward ganz G g 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. August. bey Seite gesetzt, ja einige seiner Beschaͤftigungen kamen nun beynahe kindisch her- aus. Um nur ein Beyspiel davon anzufuͤhren: so fanden Se. Majestaͤt ein hohes Wohlgefallen daran, mit einem unsrer Beile kleine Stoͤcke zu zerhacken und junge Pisang-Pflanzungen abzuhauen. Ob wir nun aber gleich, seines nunmeh- rigen vertraulichen Betragens wegen, gewissermaßen hoffen konnten, daß er im Ernste Anstalt machen wuͤrde, uns mit einem Vorrath von Schweinen zu ver- sorgen; so wollten wir es doch nicht auf den bloßen Anschein wagen, laͤn- ger hier zu bleiben. Daher nahmen wir gegen Abend foͤrmlichen Abschied von ihm, giengen an Bord zuruͤck und lichteten die Anker noch ehe es Nacht ward. Da die Einwohner am folgenden Morgen sahen, daß wir die Seegel in Ordnung brachten und andre ernsthafte Anstalten zur Abreise vorkehrten, so ka- men sie haufenweise mit kleinen Canots voll Coco-Nuͤsse und andrer Gewaͤchse an die Schiffe, und verkauften alles zu sehr geringen Preisen, damit sie nur die Gelegenheit europaͤische Waaren zu bekommen nicht ungenutzt vorbey lassen moͤgten. Der Geschmack an Kleinigkeiten und Spielzeug, der auf eine so unbegreifliche Weise, mehr oder minder, uͤber die ganze Welt verbreitet ist, gieng hier so weit, daß die Leute ein Dutzend der schoͤnsten Coco-Nuͤsse fuͤr eine ein- zige Glas-Coralle hingaben, und auf diesen unbedeutenden Schmuck bisweilen einen hoͤheren Werth legten als auf einen Nagel, der doch einigen Nutzen ha- ben konnte. Wir fanden, daß die Insulaner jetzt weit ehrlicher zu Werk gien- gen als bey unsrer Ankunft. Vielleicht besorgten sie, daß die geringste Betruͤ- gerey dem Handel alsbald ein Ende machen wuͤrde, der ihnen seitdem erst recht am Herzen liegen mochte, als sie sahen, daß er uͤberhaupt nicht lange mehr dau- ern wuͤrde. Um die Vortheile desselben noch so lange als moͤglich zu genießen, begleiteten sie uns bis ein paar Meilen außerhalb des Ryfs und kehrten dann erst zum Strande zuruͤck, woselbst wir den Lieutenant Pickersgill mit einem Boot zuruͤckgelassen hatten, um auch unsrer Seits von der Neigung welche das Volk jetzt zum Handel blicken ließ, noch einigen Nutzen zu ziehen. Nunmehro, da wir gleichsam von neuem wieder uns selbst uͤberlassen wa- ren, konnte man sich ein wenig erholen und einmal wieder zu Athem kommen, welches sich waͤhrend des kurzen Aufenthalts auf der Insel, bey der Menge von in den Jahren 1772 bis 1775. neuen Gegenstaͤnden, kaum thun lassen wollte. Diese Ruhe war uns um 1773. August. so willkommner, da sie uns Zeit gab, den mancherley Betrachtungen nachzu- haͤngen, zu denen wir waͤhrend unsers Hierseyns so vielfaͤltigen Stof gesammelt hatten. Nach allem, was wir auf dieser Insel gesehen und erfahren, duͤnkte sie uns, im Ganzen genommen, einer von den gluͤcklichsten Winkeln der Erde. Zwar waren uns ehemals, nachdem wir lange Zeit nichts als See, Eis und Luft vor uns gesehen hatten, auch selbst die oͤden Felsen von Neu-Seeland so vortheilhaft ins Gesicht gefallen, daß wir anfaͤnglich ebenfalls sehr guͤnstige Urtheile daruͤber faͤllten: Allein diese ersten Eindruͤcke waren doch bald genug wieder ver- schwunden, und wir hatten in der Folge taͤglich mehr Gelegenheit bekommen, uns zu uͤberzeugen, daß sich dieses Land allerdings noch in einem wilden chaotischen Zustande befaͤnde. Bey O-Tahiti hingegen verhielt es sich ganz umgekehrt. Diese Insel sahe nicht nur schon von fern sehr reizend aus, sondern je naͤher wir der- selben kamen, desto schoͤner wurden auch die Prospecte, ja selbst bey jedem Spatzier- gang entdeckten wir neue Annehmlichkeiten. Je laͤnger wir also blieben, je mehr wurden die Eindruͤcke des ersten Anblicks bestaͤtigt, ohngeachtet wir hier wegen der Erfrischungen schlimmer daran waren als auf Neu-Seeland , woselbst es groͤßern Ueberfluß an Fischen und Voͤgeln gab, statt deren man sich hier mit ein- gesalznen Speisen behelfen mußte. Auch hatte die Jahreszeit, welche mit unserm Februar uͤbereinstimmt, natuͤrlicherweise einen Mangel an Baumfruͤchten verursacht; denn obgleich hier zu Lande der Winter nicht in kalter Witterung bestehet, als in Laͤndern die weit von den Wende-Cirkeln liegen, so ist er den- noch hier so gut als uͤberall die Jahrszeit, in welcher das ganze Pflanzenreich die Saͤfte zu einer neuen Erndte bereitet. Daher hatten einige Baͤume ihre Blaͤt- ter ganz verlohren, verschiedene Pflanzen waren bis auf die Wurzeln abgestor- ben, und die uͤbrigen alle, sahen voͤllig vertrocknet aus, weil nemlich der Regen sich erst alsdenn einstellt, wenn die Sonne wieder im suͤdlichen Hemispherio ist. Bey so bewandten Umstaͤnden hatten Laub und Kraut auf dem flachen Lande uͤberall eine dunkelbraune Farbe bekommen. Ein lebhafteres Gruͤn fand man nur allein noch in denen Waͤldern, welche die hoͤheren Berg-Gipfel kroͤnen, denn diese sind fast bestaͤndig in Wolken verhuͤllt, und folglich ist es dort immer feucht. Von daher brachten uns die Einwohner unter andern auch eine Menge G g 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. August. wilder Pisange, Vehie (Wehi) und das wohlriechende Holz e-aha ï , womit sie ihrem Coconuß-Oele einen so starken Geruch geben. Die haͤufigen Erdrisse und die zerruͤttete Form der hoͤheren Bergspitzen, ruͤhren allem Anschein nach von ehemaligen Erdbeben her; und die Laven, woraus die Berge zum Theil bestehen und wovon die Einwohner allerhand Werkzeuge machen, uͤberzeugten uns noch mehr, daß vor Zeiten brennende Berge auf der Insel gewesen seyn muͤssen. Eben dies beweisen auch der fruchtbare Boden in der Ebne, der aus recht fetter Gar- ten-Erde besteht die mit den Ueberbleibseln volcanischer Ausbruͤche vermischt ist, imgleichen der schwarze Eisen-Sand, der sich oft am Fuße der Berge findet. In der vordersten Reihe von Bergen giebt es mehrere, die ganz unfruchtbar sind und aus gelben, mit Eisen-Ocher vermischten Thon bestehen; andre hinge- gen haben gutes fruchtbares Erdreich und diese sind, gleich den dahinter liegen- den, hoͤheren Bergen, mit Waldung versehen. An manchen Orten findet man Quarz-Stuͤcke; von edlen Metallen aber gab es weiter keine Spuren, als daß man in den Laven hie und da Eisentheilchen entdeckte. Indessen moͤgen die Berge dennoch wohl schmelzwuͤrdiges Eisen-Erz enthalten. Was aber das Stuͤck Salpeter, so groß als ein Ey betrift, welches, laut Capitain Wallis Zeugniß, hier auf der Insel soll gefunden worden seyn, S. Hawkesworths Gesch. der engl. See-Reisen, in 4. erster Theil , pag. 232. so muß ich, der Ach- tung fuͤr seine uͤbrigen Einsichten ohnbeschadet, an der Richtigkeit der Sache selbst zweifeln, weil man bis jetzt noch keinen gediegnen Salpeter in Klumpen gefun- den hat, wie solches mit mehrerem aus Cronstedts Mineralogie zu ersehen ist. Zu vorstehenden wenigen Anmerkungen uͤber die Foßilien von Tahiti , be- wog uns der Anblick dieser Insel, an deren Kuͤste wir nun nordwaͤrts hinseegel- ten und noch immer nach der Gegend hinsahen, die uns sowohl gefallen und zu so mancher Untersuchung Stoff gegeben hatte. Mitten in diesen Betrachtun- gen wurden wir zu Tische gerufen, wo ein Gericht frisches Schweinefleisch unsrer erwartete. Die Eilfertigkeit, mit welcher wir uns dahin begaben, und der gute Appetit, den wir bey dieser Schuͤssel bewiesen, zeigten deutlich, daß uns lange genug darnach verlangt hatte. Es wunderte uns, daß dies Fleisch im min- desten nichts von dem geilen Geschmack hatte, den es wohl in Europa zu haben pflegt. Das Fett war mit Mark zu vergleichen und das Magre schmeckte fast in den Jahren 1772 bis 1775. so zart als Kalbfleisch. Dieser Unterschied ruͤhrt vermuthlich daher, daß die 1773. August. Tahitischen Schweine mit nichts als Fruͤchten gefuttert werden, und vielleicht hat diese Nahrung auch einen Einfluß auf den Instinct dieser Thiere. Sie sind von der kleinen sogenannten chinesischen Art, und haben keine haͤngende lappichte Ohren, die Graf Buͤffon als Kennzeichen der Sclaverey unter den Thieren an- sieht. Auch waren sie reinlicher, und muͤssen sich folglich wohl nicht so im Schlamme herum waͤlzen als unsre europaͤischen Schweine. Dieses Vieh gehoͤrt zwar zu den wuͤrklichen Reichthuͤmern von Tahiti , doch darf man sie deshalb nicht fuͤr einen Hauptartickel des Unterhalts ansehen; denn in dem Betracht koͤnnte diese ganze Thierart ausgerottet werden, ohne daß die Nation im Ganzen dabey verloͤre, weil sie nemlich den Großen des Landes allein und ausschließungsweise zugehoͤren. Nur selten, ja vielleicht nie anders als bey feyerlichen Gelegenheiten, werden einige davon geschlachtet; aber denn verschlingen auch die Vornehmen das Fleisch mit eben so viel Gierigkeit, als gewisse Leute in England ( Aldermen of London ) bey einem guten Schildkroͤten-Schmause bezeigen sollen. Der gemeine Mann kriegt aͤußerst selten davon zu kosten, und es bleibt ein Leckerbissen fuͤr ihn, ohngeachtet gerade diese Classe des Volks die Muͤhe allein auf sich hat, sie zu warten und zu maͤsten. Gegen Abend fiel eine Windstille ein, die fast bis zum Morgen anhielt; alsdenn aber bekamen wir Suͤd-Ostwind, und mit dessen Huͤlfe bald den noͤrd- lichen Theil von O-Tahiti , imgleichen die dabey liegende Insel Eimeo , zu Ge- sichte. Die Berge machten hier groͤßere Massen und fielen daher schoͤner ins Auge als zu Aitepieha . Die niedrigern Berge waren nicht so steil, jedoch al- lenthalben ohne Baͤume und Gruͤn: und die Ebene vom Ufer an bis zu den ersten Bergen hin, war hier weitlaͤuftiger als dort, indem sie an manchen Orten uͤber eine Meile breit zu seyn schien. Gegen 10 Uhr hatten wir das Vergnuͤgen, verschiedne Canots vom Lande gegen uns heran kommen zu sehen. Ihre langen schmalen Seegel, die aus zusammengenaͤhten Matten bestanden, ihre Feder- Wimpel und die treflichen Coco-Nuͤsse und Pisang-Fruͤchte, davon hochaufge- thuͤrmte Haufen aus den Booten hervorragten, machten zusammen genommen ei- nen schoͤnen mahlerischen Anblick aus. Sie uͤberließen uns ihre Ladungen fuͤr wenige Corallen und Naͤgel, und kehrten alsdenn gleich wieder nach dem Ufer Forster’s Reise um die Welt 1773. August. zuruͤck, um mehrere zu holen. Gegen Mittag kam auch unser Boot mit dem Lieutenant Pickersgill wieder an. Er war in seinem Einkauf zu Aitepieha sehr gluͤcklich gewesen und brachte neun Schweine nebst vielen Fruͤchten von da- her mit. Des Koͤnigs Aheatua Majestaͤt, waren die ganze Zeit uͤber auf dem Marktplatze geblieben, hatten sich neben den Eisen-Waaren hingesetzt, und sichs ausgebeten, fuͤr uns mit ihren Unterthanen zu handeln; waren auch da- bey sehr billig zu Werk gegangen, indem sie fuͤr groͤßere und kleinere Schweine, auch groͤßere und kleinere Beile gegeben hatten. Neben her aber hatten sich Hochdieselben, wie Abends zuvor, wieder die Veraͤnderung gefallen lassen, kleine Stoͤcke zu zerhacken, zum großen Vergnuͤgen unsrer Matrosen, die bey der Ge- legenheit, nach ihrer Art, sehr feine Anmerkungen uͤber koͤniglichen und kindi- schen Zeitvertreib gemacht hatten. Sobald Herr Pickersgill alle seine Waa- ren los geworden war, gieng er Nachmittags von Aitepieha ab und kam den Abend nach Hiddia , in den District des O-Rettie ( Ereti ) , wo Herr von Bougainville im Jahr 1768. vor Anker lag. Er ward daselbst von dem wuͤr- digen Alten sehr gastfrey aufgenommen, dessen Character und Betragen der galante franzoͤsische Seemann so viel Gerechtigkeit hat wiederfahren lassen. Am folgenden Morgen kam der Bruder desselben, Tarurie , zu Herrn Pickersgill , und bat diesen, daß er ihn in seinem Boote mit nach den Schiffen nehmen moͤch- te, die man von da aus unter Seegel sahe. Als er an Bord kam, bemerkten wir, daß er einen Fehler an der Aussprache hatte und den Buchstaben T. alle- mal wie ein K. aussprach; eben diesen Fehler fanden wir in der Folge auch bey mehreren von seinen Landsleuten. Unterdessen war aus vorgedachtem District schon zuvor ein andrer Mann, Namens O-Wahau , in seinem Canot an Bord gekommen, und dieser sowohl als Tarurie speißten beyde mit uns zu Mittage. Mein Vater hatte dem erstern, zum freundlichen Willkommen, ein Paar Coral- len und einen kleinen Nagel geschenkt. Der ehrliche Insulaner erwiederte dies Geschenk sogleich mit einer schoͤn gearbeiteten Fischangel von Perlmutter. Die- ser Beweis seiner Gutherzigkeit ward durch einen groͤßern Nagel belohnt, und kaum hatte er solchen empfangen, als er einen Knaben in seinem Canot nach dem Lande abfertigte, der um 4 Uhr von daher zuruͤck kam, und seinen Bru- der, nebst einem Geschenke von Cocos-Nuͤssen, Pisangen und Matten an Bord brachte. in den Jahren 1772 bis 1775. brachte. Dieses Betragen O-Wahau’s hatte etwas so edles an sich, und war 1773. August. uͤber die gewoͤhnlichen Begriffe von Tausch und eigennuͤtziger Abmessung ei- nes Gegenwerthes so weit erhaben, daß wir eine recht hohe Meynung und Ach- tung fuͤr ihn bekamen. Wir machten ihm deshalb auch ein weit ansehnlicheres Ge- schenk als zuvor, jedoch mehr um ihn in seiner edlen Denkungsart zu bestaͤrken, als um seine Gaben dadurch zu bezahlen. Hiemit gieng er des Abends von uns, so voller Freuden als haͤtte er ein ganz unerwartetes Gluͤck gemacht. Mit Beyhuͤlfe einer gelind wehenden Landluft naͤherten wir uns nun allgemach dem Ufer, und betrachteten die Schoͤnheiten der Landschaft, die vom blendenden Glanz der Sonne, gleichsam vergoldet, vor uns lag. Schon konn- ten wir jene weit hervorragende Landspitze unterscheiden, die wegen der ehemals darauf gemachten Beobachtungen Point Venus genannt war; und es kostete uns keine Schwierigkeit, denen die bereits vor uns hier gewesen waren, auf ihr Wort zu glauben, daß dies der schoͤnste Theil der Insel sey. Der District von Matavai , dem wir nunmehro gegenuͤber kamen, zeigte uns eine ungleich weitlaͤuftigere Ebne als wir erwartet hatten; und das holzreiche Thal, das zwi- schen den Bergen herauf lief, sahe, in Vergleichung mit den kleinen engen Kluͤf- ten und Berg-Rissen von Teiarrabu , als ein betraͤchtlich großer Wald aus In Capitain Cook’s englischer Reisebeschreibung ist eine uͤberaus mahlerische Abbildung dieser herrlichen Gegend in Kupfer gestochen. Es mogte ohngefaͤhr 3 Uhr des Nachmittags seyn, als wir um vorgedachte Land- spitze herum kamen. Das Ufer derselben war uͤberall voller Menschen, die uns mit der schaͤrfsten Aufmerksamkeit betrachteten, doch groͤßtentheils eben sobald uͤber Hals und Kopf davon liefen, als sie sahen, daß wir in der Bay vor Anker giengen. Sie rannten laͤngst dem Strande, uͤber den One-Tree-hill weg, und nach O-Parre , dem naͤchsten gen Westen belegnen Districte hin, als ob sie vor uns fluͤchteten. Unter dem ganzen Haufen erblickten wir nur ei- nen einzigen Mann, der nach hiesiger Landesart vollstaͤndig gekleidet war, und unsers Freundes O-Wahau’s Aussage nach, sollte dies O-Tu selbst, der Koͤ- nig von O-Tahiti-Nue oder von Gros-Tahiti seyn. Er war ungemein groß und wohlgebauet, lief aber gleich einem großen Theil seiner Unterthanen sehr eil- Forsters Reise u. d. W. erster Th. H h Forster’s Reise um die Welt 1773. August. fertig davon, welches die Indianer an Bord so ausdeuteten, daß er sich fuͤr uns fuͤrchtete. Obgleich die Sonne beynahe untergehen wollte als wir die Anker war- fen, so waren doch unsre Verdecke gar bald mit Indianern von verschiednem Alter und Stande angefuͤllt. Viele derselben erkannten ihre alten Freunde unter den Officiers und Matrosen, mit einer gegenseitigen Freude, die sich nicht leicht beschreiben laͤßt. Unter diesen war auch der alte ehrwuͤrdige O-Whaa , des- sen friedfertiger Character und Freundschafts-Dienste in Herrn Cooks erster Reise ruͤhmlichst erwaͤhnt worden, besonders bey Gelegenheit eines unange- nehmen Vorfalls, da die Seesoldaten einen Indianer erschossen hatten. S. Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen in 4. erster Band, pag. 222 und folgende S. woselbst seiner uͤberall nur unter dem Namen des Greises gedacht wird. — zweyter Band, pag 81. Owhah ꝛc. und namentlich pag. 90, ꝛc. So bald er Herrn Pickersgill sahe, erinnerte er sich seiner augenblick- lich, nannte ihn bey seinem Tahitischen Namen Petrodero , und rechnete ihm an den Fingern her, es sey nun das drittemahl, daß er auf die Insel kom- me; wie denn auch Herr Pickersgill sowohl bey des Capitain Wallis , als bey des Capitain Cooks erster Reise wuͤrklich hier gewesen war. Ein vornehmer Mann, Namens Maratata Ebendaselbst S. 155. Mara ï tata . besuchte Capitain Cook mit seiner Gemahlinn (Tedua)-Erararie , welches eine huͤbsche junge Person war. Man schenkte ihr und ihrem Manne eine Menge von Sachen, die sie jedoch schon deswegen eben nicht verdienten, weil sie beyderseits blos in dieser eigennuͤtzigen Absicht an Bord gekommen zu seyn scheinen. Eben so beguͤnstigte auch das Gluͤck Marata- ta’s Schwiegervater, einen großen dicken Mann, der mit zu ihrer Gesell- schaft gehoͤrte und sich auf eine recht unverschaͤmte Weise von jedermann etwas erbettelte. Zum Zeichen der Freundschaft verwechselten sie ihre Namen mit den unsrigen, ein jeder von ihnen waͤhlte sich nemlich einen Freund, dem er be- sonders zugethan war. Diese Gewohnheit hatten wir auf unserm vorigen Anker- platze nicht bemerkt, denn da waren die Einwohner zuruͤckhaltender und mißtraui- scher. Um 7 Uhr verließen sie groͤßtentheils das Schiff, versprachen aber fol- genden Morgen wieder zu kommen, woran wir auch wegen ihrer guten Aufnah- me nicht zweifeln durften. in den Jahren 1772 bis 1775. Der Mond schien die ganze Nacht sehr hell. Kein Woͤlkchen war zu 1773. August. sehn. Die glatte Flaͤche der See glaͤnzte wie Silber, und die vor uns liegende Landschaft sahe so reizend aus, daß man sich kaum uͤberreden konnte, sie sey etwas mehr als das schoͤpferische Werk einer fruchtbaren, lachenden Fantasie. Sanfte Stille herrschte rund um uns her, nur hie und da hoͤrte man einen Indianer plaudern, deren etliche an Bord geblieben waren, um den schoͤnen Abend bey ihren alten Freunden und Bekannten zuzubringen. Sie hatten sich an den Seiten des Schiffes herum gesetzt, sprachen von allerhand Dingen und mach- ten sich durch Zeichen verstaͤndlicher, wenn es mit Worten nicht gelingen wollte. Wir hoͤrten zu, und fanden, daß sie zum Theil frugen, wie es unsern Leuten seit ihrer letzten Abreise von hier ergangen sey, zum Theil auch das traurige Schicksal Tutahah’s und seiner Freunde erzaͤhlten. Gibson , ein See-Sol- dat, dem die Insel so wohl gefallen, daß er es ehemals, bey Capitain Cooks voriger Reise, gar darauf anlegte hier zu bleiben, S. Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen, in 4. zweyter Band, pag. 175. hatte den mehresten An- theil an der Unterredung, denn er verstand von der Landessprache mehr als ir- gend sonst einer von uns, weshalb ihn die Einwohner auch besonders hoch schaͤtz- ten. Die guten Leute bezeigten hier noch ungleich mehr Zutrauen und Frey- muͤthigkeit gegen uns als zu Aitepieha , und dies gereichte ihnen in unsern Au- gen zu desto groͤßerer Ehre, weil sich daraus deutlich genug abnehmen ließ, daß sie die ehemaligen Beleidigungen edelmuͤthig vergessen hatten, und daß ihr gu- tes unverderbtes Herz auch nicht eines Gedanken von Rachsucht oder Bitterkeit faͤhig sey. Warlich eine troͤstliche Vorstellung fuͤr ein empfindsames Gemuͤth, daß Menschenliebe dem Menschen natuͤrlich sey und daß die wilden Be- griffe von Mißtrauen, Bosheit und Rachsucht, nur Folgen einer allmaͤhli- gen Verderbniß der Sitten sind. Man findet auch in der That nur wenig Beyspiele vom Gegentheil, daß nemlich Voͤlker, welche nicht ganz bis zur Barbarey herabgesunken, der Liebe zum Frieden, diesem allgemeinen Grundtriebe des Menschen, zuwider gehandelt haben sollten. Was Columbus , Cortez und Pizarro bey ihren Entdeckungen in America , und was Mendanna , Quiros , Schouten , Tasman Die Wilden von Neu-Seeland machen eine Ausnahme. und Wallis in der Suͤd-See hieruͤber erfahren H h 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. August. haben, das stimmt mit unsrer Behauptung vollkommen uͤberein. Selbst der Angriff, den die Tahitier ehemals auf den Dolphin wagten, wider- spricht derselben nicht. Es duͤnkt mir nemlich hoͤchstwahrscheinlich, daß un- sere Leute, wenn sie sich dessen gleich nicht bewußt seyn moͤgen, durch irgend eine Beleidigung Gelegenheit dazu gegeben haben muͤssen. Gesetzt aber auch, das waͤre nicht; so ist doch Selbsterhaltung das erste Gesetz der Natur, und der Anschein berechtigte die Einwohner allerdings unsre Leute fur ungebetne Gaͤste und fuͤr den angreifenden Theil zu halten, ja was mehr als das alles ist, sie hat- ten Ursach fuͤr ihre Freiheit besorgt zu seyn. Als sie endlich die traurigen Wuͤr- kungen der europaͤischen Obermacht empfunden und man ihnen zu verstehen gege- ben hatte, daß das Schiff nur einige Erfrischungen einnehmen, auch nur eine kurze Zeit hier bleiben wolle, kurz, so bald sie selbst einsahen, daß die Fremden nicht ganz unmenschlich und unbillig, und daß Britten wenigstens nicht wilder und barbarischer waͤren als sie selbst, so waren sie auch gleich bereit, die Fremd- linge mit offnen Armen zu empfangen, das vorgefallne Misverstaͤndnis zu ver- gessen, und sie freygebig an den Naturguͤtern der Insel Theil nehmen zu las- sen. Einer uͤbertraf den andern an Gastfreyheit und Freundschaft, vom ge- ringsten Unterthanen an bis zur Koͤniginn, damit ihre Gaͤste beym Abschied von dem freundschaftlichen Lande berechtigt seyn moͤgten zu sagen: Invitus, regina, tuo de littore cessi. Virgil . Neun- in den Jahren 1772 bis 1775. Neuntes Hauptstuͤck. Aufenthalt in Matavai-Bay . C apitain Cook hatte schon bey seiner ehemaligen Anwesenheit auf dieser In- 1773. August. sel bemerkt, daß, wenn man hier in Matavai-Bay , einen hinlaͤnglichen Vorrath von Lebensmitteln erhalten wollte, ohne Gewalt zu gebrauchen und die blutigen Auftritte vergangner Zeiten zu wiederholen, es alsdenn unumgaͤnglich noͤthig sey, sich das Wohlwollen des Koͤnigs zu erwerben. Um in dieser Angele- genheit noch heute den ersten Schritt zu thun, machte er so gleich Anstalt nach O- Parre abzugehen, woselbst Koͤnig O-Tu sich aufhalten sollte. Doch war- tete er mit der Abreise dahin, bis Maratata und seine Frau ihrem Verspre- chen gemaͤs an Bord gekommen waren. Diese brachten ihm fuͤr die gestern erhaltenen Geschenke einige Stuͤcke ihres besten Zeuges, und bildeten sich nicht wenig darauf ein, daß sie in die große Cajuͤtte kommen durften, immittelst ihre uͤbrigen Landsleute draußen bleiben mußten. So bald hierauf auch Capitain Furneaux von der Adventure angelangt war, begab sich Capitain Cook nebst ihm, dem Dr. Sparrmann , meinem Vater und mir in die Pinnasse. Mara- tata und seine Frau kamen ohne Ceremonie auch mit herein und nahmen sogleich die beste Stelle auf dem Hintertheil ein. Eine Menge andrer Indianer folgten ihrem Beyspiel bis das Boot so voll war, daß sich die Matrosen mit den Rudern nicht ruͤhren konnten. Der groͤßte Theil dieser ungebetnen Gaͤste mußte also wieder aussteigen und zwar zu ihrem nicht geringen Leidwesen, indem sich nem- lich jedermann eine Ehre und ein Vergnuͤgen daraus zu machen schien, wenn er in unserm Boote sitzen durfte. Hiezu mogte das gute Ansehen desselben nicht we- nig beytragen, denn es war eben neu angemahlt und mit einem gruͤnen Son- nen-Schirme oder Zeltdecke versehen, die angenehmen Schatten machte. Wir ruderten nunmehro queer uͤber die Bay und naͤherten uns dem Ufer bey einer Landspitze, auf welcher aus dickem Gebuͤsch ein steinernes Marai hervorragte, dergleichen wir schon zu Aitepiha gesehn hatten. Capitain Cook kannte die- sen Begraͤbniß- und Versammlungs-Platz unter dem Namen von Tutaha’s Marai ; als er ihn aber also benannte, fiel ihm Maratata in die Rede, um H h 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. August. ihm zu sagen, daß es Tutahah nach seinem Tode nicht mehr gehoͤre, sondern jetzt O-Tu’s Marai genannt werde. Eine herrliche Moral fuͤr Fuͤrsten und Koͤnige, sie an die Sterblichkeit zu erinnern und sie zu lehren, daß ihnen nach ihrem Tode nicht einmal der Ruheplatz ihres Coͤrpers eigen bleibe! Ma- ratata und seine Frau entbloͤßten im Vorbeyfahren ihre Schultern — eine Ehre, welche alle Einwohner, ohne Unterschied des Standes, dem Marai bezeigen, und woraus sich abnehmen laͤßt, daß sie diese Plaͤtze fuͤr besonders heilig ansehen muͤssen. Vielleicht halten sie dafuͤr, daß die Gottheit an solchen Stellen unmittelbar gegenwaͤrtig sey, wie denn von jeher, ein jedes Volk etwas aͤhnliches von seinen heiligen Versammlungs-Oertern geglaubt hat. Wir kamen auf dieser Fahrt an einem der schoͤnsten Districte von O- Tahiti vorbey. Die Ebenen schienen hier von betraͤchtlichem Umfange zu seyn; die Berge hatten durchgehends sanfte Anhoͤhen und verloren sich auf der Ebene in ziemlich weit hervorragenden, gewoͤlbten Spitzen. Das Ufer, wel- ches mit dem schoͤnsten Rasen bewachsen und, bis an den Strand herab, von Pal- men beschattet war, stand voller Menschen, welche, so bald wir aus dem Boot stiegen, ein lautes Freuden-Geschrey erhoben. Man fuͤhrte uns ohnverzuͤglich nach einigen Haͤusern, die unter Brodfrucht-Baͤumen versteckt lagen und vor einem der groͤßten Haͤuser trafen wir einen Platz von zwanzig bis dreyßig Schritte im Gevierte an, der mit einem ohngefaͤhr 18 Zoll hohen Gitterwerk von Rohr umzaͤunt war. Mitten auf diesem Platze saß der Koͤnig, mit kreuz- weis uͤbereinander geschlagnen Beinen, auf der Erde. Um ihn her stand ein großer Kreis von Leuten beyderley Geschlechts, die ihrer Statur, Farbe und Betragen nach, zu den Vornehmsten des Landes gehoͤren mußten. Sobald die Matrosen unsre Geschenke, als welche Capitain Cook’s Creditiv ausmachten, vor dem Koͤnige auf die Erde niedergelegt hatten, traten wir alle naͤher, und wur- den gebeten, uns um Se. Majestaͤt herum zu setzen. Ohnerachtet das Volk im Aeußern viel Achtung fuͤr seinen Beherrscher zu haben scheint, wie sich zum Theil schon daraus abnehmen laͤßt, daß in seiner Gegenwart jedermann, ohne Aus- nahme, die Schultern entbloͤßen muß; so reichte solche doch nicht so weit, daß man sich nicht von allen Seiten her mit der ungestuͤmsten Neugierde auf uns zugedraͤngt haben sollte, und da die Menge der Menschen, mithin auch das in den Jahren 1772 bis 1775. Gedraͤnge hier ungleich groͤßer waren als waͤhrend unsrer Audienz bey Ahea- 1773. August. tua ; so mußten sichs die auf den Ecken des umzaͤunten Platzes gestellten koͤnigli- chen Bedienten rechtschaffen sauer werden lassen, um die Leute nur einigerma- ßen in Schranken zu halten. Einer insbesondre, der auf dem Wege vor uns Platz machen sollte, hieb ganz unbarmherzig drauf los und schlug mehr denn einen Stock auf den Koͤpfen entzwey, welches ohnfehlbar Loͤcher und Blut gesetzt haben muß Menava quella mazza fra la gente Ch’ un imbriaco Svizzero paria Di quei, che con villan modo insolente, Sogliono innanzi ’l Papa il dì di festa Rompere a chi le braccia, a chi la testa. Tasso . Dem ohnerachtet draͤngten sie sich eben so hartnaͤckig wieder herbey als der aͤrgste englische Poͤbel nur thun kann, jedoch mit dem Unterschiede, daß sie die Insolenz der koͤniglichen Bedienten ein gut Theil geduldiger zu ertragen schienen. Der Koͤnig von O-Tahiti hatte, waͤhrend Capitain Cook’s erster Anwesenheit allhier, unsre Leute nie zu sehen bekommen, vermuthlich aus po- litischen Absichten seines Oncles Tutahah , der damals die ganze Regierung in Haͤnden hatte, und vielleicht besorgen mogte, an seinem Ansehn bey den Euro- paͤern zu verlieren, wenn sie erfahren haͤtten, daß er nicht der erste und groͤßte Mann auf der Insel sey. Es ist nicht wohl auszumachen, ob Tutahah’s Ansehn und Gewalt usurpirt war oder nicht; wiewohl das wieder ihn zu seyn scheint, daß O-Tu (der jetzige Koͤnig) schon vier bis fuͤnf und zwanzig Jahr alt, und gleichwohl erst kuͤrzlich zur Regierung gelangt war. Nicht nur als Regent, sondern auch der Statur nach war er, wenigstens so viel wir sahen, der groͤßte Mann auf der Insel, denn er mas voͤllige 6 Fus 3 Zoll. Er hatte starke und wohlproportionirte Gliedmaßen, war uͤberhaupt wohl gemacht, und hatte auch vor der Hand noch keinen Ansatz zu uͤbermaͤßiger Corpulenz. Ohnerachtet sich etwas finsteres, und vielleicht schuͤchternes in seinem Ansehen fand, so leuchteten doch uͤbrigens Majestaͤt und Verstand daraus hervor, auch fehlte es seinen Forster’s Reise um die Welt 1773. August. lebhaften schwarzen Augen gar nicht an Ausdruck. Er hatte einen starken Kne- bel-Bart, der gleich dem Unterbart und dem starken lockigten Haupt-Haar pech- schwarz war. Sein Portrait ist, nach einer Zeichnung von Herrn Hodges , zu Capitain Cooks Nachricht von dieser Reise in Kupfer gestochen. Durch eine aͤhnliche Leibesgestalt und gleichen Haarwuchs, der, wie eine uͤberall gleich-dick- gekraͤuselte Paruͤcke, gerade aufwaͤrts um den Kopf stand, zeichneten sich auch seine Bruͤder und Schwestern aus. Von den ersteren mogte der aͤltere ohngefaͤhr sech- zehen und der juͤngste etwa zehen Jahr alt seyn. Seine aͤlteste Schwester aber, welche diesmal nur allein gegenwaͤrtig war, schien fuͤnf bis sechs und zwanzig Jahr zu seyn. Da die Frauenspersonen hier zu Lande das Haar gemei- niglich kurz abgeschnitten tragen; so war der Haarputz dieser Dame als etwas Außerordentliches anzusehen und mogte vielleicht ein besonderes Vorrecht der koͤniglichen Familie seyn. Ihr hoher Rang befreyte sie jedoch nicht von der allgemeinen Etiquette, die Schultern in Gegenwart des Koͤnigs zu entbloͤßen, ein Brauch, der dem Frauenzimmer auf unzaͤhlige Art Gelegenheit gab, ihre zierliche Bildung ungemein vortheilhaft sichtbar zu machen. Ihr gan- zes Gewand bestehet aus einem langen Stuͤck von weißem Zeuge, so duͤnn als Mußlin, das auf hundert verschiedne ungekuͤnstelte Weise um den Coͤrper geschla- gen wird, je nachdem es der Bequemlichkeit, dem Talente und dem guten Ge- schmack einer jeden Schoͤne am zutraͤglichsten scheint. Sie wissen nichts von allgemeinen Moden, die mehrentheils nur einigen wenigen Personen gut ste- hen und die uͤbrigen mehr verstellen als putzen; sondern angebohrne Freyheit gilt hier auch beym Anzuge und natuͤrliche Grazie verschoͤnert die edle Einfalt ihrer Tracht und Bildung. — Die einzige Person, welche die Schultern nicht zu entbloͤßen brauchte, war des Koͤnigs Hoa S. Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen, in 4. zweyter Band, wo pag. 240. stehet: eowa no l’ earee, welches aber heißen soll: e-hoa no te erih (das ist: Freund des Koͤnigs.) ein Hofbedienter, der sich am be- sten mit einem Cammerherrn vergleichen laͤßt und deren der Koͤnig zwoͤlfe haben soll, welche nach der Reihe die Aufwartung haben. Zu diesen gehoͤrten die Leute, welche vorher so schweizermaͤßig aufs Volk gepruͤgelt und Platz gemacht hatten. in den Jahren 1772 bis 1775. hatten. Wir saßen zwischen den Oncles, Tanten, Vettern und andern Ver- 1773. August. wandten des Koͤnigs. Alle diese Standespersonen wetteiferten mit einander uns freundlich und zaͤrtlich anzublicken, Freundschafts-Versicherungen zu geben und — um Corallen und Naͤgel zu bitten. Die Art und Weise aber, womit sie diese Kleinigkeiten zu erhalten suchten, war sehr verschieden, und fiel deshalb auch nicht immer gleich gluͤcklich fuͤr sie aus. Wenn wir zum Beyspiel unter eine oder die andere Art von Leuten Corallen austheilten, so draͤngten sich bisweilen junge unverschaͤmte Bursche herbey und hielten die Haͤnde auch her, als haͤtten sie ebenfalls Anspruch oder Recht auf unsre Freygebigkeit. Unter solchen Umstaͤn- den bekamen sie aber allemal eine abschlaͤgige Antwort. Schon schwerer war es, alten ehrwuͤrdigen Maͤnnern eine Gabe zu versagen, wenn sie mit bebender Hand die unsrigen ergriffen, sie herzlich druͤckten und in vollkommnen Vertrauen auf unsre Guͤte uns ihr Anliegen ins Ohr fluͤsterten. Die aͤlteren Damen hal- fen sich mit etwas Kunst und Schmeicheley. Sie frugen gemeiniglich wie wir hießen, nahmen uns an Kindesstatt an, und machten uns mit ihren Verwandten bekannt, die auf diese Weise auch die unsrigen wurden. Nach andern kleinen Schmeicheleyen kam denn im bittenden Ton, mit liebaͤugelnden Minen, ein: Aima poe ihti no te tayo mettua ? heraus, welches so viel ist, als: „Ist denn kein Coralchen fuͤr das liebe Muͤtterchen da? Das hieß nun unsre kindliche Gesin- nungen auf die Probe setzen, und wenn das geschahe, so hatten die guten Alten fast allemal gewonnen. Eine solche Einkleidung ihres Anliegens mußte uns nemlich von dem National-Character dieses Volks ungemein vortheilhafte Begriffe ma- chen, denn gute Gesinnungen von andern zu erwarten, wenn man sie selbst nicht hat, ist eine Verfeinerung der Sitten, die blos ganz civilisirten Voͤlkern eigen ist. Unsre juͤngere Verwandtinnen, die in der Bluͤthe der Jugend standen, hatten wieder andre Kunstgriffe zu Gebote. Außerdem daß sie gemeiniglich auf eine oder die andre Art huͤbsch waren, gieng auch ihr ganzes Tichten und Trachten dahin, uns zu gefallen, und da sie sich noch uͤberdies auf die zaͤrtlichste Art von der Welt unsre Schwestern nannten; so durften sie, aus mehr denn einer Ursach, in ihren Anliegen nicht leicht eine abschlaͤgige Antwort besorgen, denn wer haͤtte so huͤbschen jungen und gefaͤlligen Maͤdchen widerstehen koͤnnen? Mittlerweile, daß wir den Damen und Herren vom Hofe allerhand Geschenke austheilten, Forsters Reise u. d. W. erster Th. J i Forster’s Reise um die Welt 1773. August. hatten die ersteren ihre Bedienten ( Tutuhs ) abgeschickt, und große Stuͤcke ihres besten Zeuges, Scharlach, Rosenroth oder Blasgelb gefaͤrbt und mit dem feinsten wohlriechenden Oel parfumirt, holen lassen, um uns Gegenpraͤsente damit zu machen. Sie legten uns solche uͤber unsre Kleidungen an und beladeten uns so sehr damit, daß wir uns kaum zu ruͤhren im Stande waren. Mancherley Fragen Tabane , (Herrn Banks ,) Tolano , (Dr. Solander ,) und andre Bekannte betreffend, folgten dem wichtigern Geschaͤft Geschenke zu empfangen; aber nach Tupaya ( Tupeia ) oder Parua , wie er gemeiniglich genannt ward, fragten nur einige einzelne Personen, die auch die Nachricht von seinem Tode mit ziemlicher Gleichguͤltigkeit anhoͤrten, ohnerachtet die weitlaͤuftige Kenntniß dieses Mannes, ihn unsrem Beduͤnken nach, seinen Landsleuten werth und angenehm haͤtte machen sollen. Waͤhrend dieser Unterredung spielte unser Berg- schotte einige Stuͤcke auf dem Dudelsack, zum unendlichen Vergnuͤgen der Zuhoͤ- rer, die uͤber seine Music voll Verwundrung und Entzuͤcken waren. Koͤnig O-Tu insbesondre war mit seiner Kunst, die warlich nicht viel bedeutete, so ausnehmend zufrieden, daß er ihm ein großes Stuͤck des groͤbern Zeuges zur Belohnung reichen ließ. Da dies nur eine Ceremonien-Visite war, so wollten wir uns nicht lange aufhalten, und waren eben im Begriff Abschied zu nehmen, als wir durch die Ankunft von E-Happa ï S. Hawkesworths Gesch der engl. See-Reisen in 4. zweyter Band, pag. 152. wo er Whappai genannt wird. , den Vater des Koͤnigs, noch eine Weile aufgehal- ten wurden. Er war ein langer, magrer Mann mit grauem Barte und grauem Kopfe, schien aber, seines hohen Alters ohnerachtet, noch nicht abgelebt zu seyn. Was ihm die Capitains schenkten, nahm er mit jener kalten Gleichguͤltigkeit an, die alten Leuten wohl eigen zu seyn pflegt. Wir waren zwar schon durch die vorigen Reisebeschreibungen von der sonderbaren Verfassung unterrichtet, ver- moͤge welcher der Sohn noch bey Lebzeiten des Vaters die Regierung annimmt: S. Hawkesworths Gesch. der engl. See-Reisen in 4. zweyter Band, pag. 241. doch wunderte es uns, daß der alte Happai sich uͤberdies noch der Landesgewohn- heit unterwerfen, und in Gegenwart seines Sohns die Schultern so gut als je- der andre entbloͤßen mußte. Der Begriff von Blutsverwandtschaft ist also hier in den Jahren 1772 bis 1775. ganz aus den Augen gesetzt, um der koͤniglichen Wuͤrde desto mehr Ansehen zu 1773. August. verschaffen, und eine solche Verlaͤugnung der natuͤrlichen Verhaͤltnisse, zeigt meines Erachtens einen hoͤhern Grad von Cultur und Einsicht an, als andre Rei- sende den Einwohnern von Tahiti zugestanden haben. Ohnerachtet aber Hap- pai die oberste Herrschaft nicht mehr in Haͤnden hatte, so lies ihm dennoch das ge- meine Volk, seiner Geburt und seines Standes wegen, große Ehre wiederfahren, und auch der Koͤnig hatte ihn mit einem anstaͤndigen Unterhalte versorgt. Der Di- strict oder die Provinz O-Parre stand nemlich unmittelbar unter seinen Be- fehlen, und aus dieser zog er fuͤr sich und seine Bedienten was er noͤthig hatte. Wir hielten uns dieses alten Herrn wegen nur um ein weniges laͤnger auf als wir zuvor willens gewesen waren, beurlaubten uns sodann vom Vater und Sohne und kehrten wieder nach der Pinnasse zuruͤck, welche Maratata die ganze Zeit uͤber nicht verlassen hatte, vermuthlich, um sich dadurch bey seinen Landsleu- ten das Ansehen zu geben, als ob er in besondern Credit bey uns staͤnde. Waͤh- rend unsrer Abwesenheit waren auf (der Landspitze) Point Venus fuͤr die Holz- hauer, die Wassertraͤger und die Kranken der Adventure etliche Zelte aufge- schlagen worden. Auch hatten die Astronomen beyder Schiffe ihre Sternwar- ten ohngefaͤhr auf eben dem Platz errichtet, wo auf der vorigen Reise von Herrn Green und Capitain Cook der Durchgang der Venus beobachtet wor- den war. Bey unserer Ruͤckkunft an Bord fanden wir das Schiff voller India- ner und unter denselben auch verschiedne Personen von hoͤherem Range. Diese hatten ihres Standes wegen im ganzen Schiff uͤberall freyen Zutritt, aber eben deshalb war man auch, vor ihrer Betteley um Glas-Corallen und andre Klei- nigkeiten, in keinem Winkel sicher. Um dieser unertraͤglichen Unverschaͤmtheit zu entgehen, verfuͤgten sich die Capitains bald wieder nach den Zelten zuruͤck, und wir begleiteten sie dahin, um zu sehen, was fuͤr natuͤrliche Merkwuͤrdig- keiten das Land hervorbringe. In gleicher Absicht machten wir auch nach Tische einen neuen Spatziergang; da wir aber beydemal nicht weit hatten kommen koͤnnen, so bestanden unsre Entdeckungen nur aus wenigen Pflanzen und Voͤ- geln, dergleichen wir zu Aitepiha noch nicht gesehen hatten. Am folgenden Morgen, sehr fruͤhe, kam eine Menge Canots von Parre ans Schiff und in einem der kleinsten befand sich der Koͤnig, der seine Gegenge- J i 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. August. schenke dem Capitain Cook in eigner Person uͤberbringen wollte. Es waren allerhand Lebensmittel, nemlich ein lebendiges Schwein, etliche große Fische, als eine Stuhr-Makrele ( Cavalha, Scomber hippos , ) imgleichen eine weiße Ma- krele, ( Albecore ) ohngefaͤhr 4 Fus lang und voͤllig zugerichtet, und endlich eine Menge von Koͤrben mit Brodfrucht und Pisangen; dies alles ward eins nach dem andern aufs Schiff gereicht. Capitain Cook stand auf dem Bord des Schiffs und bat Se. Majestaͤt herauf zu kommen; Dieselben blieben aber unverruͤckt sitzen, bis sich der Capitain, der Tahitischen Etiquette gemaͤß, in eine unglaub- liche Menge des besten hiesigen Zeuges hatte einkleiden lassen, und auf die Art zu einer ungeheuer dicken Figur geworden war. Sobald dieser Punkt des Ceremo- niels beobachtet war, wagte sich O-Tu aufs Verdeck des Hintertheils und umarmte den Capitain, schien aber noch sehr besorgt zu seyn, ohnerachtet man ihn durch das freundschaftlichste Betragen zu uͤberzeugen suchte, daß er keine Ursach dazu habe. Weil das Verdeck von des Koͤnigs Verwandten und Angehoͤrigen, uͤberall gedraͤngt voll war, so hat man ihn in die Cajuͤtte zu kommen; allein auf einer Treppe, zwischen den Verdecken darnach hinab zu steigen? das duͤnkte ihm, ohne naͤhere Untersuchung, ein wenig zu gefaͤhrlich. Er schickte also sei- nen Bruder, einen huͤbschen Juͤngling von sechzehen Jahren der voͤlliges Ver- trauen in uns setzte, vorauf. Diesem gefiel die Cajuͤtte, und er stattete einen so vortheilhaften Bericht davon ab, daß der Koͤnig sich nun gleich hinunter wagte. Hier uͤberreichte man ihm von neuem allerhand kostbare Geschenke. Das hohe Gefolge Sr. Majestaͤt, draͤngte sich jetzt dermaßen nach der Cajuͤtte, daß wir uns kaum darinn ruͤhren konnten. Capitain Cook war hiebey am uͤbelsten dran, denn dem wards unter der Last seines Tahitischen Ceremonien-Kleides, ohnehin schon zu warm. Ein jeder von diesen Indianern, waͤhlte sich, wie schon er- waͤhnt, einen besondern Freund unter uns, und gegenseitige Geschenke bestaͤ- tigten gemeiniglich die neugeschloßne Freundschaft. Unter dieser Zeit war auch Capitain Furneaux an Bord gekommen, und wir setzten uns nunmehro zum Fruͤhstuͤck hin. Unsre Gaͤste waren bey diesem fuͤr sie neuen Auftritt sehr ruhig und hatten sich bereden lassen, auf Stuͤhlen Platz zu nehmen, die ihnen etwas ganz fremdes und ungemein bequem zu seyn schienen. Der Koͤnig war auf un- ser Fruͤhstuͤck, welches fuͤr diesmal halb aus englischen und halb aus Tahiti- in den Jahren 1772 bis 1775. schen Gerichten bestand vorzuͤglich aufmerksam, und staunte uns nicht wenig an, 1773. August. daß wir heiß Wasser (Thee) tranken und Brodfrucht mit Oel (Butter) aßen. Er selbst war nicht zum Mitessen zu bewegen; einige von seinem Gefolge hin- gegen, waren nicht so uͤbermaͤßig vorsichtig, sondern aßen und tranken nach Herzenslust was ihnen vorgesetzt ward. Nach dem Fruͤhstuͤck fiel O-Tu meines Vaters Pudel in die Augen, der sonst gut genug, damals aber ziemlich schmu- tzig aussahe, indem er mit Theer und Pech, recht Matrosen-maͤßig besudelt war. Dem ohnerachtet wuͤnschten Se. Majestaͤt ihn zu besitzen und thaten auch keine Fehlbitte. Hocherfreut daruͤber, beorderten sie sogleich einen ihrer Cammer- herren oder Hoas , den Hund in Verwahrung zu nehmen, und ließen sich solchen auch nachher von demselben uͤberall nachtragen. Es waͤhrte nicht lange, so aͤus- serte er gegen Capitain Cook , daß er wieder am Lande zu seyn wuͤnsche, und stieg zu dem Ende mit seinem ganzen Gefolge und allen erhaltnen Geschenken aufs Verdeck. Capitain Furneaux schenkte ihm hier noch einen Bock und eine Ziege, welche er in dieser Absicht von seinem Schiffe mitgebracht hatte. Es kostete uns wenig Muͤhe, dem Koͤnige die Nutzbarkeit dieser Thiere und wie sie gehal- ten werden muͤßten, begreiflich zu machen; denn er versprach sogleich, sie nicht zu schlachten, nicht zu trennen und die Jungen in Acht zu nehmen. Die Pinnasse war nun fertig, und der Koͤnig nebst den Capitains und anderen Her- ren giengen in selbiger nach O-Parre ab, woselbst S. Majestaͤt damals resi- dirten. Auf der Ueberfahrt war O-Tu ungemein vergnuͤgt, that mancherley Fragen und schien seine vorige mißtrauische Furcht ganz abgelegt zu haben. Die Ziegen hatten sich seiner Aufmerksamkeit dermaßen bemaͤchtigt, daß er fast von nichts anderm redete, und es schien als koͤnnte ers nicht oft genug hoͤren, wie sie gefuͤttert und gehalten werden muͤßten. Sobald wir aus Land kamen, ward ihm ein schoͤner Grasplatz, der von Brodfrucht-Baͤumen beschattet war, mit dem Bedeuten angezeigt, daß er die Ziegen stets an solchen Stellen weiden lassen moͤgte. Das ganze Ufer war von Indianern bedeckt, die ihren Koͤnig beym Aussteigen aus dem Boote mit lautem Freudengeschrey empfiengen. Unter dem Haufen befand sich auch Tutaha’s Mutter, eine ehrwuͤrdige graue Matrone, die, sobald sie den Capitain Cook gewahr ward, ihm entgegen lief und als den Freund ihres Sohns umarmte. Sie erinnerte sich bey dieser Gele- J i 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. August. genheit ihres Verlustes so lebhaft, daß sie zu unsrer nicht geringen Ruͤhrung, uͤberlaut zu weinen anfieng. Eine so zaͤrtliche Empfindlichkeit zeugt offenbar von der urspruͤnglichen Guͤte des menschlichen Herzens, und nimmt uns immer zum Vortheil dererjenigen ein, an welchen wir sie gewahr werden. Wir eilten von hier nach unsern Zelten auf Point-Venus , wo die Einge- bohrnen einen ordentlichen Markt errichtet hatten, auf welchem alle Arten von Fruͤchten, und zwar sehr wohlfeil zu haben waren, indem ein Korb voll Brod- frucht oder Coco-Nuͤsse nicht mehr als eine einzige Coralle galt. Mein Vater traf hier seinen Freund O-Wahau an, der ihm abermals einen großen Vor- rath Fruͤchte, einige Fische, etwas feines Zeug, imgleichen ein Paar Angelha- ken von Perlmutter schenkte. Wir wollten seine Freygebigkeit erwiedern, allein der edelmuͤthige Mann schlug es rund ab, das geringste dafuͤr anzunehmen, und sagte: er haͤtte meinem Vater jene Kleinigkeiten als Freund geschenkt, ohne Absicht dabey zu gewinnen. Solchergestalt schien es als wollte sich heute alles vereinigen, um uns von diesem liebenswuͤrdigen Volke vortheilhafte Begriffe zu geben. Gegen Mittagszeit kehrten wir an Bord zuruͤck und beschaͤftigten uns nach Tische, die bisher gesammelten Naturalien zu zeichnen und zu beschreiben. Die Verdecke waren immittelst bestaͤndig mit Indianern beyderley Geschlechts ange- fuͤllt, welche alle Winkel durchstoͤrten, und maußten, so oft sie Gelegenheit fan- den. Abends erlebten wir einen Auftritt, der uns neu und sonderbar, denen aber etwas Bekanntes war, die schon zuvor auf Tahiti gewesen waren. Unsre Matrosen hatten nemlich eine Menge Weibsleute vom niedrigsten Stande aufs Schiff eingeladen, die nicht nur sehr bereitwillig gekommen waren, sondern auch, obwohl alle ihre Landsleute zuruͤckkehrten, nach Untergang der Sonne noch an Bord blieben. Wir wußten zwar schon von unserm vorigen Ankerplatze her, wie feil die Tahitischen Maͤdchen sind; doch hatten sie dort ihre Ausschweifungen nur bey Tage getrieben, des Nachts hingegen sich nie gewagt auf dem Schiffe zu blei- ben. Hier aber, zu Matava ï , hatte man den englischen Seemann schon besser ausstudirt, und die Maͤdchen wußten ohne Zweifel, daß man sich demselben sicher anvertrauen koͤnne, ja daß dies die herrlichste Gelegenheit von der Welt sey, ihm an Corallen, Naͤgeln, Beilen oder Hemden alles in den Jahren 1772 bis 1775. rein abzulocken. Es gieng also heute Abend zwischen den Verdecken 1773. August. vollkommen so ausschweifend lustig zu, als ob wir nicht zu Tahiti , sondern zu Spithead vor Anker gelegen haͤtten. Ehe es ganz dunkel ward, versammelten sich die Maͤdchen auf dem Verdeck des Vordertheils. Eine von ihnen blies die Nasen-Floͤte; die uͤbrigen tanzten allerhand Taͤnze, worunter verschiedne waren, die mit unsern Begriffen von Zucht und Ehrbarkeit eben nicht sonderlich uͤbereinstimmten. Wenn man aber bedenkt, daß ein großer Theil dessen, was nach unsern Gebraͤuchen tadelnswerth zu nennen waͤre, hier, wegen der Einfalt der Erziehung und Tracht, wuͤrklich fuͤr unschuldig gelten kann; so sind die Tahitischen Buhlerinnen im Grunde minder frech und ausschwei- fend als die gesittetern Huren in Europa . Sobald es dunkel ward, verloren sie sich zwischen den Verdecken und konnten ihnen ihre Liebhaber frisch Schwei- nefleisch vorsetzen, so aßen sie davon ohne Maas und Ziel, ob sie gleich zuvor, in Gegenwart ihrer Landsleute, nichts hatten anruͤhren wollen, weil, einer hier ein- gefuͤhrten Gewohnheit zufolge, von welcher sich kein Grund angeben laͤßt, Manns- und Frauenspersonen nicht mit einander speisen duͤrfen. Es war erstaunend, was fuͤr eine Menge von Fleisch diese Maͤdchen verschlingen konnten, und ihre Gierigkeit duͤnkte uns ein deutlicher Beweis, daß ihnen dergleichen, zu Hause, selten oder niemals vorkommen mogte. Die zaͤrtliche Wehmuth von Tutahahs Mutter, die edle Gutherzigkeit unsers Freundes O-Wahau , und die vortheil- haften Begriffe von den Tahitiern uͤberhaupt, waren in so frischen Andenken bey uns, daß der Anblick und die Auffuͤhrung solcher Creaturen uns desto auf- fallender seyn mußte, die alle Pflichten des gesellschaftlichen Lebens hintan setz- ten und sich lediglich viehischen Trieben uͤberließen. Die menschliche Natur muß freylich sehr unvollkommen seyn, daß eine sonst so gute, einfaͤltige und gluͤck- liche Nation zu solcher Verwilderung und Sittenlosigkeit hat herabsinken koͤnnen; und es ist allerdings herzlich zu bejammern, daß die reichlichsten und besten Geschenke eines guͤtigen Schoͤpfers am leichtesten gemißbraucht werden und daß Irren so menschlich ist! Am folgenden Morgen kam O-Tu , nebst seiner Schwester Tedua- Taura ï und verschiednen seiner Verwandten fruͤh ans Schiff, und ließ uns ein Schwein und eine große Albecore an Bord reichen, sie selbst aber wollten nicht Forster’s Reise um die Welt 1773. August. aus Schiff kommen. Er hatte eben dergleichen Geschenke fuͤr Capitain Fur- neaux mitgebracht, getraute sich aber nicht nach der Adventure hin, bis mein Vater sich erbot, ihn zu begleiten. Auch da mußte die Ceremonie, den Capi- tain in Tahitisches Zeug einzuwickeln, wiederum vorgenommen werden, ehe sich Se. Majestaͤt an Bord wagen wollten. Sobald dies aber geschehen war, duͤnkte er sich vollkommen sicher, und kam aufs Verdeck, wo Capitain Fur- neaux seine Geschenke erwiederte. Unterdessen daß O-Tu hier verweilte, hat- te sich seine Schwester Tedua-Taura ï bewegen lassen, auf des Capitain Cooks Schiff zu steigen, und man bemerkte bey dieser Gelegenheit, daß alle anwesende Frauenspersonen ihr durch Entbloͤßung der Schultern dieselbe Ehre bezeigten, welche die ganze Nation dem Koͤnige schuldig ist. Der muntere Juͤngling Watau , der seinen Bruder den Koͤnig begleitete, genoß diese Ehre ebenfalls und ward T’Erih Watau genannt; es scheint folglich, daß der Titel Erih , ob er gleich allen Befehlshabern der Districte und dem Adel uͤberhaupt beyge- legt wird, doch eigentlich und in vorzuͤglichem Maaße den Personen von der koͤ- niglichen Familie zukomme. Nach einem kurzen Aufenthalt langte O-Tu von der Adventure wieder auf der Resolution an, holte seine Schwester ab, und ward, in Gesellschaft derselben, von beyden Capitains nach O-Parre begleitet. Am 29. ließen wir, gleich bey Anbruch des Tages, unsre Zelte an Land schaffen und giengen aus um die natuͤrliche Beschaffenheit der Insel naͤher zu un- tersuchen. Es war die Nacht uͤber ein starker Thau gefallen, der alle Pflanzen erfrischt hatte, und dieses, nebst der angenehmen Kuͤhle des Morgens, machte unsern Spaziergang sehr angenehm. Bey den Zelten fanden wir nur wenig In- dianer, doch begleiteten uns einige derselben nach dem Flusse, den wir zu paßi- ren hatten, weil es bey dieser Gelegenheit gemeiniglich etwas zu verdienen gab; sie pflegten uns nemlich fuͤr eine einzige Glascoralle auf den Schul- tern hinuͤber zu tragen, ohne daß wir einen Fus naß machen durften. Die mehresten Einwohner waren eben erst aufgestanden, und badeten zum Theil noch im Matavai-Fluß , welches sie des Morgens allemal ihr erstes Geschaͤft seyn lassen. In diesem warmen Lande muß es auch sehr noͤthig und zutraͤglich seyn, sich oͤfters zu baden, besonders des Morgens, da das Wasser kuͤhl und frisch, mithin im Stande ist die Nerven zu staͤrken, die sonst bey der bestaͤndigen Hitze erschlaf- in den Jahren 1772 bis 1775. erschlaffen wuͤrden. Außerdem ist die koͤrperliche Reinlichkeit, welche daraus 1773. August. entsteht, nicht nur eins der besten Verwahrungsmittel gegen faulende Krankhei- ten; sondern sie befoͤrdert zugleich die Geselligkeit unter dem Volk: Dahingegen andre uncivilisirte Nationen, die nicht viel aufs Baden halten, meistens so un- reinlich zu seyn pflegen, daß, schon deshalb ihrer nicht viel beysammen woh- nen und, des Gestanks wegen, auch kein Fremder bey ihnen lange ausdauern kann. — Wir giengen nunmehro nach einer kleinen Huͤtte, in welcher eine arme Witwe mit ihrer zahlreichen Familie lebte. Ihr aͤltester Sohn Nuna , ein lebhafter, castanienbrauner Knabe von zwoͤlf Jahren und ungemein gluͤcklicher, einnehmender Bildung, hatte jederzeit besondre Neigung zu den Europaͤern bli- cken lassen. Dabey besaß er viel Faͤhigkeiten, denn wir durften zum Beyspiel nur ein halbes Wort sagen, so begrif er was wir damit meynten, besser als seine Lands- leute, bey welchen wir es oft mit unsrer ganzen Staͤrke in der Pantomime und mit Huͤlfe aller Woͤrterbuͤcher nicht so weit bringen konnten. Mit diesem Bur- schen waren wir gestern Abend eins geworden, daß er fuͤr heute unser Wegweiser seyn sollte. Als wir ankamen, fanden wir seine Mutter, welche Cocosnuͤsse und andre Lebensmittel fuͤr uns angeschaft hatte, auf den Steinen vor der Huͤtte sitzend, mit ih- ren Kindern um sich her; davon das juͤngste uns etwa vier Jahr alt duͤnkte. Sie schien zwar noch munter genug zu seyn, hatte aber doch schon so viel Runzeln im Gesicht, daß wir sie, in einem Lande wo die Maͤdchen so fruͤh mannbar wer- den als hier, nicht fuͤglich mehr fuͤr die Mutter so kleiner Kinder halten konn- ten. Mittlerweile kam eine juͤngere wohlgestaltete Person von drey bis vier und zwanzig Jahren herbey, welche wie wir erfuhren, Nuna’s aͤlteste Schwester war. Nach dem Alter dieses Maͤdchens zu urtheilen, mogte also die Mutter nahe an vierzig Jahr seyn, daß sie aber ungleich aͤlter aussahe, ist in so fern nicht zu ver- wundern, weil bekanntermaßen das andre Geschlecht in heißen Laͤndern durchge- hends fruͤher aufhoͤrt huͤbsch zu seyn als in kalten Gegenden. Hingegen ist das zu verwundern, daß die hiesigen Weiber, ihrer fruͤhen Mannbarkeit ohnerachtet, gleichwohl zwanzig und mehr Jahre hinter einander fruchtbar bleiben! Diesen Vorzug haben sie indessen, allem Anschein nach, der gluͤcklichen Einfalt zu ver- danken, in welcher sie ihr Leben mit Sorgen und Mangel unbekannt zubringen, Forster’s Reise u. d. W. erster Th. K k Forster’s Reise um die Welt 1773. August. und eben dies ist ohne Zweifel auch die naͤchste Ursache der hiesigen starken Be- voͤlkerung. Wir wurden mit einem starken Kerl eins, daß er uns die Lebensmittel, welche die gastfreye alte Frau fuͤr uns angeschaft hatte, unterwegens nachtra- gen sollte. Zu dem Ende hieng er sie, zu gleichen Theilen, an die Enden ei- ner 4 Fus langen Stange und diese legte er auf die Schulter. Nuna und sein kleiner Bruder Toparri , der ohngefaͤhr vier Jahr alt war, begleiteten uns lustig und guter Dinge, nachdem wir die ganze Familie beym Abschiede mit Co- rallen, Naͤgeln, Spiegeln und Messern beschenkt hatten. Eines Berges wegen, den wir ersteigen mußten, war der Anfang un- sers Marsches etwas beschwerlich, und dennoch blieb unsre Muͤhe hier unbe- lohnt, denn auf dem ganzen Berge fanden wir, außer ein Paar kleinen zwer- gichten Buͤschen und etwas trocknem Farnkraut, auch nicht eine einzige Pflanze. Dagegen sahen wir, zu unsrer nicht geringen Verwunderung, von dieser trock- nen, unfruchtbaren Hoͤhe, eine Flucht wilder Endten vor uns aufsteigen. Was diese aus ihrem gewoͤhnlichen Lager im Rohre und von den morastigen Fluß-Ufern hieher gebracht haben konnte? laͤßt sich so leicht nicht begreifen. Kurz nachher ka- men wir uͤber einen andern Berg, auf welchem das Farnkraut und uͤbrige Buschwerk erst ohnlaͤngst mußte abgebrannt worden seyn, denn unsre Kleider wurden im Anstreifen noch uͤber und uͤber schwarz davon. Im Herabsteigen ge- langten wir endlich in ein fruchtbares Thal, durch welches ein huͤbscher Bach gegen die See hinaus lief. Die Einwohner hatten ihn hin und wieder mit Steinen aufgedaͤmmt, um dadurch das Wasser auf die Felder zu bringen, die mit Zehrwurzeln ( Arum esculentum ) bepflanzt waren, weil diese Pflanze einen morastigen und uͤberschwemmten Boden erfordert. Es gab hier zwey Arten davon; die eine hatte große glaͤnzende Blaͤtter und die Wurzel war wohl 4 Schuh lang, aber sehr grob fasericht, die zweyte Art hingegen, hatte kleine sammet- artige Blaͤtter und an dieser war die Wurzel feiner und wohlschmeckender. Doch sind beyde von scharfen und beißendem Geschmack, so lange bis sie verschiedenemal in Wasser abgekocht worden; die Schweine fressen sie indessen auch ohne Wider- willen und ohne Schaden roh. Je weiter wir dem Bache folgten, desto enger ward das Thal und desto steiler und waldichter die Berge zu beyden Seiten. in den Jahren 1772 bis 1775. Wo aber der Boden nur einigermaßen eben war, da standen uͤberall Coco-Nuß- 1773. August. baͤume, Pisang, Maulbeer-Baͤume und mancherley Wurzelwerk; auch sahe man eine Menge wohl- und nahe bey einander gelegener Haͤuser. An ver- schiednen Stellen fanden wir große Betten loser Kiesel, welche von den Bergen herabgeschwemmt zu seyn schienen und durch die bestaͤndige Bewegung des Was- sers allerhand runde Formen bekommen hatten. An den Bergen samleten wir ver- schiedne neue Pflanzen, wobey wir aber mehr als einmal Gefahr liefen die Haͤlse zu brechen, denn die Felsenstuͤcken rollten uns zuweilen unter den Fuͤßen weg. Eine große Menge Indianer versammlete sich um uns her und brachte Coco- nuͤsse, Brodfrucht und Aepfel in großem Ueberfluß zum Verkauf. Wir versorgten uns daher mit einem hinlaͤnglichen Vorrath und mietheten einige Leute, um uns das Eingekaufte nachtragen zu lassen. Nachdem wir ohngefaͤhr fuͤnf englische Meilen weit gegangen waren, setzten wir uns auf einen schoͤnen Rasen unter den Baͤumen nieder, um Mittag zu halten. Außer den unterwegens ange- schaften Fruͤchten bestand unsre Mahlzeit aus etwas Schweinefleisch und Fi- schen, welche wir vom Bord mitgenommen hatten. Die Tahitier machten einen Creis um uns her, unsern Wegweisern und Helfern aber gaben wir Erlaub- niß, sich neben uns zu setzen. Sie ließen sich’s herzlich gut schmecken, wun- derten sich aber, daß wir jeden Bissen in ein weißes Pulver tunkten, das ihnen gaͤnzlich unbekannt war. Wir hatten nemlich vom Schiffe aus etwas Salz mitgenommen und aßen es zu allen Speisen, so gar zur Brodfrucht. Verschie- dene von ihnen wuͤnschten es zu kosten, und fanden zum Theil Geschmack dar- an, der ihnen auch nicht fremd seyn konnte, weil sie bey ihren Fisch- und Fleischspeisen Seewasser als eine Bruͤhe zu gebrauchen pflegen S. Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen in 4. zweyter Band , pag. 197. und f. Um 4 Uhr Nachmittags duͤnkte es uns Zeit an den Ruͤckweg zu denken. Wir sahen jetzt eine Menge Indianer, mit wilden Plantanen beladen, uͤber die Berge herkommen, woselbst diese Frucht ohne Wartung waͤchst, aber auch von ungleich schlechterer Art ist als jene, die in den Ebenen ordentlich ge- hegt wird. Sie wollten diesen Vorrath, nach den Gezelten, zu Markte brin- K k 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. August gen, und da unser Weg ebenfalls dahin gieng, so folgten wir ihnen den Bach herab. An einer Stelle desselben hatten die herbeygelanfnen Kinder kleine Krebse ( prawns ) zwischen den Steinen aufgesucht und boten uns solche an. Als ein Beytrag zur Naturgeschichte dieser Insel waren sie uns ganz willkom- men, daher wir den Kindern eine Kleinigkeit von Corallen dafuͤr schenkten; kaum aber sahen dies die Alten, als ihrer mehr denn funfzig, theils Maͤnner, theils Weiber in den Bach wadeten, und uns eine solche Menge von dergleichen Krebsen brachten, daß wir ihre Muͤhe bald verbitten und unbelohnt lassen muß- ten. In Zeit von zwey Stunden langten wir endlich bey unsern Zelten auf Point- Venus wiederum an, und fanden den ehrlichen O-Wahau daselbst, der mei- nem Vater abermals ein Geschenk von Fruͤchten machte. Wir hatten auf un- serm heutigen Spatziergange bemerkt, daß es hier mehr muͤßige Leute als zu Aitepieha gab; auch schienen die Haͤuser und Pflanzungen hier verfallner und vernachlaͤßigter zu seyn als dort, und statt freundschaftlicher Einladungen mußten wir nichts als unbescheidne Bitten um Corallen und Naͤgel hoͤren. Doch hatten wir im Ganzen noch immer Urfach mit den Einwohnern zufrieden zu seyn; denn sie ließen uns wenigstens in ihrem herrlichen Lande uͤberall ungestoͤrt herum streifen. Daß sie zu allerhand kleinen Diebereyen sehr geneigt waͤren, hatten wir zwar ebenfalls verschiedentlich erfahren, doch niemals etwas von eini- gem Werthe dadurch eingebuͤßt; denn in den Taschen, denen am leichtesten beyzu- kommen war, fuͤhrten wir gemeiniglich nichts als das Schnupftuch, und die- ses bestand uͤberdem nur in einem Stuͤck duͤnnen Tahitischen Zeuges, daher sie sich bey allem Gluͤcke und Geschicklichkeit unsre Taschen auszuleeren, hintergan- gen fanden und ihre Beute gemeiniglich laͤchelnd wieder brachten. Meiner Meynung nach, ist diese Neigung bey den Tahitiern minder strafbar als bey uns; denn ein Volk, dessen Beduͤrfnisse so leicht zu befriedigen, und dessen Le- bensart so gleichfoͤrmig ist, kann wuͤrklich unter sich nur wenig Veranlassungen zur Dieberey haben, wie denn auch ihre offenen Haͤuser, ohne Thuͤr und Riegel zur Gnuͤge beweisen, daß in dieser Absicht keiner von dem andern etwas zu besorgen hat. Wir sind also an dieser ihrer Untugend in so fern selbst schuld, weil wir die erste Veranlassung dazu gegeben, und sie mit Dingen bekannt gemacht haben, deren verfuͤhrerischem Reiz sie nicht widerstehen koͤnnen. Ueberdies halten sie in den Jahren 1772 bis 1775. selbst, dem Anschein nach, ihre Diebereyen eben fuͤr so strafbar nicht, weil 1773. August. sie vermuthlich glauben, daß uns dadurch doch kein sonderlicher Schaden zu- gefuͤgt werde. In unsrer Abwesenheit hatten die Capitains den Koͤnig zu Parre besucht, und es war ihnen zu Ehren ein dramatischer Tanz aufgefuͤhrt worden, worinn Ihro Koͤnigl. Hoheit Taura ï die Hauptrolle spielte. Sie erschien eben so ge- kleidet, und ihre Pantomime war eben so beschaffen als in Capitain Cooks vo- riger Reise beschrieben ist. S. Hawkesworths Gesch. der engl. See-Reisen, in 4. zweyter Band, pag. 261. — Auch die Kupferplatte Nro. 38. ob solche gleich keinen Begrif von den Tahitiern giebt. Zween Mannspersonen tanzten in den Zwischen- zeiten, wenn sich die Prinzeßinn ausruhte, und sungen oder sprachen alsdenn auch, mit seltsam verzerrten Grimassen, einige Worte her, die sich allem An- schein nach auf den Gegenstand des Tanzes bezogen, unsern Leuten aber un- verstaͤndlich waren. Die ganze Vorstellung dauerte ohngefaͤhr anderthalb Stunden und Tedua Taura ï zeigte dabey eine bewundrungswuͤrdige Geschick- lichkeit, die alles uͤbertraf, was man in dieser Art auf der vorigen Reise zu Ulietea gesehn hatte. Am folgenden Morgen sandte Capitain Cook den Lientenant Pickers- gill in aller Fruͤhe nach dem suͤdwestlichen Theil der Insel, um frische Lebens- mittel, besonders aber einige Schweine einzukaufen, weil wir bis jetzt von dem Koͤnige nur zwey Stuͤcke erhalten hatten. Wir unsers Theils blieben diesen ganzen Tag uͤber am Bord, um die gestern eingesammleten Pflanzen zu be- schreiben. Abends um 10 Uhr, entstand am Strande, dem Schiffe ge- genuͤber, ein gewaltiger Laͤrmen; die Capitains vermutheten sogleich, daß solcher auf eine oder die andre Weise von unsern Leuten herruͤhren muͤsse und sandten deshalb ohnverzuͤglich etliche Boote mit den erforderlichen Officiers da- hin, welche denn auch die Thaͤter bald an Bord brachten. Es waren verschiedne See-Soldaten und ein Matrose, welche sich von dem bey den Zelten befehlha- benden Officier Erlaubniß ausgebeten, spatzieren zu gehen, jedoch uͤber die Zeit ausgeblieben waren und einen Indianer gepruͤgelt hatten. Der Capitain ließ sie sogleich in Ketten legen, weil es von der aͤußersten Wichtigkeit war, ihr Ver- gehen exemplarisch zu bestrafen, um mit den Einwohnern in gutem Vernehmen K k 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. August. zu bleiben. O-Tu hatte versprochen, am folgenden Morgen mit seinem Va- ter an Bord zu kommen; dieser Laͤrm aber, wovon er eine halbe Stunde nachher sogleich Nachricht erhalten, machte ihn mißtrauisch gegen uns. Er schickte also einen seiner vornehmsten Hofbedienten, Namens E-Ti , als Bo- then oder Gesandten ( Whanno no t’ Eri ) S. Hawkesworths Geschichte der engl. See Reisen, in 4. zweyter Band, pag. 240. ab, um sich wegen seines Aus- senbleibens entschuldigen zu lassen. Ehe dieser aber aus Schiff kam, waren Dr. Sparrmann und ich schon wieder nach dem Lande und zwar nach dem Platze hingegangen, wo gestern Abend der Handel vorgefallen war, von da wir weiter ins Innere des Landes zu gehen gedachten. Der alte O-Whaa , S. oben pag. 242. und Hawkesworths Gesch. II. Band, pag. 81. 91. ꝛc. der immer so friedfertige Gesinnungen geaͤußert, kam uns am Strande entgegen, und gab uͤber den gestrigen Vorfall sein Mißvergnuͤgen zu erkennen. Wir versi- cherten ihn dagegen, daß es uns nicht minder unangenehm sey, daß aber die Verbrecher schon in Eisen waͤren und harte Strafe zu gewarten haͤtten, und dies stellte ihn voͤllig zufrieden. Da wir vom Schiffe niemand mit uns genommen hatten, so baten wir O-Whaa uns Jemanden zu schaffen, dem wir unser Ge- raͤthe ꝛc. zu tragen anvertrauen koͤnnten. Es bothen sich verschiedne dazu an, er waͤhlte aber nach seinem eignen Gefallen einen starken tuͤchtigen Kerl, dem denn auch gleich ein Sack fuͤr die Pflanzen und einige Koͤrbe mit Tahitischen Aepfeln eingehaͤndigt wurden, welche wir hier so eben erhandelt hatten. In diesem Aufzuge wanderten wir nunmehro mit unserm Begleiter uͤber One- Tree-hill weg und gelangten in eins der vordersten Thaͤler von O-Parre . Hier beguͤnstigte uns das Gluͤck mit einer botanischen Entdeckung. Wir fanden nemlich einen neuen Baum, der das praͤchtigste Ansehen von der Welt hatte. Er prangte mit einer Menge schoͤner Bluͤthen, die so weiß als Lilien, aber groͤßer und mit einem Buͤschel Staubfaͤden versehen waren, welche an den Spi- tzen eine glaͤnzende Carmosinrothe Farbe hatten. Die hier beygefuͤgte Abbildung dieser schoͤnen Bluͤthe wird dem Leser vermuthlich willkom- men seyn. A. d. V. Es waren ihrer bereits so viele abgefallen, daß der ganze Boden voll davon lag. Diesen schoͤnen Baum nannten wir Barringtonia, in der Landessprache aber heißt er Huddu ( huddoo, ) und die Einwohner versicherten, wenn man die nußartige Frucht des- in den Jahren 1772 bis 1775. selben zerstoßen, und, mit dem Fleisch der Muscheln vermischt, ins Meer werfe, 1773. August. wuͤrden die Fische auf einige Zeit dergestalt betaͤubt davon, daß sie oben aufs Wasser kaͤmen und sich mit den Haͤnden fangen ließen. Es ist sonderbar, daß verschiedne Seepflanzen zwischen den Wendezirkeln eben diese Eigenschaft haben; dergleichen sind vornemlich die Kuckels -Koͤrner ( cocculi indici, ) welche in Ostindien bekannt sind und zu gleicher Absicht gebraucht werden. Wir waren uͤber unsern botanischen Fund viel zu sehr erfreut, als daß wir mit der naͤheren Untersuchung desselben, bis zur Ruͤckkunft ans Schiff haͤtten warten koͤnnen. In dieser Absicht sprachen wir ohne Umstaͤnde in ein huͤbsches Haus von Rohr ein, um welches wohlriechende Stauden und einige Coco-Nußbaͤume ge- pflanzt waren. Vermoͤge der so oft belobten Gastfreyheit des Landes, ließ der Eigenthuͤmer desselben, gleich bey unserm Eintritt, einen Knaben auf eine der hoͤchsten Palmen steigen, um Nuͤsse fuͤr uns zu holen, und der junge Bursche richtete seinen Auftrag mit wunderbarer Geschicklichkeit aus. Er befestigte nemlich an beyden Fuͤßen ein Stuͤck von der zaͤhen Pisang-Rinde, welches just so lang war, daß es rings um den Stamm reichte, und ihm als ein Tritt oder fester Punct diente, immittelst er sich mit den Haͤnden hoͤher hob. Die natuͤrliche Bildung der Coco-Palme, die alle Jahr einen dicken Ring um den Stamm ansetzt, erleichterte ihm zwar diese Art des Aufsteigens; doch blieb die Geschwin- digkeit und Leichtigkeit, mit welcher er dabey zu Werke gieng, immer sehr bewun- drungswerth. Wir wuͤrden dieser Guͤte und Aufmerksamkeit unwerth ge- wesen seyn, wenn wir dem Wirth beym Abschied nicht ein klein Geschenk ge- macht und den Knaben fuͤr seine Geschicklichkeit nicht belohnt haͤtten. Von hier aus giengen wir das Thal weiter hinauf welches, wieder die gewoͤhnliche Art, in der Mitte keinen Bach hatte, und gegen die Berge zu in die Hoͤhe lief. Zur Linken war es von einem Berge eingeschlossen, den wir, so steil er auch war, zu besteigen gedachten. Es ward uns aber herzlich sauer, und unser Tahitischer Begleiter lachte uns aus, daß wir vor Muͤdigkeit alle Augen- blick niedersitzen mußten, um wieder zu Athem zu kommen. Wir hoͤrten wie er hinter uns, zwar sehr langsam, aber mit ofnem Munde, sehr stark schnaubte. Wir versuchten also nachzumachen, was vermuthlich die Natur ihn gelehrt hat- te, und fanden diese Methode auch wuͤrklich besser als das oͤftere kurze Athem- Forster’s Reise um die Welt 1773. August. holen, bey welchem es uns zuvor immer an Luft fehlte. Endlich erreich- ten wir den Gipfel des Berges, wo der Weg wieder eben wurde, und noch uͤberdies ein angenehmes Luͤftchen uns ungemein erfrischte. Nachdem wir aber auf dieser hohen Flaͤche eine Strecke weiter gegangen waren, noͤthigte uns die vom duͤrren Boden zuruͤckprallende brennende Sonnenhitze, im Schatten ei- nes einsam stehenden Pandangs oder Palm-Nußbaums Pandanus Rumph. Herb. Amb. Athrodactylis Forster . Nov. Gen. Plantarum — Keura . Forskal. niederzusitzen, wo- durch selbst unserm Begleiter ein großer Dienst geschahe. Die Aussicht war von hier aus vortreflich. Wir sahen tief auf die Ebne von Matavai herab, die alle ihre Reize gleichsam zu unsern Fuͤßen ausbreitete; vor derselben lag die Bay mit den Schiffen, von einer Menge Canots bedeckt und mit dem Ryf eingeschlossen, welches O-Tahiti umgiebt. Die Mittagssonne warf ein staͤtes, ruhiges und gleichformiges Licht auf den ganzen Prospect, und in einer Entfernung von ohn- gefaͤhr 6 starken englischen See-Meilen ( leagues, ) erblickte man die niedrige In- sel Tedhuroa . Sie bestand aus einem kleinen Zirkel von Felsen, die mit einigen Palmen besetzt waren, und jenseits derselben verlor sich die Aussicht in das weite Meer hinaus. Von den uͤbrigen benachbarten Inseln, die wir nicht sehen konn- ten, zeigte unser Begleiter uns wenigstens die Lage, und erzaͤhlte dabey, ob und was daselbst wachse? ob die Inseln bergigt oder flach, bewohnt oder unbe- wohnt, oder nur dann und wann besucht wuͤrden? Tedhuroa gehoͤrte zu der letztern Art, und es kamen eben zwey Canots mit aufgesetzten Segeln von daher zuruͤck. Der Tahitier sagte: sie wuͤrden vermuthlich auf den Fischfang aus gewesen seyn, der in dem dortigen beschloßnen See ungemein ergiebig waͤre. Nach- dem wir uns auf dieser Stelle ein Weilchen ausgeruht hatten, so giengs wieder fort und auf die im Innern der Insel gelegenen Berge los. Diese lockten uns nicht nur durch den schoͤnen Anblick ihrer noch reich belaubten Waͤlder, in de- nen wir mache neue Pflanze zu finden hoffen konnten, sondern auch durch ihre anscheinende Nachbarschaft. Hievon wurden wir indessen bald das Gegentheil ge- wahr; es waren nemlich von hier aus, noch eine Menge duͤrrer Berge und Thaͤ- ler zu paßiren, die uns keine Hoffnung uͤbrig ließen, noch heute dahin zu kom- in den Jahren 1772 bis 1775. kommen. Wir gedachten deshalb die Nacht unterwegens zuzubringen, allein 1773. August. bey naͤherer Ueberlegung fanden wir es nicht rathsam, weil niemand wußte, wenn der Capitain eigentlich abzuseegeln gedachte und weil wir auch nicht mit Lebensmitteln versehen waren. Ueberdem sagte uns unser Begleiter, wir wuͤr- den auf den Bergen weder Menschen, noch Wohnungen, noch Lebensmittel finden; daher es besser sey, wieder nach dem Thal von Matavai zuruͤckzukeh- ren, dahin man, vermittelst eines schmalen Fussteiges, den er uns anzeigte, geraden Weges hinab kommen koͤnne. Wir folgten also seinem Rath, fanden aber das Heruntersteigen auf diesem Wege gefaͤhrlicher als das Heraufsteigen von jener Seite gewesen war. Wir strauchelten alle Augenblick, und an manchen Stellen mußten wir uns gar niedersetzen und herabrutschen. Unsre Schuhe waren von dem trocknen Grase, worauf wir gegangen, so glatt geworden, daß wir es in dieser Absicht weit uͤbler hatten als unser Indianer, der barfus, und deshalb ungleich sichrer gieng. Wir gaben ihm unsre Vogel-Flinten, damit wir auch von den Haͤnden Gebrauch machen koͤnnten; endlich nahmen wir sie wieder, ließen ihn vorauf gehen und lehnten uns, an den gefaͤhrlichsten Stellen, auf seine Arme. Als wir ohngefaͤhr halb herunter waren, rief er ei- nigen Leuten im Thal zu; wir glaubten aber daß sie ihn, wegen der Entfernung, nicht gehoͤrt haben wuͤrden, zumal da er keine Antwort bekam. Indessen waͤh- rete es nicht lange, so sahen wir etliche derselben sehr geschwind den Berg her- auf kommen und in weniger denn einer halben Stunde waren sie bey uns. Sie brachten drey frische Cocos-Nuͤsse mit, die uns ungleich besser schmeckten, denn irgend eine, welche wir je gekostet hatten. Ob dem wuͤrklich also war, oder ob es uns der damaligen Ermuͤdung wegen nur so vorkam? will ich nicht entscheiden. Sie bestanden darauf, daß wir ein wenig ausruhen moͤch- ten; und vertroͤsteten uns auf eine ganze Parthey Cocos-Nuͤsse, welche sie etwas weiter herab in Bereitschaft gelegt, vor erst aber nur diese wenige haͤtten herauf bringen wollen, damit wir nicht zu eilig trinken moͤgten. Ihre Vorsorge verdiente in aller Absicht Dank, allein wir waren so durstig, daß wir’s kaum erwarten konn- ten, bis sie uns erlauben wollten weiter zu gehen Endlich machten wir uns wieder auf den Weg und kamen, auf einem flachen Grunde, in ein herrliches kleines Gebuͤsch, wo wir, ins frische Gras gelagert, den kuͤhlen Nectar ge- Forster’s Reise u. d. W. erster Th. L l Forster’s Reise um die Welt 1773. August. nossen, welchen unsre Freunde herbey geschaft hatten. Durch diese Erfrischung fuͤhlten wir uns ganz gestaͤrkt und giengen mit neuen Kraͤften vollends nach dem Thal hinab. Gleich versammlete sich eine Menge Indianer, die uns allerseits uͤber die Ebne nach der See hin begleiten wollten. Eben da sie Anstalt dazu machten, kam ein wohl aussehender Mann, nebst seiner Toch- ter, einem jungen Maͤdchen von sechzehen Jahren, herbey, und bat uns, in seinem Hause, welches etwas weiter aufwaͤrts lag, eine Mahlzeit einzunehmen. Ob wir nun gleich so herzlich muͤde waren, daß wir dieser Ehre gern waͤren uͤber- hoben gewesen; so wollten wir seine Hoͤflichkeit doch nicht verschmaͤhen und folgten ihm also. Der Weg gieng ohngefaͤhr 2 Meilen weit, an den herrlichen Ufern des Matavai-Flusses , uͤberall durch schoͤne Pflanzungen von Cocos- Brod- frucht- Aepfel- und Maulbeer-Baͤumen, die mit Feldern von Pisang- und Arum- Wurzeln abwechselten. Laͤngst dem ganzen Thal hinauf, schlaͤngelte sich der Fluß immer queer uͤber den Weg, so daß man oft durchwaden mußte; allein unser Fuͤhrer, nebst seinen Bedienten, bestanden darauf, uns jedesmahl auf ihren Ruͤcken hindurchzutragen. Endlich kamen wir bey unsres Wirthes Hause an, das auf einem kleinen Huͤgel lag, neben welchem der Fluß uͤber ein Kieselbette sanft vorbey rauschte. Die Anstalten zur Mahlzeit waren bald ge- macht; in einer Ecke des Hauses breitete man eine schoͤne Matte auf die Erde und die Verwandten unsers Freundes setzten sich neben derselben um uns her. Seine Tochter uͤbertraf an zierlicher Bildung, heller Farbe und angenehmen Ge- sichtszuͤgen, fast alle Tahitischen Schoͤnheiten, die wir bisher gesehn, und Sie sowohl als andre ihrer jungen Gespielen ließen es gewiß an nichts fehlen, sich beliebt zu machen. Das thaͤtigste Mittel, welches sie außer ihrem gewoͤhnli- chen Laͤcheln anwandten, unsre schlaͤfrige Muͤdigkeit zu vertreiben, bestand dar- inn, daß sie uns mit ihren weichen Haͤnden die Arme und die Schenkel gelinde rieben und dabey die Muskeln zwischen den Fingern sanft zusammen druͤckten. Diese Operation bekam uns vortreflich. Ob sie den Umlauf des Bluts in den feinern Gefaͤßen befoͤrdern, oder den erschlaften, muͤden Muskeln ihre vorige Elasticitaͤt unmittelbar wieder geben mochte? will ich nicht entscheiden; genug, wir wurden nach derselben ganz munter und spuͤrten in kurzer Zeit nicht das ge- ringste mehr von unsrer vorigen Ermuͤdung. Capitain Wallis gedenkt dieser in den Jahren 1772 bis 1775. hier eingefuͤhrten Behandlung ebenfalls und ruͤhmt die wohlthaͤtige Wuͤrkung 1773. August. derselben aus eigner Erfahrung. S. Hawkesworths Gesch. der engl. See Reisen, in 4. erster Band, pag. 238. Osbeck sagt in der Beschreibung seiner Reise nach China , daß diese Operation daselbst sehr gewoͤhnlich sey, und daß besonders die Chinesischen Barbierer ausnehmend gut damit umzugehen wuͤß- ten. Osbecks und Toreens Reisen nach China . Endlich, findet man in Grose’s ostindischer Reisebeschreibung umstaͤndliche Nachricht von einer Kunst, die bey den Ostindianern Tschamping genannt wird, und nichts anders als eine wolluͤstige Verfeinerung eben dieses Staͤrkungsmittels zu seyn scheint, ja er fuͤhrt sogar aus dem Martial und Seneca Stellen an, Grose’s Voyage englische Ausgabe, Vol. I. p. 113. aus welchen sich mit Wahrscheinlichkeit schließen laͤßt, daß auch den Roͤmern dieser Handgrif bekannt gewesen seyn muͤsse: Percurrit agili corpus arte tactatrix Manumque doctam spargit omnibus membris. Martial . Wir hatten nun nicht laͤnger Ursach uͤber Mangel von Appetit zu klagen, woran es uns zuvor, blos der Muͤdigkeit wegen, gefehlt hatte; denn sobald das Essen auf- getragen ward, welches, der laͤndlichen Genuͤgsamkeit der Einwohner gemaͤs, aus nichts als Fruͤchten und Wurzelwerk bestand, so fielen wir ganz herzhaft dar- uͤber her und fanden uns, nach eingenommener Mahlzeit wiederum so munter, als wir am fruͤhen Morgen kaum gewesen waren. Nachdem wir auf solche Art wohl zwey Stunden bey dieser gastfreyen Familie zugebracht hatten, so beschenk- ten wir unsern guͤtigen Wirth, imgleichen seine schoͤne Tochter nebst ihren Freun- dinnen, deren Sorgfalt wir die geschwindere Herstellung unsrer Kraͤfte haupt- saͤchlich zu verdanken hatten, so reichlich es unser Vorrath von Corallen, Naͤgeln und Messern zulassen wollte, und schieden alsdenn ohngefaͤhr um 3 Uhr von ihnen. Auf dem Ruͤckwege kamen wir bey vielen Haͤusern vorbey, deren Be- wohner sich im Schatten ihrer Frucht-baͤume truppweise hingelagert hatten und den schoͤnen Nachmittag gemeinschaftlich mit einander genossen. In einem die- L l 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. August. ser Haͤuser sahen wir einen Mann mit der Zubereitung einer rothen Farbe beschaͤs- tigt, welche sie zu dem aus der Staude des Chinesischen Maulbeerbaums ver- fertigten Zeuge gebrauchen. Wir fanden zu unsrer großen Verwundrung, daß der gelbe Saft einer kleinen Feigen-Art, hier Mattih genannt, und der gruͤne Saft eines Farren- oder andern Krautes, die einzigen Ingredienzien dieser Farbe ausmachten. Durch bloße Mischung derselben, entstand ein hohes Carmo- sin-Roth, welches die Frauen mit den Haͤnden uͤber das Stuͤck herrieben, wenn es durchaus gleich gefaͤrbt werden sollte: Wollten sie es aber nur gesprenkelt oder nach besondern Mustern aufgetragen haben; so bedienten sie sich eines Bambu- Rohrs dazu, das in den Saft eingetunkt, und bald in dieser, bald in jener Rich- tung aufgedruckt wurde. Diese Farbe ist aber ungemein zart; außerdem daß sie keine Art von Naͤsse, nicht einmal Regen vertragen kann, verschießt sie auch, blos von der Luft, sehr bald und bekommt alsdenn ein schmutziges Ansehen. Dem ohnerachtet stehet das damit gefaͤrbte oder vielmehr gemahlte Zeug bey den Tahitiern in sehr hohen Werth, und wird nur von den vornehmern Leuten getra- gen. Fuͤr Naͤgel und Corallen kauften wir etliche Stuͤcke desselben von verschied- nen Arten, und kehrten darauf nach unsern Gezelten zuruͤck, die von dem Orte wo wir gespeißt hatten, wenigstens 5 Meilen entfernt waren. Hier verabschiede- ten und belohnten wir unsern ehrlichen Gefaͤhrten, den uns O-Wahau empfoh- len und der uns mit groͤßerer Treue und Redlichkeit gedient hatte, als man bey der herrschenden Neigung des Volks zum Diebstahl haͤtte erwarten sollen. Sein Betragen war um so verdienstlicher, da er waͤhrend dieser Tagereise mehr denn einmal Gelegenheit gehabt hatte, mit allen unsern Naͤgeln und Flinten ohnge- hindert davon zu laufen —, warlich, eine so starke Versuchung, daß ein hier zu Lande ungewoͤhnlicher Grad von Rechtschaffenheit erfordert ward, ihr zu wi- derstehen. Fuͤr ein Paar Corallen ließen wir uns sodann in einem Canot nach dem Schiffe uͤbersetzen. Der Capitain und mein Vater, die in unsrer Abwesenheit einen Spa- tziergang gen Westen vorgenommen hatten, waren eben erst wieder an Bord zu- ruͤck gelangt. Sie erzaͤhlten uns, daß gleich nachdem wir sie heute fruͤh verlassen haͤtten, E-ti , als Gesandter des Koͤnigs, zu ihnen gekommen sey, und dem Ca- pitain ein Schwein, imgleichen Fruͤchte zum Geschenk uͤberbracht, aber dabey in den Jahren 1772 bis 1775. gemeldet habe, daß O-Tuh , des gestrigen Vorfalls wegen, matau , das 1773. August. heißt, in Furcht gesetzt und zugleich uͤbel auf uns zu sprechen sey. Um ihn nun zu uͤberfuͤhren, daß wir selbst die Ausschweifungen unsrer Leute nicht gut hießen, wurden die Verbrecher aufs Verdeck gebracht und bekamen in seiner Gegenwart, zum Schrecken aller anwesenden Tahitier , ein jeder zwoͤlf Strei- che. Nach dieser Execution ließ Capitain Cook drey Schaafe, als so viel ihrer von denen am Cap eingekauften noch uͤbrig waren, ins Boot schaffen, und gieng in Begleitung Capitain Furneaux und meines Vaters, aus Land, um das Vertrauen des Koͤnigs wieder zu gewinnen, ohne welches im ganzen Lande keine Lebensmittel zu erhalten waren. Als sie nach Parre kamen, sagte man ihnen, der Koͤnig sey von hier nach Westen aufgebrochen; sie folgten ihm also 4 bis 5 Meilen weiter und landeten endlich in einem District, Tittahah ge- nannt, wo sie einige Stunden auf ihn warten mußten. Wuͤrklich hatte er sich aus Furcht fuͤr uns, in aller Eil, 9 Meilen weit von Matavai -Bay entfernt. Eine so schnelle und durch eine solche Kleinigkeit veranlaßte Flucht, ver- rieth freylich von seiner Seite ungemein viel Feigherzigkeit; doch ist sie ihm zu vergeben, wenn man bedenkt, wie blutig und furchtbar die Eu- ropaͤer diesem Volke ihre Gewalt und Uebermacht ehemals gezeigt hatten. — Es ward 3 Uhr Nachmittags, ehe er mit seiner Mutter bey den Capitains an- kam, Er voll Furcht und Mißtrauen und Sie mit Thraͤnen in den Augen. Sobald ihm aber E-Ti Bericht abgestattet hatte, daß die Verbrecher in seiner Gegenwart waͤren abgestraft worden, ward er ruhiger, und der Anblick einer neuen Art von Thieren, die ihm Capitain Cook unter wiederholten Freundschafts- versicherungen schenkte, stellte das gute Vernehmen bald wieder gaͤnzlich her. Auf Sr. Majestaͤt Verlangen mußte nun auch unser Bergschotte wieder auf dem Dudelsack spielen, und die geringfuͤgige Kunst dieses Virtuosen war hier so wuͤrksam als Davids Harfe, deren harmonischere Toͤne Sauls Schwermuth zu vertreiben pflegten. Die gute Wuͤrkung der Musie zeigte sich bald thaͤtig. Der Koͤnig ließ ein Schwein kommen, und schenkte es dem Capitain Cook ; und bald nachher ließ er noch ein zweytes fuͤr Capitain Furneaux bringen. Da diese Herren bald von der Insel abzusegeln gedachten, und daher glaubten, dies sey die letzte Gelegenheit, Geschenke von Sr. Majestaͤt zu erhalten, so ver- L l 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. Septem- ber. langten sie, daß Er fuͤr Matara , oder meinen Vater, auch eins hergeben moͤgte. Dies geschah, es war aber nur ein kleines Ferken. Als unsre Leute uͤber diesen Unterschied einiges Mißvergnuͤgen zu erkennen gaben, trat sogleich einer von des Koͤnigs Verwandten in aufsteigender Linie, die alle Medua (Vater) genannt werden, aus dem Gedraͤnge hervor, redete, unter gewaltigen Gesticulationen, den Koͤnig mit lauter Stimme an, und zeigte bald auf unsre Leute, bald auf die erhaltnen Schaafe und bald auf das kleine Ferken. Kaum hatte der Redner zu sprechen aufgehoͤrt, als letzteres wieder weggenommen und an dessen Statt ein großes Schwein herbeygebracht wurde. Diese Bereitwilligkeit belohnte man durch freygebige Austheilung von allerhand Eisengeraͤthschaften und andern Kleinigkeiten, die Indianer aber erwiederten solches durch mancherley Ahau’s oder Stuͤcken von hiesigen Zeuge, in welche sie unsre Leute einkleideten, worauf diese sich vom ganzen Hofe beurlaubten und ohngefaͤhr um 5 Uhr an die Schiffe zu- ruͤckkamen. Da der Capitain am folgenden Tage die Insel gaͤnzlich zu verlassen gedach- te; so wurden Vorkehrungen zur Abreise gemacht. Beym Anblick dieser Zuruͤ- stungen, deren Bedeutung die Indianer schon von ehemals her kannten, eilten sie zu guter letzt mit Fischen, Muscheln, Fruͤchten und Zeuge noch haufenweise herbey, und wurden alles los. Der Lieutenant Pickersgill , der seit vorgestern vom Schiffe abwesend war um Lebensmittel einzuhandeln, kam heute gegen 3 Uhr Nachmittags von dieser Expedition zuruͤck. Er war noch jenseits der fruchtbaren Ebnen von Paparra gewesen, wo O-Ammo , S. in Hawkesworths Gesch. der engl. See-Reisen, in 4. zweyter Band , pag. 151. u. 164 woselbst dieser Name Oamo ortographirt ist. der ehemals als Koͤnig uͤber ganz Tahiti geherrscht hatte, mit seinem Sohn dem jungen T’Eri- Derre S. Ebendaselbst pag. 152. allwo dieser Name in Terridiri entstellt ist. sich aufhielt. Die erste Nacht hatte er auf der Graͤnze eines klei- nen Districts zugebracht, der gegenwaͤrtig der bekannten Koͤniginn O-Purea ( Oberea ) zugehoͤrte. So bald ihr die Nachricht von seiner Ankunft war hin- terbracht worden, kam und bewillkommte sie ihn, als einen ihrer alten Bekann- ten mit den lebhaftesten Freundschaftsbezeugungen. Schon seit des Capitain Wallis Abreise, hatte sie sich von ihrem Gemahl Siehe ebendaselbst. getrennt und in den Jahren 1772 bis 1775. war nunmehro von jener Groͤße, die ihren Namen in der Geschichte dieses 1773. Septem- ber. Landes und unter den Europaͤern ehemals so beruͤhmt gemacht hatte, gaͤnzlich herabgesunken. S. Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen, in 4. erster Band , pag. 236. u. folg. Imgleichen zweyter Band , pag. 151. 152. 164. u. 173. ꝛc. Hieran waren vornemlich die innerlichen Kriege zwischen den beyden Halbinseln schuld, denn durch diese war Sie, und der ganze District Pa- parra , in großen Verfall gerathen. Sie klagte gegen den Lieutenant, daß sie tihtih (arm) sey, und ihren Freunden, den Europaͤern, nicht einmal ein Schwein zu schenken vermoͤgte. Da auf solche Weise von ihr nichts zu er- warten war, so gieng er am folgenden Morgen nach Paparra zuruͤck, und be- suchte daselbst den vorigen Gemahl, der O-Purea , Namens Ammo , der seit- dem eine der huͤbschesten jungen Maͤdchen im Lande genommen hatte, fuͤr seine Person aber alt und unthaͤtig geworden war. Seine Schoͤne schenkte unsern Leu- ten ein Schwein, und gesellte sich, als sie abreisen wollten, nebst einigen ihrer weiblichen Bedienten zu ihnen, fuhr auch den ganzen Tag uͤber getrost mit in unserm Boote; indeß ihr eignes Canot neben her ging, um sie wieder zuruͤckzu- bringen. Sie schien ungemein neugierig zu seyn und mußte wohl nie Euro- paͤer gesehen haben; denn unter andern zweifelte sie, ob solche in allen Stuͤcken wie ihre Landsleute beschaffen waͤren, bis ihr der Zweifel ganz foͤrmlich, durch klaren Augenschein, benommen ward. Mit dieser ihrer Begleiterin landeten sie endlich zu Attahuru , woselbst ein angesehener Befehlshaber, Namens Potatau S Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen, in 4. zweyter Band , pag. 169. sie gut aufnahm und in seinem Hause die zweyte Nacht uͤber beher- bergte. Auch dieser hatte sich von seiner Frau Polatehera geschieden und eine juͤngere genommen, immittelst jene sich ebenfalls einen neuen Liebhaber oder Mann zugelegt hatte; doch lebten beyde Theile, dieser Familien-Veraͤnderung ohngeachtet, so friedlich als je, noch immer unter einem Dache. Am folgen- den Morgen ließ sich Potatau gegen Herrn Pickersgill verlauten, daß er ihn gern nach Matavai begleiten wuͤrde, um Capitain Cook zu besuchen, wenn er nur gewiß waͤre, von diesem gut aufgenommen zu werden? Das koͤnnte ihm Herr Pickersgill allerdings gewiß versprechen; Potatau aber zog, meh- rerer Sicherheit wegen, ein Paar gelbe Federn hervor, band sie in einen kleinen Busch zusammen, und bath Herrn Pickersgill , solchen in der Hand Forster’s Reise um die Welt 1773. Septem- ber. zu halten und dabey zu versprechen, “daß Tute (Capitain Cook ) Potatau’s “Freund seyn wolle.“ So bald dies geschehen war, wickelte er die Federn sorgfaͤltig in ein Stuͤckgen Tahitisches Zeug und steckte sie in seinen Turban. Daß die Einwohner dieser Insel dergleichen rothe und gelbe Federn bey ihren Gebeten zu gebrauchen pflegen, war uns schon aus den Nachrichten unsrer Vorgaͤnger bekannt; daß sie solche aber auch, nach Maasgabe vorbeschriebner Ceremonie, zu feyerlichen Betheurungen anwenden, und folglich gewisse Be- griffe vom Eyde unter sich haben, — das duͤnkte uns eine ganz neue Bemer- kung zu seyn. Potatau mußte das groͤßte Vertrauen in diese Ceremonie setzen und vermoͤge derselben von der Redlichkeit seiner Freunde vollkommen uͤberzeugt seyn, denn unmittelbar darauf machte er sich, in Begleitung seiner Gemahlinnen und verschiedner Bedienten, die ein Paar Schweine und eine Menge Zeug mit- nehmen mußten, nach Herrn Pickersgills Boote hin, auf den Weg. Allein kaum war er unter einem großen Gedraͤnge von Volk bis ans Ufer gekommen, als ihn die Leute insgesammt bathen, sich nicht unter uns zu wagen. Einige fielen ihm so gar zu Fuͤßen und umfaßten seine Knie um ihn zuruͤck zu halten. Ver- schiedne Frauenspersonen schrien mit thraͤnenden Augen, mehr als einmal, Tute wuͤrde ihn umbringen, so bald er an Bord kaͤme! und ein bejahrter Mann, der in Potataus Hause wohnte und ein alter treuer Diener der Familie zu seyn schien, zog ihn bey den Kleidern zuruͤck. Potatau war geruͤhrt; ließ auf etliche Augenblicke lang einige Besorgniß blicken, ermannte sich jedoch bald wie- der, sties den warnenden Alten auf die Seite und rief mit entschloßner Stimme: Tute aipa matte te tayo , d. i. Cook wird seinen Freund nicht umbringen! Bey diesen Worten sprang er ins Boot, mit einer stolzen, ih- res eignen Werths sich bewußten Dreistigkeit, die unsere Englaͤnder mit einer Art von Ehrfurcht bewunderten. So bald er bey uns auf dem Schiffe an- kam, eilte er nebst seiner Gemahlin Whainie-au , imgleichen mit seiner vo- rigen Gemahlin und derselben Liebhaber alsbald nach der Cajuͤtte herab, um dem Capitain Cook seine Geschenke zu uͤberreichen. Potatau war einer der groͤße- sten Maͤnner, die wir auf der Insel gesehen hatten; dabey waren seine Gesichts- zuͤge so voller Sanftmuth, Schoͤnheit und Majestaͤt, daß Herr Hodges sich gleich daran machte, nach ihm, als einem der edelsten Modelle in der Natur zu in den Jahren 1772 bis 1775. zu zeichnen. Man findet dies Portrait in Capitain Cooks Beschreibung ge- 1773. Septem- ber. genwaͤrtiger Reise. Der ganze Coͤrper dieses Mannes war ungemein ansehnlich und besonders stark von Gliedern; sein Schenkel war zum Beyspiel vollkommen so dick als unser staͤrkster Matrose im Leibe. Seine weitlaͤuftigen Kleidungen nebst dem zierlichen weißen Turban schickten sich sehr gut zu dieser Figur; und sein edles freymuͤthiges Betragen gefiel uns, besonders in Vergleichung mit O-Tuhs mißtrauischem Wesen, uͤber alle Maaße. Polatehera , seine erste Gemahlin, war ihm an Groͤße und Corpulenz vollkommen aͤhnlich, und in diesem Betracht duͤnkte sie uns allen die sonderbarste Figur von einer Frauensperson zu seyn, die wir je gesehen hatten. Beydes, ihr Anblick und ihr Betragen, waren ungemein maͤnnlich, und der Begriff von Gewalt und Herrschaft schien in ihrer Gestalt personificirt zu seyn. Als das Schiff Endeavour hier vor Anker lag, hatte sie einen uͤberzeugenden Beweis davon gegeben. Sie nannte sich da- mals des Capitain Cooks Schwester Capitain Cook ist ein ungemein langer aber hagerer Mann. Tuaheine no Tute , und als man sie, dieses Namens ohnerachtet, eines Tages nicht ins Fort auf Point Venus hineinlassen wollte, schlug sie die Schildwache, welche es ihr zu wehren suchte, zu Boden, und klagte darauf ihrem adoptirten Bruder die schimpfliche Begegnung welche ihr wiederfahren waͤre. — Sie waren noch nicht lange bey uns gewesen, als sie erfuhren, daß wir so gleich unter See- gel gehen wuͤrden. Daher fragten sie uns mit allen erfinnlichen Freund- schafts-Bezeugungen und mit Thraͤnen in den Augen, ob wir jemahls wieder nach Tahiti kommen wuͤrden? Capitain Cook versprach, in sieben Monaten wiederum hier zu seyn. Dies stellte sie voͤllig zufrieden; sie beurlaubten sich ganz gelassen, und giengen sodann in ihren Booten, die ihnen bis ans Schiff gefolgt waren, westwaͤrts, nach der Gegend ihres Wohnsitzes zuruͤck. Mittlerweile kam ein junger Tahitier vom geringsten Stande, wohlgebil- det und ohngefaͤhr siebenzehn Jahr alt, mit seinem Vater ans Schiff. Er hatte schon vor einigen Tagen gegen den Capitain gesagt, daß er mitgehn wolle, no te whennua tei Bretane d. i, „nach dem Lande Britannien .“ Seine ganze Equipage bestand aus einem schmalen Stuͤck Zeug, welches um die Huͤften geschuͤrzt war; und in diesem ganz wehrlosen, huͤlfsbeduͤrftigen Zu- Forsters Reise u. d. W. erster Th. M m Forster’s Reise um die Welt 1773. Septem- ber. stande uͤberließ er sich unsrer Vorsorge und unserm Schutze voͤllig unbesorgt. Sein Vater war ein Mann von mittlern Alter; diesem gab Capitain Cook ein Beil und einige andere Sachen von mindern Werthe zum Geschenk, wor- auf er sehr gefaßt und ruhig wieder in sein Canot hinab stieg, ohne bey der Trennung von seinem Sohn die geringste Betruͤbniß spuͤhren zu lassen. Kaum aber waren wir zum Rief hinaus, als ein Canot mit zwey oder drey Indianern nachkam, die den Burschen, in des Koͤnigs O-Tuh Namen, zuruͤck fo- derten, und einige Stuͤcke Zeug bey sich hatten, welche sie dem Capitain dafuͤr zum Geschenk uͤberbringen sollten. Weil sie jedoch das Eisenwerk nicht vorzeigen konnten, welches wegen des armen Schelmen war verwandt worden, so muß- ten sie unverrichteter Dinge wieder abziehen. Der Bursche, dessen Name Porea war, sprach, vom Hintertheil des Schiffes aus, lange mit ihnen, und sie ließen es gewiß an nichts fehlen, ihn von seinem Vorhaben abzubringen, denn, so viel wir verstehen konnten, prophezeyten sie ihm den Tod, wenn er bey uns bleiben wuͤrde; allein diese Drohungen machten ihn nicht wankend. Als aber das Canot wieder nach der Insel zuruͤckkehrte, konnte er sich doch nicht enthalten, seinen Cameraden noch lange mit sehnsuchtsvollen Blicken nachzusehen, und ward endlich so wehmuͤthig, daß er sich durch einen Strohm von Thraͤnen Luft schaffen mußte. Um diese traurige Stimmung zu unterbrechen, ließen wir ihn in die Cajuͤtte kommen, wo er uns hoͤchst betruͤbt vorklagte, daß er nun ganz gewiß sterben muͤsse, und daß sein Vater seinen Verlust schmerzlich bewei- nen werde. Capitain Cook und mein Vater troͤsteten ihn, und versprachen, daß sie Vaters Stelle an ihm vertreten wollten. Auf diese Versicherung fiel er ih- nen um den Hals, kuͤßte und druͤckte sie und gerieth mit einem male aus der aͤußersten Verzweiflung in einen hohen Grad von Freude und Lustigkeit. Beym Untergang der Sonne aß er sein Abendbrod und legte sich alsdenn auf den Boden der Cajuͤte nieder; da er aber sahe daß wir uns noch nicht zur Ruhe begaben, so stand er wieder auf und blieb bey uns bis wir ebenfalls zu Nacht gegessen hatten. Es that uns ungemein leid, daß wir diese herrliche Insel jetzt schon verlassen sollten, eben da wir mit den gluͤcklichen Bewohnern derselben erst recht bekannt zu werden anfiengen; denn unser Aufenthalt hatte in allem nur vierzehn Tage gedauert, in den Jahren 1772 bis 1775. und davon waren zween, auf der Reise von einem Haven zum andern, gleichsam 1773. Septem- ber. verlohren gegangen. Ueberdem hatten wir uns waͤhrend dieser allzukurzen Zeit in einem bestaͤndigen Taumel von Beschaͤftigungen befunden, und folglich nur wenig Augenblicke eruͤbrigen koͤnnen, um die Natur der Einwohner zu studieren. An diesen fanden wir, in Absicht ihrer Haushaltung, ihrer Sit- ten und Gebraͤuche, so viel neues und merkwuͤrdiges, daß unsre Aufmerk- samkeit, durch die Menge von Gegenstaͤnden beym ersten Anblick gleichsam be- taͤubt wurde; in der Folge aber zeigte sich, daß das mehreste schon von unsern Vorgaͤngern war beobachtet worden. Um also die Nachsicht der Leser nicht zu misbrauchen, habe ich meine gleichstimmigen Bemerkungen uͤber diese Arti- kel weggelassen, und verweise sie wegen der Wohnungen, Kleidungen, Spei- sen, haͤuslichen Beschaͤftigungen, Schiffarth, Krankheiten, Religion und Beer- digungs-Gebraͤuchen, imgleichen wegen der Waffen, Kriege und Regierungs- Verfassung dieser Insulaner, auf Capitain Cooks vorige Reise in dem Schiff Endeavour , welche Dr. Hawkesworth , nebst mehrern, zum Druck befoͤrdert hat. Solchergestalt wird man vorstehende Nachrichten von Tahiti nur als eine Nachlese und als Erlaͤuterung dessen ansehen muͤssen, was bereits vor mir davon bekannt gewesen ist. Bey dem allen hoffe ich, wird gegenwaͤrtige Er- zaͤhlung doch unterhaltend genug seyn, und die besonderen, eigenthuͤm- lichen Gesichtspunkte, aus welchen ich verschiedene schon bekannte Gegen- staͤnde betrachtet habe, werden in manchen Faͤllen auch zu neuen und wichtigen Betrachtungen Anlaß geben. —“Capitain Cook bemerkt in seiner Reisebeschreibung, (1 B. S. 188) daß der Haven O-Aetipieha auf der kleinern Halbinsel, in 17° 46′ 28″ Suͤdli- cher Breite und 149° 13′ 24″ westlicher Laͤnge von Greenwich gelegen sey. Hieraus schließt er, daß die Groͤße der ganzen Insel, welche er in der ersten Reise auf 30 See-Meilen angegeben hatte, S. Hawkesworths Geschichte der engl- See-Reisen, in 4. zweyter Band . pag. 168. um ein Merkliches zu geringe sey. Die Beobachtungen wegen der Lage der Landspitze Venus , kamen auf dieser Reise mit jenen, die der verstorbene Herr Green ehemals allhier ge- macht hatte, bis auf ein paar Secunden uͤberein.” — M m 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. Septem- ber. Der Wind, mit welchem wir absegelten, war so schwach, daß wir die Insel den ganzen Abend hindurch noch nahe im Gesicht behielten, und die uͤberschwenglich schoͤne Aussicht auf die Ebene vor uns hatten, welche, selbst bey dieser todten Winter-Jahrszeit, den schoͤnsten Landschaften in andern Gegenden der Welt noch immer zur Seite gesetzt werden konnte. Der fruchtbare Boden und das wohlthaͤtige Clima bringen von selbst so vielerley Arten nahrhaf- ter Gewaͤchse hervor, daß die Einwohner in dieser Absicht wohl auf eine ungestoͤrte sorgenfreye Gluͤckseligkeit rechnen koͤnnen ja, in so fern unterm Monde nirgends etwas vollkommnes, sondern Gluͤckseligkeit immer nur ein relativer Begriff ist, in so fern, duͤrften, im Ganzen genommen, schwerlich mehrere Voͤlker der Er- den sich einer so erwuͤnschten Lage ruͤhmen koͤnnen! Da nun alle Lebensmittel leicht zu haben, und die Beduͤrfnisse dieses Volks sehr eingeschraͤnkt sind, so ist, natuͤr- licherweise, auch der große Endzweck unseres coͤrperlichen Daseyns, die Her- vorbringung vernuͤnftiger Creaturen, hier nicht mit so vielen druͤckenden La- sten uͤberhaͤuft und beschweret, als in civilisirtern Laͤndern, wo Noth und Kummer den Ehestand oft so muͤhselig und sauer machen. Die guten Leute fol- gen hier dem Triebe der Natur ganz ohngehindert, und daraus entsteht eine Bevoͤlkerung, die in Verhaͤltniß zu dem angebauten, nur kleinen Theile der Insel sehr groß ist. Bis jetzt sind nur allein die Ebenen und die Thaͤler be- wohnt, obgleich, der Beschaffenheit des Erdreichs nach, auch viele von den Bergen angebauet werden, und noch eine ungeheure Menge von Einwohnern er- naͤhren koͤnnten. Sollte also die Bevoͤlkerung in langer Zeit durch nichts gestoͤrt werden, so duͤrften die Einwohner auch wohl jene Gegenden zu bauen anfangen, die gegenwaͤrtig ganz ungenutzt, und so zu sagen, uͤberfluͤßig sind. Das Volk lebt in einer Verfassung, die sich gewissermaßen mit dem alten eu- ropaͤischen Feudal-System vergleichen laͤßt; es stehet nemlich unter einem allge- meinen Oberherrn und ist in die drey Classen von Erihs, Manahaunaͤ’s und Tautaus getheilt. Ohngeachtet zwischen diesen dreyen Classen ein wesentlicher Unterschied vorhanden ist; so wird die Gluͤckseligkeit des Volks, im Ganzen ge- nommen, doch ungleich weniger dadurch beeintraͤchtiget als man glauben sollte, denn die Lebensart der Nation ist uͤberhaupt zu einfach, als daß die Verschie- denheit des Standes einen merklichen Unterschied in selbiger zulassen koͤnnte. in den Jahren 1772 bis 1775. Wo Clima und Landes-Sitte es nicht schlechterdings erfordern, daß man sich 1773. Septem- ber. von Kopf bis zu Fuß kleide; wo man auf dem Felde uͤberall Materialien fin- det, aus denen sich eine anstaͤndige und eingefuͤhrte Kleidung verfertigen laͤßt; und wo endlich alle Beduͤrfnisse des Lebens einem Jeden fast ohne Muͤhe und Handanlegung zuwachsen: Da muͤssen Ehrgeiz und Neid, natuͤrlicherweise, bey- nahe gaͤnzlich unbekannt seyn. Zwar sind die Vornehmern hier fast ausschlies- sungsweise im Besitz von Schweinen, Fischen, Huͤhnern und Kleidungs-Zeuge: allein, der unbefriedigte Wunsch den Geschmack mit ein Paar Leckerbissen zu kitzeln, kan hoͤchstens nur einzelne Menschen, nicht aber ganze Nationen ungluͤcklich machen. Dies kann nur gaͤnzlicher Mangel an den unentbehrlichsten Nothwendigkeiten und gerade dieser pflegt in civilisirten Staaten das Loos des gemeinen Mannes, so wie eine Folge von der Ueppigkeit der Großen zu seyn. Zu O-Tahiti hingegen, ist zwischen dem Hoͤchsten und Niedrigsten, im Ganzen genommen, nicht ein- mal ein solcher Unterschied, als sich in England zwischen der Lebensart eines Handwerksmannes und eines Tageloͤhners findet. Das gemeine Volk in Ta- hiti , ließ bey allen Gelegenheiten gegen die Vornehmern der Nation so viel Liebe blicken, daß es schien, als saͤhen sie sich insgesammt nur fuͤr eine einzige Familie und die Befehlshaber gleichsam nur als ihre aͤlteren Bruͤder an, denen nach dem Recht der Erstgeburt, Vorzug gebuͤhre. Vielleicht war auch ihre Regierungsverfassung urspruͤnglich ganz patriarchalisch, dergestalt, daß man den allgemeinen Regenten nur “als den Vater des ganzen Volks ” achtete, so lange, bis diese einfache Regierungsform sich nach und nach in die jetzige abaͤnderte. Aber auch jetzt noch finden sich, in der Vertraulichkeit zwischen dem Koͤnig und seinen Unterthanen, Spuren jenes ehemaligen patriarchali- schen Verhaͤltnisses. Der geringste Mann kann so frey mit dem Koͤnig sprechen als mit seines gleichen; und ihn so oft sehen als er will. Dies wuͤrde schon mehrern Schwierigkeiten unterworfen seyn, so bald der Despotis- mus Grund fassen sollte. Auch beschaͤftigt sich der Koͤnig zu Zeiten auf eben die Art als seine Unterthanen; noch unverdorben von den falschen Begriffen eit- ler Ehre und leerer Praͤrogative rechnet er sichs keinesweges zur Schande, nach Maaßgabe der Umstaͤnde, in seinem Canot selbst Hand ans Ruder zu legen. Wie lange aber diese gluͤckliche Gleichheit noch dauern moͤgte? kann man wohl M m 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. Septem- ber. nicht fuͤglich bestimmen; doch scheint die Faulheit der Vornehmen, ihr eben nicht die laͤngste Dauer zu versprechen. Vor der Hand ist zwar die Feld- und Landarbeit den T a utaus, welche sie verrichten muͤssen, noch nicht laͤstig; allein, da die ganz arbeitlosen Vornehmen sich in einem ungleich staͤrkern Ver- haͤltnisse vermehren muͤssen, als jene; so wird die dienstbare Classe kuͤnftig im- mer mehr mit Arbeit beschwert werden und von dem Uebermaaß derselben allerhand uͤble Folgen zu gewarten haben. Das gemeine Volk wird davon un- gestalt und ihre Knochen kraftlos werden; die Nothwendigkeit mehr in der brennenden Sonne zu seyn, wird ihre Haut schwaͤrzen, und sie werden, durch die haͤufigen und fruͤhen Ausschweifungen ihrer Toͤchter mit den Großen des Landes, endlich zu zwergigten kleinen Gestalten ausarten, indeß jene vorneh- men Muͤßiggaͤnger die Vorzuͤge einer großen Leibesgestalt, einer schoͤnen Bil- dung und einer hellern Farbe ausschließungsweise beybehalten werden, weil sie allein ihrem gefraͤßigen Appetit ohne Einschraͤnkung folgen und stets in sorgloser Unthaͤtigkeit leben koͤnnen. Endlich wird das gemeine Volk diesen Druck em- pfinden und die Ursachen desselben gewahr werden, alsdenn aber wird auch das Gefuͤhl der gekraͤnkten Rechte der Menschheit in ihnen erwachen und eine Revo- lution veranlassen. Dies ist der gewoͤhnliche Cirkel aller Staaten. Vor der Hand steht freylich fuͤr Tahiti noch lange keine solche Veraͤnderung zu befuͤrchten; ob aber die Einfuͤhrung des fremden Luxus die Ankunft dieser ungluͤcklichen Periode nicht beschleunigen werde? das muß man den Europaͤern zur ernstlichen Er- waͤgung anheim stellen. Warlich! wenn die Wissenschaft und Gelehrsamkeit einzelner Menschen auf Kosten der Gluͤckseligkeit ganzer Nationen erkauft wer- den muß; so waͤr’ es, fuͤr die Entdecker und Entdeckten besser, daß die Suͤdsee den unruhigen Europaͤern ewig unbekannt geblieben waͤre. Zehn- in den Jahren 1772 bis 1775. Zehntes Hauptstuͤck . Nachricht von unserm Aufenthalt auf den Societaͤts- Inseln . D er Wind, mit welchem wir von Tahiti seegelten, ward nach Untergang 1773. Septem- ber. der Sonne frischer und beschleunigte unsre Entfernung von dieser gluͤck- lichen Insel, die wir jedoch beym Mondenlicht noch immer sehen konnten. Am folgenden Tage, den 2ten September, um 11 Uhr, erblickten wir die Insel Huaheine , die ohngefaͤhr 25 See-Meilen weit von Tahiti liegt und vom Capitain Cook am eilften Jul. 1769 entdeckt wurde. Viele unsrer Leute empfanden nunmehro schon die Folgen ihres liederlichen Umgangs mit den Frauenspersonen in Matavai-Bay , doch hatten alle dergleichen Pa- tienten die Krankheit nur in einem sehr gelinden und gutartigen Grade. Man hat daruͤber gestritten, ob dies Uebel, durch franzoͤsische oder durch englische See- fahrer, nach Tahiti gebracht worden? ohne daran zu denken, daß, zum Vortheil beyder streitenden Partheyen, noch ein dritter Fall moͤglich sey. Warum sollte man nicht annehmen duͤrfen, daß diese Krankheit bereits auf der Insel vorhanden war, ehe noch irgend ein Europaͤer dahin kam? Der Umstand, “daß keiner von des Capitain Wallis Leuten hier angesteckt worden,” ist dieser Hypothese wenigstens nicht entgegen, denn er beweiset nur so viel, daß gerade die Frauensleute rein gewesen sind, mit denen jene zu thun gehabt. Es kann ja leicht seyn, daß die Einwohner alle mit dieser Seuche behaftete Weibsperso- nen damals ausdruͤcklich von den Europaͤern zuruͤckgehalten haben, weil sie den Zorn der maͤchtigen Fremdlinge auf sich zu laden fuͤrchteten, wenn sie denselben ein so haͤßliches Ubel zubraͤchten. S. Bougainville’s Reisen und Hawkesworths Gesch. der engl. See-Reisen in 4. zwey- ter Band, pag. 230. Herr von B. zweifelt, ob die Krankheit vor seiner Ankunft zu Tahiti gewesen sey; der Englaͤnder ist positiver in seiner Meynung. Wir hoͤrten zwar von einer andern Krank- heit, welche sie O-paͤh-no-Peppe (das Geschwuͤr von Peppe) nannten, und vorgaben, daß ihnen solche von dem eben so genannten Schiffe zugefuͤhret wor- den sey, welches zwey, oder wie andre wollten, drey, ja gar fuͤnf Monathe vor uns, hier vor Anker gelegen hatte: Allein, nach der Beschreibung der Forster’s Reise um die Welt 1773. Septem- ber. Symptomen zu urtheilen, war diese Krankheit wohl nicht mehr als eine Art von Aussatz; und an der Ausbreitung derselben, koͤnnen die Spanier oder die Fremden in diesem Schiffe, noch uͤberdies ganz unschuldig seyn. Die Krankheit brauchte nur auszubrechen, als das Schiff ankam, und zwischen den Kranken und der Equipage desselben einige, selbst entfernte, Verbindung statt gefunden haben, so war das zur Veranlassung jenes Irrthums schon genug. Dies ist um so wahrscheinlicher, da die Einwohner ohnedem mit verschiednen Arten von Aus- satz behaftet sind. Man findet nemlich die Elephantiasis, die den Yaws aͤhn- lich ist: imgleichen einen Aussatz uͤber die ganze Haut, und endlich ein unge- heures, faulendes Geschwuͤr unter ihnen, das abscheulich anzusehen ist. Doch sind alle diese Gattungen ungemein selten anzutreffen, vornemlich die letzte Art, welches ohne Zweifel dem treflichen Clima und der einfachen unschuldigen Kost dieser Insulaner zuzuschreiben ist; ein Vorzug ihrer Lebensart, der nie genug angeruͤhmt und mit Recht als die Hauptursach angesehn werden kann, daß jene Zufaͤlle so selten, ja uͤberhaupt fast keine gefaͤhrliche und toͤdtliche Krankheiten in Tahiti anzutreffen sind. Bey Untergang der Sonnen legten wir, 2 See-Meilen von Hua- heine , bey; giengen am folgenden Morgen um 4 Uhr um das Nord-Ende die- ser Insel herum, und steuerten sodann dem Haven O-Wharre zu. Hua- heine wird durch einen tiefen See-Arm in 2 Halb-Inseln getheilt, die vermit- telst einer niedrigen Landenge zusammenhaͤngen, welche zur Fluthzeit gaͤnzlich unter Wasser stehet. Die Berge sind nicht so hoch als auf Tahiti , und schei- nen, dem aͤußern Ansehen nach, ehemals Volcane gewesen zu seyn. Der Gipfel des hoͤchsten war so geformt als es der Schlund eines feuerspeyenden Ber- ges zu seyn pflegt, und an einer Seite gab es einen schwarzen schwammichten Fels, der ungemein Laven-artig aussahe. Bey Aufgang der Sonne erblickten wir noch etliche andre, zu den Societaͤts- Inseln gehoͤrige Eylande, als O- Raietea In Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen in 4. zweyter Band, pag. 252. wird diese Insel unrichtigerweise Ulietea genannt. O-Taha und Borabora Siehe ebendaselbst — — p. 253. u. 256. wo diese Insel irrigerweise Bolabola heißt. . Letzteres bestehet, gleich der In- sel in den Jahren 1772 bis 1775. sel Maͤatea , aus einem einzigen hohen Berge, der aber ungleich ansehn- 1773. Septem- ber. licher ist als jenes. Die oberste Spitze dieses Berges hatte ebenfalls die Form eines volcanischen Schlundes. Es giebt zwo Einfahrten in den Haven O- Wharre , in deren suͤdlichste wir einzulaufen gedachten, und da uns eben ein starker Wind vom Lande her entgegen blies, so hatten unsre Seeleute Gele- genheit ihre Kunst zu versuchen, um sich dagegen hineinzuarbeiten. Der Ein- gang ist ohngefaͤhr 5 bis 6 hundert Schritt lang, und zwischen den beyden Fel- sen-Rieffs kaum drey hundert Fus breit; gleichwohl machte unser Schiffs- Volk, in dieser engen und gefaͤhrlichen Durchfahrt, mit bewundrungswuͤrdiger Geschicklichkeit, sechs bis sieben Seitenwendungen, deren jede nur ohngefaͤhr 2 oder 3 Minuten dauerte. Wir waren noch nicht ganz hindurch, als die Adven- ture, die hinter uns her seegelte, beym Umwenden dem einen Rieffe zu nahe kam, und ungluͤcklicherweise mit der Seite an dem Coral-Felsen sitzen blieb. Wir konnten ihr in diesem Augenblick nicht gleich Huͤlfe leisten, weil wir selbst alle Haͤnde voll zu thun hatten, um unser eigenes Schiff gluͤcklich durchzubringen. So bald wir aber vor Anker gekommen waren, welches nicht lange anstand, schickten wir unsre Boote ab, und ließen sie in den Haven hereinboogsieren. Sie hatte keinen Schaden gelitten, sondern war so gut davon gekommen als unser Schiff bey Teiarrabu , woselbst es ehemals auch auf den Grund gera- then war. (S. weiter oben Seite 198.) Das Land sahe hier eben so aus als zu Tahiti , nur waren die Ge- genden und Aussichten alle nach einem kleinern Maasstabe als dort, denn die ganze Insel hat nur ohngefaͤhr 6 bis 8 See-Meilen im Umkreise. Es giebt folglich nirgends große Ebenen, auch nur selten dergleichen kleine sanfte An- hoͤhen, als man zu Tahiti vor den hoͤheren, landeinwaͤrts gelegenen Bergen findet welche letzteren hier, zu Huaheine , unmittelbar bis auf die Ebenen reichen. Im Ganzen sehlt es indessen keineswegs an schoͤnen Stellen, nur daß sie durchgaͤngig von geringem Umfange sind. Außerhalb des Rieffs kam uns nicht ein einziges Canot entgegen; wir waren aber kaum vor Anker gegangen, als sich verschie- dene, mit Coconuͤssen, Brodfrucht und großen Huͤhnern, einfanden. Der An- blick von Huͤhnern war uns besonders angenehm, denn zu Tahiti hatten wir nur ein einziges Paar auftreiben koͤnnen, so sehr war diese Insel durch die vorigen Forster’s Reise u. d. W. erster Th. N n Forster’s Reise um die Welt 1773. Septem- ber. Seefahrer davon entbloͤßet worden. Einer von den Indianern, die zu uns an Bord kamen, hatte einen ungeheuren Hodenbruch, doch mußte ihm solcher wohl nicht viel Unbequemlichkeit verursachen, wenigstens stieg er die aͤußere Schiffsleiter ganz schnell und leicht herauf. Das Volk redete dieselbige Spra- che, war eben so gebildet und auch eben so gekleidet als die Leute auf Tahiti , aber von Frauenspersonen kam nicht eine einzige zum Vorschein. Im Handel giengen sie sehr ehrlich zu Werke, und in kurzer Zeit hatten wir fuͤr Naͤgel und Corallen ein Dutzend großer Haͤhne von vortreflichem Gefieder eingekauft. Ge- gen 11 Uhr verfuͤgten sich die Capitains ans Land, nach einem Wetterdache hin, das bis auf die Erde herabreichte, um ein großes doppeltes Canot zu schuͤtzen, welches unter demselben aufs trockne gezogen war. Hier stellten sie Jemanden an, um mit den Einwohnern Handel zu treiben, und dieser gieng so gut von statten, daß wir, noch ehe es Abend war, schon zwanzig Schweine und ohngefaͤhr ein Dutzend Hunde, gegen große Naͤgel und kleine Beile beysammen hatten. Die Hunde waren das dummste Vieh ihrer Art, wurden aber von den Einwoh- nern, unter allem Fleischwerk, fuͤr das schmackhafteste gehalten. Beym ersten Ausgange stießen unszwey Pflanzen auf, die wir noch nie gesehen hatten; auch fanden wir, daß die Brodfrucht-Baͤume hier schon junge Fruͤchte, so groß als kleine Aepfel, angesetzt hatten, doch gehoͤrten nach Aussage der Einwohner wohl noch vier Monathe Zeit dazu bis sie reif wurden. Der Gegend, wo wir lande- ten, schien es ganz an Pisang zu fehlen, allein aus einem andern Distrikt brach- ten uns die Einwohner etliche Buͤschel von dergleichen Frucht, und folglich muͤs- sen sie ihre Obstbaͤume so zu behandeln wissen, daß einige fruͤher, andere spaͤ- ter tragen. Diese spaͤten Fruͤchte koͤnnen aber, wie leicht zu erachten, eben nicht in Menge gezogen werden, und moͤgen wohl nur fuͤr die Tafeln der Großen bestimmt seyn. Zum Mittags-Essen kehrten wir an Bord zuruͤck, giengen aber gleich nach Tische wiederum ans Land, und erfuhren bey dieser Gelegenheit, daß die Befehlshaber der Insel am folgenden Tage zum Vorschein kommen wuͤrden. Beym Spatzierengehen hatten wir hier weder so viele, noch so laͤstige Begleiter, als in Tahiti . Wenn ich den Ort neben dem Wetterdach, wo Markt gehalten wurde, und andre dergleichen allgemeine Sammelplaͤtze ausnehme, so waren in den Jahren 1772 bis 1775. selten mehr als 15 bis 20 Personen um uns. Dieser Unterschied ruͤhrte wohl 1773. Septem- ber. hauptsaͤchlich daher, daß Huaheine ungleich kleiner, mithin auch weniger volk- reich ist als Tahiti ; außerdem waren die hiesigen Einwohner auch noch nicht bekannt genug mit uns, um vom Mitlaufen Vortheil zu erwarten; und uͤber- haupt fanden wir sie weder so neugierig, noch so furchtsam als die Tahitier, welche freylich hinreichende Ursach hatten unsre Guͤte zu ehren und die Ueber- macht unsers Feuergewehrs zu fuͤrchten. Unser Tahitischer Reise-Gefaͤhrte Porea gieng, in einem linnenen Ober- rock und ein Paar Schifferhosen, mit ans Land. Er trug Capitain Cooks Pulverhorn und Hagel-Beutel, und wuͤnschte, daß man ihn hier fuͤr einen von unsern Leuten ansehen moͤchte. Zu dem Ende redete er seine Muttersprache nie; sondern murmelte allerhand unverstaͤndliche Toͤne her, wodurch sich das hiesige Volk auch wirklich hintergehen ließ. Um diesen Betrug noch mehr zu beguͤn- stigen, wollte er auch nicht laͤnger bey seinem Tahitischen Namen Porea genannt seyn, sondern einen Englischen haben. Die Matrosen nannten ihn daher Tom , womit er sehr wohl zufrieden war; auch lernte er bald die gewoͤhnliche Antwort: Sir! die er aber Dsjorro aussprach. Wir konnten nicht abse- hen, was er mit dieser Masquerade vorhabe, vermuthlich aber glaubte er in der Gestalt eines englischen Matrosen mehr zu bedeuten als ein Tahitischer Tautau. Am folgenden Tage begleitete mein Vater die Capitains nach dem Markt-Platze, von da sie sich wieder einschifften und bis an das Nord-Ende des Havens hinauffuhren. Hier landeten sie bey einem nahe am Ufer gelegenen Hause, vor welchem der Befehlshaber Ori , (der im Namen seines Neffen des eigent- lichen Koͤniges Tehritaͤria Tittel und Name scheinen hier in der Aussprache zusammen gezogen zu seyn, vermuthlich sollte es heißen T’-Erih-Taͤria . die Regierung der ganzen Insel verwaltete) un- ter einer Menge seiner Bedienten im Grase saß. Bey diesem Anblick wollten sie eiligst aus dem Boote steigen, zwey Indianer aber, die sich am Markt- platze mit eingeschifft hatten, baten sie, noch sitzen zu bleiben, bis man ihnen einige junge Pisangstaͤmme zum Zeichen des Friedens und der Freundschaft wuͤrde N n 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. Septem- ber. uͤberreicht haben. Ehe dieses erfolgte, brachten die Indianer zwey dergleichen kleine Baͤume herbey, die von unsrer Seite uͤberreicht und zu dem Ende mit Naͤgeln, Spiegeln, Medaillen und andern Kleinigkeiten mehr behangen wer- den sollten. So bald dies geschehen war, trugen sie solche vor einem Theil unsrer Mannschaft her, ans Land, und uͤbergaben sie daselbst in ihrem Bey- seyn dem Ori . Bey Darreichung des ersten bathen sie zu sagen: No t’ Ea- tua! d. i. fuͤr die Gottheit; und bey dem zweyten: na te tayo O-Tute no Ori d. i. vom Freunde Cook an Ori . Dagegen wurden, von Seiten der Insulaner, unsern Leuten fuͤnf andre Plantan-Zweige, einer nach dem andern, mit folgenden Umstaͤnden uͤberliefert: Der erste ward, nebst einem Schweine, mit den Worten na t’ Erih, d. i. “von Seiten des Koͤnigs” uͤberreicht. Unter dem Koͤnige ward T’ Erih Taͤria , ein Kind von sieben bis acht Jahren, verstanden. Der zweyte, ebenfalls mit einem Schweine, no t’ Eatua “fuͤr die Gottheit.” Der dritte, no te Toimoi. Dies verstanden wir damals nicht, in der Folge aber zeigte sich, daß es so viel als: “zum Wilkommen! ” bedeute. Der vierte mit einem Hunde, no te Taura, „vom Strick.“ Ob wir gleich das Wort verstanden, so war uns doch die Bedeutung davon noch dunk- ler als die vorhergehende, und was das schlimmste ist, so haben wir auch nie dahinter kommen koͤnnen. Der letzte ward wiederum mit einem Schweine, na te tayo Ori no Tute , „von Freund Ori an Cook “ uͤberliefert. Beym Schlusse der Ceremonie, zog der Mann, der alle diese Dinge gebracht hatte, noch ein rothes Beutelchen hervor, worinn ein Rechenpfennig und eine Zinnplatte verwahrt wurde, auf welcher sich folgende Inschrift fand: His Britannic Majesty’s Ship Endeavour. Lieutenant Cook commander. 16. July 1769 . Huahine . d. i. Seiner Koͤniglich-Großbrittannischen Majestaͤt Schiff Endeavour, unter dem Befehl des Lieutenant Cook , am 16. Jul. 1769. zu Huaheine . “ S. Hawkesworth Geschichte der engl. See Reisen in 4. zweyter Band, p. 250. in den Jahren 1772 bis 1775. Dies Zeugnis von Capitain Cooks erstem Besuch auf der Insel Huaheine , hatte 1773. Septem- ber. letzterer dem Orih ehemals mit dem Bedeuten eingehaͤndigt, daß ers nie aus seiner Verwahrung kommen lassen muͤsse; und dieser ließ es jetzt vermuth- lich deshalb wieder vorzeigen, damit man sehen sollte, daß jene Vorschrift genau befolgt worden sey. So bald der Capitain alle diese Sachen in Empfang genommen hatte, stieg er mit seinem ganzen Gefolge ans Land, und umarmte den Orih , der ein alter, magerer, triefaͤugiger Mann, zwischen 50 und 60 Jahren war. Er nahm unsre Leute als gute Bekannte und Freunde auf, schenkte auch dem Capitain noch uͤberdies etliche große Ballen Zeug. Und nun waͤhrete es nicht lange, so fanden sich die Einwohner haufenweise bey der Woh- nung ihres Befehlshabers ein, und brachten Huͤhner, Schweine und Hunde in Menge zum Verkauf, die wir auch gegen Naͤgel, Messer und kleine Beile sehr bald einhandelten. Immittelst daß dieses vorgieng, marschirte ich nebst Doct. Sparmann vom Marktplatze aus, zu Lande, hieher nach Ori’s Wohnhause. Unterwegens sahen wir aller Orten viel Schweine, Hunde und Huͤhner. Letztere liefen frey in den Waͤldern umher, und saßen auf den Brodfrucht-Baͤumen. Auch die Schweine hatten Freyheit herum zu laufen, doch bekamen sie ihr abgemes- senes Futter, welches ihnen gemeiniglich von alten Weibern gegeben ward. Vorzuͤglich sahen wir die besondere Manier, wie eine alte Frau ein kleines Ferken mit dem gesaͤuerten Brodfrucht-Teige ( Mahei ) fuͤtterte. Sie hatte das Thier in einer Hand, und mit der andern hielt sie ihm ein Stuͤck Schweinefell vor. So bald es nun das Maul oͤfnete, um darnach zu schnappen, fuhr sie ihm mit einer Handvoll des sauren Teiges hinein, den es ohne diesen Kunstgriff nicht mochte. Die Hunde waren ihrer außerordentlichen Dummheit ohnerachtet bey dem hiesigen Frauenzimmer in hohen Gnaden. Keine europaͤische Dame nach der Mode haͤtte die Sorgfalt fuͤr ihr Schoßhuͤndchen weiter treiben und sich laͤcherlicher dabey geberden koͤnnen. Unter andern reichte eine Frau von mittlerm Alter einem jungen Hunde ihre volle Brust hin. In der Meynung daß dieses bloß aus uͤbertriebener Zaͤrtlichkeit fuͤr das Thier geschaͤhe; konnten wir uns nicht enthalten, ihr diesen Misbrauch zu verweisen, allein sie lachte nur dazu, und sagte, daß sie sich zuweilen auch von kleinen Ferken saugen N n 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. Septem- ber. lasse. Indessen erfuhren wir, bey weiterer Nachfrage, daß sie ohnlaͤngst ein saͤugendes Kind verlohren habe, und folglich hatten wir ihr durch unsre Vermu- thung zu viel gethan, denn in dergleichen Faͤllen ist es ein ganz erlaubtes und selbst in Europa hin und wieder uͤbliches Mittel, sich von einem Hunde saugen zu lassen. Die eingebohrnen Americanerinnen bedienen sich eben dieses Mittels. Siehe Pauw Re cherches philosophiques sur les Americains. Vol. I. p. 55. Die Hunde auf diesen Inseln sind kurz von Leibe, und von sehr verschiedener Groͤße, vom Schooshunde an, bis zum groͤßten Pudel. Der Kopf ist dick; die Schnautze spitzig; die Augen sind sehr klein; die Ohren ste- hen aufrecht und das Haar ist lang, schlicht, hart und von allerhand Farben, gemeiniglich aber weiß und braun. Sie bellten fast niemals; dagegen heulten sie zuweilen, und gegen Fremde waren sie ausnehmend scheu. Wir trafen hier unterschiedliche Voͤgel an, dergleichen wir auch auf Tahiti gefunden hatten; außer diesen aber noch einen blauen, weisbaͤuchigten Eisvogel und einen grauen Reiher. Als wir von letztern beyden Gattungen etliche schossen, zeigte sich, daß verschiedene Leute eine Art von religioͤser Ehrerbie- thung dafuͤr hegten, indem sie dieselben Eatua’s nannten, ein Name den sie sonst nur der Gottheit beyzulegen pflegen. Doch gab es auch wieder eben so viel wo nicht noch mehr andre, die uns dergleichen Voͤgel von freyen Stuͤcken aufsu- chen halfen und todt zu schießen baten; auch bezeigte von der Gegenpartey nie- mand ausdruͤcklichen Unwillen, wenn wir einen solchen Vogel erlegt hatten. Fuͤr Goͤtter sehen sie dieselben nicht an, denn nach ihren Religions-Begriffen sind die Goͤtter unsichtbar; allein die Benennung Eatua scheint doch einen hoͤ- hern Grad von Achtung anzudeuten, als man in unsern Laͤndern wohl gegen Schwalben, Stoͤrche und andere dergleichen Voͤgel bezeigt, die man vor den Verfolgungsgeist muthwilliger Jungen sicher zu stellen wuͤnscht. In diesem und andern die Religion und Landes-Verfassung betreffenden Umstaͤnden, sind wir aber nicht im Stande hinlaͤngliche Auskunft zu geben; denn wegen der Kuͤrze unsers Aufenthalts und mangelhaften Kenntniß der Landes-Sprache wars nicht moͤglich von allem gehoͤrigen Unterricht zu erlangen. Mittlerweile waren wir immer weiter gegen die Nord-Seite des Havens fortgegangen, wo Herr Smith die Aufsicht uͤber die Matrosen hatte, die un- in den Jahren 1772 bis 1775. sre leeren Wasserfaͤsser anfuͤllen mußten. Wir trafen eine Menge Indianer 1773. Septem- ber. bey ihm an, die so viel Schweine zu Kaufe brachten, daß wir nun reichlichen Vorrath an frischem Fleisch hatten, und alle Leute auf beyden Schiffen damit speisen konnten. Fruͤchte und gruͤnes Kraͤuterwerk hingegen war so selten, daß wir fast gar keine Pisange, Brodfruͤchte, oder Coconuͤsse zu sehen bekamen, son- dern uns mit Yamwurzeln begnuͤgen mußten, die wenn sie abgekocht waren, statt des Brodts zum Fleisch gegessen wurden. Von hieraus giengen wir weiter laͤngst dem Strande, der aus feinem weißen Muschel-Sande be- stand, und von niedrigen Cocos-Palmen nebst allerhand anderm Gebuͤsch beschattet wurde, langten um Mittagszeit bey Orihs Wohnung an, und fuhren endlich mit dem Capitain Cook und der uͤbrigen Gesellschaft wieder an Bord zuruͤck. Letzterer war im Handel mit den Eingebohr- nen noch gluͤcklicher gewesen als alle die andern dazu bestellten Leute, so daß wir fuͤr der Menge des Eingekauften kaum Platz im Boote hatten. Nach- mittags giengen wir abermals nach Ori’s Hause und trafen eine große Anzahl der vornehmsten Insulaner bey ihm. Wir hatten also Gelegenheit eine Menge von Leuten allerhand Standes beysammen zu sehen, fanden sie aber durchge- hends den Tahitiern so aͤhnlich, daß uns zwischen beyden Voͤlkern, im Aeußern kein Unterschied zu seyn duͤnkte; auch konnten wir nicht absehen, daß die Frau- enspersonen hier heller von Farbe und schoͤner als auf den uͤbrigen Inseln seyn sollten, S. Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen in 4. zweyter Band, pag. 124. wie andre Reisende wollen bemerkt haben. Indessen koͤnnen auch hierinn die Umstaͤnde oft den Schein aͤndern, und das mag bey unsern Vor- gaͤngern der Fall gewesen seyn. Wodurch sich aber die hiesigen Frauenzimmer von den Tahitierinnen wuͤrklich unterschieden, war, daß sie um Corallen und andre solche Geschenke nicht so sehr bettelten, desgleichen mit ihren Gunstbe- zeigungen nicht so freygebig waren als jene. Zwar nahmen etliche Frauensleute, sowohl bey unsrer Landung als auch bey unsrer Ruͤckkehr nach dem Boote eine eben so unanstaͤndige Ceremonie vor, als in Capitain Cooks voriger Reise von einer Tahitierinn, Namens Uraͤtua erzaͤhlet wird; doch waren es nur Per- sonen vom niedrigsten Volke, auch machten sie nie solche Vorbereitungen dazu Forster’s Reise um die Welt 1773. Septem- ber. als jene; S. Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen in 4. zweyter Band, pag. 124. imgleichen erster Band, pag. 214. 215. 219. Allein, in ihrem Betragen waren beyde Nationen schon merklicher von einander verschieden. Ueber einen allzu hohen Grad von Gastfreyheit, hatten wir uns zum Exempel hier in Huaheine eben nicht zu beschweren, auch war es hier gar nicht, wie wohl in Tahiti , Mode, von freyen Stuͤcken Ge- schenke, oder wenigstens Gegengeschenke, zu machen. Dagegen fielen uns die Leute, wenn wir spatzieren giengen, auf keine Weise zur Last, waren auch, im Ganzen genommen, viel gleichguͤltiger und bey weitem nicht so furchtsam als die Tahitier, weshalb sie auch beym Losbrennen unseres Schießge- wehrs keine Verwunderung, geschweige Schreck verriethen. Jedoch, alles das war augenscheinlich blos eine Folge der verschiednen Begegnung, welche die Ein- wohner beyder Inseln von den Europaͤern ehemals erfahren hatten. In Ab- sicht der Gastf v eyheit muß ich noch anzeigen, daß es auch hier nicht an einzel- nen Beyspielen fehlte. Unter andern wurde mein Vater von einem Befehlshaber, Namens Taunua , nach seinem Hause eingeladen, welches in der Mitte der Ebne lag; hieselbst ward er sehr wohl bewirthet und hatte außerdem noch Gelegenheit ein solches Brustschild einzukaufen, deren weiter oben, in der Geschichte un- sers Aufenthalts zu O-Tahiti gedacht worden ist. Ori kam am folgenden Morgen fruͤhe mit seinen Soͤhnen an Bord. Der aͤlteste, ein huͤbscher Knabe von ohngefaͤhr 11 Jahren, nahm unsre Ge- schenke mit großer Gleichguͤltigkeit an; dagegen fand er, so wie alle uͤbrigen Bewohner dieser Insel, großen Wohlgefallen am Dudelsack, und bat, daß bestaͤndig darauf gespielt werden moͤgte. Bey der ehemaligen Anwesenheit des Capitain Cooks , Ebendesselben — zweyter Band, pag. 247. hatte Ori den Namen Cuki angenommen, und ließ sich, auch noch jetzt, bestaͤndig also nennen. Nachdem dieser vornehme Gast eine Zeitlang an Bord gewesen war, gingen wir mit ihm ans Land zuruͤck, und theil- ten uns in verschiedne Partheyen, um Pflanzen und andre Merkwuͤrdigkeiten aufzusuchen. Als wir Abends wieder zusammen stießen, erzaͤhlte uns Doct. Sparrmann , der ganz allein bis an das noͤrdliche Ende der Insel gegangen war, daß er einen großen Salz-See angetroffen, der einige Meilen lang, und mit dem in den Jahren 1772 bis 1775. dem See-Ufer parallel, aber rings umher von faulem Schlamm umgeben waͤre, 1773. Septem- ber. welches einen unertraͤglichen Gestank verursache. Er hatte daselbst verschiedne Pflanzen gefunden, die in Ostindien haͤufig genug, in den uͤbrigen Suͤd-See- Inseln aber nicht so gemein sind. Der Indianer, durch den er sich die eingesammelten Pflanzen hatte nachtragen lassen, war ihm außerordentlich treu gewesen. Wenn Er sich niederließ, um Pflanzen zu beschreiben, so setzte der Indianer sich hinter ihn und hielt die Schoͤße seines Kleides in beyden Haͤnden fest, um, wie er sagte, die Taschen vor den Dieben in Acht zu nehmen. Vermittelst dieser Vorsicht war dem Doctor auch nicht das geringste entwandt wor- den; einige Indianer aber hatten ihn durch Schimpfworte und schiefe Gesichter ausgehoͤhnt, vermuthlich in der Meynung, daß sie nichts dabey wagten, weil er so allein war. Am folgenden Tage gieng er von neuem, ohne alle Begleitung, spatzie- ren, indeß wir und Capitain Cook auf dem Marktplatze blieben. Ehe wir es uns versahen, draͤngte sich ein Indianer, Namens Tuba ï , der in verschiedne große Stuͤcke rothgefaͤrbten Zeuges gekleidet war und einige Buͤndel Vogelfedern am Guͤrtel haͤngen hatte, aus dem großen Haufen hervor, und verbot dem Volk, uns weder Schweine noch Brodfrucht zu verkaufen; zu gleicher Zeit bemaͤchtigte er sich eines Beutels mit Naͤgeln, den der Schiff-Schreiber in Haͤnden hatte: Als aber dieser um Huͤlfe rief, ließ er ihn wieder fahren, und nahm dagegen ei- nem unsrer juͤngern Mitreisenden, der eben um ein großes Huhn handelte, mit Gewalt einen Nagel ab, unter der Bedrohung, ihn zu Boden zu schlagen, wenn er sich widersetzen wuͤrde. Capitain Cook , der schon im Begriff war, sich nach dem Schiffe uͤbersetzen zu lassen, hoͤrte kaum von diesem Vorfalle, als er sogleich umkehrte und darauf bestand, daß Tubai , den Marktplatz augenblicklich ver- lassen sollte. Weil nun dieser keine Lust dazu bezeigte, gieng er ihm sogleich zu Leibe und bemaͤchtigte sich der beyden Keulen, die jener in Haͤnden hatte. Er straͤubte sich zwar dagegen, so bald aber der Capitain den Hirschfaͤnger zog, lief er davon. Die Keulen, welche von Casuarina -Holz waren, wurden hierauf nach des Capitains Vorschrift zerbrochen und in die See geworfen. Dem Ansehen nach be- fuͤrchteten die Einwohner von diesem Auftritt schlimme Folgen, denn sie fiengen an sich gleich von dem Marktplatz zu entfernen; man rief sie aber wieder zuruͤck, und alle Forsters Reise u. d. W. erster Th. O o Forster’s Reise um die Welt 1773. Septem- ber. gestanden, Tubai sey: tata-ihno (ein boͤser Mann.) Sie schienen folglich uͤber- zeugt, daß das Recht auf unsrer Seite sey; gleichwohl hatte sich Capi- tain Cook kaum ins Boot gesetzt, um zur Sicherheit des Marktplatzes ein Commando See-Soldaten vom Schiffe zu holen, als der ganze Haufen mit einemmale von uns fortrannte. Wir konnten nicht begreifen, was hieran schuld sey; allein es dauerte kaum ein Paar Minuten, so klaͤrte sich das Raͤtzel von selbst auf, indem Dr. Sparrman fast ganz nackend und mit sichtbaren Merkma- len einiger harten Schlaͤge zu uns hergelaufen kam. Es hatten sich nemlich zwey Indianer zu ihm gesellet und ihn, unter steten Freundschaftsversicherungen und mit vielfaͤltigem Tayo! gebeten, weiter ins Land heraufzugehen; allein, ehe er sichs versahe, rissen sie ihm den Hirschfaͤnger, welches sein einziges Gewehr war, von der Seite, und als er sich hierauf buͤckte, um nach einem Steine zu greifen, gaben sie ihm einen Schlag uͤber den Kopf, daß er zu Boden fiel und rissen ihm alsdann die Weste nebst andern Kleidungsstuͤcken, die sich abstreifen ließen, vom Leibe. Zwar machte er sich wieder von ihnen los und rannte gegen den Strand herab; allein ungluͤcklicherweise blieb er mit einem Fus in dem klei- nern Strauchwerk haͤngen, worauf sie ihn wieder einholten und mit Schlaͤgen mißhandelten, davon verschiedene in die Schlaͤfe trafen. Von diesen letztern betaͤubt, zogen sie ihm das Hemd uͤber den Kopf, und da es durch die Knoͤpfe fest gehalten ward, so waren sie schon im Begriff, ihm die Haͤnde abzuhacken, als er zum großen Gluͤck wieder zu sich selbst kam, und die Ermel mit den Zaͤhnen auf- biß, da denn die Raͤuber mit ihrer Beute davon liefen. Kaum hundert Schritt weit von dem Ort, wo dieses vorgegangen war, saßen einige Indianer bey ihrer Mittagsmalzeit, die ihn im Vorbeylaufen baten, sich bey ihnen niederzulassen; allein er eilte was er konnte nach dem Marktplatze zu. Etwas weiter traf er zwey Indianer an, die, als sie ihn nackend sahen, sogleich ihre eigne Ahaus (Kleider) auszogen, ihn darinn einhuͤlleten und bis zum Marktplatz hin begleiteten. Nach- dem man diese rechtschaffnen Leute aufs Beste belohnt hatte, eilten wir alle an Bord, in der Absicht mit staͤrkerer Mannschaft wieder nach dem Lande zuruͤckzukehren. Dr. Sparrman zog andre Kleider an und verfuͤgte sich so- dann mit uns nach Orihs Wohnung, wo wir unsre Klage anbrachten. Der gute Alte war gleich bereit mit Capitain Cook gemeinschaftliche Sache zu ma- in den Jahren 1772 bis 1775. chen und die Diebe aufzusuchen; ohnerachtet dieser Entschluß alle seine Ver- 1773. Septem- ber. wandten in Furcht und Schrecken setzte. Mehr als funfzig anwesende Personen, Maͤnner und Weiber, fiengen an bitterlich zu weinen, als sie sahen, daß er mit uns ins Boot stieg. Einige suchten, mit den ruͤhrendsten Stellungen, ihn da- von abzurathen; Andre umarmten und hielten ihn zuruͤck. Allein er ließ sich nichts anfechten und aͤußerte im Mitgehen, er habe nichts zu fuͤrchten, weil er sich nichts vorzuwerfen habe. Mein Vater erbot sich, zu ihrer Beruhigung, als Geißel bey ihnen zu bleiben, allein Orih wollte es nicht zugeben, und nahm, von allen seinen Verwandten, nur einen einzigen mit an Bord. Wir ruder- ten nunmehro in eine, den Schiffen gerade gegenuͤber liegende, tiefe Bucht, als in welcher Gegend die Raͤuberey vorgegangen war. Von hieraus mar- schirten wir tief ins Land hinein, jedoch ohne Erfolg, weil die Leute, welche Ori zu Ergreifung der Raͤuber abgeschickt, ihre Schuldigkeit nicht gethan hat- ten. Wir mußten also unbefriedigt wieder um- und nach dem Schiffe zuruͤck- kehren, wohin uns auch Orih begleitete, ohne sich durch die Thraͤnen einer alten Frau und ihrer schoͤnen Tochter davon abhalten zu lassen. Als die junge Person sahe, daß ihr Weinen nichts helfen wollte, ergrif sie in einer Art von Verzweif- lung etliche Muschel-Schaalen, und ritzte sich damit am Kopf, daß das Blut darnach floß, die Mutter aber entriß ihr solche und begleitete uns, sowohl als Ori , nach dem Schiffe. Dieser ließ sichs sehr gut bey uns schmecken; die Frau hingegen wollte, der Landesgewohnheit nach, von unsern Speisen nichts anruͤh- ren. Nach Tische brachten wir ihn wieder nach seinem Hause zuruͤck, woselbst sich die vornehmsten Familien der Insel versammlet hatten und in großer Be- truͤbniß, zum Theil weinend, auf der Erde saßen. Wir setzten uns ganz geruͤhrt zu ihnen und boten alle unsre Tahitische Beredsamkeit auf, um sie wieder vergnuͤgt und guten Muths zu machen. Die Frauenspersonen waren vorzuͤg- lich niedergeschlagen und konnten sich in langer Zeit nicht wieder zufrieden ge- ben. Die Betruͤbniß dieser Insulaner war in gegenwaͤrtigem Fall ein so augen- scheinlicher Beweis von der Guͤte ihrer Herzen, daß wir uns nicht enthalten konnten, aufrichtigen Antheil an derselben zu nehmen, und da sie sahen, daß es uns ein Ernst sey ihnen Trost zuzusprechen; so beruhigten sie sich endlich und gewannen wiederum neues Zutrauen. Unter den Bemerkungen, welche wir O o 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. Septem- ber. auf dieser Reise zu machen Gelegenheit hatten, ist das wuͤrklich eine der an- genehmsten, daß wir die Einwohner dieser Inseln nicht so ganz in Sinnlichkeit versunken fanden, wie sie von andren Reisenden faͤlschlich dargestellt wor- den, sondern daß wir vielmehr Gesinnungen bey ihnen wahrgenommen haben, die der Menschheit Ehre machen. Lasterhafte Gemuͤthsarten giebts unter allen Voͤlkern; aber einem Boͤsewichte in diesen Inseln koͤnnten wir in England oder andern civilisirten Laͤndern funfzig entgegen stellen. Nunmehro gieng der Handel, der durch jenen Vorfall auf eine Zeitlang war unterbrochen worden, wiederum von neuem an, und zwar so lebhaft als zuvor; es gluͤckte uns auch, einen ziemlichen Vorrath von Fruͤchten und Wur- zelwerk einzukaufen. Gegen Abend kamen zween von Orih’s Bothen mit Dr. Sparrmanns Hirschfaͤnger und einem Stuͤck von seiner Weste zuruͤck, welches uns beydes zugestellt wurde, worauf wir wieder an Bord giengen. Des folgenden Morgens verfuͤgten sich die Capitains, bey anbrechendem Tage, abermals nach Orih’s Hause und gaben ihm die zinnerne Platte wieder, auf welcher die Anzeige von der ersten Entdeckung dieser Insel eingegraben war; ferner stellten sie ihm noch eine kleine kupferne Platte zu, mit der Inschrift: His Britannick Majesty’s ships Resolution and Adventure. Septem- ber. 1773. d. i. Sr. Grosbrittannischen Majestaͤt Schiffe Resolution und Adventure. September 1773. und schenkten ihm zugleich eine Anzahl Me- daillen, mit dem Bedeuten, daß er alles dieses denen Fremden vorzeigen moͤgte, die etwa nach uns hieher kommen duͤrften. So bald sie an Bord zuruͤckgelangt waren, wurden die Anker gelichtet und wir giengen nebst der Adventure wieder in See. Waͤhrend unsers dreytaͤgigen Aufenthalts allhier, hatten wir einen großen Vorrath von lebendigen Schweinen und Huͤhnern eingehandelt; woraus sich ge- nugsam abnehmen laͤßt, daß diese Insulaner den Nutzen des Eisengeraͤthes sehr gut hatten kennen und schaͤtzen lernen. Unser Schiff hatte allein 209 Schweine, 30 Hunde und ohngefaͤhr 50 Huͤhner an Bord, und das andre, die Adventure, nicht viel weniger. Kaum waren wir unter Seegel, als Orih in einem kleinen Ca- not ans Schiff und mit der Nachricht an Bord kam, daß er sowohl die Diebe als den Rest der geraubten Sachen wieder bekommen habe, und daß beyde Capitains, imgleichen der Dr. Sparrmann , mit ihm ans Land gehen in den Jahren 1772 bis 1775. moͤgten, um Zeugen von der Bestrafung zu seyn. Allein, zum Ungluͤck ver- 1773. Septem- ber. stand man ihn nicht recht und also verfehlten wir die Gelegenheit, zu sehen, wie ihre Strafen beschaffen sind. Capitain Cook glaubte, daß Orih einige von seinen Unterthanen zuruͤckfordere, die sich wider seinen Willen auf der Ad- venture eingeschifft haͤtten; und in dieser Meynung schickte er gleich ein Boot ab, um sie von jenem Schiffe abholen zu lassen. Da aber dieses weit voraus war, und auch wir, des guten Windes wegen, sehr geschwind in die See hinaus trie- ben; so wollte Ori nicht laͤnger warten, sondern nahm herzlich Abschied von uns allen, und kehrte in seinem kleinen Canot, in welchem er nur einen ein- zigen Gehuͤlfen hatte, wieder nach dem Lande um. Bald nachher kam unser Boot von der Adventure zuruͤck und brachte uns den O-Ma ï an Bord, welches der einzige Indianer war der sich hier eingeschifft hatte, um mit nach England zu gehen. Capitain Cook behielt ihn auf unserm Schiffe bis wir Raietea erreichten, wohin unser Lauf gerichtet war; sobald wir aber dort an- langten, ward er wieder auf die Adventure gebracht, in welcher er auch nach England gekommen, und daselbst eine Zeitlang der Gegenstand der allgemeinen Neugierde gewesen ist. Waͤhrend seiner Anwesenheit bey uns lernten wir ihn als einen Menschen vom geringsten Stande kennen. Er hatte auch damals nicht Ehrgeiz genug, mit dem Capitain umzugehn, sondern hielt sich zu dem Buͤch- senschmidt und andern gemeinen See-Leuten: Als er aber ans Vorgebirge der guten Hoffnung kam, wo ihn der Capitain Fourneaux in seiner eigenthuͤm- lichen Tracht auftreten lies, und in die besten Gesellschaften brachte, so gab er vor, er sey kein Tautau, oder gemeiner Mensch, sondern ein Hoa, d. i. ein koͤniglicher Cammerherr oder Begleiter des Koͤnigs. Man hat das Publicum verschiedentlich mit allerhand fabelhaften Nachrichten von diesem Indianer un- terhalten, dahin gehoͤrt unter andern das laͤcherliche Vorgeben, daß er ein Priester der Sonne sey, dergleichen es doch in seinem Vaterlande nirgends giebt. Er war lang von Statur, aber sehr schlank, und hatte besonders feine und zier- lich gebildete Haͤnde. Aus seinen Gesichtszuͤgen hingegen konnte man sich im geringsten keinen richtigen Begriff von der Schoͤnheit machen, die den Einwohnern auf Tahiti eigenthuͤmlich ist; wir koͤnnen vielmehr, ohne ihm Un- recht zu thun, behaupten, daß uns auf Tahiti und allen Societaͤts- Inseln O o 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. Septem- ber. nur wenig so mittelmaͤßige Gesichter vorgekommen sind, als das seinige. Da- bey war er von so schwarzer Farbe als wir sie kaum unter dem gemeinsten Volke angetroffen hatten, und am allerwenigsten stimmte solche mit dem Range uͤberein, den er hernachmals annahm. Schade war es in der That, daß man gerade diesen Menschen zur Probe eines Volks auswaͤhlte, welches alle See- fahrer als schoͤn von Bildung und hell von Farbe beschrieben hatten. Sein Herz und Verstand waren so wie beydes unter seinen Landsleuten gewoͤhnlich zu seyn pflegt. Er war kein außerordentliches Genie als Tupaia ; aber er hatte ein gefuͤhlvolles Herz, und einen offnen Kopf, der bald etwas begriff, daneben war er dankbar, mitleidig und lebhaft, aber auch fluͤchtig. Mehrere Nach- richten von diesem O-Ma ï werden meine Leser in der Vorrede gefunden haben, wo von seinem Aufenthalt in England , von dem Unterricht den er daselbst ge- nossen, und von seiner Zuruͤckreise verschiedenes angefuͤhrt ist. Nachdem wir Huaheine verlassen, richteten wir unsern Lauf gen We- sten, und segelten um das Suͤd-Ende einer Insel, die Capitain Cook im Jahr 1769 entdeckt, und in seinen Charten unter dem Namen Ulietea S. Hawkesworths Gesch. der engl. See-Reisen in 4. zweyter Band, pag. 252. an- gezeigt hat, da sie doch bey den Tahitiern und uͤbrigen Einwohnern der Socie- taͤts- Inseln eigentlich O-Raietea heißt. Am folgenden Morgen ankerten wir an derselben in einer Oeffnung des Riefs und brauchten den ganzen Tag dazu, uns in den Haven Hamaneno einbugsieren zu lassen. Diese Insel hatte dem aͤußern Ansehn nach viel Aehnlichkeit mit Tahiti ; denn da sie ohnge- faͤhr dreymal groͤßer ist als Huaheine , so waren die Ebenen und die Berge hier beynahe so groß als auf der erstgenannten. Die Einwohner umringten uns bald in einer Menge von Canots und brachten Schweine zum Verkauf; weil wir aber in Huaheine sehr reichlich damit waren versorgt worden, so machten sich unsre Leute nicht viel daraus und boten nur wenig dafuͤr. In einem der Canots fand sich ein Befehlshaber mit Namen Oruwherra , der von der benachbarten Insel Borabora ( Bolabola ) gebuͤrtig war. Dieser Mann war von einer wuͤrklich athletischen Bildung, hatte aber nur sehr kleine Haͤnde und war auf den Armen mit sonderbaren viereckigen Flecken; uͤber die Brust, den Bauch und den Ruͤcken, mit langen, schwarzen Streifen; an den Huͤften und Lenden aber, durchaus schwarz in den Jahren 1772 bis 1775. punctirt. Er brachte einige gruͤne Zweige und ein kleines Ferken, welches er 1773. Septem- ber. meinem Vater schenkte, indem sich sonst niemand um ihn bekuͤmmerte. Nachdem er ein Gegengeschenk von Eisengeraͤthe bekommen hatte, gieng er sogleich wieder in seinem Canot ans Land zuruͤck. Bald darauf schickte er an seinen neuen Freund ein zweytes Canot mit Coco-Nuͤssen und Bananen, fuͤr welche seine Leute schlechterdings kein Gegengeschenk annehmen wollten. Man kann sich vorstellen, wie sehr uns eine so uneigennuͤtzige Gutherzigkeit gefallen haben muͤsse, denn fuͤr einen Menschenfreund kann es wohl kein groͤßeres Vergnuͤgen geben, als wenn er an seines gleichen gute und liebenswuͤrdige Eigenschaften findet. Nachmittags besuchte uns ein anderer Befehlshaber, der auch von Bo- rabora gebuͤrtig war und meines Vaters Namen annahm, dagegen mein Va- ter den seinigen annehmen mußte. Er hies Herea , und war so dick als wir sonst niemanden in der Suͤd-See gesehen hatten. Um den Bauch mas er 54 Zoll, und jeder seiner Schenkel hatte 31 und ¾ Zoll im Umfange. Auch sein Haar war merkwuͤrdig; es hieng ihm in langen, schwarzen, wellenfoͤrmig- geschlaͤngelten Flechten bis auf die Huͤften herab, und war so stark, daß sein Kopf davon noch einmal so dick zu seyn schien als von Natur. Corpulenz, Farbe und Punctu- ren waren bey ihm, so wie beym Oruwherra , Unterscheidungszeichen seines Ranges, welcher ihn, gleich den Großen auf Tahiti , zum Faullenzen und zur Schwelgerey berechtigte. Es wird vielleicht nicht unrecht seyn, wenn ich bey dieser Gelegenheit anzeige wie es zugieng, daß diese aus Borabora gebuͤrti- gen Befehlshaber, hier in Raietea Ansehen und Eigenthum hatten. Aus Capitain Cooks voriger Reisebeschreibung wird man sich noch erinnern, daß O-Puni , Koͤnig von Borabora , nicht nur Raietea und O-Taha , welche beyde Inseln innerhalb eines Felsen-Rieffes eingeschlossen sind; sondern auch die Insel Maurua , funfzehn Seemeilen weiter gegen Westen, erobert hatte. S. Hawkesworths Gesch. der engl. See. Reisen in 4. zweyter Band, pag. 258. Von diesen eroberten Laͤndereyen hatte er einen betraͤchtlichen Theil unter seine Krieger und andere von seinen Unterthanen zur Belohnung ausgetheilt. Dem uͤberwundnen Koͤnig von Raietea , Namens U-Uru , ließ er zwar Tittel und Wuͤrde, schraͤnkte aber die Herrschaft desselben blos auf den District Opoa ein, und nach Taha schickte er einen feiner Anverwandten, Namens Boba , zum Forster’s Reise um die Welt 1773. Septem- ber. Vice-Koͤnige. Zur Zeit dieser Revolution waren aus jenen Inseln viele Einwohner nach Huaheine und Tahiti gefluͤchtet, in der Hoffnung ihr Vater- land dereinst wieder in Freyheit zu setzen. Auch Tupaia und O-Ma ï , die beyderseits aus Raietea gebuͤrtig waren und auf englischen Schiffen von hier giengen, scheinen, bey ihrer Reise, die Befreyung ihres unterdruͤckten Vater- landes zur Absicht gehabt zu haben, denn sie schmeichelten sich, in England Feuer-Gewehr in Menge zu erhalten. Waͤre Tupaia am Leben geblieben, so haͤtte er vielleicht diesen Plan ausgefuͤhrt; O-Ma ï aber war nicht scharfsichtig genug, noch von hinlaͤnglich aufgeklaͤrten Verstande, um sich von unserer Kriegs- kunst einen Begriff zu machen, und sie hernachmals auf die besondre Lage seiner Landsleute anzuwenden. Demohnerachtet war er von dem Gedanken, sein Vater- land in Freyheit zu setzen, so voll, daß er sich in England mehrmalen hat ver- lauten lassen, wenn ihm Capitain Cook zu Ausfuͤhrung dieses Vorhabens nicht behuͤlflich waͤre; so wolle er schon dafuͤr sorgen, daß seine Landsleute demselben keine Lebensmittel sollten zukommen lassen. Er blieb auch unwandelbar bey diesem Vorsatz, bis gegen seine Abreise, da er endlich auf vieles Zureden friedferti- gere Gesinnungen anzunehmen schien. Wir konnten nicht absehen was einen Bewohner dieser Inseln, gleich dem Koͤnige O-Puni , bewogen haben sollte, ein Eroberer zu werden? Nach der Aussage aller von Borabora gebuͤr- tigen Leute, war ihre Insel nicht minder fruchtbar und angenehm als jene, welche sie sich mit gewaffneter Hand unterworfen hatten. Sie koͤnnen also durch nichts als Ehrgeiz dazu angetrieben worden seyn, so wenig auch dieser sich mit der Einfalt und dem edlen Character des Volks reimen laͤßt. Ein neuer Beweis, daß leider! selbst unter den besten Gesellschaften von Menschen große Unvollkommenheiten und Schwachheiten statt finden! Am zweyten Tage unsers Hierseyns begleiteten wir die Capitains nach einem großen Hause das dicht am Wasser stand, und in welchem Orea , der Befehlshaber dieses Districts wohnte. Er saß in selbigem nebst seiner Familie und vielen Leuten von Stande auf der Erde. Kaum hatten wir neben ihnen Platz genommen, als sich unverzuͤglich ein großer Schwarm von Einwohnern um uns her versammelte, so daß es von dem starken Gedraͤnge entsetzlich heiß wurde. Orea in den Jahren 1772 bis 1775. Orea war ein dicker Mann von mittler Statur, mit einem duͤnnen roͤthlich- 1773. Septem- ber. braunen Bart. Er hatte einen ungemeinen lebhaften verstaͤndigen Blick, und scherzte und lachte recht herzlich mit uns, ohne steife Ceremonie oder dergleichen geziertes Wesen anzunehmen. Seine Frau war eine aͤltliche Person; der Sohn und die Tochter aber erst zwoͤlf bis vierzehn Jahr alt. Letztere hatte eine ungemein weiße Farbe, auch in ihren Gesichtszuͤgen uͤberhaupt nur wenig von dem National-Charakter dieses Volks; die Nase war vorzuͤglich schoͤn gebildet, und den Augen nach haͤtte man sie fuͤr eine Chineserinn halten moͤgen. Sie war zwar nicht groß; allein von zierlichem und wohl proportionirten Glieder- bau; vornemlich waren die Haͤnde unbeschreiblich schoͤn, Fuͤße und Beine hin- gegen etwas zu dick; auch stand es ihr nicht gut an, daß das Haar kurz abge- schnitten war. Sonst hatte sie etwas sehr Gefaͤlliges in ihrem Wesen, und gleich den mehresten ihrer Landsmaͤnninnen, eine sanfte angenehme Stimme. Es war nicht moͤglich ihr etwas abzuschlagen, wenn sie um Corallen oder andre dergleichen Kleinigkeiten bath. Weil wir indessen keinesweges ans Land gekom- men waren, um hier in einem Hause zu bleiben, so standen wir bald wieder auf und spazierten unter die Baͤume hin, um Voͤgel zu schießen und Pflan- zen zu suchen. Zu unserer wahren Freude trafen wir hier unter dem gemei- nen Volk, was wir bey den Leuten in Huaheine vermißt hatten, jenes Zutrauen und die zudringliche Vertraulichkeit, der Tahitier, ohne das unertraͤgliche Betteln dieser letztern. Nach Tische machten wir abermals einen Spatziergang und schossen verschiedne Eisvoͤgel. Bey der Ruͤckkehr von der Jagd begegneten wir Orea nebst seiner Familie und Capitain Cook , die in der Ebene mit ein- ander spatzieren giengen. Orea bekuͤmmerte sich nicht um den geschoßnen Vo- gel den wir in Haͤnden hatten, seine schoͤne Tochter hingegen beklagte den Tod ihres Eatua und lief von uns weg, wenn wir ihr damit zu nahe kamen. Ihre Mutter und die uͤbrigen Frauensleute schienen uͤber diesen Zufall nicht min- der betruͤbt zu seyn; und als wir wieder nach dem Schiffe zuruͤck fahren wollten, bat uns Orea in einem ganz ernstlichen Tone, keine Eisvoͤgel und Reyher mehr auf seiner Insel zu toͤdten; andre Voͤgel moͤgten wir so viel schießen als uns beliebte. Zwar unterließen wir nicht auch bey dieser Gelegenheit nachzufragen, was die Ursach von der Verehrung dieser beyden Vogel-Gat- Forsters Reise u. d. W. erster Th. P p Forster’s Reise um die Welt 1773. Septem- ber. tungen seyn moͤgte, konnten aber so wenig Auskunft daruͤber erlangen als zuvor. Am folgenden Tage erstiegen wir einen von den nahe gelegnen Bergen, und trafen auf dem Wege dahin, in den Thaͤlern, verschiedne neue Pflanzen an. Der Gipfel des Berges bestand aus einer Art von gelblichem Thonstein, und im Heraufgehen fanden wir hin und wieder einzelne Feuersteine, imgleichen Stuͤcke von einer loͤcherichten, schwammichten, weißfarbigen Lava, worinn sich einige Spuhren von Eifen zeigten. Dies so allgemein brauchbare und nuͤtzliche Metall, welches fast in allen Gegenden des ganzen Erdbodens zu finden ist, mag vielleicht auch in diesen Bergen haͤufig vorhanden seyn. Die Lava bestaͤtigte unsre Muthmaßung, daß diese Insel, gleich den uͤbrigen Eylanden die wir bis- her gesehn, ehemals durch den Ausbruch eines unterirdischen Feuers muͤsse ent- standen seyn. Ein Indianer, der uns begleitet und eine kleine Provision von Lebensmitteln nachgetragen hatte, zeigte uns von diesem Berg-Gipfel aus ver- schiedne Gegenden in der See, wo seiner Aussage nach, ebenfalls Inseln liegen sollten, doch waren solche außerhalb des Gesichtskreifes. Gegen Westen, sagte er, laͤge die Insel Mopiha , und ohngefaͤhr in Suͤd-West eine andre, Namens Whennua-aurah . Er setzte hinzu, daß beyde nur aus zirkelfoͤrmi- gen, hin und wieder mit Palmen bewachsenen Coral-Rieffen bestaͤnden, aber unbewohnt waͤren, weshalb sie auch, so wohl von hier als andern Inseln aus, nur dann und wann besucht wuͤrden. Wahrscheinlicher Weise sind es eben dieselben, die Capitain Wallis entdeckte, und sie Lord Howe’s und Seilly- Eyland nannte. Als wir am Mittage wieder vom Berge herab kamen, wa- ren die Capitains eben an Bord zuruͤckgekehrt, nachdem sie zuvor einen großen dramatischen Tanz mit angesehen hatten, der von den vornehmsten Frauenzim- mern auf der Insel war aufgefuͤhrt worden. Da das Wetter uͤberaus heiß war; so eilten auch wir vom Lande an Bord und fanden beyde Schiffe von ei- ner Menge Canots umgeben, in welchen verschiedne Leute von Stande wa- ren, die eine Menge Zeug von Maulbeer-Rinde bey sich hatten und solches gegen kleine Naͤgel zum Verkauf ausbothen. Unsre Corallen standen, als Putz- werk betrachtet, bey den Damen in hohem Werth; als Handlungswaare aber waren sie bey weiten nicht so gut zu gebrauchen wie Naͤgel, denn man wollte in den Jahren 1772 bis 1775. uns kaum Fruͤchte dafuͤr geben, ohngeachtet diese das wohlfeilste und gering- 1773. Septem- ber. ste aller Producte zu seyn pflegten. In Tahiti schaͤtzte man dergleichen Spielwerke ungleich mehr. Sollte die dortige vorzuͤgliche Neigung zu solchen Kleinigkei- ten und Flitterstaat, nicht einen hoͤhern Grad von allgemeinen Wohlstand an- zeigen und durch denselben veranlaßt werden? Reichthum pflegt wenigstens sonst insgemein zur Verschwendung zu leiten. — Die Hitze hielt den ganzen Ueberrest des Tages dermaßen an, daß wir erst bey Untergang der Sonne wieder ans Land gehen konnten. Wir stiegen an dem Wasser-Platze aus, allwo ein kleines Tupapau, oder Obdach befindlich war, unter welchem auf einem Geruͤste ein todter Coͤrper ruhete. Dieser Begraͤb- niß-Ort lag mitten in einem dichten Haine schattenreicher Baͤume. Ich hatte bis- her, weder hier noch auf den vorigen Inseln, dergleichen Begraͤbnißplaͤtze gesehen und wunderte mich daher nicht wenig, daß der todte Coͤrper auf eine so sorglose Weise der Verwesung und andern Zufaͤllen uͤberlassen war, auch der ganze Bo- den umher uͤberall voller Todten-Koͤpfe und Todten-Knochen lag. Gern haͤtte ich mich mit einem Indianer daruͤber besprechen moͤgen, konnte aber in dieser Gegend keinen ansichtig werden. Ich strich eine ganze Zeitlang umher, ohne jemand anzutreffen, denn wie ich nachher erfuhr, so hatten sich die Einwohner dieses Districts saͤmmtlich bey der Wohnung ihres Befehlsha- bers versammlet, allwo durch die Trommeln das Zeichen zu einem abermaligen Hiva oder oͤffentlichen Tanze war gegeben worden. Sie halten viel auf diesen Zeitvertreib und laufen demselben zu Gefallen aus weit entfernten Gegenden zusammen. Der stille Abend und die Schoͤnheit des Landes machten mir diesen Spatziergang uͤberaus angenehm; und die Entfernung der Einwohner brachte eine so einsame Stille zuwege, daß ich beynahe in einer bezauberten Insel zu seyn glaubte. Endlich begegneten uns, noch disseits des Strandes, etliche India- ner, davon der eine ein sehr verstaͤndiger Mann zu seyn schien. Diesen fragten wir unter andern, ob, und was fuͤr Inseln hier in der Nachbarschaft umher laͤ- gen, worauf er uns ihrer neune mit Namen angab: Mopiha ; Whennua- Aurah ; Adiha ; Tautihpa ; Wauwan ; Uborruh ; Tabua ï ; Auhaͤiau und Rorotoa . Von den beyden ersten hatten wir, heute Morgen schon, durch unsern indianischen Begleiter etwas erfahren, und von den sieben andern ver- P p 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. Septem- ber. sicherte uns unser jetziger Gesellschafter, sie waͤren saͤmmtlich bewohnt, bis auf Adiha , welches nur dann und wann besucht wuͤrde. Uborruh sollte nach sei- nem Bericht ein Whennua oder hohes Land, alle uͤbrigen hingegen Motuh , d. i. dergleichen flache Inseln seyn, die nur aus Coral-Rieffen bestehen. Diese Nachrichten waren aber fuͤr unsre Neugierde nichts weniger als befriedigend. Wir wandten uns also, naͤherer Auskunft wegen, an Orea , der am folgenden Morgen, nebst seinem Sohn Teha ï ura und verschiednen andern Befehlshabern, an Bord kam. Die Aussage dieser Leute stimmte mit dem Bericht unsers gestrigen Fuͤhrers, nur zum Theil uͤberein; denn von allen neun Inseln, deren jener gedacht hatte, nannten sie uns nicht mehr als die erste, zweyte, siebente und neunte; behaupteten auch, die zweyte sey allerdings bewohnt. Dagegen sprachen sie noch von Worio oder Woriea , einer großen Insel, imgleichen von einer andern, Orimatarra genannt, die beyde bestaͤndig bewohnt waͤren; wo aber diese Inseln eigentlich liegen sollten, und wie weit von hier, darinn waren sie gar nicht einig. Auch war von allen denen, die wir darum befragten, keiner selbst da gewesen. So unbestimmt indessen diese Berichte lauten; so laͤßt sich aus denselben doch abnehmen, daß die Schifffahrt dieser Voͤlker vordem ziemlich ausgebreitet gewesen seyn muͤsse, wenn sie es gleich jetzt nicht mehr seyn mag. Der bekannte Tupaia , der sich ehemals, von Tahiti aus, auf der Endeavour einschiffte, hatte eine ungleich groͤßere Anzahl von Inseln nahmhaft gemacht, und solche, ihrer Groͤße und Lage nach, auf eine Charte gezeichnet, von welcher mir der Lieutenant Pickersgill eine Copey mitgetheilt hat. Diese schien in gewisser Absicht glaubwuͤrdig genug zu seyn, denn wir fanden alle vorerwaͤhnte Namen, nur allein Uborruh und Tubua ï nicht, auf derselben anzeigt; dagegen konnten die Groͤßen und Lagen der Inseln unmoͤglich richtig angegeben seyn, weil wir sonst auf unsrer nachmaligen Fahrt, schlechterdings mehrere derselben haͤtten beruͤhren muͤs- sen, welches gleichwohl nicht geschahe. Es ist daher sehr wahrscheinlich, daß Tupaia , um sich das Ansehn einer groͤßern Einsicht und Wissen- schaft zu geben, diese Charte der Suͤd-See blos aus der Fantasie entworfen und vielleicht manche Namen erdichtet habe, denn er hatte deren mehr als funf- zig angezeigt. in den Jahren 1772 bis 1775. Orea und sein Sohn fruͤhstuͤckten mit uns und giengen, nach reichlicher 1773. Septem- ber. Erwiederung ihrer Geschenke, ans Land zuruͤck. Wir folgten bald nachher und wurden von ihm eingeladen, einem dramatischen Tanze oder Hiwa beyzuwoh- nen, welches uns desto lieber war, da wir dergleichen noch nicht gesehen hatten. Der Schauplatz bestand aus einem ebnen Wiesengrunde, der zwischen zweyen pa- rallel liegenden Haͤusern mitten inne, ohngefaͤhr 75 Fus lang und 15 Fus breit war. Das groͤßere dieser beyden Haͤuser konnte eine Menge Zuschauer fassen; das andre hingegen, welches auf einer Reihe Pfosten stand, war nur eine enge Huͤtte, nach dem Schauplatz hin offen, sonst aber uͤberall zugehangen. Innerhalb derselben hatte man eine Scheidewand von Gitterwerk und Matten gemacht, hinter welcher sich die Schauspieler ankleideten. Der Fusboden war mit drey großen, schoͤn gearbeiteten, und auf den Ecken schwarz gestreiften Matten be- legt. An der offnen Seite der kleinern Huͤtte standen drey, aus hartem Holze geschnitzte und mit Hayfisch-Fell uͤberzogene Trommeln, davon die groͤßte ohn- gefaͤhr 3 Fuß hoch seyn und 12 Zoll im Durchschnitt halten mogte. Diese wurden von vier oder fuͤnf Leuten blos mit den Fingern, aber mit unglaubli- cher Geschwindigkeit, geschlagen. Nachdem wir eine ganze Weile in dem ge- genuͤber liegenden Hause, unter den vornehmsten Damen des Landes, gesessen hatten, erschienen endlich die Actrizen. Eine derselben war Poyadua , Orea’s schoͤne Tochter, und die zwote eine lange wohlgebildete Frau, schoͤn von Gesicht und Farbe. Die Kleidung dieser Taͤnzerinnen wich von ihrer sonst gewoͤhnlichen Tracht merklich ab. Sie hatten ein Stuͤck einlaͤndischen braunen Zeuges, manche auch ein Stuͤck blauen europaͤischen Tuches, dicht um die Brust zusammengeschlagen, welches unsern glatt anliegenden Damens-Kleidern nicht ungleich sahe. Um die Huͤften war ein Wulst von vier, uͤbereinander liegen- den, Reihen ihres einheimischen Zeuges, wechselsweise von rother und weißer Farbe, mit einem Stricke festgeguͤrtet. Von da hieng eine Menge weißen Zeuges, bis auf die Fuͤße herab, und machte eine Art von Rock, der so lang und weit war, daß wir fuͤrchteten, er wuͤrde ihnen im Tanzen hinderlich seyn. Hals, Schultern und Arme blieben nackend; auf dem Kopf aber tru- gen sie eine Menge Flechten von Menschenhaaren, Tamau genannt, die zir- kelfoͤrmig uͤbereinander aufgethuͤrmt lagen und einen ohngefaͤhr 8 Zoll hohen P p 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. Septem- ber. Turban ausmachten, der unten enger als oben, innerhalb hohl, und mit wohl- riechenden Bluͤthen des Cap-Jasmins ( Gardenia, ) angefuͤllt war. An der Vorder-Seite dieses Turbans sahe man drey bis vier Reihen von kleinen, weißen Blumen, die sternfoͤrmig eingesteckt waren und auf dem pechschwarzen Haar des Kopfputzes eben so schoͤn abstachen als Perlen. Die Taͤnzerinnen bewegten sich nunmehro nach dem Schall der Trommel, und, wie es schien, unter Anfuͤhrung eines alten Mannes, der mit tanzte und einige Worte hoͤren ließ, die wir, dem Ton nach, fuͤr eine Art von Gesang hielten. Sie machten verschiedne Stellungen und allerhand mannichfaltige Bewegungen mit den Haͤnden, darunter manche wohl etwas frey, jedoch bey weiten nicht so unan- staͤndig waren als ein und andres, was die keuschen Augen der englischen Da- men nach der Mode, in den Opern, In England wird auf dem italiaͤnischen Theater gemeiniglich nur Opera buffa gegeben. A. d. H. nur durch den Faͤcher, zu sehen ge- zwungen sind. In ihrer Art die Arme zu bewegen, ist warlich viel Grazie und in dem bestaͤndigen Spiel ihrer Finger ebenfalls etwas ungemein zierliches. Das einzige, was mit unsern Begriffen von Schoͤnheit, Anstand und Harmonie nicht uͤbereinstimt, war die haͤßliche Gewohnheit, den Mund auf eine so abscheuliche Art zu verzerren, daß es ihnen keiner von uns gleich thun konnte. Sie zogen den Mund seitwaͤrts, in eine herabhaͤngende Linie, und brachten zu gleicher Zeit die Lippen in eine wellenfoͤrmig-convulsivische Bewegung, als ob ihnen, aus lan- ger Gewohnheit, der Krampf gleichsam zu Gebote staͤnde. Nachdem sie ohngefaͤhr 10 Minuten lang getanzt hatten, begaben sie sich in denjenigen Theil der Huͤtte, den ich zuvor das Kleidezimmer genannt habe, und fuͤnf in Matten gehuͤllte Manns- personen traten dagegen auf, um eine Art von Drama vorzustellen. Dieses be- stand wechselsweise in unanstaͤndigem Tanzen und einer Unterredung, die nach einem abgemeßnen Sylbenmaaß abgefaßt zu seyn schien, und in welcher sie zu- weilen insgesammt einige Worte uͤberlaut ausschrien. Ihre Stellungen kamen, dem Ansehen nach, mit dem Innhalt genau uͤberein. Einer kniete nieder und ließ sich von einem andern schlagen und beym Barte zupfen, der diese Possen noch an zween andern versuchte, davon aber der letzte unrecht verstand, und ihn mit ei- nem Stocke durchpruͤgelte. Hierauf giengen sie ab, und die Trommeln kuͤndig- in den Jahren 1772 bis 1775. ten den zweyten Act des Tanzes an, der von zwey Frauenspersonen, ohngefaͤhr so 1773. Septem- ber. wie der erste, aufgefuͤhrt ward; alsdenn traten die Mannspersonen abermals auf; und endlich beschlossen die Taͤnzerinnen das Schauspiel mit einem vierten Tanz- Acte. Nach Endigung dieses letztern, setzten sie sich ganz abgemattet und in heftiger Transpiration nieder. Eine Taͤnzerinn insbesondre, die etwas stark war, hatte von der Erhitzung eine sichtbare Roͤthe im Gesicht bekommen, woraus man abnehmen kann, wie fein und weiß, vergleichungsweise, ihre Haut gewesen seyn muͤsse. Orea’s Tochter hatte ihre Rolle bewundrungswuͤrdig schoͤn gemacht, ohnerachtet sie sich erst gestern, zweymal, in einem solchen Hiwa hatte sehen lassen. Die Officiers beyder Schiffe, und auch wir uͤberhaͤuften die Taͤnzerinnen, zur wohlverdien- ten Belohnung ihrer Geschicklichkeit, mit Corallen und anderm Putzwerk. Nachmittags kam U-Uru , der Koͤnig von Raietea , nebst Orea und ver- schiednen Damen ans Schiff, um Capitain Cook zu besuchen. Er brachte ein Schwein zum Geschenk mit und erhielt dagegen allerhand europaͤische Waaren. Unter den Frauenzimmern, die ihn begleiteten, war auch die Taͤnzerinn, deren schoͤne Farbe wir so sehr bewundert hatten. Sie hieß Teina oder Teinamai , und die gewoͤhnliche Kleidung, in welcher sie jetzt erschien, stand ihr ungleich besser als der schwerfaͤllige thearralische Habit. Ihr langes unverschnittnes Haar war mit einem schmalen Streif weißen Zeuges nachlaͤßig durchflochten und fiel in natuͤrliche Locken, schoͤner als die Fantasie eines Mahlers solche je geformt hat. Ihre Augen blickten voll Feuer und Ausdruck aus dem rundlichen Gesicht her- vor, uͤber welches ein angenehmes Laͤcheln verbreitet war. Herr Hodges suchte sie bey dieser Gelegenheit abzuzeichnen, ihre Lebhaftigkeit und Fluͤchtigkeit aber machten es ihm ungemein schwer, ja fast ohnmoͤglich. Dies ist auch wahr- scheinlicherweise Ursach, weshalb es ihm mit diesem Bildniß, welches sich in Capitain Cooks eigner Nachricht von gegenwaͤrtiger Reise befindet, nicht so gut als sonst, hat gluͤcken wollen. So meisterhaft dasselbe auch von Herrn Sherwin in Kupfer gestochen ist; so bleibt es dennoch unendlich weit unter der Delicatesse des reizenden Originals. Fehlt ihm indessen gleich die Aehnlichkeit mit der Person die es eigentlich vorstellen soll; so kann man es doch als eine Probe von der gewoͤhnlichen Gesichtsbildung dieser und der benachbarten In- sulaner gelten lassen, und sich, nach demselben, einen ziemlich richtigen Begriff Forster’s Reise um die Welt 1773. Septem- ber. von einem zehnjaͤhrigen Tahiti schen Knaben machen. Gegen Untergang der Sonne giengen unsre vornehmen Gaͤste, mit der genoßnen Aufnahme ungemein zufrieden, allerseits wieder aus Land; von dem gemeinen Volk hingegen, blieb eine Menge Frauenspersonen im Schiffe und bezeigte sich gegen die Matrosen eben so gefaͤllig als die Tahiti schen Maͤdchen. Es war sonderbar, daß selbst diese Gattung von Frauensleuten einen gewissen Grad von Eitelkeit besaß; denn sie nannten sich untereinander nicht an- ders als Tedua, (Madame) ein Titel, der hier zu Lande nur den adelichen Da- men zukommt, ja eigentlich vorzugsweise nur den Prinzeßinnen gebuͤhret. Dies wußten wir von Tahiti aus; wenn z. E. dort des Koͤnigs Schwester irgendwo voruͤber kam, so pflegte derjenige Indianer, der sie zuerst erblickte, uͤberlaut auszurufen: Tedua harremai, Madame kommt! damit seine Landsleute ihre Schuldigkeit beobachten und die Schultern entbloͤßen moͤchten; oft sagten sie in dergleichen Faͤllen auch blos Eri, welches dann jederzeit eine Person von koͤniglichem Gebluͤte andeutete. — Unsre Matrosen aber, welche die hiesige Sprache nicht verstanden, glaubten steif und fest, daß ihre Dulcineen hier alle einerley Namen haͤtten, welches denn oft lustige Auftritte veranlaßte. Die beyden folgenden Tage brachten wir damit hin, laͤngst der Kuͤste botanisch- und physicalische Untersuchungen anzustellen. Gegen das Nord-Ende der Insel fanden wir viel tiefe Buchten, die sich in sumpfigte Gegenden endigten, allwo es wilde Endten und Schnepfen in Menge gab. Dieses Wildpret war aber scheuer als wir erwarteten; denn wie sich nach der Hand auswies, so halten es die Einwohner, so gut als wir, fuͤr Leckerbissen und jagen darnach. Am Sonn- tage gab man uns noch einen Hiwa oder dramatischen Tanz zum besten; er ward durch eben die Personen aufgefuͤhrt, und war eben so beschaffen, als der zu- vor erwaͤhnte, nur dauerte er nicht so lange. Am 14ten, bey Anbruch des Tages, sandten Capitain Cook und Four- neaux , jeder ein Boot nach der Insel O-Taha , die 2 bis 3 See-Meilen von hier und innerhalb desselben Felsen-Rieffs liegt als Raietea . Sie hofften dort einen Vorrath von Fruͤchten zu bekommen, die auf letzterer Insel, wo wir vor Anker lagen, selten waren. Zu dem Ende nahm sowohl der Lieutenant Pi- ckersgill , als auch Herr Rowe , einen Vorrath von Corallen und Naͤgeln mit sich. in den Jahren 1772 bis 1775. sich. Dr. Sparrmann und mein Vater wollten die Gelegenheit, jene Insel zu 1773. Septem- ber. untersuchen, nicht aus den Haͤnden lassen, und giengen also auch mit. Waͤhrend ihrer Abwesenheit wurden wir vom Orea , der in dem District der Insel, wo wir vor Anker lagen, Befehlshaber war, zu Gaste genoͤthigt. Es verfuͤg- ten sich daher die Capitains beyder Schiffe, nebst verschiednen Officiers und Pas- sagiers, unter welchen auch ich war, zu Mittage aus Land, wohl versehen, mit Pfeffer, Salz, Messern, Gabeln und etlichen Flaschen Wein. Bey der Ankunft in unsers Wirthes Hause fanden wir den Boden groͤßtentheils mit Blaͤttern bestreuet, die statt Tischtuchs dienten. Rund um diesen Bezirk nahmen wir und die Vornehmsten des Landes unsre Plaͤtze ein. Wir hatten nicht lange gesessen, als ein gemeiner Indianer herein kam, der ein gebratenes Schwein, in Pisang-Blaͤtter gewickelt, auf den Schultern hatte, und solches mitten vor uns, auf die Erde, hinwarf. Eben dies that ein zweyter mit ei- nem kleineren Schweine; und diesen folgten verschiedne andre mit Koͤrben voll Brodfrucht, Bananen, und gegohrnem Brodfrucht-Teige Mahei genannt. Der Wirth bat, wir moͤgten uns selbst bedienen, worauf denn in kurzer Zeit beyde Schweine zerlegt waren. Nun draͤngten sich die Leute gewaltig her- bey; die Frauenspersonen und uͤberhaupt alles gemeine Volk bat in betteln- dem Tone, um Schweinebraten, doch theilte jeder der etwas bekam, seinen Nachbarn redlich davon mit, ja sie reichten es, von Hand zu Hand, bis ans aͤußerste Ende des Haufens, von woher die Leute, des Gedraͤnges wegen, nicht herbey kommen konnten. Die Maͤnner verzehrten ihren Antheil mit großem Appetit; die Frauensleute hingegen wickelten ihre Portionen in Blaͤtter und verwahrten sie bis sie allein seyn wuͤrden. Sowohl die Gierigkeit mit der sie uns plagten und womit sie ihre Bitten unablaͤssig wiederholten, als auch die neidischen Blicke der Vornehmern, wenn wir den Bittenden etwas mittheilten, uͤberzeug- ten uns, daß der gemeine Mann in dieser Insel kein Recht und keine Anspruͤche auf dergleichen Leckerbissen habe. Das Schweinefleisch schmeckte nach hiesiger Zu- bereitung, uns allen, ungleich besser als nach irgend einer europaͤischen Manier zu- gerichtet. Es war saftiger als unser gekochtes und auf alle Weise zaͤrter als unser gebratnes. Vermittelst der gleichfoͤrmigen Hitze, worinn es unter der Erde gehal- ten wird, bleibt Saft und Kraft durchaus beysammen. Das Fett hatte nicht den Forsters Reise u. d. W. erster Th. Q q Forster’s Reise um die Welt 1773. Septem- ber. geringsten geilen oder widrigen Geschmack, und die Haut, die an unsern Schweine-Braten gemeiniglich steinhart zu seyn pflegt, war hier so zart als alles uͤbrige Fleisch. Beym Schluß der Mahlzeit kamen unsre Weinflaschen dran und Freund Orea ließ sich sein Glaͤschen schmecken ohne ein Auge zu verdrehen, woruͤber wir uns um so mehr wunderten, als die Einwohner dieser Inseln sonst uͤberall einen Widerwillen gegen unsre starken Getraͤnke bezeigt hatten. Die Tu- gend der Nuͤchternheit ist auch wuͤrklich fast allgemein unter ihnen, besonders un- ter dem gemeinen Volk. Doch haben sie ein berauschendes Getraͤnk, auf wel- ches vorzuͤglich einige alte Oberhaͤupter sehr viel halten. Es wird aus dem Saft einer Pfeffer-Baum-Wurzel, hier zu Lande Awa genannt, auf eine hoͤchst ekelhafte Weise verfertigt, wie ich an einem der ersten Tage nach unserer An- kunft selbst mit angesehen habe. Nachdem die Wurzel in Stuͤcken geschnitten ist, wird sie von etlichen Leuten vollends klein gekauet und, die mit Speichel wohl durchweichte Masse, in ein großes Gefaͤß voll Wasser oder Coco-Nuß-Milch gespuckt. Dieser ungemein appetitliche Brey wird hierauf durch Coco-Nuß-Fa- sern geseiget, und die gekaueten Klumpen sorgfaͤltig ausgedruckt, damit der zu- ruͤckgebliebne Saft sich vollends mit der Coco-Nuß-Milch vermischen moͤge. Zu- letzt wird der Trank in eine andre große Schaale abgeklaͤrt, und ist alsdenn zum Gebrauch fertig. Dies haͤßliche Gemaͤngsel verschlucken sie mit ungemeiner Gie- rigkeit: und einige alte Saͤuffer thun sich nicht wenig darauf zu gut, daß sie viel Schaalen davon leer machen koͤnnen. Unser Passagier Porea , der hier nicht so zuruͤckhaltend als auf Huaheine war, brachte eines Tages einen seiner neuen Bekannten in die Cajuͤtte des Capitains, und setzte sich sogleich mit ihm nieder, um jene Schmiererey nachzumachen. Als sie damit zu Stande gekommen wa- ren, trank er ohngefaͤhr ein Noͤßel, ward aber, in weniger denn einer Vier- telstunde, so berauscht davon, daß man ihn ohne Bewegung auf dem Boden lie- gend fand. Sein Gesicht war feuerroth und die Augen standen ihm gleichsam zum Kopf heraus. In diesem Zustande schlief er einige Stunden ohne von seinen Sinnen zu wissen, als er aber wieder zu sich kam, schaͤmte er sich dieser Aus- schweifung. Die Voͤllerey bleibt indessen, gleich jeder andern Ausschweifung, auch hier nicht ungestraft. Die Alten, welche diesem Laster nachhaͤngen, sind duͤrr und mager, haben eine schuppichte, schaͤbige Haut, rothe Augen, und rothe in den Jahren 1772 bis 1775. Flecke uͤber den ganzen Leib. Alles dieses sind, ihrem eignen Gestaͤndniß nach, 1773. Septem- ber. unmittelbare Folgen des Soffes und folglich muͤssen die Bestandtheile der Pfeffer- pflanze wohl die eigenthuͤmliche Eigenschaft haben, daß sie den Aussatz hervorbrin- gen. Außerdem aber gilt diese Wurzel, bey den Einwohnern aller dieser Inseln, auch fuͤr ein Sinnbild des Friedens, vielleicht weil Trunkenheit gute Camerad- schaft macht. Sobald wir abgespeißt hatten, machten sich unsre Matrosen und Be- dienten mit den uͤbriggebliebenen Brocken lustig; und die Indianer, welche sich vorher bey unsrer Freygebigkeit so wohl befunden hatten, machten ihnen nun die Cour. Doch waren die Matrosen nur gegen die huͤbschen Maͤdchen gefaͤllig; und verlangten, vermoͤge ihres natuͤrlichen Hanges zur groben Sinn- lichkeit, fuͤr jeden Bissen Fleisch, bald diese, bald jene Unanstaͤndigkeit. Um die Freuden dieses Tages vollkommen zu machen, befahl Orea , daß abermals ein Hiwa aufgefuͤhrt werden sollte. Bey diesem wurden wir in die Coulissen oder ins Kleide-Zimmer gelassen, damit wir sehen sollten wie sich die Taͤnzerinnen ankleiden wuͤrden. Diese Erlaubniß brachte ihnen manches kleine Geschenk zuwege; so geriethen wir z. E. auf den Einfall ihren Kopfschmuck durch verschiedene Schnuren von Corallen zu verschoͤnern, womit sie ganz wohl zufrieden waren. Unter den Zuschauern befanden sich einige der groͤßten Schoͤn- heiten des Landes; vornemlich war eine Frauensperson viel weißer von Farbe als wir sie sonst in diesen Inseln uͤberall gefunden hatten. Ihre Haut war als weißes etwas fahlgraues Wachs anzusehen, ohne daß etwa eine Krank- heit daran schuld gewesen waͤre, die dergleichen Farbe sonst wohl anzudeuten pflegt. Ihre schoͤnen schwarzen Augen und Haare contrastirten damit vortreflich, und zogen ihr unsre einstimmige Bewunderung zu. Man huldigte ihrer Schoͤn- heit auch bald durch allerhand kleine Geschenke; allein, statt sich an diesen genuͤgen zu lassen, ward ihre Liebe zum Putz und Flitterwerk nur desto mehr er- regt, und sie plagte einen jeden von uns, so lange sie nur vermuthen konnte, daß wir noch eine einzige Coralle in der Tasche haͤtten. Einer von unsrer Gesellschaft hielt zufaͤlligerweise ein kleines Vorhaͤngeschloß in Haͤnden. Kaum fiel ihr dieses in die Augen, so verlangte sie es zu haben. Der Besitzer schlugs ihr anfaͤnglich ab, da sie aber nicht auf hoͤrte darum zu betteln, ließ er sich endlich erweichen, Q q 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. Septem- ber. war aber so leichtfertig es ihr ins Ohr zu haͤngen mit der Versicherung, daß es dahin gehoͤre und daran getragen werden muͤsse. Eine Zeitlang wußte sie sich was rechts damit, und war von diesem neuen Putz ungemein zufrieden: Allein bald darauf, da es ihr zu schwer und zu schmerzhaft fiel, verlangte sie desselben los zu seyn. Nun warf er den Schluͤssel weg, und gab ihr zu verstehen, sie habe es ausdruͤcklich von ihm begehrt, und wenn sie es beschwerlich finde, so moͤgte sie es immerhin zur Strafe ihres ungestuͤmen Bettlens im Ohre behalten. Daruͤber war sie untroͤstlich, weinte ihre bit- tersten Thraͤnen, und bat einen nach dem andern ihr von dem Schlosse zu helfen; allein, so gern auch mancher gewollt haͤtte, so gieng es doch nicht an, weil kein Schluͤssel dazu vothanden war. Sie wandte sich also an den Befehlshaber, und die- ser legte, nebst seiner Frau, Sohn und Tochter, ein Vorwort fuͤr das Maͤdchen ein; ja sie boten sogar Zeug, Raͤucherholz und Schweine zum Loͤsegeld; aber alles umsonst. Endlich fand man doch einen Schluͤssel, der zum Schlosse paßte, und damit ward dem Wehklagen des armen Maͤdchens ein Ende gemacht, und Ruhe und Freude unter ihren Gespielen wieder hergestellt. Dieser Zufall hatte indessen die gute Wuͤrkung, daß sie und andre ihrer Landsmaͤnninnen von der Gewohnheit zu Betteln abließen. Nachdem nun auf die Art bey der gastfreyen Auf- nahme unsers Wirthes und dem guten Betragen des uͤbrigen Volks dieser Tag ganz vergnuͤgt vergangen war; so kehrten wir gegen Abend sehr zufrieden an Bord zu- ruͤck. Desto mehr befremdete es uns aber, daß sich am folgenden Morgen, ganz wieder die Gewohnheit der Insulaner, nicht ein einziges Canot bey dem Schiffe sehen ließ. Um die Ursach einer so schleunigen Veraͤnderung zu erfahren, eil- ten wir nach Orea’s Hause, fanden es aber zu unserer noch groͤßeren Verwun- derung von ihm und seiner ganzen Familie verlassen. Endlich erfuhren wir durch etliche Indianer, die auch ihrer Seits uͤberaus schuͤchtern thaten, Orea habe sich nach dem Nord-Ende der Insel begeben, aus Furcht wir wuͤrden ihn gefangen nehmen. Je weniger wir begreifen konnten, was diese ungegruͤndete Be- sorgniß moͤgte veranlaßt haben, desto mehr eilten wir, ihm solche zu benehmen und unsrer Freundschaft aufs neue zu versichern. In dieser Absicht fuhren wir einige Meilen laͤngst der Kuͤste bis nach dem Orte hin, wohin er gefluͤchtet war. Hier fanden wir alles um ihn her in Thraͤnen und mußten allerhand Schmeiche- in den Jahren 1772 bis 1775. leyen anwenden, um das vorige Zutrauen wieder zu gewinnen. Corallen, 1773. Septem- ber. Naͤgel und Beile leisteten uns hiebey die besten Dienste. Orea’s Anverwand- ten klagten uns, Capitain Cook wuͤrde sie gefangen nehmen, um ihre Lands- leute dadurch zu zwingen, daß sie unsre nach O-Taha entlaufnen Matrosen wieder herbeybringen sollten. Nun sahen wir ihren Irrthum ein, und versi- cherten ihnen, diese Leute waͤren keinesweges entlaufen, sondern wuͤrden ganz gewiß noch heute wieder kommen. Orea war aber damit noch nicht zufrieden, sondern nannte jede Hauptperson in beyden Booten bey Namen, und frug bey einem jeden insbesondre, ob auch der wiederkommen wuͤrde? Da ihm nun durchaus mit Ja geantwortet wurde, so gab er sich endlich zufrieden. Indem wir also mit Orea’s Familie in einem Cirkel beysammen saßen, kam Porea un- ser Tahitier, der mit nach England gehen wollte, eiligst zum Capitain gelau- fen, haͤndigte ihm das Pulverhorn ein, welches er bis dahin bestaͤndig in Ver- wahrung gehabt hatte, und sagte mit wenig Worten, er wuͤrde sogleich wieder- kommen. Nachdem wir aber eine lange Weile vergebens gewartet, so mußten wir end- lich ohne ihn ans Schiff zuruͤckkehren, bekamen ihn auch nachher nie wieder zu Ge- sicht. Von den Einwohnern wußte uns niemand zu sagen wo er hingekommen sey, und damit kein neuer Allarm unter ihnen entstehen moͤgte, wollte der Capitain auch eben nicht gar zu scharfe Nachfrage halten. Nach Tische begleitete ich den Capitain abermals um dem Orea einen Besuch abzustatten. Bey dieser Gelegenheit wandte sich ein schoͤner junger Mensch an mich, und bat, daß wir ihn mit nach England nehmen moͤchten. Er hieß O-Hedidi , war ohngefehr siebenzehen Jahr alt und schien, der Farbe und Kleidung nach, von gutem Her- kommen zu seyn. Ich wollte anfaͤnglich nicht glauben, daß er das bequeme Leben der vornehmern Leute auf diesen Inseln zu verlassen geneigt sey, und erzaͤhlte ihm mit laͤchelndem Munde was fuͤr Unannehmlichkeiten er sich durch seinen Entschluß aussetzen wuͤrde. Aber alle meine Vorstellungen, daß er rauhe Witterung an- treffen, und mit ungewohnter schlechter Kost wuͤrde vorlieb nehmen muͤssen, vermogten bey ihm nichts. Er blieb bey seinem Vorsatz, und endlich stimmten auch viele seiner Freunde in den Wunsch ein, daß man ihn mitnehmen moͤgte. Ich stellte ihn also dem Capitain Cook vor, der ohne Schwierigkeit in sein Verlangen willigte. Hierauf kehrten wir alle an Bord zuruͤck, und noch vor Q q 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. Septem- ber. Sonnen-Untergang trafen auch die nach O-Taha abgeschickten Boote, mit einer dort aufgekauften Ladung Bananen und Coco-Nuͤssen, imgleichen mit einigen Schweinen, wieder bey dem Schiffe ein. Sie waren an eben dem Tage, da sie von uns gegangen, des Morgens bey guter Zeit, an der oͤstlichen Seite einer schoͤnen Bay, O-Hamane genannt, vor Anker gelangt. Ihrer Beschrei- bung nach, war sowohl das Land als die Einwohner dieser Insel, von eben sol- cher Beschaffenheit als in den uͤbrigen Inseln dieses Archipelagus. Und wuͤrklich sind Gewaͤchse und Thiere hier uͤberall von einerley Art, nur daß man in einer Insel diese, in anderen jene Gattung seltner oder haͤufiger antrifft. So war zum Exempel der Baum, den unsre Seeleute einen Apfelbaum nannten ( Spondias ) sehr haͤufig auf Tahiti , hingegen sehr selten auf Raietea und Huaheine , und auf Taha ebenfalls nicht gemein. Huͤhner fanden wir auf Tahiti fast gar nicht: Dagegen gab es deren auf den Societaͤts-Inseln die Menge. Ratten, welche Tahiti bey tausenden plagten, waren nicht so zahlreich auf O-Taha , noch seltner auf Raietea , und auf Huaheine bekam man dergleichen kaum zu sehen. Nachdem unsre Leute im Haven O-Hamane zu Mittage gespeißt hat- ten, begaben sie sich nach der zunaͤchst gegen Norden gelegnen Bucht, um dem dortigen Befehlshaber O-Tah , einen Besuch abzustatten, bey dessen Hause auch ein Hiwa oder oͤffentlicher Tanz angestellt werden sollte. Auf dem Wege dahin erblickten sie von fern eine Frauensperson, die ganz sonderbar gekleidet und uͤber und uͤber schwarz gemacht war. Es hieß, sie traure und sey eben mit den Beerdigungs-Ceremonien beschaͤftigt. Je naͤher sie der Wohnung des Be- fehlshabers kamen, desto groͤßer ward, sowohl um ihrer, als um des Hiwa’s willen, das Gedraͤnge. Endlich langten sie bey dem Hause an; der Erih war ein aͤltlicher Mann und sas auf einem hoͤlzernen Stuhle, wovon er, gleich bey Erblickung der Fremden, meinem Vater die Haͤlfte zum Sitz einraͤumte. Es waͤhrete nicht lange, so eroͤffneten drey junge Maͤdchen den Tanz, wovon die aͤltere nicht uͤber zehn, und die juͤngste nicht voͤllig fuͤnf Jahr alt war. Die Music be- stand, wie gewoͤhnlich, aus drey Trommeln; und zwischen den Acten fuͤhrten drey Mannsleute ein pantomimisches Drama auf, in welchem schlafende Rei- sende vorgestellt wurden, denen einige Diebe mit großer Geschicklichkeit die in den Jahren 1772 bis 1775. Bagage wegstohlen, ohnerachtet sich jene, groͤßerer Sicherheit wegen, rund um 1773. Septem- ber. dieselbe herum gelegt hatten. Waͤhrend dieser Vorstellung mußte das Volk fuͤr einige Leute Platz machen, die sich dem Hause Paar-weise naͤherten, aber an der Thuͤr stehen blieben. Es waren theils erwachsne Personen, theils Kin- der, die am obern Theil des Coͤrpers gaͤnzlich nackend giengen und mit Cocos-Oel eingesalbt waren, um die Huͤften aber Scherffen von rothem Zeuge und um den Kopf Tamau, oder Schnuͤre von geflochtnem Haar trugen. O-Tah nannte sie die O-Da-widdi, O-Hedidi und O-Ma ï nannten sie Hih-Biddhi, und sagten, es bedeute Anverwandten. welches nach Maasgabe der Zeichen die er da- bey machte, so viel als Leidtragende zu bedeuten schien. Als sich diese Leute dem Hause naͤherten, ward der Platz vor selbigem mit Zeug belegt, solches aber bald wieder aufgerollt und an die Trommelschlaͤger ausgetheilt. Einer von diesen gerieth mit einem andern Indianer in Wortwechsel, und ehe man sichs versahe, wurden sie handgemein und zerrten einander bey den Haaren herum: Damit aber das Fest nicht unterbrochen wuͤrde, stellte man gleich einen andern an die Trommel und jagte die beyden Zaͤnker zum Haufe hinaus. Gegen das Ende des Tanzes, mußten die Zuschauer nochmals Platz machen, weil die O-Da- widdi von neuem wieder zum Vorschein kamen; doch blieben sie, wie zuvor, an dem Eingange des Hauses stehen, ohne irgend eine besondre Ceremonie vorzu- nehmen. Vor des Befehlshabers Wohnung waren viele Canots aufs Ufer gezo- gen, und in einem derselben, welches ein Dach oder Decke hatte, lag der Leich- nam des Verstorbenen, um dessentwillen obgedachte Trauer-Ceremonien angestellt wurden. Dieses Umstands wegen mußten unsre Reisenden ihre Boote etwas weiter hin vor Anker bringen, doch fand sich zum Gluͤck auch dort ein Haus, unter dessen Obdach sie die regnigte und stuͤrmische Nacht hindurch guten Schutz hatten. Am folgenden Morgen machte ihnen O-Tah seinen Gegenbesuch, und erbot sich, sie uͤberall zu begleiten. Sie nahmen ihn also mit ins Boot, und seegelten um das Nord-Ende der Insel herum, an welchem, innerhalb des Riefs, eine Menge langer und flacher Inseln liegen, die mit Palmen und andern Baͤumen besetzt sind. In dieser Gegend kauften sie einen guten Vor- Forster’s Reise um die Welt 1773. Septem- ber. rath von Bananen, und speißten hierauf, etwas weiter gen Suͤden, bey dem Hause des obersten Befehlshabers Boba , den der Koͤnig von Borabora , Opuni , zum Statthalter allhier eingesetzt hatte. Sie lernten ihn jedoch nicht persoͤnlich kennen, denn er war damals eben verreiset. Nach Tische fand sich, daß man ihnen waͤhrend der Mahlzeit den ganzen Rest ihrer Handelswaaren, der in einem Beutel mit Naͤgeln, Spiegeln und Corallen bestand, gestohlen hatte. In dieser Verlegenheit hielten es die Officiers fuͤr das sicherste, wenn man den Einwohnern eine Parthey Vieh und andre Habseligkeiten wegnaͤhme, und so lange an sich behielte, bis jene sich bequemten, das Geraubte wieder herbey zu schaffen. Mit diesem Zwangsmittel ward gleich auf dem Marktplatz der Anfang gemacht; man nahm daselbst ein Schwein, einige Perlmutter-Schaa- len und etliche Ballen Zeug in Beschlag, welches die Einwohner jedoch nicht an- ders, als auf ernstliche Bedrohung mit dem Feuergewehr, geschehen ließen. Hierauf theilten sich unsre Leute; einige mußten die Boote, andre die confiscir- ten Waaren bewachen, und die uͤbrigen giengen unter Anfuͤhrung des Lieute- nants weiter, um die Execution fortzusetzen. Der alte Befehlshaber O-Tah begleitete sie, doch schien ihm bey dem ganzen Handel nicht um ein Haar besser zu Muthe zu seyn als den Hunden in der Fabel (S. Phaͤdri Fab.). Ueberall wo sie hinkamen, flohen die Einwohner und trieben ihr Vieh ins Gebuͤrge. Um zu versuchen, was das Schießgewehr fuͤr Wuͤrkung auf sie machen wuͤrde, ließ der Officier drey Musqueten in die Luft feuern; auf diesen Schreckschuß kehrte einer von den Fluͤchtlingen, ein vornehmer Mann, der von der Elephantiasis einen ungeheuer dick geschwollnen Fus und Schenkel hatte, wieder um, und uͤberlie- ferte seine Schweine, nebst etlichen Packen Zeug. Hiernaͤchst bemaͤchtigten sich unsre Leute, in Boba’s Wohnung, noch zweyer Brustschilder und einer Trommel, und kehrten darauf mit ihrer Beute nach dem zum Sammelplatz be- stimmten Hause zuruͤck. Gegen Abend schied O-Tah von ihnen, kam aber bald nachher mit dem gestohlnen Beutel wieder, in welchem noch ohngefaͤhr die Haͤlfte der Naͤgel, Corallen u. d. g. befindlich war, und blieb sodann die Nacht uͤber bey ihnen. Am folgenden Morgen ward den Eigenthuͤmern der in Beschlag genommnen Effecten bekannt gemacht, daß ihnen alles zuruͤck gegeben werden sollte, wenn sie die entwandten Corallen und Naͤgel wieder herbey schaften. Un- ter in den Jahren 1772 bis 1775. ter der Zeit, daß diese Anstalt dazu machten, wanderten unsre Leute nach O- 1773. Septem- ber. Herurua , einer an der suͤdwestlichen Seite der Insel gelegnen Bay. Sie wa- ren noch nicht weit gekommen, als O-Tah und der andre Befehlshaber, der mit seinem geschwollnen Beine so gut als ein andrer zu Fus war, den groͤßten Theil des fehlenden Eisenwerks ꝛc. schon herbey brachten, mit dem Bedeuten, daß solches hin und wieder in den Gebuͤschen versteckt gewesen sey. Hierauf gaben auch unsre Leute das Zeug, die Schweine, die Brustschilder und alles uͤbrige zuruͤck, was sie bisher an sich behalten hatten. Auch belohnten sie den Mann, in dessen Huͤtte sie die Nacht zugebracht; imgleichen den alten Befehlshaber, weil sich beyde ungemein treu und willfaͤhrig gegen sie bewiesen hatten. Vermittelst der wieder erhaltnen Corallen, waren sie im Stande, in dem District Herurna und in der Bay A-Poto Poto (oder der runden Bay) eine Parthie Bananen aufzukaufen. An letzterm Orte befand sich ein ungleich groͤßeres Haus als sie in den uͤbrigen Societaͤts-Inseln je gesehen hatten. Es war voller Einwohner, und verschiedne wohnten mit ihrer ganzen Familie in demsel- ben, wie es denn uͤberhaupt ein oͤffentliches Gebaͤude und, gleich den Caravanserais in der Levante , fuͤr Reisende bestimmt zu seyn schien. Nachdem unsre Leute den Rest von Naͤgeln und Corallen gaͤnzlich losgeworden waren, auch Mittagbrod gegessen hatten, so kehrten sie nach den Schiffen zuruͤck, und langten endlich, ohngefaͤhr um 4 Uhr Nachmittags, von den Wellen, die unterwegens in die Boote hereingeschlagen, ganz durchnaͤsset, bey uns an. Am folgenden Morgen kam Orea nebst seiner Familie, und eine Menge anderer Personen, um Abschied zu nehmen. Der groͤßte Theil dieses Zu- spruchs galt unsern neuen Reisegefaͤhrten O-Hedidi , der gestern mit an Bord gegangen war. Alle seine Freunde und Bekannten draͤngten sich nun noch herbey und brachten ihm eine Menge Zeug, imgleichen eine gute Provision gegohrnen Brodfrucht-Teig zur Zehrung auf die Reise. Dieser Teig ist eins der besten Nahrungsmittel. Bey dieser Gelegenheit kam Orea’s Tochter, die es bisher nie gewagt hatte uns zu besuchen, ebenfalls an Bord, um sich von dem Capi- tain die gruͤne Zeltdecke unsers Bootes auszubitten, welche ihr besonders wohl gefallen haben mußte. Sie erhielt eine Menge Geschenke; in dem Hauptgesuch aber konnte ihr der Capitain nicht willfahren. Die Indianer ließen sich zu guter Forsters Reise u. d. W. erster Th. R r Forster’s Reise um die Welt 1773. Septem- ber. letzt den Handel noch recht angelegen seyn, und verkauften uns viel von ihrem Handwerkszeug, Hausrath, u. d. g. Als wir endlich unter Seegel giengen, verließen uns die guten Leute mit großer Betruͤbniß und ihre Thraͤnenguͤsse schienen manchem von uns vorzuwerfen, daß er unempfindlich sey. In der That werden auch solche Gemuͤthsregungen bey unsrer Erziehung zu sehr ein- geschraͤnkt. Es wird uns zu oft eingepraͤgt, daß man sich derselben zu schaͤ- men habe und daruͤber gehen sie leider am Ende gar verloren. Auf diesen In- seln hingegen, lassen die unverdorbnen Kinder der Natur allen ihren Em- pfindungen freyen Lauf und freuen sich ihrer Neigung fuͤr den Nebenmenschen: Mollissima corda Humano generi dare se natura fatetur Quae lacrymas dedit; haec nostri pars optima sensus. Iuvenal . Eilftes in den Jahren 1772 bis 1775. Eilftes Hauptstuͤck . Im englischen Original ist dieses Hauptstuͤck also uͤberschrieben: Beschreibung einer Reise um die Welt, zweyten Buchs erstes Hauptstuͤck. Die Verleger der deutschen Aus- gabe haben es aber fuͤr schicklicher gehalten, den neuen Abschnitt, oder das zweyte Buch, erst mit dem zweyten Bande des ganzen Werks angehen zu lassen. Reise von den Societaͤts-Inseln nach den freundschaft- lichen Inseln ; und Nachricht von unserm Aufenthalt daselbst. U m 10 Uhr waren wir gluͤcklich zum Rief von Hamaneno hinaus und 1773. Septem- ber. steuerten nunmehro nach West-Suͤd-West, so daß uns die Inseln Raietea , Taha und Borabora noch immer im Gesicht blieben. Ohnerachtet es nicht laͤnger als einen Monath her war, daß wir zu Tahiti angekommen; so befanden wir uns doch von den Folgen jener langen beschwerlichen Reise, die wir waͤhrend der schlimmsten Jahrszeit im kalten und nassen Clima zuge- bracht hatten, allerseits hergestellt. Selbst diejenigen, die vom Scorbut am mehresten gelitten, waren wieder so gesund als die uͤbrigen. An dieser schleu- nigen Cur hatten die frischen Kraͤuter und Baumfruͤchte der Societaͤts-Inseln wahrscheinlicherweise den wuͤrksamsten Antheil; denn als wir von unserm er- sten Erfrischungs-Platz, Aetepieha , abseegelten, befanden sich die Kranken schon merklich besser, ohnerachtet wir dort noch kein frisches Fleisch gekostet hat- ten. Desto sicherer konnten wir uns jetzt auch fuͤr den naͤchsten Monat, eine gleiche Fortdauer von Gesundheit versprechen, weil wir mit frischen Lebens- mitteln hinlaͤnglich versehen waren. Wir hatten nemlich in jedem Schiff zwi- schen zwey und dreyhundert Schweine, eine große Anzahl Huͤhner und einige Hunde, imgleichen eine ansehnliche Menge von Bananen vorraͤthig, welche letztere auf dem Hintertheil des Schiffs, wie in einem Obstgarten, umher la- gen. Zwar verursachte der Mangel an Raum, daß einige Schweine crepir- R r 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. Septem ber. ten; und der hartnaͤckige Widerwillen der alten Schweine gegen das ungewohnte Futter, welches sie bekamen, brachte uns ebenfalls um eine große Anzahl derselben. Wir geriethen aber bald auf eine gute Methode diesem Uebel vorzubeugen, indem wir alle Schweine schlachteten und einsalzten, denen der enge Raum nicht bekom- men wollte. Auf diese Weise blieb das Fleisch eßbar und saftig, wenigstens war es ungleich schmackhafter und gesuͤnder als das Poͤckelfleisch, welches wir noch aus England her vorraͤthig hatten, denn dieses war nunmehro dermaßen vom Salz durchdrungen, daß, wenn man es auswaͤsserte, zugleich alle Kraft und Saft mit weggewaͤssert ward. Die einzige Unannehmlichkeit, welche wir von unserm Aufenthalte auf diesen Inseln verspuͤrten, bestand darinn; daß viele unsrer Seeleute, wegen ihres genauen Umgangs mit liederlichen Frauensperso- nen, leiden mußten. Doch waren die dadurch verursachten Krankheiten so gut- artig, daß sie durch die gelindesten Mittel geheilt und die Patienten keinesweges am Dienst gehindert wurden. Unser junge Freund O-Hedidi , den wir statt des Tahitiers Porea mitgenommen, war ungemein Seekrank, weil er an die Bewegung des Schiffs nicht gewoͤhnt war. Doch erzaͤhlte er uns, indem wir nach dem hohen Pik von Borabora aussahen, daß er auf dieser Insel geboren und mit O-Puni , dem kriegerischen Koͤnige, verwandt sey, der Taha und Raietea erobert hatte. Er entdeckte uns auch, daß er eigentlich Maheine heiße, aber seinen Namen mit einem Befehlshaber auf Eimeo , der sich O-Hedidi genannt, vertauscht habe. Diese Gewohnheit ist, wie ich schon bemerkt, auf allen diesen Inseln eingefuͤhrt. Koͤnig O-Puni befand sich, nach der Aussage unsers Gefaͤhrten, dazumal eben auf der Insel Maurua , bey welcher wir Nachmittags voruͤber kamen. Sie bestehet aus einem einzigen, kegelfoͤrmigen Berge, und ist, so viel wir aus den Beschreibungen der Einwohner auf Raietea , welche persoͤn- lich da gewesen, abnehmen konnten, ohngefaͤhr von eben der Beschaffenheit als die uͤbrigen Inseln. Unser arme Freund bekam erst am folgenden Nachmittage seinen Appetit wieder, da er sich denn, zum Anfang, ein Stuͤck von einer acht und zwanzig- pfuͤndigen Dorade schmecken ließ, die einer unsrer Leute gefangen hatte. Wir wolltens ihm auf unsre Art zubereiten lassen; er versicherte aber, es schmecke in den Jahren 1772 bis 1775. roh besser und bat sich nur eine Schaale Seewasser aus, um den Fisch darinn 1773. Septem- ber. einzutunken; dabey biß er wechselsweise in einen Klumpen Mahei, oder sau- ren Brodfrucht-Teig, der ihm statt Brods diente. Ehe er sich aber zum Essen niedersetzte, nahm er ein Stuͤckchen von dem Fische und etwas Mahei, als ein Opfer fuͤr Eatua oder die Gottheit, und sprach dabey ein Paar Worte aus, die wir fuͤr ein kurzes Gebeth hielten. Eben diese Ceremonie beobachtete er auch ein Paar Tage nachher, als er ein rohes Stuͤck vom Hayfisch verzehrte. Alles das uͤberzeugte uns, daß seine Landsleute gewisse bestimmte Religions- Begriffe hegen und selbst eine Art von ceremonioͤsen Gottesdienst beobachten, den sie vielleicht seit der ersten Trennung von ihren Vorfahren auf dem festen Lande moͤgen beybehalten haben. Bis zum 23sten setzten wir unsern Lauf fort ohne daß irgend etwas merkwuͤrdiges vorgefallen waͤre; an gedachtem Tage aber, erblickten wir, bey Aufgang der Sonne, eine niedrige Infel die zur Linken des Schiffes lag. Nach dieser steuerten wir hin, und fanden gegen Mittag, daß sie aus zwey Theilen bestand. Einer Observation zufolge, war unsre suͤdliche Breite damals 19 Grad 8 Minuten. Das Land war mit einer Menge Buschwerk und andern dick be- laubten Baͤumen bewachsen, uͤber welche die hohen Gipfel der Cocos-Palmen in großer Anzahl empor ragten. Mit Huͤlfe der Fernglaͤser bemerkten wir, daß die Kuͤste sandig, hin und wieder aber mit Gruͤn uͤberwachsen war, welches wahrscheinlicherweise nichts anders als das in diesem Himmelsstrich gewoͤhn- liche Schlingkraut, ( Convolvulus Brasiliensis ) seyn mogte. Beyde Inseln oder beyde Stuͤcke Land hingen, dem Ansehen nach, durch einen Felsen-Rief zusammen; schienen aber, so angenehm sie auch aussahen, dennoch ganz unbewohnt zu seyn. Capitain Cook nannte diese Insel, dem nunmehri- gen Grafen von Bristol zu Ehren, Hervey-Eyland . Tages zuvor hatte sich ein Vogel, der im Fluge und Gesange einem Sandlaͤufer ( Sandpiper ) glich, neben dem Schiffe sehen lassen, und koͤnnte, dem Erfolge nach zu urtheilen, der Vorbothe dieser Insel gewesen seyn; allein dergleichen Anzeigen sind, wie ich schon mehrmalen angemerkt habe, sehr truͤglich. Wir sahen zum Bey- spiel, drey Tage nachher, von neuem einen Vogel, der sich sogar ins Ta- ckelwerk setzte, trafen aber gleichwohl kein andres Land an. Von Hervey- R r 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. October. Eyland , welches unter dem 19ten Grad 18 Minuten suͤdlicher Breite, und Unterm 158 Grade 54 Minuten westlicher Laͤnge von Greenwich gelegen ist, steuerten wir immer westwaͤrts bis zum 1sten October, an welchem Tage, um 2 Uhr Nachmittags, Land! gerufen wurde. Es lag gerade vor uns und schien ziemlich hoch zu seyn. In Zeit von vier Stunden waren wir kaum noch 2 oder 3 See-Meilen von der Kuͤste. Die Berge waren mit Holz uͤberwachsen und fielen zwar nicht praͤchtig, doch ganz angenehm ins Auge. Am suͤdwestlichen Ende bemerkten wir eine kleine felsichte Insel; und noͤrdlich ein flaches Land, das sich weiter hin erstreckte. Die Gegend und alle Umstaͤnde uͤberzeugten uns, daß die vor uns liegende Insel eben dieselbe sey, welche Abel Janßen Tasmann im Jahr 1643. Middelburgh genannt, und daß die noͤrdliche, ein von eben diesem Seeefahrer entdecktes und Amsterdam genanntes Eyland sey. Weil es Nacht wurde, legten wir bey, giengen aber mit Tages Anbruch, um die suͤdwestliche Spitze von Middelburgh herum und liefen sodann laͤngst der westlichen Kuͤste hin. Am Fuß der Berge schien etwas flaches Land zu seyn, auf welchem junge Bananen standen, deren lebhaftes frisches Gruͤn mit dem verschie- dentlich colorirten Buschwerk und der braunen Cocos-Palme ungemein schoͤn contrastirte. Das Tages-Licht war noch so schwach, daß wir an verschiednen Or- ten die Huͤtten Feuer der Einwohner durch die Buͤsche schimmern sahen; und bald darauf kamen auch einige Leute am Strande zum Vorschein. Die Bergewaren niedrig und ragten uͤber die Meeresflaͤche kaum so hoch empor als die Insel Wight . Auf denselben gab es hin und wieder einzelne, sehr anmuthig zer- streute Haufen von Baͤumen, und zwischen diesen war der Boden, so schoͤn als hie und da in England , mit Gras uͤberwachsen Nunmehro stießen verschiedene von den Eingebohrnen ihre Canots ins Wasser und ruderten nach uns her. Einem derselben, das ziemlich dicht ans Schiff kam, warfen wir ein Tau zu, welches auch einer von denen darinn befindlichen Leuten so- gleich auffing, seinen Kahn vollends heran zog und augenblicklich zu uns an Bord kam. Beym Eintritt uͤberreichte er uns die Pfeffer-Wurzel, deren bey den Societaͤts-Inseln gedacht worden ist, darauf beruͤhrte er unsre Nasen mit der seinigen, wie die Neu-Seelaͤnder zum Zeichen der Freundschaft zu thun pflegen, und setzte sich alsdann, ohne ein Wort zu sprechen, auf dem Ver- in den Jahren 1772 bis 1775. decke nieder. Der Capitain schenkte ihm einen Nagel, den er sogleich uͤber 1773. October. den Kopf empor hielt und dabey das Wort Fagafetai hoͤren ließ, welches, allem Ansehen nach, eine Danksagung bedeuten sollte. Bis auf den Unterleib gieng er unbekleidet, von da aber bis zu den Knien, hatte er ein Stuͤck braungefaͤrbtes Zeug um sich geschlagen. Dieses schien mit dem Tahitischen von einerley Art und Arbeit zu seyn; doch war es mit Leim oder Firniß steif und wasserdicht gemacht. Der Mann war von mittler Statur, und hatte eine sanfte, ziem- lich regelmaͤßige Gesichtsbildung. An Farbe glich er den gemeinen Tahi- tiern, Da die Einwohner von Tahiti und den Societaͤts Inseln fast in allen Stuͤcken mit einander uͤbereinkommen, so werde ich, im Verfolg dieser Geschichte, jeden Gebrauch Ta- hitisch nennen, der entweder zu Tahiti selbst oder doch auf den Societaͤts-Inseln uͤblich ist. das ist, er war hell Mahogany- oder Castanien-braun. Den Bart trug er kurz geschoren; und sein schwarzes Haar hieng ihm in kurzen Locken um den Kopf, so kraus als wenn es gebrannt waͤre. Auf jedem Arm hatte er drey runde Flecke, ohngefaͤhr so groß als ein Wilder-Manns-Gulden, die, in Form erhabener Punkte, nach Tahitischer Manier, in die Haut punetirt, jedoch nicht mit schwarzer Farbe eingerieben waren. Der Figur nach, stellten sie lau- ter in einander passende Zirkel vor, davon die aͤußersten am groͤßten waren, die innern hingegen immer kleiner wurden. Außerdem hatte er noch andre schwarze Flecke auf dem Leibe. Im Ohrlaͤpchen befanden sich zwey Loͤcher, darinn er ei- nen kleinen runden Stab trug, und an der linken Hand fehlte ihm der kleine Fin- ger. Er blieb eine ganze Weile ohne ein Wort zu sprechen; indeß verschiedne andre, die nach ihm sich an Bord wagten, weit gespraͤchiger waren, und gleich nach verrichtetem Nasengruß, uns in ihrer Sprache anredeten, von welcher wir damals noch kein Wort verstanden. Mittlerweile hatten wir die nordwestliche Spitze der Insel erreicht und kamen allda um 9 Uhr, in einer ofnen Rheede auf einem guten sichern Grunde, gluͤcklich vor Anker. Kaum war dies ge- schehn, so draͤngten sich vom Lande her eine Menge Canots zu uns, in deren jedem drey bis vier Leute saßen, die große Haufen ihres Zeuges zum Verkauf ausbothen. Die Canots waren klein, ohngefaͤhr 15 Fus lang, sehr spitz gebauet und an beyden Enden bedeckt. Sie hatten, gleich den kleinen Fahrzeugen der Tahitier, mehrentheils Ausleger von Stangen; duͤnkten uns aber ungleich Forster’s Reise um die Welt 1773. October. besser und sauberer gearbeitet als jene, denn sie waren mit einer bewunderns- wuͤrdigen Genauigkeit zusammengefuͤgt und abgeglaͤttet. Die Ruder hatten hier, wie zu Tahiti , kurze, breite Schaufeln, waren aber ebenfalls besser ge- arbeitet und von besserm Holze. Die Leute machten viel Lerm um uns her, denn ein jeder zeigte was er zu verkaufen hatte, und rief jedem von uns zu, der sich auf dem Verdeck blicken ließ. Die Sprache klang nicht unangenehm und ward uͤberdem in einem singenden Ton geredet. Einige waren dreist genug an Bord zu kommen, und darunter schien ein Befehlshaber oder Mann von Stande zu seyn, der in diesem Betracht allerhand Geschenke erhielt. So oft man ihm etwas gab, hob er es uͤber den Kopf empor, und sagte jedesmal Fagafetai dazu. Unser englisches Tuch und Linnen bewunderte er am mehre- sten; naͤchstdem aber gefiel ihm unsre Eisenwaare am besten. Er war nichts weniger als besorgt, oder schuͤchtern, sondern gieng ohne Bedenken in die Cajuͤtte hinab und wohin man ihn sonst zu bringen fuͤr gut fand. Wir erfuhren von ihm, daß die Insel, an welcher wir vor Anker lagen (und die Tasmann Mid- delburgh genannt) in der Landessprache Ea-Uwhe hieße; und daß die andre, gegen Norden gelegene, (oder Tasmans Amsterdam ) Tonga-Tabu genannt werde. Mehrerer Gewißheit wegen befragten wir uns dieserhalb noch bey an- dern von seinen Landsleuten, erhielten aber durchgehends dieselbe Antwort. Nach dem Fruͤhstuͤcke giengen wir, in des Capitains und des vorneh- men Mannes Gesellschaft, ans Land. In dieser Gegend war die Kuͤste von einem mit dem Strande parallel laufenden Corallen-Rief gedeckt, der nur hie und da eine Luͤcke hatte, wo Canots und andere kleine Boote hindurch konnten. So wohl die in den Fahrzeugen als die auf dem Ufer befindlichen Eingebohrnen, bewillkommten uns mit großem Freudengeschrey. Die Canots ruderten dicht an unser Boot, und die Leute warfen uns aus den- selben große Packete Zeug zu, ohne etwas dagegen zu verlangen. Andere, so- wohl Manns- als Frauenspersonen, schwammen um uns her, und hielten Klei- nigkeiten zum Verkauf in die Hoͤhe, als Ringe von Schildkroͤten-Schalen, Angel-Haken von Perlmutter und dergleichen. Sobald wir durch das Ge- draͤnge der Canots durchkommen konnten, und uns dem Strande so weit ge- naͤhert hatten, als sichs, des seichten Ufers wegen, thun ließ, erboten sich die Ein- in den Jahren 1772 bis 1775. Einwohner von freyen Stuͤcken, uns auf ihren Schultern vollends ans Land zu 1773. October. tragen. Nachdem wir auf solche Art die Kuͤste erreicht hatten, versammle- ten sie sich mit allen ersinnlichen Zeichen der Freundschaft um uns her, und bo- then uns etwas Fruͤchte, Waffen und Hausgeraͤth zum Geschenk an. Besser haͤtte uns das Volk gar nicht aufnehmen koͤnnen, wenn es von unsern friedferti- gen Gesinnungen schon durch eigne Erfahrung uͤberzeugt, oder wenigstens gewohnt gewesen waͤre, von Zeit zu Zeit europaͤische Schiffe bey sich zu sehn: Allein das war gar nicht der Fall, denn noch hatten sie wohl keinen Europaͤer unter sich gesehn, auch konnten sie von Tasmans ehemaliger Anwesenheit auf der benachbarten Insel Amsterdam , hoͤchstens nur von Hoͤrensagen etwas wissen. Bey so bewandten Umstaͤnden mußten wir uns von ihrer Gemuͤthsart aller- dings die vortheilhaftesten Begriffe machen und sie fuͤr offenherzige gut ge- sinnte Leute halten, die nichts weniger als mißtrauisch waͤren. Diese gute Meynung ward dadurch noch mehr beguͤnstigt, daß sich auch eine große Anzahl von Frauenspersonen unter ihnen befand, welche die indiani- schen Nationen sonst mehrentheils von den Fremden entfernt zu hal- ten pflegen. Diese hier waren von den Huͤften an bis auf die Fuͤße be- kleidet, und schienen uns durch ein gutherziges freundliches Laͤcheln ein- zuladen, daß wir getrost naͤher kommen moͤchten. Herr Hodges entwarf von dieser merkwuͤrdigen freundschaftlichen Aufnahme ein schoͤnes Gemaͤhlde, welches zu Capitain Cooks Nachricht von dieser Reise gestochen ist. So geneigt ich indessen bin, den Arbeiten dieses geistreichen Kuͤnstlers ihr gebuͤhrendes Lob wiederfahren zu lassen, wenn sie der Wahrheit ganz treu sind; so wenig kann ich doch bey dieser Gelegenheit umhin, zu bemerken, daß vorgedachte Platte von den Einwohnern auf Ea-Uwhe und Tongatabu gar keinen richtigen Begriff giebt; ohnerachtet sie uͤbrigens von Herrn Sherwin meisterhaft in Kupfer gesto- chen ist. Der Vorwurf, welchen man denen zu Capitain Cooks voriger Reise in Kupfer gestochnen Platten mit Recht gemacht hat, daß sie nemlich, statt indianischer Gestalten, nur schoͤne Figuren vorstellten, die sowohl der Form als der Drapperie nach, im Geschmack der Antike gezeichnet waͤren; eben dieser Vorwurf trift auch jene Kupfertafel. Ja man sollte fast glauben, Herr Hodges habe seine nach der Natur gemachte Original-Skizze Forsters Reise u. d. W. erster Th. S s Forster’s Reise um die Welt 1773. October. verloren, und hernach aus eleganter mahlerischer Fantasie eine neue Zeich- nung von diesem Stuͤck, bloß idealisch entworfen. Denn Kenner finden in dieser Platte griechische Conture und Bildungen, dergleichen es in der Suͤdsee nie gegeben hat; und sie bewundern ein schoͤnes fließendes Gewand, das Kopf und Coͤrper bedeckt, da doch in dieser Insel, die Frauensleute Schul- ter und Brust fast niemals bedecken. Die Figur eines alten ehrwuͤrdigen Mannes mit einem langen weißen Barte ist vortreflich; allein die Leute auf Ea-Uwhe lassen den Bart nicht wachsen, sondern zwicken ihn mit Muschel- schaalen kurz. Doch, ich kehre zur Geschichte: Wir verweilten nicht lange auf der Kuͤste, sondern folgten dem Befehlshaber, der uns wei- ter ins Land zu gehen bat. Vom See-Ufer ab, war der Boden etliche Schritt weit ziemlich steil, denn aber dehnte er sich in eine ebne schoͤne Wiese aus, die mit hohen Baͤumen und dickem Buschwerk umgeben war, so daß man nur nach der See hin eine freye Aussicht hatte. Am Ende dieser Wiese, ohngefaͤhr 150 Schritt weit vom Landungs Platze, stand ein sehr huͤb- sches Haus, dessen Dach bis zwey Fuß von der Erde, herabreichte. Der Weg der auf dasselbe zufuͤhrte, gieng durch vorgedachte gruͤne Ebne, die so glatt und gras- reich war, daß sie uns an die schoͤnsten Rasen-Gruͤnde in England erinner- te. So bald wir bey dem Hause ankamen, noͤthigte man uns innerhalb aus- zuruhen; der Fußboden war mit den schoͤnsten Matten zierlich aus- gelegt, und in einer Ecke sahen wir eine bewegliche Abtheilung von geflocht- ner Arbeit, hinter welcher, nach den Zeichen der Einwohner zu urthei- len, die Schlafstelle war. Das Dach, welches an allen Seiten gegen den Boden herablief, bestand aus Sparren und runden Hoͤlzern, die sehr genau mit einander verbunden und mit einer Matte von Bananen-Blaͤttern bedeckt waren. Kaum hatten wir in diesem Hause, von mehr denn hundert Menschen umringt, Platz genommen, als zwey oder drey Frauenzimmer uns mit einem Gesange bewillkommten, der, so einfach die Melodie auch war, doch ganz an- genehm und ungleich musicalischer klang als die Lieder der Tahitier. Die Saͤngerinnen hatten ungemein wohlklingende Stimmen und secundirten sich un- in den Jahren 1772 bis 1775. tereinander; zu gleicher Zeit schlugen sie, mit dem ersten Finger und dem Dau- 1773. October. men, Knippchen dazu nach dem Takt, und hielten indeß die uͤbrigen drey Finger jeder Hand gerade in die Hoͤhe. Als die ersten drey aufgehoͤrt hatten, fiengen drey andre eben dieselbige Melodie an, und endlich ward ein allgemeines Chor daraus gemacht. Einer unsrer mitreisenden Herren, schrieb mir eins ihrer Lieder auf, welches ich meinen musicalischen Lesern zur Probe der hiesigen Tonkunst mitthei- len will: Weiter als auf diese vier Noten erstreckte sich der Umfang ihres Gesanges nicht; sie giengen nie tiefer als A. und nie hoͤher als E. Dabey sangen sie sehr lang- sam und schlossen zuweilen mit dem Accord Die Gutherzigkeit des Volks aͤußerte sich in ihren kleinsten Handlungen, ja in jeder Gebehrde. Sie ließen sichs sehr angelegen seyn, uns mit Cocos- Nuͤssen zu bewirthen, deren Milch uͤberaus wohlschmeckend war. Alles ver- einigte sich, uns diesen Aufenthalt angenehm zu machen; selbst die Luft, die wir einathmeten, war mit balsamischen Duͤnsten angefuͤllt. Anfaͤnglich wußten wir nicht, wo dieser vortrefliche Geruch herkam; bey naͤherer Untersuchung aber fand sich, daß wir ihn einer schattenreichen Art von Citronen-Baͤumen zu ver- danken hatten, die hinter dem Hause und eben in voller Bluͤthe standen. Wir durften uns nicht lange an dem bloßen Geruch begnuͤgen, denn die Einwohner setzten uns bald auch Fruͤchte von diesem Baume vor. In Westindien sind solche unter dem Namen Shaddocks bekannt; zu Batavia aber und in den ostindischen Inseln , werden sie Pompelmusen genannt. Diese hier waren ku- gelrund, beynahe so groß als ein Kindeskopf und von ganz vortreflichem Ge- schmack. Zu beyden Seiten der vor dem Hause befindlichen Wiese, lief ein Zaun von Rohrstaͤben hin, welche durchaus creutzweis geflochten und fest mit einander S s 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. October. verbunden waren. Durch diesen Zaun gelangte man, vermittelst einer Thuͤr von Brettern, die statt der Hespen an Stricken hieng, in eine ordentlich angelegte Plan- tage oder Baumgarten. Die Thuͤr war so gehangen, daß sie von selbst hinter uns zufiel; und das Rohrgehaͤge war mit Zaunwinden ( Convolvulus ) uͤberwachsen, die groͤß- tentheils himmelblaue Bluͤthen hatten. Um die guten Anstalten der Einwohner ge- nauer zu untersuchen, trennten wir uns in verschiedne Partheyen und fanden bey jedem Schritt neue Ursach, zufrieden zu seyn. Das Land sahe uͤberall wie ein weit- laͤuftiger Garten aus, indem es durchgehends mit hohen Cocos-Palmen und Bananen, imgleichen mit schattigen Citronen- und Brodfrucht-Baͤumen besetzt war. In diesen anmuthigen Gefilden streiften wir einzeln umher und fanden eine Menge neuer Pflanzen, dergleichen auf den Societaͤts-Inseln nicht wuchsen. Ein Fussteig leitete uns endlich nach einem Wohnhause, welches gleich jenem auf der Wiese angelegt und mit Gebuͤsch umgeben war, dessen Bluͤthe die ganze Luft mit Wohlgeruch erfuͤllte. Die Einwohner schienen thaͤtiger und fleißiger als die Tahitier zu seyn. Sie ließen uns uͤberall ungehindert gehen, beglei- teten uns auch nie, wenn wir sie nicht ausdruͤcklich darum baten, und alsdenn konnten wir fuͤr unsre Taschen unbesorgt seyn; nur mußten wir keine Naͤgel bey uns fuͤhren, denn diese ließen sie nicht leicht unangeruͤhrt. Wir kamen nach und nach durch mehr als zehn solcher Plantagen oder Gaͤrten, die alle besonders verzaͤunt waren, und vermittelst Thuͤren von vorbeschriebner Art, Gemeinschaft mit einander hatten. Fast in jedem dieser Gaͤrten fanden wir ein Haus, die Be- wohner aber waren durchgehends abwesend. Die Verzaͤunung ihrer Laͤndereyen schien einen hoͤhern Grad von Cultur anzudeuten, als man hier wohl ver- muthet haͤtte. In der That war auch das Volk, sowohl in Hand-Arbeiten als in Manufactur-Sachen und in der Music, weiter und ausgebildeter als die Einwohner der Societaͤts-Inseln , welche dagegen, besonders in Tahiti , wohl- habender, aber auch traͤger waren als diese. So viel wir sahen, gab es hier nur wenig Huͤhner und Schweine; auch waren die Brodfrucht-Baͤume, welche dort einen so reichlichen und vortreflichen Unterhalt geben, hier sehr selten, daher sich denn die Einwohner hauptsaͤchlich von Wurzelwerk, imgleichen von Bananen zu naͤhren scheinen. In Absicht der Kleidung waren sie ebenfalls nicht so reich als die Tahitier; wenigstens gieng man in diesem Artikel hier noch nicht so wie in den Jahren 1772 bis 1775. dort, bis zur Verschwendung. Endlich fanden wir auch ihre Wohnungen, zwar 1773. October. sehr artig gebauet und allemal in wohlriechendem Gebuͤsche angelegt, sie wa- ren aber weder so raͤumlich noch so bequem als in Tahiti . Unter diesen Be- obachtungen kehrten wir wieder nach dem Landungs-Platz zuruͤck, wo- selbst sich viele Hundert Einwohner versammlet hatten. Ihr aͤußeres Ansehen bewies, daß, wenn schon ihr Land nicht so reich an Natur-Guͤtern war als Tahiti ; diese Reichthuͤmer doch mit mehrerer Gleichheit unter dem Volk aus- getheilt seyn mußten. Dort konnte man den Vornehmen gleich an der hellern Gesichts-Farbe und an dem wohlgemaͤsteten Coͤrper erkennen: Hier aber war aller aͤußere Unterschied aufgehoben. Der Befehlshaber, der sich zu uns an Bord bege- ben und uns darauf ans Land begleitet hatte, war, selbst der Kleidung nach, nicht vom gemeinen Mann verschieden. Blos aus dem Gehorsam, den das Volk gegen seine Befehle blicken ließ, konnte man urtheilen, daß er von hoͤhe- rem Stande seyn muͤsse. Wir mischten uns unter den hier versammleten Haufen, und wurden von Alt und Jung, Maͤnnern und Weibern auf das schmeichelhafteste bewillkommt. Sie umarmten uns, kuͤßten uns zuweilen die Haͤnde und druͤck- ten sie an ihre Brust; kurz, sie suchten uns ihre Liebe und Freundschaft auf hun- dertfaͤltige Art zu bezeugen. Die Maͤnner sind von unsrer gewoͤhnlichen mitt- lern Statur, von 5 Fus 3 Zoll, zu 5 Fus 10 Zoll, uͤberaus proportionirlich gebaut und schoͤn von Gliedern, aber etwas musculoͤser als die Tahi- tier, welches wahrscheinlicherweise von der groͤßern und bestaͤndigen Anstren- gung des Coͤrpers herkommt, die ihre Art des Landbaues und der Hauswirth- schaft erfordert. Ihre Gesichtsbildung war sanft und ungemein gefaͤllig, aber laͤnglichter als bey den Tahitiern, besonders war die Nase schaͤrfer und die Lippen duͤnner. — “Sie hatten schoͤne schwarze Augen, groß und selbst bey den bejahrtesten Personen noch voll Feuer. Ihre Zaͤhne waren gesund, weiß und schoͤn gesetzt. Das Haar, welches gemeiniglich schwarz und stark gekraͤu- selt war, trugen Maͤnner und Weiber kurz verschnitten, und zum Theil auf- waͤrts gekaͤmmt, so daß es, wie Borsten, in die Hoͤhe stand. Den Kindern hatte man es noch kuͤrzer geschnitten und nur einen Schopf von Haaren auf dem Wirbel, imgleichen einen auf jeder Seite uͤber dem Ohr stehen lassen.” — Die Baͤrte waren geschoren oder vielmehr mit ein Paar scharfen Muschel- S s 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. October. Schaalen ( mytuli ) dicht an der Haut abgezwickt. Die Weibsleute waren durchgehends ein Paar Zoll kleiner als die Mannspersonen; jedoch nicht so klein als die gemeinen Frauensleute auf Tahiti und den Societaͤts-Inseln . Der Obertheil des Coͤrpers war allemal von ungemein schoͤner Proportion, und die Haͤnde nebst den Armen voͤllig eben so fein gebildet als bey dem Tahitischen Frauenzimmer; dagegen hatten sie, gleich jenen, zu große Fuͤße und zu dicke Beine. Ihre Gesichtszuͤge waren eben nicht regelmaͤßig schoͤn, hatten aber et- was sehr angenehmes, welches in den Societaͤts-Inseln , bey dem weiblichen Ge- schlecht durchgehends der Fall zu seyn pflegte; doch gab es dort unter den Vor- nehmern einzelne Schoͤnheiten, dergleichen wir hier nirgends antrafen. So- wohl die Manns-als Frauenspersonen waren, ohne Unterschied des Standes- von hell castanienbrauner Leibesfarbe, und schienen durchgehends einer vollkomm- nen Gesundheit zu genießen. Unter den Maͤnnern war das Punctiren und Ein- schwaͤrzen der Haut allgemein; vornemlich pflegten der Bauch und die Lenden eben so stark, und in noch kuͤnstlichern Figuren taͤttowirt oder bezeichnet zu seyn, als wir es auf Tahiti gesehen hatten. Selbst die zartesten Glieder des Coͤrpers, auf denen die Operation nicht nur sehr schmerzhaft, sondern auch, wegen der glanduloͤsen Theile, sehr gefaͤhrlich seyn muß, waren nicht unpunctirt. Mit Recht erstaunten wir daruͤber: Nam et picta pandit spectacula cauda. Horat. Bey den Frauensleuten hingegen war es nicht uͤblich sich auf diese Art haͤßlich zu verschoͤnern. Sie hatten blos, gleich den Maͤnnern, drey runde Flecke auf jedem Arm, die eine Menge in einander passenden Cirkel vorstellten, und in die Haut punctirt aber nicht mit schwarzer Farbe eingerieben waren. Naͤchst dieser Verzierung begnuͤgten sie sich mit ein Paar schwarzen Puncten auf den Haͤn- den. Die Maͤnner giengen fast gaͤnzlich nackend, indem sie mehrentheils nur ein schmales Stuͤck Zeug, wie eine Scherfe, um die Huͤften geschlagen hatten; doch war es manchmal etwas laͤnger, und reichte alsdenn, fast wie ein Frauensrock, von den Huͤften bis uͤber die Knie hinab. Die Weiber hinge- gen schlugen das Zeug unmittelbar unter der Brust um den Leib, und von da in den Jahren 1772 bis 1775. hieng es bis auf die Waden herunter. Es war mit dem Tahitischen von 1773. October. gleicher Beschaffenheit, aber in viereckigen Feldern, nach Art eines Brettspiels gemahlt; auch mit einem Leim oder Firniß uͤberzogen, der dem Wasser lange Widerstand that. Statt des Zeuges trugen sie auch wohl Matten, die sehr gut geflochten, im Aeußern den Tahitischen aͤhnlich, und bisweilen, jedoch selten, uͤber die Schultern und Brust zusammen geschlagen waren. Zum Zierrath dieute den Maͤnnern eine Perlmutter-Schaale, die vermittelst einer Schnur um den Hals befestigt war und auf die Brust herabhieng. Die Frauensleute aber trugen mehrere Schnuͤre um den Hals, an welchen man kleine Schnecken, Saamen- Koͤrner und Fischzaͤhne aufgereihet sah, und in der Mitte war der runde Deckel einer Schnecke, ( operculum ) ohngefaͤhr so groß als ein Thalerstuͤck, befind- lich. In beyden Ohrlaͤppchen hatten sie Loͤcher, bisweilen zwey in je- dem, und in dem Fall war ein kleines rundes Stuͤck von Schildkroͤten-Schaale, oder ein Knochen hereingesteckt. Nicht selten bestanden diese Cylinder aus bloßem Rohr, das mit einer rothen festen Substanz angefuͤllt, außerhalb bunt ange- mahlt und gebeizt war. Das Sonderbarste aber, was wir an dieser Nation bemerkten, war, daß viele den kleinen Finger, zuweilen gar an beyden Haͤnden, verloren hatten. Geschlecht und Alter machten hierinn keinen Unter- schied; denn selbst von den wenigen Kindern, die wir herumlaufen sahen, wa- ren schon die mehresten auf diese Art verstuͤmmelt. Nur einige wenige alte Leute hatten ihre voͤllige Fingerzahl, und machten folglich eine Ausnahme von der allgemeinen Regel. Wir vermutheten sogleich, daß der Tod eines Anver- wandten oder Freundes zu dieser sonderbaren Verstuͤmmlung Anlaß geben moͤgte, um welcher Ursach willen sie auch bey den Hottentotten in Afrika , Siehe Kolbens Beschreibung des Vorgebuͤrges der guten Hoffnung , und Recherches philosophiques sur les Americains par Mr. Pauw . Vol. II. pag. 224. 229. bey den Guaranos in Paraguay , und unter den Einwohnern von Californien uͤblich ist. Diese Vermuthung bestaͤtigte sich hernach auch auf wiederholtes Nachfragen. Noch eine andre Sonderbarkeit, die wir an ihnen bemerkten, bestand darinn, daß sie fast durchgehends auf beyden Backen-Knochen einen runden Fleck hatten, der eingebrannt oder mit blasenziehenden Sachen einge- aͤtzt zu seyn schien. Bey einigen waren diese Flecke noch ganz frisch, bey Forster’s Reise um die Welt 1773. October. andern schon mit einem Schorf uͤberzogen, und bey vielen waren nur noch ganz geringe Spuren davon uͤbrig. Wir konnten nicht erfahren, wie und zu wel- chem Ende diese Flecke gemacht werden; doch ruͤhren sie vermuthlich von ir- gend einem caustischen Heilmittel her, welches hier, ohngefaͤhr so wie in Japan die Moxa, zur Heilung von mancherley Krankheiten, gebraucht werden mag. Des gefaͤlligen Betragens der Einwohner ohnerachtet, sahen wir zum Voraus, daß unsers Bleibens hier nicht lange seyn wuͤrde, denn die Capi- tains konnten nicht so viel frische Lebensmittel bekommen, als zum taͤglichen Un- terhalt auf beyden Schiffen erfordert ward. Indessen mochte die Ursach hie- von nicht sowohl an einem wuͤrklichen Mangel derselben, als vielmehr daran liegen, daß man gleich anfaͤnglich mit allzu großer Begierde Waffen und Haus- rath kaufte, und auf diese Art den Einwohnern Anlaß gab, mit dem schaͤtz- barsten, nemlich mit den Lebensmitteln zuruͤckzuhalten. Sie hatten uns zwar hie und da etliche Yams, Bananen, Coco-Nuͤsse und Pompelmosen zum Ver- kauf gebracht; allein sie hielten mit diesen Artickeln bald wieder inne und schraͤnk- ten den Handel blos auf Sachen von ihrer Haͤnde Arbeit ein. Vornemlich verkauften sie unsern Leuten eine unglaubliche Menge von Fisch-Angeln, die mit Haken von Schildkroͤten-Schaale versehen, zum Theil sieben Zoll lang und eben so gestaltet waren als die in Tahiti , unter dem Namen Witti-Witti S. Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen in 8. zweyter Band. pag. 527. bekannten. Naͤchstdem uͤberließen uns die Maͤnner ihre Brustzierrathen von Muschelschalen, und die Weiber ihre Halsbaͤnder, Armbaͤnder von Perlmut- ter, nebst kleinen runden Stoͤckchen von Holz oder Rohr, deren sie sich statt Ohrringe bedienen. Wir handelten auch eine Art von Kaͤmmen ein, die mehr zum Putz als zu anderm Gebrauch dienten, und aus einer Anzahl kleiner flacher Stoͤcke, ohngefaͤhr 5 Zoll lang bestanden. Diese waren von gelbem Holze, als Buxbaum geschnitzt und am obern Ende fest jedoch zierlich, durch ein buntes Flechtwerk von braunen und schwarz gefaͤrbten Cocosfasern mit einander verbun- den in den Jahren 1772 bis 1775. den, wie auf der hier beygefuͤgten Kupfertafel, vermittelst der Figur 1, mit 1773. October. mehrerm zu ersehen ist. Aus dergleichen Fasern machten sie auch allerhand Koͤrbe, die oft in braun und schwarzen Feldern geflochten, zuweilen auch durch- aus von gleicher Farbe, nemlich braun, und Reihen-weise mit runden, flachen Corallen besetzt waren. Diese Corallen schienen aus Schnecken geschnitten oder geschlissen zu seyn. Die Koͤrbe waren, sowohl der Form als dem Muster nach, sehr verschieden, aber allemal ungemein sauber und mit vielem Geschmack gearbeitet. Ein Paar derselben findet man auf eben dieser Kupfertafel Figur 2. und 3. abgebildet. Die kleinen hoͤlzernen Stuͤhle, welche man in diesen Inseln statt Kopf-Kuͤssen gebraucht, waren hier haͤufiger als auf Tahiti . Auch gab es viel flache Speise-Schaalen und Spateln, womit der Brodfrucht-Teig durcheinander geruͤhrt wird, saͤmmtlich von Casuarina -Holz ( casuarina equi- setifolia ) geschnitzt. Unsre Motrosen nannten diese Holzart, Keulen-Holz ( clubwood, ) weil in allen Suͤdsee-Inseln , Keulen und Streit-Kolben daraus gemacht werden. Letztere waren hier von sehr mannichfaltiger Form, und zum Theil so schwer, daß wir sie nicht leicht mit einer Hand fuͤhren konn- ten. Der untere Theil, oder die eigentliche Kolbe war mehrentheils viersei- tig und von blattfoͤrmiger Gestalt, der Schaft ebenfalls viereckig, jedoch oberhalb, gegen den Handgrif zu, rund. (Man sehe hiebey die auf folgender Seite befindliche Platte, Figur 1. nach.) Andre sahen schaufelfoͤrmig, flach und zackicht aus; noch andre hatten lange Griffe und eine Fliet-aͤhnliche Schneide, und wiederum andre waren krumm, knoticht u. s. w. Die mehresten fanden wir, uͤber und uͤber, nach allerhand felderweise abgetheilten Mustern geschnitzt, welches viel Zeit und eine unglaubliche Geduld erfordern muß, indem ein scharfer Stein ein Stuͤckchen Coralle oder eine Muschel die einzigen Werkzeuge sind, womit sie dergleichen Arbeit machen koͤnnen. Die Abtheilungen, oder Felder, dieses Schnitzwerks kamen an Groͤße und Ebenmaaß auf das genaueste miteinander uͤberein, und die Oberflaͤche der ungeschnitzten Keulen war so schoͤn ge- glaͤttet, als man es von den geuͤbtesten und mit dem besten Handwerkszeuge ver- sehenen Kuͤnstlern nur haͤtte erwarten koͤnnen. Außer den Keulen hatten sie auch Speere von vorgedachter Holzart, die oftmals nur aus langen, zugespitzten Stoͤcken bestanden, oft aber auch mit dem Schwanz der Stachel-Roche, als mit Forsters Reise u. d. W. erster Th. T t Forster’s Reise um die Welt 1773. October. einer furchtbaren Spitze, versehen waren, (Fig. 2. u. 3.) Naͤchst diesen Waffen fuͤhrten sie auch Bogen und Pfeile von ganz besonderer Einrichtung, wie aus beygefuͤgter Abbildung, Fig. 4. zu sehen ist. Der Bogen war 6 Fus lang, ohngefaͤhr so dick als ein kleiner Finger und, wenn er nicht gespannt war, nur we- nig gekruͤmmt. Laͤngst der convexen oder aͤußern Seite lief fuͤr die Senne ein vertiefter Falz, oder eine halbe Hohlroͤhre, welche zuweilen so tief ausgeschnit- ten war, daß auch der ohngefaͤhr 6 Fus lange Pfeil, der aus einem Rohrstabe gemacht und mit hartem Holz zugespitzt war, darinn Platz hatte. Wenn nnn der Bogen gespannt werden solte; so mußte solches nicht, wie sonst gewoͤhnlich, durch staͤrkere Biegung seiner Kruͤmmung geschehn, sondern voͤllig umgekehrt, so daß der Bogen erst gerade, und denn, nach der entgegenstehenden Seite hin, krumm gebogen ward. Die Senne durfte dabey niemals straff angezogen werden, denn durch bloße Aendrung der natuͤrlichen Biegung des Bogens, bekam der Pfeil Trieb genug, und das Wiedereinspringen des Bogens und der Senne war nie so heftig, daß die Hand oder der Arm des Schuͤtzen davon haͤtte be- schaͤdigt werden koͤnnen. Ehe unsre Seeleute mit diesem Gewehr umgehen lernten, zerbrachen sie viele Bogen, indem sie solche nach der sonst gewoͤhnli- chen Manier aufspannen wollten. Die ungeheure Menge von Waffen, welche wir bey den Einwohnern fanden, stimmte aber gar nicht mit der friedfertigen Gesinnung, die sie in ihrem ganzen Betragen gegen uns, und vornemlich auch durch die Bereitwilligkeit aͤußerten uns solche zu verkaufen. Sie muͤssen folglich, ihrer friedfertig scheinenden Gemuͤthsart ohnerachtet, oft Haͤndel untereinander ha- ben, oder auch mit den benachbarten Inseln Krieg fuͤhren; doch konnten wir hie- von, bey aller Nachfrage, nichts befriedigendes erfahren. Alle obbenannten Ar- tikel, nebst den verschiedenen Sorten ihres Zeuges, ihrer Matten und andre Kleinigkeiten brachten sie zum Verkauf, und nahmen sehr gern kleine Naͤgel, bisweilen auch wohl Corallen dagegen. In Betracht der letztern waren sie jedoch mit den Tahitiern nicht von gleichem Geschmack; denn jene waͤhlten im- mer durchsichtige, hier aber galten die Dunklen am mehresten, welche rothe, weiße oder blaue Streiffen hatten. Wir handelten mit ihnen bis zu Mittage, da wir wieder an die Schiffe zuruͤckkehrten, und einen kleinen Boot-Anker ver- mißten, den die Einwohner fast in eben dem Augenblick als er ausgewor- in den Jahren 1772 bis 1775. fen worden, hatten zu stehlen und auf die Seite zu bringen gewußt. Ihre 1773. October. freundlichen Blicke und Zurufen folgten uns bis an Bord, woselbst in einer Menge Canots, eben solche Waaren zum Verkauf ausgeboten wurden, als wir am Lande eingehandelt hatten. Auf diesen Farzeugen befanden sich einige Aussaͤtzige, bey denen die Krankheit einen sehr hohen Grad erreicht hatte. Ein Mann insbesondre hatte uͤber den ganzen Ruͤcken und uͤber die Schultern, ein großes krebsartiges Geschwuͤr, das innerlich voͤllig blau, auf dem Rande aber goldgelb war. Und ein armes Weib, hatte auf eben diese elende Weise, fast das ganze Gesicht eingebuͤßt. Statt der Nase sahe man nur noch ein Loch; die Backen waren geschwollen und eiterten aller Orten; die Augen waren blu- tig und wund, und schienen aus dem Kopfe fallen zu wollen. Mit einem Wort ich erinnere mich nicht, je etwas bejammernswuͤrdigers gesehen zu haben. Den- noch schienen diese Ungluͤcklichen uͤber ihr Elend unbekuͤmmert, und handelten so frisch drauf los als die uͤbrigen, ja was das ekelhafteste war, sie hatten Lebens- mittel zu verkaufen. Nach Tische blieb ich an Bord, woselbst mir Dr. Sparmann die am Morgen eingesammelten natuͤrlichen Merkwuͤrdigkeiten in Ordnung bringen half; mein Vater aber gieng mit den Capitains wieder ans Land um noch mehr auf- zusuchen. Bey Untergang der Sonne, kamen sie von ihrer Wanderschaft zu- ruͤck, und mein Vater gab mir, von dem was ihnen begegnet, folgende Nachricht: Am Landungs-Platze begruͤßten uns die Einwohner, gleichwie sie des Morgens gethan hatten, mit einem Freuden-Geschrei; und da ihrer eine große Menge war, so gieng der Handel lustig von statten; Lebensmittel aber konnte man nur sparsam, und Pompelmosen, der fruͤhen Jahreszeit wegen, fast gar nicht bekommen. Herr Hodges , ich und mein Bedienter, verließen den Handelsplatz mit zwey Indianern, die uns, als Wegweiser nach dem im Innern des Landes ge- legenen Berge hinbringen sollten. Der Weg dahin gieng durch viel schoͤne Baumpflanzungen oder Gaͤrten, die wir theils mit Rohr, theils mit lebendigen Hecken von schoͤnen Korallenschothen, ( erythrina corallodendron ) verzaͤunt fanden. Jenseits derselben kamen wir in einen schmalen Steig, der zwischen zwey Verzaͤunungen hinlief, innerhalb welchen, auf beyden Seiten, Bananen und T t 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. October. Yams, reihenweise, so ordentlich und regelmaͤßig angepflanzt waren, als in unsern Gaͤrten. Dieser schmale Weg brachte uns auf eine große mit dem herr- lichsten Grase prangende Wiese. Nachdem wir queer uͤber dieselbe weg ge- gangen waren, so fanden wir eine vortrefliche Allee von vier Reihen Coco-Nuß- Baͤumen, die ohngefaͤhr zweytausend Schritt lang seyn moͤchte, und wiederum zu einem schmalen Gange fuͤhrte, der, gleich dem vorigen, zwischen regelmaͤßig angelegten Gaͤrten hinlief, die an den aͤußern Seiten mit Pompel- mosen und andern Baͤumen besetzt waren. Vermittelst dieses Ganges kamen wir durch ein wohlangebautes Thal nach einer Stelle hin, wo verschiedene Fuß- fteige zusammen trafen. Hier befanden wir uns auf einer mit dem zartesten Rasen bewachsenen und ringsum mit großen schattenreichen Baͤumen eingefaßten Wiese. In einer Ecke derselben zeigte sich ein Haus, das damals ledig stand, weil die Bewohner vermuthlich nach der Seekuͤste herabgegangen seyn mochten. Herrn Hodges gefiel diese Gegend so wohl, daß er sich niedersetzte und sie zeich- nete, welches auch wuͤrklich der Muͤhe lohnte. Die Luft war rein, und so wohlriechend, daß ein Sterbender davon aufs neue haͤtte belebt werden muͤssen. Ein sanfter Seewind spielte in unfern Locken und faͤchelte uns Kuͤhlung zu; kleine Voͤgel zwitscherten auf allen Seiten und wilde Tauben girrten zaͤrtlich auf den schattenreichsten Zweigen des Baumes worunter wir uns gelagert hatten. Die- ser Baum war in Absicht seiner Wurzeln werkwuͤrdig, denn es trennten sich selbige 8 Fus hoch uͤber Erde schon vom Stamme, und liefen alsdenn einzeln zum Boden herab; auch trug er eine sonderbare Art von Schoten, die uͤber 3 Fus lang und zwey bis 3 Zoll breit waren. Bey dieser einsam gelegenen und von der Natur so reichlich gesegneten Gegend, wo wir ohne andre Gesellschaft als unsre beyden Indianer im Grase ruheten, fielen uns mit Recht die Beschrei- bungen der Dichter von bezauberten Inseln ein, die, als das Werk einer unbe- schraͤnkten Einbildungskraft, gemeiniglich mit allen moͤglichen Schoͤnheiten ge- schmuͤckt zu seyn pflegen. Wuͤrklich hatte dieser Fleck viel Aehnlichkeit mit dergleichen romantischen Schilderungen. Horaz selbst haͤtte nicht leicht eine gluͤck- lichere Lage zu seiner Einsiedeley waͤhlen koͤnnen, wenn es hier nur eine Cry- stall-Quelle oder einen kleinen murmelnden Bach gegeben haͤtte! aber Wasser ist gerade das einzige, worau es dieser reizenden kleinen Insel fehlt. Linker in den Jahren 1772 bis 1775. Hand von hier aus fanden wir einen andern schattigen Gang, der aber- 1773. October. mals auf eine Gras-Flur leitete, an deren Ende wir einen kleinen Huͤgel und auf selbigem zwey Huͤtten antrafen. Rings um die Anhoͤhe standen Rohr- staͤbe, einen Fus weit von einander, in die Erde gesteckt; und vor derselben waren etliche grosastige Casuarina-Baͤume hingepflanzt. Weiter als bis an die Umzaͤu- nung wollten sich unsre Indianischen Begleiter dieser Anhoͤhe nicht naͤhern; wir aber giengen vollends herauf, und gukten, wiewohl nicht ohne Schwierigkeit, in die Huͤtten herein, indem das Dach fast bis auf eine Spanne weit zur Erde herabgieng. In einer dieser Huͤtten fanden wir einen neuerlich beygesetzten tod- ten Koͤrper; die andre Huͤtte aber war leer. Der Casuarina- oder Keulen- Baum ( Toa ) dient also, gleichwie auf den Societaͤts-Inseln , auch hier, zu Bezeichnung der Begraͤbnißplaͤtze: Und wirklich schickt er sich, wegen seiner braun-gruͤnen Farbe, und der langen niederhaͤngenden Aeste, an denen die schmalen und faserichten Nadeln duͤnn und traurig abwaͤrts stehen, zu der Me- lancholie solcher Plaͤtze voͤllig eben so gut als die Cypresse. Vermuthlich hat man auch in diesem Theil der Welt, den Casuarina- Baum, aus einer aͤhnli- chen Folge oder Verbindung von Ideen, zum Baum der Trauer auser- sehen, als bey uns die Cypresse dazu gewaͤhlt worden ist. Der Huͤgel, worauf die Huͤtte lag, bestand aus kleinen zusammengetragnen Coral-Felssteinen, die als ein Haufen Bachkiesel ohne alle Haltbarkeit locker uͤber einander hinge- schuͤttet waren. Wir giengen von hier aus noch etwas weiter, und fanden uͤberall dergleichen reizende Baumgaͤrten, gemeiniglich in der Mitte, mit Wohn- haͤusern versehen. In einem dieser Gaͤrten noͤthigten uns unsre Beglei- ter zum Niedersitzen, und verschaften uns zur Erfrischung etliche sehr milchreiche Cocos-Nuͤsse. Als wir an den Strand zuruͤck kamen, waren die Boote schon im Begriff nach dem Schiffe abzugehen, weshalb wir uns zugleich mit uͤber setzen ließen. Auf unserm Spatziergange hatten wir nur wenig Leute angetrossen, und wenn uns hie oder da einer begegnete, so gieng er, ohne sich um uns zu bekuͤmmern, seines Weges fort, gemeiniglich nach dem Handlungs-Platze hin. Haͤtten wir nicht zwey Leuthe zu Wegweisern mitgenommen, so waͤren wir vermuthlich ohne alle Begleitung geblieben; niemand wuͤrde uns nachgelaufen oder sonst auf irgend eine Art hinderlich gewesen seyn. Der Knall und die Wuͤr- T t 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. October. kung unsers Schießgewehrs machte keinen besondern Eindruck auf sie, doch hat- ten wir auch nicht Ursach sie damit in Furcht zu setzen, denn sie betrugen sich durch- gehends freundlich und willfaͤhrig gegen uns. Die Frauensleute waren, im Ganzen genommen, zuruͤckhaltend, und bezeigten gegen das ausgelaßne Betragen unsers Schiff-Volks ausdruͤcklichen Widerwillen; doch gab es mit unter freylich auch einige die minder keusch waren, und die durch unanstaͤndige Geberden den Ma- trosen veranlaßten alles zu versuchen und alles zu erhalten. Am folgenden Morgen giengen wir mit den Capitains wiederum ans Land, und beschenkten den Befehlshaber mit einer Menge Garten-Gesaͤme, deren großer Nutzen ihm so viel moͤglich, durch Zeichen zu verstehn gegeben ward. Darinn bestand bis jetzt noch unsre Unterredung; doch hatten wir schon eine hinlaͤngliche Anzahl von Woͤrtern gesammlet, aus denen sich, nach den allgemeinen Be- griffen vom Bau der Sprachen und den Abaͤnderungen der Dialecte, deutlich urtheilen ließ, daß die hiesige Mundart mit der Sprache auf Tahiti und den Societaͤts-Inseln sehr nahe verwandt sey. O-Ma ï und Maheine oder O- Hedidi , die beyden Indianer von Raietea und Borabora , welche bey nns an Bord waren, behaupteten anfaͤnglich, daß sie die hiesige Sprache ganz und gar nicht verstaͤnden. Allein kaun : hatten wir ihnen die Aehnlichkeit derselben mit ihrer Landessprache an verschiedenen Worten gezeigt; so faßten sie das Ei- genthuͤmliche dieses Dialectes sehrleicht, und konnten sich den Eingebohrnen besser verstaͤndlich machen, als einer von uns nach langer Zeit kaum gelernt ha- ben wuͤrde. Das Land gefiel ihnen sehr wohl, doch sahen sie auch bald ein, woran es demselben fehle; sie klagten uns nemlich, daß es wenig Brodfrucht, wenig Schweine und Huͤhner, und gar keine Hunde allhier gebe, welches auch der Wahrheit voͤllig gemaͤß war. Dagegen fanden sie großes Wohlgefallen an dem vielen Zucker-Rohr und berauschenden Pfeffer-Getraͤnk, wovon die Ein- wohner, unter andern, auch dem Capitain Cook zu trinken angebothen hatten. Sobald die Capitains ihre Geschenke abgegeben, kehrten sie nach den Schiffen zuruͤck, und der Befehlshaber kam mit uns an Bord. Wir hoben den Anker, die Seegel wurden aufgesetzt, und wir verließen dies gluͤckliche Ey- land, dessen Schoͤnheiten wir kaum im Vorbeygehn hatten kennen lernen. Waͤh- rend der Anstalten zur Abfahrt, verkaufte uns der Befehlshaber noch eine Menge in den Jahren 1772 bis 1775. von Fisch-Angeln gegen Naͤgel und Corallen, und rief darauf ein vorbeyfah- 1773. October. rendes Canot ans Schiff, in welchem er, mit mannichfaltigen Zeichen und Bli- cken, aufs freundschaftlichste und gutherzigste Abschied von uns nahm. Wir segelten nunmehr laͤngst dem westlichen Gestade der Insel hin, die Tas- mann Amsterdam genannt hat, die aber, in der Sprache ihrer Einwohner, Ton- gatabu heißt. Sie liegt, der Mitte nach, ohngefaͤhr unterm 21sten Grade 11 Minuten suͤdlicher Breite, und unterm 175sten Grade westlicher Laͤnge. In Vergleich mit der vorhergehenden Insel ist das Land nur sehr niedrig, denn dem Au- genmaaß nach, scheint es an den hoͤchsten Stellen, kaum 18 bis 20 Fus senkrecht uͤber die Meeresflaͤche erhaben zu seyn; im Umfange hingegen, ist diese Insel groͤßer als Ea-Uwhe . Vermittelst unsrer Fernglaͤser entdeckten wir hier eben so regelmaͤßige Pflanzungen als dort; auch war die Kuͤste voller Einwohner, die uns durchgehends, und vermuthlich nicht minder aufmerksam betrachteten als wir sie. — “Einige derselben rannten laͤngst dem Ufer hin und her und ließen weiße Fahnen wehen, die wir fuͤr Friedenszeichen und als eine Art von Bewill- kommung in der Ferne, ansahen.” — Als wir zwischen beyden Inseln ohn- gefaͤhr mitten inne, das ist, von jeder etwa 3 See-Meilen weit entfernt wa- ren, begegneten uns schon verschiedne Canots mit Leuten, die an das Schiff heran kommen wollten; allein wir waren so weit vor dem Winde, daß sie uns nicht mehr einholen konnten, dagegen erreichten sie die Adventure und gien- gen auf selbiger an Bord. Nachmittags gelangten wir an das noͤrdliche Ende der Insel, woselbst gegen Osten hin einige kleine Inseln lagen, die mit einem Rief verbunden waren, und gen Nordwesten hin gab es eine verborgne Klippe, an welcher sich die See mit großem Ungestuͤm brach. Beydes, sowohl jene kleinen Inseln als diese Klip- pe, uͤberzeugten uns, daß wir gerade in derselben Gegend waren, wo Tas- mann im Jahr 1643. vor Anker gelegen und solche Van Diemens Rhede ge- nannt hatte. Hier ließen nun auch wir die Anker fallen, ohnerachtet der Grund aus einem bloßen Coral-Felsen bestand. Es dauerte nicht lange, so wurden wir von einer Menge Einwohnern umringt, die theils in Canots, theils schwim- mend, herbeykamen, ohnerachtet wir uͤber eine Viertelmeile weit vom Ufer lagen. Sie waren den Bewohnern von Ea-Uwhe in aller Absicht aͤhnlich, auch Forster’s Reise um die Welt 1773. October. eben so sehr zum Handel geneigt. Sie boten uns gleich eine ungeheure Menge von Zeug, Matten, Netzen, Hausrath, Waffen und Putz zum Verkauf, und nahmen Naͤgel und Corallen dagegen: Allein dieser Handlungszweig ward ihnen bald abgeschnitten; denn kaum waren die Schiffe vor Anker, als der Capitain an- befehlen ließ, daß niemand dergleichen Curiositaͤten einkaufen sollte. Den Ein- gebohrnen hingegen gab man zu verstehen, daß sie statt dessen Coco-Nuͤsse, Brod- frucht, Yams und Bananen, imgleichen Schweine und Huͤhner herbeybrin- gen moͤgten. Alle diese Artikel wußten wir schon in ihrer Sprache zu nennen. Um diesem Begehren desto mehr Eingang zu verschaffen, wurden die wenigen Lebensmittel, welche heute zu bekommen waren, gut bezahlt, alle andre Waaren aber mußten die Einwohner ohnangeruͤhrt wieder mit sich ans Land nehmen. Die guten Folgen dieses Verhaltens zeigten sich schon am naͤchsten Morgen, indem gleich bey Anbruch des Tages ganze Boots-Ladungen voll Fruͤchte und Huͤhnern anlangten. Viele von den Eingebohrnen kamen so dreist und zutraulich an Bord, als ob wir uns schon lange gekannt haͤtten, und als ob sie gar nicht wuͤßten was Mißtrauen waͤre. Unter diesen befand sich ein wohlgestalter Mann von sehr offner, einnehmender Gesichtsbildung, der, gleich unserm Bekannten zu Ea-Uwhe , einiges Ansehn uͤber seine Landsleute zu haben schien. Er stieg in die Cajuͤtte hinunter, und sagte uns, sein Name sey Attahha . Von den Geschen- ken, die man ihm seines Standes wegen machte, bezeugte er uͤber das Eisen- werk und rothen Boy die mehreste Freude, und nach dem Fruͤhstuͤck gieng er in der Pinnasse mit uns ans Land. Die Kuͤste war mit einem Corallen-Rief ge- deckt, der ohngefaͤhr einen Buͤchsenschuß weit vor dem Ufer hinlief, und nur eine sehr schmale Einfahrt hatte. Innerhalb des Riefs war der Grund so stei- nigt und das Wasser so seicht, daß wir mit dem Boot nicht bis an den Strand kommen konnten, sondern uns hin tragen lassen mußten. Sobald wir allerseits gelandet waren, bekam der Schifsschreiber den Auftrag, Lebensmittel einzuhan- deln, wobey ihm ein Commando von See-Soldaten zur Wache dienen mußte. Die Eingebohrnen bezeigten uͤber diese Anordnung weder Verwundrung noch Mißvergnuͤgen; doch mochten sie die Absicht derselben freylich wohl nicht erra- then und folglich auch keinen Argwohn daraus schoͤpfen. Man empfieng uns, wie zu Ea-Uwhe , mit Freuden-Geschrey, und bat, daß wir uns auf dem Felsen- in den Jahren 1772 bis 1775. Felsen-Ufer niedersetzen moͤgten. Diese Felsen waren eine Art von Corallen- 1773. October. Stein und mit Muschel-Sand bedeckt. Unter andern Sachen brachten uns die Einwohner auch allerhand schoͤne, ganz zahme Papagayen und Tauben zum Verkauf. Unser junge Reisegefaͤhrte von Borabora , Maheine oder Ohedidi , handelte seiner Seits sehr emsig um Putzwerk von rothen Federn, welche, wie er versicherte, zu Tahiti und auf den Societaͤts-Inseln in außerordentlichem Werth standen. Dergleichen Federn waren hier gemeiniglich auf Schuͤrzen geklebt, die aus Coco-Nuß-Fibern geflochten sind und den Frauenzimmern, beym Tan- zen, zum Putz dienen; oft pflegten sie auch auf Bananenblaͤtter befestigt zu seyn, und wurden als eine Kopfzierrath vor die Stirn gebunden. Von letzteren findet man eine Abbildung auf der S. 329. eingefuͤgten Platte, Fig. 4. Ohedidi war uͤber seinen Einkauf ganz außer sich vor Freuden, und versicherte uns, daß ein Stuͤckchen dieses Federputzes, so groß als zwey oder drey Finger breit, in seiner Insel hinreichen wuͤrde das groͤßte Schwein zu kaufen. Er sowohl als O-Ma ï , waren mit den Bewohnern dieser Inseln sehr zufrieden, und beyde fiengen an die Sprache schon ziemlich gut zu verstehn. Nachdem wir unsre neuen Freunde einigermaßen hatten kennen lernen, machten wir uns auf, um das Land naͤher in Augenschein zu nehmen. Nicht weit vom Ufer, wo das Erdreich um etliche Fus hoͤher war als an der Kuͤste, kamen wir in einen schmalen aber desto laͤngern Strich Waldung, der theils aus hohen Baͤumen, theils aus niedrigem Gestraͤuch bestand. An manchen Stellen war er kaum 300 Fus tief, dagegen reichte er an der ganzen Kuͤste von Van- Diemens Rhede herunter, und jenseits desselben war das Land durchaus flach. Zunaͤchst an den Wald stieß ein Revier, ohngefaͤhr 500 Schritte breit, das zum Theil mit Yams bepflanzt gewesen zu seyn schien, zum Theil aber mit Gras be- wachsen war und in der Mitte einen kleinen Sumpf hatte, in welchem sich eine Menge violetter Wasserhuͤhner, ( poule Soultane ), aufhielt. Hinter die- sem Fleck war das Land abgetheilt und eingezaͤunt. Ein schmaler Gang, der ohngefaͤhr 6 Fus breit und zu beyden Seiten mit einem Zaun von Rohr einge- faßt war, lief, so wie bey uns die Feldwege, mitten durch die angebauten Laͤnde- reyen hin. Hier begegneten uns viele Indianer, die mit großen Trach- ten von Lebensmitteln nach dem Strande giengen und im Vorbeygehen sehr hoͤf- Forster’s Reise u. d. W. erster Th. U u Forster’s Reise um die Welt 1773. October. lich eine Verbeugung mit dem Kopfe machten, auch gemeiniglich ein oder das andre einsylbichte Wort hoͤren ließen, welches, der Bedeutung nach, mit dem Tahitischen Tayo uͤbereinzukommen schien. Die Zaͤune, Plantagen und Haͤu- ser waren hier voͤllig eben so gestaltet als auf Ea-Uwhe , und die Wohnun- gen durchgehends mit wohlriechendem Gestraͤuch umpflanzt. Der Maulbeer- baum, dessen Rinde zu Zeug verarbeitet wird, und der Brodfrucht-Baum waren hier seltner als auf den Societaͤts-Inseln , und der dortige Apfelbaum hier ganz unbekannt; statt dessen aber hatten sie Pompelmosen. Der Fruͤhling, der die Pflanzen mit Blumen schmuͤckte und alles neu belebte, mochte freylich mit Ursach seyn, daß uns dies Land so wohl gefiel, doch trug der wirthschaft- liche Fleiß und das gute Bezeigen der Einwohner nicht weniger dazu bey. Es war auch wuͤrklich ein Vergnuͤgen zu sehn, wie viel Ordnung in der Anlegung und Bepflanzung ihrer Grundstuͤcke herrschte, und wie nett ihre Handarbeit be- schaffen war. Beydes setzte einen Grad von Einsicht und Geschmack voraus, bey welchem es dieser Nation an Gluͤck und Wohlstand nicht fehlen konnte. Einer von den Feldwegen, die zwischen den verzaͤunten Laͤndereyen durch- giengen, brachte uns zu einem kleinen wild aufgewachsenen Gehoͤlz, dem es, wenn gleich an kuͤnstlicher Regelmaͤßigkeit, doch nicht an natuͤrlicher Anmuth und Schoͤnheit fehlte. Ein ungeheurer Casuarina-Baum, der aus demselben weit empor ragte, war mit einer Menge schwarzer Thierchen bedeckt, die wir in der Ferne fuͤr Kraͤhen hielten, bey naͤherer Untersuchung aber fuͤr Fle- dermaͤuse erkannten. Sie hatten sich, vermittelst ihrer an den Spitzen der Fluͤ- gel und an den Fuͤßen befindlichen Krallen an die Zweige fest gehangen, oft mit dem Kopf nach der Erde herab, oft aber auch anders. Auf den ersten Schuß brachten wir sechs bis acht Stuͤck herunter, da sich denn fand, daß sie zu der Vampyr- Art gehoͤrten ( Rougette de Buffon, Vampirus Linnæi \& Pennantii, ) und, von einem Ende der ausgebreiteten Fluͤgel bis zum andern, zwi- schen 3 und 4 Fus maaßen. Durch das Feuern in ihrer Ruhe gestoͤrt, flatter- ten sie zum Theil, mit sehr schwerfaͤlligem langsamen Fluge vom Baume, und ließen zugleich einen durchdringend pfeifenden Ton hoͤren, andre kamen von weit entfernten Gegenden einzeln herbeygeflogen, die mehresten aber blieben unver- ruͤckt in ihrer Stellung. Es scheint, daß sie nur des Nachts auf Nahrung aus- in den Jahren 1772 bis 1775. gehen, doch moͤgen sie in den Baumgaͤrten der Eingebohrnen viel Schaden an- 1773. October. richten, denn sie leben groͤßtentheils von Fruͤchten. Dies schlossen wir unter an- dern daraus, weil die Leute, welche bey Abfeurung unsrer Flinten zugegen wa- ren, ein großes Wohlgefallen uͤber die Niederlage bezeugten, die wir unter ih- ren Feinden anrichteten. Sie wissen diese Thiere auch lebendig zu fangen und sperren sie alsdenn in Kaͤfige von geflochtner Arbeit, die gleich den Fisch-Reu- sen, sehr kuͤnstlich, mit einem trichterfoͤrmigen Eingange, versehen sind, so daß das Thier sehr leicht hineingebracht werden, aber nicht wieder herauskom- men kann; man versicherte uns, daß diese Creaturen sehr beißig waͤren, wozu es ihnen auch nicht an großen scharfen Zaͤhnen fehlte. Da wir von Tahiti , den Societaͤts-Inseln , und Ea-Uwhe her wußten, daß, an dem Orte, wo ein Casua- rina- Baum stehe, ein Begraͤbniß Platz gemeiniglich nicht weit sey; so vermutheten wir beym Anblick dieses traurigen Baums, dessen Ansehn die schwarzen Fleder- maͤuse noch finstrer machten, daß auch hier ein Grabhuͤgel in der Naͤhe seyn muͤsse: Und so war es in der That. Wir gelangten nemlich bald auf einen schoͤ- nen Grasplatz, der rund umher von Casuarinas, Pandangs , wilden Sayo- Palmen und andern Baͤumen beschattet war. Vornemlich stand laͤngst der einen Seite eine Reihe von Barringtonia’s , die so dick als die staͤrksten Eichen waren und deren große schoͤne Bluͤthen mehrentheils auf der Erde umher lagen. Am obern Ende dieses Platzes sahen wir eine Erhoͤhung von 2 bis 3 Fus, die am untern Seitenrande mit viereckig gehauenen Coralsteinen ausgelegt und, zu desto bequemern Hinaufsteigen, mit zwey Stufen von Coralstein versehen war. Oben war der Huͤgel mit gruͤnem Rasen bedeckt, und eine Huͤtte darauf er- bauet, die der Todten-Huͤtte auf Ea-Uwhe gleich sahe. Sie war ohn- gefaͤhr 20 Fus lang, 15 breit und 10 Fus hoch; das Dach bestand aus Pi- sangblaͤtter und reichte fast bis ganz auf die Erde herab. Innerhalb hatte man den Fusboden mit kleinen weißen Coralsteinen bestreuet, und auf diesen lag in einer Ecke eine ohngefaͤhr 8 Fus lange und 12 Zoll hohe Schicht von schwarzen Kieseln. Nach der Aussage eines Indianers, der mit in die Huͤtte gieng, indeß die uͤbrigen in einiger Entfernung stehen blieben, lag hier ein Mann begra- ben; er deutete waͤhrend seiner Erzaͤhlung auf die Stelle, wo ihm der kleine Finger fehlte, und erklaͤrte sich ganz deutlich, daß diese Verstuͤmmlung bey U u 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. October. dem Todesfall der Maduas (d. i. der Eltern oder vielleicht andrer Verwand- ten in aufsteigender Linie) vorgenommen zu werden pflege. Unserm Astronomen, Herrn Wales , begegnete zwar einstmals ein Mann, dem an beyden Haͤnden kein Finger fehlte, ohnerachtet die Eltern desselben, seinem hohen Alter nach zu ur- theilen, wohl schwerlich mehr am Leben seyn konnten: Allein, ein solcher ein- zelner Fall entscheidet nichts gegen das Ganze, und da es uͤberall Sonderlinge giebt, so koͤnnte ja auch wohl auf Tonga-Tabu einer oder der andere gewisse Ceremonien nicht mit machen wollen, zumal da man in der Suͤd-See durchge- hends sehr tolerant ist. — Wir fanden auf dieser Grabstaͤtte auch zwey aus Holz geschnitzte Figuren, die, gleich den E-Tihs auf Tahiti , einer Menschen- gestalt aͤhnlich seyn sollten; doch bezeigte man ihnen hier eben so wenig als dort, eine Art von Achtung oder Verehrung, sondern man ließ sie sorglos auf der Erde herum liegen und stieß sie nach Gelegenheit mit den Fuͤßen aus einem Winkel in den andern. Dergleichen Begraͤbnißplaͤtze heißen in der Landes-Sprache Faye- tuca , und sind immer in einer sehr anmuthigen Gegend, auf gruͤnen Grasplaͤtzen, unter schoͤnen, schattenreichen Baͤumen angelegt. Herr Hodges zeichnete den, von welchem hier die Rede ist, und man findet in Capitain Cooks Reisebe- schreibung eine getreue Abbildung desselben. Nachdem wir diesen Ort zur Ge- nuͤge untersucht hatten, so setzten wir unsern Weg weiter fort, der, wie bisher immer zwischen Plantagen hindurch gieng; es kamen uns aber nur wenig Ein- wohner zu Gesicht, indem sie sich mehrentheils nach dem Handlungsplatze herab verfuͤgt hatten, und wenn wir ja welche antrafen, so blieben sie entweder unge- stoͤrt bey ihrer Arbeit oder giengen bescheiden neben uns vorbey. Weit ent- fernt es nicht gern zu sehen oder gar hindern zu wollen, daß wir ihr Land so durchstreiften, blieben sie unsertwegen kaum einmal aus Neugier stehen; son- dern gruͤßten uns vielmehr in einem freundlichen Ton. Wir sprachen in ver- schiednen Haͤusern ein, fanden sie aber durchgehends leer, jedoch immer mit Mat- ten ausgelegt und mit wohlriechendem Gestraͤuch umgeben. Zuweilen waren sie von den Baumgaͤrten oder andern Pflanzungen noch durch einen eignen Zaun abgesondert, der so wie die Zaͤune in Ea-Uwhe , eine besondre Thuͤr hatte, die inwendig verriegelt werden konnte. In solchem Fall war das wohlrie- chende Buschwerk allemal innerhalb der kleinern Verzaͤunung hingepflanzt. in den Jahren 1772 bis 1775. Wir waren nunmehro schon drey Meilen weit marschirt, und sahen 1773. October. endlich das oͤstliche Ufer der Insel vor uns, wo die Kuͤste einen tiefen Winkel macht, den Tasman , Maria-Bay genannt hat. In dieser Gegend ward der Boden allmaͤhlig niedriger und endigte sich in einen sandigen Strand; an der noͤrdlichen Spitze hingegen bestand das Ufer aus einem senkrechten Coral- Felsen, der an manchen Stellen untergraben und uͤberhaͤngend war. Diese Steinart wird aber nie anders als unterhalb dem Wasser erzeugt, und folglich kann man sicher darauf rechnen, daß an solchen Stellen, wo sie ausserhalb dem Wasser angetroffen wird, eine große Veraͤnderung mit dem Erdboden muͤsse vorgegangen seyn. Ob nun diese hier, durch eine allmaͤhlige Abnahme der See, oder durch sonst eine gewaltsamere Revolution mag veranlaßt worden seyn? will ich nicht zu entscheiden wagen. Nimmt man indessen an, daß solches auf die zuerst erwaͤhnte Art geschehen sey; so muͤßte, falls die Beobachtungen einiger Ge- lehrten in Schweden , von der dortigen allmaͤhligen Verminderung der See zuver- laͤßig sind, S. Abhandlungen der Koͤn. Schwedischen Academie zu Stockholm . diese Insel hier ziemlich neuen Ursprungs seyn, und alsdenn waͤre nicht wohl zu begreiffen, wie sie schon mit Erde, Kraut und Waͤldern bedeckt, so stark bevoͤlkert und bereits so gut angebaut seyn koͤnnte, als wir sie wuͤrklich ge- funden haben. — Am Fuß des steilen Felsen der uns zu diesen Betrachtun- gen Anlaß gab, hieng eine Menge See-Schnecken, denen zu Gefallen wir auf einem Rief bis an die Knie im Wasser waden mußten, denn die Fluth fieng schon an einzutreten. Es waͤhrete auch nicht lange, so noͤthigte uns das Aufschwel- len der See, das Trockne wieder zu suchen, der Felsen selbst aber war hier uͤberall so steil, daß wir mit aller Muͤhe kaum eine Stelle fanden, wo man hinauf kommen konnte. Innerhalb den Plantagen, durch welche wir nunmehro den Ruͤckweg antraten, begegneten uns verschiedene Eingebohrne die vom Handels- platz zuruͤckkehrten. Wir kauften ihnen im Vorbeygehen eine große Anzahl Fisch-Angeln, und allerhand Putzwerk, imgleichen ein Fisch-Netz ab, das, wie unsre Zugnetze gestaltet und, gleich denselben, aus duͤnnen aber starken Zwirn- aͤhnlichen Faden zusammengeknuͤpft war. Eben diese Leute uͤberließen uns auch verschiedene geflochtene Matten und etliche Stuͤcken Zeug. Das sonder- U u 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. October. bahrste was wir von ihnen erhandelten war eine Knie-Schuͤrze mit sternfoͤrmi- gen Figuren von Coco-Nuß-Fasern geziert, dergleichen S. 337. gedacht wor- den; diese Sterne, davon jeder 3 bis 4 Zoll im Durchschnitt hielt, stießen mit den Spitzen zusammen, und waren mit kleinen rothen Federn und Muschel-Co- rallen aufgeputzt. Unterwegens sahen wir einen neuen Beweis von der Sorg- falt, welche sie auf den Landbau wenden; wir fanden nemlich an mehrern Stellen, das Unkraut sorgfaͤltig ausgejaͤthet und auf einen Haufen zusammengewor- fen, damit es vertrocknen sollte. Nachdem wir eine geraume Zeit gegangen waren, so zeigte sich’s, daß wir uns verirrt hatten, wir nahmen also einen In- dianer zum Wegweiser, und dieser brachte uns, vermittelst eines von den oft be- schriebenen Feldwegen, zwischen zwey Verzaͤunungen, gerade auf den Faye- tuca oder Begraͤbniß-Platz zuruͤck, uͤber den wir zuvor ebenfalls gekommen wa- ren. Hier fanden wir die Capitains Cook und Furneaux nebst Herrn Hod- ges unter einer großen Menge Indianer im Grase sitzen. Sie waren eben mit einem alten triefaͤugigten Mann im Gespraͤch begriffen, der bey seinen Lands- leuten in besondern Ansehen stehen mußte, indem ihn aller Orten ein großer Haufen Volks begleitete. Dieser Mann hatte unsre Herren Reisegefaͤhrten nach zweyen Fayetucas hingefuͤhrt, und, mit dem Gesicht gegen das Gebaͤude gewandt, eine feyerliche Rede oder Gebet gehalten; waͤhrend desselben kehrte er sich, wie man uns erzehlte, oͤfters gegen den Capitain Cook , und schien ihn zu befragen, hielt auch jedesmal eine Weile inne, als ob er eine Antwort erwarte; und wenn dann der Capitain mit dem Kopf nickte, so fuhr jener in sei- ner Rede fort. Zuweilen schien ihm aber das Gedaͤchtniß untreu zu werden, in welchem Fall ihm von den Umstehenden einer oder der andre wieder zurecht half. Aus dieser Ceremonie und dem Platze wo sie vorgieng, schloß man, daß dieser Mann ein Priester sey. Doch laͤßt sich hieraus keinesweges folgern, daß sie eine Art von abgoͤttischer Religion haͤtten, denn so weit unsre Kenntniß ihrer got- tesdienstlichen Gebraͤuche reicht, haben wir nicht die geringste Spur gefunden, daß sie, gleich den Tahitiern, gewisse Voͤgel oder andre Creaturen besonders verehrten, sondern sie schienen blos ein unsichtbares hoͤchstes Wesen anzuneh- men und anzubeten. Was aber, sowohl diese Leute, als die Einwohner auf Ta- hiti und den Societaͤts-Inseln , veranlaßt haben mag, ihren Gottesdienst neben in den Jahren 1772 bis 1775. den Graͤbern zu verrichten? bleibt uns dunkel; denn die Religions-Artikel eines 1773. October. Volks sind gemeiniglich dasjenige, wovon der Reisende die wenigste und spaͤ- teste Kenntniß erlangt, zumal wenn er in der Landessprache so unerfahren ist als wirs in der hiesigen waren. Außerdem pflegt die Kirchen-Sprache von der gemeinen oft sehr verschieden, und die Religion selbst in Geheimnisse gehuͤllt zu seyn, besonders in solchen Laͤndern, wo es Priester giebt, deren Vortheil es mit sich bringt, die Leichtglaͤubigkeit des Volks zu mißbrauchen. Von hier aus eilten wir wieder nach der Kuͤste herab, wo fleißig um Fruͤch- te, Vieh und Schweine gehandelt wurde. Als eine Curiositaͤt kauften wir ein großes flaches Brustschild, welches aus einem runden Knochen bestand, der ver- muthlich von einer Wallfischart seyn mochte. Es war ohngefaͤhr 18 Zoll im Durchmesser groß, so weiß als Elfenbein und schoͤn poliert. Naͤchstdem brachte man uns auch ein neues musicalisches Instrument, das aus neun bis zehn Rohrpfeifen bestand, welche ohngefaͤhr 9 Zoll lang und mit Coco-Nuß-Fasern zusammen verbunden waren, wie aus der im Vorhergehenden, bey S. 329. befindlichen Kupfertafel, vermittelst der Figur 5. noch deutlicher ersehen werden kann. Die Laͤnge der Pfeifen war selten merklich verschieden, auch waren lange und kurze ohne Ordnung durcheinander gemischt. Am oberen Ende hatten sie eine Oeffnung, in welche man mit den Lippen hinein blies, indeß das Instrument vor dem Munde hin und her gezogen ward, um auf diese Art die verschiedenen Toͤne in beliebiger Maaße anzugeben. Es hatte deren gemeiniglich vier bis fuͤnf und gieng nie auf eine ganze Octave. Die Aehnlichkeit, welche sich zwi- schen diesem Instrument und der Syrinx- oder Pan-Floͤte der alten Griechen be- fand, gab ihm in unsern Augen mehr Werth als seine musicalische Vollkom- menheit; denn schon aus der Art wie es gespielt wurde, werden die Music-Lieb- haber genugsam einsehn koͤnnen, daß diese goͤttliche Kunst hier noch in ihrer Kind- heit sey. Die Vocal-Music war mit der auf Ea-Uwhe einerley und die Stim- men fielen harmonisch genug ins Ohr. Auch hier schlagen die Weiber Knippchen unterm Singen, und beobachten den Tact damit sehr genau; da aber der Gesang innerhalb vier Toͤne eingeschraͤnkt ist, so findet keine große Modulation statt. Zu ihren musicalischen Instrumenten gehoͤrt noch eine Pfeife von Bambu-Rohr, die ohngefaͤhr so dick als unsre Floͤten war und hier auf eben die Art wie zu Forster’s Reise um die Welt 1773. October. Tahiti , durch die Naseloͤcher, geblasen wurde. Gemeiniglich waren sie mit allerhand kleinen eingebrannten Figuren geziert, und hatten vier bis fuͤnf Ton- Loͤcher, da hingegen die Tahitischen Floͤten nur drey in allem hatten. Die Auszierungen mit eingebrannten Figuren, fanden wir auch auf ihren Speise- Schalen und anderm hoͤlzernen Hausrath angebracht. Ohnerachtet es beynahe Abend war als wir mit unsern eingekauften und aufgefundnen Merkwuͤrdigkeiten an Bord zuruͤck kamen, fanden wir das Schiff doch noch von einer Menge Eingebohrnen umgeben, die theils in Canots herbey gekommen waren, theils im Wasser herum schwammen und nicht wenig Lerm machten. Unter den letztern gab es sehr viel Frauenspersonen, welche wie Am- phibia im Wasser herumgaukelten, und sich leicht bereden ließen an Bord zu kommen, nackt als die Natur sie geschaffen hatte. Um Keuschheit war es ihnen auch eben so wenig zu thun als den gemeinen Maͤdchen auf Tahiti und den Societaͤts-Inseln , und man kann wohl denken, daß unsere Seeleute sich den guten Willen dieser Schoͤnen zu Nutze machten. Sie ließen uns auch hier wieder Scenen sehen, welche der Tempel Cytherens werth gewesen waͤren. Ein Hemd, ein Stuͤck Zeug, oder ein Paar Naͤgel waren zuweilen hinreichende Lo- ckungen fuͤr die Dirnen, sich ohne Schaam preis zu geben. Doch war diese Lie- derlichkeit nichts weniger als allgemein, und ich glaube gewiß, daß nicht eine einzige verheirathete Person sich einer ehelichen Untreue schuldig gemacht habe. Haͤtten wir von der Verschiedenheit der Staͤnde hinlaͤngliche Kenntniß gehabt, so wuͤrde sich wahrscheinlicher weise gefunden haben, daß, wie in Tahiti so auch hier, die liederlichen Frauenspersonen, nur vom niedrigsten Poͤbel waren. Mit alle dem bleibt es immer ein sonderbarer Zug in dem Character der suͤd- lichen Insulaner, daß unverheirathete Personen sich ohne Unterschied einer Menge von Liebhabern preis geben duͤrfen! Sollten sie denn wohl erwarten, daß Maͤdchen, welche den Trieben der Natur Gehoͤr und freyen Lauf gegeben, bessere Weiber wuͤrden als die unschuldigen und eingezogenern? Doch es ist umsonst, fuͤr die willkuͤrlichen Grillen der Menschen vernuͤnftige Gruͤnde aufsuchen zu wollen, vornemlich in Betracht des andern Geschlechts, wegen dessen man zu allen Zeiten und in allen Laͤndern so sehr verschiedner Meynung gewesen ist! In einigen Gegenden von Indien wird kein Mann von Stande eine Jungfer heirathen; in in den Jahren 1772 bis 1775. in Europa hingegen ist eine verungluͤckte Jungfer fast ohne Hoffnung, je 1773. October. wieder zu Ehren zu kommen. Tuͤrken, Araber, Tartaren treiben ihre Eifer- sucht sogar bis auf eingebildete Zeichen der Jungferschaft, aus welcher sich der Malabar so wenig macht, daß er sie seinem Goͤtzen opfert. — Keine von diesen Weibspersonen blieb nach Untergang der Sonne am Schiff, sondern sie kehrten alle wieder aus Land zuruͤck, um sich, gleich den meh- resten ihrer Landsleute, nicht weit von der Kuͤste, unter die Baͤume hin zu le- gen. Dort zuͤndeten sie viele Feuer an, und man hoͤrte sie den groͤsten Theil der Nacht zusammen plaudern. Sie schienen auf den Handel mit uns so erpicht zu seyn, daß sie blos deswegen nicht zu ihren entfernten Wohnungen zuruͤck kehrten. Unsere Waaren standen in hohem Werth bey ihnen. Ein Huhn galt gemeiniglich einen großen Nagel; fuͤr kleinere aber bekamen wir nur Fruͤchte, als Bananen, Cocosnuͤsse und dergleichen. Die Einwohner wandten dies Eisen- werk zum Putz an, und trugen die Naͤgel mehrentheils an einem Bande um den Hals oder steckten solche durchs Ohr. Die Huͤhner waren von ausnehmender Groͤße und von vortreflichem Geschmack; hatten auch gemeiniglich ein sehr glaͤnzendes Gefieder, das ins Rothe und Goldfarbige spielte. Die Haͤhne aber wurden gern von den Matrosen gekauft, um sich das barbarische Vergnuͤgen zu machen, sie kaͤmpfen zu sehn. Seit unserer Abreise von Huaheine hatten sie die armen Thiere taͤglich gemartert, ihnen die Fluͤgel zu stutzen und sie gegen einan- der aufzubringen; mit den Haͤhnen von Huaheine war es ihnen auch so gut ge- lungen, daß viele derselben eben so erhitzt fochten, als die besten englischen Kampfhaͤhne. Mit den hiesigen aber wollte es ihnen nicht gluͤcken; und weil sie denn nicht fechten wollten, so mußten die Matrosen sich schon entschließen sie aufzufressen. Am naͤchsten Morgen kam des Capitains Freund Attaha , oder Attag- ha , sehr zeitig an Bord und fruͤhstuͤckte mit uns. Seine Kleidung bestand aus Matten, wovon er eine, des kalten Morgens wegen, uͤber die Schultern geschla- gen hatte. Herr Hodges wuͤnschte ihn bey dieser Gelegenheit abzuzeichnen; da es aber dem Indianer an einem gewissen Grad von Aufmerksamkeit und Nachdenken fehlte, den man bey allen uncivilisirten Voͤlkern vermißt; so kostete es uns nicht wenig Muͤhe, ihn eine Zeitlang zum Stillsitzen zu bringen. Dem Forsters Reise u. d. W. erster Th. X x Forster’s Reise um die Welt 1773. October. ohnerachtet gerieth die Zeichnung sehr gut; Herr Hodges hat die Stellung gewaͤhlt, da Attaha einen eisernen Nagel, den man ihm geschenkt, zum Zei- chen der Danksagung uͤber den Kopf empor haͤlt. Dies Bildniß ist von Herrn Sherwin meisterhaft in Kupfer gebracht, und man kann sich, nach den sanften Gesichtszuͤgen dieses Mannes, von dem Charakter der Nation uͤberhaupt, einen richtigen Begriff machen. Nach eingenommenen Fruͤhstuͤck schickten der Capi- tain und mein Vater sich an, ihn wieder nach dem Lande zu begleiten. Als sie in dieser Absicht aufs Verdeck kamen, fiel ihm ein tahitischer Hund in die Au- gen. Ueber diesen Anblick gerieht er fuͤr Entzuͤcken gleichsam außer sich. Er schlug beyde Haͤnde an die Brust, wandte sich gegen den Capitaiu und ruste voller Freuden, mehr als zwanzig mal, Guri ! Uri bedeutet zu Tahiti einen Hund; Guri bedeutet eben das auf Neu-Seeland . aus. Es wunderte uns daß ihm der Name eines Thieres bekannt war, dergleichen es doch in seinem Lande keine giebt. Die Kenntniß davon muß also, entweder von einer Tradition ihrer Vorfahren herruͤhren, die aus andern Inseln oder vom festen Lande, wo es solche Thiere gegeben hat, hieher gekommen sind; oder aber, sie muͤssen ehemals selbst welche auf der Insel gehabt haben, und durch einen oder andern Zufall darum gekommen seyn; oder endlich, sie muͤssen noch jetzt mit andern Laͤndern in Verbindung stehen, allwo es Hunde giebt. Um indessen die Freude des ehrlichen Attaha vollstaͤndig zu machen, schenkten wir ihm einen Hund und eine Huͤndinn, die er ganz entzuͤckt mit sich ans Land nahm. Ich meines theils blieb den ganzen Tag am Bord, um die Pflanzen und Voͤgel in Ordnung zu bringen, die wir bey unserer ersten Landung gesammlet hatten, und deren Anzahl, in Betracht des geringen Umfangs der Insel, sehr ansehnlich war. Die Eingebohrnen hielten sich bestaͤndig mit einer Menge von Canots bey dem Schiffe auf, und andre, die vermuthlich nicht reich genug waren um sich ein eigenes Canot zu halten, schwammen vom Ufer ab und zu. Ihre Fahrzeuge waren von verschiedener Bauart. Die gewoͤhnlichen kleinen Ca- nots, in welchen sie Waaren zu Markte brachten, hatten einen ganz scharfen Kiel, und waren vorn und hinten gleich sehr zugespitzt, aber dabey so schmal, daß die Wellen oft uͤber die aͤußer sten Enden ganz zusammen schlugen; damit nun in der- gleichen Faͤllen das Canot nicht voll Wasser wuͤrde; so waren die beyden in den Jahren 1772 bis 1775. Spitzen, oberhalb mit Brettern verdeckt oder zugeschlagen. Zu Verhuͤtung 1773. October. des Umschlagens waren sie gemeiniglich mit einer leichtgebauten Auslage, oder einem Balancier (Gegengewicht) von Stangen, versehen. Das Canot an und fuͤr sich bestand aus mehreren Planken von hartem braunem Holze, die mit Coco-Nus-Fasern, eine auf die andere genaͤhet, und so kuͤnstlich zusammenge- fuͤgt waren, daß sie ausnehmend wasserdicht zu seyn schienen. Die Tahitier begnuͤgten sich, unmittelbar durch die Planken, Loͤcher zu bohren, und durch diese die Cocos-Faͤden durchzuziehen; aber eben deshalb waren auch ihre Canots fast immer leck. Zu Tongatabu hingegen, ist an der Inseite der Planken, dicht am Rande der Fuge, ein vorspringender Falz oder Leiste befindlich, und nur durch diese, nicht durch die ganze Dicke der Planken, gehen die Schnuͤre welche die Nath ausmachen. Laͤngst dem aͤußern Rande des Verdecks, oder des schmalen Brettes an beyden Enden des Canots, sind sieben bis acht runde, knotenfoͤrmige Erhoͤhungen angebracht, die eine Nachahmung der kleinen Flos- federn ( pinnulae spuriae ) am Bauche der Bonniten, Albecoren oder Makre- len zu seyn scheinen. Ich glaube auch wuͤrklich, daß die Insulaner, im Bau ihrer Boote, diese schnellen Fische zum Modell genommen haben. Ohnerachtet die Canots gemeiniglich 15 bis 18 Fus lang sind; so sind sie doch, von einem Ende bis zum andern, so schoͤn als unsre beste Tischler-Arbeit geglaͤttet, welches desto mehr zu bewundern ist, da das hiesige Handwerks-Zeug nur aus elenden Stuͤckchen von Corallen und die Hobeln nur aus Rochenhaut bestehen. Die Ruder sind nicht minder schoͤn polirt als die Fahrzeuge, auch von eben der Holzart gemacht, und haben kurze, blattfoͤrmige breite Schaufeln, wie die Ta- hitischen . Die zweyte Art von Canots war zum seegeln eingerichtet; und Leute, die das Seewesen und den Schiffbau verstanden, mußten bekennen, daß sie dazu vortreflich taugten. Wir sahen eines davon in Marien-Bay , das aus zween kleinern bestand, die dicht an einander befestigt waren. Die Planken wa- ren, auf eben die Art als bey den vorbeschriebenen, zusammen genaͤhet, beyde Ca- nots aber ganz bedeckt, und, gleich den Tahitischen Kriegsfahrzeugen, mit einem erhabnen Geruͤst oder Platteform versehen. S. in Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen in 4. die im zweyten Bande pag. 252. befindliche Abbildung. Einige dieser Seegel-Boote X x 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. October. moͤgen einhundert und funfzig Mann tragen koͤnnen. Die Seegel, welche drey- eckigt sind, bestehen aus starken Matten, in welche zuweilen die Figur einer Schildkroͤte, oder eines Hahns, wiewohl nach einer ziemlich unfoͤrmlichen Zeich- nung, eingewuͤrkt ist. Die Abbildung eines Canots in Schoutens Reisen giebt von den Seegel-Booten zu Tongatabu einen guten Begriff. S. Dalrymple’s Collection Vol. II. p. 17. 18. Da indessen genauere Beschreibungen vom Schiff bau den mehresten Lesern nur langweilig und blos fuͤr Seefahrer lehrreich seyn wuͤrden, so will ich mich darauf nicht einlassen; verlangt aber jemand noch ausfuͤhrlichern Unterricht, der kann sich an den Zeichnungen der Durchschnitte und Verhaͤlt- nisse, die Herr Hodges angefertigt hat, und die auch in Kupfer gestochen sind, weiter Raths erholen. Schon aus dem Wenigen, was ich von der guten Bauart dieser Seegel-Boote gesagt habe, wird der Leser abnehmen, daß die Einwohner dieser Inseln weit erfahrnere und bessere Seeleute seyn muͤssen, als die Einwohner von Tahiti und den Societaͤts- Inseln . Unter der Menge von Leuten, welche um die Schiffe her schwaͤrmten, be- merkte ich verschiedne, deren Haar an den Spitzen verbrannt zu seyn schien und gepudert war. Bey genauerer Untersuchung fand sich, daß dieser Puder aus Muschel- oder Corallen-Kalk zubereitet war, der vermoͤge seiner fressenden Ei- genschaft, die Haare angegriffen und gleichsam versengt oder verbrannt hatte. Der Geschmack am Haarpuder gieng hier so weit, daß man schon auf die Kuͤnste- ley verfallen war, ihm allerhand Farben zu geben, denn einer von den Maͤnnern hatte blaues, und mehrere Leute, sowohl Maͤnner als Weiber, ein orangenfarb- nes Puder, von Curcuma, gebraucht. Der Heilige Hieronymus , der gegen die Eitelkeiten seiner Zeiten predigte, warf schon damals den roͤmischen Damen eine aͤhnliche Gewohnheit vor: ne irrufet crines \& anticipet sibi ignes gehen- næ! Die Thorheiten der Menschen sind sich also so aͤhnlich, daß man die laͤngst vergeßnen Moden der ehemaligen Bewohner von Europa , noch heut zu Tage unter den neuern Antipoden wieder findet! Und unsre abgeschmackten Petitmaͤ- ters, deren ganzer Ehrgeiz darinn besteht, eine neue Mode zu erfinden, koͤnnen diese unbedeutende Ehre nicht einmal fuͤr sich allein behalten, sondern muͤssen ihren Ruhm mit den uncivilisirten Einwohnern einer Insel in der Suͤdsee theilen! in den Jahren 1772 bis 1775. Mein Vater kam erst am Abend wieder, weil er einen weiten Gang, 1773. October. nemlich bis nach dem suͤdlichsten Ende der Insel vorgenommen hatte. In der Mittagsstunde hatte ihn ein starkes Regenwetter uͤberfallen, und in eine Plantage zu gehen genoͤthigt um daselbst in der Huͤtte Obdach zu suchen. Zum Gluͤck fuͤr ihn war der Eigenthuͤmer derselben zu Hause. Er nahm meinen Vater freundlich auf und bat ihn, auf den reinlichen Matten, die den Fußbo- den bedeckten, Platz zu nehmen. Mittlerweile gieng er fort, um zur Bewirthung Anstalt zu machen; kam aber in wenig Augenblicken zuruͤck und brachte etliche Coro-Nuͤsse mit. Darauf oͤfnete er seinen Ofen unter der Erde und langte ei- nige Bananen und Fische heraus, die in Blaͤtter gewickelt, vollkommen gahr und von vortreflichem Geschmack waren. Die hiesige Kochart ist also mit der Ta- hitischen einerley, und die Insulaner sind eben so gastfrey als jene. Daß wir aber nicht so viel Proben davon gehabt haben, ruͤhrte blos daher, weil wir sehen jemand zu Hause trafen, indem sich die Leute mehrentheils nach dem Handlungs- platze an der See begeben hatten. Mein Vater belohnte seinen Wirth, fuͤr die genossene gutherzige Aufnahme, mit Naͤgeln und Corallen, die jener unter dem gewoͤhnlichen Fagafetai uͤber den Kopf hielt und dankbarlich annahm. Er be- gleitete auch seinen Gast bis an den Strand und trug ihm sehr willig und sorg- faͤltig eine Menge von Speeren und Keulen nach, die er unterwegens eingehandelt hatte. So harmlos sich aber die guten Leute auch gegen uns betrugen, so blie- ben sie dennoch von den Ungluͤcksfaͤllen nicht verschont, die bey Entdeckung frem- der Laͤnder nur gar zu oft vorfallen. Unsre Waaren hatten fuͤr sie gewiß nicht we- niger Werth und Reiz als den sie fuͤr die Tahitier hatten; kein Wun- der also, daß sie auch eben so geneigt waren, als jene, sich daran zu ver- greifen. Die Capitains waren am naͤchstfolgenden Tage nicht lange am Lande gewesen, als ein Insulaner die Gelegenheit wahrnahm, eine Jacke aus unserm Boote wegzustehlen. Um seine Beute zu sichern tauchte er gleich unters Wasser und lief, sobald er den Strand erreicht hatte, unter seine Landsleute, da, wo das Gedraͤnge am dicksten war. Gleichwohl ließen sich die Matrosen dadurch nicht abhalten auf ihn zu feuern, und, ohne daß es der Capitain befahl, gescha- hen sieben Schuͤsse nach ihm. Dadurch wurden nun natuͤrlicherweise meh- X x 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. October. rere, ganz unschuldige Leute verwundet, und bey alledem war das Volk so gut- herzig, daß sie weder Ufer noch Handelsplatz verließen, auch wegen dieses uͤber- eilten Betragens nicht das geringste Mistrauen schoͤpften; sondern vielmehr sich die Kugeln getrost um die Ohren pfeifen ließen. Wenige Stunden nachher machte es ein andrer am Bord unsers Schiffes eben so; er schlich sich in die Cajuͤte des Piloten und entwandte daselbst verschiedne mathematische Buͤcher, einen Degen, ein Lineal und andre Kleinigkeiten, wovon er in seinem Leben kei- nen Gebrauch machen konnte. Indessen ward die Sache entdeckt, als er eben in einem Canot entwischen wollte, man schickte ihm daher ein Boot nach, um das gestohlne wieder habhaft zu werden. Sobald er sahe, worauf es angelegt sey, warf er alles uͤber Bord; man ließ also die Sachen durch ein andres Boot auffischen, inmittelst das erste den Dieb zu verfolgen fortfuhr. Um ihn einzuho- len, schossen unsre Leute eine Flintenkugel durch das Hintertheil seines Canots, worauf er, nebst verschiednen andern ins Wasser sprang. Ob man nun gleich nicht aufhoͤrte ihm nachzusetzen, so schuͤtzte ihn doch seine bewundernswuͤrdige Hurtig- keit noch eine ganze Zeit lang; er tauchte zuweilen unter das Boot in welchem un- sre Leute waren, und einmal hob er ihnen gar das Steuer-Ruder aus, ohne daß sie ihn erwischen konnten. Endlich ward einer von den Matrosen des Spiels uͤberdruͤßig, und warf den Boothaken nach ihm; ungluͤcklicherweise drang das Eisen ihm unter die Rippen in den Leib; es ward also dem Matrosen nicht schwer, den Indianer vollends bis ans Boot heran zu ziehen und ihn an Bord zu heben. Allein er sahe die Zeit ab, sprang ehe man sichs versahe wieder in die See, und entkam auch, ohnerachtet er viel Blut verlohren hatte, gluͤcklich, vermittelst eini- ger Canots, die zu seiner Rettung vom Lande abgestoßen hatten, und ihn auf- nahmen. Es ist gewiß sehr zu verwundern, daß die barbarische Verfolgung und Mißhandlung dieses armen Schelmen, uns weder das Vertranen noch die Zuneigung der Einwohner raubten! Alles blieb so ruhig und friedlich als zuvor. Die Capitains brachten Attagha und einen andern Befehlshaber zum Essen mit an Bord, und der Handel gieng eben so gut von statten als ob nichts vorgefallen waͤre. Der Befehlshaber der mit Attagha kam, schien von hoͤheren Range zu seyn, weil dieser, der sonst mit uns am Tisch zu sitzen pflegte, sich jetzt ein Paar Schritte hinter jenen auf den Fusboden niedersetzte, und durch nichts in den Jahren 1772 bis 1775. dahin zu bringen war, daß er in des andern Gegenwart gegessen haͤtte. Jener 1773. October. war ein triefaͤugigter aͤltlicher Mann, fuͤr welchen die uͤbrigen Leute in den Canots so viel Achtung bezeugten, daß unsre Matrosen nach ihrer Art meynten, er muͤsse we- nigstens Admirals-Rang haben. Aus seiner Kleidung konnte man indessen nicht sehen, daß er von hoͤheren Stande waͤre, denn wie es scheint, so wissen die Insulaner uͤberhaupt noch nichts von Verschwendung und Kleiderpracht, doch lassen sie es darum keinesweges an Ehrfurcht gegen die Vornehmern ihrer Na- tion fehlen. Auf den Societaͤts-Inseln hingegen verhielt sichs gerade umgekehrt. Die Achtung welche Attagha dem andern Befehlshaber bezeigte, war zwar groß, aber doch nichts in Vergleich mit dem was wir nach Tische am Lande erfuhren. Wir trafen daselbst einen Mann von mittlerm Alter, der beym Handelsplatze auf der Erde saß und einen Kreis von Einwohnern um sich hatte. Einige unserer Leute die auf der Jagd gewesen waren, erzaͤhlten, daß ihnen eben dieser Mann bey Marien-Bay begegnet waͤre, und daß alle Eingebohrnen, die neben ihm vorbey gegangen, sich vor ihm auf die Erde geworfen, seine Fuͤße gekuͤßt, und solche auf ihre Koͤpfe gesetzt haͤtten. Bey genauerer Nachfrage haͤt- ten sie von unterschiedlichen Leuten vernommen, er sey das Oberhaupt der gan- zen Insel, in eben der Maaße als Cucki (Capitain Cook ) Befehlshaber auf unsren Schiffen sey, und heiße Ko-Haghi-Tu-Fallango . Ko ist hier und auf Neu-Seeland der Artikel, welcher mit dem Tahitischen O oder E. uͤbereinstimmt. Ob aber dies sein Name oder sein Titel sey, kann ich nicht bestimmen, denn wir hoͤrten diese Woͤrter, nach der Hand, von keinem Eingebohrnen wieder. So viel wir aber deren fragten, so versicherten sie uns durchgehends, daß er ihr Arighi Eben das Wort heißt im Tahitischen Dialect Eri . oder Koͤ- nig sey. Sie setzten hinzu, er wuͤrde Latu-Nipuru genannt: Bermuthlich deutet Latu den Titel an, denn eben dieses Wort ist, laut Schouten und Le Maires Bericht, auch in jener Sprache vorhanden, die auf den Cocos-Verraͤther- und Horne- Inseln geredet wird, welche hier in der Nachbarschaft nur etliche Grade weiter gen Norden liegen, und von gedachtem Seefahrer im J. 1616 besucht wurden. Dalrymples historical collection of voyages and discoveries in the South Pacific Ocean II Vol. 4to 1771. London . Vol. II. p. 27. 28. Wir glaubten diese Vermuthung desto eher annehmen zu duͤrfen, Forster’s Reise um die Welt 1773. October. weil, laut den Woͤrterbuͤchern vorgedachter Seefahrer, die dortige Sprache mit der hiesigen noch in mehrern Faͤllen genau uͤberein kam, und weil auch das Betragen und die Gebraͤuche jener Insulaner, der Beschreibung nach, mit dem wie wir es hier fanden, ungemein viel Aehnlichkeit hatte. Doch dem sey wie ihm wolle, es war uns darum zu thun, diesen Latu naͤher kennen zu lernen; wir giengen also zu ihm heran, und die Capitains machten ihm allerhand Ge- schenke, die er so hoͤlzern und gleichguͤltig annahm, daß man ihn fuͤr ganz unem- pfindlich und einfaͤltig haͤtte ansehen moͤgen. Unter andern war auch ein Hemde dabey, welches sie ihm anzogen, damit ers zu gebrauchen wuͤßte. Allein, bey seiner stupiden Unbehuͤlflichkeit kostete ihnen das nicht wenig Muͤhe. Vermuthlich wuͤrde er ihnen auch nicht einmal dafuͤr gedankt haben, wenn nicht ein altes Weib, die hinter ihm saß, ihn so oft daran erinnert haͤtte. Dieses fruchtete endlich so viel, daß er ein Stuͤck nach dem andern uͤber den Kopf empor hob, doch sagte er, so gut als der geringste seiner Unterthanen, nichts mehr als schlechtweg, Fagafeta ï dazu. Der Priester, welcher die beyden Capitains am ersten Tage nach unsrer Ankunft zu dem Begraͤbniß- oder Versammlungs-Platz gebracht hatte, befand sich in eben dem Zirkel von Eingebohrnen, in welchem auch der Latu saß, und ließ sich das berauschende Pfefferwasser Zu Tahiti Awa, hier aber und auf Horn-Eyland , Kawa genannt. tapfer schmecken. Es ward ihm in kleinen viereckigten Bechern von kuͤnstlich gefalteten und geflochtnen Bananas-Blaͤttern gereicht, Capitain Cook setzt in seiner Reisebeschreibung hinzu, daß diese Becher ohngefaͤhr einen halben Schoppen (½ pint ) hielten, und daß niemand zweymal, auch nie zwey Personen aus demselben Geschirr tranken. Jeder hatte seinen Becher, und nahm, so oft er trank, einen neuen. Die Weiber waren von diesen Zechen nicht ausgeschlossen. Die Tahitische Gewohn- heit, daß jedes Geschlecht abgesondert speißt, ist also hier wohl nicht uͤblich. A. d. V. und er verlangte, daß man auch uns von die- sem koͤstlichen Getraͤnk mittheilen sollte. Man bot uns also mit vieler Hoͤflich- keit etwas davon an, und aus bloßer Hoͤflichkeit kosteten wir es auch. Es war von Milch-weißer Farbe, hatte aber einen eckelhaften, faden Geschmack und ließ eine unangenehme brennende Empfindung auf der Zunge zuruͤck. Von die- sem eckelhaften Zeuge, nahm der heilige Mann alle Abend so reichliche Portionen zu sich, daß er immer ganz berauscht ward. Kein Wunder also, daß ihm das Ge- in den Jahren 1772 bis 1775. Gedaͤchtniß beym Gebeth versagte, daß sein ganzer Coͤrper mager, die Haut 1773. October. schaͤbicht, das Gesicht runzlicht und die Augen roth und triefend waren. Er stand bey dem Volke in großem Ansehen, und eine Menge Bedienten waren ge- schaͤfftig, ihm mit vollen Bechern zur Hand zu gehn. Die Geschenke, welche wir ihm gaben, behielt er fuͤr sich, dahingegen Attagha und andre, alles was sie von uns bekamen, an ihre Obern ablieferten. Er hatte eine Tochter, die von unsern Leuten viel Geschenke erhielt, denn sie war ungemein wohl gebildet, und heller von Farbe als die andern hiesigen Frauenspersonen, welche auch durchge- hends einige Achtung fuͤr sie zu haben schienen. Hellere Farbe und sanftere Ge- sichtszuͤge sind natuͤrliche Folgen einer bequemen, unthaͤtigen Lebensart, bey wel- cher man sich der Sonnenhitze nicht auszusetzen braucht, und wobey man an allem, was das Land Gutes und Koͤstliches liefert, Ueberfluß hat. Dies auf den gegenwaͤr- tigen Fall angewandt, so wird es, dem Aaschein nach, auch hier schon darauf angelegt, die Religion zum Deckmantel der Ueppigkeit und des Wohllebens zu gebrauchen, und auch diese Nation, gleich so vielen andern, der Bequemlich- keit eines traͤgen wolluͤstigen Pfaffen zinsbar zu machen. Bis jetzt mag das freylich so weit noch nicht gehen, aber ein einziger Funke davon ist auch schon genug, um in der Folge weit, und unaufhaltsam um sich zu greifen. Der Gehorsam und die Ergebenheit des Volks gegen die Obern, beweisen zur Gnuͤge, daß die hiesige Verfassung, wenn gleich nicht voͤllig despotisch, doch auch weit von der democratischen entfernt ist, und auf die Art kann denn freylich der Luxus bald Eingang finden. Was ich hier von diesen beyden Inseln gesagt habe, das laͤßt sich auch uͤberhaupt von jenen behaupten, die in dieser Gegend weiter gegen Westen liegen: Denn die zuverlaͤßigen Beschreibungen, welche Schouten , Le Maire und Tasmann uns von letzteren hinterlassen haben, stimmen mit dem, was wir selbst auf diesen hier beobachtet, so genau uͤberein, daß alles, was auf diese paßt, auch von jenen gelten kann. Die Bewohner derselben sind durchgehends zum Handel geneigt und haben von je her, die Fremden, welche bey ihnen landeten, freundlich und leutselig aufgenommen. Dies bewog uns diese urspruͤnglich von Schouten und Tasmann entdeckten Eylande, zusam- men genommen, die freundschaftlichen Inseln ( friendly Islands ) zu nen- nen. Ich weiß zwar, daß Schoutens Boote auf den Cocos-Verraͤther-Hoff- Forster’s Reise u. d. W. erster Th. Y y Forster’s Reise um die Welt 1773. October. nungs- und Horn-Eylanden von den Eingebohrnen feindselig angegriffen wur- den, allein das thut jenem Namen keinen Eintrag; denn, so hart der Hollaͤnder diesen Vorfall auch ahndete, so hatte es doch im Grunde nicht viel damit zu sagen, auch blieb er, nachdem der erste Lermen auf Horn-Eyland vorbey war, die uͤbrige Zeit seiner Anwesenheit in bestaͤndig gutem Vernehmen mit den Insu- lanern. Tasmann , der sieben und zwanzig Jahr darauf, einige andere In- seln, nemlich Tonga-Tabu und Anamocka (oder Amsterdam und Rotterdam ) entdeckte, die 6 Grade weiter gen Suͤden liegen als jene, ward von den dortigen Einwohnern uͤberaus friedlich und freundschaftlich aufgenommen, ohnerach- tet er der erste Europaͤer war, der zu ihnen kam. Zwar kann es seyn, daß sie sich nur deshalb so freundschaftlich gegen ihn betrugen, weil sie von ihren Nachbarn, den Bewohnern von Cocos-Hofnungs - und Horn-Eyland , gehoͤrt haben mochten, wie theuer es ihnen zu stehen gekommen, daß sie sich gegen die Fremden aufgelehnt; vielleicht aber brachte es auch ihr von Natur friedfertiger Character also mit sich, ob es freylich wohl wahrscheinlicher ist, daß sie von der Uebermacht der Europaͤer schon zuvor etwas gehoͤrt hatten und sich also vor dem moͤrderischen Schießgewehr fuͤrchteten. — Nach Tasmann sahe auch Ca- pitain Wallis , auf seiner Reise um die Welt im Jahr 1767, zwey von diesen Inseln; denn was er Boseawen und Keppels -Eyland genannt hat, ist mit Schouten’s Cocos- und Verraͤther-Insel einerley. Seine Leute hatten mit den Einwohnern fast gar keinen Umgang, dennoch fanden sie fuͤr noͤthig, ihnen durch Abfeurung einer Musquete einen Schreck einzujagen. Herr von Bougainville sahe ebenfalls einige von den nordoͤstlichsten Inseln dieses Ar- chipelagus, deren Einwohner, seiner Schilderung nach, im Ganzen von eben der Gemuͤthsart zu seyn scheinen als ihre Nachbarn. Er nannte diesen Hau- fen von Inseln, ganz schicklich, l’Archipel des navigateurs , denn es sind in der That mehrere Seefahrer darauf zugetroffen. Hier auf der Insel Amsterdam war aber seit Tasmanns Zeiten kein Europaͤer hingekommen; und ohnerachtet das einhundert und dreyßig Jahr her ist, so fanden wir doch die Beschreibungen die- ses Seefahrers noch in den mehresten Stuͤcken passend. Es haben also die Einwoh- ner, diesen ganzen Zeitraum hindurch, ihre Sitten, Kleidungen, Lebensart und Gesinnungen fast unveraͤndert beybehalten. Wir waren in ihrer Sprache nicht in den Jahren 1772 bis 1775. bewandert genug, um zuverlaͤßig zu erfahren, ob sie von Tasmanns Anwesenheit 1773. October. noch etwas wuͤßten? Wir fanden aber etliche eiserne Naͤgel bey ihnen, die sich noch von der Zeit herschreiben muͤssen. Einen derselben kauften wir; er war nur sehr klein und fast ganz vom Rost zerfressen, dennoch aber sorgfaͤltig aufbe- wahrt und in einen hoͤlzernen Grif gefaßt, vermuthlich um statt eines Bohrers dienen zu koͤnnen. Er ist jetzt im brittischen Museo verwahrlich nieder- gelegt. Auch kauften wir etliche kleine irdene Toͤpfe, die an der Außenseite ganz schwarz von Rus waren, und unserm Vermuthen nach, ebenfalls durch Tasmann hieher gekommen seyn mochten; allein in der Folge fanden wir Ur- sach zu glauben, daß sie auf der Insel selbst verfertigt worden. Schoutens , Tasmanns und Bougainvilles Nachrichten von den Einwohnern, stimmen mit den unsrigen darinn voͤllig uͤberein, daß sie zu kleinen Diebereyen sehr aufge- legt und geschickt sind. Auch sind Tasmann und Capitain Wallis darinn mit uns einstimmig, daß sich diese Insulaner den kleinen Finger abzuschnei- den pflegen; und Schouten und Le Maire versichern, daß die Einwohner auf Horn-Eyland sich gegen ihren Koͤnig eben so kriechend und unterwuͤrfig bezeugen, als die Leute auf Tongatabu . Das Bewußtseyn von der Uebermacht der Auslaͤnder machte sie ehemals sclavisch demuͤthig gegen die Hollaͤnder; der Koͤ- nig warf sich vor dem hollaͤndischen Schiffsschreiber zu Fuͤßen, und die gerin- geren Befehlshaber giengen noch weiter, denn zum Zeichen der Unterthaͤnig- keit, setzten sie gar die Fuͤße des Hollaͤnders auf ihren Nacken. S. Dalrymples Collection of Voyages. Vol. II. pag. 47. Hier- aus sollte man schließen, daß sie niedertraͤchtig und feige waͤren; allein, wir unsers Theils koͤnnen ihnen diese Fehler nicht Schuld geben, denn gegen uns betrugen sie sich so freymuͤthig und dreist, als es Leuten zukommt, die sich recht- schaffner Gesinnungen bewußt sind. Sie waren zwar sehr hoͤflich, aber keines we- ges kriechend. Daß es indessen auch hier, so wie in jeder andern menschlichen Gesellschaft, Ausnahmen von dem allgemein guten National-Character gebe, das mußte ich selbst noch heute gewahr werden. Dr. Sparrmann und ich entfernten uns vom Strande, um, in dem nahen Gehoͤlz unsrer Lieblings-Wis- senschaft, der Botanik nachzugehen, indessen der Rest unsrer Gesellschaft Y y 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. October. nicht muͤde ward, den Latu anzusehn. Auf den ersten Schuß, den ich nach einem Vogel that, kamen drey Leute herbey, mit welchen wir uns, so gut es gehen wollte, in Unterredung einließen. Mitlerweile vermißte Dr. Sparr- mann das Bayonet von seinem Gewehr, und gieng also zuruͤck um darnach zu suchen. Dies mußte einem von den dreyen Indianern der rechte Augenblick duͤnken, um etwas zu wagen; denn er grif nach meiner Vogel-Flinte, und suchte sie mir aus den Haͤnden zu winden; seine beyden Cameraden hingegen, entliefen, als ob sie an diesem haͤmischen Angrif nicht den geringsten Theil haben woll- ten. Unterdessen daß ich mich mit dem Kerl herumbalgte und meinen Freund zu Huͤlfe rief, verwickelten wir uns ins Strauchwerk und fielen beyde zu Boden. Der Wilde fuͤhlte entweder, daß er seinen Zweck nicht erreichen wuͤrde, oder er fuͤrchtete sich, daß Dr. Sparrmann dazu kommen moͤchte, kurz, er rafte sich vor mir auf und lief davon. Als mein Freund herzu kam war alles voruͤber, und wir gestanden einander, daß es zwar von Seiten des Indianers haͤmisch und verraͤtherisch, jedoch auch an unsrer Seite sehr unvorsichtig gewesen sey, daß wir ihn durch unsre Trennung veranlaßt haͤtten, seine Staͤrke und Geschicklich- keit zu versuchen. Wir streiften darauf noch eine Weile herum, ohne daß uns sonst etwas begegnet waͤre, und endlich kehrten wir wieder nach dem Han- delsplatze um, woselbst die Leute, welche wir allda zuruͤck gelassen, fast noch alle beysammen waren. Sie hatten sich zum Theil in verschiednen Haufen, wel- ches vermuthlich eben so viel verschiedne Familien seyn mochten, hingesetzt, und waren alle in lebhafter Unterredung, die, dem Anschein nach, uns und unsere Schiffe galt. Einige Frauenspersonen sangen, andre spielten Ball. Unter allen diesen zog ein junges Maͤdchen unsre Aufmerksamkeit am mehresten an sich. Sie hatte eine schoͤne regelmaͤßige Gesichtsbildung, Augen, die von Feuer gleich- sam gluͤhten, und einen uͤberall vortreflichen Wuchs; am mehresten zeichnete sie sich durch ihren Kopfputz aus, sie hatte nemlich, der hiesigen Landes-Sitte zu- wider das Haar nicht kurz verschnitten, sondern trug es, in schoͤnen Locken, lang und frey herabhaͤngend. Dies reizende Maͤdchen, so lebhaft, so ungezwungen in allem was sie that, spielte mit fuͤnf kleinen Kuͤrbissen, davon sie einen um den andern in die Hoͤhe warf und jenen wiederfieng, indeß dieser noch in der Luft schwebte ꝛc. Wir sahen diesem Spielchen wohl eine Viertelstunde lang zu, ohne in den Jahren 1772 bis 1775. daß sie einen Wurf verfehlte. Die Lieder, welche die andern Frauensleute san- 1773. October. gen, waren von eben der Melodie, als in Ea-Uwhe . Auch hier secundirten sie einander ganz harmonisch, und stimmten zuweilen ein allgemeines Chor an. Ich habe zwar keinen von den Einwohner tanzen sehen; daß aber auch diese Art von Ergoͤtzlichkeit allhier eingefuͤhrt seyn muͤsse, ließ sich zur Genuͤge aus den Zei- chen abnehmen, durch welche sie uns den Gebrauch jener sternfoͤrmig ausgezierten Schuͤrzen begreiflich zu machen suchten, die wir von ihnen einkauften, und die, wie ich schon weiter oben gesagt habe, mit Federn und Muschel-Schalen auf- geputzt, gemeiniglich von Coco-Nußfasern, oft aber auch von Mattenwerk ge- flochten waren. Nach jenen Zeichen und Posituren zu urtheilen, muͤssen ihre Taͤnze, wie in den Societaͤts-Inseln die Hiwahs, dramatisch und oͤffentlich seyn. Diese Vermuthung erhaͤlt dadurch noch mehr Gewicht, daß Schouten und Le Maire dergleichen Taͤnze auch auf Horn-Eyland angetroffen haben. Die Gebraͤuche und Sprache dieser Insulaner scheinen uͤberhaupt eine große Aehnlichkeit mit den Tahitischen zu haben; warum sollte sie nicht auch bey ihren Taͤnzen statt finden? Beyde Nationen muͤssen doch um Grunde von einem gemeinschaftlichen Stamm-Volke herkommen; auch siehet man, selbst in denen Stuͤcken, wo sie am merklichsten von einander abweichen, daß der Unter- schied bloß von der Verschiedenheit des Bodens und des Clima beyder Inseln herruͤhre. Auf den Societaͤts-Inseln giebts z. E. viel Holz, denn die Spitzen der Berge sind dort mit unerschoͤpflichen Waldungen bedeckt. Auf den freund- schaftlichen Inseln hingegen ist dieser Artickel schon seltner, weil das Land fast durchaus mit Fruchtbaͤumen besetzt, oder mit naͤhrendem Wurzelwerk be- pflanzt ist. Eine natuͤrliche Folge dieser Verschiedenheit, zeigt sich darinn, daß in jenen die Haͤuser ungemein raͤumlich und groß sind; kleiner aber und unbe- quemer in diesen. Dort giebts eine fast unzaͤhlbare Menge und zum Theil sehr große Canots; hier, sind sie sowohl an Zahl als Groͤße ungleich gerin- ger. Auf den Societaͤts-Inseln sind die Berge hoch und ziehen folglich die Duͤnste der Atmosphaͤre bestaͤndig an sich; daher findet man dort so viel Baͤche, die sich von den Bergen herab in die See ergießen, und den Einwohnern auf viel- faͤltige Art Vortheil schaffen. Vermittelst derselben haben sie nicht nur reichliches und gesundes Trinkwasser, sondern auch Gelegenheit sich oft zu baden, und sind Y y 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. October. folglich gegen alle Krankheiten der Haut, die aus Unreinlichkeit entspringen, ziem- lich gesichert. Ganz anders muß es dagegen bey einem Volk aussehen, dem es an diesem Vortheil fehlt, und das sich, gleich den Bewohnern von Tongata- bu , entweder mit faulem stinkenden Regenwasser aus etlichen wenigen schlam- migen Pfuͤtzen, oder gar mit salzigem Wasser behelfen muß. Um sich nur einigermaßen reinlich zu erhalten, und dadurch gewissen Krankheiten vorzu- beugen, sind sie genoͤthigt ihre Zuflucht zu andern Huͤlfsmitteln zu nehmen: Sie stutzen sich also die Haare, zwicken sich den Bart, ꝛc. und werden folglich, schon dadurch, den Tahitiern im Aeußern unaͤhnlicher, als sie ohne das nicht seyn wuͤr- den. Gleichwohl sind in Ermangelung genugsamen und guten Wassers, alle diese kuͤnstlichen Huͤlfsmittel zur Reinlichkeit nicht hinreichend, sie vor dem Aus- satz zu sichern, der vielleicht, durch den Gebrauch des Pfefferwassers, noch nebenher beguͤnstigt wird. Zur Verhuͤtung oder Heilung desselben schien jenes Mittel gebraucht zu werden, dem wir die wundgemachten Flecke auf den Backen- knochen zuschrieben, die so allgemein unter ihnen sind, daß fast kein einziger ohne dergleichen Merkmahl war. Auf den Societaͤts-Inseln ist das Erdreich in den Ebenen und Thaͤlern so fett und reich und bekoͤmmt durch die vielen Baͤche so viel Zufluß an gehoͤriger Feuchtigkeit, daß die mehresten Gewaͤchse fast ohne alle Cultur gedeihen. Diese ungemeine Fruchtbarkeit veranlaßt und un- terhaͤlt dann auch die Ueppigkeit und Schwelgerey unter den dortigen Vorneh- men. Davon aber findet man auf Tongatabu keine Spur. Auf dieser Insel ist der Coral-Felsen blos mit einer duͤnnen Schicht von Erde bedeckt, in welcher die Baͤume nur kuͤmmerliche Nahrung finden und der nuͤtzlichste von allen, der Brodtfrucht-Baum, kommt fast gar nicht fort, weil er keine andere Waͤsserung als Regen findet. Auf solche Art erfordert die Bearbeitung des Landes hier weit mehr Muͤhe als auf Tahiti . Daher kommts, daß die Leute mehr Fleis auf ihre Pflanzungen wenden, denenselben eine regelmaͤs- sige Form geben, und daß jeder das seinige genau einzaͤunt. Aus eben dieser Ursach laͤßt sich aber auch begreifen, warum sie auf die Lebensmittel immer einen hoͤhern Werth legten, als auf ihre Geraͤthe, Kleider, Schmuck und Waffen (ob ihnen diese gleich in manchen Faͤllen unsaͤgliche Arbeit muͤssen gekostet ha- ben): Sie sehen nemlich wohl ein, daß Lebensmittel ihr groͤßter Reichthum in den Jahren 1772 bis 1775. fey, dessen Abgang schwer zu ersetzen ist. Daß sie von Person schlanker, und 1773. October. muskuloͤser sind als die Tahitier, ruͤhrt natuͤrlicher Weise davon her, daß sie mehr arbeiten und ihren Coͤrper mehr anstrengen als jene. Durch die Beschaf- fenheit des Erdreichs zu vieler Arbeit genoͤthigt, ist ihnen die Arbeitsamkeit endlich dermaaßen zur Gewohnheit geworden, daß sie nicht nur die vom Acker- bau uͤbrige Zeit zur Verfertigung von mancherley Handwerkszeng und Geraͤ- then anwenden, die viel Muͤhe, Geduld und Geschicklichkeit erfordern; sondern auch sogar bey ihren Ergoͤtzlichkeiten Thaͤtigkeit und Erholung mit einander zu verbinden wissen. Diese Arbeitsamkeit ist auch Schuld daran, daß sie nach und nach auf neue Erfindungen gefallen sind und es in den Kuͤnsten un- gleich weiter gebracht haben als die Tahitier. — “Dabey sind sie von sehr aufgeraͤumten Wesen und sehen stets vergnuͤgt aus, denn ihre Beduͤrfnisse, de- ren vermuthlich nur sehr wenige sind, werden alle befriedigt. Das Frauenzim- mer ist vorzuͤglich aufgeweckt, und konnte des Plauderns nicht satt werden, so lange wir den geringsten Antheil an ihrer Unterhaltung zu nehmen schienen. — Wenn man annimmt, daß ohne einen gewissen Grad von Freyheit ein Volk ohn- moͤglich gluͤcklich und ohne gluͤcklich zu seyn, auch nicht froh seyn koͤnne; so ist es allerdings zu verwundern, daß diese Insulaner so vergnuͤgt sind, da doch bey ih- rer politischen Verfassung nur wenig allgemeine Freyheit statt zu finden scheint: Allein, ohne dieses Phaͤnomens wegen bis nach der Suͤdsee zu gehen, sehen wir ja taͤg- lich mit Augen, daß eine benachbarte Nation, die bekanntermaßen unter dem Druck der groͤßten Sclaverey lebt, gleichwohl eine der lustigsten und witzigsten auf Erden ist. Ueberdem glaube ich, daß der großen Unterwuͤrfigkeit, die in Tongatabu herrscht, ohnerachtet, die Leute immer noch Ursach haben moͤgen froh zu seyn, denn, außer je- nen sonderbaren Zeichen von sclavischer Verehrung, fordert der Koͤnig vermuthlich nichts von ihnen, das sie ihrer eignen Beduͤrfnisse berauben und arm oder elend machen koͤnnte. Dem sey indessen wie ihm wolle, so viel ist wohl ausge- macht, daß ihr Regierungs- und Religions-System dem Tahitischen aͤhnlich, und, so weit wir es beurtheilen koͤnnen, aus einer und eben derselben Quelle, vielleicht unmittelbar aus dem gemeinschaftlichen Vaterlande beyder Colonien hergeflossen ist. Die geringe Verschiedenheit, welche man heut zu Tage, in einzelnen Gebraͤuchen und Meynungen dieser beyden Voͤlker wahrnimmt, scheint blos aus einer allmaͤhligen Abweichung von ihren ehemals gemeinschaftlichen Forster’s Reise um die Welt 1773. October. Begriffen herzuruͤhren, als welche sich nach und nach, theils zufaͤlligerweise theils auf Veranlassung besondrer Grillen, moͤgen veraͤndert haben. — “Wir fanden hier wie auf Tahiti einen Koͤnig ( Ariki ) mit vielen ihm untergebenen Prinzen oder Chefs, denen vermuthlich gewisse Bezirke gehoͤren, und denen das gemeine Volk, noch mehr als die Tahitier ihrem Adel, ergeben war. Auch glaubten wir einen dritten Stand bemerkt zu haben, der mit den Manahaunaͤ’s auf den Societaͤts-Inseln uͤbereinstimmet, und vielleicht war Attaha ein Mann von dieser Art. Ohnstreitig ist alles Land hier ein Privat-Eigenthum, denn wo der Boden so aͤußerst sorgsaͤltig bearbeitet wird, daß nicht ein Fleckchen unge- nutzt bleibt, da kann unmoͤglich alles gemeinschaftlich seyn, sonst waͤre ja der Muͤßiggaͤnger gluͤcklicher als der Arbeitsame. Oft habe ich sechs, acht bis zehn Leute mit Fruͤchten und andern Lebensmitteln beladen ans Ufer kommen sehn; ein Mann, oder auch eine Frau, die neben her gieng, verkaufte dies alles, und ohne ihren Willen durften die andern nicht ein Stuͤckchen gegen unsere Waaren vertauschen. Dergleichen Leute als die Traͤger, machen also hier, so wie die Tautaus in Tahiti , die geringste Classe von Menschen aus, und muͤssen den andern dienen, und fuͤr sie arbeiten.” — Der entscheidendste Beweis von der Verwandtschaft beyder Voͤlker liegt in der Aehnlichkeit ihrer Sprachen. Die mehresten Arten von Lebensmitteln, welche beyde Inseln mit einander gemein ha- ben, die Glieder des Coͤrpers, kurz die ersten und gewoͤhnlichsten Begriffe, wur- den auf den Societaͤts - und auf den freundschaftlichen Inseln durch ein und eben dieselben Worte ausgedruͤckt. Der Dialect der auf Tongatabu geredet wird, war so sanfttoͤnend und wohlklingend nicht, als zu Tahiti ; denn jene Insulaner haben das F. K. und S. in ihre Mundart aufgenommen, und folglich mehr mitlautende Buchstaben als diese. Dagegen wird die hieraus entste- hende Haͤrte dadurch wieder gemildert, daß man hier nicht nur die sanft fließenden Buchstaben L. M. N.; imgleichen die melodischen Selbstlauter E. und J. haͤufig gebraucht, sondern auch in einem gewissen singenden Ton zu sprechen pflegt. Doch es ist Zeit wieder einzulenken. Wir verließen unsre Freunde nicht eher als bey Untergang der Sonnen, und versprachen ihnen, sie am folgenden Morgen nochmals zu be- suchen. Beyde Schiffe waren nun wieder mit einem guten Vorrath von Pisangs, in den Jahren 1772 bis 1775. Pisangs, Yams und Coconuͤssen versehen, auch hatte man, des geringen Umfangs 1773. October. der Insel und der Kuͤrze unsers Hierseyns ohnerachtet, sechzig bis achtzig Schweine, nebst einer großen Menge von Huͤhnern zusammen gebracht. Fri- sches Wasser hingegen war nirgends zu finden gewesen, ob man schon, auch an der Ost-Seite der Insel, darnach hatte suchen lassen. Bey dieser Ge legenheit hatte der dorthin geschickte Loots die Marien-Bay , nebst denen davor liegenden flachen Inseln aufnehmen muͤssen, und die genaue Uebereinstimmung seiner Zeichnung mit Tasmanns aͤlteren Charten, gab einen neuen Beweis ab, wie sehr man sich auf die Treue und Genauigkeit jenes Seefahrers verlassen koͤnne. Auf einer von vorgedachten flachen Inseln, woselbst der Loots ausstieg, gab es eine erstaunende Menge gefleckter Wasser- schlangen mit platten Schwaͤnzen. Diese Art heißt beym Linnaͤus coluber laticaudatus, ist aber ganz unschaͤdlich. Ich muß bey dieser Veranlassung uͤberhaupt anmerken, daß auch wir, als Naturforscher, gar sehr Ursach hatten von unserm hiesigen Aufenthalt zufrieden zu seyn; denn so klein die Insel auch war; so fanden sich doch verschiedene neue Pflanzen auf derselben, unter andern eine neue Art von bittrer Fieber- oder China-Rinde, die vielleicht nicht minder brauchbar seyn duͤrfte als die Peruanische. Wir bekamen auch mehrere un- bekannte Voͤgel, und kauften verschiedene davon lebendig, welches neue Spielarten des Papagoyen- und Tauben-Geschlechts waren. Die Einwoh- ner scheinen gute Vogelfaͤnger zu seyn, und Gefallen an diesen Thieren zu fin- den, denn sie trugen manchmal Tauben auf einem Stocke mit sich herum; daß aber dieses ein Unterscheidungs-Zeichen des Standes seyn sollte, wie Schouten auf Horn-Eyland bemerkt haben will, In Dalrymples collection Vol. II. p. 46. konnten wir nicht absehen. Als unser Boot gestern zum letztenmal vom Lande nach dem Schiffe heruͤber kam, brachte es eine Menge Fruͤchte und Wurzelwerk, desgleichen ein voͤllig berei- tetes Schwein mit, welches insgesammt der Latuh oder Koͤnig, dem Capi- tain zum Geschenk uͤbersandte. Um diese Hoͤflichkeit nicht unerwiedert zu lassen, nahmen wir am folgenden Morgen ein Hemd, eine Saͤge, ein Beil, einen kupfernen Kessel, nebst andern Kleinigkeiten von geringern Werthe, mit uns ans Land, und haͤndigten ihm solche nicht weit vom Strande ein, wo- Forster’s Reise u. d. W. erster Th. Z z Forster’s Reise um die Welt 1773. October. selbst er im Grase saß. Er nahm diese Sachen mit jener finstern Ehrbarkeit an, die wir nun schon an ihm gewohnt waren und die er auch nur ein einzigesmal ablegte, da man ihn in einer Unterredung mit Attagha laͤcheln sahe. Unter dem versammleten Volke bemerkten wir einen Mann, der, dem eingefuͤhrten Landes- gebrauch zuwider, sein Haar hatte wachsen lassen, welches in verschiedne dicke Kno- ten aufgeschuͤrzt war, die ihm wild um die Ohren hiengen. Dieser Mann und ein junges Maͤdchen, dessen S. 356. gedacht worden, waren die einzigen, welche das Haar nicht kurzgeschnitten trugen. Wir hielten uns nicht lange bey den Einwohnern auf, sondern kehrten bald an Bord zuruͤck, und gleich nach eingenommenen Fruͤhstuͤck wurden die An- ker gelichtet. Indessen lagen die verschiedentlich eingekauften Lebensmittel noch auf dem Verdeck so unordentlich umher, daß wir nicht gleich in See stechen konn- ten, sondern unter der Insel beylegen mußten. Endlich gegen Abend, da alles uͤber Seite geraͤumt war, giengen wir unter Seegel und steuerten gen Suͤden. Am folgenden Morgen, als am achten October, hatten wir Windstille. Waͤh- rend derselben ward ein Hayfisch von 8 Fus gefangen, welches der groͤßte war, den wir bisher gesehen. Nachmittags erblickten wir die kleine Insel, welche Tas- mann , Pylstaerts -Eyland nennt. Er gab ihr diesen Namen wegen einer gewissen Art von Voͤgeln, die ihm hier zu Gesicht kamen, und allem Vermuthen nach, tropische Voͤgel gewesen seyn muͤssen, denn Pylstaert bedeutet buchstaͤblich so viel als Pfeil-Schwanz, und bezieht sich auf die zwey langen, hervorstehen- den Schwanzfedern dieses Vogels, um deren willen ihn die Franzosen paille en queue nennen. S. Dalrymples . Collection Vol. II. pag. 75. wo sie wilde Endten genannt werden. Gedachte Insel liegt unter dem 22sten Grad 26 Minu- ten suͤdlicher Breite und im 170sten Grad 59 Minuten westlicher Laͤnge. Das Land ist eben nicht flach, vorzuͤglich befinden sich zwey Anhoͤhen darauf, deren suͤd- lichste die betraͤchtlichste ist. Gegen Abend bekamen wir widrigen Wind aus Suͤdwest, der zwey Tage lang anhielt, und uns diese Zeit uͤber, in der Nach- barschaft jener kleinen Insel zu laviren noͤthigte. Am zehnten aber stellte sich der Passatwind wieder ein, und brachte uns so schnell fort, daß um 2 Uhr Nachmittags die Insel schon nicht mehr zu sehen war. Nunmehro verließen wir in den Jahren 1772 bis 1775. die tropischen Gegenden dieses Oceans und steuerten zum zweytenmal nach Neu- 1773. October. Seeland hin, von da wir vor vier Monaten hergekommen waren, um, waͤhrend des Winters, die Suͤdsee hier in den mittlern Breiten zu durchkreuzen. Diese Absicht war nun erreicht: wir hatten zwischen den Wende-Zirkeln einen Strich von mehr als 40 Grad der Laͤnge untersucht, und ein und dreyßig Tage lang, theils auf den Societaͤts - theils auf den freundschaftlichen Inseln zugebracht, wel- ches unserm gesammten Schiffsvolk ungemein wohl bekommen war. Der Som- mer, als die tauglichste Jahrszeit den suͤdlichern Theil dieses Weltmeeres zu untersuchen, nahte heran, und die oͤden Klippen von Neu-Seeland sollten uns nur auf so lange Zeit zum Obdach dienen, als dazu erfordert ward, das leich- tere oder Sommer-Takelwerk abzunehmen und staͤrkeres aufzusetzen, welches den Stuͤrmen und aller uͤbrigen strengen Witterung jener rauhen Himmels-Gegend bessern Widerstand leisten konnte. Z z 2 Zwoͤlftes Forster’s Reise um die Welt Zwoͤlftes Hauptstuͤck . Seefahrt von den freundschaftlichen Inseln nach Neu- Seeland . — Trennung von der Adventure. — Zweyter Aufenthalt in Charlotten-Sund . 1773 October. K aum hatten wir den heißen Erdstrich zwischen den Wende-Zirkeln verlas- sen, so fanden sich schon wieder große Zuͤge von See-Voͤgeln ein und schwebten mit leichtem Fluge uͤber den Wellen hin, die der guͤnstige Wind vor sich her trieb. Am 12ten sahen wir, unter eine Menge von Voͤgeln, die nur im gemaͤßigtern Erdstrich anzutreffen sind, einen Albatroß; diese Art kommt nie bis innerhalb der Wende-Zirkel; aber jenseits derselben findet man sie bis gegen den Pol hin. So sorgfaͤltig hat die Natur jedem Thiere seinen Wohnplatz an- gewiesen! Nachdem das Wetter bis zum 16ten Morgens schoͤn und guͤnstig geblie- ben war, fiengs an regnicht zu werden. Um diese Zeit fand man, unten im Schiff, beym Pumpen-Kasten, einen Hund, der auf Huaheine war eingekauft worden, der aber, gleich vielen andern, sich nicht an unser Futter hatte gewoͤhnen wollen, und allem Vermuthen nach, schon neun und dreißig bis vierzig Tage in diesem Loche, ohne alle Nahrung, zugebracht haben mußte. Der ganze Coͤr- per war zu einem bloßen Gerippe abgemergelt; die Beine waren gelaͤhmt und klares Blut gieng aus dem Hintern von ihm. So jaͤmmerlich indessen der An- blick dieses armen Thiers war, so stiftete er doch etwas Gutes, denn unsre Leute nahmen sichs von nun an vor, blos junge Hunde dieser Art einzukaufen; die Al- ten wollten sich auch schlechterdings nicht zu unserm Futter bequemen, man mogte es anfangen wie man wollte. In der Nacht giengen verschiedne Blubbers (Medusen) neben dem Schiffe vorbey. Sie wurden durch ihr phosphorisches Licht sichtbar, und fun- kelten so hell, daß die See glaͤnzendere Sterne zu enthalten schien als der Him- mel. Meergras, Sturmvoͤgel und Albatrosse sahen wir taͤglich immer mehr, je naͤher wir der Kuͤste von Neu-Seeland kamen. Am 19ten leuchtete die See; am 20sten verkuͤndigten uns ganze Schaaren von Sturm-Taͤuchern, ( diving petrels ) daß wir nicht mehr weit vom Lande seyn koͤnnten, und am folgenden Morgen in den Jahren 1772 bis 1775. um 5 Uhr, entdeckten wir die Berggipfel desselben. Den ganzen Tag uͤber 1773. October. steuerten wir gegen die Kuͤste hin, und um 4 Uhr Nachmittags waren wir dem Table-Cap und Portland-Eyland Man sehe hieruͤber die in Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen in 4., im zwey- ten Bande befindliche Charte von Neu-Seeland . gegenuͤber, welches letztere mit jenem durch eine Reihe Klippen zusammenhaͤngt. Die Kuͤste bestand aus weißen, steilen Felsen, und wir konnten schon die Huͤtten und Festungen der Einwohner unterscheiden, welche wie die Adlers-Nester oben auf den Klippen er- bauet waren. Die Eingebohrnen liefen in ziemlicher Anzahl laͤngst den Bergen hin, um uns nachzusehen. Viele setzten sich auf die Landspitze gegen Suͤden, aber keiner gab sich die Muͤhe, sein Canot ins Meer zu bringen um zu uns heran zu kommen. Wir seegelten zwischen den verborgnen Klippen und dem Lande durch, liefen bey Hawkes-Bay voruͤber, und steuerten sodann, die Nacht uͤber, laͤngst der Kuͤste hin. Am Morgen waren wir jenseit des Cap Kidnappers und naͤherten uns dem schwarzen Eap . Nach dem Fruͤhstuͤck stießen drey Canots vom Lande, welches in dieser Gegend zwischen den Bergen und der Kuͤste eine kleine Ebene bildet. Da wir nicht weit vom Strande waren, so holten sie uns bald ge- nug ein. In einem derselben, befand sich ein vornehmer Mann, der ohne Bedenken sogleich aufs Verdeck kam. Er war groß, von mittlern Alter, und hatte ein Paar gute, von hiesigem Flachs gemachte, neue Kleidungs-Stuͤcke an. Sein Haar war nach der Landes-Art im feinsten Geschmack aufgesetzt, das heißt auf der Scheitel aufgebunden, mit Oel eingeschmiert und mit Fe- dern besteckt. In beyden Ohrlaͤppchen trug er ein Stuͤck Albatros-Fell, daran noch die weißen Pflaum-Federn saßen, und das Gesicht war uͤber und uͤber in krummen und gewundnen Linien punctirt. Herr Hodges zeichnete sein Por- trait, welches auch sehr gut in Kupfer gestochen ist. Der Capitain schenkte die- sem Manne ein Stuͤck rothen Boy, etwas Garten-Gesaͤme, ein Paar Schwei- ne und drey Paar Huͤhner. Maheine , unser junge Reisegefaͤhrte aus Bo- rabora , der die Sprache der Neu-Seelaͤnder nicht als Tupaia , gleich bey der ersten Unterredung, verstehen konnte, hoͤrte nicht sobald daß es hier Z z 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. October. weder Coco-Palmen noch Yams gebe; als er von seiner eignen Provision etliche solche Nuͤsse und Wurzeln hervorsuchte, um dem Wilden ein Geschenk damit zu machen. Da wir ihm aber sagten, daß in diesem Clima keine Cocos-Baͤume wachsen wuͤrden, so gab er ihm nur die Yams und uͤberließ es uns, dem Neu- Seelaͤnder die Nutzbarkeit dieser fremden Lebensmittel zu erklaͤren. Wir wand- ten auch alle Muͤhe an, ihm wenigstens soviel beyzubringen, daß er die Schwei- ne und Huͤhner zur Zucht behalten, die Wurzeln aber pflanzen muͤßte. Nach langen Erklaͤrungen schien er endlich zu begreifen was wir sagen wollten; und um uns seine Dankbarkeit zu bezeugen, beraubte er sich einer neuen Mahipeh oder Streitaxt, die kuͤnstlich geschnitzt und mit Papagay-Federn, imgleichen mit weißem Hunde-Haar ausgeziert war. Hierauf empfahl er sich, und stieg wie- der aufs Verdeck, woselbst ihm Capitain Cook noch etliche große Naͤgel schenk- te, uͤber die er ungleich mehr Freude bezeugte denn uͤber alles andre. Er hatte bemerkt, daß der Capitain sie aus einem Loche in der Anker-Winde hervor- langte, wo der Schiffschreiber sie zufaͤlligerweise hingelegt hatte. Er drehte also die Winde ganz herum, und untersuchte jedes Loch, ob nicht mehrere darinn verborgen waͤren. Dieser Umstand beweißt zur Gnuͤge, daß man den Werth des Eisengeraͤths nunmehro vollkommen hatte einsehen lernen, ohnerachtet es die Neu-Seelaͤnder, bey Capitain Cooks ersten Anwesenheit allhier, im Jahr 1769, an manchen Orten kaum annehmen wolten. Zum Abschied gaben unsre Gaͤste uns einen Hiwa - oder Krieges-Tanz zum besten, der aus Stampfen mit den Fuͤßen, drohender Schwenkung der Keulen und Speere, schrecklichen Verzerrungen des Gesichts, Ausstreckung der Zunge und wildem heulenden Geschrey bestand, wobey aber durchgehends ein gewisser Tact beobachtet ward. Die Art, wie sie mit den Huͤhnern umgiengen, lies uns eben nicht viel Hoff- nung, daß wir unsre gute Absicht erreichen und dies Land mit zahmen Haus- thieren wuͤrden besetzen koͤnnen, denn es schien fast, daß sie kaum lebendig ans Land kommen wuͤrden. Wir mußten uns also damit beruhigen, daß wenigstens von unsrer Seite alles geschehen sey. Waͤhrend der Zeit, daß diese Wilden bey uns gewesen waren, hatte sich der Wind gedrehet; er blies jetzt gerade vom Lande und war uns sehr zuwider. Gegen Abend stuͤrmte es so heftig, daß wir uns scharf am Winde halten und in den Jahren 1772 bis 1775. mehrentheils laviren mußten, um nicht zu weit von der Kuͤste verschlagen zu 1773. October. werden; dabey regnete es so stark, daß man in keiner Cajuͤtte des Schiffs tro- cken blieb; und von Zeit zu Zeit kam ein jaͤhlinger Windstoß und riß uns die morschen Seegel in Stuͤcken. Hiernaͤchst machte der Wind, der von den beschney- ten Bergen des Landes herabwehete, die Luft so empfindlich kalt, daß das Ther- mometer am naͤchsten Morgen auf 50 Grad stand. Wir hatten nicht erwar- tet, unterm 40sten Grade suͤdlicher Breite so schlimm empfangen zu werden! So stuͤrmisch und brausend indessen dieser Anfang war, so ruhig ward es doch bald wieder; allein, die Stille hatte kaum etliche Stunden gewaͤhrt, als der Sturm von neuem los gieng und diese Nacht nicht minder als in der gestrigen wuͤthete. Am folgenden Morgen ließ er in so weit nach, daß wir wieder gegen die Kuͤste hinsteuern konnten, mit Einbruch der Nacht aber ward er fuͤrchterlicher als je und die Matrosen hatten nicht einen Augenblick Ruhe. Am 24sten Abends sahen wir endlich die Einfahrt von Cooks Straße, namentlich das Cap Palliser vor uns, durften es aber nicht wagen, in der Dunkelheit hinein- zusteuern, und ehe wir am naͤchsten Morgen Anstalt dazu machen konnten, er- hob sich der Sturm abermals, und ward um 9 Uhr so rasend, daß wir beyle- gen, und alle Seegel, bis auf eins, einnehmen mußten. Ohnerachtet wir uns ziemlich dicht an der Kuͤste hielten, woselbst wir von den hohen Bergen haͤtten Schutz haben sollen; so rollten die Wellen gleichwohl so lang und stiegen so entsetzlich hoch, daß sie, beym Brechen, durch den Sturm voͤllig zu Dunst zerstaͤubt wurden. Dieser Wasserstaub breitete sich uͤber die ganze Oberflaͤche der See aus, und da kein Woͤlkchen am Himmel zu sehen war, die Sonne vielmehr hell und klar schien, so gab die schaͤumende See einen uͤberaus blen- denden Anblick. Endlich ward der Wind so wuͤtend, daß er uns vollends das einzige Seegel zerriß, welches wir noch aufgespannt zu lassen gewagt hatten. Nun waren wir ein vollkommnes Spiel der Wellen; sie schleuderten uns bald hier, bald dorthin, schlugen oft mit entsetzlicher Gewalt uͤber dem Verdeck zusammen und zerschmetterten alles was ihnen im Wege war. Von dem bestaͤndigen Arbeiten und Werfen des Schiffs litt das Tau- und Takelwerk unge- mein, auch die Stricke, womit Kisten und Kasten fest gebunden waren, gaben nach, und rissen endlich los, so daß alles in der groͤßten Verwirrrung vor und Forster’s Reise um die Welt 1773. October. um uns her lag. Als das Schiff einmal außerordentlich stark rollte, riß auch der Gewehrkasten der auf dem Verdeck des Hintertheils befestigt war, los, und stuͤrzte gegen das Seiten-Gelender, an welchem sich einer unserer jungen Reisegefaͤhrten, Herr Hood , so eben hingestellt hatte. Kaum blieb ihm so viel Zeit uͤbrig, sich niederzubuͤcken; doch wuͤrde auch das ihn nicht gerettet ha- ben, wenn der Kasten nicht schraͤg gegen das Gelender gefallen und unter- halb ein hohler Zwischenraum geblieben waͤre, in welchem Herr Hood gluͤckli- cherweise unbeschaͤdigt blieb. So wild es aber auch mit den Elementen durcheinander gieng, so waren die Voͤgel doch nicht ganz weggescheucht. Noch immer schwebte uͤber der brausenden aufgewuͤhlten Flaͤche der See hie und da ein schwarzer Sturmvogel hin, und wußte sich hinter den hohen Wellen, sehr kuͤnstlich gegen den Sturm zu schirmen. Der Anblick des Oceans war praͤchtig und fuͤrchterlich zugleich. Bald uͤbersahen wir von der Spitze einer breiten schweren Welle, die unermeßliche Flaͤche des Meeres, in un- zaͤhlbare tiefe Furchen aufgerissen; bald zog uns eine brechende Welle mit sich in ein schroffes fuͤrchterliches Thal herab, indeß der Wind von jener Seite schon einen neuen Wasserberg mit schaͤumender Spitze herbey fuͤhrte und das Schiff damit zu bedecken drohte. Die Annaͤherung der Nacht vermehrte diese Schrecken, vornemlich bey denenjenigen, die nicht von Jugend auf an das See-Leben gewohnt waren. In des Capitains Cajuͤtte wurden die Fenster ausgenommen, und statt derselben Bretter-Schieber eingesetzt, da- mit die Wellen nicht hineindringen moͤchten. Diese Veraͤnderung brachte einen Scorpion, der sich zwischen dem Holzwerk eines Fensters verborgen gehalten hatte, aus seinem Lager hervor. Vermuthlich war er, auf einer von den letztern Inseln, unter einem Buͤndel Fruͤchte oder Wurzelwerk mit an Bord gekom- men. Maheine versicherte uns zwar, es sey ein ganz unschaͤdliches Thier, allein der bloße Anblick desselben war fuͤrchterlich genug uns bange zu machen. In den andern Cajuͤtten waren die Betten durchaus naß; doch, wenn auch das nicht gewesen waͤre, so benahm uns das fuͤrchterliche Brausen der Wellen, das Knacken des Holzwerks, nebst dem gewaltigen Schwanken des Schiffs ohnehin alle Hoffnung ein Auge zuzuthun. Und um das Maaß der Schrecken voll zu ma- chen, mußten wir noch das entsetzliche Fluchen und Schwoͤren unsrer Ma- trosen in den Jahren 1772 bis 1775. trosen mit anhoͤren, die oftmals Wind und Wellen uͤberschrieen. Von Ju- 1773. October. gend auf, zu jeder Gefahr gewoͤhnt, ließen sie sich auch jetzt den drohenden Anblick derselben nicht abhalten, die frechsten gotteslaͤsterlichsten Reden auszu- stoßen. Ohne die geringste Veranlassung, um derenwillen es zu entschuldigen gewesen waͤre, verfluchten sie jedes Glied des Leibes in so mannigfaltigen und sonderbar zusammengesetzten Ausdruͤcken, daß es uͤber alle Beschreibung geht. Auch weis ich die fuͤrchterliche Energie ihrer Fluͤche mit nichts als dem Fluch des Ernulphus zu vergleichen, der dem Christenthum Schande macht. S. Tristram Shandy. Unter- dessen raste der Sturm noch immer nach wie vor, als es um 2 Uhr des Mor- gens mit einemmale aufhoͤrte zu wehen und gaͤnzlich windstill ward. Nun schleuderten die Wellen das Schiff erst recht umher! es schwankte so gewaltig von einer Seite zur andern, daß manchmal die mittlern Waͤnde, ja selbst das hintere Verdeck zum Theil ins Wasser tauchte. Nach Verlauf einer Stunde erhob sich endlich ein frischer, guͤnstiger Wind, mit welchem wir, den ganzen Tag uͤber, dem Lande wieder zu seegelten, denn der Sturm hatte uns weit in die See hinaus verschlagen. Pintaden, schwarze und andre Sturmvoͤgel schwaͤrmten von neuem, Haufen-weise um uns her, und ein Albatros, neben welchem wir vorbey fuhren, war auf ofner See fest eingeschlafen, so sehr mußte der vorige Sturm ihn ermuͤdet haben. Am folgenden Tage gieng es uns an der Muͤndung von Cooks - Straße nicht besser als zuvor. Wir bekamen nemlich abermals widrigen Wind, der, ehe es Nacht ward, in einen vollkommnen Sturm ausartete. Eben so blieb das Wetter die beyden folgenden Tage fast ohne Unterlaß. Am 29sten fruͤh Morgens erblickte der wachthabende Officier verschiedene Tromben oder Wasserhosen, und kurz nachher hatten wir einen leichten Regen und gu- ten Wind. Abends verloren wir das andre Schiff die Adventure aus dem Gesichte, und bekamen es die ganze Reise uͤber nicht mehr zu sehn. Der widrige Wind der am folgenden Morgen einfiel, muß uns vollends auseinan- der gebracht haben, denn die Adventure war ungleich weiter vom Lande als wir, und folglich konnte der Sturm seine Gewalt weit mehr gegen sie, denn gegen uns, auslassen. Forster’s Reise u. d. W. erster Th. A a a Forster’s Reise um die Welt 1773. Novem- ber. Es wuͤrde unnuͤtz und langweilig seyn, wenn ich noch ferner der Laͤnge nach erzaͤhlen wollte, welchergestalt widrige Stuͤrme und guͤnstige Winde noch immer mit einander abwechselten. Genug wir wurden neun elende lange Naͤchte in der See herumgeworfen, ohne daß Schlaf in unsre Augen kam, und wir gaben bey- nahe alle Hoffnung auf, an dieser Kuͤste je wieder vor Anker zu gelangen. Endlich erreichten wir, am 1sten November, Cooks-Straße . Das Wetter blieb zwar noch immer unbestaͤndig und ward uns von neuem zuwider, als wir bald an das auf der nordlichen Insel gelegene Cap Tera Witti heran waren, doch gluͤckte es uns, am 2ten, in eine Bay einzulaufen, die wir hart unter diesem Vorgebirge, gegen Westen hin, entdeckten. Die Kuͤste bestand daselbst aus lauter fuͤrchterlichen, schwarzen, unfruchtbaren Bergen, die sehr hoch, fast ganz ohne Holz und Buschwerk waren, und in langen, spitzigen, saͤulenfoͤrmigen Felsen in die See hinaus ragten. Die Bay selbst schien tief zwischen den Bergen hinein zu gehen, und ließ uns, ihrer Richtung nach, vermuthen, daß das Land, worauf Cap Tera-Witti liegt, vielleicht eine von Eaheino- Mauwe getrennte Insel sey. So kahl und oͤde indessen auch diese Ge- gend aussahe, so war sie doch bewohnt, denn wir lagen noch keine halbe Stunde vor Anker, als schon verschiedene Canots bey uns anlangten. Die Leute giengen sehr duͤrftig in alte lumpichte Maͤntel oder sogenannte Boghi- Boghi’s gekleidet. Der Rauch, dem sie in ihren niedrigen kleinen Huͤt- ten bestaͤndig ausgesetzt sind, und der Schmutz, der sich vermuthlich von ih- rer Jugend an, ungestoͤrt auf der Haut angehaͤuft hatte, machte, daß sie uͤber und uͤber haͤßlich gelbbraun aussahen, und daß man von ihrer wahren Farbe nicht urtheilen konnte. Den Winter hindurch, der eben zu Ende gieng, mochten sie sich vielleicht oft mit halb verfaulten Fischen haben behel- fen muͤssen; diese ekelhafte Nahrung aber und das ranzige Oel, womit sie sich das Haar einschmieren, hatte ihren Ausduͤnstungen einen so unertraͤglichen Gestank mitgetheilt, daß man sie schon von weitem wittern konnte. Sie brachten einige Fisch-Angeln und gedoͤrrte Krebsschwaͤnze zu Kauf, und nah- men dagegen unsre Eisenwaaren imgleichen Tahitisches Tuch sehr gierig an. Ca- pitain Cook schenkte ihnen ein Paar Huͤhner, mit dem Bedeuten, daß sie solche zur Bruth beybehalten moͤchten, allein es ist wohl schwerlich zu vermu- in den Jahren 1772 bis 1775. then, daß diese elenden Wilden auf die zahme Viehzucht bedacht seyn wer- 1773. Novem- ber. den. Ihre Gedankenlosigkeit laͤßt vielmehr befuͤrchten, daß, so bald es ih- nen einmal an Lebensmitteln fehlen sollte, unsre armen Huͤhner wohl ohne Bedenken werden herhalten muͤssen. In irgend einer von den noͤrdlichsten Bayen wuͤrde das zahme Vieh vielleicht noch ehe in Acht genommen werden, denn dort sind die Einwohner gesitteter, wenigstens schon an die Landwirth- schaft gewoͤhnt, indem sie verschiedene esbare Wurzeln bauen. S. Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen in 4. zweyter Band. pag. 309. Um drey Uhr Nachmittags ward es voͤllig windstill, kurz nachher aber erhob sich in der Straße ein suͤdlicher Wind, der nicht so bald das Wasser unruhig zu machen anfieng, als wir die Anker wiederum lichteten und die Bay verließen; auch war es ein Gluͤck, daß wir nicht laͤnger damit gewartet hat- ten, denn in wenig Minuten ward es so stuͤrmisch, daß das Schiff unglaub- lich schnell forttrieb; doch kamen wir bey den gefaͤhrlichen Klippen, die Bruͤ- der genannt, an denen sich die Wellen fuͤrchterlich brachen, ohne Schaden voruͤber, und gelangten endlich bey einbrechender Nacht, unter dem Cap Koa-Maruh , in Charlotten-Sund vor Anker. Am folgenden Tage um Mittag trafen wir gluͤcklich wieder in Schip- Cove ein, von da wir ohngefaͤhr fuͤnf Monath zuvor ausgeseegelt waren. Der fruͤhen Jahreszeit wegen ließ sich zwar nicht erwarten, daß wir jetzt so viel gesunde frische Kraͤuter finden wuͤrden als das erstemal, dagegen aber machten wir uns große Hoffnung hier wieder mit der Adventure zusammen zu stos- sen, weshalb auch Capitain Cook einige Zeit allhier zu bleiben gedachte. Kaum hatten wir geankert, so besuchten uns verschiedene Indianer, die vom Fischen zuruͤck kamen, und was sie gefangen hatten zum Verkauf ausboten. Es waren einige von unsern ehemaligen Bekannten unter ihnen, die sehr erfreut zu seyn schienen, daß wir sie bey Namen zu nennen wuß- ten; vermuthlich glaubten sie, daß wir sehr viel Antheil an ihrer Wohlfahrt nehmen muͤßten, weil wir uns ihrer so genau erinnerten. Das Wetter war schoͤn und in Betracht der Jahrszeit warm zu nennen; die Neu-Seelaͤnder erschienen aber doch noch in ihren Winterkleidern. Wir erkundigten uns nach dem Befinden unsrer uͤbrigen Bekannten von ihrer Nation, und erhiel- A a a 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. Novem- ber. ten verschiedentliche Nachrichten davon; unter andern erzaͤhlten sie, daß Gu- ba ï a , einer ihrer alten Befehlshaber, mit den beyden Ziegen, welche wir in den Waͤldern bey Gras-Cove gelassen, eine Jagd angestellt, sie geschlach- tet und gegessen habe. Diese Nachricht war uns hoͤchst unangenehm, denn auf solche Art durften wir uns gar keine Hoffnung machen, dies Land je mit vierfuͤßigen Thieren besetzt zu sehu . Nachmittags besuchten wir die Pflanzungen, die wir am Strande von Ship-Cove , auf dem Hippah-Felsen und auf Motu-Aro angelegt hat- ten. Die Ruͤben und fast alle andre Wurzeln waren in Saamen geschos- sen; der Kohl und die gelben Moͤhren standen sehr schoͤn, und die Petersilie und Zwiebeln nicht minder gut; die Erbsen und Bohnen hingegen mußten von den Ratten verheeret worden seyn, denn kaum war noch eine Spur davon zu finden. Auch die Cartoffeln waren fast alle fort, doch schien es, daß sie von den Eingebohrnen selbst waren ausgegraben worden. Der gute Zustand der Gartengewaͤchse bewieß, daß der Winter in diesem Theile von Neu-Seeland sehr gelinde seyn muͤsse; denn da alle vorgedachte Pflanzen bey uns nicht uͤber- wintern, so kann es hier unmoͤglich hart gefroren haben. Die einlaͤndischen Pflanzen waren noch ziemlich weit zuruͤck; das Laubholz und Strauchwerk insbesondere fieng eben erst an auszuschlagen, und stach, vermoͤge des helleren Laubes, gegen die dunklere Farbe der immergruͤnen Baͤume, ungemein gut ab. Der Flachs hingegen, woraus die Einwohner ihren Hanf bereiten, stand schon in Bluͤthe; so auch verschiedne andre fruͤhe Pflanzen. Wir sammle- ten was wir finden konnten, brachten einen großen Vorrath von Sellery und Loͤffelkraut zusammen, und schossen einige Wasserhuͤhner, womit wir Abends an Bord zuruͤck kehrten. Von allem was in der Naturgeschichte neu war, wurden sogleich Zeichnungen und Beschreibungen gemacht, vornehmlich von der Flachspflanze ( phormium tenax ) als welche, ihres oͤconomischen Nutzens wegen bekannter zu seyn verdient. Und weil es uns vorzuͤglich darum zu thun ist, unsern Nebenmenschen auf alle Art und Weise nuͤtzlich zu werden, so haben wir, auf Verlangen des Grafen Sandwich , unsre Zeichnung von dieser Pflanze gern dazu hergegeben, daß sie in Kupfer gestochen werden moͤgte. in den Jahren 1772 bis 1775. Am folgenden Morgen kamen die Indianer in groͤßerer Anzahl und mit 1773. Novem- ber. mehrern Canots zu uns als Tages zuvor. Unter den neuen Ankoͤmmlingen be- fand sich auch der Befehlshaber Teiratuh , den wir ehemals schon hatten kennen lernen, und von dem wir, bey unsrer vorigen Anwesenheit, mit einer langen Re- de waren bewillkommt worden. Jetzt zog er ziemlich schlecht einher, und schien, wenn ich so sagen darf, en deshabillé zu seyn. Statt bunt geflochtner und mit Hun- defell verbraͤmter Matten, die er vormals zu tragen pflegte, hatte er sich ganz einfach gekleidet, und das Haar nur schlechtweg in einen Zopf aufgebun- den, ungekaͤmmt und ungesalbt. Der Redner und Befehlshaber schien zu dem Stande eines gemeinen Fischkraͤhmers herabgesunken zu seyn; auch er- kannten wir ihn in diesem Aufzuge nicht gleich wieder, so bald wir uns aber seiner Physiognomie erinnerten, wiederfuhr ihm alle gebuͤhrende Ehre. Man noͤthigte ihn nemlich in die Cajuͤtte, und machte ihm ein Geschenk von Naͤ- geln. Das Eisenwerk und das tahitische Zeug welches wir bey uns fuͤhr- ten, waren in feinen Augen so wichtige Artikel, daß er und alle seine Be- gleiter ohnverzuͤglich Anstalt machten, ihren Wohnplatz in der Nachbarschaft aufzuschlagen; vermuthlich um des Handels wegen immer bey der Hand zu seyn, vielleicht aber auch, um desto mehr Gelegenheit zu haben auf andere Art etwas an sich zu bringen. Das Schiff lag nahe am Strande, nicht weit von der Ge- gend, wo die Wasserfaͤsser angefuͤllt werden sollten. Zu diesem Behuf war auch schon ein Zelt fuͤr die Wasserleute, ein andres fuͤr die Holzschlaͤger, und die Sternwarte fuͤr den Astronomen aufgeschlagen. Wir giengen Vor- und Nachmittags ans Land, mußten uns aber allemal durch ein Labyrinth von Schlingpflanzen hindurch arbeiten, die von einem Baume zum andern uͤberge- laufen waren. Maheine oder Ohedidi kam gemeiniglich mit ans Land und streifte in diesen unwegsamen Waͤldern herum, ganz erstaunt uͤber die Ver- schiedenheit der Voͤgel, uͤber ihren schoͤnen Gesang und ihr praͤchtiges Ge- fieder. In einem unsrer Gaͤrten, wo die Radiese und Ruͤben in der Bluͤthe stan- den, hielt sich vorzuͤglich eine Menge kleiner Voͤgel auf, welche den Nectar- saft aus den Blumen sangten , und sie daruͤber oft von den Stengeln rissen. Wir schossen verschiedene davon und Maheine , der in seinem Leben noch nie eine Flinte in Haͤnden gehabt, erlegte seinen Vogel beym ersten Schusse. Es ge- A a a 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. Novem- ber. hoͤrt mit zu den koͤrperlichen Vorzuͤgen der halb civilisirten Voͤlker, daß ihre Sinne durchaus schaͤrfer sind als die unsrigen, die durch tausend Umstaͤnde und Verhaͤltnisse der sogenannten verfeinerten Lebensart, stumpf gemacht und ver- dorben werden. Maheine gab in vorgedachtem Fall ein Beyspiel davon ab, und in Tahiti war es nichts neues, daß uns die Leute in dicken Baͤumen kleine Voͤgel, oder Enten und Wasserhuͤhner im dicksten Schilf zeigten, wo doch keiner von uns das geringste entdecken konnte. Das angenehme und warme Wetter beguͤnstigte unsre zoologischen Untersuchungen dermaaßen, daß wir gleich vom ersten Ausgang eine Menge Voͤgel mit an Bord brachten. Ehe wir am folgenden Morgen noch Anstalt machten wieder ans Land zu gehen, lief von unsern dort campirenden Leuten schon Klage ein, daß die Indianer in der Nacht, einen Waͤchtermantel und einen Beutel mit Linnen, aus dem Wasserzelt weggestohlen haͤtten. Da die Bucht, in welcher die Wilden sich aufhielten, nur durch einen Huͤgel von un- serm Wasserplatz abgesondert, mithin ganz in der Naͤhe war, so begab sich der Capitain unverzuͤglich zu ihnen, und setzte ihren Anfuͤhrer Teiratuh , des Dieb- stahls wegen, zur Rede. Dieser schickte auch alsbald nach den gestohlnen Sa- chen, und lieferte sie ohne Wiederrede zuruͤck, betheuerte aber, daß er nicht das mindeste davon gewußt, geschweige denn persoͤnlichen Antheil daran gehabt habe. Bey dieser Erklaͤrung ließen es unsre Leute um so eher bewenden, weil sie auf einer andern Seite wieder Vortheil von den Indianern hatten, und es also nicht gern mit ihnen verderben wollten. Sie versahen uns nemlich, fuͤr eine Kleinigkeit an tahitischen Zeuge, taͤglich mit frischen Fischen, die wir selbst weder so leicht, noch so reichlich zu fangen wußten. Bey dieser Gelegenheit fand man auch eine von den Sauen die Capitain Furneaux in Cannibal-Cove zuruͤckgelassen hatte; und als Teiratuh befragt ward, wo die beyden andern geblieben waͤren, wies er nach verschiedenen Gegenden der Bay hin, um an- zudeuten, daß man sie hier und dorthin geschlept haͤtte. Durch solche Tren- nung der Thiere, die sie als Beute unter einander theilen, hindern diese rohen Leute das Fortkommen derselben. Immer nur darauf bedacht fuͤr den gegenwaͤrtigen Augenblick zu sorgen, nur das dringendste Beduͤrfniß zu be- in den Jahren 1772 bis 1775. friedigen, vernachlaͤßigen sie die Mittel, durch welche man ihnen einen be- 1773. Novem- ber. staͤndigen Unterhalt zu verschaffen und sie gluͤcklicher zu machen wuͤnscht! Am 6ten Nachmittags kam, aus verschiedenen Gegenden der Bay, eine Menge andrer Indianer mit Fischen, Kleidern, Waffen u. d. g. zu uns, und vertauschten alle diese Waaren gegen tahitisches Zeug. Abends begaben sie sich, dem Schiffe gegen uͤber, in eine Bucht, zogen dort ihre Canots ans Land, richteten Huͤtten auf, zuͤndeten Feuer an, und machten sich ein Abend- brodt von Fischen zurecht. Fruͤh am folgenden Morgen waren sie alle fort, selbst die in Ship-Cove . Wir konnten nicht begreifen, warum sie alle- sammt so ploͤtzlich aufgebrochen waͤren, endlich aber zeigte sichs, daß sie sechs kleine Faͤsser, vermuthlich der eisernen Reifen wegen, vom Wasserplatze ent- wandt hatten. Im Grunde haͤtten sie nicht noͤthig gehabt ihre Zuflucht zum Stehlen zu nehmen, denn wenn sie uns noch einen einzigen Tag laͤnger mit Fischen versorgten, so bekamen sie wenigstens drey bis viermal so viel und noch dazu brauchbareres Eisenwerk als jetzt; unsre Leser werden aber schon bey meh- reren Gelegenheiten angemerkt haben, daß es der Neu-Seelaͤnder Sache eben nicht sey, sich mit Nachdenken den Kopf zu brechen, und daß sie, ohne ir- gend eine Ruͤcksicht, mehr auf das Gewisse denn aufs Ungewisse rechnen. Ihre Entfernung war uns in gegenwaͤrtigem Fall empfindlicher als der Verlust den sie uns zugefuͤgt hatten, denn nun mußten wir selbst fischen, ob wir gleich den Strich und Stand der Fische so gut nicht kannten als die Eingebohrnen, auch die Leute dazu nicht fuͤglich missen konnten. Die Matrosen hatten alle Haͤnde voll zu thun das Schiff abzuputzen und zu kalfatern, neues Tau- und Takelwerk aufzusetzen, kurz alles in Ordnung zu bringen, was zu der be- schwerlichen Fahrt gegen den Suͤdpol erfordert ward. Ein Theil derselben blieb am Lande, um die Wasserfaͤsser zu fuͤllen, Holz zu schlagen, und den Schiffs-Zwieback durchzusehen, der in sehr uͤblen Umstaͤnden war. Un- gluͤcklicherweise hatte man ihn bey der Abreise aus Engelland in neue oder gruͤne Faͤsser eingepackt, wodurch er feucht und schimmlig geworden, ja zum Theil ganz verfault war. Damit nun dieses Uebel nicht noch weiter um sich greifen moͤchte, ward alles Brod ans Land geschafft, das Verdorbne sorgfaͤltig von dem Es- Forster’s Reise um die Welt 1773. Novem- ber. baren abgesondert, und letzteres von neuem in einem Ofen ausgetrocknet und aufgebacken. Das Wetter blieb diese Zeit uͤber mehrentheils eben so stuͤrmisch und unbestaͤndig als es bey unserer Annaͤherung auf dieser Kuͤste gewesen war. Selten vergieng ein Tag ohne heftige Windstoͤße und Regenguͤsse, die von den Bergen mit verdoppelter Gewalt herabstuͤrzten und unsre Leute oft an der Arbeit hinderten; dabey war die Luft gemeiniglich kalt und rauh. Das Wachs- thum der Pflanzen gieng daher langsam von statten und die Voͤgel hielten sich nur in solchen Thaͤlern auf, wo sie gegen den kalten Suͤdwind Schutz fanden. Diese Art von Witterung scheint auch den ganzen Winter hindurch, und weit in den Sommer hinein, die herrschende zu seyn, ohne im Winter merklich kaͤlter oder im Sommer merklich waͤrmer zu werden. Ueberhaupt duͤnkt mich, daß alle Inseln, die weit von großen Laͤndern oder wenigstens nicht nahe bey einem kalten Lande liegen, stets eine ziemlich gleiche Temperatur der Luft haben muͤssen, woran wohl die Natur der See vornemlich Schuld seyn mag. Aus den in Port-Egmont auf den Falklands-Inseln angestellten Wetter-Beobach- tungen, S. Dalrymples collection of Voyages in the Southern Atlantic Ocean , die Wet- ter-Beobachtungen, fangen im Februar 1766 an und hoͤren mit dem Jenner 1767. auf. ergiebt sich, daß die groͤßte daselbst bemerkte Hitze und Kaͤlte in ei- nem ganzen Jahre nicht uͤber 30 Grad des Fahrenheitischen Thermometers aus- einander ist. Dieser Haven liegt unterm 51sten Grade 25 Minuten suͤdlicher Breite; Ship-Cove aber, in Charlotten-Sund , liegt nur unter 41 Grad 5 Minuten suͤdlicher Breite. Bey einem so betraͤchtlichen Unterschied der Him- melsgegend muß zwar das Clima von Neu-Seeland , an und fuͤr sich, gelinder seyn als das Clima auf den Falklands-Inseln ; allein das thut nichts zur Sa- che, denn wenn meine Hypothese von der Temperatur der Luft auf den Inseln richtig ist, so muß sie fuͤr alle Polhoͤhen gelten. Ueberdem duͤrfte zwischen dem Clima von Neu-Seeland und den Falklands-Inseln , der Unterschied auch wohl so betraͤchtlich nicht seyn, als man, nach der Lage beyder Laͤnder, vielleicht urtheilen sollte; wenigstens sind in Neu-Seeland die Berge uͤberaus hoch und zum Theil das ganze Jahr hindurch mit Schnee bedeckt, welches die Luft be- kann- in den Jahren 1772 bis 1775. kanntermaßen sehr kalt macht. Es wuͤrde mich daher nicht wundern, wenn es 1773. Novem- ber. hier fast eben so kalt waͤre als auf den Falklands-Inseln , die zwar 10 Grad weiter nach dem Pol hin liegen, dagegen aber ungleich flacher und nie- driger sind. So raub indessen die Wttterung auch war, so ließen sich doch die Einge- bohrnen dadurch nicht abhalten, in diesem weitlaͤuftigen Sunde herum zu strei- fen. Nachdem wir drey ganzer Tage von ihnen verlassen gewesen waren, kam am 9ten dieses wiederum eine Parthey in dreyen Canots zu uns, wovon das eine am Hintertheile sehr kuͤnstlich mit erhobner und durchbrochener Arbeit verziert war. Sie verkauften uns einige Merkwuͤrdigkeiten und begaben sich sodann, dem Schiffe gegen uͤber, an Land. Am folgenden Tage stießen noch zwey Canots zu ihnen, darinn sich unser Freund Towahangha mit seiner gan- zen Familie befand. Als ein alter Bekannter saͤumte er nicht uns zu besuchen, und brachte seinen Sohn Khoa à h , imgleichen seine Tochter Ko-parrih mit an Bord. Wir kauften ihm eine Menge gruͤner Nephritischen Steine ab, die zu Meißeln und Aexten geschliffen waren, und fuͤhrten ihn sodann in die Ca- juͤtte wo er vom Capitain Cook allerhand Sachen, der kleine Junge aber ein Hemde zum Geschenk bekam. Kaum hatte man dem Knaben seinen neuen Staat an- gezogen, als er fuͤr Freuden gleichsam außer sich kam, und mit guten Worten schlech- terdings nicht laͤnger in der Cajuͤtte zu behalten war. Er wollte vor seinen Lands- leuten auf dem Verdeck paradiren, und um des Plagens los zu seyn, muß- ten wir ihm seinen Willen lassen. Diese kleine Eitelkeit kam ihm aber theuer zu stehn. Ein alter Ziegenbock der, zum großen Mißvergnuͤgen der Neu-Seelaͤn- der, die sich vor ihm fuͤrchteten, ebenfalls auf dem Verdeck seinen Stand hatte, schien uͤber die laͤcherliche Gestalt des armen Khoa à h , der sich in dem weit- laͤuftigen Hemde nicht finden konnte, und doch, mit so vielem Wohlgefallen uͤber sich selbst, so poßierlich herumgaukelte, boͤse zu werden; denn er sprang ihm ganz ergrimmt in den Weg, hob sich auf den Hinterfuͤßen, zielte und sties mit gan- zer Gewalt den armen Jungen zu Boden, daß er alle viere von sich streckte. Vom Schreck betaͤubt oder vielleicht besorgt an seinem neuen Staat etwas zu verderben, wagte ers nicht sich wieder aufzuraffen und davon zu laufen, sondern begnuͤgte sich aus Leibeskraͤften zu schreyen: Dadurch aber ward sein baͤrtiger Forster’s Reise u. d. W. erster Th. B b b Forster’s Reise um die Welt 1773. Novem- ber. Widersacher so boͤse, daß er von neuen Mine machte ihm eins zu versetzen, welches den Ritter der traurigen Gestalt vielleicht auf immer zum Schweigen gebracht haben wuͤrde, wenn unsre Leute nicht dazwischen gekommen waͤren. Man half dem Knaben wieder auf die Beine, allein Hemd, Gesicht und Haͤnde war alles gleich schmutzig. In dieser klaͤglichen Verfassung kam er nun, fuͤr seine Eitelkeit sehr gedemuͤthigt, in vollem Heulen nach der Cajuͤtte zuruͤck, und klagte seinem Vater was ihm fuͤr ein Ungluͤck begegnet; allein dieser, statt Mitleid mit dem armen Schelm zu haben, ward vielmehr zornig, und gab ihm, zur Strafe seiner Thorheit, noch einige derbe Schlaͤge, ehe wir uns ins Mittel legen und sie beyderseits wieder zufrieden sprechen konnten. Das Hemd ward wieder rein gemacht, und er selbst uͤber und uͤber gewaschen, welches ihm vielleicht sein Lebelang noch nicht wiederfahren seyn mochte. Nunmehr war alles wieder gut, der Vater aber, der fuͤr einen neuen Unstern nicht sicher seyn mogte, rollte das Hemd sorgfaͤltig zusammen, nahm sein eignes Kleid ab und machte aus beyden ein Buͤndel, worinn er alle Geschenke zusammen packte die wir ihm und seinem Sohn gegeben hatten. An diesem und dem folgenden Tage, die beyde regnigt waren, fuhren die Einwohner noch immer fort, uns Merkwuͤrdigkeiten und Fische zu verkau- fen. Am 12ten Morgens, da sich das Wetter wieder aufgeklaͤrt hatte, gieng ich, nebst Dr. Sparrmann und meinem Vater nach Indian-Cove . Wir trafen aber keinen von den Eingebohrnen daselbst an, und giengen deshalb auf einem Fussteige weiter, der uns durch den Wald einen ziemlich hohen und steilen Berg hinan brachte, vermittelst dessen Indien- und Shag-Cove von einander abgesondert sind. Dieser Fussteig schien blos des vielen Farrnkrautes wegen angelegt zu seyn, welches sich auf der Hoͤhe des Berges findet, und wovon die Wurzel den Neu-Seelaͤndern zur Nahrung dient. In der untersten Gegend, woselbst der Pfad am steilsten war, hatte man ordentliche Stuffen gemacht und solche mit Schiefer ausgelegt; weiter hinauf aber mußten wir uns, durch die in einander gewachsnen Schlingpflanzen, erst einen Weg bahnen. An der Suͤd- seite war der Berg von oben bis unten, auf den uͤbrigen Seiten aber nur bis zur Haͤlfte mit Waldung, und jenseits derselben, nach dem Gipfel hin, mit nie- drigem Strauchwerk und Farrnkraut bewachsen, ob wohl vom Schiff her die in den Jahren 1772 bis 1775. ganze obere Gegend kahl und nackend aussahe. Auf dieser Hoͤhe sproßten 1773. Novem- ber. verschiedne Pflanzen, die in Dusky-Bay nur in den Thaͤlern und an der Kuͤste wuchsen, woraus man abnehmen kann, um wie viel rauher das Clima in jenem Theile von Neu-Seeland ist, denn in dieser Gegend. Der ganze Berg bestand bis oben hinauf aus solchem Talk-Thon als man hier uͤberall haͤufig findet, und der, wenn er zu Stein erhaͤrtet, durch Luft und Wetter in schieferichte Blaͤtter zerfaͤllt. Diese Steinart ist weißlicht, graulicht, zu- weilen auch von Eisentheilchen gelb-roth gefaͤrbt. Von dem Gipfel aus hatten wir eine große und schoͤne Aussicht. East-Bay (Ost-Bay) lag, als ein klei- ner Fischteich, gleichsam unter unsern Fuͤßen, und außerhalb der Straße konnte man bis nach dem Cap Tera-witti hinsehen. Suͤdwaͤrts war die Gegend uͤberall rauh und wild, indem man, so weit das Auge reichte, nichts als hohe mit Schnee bedeckte Gebuͤrge erblickte. Um ein Merkmahl von unsrer An- wesenheit zuruͤck zu lassen, legten wir ein Feuer an und ließen einen Theil des Gestraͤuchs niederbrennen. Am folgenden Morgen giengen wir nach Long- Eyland , woselbst es eine Menge Pflanzen und verschiedne Voͤgel gab, die uns neu waren. In dem gegen Osten gelegenen Walde hoͤrten wir die Sturmvoͤ- gel ( petrels ) in ihren Hoͤhlen unter der Erde, zum Theil als Froͤsche quaͤken, zum Theil als Huͤhner kakeln. Vermuthlich waren es sogenannte Sturm-Taͤu- cher ( diving petrels, ) denn das ganze Geschlecht der Sturmvoͤgel scheint unter der Erde zu nisten, wenigstens hatten wir die blaue und silberfarbne Art, in Dusky-Bay , ebenfalls in dergleichen unterirdischen Hoͤhlen angetroffen. Seit dem 13ten war das Wetter gelind und schoͤn. Die Indianer, die ihre Wohnhuͤtten dem Schiffe gegenuͤber aufgeschlagen hatten, versahen uns noch immer reichlich mit Fischen, so wie auch unsre Seeleute ihre Galanterien mit den hiesigen Frauenspersonen noch immer fortsetzten, ohnerachtet nur eine einzige derselben ertraͤgliche und etwas sanfte Gesichtszuͤge hatte. Dieses Maͤd- chen war von ihren Eltern einem unsrer jungen Reisegefaͤhrten, der sich hier durchgaͤngige Liebe erworben, ordentlich zur Frau uͤberlassen. Er hatte sich nemlich besonders viel mit den Leuten zu thun gemacht, und bey jeder Gelegen- heit Zuneigung fuͤr sie blicken lassen, welches selbst unter den Wilden weder un- bemerkt noch unerwiedert bleibt. Toghiri , so hies das Maͤdchen, war ihrem B b b 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. Novem- ber. Manne eben so treu und ergeben, als ob er ein Neu-Seelaͤnder gewesen waͤre. Sie verwarf die Antraͤge andrer Seeleute, mit dem Ausdruck, sie sey eine ver- heirathete Person ( tirra-tàne. ) So gern aber der Englaͤnder sie auch leiden mogte, so brachte er sie doch nie an Bord, und in der That waͤre dort, fuͤr die zahlreiche Gesellschaft die auf ihren Kleidern und in den Haaren haufenweise herumkroch, nicht fuͤglich Platz gewesen. Er besuchte sie also nur den Tag uͤber, am Lande, und trug ihr gemeiniglich den ausrangirten verdorbnen Schiffszwie- back zu, den sie und ihre Landesleute immer noch als einen Leckerbissen mit großer Begierde verzehrten. Maheine von Borabora , unser indianischer Reisegefaͤhrte, war in seinem Vaterlande so sehr gewoͤhnt, jedem Ruf der Na- tur zu folgen, daß er gar kein Bedenken trug, ihrer Stimme auch in Neu- Seeland Gehoͤr zu geben. Er sahe freylich wohl, daß die Frauenspersonen hier weder so schoͤn noch so artig waren als in seinem Vaterlande; allein die Staͤrke des Instincts brachte seine Delicatesse zum Schweigen und das ist wohl um so we- niger zu verwundern, da es die gesittetern Europaͤer selbst nicht besser machten. In jedem andern Betracht waren seine Gesinnungen und sein Betragen gegen die Neu-Seelaͤnder desto untadelhafter. Er bemerkte ganz richtig, daß sie weit uͤbler dran waͤren, als die Bewohner der tropischen Inseln, und wenn er uns vergleichungsweise die Vortheile herrechnete, welche diese vor jenen voraus haͤtten; so unterließ er niemals sie deshalb herzlich zu bedauren. Wie ernstlich er es hierinn meynte, das zeigte er auch bey allen Gelegenheiten durch die That. So theilte er z. B. den Leuten die uns am Cap Blake besuchten, aus seinem eignen Vorrath, Yamwurzeln mit, und wenn der Capitain ausgieng, um ein Stuͤck Land zu besaͤen oder zu bepflanzen, so war er allemal als ein treuer Gehuͤlfe dabey zugegen. Ihre Sprache verstand er zwar nicht genugsam, um sich so gelaͤu- fig mit ihnen unterreden zu koͤnnen, als vom Tupaia erzaͤhlt wird; doch begrif er bald mehr von derselben, als irgend sonst einer an Bord, und dazu war ihm na- tuͤrlicherweise die Analogie mit seiner Muttersprache sehr behuͤlflich. Wir selbst verstanden jetzt, nachdem wir uns eine Zeitlang in den tropischen Inseln aufge- halten hatten, den Neu-Seelaͤndischen Dialect weit besser als zuvor, denn er hat ungemein viel Aehnlichkeit mit der Sprache auf den freundschaftlichen In- seln , von denen wir so eben herkamen. Dergleichen kleine Umstaͤnde verdienen in den Jahren 1772 bis 1775. deshalb angezeigt zu werden, weil sich daraus vielleicht am ersten errathen laͤßt, 1773. Novem- ber. von woher das so weit gen Suͤden gelegene Neu-Seeland mag bevoͤlkert wor- den seyn? Da das Wetter bis zum 14ten Abends gut blieb, so verfuͤgte sich der Capitain und mein Vater auf die Sternwarte ans Land, um die Emersion eines Jupiters-Trabanten zu beobachten. Nach dem Resultat vieler Observationen, die von unserm genauen und unermuͤdeten Astronom, Herrn W. Wales , zu verschiedenen Zeiten angestellt worden, ist Charlotten-Sund 174°. 25′. oͤst- licher Laͤnge von Greenwich . Am folgenden Morgen begleiteten wir den Capitain nach East Bay , wo- selbst an verschiedenen Stellen etliche einzelne Familien von Indianern wohn- ten. Sie nahmen uns durchgehends sehr freundschaftlich auf; schenkten uns Fische, das Beste, was sie geben konnten, und verkauften uns, gegen Eisen und Tahitisches Zeug, verschiedne solcher großen Fischer-Netze, als in den Nach- richten unsrer Vorgaͤnger schon beschrieben worden. Am hintersten Ende der Bay, bestiegen wir eben denselben Berg, den Capitain Cook auf seiner er- sten Reise auch besucht hatte, S. Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen in 4. zweyter Band, pag. 294 ꝛc. und von dessen Gipfel wir uns in der offnen See, nach der Adventure umsehen wollten. Als wir aber hinauf kamen, war es so nebligt auf dem Wasser, daß man kaum 2 bis 3 See-Meilen weit vor sich hin sehen konnte. Das vom Capitain Cook ehemals allhier errichtete Monument, welches aus einem Haufen zusammengeworfner Steine bestanden hatte, worun- ter etliche Muͤnzen, Kugeln ꝛc. und dergleichen Sachen waren vergraben wor- den, lag jetzt ganz zerstoͤrt. Vermuthlich hatten die Wilden hier einen Schatz von europaͤischen Waaren zu finden geglaubt. Am Fuße des Berges kamen uns etliche Indianer entgegen, denen wir allerhand Waffen, Hausgeraͤth und Kleider abkauften. Sonderbar ist es, daß dem Capitain auf eben dieser Stelle ehemals ein gleiches begegnete. Nachmittags probirten wirs mit unsern neu- gekauften Netzen zu fischen und der Versuch lief ziemlich gluͤcklich ab. Sie waren von gespaltnen oder gerißnen Blaͤttern, der getrockneten und alsdenn geklopften Flachspflanze verfertigt, deren ich schon mehrmals erwaͤhnt habe. Der Hanf B b b 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. Novem- ber. oder Flachs der davon faͤllt, ist außerordentlich stark, und, so wenig sich auch die Neu-Seelaͤnder auf die Zubereitung desselben verstehen, gleichwohl sehr glaͤnzend und dabey ungemein weich; wir haben etwas davon in England umarbeiten und gehoͤrig zubereiten lassen, welches fast voͤllig so glaͤnzend als Seide geworden ist. Diese Pflanze kommt in jeder Art von Boden fort, erfor- dert auch fast gar keine Wartung oder Cultur, und kann, weil sie perennirend oder uͤberwinternd ist, alle Jahr bis auf die Wurzel abgeschnitten werden. Wir brachten am 17ten fast den ganzen Morgen mit Abhauung vieler ho- hen Baͤume zu, von welchen wir gern die Bluͤthen gehabt haͤtten; aber alle an- gewandte Muͤhe war vergebens, denn wenn wir gleich einen Stamm abgehauen hatten, so fiel der Baum doch nicht, sondern blieb in tausend Schlingpflanzen, die ihn von unten bis oben umwunden und den Gipfel an andere Baͤume festgeschlungen hatten, gleichsam schwebend haͤngen. Die drey folgenden Tage regnete es so heftig, daß wir an Bord bleiben mußten; es ließ sich auch diese ganze Zeit uͤber nicht ein einziger Wilder sehen. Am 21sten des Morgens kamen zwey Canots mit Frauenspersonen an das Schiff. Diese gaben uns zu verstehen, daß ihre Maͤnner gegen eine an- dre Parthey zu Felde gezogen, und daß sie wegen derselben gar sehr besorgt waͤren. So viel sich aus den Zeichen urtheilen ließ, wodurch sie uns die Gegend anzudeuten suchten, nach welcher ihre Maͤnner hingegangen waren, mußten die Feinde irgendwo in der Admiralitaͤts-Bay wohnen. Da am 22sten das Wetter schoͤn und gelinde war, so begleiteten wir den Capitain nach West-Bay , um dort, in dem tiefsten und entlegensten Win- kel des Waldes, zwey Sauen nebst einem Eber, imgleichen drey Haͤhne und zwey Hennen in die Wildniß auszusetzen. Diese Gegend ist sumpfig, und wird, allem Ansehen nach, von den Einwohnern nicht sonderlich besucht; wir hoff- ten daher, daß diese Thiere sich hier ungestoͤhrt wuͤrden vermehren koͤnnen, zumal da wir unser Geschaͤft ganz unbemerkt ausgefuͤhrt hatten. Es war uns nemlich nur am Eingange der Bay ein einziges Canot mit etlichen wenigen Indianern begegnet, und diese konnten wohl ohne Zweifel nicht errathen, daß wir einer so besondern Absicht wegen hieher gekommen waͤren. Sollte also, vermittelst dieser Anlage, die suͤdliche Insel von Neu-Seeland dereinst mit Schweinen und in den Jahren 1772 bis 1775. Huͤhnern versehen werden; so wird solches lediglich der Vorsicht zuzuschreiben 1773. Novem- ber. seyn, daß diese wenigen Zuchtthiere hier so sorgfaͤltig versteckt worden. Als wir wieder auf dem Schiffe eintrafen, kamen sieben oder acht Ca- nots von Norden hergerudert; ein Theil derselben stach, ohne sich im mindesten um uns zu bekuͤmmern, geradenweges nach Indian-Cove uͤber. Die an- dern kamen zu uns an Bord, und brachten eine große Menge von Kleidern und Waffen zum Verkauf. Diese Leute waren so stattlich geschmuͤckt als wir, seit un- serm diesmaligen Aufenthalt in Charlotten-Sund , noch keine gesehn hatten. Sie hatten sich das Haar sehr nett aufgebunden, und die Backen roth ge- schminkt. Alle diese Umstaͤnde stimmten leyder nur gar zu wohl mit der Nach- richt uͤberein, welche wir den Tag zuvor von den Weibern erhalten hatten; denn die Wilden pflegen sich mit ihren besten Kleidern zu putzen, wenn sie gegen den Feind gehen. Ich fuͤrchte, wir selbst hatten Schuld daran, daß ihre un- seligen Zwistigkeiten mit andern Staͤmmen wieder rege geworden waren: denn unsre Leute begnuͤgten sich nicht, von ihren Bekannten unter den India- nern, so viel steinerne Aexte, Pattu-Pattuhs, Streit-Kolben, Kleider, gruͤne Steine und Fischangeln ꝛc. aufzukaufen, als diese im Vermoͤgen hatten; son- dern sie verlangten immer mehrere, und suchten die armen Leute, durch Vorzei- gung ganzer Ballen von Tahitischem Zeuge, anzulocken, daß sie noch ferner Waffen und Hausgeraͤth herbeyschaffen moͤchten. Wenn sich aber die Neu- Seelaͤnder, wie wohl zu vermuthen steht, durch solche Versuchungen hinreißen ließen; so werden sie auch wohl gesucht haben, sich das, woran es ihnen fehlte, auf die leichteste und schnellste Art zu verschaffen, und dieses Mittel mag viel- leicht in Beraubung ihrer Nachbarn bestanden haben. Der große Vorrath von Waffen, Putz und Kleidern, mit welchem sie jetzt zu Markt kamen, ließ aller- dings vermuthen, daß sie einen Streich von dieser Art ausgefuͤhrt hatten, und das wird schwerlich ohne Blutvergießen abgelaufen seyn. Am folgenden Morgen sahen wir, daß die Wilden am Wasserplatze zum Fruͤhstuͤck Wurzeln aßen, die sie vorher zubereitet hatten. Herr Whitehouse , einer der ersten Unter-Officiers brachte von diesem Gericht etwas an Bord, und man fand, daß es fast von besserm Geschmack war als unsre Ruͤben. Mein Vater gieng also mit ihm ans Land, kaufte den Indianern ein Paar solcher Wur- Forster’s Reise um die Welt 1773. Novem- ber. zeln ab, und bewog zween derselben ihn nebst Herrn Whitehouse in den Wald zu begleiten, und sie die Pflanze kennen zu lehren, von welcher diese Wurzel koͤmmt. Im voͤlligen Vertrauen auf die Rechtschaffenheit ihrer wilden Fuͤhrer, folgten sie denselben ganz unbewafnet; nachdem sie ein gut Stuͤck Weges mit einander gegangen waren, zeigten ihnen jene eine Art von Farrenbaum, der hier zu Lande Mamaghu genannt wird, mit dem Bedeuten, daß eben dieser die vorgedachte esbare Wurzel liefere. Sie lehreten sie auch den Unterschied zwischen dem Mamaghu und dem Ponga, welches ein anderer Baum ist, der jenem sehr aͤhnlich siehet, dessen Wurzel aber nicht zu genießen ist. Beyde gehoͤren zum Geschlecht der Farrnbaͤume. Bey ersterem ist der innere Theil des Holzes, oder das Herz des Stammes, eine weiche pulpoͤse Substanz, die beym Durchschneiden einen roͤthlichen klebrichten Saft von sich gab, der ungemein viel Aehnlichkeit mit dem Sago hatte. Im Grunde ist auch der wahre Sago- baum selbst nichts anders als eine Art von Farrenbaum. Die gute eßbare Wurzel des Mamaghu muß aber nicht mit der Wurzel des Farrenkrauts ( acrostichum furcatum Linnaei ) verwechselt werden, denn letztere, die der Neu-Seelaͤnder gewoͤhnlichste Speise zu seyn pflegt, ist fast durchaus holzig und weder schmackhaft noch naͤhrend. Die Einwohner braten sie eine Weile uͤber dem Feuer und schlagen oder quetschen sie hierauf zwischen zween Steinen oder zwey Stuͤcken Holz, um aus dieser muͤrbe geklopften Masse ein wenig Saft aussaugen zu koͤnnen; das uͤbrigbleibende sind trockne Fasern, die alsdenn weggeworfen werden. Die Mamaghu -Wurzel hingegen giebt ein ziemlich gutes Essen ab; nur Schade, daß sie nicht haͤufig genug anzutreffen ist, um ein taͤgliches, bestaͤndiges Nahrungsmittel abzugeben. Als mein Vater mit seinen Begleitern aus dem Walde zuruͤck kam, hatte er Gelegenheit zu bemerken, wie roh die Sitten dieser Wilden sind. Ein Junge von ohngefaͤhr sechs bis sieben Jahren, verlangte von seiner Mutter ein Stuͤck von einem gebratnen Pinguin, welches sie in Haͤnden hatte, und da sie ihm nicht gleich zu Gefallen war, ergrif er einen großen Stein und warf nach ihr. Sie lief auf ihn zu, um diese Unge- zogenheit zu ahnden, kaum aber hatte sie ihm einen Schlag gegeben, als ihr Mann hervorsprang, sie zu Boden warf und unbarmherzig pruͤgelte. Unsre am Wasserplatz campirenden Leute erzaͤhlten meinem Vater, sie waͤren von der- gleichen in den Jahren 1772 bis 1775. gleichen Grausamkeiten vielfaͤltig Zeugen gewesen und haͤtten mehr denn ein- 1773. Novem- ber. mal gesehen, daß, auch die Kinder sogar, Hand an ihre ungluͤcklichen Muͤtter leg- ten und solche in Gegenwart des Vaters schluͤgen, der gleichsam nur Acht gaͤbe, ob sich jene etwa wehren oder wiedersetzen wuͤrden. Zwar pflegen fast alle wilde Voͤlker, in so fern sie blos das Recht des Staͤrkern unter sich gelten lassen, ihre Weiber durchgehends als Sclavinnen anzusehn, die den Maͤnnern Kleider verfertigen, Huͤtten bauen, Speisen kochen und zutragen, und bey aller ihrer Dienstbarkeit doch noch mit der haͤrtesten Begegnung vorlieb nehmen muͤs- sen: Allein in Neu-Seeland scheint diese Tyranney viel weiter getrieben zu seyn, denn sonst irgend wo. Die Mannspersonen werden daselbst von Kindheit auf ordent- lich dazu angehalten, daß sie ihre Muͤtter gegen alle Grundsaͤtze der Sittlichkeit ver- achten muͤssen. Ich will mich indessen uͤber diese Barbarey nicht weiter heraus- lassen, um die Vorfaͤlle des heutigen Tages vollends zu erzaͤhlen, als welche uns, uͤber die Verfassung der Neu-Seelaͤnder, noch manchen Aufschluß gaben. Der Capitain, nebst Herrn Wales und meinem Vater, ließen sich am Nachmit- tage nach Motu-Aro uͤbersetzen, um die Pflanz-Gaͤrten zu besehen und Kraͤu- terwerk fuͤr das Schiff einzusammlen, indeß verschiedne von den Lieutenants nach Indian Cove giengen, um mit den dortigen Indianern Handel zu trei- ben. Das erste, was diesen hier in die Augen fiel, waren die Eingeweide eines Menschen, die nahe am Wasser auf einem Haufen geschuͤttet lagen. Kaum hatten sie sich von der ersten Bestuͤrzung uͤber diesen Anblick erholt, als ihnen die Indianer verschiedne Stuͤcke vom Coͤrper selbst vorzeigten, und mit Worten und Gebehrden zu verstehen gaben, daß sie das uͤbrige gefressen haͤtten. Unter den vorhandenen Gliedmaaßen war auch noch der Kopf befindlich, und nach die- sem zu urtheilen, mußte der Erschlagne ein Juͤngling von funfzehn bis sech- zehn Jahren gewesen seyn. Die untere Kinnlade fehlte, und uͤber dem einen Auge war der Hirnschedel, vermuthlich mit einem Paͤttu-Paͤttu, eingeschlagen. Unsre Leute fragten die Neu-Seelaͤnder, wo sie diesen Coͤrper her haͤt ten? worauf jene antworteten, daß sie ihren Feinden ein Treffen geliefert, und verschiedne derselben getoͤdtet, von den Erschlagnen aber nur allein den Leichnam dieses Juͤnglings mit sich haͤtten fortbringen koͤnnen. Sie setzten hinzu, daß auch von ihrer Parthey verschiedne umgekommen waͤren und zeigten zu gleicher Forster’s Reise u. d. W. erster Th. C c c Forster’s Reise um die Welt 1773. Novem- ber. Zeit auf einige seitwaͤrts sitzende Weiber, die laut wehklagten und sich zum Andenken der Gebliebnen die Stirn mit scharfen Steinen verwundeten. Was wir also von den Zwistigkeiten der Indianer bisher nur blos vermuthet hatten, das fanden wir jetzt durch den Augenschein bestaͤtigt, und allem Anschein nach, war die Muthmaßung, daß wir selbst zu diesem Unheil Gelegenheit gegeben haͤtten, nicht minder gegruͤndet. Hiernaͤchst blieb uns nun auch kein Zweifel mehr uͤbrig, die Neu-Seelaͤnder fuͤr wuͤrkliche Menschenfresser zu halten. Herr Pickers- gill wuͤnschte den Kopf an sich zu kaufen, und solchen zum Andenken dieser Reise mit nach England zu nehmen. Er both also einen Nagel dafuͤr und erhielt ihn, um diesen Preiß, ohne das mindeste Bedenken. Dieser Kopf befindet sich jetzt in Herrn Joh. Hunters anatomischen Cabinet zu London . Als er mit sei- ner Gesellschaft an Bord zuruͤck kam, stellte er ihn, oben auf das Gelaͤnder des Verdecks, zur Schau hin. Indem wir noch alle darum her waren ihn zu betrach- ten, kamen einige Neu-Seelaͤnder vom Wasserplatze zu uns. So bald sie des Kopfes ansichtig wurden, bezeugten sie ein großes Verlangen nach demselben, und gaben durch Zeichen deutlich zu verstehen, daß das Fleisch von vortreflichem Geschmack sey. Den ganzen Kopf wollte Herr Pickersgill nicht fahren lassen, doch erbot er sich ihnen ein Stuͤck von der Backe mitzutheilen, und es schien als freuten sie sich darauf. Er schnitt es auch wuͤrklich ab und reichte es ihnen; sie wolltens aber nicht roh essen, sondern gar gemacht haben. Man ließ also das Stuͤck in unsrer aller Gegenwart ein wenig uͤber dem Feuer braten, worauf es die Neu-Seelaͤnder vor unsern Augen mit der groͤßten Gierigkeit verschlungen. Nicht lange nachher kam der Capitain mit seiner Gesellschaft an Bord zuruͤck, und da auch diese Verlangen trugen, eine so ungewoͤhnliche Sache mit anzusehen, so wiederholten die Neu-Seelaͤnder das Experiment noch einmal in Gegenwart der ganzen Schiffsgesellschaft. Die- ser Anblick brachte bey allen denen die zugegen waren, sonderbare und sehr verschie- dne Wuͤrkungen hervor. Einige schienen, dem Eckel zum Trotze, der uns durch die Erziehung gegen Menschenfleisch beygebracht worden, fast Lust zu haben mit an- zubeißen, und glaubten etwas sehr witziges zu sagen, wenn sie die Neu-Seelaͤn- dischen Kriege fuͤr Menschen-Jagden ausgaben. Andre hingegen waren unver- nuͤnftigerweise auf die Menschenfresser so erbittert, daß sie die Neu-Seelaͤnder alle in den Jahren 1772 bis 1775. todt zu schießen wuͤnschten, gerade als ob sie Recht haͤtten uͤber das Leben eines 1773. Novem- ber. Volks zu gebieten, dessen Handlungen gar nicht vor ihren Richterstuhl ge- hoͤrten! Einigen war der Anblick so gut als ein Brechpulver. Die uͤbrigen be- gnuͤgten sich, diese Barbarey eine Entehrung der menschlichen Natur zu nennen, und es zu beklagen, daß das edelste der Geschoͤpfe dem Thiere so aͤhnlich werden koͤnne! Nur allein Maheine , der junge Mensch von den Societaͤts-Inseln , zeigte bey diesem Vorfall mehr wahre Empfindsamkeit als die andern alle. Geboren und erzogen in einem Lande, dessen Einwohner sich bereits der Barbarey entrissen haben und in gesellschaftliche Verbindungen getreten sind, erregte diese Scene den heftigsten Abscheu bey ihm. Er wandte die Augen von dem graͤßlichen Schauspiel weg, und floh nach der Cajuͤtte, um seinem Herzen Luft zu machen. Wir fanden ihn daselbst in Thraͤnen, die von seiner inneren Ruͤhrung das un- verfaͤlschteste Zeugniß ablegten. Auf unser Befragen, erfuhren wir, daß er uͤber die ungluͤckseligen Eltern des armen Schlacht-Opfers weine! Diese Wen- dung seiner Betrachtungen machte seinem Herzen Ehre; dann man sahe dar- aus, daß er fuͤr die zaͤrtlichsten Pflichten der Gesellschaft ein lebhaftes inniges Gefuͤhl haben und gegen seine Nebenmenschen uͤberaus gut gesinnt seyn mußte. Er war so schmerzlich geruͤhrt, daß einige Stunden vergiengen, ehe er sich wieder beruhigen konnte, und auch in der Folge sprach er von diesem Vorfall nie ohne heftige Gemuͤthsbewegung. Philosophen, die den Menschen nur von ihrer Studierstube her kennen, haben dreist weg behauptet, daß es, aller aͤlteren und neueren Nachrichten ohnerachtet, nie Menschenfresser gegeben habe: Selbst unter unsern Reisegefaͤhrten waren dergleichen Zweifler vorhanden, die dem ein- stimmigen Zeugniß so vieler Voͤlker bisher noch immer nicht Glauben beymessen wollten. Capitain Cook hatte indessen schon auf seiner vorigen Reise aus guten Gruͤnden gemuthmaaßt, daß die Neu-Seelaͤnder Menschenfresser seyn muͤßten; und jetzt, da wir es offenbahr mit Augen gesehen haben, kann man wohl im geringsten nicht mehr daran zweifeln. Ueber den Ursprung dieser Gewohnheit sind die Gelehrten sehr verschiedener Meynung, wie unter andern aus des Herrn Canonicus Pauw zu Xanten recherches philosophiques sur les Ame- ricains ersehen werden kann. Er selbst scheint anzunehmen, daß die Men- schen urspruͤnglich durch Mangel und dringende Noth darauf verfallen sind, C c c 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. Novem- ber. einander zu fressen. Seine Gedanken hieruͤber hat D. Hawkesworth sich zugeeignet, ohne Herrn Pauw zu nennen. S. Hawkesworth . III. B. in 4. p. 36. u. f. Sic itur ad astra in einem Lande, das nach Voltaire’s Aussage und nach dem Vorurtheil der Deutschen noch jetzt fuͤr das Vaterland der Original-Denker gehalten wird. Dagegen aber lassen sich sehr wichtige Einwuͤrfe machen, und folgender ist einer der staͤrksten: Wenig Winkel der Erde sind dermaßen unfruchtbar, daß sie ihren Bewohnern nicht so viel Nahrungsmit- tel liefern sollten als diese zu ihrer Erhaltung beduͤrfen; und diejenigen Laͤnder, wo es noch jetzt Menschenfresser giebt, koͤnnen gerade am wenigsten fuͤr so elend ausgegeben werden. Die noͤrdliche Insel von Neu-Seeland , die beynahe 400 See-Meilen im Umfange haben mag, enthaͤlt, so viel sichs berechnen laͤßt, kaum einhundert Tausend Einwohner; welches fuͤr ein so großes Land, selbst alsdann noch, eine sehr geringe Anzahl ist, wenn auch nur allein die Kuͤsten, und nicht die innern Gegenden des Landes durchaus bewohnt seyn sollten. Gesetzt aber daß ihrer auch noch weit mehrere waͤren; so wuͤrden sie sich doch alle von dem Ueber- fluß an Fischen und vermittelst des Landbaues der in der Bay of Plenty und andrer Orten angefangen ist, zur Genuͤge ernaͤhren, ja sogar den Fremden noch davon mittheilen koͤnnen, welches sie auch wuͤrklich gethan haben. Zwar mag vor Einfuͤhrung der Kuͤnste, ehe sie Netze hatten und Cartoffeln pflanzten, der Unterhalt sparsamer und muͤhseliger gewesen seyn; aber damals war auch die An- zahl der Bewohner gewiß weit unbetraͤchtlicher. Bey alle dem laͤugne ich kei- nesweges, daß es nicht Faͤlle gegeben haͤtte, wo ein Mensch den andern wirk- lich aus Noth gefressen hat: Allein, davon sind doch nur einzelne Beyspiele vorhanden, und aus einzelnen Beyspielen laͤßt sich, fuͤr die Gewohnheit des Men- schenfressens im Ganzen genommen, durchaus nichts beweisen. Nur so viel kann man daraus abnehmen, daß der Mensch, in manchen Faͤllen, durch Hunger und Elend zur Wahl außerordentlicher Mittel gebracht werden koͤnne. Im Jahr 1772. da Deutschland Mißwachs hatte und viele Provinzen Hunger lei- den mußten, ward auf den Boineburgischen Guͤtern, an der Graͤnze von Thuͤ- ringen , ein Hirte eingezogen, und, wo ich nicht irre, am Leben bestraft, weil er, durch Hunger gezwungen, einen jungen Burschen erschlagen und gefressen, auch verschiedne Monathe lang, in gleicher Absicht, bloß des Wolschmacks we- in den Jahren 1772 bis 1775. gen, zu morden fortgefahren hatte. Er sagte im Verhoͤr aus, daß ihm das 1773. Novem- ber. Fleisch junger Leute vorzuͤglich gut geschmeckt habe, und eben das ließ sich auch aus den Mienen und Zeichen der Neu-Seelaͤnder schließen. Ein altes Weib in der Provinz Matogroßo in Brasilien , gestand dem damaligen portugiesischen Gouverneur Chevalier Pinto , der jetzt portugiesischer Gesandter zu London ist, daß sie mehrmalen Menschenfleisch gegessen, daß es ihr ungemein gut geschmeckt habe, und daß sie auch noch ferner dergleichen essen moͤchte, besonders junges Kna- benfleisch. Wuͤrde es aber nicht abgeschmackt seyn, wenn man aus diesen Beyspielen folgern wollte, daß die Deutschen und die Brasilianer, ja uͤber- haupt irgend eine andere Nation, Menschen umzubringen, und sich mit dem Fleische der Erschlagnen etwas zu Gute zu thun pflegen? Eine solche Ge- wohnheit kann ja mit der gesellschaftlichen Verfassung der Menschen nicht bestehen. Wir muͤssen also der Veranlassung dazu auf einem andern Wege nachspuͤhren. Man weis, daß sehr geringe Ursachen oft die wichtigsten Begebenheiten auf dem Erdboden veranlaßt, und daß unbedeutende Zaͤnkereyen die Menschen sehr oft bis zu einem unglaublichen Grad gegen einander erbittert haben. Eben so be- kannt ist es, daß die Rachsucht bey wilden Voͤlkern durchgaͤngig eine heftige Lei- denschaft ist, und oft zu einer Raserey ausartet, in welcher sie zu den unerhoͤr- testen Ausschweifungen aufgelegt sind. Wer weiß also, ob die ersten Men- schenfresser die Koͤrper ihrer Feinde nicht aus bloßer Wuth gefressen haben, da- mit gleichsam nicht das geringste von denselben uͤbrig bleiben moͤgte? Wenn sie nun uͤberdem fanden, daß das Fleisch gesund und wohlschmeckend sey, so duͤr- fen wir uns wohl nicht wundern, daß sie endlich eine Gewohnheit daraus ge- macht und die Erschlagenen allemal gefressen haben: Denn, so sehr es auch unsrer Erziehung zuwider seyn mag, so ist es doch, an und fuͤr sich, weder un- natuͤrlich noch strafbar Menschenfleisch zu essen. Nur um deswillen ist es zu verbannen, weil die geselligen Empfindungen der Menschenliebe und des Mit- leids dabey so leicht verloren gehen koͤnnen. Da aber ohne diese keine mensch- liche Gesellschaft bestehen kann; so hat der erste Schritt zur Cultur bey allen Voͤl- kern dieser seyn muͤssen, daß man dem Menschenfressen entsagt und Abscheu dafuͤr zu erregen gesucht hat. Wir sind keine Cannibalen, gleichwohl finden wir es weder grausam noch unnatuͤrlich zu Felde zu gehen, und uns C c c 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. Novem- ber. bey Tausenden die Haͤlse zu brechen, ohne einen andern Bewegungsgrund als um den Ehrgeiz eines Fuͤrsten, oder die Grillen seiner Maitresse zu befriedigen. Ist es aber nicht Vorurtheil, daß wir vor dem Fleische eines Erschlagnen Abscheu haben, da wir uns doch kein Gewissen daraus machen ihm das Leben zu nehmen? Ohne Zweifel wird man sagen, daß ersteres den Menschen brutal und fuͤhllos machen wuͤrde: Allein, es giebt ja leyder Beyspiele genug, daß Leute von civilisirten Nationen, (so wie einige unsrer Matrosen,) bey dem bloßen Gedanken von Menschenfleisch-Essen Ekel empfinden, und gleichwohl Barbareyen begehen koͤnnen, die selbst unter Cannibalen nicht erhoͤrt sind! Was ist der Neu- Seelaͤnder, der seinen Feind im Kriege umbringt und frißt, gegen den Europaͤer, der, zum Zeitvertreib, einer Mutter den Saͤugling, mit kaltem Blut, von der Brust reißen und seinen Hunden vorwerfen kann? Der Bischof Las Casas sahe diese Abscheulichkeit unter den ersten spanischen Eroberern von Amerika . Neque hic lupis mos nec fuit leonibus, Nunquam nisi in dispar feris. Horat. Die Neu-Seelaͤnder fressen ihre Feinde nicht anders als wenn sie solche im Gefecht und in der groͤßten Wuth erlegt haben. Sie machen nicht Gefangne, um sie zu maͤsten und denn abzuschlachten, noch weniger bringen sie ihre Ver- wandten in der Absicht um, sie zu fressen: denn sie essen solche nicht einmal, wenn sie natuͤrlichen Todes gestorben sind, S. Hawkesworths Gesch. zweyter Band, in 4. p. 386. u. f. ob gleich alles das mit mehrerer oder minderer Glaubwuͤrdigkeit von gewissen americanischen Nationen erzaͤhlt wor- den ist. Es ist also nicht unwahrscheinlich, daß in der Folge der Zeit dieser Ge- brauch bey ihnen gaͤnzlich abkommen wird. Die Einfuͤhrung von neuem zahmen Schlacht-Vieh kann diese gluͤckliche Veraͤnderung vielleicht befoͤrdern, in so fern nemlich groͤßerer Ueberfluß, mehr Viehzucht und Ackerbau, das Volk naͤher zusam- menbringen und es geselliger machen wird. Auch von Seiten ihrer Religion stehet jener Hoffnung kein Hindernis im Wege, denn, so viel wir bemerken konnten, sind sie nicht sonderlich aberglaͤubisch und nur unter sehr aberglaͤubischen Voͤlkern hat man, in den Jahren 1772 bis 1775. auch nach ihrer Cultur, noch Menschen-Opfer gefunden. Tupaia , Hawkesworth Gesch. der engl. See-Reisen, 4. III. Band ꝛc. pag. 62. der einzige 1773. Novem- ber. Mann, der sich ohne Anstos mit den Neu-Seelaͤndern unterhalten konnte, erfuhr gar bald, daß sie ein hoͤchstes Wesen erkennen, welche Kenntniß auch, bey allen Voͤl- kern der Erde, gleichsam als ein Funke der goͤttlichen Offenbahrung uͤbrig zu seyn scheint. Naͤchst diesem Begriff nehmen die Neu-Seelaͤnder gewisse Unter-Gott- heiten an, die mit denen auf Tahiti so genau uͤberein kommen, daß das System ihrer Vielgoͤtterey sehr alt und von den gemeinschaftlichen Vor-Eltern beyder Nationen herzustammen scheint. Wir bemerkten auf Neu-Seeland keine ein- zige Ceremonie, die einige Beziehung auf die Religion gehabt haͤtte; und ich weis nur von zwey Umstaͤnden, die auf eine entfernte Art Aberglauben zu verra- then scheinen. Eins ist der Name Etui oder Vogel der Gottheit, welchen sie zuweilen einer Art von Spechten ( certhia cincinnata ) beylegten. Der gewoͤhnliche Name dieses Vogels in der Neu-Seelaͤndischen Sprache ist Kogo. Diese Be- nennung scheint eine Verehrung anzudeuten, dergleichen die Tahitier und die uͤbrigen Bewohner der Societaͤts-Inseln den Reyhern und Eisvoͤgeln wiederfah- ren lassen; doch kann diese Achtung eben so weit nicht gehen, wenigstens haben wir nie bemerkt, daß sie diesen Vogel mehr als jeden andern beym Leben zu er- halten gewuͤnscht haͤtten. Der zweyte Umstand besteht in Tragung eines Amu- lets von gruͤnen Stein, welches an einer Halsschnur auf der Brust haͤngt, ohn- gefaͤhr die Groͤße eines harten Thalers hat, und einer Menschengestalt gewisser- maßen aͤhnlich sieht. Sie nennen es Etighi, welche Benennung zweifelsohne mit dem tahitischen Eti uͤbereinkommt. Eigentlich auszusprechen: Eti-ih. Daselbst und in den benachbarten In- seln bedeutet Eti ein hoͤlzernes Menschenbild, das, zum Andenken der Todten, keinesweges aber zu gottesdienstlicher Verehrung, bey den Graͤbern auf einem Pfahle aufgerichtet wird. Das Neu-Seelaͤndische Tighi scheint aus gleicher Ab- sicht getragen und auch in aller Absicht nicht hoͤher geschaͤtzt zu werden: Fuͤr eine Kleinigkeit gaben sie es zwar nicht weg, wenn wir aber eine halbe Elle Tuch oder rothen Kirsey daran wenden wollten, uͤberließen sie es uns ohne Bedenken; denn diese Zeuge waren ihnen, von allen unsern Tauschwaaren, das schaͤtzbarste und annehmlichste. Außer dergleichen Figuren tragen sie zuweilen Schnuͤre mit auf- Forster’s Reise um die Welt 1773. Novem- ber. gereiheten Menschen-Zaͤhnen um den Hals; allein auch dieser Zierrath hat keine aberglaͤubische Bedeutung, sondern gilt blos fuͤr ein Kennzeichen der Tapferkeit: Es sind nemlich die Zaͤhne ihrer im Gefechte erschlagnen Feinde. Von Priester oder Zauberern wissen sie, so viel wir bemerken konnten, gar nichts, und dann ist es freylich nicht zu verwundern, daß sie so wenig aberglaͤu- bisch sind. Sollten sie aber, in der Folge einmal, zu mehreren Bequemlich- keiten des Lebens gelangen; so ist es leicht moͤglich, daß einige unter ihnen verschlagen genug seyn werden, ihres eignen Vortheils wegen, die Religions- Begriffe der Nation zu erweitern; denn die Geschichte zeigt uns nur zu viel Beyspiele, daß das heiligste und unschaͤtzbarste Geschenk des Himmels, die Re- ligion, zum Deckmantel von Betruͤgereyen ist gemißbraucht worden. — Da das Schiff nunmehro voͤllig in Stand gesetzt war, dem rauhen Wetter der suͤdlichern See-Gegenden Trotz zu bieten, wir auch mit frischem Vorrath von Trinkwasser und mit genugsamen Brennholz von neuem versorgt waren; so wurden die Zelte wieder an Bord geschafft, und am 24sten des Morgens die letzten Anstalten zur Abreise gemacht. Kaum sahen die Indianer, daß wir unsern bisheri- gen Wohnplatz am Strande verlassen hatten, als sie sich unverzuͤglich daselbst einfanden, und mit großer Begierde uͤber den weggeworfnen Schiffs-Zwieback herfielen, den doch sogar unsre Schweine nicht mehr hatten fressen wollen. Was die Wilden hiezu verleiten mochte? weiß ich selbst kaum. Hunger konnte es wenigstens nicht seyn, denn sie hatten solchen Ueberfluß an frischen Fischen, daß sie, außer ihrem eignen Beduͤrfniß, auch uns, alle Tage reichlich damit zu ver- sorgen pflegten. Die Ursach mußte folglich, entweder an der Verschiedenheit ihres Geschmacks liegen, oder die Liebe zur Abwechselung machte ihnen diese verdorbne vegetabilische Speise blos um deswillen angenehm, weil sie etwas neues und seltnes fuͤr sie war. Indessen schien es ihnen nicht so ganz allein um den Zwieback, sondern auch um die wenigen Kleinigkeiten zu thun zu seyn, die unsre Leute waͤhrend ihres Aufenthalts am Strande verloren oder weggeworfen haben mochten. Unter der Zeit, daß sie uͤberaus emsig nach Naͤgeln, alten Stuͤcken Zeug und dergleichen Kostbarkeiten umher suchten, kamen andre aus den ent- ferntesten Gegenden der Bay und brachten eine Menge Waffen und Geraͤthschaf- ten zum Verkauf. Nach- in den Jahren 1772 bis 1775. Nachmittags ward ein Boot abgeschickt, um eine Flasche mit einem 1773. Novem- ber. Briefe an Capitain Furneaux unter einem Baume zu vergraben, falls er etwa nach unsrer Abreise, noch hieher kommen sollte. Ein gewoͤhnliches Mittel, dessen sich die Seefahrer bedienen, wenn sie, auf unbewohnten oder neu entdeckten Kuͤsten ihren Nachfolgern etwas bekannt machen wollen. Man steckt einen solchen Brief deshalb in eine Flasche, um ihn vor der Naͤsse zu bewahren, und die Bou- teille wird sodann, an einem leicht in die Augen fallenden Ort, gemeiniglich in der Gegend wo die Anwesenden ihre Wasserfaͤsser gefuͤllt haben, unter einem Baume vergraben, der entweder durch eine angehaͤngte Tafel, oder durch eingehauene Zeichen kenntlich gemacht wird, damit der Neuankommende gleich gewahr werde, an welcher Stelle er nachgra- ben muͤsse. In einem andern Boote gieng mein Vater mit verschiedenen Officiers nach Indien-Cove , woselbst die Men- schen-Eingeweide noch immer auf der Erde lagen. Auch das Canot war noch da, in welchem die Wilden ihre Krieges-Expedition ausgefuͤhrt hatten. An dem mit Schnitzwerk und braunen Federbuͤschen ausgezierten Vordertheil dessel- ben, befand sich eine vierzackige Gabel, auf welcher das Herz des erschlagenen Juͤnglings angespießt war. Die unsrigen kauften bey dieser Gelegenheit eine Par- thie zubereiteten Flachs oder Hanf, und eine Menge Angelhaken mit knoͤchernen Spitzen, die, nach dem Vorgeben der Indianer, aus Menschen-Gebeinen, na- mentlich aus den Roͤhrknochen des Arms gemacht seyn sollten. Am folgenden Morgen um 4 Uhr ward ein Boot nach Motu-Aro ge- schickt, um etwas Kohl aus unserm Garten zu holen, und mein Vater gieng mit dahin, um die Kuͤste nochmals durchzusuchen. Seine Muͤhe war auch nicht vergebens, denn er fand verschiedene neue Pflanzen. Unterdessen hatten wir den Anker schon gelichtet, waren unter Seegel gegangen, und nahmen erst unterwe- gens das Boot wiederum ein; da aber Wind und Strom uns entgegen kamen, so mußten wir um 7 Uhr zwischen Motu-Aro und Long-Eyland die Anker von neuem fallen lassen. Nachdem wir ein Paar Stunden daselbst zugebracht, ward der Wind guͤnstiger und fuͤhrte uns in kurzer Zeit nach Cooks Straße. Wir hielten uns daselbst in der Gegend des Cap Terawitti dicht am Lande, und feuerten von Zeit zu Zeit Canonen ab, um der Adventure von unsrer Ankunft Nachricht zu geben, falls sie in einem der benachbarten Haͤven gelegen haͤtte. Zwischen dem Cap Terawitti und Palliser , entdeckten wir Forster’s Reise u. d. W. erster Th. D d d Forster’s Reise um die Welt 1773. Novem- ber. eine Bay, die weit ins Land hinauf zu reichen schien. Die Ufer derselben waren durchgehends flach, und ließen vermuthen, daß rings umher eine betraͤchtliche Ebe- ne vorhanden seyn muͤsse, hauptsaͤchlich am hintersten Ende, woselbst die Berge so weit entfernt lagen, daß man kaum die Gipfel entdecken konnte. Sollte die Bay fuͤr große Schiffe tief genug seyn, woran wohl nicht zu zweifeln ist; so waͤre dieser Platz zur Anlegung einer Colonie ganz vorzuͤglich bequem. Denn man faͤnde hier einen großen Strich bauwuͤrdigen Landes vor sich, der mit genugsamer Waldung, vermuthlich auch mit einem schiffbaren Strom versehen ist, und, seiner Lage nach, in den besten Vertheidigungsstand gesetzt werden koͤnnte. Da diese Gegend auch nicht sonderlich bewohnt zu seyn scheint, so wuͤrde desto weniger Ge- legenheit zu Streitigkeiten mit den Eingebohrnen vorhanden seyn. Vortheile, die sich an andern Stellen von Neu-Seeland wohl selten so gluͤcklich vereinigt finden duͤrften. Der Flachs ( phormium tenax, ) wovon die Einwohner ihre Kleider, Matten, Stricke und Netze verfertigen, ist von so vortreflichem Glanz, Elasticitaͤt und Staͤrke, daß die neue Colonie schon mit diesem einzigen Artikel einen betraͤchtlichen Handel nach Indien treiben koͤnnte, weil dort Taue und Seegeltuch in fehr hohen Preisen stehen. Vielleicht werden die Europaͤer, wenn sie dereinst ihre americanischen Colonien verloren haben, auf neue Niederlassungen in entferntern Laͤndern bedacht seyn; moͤgte nur alsdenn der Geist der ehemaligen Ent- decker nicht mehr auf ihnen ruhen! moͤgten sie die einheimischen Bewohner der Suͤd-See als ihre Bruͤder ansehen, und ihren Zeitgenossen zeigen, daß man Colonien anlegen koͤnne, ohne sie mit dem Blut unschuldiger Nationen befle- cken zu duͤrfen! Auch jenseits dieser Bay fuhren wir noch immer fort Kanonen abzu- feuern, aber alle Versuche unsre Begleiterien wieder zu finden, waren umsonst. Es erfolgte keine Antwort auf unsre Signale, ob wir gleich mit einer Aufmerk- samkeit und Sehnsucht darnach lauschten, aus denen sich deutlich genug abneh- men ließ, wie ungern wir, ohne Gesellschaft, den zahllosen Gefahren eines zweyten Zuges gen Suͤden entgegen giengen. Am folgenden Morgen erreichten wir die Ausfahrt aus der Straße, liefen um das Cap Palliser herum und nordwaͤrts an der Kuͤste hinauf, noch immer in Hoffnung die Adventure hier irgendwo an- zutreffen. Da uns aber auch diese Erwartung fehl schlug; so gaben wir alle Ge- in den Jahren 1772 bis 1775. danken zur Wiedervereinigung auf, nahmen um 6 Uhr des Abends Abschied 1773 Novem- ber. von Neu-Seeland und steuerten nach Suͤd-Suͤd-Ost. Auf unserer ersten Fahrt gegen Suͤden, vom Vorgebuͤrge der guten Hoffnung aus, hatte sich bey verschiedenen von unsern Leuten der Scorbut geaͤußert: Allein, waͤhrend des Aufenthalts in Dusky-Bay , war diese Krankheit, ver- mittelst der gesunden Fisch-Speisen, wie auch durch den Genuß des Sprossenbiers, gluͤcklich vertrieben worden. Zwar hatten sich auf der folgenden unangenehmen Winter-Reise, von Neu-Seeland nach Tahiti , bey manchem neue und zum Theil gefaͤhrliche Symptomen dieses Uebels eingefunden: Allein, der große Vorrath frischer Pflanzen, den wir auf letztgedachter Insel erhielten, und das vortref- liche Schweinefleisch, das wir auf den Societaͤts - und freundschaftlichen In- seln so reichlich einlegten, stellte die Patienten sehr bald wieder her. Bey un- serm diesmaligen zweyten Aufenthalt in Charlotten-Sund war es ohne Zweifel dem haͤufigen Genuß des Sellery und Loͤffelkrauts beyzumeßen, daß wir von den uͤblen Folgen der eingesalznen Speisen verschont blieben und bey unsrer nunmeh- rigen Abreise, allerseits in guten Gesundheits-Umstaͤnden zu seyn schienen. Aber bey dem allen hatten wir, jetzt vielleicht mehr als je, Ursach, uns fuͤr den Anfaͤllen des Scharbocks zu fuͤrchten, denn die Muͤhseligkeiten des See- Lebens, die wir nun schon so geraume Zeit hindurch erlitten, mußten unsre Con- stitutionen wohl allerdings geschwaͤcht und uns die Kraft benommen haben, den kuͤnftigen Beschwerlichkeiten, so gut als bisher, zu widerstehen. Vornemlich sahen die Officier und Passagier, auf der nunmehrigen Reise gegen den Suͤdpol , man- cherley Unannehmlichkeiten vor sich, wovon sie vorher nichts gewußt. Ihr jetziger Vorrath von lebendigem Vieh war gegen den, womit sie sich ehedem vom Vorgebuͤrge der guten Hoffnung aus versorgt gehabt, fuͤr gar nichts zu rech- nen; folglich hoͤrte der geringe Unterschied, der bisher zwischen ihrer Tafel und dem Essen der gemeinen Matrosen statt gefunden hatte, gaͤnzlich auf, und sie waren nun, in diesem Betracht, um nichts besser, ja fast noch schlimmer daran als die gemeinen Seeleute, die sich von Jugend auf an keine andere als die ei- gentliche Schiffskost gewoͤhnt, dahingegen Officier und Passagier solche gleichsam nie versucht hatten. Hiernaͤchst war auch die Hoffnung neue Laͤnder zu entdecken, nun schon verschwunden; die Gegenstaͤnde der freundschaftlichen Unterredung D d d 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. Novem- ber. waren erschoͤpft; die Fahrt gegen Suͤden konnte nichts Neues mehr darbieten; sondern lag mit allen ihren mannigfaltigen Gefahren und Schrecken vor uns, die desto mehr Eindruck machten, da wir nun ohne Gesellschaft seegeln mußten. Zwischen den Wendezirkeln hatten wir wenigstens einige gluͤckliche Tage genossen; unsre Tafel war dort so gut besetzt gewesen, als es die Producte dieser Inseln zu- lassen wollten, und die Abwechselung so mancher neuen Gegenstaͤnde, die wir unter den verschiedenen Nationen antrafen, hatte uns auf das angenehmste unterhal- ten: Nunmehro sahen wir aber, auf eine ziemlich lange Periode, nichts als Ne- bel, kaltes Wetter, Fasten und die langweiligste Einfoͤrmigkeit vor uns! Der Abt Chappe , oder vielmehr der Herausgeber seiner Reise nach Californien , Cassini , bemerkt, Pag. 22. “daß Abwechselung allein dem Reisenden angenehm ist, und daß er, solcher zu gefallen, von Land zu Lande gehe.“ Seine Philosophie ist zugleich so erhabner Natur, daß er den Ausspruch thut, Pag. 13. „das Seeleben “sey nur denen langweilig und gleichfoͤrmig, die nicht gewohnt find, um sich zu “schauen, sondern die Natur mit Gleichguͤltigkeit ansehen.” Waͤre aber der gute Herr Abt so ungluͤcklich gewesen, den antarctischen Zirkel zu besuchen, ohne ein Paar Hundert fette Capaunen bey sich zu haben, womit er sich, auf seiner Reise von Cadiz nach Vera-Cruz , wohl weislich zu versorgen wußte; so duͤrfte vielleicht seine Philosophie minder hochtrabend gewesen seyn. Was diesen Ver- dacht gar sehr bestaͤtigt, ist, daß er die Abwechslung in Mexico nicht fand, die er doch zur See so haͤufig angetroffen zu haben vorgab. Pag. 22. Gleich- wohl durchreiste er daselbst große Striche ungebautes Land und weitlaͤuftige Waͤlder, und sahe die Natur in einem sehr wilden Zustande. Er gesteht zwar, daß sie reich und schoͤn sey; allein in wenig Tagen ward ihm die Mannigfaltig- keit ihrer Reize schon unschmackhaft und gleichguͤltig; und doch versichert man uns von diesem Mann, er sey zugleich Astronom, Botanist, Zoolog, Minera- loge, Chymist und Philosoph gewesen! Wir unsrer Seits waren, bey der Abreise von Neu-Seeland , von der er- habnen Philosophie des franzoͤsischen Abts sehr weit entfernt. Wenn noch je in den Jahren 1772 bis 1775. etwas die traurige Aussicht der Zukunft in unsern Augen mildern konnte, 1773. Novem- ber. so wars die Hoffnung, daß die Reise um den Suͤdpol in irgend einer hohen noch unbefahrnen Breite, wenigstens nicht laͤnger als den bevorstehenden Sommer uͤber dauern, und daß wir innerhalb acht Monathen wieder nach England zuruͤckkommen wuͤrden. Diese Hoffnung erhielt das Volk, waͤhrend des groͤßten Theils der Reise und des boͤsen Wetters, bey gutem Muth. Am Ende zeigte sich freylich, daß dieser Gedanke nichts mehr als ein suͤßer Traum gewesen war; allein dann troͤstete uns schon wieder die gewisse Aus- sicht, daß wir, statt dessen, auf den gluͤcklichen Inseln des heißen Erdstrichs, abermals einige Monathe zubringen wuͤrden. D d d 3 Drey- Forster’s Reise um die Welt Dreyzehntes Hauptstuͤck . Zweyte Fahrt in die suͤdlichen Breiten, von Neu-Seeland nach Easter- oder Oster-Eyland . 1773. Decem- ber. A m Morgen nach unsrer Abreise von Neu-Seeland , hatten wir Nord- Nord-Westwind, bey dem das Thermometer auf 64 Grad stieg. Die beyden folgenden Tage stand es auf 54. denn auf 48., und als wir ohnge- faͤhr unterm 49sten Grade suͤdlicher Breite waren, sank es auf 44½. Am 28sten November erblickten wir eine Menge Seehunde oder vielmehr See-Loͤwen, die eine Strecke weit vom Schiff vorbey giengen und ihren Weg nach den Kuͤsten des Landes zu nehmen schienen, welches wir so eben verlassen hatten. Von dieser Zeit an bis zum 6ten December, sahen wir große Haufen von blauen und andern Sturmvoͤgeln, nebst verschiednen Arten von Albatrossen, Skua’s oder grauen Mewen, viel Pinguins, und viel Seegras. Gedachten Tages befanden wir uns um 7 Uhr Abends, im 51sten Grade 33 Minuten suͤdlicher Breite und unterm 180sten Grade der Laͤnge; folglich gerade auf dem Punct der Antipoden von London . Hier noͤthigte die Erinnerung dort zuruͤckgelaßner haͤuslicher Gluͤckseligkeit und gesellschaftlicher Freuden, jedem Herzen, das noch vaͤterliche oder kindliche Liebe zu fuͤhlen im Stande war, eine Empfindung des Heimwehes ab! Wir waren die ersten Europaͤer, und ich darf wohl hinzusetzen die ersten menschlichen Creaturen, die auf diesen Punct gekommen, den auch nach uns vielleicht Niemand wieder besuchen wird. Zwar traͤgt man sich in England mit einer Erzaͤhlung von Sir Francis Drake ; der zufolge er, auf der andern Halbkugel, gerade uͤber den Strich weggeseegelt seyn soll, in welchem auf der disseitigen „der mittlere Bogen der alten Bruͤcke von London befindlich ist.” Das ist aber ein Irrthum, denn er lief nur laͤngst der Kuͤste von America hin, und es schreibt sich jene Sage vermuthlich davon her, weil er unter den Perioͤcis oder unter 180 Grade der Laͤnge, und unter demselben Zirkel der noͤrdlichen Breite an der Kuͤste von Californien durchgegangen ist. Je weiter wir gen Suͤden kamen, desto tiefer fiel das Thermometer. Am 10ten des Morgens, da uns der Wind entgegen blies, sank es auf 37 Grad, in den Jahren 1772 bis 1775. Mittags hatten wir den 59sten Grad suͤdlicher Breite erreicht und noch kein Eis 1773. Decem- ber. gesehen, dagegen sich vorm Jahre, (am 10ten December,) schon zwischen dem 50sten und 51sten Grade suͤdlicher Breite welches gezeigt hatte. Die Ursach dieses Unterschiedes ist schwer zu bestimmen. Der vorjaͤhrige Winter mochte vielleicht kaͤlter als der diesjaͤhrige gewesen, und aus dieser Ursach die See damals mit mehr Eis angefuͤllt seyn, als jetzt; wenigstens versicherten uns die Einwoh- ner am Cap , daß sie einen weit haͤrtern Winter gehabt haͤtten als sonst. Vielleicht hatte auch ein starker Sturm das Eis um den Suͤdpol her zertruͤmmert, und die einzelnen Stuͤcke so weit gen Norden getrieben als wir sie vorgedachtermaßen fan- den. Vielleicht hatten beyde Ursachen gleich vielen Antheil daran. Am 11ten des Nachts nahm die Kaͤlte zu. Das Thermometer stand auf 34 Grad, und um 4 Uhr des andern Morgens zeigte sich eine große Insel von Treibeis, neben welcher wir eine Stunde nachher vorbey fuhren. Ohner- achtet uns vors erste nur dies einzige Stuͤck zu Gesicht kam; so mußte doch in der Nachbarschaft mehr vorhanden seyn, denn die Luft war mit einemmal so viel kaͤl- ter geworden, daß nach Verlauf weniger Stunden, nemlich um 8 Uhr, das Thermometer bereits auf 31½ Grad gesunken war. Um Mittag befanden wir uns im 61sten Grade 46 Minuten suͤdlicher Breite. Am folgenden Morgen war das Thermometer wieder um einen halben Grad gestiegen, und wir liefen mit einem frischen Winde gen Osten, ohne uns an das dicke Schneegestoͤber zu kehren, bey dem man oft kaum zehn Schritte weit vor dem Schiff hinsehen konnte. Unser Freund Maheine hatte schon an den vorhergehenden Tagen uͤber die Schnee- und Hagelschauer große Verwundrung bezeigt, denn diese Wit- terungsarten sind in seinem Vaterlande gaͤnzlich unbekannt. “Weiße Stei- ne” die ihm in der Hand schmolzen, waren Wunder in seinen Augen, und ob wir uns gleich bemuͤheten, ihm begreiflich zu machen, daß sie durch Kaͤlte hervorgebracht wuͤrden, so glaube ich doch, daß seine Begriffe davon immer sehr dunkel geblieben seyn moͤgen. Das heutige dicke Schneegestoͤber setzte ihn in noch groͤßere Verwundrung, und nachdem er auf seine Art die Schnee- flocken lange genug betrachtet, sagte er endlich, er wolle es, bey sei- ner Zuruͤckkunst nach Tahiti , weißen Regen nennen. Das erste S t uͤck Eis, welches uns aufsties, hatte er nicht zu sehen bekommen, weil es am fruͤhen Forster’s Reise um die Welt 1773. Decem- ber. Morgen vorbey trieb, da er noch schlief. Desto groͤßer war sein Erstaunen, als er zwey Tage nachher, ohngefaͤhr unterm 65sten Grade suͤdlicher Breite, ein un- geheures Stuͤck Eis erblickte. Am folgenden Tage stießen wir auf ein großes Eisfeld, das unserm Weiterseegeln gen Suͤden ein Ende, ihm aber viel Freude machte, weil ers fuͤr Land hielt. Wir erzaͤhlten ihm, es sey nichts weniger als das, sondern es bestehe blos aus erhaͤrtetem suͤßen Wasser: Allein, da war an keine Ueberzeugung zu denken, bis wir ihn auf dem Verdeck an das offne Wasserfaß brachten, und ihm augenscheinlich zeigten, wie sich das Eis dort nach und nach ansetzte. Dennoch blieb er dabey, daß ers auf allen Fall, und, um es von anderm Lande zu unterscheiden, weißes Land nennen werde. Schon auf Neu-Seeland hatte er sich eine Anzahl duͤnner Stoͤckchen gesammlet, die er sorgfaͤltig in ein Buͤndelchen zusammen band und als ein Tagebuch gebrauchte. Jedes dieser Stoͤckchen bedeutete bey ihm eine von den Inseln, die wir seit unserer Abreise von Tahiti , entweder besucht, oder wenigstens gesehen hatten. Er konnte also jetzt schon neun bis zehn solcher Hoͤlzchen aufzeigen, und wußte sie alle bey ihren Namen, in eben der Ordnung herzunennen, als die Inseln der Reihe nach auf einander gefolgt waren. Das weiße Land oder Whennua tea-tea war das letzte. Er fragte sehr oft, wie viel andre Laͤnder wir noch auf unserm Wege nach England antreffen wuͤrden? und dafuͤr machte er ein besonde- res Buͤndelchen, welches er alle Tage eben so fleißig durchstudirte als das erstere. Die Langweiligkeit unsrer jetzigen Fahrt mogte ihn vielleicht begierig nach dem Ende machen; und die eingesalznen Speisen nebst dem kalten Wetter trugen wohl ebenfalls das ihrige dazu bey, ihm das Reisen nach gerade zu verleiden. Seine ge- woͤhnliche Beschaͤftigung bestand in Abtrennung der rothen Federn von den Tanz- Schuͤrzen, die er zu Tongatabu gekauft hatte. Er band acht oder zehn Stuͤck dersel- ben, vermittelst einiger Coco-Nußfasern, in kleine Buͤschchen zusammen. Die uͤbrige Zeit brachte er mit Spatzierengehen auf dem Verdeck zu, oder er besuchte die Officiers, oder er waͤrmte sich beym Feuer in des Capitains Cajuͤtte. Bey muͤßigen Stunden machten wir uns seine Gesellschaft zu Nutze, um in der ta- hitischen Sprache weiter zu kommen: Unter andern giengen wir das ganze Woͤrterbuch mit ihm durch, welches wir auf den Societaͤts-Inseln zusammenge- tragen hatten. Auf diese Art erlangten wir von seiner und den benachbarten Inseln in den Jahren 1772 bis 1775. Inseln manche neue Kenntniß, mit deren Huͤlfe wir bey unsrer Ruͤckkunst wegen 1773. Decem- ber. verschiedener Umstaͤnde, genauere und richtigere Nachfrage halten konnten, als zuvor. Am 15ten des Morgens erblickten wir in mehrern Gegenden Eisfelder um uns her; und waren auf gewisse Weise damit so umringt, daß wir keine Moͤg- lichkeit vor uns sahen, weiter gen Suͤden zu gehn, sondern vielmehr um wieder ins Freye zu kommen, nach Nord-Nord-Ost steuern mußten. Der Nebel, der sich am Morgen schon gezeigt hatte, ward gegen Mittag immer dicker, dergestalt daß wir von der Menge der Eis-Felsen, die auf allen Seiten um uns her schwam- men, die groͤßte Gefahr zu besorgen hatten. Um 1 Uhr, da die Leute eben Mit- tag hielten, wurden wir durch den ploͤtzlichen Anblick einer großen Eis-Insel, die dicht vor uns lag, in großen Schrecken gesetzt. Es war ganz unmoͤglich, das Schiff mit oder gegen den Wind herumzudrehen; das einzige, was uns zu thun uͤbrig blieb, war dieses, so dicht als moͤglich am Winde hin zu laufen, und zu ver- suchen, ob auf die Weise der Gefahr auszuweichen sey. Man kann den- ken, in welcher fuͤrchterlichen Ungewißheit wir die wenigen Minuten zubrachten, ehe sich unser Schicksal entschied, und in der That es war ein bewunderns- wuͤrdiges Gluͤck, daß wir ohne Schaden davon kamen, denn die Eismasse blieb im Vorbeyfahren kaum eine Schiffslaͤnge weit von uns entfernt. Dergleichen und andern aͤhnlichen Gefahren, sahen wir uns auf diesem unbeschifften Ocean alle Au- genblick ausgesetzt, doch waren die Leute bey weiten nicht so verlegen daruͤber als man haͤtte vermuthen koͤnnen. Wie im Treffen der Tod seine Schre- cken verliert, so seegelten auch wir, oft nur eine Handbreit, neben immer neuen Gefahren, ganz unbekuͤmmert dahin, als ob Wind und Wellen und Eis- Felsen nicht vermoͤgend waͤren, uns Schaden zu thun. Die Eisstuͤcken hatten diesmal wieder eben so verschiedne Formen, als jene, welche wir auf unserer vorjaͤhrigen Fahrt, vom Vorgebuͤrge der guten Hoffnung nach Suͤden herab, ge- sehen hatten. Wir konnten uns wechselsweise Pyramiden, Obelisken, Kirch- thuͤrme und Ruinen dabey vorstellen, und fanden mehrere Stuͤcken darunter, die dem Eisblock, den wir im Jahr 1772. mit dem ersten Eise erblickt hatten, Forsters Reise u. d. W erster Th. E e e Forster’s Reise um die Welt 1773. Decem- ber. weder an Hoͤhe noch an Ausdehnung etwas nachgaben, zum Theil auch oberhalb eben so platt waren. Die Menge von Voͤgeln, die wir bisher angetroffen, wuͤrde vielleicht jeden andern Reisenden verleitet haben, in der Naͤhe Land zu vermuthen. Wir aber waren schon zu sehr daran gewoͤhnt, sie in offner See um uns zu sehen, als daß wir sie noch ferner fuͤr dergleichen guͤnstige Vorbothen haͤtten gelten las- sen sollen. Große Zuͤge von blauen Sturmvoͤgeln und Pintaden, eine Menge Albatrosse, mit unter auch einzelne Skuas hatten uns taͤglich begleitet; und als wir uns dem Eise naͤherten, gesellten sich noch Schnee und antarctische Sturmvoͤgel, imgleichen Malmucken dazu ( Fulmars ) Pinguins aber, Seegras und Seehunde hatten sich seit dem 10ten nicht mehr sehen lassen. Das Wetter war außerordentlich naß und dabey empfindlich kalt. Den Tau- ben, die wir zum Theil auf den Societaͤts- und freundschaftlichen Inseln eingekauft hatten, wollte es gar nicht bekommen, und den Singvoͤgeln, die auf Neu-Seeland mit großer Muͤhe waren gefangen worden, behagte es eben so we- nig. Mein Vater und ich, hatten fuͤnf Tauben von dort mitgenommen; sie starben aber, vor dem 16ten December, eine nach der andern, weil es in unsern Ca- juͤtten ungemein kalt und selbst in dem Schlafraum der Matrofen waͤrmer war denn bey uns. Das Thermometer stand in unsern beyden Cajuͤtten nie mehr denn 5 Grad hoͤher als in freyer Luft, und da sie zum Ungluͤck gerade vor dem Hauptmast gelegen waren, woselbst das Schiff am staͤrksten arbeitet, so hatten wir nicht nur bestaͤndigen Windzug auszustehen, sondern mußten uns auch bey regnigten oder stuͤrmischen Wetter gefallen lassen, daß uͤberall Wasser herein drang. Am 16ten Nachmittages und auch am 17ten wurden die Boote ausge- setzt, um lose Eisstuͤcken, zur Anfuͤllung unsrer Wasserfaͤsser, einzunehmen. Das Eis war alt, schwammigt und mit Salzwasser-Theilchen durchdrungen, weil es schon lange Zeit und thauend in der See herumgeschwommen; doch ließ sich das Wasser davon noch wohl trinken, wenn die Stuͤcke eine Weile auf dem Ver- deck liegen blieben, damit das Salzwasser abtroͤpfeln konnte. Vom 17ten bis zum 20sten, sahen wir keine Voͤgel um uns. Sie waren mit einemmale wie ver- schwunden, ohne daß wir irgend eine Ursach davon anzugeben wußten. An letzt- gedachtem Tage aber zeigten sich wieder einige Albatrosse. in den Jahren 1772 bis 1775. Da wir waͤhrend dieser Zeit neben dem Eis-Felde, welches uns im We- 1773. Decem- ber. gewesen, ganz vorbey waren; so steuerten wir nun, wie vorher, wiederum gerade gen Suͤden; denn darauf gieng die Haupt-Absicht unsrer Reise. Am 20sten Nachmittags kamen wir zum zweytenmale durch den Antarctischen Zirkel. Das Wetter war naß und nebligt; — Eisinseln haͤufig um uns her; — der Wind sehr frisch. Eine Menge antarctischer Sturmvoͤgel, und ein Wallfisch der ohnweit dem Schiffe das Wasser aufspruͤzte, schienen uns beym Eintritt in den kalten Erdstrich gleichsam zu bewillkommen. Zu Nachts erblickten wir zwey See- hunde; deren sich seit vierzehn Tagen keine hatten sehen lassen. Einige unsrer Mitreisenden muthmaßeten hieraus, daß wir Land antreffen wuͤrden. Allein diese Hofnung ward bald wieder vernichtet, indem wir nach wenig Tagen, innerhalb des antarctischen Zirkels bis auf 67 Grad 12 Minuten suͤdlicher Breite ge- langten, ohne etwas anders als Eis wahrzunehmen. Am 23sten Nachmittages waren wir mit Eis-Inseln umgeben und die See war fast uͤber und uͤber mit kleinen Eis-Stuͤcken bedeckt. Wir legten also bey; ließen die Boote in See setzen, und Eisschollen an Bord bringen. Die Voͤgel waren jezt sehr haͤufig um uns her; die Officiers schossen auch von den Booten aus etliche antarctische Sturmvoͤgel, welches uns Gelegenheit verschafte, Zeichnungen und Beschreibungen davon zu machen. Um diese Zeit klagten viele von uns uͤber rhevmatische Beschwerden, Kopfweh, geschwollne Druͤ- sen, und Schnupsen-Fieber , lauter Zufaͤlle, die dem aus Eis aufgethauten Trinkwas- ser zugeschrieben wurden. Mein Vater hatte sich seit einigen Tagen, einer Verkaͤl- tung wegen, nicht wohl befunden, die heute in einen starken Rhevmatismus ausge- schlagen und mit einem Fieber begleitet war, welches ihn bettlaͤgerig machte. Bey- des schien dadurch veranlaßt zu seyn daß er sich, aus Mangel einer bessern Einrich- tung, in einer so elenden Cajuͤtte behelfen mußte, wo, der bestaͤndigen Naͤsse we- gen, alles schimmelte und verfaulte. Die Kaͤlte war vornemlich heute so em- pfindlich, daß er zwischen dem Thermometer in seiner Cajuͤte und dem auf dem Verdeck nur zwey und einen halben Grad Unterschied fand. Sobald wir die Boote wieder eingenommen hatten, segelten wir diese Nacht und den folgenden Tag uͤber nordwaͤrts, so weit der wiedrige Wind es gestatten wollte. Am 25sten war das Wetter hell und schoͤn, der Wind verlohr sich in E e e 2 Forster’s Reise um die Welt 1773. Decem- ber. eine voͤllige Windstille und mehr als neunzig große Eis-Inseln sahen wir Mit- tags um uns her. Da es Christ-Tag war, so bath der Capitain, dem Her- kommen gemaͤs, alle Officiers zum Mittags-Essen; und einer von den Lieute- nants bewirthete die Unter-Officiers. Die Matrosen hatten eine doppelte Por- tion Pudding und thaten sich mit ihrem Brandtwein guͤtlich, den sie, aus großer Vorsorge, heute ja recht voll zu werden, schon ganze Monathe lang zu- sammen gespart hatten. Das ist auch in der That das einzige, wofuͤr sie sorgen, alles uͤbrige kuͤmmert sie wenig oder gar nicht. Der Anblick so vieler Eis-Maßen, zwischen welchen wir lediglich durch den Strom fortgetrieben wurden, und stets Gefahr liefen, daran zu scheitern, war nicht vermoͤgend sie von ihrer Lieblings-Neigung abzuhalten. Sie versicher- ten, daß so lange der Brandtwein noch waͤhrete, sie auch den Christtag als Chri- sten feyern wollten, wenn sich gleich alle Elemente gegen sie verschworen haͤt- ten. Ihre Gewohnheit ans Seeleben hatte sie laͤngst gegen alle Gefahren, schwere Arbeit, rauhes Wetter und andre Widerwaͤrtigkeiten abgehaͤrtet, ih- re Muskeln steif, ihre Nerven stumpf, kurz ihre Gemuͤthsart ganz unempfind- lich gemacht. Da sie fuͤr ihre eigne Erhaltung keine große Sorge tragen, so ist leicht zu erachten, daß sie fuͤr andre noch weniger Gefuͤhl haben. Stren- gem Befehl unterworfen, uͤben sie auch tyrannische Herrschaft uͤber diejenigen aus, die das Ungluͤck haben in ihre Gewalt zu gerathen. Gewohnt ihren Fein- den unter die Augen zu treten, ist Krieg ihr Wunsch. Die Gewohnheit um- zubringen und zu morden ist Leidenschaft bey ihnen geworden, wovon wir leyder nur zu viele Beweise auf dieser Reise haben sehen muͤssen, indem sie bey jeder Gelegenheit die unbaͤndigste Begierde zeigten, um der geringsten Veranlassung willen sogleich auf die Indianer zu feuern. Ihre Lebensart entfernet sie von dem Genuß der stillen haͤuslichen Freuden und da treten dann grobe viehische Be- gierden an die Stelle besserer Empfindungen. At last, extinct each social feeling, fell And joyless inhumanity pervades And petrifies the heart. — Thompson . in den Jahren 1772 bis 1775. Ohnerachtet sie Mitglieder gesitteter Nationen sind, so machen sie doch gleich- 1773. Decem- ber. sam eine besondere Classe von Menschen aus, die ohne Gefuͤhl, voll Leiden- schaft, rachsuͤchtig, zugleich aber auch tapfer, aufrichtig und treu gegen ein- ander sind. Um Mittag ward die Sonnenhoͤhe genommen, da sich denn zeigte, daß wir in 66 Grad 22 Minuten suͤdlicher Breite, mithin so eben uͤber den antarcti- schen Zirkel wieder zuruͤckgegangen waren. Waͤhrend unsers Aufenthalts innerhalb desselben hatten wir fast gar keine Nacht, und ich finde in meines Vaters Jour- nal viele Stellen, die wenig Minuten vor Mitternacht, bey Sonnenschein, ge- schrieben sind. Auch heute Nacht war die Sonne so kurze Zeit unter dem Ho- rizont, daß wir immer eine helle Daͤmmerung behielten. Maheine erstaunte uͤber dies Phaͤnomenon und wollte kaum seinen Augen trauen. Alle Bemuͤhun- gen ihm die Sache zu erklaͤren, waren umsonst; und er versicherte uns, er duͤrfe nicht hoffen bey seinen Landsleuten Glauben zu findn , wenn er ihnen bey seiner Zu- ruͤckkunft die Wunder des „versteinerten Regens, und des bestaͤndigen Tages“ erzaͤhlen werde. Die ersten Venetianer welche die noͤrdlichen Spitzen von Eu- ropa umschifften, waren eben so erstaunt daruͤber, die Sonne bestaͤndig am Hori- zont zu sehen. “Wir konnten, sagen sie, Tag und Nacht nicht anders als an dem Instinct der Seevoͤgel unterscheiden, die ohngefaͤhr auf vier Stunden, zur Ruhe ans Land zu gehen pflegten.” Pietro Qvirino reißte dahin im April 1431. Er litte Schiffbruch auf der Insel Roͤst oder Ruͤsten unterm Polar-Zirkel an der Kuͤste von Norwegen . Raccolta di Ramusio . Venezia , 1574. Vol. II. p. 204-210. Da aber allem Ansehen nach, in dieser Gegend weit und breit kein Land vorhanden war, so konnten wir die Richtig- keit dieser Bemerkung nicht untersuchen, wir haben vielmehr oftmals noch des Nachts um 11 Uhr, ja die ganze Nacht hindurch, viel Voͤgel im Fluge um das Schiff gehabt. Um 6 Uhr des Morgens zaͤhlten wir ein hundert und fuͤnf große Eis- Maßen um uns her. Das Wetter blieb sehr klar, schoͤn und still. Am Mittag des folgenden Tages befanden wir uns noch in eben der Lage, nur daß unsre Leute toll und voll waren und daß wir oben vom Mast 168 Eis-Inseln sehen E e e 3 Forster’s Reise um die Welt 1773. Decem- ber. konnten, darunter manche eine halbe Meile lang und keine von geringern Umfange war als das Schiff. Dies stellte einen großen und fuͤrchterlichen Anblick dar. Es schien, als ob wir die Truͤmmern einer zerstoͤhrten Welt, oder, nach den Beschrei- bungen der Dichter gewisse Gegenden der Hoͤlle vor uns saͤhen, eine Aehnlich- keit die uns um so mehr auffiel, weil von allen Seiten ein unablaͤßiges Fluchen und Schwoͤren um uns her toͤnte. Nachmittags erhob sich ein schwacher Wind, mit dessen Huͤlfe wir lang- sam nach Norden vorruͤckten. Die Eis-Inseln verminderten sich in eben der Maaße, als wir uns vom Antarctischen Zirkel entfernten. Des folgenden Mor- gens um 4 Uhr wurden die Boote ausgesetzt um frisches Eis einzunehmen. Kaum waren sie damit fertig, so aͤnderte sich der Wind und brachte aus Nord-Ost Schnee und Hagel mit. Mein Vater und zwoͤlf andre Personen klagten wiederum uͤber rhevmatische Schmerzen und mußten das Bette huͤten. Vom Scorbut aͤußerten sich zwar noch keine gefaͤhrliche Anzei- gen, doch mußten ich und alle diejenigen, welche im geringsten damit behaftet zu seyn schienen, zweymal des Tages viel frische und warme Bier-Wuͤrze trinken, und der eingesalzuen Speisen uns so viel moͤglich enthalten. Wenn aber gleich keine foͤrmliche Krankheit unter uns herrschte, so hatten wir doch alle ohne Un- terschied ein sieches, ausgemergeltes Ansehen, das schlimme Folgen anzukuͤndi- gen schien. Capitain Cook selbst war blas und mager, verlohr den Appetit und litt an einer hartnaͤckigen Verstopfung. 1774. Januar. Wir steuerten nunmehro nach Norden, so weit und so geschind die Winde es zulassen wollten; und am 1sten Januar 1774. unterm 59 Grade 7 Minu- ten suͤdlicher Breite verlohren wir das Eis gaͤnzlich aus dem Gesicht. Am 4ten blies ein stuͤrmischer Wind von Westen und noͤthigte uns alle Seegel doppelt aufzu- reffen oder halb einzunehmen. Die Wellen giengen sehr hoch und warfen das Schiff ganz gewaltig von einer Seite zur andern. Dies unangenehme Wetter dauerte bis zum 6ten Mittags, da wir den 51 Grad suͤdlicher Breite erreichten und mit dem guͤnstigsten Winde nach Nord-Nord-Osten liefen. Wir waren jezt nur wenig Grade von dem Strich, den wir im verwichnen Junius und Julius, auf der Fahrt von Neu-Seeland nach Tahiti gehalten hatten; auch steuerten wir ausdruͤcklich wieder nach dieser Gegend hin, um keinen ansehnlichen Theil in den Jahren 1772 bis 1775. dieses großen Oceans ohnuntersucht zu lassen. So weit wir bis jetzt gekommen 1774. Januar. waren, hatten wir nirgends Land, auch nicht einmal Anzeigen davon gesehen. Auf unserm ersten Zuge hatten wir die Suͤd-See in den mittlern Breiten, oder zwischen 40 und 50 Grad, durchkreuzt. Auf der diesmaligen Fahrt hatten wir, bis Weyhnachten, den groͤßten Theil derselben zwischen 60 Grad und dem an- tarctischen Zirkel untersucht; und von Weyhnachten bis jetzt hatten wir, auf dem Lauf gen Norden, den Zwischenraum zwischen den beyden vorigen Zuͤgen durchsee- gelt. Haben wir also Land verfehlt, so muß es ein Eyland seyn, das seiner Entfernung von Europa und seines rauhen Clima wegen, fuͤr England von kei- ner Wichtigkeit seyn kann. Es faͤllt einem Jeden in die Augen, daß, um eine so weitlaͤuftige See, als die Suͤd-See ist, wegen des Daseyns oder Nicht Daseyns einer kleinen Insel zu untersuchen, viele Reisen in unendlichen Strichen erforderlich seyn wuͤrden, welches von einem Schiffe und auf einer Expedition nicht zu erwarten steht. Fuͤr uns ists genug, erwiesen zu haben, daß, unter dem gemaͤßigten Himmelsstrich in der Suͤd-See , kein großes festes Land anzutreffen sey, und wenn dergleichen uͤberhaupt vorhanden seyn sollte, daß es “innerhalb des antarctischen Zirkels” liegen muͤsse. Unser langer Aufenthalt in diesen kaltem Himmelsstrich, fieng nunmehro an, den Leuten sehr hart zu fallen; denn die Hoffnung, dies Jahr noch nach Haus zu kommen, womit sie sich bisher aufgerichtet hatten, war nun ganz da- hin. Anfaͤnglich sahe man dieserhalb auf jedem Gesicht stumme Verzweiflung ausgedruͤckt, denn wir mußten nun befuͤrchten, daß es im naͤchsten Jahr wiederum nach Suͤden gehen wuͤrde. Nach und nach aber fanden sich die Leute in ihr Schicksal und ertrugen es mit finsterer Gleichguͤltigkeit. Es war aber auch in der That sehr niederschlagend, daß wir in Absicht unsrer kuͤnftigen Bestimmung in bestaͤndiger Unwissenheit gehalten wurden, indem, ohne sichtbare Ursach, gegen Jeden von uns ein Geheimniß daraus gemacht ward. Einige Tage lang steuerten wir gerade nach Nord-Ost; am 11ten die- ses Monats aber, da wir 47 Grad 52 Minuten suͤdlicher Breite erreichten, wo das Thermometer auf 52 Grad stieg, aͤnderten wir um Mittag unsern bisherigen Lauf, und fiengen wieder an, nach Suͤd-Osten zu gehen. Wie nachtheilig eine Forster’s Reise um die Welt 1774. Januar. so oͤftere und schleunige Veraͤnderung des Clima der Gesundheit seyn mußte, brauche ich wohl kaum zu sagen. Am 15ten ward der Wind staͤrker und verwandelte sich bald darauf in einen heftigen Sturm which took the ruffian billows by the top Curling their monstruous heads and hanging them With deafning clamours in the slippery shrouds. Shakespear . Waͤhrend desselben schlug, des Abends um 9 Uhr eine berghohe Welle mit- ten uͤbers Schiff und fuͤllte die Verdecke mit einer Suͤndfluth von Wasser. Es stuͤrzte durch alle Oeffnungen uͤber uns herein, loͤschte die Lichter aus und ließ uns einige Augenblicke lang ungewiß, ob wir nicht, ganz uͤberschwemmt, schon zu Grunde giengen. In meines Vaters Cajuͤtte floß alles; sogar sein Bette war durchaus naß; unter solchen Umstaͤnden mußte der Rhevmatismus frey- lich heftiger werden, an dem er seit vierzehn Tagen die groͤßten Schmerzen ausstand, so daß er kein Glied am Leibe ruͤhren konnte. Unsre Lage war nun- mehro in der That hoͤchst elend, selbst fuͤr diejenigen die noch gesund waren, und den Kranken, die an ihren gelaͤhmten Gliedern bestaͤndige Schmerzen litten, war sie im eigentlichsten Verstande unertraͤglich. Der Ocean um uns her war wuͤtend, und schien uͤber die Keckheit einer Hand voll Menschen, die es mit ihm aufnahmen, ganz erboßt zu seyn. Finstre Melancholie zeigte sich auf der Stirn unsrer Rei- segefaͤhrten, und im ganzen Schiff herrschte eine fuͤrchterliche Stille. Die ein- gesalznen Speisen, unsre taͤgliche Kost, waren uns allen, sogar denen zum Ekel geworden, die von Kindheit an zur See gefahren. Die Stunde des Essens war uns verhaßt, denn der Geruch der Speisen, kam uns nicht sobald unter die Nase, als wirs schon unmoͤglich fanden, mit einigen Appetit davon zu genuͤssen. Dies alles beweiset wohl genugsam, daß diese Reise mit keiner von den vorher- gehenden zu vergleichen sey. Wir hatten mit einer Menge von Muͤhseligkeiten und Gefahren zu kaͤmpfen, die unsern Vorgaͤngern in der Suͤdsee unbekannt ge- blieben waren, weil sie sich mehrentheils nur innerhalb der Wendezirkel, oder doch wenigstens in den besten Gegenden des gemaͤßigten Himmelsstrichs gehalten hatten. in den Jahren 1772 bis 1775. hatten. Dort fanden sie immer gelindes Wetter; blieben fast immer im Ge- 1774. Januar. sicht des Landes, und dieses war selten so armselig und unfruchtbar, daß es ih- nen nicht von Zeit zu Zeit einige Erfrischung gegeben haben sollte. Solch eine Reise waͤre fuͤr uns eine Lustreise gewesen; bey der bestaͤndigen Unterhaltung mit neuen und groͤßtentheils angenehmen Gegenstaͤnden, wuͤrden wir gutes Muths, aufgeweckt und gesund, mit einem Wort, gluͤcklich und froͤhlich gewe- sen seyn. Aber von alle dem, war unsre Reise gerade das Gegentheil. Die Fahrt gegen Suͤden war ein ewiges und im hoͤchsten Grade langweiliges Einer- ley. Eis, Nebel, Stuͤrme, und eine ungestuͤme See, machten finstere Scenen, die selten genug durch einen voruͤbergehenden Sonnenblick erheitert wurden. Das Clima war kalt, und unsere Nahrungsmittel beynahe verdorben und ekelhaft. Kurz, wir lebten nur ein Pflanzen-Leben, verwelkten, und wurden gegen alles gleichguͤltig, was sonst den Geist zu ermuntern pflegt. Unsre Gesundheit, unser Gefuͤhl, unsre Freuden opferten wir der leidigen Ehre auf, einen unbeseegelten Strich durchkreuzt zu haben! Das war im eigentlichen Verstande: — Propter vitam vivendi perdere causas. Iuvenal . Die gemeinen Matrosen waren eben so uͤbel daran als die Officiers; aber aus einer andern Ursach. Ihr Zwieback, der auf Neu-Seeland von neuem gebacken und denn wieder eingepackt worden, war jetzt fast eben so elend als zuvor. Bey der Musterung, welche man dort damit vorgenommen hatte, war aus allzu großer Sparsamkeit nicht strenge genug verfahren, und daher manches verdorbene Stuͤck unter dem Eßbaren beybehalten worden; theils lag es an den Faͤssern, die nicht genugsam durchraͤuchert und ausgetrock- net waren. Von diesen halb verdorbnen Brod bekamen die Leute, aus oͤconomi- schen Ursachen, nur zwey Drittel der gewoͤhnlichen Portion; da aber eine volle Portion, selbst wenn sie ganz eßbar ist, ihren Mann kaum saͤttigt, so war der verminderte Theil verdorbenen Brods natuͤrlicherweise noch weit weniger hinrei- chend. Dennoch blieben sie in dieser elenden Lage bis auf diesen Tag, da der erste Forster’s Reise u. d. W. erster Th. F f f Forster’s Reise um die Welt 1774. Januar. Unterofficier ( Mate ) zum Capitain kam und bitterlich klagte, daß er so wenig als seine Leute den Hunger stillen koͤnnten; wobey er zugleich ein Stuͤck von dem verfaulten und stinkenden Zwieback vorzeigte. Auf diese Klage bekamen die Leute endlich ihre volle Portion. Der Capitain besserte sich, so wie wir suͤdlich giengen; die rhevmatischen Kranken aber blieben alle so schlecht als zuvor. Am 20sten dieses, trafen wir auf diesen Strich unterm 62sten Grade 30 Mi- nuten suͤdlicher Breite die ersten Eis-Inseln an, doch nahm ihre Anzahl nicht zu, als wir weiter nach Suͤden kamen. Wir giengen also immer weiter und gelangten am 26sten abermals innerhalb des antarctischen Zirkels, wo wir nur einige wenige Eis- stuͤcken sahen. An eben diesem Tage glaubten wir in der Ferne, Berge zu entde- cken; nach Verlauf einiger Stunden aber fanden wir, daß es Wolken waren, die nach und nach verschwanden. Am folgenden Tage um Mittag waren wir unter 67 Grad 52 Minuten suͤdlicher Breite; folglich dem Pole naͤher als wir je gewesen, und trafen gleichwohl noch kein Eis, das uns weiter zu gehen ge- hindert haͤtte. Die blauen und kleinen Sturmvoͤgel, imgleichen die Pintade begleiteten uns noch immer; die Albatrosse aber hatten uns seit einiger Zeit verlassen. Wir waren nun abermals ohne Nacht und hatten Sonnenschein um Mitternacht. Am 28sten Nachmittags kamen wir neben einen großen Bette gebroch- nen Eises vorbey. Die Boote wurden also ausgesetzt, und eine große Menge Eisschollen aufgedieht, um unsern Vorrath von Trinkwasser damit zu ergaͤnzen. Um Mitternacht war das Thermometer nicht tiefer als 34 Grad, und am fol- genden Morgen hatten wir den angenehmsten Sonnenschein, den wir je in die- sen kalten Erdstrich angetroffen. Mein Vater wagte sich also nach vierwoͤ- chentlicher Bettlaͤgerigkeit zum erstenmale aufs Verdeck. Wir machten uns jetzt Hoffnung eben so weit gegen Suͤden zu kommen, als andre Seefahrer gegen den Nordpol gewesen; am 30sten aber um 7 Uhr Morgens entdeckten wir ein festes Eisfeld von unabsehlicher Groͤße, das von Ost zu West vor uns lag, und verschiedne Fus uͤber die See empor zu ragen schien. Auf der Flaͤche desselben lag, so weit das Auge nur reichen wollte, eine Menge ho- her Eismassen unregelmaͤßig aufgethuͤrmt, und vor demselben her trieb eine Bank von Brucheis in der See herum. Unsre Breite war damals 71 Grad in den Jahren 1772 bis 1775. 10 Minuten suͤdlich, und wir waren also nicht voͤllig 19 Grad mehr vom Pol ent- 1774. Januar. fernt. Da es aber unmoͤglich war weiter vorzudringen; so kehrten wir um, wohlzufrieden mit unsrer gefaͤhrlichen Expedition und voͤllig uͤberzeugt, daß sich kein Seemann die Muͤhe geben werde weiter zu gehen. Unsre Laͤnge war da- mals ohngefaͤhr 106 Grad 54′ westlich. Das Thermometer stand hier 32 und eine Menge Pinguins ließen sich mit ihrem koaxenden Geschrey hoͤren, ob wir sie gleich des einfallenden Nebels wegen, nicht ansichtig werden konnten. So oft wir bis jetzt noch gegen Suͤden gekommen waren, eben so oft hat- ten wir auch nie Land angetroffen, sondern waren allemal bald fruͤher, bald spaͤter durch festruhende, unabsehliche Eis-Baͤnke in unserm Laufe aufge- halten worden. Zugleich hatten wir den Wind immer maͤßig, und in den hoͤhern Breiten, gemeiniglich oͤstlich gefunden, eben so als er in den hoͤhern noͤrdlichen Breiten seyn soll. Aus diesen Umstaͤnden schließt mein Vater, daß der ganze Suͤdpol bis auf 20 Grad, mehr oder weniger, mit festem Eise be- deckt ist, und daß nur die aͤußersten Enden oder Spitzen davon jaͤhrlich durch Stuͤrme abgebrochen, durch die Sonne geschmolzen und im Winter wieder ersetzt werden. ——— Stat glacies iners Menses per omnes —— Horat. Diese Meynung hat um so vielmehr Wahrscheinlichkeit vor sich, als einer Seits, zur Hervorbringung des Eises nicht nothwendigerweise Land erforderlich, und andrer Seits auch nur wenig Ursach vorhanden ist zu glauben, daß in diesem Erdstrich einiges Land von betraͤchtlicher Groͤße zu finden seyn sollte. Von diesem Eisfelde aus, liefen wir bis zum 5ten Februar mit gelinden Winde nordwaͤrts; gedachten Tages aber bekamen wir, nach einer kurzen Windstille, einen frischern Wind. Am 6ten setzte er sich um in Suͤd-Ost, und ward des Nachts so heftig, daß etliche Seegel dabey in Stuͤcken giengen. Da er uns aber, um noͤrdlich zu gehen, sehr erwuͤnscht war, so kuͤmmerten wir uns nicht um seine Heftigkeit. Er fuͤhrte uns auch so schnell fort, daß wir in F f f 2 Forster’s Reise um die Welt 1774. Februar. den naͤchsten vier und zwanzig Stunden drey ganze Grade der Breite zuruͤck- legten. Dieser guͤnstige Wind hielt bis zum 12ten an und hatte uns in dieser Zeit bis unter 50 Grad 15 Minuten suͤdlicher Breite fortgebracht. Das Thermometer stand nun schon wieder auf 48 Grad. Nunmehro eroͤfnete man uns endlich, daß wir den herannahenden Winter, so wie den vorigen, unter den tropi- schen Inseln des stillen Meers zubringen sollten. Die Aussicht neuer Entde- ckungen und guter Erforschungen, die wir dort hoffen konnten, belebte unsern Muth von neuen und wir waren sogar ganz wohl damit zufrieden, daß wir noch ferner an der Westseite des Cap Horn verbleiben sollten. Des waͤrmern Clima ohnerachtet litten doch viele von unsrer Leuten noch immer von rhevmatischen Schmerzen, und waren zum Theil nicht im Stande sich zu ruͤhren. Ihre gaͤnzliche Entkraͤftung schien allein Schuld daran zu seyn, daß nicht vollends gar schleichende Fieber dazu kamen. Das Sauerkraut hatte zwar den Ausbruch des Scorbuts im kalten Wetter gehindert, allein blos fuͤr sich ist es doch nur eine vegetabilische Speise und nicht nahrhaft genug um davon, ohne Zwieback und Poͤckelfleifch , leben zu koͤnnen. Ersterer aber war verfault und letzteres vom Salze fast verzehrt. Bey solchen Nah- rungsmitteln konnten sich die Kranken nicht anders als sehr langsam erholen, denn sie hatten nichts zu ihrer Staͤrkung. Mein Vater, welcher auf die- sem suͤdlichen Zuge groͤßtentheils schmerzhaft krank gewesen war, hatte nun Zahnweh, geschwollne Backen und Hals, und empfand bis Mitten im Fe- bruar am ganzen Leibe Schmerzen. Einem Schatten aͤhnlich fieng er nunmehro wieder an auf dem Verdeck herumzuschleichen. Aber in eben der Masse, als das warme Wetter ihm heilsam war, ward es der Gesundheit des Capitains nach- theilig. Seine Gallen Krankheit war zwar waͤhrend unsers letzten Zuges gegen Suͤden verschwunden, er hatte aber nie wieder zu Appetit kommen koͤnnen. Jezt bekam er wieder eine gefaͤhrliche Verstopfung, die er zum Ungluͤck anfangs nicht achtete, noch Jemanden im Schiff entdeckte, sondern vielmehr fuͤr sich allein durch Hunger abzuhelfen suchte. Hiedurch aber verschlimmerte er nur das Uebel, denn sein Magen war so schon schwach genug. Es stellten sich also bald gewaltige Schmerzen ein, die ihn in wenig Tagen bettlaͤgerig mach- ten, und Huͤlfe bey dem Arzte zu fuchen noͤthigten. Man gab ihn ein Abfuͤh- in den Jahren 1772 bis 1775. rungsmittel; allein statt des gewoͤhnlichen Effects verursachte dasselbe ein heftiges 1774. Januar. Erbrechen, welches der Arzt sogleich durch Brechmittel noch mehr befoͤrderte. Aber alle Versuche, auf eine andre Art Oefnung zu verschaffen waren umsonst. Speise und Arzeneyen giengen durch Brechen wieder fort, und nach ein Paar Ta- gen zeigte sich ein fuͤrchterliches Aufstoßen, welches ganzer vier und zwanzig Stunden so stark anhielt, daß man an seinem Leben verzweifelte. Endlich tha- ten warme Baͤder, und Magen-Pflaster von Theriac, was Opiate und Clystiere nicht vermogt hatten. Sie erweichten nemlich den Koͤrper und hoben allmaͤh- lig die Verstopfung, nachdem er eine ganze Woche lang in groͤßter Ge- fahr des Lebens gewesen war. Unser Bedienter ward zugleich mit dem Capi- tain krank. Er hatte eben dieselbe Krankheit und kam zwar mit genauer Noth davon, blieb aber fast immer schwach und die ganze Zeit unsers Aufenhalts zwi- schen den Wende-Zirkeln, zum Dienst unfaͤhig. Mitlerweile giengen wir sehr schnell nordwaͤrts; so daß wir am 22sten 36 Grad 10 Minuten suͤdlicher Breite erreichten. Hier verließen uns die Al- batrosse. Da wir ohngefehr 94½ Grad westlicher Laͤnge von Greenwich er- reicht hatten, so lenkten wir unsern Lauf nunmehro gen Suͤdwesten, um eine ver- meynte Entdeckung des Juan Fernandez aufzusuchen, die, nach dem Be- richt von Juan Luiz Arias , unterm 40 Grad suͤdlicher Breite gelegen seyn soll und auf Herrn Dalrymples Charte 90 Grad westlicher Laͤnge von London verzeichnet ist. S. Dalrymple’s historical Collection Vol. I. pag. 53. imgleichen die Charte. Bis zum 23sten Mittags fuhren wir fort westwaͤrts zu steu- ern und waren nunmehro bis auf 37 Grad 50 Minuten suͤdlicher Breite und ohngefaͤhr 101 Grad westlicher Laͤnge gekommen; da wir aber demohnerachtet nirgends Land erblickten, so wandten wir uns etwas mehr nach Norden. Waͤre der Capitain um diese Zeit nicht so gefaͤhrlich krank gewesen; so waͤren wir viel- leicht noch weiter gen Suͤdwesten gegangen und haͤtten die Sache voͤllig außer Zweifel gesetzt; allein jetzt war es aͤußerst nothwendig nach einem Erfrischungs- Platz zu eilen, denn das war das einzige Mittel, wodurch er beym Leben erhal- ten werden konnte. F f f 3 Forster’s Reise um die Welt 1774. Januar. Am 26sten befand sich Capitain Cook auf die verordneten Arzeneymit- tel etwas besser, und waͤhrend der drey folgenden Tage erholte er sich so weit, daß er bisweilen aufsitzen und etwas Suppe zu sich nehmen konnte. Naͤchst der Vorsehung war er seine Genesung hauptsaͤchlich der Geschicklichkeit unsers Wundarztes Herrn Pattoes schuldig und diesem hat man es zu verdanken, daß der noch uͤbrige Theil unserer Reise dem urspruͤnglichen Plan gemaͤß, mit eben so viel Genauigkeit und Eifer wie bisher konnte fortgesetzt und ausgefuͤhret werden, denn alle Hofnungen kuͤnftiger Entdeckungen und fortdauernder Einigkeit im Schiff beruhete lediglich auf des Capitains Erhaltung. Die Sorgfalt, womit dieser wuͤrdige Mann den Capitain waͤhrend der ganzen Krankheit behandelte, kann nicht genug gepriesen werden. Aber eben diese unermuͤdete Sorgfalt haͤtte dem guten Arzte selbst beynahe das Leben gekostet. Da er viele Naͤchte hintereinander gar nicht geschlafen, auch bey Tage selten gewagt hatte eine Stunde zu ruhen, so war er dermaßen erschoͤpft, als daß uns fuͤr sein Leben bange ward, als wovon doch das Leben fast aller und jeder im Schiffe abhieng. Er bekam eine Gallen- Krankheit, die wegen der Schwaͤche seines Magens Gefahr besorgen ließ und es ist sehr wahrscheinlich, daß wenn wir nicht bald Land erreicht und daselbst einige Erfrischungen bekommen haͤtten, er ein Opfer der Beharrlichkeit und Puͤnktlich- keit in seinen Pflichten gewesen seyn wuͤrde. Seit dem 22sten Februar hatten wir oͤstliche Winde, die vermuthlich durch den Stand der Sonne veranlaßt wurden, als welche noch immer im suͤd- lichen Hemisphaͤrio war. Nunmehro befanden wir uns wieder in einem besse- ren Clima, denn das Thermometer stand schon auf 70 Grad; Von Zeit zu Zeit ließen sich graue Meerschwalben sehen, die nach unsers Freundes Maheine Aussage nie weit vom Lande gehen sollen. Am 1sten Maͤrz sahen wir etliche Boniten schnell beym Schiffe voruͤber schwimmen und am folgenden Tage, da wir 30 Grad suͤdliche Breite hatten, erblickten wir auch wieder tropische Voͤgel. Um diese Zeit fieng der Scorbut an, im Schiffe uͤberhaupt und vor- zuͤglich bey mir uͤberhand zu nehmen. Ich hatte empfindliche Schmerzen, blaue Flecken, faul Zahnfleisch, und geschwollene Beine. Diese gefaͤhrlichen Symptomen brachten mich in wenigen Tagen sehr herunter, ehe ich selbst kaum glaubte, daß ich so krank sey. Ich hatte mich so viel als moͤglich der ungesun- in den Jahren 1772 bis 1775. den und wiedrigen Speisen enthalten, dadurch aber war mein Magen- 1774. Maͤrz. so geschwaͤcht worden, daß ich die Bierwuͤrze nicht in hinreichender Men- ge zu mir nehmen und dadurch das Uebel mindern konnte. Eben so gieng es noch mehrerern von unsern Leuten, die mit großer Muͤhe noch auf dem Ver- deck herum krochen. Vom 3ten bis zum 6ten hatten wir fast immer Windstille, das Wetter war hell und warm, aber diese Annehmlichkeiten konnten uns fuͤr den Man- gel eines guͤnstigen Windes nicht schadlos halten, denn so lange es daran fehlte kamen wir nicht von der Stelle und doch verlangte uns herzlich nach einem Er- frischungs-Platz. Am 5ten des Nachts sahen wir in Suͤden einige hohe Wolken und ei- nen Dunst uͤber den Horizont. Wir hoften, das wuͤrde uns guten Wind bedeuten. Es erfolgten auch bey einbrechender Nacht einige tuͤchtige Regenschauer, und um 8 Uhr des Morgens kamen unmittelbare Vorlaͤufer des Windes, kleine schaͤumende Wellen, aus Suͤd-Ost, uͤber die Flaͤche der See hergebraußt, worauf wir sogleich Seegel aufsetzten und von nun an mit gutem Winde forteilten. Am folgenden Morgen fiengen wir vier große Albecoren, wovon der kleinste drey und zwanzig Pfund wog. Sie gaben uns eine herrli- che Mahlzeit, denn es war nun laͤnger als drey Monathe her, daß wir keinen frischen Fisch gekostet hatten. Puffins, Seeschwalben, Solansgaͤnse und Fregatten zeigten sich haͤufig auf der Jagd nach fliegenden Fischen, die theils durch unser Schif, theils durch Boniten, Albekoren und Doraden aus dem Wasser aufgescheucht wurden. Am 8ten hatten wir, um Mittag, den 27sten Grad suͤdlicher Breite erreicht und steuerten von nun an gerade nach Westen um die von Jacob Rog- gewein , im Jahr 1722 entdeckte Osterinsel Faster-Eyland aufzusuchen, wel- che erst vor kurzem, nehmlich im Jahr 1770 Dalrymples historical collection Vol. II. p. 85. also his Lettres to D. Hawkes- worth . 1773. auch von den Spaniern besucht, und bey dieser Gelegenheit S. Carls Insel genannt worden war. Am 10ten Morgens schwaͤrmten die grauen Meerschwalben in unzaͤhliger Menge um uns her. Wir machten jede Stunde sieben Meilen, des Nachts aber legten wir bey, Forster’s Reise um die Welt 1773. Maͤrz. um nicht in der Finsterniß aufs Land zu stoßen, welches hier in der Naͤhe liegen mußte. Am naͤchsten Morgen um 5 Uhr entdeckten wir es auch in der That. Die Freude, welche sich daruͤber auf jedem Gesicht verbreitete, ist nicht auszu- druͤcken. Seit einhundert und drey Tagen hatten wir kein Land gesehen; und die strenge Witterung in den suͤdlichen See-Gegenden, die Beschwerlichkeit, in Stuͤrmen und zwischen den gefaͤhrlichen Eismassen weder Tag noch Nacht Ruhe zu haben, die oͤftere Veraͤnderung des Clima, und die elende Kost hatten uns allerseits ohne Ausnahme kraftlos und siech gemacht. Bey dem Anblick des Landes erwartete nun jeder das schleunige Ende seines Ungemachs, und freute sich im voraus auf die Menge von Huͤhnern und Fruͤchten, die nach dem Zeug- niß des Hollaͤndischen Entdeckers auf dieser Insel vorhanden seyn sollten. Je- der war daruͤber froͤhlich und guter Dinge. E l’uno a l’altro il mostra e in tanto oblia La noia, e’l mal de la passata via. Tasso . Indessen naͤherten wir uns der Kuͤste nur langsam, zum großen Ver- druß der ganzen Schiffgesellschaft, die um so begieriger nach dem Lande ward, je mehrere Schwuͤrigkeiten sich einfanden, die ihre verdruͤßliche Lage ver- laͤngern konnten. Die Inseln schienen maͤßig hoch und in verschiedne Anhoͤ- hen getheilt zu seyn, die sanft gegen das Meer herabliefen. Der Umfang war nicht ansehnlich; ob sie aber fruchtbar seyn, und was fuͤr Erfrischungen sie vielleicht liefern moͤgten? das konnten wir der allzugroßen Entfernung we- gen noch nicht beurtheilen. Am folgenden Morgen war es Windstille. Wir befanden uns damals fuͤnf Seemeilen vom Lande, das von hier aus ein schwar- zes trauriges Ansehn hatte, und fiengen zum Zeitvertreib Hayfische, wovon ei- nige ums Schiff herschwammen, und an die mit gepoͤckelten Schweinfleisch ver- sehene Angeln sehr begierig anbissen. Nachmittages erhob sich der Wind, worauf wir der Kuͤste zu steuerten, in Hoffnung, noch ehe es Nacht wuͤrde, vor Anker zu kommen. Ohnerachtet wir jetzt dem Lande ungleich naͤher waren als heute fruͤh; so hatte es doch noch immer kein guͤnstigeres Ansehen, indem nur wenig in den Jahren 1772 bis 1775. wenig Gruͤn und kaum ein Buͤschgen darauf zu erblicken war; da wir aber so 1774. Maͤrz. lange unter allen moͤglichen Unannehmlichkeiten einer langweiligen Seefahrt geschmachtet, so wuͤrde uns der kahlste Felsen ein willkommner Anblick gewesen seyn. Neben zweyen Huͤgeln entdeckten wir eine große Anzahl schwaͤrzlicher Saͤulen, die in verschiedenen Haufen aufrecht neben einander standen, und der Gegend nach eben dieselbigen zu seyn schienen, welche Roggeweins Leute fuͤr Goͤtzenbilder hielten, Dalrymples historical collection of Voyages. Vol. II. p. 91. wir waren aber jetzt schon, ohne genauere Untersu- chung, anderer Meynung, und vermutheten daß es solche Denkmaͤler der Tod- ten seyn moͤgten, als die Tahitier und andre Einwohner der Suͤd-See bey den Begraͤbniß-Plaͤtzen errichten und E-Ti nennen. Der Wind war schwach und uns zuwider. Dazu kam die Nacht her- an, und wir hatten keinen Anker-Platz an der Ostseite der Insel; also mußten wir uns abermals gefallen lassen, noch eine Nacht unter Seegel zu bleiben. So bald es finster war, erblickten wir verschiedne Feuer neben den vorerwaͤhnten Saͤulen. Das sahen die Hollaͤnder auch, und nannten es Goͤtzenopfer; es ist aber wahrscheinlicher, daß es blos Feuer waren, wobey die Einwohner kochten. Die Nacht uͤber lavirten wir ab und zu, um vor dem Winde nahe an der Insel zu bleiben, weil wir am Morgen fortfahren wollten, Anker-Grund aufzusuchen. Wir konnten bey dieser Gelegenheit nicht umhin, die vortrefli- chen Mittel zur bewundern, womit wir zu Bestimmung der Meeres-Laͤnge ver- sehen waren. Mit Beyhuͤlfe derselben, waren wir ohne langes Umherkreuzen, gerade auf diese Insel zugetroffen, dahingegen andre Seefahrer, als Byron , Carteret und Bougainville solche nicht hatten finden koͤnnen, ob sie schon von ungleich kleineren Distanzen, nemlich nur von der Insel Juan Fernan- dez , darauf ausgeseegelt waren. Capitain Carteret scheint sie bloß deshalb ver- fehlt zu haben, weil ihre Breite in seinen geographischen Tabellen nicht richtig angegeben war. Das konnte aber, bey den andern beyden, nicht der Fall seyn. Um desto mehr hatten wir Ursach, die vortrefliche Einrichtung der bey- den Uhren zu bewundern, die wir bey uns fuͤhrten, die eine war von Herrn Kendal , genau nach dem Muster der Harrisonschen; die andre von Herrn Arnold , nach seinem eignen Plan verfertigt. Sie giengen beyde ungemein re- Forsters Reise u. d. W. erster Th. G g g Forster’s Reise um die Welt 1774. Maͤrz. gelmaͤßig. Die letzte gerieth ungluͤcklicherweise gleich nach unsrer Abreise von Neu-Seeland im Junius 1773. in Stillstand; erstere aber blieb bis zu unsrer Zuruͤckkunft nach England im Gange und verdiente allgemeinen Beyfall. Doch sind bey langen Reisen richtige Beobachtungen des Mondes wohl sicherer als die Angaben der Laͤngen-Uhren, weil derselben Lauf und Bewegung vielen Ver- aͤnderungen unterworfen ist. Die Methode, die Meeres-Laͤnge aus den Entfernungen der Sonne und des Mondes, oder aus den Entfernungen des Mondes und der Sterne zu bestimmen, ist eine der wichtigsten Entdeckungen fuͤr die Seefahrt. Tobias Mayer , der ein Deutscher und Professor zu Goͤttin- gen war, unternahm zuerst die muͤhseelige Berechnung der dazu erforderlichen Monds-Tafeln; wofuͤr seine Erben eine vom Parlement ausgesetzte Belohnung erhalten haben. Nachdem er die Bahn gebrochen, ist diese Methode durch hinzugefuͤgte anderweitige Berechnungen so sehr erleichtert worden, daß die Meeres-Laͤnge wohl niemals genauer als auf diese Art wird bestimmt werden koͤnnen. Die Breite von Easter- oder Oster-Eyland , trift auf eine oder zwey Minuten mit derjenigen uͤberein, welche in Admiral Roggeweins geschriebe- nen Journal angegeben ist; und ihre Laͤnge ist daselbst nur um einen Grad irrig angezeigt. Leben der Gouverneurs von Batavia . — Die Lage ist daselbst angegeben 27°. 4′. suͤd- licher Breite und 265°. 42′. oͤstlicher Laͤnge von Teneriffa , welches uͤbereinkommt mit 110°. 45.′ westlicher Laͤnge von London . Nach unsern Observationen liegt diese Insel 109 Grad 46 Mi- nuten westlich von Greenwich . Die spanischen Angaben von der Breite sind auch richtig; in der Laͤnge aber fehlen sie um 30 See-Meilen. Vierzehn- in den Jahren 1772 bis 1775. Vierzehntes Hauptstuͤck . Nachricht von Oster-Eyland und unserm Aufenthalt daselbst. A m 13ten, fruͤh Morgens, liefen wir dicht unter die suͤdliche Spitze der In- 1774. Maͤrz. sel. Die Kuͤste ragte in dieser Gegend senkrecht aus dem Meer empor, und bestand aus gebrochnen Felsen, deren schwammigte und schwarze eisenfar- bigte Masse volcanischen Ursprungs zu seyn schien. Zwey einzelne Felsen, lagen ohngefaͤhr eine Viertelmeile vor dieser Spitze in See. Einer derselben hatte eine sonderbare Form, er glich nemlich einer großen Spitz-Saͤule oder Obelisk, und beyde waren von einer ungeheuren Menge Seevoͤgel bewohnt, deren widri- ges Geschrey uns die Ohren betaͤubte. Nicht lange nachher entdeckten wir eine andre Landspitze, ohngefaͤhr 10 Meilen von der ersten; und hier ward das Land nach dem Ufer herab, etwas flacher und ebener. In dieser Gegend entdeckten wir auch einige bepflanzte Felder; doch schien die Insel, im Ganzen genommen, einen elenden duͤrren Boden zu haben. Der Pflanzungen waren so wenige, daß wir uns eben keine Hoffnung zu vielen Erfrischungen machen durften; dennoch blieben unsre Augen unablaͤßig darauf gerichtet. Mittlerweile sahen wir viele, fast ganz nackte Leute eiligst von den Bergen gegen die See herabkommen. So viel wir unterscheiden konnten, waren sie unbewaffnet, welches uns ein Merkmal friedlicher Gesinnungen zu seyn duͤnkte. Wenig Minuten nachher, schoben sie ein Canot ins Wasser, in welchen sich zwey von ihnen zu uns auf den Weg machten, die indem sie sehr rasch ruderten, in kurzer Zeit neben dem Schiff waren. Sie riefen, wir moͤgten ihnen einen Strick zu werfen, dessen Benen- nung in ihrer Sprache eben so als in der Tahitischen lautete. So bald wirs gethan hatten, befestigten sie einen großen Klumpen reife Pisangs daran, und winkten nun, daß man den Strick wieder heraufziehen moͤgte. Welche allge- meine und unvermuthete Freude der Anblick dieser Fruͤchte bey uns verursacht habe, ist kaum zu beschreiben; nur Leute, die eben so elend sind, als wir damals wa- ren, koͤnnen sich einen richtigen Begriff davon machen. Mehr als funfzig Personen fiengen aus Uebermaaß der Freude auf einmal an, mit den Leuten im G g g 2 Forster’s Reise um die Welt 1774. Maͤrz. Canot zu sprechen, die natuͤrlicherweise keinem einzigen antworten konnten. Ca- pitain Cook nahm allerhand Baͤnder, befestigte Medaillen und Corallen daran, und ließ ihnen solche zum Gegengeschenk herab. Sie bewunderten diese Klei- nigkeiten sehr; eilten aber unverzuͤglich wieder ans Land. Als sie auf dem Ruͤck- wege um das Hintertheil des Schiffs herum ruderten, und daselbst eine ausge- worfne Angelschnur vom Verdeck herabhaͤngen sahen, banden sie zum Abschieds- Geschenk, noch ein klein Stuͤckchen Zeug daran. Beym Heraufziehen fanden wir, daß es aus eben solcher Baumrinde als das Tahitische verfertigt und gelb gefaͤrbt war. Den wenigen Worten nach zu urtheilen, die wir von ihnen gehoͤrt hatten, duͤnkte uns ihre Sprache ein Dialect der Tahitischen zu seyn. Es wird also an beyden Enden der Suͤdsee einerley Sprache geredet. Ihr ganzes Ansehen ließ uns vermuthen, daß sie ein Zweig desselbigen Volk-Stamms seyn muͤßten. Sie waren von mittlerer Groͤße, aber mager, und der Gesichtsbil- dung nach, den Tahitiern aͤhnlich, jedoch nicht so schoͤn. Der eine von den beyden, die im Canot waren, hatte einen Bart, der bis auf einen halben Zoll abgeschnitten war. Der andre war ein junger Mensch von siebzehn Jahren. Sie hatten uͤber den ganzen Coͤrper eben solche Puncturen als die Neu-Seelaͤn- der, und als die Einwohner der Societaͤts - und der freundschaftlichen In- seln ; giengen aber voͤllig nackend. Das Sonderbarste an ihnen war die Groͤße ihrer Ohren, deren Zipfel oder Lappen so lang gezogen war, daß er fast auf den Schultern lag; darneben hatten sie große Loͤcher hinein geschnitten, daß man ganz bequem vier bis fuͤnf Finger durchstecken konnte. Dies stimmte genau mit der Beschreibung uͤberein, welche Roggewein in seinem Reise-Journal von ihnen macht. Dalrymples historical collection. Vol. II. p. 90. 94. Histoire de l’expedition de trois vaisseaux Tome I. p. 133. à la Haye. 1739. Ihr Canot war in seiner Art nicht minder sonderbar. Es bestand aus lauter kleinen Stuͤckchen Holz, die ohngefaͤhr 4. 5 Zoll breit und von 3 bis 4 Fus lang, sehr kuͤnstlich zusammengesetzt waren. Ueberhaupt mogte es ohngefaͤhr 10 bis 12 Fus lang seyn. Das Vor- und Hinterheil war jedes sehr hoch; in der Mitte aber war das Fahrzeug sehr niedrig. Es hatte einen Aus- leger oder Balancier von drey duͤnnen Stangen, und jeder von den Leuten fuͤhrte ein Ruder, dessen Schaufel gleichfalls aus verschiednen Stuͤcken zusammenge- in den Jahren 1772 bis 1775. setzt war. Auch diesen Umstand findet man in den hollaͤndischen Nachrichten, 1774. Maͤrz. welche von Roggeweins Reise im Jahr 1728. zu Dort gedruckt ist, Dalrymples Collect. Vol. II. p. 3. ganz gleichlautend angezeigt. Da sie die Sparsamkeit mit dem Holze so weit treiben; so ist zu vermuthen, daß die Insel Mangel daran haben muͤsse, wenn gleich in einer andern Reisebeschreibung Ibid. Vol. II. p. 95. Histoire \&c. Vol. I. p. 138. das Gegentheil behauptet wird. Ohnerachtet wir der Stelle gegenuͤber, von wo das Canot abgegangen war, einen Anker Platz fanden, so liefen wir doch, in Hoffnung noch bessern Ankergrund zu finden, noch weiter laͤngst der Kuͤste, und bis an die noͤrdliche Spitze derselben hin, die wir gestern, wiewohl von der andern Seite, gesehen hatten. Die Hoffnung aber, hier eine bequemere Rhede zu finden, schlug uns fehl, und also kehrten wir nach vorgedachten Platze wieder zuruͤck. An dem Ufer sahe man eine Menge schwarzer Saͤulen oder Pfeiler, die zum Theil auf Platteformen errichtet waren, welche aus verschiednen Lagen von Steinen bestan- den. Wir konnten nun an diesen Saͤulen nach gerade so viel unterscheiden, daß sie am obern Ende eine Aehnlichkeit mit dem Kopf und den Schultern eines Menschen hatten; der untere Theil aber schien blos ein roher unbearbeiteter Steinblock zu seyn. Von angebauten Laͤndereyen bemerkten wir hier am noͤrdlichen Ende der Insel nur wenig, denn das Land war in dieser Gegend steiler als nach der Mitte der Insel hin. Auch sahen wir nunmehro ganz deutlich, daß auf der ganzen Insel kein einziger Baum uͤber 10 Fus hoch war. Nachmittages setzten wir ein Boot aus, in welchem der Lootse ans Land gehen sollte um die Rhede zu sondiren, von wo das Canot zu uns gekommen war. Sobald die Einwohner unser Boot vom Schiff abrudern sahen, versammelten sie sich am Ufer, in der Gegend, nach welche unsre Leute zu steuern schienen. Der groͤßte Theil der Indianer war nackt, nur einige wenige hatten sich in Zeug von schoͤner hellgelber- oder vielmehr Orange-Farbe gekleidet, und diese mußten unsern Beduͤnken nach die Vornehmern der Nation seyn. Nunmehro konnten wir auch ihre Haͤufer bereits unterscheiden. Sie waren dem Anschein nach un- gemein niedrig, aber lang; in der Mitte hoch und gegen beyde Seiten schraͤg ab- G g g 3 Forster’s Reise um die Welt 1774. Maͤrz. laufend, so daß sie der Form nach einem umgekehrten Canot nicht unaͤhnlich sa- hen. In der Mitte schienen sie eine kleine Oefnung oder Thuͤr zu haben, die aber so niedrig war, daß ein Mann von gewoͤhnlicher Groͤße sich buͤcken mußte, um hinein zu kommen. Gegen Abend giengen wir an der Suͤdwestlichen Seite der Insel vor Anker, woselbst wir vierzig Faden Tiefe und einen guten Kies- Grund hatten. Bald nachher kam der Lootse von seiner Expedition zuruͤck und brachte einen der Eingebohrnen mit an Bord. Dieser Kerl war ohne Ceremo- nie oder Einladung dreist ins Boot gesprungen, als es dicht am Ufer lag, und hatte sogleich Verlangen geaͤußert, ans Schiff gebracht zu werden. Er war von castanienbrauner Farbe und mittler Statur, ohngefehr 5 Fus 8 Zoll groß; und auf der Brust und uͤber den ganzen Leib merklich haarigt. Der Bart und das Haupthaar waren in gleichem Verhaͤltniß stark, beydes von schwarzer Farbe und ersterer gestutzt. Er hatte so lange Ohrlappen, daß sie ihm fast bis auf die Schultern herabhiengen; und seine Schenkel waren felderweise oder nach wuͤr- felfoͤrmigen Figuren, und in einem Geschmack punktirt, dergleichen wir sonst noch nirgends bemerkt hatten. Statt aller uͤbrigen Bekleidung trug er blos einen Guͤrtel um den Leib, woran vorne ein Netzwerk herabhieng, das aber nichts bedeckte. Um den Hals hatte er eine Schnur, an welcher vorn auf der Brust ein breiter und ohngefaͤhr 5 Zoll langer Knochen befestigt war, der die Figur einer Zunge vorstellen sollte. Er erzaͤhlte uns, dieser Knoche sey von einem Meer-Schwein, Ivi toharra, welcher Name in der tahitischen Sprache gerad eben so lautet. Um sich noch deutlicher zu erklaͤren, nannte er diesen Brust-Zierrath auch Ivi- Ika, welches, wie wir wohl verstanden, einen Fischknochen bedeutet. Iya zu Tahiti und Ika auf Neu-Seeland und den freundschaftlichen Inseln , bedeuten einen Fisch. So bald er sich im Boote niedergesetzt, gab er durch sehr vernemliche Zeichen zu ver- stehen, daß ihm friere. Herr Gilbert der Lootse, gab ihm also eine Jacke und setzte ihm einen Hut auf; in diesem Staat erschien er bey uns auf dem Schiff. Der Capitain und die Passagiers schenkten ihm Naͤgel, Medaillen und Corallen- Schnuͤre. Letztere verlangte er um den Kopf gewunden zu haben. Anfaͤnglich war er etwas furchtsam und mißtrauisch, denn er fragte, ob wir ihn als einen in den Jahren 1772 bis 1775. Feind umbringen wuͤrden? ( Matte-toa? ) Da wir ihm aber gute Begegnung 1774. Maͤrz. versprachen, so schien er voͤllig beruhigt und sicher zu seyn, und redete von nichts als Tanzen ( Hiwa. ) Anfaͤnglich kostete es uns einige Muͤhe, seine Sprache zu verstehen; als wir ihn aber fragten, wie er die Hauptglieder des Leibes nenne, fand sich bald, daß es eben die Mundart sey, welche auf den Societaͤts-Inseln geredet wird, denn die Namen der Gliedmaßen lauteten hier eben so als dort. Wenn wir ein Wort sagten, das er nicht verstand, so wiederholte ers oft, und mit einem Blick, der sehr lebhaft ausdruͤckte, daß er nicht wisse, was wir da- mit meynten. Bey herrannahender Nacht gab er uns zu verstehen, daß er schlafen wolle, und daß ihm friere. Mein Vater gab ihm also ein großes Stuͤck von dem groͤbsten tahitischen Zeuge. Darinn wickelte er sich, und sagte, daß er nun voͤllig warm sey. Man brachte ihn in des Lootsen Cajuͤtte, wo er sich auf einen Tisch niederlegte und die ganze Nacht sehr ruhig schlief. Maheine , der schon ungeduldig daruͤber war, daß er noch nicht hatte ans Land gehen koͤnnen, freuete sich ungemein, daß die Leute eine Sprache redeten, die der seinigen aͤhnlich war. Er hatte schon verschiedenemal versucht, sich mit unsern Gast in Unterredung einzulassen, er war aber noch immer durch so viel andre Fragen daran gehindert worden. In der Nacht riß der Anker aus und das Schiff trieb fort, daher wir die Seegel wieder aufsetzen mußten, um unsern vorigen Ankerplatz wieder zu er- reichen. Gleich nach dem Fruͤhstuͤck gieng der Capitain mit dem Wilden, der Maruwahai hies, imgleichen mit Maheinen , meinen Vater, Doct. Sparr- mann und mir an Land. Mir waren Beine und Schenkel so dick geschwollen, daß ich fast gar nicht gehen konnte. Wir fanden hier eine gute Bucht, die fuͤr Boote tief genug und am Landungsplatze durch Klippen gegen die berg-hohen Wellen gedeckt war, welche an den uͤbrigen Stellen der Kuͤste gewaltig gegen das Ufer anschlugen. Ohngefaͤhr hundert bis hundert und funfzig Einwohner, hatten sich in dieser Gegend versammlet. Sie waren fast alle nackend, doch trugen einige einen Guͤrtel um den Leib, von welchem ein Stuͤckchen Zeug 6 bis 8 Zoll lang oder auch ein kleines Netz herabhieng. Etliche wenige hatten Maͤntel, welche bis auf die Knie reichten. Das Zeug dazu war von derselben Art als das Tahitische, aber, um solches dauerhafter zu machen, mit Zwirn gestept oder Forster’s Reise um die Welt 1774. Maͤrz. durchnaͤhet, und mehrentheils mit Curkuma-Wurzel gelb gefaͤrbt. Die Leute ließen uns ruhig an Land steigen und machten uͤberhaupt nicht die mindeste un- freundliche Bewegung; sondern fuͤrchteten sich vielmehr vor unserm Feuergewehr, dessen toͤdliche Wuͤrkung ihnen bekannt zu seyn schien. Sie waren groͤßtentheils unbewaffnet; doch fuͤhrten einige unter ihnen Lanzen oder Speere, von unfoͤrm- lich und hoͤckerigt gewachsenen Holz gemacht und mit einem scharfen dreyeckigten Stuͤck schwarzer Glas-Lava ( pumex vitreus Linnaei ) zugespitzt. Einer hatte eine Streit-Kolbe, die aus einem dicken Stuͤck Holz verfertigt, 3 Fus lang, und an einem Ende mit Schnitzwerk verziert war, und ein Paar andre hielten kurze, hoͤlzerne Keulen in der Hand, die den Neu-Seelaͤndischen Pattu-Pattus von Fischknochen voͤllig aͤhnlich sahen. Mit unter hatte einer einen europaͤischen Hut, ein andrer eine dergleichen Muͤtze, dieser ein gestreiftes baumwollnes Schnupftuch, jener eine alte zerrißne Jacke von blauen wollnen Zeuge an; alles ohnstreitige Denkmaͤler oder Ueberbleibsel von der letztern Anwesenheit der Spanier, die im Jahre 1770 hier gewesen waren. Uebrigens konnte man es den Eingebohrnen in aller Absicht ansehen, daß ihr Land sehr armseelig seyn muͤsse. Sie waren von Gestalt kleiner als die Neu-Seelaͤnder und als die Ein- wohner der Societaͤts- und freundschaftlichen Inseln , ja wir fanden nicht einen einzigen unter ihnen, den man haͤtte groß nennen koͤnnen. Dabey waren sie mager, und schmaler von Gesicht als die uͤbrigen Bewohner der Suͤdsee zu seyn pflegen. Ihr Mangel an Kleidung und ihre Begierde nach unsren Waaren, ohne daß sie uns dafuͤr wieder etwas angeboten haͤtten, waren zusammengenom- men, hinreichende Merkmale ihrer Armseligkeit. Sie waren durchgehends uͤber den ganzen Leib sehr stark punctirt, vornemlich aber im Gesicht. Ihre Frauenspersonen, die sehr klein und zart gebauet waren, hatten auch Punctu- ren im Gesicht, die an Gestalt den Schoͤnpflaͤsterchen unsrer Damen glichen. Doch befanden sich unter dem ganzen hier versammleten Haufen nicht uͤber zehn bis zwoͤlf Frauensleute. Sie waren gemeiniglich mit ihrer natuͤrlichen hell- braunen Farbe nicht zufrieden, sondern hatten sich noch das ganze Gesicht mit rothbraunen Roͤthel uͤberschmiert, uͤber dem denn das schoͤne Oranienroth der Curkuma-Wurzel gesetzt war; zum Theil hatten sie sich auch das Gesicht mit zierlichen Streifen von weißen Muschel-Kalk verschoͤnert. Die Kunst, sich anzu- in den Jahren 1772 bis 1775. anzumahlen, ist also nicht blos auf die Damen eingeschraͤnkt, welche das Gluͤck 1774. Maͤrz. haben die Franzoͤsischen Moden nachzuahmen. Die Weiber waren alle in Zeug gekleidet, aber so sparsam, daß es in Vergleichung mit den vollstaͤndigen und verschwenderischen Trachten, die in Tahiti Mode waren, hier ungleich seltner zu seyn schien. Maͤnner und Weiber hatten hagere Gesichtsbildungen, doch war nichts wildes in ihren Zuͤgen; dagegen hatte die brennende Sonnenhitze, fuͤr welche man in diesem kahlen Lande fast nirgends Schatten findet, bey verschie- denen eine wiedernatuͤrliche Verzerrung des Gesichts zuwege gebracht, indem die Augenbraunen zusammen und die Muskeln vom Untertheil des Gesichts gegen die Augen heraufgezogen waren. Die Nasen sind nicht breit, zwischen den Au- gen aber ziemlich flach. Die Lippenstark, aber nicht so dick als bey den Negern. Das Haar ist schwarz und kraͤuselt sich, aber durchgehends verschnitten, und nie uͤber drey Zoll lang. Ihre Augen sind schwarzbraun und klein; und das Weiße derselben ist nicht so helle als bey den andern Voͤlkern der Suͤdsee ; daß sie lange Ohren, und in den Ohrlaͤppchen ungewoͤhnlich große Loͤcher haben, ist bereits erwaͤhnt. Um letztere so groß zu machen, bedienten sie sich eines Blattes von Zuckerrohr, das aufgerollt hindurch gesteckt war, und vermoͤge seiner eigenthuͤm- lichen Elasticitaͤt den Einschnitt im Ohre bestaͤndig aufgespannt hielt. Die un- ertraͤgliche Sonnenhitze hat sie genoͤthigt auf allerhand Mittel zu denken, um den Kopf dagegen zu schuͤtzen. In dieser Absicht trugen die Maͤnner zum Theil ei- nen zwey Zoll dicken Ring von stark und kuͤnstlich geflochtnen Grase um den Kopf, der rund umher mit einer Menge langer schwarzer Federn vom Halse des Fregat- tenvogels besteckt war. Andre hatten große buschichte Muͤtzen von braunen Me- wen-Federn, die fast eben so dick waren, als die großen Doctor-Peruͤcken des vo- rigen Jahrhunderts. Noch andre hatten einen bloßen hoͤlzernen Reif auf dem Kopfe, in welchem eine große Anzahl langer weißer Federn von der Soland-Gans befestigt waren, die bey dem geringsten Luͤftchen hin und her schwankten, und auf die Art den Kopf nicht nur vor der Sonne schuͤtzten, sondern zugleich kuͤhl erhiel- ten. Die Frauenspersonen trugen einen weiten Hut von artigen Mattenwerk. Vorn war er spitz; die Vertiefung fuͤr den Kopf aber, war nicht wie bey unserm Hute rund und oben platt, sondern laͤngligt, und von beyden Seiten, nach oben hin, schraͤg zusammen laufend, und hinten fielen zwey einzelne Krempen herab, Forster’s Reise u. d. W. erster Th. H h h Forster’s Reise um die Welt 1774. Maͤrz. welche vermuthlich die Schultern schuͤtzen sollten. Diese Huͤte fanden wir unge- mein kuͤhlend. Herr Hodges zeichnete eine Frauensperson mit einem solchen Hute, und eine Mannsperson mit einer von den vorbeschriebenen Kopf-Trachten. Sie sind beyde ungemein characteristisch ausgefallen und sehr gut in Kupfer ge- stochen worden. Die einzigen Zierrathen, die wir bey diesen Leuten antrafen, bestanden in dem vorgedachten Zungenfoͤrmigen Stuͤck Knochen, welches Maͤn- ner und Weiber auf der Brust trugen, und naͤchst diesen in Halsbaͤndern und in Ohrringen von Muschel-Schaalen. Nachdem wir eine Weile am Strande bey den Eingebohrnen geblieben waren, so giengen wir tiefer ins Land hinauf. Der ganze Boden war mit Felsen und Steinen von verschiedener Groͤße bedeckt, die alle ein schwarzes, verbrann- tes, schwammigtes Ansehen hatten, und folglich einem heftigen Feuer ausgesetzt gewesen seyn mußten. Zwey bis drey Grasarten wuchsen zwischen diesen Steinen kuͤmmerlich auf und milderten einigermaßen, ob sie gleich schon halb vertrock- net waren, das verwuͤstete oͤde Ansehn des Landes. Ohngefaͤhr funfzehn Schritte vom Landungsplatze, sahen wir eine Mauer von viereckigten, gehaue- nen Steinen, davon jeder anderthalb bis 2 Fus lang und einen Fus breit war. In der Mitte betrug die Hoͤhe ohngefaͤhr 7 bis 8 Fus; an beyden Enden aber war sie niedriger und uͤberhaupt ohngefaͤhr zwanzig Schritt lang. Das Son- derbarste war die Verbindung dieser Steine, die so kuͤnstlich gelegt und so genau in einander gepaßt waren, daß sie ein ungemein dauerhaftes Stuͤck von Archi- tectur ausmachten. Der Stein, woraus sie gehauen, ist nicht sonderlich hart, sondern nur eine schwarzbraune, schwammigte, sproͤde Stein-Lava. Der Bo- den lief von der Kuͤste immer bergauf, dergestalt, daß eine zweyte Mauer, welche parallel mit dieser, und zwoͤlf Schritte weiter hinauf lag, nur 2 bis 3 Fus hoch seyn durfte, um in dem Zwischenraum eine Art von Terrasse zu formiren, auf welcher das Erdreich eine ebene Flaͤche ausmachte, die mit Gras bewachsen war. Funfzig Schritt weiter gegen Suͤden, fanden wir einen andern erhabnen ebnen Platz, dessen Oberflaͤche mit eben solchen viereckten Steinen gepflastert war, als man zum Mauerwerk gebraucht hatte. In der Mitte dieses Platzes stand eine steinerne Saͤule, aus einem Stuͤck, die eine Menschen-Figur bis auf die Huͤf- ten abgebildet, vorstellen sollte und 20 Fus hoch und 5 Fus dick war. Diese in den Jahren 1772 bis 1775. Figur war schlecht gearbeitet, und bewies, daß die Bildhauerkunst hier noch 1774. Maͤrz. in der ersten Kindheit sey. Augen, Nase und Mund waren an dem plumpen ungestalten Kopfe kaum angedeutet. Die Ohren waren nach der Landes-Sitte ungeheuer lang, und besser als das uͤbrige gearbeitet, ob sich gleich ein europaͤi- scher Kuͤnstler derselben geschaͤmt haben wuͤrde. Den Hals fanden wir unfoͤrmig und kurz; Schultern und Arme aber nur wenig angedeutet. Auf dem Kopfe war ein hoher runder cylindrischer Stein aufgerichtet, der uͤber 5 Fus im Durch- schnitt und in der Hoͤhe hatte. Dieser Aufsatz, der dem Kopfputze einiger egypti- schen Gottheiten gleich sahe, bestand aus einer andern Steinart, denn er war von roͤthlicher Farbe; auch war an dessen beyden Seiten ein Loch zu sehen, als haͤtte man ihm seine runde Form durch ein Dreh- oder Schleifwerk gegeben. Der Kopf nebst dem Aufsatz machte die Haͤlfte der ganzen Saͤule aus, so weit sie uͤber der Erde sichtbar war. Wir merkten uͤbrigens nicht, daß die Insulaner diesen Pfei- lern, Saͤulen oder Statuͤen einige Verehrung erwiesen haͤtten; doch mußten sie wenigstens Achtung dafuͤr haben, denn es schien ihnen manchmal ganz unan- genehm zu seyn, wenn wir uͤber den gepflasterten Fusboden oder das Fusgestell giengen, und die Steinart untersuchten, wovon sie gemacht waren. Einige von den Insulanern begleiteten uns weiter ins Land nach einem klei- nen Gebuͤsche hin, woselbst wir im Pflanzenreich etwas neues anzutreffen hofften. Der Weg war ungemein rauh, er gieng uͤber lauter volcanische Steine, die un- ter den Fuͤßen weg rollten und an die wir uns bey jeden Schritt stießen. Die Eingebohrnen hingegen, die daran gewoͤhnt waren, huͤpften ohne einige Schwuͤ- rigkeit von Stein zu Stein. Unterwegens erblickten wir etliche schwarze Rat- ten, die auf allen Inseln der Suͤdsee anzutreffen sind. Das Gebuͤsch, um des- sentwillen wir diese Wanderung unternommen, bestand aus einer kleinen Pflan- zung von Papier-Maulbeerbaͤumen, aus deren Rinde hier, so wie auf Tahiti , das Zeug zur Kleidung gemacht wird. Die Staͤmme waren 2 bis 4 Fus hoch, und zwischen großen Felsen, woselbst der Regen ein wenig Erde angeschlemmt hatte, ordentlich in Reihen angepflanzt. Nicht weit von hier standen auch ei- nige Buͤsche vom Hibiscus populneus Linnaei, der in allen Suͤdsee-Inseln angetroffen, und von den Einwohnern zum Gelbfaͤrben gebraucht wird. End- lich gab es an diesem Fleck noch eine Mimosa, welches das einzige Gewaͤchs ist, H h h 2 Forster’s Reise um die Welt 1774. Maͤrz. das den Einwohnern Holz zu ihren Keulen, Pattu-Pattus, und kuͤmmerlich zusammengeflickten Canots liefert. Je weiter wir ins Land kamen, desto kahler und unfruchtbarer fanden wir den Boden. Das kleine Haͤufchen von Einwohnern, die uns am Landungs- Platze entgegen gekommen, schien der Hauptstamm des ganzen Volks gewesen zu seyn, denn unterwegens hatten wir nicht einen einzigen Menschen zu Gesicht be- kommen; auch waren in der ganzen großen Gegend, die wir uͤberschauen konnten, nicht mehr als zehn bis zwoͤlf Huͤtten zu sehen. Eine der stattlichsten war auf einem kleinen Huͤgel erbauet, der ohngefaͤhr eine halbe Meile weit von der See lag. Die Neugier trieb uns darnach hin, allein es war eine elende Wohnung, die von der Armuth ihrer Eigenthuͤmer zeugte. Das Fundament bestand aus Steinen, die zwoͤlf Fus lang und in zwey gegeneinander laufenden krummen Linien, flach auf den Boden gelegt waren. In der Mitte, wo sich die groͤßte Kruͤmmung befand, lagen die beyden Reihen Grundsteine, ohngefaͤhr 6 Fus, an den aͤußersten Enden, hingegen kaum einen einzigen Fus breit eine von der andern. In jedem dieser Steine bemerkten wir ein bis zwey Loͤcher, worinn Stangen gesteckt waren. Die mittelsten Stangen waren 6 Fus hoch, die andern aber wurden nach beyden Seiten hin immer kuͤrzer, so daß die letzten nur 2 Fus Hoͤhe hatten. Oben neigten sich alle diese Stangen zusammen, und waren an Queerstangen gebunden, wodurch sie zusammen gehalten wurden. Das Dach war aus duͤnnen Ruthen zitterfoͤrmig geflochten und außerhalb mit einer tuͤchtigen Matte von Zucker-Rohrblaͤttern belegt. Es ruhete auf den vor- gedachten Stangen, die das Geruͤst der Huͤtte ausmachten, reichte unterhalb bis ganz auf den Boden herab und lief oberwaͤrts von beyden Seiten, schraͤg in einen scharfen Winkel zusammen. Auf der einen Seite war eine Oeffnung, die ohngefaͤhr 18 Zoll bis 2 Fus hoch und durch ein vorspringendes Wetterdach gegen die Naͤsse geschuͤtzt war. Dies stellte die Thuͤre vor, wer hinein oder heraus wollte, mußte auf allen Vieren kriechen. Auch dies ließen wir nicht unversucht, allein es war der Muͤhe nicht werth, denn das innere der Huͤtte war platterdings leer und kahl. Man fand nicht einmal ein Bund Stroh darinn, worauf man sich haͤtte legen koͤnnen. Blos in der Mitte konnten wir aufrecht stehen, und außer dieser Unbequemlichkeit war es auch ganz und gar finster dar- in den Jahren 1772 bis 1775. inn. Unsre indianischen Begleiter erzaͤhlten uns, daß sie die Nacht in diesen 1774. Maͤrz. Huͤtten zubraͤchten; allein das muß ein elender Aufenthalt seyn, zumal da sie wegen der geringen Anzahl derselben gleichsam einer uͤber den andern liegen muͤs- sen, es sey denn, daß der gemeine Mann unter freyen Himmel schlaͤft, und diese erbaͤrmlichen Wohnungen den Vornehmern uͤberlaͤßt, oder nur bey schlim- men Wetter dahin seine Zuflucht nimmt. Außer diesen Huͤtten sahen wir auch etliche Steinhaufen, die an einer Seite ganz steil waren, und daselbst eine Oeffnung hatten, welche unter die Erde gieng. Allem Anschein nach, konnte der innere Raum nur sehr klein seyn, und dennoch ists zu vermuthen, daß auch diese Loͤcher des Nachts zum Obdach dien- ten. Vielleicht haͤngen sie aber mit natuͤrlichen, unterirdischen Hoͤhlen zusam- men, deren es in volcanischen Laͤndern, wo alte Lavastroͤhme vorhanden sind, so viele giebt. Dergleichen Hoͤhlen findet man in Island sehr haͤufig, und noch bis jetzt sind sie dafuͤr bekannt und beruͤhmt, daß die ehemaligen Be- wohner des Landes sich darinn aufgehalten haben. Herr Ferber , der erste mineralogische Geschichtschreiber des Vesuvs , meldet unter andern, daß er eine solche Hoͤhle in einer der neuesten Laven angetroffen habe. Gern haͤtten wir dies genauer untersucht; die Einwohner wollten uns aber nie hineinlassen. Eine Zuckerrohr- und Pisang-Pflanzung, die neben diesem Hause an- gelegt waren, standen dagegen in desto schoͤnerer Ordnung, so weit es der stei- nigte Boden gestatten wollte. Um jede Pisangpflanze her, war eine Vertie- fung von 12 Zoll gemacht, vermuthlich in der Absicht, daß der Regen da zu- sammenlaufen und die Pflanze desto feuchter stehen moͤgte. Das Zucker-Rohr wuchs, so duͤrre auch das Land ist, 9 bis 10 Fus hoch, und enthielt einen un- gemein suͤßen Saft, den die Eingebohrnen uns sehr oft anboten, besonders, wenn wir zu trinken verlangten. Der letztere Umstand brachte uns auf die Ge- danken, daß es gar kein frisches Wasser auf dieser Insel geben muͤsse; als wir aber wieder nach dem Landungsplatz zuruͤck kamen, trafen wir den Capitain Cook bey einem Brunnen an, den ihm die Einwohner nachgewiesen hatten. Er lag nicht weit von der See und war tief in den Felsen gehauen, aber voll Unreinig- keiten. Als ihn unsre Leute gereinigt hatten, fanden sie das Wasser brackisch, gleich- wohl tranken es die Einwohner mit großen Wohlgefallen. H h h 3 Forster’s Reise um die Welt 1774. Maͤrz. Der Capitain war im Handel mit den Leuten nicht gluͤcklich gewesen. Sie schienen keine Lebensmittel uͤbrig zu haben. Ein Paar Matten-Koͤrbe mit suͤßen Kartoffeln, etwas Zucker-Rohr, einige Klumpen Pisangs und zwey oder drey kleine schon gahr gemachte Huͤhner; das war alles, was er fuͤr etwas Eisen- Geraͤthschaften und Tahitisches Zeug einzuhandeln im Stande gewesen war. Er hatte den Leuten Corallen geschenkt, welche sie aber immer mit Verachtung weit von sich geworfen, was sie hingegen von andern Sachen an und um uns sahen, verlangten sie zu haben, ob sie schon nichts wieder zu geben hatten. Waͤhrend unsrer Abwesenheit hatten sie sich vom Landungsplatze ziemlich verlaufen, und schienen nach ihren Wohnungen zum Mittags-Essen gegangen zu seyn. Die Zahl der Weiber war in Verhaͤltniß zu den Maͤnnern immer sehr geringe. Bey unsrer Landung sahen wir ihrer nicht uͤber zwoͤlf oder funfzehn, und jetzt waren nur noch sechs oder sieben zugegen. Sie waren weder zuruͤckhaltend noch keusch; fuͤr ein Stuͤckchen Tahitisches Zeug hatten unsre Matrosen von ihnen was sie wollten. Ihre Gesichtszuͤge duͤnkten uns sanft genug, und der große gespitzte Hut gab ihnen ein leichtfertiges, buhlerisches Ansehen. Noch ehe es Mittag war, kehrten wir an Bord zuruͤck und theilten die eingekauften Baͤume, Fruͤchte und Wurzeln, so weit sie reichen wollten, unter die Mannschaft aus, zur großen Staͤrkung unsrer Kranken, die nach einer Erfrischung schmachteten. Wir kosteten auch von den Huͤhnern, die in gruͤne Blaͤtter gewickelt, mit heißen Steinen unter der Erde gahr gemacht zu seyn schienen, welche Art der Zurich- tung in allen Inseln der Suͤdsee , so viel wir deren bisher gefunden hatten, uͤblich ist. Die Kartoffeln waren goldgelb und so suͤß als gelbe Ruͤben; daher schmeck- ten sie auch nicht einem Jeden; doch waren sie nahrhaft und sehr antiscorbutisch. Der Saft aller hiesigen Gewaͤchse, schien durch die Hitze und die Trockenheit des Bodens ungemein concentrirt zu seyn. Die Pisangs wurden in ihrer Art fuͤr vortreflich gehalten, und das Zucker-Rohr war suͤßer als wirs in Tahiti ge- funden hatten. Nachmittages giengen wir wiederum ans Land, und in einem andern Boote ward ein Officier mit der noͤthigen Mannschaft ans Land geschickt, um beym Brunnen die Wasserfaͤsser fuͤllen zu lassen. Wir trafen nur wenig Leute am Landungsplatze an, unter selbigen aber bemerkten wir einen, der ein gewisses in den Jahren 1772 bis 1775. Ansehen zu haben schien, und sehr geschaͤftig war, den Capitain uͤberall wo er nur 1774. Maͤrz. Lust bezeigte, hinzufuͤhren. Er that nicht so scheu als seine Landsleute; son- dern gieng immer dreist neben uns, dahingegen die andern bey der geringsten ungewoͤhnlichen Bewegung stutzten und in Schrecken geriethen. Aber bey aller ihrer Furchtsamkeit leerten sie uns die Taschen aus, und entwandten was ihnen sonst anstand. Wir waren noch keine halbe Stunde am Lande, als einer leise hin- ter den Maheine herschlich, ihm die schwarze Muͤtze die er auf hatte schnell vom Kopfe riß, und damit uͤber den holprichten Boden voller Steine fortrannte, wo hin keiner von uns nachzulaufen im Stande war. Maheine gerieth daruͤber in solches Schrecken, daß er erst eine ganze Weile nachher Worte finden konnte, es dem Capitain zu klagen; da war aber der Dieb schon uͤber alle Berge. Um eben die Zeit saß Herr Hodges auf einer kleinen Anhoͤhe, um einen Prospect zu zeichnen, und verlohr auf gleiche Weise seinen Hut. Herr Wales stand mit einer Flinte neben ihm, war aber, wie billig, der Meynung, daß ein so ge- ringes Verbrechen keine Kugel verdiene. Indem wir an der Seekuͤste hinspatzierten, fanden wir ein Paar Stau- den solchen Sellerys, dergleichen auf dem Strande von Neu-Seeland so haͤufig waͤchset. Auch bemerkten wir ein paar andre kleine Pflanzen, die wir dort ebenfalls wahrgenommen hatten. Ob diese Kraͤuter hier einheimisch oder von Saamen aufgeschossen seyn moͤgen, den die See hergeschwemmt oder die Voͤgel hergebracht, kann ich nicht entscheiden. Wir fanden auch ein Stuͤck Land mit Yams bepflanzt, ( dioscorea alata Linnaei ) welches der armseligen Oster-Eylaͤn- dischen Flora in unsern Augen einen großen Zuwachs gab. — Die Ueberein- stimmung, welche sich in den Gesichtszuͤgen, den Gebraͤuchen und der Sprache dieses Volks mit den Einwohnern der andern Suͤdsee-Inseln findet, machte uns Hoffnung, daß wir auch die Hausthiere hier finden wuͤrden, welche wir auf Tahiti und Neu-Seeland angetroffen. Allein des sorgfaͤltigsten Nach- suchens ohnerachtet, fanden wir nichts als das gemeine Huhn, welches hier von sehr kleiner Art und von unansehnlichen Gefieder war. Zwar bemerkten wir auch zwey oder drey schwarze Meerschwalben ( sterna stolida, ) die so zahm waren, daß sie den Einwohnern auf der Schulter saßen; es ließ sich aber dar- aus nicht schließen, daß sie eine ordentliche Zucht davon haͤtten. Forster’s Reise um die Welt 1774. Maͤrz. Bey Untergang der Sonne verließen wir den Wasserplatz, und gien- gen nach der Bucht, wo unser Boot vor Anker lag. Unterwegens kamen wir uͤber den ebnen Platz, auf welchem die vorbeschriebne Saͤule aufgerichtet ist. Einige Einwohner, die uns noch begleiteten, winkten uns, daß wir auf dem Grase am Fus des Piedestals, und nicht uͤber das Mauerwerk gehen sollten; da wir uns aber nicht daran kehrten, so hatten sie auch nichts dawider. Wir erkundigten uns bey einigen die am verstaͤndigsten zu seyn schienen, was diese Steine zu bedeu- ten haͤtten, und so viel wir aus ihrer Antwort schließen und errathen konnten, muͤssen es Denkmaͤhler ihrer Eriki’s oder Koͤnige seyn. Also ist das gemauerte Piedestal vermuthlich als der Begraͤbnißplatz anzusehn; und bey genauerer Un- tersuchung fanden wir wuͤrklich nicht weit davon eine Menge Menschen-Gebeine, welches denn unsre Vermuthung bestaͤtigte. Die Laͤnge der Knochen paßte zu Koͤrpern mittlerer Laͤnge, und ein Schenkelbein, das wir maaßen, kam genau mit der Maaße desselbigen Knochens an einer Person uͤberein, die ohngefaͤhr 5 Fus neun Zoll lang war. An der West-Seite der Bucht standen drey Saͤu- len, auf einem sehr breiten und erhoͤheten Postement, in einer Reihe aufge- richtet. Diese Reihe nannten die Einwohner Hanga-roa . Die vorerwaͤhnte einzelne Saͤule aber hießen sie Obina . Nahe bey diesen Pfeilern saßen zehn oder zwoͤlf von den Einwohnern um ein kleines Feuer, an welchem sie ein Paar Kartoffeln brateten. Dies war ihr Abendessen, und sie boten uns, als wir vorbey giengen, etwas davon an. In einen so armseligen Lande war uns diese Gastfreyheit unerwartet. Man vergleiche sie einmal mit den Gebraͤuchen der eivilisirten Voͤlker, die sich fast aller Empfindungen gegen ihren Nebenmenschen zu entledigen gewußt haben! Uebrigens war es uns sehr angenehm, bey dieser Gele- genheit augenscheinlich uͤberzeugt zu werden, daß die Vermuthung der Hollaͤnder, wegen solcher Feuer ungegruͤndet gewesen, denn wir fanden nicht den mindesten Grund , diese Feuer fuͤr eine religioͤse Ceremonie anzusehen. Mit einem kleinen Vor- rath von Kartoffeln, den wir eingekauft und ohngefaͤhr sechs oder sieben bekannten Pflanzen, die wir gesammlet, kehrten wir nun an Bord zuruͤck. Den scorbutischen Patienten bekam unser Spatziergang ungemein wohl und besser denn jeden andern. Ich fuͤr meine Person, der ich am Morgen noch geschwollne Beine hatte, und kaum darauf stehen konnte, befand mich heute Abend schon in den Jahren 1772 bis 1775. schon weit besser. Die Geschwulst hatte sich etwas gelegt und die Schmerzen 1774. Maͤrz. waren gaͤnzlich verschwanden. Diese schleunige Besserung mußte ich einzig und allein der Bewegung zuschreiben, vielleicht hatten auch die antiscorbutischen Ausduͤnstungen des Landes mitgewaͤrkt, denn wie man sagt, sollen die schon allein hinreichend seyn, diejenigen wieder gesund zu machen, die sich durch langen Aufenthalt auf der See den Scorbut zugezogen haben. Fruͤh, am folgenden Morgen, beorderte Capitain Cook die Lieutenants Pickersgill und Edgecumbe , mit einer Parthey Seesoldaten und Matrosen, das Innere des Landes zu untersuchen, um wo moͤglich, zu erfahren, ob es in irgend einer andern Gegend besser angebauet und staͤrker bewohnt waͤre. Herr Wales und Hodges , Doctor Sparrman und mein Vater, machten sich mit auf den Weg, so daß das ganze Detaschement aus sieben und zwanzig Mann bestand. Ich hingegen gieng nach dem Fruͤhstuͤck mit Capitain Cook und einigen andern Officiers ans Ufer, wo wir ohngefaͤhr zweyhundert Einwohner, und unter diesen, vierzehn oder funfzehn Weiber, nebst ein Paar Kindern, versammlet fanden. Es war uns unmoͤglich, die Ursach dieser Ungleichheit in der Zahl der beyden Geschlechter, zu errathen; da aber alle Weibsleute, die wir bisher gesehen, ungemein freygebig mit ihren Gunstbezeugungen waren, so vermuthete ich damals, daß die Verheyratheten und Eingezognern, welche vielleicht die groͤßte Zahl ausmachten, keinen Gefallen finden moͤgten, mit uns bekannt zu werden, oder vielleicht durch die Eifersucht der Maͤnner gezwungen wuͤrden, in den entferntern Theilen der Insel zuruͤck zu bleiben. Die wenigen, welche wir hie und da ansichtig wurden, waren die ausschweifendsten Creaturen, die wir je gesehen. Sie schienen uͤber alle Schaam und Schande voͤllig weg zu seyn; und unsre Matrosen thaten auch, als wenn sie nie von so etwas gehoͤrt haͤtten; denn der Schatten der colossalischen Monumente, war ihnen in Hinsicht auf ihre Ausschweifungen schon Obdachs genug. Herr Patton , Lieutenant Clerke , und ich, machten uns von der Kuͤste, wo der Zusammenlauf am groͤßten war, hinweg, und giengen tiefer ins Land. Die Sonne stach unbeschreiblich: denn ihre Strahlen wurden aller Orten von dem kahlen, steinigten Boden zuruͤckgeworfen, und es war auch kein Baum, der Forsters Reise u. d. W erster Th. J i i Forster’s Reise um die Welt 1774. Maͤrz. uns einigen Schatten haͤtte geben koͤnnen, in der ganzen Gegend zu sehen. Meine Herren Begleiter hatten ihre Vogelflinten mitgenommen, weil sie einiges Gevoͤgel unterwegs anzutreffen glaubten; aber ihre Hoffnung war verge- bens, und dem Anschein nach, giebts auf der ganzen Insel kein ander Landge- fluͤgel, als die gemeinen Huͤhner, die zahm und noch dazu sehr selten sind. Wir giengen einem Fussteig nach, den die Einwohner gemacht hatten, bis wir an ein bebauetes Feld kamen, das mit Kartoffeln, Yams, Arum-Wurzel, und einer Art von Nachtschatten besetzt war. Letzteres wird zu Tahiti und auf den benachbarten Inseln als ein Wundmittel ( solanum nigrum ) gebraucht, und koͤnnte vielleicht auch bey uns, in gleicher Absicht, gebauet werden. Das Gras, das sonst uͤberall im einem angebaueten Boden hervor waͤchst, war hier sorgfaͤl- tigst ausgejaͤtet und statt des Duͤngers uͤber das ganze Feld gestreuet, oder auch vielleicht um die Wurzeln und Pflanzen gegen die brennenden Strahlen der Sonne, dadurch zu schuͤtzen. Aus allem diesen ergiebt sich, daß die Einge- bohrnen nicht ganz unwissend im Ackerbau sind, sondern vielmehr den Boden, mit vieler Muͤhe und Arbeit bauen. Nicht weit von diesen Feldern, trafen wir zwey kleine Huͤtten an, aber noch kleiner als die oben beschriebne. Der Eingang war mit einer großen Menge Strauchwerk verstopft, und beym ersten Annaͤhern, kam es uns vor, als wenn wir Weiberstimmen darinn hoͤrten; da wir aber schaͤrfer zuhorchten, vernahmen wir weiter nichts, das uns in der Mey- nung bestaͤrkt haͤtte. Wir giengen von da zu einem Huͤgel, der mit Buschwerk bewachsen war. Es bestand aus einer Mimosa , die aber kaum acht Fus hoch waͤchst und uns also wenig Schatten gegen die Sonne gab. Wir ruhten uns hier eine Weile aus und nahmen dann unsern Weg zu andern Feldern, die eben so, als die vorigen, bestellt waren. Sie hatten aber keine Verzaͤunungen, wie Roggeweins Reisebeschreiber, in ihrer Erzaͤhlung mit anfuͤhren. Vermuth- lich haben sie dies aus eigner Fantasie hinzugesetzt. — Die immer zunehmende Tageshitze hatte uns ganz erschoͤpft, und doch hatten wir noch einen langen Weg, nach der See zuruͤck zu machen. Gluͤcklicherweise kamen wir bey einem Manne vorbey, der eben beschaͤfftigt war, Kartoffeln aus einem Stuͤck Ackers aufzu- nehmen. Dem klagten wir unsern Durst; sogleich lief der gute Alte zu einer großen Zuckerrohr-Pflanzung, und brachte uns eine ganze Menge von dem be- in den Jahren 1772 bis 1775. sten und saftigsten dieser labenden Pflanzen, um uns damit zu erquicken. Wir 1774. Maͤrz. machten ihm dafuͤr ein kleines Geschenk zur Vergeltung, nahmen unser Rohr und schnitten es zu Spatzierstoͤcken, schaͤlten es unterwegens und sogen es aus. Der Saft desselben war ungemein erfrischend. Bey unsrer Zuruͤckkunst am Landungsplatze, fanden wir den Capitain Cook noch im Handel mit den Eingebohrnen beschaͤfftigt. Sie brachten ihm Huͤhner, die schon zubereitet waren, und einige Matten-Koͤrbe mit suͤßen Kartoffeln; zuweilen aber betrogen sie ihn, indem sie die Koͤrbe unten mit Stei- nen gefuͤllt und obenher nur mit einigen Kartoffeln bedeckt hatten. Die schaͤtz- barsten Artickel unter unsern Waaren, wogegen sie uns die ihrigen vertauschten, waren ledige Coco-Nußschalen, die wir auf den Societaͤts- und freundschaftli- chen Inseln bekommen hatten. Indessen fanden diese nur dann einen gewissen Werth bey ihnen, wenn sie nur eine kleine Oeffnung oder einen Deckel hatten. Naͤchst diesen wurde das tahitische und europaͤische Zeug, zum Eintausch ge- braucht, und bey der Schaͤtzung kam es hauptsaͤchlich auf die Groͤße an. Eisen- waare hatte hier den geringsten Preis. Der groͤßte Theil der Leute, die mit uns handelten, lief gemeiniglich sogleich, als der Kauf geschlossen war, mit dem eingehandelten Zeuge, Nuß-Schalen oder Naͤgeln davon. Sie besorgten viel- leicht, daß uns der Handel gereuen moͤgte, wenn sie auch vor ihr Theil ganz ehrlich dabey zu Werk gegangen waren. Einige hatten indessen Kuͤhnheit genug, vor Ablieferung ihrer Guͤter mit den bedungenen und erhaltnen Preisen davon zu laufen; ein Umstand, der den erbaͤrmlichen Zustand dieser elenden Menschen sehr deutlich an den Tag legt. Der Mangel an Kleidungszeuge war unter ihnen sehr groß. Aus Noth giengen sie mehrentheils nackend, und dennoch verkauften sie ihr bischen eignes Zeug gegen andres von Tahiti . Die Begierde etwas von diesem zu besitzen, machte, daß sie manches von ihren eignen Habseligkei- ten verkauften, was sie sonst wohl nicht weggegeben haben wuͤrden. Dahin ge- hoͤrten ihre verschiednen Huͤte und Kopfdecken, ihre Halsbaͤnder, Ohrzierra- then, und verschiedne kleine Menschen-Figuren, die aus schmalen achtzoͤlligen oder zweyfuͤßigen Stuͤcken Holz, aber sein und proportionirter geschnitzt waren, als wir, nach der plumpen Arbeit ihrer großen steinernen Statuen zu urtheilen, erwartet haͤtten. Sie stellten Personen beyderley Geschlechts vor: J i i 2 Forster’s Reise um die Welt 1774. Maͤrz. Die Gesichtszuͤge derselben waren freylich nicht angenehm, und die ganze Figur war gemeiniglich zu lang; aber etwas characteristisches, aus dem sich ein ge- wisser Geschmack fuͤr die Kuͤnste abnehmen ließ, war bey dem allen darinn anzu- treffen. Das Holz, woraus sie bestanden, war schoͤn polirt, dabey dicht und von dunkelbrauner Farbe, wie das Holz von der Casuarina. Da wir aber die- sen Baum hier noch nicht gefunden hatten, so erwarteten wir die Ruͤckkunft unsrer Partheygaͤnger mit desto groͤßerer Begierde, in Hoffnung, daß sie auch in Ab- sicht dieses Umstandes einige naͤhere Entdeckungen gemacht haben wuͤrden. Ma- heine fand an diesen geschnitzten menschlichen Figuren ein großes Wohlgefallen; denn sie waren weit besser gearbeitet als die E-Tis , die man bey ihm zu Lande verfertigt. Er kaufte auch verschiedne davon, mit der Versicherung, daß sie zu Tahiti ungemein hoch geschaͤtzt werden wuͤrden. Da er sich viel Muͤhe gab, diese Seltenheiten aufzusuchen, so fand er eins Tages eine geschnitzte Frauens- Hand von gelben Holz, ungefaͤhr in der natuͤrlichen Groͤße. Die Finger der- selben waren aufwaͤrts gebogen, wie sie die Taͤnzerinnen auf Tahiti zu halten pflegen; und die Naͤgel daran waren sehr lang; denn sie stunden mehr als drey- viertel Zoll uͤber die Spitzen der Finger hervor. Sie war von dem seltnen, wohlriechenden tahitischen Holz gemacht, womit man allhier dem Oel einen gu- ten Geruch zu geben pflegt. Auch dieses Holz hatten wir auf Oster-Eyland nicht gefunden, eben so wenig als wir bemerkt hatten, daß man hier lange Naͤgel zu tragen gewohnt sey: Wir konnten also nicht begreifen, wie dies huͤbsch gearbeitete Stuͤck hieher gekommen. Maheine schenkte es hernachmals meinem Vater, der es im brittischen Museo niedergelegt hat. Eben so ließ sich Maheine auch sehr angelegen seyn, so viel Federhuͤte, als moͤglich, zusammen zu brin- gen; besonders waren ihm die von Fregatten-Federn sehr angenehm, weil dieser Vogel zu Tahiti selten ist, und wegen seiner glaͤnzenden, schwarzen Federn sehr hoch geschaͤtzt wird. Indessen, daß Capitain Cook in der Bucht war, ward auch am Was- serplatze um Kartoffeln gehandelt. Aus Begierde nach unsern Guͤtern, ließen sich hier die Einwohner verleiten, eine Untreue an ihren eignen Landsleuten zu begehen. Dicht neben dem Brunnen lag ein Feld mit suͤßen Kartoffeln, und eine Menge Leute, alt und jung durcheinander, waren emsig daruͤber her, sie in den Jahren 1772 bis 1775. auszugraben und zu verkaufen. Dieser Handel dauerte schon einige Stunden, 1774. Maͤrz. als ein andrer Indianer dazu kam, sie mit vielen Unwillen davon trieb, und darauf allein Kartoffeln auszugraben fortfuhr. Er war der rechte Eigenthuͤmer des Feldes, und die andern hatten ihn bestohlen, weil sie eine so gute Gelegen- heit fanden, ihre gestohlnen Guͤter an den Mann zu bringen. Außer Zweifel ge- hen auf den Societaͤts-Inseln zuweilen eben solche Diebereyen vor; denn die Einwohner erzehlten uns oft, daß sie mit dem Tode bestraft wuͤrden, wiewohl wir niemals ein Beyspiel solcher Strafe gesehen haben. Auf Oster-Ey- land aber sahen wir das Verbrechen ganz ungestraft hingehen. Der Grund davon liegt wahrscheinlich in dem verschiednen Grade der Cultur, den man unter diesen beyden Voͤlkerschaften, so nahe sie auch sonst einander verwandt sind, antrifft. Zu Mittag giengen wir an Bord, und speißten ein paar Huͤhner mit Kartoffeln, die wir nach unserm muͤhsamen Spatziergange, uͤberaus vortreflich fanden. Wir trafen einige Insulaner auf dem Schiffe, die es gewagt hatten vom Lande herzuschwimmen, ob es gleich noch drey viertel Meilen davon entfernt war. Sie schienen uͤber alles, was sie sahen, erstaunt, und jeder von ihnen, maaß die Laͤnge des Schiffs, von einem Ende bis zum andern, mit ausgebreite- ten Armen aus. Einem Volke, dessen Canots aus lauter kleinen Stuͤckchen zu- sammengeflickt sind, mußte natuͤrlicherweise, eine solche Menge von Zimmerholz, und noch dazu, von solcher Groͤße, etwas sehr unbegreifliches seyn. Die Be- gierde zu gewinnen, hatte auch eine Weibsperson so beherzt gemacht, sich durch Schwimmen an unser Schiff zu begeben. Sie besuchte erst einige Unter-Officier, wandte sich darauf an die Matrosen, und ihre Begierden waren unersaͤttlicher als einer Meßalina. Plin. H. nat. X. c. 63. Tacit. Ann. XI. Juven. Sat. VI. v. 129. Ein paar englische Lumpen und einige Stuͤcke Tahitisches Zeug, war alles was sie fuͤr ihre Dienste davon trug. Sie ward in dem zusammengeflickten Canot abgehohlt, welches das einzige auf der Insel zu seyn schien. Den Tag vorher hatte eine andre Weibsperson auch durch Huͤlfe des Schwimmens, das Schiff besucht, und war eben so ausschwei- fend, als jene gewesen. Wir wußten warlich nicht, woruͤber wir uns mehr J i i 3 Forster’s Reise um die Welt 1774. Maͤrz. wundern sollten; uͤber ihr Gluͤck bey unsern kraͤnklichen, ausgehungerten Seeleu- ten? oder uͤber ihre unersaͤttliche Liederlichkeit? Nachmittags giengen wir wieder ans Land, und ich besuchte die Berge gegen Suͤden; die sehr leicht zu ersteigen waren, weil sie ausserordentlich sanft in die Hoͤhe giengen. Ich fand eine große Pisang-Pflanzung darauf, und weiter hinauf einige Ruinen von einer verfallnen Mauer, auf welcher vielleicht vor al- ten Zeiten eine Bildsaͤule gestanden hatte. Von da lief ich uͤber einige Felder, auf denen ich eine Familie beym Ausgraben ihrer Kartoffeln antraf. Ich gieng auf ihre Huͤtte zu, die so klein war, als ich je eine gesehen. Als ich mich etwas mehr genaͤhert hatte, versammelten sich die Leute um mich her, und ich setzte mich mit- ten unter ihnen nieder. Es waren ohngefaͤhr 6 oder 7 Personen, worunter sich ein Weib und zwey kleine Jungens befanden. Sie uͤberreichten mir etwas von ihrem Zuckerrohr, wofuͤr ich ihnen ein klein Stuͤck Tahitisches Zeug, das sie so- gleich um den Kopf wickelten, zum Gegengeschenk machte. Sie waren bey wei- tem nicht so neugierig, als die Leute auf den Societaͤts-Inseln , sondern giengen bald wieder an ihre Arbeit, mit der ich sie beschaͤftigt gefunden hatte. Einige hatten Feder-Huͤthe auf, die sie mir zum Tausch gegen ein Stuͤck Zeug von der Groͤße eines Schnupftuches anboten. Neben der Huͤtte sahe ich einige Huͤh- ner, welches die einzigen waren, die ich bis jetzt lebendig auf der Insel angetrof- fen hatte. Ihr Betragen gegen mich, war dem allgemeinen Charaeter der Suͤd-See-Voͤlker gemaͤß, ganz friedlich. Nach den Ausdruͤcken der Rogge- weinschen Reisebeschreiber scheint es fast, als wenn die Hollaͤnder nur zum Zeit- vertreib auf diese armen Leute, die ihnen doch nichts zu leide thaten, gefeuert, und eine große Menge von ihnen, bloß um den uͤbrigen ein Schrecken dadurch einzujagen, niedergeschossen haͤtten. Es ist leicht moͤglich, daß die Furcht vor dem moͤrdrischen Europaͤischen Gewehr, worinn der Spanische Besuch sie viel- leicht bestaͤrkt haben mogte, in ihnen bey unsrer Ankunft wieder erwachte, und sie so furchtsam und scheu in ihrem Betragen gegen uns machte; doch ist auch nicht zu leugnen, daß sie uͤberall in ihren Character etwas sanftes, mit- leidiges und gutherziges haben, welches sie gegen die Fremden so willfaͤhrig, und so weit es ihnen das elende Land zu seyn erlaubt, so gastfrey macht. in den Jahren 1772 bis 1775. Ich gieng hierauf meinen vorigen Weg zuruͤck und kehrte mit Capitain 1774. Maͤrz. Cook wieder an Bord. Um 9 Uhr waren wir am Ufer, und feuerten zum Signal, daß wir ein Boot haben wollten, eine unserer Musketen, ab. Man schickte sogleich unsere Pinnasse, und so kam unser Detaschement wie- der an Bord. Mein Vater war wegen seiner langerlittenen, rheumatischen Schmerzen mehr, als die uͤbrigen abgemattet und mußte sogleich zu Bette gehen; die andern Herren aber speißten mit uns das Abendbrod, wozu wir ein Paar Huͤhner, die schon zubereitet waren, am Lande gekauft hatten. Sie erzaͤhlten uns von ihren Verrichtungen, und da man es vielleicht lieber sehen wird, etwas zusammenhaͤngendes daruͤber zu hoͤren, so will ich hier einen Auszug aus meines Vaters Tagebuch einruͤcken: “Sobald wir gelandet, giengen wir sogleich ins Land hinein, nahmen unsern Weg laͤngst dem Fus des hoͤchsten Berges, der gegen Suͤden liegt, bis wir die andre Seite der Insel erreichten. Ohngefaͤhr einhundert von den Ein- gebohrnen, darunter vier bis fuͤnf Frauenspersonen waren, begleiteten uns auf dieser Wallfahrt, und verkauften uns eine Menge Kartoffeln und etliche Huͤh- ner, die unsern Vorrath an Lebensmitteln etwas ansehnlicher machten. Ein Mann von mittlerm Alter, der uͤber den ganzen Leib punctirt war, und sich das Gesicht mit weißer Farbe angestrichen hatte, gieng voran, und hielt ein weißes Tuch, auf einem kleinen Stecken empor, wobey er seine Landsleute aus dem Wege gehen hieß. Der Boden war uͤberall mit Steinen von verschiedner Groͤße bedeckt, die loͤcherigt, schwammigt und von schwarzer brauner oder roͤth- licher Farbe waren, und unlaͤugbare Spuren volcanischen Feuers an sich hatten, Die Fussteige waren einigermaßen von den Steinen gereinigt, aber so eng, daß wir mit den Fuͤßen ganz einwaͤrts gehen mußten, ein Umstand, der den Einwohnern eben nicht schwer fiel, indem sie im Gehen bestaͤndig einen Fus vor den andern zu setzen pflegen. Uns war diese Art zu gehen, etwas un- gewohnt und daher sehr ermuͤdend. Wir stießen oft an und verloren daruͤber nicht selten das Gleichgewicht. Zu beyden Seiten des Fussteiges war der Boden mit duͤnnem perennirenden Grase ( paspalum ) besetzt. Es wuchs hier in klei- nen Buͤscheln, und war so schluͤpfrig, daß man fast nicht darauf gehen konnte. Auf der Ostseite der Insel, kamen wir zu einer Reihe Bildsaͤulen, sieben an der Forster’s Reise um die Welt 1774. Maͤrz. Zahl, wovon viere noch aufrecht standen; eine unter diesen aber hatte auch schon die Mutze verloren. Sie standen alle auf einem Piedestal, wie die, so auf der andern Seite der Insel waren, und die Steine im Gestell waren an bey- den auf gleiche Art behauen und paßten sich wohl aneinander. Ob gleich der Stein, woraus diese Bildsaͤulen verfertigt waren, ziemlich weich zu seyn scheint, indem er aus dem rothen Tufo besteht, der die ganze Insel bedeckt, so ist doch schwer zu begreifen, wie ein Volk, das kein Handwerkszeug und andere mechanische Huͤlfsmittel hat, so große Massen habe bearbeiten und aufrichten koͤnnen. Die allgemeine Benennung dieser oͤstlichen Reihe, war Hauga-Te- bau; das Wort Hanga wird dem Namen aller dieser Bildsaͤulen-Reihen vor- gesetzt. — Die einzelnen Bildsaͤulen hießen: Ko- Ko ist der gewoͤhnliche Artikel in der Sprache von Neu-Seeland und der freundschaftli- chen Inseln . Tomoai, Ko-Tomo- iri, Ko-Hu-u, Morahina, Umariwa, Winabu, Winape .“ “Wir giengen von da noͤrdlich an der See heraus, und kamen rechter Hand bey einen tiefen Abgrund vorbey. Der Boden bestand eine weite Strecke lang, aus demselbigen eisenschuͤssigen Tufo, woraus jene Bildsaͤulen gemacht sind, und war mit kleinen Bruchsteinen angefuͤllt. Kurz darauf geriethen wir an ei- nen Platz, der aus einem einzigen, festen, zusammenhaͤngenden Felsen, oder schwarzer geschmolzner Lava, die etwas Eisen in sich zu halten schien, bestand. Erde, Gras oder Pflanzen, wie sie auch Namen haben moͤgen, waren gar nicht darauf anzutreffen. Weiter hin kamen wir durch verschiedne Felder von Pisang, Kartoffeln, Yams und Arum-Wurzeln. Das Gras, so sich hie und da zwischen den Steinen findet, war ausgejaͤtet und uͤbers Land gestreuet, um es entweder gegen die Sonne zu decken, und dadurch feucht zu erhalten, oder es damit zu duͤngen. „Wo wir hin kamen, wurden uns gahr gemachte Kartoffeln, zum Kauf angeboten, und bey einer Huͤtte, wo wir Halte machten, verkaufte man uns einige Fische. Etliche der Eingebohrnen waren bewaffnet. Die Waffen aber bestunden aus nichts anders, als aus denen schon oben angefuͤhrten Stoͤcken, die mit einem Stuͤck schwarzer, glasartiger Lava versehen, und sorgfaͤltig in kleine Stuͤck- chen Zeug eingewickelt waren. Nur einer hatte eine Streit-Axt, die kuͤrzer als in den Jahren 1772 bis 1775. als die Neu-Seelaͤndischen, uͤbrigens aber diesen voͤllig aͤhnlich war. Auf je- 1774. Maͤrz. der Seite war ein Kopf geschnitzt, in welchen, statt der Augen, ein paar Stuͤck- chen von ebengedachten schwarzen Glase eingesetzt waren. Sie hatten auch einige ungestalte Menschen-Figuren von Holz, deren Gebrauch oder Bedeutung wir aber nicht erfahren konnten; doch glaubten wir nicht, daß unsre Unwissen- heit uns berechtigte, sie fuͤr Goͤtzenbilder zu halten, wie man, in der That allzu oft, das Bildwerk unbekannter Nationen dafuͤr ausgegeben hat. “Wir verliessen diese Huͤtte und giengen noch etwas weiter gegen Nor- den, ohne jedoch was neues anzutreffen. Aus ein paar nahe gelegnen Haͤusern kamen uns ein Mann und eine Frau entgegen, jeder mit einem großen Beutel, der aus zierlich gearbeiteten Matten verfertigt war, worinnen sie warme Kartof- feln hatten. Sie stellten sich damit an der Seite des Fussteigs, den wir gehen mußten. Als wir naͤher kamen, gab der Mann einem jeden von uns, einige von seinen Kartoffeln, und nachdem er dem ganzen Haufen schon viele da- von ausgetheilt, lief er mit der groͤßten Geschwindigkeit, zu den voͤrdersten in unserm Zuge, um auch die uͤbrigen bis auf die allerletzte auszutheilen. Ich gab ihm, fuͤr mein erhaltenes Theil, ein großes Stuͤck Zeug, zur Vergeltung, und das war auch das einzige Gegengeschenk, so er fuͤr seine Freygebigkeit, wo- von ich nicht einmal zu Tahiti ein aͤhnliches Beyspiel gesehen habe, einerndtete. Bald darauf sagten uns die Leute: ihr Eri oder Hariki , oder Koͤnig, kaͤme uns entgegen. Es giengen etliche Personen vor ihm her, und gaben jedem un- ter uns zum Freundschafts-Zeichen, einiges Zuckerrohr, wobey sie das Wort Hio aussprachen, das nach ihrer Mundart so viel als Freund bedeutet. Hoa auf den Societaͤts-Inseln ; Woa auf den freundschaftlichen Inseln . Gleich darauf sahen wir den Koͤnig auf einer Anhoͤhe stehen und begaben uns zu ihm hinauf. Herr Pickersgill und ich, machten ihm einige Geschenke. Wir frugen nach seinen Namen: Er sagte uns: er heiße Ko-Tohitai , setzte aber auch sogleich hinzu, daß er Eri sey. Wir erkundigten uns weiter, ob er nur Befehlshaber eines gewissen Districts, oder Oberherr der ganzen Insel waͤre: Auf diese Anfrage streckte er beyde Arme aus, als wolle er die ganze Insel um- fassen, und sagte dabey: Waihu . Um ihm zu zeigen, daß wir ihn verstuͤn- den, legten wir unsre Haͤnde auf seine Brust, nannten ihn bey seinem Namen, Forsters Reise u. d. W. erster Th. K k k Forster’s Reise um die Welt 1774. Maͤrz. und setzten den Titel: Koͤnig von Waihu hinzu. Daruͤber war er, dem An- schein nach, sehr zufrieden, und unterredete sich darauf eine lange Weile mit seinen Unterthanen. — Er war von mittlerm Alter und ziemlich gros. Gesicht und Coͤrper waren punctirt. Sein Anzug bestand aus einem Stuͤck Zeug von Maulbeer-Rinde, das mit Gras durchnaͤhet und mit Kurkuma gelb gefaͤrbt war. Auf dem Kopfe hatte er einen Aufsatz von langen, glaͤnzenden, schwar- zen Federn, den man allenfalls ein Diadem haͤtte nennen koͤnnen. Wir bemerk- ten aber nicht, daß ihm das Volk einige vorzuͤgliche Ehrerbietung erwiesen haͤtte, und warlich, in einem so armseligen Lande, konnte er sich auch eben keine große Vorrechte anmaßen, ohne offenbar den natuͤrlichen Rechten des Menschen, zu nahe zu treten, welches gefaͤhrliche Folgen haͤtte hervorbringen koͤnnen. Als wir weiter vorwaͤrts gehen wollten, schien er daruͤber etwas unzufrieden: Denn er bat uns umzukehren, und erbot sich uns zu begleiten; da aber unser Offi- cier entschlossen war, weiter zu gehen, so ließ er sichs auch gefallen und gieng mit uns. „Wir giengen auf eine Anhoͤhe zu, wo wir, als wir oben waren, Halte machten, um einige Erfrischungen zu uns zu nehmen, hiernaͤchst auch, Herrn Hodges Zeit zu lassen, einige Monumente zu kopieren. Bey einem derselben fanden wir ein vollstaͤndiges Menschen-Skelet. Von etlichen dieser Monumente ist in Capitain Cooks Nachricht von dieser Reise eine naͤhere Vor- stellung beygefuͤgt. Unsre Leute setzten sich auf die Erde nieder und legten ihren Vorrath von eingehandelten Lebensmitteln vor sich hin, indessen daß die Offi- ciers und andre von unsrer Begleitung, sich mit den Insulanern in allerley Un- terredungen einließen. Einer von den Matrosen, der meinen Pflanzen-Sack, nebst einigen Naͤgeln, die darinn befindlich waren, tragen mußte, gab nicht gnug darauf Acht. Dieser Gelegenheit bediente sich einer von den Wilden, nahm ihn und lief damit fort. Es wurd’ es niemand gewahr, als Lieutenant Edgecumbe ; dieser schoß sogleich sein Gewehr, mit Hagel geladen, hinter dem Diebe her, und setzte uns alle dadurch gewissermaßen in Unruhe. Der Wilde, welcher fuͤhlte, daß er verwundet war, warf eilends den Beutel hin, und un- sre Leute holten ihn wieder zu uns. Der arme Schelm fiel bald nachher selbst zu Boden. Seine Landsleute nahmen ihn auf, und entfernten sich eine in den Jahren 1772 bis 1775. Weile, bis wir ihnen zuruͤckzukommen winkten, welches sie auch fast alle tha- 1774 Maͤrz. ten. Ob dies gleich nur der einzige Fall war, in welchem die Einwohner auf dieser Insel, waͤhrend unsers Hierseyns, gefeuert wurde, so ist es darum doch nicht weniger zu bedauern, daß Europaͤer sich so oft ein Strafrecht uͤber Leute anmaßen, die mit ihren Gesetzen so ganz unbekannt sind. Von hier giengen wir noch weiter ins Land hinein, und kamen an einen tiefen Brunnen, der durch die Kunst gehauen zu seyn schien und gutes suͤßes Wasser hatte, das aber etwas truͤb war. Wir trunken alle davon, weil wir herzlich durstig waren, und giengen weiter neben einigen großen Statuͤen vor- bey, die umgeworfen waren. Von hier aus sahen wir die beyden Huͤgel, bey welchen wir am 12ten dieses, vom Schiffe her, die mehresten Bildsaͤulen bemerkt hatten. In der Naͤhe war eine Anhoͤhe, von der wir die See auf beyden Seiten der Insel, weit uͤber eine Ebne hinaus, die uns auch vom Schiffe zu Gesicht gekommen war, sehen konnten. Wir uͤbersahen zugleich die ganze oͤstliche Kuͤste, und die daselbst befindlichen zahlreichen Bildsaͤulen; und wurden uͤberzeugt, daß auf der dortigen Seite der Insel weder Bay noch Haven anzutreffen sey. Mit dieser Entdeckung begaben wir uns von da zuruͤck, und kamen zu einer großen Statuͤe, die von den Einwohnern Mangototo genannt wird. Im Schatten derselben hielten wir unser Mittagsmahl. Nahe dabey zeigte sich uns eine andre noch groͤßre Statuͤe, aber umgeworfen. Sie hatte 27 Fus Laͤnge und 9 Fus im Durchschnitte, und uͤbertraf an Groͤße alle uͤbrigen, die wir bis dahin gesehen hatten. “Auf dem Ruͤckwege hielten wir zum andernmal bey dem Brunnen an, um unsern Durst zu loͤschen, welchen die gewaltige Sonnenhitze, deren Strahlen unaufhoͤrlich von den kahlen Felsen zuruͤckprallten, sehr heftig erregt hatte. Von da giengen wir auf die Berge zu, welche queer uͤber die Insel lau- fen; funden aber den Fussteig, der dahin fuͤhrte, rauher und beschwerlicher als je- mals: Denn der Boden war uͤberall mit volcanischen Schlacken bedeckt und weit und breit oͤde, ob sich gleich hie und da Spuren fanden, daß er vor Zeiten angebauet gewesen. Hier fuͤhlte ich, wie sehr ich durch die lang anhalten- den Rheumatismos geschwaͤcht worden war. Alle meine Glieder waren, so zu sagen, verkruͤppelt. Ich konnte den uͤbrigen kaum nachkommen; ob ich K k k 2 Forster’s Reise um die Welt 1774. Maͤrz. gleich bey andern Gelegenheiten und sonst uͤberhaupt so leicht nicht zu ermuͤden war. Die Leute von der Insel waren zuruͤck geblieben, weil sie gesehen hatten, daß wir einen so muͤhseligen Weg nahmen; bloß ein Mann und ein kleiner Junge blieben bey uns. Da unsre Officiers und ihre Parthey den naͤch- sten Weg nach dem Schiff verfehlt hatten, so trennte ich mich von ihnen, und nahm mit Doctor Sparrman , einem Matrosen, und den beyden Indianern, den naͤchsten Weg, den uns die letztern gezeigt hatten. Der alte Mann sahe, daß ich sehr schwach war. Er bot mir also die Hand und gieng neben mir auf den losen Steinen an der Außenseite des Fussteiges, und so brachte er mich, mit großer Geschicklichkeit, eine lange Strecke, weit gemaͤchlicher, fort. Der kleine Junge lief voraus, um die Steine aus dem Wege zu raͤumen, die im Fus- steig lagen. Nach vielem wiederholten Ausruhen erreichten wir endlich die Hoͤhe eines Berges, von dem wir die West-See , und auf derselben unser Schiff vor Anker liegen sahen. Der Berg war mit der Mimosa uͤberwachsen, die hier 9 bis 10 Fus hoch wuchs. Einige Staͤmme waren dicht uͤber der Wurzel so dick, als ein Mannsschenkel. Unterweges stießen wir noch auf eine Quelle. Das Wasser aber hatte einen faulen Geschmack, und roch, wie Schwefelleber. Indessen trunken wir doch davon. Die Sonne war nun schon im Untergehen, so daß wir fast zwey Stunden lang, im Dunkeln den Berg hinunter giengen, wobey mir der Beystand meines Indianers doppelt zu statten kam. Ich wartete auf Herrn Pickersgill und dessen Commando; denn ich war ihnen fast 3 Mei- len zuvor gekommen. — Wenigstens 25 Meilen hatten wir auf den beschwer- lichsten Wegen gemacht, ohne ein Baͤumchen anzutreffen, das uns gegen die brennende Sonne haͤtte schuͤtzen koͤnnen. Meinem freundschaftlichen Fuͤhrer gab ich zur Vergeltung, alles Tahitische Zeug und allen Vorrath von Naͤgeln, so ich bey mir hatte, und kam endlich mit dem ganzen Commando gluͤcklich wieder an Bord.“ Man siehet aus dieser Nachricht, daß selbst die sorgfaͤltigsten Nachfor- schungen noch nicht hinreichend gewesen sind, ein gewisses Licht uͤber die bewun- dernswuͤrdigen Gegenstaͤnde zu verbreiten, die wir auf dieser Insel antrafen. Was besonders die riesenmaͤßigen Monumente anlangt, die hier uͤberall so haͤufig sind, und doch die Kraͤfte der gegenwaͤrtigen Einwohner gar weit zu uͤbertreffen scheinen, in den Jahren 1772 bis 1775. so muß man wohl billig annehmen, daß sie Ueberbleibsel vormaliger besserer Zeiten 1774. Maͤrz. sind. Denn die Zahl der Einwohner haben wir nach unsern genauesten Be- rechnungen niemals hoͤher als auf 700. fuͤr die ganze Insel, ansetzen koͤnnen, Die Spanier im S. Lorenzo und der Fregatte Rosalia , geben die Einwohner auf Oster- Eyland auf 2. bis 3000 an. Sie scheinen aber das Innere des Landes, nicht so genau als wir, untersucht zu haben. S. Dalrymples Letter to D. Hawkesworth . und diese alle haben fast keinen Augenblick ihres Lebens zu etwas andern uͤbrig, als sich die nothduͤrftigsten Erfordernisse zum Fortkommen in ihrem jaͤmmerlichen Zu- stande zu schaffen. Es fehlt ihnen an Handwerkszeug: Sie haben nicht ein- mal ihr noͤthiges Obdach und die unentbehrlichste Kleidung. Hunger und Man- gel verfolgen sie zu sehr, als daß sie auf Verfertigung solcher Bildsaͤulen denken koͤnnten, zu deren Vollendung ihr ganzes Leben und zu deren Aufrichtung die vereinten Kraͤfte des ganzen Volks erforderlich seyn wuͤrden. Wir sahen auch uͤberall auf unserer Wallfahrt, kein einziges Instrument, das zur Bildhauerey oder Baukunst im mindesten haͤtte dienlich seyn koͤnnen, eben so wenig, als wir etwa neue Steinbruͤche oder unvollendete Statuͤen antrafen, die man als Arbeiten der jetzigen Bewohner der Insel haͤtte betrachten duͤrfen. Das wahr- scheinlichste ist also, daß die Einwohner ehemals weit zahlreicher, wohlhabender und gluͤcklicher gewesen seyn muͤssen, als sie es heutiges Tages sind, und wenig- stens Zeit genug uͤbrig gehabt haben, um der Eitelkeit ihrer Prinzen durch Errich- tung verewigender Denkmaͤler schmeicheln zu koͤnnen. Die Spuren alter Pflan- zungen, so man noch hier und da auf den Spitzen der Berge antrift, bestaͤtigen einigermaßen diese Vermuthung. Uebrigens laͤßt sichs schwer bestimmen, durch was fuͤr Zufaͤlle dies Volk, sowohl in Absicht der Zahl, als des Wohlstandes, so weit herunter gekommen sey. Allerdings koͤnnen mancherley Ursachen, die diesen Umsturz veranlaßt haben, angefuͤhrt werden. Nur eine Ursache zu nennen, so war Verwuͤstung, welche durch einen Volkan angerichtet werden kann, voͤllig hinreichend, hundertfaches Elend uͤber ein Volk zu bringen, das in einem so kleinen Erdraum eingeschlossen war. Wer weis, ob diese Insel nicht ehemals grade durch einen Volcan hervorgebracht worden: Denn alle hiesige Steinarten K k k 3 Forster’s Reise um die Welt 1774. Maͤrz. sind volcanisch. Und eben so konnte sie auch durch neuere volcanische Ausbruͤche wieder zu Grunde gerichtet werden. Alle Baͤume und Pflanzen, alle zahmen Thiere, ja ein großer Theil ihrer Bewohner, koͤnnen in dieser fuͤrchterlichen Re- volution vernichtet worden seyn: und auf diese Art mußten Hunger und Elend, leider! nur allzu maͤchtige Verfolger derer werden, welche dem Erdbrande ent- giengen. Die kleinen geschnitzten Menschen-Figuren, deren wir oben er- waͤhnt haben, und die Hand einer Taͤnzerinn, welche Maheine fand, koͤnnen wir bis jetzt noch, eben so wenig erklaͤren: denn sie sind aus einer Art Holz ge- macht, welches heutiges Tages nicht mehr auf der Insel anzutreffen ist. Alles, was uns auch hiebey einfallen konnte, war dies: daß sie in weit fruͤhern Zeiten verfertigt worden, und bey der allgemeinen Katastrophe, die mit diesem Lande vorgegangen zu seyn scheint, entweder durch einen bloßen Zufall, oder durch eine besondre Sorgfalt so lange sey erhalten worden. Alle Weibsleute, welche wir in den verschiednen Theilen der Insel gesehen haben, machten zusammen nicht dreyßig aus, und doch hatten unsre Leute die ganze Insel, fast von einem Ende bis zum andern, durchstreift, und nicht die geringste Wahrscheinlichkeit gefun- den, daß sich die uͤbrigen etwa in einem oder dem andern entlegnen District der Insel versteckt haͤtten. Waren ihrer wuͤrklich nicht mehr als dreyßig oder vier- zig, gegen sechs oder siebenhundert Maͤnner, so muß die ganze Nation bald aussterben, oder alles, was man bisher uͤber die Mehrheit der Maͤnner ( Po- lyandrie ) angenommen hat, muß unrichtig seyn. Die mehresten Frauensper- sonen, welche uns zu Gesicht kamen, gaben uns freylich nicht Anlaß, zu vermuthen, daß sie an einen einzigen Mann gewoͤhnt waͤren; sondern sie schienen vielmehr ganz des Geistes der Messalina oder der Kleopatra zu seyn: Bey dem allen ist doch dies ungluͤckliche Verhaͤltniß zwischen beyden Geschlechtern ein so sonderba- res Phaͤnomen, daß wir es noch nicht fuͤr so ganz ausgemacht und richtig halten koͤnnen, und daß wir lieber jedes Argument, so man uns dagegen beybrin- gen moͤgte, annehmen wollen, wenn es auch mit noch so großen Schwuͤrigkei- ten verknuͤpfet waͤre. Zwar hat keine einzige unsrer Partheyen irgendwo ein entferntes oder abgesondertes Thal gefunden, in welchen sich vielleicht die uͤbri- gen Weiber, waͤhrend unsers Hierseyns verborgen haben koͤnnten; allein wir muͤssen den Leser an die Hoͤhlen erinnern, deren wir oben erwaͤhnt haben, und in den Jahren 1772 bis 1775. wozu uns die Einwohner niemals den Eingang gestatten wollten. Die islaͤndi- 1774. Maͤrz. schen Hoͤhlen sind so geraͤumig, daß einige Tausend Menschen darinn Platz ha- ben; und es ist sehr wahrscheinlich, daß aͤhnliche Hoͤhlen, in einem eben so volcanischen Lande geraͤumig genug seyn koͤnnen, um einige Hundert Menschen zu fassen. Wir sahen zwar nicht ein, warum die Oster-Eylaͤnder auf ihre Wei- ber eifersuͤchtiger seyn sollten, als die Tahitier ; wir wissen aber, wie aus- schweifend und zuͤgellos das Seevolk ist, besonders wenn es uͤber die Indianer eine solche Ueberlegenheit hat, als die Hollaͤnder und Spanier uͤber die Leute auf Oster-Eyland gehabt haben muͤssen. Der staͤrkste Einwurf, den man noch ge- gen diese Hypothese machen koͤnnte, liegt darinn, daß die Anzahl von Kindern, die uns hier zu Gesicht kam, und die man doch eben nicht zu verbergen noͤthig hatte, wenigstens nicht aus dem Grunde, aus dem man etwa die Weiber versteckt haben mogte, eben so gering und unbetraͤchtlich war. Wir muͤssen die Sache unentschieden lassen. Sollte indessen die Anzahl der Weiber wuͤrklich so geringe seyn, als wir sie angegeben haben, so muß sie durch einen ganz außeror- dentlichen Zufall vermindert worden seyn, und davon waͤren die Einwohner allein im Stande gewesen, uns einige Nachricht mitzutheilen; aber bey allen unsern Versuchen und Nachfragen, konnten wir wegen Mangel der Bekannt- schaft mit ihrer Sprache nichts entscheidendes herausbringen. Am folgenden Morgen ward ein Boot ans Land geschickt, um Wasser einzunehmen; und da es grade windstille war, so gieng ein zweytes ab, um un- sern Vorrath von Kartoffeln, durch Handel mit den Einwohnern zu vermehren. Auch einer von den Eingebohrnen gieng in dem geflickten Canot vom Lande ab und zu, um Kartoffeln und Pisangs aus Schiff zu bringen. Ein starker Regen- Guß gab unsern Leuten Gelegenheit, einen guten Vorrath frisches Wasser mit Huͤlfe der Seegel und Decken, aufzufangen. Nachmittags gieng noch ein Boot ans Land; da sich aber gegen Abend, ein Wind erhob, so wurde eine Canone abgefeuert, worauf es sogleich an Bord zuruͤck kam, und hierauf seegelten wir von Nord-West nach Westen ab. Wir hatten geglaubt, daß wir hier einen guten Erfrischungs- und Hand- lungsplatz finden wuͤrden; aber unsre Hoffnung fehl fehl geschlagen. Den einzigen Forster’s Reise um die Welt 1774. Maͤrz. Artikel, der noch von einigem Belang war, machten die suͤßen Kartoffeln, aber nach gleicher und richtiger Vertheilung des ganzen Vorrathes, welchen wir eingekauft, konnte der gemeine Mann nur ein paar kleine Mahlzeiten davon machen. Pisangs, Yams und Zucker-Roͤhre gab es so wenig, daß es kaum des Handels werth war. Die Zahl der Huͤhner, welche wir erhielten, und die noch dazu von sehr kleiner Art waren, belief sich nicht auf funfzig Stuͤck; selbst des hier gefuͤllten Wassers war wenig, geschweige daß es einen schlechten Geschmack hatte. Indessen, so unbetraͤchtlich auch diese Erfrischungen waren, so bekamen wir sie doch zur rechten Zeit, und sie halfen uns wenigstens so viel, daß wir von den staͤrke- ren Scorbut-Angriffen und Gallenkrankheiten so lange verschont blieben, bis wir einen bessern Erfrischungsplatz erreichen konnten. Bey dem erbaͤrmlichen Zustande der Einwohner, ist es noch zu verwundern, daß sie uns so viel von ihren Lebensmitteln, deren Anbau ihnen so sauer und muͤhsam geworden seyn muß, zukommen ließen. Der unfruchtbare harte Boden, die Seltenheit und Abnahme des zahmen Viehes, der Mangel an Reusen und andern Fischer-Ge- raͤthe, muͤssen ihren Lebens-Unterhalt sehr eingeschraͤnkt, muͤhsam und ungewiß machen. Gleichwohl ließen sie sich von der Begierde nach unbekannten Klei- nigkeiten und Merkwuͤrdigkeiten hinreißen, uns einen Theil davon abzulassen, ohne zu bedenken, wie groß und dringend ihr eignes Beduͤrfniß sey. So- wohl hierin, als in unzaͤhligen andern Umstaͤnden, kommen sie mit den Ein- wohnern von Neu-Seeland , Tahiti und den freundschaftlichen Inseln , die glei- chen Ursprungs mit ihnen zu seyn scheinen, sehr nahe uͤberein. Ihre Gesichts- zuͤge sind der Bildung jener Voͤlker so aͤhnlich, daß man den gemeinschaftlichen Character der Nation sogleich daran erkennen kann. Ihre gelbbraune Farbe ist wie die Haut der Neu-Seelaͤnder; ihr Punctiren der Haut; ihre Kleidung von Maulbeer-Rinde; ihre besondre Neigung zur rothen Farbe und Kleidung; die Form und Arbeit ihrer Keulen; die Art wie sie ihre Speisen zubereiten — alles das giebt ihnen mit obbenannten Voͤlkern eine große Aehnlichkeit. Hieher ist noch die Uebereinstimmung ihrer Sprachen zu rechnen. Der Dialekt auf Oster-Ey- land , kommt in vielen Stuͤcken mit dem Neu-Seelaͤndischen, vornemlich in der harten Aussprache und dem Gebrauch der Guttural-Buchstaben, uͤberein. In andrer Absicht hat er auch viel aͤhnliches mit dem Tahitischen Dialect. Auch die in den Jahren 1772 bis 1775. die monarchische Regierungsform macht einen Zug der Aehnlichkeit zwischen den 1774. Maͤrz. Oster-Eylaͤndern und den Einwohnern der Suͤdsee-Inseln , die zwischen den Wendezirkeln liegen, aus. Der ganze Unterschied, der sich zwischen ihnen be- merken laͤßt, liegt lediglich in der mehrern oder mindern Fruchtbarkeit der In- seln und dem groͤßern oder geringern Maaß des Reichthums und der Wollust-Liebe der Einwohner. Oster-Eyland , oder Waihu , wie es in der Landessprache genannt wird, ist so außerordentlich unfruchtbar, daß nicht uͤber zwanzig verschiedne Gattungen von Pflanzen Die Spanier erwaͤhnen weißer Calebassen ( pompions ) unter den Pflanzen der Insel. Uns kamen keine zu Gesicht. S. Dalrymples Letter to Dr. Hawkesworth . darauf wachsen, und diese muͤssen noch dazu groͤß- tentheils auf bearbeiteten Feldern, welche bey weiten den geringsten Theil des sonst wuͤstliegenden Landes ausmachen, ordentlich gebauet werden. Der Bo- den ist durchgehends steinigt und von der Sonne verbrannt. Wasser ist so selten, daß sich die Einwohner mit Brunnenwasser, das noch dazu etwas faul ist, behelfen muͤssen; ja einige unsrer Leute haben so gar gesehen, daß sie, um den Durst zu loͤschen, auch wohl zuweilen Seewasser getrunken. Alle diese Um- staͤnde zusammengenommen, muͤssen natuͤrlicherweise auf die Beschaffenheit ihres Coͤrpers einen besondern Einfluß haben. — Sie sind mager und ihre Muskeln hart und steif. Sie leben sehr schlecht und armselig, gehen fast alle na- ckend, und haben keine Bedeckung als fuͤr den Kopf, weil derselbe von der Hitze am meisten leidet; doch besteht die ganze Bedeckung nur in einer Feder-Muͤtze. Der uͤbrige unbedeckte Theil des Gefichts ist punctirt, oder mit Farben be- schmiert. Ihre Begriffe von Anstaͤndigkeit muͤssen natuͤrlicherweise sehr ver- schieden von den Begriffen gekleideter Voͤlker seyn. Der Reinlichkeit wegen stutzen sie Bart und Haare, so wie solches auch zu Tongatabu geschieht; doch schienen sie dem Aussatz weniger, als jene, unterworfen zu seyn. Man kann sich vorstellen, daß der Koͤnig eines solchen Volks eben keine sonderliche und merkliche Vorzuͤge vor dem Unterthan genießt. Wenigstens bemerkten wir nichts, das etwa dafuͤr haͤtte angesehen werden koͤnnen. Die Religion der Einwoh- ner ist uns ganz unbekannt geblieben, weil dergleichen abstracte Ideen, waͤhrend Forster’s Reise u. d. W. erster Th. L l l Forster’s Reise um die Welt 1774. Maͤrz. eines so kurzen Aufenthalts, als der unsrige war, nicht leicht ausgeforscht wer- den konnten. Die Statuͤen, welche zum Andenken ihrer Koͤnige errichtet sind, haben eine große Aehnlichkeit mit denen hoͤlzernen Figuren, Ti’s genannt, die man auf den Marais oder Begraͤbnissen der Vornehmern zu Tahiti aufge- stellet findet. Wir konnten sie aber nicht fuͤr Goͤtzenbilder halten, wie Roggeweins Leute sie dafuͤr ausgegeben haben. Die Feuer, welche sie als Opferfeuer ansahen, dienten den Einwohnern zur Bereitung ihres Essens; und obgleich die Spanier vermutheten, daß etwas aberglaͤubisches damit ver- bunden seyn koͤnnte, so irrten sie doch vielleicht eben so sehr. Denn der Mangel des Brennholzes setzt die Einwohner in die Nothwendigkeit, sehr spar- sam damit umzugehn, und sich in Acht zu nehmen, daß die Speisen, wenn sie einmal mit geheitzten Steinen in die Erde vergraben sind, nicht zur Unzeit wieder herausgeholt werden. Vom Zeitvertreib der Oster-Eylaͤnder wissen wir nichts zu sagen, weil wir sie niemals bey so etwas angetroffen, auch nie ein musikalisches In- strument bey ihnen gesehen haben. Doch scheint es ihnen nicht ganz daran zu fehlen, weil Maru-wahai , der bey uns am Bord schlief, so viel von Tanzen sprach, sobald wir nur erst seine Besorgniß, wegen der Sicherheit seiner Per- son, gehoben hatten. Kriegerisch sind sie im mindesten nicht gesinnt; denn ihre Zahl ist zu unbetraͤchtlich und ihre Armuth zu allgemein, als daß etwa innerliche Unruhen unter ihnen entstehen koͤnnten. Eben so unwahrscheiulich ist es, daß sie in auslaͤndische Kriegen verwickelt werden koͤnnten, weil man bis jetzt noch von keiner Insel weiß, die ihnen dazu nahe genug waͤre, oder mit der sie sonst einiges Verkehr haben koͤnnten. Wenigstens konnten wir hieruͤber von den Einwohnern keine belehrende Nachricht einzie- hen. Etwas sonderbares ist es indessen, daß sie dem ohnerachtet mit ver- schiedenen Arten von Gewehr, das dem Neu-Seelaͤndischen gleicht, verse- hen sind; — Wir wissen aber hieruͤber eben so wenig, als uͤber manches andre, Aufklaͤrung zu geben. Wenn wir, wie wir uns schon oben daruͤber geaͤußert haben, voraus- setzen, daß Oster-Eyland etwa ehemals das Ungluͤck gehabt, durch volcani- sches Feuer zerstoͤrt zu werden, so sind die Einwohner weit mehr zu bedau- in den Jahren 1772 bis 1775. ern, als jedes weniger civilisirte Volk. Denn in diesem Fall, muͤssen sie 1774. Maͤrz. von vielen Vortheilen und Annehmlichkeiten des Lebens, die sie vorzeiten gehabt haben, wissen, und das Andenken davon, und ihr jetziger Mangel, muͤssen ihnen dann sehr bitter seyn. Maheine bejammerte ihre Armselig- keit sehr oft, und er schien mit ihnen mehr Mitleid zu haben, als mit den Neu-Seelaͤndern, weil sie auch wuͤrklich armseliger sind, und in manchen Stuͤcken weit groͤßern Mangel leiden, als jene. Er that deshalb zu dem Buͤn- del seines Journals ein zweytes Stoͤckchen, und erinnerte sich Oster-Eylands immer mit der Bemerkung: T à ta ma i ta ï whennua ino , d. i. das Volk sey gut, aber die Insel sehr elend. Zu Neu-Seeland stunden ihm die Ein- wohner weniger an, als das Land selbst. Sein Gefuͤhl blieb immer das Gefuͤhl eines warmen Herzens, das durch Erziehung mit aufrichtiger Menschen- Liebe erfuͤllt war; auch wars gemeiniglich richtig, weil er unverdorben und scharfsinnig, und sein Verstand zwar ungebauet, aber doch von vielen Vor- urtheilen frey war. Ende des ersten Bandes.